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Full text of "Zeitschrift für Medizinal-beamte 23.1910"

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Br. Felge 

Erließ?** 

Äenbuig W.-Pr. 


MEDIZIN AL-BEAMTE 


Züntfaiatt für das gssamte fissinullieitswaseR, 

S^rtchtiiehe Medizin, Psychiatrie und irren wesen 


8&h. Med.-Rat. Prof. Dr. Otto Rapmünd 

R«g.* u»«i Ä}e<ii»it>Al»at in üindso. 


dal? Oouijohan, Preiissisoiten, Bayerischen, Säohsisohen, 
Buchen. Mecklenhurgisühen und Eissss - Loihringischdn 
^ödizioiilbeamiön * Vereins. 


BüOHHANDLtJNö, 















> 110 ^ 


Inhalt. 


X Original •Mitteilungen. 

L Gwrtaktliohe Medizin. gerichtliche Psychiatrie and 

Sachverständlgen-TÄtlgkelt. Beite. 

T&dliche Vergiftung mit Essigessenz. Dr. Rome ick. 9 

Rentennblehnung nach Kopfverletzung. Dr. Tbomalia.109 

Die Tätigkeit den Gerichtsarztes. Dr. Kef er stein.189 

Obduktionen im OnfallrentenTerfehren. Dr. Llebetrau.809 

Qerichuärstllche Bedeutung der Eklampsie. Dr. Marmetschke. . . 846 

Todesfall infolge Ton Schröpfen. Dr. Israel.886 

Befähigung aur Führung eines Kraftfahrzeuges. Dr. Rogowski . . 888 

Möglichkeit des Schreiens bei Lungen Verletzungen.- Dr. Loewy und 

Dr. Fraenckel.466 

Ted durch Kopfverletzung oder Schall Ins üers. Dr. Thomaiia . . 470 

Frachtabtretbung. Tod durch Luftembolie. Dr. WelAenrieder . . 686 

Die forensische Bedeutung der Fleischvergiftungen. Dr. Berg . . . 646 

Beitrag nur Psychologie des Familienmordes. Dr. Llebetrau . . . 626 

Sehvermögen des Fahrers eines Kraftfahrzeuges. Dr. Jung .... 706 

Geriehtaämliche Begutachtung von Wohnungen. Dr. Barg er . . . 712 

Serologische Feststellung der Syphilis. Dr. Kürbitn.746 

Begutachtachtung von Funktionsstörungen der unteren Extremitäten 

mit Hilfe von Fuflabdrttcken. Dr. Knrpjuwelt.766 

Die Lebcnndnuer der Erhängten. Dr. Gumpreeht.786 


B. Hygiene and öffentllohes Sanltltswesen. 

Zahnuntersuchungen im Kreise Lotzen. Dr. Zelle. 1 

Bekämpfung des Trachoms im Reg.*Bes. Allenstein. Dr. Hilbert 41 
Ursmcnea and Verhütung des Kind bet ifiebers. Dr. Z Wecker .... 44 

Pnrntyphus und Rechtspflege. Dr. Liebetrnu. 47 

Mngendnrmstörungen nach Genuß Pnrntyphus B- haltiger Nahrungs¬ 
mittel. Dr. Zimmermann . 77 

Schulkinder - Untersuchungen auf dem Lande. Dr. Dohm. 88 

Ammoniak - Entwickelung ohne Apparat. Dr. Hilgermanu .... 87 

Das Gebabrengesets för die preuö. Medizinalbeamten Dr. Barnim 

8cbnlse .111 

Frühdiagnose der Lungentuberkulose a. serologischem Wege. Dr. R o e p k e 149 

Qceets betr. die Reisekosten der Staatsbeamten. R p d.158 

Akute spinale Kinderlähmung. Dr. Meyer .199 

Die Reform der inneren Verwaltung in Preufien usw. Dr. Boerschmann 229 
Zinksalbe dem freien Verkehr nicht überlassen. Dr. Engels. . . . 246 

TyphusbaslUea im 8ekret eines Decubitus. Dr. Stein .269 

Swhea Milsbrandfälle. Dr. Vollmer.271 

Tätigkeit des Kreisasaisteuarstes auf dem Land«. Dr. Abramowski 276 





















IV 


Inhalt. 


Zar Tablettenfrage. Dr. Hagem ann. 

Beratung des preaß. Abgeordnetenhauses über den Mediainaletat. 

Bekämpfung der Lungentuberkulose. Dr. Pilf. 

Cholerafälle im Kreise Heydekrug während des Jahres 1909. Dr. De< 
Bleivergiftung durch irdenes Topfgeschirr. Dr. Wen gl er. . . 
Landwirtschaft und Kindersterblichkeit. Dr. Graßl . . . . 

Oenickstarrefolgen. Dr. Coester. 

Die neueste Behandlung der Syphilis u. ihre Bedeutung für die 

liehe Gesundheitspflege. Dr. Alt. 

Ueber Pemphigus neonatorum. Dr. Mulert. 

Ueber die Vierte Krankheit. Dr. Tietae. 

Setzen von Schröpfköpfen durch Hebammen. Dr. Köstlin 
Erwiderung auf den vorstehenden Aufsatz. Dr. Israel. . . 

Die Vierte Krankheit. Dr. Bremme. 

Ueber Paradysenterie. Dr. Schwartz. 

Zur Desinfektionsfrage. Dr. Coester. 

Frühdiagnose der Lungentuberkulose auf serologischem Wege 

Frftnkel und Dr. Bierotte. 

Frühdiagnose der Lungentuberkulose auf serologischem Wege 

Boepke und Dr. Sturm. 

Zur Schularztfrage auf dem Lande. Dr. Schütz. 

Umänderung unhygienischer Schulbänke. Dr. Ho che . . . 

Wie leicht sich Pocken ausbreiten. Dr. Kramer. 

Ueber Ortsbesichtigungen. Dr. Jäckel. 

Bleihaltige Glasuren. Dr. Wengler . . . . . . . . 

Anforderungen an kleine Krankenhäusor in ländlichen Bezirken. Dr. ] 

Ueber biologische Kläranlagen. Dr. Hecker. 

Desinfektion von Abwässern. Oberbaurat Braun. 

Das Gesetz gegen Mißstände im Heilgewerbe. Bpd. 


Q. Kleinere Mitteilungen und Refera 
Zeitschriften u. 8. w. 1 ) 

A. Oerlohtllobe Medizin. 

Fixierung mikroskopischer Präparate. Dr. Arndt (Waibel) 
Struktur der Erythrosyten. Dr. Lar aß (Hillen berg) . . . . 
Veränderungen der Speicheldrüsen bei Quecksilbervergiftung. ] 

Eichhorst (Bpd.)... 

Experimentelle Bleivergiftung. Goadby und Goobocly (Bei 
Stichverletzungen der Leber. Dr. N ehr körn (Bpd.) . . . . 

Exhumierung nach 600 Jahren. Boyd (Bevenstorf) • . . . 

Daktyloskopie und Vererbuog (Speier).. 

Chloralhydrat zu pathologisch-anatomischen und lokaltherapc 

Zwecken. Prof. Dr. Heller (Waibul).. 

Vergiftung dnreh Gemüsekonserven. Dr. Gutekunst (Hillenl 

Ueber Chinintod. Dr. Baermann (Waibel). 

Kombinierter Selbstmord durch Kopfhiebe, Erwürgen und K 

Dr. M6rrem (Fraenkel). 

Hämatose durch Läsion der Hasenscheidewand. Dr. Rücker 
Die Mikroskopie von Blutspuren im reflektierten Lichte. Dr. I 

(Troeger). 

Abdrücke von Gewebsstoffen auf Bleigeschossen, de Domini 

venstorf)... 

Die postmortale Temperatarsteigerung. Laignel-Lnymatin 
Postmortale Urünfärbung des Abdomens. Martin n. Laforgu 
Piötslicbe Todesfälle im kalten Bade. Neubaus (Bevenstorf 
Kindbettfiebererkrankungen im Beg.-Bez. Allenstein. Dr. 8ol 
Desinfektion mit Formalin-Kaliumpermanganat. Dr. Kirnte 

*) Die Namen der Beferenten sind in Klammem beigeft 


























Inhalt. 


V 

Stlte. 


Gelbnucht nach Chloroform• Narkoee. Chevrier, Bernard tu Sorrel 

(Mayer). 

Wo rotoa BlutkOrper eben nach Chloroform - Narkose. Dieselben (Mayer) 
Der splte Tod nach Chloroform «Narkose. Aubertin (Mayer) . . . 

Nikotinaasschlag. Prof. Dr. Naecke (Waibel). 

Hautreizende Wirkung von Ep hon. Prof. Dr. Zinsser (Waibel) . . 
Wsichteil Verletzungen vorzeitig Geborener. Dr. Lesser (Frnenckel) . 
Methoden des kriminellen Abortes. Dr. Bürger (Antoref.) .... 

Dekor Frachtabtreibangen. Prof. Dr. t. Winckel (Wolf). 

Frachtabtreibung mit Asarnm earopaeam. Dr. ▼. Sury (Waibel) . . 

Beseitige Choanalatresie. Dr. Binswanger (Waibel). 

Begatacbtang von Wohnungen. Jan nasch (Mohrmann). 

Schwefelwasserstoff Vergiftung. Magnanlmi (Beyenstorf). 

Trionalvergiftuag. Mackintosh (Beyenstorf). 

Chloniakyergiftang. Dr. Matzdorf (Fraenckel). 

Erbliadnng nach Holzgeistvergiftung. Dr. Natanson (Liebetran) . . 
Verletzung der Schädelbasis and des Gehirns. Dr. Longard (Frnenckel) 

Bilharxia haematobia in Mamien. Baffer (Beyenstorf). 

Gefahren des Schamponierens. Veley (Beyenstorf). 

FsaerbestaUong yom gerichtaärztl. Standpunkt. Dr. S t a r k (Wendenbarg) 
Ldchensera u. wassermannsche Syphilisreaktion. Krefting (Beyenstorf) 
Würdigung der Bißrerletsungen. Dr. Marz u. Dr. Pfleger (Wendenbarg) 

Experimentelle Amyloidbildang. Bayenna (Beyenstorf). 

Sohädigung yoa Leber and Nieren nach Inhalation yon Aether. Ba- 

thery and Saison (Mayer). 

Mauere Ergebnisse aal dem Gebiete der gerichtl. Medizin. Dr. Frnenckel 

(Liebetrau) . 

Geheimnispflicht des Arztes. Prof. Kihler (Wendenborg). 

Blatunte rauchungen an Vergifteten. Bica-Barberis (Beyenstorf) . 
Kali chloricom* Vergiftung. Blntbefonde. Dr. Lange (Bpd.jan.) . . 
BUtantersuchang bei Bleivergiftung. Dr. Schmidt (Liebetran). . . 
Ehfluß der Fialnis auf Zerstörung des Zyankallams. Dr. Horn (Beyenstorf) 
In Arsenleichen keine gasförmigen Arsenyerbindangen. Marshai und 

Byan (Beyenstorf). 

Arseavergtftnng durch arsenhaltiges Konfekt. Hatschinson (Mayer) 
Amayergiftnng durch Tapeten und MObel. Zeegers (Beyenstorf) 

PQokarp in Intoxikation. Prof. Dr. Elschnig (Bpd. jun.). 

Biomo Vergiftung durch Datura. Boy 6 (Beyenstorf). 

Sperma in der Leichenurethra. Dr. Dervieux (Fraenckel) .... 
Nachweis der Samenfiden auf Wäsche u. Holz. Dr. Der vieux (Fraenckel)) 
BlatbeschOffenheit beim Erstickangstode. Dr. de Craene (Fraenckel) 

Bafluft des Vagus bei Erstickung. Galante (Beyenstorf). 

Baach vergiften g bei Feaerwebrleaten. Dr. Coalland (Fraenckel). . 

Vem Erbiagungstode. Dr. de Dominicls (Liebetran). 

Ueber Wasserleichen. Crookshank (Beyenstorf). 

Plötzlicher Tod bei Epileptischen. Manson (Beyenstorf). 

Oie Dodmania suprareaalis bei der Diagnose des Todes. Dr. Cevidalli 

und Dr. Leon eini (Solbrig). 

Veriaderong dos Glykogengehalts der Mnskela duroh Fäulnis. Prof. 

Dr. Ottoleaghi (Beyenstorf). 

Gefrierponktsbestimmungen des Leichenmuskels. Mazzolini (Beyenstorf) 
Gefrierpunkt der Leber in Beziehung zur Todesursache. Serratrice 

(Beyenstorf). 

Arssagehalt der Leber bei Vergiftungen. Garnier (Mayer) . . . . 
UagewObalicher Fall yoa Arsenyergiftuag. W ebb Aadersoa (Beyenstorf) 

Araemikrergiftnng. Schmidt-Nielsen (Beyenstorf). 

Hatriumarseaat, Diarrhoen n. Eiweiß im Urin. Manrel n. Ar n and (Mayer) 
MebeaWirkungen des Arsaseties; Nierenreizungen. Borchers (Waibel) 

Atoxylvergiftang. Dr. KOster (Bpd. jan.). 

Leukodiagnoetik (Morphin und Heroin). Aehard u. Bernard (Mayer) 
Leukoreaktioaeaauf Skopolamin u. Atropin. Aehard n. Francois (Mayer) 
Tergiftongea mit Sublimat in Deutschland 1897—1905. Dr. Franz 
(Ztauaermann). 


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VI 


Inhalt. 


IO». 


PlOtzlloher Tod infolge ahnt er Pankreasnekrose. Shaw (Rebenstorf). 404 

PathologischeRückbildungderThymus. Tixieru.Mlle.Feldser(Mayer) 404 
Der Mekoniuropfrcpf and aeine Bedeutung. Dr. Mardner (Rpd.jun.). 406 
Angeborenes Fehlen Lider Ourmuscbeln. Prof. Orndenigo (8olbrig) 406 

Blatnncbwels darch Benzidin. Dr. Walter (Llebetran).489 

Nachweis von Kohlenoxyd im Blot de Dominlcis (Rebenstorf) . . 489 

Leuchtgasbergiftung einer Hochschwangeren. Tissier (Rebenstorf) . 489 

Tüiosinaminbergiftnng. Dr. Hayn (Waibel).440 

Zar Wi8matbergiftang. Marre u. Taillandier (Mayer) .... 440 

Schwanken gen der Oiftwirkang and der haemolytlschen Kraft der 

Saponine. Cheballier u. Oiroax (Mayer) . ..441 

Phosphorbergiftnng. Hann and Venle (Rebenstorf).441 

Der Lastmord, insbesondere an Kindern. Dr. W alter (Wendenbnrg). 442 

Selbstmord darch Erhängen. Prof. Patoir u. Leclercq (Rebenstorf) 442 
Verstümmelungen der Aagen zam Zwecke der Militärdienstentzieh mg. 

Dr. Qttnther (Waibel).442 

Gonorrhoe and Sachverst&ndigenkelt. Dr. Ledermann (Troeger) . 448 

Toxische Wirkung der Brabonter Myrte. Cbeballer (Mayer) ... 486 

Ausscheidung der Oxalsäure durch den M»ger. Löpor, BOchamp 

u. Bin et (Mayer).„ 486 

Giftwirknng der Bleisalze aof die Nerbenzentren. Camus (Mayer). . 486 

Thrombokinase als Haemoetaticnm. Batelli (Mayer).486 

Deatnng bon Todesfällen mit geringem 8ektionsbefand. Prof. Dr. Lochte 

(Fraenckel).622 

Der Erstickangsborgang beim spinalen Tier. Kaya und Starling 

(Rebenstorf).622 

Lebenserhaltang Verschütteter. Silberstern (Rebenstorf) .... 622 

Stichberletzangen des Gehirns. Dr. Schloß (Knrpjaweit).622 

Verblatnng aas der Aorta in die Speiseröhre. Turner (Rebenstorf) . 628 
Kritik der sog. Pilsbergiftnngen. Dr. K fl neu (Rump) ...... 628 

Gesundheitsstörungen durch Essigessenz. Dr. Frans (Rnmp). . . . 624 

Eine gebeilte Soblimatbergiftung. De Rechter (Fraenrkel) .... 664 

Gewerbliche Arsmwassorstoffvergiftnng. Dr. Hoff er (Rpd. Jan.) . . 666 


Auftreten kernhaltiger Blutkörperchen bei Vergiftung durch Schlangen* 

gift. Argand und Billard (Mayer).666 

Tod infolge Aspiration bon Wismutemalsion. Desternes (Rebenstorf) 666 
Giftwirknng der Bismatpräparate. 8cbamm u. Lorey (Bebenstorf) . 666 

Vergiftung durch Wismutpasten. Reich (Rebenstorf).666 

Vergiftung mit Kaliumpermanganat. Rubin and Dorn er (Rebenstorf) 666 
Vergiftung mit Toluylendiamin. Gilbert und Chabrol (Mayer) . . 666 
Zersetzung des Chloroforms im Organismus. Nicloux (Mayer) . . . 667 
Schwangerschaft bei unverletztem Hymen. Walter (Rebenstorf) . . 667 

Serodiagnnstik der Schwangerschaft. Fieux und Mauriac (Mayer) . 667 

Eobter Hermaphrodltismns. Dr. Uffreduzsi (Solbrig). 668 

Erfahrungen aus der gerichtlichen Chemie. Prof. Ludwig (Knrpjaweit) 686 
Nachweis bon Kohlenoxydhaemoglobin. Dr. de Domin icis (Fraenckel) 686 
Zwei Hälle bon Kohlenoxydberglftung. Hall (Rebenstorf). .... 686 

Absorption von Inbalatiorsgiften in den Knochen. Dr.de Dominiele 

(Rebenstorf). 687 

Vergiftung dorch DynamJtgase. Böckmann (Rebenstorf). 687 

Veränderungen der Nieren bei Karbolsänrebergiftung. Dr. Uy eno (Merkel) 687 
Der Fall Beckert. Prof. Dr. Westenhoeffer (Fraenckel) .... 687 

Selbstmord darch Erschießen mit abnormer Einschußöffnung. Dr. Rch- 

borg (Fraenckel). 689 

Unterscheidung bon Mord und Selbstmord. Corin u. Gilbert (Fraenckel) 688 
Mord und Selbstmord. Ermittelung der Todesstunde. Moreno und 

Arenyas (Rebenstorf). 64C 

Tetanus infolge bon kriminellen Abortus. Dr. Metall (b. Lei iw») 64< 

Hypogastrodidymie. Dr. Neufeld (b. Leliwa). 64j 

Eine neue Spermareaktion. Dr. de Domini ein (Mayer). 68 

Wassermannscbe Sypbilisresktion an der Leiche. Löh lein (Rebenstorf) 68 

Ermittelung der Todesstunde. Corin (Rebenstorf). 68 

Giftwirkung des menschlichen Blutserums auf Tiere. Cawadias (Mayer) 6£ 





















Inhalt. 


vn 

MM. 

Vergiftung alt Jodtinktur. Lande u. Muraret (Revenstori) .. . . 686 

Unterscheidung Titaler u. postmortaler Verletzungen. Cor in (Revenstorll 686 
Selbstmordversuch durch Bauchaufschlitzung. Dr. Priester (Kurpjuweit) 687 

Diagiose des Todes daroh Ertrinken. Corin (Revenstoif).687 

Ueher Fruchtabtreibung. Dr. Hirsch (Wolf).687 

Magendarmprobe. Dr. Dogge (Revenstori).768 

Tod durch abnormen W&rmeverlngt. Rouque o. Garin (Revenstori) 764 
Wismntintoxikation, nach durch Bi-Salbe. Dr. Windrath (Rpd. jun.) 764 
Umsetsang des Zyankaliums in toten u. lebenden Organen. Dr. Hagen 

(Revenstori).764 

Fixierung der itherischen Oele an das Nervensystem. Guillain und 

Laroche (Mayer). 766 

Primtre Streptokokken. Peritonitis und unvorhergesehener Tod. Dr. 

Cevidalli u. Dr. Leoncini (Solbrig).766 

EteschußOffnung von Schrotschüssen. Lande (Revenstori).766 

Bemerkenswerte Schußverletsung. Dartigues (Revenstori) .... 766 

Der kervorgeruiene Abort und die ihn begünstigenden Bedingungen. 

Dt. Montanarie (8olbrig).766 

Schwangerschaft bei unverletstem Hymen. Spire (Revenstori) . . . 766 

Eine aeae Spermareaktion, de Domniois (Revenstori).766 

Himatoporpnyrin im Meconium. Borrien (Mayer).767 

Gericbishrsiliche Betrachtungen über die menschlichen Knochen. Prof. 

Tlrelli (8olbrig).767 

Beiorm der gerichtl.-medizinischenSachverst&ndigentitigkeit in Belgien. 

Corin (Bevenstorl).767 

finflofl des Bodens auf die Ftulnis. Lecleroq (Mayer). 800 

Bromithyl-n. Bromkihylen-Vergiftung. Dr. Marmetschke (Fraenckel) 801 
Geriehtsirstliche Bedeutung des Verblutungstodes. Dr. v. S u r y (Fraenckel) 802 
Bmaerkoagen su der vorstehenden Arbeit des Dr. v. Sury. Dr. Marx 

(Fraenckel). 802 

Kasuistik der Hersverletzungen. Dr. Thomas (Fraenckel).808 

Ekehytnoeea beim Neugeborenen und beim FOtus. Dr. F a b e r (Fraenckel) 808 

Vom Erktagungstode. Krug (Fraenckel).808 

Praxis der künstlichen Atmung bei scheinbarem Atmungs- u. Herztod. 

Gaillos (Mayer).804 

flympathiekaren. Dr. jur. Hellwig (Fraenckel).804 

Himatolog. Untersuchungen bei Kohlenoxyd Vergiftung. R o t b (Revenstori) 886 
Todesftlle infolge Kohlenoxydvergiftung. Dr. Kominik (HOsch) . . 886 

Kohlenoxydvergiftung. Wilson (Revenstori).886 

Thiosfnaminvergiftung. Prof. Dr. KO 11 icker (Waibel).886 

Tod durch elektrischen Strom. Dr. Tovo (Solbrig).886 

Luftblasen im Hersen nach Eindringen von Luft in die Venen. Dr. 

Lattes (8olbrig).887 

PBteUche Todesfälle bei Kindern. Dr. Jahn (HOsch).888 

Veskaaote Schwangerschaft Dr. Bagnit (Revenstori).888 


B. Qerlohtllohe Psychiatrie. 

Die nervOnen und psychischen Störungen bei Arteriosklerose. Prof. Dr. 

Cramer (Rpd. jun.). 18 

Zar Theorie der Affekte. Prof. Dr. Gramer (Rpd. jun.). 19 

TMüttik der forensischen Psychiatrie in der Armee. Dr. MOnke- 

m011 er (Fraenckel). 

Zusammenhang der Idiotie und Syphilis. Dr. Lippmann (Waibel) . 19 

Irrenanstalten und Irrenbehandlnng. Prol. Dr. Cramer (Rpd. jan.) . 20 

Pathologische Histologie des Delerinm tremens. Dr. Allere (TObben) 64 
Bestehungen der vasomotorischen Neurose su lunktionellen Psychosen. 

Rosenfeld (TObben). 66 

Meningitis als aetiologisches Moment bei Psychosen. Dr. Becker (TObben) 66 

Zwaagweise Eifersucht. Prof. v. Blecht er ew (TObben). 66 

Zur Frage des degeneratlven Irreseins. Dr. Luther (TObben) ... 66 

Hypergeusia senilis. Dr. Becker (TObben). 66 

Behandlung der unruhigen Geisteskranken. Prol. Dr, Wo 111 (TObben) 66 

































vm 


Inhalt 


Bdiudlmg derprogressiven Paralyse. Frei Dr. Wafaer v. Jauregg 

(Korpjuwelt). 

Die aeoea Ideen über die Pathogenese der Hysterie. Boaeoriai (Solbrig) 
Zar psycbologischeo Differentialdiagnoee der Epilepsiefonnea. Dr. Bit* 

tershans (Többea). 

Dipsomaaie and psychische Epilepsie. Dr. Börner (Well). 

Fall tob psychischer Epilepsie. Dr. Tarolla (8olbrig). 

Polymastie bei eiaem Epileptiker. Dr. de Albertis (Solbrig) . . . 
Imbeziliitit vom kiiaischea omd forensischen Standpunkt. Prof. Dr. 

Sommer (Többen)... 

Assoziationen von Imbezillen and ihre diagnostische Verwertbarkeit. 

Nathan (Wolf). 

Ueber Enuresis. Dr. Mattansehek (Kurpjuweit). 

Erziehung zur Arbeit als Aufgabe der Anstalten für Geistesschwache. 

Direktor Schwenk (Wolf). 

Jahresbericht der Psychiatrischen Klinik in München (Ernst) .... 
Die Wahrheit über die Irrenanstalten. Dr. Lomer (Ernst) .... 

Klinische Stellung der Paranoia. Dr. Wilmans (Többen). 

Chorea minor mit Psychose. Dr. Bunge (Többen). 

Zur Bückbildung der sensorischen Aphasie. Dr Heilbronner (Többen) 
Die Imbezillität vom klinischen und forensischen Standpunkt Prot Dr. 

Weygandt (Liebetrau). 

Erkennung des jugendlichen Schwachsinns. Major (Wolf). 

Katnmneatische Erhebungen über begutachtete Untersuchungsgefaagene. 

Dr. 8chott (Többen). 

Forensische Beurteilung Marineangehöriger. Dr. Möakemöller (Többen) 
Lebensscbicksale geisteskranker Strafgefangener. Dr. Hamburger 

(Többen)... 

Ueber Wortblindheit Dr. Plate (Solbrig). 

Einfluß der doppelbödigen Ausbildung auf das Gehirn. Dr. Frlnkel 

(Solbrig)... 

Hypomanie und Querulantenwahn. Dr. John (Fraenckel). 

Strafanzeigen psychisch abnormer Personen. Dr. W a 11 n e r (Wendeaburg) 
Beurteilung perverser Geschlechtstriebe. Dr. Grif (Wendeaburg) . . 
Tuberkulinbehandlnng der Paralytiker. Prof. Dr. Pilcs (Hoppe) . . 
Ueber chronisch •manische Zustlnde. Dr. Nitsche (Többen) . . . . 
Periodische Indikanurie beim manisch - depressiven Irresein. Dr. Tau* 

bert (Bpd. jun.). 

Entartung und Entartungsirresela. Dr. Voß (Liebetrau). 

Dementia praecox auf dem Boden der Imbesillitit Dr. Plaskuda(Többea) 
Ermittelungen beim Jugendgerichts* und Fürsorgeverfahrea. Dr. Cimbal 

(Bpd. jun.). 

Zwangszustinde, ihre psychischen Wurzeln und ihre Heilung. Dr. 

Steckei (Bpd. jun.). 

Hypomanie und Qaerulaatenwahn. Dr. John (Hillenberg). 

Der Mongolismus. Dr. Frey (v. Leliwa). 

Porenzephalie Dr. Scharling (Wolf). 

Jugendliche Lügnerinnen. Prof. Dr. Vogt (Wolf). 

Moralischer Schwachsinn im Kindeealter. Prof. Dr. 8toeltzner (Bpd.iua) 
Pathologische Anatomie der Dementia praecox. Dr. Zingerle (Többen) 

Atypische Paralysen. Pr. Dr. N ickejTöbben). 

Epileptische Bewußtseinsstörungen mit Wandertrieb. Dr. Glas (Waibel) 

Zur Wahnbildung im Senium. Dr. Döblin (Többen). 

Herzkrankheit und Psychose. Dr. Saathoff (Waibel). 

Beziehungen psychischer Störungen zu Magenkrankheiten. W. Plönis 

(Többen) . 

Geistesstörung bei Leprakranken. Dr. Moreira (Többen). 

Diagnostische Schwierigkeiten in der Psychiatrie. Dr. Alzheimer (Többen) 
Eiweisreaktion im Blute Geisteskranker. Dr. Geißler (Waibel) . . 
Hemmungsreaktion im Blute Geisteskranker. Dr. Geißler (Liebetrau) 

Die Zwischenstufen «Theorie. Dr. Hirsch feld (Wolf). 

Psychose nach Fleischvergiftung. Dr. Baether (L'ebetrau) . . . . 
Glykosurie der AlkoholdeUranten. Dr. Arendt (Többen). 


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tOfeOM CO tO 10 tO IO CO ro CO to to feOtO hOlOhOMiau 



































Inhalt. 


Seit«. 


Eriminalitlt der Jaden. Dr. de Boos (Gerlaeh).489 

Unterbringung geisteskranker Verbrecher. Dr. 8tengel (Gerl&ch). . 489 

Fomiliespflege in Lelpsig. Dr. Heimat Müller (Többen).490 

Blutuntersachangen bei Dementis prlcoz. Dr. Heile mann (Többen) 068 

Ntreolepsie. Pritres and Brandeis (Mayer).608 

Symptomatologie der Hysterie. Dr. Goldbladt (Waibei).668 

Behandlung der Paralyse mit Nakleinsiare - Injektionen. Prof. Dr. 

Donath (Többen).669 

Ueber Aphasie. Dr. Goldstein (Bpd. jan.).669 

Ueber eine Titowierang. Giani (8olbrig).670 

Bemerkungen sam Vorentwarf des Strafgesetabachs. Dr. Jalias* 

b a r g e r (Többen).*. 670 

Zytologiache Untersaehang des Liq. cerebrospinalis. Dr. Kafka (Többen) 641 
Arteriosklerose des Gehirns. Prof. Dr. Pilcs (Karpjaweit) .... 641 

Katatonische Zastlnde bei Degenerierten. Dr. Kätner (Többen) . . 642 

Pathologische Baaschsast&nde. Richter (Schenk).642 

▲lkoholfaalloiinose im Kindesalter. Dr. Bittershaas (Wolf) . . . 648 

Periodische Psychosen, ihr Aasgang a. 8ektionsbefand. Dr. Taabert 

(Többen).724 

Prognose der Katatonie. Prof. Dr. Baecke (Többen).724 

Epileptoide and delirsnte ZastSnde bei Morphium- n. Isopralmifibraach. 

Dr. Moerchen (Többen).726 

Papillenanomalien bei Alkoholisten. Margalies (Többen) .... 725 

Prognose der Moral insanity. Dr. Pachantoni (Többen).725 

Verbrecherische Eitelkeit. Bosetti (Solbrig).726 

Katamnestische Erhebungen über Untersachangsgefongene. 8chott 

(Többen).726 

Zar Frage der Alkoholpsychose. Dr. Stöcker (Schenk).727 

Trunksucht and Trunkenheit im Vorentwarf sam Strafgesetsbach. Dr. 

Stier (Többen).727 

Die neue Strafrechtsschale. Lombroso (Solbrig). 728 

Anstnhsbehandlang der beginnenden Paralyse. Dr. v. Barth*Wehren- 

alp (Bpd. jan.).804 

Behandlung der Homosexaalitit. Prof. Dr. Nicke (Wolf).805 

Ehe psychische Epidemie unter Aerzten. Prof. Dr. Hoche (Bpd. jan) 805 

Pathologische Anatomie der Korsakowschen Psychose. Dr. T h o m a (Többen) 888 
Anatomie and Aetiologie der Dementia praecox. Dr. Bickel (Többen) 888 

Die Recklinghausens che Krankheit. Dr. Maas (Többen).889 

Zar Paranoiafrsge. Dr. Weygand (Többen).869 

Paranoia ncata hallacinatoria and Amentin. Dr. Br es owsky (Többen) 889 
Beziehung zwischen manischen and melancholischen Zastlnden. t. Bech¬ 
terew (Többen).889 

Eine psychische Epidemie unter Aerzten. Prof Dr. Ho che (Többen) . 890 

Untersuchungen in anthropologisch-forensischer Beziehung nach der 

deskriptiren segnaletischen Methode. Dr. Fanaloli (Solbrig) . . 890 

Bevenive Anomalie der Hand. Prof. Dr. Vilches y Gomez (Solbrig) 891 


O. flaohventladlgen* Tätigkeit ln Unfall* and Invalldltätssaohen. 

I. Gutachten und Referate. 1 ) 

Krankheiten des Zentralnervensystems noch Tranma. Prof. Dr. Schnitze 

(Bpd. jan.). 21 

Tabes dorsalis and Syryngomyelie traumatischen Ursprungs. Dr. Nonne 

(Troeger). 21 

Verletzung der Venn subclavia bei Einrichtung einer Klavikularfraktor. 

Dr. Frank (Waibei). 22 

Pseadoödem der Ablader. Dr. Bianchini (Solbrig). 22 

Krankheiten des Zentralnervensystems nach Trauma. Prof. Dr. Schulze 

(Karpjaweit).131 

Periodmeher Wandertrieb nach Kopf Verletzung. Prof. Dr. Zingerle 

(Thomalla) . ..132 


l ) Die Nom» der Referenten sind in Klammern beigefügt. 
































X 


Inhalt 


Traumatische Tabes. Dr. Koemert (Thomalla). 

Lungentuberkulose infolge Quetschungen. Dr. Ay»la (Solbiig) . . . 

Traumatische Lungentuberkulose. Dr. Car dos (Solbrig). 

Dupuytren’sche Krankheit durch Trauma. Dr. Canestro (8olbrig) . 

Hautkarsinom nach Trauma. Dr. Heu rieh (Waibel). 

Wichtigkeit de« ersten festlichen Zeugnisses bei Unfällen. Dr. Am ante 

(Solbrig). 

Heilverfahren in der Invaliden-Versicherung. Dr.Begemann(Hoffmann) 
Multiple 8klerose und Unfall. Prof. Dr. Cramer (Rpd. jun.) . . . 

Dementia psralytica und Unfall. Dr. Oer lach (Töoben). 

Unterleibsbrüche als Betriebsunfälle. Dr. Pletrsikowski (Bpd. jun.) 

Trauma und Geisteskrankheiten. Dr. Weyert (Troeger). 

Hers und Trauma und Lunge und Trauma. Dr. Stursberg (Troeger) 
Ruptura cordis nach Brustquetschung. Prof. Dr. Orth (Rpd. jun.). . 

Traumatische Herserkrankungen. Dr. Osten (Waibel). 

Nierensteine als Folge einer Dammverletsung. Dr. Schönfeld (Troeger) 
Vibration des Körpers mittels Vibrationsstuhles. Dr. Sehnde (Autoref.) 
Kampf um die Rente und Selbstmord in der Rechtsprechung. Dr. 

oehultse (Többen). 

Verhebungsbruch am 6. Lendenwirbel Dr. Delorme (Waibel) . . . 

Die traumatischen Neurosen. Dr. Pini (Solbrig). 

Traumatischer Enophthalmus. Prot van Duyse (Solbrig). 

Traumatische Hersrupturen. Nicolas (Revenstotf). 

Zerreißung eines Aortenaneurysma durch Unfall Dr. Cecchetelli 

(Solbrig). 

Traumatische Stenose der Harnröhre. Dr. Giordano (Solbrig) . . . 
Prftsumtive Enuresis durch Unfall. Prof. Pisenti (Solbrig) .... 

Luxatio voluntaria der Höfte. Dr. Noccioli (Solbrig). 

Meßinstrument für Extremitäten. Dr. Pull mann (Waibel) .... 
Encephalitis nach Trauma. Dr. Hammerschmidt (Thomalla). . . 
Unfallverletsungeu des Auges. Prof. Dr. Wintersteiner (Kurpjuweit) 
Unfallerkrankungen des Ohres. Prof. Dr. Alt (Kurpjuweit) .... 
Raucheinatmnng und kruppöse Pneumonie. Dr. Grau (Rpd. jun.) . . 
Muskeldystrophie infolge Ueberanstrengung. Doewenspeck (Waibel) 
Röntgenbefunde bei Lumbago traumatica. Dr. Dohan (Kurpjuweit) . 
Wasserbrüche aus der Unfallpraxis. Prof. Dr. Liniger (Thomalla) 
Schlaganfall als Unfallfolge abgelehnt. Prof. Dr. Windscheid 

(Thomalla). 

Paralysis traumatica des N. radialis. Dr. Bor eil i (8olbrig) .... 

Luxation des Nervus ulnaris. Dr. Grünert (Rpd. jun.) ...... 

Gesichtswunde mit Beschränkung des Kauems durch Unfall Dr. Brie- 

chetto (Solbrig).. 

Traumatische Magengeschwüre. Dr. Delitala lind Dr. Rovasio 

(Solbrig). 

Diabetische Gangrln nach Zeheaverletsung. Dr. Frank (Rpd. jun.) . 
Stars von der Leiter infolge Trunkenheit Betriebsunfall. Dr. Zander 

(Rpd. jun.). 

Neurosen nach Unfällen. Dr. Erben (Rpd. jun.). 

Lungenblutung, Lnngenleiden und Unfall Prof. Dr. Schulse und Dr. 

8tursberg (Rpd. jun.). 

Typhuserkrankung nach wiederholtem Genuß von Trinkwasser ist kein 

Betriebsunfall Dr. Frank (Rpd. jun.). . 

Myositis ossifioans traumatica. Dr. Hoff mann (Rpd. jun.) .... 
Angeborener Defekt der Ulna als Unfallfolge behauptet Dr. Hoffmnnn 

Alter ier* Narben bei U nf nliverletsten. Dr. Pos so (Solbrig) .... 
Herserkrankungen nach Traums. Dr. Beckhaus (Waibel) .... 
Betriebsunfälle bei scheinbar Gesunden. Prof. Dr. Bäu ml er (Waibel) 
Traumatische subdurale Spätblutung. Dr. de Hartogh (Thomalla) . 
Pankreas und Fettgewebenekrose als Unfallfolge. Dr. Wagner (Tho- 

liillliV .. 


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Inhalt. 


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1. Bateohatdongw la UUU1* nnd Inrallditltmelun.*) 

1909. 21. Jan.: Beurteilung der Entstehung einer Wanderniere . . . 409 

• 23. Febr.: Entschädigengepflicht, wenn Uebernabme den Heilyer- 

fahrena nnterla»sen ist.411 

, 29. 8ept.: Tod an Unterleibstyphus als Unfall. 28 

a 4. Not. : Verlast des rechten Kleinfiogers, keine Rente .... 258 

„ ö. , • Herabsetsang der Rente bei Besserung.618 

, 15. , : Zasammenhang zwischen splterem and früherem Be* 

triebsanfall.252 

, 1. Des.: Verlast des linken Ringfingers, keine Rente .... 268 

• 29. a Anhörung eines andern Arates gern. § 69 G. U. G.. . 410 

1910. 4. Jan.: Erwerbsyerminderong bei Erblindung.411 

, 13. „ : Verlast eines Aages.648 

» 13. „ : Habitaelle 8chalterlaxationen.781 

, 7. Febr.: Zwangsvorschrift der Anhörung des behandelnden Arztes 410 

• 11. Min: Plötzlicher Tod darcb Lungenentzündung.491 

, 19. April: Erwerbsanfihigkeit w&hrend eines HeilTerfahrens - . . 648 

„ 22. „ : Bei der bloBen theoretischen Möglichkeit des Zusammen* 

hange von Krankheit nnd Unfall keine Rente .... 648 

, 23. „ : Weltliehe Krankenschwestern sind yersicherangspfiichtig 649 


, 3. „ : Ureichlicher Zusammenhang; es ist nicht erforderlich, daß 

der Uofall die alleinige Ursache bildet (Reichsgericht) 809 
„ 18. Mai: Infektion durch Gonokokken bei Berufstitigkeit.(Reichs* 


gericht). 782 

. 21. „ : Durch Begehrungsvorstelluogeu heryorgerafene Hysterie 810 

„ 27. , : Aerstliche Sachverständigen-Kommission einer Privat* 

unfallyersicherangsgeselisehaft (Reichsgericht).... 811 

„ 7. Juni: 8tidtincher Desinfektor ist nicht yersicherangspfiichtig 812 

. 24. „ : Begriff „Betriebsunfall“. Tod durch Inflaenza (Reichs* 

gericht). 808 

„ 2 Juli: Tod eines Unfallverletzten infolge ungeeigneter Behänd- 

lang im Knnkenhaase.809 


D. Bakteriologie, Infektionskrankheiten and dffentlloheo 

SnnltiUrwesen.») 

1. Bakteriologie nnd Bekftmpfung dor Infektionskrank¬ 
heiten. 

a. Bakteriologie und Infektionskrankheiten im allgemeinen. 


Wiederholte Erkrankungen an Infektionskrankheiten. Dr. Widowiti 

(Dohrn). 56 

8eromb«haadlang and ihre Gefahren. Dr. Seheidemandel (Waibel) 56 
Beschaffung von Versuchstieren. Prof. Dr. Friedberger (Liebetrau) 57 
Linsd und die Mikroorganismen. Prof. Dr. Almquist (8ymanaki) . . 258 

Nachweis von Indo). Dr. Crossonini (Zimmermann).258 

Ueber Malachitgrfinnlhrboden. Dr. 8chindler (8ymanski) .... 254 

Natrium tanrocbloricnm als Zusatz zum Malachttgrünagar. Müller 

(Zimmermann).254 

Neue Reagensglargestelle. Dr. Woithe (Zimmermann).254 

Immuaitit und Ueberempfindliehkeit.' Dr. Blooh und Dr. Massini 

(8ymaasld) . .. 255 

Keimgehalt normaler Organe. Dr. Bierotte u. Dr. Machida (Waibel) 492 
Badllus faecalis aicaligenes pathogen P Dr. Hamm (Waibel). . . . 492 

Verhütung der Verbreitung ansteckender Krankheiten durch Kleinkinder* 

schulen. Dr. Berger (8olbrig). 492 

Der Österreichische Epidemiegesetzentwurf. Dr. K om p er t (Hillenberg) 498 
Verbreitung der Streptokokken. Prof. Zangemeister (Waibel) . . 688 

Bakterizider Wert der Pyozyanase. Dr. Menini (Solbrig).689 

Opsonine* und Vakzine-Therapie. Dr. Reiter (Rpd. Jan.).768 

Eine modifizierte Petrischale. Dr. Frankl (Rpd. jun.).769 


*) Wo kein besonderer Vermerk gemacht ist, sind die nachstehenden 
Entscheidungen solcheJles Reichsrersicherungsamts. 






















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Inhalt 


Mt*. 


b. Cholera. 

Blntalkaliagar in Elektivnährboden für Choleravibrionen. Prof. Dr. 

Dieudonnö (Lents). 23 

Der DieudonnOsche Blatalkaliagar. Dr. Haatemüller (Lentz) . . 28 

Der Dieudonnösche Blutalkaliagar. Dr. Lauben heim er(Lents) . . 28 

Elektive Nährböden. Dr. Haehla and Dr. Holobat (Lentz) ... 28 

Prof. DieudonnOaBlatalkaliagar. 8ineff and Drosdowitsch (Lentz) 24 
Vibrionen im Dünndarm and in den Darmentleerangen. Dr. Botho 

and Dr. Meinieke (Liebetrau). 24 

Behandlung der Cholera mit dem antitoxlachen Serum. Kraue (Dohrn) 25 
Gewinnung eines Heilserums gegen die Cholera. 8churupow (Lentz) 25 
Veränderungen des Nervensystems bei Cholera. Michailow (Lentz) 255 

Zur Choleradiagnose. Dr. Dold (Liebetrau).256 

Epidemiologische Betrachtungen über Cholera. Dr. Blumenthal 

(Symanski). 256 

Anreicherung der Choleraribrionen in Pepton. Dr. Joshinaga (Zim¬ 
mermann .498 

Elektire Choleranährboden. Dr. Neufeld und Dr. Woithe(Zimmermann) 494 
Vergleichung frisch isolierter Cholerastämme mit älteren. Dr. Haendel 

und Dr. Woithe (Zimmermann).494 

Bedeutung der Nitrite bei der Cholera indica. Dr. 8tühlern (Bpd. Job) 495 

Isolierung des Choleraribrio. Dr. Pergola (Lents).598 

Bedeutung der Nitrite usw. bei der Cholera indica. Prof. Dr. Emme¬ 
rich (Bpd. Jon.)..'.771 

Bedeutung der Nitrite usw. bei Cholera Indien. Dr. 8tühlern (Bpd Jan.) 771 
Verbreitungswege und Bekämpfung der Cholera. Prof. Dr. Lentz (Wolf) 845 
o. Pest, Gelbfieber, Lepra, Fleckfieber. 
8chutzmafiregeln gegen die Lepra in Deutschland. Prof. Dr. Kirchner 

(Dohrn). 89 

Leprabekämpfung in den Tropen. Prof. Dr. Schilling (Dohrn) . . 89 

Die Lepra in Kamerun, mit Beitrag zur Nastintherapte. Prof. Dr. 

Ziemann (Glaubitt). 90 

Die Lepra in Japan. Prof. Dr. Kitasato (Symanski). 90 

Verhütung der Pest in Algier. Dr. Baynaud (Dohrn).257 

Die Pest in Daresalam 1908—1909. (Dohm). 258 

Wiederaufleben der Lepra in Mitteleuropa. Blaschko (Liebetrau) . 828 

BattenflOhe ans Deutsch*Ostafrika. Dr. Schuberg und Dr. Man- 

teufel (Zimmermann).495 

d. Pocken, Impfung. 

Komplementbindungsversuch bei Variola vera. Prof. 8ugai (Lents) . 67 

Desinfektion und experimentelle Therapie bei Vakzine. Friedberg 

und Yamamoto (Lentz). 57 

Variolavakzine. Prof. Dr. Voigt (Liebetrau). 58 

Darstellung und Aufbewahrung trockner Lymphe. Camus (Mayer) 58 

Impfung mit getrockneter Lymphe in heifien Ländern. Joyeux (Mayer) 69 

Pockenepidemie in Allenberg. Dr. Dichter (TObben).594 

Aktive Immunisierung mittels abgetOteter Pockenvakzine. Dr. Kn Opiei- 

mach er (Bpd. jun.).769 

Gegenseitige Einwirkung gleichzeitiger Pocken- und Kuhpockenimpfung. 

Hanna (Bayer).770 

Ausüohtnng neuer Variola*Vaksinestämme. Dr. Freyer (Dohm) . . 770 

e. Typus, Paratyphus. 

Periostitis typbosa. Dr. Waasmuth (Dohrn). 91 

Mischinfektion von Typhus abdominalis u. Maltafieber. Dr. D r e y e r (Waibel) 91 
8almonella*Gruppe (Paratyphus B-Gruppe. Seiffert (Symanski) . . 91 

Alimentäre Ausscneidung von Paratyphusbazillen. Dr. Conradi (Dohrn) 92 
Durch Nahrungsmittel verursachte Paratyphusepidemien. Dr. Prigge 

und Dr. 8achs-Mücke (Dohrn). 98 

Bewertung des Befundes von Paratyphus B-BazUlen in Darmentleerungen. 

Dr. Mayer (Dohrn). . . 98 

’aratyphos C-Baxülen als Erreger akuter Gastroenteritis. Dr.Hübener 

(Bpd. ittn.). 94 


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Inhalt. 


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Seite. 

btodthbikteiin. Sobernheim (Lentx). *. 94 

hterithkiillM in der Milch and im Pökelfleisch. Dr. Zwick (Lentx) 94 
UeberPerntyphasbekterienbeigesundenMenschen. Dr.Httbener(Lentx) 94 
Eie neae Methode sar Typhusdiagnose. Mendelbaam (Weibel) 288 
Anreicherung Ton Typhusbaaiilen. Dr. Kir st ein (Liebetrau). . . . 288 

Hach Untersuchungen ron Personen, die vor Jahren Typhus durchgemacht 

haben. ,Df. Brückner (Zimmermann). ..284 

Zur Bekämpfung des endemischen Typhus. Dr. Eccard (Weibel) . . 284 

BacUlus Paratyphus B u. BacUlus enteritidis. Dr. 8 ehern (Zimmermann) 285 
Paratyphusbasillen und Fleischvergiftung. Dr. Httbener (Liebetrau) . 286 

Fleischvergiftungen durch Bac. paratyphus B. Prof. Dr. Holtmann 

(Lentx).286 

Batiahacillus und Bac. enteritidis Gärtner. Dr. Lebram (Lentx) . . 286 

Hach weis der Typhusbasillen im Blute. Dr. Gildemeister (Zimmermann) 627 

Der Typhusbadilus als Eitererreger. Dr. Hess (Waibel).628 

Typhunepidemie mit initialem hämorrhagischem Exanthem. Carsch- 

inan a (Waibel).628 

Umwandlung wichtiger Eigenschaften ron Bakterien. 8obernheim 

und Seligmann (Liebetrau) .... *.629 

Ueber eine Mischinfektion mit Paratyphus- und Typhusbaaiilen infolge 

Austerngenusses. Dr. Popp (Waibel).680 

Typhus und sexuelle Verhältnisse. Bemlinger (Mayer).680 

Häadedesinfektion bei Typhusbaaiilen trägem. Dr. Gaethgens (Zim¬ 
mermann).... . 580 

Unterleibstyphus in Cöln. Dr. Lohmer (Lentx).581 

Ein unbeweglicher Typhusstamm. Dr. Fischer (Dohrn).649 

Hautblutnngen bei Typhus abdominalis. Dr. Huber (Waibel) . . . 649 

Verbreitung des Typhus durch ambulante Typhusfälle im Kindesalter. 

Dr. Brückner (Waibel).649 

Tjpbosverschltppung durch Säuglinge. Dr. Bommeler (Waibel) . . 660 

Stadien über Typbusbasillenträger. Dr. Prigge (Dohrn).650 

BasUlenträger in Bexiehung sum endemischen Typhus. Dr. Schu¬ 
macher (Dohrn) ..*651 

Therapie der Basillenträger. Dr. Hilgermann (Dohrn).661 

Bekämpfung der Dauerausscheider. Dr. Mayer (Dohm).651 

Paiatyphusbasillenausscheidung bei Kranken und Gesunden. Dr. Prigge 

und Dr. 8achs-Mttcke (Dohrn).661 

Verbreitung des Typhus im Beg.-Bez.Potsdam. Dr. 8chönbrod (Dohrn) 652 
Typhopyosyanie. Lagriffoul, Bousquet und Bocher (Mayer) 689 

Ansteckungsläbigkeit des Typhus. Anderson (Mayei).689 

Aeüologie des Abdominaltyphus. Barlow (Mayer).690 

Durch Basillenträger verursachte Typbusfille. Btchards (Mayer) 691 

Hände als Typhusbaxlllentriger. Courmont und Bochaix (Bevenatorf) 691 

Unterleibstyphus in Cöln. Dr. Lohmer (Hillenberg).691 

Ausscheidung der Typhusbasillen durch den Darm. Bibadeau-Du- 

mas und Harvier (Mayer).771 

AUgemeiafafektioaen durch Baeterium coli commune. Dr. Lindemann 

(Bpd. jun.).772 

Zur Kenntnis der Parakolibaxillooen. Prof. Dr. Schiltse (Bpd. jun.) . 772 

Vorkommen von Bakterien der Paratyphus- und Gärtner-Gruppe bei 

nicht spezifisch Erkrankten. Dr. Käthe (Bpd. jun.).778 

Uebertragung des Paratyphus von Mensch zu Mensch. Fortineau und 

Bibereau (Mayer).778 

Paratyphus mit letalem Ausgang. Monnier und Biber eau (Mayer). 774 

1 Malaria, Bttckfallfieber. 

Komplemeatbindung bei Typhus recurrens. Dr. Kurschun und Dr. 

Leibfreld (Liebetrau). 95 

Die Malariaepidemie 1907 in Wilhelmshaven usw. Prof. Dr. Mflhlens 

(Dohrn).268 

Malariabekimpfung in Wilhelmshaven 1908. Prof. Dr. Mtthlens (Dohrn) 259 
QsMtsfebung im Kampfe gegen die Malaria. Prof. Dr. Bertarelli 

(Dohrn). »9 





























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g. Bahr, Dysenterie» i 

Atypische BosUlenruhr In eiaer Irre»* Heil- and Pflegeanstelt Dr. 

fleaser (Liebetreu). 26 

Bahr in WOstpreußen. Dt. Thomas (Dohm). 26 

Pseadodysenterte. Dr. Mayer (Dohrn).884 1 

Die Batarepidemie 1909 ia Essen. Dr. Fischer, Dr. Hoha aad Dr. 

Stade (Dohrn). 896 i 

h. Diphtherie, Soharlaeh. 

Diphtheriebasillenträger. Dr. Niskino (Leats).211 s 

Zar Diphtherieepidemie. Dr. Mach (Bpd. Jan.).211 ~ 

Serumbehandlung der Diphtherie. Dr. Beiche (Bpd. Jan.) .... 211 3 

Intravenöse Seraminjektionen bei Diphtherie. Dr. Fette (Bpd. Jan.).. 2l2 s| 

Intravenöse and intiamaskaiire Serumdosen bei Diphtherie. Dr. Ber- t 

lin (Liebetrau).*.212 u 

Günstige Erfahrungen mu eloram. Dr. Knaath (Waibel). 696 s 

Lokale Behandlung Diphtheriekranker. Dr. Joohmann (Dohm) . . 696 t 

Betarn cases bei Scharlach. Bitschie (Mayer).812 

Gehäufte Fälle der «Vierten Krankheit*. Priehard (Mayer) . . . 818 * 

i. Masern, Böteln, Keaohhasten. « 

Bakteriologische Untersuchungen bei Masern. Dr. Lerey (Symanski). 69 ' 

Zar Frühdiagnose der Masern. Dr. Hecker (Waibel). 60 •*' 

Systematische Lymphdrtisenschweliangen bei Bötelo. Dr. H a m b a r g e r f 

and Dr. Schey (Waibel). 60 <1 

Amtsäratliche Betrachtungen über Keachhosten. Dr. Piek (HOsoh) 212 ^ 


Icterus in den Prodromen der Morbiilen. Dr. Friedjang (v. Leliwa) 692 

k. Influenza. 

Isflueniaähnliche Diplokokken-Epidemie. Dr. Bose (Waibel) ... 60 

1. Epidemische Genickstarre. 

Die Zerebrospinalflüssigkeit im Verlaafo der Genickstarre. Netter and 


-Debr6 (Mayer). 26 

Aetlologie der Genickstarre and Nutzanwendung. Dr. Knaath (Liebetrau) 27 

Genickstarre in Essen 1908. Dr. Fischer (Bpd. Jan.). 27 

Behandlung der Meningokokkenträger. Dr. Bethge (Liebetrau) . . 286 

Zar 8erambehandlung der Meningitis cerebrospinalis. Dr. Lateiner . 571 

Beaktion der Bückenmorkshäate auf Injektionen von Sernm. Sicard 

and Salin (Mayer).671 

Immunisierung von Pferden gegen den Meningoooccus. Brlot and 

Dopt er (Mayer).846 

Serotherapie der Genickstarre beim Menschen. Netter (Mayer). . . 846 

Beobachtungen bei Meningitis cerebrospinalis. Dr. Eschbaam (Waibel) 896 
m. Spinale Kinderlähmung (Poliomyelitis acats). 

Zar Kenntnis der Heine-Medinschen Krankheit. Dr. Wickmann (Brack) 28 

Poliomyelitis acuta. Prof. Dr. Hochhaus (Waibel). 80 

Aetlologie der epidemischen Kinderlähmung. Prof. Dr. Boemor (Waibel) 81 
Frühstadien der spinalen Kinderlähmung. Prof. Dr. Müller (Waibel) 81 
Aetlologie der epidem. Kinderlähmung. Prot Dr. Krause and Dr. 

Meinicke (Liebetrau) .... *. 82 

Westfälische Epidemie von aknter Kinderlähmung. Prol Dr. Krause 

(Llebetrna). 82 

Die akute spinale Kinderlähmung im rheinisch-westfälischen Industrie¬ 
gebiet. Dr. Beckzeh (Bpd. jan.) . . .. 82 

Zar rheinisch-westfälischen Epidemie von spinaler Kinderlähmung. Prof. 

Dr. Grober (Bpd. jnn.). 88 


Poliomyelitis 1908 in Niederösterreich. Dr. Zappert (Korpjuwelt) * 286 

Die spinale Kinderlähmung. Dr. Kramer (Bpd. jan.).287 

üeber spinale Kinderlähmung. Dr. Eichelberg (Liebetrau). . . . 287 

An Kinderlähmung erkrankte Affen. Le vaditi und Staneeco (Mayer) 671 
Mikrobizide Wirkung des Serams von Kranken. Mikrobizide Wirkung 
im Serum noch Ueberstehen der abortiven Form. Netter 
and Lovadlti (Mayor).. . . . , 672 


fjrrt S-& & * ee:tf a tt s.- “ me; 

























Inhalt. IV 

Seit«. 

AntieofÜca M der akuten Poliomyelitis. Leraditi und Laadsteiner 

(Mayer) . . . . 578 

Im«statt aad Immunisierung gegen epidemische Kinderlähmung. Prol. 

Dr. Eoemer uad Dr. Joseph (Waibel).578 

Prophylaxe der epidemischen Kinderlähmung. Prof. Dr. Eoemer aad 

Dr Joseph (Waibel).578 

a. Wooheabettfieber, Wochenbetthygiene aad Krankheiten 

der Neugeborenen. 

Selbstiniektioa ta der Geburtshilfe. Prof. Dr. KrOnlg (Liebetrau). . 61 

Utarusruptur bei der Eatbiadnng. Dr. Vlaaa (8olbrlg). 61 

Kollargoltherapie bei puerperaler Sepsis. Dr. Albreoht (Waibel). . 68 

Maßregeln gegea die BiadehautgonorrhOe der Neugeborenen. ▼. Her ff 

(Waibel). 62 

V—halten und Pflege der werdenden Matter. Prof. Dr. Martin (Zelle) 415 
Die Kindersterblichkeit unter der Geburt. Dr. Seita (Waibel) . . . 415 

Mi—erfolge d— CredOsehea Verfahrens bei Neugeborenen. Dr. Feil- 

eheafeld (Liebetrau).416 

Das Brechen der Schwangeren. Prof. Plnard (t. Lellwa).692 

Schwangerschaft, Gehurt und Woehenbett bei den Suaheli. Dr. Peiper 

(Dohm).698 

Morbiditit bei Torseitigem Frachttod uad bei Syphilis der Mutter. Dr. 

Jiger (Waibel). 896 

Bolas alba als Triger der Infektion. Prof. Dr. Zweifel (Waibel). . 897 
Vorhfttamg d— Puerperalfiebers. Prof. Dr. Doederlein (Waibel) . . 897 


o. Tuberkulose. 

Umwandlung menschlicher Tuberkelbasillen in rinderriruleate Formen. 

Prof. Dr. Eher (Waibel).168 

Umwandlung tob Tuberkelbasillen des Typus humanus in solche d— 

Typus boTinus. Prof Dr. Eber (Waibel).168 

La t ent— Vorkommen der Machschen Form d— Tuberkelbadllus. Dr. 

Wolf (Waibel) .. 169 

Nachweis der Tuberkelbasillen im 8putum durch Antiformin uad Ligroin. 

Dr. Bornhardt (Liebetrau).170 

Ebe neue Beaktloa der Taberkeibasillea. Dr. Garis (Leats) . . . 170 

Tuberkelbasillea im strSmenden Phthisikerblut. Dr. Schnitter (Lie¬ 
betrau) . .... 170 

Tuberkelbasillen im strömenden Blute der Phthisiker. Dr. Lippmanw 

(Waibel).171 

Taberkeibasillea im 8tuhl tob Phthisikern, Darmtuberkulose. Klose 

(Waibel).171 

TuberkuilaTaseliaesurKoBjuiiktiTalreaktion. Dr. Wolf-Elsaer(Waibel) 171 
Ophthalmoreaktion bei Hautkrankheiten. Dr. Cer es de (8olbrig) . . 172 

Morosche Salben probe. Dr. Weil (Waibel).172 

Wichtigste Art der Ansteckung bei Tuberkul—e. Prof. Dr. t. Baum- 

garten (Liebetrau). 178 

MaadhygieBe und Lungentuberkulose. Prof. Dr. MOller (Waibel) . . 178 

Anti toxische Wirkung d— Jods bei Tuberkulose. Prof. Dr. Cantani 

(8ymaaski) . .'.174 

Ergebnis— der Tuberkul—e- Immunität- (L-K.) Behandlung. Dr. Eoepke 

(Liebetrau). 174 

Ueber L-K. Dr. Weicker und Dr. Bandelier (Liebetrau) . . . . 174 

Behandlung bei experimenteller Tuberkulose. Dr. Zenker (Lents) . 175 

Tuberkulinbehandlong in der Praxis. Dr. Bulle (Wolt).175 

Tuberkulose im Kind—alter. Dr. Hamburger (Kurpjuweit) . . . . 175 

Tuberkalo— in den Volksschulen Düsseldorfs. Dr. Laske (Dohra). . 176 

Tuberkul—e im Kind—alter in Bremen. Dr. Neumann (Wolf) . . . 177 

8chwiadsucht in staubreichen Gewerben. Leydole (Wolf) .... 177 

Teboikui—e in Japan. Prof. Dr. Kitasato (Symanski).178 

Ftnorge für Lungenkranke, Mitarbeit der Frau—. Dr. Krautwig 

(doibrig).178 

Fftrnerge Ihr Lungenkranke Torgescbritteneu Stadiums. Meyer (Dohra) 179 


























xvl 


Inhalt 


Seit 


Zentrale Fürsorgestellen fflr Lungenkranke in der EheinproTinx. Dr. 

Schmidtmann (Wolf).. 17 

Jahresbericht der Heilstätte Holsterhausen 1908. Dr. Kühler (8olbrig) 17 
Desinfektion bei Tuberkulose, insbesondere Wohnungsdesinfektion. Dr. 

Klrstein (Dohrn).17 

Desinfektion bei Taberkolose, insbesondere Wohnnngsdesinfektion. Prof. 

Dr. Kirchner (Dohrn) ..18 

Taberkaloseinfektion daroh Perlsuchtbaiillen. Dr. Möllers (Liebetrau) 41 

Pathologie der Kindertaberknloee. Dr. Engel (Bpd. Jan.).41 

Im Aaswarf Lungenkranker Torkommende Tuberkelbazillen. Dr. Die- 

terlen (Liebetrau).41 

Nachweis Ton Taberkelbaxillen im bpatam. Dr. Hügel (Liebetrau) . 41 

Nachweis Ton Taberkelbasillen im Spatam. Dr. 8chalte (Bpd. jan.) . 41 

Taberkelbasillennachweis.. Prof. Dr. Merkel (Waibel).41 

Anreicherangarerfahren für Tabeikelbasillen. Dr. Zahn (Waibel) . . 41 

Abtütang der Taberkelbasillen in Milch. Tan der Slnis (Lents) . . 41 

Ueber Taberkolose*Immanblat (L*K.)* Behandlung. Dr. Spengler 

(Lfebetraa).41 

Taberkalosebehandluog mit groben Taberkulindosen. Dr. Ne|amann 

(Liebetraa).41 

Entsendung Lungenkranker nach Deutsch-Südwestafrika. Dr. Helm 

(Liebetrau).41 

Die Taberkulose-Assanierung Berlins. Prof. Dr. Kajserling (Hoffmaan) 41 
BekSmpfung der Tuberkulose in anderen Lindern, Nutsanwenduag für 

Deutschland. Dr. Kaup (Wolf).41 

Bedeutung der Bindertuberkulose für die Tuberkulose im Kindesalter. 

Dr. Hohlfeld (Waibel).69 

Eingangspforten der Tuberkulose. Dr. Beiohe (Wolf).69 

Miliartuberkulose im Anschluß an Abort Weil (Waibel) ..... 69 

BrusterniUrung und tuberkuiüse Meningitis. Dr. Z a p p e r t (Kurpjuweit) 69 

Sohwindsucht und Alkoholismus. Dr. Bertillon (Dohrn).69 

Tuberkulosehiuflgkeit an Dortmunder Volksschulkindern. Dr. Stein* 

haus (8olbrig) ..69 

AnreicherungsTerfahren für Taberkelbasillen. Dr. Zahn (Waibel) . . 66 

Diagnostik und Therapie der Lungentuberkulose. Bol ly (Waibel). . 66 

Ferienkolonie und Nachbehandlung bei Tuberkulose. Dr. Aoramowski 

(Hoffmann).66 

Sensibilisierung des Organismus gegen wiederholte Tuberkulininjektionen. 

Slatineanu, Daniülopolu und Cinca (Mayer).66 

Schwindsucht in Yorkshire. Dr. Adam (Mayer).66' 

Bedeutung der neueren Tuberkelbasillenfftrbung nach Gram. Dr. Beyer 

(Bpd. jan.).77< 

Taberkelbasillennachweis nach der Uhlenhutschen Antiforminmethode. 

Dr, Beicher (Bpd. jan.).77- 

Zar Bering’schen Bovoyaksination. Ebeling (Wolf).771 

Entstehung der Kehlkopttuberkulose. Dr. Brandenburg (Bpd. jan.) 771 
Die Tuberkulose bei den Volksschullehrern. Dr. Schmidt (Dohrn) . 771 

Herdreaktion bei der subkutanen Tuberkulinprobe, Frühdiagnose der 

Longeaspitseatuberknlose. Dr. Otten (Bpd. jun.).81: 

Bedeutung der Tuberkulin-Beaktlonen beim Erwachsenen. Dr. Bitter 

(Wolf).81- 

Himoglobinbestimmungen bei Tuberkulosen, Differentialdiagnoee zwischen 
Tuberkulose und Chlorose. Dr. Zick graf (Bpd. jun.) .... 81 

Aufhahmebefunde in der EisenbahnheilstKtte Stadtwald und die bahn* 
kassen&rstllchen Deberweisungsgutachten. Dr. Sturm (Wolf) . . 811 

8ehutz des Säuglings und Kindes Tor tuberkulöser Infektion. Dr. 

Mallinckrodt (Wolf) ..811 

Tuberkulose und Beruf. Krebs und Tuberkulose. Dr. Behla (Dohrn) 81' 

p. Sexuelle Hygiene, Geschlechtskrankheiten, Prostitution. 
Züchtung der Spirochaete palllda. Dr. Sch er eschewsky (Liebetrau) 9! 

Beinsttchtung einer Spirochaete ~ ~ 

Dr. Mthleae (Liebetrau) 


9 


























Inhalt. 


XVII 

Seite. 

Erfahrungen mit der gesuchtsten Spiroehaete pallida. Dr. Schere* 

sehewsky (Liebetran). 96 

Nachweis der Spiroehaete pallida inuiels des Tascheveriahrens. Dr. 

Frühwald (Waibel). 96 

Beobachtangen Uber die Wassermannsche Reaktion. Dr. Glaser and 

Dr. Wolfsohn (Rpd. jan.).*. 96 

Blutentnahme zu der Wasser mannschon Reaktion aas der NasenBcheide* 

wand. Dr. Mack (Waibel). 96 

Bedeutung der Wassermannschen Reaktion. Prof. Dr. Jesionek und 

Dr. Meirowsky (Waibel) . . . .. 97 

Das Coileeche Gesetz. Knoepfelmacher u. Lehndorff (Rpd.) 97 

Ambulatorische Behandlung yenerischer Krankheiten in Galizien. Dr. 

Klacsenko (Dohm). 97 

Ueber Tropensyphilis. Dr. Seiiiert (Waibel). 98 

8erodiagnostische Untersuchungen bei Prostituierten. Dr. Dreyer n. 

Dr. Meirowsky (Liebetran). 98 

Akute kryptogenetische Poliarthritis gonorrhoica. Dr. Mayer (Waibel) 98 
Bedeatong des Spirochätennachweises für die Diagnose. Prof. Dr. 

Scholtz (Liebetran).828 

Bewertung der Wassermannschon Reaktion. Dr. Dreaer (Liebetran) 328 
Seroreaktion and das Colles-Banmesche and das Profetasche Gesetz. 

Dr. Bering (Liebetran).329 

Erfahrungen Uber die Serodiagnostik. Dr. Hageln. Dr. Rttte (Waibel) 829 
Die Wassermannsche Reaktion bei Lnpas. Dr. Huuck (Waibel) . . 829 

Kondylome der Mundschleimhaut. Dr. Sprecher (Solbrlg) .... 829 

Verbreitung der Geschlechtskrankheiten in Deutschland. Blaschko 

(Hoffmann).880 

Spirochitenfärbong. Dr. Henning (Rpd. jan.).. . . 682 

Kongenitale Lues. Trinchese (Waibel).682 

Natzen der Wassermannschen Serodiagnose. Dr. Hecht (Rpd. jan.) . 682 

8erodiagnose bei der Prostituierten - Kontrolle. Dr. Hecht (Liebetran) 588 
Ueber Rektalgonorrhoe im Kindesalter. Dr. Kaumheimer (Waibel) 588 

Syphilis and Jagend. Neamann (Wolf).684 

Sexaalhygiene des Mannes. Prof. Dr. Kafemann (Wolf).584 

Leichte Vornahme der Wassermannschen Reaktion. Dr. y. Düngern 

(Waibel).600 

Hemmung der Wassermannschen Reaktion durch Sublimat. Satta u. 

Donati (Waibel).601 

Qnecksilberbehandlang der Syphilis. Dr. Httbner (Rpd. jan.) . . . 601 

Behandlung der Syphilis mit atoxylsaarem Quecksilber. B o e t h k e (Rpd. jan.) 602 
Wirkung des Qaecksilbers auf die Seroreaktion. Dr. Brauer (Waibel) 602 
Verhütung der Geschlechtskrankheiten. Dr. Gilardoni (Dohrn) . . 602 

Wert der Wassermannschen Reaktion. Demanche u. D6tr6 (Mayer) 698 
8erodiagnostik der Syphilis. Wassermann u. Meier (Waibel) . . 694 

Eine neue Spirochätenfärbung. Dr. Kalb (Waibel).694 

Methoden zur Färbung lebender Spirochäten. Dr. Meirowski (Waibel) 694 
Sexaalhygiene und Sexualpädagogik. Dr. Alt schul (Kurpjuweit). . 695 

q. Granulöse und andere Aug^nkrankheiten. 

Ueber die Trachomkörperchen. Prof. Dr. Hey mann (Liebetrau) . . 63 

Ueber Trachomkörperchen. Prof. Dr. Bernheimer (Dohrn) .... 68 

Ueber Trachomkörperchen, di Santi (Dohrn). 68 

Wie sind die Trachomkörperchen differentialdiagaostisch zu verwerten? 

Dr. Clausen (Dohrn). 64 

Aetiologie des Trachoms. Dr. Leber und Dr. Hartmann (Dohrn) . 64 

Uebertragbarkeit des Trachoms. Prof. Dr. Greef (Dohrn) . . ^ . 64 

Trachombehandlung durch Gonokokken. Prof. Wicheskiewitz 

(Kurpjaweit). 65 

Einschleppung des Trachoms in den Reg.-Bez. Arnsberg. Prof. Dr. 

Greef (Dohrn).65 

Verbreitung des Trachoms in Posen. Dr. Buchwald (Dohrn) ... 65 

Stand der Trnchomforschung. Dr. Wolf rum (Rpd. jun.).599 

Bakteriologische Untersuchungen der Bindehaut in der Praxis. Dr. 

Schmeichler (Kurpjaweit).*>99 


























XVIII 


bhlt 


Beit«. 

r. Wnndinfektionskrankheitea. 

Die Streptokokken des Erysipels. Dr. Heckt u. Dr. Halles (Symanski) 212 
Behandlung von Tetanus mit Antitoxin „Höchst“. Dr. 8imon (Waibel) 218 
Antitoxinbehandlnng des Tetsnns. Dr. Heilmnier (Weibel). ... 674 

Tetanus tranmaticns mit Antitoxin gekeilt. Dr. Wiedemann (Waibel) 674 


s. Anckylostoma and andere Warmkrankkelten« 

Patkogenese der Wurmkrankheit. Dr. Siccardi (Solbrig).187 

Hftmatologie bei Anckylostomiasis. Dr. 8iccardi (8olbrig) .... 187 

Das Fieber der Warmkranken. Dr. Bianekini (Solbrig).187 

Parasitologiscke Beobacktangen über die Flies bei Anckylostomiasis. 

Dr. 8iccardi (8olbrig).188 

Vorkommen des „Necator Americanos“. Prot Monti (Solbrig) . . . 188 

AntUielminthische Kor bei Anckylostomiasis. Dr. 8iccardi (Solbrig) 189 
Die Anckylostomiasis in der Proyini Flore ns. Dr. Bianekini (Solbrig) 139 


t Tropenkrankkeiten (Schlafkrankheit, Maltafieber, 
Schwarzwasserfieber, Beriberi asw.). 

Entwicklung von Trypanosomen in Glossinen. Prof. Dr. Kleine (Liebetran) 99 
Aetiologie der Schlafkrankheit. Prot Dr. Kleine (Liebetran) ... 99 

Tsetsefliegen and Trypanosomen. Prof. Dr. Kleine (Liebetran) ... 99 

Fall Ton Maltafieber in Paris. Guillain und Troisier (Mayer) . . 260 

Maltafieber. Lagriffoul, Arnal und Boger (Mayer) . . , . . 416 
Maltafleber and Typhus. Lagriffoul, Arnal und Boger (Mayer). 416 
Agglutinationsreaktion beim Maltafieber. Lagriffoul u. Boger (Mayer) 417 
Experimentelle Schlafkrankheit. Dr. Spielmeyer (Liebetran) . . . 417 
Ckolestearin als Heilmittel bei Sckwarswasseifieber. Dr. Grimm 

(Liebetran).417 

Die Tersckiedenen Arten Trypanosomen. Dr. 8chürmann (Bpd. jun.) . 698 
Infektionspsychosen in den Tropen. Dr. Anstregesilo (Dohrn) • . 698 

Wirkung des neuen Arsenpriparates bei Beknrrens. lyersen (waibel) 699 

n. Zoonosen (Milsbrand, Bots, Tollwut, Triokinose usw.). 
Post mortem Diagnose des Miltbrandes. Cinca und Fenea (Mayer). 100 

Der Parasit der Tollwut. Dr. Negri (Symanski) . . .,.100 

Bekämpfung des Milzbrandes. Alexandrescn und Cinka (Mayer) 676 
Eine Trichinenepidemie in Bayern. Dr. Boecale (Waibel) .... 676 

Das Problem der Milzbiandinfektion. Prof. Dr. Bail (Bpd. jun.) . . 816 

▼. Sonstige Krankheiten. 

Flagellaten im menschlichen Darm. Dr. Guastalla (Dohrn) ... 214 

Anglosklerotische Gangrän bei Jugendlichen. Dr. Michels (Dohrn) . 214 

Aetiologie des Kropfes. Prot Dr. Blauel (Waibel).*17 

Vorkommen yon Mäusefayus beim Menschen. Dr. Gkajes (Bpd jun.). 608 

Aetiologie des Lupus rulgaris. Dr. Krüger (Waibel).608 

Zur Aetiologie der Karzinome. Tkeilkaber und Greiseker (Waibel) 696 
Bolle der Flöhe bei Uebertragung der Pneumonie. Mariae (Berenstorf) 696 

Zar Pathogenese der Pellagra. Banbitschek (Dohrn).617 

Aetiologie der malignen Tumoren. Prot Lustig (Solbrig) .... 617 

Krebs und BeruLDr. Behla (Dohrn).618 

w. Desinfektion. 

Apparatlose Formalindesinfektion. Dr. Winter (Hösch).101 

Formaldehyddesinfektion ohne Apparate. Wal bum (Wolf) .... 191 

Formaldehyddesinfektion von Eisenbahnabteilen usw. Dr. Hilgermann 

(Dohrn).101 

Baumdesinlektion mit Formaldehyd-Kaliumpermanganat. Dr. E um es 











Inhalt. 


Aw«tÜoia E«.am<ie8infpkUoMTerfa]irea. Dr, Lockeinana und Dr, 
Cros er (Wolf) .. ......... . , ,, , , / , . 

jTor»iJd^y<ib9aUmmövg»»pparmt Dr* Look«m* an und Dr. Croner 

B«k**g Kai SptttsuadftwaiektioÄ^ Dr Karaten {Wott) . 11 1 . . 
Desbirieiead® Wirkung ron Zahn•• und Mandw&aern. Dir. Bassengo 
flaefcetl*») . . , . . . . v . ; : . . •.. . - * , . < 

panilektloa ioLÖzierter Wasch«. Dr. Mae Her (Liefceiraoj > . > % 
pesiatekiwas»i.Tfctsßg der Fhenoaiii« Tabletten, Dr. Majet (Leuts) . 
KeiuUiteade Wirkung de« Phuaostal Dr. £Öfter (Len&s) . ... .. . 
Appuuk#* SUsrndasiaieiktioo mit Fom*idefaj4. Dr. Boehecke 
(Sfttaaaki) . , . .. . rf y*, . . 

peeRtdeküausTemögttsa des Sablimite. Pro#- Dr. Ottalepghi (Wolf) 
gr«oU» uad K.fwobeÜe»iö»aBgeB. Df. Kupp (WoU) . ...... 

fom»tes y sk ooaea DesinfekliOBAmittei. Dr. Ettete r (Wolf) . . 
DeeuiekUoa mit FarmssgsB. Dr. Schreiber (Wolf) . . . . . , 

Wökwit^esiirfektw bet Tuberkulose, Dr. Steinberg (Wolf) , , 

DesktiVtUoK toa StCUiieft. Dr. Fromme (Wolf) . ...... . . 

Deauleküoo MtUrtex» Dünger*. B oh t n (Zünmemnno). . . .. 

DesiÄieküoeswe»eß m Frankreich. Dr. Set mit s (WolX) . . . ..... 

Lfiumm, Dr. Einecker (Bpd. jun.) . . r . . .. 

ItaMcM. Dr. Kehler (Weit) ... 

De^aiekttoftakrslt ton Merfeidd. ?. Brehm (Wolf) . . . . - , 

Die wiattflfcUehtia Desinfektionsmittel. Dr. Friedlinder (RüÄm*in») 
Krhöbtttg 4er Dmafektioiiakrafi der Phenole durch Siuxea. B elf et 

fJimawmÄiw»} . . ... 

AlkeÄoidaaiof^ktiiws and Jodtißktardösiat&küoa. Dr. K »al-Keil h { Wwhd) 
M*Sem &M»duj«faktfon. Baabitschek (Karpjaw^)' ^ , y . . 

Die hasbiidaug toh Desinfektoren ln der Armee. Prof. Dr. Die« Sonn/: 

DecÄlauoaeffiitt^i t ihr« wissenschaftliche and ihre kiirplaesherleche 
Asweadasg. 3er io w (Mayer) ........ . v . . ■>. 

Du btkteniide Verhalten des Waaxeratofgapefosyds, Dr. Croner 

die Wfttaftjpräwinioiction berechtigt und erforderlichKBr. Walter 

T ■ &**$**«&}. . . . . . • f * *■ f » i: * , . . . ? - • 

m «Se DaiAfakiUm einer ron einem Phthuiker geramstes Wohnung 
n «[Wwück? Dr. K trat ein (Wolf) .. . . . . . ,/y * . * 

"«afehioB von Bofihaaren und Borate«. Dr. HolUman» (Wolf) 
ttowekü« tob ZiegttftleBea und Bnmam, Dr.^Qi «»« (Wett) . - . 

Ä Orte- und WohÄUXsgBhygl6n&, Esinruig, Ldftang. 
S^*ni»rei*lguig In den md^. Ketten .(Wolf) . . , . . . , 
nJ e ? Ä ?«hs- ond LtÜtungannlagen^ Dr. Eamhonaek (Wolf) . . . 
^fJ*uliaatioa««erk tob Cdpetilk. Dr. Heiß« (Wolf) . .. . 

iÄ K»*iand. Dr. Ber nhwd (Wolf). 

Weht Dr. Sch «na (Wolf) - • * . . ^ ...... 

aobfeue.r sum AttaUocknen tok Seabanten. Dr. Spitta und 
* li * ■ (^»meraamr) . . - . . . f . . . . / . . . 

4* Worma. Dr. Coarad (Wolf) - . - , 
Bauordnung. Dr. Ban er (Wolf) . . . . . 
Md «eine Bekampfaag. am Ende (Mohrmaon) . . 
«Ja Emu tos SteinBchlagdeckeB. Dr. Bernhard (Wolf) 


'■ .. 8 Wnenörreraorguapf. 

v- Ko < ^^^ÄMrfeworgung auf die GßaKndhelUterhditölaae. Dt. 

.: - • • ... 

J *dttesOft t5 :w f coli, Br. Mimian (LeaU) . * v . . . 

_ hldAbL^ Vecrwcltf- und Pr ölaDgaaimtalt fftc WaaaeiWdorgang 
WLt^Ä“« (ttfchaeleaen) . . . . ; ... 

^ Hil a .? lc ^ ttÄ coli-Befondea nur Beurteilung einea Waaaera. Dr. 

^U P tfflk ^ Ä (Dohm) .." . 

WasaerkontroUa in Budapest Yaa (Zimmemawi) 





XX 


Inhalt. 


8«tto. 


Sterilisation des Trinkwassers durch nltraTiolette Strahlen nnd Apparat 

dasn. Prof. Dr. Conrmont u. Prof. Dr. Nogier (Bpd. jun.) 587 

Trinkwasserversorgung auf dem Lande. Bussen (Wolf).776 

Bewertung des Bacterium coli im Wasser. Dr. Konrich (Dohrn) . . 776 

Sterilisierung von Trinkwasser durch Caldumbypochlorit. Thr esh (Major) 776 

4. Beseitigung der Abfallstoffe, Abwässer. 

(Müllbeseitigung, Kanalisation, Beinhaltung der Flüsse.) 

Reinigung ron Abwässern durch Fischteiche. Schick (Liebetrau) . . 217 

Hauskläranlagen. Prof. Dr. Wolf (Wolf).588 

Reinigung der Fabrikabwässer in England. Dr. Arnouid (Dohm) 588 
Keimtötende Wirkung des Wassers aus Kohlensechen n. Gerbereien (Lents) 588 

Mullbeseitigung und Müllverwertung. Dr. Dörr (Wolf).589 

Von städtischen Abwässern zu besorgende Infektionsgefahren. Dr. 

Kutscher (Hillenberg).698 

Abwasserfrage in Sulfit-Zeiliabriken. Dr. Pritskow (Hillenberg) 847 

Ctaruchtbelä8tigungen bei biologischen Kläranlagen. Prof. Dr. Salomon 


6. Hygiene der Nahrungs- und GenussmltteL 
Studien sur Milchverderbnis. Prof. Dr. Petruschkj (Liebetrau) . . 65 

Bedeutung der Nitrate für die Milch. Bothenfußer (8jmanski) . . 66 

Wichtigkeit der Milchkontrolle. Meßner (Wolf). 66 

Beurteilung von Milch- und Bahmschokolade. Dr. Bai er u. Dr. Neu¬ 
mann (Symanski) . .. 66 

Fleckeier. Dr. Gaffky und Dr. Abel (Hillenberg). 67 

Fütterungsversuche an Mäusen mit Fleischwaren. Halfdan Holth (Lents) 67 

Gefärbte Würste. Dr. Klein (Symanski). 68 

Kartoffel- oder 8ol anin Vergiftung. Dr. v. Haselberg (Bpd. jun.) . . 68 

Zinnvergiftungen. Dr. Eckardt (Symanski). 69 

Lebensmitteluntersuchung in der Schweiz. Juckenack (8ymanski) . 69 

Bakt. Nahrungsmittelvergiftungen. Dr. Jakobits u. Dr. Kaiser (Lents) 288 
Fieischvergiftungserreger in POkelfleischwaren. Zwickel u. Weichei 


Streptokokken in der Milch. Baehr (Zimmermann).289 

Branntweinvergiftungen. Dr. Holländer (Waibel).290 

Milchverderbnis durch Schmuts u. Bakterien. Dr. Kunow (flillenberg) 580 

Fermente der Milch. Meyer (Zimmermann).580 

Neue Methode, die Milch su sterilisieren. Heryng (Mayer) .... 580 

Zwei Fälle von Myasis intestinalis. Dr. Bovasio (Solbrig) .... 581 

Ffltterungsversuche an Mäusen mit Fleisch. 8chellhorn (Lents) 606 
Fleischvergiftung durch Bac. enteritidis Gaertner. Dr. B r e c k 1 e (Waibel) 606 
Bakteriologischer Befund bei Käsevergiftung. Dr. Dold (Liebetrau) . 607 

Zerstörung der pathogenen Stoffe in Brot durch den Backproseß. 

Auchö (Mayer) . . . ,.607 

Differensierung von Natur- und Kunsthonig. Prof. S c h ü ts e (Bpd. jun.) 607 

Giftigkeit des Holzgeistes. Dr. Jaksch (Höscb). 608 

Hackfleischepidemie im Rudolf Virchow - Krankenhause. G a f 1 k y, 

Dietrich, Abel, Kraus (Hillenberg).699 

Weitere Yerwendbarkeit des Kufeke-Kindermehles. Dr. Freudenberg 699 
Die Fleischvergiftungsepidemie in St. Johann. Dr. Bimpau (Dohrn) . 818 

Abtötung pathogener Keime durch Bestrahlung mit ultraviolettem Licnt. 


Pappenservice aus Lot. Prof. Dr. Gärtner (Hillenberg).850 

6. Gewerbehygiene. 

Taucherlähmung. Graham Blick (Bevenstorf).140 

Einfluß des Eisenbahndienstes auf das Hörvermögen. Dr. Pollnow (Wolf) 141 
Kinderarbeit in den Vereinigten Staaten. Dr. Schultse (Wolf) . . 141 

Gewerbekrankheiten im Telegraphen- u. Telephondienst. Dr. Ze vi (Solbrig) 260 
Betriebe zur Erzeugung von Kalsiumkarbid. Prof. Pisenti (Solbrig). 261 

Affektionen bei Jutearbeitern. Z am bl er (Solbrig).262 

Strohhutfabrikation; Pathologie der Arbeit. Prof. Pi er az z in i (Soibriir) 268 























Inhalt. 


Enklwff dt? Kaimitfelheit hei mik!>rwid#poreaJuüÜg^ Fallen, Br. 

EeicbfWfklerMg n»d Gewarbekrankheiten. Br. Ewald (Liebetrau) 
Amhahjzfene in Deutschland. Dt, Martial (Dohrö) . , » * • \ 

AiieiXübYxteae In QssterrelciL Br» Mart ial (Dohrn), J 
Amte ha Dieaato der engL Gewerbeanfsieht. Dr. Abeiador JI (Solbilg) 
AwmMiem der Kohlen Bergleute. Br. Malyoz (Dohrn) .... . 
Kairioarerbreiinuiig, Bergh (Eerenstorp * » . . - * *• • 

Kt Gestell fat Stopftrbeiieftc BUn (Dohrn) , . . * > ■ • ; - 

Hygienische Bedeutung der Förderung von Bleierzen. Vtot Dr. 

Sommerfeld (Sülenberg) . > . v ' , . . v . . 

BteifsrgilUfig. Dr. Trainh<u (Dohrn) . • £ - ' r ' ' 

ArbeltwichttU bei Cabwöftaifedte«. Dr» SüboreiaU (H^ßh) » . . 
Vergehen gegen die KiadarachnUböfliimmaageß. ?, GeUUeig (Wolf) 
c«won.Krankhaften. Pag»* (Soibrlg) . r •. * ■ . • • •■ 
Etafiah der Ventilation aut den Orgaoismas. Langloi« V ’ 

öaflojö dar Ventilation au! den arteriellen Druck m der Bähe. 

EirfoS dar Ventilation ml den arteriellen Druck während der Arbeit. 

Bouthier und Boa-aeftaü«* > * * - * * u 

San dgantAmlicfee Form gewefibllcher QaeckwlbervorgUtMsg. Br. mei* 

Scwf/to ^agw^egei» ’ Weht, ‘ Pro!. Dr. Birch-HirBchield 
CftpdL lQkA*} v t • • # * 9 • i* ^ , * * * * * * 

Äaaküimtfa das Organismua mal die Varäßderungen des am ge h enden 
_ Äadinm*. Langiois (Meyer) * . • ♦ • * * • * * ^ 1# { 

Ö»Praxbt des KmdefscliatrgeseiasBa in Preußen, Df. Seht mann iWoll) 
D *«c gewerbliche Kinderarbeit. Dr. Bender (Wolf) . .... 
r MuUewclmt*. 8AugUngefürac>r$e, Haltöklndorw»«©». 

7v*i^8^V«bU<jhkeit Patt in (Mayer). . . . . * * - • - • ; 

w ^^Äaargipfel der SÄttgiingBBterhiichkeit Dr. Finkeistein 

der Säuglinge. Prk*D^ Köppe (jiebetr^ . 
Zu «Ht? 16 ■ ^hvletigWi’ä» heim Stillen. Dr, Stahl (Liebetrau) ... ■*. 

Pr. Orgle* (Wolf) *.* • • * 

^tüifeß.?u;bnngen. Df. Berger (Wolf) * * * * * *. .* 

Ä (Wo^ d#r KlKtar über Säuglingsetnähning. Prof. Dr Langetein 

der Mütterin S&agiingsfftraorgeateBaa. B^dor(Wöifi , 
VS?i and die Bedeutung des SeibstsUUens. Dr. 

M der Fürsorge. Prof. Br. Ke Her (Wolf) ♦ • • - • • 

ff« fJtSf 18 Kattnrn yerbleibeaden aneheUchea Kkder* Bahrdt 

ar- die ajaaheHchen Mdtter mit ihren Kindern zaaamiDenßn' 

Doelts(Wolf).. < ♦ /Wl * 

SatjglingBhelme. Prof. Dr. Keil dr (Wolf) . • 
bol w tili enden M-ü Uorn. Dr, Scharfe (Bpi jon. ) 
m Siillbethüffia. Br. Schiller (Wolf) . - *' • 

^L^^WaöÄsaafähickait. Br. Bjalanky (Sehmikji .. . 


Tä?SU lIttögwuifghigkeit 
Fflegjer ©laos Kindes. 

***^Uc2*rf 44rA)jr ^ R KatWah«. Br, Behrens and Dr» SchUiat 

^ : ßrnihtnng neagebarenor Kinder In Bostwik 

‘W?D*. K e 11 er (Wolf) • • " ! • • • 

l^WhlCk'£?*'* l '**obto*u WSstoertaoen. Pro». Dr. fto u m * n n (WoU) 
T," D». TMorsch (HmeshOfg) . . . . . 

w* B*moo, D». H«ff> (Wo») • - • • • • 

Kiel Pro». Ür. y. gHürcfc (Wotf);_ , . . • . 

© BgSgtiubl m^V^ ta poamer*. Prof, Dr. P«!p»r »Wolf) . . . 

.bi.'iL.OUSb>eü m&.-'.t&tiite- Dr * B»«« (Wolf) 


Prof. Df. L&ngetolo 
Br, Behrens and Dr» 


chUiet 


Bosio&k. 














XXH Inhalt. 


Seite. 

Ernährung «ad Sterblichkeit der Säuglinge in ländlichen Bezirken. Dr. 

Liediff (Wolf).418 

Beichsrersidierniigs-Ordnung und Säuglingsfürsorge. Prof. Dr. Schloß- 

mann und Beg.-Bat Pistor (Wolf).419 

Die Hebammenpr&miiernng in Wien. Boncowita (Wolf).419 

Säuglingssterblichkeit in Böhmen. Dr. Schleißner (Liebetrau) . . 420 

Der 8ängling im Hochgebirge. Dr. Neumann (Liebetrau) .... 420 

Säuglingssterblichkeit Pattin (Mayer).446 

Sollen tuberkulOee Mütter stillen? Dr. Abramowski (Bpd. Jun). . 496 

Schlecht gedeihende Brustkinder. Dr. Thiemich (Bpd. jan.) . . . 496 

Die osmotische Konzentration der Säuglingsmilchmischungen. Dr. Bn- 

gelmann und Dr. Koch (Bpd. jan.).497 

Stillfraaen. Prof. Dr. Brüning (Wolf).497 

Säuglingsfürsorgestelle in Wien. Dr. Mautner (Wol!).497 

Nährmittelreklame als Feindin des Säuglings. Dr. Hoffa (Wolf) . . 497 

Säuglingsfürsorge im Beg.-Bes. Düsseldorf. Dr. Baum (Wolf) . . . 497 

Die Säuglingssterblichkeit in der preußischen Statistik. Dr. B i r k (Dohrn) 498 
Gewerbliche Tätigkeit der Frauen und Säuglingssterblichkeit. Dr. 

Bobertson (Mayer).498 

Säuglingssterblichkeit in Kilwa. Dr. Peiper (Dohrn).499 

Sterblichkeit im 1. Lebensmonat. Dr. Boesle (Wolf).610 

Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit in Neuß. Klein (Wolf) ... 611 

WOchnerinnenfürsorge und Beichstagspetitionen. Dr. Fischer (Wolf) 612 
Auf 8äuglingstationen gebildetes Pflegepersonal. Dr. Wichum (Wolf) 612 
Ausgebiidete Helferinnen in der Säuglingsfürsorge. Prof. Dr. Keller 

(Wolf).. . ..612 

Berufsrormundschaft für die unehelichen 8äuglinge. Dr. Feld (Wolf) 612 

Tuberkulose und Stillen. Dr. Deutsch (Waibel).700 

Säuglingsmilch und ihre Behandlung im Haushalt. Dr. Sommerfeld 

(Wolf).7.700 

Säuglingsfürsorge in Mecklenburg-Schwerin. Prof. Dr. Brüning (Wolf) 701 
KürperUche Wertigkeit der unehelich geborenen 8äugllnge. Prot Dr. 

Peiper und Polens (Wolf).701 

Eselinmilch in der Diätetik des Säuglings. Dr. Brückner (Bpd.). . 861 

Anwendung getrockneter Milch in den Säuglings - Niederlagen. Killiek 

Miliar3 (Mayer) ..:... ... . . . ..861 

Säuglingsfürsorge in Barmen. Dr. Hoffa (Wolf).862 

Säuglingsfürsorge in Magdeburg. Prof. Dr. Thiemich (Wolf) . . . 862 

Säuglingsfürsorge in Posen. Dr. Pihcus ?Woli).858 

Die Säuglingssterblichkeit in Pommern, rrof. Dr. Peiper und Dr. 

Pauli (Dohrn).868 

Minderzahl und Kindersterblichkeit. Baum (Hoffmans).864 

StfllungsTcrhältnisse Berliner Gemeindeschul-Bekruten. Dr. Schaefer 

(Hoffmann).855 

8. Schulhygiene und Jugendfürsorge. 

Seh-HOrkurse. Dr. 8chrakamp (8o4>rig).180 

Schulärztliche Tätigkeit an der Hilfsschule in Worms. Dr. Bajerthal 

(Pilf).180 

Schularzt und Hilfsschule. Dr. Warburg (8olbiig).181 

Hangerkünstler und Schulfiühstück. Dr. Bachmann (Wolf) ... 181 

Programm des Bandes für Schulreform. Prof. Dr. Cordsen (Wolf) . 181 

Entwicklung des Werkunterrichts. G. Lenzer (Wolf).181 

Die 8cbulbankfrnge. Dr. Burgerstein (Thomalle).182 

Die 8chulbankfrage. Dhlig (Liebetrau).182 

Beinigung der 8chulzimmer. Bichardts (Mayer).182 

Her?6ee Kinder. DixiWolf). 291 

Kontrolluntersuchungen der Schulkinder. Dr. Poelchau (Solbrig) . . 291 

Das Farbeabeaennungsyermügen als Intelligenzprüfung. Dr. Warburg 

(Waibel).. f . ..291 

Ernährungsrerhältnlne der Volksschulkinder. (Glauhitt).292 

Die Schulzimmertür. Schoenfelder (Wolf).292 


































Inhalt. 


xmi 

■ Ml«.' 




Lage der Fenztcrwand des Sehalrimoer« zur Sons«. Prof. Nussbeum 
i W Olf) « ■ • « * . 0 Vi 

Freie» Wes dicht in Schulen. Srhoenfoldo? 

FaÄbeden«Stachel. Kall tick (Liebetrea) > 

SebaUtert«. ühlig föolbrig) .... . I • • . • ■ 

Di* SchaUch werter, Br. Poel hau (Wolf) , ... . 

Pir»orge für schulreif» Kinder. Dr. RauperW.Wolf) .... 
Dl» F&norgeerziebang in Sachsen. Dr. JKöbne (Wolf) ..... 
Z*is$?« oder Fürsorgeerziehung Minderjähriger. Prof. Dr. Frensel 

Azfgzben der Schulhygiene. Dt. SQpfle (Wolf) ....... 

Hygieaisehe Erziehung der Jugend. Dr. Neamnnn (Wolf) ... 

körperliche Züchtigung, Dr. Moses (Wolf).. 

SeiJilerjuübslroorde. Dr, Meitzer (Wolf) , . . > . . ..... 

Die Schale für Schwerhörige. Frof. Dr. Hochmenn (Liebetrna) . . 
Ibihodon der InteUigensprüfang. Prof, Dr. Tbl©mich (Bpd. jan.) % 
Sülsfcbalweoen la Deat»ddf>ai. Fuchs (Wol.fi . , ..... 

Sctsaiireie in Ungarn. Dr.Iab* (Soibrig) .. 

Der 7 Ghr-Schulanfang. Dr. Meyer (Solbrtg) , » , ...... 

Reformen an der Knabetuekandaiscbiü« In Bern. Dr, Bade rtseher 

Prtfong der Sebschirfe bei jungen Kiadftra. JQr. H asb (Wolf) .. . . 

Du überaorBuüe Kind. Stern (Woii) .. 

Verkant erricht in der Hilfsschule, Merteisaaantt (Wolf) . ... . 
Orthopädische Toraknwe ln Schalen. Prof. Dr. Schmidt (Wolf) . . 
Dm Tametn sn der Schulbank. Fi »eher (Wolf) . ...... 

Di» Waldschule der Stadt Dortmnnd. Dr. Stein h aue (Solbrig) 
Schulzahnklinik in Schöaeborg. (Hoffman») ... ..... 

Pubertät und Schale, A. Cr am er (Epd. )aa.) . -. . . . . . . . 

Pryckiatriacbe Ausbildung der Ersiehe? an Fftrsorgeafistaiten. Dr. 0«lu« 
(Weif) . . . ... % . . . . . 

Die Fürsorgeerziehung, Dr. ja?. Leonhardt 
lefetd .Strafrecht, v. Lillenthal (Wolf) . * v . . . • ... 

Jaguadztnkimht im Voraniwurf zam Strafgesetzbuch- Dr. Bloch (Wolf) 
ianenögeeicht im Vorehtwujrf df»Strafgesotzbaches. Landeberg (Wolf) 
SectnlUng de* IDudertdjutzparignphtni. Fr osch (Wolf) . . . . . 
0»/age&dlich« ün Vorentwarf sxüb Strafgesetzbuch. We(ygandt(WaH) 
EndebongswohiialU-Gesetz. Seifert (Wolf) ...... ... 

Beaufsichtigung des Schulgebäudes durch den Schularzt Dr; Fürst (Wolf) 
Die Fflrnorgeeniehungegwetse der deutschen Bundesstaaten* Meng ei¬ 
le O Cd (Wolf) .............. i- . . . » 

Zehn Jahre Fürsorgeerziehung. Die Fürsorgeerziehung io Preußen in 

1908. Koebne (Welf) . ... .-i * 

Dtr Arzt in dom Fürsorgeerziehung!!- und Jugendgedchtsweeea. 

Dr, Jalius Moses (Bcffmznn) ... . 

Das Untergeschoß des Stadtscbaüuueea, Prot H.(Chr. N & ß b » a m (W oif) 

Usdliche Scholzlmmor. WH.lt e (Wolf) , .. , . 

Schcibaokhygieue. Dr. Mo»««(Wolf) . . • . . 

&t Schaltntelfrnge. Weigl (Wolf) . > . .... < . « • • 

Wad drt doppelhändige» Aazhüdung, Vorteile der Steüscbriit. Dr. 

y t P 2 k ft 1 ITflllfl). ... ; . . • , * • 4 , 

Hinwege f9r Sehwacfcbsgabte. Büttner (Wolf) . . 

Bz» PwtbSm dar Erdehaeg normaler Kinder. Mt jor (Wolf) 

7oQ. u& *<e&w4s6 hasehifti^e Schulärzte. ßowarih (Mayer). . . 
r tbvr das Xiftp , &)i.gujs| f weeht der Lehrer. Dr Vollmer (Mayer) . . 
Grllnd«s«k -«»«ars^ulhy^.r8^hmheB 4 Mtue<^ Dr. Lewend owakl 

^Arihyginwe h ÄflhaUlani De.wer (Meyer)^ . - - • - <. . • ■«... 

9. Fttroorg* für Kranke, Debreohllcho; Hattoü50irare>o«n. 
Usber Krsiehtutg in KrüppelnasUlteo. Erb erd (Wolfi . . 

Edblge der Krüppelheime. Dr. Bado (Wall) ^ ; 

" — in Krenkenheusern (Wolf) 




m 

m 

m 

298 

294 

294 

294 

295 
447 
447 

447 

448 
448 

448 

449 
449 
Öi8 

613 

618 

613 

614 
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615 

616 

615 

616 
616 

617 

618 
61S 
619 
619 
619 
701 

735 

737 

738 
855 

855 
656 
866 

m 

856 

857 
857 
86S 

859 

859 


142 

142 

295 




XXIV 


Inhalt 

Bäu tob 8ittgliagskrtnkeabÄ»w<iii?. HeabB$T (Wolf) . t .... 296 

Kiadererlioluögsbeiffl der 8Ud$ Sehööftberg *of Föhr, DrlBabsow 

(HotoÄfifl) ..295 

Hygiene der K?fcp.pel aasult- Dr. Bö » e a t e 1 d u» Dr» Merkel (Wolf) 449 
Xrüppebchttle aad KrtSppelkliijik, Froi pr, LÄftge (Wolf) , . . . 460 

Jfr&npelf&norge Iw Kreise Zt&g»t}?$ck, Qr* Cnytin* (WoH) . . , 460 

Kinderarbeit und Krttppeüawfg*. Ag&rd (Wölf) . > . . . , 451 

Alkohohnißbrauch und KrkppeUoin. Pr. Hoppe (Wolf) , . ,. , . 451 

Elwichtaag des Badeh*tucs «brr müdentea Klinik. Prot Dr.Manhoa 

(Rpd. jus.) .. ......... 656 

Dl« HeimaUtten der Stadt Berlin. Dr. Daris (Hoffwann $ . . 657 

Pie Boorganieation der Bettungakasten. Dr. Bnö (Woll).667 

10. Bek&mpfang dee JUXoBoUnmii*. 

Maß dee Alkohole auf Fieber, Prof Dr. Den nig i Dr. Hindelang 

and Dr. Grhnbanm (Schenk) . , . , . >' v / , . . . . 296 

Behandlung der Vergiftungen mit Weißgeitf* Prot Pr, Moell (Scheck) 296 
Der Wein ia der Eraihroosr Boos und tegraln \$cbmW) - 296 

Alhoholieraa« und Oaeiiiliichkwt. PS sch wese« (Sekeok) . . . 297 

AlkohoHswuA uni Staat Dr. Artoalnt (Soibrig) > . . 297 

Trtakemrtorgiug, Prot Dr. ¥ttt el (Schinkl . S9# 

Bellrige enr Alköhotfrege (Hoifwaim) X . , 620 

Behandlung Alkohelkmfcer Pr. 8«Mf*n (Wolf), ..... 620 

Jf«hre8vere«<jEüdt des Vereine gev.rf. üDfibrancb geisÜ irOt Gelt ante (Schenk) 738 

Trinkerföraorge (Schenk} ..788 

GeedsichtUch.es tbw den AUroholiemn«. Dr. Gräber (8chenk) . 739 

Der AlkoholiamcSf »eine Wirkungen und seine Bekawpfcng i Schenk) . 739 

11. Körperpflege* .Badewessn, Heilquellen. 

Bakteriologische Datereuchang des BadewMser* in Bchwimwamdaiton 

Pearce (BomaiorD ................ 890 

Einfluß der Flagellaten aut die SelberEinigung des Baaslnwassers. Dr. 

BlTai (Rerenstorf). . . , , , . . . . .. , 900 

1JA DoicUöSieohAu, BegnAbnia'weeHu, 

Die obligatorische Leicheoschea in Pestschlaird. Schwalbe (Liebetrau) 144 
IS. (ftwuttdReitaveeen; Sosi&le Hygiene. 

Gesundbeitsbericht der Krdshrxte 4>r~'VhoxxrnHa v , 37 

Gecandheitaech&den aus löslichen GewcbaheUen PM. Dr. Zinn (Zelle) 149 

Milithitaoglichkelt Dr. Pl«cb*r fWo.U> , .. 143 

Eine ethiafthe Forder unt* Dr. HÄnd«k« (WoH) .443 

Zukunft de« medical oiiket ot health. Dr. CUary (Mayer) > . £& 

Regelung deagemefadeSrirt lieben Dkniies. Dr. EffUr (Hoffmans;« 800 
Zar Verwinde jung der ttnebelkhen Geburten. Dr. Fi s c h * r t W olf) . 4r>l 
ErwcrbaUhiÄkdt und Ihre Ansaatzu»g io der Armenpflege. Dr.Vol- 

ntnii (Hoffmans) . . » . r ... i .. 452 

Ziff&rnrahßlfA* J^iVurrütiiig des Era&htasgAxafit&ndes. Oppenheimer 

....... .. , , . / . . . : m 

Ver^flmag. Aalte« tiM Hygiene. Prot Dr. Gräber (Liebetrau) 453 

BakÄmptoeg<9^ Mmwderbiiis. Dr. Kunert a. Dr. WiUiger (^olbrif?) 453 
Die' Wehrtofte fe r^tedica Bdehw. Schmidt (Hoffmana) . . 453 

Eiaiwnbi^i bfj *tet£xea und anderen Formen der öff^ntllchon Ver- 

waUnu^. Ör. Newsholwe (Üayer) . . . ...... 454 

KommunaierüUicher l'ieoat in OharJott^nbarg. Dr, Lean hoff (Wölf) 455 
MtiltkrlangUcbkei? iw ÜrMe d&r Biologie u. Hygiene. Dr U e i & a e r (1 >ohm) 620 

Eia äuß des ZftharerJl^steä auldio M-ilH'irlangUchkeB. Pr. Weuaof (w aibei) 621 
VoikettfttUchw Vortrfege eher Oc^owdbeilspftfge. Dr. Dohm (Wolf) . 621 

üyg!«iö als Lehriaßh *» den techc. fie-ch^ehöiea, Dr. öemänd (Liebetran) '621 
Da« Ve-rbinfccltcrr, $jpi >'>tAehe» u. sdnu BekAmpfung. Prof. Dr. Lochte 

(Dohts) ... m 

f €ß’t?y{ilche> Ö^andheUupÖego u. AeritesUnd. Mrs. W ebb (tfayei) 659 
I KänkindCraystem » Üagarp. Dr. Fach (Hoffmaaa) . . , . . . 660 

wiiehe Entartung ün Sinne dor aoxinfea Hygiene Dr, Grotjahn 

’HoSmans) . . . . ... '. . \ ........ Ml 





Inhalt 


XXV 

•«U*. 

739 

740 


(HbvmpoMk. Dt. 8**61 (Wolf). 

Zur hyglen. Brriohang das MenschengeBdüechta« Dr. Neamann (WolJ) 
Medizinische Sehatnrnafitegeia gegen Verbreche «iw, Dr, Loewee- 
f*ld (Wolf).. . 

14. Statistik, 

Me&LzfnaisUtistiscbe Nachrjicfcte« (f. &eiiva) . . .... . 

Medisinalsiatistik Prof. Silbergleit (Wolf) .......... 

Bedeutung der Med&inalstatiaiik itir soziale Hygiene und Medi&ia. Dr. 
örotjaht* (Wolf) ... 

15. 

Meidepdicut und SchwefgepÖicht Piof. Dr, Fleach (Hofföjwto) , . 
Zahabaiikunde ia Beziehung mm &if entliehen Gesundheitsdienst«. Dodd 

(Meyer) > . . ", ..V . 

Die Reform dea österreichischen Strafrechtes und die Aerstc (Hoffmana) 
Dia Dienstobliegenheiten des' medical ölfieor of fcealtb« . Sbaislhrop* 
(Mayer) , . . . .. . . . . . . , . ; . . . . 

IC, Höbajoxmonwößea 

Dib englische HebammengeaetjL Dr. Cinery (flfayer) . * ; , . 
Beform de« H«bamm<mweflen*~ Dr. Bronnecko (öotouifi) . . . 
Beform des Hebft&meiigearetzes in der Schweis (r. Lei!**) ; . 

D« Entwurf zum HebRmmengeset* 1910* Dr. Cleary (Meyer) •* . 

Tom englischen Heberamenweaeii (Meyer). 

Dm HebsmmcQdesiiü'ektiofisklatehea. Dr. An gor er (Weibel) . . ... 
17. Arazieimlttelsreraorgaxig. 

UnmeriSsslga Handelspräpar&te des Apomorphins. Prof. Dr. B*rn*ek 

cad Dr. HU de Irr and t \ Wiibel) . ... . , 

l^ftroftbßdfivgflostiflehe Prüfungen bei ApothekeuTtelUiioßcn. Prof. Mit- 
iacher (Hösch) 

PffclfieTkäuflichkeit ?cn Kainpber-Taseline und Tamati&densaft. Fischer 
and Dr. Abei (Eilienberg) . . > . ü • . i y * - . . . > 
18. Klaypfu®cvh#zel 

bekiinpfaiig des Karpfuscheriuma. Dr. Berger (I»!ebetj»n) . . . . 


HX Bespreolumgexk 1 ) 

Aminoo^ D/. ScbpröbeoUfei» (RpA jan.) . ... . . . 

d r« o i d, Dr.; Repetitorium der Chemie (*. Leliwa) ,v / . . . 

^»adelier, Dr.* Tuberkulose nla VoiköhtMibbfeU (GUufciH) . . . 

tT. «* Äoepke, Dr,DUgaoottk a. Therapie der Tuberkulose (Eülenberg) 
5**4 * *1 * P& s* :L*«g£rmasB f Dr.: Diätetik Ihr Magna* usw. Kranke 
Dnilrö Kampf um Ideale (Schenk) >, % . ,.... .> . . . . 

X)r. , Dfe; Serodiagnose der Syphilis (MohrmsÄi) , . . . . 

U ******* Dmadriß sum Studium der Gebonahilfe (Weither) . 

Dr.i önienfttohuag aetröser and psychischer Krankheiten 

► 0#l ( r& 4 J * n} '•••*•— : i .. - - * * > * * .v-v •■.'■+ 

rai* 3 ** &tp& Dr.; Problem« der Prutistenkuade (Mohrmann) . , . 

Hamajjaiyie neb«t Aaalyae des Magensaft«» (Mbhrmann) 
rfilt c '** JP C " ^byaiologfsche Wirkangen der Bensoeafiure (Mohnaann) 
^ Dementia praecoic mit;&ifc»boltethtyi cb/onJcus (Schenk) 





XXVI 


Inhalt. 


Kisskalt, Prof. Dr.; Bakteriologie und Protonoelegie (Mohraann) • 
Knopper, Dr«: Weiche Benthnjannge» dos IftTnudos?ot«ichonioge- 

geselle» maß der Am können? (Mayer).. . . . 

Krnass, Dr.: Dm Medbriaalwesen in Württemberg (Bpd,) < „ . 
Kr oh ne, Dr.: Aentikhe Prtxx« and MediadnaigeseUgebung (Bpi) . 
Lnagermnnn 0 . Biedert 

Leen, Dr.: Die forensische Blaluitereachuag (Beyeaitorf) .... 

r. Lind heim: 8 nlnti teseenüs (Epljoa^ *, ... . 

Liniger, Prot Dr.; Begutachtung tob Finger-, Am«, and Belayer- 
leUnngen (Mayor) . . ... 

Look, Dr.; Chemie and Photographie bei KriulsnilonohiiBgOB (Wolf) 
Labbert. Dr.: Entatehuag dt» Krnhssm uaw, {Bpd.Jan.) . . , . 

Medisi&alarfjjiy für das DeaUche Beich {Bpd.) , . * L, . . . . 
MedUinalkollegtam Sneh 8 .ee, Jahresbericht 1907 (?. Leüirn) , , . . 
Miller, ProiDr.. Notwendigkeit und Wert der Zahnpflege {Glaubitt} 
Müller, Prof. Dr,; Lebrbudi der LcRgectnberkuioee (fioepke) . 
Müller, Pro! Dt 4 Die spinale Kindexlihmang (Mokmoen) . v . . 
Malier, Dr.; Sypfeüiadiigttoapa aal biologischem Wege (Bpd. ja».) . . 
Oker-Blom» Dt: Martha beim Onkel Doktor (Mohnttaee) . . . . 

Opit«, Dr.: Brannenbyglem« (Mobnnana) .. 

Orlawski, Dt ; Die Impete®* 4e« Mannes {Ernst) ...... 

Fnvoileokfc Dt: Jshrback der MedManlTarwaltang In Elsaß- 
Lothringen (t. Lei!*») , . « . . . . . . . . . ... 

Perlia, Dt: Bildet für Schielende (y. Leliwa).. 

Plstor, Dr.: Geschichte der Preußischen Medizinal Verwaltung (Zelle) 
Polag, Dr. jar. et taedBerechtigung des künstlichen Abortas 

(Mj«*-) • / . . .. ; v;,. 

Prihram, Prof. Thstfapfe i&pL;ctwt * . . , , 

▼. Provasek, Dr,; Mihm»k«pknhe Tbfchöii d?«r 

(Mobma&v; ... 

K lab er, Dr.: Ihr Iw MfidiiJcalweftca < W$U) 

— Bestimm an ^ 1.5 fftr 4fca Äj^vk 6 i;*r*w€Ä (Wölf) . v '. 

Bapmnndi FreL Dt.: Die Bestimmungen Aber den Verkehr mit 

AroneimlttelB (WolO ........... . > . . 

— Kalender für M^udnalbeamte (FieliU) . . . . ...... 

fielst all: Des kleine PoUseibanobach (Pilf) ....... 

Eiagier, Dr.: Leiden and Freuden eines Landarztes (Zelle) . . . . 
Eoepke a. Bandelier. 

Scbnefer, Dr.: Gerichtliche Psychiatrie (Bpd. jtus.) 

— Jeans in ptyehktffodbar Beleuchtung (Heppe) 

Schall, Dr. and Heuler, Dr.; Nutrongsmuteltabelta ss Diimr- 
Ordnungen (Doepner) * . ; .... 

S c b i 11 i n g. Prot Dr.: Tropenhygiene (Lenla) 

Schmidt* Dt.: Schotte den Zihttm {Glanbitt) 

Slttler, Dr.: Die Domflor* beim Säugling (E) 

Smith, Dr.: Hers- and Gefh&krinkheiUn (Mohrmann) * . . 

Sadboff: Klassiker der Medium (Mohmann)., . 

Teichen, Dr; Untersuchung m Milch* and Moikerdprodakten 
(Doepne?). ........ 

Tugendreich, Dr : Die Matter- and SEuglingafamorge (Zelle), , 22 
Ulrich, Dr.: Tafeln praktischer Anatomie für Hebammen (Zelle) Ä , 
r. Vogl, Dt,: SlQgltngssterblichkeit and Wehrfähigkeit (Bpd. jo».) . 
W ei Chat di, Df.: Jabresbencht der lamanUaUforschang (Eoepke) . 
Wiedemen», Dr.: Da» Mftdisisalwaien ln Bayern (EpA) ..... 

Wolff-Eisner, Dr.: Frühdiagnose and Taberkaio*«• IraißaaiUt 
(Eoepke) 


> . • . ■. * * * 


(»00 . . 

f.“ ■■ : ■ 'i ■ -■ 

T ages naciiricliten. 

4u d«is EeicJuUg« and dem Bimdearat«: 

F5rd«ro»^ d« XricUichui Fortbiidingtweioia , 


Stile. 

SOS 

265 
861 
1«2 

455 

82t 

529 

901 
781 
860 
306 

38 

467 

818 

781 

600 

861 

302 

306 

604 

305 

183 

380 

802 

778 

778 

861 

900 

301 

902 

222 

779 

460 

582 


781 

902 

499 

779 

304 

222 

456 
860 

457 


. U5 f 226 


>^AV; S 


m 






Inhalt. 


Mißbrauch aräfttischer ArisdmiiWl .184» 28& 

Schot« der gfwerbücfcen Arbeiter 223 

Zesuatetelia für Voftawohiiakrt ... , . > . . ... . . 223 

Mi&rt&ade »et Aaiwasäar&rscMffim ............ 228 

Naehtralie der BlnBönpcrhSffer . , .. . , . 224 

ArbeiseTwiAitaisee 1a der chemisches Industrie . . / ’. . . . 224 

VarfeesaefOag der Wbhsasepmh&luisae .. 224 

Kfmnerfhtm^gmittei fttr Fleisch .. 234 

BftgetoAg im Nahrungsmittel? er kehre« Wcingeget* . ; ./ ... 224 

Äegstag im A$othekeawesw»8 ............. 226 

Fjjumi*» > . * ..225 

AbdftdfeeiftlgaseU, VlebÄeucbeugeaets . . . . . , . . . . . 225 

Vemnrobtigwg de* Mains. 225 

Aumnt&Wig der Kinder in gewerbliches Betriebes .S2& 

Mißhaadlttegen is Fürsorgeanstsltes . . . > ., . . . 225 

Bekämpfung des Alhoholiaiä ra ; ............. 225 

Womkrasjdieit. 225 

Miithwissesacbafüich«» IssUtat . 325 

EeatesIeatÄeUaBgafe^ahrett v . . . , . . . . . ..... 226 

Slsgüagsrsterblichkeit .......... 226 

Taberkuiote als Beiöfsitraakheit.. . 326 

ÄdchayerädcherttÄgsoidssflg . . . .......... .226)341 

Hau§Ärbdtege«ets. 226 

Karpftusheraigtaei«. . ..... . > . . * 266, 623, 743,862. 908 

Anserl**« löjr 1911 ...... ... 950 

N«ft» Mitglied Ihr da* BetehsgesandMisauas ...... 950 

» im trröaJÖische« Landtage: 

Dm Mediikaiweaea m Etat iftr 1910 ; ^ . . , . . , , 70,341 

FeneibesUttang . . . . ... . . . . 105,420 

verlelhüÄg der Doktorwürde an Tierdnte ...... <146, 702 

ÄjWtMteagflseU , .. . 38, 146, ^,461/500, 663 

Atueiuftag des Medliiaalweseoa Tom. Koliaamlalaterlam 75.106,227.341, 








xxviii 


Inhalt. 


L Dntiekir Kongreß für Krüppelfürsorge. 

11. * » » Volks- und Jugeadspiele.18< 

2. „ * * 8äuglingsschutz. 

General?ersnmmliiBg des Deutschen Zentralkomitees nur Bekämpfung 

der Tuberkulose. 107, 

7. Tuberkuloseärzte-Versammlung. 266, 882, 


XXVL Hauptversammlung des Preuß. MedizinalbeamtenvereiBs 40, 

228, 268, 808, 341, 

9. Jahresversammlung des Württembergischen Medizinalbeamtea- 

Vereins. 

49. Jahresversammlung des Zentralvereins deutscher Zahnärzte. . 
19. » 9 Allgemeinen Deutschen Bäderverbandes 

Hauptversammlung der Deutschen Gesellschaft für Volksbäder . . 

39. 9 des „ Apothekervereins.581 

Sitsung der deutschen otologischen Gesellschaft. 

Versammlung des Vereins deutscher Laryngologen. 

4. Konferenz der Zentralstelle für Volkswohlfahrt. 

85. Versammlung des Deutschen Vereins für öffentliche Gesund¬ 
heitspflege . 227, 461 

Versammlung des Niederrheinischen Vereins für öffentliche Gesund¬ 
heitspflege . 

82. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerste 185,468,548,58 

Außerordentlicher Aerstetag. 

7. Deutscher Samaritertag. 

Personalien: Abel 884, v. Bremen 421, Finger 266, Kürs 868, 
Neidhart 75, 8chmidtmann 146, Schwartikopff 421, 

Weber 146, Wewer. 

Todesfälle: Elten 844, Bobert Koch 422, 424, 468, 822, 863, 051, 


Möller 822, Schoenbrod. 

Verkürsung der Unterrichtsstunden. 

Deutsche Arsneitaxe für 1910. 

Krüppelfürsorgeverein für die Provins Sachsen. 

Sitsung des Bayerischen Obermediiinalausschusses.3 

Fleischsaft Puro.8 

Neuregelung der Pensionsverhältnisse der nicht voll besoldeten Kreis- 


Verkehr mit Arsneimitteln außerhalb der Apotheken .... 105, 5< 


Preisausschreiben: Was kosten die schlechten Bassenelemente den 8 tsratf 

Beform des Apothekenwesens. 

Zusammenlegung kleinerer Oberamtsphysikate. 

Jahreskurie für ärztliche Fortbildung. 

Annalen für das gesamte Hebammenwesen. 

Batschläge an Aerste sur Bekämpfung der epidemischen Kinderlähmung 

Provinzial-Hebammenlehranstalt in Danzig. 

Al varis gapreis. 

Bekämpfung übertragbarer Krankheiten in Württemberg .... 
Geschäftsverteilung in der Medizinalabteilung des Kultusministeriums 
Medizinische Entstellen bei den Kreishauptmannschaften in Sachsen . 

Institut für Schiffs- und Tropenhygiene. 

Forsbildungskurse für Medizinalbeamte und Gerichtsärste 

Fürsorge für Geisteskranke. 

Fürsorgeamt in Hamm. 

Bakteriologisches Institut in Gelsenkirchen. 

Amtsbezeichnung 9Kreisärzte* in Mecklenburg-Schwerin. 

Deutsches Zentralkomitee für ärztliche Studienreisen. 

Fruchtabtreibung in Frankreich. 

Landesveterinäramt. 

Verwaltungsreform in Preußen. 

Statistik des Heilpersonals. 

Verbesserung der Stellung der außerordentlichen Universitätsprofenorm 

Lehrauftrag für gerichtliche Medisin in Erlangen. 

Vorstand des Deutschen Vereins für Volksbygiene. 

Gebührenordnung für Kreisärzte in Mecklenburg-Schwerin .... 









































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. 402 

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Sack - Begister. 


XXIX 


Amtliche Kon far*mm der Medlsinalbeamien ........ 582 

StampeipftchUränil der Oeenndheifcseeiigttieße Ihr Ki*k*»gmä^röt . 702 

PharmaxiftttiBcK rorgehUäe Beamte bei den &qgfortisge&'» } -'> /V■ .c ■: 4-;■■' £82 
PleaarreraammloBg de« Sifhsbichen Ltnöeam^mn*lkvlh%r*m* • ■>'., 5S8«. 951 
Ergebnis der Kraisafstprfiteiigeii . . . . . V- , <; v , . «22 

>■•' . . ., v ..• >. „ . ■. . 628 

/ahÜtamasUiUaff äm .BmhJsiheu M*üJ*unüfce*miftttTer^ns . .. v-. : ., .■ 624 

Jjtafbri i# ¥t*u*lmi *. H v . .; * k * ; 868 

jjtfeaurdnöaf T lrreJxi»TÄ<(fgegGSfj5;, Itakampfui&g «i>ertMgbarer J&jaak- 

heften 1# Bade». .. 863 

Ere&Ämn *1» ö-em/htaim*,,. ö*u<tftH‘fii*dnuiig Js Eiitü** Lothringen . . 702 

r , 4.kt*r^logiÄcfc^ üttemit in Beyern . ... .. >•;. . 742 

£>i*acttlieralirte de? Kiekirsve . . . , . , . . . . , *: * . 782 

lr*tMe£ to» Lübeck und BtrktjnMd *n Aemefcnmmtiin . * . . . * 782 

3te»tn*w«fe*tt*g JfSi die Beafyksfcmc ln Bayern . . . . „••>..* . . 782 

^»nbiidtiflgskBLiÄ Idr Bezhkflärnte in Sachsen . . *•„..,>• 782 

K«ttau ItLr da* JtfwiM&ÄikoSIfcgi&ia m Witrfciembafg . . . . 782 

a*r:ii3a Ton Drü^nbJMdlßngt«« ,' . . . . . < r • 788 

rßianasechreibtwg *Y«rbiUaßg 4er J&jisorandutfefcao» 1 * . . •« 783 

fttr dw Deutsche Eeidi...821; 882 

^TC&llonqpdfaim * a? ^^Mbtihoniste in Bayern . . > 831 

Swiwis ...... ., . . ;. 822 

j^Wicliae mua BdiOtÄben Batarb^Unfltaii i . .... 822 

tJS 9 ^ ^ VI! ias^oiseh ty* Iteirb^gefnandbextsamii .... 862 

. . . ; v ..868, 950 

W, ' U ! 1 *^Q* pr|ikx>at5Äe ^ j'i -- ■ v;,^ ; ; r • . r * 868 


X/jÄlemtbanÄ «ar der Taberknioae . , - 603 

. ' • . . , . ... .... 903 

ZJ*?***- A^bbmnr; Skieietidrii^ö de* Äisneibeanga an! dem Lende 903 
*£*£*** . . . . . , . . . .903,952 

^ '••».. . . , .. . . * .. 90B 


*» ifyUw 


Aetlier v icb&dlgiLng Töö Kaakcbes S49. 

Aetberiecb« (M*. Ftxdemng »n dt» 
ZefttrAlncryetiAyijiem 765. 

Alköfcoltemfci; grlörscbong ßnd Be- 
kbffipfäög 325, 874 f . BiadüÖ des 
Alkohole iuf' Bloidrnek «wd Stütz* 
Ätbeis. Kranket 296» Bebendlüng 4er. 
Alkoliol?ergiftniig 296, Wein Inder 
Ernährung 296. Atkoholletnu* und 
ünsltÜlchKeit 297 # AlkobnUfimtMi und 
Staat 297, Tfinkerrereorgttag 298, 
Dementia praecox 301» KrUppeUuift 
450, Qiykoaurie den AlkoWldeÜiaa- 
ten 4S9» Schwlndencbt 597, Alkohol 
trage 620, Behandlung AJLkohölkra»- 
ker 620, pathologische Hauachaa- 
at&nde 642, Alkob.«lwnhn»iim Im 
Kindesalter 649, Fnnille»Än@miJU©Ä 
dar AUcobeMrtnn TsS» All:ot öln*y. 


^«ihl 0jard 

087 

,ilAT tÄif Ö«rechDgnög 
* infoÄ 1 ^ danach W 4 

W^SSS? duich" Fisch- 
V^ Uftric!lt Ver- 

^ Helnlgung ln 

^ Wirkung 

^, lnf!{!f clkefl GeTbe - 

cvciö K %^««»fÄh.ro» durch 

Mai; 




Sach-Begistef. 


XXX 


chot« 787, Trunksucht uv. im 
neuen Strafgesetzbuch 727, Jahres¬ 
versammlung d. D. V. g. d. Mi߬ 
brauch geistiger Getränke 788, 
Trinkerfürsorge 789, Geschichtliches 
789, Wirkungen und Bekämpfung 
789, Fürsorge für Alkoholkranke 
7o0, Kampf um Ideale, Abstineas 901. 

Alsol 108. 

Alvaringapreis 227. 

Amyloidbildung 249. 

Ancbylostomiasis225,Charat-Boblnsche 
Krystalle 187, Hämatologie 137, 
Fieber 137, parasitologische Be¬ 
obachtungen 188, Vorkommen des 
Necator Americanus 138, antihel- 
minthische Kur 139, Entwicklung 
in der Prov. Floren* 189. 

Aphasie 669, sensorische 208. 

Apotheken und Apotheker, Beform 
146, 225, 876, Preis für Ung. Hy- 
drarg. flav. 344, Statistik 501, Be- 
Vision des Bensinlagers 504, Besepte 
von im Auslande approbierten Anra¬ 
ten 504, pharmaseut. vorgebildete 
Beamte bei den Begierungen 582, 
Hauptversammlung des Apotheker¬ 
vereins 583,702, pharmakodiagnosti- 
sehe Prüfungen bei den Apotheken¬ 
visitationen 622, gesetzliche Be¬ 
stimmungen 779, Apothekenrat 908, 
Betriebsordnung Hamburg 908. 

Arbeit, Ersiehung dasu als Aufgabe 
der Anstalten 129. 

Arbeiterschuts 223, s. auch Gewerbe¬ 
hygiene; Nachtrabe der Binnen¬ 
schiffer 224, Hausarbeitsgesetz 226, 
Arbeitshygiene in Deutschland 268, 
in Oesterreich 264, bei Caissonar¬ 
beiten 609. 

Arbeiterversicherung, Gewerbekrank¬ 
heiten 263. 

Armenarzt und Gesundheitspflege in 
Esgland 659. 

Armenpflege, Ausnutzung der Erwerbs¬ 
fähigkeit 452. 

Armverletzungen, Begutachtung 589. 

Arsazetin, toxische Nebenwirkungen 
402. 

Arsen, gasförmige Arsenverbindungen 
in Arsenleichen 279, Vergiftung 
durch arsenhaltiges Konfekt 279, 
durch Tapeten, Möbel 280, Vergif¬ 
tung 401, 402, Wirkung von Natri- 
umarsenat 402, Arsenwasserstoff- 
Vergiftung 565. 

Arteriosklerose, nervöse u. psychische 
Störungen 18, 641. 

Arzneibuch für das Deutsche Beicb 

821, 862. 

Arznei- und Geheimmitte], Verkehr 
außerhalb der Apotheken 105, 876, 
502, geaetaL Bestimmungen 861, 


Phosphorlebertran 148, Mißbrauch 
narkotischer 184, 225, Zinksalbe 
246, unzuverlässiges Apomorphin 
300, zur Tablettenfrage 854, Scotts 
Emulsion 384, Ankündigung von 
Benaults Syras • Sauerstoffiabletten 
464, Begina Hastentropfen 504, 
Daucussaft, Begriff „Obst* 584, 
Kamphervaseline und Tamarinden¬ 
saft 622, Kurpfuscher- und Ge- 
heimmittelgesets 628, essigsaure 
Tonerde 664, Veril, Forbit 704, 
Bekanntmachungen des Beichskanz- 
lers auf Grund der Kaiserl. Ver¬ 
ordnung ungültig 821, Erleichterung 
des Arzneibezugs auf dem Lande 
903, Salvarsan 908, Lebertranemul¬ 
sion, graue Qaecksilbersalbe 904. 

Arzneitaxe 39, 950. 

Arzt, Fortbildung 145, 186, 226, ärzt¬ 
liche Praxis und Modizinalgesetsge- 
bong 182, Versammlung Deutscher 
Naturforscher und Aerzte 107, 185, 
468, 543, 583, Geheimnispflicht 260, 
Kenntnis der Bestimmungen des In- 
validenversicherungsgesetzes 265, 
Meldepflicht und Schweigepflicht 
298, Begelung des gemeiadeärst- 
lichen Dienstes 300, 455, Mitwir¬ 
kung bei der Gewerbeaufsicht in 
England 834, ausserordentl. Aerzte- 
tag 342, Studienreisen 423, Statistik 
501, Beform des Österreich. Straf¬ 
rechts 657, Armenarzt und Gesund¬ 
heitspflege in Eogland 659, Gebüh¬ 
ren in Baden 663, Stellung im Für- 
sorgeerziehungswesen 787, psychi¬ 
sche Epidemie unter Aersten 805, 
890, Leiden und Freuden eines 
Landarztes 902. 

Aerztekammern für Lübeck und Bir¬ 
kenfeld 782. 

Atmung, künstliche, bei scheinbarem 
Atmungs- und Herztod 804. 

Atoxyl, Vergiftuog 402. 

Auge, Verstümmelung wegen Militär- 
dienstentziehung 442, Prüfung der 
Sehschärfe bei jungen Kindern 613, 
bei Frauen 780, Unfall Verletzungen 
643, Bente bei Verlust eines Auges 
648, Papillenanomallen der Alkoho- 
listen 725, Infektion durch Gono¬ 
kokken als Unfall 732, Schutz gegen 
Licht 733, Augenspiegel 902. 

Auslese, Vererbung und Hygiene 458. 

Austern, Typhus und Paratyphus nach 
Genuß 580. 

Auswandererschiffe, Misstände 228. 

Auszeichnungen, Beantragung 864. 

Badehzus einer Klinik, Einrichtung656. 

Badewesen, Deutsche Gesellschaft für 
Volkabäder 76, Bäderverband 748, 




Öaöh-Begißter. 


Brot, ein aseptisches Nahrungsmittel 

607 . 

Brunnenbygien* S61. 

CalssoÄÄrheitea, ArbeiterachuU 600. 

OAJBSööki&akbeiten 655. 

Chemie, Bepetitorium 30*, Erfahrungeo 
ln der geiichtl. Chemie 636, bei 
KrimiDaiforachungen 901. 

Chinin« Tod 63, 

Ohirargie, Kongresse 106. 

OMoralfcydrat, Wert 51. ^ 

Chloroform, Zersot&ung im Oiganüt» 
mas 567. 

Chlorose a. ToberkuUse, Himaglfibiu- 

faeaUmmungsB $14. 
ChloTÄlnkvergUtoßg 205, 

ChöÄftaiatreßle 196. ’ 

Cholera, lUaialkaiiagar *h HaekU^ 
nährhoden för Vlfenonea 28, 'H* 414, 
Vibrionen im Oönndaris sind Darm- 
^Ueernngcn 54, asUto risches Berum 
25, Vor ÄöOerangen des Ns* t^nsyetera« 
255. Diagnose 256* iß Petersburg u. 
Moskau 366, im Kt, lUytektng 425, 
Anrekhcituag der ■Vllfp'SI: 493. 

Irlöühu ö. 4Ucro CßolOTestkäsfffc 494, 
Bedeutung der Kit rite 495* 771, in 
Bottland 504, laolttuti* de« Vibrio 
593, Verbreitung 6Ö&, 704, 743, 783, 
823,863,908, &&, Verbidttaiigowege 
u. Bekämpfung 345. 

Daktyloskopie u. Vererbung !&• 

Damm Verletzung u. Njerimsteine 408. 
Datura, Vergiftung 281. 

Begenedrte, katatonische Zustands- 
biidcr 642. 

Delirium tremens, Histologie 54. 
Dementia praecox, bei IrabetUlititt 282, 
bei Alkoholismus 801, Anatomie 444, 
888, Blut unter BU&hJiflgoB 568. 
Desinfektion, Ammoüiakent.wicklung 
oho© Apparat 87, 850, apparatlose 
10t 104,105, 216, mit Autaß, Auto* 
form, Paiafon», Forraalin'KaOpp* 
peimaoganat 101, ;102, 108, «60, 
Wohaucg»d*?ivftfktio^ bei Tuber- 
kutoa* 379, IAO, m> toa Sputum 

214, von Wäsche 216, dirdn&*äftr£cde 
Wirkung -von 2aka~ n MuadwAsw* 

215, mit Phennstal-Tahkttefi Ate. 
2X3 QQock«iU»r.rstjbUm*t230. EfÄ 
u. KicMolHeUeni»3f>ungeß 330, f 
bas. Foimangafi 832, AnUfntisla u. 
äbci> 353, von Dfotger durch Phstfs&g 
333. l>nt»f«ktton*wom ln Frank* 
reich Koöles 869, der Hände von 
Typhttah»wÜflnUräa«rH 580, Actö- 
mor«, MorMdd 576, w**8e?ibsliche 
Mittel, BeöiöfekUöftskratt der Phe¬ 
nole 577, Alkohol Jodtinktur 078/ 
moderne Baumdcainfnkiton 5i$, Asm*' 
bildung von Desinfektoren U der 


^srr ^Unterfluchoug des 

■afea. ^ chwimmiuisLaltan 

'■r -Jifc5^JLag^Uaten auf die 

* iim.^TI «a» Badewaasers 900. 
r=r. J.’Mfcac. und Verhalten 

T?v oli üb Waaaar 210, 
BC jB'"Ulii aroorganismdR 253, 
ML—aeaa <—31 «ol 253, Malachit« 
1 t5a4. ^ EeagenxgUsge* 


.^logiic 
C^nilaß ä 

iSS*»’ 


1 lüi- und Debet* 
jS jj HBg Ä5W&, Praktikum der 
u Mr^jaiosoöi&gie 302, 

*• ~^« S2g:.Jfca rang 802. Probleme 
—dSI«» 803, Bakterien 
^ g^.JlarJJnga 303, bakte- 
«eiuakirchen 383, des 
^ JEeimgehah nor- 
■ » ist BaciHua fae- 

pathogen ? 492, 
t; reptokekken 688 r 
- a HX atenmebuagaan- 

- _ "^t=2at_ primäre 8wep- 

l<W ■r-w ^ ' _ ?_- „„,1 XT«i. 


a* jaonine« und Yak- 
7»aodi6zlerte Petri- 


._ **»> emtachtung ö39. 

^ 1 ogische Wtrkon- 

An Mumien 206. 

’ r 1 Maßregeln da* 

^*^-~ <m **^~** *‘njo*iiehe Wttrdl* 

JÖ1 ütaaterauebung 
t * "V «rgittungdurch 

eaTafe^iS^437,708, Oift. 
ift: 486, Oeaund* 

der Fördern«?; 
^ gg^JB Etaen 608, 
* '^«ergiftöttgea 60«, 

JT-^: S50. 

*ac». >" j ittosj tun 16, 


*** «t-lnir.R.M Licht 

ijS’Sfc» ^KaH ehloric.- 
S* _ JBUlfersUtttiig 
'Efttickc a g»- 

•U;;f Ä ■*«:. m 

i«039, lo* 

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^«.twähi Vio «7. 

A*\ ^arVu-lt,. *X«Urt»k/a»- 

•X'i is^nschltchen 

► 686, irauma- 

^^^lai-Vergif. 




XXXII 


Sach - Register. 


Armee 57 9, wissenscbaftl. Anwendung 
608, Wasserstoffsuperoxyd 605, rar 
Desisfektionsfrage 684, Wohnungs- 
desinfektion nötig? 696, ist Desin¬ 
fektion mit|Formaldebyd für Pthi- 
sikerwohnung nötig? 697, von Ro߬ 
haaren nnd Borsten 847, von Ziegen¬ 
haaren 847, Zeitschrift „Der prakt 
Desinfektor* 863, von Abwässern 
881, Desiofektionsk&stchen für Heb¬ 
ammen 898. 

Desinfektor, städtischer, nicht ver¬ 
sichern ngspflichtig gegen Unfall 819. 

Diabetische (iasgrän nach Zehenver- 
letznag 730. 

Dlätverordanagen 460. 

Diakonissen, Fürsorge 365. 

Dienstanweisung, s. Kreisärzte 108. 

Diphtherie, Bazillenträger 211, Serum¬ 
behandlung 211, 212, Epidemie in 
Hamburg 211, Erfahrungen mit dem 
Serum 595, lokale Behandlung 596. 

Dipsomanie 127. 

Doktorwürde, für Tierärzte 146, 702. 

Drogenhandlungen, Besichtigung 105, 
462, deren Kosten 108, Revision 788. 

Dupnytrensche Eirankheit nach Trauma 
184. 

Dynamitgase, Vergiftung 687. 

Dysenterie, Paradysenterie 681, Pseudo¬ 
dysenterie 894. 

Ehe» ethische Forderung, daß nur Ge¬ 
sunde heiraten 143. 

Eier, Fleckeier 67. 

Eifersucht, zwangsweise 55. 

Einkindersystem ln Ungarn 660. 

Ekchymo*en, beim Neugeborenen und 
beim Foetus 803. 

Eklampsie, gerichtsärztliche Bedeutung 

845. 

Elektrizität, Tod dadurch 886. 

Encephalitis nach Trauma 648. 

Bnophthalmus, traumatischer 524. 

Entartung u. Entartungsirresein 282, 
Problem der körperlichen Entartung 
661. 

Entbindungsanstalt Hamburg 503. 

Enuresis, durch Unfall 526. 

Epheu, hautreisende Wirkung 123. 

Epilepsie, Differentialdiagnose 126, 
psychische 127, 128, Polymastie bei 
einem Epileptiker 128, plötzlicher 
Tod 827, Bewußtseinsstörungen mit 
Wandertrieb 444. 

Erhängung, Tod 826, Selbstmord 442, 
Lebensdauer Erhängter 785. 

Ernährung, der Volksschulkinder 292, 
Weht in der Ernährung 296, ziffern¬ 
mäßige Bestimmung 452. 

Erstickung, Beschaffenheit des Blutes 
320, Einfluß des Vagus 825, Vor¬ 
gang beim spinalen Tier »22. 


Ertrinkung, Wasserleichen 326, Dia¬ 
gnose des Todes 687. 

Erwerbsfäbigkeit und Armenpflege 452, 

Erwerbsunfähigkeit bei Einleitung 
eines Heilverfahrens 648. 

Erysipel, Untersuchungen über die 
Streptokokken 212. 

Erziehungswohnsitzgesetn 619. 

Essigessenz, Vergiftung 9, 024. 

Feuerbestattung 105, 874, 420, 863. 
951, vom gerichtsärztlichen Stand¬ 
punkt 248, Gebühren für amtsärzt¬ 
liche Atteste 267. 

Finger, Rente bei Verlust 253, Be¬ 
gutachtung von Verletzungen 539. 

Flagellaten im menschl. Darm 214, 
Einfluß auf die Selbstreinigung des 
Badewassers 900. 

Fleisch, Fütterungsversuche an Mäusen 
67,606, gefärbte Würste 68, Fleisch¬ 
saft Puro 39. 823, Paratyphusba¬ 
sillen im Pökelfleisch 94, Konservie¬ 
rungsmittel 224, Fleischvergiftung 
285, 606. Fleischvergiftungserreger 
in Pökelfleisch 289, Psychose nach 
Fleischvergiftung, 488, forensische 
Bedeutung der Fleischvergiftungen 
545, Hackfleischepidemie im Rudolf 
Vlrchow-Kraakenhauae 699, Fleisch¬ 
vergiftungsepidemie in St. Johann 818. 

Fluß Verunreinigung 225. 

Fortbildung, ärztliche 145, 186, 226, 
der Medizinalbeamten und Gerichts¬ 
ärzte 381, Studienreisen 423, Kurse 
für Medizinalbeamte in Sachsen 782, 
Bayern 821. 

Fruchtabtreibung, s. a. Abort; Bestra¬ 
fung in Frankreich 423, Tod durch 
Luftembolie 585. 

Fohrkosten, Erstattung am Wohn¬ 
ort 108. 

Fürsorge, Jugendgerichts- u. Fürsorge¬ 
verfahren 282, 735, Fürsorgeerzie¬ 
hung in Sachsen 294, Erfahrungen 
bei Zwangs- oder Fürsorgeerziehung 
Minderjähriger 295, Fttrsorgeamt in 
Hamm 382, Ausdehnung der Für¬ 
sorgeerziehung 421, psychiatrische 
Ausbildung der Erzieher und Für¬ 
sorgeangestellten 616, die Fürsorge¬ 
erziehung 616, Erziehungswohnsitz- 
geaetz 619. Fürsorgeerziehung in 
Preußen 1908 737, der Arzt im 
Fürsorgeerziehungswesen 737. 

Fußabdrücke bei Begutachtung von 
Funktionsstörungen der unteren Ex¬ 
tremitäten 756. 

Gangrän, angiosklerotische bei Rau¬ 
chern 214; diabetische nach Zehen¬ 
verletzung 730. 




Saoir* Register. 




Gel^nkrhettmAtibin^gQiionhoigchcröS, 

fie&t£Mtdeftr«L Becektttg dw Pienaiefi 

m, 

Qcmiekxtftrre, libemagbfcyö, klare mir- 
krofeaalme Ä^fc^yosjjlaaite^igkcit 
26/Aetfoiogi& 27, in Eaaea 27, »Ja 
Ursache x'iu Fayivkos-aa &5/.Beii»nd- 
lang üei Mct(JigdkokkoüU’»gt»r 286, 
ö«ß!ckst*m folgen 484, Serombe- 
haadi&iig 571, 846, lieaktion der 
iidckünmÄrkshauie auf Injektionen 
5?i, Jtgwhufetarni!? von Pferden S46 t 
£söb?*abtö»gßn 895. 

ÖOrkHlidije Medizin, Psychiatrie in 
der Amtii 19, in der Marine 21Ö, 
Abdrücke vou Gowebstotlcn auf 
BleigeochosHca 120, pöafcmortale 
Temperfttureieigfciuög 1'29, Qrtiu- 
färbung des* AbdoicHWM 1*21, lmfce- 
rfUitäfc 128, 208. T&tigkeit de» 
Gencktsamüs 189 v katftUMe&ttachu 
Erhebungen über begutachtete Un¬ 
ters ach acgsipfangtmHi 200, allge¬ 
meine gerichtliche Psychiatrie 222, 
Feuerbestattung 248, Würdigung 
von Biöyorifttsungeo 249, neuere 
Ergebnis 849, SiT^anscigen 
psychisch abnorme* Personen 251, 
Beurteilung nerve««* Oteschleehts- 
fcriebo 251, Kong ruft tftr Kriminal- 
»athropologie *267, Jugendgerichts¬ 
und Fürsorge verfahren 282, I>oci- 
maaia suprareaali? hei der Dia¬ 
gnose des Todes 327, Bedeutung 
der Eklampsie 345, Fortbildung der 
GcrichtäÜrztö 381, Kedakiioa ~ der 
Zeitschrift 334, Glyfcogengehalt der 
Muskeln 400, Gefrierpunkt do3 
Leichorrmuakete 400, Gefrierpunkt 
der Leber 401, Bedeutung »1?« Me- 
konmmpGopfes 405* Gonorrhoe und 
SacbvexstiaeUgentätigkoH 443, fa- 
r entasche BlUtUtitOfsucbutog 455, 
Krimißäiit&t der Juden 482, Todes- 
{Ktle mit geringem oder negativem 
Obduktionsbefund 522, forensische 
Bedeutung der Fioiachvorgiftüiigon 
545, dor V7»roßt*atf jmm Strafge- 
setzbftch 570, Esfnbtuögett in der 
gnrlühtliehen 0h©t&i6 630, ihSachen 
and Bektop/ong de4 Verhreciieau 
659, irttcraatu Koog re 6 063, Gntnr~ 
Scheidung viufar und poetuicrrtaltjr 
Verlettangeu 086, G*awbt«ktßie iß 
Fleuß-Lothringen 70% Trunksucht 
assv. im nea*ü' Ntttrigwetotmuh 727, 
die neue ätrsdrechtssöhuie 728. Be¬ 
rt out un£ der «erota#« %phumrc- 
aktlon 745, Bntrachtnng.m über die 
menschlichen Knodheu 767, iteform 
der 8achveMU*tiig6ÄuUgkm im 
Belgien 767, »oiBatiaeho OafcMdfi* 
Chargen nach dar ajeßaaic-uveka^j 


j«=a cdte, Pappcnsarviee 


mz~ -*_«*2t«c3igung mehrerer 
™ s =^S>, 1 * JBürdckwchtigung 
Jfcu aitumse üee #ah- 
3^.«OS v - sfoeetz vom 
- ^X. m für Vor besuche 

_ '«^üa die Staatskasse 

<3. es Entwürfe von 
~*** Wasserleitungen 

«xdht 187, fttr Ta- 
vn fall Versicherung 
«sing von Beamten. 


I $ s $ sl 5“ 

$ ,7 *!§&* *fca 
V>W 


- af55 gliche Atteste zu 
für Drogeu- 
^Ä^uskuufteiteiiUDg 
sm^Sfcissr 384, für Nach- 
** ^«5»» aatailverfetzten 
Untersuchung 
leuchten Woh- 
t^JbjrönuidttUßg für 
I<«*bujrg-8ch werin 
Ä ^^öiüratö iü EImOL 
-^i«etg<a*chlaag von 
Ö&H, Vorbesnche 
^ssa a?5d Attesten 
^Ächvewt&ßdlger 

"■ ^«Lemranfogtf ngs- 
___ «t,bfftbraßgspflich- 
ihr Aerzte in 
-^«ftstellnng von 
Sg*Mhiid 74A 

bei Geburts- 
61, Welch- 
-^^^ugeboiener 123, 
db:eeiichor Gebaneo 
^GcburBbilfo 460, 

Erhebtwgen 

S^* 1 ^ Tr- 8a “ te! “ 

<^benmuskels 400, 

* 5 -* s *^ EioUaß der 

TS._ . -'»• 

2lO t chronisch- 

»5 3S1, t'tusofga 

“2^ ' r. 53 >atcir»rt* '*' p ' 1 &fre»,kÜi>o im 

^ö3 8 ^v* < ' # * J*SES^® Taa ^« r * 


L |^ä<l£9^r 






ixxiv 


Sach-Register. 


Methode 890, Chemie und Photo¬ 
graphie 901, Polizeihandbuch 901. 

Geruchebelästigungen bei biologischen 
Abwässeranlagen 848. 

Geschlechtskrankheiten, ambulatori¬ 
sche Behandlung in Galiaien 97, 
Verbreitung in Deutschland 330, 
Rektalgonorrhoe im Kindesalter 533, 
Verhütung, besonders beim Militär 
602. 

Gesundheitspflege, Schäden aus tägl. 
Gewohnheiten 142, Verein für öffent¬ 
liche Gesundheitspflege 463, 702, 
748, volkstümliche Vorträge Aber 
Gesundheitspflege 621, Armenarzt 
u. Gesundheitspflege in England 659. 

Gosundheitsbericht der Kreisärzte 37, 
lttr 1908 543. 

Gewebsstoffe, Abdrücke von Bleige- 
schossen 120. 

Gewerbehygiene, Biehe auch Arbeiter¬ 
schutz ; Kongreß für Gewerbekrank¬ 
heiten 76, Taucherlähmung 140, 
Einfluß des Eisenbabndienates auf 
das Hörvermögen 141, Kinderarbeit 
in Amerika 141, Sterblichkeit an 
Tuberkulose in staubreichen Ge¬ 
werben 177, Ausnutzung der Kin¬ 
der 225, Tuberkulose als Berufs¬ 
krankheit 226, Gewerbekrankheiten 
der Telegraphen- und Telepbonbe- 
amten 260, Erzeugung von Kaizi- 
umkarbid 261, Affektionen von Jute¬ 
arbeitern 262, Pseudoödem der Ab¬ 
lader 22, Pathologie der Strohhut¬ 
fabrikation 262, Gewerbekrankheiten 
und Arbeiterversicherung 263, Mit¬ 
wirkung der Aerzte bei der engli¬ 
schen Gewerbeaufsicht 334, Augen¬ 
zittern der Kohlen her gleute 335, 
Natriomverbrennung 335, Säuglings¬ 
sterblichkeit und Frauenarbeit 498, 
Förderung von bleihaltigen Erzen 
608, Arbeiterschatz bei Caissonar¬ 
beiten 609, CaissonkraQkheiten 655. 

Gifte 8. auch Vergiftung; Handel mit 
Giften 863. 

Gonorrhoe und Sachver&tändigentätig- 
keit 443, Gelenkrheumatismus 98. 

Glykogengchalt der Muskeln 400. 

Glykosurie der Alkoholdeliranten 489. 

Granulöse s. Trachom. 

Haar, Haarschwundepidemie 623. 

Hämatose durch Läsion der Nasen¬ 
scheidewand 54. 

Hand, Einfluß der Doppelhändigkeit 
aufs Gehirn 250, doppeUiändige Aus¬ 
bildung 856, reversive Anomalie der 
Hand 891. 

Handfertigkeitsunfcerricht, für Geistes¬ 
kranke 129, in Schulen 181. 

Harn, Analyse 303. 


Hirnröhre, traumatische 
Haut, Ophthalmore-aktic 
kranken 172. 

Hebammen 379, Vers 
Hamburg 106, Annale 
ammenwesen 186, LeJ 
bau Danzig 227, eugli 
299,777, Tafeln zum U 
Prämiierung seitenn d< 
Milchkasse in Wien 411 
Schröpfköpfen 561, 704, 
Konferenz zur Reform 
Hebammenwesen 778, C 
kästchen 898. 
Heilgewerbe, Bekämpfun 
stände 903, 905. 
Heilpersonal, Statistik 50 
Heilstätte, Jahresbericht H 
179. 

Heimstätten der Stadt Be 
Heizung, moderne Heiz- i 
anlagen 140. 
HermaphroditismuB 568. 
Herz und Trauma, Bnpturi 
Brust quetschung, traun 
krankun gen 408,891, He 
u. Psychosen 445, Scho 
oder Kopfverletzung 47< 
tische Herzrupturen 525 
Gefäßkrankheiten 781, 
letzungen 803, Luftblasei 
887, Bewegungen des H 
Hilfsschule, in Worms 180 
daran 181, Werkunterric 
Holzgeist, Vergiftung 206, 
608. 

Homosexualität, Behandlun 
Honig, Differenzierung von 
Kunsthonig 607. 

Hüfte, Luxatio voluntaria t 
Hygiene, und Demographie, 
106, Ausstellung in Drc 
Arbeitshygiene in Deutscl 
in Oesterreich 264, Hygiei 
stitut Posen 363, Frankf 
663, Aufgaben der Scbulby 
hygienisäe Erziehung de 
447, Hygiene der Krüp] 
449, Vererbung und Aus 
Tropenhygiene 582, Militfli 
keit im Lichte der sozialen 
und Hygiene 620, als Lehrfa 
technischen Hochschulen 6! 
greß für Nahrungshygiene 
nelle Ernährung 623, Ursa 
Bekämpfung des Verbrech 
Problem der körperlichen 
tung imSinne sozialer Hygi 
Sexaalhygiene und 8exuaipi 
695, zur hygienischen Ei 
740, medizinische 8chntzmi 
gegen Verbrechen und 
Uebel 740, Statistik und 




• VH 


Sach • Register 


im Reichstag e 619, PUrsörgeerzie* 
bO.hg lB PfSUfbn 73/ 


äL 2 k **e* 741, «ekulhygie* 
^_ - Schulhygiene 

«■gj* « 34 a 

*eai «r planten* ahn 250* 


Jaiearbeiter, G&werbo!tt*ftkheitwi 202. 

Käse, Vergiftung 607. 

Kail chlotjcuxa, Blolbefttöde bei Ver- 
giftaiig 276, 

Knitiunp 2 J nun g innt, Vergiftung 50S. 
Kuizt ajekfcrbld , C 1 ..1 —11/.— 


Guiferbektankhsiiea 

38k 

Eanilbafciuß in CÖpeoik HO 
Karbotsna/a, Vergiftung 037 
Kartoffeln, VergitttiBg 08. 


*&&& 120, fcywpto- 
*3fc .^cat wrm unbegründete 
■'"qst.JL'.l.^fcgea u*eb Da* 


304, 

*^*vm 

■* -«snQrl&ej. BePuaehtttög 


44, keUargoiiharapta 62, Erkran¬ 
kungen in Altoum® SiU 
Kinder, Arbeit; in d£n Verofoigten 
Suaien 141, EdoiigkeU der Tuber¬ 
kulös**. 17b. Tod ao Tuberkulose in 
ö?i«neo 177, gewerbl Au^tiutnaug 
2&J, o«>rvö<e Kinder 291, F*Tben~ 
fennQÄg^v^i-Äiiigfta *1» lotelügt'iias- 
ptfftang 221, Fürsorge ffti Äcbulreiiö 
Kinder 294, Erholungsheim in Wyk 
295, moraiitaber Schwachsinn 407, 

Ausdehnung der Ptesorgeendebuttg 
421, InlolßtfrtnzpitiföXig 448, Kindot- 
Arbufc u Kröppetförsorge 4M, Kio- 
dmfcerMiuhkoit and Laadwittöchaft 
474, ffexaeile Aufklärung 500, Ver¬ 
geben gr«tg*n Kiöderetbßtzbedtim* 
awsgcisölÖ, Prüfung der Sehecharfe 
413 * dif bberuoriöÄlfe Kind ;61B; 
Kiadef*cbut*par*griiphiin Reichstag 
619, Alkohol wahasiuii 042, Praxi« 
des Schutzgeeetzes in Preußen 784, 
gewerbl. Kinderarbeit 787/, Schutz 
vor tuberkulöser Infektion 815, Kin • 
deszahi u, lÜndemerMichkeit 864, 
plötzliche Todesfälle 888, 

KiodetiÖbioDiJg, akute spinale 28, 30, 

499, 287, 81H, Aotiologie 81, 32, 

Frühstadien 31, in Westfalen 32, 

33, IUtsdhläge an Aerzt« 227, in 
Wien *286, Schädigung dar Nerven 
u. Muskelschwund 571, Wirkung des 
Serums von Kranken 572, Wirkung 
des Thymols, Kali ßjpermairgauteuin. 
Wuserstaffsuporoxyds ;578, Inraw- 
nijriaroDg 5Y3 i Ptophyliuo 573. 

KAappsfhalteärzil- Praxis 304. 

Koch, Kob. 422,424, 468,322,863,95L 
Koahaliftüng 95t» 

Koksf euer, Gdüuudhniuscfcädikhkttt 

offener 685« 

Kondylome, spitz«. der llandsdblaüß* 
haut 320/ EB 

Knochen, fferichu&ratk Betrachtung#» «irangnuifdnr^ 

767. 

Kokain, Regelung dos Knadek 745L|n]# *[°ö*l* 


tbmo 


Jätattfrbeiicbt 


oxi und Thv/vptV. 
r sfcriataröfctf;»* M> 
3»^ 5IVdef 
f Impfiöräirutooa, 
arg dns 


<^h we>i tu £u(j$hea 

idp5>k(jkk<en' 
~ «i Diedefcfti*« ab 



XXXVI 


Sach - Register. 


Kohlenoxyd, Nachweis von Hämoglo¬ 
bin 686, Vergiftung 686, 885. 
Kollargoltherapie bei Sepsis 62. 
Konserven aus Gemüse, Vergiftung 52. 
Kopfverletzung 109,205, 470, Wander¬ 
trieb danach 132. 

Kraftwagenführer, Zeugnisse 888,744, 
Stempelpflicht 582, 702, Sehver¬ 
mögen 705. 

Krankenanstalten, Linoleumfrage 295, 
Bau von Säuglingskrankenh&usern 
295, Kindererholungsheim in Wyk 
295, Anzeige übertragbarer Krank¬ 
heiten 343, Etatsberatung, Morbidi¬ 
tätsstatistik 365, Fürsorge für Dia¬ 
konissen 365, Annahme von Medi¬ 
zinalpraktikanten 365, Einrichtungen 
des Badehauses einer Klinik 656, An¬ 
forderungen an kleine ländliche 825. 
Krankenpflege, Leitfaden 781. 
Krankenschwestern, weltliche, ver¬ 
sicherungspflichtig 649. 

Krankheiten, Erkennung der wichtig¬ 
sten 861. 

Krankheiten, übertragbare, Wochen¬ 
nachweise 76,186,267,308,384,423, 
464, 504, 583, 664, 843, 784, 823, 
903, 952, wiederholte Erkr anku ngen 
56, Gefahren der Serumbehandlung 
56, portofreie Anzeige 107, Verord¬ 
nung in Württemberg 307, in Baden 
668, Anzeigepflicht 343, 369, Be¬ 
kämpfung 369, Verhütung in lüein- 
kinderschnlen 492, österr. Epidemie¬ 
gesetz 493, hygienisches Institut in 
Frankfurt a. M. 663, Infektionsge¬ 
fahren durch städtische Abwässer 
698, Miasmen u. Kontagien 902. 
Krebs, Konferenz für Krebsforschung 
76, Hautkarzinom nach Trauma 135, 
Aetiologie 695, Entstehung 781, 
Krebs u. Tuberkulose 816, Aetiologie 
der malignen Tumoren 817, Krebs 
u. Beruf 818, Krebs u. Unfall 893. 
Kreisärzte, s. auch Medizinalbeamte; 
Gesundheitsbericht 37, Pensionsver¬ 
hältnisse 75, 147, 824, Charakter- 
verleibuugl47,Nachweis über Tätig¬ 
keit 148, Berechnung der pensions¬ 
fähigen Dienstzeit 147, 184, 186, 
Dienataufwandsentschädignng 361, 
Prttfungsergebnis i. J. 1909 622, 
Gerichtsärzte in Elsaß-Lothringen, 
Gebühren 702, Kosten der Bevision 
der unter Leitung eines Kreisarztes 
stehenden Krankenanstalt 744, 
Dienstaltersliste 782, Einkommen¬ 
steuer 952. 

Kreisassistenzarzt 361, Erweiterung 
der Tätigkeit auf dem Lande 276. 
Kriminalanthropologie, Kongreß 267. 
Kropf, Aetiologie 417. 

Krüppel, Fürsorge 873, Verein 39, 


Kongreß 106, Erziehung in Anstalten 
142, Hygiene der Anstalten 449, 
Schule u. Klinik 450, Fürsorge in 
Ziegenrück 450, |Kinderarbeit und 
Krüppelfürsorge 451, Alkoholmi߬ 
brauch u. Krüppeltum 450. 

Kufeke, Kindermehl 699. 

Kurpfuscher, Gesetz 266,623,742.862, 
903, 905, Bekämpfung 300. 

Landwirtschaft u. Kindersterblichkeit 
474. 

Laryngologen, Verein 266. 

Lebensdauer, Bedeutung im modernen 
Staate 821. 

Lebenskraft 902. 

Leber, Stichverletzung 17, Gefrierpunkt 
401, Arsengehalt bei Vergiftung 401. 

Leibesübungen, b. Turnen. 

Leichen, Exhumierung nach 500 Jahren 
18, Leichenschau in De utsc hland 144, 
874, Leitfaden lür nichtärztli ch e 
Leichenschauer 148, Verbrennnngs- 
erscheinungen an der Leiche637, Ein¬ 
fluß des Bodens auf die Fäulnis 800. 

Lepra, Schutzmaßregeln 89, in den 
Tropen 89, in Kamerun 90, in Japan 
90, Wiederaufleben in Mitteleuropa 
328, Geistesstörung bei Kranken 446. 

Leuchtgasvergiftung einer Hoch¬ 
schwangeren 439. 

Leukoreaktionen auf Morphin, Heroin, 
Skopolamin, Atropin 402, 408. 

Licht, künstliches 535. 

Lüftung, Einfluß auf den Organismus, 
den arteriellen Druck 655. 

Luft. Verunreinigung in den Städten 
139, moderne Heiz- u. Lüf tun es Zu¬ 
lagen 140. 

Lumbago traumatica, Böntgenbefunde 

646. 

Lunge u. Trauma 408, Möglichkeit des 
Schreiens nach Verletzungen 465, 
Lungenentzündung u. Unfall 491, 
Lungenblutung durch Heben e in es 
Steintrogs 806. 

Lungenkranke, Frauen in der Fürsorge 
178, Fürsorge bei vorgeschrittenem 
Stadium 179, zentrale Auskünfte- u. 
Fürsorgestellen 179,Entsendung nach 
Südwestafrika 414. 

Lupus, positiver Ausfall der Wasser- 
mannschen Beaktion 829, Hauttuber¬ 
kulose 458, Aetiologie 608. 

Lustmord an Kindern 442. 

Luxation, der Hüfte 527, des N. ulnaris 
728, der Schulter 731. 

Magen, Darmstörungen nach Genuß 
von Paratyphus-haltigen Nahrungs¬ 
mitteln 77, Diätetik 144, Magensaft¬ 
analyse 308, Magenkrankheiten und 
psychische Störungen 445, Ausschei¬ 
dung von Oxalsäure 485, trauma 




xxxvm 


Sach • Hegitter. 


Narcolepeie 568. 

Narkose, Gelbsucht darnach 122, Tod 122. 

Naturforscher und Aente, Versamm¬ 
lung 107, 185, 468, 543, 583, 748. 

Naturheilanstalt, Erbauliches aus der 
Bilsschen 822. 

NatriumYerbrennung, Verletsungen der 
Arbeiter bei der Gewinnung des 
Metalls 335. 

Nerrea, organische Krankheiten nach 
Trauma 21, 181. 

NerrosiUt, nervöse Kinder 291. 

Neugeborene, Bindehautgonorrhoe 62, 
Weichteilverletsungen 123, Credfe¬ 
sches Verfahren 416, Pemphigus 520. 

Neurosen, traumatische 524, 806. 

Nikotin, Ausschlag 123. 

Nierensteine als Folge ?on Dammver- 
letsung 406. 

Nobelpreis 822. 

Obduktionen, im Unfallrentenrerfäh¬ 
ren 309, Tagegelder bei sweitigiger 
Obduktion 623. 

Oberamtsphysikate, Zusammenlegung 
in Württemberg 185. 

ObermediiinalauBschuß, Bayern 39. 

Ohr, Fehlen der Ohrmuscheln 405, Un¬ 
fallerkrankungen 644. 

Opium, Regelung des Handels 743. 

Organismus, Reaktion auf Veränderun¬ 
gen des umgebenden Mediums 734. 

Ortsbesichtigungen 789. 

Otologische Gesellschaft 266. 

Oxalsfture, Ausscheidung durch den 
Magen 485. 

Pankreasnekrose 404, 893. 

Paralyse, progressive, Behandlung 125, 
569, Anstaltsbehandlung 804, nach 
Unfall 251, Behandlung mit Tuber¬ 
kulin 281, atypische 444, traumati¬ 
sche des N. radialis 728. 

Paranoia, klinische Stellung 207. 

Pellagra, Pathogenese 817. 

Pemphigus neonatorum 520. 

Personslien, y. Bremen 421. Finger 
266, Ktt» 863, Merkel 503, Neid¬ 
hart 75, Schmidtmann 146. 266, 
Sehwartxkopff 421, Weber 146, We¬ 
wer 421. 

Pest in Algier 257, in Daressalam 258, 
Rattenflohe aus Ostafrika 495. 

Phosphor, Vergiftung 441. 

Photographie bei Kriminalforschungen 
901. 

Pilokarpin, Vergiftung 280. 

Pilse, Vergiftung 523. 

Pneumonie, kruppöse nach Rauchein¬ 
atmung 645, Uebertragung durch 
Flöhe 696. 

Pocken, Komplemeatbindungtversuch 
57, Epidemie in der Irrenanstalt 


Allenberg 594, schnell 
760,Immuni8erung 76S 
Pocken- und Kuhpockc 
Ansüchtung neuer Vai 
sthmme 770. 

Poliomyelitis s. Kinder! 

Polixeihandbuch 901. 

Polymastie bei einem E] 

Porencephalie 406. 

Prostitutierte, serodiagi 
tersuchungen 98, 533. 

Pschyiatrie, forensische ii 
in der Marine 210, Jahj 
Klinik in München 130, 
lung der Paranoia 207, 
nerYöser u. psychische] 
221 , allgemeine gerichl 
bUndheit 250, Zwangs: 
Hypomanie und Que 

405, Mongolismus 406,! 

406, epileptische Bewui 
gen mit Wandertrieb 
bUdung im Senium 445, 
Schwierigkeiten 487, sj 
suchung des Liquor e 
641, Prognose der K 
Morphium und Isoprals 
eine psychische Epi< 
Aerxten 805. RecÜi 
Krankheit 889. 

Psychologie, sur Theorie 
19, des Familienmords 

Psychosen, nervöse am 
Störungen bei Arterii 
641, Yasomotorische 
funktionelle Psychose 5 
als Ursache 55, swang 
sucht 55, Chorea mio< 
anseigen psychisch abi 
nen 251, Herskrankhe 
chosen 445, psychiscl 
bei Magenkrankheiten 
Störung bei Leprakranl 
FleischVergütung 488 
psychosen in den Trop 
tonische Zustandsbilde] 
rierten 642, Alkohol 
Kindesalter 642, peri 
Alkoholpsychose 727, i 
888 

Pubertit und Schule 615 

Puroproxeß 823. 

Quecksilber, Vergiftung 

Querulantenwahn nach 

250, 405. 

Raseenhygienc, Preis« 
Was kosten die scblec 
elemente den Staat? 1' 

Ratten, Flöhe aus Oatati 

Rauch, Vergiftung hei f 
ten 325, kroPl^a Pi 



Sach • Register. 


XXXIX 


Ruche», angiosklerotische Gangrän 

214. 

Rausch, pathologischer 642. 

Reichsgesuadheitsamt 950. 

Reichsversicherangsordnung 226, 341, 
342, Säuglings fürsorge 419. 

Baisekostea, der Staatsbeamten 38,146, 
307, 461, 500, 663, 784, 824, lttr 
Untersuchung von Kriegsteilnehmern 
107, 384, Beratung des Gesetses 
158, Gestellung freien Fuhrwerks 
187, bei zweitägiger Obduktion 623, 
zur Sitzung einer Krankenhaus* 
kommisston 864, des Stellvertreters 
eines Kreisarztes 904, bei Nichtbe- 
autzung der vorhandenen Eisen¬ 
bahn 904. 

BsUungswe^es, Reorganisation der 
Bettungskästen 657. 

Röteln, Ly mpbdr harn Schwellungen 60. 

Roßhaare, Desinfektion 847. 

RQckfallfieber, Komplementbildung 95, 
Behandlung mit Ehrliche Arsenprä- 
paraten 599. 

Ruhr in einer Irrenanstalt 25, in 
Westpreußen 26, in Essen 895. 

3aehverstisdigentätigkeit, bei Go¬ 
norrhoe 443. 

Samaritertag 702. 

Saponine, Giftwirkung 441. 

Säuglinge, siehe auch Mutterschutz; 
Sterblichkeit 34, 446, im Sommer 34, 
Bekimpfuog 226, Battermilchernäh- 
rung 84, Schwierigkeiten beim 
8tillen 34, Stillpropaganda 35, Er¬ 
folge 35, Belehrung der Mütter 36, 
221, die Frau in der Fürsorge 36, 
Zusammenhalten der unehelichen 
Mütter mit ihren Kindern 219, 
Wöchnerinnen- und Säuglingsheime 
219, Beobachtungen bei stillenden 
Müttern 219, StUlprämien und Still- 
beihillen 220, Stillangsnot und Still- 
unfihigkelt 221, Sterblichkeit der 
8äuglinge und Wehrfähigkeit der 
Jugend 222, die Mutter- und die 
8äuglingsfürsorge 222, 372, Kongreß 
für Stuglingsschntz 266, Bau vou 
Krankenhäusern 295, Bakterientypen 
‘der Darmflora 303, Fürsorge in 
Baden 336, Ernährung in Rostock 
336, Schntz fürs Ammenkind 336, 
Familienpflege für obdachlose Wöch¬ 
nerin neu und Kinder 337, Muster- 
milchställe 337, Säuglingsheim Bar¬ 
men 338, Fürsorge in Kiel 339, 
Sterblichkeit in Pommern 339, 853, 
fas M.-Gladbach 340, Verhalten der 
werdenden Mutter 415. Sterblich¬ 
keit unter der Geburt 415, Ernäh¬ 
rung, besonders in ländlichen Be¬ 
zirken 418, Fürsorge in der Reichs- 


versichernngsordnung 419, Hebam¬ 
menprämierung 419, Sterblichkeit in 
Böhmen 420, im Hochgebirge 420, 
Bekämpfung der Entvölkerung 
Frankreichs 446, Stillen tuberkulöser 
Mütter 496, schlecht gedeihende 
Brustkinder 496, Säuglingsmilch- 
mischungon 497, Stillfranen 497, 
Fttrsorgestelle Wien 497, Nähr¬ 
mittelreklame 497, Fürsorge in 
Düsseldorf 497, Sterblichkeit in 
Preußen 498, Frauenarbeit und 
Säuglingssterblichkeit 498, Ernäh- 
rnng und Sterblichkeit in Kiiwa 
(Ostafrika) 499, Sterblichkeit im 
ersten Monat 610, Bekämpfung in 
Neuß 611, gebildetes Pflegepersonal 
für Säuglingsstationen 612, Bedeu¬ 
tung der Berufs Vormundschaft 612, 
Verschleppung von Typhus 650, Tu¬ 
berkulose und Stillen 700, Behand¬ 
lung der Säuglingsmilch 700, Sterb¬ 
lichkeit und Fürsorge in Mecklen¬ 
burg 701, körperliche Wertigkeit 
unehelicher 701, Mutter- und Säug- 
lingsfürsorge 779, Schutz vor tu¬ 
berkulöser Infektion 815, Ernährung 
mit Eselinmilch 851, getrocknete 
Milch 851, Fürsorge in Barmen, 
Magdeburg 852, in Posen 853, Be¬ 
ziehungen zwischen Kinderzahl und 
Sterblichkeit 854, Stillungsverhält¬ 
nisse in Berlin 855. 

Schamponieren, Gefahren 207. 

Scharlach, wiederholte Fälle in der¬ 
selben Wohnung 812, Vierte Krank¬ 
heit 555, 593, 813. 

Schielen, stereoskopische Bilder für 
Schielende 304. 

Schlafkrankheit, Aetiologie, Trypano¬ 
somen 99, Tsetsefliegen 99, experi¬ 
mentelle 417, Arten der Trypano¬ 
somen 598. 

Schlaganfall als Unfallfolge 647. 

Schokolade, Beurteilung von Milch- 
und Rabmschokolade 66. 

Schröpfen, Todesfall danach 385, durch 
Hebammen 561, 704. 

Schulärzte, und Hilfsschule 281, Schul¬ 
ärzte in Ungarn 449, 8chularztfrage 
auf dem Lande 671. Beaufsichtigung 
der Schulgebäude 701. voll- u. teil¬ 
weise beschäftigte 857. 

Schulen, Kurzstunden 39, Schulkinder* 
Untersuchungen auf dem Lande 83, 
Tuberkulose in Düsseldorf 176, Seh- 
Hörkurse 180, Jahresbericht der 
Hilfsschule Worms 180, Schulfrüh¬ 
stück 181. Bund für Schulreform 181, 
Entwickelung des Werkunterrichts 
181, Schulbankfrage 182, Reinigung 
der Zimmer 182, Untersuchungen n. 
ärztl. Behandlung der Schulkinder 



XL 


Sach - Register. 


291, Ernährung der Schulkinder 292, 
Schulzimmertür 292, Lage der Fen¬ 
sterwand, Westlicht in den Schalen 
298, Faßbodenanstrich 298, Schal¬ 
aborte 298, Schol8chwe«teni 294, 
Fürsorge für schalreife Kinder 294, 
Aufgaben der Schulhygiene 447, 
hygienische Erziehung 447, körper¬ 
liche Züchtigung 447, Schülerselbst- 
morde 448, Schulen für Schwerhörige 

448, Hilfsschulen in Deutschland 

449, Krüppelschale 460, Verhütung 
übertragbarer Krankheiten in Klein¬ 
kinderschulen 492, Tuberkulose der 
Schulkinder 697, der 7 Uhr-Schul¬ 
anfang 618, Reformen an der Se¬ 
kundärschule Bern 618, Werkunter¬ 
richt in der Hilfsschule 614, ortho¬ 
pädische Tarnkurse 614, Tarnen an 
der Schulbank 614, Waldschule in 
Dortmund 615, Schulzahnklinik in 
Schöneberg 615, Pubertät u. Schule 
615, Umänderung unhygienischer 
Schulbänke 681, Sexualhygiene und 
Sexualpädagogik 695, hygienische 
Erziehung 740, Taberkulose bei 
Volksschullehrern 775, das Unter¬ 
geschoß des Stadtschulhauses 865, 
GrOße des Schulzimmers 855, Schul¬ 
bankhygiene 856, Schultafelfrage 
856, doppelhändige Ausbildung, Steil¬ 
schrift 866, Fürsorge für Schwach¬ 
begabte auf dem Lande866, Erziehung 
anormaler Kinder 867, Züchtigungs¬ 
recht 858, schulhygienisches Museum 
859, Schulhygiene in Schottland 859. 

Schulgesetz in Baden 421. 

Schuß, Einschußöffnung von Schrot¬ 
schüssen 765, bemerkenswerte Ver¬ 
letzung 766. 

Schwachsinn, Tom klinischen u. foren¬ 
sischen Standpunkt 128, 208. Erken¬ 
nung des jugendL Schwachsinns 208, 
Assoziationen 129, Dementia praecox 
auf dem Boden der Imbezillität 282, 
moralischer Schwachsinn von Kindern 
407, Intelligenzprüfung 448, moral 
insanity 725. 

Schwangerschaft, bei unverletztem 
Hymen 567,766, Serodiagnostik 567, 
Brechen der Schwangeren 692, 
Schwangerschaft nsw. bei den Suaheli 
693, verkannte 888. 

Schwarzwasserfieber, Cholestearin als 
Heilmittel 417. 

Schwefelwasserstoff, Vergiftung 205. 

Schwerhörige, Schulen dafür 448. 

Sehvermögen der Kraftwagenführer 
705. 

Selbstmord, kombinierter durch Kopf¬ 
hiebe, Erwürgen u. Ertränken 58, 
in der Rechtsprechung des Reichsver¬ 
sicherungsamts 409, Erhängen 442, 


von 8chülern 448, durch Enehießen 
639, Mord oder Selbstmord 689, Er¬ 
mittelung der Todesstunde 640, 
Bauchaufschlitzung 687. 

Serum, Gefahren der Behandlung 56. 

Sexualleben, gerichtsärztl. Beurteilung 
perverser GeschlechtBtriebe 261, 
Zwiachenstufentheorie 488, Aufklä¬ 
rung (Martha beim Onkel Doktor) 
500, Typhus u. sexuelle Verhältnisse 
580, Sexualhygiene des Mannes 584, 
Sexualhygiene u. Sexualpädagogik 
695, Geschlechtsgefühl, Mann und 
Weib, sekundäre Geschlechtsmerk¬ 
male 741, Behandlung der Homo¬ 
sexualität 805. 

Simulation, Pseudoödem der Ablader 
22, Hämatose durch Läsion der 
Nasenscheidewand 54. 

Sklerose, multiple und Unfall 251. 

Sperma, in der Leichenurethra 824, 
Nachweis auf Wäsche, weißen Stoffen, 
Holz 324, neue Reaktion 685, 796. 

Statistik, medizinalstatistische Nach¬ 
richten 143, Medizinalstatistik 661, 
Unfallstatistik 730, Medizinalsta¬ 
tistik, soziale Hygiene u. Medizin 741. 

Staub, Fußbodenanstrichpmit StaubOl 
293, Bekämpfang von Straßenstaub 
849. 

8tempelpflicht, beglaubigter! Abschrif¬ 
ten 844, von Zeugnissen für Kraft¬ 
wagenführer 682, 702, der Gutachten 
üb. Anlage von Begräbnisplätzen 784. 

Stich, Verletzungen des Gehirns 522. 

Stopfarbeitee, Gestell dafür 335. 

Strafrecht, Jugendstrafrecht 617, 618, 
619, Reorganisation des Österreich. 
Strafrechts 657. 

Straßen, Teermakadam in England 140, 
Staubbekämpfung 849, Fahrbahn¬ 
beläge 849. 

Strohhutfabrikation, Pathologie der 
Arbeit 262. 

Sublimat, Blutuntersuchung bei Ver¬ 
giftung 278, Vergiftung 403, 664. 

Sympathiekuren 804. 

Syphilis, u. Idiotie 19, Komplement¬ 
bildung bei Rückfalifieber 95, Züch¬ 
tung der Spirochäte pallida 95, Nach¬ 
weis der Spirochäte pallida 96, Kon¬ 
trolle der Wassermannschen Reak¬ 
tion durch SektionBresultate96, Blut¬ 
entnahme aus der Nasenscheidewand 

96, Bedeutung der Wassermannschen 
Reaktion 97, 532, Collesches Gesetz 

97, ambulatorische Behandlung in 
Galizien 97, Tropensyphilis 98, Lei¬ 
chensera u. Wassermannsche Reak¬ 
tion 248, Bedeutung des Spirochäten¬ 
nachweises 328, Bewertung der 
Wassermannschen Reaktion 828,698, 
positiver Ausfall bei Lupus 329, 




Such - aegister. 




u. FfrofaUHchee 

nearaiea Behänd* 
<^Q8aoiUu4ti« 
^^M^mtbuag f/32, 
^.*2^ ’^?$t Sarodiagtiöse 
„ ^^wenktmtroÖ«* 533, 
fe* f^0^^2SS*äS34, Voraahms dwr 
', £v>i* e * Reaktion durch 

8W,' Hemmung der 
»«BV ÄßMifeafe ÄH, Bö- 

.^ecksilher 601, mit 
9-^^Ö^nC 002, Wir' 
2» N^whandi acg aal 

?ypiöH k 002, Verhütung der 
wijfclfy AÖlitXv 602, Verwert* 

4w(ut, , Mir ^tom»»i<öcfcee Re- 
tyuL* ** &*&'&$ Wert der 
|5J^IÄ 693, Be- 
^ölpgr. ReaVtloft in 
^ $* Ti dtti: Medizin T4o, Anleimng 
3W8erofojr. Diagnose 781, Morbidität 
m woebenDett $96, 3aiyra**n 003. 

^#fcP5 doMtlis o»i Syringomyelie nach 
^ Zttam* 21 } :S2. 
fPüWgeidsr bet Vertretung ec 704. 
^fcewfcnrfig 57a 

140, 


TiftcUomfoischtti!# 599, bskteritdog. 
ÖnteraBchangen 590, 

Trichinen, Epidemie in Bayern 570* 
Trios ai, Vergiftung 205. 

Tropen, Kraakheiren, Syphilis 98, In- 
niltti für Schiffe- n. Trnp&ahjgiene 
342. Hygiene 582* IsIektionspaychQ- 
*t?i» 508. 

Tuberkulös», Zenfcralkom&fe« »tu Be¬ 
kämpfung 107, 566, Bayer. Lnades- 
veibaad 903, LungeatubeTkaioae 
«Ach Quetschungen 132, traajtuaüsfhö 
134. Frühdiagnose aal surotoff. Wege 
140, VarwanffechiU dar RarfiloA Ty¬ 
pus hnmaans n. bovin ub 16S Jäten tta 
Yorkoturofco des BaciUüß Iß#, Hach- 
weiü mit Aniiiormm u. Liutol» 170, 
neue Flrhungemcth^e 179, Nach- 
w*u ita stiömiiüd^n PbibUiktfbJut 

170, 171, Nachwa* m Sinh), Darm- 
tuberknioBO 171, Koujuaktfvalprobe 

171, Ophthalmoreaktion bol Haut- 
krank ec 172, Hcroacbc Salbpnpiobe 

172, An«teckaiig«iseise -178, Mund- 
bygieao «. Lucgofttnberktttose 176, 
antitoxiarhe Wirkung roa Jod 174, 


ImmonitÄt- (I.-&.) Behnadlang 174, 

41B ; Bolundlang bei rxpwriiocnteller 
Taberknlose 176, Taberktültthehand- 
lang in der Praxis 175, Hanflgk di 
tat Kindeaniter 175, in den Volka- 
»cktiien DüBseldoris 176 v Todesur¬ 
sache im KjadcfiaUer in Bremen 1 TT» Jjää 

Sterblichkeit, in mubrelcbeo Ge¬ 
werben 177, Sterblichkeit. in Japan 
178, Frauen ln der Fürsorge ttk 
Lungenkranke 178, Fürsorge für 
X-rtcgenkrttnkd in yorgöschiittenem 
Stadium 179, zentrale Auafcua Ka¬ 
rl, FarBorgestellen 179 f JabrüsbeiicJbt 
dor ileilatÜUe RölsUrbaaeBB 170, 

W obnncgödesjÄfekiion 179. ISO, 833, | v >; 

Bekämpfung der Yolk*kranfcb&it !S4, 

369, 892, OeaiHfektw?g %*dtüic&a 
214, lierafskiinkbeit, fa&mk Pär- 
xella«'- tu SUinmrbeUcr 226. Tuber- 
kuhmlrsio-Versammteg ^16, S83, S&g 

internet. Konfaren* 266,783, inhk* rff 

tioti torh P<irbir t clilba«üifes 41J, 

Pathologie der Kindertuberknlose 
413, Bailllen im Answurl, Nachweis 
412, AjireicherangHVerfahren 413, 

AbiStaiig in Milch 413, Behandlong 
mit- groben Taberkulicdosön 414, 

Entsendung Lungenkranker nach 
SfyhvestÄlfika 414, Tuberknlose-Aa* 
swiierang Berlins 414, Bekimpfnng 
in andern Lindern 414, FrttbdU- jdSj 

geose und Immnaitax 457, Lcbr- . f t ,j. I* 

bttsb der LnngentuheTknlose 457, ^ atohki\ 

Kauttnherknh>3e il Lupus 458,8tiUeifHtrtHB,8ß4f}ö/li 


o #£Mflgruuwnr t g itu» 

^e)agr«pben- n, T^l*mh cm beamte, <le- j 
wfenkrfnkh^len 260. j 

vouw». Behaniltmg mit Serum 518, 
Antfmi» 574, ißlJgß krlmlocUnn j 
v Aborte 670. <• ».. ‘ 

Gramlnft&K 380. 

Vftf^lfthpq^ 446, 886. 
nfaklaMi 486. 

t’hytnc*^ paXhole«’- Bftekblidaog 404 
'■} . • ’ i *, D.vfet&t*f«jrdc 146, 702. 

TW d-^rvh *. blölö c*3, im k*Uefc Bade 
jSL o^jeh ^;hl«>t<>!i»ra*fcrk*se 122, 
te# 808. plötzlicher 
Tvd bc* JSpn#t*t^öhee 337, riebt' 
des Tod^s 

2ä7, 3Hßj: Sckr^p^o 385, iafolge 
404 1 TodesfllMmit 
ipßnPirMÄ f»d4r aevaÜTow Ohdak* 
BS&i E»ru?Uoiu«g’ der 
' dttreb abtior* 

')pwa WjNöirirhet-^764, drtf*h V«r- 

ßiektrkitat 8SÖ, 
ftHi Kindern 888, ! 

“W4 Koch 422, 424. I 

' r m * SöhwJA- 

Sls« 



XL11 


Sach-Register. 


Rladertaberkaiose für die Tuberku¬ 
lose im Kindesalter 695, Eingangs¬ 
pforten 696, Miliartuberkulose nach 
Abort 596, Brusternährung a. tuber¬ 
kulöse Meningitis 596, Schwindsacht 
a. Aikoholismas 597, der Schulkinder 
597, Anreicherangsverfahren fttr Ba¬ 
zillen 652, Ferienkolonie n. Nachbe¬ 
handlung 653, Sensibilisierang gegen 
wiederholte Taberknlbbjeküonen 
664, Sterblichkeit in Torkshire 654, 
Heimstätten der 8tadt Berlin 657, 
Frühdiagnose aal serolog. Wege 665, 
667, Tuberkulose u. Stillen 700, Ba- 
allleuiärbung 774, Nachweis im 
Sputum 774, Bovovaksination 775, 
Kchlkopftuberkulose 775, Tuber¬ 
kulose bei Volksschullehrern 775, 
Herdreaktion bei der subkutanen 
Tuberkulbprobe 818, Bedeutung der 
Tuberkulinreaktionon 814, Hämoglo- 
bbbestimmungen, Tuberkulose und 
Chlorose 814, Gegenüberstellung der 
Aufnabmegotachten einer Heilstätte 
u. der ärztl. Ueberweisungsgutachten 
815, Schutz des Sängslings u. Kindes 
▼or Infektion 815, Tuberkulose u. 
Beruf, Tuberkulose u. Krebs 816. 

Turnen, Kongreß für Volks- u. Jagend¬ 
spiele 186, 422, orthopädische Tarn- 

■ kurze b den Schalen 614, Tarnen 
an der Schulbank 614. 

Typhus, Tod daran ab Unfall 23, Pe¬ 
riostitis typhosa 91, Mischinfektion 
mit Maltsfieber 91, Basillen im Se¬ 
kret eines Decubitus 269, neue Me¬ 
thode der Diagnose288, Züchtung von 
Bazillen 283, Nachuntersuchungen 
▼on Personen, die vor Jahren Typhus 
durchgemacbt haben 284, Bekäm¬ 
pfung u. Prophylaxe des endemischen 
Typhus b Internaten 284, Nach web 
der Bazillen 527, der Bacillus ab 
Eitererreger 528, Epidemie mit hä- 
morrhag. Exanthem 528, Mbcbin- 
fektlon von Typhus u. Paratyphus 
530, Typhus u. sexuelle Verhältnisse 
580, Händedesinfektion bei Typhus- 
baztllenträgern 580, Epidemiologie b 
Cöb 581,691, unbeweglicher Typhus¬ 
stamm 649, Hautblutungen 649, Ver¬ 
breitung durch ambulante Fälle im 
Kbdesalter 649, Verschleppung 
durch Säuglbge650, Bazillenträger 
660, 651, deren Therapie und Be¬ 
kämpfung 651, Aetiologie und Ver¬ 
breitung im Beg.-Bez. Potsdam 652, 
Typhopyocyauie 689, Ansteckunga- 
lähigkeit 689, Aetiologie, Kanalgas¬ 
hypothese 690. durch Bazillenträger 
verursachte Fälle 691, Hunde als 
Bazillenträger 691, Ausscheidung 
von Bazillen durch den Darm 771, 


Allgemeininfektion durch Baeterium 
coli commune 772, Typhus durch 
zweifelhaftes Wasser u. Unfall 807, 
Paratyphus u. Rechtspflege 47, Para- 
typhus-haltige Nahrungsmittel 77, 
8almonellagruppe 91, alimentäre 
Ausscheid au g von Bazillen 92, Epi¬ 
demien durch Nahrungsmittel 93, 
Befand von Bazillen von Gastroen¬ 
teritis 93, 94, Bazillen in Milch, 
Pökelfleisch, bei gesunden Menschen 
94, über Enteritisbakterien 94, Ver¬ 
halten und Vorkommen des Bacillus 
Paratyphus B und enteritidis Gärtner 

285, 529, 773, Fleischvergiftung 286, 
Ratio h&ciltus u. Bacillus enteritidis 

286, Bazillenausscheidung bei Kran¬ 
ken n. Gesunden 651, Parakolibn- 
zillen 772, Uebertragung von Mensch 
zu Mensch 773, letaler Ausgang 774. 

Ulnay partieller Defekt ab Unfall¬ 
folge behauptet 808. 

Uneheliche, Verminderung der Ge¬ 
burten 451, Sterblichkeit u. körper¬ 
liche Wertigkeit 701. 

Unfnl), Krankheiten des Zentralner¬ 
vensystems 21, Tabes dorsalis nach 
Syringomyelie 21, Verletzung der 
Vena subclavb bei Einrichtung 
einer Klavikularfraktur 22, Pseudo¬ 
ödem der Ablader 22, Tod an Typhus 
28, Rentenablehnung nach Kopfver¬ 
letzung 109, chronbche Krankheiten 
des Zentralnervensystems 131, trau¬ 
matische Tabes 132, Lungentuber¬ 
kulose nach Quetschungen 132,134, 
Dupuytrensche Krankheit 134, 
Hautkarzinom 135, Wichtigkeit des 
ersten ärztlichen Zeugnisses 135, 
Verletzung der Schädelbasis und 
des Gehirns 206, multiple 8klerose 

251, Dementia paralytica 251, Un¬ 
terleibsbrüche 252, ursächlicher Zu¬ 
sammenhang zwischen zwei Unfällen 

252, Verlust einos Fingers 253, wer 
soll Obduktionen machen 309, Geistes¬ 
krankheit 407, Herz und Lunge 408, 
Rnptura cordis 525, nach Brust- 
quetschung 408, Herzerkrankungen 

408, Nierensteine als Folge einer 
Dammverletzung 408, Wanderniere 

409, Anhörung eines anderen Arztes 

410, des behandelnden Arztes 410, 
Erblindung auf beiden Angen 411, 
Wirkung der Auffordernng, sich 
ärztlich behandeln zn lassen 411, 
Verhebangsbruch am Lendenwirbel 

490, Tod durch Lungenentzündung 

491, Neurosen 524, Euophthalmoz 
524, Zerreißung einos Aortenaneu¬ 
rysma 525, Stenose der Harnröhre 
526, Enuresis 526, Luxatiovoluntaria 



Sach • Begister, 


XLIII 


dar Hilft« 527, Encephalitis nach 
Trauma 648, Verletzungen des Au* 
ges 643, des Ohres 644, Bauchein* 
atmung und kruppöse Pneumonie 
615, Böntgeobefanae bei Lumbago 
traumatica 646, Wasserbrüche 647, 
Sehlagaoiall als Unfallfolge 647, 
Herabsetzung dor Bente bei Besse¬ 
rung 648, Rente bei Verlast eines 
Auges 648, Paralysis des N. radialis 

728, Luxation des N. ulnaris 728, 
Gesichtswunda mit Beschränkung 
des Kauens 729, Magengeschwüre 

729, Gangrän nach Zehenrerletsung 

730, Sturz von der Leiter 730, Un- 
fällstatistik 730, habituelle Schulter- 
luxation 731, Begriff „Unfall“ 732, 
Luagenblutang durch Heben eines 
Steintrogs 806, Typhus durch zwei¬ 
felhaftes Wasser 807, Myositis ossi- 
Scans 807, 893, partieller Defekt 
der Ulna 808, Alter Ton Narben 
Unfallverletzter 808, Begriff „Be¬ 
triebsunfall“, Influenza nach Dienst¬ 
reise 808, ursächlicher Zusammen¬ 
hang zwischen Unfall und Körper- 
ichidigung 809, Tod durch Schlag- 
•afall nach ungeeigneter Behand¬ 
ln g der Amputation eines Zehens 
809, Hysterie durch unbegründete 
Begehrungsrorstellungen 810, ge¬ 
neinsame Beratung der ärztlichen 
Sachverständigenkommission bei Pri- 
TatanfallTersicberong811, städtischer 
Desinfektor nicht versicherungs¬ 
pflichtig 812, Prädisposition zu be¬ 
stimmter Gesundheitsstörung 892, 
subdurale Spltblutung 893, Pankre- 
asfettgewebsnekrose 893, Krebs 893. 

Difali- und InvaliditätsVersicherung, 
dar Kampf um die Beute und der 
Selbstmord in der Bechtsprechung 
des Beichsversicherungsamts 409. 
Uiiversitätsprofessoren 503. 
Uaterleibabrüche u. Unfall 252. 
Ustersuchucgggefangene, katamnesti- 
sehe Erhebungen 209, 726. 

Tenn subclavia, Verletzung bei Ein¬ 
richtung einer Klavikulurfraktur 22. 
Verblutung uns der Aortu in die 
Speiseröhre 523, Tod dadurch 802. 
Verbrechen, Ursachen und Bekämpfung 
659. 

Verbrecher. Unterbringung geistes¬ 
kranker 489, verbrecherische Eitel¬ 
keit 726. 

Verbreanusgserscbeinungen an der 
Leiche 637. 

Vererbung, u. Daktyloskopie 18, Ver¬ 
erbung, Auslese und Hygiene 453. 
Vergiftungen, mit Essigessenu 9, 
Quecksilber 16, 733, Blei 17, Ge- 

_I_ KA tr _L.iV.1 


Solanin-Vergiftung 68, Zinn 69, 
Schwefelwasserstoff 205, Trional 205, 
Chlorzink 205, Holugeiat 206, 608, 
Blutuntersuchungen bei Vergiftun¬ 
gen mit Sublimat, Kalichloricum, 
Blei 278, 279, 608, 609, Zerstörung 
des Zyankaliums durch die Fäulnis 
279, Umsetzung in toten und über¬ 
lebenden Organen 764, gasförmige 
Arsenverbindungen in Arsealeichen 
279, arsenhaltiges Konfekt 279, 
Tapeten, Möbel 280, Pilokarpinver- 
giftong 280, durch Daturn 281, 
Fleischvergiftung 285, 606, bakteri¬ 
elle N ahrongsmittelvergiltongen 288, 
Fleischvergiftnngaerreger in Pökel¬ 
fleisch 289, Brnnntwelnvergiftungea 
290, Bebandloag der Alkoholver¬ 
giftung 296, Baachvergiftung von 
Feuerwehrleuten 325, Arsengehalt 
der Leber bei Vergiftungen 401, 
Arsen 401. 402, Natriumarsenat 402, 
Atoxyl 402, Sublimat 403,564, irde¬ 
nes Topfgeschirr 437, 798, einer 
Hochschwangeren mit Leuchtgas 

439, Thiosinamin 440, 886, Wismut 

440, 665, 566, 764, Phosphor 441, 
Giftwirknng der 8aponine 441, Bra- 
banter Myrte 485, Wirkung der 
Bleisalze auf die Neryenzentrea 486, 
Psychose nach Fleischvergiftung 488, 
Pilze 523, Essigessenz 524, foren¬ 
sische Bedeutung der Fleischver- 
giftnngen 545, Arsenwnseerstoff 565, 
Kaliumpermanganat 566, Toluylen¬ 
diamin 666, Käse 607, Kohlenoxyd 
636, 883, 886, Absorption von Is- 
balationsgiften in Knochen 637, 
Dynamitgase 637, Karbolsäure 637, 
Jodtinktur 686, Hackfleischepidemie 
im Budolf Virchow- Krankenhaus« 
699, Bromsetbyl und Bromaetbylen 
801, Fleischvergiftungsepidemie in 
St. Johann 819, Margarine 903,952. 

'Verletzungen, Unterscheidung vitaler 
und postmortaler 686. 

Versammlungen und Kongresse siehe 
Tagesnachrichten S. XXVII. 

Verschüttete, Lebenserhaltung 522. 

Versuchstiere, Beschaffung 57. 

VerwaltungBreform 601, Medizinalbe- 
amte 229. 

Veterinärwesen 462. 

Vibration des Körpers 409. 

Viebseuchengesetz 225. 

Vierte Krankheit 555, 593, 813. 

Volksbygiene, Verein 503. 

Volkswohlfahrt, Zentralstelle 223, 383 

Wärmeverlust, abnormer u. Tod 704. 

Wanderniere, Entstehung 409. 

Wasser, Nachweis und Verhalten von 
Bacteriam coli 216, Beurteilung der 

*D J.k.U RQ7 KaWuwIaI IT AnfvAllu 



XLIY 


Namen -Verzeichnis. 


1a Budapest 537, Sterilisation durch 
ultraviolette Strahlen 537, Trink- 
wasserversorgun g a. dem Lande 776, 
Bewertung des Bacterium coli 776, 
Sterilisierung durch Caldumhypo- 
chlorit 776, Brunnenhygiene 861. 

Wasserbrfiche und Unfall 647. 

Wasserversorgung, Einfluß auf die 
Gesundheitsverhältnisse 216, Jahres¬ 
bericht der Versuchs- und Prüfungs- 
anstalt 217. 

Wehrfähigkeit der Jugend 222. 

Wehrkraft des Deutschen Beichs 453. 

Wein, Gesetx 224, Wein in der Er¬ 
nährung 296. Kontrolle 371. 

Wismut, Vergiftung 440,565, 566,764. 

Wochenbett, Ermittelungen bei Todes¬ 
fall 40, Morbidität bei Torseitigem 
Fruchttod u. Syphilis 896, Bolus 
alba als Träger der Infektion 897. 

Wochenbett fieber, Entstehung und 
Verhütung 897. 

Wohnungen, gerichtsärztliche Begut¬ 
achtung 125,712, Internat Kongreß 
186, 266, Verbesserung, Förderung 


▼on Kleinwohnungen 224, Hygiene 
369, KreiswohnuügsinspektionWonas 
536, Wohnungsaufsicht und Bau¬ 
ordnung 536. 

Wortblindheit 250. 

Wurmkrankheit s. Ancbylostomiasis. 

Wurst, gefärbte 68. 

Zahnärzte, Jahresversammlung 382. 

Zähne, Untersuchungen im Kr. Lötzen 
1, Schutz 38, Notwendigkeit der 
Pflege 38, Zahnheilkunde u. öffentl. 
Gesundheitsdienst 298, Bekämpfung 
der Zahnverderbnis 455, Schul¬ 
zahnklinik in Schöneberg 615, Ein¬ 
fluß des Zahnverlustes auf die 
Militärdiensttauglichkeit 621. 

Zahn- und Mundwässer, desinfizierende 
Wirkung 215. 

Zinnvergiftung 69. 

Züchtigung, körperliche, der Kinder 
447, Hecht der Lehrer dazu 858. 

Zyankalium, Zerstörung durch Fäulnis 
279, Umsetzung in toten und über¬ 
lebenden Organen^764. 


Namen "Verzeichnis. 


Abel 67, 622, 699. 
Abelsdorff 334. 
Abramowski 276,496,653. 
Aohard 402, 403. 

Adam 654. 

Agard 451. 
de Albertis 128. 
Alexandrescu 575. 
Allbrecht 62. 

Allere 54. 

Almqnist 253. 

Alt 505, 644. 

Altschul 695. 

Alzheimer 487. 

Amante 135. 
v. Ammon 780. 

Anderson 689. 

Angerer 898. 

Arendt 489. 

Arenyas 640. 

Argand 565. 

Arnal 416. 

Arnaud 402. 

Arndt 15. 

Arnold 304. 

Arnould 588. 

Artonini 297. 

Aubertin 122. 

Auchö 607. 

Austregesflo 598. 

Ayala 132. 


Badertscher 618. 

Baehr 289. 

Baermann 53. 

Bahrdt 219. 

Baier 66. 

BaU 816. 

Bandelier 174,184, 540. 
Barlow 603, 690. 
v. Barth 804. 

Bassenge 215. 

Batelli 486. 

Bäumler 892. 

Bauer 536. 

Baum 340, 497, 854. 
v. Baumgarten 173. 
Bayerthal 180. 

Bechamp 485. 
v. Bechterew 55, 889. 
Becker 55, 56. 
Beckhaus 891. 
Begemann 186. 

Behla 816, 818. 

Behrens 336. 

Benard 122, 402. 

Bender 735. 

Berg 545. 

Berger 35, 300, 492. 
Bergh 315. 

Bering 329. 

Berlin 212. 

Bernhard 140, 170, 849. 
Bernhrmer 68. 

P: - : ü! 259. 


Bertilloi 597« 

Bethge 286. 

Beyer 774. 

Bianchini 22, 137, 139. 
Bickel 888. 

Biedert 144. 

Bielenky 221. 

Bierotte 492, 665. 
BUlard 565. 

Binet 485. 

Binswanger 125. 
Birch-Hfrschfeld 733. 
Birk 498. 

Blaschko 828, SSO. 
Blauei 417. 

Blick 140. 

Blin 335. 

Bloch 255, 618. 
Blumenthal 256. 
Boecale 575. 
Boeckmann 637. 
Boehncke 216. 

Boethke 602. 
Boerschmann 229. 
Bohtz 333. 

Bonne 901. 

Borchers 402. 

BoreUi 728. 

Bornen 767. 

Boscowitz 419. 

Bosetti 726. 

Borsqnet 689. 
liuüSSSSSf 655. 



Boyd 18. 

Boy« 281. 

Brudeis 568. 

Brandenburg 775. 

Brauer 602. 

Brau 881. 
t. Brehm 576. 

Br ekle 263, 606. 

Breaune 593. 

Brennecke 661. 

Breiowsky 889. 

Bricchetto 729. 

Briot 846. 

Brack 456. 

Brückner 284, 649, 851. 
Brüning 336, 497, 701. 
Büehwnld 65. 

Bürger 124, 712. 

Büttner 856. 

Balle 175. 

Bimm 460. 

Bar gerstein 182. 

Ban 657. 

Baaen 776. 

Canu 58, 486. 

Cuertro 1S4. 

Cutui 174. 

Cardon 134. 

Cavadina 686. 

Cecehetelli 525. 

Cereade 172. 

CeridalU 327, 765. 
Ckabrol 566. 

Chevalier 441, 485. 
Ckerrier 122. 

Cinibal 221, 282. 

Cinca 100, 575, 654. 
flauen 64. 

Cleary 264, 299, 777. 
Coester 484, 634. 

Conrad 536. 

Conrad i 92. 

Cordaen 181. 

Cwin 639, 686, 687, 767. 
Coalland 325. 

Coamont 537, 691. 
de Craene 325. 

Cramer 18,19,20,261,615. 
Croner 103,104.106,605. 
Crookahaak 326. 
Croeaonini 258. 
Canchmnnn 628. 

Cartiu 450. 

Dufelopela 654. 
Dartignee 766. 

Daris 657. 

Debrd 26. 

Deckner 425. 

Dalhala 729. 
Delorme’495. 

Dünsche 698. 


Namen - Verzeichnis. 


Dennig 296. 

Denzer 181. 

Derrieuz 824. 

Desternes 565. 

D6tr6 693. 

Deatsch 700. 

D6war 859. 

Dieterlen 412. 

Dietrich 699. 

Dieadonn6 23, 579. 

Dix 291. 

Dodd 298. 

DOblin 445. 

Doederlein 897. 

Döltz 219. 

Dörr 539. 

Doewenapeck 646. 
Dollein 303. 

Dohan 646. 

Dohm 83, 621. 

Dold 256, 607. 
de Dominicis 120, 326, 
439, 636, 637, 685,766. 
Donath 569. 

Donati 601. 

Dopter 846. 

Dorner 566. 

Drener 328. 

Dreyer 91, 98. 
Drosdowitsch 24. 

Dogge 763. 

▼. Düngern 600. 
ran Dnyse 524. 

Ebellng 775. 

Eber 168. 

Eccard 284. 

Eckardt 69. 

Effler 300. 

Eichelberg 287. 
Eichhorn 16. 

Einecker 576. 

EUia 741. 

Elschnig 280. 

Emmerich 771. 
am Ende 849. 

Engel 412. 

Engelmann 497. 

Engels 246. 

Erben 806. 

Erhard 142. 

Eschbanm 895. 

Ewald 263. 

Faber 803. 

Feilchenfeld 416. 

Feld 612. 

Feldzer 404. 

Fenea 100. 

Fette 212. 

Fieoz 567. 

Flnkelstein 34. 

Fiscker (Essen) 27, 995. 


XLV 


Fischer (Karlsruhe) 148, 
461, 612. 

Fischer (Hamborg) 614. 
Fischer (Berlin) 622. 
Fischer (Oskar) 649. 
Flesch 298. 

Forel 298. 

Fortineau 773. 

Fr&nckel 120,249,465,665. 
Frinkel 250, 303, 856. 
Francois 403. 

Frank 21, 730, 807. 
Frankl 769. 

Franz 403, 524. 

Frenzei 295. 

Frendenberg 699. 

Frey 406. 

Freyer 770. 

Friedberg 57. 
Friedberger 57. 
Friedjang 692. 
Friedlander 577. 

Fromme 333. 

Frosch 619. 

Frtthwald 96. 

Fachs 449. 

Fürst 701. 

Fannloli 890. 

GBrtner 850. 

Gitbgens 530. 

Gaffky 67, 699. 

Galante 325. 

Garin 764. 

Garis 170. 

Garnier 401. 

Geißler 487, 488. 
Gemünd 621. 

Gerdes 893. 

Gerlach 251, 459. 

Giani 670. 

Giens 847. 

GUardoni 602. 

Gilbert 566, 639. 
Gildemeister 627. 
Giordano 526, 

Gironx 441. 

Glas 444. 

Glaser 96. 

Goadby 17. 

Goldbladt 568. 

Goldstein 569. 

Goobody 17. 

▼. Gottberg 610. 
Gradenigo 405. 

Graf 251. 

Graeter 301. 

Gr&tzer 861. 

Graßl 474, 789. 

Gran 645. 

Greef 64, 65. 

Grelscher 695. 

Grimm 417. 



XLVI 


Namen-Verzeichnis. 


Grober 88. 

Grotjebn 661, 741. 

▼. Gräber 468, 789. 
Grünbeam 296. 

Granert 728. 

Gnutella 214. 

Gflnther 442. 

Gnillain 260, 765. 
Gailloz 804. 

Gamprecht 786. 
Gateknut 62. 

Knebln 28. 

Händcke 148. 

Heendel 494. 

Hagemann 888. 

Hegen 764. 

Heller 677. 

Hell 636. 

Hamburger 60, 176, 

210 . 

Hemm 492. 
Hammerachmidt 643. 
Haan 441. 

Henne 770. 

Hannes 102. 

Hering 781. 

Herneck 300. 

Hertmann 64. 
de Hertonh 898. 

Hervier 771. 

T. Heselberg 68. 

Hauck 829. 

Heyn 440. 

Hecbl 212, 682, 633. 
Hecker 60, 866. 
Heilbronaer 208. 
Heilemana 668. 
Heilmeier 674. 

Heim 414. 

Heine 140. 

Heise 686. 

Heisler 460. 

Heller 61. 

Hellwig 804. 

Henning 682. 

Henrich 186. 

Herbst 826. 
v. Herff 62. 

Heryag 680. 

Heft 628. 

Heue 780. 

Henbner 296. 

Heuer 26. 

Heymenn 68. 

HUbert 41. 

Hüdebraadt 800. 
Hilgermana 87, 181, 687, 
651. 

Hindelang 296. 

Hirsch 687. 

Hinchfeld 488. 
flocke 681, 806, 890. 


Hochbau 80. 

Höckmann 448. 

HOgel 412. 

Hoffe 338, 497, 862. 
Hoffer 666. 

Hoffmaan 807, 808. 
Hohlfeld 696. 

Hohn 896. 

Holländer 290. 

Holobnt 23. 

Holth 67. 

Holtsmaan 847. 

Hoppe 461. 

Horn 279. 

Horrix 180. 

Howarth 857. 

Haber 649. 

Hübener 94, 285. 

Hdbner 601. 

HOgel 329. 

Halles 212. 

Hantemitller 23. 
Hatchinson 279. 

Jeeekel 789. 

Juger 468, 896. 

Jahn 888. 

Jekobita 288. 

Jeksch 608. 

Jannuch 125. 

Jannes 304. 
v. Janregg 125. 

Jesionek 97. 

Jeftner 458. 

Inba 449. 

Jochmann 595. 

John 260, 406. 

JoUes 459. 

Josesph 573. 

Joshinaga 493. 

Joyenx 59. 

Israel 386, 663. 
Jackenack 69. 
JnUubnrger 670. 

Jang 705. 

Irenen 598. 

KEhler 260. 

Kafernenn 534. 

Kafka 641. 

Kaiser 288. 

Kalähne 102. 

Kalb 694. 

Käthe 778. 

Kanmheimer 633. 

Kanp 414. 

Kaya 522. 

Kayserling 414. 
Kefentein 189. 

KeUer 36, 219, 386, 612. 
Kenten 214. 

Kefller 676. 

Kesten 139. 


Kirchner 89, 180. 
Kintein 179,283,350,697. 
Eiskalt 302. 

Kitaseto 90, 178. 

Klein 68, 611. 

Kleine 99. 

Klose 171. 

Klnesenko 97. 

Knanth 27, 595. 

Knepper 266. 
Knöpfelmecher 97, 769. 
Koch 497. 

Köhler 179. 

Kahne 294, 737. 
Koelliker 886. 

KOmert 132. 

König 285. 

Köppe 34. 

Köster 402. 

Köstlin 661. 

Kokaü 216. 

Kominik 885. 

Kompert 493. 

Konnch 776. 

Konchnn 96. 

Kramer 287, 760. 

Krau 25, 699. 

Kraue 32. 

Kranss 861. 

Krantwig 178. 

Krefting 248. 

Krönig 6l. 

Krohne 182. 

KrOger 603. 

Krag 808. 

KOnen 523. 

Kürbitz 745. 

Küster 215, 832. 

KnUrich 293. 

Knnert 453. 

Kunow 580. 

Karpjaweit 756. 

Kätner 642. 

Kätscher 698. 

Lnforgae 121. 

Lagriffonl 416, 417, 689. 
Lende 686, 765. 
Leignel-Levastine 124. 
Landsberg 618. 
Landsteiner 573. 

Lange 278, 460. 
Langermann 144. 
Langlois 655, 734. 
Langstein 36, 221. 

Laraft 16. 

Lar och 765. 

Luke 176. 

Lateiner 571. 

Lattes 887. 

Lanbenheimer 23. 

Leber 64. 

Lebram 286. 



Leclercq 442, 800. 
Ledermann 443. 

Leers 435. 

Legrain 296. 

Lehndorff 97. 

Leiblreid 96. 

Lean hoff 455. 

Leatz 845. 

Leencini 327, 765. 
Leonhard 616. 

Lesaer 123. 

Leranditi 671, 572, 573. 
Lewandownki 859. 
Leydold 177. 

Liebotran 47, 309, 625. 
Liedig 418. 

Lieathal 617. 

Undemann 772. 
r. Liadheim 821. 

Liaiger 539, 647. 
Lippmann 19, 171. 
LUchweaka 297. 

Lochte 522, 659. 
Lockemann 103,104,105. 
Löhlein 685. 

Löper 485. 

Löirenield 740. 

Loewy 465. 

Lohmer 531. 691. 
Lonbroso 728. 

Lomer 131. 

Loagard 206. 

Look 901. 

Lorey 59, 565. 

Lftlbort 781. 

Ladwig 636. 

Loatig 817. 

Luther 55. 

laehlda 492. 

Mackintosh 205. 
Magaanimi 206. 

Major 208, 867. 
MalÜackrodt 815. 

Kairos 335. 

Mandelbaom 283. 
Maateafel 495. 

Marcos 893. 

Marcon 655. 

Mardaer 405. 

Margolies 725. 

Marmann 216. 
Maraetschke 345, 801. 
Maire 440. 

Manhal 279. 

Martial 263, 264. 

Martin 121, 415. 

Marx 802. 

Maasiai 255. 

Mattaascheck 129. 
Matthes 656. 

Matadorf 205. 

Manrsl 402. 


N amen - Verzeich als. 


Mautner 497. 

Maurlac 567. 696. 

Mayer (Otto) 93, 98. 
Mayer (Qeorg) 216. 
Mayer(Ntlrnberg)651,894. 
Mazzolini 400. 

Meier 694. 

Meinertz 733. 

Meinicke 24, 32. 
Melrowsky 97, 98, 694. 
Meißner 620. 

Meitzer 448. 

Maniai 689. 

Mengelkoch 735. 

Merkel 412, 449. 

Meriem 53. 

Mertelsmann 614. 

Meßner 66. 

Metall 640. 

Meyer 179, 199. 

Meyer J. 580. 

Meyer (Berlin) 613. 
Michailow 255. 

Michels 214. 

Millard 851. 

Miller 38. 

Mitlacher 622. 

Moeli 296. 

Möller 173, 457. 

Möllers 411. 

Mönkemöller 19, 210. 
Mörchen 725. 

Monnier 774. 

Montaaarie 766. 

Monti 138. 

Moreira 446. 

Moreno 640. 

Moses 447, 737, 856. 
Mach 211. 

Mack 96. 

Mahlens 95, 258, 259. 
Maller (Marburg) 31, 819, 
Maller (Breslau) 215. 
Müller A. 254. 

Maller (Dösen) 490. 
Malert 520. 

Mälzer 781. 

Manson 327. 

Marax et 686. 

Nicke 123, 444, 805. 
Nash 613. 

Nast-Kolb 578. 

Natanson 206. 

Nathan 129. 

Negri 100. 

Nehrkorn 17. 

Netter 26, 672, 846. 
Neafeld 494, 640. 
Neahaas 121. 

Nenmann 66, 177, 337, 
414, 420,447, 534, 740. 
Nenner 621. 


XLVII 


Neupert 294. 

Newsholme 454. 

Nicloax 567. 

Nicolas 525. 

Nishino 211. 

Nitache 281. 

Noccioli 527. 

Nogier 587. 

Nonne 21. 

Naßbzam 293, 855. 

Oker >BIom 600. 

Opitz 861. 

Oppenheimer 452. 

Orgler 35. 

Orlowski 802. 

Orth 408. 

Oslos 616. 

Osten 408. 

Otten 813. 

Ottolenghi 330, 400. 

Pech 660. 

Pachzntoni 725. 

Pagano 655. 

Patoir 442. 

Pattia 34, 446. 

Paali 853. 

Pawolleck 306. 

Pearce 899. 

Peiper 399, 499, 693, 701, 
853. 

Pergola 593. 

Perlia 304. 

Petroschky 65. 

Pfleger 249. 

Pick 212. 

Pierazzini 262. 
Pietrzikowski 252. 

Pilcz 281, 641. 

Pili 892. 

Pinard 692. 

Pincas 853. 

Pini 524. 

Pisenti 261, 526. 

Pistor 305, 419. 

Pitres 568. 

Plasknda 282. 

Plate 250. 

Plöaies 445. 

Pölchan 291, 294. 

Polag 188. 

Polens 701. 

Pollnow 141. 

Popp 530. 

Potelet 446. 

Pozzo 808. 

Pribram 380. 

Prichard 813. 

Priester 687. 

Prigge 93, 650, 651. 
Pritzkow 847. 

T. Prorazek 302. 
Pallmann 643. 



XLvm 


Kamen • Verzeichnis. 


Babnew 295. 

Baecke 724. 

Baether 488. 

Bagnit 888. 

Bamboosek 140. 
Bapmnnd 158. 859, 861, 
900, 906. 

Bapp 380. 

Bathery 249. 
Banbitschek 578, 817. 
B&uber 778, 779. 
Barenna 249. 

Baynaud 257. 
de Becbter 664. 

Beckzeh 32. 

Bebberg 639. 

Beich 566. 

Belebe 211, 595. 

Beicher 774. 

Beiter 768. 

Bemlinger 530. 

Betzlaff 901. 

Bibadeau-Domas 771. 
Biberean 778, 774. 

Bica-Berberis 278. 
Bichards 691. 

Bichardts 182. 

Bichter 594, 642. 

Bimpan 818. 

Bingier 902. 

Bltchie 812. 

Bitter 814. 

Bittersbaas 126, 642. 
Biyai 900. 

Bobertson 498. 

Bochaix 691. 

Bocher 689. 

Böder 86. 

Boemer 81, 127, 573. 
Boepke 149, 174, 540, 

Boesle 610. 

Boger 416, 417. 
Bogowski 888. 

T. Bohrschmidt 860. 
Bolly 658. 

Bomeick 9. 

Bommeler 660. 

Boncorini 126. 

Boos 296, 489. 

Boqae 764. 

Bose 60. 

Bosenleid 55, 449. 

Both 885. 

Bothe 24. 

Botbenfauer 66. 
Boathier 655. 

Borasio 581, 729. 

Bnbin 566. 

Baecker 54. 

Baete 329. 

Baller 206. 

Bange 208. 


Snäthoff 445. 

Sachs-Mücke 93, 651. 
8aison 249. 

Salin 571. 

Salomon 848. 
di Santo 63. 

Satta 601. 

Schaeier 222, 779, 855. 
Schall 460. 

Schanz 535. 

Scharfe 219. 

Scharling 406. 
Scheidemandel 56. 
Schellhorn 606. 
SchercscbowBky 95. 
Schern 285. 

Schey 60. 

Schick 217. 

Schiller 220, 336. 
Schilling 89, 582. 
Schindler 254. 

Schleißner 420. 

Schloß 522. 

Schloßmann 419. 
Schmeichler 599. 

Schmidt (Zahnarzt) 48. 
Schmidt (Leipzig) 279. 
Schmidt (München) 453. 
Schmidt (Bonn) 614. 
Schmidt (Düsseldorf) 775. 
Schmidtmann 179. 
Schmidt-Nielsen 402. 
Schmitz 334. 

Schnee 409. 

Schnitter 170. 
Schoenbrod 652. 
Schonfeld 408. 
SchOnfelder 292. 

Scholtz 328. 

Schott 209, 726. 
8chrakamp 180. 

Schreiber 332. 

Schaberg 495. 
Schaermann 734. 

Schalze 111. 

Schürmann 598. 

8chütz 671. 

Schütze 607, 772. 
Schalte 412. 

Schnitze (Bonn) 21, 806, 
131. 

Schnitze (Hambarg) 141, 
409. 

8chamacher 651. 
Schamm 565. 

Scharapoff 25. 

8chwalbe 144. 

8chwartz 681. 

8chwenk 129. 

Seifert 619. 

Seiftert 91, 98, 620,819. 
Seitn 415. 

Seligmann «29. 


Serratrice 401. 

Shaw 404. 

Sicard 571 »| 

Siccardi 137, 138, 139. 
Silbergleit 661. 
Silberstern 522, 609. 
Simon 213. 

Sineff 24. 

Sittler 303. 

Slatineanu 654.4 
von der Slais 413. 

Smith 781. 

Sobernheim 94, 529. 
Solbrig 311. 

Sommer 128. 

Sommerfeld 608, 700. 
Sorrel 122. 

Spengler 413. 

Spielmeyer 417. 

Spire 766. 

Spitta 535. 

Sprecher 829. 

Stade 895. 

Stainthorp 658.' 

Stanesco 571. 
y. Starck 339. 

Stark 248. 

Sterling 522. 

Steckei 405. 

Stein 269. 

Steinberg 833. 

Steinhaus 615, 597. 
Stengel 489. 

Stern 613. 

Stier 727. 

StOcker 727. 

Stoltzner 407. 

Strunk 102. 

Stühlern 495, 771. 

Stahl 34. 

Sturm 667, 815. 
Starsberg 408, 806. 
Sadhoff 902. 

Sttpfie 447. 

Sagai 57. 

T. Sury 124, 802. 
Sasewind 893. 

Taillandier 440. 

Tanbert 282, 724. 
Teichert 499. 

Theilhaber 695. 

Thiemich 448, 496, 852. 
Thierech 337. 

Thoma 888. 

Thomalla 37, 109, 470. 
Thomas 26, 803. 

Threach 776. 

Tietze 555. 

Tirelli 767. 

Tizsier 489. 

Tixier 404. 

Toto 886. 



Namen - Verzeichnis. 


XLIX 


Trembur 609. 

Tiiachese 532. 

Troisier 260. 

Tagendreich 222, 779. 
Toner 523. 

Tarollo 128. 

Cffrednni 568. 

Uhlig 182, 293. 

Ulrich 304. 
üyeno 637. 

Ti» 537. 

Voale 441. 

Veley 207. 

Yiaia 61. 

Vilches y Gomez 891. 

T. Vogl 222. 

Vogt 406. 

Voigt 58. 

Vollmann 452. 

Vollmer 271, 858. 

VoS 282. 

Wagier 893. 

Walbanm 101. 

Wallner 251. 

Walter 439. 442,567,666. 
Warborg 181, 291. 


Wassermann 694. 
Waamnth 91. 

Webb 659. 

Webb Anderson 401. 
Weichardt 456. 

Weichei 289. 

Weicker 174. 

Weigl 866. 

Weil 696. 

Weißenrieder 585. 

Well 172. 

Wengler 437. 
Weatenhöffer 687. 
Weyert 407. 

Weygandt 208, 619, 889. 
Wicheskiewita 65. 
Wichara 612. 

Wickmann 28. 

Widowitz 56. 
Wiedemann 860. 

Wiemer 36. 

Wilke 855. 

Williger 453. 

Wilman8 207. 

Wilson 886. 
t. Wlnchel 124. 
Windrath 764. 
Windscheid 647. 


| Winter 101. 
Wintenteiner 643. 
Woithe 264, 494. 

Woll 169, 538. 

Wolff (Basel) 56. 
Wolff-Eianer 171, 457. 
Wolfram 599. 

Wolfsohn 96. 

Yamamoto 57. 

Zahn 413, 652. 

Zambler 262. 

Zander 730. 
Zangemeister 688. 
Zappert 286, 596. 
Zegers 280. 

Zelle 1. 

Zenker 175. 

Zevi 260. 

Zickgraf 814. 

Ziemann 90. 
Zimmermann 77. 
Zingerle 132, 444. 

Zinn 142. 

Zinsser 123. 

Z wecker 44. 

Zweifel 897. 

Zwick 94, 289. 





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93. Jahrg. 


19i0. 


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Herausgegeben 

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Regierung*' und Medixinnlret in Minden 1. W. 

Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, Sächsischen, 
Mrttembergischen, Badischen, Mecklenburgischen und Eisass-Lothringischen 

Medizinalbeamtenvereins. 

Verlag von Fischer’s mediz. Buehhandlg., R Kornfeld, 

HanogL Bayer. "Bat- n. ErxhsncogL ir*nmnr-ihinhhRiniiT 

Berlin W. 35, Lntzowstr. 10. 

I m er ei s nehmen die Ve rl a geh andlung sowie alle Annoncenexpeditionen des In* 
und Auslandes entgegen. 



Ueber die Zahnpflege der schulpflichtigen Jugend und die 
Ergebnisse der Zahnuntersuchungen im Kreise Lötzen 1909. 

Von Kreisarzt Dr. Zelle - Lötzen. 

Die Untersuchungen der Z&hne der Schalkinder and eine 
geregelte Fürsorge für deren Erhaltung ist neueren Datums; sie 
mirde zuerst in Strassbarg i.E. 1885 eingeführt, 1888 in Hannover, 
1898 in Offenbach und Würzburg, 1902 in Darm iadt, 1905 in 
Mülhausen. Erst vom Jahre 1906 ab mehrt sich erheblich die 
Zahl der deutschen Städte, die auch in dieser Hinsicht für die 
ihnen anvertranten Schalkinder sorgen; 1906 worden in 4 Städten 
(darunter in Preußen in Waldenbnrg), 1907 in 14 Städten (darunter 
Kottbns, Nordhausen, Bielefeld, Erfurt, Holzminden, Wiesbaden, 
Lennep, Elmshorn), 1908 in 8 Städten (Grunewald, Pankow, 
Charlottenbnrg, Cöln als prenssische Städte) und 1909 in Neuss 
and Berlin eine geregelte Fürsorge für die Zahnverhältnisse ein¬ 
geführt. 

Von 34 Städten, über welche Zahnarzt Marcnse eine 
Statistik znm 1. Juli d. J. aufgetan hat, 1 ) verfügen 22 über Schul¬ 
zahnkliniken und Polikliniken; Privatzahnärzte behandelten in 
17 Städten. Unentgeltlich ist die Behandlung für alle Kinder in 


*) Der Schularzt; 1909, Nr. 10. 












2 Br. Zelle: Üeber die Zahnpflege der schulpflichtigen Jugend 

26 Städten, anentgeltlich nur für arme Kinder in 7 Städten; in 
Pankow sind nur Zahnextraktionen gratis. Nor Untersuchung 
der Zähne and Benachrichtigung der Eltern findet in Waldenburg, 
Diedenhofen, Holzminden, Elmshorn, Pankow and Neass statt. 

Die Zahl der aaf diese Weise untersuchten Gemeindeschul- 
kinder beträgt nicht weniger wie 650000. Gewiß eine schöne 
Anzahl, aber was will sie bedeuten bei der Gesamtzahl der schul¬ 
pflichtigen Kinder, die allein in Preussen 1906 ca. 6 1 /* Millionen 
betrug. Dazu sind es lediglich grössere Städte oder Grossstädte, 
die sich zu einer systematischen Zahnbehandlung der Schüler ent¬ 
schlossen haben, von kleinen Städtpn oder gar von Landkreisen 
hört man hierüber fast nichts. Geregelte Zahnuntersuchungen 
aui dem Lande scheinen überhaupt noch nicht sehr zahlreich 
ausgeführt zu sein. 

Nach dem „Gesundheitswesen des PreussiBchen Staates 1904“ 
fanden sich in Belzig „bei 96 °/ 0 der Kinder mehr oder weniger 
schlechte Zähne“. In Hagen-Stadt wiesen von 1480 Lernanfänger 
829 „Fehler der Sprache und der Zähne“ auf. Im Kreise Witt- 
Üch hatten 807 Kinder von 695 kariöse Zähne. 1905 fand (Ge¬ 
sundheitswesen 1905) der Kreisarzt in Wittlich bei ca. 46 °/ 0 der 
Schüler kariöse Zähne, der in Alfeld bei 66 %, der in Göttingen 
ein normales Gebiss nur bei 10 %. 1907 fand der Schulzahnarzt 
in Waldenburg bei Schulanfängern 58,41 % schlechte Gebisse, bei 
Schulabgängern 23%. Einige Magdeburger Dentisten fanden bei 
323 Mädchen 1271 schlechte Zähne, bei 295 Knaben 1080; es 
waren also 16,4% der Zähne kariös. In Bielefeld hatten 1033 
Kinder von 6703 schlechte Zähne usw. Eine Uebersicht über 
alle Schulen eines ländlichen Kreises habe ich aber vermisst. 

Um einen vollkommen klaren Ueberblick über die Zahn¬ 
verhältnisse der Schulen meines Kreises zu erhalten, habe ich 
nun eine Enquete in der Weise veranstaltet, dass ich in 71 Volks¬ 
schulen zählte: 1. Die Gesamtzahl der gestockten, 2. die Gesamt¬ 
zahl der fehlenden Zähne, 3. die Zahl der ganz gesunden Zähne, 
4. die Maximalzahl der fehlenden oder kariösen Zähne. 

Es ergab sich folgendes Resultat; 

Die 71 Schulen hatten 5739 Schüler (nach Abzug der fehlen¬ 
den, kranken pp.) aufzuweisen; ein ganz gesundes Gebiss hatten 
davon 1056, d. h. 18,4%, darunter in Stadt Lötzen nur 24 (!!) 
*=8,24%, auf dem Lande x ) dagegen 1032 = 20,6%. 

Die Gesamtzahl der kariösen Zähne betrug 12755, also 
pro Kopf der Zahnkranken durchschnittlich 2,7. 

Bei 2652 Schülern der Kirchspiele Lötzen, Königshöhe, 
Rydzewen, Rhein und Stürlack ergab die Untersuchung fol¬ 
gendes Bild: 

*) Die Stadt tBhein (ca. 2000 Einwohner) trägt durchaus ländlichen 
Charakter and ist hier mit eingerechnet. 




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suj! Seiten der Stadt, der niedere auf dem 

Patl 

‘fHAdeZÄKae warden 4Sp>#efS5T39 Schiller gezählt, 
,« r , < ‘® SUdt 870 auf 740 Schäler, also auf 1 Schüler 
^ dem Lande 3959 auf .4999, also auf 1 Schiller 0,8. 

tj ^ mmi6Afj7 ‘ ,5fir gsHadea Gebisse wechselt in deu 
J ^Mea recht, auffallend: 

. d'wa Lande hauen gosmiäe üeblwi; 

fc$*» tl« Schiller (tu in 12 Sobalen i <4-30«?» der Hdi>ü Cf 

££&&$ «KWem kein , 1). » ai-26 , . ,' 

2* Q«Mfc ,11 •■■;• ae-80 , , , 

av— tU?,, d«ur ädiiikr, , 1 , 31—85 , 

. , , , Ö , 88-40 „ .. I 

&V*il fe Laiaeö hmi*& g^atmde GobUt^; 
b Vf, . . 0,7 •?■> io KIarsc IV, V 4,0“/,' 

m 4t rr r\ t\ V . \, 


£ * tt v; .v A ;V^ 1, 

SöHjjI© ita Elio!n (Stadt) halten g^aands- Ga\»w*&. In «inr 
16^/i^der Schüler IV. Kla*^ &»Öö/y.;'4«r.^üifcv 


\ wie gesagt, rein ländlich* Verliältotsse fax 


»£„ v - 7 ü-O ; * I viMtMMUinun Utu' 

»2; ,°* ü “ *ö«» die Zahnverhältuisae ütclif wwjeJJÜich von 
iw®*' a«B». Lande abweichend. 

si %iv.v^ zei ? t die ungünstigen ZahnTerhältaisse der 

ÄiAdsr noch druilicher. 

^i!i, a ® ö«t Sän|w» das Altere auf die• ZähuTeiitältnisBe be- 
- a i““ k ^ ’®. *ng«n»«to»a mi die Schulanfänger, 
W,* f lc l . I! dei Zeit des Zahn^eohael« beüaden, «uehr au 
® 4a Äftht« jaWän^jfftß s<iöimi -J6 j* ^tädt Löteen durchau«? 

ja &T-^ »Qgwo.yi-had VÖ liafteo, o«i' O t t ittezw. (t,9 o.;, der Schul- 

’ 4 V' vl*Ä *?? ^ ^ bfifcereö Klasse« steigt die Prozent- 

2,8 auf 4,4 bk- 8 */, h 

siKh dieser üfitersdüdd ebenfalls be- 
iw *4 fWtfa«*ec mit SoO Schülern fanden sich Ul? 











4 


£)r. Zelle: Ueber die Zahnpflege der schulpflichtigen Jagend 


kariöse Zähne, also pro Kopf 1,77, in 16 Unterklassen mit 870 
Schfllem dagegen 2084 defekte Zähne, pro Kopf 2,84. 

Von den ländlichen Scholen stehen am günstigsten: Nenhof, 
Masnchowken (I., II. Klasse), Grondsken, Talken, Eadzien and 
Kl. Stürlack; in diesen 6 Schalen mit 431 Schalem befanden sich 
197 Kinder, d. h. 46 °/ 0 mit gänzlich gesundem Gebiss, die übrigen 
284 Kinder hatten 860 kariöse and 409 fehlende Zähne anfzaweisen. 

Am schlechtesten standen die Schalen in Krysahmen, wo 
von 46 Kindern kein einziges (!) ein gesundes Gebiss hatte, and 
in Lawken, wo von 106 nur 6, d. h. 5,7 °/o im Besitz völlig gesander 
and intakter Zähne waren. Die 146 anderen Kinder hatten 459 
kariöse and 107 fehlende Zähne anfzaweisen. — 

Diese Gesamtresultate sind zwar nichts weniger als günstig, 
jedoch bedeutend besser, als die Durchschnittszahlen von Professor 
Jessen, der 80—100 °/o aller Kinder zahnkrank ansieht. 

Eine Ursache für die auffällige Differenz in den Zahnver- 
hältnissen der ländlichen Schalen kann von mir nicht angegeben 
werden. Der gesamte Höhenboden des Kreises Lötzen gehört dem 
Dilaviam an. Grandlager stehen, wo sie Vorkommen, mit Sand¬ 
schichten, die eine lebhafte unterirdische Wasserbewegnng ver¬ 
mitteln, in enger Verbindung. Im Dilaviam finden sich noch stein¬ 
freie Schlämmprodakte, Ton, Fayenzemergel und Mergelsand. 
Im Lehmmergel finden sich im Mittel 12,4 °/ 0 Ton, im Fayenze¬ 
mergel und Mergelsand 16,06, daneben in löslicher Form 0,3 °/ 0 
Kali, 0,1 °/ 0 Natron and 0,1 °/ 0 Phosphorsaure. Kalk findet 
sich teils als einzelne grössere Platten, teils in Kies (Grand) 
angehäuft in kleineren abgerollten Stücken. Möglicherweise be¬ 
ruht auf diesem Kalkgehalt, der hier and da stärker sein mag, 
die Lösung des Rätsels für die Differenz in den Zahnverhältnissen 
auf dem Lande daraof, dass überhaupt viel Kalk 1 ) im Boden 
vorhanden ist, dürften auch die relativ guten Ergebnisse meiner 
Enquöte zurückzuführen sein. Genaue Analysen diluvialer Schichten 
im Kreise gibt es noch nicht. 

Dagegen sind die Lebensbedingungen und die Art der 
Lebensführung in den Dörfern nicht überall die gleichen. Die 
Bevölkerung lebt vorwiegend von der Landwirtschaft; die Haupt¬ 
früchte, die angebaut werden, sind Roggen, Weizen und Kartoffeln. 
Der Obstbau befindet sich auf niedriger Stufe. Die Vermögens¬ 
verhältnisse der Landleute sind sehr verschieden: Oft findet 
man krassestes, durch Trunksucht herbeigeführtes Elend in 
schmutzigster Form; dagegen nimmt der Wohlstand in anderen 

*) Nach Jessen sind ca. 90*/o aller Schulkinder zahnkrank, wo in 
Milch, Trinkwasser, Bodenprodokten usw. viel Kalksalze vorhanden sind, ca. 
80°/o, in anderen Gegenden 95—100. 

Aach Dr. Böse antwortete in seinem Vortrag, gehalten beim 
VIII. Stiftungsfeste der hessischen Zahnärzte 1902, aaf die Frage, waram ein 
Mensch bessere Zähne habe als der andere, damit, „einmal ist die Widerstands¬ 
fähigkeit der Zähne infolge besserer Verkalkung größer bei dem einen als bei 
dem andern, dann finden sich oft Entwickelangsdofekte in der Schmelzdecke, 
die der .Karies erlauben, leichter ihr Zerstörungswerk zu beginnen. In kalk¬ 
reichen Gegenden . . . sind die Zähne wesentlich besser". 



asd die Ergebnisse der ZnbnantersnebiBgen fm Kreise bötssen 1909. 


ha l ö ’ hfisbfefrneu Familien zweifellos zu. Wo aber Elend 
blThr • wer ^ en die Kinder schlecht genährt, die Muskulatur 
ymot Görftig, auch die Kaumuskeln bleiben, schwach, schmale 
entwickeln sich, die Zähne Anden keinen Baum zom 


“cnsen aad drängen Bich ans der Reihe. Es entstehen tote 
n&ef, in denen sich Speisereste ansammeln, die einen günstigen, 
""den f8r das Wachem der Zerstörongsorgane bilden. 
ö . Bie differenten ZahnverhältniBse in Stadt Lützen 
v 0( * landbezirk rühren zweifellos von dem Gebrauch 
ft * »eichen weissen bez. de» harten Roggenbrotes her. 

Sehr mit Recht sagt Dr. Lehmann (Odont. Blätter, 1909); 

%D . »Im Schwarzbrot ist pharp&CTaauiei Kalk ja großer Menge enthalten, 
.. ■? Kanon tob festem, 5—6 Tage altem Brote vermehrt die Blntsnfqhr 
all« ti ® Kieler, ferner snthdlt das Schwarzbrot PJnorkalzinm, welches wie 

riaorsulze n<icfa Ib sehr starker Verdttsnong (1;1000) antiseptisch wirkt, 
j? WU aan eine Omiatznng zwischen Flnorkalzinm and Phosphor ein, s» daß 
•*«<$« Ptnorsahse satstehea. welche den Mond desinfizieren, und Phosphor- 
"mt» » 

Welches sind nnn die Folgeznetände der allge- 
®'äinan Zahnfäule unserer Jagend und warum müssen wir 
108 mit diesem Gebiet als Gesandheitsbeamte befassen? 

. Schon rein ästhetisch ist ein Mond voll fauler Zähne nichts 
■^genehmes für den Mitmenschen; den beiden Herren Kollegen, 1 ) 
?** mich bei der Untersuchung der Schulkinder unterstützte», und 
®br wurde öfter» beinahe unwohl, wenn wir die freiliegenden 
J ulpen, die faulenden Zahnwurzeln, die eiternden Fisteln and das 
geschwollene gerötete, leicht blutende Zahnfleisch immer und 
*°injer wieder sehen und . , , riechen mußten. Fanden wir doch 
*• B. bei einem 6 jährigen Kinde nicht weniger als 15 Zähne durch 
f dule zerstört. 

Oft war mit hochgradigster Zahnfäule verbanden das be¬ 
trübende Bild anämischer Skrophulosei blutlose Wangen, Blut- 
**?»tttj foetor ex ore, geschwollenen Lympbdrüsen, geschwollene, 
triefende Nase, Schwerhörigkeit und Ekzem auf dem Kopf. 

Mit Recht wird von allen Sachkundigen betont, daß gerade 
•ue Krankheit, gegen die heute von allen Seiten Sturm gelaufen 
^fird, die Tuberkulose, in der Kindheit sich entwickelt; ihre 
®terophulöse Form findet aber nirgends bessere Eingangspforte in 
«en jugendlichen Körper, ata durch dl« hohlen zerfallenen Zähne, 
deren entzündlicher Reiz bereits die für Tuberkulose so leicht 
eaipf&Hglichen Lympbdrüsen am Kiefer ond am Hals hat an- 
e eh weiten lassen. OdentbaJ*) f&nd unter 704 Kindern mit 
chronischer Lymphdrüaenschweliuhg 429 mit kariösen Zähnen. 
Körner kam in seinen Untersuchungen über Lysnjihdrfisen- 
euhwellung bei kariösen Zähnen zu dem Schlnß, d&ea »Is Ein- 
Äimgapiorte infektiösen Materials nicht nur tote, sondern auch 
lebender aber freiliegender Pulpe anzasehen seien. 
Nach Kirchner (Die Tuberkulose in der Schule 1908) hat an 

dtiB allgemein feetgatelUen Rückgang an Tuberkuloaesterbjkhkeit 

.... - • ’ 

■1 








6 


Dr. Zelle: Deber die Zahnpflege der schulpflichtigen Jag 


das jugendliche Alter keinen Anteil; nach ihm ist di« 
der Sterblichkeit an Tuberkulose in den Altersklas 
Jahren grösser als in den übrigen Altersklassen. Und 
Tuberkulosesterblichkeit im Alter von 11—15 Jahren 
Scharlach, Kasern, Keuchhusten und Diphtherie an höcl 
steht, so hat an dieser betrübenden Tatsache als begl 
Moment sicher die Karies ihren reichlichen Anteil. 

Es ist hier nicht der Ort, auf die anderen Kranl 
nachgewiesenermaßen in Beziehung zur Zahnfäule steh« 
einzugehen. Beim Husten und Ausspeien werden sich 
lose Bakterien in die Luft geschleudert, die alle möglic 
heiten entstehen lassen können, da die unsaubere Mu 
schlimmste Brutstätte für Spaltpilze aller Art ist. S 
wenige kariöse Zähne erschweren ferner das Kauen um 
durch mangelhafte Zerkleinerung der Nahrung die 'V 
Sehr wahr sagt Ewald, dass die Kur mancher Magen 
mit der Aufräumung kranker Zähne zu beginnen : 
liefern dem Körper fortwährend pathogenes Material 
Fäulnisprodukte, welche den Verdauungskanal reizen un 
Die Folgen sind Magen- und Leberleiden aller Art, 
Magengeschwüre, chronische Verstopfung, Blinddarm 
Siechtum usw. So wird der Gesamtorganismus di 
Zähne direkt geschädigt 

Welche Bedeutung hat eine geregelte Z 
für die JugendP 

Wie Prof. Jessen*) treffend ausführt, muss jede 
Gesundheitspflege im Volk schon in der Jugend einsei 
eher Pflege gehört aber neben NahrungB-, Kleidungs¬ 
hygiene vor allem die Schulhygiene. In dieser st« 
Stäle die rationelle Körperpflege. Ueberall regt es i 
sehen Reich, Schulärzte anzustellen; Preussen hat 
dazu gemacht, freilich in recht bescheidener Form, 
Schalen der Ueberwachung des Kreisarztes unterstem 
sie in einem 5 jährigen Zwischenraum zu mast« 
bezug auf den Gesundheitszustand der Kinder“ zu 
hat Auch die Zahnpflege der Kinder ist in der i 
anweisung berücksichtigt, indem der § 97 der altei 
vervollständigt ist, dass der Kreisärzt „Zahnpflege . 
regen und zu unterstützen*'hat. Leider enthält a 
Formular über Schulbesichtigungen noch keine Fra 
Zahnbefand der Schüler. Und doch gehört zu den 
welche das Allgemeinbefinden fördern, in erster Li: 
der Zähne. 

Werden die Zähne in der Jugend nicht beha: 
es so traurige Resultate beim Militär, wie sie Brno 
beschreibt. Er konnte bei 3000 Soldaten 26 394 k&r 
fällende Zähne feststellen; nur 184 Mann (!) hatten 

>) Die Lungenheilstätten lassen daher jetzt das Gebt 
bedürftigen vor Beginn der Behandlung besichtigen und even 

>) Odontolog. Blätter; 1903, Nr. 4. 



^ fegßbüig^ rie/ Zifcbooat&rattdmngfctt ire KrsjRts 1909, 7 

J®' 5 Jahren litten in der preossische« Armee 33 421 
7 „( i as **Wh and Kiefererkraakuugen, zu deren Heilung es der 
*ik. A ro I a&?62 BehandJungstagen bedurfte, während in 4er- 


j(> »n Mund- und Baehsakraakbeiten 4845 Mann mit 
ri*'***® Zlir Behandlung kamen, 
r** «i»4 ZahleD, welche za denken geben! 

% 1894 «jauch der intet nationale zahnärztlich» Eoagccss 

j„ besage« *6 ans, dass die Zahntoitja in allen Völkern einen 
Charakter an^Btjmmh)? habe, dass Gegenmsae* 
®8 WÄj hkfflfiüjMöh im Kinde3i»ltftr, iu irgend Rutwendig seien. Er 
‘kutmT - water Linie die Aufklärung de« Volkes Uber die Bs- 
^äv tJ ' npr rationellen ZahopSege ihr die Gesundheit und die 
&td«r nneoigeltüeker zahnärzttieiMSv Hilfe an unbemittelte 

k^derajöd wir von dem Ideal dieser Forderungen noeii sehr 
ijgj.' ^Mfenrt. Möge« .-auch die Städte allmählich sieh zur An- 
4jl5®?7oa SchnJxftfaafirzten m& Erbauung von Schulzahnkliniken 
^fegan, a*i deq) Lande eeWeigt davon noch alles, 
t’nd doch iaf. auch hier Hilfe nötig! 
fcy • hjt aber nach den gegebenen Verhältnissen, die zu 
«n nicht, in unserer Hand liegt, möglich, auch anf dem Lande 
Reiche»? 

Zunächst möchte ich den Wert der von mir Angestellten 
a^tersuchnngen bei Leibe nicht nach dem gewonnenen Zahlen* 
H ^Äl- bemessen, so interessant es auch für den, der sieb 
fc' diesen Magen beschäftigt, sei» mag. Ich bin durchaus kein 
j Mt ^ te hd der rüge du norabre, die jade Tätigkeit in das Prokrnstes- 
ljj‘ ? <abionmässiger Naehweisnag <peisciben will, nein, die Haupt- 
solcher statistische« ITpförsachnngem in den Schulen 
wöfth die, dass Kinder und Eltetr. anf das kostbare Gut, in 
'* * ia Munde aufmerksam gemacht werden, 
jsjj. Nkht wenige Kinder, und nicht nur solche ans benüttelttö 
sind dra Zahntechnikern 4 ) bei uns infolge meiner Er* 
«•- ,? n5 W 9 « hei der Untersuchung zngfifährt werden* auch die Lehrer 
J'n®*® hwsifdlna anf die MundpSege der ihnen anvörüante« 
g-fwi jfitzt besser achten wie bisher.*) Den Kindern wird in 
ä •ttmfi überall der Gebrauch der Zahnbürste-’) emiifblden werden; 

* r ‘ heMu'en sein, daß dieselbe nicht wagereebt, sondern 
anf* und ftbgefhbrt werden mues nml dass die Mahl* 
vc« v fe nor von der Saite, sondern auch von der DnicMäcbe 

** watreiehen sind. 

vi u ®V«ek»*% nnd ohne viel Kosten dnrehzusetzen ist 

yieachtt die Ößnth ersehe Forderung, dass in einem Raum der 

* j S'b*. A» in outsof era Kwtoc-. aichi. 

1 TjSJjj? v^Tn MJii.'Eiljg 24. /ab 5.900 soll bei dsia naturas*iiot4it' 

1*0 ■ ä a z ÄÄ-sia 



8 


Dr. Zelle: Ueber die Zahnpflege der schulpflichtigen Jugend usw. 


Blechrinnen anzubringen seien, tun hier mit warmem Wasser 
die Z&hne zu pntzen; auch sei für jedes Kind ein Becher mit 
Zahnpulver nötig. 

Aach das Essen von Roggenbrot ist zu empfehlen und sein 
Nutzen zu erläutern. 1 ) In die Schulbücher sind Belehrungen über 
Zahl, Wachstum, Bedeutung und Pflegender Zähne aufzunehmen. 
Gemeinverständliche Merkblätter sind zu verteilen,*) das Geld 
hierfür ist meiner Erfahrung nach nicht allzu schwer vom Kreise 
zu erlangen. Ebenso würde es nicht allzu schwierig sein, für 
jedes Kind eine Zahnkarte zu beschaffen, auf deren Vorderseite 
der Zustand seines Gebisses graphisch ^dargestellt] ist, während 
die Rückseite ein Merkblatt für Kinder und Eltern über den Wert 
der Zahnpflege und einentHinweis auf öftere Konsultationen von 
Zahnärzten darstellt. 

Als Ideal, und zwar durchaus als kein unerfüllbares auch 
für ländliche Verhältnisse, ist die Errichtung von fliegenden 
Schulzahnkliniken anzustreben. Je ein Zweckverband, aus mehre¬ 
ren Kreisen bestehend, stellt einen Zahnarzt an, der die Zähne 
der Schulkinder in seinem Bezirk behandelt. Die Kosten einer 
solchen fliegenden Klinik dürften nach annäherndem Ueber- 
schlag außer den Reisegeldern nicht über 1 Mark pro Kopf der 
Schüler betragen. 8 ) In dem masurischen Erziehungshaus zu Lötzen 
mit ca. 100 Insassen betrugen die Kosten 4 ) der Zahnbehandlung 
durchschnittlich 1 Mark pro Kopf. 

Ich gebe zn, dieser letzte und wichtigste Vorschlag ist noch 
Zukunftsmusik; eine gute Vorbedeutung aber ist es, dass es im 
Militärsanitätswesen, das wegen reichlicherer Mittel stets ein 
Vorbild für unser Zivilsanitätswesen bildet, sich kräftig regt. 
Militärzahnärzte werden'angestellt und überhaupt auf Zahnpflege 
beim Militär ein ungleich grösserer Wert gelegt, wie vor zirka 
10—15 Jahren, wo mit der Behandlung der unglücklichen zahn¬ 
leidenden Soldaten gewöhnlich der jüngste Unterarzt betraut 
wurde, der dann im Kronenabbrechen das möglichste leistete. 

Nötig aber ist auch für uns die Hilfe des Staates, ohne die 
es nun einmal nicht geht. Bei der Granulosebekämpfung und 
ihren glänzenden Erfolgen — sank doch im Bezirk Allenstein von 
1899—1909., die Zahl der‘ trachomkranken "^Kinder von 19061 auf 
3479, d. h. von 19,1 °/o auf 3,8 °/ 0 — haben wir gesehen, daß eins 
zur Erreichung solcher Resultate gehört, Geld und immer wieder 
Geld!J Möchte bei einer günstigeren, hoffentlich bald eintretenden 
Finanzlage unseres Staates auch Geld für die Zahnpflege der 
Landjugend flüssig werden. 

Welche Wege wir Kreisärzte einzuschlagen haben, um die 

*) Die Straßburger Zahnklinik verteilt Roggenbrot. 

*) Zwei billige?gemeinverständliche Schriften von Miller-Dieck nnd 
Dr. Schmidt »Notwendigkeit and Wert der Zahnpflege“ besw. -Schutz den 
Zähnen“ sind bei R. Schütz erschienen und durch Ministerial-Erlaß vom 
1. November 1909, I M 2925 empfohlen worden. (S. auch Besprechungen in der 
heutigen Nummer). 

*) Straßbarg gibt 16700 Mark für ca. 17000 Kinder aus. 

4 ) Diese trägt der Landeshauptmann. 



Br. Romeick: Tödliche Vergiftung mit Essigessenz. 


9 


Forderung in § 97 der D.-A. die „Zahnpflege anzuregen und zu 
unterstützen“ zu erfüllen, zeigt in mustergültiger Weise der Erlaß 
des Herrn Regierungspräsidenten zu Minden vom 19. Juni 1908 *). 
Dieser Erlaß weist darauf hin, daß der Kreisarzt bezw. der 
Schularzt die Zähne der Volksschüler zu untersuchen hat und bei 
ungünstigen Befunden Remedur durch Verweisung der Zahnkranken 
an einen Zahnarzt zu schaffen sucht. — 

Nicht zu empfehlen ist es, wenn der Schularzt die Sorge 
und die Aufsicht über die Zahnverhältnisse der ihm anvertrauten 
Kinder völlig aus den Händen gibt und diese Untersuchungen 
allein durch den Schulzahnarzt ausführen läßt. Der Schularzt 
muß immer das Heft in der Hand behalten; der Zahnarzt wird 
ihm dann mit seinem technischen Rat fördernd zur Seite stehen. 


Tödliche Vergiftung mit Essigessenz. 

Von Kreisarzt Br. Romelek in Hohrnngen. 

Tödliche Vergiftungen durch grobe Fahrlässigkeit kann die 
Medizinalgesetzgebung nicht aus der Welt schaffen; sie ist jedoch 
verpflichtet, solche Vorkommnisse, welche lediglich die Folge von 
Unkenntnis und von leichten Verwechselungsmöglichkeiten sind, 
durch aufklärende Belehrungen und Verwechselungen aus- 
schließende Gesetzesbestimmungen zu verhüten. Auf diesem Ge¬ 
biete bleibt m. E. noch manches zu tun. In früheren Jahren war 
es die Karbolsäure, die, in 8°/ 0 Lösung als Hausmittel bei 
allen blutigen Verletzungen in Form von Umschlägen verwendet, 
nicht selten das Absterben von Gliedmaßen, insbesondere von 
Fingern, verursachte. Einen solchen Fall hatte ich im Jahrgange 
1903 dieser Zeitschrift (Nr. 4, Seite 124) veröffentlicht und gleich¬ 
zeitig mit Herrn Kollegen Dr. Cohn-Heydekrug gefordert, daß 
die Karbolsäure ganz dem freien Verkehr entzogen und denjenigen 
Mitteln angereiht werde, welche nur auf ein vom Arzte, Tierarzte 
oder Zahnarzte ausgefertigtes Rezept vom Apotheker verabfolgt 
werden dürfen. Außerhalb der Apotheke hätte sie danach gar- 
nieht mehr als Heilmittel, sondern nur zu Desinfektionszwecken 
außer dem Bereich des menschlichen Körpers abgegeben werden 
dürfen. Die gesetzlichen Bestimmungen über die Karbolsäure 
sind nun zwar nicht geändert, aber diese ist gottlob als Volks¬ 
hausmittel aus der Mode gekommen, so daß in letzter Zeit 
Unglücksfälle dadurch kaum mehr bekannt geworden sind. 

Im Jahrgang 1905 dieser Zeitschrift (Nr. 9, Seite 282) hatte 
ich ferner eine tödliche Vergiftung mit Salmiakgeist (Aetz- 
ammoniak, Liquor Ammonii caustici) bei einem 8 Monate alten 
Kinde mitgeteilt, dem vom eigenen Vater ein Kinderlöffel davon 
statt Mixtura solvens eingegeben war. Die Mixtur war vom Arzt 
gegen Bronchialkatarrh verordnet, der Salmiakgeist in einer genau 
ebenso aussehenden Medizinflasche als Riechmittel gegen Schnupfen 
gekauft; beides stand zusammen auf dem Nachttisch, und in 
halber Schlaftrunkenheit des Vaters fand am frühen Morgen die Ver- 


*) Siehe Beilege za Nr. 17 der Zeitschrift; 1908, S. 166. 



10 


Dr. Romeick. 


wechslung statt. Nach 48 Stunden trat der Tod ein. Eine Straf¬ 
verfolgung wurde nicht eingeleitet. Es erschien mir erforderlich, 
daß zum äußeren Gebrauch bestimmte Mittel, deren Genuß ge¬ 
sundheitsgefährlich ist, nicht in Trinkgefäßen, alten Medizinflaschen 
usw. abgegeben werden dürfen, sondern in Gläsern, die jede Ver¬ 
wechslung unmöglich machen. 

In neuerer Zeit hat die Essigessenz zahlreiche Gesund- 
heitsschädigungen und Todesfälle herbeigeführt; sie beansprucht 
daher das lebhafteste Interesse der Medizinalbeamten, denn ihr 
Gebrauch bürgert sich mehr und mehr ein. Obgleich sie 80% 
Essigsäure enthält, ist das Publikum weit entfernt, ihre Giftigkeit 
und Gefährlichkeit zu erkennen und eine besondere Sorgfalt bei 
ihrer Aufbewahrung und Handhabung aufzuwenden. Weil bei 
vorkommenden Unglücksfällen die Angabe der Schuldigen, daß 
sie die Giftigkeit nicht geahnt hätten, stets als glaubhaft erscheint, 
wird das Strafverfahren unterlassen oder eingestellt, und die 
Unglücksfälle häufen sich. Diesem Zustand muß ein Ende ge¬ 
macht werden. Schleunige Abhilfe erscheint dringend geboten. 

Im Jahrgange 1907 dieser Zeitschrift (Nr. 15, Seite 508) 
habe ich eine tödliche Vergiftung mit Essigessenz bei einem 
zweijährigen Arbeiterkinde geschildert. Die zwölfjährige Schwester 
hatte zum Abendbrote mit Essigessenz Salat gemengt, der kleine 
Bruder hatte in einem unbewachten Augenblicke die Flasche 
ergriffen und daraus getrunken. Trotz baldigen energischen und 
zweckmäßigen Gegenmaßregeln meinerseits trat nach zwölf 
Stunden der Tod ein. Auf die Anfrage des Staatsanwalts an 
mich, „ob eine besondere Sorgfalt in der Aufbewahrung der 
Essigessenz Pflicht der Eltern gewesen wäre,* habe ich, da 
damals besondere Vorschriften für die Abgabe der Essenz noch 
nicht erlassen waren, folgendes erwidert: 

„Essigessenz ist leider dem freien Verkehr überlassen and kann von 
Jedermann in jedem beliebigen Gefäß verkauft werden. Im vorliegenden Falle 
stammt die Essenz aus einem hiesigen Materialwarengeschäft und ist in einer 
Schnapsflasche abgegeben. Die Eltern haben jedenfalls angenommen, daß es 
sich nur um eine stärkere Art von Essig handelt und daher eine Giftigkeit 
und Gefährlichkeit der Essenz nicht vermutet. Eine Pflichtwidrigkeit ihrer¬ 
seits liegt nicht vor, sondern ein Mangel der Medizinalgesetzgebung.“ 

Daraufhin wurde von der Einleitung eines Strafverfahrens 
Abstand genommen. Ich knüpfte an diesen Fall die Forderung, 
daß Essigsäure, auch die verdünnte, die in 100 Gewichtsteilen 
mehr als 15 Gewichtsteile Essigsäure enthält, in die Abteilung 3 
des Verzeichnisses der Gifte aufgenommen und damit den Vor¬ 
schriften über den Handel mit Giften unterworfen werden möchte. 
Dieser Forderung ist jedoch nicht Rechnung getragen; es sind 
vielmehr unter dem 14. Juli 1908 nur Vorschriften über die 
Abgabe der Essigsäure im Kleinhandel erlassen, die am 1. Januar 
1909 in Kraft getreten sind und die wie folgt lauten: 

„gl. Rohe und gereinigte Essigsäure (auch Essigessenz), die in 100 
Gewichtsteilen mehr als 15 GewichtsteUe reine Säure enthält, darf in Mengen 
unter 2 Liter nur in Flaschen nachstehender Art und Bezeichnung gewerbs¬ 
mäßig feilgehalten und verkauft werden. 

1. Die Flaschen müssen aus weißem oder halbweißem Glase gefertigt, 








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12 


Dr. Bomeick. 


genommen und dem Hirten d&r&ns eingeschenkt. Da 
wegen fahrlässiger Tötung wurde nach erfolgter Erm 
folgender Begründung eingestellt: 

*Der Beschuldigte gibt an, er habe nie gewußt, daß 1 
gefährlich sei, sondern Btets gedacht, es wäre nur starker Essig, 
erscheint glaubhaft. Eine besondere Ueberwachungspflicht 
von ihm nicht verlangt werden. Die Etikettierung und der j 
auf dem obersten Regal erschienen als genügende Sorgfalt. Da 
abgegangen war, hat der Beschuldigte glaubhafter Weise i 
Ebenso hat er nicht wissen können, daß die Flasche mit der Essi 
auf ihrem ursprünglichen Platz auf dem oberen Regal, sondern v 
auf den Tisch gestellt war. Da nun die Flasche, in die di 
gefüllt war. der Eornusflasche ganz ähnlich war, und da zwei 1 
im Gebrauch waren, so konnte die Verwechselung auch bei Ai 
erforderlichen Sorgfalt Vorkommen. Bei der 13jährigen Tochte: 
aus subjektiven Gründen jeder Anhalt zum Einschreiten.“ 

Dieser Fall beweist m. E., daß die Verordnung v 
1908 nicht genügt. Essigessenz ist eben ein tödliches C 
das Publikum zu dieser Einsicht gelangen soll, so g( 
die Aufschrift: „Vorsicht! Unverdünnt lebensgefährlich 
die Essenz muß in die Abteilung 8 des Verzeichnisset 
aufgenommen werden, so daß sie nur bei Vorhand 
konzession und nur in festen Gefäßen mit der dauert 
schrift „Gift* und mit Inhaltsangabe in roter Schrift a 
Grunde abgegeben werden darf, während jetzt bei M« 
2 Liter gar keine Vorschrift besteht. Nur dann besteht 
der dieses Gift kauft, auch die Pflicht einer besonde 
falt in seiner Aufbewahrung. Das subjektive Moment 6 
gewußthabens*, das jetzt das Strafverfahren stets hii 
dann fort. Wenn dann z. B. die Flasche bricht unt 
in eine gewöhnliche Schnapsflasche umgefüllt wird, i 
eine gröbliche Vernachlässigung der besonderen Aufbe 
pflicht, die ihre entsprechende Strafe findet. — Man Ii 
einwenden, daß die Einordnung der Essigessenz in die 
Gifte ihrem Verbote gleichkäme und dann wohl niem 
„Gift* mehr zur Bereitung der Speisen verwenden würd 
zuzugeben; diese Wirkung wäre aber freudig zu begrt 
wenn dadurch eine kleine Industrie zerstört würde, 
bürgerung der Essigessenz ist in der Tat eine vi 
Unsitte; in dem 15 •/• „Essigsprit* ist die Grenze ge 
zu der der Gehalt an Essigsäure erlaubt werden darf, 
spricht dem öffentlichen Interesse, eine stärkere ko 
Essigsäure dem Pablikum in die B[and zu geben, i 
Fehler muß schnellstens wieder gut gemacht werden, 
bietet der Bezug der Essigessenz nicht einmal eine 
Ein Viertelliter davon kostet (20 Pfennig Aufschlag fi 
schriftsmäßig bezeichnete Flasche werden bei Rückgab« 
zurflckgezahlt) 50 Pfennige. Daraus sind etwa 4 
Essig herzustellen und diese kosten 60 Pfennige. Der I 
ist also ein Behr geringer. Es liegt daher kein plausi 
vor, der weiteren Einbürgerung dieses gefährlichen Gi 
Familien mit verschränkten Annen zuzusehen. 



Tödliche Vergiftung mit Essigessenz. 


13 


Zorn Schlosse noch einige Worte über den Obduktions¬ 
befund. Die in Betracht kommenden Ziffern des Obdoktions- 
protokolls sind folgende: 

„1. Knochenbau, Fettpolster und Muskulatur des etwa 70 jährigen Mannes 
mittelmäßig. 

6. An den Lippen und in der Umgebung des Mundes keine Verfärbungen 
oder Hauteintrocknungen. Im Munde kein fremder Inhalt. 

18. Der rechte Vorhof ist mit schwarzen Blutgerinnseln prall gefüllt. 
Die rechte Herzkammer enthält einen Eßlöffel voll solcher Gerinnsel. Der 
Unke Vor hol und die linke Kammer sind leer. Das Herzfleisch ist von derber 
fester Beschaffenheit. 

19. Auf der Schnittfläche der Lunge entleert sich nur wenig dunkelrotes 
flüssiges Blut. Die Lungenblutadern sind leer. In den Schlagadern findet 
sich wenig dunkelrotes halbgeronnenes Blut. Das Lungengewebe fühlt sich 
überall elastisch und knisternd an, ist also Überall regelrecht lufthaltig. 

22. Im Schlunde und im Kehlkopfeingang befindet sich reichlich schmutzig 
rötlicher Schleim. Im Kehlkopf selbst und im oberen Teil der Luftröhre nur 
spärlich Schleim von derselben Beschaffenheit. Die Schleimhaut der Mundhöhle, 
der Zunge, des Schlundes, des Kehlkopfes, sowie des oberen Teils der Luft¬ 
röhre ist unverletzt und schmutzig graurot. Sie zeigt keine Eintrocknung 
oder Verschorfung. 

26. Der Magen ist durch Luft mäßig ausgedehnt, seine Oberfläche grau¬ 
weiß und glatt, ohne erkennbare Gefäßfüllung. Im Innern befinden sich drei 
Eßlöffel einer dicken chokoladefarbenen Flüssigkeit von srark saurer Beaktion, 
ohne besonderen Geruch. Die Schleimhaut des Magens ist im allgemeinen 
graurötlich. In der Umgebung des Magenmundes ist die Schleimhaut in Drei¬ 
markstückgröße schwärzlich verfärbt und eingetrocknet. Bei Einschnitten 
ergibt sich, daß diese Veränderung nur bis zur Muskelschicht der Magenwand 
reicht. Eine gut fünfmarkstückgroße Stelle von gleicher Beschaffenheit be¬ 
findet sich im Magengrunde oberhalb des Pförtners. Auch in der Speiseröhre 
unmittelbar oberhalb des Magenmundes ist die Schleimhaut ringsherum in 2 cm 
Breite in der gleichen Weise schwärzlich verfärbt und eingetrocknet. 

27. Der Zwölffingerdarm ist außen graurötlich. Er enthält l 1 /* Eßlöffel 
sehokoladebrauner Flüssigkeit. Beim Uebergang in den Dünndarm ist seine 
Schleimhaut ringsherum in einer Breite von 12 cm schwärzlich gefärbt und 
eingetrocknet, am ausgesprochensten auf der Höhe der Falten. 

28. Der Dünndarm ist durch Luft mäßig ausgedehnt, seine Oberfläche 
ist glatt, glänzend und stellenweise hellrot gefärbt. Er enthält nur wenig 
schokoladebraune dicke Flüssigkeit. Die Schleimhaut zeigt in Abständen von 
ungefähr 15 cm Stellen von je 6 bis 15 cm Breite, die besonders auf der Höhe 
der Falten schwärzlich gelärbt sind. Diese schwärzlich gefärbten Schleim¬ 
hautportionen entsprechen den Bötungen auf der Darmobeifläche. 

29. Im Dickdarm ist eine mäßige Menge eines dünnen schwärzlichen 
Breies vorhanden; seine Schleimhaut ist fast durchweg streifig rosa gefärbt. 

81. Auf die Schnittfläche der Niere tritt ziemlich reichlich dunkelrotes 
flüssiges Blut. Trübungen des Nierengewebes sind nicht bemerkbar. 

82. Die Harnblase ist leer und ohne Besonderheit. 

34. Auf der Schnittfläche der ziemlich derben Leber entleert sich ziem¬ 
lich reichlich dunkelrotes flüssiges Blut. Die Läppchenzeichnung ist gerade 
noch erkennbar und von regelrechter Beschaffenheit. 

37. In der harten Hirnhaut sind die Schlagadern fast leer, ebenso die 
begleitenden Blutadern. Der Längsblutleiter ist leer, ebenso die in ihn ein¬ 
mündenden Blutadern. 

42. Die Gefäße der Adergeflechte sind fast leer. 

48. Auf der Schnittfläche beider Großhirnhalbkugeln treten sehr spär¬ 
liche Blutpunkte hervor. 

45. Die Blutleiter am Sehädelgrunde sind fast leer.“ 

Die Leicheneröffnung wurde am 28. November, vormittags 
11 Uhr ausgeführt, also 92 Stunden nach erfolgtem Tode. Unser 
vorläufiges Gutachten ging dahin, daß die im Magen und Darm 
sufgefundenen Veränderungen den Tod herbeigeführt haben können, 



a/i. lavtuwiuB. xvuuwro vmguiiuig lurn Jwwgwocai 


and daß dieselben wahrscheinlich dorch eine Vergiß 
gerufen sind. 

Ich mochte an diesen Fall, ohne anf eine ausßü 
sehe Erörterung einzugehen, noch einige kurze I 
knüpfen. Ueber den klinischen Verlauf war leider v 
mittein. Auffällig ist, daß kein Erbrechen aufgetreten 
die Stuhlentleerung ja gewöhnlich bei den Säurevergifti 
Auch krampfartiges Husten etwa infolge von Reizung 
Kehlkopfes soll nicht eingetreten sein. Das Schlucke 
suppe und des Bieres soll nicht von besonderen Schinei 
begleitet gewesen sein. Ausgiebige Urinentleerung n 
Tode erfolgt sein, da sich in der Blase der Leiche 1 
Urin vorfand. Ob der Urin dabei rOtlich bezw. bluthal 
ist nicht beobachtet. Die Nieren erschienen jedenfalli 
skopischer Besichtigung gesund, ohne Spur von trübe 
im Gewebe; Becken und Harnleiter waren leer. Da 
ist bis zum letzten Augenblick ungestört gewese 
war ziemlich plötzlich und für die Umgebung gan 
eingetreten, nachdem der Hirt sich noch kurz zu\ 
hatte, ob das Vieh auch ordnungsmäßig gefüttert s< 
Wodurch ist der Tod in diesem Falle überhaupt bedi 
Die Magen-Darmaffektionen waren zwar ziemlich aus 
sehr wenig intensiv; es ist jedoch eine bei allen Säur« 
bekannte Tatsache, daß die Intensität der Örtlichen V 
keineswegs proportional der Schwere und Dauer d 
Verlaufes ist Es dürften wohl die Alkaliherabsetzun 
die Zerstörung der roten Blutkörperchen, die allgen 
sowie die Blutverluste aus der verändertem Magendai 
gewesen sein, denen das Herz des 70 jährigen Greises 1 

Was die Örtlichen Erscheinungen im Verdauu 
betrifft, so befand sich zwar im Schlunde und im Ke 
reichlich schmutzig-rötlicher Schleim, die Schleimhau 
aber eine regelrechte Beschaffenheit bis herab zu 
Teilen der Speiseröhre. Hier erst unmittelbar 
Magenmundes ist sie ringsherum in 2 cm Breit 
verfärbt und eingetrocknet. Das ist wohl dadurcl 
daß die Flüssigkeit von dem einerseits durch 
Fußmarsch ausgehungerten, anderseits durch die 
Altersrentenbezuges freudig erregten Mannes sch 
gegossen wurde. So ist auch jede Anätzung dei 
ganges ausgeblieben. Der Magen war durch Ln: 
getrieben, nicht wie bei starker Säurewirkung kon 
Oberfläche war grauweiß, glatt und ohne erkennbar« 
während sie bei starker in die Tiefe dringender 
trübe, Bchmutzig grau bis braun und wie gekocht 
war aus der Oberfläche auf einen auffälligen Bef 
gar nicht zu schließen. Im Innern beschränkte 
änderung allein auf die Schleimhaut, einschließlich c 
an der Muskularis machte sie halt; und weiterhin 1 
sich auf zwei Stellen, eine dreimarkstückgroß in 



Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


16 


des Magenmundes und eine zweite, gut fünfmarkstückgroß, im 
Magengrunde nach dem Pylorus zu. In den anderen Teilen war 
die Schleimhaut graurötlich und schien makroskopisch normal. An 
den zwei veränderten Stellen war die Schleimhaut schwärzlich 
verfärbt und eingetrocknet. Die Gewebselemente waren infolge 
der durch die Säure bewirkten Eiweißgerinnung und durch die 
Gerinnung und Veränderung des in den Gefäßen befindlichen 
Blutes starr uud trocken geworden, aber unter völliger Erhaltung 
ihrer Struktur. Der höhere Grad der Aetzwirkung, die Nekrosen¬ 
bildung, die Umwandlung in eine strukturlose kernlose Masse, in 
einen Aetzschorf, war nicht eingetreten; Geschwürsbildung war 
nirgends vorhanden. Daß diese Veränderungen auf zwei Stellen 
beschränkt blieben, trotzdem der Magen ganz leer war, mag viel¬ 
leicht daran liegen, daß das Gift verhältnismäßig schnell den 
Vagen passierte. Am längsten scheint es im unteren Abschnitt 
des Zwölffingerdarmes verweilt zn haben, denn hier war die 
Sehleimhaut ringsherum in einer Ausdehnung von 12 cm Breite in 
der geschilderten Weise verändert. Im Magen fanden sich drei E߬ 
löffel, im Zwölffingerdarm anderthalb Eßlöffel einer dicken schoko¬ 
ladebraunen, stark sauren Flüssigkeit. Das waren Ueberreste 
der genossenen Nahrungsmittel — Milchsuppe und zwei Flaschen 
Braunbier —, durch den Magensaft und durch die Essigsäure 
verändert, vielleicht auch mit Blutaustretungen aus den ver¬ 
änderten Schleimhautpartien gemengt. Der durch Luft mäßig 
ausgedehnte Dünndarm zeigte in Abständen von etwa 15 cm hell¬ 
rot gefärbte Stellen an seiner Oberfläche und dieser entsprechend 
in der Schleimhaut 6 bis 15 cm breite Stellen, die ganz besonders 
auf der Höhe der Zotten schwärzlich gefärbt, a)>er nicht mehr ein¬ 
ige trocknet waren. Er enthielt nur wenig schokoladebraune dicke 
Flüssigkeit Im Dickdarm war nur eine mäßige Menge eines 
dünnen schwärzlichen Breies vorhanden; seine Schleimhaut war 
fast durchweg rosa gefärbt. Bis zum Beginn des Mastdarmes 
war also in diesem Falle die Einwirkung der Säure auf die 
Schleimhaut zu verfolgen. Im Dünndarm hatte sie nicht mehr die 
Kraft der Aetzwirkung, sondern nur die der Veränderung des 
Blutes bezw. der Auflösung der roten Blutkörperchen; im Dick¬ 
darm dagegen nur noch die Kraft eines entzündlichen Beizes. Zu 
erwähnen wäre vielleicht noch die Veränderung der Blutverteilung. 
Während die Unterleibsdrüsen Leber, Milz und Nieren reichlich 
mit flüssigem, dunkelrotem Blute gefüllt waren, waren die Lungen 
sehr wenig mit Blut gefüllt, die Eingeweide der Schädelhöhle aber 
auffallend blutleer. 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 

A Gerlohtliohe Medizin. 

Apparat nr selbsttätigen Fixierung und Einbettung mikroskopischer 
Präparate. Von Dr. Q. Arndt, Assistenzarzt der H. chirurgischen Abteilung 
dee R. Virchow-Krankenhauses in Berlin. Münchener med. Wochenschrift; 
1909, Nr. 43. 

Verfasser konstruierte sich einen Apparat, der die Aufgaben der 



16 


Kleiner« Mitteilangen nüd Referate ine Zeitiohriften. 


Fixierung and Einbettang von Objekten in Paraffin oder Zelloidin ganz selbst¬ 
tätig er fallt and nach mehrjähriger Durcharbeitung and praktischer Er¬ 
probung die im Original näher beschriebene and abgebildete Form erhalten 
hat. Die einzubettenden Objekte werden — in beliebiger Zahl and Größe — 
in Irischem Zustande ohne besondere Vorbereitung, in den Korb des Apparats 
gebracht, durchwandern in dem letzteren ohne Zutun der menschlichen Hand 
die zur Fixierung und Einbettang dienenden Flüssigkeiten — z. B. Formalin 
Alkoholreihe bis Paraffin oder Zelloidin — and enden als fertige harte P&raffin’- 
blöcke bezw. Zelloidinpräparate. 

Weitere Auskunft über den Apparat erteilt die Firma »Vereinigte 
Fabriken für Laborationsbedarf“ in Berlin N., Scharnhorststraße 22. 

_Dr. Waibei-Kempten. 

Untersuchungen Uber die Struktur der menschlichen Erythrozyten. 
Von Dr. Larass, Kreisassistenzarzt in Posen. Vierteljahrsschrift für gericht¬ 
liche Medizin und öffentliches Sanitätswesen. Dritte Folge, 88. £d., 2. H. 

Larass teilt eine neue Methode der Blutfärbung mit, die sich von den 
bisher üblichen Methoden zur Hauptsache in der Art der Fixierung des Trocken¬ 
präparats unterscheidet und den Vorteil bietet, uns genauere Aufschlüsse über 
den feineren Bau des roten Blutkörperchens, über den unsere Kenntnisse noch 
wenig geklärt sind, zu geben. Mittels des Quecksilberchlorids in konzentrierter 
saurer Lösung gelang es ihm nämlich, in dem Plasma der blassen Blutscheibe 
kleine, in der Größe verschiedene, krreisrunde, stark lichtbrechende Körper¬ 
chen von blaßroter Farbe festzustellen, die den Erythrozyten bis auf eine 
schmale Bandzone dicht füllen. Bei ihrer Neigung zu sauren Farbstoffen läßt 
sich der rote Farbton durch Säurefuchsin oder Eosin noch erhöhen, und hier¬ 
durch gelingt es, sich selbst die kleinsten dieser Körperchen der Beobachtung 
zugänglich zu machen. Larass spricht diese rötlich gefärbten Tröpfchen als 
das Hämoglobin der roten Blutkörperchen an. Der Beweis wird dadurch er¬ 
bracht, daß er durch Wärme den Farbstoff aus letzteren verdrängt, und die 
verschiedenen Stadien des Austritts mittels Quecksilberchloridjodids fixiert. 

Durch Einwirkung von Lugolscher Lösung auf das mit Eosin ge¬ 
färbte Präparat gelingt es weiter, an den Blutkörperchen eine schmale voll¬ 
ständig homogene Bandzone, die einen hellen gelblichen Ton aufweist, und 
einen sich scharf von ihr absetzenden dunkler gefärbten, der Peripherie völlig 
konzentrischen Innenkörper darzuBtellen, in dem feine und feinste rote Kügel¬ 
chen — eben jene Körperchen, die den roten Farbton behalten haben — liegen. 
Dieser zeigt ein feineres oder gröberes netzförmiges Gerüst, das vielfach eine 
radiäre Anordnung des Balkengerüstes erkennen läßt. Diese Aehnlichkeit mit 
der radiären Struktur des Cbromatins in den Kernen der Erythroblasten des 
Knochenmarks Erwachsener springt so sinnfällig in die Augen, daß die Mög¬ 
lichkeit einer genetischen Identität beider wohl gegeben ist. 

Dr. Hi lienberg-Zeitz. 

Ueber anatomische Veränderungen der Speleheldrttsen bei akuter 
Queeksllberverglftung. Von Prof. Dr. Eichhorst-Zttrich. Medizinische 
Klinik; 1909, Nr. 46. 

Ein 24jähriges Dienstmädchen wurde mit Zeichen einer akuten Queck¬ 
silbervergiftung eingeliefert Hochgradige Stomatitis und Pharyngitis ulcerosa ; 
blutige, dünne Stühle, hämorrhagische Nephritis. Ursache war nicht festzu¬ 
stellen, da aber Blutungen aus den Geschlechtsteilen und Vergrößerung der 
Gebärmutter bestanden, so lag Verdacht auf versuchte Abtreibung und Aus¬ 
spülung mit Sublimat vor. Die 8ektion ergab das Bild einer Quecksilbervergiftung: 
Nekrose der Mond-, Bachen- usw. Schleimhaut, Vergrößerung der Nieren; Tn 
den gewundenen Harnkanälchen fanden sich verkalkte Epithelzellen. Die 
Gebärmutter war stark vergrößert und ihre ganze Innenfläche mit einer stark 
zerklüfteten und tief geröteten Masse aasgekleidet. An der Vorderwand fand 
sich eine durch eine blutige Infiltration hervorgerufene Verdickung des Myo¬ 
metriums. In diese führte ein 2*/i cm tiefer Gang, der die Bichtung von 
unten nach oben hatte. Anscheinend war also ein Abtreibungsversuch mit 
nachträglicher Sublimatausspülung gemacht worden. Verfasser untersuchte 
nun noch die Bauchspeicheldrüse me die Ohrspeicheldrüse, die bei der Lebenden 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


17 


stark vergrößert und druckempfindlich gewesen war, anl etwaige Veränderungen. 
Die Bauchspeicheldrüse bot nichts besonderes, dagegen fanden sich in der 
Ohrspeicheldrüse frische Entzündungsherde in Gestalt von Bundzellenherden, 
die überall die Speichelgänge umgaben und das Drüsengewebe von diesen 
auf mehr oder minder weite Entfernung zurückdrängten. In diesen Enden 
fanden sich stets stark erweiterte und gefüllte Blutgefäße. Die Drüsenazini 
selbst waren unversehrt. Die Speichelröhron waren ohne Ausnahme mit einer 
geronnenen grobkörnigen Masse angefüilt, die sehr reich an Bundzellen war. 
Die Blutgefäße waren überall stark mit Blut gefüllt. Bakterien sowie Ver¬ 
änderungen an den Drüsenzellen selbst ließen Bich nicht nachweisen. 

_ Bpd. 


Ueber experimentelle Bleivergiftung. Von Kenneth Goadbyund 
Goobocly. Lancet; 1909, 8. 989. 

Mitteilung von Versuchen an Tieren, denen Bleiverbindungen — Bleiweiß, 
Blciaxetat, Bleibisilikat u. a. — teils subkutan, teils innerlich, teils per inha- 
kühnem gegeben wurden. Als Versuchstier diente die empfindliche Katze. 
Alkoholgaben erhöhten die Anfälligkeit der Katzen und verkürzten die Periode 
der latenten Bleivergiftung. Einatmung von verstäubtem Eiweiß ist schäd¬ 
licher als die Einführung per os. Tiere, welche mit 1 g Bleikarbonat ge¬ 
füttert wurden, überlebten die Tiere, weiche täglich 0,8 g einatmeten. Im 
Gefolge der Einatmung von Bleiverbindungen traten Bleiablagerungen in den 
Alveolen und teilweise auch im Lungengewebe auf. Hauptsymtome waren 
Gewichtsverlust, Fettschwund, Paralyse der hinteren Extremitäten, Unruhe, 
Apathie, Krämpfe und Amaurose. Wichtigster pathologisch-anatomischer 
Beiond sind mikroskopische Hämorrbagien in den verschiedensten Organen, 
sowie im peripheren und zentralen Nervensystem. Die Verfasser schließen, 
daß Bleivergiftung primär kleinste Blutungen hervorruft, die als Vorstadien 
der von anderer Seite mitgeteilten späteren pathologisch-anatomischen Ver¬ 
änderungen anzusehen sind. _Dr. Bevenstorf-Breslau. 

Ueber Stieb Verletzungen der Leber. Von Dr. Nehrkorn-Elberfeld. 
Fortschritte der Medizin; 1909, Nr. 29. 

Verfasser teilt drei Fälle von Leberstichverletzungen, die in die chirur¬ 
gische Abteilung der städtischen Krankenanstalten zu Elberfeld eingeliefert 
wurden, mit: 

I. 53 jähr. Selbstmörder, der sich vormittags im Bausch sein Taschenmesser 
in den Leib gestoßen hatte, und nachmittags mit Anzeichen schwerer innerer 
Blutung eingeliefert wurde. Unterhalb des Schwertfortsatzes eine 2 l /» cm lange 
Stich-Schnittwunde; die Diagnose wurde auf Leber- oder Magenverletzung ge¬ 
stellt. Sofortige Laparotomie. Aus der Bauchhöhle entleerte sich massenhaft 
dunkles Blut. An der Unterfläche des rechten Leberlappens eine 2 cm lange, 
‘/s cm klaffende und ebenso tiefe Schnittwunde. Umstechung der Wunde mit 
zwei Katgutnähten, Tamponade mit Jodoformgazestreifen, Schluß der Bauch¬ 
wunde bis auf die Drainageöffnung. Wundheilnng ohne Komplikationen. 

IL 9jähriger Knabe, der sich mit der rechten Seite auf eine Spitze 
eines 8chaufenstergitters aufgespießt hatte, aber noch zu Fuß nach Hause ge¬ 
gangen war. 1 */> cm lange Stichwunde in der vorderen Axillarlinie entsprechend 
dem IX. Interkostalraum. Im Leib starke Flüssigkeitsmengen. Diagnose Leber¬ 
verletzung. Laparotomie, die eine 2 cm lange Wunde an der konwexen Leber- 
fiäche ergab. Naht, Tamponade, Schluß der Bauchwunde. Glatte Wundheilnng, 
jedoch Bildung einer kleinen Hernie, die nach drei Jahren durch Operation 
entfernt wurde. 

HL 23 jähriger Schreiner, der sein Handwerkszeug in der Hand getragen 
hatte, damit hingefallen war und sich seine Stecheisen in die rechte Seite ge¬ 
stoßen hatte. Er war noch nach Hause und von da zum Arzt und dann mit 
Notverband zum Krankenhaus gegangen, wo er 2 Stunden nach dem Unfall 
aagekommen war. Etwas vor der mittleren Axillarlinie in der Höhe des X. 
Interkostairaums eine 1 */« cm lange Stichwunde. Atemgeräusch reohts auf¬ 
gehoben, weshalb Diagnose auf Pneumothorax und Verletzung der Lunge 
gestellt wurde. Resektion der X. Rippe, Erweiterung der Pleurawunde. 
Im Zwerchfell fand sich ein 8chlitz und unter diesem eine Verletzung der 



18 


Kleinert Mitteilungen und Referate va Zeitachr 


Leber. Naht und Tamponade. Einlegen eines Gammidrain 
wände und möglichst weitgehendster Verschloß derselben. L 
fellverletzung heilten glatt, dagegen bildete sich ein Empyem, 
und Resektion der VIII. Rippe. Da die Empyemhöhle sich 
and die Lange kollabiert blieb, Thorakoplastik. Genesung, 
auch nur leichte Arbeit machen kann. 

Veriassser knüpft hieran noch einige Betrachtungen f 
Symptome, die Therapie and die Prognose der Leberverletzi 

Exhumierung nach 500 Jahren. Von George Boy 
Journal; 1909, 8.1258. 

Die mit Wachstüchern amhüllte Leiche hatte in e 
schlossenen Bleisarg gelegen. Sie war vor 3 Wochen he 
nach teilweiBer Lösung ihrer Umhüllungen in einem Holzsi 
worden. Da sich das Gerücht verbreitete, daß es sich 
„Fair Maid of Kent“ handelte, wurde zwecks Ermittelung 
Exhumierung angeordnet. 

Die Leiche erwies sich als gat erhalten; sie gehörte 
etwa 70—75 Jahre alten Manne an. Die Muskeln traten l 
all deutlich hervor und hatten eine Konsistenz, wie wen 
seit dem Tode verflossen waren. Alle Gelenke waren gut 1 
Zunge und Gaumen fehlten. Da9 spärliche Kopfhaar wi 
grau; der rötliche Bart etwa 2 Zoll lang. Auch die Schai 
Die schmächtigen Hände trugen wohlgepflegte Nä 
noch die Haut und das längliche Praepuliuin erhalten, 
eine beträchtliche Größe. Es war leer, erweckte aber dei 
einst eine Hernie oder Hydrozele Vorgelegen hatte. Dt 
war beiderseits intakt. Eine Obduktion wurde nieht &u 
gäbe nur die Ermittelung des Geschlechts betrat Diel 
eine tief schokoladebraune Farbe. Es ergab sich, daß d 
angehörte, der um das Jahr 1400 gestorben war. 

Dr. Beven 

Daktyloskopie und Vererbung (La dactiloscopia 
Psiquiatria y Criminologia, Buenos Aires, v. 8 p. 185— 
Verfasser hat an zwei Beobachtungsreihen, die 
Generationen erstrecken, geprüft, ob die Verteilung dei 
Fingerkuppe durch Vererbung wiederholt wird. Er ist 
tiven Resultate gekommen. Es hat sich keine Bezi 
zwischen der Anordnung bei den Enkeln und der ihrer 
bis zum Urgroßvater; selbst ein Zwillingspaar bot un 
Verhältnisse, und von den 4 Kindern eines Elternpan 
Anordnung hatte nur eines dieselbe Anordnung der 
Familienähnlichkeiten können also den Wert der Dakt 
stellen. Dr. P. 8 p 

B. Geriohtllohe Psyohiatr 
Die nervßsen und psychischen Störungen bc 
Geh. Med.-Rat Prot Dr. A. Cra mer-GötUntren. Dei 
1909, Nr. 37. * 

Ueber die Aetiologie der Arteriosklerose i&t 
Die größte Rolle spielen die allgemeinen Schädigung 
des Berufes und eine angeborene geringere Widers 
Systems. Die nervösen Symptome zerfallen im Allg 
tome. Eratere sind charakterisiert durch die Trias 
und Abnahme des Gedächtnisses. Die Ltok&lsym] 
welche auf eine Nenronerkrankung hinweisen: Vei 
rang der Sprache, Trägheit der Papillenreaktion 
Gehirnnervenlähmung, Steigerung der Reflexe, Pa 
Jedes Allgemein- und Lokalsymptom kann gelegt 
Mehr Isoliert steht der Insult. Arteriosklerotische 































20 


Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


Plant) den Nachweis erbrachten, in welch erschreckendem Maße die Syphilis 
auf das intellektuelle and psychische Leben der Deszendens einzuwirken vor* 
mag, schien es wichtig, an einem größeren Material die Idioten mittels Sero¬ 
diagnostik auf ihren Prozentsatz an Luetikern zu untersuchen. Dies geschah 
in der Anstalt Uchtspringe. Nachdem Verfasser zunächst die Zuverlässigkeit 
der Reaktion fttr seine Zwecke an Epileptiker material erprobt und sich über¬ 
zeugt hatte, daß Epileptiker nur dann positive Wassermann sehe Reaktionen 
aulweisen, wenn sie eben gleichzeitig luetisch sind, fand er bei Prüfung des 
Idiotenmaterials mittels der bei den Erkrankungen des Nervensystems als zu¬ 
verlässig erprobten Serodiagnostik unter 78 kindlichen Idioten in 7 Fällen, 
d. h. in 9 Proz. — allein auf Grund der Serumuntersucbung — Lues. Diese 
Zahlen schienen, verglichen mit den Zahlen verschiedener Kliniker (Heubner, 
Ziehen, Binswanger etc.), welche unter ihrem Idiotenmaterial 11—23Proz. 
Lues ermittelten, niedrig. Verfasser setzte seine Untersuchungen am Groß- 
stadtmaterial fort und fand dort einen erheblich höheren Prozentsatz (18,2 Proz.). 
Er suchte dann durch weitere körperliche Untersuchung auf Stigmata der Lues 
diejenigen, welche sich dem serologischen Nachweis entzogen hatten, heraus¬ 
zufinden; es gelang ihm an einem Material von 77 Fällen, in denen ihm 
alle Hilfsmittel, wie Anamnese, Augenhintergrundsbefund und körperliche 
Untersuchung zur Verfügung standen, in 40,2 Proz. Lues nachzuweisen; 
nahm er noch weitere 44 Fälle hinzu, bei denen die Anamnese versagte, so 
konnte er noch 10 mal die Lues nachweisen, so daß der Prozentsatz an den 
121 Kindern immerhin noch 38,8 war. Damit war erwiesen, daß an dem 
Berliner Großstadtmaterial in der Mehrzahl der Idiotenerkrankung die 8yphilis 
— vorsichtig ausgedrückt — eine Begleiterscheinung ist. 

Für die Zukunft wird man durch möglichst ausgedehnte Anwendung 
der Serodiagnostik in Frauenkliniken und Entbindungsanstalten suchen, die so 
häufig latente Syphilis von Mutter und Kind zu erkennen, die Kinder, bei 
denen man Erbsyphilis feststellte, im Auge zu behalten und spätestens bei den 
ersten Erscheinungen sofort energisch zu behandeln. Aber auch bei schon be¬ 
stehenden Erkrankungen wird man, nachdem Ziehen und Fournier pp. 
über erstaunliche Erfolge der Schmierkur bei schon ausgesprochenem Intelligenz- 
defekt berichteten, auch bei fehlendem Nachweis der Erbsyphilis zu erwägen 
haben, ob nicht jede Idiotie einer antisyphilitischen Behandlung unterworfen 
werden soll, nachdem wir ja fast in der Hälfte der Fälle die Aussicht haben, 
mit als wirksam erprobten Mitteln die Ursache der Erkrankung anzugreifen. 

_ Dr. Wai bei-Kempten. 


Irrenanstalten und Irrenbehandlung. Von Geh. Med.-Rat Prof. Dr. 
Cr amer-Göttingen. Aus der Real-Enzyklopädie der gesamten Heilkunde. 
4. Auflage. 

Der Besprechung über die modernen Irrenanstalten geht ein historischer 
Rückblick voraus. Das Bestreben unserer Zeit ist es, die Irrenanstalten immer 
dem Charakter der gewöhnlichen Krankenhäuser zu nähern. Isolierung und 
Beschäftigungslosigkeit müssen wegfallen. Jeder Luzas ist zu vermeiden. 
Auf ca. 600000 Personen ergibt sich eine Irrenanstalt. In ärztlicher und ver¬ 
waltungstechnischer Beziehung ist es am günstigsten, die Zahl von 600—800 
Kranken, in einer Anstalt vereinigt, nicht zu überschreiten. Beim Bau sollen 
nicht mehr als 5000 M. pro Kopf und Bett aufgewendet werden. Unsoziale 
Geisteskranke sind im Interesse der Gesellschaft und der anderen Kranken 
in Verwahrungshäusern, die erhöhte Sicherheit bieten, unterzubringen. Nach 
modernen Anschauungen ist die Familienpflege nicht mehr zu entbehren. — 
In der Therapie spielt die individuell abgewogene psychische Behandlung eine 
wichtige Rolle. Die Freud sehe Methode ist gefährlich. In erster Linie ist 
Ruhe und Erholung, Entfernung aus seiner gewohnten Umgebung zu erwirken. 
Bezüglich der Prophylaxe sind die Bestrebungen der Hygiene im weitesten 
Sinne zu unterstützen. Die Ueberftthrung in die Anstalt hat frühzeitig, be¬ 
sonders in akuten Fällen, zu geschehen. Die größte Rolle in der Therapie 
spielt heute noch beim Fehlen jedes Spezifikums die Bekämpfung der Störungen 
der Körperfunktionen, welche die Psychose begleiten. Zellenbehandlung ist 
strikte zu verwerfen. Erregte Kranke werden mit Dauerbädern behandelt; 
feuchte Packungen haben ihre Gefahren. Wachabteilungen bilden den Kern 



Kleinere Mitteilungen and Referate aas Zeitschriften« 


21 


der Anstalt. Dareh sorgsame Pflege and Ueberwachang werden Unreinlichkeit, 
Dekabitas, Selbstmord usw. vermieden. Arbeit, besonders im Freien, bei geeig- 
MlM Kranken in der Familienpflege, ist im weitesten Umfang in Anwendung zu 
bringen. — Die medikamentöse Behandlung unruhiger Kranker ist möglichst 
eiazaschränkea. Nar Schlafmittel in ganz geringer Dosis sind, wenn sie den 
istürliehen Schlaf einleiten, gestattet. Rpd. jun. 


O. flaehventiadlgsztltlgkeit in Unfkll- und Invalidititsaaohen. 

Chronische organische Krankheiten des Zentralnervensystems nach 
Trauma. Von Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Schnitze*Bonn. Medizinische 
Klinik; 1909, Nr. 46. 

Traumen können aaf das zentrale Nervensystem durch seelische Einflüsse, 
Schreck und Angst sowie somatisch einwirken. Entere, die entweder vom 
Gefifiapparate ans auf das zentrale Nervensystem oder direkt auf die nervösen 
Apparate selbst einwirken,, können bei bestehenden chronischen Gehirnleiden 
wohl eine Verschlimmerung hervorrufen, während sie nach Ansicht des Ver¬ 
lassen kaum einen Einflaß auf das Rückenmark haben dürften; daß chronische 
Gehirn- und Rückenmarksleiden durch sie hervorgernfen werden könnten, hält 
sr für nicht wahrscheinlich. Von somatisch einwirkenden Tranmen seien 
direkte, auf die Zentren selbst ein wirkende und periphere zu unterscheiden. 
Dtrch die letzeren können Eatzttndungserreger in den Säfte- und Blutstrom 
and damit in das zentrale Nervensystem gelangen und dadurch chronische 
Erkrankungen desselben hervorrufen; jedoch sei die Frage, wie weit man solche 
Erkrankungen anf ihren Einflaß zurückführen dürfe, noch strittig. Traumen, 
die das zentrale Nervensystem treffen, seien auch ohne nachweisbare Beteiligung 
des Schädels und der Wirbelsäule im Stande, Veränderungen hervorzurufen, 
die einen chronisch, progressiven Charakter annehmen könnten; allerdings 
müßten da noch andere Faktoren, die im einzelnen noch nicht bekannt seien, 
Mitwirken; unter allen Umständen würden sie aber eine Verschlimmerung des 
bestehenden Leidens bewirken. Während bei der progressiven Paralyse ein 
Trauma als alleinige Ursache nicht in Betracht kommen könne, dürfe man es 
bei der Tabes dorsalis nicht ganz von der Hand weisen. Es seien doch einige 
Fälle beobachtet, wo eine solche darch zentral einwirkende Kommotionstraumen 
ohne voraufgegangene oder folgende Syphilis entstanden sei. Schwieriger liege 
die Sache bei der multiplen Sklerose, da die Ursache dieser Krankheit 
■nbekannt sei. Zur Zeit könne man nicht ausBchließen, daß hier und da ein 
zentrales einwirkendes Trauma zur Entwicklung einer echten progressiven 
multiplen Sklerose führen könne, jedoch sei große Vorsicht geboten, da in den 
meisten Fällen sicher schon vor dem Trauma Anzeichen der Erkrankung vor¬ 
handen gewesen seien, die aber bis dahin unbeachtet geblieben wären. Häu¬ 
figer hätten Traumen bei der Entstehung der Syringomyelie eine ätiologische 
Bedeutung; Verfasser hält es nicht für ausgeschlossen, daß sich an zentral ein¬ 
wirkende Traumen, besonders bei Personen mit angeborenen entsprechenden 
Veränderungen im Rückenmarks eine fortschreitende Syringomyelie anschließen 
könne. Sowohl bei der chronischen Pachymeningitis haemorrhagica wie 
bei der chronischen Leptomeningitis könne das Trauma ätiologisch eine Rolle 
spielen, event. auch bei der tuberkulösen Meningitis; ein chronischer Hydro- 
cephalus könne dadurch verschlimmert werden. Bei der Arteriosklerosje 
sei die Frage der Eatstehong noch nicht geklärt. (Andere Autoren verneinen 
den ursächlichen Zusammenhang zwischen Trauma und Arteriosklerose. Anm. 
des Referenten.) Bei schon bestehenden Veränderungen könne dagegen ein 
Trauma sehr leicht schädigenden Einflaß haben und z. B. zu einer traumatischen 
Spätapoplexie Veranlassung geben. Gehirnabszesse und Gehirntumoren 
könnten im allgemeinen nicht auf traumatischen Ursprung zurückgeführt 
werden; hier sei allergrößte Vorsicht geboten. Rpd. jun. 


Zar Kasuistik der .Tabes dorsalis und der Syringomyelie trnumntlsehen 
Ursprungs. Von Dr. M. Nonne-Hamburg. AerztL Sachverständigen-Ztg.; 
1909, Nr. 2L 

Autor bringt zu beiden Krankkeiten je einen kasuistischen Beitrag; in 
beiden Fällen wurde die anatomische Untersuchung vorgenommen. Zahlen¬ 
mäßig stellte sich auf Grund Nonnes persönlicher Erfahrung die Häufigkeit der 



22 


Kleinere Mittellangen and Referate aas Zeitschriften. 


traumatisch bedingten organischen Hirn- und Rückenmarkskrankheiten so, daß 
unter rund 8700 in den letzten 15 Jahren begutachteten Fällen von Kopf* und 
Bückenmarksverletzungen 12 mal ein organisches Hirn* oder Rttckenmarksleiden 
vorlag, was von N. auf das Trauma zurückgeführt wurde; das macht etwas 
Uber 3°/oo der Fälle aus. In allen Fällen Nonnes waren die 5 Bedingungen 
vorhanden, die von jeher präzisiert worden sind: Die Betroffenen waren 
vorher nicht nachweislich krank gewesen; das Trauma war ein adaequates; 
die Lokalisation des Traumas hatte Bezug auf die Entwicklung der Symptome, 
war „Richtung gebend"; der Zeitabschnitt zwischen Verletzung und Auftreten 
der ersten Symptome war ein adaequater und endlich waren andere Ursachen 
nicht nachweisbar. 

Nonne steht nach nunmehr drei eigenen Beobachtungnn auf dem 
Standpunkt, daß er einen traumatischen Zusammenhang bei Tabes für möglich 
hält, daß die traumatische Genese bei Tabes jedoch eine überaus große Selten* 
heit ist. 

Man unterscheidet zwischen Myelodelese und eigentlicher Syringomyelie, 
d. h. zwischen einer Krankheit, die zwar das Zustandsbild der Syringomyelie, 
aber nicht den progredienten Verlauf derselben zeigt, und dem eigentlichen 
Leiden, basierend auf einer sich ausdehnenden Gliose resp. einem wachsenden 
gliomatOsen Zerfall. Alles im allgemeinen spricht Nonnes Fall dafür, daß 
es in Ausnahmefallen eine rein traumatische Genese einer aul fortschreitender 
Glioee mit zentralem Zerfall beruhenden Syringomyelie gibt. 

_ Dr. Troeger»Kempen. 


Subkutane Verletzung der Vena subclavia bei Einrichtung einer 
Klaviknlarfiraktur. Von Dr. H. Frank, Sek.*Arzt desstädt. Wenzel-Haucke* 
Krankenhauses in Breslau. Münchener med. Wochenschrift; 1909, Nr. 50. 

Verfasser berichtet über eine Klavikularfraktur bei einer 59 Jahre alten 
Arbeiterswitwe, bei welcher nach der Reposition, also nicht durch die 
Fraktur an sich, sondern durch die in Narkose vorgenommene Reposition eine 
subkutane Blutung auftrat, welche durch Kompression gestillt wurde und 
ohne wesentliche Funktionsstörungen in Heilung überging. 

_ Dr. Waibel«Kempten. 


Ueber das PseudoOdem der Ablader. Von Dr. Levi Bianchini- 
NeapeL Archivio di Antropologia criminale, Pslchiatria nsw.; 1909, Fssc. 1—2. 

Als Folgeerscheinung des italienischen Unfallversichernngsgesetzes vom 
Jahre 1904, wonach die Unfallverletzten statt der Rente bei dauernder teil* 
weiser Erwerbsunfähigkeit Kapitalabfindung erhalten können, siebt Verfasser 
die sich enorm steigende Zahl von Betrügereien und Simulationen an. Im 
besonderen beobachtete er bei Aasladern im Hafen, und zwar nur bei solchen 
Arbeitern, eine eigentümliche Affektion der Hand, welche regelmäßig auf 
einen Unfall, wie Herabfallen eines Kohlenstücks aus gewisser Höho auf 
die Hand, Quetschung der Hand durch Hinfallen u. dergl. zurückgeführt und 
für welche Unfallentschädigung beansprucht wurde, and welche mit Sicherheit 
als reine Betrügerei, nämlich als künstlich hervorgebracht festzustellen war. 
Verfasser nennt die Affektion „Pseudoödera“ und bemerkt, daß ähnliche 
Beobachtungen von Säcrätan und Patry früher gemacht wurden. Im 

J tanzen waren es 10 im Hafen von Neapel beschäftigte Ausladcr, welche Ver* 
asser zu untersuchen bekam. Schon die verhältnismäßig grüße Anzahl in 
kurzer Zeit mit ähnlichen Symptomen sich moldenden Personen mußte stutzig 
machen, dies um so mehr, als andere Klassen von Arbeitern mit gleichen 
Arbeitsbedingungen derartige angebliche Unfallfolgen nicht aufzuweisen hatten. 
Die Symptome waren entweder ein den ganzen Handrücken einnehmendes 
Oedem (4 Fälle) oder eine harte, nicht ödematöse, bedeutende Anschwellung 
oberhalb des 2. und 3. Metacarpus (6 Fälle). Diese Erscheinungen blieben 
unverändert monatelang bestehen, ohne daß sonstige allgemeine Veränderungen 
uachzuweisen waren, und trotzten jeder Behandlung. In 2 Fällen gelang es 
nun aber, Spuren von Umschnürungen des Handgelenks und deutlicher Zeichen 
künstlicher Kontusionen nachzuweisen, längst nachdom der angebliche Unfall 
passiert war. Die betrügerischen Manipulationen bei 2 Arbeitern waren damit 
erwiesen; daß auch in den übrigen Fällen von wirklichen Krankheltserschei- 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


23 


■nagen nicht die Rede war, ergab sich auch noch dadurch, daß jede andere 
Aetiologie (Neurosen, Periostitis usw.) aassaschließen war, da es sich um 
ganx gesunde, kräftige Leute handelte, und die Röntgenuntersuchungen negativ 
ausfielen. Außerdem gelang es in 2 Fällen durch Anlegung von Gipsver¬ 
bänden in zwei Wochen den „krankhaften" Zustand zu heben, worauf sofort 
wieder der alte Zustand, nämlich offenbar absichtlich von den betreffenden 
Arbeitern hervorgerufen, zu Tage trat. 

Verfasser ist somit nicht im geringsten zweifelhaft, daß hier in allen 
Fällen absichtliche Betrügerei vorlag. Die in Anwendung gebrachten Mittel 
waren nach seinor Ansicht: Umschnürung des Handgelenks zur Hervorbringung 
von Oedem der Hand, direkte und wiederholte Kontusion mit einen harten 
Gegenstand an den Weichteilen über den Mittelhandknochon und systematische 
Einreibungen von stark reizenden chemischen Mitteln. 

Uebrigens ereigneten sich zu der Zeit, als Verfasser seine Beobachtungen 
bei Hafenarbeitern in Neapel machte, ähnliche, aber viel häufigere Fälle mit 
denselben Affektionen bei Hafenarbeitern in Livorno. 

Verfasser wünscht, um diesen betrügerischen, die Unfallkassen arg 
belastenden Vorgehen zu steuern, eine Aenderung der italienischen Unfall- 
gesctzgebung nach der Richtung hin, daß Kapitalsabfindung nicht mehr 
erlaubt sei. _ Dr. Solbrig-Allenstein. 

Ted an Unterleibstyphus. Entscheidung des Reichsver- 
■ icherungsamts vom 9. September 1909. Kompaß; 2909, Nr. 24. 

Wenn auch an sich die Möglichkeit besteht, daß Sch. und die übrigen 
aa Typhus gestorbenen Bergleute auf der Zeche Radbod an Typhus sich infi¬ 
ziert haben, so spricht doch die größte Wahrscheinlichkeit dafür, daß Sch. 
durch einmalige Aufnahme von Typhusbazillen verseuchten Wassers auf der 
Zeche den Typhus sich zugezogen hat, an dem er unzweifelhaft gestorben ist. 
Die Zeche Radbod war nach dem ausführlichen wissenschaftlichen Gutachten 
des Prof. Dr. B. als der Herd dor damaligen Typhusepidemie anzusehen. 

Daß aber das verseuchte Wasser durch die für den Betrieb besonders 
angelegte Wasserleitung den Arbeitern auf der Zeche Radbod zugeführt ist, 
ist überzeugend in dem Urteil des Schiedsgerichts und in dem von diesem 
herangezogenen Urteil des R.-V.-A. dar getan. 

Hiernach hat der erkennende Senat auch in dem vorliegenden Falle die 
Ueberzeugung erlangt, daß der Verstorbene durch einmaligen Wassergenuß 
in der Grube die tödlichen Bazillen in sich aufgenommen hat, deswegen an 
Typhus erkrankt und gestorben ist. Hierin ist ein plörzliches, die Gesundheit 
schädigendes Ereignis zu erblicken, das im ursächlichen Zusammenhänge mit 
dem Betriebe steht; ein entschädigungspflichtiger Betriebsunfall liegt also vor. 


D. Bakteriologie, Infektionskrankheiten and Offentllohes 

Sanitätswesen. 

1. Bekämpfung der Infektionskrankheiten, 
a. Cholera. 

1. Blutalkaliagar ln Elektivnährboden für Choleravibrionen. Aus 
der bakteriol. Abteilung des Operationskursns für Militärärzte in München. 
Von Ministerialrat Prof. A. Dieudonnä. Münchener Zontralblatt für Bakt.; 
I. Abt., Orig.-Bd. 50, H. 1. 

2. Der Dieudonn6sehe Blut-Alkali-Agar. Aus dem Königlichen 
Institut für Infektionskrankheiten in Berlin (Direktor: Geh. Ober-Med.-Rat 
Prof. JDr. Gaffky, Abt.-Vorstcher : Prof. Dr. Lentz). Von Dr. 0. Hunte- 
mfiller, Assistenten des Instituts. Ibidem; Bd.50, H. 1. 

8. Der Dleudonneselie Blutalkaliagar als Elektivnfihrboden für 
Cbeleravlbrfonen. Aus dem Hygienischen Institut der Universität Gießen 
(Direktor: Prof. Dr. H. Kosse 1). Von Dr. Kurt Laubenheimer, Privat¬ 
dozenten and I. Assistenten am Hygienischen Institut. Ibidem; Bd. 52, H. 2. 

4. Beitrag zur Frage elektiver Nährböden für Choleravibrionen. 
Aus dem staatlichen serotherapeutischen Institut in Wien (Vorsteher: Hofrat 
Prof. Dr. Paltauf). Von k. k. Reg.-Arzt Dr. J. Hachla und Dr. Th. Holo- 
but. Ibidem; Bd. 62, H. 2. 



24 


Kleinere Mitteilungen nnd Referate ans Zeitschriften. 


Aul Grand vielfacher Versuche empfiehlt Dieadonnd folgenden Elektiv- 
Nährboden für Choleravibrionen: 

Za defibriniertem Rinderblut fügt man gleiche Teile Normalkalilange; 
diese alsbald lackfarben gewordene Blutalkalimischnng wird im Dampftopf 
sterilisiert. Von der Mischung werden 80 Telle za 70 Teilen gewöhnlichen 
neutralen Nähragens gefügt und der nun fertige Nährboden in 3cbalen gegossen. 
Die Platten werden einige Tage bei 87° oder 5 Minuten bei 60* getrocknet 
and im Oberflächenausstrich mit dem zu untersuchenden Material geimpft. Es 
gedeihen fast ausschließlich Vibrionen anf ihnen. Die Agglutinierbarkeit der 
Choleravibrionen leidet dabei nicht. 

Hantemüller, Laabenheimer, sowie Hachla and Helobat 
bestätigen, daß der Dieadonndsehe Blatalkaliagar ein vorzüglicher Elektiv- 
nährboden für Vibrionen ist and einen großen Fortschritt in der Cholera- 
diagnose bedeutet. 

Hantemüller hebt hervor, daß man anf einer Blatalkaliagarplatte 
mindestens 5 mal soviel Stuhl-Material aasstreichen kann wie auf einer ge¬ 
wöhnlichen Platte stark alkalischen Agars. 

Der Alkaligehalt allein ist nicht das wirksame Agens, da auf ent¬ 
sprechend stark alkalischem Agar ohne Blotzosata die Cholera weniger üppig 
gedeiht. Bei niedrigerem Alkali- aber gleichem Blutgehalt gedeiht zwar 
Cholera auch üppig, doch wachsen nun anf dem Agar aber anch Bact. coli. 
Typhös a. a., die auf dem Dieadonnä-Agar nicht gedeihen. Auf diesem 
wachsen außer Vibrionen nur noch Streptokokken and Pyocyaneas, diese in¬ 
dessen recht spärlich. Hantemüller empfiehlt für die Praxis die Kombi¬ 
nation von 2 DieudonnO- mit 2 v. Drigalski-Conradi-Agarplatten, 
da letztere bei negativem Ausfall der Untersuchung auf Cholera gegebenenfalls 
sofort den Nachweis von Typhus- oder Paratyphosbazillen ermöglichen. Er 
macht dann noch darauf aufmerksam, daß man die Diendonn6-Agarplatten 
frühestens erst 24 Standen nach dem Gießen benutzen darf, da sich in ihnen 
Ammoniak bildet, der sich erst verflüchtigen muß, weil er sonst das Wachstum 
der Choleravibrionen stOrt. 

Laabenheimer stellte weiter fest, daß einige Cholerastämme anf 
Diendonnd-Agar etwas an Agglutinierbarkeit einbüßen, ebenso zur Bildung 
von Involationsformen neigen and sich schlechter färben als auf gewöhnlichem 
Agar gewachsene, dagegen eine erheblich lebhaftere Beweglichkeit zeigen, 
als letztere. 

Hachla und Holobut sahen außerdem, daß man an Stelle des Rinder¬ 
blutes mit Vorteil auch Pferde- und 8chweineblut zur Herstellung des Blat¬ 
alkaliagars verwenden kann, während das Blot von Ziegen, Kaninchen, Meer¬ 
schweinchen nnd Gänsen, ebenso" wie Haemoglobin-Merck sich weniger 
geeigneterwiesen. _ Prof. Dr. Le nt z-Berlin. 


Prot. Dlendonnds Blutkallagar, ein neuer Nährboden für die bak¬ 
teriologische Diagnose der Cholera. Von A. 8ineff, Prosektor des alten 
Katharinen - Krankenhauses zu Moskau, and R. Drosdowitsch. Assistenz¬ 
arzt des Wiadimir-Krankenhauses za Moskau. Zentralblatt für Bakteriologie; 
I. Abt., Orig.-Bd. 62, H. 8. 

Während bisher der Diendonndsche Blatalkaliagar lediglich an 
Cholera -Reinkulturen und künstlich mit solchen versetzten Stühlen erprobt 
worden war, untersuchten Sin eff und Drosdowitsch mit seiner Hille die 
Stühle von Cholerakranken nnd Bazillenträgern. Auch sie bestätigen seinen 
außerordentlichen elektiven Wert für den Nachweis von Vibrionen, speziell 
Choleravibrionen. Niemals hat, wo das Peptonwasser-Anreicherungsverfahren 
Choleravibrionen ergab, der Blutalkaliagar versagt, in mancher Richtung, 
speziell bezüglich der Schnelligkeit der Diagnose erwies sich sogar der 
Dleudonndsche Agar vorteilhafter als die Peptonwassermethode. 

Prof. Dr. L e n tz - Berlin. 


Ceber das Vorkommen von Vibrionen im Dttnndarmlnbalt und ln 
den Darmentleernngen des Mensehen. Von Stabsarzt Dr. Rothe in Berlin 
and Dr. Mein Icke in Hasen i. W. Deutsche med. Wochenschr.; 1909, Nr. 86. 
In Nr. 6 der D.jn. W. hatten Dold und Harris nnd in Nr. 26 ersterer 



Kleinere Mitteilungen nnd Referate ana Zeitschriften. 


26 


nochmals besondere (cf. Referate in Nr. 9 n. 28 d. Zeitschrift, Jahrg. 1909) im 
Anschluß an 6 Todesfälle ron rassischen Auswanderern infolge Phoaphorwasser- 
■toff Vergiftung mit cholera&bnlichen Vibrionen unter „fischzugähnlicher* Anord- 
■uns im mikro- skopischen Bild Kritik an der mikroskopischen Diagnose der 
Cholera geübt. Die Verfasser untersuchten nun systematisch Darminbalt von 
Leichen (Rothe im Institut für Infektionskrankheiten) und Lebenden (Meinicke) 
auf Vibrionen. R. fand unter 100 Fällen solche nur einmal, die eich leicht 
gegenüber Cholera differenzieren ließen, M. unter mehreren hundert Stublproben 
keinmal. Demnach scheint Vibrionenbefund in cholerafreien Zeiten selten zu 
sein und ist in Cholera-Zeiten solange verdächtig, bis die Verschiedenheit von 
spezifischen Vibrionen bakteriologisch festgestefit ist. Die mikroskopische 
Untersuchung ist nur ein Teil der völlig ausreichenden und sicheren Cholera* 
Diagnose. Dr. Liebetrau-Hagen i. W. 


Ueber die Behandlung der Cholera mit dem antitoxisehen Serum. 
Von R. Kraus. Aus dem Obuchow-Frauenhospital in St. Petersburg. Wiener 
Uh.Wochenschrift; 1909, Nr.41. Bericht von DDrr. Albanus, Chanutina, 
Krewer, Zeidler uad Kernig. 

Der 8erumbehandlüng wurden im ganzen 54 schwere Fälle von Cholera 
sstenrorfen. Von diesen erhielten 17 das Serum subkutan, 87 intravenös. Von 
dsa 83 äußerst schweren mit Serum behandelten Fällen starben 19 = 17,6 °/o, 
von den nicht mit Serum behandelten, sehr schweren Kranken dagegen 
84 fl'!.. 

Ein Vergleich der mit und ohne Serum Behandelten ist deshalb kaum 
mSglich, weil zugleich mit dem Serum große Quantitäten Kochsalzlösung intra¬ 
venös eingeführt wurden, eine Behandlung, die nur den mit Sernm Behandelten 
zagste kam. Immerhin würde der rein zahlengemäße Erfolg für die Serum- 
bekandlung sprechen. Schädliche Folgen sind nicht beobachtet. 

Dr. Do hm-Hannover. 


Zar Frage der Gewinnung eines Heilserums gegen die Cholera. 
Aas dem Antipestlaboratorium im Fort Kaiser Alexander I. in Kronstadt. Von 
d. Vet.-Wissenschaft I. S. Schurupow, Direktor des Pestlaboratoriums 
des Kaiserl. Instituts für experimentelle Medizin in Kronstadt. Zentralblatt 
für Bakteriologie; I. Abt., Orig.-Bd. 49, H. 5. 

8 c hur upow prüfte das von Kraus in Wien hergestellte antitoxisch 
Choleraserum und fand, daß es im Tierversuch nur eine sehr geringe Wirkung 
gegen echte Cholera hatte. In dem Bestreben, ein wirksames Anti-Cholera¬ 
serum zu gewinnen, extrahierte er 86—48stündige Agarkulturen virulenter 
Choleravibrionen mit dünnen Laugen und gewann so Giftlösungen, die Meer¬ 
schweinchen bei intraperitonealer Impfung schon in Dosen von 0,2 ccm in 11 
bis 14 Stunden töteten. Auch Pferde reagierten auf intravenöse Injektionen 
dieser Giftlösung sehr stark mit Durchfällen, Anurie und hohem Fieber. Durch 
planmäßige Immunisierung von Pferden mit seinem Endotoxin gewann er dann 
ein Serum, das Meerschweinchen in Dosen von 0,1 gegen die folgende, in 
Dosen von 0,5 auch gegen die vorangegangene intraperitoneale Injektion der 
sicher tödlichen Giftdosis schützte. Er hofft, daß sein Serum auch gegen die 
menschliche Cholera wirksam sein wird. (Wie v. Stühlern in der Medizin. 
Klhrih, August 1909, berichtet, ist dies in der Tat der Fall.) 

Prof. Dr. L e n tz - Berlin. 


b. Ruhr. 

Atypische Basillenruhr in einer Irren-, Heil- nnd Pflegeanstalt. 
Vea Dr. Karl Heuser, Assistenten am Institut für Infektionskrankheiten 
ia Berlin. Deutsche med. Wochenschrift; 1909, Nr. 89. 

H. untersuchte auf Anordnung des Kultusministeriums die sämtlichen 
Insassen (ungefähr 650) der neuen Anstalt Städtel-Leubus anläßlich einer im 
8ommer 1908 ausgebrochenen Ruhr-Epidemie, als deren Erreger Ruhrbazillen 
vom Typus T festgestellt waren, bakteriologisch. Auf der Männerabteilung 
wurden drei Bazillenträger eruiert, die aber für die Epidemie wohl nicht ver¬ 
antwortlich gemacht werden konnten, da diese sich fast nur auf die Frauen- 



26 


Kleinere Mitteilungen nnd Referate ans Zeitacbr 


Beite beschränkte, während der einzige männliche Fall wahne 
verschleppt war. Dagegen wurden ans dem dianhöiechen, u 
haltenden Stahl einer yerblödeten Frau Rohibazillcn geztj 
wiederum za einer kleinen Epidemie Anlaß; ob eie auch 
verursacht hatte, ist nicht ganz sicher, aber wahncheinli 
bestimmten klinischen Erscheinungen; solche „atypischen“ Ri 
lieh besonders gefährlich. Bei dem innigen Konnex von Ki 
personal, sowie deren Familien, and bei dem lebhaften Ai 
verschiedenen Anstalten einer Provinz ist Aussicht auf Aus 
Psychiater wohlbekannten und gefürchteten „IrrenasstaHsiuh 
bakteriologischer Kontrolle aller Neuaufnahmen und des neu 
personale gegeben. Dr.Liebetiau« 


Ueber Bahr in Westpreussen, insbesondere im 
Marienwerder. Von Kreisassistenzarzt Dr. Thomas. 1 
1909, Bd. 22, H. 1. 

Während Jäger behauptete, daß in Ostpreußen 
vorkommt, ist bereits durch mehrere Einzelbeobachtungen: 
bazilläre Bohr im Osten des Beiches beobachtet wird. Bi 
eine kleine Epidemie aus dem Begierungsbezirk Marienwe: 
reger Verfasser Bazillen (Shiga, Kruse) fand. — 1 
leicht; Todesfälle kamen nicht vor. Dr. Dol 


c. Epidemische Genickstarr< 

I. Ueber klare Zerebrospinalflüssigkeit im Verla 

II. Klare Flüssigkeiten In einer vorgeschrittene 
Von Arnold Netter and Bobert DebrA Comptes 
biol. LXVI; 1909, Nr. 22. 

1X1. Normale, mikrobenfreie Flüssigkeiten bei 
nnd abortiven Formen. Das Blut agglutinleTt den 
Arnold Netter und Bobert DebrA Ebenda; Nr. 27 

Ueber die 1. Abhandlung der Beihe ist S. 600 
Jahrg. 1909, berichtet worden. 

II. Es handelt sich hier um diejenigen Fälle, 
punktion zum ersten Male mehr als 2 Wochen nach 
heit ausgeführt wurde und bei denen sich eine kiar< 
nachweisen ließ, deren Aussehen demnach vom typiscl 
abwicb. Von 11 Fällen von Genickstarre, die in jene 
Male untersucht wurden, ergaben 6, also 55e 
Makroskopisch handelte es sich um klare oder leicht < 
die manchmal eben gelb gefärbt waren und kleine Fib 
enthielten, ln 5 der Fälle war es bei der ersten 
die Anwesenheit des Weich sei bäum sehen Diplo< 
späteren Punktionen, als die Flüssigkeit ihr Ausseh 
änderte, wurde der Meningococcus konstant getan 
3 gestorben; diese waren anderwärts vorher behänd 
es liege — es handelte sich um Kinder — bei dem 
Menin gi&laffektion, dem Vor wiegen von Hirnsympt* 
liehen Aussehen der Pauktionsflussigkeit, tuberku 

Man maß annehmen, daß bei den Kranken, 
in einer vorgeschrittenen Krankheitsperiode klar 
Zwischen Stadium passiert hat, in der sie eitrig wa 
1907 Aehnliches beobachtet. Für die Diagnose an 
die Verfasser, daß sie auch in Zweifelsfällen 
eine intravertebrale Injektion von Gcnickstarresen 

III. Die Autoren berichten über Fälle ix 
flüssigkeit, ohne Spur von Mikroben, mit nickt u 
Flüssigkeit enthält, die sich von dieser nur < 



Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 


27 


bereits bei Epidemien beobachtet, die die französischen Trappen ron 1887 
bis 1850 trafen. 8eit die Meningitis in Paris hlaflger aaftritt, sahen die 
Autoren nach nach 1898 ähnliche Fälle. Jaeger sah in Kehl bei einer 
Epidemie, von der 1904 das 14. Pionierbataillon betroffen war, 17 mal bei 
mehr oder weniger heftig erkrankten Soldaten ein klares Liqoidnm, das weder 
Mikroben, noch Zellelemente enthielt. Aehnliches sah Salebert and Moaziols 
bei einer Genickst&rreepidemie 1907 in Rennes. 

In einem Falle mit Herpes labialis, ausgesprochenen Initialsymptomen, 
rapider Entwicklung, bei dem die Punktiousflüssigkeit wieder klar, mikroben¬ 
frei and ohne Zellen war, lieferten die Aatoren den Nachweis der Infektion 
durch den Weichsel bäum sehen Diplocaccns darch die Agglutination des 
Meningococcus durch das Blut des Kranken. Jaeger und Bautenberg 
sahen ebenfalls in 2 leichten Fällen eine Agglutination von 1:200; hier hatte 
aber bereits die Kultur der Panktate ein positives Ergebnis. 

_ Dr. Mayer-Simmern. 


Elm Beitrag sur Aetiologie der Genickstarre und darauf bezügliche 
9(tränWendung. Von Oberstabsarzt Dr. Knauth in Wttrzburg. Deutsche 
■ed. Wochenschrift; 1909, Nr. 26. 

K. hat schon früher (D. med. W., 1907, Nr. 8) die Ansicht vertreten, daß 
die Genickstarre keinen einheitlichen Erreger habe, sondern von dem jeweils 
ia der Umgebung herrschenden Infektionsstoff (Pneumokokken, Influenzabazillen, 
Meningokokken) auf dem Wege von den Tonsillen aus hervorgerufen werde. 
Jetzt sucht er auf dem umgekehrten Wege diese Auffassung zu beweisen durch 
die Feststellung, daß ein akuter Meningokokken - Genickstarrefall sich zu 
gleicher Zeit bei einem Truppenteil unter ähnlichen Initialerscheinungen wie 
eine größere Zahl von Grippe, Mandelentzündung, Gelenkrheumatismus ereig¬ 
nete, wodurch er sich berechtigt glaubt, anzunehmen, daß dieses Mal die ge¬ 
nannten Erkrankungen auf den gleichen Erreger wie die Meningitis, nämlich den 
Meningococcus zurückzuführen seien. Es ergibt sich daraus für das Militär die 
Schlußfolgerung, beim Vorkommen der genannten anderen Infektionskrankheiten 
immer mit dem Auftreten von Genickstarre zu rechnen, anderseits bei einem 
Fall von Genickstarre „nicht allzu ängstlich zu sein“, und gegen den Wert der 
Deninfektion skeptisch zu sein. (Man darf wohl annehmen, daß die Anschauungen 
K.’s auf vielseitigen Widerspruch stoßen, und daß seine „Nutzanwendungen“ 
für die Zivil -Mediziaalbeamten sich nicht eignen. Ref.) 

Dr. Liebetrau-Hagen i. W. 


Einiges über die übertragbare Genickstarre Im Stadt- und Landkreise 
Essen fm Jahre 1908. Von Dr. Fischer, Kreisassistenzarzt in Essen. 

Der Stadt- und Landkreis Essen bot dem Verfasser vorzügliche Gelegen¬ 
heit Vergleiche über den Verlauf der Genickstarre bei verschiedener Behand¬ 
lung anzustellen. Im Landkreis wurden die meisten Fälle symptomatisch 
behandelt, im Stadtkreis dagegen fast alle dem städtischen Epidcmiehause zu¬ 
geführt, bakteriologisch untersucht und mit dem Kolle-Wassermann- 
schen Serum behandelt. Im Landkreise wurden 1908 59 Fälle gemeldet. Hievon 
starben 80 = 50,85%. Von diesen wurden aber noch 14 dem städtischen 
Epidemiehause überwiesen und mit Serum behandelt. Es verbleiben also 46 
mit 27 Todesfällen = 60 o/o. Von den 14 im Krankenhause untergebrachten 
Kranken starben dagegen nur 3 — 21,48 “Zo¬ 
lin Stadtkreise wurden 58 Fälle gemeldet, von denen 21 = 36,20 «/o 
tödlich endigten. 44 dieser Fälle wurden in das städtische Epidemiehaus auf- 
genommen; von diesen starben 8 = 17,17 o/o, während die Mortalität der nicht 
im Epidemiehause Aufgenommenen 92,86 o/o (13 von 14) betrag. Von den im 
Epidemiehanse aufgenommenen Fällen (14 -4- 44) starben also nur 11 — 18,96%. 
Hiervon kommen noch 2 Fälle, die moribund eingeliefert wurden, für die Beur¬ 
teilung der Wirksamkeit des Serams nicht in Betracht, so daß nur 9 = 16,07 o/o 
Todesfälle bleiben. Nach der Seruminjektion wurde in Essen eine 12 stündige 
Beckenhochlagerang durchgeführt, um das spezifisch schwerere Serum zur Um- 
spülang des ganzen Duralsackes zu bringen. Auch die Folgezustände der 
Genickstarre wurden durch die Serumbehandlung eingeschränkt; 38 Patienten 
konnten ohne solche entlassen werden. Rpd. jun. 



28 


Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zsitschrii 


e. Spinale Kinderlähmung (Poliomyelitis 

Beltrige rar Kenntnis der Heine - Hedinseken Kra 
mjelltlB acuta und verwandter Erkrankungen). Von Dr. I? 
Privatdozent am Karolinischen Institut in Stockholm. Beil 
von 8. Karger. 

Bei dem epidemischen Auftreten der Poliomyelitis a 
einzelnen Gegenden Deutschlands durfte es von Interesse seil 
graphie hinzu weisen und dieselbe einer Besprechung zu unte 
ausschließlich mit dieser Krankheit beschäftigt Es ist eine 
8tudie von großer Exaktheit und hervorragender Kritik, die 
gibt, an der Hand eines imponierenden Materials bearbeitet 
fast ausschließlich die an Epidemien in Schweden gemad 
wiedergibt und zur Vertiefung unserer Kenntnisse wesentlich 

Mit dem Namen Heine-Medinsche Krankheit wird e 
von Erkrankungen bezeichnet, die infolge gemeinsamer Aeti 
gehören und die von einem spezifischen Virus inlektiOser 4 
werden« In der Mitte dieser Erkrankungen steht die spinal 
Von dieser weichen zahlreiche Fälle ab, die entweder 8ym 
des Groshirns, des Bulbus oder der Meningen aufweisen. EL 
Allgemeininfektion ohne nachweisbare lokale Erscheinungen. 

Das Material Wickmanns setzt sich aus 8 Epidei 
zusammen. Die erste konnte er 1899 in Stockholm stud] 
54 Fälle; eine zweite beobachtete er 1906 in einer kleinen 
backen, und schließlich hatte er Gelegenheit, 1907 mehr als 1 
Schweden zu studieren. Diese letzte Epidemie verlief äui 
Diagnose wurde durch 11 Sektionsfälle aus verschiedenen Ge 
sicher gestellt. 

Durch KgL Erlaß wurde s. Zt in Schweden bestimm 
Poliomyelitis bezüglich der Anzeigepfiicht den anderen Inh 
gleichgestellt wurde. Dadurch war Gelegenheit, die Krank 
studieren. 

Der Name Heine-Medlnsche Krankheit gebürt d 
Forschern, weil Heine als erster die unter fieberhaften Al 
akut einsetsende schlaffe Lähmung mit nachfolgender Atu 
Medin fand, was allgemein vorher verneint wurde, daß 
Prozeß sich nuf die Medulla ausdehnen und so die Gehi 
zieren kann. 

Ohne die Verdienste anderer Forscher, vor allem 
Charkot, Pierre Main, Fr. Schulze, Goldschei 
Oppenheim u. a. schmälern zu wollen, wählt Wickman 
Gründen für das Krankheitsbild den Namen Heine-Med 
weil die Symptomatologie in erster Linie von diesen beiden F 
worden ist. Er will damit keineswegs den geläufigen N 
ac. ant. — spinale Kinderlähmurg, beseitigen. 

Zur Symptomatologie bemerkt Wickm&nn, 
Formen unterscheiden muß: 1) die poüomyelitische, 2) di 
einer auf- und absteigenden Lähmung verlaufende Form, 8] 
euzephalitische, 5) die ataktische, 6) die polyneuritische und 
Form. Dazu kommt noch eine Anzahl abortiver Krankhc 
Bezeichnung läßt sich schon der Charakter der einzelne] 
Im all gern einen beginnt die Krankheit unter fieberhaften ! 
plötzlich; es treten dann Kopfweh, Nackenschmerz, oft au< 
auf. Dann gesellen sich Schmerzen in den Extremitäten hin: 
Ausbreitung und Stärke. Die Erscheinungen von seiten c 
traktus, Erbrechen, Diarrhoe, aber auch Verstopfungen 
Initialsymptome dauern einige Tage, dann treten die Lähn 

Interessant ist die Beobachtung, daß die Krankheit 
Sätzen auftritt. In einigen Fällen schien das Rezidiv s 
UeberanstreDgung zurückgeführt werden zu müssen. Hier 
wichtige Regel in therapeutischer Beziehung, daß nach c 
Krankheit eine gewisse Vorsicht geboten ist, und daß gai 
liehe Anstrengungen vermieden werden müssen. In dem 






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30 


Kleinere Mitteilungen und Keferate ans Zeitachr 


oder mehrere Kühe, die die Milch liefern. Mittels Trinkwasso 
mittelinfektion ist die Epidemie (es erkrankten yon 500 Ei 
sonen = 10 °/ 0 ) also nicht za erklären. Beim Forschen nach c 
Infektionsquelle fand Wickmann, daß diese in der Voikst 
spiels za suchen war. Der zuerst erkrankte Knabe besucl 
das gleiche war der Fall bei nicht weniger als 7 anderen 
ihren Häusern offenbar den Ausgangspunkt für neue Fälle b 

Eine Familie, deren zwei Kinder erkrankten, die we< 
Schule gingen und auch keine schulpflichtigen Geschwister 
in demselben einstöckigen Hause wie ein anderes im Sch 
Mädchen, das die ganze Zeit über gesund blieb. Daraus 
Schluß, daß, wie bei anderen Infektionskrankheiten, die A 
Zwischenglieder verbreitet werden kann; wir haben es hier 
scheinlichkeit mit sogenannten Bazillenträgern zu tun. 

Wickmann resümiert seine Beobachtungen, daß die 
Debertragung von Person zu Person zu erklären ist, wobei nie 
Personen als Zwischenglieder in Funktion gewesen sein mttst 

Bei vielen Kirchspielen ist außer dem grnppenweis 
radiäre Ausbreitung und die Fortpflanzung der Epidemie an 
der Eisenbahn bemerkenswert. Die zahlreichen Abbildungen 
läutern dies deutlich. 

Wickmann nimmt trotz der Aehnlichkeit einiger 
tretenden Formen nicht an, daß der unbekannte Erreger d< 
naher Verwandschaft zum Meningococcus intracellularis 
Genickstarre stehe. Zur weiteren Erforschung des Virus i 
Tierezperiment hin. Ein bohnenförmiger Diplococsus, Gram p 
farbstoffen gut färbbar, soll, weißen Mäusen intravenös einges] 
hervorgerufen haben. 

Die nervöse Disposition für die Erkrankung lehnt € 
meisten Kranken waren Bauersleute oder deren Kinder. Aue 
Ursache kann er keine wesentliche Bolle zuschreiben. 

Die Prognose ist quoad vitam keineswegs so günst 
Die Ansicht, daß die Erkrankung mit dem Alter des betreffe 
an Gefährlichkeit abnimmt, ist falsch; gerade das Gegenteil 

Dr. A. W. Bruck-Kattow 


Uebor Poliomyelitis acuta. Von Prot Dr. Hochhaus • 
med. Wocheuschrift; 1909, Nr. 46. 

Daß es sich bei Poliomyelitis acuta um eine Infektions 
und dieselbe auch epidemisch auftritt, gilt nunmehr als ents 
Die Üebertragung des noch unbekannten Krankheitsei 
nach der großen Epidemie in Schweden und Norwegen ans 
wahrscheinlich von Mensch zu Mensch. Wickmannn sic 
als direkt kontagiös an, glaubt aber, daß gesunde Z wisch< 
eine große Bolle spielen. Auch die abortiven Fälle m< 
zur Verbreitung der Krankheit dienen. Die Krankheit be 
mit fieberhaften Allgemeinerscheinungen: Kopf- und Nackem 
Somnolenz, Mattigkeit, Fieber von 89—40°. Nach einigen 
Lähmungen meist in ihrer ganzen Stärke auf und schwanke 
einer Lähmung fast sämtlicher willkürlicher Körpermuskeln i 
Muskelgruppe. In den nächsten Monaten gehen diese dam 
der Begel bleibenden Best zurück. Nicht immer beschränkt 
auf das Bückenmark, sondern sie geht auch über auf Bt 
Meningen. 

Verfasser berichtet dann eingehend über 2 eigene Be 
denen der eine sich anscheinend an die Impfung anschloß, 
Die pathologisch - anatomischen Verhältnisse bei dies* 
genau bekannt, hä handelt sich bekanntlich um eine vaski 
vorzugsweise in den granen Vorderhörnern durch die ganze j 
markes; indes greift die Entzündung häufig über auf die 
die weiße Substanz und auf die Meningen; in manchen Fi 
in den schwereren Fällen — ist außerdem auch noch die 1 
und Pons sowie das Gehirn in Mitleidenschaft gezogen. 




^ und Ifefjii'&raU* äub Z&iiäeJbTirtW’ 

i. ifiät&tadiaro acbwet, 4 . k k»aa Ä ?€£jf s»*®“** 
t^oirZ^ W* Wäj&ouä» aaeu^ten. liiAsrestfal 

-j»4fc«tatg Jf/elilis, der amltipi« Jfeutitia ; *«*-£ bei ***£# 
*2$®* ^7^, W, t« 9 J 00(1 bei OjMwmrtiW« W,,«, tfUte« 4 £”jn 
.»ist bei dun Sporsdwrdieo (5C«yöi?n p, u .seut, 

*, ' - :'oÄtmic« die »emUt* oft a« 1 - 1 1ÄrÄ eka*- 

' WÄ» bis au 40 Prosen*. . OÄeo ToU *»** 

wem in ao“* er -Foaliviün / b ol- &emE ' t ' 

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■ <s lö&mttJ*£ mt g/ftßter Wiiii/a^ ftlüi u v , . gdtftfi. ®» 

..aud letabt ÄtiefcVö*fc*''* Ä , hfiü ü«vä Vtiau 
|Sj$; ^r# s tfisr ittoe aegvire CiiArükteuai^-irviBg «re \ rfl&iiüiP'Etf 

** T ö*Utr n üu* ÜUckeiiat*rk d *« lviR h Avt 

**«£. ^ i^i ria ae« »oa ist dur< b 

*i; '••• V- P&)>L Jf ' r t ^wiö nach £C n 0 pf oIuiai*«# „., u • 

. ^.4' impt& i ig Äof Alfen iber t, 3 ? ft^bai> ^ 013 

^ w ö '<Ä 4 gtöf All^BpöUoio ^ 4 s 3 t 1 itu i-a-t-AA« \ UÄ 9 

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^ ä«/ fitere AÜön ö»e ar *, r &i b't* dauaic 

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82 


Kleiner« Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


(häufig die Tonsillen). Die hämatogene Infektion des Zentralnervensystems 
ist weniger wahrscheinlich als die lymphogene. 

Am Schlosse der Arbeit schlägt Verfasser vor, die Krankheit mit dem 
Namen „Heine-Medinsehe Krankheit" au bezeichnen, da man diesen 
Männern die wichtigsten Kenntnisse auf diesem Qebiete verdankt. 

_ Dr. Waib ei «Kempten. 

Zar Aettelegie der akuten epidemischen Kinderlähmung. Von Prof. 
Dr. Krause in Bonn und Dr. Meinicke in Hagen. Deutsche med. Wochen¬ 
schrift; 1909, Nr. 42. 

Die mikroskopischen und kulturellen Untersuchungen führten su keinem 
positiven Ergebnis. Die Verimpfnng von infektiösem Material auf Mäuse, 
Meerschweindien, Küken und Tauben verlief ebenfalls resultatlos. Dagegen 
wurden Kaninchen durch intravenöse, intraperitoneale und subdurale Injektion 
getötet; sie starben nach einer mehrtägigen Inkubationszeit und vorauf¬ 
gehenden Lähmungserscheinungen. Ueber die bei Impfung von Affen er¬ 
zielten Resultate soll später berichtet werden. 

Dr. Liebetrau-Hagen L W. 

Zur Kenntnis der westfälischen Epidemie ven akuter Kinderlähmung. 
Von Prof. Dr. Krause in Bonn. Deutsche med. Wochenschrift; 1909, Nr. 42. 

Der Artikel ist eine vorläufige Mitteilung des auf Veranlassung des 
Herrn Ministers der geistlichen ubw. Angelegenheiten von Krause angestellten 
Ermittelungen im Beg.-Bez. Arnsberg, vorwiegend im 8tadt- und Landkreis 
Hagen, von wo aus der erste kreisärztliche Bericht über die auch in anderen 
Landesteilen im Sommer und Herbst 1. J. aufgetretene Epidemie von „Polio¬ 
myelitis acuta" erfolgte. Bis 5. Oktober 1909 hatte der Beg.- Bezirk Arns¬ 
berg eine Morbidität von 486 und eine Mortalität von 66 Fällen aufzuweisen, 
woran diese beiden Kreise leider mit 106 Fällen (21 tödlichen) beteiligt waren. 
Die klinischen Erscheinungen waren teilweise foudroyant; meist konnte man unter¬ 
scheiden ein Stadium der Allgemeinerscheinungen und ein Stadium der Lähmung, 
worauf das Stadium der Regeneration felgt, das Kr. auf */ 4 —*/* Jahre bemißt, 
wonach die Lähmungen stationär bleiben. Konstant waren Fieber, Schweiße 
und große Schwäche, freies 8enaorium, in über 90% prävalierten unter den 
Iaitislsymptomen Magen - Darmstörungen. In 8 zur Obduktion gelangten 
Fällen konnten auch auffallende Darmveränderungen: Entzündung der Schleim¬ 
haut und markige Schwellung der Mesenterialdrüsen festgestellt werden. Dee- 
halb muß als gewöhnliche Eingangspforte der Magendarmtraktus angesehen 
werden. Der Uebertragungsmodus ist noch dunkel, vielleicht spielen gesunde 
Zwischenträger eine wichtige Bolle; merkwürdig war in einem stark befallenen 
Orte des Landkreises ein noch nicht näher geklärtes Sterben von Hühnern 
in großer Zahl. Der Name „spinale" Kinderlähmung bezeichnet das wechsel- 
reiche Krankheitsbild mit seinen vielfach meningealen und schweren allgemeinen 
Erscheinungen nicht mehr richtig; Kr. schlägt die einfache Bezeichnung: „akute 
epidemische Kinderlähmung" vor. Therapeutisch glaubt er auf anfängliche 
Darm-Desinfektion großen Wert legen zu müssen; die Lumbalpunktion hatte 
oft günstigen Einfluß. Dr. Liebetrau-Hagen i. W. 

Die akute spinale Kinderlähmung im rheinisch - westfälischen In- 
dustriebesirk. Von Dr. B e c k z e h - Bochum. Medizinische Klinik; 1909, Ni. 47. 

Verfasser bespricht die von ihm in der Umgebung von Bochum von Mitte 
Juli bis Mitte Oktober beobachteten Fälle. Es sind im ganzen 98 mit 17 Todes¬ 
fällen. Die allgemeine Besprechung, die er daran schließt, bietet nichts Be¬ 
sonderes; sie stimmt mit den anderwärts gemachten Beobachtungen überein. 
Nur ein Fall wäre zu erwähnen, wo bei einem 8 jähriges Mädchen nach kurzem 
Vorstadium eine schlaffe Lähmung beider Beine auftrat. Das Allgemein¬ 
befinden war ausgezeichnet, die inneren Organe, besonders auch das Hers 
völlig gesund. Demzufolge wurde sehr günstige Prognose quoad vitam gestellt. 
Plötzlich trat nach 2 Tagea Tod durch akute Herslähmung ein. Wahrschein¬ 
lich handelte ee sich dabei um ähnliche Vorgänge wie bei dem postdiphtheri¬ 
schen Herztod. _ Bpd. jun. 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


33 


Zu rheinisch-westfalischen Epidemie von spinaler Kinderlähmung. 

Vom Prof. Dr. Grober-Essen. Medizinische Klinik; 1909, Nr. 47. 

Verfasser macht aal Grand seiner Beobachtangen daraaf aufmerksam, 
daß die Krankheit bei der in diesem Jahre aasgebrochenen Epidemie ihren 
Charakter völlig geändert habe. Sie sei früher in vielen Gegenaen wohl spo¬ 
radisch Torfekommen and man sei der Ansicht gewesen, daß man es mit einer 
Infektionskrankheit nach der Art des Geienkrheamatismos za tan habe, jetzt 
sei aber plötzlich aas einer zweifelhaften Infektionskrankheit eine typische 
Volkseeache geworden, deren Mortalität aaf 16 °/o gestiegen sei, während früher 
nar in den allerseltensten Fällen der Tod eintrat, and die nicht mehr aaf 
Kinder im 2.—4. Lebensjahr beschränkt blieb, sondern jüngere wie nach ältere 
bis zu 10 Jahren ergriffen habe. Da man eine Erhöhung der Disposition der 
Menschen oder eine bessere (Jebertragungsmöglichkelt als Grand dafür nicht 
ssnehmen könne, so müssten wohl die Krankheitserreger virulenter geworden 
•eta. Weiter zeige noch der klinische Verlaaf Veränderungen. Der Tod trete 
sicht darch toxische Wirkungen oder Erlahmungen ein, sondern vielfach bei 
vollem Bewußtsein, gutem Pols unter Atemstörungen. Den prämortalen 8tö- 
nsgea des Atemzentrams entsprächen dann bei der Autopsie Veränderungen 
■ der Substanz des Gehirns and des verlängerten Marks, von denen bis dahin 
M der spinalen Kinderlähmung nichts, mehr bei der zerebralen Kinderlähmung 
bekannt gewesen sei. Ferner fänden sich jetzt überall in den ersten Tagen 
Atemerschwerongen, die früher nie erwähnt seien. Dann trete sehr oft eine 
einseitige Parese bezw. Paralyse des Facialis auf; es müßten sich also bei der 
heutigen Epidemie spinale und zerebrale Prozesse nebeneinander abspielen; 
spinale and zerebrale Kinderlähmung scheinen in einander Überzagehen. Dafür 
spreche noch, daß beim Zarückgehen der Lähmangen an den Extremitäten 
fast immer die distalen Teile zuerst beweglich würden und es häufig auch 
allein blieben; allerdings handele es sich immer um schlaffe Lähmangen. Weiter 
deuteten die manchmal recht starke Benommenheit und der erhöhte intra¬ 
spinale and zerebrale Drack aaf eine häafigere Beteiligung des Gehirns an 
dem pathologischen Prozesse hin. Darch dieses verschiedene Bild sei die Dif- 
ferenualdiagnose sehr erschwert, so daß die Krankheit oft genag nicht rechtzeitig 
erkannt werde. Nach einigen weiteren kurzen Bemerkungen Über die Therapie 
sagt Verfasser zum Schloß: Fassen wir die Eindrücke der zeitigen Epidemie 
noch «Mnn»nl kurz zusammen, so kann man als den deutlichsten den bezeichnen, 
daß hier unter unseren Augen eine infektiöse Krankheit ihren Charakter ändert, 
■ad mit ihren neuen Eigenschaften einen offenbar darch den Nahverkehr bedingten 
ßiegeszug über den ganzen Norden von Westdeutschland antritt und aasführt. 
Die gesundheitliche Gefahr, die ans diese neae Aasbreitang einer gefährlichen 
Krankheit bringt, die wir bisher kaam als Infektionskrankheit, viel weniger 
als Volksseuche, was sie doch heate tatsächlich ist, gekannt haben, darf nicht 
überschätzt werden. Allem Anschein nach wird sie auch genügend beachtet. 
Uns scheint indessen noch ein zweites Moment der größeren Würdigung, als 
es bisher geschehen, bedürftig za sein. Das ist die theoretisch höchst wich¬ 
tige and and interessante Tatsache, daß wir hier unter unseren Aagen aas 
einer seltenen and nicht sehr gefährlichen Krankheit eine andere — sei es 
als eine Krankheit oder als Abart — sich entwickeln sehen, deren Eigenschaften 
Mch von denen ihrer Stammform wesentlich unterscheiden. Die Entstehung 
der Krankheiten, ihre Entwicklung als Einzelwesen, wenn man so sagen 
darf, erhält hier eine besondere Beleachtong. Es erscheint dieser seltene 
■ad bisher in dieser Intensität in Deutschland, soweit wir genau medi- 
zldiach beobachten können, nicht erörterte Vorgang bedeutsam genug, um 
den Vorschlag zu rechtfertigen, man solle alle Aerzte auffordern und alle be¬ 
amteten Aerzte anweisen, die von ihnen jetzt in der heutigen Epidemie beob¬ 
achteten Fälle von spinaler Kinderlähmung zu beschreiben und diese Beschrei¬ 
bung, sei es aus seiner Hand oder nach Fragebogen, einer für diesen Zweck 
zusammengesetzten Zentrale zu überweisen, die aus inneren Medizinern, Neu¬ 
rologen, pathologischen Anatomen und Bakteriologen bestehen möge, damit 
diese das gesamte Material sammle, verarbeite, mit den Erfahrungen früherer 
Beobachter vergleiche und die eigenartigen Vorgänge bei der Umwandlung 
euer Krankheit in eine andere zu erkennen versuche. Neben theoretischen 
würden dieser vorübergehenden Zentralstelle für die Erforschung der spinalen 
gi» < tftriihmn«g bedeutsame praktische Erfolge sicher sein. Bpd. jun. 



34 


Kleinere Mitteilungen und Referate au Zeitset 


*• fttaqUagaffton oT ga. 

«WNs tertHettelt Von H. Cooper Pattin, 
Norwich. Public health; XXII, Nr. 12; September ’ 
Bas Notifieation of birtbs met ist in Norwich seit d 
in Kraft getreten. Bas Gesundheitsamt ist nun, im Gegensat 
Lage, aber die Halite, selbst drei Viertel der Gesamtzahl der 
n erhalten. Bie Säuglingssterblichkeit betrug 1908: 115 a 
Bie Zahl ist wesentlich geringer, als in früheren Jahren 
kamen der Tätigkeit des Verfassers zustatten: Bie Wirksai 
heitsbesucher, die in den ärmeren Familien aufklärend m 
Stützung, welche die „Charity Organisation sodety* sc 
Schwangeren in Form von Mahlzeiten gewährt und sch 
rang von Milch, die Ton der Vereinigung für arme Krank 
ernährte Mütter übernommen wurde. Eine solche Mutter 
5 Wochen hindurch 1 Pint Milch. Br. M ay e 


(Jeher den Sommergipfel der Säuglingssterblichkeit, 
stein. Deutsche med. Wochenschrift; 1909, Nr. 82. 

Bie Ursachen der starken Säuglingssterblichkeit im ! 
trotz zahlreicher Studien noch immer nicht eindeutig erkam 
für die tätlichen Darmstörungen neben schlechten sozialen \ 
Setzungen der Milch als ausschlaggebend angenommen. Nur 
(Amerikaner, Meinert-Dresden) schreiben der direkt 
auf das Kind die Hauptschuld zu. F. hat nun genaue Bec 
den Zusammenhang der Außentemperatur und der Kindersterb 
die er durch Kurven illustriert. Diese unterscheiden sich w\ 
meisten andern derartigen Darstellungen dadurch, daß F. nie 
liehe Durchschnittstemperatur und wöchentliche Durchschnitt 
Grunde legt, sondern sowohl die täglichen Wärmegrade, i 
Mortalitätsziffern. Und da ergibt sich eklatant ein direkt 
zwischen beiden Faktoren; einem starken Hitseanstieg folgt inn< 
mit Sicherheit eine hohe Sterblichkeit der S&uglinge nach eine 
froudroyanten Krankheitsverlauf mit hohen Eigentemperaturen 
muß demnach annehmen, daß ein Teil der Kinder direkt an I 
bei einem anderen Teil neben den Darmstörungen die Wärmes 
eine wichtige Rolle spielt. Jedenfalls vermag die Zerset 
keineswegs allein die Anstiege der Sterblichkeit zu erkläre 
Ueberhitzung liegenden Sterblichkeit unterliegen Flaschenkin 
mehr als Brustkinder, infolge der allgemeinen Resistenz •Hers 

Br. Liebetrau-Ha 


(Jeher den derzeitigen 8tand der ButtermilchernU 
nnd kranker Säuglinge. Von Prof. Br. K öppe in Gießen. 
Wochenschr.; 1809, Nr. 24. 

Großer Wert ist darauf zu legen, daß 1898 von Jaege 
Teixeira de Mattos eingeführte Buttermilchsuppe streng 
Schriften (aus saurem Rahm) gewonnen wird. Freilich macht 
guter Buttermilch große Schwierigkeiten. Deshalb erblickt 
bedeutenden Vorteil in der fabrikmäßigen Darstellung der stet* 
„Holländischen Säuglingsnahrung 11 (von der Firma Staudt & 
mit der er sowohl in der Privatpraxis, wie in der Anstaltbehand 
Erfolge erzielte (starke Gewichtszunahme, Vermeidung von 1 
Trotz hohen Gehaltes an Rohzucker und Eiweiß wird sie vorsfi 
vermutlich weil sie der Muttermilch durch hohen Zonen-Gehs 

Dr. Liebetrau]-Hag 


Natürliche Schwierigkeiten beim Stillen. Von Dr. ( 
Gießen. Deutsche med. Wochenschr.; 1909, Nr. 24. 

St. unterscheidet drei Formen von Anomalien der mütt 
welche das Stillen erschweren können: einmal solche mit gu 
schlechter Warze, dann solche mit schlechter Brüse und gul 
ichließlich solche mit mangelhafter Brüse und verbildeter Wa 




36 


Kleinere Mitteilungen und Referate aas Zeitschriften. 


Die Maßnahmen waren folgende: 

1. Mit den Hebammen ist der Gegenstand immer und immer wieder 
besprochen worden. 

2. Jede Hebamme hat auf das Stillen der Matter za dringen. 

8. Ueber jeden Säugling ist Bach za fuhren; ton jedem Falle Ton 
Nichtstillen ist sofort Meldung za machen. 

4. Ist das Stillen in Frage gestellt, wird die Matter nach Möglichkeit 
unterstützt durch Milchlieferung oder Ersatz des Lohnes. 

6. Behandlung des Gegenstandes in der Presse. 

6. Fragen and Hinweise in den Impfterminen. 

Gerade diese durften von besonderer Bedeutung sein; denn !das 
Fragen weist anf die Wichtigkeit des Gegenstandes hin, den die Mtttter dann 
unter sich besprechen. 

Nicht gleichgiltig fttr die Besserung in der Ernährung durften auch 
die Ermittlungen sein, die Uber Todesfälle von Säuglingen angestellt werden. 
Am wichtigsten scheint die Hilfe der Hebammen zu sein. 

Dr. Wolf-Witzenhausen. 


Bemerkungen zur Aufklärung der Mütter über Sänglingsernähraag. 

Von Prof. Dr. Langstein. Zeitschr. f. Säuglingsschutz; 1909, Nr. 8. 

Verfasser erblickt eine vornehme Aufgabe des Säuglingsscbutzes darin, 
an Stelle einer großen Menge unnötiger Details einige kardinale Hauptpunkte 
zum gesicherten Besitz des Wissens der mit Ernährung und Pflege des Säug¬ 
lings betrauten Personen zu machen, der Mutter die richtigen Gesichtspunkte 
dafflr zu geben, wann sie sich an ihren berufensten Berater, den Arzt, zu 
wenden hat. Und dieser wird es sich angelegen sein lassen müssen, der Höhe 
seiner Aufgabe gewachsen zu bleiben. Dr. Wolf-Witzenhausen. 


Die Belehrung der Mütter In den SängllngsfürsergesteUen* Von 
H. Boeder-Berlin. Zeitschr. f. SäuglingsfUrsorge; 1909, Nr. 4. 

Die bisherigen geringen Erfolge der öffentlichen SäuglingsfUrsorge 
machen eine Verbesserung der Methode der Belehrung sowie eine Verbesserung 
und Vereinfachung des Dienstbetriebes erforderlich, welche ohne erhebliche 
Organisationsänderungen erreichbar ist. Erst dann, wenn die Fürsorgestellen 
imstande sind, an den Muttern eine erzieherische Arbeit zu leisten, ihr Bildungs¬ 
niveau wirklich zu heben und sie zu selbständiger Pflege der natürlich und 
künstlich ernährten Kinder zu befähigen, erst dann werden die Fürsorge- und 
Beratungsstellen ihrer eigentlichen Aufgabe gerecht werden und ferner eine 
Steigerung ihrer Leistungsfähigkeit und eine Erweiterung ihres Wirkungs¬ 
kreises vornehmen, die zur nennenswerten Herabsetzung der allgemeinen 
Säuglingssterblichkeit die dringendste Voraussetzung ist. 

_ Dr. Wolf-Witzenhausen. 

Mütterberatungsstellen and die Bedeutung des SelbststUlens. Von 

Dr. Wiemer. Deutsche med. Wochenschrift; 1909, Nr. 27. 

Nach einem statistischen üeberblick Uber den Wert und die Ausdehnung 
des Selbststillens nach anderen Veröffentlichungen teilt W. seine eigenen Er¬ 
hebungen als Assistent des Wöchnerinnen-Asyls in Aachen mit. Hier erwiesen 
sich ungefähr 99'/o Frauen als stillfähig, während von denjenigen, welche die 
Milchabgabestellen in Anspruch nahmen, nur 86 •/• Ihre Kinder ganz oder 
teilweise stillten. Daraus ergibt sich eine sehr bedauerliche Differenz zwischen 
„Stillfähigkeit* und „Stilltätigkeit*. Deshalb müssen die Mütterberatungs¬ 
stellen mit allen Mitteln auf das Selbststillen hinwirken; die Milcbküchen 
dürfen aher nur für diejenigen Frauen Milch liefern, die aus unüberwindlichen 
‘ gesundheitlichen oder sozialen Schwierigkeiten nicht selbst ihrer natürlichen 
Pflicht nachkommen können. Dr. Liebetrau-Hagen LW. 


Die Frau In der Fürsorge. Von Prof. Dr. A. Keller. Zeitsehr. für 
Säuglingsscbuts; 1909, Nr. 8. s 

Die Fürsorgeschwester stellt die Verbindung zwischen den Müttern 
resp. Pflegemüttern und dem Fürsorgearzt dar, der ln der Begel nur ln den 
Sprechstunden Gelegenheit hat, den Müttern Batsehläge zu geben und diese 




Hitceilttngen und Beferete aas Zeitschrift tu. 6X 

Siaei^sft^lS^tCt «üenfakte durch Vorträge zu^aminerti&ßt und erg&nsi. Die 
geht fai ihre? Belehrung mehr ins einzelne und sucht durch 
w«?/e iaafßii^ttTs;^ die ärztliche Anordnung and Belehrung dem Verständnis 
»2?rs5? niber zu bringes- Sie kontrolliert beim Hsuöbeeudt die Fliege 
,j * nut &' des Jtmdea and beobachtet, ob die ärztlichen Verordnungen. auch 
weiden; sic zeigt der Hutter, wie sie d*3 Kiad pflegen 
kJLJJ" ö * e Ü’ im anderen Falle, wie sie di« Nahrung für das Kind zu- 

über allen diesen Flüchten atehi die eine, möglichst Tiel 
itia^Lr p i x tiiloa &ades *& bewegen oad durch immer wiederholte, 
«fl» *5 jgr rur Verbreitung vernünftiger Anßchuntuogeu über Säuglinge- 

de [ n ”7 «fJilll*jnBj»g beiiutragen. Wenn sie das Ziel im Auge beküifc, wird. 
äi>* ******** danach stTeben, das Vertrauen der Hutter und dadurch 

S® ßf* **«■*■ ihre Handlungen zu gewinnen. 

4 v^'“f^^Äfeachweater soll ihren Bat nicht auldiängen, sondern soll es 
tei&SbJ* f ***•*£ e*«i dahin bringen, daß die Hutter ihren Bat erbittet und daß 
8 a tM^ ö 7 ® r "wUlkommenef Besucher in der Fftegefamitie wird. Dazu ist 

5®^ die Schwester schon den ersten Besuch au&naUt, am die 
ku Hutter kennen zu lernen und sie allmählich za boeinfloseen. 

*W nnttt V f ö ^ 42 ^t sofort joden kleinen Fehler in der Fliegt« zu rügen; man 
*&t der *7 ******Hjadeii kleine Fehler durchgehen lassen, weil man vielfach 
to ^i* 1 *? 0 * die Freude an der Pflege fldbmäiert. Qioße Fehler in 

Jrtit Ernährung dürfen wir nicht übaiseherv, dabei kommt es 

ier su üb erzen gen, nicht das eine oder lindere zu verbieten. 
;fd wjsj> die Mutter soweit keimen, daß sic bald obscbät/en kann, 

tki^er BlchtuHg geben kann. Dr. Welt Wltaeubausem 


^i^er Htehtiittg geben kann 


3. Sonstiges. 

W.ht der Kcei*Rr*te. Von Dr. K. Th uw all* tu 


^Ärr. d. f, erKtottot werden soll- Um -ab warf f eiler Ist es, daß 
dn dieser Zeitschrift und Heg - und Med.-Bat I%8oIhrig in 

V; 'Wiederum oniaahloaneu haben, ebenso wie Im Vorjah/fc 

Formulare Unter ÖerücteßichlJgung »lot neuen Dienst- 

%l^ich' zum Vorjahte sbd folgend« kaapwächliche AendofUDgOn 

Hottrand i*t fortgefaUftß, dafür ist für jeden Abschnitt ein 
^ H ^ ^ r if«seheo, was unbedingt als wosontüubo Vofbescenaig an 

Jffeti aur Druckschrift verwandt, wodurch mehr Baum für 
jpv*«*i5 gewo^uep ist 

*** jede«? Blatt hi iß der (ich erschuft stete auch der Abschnitt 
^ ÜgtrarabWaaßge» *m Kopf enge geben, so deü man sofort weiß, 

****•,. ?•*$<* Bjittar sind Vielfach vendivfaeht und insbesondere Tabellen 


**** -'"zS deiea Auffüllung don Kröisäreten Tiol Arbeit macht oad .ru denen 
y ^rfürderlnchö Matnrial ninht sogeboto stobt »der nur mit Schwierig- 

simt die«« lasen Blätter für den Mm- 
—^ibgcBshn i bi wiVe dringend au wUüscheu, daß ^ie aBgcmein 
benutat wVitdoo; denn 

siebte rergnaaen weiden, weil alle Fragen yor^edrackt pind. 
^hrtvbartebfc* fallen gleicbmaßigot aua; es MeB»«» die fjllcolangoo, 
^^t^s^yendoQ epischen Brtäblnugon maucbcr !?chreibluttigen Heirco w«tfe; 
jfc%lfr5fSfofckcy> PrtKii »m Instansuiiweg^ dia fjebersiebt n»d «Ile KeY^io« ; 
t^vJt fflUbsrordoatjÜicbe Erleichterung Ihr 4io okuedids tOit omtlichon 

*w flb^bürd^teR K>elsärvto. ,-• 

'w*- SM deutlich tm Latdfe dee Jahren au eiom boliehrgon '^ge etwas 
Sin dreu Jnhitsberlcht: weit voll lat, so notiert man *.* am Ab«ud 
f^at, v fea«j&4i.*£ti Tng« mit kurt©« Worteu, Ist. da* ^aht b^ndot, *° 

- ^'i|J5iYfÄb<*;l«bt feriiggtsteUti dwo mau h>fit Wkfcilgo wäbtsüß dsi 




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38 


Besprechungen. 


Jahres auf gezeichnet. Es genügen dann 3—4 Tage zur stiliatisi 
und einige Tage zur Anfertigung der Statistiken, worauf c 
folgen kann. — Der Jahresbericht hat damit aufgehört, e 
Kreisarzt za sein; es ist im Gegenteil ein Vergnügen, dens 
da man bei Durchsicht der Formulare auf bequeme und i 
wenigen Tagen das wiederholen kann, was man das ganze Ji 
tigen Angelegenheiten amtlich geleistet hat *) 


Besprechungen. 

Dr. Erioh Sohmldt, Zahnarzt: Sehuts den Zürnen. I 
Aufträge des Deutschen Zentralkomitees für Zahnpflege 
Berlin 1909. Verlag von Richard Schütz. Kl. 8°, 8 S. 

Die kurze Abhandlung weiqt auf die Wichtigkeit dei 
sonders im Kindesalter hin. Sie geißelt zunächst die Ve 
weitester Kreise über die Bedeutung der Zahnpflege, die zui 
nur etwa 8°/o der Schulkinder ein gesundes Gebiß haben, u 
nachteiligen Folgen der Zahnfäule für die Verdauung und den 
mus zu beleuchten. Zur Besserung der geschilderten Verhi 
fasser die Errichtung yon Schulzahnkliniken in allen Teilen 
es das „Zentralkomitee für Zahnpflege in den Schulen* si 
gestellt hat. 

Kann man sich dem ^Schluß - Wunsche, „daß die Be 
Kreise der Bevölkerung die Bestrebungen dieses Komitees 1 
stützen möchten*, nur voll und ganz anschließen, so muß docl 
daß die Abhandlung als Aufklärungs- und Propagandaschrift 
geschickt abgefaßt ist. _ Dr. Glaubitt- 

Pro fl Dr. Miller, Geh. Medizinalrat: Notwendigkeit tu 
Zahnpflege. Bearbeitet nach einer hinterlassenen Schrii 
Dr. Dieck. Berlin 1909. Verlag von Bichard 8chötz. J 
Preis: 20 Pfg. 

In knapper, klarer, allgemeinverständlicher Fassung w 
Zahnes, die Bedeutung und das Ausfallen der Milchzähne, der 
bleibenden Zähne, der Wert gesunder Zähne, die Verhütung 
und die Bedeutung regelmäßiger Peinigung der Zähne b< 
Schlüsse wird das Gesagte in kurze „Pegeln für die Pflege 
sammengefaßt. 

Wir wünschen dem Schriftchen die weiteste Verbreitung 
des Volkes; die Mütter unserer Volksschüler können nicht f 
klarer Über die Bedeutung der Zahnpflege unterrichtet werde; 

Dr. Glaubitt- 


Tagesnachrichten. 

Der angekündigte Gesetzentwurf über die Neuregelung 
und Reisekosten der preusslschen Beamten soll dem Ab 
gleich nach dessen Eröffnung vorgelegt werden. Nach den 
nur die tatsächlichen Reisekosten vergütet werden; auch eine ! 
Tagegelder scheint beabsichtigt zu sein, da die Dienstreisen i 
Quelle für Nebeneinnahmen mehr sein sollen. Beamten, die vi 
zu machen haben, sollen, wie bisher, Bauschbeträge gewährt 1 
wird erst den Wortlaut des Gesetzes abwarten müssen, ehe 
über seine Tragweite bilden läßt; falls aber tatsächlich in < 
jenen Grundsätzen festgehalten ist, dann wird das Gesetz ffl 
die häufig Dienstreisen zu machen haben, eine so große Schäd 
daß dadurch ihre im Vorjahre erhaltene Gehaltsaufbesserung 
illusorisch gemacht wird. Am meisten geschädigt werden 


*) Die Versendung der bereits bestellten Exemplare 
wird in den ersten Tagen der nächsten Woche erfolg 




% -'*&*- «Kt «ekkra technischen Kate .Wi der Kegterang, t»el j«&& 
&fts ^wp fri»d T and für watebe die Uebutscbörw 
na h■ erheblichen Teil ihrer Einnahme bildet en« mit dem 

ionJIL'rr^*** 9 **** ihres Amtes gerechnet habön and mit $ödblcht anf ihm 
‘ge Vftrmög:eaal»ge aoch rechnen mußte».. 


des preußische» .S*atÄ«ttial».ten vm;'l&y ftsreraber v. j. 


sol] u pint * "* **«s preiiouc»^ Annawmt;» vv?» ic; lUTtiiu»^ v. j. 

dir Saimiyf eU j» «ötuare» Lehranstalten der Versack gemu'&fc wajdea.. die liaoer 
?anajttiw»5!™? 111 Äla ^ ^ atUMrtWi ssts fc&fasc und di* OoUrkchU*eit aaf die 
«neät »Sd ' «era.r t stt beaciiTäakeö,daß in4<ir Äeit iro?i .¥> Stakete« ti 
Sit ketodlV*' ^* ie Naehrnktago sollen bis auf eine): wr *w« ijeigähaiteti 
vsöLr IrörperUdiea ^Itboloug in kiadbür La/i.benutzt.weiden. 

^edodteK^S Ars» eilaxe für 1910 bringl ileu; Ajpatbokerß okkt 

«ufia Erffih '® ttj|| d der Aranelpretsfc, inehestmdera der ÄJr^eiwiefcp., Cnthfor« 
einiget kleinerer Wttnaohe, deren fruumjeikr Efl^ki «her 
ftHthtt** *®^ßi durfte. Dahin ist suaaebst KU wcfcfetft, dfcö tUe Ü’idt Jlir 
:fSii8Ä^ e Verlängert,ist; sie heginat bereits «iw fl Uhr ab*»*!* (eUU 
s] c jT« nach wie vor nut bis 6 Uhr mo*«C'ö<?., &v» te.yeeiligr«bo 

•701*1*1* |* fc J 4 ® T Ubt morgens zu verlängern» ist nicht. K*efctti*ag 'getj'agftb, 
w Ihr die Mittel der Tab. C. ebenso *rio Ivt die der Th k U. 

5j2**kr 4^ , **€*£ 10 Pfg. festgesetzt; desgleichen bßtrÄgf, der 200 # Pr*ta 

**& dt»- (statt ides i^/i tftchea) des 100' g«c‘Preisen, ridr 60v* &• 

JBSM«« $****»*? ^ 4es 200 g-Preise3, also des ßVeiaofc* de* 100 g~Prcki^ 
.J* 4rtöef doatv Aach 4« P*eJs itlr die PapiewchftchteLff kr »um erhöbt, 

SSJtft Mittel Bestimroneg getroffna, daß bet nicht abgetelUen PaKetn, 
bo»L*** Tab/B, Opium and dass«« Alkakid* ooer Ohlöraihydrat 

^15 si^^L ^.».pierschnchtsln oder Palverkistche» ?a verwenden and za 
Ertakfr Ka^ e Preis* der Arzneimittel haben nabgtgemäß besondere bei 

^^^Ptrttttffpräpar&tett and Tinkturen eine EciiÖtniig erfahren; die 
** «liesmal weit zahlreicher als die Preueißiedngcu&gen. 

»kttlea ^ %» & - 

iwbädet *** *%& ist am 14. r, Mts. nntm de& d<*$ Oboipri^j- 

irtjn^r Jf ei« KrUppel -Fttraorgeverelti idr die P.e«? vi n « Sachsen 

A^t haapisäcöuch dk* chirurgiflch-ortbc)ndlang der 
Ahe gestellt hat. 

--- 

'•tt i%, Dexembet t. J. in Minth<* * 

Prot t)r r I>leudonoä, MedixiuÄlrffeX^i 




\Kt ff 

chbruchan f&: 

'Äofeiwer- -jerSwi 
uctien- - 
•t Zahne* IV 

, die FwasS*- -£jüä 


* *.y«, r n.»> w v, v» 11 v » «icuui.wiiviw.'.'ut *r,T‘>*w m{. 71 » mvm 

^ ^^hfüteaeß Siisitnr de« enveUerte» /Kn-uo^l^inet' 

JJ *s *zft sieb dieser «um e^ten 0eg«»8t*»d ddir^SI^Sjg?^ 

^lT«'ir.e?be«. Ä «iastlmtnig dahia aoagarprij^hen» v^i:. i..;^r &u* 
» 1 tlcbergÄngszeit eins breitere ÄngbUdona -vm f k<ier^ vOchl me.hf 

Q r» A « «w» ; aiik a ». . :»v. L- a 4 .»..* -. . f v. » 


ff * Der to%e)egte Snfcwrf einer &«tb? 4 irnn^ für 
‘ 1 ^hagen and 0at*r.bt»» det ada xc ^ 

Hatereachcogaanstalten, 4rr de« r^eiuu» Öegcir< 
^i^Wöfdßttiig bÜdetn, fand iß seinen einusnl^n AwkVifca die Bill* 
^«naddirfnalaasschtisses. 


■jvdiäMwab^ 

j £w« «rf Kl - 
1«1e mtMte 

i «?ä 


T 1 ^ hekatmten Prav^m gegen den Inhaber g'akrik n Ki%!kvJh* 
40r. Scholl in Mdache« m dieser von dm #did %Öd I 

^ ^^saber v-J. «ach mehnigigen Verh&ndliw^ ioUge»euten 

einer CblSagnisstriie von einem Monat 5M»d zu «[ßfci! t Q^ldstJra»© 
sowie sttr Tragaag aller Kosten veruutdH. 

»► ^ --— 

\v^. Kangress för fernere M«dUt« findet w» ^ $. hie 3 i. April 

^ >^iesb*<ien itß anasa Earhaaae unter M ca PfÄfitdiam 




40 


Sprechsaal. 


tag«, Mittw«oh, das M. April 1910: „Die Entstehung mnd Behandlung der 
sekundären Anämien“. Berichterstatter Herr D. Gerhardt (Basel). Vor* 
tragsanmeldungen nimmt der ständige Schriftführer des Kongresses, Geheimrat 
Dr. Emil Pfeiffer, Wiesbaden, Parkstraße 18, entgegen, jedoch nur bis zum 
3. April 1910. Nach dem 8. April 1910 angemeldete Vorträge können nicht 
mehr berücksichtigt werden. Mit dem Kongresse ist eine Ausstellung von 
Präparaten, Apparaten und Instrumenten, soweit sie für die innere Medizin 
▼on Interesse sind, verbunden. Anmeldungen zu derselben sind ebenfalls an 
den ständigen Schriftführer zu richten. 


BpreohsaaL 

Anfrage des Kreisarztes F. in St.: Darf für Besichtigung einer 
Mineralwasserfabrik, Drogenhandlung, Molkerei u. a., deren Kosten die Orts¬ 
polizeibehörde nu tragen hat, bei dieser nach den Gebührensätzen zu B liqui¬ 
diert werden, wenn die Besichtigung gelegentlich einer auf Staatskosten 
(Pauschale) auszuftthrenden Reise stattfindet ? 

Antwort: Ja. Es findet hier jedoch § 6 des Gesetzes vom 14. Juli 1909 
Anwendung. Siehe meinen Kommentar, S. 10, Anmerkung 1, Beispiel a und b. 


Anfrage des Kreisarztes Dr. D. in K.: Ist nach der neuen Dienst¬ 
anweisung die Bestimmung aufgehoben, wonach der Kreisarzt auch bei einem 
in der Praxis einer Hebamme vorkommenden Todesfall im Wochenbett Ermitte¬ 
lungen an Ort und Stelle anzustellen hatte? 

Antwort: Ja. Nur wenn Verdacht auf Wochenbettfieber vorliegt, sind 
solche Ermittelungen nach § 82, Abs. 5 a vorzunehmen; dasselbe gilt, wenn 
sie vom Regierungspräsidenten allgemein vorgeschrieben sind. 


Preussischer Medizinalbeamtenverein. 

Der Vorstand hat in seiner Sitzung am 5. Dezember v. J. beschlossen, 
daß die diesjährige 

Hauptversammlung 

am Freitag u. Sonnabend, den 88. n. S8. April 1010 

in 

Berlin 

stattfinden soll Zur Verhandlung sind folgende Gegenstände auf die Tages- 
ordnung gestellt: 

1. Der Entwurf eines Deutsehen Strafgesetzbuches. Referenten: Geh. 
Med.-Rat Prof. Dr. Straßmann-Berlin, Gefängnisarst Dr. Fritz 
Leppmann-Berlin und Kreisarzt Dr. Hillenberg-Zeitz. 

2. Die neue Dienstanweisung für die Kreisärzte. Referenten: Med.- 
Rat Dr. Nickel, Kreisarzt in Perleberg, und Kreisarzt Dr. Meder 
in Cöln. 

Etwaige Wünsche für die Hauptversammlung in bezug auf die Be¬ 
sprechung einzelner Bestimmungen der Dienstanweisung 
oder anderer hierher gehöriger Fragen sowie sonstige Wünsche sind dem 
Unterzeichneten bis zum L Februar d. J. mitzuteilen, damit die endgültige 
Festsetzung der Tagesordnung rechtzeitig stattfinden kann. 

Minden, i. W., den 4. Januar 1910. 

Der Vorstand des Preussischen Medizinalbeamtenvereins. 

I. Auftr.: Geb. Med.-Rat Prot Dr. Rapmund, Vorsitzender, 

Reg.* u. Med.-R*t in Minden. 


Gedaktion: Geh.Med.-Rat Prof. Dr.Rapmund, Reg.- tt.Med.-Rat in Minden LW. 

J. C. C. Brune, HereofL fliehe.«. Fflrstl. 8oh.-L. Hofbaebdronkerei In Waden. 






























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28. Jahrg. 


Zeitschrift 


1910. 


für 


MEDIZINALBEAMTE. 


ZentralMatt für das gesants Besundbsitsaman, 

für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irren wesen. 

Heranjsgegeben 

Ton 

Geh. MecL-Bat Prot Dr. OTTO RAPMUND, 

BefUrnnfs- und MedUüudrat ln Minden 1« W. 

Offizielles Organ des Deutschen, Preussisohen, Bayerischen, Sächsischen, 
WOrttembergischen, Badischen, Mecklenburgischen und Eisass-Lothringischen 

Medizinalbeamtenvereins. 


Verlag von Fischer’s mediz. Buehhandlg., R Kornfeld, 

BerxogL Bayer. Hof- u. BrshenogL ir«Tiinw.nimiihaiMM«F 

Berlin W. 35, Lützowstr. 10. 

Inserate nehmen die Verlagshandlung sowie alle Annoncenexpeditionen des In* 
und Aaslandes entgegen. 


Nr. 2. Bnekeim mm I. ud *0. jedem Heiati. 


20. Januar. 


Die Art der Bekämpfung des Trachoms im 
Regierungsbezirk Allenstein. 

Von San.-Bat Dr. Hilbert - Sensburg, staatsärztlich approbiert. 

Vor kurzem hat Herr Prof. Greef 1 ) einen Aufsatz ver- 
öffentlicht, in dem er die Tätigkeit der Granulöse - Aerzte hier im 
Osten kritisierte und die Meinung äußerte, daß diese zur Be¬ 
kämpfung der Granulöse ungeeignet seien, und daß es sich mehr 
empfehle, Spezial-Augenärzte mit dieser Bekämpfung zu betrauen. 

Diesen Ausfährungen ist bereits Herr Reg.- und Med.-Rat 
Dr. Solbrig 8 ) in Allenstein entgegen getreten und hat an der 
Hand der Statistik and auf Grund seiner persönlichen Erfahrungen 
nachgewiesen, daß die hier geübte Praxis in jeder Beziehung 
erfolgreich gewirkt habe. Im Laufe seiner Ausiührungen hat er 
dann den Wunsch ausgesprochen, daß auch einmal einer der 
älteren bei der Granulöse-Bekämpfung tätigen Aerzte in dieser 
Angelegenheit das Wort ergreifen möchte. 

Dieses will ich nun tun, da ich nicht nur seit Beginn der 
offiziellen staatlichen Bekämpfung der Granulöse mit dieser be- 


*) Greef: Die Einschleppung des Trachoms in den Beg.-Bes. Arnsberg. 
Klin. Jahrbach; 1909, Bd. XXI, Heit 8. Beferat darüber in dieser Nummer 
der Z eitschr ift, S. 66. 

*) Solbrig: Ueber die Bek&mpfong des Trachoms. Zaitschr. I. Me- 
dixinalbeamte; 1900, Bd. XXI, S. 798. 












42 


Dr. Hilbert. 


sch&ftigt bin, sondern schon 13 Jahre früher (seit 1885) als 
Kommanalarzt der Stadt Sensbnrg die Granulöse - Bekämpf ang in 
den hiesigen städtischen Schalen in Händen gehabt and meines 
Wissens auch die erste über einen längeren Zeitraam ausgedehnte 
Schul - Trachom - Statistik 8 ) veröffentlicht habe. Weiterhin bin 
ich anch in der Lage, über augenärztliche Erfahrungen im Süd- 
westen unseres Vaterlandes zu verfügen, da ich zwei Jahre hin¬ 
durch als Assistent an der Universitäts-Augenklinik zu Erlangen, 
damals unter Prof. Sattler, tätig gewesen bin, nachdem ich 
vorher Assistent bei Herrn Prof. v. Hippel in Königsberg war. 

Aus diesen Gründen halte ich mich für berechtigt, einige der 
Ausführongen Solbrigs noch besonders zu unterstreichen. 

Der Beginn und die Methode der Granulosebekämpfung in 
Ostpreußen ist von mir vor etwa 9 Jahren zum Gegenstand der 
Besprechung gemacht 4 ). Statistik, die Behandlungsmethoden und 
die Erfolge sind in einer großem und erschöpfenden Arbeit von 
Solbrig 6 ) vor kurzem der allgemeinen Kenntnis unterbreitet 
worden. 

Was nun zunächst die von Greef geforderte spezialaugen¬ 
ärztliche Behandlung der Trachomkranken betrifft, so hat Solbrig 
bereits mit Becht darauf hingewiesen, daß die Trachomärzte hier 
genügend vorgebildet seien (jeder derselben hat je einen diagnostisch¬ 
therapeutischen und einen Operationskursus durchgemacht), und 
noch besonders betont, daß die Augenärzte im Westen auch nicht 
entfernt das Trachommaterial hätten, was hier leicht einem jedem 
Arzt zu Gebot steht. Hierzu bemerke ich, daß während meiner 
zweijährigen Tätigkeit an der Erlanger Augenklinik (dorthin 
kommt auch das Material von Nürnberg) nur ein einziger Trachom¬ 
fall zur Beobachtung kam, der aber ebenfalls aus dem Osten 
(Pommern) stammte (es handelte sich um einen wandernden 
Handwerksgesellen). Dieser Fall diente wochenlang als Parade¬ 
pferd bei den klinischen Vorstellungen; man kann daher denken, 
daß ein dort ausschließlich ausgebildeter Augenarzt sich nur ge¬ 
ringe Kenntnisse in Bezug auf Trachom zu erwerben vermag. 
Jeder Arzt der hier praktisiert und, z. B. wie es hier zu¬ 
meist der Fall ist, auch die Königsberger Verhältnisse kennt, 
wo die schwersten Formen des Trachoms, namentlich aus Bu߬ 
land, zusammenströmen, wird bald merken, daß das Trachom der 
Kinder weit leichter verläuft als das der Erwachsenen, auch bei 
langer Dauer der Krankheit Man sieht bei Kindern fast nie 
schwere Fälle mit Entropium und Trichiasis, auch heilen die 
Fälle zumeist glatt unter einer nur wenig heroischen Behandlung. 

Bald nach Beginn der staatlichen Bekämpfung wurde nun 
eine größere Anzahl von Kindern in Königsberg von Heisrath 


') Hilbert: Zur Statistik des Trachoms. Zentralbl. L prakt. Augen¬ 
heilkunde; 1896, S. 188. 

4 ) Hilbert: Die Bekämpfung der Granulöse im Kreise Sensbnrg. 
Wocheaschr. f. Therapie und Hygiene dee Auges; 1909, Bd. IV, Nr. 40, S. 822. 

') Solbrig: Die Granulöse im Beg.-Bes. Allenstein, im besonderen 
von 1899—1908. Klin. Jahrbuch; 1908, Bd. 20, Heft 2. 




>•* A*t liekempfasg 4«# Tiacbou« in'Aileostelo. 13 

^4^1*6'* a ö ® di» Udkiunpet» behandelt und dann mit passabel 
IKBte-frfe r^feea nach Hanse grssclückl Wie sehen diese 
! *«fö nach 10 bis 12 Jahren aus! Fast totales 
'■ 4?' /^riehlasia und Hornhatitgesehwüre! Ich habe die: 

mti 4»ß .^Pöadung, gestützt auf eine große Anzahl ähnlicher 
Mt'-fftfo Kinder ahne eine solche eingreifende Operation 
*&:'&•.ap'^^eüt wären. Kittes schickt sieb eben nicht für 
•MNjteii ^^^«augeiiÄrztlichö Behandlung dürfte hier dterekt ver- 

,,<i! 4 it» schreibt öreef folgendes; 

■ *#f 4(9 Technik der t'oiflhftibroiig J«r Bekämpfung würde 

‘2® nt jg4*j l £¥*' li «tuittwomloo seiö. <I«0 «lio Uaiorsucboogen dareti bauatet« 
At} d “um wudeo, die, wie es meist gOschlcht, sehi atresg vor- 
y\ a ® |>jy 0 tnjigenaunt werden, die- necii dein »roten Ansehen au 

'AWffAe • sein kftnntea, die fchar oft dem iechmdnniiehgn ßUei. »der 

•, uic^ l4 J®obii6htang «»eh sieh nicht «da wirkliche« Trachom Mwcöee.“ 
?<$•%, a® gebt jedenfalls hervor, daß ! j die Kreisärzte im 
-‘*ü «ii» f *3sberg keinen Öranulosetali übersehen haben, and 
*^w» H{j. Ä > Ä5 und wieder einen Follikaiärkatarrh für Trachom ge- 
f*it 'Iswttift** was dfobh an sich uuarhoblicb ifii. ~~ Weiter aber 
lief vor. daß, wenn die Kreisärzte im Westen mit 
l'cn Erfahrung in der (jr&uälose - Diagnostik keinen 
t<i>k fcw/^'Ankbeit Übersehen haben, di# Aerzte, die im Trachom- 
4*$ Sühr 2 wohl kaum eine Fehldiagnose machen,werden, da 
•*!» Studenten genügend in der Biagfioae und Therapie 
^ geübt haben werden. Dies würde Herrn Prof.Greef 
a bekannt sein, wenn er als Student einige Semester 

Usitt'üt oder Breslau als klinischer Praktikant oder als 

«bracht hätte. 

^/v-rtich entscheidet aber dach der Erfolg. Das Verdienst, 
SS*«,, mäßig nachgewiesen zu haben, gebührt nicht nur 

Bearbeitern des Granulöse - Materials, wie 
7.» und Salbfig*}, sondern auch dein Berliner Augen- 
;!$ taisre Hirackberg, der im Auftrag« des Ministeriums 

;! die Provinz Ostpreußen bereiste, um den Sund der 
Jf® Oft end Stelle keimen zu lernen, um dann später 
Ji « ' ^«chikg« zur Bekämpfung dieser Krankhsit zu mache». 

a«s .Jahres 1893 unternahm diiatä: Forscher eine Re- 
*#*'n ’ijj*? i und konnte schon nach dem kur zm Zeitraum von 
* ß ^üsi M — «#* erhebliche Besserung inarMcÜSi», dank der hier 
j d®a Vorgehens. 

1-8 TWä kann man aus diesen Tsimfoau mit Sicherheit 
' v ':~-~. die Bekämpfung des Trachoms, wie sie io Ost« 

./*.***.»>:' BeiAber d. X. Sitzoog des Versio» 4sr 3Sfidislo*l 
• ■zmniw. iw« 2citabUrii fi läW. S. m. 

■ ■ " 7, v K«?*r? die O/Äüoiotjö im Kotf. - Boz. ADefeätefrh im hm^d^fen 

Shrfg 8i-f- -.|lh;J»bkw»;.im Dä- XS, Bett ä. 

<üe Aagommixäadang lö (M- ü*4 

i 5f i | JS# JfekSmftaag. &lh>. Jahrbuch; 18Öt 

der öotlüffliacbeo H^ruerkrtutitfieK 
**rf*£k % vom ^ ^ r ’ wr«d Wi*ch«&' 


^ ^ iah ^^rAi y Söd- 

Angenklinik a,^« hia- 

vresen bin , aac bai^^ 
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fär berechtigt, ein,## de ^ 
za unterstreichen. 
iranaiosebek&mpfBLag 
m zam Gegenstand <ft?se-—- 
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schöpfenden Arbeit vom 
Kenntnis unterbreitet 

(forderte spezislsngen- 
itrißt, so hat Solbrig 
iie Tracbom&rzte hier 

t je einen diagnostisch- 

dnrchgemacht), ane fc ^- - 


44 


Dr. Zwecken Das Eindbetifieber. 


prenßen gehandhabt wird, recht erfolgreich gewesen ist und es anch 
voraussichtlich noch weiterhin bleiben wird. Ob eine spezial¬ 
augenärztliche Behandlung des Trachoms auch nur annähernd 
dasselbe geleistet hätte, dürfte sehr zweifelhaft sein, abgesehen 
davon, daß eine solche erheblich mehr Kosten verursacht hätte. 

Zum Schluß möchte ich noch auf die von der Königlichen 
Regierung zu Gumbinnen erlassenen Vorschriften über hygienische 
Schutzmaßregeln gegenüber dieser Krankheit 9 ) (Doepner), sowie 
auf die so vorzüglich formulierten und begründeten Vorschläge 
des Herrn Geheimrat Kirchner 10 ) betreffend die Bekämpfung 
der Granulöse hinweisen, die sich in den Händen der Trachom¬ 
ärzte in jeder Beziehung ausgezeichnet bewährt haben. 

Das Kindbettfieber. Vorkommen, Ursachen, Formen und 
Verhütung dieser Krankheit. 

Von Dr. Zwecker, bezirksärztlicher Stellvertreter in Woldfischboch. 

Ueber die Häufigkeit des Kindbettfiebers hat Dr. Rath¬ 
mann in Düsseldorf in Nr. 19, Jahrg. 1909 dieser Zeitschrift 
eine statistische Arbeit veröffentlicht. 

Danach wurden im Jahre 1907 im Regierungsbezirke Düssel¬ 
dorf 107492 Frauen entbunden; dabei leisteten die Aerzte in 
9690 Fällen Hilfe. Von den Frauen erkrankten im Wochenbett 
738; von diesen kranken Wöchnerinnen starben 291, also nahezu 
die Hälfte. 

Als Ursachen wurden angegeben: 
za den Erkrankungen zu den Todesfällen 


19 + 10 mal 


— 


eine zufällige Krankheit, 

49 4- 11 

8 

89 

+• 7 mal 

eine frühere Krankheit, 

7 4-0 

» 

2 

- 0 

1» 

eine Spontangeburt, 

47 -f- 82 

9 ) 

17 

- 21 

8 

Eklampsie, 

— 


4 

- 0 

91 

Zustände vor der Geburt, 

— 


12 

20 

ii 

unvermutete Zwischenfälle, 

— 


0 

- 60 

8 

Kunsthilfe, 

184 4- 61 

8 

22 

- 17 

8 

eine zweifelhafte Wundinfektion, 

207 +171 

» 

84 46 

II 

eine zweifellose Wundinfektion. 


Die erste Reihe bei den Erkrankungen und bei den Todes¬ 
fällen gibt die Kindbettfleberfälle unter den von den Hebammen 
allein geleiteten Geburten an, die zweite Reihe die Erkrankungen 
und Todesfälle bei den Geburten, die von Aerzten geleitet bezw. 
operativ erledigt wurden. Auf die Hebammen treffen demnach 
bei 97799 Geburten 207 zweifellose Wundinfektionskrankheiten, 
d. h. echte Kindbettfiebererkrankungen und 84 echte Kindbett¬ 
fiebertodesfälle. Die Aerzte haben dagegen bei 9690 Eingriffen 
171 echte Kindbettfiebererkrankungen und 46 echte Kindbettfieber- 
todesfälle. 

•) Maßnahmen zur Verhütung der ägyptischen Augen entzündung, besonders 
in Schulen. Bekanntmachung d. König!. Regierungspräsidenten in Gumbinnen. 
Zeitschrift f. Schalgesundheitspflege; 1897, Kr. 2. 

*•) Kirchner: Zar Behandlung der ägyptischen Augenkrankheit in 
Schulen. Vortrag, geh. in d. Berlin, med. Genetisch.; 1898, Ba. IQ, Nr. 1. 




Bacarü. Fat men nn-i VerhtHnng .iiesei KrankbeH. jii 


g »I&ß im übrigen Deutschen Reiche ähnlich*' 
pfttiRi-, -wie im Regierungsbezirke Düeseldorf, und 
l6r Bcschftffignng eine Hebamme pro Jahr etwa. 

etoAfst pro Jahr etwa JO GtebnrtsüilfefälJe 
Bögeiähr die Hebammen erat alle 10 Jahre einmal 


jäehea 


^ c &«eri h b &re$jr ankaii % Bauen und alle 50 -Jahr« einmal 

reo atl echtem KindkeUfteber verlisrem; die Aerzte 

a alle fünt Jahre einmal fine. Wöulm^nn an 

fresiuij-^^fleber za behandeln uiui würden uügoftthr alle 

Js feine Fr&n an eelitem Kind heit ft «hei 1 steihen sah*« 


w Wtofck ' an echtem KindbeUftebei^tei ben sehen, 

aer whi k&ihes Beweises, daß diese ötaUetiedien 

^klicbkfeit nicht entspreche«, Es müssen also in 
St^i^ ^fersehiedene Anschauungen über die üreachen und 


Ursachen wurde in der Münchener Schale vor 
& ^ nachöte.hendbs gelehrt: 

^ttgchscttRgeo, daß die Milch, die Erkältung, die Verstopfung. 
uTf I ^ M*c<4gv&$ und ähnliche« das Eiedbettfiehef V£iUT*Äcbe, 

-tüchHe^^ *tnd wfc jföii- früherer; BeadehtHjngen des Eiadhettilebers^ 

rJt , V\ Slfaeumöti&i£&» StuMüeber, nervöses Fieber 09w nicht ©eh? 

otmlieh wissen, <&& KtcdhoUiieber durch hakterteu..?*r gibkc ht 

' ^reptekofev^'^cb die Kte*m\ger. Io Betracht kommen die hUj&y&ta&fceti» 
Jrjp 8 w«dfc ^*V die Barmbakteow! and die Gonokokken. Öfc** SAkterleÄ 
Bä 4 Leibe and in der W&seko der Frauen, dann »achan den 

enter, des ÄrUhfhen Personal». Dia doieb di«? Fmi bfcsw; 
J* 6 bei j^^l^^isonnl in den Gebar kann! eiflgeftthrteti Bakterien älcddn tfeh 
tk& ,'ÄJT Oebart vorkotnraoadea Suhlelmhautverlet^ungen an und 7er- 
ßj fta ^ r^^dbeUfieber 

«t ^fkrz»^ i | e ^ ire * 8t 3-ucU heute noch gültig und wird sicher von 
jj ß i *** der Aerzte anerkannt. 

/^ISentfeUft *«« Symptome des doreh eine Wundinfektion ker- 
vf^toisse n XtadbtHtÖebsrB kann ich ?,uf Qrattfl meiner Schul* 
®*tte meiner vierzehnjährigen Erfahrungen am Kninkeu- 

|n Berichten 

. jj^^fecheide itftäi ßra.i* (tea Kiudbeitftelien% ntaiidi; 

l2£|* * XL n d f or m » n odw d*<3 Ah fand: ä4t#bfen des ’KindbBhtöabnrs, 

^ cof^^^Uivna, da» Chmk Vf-gh»*^ das fUcpa »fßrvhts und die Ea<h> 

^ * * Itnnd&rn -n Yntmcn des KmdboUfivbwra . 


-»und**na Ybtmch de? KindboUfirbwr» 
» TJUssm vntvw i ond PftTÄ7D«tfitb 

- v*gm*e I ,, 

Endosnei^tii e'it^^rW , , 

*%• Uloi ; r '™fVb [ ühä B*Vifl»ötntis 
v \ -. 
wrtvbf { 

®*st m?T#« | and rbroatbopfclel 

”.: fr * - V 

. v. r .r*r«h& f ■*-. 

^dosn«i.|^ • »äi-fj<drifc'< 


sr-3* 



46 


Or. Zwecket: Dm Kindbettlleber. 


8. Die Endformen des Kindbettfiebers; 

also Ulcns oder Endometritis and akute Sepsis oder Py&mie, 


oder Ulcus 

Endometritis 


mit Parametritis 
Perimetritis 
Thrombophlebitis 


I 


und Sepsis 
Pyaemie 


Diese Einteilung’ der Erankheitsbilder des echten Kindbett¬ 
fiebers berechtigt zu folgenden Schlüssen: 

Ohne Ulcus, ohne Endometritis gibt es keine akute Sepsis, 
keine aknte Py&mie, keine Parametritis, keine Perimetritis, keine 
Thrombophlebitis. 

Ohne Parametritis, ohne Perimetritis, ohne Thrombophlebitis 
gibt es keine sekundäre Sepsis, keine sekundäre Pyämie. 

Zn bemerken ist noch, daß die Parametritis sich größtenteils 
akut, vereinzelt aber auch schleichend entwickelt, nnd fast regel¬ 
mäßig mit Pleuritis sicca, mit Bronchitis bezw. Bronchopneumonie 
derselben Seite vergesellschaftet ist; daß dagegen die Thrombo¬ 
phlebitis sich fast ausnahmsweise langsam, aber dann sicher 
entwickelt. 

Das Kindbettfieber kann demnach eingeteilt werden in vier 
Grundformen, in zwölf sekundäre Formen und in acht akute, sowie 
in vierundzwanzig mehr weniger chronische Endformen. 

Die Einteilung des Kindbettfiebers in die Grundformen, in 
die sekundären Formen und in die Endformen ist auch maßgebend 
für die weitere Beurteilung und Bekämpfung der einzelnen Fälle; 
denn es ist ohne weiteres klar, daß ein einfaches Ulcus, eine ein¬ 
fache Endometritis leichter und sicherer zu heilen sind, als wenn 
sie durch Parametritis, darch Perimetritis oder durch Thrombo¬ 
phlebitis kompliziert sind. Ebenso wird niemand bestreiten wollen, 
daß z. B. ein Ulcus mit Parametritis immer noch mehr einer er¬ 
folgreichen Therapie zugänglich ist, als das durch Sepsis bezw. 
Pyämie komplizierte Ulcus mit Parametritis. 

Tatsächlich heilen auch nach meiner Erfahrung die Grund¬ 
formen des Kindbettfiebers, also das Ulcus und die Endometritis 
in kurzer Zeit Dagegen heilen die sekundären Kindbettfieber¬ 
formen, so besonders die ausgesprochene Parametritis und die 
profuse Thrombophlebitis, erst nach langer Zeit und erfordern eine 
Unsumme von Geduld, von Arbeit und Sorgen. Der Ausgang der 
Endformen des Kindbettfiebers, also der Sepsis nnd Pyämie, ist 
ja allgemein als letal bekannt; doch ist hier zu erwähnen, daß 
das hohe Fieber und die Bewußtseinstrübung der Wöchnerin noch 
nicht die Diagnose „Sepsis oder Py&mie“ mit der Prognose „Exitus 
letalis“ rechtfertigen. Denn oft verbirgt sich unter den schweren 
Erscheinungen noch eine sekundäre Parametritis oder eine sekun¬ 
däre Perimetritis, die ja einer erfolgreichen Behandlung zu- 
gängig sind. 


Ein Rückblick auf die verschiedenen Arten und Grade des 
Kindbettfiebers, sowie auf die Prognose der drei Grade desselben 
setzt der modernen Prophylaxe des Kindbettfiebers drei Aufgaben; 
nämlich: 


1. Die gesunden Frauen vor Ansteckung zu schützen, 




F^raeu mü ?efhtitDB«Äw Erinkheit 4T 
waitttfa* 1 * *rt*>ri*w Wöchnerinnen möglichst frühzeitig zn 

lind den. Örnd der fieberhaften Erkrankung fesV 
tite n ” fiJ *d die kraaken Wöchnerin hea W den. schwör«» und 
S ’ ol P ü des n. und III. Grades dös Kiudhetlfiebera zu 

-^rang dieser drei Aufgaben ist d«r 8 iM der Dienst- 
ffc die preußischen H*toart»en wtegesehsfen; denn 
ic w-* ^**«'1 die Hebammen verpflichtet, jede Temperatursteigerung 


t« ° d - 

j Äod Sepvi* 
ß 

J ''* *"•"» Ki»dbe tt . 

i^ssssa^ag 

>hjue Thrömfeop*ie/>Ä^ 
dSre Py&mie. 
itis sich größtenU —m 
ekelt, oji d fast r«?g* .*,«== 
;w. Bronchopoeuaona; J 
a gegen die Tbropt> «« 
l , aber dann eicht 


eieilt werden io vj 
[ io acht akute, so*— 
i EudformeD. 

L die örnnüovmea, ;« 
en ist auch maßgebe 
g der einzelnst« FäJ Mfc» 
tacke® Ulcus, eine e=~=s 
l heilen sind, als we&- 
oder durch Throiufc -— 
•mand bestreiten weil—«»w 
ier noch mehr einer "" 
das durch Sepsis be*=— 

■ga«® 

* per 

f!L 8 nnd Py&^ a-fc . 

der Wöchnerin ^ § 

" derPr 0 SV^*^ 

ich nowr d «*."rLk- «w 

Iritis oder »JB ..^sss 


Paratyphus und Rachtspftege- 

Vo<i Dr. litebtitrai», KreusaBietonzitzt mfl»**« i ' v - 
^' Qi ♦MTietu dringenden Bedürfnis abzithelfen (Westfalen ist 
w“'*!’ das Land der Arbeit, sondert! auch des Vergnügens), 
•n sl, die ,vereinigtet«. Vereine“ eines hiesigen Stadtteils 

«aöi»v. l6tl> SiommersöunUg ein großes Volksfest, m dbtn ein ehr- 
8 w % * »l«>, sonst, nur der Verfertigung gröberer Itac-k waren be- 
*t"> »’ Q, l*sv Bhekerrawster durch einen eigens va diesem Zweck 
requirierte» Kollegen sogenannte Sstmeballen und 

%4 n ''"«niitchw» unfertige» ließ. Diese nnerev/ehntee Genuümittel 

% *hi2 il ‘1@r Nachbarschaft lebhaften Absatz, seiften aber leider 
gießen Teil dev Konsumenten verhängnisvoll werden-, 


jt$Äi 



48 


Dr. Liebetrau. 


denn es erkrankten danach 19 Personen in 5 Familien unter mehr 
oder weniger heftigen Erscheinungen; 3 Personen starben. Alle 
hatten während des Nachmittags des fraglichen Sonntags von den 
erwähnten Backwaren genossen, nnd zwar meistens ganz geringe 
Mengen; so hatten sich 3 Personen, die alle erkrankten nnd von 
denen eine 49 jährige Frau starb, sich in ein Cremeschnittchen 
geteilt! Während ein nicht näher festzustellender Teil der Käufer 
unbehelligt blieb, stellten sich bei den übrigen 19 bereits am 
Abend desselben Tages bezw. in der Nacht heftige Leibschmerzen, 
znm Teil anhaltendes Erbrechen grüner dünner Massen, profuse 
wässerige Durchfälle, Wadenkrämpfe, starke Prostration und Kopf¬ 
schmerzen ein. Bei der Mehrzahl gingen diese bedrohlichen 
Symptome nach zwei Tagen zurück, einzelne schleppten sich noch 
eine Woche matt und elend hin. Der Tod erfolgte in den drei 
erwähnten Fällen, von der Einführung des giftigen Agens an ge¬ 
rechnet, bei einem 4 jährigen Kinde nach ungefähr 36 Stunden, 
bei einer 49 jährigen Frau nach 3 Tagen, bei der 34 jährigen Mutter 
des verstorbenen Kindes erst nach 5 Tagen. 

Begreiflicherweise erregte das Ereignis großes Aufsehen 
und führte zu polizeilichen Ermittelungen nnd znm Eingreifen 
der Staatsanwaltschaft. Die kreisärztliche Behörde erhielt offi¬ 
zielle Kenntnis erst mit dem Ersuchen um die Obduktion des 
erstgestorbenen Kindes, die 2 Tage nach seinem Tode oder 
3 Vs Tage nach Beginn der Erkrankung vorgenommen wurde, 
wählend bei der älteren Frau zwischen Tod nnd Sektion 1 V> Tage, 
zwischen dieser und Krankheitsbeginn 4Vs Tage lagen. Die dritte 
Frau wurde, weil der Fall gänzlich analog dem anderen lag, 
nicht obduziert. Sowohl ärztlich, wie gerichtlich wurden die Er¬ 
krankungen als Folge einer Vergiftung aufgefaßt; am wahrschein¬ 
lichsten war nach dem klinischen Bilde Intoxikation durch Arsen. 
Ich selbst hielt diese, als ich auf die Zeitungsnachrichten hin 
sofort medizinalpolizeilich recherchierte, nicht für unwahrschein¬ 
lich. Es konnte ja immerhin — da die Bäckereien vielfach unter 
Batten nnd Mäusen leiden — Arsenik verwendet und bei der 
Zubereitung der Backwaren mit Zucker verwechselt worden sein. 
Allerdings richtete ich mein Augenmerk bereits damals auf eine 
foudroyant verlaufene Massen-Infektion. Deshalb entnahmen wir 
bei der ersten Sektion gewissermaßen aus privatem Interesse 
Proben aus dem Dünn- und Dickdarm - Inhalt und von einer 
sanguinolenten, in der Bauchhöhle enthaltenen Flüssigkeit. Dieser 
Maßnahme war die Aufklärung der Angelegenheit zu danken. 
Die beiden Obduktionen ergaben nämlich, abgesehen von Pete¬ 
chien unter dem Herz- und Lungenüberzug und grünlich-gelb¬ 
lichem dünnen Darminhalt nichts Positives; eine Entzündung der 
Darmschleimhaut wurde beide Male vermißt; die chemische Unter¬ 
suchung sowohl der asservierten Leichenteile beider Verstorbener, 
als auch der bei dem Bäcker beschlagnahmten Ingredienzien fiel 
völlig] negativ ans. Dagegen wurden in den erwähnten drei 
Proben im Institut für Hygiene und Bakteriologie in Gelsenkirchen 
Paratyphus-Bazillen nacbgewiesen; aus einer mit der Bauchhöhlen- 



Paratyphas und Rechtspflege. 


49 


flüssigkeit geimpften Maas wurden ebenfalls Paratyphns-Bazillen 
gezüchtet. Es handelte sich also nm eine Nahrungsmittel¬ 
vergiftung durch den Paratyphus-Erreger, nm eine 
explosionsartig aufgetretene akutest verlaufene Paratyphns-Epide¬ 
mie, wie sie ja in den letzten Jahren mehrfach beschrieben worden 
sind (s. L. V.Nr. 1—8). Volle Bestätigung wurde dadurch erzielt, 
daß bei den nunmehr medizinalamtlich fortgesetzten Ermittelungen 
▼on 4 der Genesenen die spezifischen Erreger im Stuhl bezw.(lmal) 
im Urin gefanden wurden, und daß deren Blutproben hohe Agglu¬ 
tination (in einem Falle 1 : 500!) für Paratyphus zeigten. 

Aetiologmch war nun interessant, die lebende Infektionsquelle 
zu finden. Dabei stellte sich heraus, daß eine Krankenpflegerin 
m Hause des Bäckers wohnte, die mehrere Wochen bis zur Zeit 
des UnglückBtages an einer fieberhaften, nicht näher diagnosti- 
Berten Darmerkrankung mit starker Mattigkeit gelitten hatte, 
uchdem sie eine an bakteriologisch sichergestelltem Paratyphns 
erkrankte Fran gepflegt hatte, und daß sie einen positiven Widal 
(1: 50) für Paratyphus hatte; die Stuhl- und Urinproben waren 
allerdings bei der Pflegerin negativ, wie auch die ihrer Familien¬ 
mitglieder. Ferner aber wurde bei dem als Aushilfe tätig ge¬ 
wesenen Bäcker positiver Widal (ebenfalls 1: 50) für Paratyphus 
eruiert; auch hier fielen Fäzes- und Urinuntersuchungen negativ 
aus. Unter diesen Umständen muß es dahingestellt bleiben, ob 
eine von beiden Personen in letzter Linie die Masseninfektion 
verursacht hatte. Wenn der Bäckergeselle die Keime übertrug, 
dann möchte ich vermuten, daß die verwendete Milch als Vehikel und 
günstiger Nährboden für die Bazillen gedient hat (s. L. V. Nr. 9); denn 
sach der außerordentlichen Vehemenz der Vergiftung, nach den 
minimalen Dosen der genossenen Speisen muß man doch einen 
günstigen Nährboden und eine enorme Toxinbildung annehmen. 

Interessant erscheint mir neben der klinischen und epidemie- 
ologiscben Seite noch die rechtliche. Selbstverständlich mußte 
die Annahme einer Vergiftung im engeren Sinne eine Schuld des 
Bäckermeisters konstruieren lassen, die gerichtlichen Ermitte¬ 
lungen aber mußten darauf abzielen, das vermutete, wahrschein¬ 
lich mineralische Gift zu entdecken. Demgemäß wurden die 
polizeilich beschlagnahmten Reste der Backwaren und ihre In¬ 
gredienzien lediglich chemisch untersucht, nicht aber bakteriologisch. 
Die Auffindung von Paratyphusbazillen in Proben aus der Leiche 
war eigentlich einem Glücksumstand zn danken; denn in der oben 
angegebenen Zeit konnten eventuell schon die Bazillen abgestorben 
sein. Ja, was mir noch wichtiger scheint, die Obduzenten konnten 
im vorliegenden Falle leicht durch die bisherigen Vorunter¬ 
suchungen der Suggestion verfallen, es handle sich nm die 
Wirkung eines mineralischen Giftes; denn die Aufklärung der 
Sache erfolgte nur dadurch, daß sie die Forderung des § 9 der 
Vorschriften vom 4. Januar 1905 beachteten, „ebenso zu verfahren, 
wie wenn die Sektion aus rein ärztlichem Interesse unternommen 
würde,“ und daß sie gänzlich unabhängig vom gerichtlichen Ver¬ 
fahren weitere epidemiologische Nachforschungen anstellten. Ueber 



50 


Dr. Liebetrau: Paratjphua und Rechtspflege. 


die bakteriologische Untersuchung von Blut und Darminhalt ent¬ 
halten übrigens die Obduktionsbestimmungen nichts, während mi¬ 
kroskopische, chemische und biologische Prüfungen vorgesehen sind. 
Es liegt aber auf der Hand, daß ein negativer Ausfall der Sektion 
weder das Interesse der Rechtspflege, noch der Geschädigten, 
oder auch des in Verdacht eines strafbaren Verschuldens Ge¬ 
ratenen befriedigt. Der Jurist wird immer noch das Gefühl 
haben, es müsse doch ein Versehen seitens des Verkäufers vor¬ 
liegen, das man ihm nur nicht nachweisen könne. Ebenso wird es 
den Erkrankten bezw. ihren Angehörigen ergehen; der Beschuldigte 
aber ist von dem auf ihm ruhenden Verdacht nicht befreit und 
läuft, trotz etwaiger Einstellung des strafrechtlichen Verfahrens, 
abgesehen von der geschäftlichen Schädigung immer noch Gefahr, 
zivilrechtlich verklagt zu werden. Im vorliegenden Falle äußerte 
ich mich auf das Ersuchen um ein motiviertes Gutachten dahin, 
daß man medizinisch eine Schuldfrage nicht bejahen könne. Ich 
ging dabei von der Erwägung aus, daß man keinesfalls auch nur 
über Vermutungen bezüglich des Infektionsmodus hinauskommen 
könnte, daß man beispielsweise auch in Anbetracht der neuesten 
Forschungsergebnisse über die Ubiquität der Paratyphusbazillen 
(Uhlenhuth, Rimpauu. a.) mit der Möglichkeit rechnen müßte, 
solche seien etwa mit den fast immer vorhandenen Kuhexkre¬ 
menten (Renk) in die Milch geraten. Darauf wurde das Ver¬ 
fahren gegen den Bäckermeister eingestellt. Bei meiner Revision 
des Bäckereibetriebes konnte ich keine besonderen hygienischen 
Mängel finden. Damit ist natürlich nicht gesagt, daß bei der 
Herstellung der Backwaaren die peinlichste Sauberkeit gewaltet 
hat, im Gegenteil ist eben das Hineingeraten von offenbar doch 
reichlichen Mengen Paratyphuserregern verdächtig, wie ich über¬ 
haupt dem Betrieb in Bäckereien fast dasselbe Mißtrauen ent¬ 
gegenbringe wie demjenigen in Metzgereien. Zweifellos spielen 
bei den bakteriellen Vergiftungen durch Nahrungsmittel, die ja, 
wie gesagt, so häufig sind, manche unglückliche Zufälle mit, 
denen man auf gesetzlichem Wege nicht absolut sicher entgegen¬ 
wirken kann. Jedenfalls aber muß der Betrieb im Nahrungs¬ 
mittelgewerbe m. E. gerade auch mit Rücksicht auf die Infektion 
mit Paratyphus und den ihm nahestehenden Erregern im Wege 
der Polizei Verordnung aufs strengste überwacht werden, zu deren 
Ausführung allerdings auch hygienisch instruierte Exekutivbeamten 
gehören. 

Ich möchte die Wünsche, welche durch das Studium bak¬ 
terieller, meist von Paratyphusbazillen und ihnen verwandten 
Krankheitserregern hervorgerufener Nahrungsmittelvergiftungen 
angeregt werden, dahin zueam men fassen: Sogleich nach dem 
Bekanntwerden derartiger Erkrankungen ist zu den polizeilichen 
und richterlichen Ermittelungen der zuständige Medizinalbeamte 
zuzuziehen. Bei den Obduktionen, die mit besonderer Beschleuni¬ 
gung festgesetzt werden müssen, müssen auf jeden Fall die Ge¬ 
richtsärzte bakteriologische Proben entnehmen. Zur Prophylaxe 
von Nahrungsmittelvergiftungen sind strenge Polizei - Verordnungen 




Kleiner® Mitteilungen tmd Keferat« ans Zeitschriften. 51 

die fraglichen Gewerbebetriebe, insbesondere für Metzgereien 
Bäckereien nötig, deren Ausführung stAodig scharf zu über¬ 
gehen ist. Wenn dann im Falle einer bakteriellen Vergiftung: 

Gewerbetreibenden eine Uebertretung der gesetzlichen Vor- 
® c *\ r iften nachzuweiaen ist, wird auch die Möglichkeit, ihn straf» 
'. l °d zivilrechtlich zur Verantwortung zu ziehen, gegeben sein, die 
J®bzt meistens fehlt. 

Liter sturv er seic hsis; 

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N » «*< Jl « C ^ O J. «i ÄVTÜMttöVftÜiUVU WUl Ciuy« WVUIO vwqvi V VI KUVUUK» äü- 

0 u »ch»7*hrhBcli. ; Bd. H. 

2. Eollyr öei>CT eine MÄssenvergiftungocpidemio mit Bobnergemlisa 
' ooli «ad Bact. paratypbi B). Münchener mecL Wochenschrift; 1906 ( Nr.37, 

7 3. Levy und Fora et: N* h raugsmiüelwgjf tnng und P&ratyphus. 

^trilbkU ite Bakteriologie; Bdyäl, 

f 4, E mache«; Eine FieischvefgiUtuigs^pidemie in Berlin infolge In- 

p 0 feiöft ralt dem B*ct&?ium Par&typbl B. geiischrift föf Hygiene und In- 
ö *itiofl 8 VriiÄk]ieit 6 D 4 Bd. 55, H. 3. 

&ß: 5. Jacobson; üeber eine Epidemie von Ftefe<&wgifrung im Daten 

Berliner kiin. Wochenschrift; 1307, Nr< 1% 

► 6 . Fromme.' Ueber eine Fleischvergiftung durch Puratypbas B. 

***foibl$fct m Bakteriologie; Bd. 48» H, 8 , 

^ 7. Bi0f m afi «4 Pteischvefgiftong und Widalsche Reaktion. Münchener 

*<a*d. Wo&zw&ntt; im< ff?,A 

_ 8 . Wscbhölz: Eine Kasuistik der sogenannten Fleischvergiftungen, 

r «*d. Klinik; m 8 ; m 32 . 

9. Kerstan: Ueber die Haltbarkeit der Diphtherie- nnd ParatyphttaR- 
[Odilen in dtt UilcL Arbeiten »ea Ö«m Kaiserlichen Gesundheitsamt ; 1909, 


Ver- 

saneion 

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Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 

A earlofcOIohs MadlÄ 

üeber den Wert des Ohloralbydr&ts für pathologisch - anatomische 


****4 tofeAliberapeatiscbe Zwecke* Von Prot i)r, A. Heil er ln Kiel. Mfin- 
^«euej xaed. Wochenschrift; 1909, JNr. 47. 

Terfkffaer hat die Harke Fähigkeit des Chlof«lfe>’d>at^» hble Qvtbc he 
safstören, ohne aelhat einen hervorragend*?!* Geruch zu 
Ä fc-btf«, seit ca. 30 Jahren Im patfeslogiachen iBHitutwweriet. So werden 
JIüö zur Demonstration frisch aalsubewshroadon Präparate 1« 5proz. Chi oral- 
draüösnng shgespttlt, b mit derselben .Utetjog getr&nkie Tdcfeer ebgeschlsgen 
^4 in auf drei Faßen siebenden, siebartig 4archl»chertfin Eimern ittlbewabrty 
wiederum in mit Deckeln rer«ebenen Eixnem atehoö, b woichon tuch alle 
^^aickomde FiasaigkMt ansammelt. Auf diese Weise halten sich die Präparate 
gut; ?or der Demonstration werden sie nochmals mit der ObWAlbydrat- 
abgcspnit. Besondere wertvoll Ist dl« desodorierende Wirkung des 
orais ftfer db Hände, die oft nach Sektionen von Lolchen mit jauchenden 
r£^«e**e», wie Perfmibn^peritonUb tu drgi. ksam gerochfrei gemacht worden 
Werden m oacb gffttrdBdbem Seifen und Ähtrocknen nochmals mit 
mäSigoa Menge 5prö*. OhloraibydraU5söng grhncUich Äbgorieheo, wobei 
besonöers mit den N^guln apf den Handfläche coergiech hin und her- 
wo#, um die Lösung auch unter die Hügel cu bringen, so worden sie 
ö äXig geruchfrei. s 

Auch Haare und Bart, welche oft hartn&ckig öhle Goröohe feathaiten 
«r<lei» durah Waschen mit dev Lbeung geruchfrei. 

Drs Besonders wertvoll ist das Cbforalbyerut nach fUr gefcrocknotO Knochen- 
St 41» fast immer anaugenehrn rteeben und bei feuchter WUternnfr 

1 PiUhQdttog ae/gew. Läßt man dlo Knochenpräparate nach Fertig. 

1^*4ung und völliger T/ocknnng ftinen-9?gg oder länger m öprox;. Ghlorälbydm- 
legen und dann trocknen, ohne sie noch einmal absusptll»«, so blrih^n 


ft «te.L 

ja exten 


das Stadio® _ 
ihne« 

aJttelverir*« 1 ^ 
)glei«>» | ia<7 ^ ,-jgF 
, d^o P^'f^ __ 


dauernd geruch- und pünfrei. 



52 


Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


Um die für die Untersuchung frischer tierischer Präparate nötige phy¬ 
siologische Kochsalzlösung bakterienfrei za halten, hat Verfasser bereits früher 
schon Zusatz von Chloralhydrat empfohlen; es schlitzt vor Bakterienentwick- 
lang völlig, leider nicht gegen Algen und Hefepilze. Verfasser setzt jetzt 
17« Proz. zu; stärkerer Zusatz würde auch die Entwicklung der genannten 
Pilze hemmen, doch scheint er den Zellen nachteilig za sein; l 1 /« Proz. ist für 
die tierischen Gewebe ohne Nachteil. Aach zur geruchlosen Konservierung 
von Leichen, welche noch tagelang bis zar Beerdigung stehen bleiben sollen, 
hat sich Chloralhydrat bewährt. 

Aber nicht nur für die pathologische Anatomie, sondern auch am 
Krankenbett hat sich Chloralhydrat, abgesehen von seiner hypnotischen Eigen¬ 
schaft, vielfach bewährt, so bei Rachenentzündungen, bei Nasenerkrankungen, 
bei chronischer Laryngitis, bei ulzeröser Stomatitis usw. 

Dr. Weibel-Kempten. 


Oie Vergiftung durch Gemüsekonserven in gerichtlich- medizinischer 
Hinsicht. Von Or. Gutekunst in Weinsberg. Vierteljahrsschrift für ge¬ 
richtliche Medizin usw.; III. Folge, Bd. 38. 

Oer mehr und mehr sich steigernde Konsum von Gemüsekonserven 
einerseits, das Vorkommen von Massenvergiftungen anderseits — es sei an die 
Massenvergiftungen durch Bohnengemüse in Darmstadt 1904 und in Leipzig 1906 
erinnert — lassen es gerechtfertigt erscheinen, daß die Öffentliche Gesundheits¬ 
pflege diesem Industriezweig eine erhöhte Aufmerksamkeit zuwendet. Außerdem 
kommt der Frage der Gemüsekonservenvergiftungen auch eine nicht un¬ 
wesentliche gerichtlich- medizinische Bedeutung zu insofern, als es sich im 
gegebenen Fall darum handeln kann, ein strafbares Verschulden des Fabrikanten, 
des Verkäufers oder gar — z. B. bei Verwendung in öffentlichen Lokalen, in 
Pensionaten — des Inhabers der betreffenden Institute nachzu weisen. 

Von den Konservierungsmethoden, die das Interesse des Arztes am 
meisten beanspruchen, kommt vor allem die Konservierung durch Luft¬ 
abschluß, daß sogenannte Appertsche Verfahren in Betracht, bei dem 
die zum Bakterienwachstum erforderliche Menge freien Wassers vorhanden ist. 

Hinsichtlich der Art der Stoffe, die zu einer Schädigung der Gesundheit 
führen, haben wir 2 Arten von Giftstoffen zu unterscheiden: 1) metallische 
Gifte (Zinn und seine Legierungen mit Blei, Zink und Kupfer); 2) organische 
Gifte, Toxine, welche als Stoffwechselprodukte der Bakterien in den Konserven 
durch Zersetzung der Gemüse gebildet werden. 

Was die Vergiftungen durch Metalle anlangt so kommt Gutkunst 
durch seine Erörterungen zu dem Schluß, daß diesen bei einer rationell an¬ 
gewandten und den gesetzlichen Bestimmungen entsprechenden Technik der 
Konservenfabrikation keine zu große gerichtlich- medizinische Bedeutung 
beizumes8en ist. 

Dahingegen beanspruchen eine weit höhere Beachtung die Vergiftungen 
durch Toxine, indem diese durchaus geeignet sind, Gesundheit und Leben 
der Menschen im hohem Maße zu gefährden. Ueber die Spezies der betreffenden 
Bakterien sowie über ihre biologischen Eigenschaften sind die wissenschaftlichen 
Forschungen leider noch zu keinem eindeutigen Resultat gelangt. 

Was die Frage nach den Merkmalen verdorbener Konservendosen anlangt, 
so vermag man sie zumeist an den nachstehenden Zeichen zu erkennen: 

a) Deckel- und Bodenstück der Büchsen sind durch Gasbildung vor- 
gewOlbt (sogenannte Bombagen). 

b) Beim Oeffnen solcher Bombagen entweicht übelriechendes Gas; 
zwischen der Konserve findet man Schaum und Gasblasen. 

c) Geschmack und Geruch können eigenartige und Übel sein. 

Beim Krankheitsbild der Vergiftung durch Konserventoxine stehen 
stürmisch einsetzende, mit Fieber verbundene, heftige Darmerscheinungen im 
Vordergrund; zuweilen tritt Erbrechen ein, selten sind nervöse Symptome, 
Sehstörungen, Schlingbeschwerden, Krämpfe, wie solche namentlich bei der 
Fleisch-, Fisch- oder Wurstvergiftung beobachtet werden. 

Manche Vergiftungen durch Gemüsekonserven wird es übrigens geben, 
die infolge unglückseliger Verkettung aller möglichen Zuhfllle ärztlich als 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


53 


Unglücksfälle aufgefaßt werden müssen, bei denen das Heransllnden des 
Schuldigen anßerordentlich schwer sein dürfte. 

Ganz zweckmäßig erscheint zur Einschränkung der Gemüsekonserven- 
rergiftungen die Forderung des Verfassers, jeder Konserve eine Gebrauchs¬ 
anweisung beizugeben, welche die genauen Kriterien der Verdorbenheit und 
zugleich eine Anleitung zur richtigen Zubereitung der Konserven erhält 

_ Dr. Hillenber g-Zeitz. 

Ueber Chinintod. Von Dr. G. Ba er mann. Aus dem Zentralhospital, 
zu Petoemboekan (Sumatra-Ostküste). Münchener med. Wochenschrift, 1909 
Nr. 45. 

Verfasser bespricht zunächst die leichteren, meist schnell vorüber- 

C enden und die glücklicherweise relativ selteneren schweren Nebenwirkungen 
Chinins; berichtet dann über einen Fall von plötzlichem Tod nach Dar¬ 
reichung von 2 Dosen Chinin von je */ 2 g hei einem scheinbar kräftigen 
Qnnesen, welcher an zweitägig auftretender Malaria litt. 

Patient erhielt nachmittags 3 Uhr */» g Chinin, hydrochloric. in LOsung. 
An nächsten Morgen Heber- und parasitenfrei. Morgens eine erneute Gabe 
m */• g Chinin, die jedoch sofort ausgebrochen wurde. Da Erbrechen nach 
Chinin keine Seltenheit, erhielt Patient nachm. 3 Uhr nochmals 1 / t g Chinin, 
las er nicht erbrach. Nach */» Stunde begab sich Patient nach dem Bade* 
raum; hier kam es plötzlich zu einem enormen Schweißausbruch, der Pa¬ 
tient stürzte lautlos zusammen. Aus der Nase lief in reichlicher Menge 
frisches, hellrotes Blut. Patient erholte sich ziemlich rasch aus seiner Ohnmacht, 
konnte jedoch keine präzisen Antworten geben. Die Nasenblutung stand auf 
Tamponade. Nach etwa 3 Stunden erfolgte plötzlich ein Blutstuhl von 
’/t Liter frischem Blut. Puls klein und weich. Kochsalzinfusion und Adre- 
malin 1:1000. Während, d. h. schon im Beginn der Infusion, entstanden unter 
den Augen des Beobachters pfennig- bis kinderhandgroße Suggilationen unter 
der Oberhaut, die sich flach vorwOlbten. Gleichzeitig entstanden Blutungen 
unter der Conjonctiva, in die Wangenschleimhaut; Patient erbrach ca. */< Liter 
frisches Blut und hustete schaumiges Blut aus. Puls immer kleiner und fre¬ 
quenter. Aua dem After entleerte sich fast ein Strahl etwa */* Liter frisches 
Blut. Gleichzeitig wurde der Puls unfühlbar; es trat Exitus ein. Die sofort 
vorgenommene Sektion ergab mehr oder weniger starke Blutungen in alle 
Organe des Körpers zum Teil mit Unterwühlung und Auseinanderdrängung 
der Gewebe. Außer den Organblutungen waren alle Organe normal. 

Der klinische Verlauf, die Blutuntersuchung, die Sektion lassen in 
diesem Falle eine nicht erkannte Erkrankung sicher ausschließen; die be¬ 
stehende Malaria tertiana kann wohl nicht ernstlich als Ursache heran¬ 
gesogen werden. Eine besondere Giftigkeit des Chinins oder eine Verwechslung 
oder Ueberdosierung ist absolut ausgeschlossen. Es kann somit bei objektiver 
Betrachtung des vorliegenden Falles der Grund für die akute schwere 
Schädigung der Kapillaren und kleinsten Arterien des ganzen Körpers nur 
in einer hochgradigen Idiosynkrasie des betr. Individuums gegen Chinin gesucht 
werden. Dr. Wai bei -Kempten. 


Ein Fall von kombiniertem Selbstmord durch Kopf hiebe, Erwürgen 
und Ertrinken. Von 8tabs- und Bataillonsarzt Dr. C. M6rrem-Königsberg i. Pr. 
VierteljahrBSchrift für ger. Med. usw.; 3. F., Bd. 38, S. 237. 

Ein Pionier, der als Absperrungsposten bei einem Schießplätze stand, 
hatte anscheinend durch Unachtsamkeit einen Waldbrand verursacht; auf 
oine Fran, die er zur Wache um Hilfe sandte, machte er einen aufgeregten, 
wilden Eindruck. Die Wache fand ihn nicht mehr an seinem Posten. Als er 


auch am nächsten Morgen noch ausblieb, wurde er gesucht. Man fand seine 
Leiche in dem Wäldchen, an dessen Saum sein Posten gewesen war. Sie lag 
in einer Wasserlache von 2 m zu 60 cm ausgestreckt, das Gesicht nach 
unten an einer knöcheltiefen Stelle. Bekleidet war sie mit der Uniform, nnr 


der Waffenrock, die Drillichjacke, der Helm und das stark blutige Seiten¬ 
gewehr lagen in der Nähe. Nichts wies auf fremde Täterschaft hin; auf dem 
Woge zur Fundstelle lag sogar in einer Lichtung das aufgeschlagene Notiz- 


64 


Kleinere Mitteilungen and Beterste aas Zeitschriften. 


Der aalfälligste Obduktionsbefund war eine Verletzung der Kopfhaut über dem 
Stirnbein, bestehend in mehreren der Pleilnaht and unter einander paralleles 
Schnitten, z frischen denen bis zu 1 cm breite Hantstriemen gebildet waren. 
Die Knochenhaut war stellenweise durchtrennt, der Knochen nur ganz ober¬ 
flächlich geschrammt. Diese Verletzungen waren durch Hiebe mit dem Seiten¬ 
gewehr entstanden. Es landen sich aber ferner noch Stichverletzongen an der 
Stirn, dem Hinterkopfjund an der Brust. Bei den Brastyerletzungen entsprachen 
dem einfachen Einstich 3 getrennte Löcher in der Interkostalmnskulatur, ein 
Befund, der fast ausnahmslos beim Selbstmorde yorkommt. Ferner waren 
neben dem Kinne Nägelabdrttcke sichtbar; die Halsabdrflcke waren auf 
beiden Seiten blutig durchsetzt. In der Lunge und im Magen fanden sich 
Wasser und Schmatz, auch Pflansenbestandteile aus dem TttmpeL Wahr¬ 
scheinlich erfolgten die Verletzungen in folgender Reihe: Bruststich, Stiche, 
später Hiebe Aber den Kopf, Erwürgungsversuch, Ertränknng. Verfasser stellt aus 
der Literatur sämtliche Fälle yon Selbstmord durch Kopfhiebe zu¬ 
sammen, fttr die als besonders charakteristisch gelten: die sagittale und unter 
einander parallele Richtung mehrerer, grappenförmig liegender, meist an der 
Stirn lokalisierter und wenig tiefer Schnittwunden. Schädelbrüche sind selten. 
Die Kombination mit anderen Selbstmordversuchen ist nicht ungewöhnlich. Der 
Selbsterwürgung8verBUch im mitgeteilten Falle aber ist besonders bemerkens¬ 
wert. Priv.-Doz. Dr. P. Fraenkel-Berlin. 


Die Erzeugung einer schweren Hämatose durch Läsion der Nasen* 
Scheidewand. Von Dr. Rücker, Anstaltsarzt der Strafanstalt Werden (Ruhr). 
Münchener med. Wochenschrift; 1909, Nr. 45. 

Verfasser teilt folgenden Simulationsversuch mit: Ein hysterisch 
Degenerierter hatte eines Abends scheinbar eine große Menge Blut erbrochen. 
Verfasser fand den Patienten sinnlos betrunken im Bett vor; er hatte 
eine erhebliche Menge Politur als Abendtrank genoßen und über 2 Liter 
blutige Flüssigkeit, in der große Blutgerinsel schwammen, ausgebrochen. In 
den nächsten Tagen wiederholten sich diese Hämatosen in bedrohlicher Weise, 
so daß Patient wiederholt reine Blutmengen yon 1 bis 1 */• Liter erbrach und 
vollständig aasgeblatet erschien. Zunächst nahm Verfasser die Diagnose auf 
Ulcus an und dachte auch an Schellackstein als Folge des Politurtrinkens. 
Der Verlauf der Krankheit machte jedoch Verfasser mißtrauisch; es gelang ihm 
schließlich, Patienten zu dem Geständnis zu bringen, daß dieser sich, mit dem 
wohlgepflegten Fingernagel hoch oben an dem Nasenseptum eine Rißwunde bei¬ 
brachte, das Blnt alsdann bei stark hintenüber geneigtem Kopfe durch den 
Rachen in den Magen fließen ließ und dasselbe dann wieder ausbrach. Bei 
der darauf folgenden Untersuchung fand Verfasser beiderseits hoch oben am 
8eptum schmierig belegte Ulzerationen. Aehnliche Ulzerationen fand Verfasser 
noch bei zwei anderen, an Blntbrechen leidenden Gefangenen, welche für ihren 
kranken Magen Krankenkost haben wollten. 8eit dieser Feststellung 
ist in der Gefangenen-Anstalt kein ähnlicher Fall mehr beobachtet worden. 

Dr. W a i b e 1 - Kempten. 


B. Geriohtlfohe Psyohlatrle. 

Zar pathologischen Histologie des Deliriums tremens. Von Dr. 
Allers, gew. klinischen Assistenten an der psychiatrischen Klinik in Prag 
(Prof. A. Pick). Monatsschr. für Psychiatrie; Band 26, Heft 6. 

Allere kommt in seiner Arbeit zu folgendem Ergebnis: Bei Delirium 
tremens findet sich nicht nur der bereits von Kürbitz beschriebene Mark¬ 
scheidenzerfall im Kleinhirn, besonders im Wurm, sondern auch ein sehr aus¬ 
gesprochener in den Fasermaschen, welche in den Globus pallidus eintreten. 

Die Fibrillenbilder aus der Großhirnrinde haben nichts Charakteristisches. 

Dagegen weisen die Pnrkinjezellen eine bei den Kontrollfäden nicht ge¬ 
sehene Veränderung auf; ihr Kern ist dunkel, das Zellinnere mit zackigen 
Krümeln erfüllt, die anscheinend aus dem Zelleib hervorragen. Die Zellfort- 
sätse sind fibrillenarm, manchmal yon Schollen erfüllt. Der perizeünläre Korb 
besteht aus dicken, knotigen Fibrillen, die in geringerer Anzahl als normal 
vorhanden sind. Eine Deutung dieses Befundes ist bislang unmöglich. 

Dr. Többen-Münster. 




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56 


Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


logischen Charakterveranlagung darstellen, and die sich nach der Art Ihrer 
Entstehung and nach ihrem Verlauf von dem manisch - depressiven Irresein, 
der Dementia praecox und der Epilepsie abgrenzen lassen. Während in den 
meisten Veröffentlichungen der letzten Zeit die in den Gefängnissen enstandenen 
Formen der Entartungspsychosen behandelt wurden, bespricht der Verfasser 
in der vorliegenden Arbeit Fälle, welche entweder überhaupt nicht kriminell 
geworden sind oder doch in keinem Zusammenhänge mit der Gefängnisstrafe 
stehen. Auf Grund seiner Erfahrungen kommt Luther zu dem Ergebnis, daß 
man bei dem degenerativen Irresein einmal die rein psychogen entstandenen, 
durch pathologische Reaktion auf überstarke Reize charakterisierten Formen, 
und zweitens diejenigen zu unterscheiden hat, bei denen deutliche periodische 
Stimmungsanomalien das hervorstechendste Symptom sind. 

Dr. TObben-Münster. 


Hypergeusia senilis. Von Dr. Wern. H. Becker, Arzt an der Landes¬ 
irrenanstalt Weilmünster in Nassau. Monatssch. für Psychiatrie; Bd. 86, H. 6. 

Eine im hohen Alter auftretende Hypergeusia, die sich hauptsächlich 
in dem starken Trieb, die Geschmacksqualitäten „8alzig“, „Sauer“ und „Bitter“ 
durch „Süß“ zu korrigieren, äußert, ist eine verhältnismäßig seltene Erscheinung. 
Sie ist zu vergleichen teils mit der Hypergeusie Hysterischer und Neurastheni- 
scher, teils mit dem Pruritus senilis, vielleicht auch mit der pathologischen 
Libido senilis. Dr. T Ob b e n - Münster. 


Zur Frage der Behandlung der unruhigen Geisteskranken. Von 
Prof. Dr. Gustav Wolff, Direktor der psychiatrischen Klinik in Basel. All¬ 
gemeine Zeitschrift für Psychiatrie; 66. Bd. 

Der Verfasser vertritt in seiner Arbeit die Auffassung, daß man bei 
aller Anerkennung des „Non Bestrahlt- Systems“ sich davor hüten müsse, den 
Zwang als eine Behandlungsart anzusehen, die überhaupt nicht angewendet 
werden solle. Von diesem Gesichtspunkt ausgehend, schlägt er für Fälle, „ln 
denen andere Behandlungsmethoden nicht zur Verfügung stehen oder versagen 
oder kontraindiziert sind“, ein besonders konstruiertes Schutzbett vor. 

Wenngleich Referent nicht berufen ist, die zweifellos auf gründliche, 
praktische Erfahrung so gegründete Anschauung des Baseler Klinikers zu 
kritisieren, so glaubt er dennoch der Ansicht Ausdruck geben zu dürfen, daß 
die von Conolly mit so beispiellosem Erfolge inaugurierte freie Behandlung 
der Geisteskranken sich auch ohne die durch die „8chutzbetten“ geschaffene 
Einschränkung durchführen läßt. _ Dr. T 0 b b e n - Münster. 

O. Bakteriologie, Infektionskrankheiten und öffentliches 

Sanltätswesen, 

1. BekAmpfong der Infektionskrankheiten 
a. Bakteriologie und Infektionskrankheiten im 

allgemeinen. 

Ueber wiederholte Erkrankungen an Infektlenskrankheiten. Von 
Dr. J. Widowitz, Kinderarzt in Graz. Wiener klinische Wochenschrift; 
1909, Nr. 46. 

Keine dauernde Immunität verleiht das Geberstehen von Diphtherie, 
Strepto- und Staphylokokkeninfektion (Angina follicularis, Rheumatismus arti- 
cularis), Erysipel und Influenza. 

Scharlach verschafft in den meisten Fällen dauernde Immunität; wieder¬ 
holte Erkrankungen kommen zweifellos vor. 

Keuchhusten verschafft stets Immunität bis zu einem gewissen Alter 
(ca. 80. Lebensjahr); nach diesem scheinen jedoch Wiederholungen nicht selten 
zu sein. Die meisten Keuchhustenkranken gewinnen lebenslängliche Immunität. 

Masern, wahrscheinlich auch Rüthein, Schafblattern und Mumps verleihen 
dauernde Immunität. Dr. D o h r n - Hannover. 


Ueber Serumbehandlung und ihre Gefahren. Von Dr. E. Scheide¬ 
mandel, Sek.-Arzt des städtischen Krankenhauses Nürnberg. Münchener 
med. Wochenschrift; 1909, Nr. 48. 



Kleinert. Mitteilungen und Referate aoa Zeitschriften. 


57 


Verfasser berichtet über einige teils selbst beobachtete, teils literarische 
Fälle, in denen nach wiederholter Anwendung größerer Serommengen schwere 
Reaktionen mit bedrohlichen Lokal- and Allgemeinerscheinungen bezw. Kollaps- 
zoständen zar Beobachtang gelangten. Ohne die Nachteile der Sernmbehand- 
lang überschätzen za wollen, möchte Verfasser zur Vorsicht mahnen bei der 
wiederholten Anwendung größerer Serammengen spezifischer and nicht spezi¬ 
fischer Natur, wie sie mit Enthusiasmus in der letzten Zeit gegen alle mög¬ 
lichen Erkrankungen in höchst differenten Verabreichnngsformen — intravenös, 
lumbal, peritoneal — angepriesen werden. 

Die neueren Forschungsergebnisse über Serumgiftigkeit 
und Serumüberempfindlichkeit scheinen noch zu wenig be¬ 
kannt zu sein. Es ist daher zu befürchten, daß man in Unkenntnis der¬ 
selben dem Patienten mehr Schaden wie Nutzen zufügt. 

_ Dr. Waibel-Kempten. 


Ela Vorschlag zur besseren Beschaffung von Versuchstieren. Von 
Prof.Dr. Friedberger -Berlin. Deutsche med. Wochenschrift; 1909, Nr. 44. 

Fr. schlägt, um dem seit Jahren fühlbaren Mangel und der weiteren 
Preissteigerung von Versuchstieren zu begegnen, vor, daß ein staatliches 
Zscbt - Institut gegründet wurde, von wo als Zentralstelle das Material zum 
Selbstkostenpreis geliefert werden soll. Damit wäre die Garantie geboten, 
dafi nicht schon irgendwie benutzte Tiere zum zweiten Male Verwendung 
finden, und daß immer die geeignete und eventuell für gleiche Versuche an 
verschiedenen Institnten die gleiche Sorte geliefert würde. (Vielleicht könnte 
auch ohne Schädigung der wissenschaftlichen Forschung der Konsum etwas 
beschränkt werden. Denn bisweilen scheinen besonders taten- und schreib¬ 
lustige Bakteriologen einen nicht gerade notwendigen Gebrauch von Versuchs¬ 
tieren zu machen, um „neue“ Bazillen zu entdecken. Ref.). 

Dr. Liebetrau-Hagen i. W. 


b. Pocken und Schutzpockenimpfung. 

Ueber den Komplementbindungsversuch bei Variola rera. Aus der 
med. Hochschule zu Osaka. Von Prof. T. Sugai. Zentralblatt für Bakteriologie; 
L Abt., Orig.- Bd. 49, H. 5. 

Sugai wies nach, daß das Blutserum von Pockenkranken sowohl mit 
dem P astelinhalte echter Blattern wie auch mit Kuhpockenlymphe das Phä¬ 
nomen der Komplementablenkong gibt. Ebenso verhält sich das Serum vakzi¬ 
nierter Personen. 

Er sieht in den Ergebnissen seiner Untersuchungen einen neuen Beweis 
flr die Identität des Erregers der echten Blattern mit dem Vakzinevirus. 

Prof. Dr. Lentz-Berlin. 


Zur Desinfektion und experimentellen Therapie bei Vakzine. Von 
Friedberg und Yzmamoto. Zentralblatt für Bakteriologie; I. Abt., 
Referate, Bd. 44, Beiheft. 

Die Verfasser haben käufliche Glyzerinlymphe in lOfacher Verdünnung 
mit Kochsalzlösung mit verschiedenen Desinfektionsmitteln versetzt und dann 
nach verschiedenen Zeiten durch Verimpfung anf die Cornea von Kaninchen 
eioe Prüfung auf Ablötung des Virus vorgenommen. Während l°/ooige 
Lösungen von Wasserstoffsuperoxyd und Salizylsäure and 1 °/° ige Lösungen 
von Phenol- and Zy&nwaeserstoffs&are, sowie gesättigte Chloroformlösung selbst 
in 18 Standen das Vakzine virus nicht abzutöten imstande waren, waren 
l*/ooigo* Sublimat und Formalin undlo/oiges Antiformin, Solanin und Saponin 
schon in */t Stande wirksam. Bei praktischen Zimmerdesinfektionsversnchen 
mit einem Flüggeschen Formalinapparat wurde das in Seidenfäden ange¬ 
trocknete Vakzineviros bereits in 20 Minuten abgetötet. Anfallend stark war 
bei Belichtung mittelst Sonnenlichts die Wirkung von Methylenblau, Eosin 
und ganz besonders von Nentralrot. Von letzterem tötete schon eine Ver¬ 
dünnung von ‘/io i oo o«o das Virus in 7 Standen ab. Zu therapeutischen Ver¬ 
suchen wurden nun Kaninchen auf beiden Hornhäuten, sowie anf durch Kalcium- 
hydrosulfit von den Haaren befreiten Hautflächen auf beiden Seiten des Körpers 



58 


Kleinere Mitteilungen und Referate au Zeit 


geimpft. Es erfolgte dann eine Behandlung mit Neutral 
einen Seite die infizierten Stellen dunkel gehalten, auf < 
gegen belichtet worden. Es ergab sich hierbei, daß i 
Behandlung mit Nentralrot 1:10000, 15 Minuten nach 
wandt, den Aasbrach der Vakzine auf der belichtete 
während sie sich auf der dankelgehaltenen Seite voll ent 
die roten Strahlen an sich den Heileffekt bedingten, bew 
bei dem die infizierten Stellen mit einem Babinglaee bed 
gesetzt worden. 

Ein Versach mit Argen tarn nitricum ergab, daß ta 
triafelongen von 1 /t°/oigen Lösungen auf das infiziert« 
der Kornealinfektion verhüten, wenn spätestens 1 Sturn 
mit den Einträufelungen begonnen wird. Prot I 


Tarlolavakstne« Von Prof. Dr. V oigt in Hai 
Wochenschrift; 1909, Nr. 87. 

Die Frage der Umzüchtnng von Variola zur V 
wissenschaftlich, sondern aach praktisch außerordentlich 
beantwortet wurde sie bisher vorwiegend von französi 
dings erst wieder von Kelsch, dem Chef des französi* 
behauptet, daß es sich bei den anscheinend gelungenen V 
auf Binder um zufällige Stallinfektionen mit Vakzine ai 
stellen handle. Demgegenüber weht Verfasser auf di 
Versuche an deutschen Impfanstalten mit positivem Erf 
der Variolapusteln erfolgt langsamer als die der Vakzine] 
sie werden größer als diese. Die Virulenz ist eine i 
so daß der Impfstoff höchstens von der dritten Generat 
darf. Auf der anderen Seite wird aber eben durch die 
sine erzeugt, die sehr wertvoll ist zur Gewinnung n< 
wie sie weder durch Betrovaksine noch durch Passage 

Dr. Liebetr 


Einige Modifikationen bei der Darstellung und 
ner Lymphe« Von L. Camus. Comptes rendus de 1 
1909, Nr. 86. 

Alle Versuche, trockne Vakzine herzustellen, di 
der Ministers des Krieges, der Marine und der Kolonie] 
befriedigten niemals vollkommen; man bedient sich dal 
entweder der Glyzerinlymphe, die besonders vorsichti 
muß, oder solcher Lymphe, die von Tieren der betreffe 
Wonnen wurde. 

Das Studium der Ursachen, die die Wirksamkeit 
veranlaßte den Autor sich einerseits mit der Technik d 
seits mit der Art der Aufbewahrung der Lymphe zu 
Margotta, Livius Fürst hatten bereits Vakzine im 
säure oder in einem Strom heißer Luft getrockn 
dagegen die Lymphe trocken zu erhalten durch sehne 
wenig erhöhter Temperatur, etwa bei 15°. Die Pulp 
auf eine große Oberfläche ausgebreitet, eine große, 1( 
glocke kam darüber, in welcher Schwefelsäure vei 
Stunden war die Lymphe, die vor Licht geschützt vri 

Das Pulver warde in Glasröhrchen gebracht, 
dann verschlossen wurden. Durch ein Staniolblatt voi 
sie in einem zweiten Glase aufbewahrt. 

Um die Dauerhaftigkeit der Präparate an erhft 
Berücksichtigung der neueren Arbeiten über die W 
Austrocknung eine Mischung der Pulpa mit einer G 
Er bediente sich einer Lösung von lOpr 
gummi, die vorher sterilisiert war, und gab die 
So entstanden dauerhafte Emulsionen. 

Im Laboratoriumsvereuche war die so gewon 
Blättchen aufbewahrte Lymphe weniger wirksam, ai 



Kleinere Mitteilungen and Referate aas Zeitschriften. 


59 


sie aber den Transport von Paris nach dem Sudan ohne besondere Vorsichts¬ 
maßregeln, trotz der heißen Jahreszeit, vertragen, and nach ihrer Ankunft in 
Franz.-Guinea dem Dr. Joyeux bemerkenswerte Erfolge ergeben hat, so 
ist ihr immerhin ein bestimmter Wert zozasprechen. *) 

Dr. Mayer-Simmern. 


Impfnng mit getrockneter Lymphe ln heissen Ländern. Von 
C. Joyeux. Comptes rendus de la soc. de biol.; LXVII, 1909, Nr. 85. 

In den Tropen stößt der Transport von Impfstoff aaf große Schwierig¬ 
keiten. Wärme and Licht sterilisieren die Lymphe; selbst wenn die Taben In 
einem Bananenstamm antergebracht sind and dieser sich in einem dauernd 
leucht gehaltenen Kasten befiadet, selbst wenn der Transport darch einen 
schnellen Träger erfolgt, kommt die Lymphe za dem im Innern weitab tätigen 
Arzte nur in mäßig gntem Zustande an. Der Antor, der in Französisch - Guinea 
als Eingeborenen-Arzt tätig ist, bediente sich nun versuchsweise 1907 and 
1909 getrockneter Lymphe, die ihm von Dr. Camus, vom Institut superieur 
de vaccine auf gewöhnlichem Wege, ohne besondere Vorsichtsmaßregeln, aas 
Frankreich zugesandt worden war. Die Lymphe vom Mai 1907 wurde 4 Mo¬ 
nate später an 45 Kindern and 2 Ziegen angewandt and ergab nur negative 
Beaoltate; es bestand keinerlei Virulenz. 

Der zweite Versuch wurde im Febraar 1909 mit Lymphe gemacht, die 
in der heißesten Jahreszeit einen Monat zum Transport gebraucht hatte and 
die mit Gummi gemischt worden war. Zwei Röhren enthielten gepulverte 
Lymphe, zwei andere Lymphe in Blättchen. 

Das Ergebnis war mit Rücksicht aaf die geringen Vorsichtsmaßregeln 
beim Transport kein ungünstiges. Die erhaltenen Pusteln waren 
kleiner und regelmäßiger als mit frischer Lymphe; Lymphangitis und 
andere Komplikationen fehlten. Bei der frischen Lymphe dürfte, 
nach Ansicht des Autors, die Zahl der adventitiellen Keime eine größere sein; 
die Möglichkeit sekundärer Infektionen sei dadurch eher gegeben. 

Positive Ergebnisse, die durch Kontrolle mit anderer Lymphe nach¬ 
geprüft wurden, fanden sich bei 71 ,j /o der Erstimpflinge; 89°/ 0 dagegen zeigten 
Papeln mit kleinen Pusteln oder kleine Pusteln oder typisch genabelte Pusteln. 

Als Stammlymphe kann die trockene Lymphe nicht dienen; sie kann 
aber dem isoliert, an unzugänglichen Stellen wirkenden Arzte wertvolle Dienste 
leisten. Dr. M a y e r • Simmern. 


c. Masern and Röteln. 

Bakteriologische Untersuchungen bei Masern. Von Dr. Alexander 
Lorey. Aus dem neuen allgemeinen Krankenhause Hambarg• Eppendorf. 
Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten; Bd. 63, S. 185. 

Bei seinen auf Schottmüllers Veranlassung an masernkranken 
Kindern vorgenommenen Untersuchungen fand Lorey, daß gerade Erysipel¬ 
kokken es sind, die die häufigste Ursache von Komplikationen im Verlauf der 
Masern darstellen und die Patienten mehr gefährden, als die Masern selbst. 
Namentlich der Befand nennenswerter Mengen von Streptokokken in den 
Rachenorganen ist für eine Sekundärinfektion beweisend und trübt die Pro¬ 
gnose. Züchtung von Streptokokken aus dem Blute läßt fast immer mit einem 
Exitus letalis rechnen. Die primäre Ansiedelungsstätte ist in der Regel die 
Schleimhaat der oberen Luftwege. Den bei einer Reihe von Kindern beob¬ 
achteten Pseadokrupp will Verfasser als Pneamokokkeninfektion deaten. Zur 
Untersuchung bediente L. sich ausschließlich der Schottmüllersehen Blut- 
agarplatte und größerer Blntmengen, die auch bei Kindern mittels Spitze aus 
der Ellenbeugevene gewonnen wurden. Außer Blutuntersuchungen wurden 
auch bakteriologische Untersuchungen von Tonsillenabstrichen und Mittelohr. 
citerungen vorgenommen. In allen diesen Fällen war der Befund von Strepto. 


*) Vergl. A. Carihi (ref. von Lentz): -Vergleichende Untersuchungen 
über den Einflaß hoher Temperaturen auf die Virulenz trockener und glyzeri- 
nierter Kuhpockenlymphe.“ Diese Zeitschrift; 1907, S. 181. 



60 


Kleinere Mitteilungen and Referate aas Zeitschriften. 


kokken außerordentlich häufig. Als praktische Schlußfolgerung ergibt sieb, 
daß es in einem Krankenhause nötig ist, derartige mit Erysipelkokken be¬ 
haftete Kinder von den anderen abzusondern und in jedem Falle Kinder mit 
Komplikationen, bei denen bakteriologische Untersuchungen nicht ausgeftthrt 
werden, gleichfalls zu isolieren. Dr. Sym ans kl -Metz. 


Zur Frühdiagnose der Masern. Von Priratdozent Dr. Hecker in 
München. Münchener med. Wochenschrift; 1909, Nr. 41. 

Bekanntlich können durch die Koplik sehen Spritzflecken und durch 
den Schickuchen Konjunktivulkoplik die Masern einige Tage vor dem Aus¬ 
bruch sicher erkannt werden. Es wäre jedoch im Interesse einer wirksameren 
Prophylaxe, besonders für Anstalten, in denen eine größere Anzahl von Kindern 
untergebracht sind, wünschenswert, die Masern noch zeitiger zu erkennen. 

Verfasser möchte nun auf Grund seiner Beobachtungen und Unter¬ 
suchungen die prämonitorische Lymphopenie (Verminderung der Lympho¬ 
zyten) und in zweiter Linie die Leukopenie (Verminderung der Gesamt- 
leukozytenzahl) als ein gutes Hilfsmittel zur möglichst frühzeitigen Diagnose 
der Masern bezeichnen. _ Dr. Wai bei Kempten. 


Ueber systematische Lymphdrfisenschwellungen bei Röteln. Von 
Privatdozent Dr. Hamburger und Dr. Sch ey. Münchener med.Wochenschrilt; 
1909, Nr. 46. 

Es war dem Verfasser bereits bekannt, daß bei Rubeolen die mastoidalen 
und okzipitalen Lymphdrüsen häufig vergrößert gefunden werden. Gelegentlich 
einer im Laufe des Jahres in Wien bestehenden Rötelnepidemie stellten die 
Verfasser über das Verhalten der Lymphdrüsen ausgedehntere Untersuchen an 
und fanden, daß beiRöteln faßt ausnahmslos eine systematische 
Lymphdrüsenschwellung bezw. eine allgemeine Schwellung 
des gesamten Lymphdrüsensystems vorhanden ist. Diese Drüsen- 
Schwellungen treten in einzelnen Fällen schon einige Tage vor dem Erscheinen 
des Exanthems auf; sie sind bald stärker, bald geringer und stehen daher in 
einzelnen Fällen mehr im Vordergrund, in anderen Fällen mehr im Hinter¬ 
grund des Krankheitsbildes. Nicht selten führen solche Lymphdrüsen- 
schwellungen zur Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe; man soll dann in jedem 
Falle von Drüsenschweliungen immer auch an die Möglichkeit der Röteln denken. 
Das Exanthem kann unter Umständen recht geringfügig, nur angedeutet sein. 

_ Dr. W a i b e 1 - Kempten. 


d. Influenza. 

Eine lnflueniaähnllche Diplokokken-Epidemie. Von Dr. Carl Rose, 
Assistent des Bttrgerspitals in Straßbarg. Münchener med. Wochenschrift; 
1909, Nr. 44. 

Im Frühjahr 1909 erkrankten auf der Abteilung des Prof. Ehret von 
84 auf 6 Sälen verteilt liegenden Kranken innerhalb kurzer Zeit 87; außer¬ 
dem erkrankten unter Aerzten und Pflegepersonal (26) 16 Personen. Sowohl 
Beginn, als Verlauf sprachen für Influenza, während die bakteriologische Unter¬ 
suchung auf eine Diplokokkenepidemie hinwies, da sich in allen Fällen sowohl 
im Sputum, ab im Schleimbelag und Eiter der Kranken massenhaft Gram¬ 
positive Kapseldiplokokken bezw. der Fränkel - Weichselbaumsche 
Bacillus gewöhnlich in Reinkultur fanden. Beigemischt waren in einigen 
Fällen Bacillus Friedlaender und Micrococcus catarrhalis. Im Blute konnten 
nur in 2 Fällen Diplokokken gefunden werden. Pfeiffersche Inflaenza- 
bazillen waren in keinem einzelnen Falle nachzuweben. Krankheitsbild und 
Krankheitsverlauf ergaben, wenigstens in den Initialerscheinungen, das typbehe 
Bild der Grippe. Doch weicht der Verlauf der Pfeifferschen Inflaenza 
etwas von der Diplokokken - Epidemie ab, insofern bei jener die eigentümliche 
Pharyngitb mit Belag bei weitem nicht in den Vordergrund tritt, während 
bei der echten Inflaenza Bich die Erkrankung hauptsächlich in der Nase, im 
Kehlkopf und in der Luftröhre und in den feineren Bronchien abspielt. Auch 
finden sich bei der Diplokokken - Epidemie die kruppösen Pneumonien viel 
häufiger als bei der eohten Inflaenza. Ferner zeigten die Kranken der Diplo- 



Kleinere Mitteilungen nnd Referate ana Zeitschriften. 


61 


kokkenepidemie nicht die von Terrier bei der durch Pfeiffer sehen Bacillas 
bedingten Influenza beobachtete erdfarbene Zange. Das Fieber fftllt bei der 
echten Inflaenza mehr kritisch ab, während es bei der Diplokokkenepidemie 
meist lytisch zur Norm zurttckkehrt. Hinsichtlich der Bezeichnang könnte 
man von einer Pfeifferschen Inflaenza, Streptokokkeninflaenza, yon einer 
Mierococcoskatarrhalis- oder Diplokokkeninflaenza sprechen. 

_ Dr. Waibei-Kempten. 


d. Wochenbettfieber, Wochenbetthygiene und Krankheiten 

der Neugeborenen. 

Ueber Selbstinfektion in der Geburtshilfe. Von Prof. Dr. B. Kf önig 
in Freiburg L Br. Deutsche med. Woohenschr.; 1909, Nr. 36. 

Der Artikel schließt an einen Artikel yon Ahlfeld in Nr. 18 der D. m. 
W.(cf. Bef. in Nr. 17, S. 633,1009 dieser Zeitschr.) an, in dem der „Selbstinfektion“ 
der Gebärenden eine große Bedeutung beigelegt und die Desinfektion des 
Oesitalschlauches vor der Gebart befürwortet wird. Kr. leugnet die „auto- 
gese‘ Infektion nicht; nach seinen statistischen Feststellungen wird sie aber 
seltener als die durch Einführung der pathogenen Keime yon außen verursacht. 
Neben 600 völlig „unberührten“ Gebärenden der Freiburger Klinik mit 3,8 °/o 
FteberfAllen beobachtete er 600 „berührte“ Frauen (in beiden Reihen nur Zweit- 
ud mehr Gebärende) mit 7,8 ®/ 0 fieberhaften Erkrankungen, die aber in der 
ersten Kategorie entschieden leichterer Natur als in der der zweiten waren. 
Kr. schreibt den Bakterien im Scheidengrande eine geringe Virulenz zu, infolge 
bakterizider Eigenschaften der Sekrete und Gewebe; er hält es für verkehrt, 
durch Desinfektionsmaßregeln innerhalb des Genitalschlauches yon proble¬ 
matischem Werte eventuell diese schützenden Kräfte zu zerstören. 

Dr. Liebetrau*Hagen i. W. 


Neuer Beitrag zum Studium der Uterusruptur bei der Entbindung. 

Von Dr. O. Viana-Venedig. Rivista Veneta di Science mediche; 1909, Fasz. 3 u.4 

Verf. berichtet über eine Reihe von Fällen von Uteruszerreißung, die 
in der geburtshilflichen Klinik in Venedig zur Behandlung kamen, und die 
aafler für den praktischen Arzt auch für den Gerichtsarzt manches Interes¬ 
sante bieten. 

Es sind 16 Fälle, von denen 12 traumatische Rupturen aus allgemein 
bekannten Ursachen, nämlich Beckenenge (2), Qaerlage (8), Hydrocephalus (2) 
und 4 spontane Raptaren bei normalen Entbindungen sind. 

Die 12 Fälle der ersten Gruppe stellen sämtlich solche Fälle dar, die 
dadurch verschleppt waren, daß zunächst in der Behausung der Kreißenden 
von Hebammen oder Aerzten vergebliche Versuche gemacht wurden, die Ent¬ 
bindung zu Ende zu führen, und dadurch die Kreißenden, als sie in die 
Klinik gebracht wurden, schon in einem Zastand völliger Erschöpfung oder in 
Kollaps sich befanden, bei dem eine erfolgversprechende Behandlung so gut 
wie ausgeschlossen war. Diese 12 Fälle endeten dann auch sämtlich mortal. 
In 4 Fällen lag vollständige, in 5 Fällen unvollständige subperitoneale Ruptur 
des Uterus vor, lmal war nur das hintere Scheidengewölbe und 2 mal Uterus 
nebst Scheide völlig durchrissen. 

Bei den 4 Fällen der zweiten Gruppe handelte es sich um Frauen, die 
sämtlich vorher mehrere Male vielfach normal geboren hatten und die sich 
zur Zeit der Entbindung in der Klinik befanden. Die Ruptur, die in 2 Fällen 
eine vollständige, in 2 Fällen eine snbperitoneale war, ereignete sich jedesmal 
gänzlich unvermutet bei normaler Lage und bevor irgendwelche besondere 
Eingriffe vorgenommen waren. In 3 von diesen Fällen wurden die Frauen 
gerettet, die vierte starb plötzlich, von Kollaps befallen. Der chirurgische 
Eingriff bestand meist in Laparatomie mit nachfolgender subtotaler Exstirpation 
des Uterus. 

Die Fälle lehren einmal, daß spontane Rupturen des Uterus bei normaler 
Entbindung nicht so ganz selten sind, und dann, daß Aussicht auf Rettung 
der Mütter nach erfolgter Ruptur dann nicht mehr vorhanden ist, wenn schon 
vorher allerlei Untersuchungen und Versuche zur Beendigung der Gebart ge¬ 
macht sind, also von einer Asepsis nicht mehr die Rede ist. 

Dr. Solbrig-Allcnstein. 



62 


Kleinere Mitteilungen und Referate au 


Die intravenöse Kollargeltherapie beipierper&lerSept 
uptiMhea Erkrankungen. Von Dr. H. Allbrecht, Assist« 
IL gynäkol. Klinik in München. Münchener med. Wocheoschril 
Verfasser hatte die intravenöse Kollargolisjektion — pt 
einer 5—lOproz., meist 10 proz. Lösung bezw. Aufschwemmu 
mediana besw. Vena cephalica cubiti — innerhalb der letz 
45 F&llen der verschiedenartigsten septischen Erkrankungen 
kommt auf Grund seiner Versuche zu dem Schlosse: 

Da« Kollargol ist bei intravenöser Anwei 
Bekämpfung schwerer bakterieller Allgemei 
und lokalisierter schwerer Eiterungen völlig n 
Dagegen ist es bei schweren, unter demBil 
Allgemeininfektion verlaufenden Intoxikation 
ter Wirkung. 

Speziell bei puerperalen Infektionen hllt Verfasser dl 
Wendung der Kollar golinjeküon für nützlich in jedem Falle. 

Die Wirkung ist höchst wahrscheinlich eine katalytisi 
Fermentwirkung ähnliche chemisch - biologische mit ertolgi 
beschleunigter Oxydation und Unschädlichmachung der Toxi 

Dr. Waibe 


Ueber den Wert neuerer Mnssregeln gegen die Bl 
der Neugeborenen und die Notwendigkeit ihrer allgem 

Von Otto v. H e r f f. Basel. Münchener med. Wochenschrift 

Verfasser bespricht zuerst eingehend die statistisch 
Bindehautblennorrhöe der Neugeborenen in den Gebäransts 
derselben, betont dann, daß Vorbeugungsmaßregeln gegen Bi 
um weitgehend wirksam zu sein, einmal die Frtibinfektiom 
die Geburt vermieden, dann aber auch die Spätinfekti 
erwähnt hierauf die Resultate des Credöisierens mit 2pn 
zentiger Lösung von Arg. vitr. und kommt dabei zu der 
der Wert des Credöisierens auf die Möglichkeit der Siche 
der Bindehautblennorrhöen in der Regel auf ein Drittel, 
auf ein Achtel herabzusetzen, ein Ergebnis, das durchau 
friedigend angesehen werden kann. 

Diese unbefriedigenden Ergebnisse des Credäisierei 
zahlreichen schwächeren und stärkeren Reizungen de 
Umstand, daß das Verfahren wegen seiner Schmerzha 
grausam bezeichnet werden muß, drängte Verfasser zt 
mit wirksameren Mitteln. Er fing mit Protargol an 
kurzen Uebergangszeit mit Argyrol zum Sophol über; 
Beobachtungen und Versuche hinsichtlich der Bek&m 
8pätinfektion und der Vorbeugung in der Hauspraxis wert 

Am Schlüsse seiner Interessanten, klaren und üb 
die öffentliche Gesundheitspflege so wichtigen Ausfüb 
seine Untersuchungsergebnisse dahin zusammen, daß das C 
mit 8ophol, in den Anstallten für alle Kinder, in der Ha 
alle illegitimen Kinder zwangsweise einzufi 
timen Neugeborenen hingegen nur bedingungsweise. 
Infektionen ist durch nachdrücklichste, immer wieder ei 
über die Gefahren des Wochenflusses zu mi 
Maßregeln wenig Erfolg in der Hauspraxis verspreche 
Anzeigepflicht für Blennorrhoe der Neugebor« 
damit den Behörden ermöglicht wird, erkrankte Kin 
falls zwangsweise, in sachgemäße Behandlung zu 1 
erwarten, daß die Zahl der an Bindehautgonorrhöe Erl 
auf ein gewisses Minimum herabgesetzt wird. 

i " ,rT2 Ma* lraa« a* ° —2 — 



Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 


63 


die HebammenpraxiB, xumal in Form der sehr handlichen Tabletten zu 0,26 
und Q£, mit denen leicht Lösungen in kleinen Mengen — 10 g reichen für etwa 
30 Kinder ans — hergestellt werden können. Dr. Weibel-Kempten. 


f. Granulöse. 

Ueber die Trachomkörperchen. Von Prof. Dr. Bruno Hey mann 
in Breslau. Deutsche medizinische Wochenschrift; 1099, Nr. 39. 

H e y m a n n untersuchte eine größere Zahl von Trachomfallen sowie von 
anderen Konjunktivalerkrankungen aus der Breslauer Augenklinik im dortigen 
hygienischen Institut auf die von Halberstädter und v. Prowazek 
sowie Greef behauptete Spezifität der „Trachomkörperchen“. Die Unter« 
Buchung erfolgte ohne Kenntnis der klinischen Diagnose, so daß Autosuggestion 
ausgeschlossen war. Dabei ergab sich das überraschende Resultat, daß von 
positiven Befunden nur 6 frische Trachome betrafen, während die übrigen 
von Kindern mit Blennorhoea neonatorum betrafen; und zwar worden hier 
als positiv nur diejenigen gerechnet, in denen sich die von den genannten 
Autoren gefundenen und als charakteristisch angesehenen, in einen Plastin- 
aaatel gehüllten größeren Körnchen fanden. In den Vorversuchen hatte sich 
uter gleichzeitiger Berücksichtigung der neben jenen Körnchen noch vorkom- 
menden zerstreuten, oft doppelkokkenartig zusammenliegenden Körnchen noch 
dae viel höhere Zahl von anscheinend positiven Fällen bei anderer klinischer 
Diagnose ergeben. Jedenfalls kann nach Heymanns Ansicht der Befund 
von „Prowazeksehen Körperchen“ nur dann als für Trachom beweisend 
angesehen werden, wenn jeder Verdacht auf Blennorrhoe ausgeschlossen ist. 

Dr. Liebetrau-Hagen i. W. 


Ueber Trachomkörperchen. Von Prof. Dr. 8t. Bern heim er. Wiener 
klin. Wochenschrift; 1909, Nr. 46, S. 1614. 

Bernheimer konnte die von Haiderstädter und v. Prowazek 
erhobenen Befunde bei frischem Trachom vollkommen bestätigen. Er fand 
aber auch bei unbehandelten Follikularkatarrhen ähnliche Zelleinschlüsse, 
die von den im Trachom gefundenen nicht zu unterscheiden waren. 

Ob also mit den Trachomkörperchen auch die Trachomerreger gefunden 
sind, muß noch unentschieden bleiben. Vielleicht handelt es sich doch nur 
um bestimmte Reaktionserscheinungen der erkrankten Zelle. 

Dr. Dohrn-Hannover. 


Untersuchungen Aber die sogenannten Trachomkörperchen. Von 
Cesare di Santo. Aus der Universäts-Augenklinik der Königl. Charitö in 
Berlin. Kiinisches Jahrbuch; 1909, Bd. 21, H. 3. 

8. untersuchte zunächst mehrere Fälle von frischem Trachom im 
Ausstrichpräparat auf das Vorhandensein der von Greef u- a. be¬ 
schriebenen Trachomkörperchen. Er konnte sie in frischen Fällen stets nach- 
weisen. Bei älteren oder behandelten Fällen gelang der Nachweis nicht. 

Bei anderen Erkrankungen der Conjunctiva (Gonorrhöe, Follikularkatarrh) 
fehlten die Trachomkörper. 

Von 2 mit Trachom geimpften Affen (Hundepaviane) erkrankte 
der eine in der Form eines chronischen Katarrhs, der andere unter den Er¬ 
scheinungen eines Follikularkatarrbs. Erstcrer Fall ergab nur einen Zweifel- 
haften Befand von Trachomkörpern, letzterer blieb völlig negativ. Wenn es 
auch in einigen Fällen gelungen ist, die Tracbomkörper bei geimpten Affen 
sn finden, so zieht Verf. doch den Schloß, daß experimentelle Untersuchungen 
am Affen vorläufig noch sehr schwierig sind, und daß das einzig brauchbare 
Versuchsobjekt der Mensch ist, auf den die Uebertragung jedesmal ge¬ 
langen ist. 

Bei der Untersuchung von Gewebsschnitten fanden sich die 
Trachomkörper in den tiefen Schichten der Epithelien und im Bindegewebe. 
Kontrolluntersnchungen normaler oder anderer, nicht an Trachom erkrankter 
Bindehäute ließen jedesmal die Trachomkörper vermissen. 

Dr. Dohrn-Hannover. 



64 


Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


Wie sind die sogenannten Trachomkörperchen differentialdiagnostlseh 
zu verwerten! Von Dr. W. Clausen. Aus der Universitäts• Augenklinik 
der Königl. Charite in Berlin. Klinisches Jahrbuch; 1903, Bd. 21, H. 3. 

Die Trachomkörperchen sind nach Clausens Ansicht, die sich durch 
weitere Untersuchungen noch gefestigt hat, für das Trachom spezifische und 
differentialdiagnostisch verwertbare Qebilde. In mehreren zweifelhaften Fällen 
hat der Ausfall der mikroskopischen Untersuchung auf Trachomkörper ent* 
scheidend auf die einzuleitende Behandlung eingewirkt. Einige sehr inter* 
essante derartige Fälle werden ausführlich angegeben. 

Die bisherigen Erfahrungen gehen dabin, daß man in den frischen Fällen 
von Trachom, die große, dicke, glasige Follikel mit mäßiger Sekretion auf- 
weisen und noch nicht behandelt worden sind, die Trachomkörper stets auf¬ 
finden wird. Vermißt man die Trachomkörper, so bandelt es sich auch nicht 
um Trachom. 

In vernarbenden oder vernarbten Trachomfällen sind die Trachomkör- 

S erchen entweder nur in ganz spärlicher Anzahl vorhanden oder fehlen völlig. 

iei wiederholtem negativen Befund ist die Infektiosität mit Wahrscheinlich¬ 
keit auszuschließen. Dr. Dohrn-Hannover. 


Untersuchungen zur Aetlologie des Trachoms. Von Dr. A. Leber 
und Dr. M. Hart mann. Klin. Jahrbuch; 1909, Bd. 21, H. 3. 

Die Verfasser untersuchten Präparate von 56 Personen, meistens Kinder, 
die sich möglichst im Frühstadium des Trachoms befanden oder bisher garnicht 
oder nur vor längerer Zeit in Behandlung befunden hatten. Die Triester Be¬ 
völkerung mit ihren ungünstigen Wohnungsverhältnissen und der häufigen 
Uebertrag8tnöglichkeit des Trachoms durch gemeinsame Benutzung von Hand¬ 
tüchern beim Baden bot ein reiches und abwechslungsvolles Material für die 
Untersuchungen. 

Die Verfasser konnten die Befunde von Halberstädter und von 
Prowazek und deren Auffassungen über das Wesen der sogen. Trachom¬ 
körper bestätigen. Sie fanden die Trachomkörper in den Epithelzellen und 
konnten auch die eigenartigen Reaktionsprodukte der Zellen (Plastinkörper) 
nachweisen. 

An den beschriebenen Einzel- oder Doppelkörnern, die stets von einem 
hellen Hof umgeben waren, konnten Teilungsvorgänge beobachtet werden, 
indem hantelförmige Umgestaltungen der Zellen eintraten. Man wird sie des¬ 
halb nicht als Kokken, sondern als Protozoen auffassen müssen. 

Dr. Dohrn-Hannover. 


Oie Uebertragbarkeit des Trachoms. Von Prof. R. Greef, Direktor 
der Universitäts - Augenklinik und Poliklinik der Königl. Charitö zu Berlin. 
Klinisches Jnhrbuch; 1909, Bd. 21, H. 3. 

Der von Greef als Erreger des Trachoms bezeichnete Coccus ist erheb¬ 
lich kleiner als die bisher bekannten Kokken. Er ist in Reihen oder als Diplo- 
coccus frei und auch intrazellulär gelagert. 

Nach vielen vergeblichen Tierversuchen gelang die Uebertragung auf 
Affen; allerdings weicht hier das anatomische Bild erheblich von dem gewöhn¬ 
lichen Bilde ab. Es fehlt besonders die für Trachom charakteristische 
Follikelbildung. 

Die Uebertragung von Mensch zu Mensch (auf einen sich freiwillig an- 
biotenden Laboratoriumsdiener) gelang. Das geimpfte Auge erkrankte recht 
schwer unter dem typischen Bilde des Trachoms. Durch dieses Experiment, 
das von einem italienischen Autor bereits vorher mit Erfolg ausgelührt war, 
ist die direkte Uebertragbarkeit des Trachoms, die noch immer angezweifelt 
wird, sicher bewiesen. Aus dem stürmischen, klinischen Verlauf ergab sich 
auch weiter der sichere Beweis für das Vorhandensein des sog. akuten Trachoms, 
das eich in wenigen Tagen zum vollen Bilde entwickelt. 

Die Infektion mit Trachom erfolgt nur dann, wenn der frische Eiter an 
die Augenbindehaut gebracht wird. Die Uebertragbarkeit ist nicht an Grund 
und Boden oder an einen Zwischenwirt gebunden. Die Dauer der Kontagiosität 
ist wahrscheinlich nur kurz. Die Erreger sind insbesondere bei behandelten 
Fällen oft sehr bald dem Nachweis entzogen. Dr. D o h r n - Hannover. 



Kleinere Mitteilungen und Referate ana Zeitschriften. 


66 


Zar Frage der TraehombehandluBg durch Gonokokken. Von Hofrat 
Prot Wicheskiewitz. Wiener med. Wochenschrift; 1909, Nr. 31. 

Verfasser berichtet Aber zehn Kranke mit Trachom, die eine gonor- 
rböeische Infektion der Augenbindehäute durch eine gonorrhöekranke Wärterin 
erlitten hatten. Nach gründlicher Reinigung mit schwachen Sublimatlosungen 
im Anfänge, nach ausgiebigen Spülungen mit Borwasser und darauffolgenden 
Einträufelungen mit 1—2proz. Argentum nitr. - Lösung trat eine auffällige 
Besserung der Gonorrhöe der Bindehaut und des Trachoms auf. Nach etwa 
vier Wochen war der Prozeß mit glatter Narbenbildung ausgeheilt. Bei einigen 
Kranken mit starkem Pannus war dieser fast vollständig mit Hinterlassung 
diffuser leichter Hornhauttrübungen zum Verschwinden gekommen. 

Trotz dieser guten Erfolge warnt der Verfasser vor der künstlichen 
Impfung mit Gonokokken, da die Gefahren für das Auge sehr große sind. 

Dr. Kurpjuweit-Swinemünde. 


Die Einschleppung des Trachoms in den Regierungsbezirk Arnsberg. 
Von Prof. R. Greef in Berlin. Klinisches Jahrbuch; 1909, Bd. 21, H. 3. • 

Die Einschleppung des Trachoms nach Westfalen erfolgte durch Arbeiter 
sss den östlichen Provinzen, besonders durch Polen, daher auch die vielfach 
gebräuchliche Bezeichnung „Polenkrankheit“. Das Trachom entwickelt sich 
aahesu stets in der Familie und nicht durch Ansteckung in der Schule. 
Das innige Zusammenleben, der Mangel an Reinlichkeit schafft zur Ansteckung 
Gelegenheit genug. 

Als Abwehrmaßnahmen gegen weitere Einschleppung wird bereits die 
augenärztliche Untersuchung einwandernder Arbeiter von vielen Zechen aus* 
geführt. Ferner finden auch vielfach ärztliche Revisionen der Arbeiter statt. 
Derartige Revisionen wären auch für die Zukunft durchaus erforderlich. Sie 
köaaten durch die Kreisärzte vorgenommen werden, während den Spezialärzten 
die Ansmusterung des überwiesenen Materials und die Behandlung zufällt. 
Nur die mit reichlicher Follikelbildung und starker Sekretion einhergehenden 
Fälle sind als ansteckend zu behandeln. Erforderlich ist auch, daß die mit 
leichtem Trachom behafteten Militärpflichtigen nicht zurückgestellt, sondern 
eingestellt und sofort behandelt werden. 

Bei der mikroskopischen Untersuchung von 100 Präparaten konnten nur 
2 mal Trachomkörperchen gefunden werden. An diesem ungünstigen Ergebnis 
trug vermutlich die vorausgegangene Behandlung Schuld. 

Dr. D o h r n • Hannover. 


Die Verbreitung des Trachoms in der Provinz Posen. Von Dr. Richard 

Buchwald-Stenschewo. Klinisches Jahrbuch; 1909, Bd. 21, H. 8. 

Die Provinz Posen besitzt nach des Verfassers Ansicht eine besonders 
starke örtliche Trachomdisposition: Wasserreichtum, geringe Höhenlage, zeit* 
weise hohe Lufttemperatur. Ferner vermutet er auch bei der einheimischen 
Bevölkerung eine besondere Blutbeschaffenbeit, welche die Ansiedelung des 
Trachomerregers begünstigt. Unter diesen Umständen würde eine weitere 
Verbreitung des Trachoms in der Provinz Posen zu erwarten sein, falls nicht 
eine energische Bekämpfung einsetzt. Dr. Dohrn*Hannover. 


8. Hygiene der Nahrungs- nnd Genunamittel. 

Wettere 8tudlen zur Milchverderbnis und die neue Danzlger Polizel- 
verordnung, betreffend den Milehverkebr. Von Prof. Dr. Petruschky- 
Danzig. Deutsche med. Wochenschrift; 1909, Nr. 21. 

Petrusehky vertritt seine aus früheren Publikationen bekannten An¬ 
schauungen über die Steigerung der Säuglingssterblichkeit in den Sommer¬ 
monaten durch Vermehrung der in den meisten Milchproben zu findenden Strepto¬ 
kokken, die er nicht als harmlos ansieht, sondern für die Erreger vieler 
Sommerdiarrhöen erachtet. Er glaubt nicht, daß Polizei verordnen gen (wie die 
nicht näher detaillierte neue Danziger), so erfreulich sie an und für sich sind, 
die Gefahren endgültig beseitigen werden, insbesondere weil das Pasteurisieren 
und das Kochen der Milch die giftigen Eigenschaften der Streptokokken nicht 
aufheben. P. tritt deshalb für Verwendung von stabilen Dauerpräparaten 



66 Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 

(eingedickten oder gepulverten), besonders auch von Buttermilch (s. B. in Form 
der „Holländischen Säuglingsnahrung*), während der heißen Jahreszeit ein. 

Dr. Liebetrau-Hagen LW. 


Welchen Wert hat der Nachweis der Nitrate für die Beurteilung der 
Milcht Von S. Bothenfusser-München. Mitteilung aus der amtlichen 
Milchuntersuchung8stelle der Stadt Manchen. Zeitschrift fOr Untersuchung 
der Nahrungs- und Genußmittel; Bd. 18, H. 6, S. 863. 

Während die meisten Autoren bisher zwar den Eintritt der Nitratreaktion 
bei Milch als positiven Beweis fttr eine Wässerung nnsehen, verneinen doch 
die meisten den Anspruch dieser Frage auf Beachtung im Sinne eines Beweis* 
trägers. Sie wollen die Beaktion vielmehr lediglich als Hilfsmittel und Er¬ 
gänzung anderer Befände angesehen wissen. Einige sprechen sogar der Nitrat- 
reaktion der Milch jeden Wert ab. Im Gegensatz hierzu ist Bothenfusser 
auf Grund zahlreicher experimenteller Versuche und Untersuchungen zu dem 
Besultat gekommen, daß die „Nitratreaktion nicht nur nicht wertlos, sondern 
sogar außerordentlich wertvoll Ist“, da gerade sie in vieler Hinsicht die ge¬ 
eigneten Direktiven für die Polizeiorgane und sonstige wertvolle Aufschlüsse 
fttr den weiteren Gang der Untersuchung gibt. Außerdem besagt die positive 
Beaktion, daß entweder: 1. eine erhebliche Fälschung mit einem Wasser mittel¬ 
mäßiger Beschaffenheit vorliegt, oder daß 2. eine Fälschung geringeren Grades 
mit Wasser von schlechter Beschaffenheit vorgenommen wurde, oder daß 
8. eine geringgradige bezw. sehr geringe Wässerung mit sehr schlechtem 
Wasser (event. Jauche) besteht. — Vor allem hat der Verfasser auch durch 
seine experimentellen Versuche den Nachweis geliefert, daß die von gegne¬ 
rischer Seite behauptete allzugroße Empfindlichkeit der Probe, die ein Hinde¬ 
rungsgrund fttr die Verwendung der Nitratreaktion bei Nachweis der Wässe¬ 
rung von Milch sein soll, gar nicht besteht. Die Nitratreaktion ist von um 
so höherer Bedeutung, wenn nur geringe oder minimale Wässerungen vor¬ 
liegen, da sie alsdann Aufschlüsse gibt, die auch fttr den Hygieniker von 
Interesse und Bedeutung sind, insofern als es sich in solchen Fällen häufig 
auch um zu beanstandendes Trink- und Brauchwasser handeln wird. 

Dr. Symansk.i-Metz. 


Ueber die Wichtigkeit einer verlässlichen Milchkontrolle' und die 
Massnahmen zur Erreichung derselben. Von Direktor Messner. Zeit¬ 
schrift fttr Stadthygiene; 1909, Nr. 10. 

Verf verlangt speziell in Kurorten die Einrichtung einer gutgeleiteten 
Milchkontrolle mit geschultem Personal und entsprechenden Arbeitsräumen. 
Die Kurorte haben die Pflicht, auch fttr solche Milch zu sorgen, welche 
der Arzt mit ruhigem Gewissen zum Genüsse in rohem Zustande empfehlen 
kann. Der Erlass einer Verordnung betr. Milchbandel ist daher dringend not¬ 
wendig. _ Dr. Wo 1 f -Witzenhausen. 

Die Untersuchung und Beurteilung von Milch- und Babmschokolade. 
Von Dr. E. Baier und Dr. P. Neumann. Mitteilung aus dem Nahrungs¬ 
mittel • UnterBUchnngsamt der Land wirf schaf tskamm er fttr die Provinz Branden¬ 
burg in Berlin. Zeitschrift fttr Untersuchung der Nahrungs- und Genußmittel. 
Bd. 18, H. 1 und 2, S. 18. 

Aus dem umfangreichen, auf sehr zahlreichen Versuchen und Unter¬ 
suchungen basierenden Vortrage seien einige Hauptpunkte, die die Beurteilung 
von Milch- und Rahmschokolade betreffen, herausgegriffen: Auf Grund der 
Judikatur des Kammergerichts ist man berechtigt, auch in den Fällen stets 
von einer Nachmachung im Sinne des Nahrungsmittelgesetzes zu sprechen, wo 
statt Babm Milch zur Verwendung gelangt ist, bezw. wenn der Gehalt an 
Milch resp. Bahmbestandteilen nicht der als Normaltype angesehenen Ware 
entspricht. Die Untersucher empfehlen auf Grund ihrer Beobachtungen und 
Erfahrungen zu der früheren Vorlage folgende Abänderungsvorschläge an¬ 
zunehmen : 

„Milch- und Bahmschokolade ist unter Verwendung eines Zusatzes von 
Milch oder Bahm in natürlicher, eingedickter oder trockener Form herzustellen. 



XIeine» Mitteilungen nnd Referate ans Zeitschriften. 


67 


Der Fettgehalt der ursprünglichen Milch soll der einer guten Durchschnitts* 
milch, also etwa 8,5 °/ ? , derjenige des Rahmes etwa 10 •/* (dürfte bei beiden 
etwas hoch gegriffen sein; der Bel) betragen. Milchschokolade soll mindestens 
l&°/„ Rahmschokolade mindestens 20°/ 0 Milch* bezw. Rahmtrockensubstanz 
enthalten. Die fettfreie Milchtrockensnbstanzmenge von Milch* nnd Rahm¬ 
schokolade soll einer Menge entsprechen, die in 15 Teilen einer Durchschnitts- 
trockenmilch enthalten ist, also etwa 9—11°/, fettfreie Trockensubstanz 
betragen.“ _ Dr. Symanski-Metz. 

Unter welchen Voraussetzungen Fleckeier als verdorben nnd unter 
welchen sie als gesundheitsschüdlich anzusehen sind, sowie ob nnd unter 
welchen Yorslchtsmassregeln etwa Fleckeier für Menschen genlessbar sein 
würden. Gutachten der Wissenschaftlichen Deputation für das Medizinal¬ 
wesen. 1. Referent: Geh. Ober*Med.-Rat Prof. Dr. Gaffky. 2. Referent: 
Geh. Med.-Rat Dr. AbeL Vierteljahrsschrift für gerichtl. Medizin n. ßffentl. 
Saaitstawesen; UI. Folge, XXXV1U. Bd., 2. H. 

Die der Wissenschaftlichen Deputation vorgelegten Fragen nnd ihre 
Beantwortung waren speziell für Berlin hinsichtlich der polizeilichen Kontrolle 
des Hühnereier - Handels von größter Bedeutung; werden doch in dieser Metro¬ 
pole jährlich etwa 7 Millionen Schock Eier eingeführt, von denen nicht weniger 
ah 95 Prozent ans dem Anslande, namentlich Rußland nnd Galizien, stammen, 
so daß die Zahl der durch den langen Transport verdorbenen Eier eine große 
sein muß, die natürlich vom Großhändler dem Importeur nicht bezahlt werden. 
Unter diesen verdorbenen Eiern spielen nur die sogenannten Pilzfleckeier eine 
große Rolle, die vielfach in den Verkehr gelangen und in dieser oder jener 
Form, namentlich auch als artifizielle „Knickeier* als billiges Nahrungsmittel 
dienen. Bei der großen Bedeut nng der Hühnereier für die Volksernährung 
erscheint daher eine sanitätspolizeiliche Kontrolle des Verkehrs mit denselben 
für durchaus geboten, zumal Eier vielfach in rohem Zustande von Kranken, 
Rekonvaleszenten und Kindern genossen werden. 

Bei den Fleckeiern handelt es sich um Eier, in denen sich Kolonien von 
Schimmelpilzen, seltener von Hefepilzen, entwickelt haben; außerdem sollen 
Kokzidienansiedelungen in Betracht kommen, was jedoch als erwiesen nicht 
anzusehen ist. Diese Pilzfleckeier, die man erst bei künstlicher Durchleuchtung 
erkennt, indem man im Innern verschieden zahlreiche und große Flecke ver¬ 
schiedenster Färbung wahrnimmt, verdanken ihre Entstehung dem Eindringen 
von Pilzmyzelen, die die Kalkschale durchdringen und für gewöhnlich aus den 
allbekannten Pinselschimmel, seltener aus Mukor- oder Aspergillusarten be¬ 
stehen. Soweit das Myzel in das Innere vorgedrungen ist, wird Eiweiß und 
Dotter gelatiniert, letzterer cißme- oder majonnaisenartig verändert. Daß sich 
sehr bald auch Bakterien ansiedeln, die den Spuren der Schimmelpilze folgen, 
liegt auf der Hand. 

Auf Grand ihrer Ausführungen kommen die Referenten zu dem Schluß, 
daß Fleckeier 

1. ausnahmslos als verdorben anzusehen sind; 

2. unter besonderen Umständen, namentlich bei bereits bestehenden 
Veränderungen der Verdauungsorgane, Gesundheitsschädigungen bewirken 
können; 

3. als minderwertig^anzusehen und vom freien Verkehr auszuschließen 
sind. Mindestens muß im Falle ihrer Verwendung als Verkehrsmittel oder 
zur Herstellung von Nahrungs- und Genußmitteln der Käufer über ihre Be¬ 
schaffenheit nicht im Zweifel gelassen werden. 

_ Dr. Hillenberg-Zeitz. 

Fätterungsversuche^ an weissen Mäusen mit Fleischwaren ver¬ 
schiedener Herkunft. .(Aus dem Serumlaboratorium der KgL Vet.- und Land¬ 
wirtschaf tL Hochschule in Kopenhagen; Dir. Prof. C. 0. Jensen.) Von 
Halfdan Holth, Assistenten am Institut. Zentralblatt für Bakteriologie, 
LAbt.; Org.-Bd. 49, H. 6. 

Müh lens, Dahm 'und F.ürst hatten bei Fütterungsversuchen,Tdie 
sie an weißen’, Mäusen mit ungekochten, gepökelten oder geräucherten, 
anscheinend einwandsfreien Fleischarten anstellten, im Darminhalt und den 



68 


Kleinere Mitteilungen und Referate au Zeitschriften. 


Organen eines großen Teils der nach der Fütterung nnter enteritischen 
Erscheinungen eingegangenen oder getüteten Tiere Enteritisbakterien nach« 
gewiesen, während die mit den betreffenden Fleiscbproben vorgenommene 
Kultur niemals diese Krankheitserreger ergeben hatte. 

Holth hat diese Angaben nachgeprüft und in 18 Fütternngsvetsnchen, 
die er mit verschiedenen au Kopenhagen nnd Berlin bezogenen Proben 
geräucherten Fleisches vornahm, nicht ein einziges Hai Enteritisbakterien 
nachweisen können. Prof. Dr. Len tz-Berlin. 


Gefärbte Würste. Von Dr. Otto Klein. Mitteilung aus der land¬ 
wirtschaftlichen Versuchsstation zu Lissabons. Zeitschrift für Unters, der 
Nahrungs- u. Genußmittel; Bd. 18, H. 6, S. 864. 

In Portugal ist es Sitte, Würste mit dem Pulver von getrockneten 
Capoicum-Früchten zuzubereiten, um ihnen auf diese Weise eine schöne Färbung 
zu verleihen. Da dort der Wurstverbrauch in allen Schichten der Bevölkerung 
ein enormer ist, so erregte das Bekanntwerden der Tatsache, daß von einigen 
Lieferanten Würste künstlich mit Teerfarbstoffen gefärbt würden, einen grossen 
Sturm der Entrüstung. Zwei der vorgefandenen Farbstoffe waren deutschen, 
einer französischen Ursprungs. Sie waren als „Ponceau Extra B. B “ be¬ 
zeichnet. Der unzweideutige Nachweis der Teerfarbstoffe gelang nach Fehl¬ 
schlägen schließlich nur dnreh die Wollfadenprobe nacli Kick ton und 
Koenig, mit dem Unterschiede, daß Klein zum Beizen des Fadens Alaun 
an wandte nach vorheriger Entfernung des grob gehackten Wurstgutes im 
Soxleth - Apparat und nachfolgender Extraktion mit Alkohol. Bei Gegenwart 
von Teerfarbstoff blieb der Wollfaden nach sorgfältigem und vorsichtigem 
Auwaschen lebhaft gelbrot gefärbt. Dr. Symanski -Metz. 


Die sogenannte Kartoffel« oder Solaninverglftnng. Von Stabsarzt 
Dr. v. Haselberg-Hamburg. Medizinische Klinik; 1909, Nr. 82. 

Verfasser wendet sich gegen die heute noch weitverbreitete Ansicht, 
daß die Massenerkrankungen, die gerade in der Armee oft nach Kartoffelgenuß 
beobachtet werden, auf einer Solaninvergiftung beruhen. Prof. Schmiede¬ 
berg, der 1893 zuerst in den angcschuldigten Kartoffeln einen bis dahin noch 
nicht beobachteten Solaningebalt getänden habe, habe auch nur die Möglich¬ 
keit zugegeben, daß dieses die Ursache sein könne, cs aber nicht bestimmt als 
solche hingestellt. Trotzdem sei es von späteren Beobachtern als Ursache 
angegeben und die Solaninvergiftung in die Sanitätsberichte, Jahresberichte 
und Lehrbücher gekommen. Nach den Versuchen des Verfassers ist die 
Giftwirkung des Solanins gar keine sehr starke und außerdem der Pro¬ 
zentgehalt in den Kartoffeln kein sehr großer. Es ist von vielen 
Autoren alB Medikament empfohlen worden; selbst Dosen bis zu 0,94 g 
rufen nur unbedeutende Erscheinungen hervor. Verfasser selbst hat Dosen 
bis zu 0,2 g chemisch reinen Solanins genommen, ohne außer geringer Pnls- 
Verlangsamung irgendeine krankhafte Erscheinung zu spüren. Bei den viel¬ 
fach beobachteten Massenerkranknngen worden leider nur 4 mal quantitative 
Untersuchungen angestellt. Im Höchstfallo wurden in 1 kg Kartoffeln 0,426 g 
Solanin festgestellt. Selbst wenn jemand ein ganzes Kilogramm Kartoffeln zu 
sich genommen hätte und alles Solanin resorbiert wäre, würde es kaum genügt 
haben, derartige Vergiftnngscrscheinnngen hervorzurufen, ganz abgesehen davon, 
daß das aus den Kartoffeln gewonnene Solanin absolut nicht rein ist und in dem 
erwähnten Falle nach ‘des Verfasser Ansicht die quantitative Analyse infolge Man¬ 
gels genügender Technik nicht richtig war. Eine Nachprüfung derselben Kar¬ 
toffeln von einem in dieser Beziehung erfahrenen Chemiker ergab einen wesentlich 
geringeren Saloningehalt. Verfasser führt die Erkrankungen auf ein durch 
Bakterien gebildetes Toxin zurück, und zwar auf ein in den Bazillenleibern 
enthaltenes Gift (Endotoxin). Diese Ansicht ist durch die neueren Forschungen 
bestätigt worden. Es handelt sich im wesentlichen um Bazillen der Paratypbns- 
Gruppe, die sich auf warmen Kartoffeln in wenigen Stunden enorm vermehren. 
Hierfür spricht auch, daß fast in allen Fällen die Erkrankungen durch Kartoffel¬ 
salat hervorgerufen wurden, der fut immer auf die gleiche Weise znbereitet 
wird. Verfasser fordert, daß bei derartigen Massenerkranknngen sofort genaue 



Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 


69 


bakteriologische Untersuchungen und Tierversuche angestellt worden, die dann 
sicher in jedem Falle xur richtigen Erkenntnis der Ursache führen würden. 

_ Rpd. jun. 


Beitrag tur Frage der Zlnnvergiftungen. Von Dr. A. Eckardt, 
ehemal, ehern. Assistenten am Veterinärinstitut der Universität Leipzig. Zeit¬ 
schrift für Untersuchung der Nabrungs- und Genußmittel; Bd. 18, H. 8, S. 193. 

Eckardt hat an der Hand von Tierversuchen und Untersuchungen an 
Sahnenkäaen, die in Stanniol eingeschlagen in den Handel gelangen, den sicheren 
Nachweis erbracht, daß das Zinn und seine Salze toxisch wirken können. 
Die Möglichkeit zur Akquirierung einer Zinnvergiftung ist heutzutage leicht 
gegeben. Man denke nur an den zahlreichen Konsum von Konserven in ver- 
siiBten Büchsen und an die große Reihe von Nahrungs- und Genußmitteln, 
insbesondere Käse, die ja vielfach in Stanniolumhüllungen in den Handel ge¬ 
langen. Die Anregung zu der Arbeit gab ein Vergiftungsfali bei einem Hunde, 
4« nach 4 tägigem Kranksein (Durchfall, Erbrechen) unter Lähmungs- 
encheinungen verendet war. Nach dem klinischen Befunde und Sektions¬ 
ergebnis (Magendarmentzündung, parenchymatöse bezw. fettige Degeneration 
der Leber, Stauungserscheinungen und trübe Schwellung der Nieren) lag der 
Verdacht einer Bleivergiftung nahe. Da die chemische Untersuchung jedoch 
■eben Spuren von Blei das Vorhandensein sehr erheblicher Mengen von Zinn 
ergab, und festgestellt wurde, daß der Hund vor seiner Erkrankung die Reste 
von Sahnenkäse mit der Stanniolverpackung gefressen hatte, so war eine Zinn- 
rergiftung als bewiesen anzusehen. Die genauesten Angaben unter gleich¬ 
seitiger kritischer Sichtung der gesamten diesbezüglichen Literatur gibt davon 
Hartwig in seiner Dissertation, die u. a. auch die Vergiftungen von kleineren- 
Haustieren mit Zinn behandelt. E. hat es sich hauptsächlich zur Aufgabe 
gemacht, festzustellen, welche Organe nach einer Zinnvergiftung die größte 
Zinnanaammlung aufweisen, um bei toxikologischen Untersuchungen, die den 
Verdacht von Zinnvergiftung erwecken, sogleich die geeignetsten Organe 
untersuchen zu können. Ausgeführt wurden die Versuche an Kaninchen mit 
anorganischen Zinnsalzen (Zinnchlorür) und organischen Zinnsalzen (essigsaures 
und weinsaures Zinn). Von diesen führt das erstere schneller zum Tode und 
za den ausgesprochensten AetzWirkungen. Im Magen wurden größere Mengen 
7 Jm nur bei Fällen von akuter Vergiftung gefunden, während bei den mehr 
chronisch verlaufenden Fällen sich hauptsächlich in Leber und Nieren Mengen 
voa 0,0019 — 0,009 g fanden. Lähmungserscheinungen wurden sehr oft, 
aber nicht regelmäßig beobachtet. Von Käsen gelangten zur Untersuchung 
Neufchateler und Camembertkäse. Es zeigte sich, daß besonders bei der Reifung 
(Weich- bezw. Halbflüssig-werden) des Käses Zinn, und zwar in nicht kleinen 
Mengen in diesen Übergeht. Es dürfte sich deshalb empfehlen, vor dem Ge¬ 
näse die äußere grau erscheinende Schicht vollkommen zu entfernen. 

_ . Dr. Symanski-Metz. 


Die Regelung der Lebensmltteluntersuchung in der Schweiz. Von 
A. Juckenack-Berlin. Zeitschrift für Untersuchung der Nahrungs- und 
Geaußmittel; Bd. 18, H. 1 und 2, 8. 6. 

Am 1. Juli d. J. ist in der Schweiz eine Bundesgesetzgebnng über den 
Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen in Kraft getreten, die 
vorbildlich für alle Staaten genannt werden kann, und auch deshalb besondere 
Beachtung verdient, weil es sich um einen ganzen Komplex von gesetzlichen 
Maßnahmen handelt, die die ganze diesbezügliche Materie vom Standpunkte 
moderner Hygiene aus verwaltungs- und strafrechtlich regeln. Aus dem um¬ 
fang- und inhaltreichen Vortrage seien folgende einzelnen Gesichtspunkte von 
allgemeiner Bedeutung hervorgehoben: Alle chemischen Konservierungsmittel 
Mt Ausnahme der allgemein gebräuchlichen (Kochsalz, Essig, Zocker u. dergl.) 
sind verboten, mit Ausnahme eines Salizylsäurezus&tzes von 0,025 °/ 0 bei Kon- 
fltüren und Gelees. Verboten ist die Anwendung künstlicher Süßstoffe, exkl. 
Limonaden und Chokoladen (mit Rücksicht auf Diabetiker), dann jedoch mit 
Deklaration. Als Farbstoffe für Lebensmittel ist eine ganze Reihe von an 
sich giftigen Stoffen verboten. Gestattet (leider!) ist nur das Kupfern von 
Gemüsekonserven bis zu einem Gehalt von 0,01 °/ 0 Kupfer. Das Färben mit 



70 


Tagesnachrichten. 


an sich unbedenklichen Farbstoffen ist bei einer Beihe von Nahrungsmitteln 
▼erboten. Sehr streng sind die Vorschriften betreffs der Bezeichnung der 
Lebensmittel in bezug auf ihre Natur und Herkunft: So muß z. B. Honig, der 
durch künstliche Fütterung der Bienen mit Zucker oder ähnlichem erzeugt 
ist, als „Zuckerhonig“ bezeichnet werden. Konservierte Gier sind zu deklarieren. 
Wein mit einer bestimmten Bezeichnung muß aus dem entsprechenden Wein* 
baugebiet stammen. Ein Sondergesetz, das die Herstellung von Kunstwein 
▼erbietet, ist in Aussicht genommen. Zur Vermeidung von Täuschungen muß 
Hagermilch auf besonderen Fuhrwerken befördert werden und darf nur auf 
Bestellung abgegeben werden. Limonaden, die nach bestimmten Früchten 
benannt sind, dürfen nur aus dem entsprechenden Fruchtsirup und kohlensaurem 
Wasser bereitet sein; die Anwendung künstlicher Frucht&ther und schaum¬ 
bildender Mittel ist verboten. Weinessig darf nur aus Wein hergestellt 
werden, trotzdem dies angeblich nicht möglich sein soll. Für UmhtQlungs- 
papier zum Einwickeln von Lebensmitteln existieren besonders strenge Vor¬ 
schriften usw. — Im Hinblick hierauf kann nur dem Wunsche Ausdruck ver¬ 
liehen werden, daß auch unsere maßgebenden Behörden möglichst bald dem 
Ausbau unserer Gesetzgebung auf diesem Gebiete näher treten möchten. 

_Dr. Symanski-Metz. 


Tagesnachrichten. 

Das preussisehe Medizinalwegen im Staatshaushaltsetat 1910/11. 

Gegenüber dem vorjährigen Etat zeigt der vorliegende eine erhebliche 
Steigerung der Ausgaben (um 628929 M. = 13,2°/ 0 ), die allerdings hauptsäch¬ 
lich durch die infolge der neuen Besoldungsordnuog bereits im Vorjahre ein¬ 
getretenen Gehaltsaufbesserungen der Medizinalbeamten bedingt ist. 
Daneben Anden sich abor auch verschiedene andere Aenderungen, die von den 
beteiligten Medizinal beamten sicherlich mit Freuden begrüßt werden. Ein 
schnelleres Tempo in der Umwandlung der nichtvollbesoldeten 
Stellen in vollbesoldete ist zwar nicht eingetreten — es sollen diesmal 
sogar nur drei solche Stellen (in Berlin und in den Stadt- und Landkreisen 
Münster und Aachen) in vollbesoldete umgewandelt und eine neue derartige 
Steile (in Köln) geschaffen werden —, aber dies war bei der ungünstigen 
Finanzlage des Staates wohl kaum anders zu erwarten. Dagegen ist mit Dank 
anzuerkennen, daß eine Erhöhung der Dienstaufwandsentschädi- 
gungen um 150 Mark vorgesehen ist, wenn diese auch hinter den Er¬ 
wartungen der Medizinalbeamten zurückbleibt und keinesfalls ausreicht, um 
die entstehenden Amtsunkosten vollständig zu decken. Weiterhin bedeutet die 
nach dem Etat beabsichtigte Neuordnung der Medizinaluntersuchungs- 
ämter einen wesentlichen Fortschritt. Daß die Mehrzahl der Vertreter 
dieser Aemter nicht vollbesoldet und ihnen nicht überall ein Kreis¬ 
assistenzarzt beigegeben war, bedeutete einen großen Mangel, dem durch 
den neuen Etat in wirksamer Weise abgeholfen wird; auffallend ist nur, 
daß man nicht ganz reine Bahn gemacht und zwei dieser Stellen (Düssel¬ 
dorf und Stade) nicht zu vollbesoldeten umgewandelt hat, zumal die Unkosten 
dieser äußerst zweckmäßigen neuen Organisation (54060 M.) durch die Ein¬ 
nahme aus den von den Kreisen zu zahlenden Beiträgen, die um 59400 Mark 
höher eingestellt sind, völlig gedeckt werden. Einen Fortschritt stellt auch 
die Umwandlung der bakteriologischen Unterauchungsstelle in Saarbrücken 
zu einem hygienischen Institut dar; dagegen ist es zu bedauern, daß der 
Ausführung des Seuchengesetzes in den Etat eingestellt Betrag wieder und 
zwar um nicht weniger als 80000 Mark gekürzt ist, sodaß er jetzt nur noch 
100000 M. gegen 250000 M. im Jahre 1906 beträgt. Man sollte fast meinen, daß 
den zuständigen Behörden die Vorteile, die dieser Fonds den bedürftigen Ge¬ 
meinden gewähre, nicht genügend bekannt seien oder daß sie die vielen 
Schreibereien scheuen, die in der Begel derartige Anträge notwendig machen. 

Im übrigen kehren sowohl im Ordinarium, als im Extraordinarinm die 
früheren Positionen wieder. Neu ist im Extraordinarinm nur ein Betrag von 
6000 M. zur Abhaltung von Fortbildungskursen für pharmazeu¬ 
tische Apothekenrevisoren, die sich mit Bückaicht auf das erschei¬ 
nende neue Arzneibuch und die dadurch bedingten höheren Anforderungen 
in bezug auf die Untersuchungen von Arzneimitteln als nötig erwiesen haben. 



Tagesnachrichten. 


71 


Wir lassen nacatehend die einzelnen Positionen des Etats folgen: 
1. Dauernde Ausgaben. 

1. Besoldung von 89 Mitgliedern (mit 600—1200 M.) and 86 


Assessoren (mit 600—1050 M.) der Provinzialmedizinal- 

koUegien. 69 850,— M. 

la. Besoldung yon 37 Begierangs- and Medizinalräten mit 
4200—7200 M. and yon 1 Begierangs* and Medizinalrat 

mit 1200 M. . 252000,— , ») 

Außerdem für 18 Begierangs* a. Medizinalräte pensions¬ 
fähige Zulagen yon 600 Mark. 7 800 — „ *) 


Vermerk: Die Begierangs- a. Medizinalräte and die 
Direktoren oer hygienischen Institate in Beathen and Saar¬ 
brücken erhalten bis za einem Drittel der Gesamtzahl der 
etatsmäßigen Stellen je 600 M. pensionsfähige Zolage. 

1 b. Besoldung yon 7 vollbesoldeten Kreisärzten als ständige 
Hilfsarbeiter bei den Begierongen in Königsberg, Potsdam, 

Breslan, Oppeln, Arnsberg und Düsseldorf sowie bei dem 
Polizeipräsidium in Berlin (mit 8000—7200 M.) .... 38000,— „ *) 

1 Besoldung von 52 vollbesoldeten Kreisärzten (3000—7200 M.), 

446 nicht vollbesoldeten Kreisärzten and 18 nicht vollbe¬ 
soldeten Gerichtsärzten mit mindestens 2100, höchstens 
3900 M., im Durchschnitt 8000 M., sowie für sonstige 


Besoldungen.:. 1707771,— „ *) 

3. Wohnung8geldzuschüsse. 87280,— „ 5 ) 


4. Zur Bemunerierung yon 88 Kreis Assistenzärzten (darunter 1 
(in Trier) künftig fortfallend) mit im Durchschnitt 2000 M. 
and yon Hilfsarbeitern im Bureau-, Kanzlei- und Unter¬ 
beamtendienst bei den Provinzial-Medizinalkollegien sowie 


za Beihilfen für die Wahrnehmung der Obliegenheiten des 

Kreisarztes durch Gemeinde- (Stadt-) Aerzte. 88661,— „ 6 ) 

4a. Stellenzulagen für nicht yollbesoldete Kreis-, einschließlich 

der Gerichtärzte. 220800,— „ T ) 


*) Mehr: 9000M. infolge Besoldungen!besserang unter Berücksichtigung 
des Dienstalters. 

*) Mehr: 7800 M. infolge der Besoldongsordnong. 

•) Weniger: 800 M. nach Maßgabe des Dienstalters der Kreisärzte. 

4 ) Mehr: 202100 M.,und zwar infolge Besoldungsaufbesserung anter Be- 
rtchsickngung des Dienstalters der vollbesoldeten Kreisärzte 44600 M., infolge 
der Besoldangsaufbeaserung der nicht vollbesoldeten Kreisärzte 465 X 300 
= 189500 M.), Anfangsgehalt für 4 yollbesoldete Kreisärzte (im Stadtkreis 
Berlin, Stadt- und Landkreis Münster, Stadtkreis Cöln u. Landkreis Aachen) 
4 X 3000 «s 12000 M., Durchschnittsgehalt für je 1 nicht vollbesoldeten 
Kreisarzt für den Polizeibezirk Lichtenberg und den Landkreis Becklinghausen 
(2 X 3000 = 6000 M.) Weniger: Darchschnittsgehalt für 3 nicht yollbe¬ 
soldete Kreisärzte (in Berlin, Münster and Landkreis Aachen; 3 X 3000 = 
9600 M.) ; bleibt mehr: 193100 M. 

•) Mehr: 24940 M. infolge Erhöhung der Wohnungsgeldzuschüsse and 
für die 4 neaen vollbesoldeten Kreisarztstellen. 

*) Mehr: 82800 M. infolge Erhöhung der Dienstbezüge der Kreisassi¬ 
stenzärzte yon 1200 auf 2000 M. und für 2 neue Kreisassistenzarztstellen in 
den Kreisarztbezirken Göttingen (Stadt- und Landkreis) und Bielefeld (Stadt- 
u. Landkreis Bielefeld and Kreis Halle i. W.). Weniger: 8400 M. für 2 
efngegangene Kreisassistenzarztstellen in Cöln und Becklinghausen und 5 
Kreisassistenzärzte (in Marienwerder, Bromberg, Breslau, Osnabrück und Wies¬ 
baden als Assistenten von Untersuchangsämtern, die auf den Etat der letzteren 
übertragen sind); bleibt mehr 24400 M. 

T ) Mehr: 220300 M. und zwar 464 X 450 M. = 2081800 + 11600 M., 
darunter 4000 M. als künftig wegfallend zar Gewährung von Entschädigungen 
für die vor dem 1. April 1909 angestellten nicht vollbesoldeten Kreisärzte für 
dm Fortfall der Fahrkostenentschädignng im § 1 des Gesetzes vom 9. März 
1872. 











72 


Tagesnachriohten. 


4 b. Zu Entschädigungen an die vor dem 1. April 1908 ange- 
stellten vollbesoldeten Kreisinte für den Fortfall der 
Fnhrkostenentschädigang and der übrigen ihnen bisher 

sngeflossenen Gebühren für Dienstgeschäfte. 80 000,— M. 8 ) 

5. Zn Geschäftsbedürfnissen der Provinzial-Medizinalkollegien, 
Dienstaufwandsentschädigung für 2 Regierangs- and Modi- 
zinalrftte in Berlin (je 1200 M.), für Vertretung von Reg.- 
und Medizinalräten and von als ständige Hilfsarbeiter bei 
den Regierangen beschäftigten vollbesoldeten Kreisärzten, 
za Remanerationen für die Prüfung der Rezepte und Rech¬ 
nungen über die für Staatsanstalten gelieferten Arzneien, 
za Entschädigungen für Amtsunkosten für die vollbesol¬ 
deten Kreisärzte bis za 1150 M., im Darchschnitt 900 M., 
für die nicht vollbesoldeten Kreisärzte einscbl. der Gerichts- 
ärzte bis za 900 M., im Darchschnitt 400 M., sowie an 
Tagegeldern und Reisekosten für auswärtige Mitglieder der 
Provinzial-Medizinalkollegien, an Tagegeldern, Reisekosten 
und Entschädigung für die Erstattung schriftlicher Gut¬ 
achten und Berichte an die psychiatrischen Mitglieder der 
Besachskommission für die Beaufsichtigung der Privat- 
Irren- usw. Anstalten und zu Tagegeldern und Reisekosten 
für die auswärtigen Mitglieder des Beirats für das Apo¬ 


thekenwesen . 259 535,— M. 9 ) 

5 a. Zu Beihilfen zum Studium medizinal-technischer wichtiger 

Einrichtungen und Vorgänge. 8000,— „ 

5 b. Tagegelder und Reisekosten der Kreismedizinalbeamten 865000,— „ 

6 u. 7. Zur Remunerierung der Mitglieder u. Beamtender Kom¬ 
missionen für die Staatsprüfung der Aerzte, Zahnärzte, 

Apotheker und Kreisärzte. 203000,— „ t0 ) 

8. Institut für Infektionskrankheiten. 248725,— „ M ) 

9. Institut für experimentelle Therapie in Frankfurt a. M. . 81714,— „ **) 

10. Zur Unterhaltung einer staatlichen Versuchs- und Prü- 

fungsanstalt für Wasserversorgung und Abwässer¬ 
beseitigung in Berlin. 164150,— „ '*) 

11. Bad Bertrich. 81790,— „ M ) 

12. Hygienisches Institut in Posen. 57749,50 „ 1# ) 

18.—18 d. Hygienisches Institut in Beuthen (Oberschi.) . . . 28590,— „ !# ) 

18 e.—13 k. Hygienisches Institut in Saarbrücken. 16075,— „ ,T ) 


•) Mehr: 80000 M. auf Grund der Besoldungsorduung, künftig weg¬ 
fallend. 

*) Mehr: 80150 M. für Erhöhung der Amtsunkosteneatschä- 
digangen der Kreisärzte um je 150 M. und infolge Umwandlung von 8 nicht 
vollbesoideten in vollbesoldete Kreisarztstellen und Neueinrichtung von 2 nicht 
besoldeten in 1 vollbesoideten Kreisarztstelle. 

10 ) Der gleiche Betrag an Prüfungsgebühren ist in Einnahme 
gestellt. 

u ) Mehr: 18010 M. infolge Besold ungsaufbesserung. 

“) Weniger: 7686 M. infolge Abtrennung der bakteriologisch -hygie¬ 
nischen Abteilung vom Institut, das jetzt mit dem städtischen hygienischen 
Institut in Frankfurt a. M. verbunden wird. 

**) Mehr: 8240 M. infolge Besoldungsaufbesserung. 

M ) Mehr: 18320 M. infolge Erweiterung des Badebetriebs. 

18 ) Mehr: 8427,50 M. infolge Besoldungsaulbesserung und zur Remune¬ 
rierung eines Chemikers. 

1# ) Mehr: 3880 M. infolge Besoldungsaufbesserung und Anstellung 
eines Chemikers. 

17 ) 16075 M. infolge Umwandlung der bisher aus Mitteln des Extra- 
ordinariums unterhaltenen bakteriologischen Untersuchungsanstalt in ein hygie¬ 
nisches Institut, das auf breiterer Grundlage als die bisherige bakteriologische 
Untersuchungsanstalt neben Bekämpfung der übertragbaren Krankheiten eine 
allgemeine Besserung der Gesundheitsverhältnisse im Saargebiet, namentlich 
auch der Hygiene in den industriellen Betrieben, Gruben und Hütten erstrebt. 












Tagesnachrtohten. 


78 


181—0. Medizinal -Untersuchungsämter (9 rollbesoldete Kreis* 
inte (in Gumbinnen, Danzig, Potsdam, Stettin, Breslau, 

Magdeburg, Hannover, Münster n. Koblenz), 2 nicht voll- 
(besoldete (in Stade n. Düsseldorf), 11 Kreisassistenz&rzte 
als Assistenten dieser Aemter und 2 Kreuassistenzärzte 
als Leiter der Untersachangsstellen in Bromberg n. Sig- 
marin gen. 149 780,-M. l «) 

14. Zaschüsse für einige Krankenanstalten. 5659,72 „ '*) 

15. u. 16. Impfwesen (Bemanerierang der Vorsteher, Assi¬ 
stenten, Tierärzte, sächliche Ausgaben, Imfprämien usw.) 110176,62 „ *°) 

17. Zn Beagentien bei den Apothekenrevisionen. 1900,— „ 

18. Zn Unterstützungen für aktive Medizinalbeamte (7500 M.) 
für aasgeschiedene Medizinalbeamte sowie für Witwen u. 

Waisen von Medizinalbeamten (60 000 M.).. 67 500,— „ *') 

18a. Zar Unterstützung für die auf Grand des § 15 des Kreis* 
arztgesetzes auf Wartegeld gestellten Medizinalbeamten 
(künftig wegfallend). 50000,— „ 

19. Za Almosen an körperlich Gebrechliche zor Bückkehr in 

die Heimat, sowie für arme Kranke. 900,— 

20. Für medizinalpolizeiliche Zwecke, einschließlich 8000 M. 

snr Bestreitung der Kosten der sanitätspolizeilichen Kon* 
trolle behafs Abwehr der Choleragefahr and 25 987 M. für 
das Lepraheim im Kreise Memel. 214987,— 

20a. Hafen- und Schiffsüberwachung einschließlich der Quaran- 

tineanstalten. 49 620,— 

20b. Zar Aasführang des Gesetzes, betr. die Bekämpfung über¬ 
tragbarer Krankheiten. 100000,— 

20c. Unterstützang des Bezirkshebammenwesens. 100000,— 

21. Verschiedene andere Aasgaben (Zoschoß für Aerzte auf ver¬ 

schiedenen Ost- und Nordseeinseln, Beihilfe für ärztliche 
Fortbildungskurse (15000 M.) usw. . . . ♦ 89551,60 M. **) 

Zusammen: 5386055,44 M. 
im Vorjahre: 4757095,94 „ 


n 


ti 


) 


Danach mehr: 628929,50 M. 


••) Mehr: 54060 M. infolge Vervollkommnung der Organisation. In 
der Begründung heißt es hierzu: „Die bisherige Organisation der Medizinal- 
untersachangsämter entsprach nicht mehr den Bedürfnissen. Insbesondere 
hat es sich als erforderlich erwiesen, diejenigen Vorsteher, die durch den Dienst 
voll in Anspruch genommen sind, auskömmlich zu besolden, ihnen daher in 
der Mehrzahl das Gehalt der vollbesoldeten Kreisärzte einschließlich Woh- 
■ungsgeldzuschuß zu gewähren und ferner jedem Medizinaluntersuchungsamt 
einen Assistenten beizugeben. Zum Teil ist auch der örtliche Geltungsbereich 
der Untersuchangsämter neu abgegrenzt. Für die Provinz Westprenßen ist ein 
neues Untersuchungsamt in Danzig vorgesehen, das Untersuchungsamt in 
Liegnitz ist nach Breslau verlegt. In Bromberg und Sigmaringen wird je 
eine Medizinaluntersuchungsstelle mit einem Kreisassistenzarzt als Leiter unter¬ 
halten.“ Statt 10 Medizinalantersachangsämter werden demnach künftig 11, 
dagegen statt 7 Medizinaluntersuchungsstellen nur 2vorhanden sein; Breslau, 
Marienwerder, Osnabrück, Wiesbaden u. Trier fallen fort und an Stelle der Me- 
diziaaluntersuchungsamtes in Liegnitz und der bakteriologischen Untersuchungs- 
stelle in Saarbrücken treten ein Medizinaluntersuchungsamt in Breslau und 
da« hygienische Institut in Saarbrücken. 

”) Mehr: 50 M. 

*•) Mehr: 2l00 M. für sachliche Ausgaben der Impfanstalt in Cassel. 

**) Mehr: Infolge erhöhter Anforderungen auf dem Gebiete der Seuchen- 
bekimpfuog 4000 M., für das Leprakrankenheim 6077 M., zusammen 10077 M. 

**) Mehr: 180 M. 

**) Weniger: 80000 M., da die Erfahrungen ergeben haben, daß der 
bisherige Betrag (180000 M.) über das Bedürfnis hinausgeht. 

M ) Weniger: 864 M. 












74 


Tagesnaehriehten. 


B. Einmalige und ausserordentliche Ausgaben. 

a) 2164580 M. (268680 M. weniger als im Vorjahre) für Neu- und Um¬ 
bauten von klinischen Uniyersit&tsinstituten, Ergänzung 
des Inventars derselben, Deckung von Fehlbeträgen usw. (den Löwenanteil 
davon beansprucht die Charit6 nnd zwar ftlr Neubauten 707550 M., zur 
zur Deckung ihres Fehlbetrages 427870 M.), je 10000 M. zu Syphilis¬ 
lorschungen in den Kliniken fttr Haut- und Geschlechtskrankheiten 
zu Breslau und in der Chantä zu Berlin (wie im Vorjahre), 8000 M. fttr das 
hygienische Institut in Berlin zur Herstellung eines weiteren Vorrats 
hochwertiger Sera zur Blutuntersuchung fttr gerichtliche 
Zwecke; 14000 H. fttr die erste medizinische Klinik der Charit6 zur 
Erforschung der Krebskrankheit. 

b) 29800 M. zur Abhaltung von Fortbildungskursen fttr Mediziaal¬ 
beamte (wie im Vorjahre). 

c) 6000 M. zur Abhaltung von Fortbildungskursen fttr pharmazeu¬ 
tische Bevollmächtigte zu den amtlichen Besichtigungen der Apo¬ 
theken. 1 ) 

d) 26000 M. Beihilfe fttr das Institut fttr experimentelle Therapie in Frank¬ 
furt a.M. zur Erforschung der Krebskrankheit auf experi¬ 
mentell-therapeutischem Wege (wie im Vorjahre). 

e) 7000 tf. zur inneren Einrichtung des zum 1. Oktober 1910 zu errichtenden 
Hygienischen Instituts in Saarbrücken, 11000 M. zur Unter¬ 
haltung der bisher daselbst bestehenden bakteriologischen Untersuchuas- 
anstalt fttr das erste Halbjahr des Etatsjahres *). 

f) 25000 M. zur inneren Einrichtung einschl. der baulichen In¬ 
standsetzung der Medizinal-Untersuchungsämter uud 
-stellen (Hehr: 15000 M.). 

f) 800000 M. zur Bekämpfung der Granulöse*). 

h) 20000 M. zur Bekämpfung des Typhus im Beg.-Bez. Trier (wie im 
Vorjahre). 

e) 8570 M. zu baulichen Herstellungen bei dem Lepraheim im Kreise 
Hemel. 

k) 10000 M. zu Beihilfen zur Krebsforschung (wie Im Vorjahre). 

l) 10000 H. fttr Verbreitung von Druckschriften und Versandt¬ 
gefäßen gemäß der Ausftthrungsbestimmungen zum Seuchengesetz 
(10000 H. mehr als im Vorjahre). 

m) zur Beschaffung eines Apparats zur Vernichtung von Batten 
auf Seeschiffen im Hafen von Stettin 4 ). 


*) In der Begründung fttr diese neue Ausgabe heißt es: Durch die 
Fortschritte der chemischen Wissenschaft und die Entwicklung der chemischen 
Industrie werden immer neue chemische Verbindungen dem Arzneischatz als 
Heilmittel angeführt und neue Methoden fttr die Darstellung auch der älteren 
Heilmittel aufgestellt. Alle diese Neuernngen, zu denen noch die Verordnungen 
hinzutreten, die durch das im Jahre 1910 erscheinende neue Arzneibuch fttr 
das Deutsche Beich eingeftthrt werden, stellen an die bei der amtlichen Be¬ 
sichtigung der Apotheken betätigten pharmazeutischen Bevollmächtigten weit¬ 
gehende Anforderungen, von deren sorgfältiger Beachtung die Gesundheit der 
arzneibedttrftigen Bevölkerung abhängt. Damit die genannten Sachverständigen 
den an sie gestellten erhöhten Anforderungen gewachsen sind, soll ihnen 
Gelegenheit gegeben werden, an einem Universitätsinstitut fttr pharmazeutische 
■ad angewandte Chemie die Prttfungsmethoden fttr Arzneimittel nach dem 
neuesten Stande der Wissenschaft kennen zu lernen und ihre sichere und 
schnelle Durchführung zu ttben. 

*) Die Unterhiütungskosten des hygienischen Instituts sind auf das 
Ofdiaarium übernommen. 

*) Weniger: 50000 M., trotzdem wird es möglich sein, die Bekämpfung 
der Granulöse auch in den außerhalb der Provinz Ostpreußen belegenen Krank¬ 
heitsherden in Angriff zu nehmen, da durch die planmäßige Grasulose- 
bekämpfang in Ostpreußen eine weitere Abnahme der Krankheit, insbesondere 
der schweren Erkrankungsfälle herbeigeftthrt ist. 

4 ) Nach Art. 85 der Internationalen Uebereiskuaft, betr. Maßregeln 



Tagesnaohrlchten. 


76 


b) 90000 M. zu Beihilfen zur Anstellung ron Welnhontrolleuren 
in Hauptberufe behufs Durchführung des Wahlgesetzes vom 7. April 
1909 — B. G. BL 8. 898 •). 


In der alljährlich dem Etat beigefttgten Uebersicht der Entschlieflungen 
de? 8taatsregierang auf Beschlüsse des Abgeordnetenhauses heißt es unter 
Nr. 8 der Besoldungsordnung betreffs Neuregelung der Penslonsrerhlltutsse 
der nicht Tollbesoldeten Kreisfirste (Anrechnung eines angemessenen Teils 
d*r als prtklischer Arzt zurückgelegten Zeit): „In g 3 Abs. 2 der unterm 
24. Jani 1909 erlassenen neuen Prüfungsordnung för Kreisärzte ist als Be¬ 
dingung für die Zulassung zur Prüfung «eine mindestens dreijährige praktische 
nach technische Beschäftigung" vorgeschrieben. Demgemäß ist in Zukunft bei 
der Pensionierung der Kreisärzte, die ihre Prüfung nach der neuen Prüfungs¬ 
ordnung abgelegt haben, auf Grund des § 14 Nr. 4 des Gesetzes von 1872 
außer der im Staatsdienst zugebrachten Dienstzeit ein dreijähriger Zeitraqm 
alz pensionsfähige Dienstzeit in Anrechnung zu bringen." 

Hoffentlich wird diese Bestimmung anch auf die vor dem 24. Juni 
1909 geprüften und angestellten Medizinalbeamten ausgedehnt. Seitens dee 
Vorstandes des Preußischen Medizinalbeamten vereine ist eine dementsprechende 
Petition an dem Herrn Minister der Med.-Angelegenheiten gerichtet; ein 
Bescheid darauf aber noch nicht ergangen. 


Mit der geplanten Abtrennung des preusslsehen Mediilnalwesens vom 
lultnsmlnlsterium hat sich das «Zentralkomitee für das ärztliche 
Portbildungswesen in Preußen" am 16. d. Mts. in einer im Kaiserin- 
Fried rich-Hauae abgehaltenen außerordentlichen Generalversammlung beschäf¬ 
tigt. Es kam hier nach einer lebhaften Diskussion zu folgenden, gegen die 
Aagliederung der ärztlichen Unterrichtsbestrebungen an das Ministerium des 
Innern gerichteten Beschluß: „Das Zentralkomitee gibt einmütig dem Wunsche 
Ausdruck, daß die seit der Begründung bestehende Verbindung seiner 
Organisation, einschließlich der ihr zugehörigen Akademien für praktische 
Medizin, mit dem Universitätsunterrichte, sowie mit dessen amtlicher Ver¬ 
tretung, dem Unterrichtsministerium, in der bisherigen Weise erhalten bleibe. 
Denn es erblickt in dieser Verbindung die wesentliche Ursache seiner bisherigen 
erfolgreichen Tätigkeit und die Voraussetzung für seine gedeihliche Fort¬ 
entwicklung.* Die Besolution wird dem Präsidenten des Staatsministeriumz, 
dem Unterrichtsminister und dem Minister des Innern übermittelt. 


Am 7. d. Mts. hat der Geb. Ober-Med.-Bat Dr. Neidhart in Dsrmstadt, 
seit vielen Jahren Vortragender Bat in der Abt. für Öffentliche Gesundheits¬ 
pflege den Großherzogi. Hess. Ministeriums des Innern, Vorsteher der Landes- 
Impfanstalt und Mitglied des Beichsgesundheitsrats, sein 60 jähriges Doktor- 
Jabitlum gefeiert. Ueberaus zahlreiche Glückwünsche und Enrenbeweise sind 
ihm an diesem Tage zuteil geworden; der Verein hessischer Aerzte ernannte 
ihm zu seinem Ehrenmitglied, die medizinische Fakultät der Universität Gießen 
Heß ihm durch eine besondere Deputation das erneuerte Doktordiplom über- 
reichen; der Hessische Medizinalbeamtenverein hatte eine besondere Abordnung 
, zur Ueberbringung seiner Glückwünsche übersandt. Der Deutsche Medizinal¬ 
beamtenverein, an dessen Gründung der Jubilar s. Z. mitgewirkt und dem er 
stets das größte Interesse entgegengebracht hat, schließt sich diesen Glück¬ 
wünschen von ganzem Herzen an. MOge er noch viele Jahre in gleicher 
geistiger und körperlicher Frische seinen vielen Freunden erhalten bleiben I 


gegen Pest, Cholera und Gelbfieber, vom 8. Dezember 1903 — B. G. Bl. 426 — 
ist jedes der Länder, die der Uebereinkunft beigetreten sind, gehalten, an 
jedem seiner Meere mindestens einen Hafen mit einem Apparat zur Vernichtung 
von Batten auf Seeschiffen auszustatten. An der Ostsee' ist hierzu 3tettin 
aase riehen, an der Nordsee sind bereits in Hamburg und Bremerhaven der¬ 
artige Apparate vorhanden. 

*) Mehr: 20000 M., da nach § 21 des Weingesetzes für alle Telle des 
Beichs zur Unterstützung der mit der Nahrungsmittelkontrolle betrauten Be¬ 
hörden Sachverständige ün Hauptamt bestellt werden müssen. 



76 


Tagesnaobrlchten. 


Die iweite Internationale Konferenz für Krebsforschung findet vom 
1.‘—'6. Oktober d. J. in Paris statt. Zar Verhandlung kommen: Histologie 
and histologische Diagnose, Statistik, Methoden der klinischen Diagnose, Be¬ 
handlung', experimentelle Pathologie and Aetiologie, sowie vergleichende 
Pathologie des Krebses. Etwaige Anträge asw. sind an den Generalsekretär 
Dr. G. Meyer-Berlin W., Bendlerstrafie 13, zu richten. 


Die diesjährige HanptVersammlung der Deutschen Gesellschaft für 
Volksbäder wird am 4. Mai 1910 in Heidelberg abgehalten werden. 


Der zweite Internationale Kongress für Gewerbekrankhelten findet 
vom 10. bis 14. Dezember d. J. in Brüssel statt. Zar Beratung kommen 
sechs Hauptfragen: 1. Ist eine Trennung der Gewerbekrankheiten von den 
gewerblichen Unfällen möglich, and welches sind die Unterscheidungsmerkmale. 
2. Aerztliches Wissen and Können in bezug auf Bergwerke, Fabriken, Werk¬ 
stätten etc., insbesondere die körperliche Eignung für die verschiedenen Berufe, 
körperliche Entwicklung der Jugendlichen m den einzelnen Berufen, ärztliche 
Ueberwachang der Arbeiter, Organisation des fabrikärztlichen Dienstes, beruf¬ 
liche Krankheits- oder Sierbestatiatik. 8. Der Kampf gegen die Warmkrank¬ 
heit. 4. Auge und Beleuchtung in bezug auf Berufskrankheiten. 5. Arbeit in 
komprimierter Luft. 6. Gewerbliche Vergiftungen. Für diese Fragen werden 
besondere Berichterstatter ernannt werden. Außerdem sind selbständige Vor¬ 
träge zagelassen, auch za anderen Fragen der Pathologie der Gewerbekrank¬ 
heiten. Berichte und Vorträge werden rechtzeitig gedruckt. Manuskripte 
müssen bis zum 31. Mai 1910 eingereicht sein. Vorsitzender des Organisations- 
komitees ist Dr. A. Möller, Präsident der Königl. Akademie für Medizin, 
Generalsekretär Dr. Glibert, Direktor bei der Gewerbeinspektion im Arbeits- 
ministerium. Teilnehmer können alle Personen und Körperschaften werden, 
die sich für Gewerbekrankheiten interessieren, Anmeldungen sind bis zum 
1. September 1910 an das Sekretariat des Kongresses, Brüssel, Bue Lamber- 
mont 2 (Ministöre de l’Industrie et du Travail), zu richten. Für Deutsch¬ 
land sind ein Ehrenkomitee und ein Arbeitskomitee gebildet worden. Das 
.Ehrenkomitee besteht aus den Herren Staatssekretär Delbrück und Staats¬ 
minister Sydow (Ehrenpräsidenten), Ministerialdirektor Caspar, Präsident 
des Beichsgesundheitsamtes Bumm, Wirkl. Geh. Obermedizinalrat Professor 
Dr. Schmidtmann, Geb. Beg.-Bat Prof. Dr.Hartmann-Berlin, Stadtrat 
x Dr. Gottstein-Oharlottenbarg, Geh. Beg.-Bat Bielefeld-Lübeck, Geb. Bat 
Prof. Dr. Benk-Dresden, Prof. Dr. Lehmann-Würzburg, Prof. Dr. Hahn- 
München, Prof. Dr. Albrecht-Berlin, Geb. Bat Prof. Dr. Kalle-Wiesbaden, 
Geh. Bat Prof. Dr. L ö b k e r - Bochum, Geb. Bat Prof. Dr. Le nt-Köln, Geh. 
Med.-Bat Dr. Both-Potsdam. Das Arbeitskomitee besteht aus den Herren 
Med.-Bat Dr. Platten, Privatdozent Dr. Kaup, Arbeitersekretär G. Hart¬ 
mann, Prof. Dr. B. Lennh off, Dr. D. Munter, Prof. Dr. Sommerfeldt, 
sämtlich in Berlin und Charlottenburg. 


Erkrankungen und Todesfälle an ansteekenden Krankheiten ln 
Preussen. Nach dem Ministerialblatt für Medizinal- und medizinische Unter¬ 
richts-Angelegenheiten sind in der Zeit vom 27. Nov. bis 18. Dez. 1909 erkrankt 
(gestorben) an: Gelbfieber, Fleckfieber, Bückfallfieber, Pest, 
Botz, Cholera, Tollwut:— Aussatz: — (—), —(—),1(—),— (—); 
Pocken: 2 (-), 2 (-), 2 (1), 6 »2); Milzbrand: 1 (—), 1 (1), 6 (—), 
5 (—); Bißverletzuagen durch tollwutverdächtige Tiere: 2 <—), 
1 (—), 22 (—), 1 (—); Unterleibstyphus: 262 (39), 260 (41), 239 (41), 
198 (23); Buhr: 4 (—), 4 (—), 4 (—), 4 (—); Diphtherie: 1832 (170», 
1812 (166), 1911 (144), 1936 (148); Scharlach: 1766 (102), 1648 (78). 1668 
(88), 1678 (111); Kindbettfieber: 94 (28). 104 (22), 14 (8), 111 (26); 
Genickstarre: 8 (2), 10 (6), 14 (3), 7 (2); Spinale Kinderlähmung: 
40 (6), 87 (4), 28 (5), 23 (3); Fleisch- und Wurstvergiftung: 1 (—), 
14 (—), 8 (1), 6 (1); Körnerkrankheit (erkrankt): 161, 164, 188, 168; 
Tuberkulose (gestorben): 662, 664, 419, 677. 

Bedaktion: Geh. Med.-Bat Prof. Dr. Bapmund, Beg -u. Med.-Bat in Minden i. W. 
J. C. CJlrnm«, Herzog!. Siebs. n. F. Seh-L.. Hofbaohdraekerei ln Minden. 

























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23. Jahrg. 


1910. 


Zeitschrift 

für 

MEDIZINALBEAMTE. 


ZMtnfelitt für tu gesamte Beswiteitswesea, 

für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenwesen. 

Heraasgegeben 

▼on 

G#1l MecL-Hat Prot Dr. OTTO RAPMOND, 

Rcgicrmngo- und MedixinAlrut in Minden 1« W. 

Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, Sächsischen, 
Württembergischen, Badischen, Mecklenburgischen und Eisass-Lothringischen 

Medizinalbeamtenvereins. 


Verlag von Fiseher’s mediz. Bnehhandlg., E Kornfeld, 

Herzog!. Bayer. Hof- u. Erzherzog!. Kammer - Bnotihinrtler. 

Berlin W. 35, Lützowstr. 10. 

Inserate nehmen die VerUgshandlong sowie alle Annoncenexpeditionen des ln* 
und Auslandes entgegen. 


Nr. 3. 


Kmhelit mm I. ud M.Jedea Xaaata. 


5. Februar. 


(Aus dem Königlichen Hygienischen Institut za Posen.) 

Ueber heftige Magen-Darmstörungen nach Genuss 
Paratyphus B-haitiger Nahrungsmittel. 

Vom Dr. Walther Zlmmenuna, staats&rztlich approbierter Arzt, Assistenten 

am Institut. 

In den letzten Jahren haben die Paratyphns B-Bazillen viel 
▼on sich redenmachen. Ist es doch nachgewiesen, daß sie weit 
h&nflger, als man früher annahm, Vorkommen, ja, daß sie überall 
in der Natnr sich finden, ohne nach ihrer Aufnahme in den Körper 
immer pathogene Erscheinungen hervorzurufen. So berichtet 
Gaethgens (l) 1 ) über ihr gelegentliches Vorkommen im Wasser. 
Seiner Meinung nach sind sie beim Menschen gar nicht selten im 
Stahl and Urin vorübergehende harmlose Saprophyten. Bimpan (2) 
berichtet über einen Fall, wo es ihm sogar gelang, Paratyphns 
B- Bazillen ans dem Blute eines völlig gesunden Menschen za 
züchten. 

Auch in den verschiedensten einwandsfreiesten Nahrungs¬ 
mitteln hat man Paratyphns B- Bazillen gefunden. So gelang es 
Uhlenhuth und Hübener (3) unter 100 Würsten der ver¬ 
schiedensten Art und Herkunft 6 mal Paratyphns B-haltige zu 


*) Die eingeklammerten Ziffern beziehen sich aal dnz am Schlosse stehende 
Literaturverzeichnis. 











78 


Or. Zimmermann: üeber heftige Magen-DarmstOrungen 


ermitteln, nach deren Genuss Erkrankungen nicht bekannt ge¬ 
worden waren. Eine Wurst, die Pt. B f ) enthielt, war von 
Hüben er selbst mit seiner Familie ohne Schaden verzehrt werden. 
Auch Rimpau (2) konnte aus einer völlig einwandfreien Leber¬ 
wurst Pt. B züchten. Gaffky (4) berichtet über einen gleichen 
Befund in Gänsebrüsten. 

Indessen verhalten sich diese Bazillen keineswegs immer so 
harmlos. Sind doch in den letzten Jahren auch zahlreiche Fälle 
bekannt geworden, wo nach dem Genuß Paratyphus B- haltiger 
Nahrungsmittel heftige Magen-Darmstörungen eingetreten sind. 
Es sei hier bloß der von W'er nicke (5) mitgeteilte Fall erwähnt, 
wo der Genuß einer Vanilletorte Anlaß zu heftigen Erkrankungen 
gab. Es war zu der Torte nachweislich Sahne aus einer Molkerei 
verwendet worden, unter deren Personal sich ein Paratyphus B- 
Bazillenträger befand. Fast unmittelbar nach dem Genuß dieser 
Torte erkrankte eine ganze Reihe von Personen, in deren Ent¬ 
leerungen Pt. B nachgewiesen werden konnten. 

Auch mir gelang es in zwei Fällen von heftigen Magen- 
Darmstörungen nach Genuß verdächtiger Nahrungsmittel Pt. B 
nachzuweisen. Diese Fälle, die zeitlich und örtlich völlig aus¬ 
einander liegen, betrafen einmal ein 14 jähriges Mädchen, dann 
aber beim zweiten Fall eine Art Epidemie. Es kamen nämlich 
16 Krankheitsfälle zur Kenntnis der Behörde. 

Die Frage, warum nun einmal diese Bazillen ganz harmlos 
sind, ein anderes Mal indessen die heftigsten Erscheinungen 
hervorrufen, das ist zurzeit noch nicht genügend geklärt. Es ist 
ja tatsächlich auch, wenn Krankheitsfälle nach Genuß Pt. B- 
haltiger Nahrungsmittel auftreten, der Beweis kein exakter, daß 
diese Bazillen die Erreger der betreffenden Krankheit sind, da 
die Frage post hoc, ergo propter hoc ja nicht ohne weiteres zu 
beantworten ist. Nach meinen persönlichen Erfahrungen sind die 
Pt. B- haltigen Nahrungsmittel, die schwere akute Krankheits¬ 
erscheinungen hervorgerufen haben, fast stets nachweislich nicht 
entsprechend anfbewahrt worden, so daß sie beim Genuß schon 
leicht angegangen waren, ohne indessen direkt beanstandbar zu 
sein. Dies stimmt auch mit Wer nick es Ansicht überein. Nach 
ihm kommen diese akuten Magen-Darmstörungen dadurch zustande, 
daß beim Genuß solcher Nahrungsmittel einmal der Infektionsstoff 
(Pt. B) in ganz ungeheurer Menge aufgenommen wird, dann aber 
auch die in jenen enthaltenen, schon vorgebildeten Gifte, wobei 
eine zeitliche Praedisposition, wie z. B. vorher leerer Magen, eine 
begünstigende Rolle spielt. 

Bevor wir auf die von mir festgestellten Fälle näher ein- 
gehen, sei es mir gestattet, mich zunächst über den Paratyphus 
im allgemeinen etwas auszulassen. Es sei gleich bemerkt, daß 
im folgenden immer nur von Paratyphus B die Rede sein wird, 
und wir den seltenen Typus A außeracht lassen werden. 


*) Pt. B haben wir anob im folgenden ala Abkürzung für Paratyphns B- 
Basillen angewendet. 





•&» "Krankheiten sich verschiedene Erreger nicht nur 




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^Wtjphaa rat eine Infektionskrankheit, die sftBÜits- 
■ *^4 therapeutisch dem echten Unterleibstyphus, völlig 

■ ■•:'«-' :■!■'; ^ .v 3 1, t ruinösem Sh'nlnnri&Al) liiAvvnn iynin/)iriirD^ia/)on iaf 


: ü. . jitri lTu' c» ’ w **‘*™ u owöu mmiuumiuiiou-u ul ciuicu icvan^ju. ,v«i n.u 4 * 

l^KlwBf^^^^T^aiäsWede auzuführen, sei erwähnt, daß die Beweglichkeit 
f.%' «ligemeineu größer, während ihre Gestalt öfter noch 

‘■^t. —t* ifeaper ist. Auf Gelatine bildet sich nach 48 Stunden 

«wg^ iffil i lwj pfc ®^ Ä g> der üppig und glänzend ist and allmählich 
*£$. *mmm S^tenartigea, fiir Pt. B typischen Ton annimmt. 
tyisäseJt-ti. ■'Typhös zuckerhaltige Nährböden unverändert läßt, 

Uwtef* 5 jS^iaÄfcjpbua Traubenzucker, während ja Bacterium coli 
,i}iV 2 -ucAe y*e*r»W vergäkrt. Endlich ist def Paratyphusbacillus 
•A*i\ wi31^aEd»'fc* !»ie fAhiger. Er wird nicht so leicht äh«'wuchert, 
; vn etliemiBche Desinfektionsmittel resistenter, kann Aas- 
tw&u grm*t- vertragen and endlich, was hiuesefciljtdk.teInfektion 
'NssijtX'Crogismittsl sehr wichtig ist, er kann Temperaturen hie 
(ft Grad u ri«4 darüber noch eine Zeitlang aushalten. 

Die Bf ÄaseicUnnng Puratyphus stammt ursprünglich von den 
WnoiMScsli«*» S'wschera Achard n. Bensaade («), die zuerst 
atii iv»v 1 S öä s Iafektion8 paratyphoidiqaes“ beschrieben. In die 
de&tecke Noraeokifttar kam die Bezeichnung Par&typhuB dann durch 
'£?; tfcboUny I 0TJ ■ 

I»e> Au»druck Pamtyphue bezeichnet, dem griechischen „Ilap& 
iUb«1>«j rsntia.n/ar"' entsprechend, ein KrankbeitabÜd, das neben dem 
öch'.s«,darüls den JSberth-Gatfky’aehen Bacillus hervorgerufenen 
Cmevte&vtypliae entlang läuft. 

liuleöaeJi ufitergcheiden wir heute zwischen zwei Kraukbeits- 
o«iui Ptej-atyphus B, nämlich einem mehr chronischen, dem 
«A>tw! TypUtiö sriclu ganz unähnlichen Krankheitshilde, ftir das die 
Qewidfluujg I*aratyphus röcht soÜecbt gewählt ist, und einem gauz 
«kntoa, vi«.s die schwersten Erscheinungen von Brechdurchfall 
iCta-ct* nosstraa) auf weist, und für das die Bezeichnung Para- 
x v ‘>tl*g verfehlt tot, Aber - auch die typhnßähniiche Fora 
i** klinische Beobachtung vom echten Typhus zu trennen. 

■ ,ler ««bte Typhus mehr schleichend beginnt, noch 

x * \ **£!■* t: yO-f* ? öt w *e pie mit Schüttelfrost, setzt, der Para- 
£% * 1 *.& r HiUte der Fälle mit deutlich aus* 
* ucb Bd^ starkem Schöttelfroat, an 
Erämpfe trete«. Sodann ist beim Para- 
V : ,. iiJ** ft0a#t ww and Deutlichkeit wie beim echten 

Aach der Fieberverlanf ist 
*J?j8«w 4' thM 'öS^ <,Ba dAB ■ F ' iel>er beim Typhus ein Stadium 
^ eto Stadium decrementi erkennen 

.. v ’WSim-vae <0 J a /?^P f hos m den Schüttelfrost gleich 
; i 41 Ö-rad» und fehlt last stets eine 

tfMi^dÜIpwefcii Sudel sich, der Schwere des 

«{Otfgdii&iim ibinfflflJr »d«Mb kürzeres Fieberstsdium mit 

®äi s&iJä?*"»*™' w die #ich eja 







80 


Dr. Zimmermann: Ueber heftige Magen•DarmetOrongen 


Das zweite Krankheitsbild, nämlich das der akuten Magen- 
Darmstörungen, wird aus der Besprechung der von mir beob¬ 
achteten Fälle klar werden. 

Der erste Fall betrifft ein 14jähriges Mädchen, das nach 
dem Verzehren von Teilen einer krepierten Gans akut an schwersten 
Magen-Darmstörungen erkrankt war. Ins Krankenhaus auf¬ 
genommen, gestaltete sich die Krankengeschichte folgendermaßen: 

28. VII. Aufnahme, Patientin stark kollabiert. Puls kaum fühl* und 
zählbar. Es besteht ständig Urin- und Stuhldrang. Im Laufe des Nachmittags 
7 mal Erbrechen. Die Entleerungen waren dttnnflttssig, gelblich und stark 
riechend. Temperatur 89. 

80. VII. Status idem, 4 mal Erbrechen, 7 mal Entleerungen, Temperatur 
38,7. (An diesem Tage ging uns eine Stuhlprobe zu). 

81. VII. Status melior, 1 mal Erbrechen, 10 mal Entleerungen, Temp. 87,6. 
(An diesem Tage erhielten wir eine eingeforderte Blutprobe.) 

1. VIII. Kein Erbrechen, 8 mal Entleerungen, Temperatur 87,8. 

2. VIII. Kein Erbrechen, kein Stuhl, fieberfrei. 

8. VIII. idem. 

5. VIII. Heute zuerst wieder Stuhl, und zwar zwei geformte Stfthle. 
Patientin klinisch Rekonvaleszentin. 

Behufs Nachweis der Bakterien wurde zunächst in der ge¬ 
wohnten Weise etwas von der Stuhlprobe auf eine gewöhnliche 
Agarplatte gebracht und hier mit dem ausgeglühten Platinbügel 
verrieben, um diesen so zu infizieren. Dann wurden mit dem Bügel 
nacheinander 2 Drigalskiplatten bestrichen. Nach 20stündigem 
Verweilen im Brutschrank waren auf diesen neben den roten Kolis 
zahlreiche blaue glasige Kolonien gewachsen. Diese wurden fast 
sofort im agglutinierenden Paratyphus B-Serum 1:100 agglutiniert. 
Die angelegte Beinkultur wurde bis zur Titergrenze 1: 5000 
agglutiniert. 

Das Blutserum der Patientin agglutinierte bei der Widal- 
sehen Reaktion in der Verdünnung 1:200 deutlich Paratyphus 
B- Bazillen, sowohl die aus den Fäzes der Patientin gezüchteten, 
wie unseren Laboratoriumsstamm. Wir konnten auch, allerdings 
nur in der Verdünnung von 1:50, bei einem Typhusstamm 
Mitagglutination nachweisen. 

Aus dem zum Zwecke der Anreicherung etwaiger Pt. B in 
ein Röhrchen mit Bindergalle gebrachten zugehörigen Blutkuchen 
konnten wir auch nach 48stündigem Bebrüten keine Pt. B 
züchten. Es war also in diesem Falle die Züchtung nur aus den 
Fäzes möglich gewesen. 

In welcher Form Patientin von der krepierten Gans gegessen 
hatte, konnte nachträglich nicht mehr ermittelt werden. Sieht 
man von einem Genuß in rohem Zustande ganz ab, so ist auch 
nach dem Verzehren von geräucherten, gekochten oder gebratenen 
Teilen der Gans eine Infektion wohl möglich. Hat doch F i s c h e r (8) 
gefunden, daß bei der Einwirkung von etwa 75 Grad während 
25 Minuten einzelne Pt B- Keime noch am Leben bleiben. 
Kutscher (6) meint, daß im Inneren von größeren Fleischstücken, 
namentlich beim Braten, die Temperatur selten die Höhe von 
70 Grad und darüber erreicht, weshalb bei der großen Wider¬ 
standsfähigkeit der Pt. B gegen Hitze auch nach Genuß nicht 



nach Genuß Paratyphus 6-haltiger Nahrungsmittel. 


81 


roher Nahrungsmittel Infektionen wohl möglich wären. Aehnlich 
IflÜert sich Abel. 

Im zweiten Falle handelte es sich nm eine Art Massen- 
erkrankung infolge Genusses von Bratwurst, aus der wir Bazillen 
züchten konnten, die sich in nichts von Paratyphus B-Bazillen 
unterschieden. Im ganzen kamen, wie sphon bemerkt, 16 Fälle 
zur Kenntnis der Behörde. Uns gingen leider von den Franken 
weder Blut noch Abgänge zu, sodaß wir den Bazillenbefund 
nur auf die Wurst selbst beschränken mußten. Wir sind aber 
wohl in der Lage, uns ein Bild der Krankheitserscheinungen aus 
den aktenmäßig festgelegten Aussagen der Kranken zu machen. 

Was zunächst die Diagnosenstellung anbelangt, so verhält 
eedch damit folgendermaßen: 

Die Staatsanwaltschaft schickte am 1. Juli der chemischen 
Abteilung unseres Instituts eine Probe von Wurst, die verdächtig 
wir, am 27. Juni bei einer Reihe von Personen schwere Krank- 
beitserscheinungen hervorgerufen zu haben. 

Das chemische Gutachten ging im wesentlichen dahin, daß 
Hülle und Wurstinhalt schmierig und mißfarben waren. Der 
Zersetzungsvorgang war schon bis zur Amoniakbildung vorge¬ 
schritten. 

Da nun in letzter Zeit öfter Bazillosen nach Genuß ver¬ 
dorbener Nahrungsmittel beobachtet waren, wurde mir die Wurst 
zu bakteriologischen Untersuchung übergeben. Ich verfuhr nun 
so, daß ich den ausgeglühten PJatinbügel auf der steril angelegten 
Schnittfläche der Wurst infizierte und mit ihm hintereinander 
wieder die Oberfläche zweier Drigalskiplatten bestrich. Nach 
etwa 20 Stunden Bebrüten waren beide Platten übersät mit blauen 
glasigen Kolonien, die im agglut. Paratyphus B- Serum fast sofort 
•gglutiniert wurden; auch die aus diesen Kolonien angelegten 
Beinkulturen wurden bis zur Titergrenze 1 : 5000 agglutiniert. 

Aus wissenschaftlichem Interesse habe ich es auch unter- 
■osunen, bei der im allgemeinen großen Pathogenität der Pt. B 
für kleine Tiere den Wurstrest an eine weiße Maus ausschließlich 
n verfüttern. Die weiße Maus blieb 13 Tage im Versuch und 
war nach dieser Zeit augenscheinlich krank geworden. Sie saß, 
da sie sich nicht mehr putzte, mit struppigem Fell da und 
reagierte nicht mehr auf plötzliche scharfe Geräusche, wogegen 
ja gesunde Mäuse außerordentlich empfindlich sind. Wir mußten 
un 13. Tage die Maus töten, da inzwischen der Wurstrest ver¬ 
füttert war. Ich strich nun Darminhalt in der üblichen, eben 
geschilderten Weise aus, konnte indessen nur Kolis züchten. 
Ssgt doch schon Kutscher (6), daß der Verfütterungsversuch 
ron Pt. B bei weißen Mäusen nicht immer positiv ausfällt. 
Vagedes (9) konnte weiße Mäuse per ob nur dann infizieren, 
wenn er seine Kulturen in Hühnereiweiß wachsen ließ. 

Die Krankheitserscheinungen bei diesen 16 Fällen 
waren nun auch ganz akute Magen-Darmstörungen, ähnlich 
Baserem ersten Fall. Da alle Kranken laut Akten ungefähr über 



82 


Dr. Zimmermann: Ueber heftige Magen • Dzrmstörnngen new. 


dieselben Beschwerden klagten, gebe ich im folgenden nur die mar¬ 
kantesten Aussagen wieder. 

Die Wirtetochter M. W., 26 Jahre alt, ane M., gab an: die Wäret, 
nach deren Genoß wir Sonntage erkrankten, habe ich an diesem Tage gelegent¬ 
lich des Kirchganges in D. bei einem Fleischer M. gegen 9 Uhr morgens 
gekauft. Da ich unterwegs Hunger bekam, — ich hatte nämlich vor dem 
Kirchgänge nichts gegessen — brach ich mir von der Wurst ein Stück ab 
und biß hinein. Weil mir aber die Wurst nicht schmeckte, warf ich das Stück 
weg. Zu Hause hat meine Mutter die Wurst gebraten, und haben wir sie 
vollständig aufgezehrt. Bald danach sind wir nach B. gefahren, wo wir um 
12i/s Uhr eintrafen. Schon unterwegs hatte ich im Magen Unbehagen und 
verspürte Leibschmerzen, die sich im Laufe des Nachmittags derart verstärkten, 
daß ich dort die mir Vorgesetzten Speisen ablehnte. Es kamen noch starke 
Kopfschmerzen hinzu und allgemeines körperliches Mißbehagen und Uebelkeit. 
An diesem Tage habe ich dann von etwa 5 Uhr nachmittags an etwa 10 mal 
erbrochen. Hierbei kamen Wurstreste und grünlicher Brei zu Tage. Abends 
gegen 12 Uhr sind wir wieder nach Hause gekommen. Mir war dabei so 
schlecht, daß ich sofort zu Bett gehen und mit nur geringer Unterbrechung 
es 6 Tage hüten mußte. Während dieser Zelt habe ich immer an Durchfall 
gelitten und konnte nichts genießen. 

Ans den Akten dürfte noch weiter interessieren, daß der 
betreffende Metzger zn seiner Wurstfabrikation 3 etwa 2 Wochen 
alte Kälber verwendet hatte, die nach Anssage des Händlers 
an Durchfall, dünn wie Wasser gelitten nnd deshalb einen jämmer¬ 
lichen Eindruck gemacht hatten, weshalb er sie zusammen für 23 
bis 25 Mark verkauft hatte. 

Ob nun diese Tiere an Kälberruhr gelitten oder Pt. B ausge- 
schieden hatten, ist bakteriologisch nicht festgestellt. Jedenfalls 
kommen Pt. B hier auch vor, denn B. Fischer (10) fand sie im Darm 
nnd Milz zweier an spontaner akuter Enteritis erkrankter Rinder. 

Für die Beurteilung meines Gutachtens dürfte noch von 
Interesse sein, daß es nach Aussage des Fleischbeschauers in 
dem Wurstbereitungsraume des Metgers sehr unsauber gewesen 
sein soll. Ich wurde nämlich von der Staatsanwaltschaft zur 
gutachtlichen Aeußerung darüber aufgefordert, ob 

a. das Vorhandensein von Pt. B in der Wurst eine Folge der 
Unsauberkeit oder des krankhaften Zustandes der Kälber ist, 
oder worauf sonst nach Lage der Akten ihr Vorhandensein 
zurückzuführen ist; 

b. durfte der Beschuldigte das Fleisch der betreffenden Kälber 
zum Wurstmachen nicht verwenden und mußte er dies wissen? 

Ich mußte mich natürlich für die Beantwortung dieser 
Frage b vom medizinischen spez. bakteriologischen Standpunkt 
aus für nicht zuständig erklären. 

In betreff der Frage a konnte ich nur sagen, daß die 
Unsauberkeit ein begünstigendes Moment für die Ansiedlung und 
Vermehrung der Pt. B ist, während die Annahme von ihrem 
Vorhandensein in dem Fleisch der kranken Kälber wissenschaftlich 
durchaus berechtigt, aber, da keinerlei bakteriologische Unter¬ 
suchungen der Tiere stattgefunden habe, nicht erwiesen sei. 
Endlich stehe wissenschaftlich fest, daß auch Pt. B aus völlig 
einwandsfreien Nahrungsmitteln gezüchtet werden könnten. 

Darauf wurde das Verfahren gegen den Fleischer wegen 



Dr. Dohrn: Schulkinder • Untersuchungen aal dem Lande. 


88 


.Nahrungsmittelfälschung“ eingestellt and meiner Meinung nach 
oit Recht. Es waren doch die zar Wurstfabrikation benutzten 
Tiere lebend und geschlachtet vom zuständigen Fleischbeschauer 
vorschriftsmäßig beschaut und nicht beanstandet worden. 

Literatur: 

1) Gaethgens: Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamt; 1909, 
80. Bd. A. 1, S. 610 ff. 

2) Bim pan: Zar Frage der Verbreitung der Bazillen aas der Para- 
typhosgruppe. Deutsche Med. Wochenschrift; 1908, Jahrg. 84, S. 1045 ff. 

3) tJhlenhuth und Huebener, Xylander und Bohtz: Weitere 
Untersuchungen Uber das Wesen und die Bekämpfung der Schweinepest mit 
bes. Berücksichtigung der Bakteriologie der Hogcholera (Paratyphus B)- Gruppe, 
sowie ihr Vorkommen in der Außenwelt. Arbeiten aus dem K&iserl. Gesund¬ 
heitsamt ; 1909, Band 30 A. 1, Seite 201 ff. 

4) Gaffky: Protokoll über die am 16. Juni 1908 in Straßburg L E. 
»^gehaltenen Konferenz der Leiter der TyphusuntersuchungsanBtalten; Seite 10. 

5) H. E. Kersten: Ueber die Haltbarkeit der Diphtherie- und Para- 
typhus B-Bazillen in der Milch. Arbeiten aus dem Kaiserl. Gesundheitsamt; 
1909, 30. Bd. A. 1, S. 348. 

6) Stabsarzt Kutscher, Berlin: Paratyphus. Kolle-Wassermann: 
Handbuch der pathogenen Mikrorganismen; ‘1907, Ergänzungsband, 2. Heft, 
Seite 666. 

7) v. Strümpell: Spez. Pathologie und Therapie; 1892, Bd. 1. 

8) Festschrift zu Bobert Koch’s 60. Geburtstag; 1903. 

9) Klinisches Jahrbuch; 1905, 14. Bd., H. 5. 

10) Zeitschrift für Hygiene, Bd. 89, und Festschrift B. Koch. 


Schulkinder-Untersuchungen auf dem Lande. 

Von Kreisarzt Dr. Karl Dohrn in Hannover. 

Wenn ich in dieser Zeitschrift über die vorjährigen Resultate 
meiner Schulkinder-Untersuchungen im Kreise Neustadt a. Rbg. 
berichte, so hoffe ich, damit den beamteten Kollegen einiges 
Material in die Hand zu geben, mit dem sie vielleicht der Durch¬ 
führung einer für das Volkswohl außerordentlich wichtigen Ma߬ 
nahme in ihrem Kreise den nötigen Nachdruck geben können. 

Leider entbehrt ja das flache Land in Preußen einer schul¬ 
ärztlichen Fürsorge nahezu ganz. Und doch müssen die Kinder 
auf dem Lande wegen der großen Entfernung und Kosten sehr viel 
häufiger ärztliche Beratung entbehren als die Kinder in der Stadt. 
Wollen wir aber nicht auch auf dem Lande einen gleichen 
Rückgang der Militärtauglichkeit erleben, wie ihn die gro߬ 
städtische Bevölkerung in den letzten Jahrzehnten gezeigt hat, 
so müssen wir dem Lande, dem Jungbrunnen unserer Volkskraft, 
auch ganz besondere Pflege zu teil werden lassen. Zu einer 
Verweichlichung oder Verminderung des elterlichen Verantwortungs¬ 
gefühls — dieser Einwand wird häufig erhoben — sollen derartige 
Maßnahmen sicher nicht führen. Hebung des Sports, Förderung 
des Badens und der Körperpflege, Maßnahmen, die Hand in Hand 
mit den Untersuchungen gehen, haben mit Verweichlichung wohl 
nicht das geringste zu tun. Gelingt es, äugen- und ohrenkranke 
Kinder vor dem Verlust ihrer Sinnesorgane zu bewahren, Krüppeln 
zn brauchbaren Gliedmaßen zu verhelfen, blasse, blutarme, von 



84 


Dr. Dobra. 


Tuberkulose Bedrohte widerstandsfähig zu machen, so werden den -i 

Kreisen und dem gesamten Volkswohlstand ungeheure Werte ge¬ 
wonnen und erhalten. 1 

Für den Kreisarzt, der in erster Hinsicht als Schularzt in j 

Betracht kommt, haben die Untersuchungen noch den gar nicht ; 

hoch genug einzuschätzenden Wert, daß sie ihn in innige Berührung ■ 

mit den Kreiseingesessenen bringen. Er und ihn kennt jetzt a 

„jedes Kind“, und auch von den begleitenden Eltern kann er oft 
genug erfahren, wo Abhilfe nottut, und wo sie der Schuh drückt. 

Wie soll man sonst bei den 5 jährlichen Ortsbesichtigungen auch ; 

nur die bescheidenste Fühlung mit den Kreisinsassen gewinnen? 

Zumal, wenn nicht einmal die Impfungen, wie es in vielen Kreisen -• 

der Fall ist, in die Hand des Kreisarztes gelegt sind. 

Zur Untersuchung der rund 5000 Kinder waren 40 Tage 4, 

nötig. Die Reisen über Land, die ausschließlich zu Rad unter- > 

nommen wurden, waren in vorigem Jahr durch den dauernden 
Regen außerordentlich erschwert. Da man sich vorher ansagt, ,.j 

und auch Eltern vielfach erscheinen, muß der einmal bestimmte h 

Zeitpunkt eingehalten werden, gleichviel, ob der Regen einen bis 
auf die Haut durchnäßt. 

Die Benachrichtigung der Lehrer erfolgt auf vorgedruckten 
Karten; durch die Kinder werden dann wieder die Eltern zum 
Erscheinen aufgefordert. Erfreulicherweise war die Teilnahme der ' r ; 

Eltern, namentlich mit Bezug auf die Frage der Berufswahl, im 
Berichtsjahre sehr viel lebhafter als bisher. J 

Im übrigen war der Dang der Untersuchungen derselbe, wie ;; 

bereits im Jahre zuvor (cf. Concordia Nr. 2., 1909, Zentralstelle '' 

für Volkswohlfahrt in Berlin). 

Die Besichtigung des Klassenzimmers, der Turngeräte f 

und des Spielplatzes führte häufig zur Abstellung wesentlicher 
Mängel. Als ein erfreuliches Zeichen des im vorhergehenden Jahre 
angeregten Interesses fttr B a d e n und Beschaffung von Badegelegen- f* 

heiten sei ein Fall erwähnt, in dem der Lehrer eines Dorfes mit :: 

seinen Schulkindern auf einem bewaldeten Hügel ein großes Bassin ^ 

ausgehoben hatte, der eine herrliche Badegelegenheit für die - 

Kinder bot. Nur war die Kraft der Kinder an der von Wurzel- ^ 

werk durchsetzten tiefsten Schicht gescheitert, so daß durch 
meine Vermittlung der Gemeindevorsteher um Stellung kräftiger 
Arbeiter angegangen werden mußte, die dann dem Bade den 
letzten Schliff gaben. Mehrfach war auch der Anregung, im 
heißen Sommer statt des Turnens oder Handarbeitsunterrichts die 
Kinder zum Baden zu führen, Folge geleistet. 

Besonderes Augenmerk richtete sich auf die Förderung des - 

Sports und der Jugendspiele. Leider wird ja auf dem Lande I 

sehr wenig Sport betrieben, weil der Bauer meint, daß er genug 
Bewegung im Freien habe. Er wird nicht ohne Grund als der -i 

steife, unbeholfene Tölpel verspottet! Zwischen einseitiger Körper¬ 
arbeit im Zwange der Pflicht und des Broterwerbs und der freien 
Betätigung des gesamten Körpers im ungebundenen Spiel ist aber 
doch ein gewaltiger Unterschied. Wie in vielen anderen Sachen, ■ 



Schulkinder-Untersuchungen an! dem Lande. 


86 


fehlt es auch hier nur an der Anregung und an der Organisation, 
die eine dankbare Anfgabe des Schularztes ist. Daß es an der 
nötigen Spielfreudigkeit der Jugend nicht fehlte, das zeigte die 
Bereitwilligkeit, mit der Jungen und Mädchen ihren Groschen zur 
Beschaffung eines Fuß- oder Schlenderballes beisteuerten. 

Weitere Erhebungen über die Zahl der Kinder, die im Be¬ 
sitze eines Sparkassenbuches sind, sollten die Grundlage für die 
allgemeine Einführung von Schulsparkassen geben. 

Die Frage der Unterernährung auf dem Lande mußte 
aadt auf Grund der vorjährigen Erhebungen für den Kreis Neu¬ 
stadt im verneinenden Sinne beantwortet werden. Eine Unter¬ 
ernährung in dem Sinne der von Dr. Kaup angeführten Entziehung 
Tos Milch und der notwendigsten ländlichen Produkte durch Ab- 
fahr in die Städte ließ sich nicht feststellen. Das dick belegte 
Botterbrod in der Büchertasche nahm oft mehr Baum ein, als die 
fanze Wissenschaft! 

Auch die Fürsorge für Krüppel, Schwachsinnige und die 
Baltekinder ließ sich im Bahmen der Untersuchungen leicht durch- 
Ähren. Unter den Krüppelkindern wurden mehrere ent¬ 
sprechender Behandlung zugeführt. Ueber die Schwachsinnigen 
wurde eine Statistik aufgenommen, um der Frage der Einrichtung 
von HilfBklassen näher treten zu können. So weit sich übersehen 
läßt, wird ein solcher Plan aber nur ganz ausnahmsweise und 
mit erheblichen Kosten durchführbar sein. 

Sehr wichtig sind die alljährlichen Untersuchungen für die 
Beurteilung des Gesundheitszustandes der schulpflichtigen Halte- 
kinder. Ein Teil der Haltekinder wird zweifellos weit über 
ihre Kräfte zur Arbeit herangezogen. Der Ortsgeistliche, dbm 
die Anfgabe der Intervention in erster Hinsicht zufallen würde, 
seheut sich, einzugreifen, weil er es mit der Gemeinde nicht gern 
verderben will. So sind die über 6 Jahre alten Kinder vielfach 
schonungslos preisgegeben, weil unser Gesetz leider nur Kinder 
bis zum 6. Jahre unter seinen Schutz nimmt. Ich erlebte es z. B., 
daß ein Bauer, dessen Haltekind mir bei den Schulkinder-Unter¬ 
suchungen wegen schlechter Pflege und Mißhandlungen auffiel und 
ihm auch deswegen auf meinen Antrag vom Vormundschaftsgericht 
entzogen wurde, schon einige Wochen später ein neues Haltekind 
hatte, ohne daß eine Handhabe vorlag, solches zu verhindern. 
Die Ausdehnung der Grenze des gesetzlichen Schutzes bis auf 
das 13. Lebensjahr bezw. die Möglichkeit, ungeeigneten Pflege¬ 
eltern die Kinder za entziehen, erscheint dringend wünschenswert. 
Verhandlungen darüber sind auch daraufhin eingeleitet worden. 

Interessant sind ferner die Beobachtungen, die man über den 
unheilvollen Einfluß der Kurpfuscherei machen konnte. So 
fand ich Kinder, die mit Brillen von einem sogenannten Okularium 
aasgestattet waren, ohne daß die geringste SehBtörung bestand. 
Andere trugen ohne Grund Bruchbänder, die ihnen von geschäfts¬ 
beflissenen Bandagisten und Sattlern aufgeschwatzt waren. Die 
Warnung vor derartigen Schwindeleien ist besonders auf dem 
Lande nötig. 



86 


Dr. Dohm: Schalkinder-Untersuchungen auf dem Lande. 


Der praktische Netzen der ärztlichen Untersuchungen, 
d. h. die Beseitigung aller Vorgefundenen Mängel, wurde auch im 
vorigen Jahre zu Ungunsten aller statistischen Feststellungen in den 
Vordergrund gestellt. Sehr günstig ist in dieser Beziehung das 
Zusammenarbeiten mit dem Kreiskrankenverein, an dessen 
Spitze die Frau Landrat steht. Dieser gewährt Mittel und Bei¬ 
hilfen im Bedarfsfälle, so daß man sagen kann, daß kein Kind 
wegen Bedürftigkeit der nötigen Hilfsmittel entbehrt. In anderen 
Kreisen würde der Vaterländische Frauenverein oder eine andere 
Vereinigung dieselben Aufgaben übernehmen können. Daß der 
Untersucher nicht selbst behandelt, ist eine unerläßliche Be¬ 
dingung. 

Sehr wichtig ist die Gewinnung des Interesses der Lehrer. 
Im allgemeinen nahmen sie sich der behandlungsbedürftigen Kinder 
mit größter Hingebung an. Ein Lehrer fahr sogar mit sämtlichen 
behandlungbedürftigen Kindern in die Stadt, lieferte sie hier bei 
den betreffenden Aerzten ab und sammelte sie abends zur Heim¬ 
reise wieder zusammen. Es macht viel Freude, mit solchen 
einsichtsvollen Leuten für das Wohl der Kinder zu sorgen. 

Wenn auch im allgemeinen, wie ich diesmal feststellen 
konnte, die angeordneten Maßnahmen gut befolgt wurden — um 
so besser, je mehr der Lehrer Nachdruck gab — so blieben nur 
in der Behandlung der zahn kranken Kinder die Erfolge weit 
hinter den Erwartungen zurück. Der größte Teil, der unbedingt 
der Behandlung bedürftigen Kinder war überhaupt nicht zum 
Zahnarzt gefahren, andere Eltern waren entrüstet über die hohen 
Kosten, obwohl die Kinder durch besondere Abmachungen zu 
Kjasenpreisen behandelt wurden; nur die Wenigsten freuten sich, 
wieder in den Besitz eines kaufähigen Gebisses gelangt zu sein. 
Der Hauptgrund für dies Versagen war das trotz aller Belehrung 
doch noch recht geringe Verständnis für die Wichtigkeit der 
Zahnerhaltung. „Nicht einmal ansgezogen, sondern nur plombiert 
hat der Doktor die Zähne“, hielt mir ein entrüsteter Vater vor. 
Anderseits sind die Kosten für Zahnbehandlung einschließlich der 
Reise und Begleitung doch noch immer so hoch, daß sie tat¬ 
sächlich für einem kinderreichen Familienvater nicht zu erschwingen 
sind. Ohne Zahnbehandlung aber kommen wir nicht weiter! Die 
Anstellung eines Schalzahnarztes für den Kreis ist deshalb in 
die Wege geleitet. 

Wenn ich zum Schluß eine Uebersicht über die bei den 
überwachten und den zur Entlassung kommenden Schülern 
gefundenen Mängel gebe, so möchte ich noch darauf hinweisen, 
daß man auch medizinisch recht viel Interessantes zu sehen be¬ 
kommt, selbst wenn auch, wie es leider aus äußeren Gründen 
nicht anders möglich ist, nur die groben Mängel aussortiert werden 
können. Auffallend waren bei den grösseren Mädchen die zahl¬ 
reichen nervösen Erscheinungen, die als praemenstruelle zu deuten 
sind, vikariierendes Erbrechen, Nasenbluten usw. Bei den zur 
Entlassung kommenden Knaben mußte mit Bücksicht auf körper¬ 
liche Mängel wieder häufig eine Aenderung der Berufswahl 




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Verhütung dev Tuberkulose, des Krüppel» 
^ ßei>nfifr des ganzen g'esuBrlheiUieben Nireaua 
- & geeignetem Mittel als di« jährlichen Schul- 
'wtjijJ fj i^hiiagen, zumal wenn dem Uutereueher noch Öeld- 
; . ir^.^gHBg gestellt werden, um im Falle der Not an 


1 ucilj U Ul UU MS W.VAV, an#V ^1« 

räLiitandie wird sich eine derartige Einrichtung in 
die tutepa Willen der Beteiligten eiofflhren lassen. 

genommener« 455 Kinder litten an; 

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-r*nkui!gen 3 er Hunt (Sk&bies, Ekzem n&<v.! 1 $ 

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88 


Dr. Hllgermann: Ammoniak - Entwicklung ohne Apparat. 


auch die Ammoniakdampfentwicklung in ebenso einfacher Weise 
als die Entwicklung der Formaldehydgase vor sich ginge. 

Ein Anfang in dieser Hinsicht war bereits von der Firma 
Bayer & Co.-Elberfeld gemacht, indem sie gleichzeitig mit den 
Antanpacknngen Ammoniakentwickler in den Handel gebracht ; 

hatten. Da aber diese nur den Antanpacknngen beigegeben 
nnd Fabrikgeheimnis waren, war ihre Verwendung für die Praxis 
resp. in Verbindung mit dem Formalin-Kaliumpermanganatverfahren 
ausgeschlossen. 

Auf Anregung von Herrn Reg.- u. Geh. Med.-Rat Dr. Grisar i 

habe ich nun versucht, diese Schwierigkeiten zu beseitigen und ein t 

Verfahren zu finden, welches es erlaubte, auch ohne Apparate 
in einfacher Weise Ammoniakdämpfe zu entwickeln. Auf Grund 


von Versuchen ist mir dieses auch zu erreichen möglich ge¬ 
wesen, indem ich das bekannte Verfahren der Ammoniakentwick- n 

lung — Erhitzen von Salmiak, gelöschtem Kalk und Wasser im « 

Pap in sehen Topf — durch geeignete Modifikationen für vor- « 

genannte praktische Zwecke nutzbar gemacht habe. ; 

Bringt man zu gleichen Teilen Ammoniumchlorid (NH 4 C1), F ; 

ungelöschten Weißkalk 1 ! und heißes Wasser zusammen, so ent- I 

wickeln sich innerhalb weniger Sekunden Ammoniakdämpfe. Bei 


Verdampfung von 1 Liter Formalin genügen zur Zerstörung des über¬ 
schüssigen Formaldehydgases die aus 750 g Salmiak gewonnenen " 

Ammoniakdämpfe. Der Preis dieses Verfahrens ist ebenfalls ein 
sehr geringer und nicht höher als bei der Ammoniak-Dampf- j 

entwicklung mittelst Ammoniakentwickler. 1 kg Ammoniumchlorid 
(Salmiak), welches 31,8 °/o NH, enthält, kostet 90 Pfg., 1 kg 
Weißkalk 12 Pfg. Außerdem ist durch den Wegfall des Spiritus¬ 
verbrauches eine weitere Ersparnis möglich und vor allem auch i 

jede Feuersgefahr ausgeschlossen. 

Das Verfahren dieser Ammoniakentwicklung gestaltet sich 
folgendermaßen: 

Nach Beendigung der Formalindesinfektion werden vor der 
Zimmertür in einen Eimer Salmiak (Ammoniumchlorid) und un¬ 
gelöschter Weißkalk zu gleichen Teilen gegeben und darauf die : 

gleiche Menge heißen Wassers gegossen. Nach kurzem Umrühren ’ 

wird der Eimer durch die geöffnete Tür möglichst weit in das 
Zimmer hineingeschoben, worauf sich sofort die Ammoniakdämpfe 
zu entwickeln beginnen. Je heißer das Wasser, um so schneller 
und stürmischer die Reaktion. Es empfiehlt sich nicht, kochendes ; 

Wasser zu nehmen, da sonst die Reaktion zu plötzlich geschieht ; 

und nicht genügend Zeit ist, das Gefäß vor Entwicklung der i 

Dämpfe in das Zimmer zu bringen. Kaltes Wasser darf nicht ■ 

verwendet werden. 

Wie bereits vorher erwähnt, sind bei Verwendung von 
1000 ccm Formalin 750 g Salmiak erforderlich. Es müssen dem¬ 
nach 750 g Salmiak, 750 g ungelöschter Weißkalk und 750 ccm 

‘) 8og. Grankalk darf nicht verwendet werden; die Reaktion tritt hier- 
bei an schwach ein. 



Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


89 


heißen Wassers in dem betreffenden Gefäß gemischt werden. 
Der zu der Mischung benutzte Eimer nsw. ist nicht zn niedrig 
za wählen, jedoch sind besondere Vorsichtsmaßregeln nicht nötig. 
Bei größeren Formalinmengen werden die Mengenverhältnisse von 
Salmiak, angelöschtem Weißkalk and Wasser entsprechend erhöht. 

Herrn Heg.- und Geh. Med.-Rat Dr. Grisar bin ich für die 
gütige Anregung and Ratschläge zu ergebensten Dank verpflichtet. 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 

Bakteriologie, Infektionskrankheiten and öffentUohes 

Sanlt&tswesen, 

L Bekftmpfnng der Infektionskrankheiten. 

a. Lepra. 

Die In Deutschland und den deutschen Sehntsgebieten seit 1897 er¬ 
griffenen Sehutzmassregeln gegen die Lepra Von Geh. Ob.-Med.-Rat Prof. 
Dr. Martin Kirchner. Klinisches Jahrbuch; Bd. 22, H. 1. 

Die Lepra, die in der Geschichte Dentschlands eine große Bolle spielte, 
galt seit der Mitte des 17. Jahrhunderts als erloschen. Im Jahre 1848 wurde 
durch eine Dienstmagd aas Bußland ein Fall von Lepra von neuem nach 
Deutschland eingeschleppt, an den sich im Laufe der folgenden Jahre weitere 
Fälle reihten. Die Höchstzahl wurde im Jahre 1891 mit 25 Leprafällen er¬ 
reicht; von da an nahm die Zahl langsam ab, so daß Ende 1908 sich nur 
15 Leprakranke in dem Lepraheim des Kreises Memel fanden. 

Unter den verschiedenen Formen der Lepra aberwog die tuberöse 
Form. Von den insgesamt 77 Kranken litten 69 an der tuberösen und ge¬ 
mischten, und 8 an der makulo-ästhetischen Form. 

Für die Bekämpfung der Lepra bildet das Gesetz betr. die Bekämpfung 
der gemeingefährlichen Krankheiten vom 30. Jani 1900 und dessen Ausfüh- 
rungsbestimmungen die notwendige Handhabe. In dem Regulativ von 1835 
ist die Lepra überhaupt nicht erwähnt, weil man damals nicht mit ihrem Vor¬ 
kommen rechnete. 

Die wichtigste Maßnahme im Kampfe gegen die Lepra ist die Iso¬ 
lierung. Hierzu gibt das Lepraheim im Kreise Memel, das ausführlich be¬ 
schrieben wird, die beste Handhabe. Offenbar wirkt der Aufenthalt in dem 
Heim günstig auf das Befinden ein. Von Medikamenten glaubt man nur von 
dem Chaulmograöl Erfolge gesehen zu haben. 

In dem zweiten Teil der Arbeit wird die Ausbreitung der Lepra in den 
deutschen Schatzgebieten beschrieben. Sie fehlt nur in Südwestafrika voll¬ 
ständig; in Deutsch-Ostafrika, Togo und Kamerun ist sie außerordentlich ver¬ 
breitet. Hier ist man bereits zur Isolierung in Lepraheimen und Leprakolo¬ 
nien übergegangen. _ Dr. Dohrn-Hannover. 


Leprabeklmpfung ln den Tropen. Von Prof. Dr. Claus Schilling. 
Archiv für Schiffs- u. Tropen-Hygiene; 1909, Bd. 13, Nr. 28. 

Ueber die Häufigkeit der Lepra in den Tropen ist aus äußeren Gründen 
keine einigermaßen genaue Statistik aufzustellen. In Bezirken, die anfangs 
leprafrei zu sein scheinen, wird bei genauerer Untersuchung oft eine weit aus¬ 
gedehnte Verbreitung gefunden. 

Die Verbreitung der Lepra findet hauptsächlich im engeren, familiären 
Verkehr statt; sie ist eine ausgesprochene Krankheit der „Hausgenossenschaft“. 
Uebertragungen auf Aerzte und Pflegeperspnal werden nur selten beobachtet. 

Der Kampf gegen die Lepra ist um so energischer zu führen, je mehr 
nie zieh in den Anfangsstadien der Ausbreitung befindet. Ermittlung und Iso¬ 
lierung sind die wichtigsten Maßnahmen. 

Die Schwierigkeit der Diagnose der makulöeen Form steht der recht¬ 
seitigen Ermittlung hindernd entgegen. Ueberhaupt bedarf die Diagnostik 
■och eines weiteren Ausbaus. 



90 


Kleinere Mitteilungen and Keforate ans Zeitschriften. 


Bei der Isolier an g verdienen die Frtihfälle and die Bazillenträger ebenso 
wie bei anderen Seachen besondere Beachtang. Die Einricbtang von Lepra* 
heünen eignet sich im allgemeinen für die Tropen nicht; sie kommen höchstens 
in der Nähe größerer Ortschaften in Frage. Man wird die Kranken vielmehr 
zunächst innerhalb der einzelnen Dörfer und dann, langsam vorgehend, in 
sog. LepradOrfern isolieren. Das einzige Mitte), am die Abstoßung der 
Kranken oder der Bazillenaasscheider za erreichen, ist die Erregang der Furcht 
vor Ansteckung unter den eigenen Landsleaten. 

In der Behandlung hat sich das Nastin nicht bewährt. Empfohlen wird 
ein gereinigtes^ChaalmograOl, das Antiliprol der Firma Bayer in Elberfeld. 

_ Dr, Dohrn*Hannover. 


Bericht Aber den gegenwärtigen Stand der Lepra in Kamerun, 
Westafrika, mit Beitrag zur Nastintheraple. Von Prof. Dr. H. Ziemann, 
Medizinalreferent in Kamerun. Lepra, Bibliotheca internationalis; 1909, Bd. IX, 
Heft 1. Verlag von Ambros. Barth in Leipzig. Gr. 8°; 80 S. Preis: 1 M. 

Die Lepra ist in Kamerun, mehr in den mittleren und nördlichen Teilen 
als im Süden, seit sehr langer Zeit endemisch; ihre Verbreitung ist den alten 
Karavanenstraßen gefolgt, besonders das Handelsvolk der Houssahs hat zu 
Verschleppung viel beigetragen. Wiewohl beide Formen der Lepra Vorkommen, 
ist die Lepra anaesthetica erheblich häufiger. Die Bekämpfung, bei der von 
einer zwangsweisen Isolierung der Kranken von vornherein nicht die Bede 
sein konnte, hat als gesetzliche Grundlage die Bekanntmachung des Gouverne¬ 
ments vom 12. November 1908, welche bestimmt, daß die Häuptlinge auf den 
Häuptlingsversammlungen immer wieder auf die Gefährlichkeit und Uebertrag- 
barkeit der Krankheit hinzuweisen und die Eingeborenen liberal], wo es 
möglich ist, zur Anlegung besonderer Lepraniederlassungen anzuhalten sind, 
in denen die Arbeitsfähigen für ihren Unterhalt selbst zu sorgen haben, sowie 
daß Lepröse in öffentlichen Betrieben nicht beschäftigt werden dürfen. 

Von größter Bedeutung ist dann die Nastintherapie — wöchentlich 2 
Injektionen ä 0,5) — gewesen. Wenngleich ein endgültiges Besultat noch 
nicht zu fällen ist, so läßt sich doch sagen, daß alle behandelnden Fälle eine 
wesentliche Besserung erfahren haben, daß die Schmerzen und das Jacken 
erheblich nachließen, das allgemeine Schwächegefühl schwand und die Potentin 
virilis wiederkehrte. _ Dr. Glaubitt-Prostken. 

Die Lepra in Japan. Von Prof. Dr. S. Kitasato in Tokio. Zeit¬ 
schrift für Hygiene u. Infektionskrankheiten; Bd. 68, S. 507. 

In Japan war die Lepra schon im Jahre 700 n. Chr. stark verbreitet. 
Im Jahre 1906 sollen nach der Statistik 28 915 Lepröse daselbst gewesen sein, 
also auf 10000 Personen 5 Lepröse. Die Mortalität der Leprakranken scheint 
in der Zeit zwischen 1899—1906 eine Tendenz zur Abnahme zu zeigen. In 
Kusatoa, einem Badeort mit Schwefelquelle in Mitteljapan, der von Lepra¬ 
kranken viel besucht wird, stellte K. fest, daß mehr als die Hälfte der Kinder 
leprakranker Eltern gleichfalls leprös sind, weiterhin, daß die Lepra wesent¬ 
lich eine Krankheit der Hausgenossenschaft ist und erst infolge eines langen 
und intimen Verkehrs zur Ansteckung führt. In Yamanashi-Ken konstatierte 
K., daß in den Ehen die Durchschnittszahl der Kinder 2,5 ist, wenn eines der 
Eltern krank ist, während die Zahl der Kinder viel geringer (1,7) wird, wenn 
beide Eltern krank sind. Auch erkranken häufiger Kinder lepröser Mütter 
(9,8 °/o), als die, bei denen nur die Väter krank sind (4,6 °/o). Bei Erkrankung 
beider Eltern finden sich 83,3 °/o der Kinder erkrankt. Unter Geschwistern 
dagegen ist die Ansteckungsfähigkeit der Lepra nicht groß. Stufenweise 
eingestellt stellt sich die Infektiosität der Lepra bei Hausgenossen auf 2,7 °/«, 
bei Ehepaaren auf 8,8 °/o, unter Geschwistern auf 4,2 °/o und bei Eltern und 
Kindern auf 7,4 °/o. Das Verhältnis der weiblichen Leprösen zu den männ¬ 
lichen ist 40,7 °/o. Die Blütejahre scheinen das Hauptkontingent der Erkrank¬ 
ten zu stellen. Die schon von Sticker gemachte Angabe, daß in vielen 
Fällen Leprabazillen in der Nasenhöhle Erkrankter gefunden werden, hat auoh 
K. bestätigen können und dabei außerdem die Erfahrung gemacht, daß nament¬ 
lich bei veränderter Schleimhaut der Bazillenbefund sehr häufig ist und be¬ 
sonders bei der tuberösen Form vorkommt 



Kleinere Mitteilangen and Referate ans Zeitschriften. 


91 


Yon Wichtigkeit und großem Interesse sind die Untersuchungen, die 
K. auch an gesunden Hausgenossen in der Umgebung Lepröser angestellt 
hat: In 3 Fällen fand K. bei völlig gesunden Personen im Nasenschleim 
Basillen, die in jeder Hinsicht als typische Leprabazillen anzusprechen waren. 
Falls man die Bazillen nicht als einen rein zufälligen Befund oder als das 
Zeichen einer beginnenden Lepre ansehen will, so wäre man genötigt, solche 
Personen als Bazillenträger, wie wir sie ja bei anderen Krankheiten auch 
kennen, anzusehen. — K., der mit Recht die von manchen Autoren als angeb¬ 
lich gelungen behauptete künstliche Züchtung des Leprabacillus leugnet, ist 
eine solche Kultivierung bisher auch noch noch nicht geglückt. Das Er¬ 
gebnis von Impf versuchen an einem Orang-Utan steht noch aus. Die von 
anderer Seite als angeblich gelungene künstliche Oebertr&gung der Lepra auf 
Meerschweinchen und Kanindien bestreitet K. gleichfalls. 

Zum Schlüsse berichtet er noch über eine von ihm bei Ratten 
beobachtete lepraähnliche Erkrankung, auf die auch andere Autoren aufmerk- 
ns gemacht haben; doch scheinen die Fälle relativ selten zu sein. Die 
Krankheit der Ratte charakterisiert sich durch Haarausfall, Hautverdickung 
sad Schwellung der Jugunal- uni Axillardrüsen. In der Haut, im subkutanen 
Bindegewebe und in den Drüsen wurden Bazillen gefunden, die in jeder Hin¬ 
sicht den echten Leprabasillen sehr ähnlich sich verhidten und vielleicht nur 
etwas weniger säurefest waren. Ihre Kultivierung ist bisher nicht gelungen. 

_ Dr. Symanski-Metz. 


b. Typhus und Paratyphus. 

Periostitis typhosa. Yon Dr. Wassmuth in Innsbruck. Wiener 
klinische Wochenschrift; 1909, Nr. 46, S. 1614. 

Mitteilung von 2 Fällen, in denen sich nach Ueberstehen von Typhus 
Abzesse an den Unterschenkeln zdgtea, deren Eiter Typhusbazillen enthielt. 

_ Dr. Dohm - Hannover. 


Ein Fall von Mischinfektton mit Typhus abdominalis und Maltafleber. 
Von Bakteriolog Dr. W. Dreyer in Kairo. Münchener medizinische Wochen- 
sehrift; 1909, Nr. 48. 

Verfasser teilt ausführlich einen Krankheitsfall mit, bei dem es sich um 
die gleichzeitige Infektion mit Bakterien des Typhus abdominalis und denen 
des Maltafiebers handelte. Der Verlauf der ganzen Krankheit, sowie das Auf¬ 
treten und die Kurve der Agglutination lieferten den sicheren Beweis hierfür 

_ Dr. Waibei-Kempten. 


Studien zur Salmonellagruppe (Paratyphus B-Gruppe). Von Gustav 
Seiffert. Aus dem KönigL Institut für experimentelle Therapie zu Frank¬ 
furt a. M. Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten; Bd. 63, S. 278. 

Seiffert hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Verhalten von 
Bakterien der Samonellagruppe näher zu studieren. In der Namensbezeichnung 
folgt S. einen von französischer Seite gemachten Vorschläge, die ganze kulturell 
gleichartige und wohl definierte Groppe als Salmonellagruppe — nach den 
tm 8almon und Th. Smith zuerst beschriebenen Vertretern dieser Gruppe 
(den Hogcholerabazillen) — zu bezeichnen. Mit Hülfe der Agglutination läßt 
sich die Gruppe in 2 Unterabteilungen zerlegen, die eigentliche Paratyphus 
B-Gruppe und diejenigen Fleischvergifter, die man als Enteritis-II-Bazillen 
oder auch bei ihrer Zugehörigkeit zu den Rattenschädlingen als Ratingruppe 
bezeichnet. Eine gesonderte Gruppe für sich bilden die Paratyphus 
A-Bazillen. Was das Verhalten der Paratyphus-A- und B- Stämme in Nähr¬ 
böden bei Zusatz verschiedener Zuckerarten anbelangt, so ist S. eine 
Differenzierung auf diesem Wege nicht gelungen, jedoch hat er manches 
biologisch merkwürdige dabei gefunden. Raffinose z. B. übt einen deutlich 
hemmenden. Einfluß auf das tWachstum aus. Schwefelwasserstoffbildung 
war in sehr verschiedenem Maße, namentlich stark bei Lävulosezusatz zu 
beobachten, sie fehlte bei Milchzucker und Dextrose. Interessant sind die 
histologischen Befunde: Der Paratyphus-B-Bazillus — und zwar nur dieser — 
ruft bei intramuskulärer Injektion von lebendem Banillenmaterial Muskel- 
degeaeration bei der Taube hervor. Tod tritt ein bei virulenten Stämmen in 



92 


Kleinere Mitteilungen und Referate ana Zeitschriften. 


ca. 16—18 Tagen. Der eigenartigste Befand besteht in kleinen tuberkel- 
ähnlichen Knötchen, die nach histologisch (Riesenzellen) ein durchaus ähnliches 
Bild darbieten. Ueber analoge Befunde bei an Paratyphus verstorbenen 
Menschen ist bisher nichts bekannt geworden. Dagegen sind analoge Befunde, 
wie Bie bei Typhus Vorkommen (am Darm), von andern Untersuchern beim 
Meerschweinchen beschrieben worden. Ferner berichtet S. über ein eigentüm¬ 
liches, aus einem typhusverdächtigen Falle gezüchtetes, der 8almonellagruppe 
nahestehendes Stäbchen, das sich nur dadurch unterschied, daß Rohrzucker 
stark vergoren wurde, und gleichzeitig in Rohr- und Milchzackernährböden eine 
starke Schwefelwasserstoffbildung stattfand. Verfasser empfiehlt deshalb, bei 
Paratyphus-Untersuchungen stets ein Rohrzucker-AgarrÖhrchen in die Kultur- 
reihe einzufügen. Endlich hat S. den Darminhalt von 60 völlig gesunden 
Schweinen untersucht und hierbei in 2 Fällen typische Paratyphus • B - Bazillen 
gefunden. Interessant ist, daß sie mit polyvalentem Hogcholera-Serum gemischt 
nur spärlich agglutiniert wurden. Im Gegensatz zu anderen Autoren 
gibt ferner S. an, bei einer Zusammenstellung von 600 Stuhl- und Urinunter¬ 
suchungen auf Typhus bezw. Paratyphus bei bakteriologisch positivem Befunde 
auch stets entsprechende klinische Zeichen beobachtet zu haben; derartige 
bakteriologische Befunde sind daher nie als irrevelante anzusehen. Den 
Schluß der Arbeit bilden Beobachtungen über Paracoli - Befunde im Anschluß 
an Typhus-Erkrankungen. _ Dr. Symanski-Metz. 


Ueber alimentäre Ausscheidung von Paratyphnsbaiillen. Von Dr. 
Bf. Conradi, Leiter der Kgl. bakterioL Untersuchungsanstalt Neunkirohen. 
Klinisches Jahrbuch; 1909, Bd. 21, H. 1. 

Die sehr wichtigen Ergebnisse der vorliegenden Arbeit stützen sich aui 
folgende Beobachtungen, die bei der unter allen Kautelen vorgenommenen 
Untersuchung von Stahlproben gemacht wurden: 

Bei der Untersuchung von 260 ehemaligen Typhuskranken fand 
C. nicht weniger als 29 Paratyphussträger. Von diesen schieden 11 mehrfach 
Paratyphus aus; bei 18 wurde nur einmalige Ausscheidung von spärlichen 
Keimen beobachtet. 

Bei 10 Typhuskranken und sonstigen Kranken (1 Fälle von 
Miliartuberkulose, 1 Pneumonie) wurden ebenfalls Typhusbazillen gefunden. 
Desgleichen wurde eine Ausscheidung von Paratyphusbazillen gefunden bei 
17 Angehörigen Typhuskranker, bei 6 Typhusbazillenträgern 
und bei 16 gesunden Personen als auffälliger Nebenbefand. 

Wie sind diese parodoxen Befunde zu erklären? Es ist festgestellt, 
daß in zahlreichen Nahrungsmitteln, Fleisch, Wurst und auch Milch Para- 
typhusbazillen Vorkommen, ohne daß diese Anzeichen von Verdorbensein auf¬ 
weisen. Unter 60 Proben von Wurst und Schwartenmagen wurden 8 mal (16°/ 4 ), 
in verschiedenen Proben von Hackfleisch 6 mal und in 100 Milcbproben 1 mal 
Paratyphusbazillen nachgewiesen. Unter 5 Personen, die auf Veranlassung 
des Verfassers rohes Fleisch genossen hatten, hatten 8 Personen spärliche 
Typhusbaiillenausscheidang. Aach unter 17 Metzgern, deren Entleerungen 
systematisch untersucht wurden, fiel in 2 Fällen die Untersuchung auf Para¬ 
typhus positiv aus. 

Es ist demnach anzunehmen, daß bei Konsumenten paratyphushaltiger 
Nahrangsmittel vorübergehend Ausscheidung von Paratyphusbazillen statt- 
flnden kann, ein Vorgang, den man als alimentäre Ausscheidung 
von Paratyphusbazillen bezeichnet. Anderseits giebt es aber eine Ausschei¬ 
dung von Paratyphusbazillen bei solchen Personen, welche die Bazillen nicht 
durch Nahrungsmittel, sondern durch Vermittlung paratyphuskranker Personen 
erhalten haben, die sog. kontagiöse Ausscheidung. 

Ob es sich nun im Einzelfall um eine alimentäre oder eine kontagionäre 
BazUlenausscheidung handelt, ist weder auf Grund serologischer, noch kul¬ 
tureller Prüfung zu entscheiden. Eine kontagionäre Ausscheidung liegt mit 
größerer Wahrscheinlichkeit nur dann vor, wenn es sich um eine sehr reich- 
Qche Ausscheidung von Bazillen handelt. 

Der Befand von Paratyphusbazillen bei völlig gesunden Menschen sowie 
nach Genuß von bazillenhaltigen Nahrungsmitteln Ist für die Auffassung des 
Paratyphusbazillenbefundes in sanitätspouzeilicher Hinsicht sehr wichtig. Wir 



Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


98 


müssen den positiven Paratyphosbazilienbefond nar als Symptom aalfassen, 
das ohne gleichzeitige Berücksichtigung der klinischen and ätiologischen 
Befunde wertlos ist. Die alimentäre Ausscheidung von Paratyphusbazilien 
Ist ein harmloser Vorgang, von einer sanitätspolizeüichen Ueberwachnng der 
in gesunder Umgebung lebenden Eintagsausscheider ist daher völlig abzusehen. 

Dr. Dohm-Hannover. 


Beobachtungen bei zwei durch Nahrungsmittel verursachten Para* 
typhnsepldemlen. Von Dr. Prigge und Dr. Sachs-Mücke. Aus der Kgl. 
bakter. Untersuchungsanstait in Saarbrücken. Klinisrhes Jahrbuch: 1909, 
Bd. 21, H. 2. 

Nach dem Genuß von Schweinsbraten gelegentlich einer Tauffestlichkeit 
erkrankten 16 Personen unter geringem Fieber, Kopfschmerzen, Appetitlosig* 
keit und Dnrchfällen. Diese Erscheinungen gingen nach wenigen Tagen vor* 
über. Als Erreger der Erkrankung wurden Paratyphusbazilien gefunden, deren 
Hineingelangen in den Schweinebraten aber nicht erklärt werden konnte. Auf* 
fällig war Fehlen jeglicher Vergiftungserscheinnng in dem Krankheitsbilde 
der Befallenen. 

Eine zweite Epidemie betraf Personen, die Cremeschnittchen verzehrt, 
welche sie aus einer Bäckerei bezogen hatten, deren Besitzer und Familie an 
Parmtyphus erkrankt war. Bei dieser Epidemie traten Vergiftungserscheinungen 
■ den Vordergrund. Schon wenige Stunden nach dem Genuß der Ciöme* 
sehnittchen stellte sich Heber bis 42 Grad, Uebelkeit, Durchfall und Kollaps* 
erscheinungen ein. Bei einigen Erkrankten waren auch Halsschmerzen, Husten 
und Auswarf vorhanden. In den Abgängen wurden Paratyphas B- Bazillen 
■aehgewiesen; ebenso fiel auch die Serumreaktion positiv aus. 

Bei beiden Epidemien waren die genossenen Speisen, die als Träger der 
Infektion gelten mußten, äußerlich gänzlich einwandfrei und wohlschmeckend 
gewesen. Die einzelnen Krankheitsfälle verliefen klin isch leichter und kürzer 
als man es beim Typhus zu sehen pflegt. Dr. D o h r n • Hannover. 


Ucber die Bewertung des Befundes von Paratyphus B-Bazillen iu 
menschlichen Dannentleerungen bei akuter Gastroenteritis ohne Grober* 
Widalsehe Reaktion. Von Oberarzt Dr. Otto Mayer. Aus der bakteriologischen 
Untersuchungsstation des Garnisonlazaretts in Nürnberg. Klinisches Jahrbuch: 
1909, Band 21, H. 2. 

M. beobachtete acht Fälle von meist leicht verlaufendem Darmkatarrh, 
die trotz positiven Befundes von Paratyphusbazilien im Darminhalt einen 
negativen Ausfall der Widalschen Reaktion hatten. Man könnte die Er* 
krankungen als Darmkatarrhe mit nur zufälligem Paratyphusbefand aaffassen, 
zumal da behauptet wird (Rimpaa), daß der Befand von Paratyphusbazilien 
im Stuhlgang ganz gesunder Menschen keine Seltenheit ist. M. hält diese 
Auffassung aber nicht für berechtigt, sondern möchte die geschilderten Fälle 
als wirkliche lokale Paratyphas in fektionen aufgefaßt wissen, in denen die 
Agglutininbildung nur deshalb unterblieb, weil zu wenig Bazillen in den 
Kreislauf gelangten. Aach die klinischen Erscheinungen, das Vorkommen von 
Kontaktinfektionen und die Uebereinstimmung des Bazillenbefundes mit dem 
Verlaufe der Krankheit sprachen für eine Paratyphus Infektion. Desgleichen 
hat Verfasser anf Grund weitreichender Erfahrungen sich nicht von der Rich¬ 
tigkeit der Ansicht überzeugen können, daß tatsächlich der Paratyphus B-Bacillus 
sich häufig im Darme gesunder Menschen auf hält. Zur Vermeidung von 
Kontakten sind deshalb alle üblichen Vorsichtsmaßregeln auszuführen; es ist 
auch insbesondere eine Untersuchung der Angehörigen des Erkrankten vor* 
zunehmen. 

Bei den durch Aufnahme paratyphusbazillenhaltigen Fleisches 
erfolgten Infektionen spielt die Menge der einverleibten Bazillen und Giftstoffe 
eine wichtige Rolle. Eine Verhütung derartiger Infektionen durch Fleisch 
ließe sich nur durch bakteriologische Untersuchung des Fleisches auf den 
Sehlachthöfen ermöglichen. Wegen der geringen makroskopischen Ver¬ 
änderungen genügt die makroskopische Fleischbeschau zur Verhütung von 
Infektionen zieht. Dr. D o h r n * Honnover. 



94 


Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


Ueber Pantjphu C-Bullen als Erreger akuter Gas 
Yen 8tabsant Dr. Hübener-Berlin. Medizinische Klinik; 1909 

Verfasser hat seinerzeit bei den mit Uhlenhuth angeste 
such ungen Uber Schweinepest einen dem Paratyphus B- Bacillus 8( 
gefunden, den er Paratyphus C nannte. Er fand ihn 1) in i 
schweinekranker Schweine, 2) in den Fäzes gesunder Menschen, S 
Kälber, 3) in normalen Würsten und 4. identifiziert er ihn mit einei 
orte von Kälb erruhrstämmen. Jetzt ist es ihm gelungen, ihn in ein 
knter Gastoe nteritis bei einem Soldaten nachzuweisen. Die Ursa 
krankring war wahrscheinlich Genufi nicht ganz frischer Wura 
17. Tage liefien sich die Erreger nachweisen. Verfasser knüpft 
Wunsch, daß alle paratyphusähnlichen Bakterien an einer Zentral 
im Kaiserlichen Untersuchungsamt, einer Yergleichenden Untersuc 
sogen werden konnten. _ Rp 

Ueber Enteritisbakterlem. Von G. Sobernheim. 

Ueber du Verkommen von Enteritisbasillen in der Milch. 

Zar Frage du Vorkommens ?on Enteritisbasillen ln 1 
»gleich ein Beitrag zur bakteriologischen Fleischbeschau. I 

Ueber Pantyphusbakterlen und ihnen ähnliche Bakter 
snnden Menschen. Von Dr. Hübener. ZentralbL f. Bakt; 
ferate, Bd. 44. 

Sobernheim konnte bei der Untersuchung Yon SO.Enteritii 
Stimmen und 27 Enteritis-Flügge- besw. Paratyphus B-Stäi 
halb der letzteren Gruppe weder durch die Kultur, noch durch < 
nation eine weitere Differenzierung konstatieren; sämtliche zu di 
gehörigen Stämme waren unter einander, aber auch mit »deren 
der sog. Hogcholera - Gruppe, dem Bac. typhi murium und zuip 
kommen identisch. 

Dagegen zeichneten sich in der Gärtner-Gruppe ein! 
darunter alle sog. Battenschädlinge, durch besonders leichte Agj 
aus, während andere nur schwer agglutinabel waren. Gau beson 
wurden die Stämme Rumfleth und Haustedt agglntiniert. A 
agglutination bei der Prüfung mit Typhusserum entsprach der Agj 
gegenüber spezifischem Gärtner-Serum. 

Sobernheim schlägt Yor, die Bezeichnung Enteritis Fll 
zu lassen und alle in diese Gruppe gehörigen Stämme als Parat] 
zillen zusammenzofauen und den Enteritis-Gärtn er -Basillei 
zu stellen. 

Diesen Vorschlag unterstützen zwei Befunde, die Zwick b< 
leidenden Kühen gemacht hat In der entzündeten Milchdrüse di 
fand er ein mit dem Paratyphi B absolut identisches Bacterinm, 
kultur in du Euter gesunder Ziegen Yerimpft, bei diesen eitrige! 
vorrief. In dem entzündlichen Milchdrüsensekret der anderen Kuh 
ein dem Enteritis-Gärtner identisches Bacterium nach. Be; 

2 rachen für die ^roße Berechtigung der Forderung, daß Milch 
uter Mutitis leidenden Kühen vernichtet werden soll. 

In geräuchertem Fleisch konnte Zwick dagegen Enteritisl 
nachweisen; die kulturelle Untersuchung von 70 verschiedenen P 
in dieser Beziehung ein negatives Resultat. Wohl starben Mäust 
solchem Fleisch fütterte, unter enteritischen Erscheinungen und 
ganen fanden sich Enteritisbazillen; den gleichen Erfolg hatte ab 
Fütterung mit sterilisiertem Fleisch. Dagegen fand Zwick bei 
Buchung von 177 gesunden Mäusen bei 28 von ihnen Enteritisbazj 
Auch bei der Fütterung von Mäusen mit virulenten Enteritisbazille 
durchaus nicht alle Tiere, eine Auahl blieb vielmehr gesund; n 
dann aber nach Wochen mit sterilem Fleisch gefüttert, so gingen alt 
zugrunde. 

Wie hier die Mäuse, so können auch andere Tiere und ai 
Meuchen, die nie an Paratyphus gelitten haben, ParatyphsbiU 
KOrper beherbergen. So konnte Hübener einmal bei der Unter 
400 gesunden Soldaten bei 18 im Stuhl und ein »dermal unter 




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96 


Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


Ueber den Nachweis der SpiroeMte pallida mittelst des Tusche* 
▼erfahrene. Von Dr. B. Frühwald, Assistent der dermatologischen Uni¬ 
versitätsklinik in Leipzig. Münchener med. Wochenschrift; 1909, Nr. 49. 

Verfasser hat das Tos che verfahren hinsichtlich seiner Verwendbarkeit 
znm Spirochätennachweis am Lebenden seit mehreren Monaten geprüft und 
zwar unter teilweiser Abänderung der von Hecht and Wilenko angegebenen 
Technik. 

Verfasser kommt auf Grund seiner Versuche zu dem Schlosse, daß das 
TuscheTerfahren gegenüber der Giemsafärbung unleugbare Vorteile besitzt, 
wegen der raschen und einfachen sowie billigen Herstellung der Präparate und 
des leichten Auffindens der Spirochäten. Dem Donkelfeldyerfahren hält es 
ungefähr das Gleichgewicht. Für die Darstellung feinerer Details, wie End* 
fäden, ist das Verfahren allerdings noch nicht geeignet. 

_ Dr. Waibei-Kempten. 


Klinische Beobachtungen über die Wassermann - Neisser • Brucksche 
Reaktion und deren Kontrolle dureh Sektionsresultate. Von Oberarzt 
Dr. Glaser und Dr. Wolfsohn-Schöneberg. Medizinische Klinik; 1909, 
Nr. 46, 47 und 48. 

Verfasser haben an 106 chirurgischen und über 500 inneren Kranken 
die WassermannBche Reaktion angestellt. Sie war 19* bezw. ISO mal 
positiv. Bei allen Kranken, die zum Exitus kamen, wurde nun dieser Befand 
durch die Sektionsergebnisse einer Kontrolle unterworfen. Bei 21 Sektionen 
landen sich 15 mal syphilitische Veränderungen. Die Ergebnisse fassen die 
Verfasser wie folgt zusammen: 

1. Aus unseren Sektionsergebnissen geht hervor, daß die Wasser- 
mannsche Reaktion im Leben die richtige Diagnose angab, ohne daß der 
Kranke anamnestisch oder klinisch Zeichen von Lues dargeboten hat. 

2. Auch unsere drei negativen Sektionsresultate bei Kranken, die intra- 
vitam eine positive Reaktion darboten, können mit einer überstandenen Syphilis 
in Einklang gebracht werden. 

3. Findet sich bei Lebzeiten eine positive Wasser mann sehe Re¬ 
aktion, so kann für gewöhnlich bei der Sektion ein syphilitischer Krankheits¬ 
herd nachgewiesen werden. 

4. Da sich als derartige Herde auch nur Narben finden, so kann vom 
anatomischen Standpunkte nicht unbedingt bei positivem Ausfall der Reaktion 
auf ein aktives Virus geschlossen werden. Die Möglichkeit des Vorhandenseins 
von aktiven Spirochaetenherden in solchen Fällen, z. B. in einer Lymphdrüse, 
kann nicht bestritten werden. 

5. ln derartigen Fällen von latenter Lues und positiver Reaktion, bei 
denen durch die Sektion nur Narben aufgefunden werden können, ist vom 
anatomischen Standpunkte keine Kur angebracht. Jedoch ist der Einwand 
gerechtfertigt, daß an einem, dem Auge nicht zugänglichen Teil des Körpers 
das aktiv syphilitische Virus seinen Sitz hat. 

6. Aus dem positiven Ausfall der Reaktion sind Schlüsse mit größter 
Vorsicht abzuleiten. 

7. Der negative Ausfall der Reaktion ergibt nur Wahrscheinlichkeits- 
schlttsse. 

8. In seltenen Fällen war Scharlach und eine Komplementbindung er¬ 
zielt, die in unseren Fällen bei Scharlachurämie auftrat. 

9. Bei der Differentialdiagnose von postskarlatinöser und syphilitischer 
' Nephritis sind die verschiedensten Antigene nach Bruck zu benutzen und zu 

achten, ob die komplementbindenden Stoffe aus dem Blute verschwinden. 

10. Es ist selbstverständlich, daß uns die Wassermann sehe Reaktion 
als diagnostisches Hilfsmittel in der inneren Medizin sowohl auf die Haupt¬ 
krankheit, als auch auf einen Nebenbefund (z. B. Nierennarben) hinweisen kann. 

_ Rpd. jun. 


Die Schleimhaut der Nasenseheldewund, eine besonders geeignete 
Stelle für die Blutentnahme zu der Wassermannschen Reaktion und zu 
anderen serologischen Untersuehungssweeken. Von Dr. 0. M u ck in Esssi. 
Münchener med. Wochenschrift; 1909, Nr. 45. 




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^^s*4ta »tHi ffVäaiea bawöbats» läädifeiicir ßeziricco 'Kaaur 

* 1&****tte *w%» VetbreltMg Twwkohor IfraBfcfc'T/i^' 
«Üä>L;gk,%a,^ eine böst onUere e&fgfotbe Aktie» ev Bekfi/opftuf^ 

^ JJäT, im B«a«*faU» «MiKguttUcb »u «#»#,*,,« 1 , « 

Tßi-aftbo« b«tw»v » Worte» Amnuktof,«, on <t ot*± 
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l^J Blelit ai^* k»5S PereoUOO behandelt, l>naav f-| 

^ £fa»!teBfa*n?>?fö «ad dem »ot^i**» ncbao.loltea 








98 


Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


sonen. Die Erfolge der Maßnahmen waren günstig, obwohl sie prinzipiell ohne i 

jeden Zwang ausgeführt wurden. 

Sehr groß war die Zahl der extragenitalen Infektionen. Besonders I 

Kinder wurden sehr hloflg durch Schulkameraden, Benutzung gemeinsamen 
Eß- und Spielgeräts infiziert. Die häufige extragenitale Uebertragung führte i 

auch zu der Auffassung, daß die Syphilis von der Bevölkerung gar nicht als 
etwas Schimpfliches angesehen wurde. 

Die ausgiebige Gelegenheit zu unentgeltlicher ärztlicher Behandlung 
hat besonders auch leichte und Initialfälle der ärztlichen Behandlung zugeführt, t 

die sonst ohne Behandlung zu bleiben pflegten. Bei den außergeschlechtlich , 

Infizierten wurden vielfach unbedeutende Plaques an der Lippe und Mund* , 

Schleimhaut festgestellt, die der Kenntnis des Erkrankten völlig entgangen 
waren. Für die wirksame Bekämpfung der Krankheit war es deshalb un¬ 
bedingt notwendig, daß die Aerzte sich in die Häuser der Kranken begaben 
und hier die Angehörigen untersuchten. Dr. Dohm- Hannover. 

_ > 

Ueber Tropensyphilis* Von Dr. Seiffert, Arzt der Kammeruneisen¬ 
bahn. Münchener med. Wochenschrift; 1909, Nr. 45. ' 

Verfasser kommt auf Grund seiner Beobachtungen in Deutschland sowohl, < 

als in den Tropen zu der Annahme, daß eine in den Tropen erworbene Syphilis 
im allgemeinen eine gefährlichere Krankheit ist als die heimische. Verfasser i 

hatte Gelegenheit, Fälle von Syphilis zn sehen und teilweise zu behandeln von 
Europäern, die er in Persien, China, Japan, Mexiko und Afrika in den be¬ 
treffenden Ländern selbst sah, oder die von diesen Ländern mit einer dort i 

akquirierten Syphilis kamen. Er gewann damals den Eindrude, daß die 
Syphilis schwerer verläuft als bei uns: große Zerstörungen durch denPrimär- 
affekt, schnelles Eintreten sekundärer und auch tertiärer Erscheinungen, 
häufige Rezidive mit kurzen Intervallen, die noch sogar mit prophylaktischen , 

antiluetischen Kuren ausgefüllt waren. Diese Erfahrungen fand Verfasser in 
Kamerun bestätigt, wo eine große Anzahl Europäer meistens von Dualla- 
weibern mit Syphilis angesteckt wurde. Verfasser berichtet dann eingehend . 

über einen durch Rapidität und Schwere seines Verlaufes besonders ausgezeich¬ 
neten Fall bei einem 27 jährigen Manne und spricht sich am Schlüsse seiner 
Arbeit sehr skeptisch über die Erfolge der von Lenzmann und Napp 
empfohlenen gleichzeitigen Chinintherapie der Syphilis aus. 

_ Dr. Walbel-Kempten. 

Serodiagnostische Untersuchungen bei Prostituierten. Von Dr.Dreyer 
und Dr. Meirowsky in Köln. Deutsche med. Wochenschrift; 1909, Nr. 89. 

Die Verfasser wandten nach der Sternschen Kodifikation das Wasser¬ 
mann sehe Verfahren bei 100 Prostituierten an, und zwar mit 78*/ 0 positiven 
Resultaten. Bei 48 war an amnestisch und durch die ärztliche Untersuchung . 

Syphilis nicht nachgewiesen. Trotzdem reagierten82 (= 74,4 •/,) positiv; rech¬ 
net man zu diesen die 57 anamnestisch sicheren Fälle, so ergibt sich luetische 
Infektion überhaupt in 89 °/«- Die Frequenz der verschiedenen Lebensalter 
entspricht ungefähr der Beteiligung der Altersklassen an der Prostitution 
überhaupt. Ein bestimmter Einfluß der übrigens bei Dirnen oft mangelhaften 
Behandlung auf den Ausfall der Reaktion ließ sich nicht konstatieren; jedoch 
schien mit der zeitlichen Entfernung von der letzten Kur die Häufigkeit der 
positiven Resultate zu steigen. Die Frage der Zwangsbehandlung positiv 1 

reagierender Kontrollmädchen ist noch nicht spruchreif; jedenfalls scheint die 
Infektionsgefahr durch latent luetische Prostituierte angesichts der großen 1 

Zahl positiver Blutproben nicht erheblich zu sein. Das wesentliche Moment 
in der polizeiärztlicnen Kontrolle ist die Feststellung frischer Erscheinungen, 
auf Grund deren allein in Cüln im Jahre 1908 858 Prostituierte zur Kranken¬ 
hausbehandlung überwiesen wurden. Dr. Liebetrau-Hagen L W. 

| 

Ahnte kryptogenetische Polyarthritis gonorrhoica. Von Oberarzt 
Dr. Otto Mayer, Vorstand der bakteriologischen Station beim K. Garnison¬ 
lazarett Nürnberg. Münchener med. Wochenschrift; 1909, Nr. 44. 

Bei einem unter dem Krankheitsbilde von Gelenkrheumatismus ange¬ 
gangenen Infanteristen handelte es sioh im Verlaufe der Krankheit zweifellos 



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100 


Kleinere Mitteilungen and Referate aas Zeitschriften. 


Differentialdiagnose gegenüber dem Trypanosoma Bracei ist noch nicht 
mOglioh. Bemerkenswerter Weise bedürfen die Fliegen rar Larvenabgabe bei 
künstlicher Züchtung des Blutes von Warmblütern; z. B. mit Krokodilblut 
gefüttert geben sie nur wenige und verkrüppelte Larven und sterben bald. 
Bei Mangel an Warmblüterblut gehen die Weibchen eher zu Qrunde als die 
Männchen. Kreuzungsversuche zwischen Qlossinen palpalis und morsilaas, die 
in einzelnen Qegenden nebeneinander Vorkommen, mißlangen bisher. 

Dr. Liebetrau-Hagen L W. 


f. Zoonosen. 

Untersuchungen über die post mortem-Diagnose des bakteriellen 
Milzbrandes durch bakteriologische Prüfung der Fäzes. Von ▲. Cinca 
und G. Fenea. Bäunion bioL de Bucarest. Comptes rendus de la soc. de 
Mol.; LXVII, 1909, Nr. 27. 

Die Versuche Pastenr's an Hammeln, von Kitt an Bindern, von 
Brotseu am Hunde, von Piazza an Tauben und Hühnern haben das Vor¬ 
kommen von Milzbrandsporen in den Fäzes nacbgewiesen. Oppermann bat 
alsdann beobachtet, daß die Milzbrandbazillen auf die ganze Darmoberfläche 
aasge8chieden werden und de Blieck behauptet, daß man die Untersuchung 
der Fäzes zur Diagnose des Milzbrandes an aer Leiche verwenden kOnne. 

Die Autoren prüften, ob das Vorkommen der Milzbrandsporen in den 
Fäzes der an Milzbrand erkrankten Meerschweinchen, Kaninchen, Hammel und 
Schweine ein konstantes sei und ob diese Methode zur post mortem Diagnose 
besonders dann dienen könne, wenn die Kadaver mehr oder weniger faul sind. 
Ihre Ergebnisse sind: 

1. Bei milzbrandkranken Meerschweinchen, Kaninchen und Schweinen 
werden die Bazillen in um so größerer Menge durch die Fäzes ausgeschieden, 
je langsamer sich die Krankheit entwickelt. 

2. Die Milzbrandbazillen Anden im Darm günstige Bedingungen zur 
Sporenbildung und widerstehen in dieser Form der Fäulnis. Durch ErMtzen 
der Fäzes auf 66° kann man stets Kulturen erhalten. 

3. Die so erhaltenen Milzbrandbazillenkolonien sind um so zahlreicher, 
je später man die Fäzes untersucht oder ln je günstigere Bedingung zur 
Sporenbildung der Bazillen man sie bringt. 

4. Die bakteriologische Untersuchung ist ein sicheres Mittel zur post 
mortem Diagnose des Milzbrandes, sogar dann, wenn die Kadaver faul sind 
und wenn die üblichen Methoden negative Besultate ergeben. 

Die Arbeit entstammt ebenso wie die S. 776, 1909 referierte dem 
Laboratorium für Mikrobiologie und path. Anatomie der Tierarzneischule ln 
Bukarest. Dr. Mayer- Simmern. 


Ueber die Morphologie und den Entwlckelungssyklus des Parasiten 
der Tollwut (Nenroryctes bydropbobiae Calklns). Von Dr. A. Negri. Aus 
dem Laboratorium für allgemeine Pathologie und Histologie der K. Universität 
Pavia. Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten; Bd. 63, S. 421. 

Negri gibt in. dieser Arbeit eine genaue Beschreibung der von ihm 
im Jahre 1903 in den Nervenzellen wutkranker Tiere beständig angetroffenen 
eigentümlichen Gebilde, die er schon damals als Parasiten bezw. Entwickelungs¬ 
stadien eines als spezifischer Erreger der Wutinfektion wirkenden Protozoons 
gedeutet hat. In dieser neuen Arbeit gibt N. nunmehr eine ausführliche Be¬ 
schreibung dieser Gebilde, die er an frischen und gefärbten Präparaten studiert 
hat. Er empfiehlt für letzteren Zweck das Verfahren mit Giemsa-Lösung und 
dos von La voran angegebene (Eosin - Methylenblau-Silberoxyd nach Borrel). 
N. hat bei den Gebilden einen charakteristischen Entwickelungszug klar 
beobachtet, den „man nur bei lebenden organischen Wesen zu sehen gewohnt 
ist." Die Gebilde zeigen eine „Grundmasse* (= Protoplasma) und eine .Innen¬ 
formation* (= Kern) und einen von letzterer sich differenzierenden cororna- 
tischen Teil, der alle Merkmale des Chromatins besitzt. Mit dem Wachsen 
der Parasiten nimmt auch der Kern an Umfang zu und zerfällt in Klümpchen, 
die sich Im ganzen Körper des Gebildes dann verteilen. Außerdem kommt es 
aus bisher dem Verfasser nicht bekannten Gründen zur Sporenbildung und im 
Anschluß daran auch zu einer Verteilung des Chromatins in Klümpchen. 



Heiser« Mitteilungen und Referate au Zeitschriften. 101 

Sera«! bilden rieh dann andere Entwichelongeitufen des Parasiten, wobei die 
Chromatinkörnchen im Protopluma rieh verteilen. Du Protoplasma von jeder 
dieser Körnchen geht Teilungen ein, d. h. der Mikroorganismus verwandelt 
sieb in «inen Haufen sehr Kleiner Körperchen (Sporen). Die Sporen, die 
anlangs eine kompakte Masse darstellen, werden ln ihrem Zusammenhänge 
gelockert; sie können sich von einander entfernen und zu neuen selbst* 
sündigen Wesen werden. Diese Schilderungen werden durch 3 Tafeln mit 
zahlreichen, z. T. farbigen Abbildungen erläutert. — Die Arbeit Negri’s hat 
durch die bekannten italienischen Forscher Golgi und Graosi eine sehr 
gtnstige Kritik erfahren, welche Verfuser am Schlüsse seiner Arbeit beifügt. 

_ Dr. Symanski-Metz. 

h. Desinfektion. 

Heber apparatlose Formallndeslnfektlon mit Autan und anderen 
Prfparaten. 8ammelreferat von Dr. Max Winter, k. k. Landessanitäts- 
taspektor in Wien. Der Amtsarzt; 1909, Nr. 2. 

Verfasser resümiert die einschlägige Literatur: Autan soll nur in der 
geteilten Packung (Firma vorm. Bayer & Co., Elberfeld), Festoform in 
gröberen Mengen und länger angewendet werden, als die Fabrik (Dr.Hirsch* 
her g* Berlin) angibt (statt 100 g und 1 Stunde nimm 875 g und 7 Stunden.) 
Bei Raumabdichtung leisten diese Präparate (und auch das Autoform) dasselbe 
wie das auf eine der gebräuchlichen Methoden entwickelte Formaldehyd, näm¬ 
lich Oberflächendesinfektion. Gleichwertig ist ferner die Desinfektion mit einem 
Gemisch von je 2 kg Kaliumpermanganat, Formalin und Wasser für je 100 cbm 
Benin. Letzteres Verfahren ist 3-, Autan 6- bis 8 mal so teuer, als die 
Apparatverfahren. _ Dr. Hösch-Pasing. 

Formaldehyddesinfektion ohne Apparate. Von E. Walbum. Des¬ 
infektion; 1909, Suppl. 

1) Aus den geschilderten Versuchen geht hervor, daß man bei An¬ 
wendung der Autan besw. der Permangenatmethode eine ebemso befriedigende 
Desinfektion erreichen kann, wie durch die älteren Apparatmethoden. 

2) Um indessen dasselbe Resultat zu erreichen, sind größere Mengen 
der Desinfektionsmischungen nötig, als von den Fabriken angegeben wird, und 
iwar für die Desinfektion von 100 cbm Baum ca. 12 kg Autanpulver (oder 
infolge der Dosierung der Fabrik Autan für 300 cbm Baum) bezw. 3,33 kg 
Kaliumpermanganat, 3,33 Formaliu (40 °/ 0 Formaldebyd enthaltend) und 3,331 
Wasser. 

3) Die Permanganatmethode bietet gegenüber der Autanmethode den 
Verteil, daß a) die Permanganatmethode nur etwa den vierten Teil der Kosten 
verursacht wie die Autanmethode b) Formalin und Kaliumpermanganat überall 
leicht zu erhalten ist und c) die Haltbarkeit dieser 8toffe überaus groß ist. 

_ Dr. Wolf- Witzenhausen. 

Formaldehyddesinfektion von Eisenbahnabteilen und Droschken nach 
dem Autan B-, Autoform- und Formalln-K&linmperm&nganatverfahren. Von 
Kreisarzt Dr. B. Hilgermann, Vorsteher des Königl. Medizinaluntersuchungs¬ 
amts in Coblenz. Klinisches Jahrbuch; 1909, Bd. 21, H. 4. 

Die Untersuchungen, bei denen Milzbrandsporenseidenfäden und mit 
8taphylococcus pyogenes aureus und teilweise auch Typhus- und Paratyphus¬ 
bazillen durchtränkte Leinwandlappen als Testobjekte dienten, ergaben, daß 
mit dem Autanverfahren die Krankheitskeime trotz Anwendung großer Autan- 
mengen nicht sicher abgetötet wurden. Ebensowenig erwies sich auch die 
Autoformdesinfektion als zuverlässig. 

Mit dem Formalin - Kaliumpermanganatverfahren gelang es dagegen eine 
sichere Abtötung der Keime zu erreichen, selbst wenn die Testobjekte auf 
geschützten 8teilen niedergelegt waren. Es empfiehlt sich die Verwendung 
eines Gemisches von Kal. perm.-Formalin-Wasser im Verhältnis 1:1,6 :0,8. 
Das Kaliumpermanganatverfahren ist nicht nur sicherer, sondern auch ein¬ 
facher und billiger; die Desinfektion eines Eisenbahnabteils ILKlasse wird 
auf 1,33 Mark berechnet. Dr. D o h r n - Hannover. 



102 


Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zettschrifltc 


Vergleichende Untersuchungen über Raumdesinfektfon 
dehyd - Kaliumpermanganatrerf&hren. Ans der bakteriologinc 
des KOnigl. Operationskurses fftr Militärärzte In Mflnehen. Voi 
Hannes. Münchener med. Wochenschrift 

Verfasser stellte Versuche an mit: 

1. Apparat nach DieudonnA 

3. Formalin — Kaliumpermanganat 

8. Festoform — Kaliumpermanganat, 

4. Formengan — Kaliumpermanganat 

5. Paraformpulyer — Kaliumpermanganat; 

er kam auf Qrund seiner im Original näher ausgeführten ü 
und Beobachtungen zu folgenden Schlußsätzen: 

1. Die Entwicklung yon Formaldefayd aus der Handelst 
pulyer durch Kaliumpermanganat und Wasser im Verhältnis yc 
in abgedichteten Bäumen die gleiche Wirkung, wie die Verda 
Apparate. 

2. Das Verfahren ist in desinfektorischer Wirkung und d 
nutiung der Beagentien dem bisherigen Verfahren mit Fon 
Kaliumpermanganat übertragen. 

8. Es ist yon dem Verfahren mit festen und daher leicht 
Beagentien das billigste; das Paraformpulyer untersteht keinen 
Schutz, ebensowenig das ganze Verfahren. 

4. Seine Handhabung ist am einfachsten, ist ohne Beläsi 
ausführende Person und yerlangt keine große Gefäße; die Zusi 
der Beagentien 1:2:8 ist leicht zu merken. 

5. In Notfällen bei höherer Temperatur kann die Anwend 
dichtung der Bäume erfolgen. 

6. Das Verfahren kommt wegen seines gegenüber dem Apj 
immer noch hohen Preises dort in Betracht, wo Apparate üb 
bezw. nicht in genügender Anzahl yorhanden, oder wegen Feuer 
zur Verwendung ausgeschlossen sind. 

7. Bei der Haltbarkeit und leichten Transportfähigkeit, sc 
hältnismäßig geringen Volumen des Paraformpulyers eignet s 
fahren besonders zur Verwendung im Felde. 

8. Zum Gebrauch lür die Praxis ist es nötig, die chemi 
des Präparates zu prüfen. 

Ais Preis der yerschiedenen Verfahren ergibt sich für die 
yon 100 cbm Baum (inkL Abnutzung bei Apparatyerfahren): 

Dieudonn6scher Apparat.2,56 M. 

n_i • rr __ t. 


Formalin, Kaliumpermanganat.8,80 M. 

Festoform, Kaliumpermanganat.7,20 M, 

Autan.8,60 M, 


Paraform, Kaliumpermanganat.5,70 M, 

Der Preis der Handelsware yon Paraformpulyer für 1 
zurzeit bei Büchner & Sohn in München 8,90 M. 

_ Dr.Waibel-Kc 


Die Verfahren zur Wohnungsdesinfektion mittels Form 
Kaliumpermanganat, ihre Ausgibigkeit an gasförmigem Form 
Ihre praktische Bedeutung. Von Dr. W. Kalähne, Stabs« 
H. S t r u n k, Korps - Stabsapotheker. Aus dem hygien. - chemischen 
der Kaiser-Wilhelms-Akademie in Berlin. Zeitschrift für Hygiei 
tionskrankheiten; Bd. 63, S. 375. 

Die Verfasser haben es sich zur Aufgabe gemacht, ein 
Desinfektionsyerfahren, das sog. Paraform-Permanganatyerfal 
bisher gebräuchlichen unter gleichen Versuchsbedingungen zu p 
vergleichen. Es hat sich ergeben, daß das alte Kaliumperm an gi 
dem Autanyerfahren, das mittels Barymsuperoxyd Formaldehyd 
überlegen ist. Die zur Entwickelung erforderlichen Gefäße sin 
Verfahren die gleichen. Daß aber überhaupt beim Formaliny 
Flüssigkeit zur Verwendung kommt, hat sehr sein Mißliche! 
FormaUnpermanganatyerfahren anhaftenden Mängel werden auc 







Kleinere Mitteilungen nnd Referate ans Zeitschriften. 


103 


Verwendung des Festoforms nicht behoben, da es kein leicht in trans¬ 
portierendes Mittel ist nnd die Aufbewahrungsgefässe auch durch Bostbildnng 
schädigt. Der Preis ist ferner hoch, nnd Geruchsbelästigungen des Desinfektors 
sind bei den Vorbereitungsarbeiten unvermeidlich. Der Erfolg beim Formangan- 
▼erfahren ist ein guter nur so lange, als das Pr&parat frisch ist Die Be¬ 
urteilung endlich der bisher betriebenen Desinfektionsverfahren, bei denen 
Permanganat zur Verwendung kam, hatten das Ergebnis, daß sie trotz guter 
Resultate für die Praxis, namentlich für den Gebrauch im Felde, nicht geeignet 
sind, da teilweise mitzutransportierende Flüssigkeiten verwendet werden 
müssen. Um diese Schwierigkeiten zu vermeiden, traten die Verfasser der 
Frage n&her, ob es nicht möglich w&re, mit Paraform und Permanganat eine 
DeslnfektiongWirkung zu erzielen. Bei inren diesbezüglichen Versuchen stellten 
sie fest, daB bei einzelnen Paraformsorten eine ausgiebige Entwickelung 
von gasförmigem Formaldehyd eintrat, andere Sorten hingegen vollkommen 
▼•nagten. Weiterhin wurde durch besondere Methoden die Menge des 
■twickelten Aldehyds bestimmt, um das für eine ausgiebige Desinfektion 
günstigste Mischungsverhältnis festzustellen. Hierbei zeigte sich, daß ein 
geringer Alkaltzusatz die Wirkung hat, gewisse reaktionshem¬ 
mende Stoffe bei einigen Paraformsorten zu neutralisieren, und so 
hei sämtlichen Paraformsorten Aldehydentwickelung zu 
erreichen. Der weitere Vorzug dieses Verfahrens besteht darin, daß be¬ 
deutend kleinere Entwickelungsgefäße als bei allen übrigen Verfahren zur 
Anwendung kommen. Es genügt für einen Baum von 40 cbm eine Emaille- 
Waschschüssel von 40 cm Durchmesser und 10 cm Hohe (=7 Liter Inhalt), 
besw. ein Kochtopf gleicher GrOße. Das eigentliche Verfahren gestaltet sich 
dann folgendermaßen: Paraform und Kaliumpermanganat werden in einer 
Schüssel mit einem Holsstäbchen gut vermischt. Das Gefäß wird auf ein 
Brett gestellt, die erforderliche Menge Wasser hinzugegossen, und das ganze 
an einem gleichmäßigen Brei verrührt. Für einen Baum von 40 cbm würde 
zu verwenden sein: 400 g Paraform, 1000 g Kaliumpermanganat und 1200 g 
Wasser. Es empfiehlt sich stets der Zusatz von 1 °/o (nicht mehr) calcinischer 
Soda. Es entspricht dies einem Verhältnis von Paraform, Permanganat und 
Wasser = 1: 2*/»: 8. Da bei der Wohnungsdesinfektion ca. 46 # /o des ange¬ 
wandten Paraforms vergast werden, so sind pro Kubikmeter 10 g zu ver¬ 
wenden. — Resümierend kann man sagen, daß die Vorzüge dieses 
Verfahrens vor anderen in folgendem bestehen: I. Dem Autan 
gegenüber: 1) Die Beaktion beginnt später, sodaß der Desinfektor die 
Mischung ohne Belästigung vornehmen kann. 2) Bei Verwendung derselben 
Menge Paraform wie beim Autan entsteht doppelt so viel Formaldebyd und 
l*/s mal soviel Wasserdampf. 8) Die Kosten sind geringere. 4) Die Ent- . 
wickelungsgeläße sind um ‘/ 8 kleiner, wie beim Autan, und in jedem Haushalte 
aufzutreiben. IL Den Formalin-Methoden gegenüber: 1) Es werden 
nur feste leicht transportable Materialien gebraucht. 2) Die Gefäße sind auch 
hier kleiner. 3) Die Mischung kann in mehreren Gefäßen nacheinander ohne 
Belästigung des Desinfektors vorgenommen werden. Zur Bedienung genügt 
1 Person. _ Dr. Symanski-Metz. 


Ueber die Entwicklung von Formaldebyd für Baumdesinfektion und 
eine Methode zu seiner Bestimmung. Von Dr. G. Lockemann-Berlin. 
Desinfektion; 1909, Nr. 10. 

Verfasser gibt eine Analysenmethode zur Bestimmung der günstigsten 
Mengenverhältnisse von Paraform, Permanganat und Wasser an und konnte 
mittels dieser Methode feststellen, daß sich die günstigste Ausbeute ergab bei 
dea Mischungsverhältnis von 10 Teilen Paraform mit 26—30 Teilen Permangant 
und 22—25 Teilen Wasser. Für die Desinfektionsversuche im großen erwiesen 
sich nach obigen Verhältnissen hergestellte Gemische vorzüglich wirksam, 
wenn etwa 10 g Paraform für 1 cbm Baum verwendet wurden. (Vorläufige 
Mitteilung). _ Dr. Wolf-Witzenhausen. 

Ueber die Verwendung von Paraform und Permanganat zur Raum- 
deelafektlon. Von Dr. G. Lockemann und Dr. F. Croner-Berlin. Des¬ 
infektion; 1909, SuppL 



104 


Kleinere Mitteilangen nnd Referate aas Zeitschriften. 


Auf Grand der angeführten Analysenresultate bei kleinen and großen 
Mengen and der Desinfektionsversuche machen die Verfasser für die praktische 
Ausführung des Paraform •Permanganat'Verfahrens iolgende Vorschläge: 

Der za desinfizierende Raum ist in der üblichen Weise abzudichten. 

In einem vollständig trocknen Gefäß aas Holz oder Metall, welches 
ungefähr halb so viel Liter (nicht weniger) faßt, wie der za desinfizierende 
Raum Kubikmeter enthält, werden so viel Paraform and krystallisiertes Per¬ 
manganat in dem Verhältnis 10:25 miteinander darch Umiühren möglichst 
gleichmäßig gemischt (erkenntlich an einer gleichmäßigen Mischfarbe), daß 
auf einem Kubikmeter Raum 10 g Paraform zur Anwendung kommen. Ge¬ 
pulvertes Permanganat darf nicht verwendet werden. Bei Desinfektion kleiner 
Räume (bis etwa 10 cbm) sind PermanganatkryBtalle mittlerer Große, bei 
größeren Räamen ist das grobkrystallinische Präparat zu verwenden. 

Die erforderliche Menge Wasser von Zimmertemperatur wird derartig 
bemessen, daß auf 10 g Paraform 25—30 ccm Wasser kommen. Das Wasser 
wird aus einem Gefäß mit möglichst weiter Oeffnung zu dem Reaktionsgemisch 
gegossen and darch gehöriges Umrühren mit einem etwa handbreiten Holzbrett 
möglichst gleichmäßig verteilt. Beim Umrühren maß man besonders beachten, 
daß aach die untersten Teile des Paraform-Permanganat-Gemisches mit dem 
Wasser in Berührung kommen. Man kann ruhig etwa eine halbe Minute lang 
rühren and hat auch, falls die Reaktion schon einsetzt, noch genügend Zeit, 
das Zimmer za verlassen, da die Entwicklung zunächst ziemlich langsam ver¬ 
läuft und erst allmählich in ihrer Intensität gesteigert wird. Nach 4 Standen 
kann mit dem Entwickeln von Ammoniak begonnen werden. Dies geschieht 
entweder durch Einleiten von Ammoniakdämpfen durch das Schlüsselloch oder, 
wie bei den übrigen apparatlosen Verfahren, in der Weise, daß man ein 

F assendes Gefäß von etwa der halben GrOße des Hauptreaktionsgefäßes ein 
femisch von Ammoniumsulfat oder -chlorid mit Kalkwasser übergießt und 
durch die geöffnete Tür schnell in das Zimmer schiebt. Pro Kubikmeter Raum 
sind 10 g Ammoniumchlorid oder 12 g Ammoniumsulfat mit 20 bis SO g ge¬ 
brannten Kalk mit 10 bis 15 ccm Wasser zur Reaktion zu bringen. 

Die letzten an den Wandungen des für das Paraform - Permanganat- 
Gemisch benutzten Gefäßes haftenden Reste der Manganoxyde lassen sich durch 
Uebergießen mit wässeriger schwefliger Säure und Ausspülen mit Wasser 
leicht entfernen. 

Die Paraform-Permanganat-Gemische bleiben bei geeignetem Auf¬ 
bewahren sehr lange unverändert wirksam. Da jedoch in der Praxis ein 
sicherer Abschluß gegen die Luftfeuchtigkeit nicht immer zu erzielen sein 
dürfte, so empfehlen die Verfasser die Komponenten getrennt für sich aufsu- 
bewahren und erst unmittelbar vor dem Gebrauch miteinander zu mischen. 

_ Dr. Wo 1 f - Witsenhausen. 

Ueber eine Analysenmethode für apparatlose Raumdesinfektions- 
verfahren* Von Dr. G. Lockemann nnd Dr. F. Croner-Berlin. Des¬ 
infektion; 1909, Nr. 11. 

Während bei dem Apparateverfahren die Dosierung von Formaldehyd 
und Wasser recht einfach ist, gestaltet sich diese Aufgabe für die chemischen 
Entwicklung8methoden bedeutend schwieriger. Denn hier kommt der in 
wässeriger LOsung oder in polymerisiertem Zustande aogewendete Formaldehyd 
durchaus nicht vollständig oder annähernd vollständig wie bei dem Apparate¬ 
verfahren zur Verdampfung, sondern ein beträchtlicher Teil geht schon dadurch 
verloren, daß er gewissermaßen als Heizmaterial dient. 

Für die desinfizierende Wirkung ist aber doch in erster Linie ma߬ 
gebend, wieviel Formaldehyd und Wasserdampf pro Kubikmeter Raum zur 
Verdampfung gelangen. Dies zunächst zu ermitteln, ist eine rein chemische 
Aufgabe. Es ist auch schon mehrfach der Versuch gemacht worden, die bei 
den verschiedenen Verfahren zur Entwicklung kommenden Gas- bezw. Dampf¬ 
mengen zu bestimmen, aber nicht mit der genügenden Exaktheit. 

Die apparatlosen Raumdesinfektionsverfahren kann man einteilen in die 
Peroxyd- und die Permanganatmethoden. 

Die Peroxydmethode wurde von A. Eichengrün durch Herstellung 
des Autans, eines Paraform - Baryamsaperoxydgemisches, in die Praxis ein¬ 
geführt. 



Tagesnachrichten. 


1Ö5 


Die andere Gruppe jder apparatlosen Verfahren, die der Permanganat¬ 
methoden, wurde zuerst von den Amerikanern Evans und Bussei an ge¬ 
wendet, indem sie wässerige Formaldebydlösung mit Kaliumpermanganat 
reagieren ließen. — Die Hauptschwierigkeit einer quantitativen Bestimmung 
besteht darin, die nach Eintritt der Beaktion sehr schnell entwickelten Gase 
vollständig zur Absorption zu bringen. Das ist nur möglich, wenn man 
imstande ist, die Gase zunächst auf irgend eine Weise quantitativ aufzufangen 
und sie dann allmählich durch geeignete Lösungen absorbieren zu lassen, in 
denen sich ihre Bestimmung ausführen läßt. 

Um den Verhältnissen in der Praxis möglichst nahezukommen, ist es 
erforderlich, weite offene Gefäße für das Beaktionsgemisch zu verwenden. 

Die Verfasser beschreiben dann ausführlich den Analysenapparat und 
die Methode, die für derartige Zwecke als allgemein verwendbar ist. Als ein 
für Kohlensäure- und Formaldehyd - Bestimmung gleichzeitig geeignetes 
Abeorptionsmittel bezeichnen sie eine alkalische Hydroxylaminlösung. Die 
gewonnenen Besultate sind nicht ohne weiteres für größere Verhältnisse ma߬ 
gebend ; darüber können nur in großem Maßstabo ausgeführte Versuche völligen 
Aufschluß geben. Zum Schluß werden noch einige nach der neuen Methode 
angeführte Analysenbeispiele gegeben, und zwar über das Autan-, das 
Permanganat- und Autoformverfahren. 

Der beschriebene Apparat wird mit allem Zubehör von der Firma 
P. und M. Lautenschläger-Berlin Nr. 39 geliefert. 

_ Dr. Wolf-Witzenhausen. 

Ein Formaldehydbestimmungsapparat für sehr schnell reagierende 
Gemische (Apparat B). Von Dr. G. Lockemann und Dr. F. Croner-Berlin. 
Desinfektion; 1909, Nr. 12. 

Außer dem Apparat (s. vorstehendes Befarat), mit dem die von 
Beaktionsgemischen für Baumdesinfektion entwickelten Gase und Dämpfe 
direkt bestimmt werden können, haben die Verfasser noch einen Apparat 
konstruiert, der verwendet werden kann, wenn die Beaktion nach Zutritt des 
Wassers zu dem Beaktionsgemisch sehr schnell oder sogar sofort eintritt. 
Dieser Apparat B wird ebenfalls von der Firma F. und M. Lautenschläger- 
Berlin N. 39 geliefert. _ Dr. Wolf-Witzenhausen. 


Tagesnachrichten. 

Aus dem prensslsohen Abgeordnetenhause. In der Budget¬ 
kommissionssitzung vom 1. d. Mts. erklärte der Minister des Innern bei Be¬ 
ratung des Etats seines Ministeriums auf eine Anfrage des Berichterstatters, 
daß die Angliederung der Medizinalabteilung an das Ministerium des 
Innern in diesem Jahre nicht mehr erfolgen könne. 

Betreffs der fakultativen Zulassung der Feuerbestattung bemerkte der 
Herr Minister, daß die gesetzliche Begelung des Feuerbestattungswesens 
gegenwärtig noch Gegenstand der Verhandlungen sei. 


Ueber den Verkehr mit Arzneimitteln ausserhalb der Apotheken und 
die Besichtigung der Drogenhandlungen sind jetzt in Preußen unter dem 
13. Januar d. J. (s. S. 24 der Gesetzesbeilage zur heutigen Nummer) neue Vor¬ 
schriften erlassen, auf die wir die Medizinalbeamten noch besonders aufmerksam 
machen, da sie gegenüber den bisherigen einige wichtige Abänderungen bringen. 
Statt der für alle Handlungen bisher vorgeschriebenen jährlichen Besichtigungen 
sollen jetzt nur die Handlungen, in denen entweder nur oder vorzugsweise Arznei¬ 
waren feilgehalten werded und die Drogenschränke jährlich besichtigt werden, 
während ule übrigen Geschäfte, die nur wenige Arzneimittel usw. führen, in 
der Begel nur alle zwei bis drei Jahre zu besichtigen sind. Bei den Besich¬ 
tigungen hat die Ortspolizeibehördo jedoch nunmehr stets den zuständigen 
Kreisarzt suzuziehen; der Mitwirkung eines Apothekers bedarf es nur bei den 
größeren Handlungen; der zuzuziehende Apotheker darf außerdem im Drogen¬ 
handel weder zurzeit tätig, noch tätig gewesen sein. 

Ia den dem Erlaß beigegebenen Grundzügen für die zur Begelung des 
Arsaeimlttclverkehrs außerhalb der Apotheken zu erlassenden Polizeiverord- 



106 


Tagesnachrichten. 


n angen ist weiterhin bestimmt, daß in den bei der Polizeibehörde als Geschäfts¬ 
räume angemeldeten Bäumen nur Waren vorhanden sein dürfen, die feilgehalten 
werden; damit wird der vielfach üblichen Ausrede der Geschäftsinhaber, daß 
etwa hier Vorgefundene Arzneimittel zum eigenen Gebrauch usw. bestimmt 
seien, von vornherein die Spitze abgebrochen. Ferner sehen die Grundzüge 
sehr zweckmäßige Vorschriften über die Beschaffenheit der Arznei¬ 
behältnisse vor, die bisher fehlten; desgleichen ist betreffs der sog. Tier¬ 
heilmittel ein vielfach strittiger Punkt dadurch beseitigt, daß bei diesen sowohl 
die Vorrats-, als die Abgabegefäße mit einem entsprechenden Vermerk ver¬ 
sehen sein müssen. Ebenso ist ein striktes Verbot der Aufbewahrung ver¬ 
schiedener Arzneimittel in einem Behälter und eine genaue Anordnung über 
die Aufbewahrung abgefaßter Arzneimittel getroffen. Aueh die Anforderungen 
in bezug auf die Beschaffenheit der Arzneimittel haben insofern 
eine Verschärfung erfahren, als unter Bezeichnungen, die im Deutschen Arznei¬ 
buch für Waren bestimmter Art gelten, Arzneimittel anderer Art nicht feil- 
gehalten und verkauft werden dürfen. Ein im Interesse des Poblikoms erwünschte 
Vorschrift hinsichtlich der Beschaffenheit der Abgabegefäße fehlt jedoch auch 
diesmal _ 

In Hamburg hat der Senat der Bürgerschaft einen Gesetzentwurf, 
betr. Errichtung einer Versorgungskasse für Hebammen, vorgelegt, der alle 
im Staatsgebiet zugelassenen Hebammen als Mitglieder angehören sollen. Zur 
Erfüllung der Kassenleistungen (in Krankheitsfällen sowie bei Invalidität) 
haben die Hebammen Beiträge zu zahlen; außerdem gewährt der Staat einen 
erheblichen Zuschuß in der Höhe des doppelten Betrages der jeweilig von den 
Mitgliedern geleisteten Beiträge. _ 

Am Donnerstag, den 81. März d. J. wird in Berlin (voraussichtlich 
im Herrenhause) unter dem Vorsitz von Herrn Geh. Ob.-Med.-Bat Prof. Dr. 
Dietrich der I. Deutsche Kongress für Krttppelfürsorge stattfinden. Der 
Eintritt hierzu steht jedem Krüppel-Freunde gegen Zahlung einer Gebühr von 
8 Mark frei; dafür erbällt er den stenographischen Verhandlungsbericht. An 
Vorträgen sind u. a. in Aussicht genommen: Dr. Hoeft man -Königsberg: 
Wieweit können orthopädische Prothesen die Erwerbsfähigkeit des Krüppels 
steigern? — Prof. VulpiuB-Heidelberg: Ueber die Heilung des Krüppel- 
tums durch operative Behandlung der Nervenkrankheiten. — Dr. Bade- 
Hannover: Die Bedeutung der Prophylaxe in der Krüppelfttrsorge. — Pastor 
U1 b r i c h - Cracau: Die Aufgaben der evangel. Kirche in der Krüppelfürsorge. 
— Bektor Sommer-Bigge a. B.: Krüppelfürsorge und katholische Kirche. — 
Hilfsschulleiter Martini-Berlin: Der Werkunterricht in seinem Wesen und 
seiner Bedeutung für Unterricht und Erziehung im Krüppelheim. — Erziehungs¬ 
inspektor Legel-Berlin: Die Hilfsschule im Krüppelheim. — Dr. Biesalski- 
Berlin: Elemente der Krüppelfürsoge. — Dr. Bosenfeld-Nürnberg: Neue 
Formen der Krüppelfürsorge. — (Referent noch unbestimmt): Staat und 
Krüppelfürsorge. — Stadtrat Münsterberg-Berlin: Einleitung zu einer 
Besprechung über: Die Stellung der Armenpflege zur Krüppelfürsorge nament¬ 
lich zur Handwerksausbildung der Krüppel 

Anmeldungen und sonstige Zuschriften sind anDr. Biesalski .Schrift¬ 
führer der Deutschen Vereinigung für Krüppelfürsorge, Berlin 8.69., Fontane- 
Promenade 16, zu richten. _ 

Der S9. Kongress der Deutsehen Gesellschaft für Chirurgie findet 
vom 30. März bis 2. April 1910 in Berlin im Langenbeckhause statt. Vorträge 
und Demonstrationen sind bis zum 16. Februar mit einer kurzen Inhaltsabgabe 
und der genauen Bezeichnung, ob Vortrag oder Demonstration beabsichtigt 
wird, bei Pref. Bier, Berlin N.W., 24, Lessingstr. 1, anzumelden. Am Tage 
zuvor, Dienstag, den 29. März, wird der IX. Kongress der Deutschen Gesell¬ 
schaft für orthopädische Chirurgie in Berlin ebenfalls im Langenbeckhause 
abgehalten werden. _ 

Der XV. Internationale Kongress für Hygiene und Demographie, 
der Ende September d. Js. stattfinden sollte, ist auf 1911 verschoben. 




IM 7«y*<Äfiaiaag der tftaetefcatt deutscher SatnrfarsoltÄr ültd 
Äiürik fa&ti wia 18 kiis 2 C S € $ t em b e t in Daaxig statt. 

liie diaöäiuif^ 4c* Zentral - Jfomita* sor 1M}‘ 

*«?liMrf.rfcttJ«** ist *af den il< Mjü (eaigeacut. Am Tage vorher 

-**(*. *m «e« mix. 

li& tmtiim öw ZwsU*]-Komitee hat die Herren Br. v. Bötlinge i 
^eritltf oüÜ ds» Bankier Bobart v. MeatUUroho- B&iUn. latzteren als 
xfeöKeiattvtii das Pfäsadroia gewihlt 
c'i\ •^ 'V'‘f ■ VVJr ; ; V'-*'K*’\* •’Vi i''i' J <*'V •"•' w « *•■ ■■ i'. ' . .'!• • ' 

,tHä ..Qavdiar 1 h»x einen Ihr sar Vertftgaüg gestellten Betrag von 
Usthirodirt Hark m VeraxsaUltJing eine* Pre»B*a**ehrelb«ns über das 
W: SbÄitu die erjitaehtou lZm**n*bt mente den Staat!* verwandt, 

f # faftklU: dto Gesiaitfcosften, votfciw* die Minderwertigen (Kranke, 
f%el Mfj in einem gaiiaon Staate «der größerem Verwaltimgsgebiete 
s, woutett we/ocfl. Sodaan soll, soweit das rorbaaden^ 

*> smfrt, dar Anteil wekhea die angeborene oder ererbte körperliche, 
Ä:? o^tr ültihdm Manierwomgfceio vs diesen GesnmtkwUu der Kranken 
Ytefrvfltfcflr, £r werbe nniiüugfcr usw. hat, fest gestallt worden. Da» 
.WtßUiwathaben die Senat* Öi. Bec&hold, Heraaagfcber der *ümscli»ti'\ 


^iawr** and r*/le<fäll* nn ansteeköndou Krankheit** I» 

‘frwyc^flr 3tiai34örüUdaLr. für MocKxinai« and medisiatathe üover- 
^ vom 19. Boa. 1909 bis 8. Januar 1#IQ 
Qeibfiohor, Pleckiieb^r, Bttck- 

•y^pÄite-), 13 (3)-. MUsbr*sd: *(1>, SW, S {-.)>. 

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108 


Sprechsaal 


Antwort: Nach dem Erlaß des Herrn Ministers der geistlichen osw. 
Angelegenheiten Tom 20. April 1897 — M. 11012 G. in — ist der Regierungs¬ 
präsident ermächtigt, ifir Postsendungen mit Meldungen, die aus Gründen der 
Gesundheitspolizei oder der Medizinalstatistik auf Anweisung der Staatsbehörden 
seitens der Aerste und des ärztlichen Hilfspersonals, sowie seitens der Standes* 
beamten erstattet werden, diesen Personen Briefumschläge oder Postkarten 
mit dem Abdruck des Dienstsiegels und dem Aversionierungsvermerk, sowie 
tunlichst mit der Adresse des Empfängers zuzustellen. M. E. wird diese Zu¬ 
stellung sehr wohl auch in der Form erfolgen können, daß der Kreisarzt seiner 
Anfrage einen solchen Briefumschlag für die verlangte Antwort beifügt. 


Anfrage des Dr. A. in R.: Darf das bei Wahrnehmung von kreis ärzt¬ 
lichen Dienstgeschäften, z. B. Nachrevision bei ansteckenden Krankheiten, Re¬ 
vision von Drogenhandlungen etc., verauslagte Fahrgeld (Straßenbahn und 
Droschke) in Orten mit Königlicher Polizeiverwaltung liquidiert werden? 

Antwort: Nein (s. meinen Kommentar zum Gebührengesetz, Anmerk. 1 
des Gesetzes, 8. 3). _ 


Anfrage des Kreisarztes Dr. D. ln H.: Bei der Revision einer Drogen¬ 
handlung wurde von dem Inhaber unter Androhung von Gewalt die Fort¬ 
setzung der Revision verhindert. Ist der Kreisarzt verpflichtet, die infolge¬ 
dessen notwendig gewordene abermalige Revision (in Begleitung eines Polizei¬ 
beamten) umsonst auszuführen, oder gibt es Entscheidungen, welche die Kosten 
dem Drogisten auferlegen? 

Antwort: Die Besichtigung von Drogenhandlungen erfolgt nach Ziff. 2 
des Erlasses vom 22. Dezember 1902, M 6587, durch die Ortspolizei- 
behOrde unter Mitwirkung eines approbierten Apothekers und somit tunlich 
unter Zuziehung des zuständigen Kreisarztes, der in diesem 
Falle die Besichtigung leitet. Eine Revision allein durch den Kreisarzt ist 
daher unzulässig. Der Besitzer konnte sich einer solchen widersetzen; es 
künnen ihm deshalb auch weder die Kosten für diese, noch für eine abermalige 
Revision auferlegt werden. _ _ 

Anfrage des Dr. M. ln C.: Ist es zulässig, außer bei den Leichen¬ 
transportscheinen, wie das die Landtagskommission ausdrücklich als statthaft 
erklärt hat, auch z. B. bei Tarif B, Z. 16 und 19 bei Berechnung der Gebühren 
die VermOgensverhältnisse des Antragstellers zu berücksichtigen. 

Antwort: Abgesehen bei Leichentransporten kommen die Vermögens- 
Verhältnisse der Antragsteller für die Hohe der Gebühren nicht ln Betracht, 
sondern nur Mühewaltung und Zeitversäumnis (s. meinen Kommentar 8. 16, 
Anm. 3 und 8. 26, Anm. 8). _ 


Anfrage des Kreisarztes Dr. J. ln H.: Ist 50pros. AlsollOtung dem 
freien Verkehr überlassen, speziell sind Verdünnungen davon zu kosmetischen 
oder Desinfektionszwecken hergestellt, freigegeben? 

Antwort: Alsol ist = Aluminium acetico-tartaricnm und demzufolge 
dem freien Verkehr nicht überlassen; Zubereitungen davon, die zu Desinfektions¬ 
und kosmetischen Zwecken dienen, sind dagegen freigegeben (s. $ 1 Abs. 2 a 
der K. V. vom 22. Oktober 1901). 


Notln. Mit Rücksicht auf wiederholte Anfragen teilen wir den Lesern 
der Zeitschrift mit, daß noch eine kleine Anzahl von Sonderabdrücken der 
Dienstanweisung f&r die Kreisärzte vorhanden ist und zu dem bis¬ 
herigen Preise von 1 Mark 1 Stück, 75 PL bei Abnahme von 10 und mehr 
abgegeben wird. 

Bestellungen sind nach wie vor an die Expedition dieser Zeitschrift 
(Hofbuchdruckerei J. C. C. Bruns in Minden L W.) zu richten. 


Redaktion: Geh.Med.-Rat ProL Dr.Rapmund,Reg.-u.Med.-Bat in Minden 1. W. 

J. C. 0. Brut, l«m|L SMu.a. Ftntl. S«k.-L. ItAMkindnNl li Uiiu. 









































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23. Jahrg. 


1910, 


Zeitschrift 

für 

MEDIZINALBEAMTE. 


ZntnlNatt Dir to gasanrts BastmUrafowesst, 

für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenwesen. 

Herausgegeben 

Ton 

Geh. Med.-Rat Prot Dr. OTTO RAPMOND, 

&efiermnft- and Medidnalrat la Mlndesi I. W, 

Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, Sächsischen, 
WQrttembergischen, Badischen, Mecklenburgischen und Eisass-Lothringischen 

Medizinalbeamtenvereins. 


Verlag von Fiseher’s mediz. Buehhandlg., E Kornfeld, 

HanogL Bayer. Hof- n. BrsbenogL 

Berlin W. 35, Lützowstr. 10. 

luMrale nehme* die Verleg» h*n dl ung sowie alle Annoncenexpeditionen des In* 
und Auslände« entgegen. 


Nr. 4, | Ertekeiit w 5. ud 80. Jedea Hont«. 


20. Febr. 


Rentenablehnung nach Kopfverletzung. Tödlicher Ausgang. 

Von Kreisarzt Dr. B. Thomalla in Johannisbarg (Ostpr.). 

Wie sehr sich der Gutachter gerade nach Kopfverletzungen 
irren kann und wie vorsichtig er bei Abgabe seines Gutachtens 
sein maß, beweist folgender Fall: 

Im Aufträge des Schiedsgerichts für Arbeiterversichernng 
wurde der Leichnam des am 10. Januar v. J., also fast ganau 
vor Jahresfrist begrabenenen Kätners G. aus G. am 6. Januar er. 
exhumiert und von mir die Obduktion gemacht Nach den Akten 
war G. am 9. Januar 1906 vom Wagen gefallen; er wurde be¬ 
wußtlos vom Erdboden aufgehoben und hatte sich den Hinterkopf 
schwer verletzt, so daß eine große Wunde daselbst zu finden war. 

Ein ärztliches Zeugnis vom 11. Mai 1906 sagt ans, er habe 
sich angeblich eine Gehirnerschütterung zugezogen. Das Gut¬ 
achten des ärztlichen Sachverständigen vom 8. Juni 1906 lantet 
dann: .Zeichen einer Gehirnerschütterung seien nicht mehr nach¬ 
weisbar, ebensowenig andere Unfalifolgen. Schwerhörigkeit werde 
durch Einlagerungen in die Trommelfelle bedingt.“ — Der Benten- 
anspruch wurde demzufolge von der Bernfsgenossenschaft abge¬ 
lehnt and diese Ablehnung vom Schiedsgericht durch Urteil vom 
24. Augast 1906 bestätigt, da „vorläufig keine Anzeichen einer 
Gehirnerschütterung, also keine Unfallfolgen vorliegen. Sollten 



110 


Or. Thomalla: BentenablehnoBg ueh Kopfverletzung usw. 


■ich später solche einstellen, so bleibt dem Kläger unbenommen, 
von nenem mit Entschädigungsansprüchen hervorzutreten.* 

Nach den Aassagen der Zeugen soll GL bald nach dem Unfall 
das Gehör verloren haben. Vor dem Unfall sei er ganz ver¬ 
nünftig gewesen, nach dem Unfall dagegen geistesgestört. Er 
habe ein scheues Wesen gezeigt, sich vor den Menschen versteckt 
and nicht gewußt, was er tat and wo er sich befand. Aach 
körperlich sei er sehr heruntergekommen, so daß er eigentlich 
nichts hätte leisten können. Vor dem Tode habe er ca. */* Jahr zu. 
Bett gelegen and immer über Kopfschmerzen geklagt. Ein Arzt 
sei nie zugezogen. 

Ich sprach in meinem Gutachten ungefähr folgendes aus: 

Mein vorläufiges Gutachten nach der Obduktion lautete dahin, 
daß eine Blutung in das Gehirn stattgefanden habe; denn in 
Ziffer 8 des Obduktionsprotokolls heißt es: 

„Das Gehirn ist ein Matsch, es zeigt aber auf der linken 
Seite in der Gegend des Hinterhauptlappens bis zu dem Schläfe¬ 
lappen stark rostbraune Verfärbung.* 

Da das ganze Gehirn ein Matsch war, so konnte selbst¬ 
redend die Gegend der einzelnen Gehirnlappen nicht mehr genau 
unterschieden werden, immerhin kann aber mit ziemlicher Wahr¬ 
scheinlichkeit angenommen werden, daß die rostbraune Verfärbung 
mehr im hinteren und seitlichen Teile des Gehirns vorhanden war. 
Ob während des Lebens sich im Gehirn schon Eiter befunden hat, 
ließ sich nicht mehr feststellen, es kann nur aus den Zeugen¬ 
aussagen ein derartiger Schluß gezogen werden. Es ist daran 
nicht *zu zweifeln, daß G. eine Gehirnerschütterung bei seinem 
Unfall sich zugezogen hat; denn nach allen Zengenaussagen ist 
sofortige Bewußtlosigkeit eingetreten, die nach Aussage einiger 
Zeugen mehrere Tage angehalten hat. Nun ist bekannt, daß mit 
um so größerer Wahrscheinlichkeit angenommen werden muß, daß 
außer der Erschütterung des Gehirns noch anderweite Verletzungen 
in der Schädelhöhle stattgefanden haben, je länger der Kommotions- 
zustand des Verletzungen andauert Laut Akten hat dieser 
Kommotion8zustand 5 Tage gedauert; also muß man an ander- 
weite Verletzungen denken. Die rostbraune Farbe, die bei der 
Obduktion im Gehirnmatsch gefunden wurde, spricht unbedingt 
dafür, daß eine Blutung in das Gehirn stattgefanden hat. Der 
Umstand, daß diese rostbraune Farbe so reichlich vorhanden war 
läßt vermuten, daß nicht nur kleine kapilläre Blutungen in 
einzelnen Himteilen durch den Unfall hervorgerufen sind, sondern 
daß Blutungen in die weichen Hänte und multiple größere 
Blutungen in die Gehirnsubstanz stattgefanden haben. Ob Hirn- 
partien damals auch gequetscht sind, konnte natürlich bei der 
Obdaktion nicht mehr festgesfellt werden, wahrscheinlich erscheint 
aber die Annahme, daß bei einer großen Blntnng auch Hirn¬ 
quetschungen stattgefanden haben, zu denen sich jedenfalls eine 
eitrige Entzündung gesellt hat. Allerdings schließen ®*ne 

eitrigen Entzündungen der weichen Hirnhäute &m hänfi ^ 
penetrierende Schädelverletzungen an, aber sie können an 



L>r. Barnim Schatze: Ueber die Bestimmungen des neaen Gebührengesetzes. 111 


Eröffaung des Schädels im Gefolge von Wanden der Schftdeldecke 
sich entwickeln, indem das Eindringen der Eitererreger in die 
Schädelhöhle von der darch den Unfall sich zagezogenen and 
beschmatzten Wände am Hinterkopf vermittelt worden ist. Daß 
diese eitrige Entzündung nicht sofort, sondern wie dies bei nicht 
penetrierenden Wanden der Fall ist, erst nach längerer Zeit 
entstanden ist, geht daraas hervor, daß die großen Kopfschmerzen 
erst später eintraten. Möglich ist aber aach, d&ß sich ein 
chronischer Himabszeß gebildet hat, der nach Durchbrach in die 
Ventrikel oder an die Gehirnoberfläche den Tod herbeigeführt 
hat — Da eine Erkrankung der Hirngefäße bei der Obduktion 
nicht nachgewiesen ist, kann eine hierdurch ermöglichte spontan 
emgetretene Blatang nicht angenommen werden. 

Berücksichtigt man sodann noch die Aassagen mehrerer 
Zeugen, wonach G. vor dem Unfall ganz vernünftig, nach dem¬ 
selben geistesgestört gewesen sein soll, daß er dann ein scheaes 
Wesen gezeigt, sich vor Menschen versteckt nnd nie gewußt 
haben soll, was er tat und wo er sich befand, daß er vor dem 
Tode ca. 1 / 4 Jahr zu Bett gelegen und über ungeheure Kopf¬ 
schmerzen geklagt habe, so maß man anf Grand des Obduktions¬ 
befundes and der Zeagenaassagen za dem Schloß kommen, daß 
diese dauernde Charakterveränderung, die Abstumpfung der 
intellektuellen Fähigkeiten, die bewirkten, dass der Kranke für 
die AuBsenwelt jedes Interesse verlor und sich Verblödungs- 
sustände einstellten, nur eine Folge des Unfalles sein konnten und 
dass G. mit höchster Wahrscheinlichkeit an den Folgen des 
bewussten Unfalles gestorben ist. 

Der Fall zeigt, dass man bei Schädelverletzungen lieber in 
der Rentengewährung zu weit gehen soll, als nur einmal einen 
Verunglückten um die ihm mit Recht zukommenden Rente zu 
bringen. _ 


lieber die Bestimmungen des neuen Gebührengesetzes für 
die preussischen Medizinalbeamten vom 14. Juli 1909. 

Von Or. Barnim Schulze, Geheimer Medizinalrat und Kreisarzt des 
Stadtkreises Stettin-West 

Das jetzige Gebührengesetz vom 15. Juli 1909 ist mit dem 
4. August 1909 in Kraft getreten; wenn auch die Sätze seines 
Tarifs seitdem maßgebend sind, so sind darum doch sowohl hin¬ 
sichtlich der Auslegung einer ganzen Reihe seiner allgemeinen 
Bestimmungen, als auch hinsichtlich der Anwendung der einzelnen 
Tarifpositionen und Tarifsätze noch recht viel Zweifel vorhanden. 
Es ist anzuerkennen, daß eine Anzahl von Unklarheiten nnd 
Unstimmigkeiten des früheren Gebühren-Gesetzes von 1872/76 
beseitigt sind; dabei ist aber doch hervorzuheben, daß die jetzt 
entscheidende Fassung durchaus nicht immer zu Gunsten der 
Medizinalbeamten ausgefallen ist, daß neben Erhöhungen auch 
Herabsetzung, ja sogar Fortfall von Gebühren stattgefunden hat. 

Inzwischen hat die neue Dienstanweisung vom 1. Sep- 



112 Dr. Bfcraim Schals«: Üeber di« Bestimmungen de« neuen OebtthrengeeoUes 


tember 1909 mit ihren manigfachen einschlägigen, gmndst&rzenden 
Bestimmongen die allgemeine Unklarheit hinsichtlich des Gebühren* 
ansprachs zunächst nicht verändert, sondern eher erhöht. 

Schon der Begriff «amtliche Verrichtungen“, fflr welche 
die Kreisärzte keine weitere Vergütung nach § 1 des Gesetzes 
erhalten sollen, wenn deren Kosten der Staatskasse zur Last 
fallen, ist durch die Bestimmungen der neuen Dienstanweisung 
gründlich verändert. Während nach § 4 des Gebührengesetzes 
alle vom vollbesoldeten Kreisarzt für amtliche Atteste verein¬ 


nahmten Gebühren wieder abzuführen sind, bestimmt § 24 6 der 
Dienstanweisung, daß ihm die Gebühren für die «vertrauensärzt¬ 
liche* Tätigkeit verbleiben. Diese Bestimmung war ursprünglich 
nicht zweifelsfrei, da man nicht wußte, ob nach dem Wortlaut 
des § 34 Nr. 5 der D.-Anw. auch weiterhin alle die Zeugnisse 
als «amtliche* anzusehen waren, ferner, ob die Untersuchungen 
etc. königlicher Beamter im Interesse des Dienstes nicht ebenfalls, 
wie seit 1844, unentgeltlich auszuführen waren. 

Diesen Zweifeln haben nun die vor kurzem ergangenen Mi¬ 
nisterialerlasse, insbesondere derjenige vom 10. Dezember v. J. 
ein Ende gemacht; die hier getroffenen Entscheidungen sind 
jedenfalls als sehr wohlwollend für die Medizinalbeamten zu be¬ 
zeichnen. Danach sind die Untersuchungen pp. der Reklamanten 
keine «amtlichen* Verrichtungen mehr, ebenso nicht ohne weiteres 
die Untersuchungen der Reichs- und unmittelbaren Staatsbeamten, 
auch nicht im Interesse des Dienstes, und auch dann nicht, wenn 
die Staatskasse zahlungspflichtig ist. Rapmund hat also mit 
seiner Auslegung Recht behalten; die Medizinalbeamten aber sind 
dem Minister dafür Dank schuldig, daß sie nicht mehr verpflichtet 
sind, derartige Verrichtungen unentgeltlich zu besorgen. 

In bezug auf die Städte mit Königl. Polizeiverwaltung möchte 
ich hier noch bemerken, daß die Polizeikasse nicht als Staats¬ 
kasse gilt; denn nach einer Verfügung des hiesigen Herrn Reg-Prä- 
sidenten sind auf Grund des Polizeikostengesetzes von 1908 die 
vollbesoldeten Kreisärzte angewiesen, fflr Revisionen ans Gründen 
ortspolizeilicher Natur, z. B. von Drogenhandlungen, zu liqui¬ 
dieren; sie müssen diese Gebühren aber an die Staatskasse wieder 
abführen ebenso wie diejenigen für die Revisionen der Molkereien 
Mineralwasserfabriken, Besichtigungen von Wohnungen im bau¬ 
polizeilichen Interesse, Untersuchungen der Geisteskranken auf 
Gemeingefährlichkeit, Begutachtungen von Grundstücken für 
nichtkirchliche (auch jüdische) Begräbnisplätze, sowie all 
sonstigen Verrichtungen, soweit sie im Aufträge und Interm» 
der Ortspolizei* geschehen. Ich habe deshalb auch kürzlich fn 
Begutachtung eines Dampfkaroussels wegen - n Ittr 

heitsschädlichkeit liquidiert, weil m. E. kein « 
ein «ortspolizeiliches* Interesse vorlag; die 
Ansicht beigetreten. 


wr ♦»• 1 r ler Gesund- 
öffentlich«,-, Bondern 
Begienuig ist dieser 


Es ist also nur «cum grano salis“ zu ver»t 
in den Kommentaren von Wegner und Wenn 

Kreisarzt muß in Orten mit Königlicher Polfo^^dd heißt 

6rw * ltu> e i edi 




für die preußischen Medizinalbeamten vom 14. Juli 1909. 


113 


Verrichtung, auch ortspolizeilicher Natur, umsonst leisten, n&mlich 
nur, wenn der Staat die Kosten tragen würde, d. h. die Staats¬ 
kasse; denn in die hiesige Polizeikasse zahlt ja die Stadtgemeinde 
ein bestimmtes Aversum pro Kopf — eben zur Bestreitung der 
Kosten für die Besorgung von Verrichtungen in ortspolizeilichem 
gesundheitlichem Interesse. 

Auch die ersten Feststellungen von Diphtherie, 
Seharlach und Granulöse sind liquidabel (Gesetz vom 
28. August 1905, § 6 Abs. 4). Diese Gebühren sind privat- 
irztlicher Natur und deshalb nach der ärztlichen Gebühren¬ 
ordnung zu berechnen und auch vom vollbesoldeten Kreisarzt 
nicht abzuführen. Solche Feststellungen kommen aber in der 
Großstadt mit ihren zahlreichen Aerzten nicht vor; Voraussetzung 
ist Auftrag der Ortspolizeibehörde. 

§ 2 des Gebührengesetzes regelt die Gebühren für Ver¬ 
richtungen, die der Staatskasse nicht zur Last fallen; sondern 
entweder den Gemeinden oder Private zur Last fallen und 
$ 3 die Gebühren für die gerichtsärztliche Tätigkeit. 

Hier scheint mir der richtige Ort, um zunächst auf §4 des 
Kreisarztgesetzes hinzuweisen, welcher lautet: Der Amtsbezirk 
des Kreisarztes ist der Kreis. Wie kein Kreisarzt außerhalb 
seines Kreises amtliche Befugnisse hat — abgesehen von den 
Ausnahmen § 4 Abs. 2 — auch für Personen aus anderen Kreisen, 
z. B. ohne weiteres amtliche Atteste ausstellen darf (sein Amts- 
riegel lautet ja auch nur für seinen Kreis), so ist er anderseits 
ueh nicht zur kostenlosen Besorgung amtlicher bezw. gerichtlich- 
sachverständiger Geschäfte in anderen Kreisen verpflichtet, ein 
Grundsatz, der von dem Herrn Minister bisher auch anerkannt 
ist, zu B. für Verrichtungen von Obduktionen in fremden Kreisen. 

Nachdem jetst trotz des Fehlens des Begriffes des „Gerichts- 
arztes" in der Reichsjustizgesetzgebung, die einen Gerichtsarzt 
sur als ersten Obduzenten kennt, die gesamte gerichtliche 
Tfttigkeit als Sachverständiger als gerichtsärztliche erklärt 
ist und deshalb die Gebühren dafür nach § 4 des Gebührengesetzes 
von den Vollbesoldeten an die Staatskasse abzuführen sind, d. h. 
also die Tätigkeit als amtliche Verrichtung angesehen wird, 
muß, wie auch bei den anderen Lokalbehörden, daran festgehalten 
werden, daß der Kreisarzt entweder sich für unzuständig erklärt, 
wenn er Personen aus anderen Kreisen untersuchen, Gutachten 
über solche abgeben, gerichtliche Termine außerhalb seines Kreises 
wahrnehmen soll, oder daß er, wenn das Gericht, gemäß dem 
Reichsjustizgesetze ihm lediglich als gerichtlichen Sachver¬ 
ständigen zu hören begehrt, oder ihn als solchen vorladet, 
dieser Ladung folgt, weil er ihr gesetzlich folgen muß. In diesem 
Fall hat er dann aber auch als vollbesoldeter Kreisarzt das Recht, 
die Gebühren zu behalten; denn er ist nur für seinen Bezirk 
Kreis- bezw. Gerichtsarzt und erhält dafür sein Gehalt, nicht 
aber als Gerichtsarzt fremder Kreise. 

Seit der Ausdehnung des Begriffes Gerichtsarzt auf die 
Tätigkeit auch vor allen Sondergerichten, also auch vor dem 



114 Dr. Barnim Schulze: Ueber die Bestimmungen des neuen Qebtthiengesetzes 


Reichsversicherungsamt, hat diese Angelegenheit für die voll¬ 
besoldeten Kreisärzte in den großen Städten eine erhebliche Be* 
deutnng gewonnen. Das hiesige Schiedsgericht hat z. B. zwei 
praktische Aerzte zu eigenen Vertrauensärzten gewählt; die Kreis* 
ärzte werden nnr dann hinzngezogen, sobald und weil sie früher 
für die betr. Berufsgenossenschaften den Unfallverletzten unter¬ 
sucht uni begutachtet haben. Sind sie da nicht offenbar nur 
gerichtliche Sachverständige? 

Die Sache wird hier aber noch verwickelter: Ich bin z. B. 
bei der Teilung des Stadtbezirkes 1907 mit derWahrnehmung der 
gerichtsärztlichen Tätigkeit des ganzen Stadtkreises betraut. 
Nach § 9 des Kreisarztgesetzes scheint mir diese Bestimmung 
nicht einwandfrei; denn danach wäre ein besonderer Gerichtsarzt 
anzustellen gewesen. Jetzt 1909 wird nun ex post der Begriff 
„Gerichtsarzt* plötzlich erweitert; ich kann daraus jedoch nicht 
die Ueberzeugnng gewinnen, daß ich nun auch verpflichtet und 
zuständig bin für die schiedsgerichtsärztliche usw. Tätigkeit an 
Personen aus anderen Kreisen. Wenn man als Gutachter 
durch langjährige Tätigkeit sich das Vertrauen dieser Behörden, 
auch des Reichsversicherungsamts, erworben hat — die Schwierig¬ 
keit der Gutachten gerade für letztgenannte Behörde ist bekannt — 
so wird man dafür jetzt verurteilt, nicht nur für andere, sondern 
noch dazu pro fisco zu arbeiten. 

Daß diese Dinge der Klärung bedürfen, kann keinem Zweifel 
unterliegen: Klarheit gibt aber schließlich nur das Gesetz selbst. 
Der Kreisarzt ist nur für seinen Kreis zuständig und hat auch 
nur für ihn gerichts- und schiedsgerichtsärztliche Funktionen 
auszoüben; überhaupt widerspricht (abgesehen von Obduktionen) 
das Hineinbeziehen der gerichts ärztlichen Tätigkeit der Kreis¬ 
ärzte in die amtlichen Verrichtungen den Bestimmungen der Reichs¬ 
justizgesetzes. 

Genau so regelt sich die Frage des Gebührenbezuges der 
Kreisassistenzärzte, wenn es am Schluß des § 33 der Dienst¬ 
anweisung heißt: Kreisassistenzärzte, die vollbesoldeten Kreis¬ 
ärzten beigegeben sind, haben die Gebühren in demselben Umfang 
abzuführen, wie jene, so heißt das nicht, wie tatsächlich geschehen 
ist, daß sie alle nach §§ 2 und 3 erhobenen Gebühren wieder 
abzuliefem haben, sondern gegebenenfalls nur die, welche sie als 
Vertreter ihres (oder auch eines anderen?) vollbesoldeten Kreis¬ 
arztes erhoben haben, eine Auffassung, deren Richtigkeit in¬ 
zwischen durch den Min.-Erl. vom 4. Dezember 1909 bestätigt 
ist. Auch Rapmund macht Seite 8 seines Kommmentars auf 
die Unklarheit aufmerksam bezüglich der Abführungspflicht der 
Kreisassistenzärzte für Besorgungen gerichtsärztlicher Geschäfte. 
Er kommt hier an denselben Punkt, den ich von jeher hervor¬ 
gehoben habe, die Divergenz des Begriffes Gerichtsarzt im Kreis¬ 
arztgesetz, Gebührengesetz, Dienstanweisung einerseits und in den 
Reichsjustizgesetzen anderseits. Er meint, nur als Vertreter 
seines Kreisarztes bei dessen Behinderung durch Urlaub und 



für die preußischen Medizinalbeamten Tom 14. Juli 1809. 


116 


Krankheit usw. habe der Kreisassistenzarzt die Gebühren abzu- 
tthren, sonst dürfe er sie behalten! 

Die Vorschriften des § 5 der Reisekosten und Tage¬ 
gelder bei Dienstreisen sind vorläufig durch die Pauscha¬ 
lierung ohne Wirkung; eine neue Veränderung steht ja in Bälde 
zu erwarten, freilich „in pejus“. 

Die sogen. Fuhrkostenentschädigungen sind durch 
das neue Gesetz in Wegfall gekommen, d. h. für Verrichtungen 
im allgemeinen staatlichen Interesse; für solche im ortspolizei¬ 
lichen oder Privatinteresse kann der Kreisarzt Ersatz der Fuhr- 
auslagen verlangen. Für Verrichtungen im allgemeinen staat¬ 
lichen Interesse kann er dagegen nur dann Ersatz der Fuhr- 
koeten fordern, wenn sie für den betreffenden Ort ministeriell 
bestimmt sind; so bestehen z. B. für Stettin besondere Be¬ 
stimmungen des Justizministers, nach denen über eine bestimmte 
Kreislinie hinaus Ersatz der Fuhrauslagen gewährt wird. 

Hinsichtlich der Bestimmungen des § 6 über Verteilung 
der Reisekosten und Tagegelder bei mehrfachen amt¬ 
lichen Verrichtungen an verschiedenen Orten, auf einer 
Dienstreise, sowie über die Berechnung mit Rücksicht auf die 
Pauschalierung habe ich keine Erfahrung; jedenfalls muß der 
Kreisarzt in solchen Fällen die Kosten verteilen. Bei Verrech¬ 
nung der Fuhrauslagen am Wohnort können natürlich bei mehr¬ 
fachen Verrichtungen nur die in Betracht kommen, bei deren 
Ausführung ein Fuhrwerk benutzt ist. 

Die frühere Bestimmung der Wahl zwischen Tage¬ 
geldern und Gebühren ist nach § 7 ad melius abgeändert; 
ein näheres Eingehen lohnt sich angesichts der bevorstehenden 
Abänderung nicht; bestehen bleibt jedenfalls die Bestimmung, daß 
keine Beschränkung des Gesamtbetrages der Gebühren mehr 
stattfiudet, während früher 15 Mark der Maximaltagessatz war. 
Ein einziger solcher Höchstsatz, aber von 80 Mark, ist jetzt nur 
einmal vorgeschrieben (A 5 Abs. 2). 

Die Bestimmung am Schloß des § 7 über die Rückzahlung 
des den Tagegeldersatz überschreitenden Gebührenbetrages seitens 
der voUbesoldeten Kreisärzte kann sich meinen vorhergehenden 
Ausführungen zufolge doch nur auf Verrichtungen im eigenen 
Bezirk beziehen, sonst wird man künftig auch wohl schwer einen 
Kreisarzt finden, welcher eine Obduktion außerhalb seines Kreises 
verrichtet, wenn er für die Reise, den Verlust fast eines Tages, 
die Anstrengung und die unangenehme mühsame Arbeit nur 9 Mark 
behält, während er von den 24 Mark Obduktionsgebübren 15 Mark 
an den Fiskus wieder abführen muß. Wenn das zu erwartende 
Gesetz dann auch noch die Tagegelder kürzt, so wird wohl fast 
nichts übrig bleiben. Dies ganze Streben des Landtags, den Be¬ 
amten wegen der Besoldungsverbesserung die Diäten und Reise¬ 
kosten mehr oder weniger zu nehmen, ist nicht nur unverständ¬ 
lich, sondern auch unverständig; denn der Beamte wird während 
seiner Abwesenheit seinen laufenden, ordentlichen Dienstgeschäfton 
entzogen und muß diese darum doch nachholen. Außerdem sind 



116 Dr. Barnim Schulze: Ueber die Bestimmungen^des neuen Gebfthrengesetzes 


Dienstreisen außerordentliche Anstrengungen, die schon manchen 
Beamten empfindlich an seiner Gesundheit geschädigt haben. Es 
ist auch nicht klug vom Standpunkt des allgemeinen Wohls ge¬ 
handelt, den Beamten, hier den Gerichtsärzten, jeden Ansporn 
zum Beisen zu nehmen. Gewiss, es geht auch so, nämlich: ohne, 
oder mit wenig Beisen. Das Land bleibt dann so, wie es ist, 
die hygienischen Mißstände werden nicht aufgedeckt oder be¬ 
seitigt; aber das ist ja, wie die Klagen der konservativen Agrarier 
in dem Landtage fiber die Kreisärzte zur Genfige bewiesen haben 
und immer wieder beweisen — grade ihre Absicht! Der Endeffekt 
der beabsichtigten Neuregelung der Tagegelder und Beisekosten 
wird schließlich darin bestehen, daß mehr Beamte angestellt 
werden müssen, und damit die vermeintliche Ersparnis wieder zn 
Wasser wird. 

§ 8 bestimmt die gesetzliche Gültigkeit des Tarifs. Die 
Bestimmung des § 9 beschränkt die endgültige Festsetzung 
der Höhe der Gebühr seitens des Begierungspräsidenten auf die 
Fälle, in denen der Tarif einen Mindest- und Höchstsatz aufweist, 
auf die Festsetzung der Höhe des zu zahlenden Betrages, sieht 
aber die Einsetzung einer anderen Gebührenposition nicht vor. 
Letzteres Verfahren entbehrt sonach der gesetzlichen Unterlage. 
Es darf also z. B. nicht ohne weiteres die Gebühr für ein be¬ 
gründetes Gutachten (III13) gestrichen und dafür die Gebühr 
für ein Befundattest (UI 12) eingesetzt werden, wenn ein solches 
seitens der ersuchenden Behörde nicht einmal gefordert war. 

Die Gerichte setzen nach der Gebührenordnung für Zeugen 
und Sachverständigen selbst die Höhe der Gebühr fest, können 
aber den Begierungspräsidenten „gutachtlich hören*; die 
Staatsanwaltschaft dagegen kann die Forderung zur endgültigen 
Festsetzung (nach § 9 des Gebührengesetzes) an den Begierungs¬ 
präsidenten senden. 

In § 12 ist die Bemerkung wesentlich, die sich schon im 
Gesetz von 1872 fand, nämlich, daß die nicht beamteten 
Aerzte in Ermangelung anderweitiger Verabredung 
nnr die tarifmäßigen Gebühren erhalten. Der freie Arzt kann 
aber in ge richte ärztlichen Gutachten seine Mitwirkung nicht 
von dem vorherigen Abschluß der Vereinbarung abhängig machen, 
weil für ihn als Sachverständigen eben der Zwang der Zivil- und 
Strafprozeß-Ordnung besteht. Die Bestimmung hat für die Aerzte 
nur Bedeutung in Fällen, wo ein Zwang zur Vornahme 
amtsärztlicher Verrichtungen nicht besteht. 

Der §13 betrifft die Gebühren der Chemiker, sie sind 
erheblich aufgebessert, was ihnen wohl zu gönnen ist. Bemerkens¬ 
wert ist die Liberalität und Kulanz diesen Sachverständigen 
gegenüber, die sogar bis zur Mietsentschädigung und Heizung 
des benutzten Lokals geht, während die Bureauentschädigung der 
Kreisärzte selbst nach der jetzt im Etat vorgesehenen Erhöhung 
anerkanntermaßen, wenigstens in den Großstädten, nicht die baren 
Auslagen deckt, von einer Entschädigung für Miete und Heizung 
ganz zu schweigen. 



für die preußischen Medizinalbeamten vom 14. Juli 1909. 


117 


Tarif. 

A. Gebühren für gerichtsärztliche Geschäfte. 

Was die einzelnen Tarifsätze für die beamteten and die ihre 
Stelle vertretenden Aerzte betrifft, so gilt zunächst das eben be¬ 
züglich der Gebühren für die Chemiker Gesagte ähnlich hinsicht¬ 
lich der Position A, Ziff. 16. Hier, wo es sich am bakterio- 
logische oder chemische Untersuchungen handelt, ist 
ein Höchstsatz von 75 Mark ausgeworfen, während er bei 
sonstigen Gutachten, sie mögen noch so schwierig und zeitraubend 
sein, insbesondere meine ich psychiatrische Gutachten und Ob¬ 
duktionsberichte, zunächst auf 30 Mark festgesetzt sind. Es ist 
doeh sehr die Frage, ob ein bakteriologisches Gutachten auch 
mit oder wegen seiner techhischen Voruntersuchungen von vorn¬ 
herein eine schwierigere geistige Arbeit bedeutet als ein kompli¬ 
zierter mühseliger Obduktionsbericht oder ein Gutachten über den 
Geisteszustand. Die Psychiater von Fach sind auch nicht sehr 
erfreut über die Tarifierung. 

Die Begründung einer höheren Forderung als der Mindest¬ 
satz ist (nach § 2 des Tarifs) bei unseren Gerichten auf Schwierig¬ 
keiten gestoßen, da sie immer wieder die Angabe der genauen 
Stundenzahl fordern. Ohne mich hier so drastisch äußern zu 
▼ollen, wie Mendel es einmal — wie er mir sagte 1 ) — getan 
hat, muß ich doch sagen, daß das gewissenhaft gar nicht auszu- 
fthren ist Die Gerichtsschreiberei rechnet beim Aktenstudium 
immer nur 1,50 pro Stunde, da diese Zahl in A Nr. 4 als Mindest- 
xahl angegeben ist. Die Akteneinsicht darf bei schriftlichen 
Gutachten überhaupt nicht besonders liquidiert, diese Zeit kann 
aber bei Gebühr A Ziffer 13 mit hineingerechnet werden, gar 
sieht bei A Ziffer 11 Befundschein und Ziffer 12 Befundattest. 

Was ein Befundattest ist, ist schwer zu sagen: Die 
frühere Bestimmung war logischer und für den Kreisarzt vorteil¬ 
hafter; logischer, weil er, sobald er das Gutachten, wenn auch 
kurz, begründete 6—24 Mark liquidieren und die Gebühren für 
Aktenstudium und Vorbesuche im Hause hineinrechnen konnte. 
Jetzt darf er weder beim Befundschein (wie früher) noch beim 
Befundattest für Aktenstudium oder Vorbesuch bezw. Untersuchung 
in seiner Wohnung irgend etwas fordern und erhält statt min¬ 
destens 6 Mark 5 Mark. Dieser Betrag ist in vielen Fällen 
standesunwürdig, z. B. wenn eine Frauensperson auf Stuprum, 
Gravidität oder jemand auf Haftfähigkeit, Terminsfähigkeit, Un¬ 
fruchtbarkeit usw. untersucht wird und noch dazu Akten gelesen 
werden müssen. Noch haben die Gerichtsbehörden den Begriff 
»Befundattest“ nicht erfaßt; es wird ja aber nicht lange dauern, 
so werden sie mit Vorliebe Befundatteste fordern. In entsprechen¬ 
den Fällen hat man dann die Pflicht und das Recht, dem Gericht 
zu erklären, daß und warum ein Befundattest dem richterlichen 
Zweck nicht genügt. 


„Ich habe,“ sagte er, „dem Gericht geantwortet: eine genaue Stunden- 
xahl kann ich nicht angeben; wenn ich ein Gutachten abgegeben habe, denke 
ich immer daran, auch auf dem-l“ 



118 Dr. Barnim Schulze: Ueber die Bestimmungen den neaen Qebtthrengenetzes 


Was die Vorbesuche A, Ziff. 3 a betrifft, so ist eine Un¬ 
klarheit insofern vorhanden, als nicht feststeht, was unter „An- 
staltsarzt“ za verstehen ist. Offenbar hat man damit doch 
nar diejenigen Aerzte gemeint, welche in der Anstalt wohnen, in 
welcher sich auch der za Untersuchende befindet; er soll nar den 
Betrag von 3 M. für den Vorbesach erhalten, welcher für Unter¬ 
suchung in der Wohnung des Kreisarztes festgesetzt ist. Die 
Behörden haben aber diesen Begriff „Anstaltsarzt“ schleunigst 
z. B. auch auf den Gefängnisarzt ausgedehnt, denn das Gefängnis 
ist ja auch eine „Anstalt“. Das wäre nur richtig für einen im 
Gefängnis wohnenden Arzt. Bapmund hat in seinem Kommentar 
sich der gegenteiligen Ansicht angeschlossen. Ich habe in einem 
solchen Falle die Sache nicht weiter verfolgt, da ich als voll¬ 
besoldeter Kreisarzt ja auch hier kein weiteres Interesse habe, 
wollte aber den Herrn Kollegen, unter denen sich ja auch Ge¬ 
fängnisärzte befinden, die Angelegenheit gegebenenfalls zur Ver¬ 
folgung empfehlen. 

Zu A, Ziff. 6 Leichenöffnung ist es auch jetzt noch nicht 
gerichtlich entschieden, ob der Kreisarzt, welcher auf Veranlassung 
einer Berufsgenossenschaft, wenn auch durch Vermittelung der 
Polizeibehörde eine Sektion ausführt, nur als Gerichtsarzt liqui¬ 
dieren darf; er übt m. E. vielmehr vertrauensärztliche, ihm ge¬ 
stattete Tätigkeit aus und hat 30 Mark nach der ärztlichen Ge¬ 
bührenordnung zu beanspruchen. Etwas anderes wäre es, wenn 
er in seinem Kreise für ein Schiedsgericht oder für das B.-V.-A. 
zu sezieren hätte. Bapmunds gegenteilige Ansicht halte ich 
nicht zutreffend, weil das bekannte Rundschreiben des R.-V.-A. 
vom 21. Mai 1908 in dieser Beziehung keine Gesetzeskraft hat. 

Vom Obduktionsbericht A, Ziff. 10 gilt dasselbe. Hier 
ist aber hervorzuheben, daß die ihn betreffende Bestimmung in 
A, Ziff. 18 noch zu vielen Unstimmigkeiten und Streitereien Ver¬ 
anlassung geben wird. Die frühere Bestimmung war für den 
zweiten Obduzenten zwar weniger vorteilhaft, aber doch zweifels¬ 
frei: er wußte, daß er nur die Hälfte dessen beanspruchen konnte, 
was der erste Gerichtsarzt liquidierte. Jetzt soll, wenn mehrere 
Kreisärzte zu einem Obduktionsbericht oder Gutachten aufgefordert 
werden, ein jeder von ihnen bei gemeinschaftlicher Erstattung 
eine der „Mühewaltung des einzelnen entsprechende“ Gebühr 
erhalten. Das klingt zwar sehr gerecht, ist aber schwer aus- 
zufähren. Schon der erste von mir seitdem erstattete gemein¬ 
schaftliche Obduktionsbericht hat z. B. zu mehrmaligem Hin- und 
Herschreiben zwischen Gericht und Sachverständigen Anlaß ge¬ 
geben. Ebenso zu bedauern ist es, daß bezüglich der Begut¬ 
achtung eines Gemütszustandes jetzt nicht mehr jeder der 
Medizin&lbeamten die gleiche Gebühr erhält; auch für diese Gut¬ 
achten gilt die erwähnte Vorschrift. Die Pos. A, Ziff. 15 (6—20 M.) 
— für mikroskopische und physikalische Untersuchungen 
einschließlich Gutachten — bleibt um 4 Mark gegen früher im 
Höchstsatz zurück. In A, Ziff. 17 ist es mit Genugtuung zu be¬ 
grüßen, daß der Kreisarzt jetzt nicht mehr ohne Entschädigung 



für die preußischen Mediain albeamten rom 14. Juli 1909. 


119 


bleibt, wenn er ohne sein Verschulden einen vergeblichen 
Vor besuch außerhalb seiner Wohnung gemacht hat; er kann 
3 Mark liquidieren; beim Vorbesuch fttr Befundschein und Be- 
fund&ttest 2 Mark. Merkwürdiger- und nicht gerechtfertigter¬ 
weise aber gilt diese minimale Vorbesuchsgebühr auch bei den 
wirklichen Vorbesuchen zum Zweck eines Befundscheines und so¬ 
gar eines Befundattest es, während doch die Leistung bei den 
Vorbesuchen an und für sich die gleiche ist, wie bei denen für 
ein Gutachten. 

A, Zift. 18 und B. Ziff. 20. Schreibgebühren können nur 
für solche Beinschriften gefordert werden, die nicht von der 
eigenen Hand herrübren; sie können auch nicht erhoben werden 
in Sachen, die der Medizinalbeamte unentgeltlich zu verrichten 
hat Bezüglich der Abführung der Schreibgebühren seitens der 
Tollbesoldeten Kreisärzte bin ich der Ansicht, daß diese nicht zu 
erfolgen hat, da die Gebühren für keine eigenen amtlichen Ver¬ 
richtungen gezahlt werden, sondern einen Ersatz für die Auslagen 
bilden, die zur Bureauentschädigung gehören. 

B. Gebühren für sonstige amtliche Verrichtungen. 

Die Vermögensverhältnisse desjenigen, der die kreis- 

irztliche Leistung zu honorieren hat, können nur bei B. Ziff. 6, 
Leichentransportatteste (8—6 Mark) berücksichtigt werden (siehe 
Motive). 

Es ist jetzt in B. Ziffer 2 klar ausgesprochen, daß für die 
Prüfung konzessionspflichtiger gewerblicher Anlagen 
niehts berechnet werden, dagegen 4—30 Mark bei nötigen Vor¬ 
besuchen, d. h. im Wohnort und unter 2 km Entfernung liquidiert 
werden können; bei auswärtigen Besichtigungen gelten die Be¬ 
atimmungen über Tagegelder; im Verwaltungs-Streitverfahren 
(nicht im -Beschluß verfahren) gilt der gerichtsärztliche Tarif. 

Die Gebühr für das Befähigungszeugnis der Hebammen 
(3 Mark) muß als zu niedrig bezeichnet werden, zumal die mi¬ 
nisteriellen Anforderungen in dieser Hinsicht immer größere ge¬ 
worden sind und einen unverständnismäßigen Zeitaufwand erfordern. 

Ein Satz für Prüfung und Attest zum Handel mit 
Gift fehlt im Tarif; angesichts der durch die neue Dienst¬ 
anweisung erheblich gesteigerten Anforderungen an den prüfenden 
Kreisarzt halte ich mit Bapmund (Medizinal-Beamten-Zeitung) 
(Ziff. 21) 10 M. bezw. 6 M. für beschränkte Genehmigung für 
angemessen unter Heranziehung von B, Ziff. 11 und 12. Die 
Herabsetzung der Gebühr zu Ziff. 14, Abs. 2 von 6 auf 3 Mark 
bei Untersuchung mehrerer Beklamanten aus derselben 
Familie ist m. E. nicht gerechtfertigt, wenigstens nicht bei diesen 
niedrigen Sätzen. Die Erkundigungen nach den gesundheitlichen 
Verhältnissen der Familie kommen doch nur ausnahmsweise vor 
und nehmen auch nur den geringsten Teil an Mühe und Zeit in 
Anspruch. 

Ebenso ist der Höchstsatz wenigstens für schriftliches 
Gesundheitszeugnis (Ziff. 16: 3—6M.) für die größeren 
Städte zu niedrig; wenn man den Umfang der vorgeschriebenen 



120 Kiov&tjre Mitteihmgeu und Referate ab# Zettaehfifteu 

' 

Formulare kennt, die dea Lebens * YarsicherimgßÄtiest - Formularen 
ähneln, kann von einem .geringen Umfang der Mühewaltung“ 
nicht die Bede nein (wie es der Komhdsaionsbertcht des Abge¬ 
ordnetenhauses annixnmt). 

Bei Ziff. 19 (schriftliche Zeugnisse) endlich ist der 
zweite Absatz wichtig, da er doch unter Umständen höher zu 
liquidieren gestattet 

Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 

A. frsriohtlioh« Medial». 

Di« Mikroskopie von Btutspuren im reflektierten Lickte. Vm 
P riv.-Bo*. Dr. P, Frä» kel-Boriln. Aerstl. Sach v,-Zeitang; 1909, Nr, 24 

Floren ca hat di« Methode der Mikroskopie an undurchsichtiges Ob¬ 
jektes seinerzeit eatdeckt Beher die Angaben Ton Florence hinaas konnte 
die Verwertbarkeit dea Verjähren« zur Erkennung alter Blutstelicn an Klingen 
gezeigt werden, wenn keine ieolierte Blntzelkz» mehr erhalten sind, di ee 
gelingt, auch im reflektierten Lichte das Häanochrooiogenspektram sdkro- 
spektroskopisch dentlicb zn erkecaea. 

Die tatsächlich an blutigen Instrumentes zu erkaanenden Spuren teilt 
Frankel nach seinen Beobachtungen in drei Gruppen ein, 1) Etaaebe er¬ 
haltene Blutkörperchen finden sich in last allem Fällen,, auch bei sehr alten 
Flecken. Olt liegen die Blutkürperrhe» nicht weit räumlich getrennt, sondern 
näher aneinander, in charaksemtischer Welse abgeplattet. Diese Befände 
bilden den Debergang sn de» 2) »nansntaeahwtgeaden, aber durch eine Nets* 
atrncktnr deutlich getrennten BlnUjSrpercheB, F r & a k e 1 hat am einem sakr 
blanken Messer, das ton Lima« hl« £f«i Von Blftteparea erklärt worden war, 
in einigen Rostflecken das Netzwerk gefunden, in dem die efnselnen Blut¬ 
körperchen sehr gut au erkenne« wnren. An einer Stelle ist Frankel nach 
der mikroskopische Blutn&chweia mit Sicharhejt geglückt. Dieser Fall lehrt 
besonders eindringlich die Vervollkomnuag, denn es dürfte auf anderem Wege 
ganz unmöglich gewesen seih, das Bint Überhaupt anfznfinden and noch we¬ 
niger, es sicher xa erkennen. 3) Es finden sich nicht selten flicke, bräunliche 
Massen, an denen weder Zeilen noch Netrflguren erkennbar sind und die im 
Zweifel lassen müssen, ob sie Eisen oder Blut atöd. 

Oie Einzelheiten des «ehr leacuswertBB Aufsatzes müsse» im Original 
oingeaehen werden. Dr. Troeger-Kempdc i. P. 

Mikroskopische Abdrücke van Be websst offen auf Bfalirefteboseeii. 
Von A. de JD ominie is - Mailand. Journal de Medirino da Paris', 1909, Nr. 51. 

Angeregt durch die Mitteilung Balthazarfls in, Referate in dieser 
Zeitschrift Jahrg. 1909, Nr. 6, S. 229 kl Nr, 13, 8. 487) über die Abdrücke, 
welche das Gewebe von Kleidungsstoffea atif Bleikugeln so. rück läßt, hat de 
Doiuiniui«, der die Angaben des fransöschea GeHchtearatea bestätigt, die 
üntefsnehusgamethodo durch Heranxishung das Mikroskops erweitert. Er 
weist darauf hin, daß bei schwacher Vergrößerung die mikroskopische Qeweba- 
atraktUT Im auf lallenden Licht scharf hervor tritt. Anch wenn die grobe Ge* 
websseiohnung keine Eindrücke hinteriasaen hat oder die Eindrücke durch 
AuUvMu^m Mt auf f/wt« Kttr^er riud, -bleiben die 

taikttt-rV^isufeifn: i;*upru9Sio»Cöerhalten. ßte 'MHiAMMh w. pnnae Moskaus 

der Breite der NeweiwlfcMira mit Hilfe des Mikrbaöst«*«.. ;Bin .«arten und regel¬ 
mäßigen; Ftwerckeo der Seide onterechebiea rieb deutlich YOn den dicken Fasern 
der Weiht ;. !! t)c. ftevon»Ibr {-Smiiau : 

Bl* peatmetdai* TempeTaturbtofgereng. Vuo L &igo **1 *L * ya h », i« e. 
V.oinptcA rehdu» de U soc. ä* feiblvi LXVÜ, 1909. Nr. 33. 

Puppe sagt $» b a p m b ö fl „Be* hesmteie Am*, 3. ili: Kioc pDat- 
ttu<rtiie TeBfperutu/etciueruog kommt vor *, fc. beim Tetnsus. bei dsia vpga/ 
i^mpotMsuriro bb au 44* C, bcobstfbtio, Dar Aötrr kuwehtui sh» bunt 

- Füll*-. t*Bi denen et nach dem Tode die boclielw» bisher voiFflvutllehiün 



Kleinere Mitteilungen nnd Referate ans Zeitschriften. 121 

Temperaturen beobachten konnte. 1) 46jähriger Mann mit tuberkulöser Me¬ 
ningitis and subarachnoidaler Himhautblutung. Die im Hötel - Dieu im Bek- 
tum gemessenen Temperataren waren 41,2° im Moment des Todes, 42° nach 
5, 45* nach 20, 60° nach 86, 40° nach 65, 46« nach 70, 48° nach 86, 41° 
nach 100, 87* nach 115, 83* nach 180 Minuten. 2) 60jähriger Mann mit 
Pachimeningitis haemorhagica. Die Bektaltemperatur war 40° im Moment 
dea Todes, 66* nach 80, 41* nach 60 Minuten. 8) In diesem Falle, in dem 
es sich am Pneamonie des rechten Oberlappens bei einem 40jährigen Alko¬ 
holiker handelte, maß der Verfasser die Temperaturen sowohl im Bektum, 
als in den Nasenhöhlen und fand: Im Moment des Todes 41°; nach 
5 Minuten 59* im Bektum, 68* in der Nase; nach 20 Minuten 68° dort, hier 
28*; nach 86 Minuten 65* and 27*; naeh 60 Minuten 36* und 26*. Der 
Autor schließt: Er habe demnach nach dem Tode in der Nasenhöhle eine 
Temperatur Ton 53* und im Bektum Temperaturen yon 60, 66 und 59* beob¬ 
achten können, Zahlen, welche die yon Wunderlich beobachteten 44* bei 
Tetanus weit hinter sich lassen. Dr. Mayer-Simmern, 


Entstehung der (postmortalen) Grttnflrbung des Abdomens. Von 
Fitienne Martin und Laforgue. Aus dem Laboratorium für gerichtliche 
Medisin der Universität Lyon. Comptes rendus de la soc. de bioL; LVU, 
1909, Nr. 87. 

Beim Kaninchen erscheint die Grünfirbung des Abdomens bei einer 
mittleren Temperatur von 15* swischen 16 und 24 Stunden nach dem Tode. 
Es handelt sich um eine genaue Projektion der Schlingen des Dickdarms auf 
die Bauchwand. Von der Lage des Tieres ist sie unabhängig; sie entsteht 
in gleicher Art, ob das Tier auf dem Böcken oder auf dem Bauche lag. Ver¬ 
bindern läßt sie sich, wenn man dem Tiere in den ersten 6 Stunden, die dem 
Tode folgen, seine Darmschlingen entfernt. Wenn die Autoren in die Haut 
«nd das Unterhautgewebe eines Kaninchens durch destilliertes Wasser hämo« 
lysiertes Blut injizierten, erhielten sie in einer Beihe von Fällen 48 Stunden 
■ach der Injektion eine grünliche Färbung entlang der Einstichlinie, die dem 
spontan entstandenen Fleck ziemlich ähnlich war. Durch gleichzeitige Injek¬ 
tion oxydierender Substanzen (Hs Os, K Mn 0«, alkalischer Lösungen, Typhus- 
kalturen mit energischen oxydierenden Eigenschaften) wurde die Erscheinung 
tbrigens nicht konstanter gemacht. 

In dem Moment, in dem sich der grüne Fleck ausbildet, existiert noch 
kein in Betracht kommendes Wachstum anoerober oder aerober Bakterien und 
iwar weder in den Geweben der Bauchwand, noch im Bauchfell, noch im all¬ 
gemeinen Kreislauf oder in den Organen. 

Die Autoren schließen: 1) Das Auftreten des grünen Fleckes steht in 
Beziehung zur Transsudation von Hämoglobin in die Gewebe. 2) Das 
stärkste Agens für diese Transsudation scheint der auf die Darmwand und 
ihre Gefäße durch die gedehnten Därme ausgeübte Druck zu sein. 8) Der 
Traassudation von Hämoglobin folgen Oxydationsphaenomene, die sich in situ 
abspielen und die vergleichbar sind mit jenen, die im Gebiete yon Blutergüssen 
vor sich gehen. Wahrscheinlich sind Leukozytenfermente hierbei die wesent¬ 
lichen Faktoren. 4) Der grüne Fleck der Bauchwand ist das Ergebnis eines 
Fermentvorganges, nioht das von Mikroben; bei der Entstehung dieses 
postmortalen Symptoms spielen weder aerobe, noch anaerobe Keime eine Bolle. 

Dr. May er-Simmern. 


Plftzliehe Todesfälle im kaltem Bade. Von M. Neu haus. Inaug.- 
Dissertation Berlin 1909. 

Der Fall betraf einen 26 jährigen Mann, der, ohne erhitzt zu sein Und 
ohne daß besondere körperliche Anstrengungen vorausgegangen waren, unmit¬ 
telbar nach einem Sprung in kaltes Wasser, tot herausgezogen wurde. Leider 
fehlen alle Detailangaben über die näheren Umstände Die Obduktion ergab 

{ esunde Organe, geringe Magenfüllung, keine Aspiration yon Erbrochenem. 

Ne Erfahrung lehrt, daß die Sektion jugendlicher Personen, welche im kalten 
Wasser unerwartet ihren Tod fanden, fast niemals verwertbare Aufschlüsse 
Uber den Anlaß des Hisscheidens gibt. Als Todesursache ist reflektorische 



182 


Kleinere Mitteilungen nnd Referate ans Zeitschriften 


Herzlähmung anzusehen. In der Lthmug der Herztätigkeit kommt eine 
solche der Atmung binza. _ Dr. Revenstorf-Breslau. 

Die „formes frustes“ der Gelbsucht nach der Chloroform-Narkose. 
Konstantes Vorkommen, Dauer und Entwicklung der CUolaemle. Von 
Chevrier, R«n6 Benard und Sorrel. Comptes rendos de la soc. de biol.; 
1909, LXVII, Nr. 83. 

Die Autoren untersuchten die Frage, ob nach der Chloroform-Narkose 
außer den klinisch nachweisbaren Formen von Icterus auch solche auftreten, 
die nur nach Untersuchung des Blutserums sich kundgegeben (Cholaemie nach 
Chloroform ohne Icterus). Sie untersuchten an ihren Kranken vor und nach 
der Narkose — angewandt wurden 13 bis 25 g Chloroform — den Gehalt des 
Blutserums an Gailenpigmenten und fanden: 

1. Die Cholaemie nach Chloroformanwendung iBt ein konstantes Vor¬ 
kommnis (9 mal auf 9 Fälle). 

2. Sie ist intensiv, tritt früh auf und ist schon sehr deutlich 48 Stunden 
nach dem operativen Eingriff; ihr Maximum erreicht sie 24 bis 36 Stunden 
nachher. Von da an verringert sich der Gehalt des Blutes an Pigmenten ganz 
allmählich; erst nach 8 Tagen erreicht er die normale Höhe. 

8. Während die Cholaemie konstant ist, ist es der Icterus nicht; er 
wurde nur 1 mal beobachtet. 2 mal fand sich eine Empfindlichkeit der rechten 
Oberbauchgegend gegenüber der linken, die binnen 8 Tagen allmählich schwand. 

Dr. Mayer-Simmern. 


Die Veränderungen der Resistenz der roten Blutkörperchen Im Ver¬ 
lauf der Cholaemie nach Chloroform-Narkose. Von Chevrier, Ren6 
Benard und Sorrel. Comptes rendus de la soc. de bioL; 1909, LXVII, 
Nr. 84. 

Die Autoren fanden in zwei Fällen frfizeitige und vorübergehende Ver¬ 
ringerung der Resistenz der roten Blutkörperchen, in zwei anderen dagegen 
eine Vermehrung. Sie nehmen an, daß dort das Chloroform direkt auf die 
Blutkörperchen, hier dagegen primär auf die Leber eingewirkt habe. Sekundär 
würden dann die Blutkörperchen in Berührung mit den im Blute kreisenden 
Gailenpigmenten so reagiert haben, wie sie es gewöhnlich bei infektiösem 
Icterus tuen, — durch Zunahme der Resistenz. Dr. Mayer-8immern. 


Der späte Tod nach der Chloroformnarkese. Von Ch. Aubertin 
(Aus dem Laboratorium des Prof. Pierre Marie). Comptes rendos de la soc. de 
biol.; 1909, LXVII, Nr. 34. 

In bestimmten, zum Glück seltenen Fällen erliegen Kranke, die dem 
Anschein nach frei von Leber- oder Nierenschädigungen sind, 2 bis 5 Tage 
nach einem in Chloroformnarkose ausgeführten chirurgischen Eingriff, den 
Folgen der Narkose. Während des Lebens pflegt Icterus zu fehlen; bei der 
Autopsie indessen findet man degenerative und nekrotische Läsionen der Leber. 
Obwohl man diese Leberläsionen auf Appendicitis, auf Mißbrauch der Anti- 
septica zurückgeführt hat, ist wahrscheinlich das benutzte Chloroform von 
wesentlichem Einfluß auf ihre Entstehung; in einer Reihe von Fällen ist es 
allein das ursächliche Moment. 

Doyon sah (diese Zeitschrift; 1909, S. 380) einen Hund 48 Stunden 
nach einer Chloroformnarkose sterben, die 85 Minuten gedauert hatte; die 
Leber wies nekrotische Prozesse auf. Da das Tier aber an alter Nieren- 
sklerose litt, also an einem Leiden, das, chirurgisch gesprochen, die Chloroform¬ 
narkose kontrainjiziert haben würde, ist der Versuch nicht beweisend. Dem 
Autor gelang es, an gesunden Tieren in einer einzigen Sitzung den Spät¬ 
tod nach Chloroformnarkose zu erzielen. Er fand bei denselben — (weißen 
Ratten und Mäusen) 

1. Schädigung der Eingeweide, besonders solche der Leber, 

2. Verbreitete Butüberfdllung und Blutungen. Die Blutungen sind zum 
Teil bedingt durch Insuffizienz der Leber, entsprechend den Doyon sehen 
Vorstellungen. Sie fanden sieh u. a. am Myokard und an den Lungen. 



Klein «re Mitteilungen nnd Referate ans Zeitschriften. 


123 


Der Antor schließt: Die Chloroformnarkose kann allein den Spättod 
durch Leberinsuffiziens bedingen, mit den Symptomen nicht dee Icterus, 
sondern tos Blutungen. _ Dr. Mayer-Simmern. 


Bin seltener Fall ren Nlkotlnausschlag. Von Med. - Rat Prof. Dr. P. 
Naecke in Huberteburg. Münchener med. Wochenschrift; 1909 Nr. 60. 

Ein Geisteskranker hatte einen Topf Kaffee, worin 7—10,0 gewöhnlichen 
Kautabaks in mehr oder minder marzeriertem Zustande enthalten war, ausge- 
trunkea and danach deutliche Erscheinungen einer akuten Nikotinvergiftung 
mit Nausea, Erbrechen, Kopfschmerzen und Erscheinungen von seiten des Gefä߬ 
systems, sogar der Pupillen, gezeigt. Gieich darauf erschien ein Ober den 
ganzen Körper schnell sich ausbreitender, scharlachartiger, etwas erhöhter Aus¬ 
schlag, mit heftigem Jucken, der binnen 5 Tagen vOllig verschwand, mit 
Wiederherstellung der normalen Papillenre&ktion, des Pulses usw. Das Exan¬ 
them ist als ein Erythem zu bezeichnen, das anfangs dem Scharlach sehr 
Ihnüch sah, jedoch keine Abschuppung konstatieren ließ. 

Dr. W a i b el - Kempten. 


Hantrelzende Wirkung von Kpheu. Von Prof. Dr. Zinsser in COln 
Xftachener mediz. Wochenschrift; 1909, Nr. 62. 

Verfasser berichtet über eine Beobachtung, wonach eine junge Dame 
sack Berührung von Epheu ein blaßbläulichrotes, stark juckendes, akut auf- 
tretendes, sichtlich artifizielles Erythem auf Handrücken und Fingern bekam. 
Hach Prof. Nestler-Prag soll der gewöhnliche Epheu in Blättern, Stengeln 
■ad Beeren ein Gift enthalten, das in seiner Wirkung dem des Bhus toxico- 
dmdron gleichen soll. 

Weitere Beobachtungen in dieser Richtung wären erwünscht. 

_ Dr. Waibei-Kempten. 


Zar Lehre von den Welehteilverletsungen vorzeitig Geborener durch 
4m Gebartsakt. Von Dr. A. Lesser in Breslau. Vierteljahrsschrift für 
nächtliche Medizin u. Offentl. Sanitätswesen; 8. Folge, 39. Bd., 1910. 1. Heft, 
8.1 und 114. 


Eine praktische Erfahrung hat dem Verfasser Anlaß zu den forensisch 
nkr interessanten Untersuchungen dieser Mitteilung gegeben. Ein Dienst- 
nidchen hatte unter verdächtigen Umständen heimlich vor der Zeit geboren. 
Die Leiche des Kindes war 40 cm lang, 12 gr schwer, hatte über ein Drittel 
fetthaltige Lungen bei freien Luftwegen, Luft im Magen, aber nicht im Darme. 
Auffällig waren Verletzungen und Blutungen der Haut, nämlich, abgesehen 
von belanglosen kleineren Abschürfungen an der Stirn, größere und kleinere 
Blutungen au den Schultern, den Ober- und Vorderarmen, über linsen- bis über 
2 Mark - Stück große Blutungen vorn an der Brust, kleinere in der Bücken¬ 
kaut und den Bttckenmuskeln, am Unterhautgewebe der Oberschenkel und am 
haken Knie; ferner Blutungen in den Muskeln der Unterkiefergegend (bis 
za l*/> cm lang), auf beiden GaumenbOgen, starke Suffosion der weichen 
fichädeidecken und Schläfenmuskeln, in der oberen und unteren Pia, keine 
subperiostaleu Blutungen. An den Stellen der Blutungen fand sich gewöhnlich 
Oodem. — Da die Angeschuldigte jede Gewaltet gegen das von ihr für tot 

E haltene Neugeborene bestritt, nur zugab, daß es während ihres Schlafes vom 
tt gefallen war, hierdurch aber unmöglich die vielen Blutungen entstanden 
sein konnten, war zu prüfen, ob wirklich derartige Veränderungen nur durch 
den Geburtsvorgang entstanden sein konnten. Die Sektion von einigen 20 
spontan in der Klinik vorzeitig Geborenen hatten in 16 Fällen ein posi¬ 
tives Resultat. In 8 Fällen von Geburt in 8chädellage fanden sich 
lämlich oft Hautblutungen, Unterhautblutungen, subkutanes Oedem, Muskel¬ 
blutungen in den verschiedensten Körperteilen, insbesondere auch an den 
im obigen Falle betroffenen; schließlich wurden auch in 3 Fällen Blu¬ 
tungen aus dem Periost des Unterkiefers beobachtet. Auch in drei Beob¬ 
achtungen von Steiß- bezw. Fußlagen fanden sich Haut- und Unterhaut* 
blutungen in den nachfolgenden Tellen; in einem von ihnen auch Muskel¬ 
blutungen (Bieeps, Deltoideus, Pectoralis, Biventer max. inf.). — In den 
übrigen 5 Fällen war die Lage nicht bekannt. Die Untersuchung hat also 



124 


Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


das neue Ergebnis gezeitigt, daß bei ganz normaler Geburt eines unreifen 
Kindes sehr wohl und gar nicht selten Blutungen der Weichteile entstehen 
können, die zunächst den Verdacht auf Mißhandlung oder gewaltsame Er* 
stickung leiten können. In einem S. 114 noch mitgeteilten Falle waren diese 
Blutungen besonders groß und den bei Erstickung vorkommenden ähnlich. 
Die Epidermis war aber überall ganz unverändert, was bei äußerer Gewalt¬ 
einwirkung nicht Vorkommen dürfte. Dr. P. Fraenckel-Berlin. 


p Häufigkeit und gebrftuehliehste Methoden des kriminellen Abortes. 

Von Dr. Leopold Bürger-Berlin. Friedreichs Blätter; 1909. 

-Nach einem kurzen Ueberblick über die Häufigkeit der Abtreibung bei 
den Kulturvölkern des Altertums und Mittelalters bespricht Bürger an der 
Hand von Zahlen das Vorkommen dieses Lasters in unserer Zeit. Wie die 
Kriminalstatistik lehrt, ist die Zahl der kriminellen Aborte weit schneller ge* 
stiegen, wie die Einwohnerzahl. Erschreckend große Zahlen erhält man, wenn 
man die Angaben erfahrener Geburtshelfer den Berechnungen zu Grunde legt 
Ein Blick in den Annoncenteil der volkstümlichen Zeitungen von Berlin, Paris, 
Wien, London, New-York zeigt uns, wie sehr die gewerbsmäßige Abtreibung 
in den Weltstädten blüht 

Der zweite Teil der Arbeit behandelt die gebräuchlichen Abortivmittel. 
Zwei Fragen sind es besonders, die dem Sachverständigen in Abtreibungs¬ 
prozessen vorgelegt werden, nämlich 1. ob ein angewandtes Mittel im Volke 
als Abortivum gilt und 2. ob ein Mittel im gegebenen Falle die Fehlgeburt 
verursacht hat oder ob sie z. B. spontan enstanden ist? Es war daher not¬ 
wendig, die volkstümlichen Abortiva möglichst vollzähiich zu nennen und ein 
genaues Bild ihrer Wirkungsweise zu entwerfen. Aus rein praktischen Gründen 
hat Verfasser die inneren Abortiva nach ihren toxikologischen Wirkungen 
zusammengestellt. Am Schlüsse seiner Arbeit bespricht er die Ursachen 
der Zunahme der kriminellen Aborte und die Mittel, ihre Zahl zu verringern. 

Autoreferat 


Ueber Fruchtabtreibangen. Von Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. v. WinckeL 
Sexual-Probleme; 1910, Nr. 1. 

Nachdem Verfasser die Häufigkeit die Mittel und Methoden der Frucht¬ 
abtreibung sowie die in Betracht kommenden gesetzlichen Bestimmungen be¬ 
sprochen hat macht er folgende Vorschläge zur Verminderung dieses Uebels: 

1) Die Hebammen müßten nicht blos jeden Fall von Abortus und Partus 
immaturus in ihre Tabellen eintragen, sondern die abgegangene Frucht dem 
Bezirksarzt vorlegen mit der Angabe, ob und wie oft die Mutter abortiert 
habe, wie der Verlauf des Aborts gewesen sei und ob sieh am Ei irgendwelche 
Verletzungen gezeigt hätten. 

2) Die Aerzte müßsen ebenfalls jeden Fall anmelden. 

8) Ganz besonders wären die von Hebammen geleiteten Privatentbin¬ 
dungsanstalten unter strenge staatliche Kontrolle zu stellen und ihnen die 
unter 1) erwähnte Forderung aufzuerlegen. 

4) Die Untersuchung von verdächtigen Personen muß sehr sorgfältig 
geschehen. 

6) Der Poliseiarzt muß alle verdächtigen Annoncen aus den Zeitungen 
sammela; die Polizei hat den Zeitschriften diese Annoncen zu bezeichnen und 
zu ersuchen, diese nicht mehr zu bringen; bei Nichtbefolgung dürfte eine 
Strafe zu setzen sein. Dr. Wolf- Witzenhausen. 


Fruehtabtreibung mit Asarum europaeum. Von Dr. med. Kurt 
von Surj in Basel. Münchener med. Wochenschrift; 1910, Nr. 1. 

Da in der Literatur eine Mitteilung über eine positiv ausgefallene Ab¬ 
treibung mit Asarum europaeum lehlt, teilt Verfasser eine diesbezügliche Be¬ 
obachtung mit. Eine 21jährige genotsüchtigte und geschwängerte Person 
bekam von einer Quacksalberte behufs Abtreibung des Kindes 2—8 mal einen 
Thee aus Asarum europaeum und 1—2 Liter Wasser; sie ließ den Absud bis 
zu einem trüben, dicklichen Extrakt einkochen und fügte 1—8 Prisen Natrium¬ 
sulfat hinzu. Innerhalb 2 Tagen trank die Schwangere mehrere Tassen von 
diesem Getränk. Sie fühlte sich darauf schwach und elend und bekam einen 



Kleinere Mitteilungen tind Referate ans Zeitschriften 


126 


starken Brechdurchfall. Seit der Wirkung des Tees verspürte die Person 
keine Kindsbewegungen mehr nnd einige Tage nachher gebar sie ein totes 
Und. Das Asarutn europaeom (Familie der Aristolochien) gehört der süd- 
haitischen, mitteldeutschen Hügel- und der oberen Bergwald- und subalpinen 
Vegetationsregion an. In der Schweiz findet es sich im jurassischen Buchenwald. 

Die wirksame Substanz, das Asaron, ist ein Propenyl- Trimethoxybenzol 
und ein Bestandteil eines ätherischen Oeles im Bindengewebe der Wurzel und 
zwischen den Epidermiszellen der Blätter. 

Wehenerregend wirkt das Asaron nicht, sondern es wirkt nur 
schädigend auf Magen und Darm und führte also indirekt die vorzeitige 
Unterbrechung der Schwangerschaft herbei. Dr. Wal bei-Kempten. 


Ein Fall von schwerer einseitiger Choanalatresle. Von Dr. H. 
Bin swang er, 8pezialarzt für Hals- und Ohrenkrankheiten in Augsburg. 
Münchener mediz. Wochenschrift; 1909, Nr. 41. 

Verfasser teilt einen selbst beobachteten Fall von angeborener links¬ 
seitiger ChoanalatreBie bei einem 13 jährigen Mädchen mit Die subjektiven 
Beschwerden waren verhältnismäßig gering; Patientin fand es nur lästig, daß 
sie linkerseits nicht schnäuzen konnte. Auch die objektiven Symptome waren 
sieht in hohem Maße ausgeprägt. Die körperliche und geistige Entwicklung 
des Mädchens war in keiner Weise zurückgeblieben; dagegen war Hochstand 
des Gaumens vorhanden. Qesichtsasymetrie konnte nicht konstatiert werden. 
Dm Geruchssinn fehlte auf der verschlossenen Seite völlig; das Hörvermögen 
war jedoch durch den Ohoaualverschluß nicht beeinflußt. Patientin wurde 
nit Erfolg operiert _ Dr. Waibel-Kempten. 


Die geriehtoäntllche Begutachtung von Wohnungen. Von W. 
Jannasch. Inaug.-Dissertation aus der KgL Unterrichtsanstalt für Staats- 
ameikunde in Berlin. Berlin 1909. Druck von Emil Ebening. 67 Seiten. 
Preis geh.: 2 Mark. 

Auf dem besonders in den Städten die Gutachtertätigkeit des Medisinal¬ 
ksamten recht häufig in Anspruch nehmenden Gebiete einer Beurteilung der 
Wohnungen vom sanitätspolizeilichen Standpunkte fehlte es auffallender Weise 
bis heute an einer irgendwie erheblichen Literatur. Da auch in den Lehr¬ 
büchern der gerichtlichen Medizin diese Frage, abgesehen von verschwindenden 
Ausnahmen, nicht behandelt wird, ist diese Publikation aus dem der Leitung 
Straßmanns unterstehendem Institut für Staatsarzneikunde in Berlin zu 
begrüßen. 

An der Hand von 22 im Wortlaut angeführten Gutachten Straßmanns 
wurden unter Benutzung der in der Literatur bereits festgelegten Daten die 
Gesichtspunkte besprochen, die der Sachverständige einmal in Rücksicht auf 
die geltenden Gesetzesbestimmungen — es kommen in Betracht die §§ 644, 
618 u. 906 B. G. B., §§ 22 und 77 H. G. B. und §§ 330 und 360 Abs. 11 
Str. G. B. bei Beurteilung der verschiedenen Schädlichkeiten und Störungen 
— in jedem einzelnen Falle zu berücksichtigen hat; zum anderen werden 
die allgemeinen Regeln zusammenfassend dargelegt, die bei einer ärztlichen 
Wohnungsbegutachtung befolgt werden müssen. Im einzelnen werden so fol¬ 
gende Schädlichkeiten besprochen: Feuchte Wohnungen, Verdorbene 
Luft — Gerüche, schädliche Gase, Rauch, Ruß, Staub, Ueberheitzung, abnorme 
Kälte und abnorme Beleuchtung — Schädliche Gerüche. 

Dr. R. Mohrmann-Kiel. 


B. Gerlohtllohe Pzyohiatrie. 

Ueber die Behandlung der progressiven Paralyse. Von Prof. Dr. 
Wagner v. Jaur egg. Vortrag gehalten in der Abteilung für Psychiatrie des 
XVL internal med. Kongresses in Budapest. Wiener mediz. Wochenschrift; 
1909, Nr. 37. 

Jeder Psychiater erlebt im Verlauf einer sichergestellten Paralyse Re¬ 
missionen von sehr langer Dauer und großer Vollständigkeit. Von der jetzt 
allgemein herrschenden Auffassuog ausgehend, daß die Paralyse auf luetischer 
Grundlage beruht, hat der Verfasser versucht, durch antiluetische Behandlung 




126 Kleiner« Mitteilungen und Referate au* Zeitschriften. 

Remissionen herbeizuführen. Diese Behandlung erwies sich als wirksam, wenn 
man in die Lage kam, Paralytiker schon in sehr frohen Stadien su behandeln. 
Gerade die dementen Formen werden in auffällig günstiger Weise beeinflußt 

Neben Jod und Qaecksiiber verabreichte der Verfasser außerdem kleine 
Quantitäten von SchilddrOsensubet&nx. 

Bei den spontanen Remissionen schließt sich erfahrungsgemäß häufig die 
günstige Wendung des Prozesses an infektiöse, fieberhafte, eitrige Prozesse an. 

Um derartige Fiebersteigerungen künstlich auszulösen, wnrde Koch sehe# 
Alttuberkulin mit der Dosis 0,01 beginnend und bis 0,5 steigend in zweitägigen 
Intervallen, in 7 bis 12 Injektionen, den Kranken injiziert. Für den Ges am t- 
organismus war die Kur nicht nur nicht schädlich, sondern forderlich, das 
Körpergewicht nahm regelmäßig zu. 

Weiterhin wurde die Taberkulinkur mit der antiluetischen Kur kombi¬ 
niert, in der Mehrzahl der Fälle so, daß die antiiuetische Kur der Tuberkulin¬ 
behandlung vorausging. Die Erfolge dieser Behandlung mußten als durchaus 
günstige brzeichnet werden, indem nur in wenigen Fallen eine deutliche Besse¬ 
rung ganz ausblieb, in einer relativ großen Anzahl von Fällen aber weitgehende 
Remissionen, teilweise mit Wiederkehr der Berufstätigkeit eintraten; Re¬ 
missionen, die in einzelnen Fällen schon bis zu zwei Jahren andauern. 

Beim Wiedereintreten einer Verschlimmerung brachte die Wiederholung 
der Kur von neuem einen günstigen Erfolg zustande. 

Zur Vermeidung intestinaler Autointoxikationen, welche bei Paralytikern 
besonders deletär wirken, wurden fäulnishemmende, stuhlfordernde Mittel ver¬ 
abreicht und eine entsprechende Diät beobachtet. 

Der Verfasser sieht seine Versuche nicht als etwas Fertiges an, sondern 
will nur einen Weg zeigen, auf dem therapeutische Erfolge bei der Paralyse 
zu erzielen sind. Dr. Kurpjuweit-8winemflnde. 

Die neuen Ideen Aber die Pathogenese der Hysterie* (Le nuovo 
idee sulla patogened deli’ isterisino.) Von Luigi Boncorini-Parma. Ar- 
ehivio di Antropologia criminale, Psichiatria etc.; 1909, Fass. 8. 

Verfasser sucht an einem von ihm beobachteten Fall von Hysterie nach- 
zuweisen, daß die neuen Ansichten über die Pathogenese der Hysterie, wie sie 
Babinsky vertritt, indem er sagt, daß die Ursache der Krankheiterschei* 
nungen auf Suggestion zurücksuführen sei, unhaltbar sind. Babinsky geht 
soweit, anzunehmen, daß die sog. hysterischen Stigmata, wie Hemianaesthesien, 
Hyperästhesien, Paralyse, Kontraktionen usw. auf Saggestion des untersuchenden 
Arztes beruhen, während er andere sonst der Hysterie ungeschriebene Symp¬ 
tome, wie auch das hysterische Irresein leugnet 

In dem fraglichen Fall handelt es sich um eine ältere, verheiratete 
Frau, deren Krankheit dadurch hervorgerufen wurde, daß sie früher einmal 
Zeuge eines an Konvulsionen erfolgenden Todesfalles bei einem Kinde war. 
Die anfänglich häufigen und sehr heltigen konvulsivischen Anfälle ohne Be¬ 
wußtseinsverlust wechselten später in ihrer Intensität Das Krankheitsbild 
wurde außer durch Krämpfe durch Schwindel, Zustände von Bewußtlosigkeit, 
Hallusinatinationen und durch Wandertrieb beherrscht; es fehlten Paresen, 
Anästhesien, Intelligenzstorungen u. dgL; die Reflexionen waren s. T. erhöht, 
z. T. herabgesetzt der Stoffwechsel zeigte Verminderung. 

Da nun offenbar die Symptome des Schwindelgefühls, die Halluzinationen, 
die Bewußtseinsstörungen mit der impulsiven Handlung des Fortlaufens, ebenso 
die Erhöhung der Sehnenreflexe und die Verminderung des Stoffwechsels nicht 
auf Suggestion beruhen können, so muß es als ausgeschlossen gelten, daß die 
Ursache der hysterischen Manifestationen in Saggestion beruht. Verfasser 
will daran festhalten, daß der pathologische Mechanismus die hysterischen Er¬ 
scheinungen nicht nur psychischen Funktionen, sondern auch solchen der Be¬ 
wegung und des Gefühls und organischen Funktionen zuzuweisen ist. 

_ Dr. 8 olbrig-Alleastein. 

Zur psychologischen Differentialdlagnose der einzelnen Epilepsie» 
formen. Von Dr. Rittershaus (Hamburg-Friedrichsberg), früher L Assistent 
der psychiatrischen Klinik in Erlangen. Archiv für Psychiatrie; 46. Bd__, R. 

Rittershaus kommt in seiner fleißigen, auf zahlreichen psychologischen 
Experimenten basierend«! Arbeit su folgenden Resultaten: 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


127 


1. Er legt unter Bestätigung der bekannten Befunde Jungs Uber 
Annotationen bei Epileptikern ein Hanptgewicbt auf die spezifische Umständ¬ 
lichkeit, die Erschwerung der Wortfindung und die sprachlichen Entgleisungen, 
namentlich beim Kleben an einer Ausdruckslorm. 

2. Ein differentialdiagnoslischer Unterschied xwischen der sogenannten 
genuinen Epilepsie und der nach zerebraler Kinderlähmung läßt sich durch die 
Assoziationen anscheinend nicht nachweiaen. 

3. Die Art der sprachlichen Entgleisungen, die einen aphasisch para- 
phnsdschen Eindruck macht, läßt jedoch zusammen mit anderen Beobachtungen 
mit großer Wahrscheinlichkeit den Schloß zu, daß die beiden Erkrankungen 
doch identisch sind. 

4. Andere mit epüeptiformen Krämpfen einhergehende Krankheitsbilder 
können durch die Assoziationen wahrscheinlich mit ziemlicher Sicherheit von 
der eigentlichen Epilepsie abgegrenzt werden. 

6. Auch bei Fällen psychischer Epilepsie soll nach Rittershaus viel¬ 
fach die Diagnose durch die Assoziationen bestätigt werden können. Es ist 
jedoch noch ungewiß, ob es möglich ist, auch die leichtesten Fälle auf diese 
Weise zu erkennen. 

6. Durch Alkoholgenuß konnte manchmal die Reaktion noch verstärkt 
werden. 

Bei aller Anerkennung und voller Würdigung der durch psychologische 
Experimente erzielten Resultate, glaubt Referent darauf hinweisen zu sollen, 
daß die Asjoziaiionsversuche bei Epileptikern zwar ein sehr schätzenswertes 
Mittel zur Verfeinerung und Vertiefung des psychischen Status sind, aber nach 
dem jetzigen Stande der Wissenschaft vorläufig wenigstens für den gerichts- 
ämhchen Praktiker in ihrem diagnostischen Wert gegenüber den Ergebnissen 
dar körperlichen Untersuchung zurück treten müssen. 

Dr. Többen-Münster. 


Klinischer Beitrag sur Lehre von der Dipsomanie und der psychi¬ 
schen Epilepsie. Von Dr. G. Roemer-lllenau. Klinik f. psychische und 
nervöse Krankheiten; Bd. IV, H. 4. 

Verfasser beschreibt zunächst einen Fall, der sich durch Zustände ver¬ 
luderten Bewußtseins auszeichnet, deren wesentliche Züge sind: Ausschaltung 
der moralischen Geiühle und höheren Werturteile zu gunsten eines triebhaften 
Qeaußlebens bei erhaltener allophysischer Orientierung; oberflächliche eupho¬ 
rische Verstimmung mit zugrunde liegender Apathie und öfters ausgesprochener 
Reizbarkeit; ausgesprochene Auffassungsstörung, beträchtliche Merkniörung, 
hochgradige psychomotorische Uebererregbarkeit mit Rede-, Bewegungs- und 
Wandertrieb, starke Bestimmbarkeit zufälliger Eindrücke und impulsive Ein¬ 
fälle. Diese Zustände waren von nervösen Symptomen (halbseitiger Ausfalls- 
ud motorischen sowie vasomotorischen Reizerscheinungen) begleitet und von 
einer totalen, zeitlich beschränkten Erinnerungslosigkeit gefolgt. Das Wesen 
der Zustände besteht somit in einer Störung bezw. Unterbrechung des Selbst- 
bewußtseins oder genauer in einer Spaltung des Persönlichkeitsbewußtseins. 
Dies ist eia bezeichnendes Symptom lür die psychische Epilepsie. — Dieser 
Fall lehrt ferner, daß bei keiner anderen psychischen Erkrankuog der Mangel 
an rechtzeitiger Erkennung soviel Schaden in sozialer Hinsicht anrichten kann, 
wie bei der psychischen Epilepsie. 

Auch in einem zweiten Fall konnte die Diagnose psychische Epilepsie 
gestellt werden aus folgenden Gründen: 

1) Der Dämmerzustand, der eine Woche dauert, zu einer größeren 
Reife führt und von Erinnerungslosigkeit gefolgt ist, trägt epileptischen Cha¬ 
rakter. 

2) Die periodischen Stimmungen erweisen gleichfalls ihre epileptische 
Grundlage. 

3) Der vaso-vagale Zufall mit nachfolgendem Schlafsustand ist ferner 
als ein Zeichen der bestehenden Epilepsie zu verstehen; ferner besteht Zittern, 
Schwindel, Unsicherheit, Schwanken bei Treppensteigen, vasomotorische Stö¬ 
rungen, Parästhesien, schmerzhafte Sensationen. 

4) Die epileptische Artung der ganzen Persönlichkeit 

5) Die Wirkung geringer Alkoholgaben besteht in einer auffallend leb- 



128 


Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften 


haften Steigerung der Reizbarkeit und motorischen Erregbarkeit (typisch für 
epileptisch veranlagte). 

6) Die Wirkung der Brombehandlung war wiederholt eine sehr gute, 
im Gegentatz au dem geringen Einfluß des Opiums. 

7) Endlich Bteht auch die Vorgeschichte in völlig befriedigender Ueber* 
einstimmung mit derselben (erblich belastet, Nachtwandeln, Schlafreden, Bett¬ 
nässen, starke Beizung zu gemütlicher Erregbarkeit und zum Jähzorn). 

_ Dr. Wolf-Witz enhausen. 

Heber einen Fall von psychischer Epilepsie. Von Dr. N. Turolla- 
Venedig. Rivista Veneta di Science mediche; Tomo LI, Fass. 8. 

Eine 88jährige Frau, erblich nicht belastet, wurde plötzlich von einer 
heftigen psycho - motorischen Erregung befallen, die die Ueberiührung in die 
Irrenanstalt nötig machte. Hier trat nach wenigen Stunden völlige Beruhigung 
ein, die anhaltend war, so daß die Kranke bald wieder gesund entlassen werden 
konnte. Der Fall gehört nach Ansicht des Verfassers zur psychischen Epi¬ 
lepsie. Dafür sprach die völlige Amnesie für die Zeit des Anfalles, das Fehlen 
jeder sonstigen Ursache (Infektion, Toxikation, Gehirntumor, Paralyse usw.) 
und die Tatsache, daß die Kranke zwei Jahre zuvor einen ganz ähnlichen 
Fall durchgemacht hatte. Im übrigen war der Befund völlig negativ, nur 
wurde festgestellt, daß die Kranke nach überstandener Uterusexstirpation 
ihren Charakter verändert hatte, jähzornig und eigensinnig geworden war. 

__ Dr. Solbrig-Alleustein. 

Ein Fall von Polymastie bei einen Epileptiker. Von Dr. Dino de 
Albertis -Genua. Archirio di Psichiatria, Antiopologia criminale etc.; 
VoL XXX, Heft 4-6. 

Ueberzählige Brustwarzen beim Menschen gehören nicht gerade zu den 

S üßten Seltenheiten — nach Laloy sind bisher 26 Fälle solcher Art in der 
teratur beschrieben. Sie sind zu deuten als atavistische Degenerationsseichen, 
nämlich eine Anäherung der Species hum ans an die Säugetiere. 

Bei dem hier beschriebenen Fall handelt es sich um einen taub¬ 
stummen Mann mit Epilepsie. Die beiden akzessorischen Brustwarzen befanden 
sich symmetrisch links und rechts 7 cm unterhalb der normalen Brustwarzen, 
waren aber viel kleiner als diese. Neben diesem Befund waren auch andere 
Degenerationsseichen, wie sie namenlich bei Epileptikern auch sonst zu finden 
sind, festzustellen, so fliehende Stirn, hervorstehende AugenhOhlenbogen, Ver¬ 
änderungen der Ohrmuscheln, Vergrößerung einer Hand u. a. 

Dr. Solftvig. Alleas tein. 

Die Imbezillität vom klinischen und forensischen Standpinkt. Vor¬ 
trag, gehalten aul dem XVI. internationalen Kongreß in Budapest. Von Prof. 
Dr. 8ommer-Gießen. Monatsschrift f. Psychiatrie; Bd. XXVII, H. 1. 

Sommer erörtert die Beziehungen, die zwischen den klinisch beobach¬ 
teten Idiotiefällen und 1. den Insassen der Hilfsschulen, 2. des 
Zwangserziehungszöglingen, sowie 8. dem jugendlichen Ver¬ 
brechertum vorhanden sind. Aus seinen Untersuchungen geht folgendes 
hervor: 

I. Die drei Gebiete der in den Anstalten behandelten Idiotiefälle, der 
Hilfssch u lin sasse n und der ZwangserziehuagszOglinge greifen medizinisch und 
psychologisch vielfach in einander über. II. Es ist daher ein einheitliches 
Schema als Grundlage der Untersuchung aller dieser Fälle zu fordern. Die 
Sonderbedürfnisse der einzelnen Gruppen lassen sich durch Ergänzengsblätter 
laicht berücksichtigen. HL Es lassen sich bei den angeborenen Schwachsinnigen 
in den Idiotenanstalten, in den Hilfsschulen, ferner auch bei Zwangserziehungs- 
Zöglingen über den Inhalt eines Untersuchungsschemas hinaus eine ganze Reihe 
von psychologischen und psychophysischen Untersuchungsmethoden mit Erfolg 
anwenden, um einen genaueren Einblick in die feinere Struktur des geistiges 
Zustandes zu gewinnen. IV. Diese bessere Differenzierung ist sowohl medi¬ 
zinisch, als psychologisch und auch pädagogisch von Bedeutung und führt zu 
einem besseren Zusammenarbeiten der medizinischen und pädagogische n 'X äÜg- 
keit V. Bei der Untersuchung des jugendlichen Verbrechertums, abg wssh sa 



Kleinere Mitteilongen and Referate aas Zeitschriften. 


129 


▼ob der Gruppe der deutlich Imbezillen, die einen Teil der Zwangserziehungs- 
Zöglinge Busmachen, versagen die gebräuchlichen Methoden der Untersuchung 
vielfach und lassen bei eventueller Normalität im Befand u. a. besonders 
hysterische und epileptoide Züge, ferner angeborene moralische Defekte her- 
vortreten. VI. Das Vorhandensein der zur Erkenntnis der Strafbarkeit der 
Handlung erforderlichen Einsicht ist ein schlechtes Kriterium bei den jugend¬ 
lichen Verbrechern. VII. Bei geistig scheinbar normalen Fällen von jagend¬ 
lichem Verbrechertum führt öfters die Untersuchung einerseits des Milieus, 
anderseits des angeborenen Charakters im Zusammenhang mit dem Stadium 
der Familienlage zur Erkenntnis der äußeren oder inneren Quelle der Krimi¬ 
nalität. VIII. Es ist sehr wahrscheinlich, daß auf dem Wege der Analyse 
der exogenen und endogenen Momente auch das jugendliche Verbrechertum 
immer mehr als eine krankhafte Erscheinung hei den einzelnen Menschen und 
im sozialen Organismus sich heraussteilen wird. Dr. T ö b b e n - Münster. 


Ueber die Assoziationen von Imbezillen und ihre’dlagnostisehe Ver¬ 
wertbarkeit. Von E. V. Nathan-Gießen. Klinik_für psychische und nervöse 
Krankheiten; Bd. IV, H. 4. 

Als objektiv nachweisbare und deshalb für die Diagnostik der Imbe- 
sülität verwertbare Symptome haben sich aus der Analyse der Assoziationen 
ergeben: a) die Verlängerung der Reaktionszeit; b) die Steigerung von sym¬ 
metrischen Assoziationen; c) die Steigerung der formalen Reaktionen; d) das 
öftere Auftreten von Stereotypien; e) das Auftreten von sinnlosen Reaktionen 
is größerer Zahl; f) sprachliche Unsicherheiten und Ungeschicklichkeiten 
sowie mangelhafte Sprach- und falsche Wortbildungen; g) phantastische Sprach- 
Weiterbildungen und Wortspielereien. 2. Als mögliche psychologische Gründe, 
die in wechselnder Beteiligung diesen Symptomen zugrunde liegen können, 
ergeben sich: a) intellektuelle Minderwertigkeit; b) mangelhafte Konzentra¬ 
tionsfähigkeit; c) gesteigerte Phantasietätigkeit; d) Haftung an der einge- 
sehlagenen Reaktionsart. Gerade die erethische Form der Imbezillität zeigt 
einzelne Züge, die neben der intellektuellen Minderwertigkeit auf eine tiefer¬ 
gehende Aufmerksamkeitsstörung schließen lassen. 

_ Dr. Woif-Witzenhausen. 

Ueber Enuresis. Von Dr. Emil Mattaus chek\ k.k. Regimentsarzt 
Vortrag, gehalten auf dem XVI. Internationalen med. Kongreß in Budapest. 
Wiener mediz. Wochenschrift; 1909, Nr. 38. 

Der Verfasser konnte 48 Fälle von eigentlicher Enuresis ohne weitere 
Komplikationen beobachten, die alle die Charakteristica der wahren nervösen 
Inkontinenz mit echtem Harndurchbrach, Pollakurie, mitunter auch mit sicheren 
Harnträufeln darboten. 

Bei einer Reihe von Fällen konnte! anamnestisch 1 schwere** Belastung, 
ferner Abstammung aus tuberkulösen Familien und an den Individuen selbst 
Degenerationszeichen und Bildungsfehler nachgewiesen werden. 

In einzelnen Fällen ließ sich das Leiden auf Gonorrhoe," auf stärkere 
Anstrengungen, schwere Erkältungen und 4 mal auf Traumen zurückführen. 

Regelmäßiges Wecken und^Elektrisieren ; erwies sich in mehreren Fällen 
als wirksam. 

Störungen der Sehnen- und Hautreflexe, weiterhin Thermhypästhesie und 
Analgesie fanden rieh fast bei der Hälfte der Kranken, außerdem recht häufig 
als Degenerationszeichen Syndaktylie, wie an 24 Krankengeschichten nach¬ 
gewiesen wird. 

Der Verfasser kommt zu dem Schluß, daß die erwachsenen Enuretikar 
in mehr als fünf Sechstel aller Fälle objektive* Symptome bieten/;.welche' be¬ 
weisen, daß die Fälle von echter Enuresis bei sonst gesunden und psychisch 
intakten Individuen durch eine wahrscheinlich kongenitale Hypoplasie des 
untersten Anteils des Rückenmarks bedingt wird. 

Dr. Kurpj uw eit-Swinemünde. 


Me Erziehung zur Arbeit als Aufgabe der Anstalten. Von Direktor 
Schwenk-Idstein. Zeitschrift für d. Behandlung Schwachsinniger; 1909, 
Nr. 12. 



180 


Kleiner« Mitteilungen and Referate hi Zeitschriften. 


L Jede Anstalt für Geisteschwache, gleichviel, ob sie in erster Linie 
Schulanstalt ist, oder aber sich hauptsächlich mit der Pflege ihrer Insassen 
abgibt, muß Erziehungsanstalt sein. 

II. Ihre Aufgabe ist es, aas den ihr anvertranten Kindern, soweit dies 
überhaupt möglich, religiöse und sittliche Menschen su bilden. 

III. Dieser Aufgabe kann die Anstalt neben einem geregelten Schul¬ 
unterricht nur durch Erziehung zur Arbeit gerecht werden. 

IV. Da als Ziel zur Erziehung der Arbeit die vollständige oder teilweise 
Erwerbsunfähigkeit dem Erzieher vor Augen schweben mnß, sind alle in Be¬ 
tracht kommenden Faktoren auszunntsen and diesem Ziele dienstbar zu machen. 

V. Ein Hauptfaktor, dieses Ziel zu erreichen, ist der Handfertig¬ 
keitsunterricht, denn er ergänzt die einseitige Ausbildung unserer 
Schwachen su einer harmonischen. 

VL Die Bedeutung des Handfertigkeitsanterrichts liegt darin, daß er 

a) dem angeborenen 8 cbsffenstrieb sein Recht gibt, 

b) den Gesichtssinn bildet, aber auch durch Forderung der geistigen und 
körperlichen Gesundheit die Lernlnst steigert, 

e) vor Langeweile und den Gefahren des Müßigganges bewahrt, 

d) die Liebe zur Arbeit fordert, 

e) den Zögling für das körperliche Leben, unter Umständen auch für seinen 
künftigen Beruf vorbereitet. 

Es ist deshalb diesem Unterricht in unseren Anstalten ein weites Feld 
einzuränmen. 

VII. Da die Anstalt das Elternhaus su ersetzen hat, ist su fordern, 
daß die häuslichen Beschäftigungen neben dem Handfertigkeitsunterricht be¬ 
sonders vorgenommen werden. 

VI1L Die Art und Weise, wie diese Aufgabe, die Erziehung zur Arbeit, 
in unseren Anstalten gelost werden kann, ist in der Idsteiner Anstalt etwa 
folgender: 

Mit dem Eintritt in die Anstalt setzt der Arbeitsunterricht ein. 

Er wird schnlmäßig als erziehlicher Handarbeitsunterricht 
erteilt. Derselbe lehnt sich an den unteren Stofen an die Fr Obel sehen Ar¬ 
beiten an, auf den Mittelstufen gebt er über zu Papparbeiten, Formen usw., 
und auf der Oberstufe endet er mit Holzarbeiten, besonders mit Kerbscbnitsen! 

Im Winterhalbjahr wird neben diesem eigentlichen Handfertigkeits¬ 
unterricht ein industrieller Werkunterricht mit täglich 1 */» Stunden 
von Handwerksmeistern erteilt. 

Im Sommerhalbjahr wird diese Zeit hauptsächlich su Garten- und Feld¬ 
arbeiten verwendet. 

Die Mädchen erhalten das ganze Jahr Unterricht in weiblichen Hand¬ 
arbeiten. _ Dr. Wolf-Witsenhausen. 


Jahresbericht Aber die KSntgllche Psychiatrische Klinik ln München 
für 1906 und 1907. München 1909. J. F. Lehmanns Verlag. 8* 188 S 
Preis: 8 60 Mark. 

Ans der Fülle der an dem reichen Münchener Krankenmaterial gemachten 
Erfahrungen, die in den einzelnen Abschnitten des Jahresberichtes von ver¬ 
schiedenen Referenten niedergelegt sind, seien einige allgemein interessierende 
mitgeteilt. Im „Krankendienst* wurden mit Dauerbädern, deren vorzügliche 
und nachahmenswerte elektrische Temperaturregelung ausführlich beschrieben 
ist, und mit unbefestigten Wicklnngen als deren Ergänzung durchweg die 
besten Erfolge erzielt, ebenso wie mit der Anwendung vom Amylenbydrat und 
Saneratoffeinatmang besonders beim Status epilepticns. Die „klinischen Be¬ 
richte* betonen immer wieder die hervorragende ätiologische Bedeutung «j 
Alkoholmißbranches für fast alle Geisteskrankheiten und weisen bei Be! 
spreebung der Alkohol - Erkrankungen auf die Gefahrlosigkeit akmit.« 
und plötzlicher Alkohol entziehung beim Delirium tremens hin. Ftlr dinAhl 

J renznng der „Dementia praecox* and des „manisch-depressiven Iireael ■ 
er Kraepelinschen Schale sind die angegebenen Statistiken benn d 
kennzeichnend. Wissenswert, nach für den Fenierstehenden, ist die nt* « 
keitsskala der fünf wesentlichsten somatischen Zeichen* der proffremi»» v» 
lyse, die wie folgt ermittelt wurde: 1. Sprach-, 2. Schriftstörung, 3 Störung^!** 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


181 


Pupilleareaktion, 4. Hypalgesie, 5. Sterling der Patellarsehnenreflexe. Die bei 
„Unfallkranken* gemachten Erfahrungen legen es jedem Gutachter aus Hera, 
daß er möglichst keine „8chonrente* zuerkennen, sondern vielmehr durch Ge- 
wihrung nicht zu hoher Renten versuchen soll, den Kranken für eine geregelte 
Beschäftigung wiederzugewinnen. Diese kurzen Notizen und ein letzter Hin¬ 
weis auf die in den Laboratorien der Münchener Klinik an gestellten inter¬ 
essanten Untersuchungen, besonders über die Bedeutung der Wassermann¬ 
sehen Reaktion (vergl. dazu die aus derselben Klinik hervorgegangene Arbeit: 
»Die Wassermannsche Serodiagnostik in ihrer Anwendung auf die Psychia¬ 
trie* von F. Plant, Verlag von Gustav Fischer, Jena 1909) mögen erkennen 
lassen, daß die Lektüre des Jahresberichtes nicht nur für den Psychiater in 
hohem Maße belehrend und anregend ist Dr. Ernst-Neu-Ruppin. 


Die Wahrheit Aber die Irrenanstalten. Von Dr. Georg Lomer, 
Oberarzt der Großh. sichs. Laudes-Irrenanstalt zu Blankenhain i. Thür. Wies¬ 
baden 1909. Verlag von J. F. Bergmann, Gr. 8 °, 89 S., Preis 1 Mark. 

L. will in diesem Schriftchen, das er »der breitesten Oeffentlichkeit* 
widmet, untersuchen, wo die Wurzeln des Vorurteils, das gegenüber den 
Irrenanstalten noch so weit verbreitet ist, liegen und ob es heutzutage über¬ 
haupt noch gerechtfertigt erscheint. Er entwickelt zunächst, vielleicht etwas 
n ausführlich und mit zu drastischen Beispielen aus der alten Anstalts¬ 
behandlung der Kranken, wie das Mißtrauen aus früherer Zeit, in der es 
berechtigt gewesen sei, auf die unsere überkommen ist und gibt dann ein 
klares Bild der heutigen Einrichtung der Irrenanstalten und der Kranken- 
behandlung in ihnen mit besonderer Berücksichtigung der gesetzlichen Auf- 
■ahmebestünmungen. Die Schilderung der Krankenbeobachtung und -behandlung 
ist besonders gut gelungen, obgleich sich wohl jeder Psychiater über eine 
■och nachdrücklichere Beschreibung der Beschäftigungen und Zerstreuungen, 
die den Kranken jetzt ja überall reichlich zur Verfügung stehen, gefreut 
bitte, da sie, wie man sich täglich überzeugen kann, in weiten Kreisen völlig 
»bekannt sind, aber doch das Leben der Kranken nutzbringend und lebens¬ 
wert gestalten. 

Das Büchlein ist so allgemeinverständlich geschrieben, daß ihm eine 
weite Verbreitung nur zu wünschen ist, und sehr wohl geeignet, dem Vor¬ 
urteil gegenüber den Irrenanstalten Abbruch zu tun. 

_ Dr. Ernst-Neu-Ruppin. 

0. MuohveratAndlgentätlgkelt In Unfall- und Invalldlt&tssaohen. 

Chronische organische Krankheiten des Zentralnervensystems nach 
Trauma. (Referat auf der 3. Jahresversammlung der Gesellschaft deutscher 
Nervenärzte, Wien 1909.) Von Geh. Medizinalrat Prof. Dr. 8chulze-Bonn. 
Witter Medizinische Wochenschrift; 1909, Nr. 49. 

Dem Verfasser erscheint es äußerst fraglich, ob chronische Rücken¬ 
marksleiden durch Schreck entstehen können. Weiterhin hält er es noch nicht 
für erwiesen, daß somatisch ein wirkende Traumen zu einer aszendierenden 
Neuritis führen, die dann durch die Hüllen des zentralen Nervensystems hin¬ 
durch in den hinteren und vorderen Wurzeln und in den Gehirnnerven zum 
zentralen Nervensystem hinaufsteigt und dort chronische Veränderungen 
erzeugt. Traumen, die das zentrale Nervensystem selbst treffen, rufen sehr 
wahrscheinlich auf dem Wege der Kommotion chronisch-progressive Ver¬ 
änderungen hervor. Dabei müssen noch andere Bedingungen mitwirken, s. B. 
Ueberanstrengung, Anämien, Ernährungs- oder Stoffwechselstörungen. 

Bei der Tabes dorsalis spielt nach den Ergebnissen der Wassermann- 
schen Reaktion die Syphilis die Hauptrolle, jedoch kann sie auch ohne diese 
durch zentral einwirkende Kommotionstraumen hie und da hervorgerufen 
werden. 

Für die echte progressive Paralyse, bei der sich nach dem Ausfall 
der Wassermann sehen Reaktion nahezu in 100°/o der Fälle Syphilis nach- 
weisen läßt, kommt der alleinige Einfluß eines Traumas nicht in Betracht. 

Echte progressive multiple Sklerose kann hie und da durch ein zentral 
einwirkendes Trauma hervorgerufen werden. Bei der Häufigkeit von Traumen 



132 


Kleiner« Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


einerseits und der multiplen Sklerose anderseits muß jedoch gerade so wie hei 
der Tabes hie und da eine rein zufällige Koninzidenz Vorkommen. 

Viel häufiger spielen Traumen in der Vorgeschichte Ton Syringomyelien 
eine Bolle. 

Chronische Pacbymeningitis baemorbagica, Leptomeningitis, tuberkulöse 
Meningitis, Epilepsie können durch ein Trauma erzeugt, Hydrocephalus ver¬ 
schlimmert werden. 

Die traumatische Spitapoplexie ist auf eine Arteriitis und Aneurysma¬ 
bildung derjenigen Gehirnarterien zurückzuführen, die sich im Bereich der 
Zerstörung und Encephalitis befinden. 

Gehirnabszesse entstehen nur selten nach Traumen, wenn nicht zugleich 
anderswo Eiterherde vorhanden sind. 

Gehirntumoren werden nicht an sich durch Traumen hervorgerufen, ihre 
Zurückführung auf sie als auslösendes Moment darf nur mit größter Vorsicht 
geschehen, ein zufälliges zeitliches Zusammenfällen kann absolut nicht aus¬ 
geschlossen werden. Dr. Kurpjnweit -Swinemünde. 


Ik 


Veber periodischem Wandertrieb nach Kopfverletzung. Von Prof. 
Dr. H. Zingerle-Graz. Monatsschrift ftkr Unfallheilkunde und Invaliden- 
wesen; 1909, Nr. 8. 

Verfasser geht davon aus, daß die Bedeutung von Schädeltraumen für 
die Entwicklung periodischer Geistesstörungen durch vielfache Erfahrungen 
sichergestellt ist, oft aber ist das Trauma nur ein Moment, welches eine schon 
früher vorgebildete Krankheitsanlage zur Auslösung bringt und somit nur 
eine auxiliäre Bedeutung hat Er beschreibt einen Fall mit periodisch 
auftretendem Wandertrieb, der seit einem Kopftrauma auf getreten war und 
der sich jedesmal ziemlich unvermittelt aus einem Zustande geistiger Gesund¬ 
heit entwickelte und sich meist nach kürzerer Dauer wieder vollständig 
verlor. Von Interesse ist hierbei besonders, daß, wie dies auch bei anderen 
periodischen, psychischen Störungen beobachtet werden kann, eine bestimmte 
Jahreszeit, nach Angabe der Mutter die Herbstzeit sich als bevorzugt erwies. 

Dr. R. Thomalla-Johannisburg (Ostpr.) 


Zur Frag* der traumatischen Tabes. 2 Fälle aus der Heilanstalt für 
Unfallverletzte. Von Dr. K o e m e r t • Berlin. Monatsschrift für Unfallheilkunde 
und Invalidenwesen; 1909, Nr. 7. 

Verfasser stellt es als zweifelhaft hin, ob die jetzt eingeführte Sero¬ 
diagnostik von unbedingter Sicherheit für die Fälle von Tabes sein werde, 
bei denen man eventuell Syphilis als Ursache ansehen kann. Er bespricht 
zwei Fälle, die beide an zweifelloser Tabes, angeblich infolge eines Unfalles 
leiden. Bei dem einen war die Seromprobe auf überstandene Syphilis negativ 
der andere lehnte die Blutuntersuchung ab. Wenn auch der zweite Fall dem 
Verfasser einwandfrei zu sein scheint und als rein traumatischer dargestellt 
werden kann, so knöpft er doch die kritische Bemerkung daran, daß ihm die 
Reaktion des Rückenmarks auf eine mechanische Läsion mit dem wohl um¬ 
schriebenen pathologisch-anatomischen Bilde der Hinterstrangdeireneratfru. 
der Tabes zugrunde liegt, außerordentlich auffallend erscheint. ’ 

Dr. B. Thomalla-Johannisburg (Ostpr.) 

Ueber Lungentuberkulose infolge Quetsekungew. Von Dr Gin. a_, 

La Medicina degli Infortuni del lavoro e delle Malattie profeuäinn.u. 

Nr. 9/10. iwjsionali, 1909, 

Verfasser führt aus seiner Praxis 2 einwandsfrei, soweit die« eh v 
möglich ist, zu beweisende Fälle von traumatischer Lungentuberlrni««»örnaupt 
knüpft daran eine Reihe von Betrachtungen über die traumatisptia t ^ V 1 , un< * 
und Bewertung dieser Krankheit, die, gestützt aul die AnnirVt Ji,ntet ®"Ong 
darunter deutscher Autoren, in recht klarer Weise das 
prägnant zum Ausdruck bringen. Die beiden Fälle sind kur« «„i® e &r ®^ er 
erste Fall betrifft einen 24jährigen Trambahnkutscher, der u ,®’. Do* 

lastet, seiner Militärpflicht genügte, danach als »frei von »bm? v be- 

und von gesunder, kräftiger Konstitution* in den Straß ** L j 18 ,, 6 ® Fehlem 
nommen wurde, in denen er 14 Tage nach erfolgter a ° n ^6nst ßb^~ 



Kleinere Mitteilangen and Referate ans Zeiteehriften. 133 

dadnrch erlitt, daß er eine müßig schwere Quetschung an linker Rippenwand 
davontrag. Unmittelbar danach trat Haemoptoe, verbunden mit lebhaftem 
Schmerz, ein. Obwohl an den Brustorganen nichts zu finden war, verschlechterte 
sich der Zustand des Verletzten allmählich, er magerte ab, fing an, zu husten 
und Uber Atemnot zu klagen. Nach 3 Monaten wurde Dämpfung über der 
linken Spitze mit verschärftem Atemgeräusch festgestellt. Ein Jahr nach 
dem Unfall erfolgte der Tod an Lungentuberkulose. 

Im zweiten Fall handelt es sich um einen 45jährigen gesunden Fuhr¬ 
mann, der beim Fall vom Wagen eine Qaetschang des Brustbeins und der 
linken Seite erlitt. Auch hier war sofort 8 chmerz und an demselben Tage 
noch Bluthusten aufgetreteo. Die Beschwerden hörten nicht mehr auf; es 
entwickelte sich allmählich eine Affektion der linken Lunge, die nach dem 
Bazilien befund mit Sicherheit als tuberkulös anzusehen war. Der Krankheits¬ 
prozeß kam jedoch zu einem gewissen Stillstand, so daß der Verletzte 2‘/t 
Jahre nach dem Unfall noch lebte, wenn auch wegen allgemeiner Schwäche 
Arbeitsunfähigkeit bestand. 

Beide Fälle wurden so beurteilt, daß im ersten Fall die Hinterbliebenen¬ 
rente, im zweiten eine Rente für dauernde, völlige Erwerbsunfähigkeit be¬ 
willigt wurde. 

Die Frage nach dem ursächlichen Zusammenhang einer Lungentuber¬ 
kulose mit einem voraufgegangenen Unfall hat folgende Momente zu berück¬ 
sichtigen: 

1 . den Gesundheitszustand des Individuums im Augenblick des Traumas, 

2. die Bedeutung und den Grad der Gewalteinwirkung, 

3. den Sitz des Traumas, 

4. seine unmittelbaren Einwirkungen, 

5. die Zeit zwischen Trauma und Krankheitsausbruch, 

6 . die Reihenfolge der Krankheitserscheinungen, 

7. der Obduktionsbefund in tödlich verlaufenden Fällen. 

Zu 1. Es sind drei Möglichkeiten vorhanden, nämlich der Verletzte 
konnte im Augenblick des Traumas bereits tuberkulös oder vollkommen gesund 
oder relativ gesund sein. Im ersten Fall kann man nicht von einer trauma- 
fischen Tuberkulose, sondern nur von einer Krankheitsverschlimmerung infolge 
des Traumas sprechen, wenn die Krankheit in eine neue, schwerere Phase 
Aber geht oder schneller, als man annehmen konnte, zu Tode führt. Was den 
absoluten Zustand von Gesundheit betrifft, so ist daran zu erinnern, daß auch 
uscheinend ganz gesunde Personen sehr häufig tuberkulöse Herde aufzuweisen 
haben (nach Burkhardt sind nur 9°/« der obduzierten Individuen frei von 
Tuberkulose). Um einigermaßen den Gesundheitszustand beurteilen zu können, 
ist eine ganz sorgfältige Anamnese aufzunehmen. Man nimmt an, daß tuber¬ 
kulöse Herde im menschlichen KOrper latent bestehen können und daß ohne 
das gelegentlich einwirkende Trauma ein Aufflackern des verborgenen Herdes 
niemals stattzufinden braucht. 

Zu 2. Es bedarf nur einer mäßigen Kontusion, namentlich des Brust¬ 
korbes, um einen latenten bazillären Prozeß zu entfachen oder einen schon 
bestehenden zu verschlimmern. Es ist aber Erfordernis, daß subjektive und 
objektive Störungen durch das Trauma gesetzt werden. 

Zu 3. Wenn auch meist der Thorax der Sitz der Kontusion ist, so 
kann auch ein allgemeines Trauma (Sturz aus der Höhe) oder eine indirekte 
Verletzung die Ursache sein. Gewöhnlich ist die verletzte Seite auch die, die 
nachher erkrankt; möglich ist aber auch eine Einwirkung durch Contrecoup. 

Zu 4. Unter den unmittelbaren Einwirkungen des Traumas spielt eine 
besondere Rolle die Haemoptoe; doch kann bei der Mannigfaltigkeit der ersten 
Symptome diese auch fehlen; auch ist daran zu denken, daß eine Lungen¬ 
blutung oft eine nicht traumatische Tuberkulose einleitet. Eine sofortige 
bakteriologische Untersuchung des blutigen AuBwnrfs ist natürlich von großer 
Wichtigkeit. Die Blutung kann mehr oder weniger reichlich sein. 

Zu 5. Die Schwierigkeit einer Zeitbegrenzung ist darin begründet, daß 
wir über die Inkulation der phthisischen Prozesse nichts wissen; auch ist ein 
Unterschied zu machen, ob es sich um die Verschlimmerung eines schon be¬ 
stehenden tuberkulösen Prozesses handelt oder um die Entwicklung eines 
Krankheitsprozesses in einem absolut oder relativ gesunden Menschen. Im 
ersten Fall wird man die Zeitdauer nur kurz (bis zu 3 Monaten nach 



134 


Kleinere Mitteilungen nnd Keferate ans Zeitschriften. 


Schindeier) annehmen müssen, im zweiten Fall rechnet man ron einigen 
Tagen bis in mehreren Monnten. 

Za 6. Die Krnnkheitserscheinangen müssen ananterbrochen nach Auf- 
treten der ersten Symptome sich aneinander reihen. 

Za 7. Außerordentlich wichtig ist der Obduktionsbefund. Es wird zam 
Nachweis einer traamatischen Tuberkulose verlangt, daß es sich um eine 
frische Affektion handelt, wenn das Trauma vor nicht langer Zeit einge¬ 
wirkt hat. Leider fehlt es in Italien (wie auch bei uns 1) an einer gesetz¬ 
lichen Vorschrift, wonach in derartigen Fällen die Obduktion vorgenommen 
werden muß. 

Bei der Bewertung des Grades, der Dauer und des Schadens einer 
traumatischen Lungentuberkulose ist daran zu denken, daß die Prognose 
immer sehr ernst ist, daß es aber auch Fälle gibt, in denen die Krankheit 
Jahre lang dauert. Der Fall, daß Jemand einen Andern absichtlich eine Ver¬ 
letzung zufttgt, die zu einer Lungentuberkulose und danach zum Tode führt, 
kann nicht als Totschlag aufgefaßt werden, da Bolche Folgen nicht vorgesehen 
werden konnten oder nicht gewollt waren. Nach italienischem Becht wird in 
solchen Fällen von „omicidio preterintenzionale" (unbeabsichtigter Totschlag) 
gesprochen. 

Die Bemessung des Schadens inbezug auf die Unfallversicherung richtet 
sich nach dem Zustand des Verletzten. Eine gewisse Liberalität des Arztes 
bei Bemessung des prozentualen Schadens empfiehlt sich jedenfalls. Das 
italienische Gesetz läßt ähnlich wie bei uns die Gewährung einer Bente zu, 
wenn es sich nur um Ausbruch und Verschlimmerung einer latenten Krank¬ 
heit durch einen plötzlichen Unfall bei der Arbeit handelt. 

Dr. Solbrig-Allenztein. 


Traumatische Lungentuberkulose. Von Dr. Gius. Cardon-Livorno. 
La Medicina degü Infortuni del lavoro e dolle Malattie professionell; 1909, 
Nr. 11. 

Verfasser hatte über einen derartigen Fall ein Obergutachten für das 
Tribunal abzugeben, das in der Hauptsache hier wiedergegeben wird. Es 
handelte sich um einen 89 Jahre alten Lastträger, der, aus völlig gesunder 
Familie und selbst bis dahin gesund, einen ziemlich heftigen Unfall durch 
Aufschlagen der rechten Brustseite gegen einen Hafendamm erlitt, danach 
noch in stark schwitzendem Zustand ins kalte Wasser stürzte. Es trat alsbald 
Schmerzhaftigkeit der Brust, Husten, mit leichtem blutigen Auswurf, Atemnot 
und leichtes Fieber ein. Im Verlaufe von S Monaten wurde eine Tuberkulose 
beider Langen (Bazlllenbefand positiv) festgestellt. Die Krankheit wurde als 
durch den Unfall hervorgerafen anerkannt und dem Verletzten eine Abfindungs¬ 
summe von 35°/o zugesprochen. 2 Jahre später erklärten die Aerzte den 
Kranken für dauernd arbeitsunfähig. Verfasser beobachtete ihn während 
zweier Monate sehr genau uni kam hiernach zu dem Ergebnis, daß, nachdem 
der Bazlllenbefand negativ ausfiel und blieb, der Lungenbefund bis auf leichte 
Basselgeräusche keinerlei Abweichungen darbot, auch der Allgemeinzustand 
ein recht befriedigender geworden war, eine klinische Heilung der Tuberkulose 
eingetreten sei und keine Herabsetzung der Arbeitskräfte mehr bestehe. 

Daß in der Tat von einer Heilung gesprochen werden konnte — was 
bet den ungünstigen sozialen und hygienischen Verhältnissen, unter denen der 
Mann lebte, besonders auffallend und bemerkenswert ist — ergab sich daraus, 
daß Verfasser denselben Mann noch durch zwei weitere Jabre beobachtete 
und hierbei feststellte, daß der Zastand der Besserung bezw. Heilung anhielt 
und der Mann anhaltend, z. T. recht schwer gearbeitet hatte. 

In seinen ausführlichen Bemerkungen über das Zastandekommen der 
traumatischen Lungentuberkulose und die Abschätzung der Verminderung der 
Arbeitsfähigkeit kommt Verfasser zu ähnlichen Schlüssen, wie Ayala in seiner 
vorher besprochenen Arbeit. _ Dr. Solbrig-Allenstein. 

Dupuytren’sche Krankheit durch direktes Trauma. Betriebsunfall. 
Von Dr. C. Canestro-Genua. La Medicina degli Infortuni del lavoro 
usw.; 1909, Nr. 11. 

Die Dupuytrensche Krankheit wird vielfach als eine eigne abge- 



Kleinere Mitteilungen und Sefonte 


Zeitschrift**. 


ernste Form angesehen, deren Eigenheit in einer permanenten Kontraktur 
der Finger, herrorgernfen durch Reaktion der Apoiieuroaia palmariH besteht« 


ii dieser Veränderung an erblicken. Als Ursache für solche 

kommen Nervenkrankheiten, Arteriosklerose, Lues, AJ koholismu» Qirht tv v a®* 

Rheumatismus, Tuberkulose und andere Krankheiten, vor allen* 

Trauma in Betracht Verfasser bereichert die bisherige nur 8pfi r jjcmT Ä or 
über derartige traumatiBcbe Falle durch einen von ihm beoh^w Literatur 
begutachteten Fall Es handelt sich um einen 27jährigen gesn^i t * eten Wld 
sicht belasteten Lastträger, der eine Qaetschnng der linken erblich 

erlitt, dafi diese zwischen ein Eisenstück und einen Uolzkasten ? dadurch 
alsbald eine Anschwellung der Hand und nach 24 Standen eine i fi f L -® 8 trat 
uiterlaufong am Handrücken auf; irgendwelche Heutverletzu ®lnt- 

Die alsbald eingeleitete Behandlung bestand in SablimatpÄcknn^e», xehlten. 
httsage, warme Bäder und Quecksilbersalbe. Als die Schwellung JL Ä 8 kr*S r 
bemerkte der Verletzte, daß die 3 letzten Finger der verletzten ff ä » w 
jchwerer strecken ließen. Verfasser stellte eine genaue Untersuch dem 

Varietäten an und fand bei sonst völlig normalem Zustand, auch hizzsichtlioh 
des Nervensystems und des Urins, die 8 letzten linken Finger halb g’ebeast 
®sd in der Gegend des vierten Met&carpus eine kleine Erhabenheit; - diese 
8 Finger konntea völlig gebeugt, aber, auch passiv, nicht vollkommen «Tes treckt 
werden; die Versuche einer forzierten Streckung waren mit Schmerzen ver . 
bunden; die Haut an der Beugeseite der betroffenen Finger hatte ein 
wchaemischea Aussehen. 

Alle sonst in Betracht kommenden Ursachen für die Kontrakturen bis 
auf die traumatische Entstehung mußten fallen gelassen werden, da keine von 
dei oben genannten Krankheiten vorlag, auch die Bilatualität der Veränderung 
fehlte. Was die traumatische Entstehung der Dupuytrenschen Rrmukkeit 
betrifft, so kann es sich um ein einmaliges Trauma — wie im vorliegenden 
Fall - oder wiederholte Traumen handeln. Das Trauma kann direkt oder 
indirekt einwirken. Es muß aber, um die traumatische Entstehung wahr' 
icheinlich zu machen, eine Kontinuität der Erscheinungen, wie es im vor¬ 
liegenden Fall geschieht, vorliegen. Meist handelt es sich um dauernde or- 
iiderungen; Heilungen sind selten, obwohl es an Methoden ^Behandlung 
solcher Zustände nicht fehlt Am ehesten führt eine chirurgische Behandlung* 
aimlich Abtragung der Aponeuroae, zum ZieL^ 8olhxlgmA31tm t*in. 


Ela Fall tob Hantkarstnom Bach Trauma. Von Dr. Henr i c fct , 
Assistensarst der Chirurg. Abteilung des Marien -Krankenhauses im Hambei fif* 
Mtnchener med. Wochenschrift; 1909, Nr. 3. tr«*»— 

Ein Fabrikarbeiter hatte vor 10 Jahren eine größere VerhrMiiung aanma 
nehten Arme erlitten, infolge deren die Haut des ganaen y. ordera J^’ t 8 ^T^f 
der distalen H&lfte des Oberarms in weitem Umfange narbig; ^r&nder^ 

Aaf einer solchen narbig veränderten Stelle des rech . 

paar Monate vor der Abnahme ins Krankenhaus.durch den.Arm eines 
etnbles einen Schlag wobei sich darch die Quetschung eine blaue, <»• 

PoBe Blase bildete, u Tane S - die Blase bestand noch - schlm 

“? d " A ™. de * WebMtSüls wieder gegen dieselbe ^J’/’beetaud* 

«öffneten Bl«se entleerte «ich blutige Flüssigkeit, »eltaem "»»«• 

Qeechwür oberhalb der Ellenbeuge, das trotz Behandlung allm - 

iaag immer mehr sunSm tid Äes, WBtologisch wtersujt, steh als eb 

.Sri* da» « *P*«' »“s- ä * “ *“ ^ 

5Äff KsaaiMsr "s 







136 


Kleinere Mitteilungen nnd Referate ans Zeitschriften. 


sicherangsgesets, an dessen Verbesserung namentlich von mediainischer Seite 
viel gearbeitet wird, findet sich zwar eine Bestimmung, wonach bei jeden 
Betriebsanfall innerhalb von drei Tagen eine ärztliche Bescheinigung Aber 
den Zastand des Verletzten, die voraassichtlich eintretenden Folgen and die 
wahrscheinliche Zeitdauer bis zur Erkennung des Ansgangs der Verletzung 
beizubringen ist, jedoch ist, wie Verfasser aus seiner Erfahrung als Ver¬ 
trauensarzt ausführlich darlegt, der jetzige Modus noch unvollkommen. 
Namentlich wird vielfach seitens der Unfallbeschädigten, da es oft an einer 
genauen Beschreibung des Zustandes nach dem Unfall und den erforderlichen 
rechtzeitigen KontroUuntersuchungen durch Vertrauensärzte fehlt, versucht, 
durch betrügerische Manipulationen — artifizielle Wunden, Vorschiebung alter 
Schäden als angebliche Unfallverletzungen, Versuche, sich für denselben Unfall 
von verschiedenen Versicherungsanstalten entschädigen zu lassen usw. — zu 
unverdienten Benten zu gelangen. Besonders betrübend aber ist, es zu büren, 
daß in der Mehrzahl der Fälle die Aerzte bona fide handeln, so wird der 
Vorwurf dadurch nur teilweise abgescbwächt. 

Um nun eine Besserung des bestehenden Zustandes herbeiführen zu 
können, wird empfohlen, daß die Aerzte, die das erste Attest über einen Unfall 
auszustellen haben, sich eines Schemas für die Untersuchung und Ausstellung 
bedienen, wie es Verfasser aufgestellt hat. Dieses Schema ist praktisch und 
einfach; auf der eben Seite ist der lokale, auf der andern Seite der 
all'gemeine objektive Befund b bestimmten Fragen und unter Hrnweis auf 
die beachtenswerten Gegenstände (z. B. Beschreibung der Umgebung der ver¬ 
letzten Stelle nach alten Narben, Deformitäten, Frakturen usw.), dargestellt. 
Immerhb erfordert die sorgfältige Untersuchung ebes Unfallverletzten nach 
diesem Schema und Ausfüllung des Fragebogens eine solche Mühe und eben 
Zeitaufwand, für die ebe Bezahlung von 4 Lire, wie sie Verfasser für gerecht¬ 
fertigt hält, nach unseren Begriffen recht niedrig erschebt. 

Dr. Solbrig-Allensteb. 


Das Heilverfahren ln der Invaliden-Versicherung durch Lieferung 
von Zahnersatz, Prothesen nnd Apparaten. Vortrag, gehalten am 26. No¬ 
vember 1909 im Seminar für soziale Medizin, von Dr. H. Begemann-Berlb. 
Halbmonatschrift für soziale Hygiene und Medbb; 1910, Nr. 1. 

Der sehr lesenswerte Aufsatz bringt ebe große Reihe interessanter 
Ebzelheiten über die Tätigkeit der Landesversicherungsanstalt Berlb. Es 
walten hier in Lieferung von Zahnersatz usw. gewisse fiskalische Prinzipien 
ob, fiskalisch bsofern, als irgendwie überflüssige und zweckwidrige Ausgaben 
vermieden und nur soweit derartige Kosten übernommen werden, als es ohne 
Schädigung der großen Allgemeinheit der Versicherten geschehen kann. Es 
ist dies ein gewisser Gegensatz zu der sonstigen Großzügigkeit und Liberalität, 
die z. B. bei der Aufnahme von Taberkulüsen b Heilstätten vorherrscht. 

Die Hauptfrage bei Gewährung von solchen Mitteln lautet: Wird 
durch die Bewilligung ebes derartigen Heilverfahrens, durch Gewährung von 
Prothesen usw. ebe Mbderausgabe entweder sofort oder für spätere Zeiten 
erzieltP Die Versicherungsanstalt Berlin hat im Jahre 1907 für künstliche 
Gebisse 151000 Mark ausgegeben. Weibliche Personen kommen bei Ge¬ 
währung dieser künstlichen Gebisse etwas schlechter weg, weil sie sich ver¬ 
pflichten müssen zur Rückzahlung der ausgelegten Kosten, falls sie bnerhalb 
der nächsten zehn Jahre heiraten. 

Personen über 60 Jahre, wo der Zahnarzt kaum noch Erfolg hat, haben 
auch wenig Aussicht auf Bewilligung, ebenso wenig Neurastheniker, die sich 
am schwersten an das Tragen der Ersatzstücke gewöhnen. Besteht ferner 
neben der Verdauungsstörung eb anderes schweres Leiden, das durch die 
Gewährung des Gebisses nicht günstig beebflaßt wird und den Eintritt der 
Invalidität bald erwarten läßt, so wird ebenfalls das künstliche Gebiß versagt. 
Die Versagung erfolgt aueh gegenüber den Epileptikern, Alkoholikern, Kranken 
mit Magenatonie, mit alten Magengeschwürsnarben oder Verwachsungen, wo 
auch das künstliche Gebiß ebe Besserung nicht erzielt. 

Auf der anderen Seite wird eb künstliches Gebiß gewährt, wenn es 
notwendig ist als Vorbedbgung für den Erfolg ebes anderen Heilverfahrens, 
z- B. für die Aufnahme b ebe Lungenheilstätte. Auch kosmetische Bück- 



Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


137 


sichten sind ausschlaggebend, wenn der Bern! des Versicherten Anforderungen 
an den loderen Menschen stellt, deren Nichterfüllung ihn vielleicht seine 
Stellung kosten kann. 

Es wird unterschieden, ob das künstliche Gebiß ganz dringend, unbe¬ 
dingt erforderlich oder nur wünschenswert ist. Den Besitzern eines künst¬ 
lichen Gebisses wird ein Merkblatt eingeh&ndigt zur Behandlung des 
Zahnersatzes. 

Weiter liefert die Versicherungsanstalt Stütz-Korsetts, Stütz¬ 
apparate, Beine, Schienen usw. Derartige Hilfsmittel wurden im 
Jahre 1906 an 21 Minner und 27 Frauen, 1907 an 38 Männer und 16 Frauen, 
1906 an 19 Männer und 12 Frauen gegeben. Immer muß hierbei im Auge 
behalten werden, ob durch die Bewilligung die Erwerbsunfähigkeit entweder 
aufgehoben oder auf längere Zeit verhindert werden kann. Daß für manchen 
Arbeiter die billigeren, haltbareren Stelzfüße praktischer sind, als komplizierte 
künstliche Beine, ist einleuchtend. Die Art des Berufes muß entscheiden. 

Plattfußstiefel werden ebenfalls in großer Zahl bewilligt. Ein 
starkes Kontingent der mit Plattfüßen Behafteten stellen die Fahrer der 
Straßenbahnen; durch die Plattfaßeinlage wird ihnen wenig geholfen, 
wul sie den größeren Teil des Jahres, darch die Kälte gezwungen, schwere 
Holsstiefel tragen, an denen sich passende Plattfußeinlagen nur schwer an- 
brügen lassen. Sie tragen dann die gelieferten Plattfaßstiefel nur an dienst¬ 
freien Tagen, gleichsam als Sonntagsstaat. 

Glasaugen werden verabreicht an Personen, die mit dem Publikum 
iw Verkehr stehen: Verkäufer, Kellner usw. 8ogar Perrücken sind gegeben, 
so hat z. B. eine Versicherte, die infolge einer nervösen Störung nach einem 
Unfall ihr Haar vollständig verloren hatte, Stellung als Verkäuferin in einem 
Warenhause gefunden, nachdem sie ihre Blöße durch eine Perrücke bedecken 
heute. 

Referent kann nur wiederholen, daß der Vortrag des Lesenswerten 
fiel bietet Dr. Hoffmann-Berlin. 


B. Bakteriologie, Infektionskrankheiten und öffentliches 

Sanitätswesen, 

1. Bekämpfung der Infektionskrankheiten. 
Ankylostoma (Wurmkrankheit). 

Untersuchungen über die Gegenwart der Chareot • Robinsehen 
Irystnlle und des Blutes in den Fäzes der Wurmkranken. Von Dr. P. D. 
Siccardi in Parma. 11 Ramazzini; 1909, Fasz. 6—7. 

Aus 10 Untersuchungen Wurmkranker ergab sich, daß der Befund der 
Chareot - Bobin -Krystalle kein konstanter ist; solche Krystalle können viel- 
aahr in sehr schweren Fällen fehlen und bei ganz leichten Fällen Vorkommen. 
Aach die Blutreaktion nach Weber und Rossel besitzt keine Bedeutung 
Ar die Pathogenese der Wurmkrankheit Dr. Solbrig-Allenstein. 


Die Hämatologie bet der Anehylostomlasis. Von Dr. P. D. Siccardi 
in Parma. II Ramazzini; 1909, Fasz. 6—7. 

Aus 14 Untersuchungen verschiedener Grade von Wurmkrankheiten 
ergab sich, daß die Eosinophilie (Vermehrung der eosinophilen Zellen) kein 
Kriterium dafür bildet, ob Parasiten im Darm noch vorhanden sind oder nicht, 
da sie in keiner Beziehung zu dem Grade der Anaemie, berechnet nach dem 
Hämoglobingehalt des Blutes, steht also keinen praktischen Wert zur Be¬ 
urteilung einer etwa erfolgreichen Wurmkur besitzt. 

_ Dr. Solbrig-Allenstein. 

Das Fieber der Wurmkranken. Von Dr. U. Bianchini. H Ramazzini; 
1909, Fasz. 6—7. 

Verfasser beschreibt genauer 20 Fälle von Warmkrankheit, die in der 
Klinik zu Florenz behandelt wurden, wobei namentlich mit besonderer Sorg¬ 
falt auf etwaige Temperatursteigerungen,wie solche von anderer Seite beobachtet 
wurden, geachtet wurde. 

Die 20 Fälle werden je nach dem Grad der Anaemie in 9 Gruppen ein- 



188 


Kleinere Mitteilungen nnd Referate ans Zeitschriften. 


geteilt, die erste, leichte Form, wobei der H&moglobingehalt nnd die Zahl der 
roten Blutkörperchen um V* vermindert ist, die zweite, schwere Form, bei der 
die Redaktion etwa */» beträgt, nnd die dritte, schwerste Form, wobei eine 
Redaktion nm */» *n bemerken ist. Hiernach waren 9 leichte, 9 schwere, 
2 sehr schwere Formen. Von den 20 Fällen verliefen 11 vollständig fieberlos, 
davon waren 5 leichte, 5 schwere, 1 sehr schwere Form. Fiebersteigerangen 
kamen vor bei 2 Fällen (1 leicht, 1 schwer), die mit anderen Krankheiten 
kompliziert waren; sie waren offenbar allein dnreh diese Komplikation be¬ 
dingt. Bei den übrigen 7 Fällen war nnr vorübergehend, zuweilen nur ein¬ 
malig, leichte Temperaturerhöhung bis höchstens 88,7° zn bemerken. 

Hiernach kann man nicht von dem häufigen Vorkommen von Fieber 
oder von sabfeorilen Zuständen sprechen, sondern maß feststellen, daß Tem- 
peratursteigerungen bei der Anchylostomiasis ein gänzlich anfälliges Ereignis 
darstellen, gleichgültig, wie der Grad der Anaemie dabei ist. 

_ Dr. Solbrig-Allenstein. 

Pnrnsltologlselte Beobachtungen über die Flies bei der Anchy- 
lostomlasis (durch Anehylostomum duodenale nnd Anehylostoma amerl- 
eanum). Von Dr. D. Siccardi-Parma. 11 Ramazsini; 1909, Fass. 6—7. 

Aus 14 genaueren Untersuchungen von Warmkrankheit, davon 9 Fälle 
von alleiniger Infektion dnreb die amerikanische Art, 5 von einer Kombination 
dieser Art mit dem Anehylostomum duodenale, ergab sich, daß mit beiden 
Arten von Würmern gleichzeitig alle übrigen bekannten Darmparasiten, wie 
Oxyaras, Trichocephalns, Ascaris, Strongyloides, bei der wnrmbeüafteten Land¬ 
bevölkerung Vorkommen. Die Unterscheidung des Anehylostomum americanum 
von dem Anehylostomum duodenale ist nur möglich durch genaue Größen- 
messungen. Die Ansicht von der größeren Widerstandsfähigkeit des männ¬ 
lichen Anehylostomum gegenüber den Wurmmitteln ist unhaltbar. Der Zyklus 
der Entwicklung der Larven der amerikanischen Art entspricht ganz dem des 
Anehylostomum duodenale. Dr. Solbrig-AllenBtein. 


Das Vorkommen des „Necator Amerleanus“ (8ttles) ln der Provinz 
Paria. Gefahren einer neuen Endemie. Von Prof. Ach. Monti. U Ra- 
mazzini; 1909, Fasz. 6—7. 

Nachdem in Amerika von 8tiles im Jahre 1902 ein dem Anehylostomum 
duodenale ähnlicher, jedoch andersgearteter Nematode, der sog. „Necator 
Americanus* entdeckt und bald darauf in verschiedenen amerikanischen 
Staaten, danach auch in Afrika festgestellt worden ist, fanden verschiedene 
Forscher auch in Italien diesen Parasiten bei aus Amerika zurückgewanderten 
Personen. 

Verfasser hatte Gelegenheit, bei 2 aus Brasilien nach ihrer italienischen 
Heimat zurückgewanderten Landleuten, Brüdern, genauere Feststellungen in 
dieser Beziehung zu machen. Klinisch zeigten die Erkrankten Zeichen von 
Anämie, verbanden mit Klagen über Kopfschmerzen, Schwindel, Neuralgie. 
In den Fäces fanden sich zahlreiche Eier, diejenigen des Anehylostomum 
ähnlich. Die Kur gestaltete sich ziemlich schwierig: Filix mas in Dosen von 
16 g blieb vollkommen wirkungslos; erst nach Darreichung von je 12 g Thymol 
wurden von jedem Kranken etwa 300 Würmer ausgeschieden. Die genauere 
Untersuchung der Würmer und Eier ergab, daß es sich um die von Stiles 
beschriebene Art handle. Würmer und Eier sind nur bei mikroskopischer 
Untersuchung von dem Anehylostomum zu unterscheiden. Die Würmer der 
Stiles-Art sind etwas dicker, das Kopfende mehr gekrümmt, die Mundöffaung 
kleiner. Die Eier davon sind größer, ihre Hülle feiner. (Die Unterschiede 
beider Arten sind auf vorzüglichen photographischen Abbildungen, die der 
Montischen Arbeit beigefügt sind, zu erkennen). 

Aus den Eiern des Necator Americanus entwickeln sich wie auch aus 
denen des Anehylostomum bei 26—28° innerhalb 48 Stunden Larven, welche 
nach 6 Tagen ein fadenförmiges Aussehen zeigen. Da der Wurm in Italien 
gute Existenzbedingungen findet, zweifelt Verfasser nicht, daß es auch in 
seinem Heimatlande zu endemischer Verbreitung desselben kommen wird; er 
richtet deshalb an seine italienischen Kollegen die Bitte, den neuen Feind, 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


189 


der den Heilmitteln gegenüber einen besonderen Widerstand entgegensetst 
aufmerksam an verfolgen. 

(Es würe interessant zu erfahren, ob auch bei ans in Deutschland dieser 
neue Parasit bereits beobachtet worden ist. D. Bef.). 

Dr. 8olbrig -Allenstein. 

Bemerkungen zur untthelmlnthlsehen Kur bei den Anchylostomiasls. 
Von Dr. P. D. SiccardL U Bamazzini; 1909, Fasz. 6—7. 

Es wurden Versuche mit Eztr. Fil. aether., Thymol und Naphtol ange¬ 
stellt. Das erstgenannte Mittel war selbst im frischesten Zustande und von 
bester Zubereitung in seiner Wirkung inkonstant und dem Ancbylostomum 
Stiles gegenüber gänzlich unwirksam. Das Thymol ist als wurmtreibendes 
Mittel vorzuziehen, da das Präparat von Natur stets gleich ist und niemals 
schädlich wirkt, leicht ayzuwenden und sehr wirksam ist. Den praktischen 
Versuchen in dieser Beziehung entsprachen auch die Experimente im Labo¬ 
ratorium mit Larven und Eiern der Würmer. Die dem Thymol von anderer 
Sette ungeschriebenen giftigen Eigenschaften sind stark übertrieben; es sind 
allerdings einige Fäile von Vergiftung danach vorgekommen, doch sind diese 
viel seltener als die nach Filix mas beobachteten Vergiftungen. Bei gehöriger 
Vorsicht — Gesamtdosis 6 g jo nach dem Alter der Kranken in 8 Gaben 
tos 2 zu 2 8tunden gegeben, nach vorheriger Entleerung des Darms durch 
Pugantien und bei Verbot des Genusses von Alcoholicis an dem Kurtage — 
ht die Kur ungefährlich und dabei wirksam. Die Kur kann jede Woche 
■amsl bis zur vollständigen Entleerung aller Parasiten wiederholt werden 
(bis 85 Mal). 

Bei Mischinfektionen von Anchylostomum duodenale und Anchylotsomum 
anericanum pflegen die enteren Parasiten nach Darreichung des Thymol eher 
eatleert zu werden als die letzteren. 

Das Naphtol hat keine bessere Wirkung als das Thymol. 

_ Dr. Solbrig-Allenstein. 


Die Entwicklung der Anebylostomlasls ln der Provinz Florenz, 
chronologisch, topographisch und nach den Berufen betrachtet. Von Dr. 
(J. BianchinL D Bamazzini; 1909, Fasz. 6—7. 

Seit dem Jahre 1888 wird in der Provinz Florenz das Vorkommen von 
Aachylostomiasis beobachtet. Die Erhebungen, die Verfasser über die Ver¬ 
breitung dieser Krankheit anstellte, beziehen sich auf den Zeitraum von 1898 
bis 1909, beschränken sich aber auf diejenigen Fälle, die in einem der größten 
Florentiner Krankenhäuser zur Beobachtung kamen. Wenn daher auch die 
Ziffern keinen Anspruch darauf machen können, daß sie die Morbidität für die 
ranze Provinz wiedergeben, so sind sie doch als ein Maßstab für eine ständige 
Ausbreitung der Krankheit anzusehen; denn, während in den ersten Jahren 
dieses 15 jährigen Zeitraums kaum ein Fall von Wurmkrankheit vorkam, stieg 
die Zahl progressiv im Laufe der späteren Jahre und betrug in der ersten 
Hälfte des Jahres 1909 bereits 12. Unter den Befallenen überwogen nach 
ihrem Berufe die Ziegelarbeiter (41 unter 82 Kranken überhaupt), danach 
kamen die Landwirte und Landarbeiter. 

Verf. hält auf Grund seiner statistischen Erhebungen die Gefahr der 
weiter um sich greifenden Verseuchung mit Anchylostomiasis für die Provinz 
Florenz keineswegs für gering, beklagt es, das seitens der Arbeiter selbst den 
Bemühungen der Aerzte die Warmträger zu ermitteln und die Erkrankten energisch 
einer Kur zu unterwerfen, Widerstand entgegengesetzt worden ist, mahnt zur 
Erziehung der Arbeiter und fordert schließlich gesetzliche Maßnahmen. 

_ Dr. Solbrig-Allenstein. 

ft. Ortshygiene. 

Die Luftverunreinigung in den Städten und ihre Verhütung. Von 
Direktor Job. Kesten-Zehlendorf. Zeitschrift für 8tadthygiene; 1909, H. 11. 

Jeder Hausneubau darf nur auf einen gesunden Untergrund zur Aus¬ 
führung gebracht werden; Terrainregulierungen durch AufhOhungen von infisier- 
ten Stoffen in unmittelbarer Nähe desselben müssen vermieden werden. Bei dem 
Abbruch alter Gebäude darf der hierbei sich ergebende Bauschutt, weil dieser 



140 


Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften 


in den meisten Fällen initiiert, in unmittelbarer Nähe von Neubauten nicht 
zum Einfällen tiefgelegener Terrainflächen verwendet werden. Bei Anlage 
neuer Straßen ist darauf zu achten, daß deren Breite, namentlich bei ge¬ 
schlossener Bauweise, zu beiden Seiten derselben so dimensioniert wird, daß 
Luft und Licht in ausreichendem Maße zu den untersten Wohnungen gelangen 
können. Außerdem sind dieselben so anzulegen, daß ein Durchzug vorhanden 
damit die verbrauchte Luft abgefllhrt und durch frische Luft ausgewechselt 
werden kann. Neubauten sind gegen Feuchtigkeit entsprechend zu isolieren. 
Vorhandene Abortanlagen und Düngergruben, welche gegen den Erdboden 
undicht sind, müssen entsprechend gedichtet werden. Die Dunstabsftge 
dieser Anlagen müssen, um ihre Wirkung als solche zu fordern und ander¬ 
seits, um zu vermeiden, daß die abziehenden Oase je nach der Wind¬ 
richtung nicht in Wohn- oder Schlafräume usw. gelangen, mindestens 
1—2 m über die Dachtraufe des betreffenden Wohnhauses hin weggeführt 
werden. Bei Abbruch alter, auf verunreinigten Boden befindlicher Gebäude ist 
darauf zu achten, daß Neubauten auf den hierdurch freigelegten Terrains 
nicht eher zur Ausführung gebracht werden, als bis der verunreinigte Boden 
beseitigt ist. Hausmüll in Behältnissen sollte auf den Höfen länger als 
höchstens 3 Tage bis zu dessen Abholung nicht aufbewahrt werden, um 
dessen Fäulnis zu vermeiden. Auf den Straßen abgelagerter Schmutz sollte 
aus demselben Grunde täglich entfernt werden. Undichte Kanalisations- und 
Gasleitungsanlagen sind sorgfältig zu dichten. Die Feuerstätten in Wohn- 
und Fabrikgebäuden müssen so beschaffen sein, daß sie zu einer wenigstens 
tunlichst vollkommenen Verbrennung der aufgegebenen Brennstoffe führen, 
damit das AusstrOmen dunkeier Bauchwolken aus den Schornsteinen ver¬ 
mieden wird. _ Dr. Wolf-Witzenhausen. 

Ueber moderne Heiz- und Lüftungsanlagen in Wohnungen. Von 
Priv.-Doz. Dr. Bambousek-Prag. Zeitschrift für Stadthygiene; 1909, Nr. 12. 

Allen Anforderungen entspricht die Zentrallüftungs- und Luftheizung!- 

_1_JI- _• 1_ _ £a __T __T _ U_» ___J V _ 




zum Ideal der Luftzufuhranlagen ausgestalten läßt. 

__ Dr. Wolf-Witzenhausen. 

Das Kanalisationswerk der Stadt Cöpenik und seine allgemeine 
Bedeutung. Von Dr. Ing. B. Heine-Berlin. Gesundheit; 1909, Nr. 22—23. 

Das dem biologischen Verfahren verwandte, weil auch die organischen 
gelosten Stoffe beseitigende Kohlebreiverfahren ist ohne Schlammverbrennung 
wegen der Klärzusätze teurer, tritt jedoch bei technisch richtig durchgeführter 
Schlammverbrennung und Sdüacken-Auslaugung bezw. Verwertung in erfolg¬ 
reiche Konkurrenz mit jedem anderen Reinigungssystem. 

Dr. Wolf-Witzenhausen. 

Teermakadam ia England. Von Oberingenieur Dr. Bernhard -Karls¬ 
bad. Gesundheit; 1909, Nr. 20—22. 

Verfasser bespricht die in England mit dem Teermakadam gemachten 
Erfahrungen, die von W. S m i t h in dem Werk: „Dustless Roads tar Macadam* 
zusammengetragen sind, welches eine Fülle von neuen Anregungen gibt. Es 
ist wünschenswert, die Herstellung des Teermakadams in wissenschaftliche 
Bahnen zu lenken, um festzustellen 

1) die für die erfolgreiche Herstellung erforderliche Beschaffenheit der 
zu verwendenden Materialien, 

2) die zweckmäßigste Herstellungsart. Dr. Wolf •Witzenhausen. 


8. Gewerbehygiene. 

Taucherlfihmung. Von Graham Blick, Broome, West• Australien. 
Britisch medical Journal; 1909, 8. 1796. 

Die vorliegende Mitteilung besitzt einen gewissen Wert wegen der 
großen Krankenziffer und der recht großen Zahl von Obduktionen, auf welche 
sie sich stützt. Sie begründet außerdem die Ansicht, daß in mangelhafter 
Ernährung ein wichtiges disponierendes Moment zur Erkrankung gelegen ist 


Kleinere Mitteilangen and Referate ans Zeitschriften. 


141 


ln den Jahren 1900—1908 versorgte Blick einen der größten Perlfischer- 
besirke der 8(kdsee. Abgesehen von den leichteren Erkrankungen, die von 
den Betreffenden selbst als Rheumatismus bezeichnet wurden, kamen unter 
den Fischern, welche 400 Köpfe zählten, über 900 Fälle von Taucherkrankheit 
zur Beobachtung. 60 Kranke starben vor Ankunft des Arztes. Die 140 
Ueberlebenden zeigten alle Abstufungen der Caissonkrankheit, von der leichten 
Schwäche der Beine und der nie fehlenden Urinverhaltung bis zur schweren 
Paraplegie und Bewustloeigkeit. Klinisch besonders hervortretend sind die 
Blasenstörungen und die Symmetrie der Lähmungen. Die Blasenlähmung 
gehört zu den frühesten Zeichen und ist manchmal das einzige Symptom der 
Krankheit. Die Paresen der Beine treten hinten ein und verschwinden später 
als die der Arme. 10°/o behielten leichte Schwäche der Beiustrecker. In 
8 •/• der Fälle trat nach 8 Tagen tötlich verlaufende Meningitis hinzu. Manche 
erkrankten 2 mal, S mal und öfter und erholten sich mehr oder weniger voll¬ 
ständig. Sekundäre Strangdegeneration wurde nicht beobachtet. 

Häufigste Komplikationen waren Cystitis und Decubitus. Die Cystitis 
rührte her von der Benutzung unsauberer Katheter. Die Blasenlähmung ist 
den Tauchern so gut bekannt, daß jeder einen weichen Katheter mit sich 
führt. Der Decubitus ist meist die Folge der Anwendung unvernünftig heißer 
Bäder, die bei den Japanern in hohem Ansehen stehen. 

£s wurden 60 Autopsien aasgeführt. Die Leichen zeigten rasche 
Fäulnis. Im Rückenmark fanden sich punktförmige Blutungen, am zahlreichsten 
is der Höhe des 4.—6. Halswirbels, im Rückenmarkkanal flüssiges Blut, 
Hyperämie der Meningen und der Medulia oblongata. In einem Falle bohnen- 
iraße Hämorrhagie in der inneren Kapsel. In 9 Fällen ausgedehnte Blut- 
txtravasate in die Substanz des Rückenmarks in Höhe des 5. Halswirbels. 

Das Auftreten der Taucherkrankheit war in gewisser Hinsicht von der 
Jahreszeit abhängig. Trotzdem die Taucher im März ihre Arbeit beginnen, 
«eigneten sich fast keine Unfälle vor September; danach während der Monate 
Oktober und November fast täglich. Die Abhängigkeit erklärt sich aus dem 
Auftreten des Skorbuts, der die auf Konserven angewiesenen Leute schließlich 
befällt. Antiskorbutische Maßnahmen hatten eine Verminderung der Unfälle 
mr Folge. Dr. Revenstorf-Breslau. 


Ueber den Einfluss des Elsenbahndienstes auf das Hörvermögen der 
Bahabediensteten. Von San.-Rat Dr.Pollnow-Charlottenburg. Zeitschrift 
Mr Bahnärzie; 1910, Nr. 1. 

En ist erstens nicht zu erweisen, daß der Dienst im fahrenden Zuge 
ebe Schädigung des Hörvermögens bei dem Personal hervorruft; es ist auch 
zweitens sehr unwahrscheinlich, daß der Eisenbahnbetrieb durch seine Geräusche 
Mm Schädigung des Hörvermögens der Angestellten bedingt. 

Von Interesse ist die Feststellung, daß der Prozentsatz der Schwer- 
Urigen bei dem Lokomotivpersonal, soweit es vom Verfasser untersucht 
werden ist, seit 1897 erheblich abgenommen hat. 

Auch diese Zahlen scheinen die Ansicht zu stützen, daß im Bahndienst 
kriae (Jefahr für das Gehörorgan liegt, daß vielmehr die Schwerhörigkeit aul 
anderen Ursachen beruht. Eine Minderung der supponierten Gefahren des 
Geräusches, der Erschütterung und der notwendigen Anstrengung des Gehör¬ 
organs ist bei der stetigen Zunahme des Verkehrs und der größeren Fahr¬ 
geschwindigkeit sicherlich nicht eingetreten, sodaß für die Abnahme der 
Schwerhörigkeit andere Gründe vorhanden sein müssen. Die größere Zahl 
der in früheren Jahren vorhandenen Schwerhörigen dürfte in der Hauptsache 
noch aus der Zeit gestammt haben, in der auf die Voll Wertigkeit des Hörver¬ 
mögens bei der Anstellung nicht das Gewicht gelegt worden ist, wie später. 
Die Gefahren der Geräusche im Eisenbahnbetriebe sind denen in Kessel¬ 
schmieden und anderen gräusehvollen Betrieben nicht gleichzusetzen. 

Dr. Wolf- Witzenhausen. 


Gewerbliche Kinderarbeit ln den Vereinigten Staaten. Von Dr. 
E. 8ehultze in Hamburg-GroßborsteL Jagend Wohlfahrt; 1909, Nr. 11. 

Wirklichen Erfolg würde die gesetzliche Durchführung folgender For¬ 
derungen bringen: Völliges Verbot der Erwerbstätigkeit von Kindern unter 



142 Kleiner« Mitteilungen und Referate am Zeitschriften. 

14 Jahren; Verbot [aller gewerbliohen Beschäftigung von kranken oder Ter* 
krüppelten, unentwickelten oder des Lesens und Schreibens unkundigen Kindern 
unter 16 Jahren; Verbot, ein Kind unter 17 Jahren ohne besonderen Erlaubnis¬ 
schein, in welchem das Alter des Kindes sowie die Erlaubnis der Aufsichts¬ 
behörde anzugeben sind, zu beschäftigen; Ueberwachung und Durchführung 
dieses Gesetzes durch besonders ausgebüdete Aufsichtsbeamte; allgemeine Ein¬ 
führung des Schulzwanges; Verbot aller Nachtarbeit für Kinder unter 16 Jahren, 
und Beschränkung der Tagesarbeit auf höchstens 48 Stunden wöchentlich. 

Dr. Wolf - Witzenhausen. 


4. KrttppelffLrsorge. 

Ueber Erziehung ln Krftppelanstalten. Von Inspektor Erhard 
München. Zeitschrift für Krüppelanstalten; Bd. 2, H. 2. 

Man muß zunächst versuchen, das Vertrauen und Zutrauen der Kinder 
zu gewinnen; daher ist es notwendig, daß die Erzieher mit Liebe, Wohlwollen, 
Geduld und Nachsicht arbeiten. Bei sich wiederholenden Fehlern treten 
Ermahnung ein, die mit der Warnung verknüplt werden kann. Bei groben 
Vergehen ist eine entsprechende Freiheitsstrafe mit schriftlicher Beschäftigung 
angezeigt. Als höchstes Strafmaß gilt die Herabsetzung der Sittennote. Bd 
der Anwendung der körperlichen Züchtigung, welche nur dem Leiter der 
Anstalt zusteht, muß man vorsichtig sein. — Bd sexuellen Verirrungen wirke 
man unter 4 Augen auf den betr. Zögling ein. Die Trennung der Geschlechter 
ist im Interesse einer gedeihlichen Erziehung unbedingt erforderlich; nur das 
Mittagessen kann gemeinschaftlich sein. Wenn eine Anstalt Erfolge erziden 
will, so muß sie folgende Bedingungen erfüllen: 

1. Sie muß chirurgisch-orthopädische Behandlung der Krüppelkinder 
in der Klinik und 

2. vollständigen und auch über das Maß der Volksschule hinaus¬ 
gehenden Unterricht und entsprechende gewerbliche Ausbildung (Buchbinder, 
Schneider, Portefeuiller, Schuhmacher usw.) bieten, 

8. in ihren Werkstätten ausgdernten Zöglingen gegen entsprechenden 
Lohn im Falle der Stellenlosigkdt kürzere oder längere Zdt Beschäftigung 
gewähren und 

4. endlich für jene, die infolge ihrer großen Gebrechlichkdt nicht im 
stände sind, ein bestimmtes Gewerbe zu betreiben, eine Versorgungsanstalt, 
ein Asyl für Lebenszdt sein, wo de nach Maßgabe ihrer körperlichen Be- 
schaffenhdt entsprechend beschäftigt werden und sich nützlich erweisen können. 

Die Gewährung von Ferien ist für Krüppelkinder wünschenswert. Allzu 
kleine Anstalten vermögen nicht vid zu leisten; als Maximalzahl sind 160 
Zöglinge festzusetzen. Zu Arbdtalehrern sollte man nur Leute nehmen, die 
gerade Glieder haben. Dr. Wolf-Witzenhausen. 


Aeritliche Erfolgstatistik in den deutschen Krüppelhelmen. Von 
Dr. Bade-Hannover. Zeitschrift für Krüppdfürsorge; Bd. II, EL 2. 

Verfasser tritt für den Ausbau der ambulanten Krüppelfürsorgeund die 
Errichtung von Polikliniken im Anschluß an die Krüppelheime ein. 

_Dr. Wolf-Witzenhausen. 

I. Soziale Hygiene. 

Gesnndheitsschiden ans tlglleheu Gewohnheiten. Von Prof. Dr. med. 
W. Zinn. Fragen des Lebens; V. Bd. Berlin 1909; Verlag der Volks- 
bygiene u. Medizin. Kl. 8*. 

Auf enggedrängtem Baum werden hier die Hauptprobleme der Gesund¬ 
heitspflege besprochen; zunächst die täglichen Gewohnheiten des Tageslaufs 
in ihrer seitlichen Reihenfolge, wie Hautpflege durch Waschen und Baden, 
Douchen, Luft- und Sonnenbäder behandelt, dann die Schädigungen durch un¬ 
zweckmäßige Kleidung, die Kleidung der Kinder, das Barfußgehen, die Er¬ 
nährung, die Bestandteile der Speisen, die Schädigungen durch den übermäßigen 
oder geringen Fleisch- und Gemüsegenuß. Eine kleine Tabelle giebt die be¬ 
kannten Gewichtsdurchnittszahlen nach Alter und Geschlecht wieder. 

Ein besonderer Abschnitt ist dem Alkoholismus gewidmet. Wenn Ver¬ 
fasser hier sagt, «daß ein mäßiger Genuß geistiger Getränke gesunden Men- 



Kleinere Mitteilungen nnd Referate ans Zeitschriften. 


143 


sehen tat allgemeinen nichts schadet*, so durfte dieser Satz nicht durchweg 
anerkannt werden; wir erinnern an die Versuche Kräpelins, welcher nach¬ 
wies, daß anch der einmalige Genoß geringer Alkoholmengen schon einen 
schädlichen Pinfluß anf Körper nnd Geist ausübt. Vollkommen kann man ab« 
mit den übrigen trefflichen Ausführungen über die Folgen übermäßigen Al¬ 
koholgenusses übereinstimmen. 

Den Schluß des Werkchens bilden allgemein gehaltenene Betrachtungen 
über den Segen der Arbeit, über Sport und 1 die Notwendigkeit der Eiziehung 
unseres Volkes zur Mäßigkeit. _ Dr. Zelle-Loetzen. 


MHltärtaugllchkeit. Von Dr. A. Fischer-Karlsruhe. Blätter für 
Volksgeeundheitspflege; 1909, Nr. 10. 

Aus den statistischen Angaben geht einerseits die gesundheitliche Ueber- 
legenheit des Wohnens auf dem Lande und anderseits die Beeinträchtigung 
in den Groß- nnd Weltstädten hervor. Der Beruf des Gestellungspflichtigen 
ist weniger von Bedeutung als die Erwerbsart des Vaters; es ist die berufliehe 
Selbstständigkeit der Väter von der größten Wichtigkeit fürdie Erneuerung 
der Armee. Man wird also darnach streben müssen: 

1) das Wohnungswesen zu dezentralisieren und die industriellen Betriebe 
auf das Land zu legen, um 

2) den Unselbständigen und ihren Nachkommen in hygienischer Hinsicht 
n Meten, was der Wohlhabende ohne weiteres genießt. 

_____ Dr. Wolf-Witzenhausen. 

Eine ethische Forderung. Von Dr. E. Händcke-Dresden. Blätter 
ftr Volksgesundheitspflege; 1909, Nr. 11. 

Verfasser weist darauf hin, welche Summen der Staat für die Jugend¬ 
fürsorge, für Irrenhäuser, Zuchthäuser, Anstalten für Epileptiker, Taube, 
Krüppel, Schwindsüchtige, für die Folgen des Alkoholismus etc. anfbringen 
muß; er verlangt daher, daß krankhafte oder erblich stark belastete Elemente 
eise Ehe nicht ein gehen dürfen. Da aber zur Heirat ein Gesundheitsattest 
sieht Terlangt werden kann und da auch die Aerzte wegen der Schweigepflicht 
■icht aussagen dürfen, so müßte es zu einer Forderung der Sitte werden, daß 
jeder, der heiraten will, erst das Gutachten eines Arztes einholt und entweder 
dieoe8 selbst dem anderen Teil unterbreitet oder den Arzt seiner Schweigepflicht 
enthebt. Dies allgemein zu erreichen, müßte eine zielbewußte Agitation 
versuchen. Dr. Wolf- Witzenhausen. 


0. Statistik. 

Modizlnalstatistisehe Nachrichten. Im Aufträge des Herrn Ministen 
der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten herausgegeben 
vom Königlich Preußischen Statistischen Landesamte. Erster 
Jahrgang 1909, 1. Heft mit einer Beilage und 2. Heft. Berlin 1909. Verlag 
des Königlichen Statistischen Landesamts. 6 Mark für den Jahrgang (viertel¬ 
jährlich 1 Heft). Für das Einzelheit 1,60 Mark. Gr. 8°, 802 Seiten. 

Diese Veröffentlichungen sind an Stelle der „Preußischen Statistik* und 
zwar der beiden Hefte getreten, welche Statistik der Heilanstalten und der 
Sterblichkeit nach Todesursachen und Altersklassen der Gestorbenen im 
preußischen Staate enthielten. Die neue Form der Medizinalstatistik wird 
enthalten die vierteljährlichen Nachrichten über Geburten, Eheschließungen 
und Sterbef&lle mit Hervorhebung wichtiger Todesursachen im preußischen 
8taate, in den Regierungsbezirken und Stadtkreisen; ferner Nachrichten über 
Selbstmorde, Verunglückungen, Mord und Totschlag, Alkoholismus, Statistik 
der Tuberkulose, Krebs, Diphtherie, Scharlach, Masern, Typhus, Syphilis sowie 
übertragbare Krankheiten überhaupt; sie wird sich erstrecken auf Säuglings¬ 
sterblichkeit, Krankenhausstatistik sowie auf die Statistik wichtiger Krank¬ 
heiten aus der Krankenhausstatistik und auf den Betrieb der Heilanstalten. 
Auch Berichte über das Heilpersonal Preußens, Impfungsergebnisse und 
Krankenkassenstatistik u. v. a. sollen folgen. 

Da ein Umfang von 40 Druckbogen nicht überschritten werden soll, so 
werden die Nachrichten nicht immer über die Angaben für den Staat hinaus- 
gekea; doch ist die Einrichtung geschaffen, daß Interessenten die medizinal- 



144 


Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


statistischen Ergebnisse für einzelne Teile des Staates s. B. die Todesursachen 
für die Kreise, getrennt nach Stadt und Land, Alter und Geschlecht der 
Gestorbenen handschriftlich gegen Erstattung der Selbstkosten abgegeben 
werden können. 

Das 1. Heft enthält die Bewegung der Bevölkerung unter Hervorhebung 
der wichtigsten Todesursachen der Gestorbenen in den einzelnen Vierteljahren 
der Jahre 1907 und 1908, sowie für 1908 nach den Stadtkreisen und den 
Regierungsbezirken nach Stadt und Land, eine Nachweisung der Ver¬ 
änderungen in den Krankenanstalten Preußens vom 1. April 1907 bis 1. April 
1909. Ferner die Heilanstalten im preußischen Staate während des Jahres 1907 
nach Krankenbewegung und dem Auftreten einzelner wichtigerer Krankheiten 
und schließlich die Bewegung der Bevölkerung im 1. Vierteljahr 1909 in den 
Stadtkreisen Preußens. 

Das 2. Heft beschäftigt sich mit der Festsetzung''des Berichtes über 
die Heilanstalten in Preußen im Jahre 1907 und zwar getrennt nach allge¬ 
meinen Heilanstalten, Universitäts- Kliniken, Augenheil- und Entbindungs¬ 
anstalten, Lazarette der Strafanstalten und Justizgefängnisse und Irren- etc. 
Anstalten. 

Ein 2. Abschnitt enthält die Sterblichkeit der Gesamtbevölkerung 
Preußens nach Todesursachen und Altersklassen während des Jahres 1908, 
daran anschließend Referate über die Ergebnisse einer Stillstatistik im 
Regierungsbezirk Magdeburg für die Jahre 1906 und 1907, über die Beziehungen 
zwischen Geburtenhäufigkeit und Säuglingssterblichkeit in.Preußen, sowie über 
die Krebskrankheit in den Vereinigten 8taaten von Nordamerika. Aus letzterem 
Referat verdient das Ergebnis bervorgehoben zu werden, daß die Gegenden, 
welche hohe und die höchste Sterblichkeit an Krebs haben, fast ausnahmslos 
hügelig oder gebirgig, stark beholzt und durch zahlreiche Flußläufe oder 
Tuche gut bewässert sind. 

Die „Medizinalstatistischen Nachrichten“ wird: der‘Medizinalbeamte nicht 
gut in seinem Bureau entbehren können. 

Dr. v. Leliwa-Waldenburg (Schles.). 


7. Leichenschau und Begräbniswesen. 

Der jetzige Stand der obligatorischen Leichenschau In Deutschland. 
Von J. Schwalbe. Deutsche med. Wochenschrift; 1909, Nr. 26/27. 

Schw. stellt die Verordnungen in allen Bundesstaaten des Deutschen 
Reiches zusammen, die „buntscheckig wie die Länderkarte Deutschlands sind“, 
und bespricht die Schwierigkeiten allgemeiner Einführung (Kostenfrage, teil¬ 
weiser Aerztemangel) und die Gründe, die trotz dieser Schwierigkeiten für die 
allgemeine Einführung obligatorischer Leichenschau sprechen. 

Dr. Liebetrau-.Hagen i. W. 


Besprechungen. 

Dr. Biedert und Dr. ILangermann: Diätetik and Koohbaoh für 
Magen- and Darmkranke. Zweite um gearbeitete Auflage. Verlag 
von F. Enke. Stuttgart 1909. Gr. 8°; 200 Seiten. Preis: 4,20 M. 

Die neue Auflage, bei der als Mitarbeiter Dr. Gernsheim-Worms 
hinzugetreten ist, hat die grundlegende Einteilung beibehalten. Im ersten, 
medizinischen Teil folgen auf eine kurze Besprechung der wichtigsten Magens 
und Darmkrankbeiten, ausführlicher und den neuesten Stand unseres Wissen¬ 
umfassend, die Elemente der Untersuchung und Diagnose, auf die sich un¬ 
mittelbar die hauptsächlichsten mechanischen und diätetischen Eingriffe der 
Behandlung aufbauen, die ebenfalls das heutige Können auf diesem Gebiete 
resümieren. 

Der zweite Teil ist der Diät gewidmet. Eine Vereinfachung ist dadurch 
erreicht, daß an 8telle der früheren sieben, jetzt vier Diätordnungen angegeben 
sind, bei deren Aufstellung ein scharfer Anschluß an die verschiedenen Krank¬ 
heitsformen, die sich in Veränderung der Säfte und der Arbeit des Verdauungs- 
apparates äußern und im überschüssigen oder mangelhaften Auftreten von 
Salzsäure, in zu schneller oder zu langsamer Fortbewegung des Magendarm¬ 
inhaltes in die Erscheinung treten, auch jetzt noch Grundsatz ist; aber eine 



Besprechungen. 


145 


aiaseitige Ernährung mit Fleisch, Eier und Fett bei überschüssiger Salzsäure 
bazw. mit überwiegender Milch- und Mehlspeisen bei Salzsäuremangel ist jetzt 
nur den Diäten II bezw. III, den sogenannten „Heildiäten* Torbehalten, wo 
die Beseitigung des krankhaften Zustandes bezweckt wird; nach bei diesen 
wird schon durch Herbeiziehen von neutralen Speisen dem Bedürfnis nach Ab¬ 
rundung der Kost entgegengekommen. 

von den beiden anderen Diätformen dient die Diätl für ganz empfind¬ 
liche Zustände (akute Erkrankungen), während die Diät IV eine Dauerdiät 
daratellt und das schwierige Problem, nicht mehr ganz zu beseitigenden Fehlern 
genüge zu tun, Ibsen will, bei unheilbarer Anazidität unter Mithilfe von Salz¬ 
säurezufuhr, bei dauernder Hyperazidität unter Zuhilfenahme von Alkalien. 
Dieses Problem wird in ausgezeichneter Weise gelbst, so daß die sonst von 
mancher Lebensfreude und Betätigung ausgeschlossenen chronisch Kranken 
leben, gedeihen und arbeiten kbnnen fast wie Gesunde, was der Herausgeber 
and Verfasser durch Mitteilung seiner eigenen Krankengeschichte erhärtet. 
Dieselbe ist, bis zur Jetztzeit fortgeführt, auch der neuen Auflage vorangestellt 
and illustriert am besten den Zweck des Buches. Ermbglicht wird dieses 
Resultat dadurch, daß infolge der Mannigfaltigkeit der auf die einzelnen 
Wochentage verteilten Diätformen, sowie den jeder Mahlzeit beigefügten 
Variationen der Ueberdruß vermieden wird, der sonst so leicht bei jeder sorg¬ 
fältig beschränkten Diät eintritt und zu leichtsinnigen Diätfehlern verführt. 
Is der neuen Auflage kommt als weiteres eine „Einheitstabelle* der fertigen 
Speisen mit Kalorienangaben und Hinweis auf das entsprechende Kochrezept 
in dritten Teil hinzu, die es ermbglicht, nach freiem Belieben äquivalente 
Speisen zu finden und durch einander zu ersetzen. 

Der dritte Teil des Buches ist das Kochbuch, das die Bezepte für sämt¬ 
liche im zweiten Teil angegebenen Speisen enthält mit Angabe der Nährstoffe 
and der Kalorien. Hinzugekommen ist bei den auch an Zahl erheblich ver¬ 
wehrten Rezepten neben dem Rohgewicht auch das Gewicht der fertigen Speise. 

Der zweite und dritte Teil bilden den Hauptteil des Buches, der es von 
allen ähnlichen unterscheidet dadurch, daß infolge der konsequenten Durch- 
Ahrung der Kalorienangabe sowohl bei den Diätformen, als auch bei den 
Kochrezepten und der Einheitstabelle eine genaue Anpassung der Nahrung an 
die Verdauungsfähigkeit und das Nahrungsbedürfnis ermbglicht ist und daß 
fermer für jede Krankheitsform die bereits für nbtig erklärte Mannigfaltigkeit 
erzielt werden kann. 

Am Schlüsse des Buches dienen gut ausgewäblte, in der neuen Auflage 
•sek vermehrte Krankengeschichten zur Erläuterung des im Buche Gebrachten, 
»wohl über die Untersuchnngsmethoden, als über die diätetischen und Heil- 
ntfinahmen. 

Das Ganse ist mit der Gründlichkeit und tiefen Wissenschaftlichkeit, 
die alle geistigen Erzeugnisse Biederts kennzeichnen, gearbeitet. Der Arzt 
wird in dem Werke ein vollständiges Lehr- und Nachschlagebuch für sämtliche, 
die Magen- und Darmerkrankungen betreffenden Fragen finden, insbesondere 
wird ihm der zweite und dritte Teil, die eine Unsumme von Arbeit in sich 
bergen, bei der Aufstellung der Krankendiät von großem Nutzen sein. Ander¬ 
seits kann das Buch dem Kranken in die Hand gegeben werden znr Erleichte¬ 
rung für den Arzt und ohne ersterem die Mbgüchkeit zum Selbstkurieren zu 
geben. Auch sind die Krankengeschichten so ausgewählt, daß sie — wie die 
bereits erwähnte des Herausgebers und Verfassers — die nbtige Hoffnungs¬ 
freudigkeit erzeugen. 

Das ausgezeichnete Buch kann somit nach jeder Richtung empfohlen 
werden. 


Tagesnachrichten. 

Die Budgetkommission des Beiehstags hat in ihrer Sitzung vom 
10. d. M. die Bewilligung des in den Etat eingestellten Betrages von 10000 Mark 
zur Forderung des ärztlichen Fortbildungswesens mit der Begründung ab¬ 
gelehnt, daß diese Forderung Sache der Landesregiezungen sei. Gleichzeitig 
wurde eine Resolution angenommen, die den Reichskanzler ersucht, die bun¬ 
desstaatlichen Regierungen zu Maßnahmen für die Einführung der Medizin- 
Studierenden und der Aerzte in die soziale Medizin zu veranlassen. 



146 


Tagesnaohriohten. 


Ans dam preuaslaohen Abgeordnetenhause. Nach einer Er* 
klärung des preuß. Ministers der Landwirtschaft ist beabsichtigt, den tierärzt- 
licben Hochschulen das Becht der Terleihung der Doktorwürde an Tierinte 
zu geben und diese Frage durch Verhandlungen mit den anderen Bundesstaaten 
gleichmäßig zu regeln. Auch die Einrichtung von Tierirztekammern 
wird vorbereitet. 


Der in Aussicht gestellte Gesetzentwurf, betr. die Reisekosten 
und Tagegelder der Stutsbeamten ist soeben dem preußischen Abgeordneten¬ 
hause vorgelegt. Da die vorliegende Nummer der Zeitschrift bereits abge¬ 
schlossen war, wird sein vollständiger Abdruck erst in der nächsten Nummer 
gebracht werden können; nur soviel sei kurz bemerkt, daß der Entwurf 
hauptsächlich folgende Aenderungen bringt: 

Herabsetzung der Tagegelder auf */»♦ wenn die Dienstreise an demselben 
Tage angetreten und beendet wird (also 10 Mark statt 12 Mark). 

2. Herabsetzung der Kilometergelder bei Reisen auf Eisen¬ 
bahnen usw. von 9 auf 7 Pt, falls nicht die L Wagenklasse benutzt wird; 
desgleichen bei Reisen auf Landwegen von 60 auf 80 Pf., falls mehrere 
Beamte gemeinschaftlich dasselbe Verkehrsmittel benutzen. 

8. Herabsetzung der Gebühr für Zu- und Abgang von 3 Mark auf 
1,60 Mark. 

Wir werden in der nächsten Nummer auf den Gesetzentwurf und auf 
die Verhandlungen im Abgeordnetenhause darüber, das ihn bereits am 18. und 
19. d. M. der ersten Beratung unterzogen hat, zurückkommen. 


Wie die Apothekerzeitung (Nr. 14) mitteilt, soll die vor drei Jahren 
durch Veröffentlichung des Entwurfs eines Reichs-Apothekengesetzes einge¬ 
leitete Versuch einer reichsgesetzlichen Reform des Apothekenwesens als 
endgültig gescheitert zu betrachten sein. Es würde dies in hohem Grade zu 
bedauern sein; denn gerade das Apothekenwesen ist eine Materie, die dringend 
einer reichsgesetzlichen Regelung bedarf. 


Ernennungen: WirkL Geh. Ob.-Med.-Rat Dr. Schmidtmann ist zum 
Kurator der Universität Marburg ernannt worden und wird am 1. April d. J. 
aus der Medizinal - Abteilung des Kultusministeriums ausscheiden, der er seit 
16 Jahren (1895) als Vortragender Rat angehört hat. Es dürfte zum ersten 
Male der Fall sein, daß ein Medizinalbeamter in eine solche hervorragende 
Stellung berufen wird; soviel uns bekannt, entspricht de auch den persönlichen 
Wünschen des Ernannten, da sie ihn wieder in seine engere Heimat und in 
die Universitätsstadt zurückführt, in der er den größten TeU seiner Studienzeit 
verlebt hat. Den Medizinalbeamten wird es aber schwer, dem Scheidenden die 
gleichen herzlichen Glückwünsche zu der ihm zuteil gewordenen Auszeichnung 
entgegenzubringen, wie zu seiner im Vorjahre erfolgen Rangerhöhung; denn 
während seiner langjährigen Tätigkeit als Vortragender Rat der Medizinal¬ 
abteilung hat sich Schmidtmann große Verdienste um die Entwicklung des 
preußischen Medizinalwesens erworben, insbesondere gilt dies auf dem Gebiete 
der Wasserversorgung und Abwässerbeseitigung. Die König]. Versuchs- und 
Prüfungsanstalt für Wasserversorgung und Abwässerbeseitigung, die sich unter 
seiner Leitung in der vorzüglichsten Weise entwickelt hat, ist in erster Linie 
sein Werk; immer wieder von neuem hat er auf die Notwendigkeit dieser An¬ 
stalt hingewiesen und es in geschickter Weise verstanden, alle ihrer Gründung 
und gedeihlichen Entwicklung entgegenstehenden Hindernisse zu überwinden. 
Die Medizinalbeamten verlieren in ihm aber vor allem einen ebenso wohl¬ 
wollenden, als liebenswürdigen, ihre Interessen warm vertretenden Personaldezer¬ 
nenten, dessen Weggang von ihnen recht schmerzlich bedauert wird. 


Am 1. Februar d. J. hat das langjährige Mitglied des Deutschen Me- 
dizinalbeamtenvereins, Herr Geh. Rat Dr. VFober, Direktor der Landes-Heil- 
und Pflegeanstalt Sonnenstein bei Pirna, sein 60jähriges DienstJubiläum ge¬ 
feiert. Dem hochverehrten Nestor der deutschen Irrenärzte wurden zu dieser 
seltenen Feier zahlreiche Ehrungen zu teil, sowohl von der KönigL Staats- 



Sprechsaal. 


147 


regierang, die ihm durch Verleihung des Eomtarkretuses 11. Klasse des Ver- 
dienstordens auszeichnete, als von den Aerzten und Beamten der Anstalt, den 
ärztlichen Bezirksverein Pirna und seinen Spezialkollegen, den Irrenärzten im 
Königreich Sachsen. Auch die Medizinalbeamten bringen dem Jubilar ihre 
herzlichsten Glückwünsche; mögen ihm noch yiele Jahre in gleicher körper¬ 
licher und geistiger Frische vergönnt sein! 


Am 12. d. M. ist in Dresden die erste gemeinschaftliche Sitzung des 
Direktoriums und des Ehrenkomitees der im Jahre 1911 dort stattfindenden 
Internationalen Hygiene-Ausstellung mit den Vorsitzenden nnd stellver¬ 
tretenden Vorsitzenden der wissenschaftlichen Gruppen abgehalten worden. 
Es waren fast sämtliche eingeladenen Herren (etwa 200) erschienen. Die Ver¬ 
sammlung wurde von dem Herrn Staatsminister Vitzthum v. Eckstädt 
und Herrn Oberbürgermeister Geh. Bat Beutler begrüßt; es folgten dann 
verschiedene Vorträge über Ziele und Aufgaben der Ausstellung von dem 
Herrn Präsident des Beichsgesundheitsamts Wirkl. Geh. Ob.-Beg. Dr. Bumm- 
Berlin, den Herren Geh. Med.-Bat Prof. Dr. Bubner-Berlin und San.-Bat Prof. 
Dr. Sudholf-Leipzig. Hierauf erstatteten die Herren Geh. Komm.-Bat Dr. 
Lingn er, Vorsitzender, Geh. Med.-Bat Prof. Dr. Benk, stellvertretender Vor¬ 
sitzender und Beg.-Bat Dr. Weber, Schriftführer des Direktoriums Bericht 
Iber die bisherigen Vorarbeiten, die bereits so weit gefördert sind, daß sich 
eia bestimmtes Bild über die Ausstellung gewinnen ließ. Es folgte dann all¬ 
gemeine Beratung über die bei der Weiterarbeit einzuschlagenden Wege und 
ät dabei allgemein festzuhaltenden Grundzüge, an die sich eine Sonderberatung 
dm einzelnen Gruppenvorstände anschloß. Nach dem Ergebnis der Beratung 
darf das große Unternehmen nach jeder Bichtung hin als gesichert angesehen 
werden, besonders wenn es von seiten des Beiches, der einzelnen Bundesregie- 
mgen, Stadtverwaltungen usw. auch finanziell in tatkräftiger Weise unter- 
itttzt wird. Die KönigL Sächsische Begierung und die Stadt Dresden sind in 
dieser Hinsicht bereits durch Bewilligung namhafter Zuschüsse vorangegangen. 


SpreohnaaL 

Anfragen des Kreisarztes Dr. v. F. in A.: 1) Wird bei der Pensionierung 
aagerechnet die Zeit 

a) in provinzialständischen Diensten, z. B. als Hebammenlehrer, 

b) in welcher der Arzt vorübergehend im staatlichen Dienste tätig war, 
z. B. als Vertreter eines Kreisarztes, 

e) als Choleraüberwachungsarzt? 

Antwort: 1) Nein, grundsätzlich ist nur die Dienstzeit als Staats¬ 
beamter, die im allgemeinen vom Tage der Vereidigung ab rechnet, pensions- 
fikig (die Ausnahmen des § 14 des Pensionsgesetzes vom 27. März 1872 kommen 
Uar nicht in Betracht); dagegen kann nach § 19 des Gesetzes in der Fassung 
des Gesetzes vom 20. März 1890 mit Königlicher Genehmigung die 
DieBstzeit im ständischen Dienste angerechnet werden. 

2) Wird die 3jährige Vorbereitungszeit auch bei der Verleihung des 
Charakters als Medizinalrat angerechnet, so daß diese Verleihung statt nach 
12 schon nach 9 Jahren erfolgen kann? 

Antwort: 2) Nein, nach dem Allerh. Erlaß kann der Vorschlag für die 
Verleihung erst nach lzjähriger Dienstzeit seit der Anstellung als 
Kreisarzt erfolgen. 

8) Kann in den Fällen des Tarifs B 16, 17, 19 für Vorbesuche an 
Wohnorte liquidiert werden, z. B. wenn der Urlaubsnachsuchende sich in einer 
Anstalt befindet? 

Antwort: 3) Ja, nur bei den Sätzen zu 2, 4, und 6, Abs. 2, ist die 
Gebühr für Vorbesuche mit eingerechnet (Tarif B, Ziff. 6). 


Anfrage des Kreisarztes Dr. B. in B.: Gilt die pensionsfähige Dienst¬ 
zeit auch dann vom Tage der Vereidigung an, wenn diese bei der kom¬ 
missarischen Uebernahme der Kreiswundarztstelle erfolgte? (Kreiswund¬ 
arzt am 26. Mai 1893, vereidigt bei der kommissarischen Uebernahme am 
29. Juli 1891). 

Antwort: Ja. 



148 


Sprechsaal. 


Anfrage des Kreisarztes Dr. Th. in M.: Maß ein vollbesoldeter Kreis* 
arzt, wenn er als zweiter Qerichtsarzt za einer Obdaktion herangezogen wird, 
die Gebühren daiür an die Staatskasse abführen? 

Antwort: Ja, gemäß § 4 des Gebührengesetzes; s. auch meinen Kom¬ 
mentar S. 6, Anm. 3, and Sprechsaal, 1909, 8. 871, Anfrage des Kreisarztes 
Dr. W. in D. 


Anfrage des Kreisarztes Dr. L. in M. : Ist die Nachweisung über die 
Tätigkeit des Kreisarztes auch jetzt noch nach dem Min.-Erlaß vom 23. April 
1908 — M. 1113 — za erstatten P 

Antwort: Nein. Dieser Erlaß ist durch die neue Dienstanweisung 
aufgehoben; es bedarf jetzt nur einer üebersicht der Dienstgeschäfte nach 
Formular Xi, Abschnitt XII a 1 des Jahresberichts: Gesamtzahl a) der Tage¬ 
buchnummern, b) der sanitäts- und medizinalpolizeilichen, c) gerichtsärztlichen 
und d) der vertrauensärztlichen Geschäfte. Unter „ Geschäften“ sind nicht 
bloß Prüfungen, Untersuchungen, Revisionen und Örtliche Ermittelungen, 
sodernn auch Gutachten, Berichte, Aeußerungen, Anfragen usw. zu verstehen, 
jedoch so, daß jede Angelegenheit nur einmal gezählt wird, auch wenn 
sie 3 oder 4 Schreiben und Berichte erfordert hat. 


Anfrage des Kreisarztes Dr. E. ln J.: 1. Eine Gemeinde hat ein 

Grundstück für ein anderes Schulgebäude erworben, läßt einen Brunnen an- 
legen und sendet dem Kreisarzt das Wasser zur Untersuchung und Begut¬ 
achtung. Gehört dies zu den amtlichen Verpflichtungen, die der Kreisarzt 
gebührenfrei auszuführen hat? 

2. Eine kleine Stadt meines Bezirks will eine Zentralwasserleitung an- 
legen. Zwei Projekte stehen zur engeren Wahl; es wird der Kreisarzt zur 
Lokalbesichtigung und schriftlichen Bngutachtung aufgefordert. 

Hat er diese Besichtigung aur dem Bauschquantum für Reisen zu be¬ 
streiten und die Begutachtung gebührenfrei auszuführen? 

Antwort: Zu 1. Die Begutachtung des Wassers aui dem Schulgruad- 
stttck gehOrt zu der Prüfung der Schulbauvorlagen, die dem Kreisarzt nach 
§ 95 der Dienst-Anw. obliegt. Soweit dazu einfache physikalische, chemische 
und mikroskopische Untersuchungen des Wassers ausreichen, hat der Kreis¬ 
arzt auch diese nach § 37 der Dienst-Anw. vorzunehmen. Gebühren sind 
dafür nicht zu erheben (s. auch meinen Kommentar, S. 4, Anm. 1). Will er 
dem unmittelbaren Ersuchen der Gemeinde nicht Folge leisten, so hat er sie 
auf den vorgeschriebenen Geschäftsweg (§ 11 d. D.-A.) hinzuweisen. 

Zu 2. Hier liegen die Verhältnisse ebenso; denn die Begutachtung von 
Zentralwasserleitungen gehört nach § 74 der Dienst-Anw. zu den Dienstoblie¬ 
genheiten des Kreisarztes (s. auch Antwort auf die Anfrage des Kreisarztes 
Dr. R. in M. im Sprechsaal, 1909, 8. 871). Die Reisekosten sind danach aus 
dem Reisepauschale zu bestreiten. 


Aufträge des Kreisarztes Dr. B. in K.: Kann der ärztliche Leiter einer 
Säuglingsberatung den Müttern rhachitischer Kinder phosphorhaltigen Lebertran, 
der von ihm in Mengen von 2 Litern verschrieben und auf Rechnung der 
Stadt in den Apotheken angefertigt ist, in Einzelportionen von 100 Gramm 
abgeben oder ist ein derartiges Absehen von Arzneien nicht statthaft? 

Antwort: Nein, da phosphorhaltiger Lebertran als Heilmittel dem freien 
Verkehr nicht überlassen ist. 


, Anfragen der Kreisärzte Dr. Br. ln W. und Dr. v. F. in A.: Gibt 
es einen Leitfaden über Leichenschau für nicht ärztliche Leichenschauer? 

Antwort: Der Redaktion ist ein solcher nicht bekannt. Im Königreich 
Sachsen Jst aber eine sehr ausführliche Dienstanweisung für Leichenschauer 
unter dem 27. Dezember 1904 erlassen, die recht gut als Leitfaden für den 
Unterricht usw. dienen kann. Sie ist in den Veröffentlichungen des Gesundheits¬ 
amts, Jahrgang 1905, Nr. 7, S. 146 und folgende veröffentlicht. 


Redaktion: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Rapmund, Reg.- u. Med.-Ratin Minden L W. 

J. 0 . 0 . Broms, Hsr*e*l..Sicht. o. F. Soh-L.. Hofbuohdrookerel im Minden. 















































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1 gfiftfltzL geach.. D. B. Pftt. an re m e let) 


I L pVoben r ^^hemische Werke „Rheumasan“, 
kostenlos. G. m.b.H., Berlin W. 35, Genthinerstr. 15. 


23. Jahrg. 


1910. 


Zeitschrift 

für 

MEDIZINALBEAMTE. 


ZditnlMatt für dis gnanti Besindb^tsvesen, 

für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenwesen. 

Herauagegeben 

toh 

Geh. MeA-Rat Prot Dr. OTTO RAPMUND, 

Begienmgs- and Medisinalrat In Minden I« W. 

Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, Sächsischen, 
Württembergischen, Badischen, Mecklenburgischen und Eisass-Lothringischen 

Medizinalbeamtenvereins. 


Verlag von Fiseher’s mediz. Buehhandlg., E Kornfeld, 

HarsogL Basrar. Har- a. BrxberzogL - Bnohlitodlar 

Berlin W. 35, Lützowstr. 10. 

Inserate nehmen die VerUgshandlung sowie alle Annoncenexpeditionen des In* 
und Auslandes entgegen. 


Ur. 5. Knoheiit mm 8. ud Jeden Monats. 


5. März. 


(Aue der Eisenbahnheilstätte Stadtwald-Melsungen.) 

Die Frühdiagnose der Lungentuberkulose auf 
serologischem Wege. 

Von Chefarzt Dr. Roepke. 

In Band XIV Heft 2 der „Beiträge zur Klinik der Tuber¬ 
kulose und spezifischen Tuberkulose-Forschung“ habe ich ge¬ 
meinsam mit Dr. Busch Untersuchungen fiber die Diagnose der 
menschlichen Tuberkulose mittels Anaphylaxie veröffentlicht, 
die zu einem ganz negativen Ergebnis geführt batten. Es han¬ 
delte sich um die Nachprüfung der Behauptung Vamanouchis, 
daß Kaninchen, die mit Blut oder Serum von Phthisikern intra- 
vorbehandelt sind, nach 24 bezw. 48 Stunden gegen die intra¬ 
venöse Injektion von Tuberkulin bezw. Taberkelbazillenextrakten 
anaphylaktisch sich erweisen, d. h. unter den Erscheinungen von 
Dispnoe, Muskelschlaffheit, Parese, Krämpfen zugrunde gehen. 
Da außer uns auch Eitner und Stoerk 1 ), Kraus und 
Doerr*) die Ergebnisse Vamanouchis nicht bestätigen konnten, 
unterliegt es wohl keinem Zweifel mehr, daß Fehlerquellen in 
seiner Versuchsanordnung vorliegen müssen, und daß sein Ver¬ 
fahren diagnostisch wertlos ist. 

Wiener klin. Wochenschrift; 1909, Nr. 28, 

*) Handbuch der Technik der Immonitütaforsohung. 



150 


Or. Boepke. 


Fast gleichzeitig und unabhängig von Yamanouchi hat 
Bauer 1 ) die passive Uebertragung der Tuberkulose-Ueberempfind- 
lichkeit experimentell studiert mit dem Ergebnis, daß gesunde 
Meerschweinchen, denen das Blutserum tuberkulöser Meerschwein¬ 
chen und Menschen subkutan injiziert war, passiv überempfindlich 
wurden, so daß sie die folgende Injektion von Tuberkulin mit 
typischer Fieberreaktion beantworteten. Damit wäre einmal 
die Existenz von anaphylaktischen Reaktionskörpern im Blute 
Tuberkulöser nachgewiesen, zweitens der Beweis erbracht, daß 
diese Stoffe, auf gesunde Tiere übertragen, eine Ueberempfindlich- 
keit bei diesen hervorrufen. Und drittens wäre durch den Nach¬ 
weis dieser Anaphylaxie beim Meerschweinchen die Möglichkeit 
geboten, aus dem Serum Tuberkulöser die menschliche 
Tuberkulose zu diagnostizieren. 

Bauer hat sich bei Prüfung der Methode auf die Sera von 
3 tuberkulösen Meerschweinchen und 5 tuberkulösen Menschen 
beschränkt. Seine Ergebnisse sind eindeutig; sie erschienen mir 
aber wegen des beschränkten und zu wenig variablen Ausgangs- 
materiale der Nachprüfung zu bedürfen. 

Es wurde daher mit dem Material der Heilstätte' Stadtwald 
die Nachprüfung aufgenommen, deren Einzelheiten mit Kranken¬ 
geschichten und Tabellen der Medizinalpraktikant Starkloff in 
einer Dissertationsarbeit niedergelegt hat, die von der Marburger 
medizinischen Fakultät angenommen ist. Die praktisch wich¬ 
tigen Ergebnisse sind folgende: 

Gesunde Meerschweinchen, die bei einer gleichmäßigen Raum¬ 
temperatur von über 10° gehalten werden, zeigen bei Rektum¬ 
messung eine sehr regelmäßige Temperaturkurve innerhalb 37,8 
bis 38,4°. Im Gewichte von 500—700 g vertragen sie die sub¬ 
kutanen Injektionen von 0,1 ccm Kochs Alttuberkulin (Höchst) ganz 
reaktionslos, d. h. ohne die geringste Steigerung der Körpertem¬ 
peratur. Auch die Bubkutane Einspritzung von l 1 /,—3 ccm mensch¬ 
lichen Serums wird von gesunden Meerschweinchen reaktionslos 
vertragen. Spritzt man nun aber solchen mit menschlichem Serum 
vorbehandelten Meerschweinchen 24 Stunden später 0,1 ccm 
Tuberkulin ein, so bewegt sich die Temperaturkurve des Tieres 
entweder unverändert innerhalb der Norm von 87,8—38,4° oder 
sie zeigt in den ersten Stunden nach der Tuberkulininjektion einen 
steilen Anstieg auf über 39 bis über 40°, der nach Erreichung 
des Maximums in wenigen Stunden steil abfällt, sodaß die ganze 
Fieberreaktion in 6—9 Stunden abgelaufen ist. 

Wir haben die Sera von 31 Patienten und Angestellten 
der Heilstätte geprüft. Das Blut wurde mit steriler Glasspritze 
aus einer Armvene entnommen und behufs der Serumgewinnung 
zentrifugiert. 

Von den Untersuchten gehörten 26 den verschiedenen Stadien 
der Lungentuberkulose an, 1 litt an Bronchitis, 1 an Emphysem 


*) Mftnehener medis. Wochenschrift; 1909, Nr. 24. Beiträge zur Klinik 
der Tuberkulose; B4. XUI, H. 8. 




Dia Frühdiagnose der Lungentuberkulose auf serologischem Wöge» 15t 

und Bronchitis, 1 war Träger einer seit Jahren abgeheilten 
Laagfentaberkalose, 2 waren gesund. 

Betrachten wir zunächst die Kurven der Tiere, die mit dem 
Senua.• der S NUhttabeykaJöaea vorbetaandelt waren: In 
keinem Pall zeigte sich nach der Tuberkulininjektioii 
eine Aeadgrnag des normalen Temperatur verlaufe» 
der Tiere. Bis hier wiedergegebene Kurve 1 stammt von dem 
Meerschweinchen, das mit dem 

Serum des Broochitikera (Walter _ ** 

9.) vorbehandelt war. : 


qoeoz 

&!xr*r 


$4t*m 


Tuberkulinkum das Bronchitüfiis Walter G. 

Walter 9. mit der obigen Temperatorknrve des zugehörigen Ver- 
S MBPMI jM&i sns dem völlig reaktionalosen Verlauf beider 
zwingend, daß dann, wenn kein« an&pbylak- 
übertragbar und aachweißbar aind, auch 
empfindlich keit, i. e. keine Tuberkulose be- 


tiachen iM&Ktionakörp 

1» tj. AtUlifS XUumftUlUDD vc- 

- t _ 1 ’ j~. n Trigen 4 Füllen verhält es sich ebenso. Damit 
^atlve Ausfall dea Tierexperimenta, da» 
Iselslii Ir 1 , ^«here.mpfiödlichkeiiBreaktion beim 
5 ?» beweisend fflr Fehlen einer tnber- 


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158 Dr. Roepke. 

Von den 26 klinisch Taberkalösen waren nach der Turban- 
Gerb&rdachen SfAdienainteilimg zuzurechnen: 

dem III. Studium de» Langentaberkclase 2, (beide Tbc. -f); 

den IX. Stadium der Laogeatabe;kul©se lä, 4«?o» 

8 Tbc + 1 Tuberkulin 0,001 4- 1 Tuberkulin 0,01 + 

b KonjftoktiTnlro&kiioä 4 I * 0,005 4- 8 Anamnese n. Befund 4-; 

8 Tuberkulin 0,0002 -f 1 * 0,006 -f 

dem L Stadium der Lungentuberkulose 8, davon 
1 Tbc 4- 1 Tuberkulin 0.0002 -f 1 TufeorkuUn 0,005 4- 

1 KonjunktiTÄlreaktion -f- 1 * 0,001-f- 8 . 0,01 -j- 

Sämtliche 26 mit dem Serum dieser- tabfirkafösen Langen* 
kranken vorbehandelte Meerschweinchen beantworteten die Tuber- 
kolininjekticm mit einem deutlichen, meist koken Fieberanstieg, 
d. h. mit einer UeberempfindlichkeitsreaktioD, Sie verrieten da* 
durch die Anwesenheit von anaphylaktischen Beaktionskörpern im 
verimpften Sernm and damit das V ork&ndenseia taberönlöser Pro¬ 
zesse im Körper jener 26 Personen, von deam die Sera stammten. 
DieXJebereinstimmnng der positiven UeberempfindiickkeitsreakMonen 
beim Versuchstier mit den Ergebnissen der kUnisckea and bafc- 
teriplogiscken bezw. spezifischen Diagnostik fee i m Menschen ist 
also ehenfalltlackealos. Sie berechtigt, ans der 
Fieberreaktion des Versuchstieres auf das Vor¬ 
handensein einer tuberkulösen Erkrankung beim 
Menschen zu schließen. 

Im einzelnen war noch zn beobachten, daß das Stadium der 
tuberkulösen Erkrankung keinen merkbaren Einfluß auf Stärke 
und Ablauf der Fieberreaktion beim Tier äusöbt, wie ans den 
nachfolgenden Kurven 8, 4, fl m ersehen ist, die sich auf die 
Verwendung der Sera je eine» Patienten mit offener Longen tuber¬ 
kulöse des l| II. und in. Stadiums beziehen. 



Am 14. Nov. 11 Uhr 2,6 ccm 8orum Am 13. Nov. 11 Uhr 2 ccm Serum 
eines 1. Stadium mH Tbc - eines II. Stadium mH Tbc.— 

Am 16. Nov. 1 übr 0,1 ccm Tabei- Am 14. No». 1 Ob» 0,1 ccm Taber- 

kulia. 2 Obi: 88,8*; 8 Ohr : 39,5» ; kulin. 3 Ohr; 38,Ö; 3 Ohr; 89,7«; 

4 Ohr: 40 0 ; 8 Ohr: 38,1®. 4 Ohl: 39,4*; 8Uhr: 87,9». 







^av e/H^ütr 


H + : 

•• t- {-t-i 


Am 13. Not. 11 Uhr 2 ccm"" Serum eiaes IIL Stadium mH The. — 

Am 14. Not. 1 Uhr 0,1 ccmTuberkulin, 2 Uhr: 93,9 0 ; 3 Uhr: 38,4°; 4 Ohre89,6*; 

9 Uhr: 38,2* 

Weiterhin zeigte sich aber, daß die anaphylaktische Fieber- 
reaktion beim Versuchstier höher oder niedriger anef&Ut je 
nach der Tnberknlinempfindlichkeit des tnberknlöaen 
Ken sehen. Das illustrieren die folgenden Kuren 6 nnd 7: 


JYboet) t b er 


Am 3. Dax. 11 Uhr 1,0 ccm Serum 
eines I. Stadium, das auf 0,01 com 
Tuberkulin reagierte. — 

Am 4.'De*.* 11 Uhr 0,1 ccm Tuber- 
kulia. ?fl2*ühr: 38«; 1 Uhr: 38,8®; 
2 Uhr;'38,9*;* 5 juThr: 38,4*. 


XlTuUHli 


Am 29. Not. 11 Uhr 1,6 «cm Serum 
eiaes I. Stadium, das »ul 0,001 *ccm 
Tuberkulin reagierte. — a 7 # 

Am 30. Not. 11 Uhr 0,1 ccm Tuber¬ 
kulin. 12 Uhr: 40,3«; 1 Uhr: 40,8*; 
2 Uhr: 40,1«; 4 Uhr._88,l*. 


*€1 




r •: 






154 


Di. Boepke. 


Karre 6 stemmt also ron einem Meerschweinchen, welchem Serum einen 
L Stadion» injisiert wer, des später ent 0,001 ccm Tnberkolin reegierte; 
Karre 7 betrifft ein ebenfells mit dem Sernm eines I. Stediams behandeltes 
Tier, doch reegierte dieser Petient erst eaf 0,01 ccm Taberkalin. Aach bei 
drei anderen Fällen, in denen die Taberknlinreektion erst eaf die diagnostische 
Meximeldosis ron 0,01 ccm Taberkalin eingetreten wer, erreichte die an sich 
sehr deutliche Fieberreaktion der Tiere nicht 89*. 

Wir können daraus schließen, daß die Stärke der Ueber- 
empfindlichkeitsreaktion beim Tier in einem gewissen 
Abhängigkeitsverhältnis steht zn der Tuberkulin¬ 
empfindlichkeit des Menschen. Das ist bemerkenswert. 
Erstens, weil es in Uebereinetimmung mit der früheren Fest¬ 
stellung beweist, daß die Taberknlinreaktion nichts anderes ist, 
als eine UeberempflQdlichkeitserscheinung. Zweitens läßt eine 
schwache Ueberempflndlichkeitsreaktion beim Tier auf einen 
zur Inaktivität neigenden Tnberknloseprozeß beim Menschen 
schließen. 

Nach dieser Richtung hin wird eine noch schärfere Diffe¬ 
renzierung möglich sein, wenn erst festgestellt ist, welche ge¬ 
ringste Menge von Serum genügt, um anaphylaktische Reaktions- 
kOrper in nachweisbarer Menge zu übertragen, und welche ge¬ 
ringste Menge von Tuberkulin zu deren Nachweis aasreicht. 
Es eröffnet sich damit die Aussicht auf eine serologische Dia¬ 
gnostik, die die Unterscheidung zwischen aktiven und inaktiven 
bezw. abgeheilten Tuberkuloseformen ermöglicht. Die Feststellung 
der kleinsten, hoch ausreichenden Serummenge ist aber auch 
praktisch wichtig, weil die Methode um so eher für die Praxis 
ausnutzbar wird, je weniger menschliches Blutserum zum Tier¬ 
versuch erforderlich ist. Man benötigt vielleicht nur soviel Blut, 
daß das AnBtechen einer Fingerbeere genügt und die Venae- 
punktio nicht erforderlich ist. Darüber, sowie über die Verein¬ 
fachung der Temperatnrmessungen der Versuchstiere und des 
ganzen Verfahrens werden weitere Versuche, mit denen ich 
bereits beschäftigt bin, Klarheit schaffen müssen. 

Die Untersuchungen der geschilderten Art erfordern aller¬ 
dings ein großes Tiermaterial, für jeden zu untersuchenden Fall ein 
Meerschweinchen. Deshalb erscheint auch die Frage berechtigt, 
ob eine neue tuberkulose-diagnostische Methode heute überhaupt 
noch notwendig ist, und ob das serologische Verfahren mit 
der nachgewiesenen Sicherheit die Brauchbarkeit im großen 
Stile verbindet. 

Bauer glaubt, daß wir in praxi dieser umständlichen 
Methode entraten können, da wir in der Koch sehen und in der 
Pirquetschen Taberknlinreaktion brauchbare und einfache 
Verfahren haben, Tuberkulose zu diagnostizieren. Ich werde nicht 
in den Verdacht kommen, als unterschätzte ich die Bedeutung der 
Tuberkulinprobe für die Diagnostik der menschlichen «Tuberkulose; 
aber eine reiche, über Anstalt- und ambulante Praxis ausgedehnte 
taberkalin-diagnostische Erfahrung zwingt mich, der Auffassung 
Bauers zu widersprechen. 



Die Frühdiagnose der Lungentuberkulose auf serologischem Wege. 155 

Zunächst scheidet doch die von Pirquetsche Tuberkulin* 
probe für jede jenseits des frühen Eindesalters zu diagnostizierende 
Tuberkulose, d. h. für die überaus große Mehrzahl der 
Tuberkulosefälle überhaupt aus. Und die Eochsche 
subkutane Methode hat neben ihren Kontraindikationen mit ge¬ 
wissen, in der ambulanten Praxis oft nicht geringen Umständ¬ 
lichkeiten zu rechnen, ferner mit einer immer noch ziemlich ver¬ 
breiteten Scheu des Publikums vor dem Impfen mit Tuberkulin. 
Auch manche Aerzte fürchten noch die Tuberkulinreaktion oder 
lehnen sie ab mit dem Hinweis auf ihre zu große Schärfe, obwohl 
Allgemein- und Herdreaktion keine Zweifel darüber lassen, daß 
es sich nur um aktive, der Behandlung bedürftige tuberkulöse 
Krankheitsprozesse handeln kann. 

Jedenfalls ist es Tatsache, daß die bei richtigem Vorgehen 
ganz gewiß unschädliche Tuberkulininjektion viel zu wenig für 
diagnostische Zwecke angewendet wird, daß man insbesondere in 
den Kreisen der praktischen Aerzte, ohne vom Tuberkulin Ge¬ 
brauch zu machen, zu oft zu warten pflegt, bis das klinische 
Krankheitsbild an der Diagnose nicht mehr zweifeln läßt. Diese 
Fälle sind dann aber einer Heilung mit Dauererfolg in der Regel 
nicht mehr zugänglich, sei es, daß die Kuren aus wirtschaftlichen 
Rücksichten überhaupt zu kurz bemessen werden — ich erinnere 
hier nur an die Sechs-Wochen-Kuren der L.-V.-A. Westfalen — 
sei es, daß die Arbeite- und Lebensbedingungen nach der Kur 
dem eben Genesenen nicht den Grad von allgemeiner und persön¬ 
licher Hygiene ermöglichen, der zum Gesundbleiben nun einmal 
erforderlich ist. 

Oder die Aerzte führen, durch das fortwährende Mahnen und 
Drängen auf Frühdiagnose selbst „tuberkuloseüberempfindlich“ ge¬ 
worden, auf unbestimmte Anzeichen hin auch Nichttuberkulöse 
dem Heilverfahren zu. Das ist zwar weniger gefährlich als 
kostspielig, sollte aber doch wegen der folgenschweren Bedeutung 
der Tuberkulosediagnose vermieden werden. 

Bleibt die bakteriologische Diagnostik. Sie wird in 
ihrer Bedeutung für die Frühdiagnose der Tuberkulose ganz 
allgemein und außerordentlich überschätzt. Die Betonung 
dieser Tatsache nimmt der Entdeckung des Tuberkulosevirus 
nichts von ihrer epochalen Bedeutung; überdies ist ja der Ent¬ 
decker des Tuberkelbacillus gleichzeitig auch der Entdecker des 
feinsten diagnostischen Reagens, des Tuberkulins. 

Auch die Medizinal-Untersuchungsämter und die bakterio¬ 
logischen Untersuchungsstellen, die die von den praktischen 
Aerzten eingeschickten Sputa auf Tuberkelbazillen untersuchen, 
können uns auf diesem Wege in der Frühdiagnose der Tuber¬ 
kulose nicht weiter bringen, selbst dann nicht, wenn sie bei 
ihren Sputumuntersuchungen von der verbesserten Technik mit¬ 
tels des Antiforminverfahrens nach Uhlenhuth 1 ) ausgiebig¬ 
sten Gebrauch machen. 


') Arbeiten au dem Kaiserlichen Gesondheitsamte; Nr. 32, 8.1—61. 



156 


Dr. Boepke. 


Ich habe die Beobachtung gemacht, daß meiner Heilstätte 
der höchste Prozentsatz vorgeschrittener Toberknlosefftlle ans den¬ 
jenigen Eisenbahndirektionsbezirken zngeht, in denen die Bahn- 
ärzte ans örtlichen Verhältnissen die Spnta am häufigsten zur 
Untersuchung fortschicken. Darüber kann man sich nicht wun¬ 
dern, wenn man statistisch festgestellt sieht, daß in solchen 
Untersuchungsstellen kaum 10 °/ 0 aller eingeschickten Sputa tnber- 
kelbazillenhaltig befunden werden, während sie tatsächlich in 90 
und mehr Prozent von tuberkulösen Lungenkranken herstammen. 
Ueber das negative Untersnchungsergebnis ist der Patient dann 
sehr erfreut, nur zu oft beruhigt sich auch der Arzt dabei — 
und die Tuberkulose bleibt nndiagnostiziert. 

Die unbefriedigenden Ergebnisse der bakteriologischen Unter¬ 
suchungsstellen sind nun nicht in einer mangelhaften Unter¬ 
suchung des Sputums begründet, sondern in der Beschaffenheit 
des eingeschickten Materials. Es besteht aus Mundspeichel, Bachen¬ 
oder Choanen- Schleim, aus Sekret der entzündlich mitbeteiligten 
oberen Luftwege und größeren Bronchien, rührt in der Kegel 
also gar nicht vom eigentlichen Tuberkuloseherd her 
und enthält tatsächlich keine Tuberkelbazillen; auch die Verimpfung 
solchen Sputums auf Meerschweinchen würde kein positives Er¬ 
gebnis haben. 

Wir wissen ferner, daß in etwa 90 °/ 0 aller dem I. Stadium 
der Lungentuberkulose zugehörigen Fällen eine Ausscheidung von 
Tuberkelbazillen an die Außenwelt noch nicht stattfindet und 
nach Art der anatomisch r pathologischen Vorgänge auch nicht 
statthaben kann; denn die Tuberkulose beginnt nicht mit 
einem katarrhalischen Stadium, sondern mit Infiltration. 
Ja, selbst bei etwa einem Drittel der Lungentuberkulosen des 
n. Stadiums sind im Sputum Tuberkelbazillen bei ein- und mehr¬ 
maliger Untersuchung nicht nachweisbar weder bei Ziehl- 
Neelsenscher, noch bei nach Much modifizierter Gram-Färbung, 
noch unter Zuhilfenahme des Antiforminverfahrens. Dazu 
kommen dann endlich noch die nicht seltenen und beim weib¬ 
lichen Geschlecht sogar häufigen Fälle, in denen trotz vorhan¬ 
dener tuberkulöser Lungenerkrankung Sputum überhaupt nicht 
produziert bezw. trotz aller Mahnungen des Arztes zur Unter¬ 
suchung nicht abgegeben wird. 

Die Verhältnisse liegen heute also tatsächlich so, daß die 
spezifische Diagnostik nicht in dem wünschenswerten Umfange 
angewendet wird, und die bakteriologische Diagnostik im Früh- 
stadium mehr oder weniger sicher versagt. Die Folge davon ist, 
daß die initiale Lungentuberkulose viel zu häufig erst zur offenen, 
die Ansteckung weiter verbreitenden Form wird, bevor sie pro¬ 
phylaktisch und therapeutisch behandelt wird. 

Dem würde durch eine im Ergebnis zuverlässige serolo¬ 
gische Probe vorgebeugt werden. Ob sie etwas umständlicher 
ist, spielt keine Bolle. Sie braucht ja nicht vom praktischen Arzt 
selbst angestellt zu werden. Es kommt nur darauf an, daß das Blut, 
das dem Tuberkuloseverdächtigen vom behandelnden Arzte ent- 



Die FrflhdiAgnoee der Lnagentubexkulose auf serologischem Wege. 167 

Dommen und zur Prüfung an das nächste Untersuchungsamt ein¬ 
geschickt wird, in allen Tuberkulosefällen auch Träger 
solcher Stoffe ist, deren Nachweis mit Sicherheit auf 
Tuberkulose schliessen lässt. Damit wird der Fehler aus¬ 
geschaltet, der heute darin liegt, dass den Untersuchungsstellen 
von tatsächlich Tuberkulösen Material zur Prüfung geliefert wird, 
das als tuberkulösen Ursprungs nicht erkannt werden kann. 
Der grosse Fortschritt würde also darin zu erblicken 
sein, daß die Unterauchungsstelle auf Grund der Blut¬ 
serumprüfung mittels der tierischen Ueberempfind- 
lichkeitsreaktion schon 48 Stunden nach der Einsen¬ 
dung der Blutprobe die Frage richtig beantworten kann, 
ob das Blut von einem Tuberkulösen stammt oder 
nicht. Damit käme unsere Tuberkulosediagnostik endlich in 
das Fahrwasser in dem sich die Typhusdiagnostik seit Jahren mit 
Erfolge bewegt. 

Gegenüber der Koch sehen subkutanen Tuberkulinprobe hat 
die geschilderte serologische Diagnostik den Nachteil, dass sie in 
keinem Fall eine Lokaldiagnose ermöglicht, was die erstere bei 
sorgfältiger Beobachtung des Kranken meist tut. Sie hat aber 
den Vorzug, dass sie durch Versendung der Blutprobe in geeig¬ 
neten Instituten angestellt werden kann, ohne dass der betreffende 
Patient den Unannehmlichkeiten der Tuberkulinreaktion ausge¬ 
setzt zu werden braucht. Auch ist der dem Arzt gegebene Hin¬ 
weis, dass er es mit einem tuberkulösen oder nicht tuberkulösen 
Individuum zu tun hat, für die endgültige und lokale Diagnose 
so ungemein erleichternd, dass man das Verfahren, die Ueber- 
empfindlichkeitsreaktion gegen Tuberkulin vom I.tuberkulösen 
Menschen auf ein mit seinem Serum vorbehandeltes Meerschwein¬ 
chen zu übertragen, mit berechtigter Erwartung weiter stu¬ 
dieren muss. 

Das ist auch der Grund, weshalb ich unsere bisherigen ein¬ 
deutigen Ergebnisse an dieser Stelle bekannt gebe. Angesehen 
davon, daß für den Medizinalbeamten als berufenen Gesundheits¬ 
beamten seines Bezirkes, als Vertrauensarzt der Versicherungs¬ 
anstalten, als Leiter der Fürsorgestellen usw. die Tuberkulose 
im allgemeinen und ihre Frühdiagnostik im besonderen ein wich¬ 
tiges Arbeitsfeld bedeutet, erscheint die Mitarbeit der Medizinal- 
Untersuchungsämter und öffentlichen hygienischen Institute an der 
hier berührten Frage wünschenswert. Sie erscheint sogar not¬ 
wendig, wenn man an die große Zahl der erforderlichen Ver¬ 
suchstiere, die übrigens nicht erkranken und zu anderen Versuchen 
weiter verwendet werden können, and an den derzeitigen Mangel 
und hohen Preis der Meerschweinchen denkt und weiter berück¬ 
sichtigt, daß nur die wenigsten unserer Heilstätten und Kranken¬ 
anstalten auf tierexperimentelle Arbeiten im größeren Umfange 
eingerichtet sind. 



160 Der Gesetzentwurf betreffend die Reisekosten der Staatsbeamten 

maßgebend, die Tom Staatsministerium oder, soweit die Zuständigkeit des Ver- 
waltnngschefs und des Finanzministers begründet ist, von diesen getroffen 
werden. 

§ 15. Dieses Gesetz tritt am 1. April 1910 in Kraft. 

Für Dienstreisen, die vor dem 1. April 1910 begonnen und 4i diesem 
Tage oder später beendigt werden, sind die Tagegelder und Fahrkonen nach 
den bisherigen Bestimmungen zu gewähren. 

§ 16. Alle diesem Gesetz entgegenstehenden Bestimmungen sind auf¬ 
gehoben. Wo in besonderen Vorschriften auf die hiernach aufgehobenen Be¬ 
stimmungen Bezug genommen wird, treten die entsprechenden Vorschriften 
dieses Gesetzes pn deren Stelle. 

§ 17. Die gesetzlichen und sonstigen Vorschriften, die für einzelne 
Dienstzweige oder Dienstgeschäfte über die Tagegelder und Fahrkosten der 
Beamten ergangen sind, bleiben in Kraft. Sie können durch Königliche Ver¬ 
ordnung abgeändert werden. 

Abgesehen Yon den Fällen des § 8 Abs. 5 dürfen aber nicht höhere als 
die im § 1 Abs. 1 und § 8 bestimmten Vergütungen gewährt werden und ist 
eine über die Vorschrift des g 6 hinausgehende Abrundung der Entfernungen 
und die Gewährung der bestimmungsmäßigen Tagegelder und Fahrkosten bei 
geringerer Entfernung als 2 Kilometer nicht statthaft 

Unter den gleichen Beschränkungen kann die Gewährung Yon Tage¬ 
geldern und Fabrkosten für einzelne Dienstzweige oder Dienstgeschäfte auch 
ferner durch Königliche Verordnung besonders geregelt werden. 

Desgleichen können die Sätze von Tagegeldern und Fahrkosten, welche 
den in Angelegenheiten der direkten Staatssteuern berufenen Kommissions- und 
Ausschußmitgliedern zu gewähren sind, durch Königliche Verordnung geändert 
oder neu bestimmt werden. 

Begründung. 

Die Aufwendungen des Staats für die Dienstreisen der Beamten haben 
in den letzten Jahren eine fortdauernde Steigerung erfahren und eine Hohe 
erreicht daß Maßnahmen zu ihrer Einschränkung getroffen werden müssen. 
Diese bieten sich einmal in der Vermeidung aller unnötigen Dienstreisen und 
einer möglichst zweckmäßigen Gestaltung der Beiset&tigkeit der Beamten und 
ferner in der Herabsetzung der Rehegebührnisse auf das wirklich notwendige 
Maß. In erster Beziehung muß daran festgehalten werden, daß eine Reise¬ 
tätigkeit der Beamten unerläßlich ist um die lebendige Fühlung mit der Be¬ 
völkerung aufrecht zu erhalten und den Beamten diejenige Kenntnis von Land 
und Leuten zu verschaffen, ohne die eine gedeihliche Führung der Geschäfte 
nicht möglich ist, daß aber auf der anderen Seite jede durch diese Rücksichten 
nicht gebotene Ausdehnung der Reisen zu vermeiden ist. Ob unter diesen 
Gesichtspunkten eine Reise notwendig oder entbehrlich ist, kann im Einzelfall 
von der Zentralinstanz aus nicht beurteilt werden, muß vielmehr der pflicht¬ 
mäßigen Prüfung des Beamten selbst unter fortdauernder Kontrolle der Vor¬ 
gesetzten Behörde überlassen bleiben. Die Zentralinstanzen haben aber wieder¬ 
holt Veranlassung genommen, jene Gesichtspunkte den Beamten ins Gedächtnis 
zurückzurufen. So ist beispielsweise für die allgemeine Staatsverwaltung von 
dem Finanzminister und dem Minister des Innern durch den Runderlaß vom 
26. April 1909 erneut die Aufmerksamkeit vor allem darauf hingelenkt worden, 
daß Reisen, die im wesentlichen nur einen repräsentiven Charakter haben, und 
Rehen zu Kongressen und ähnlichen Veranstaltungen auf das unbedingt not¬ 
wendige Maß zu beschränken seien. Ferner ist den Beamten zur Pflicht ge¬ 
macht, in dor Disposition ihrer Reisen in möglichst zweckmäßiger und unnötige 
Kosten vermeidender Weise zu verfahren und mehrere Dienstgescbäfte in der¬ 
selben Gegend möglichst in einer Reise zu erledigen. Auch ist angeordnet 
worden, die Zahl der an einer Dienstreise teilnehmenden Beamten auf das 
unumgänglich notwendige Maß zu beschränken und in einem richtigen Ver¬ 
hältnis zu der Bedeutung der zu erörternden Sache zu halten. Abgesehen von 
diesen allgemeinen Anordnungen ht auch die Pauschalierung von Beamten, 
die viele Rehen machen, fortgeführt worden, beispielswehe neuerdings bei den 
Kreisärzten, den Kreistierärzten und bei zahlreichen Beamten der Berg¬ 
verwaltung. 

Ueber diese im Rahmen der Verwaltung liegenden Maßnahmen hinaus 



und dessen erste Beratung im Abgeordnetenhaus am 18. a. 19. Febr. d. J. 161 

wird es aber einer Abänderung der gesetzlichen Bestimmungen bedürfen, wenn 
das in gleichem Maße im Interesse der Staats!inanzen wie des 
Ansehens der Beamten notwendige Ziel erreicht werden’soll, 
die Gebührnisse so zu gestalten, daß die Beamten im wesent* 
liehen nur ihre Auslagen erstattet erhalten, ohne Nebenein¬ 
nahmen zu erzielen. An diese gesetzliche Regelung heranzutreten,~;ist 
nunmehr geboten, nachdem die Gehälter der Beamten durch die Besoldungs¬ 
ordnung vom 26. Mai 1909 ihre abschließende Regelung erfahren haben. In 
diesem Sinne hat auch der Landtag in den Verhandlungen der letzten Session 
Stellung genommen. 

Was die Gestaltung im einzelnen betrifft, so lag der Gedanke nahe, daß 
nur die tatsächlich gemachten baren Auslagen liquidiert werden. Die Auf¬ 
zählung und Belegung aller einzelnen baren Auslagen lür die Fahrt, die Be¬ 
förderung des Gepäcks, das Nachtquartier, Trinkgelder und dergl., sowie die 
Nachprüfung der einzelnen Posten würden indessen eine so erhebliche Ver¬ 
mehrung der Arbeit und des Schreibwerks bei der Aufstellung und Prüfung 
der Liquidationen und bei Rechnungsabnahme, sowie auch sonstige Unzuträg¬ 
lichkeiten verursachen, daß eine solche Regelung nicht empfohlen werden kann. 
Aus diesen Gründen ist auch bei den Beratungen über die Novelle zum Gesetz, 
betreffend die Tagegelder und Reisekosten der Staatsbeamten vom 21. Juni 
1897 (GesetzBammL S. 193) das System der Einzelliquidierung abgelehnt worden, 
wie ebenso insbesondere wegen der Schwierigkeit einer ausreichenden Kontrolle, 
von der Einführung von Freifahrscheinen für alle Staatsbeamten abgesehen 
worden ist. 

Hiernach mußte gesucht werden, bei den beiden Bestandteilen der Reise¬ 
gebührnisse, Tagegelder und Fahrkosteo, auf einem anderen Weg zu dem oben 
gedachten Ziel, daß nur die Selbstkosten gedeckt werden sollen, zu gelangen. 

Was zunächst die Tagegelder betrifft, so wird es euer Aenderung 
im allgemeinen nicht bedürfen. Bei Reisen, die eine längere Abwesenheit mit 
Uebernachten erfordern, sind sie in der Regel nur angemessen. Sie erscheinen 
aber insofern zu reichlich, als bei kurzen Reisen nur geringe Mehrkosten für 
die Verpflegung erwachsen. Diesem Gedanken ist in gewissem Umfang bereits 
im Artikel I, § 1, Abs. 2 und 3 der Novelle zum Reisekostengesetz vom 
21. Juni 1897 dadurch Rechnung getragen worden, daß bei zweitägigen Reisen 
von einer Gesamtdauer bis zu 24 Stunden ermäßigte Tagegelder von 1 */» und 
bei eintägigen Reisen solche von •/* des Tagegeldersatzes vorgesehen wurden. 
Im Entwurf ist der Tagegeldersatz für die ersteren Reisen beibehalten, da¬ 
gegen für eintägige Reisen der Satz von •/« auf etwa */* herabgesetzt worden. 
Ferner ist es angebracht, bei Reisen zwischen nahen Orten, die vielfach nur 
kurze Zeit beanspruchen, die Möglichkeit vorzusehen, noch geringere Beträge 
leotzusetzen; dies ist im g 9, Satz 2 des Entwurfs geschehen. Darüber hinaus 
aber allgemein bei kurzen Dienstreisen je nach der Stundenzahl, die sie er¬ 
fordern, abzustufen und bei längeren Dienstreisen zwischen Tagegeldern und 
(Jebernachtungsgeldern zu unterscheiden, empfiehlt sich nicht, um die Vor¬ 
schriften nicht unnötig zu komplizieren und Nachforderungen, die sonst häufig 
erhoben werden konnten, zu begegnen. 

An Fahrkosten erhalten nach dem geltenden Gesetz die Beamten 
feste Kilometersätze von 9, 7 und 5 Pf., ohne Rücksicht darauf, welche Wagen¬ 
oder Schiffsklasse sie benutzt haben. Dies führt dazu, daß Beamte, die eine 
niedrigere, als die dem Kilometersatze entsprechende Klasse benutzen, aus ihrer 
Reisetätigkeit nicht unerhebliche Einnahmen erzielen kOnnen. Mit dem Grund¬ 
sätze der Auslagenerstattung läßt sich dies nicht vereinigen. Der Entwurf 
sieht daher vor, daß die im Gesetz den Beamten grundsätzlich zugebilligten 
Kilometersätze nur dann gezahlt werden dürfen, wenn der Fahrpreis für die 
entsprechende Klasse auch tatsächlich bezahlt ist; sonst soll der Kilometer- 
■atz der nächstniedrigeren Klasse, also bei den im § 1 unter I bis IV ge¬ 
nannten Beamten der 8atz der zweiten Wagenklasse, bei den unter V und VI 
beseichneten Beamten der Satz der dritten Wagenklasse gewährt werden. Bei 
den unter VII auf geführten Beamten ist die Möglichkeit, Kilometersätze der 
vierten Wagenklasse au gewähren, nicht vorgesehen, da diese Klasse für die 
Dienstreisen der Beamten überhaupt außer Betracht bleiben soll. 

Von einer Aenderung der Kilometersätze von 9. 7 und 5 Pf. wird, wenn 
auch der 1897 zugrunde gelegte Schnellzugstarif anders gestaltet worden ist, 



162 Der Gesetzentwurf betreffend die Reisekosten der Stnstsbeunten 


abzusehen sein. Die Einheitssätze des Peraonentnrifs betragen zwar fttr die 
erste Wagenklasse nar 7 Pf, lttr die zweite 4,5 Pf. and für die dritte 8 Pf. 
für das Kilometer; daza treten aber die Fahrkartenstener and der Sehnellsugs- 
-Zuschlag, so daß dem Beamten nur verhältnismäßig wenig übrig bleibt, am 
•die Nebenkosten, insbesondere für Beförderung des Gepäcks, za bestreiten. 
Beispielsweise betragen die Kosten einer Fahrt einschließlich der Fahrkarten- 
steaer bei einer Entfernung von 100 Kilometern 

«vhnniivnmi Die gesetzlichen Fttr sonstige Un- 


Schnellzugs- 

zaschlag 

1. Kl 7,80 M. +1,00 M. = 8,80 M. 

2. „ 4,90. „ -j- 1,00 „ = 5,90 , 
8. „ 8,10 , + 0,50 , = 8,60 „ 


Kilometergelder 
betragen 
9 M. 

7 , 

. 5 „ 


Fttr sonstige Un¬ 
kosten verbleiben 
dem Beamten 
0,20 M. 

1,10 , 

1,40 , 


Hiernach erscheint eine Herabsetzung der Kilometersätze um so weniger 
notwendig und gerechtfertigt, als die Vergütungen fttr Zu- und Abgang 
zu und von der 8tation erheblich eingeschränkt sind. Nach dem Entwurf 
werden diese Vergütungen nur fttr den Zugang und den Abgang am Wohnort 
oder an einem auswärtigen Uebernachtungsort gewährt; dagegen sind sie 
an Orten, an denen nur ein Dienstgeschäft erledigt, aber 
nicht übernachtet wird, und überhaupt an Orten zwischender 
Anfangs-und der Endstation eines Beisetages beseitigt. Hier¬ 
durch wird die Handhabung des Gesetzes wesentlich vereinfacht, und es wird 
vermieden, daß Beamte bei mehrfachem Wechsel des Dienstorts während eines 
Tages mehrfach Zu- und Abgang liquidieren und auf diese Weise einen Gewinn, 
der zu den etwaigen geringen baren Auslagen in keinem Verhältnis steht, 
erzielen können. Eine gänzliche Beseitigung der Entschädigung fttr Zu- und 
•Abgang ist nicht gerechtfertigt, weil zur Deckung dieser Nebenkosten der den 
Preis der Fahrkarte übersteigende Betrag der Kilometergelder allein nicht 
ausreicht. 


Eine Ersparnis wird ferner erstrebt durch Beseitigung der Vor¬ 
schrift des§7, Ab8. 2 des Beisekostengesetzes, daß bei Beisen 
von nicht weniger als 2 Kilometer aber unter 8 Kilometern 
die Fahrkosten fttr 8Kilometer zu gewähren sind, und vor allem 
durch Ausdehnung der Bauschvergtttungen im § 9 des Entwurfs. Dieser lehnt 
sich an Artikel IU der Novelle zum Beisekostengesetz vom 21. Juni 1897 an, 
nach dem fttr Beamte, welche durch die Art ihrer Dienstgeschäfte zu häufigen 
Dienstreisen innerhalb bestimmter Amtsbezirke oder zu regelmäßig wieder¬ 
kehrenden Dienstreisen zwischen bestimmten Orten genötigt werden, an Stelle 
der gesetzmäßigen Beisekosten geringere Beträge gewährt werden können. 
Diese Vorschrift hat sich als nicht ausreichend erwiesen. Im Entwarf ist daher 
eine weitere Fassung vorgesohen und bestimmt, daß eine anderweitige Fest¬ 
setzung der Beisekosten nicht nur dann zulässig sein soll, wenn einem Be¬ 
amten ein engerer Amtsbezirk überwiesen ist, wodurch ihm in der Begel eine 
ausgedehnte Beisetätigkeit erwächst, sondern auch dann, wenn Beamte 
überhaupt schon durch die Art ihrer Dienstgeschäfte zu 
häufigen oder regelmäßig wiederkehrenden Dienstreisen ge¬ 
nötigt sind, auch wenn sich diese nicht zwischen bestimmte Orten bewegen. 
Dabei ist von der Erwägung ausgegangen, daß die Häufigkeit der Dienstreisen 
dazu führen kann, daß trotz der einschränkenden Bestimmungen des Entwurfs 
den Beamten erhebliche Gewinne erwachsen, und daß es deshalb gerechtfertigt ist, 
in solchen Fällen ermäßigte Beträge zu gewähren. Ferner wird, wie schon 
oben angeführt ist, im Entwurf im Anschluß an § 10, Abs. 2 der für das Beich 
geltenden Verordnung vom 25. Juni 1901 (Beichs-Gesetzbl. 8. 241) fttr Dienst¬ 
reisen zwischen nahe gelegenen Orten eine abweichende 
Begelung der Beisekosten zugelassen. Letztere Vorschrift ist be¬ 
sonders fttr größere Städte und deren Vororte von Bedeutung, da es hier den 
Beamten bei den entwickelten Verkehrsverbindungen möglich ist, Dienstgeschäfte 
ohne erheblichen Zeitverlust und ohne größere Unkosten zu erledigen. Endlich 
werden bei Beisen, die einen längeren Aufenthalt des Beamten außerhalb seines 
Wohnorts erfordern, vielfach ermäßigte Sätze völlig ausreichen, da in solchen 
Fällen der mit der Boise verbundene Aufwand sicn in der Begel verhältnis¬ 
mäßig verringern wird. 



and dessen erste Beratung Im Abgeordnetenhause am 18. a. 19. Febr. d. J. 168 


Da die einzelnen Vorschriften des Beisekostengesetzes Tom 24. M&rz 1878 
(GesetssammL 8.122) infolge seiner wiederholten Abänderungen wenig Über¬ 
sichtlich sind, ist eine nene Fassung des ganzen Gesetzes angezeigt, mit der 
zugleich einige minder wichtige Aenderungen und Ergänzungen der bisherigen 
Vorschriften zu verbinden sind. 

Im übrigen ist zu den einzelnen Vorschriften noch folgendes zu be¬ 
merken : 

Die nach dem Gesetz zu gewährenden Beisekosten setzen sich aus Tage¬ 
geldern und Fahrkosten zusammen. Für erstere gibt § 1 abgesehen von der 
oben erörterten Ermäßigung der Tagegelder bei eintägigen Dienstreisen das 
geltende Becht wieder. 

§ 2. In Anlehnung an g 3 der Kaiserlichen Verordnung über die Tage¬ 
gelder, die Fuhrkosten und die UmzugBkosten der Beichsbeamten vom 25. Juni 
1901 (Beichs-GesetzbL S. 241) und an ähnliche Bestimmungen anderer Bundes¬ 
staaten empfiehlt sich eine Vorschrift des Inhalts, daß auch etatsmäßige 
Beamte bei längeren Kommissorien nicht stets die vollen Tagegelder 
beanspruchen können, sondern die Gewährung ermäßigter Sätze zulässig ist. 
Eine solche ist bisher schon in weitem Umfange üblich gewesen, trotzdem 
das Gesetz eine entsprechende Vorschrift nicht erhielt. Die Beamten werden 
es in diesen Fällen in der Begel einrichten kOnnen, daß sie für Verpflegung 
und Unterkunft verhältnismäßig weniger aulzuwenden haben, als wenn sie nur 
einzelne Tage auswärts beschäftigt sind. 

§ 8* Die in Abs. 1 und 2 vorgesehenen Abänderungen des geltenden 
Rechts sind in den einleitenden Bemerkungen begründet. 

Mit dem Grundsatz, daß den Beamten außer einer angemessenen allge¬ 
meinen Aufwandsentschädigung nur die baren Auslagen der einzelnen Dienst¬ 
reise erstattet werden, läßt es sich nicht vereinigen, daß, wenn mehrere 
Beamte gemeinschaftlich dasselbe Verkehrsmittel, z. B. einen 
Wagen, benutzen, dessen Preis durch die Anzahl der mitfahrenden Personen 
nicht oder nur wenig beeinflußt wird, jedem Beamten die vollen Kilometersfitze 
gewährt werden. In dem Entwurf ist daher für einen solchen Fall ein 
geringerer 8atz vorgesehen. Weniger als die Hälfte der Kilometers&tze für 
die höheren Beamten, etwa nur ein der Zahl der an der Fahrt beteiligten 
Beamten entsprechender Bruchteil, wird nicht zugebilligt werden kOnnen, da 
bei einer Benutzung des Verkehrsmittels durch mehr als zwei Beamte oder 
durch einen höheren und einen Subalternbeamten sich sonst leicht Härten 
ergeben. 

§ 4. Bei der ständig zunehmenden Bedeutung des Kraftwagen¬ 
verkehrs erschien es zweckmäßig, auch ihn im Gesetz zu berücksichtigen. 
Besondere Bestimmungen über die Benutzung dieses Verkehrsmittels durch 
die Beamten und über die Hohe der in diesem Fall zu gewährenden Ver¬ 
gütungen konnten mangels ausreichender Erfahrungen im Gesetz selbst nicht 
getroffen werden und dürften, sobald solche vorliegen, wie bisher schon für 
die Kleinbahnen, dem Staatsministerium zu überlassen sein. 

§ 5 entspricht im wesentlichen dem Artikel II der Novelle zum Beise- 
kostengesetz vom 21. Juni 1897 (Gesetzsamml. 8.192). Da beabsichtigt ist, 
abweichend von den bisherigen Grundsätzen den § 5 in Zukunft auch auf die 
von dritter 8eite unentgeltlich gestellten Fuhrwerke anzu¬ 
wenden, ist Vorsorge getroffen, daß in solchen Fällen die Beamten für Neben¬ 
kosten, die ihnen durch Trinkgelder und dergleichen entstehen, eine Ent¬ 
schädigung erhalten. Die nähere Bestimmung darüber, wann und in welcher 
Hohe eine solche Entschädigung zu gewähren ist, wird zweckmfißigerweise 
den AusführuBgsbestimmungen vorzubehalten sein. 

§ 6 gibt das geltende Becht wieder. 

Die bisher im § 7 Abs. 2 enthaltene Vorschrift, daß bei Beisen von 
nicht weniger als 2 Kilometern aber unter 8 Kilometern die Fahrkosten für 
8 Kilometer zu gewähren sind, ist beseitigt und damit eine Uebereinstimmung 
mit dem für das Beich geltenden Becht herbeigeführt. Ein Bedürfnis, diese 
Vorschrift zu erhalten, besteht nicht; sie ist bei Eisenbahnreisen offenbar 
unberechtigt und kann auch sonst in vielen Fällen, in denen es sich um Ent¬ 
fernungen von wenig mehr als 2 Kilometern handelt, leicht zur Gewährung 
von unverhältnismäßig hoben Fahrkosten führen. Soweit im einzelnen 



164 Der Gesetzentwurf betreffend die Reisekosten der Staatsbeamten 

Fall die tats&chlicb entstandenen Fabrkosten nickt durch 
die Kilometersätze gedeckt werden, können die Mehrkosten 
gemäß § 8 Abs. 1 nachgefordert werden. 

§ 7 entspricht den bisherigen Vorschriften. 

§ 8 enthält die Vorschriften des § 2 und § 4 Abs. 2 des jetzigen 
Gesetzes. 

Während § 8 Abs. 1 nur die nachträgliche Erstattung der über die 
bestimmungsmäßigen Sätze hinaus verauslagten Fabrkosten betrifft, läßt Abs. 2 
sowohl für die Fahrkosten, als auch für die Tagegelder die Gewährung eines 
Zuschusses oder einer Bauschvergütung zu, und zwar auch vor Antritt der 
Reise. Das Bedürfnis nach Erstattung erhöhter Fahrkosten oder nach Be* 
willigung eines Zuschusses, welcher die erhöhten Unkosten berücksichtigt, 
kann sowohl bei Beamten eintreten, denen die im Gesetz vorgesehenen 8ätze 
zustehen, als auch bei denen, welche andere Sätze oder eine Bauschvergütung 
für die einzelne Dienstreise erhalten. 

Zum Nachweis der entstandenen Unkosten wird in der Regel eine 
allgemeine diese darlegende Bescheinigung des Beamten genügen. 

Ohne Rücksicht auf einen außergewöhnlichen Aufwand soll in Zukunft 
in geeigneten Fällen zwecks Vereinfachung des Geschäftsgangs bei Auslands¬ 
reisen eine Bauschvorgütung bewilligt werden können. Diese wird unter 
Berücksichtigung der gesamten Auslagen zu bemessen sein. 

§ 9. Die durch die Erweiterung der Bauschvergütungen bedingten 
Abänderungen des geltenden Rechts sind in den einleitenden Bemerkungen 
begründet. 

Die anderweitige Festsetzung der Reisekosten kann, abgesehen von der 
Erstattung der baren Auslagen, darin bestehen, daß für die einzelne Reise 
der gesetzmäßige Tagegeldersatz und Eilometersatz oder nur einer von beiden 
ermäßigt oder eine die gesamten Reisekosten der einzelnen Reise umfassende 
Baaschvergütung gewährt wird, oder daß für alle oder nur für bestimmte 
Reisen innerhalb eines Zeitraumes, z. B. eines Jahres, eine Bauschsumme 
bewilligt wird. 

Von der Befugnis wird nach Möglichkeit Gebrauch zu machen sein. 

§§ 10 Mb 14 geben im wesentlichen das geltende Recht wieder. 

§§ 15 bis 17 entsprechen im wesentlichen den gleichen Vorschriften der 
§§ 11 und 12 des geltenden Gesetzes. 

Die Aenderungen, die der Gesetzentwurf gegenüber den bis¬ 
herigen Bestimmungen bringt, sind, wie z. T. bereits in Nr. 4 der 
Zeitschrift kurz hervorgehoben ist, in der Hanpts&che folgende: 

1. Herabsetzung der Tagegelder auf */„ wenn die Dienst* 
reise an demselben Tage angetreten und beendet wird, also fttr 
Beamte der IV. und V. Rangklasse von 15 auf 10, für Beamte 
II. und III. Klasse von 22 auf 14 Mark, während früher nur eine 
Ermäßigung auf 12 und 17 Mark vorgesehen war (§ 1 Abs. 2 d. G.). 

2. Ermäßigung der Tagegelder bei längerer vor* 
übergehender Beschäftigung eines Beamten außerhalb seines 
Wohnortes (§ 2). 

3. Herabsetzung der Kilometergelder bei Reisen auf 
Eisenbahnen usw. von 9 auf 7 Pf., falls nicht die I. Wagen* 
klasse benutzt wird; desgleichen bei Reisen auf Landwegen 
von 60 auf 30 Pf., falls mehrere Beamte gemeinschaftlich das¬ 
selbe Verkehrsmittel benutzen (§ 3, Abs. 1, Ziff. 1 und Abs. 4). 

4. Gewährung je einer Zu- und Abgangsgebühr nur 
für jeden Zu- oder Abgang am Wohnort oder an einem aus¬ 
wärtigen Uebernachtungsort; findet eine Uebernachtung nicht statt, 
so wird für den Ab- und Zugang weder an der Endstation, noch 






Z QDd 

& Fortfall der Kilometergelder bei cnentreulich ee- 
4t6Jlt#.D yerkebrsmiUelii, also nicht nur wie bisher, wenn 
diese BUftlheherafiita zur Terföfang: gestellt werden, sondern auch 
^au, waaadje» von Witter Seite (Privatpersonen) geschieht (§ 5 j. 

8, hortfailder bisherigen Vorschrift, wonach bei Reisen von 
nicht weniger aU g Kilometer, aber unter 8 Kilometern Fa. hr* 

? ew&hrt WQ rden s wehrend Jetzt 
ohne Rücksicht aut die Entfernung nur jedes angekngene Kilo- 
Bieter für «a tolles gerechnet werden soll (§ 6, 4ha. m 4 " ■ 

7. Aösdehnaag der Bestimmung über die Gewährung tob 
Be nach Vergütungen, also geringeren Betragen m Steife der 
gesetzmäwgeu Reisekosten, an alle Beamte, die durch die Art 
ihrer pieastgesehäfte zu häufigen oder regelmäßig wiederkehrenden 
ij^uatxei&eD genötigt sind, auch wenn diese sich wicht zwischen 
bestimmten Orten bewegen (§ 6). 

Abgeordnetenhaus* hat man sich hei der ersten Beratung 


fiSffittieüa it€dflejr dem in dem allgemeinen Teil der Begr^ndan* 
|P in uom Ruuderlaß vom 21. April 1909, sowie vom Herrn 
(mnzmmiater in seiner Rede noch besonders zum Ausdruck ge- 
'•richten Orainlaatz bei, daß unnötige Dienstreisen zu vermeiden 
obrere Dienötgeschäfte womöglich in einer Reise zn erledigen seien 
5* n*möBHi?Ä die Zahl der daran teilnehmenden Beamten auf 
M . u&uiag&ngliche Maß zu beschränken sei. Besonders wurde 
a iteecr Jünsicht eine strenge Aufsicht der Vorgesetzten Behörden 
$?whi»flc5t t die allerdings in besmg auf ihre Reisetätigkeit mit 
/«em. Bemale vorangbhen müßten. Anderseits wurde jedoch 
^ iUi» Ä betont., daß notwendige Dieaatreisa.n nicht unter* 
® fI durreen, da die Beamten Fühlung mit der Bevölkerung 
nUiun, Land und Leuts kennen lernen müßten; eine solche 
Eyk f* «nr Vermeidung «hier bare »akratischen 

«^J****^ «kizelne Bestimmungen des Entwurfes sud die dazu 
EEtJJ Bögruadung wurden dagegen verschiedene Bedenken 
LoViw»' ^*V wtu ^ e V0Ü weehfcdenear Rednern (den Abgg. 
Aflfowvk^*’ ,;L ■ V fca &hn ua, i Peltsanhn) mit Recht darauf 

die zur Begründung der Notwendigkeit 
Erhöhung der Beamtenbesoidang 
fcsteMB' iLi. , sutreife ; denn eine große Anzahl der 






166 Der Gesetzentwurf betreffend die BeisekoBten der Staatsbeamten 

und würden demnach durch die Herabsetzung der Reisekosten 
zweifellos eine Schädigung erfahren, für die ihnen kein Ersatz 
gegeben werde. Am schwersten werden davon jedenfalls die 
technischen Beamten bei den Regierungen getroffen, da ihnen 
infolge ihrer Dienstobliegenheiten eine ausgedehnte Reisetätigkeit 
obliegt. Von den Abg. v. Maltzahn, Viereck und Wallen¬ 
born wurde allerdings betont, daß sich durch eine zweckmäßige 
Dezentralisation, die hoffentlich die geplante Verwaltungsreform 
bringen werde, gerade die Dienstreisen der Bezirks-, Provinzial- 
und Zentralinstanz sehr beschränken lassen würden; den tech¬ 
nischen Beamten gegenüber wird dies aber kaum möglich sein, 
weil sie in den meisten Fällen gar nicht in der Lage sind, sich 
ohne eine genaue Information an Ort und Stelle ein Urteil zu 
bilden. Der Abg. Wallenborn hat zwar Recht, wenn er be¬ 
sonders die Vermehrung der zu großen Zahl von gemeinsamen 
Reisen bei oft sehr geringfügigen Anlässen beanstandet, da dies 
das Publikum befremde; wenn es sich aber um Beschwerden han¬ 
delt, in denen namentlich die Gutachten der technischen Beamten 
I. Instanz bemängelt werden, dann bleibt eben nichts anderes 
übrig, als eine örtliche Besichtigung durch die gleichartigen Be¬ 
amten der höheren Instanz. Das Publikum wundert sich daher 
keineswegs über deren Erscheinen an Ort und Stelle, es würde 
sich im Gegenteil über ihr Ausbleiben wundern; Befremden erregt 
höchstens die Teilnahme von Verwaltungsbeamten in solchen An¬ 
gelegenheiten, in denen es lediglich auf ein technisches Gutachten 
ankommt. Nach dieser Richtung hin kann überhaupt die Zahl 
der Teilnehmer bei Dienstreisen manche Beschränkung ohne 
Schaden der Sache erfahren, z. B. bei den Besichtigungen der 
Irren- usw. Anstalten durch die Besuchskommission, bei denen 
sich ein Verwaltungsbeamter recht gut entbehren läßt. 

Die Herabsetzung der Tagegelder bei Reisen ohne Ueber- 
nachtung ist von keiner Seite bemängelt; auch die Beamten selbst 
werden eine solche als begründet anerkennen müssen. Anders 
liegen die Verhältnisse dagegen betreffs der Frage, ob bei der 
Steigerung aller Lebensbedürfnisse die Spannung von 5 Mark 
(15 statt 10 M.) ausreicht, um die Mehrkosten bei Reisen mit 
Nachtquartier zu decken. Mit Recht sagt der Abg. Peltasohn: 
„Die Tagegelder sollten so reichlich bemessen werden, daß der 
Beamte würdig und angemessen auftreten kann“; in manchen 
Orten wird dies aber mit 15 Mark pro Tag und Nachtquartier 
nicht möglich sein. Eine Erhöhung dürfte hier also umsomehr 
geboten sein, als Ueberschüsse aus den Kilometergeldern zur 
Deckung der Mehrkosten nicht mehr zur Verfügung stehen und 
dem Beamten, der viel zu reisen hat, auch nicht unerhebliche 
Ausgaben für allgemeine Aufwendungen, für Reiseutensilien, Gar¬ 
derobe usw. erwachsen, wie dies in zutreffender Weise von den 
Abg. Viereck und Peltasohn hervorgehoben wurde. 

Ebenso wie bisher macht der Gesetzentwurf keinen Unter¬ 
schied zwischen vollbesoldeten und nicht vollbesoldeten Beamten, 
die zu ihrem Lebensunterhalt auf Nebenerwerb angewiesen sind 



ltd desMi ferst* Berstoag im Abgtiordnetanhaise am 18. u. Id. Febr. d. j. 16T 


und demzufolge bei amtlichen Dienstreisen eine mehr oder weniger 
große Einbuße in ihren Nebeneinnahmen erleiden müssen. Es 
ist dies zweifellos eine erhebliche Benachteiligung derselben, z. B. 
der nicht vollbesoldeten Medizinalbeamten gegenüber ihren voll- 
besoldeten Kollegen,, die durch höhere Tagegelder ausgeglichen 
werden sollte. 

Betreffs der künftig zu gewährenden Kilometergelder 
gingen die bei der ersten Beratung des Entwurfs geäußerten An¬ 
sichten auch auseinander. Während einige Abgeordnete in der 
Gewährung von Freikartenscheinen oder in Rückzahlung der 
wirklich verauslagten Fahrkosten die beste LOsung dieser Frage 
sahen, hielten andere die betreffenden Bestimmungen im Gesetz¬ 
entwurf für zweckmäßiger, nur wurde es für nötig erachtet, daß 
nur die Kosten für die wirklich benutzte Fahrklasse bezahlt 
würden, damit nicht etwa ein Ab wandern der Beamten in eine 
niedrigere Klasse stattfinde, um sich dadurch einen Verdienst zu 
erwerben (Abg. Viereck). Ebenso wurde fast von allen Red¬ 
nern die Gebühr für Zu- und Abgang, namentlich mit Rücksicht 
auf die großen Städte, als zu niedrig bezeichnet. Ferner wurde mit 
Becht hervorgehoben, daß, wenn auch auf Landwegen nur die tat¬ 
sächlich zurückgelegten Kilometer bezahlt werden sollten, die dafür 
gewährte Entschädigung bei kürzeren Wegstrecken und längerem 
Aufenthalt an dem auswärtigen Dienstorte sehr häufig nicht aus¬ 
reichen werde. Der Beamte könne allerdings daun Erstattung der 
Mehrkosten verlangen, dies werde aber zu vielen Schreibereien 
Veranlassung geben. Hier wird sich jedenfalls eine Aenderung 
des Entwurfs als notwendig erweisen; insbesondere wird der An¬ 
spruch auf Wiedererstattung der Mehrkosten in der Weise gesetz¬ 
lich festzulegen sein, daß dabei die Tagegelder außer Betracht 
bleiben, und nicht wie bisher erst dann eine Wiedererstattung 
erfolgt, wenn die Reisekosten und sonstigen Auslagen den Gesamt¬ 
betrag der gesetzmäßigen Tagegelder und Fahrkosten Übersteigen. 

Die Herabsetzung der Kilometergelder für Reisen 
auf dem Landwege um die Hälfte, falls mehrere Beamte 
gemeinschaftlich dasselbe Verkehrsmittel benutzen, wurde an sich 
für berechtigt erklärt; desgleichen die Vorschrift, daß die Kilo¬ 
metergelder auch bei von Dritten unentgeltlich zur Verfügung 
gestelltem Fuhrwerk fortfallen; dagegen wurde das Fehlen einer 
Bestimmung vermißt, wonach der Beamte zur Benutzung des 
gestellten Verkehrsmittel verpflichtet sein muß, vorausgesetzt, 
daß es angemessen ist (Abg. Viereck und Abg. Peltasohn). 
So billig diese Bestimmung zu sein scheint, stehen ihr doch ander¬ 
seits große Bedenken entgegen. Was ist z. B. unter einem 
angemessenen Fuhrwerk zu verstehen? Wer kann ferner einen 
Beamten zwingen, ein Automobil zu benutzen, wenn er ein 
grundsätzlicher Gegner dieses Verkehrsmittels ist, oder bei 
ungünstiger Witterung im offenen Breack zu fahren und dadurch 
seine Gesundheit zu gefährden? Es ist deshalb sehr richtig, wenn 
der Entwurf von einer solchen gesetzlichen Verpflichtung des 
Beamten abgesehen hat. 

Nach alledem steht zu erwarten, daß der Gesetzentwurf in 



l<fc Kleber« Mitteilungen ul Referate ni Zeitschriften. 

der Eommistion noch mancherlei Aenderongen erfahren wird) wena 
auch sonst an seine Grundprinzipien festgehalten werden dürfte. Nor 
nach einer Richtung steht eine Aendernng nicht zn erwarten, das 
ist die weitere Ausdehnung der Bestimmungen über die Gewfihrung 
von Bausch vergütungen an diejenigen Beamten, deren amtliche 
Stellung häufige Dienstreisen notwendig macht. Bei den meisten 
Beamten der Kreisinstanz, u. a. auch bei den Kreismedizinalbeamten, 
ist dies bereits geschehen, und da den letzteren nur zwei Drittel 
der gesetzmäßigen Tagegelder und Reisekosten als Pauschale ge* 
währt sind, so wird dieses voraussichtlich auch unverändert 
bleiben; denn diese Minderung entspricht etwa der durch den Ent¬ 
wurf bedingten Herabsetzung der Reisekosten. Auch auf die Beamten 
der Bezirksinstanz wird man voraussichtlich künftighin das 
Pauschalsystem mehr ausdehnen, als es bisher der Fall gewesen 
ist; den Regierungs- und Medizinalräten dürfte dies nicht 
unerwünscht sein, da es wenigstens den Vorteil einer größeren 
Reisefreiheit hat, als wenn erst um jede einzelne Reise wie 
bisher die Zustimmung des Regierungspräsidenten eingeholt 
werden muß. Dies würde für diese wenigstens ein Vorzug des Gesetz¬ 
entwurfes sein; denn im übrigen bringt er ihnen selbst¬ 
verständlich erheblichen Nachteil, der nur durch eine entsprechend« 
Geealtszulage ausgeglichen werden kann. 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 

Bakteriologie, Infektionskrankheiten und öffentllohes 

Sanitätswesen, 

1. Bekämpfung der Infektionskrankheiten. 

Tuberkuloae. 

Weitere experimentelle Beweise für die nahe Verwandtschaft der 
beim Mensehen nnd beim Binde Torkommenden Taberkelbaxtllen und die 
Mffgllehkeit einer Umwandlong menschlicher Tuberkelbaatllen (Typnx 
humanus) ln rlnderrlrnlente Formen (Typus bovlnus). Von Prol. Dr. Eber 
ln Leipzig. Münchener med. Wochenschrift; 1909, Nr. 48. 

Verfasser gelang es ans den künstlich erzengten tuberkulösen Bauch« 
iellveränderungen yon Kälbern, die durch intraperitoneale Injektion der mit 
Bouillon verriebenen Milz dreier mit Luugrnmaterial von Phthisikerleichen 
intraperitoneal infizierter Meerschweinchen vorbehandelt wurden, Tuberkel« 
basillen zu isolieren, die sich im Kultur« und Infektionsversuche (künst¬ 
liche Uebertragung auf Binder) wie Bazillen des Typus bovinus verhielten. 
Diese näher beschriebenen Versuche des Verfasser machen es in hohem 
Qrade wahrscheinlich, daß unter der Einwirkung einer durch dae gleich¬ 
zeitig mit injizierte Organmaterial verursachten Bauchfellreizung ein besseres 
Halten der Tuberkelbaaillen in der Bauchbohle und eine allmähliche völlige 
Anpassung an den Binderorganismus gewährleistet wird. 

_ Dr. Waibei-Kempten. 


Die Umwandlung vom Menseben stammender Taberkelbaxtllen de* 
Typus humanus in solche des Typus bovinus. Ein experimenteller Beitreg 
zur Frage der Arteinheit beim Menschen und beim Rinde vorkommender Tuber* 
kelbaziUen. Von Prof. Dr. A. Eber, Direktor des Veterioärinstituts der Uni¬ 
versität Leipzig. Münchener med. Wochenschrift; 1910, Nr. 8. 

Da eine genauere Darstellung der Einzelheiten der höchst interessanten 
und ausführlichen Arbeit im Bahmen eines Beferats nicht möglich ist, so mOge 
hier nur die Zusammenfassung der Ausführungen des Verfassers wiedergegeben 
*md im übrigen auf dae Original verwieeea werden. 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


169 


»Dureh die Versuche ist dargetan, daß es bei geeigneter Versuchs- 
aaerdaung möglich ist, mit Tom Menschen stammendem tuberkulösen Materiale, 
aas dem Tuberkelbanillen mit den Eigenschaften des Typus humanus au 
sichten sind, durch Uebertragung auf Binder Veränderungen hervorzurufen, 
aas denen Tuberkelbaxillen isoliert werden kOnnen, die sich bei Weiterimpfung 
auf Rinder fftr diese hochgradig virulent erweisen und auch im Kultur- und 
Kaaiaeheaversucbe wie Basillen des Typus bovinus verhalten. Als die 
zweckmäßigste Form der Ueberimpfung fftr die Typenumwandlung hat sich 
hei den Versuchen die Einimpfung in die Bauchhöhle erwiesen. 

Das Haften der vom Menschen stammenden Tuberkelbaxillen in der 
BaaehhOhle wird durch Verwendung von Organteilen tuberkulöser Meerschwein¬ 
chen (insbesondere der mit Bouillon verriebenen Milz) wesentlich erleichtert 

In den mitgeteilten Versuchsreihen ist es gelungen, in drei von sieben 
wahllos nur Verfügung gestellten Fällen von Lungentuberkulose des Menschen 
Mae Umwandlung des Bazillentypus in dem oben erläuterten Sinne durch- 
suflhren. 

Der Ausgang dieser Versuche ist ein weiterer Beweis 
flr die nahe Verwandtschaft der heim Menschen und beim 
Kinde vorkommenden Tuberkuloseiormen.“ 

_ Dr. Waibei-Kempten. 


Ueher latentes Verkommen der Muehsehen Form des TuberkelbaelUus. 
Ten Dr. Paul Wolf (Pathologisches Institut Heidelberg). Münchener mediz. 
Wochenschrift; 1909, Nr. 46. 

Die Entdeckung Muchs, daß es virulente Formen des Tuberkelbacillus 
gibt die nicht mit der gewöhnlichen ZieIschen Färbung, sondern durch die 
Gram- bezw. modifizierte Gram-Methode nachweisbar sind, ließ die Möglich- 
keit zu, bei menschlichen Lymphdrüsen auch tinktoriell einen Beweis für 
latentes Vorkommen von Tuberkelbaxillen su liefern. 

Es gelang Much mittels eigener Methode in kalten Abszessen, in denen 
keine Tuberkelbaxillen mit der Zie Ischen Methode darstellbar waren, eine 
ulaere Form der Tuberkelbazillen zu finden. Ebenso gelang es häufig, in 
[kreidigen Lymphdrüsen, in denen nach Ziehl keine Bazillen gefunden 
en konnten, mehr oder weniger diese granulaeren Gebilde nachzuweisen. 
Diese Granula und nach Weiß kreisrunde, scharf konturierte, meist schwarz- 
violett bis schwarz gefärbte, zuweilen bei zu starker Entfärbung etwas licht- 
brechende Gebilde und haben das Aussehen feinster Kokken, obwohl sie 6 bis 
10mal kleiner sind als diese. Ihre Große ist wechselnd; es ist manchmal 
schwer, einzelne Granula oder gar staubförmige Haufen eindeutig zu verwerten. 

Verfasser nahm als Untersuchungsmateiial Mesenterialdrüson von Kindern, 
welche an verschiedenen Krankheiten gestorben waren; es gelangten zur 
Untersuchung 21 Fälle, von denen 6 klinisch und anatomisch tuberkulöse 
Veränderungen darboten. Unter diesen gaben 4 sowohl nach Ziehl, als nach 
Gram positive Resultate, während 2, die im Ausstrich keine nach Ziehl 
färbbaren Bazillen finden ließen, die Muchsche Form des Tuberkelbacillus 
erkennen ließen. Die anderen 15 Fälle boten weder klinisch, noch bei makro¬ 
skopischer oder mikroskopischer Untersuchung irgendwelche Anhaltspunkte für 
Tuberkulose. Dagegen fanden sich bei dreien derselben morphologisch und 
tinktoriell die gleichen Elemente, wie Much sie geschildert und wie sie auch 
in obigem sicher tuberkelhaltigen Material vorhanden waren. 

Verfasser konnte also in einzelnen Fällen, die keinerlei sonstige tuber¬ 
kulöse Veränderungen bei der Sektion aufwiesen und deren Lymphdrüsen sich 
histologisch frei von Tuberkulose erwiesen, im Drüsenausstrich die Much sehe 
Form des Tuberkelbacillus nach weisen. Dabei betrachtete Verfasser die Be¬ 
funde nur dann als positiv, wenn mindestens 3—4 sichere Granula in einer 
Reihe hintereinander gefunden wurden. 

Diese Untersuchungsmethode kann unter Umständen bei der großen Be¬ 
deutung der Frage von der Latenz der Tuberkelbasillen noch eine große Be¬ 
deutung ln der Tuberkuloseforschung gewinnen, besonders im Hinblick auf die 
Frage der Heredität und Infektion im frühesten Kindesalter und vielleicht 
auch bezüglich der Eintrittspforte der Infektion. 

Vorläufig liefert sie sicher in manchen Fällen, wo die Ziehlfärbung 
versagt, noch brauchbare Resultate zum Nachweise von Tuberkelbaxillen. 


170 Kleinere Mitteilungen und Referate tue Zeitschriften. 

Auch das latente Vorkommen von Tuberkelbazilien In menschlichen Lymph- 
drfisen, du schon häufig durch den Tierversuch nuchgewiesen wurde, läßt sich 
tinktoriell durch die Machsche Methode feBtstellen. 

_ Dr. Wni bei-Kempten. 


Ueber die Verwendung von Antiformin und Ligroin für den Fach- 
weis der Tuberkelbaslllen im Sputum. Von Dr. Georg Bernhardt. Deut* 
sehe medizinische Wochenschrift; 11)09, Nr. 88. 

B. kombinierte das von Lange und Nits ehe angegebene Verfahren, 
' Tuberkelbazillen durch Ligroin'Zusatz anzureichern, und das von U hlenhuth, 
mit Antiformin (Mischung von Alkalibypochlorid und Alkalibydrat), welches 
alle anderen Bakterien auflöst und nur die Tuberkelbazillen verschont, mit 
gutem Erfolg. Nur bei Impf versuchen erwies sich die Einwirkung von Ligroin, 
offenbar durch Abtötung der Tuberkelbazillen, als schädlich. Das kombinierte 
Verfahren gestaltet sich einfach: 6 ccm Sputum mit 20 ccm 20proz. Antiformin 
im Meßzylinder versetzt, mehrere Stunden stehen lassen, nochmals schütteln; 
eventuell 25 ccm Leitungswasser; dann Ligroin (Schicht von 8—5 mm), 
kräftig schütteln. Nach Abscheidung (ca. 80 Minuten) Entnahme unterhalb 
des Ligroins; Färben auf vorgewäimtem Objektträger. 

Dr. LiebetrnU'Engen LW. 


Ueber eine neue Reaktion der Tuberkelbasillen nnd eine darauf 
begründete differenttaldlagno»tlsche Färbungsmethode derselben* Aus dem 
Laboratorium des med.-poliklin. Instituts der Universität Berlin (Dir.: Geh. Med.« 
Rat Prof. Dr. H.Senator). Von Dr. mod. Demetrius Garis-Athea. 
Zentralblatt für Bakteriologie; I. Abt., Orig.-Bd. 50. H. 1. 

Garis konnto feststellen, daß die Tuberkelbazillen nicht nur säurefest, 
sondern auch alkalifest sind und sich durch diese Eigenschaft von anderen 
sog. säurefesten Bakterien, speziell dem Smegmabadllus unterscheiden. Auf 
Grund dieser Beobachtung arbeitete er eine Differential*Färbemethode aus, 
bei der folgendermaßen verfahren wird. 

5 ccm einer 1 proz. Eosinlösung (1 g krist. Eonin, 5 ecm Alkob. absol., 
95 ccm Aq. dest.) worden mit einem linsengroßen Kristall Quecksilberchlorid 
im Reagensglas erwärmt bis das 8ublimat gelöst ist. Die Lösung wird noch 
warm auf ein dünnes fixiertes Ausstricbprfiparat gegossen und 1—2 Minuten 
darauf gelassen. Dann wird abgespült und das Präparat mit der Differenzierungs- 
lösuug (0,5 Natriumbydrat, 1,0 Kaliumjodid, 100,0 Alkohol 50°/o) tiberschichtet 
bin die rote Farbe verschwunden ist und eine weißgrUne Farbe auftritt. Darauf 
Entfernung des Entfärbungsmittels mit absolutem Alkohol und Wasserspülung, 
2—8 Sekunden dauernde Gegenfärbong mit saurer Methylenblaulösnng (1,0 
Methylenblau crist., 10.0 Alkohol absol., 0,5 Salzsäure, 90,0 Aq. dest.), abspülen, 
trocknen, einbetten. Die Tuberkelbazilien erscheinen leuchtend rot, andere 
Bakterien und Gewebselemente blau. 

Mit Hilfe dieser Methode färben sich erheblich mehr Tuberkelbasfllea 
als nach der gebräuchlichen Ziehl-Neelsenscheu Färbung; auch werden die 
Much sehen Tuberkelbazilien • Granula hierbei leuchtend rot gefärbt. Für da* 
Studium der Struktur der Tubeikelbasillen eignet sich diese Methode mehr 
als alle anderen. Prof. Dr. Lenti'Berlin. 


Nachweis und Bedeutung der Tnberkelbasillen im strömenden 
Phthisiker bl ut. Von Dr. Schnitter ln Frankfurt a. M. Deutsche modln. 
Wochenschrift; 1907, Nr. 86. 

Von den drei Methoden, die nurneit nur Feststellung von Tuberkel- 
bazillen in der Blutbahn gegeben sind, ist das Kulturverfahreu selbst bei 
Uebung recht schwierig, der Tierversuch zu langdauernd ihr differential- 
diagnostische Zwecke, während die Schwierigkeit bei der einfachen mikroskopi¬ 
schen Untersuchung darin liegt, die wenig zahlreichen Bazillen ans den anderen 
selligen Bestandteilen heraus zu erkennen. Stäubli gab 1908 ein einfaches 
Verfahren an, bestehend ia Auflösung der Erythrozyten darch die 10—15fache 
Menge 8proz. Essigsäure, die die Bakterien, insbesondere Tuberkelbasillen, 
intakt läßt, Zentrifugieren, Anfertigung von Ausstrichpräparaten, Färbung ia 
der üblichen Weise. Er arbeitete mit kleinen Blutmengen, während nunmehr 



Kleinere Mitteilungen nnd Referate aus Zeitschriften. 


171 


Schnitter größere, durch Venenpunktion gewonnene Mengen rer wandte. Er 
konnte unter 84 Lungentuberkulosen 10 mal Tuberkelbazillen im Blute nach- 
weisen, 8 mal im 8. Stadium, 2 mal im zweiten Stadium, keinmal bei beginnen¬ 
den Erkrankungen. Bei 4 Tuberkulosen anderer Organe wurde 2 mal ein 

C 'tives Resultat erzielt. Trotz verhältnismäßig häufigen Eindringens der 
Ulen in die Blutbahn ist Miliartuberkulose selten. Prognostisch ist der 
Tuberkelbazillennachweis im Blute ein Signum mali ominis. 

Dr. Liebetrau-Hagen L W. 

Zum Nachweis der Tuberkel b&zlllen im strSmenden Blute der 
Phthisiker. Von Dr. A. Lippmann, Assistenzarzt des allgemeinen Kranken¬ 
hauses St. Georg zu Hamburg. Münchener med. Wochenschrift; 1909, Nr. 43. 

Verfasser hat das von Schnitter und Staeubli angegebene Verfahren 
der BlutauflOsung in 3 proz. Essigsäure mit dem Antiforminverfahren vereinigt; er 
bekam bei 25 untersuchten Fällen von Tuberkulose im HI. Stadium (Turban) 
unter 15 Fällen 8 mal = 53 Proz. positive Resultate, im II. Stadium unter 
9 Fällen 8 mal = 83 Proz. positive Ergebnisse. Ia einem Falle (I. Stadium) 
wurde nur 1 Patient mit negativem Erfolg untersucht. 

Im ganzen großen erscheinen also die Resultate recht gut. 

_ Dr. Wai bei-Kempten. 

Ist der Nachweis von Tuberkelbasillen im Stuhl von Phthisikern für 
Me Diagnose Darmtnberknlose verwertbar 1 Aus der Heilstätte Heidehans 
bei Hannover. Von C&nd. med. F. Klose. Münchener med. Wochenschrift; 
1910, Nr. 3. 

Verfasser untersuchte die Stuhlgänge von 60 Patienten, darunter von 
solchen, welche an offener Lungentuberkulose litten und im Sputum Tuberkel- 
buülen nachwiesen ließen, sowie von solchen, welche entweder gar keinen 
Auswurf hatten oder im Sputum sich zurzeit keine Taberkelbazilion nach- 
weisen ließen. Im erstoren Falle war der Befand fast in allen Fällen positiv, 
im letzteren Falle ausnahmslos negativ. Verfasser schließt aus seinen Unter- 
suchungsresultaten, daß der Nachweis von Tuberkelbazillen im Stuhlgang bei 
gleichseitig bestehender offener Lungentuberkulose mit positivem Bazillen¬ 
befund Im Sputum zu der Diagnose Darmtuberkulose allein in keiner Weise 
berechtigt, da die Herkunft der Bazillen aus dem Auswurf nicht bestimmt 
ausgeschlossen werden kann. _ Dr. Waibel-Kempten. 

Heber Tnbcrkullnvnseline zur Anstellung der Konjanktivalreaktlon, 
eine Modifikation der Konjunktlvaiprobe für die Praxis. Von Dr. A. 
Wolff-Eisner-Berlin. Münchener med. Wochenschrift; 1909, Nr. 44. 

Die Schwierigkeit, wässerige Lösungen längere Zeit steril zu erhalten 
und die ungenügende Kontaktdauer der Tuberkulinlösung mit der Conjunctiva 
bestimmten den Verfasser, mit 1 und 2prozentige Tuberknlinvasclin diagnostische 
Xosjunktivalreaktionen anzustellen. Verfasser bringt mit einem sterilen Glas¬ 
stab eine erbsengroße Menge der Tuberknlinsalbe in den Konjunktivals&ck, 
indem man die Salbe in das abgezogene untere Lid einstreicht und die Lid¬ 
spalte durch Abziehen des unteren Lides mit dem Finger ungefähr 1 Minute 
geöffnet erhält. 

Die mit der Tuberknlinsalbe erzielten Reaktionen gleichen im Ablaufe 
und Aussehen vollkommen den mit wässerigen Lösungen erzeugten Kosjunktival- 
r Sektionen. 

Ein besonderer Vorzug des Tnberknlovaselins ist die ganz außerordent¬ 
liche Haltbarkeit des Präparats. Zur Herstellung des Tuberkulinvaselins 
benutzt Verfasser das Alttuberkulin aus dem Serumlaboratorium Ruete-Enoch. 

Am Schlüsse seiner Arbeit gibt er folgende zusammenfassende Dar¬ 
stellung der praktischen Anwendung der Konjunktivalreaktion: 

1. Die Konjunktivalreaktion wird in der Weise angewendet, daß man 
eine sterile lprozentige Alttuberkulinlösung oder das vorhin erwähnte 
Tuberkulinvaselin in die Conjanctiva einträufelt. Durch Abziehen des unteren 
Lides während 1 Minute wird der Kontakt der Tuberkulinlösung mit der 
Augeabindehaut herbeigefürht. 

3. Die Reaktion zeigt verschiedene Grade: a) Rötung der Caruncula 



178 


Kleinere Mitteilungen nnd Referate »ne Zeitschriften. 


lacrymalis. Rötung des Lides, b) Herrortreten der Follikel, c) chemotische 
Durchtränkung. Die Prüfung der Reaktion geschieht nach 16 nnd 24 Standen. 

3. Bei richtiger Anstellang der Reaktion sind die starken Reaktionen 
selten. In der großen Mehrzahl der Fälle ist die Reaktion schon nach 48 
Standen abgelaufen. 

4. Bei negativem Aasfall der Reaktion nach 24 Standen ist am anderen 
Aage mit 2prosentiger Taberkalinlösang eine Koojanktivalreaktion anzustellen. 

5. Neben der Koojanktivalreaktion ist gleichzeitig stets eine Kutan- 
reaktion nach Pirpaet, erent. nach eine Stichreaktion anzustellen, zur 
Ergänzung der Ergebnisse der Koojanktivalreaktion in diagnostischer nnd 
prognostischer Beziehung; bei gleichzeitiger Anstellung sämtlicher Reaktionen 
ist eine gegenseitige schädliche Beeinflussung ausgeschlossen. 

6. Der positive Ausfall der Katan- and Stichreaktion weist auf das 
Vorhandensein einer tuberkulösen Infektion hin. Da jedoch diese Reaktionen 
nach vollkommener Ausheilung des tuberkulösen Prozesses noch positiv aus* 
fallen können, so wird, von jungen Kindern abgesehen, durch eine positive 
Kutan* oder Stichreaktion nur der Nachweis einer vorhandenen tuber¬ 
kulösen Affektion im pathologisch anatomischen Sinne er¬ 
bracht ; der positive Ausfall einer Konjonktivalreaktion spricht in hohem Grade 
fttr das Vorhandensein eines noch aktiven tuberkulösen Prozesses, der negative 
Ausfall der Konjonktivalreaktion läßt einen solchen nicht in allen Fällen 
ausschließen. 

7. Das Wesen der Konjonktivalreaktion besteht in der Erzeugung einer 
Tuberkulinreaktion, fern vom Krankheitsherde. Da Herdreaktionen unberechen¬ 
bar sind, liegt hierin der Vorzug der Konjonktivalreaktion vor der subkutanen 
Reaktion begründet 

8. Die Kontraindaktlonen der Konjonktivalreaktionen gehen aus ihrem 
Wesen selbst hervor. Kontraindiziert ist sie hauptsächlich beim Vorhanden¬ 
sein tuberkulöser Krankheitsherde im Auge. 

Kontraindiziert sind ferner Wiederholangen der Installation am gleichen 
Auge, weil es sich bei ihnen um eine Herdreaktion handelt, der keine 
prognostische Bedeutung zukommt, weil die Ergebnisse der konjunktivalen 
Röinstallation mit denjenigen der Kutanreaktion parallel gehen; Reinstallationen 
sind darum ferner kontraindiziert, weil bei tuberkulösen Herden im inneren 
Auge schwere Herdreaktionen auftreten können, die beim Vorhandensein 
lebender Taberkelbasillen zu einer Propagation führen können. Aus diesem 
Grunde ist von der Verwendung starker Toberkulinkonzentrationen abzurate 
(Tuberkulin-Testpräparate). 

9. In einer Reihe von Fällen ist trotz vorhandener aktiver Tuberkulose 

der Ausfall der Konjonktivalreaktion doch negativ. Dieses Ergebnis ist pro¬ 
gnostisch ungünstig ln dem Falle, daß auf andere Weise das Vorhandensein 
einer aktiven tuberkulösen Affektion gesichert ist; es ist aber unrichtig, aus 
dem positiven Ausfall der Reaktion einen Schluß auf eine günstige Prognose 
zu ziehen. _ Dr. Waibei-Kempten. 


Die Ophthalmo-Reaktion bei Hautkrankheiten. Von Dr. GiuL 
Cer es de-Venedig. Rivista veneta; 1909, Fass. 9. 

So erwünscht die diagnostische Anwendung der Calmettsehen Reak¬ 
tion bei den oft schwer diagnostizierbaren Hautaffektionen zur Erkennung der 
tuberkulösen Erkrankungen auch wäre, muß doch auf Grund der Versuche 
des Verfassers an einer größeren Zahl von Kranken mit verschiedenartigen 
Hautaffektionen davon abgeraten werden, da die positive Reaktion bei zweifellos 
tuberkulösen Formen oft ausbleibt, außerdem mit der Möglichkeit einer Schä¬ 
digung für das Auge zu rechnen ist Dr. Solbrig-Allenstein. 


Ueber die Morosehe Salbenprobe. Aus dem Kurhaus St.Blasien und 
dem 8anatorium Luisenheim. Von Dr. Friedrich Well. Münchener medis. 
Wochenschrift; 1909, Nr. 48. 

Verfasser hat die Mo rösche Salbenreaktion (Einreibung einer kleinen 
Hautstelle mit einer Tuberkulinsalbe) in 66 Fällen versucht von denen 15 
positiv reagierten. In den positiven Fällen war die Reaktion immer entweder 
eine Bestätigung anderweitiger Untersuchungsresultate oder 



Xl«inere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 


173 


ein wertvoller Führer in weiteren differentieldlngnoitiichen Ueberlegungen; 
nach in den negativen Fällen entsprach der weitere Verlauf der 
Krankheit immer dem Ausfall der Probe. Die Versnehe beweisen, 
daß nicht Taberkoloseverdäcbtige kaum positiv reagieren, und daß es sich 
bei positiven Reaktionen meist am sichere Taberkalose oder am berechtigten 
Verdacht auf solche handelt. 

Verfasser findet auf Grand seiner Untersuchangen in der Moroschen 
Salbenreaktion, deren positiver Effekt bekanntlich im Auftreten von knötchen¬ 
förmigen, teils papulösen, teils pastulöscn Eifloreszenzen besteht, eine B e- 
reienerang unserer diagnostischen Methode, die sich nicht nur 
durch Einfachheit und Ungefährlichkeit, sondern auch durch ziem- 
liche Zuverlässigkeit aaszeichnet und oft auch von solchen Patienten 
harmlos hingenommen wird, die gegenüber anderen Tuberkulinproben nicht 
gans au widerlegende Bedenken äußern. Di. Wai bei »Kempten. 


Welehe Aastet kungswelsc spielt bei der Tuberkulose des Mensche» 
die wichtigste Bolle! Von Prof. Dr. F. v. Baum garten in Tübingen. 
Deutsche med. Wochenschrift; 1C09, Nr. 40. 

Der Tübinger Pathologe, der seit langer Zeit im eifrigsten Studium der 
Taberkalose steht, gibt in seinem trotz nicht leichten Stils glänzenden und 
fesselnden Vortrag auf dem letzten internatiolalen mediz. Kongreß in Budapest 
nit souveräner Sachkenntnis einen Ueberblick über die verschiedenen Theorien 
bezüglich der Infektion des Menschen mit Tuberkulose, ihre Stützpunkte und ihre 
Schwächen. Die am meisten verbreitete Ansicht von der aerogenetischen 
Entstehung, d.* h. von der Aufnahme durch iifixierte Luft, sei cs nun auf dem 
Wege durch den Atmungstraktus oder durch den Verdauungstraktus, wird 
auch von B. nicht geleugnet, ist aber nach ihm jedenfalls sehr selten. Nach 
seinen und anderer Forscher Untersuchungen wird nur selten von den 
Schleimhäuten der Luft- und Nahrungswege eine primäre oder gleichzeitige 
Schleimhautveränderung gefunden, die aber anderseits eben an den Eintritts¬ 
stellen des Infektionsträgers nicht ausbleibt. Auch die Enterogenese, d. h. 
Infektion vom Darm aus, durch infizierte Nahrungsmittel, wie sie experimen¬ 
tell für Tiere erwiesen ist, ist beim Menschen sehr selten aus dem gleichen 
Grunde; die durch Experimente mit dem Bacillus bovinus gewonnenen Resul¬ 
tate dürfen auf den Menschen nicht übertragen werden, weil jener in seinem 
biologischen Verhalten vom Typus humanus bedeutend abweicht. Gegenüber 
den großen Schwierigkeiten und Unwahrscheinlichkeiten, die die Annahme 
bietet, daß in den meisten Fällen während des extrauterinen Lebens die Tu¬ 
berkulose acquieriert wird, vertritt B., ohne die Möglichkeit der Infektion 
durch tuberkulöse So- und Exkrete zu leugnen, den Standpunkt, daß der 

i ewOhnliche Modus der Uebertragung in der „Gennaeogenese* gegeben sei, 
. b. in der germinativen oder foetalen Infektion des Kindes durch den Vater 
oder noch häufiger durch die Mutter, daß der Bacillus der Tuberkulose also 
vererbt werde und ein latentes Leben führe, und zwar in den Lymphdrüsen, 
bis ihm eines Tages durch besondere auslOsende Momente Gelegenheit gegeben 
werde, in die Blntbahn zu gelangen und allgemeine Taberkalose oder Infek¬ 
tion bestimmter Organe (Meningen, Lungen, Darm) hervorzurufen, eventuell 
auch in die Geschlechtsorgane des nunmehrigen Trägers als vererbarer Faktor 
zu gelangen. Die gewaltigen Konsequenzen dieser Theorie auf hygienischem, 
insbesondere auch rassenhygienischem Gebiet streift v. B. nur kurz. 

_Dr. LI e b e t r a u -Hagen J. W. 

. Mundbygiene und Lungentuberkulose. Von Prof. Dr. A. Mo eil er- 
Berlin. Münchener med. Wochenschrift; 1910, Nr. 2. 

Verfasser berichtet eingehend über einen Fall bei einem 13jährigen 
Schüler, bei dem er einen kariösen Zahn als Eingangspforte für die Tuberkel¬ 
bazilien nachweisen konnte. Nach ihm kommen ttberhanpt im allgemeinen kariöse 
Zahnprozesse als Eingangspforte für Tuberkelbasillen bei ändern wohl in 
Betracht, wenn auch dieser Infektionsmodus seltener ist, als die Einwanderung 
durch die Weichteile, Tonsillen, Schleimhäute, lymphoiden Organe des Mundes usw. 
Doch spielen die kariösen Zähne indirekt durch Druckläsionen und Schrunden 
der Schleimhaut, welche durch die Spitzen und Kanten der Zähne verursacht 



174 


Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


werden and den Taberbelbazillen das Eindringen erleichtern, eine große Bolle. 
Durch die kariösen Zähne gelangen die Basillen erat an den Drüsen, wenn die 
Pnlpa serfällt und der Wurzcikanal offen liegt, wie beim Palpaabszeß und 
bei Gangrän; Ton hier ans können die Taberkelbazillen durch den Wurzel* 
kanal in den Organismus eindringen, woraus die große Gefahr solcher Prozesse 
als ständiger Infektionsquelle für den menschlichen Organismus erhellt. 

Verfasser fand sehr häufig in den Zangen- und Zahnbolägen Taberkel¬ 
bazillen, und zwar nicht nur bei Lungenkranken, sondern auch bei Gesunden. 
Bei schlechter Mund* und Zahnpflege kommen bei Kindern alle Entstehungs- 
arten der Lungentuberkulose in Betracht, sowohl die aörogenen durch direkte 
Einatmung der Bakterien, als auch die lymphogenen resp. die hämatogenen 
durch Verschlacken der Taberkelbazillen. 

Es ist also eine erhöhte Mundpflege auch bei Lungenkranken Ton wesent¬ 
licher Bedeutung, da in den kariösen Zähnen und Zahnlücken oft Tuberkel- 
basiilen Torhanden sind, die beim Vorüberpassieren des Spntums dort haften 
geblieben sind und nun mit jedem Atemzuge oder 8chluckakt immer wieder 
Veranlassung zu neuer Infektion geben können. 

Was nützen alle Sanatorien, Seehospize etc., schließt der Verfasser, 
wenn der ungepflegte Mund als ständige Taberkelbazilleninfektionsquelle für 
den kindlichen Organismus bleibt Dr. Wai bei -Kempten. 


Heber die antitoxische Wirkung des Jods bei Tuberkulose. Von 
Prof. Dr. Arnold Ca nt an i. Aus der II. medizinischen Klinik der Uniyersität 
zu Neapel. Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten; Bd. 63, 8. 84. 

Cantani wurde zu seinen Versuchen, Experimenten an Menschen und 
Tieren über die Wirkung des Jods auf das Alttuberkulio und das TB. anzu- 
stellen, bewogen durch die Beobachtung, daß bei auf der Tuberkulinprobe 
nicht reagierenden Kranken eine intensivo Jodbehandlung yorausgegangen war, 
während bei den anderen mit positiver Beaktion dieses Mittel nicht angewandt 
worden war. In einer Gruppe hat C. die Versuche zusammengefaßt, die an 
kranken Menschen mit einigen yon ihm selbst bereiteten Tuberkulinen, die im 
Wasser mit Jod entgiftet waren, gemacht hat. Hiernach stellte Verfasser 
fest: 1. eine antiseptische Wirkung des Jods auf die Taberkelbazillen bei 
ziemlich großen Verdünnungen der Jodlösungen (1: 600:1000), 2. eine ab¬ 
schwächende eyent. antitoxische Wirkung des Jods auf das Alttuberkulin. 
Diese Wirkung soll sich in niedrigen Graden zeigen bei denjenigen tuber¬ 
kulösen Kranken, die mit Jodeinspritzungen yorbehandelt waren, und sich auch 
bei Mischungen yon Jod und großen Mengen yon Tuberkulin in yitro mittels 
Einspritzungen bei kranken und tuberkulösen Tieren feststellen lassen. 
Cantani führt das vollständige Fehlen der Fieberreaktion auf eine aufhebende 
Wirkung des Jods auf das Taberkalin zurück. Ferner sollen die durch Jod 
entgifteten Kulturen yon Taberkelbazillen nur geringe toxische Erscheinungen 
bei tuberkulösen Menschen und Tieren horvorrufen. Endlich will C. eine so 
hohe Gewöhnung besw. Immunisierung der Kranken durch kombinierte Jod- 
und Tuberkulinbehandlung erreicht haben, daß solche Personen, die die enorme 
'Dosis yon 60 ctg Alttuberkulin und Jod gemischt ertragen hatten, danach auf 
Injektion beträchtlicher Mengen von Alttuberkalin keine Fieberreaktion mehr 
zeigten. Was den Mechanismus der Jodwirkuog anbelangt, so schließt C., daß 
das Jod eine direkte Wirkung auf das Taberkalin ausübt, und daß diese 
Wirkung anscheinend sich auf diejenigen Gifte beschränkt, die im Taberkalin 
die Eigentümlichkeit besitzen, das Fieber hervorzurufen, während die anderen 
toxischen Bestandteile wahrscheinlich intakt bleiben. 

_ Dr. Symanski-Metz. 


Ergebnisse der Tuberkulose • Immunität- (I.-K.) Behandlung. Von 
Chefarzt (Dr. Roepke in 8tadtwald-Melsungen. Deutsche mediz. Wochen¬ 
schrift; 1909, Nr. 42. 

Ueber I.-K. Von Dr. H. Weicker und Dr. Bandelier in Görbcrs- 
dorf. Ebenda. 

Beide yon einander unabhängige Arbeiten gelangen zu dem schmerz¬ 
lichen Resultat, das an großen Versuchstieren gewonnen wurde, daß die 
von Spengler inaugurierte, auf das freudigste begrüßte Behandlung mit 



Heinere Mitteilungen und Referate aiu Zeitschriften. 175 

Tuberkulose-Immunblut („L-K.“) tob künstlich immunisierten Mensche» wert¬ 
los ist. Nach Spengler sind die Träger der spezifischen Immunstoffe, die 
roten Blutkörperchen, ans denen nach Befreiung Ton Eiweiß und Farbstoff 
rein hergestellt werden können. Die konsequente Behandlung damit durch 
Injektion sollte das Fieber herabsetzen, die Auswurfs- und Bazillenmenge Ter¬ 
mindern, leichte Fälle absolut heilen, desolate oft noch bedeutend bessern. 
Keine dieser Wirkungen konnten alle 3 Verfasser bei genauer Befolgung der 
'8penglerachen in Davos Ton ihnen selbst studierten Methode konstatieren. 
Boepke sah sogar zeitweilig Verschlechterung des Allgemeinzustandes und 
Zunahme des Auswurfs. Er schließt seinen Artikel mit den Worten: „Die 
Tuberkulosen weit, Aerste und Kranke, sind um eine Enttäuschung reicher. 4 

Dr. Liebetrau-Hagen L W. 

Spezifische Behandlung bei experimenteller Tuberkulose. Von 
Dr. W. Zenker, prakt. Arzt in Berlin. Zentralblatt lttr Bakteriologie; I. Abt, 
Orig.-Bd. 50, H. 1. 

Zenker konnte durch Behandlung Ton Taberkelbazillen mit einer 
LOsung von 1 Teil Olsauren Natrons auf 60 Teile Wasser aus den Bazillen die 
immunisierende Substanz ausziehen, ohne daß Toxine in wesentlichen Mengen 
mit in LOsung gingen. Nachdem er sich davon fiberzeugt hatte, daß eine 
Verdünnung von ölsaurem Natrium von 1: 60 auf Meerschweinchen selbst in 
täglichen Dosen von 1 ccm keine schädliche Wirkung ausfibte, stellte er sich 
in folgender Weise Extrakte aus Tuberkelbazillen her. In 50 ccm einer LOsung 
von ölsaurem Natrium 1: 60 schwemmte er 50 Normalösen Taberkelbazillen- 
kultur auf und schüttelte die Mischung 48 Stunden im heizbaren Brieger- 
Meye r sehen Schttttelapparat; hierauf erhitzte er sie im Wasserbad ffir 
1 Stunde auf 72* C. und zentrifugierte sie ffir ’/ 2 Stunde bei einer Tourenzahl 
von 2000. Die vom Sediment abgegossene Flüssigkeit filtrierte er durch ein 
Kieselgur Alter. Das Filtrat bezeichnet er als Ts. Tuberkulös infizierte Meer¬ 
schweinchen konnte er durch Einspritzen von täglich '/t—l ccm Ts. 13—15 
Wochen länger am Leben erhalten, als nicht behandelte Koni rolltiere, ein 
beachtenswerter Erfolg, wenn man bedenkt, daß gerade beim Meerschweinchen 
eine Tnberkulinkur fast stets gänzlich versagt. Er empfiehlt sein Ts., dessen 
Handhaoung außerordentlich einfach ist, da keine Verdünnungen herzusteUen 
sind, auch ffir die Behandlung tuberkulöser Menschen. 

Fxof. Dr. L e n t z • Berlin. 


81 Fälle von Tnberkullnbehandlnng ln der Praxis. Von Dr. Bulle - 
CuxhaTen. Zeiflschrift lür Bahnärzte; 1909, Nr. 11. 

Eine Tuberkdlinkur ist nicht nur in der Praxis möglich, sondern bietet 
auch in schweren Fällen noch gute Aussichten, wenn man selbstverständlich 
Welse zu bessern sucht; daher muß jeder Arzt dies Mittel kennen und an- 
wenden lernen, abgesehen von der Erleicbternng der Diagnostik. Verfasser 


nebenher die Ernährung und Pflege der Patienten in jeder nur möglichen 
gibt einige Winke, wie er in seiner Klientel vorgeht, und zeigt an Kranken¬ 
geschichten die bisher erzielten Erfolge. Zum Schloß weist er darauf hin, 

: sind, wenn die 


I nTTm Tijl n?:lX7Tr 


riii;um ^ 


praktischen Aerste alle das Tuberkulin auwenden. 

Dr. Wolf-Witzenhausem. 


Die Häufigkeit der Tuberkulose im Kindesalter. Von Privatdozent 
Dr.Frans Hamburger. 1 ) Wiener med. Wochenschrift; 1909, Nr. 25. 

Von 848 Kinderleichen, die seziert worden, erwiesen sich 385 als tuber¬ 
kulös, das sind ungefähr 40 Proz. Die Taberknlosehänfigkeit steigt von Lebens¬ 
jahr zu Lebensjahr an, und swar von 15 Proz. der im 1. Lebensjahr bis auf 
70 Proz. der im 11.—14. Lebensjahr Gestorbenen. 

Die Häufigkeit der Tnberkulose als Nebenbefnnd unter den an anderen 
Ursachen verstorbenen Kindern steigt von 2 Proz. im 1. Lebensjahr bis auf 
53 Pros, im 11.—14. Lebensjahr. 

?) Vortrag, gehalten in der pädiatrischen Sektion, der Gesellschaft ffir 
innere Medizin und Kinderheilkunde in Wien am 22. Min 1909. 


176 


Kleinere Mitteilungen und Beferate au« Zeitschriften. 


Dia Zahle» stimmea mit deaea überein, welche ▼. Pirquet att tat 
von Ihm erfundenen Katanreaktion an Wiener Kindern festgesteilt hat 

Unter 988 in verschiedenen Krankenanstalten untersuchten Kindern fand 
T. Pirquet im 1. Lebensjahr 16 Pros., im 11.—14. Jahr 68 Pros. Tuberkulose; 
nach Abzug der manifesten Tuberkulosen betrug die Hiufigkeit der Tuber* 
kulose 8 resp. 65 Pros. 

Mit Hilfe der Tuberkulininjektioa und kutanen Tuberkulinapplikatioa 
konnte der Verfasser sogar nachweisen, daß von 609 Kindern 271 = ca. 60 Pros, 
reagierten, und swar von 9 Pros, im 2. Lebensjahr ansteigend bis auf 94 Pros, 
im 14. Lebensjahr. Von 23 untersuchten Kindern aus dem ersten Lebensjahr 
reagierte kein nissiges. 

Auf Grund dieser Tatsachen glaubt der Verfasser sagen su können, daß 
die Tuberkulose im 1. Lebensjahr unter den anscheinend gesunden Kindern 
sehr selten ist später jedoch sehr rasch an Häufigkeit sunimmt und im Puber* 
tätsalter fast alle Kinder schon ergriffen bat. Er begründet weiterhin, warum 
seine{Zahlen so hohe sind, und nimmt an, daß doch ab und su bei der Sektion 
kleine tuberkulöse Herde übersehen werden, welche die Tuberkulinreaktion 
aaaeigen. Die Verläßlichkeit der kutanen oder subkutanen Tuberkulinreaktion 
steht seiner Meinung nach außer Zweifel. Jedoch neigt die Kutasreaktioa 
nicht alle Tuberkulosen an. 

Ganghofner hat bei Untersuchungen von Kindern in Präs ähnliche 
Zahlen gefunden wie der Verfasser. Diese Zahlen geben ein Bild von der 
großen Häufigkeit der Tuberkuloseinfektion. Viele Tuberkulosen heilen aber 
fin Kindesalter aus und geben trotsdem später eine positive Beaktion. Durch 
die einmalige Erkrankung werden diese gegen eine neue Tuberkuloseinfektion 
immunisiert. 

Der Verfasser hält die Taberkulose für eine Kinderkrankheit ebenso 
wie die Masern, d. h. fast alle Menschen machen sie in der Kindheit durch 
und immunisieren sich dabei gegen eine neue Infektion. 

Die Zahlen, welche der Verfasser festgestellt hat, beziehen sieh ledig* 
lieh auf die ärmere Bevölkerung, aus der sich das 8pitalmaterial rekrutiert 
Er hält es für wahrscheinlich, daß die Taberkulose als Nebenbefund bei der 
wohlhabenderen Bevölkerung im Kindesalter seltener ist Zum Schloß gibt 
der Verfasser seine Ansohauung im folgenden wieder: „Daß fast alle Menschen 
schon im Kindesalter mit Tuberkulose Infiziert werden, ist eine grundwichtige 
Tatsache und für das Verständnis der Tuberkulosepathologie des Erwachsenen 
und für das Verständnis der Phthiseentstehung von einschneidender Bedeutung.* 

Dr. Kurpju weit •Swinemünde. 


Die Taberkulose In den Volksschulen Dlsselderfh. Von Dr. 0. Las ko. 
Klinisches Jahrbueh; 1909, Bd. 22, H. 1. 

Um die Verbreitung der Tuberkulose unter den Kindern der Volks¬ 
schulen Düsseldorfs festsustellea, wurden diejenigen Kinder, die auf Grund 
ärztlicher Untersuchungen tuberkuloseverdächtig erschienen (1,03 V,), nach dem 
V. Pirquet sehen Verfahren geimpft. Im ganzen reagierten von 285 geimpften 
Kindern 49 Knaben (43,8 o/») und 84 Mädchen (46,4 o/o) positiv. Unter Be¬ 
rücksichtigung weiterer Umstände glaubt Verfasser annehmen au dürfen, daß 
von den Düsseldorfer Volksschulkindern etwa 60°/o bis zum Ende der Schul¬ 
zeit den Keim der Tuberkulose in sich aufgenommen haben. Eine Ueber- 
tragung dieses Besaitetes auf andere Städte würde jedoch wegen der großen 
Verschiedenheit der Tuberkuloseverbreitung nicht statthaft sein. 

Auffallend gering ist auch die vom Verfasser festgestellte Zahl der an 
offener Tuberkulose leidenden Kinder. Es wurden nur bei einem Kinde Tuberkel- 
bauülen gefunden, eine für die Hygiene in der 8ehule sehr wichtige Tatsache! 
8ie weist darauf hin, daß die Uebertragungsgefahr der Taberkulose in der 
Schule sehr gering ist, und daß andere außerhalb der Schule liegende Faktoren 
sehr viel stärker in Betracht gezogen werden müssen. Wie die weiteren, 
interessanten Feststellungen des Verfassers beweisen, kommen hauptsächlich 
Wohnungsmisere, erbliche Belastung und falsche Ernährung (Flasche!) als 
ursächliche Momente für das Zustandekommen der Infektion ln Betracht. 

Was die Wohnungsverhältnisse anbetrifft, so war ln den Familien der 
mit Tuberkulose infizierten Kinder die Wohadieatigkeit erheblich großer als 



fiein** ttfttdUafth Ui Beferate tu Zettsohriftea. 177 

b dea übrigen Familien. 68,1 •/• dor Infizierten Kinder schliefen alt andern 
Wammen. Wie dicht in Qroßstidten, wie Dflnseldorf, die Bevölkerung st* 
aammeagepfercht ist, geht au den Angaben hervor, daß 68,9 •/• der genau 
Bevölkerung in Wohnungen mit 2—8 Bäumen wohnt, und daß leibst in diesen 
Wohnungen noch duck falsche Ausnutzung und Verteilung der Bäume gegn 
alle Gesetze der Hygiene gesündigt wird. 

Hie Maßnahmen, die die Volksschule im Kampfe gegn die Tuberkulose 
au ergreifen hat, haben wächst in einer kräftigen Forderung der Gesund* 
hcitalehre au bestehen. Nicht nur die Anatomie des menschfichu KOrpers, 
sondern vor allem auch die Pflege desselben, Haut* und Zahnpflege, Hygiene 
der Kleidung, Ernährung und Wohnung müssen weitgehendste Berücksichtigung 
laden. Es ist falsch, von der Familie insbesondere von der Mutter hinreichende 
Belehrungen su erhoffen. 8ie ist dasu meist gar nicht im stände. Es ist auch 
falsch, erst in den späteren Lebensjahren mit Belehrungen zu beginnen, well 
dann schlechte, unhjgieniache Lebensgewohnheiten und törichte Vorurteile 
sicht mehr ausrottbar sind. Unbedingt notwendig ist besonders der hygienische 
Unterricht an den Seminaren, von denen aus die später hervorgehenden Lehrer 
st wichtigen Trägern der Qesundheitslehre werden müssen. 

Zu dea speziellen Maßnahmen gehört die frühzeitige Erkennung und 
Isolierung aller tuberkulöser Kinder und Lehrer in erster Hinsicht. Zur Er* 
koaaung liefert die v. Pirquetsche Beaktion eine ausgezeichnete und in* 
gefährliche Handhabe. Hie ermittelten kranken Kinder kommen je nach Lage 
Iss Elnzellalls in entsprechende Fürsorge. Hr. H o h r n - Hannover. 


Dl« Tuberkulose als Todesursache im Kindesalter iu der Stadt 
Bremen. Von Hr. E. Neumaaa. Zeitschrift für soziale Medizin; Bd. V, BL 1. 

Es ist keine Uebertreibung, wenn man sagt, daß die Tuberkulose allein 
im Kindeoalter soviel Opfer an Menschenleben fordert wie Keuchhusten, Masern, 
Scharlach und Diphtherie zusammen. Kommt der Tuberkulose eine soloh 
Überragende Bedeutung unter den Krankheiten des Kindesalters zu, so wird 
die Gestaltung der Hygiene des Kindesalters von ihr zum großen Teile be¬ 
stimmt werden müssen. Hie Gelegenheit, daß Kinder von Tuberkelbasillea 
aasstreuenden Lungenkranken infiziert werden, ist nach Möglichkeit ausau* 
schalten, ln der Beziehung können die Tuberkulosefürsorgeetefien gerade auch 
für das Kindeoalter von honem Wert sein. Ebenso wichtig wie die Minderung 
der InfektionsmOglichkeit ist jedoch die Hebung der Widerstandsfähigkeit des 
kindlichen KOrpers. Infektion bedeutet noch nicht ohne weiteres Krankheit, 
sondern diese ist erst durch das lokale oder zeitweise Unterliegen des KOrpers 
gegenüber der Infektion bedingt. Es wird auch kaum je gelingen, jede la- 
fektionzmOglicbkeit mit dem Tuberkelbadllus völlig auszuschalten. Hie im 
vorhergehenden dargestellten Tatsachen bezüglich der Tuberkulose als Todes¬ 
ursache im Kindesalter in der Stadt Bremen weisen ebenso wie andere Unter¬ 
suchungen, die sich mit der Tuberkulose im Kindesalter befassen, darauf hin, 
daß der Kampf gegen die Tuberkulose als Volkskrankheit überhaupt bereits 
mit der Fürsorge für dis Kinder au beginnen hat, ganz gleich, ob die Ansicht 
richtig ist oder sieht, daß die meisten Tuberkulosen, auch der höheren Lebens* 
alter, auf eine Tuberkulose in der Kindheit zurüekzuführen sind. 

| Hr. Wolf-Witzenhausen. 

Hie Sterblichkeit an Schwindsucht iu steubrelehem Gewerben tu 
England. Von L. Leydold* Wien. Konkordia; 1910, Nr.2. 

Hie durchschnittliche 8terblichkeitsziffer für alle Altersgruppen beträgt 
nach dem statistischen Materiale bei Arbeitern, die in Gewerben mit Ent* 
trkkalung organischen Staubes beschäftigt sind, infolge aller Todesursachen 
21.81 pro 1000 (gegen 22,88 aller männlichen Lohnarbeiter); die Sterblichkeit 
Infolge 8chwindsucht beträgt bd enteren 2,84, bei letzteren 1,88 und die in¬ 
folge anderer Erkrankungen der Besphrationsorgane 4,29 bezw. 4,89 pro 1000 
Arbeiter. Für diejenige Arbdter, die in Beschäftigungsarten tätig sind, bd 
de n en de einer fortgesetzten Einatmung des Straßenstaubes ausgesetzt sind, 
beträgt die durchschnittliche Sterblichkdtsziffer infolge aller Todesursachen 
9Mb (gegen 22,88 aller männlichen Arbdter); die Sterbllchkdt infolge Schwind* 



l?t Kleinere Mitteilungen ttnd Referate au Zeitschriften. 

■acht beträgt bei enteren durchschnittlich 1,9 t, bei leisteten 1,88 und infolge 
anderer Erkrankungen der Atmungsorgane 4,83 besir. 4,39 pro 10JO Arbeiter. 

Hieraus ergibt eich, daß die Sterblichkeit für Arbeiter, die in einer der 
boiden genannten Gruppen von Beraten mit Staabentwickeluag beschäftigt 
sind, infolge aller Todesursachen bei der zweiten Gruppe — Berufe, bei denen 
die Bediensteten einer fortgesetzten Einatmung des Straßenstaubes ausgesetst 
sind — die höchste war, nämlich 26,25 pro 1000 Arbeiter; die größte Sterb¬ 
lichkeitsziffer für diese Arbeiter infolge Schwindsucht (2,34 pro 1000 Arbeiter) 
weist die erste Gruppe — Gewerbe mit Entwicklung organischen Staubes — 
aut,, und die höchste Scerblichkeitsziffer für Arbeiter in staubreichen Gewerben 
einer der beiden Gruppen infolge anderer Erkrankungen der Atmungsorgane 
(4,33 pro 1000 Arbeiter) hat ebenfalls wieder die sweite Gruppe — Berufe, 
bei denen die Bediensteten einer fortgesetzten Einatmung des Straßeutaubes 
ausgesetst sind — zu verzeichnen. Dr. Wolf- Witzenhausen. 


Die Tuberkulose in Japan. Von Prof. Dr. S. Kitasato in Tokio. 
Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten; Bd. 63, S. 617. 

Die Tuberkulose zeigt in Japan die gleiche Verbreitung wie in anderen 
Ländern; ihre Mortalität ist in jährlichem Steigen begriffen.. Während 
1900 auf 10000 Lebende 13,2 Todesfälle kamen, zeigt das Jahr 1906 16,6 Fälle. 
Auf den Bat von B. Koch, der bekanntlich auf den Standpunkt steht, daß 
die Lungentuberkulose der Menschen, die den Hauptangriffspunkt fttr alle 
Maßnahmen der Tuberkulosebekämpfung bildet, nicht durch den Bacillus der 
Bindertuberkulose, sondern durch den der Mennchentnberkolose verursacht wird, 
hat K. seinen Assistenten, Dr. Ogata, veranlaßt, Untersuchungen ansustellen, 
die den Nachweis des Vorkommens von. Basillen dos bovinen Typus bei 
Lungentuberkulose zum Zwecke haben. Schon früher hat K. berichtet, 
daß in Japan die menschliche Tuberkulose ganz unabhängig von der Binder¬ 
tuberkulose auftritt. Zum Zweck dieser neuen Feststellung sind bisher die 
Sputa von 162 Phthisikern untersucht worden, die während der ganzen Unter- 
Buchungszeit Butter überhaupt nicht und Milch nur in gut abgekochtem Zu¬ 
stande genießen durften. Jedes Sputum wurde auf mehrere Meerschweinchen 
in verschiedener Weise verimpft, und die Tiere nach 4—5 Wochen ob dosiert; 
außerdem wurden hiervon bei jedem Versuch je 1 Kaninchen mit einer geringen 
Menge tuberkulöser Drüsen- bezw. Milzsubstans geimpft und aus demselben 
Material Glyzerinseramkalturen angelegt (sämtliche mit positiven Ergebnissen).. 

Die Kaninchen wurden 3 Monate nach der Impfung getötet und von 
jeder Kultur, die von tuberkulösen Meerschweinchen gewonnen war, je zwei 
Kaninchen geimpft. Darch Prüfang am Kaninchen war deutlich erkennbar, 
daß alle gezüchteten Tnberkelbazillenstämme zum humanen 
Typus geh Orten. Diese Versuche, die sehr langwierig und des kolossalen 
Tierversuchs wegen ungemein kostspielig sind, werden noch weiter fortgesetzt.- 

_ Dr. Sy manski-Metz. 


Die Fürsorge fttr Lungenkranke und die Mitarbeit der- Frauen. 
Vom Beigeordneten Dr.Krantwig-Cöln. Zentralblatt für allgemeine Gesund¬ 
heitspflege ; 1909, 9. und 10. Heft. 

Da in Deutschland festgestellt ist, daß von 80000 Todesfällen an 
Tuberkulose nur-12000 in den allgemeinen Krankenhäusern und 68000 in den 
Wohnungen erfolgen, ergibt sich als wichtigste Aufgabe der Fürsorgestellen 
die einwandfreie Unterbringung der Tuberkulösen innerhalb der Familien. Die 
Ermittelungen der Fttrsorgestellen Uber die Wohnnngsverhältnisse haben 
überall ein ungünstiges Besultat ergeben. In Cöln hatten unter 600 lungen¬ 
kranken Familien mit mindestens 5 Personen 64 eine Wohnung von nur je 
2 Zimmern; 2390 Personen benützten insgesamt nur 1508 Betten und 63 Kinder¬ 
wagen. — In Cöln, wo die Füraorgestelle von der städtischen Verwaltung 

J eleitet wird, sind die Armenärzte als Fürsorgeärzte für die lungenkranken 
-rmen angestellt, vier Schwestern vermitteln den Fürsorgedienst. — Nach 
Ansicht des Verfassers ist eine im Hauptamt anzustellende Fürsorgeschwester 
nur in 8tädten Über 60000 Einwohnern eine Notwendigkeit, da eine Sehwester 
100—160 Familien versorgen kann. Dr. Solbrig-Allenstein. 



Kleiner« ttitteilungeb and Referat« ans Zeitschriften 


179 


Fürsorge für Lungenkranke vorgeschrittenen Stadiums. Von. Direktor 
Meyer-Berlin. Klinisches Jahrbach; 1909, Bd. 21, H. 4. 

Die Isolierung vorgeschrittener Lungenkranker geschieht am besten in 
besonderen Pflegeheimen, die aber nicht den Charakter von Sterbehoimen 
tragen dürfen, sondern immer noch durch ärztliche Behandlung und thera¬ 
peutische Einrichtungen die Aussicht auf Besserung und Heilung des Kranken 
offen halten müssen. Ein derartiges Heim, in Pavillonsystem, ist für die 
Provinz Brandenburg in Burg Daher bei Wittstock gegründet worden. Die 
Anstalt ist für 70 Kranke berechnet, die zu einem Satz von 2,50 Mark ver¬ 
pflegt werden. Die gesamte Einrichtung kostete pro Bett 2100 Mark. 

Dr. Dohrn-Hannover. 


Die Einrichtung zentraler Auskünfte- und Fürsorgestellen für 
Lungenkranke ln der Bbelnprovins. Von Landesrat Dr. Schmidtmaan- 
Düsseldorf. Konkordia; 19i9, Nr. 21. 

Verfasser berichtet übor die Einrichtungen auf diesem Qebiete in den 
Kreisen Solingen, Kreuznach, Saarlouis, Montjoie, Bitburg, welche von der 
Landesversicherungsanstalt unterstützt werden. In allen Fallen, in denen bei 
Versicherten der Beginn der Tuberkulose zu befürchten ist, ist der Landet- 
Versicherungsanstalt behufs Einleitung des Heilverfahrens Nachricht zu geben, 
desgleichen von allen vorgeschrittenen Fällen, um entweder die n&tigen Ma߬ 
regeln zu ergreifen oder die Betreffenden in eines der eingerichteten Kreis¬ 
pflegeheime aufnehmen zu lassen. Zur richtigen Durchführung der Aufgaben 
der Fürsorgestellen auf dem Lande ist es vor allem notwendig, daß die Aerzte 
mit Eifer und Interesse im Dienst dieser Stellen arbeiten. Ebenso wichtig ist 
ein fleißiges, genaues und taktvolles Vorgehen der Fürsorgeschwestern und 
Helferunen. Es muß vermieden werden, daß die Bekanntmachungen etc. nach 
behördlicher Anordnung oder gar polizeilicher Beaufsichtigung aussehen. 

Dr. Wolf - Witzenhausen. 


VII. Jahresbericht der Heilstätte Holsterhausen bei Werden-Buhr 
für 1908. Von Chefarzt Dr. KOhler. Zentralblatt für allgemeine Gesund¬ 
heitspflege; 1909, 7. und 8. Heft. 

Als „Statistik der Dauererfolge finden sich am Schluß des Berichts 
Tabellen, welche die Znsammenstellang der Ergebnisse 2, 4 nnd 6 Jahre nach 
Beendigung der Heilstättenknr bei den in der Anstalt kontrollierten Tuber- 
kulOsen brugen. 

Danach waren bei durchgeführtem Heilverfahren nach 2 Jahren von 
1668 TaberkulOsen 1020 = 61,2 °/o voll arbeitsfähig, nach 4 Jahren von 879 
Tuberkulosen 418 = 63,5 °/o voll arbeitsfähig, nach 6 Jahren von 72 Tuber¬ 
kulosen 50 = 69,4°/« voll arbeitsfähig. 

Das Anwachsen der voll arbeitsfähig Gebliebenen vom 4;— 6. Jahr nach 
Beendigung der Kur erscheint Verfasser so auffallend, daß „an eine Krise 
gedacht werden muß, welche etwa im 4. Jahr nach Beendigung der Heil- 
etftttenkur anzunehmen ist, bei der es sich entscheidet, ob der Tuberkulose 
schnell dem Ende zueilt oder aber durch Ausheilung des tuberkulösen Prozesses 
sich wieder den voll Arbeitsfähigen zugesellt.“ Auch ein Steigen der Todes¬ 
fälle, die nach 2, 4 nnd 6 Jahren 14,2 — 25,2 — 19,4 */• betragen, scheint 
nach dem 4. Jahre nicht mehr stattznflnden. Dr. Solbrig-Allenstein. 


Die Durchführung der Desinfektion bei Tnberknlose mit besonderer 
Berücksichtigung der Wohnungsdesinfektion. Von Kreisarzt Dr. Fritz Kir- 
stein in Stettin. Klinisches Jahrbuch; 1909, Bd. 22, H. 1. 

Für die wirksame Bekämpfung der Taberkniosa ist eine Erweiterung 
unserer bisher nicht hinreichenden Anzeigepflicht für die Fälle von Wohnungs¬ 
wechsel nnd offener Tnberknlose die unerläßliche Vorbedingung. In den Staaten, 
in denen eine weitergehende Anzeigepflicht bisher dnrehgeführt ist, hat man 
der Tuberkulose sehr viel energischer entgegentreten können,, ohne daß es za 
Belästigungen des Pablikums gekommen ist. 

In der Ausführung der Desinfektion ist die laufende Beseitigung der 
Hauptmasse der Bazillen aus der Umgebung des Kranken die wichtigste Aufr 



l&O Kleinere Mitteilungen und Referat« äus Zeitschriften. 

gebe. Der einzelne Badlias, den jeder Measeh oft genug ohne Schaden auf¬ 
nimmt, Ist weniger an furchten, als die dauernde und reichliche Berührung 
mit dem Aasteckangsstoff. Wollen wir weiterhin in gleichem Tempo wie 
früher Fortschritte in der Tuberkulosebekämpfung machen, so ist die Ein¬ 
führung der Anseigepflicht und des Desinfektionsswangs unbedingt nütlg. 

Dr. Dohm-Hannover. 


Die Desinfektion bet Tuberkulose mit besonderer Berücksichtigung 
der Wohnungsdesinfektion. Von Prof. Dr. Martin Kirchner. Klinisches 
Jahrbuch; 1909, Bd. 22, H. 1. 

Leider hat das Oesets unser Arsenal im Kampfe gegen die Tuberkulose 
nur kärglich ausgestattet Es wird aber mit diesen Waffen doch mehr aus¬ 
gerichtet, als man allgemein annimmt. Wenn man bedenkt, daß in Preußen 
noch jährlich 60000 Menschen an Tuberkulose sterben, so ist die Desinfektion 
von diesen 60000 Wohnungen doch schon ein erheblicher Gewinn. 

Unbedingt erforderlich ist aber auch die Desinfektion bei Wohnungs¬ 
wechsel, wenn müglich und notwendig auf Öffentliche Kosten. Fernerhin muß 
auch die sorgfältigste Desinfektion am Krankenbett nach MOgliohkeit gefordert 
werden. _ Dr. D o h r n - Hannover. 


ft. Schulhygiene. 

Beh-H8rkerse. Von Mediainalrat Dr. Schrakamp, Stadtarst und 
KOalgL Kreisarzt in Düsseldorf und Rektor Hör rix, Leiter der Hilfsschulen 
und städt. iprachheilkurse su Düsseldorf. Zeitschrift für Schulgesundheits¬ 
pflege ; 1909, Nr. 8. 

Um die geistige Aufnahmefähigkeit schwerhöriger Kinder zu heben und 
ihre Gesamtentwickeiung su verbessern, wurde probeweise ein 8eh-H0rkursus 
eingerichtet, ln welchem 17 Kinder, Knaben und Mädchen, wöchentlich 
4 Stunden Abaeh-Unterricht erhielten. Ziel des Kurses war, die Kinder In 
der Konst des Ablesens so su fordern, daß sie in der Schale dem gewöhnlichen 
Unterrichtston, im Leben dem landläufigen Verkehrston mit Verständnis folgen 
konnten. Verfasser gibt eine Uebersieht über die Abstufung der einzelnen 
Uebungen ln diesem Kursus, der an den Lehrer große Anforderungen stellte 
und auch von den Kindern besonderen Eifer verlangte. Die Erfolge waren, 
wie ein Examen am Ende von 4 Monaten bewies, geradezu glänzende, sodaß 
sogar ein Zweifel laut wurde, ob es sich tatsächlich um schwerhörige Kinder 
handle. Die Kurse werden von nun an zu einer dauernden Einrichtung der 
städtischen Schulverwaltung in Düsseldorf werden. 

Dr. Solbrig-Allenstein. 


Jahresbericht über die schullrstllche Tätigkeit au der städtischen 
Hilfbscbule ln Worms (Schuljahr 1908/09). Von Dr. Bayerthal, Nerven¬ 
arzt in Worms. 

Bayerthal hat seine interessanten Beobachtungen und Messungen an 
den 8chädeln der Schulkinder fortgesetzt und berichtet ausführlich über die 
Beziehungen zwischen KopfgrOße und Intelligens im schulpflichtigen Alter. 
Er hat wiederum gefunden, daß ein bestimmtes Verhältnis zwischen KopfgrOße 
und Intelligens besteht, ohne daß sich jedoch eine Bestätigung der Lehre von 
Gail, die durch MObius fortgesetzt wurde, ergeben hätte. Mit Sicherheit 

I laubt Bayerthal den Satz vertreten su können, daß im schalpflichtigen 
Iter sehr gute geistige Fähigkeit verhältnismäßig häufig bei großen, seltener 
bei kleinen und niemals bei den kleinsten KOpten Vorkommen. Eine auffallende 
KopfgrOße bedeutet jedoch durchaus kein Zeichen höherer Intelligens; 
bedeutende Große des Schädels kann su den Leistungen des zugehörigen 
Gehirns in recht erheblichem Gegensätze stehen. Als praktisches Ergebnis 
der sehr mühevollen Untersuchungen wird angegeben, daß es mit Hilfe der 
Kopfmessung gelingt, bei einem Telle der Schulanfänger, die den Anforderungen 
der untersten 8tufe nicht genügen, schon am Ende des ersten Schuljahres 
des zum Besuche der Normalschule erforderliche Maß geistiger Fähigkeiten 
mit Sicherheit auszuschließen. 

Treffende Bemerkungen finden sich in dem Berichte auch über die 
Hygiene des Alkohols, besonders über die Keimvergiftung durch den Alkoholls- 



Kleinere Mitteilungen and Heferate ans Zeitschriften. 


181 


aas der Erseoger. Obgleich in vielen Fällen die Schutzvorrichtungen der 
Keimdrüsen das Eindringen des Alkoholgiftes in den Samen verhüten, ist doch 
dahin so streben, daß bei den Eltern wenigstens in einer Zeit, wo Empfängnis 
möglich ist, der Alkohol ganz gemieden werde. 

_ Dr. Pilf-Wiesbaden. 

Schularzt und Hilfsschule. Von Dr. med. F. Warbnrg-Cöln. Zentral¬ 
blatt für allgemeine Gesundheitspflege; 1909, 7. und 8. Heft. 

In die Hilfsschulen gehören nach den Ausführungen des Verfassers nur 
debile Kinder ohne erheblichen ethischen Defekt. Als Debilität wird „die 
schwächste Form des ererbten oder angeborenen oder in den ersten Lebens¬ 
jahren erworbenen Schwachsinns“ bezeichnet, der zwar unheilbar, aber 
besserungsfähig ist. CTm ein möglichst frühzeitiges Erkennen zu ermöglichen, 
gibt Verfasser den Schulärzten schon für die erste Untersuchung der Schul¬ 
neulinge zwei wichtige Hinweise: Einmal ist ein starkes Zurückbleiben des 
Kindes hinter dem Normalgewicht und der Normalgröße ein verdächtiges 
Zeichen; zum zweiten gibt die Untersuchung anf den Farbensinn des Kindes 
eine gute Intelligenzprüfang. „Ein geistig gut entwickeltes Kind nennt alle 
Farben; je nach dem Grad der Minderbegabung fehlen mehr oder weniger 
verschiedene Farben.“ In der untersten Klasse der Hilfsschulen hat Verfasser 
fast kein Kind mit vollkommenem Farbensinn gefunden, in der obersten Klasse 
etwa noch 50 °/o. Bestätigt das Verhalten des Kindes den Verdacht auf 
Debilität, so ist für eine möglichst frühzeitige Ueberführung in die Hilfsschule 
zu sorgen. Die sorgfältigste Führung eines „Personalbogens für Schwach¬ 
sinnige“ ist auch für das spätere Leben des 8chülers in gerichtlicher und 
militärischer Hinsicht von großem Wert. Dr. 8olbrig-Allenstein. 

Hungerkfln8tler und Schulfrühstflck. Von Kreisarzt Dr. Bach mann- 
Harburg. Der Arzt als Erzieher; 1909, H. 10. 

Verfasser schlägt statt der bisher gereichten Milch oder Bouillon mit Bind¬ 
fleisch etc. folgende billigere Nahrung vor: Man reiche jedem Kinde ein großes 
Glas Mandelmilch, aus etwa 30 g Mandeln und etwas Zocker leicht herzu¬ 
stellen, und dazu einige harte Zwiebäcke aus feinem Schrotmehl, oder auch 
eine bis zwei Apfelsinnen und einige Paranußkerne. Zur sonstigen Abwechslung 
stehen die zahlreichen und imm er billiger werdenden Südfrüchte und ein¬ 
heimisches Obst der Jahreszeit zur Verfügung. Die Auswahl hat aber stets 
so zu erfolgen, daß es nicht an Flüssigkeit, Zucker, Obstsäure, Fett und etwas 
Eiweis fehlt. Mineralstoffe sind in diesen Vegetabilien stets zur Genüge 
vorhanden. 

Dieses wäre dann ein höchst wichtiger Schritt zur Erziehung und Auf¬ 
klärung des Volkes in einer richtigen Ernährung, die auch gleichzeitig den 
Alkoholismus an seiner Wurzel tr effen würd e. Dr. Wolf-Witzenhausen. 

Das Programm des Bandes für Sehulreform. Von Prof. Dr. Cordsen- 
Hamburg. Jugend Wohlfahrt; 1909, Nr. 10. 

Die beiden Grundtöne, die durch das ganze Programm hindurch¬ 
dringen, sind: 

1) Die Forderungen eines innigen Zusammenhanges von Schule und 
gegenwärtigem Kulturleben, 

2) eingehendere Berücksichtigung der kindlichen Eigenart. 

_ Dr. Wolf-Witzenhausen. 

Wesen und Entwicklung des Werkunterrichts. Von G. Denzer- 
Worms. Zeitschrift für Krüppelfürsorge; Bd. 2, H. 2. 

Beim Werkunterricht gibt es nur einen Weg, nämlich von der Dar¬ 
stellung und durch die Darstellung zur Anschauung, denn bei der Darstellung 

1) muß das Kind aus seiner Passivität heraustreten und handeln, 

2) werden phychische Vorgänge auf einen längeren Zeitraum ausgedehnt, 

8) wird aus der unwillkürlichen Aufmerksamkeit eine willkürliche, 

4) entwickelt sich mit und durch das Nachbilden die Beobachtungs¬ 
fähigkeit. _ Dr. Wolf-Witzenhausen. 



182 Kleinere Mitteilungen und Referate au Zeitschriften. 

Die Sehulbankfrage Von Leo Burgerstenin-Wien. Verlag Ton 
Wilhelm Engelmann in Leipzig. Or. 8°; 88 S. Preis: 1,50 M. 

In der Abhandlang werden viele wichtige Punkte der 8chulbank- 
frage behandelt. Entstanden ist sie, weil Verfasser nachzuweisen sacht, daß 
Architekt Arnim v. Domitrovich ans Zitaten, die er in ,* anführt, ohne, 
wo nbtig, Auslassungen darch.anzudeuten usw., von vielen Ab¬ 

handlungen ein falsches Bild gibt. Dieser Nachweis ist dem Verfasser 
unzweifelhaft ganz ausgezeichnet gelangen, aber Referent ist der Ansicht und 
mit ihm eine große Anzahl praktisch erfahrener Medizinalbeamter und Lehrer, 
daß man der Schulbank Überhaupt zu viel Aufmerksamkeit widmet. Nicht in 
der Schule werden die Verbiegungen des Rückgrats pp. erworben, sondern 
meist im Elternhaus, wo Armut oder schlechte Beaufsichtigung die Schuld trägt. 

Dr. R. Thomalla-Johannisbarg (Ostpr.). 


Die Schulbankfrage ein« Preisfrage. Von Stadtbauinspektor M. ü hli g- 
Dortmund. Techn. Gemeindeblatt; 1909, Nr. 15. 

U. weist darauf hin, daß die Beschaffung neuer Schulbänke eine ganz 
enorme Ausgabe bedeutet, bei einer jährlichen Zunahme der Schulkinderzahl 
um 200000 im Deutschen Reiche mindestens 2 Millionen Mark! Er ist weiter 
der Ansicht, daß unter den ungeheuer vielen Systemen viele minderwertige, 
nur zu unnützen Kosten verleitende sind; er schlägt deshalb ein Preisaus¬ 
schreiben und Prüfung durch eine gemischte Kommission (Technicker, Aerzte, 
Pädagogen) vor, um die brauchbarsten Modelle herauszufiuden. Beachtenswert 
ist auch der Vorschlag, durch einfache und zweckmäßige verstellbare Bänke 
die Benutzung der Schulklassen für verschiedene Jahrgange zu ermöglichen 
und damit die teuren Zimmer besser auszunutzen. 

Dr. Liebetrau-Hagen L W. 


Die Reinigung der Schulzimmer. Von H. Meredith Richardts, 
medical officer of healtb, Croydon. Public health; Nr. 12, XXII, 1909, September. 

Der Autor, über dessen Arbeiten diese Zeitschrift 1 ) wiederholt Berichte 
gebracht hat, wendet sich gegen die kritiklose Anwendung von 
Desinfektionsmitteln zur Sterilisierung von Wänden und Fußboden der 
Klassenzimmer. Er macht seine Ansicht an der Art der Verbreitung der 
Masern und der Diphtherie klar. Gesetzt, am 1. Januar sei in einer Schul¬ 
klasse ein erster Masernfall ermittelt und sei alsbald isoliert worden, so würden, 
falls an diesem Tage andere Kinder infiziert worden wären, die weiteren Fälle 
zwischen dem 9. und 14. Januar auftreten. Würde aber das masernkranke 
ersterkrankte Kind die Krankheit nicht durch Uebertragung auf Gesunde, 
sondern durch Infektion von Wänden und Boden weiterverbreitet haben, so 
würden die sekundären Fälle zwischen dem 14. und 20. Januar aufgetreten sein 
müssen. Solche Fälle aber findet man nicht. 

Er kommt zu folgenden Schlüssen: 

1. Die Infektion (in der Schule) geschieht nahezu immer auf dem be¬ 
schriebenen, direkten Wege. 

2. Gelegentlich können Kleider, Taschentücher, Bleistifte die Kr an k heit 
übertragen. 

8. Die Infektion durch Bänke und BOden ist. verhältnismäßig so gering, 
daß sie durch Berücksichtigung der gewöhnlichen Reinlichkeitsregeln und 
durch freie Lüftung unschädlich gemacht werden kann. 

Wenn nun Desinfektionsmittel unnOtig sind und ihre Anwendung teuer 
ist, so ist es besser und zweckmäßiger, einen reichlicheren Gebrauch von 
Wasser und Seife, als bisher zu machen. Dr. Mayer- Simmern. 


Besprechungen. 

Dr. O. Krohne, Reg.- und Medizinalrat in Oppeln: Aerntliche Praxis 
und Medlslnalgesetagebung. Berlin 1909. Verlag von Richard Schoetz. 
92», 170 Selten. 

Mit Recht betont Verfasser, daß leider das Gebiet der Med izin a lg eeetz- 


*) Cf. 1908, 8. 482 u. 1909, 8. 463. 




Besprechungen. 


183 


gebong and alles dessen, was damit Zusammenhänge im Bahmen der Aus- 
bildang der Medizin-Studierenden auf den Universitäten in ungenügender 
Weise behandelt wird und daß demzufolge ein nicht geringer Teil der in der 
Praxis stehenden Aerzte nur unvollkommen über die gesetzlichen und behörd¬ 
lichen Bestimmungen, die er kennen muß, unterrichtet ist. Da umfangreichere 
Werke über Medizinalgesetzgebung von den praktischen Aerzten meist nicht 
gelesen werden und ihr Inhalt auch manches enthält, was diese weniger 
interessiert, hat Verfasser versucht, in möglichst knapper Form eine zusammen* 
fassende Vorstellung aller für den Arzt wichtigen Bestimmungen der Deutschen 
und Preußischen Medizinalgesetzgebung zu geben, um deren Studium den 
Aerzten zu erleichtern. Zar Einführung in dieses Stadium dürfte auch ein 
solches kurzgefaßtes Kompendium genügen, besonders wenn es in so ge* 
sehickter Weise abgefaßt ist, wie das vorliegende, in dem gleichsam die 
Quintessenz jener Bestimmungen wiedergegeben ist. Von einem Abdruck des 
Wortlautes derselben hat Verfasser grundsätzlich Abstand genommen; will 
der Arzt auch diesen kennen — und in vielen Fällen wird er ihn nicht ent¬ 
behren können — dann muß er eben noch ein umfassendes Handbuch zur 
Verfügung haben. 

Die Einteilung dos Stoffes ist so getroffen, daß zuerst die rechtliche 
Stellung des Arztes zur Gewerbeordnung, zum Straf- und Zivilrecht (Melde¬ 
pflicht, Zwang zur ärztlichen Hilfeleistung, straf- und zivilärztlicher Verant¬ 
wortung, insbesondere ärztliche Kunstfehler und ärztliches Berufsgeheimnis) 
erörtert werden; dann folgt ein sehr gut ausgearbeitetes Kapitel über die 
ärztliche Sachverständigenkeit und ärztliches Attestwesen sowie ein weiterer 
Abschnitt über die Tätigkeit des Arztes auf dem Gebiete der sozialen Gesetz¬ 
gebung. Hieran schließen sich Abhandlungen über die Mitwirkung des Arztes 
bei der Seuchenbekämpfung einschl. der Impfung und auf anderen Gebieten 
der öffentlichen Gesundheitspflege als Armen-, Krankenhaus-, Gefängnis-, Schul¬ 
end Fabrikarzt. Nachdem dann Arzt und Arzneiversorgung besprochen sind, 
findet das Verhältnis des praktischen Arztes zum beamteten Arzte, zu seinen 
Berufsgenossen (ärztliche Standesvertretung usw.), zum niederen Heilpersonal 
(Hebammen, Heilgehilfen usw.) und zur Kurpfuscherei eine sachgemäße 
Erörterung. Den Schluß bildet das ärztliche Gebührenwesen und die ärztliche 
Sachführung. Diese kurze Inhaltsübersicht zeigt, daß Verfasser tatsächlich 
alle den Arzt interessierenden Bestimmungen der einschlägigen Gesetzgebung 
berücksichtigt hat; dasselbe gilt betreffs der Bechtsprechung, die vielfach 
durch zutreffende Beispiele erläutert ist. 

Wir können dem Büchlein nur die weiteste Verbreitung wünschen; es 
verdient eine solche im vollsten Maße und wird sicherlich dazu beitragen, 
sowohl den angehenden, als dem bereits in der Praxis stehenden Arzt mit 
dieser für seine Berufstätigkeit so bedeutungsvollen Materie vertraut zu 
machen. _ Bpd. 


Dr. Jur. et med. Polag : Die Berechtigung des künstlichen Abortus 
vom medizinischen, juristischen und nationalOkonomisohen 
Standpunkte. Verlag von Ludolf Beust, Straßburg i.Eis. 190U. KL8°, 
91 Seiten. Preis: 1,80 Mark. 

Verfasser bringt im ersten medizinischen Teil eine eingehende Be¬ 
sprechung der heute in Frage kommenden Indikationen zur Einleitung des 
künstlichen Abortus, die zwar theoretisch eine recht beträchtliche Zahl erreicht 
haben, wenn auch in praxi die tatsächliche Ausführung eine relative seltene 
ist. Der zweite Teil erörtert die juristischen Theorien, welche über die 
Straflosigkeit des künstlichen Abortus aufgestellt sind. Beiden Teilen ist je 
ein kurzer historischer Bückblick vorausgeschickt; den nationalökonomischen 
Erörterungen liegt die Abortstatistik der Straßburger Frauenklinik zugrunde. 
Ein weiterer Abschnitt bringt einige Vorschläge — de lege ferenda — zur 
Bekämpfung des kriminellen Abortes, so: Ueberwachung der Zeitungsreklame, 
Hebung der sozialen Stellung der Hebammen, Unterstützung kinderreicher 
Familien u. s. f. Die Ausführungen des Verfassers, die in der Frage des künst* 
liehen Abortus alles Wichtige behandeln, dürften in erster Linie den Frauen¬ 
arzt interessieren; doch auch der Medizinalbeamte wie der Jurist und National¬ 
ökonom werden manches Wissenswerte darin Anden. Bpd. jun. 



184 


Tagesnacbrichten. 


Dr. Baudolior, Oberarzt der Dr. Welker tsehen Lungenheilanstalten Görbers- 
dorf: Dl« Verhütung und Bekämpfung der Tuberkulös# als 
Yolkskrunkhelt. Wflrzbnrg 1909. Verlag ton Kurt Kabltsscb. Kl. 8°, 
44 8. Preis: 80 Pfg. 

Nach einleitenden, auch dem einfachen Laien verständlichen Bemerkungen 
Aber das Wesen der Krankheit, Ober Vererbung und Disposition, Ober die 
Möglichkeiten der Infektion bespricht Verfasser die Frage: Was kann man 
tun, um sich vor der Tuberkulose zu schOtzen P Die Abh&rtung und 8tählung 
des Organismus durch kalte Abreibungen, Bäder, Sport, zweckmäßige Kleidung 
und Ernihrung, die Wohnungshygiene, die zweckmäßige Wahl des Berufes 
werden erörtert. Der nächste Abschnitt behandelt dann die Bekämpfung der 
bereits vorhandenen Tuberkulose; er bespricht den schleichenden Beginn der 
Krankheit, die Sicherung der Diagnose durch Tuberkulin und die Anstalts- 
und Tuberkulinbehandlung. Zum Schlüsse werden die Verhütungs- und Be- 
k&mpfungsmaßregeln in kurze Leitsätze zusammengefaßt. 

Das 8chriftchen wird Aerzten und gebildeten Laien zur Grundlage 
populärer, aufklärender Vorträge dienen, wie es auch zur Verteilung an 
Familien mit lungenkranken Mitgliedern, z. B. durch die FOrsorgestelien für 
Lungenkranke, sehr geeignet ist Dr. Glaubitt-Proetken. 


Tagesnachrichten. 

'Auf die Eingabe des Vor Standes des Preußischen Medizinal- 
ie amten Vereins, betreffend Anrechnung der praktischen Vorbereitung«* 
seit als pensionsfähiges Dienstalter auch bei den bereits im Amte be¬ 
findlichen Mediztnalbeamten. ist vom Herrn Minister unter dem 20. Februar 
d. J. der nachstehende Bescheid ergangen: 

«Dem Anträge des Vorstandes des Preußischen Medizinalbeamtenvereins, 
die im § 8, Abs. 2 der neuen Prüfungsordnung für Kreisärzte angeordnete 
dreijährige praktische Beschäftigung bei der Festsetzung des pensionsfähigen 
Diensteifers auch aller zurzeit schon angestellten Kreisärzte zu berücksich¬ 
tigen, kann nicht entsprochen werden, da die Fassung der Bestimmung im 
8 14, Ziffer 4 des Pensionsgesetzes eine rückwirkende Kraft hinsichtlich jener 
Vorschrift der Prüfungsordnung nicht zuläßt. 

Es wird darauf Bedacht genommen werden, etwaige Härten, die sich 
aus der unterschiedlichen Behandlung der vorhandenen und der künftig anzu¬ 
stellenden, nach der neuen Prüfungsordnung geprüften Kreisärzte ergeben, 
dadurch zum Ausgleich zu bringen, daß gegebenenfalls von der Bestimmung 
im § 19, Abs. 1, Ziffer 2 des Pensionsgesetzes Gebrauch gemacht wird, wonach 
mit Königlicher Genehmigung die Zeit praktischer Beschäftigung außerhalb 
des Staatsdienstes als pensionsfähige Dienstzeit angerechnet werden kann, in¬ 
sofern und insoweit diese Beschäftigung vor Erlangung der Anstellung in einem 
unmittelbaren Staatsamte herkömmlich war." 

Die Medizinalbeamten werden dem Herrn Minister dankbar für diese 
wohlwollende Berücksichtigung ihres Wunsches sein, wenn dieser auch nicht 
voll erfüllt ist. Es wird vielmehr in jedem einzelnen Falle eines besonderen 
Antrages seitens dee betreffenden Medisinalbeamten oder seiner Hinterbliebenen 
bedürfen, um eine Anrechnung der Vorbereitungszeit als pensionsfähige Dienst¬ 
zeit zu erreichen. 


Ana dum Belohn tage. Von seiten der konservativen Fraktion 
im Reichstage ist zum Etat des Innern, speziell des Gesundheitsamtes, 
folgender Antrag eingebracht: «Der Reichstag wolle beschließen, den Reichs¬ 
kanzler zu ersuchen, baldmöglichst einen Gesetzentwurf vorzulegen, welcher 
bezweckt, den Missbrauch narkotischer Arzneimittel wirksam zu verhindern; 
da die Arzneimittel jetzt auf dem Wege des sogenannten Großhandels vielfach 
in die Hände unbefugter Personen gelangen und dem Morphinismus, Kokainismus 
sowie ähnlichen schwerkranken Erscheinungen zu einer höchst verderblichen 
Verbreitung verholten haben.* _ 




Tagesnaehrbbten. 

Io Württemberg hat man jetzt auch mit der Zueammenlognitg kleinerer 
Obenotsphfolkate begonnen und das erledigte Öberamtspbyükat Laupheim 
jait demjanißen in Biberacb, sowie das Öbetaratsphysikftfc Oberadorf mit dem- 
joalgen in Sota vereinigt, es Ist dies ahnte Zweifel |or Beginn dar Verwtl- 
UugBvereinfadnxng in Württemberg, wonach so weh als möglich kleinere 
Uoerämter miteinander verebbt und die Erobtegle/ttngen aufgehoben 
»erden »ollen. 

Für die allgemein« Tagesordnung und die öescmMtsnngen der 82. Ver¬ 
sammlung Deutscher Naturforscher nsd Aerrte, die vom 18, bis 24. Sep¬ 
tember in Königsberg i. Pr., nicht in Danzig, wie irrtümlich jn N?, 8 
der Zeitschrift, 8.108 angegeben war, atattfindet, sind bis Jetzt die Vorträge 
iolgender fferren b Aussicht genommen; Ach (Königsberg); „(Jeher de». 
Willen. Lramer (Göttbgen): „Pubertät und 8chule. a Külpe (Bonn): ,©p- 
kenntnistheorie und Naturwissenschaften.“ f, Monakow (Zürich): „Lobali- 
sauon der Hirnlnnktiouen,* Planck (Berlb) j „Die Stellung der neuen Physik 
xb; mcchaniachen Natnranachauang.“ Toraqniat (Königsberg): «Geologia 
■. »■« , * Zenneck (Ludwigshafen): „Verwertung des Löftatickstoffes 

»U HiUe de» dektrlsches Pbmaenbogei».“ 

., Außer den allgemeinen Sitzungen finden ta Üblicher Weise Einzel- 
utzuBgen und kombinierte SiUnngen der Abteilungen statt* Für diemedi- 
zmucnen Abtellungea ist, vielfach geäußerten Wünschen entsprechend, g»»ö 
greeers Anzahl kombinierter Sitzungen is Aussicht genommen, zu denen schon 
«ae Bake von Vortrigen angemelüefc sind, 

. v .°( tr *8 e *u den Abteilang 8 sitizu*g *9 werden bis z um 1. Juni 

S?- <Uo .AdrmiMW der Geschäftsführung (DrucrOtsivAßc 26—29) oder an die Ein- 
aULmoden der einzelnen Abteilungen erbet««., In der A btoilttMg für Hy- 
g*ene ond Bakteriologie ist Prof, Dr» Er us®, b der A Mejlung für 
liJrender ' ttad • soslale Äedizl» Med.»Eitt Prof. Dt, Puppe Ein- 


»«*.» J m W* 7 - Oktaloer d- J. wird b Berlin im Bause der Ageord- 
-ftHA l°" de ™ Habchen Verein für Psychiatrie vorbereitete tt. Inter- 
r ! S®**™» 4* Fßrsoige für Beisteakrnnke ntattfinden. 

. a W Aoogreß befaßt sieh nicht »Bsschließlieh mit den PragfiÄ und Aufgaben 

« Behandlung und Unterbringung pcyehlsch Leidender, er will. 
a ~~' 6 Oatorenchungea, Maßregeln und Einrichtungen Wöitdgen, die 
o |f. ö«8s#4heit ln jeder Sichtung dienen. Er will 

«rho« .^ n ® de *Geisteslebens an* sozialen Mängeln und bygieni- 

JrnSLtA» ttachgiksa, die Entstehung geistiger Erkrankung ton 

aafkllrea und Ihre möglichste VerbfUunir anbnbnen. 
1 Js gegenüber. abnormen psychischenZust Anden: Behänd lang 

Anstalten* die geordnete FamiUenpÜege, die Bo- 
ihm* PntoblütiKttg der Kranken and ihrer Familie», die Ordnung 

Beihilfe nod Fürsorge nnch Ansulta- 

Gemfui*' d rt°.Kongreß w j f g e u„ AnseteUung der Fürsorge für 
Ätkadu. t»’-i e **tns- und Nervenkranke verbunden «Mb, die ebe voll- 
u ttbor dio in den letzten 8 .Dezennien auf diesem Gebiete 

übet luT s ™ *Fertigten Fortschritte und einen oriotitieiande» Deberblick 
• Eolturstaaten geschaffenen Ebricblnnge.» gewöferen «oll. 

m|*äfc 8 Ü8W H genommen sind Belerate und Vorträge über foigeodo Gegen* 
- LSüt »i-t * ^» Zusammenhang zwfachte» ZblMsation und Geisteskrankheit, 
hwakhdt vf* f** 4 * 1 «»«- dor önw^skränkan bststeUca? — Die Schlaf- 
Urwjf»«. ♦*. .T 1 ® Bedeutung einer geordnet«« Säuglings- und Klednkbdfr- 
*«***«»* ?«n Epilepsf«, Idiotie uaä Psychopathie. 
Attf^hmil dei BnzHbatrigor* Jn den AaetaUtoo. — Die Frage der frefwilDgeö 
des °5 ber . P^lhlbiflchc Behaodtong der Psycho»*«, ~ Beachtong 

~ ^* öi Ebstoliang and Dienstleistung in Heer and 

Kii Är P»y«hisch Erkrankte im Felde. - Die Arbeit de« Bote» 
*° “An wegen Gelateskiankhait ans der Armee Ansgeschiedenen. — 




186 


SprechsaaL 


Psychopathologisches in moderner Konst ond Literatur. — Die soziale Wieder« 
gebart der Geisteskranken durch geregelte Arbeitstherapie. — 

Anmeldungen an weiteren Vortägen nimmt Herr Prof. Dr. Boedeker, 

8chlachtensee - Berlin, Fichtenhof, entgegen. 

Anmeldungen und Anfragen betreffend die Ansstellung sind su richten 
an Herrn Professor Dr. Alt, Uchtspringe (Altmark). 

Der XI. Deutsche Kongress für Volks- und Jugendspiele wird im 
Juli d. J. in Barmen abgehalten und mit einer Sportausstellung sowie mit 
einer Ausstellung füe Volkswob], Gesundheitspflege und soziale Fürsorge ver¬ 
bunden sein. 

Während der internationalen Hygieneausstellung in Dresden im Jahre 
1911 wird daselbst auch der III. internationale Wohnungs- Hygiene- 
Kongress tagen. 

Im Verlag von J. F. Lehmann in München beginnt zu erscheinen: 

„Jahreskurse für Ärztliche Fortbildung in 12 Monatsheften. Systematisch 
angeordnete, illustrierte Lehrvortrftge Aber den jährlichen Wissenszuwachs der 
gesamten Heilkunde“. Das Ges&mtgebiet der Medizin ist in 12 Gruppen 
geteilt; jeden Monat erscheint ein Heft, das die Fortschritte einer dieser 
Gruppen übersichtlich darstellt. Die Redaktion liegt in den Händen von Dr. 

D. Sarason in Berlin. Das vorliegende 1. Heft enthält eine Abhandlung 
über Allgemeine Biologie und Pathologie von Prof. Dr. 0. Lubarsch in 
Düsseldorf, Preis des Jahrganges 16 Mark. 

Als vierteljährliche Ergänzungshefte der „Allgemeinen Deutschen 
Hebammenzeitung“ erscheinen ebenfalls im Verlag von E. 8 tau de von diesem 
Jahre ab „Annalen für das gesamte Hebammenwesen des In« und Aus¬ 
landes") herausgegeben von Geh. Bat Dietrich, Prof. Koblanck, Frau 
Olga Gebauer und Geh. Bat Winter. In denselben soll solcher Stoff, der 
für die Allgemeinheit der Hebammen nicht verwendbar, für Verwaltungs¬ 
behörden, Medizinalbeamte, Hebammenlchrer etc. dagegen von Bedeutung ist, . 

wie Geschichte, Gesetze und Verordnungen, Statistik etc., diesen leicht zu¬ 
gänglich gemacht werden. Die Bedaktion hat Prof. Dr. Koblanck in Berlin 
übernommen. Preis des Jahrgangs 10 Mark, für die Abonnenten der Hebammen¬ 
zeitung 8 Mark. _ 

Erkrankungen und TedesfKUe an ansteckenden Krankheiten ln 
Preuuen. Nach dem Ministerialblatt für Medizinal- und medizinische Unter-, 
richts-Angelegenheiten sind in der Zeit vom 9. Januar bis 12. Februar 1910 
erkrankt (gestorben) an: Aussatz, Gelbfieber, Pest, Botz, Cholera 
Tollwut: (—), (—); Bttckf allfieber: 1 —, — (—), 1 (—), — (—), — (—), 
Fleckficber: — (—). — (—), — (-), 1 (—), — (-); Pocken: 7 (2), 10(1), 

8 (1), ö (-), 2 (-); Milzbrand: 4 (-), 1 (-), 5 (-), 8 (-), - (-); 

Biß Verletzungen durch tollwutverdächtige Tiere: 4 (—), 6 (—), 

2 (—), 2 (—), 7 (—); Unterleibstyphus: 195 (18), 196 (16), 206 (24), 

168 (25), 169 (29); Ruhr: 2 (—), 8 (-), 8 (1), 3 (—\ 2(2); Diphtherie: 

2005 (161), 2009 (154), 1958 (144), 1712 (144), 1877(168); Scharlach: 1606 < 

(78), 1539 (72). 1456 (64), 1475 (77), 1449 (72); Kindbettfieber: 111 (81), 

128 (31), 113 (32), 100 (35), 119 (34); Genickstarre: 8 (2), 15 (12), 9 (8), 

11 (4), 9 (7); spinale Kinderlähmung: 18 (2), 13 (3), 12 (2), 10 (—), 

8 (1); Fleisch- und Wurstve r gif tung: — (—), 1 (—), 6 (1), 2 (2), 6 (—); 
KSrnerkrankheit (erkrankt): 202, 123, 70, 111, 153; Tuberkulose (ge¬ 
storben): 600, 703, 719, 718, 720. 

SpreohsaaL 

Anfrage des Kreisarztes Dr. K. ln G.t Wird im Falle der Pensionierung 
die Zeit als kommissarischer Kreiswundarzt angerechnet, wenn bei Uebernahme 
der Stellung keine Vereidigung, sondern nur eine Verpflichtung durch Hand¬ 
schlag erfolgt ist? 



Sprechsaal. 


187 


Antwort: Ja; denn die Dienstzeit wird nach § 13 des Pensionsgesetzes 
vom Tage der Ableistung des Diensteides gerechnet, und die Verpflichtung 
mittelst Handschlages ist nach dem Staatsministerial* Beschluß vom 31. Hai 
1842 und 12. Oktober 1861 der Ableistung des Diensteides gleich zu achten. 
Dies gilt auch, wenn der Uebergang von einer zur Pension nicht berechtigenden, 
aber aus der Staatskasse remunerierten Abstellung in einen anderen zum 
Pensionsanspruche berechtigenden Posten, z. B. bei der Ernennung eines Kreis* 
physikus oder Eireiswundarztes zum Kreisarzt, nicht unmittelbar, sondern erst 
nach längerer Aufgabe der ersten Stellung stattfindet. 


Anfrage des Kreisarztes Dr. B. ln H.: Kann nach dem Gebflhrengesetz 
vom 14. Juli 1909 unter der Gebühr für ein Befundattest (Tarif A12) auch 
eine solche für Akteneinsicht (Tarif A 4) liquidiert werden P 

Antwort: Ja; nur in den Fällen Tarif A Nr. 13—15, in denen höhere 
Gebühren berechnet werden können, ist die Gebühr für Akteneinsicht mit ein¬ 
begriffen (s. meinen Kommentar S. 20, Anm. 5). 


Anfrage des Kreisarztes Dr. P. la G.: 1 . Wenn der Kreisarzt im 
Aufträge der Königlichen Begierung, Abt. III, ein Gutachten über die Erwerbs¬ 
fähigkeit eines im staatlichen Betriebe beschäftigten Arbeiters (z. B. Wald* 
arbeiten) erstattet, hat er für dieses nach der Gebührenordnung für praktische 
Aerste vom 15. Mai 1896 oder nach dem Gebührengesetz für Medizinalbeamte 
vom 14. Juli 1909 zu liquidieren? 

2. Falls zur Abgabe des Gutachtens eine Beise notwendig war, hat die 
Berechnung derselben nach der Gebührenordnung für praktische Aerzte oder 
nach Maßgabe der Bestimmungen, welche für die Staatsbeamten gelten, zu 
erfolgen ? 

Antwort: In beiden Fällen ist nach der ärztlichen Gebührenordnung 
n liquidieren. _ 


Anfrage des Kreisarztes Dr. H. ln L.: Auf Ersuchen des zuständigen 
Amtsgerichts habe ich eine Beise zurückgelegt, um einen Gerichtsvollzieher 
auf Dienstfähigkeit zu begutachten. Fällt die Beise unter das Pauschale und 
fst das Gutachten kostenlos? 

Antwort: Die Beise fällt weder unter das Pauschale, noch ist das Gut* 
achten unentgeltlich zu entrichten, da es sich um eine vertrauensärztliche 
Tätigkeit im Sinne des § 115 der D. A. und nicht um eine amtliche Verrichtung 
handelt (s. auch Min.-Erlaß vom 10. Dezember 1909, Beilage zu Nr. 1 der Zeit* 
■chrift von 1909, S. 2). _ 


Anfrage des Kreisarztes Dr. G. ln B.: Ist der Kreisarzt berechtigt, 
bei Beisen infolge Privatauftrags (Untersuchung eines bettlägerigen Militär¬ 
reklamanten, Begutachtung der Gesundheitsschäalichkeit von Gebäuden usw.) 
die tarifmäßigen Fuhrkosten für Landwege zu berechnen, wenn ihm freies 
Fuhrwerk zur Verfügung gestellt ist? Oder gilt hier auch die Bestimmung 
des Artikel II? 

Antwort: Der Kreisarzt braucht das ihm von privater Seite gestellte 
Fuhrwerk nicht zu benutzen; tut er es, so kann er trotzdem Beisekosten be¬ 
anspruchen. Diese fallen, abgesehen von der Gebühr für Zu- und Abgang, 
nur dann weg, wenn die Beise mit unentgeltlich gestellten Verkehrsmitteln 
ausgeführt wird, das sind aber nur solche, deren Kosten aus öffentlichen 
Kassen bestritten werden (Art. II des Ges. vom 21. Juni 1897, F 6 der Aus¬ 
führungs-Bestimmungen zu den Vorschriften über die Tagegelder und Beise* 
koeten vom 11. November 1903, s. meinen Kommentar S. 64 u. 69). Es dürfte 
jedoch, um Mißdeutungen zu vermeiden, angezeigt sein, auf die Beisekosten 
zu verzichten und nur die erwachsenen Auslagen (z. B. für Trinkgelder) zu 
berechnen. 



188 Tagesordnung der Hauptversammlung des Prenß. Medizinalbeamtenvereins. 

Preussischer Medizinalbeamtenverein. 

XXVI. Hauptversammlung 

am 

Freitag u. Sonnabend, den SS. u. SS. April 1010 

in 


Tagesordnung: 

Sonnentag, den 21. April: 

8 1 /* Uhr abends: BegrOssunge - Abend (mit Damen) im „Rheinsold"; 
Eingang: Potsdamerstraße Nr. 8, eine Treppe hoch. 

Freitag, den 22. April: 

9'/i Uhr vormittags •• Erste Sitzung im „Rheingold * (wie vorher). 

1. Eröffnung der Versammlung. 

2. Geschäfts- und Kassenbericht. 

3. Der Entwarf eines Deutschen Strnfgesetibnehes. Beferenten: Geh. 
Med.-Bat Prof. Dr. 8traßmann-Berlin, Gef&ngnisarzt Dr. Fritz 
Leppmann-Berlin und Kreisarzt Dr. Hillenberg-Zeitz. 

8 Uhr nachmittags: Besichtigung des Städtischen Unterauohunga- 
amtee in der Fischerstraße Nr. 89/42 (Eingang Mtlhlendamm). 

7 Uhr naohmlttagn: Festessen (mit Damen) im „Rheingold“ (wie vorher). 

Sonnabend, den 23. April: 

0 1 /« Uhr vormittags: Zweite 8ltzung im „Rheingold 4 ' (wie vorher). 

1. Die neue Dienstanweisung für die Krelskrste. Beferenten: Med.- 
Bat Dr. Nickel, Kreisarzt in Perleberg, und Kreisarzt Dr. M e d e r 
in Cöln. 

2. Yorstandswnhl; Bericht der Kassenrerisoren. 

8. Beseblnss Uber den Entwurf der Setzungen zum Unterstützung«- 
fonds. 

1 Uhr mittags: Zwangloses gemeinsames Mittagessen (mit Damen) im 
„Bheingold* (wie vorher). 

8 Uhr n ac hmi ttags: Besichtigungen'). 

8 Uhr abends: Zwanglose Vereinigung l ). 

Um recht zahlreiche Teilnahme, auch von seiten der Mitglieder dos 
Deutschen Medizinalbeamten-Vereins, die frenndliehst eingeladen sind, wird 
gebeten. 

Minden, LW., den 8. Mirz 1910. 

Der Vorstand des Prsussischen Medizinalbeamtenvereins. 

I. Anftr.: Geh. Med.-Bat Prof. Dr. Bapmnnd, Vorsitzeoder, 

_ Bef.- o. Med.-Bat in Minden« 

*) Daa Nähere darüber wird am 8itznngstage mitgeteilt 


BTotim. 

Vom 10. MEr■ bis 18. April d. J. let der Herausgeber 
dieser Zeitschrift Infolge einer Erholungsreise nach Italien ab¬ 
wesend. Wenn auch für Vertretung gesorgt Ist und Ihm drin¬ 
gende 8aohen n&ohgeachlokt werden, so bittet er doob. etwaige 
Zusendungen, Anfragen usw. tunlichst bis an seiner Rückkehr 
au verschieben. 


Redaktion: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Bapmnnd, Beg.-n.Mod.-Bat in Minden LW 
J. 0.0. Brau, Hwtogl. BUki, 1. r. Sth-L.. HoAsehdraelMMi U Mladra. 



















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Wiedemann in Bottweil, leitender Arzt der Privat-Irrenheilanstalt in 
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bervorrageniistrSälsasiicäss 


(Hvd.f, -fJwlic. oxyd. 0 t 06 - Tansttlhjrt (K.J >. 


Heues flntisyphiliticum 

m intei ne» Gebrauch 


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Borovertin 


Vorzüglich bewahrt. Abi-ftuiig 4< J s 

Typhus-Bazi! len. 


Röhren t-2ö Tahle.ttcn-?Vö "*g ßyrovertin 

— Profrcr i»r.d L>w»‘äw kostf^os. ZS 


23 . Jahrg. 


Zeitschrift 

für 


1010. 


MEDIZINALBEAMTE. 


ZmtnlUatt für bi gesamte Sasundluitswesen, 

für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irren wesen. 

Heraasgegeben 

TOB 

Geh. M*d.-Rat Prot Dr. OTTO RAPMÜND, 

EeflorBBfs« ud Midiilnilrst in Minden 1. W, 

Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, Sächsischen, 
WQrttembergischen, Badischen, Mecklenburgischen und Eisass-Lothringischen 

Medizinalbeamtenvereins. 


Verlag von Fiseher’s mediz. Buehhandlg., K Kornfeld, 

EarsogL Bayer. Hof* n. BrshersogL K^witHwr.niMhhftnaiT, 

Berlin W. 35, Lützowstr. 10. 

Iiuenie nehmen die VerUfshandlung sowie alle Annonoenezpedltlonen des 1 b* 

BBd Auslandes entgegen. 


Nr. 6. 


Bnekelat am S. u4 SO. Jedem Xo»ta. 


20. März. 


Die Tätigkeit eines Gerichtsarztes. 

Von Gerichts&rzt Dr. Keferstein in Magdeburg. 

In der Dienstanweisung für die Kreisärzte heißt es in § 1: 

.Der Kreisarzt ist der Gerichtsarzt seines Amtsbezirks. Wo besondere 
Verhältnisse es erfordern, kann die Wahrnehmung der gerichtsärztlichen Ge¬ 
schäfte besonderen Gerichtsärzten Übertragen werden. Die besonderen Gerichts- 
inte werden als nicht yollbesoldete Kreisärzte an gestellt.“ 

Wo ein besonderer Gerichtsarzt neben dem Kreisärzte an¬ 
gestellt ist, soll der Kreisarzt nnr als Gesnndheitsbeamter tätig 
sein, während der Gerichtsarzt die gerichtsärztlichen Geschäfte 
zu bearbeiten hat. Hierdurch wird der Kreisarzt entlastet und 
kann sich ganz seinen hygienischen Aufgaben widmen. 

Von den gerichtsärztlichen Geschäften, die nachstehend durch 
einzelne erwähnenswerte Beispiele und Erfahrungen erläutert 
werden sollen, interessieren zunächst die Untersnchnngen an 
lebenden Personen. Sie erstrecken sich auf Verletzungen, 
Notzucht und Unzucht, Schwangerschaft, Geburt und Abtreibung, 
Haft- und Vernehmungsfähigkeit, außerdem anf die Untersuchungen 
des Geisteszustandes, der Zurechnungsfähigkeit und Verhandlongs- 
fähigkeit. Zn den Verletznngen gehört auch die Beurteilung der 
Kunstfehler der Aerzte, soweit sie als Körperverletzungen auf¬ 
gefaßt werden, ebenso auch Körperverletzungen, die das übrige 
Heilpersonal und sonstige Heilkünstler sich zuschulden kommen 

ligiym, 












190 


Dr. Kttenhi». 


Die meieten angeblichen Kunstfehler, die den Aerzten 
vorgeworfen werden, kommen bei Entbindungen Vor. Die be¬ 
treffende Frau ist während oder kurz nach der Entbindung ge¬ 
storben; es werden von dem Kreisarzt Erhebungen angestellt, die 
Leichenöffnung wird gemacht und ein angeblicher Kunstfehler 
festgestellt. Je weltfremder der betreffende Kreisarzt oder Ge- 
riehtsarzt in der ärztlichen Praxis geworden ist, desto leichter 
ist er geneigt, einen Kunstfehler für vorliegend zu erachten. Bei 
dem weiteren Verlauf der Sache kann er dann aber zn seinem 
Staunen erleben, daß sein Gutachten, das mit vielem Fleiß und 
theoretischem Wissen ausgearbeitet ist, nicht die Billigung des 
Provinzial-lfedizinalkollegiums findet; denn hier pflegt man weniger 
nach der Theorie, sondern zum Glück nach der Praxis zu urteilen. 
Aehnlich liegen die Verhältnisse bei den angeblichen Kunstfehlern 
der Hebammen. Auch unter den Aerzten kommen räudige Schate 
vor, doch kann man sagen, höchst selten. Mir ist ein Arzt in 
Erinnerung, der Frauen nnd Mädchen einen federnden Stahlapparat 
einsetzte, um Schwangerschaft zu verhüten. Diese Federn waren 
nach längerem Gebrauch durcbgeroetet und hatten die Gebärmutter 
aulgespießt. Der Arzt wurde zu einer längeren Gefängnisstrafe ver¬ 
urteilt und ist dann anßer Landes gegangen; er gibt in Deutschland 
nur noch Gastrollen, hat aber immer noch einen großen Zulauf. 

Masseure und Masseusen fassen manchesmal eine Krebs¬ 
geschwulst des Netzes oder der Gebärmutter als versetztes Blut 
auf und wollen dieses angeblich versetzte Blot wegmassieren 
wodurch sie auch eine mögliche, lebensrettende Operation hinter- 
treiben. 

Sonstige Körperverletzungen sollen übergangen werden 
nur mag erwähnt werden, daß nach meinen Erfahrungen die 
Strafkammer den Begriff des gefährlichen Werkzeuges meist recht 
weit auszudehnen pflegt im Gegensatz zu den Geschworenen 
wenn diese mal eine derartige Frage zu beantworten haben. * 

Bei Notzncht und Unzucht ist öfter bei einer Frauens¬ 
person festzustellen, ob das Jangfernhäntchen verletzt ist oder 
nicht. Die Form des Jungfernhäutchens ist außerordentlich ver¬ 
schieden. Das ringförmige Jungfernhäutchen ist ziemlich selten* 
am häufigsten findet man das lippenförmige, so daß der Fing en» 
in die Scheide durch das lippenförmige Häutchen ähnlich wie 
durch ein weiteres Paar Schamlippen verschlossen wird. Durch 
den ersten Beischlaf pflegt das Häutchen einzureißen, der Riß 
ist manches Mal ganz geringfügig. Eine völlige Zerstörung des 
Hymens kommt auch durch häufigen Beischlaf nicht vor. Das 
mehrfach eingerissene Hymen ist so ansdehnungsfähig, daß es zu 
weiteren Einrissen nicht mehr kommt. Durch eine Entbindung 
wird aber das Jangfernhäutchen bis auf geringe Reste zerstört, 
indem es durch den au&tretenden Kopf des Kindes vollkommen 
zerrissen und zerquetscht wird. Es kommt vor, daß Schwestern 
eine ähnliche Form des Jungfernhäutchens haben, nicht selten ist 
aber auch die Form ganz verschieden; bei Zwillingen pflegt 
jedoch die Form des Jungfernhäutchens dieselbe zu sein. Wn m *hos 



Die Tätigkeit eines Gerichts aiztea. 


191 


Mal zeigt der Band des Häutchens eine Zackung, die angeboren, 
aber auch durch Onanie herbeigeführt sein kann, falls diese so¬ 
weit fortgesetzt wird, bis der Rand einreißt, es blutet und 
wehe tut. Tiefe Einrisse des Jungfernhäutchens werden durch 
Onanie nicht hervorgerufen, das Schmerzgefühl verhindert der¬ 
artige tiefe Einrisse durch Onanie. 

Das Verbrechen der Abtreibung kommt besonders in den 
Großstädten vor. Es sind nicht selten frühere Hebammen, die 
aus irgendeinem Gründe die Hebammentätigkeit nicht mehr ans- 
ttben dürfen und sich nun mit Abtreibungen abgeben. Aber auch 
andere Frauen, selbst Männer, z. B. frühere Masseure, Bademeister 
und dergleichen, üben dieses verbrecherische Gewerbe aus. Trotz 
der harten Strafen werden immer wieder Abtreibungen verübt, 
da der Preis, der gegeben wird, verhältnismäßig hoch ist; 100 
bis 300 Mark und darüber werden dafür bezahlt. Es wird ent¬ 
weder die Abtreibung mit der Spritze oder der Eihau tstich aus¬ 
geführt. Auf innere Mittel, wie Sabina und dergleichen, läßt sich 
eine geübte Abtreiberin gar nicht ein, weil sie weiß, dass dis 
Wirkung innerer Medikamente unsicher ist. 

Die Abtreibung mit der Spritze wird folgendermassen vor¬ 
genommen: 

Es wird eine Spritze von der Größe einer Klystierspritze mit langem 
Auatz gewählt, die Spitze des Ansatzes in den Muttermund der Gebärmutter 
ein geführt and dann mit Btarkem Druck die Flüssigkeit durch den Gebär¬ 
mutterhals in die Gebärmutter gespritzt. Der Flüssigkeitsstrahl prallt gegen 
das in der schwangeren Gebärmutter befindliche Ei und kann einen Teil des¬ 
selben von der Geb&rmutterwand ablösen; auch das eingespritzte Wasaer 
wirkt als Fremdkörper. Au! diese Weise kommt es nach einiger Zelt au 
Wehen und zu einer Fehlgeburt. Die Abtreiberin läßt bei diesem Verfahren 
die Schwangere sich auf zwei Stühle setzen, zwischen die häufig ein Eimer 
gestellt wird, damit in ihn die aasfließende Flüssigkeit aufgefangen werden 
kann. Oder die Schwangere mnß sich über einen Eimer stellen; in diesem 
Falle pflegt eine Gehilfin die Schwangere zu halten, da sie bei der Ein¬ 
spritzung Ohnmachtsanwandlungen bekommen kann. Die Abtreiberin kniet 
vor der Schwangeren und führt so die Spritze ein. Als Einspritzungsflüssig¬ 
keit wird hänfig Seifenwasser gewählt, weil dieses die Gebärmutter zur Wehen¬ 
tätigkeit anreizen soll, öfter wird auch Lysollösung genommen. 

Der Eihautstich wird ausgef&hrt, indem die Abtreiberin mit 
einem nadelartigen bezw. stäbchenförmigen Instrument die Oeff- 
nung des Gebärmutterhalses durchdringt und das Ei in der 
schwangeren Gebärmutter an seinem unteren Ende anstiebt. Das 
Fruchtwasser fliesst dann zum Teil aus; diese Inbaltsvermmde- 
rung der Gebärmutter bewirkt dann Zusammenziehung derselben, 
Wehen und Fehlgeburt. 

Den Eihautstich auszufübren ist schwieriger und auch ge¬ 
fährlicher für die Schwangere, da durch einen ungeschickt ge¬ 
führten Stich eine Verletzung der Gebärmutter sich ereignen kann; 
denn das Instrument muss so geführt werden, dass es den Gebär¬ 
mutterhals durchdringt. Leichter ist die Abtreibung mit der 
Spritze, weil der Wasserstrahl seinen Weg durch den Gobärmntter- 
h&ls selber findet. In letzter Zeit wird der Eihautstich wieder 
mehr geübt. Der Grund dafür ist nach meiner Ansicht folgender: 
Eine Abtreiberin muss stets auf eine polizeiliche Haussuchung vor¬ 
bereitet sein, bei einer solchen wird eine Spritze leieht gefunden 



192 


Dr. Keferstein. 


and ist stets verdächtig, während sich der Eihantstich mit jeder 
Stricknadel oder sonst leicht zu verbergendem stabförmigen In¬ 
strument ausführen lässt, so dass ein solches Instrument bei der 
Haussuchung übersehen werden kann. Als Instrument zum Eihaut- 
stich wird jetzt auch ein dünner männlicher Metall-Katheter ge¬ 
wählt. Da ein derartiger Katheter stumpf ist, so sind Verletzungen 
der Gebärmutter weniger zu fürchten. Bei dem Eihautstich und 
auch bei den Einspritzungen wollen die Frauen häufig einen 
durchdringenden Schmerz im Leibe gefühlt haben. Die Fehl¬ 
geburt tritt meist in den ersten Tagen nach dem Eingriff ein, 
meistens etwa am dritten Tage, beim Eihautstich gewöhnlich 
später als bei der Einspritzung; selten zieht sich der Eintritt der 
Fehlgeburt über den dritten Tag bis zum achten hin. Manchmal 
kann die Fehlgeburt schon wenige Stunden nach dem Eingriff 
erfolgen. 

Eine Schwangere kann den Eihantstich auch an sich selbst 
vornehmen; dass dies auch bei der Abtreibung mit der Spritze 
möglich ist, zeigt folgender Fall: 

Ein Dienstmädchen hatte za ihren guten Freundinnen erzählt, daß sie 
Bich schon zweimal ihre Frucht mit einer Spritze abgetrieben habe. Ich hatte 
den Fall zu begutachten; das Mädchen erzählte mir folgendes. Sie habe 
die Spritze von einer Frau gekauft, die ihr diese Anweisung zur Abtreibung 
gegeben hätte. Sie sollte mit ihrem Finger tief in ihre Scheide eindringen, 
dann würde sie ein Ding fühlen wie einen kleinen Berg, der in der Mitte ein 
Loch hätte, sie müßte sich nun Mühe geben, in das Loch dieses Berges die 
Spitze der Spritze einzuführen und da hineinzuspritzen. Das Mädchen hatte 
wirklich nach mehrmaligen vergeblichen Versuchen die Sache fertig bekommen. 
Sie hat es mir selbst gezeigt und war jetzt so geübt, daß sie die Einführung 
der Spritze ohne weiteres ausführte. Sie brauchte sich nicht einmal dazu 
auszukleiden, sondern hob nur die Eieider etwas in die Höhe und hielt sie 
mit dem angepreßten Arm fest, während sie mit dem einem Finger der rechten 
Hand in ihre Scheide fuhr, um den Muttermund zu suchen. Sie dirigierte 
dann mit der die Spritze haltenden linken Hand den Spritzenansatz in den 
Muttermund, zog die rechte Hand zurück und drückte mit ihr den Stempel 
der Spritze herunter. 

Lebensgefährlich werden diese Abtreibungen dadurch, daß 
nicht sterile Instrumente verwandt und so Eitererreger in das 
Innere der Gebärmutter getragen werden. Auch kommt es nicht 
selten zu Verletzungen der Gebärmutter. Ein plötzlicher Todesfall 
ereignete sich dadurch, daß die Abtreiberin mit der Spritze die 
Gebärmutterwand durchstieß und eine volle Spritze Lysollösung in 
die Bauchhöhle spritzte. Der Tod trat fast augenblicklich ein. 

Weiterhin kann es durch Zurückbleiben von Nachgeburts¬ 
resten in der Gebärmutter zu Blutungen kommen, wobei sich 
geronnenes Blut an diese Nachgeburtsreste festsetzt; diese Blut- 
gerinsel nehmen oft die Form eines Blutpolypen an, der aus dem 
Muttermund bis in die Scheide hineinragen kann. Da die Scheide 
mit der atmosphärischen Luft in Verbindung steht, können Eiter¬ 
erreger in diesen Blutpolyp eindringen, sich hier fortpflanzen, 
anf diesem Wege in die Gebärmutterhöhle gelangen und Wochen¬ 
bettfieber verursachen. 

Es hält oft schwer, einer Abtreiberin ihr Verbrechen nach- 
zuweisen. Manches Mal hilft hier der Zufall: 

Am Elbufer wurde eine in Zeitungspapier gewickelte menschliche Frucht 



Die Tätigkeit eines Gerichtsnrztes. 


193 


ge/onden, zwischen diesem Zeitongsp&pier fand sich eine Drucksache, welche 
Namen und Wohnung der Abtreiberin enthielt. Die Abtreiberin hatte die 
Fracht in Zeitungspapier gewickelt und in die Elbe werfen lassen, ohne in 
der Eile darauf zu achten, daß sich zwischen den alten Zeitungen andere 
Drucksachen mit ihrer Adresse befanden, die dort achtlos hingelegt waren. 
80 hatte die Polizei es leicht, die Täterin zu ermitteln. 

Bis in letzter Zeit kündigten die Abtreiberinnen ihre Hülfe 
öffentlich in den Zeitungen an. Eine solche Ankündigung 
lautete z. B.: 

„Bewährte Behandlung heilbarer Krankheiten, Blutarmut, Stockungen, 
Nenrosität, Beschwerden der Entwickelungs- und Wechseljahre.“ 

Jetzt findet man in den Magdeburger Zeitungen derartige 
Annoncen nicht mehr; sie sind auf Grund der Polizei*Verordnung 
betreffend gewerbsmäßige Ausübung der Heilkunde durch nicht 
approbierte Personen unterdrückt worden, weil sie das Publikum 
irreführen und belästigen. 

Bei Begutachtung der Haftfähigkeit muß man unter¬ 
scheiden, ob man einen Verurteilten vor sich hat, der eine Strafe 
erst antreten soll, oder einen Gefangenen, der im Gefängnis 
erkrankt ist und dessen Strafe unterbrochen werden soll. Für 
einen Verurteilten, der die Strafe erst anzutreten hat, ist der 
§ 487 der Str.-Pr.Ordn. maßgebend, wonach eine Strafe wegen 
Geisteskrankheit und lebensgefährlicher Krankheit aufzuschieben 
ist, ein Aufschub aber auch möglich ist, wenn der körperliche Zu¬ 
stand des Verurteilten mit den Einrichtungen der Strafanstalt unver¬ 
träglich ist. Ueber die Strafvollzugsfähigkeit eines Strafgefangenen 
gibt es solche sicheren Bestimmungen nicht, doch sind auch hier 
ungefähr dieselben Gesichtspunkte maßgebend. Bei Frauen pflegt 
eine Strafunterbrechung auch noch gewährt zu werden bei 
Schwangerschaft in den letzten Monaten. Außerdem können kranke 
Gefangene, deren Zustand es erfordert, in Krankenhäuser überführt 
werden. Der Aufenthalt in der Krankenanstalt gilt als Strafver¬ 
büßung, so lange der Justizfiskus die Kosten trägt; der Aufent¬ 
halt eines Gefangenen in einer öffentlichen Irrenanstalt kommt 
dagegen nicht auf die Strafzeit in Anrechnung, weil hier der 
Gefangene aus dem Strafvollzug entlassen wird, damit der Armen¬ 
verband die Kosten trägt. 

Eine weitere häufige Tätigkeit des Gerichtsarztes in Straf¬ 
sachen ist die Untersuchung auf den Geisteszustand. 
Fast jeder, der eine strafbare Handlung vollführt hat, versucht 
durch seine Verteidigung möglichst geringe Strafe beziehungsweise 
Straflosigkeit zu erlangen. Nun weiß jeder, der in Strafsachen 
kein Neuling mehr ist, daß Geisteskrankheit straflos macht bei 
jeder Straftat; dieser Einwand paßt also als Verteidigung für 
alle Strafsachen; es ist daher kein Wunder, daß er so häufig 
gemacht wird. In Wirklichkeit werden auch von Geisteskranken 
schwere Verbrechen begangen wie Mord, Totschlag, Brandstiftung, 
Diebstahl, Beleidigung, Widersetzlichkeit, Verbrechen gegen die 
Sittlichkeit, Fälschungen usw.; da es der Straftat an sich nicht 
anzusehen ist, ob sie von einem Geistesgesunden oder Geistes¬ 
kranken ausgeführt wurde, bedarf es in jedem einzelnen Falle 
einer genauen Beobachtung und Untersuchung des Beschuldigten, 



194 


Dr. Kefcrstein. 


ob die Voraussetzungen des § 51 St.-G.-B. vorliegen, also ob der 
Täter in Bewußtlosigkeit oder krankhafter Störung der Geistes¬ 
tätigkeit gehandelt hat. Kommt der Sachverständige zu keinem 
endgültigen Urteil wegen der Schwierigkeit des Falles, so kann 
er bekanntlich auf Grund des § 81 St.-P.-O. den Antrag steUen, 
daß der Angeklagte auf die Zeit von höchstens 6 Wochen einer 
öffentlichen Irrenanstalt zur Beobachtung überwiesen wird. Das 
Gesetz kennt nur Geistesgesundheit und Geisteskrankheit; in der 
Wirklichkeit gibt es aber auch Grenzfälle, sodaß die krankhafte 
Störung der Geistestätigkeit ein ziemlich dehnbarer Begriff ist. 
Die Grenze hier zu ziehen, ist dem Sachverständigen überlassen. 
Der Spezialirrenarzt ist leicht geneigt, einen schwerer Entarteten 
oder Hysteriker oder sonstigen Grenzf&ll für geisteskrank im 
Sinne des § 51 St.-G.-B. zu erachten; der Gerichtsarzt aber weiß, 
daß man durch ein solches Gutachten dem Entarteten oder 
Hysteriker einen Freibrief für Verbrechen ausstellt, der dann 
auch von dem Entarteten und noch mehr von dem Hysteriker 
aasgenutzt wird. Ist ein hysterischer Betrüger durch solches 
Gutechten freigesprochen worden, so wird er bald einen neuen 
Betrog begehen. Wird er dann wieder in Untersuchungshaft 
genommen, so erklärt er in frecher Weise, er müsse aus der 
Untersuchungshaft sofort entlassen werden, er könne garnicht 
bestraft werden; denn er sei geisteskrank. Schenkt der Gerichts* 
arzt solchen Vorstellungen keine Beachtung, so sagt der Ange¬ 
schuldigte in geringschätzendem Tone, er sei schon durch die 
größten Autoritäten in Berlin untersucht und für geisteskrank 
erklärt worden, das Gutachten des Gerichtsarztes könne ihn daher 
ganz gleichgiltig sein. Manche Sachverständige operieren auch 
mit dem Begriff des moralischen Schwachsinns, der sich als recht 
dehnbar erweist. 

Bei den Irrenärzten gilt es für erwiesen, daß Simulation 
von Geisteskrankheit im Gefängnis sehr selten ist. Hiergegen 
möchte ich folgende sicher beobachtete Tatsachen an führen: 

Im Magdeburger Gefängnis waren plötzliche Erregungszustände bei den 
Untersuchungsgefangenen, aber auch bei den Strafgefangenen häufig, in denen 
sie in tobsüchtiger Weise alles in ihrer Zelle, was Überhaupt verwüstet werden 
konnte, entzwei schlugen. Der Oefängnisarzt begutachtete dann, daß die Haft 
derartige Erregungszustände anslösen konnte, infolgedessen blieben die Titer 
straflos. Einmal hatten aber droi Gefangene in einer Gemeinschaftszelle alles 
kurz und klein geschlagen. Da hier offenbar Verabredung vorlag, wurden die 
drei Gefangenen außer mit Disziplinarstrafe damit bestraft, daß die Kosten 
der zerschlagenen Sachen ihnen von ihrem Arbeitsverdienste abgezogen wurden. 
Seitdem die Gefangenen die in Tobsuchtsanfällen zerschlagenen Sachen mög¬ 
licher Weise von ihrem Arbeitsverdienste bezahlen müssen, sind seit Monaten 
im' Magdeburger Gefängnisse derartige Tobsuchtsanfälle nicht mehr vor¬ 
gekommen. 

Es ist das gute Recht des Angeklagten, sich zu verteidigen; 
diese Verteidigung besteht aber häufig darin, daß er die Unwahr¬ 
heit sagt. Nicht selten begegnet man in den ärztlichen Gutachten, 
daß alles das für Wahrheit genommen wird, was der Angeklagte, 
der auf seinen Geisteszustand untersucht wird, dem Arzte mit- 
teilt. Mancher Arzt gefällt sich in der Rolle des Verteidigers 
und ist stolz darauf, unter geschickter Benutzung der oft zweifei- 



Di« Tätigkeit eines Gerichtssrztcs. 


195 


haften Angaben des An geschuldigten und seiner Angehörigen 
einen Dämmerzustand za konstruieren. 

Was die zweite Haupttätigkeit des Gerichtsarztes, die 
Untersuchung an Leichen, anbetrifft, so kommen Leichen- 
besichtigangen sehr selten vor. Wird nämlich eine Leiche 
gefunden, so besichtigt sie zanächBt die Polizei; liegt nun die 
Vermutung nahe, daß es sich um Selbstmord durch Erhängen, 
Ertrinken, Erschießen usw. oder um einen bloßen Unglücksfall 
handelt, so wird dementsprechend an die Staatsanwaltschaft 
berichtet und von dieser die Leiche zur Beerdigung ireigegeben. 
Kann die Polizei die Frage, ob fremde Schuld ausgeschlossen ist, 
nieht ohne weiteres entscheiden, so ruft sie den nächsten Arzt 
herbei. Dieser sieht sich die Leiche an and pflegt dann, wenn 
er keine Verletzungen findet, Herzschlag oder Gehirnschlag fest- 
Eustellen, obgleich durch eine bloße Leichenbesichtigung ein Herz¬ 
schlag oder Gehirnscblag gar nicht sicher festzustellen ist. Wollte 
jener Arzt wirklich gewissenhaft Vorgehen, so müßte er bei der 
Besichtigung einer ihm unbekannten Leiche sagen, daß die Todes¬ 
ursache nur durch eine Leichenöffnung sicher nachgewiesen werden 
könnte. Es ist schon schwierig, bei einem plötzlichen Todesfälle 
die Todesursache festzustellen, bei einem Toten aber, den man 
vorher nie gesehen hat und der irgendwelche Anhaltspunkte für 
eine Todesursache nicht darbietet, durch bloße Leichenbesichtigung 
die Todesursache feststellen zu wollen, ist nicht angängig. 

Es kommt auch vor, daß man von den Angehörigen zu einem 
Toten gerufen wird, der nie ärztlich behandelt worden ist und 
zu dem der Arzt nur deshalb gerufen wird, um den polizeilich 
vorgeschriebenen Totenschein auszufüllen. Auch in diesem Falle 
ist, falls die Todesursache unbekannt ist, auf dem Totenschein 
zu vermerken: Todesursache unbekannt, sie kann nur durch 
Leichenöffnung festgestellt werden. Dadurch würden die Fälle 
immer seltener werden, wo die Angehörigen den Arzt nur zum 
Ausfüllen des Totenscheins zuziehen. 

Nicht jeder Selbstmord ist leicht festzustellen, besonders 
soll man bei dem so häufigen Selbstmord durch Erhängen vor¬ 
sichtig sein. Es kommt immer wieder vor, daß jemand durch 
Erdrosseln ermordet wird, und daß der Leichnam nachträglich 
aufgehängt wird, um den Anschein des Selbstmordes vorzutäuschen. 
Man muß genau auf den Verlauf der Strangmarke achten und 
genau untersuchen, ob es nur eine Strangmarke ist, oder ob sich 
mehrere vorfinden und wie diese verlaufen. Jeder beschäftigte 
Gerichtsarzt wird es erleben, daß der zuerst hinzugezogene 
praktische Arzt sich hat täuschen lassen und in gutem Glauben 
einen Selbstmord angenommen nnd bescheinigt hat. 

Gerichtliche Leichenöffnungen kommen auf 10000 Ein¬ 
wohner etwa eine jährlich vor, wie ich durch mehrjährige Statistik 
festgestellt habe. Vor einigen Jahren war hier in der Umgegend 
ein junger Ehemann gestorben, der Arzt hatte als Todesursache auf 
dem Totenschein Magengeschwür angegeben; es stellte sich jedoch 
nach Monaten heraus, daß es eine Arsenikvergiftung gewesen 



196 


Dr. Kdfentein. 


var. Die Sache wurde vor dem Schwurgericht verhandelt; der 
eine Geschworene fragte, weshalb der behandelnde Arzt es nicht 
gemerkt hätte, daß es Arsenikvergiftung gewesen sei, und wie 
der Gerichtsarzt es jetzt nach Monaten wissen könne, nachdem 
der Tote längst begraben und dann wieder ausgegraben sei, daß 
tatsächlich Arsenikvergiftung Vorgelegen habe. Es wurde ihm 
geantwortet, daß unter 100 Aerzten kaum einer eine Arsenikver¬ 
gift ong jemals gesehen hätte, und daß der behandelnde Arzt eben 
nicht auf diese Vermutung gekommen sei, dsß aber aus den 
von den Zeugen unter ihrem Eide beschriebenen Krankheits¬ 
symptomen und durch das Ergebnis der chemischen Untersuchung 
mit Bestimmtheit geschlossen werden könne, daß es sich um 
Arsenikvergiftung handele. 

Als seltene Art von Kindesmord möchte ich folgende 
erwähnen: 

Eine polnische Arbeiterin halte ihrem neugeborenen Kinde ihren Finger 
absichtlich tief in den Schlund gesteckt, bis das Kind erstickt war. Die Ver¬ 
letzungen an Gaumen und Schlund der kleinen Leiche bewiesen diese Art des 
Erstickungstodes. 

Als dritter Hauptteil der gerichtsärztlichen Tätigkeit ist die 
Untersuchungen an leblosen Objekten zu nennen. Hierher 
gehören die Untersuchungen verdächtiger Flecke auf Samenflftssig- 
keit, Trippereiter, Blut und dergleichen. 

Mit der Untersuchung von Blut in Mordsachen wird meistens 
ein Chemiker betraut. Das Gericht bezw. die Staatsanwaltschaft 
ist von früher her daran gewöhnt, in Mordsachen einen Chemiker 
heranzuziehen. Ich möchte auch nicht, daß hier eine Aenderung 
eintritt 1 ). Den Gerichtsarzt geht weniger der einzelne Blutspritzer 
an, als der Mensch, von dem dieser Blutspritzer herstammt. 

Bei verdächtigen Flecken auf Samenflfissigkeit in Not¬ 
zuchtssachen wird der Gerichtsarzt um ein Gutachten ersucht. 
Diese Untersuchungen sind ziemlich selten, da der Richter den 
Zeugenbeweis jedem Indizienbeweis vorzieht. Die Person, an der 
das Sittlichkeitsverbrechen verübt ist, findet sich als Zeuge; über 
deren Glaubwürdigkeit vernimmt der Richter andere Zeugen, so 
daß er auf diesem Wege zur Feststellung der Wahrheit zu kommen 
sucht. Der Indizienbeweis wird jedoch angetreten werden, wenn 
es sich um Sittlichkeitsverbrechen unter Verwandten handelt, weil 
die Verwandten gegeneinander das Zeugnisverweigerungsrecht 
haben. Sittlichkeitsverbrechen unter Verwandten sind aber nicht 
so sehr häufig. Oft ist das Hemd, das Unterbeinkleid oder Taschen¬ 
tuch, an denen die verdächtigen Flecke gewesen sind, längst ge¬ 
waschen, ehe das Gericht oder die Polizei auf den Gedanken 
kommt, das betreffende Kleidungsstück auf verdächtige Flecke 
untersuchen zu lassen. 

Eifrige Polizeibeamte beschlagnahmen zwar auch das schon 
gewaschene Hemd, trotzdem es für den Nachweis des Sittlichkeits¬ 
verbrechens keinen Wert mehr hat. Die Wäsche wird deshalb so 
schnell gewaschen, weil in den unteren Volksschichten die Mäd- 

') Diese Ansicht dürfte wohl kaum von anderen Gerichteäratea geteilt 
werden. Bed. 



Die Tätigkeit eiaea Gerichts arates. 


197 


eben and Fraaen nicht übermäßig reich mit Wäsche versehen 
sind, es ist hier ähnlich wie bei den Soldaten, der auch nur zwei 
Hemden hat, und wenn er die Wäsche gewechselt hat, das ge¬ 
tragene Hemd gleich waschen muß. 

Als anderweitige Untersuchungen und Begutachtungen sind 
innere Abtreibungsmittel zu nennen, welche auf ihre Wirk¬ 
samkeit zu untersuchen sind, oder verdorbene oder ver¬ 
fälschte Nahrungsmittel, welche auf ihre Gesundheitsschäd¬ 
lichkeit zu begutachten sind, hier in früheren Jahren besonders 
der Zusatz von schweiligsauren Salzen zu Hackfleisch. Auch die 
Untersuchungen und Begutachtungen der Medikamente von 
Korpfaschern und dergleichen gehören hierher. 

Außerdem gibt es noch sehr viele Möglichkeiten, in denen 
der Gerichtsarzt in Strafsachen als Gutachter herangezogen werden 
kann. So war hier z. B. ein Falschmünzer zu untersuchen, der 
behauptete^ so schwachsichtig zu sein, daß er unmöglich eine so 
feine Arbeit wie die Falschmünzerei ausüben könnte, ferner ein 
Kutscher, der mit der Straßenbahn zusammengestoßen und wegen 
Eisenbahntransportgefährdung angeklagt war, auf angebliche 
Schwerhörigkeit. 

In zivilrechtlichem IntereBs'e hat der Gerichtsarzt 
Untersuchungen vorzunehmen über Haftfähigkeit. Durch Zivilhaft 
kann bekanntlich der Offenbarungseid oder ein eidliches Zeugnis 
erzwungen werden; sie kommt jedoch sehr selten vor, auf tausend 
Strafgefangene entfällt kaum ein Zivilgefangener. Ebenso selten 
trifft man im Gerichtsgefängnisse einen Polizeigefangenen, da die 
Polizei ihr eigenes Gefängnis hat. Nur lästige Ausländer, welche 
durch Schub über die Grenze geschaflt werden sollen, kann man 
als Polizeigefangene im Gerichtsgefängnis längere Zeit antreffen. 

Weiter ist Erwerbsfähigkeit zu begutachten; derartige 
Begutachtungen sind aber nicht so häufig, wie man annehmen 
sollte, da die meisten Unfallsachen und die Invaliditätssachen ihre 
eigenen Schiedsgerichte haben, auch manche derartige Sachen vor 
die Gewerbegerichte gehören. 

Bei streitiger Erwerbsfähigkeit wird außerdem in erster 
Linie der behandelnde Arzt als Gutachter herangezogen und erst 
in zweiter Linie der Gerichtsarzt. Bei der Begutachtung der 
Erwerbsfähigkeit vor den Zivilgerichten handelt es sich häufig 
nm Schadenersatzpflicht oder auch um Unterhaltungspflicht der 
Kinder den Eltern gegenüber. 

Die Untersuchungen von Wohnungen sind häufiger 
geworden, weil die Mieter dem Hauswirte gegenüber nicht selten 
wegen angeblich gesundheitsschädlicher Wohnung gerichtliche 
Entscheidung anrufen. 

Als sonstige Untersuchungen sind noch zu nennen die Ent- 
mündigungs- und Pflegschaftssachen. Die Entmündigung 
wird nicht selten von dem Entmündigten als Kränkung seiner 
Ehre empfunden. 

Eine reiche Derne, welche von GröSenideen beeinflußt wer und dement¬ 
sprechend Aber ihr Vermögen verfügt hatte, war entmündigt worden. Sie 
lütte sulchst die Entmündigung mit Hartnäckigkeit angefochten, als ihr alles 



198 


Dr. Kefentein: Die Tätigkeit oines Gerichtsarztei. 


aichts gesetzt hatte, hatte sie sich scheinbar beruhigt, sie war abor über¬ 
trieben sparsam geworden. Es stellte sich später heraus, daß sie sich suis den 
ron ihrem Vormund überwiesenen Einkünften ein neues Vermögen zusammen- 
sparte. Sie fühlte sich in ihrer Ehre gekränkt, einen Vormund zu haben«, und 
sparte sich deshalb ein zweites Vermögen zusammen, über das sie dann ohne 
Vormund verfügen wollte. 

Die Untersuchungen in Ehesachen betreffen Zeugungs- 
Unfähigkeit, Geisteskrankheit oder grobe Mißhandlung als Ehe- 
scheidungsgrund, Erwerbsunfähigkeit und dadurch bedingte Unter¬ 
haltungspflicht für den anderen geschiedenen Ehegatten. Auch 
die Frage, ob ein Kind nach der Ton den Parteien behaupteten 
Beiwohnung als reif geboren werden konnte oder nicht, gehört 
hierher. Ferner wird bei einer Witwe oder geschiedenen Frau, 
wenn sie vor Ablauf von 10 Monaten eine neue Ehe eingehen 
will, ein ärztliches Zeugnis verlangt, daß sie nicht schwanger ist. 
Ebenso kann eine Annahme an Eindesstatt von dem Annehmenden 
vor dem fünfzigsten Lebensjahre erfolgen, wenn durch ärztliches 
Zeugnis nachgewiesen wird, daß eheliche Abkömmlinge kaum zn 
erwarten sind, also dauernde Unfruchtbarkeit besteht. In allen 
diesen Fällen kann der Gerichtsarzt als Gutachter herangezogen 
werden. Vielfach stellt auch der Hausarzt das betreffende Zeug¬ 
nis aus, da hier mit größter Schonung des weiblichen Scham¬ 
gefühls von dem Zivilgericht vorgegangen werden soll. 

Die Festsetzung der ärztlichen Rechnungen ist 
Sache des Gerichtsarztes, wenn der Schuldner, der vom Arzte 
verklagt ist, überteuert zu sein glaubt. Diese Festsetzungen sind 
selten; ein Zeichen dafür, daß die praktischen Aerzte in ihren 
Forderungen Milde walten lassen. 

Untersuchungen von Beamten wegen Dienstfähigkeit 
sind dem Gerichtsarzte nicht verboten; er soll und wird aber 
diese dem Kreisarzt überlassen, da derartige Untersuchungen 
als Verwaltungssachen aufzufassen sind. Nur die Untersuchung 
der Gefängnisbeamten sollte der Gerichtsarzt vornehmen. Bei 
Gefängnissen, die unter dem Minister des Inneren stehen, ge¬ 
hört es zu den Pflichten des Gefängnisarzles, ärztliche Gut¬ 
achten über den Gesundheitszustand von Beamten und Bewerbern 
um Beamtenstellen auszustellen. Da der Gerichtsarzt meistens 
auch Gefängnisarzt ist, würde es nicht unbillig sein, wenn er die 
Untersuchung von Gefängnisbeamten wegen Dienstfähigkeit für 
sich in Anspruch nimmt. 

Es gibt nun noch einen sehr seltenen Beamten im Deutschen 
Reich, der vor einem beamteten Arzt eine Art von Examen 
abzulegen hat, das ist der Scharfrichter. Dieser soll ein praktisches 
und theoretisches Wissen von den anatomischen Verhältnissen des 
menschlichen Körpers und besonders des Halses haben, um sicher 
und schnell den Kopf abschlagen zu können. Die Abhaltung dieses 
Examens oder Kolloquiums müßte wohl auch dem Gerichtsarzte 
zufallen. 

Im allgemeinen pflegen die kleineren Gerichte im preußischen 
Staate, welche daran gewöhnt sind, daß der Kreisarzt auch 
zugleich Gerichtsarzt ist, wenn sie ein gerichtliches Gutachten 




Dr. Meyer: Ueber akute spinale Kinderlübmnng. 


199 


▼on einem beamteten Arzte einfordern, meistens ein kreisärztliches 
Gutachten za verlangen. Die Polizei, das Gericht, oder die 
Staatsanwaltschaft übergibt dann diese Ersuchen nicht an den 
Gerichtsarzt, sondern meistens an den Kreisarzt, trotzdem dieser 
gar nicht zuständig ist, sobald ein Gerichtsarzt vorhanden ist. 
Polizei und Gericht sind nämlich Behörden, die sich von dem 
Buchstaben eines Wortes nicht loslösen können. Da nun einmal 
in dem Ersuchen das Wort Kreisarzt steht, erhält das Ersuchen 
auch unfehlbar der Kreisarzt. Es ist daher der Wunsch gerecht¬ 
fertigt, daß die Behörden von dem zuständigen Herrn Minister 
angewiesen werden, falls ein amtsärztliches Gutachten erwünscht 
wird, nicht den Ausdruck zu gebrauchen, daß das Gutachten von 
dem Kreisarzt gewünscht wird, sondern von dem zuständigen 
beamteten Arzte. 


Ueber akute spinale Kinderlähmung. 

Von Med.* Bat Dr. Meyer, Kreisarzt in Hann.*Münden. 

Fast ein Jahr ist dahingegangen, seitdem die spinale Kinder¬ 
lähmung in einer früher nie geahnten epidemischen Ausdehnung 
namentlich den westlichen Industriebezirk unseres Vaterlandes 
heimgesucht hat; während wir in der ersten Zeit ganz auf die 
kurzen und unbestimmten Mitteilungen der Presse angewiesen 
waren, liegen • nunmehr eine Reihe von Beobachtungen und Ab¬ 
handlungen vor, die unsere Kenntnisse über diese Krankheit nach 
vielen Richtungen hin erweitert haben und vorläufig, bis es einmal 
gelingen wird das Wesen der Erkrankung als Infektionskrankheit 
klarzulegen, als erschöpfend angesehen werden müssen. Die ersten 
Mitteilungen über das epidemische Auftreten der spinalen Kinder¬ 
lähmungen machte Prof. Medin-Stockholm auf dem I. internatio¬ 
nalen medizinischen Kongresse in Berlin im Jahre 1890; die ersten 
Beobachtungen über das vorjährige Auftreten der Krankheit sind 
in Nr. 17 dieser Zeitschrift von Gasters veröffentlicht worden, 
dann folgten die Mitteilungen von Prof. Krause-Bonn in der 
Deutschen Medizinischen Wochenschrift und von Wollenweber 
in Nr. 21 dieser Zeitschrift; vor kurzem brachte diese in 
Nr. 1 noch eine Reihe ausführlicher Referate, in denen der Leser 
alles Wissenswerte über die spinale Kinderlähmung findet. 

Daß auch der Kreis Münden eine Reihe von Erkrankungen 
an spinaler Kinderlähmung auiweisen kann, liegt an der epide¬ 
mischen Ausbreitung dieser Krankheit, die sich zuerst im Westen 
der Monarchie zeigte und auch hauptsächlich hier ihre Opfer 
forderte. Ob die einzelnen Ausläufer der Erkrankung nach dem 
Osten und Norden auf dem Wege der Verschleppung der Krankheits¬ 
keime entstanden sind oder eigene Krankheitsherde sich bildeten, 
vermag man nicht zu sagen, jedoch erscheint das erstere wohl 
als das wahrscheinlichere. Es dürfte wohl interessieren, einen 
kurzen Ueberblick über die Verbreitung der Krankheit in den 
einzelnen Regierungsbezirken Preußens zu werfen an der Hand 
der wöchentlichen Nachweisungen der amtlich gemeldeten Fälle 



von übertragbaren Krankheiten, welche seit dem 19. September 
1909 auch die Erkrankungen an spinaler Kinderlähmung bringen. 
Von den 37 Regierungsbezirken sind nur 5 von der Krankheit 
frei geblieben, nämlich Köslin, Danzig, Aurich, Erfart und Sig¬ 
maringen. An der Spitze stehen die Bezirke: 

Düsseldorf mit 286 Erk. u. 41 Todes! Koblens mit 82 Erk. n. 2 Todes! 
Arnsberg B 219 , ,18 „ Hildesheim , 27 , , 5 „ 

K9ln , 68 „ , 14 „ Münster , 24 „ , 6 . 

Stettin * 37 , , 3 . 

In den meisten anderen Regierungsbezirken sind nur ver¬ 
einzelte Erkrankungen vorgekommen, selbst im Landespolizeibezirk 
Berlin nur 4 Erkrankungen mit einem Todesfall. Auffallend ist 
die enorme Sterblichkeit der vorjährigen Epidemie: Von den von 
Prof. Krause beobachteten 436 Erkrankungen sind 66 = 15,2°/« 
gestorben, von den im Landkreise Dortmund beobachteten 31 Er¬ 
krankungen endeten nach Wollenweber 7 = 22%, von den im 
Kreise Münden beobachteten 19 Erkrankungen 6=30 % tödlich. 
Medin war erstaunt, daß in Stockholm bereits von 44 Kindern 
3 = 6,7 % starben. 

Wenn ich nunmehr zu meinen Beobachtungen übergehe und 
zuerst mich zu denallgemeinenKrankheitserscheinungen 
wende, so begannen auch diese Fälle plötzlich mit Fieber und 
allgemeinen Zeichen einer schweren Erkrankung der Kinder. Er¬ 
brechen kam fast in allen Fällen vor, dagegen Darchfälle nur in 
einzelnen; meist bestand Obstipation. Darchfälle waren demnach 
im hiesigen Kreise unzweifelhaft viel seltener als in Hagen und 
Dortmund. In einzelnen Fällen waren Beschwerden durch eine 
Angina vorhanden; in einem schnell tödlich verlaufenden Falle 
wurde die Krankheit am ersten Tage ganz vom Bilde der Angina 
beherrscht. Bei den schnell tödlich verlaufenden Fällen trat eine 
besondere Hinfälligkeit der Kinder auf, besonders machte sich ein 
Hängen des Kopfes bemerkbar; die Kinder konnten den Kopf nicht 
festhalten; richtete man sie auf, so fiel der Kopf in den Nacken 
oder seitwärts. In einzelnen Fällen konnten bereits während des 
akuten Stadiums, als noch Fieber bestand, Lähmungen oder 
wenigstens eine Schwäche in den Extremitäten beobachtet werden. 
Ein sechsjähriges Kind, welches nach 2 Tagen der Krank¬ 
heit erlag, konnte bereits am ersten Tage nicht mehr stehen, 
nicht einmal auf dem Nachtgeschirr allein sitzen. Meist aller¬ 
dings folgten die Lähmungen erst nach einigen Tagen. In 
einem Falle wollte der behandelnde Arzt eine Vergrößerung der 
Leber und der Milz in den ersten Tagen beobachtet haben. In 
den tödlich verlaufenden Fällen — der Tod erfolgte meist nach 
2—3 Tagen — blieben die Kinder bis zum Tode, soweit bei den 
Kindern eine Beobachtung hierüber möglich war, bei vollem Be¬ 
wußtsein; ins Auge fiel bei diesen Kindern die überaus schnelle 
Atmung und das laut hörbare Schleimrasseln, Erscheinungen, die 
unzweifelhaft, wie auch Wollenweber und Krause annehmen, 
auf Zwerchfellähmung hindeuten. Die Kinder machten den Ein¬ 
druck, als ob sie an einer Pneumonie erkrankt seien. In den 



Üeber akute spinale KinderlUnnuug. 


m 

tödlich verlaufenden Fällen bestand meist Paraplegie der oberen 
and unteren Extremitäten; auch Parese der Blase ist vereinzelt 
beobachtet worden. Abgesehen von den 6 tödlich verlaufenden 
Fällen, in welchen meist alle Extremitäten gelähmt waren, handelte 
es sich einmal um eine unvollkommene Lähmung aller vier Ex¬ 
tremitäten, lmal um Lähmung beider Unterextremitäten, lmal 
Lähmung des Armes und beider Beine, sowie des Facialis einer 
Seite, 2 mal um Lähmung beider Extremitäten und eines Armes, 
7mal um Lähmung einer Unterextremität, lmal um Lähmung 
eines Oberarmes. Zum Teil waren die Lähmungen unvollkommen; 
diese Paresen zeigten schnelle Neigung zur funktionellen Besse¬ 
rung, während die Prognose in bezog auf funktionelle Besserung 
bei den ausgesprochenen Lähmungen keine gflnstige zu sein scheint. 
Wie bei den übrigen Berichterstattern fehlten an den gelähmten 
Extremitäten die Sehnenreflexe vollkommen, bei den Paresen waren 
sie vereinzelt noch schwach angedeutet, die Sensibilität war in 
allen Fällen erhalten. 

Ich beabsichtige nicht auf die weitere Diagnose, den Ver¬ 
lauf und die Heilungsaussichten der spinalen Kinderlähmung 
weiter einzugehen, da Aber diese bereits von Krause und 
Wollenweber berichtet worden ist nnd weitere Mitteilungen 
von anderer Seite noch zu erwarten sind. Dagegen mochte ich 
noch die Fragen erOrtern, die den Medizinalbeamten inter¬ 
essieren, nämlich ist die Krankheit ansteckend, wo sind die 
Krankheitskeime zu suchen, und welche Maßnahmen sollen 
wir treffen? Ich brauche wohl nicht besonders hervorznheben, 
daß die bisherigen Untersuchungen über die Natur und Beschaffen¬ 
heit des Krankheitserregers in keiner Weise einen Anhalt gegeben 
haben. Die Frage, ob die Krankheit von Kind zu Kind übertragen 
wird, glaube ich nach unseren Beobachtungen verneinen zu 
müssen; fast in allen Familien waren mehrere Kinder vorhanden, 
die in den ersten Tagen der Erkrankung, wo die Krankheit ja 
meist noch nicht erkannt wird, und auch später mit dem er¬ 
krankten Kinde in inniger Berührung standen; in keinem Falle, 
abgesehen von einem, der besonders erwähnt werden soll, sind 
Uebertragungen beobachtet; es blieb stets bei einer Erkran¬ 
kung. Es erscheint mir jedoch zweifellos, daß die Krank¬ 
heit durch dritte Personen übertragen wird. In einem Falle 
handelte es sich um ein Haus mit zwei getrennten Wohnungen, 
die ganz getrennte Eingänge hatten. In dem einen Hause erkrankte 
ein 6 jähriges Kind und starb nach 2 Tagen; die Nachbarin, welche 
ein Kind von 9 Monaten stillte, kam häufig zu dem kranken 
Kinde; einige Tage nach dem Tode des Kindes erkrankte der 
Säugling unter schweren Erscheinungen, noch heute besteht eine 
Lähmung beider Unterextremitäten und eines Oberarmes bei dem 
Kinde. In einem anderen Falle, in welchem die Wohnung ziem¬ 
lich isoliert lag und fremde Leute kurz vor der Erkrankung nicht 
in dem Hause gewesen waren, erkrankte das Kind einige Tage, 
nachdem der Vater, ein Schuhmacher, außerhalb des Hauses, an 
seiner Arbeitsstelle, Schuhe einer Familie repariert hatte, in der 
ein Fall von Kinderlähmung vorgekommen war; auch in diesem 



Dr. M«ye t. 


Falle handelte es sich am einen Säugling von 10 Monaten. Ob¬ 
wohl ein sicherer Nachweis fehlt, so ltegt die Annahme nahe 
daß der Vater hier die Krankheitskeime in das Hans gebracht 
hat. Nach einer Mitteilung des Herrn Dr. Eichelberg, 
Oberarzt der Nervenklinik in Güttingen, der fast alle Fälle im 
Kreise mit untersucht hat, sollen im Kreise Uslar Erkrankungen 
bei Schuhmachern häufiger beobachtet worden sein. In einem 
dritten Falle, in welchem in der Stadt Münden eine Frau ein 
erkranktes Kind, das häufiger erbrochen hatte, gepflegt hatte, 
erkrankten in einer Familie in Königshof, etwa 2 Kilometer von 
Münden entfernt, zwei Kinder einer Familie, nachdem diese Frau, 
die Großmutter, die Kinder in Pflege genommen hatte. Bei dem 
einen Kinde handelte es sich allerdings nur um eine schwach an¬ 
gedeutete Parese des einen Unterschenkels, jedoch stellte Herr 
Dr. Eichelberg eine deutliche Herabsetznug des Patellarreflexes 
fest, so daß eine schwache Infektion auch bei diesem Kinde mit 
Sicherheit angenommen werden kann. Dies ist der einzige Fall, 
in dem in derselben Familie zwei Erkrankungen vorkamen; sonst 
blieb es, trotzdem stets Gelegenheit zu weiterer Ausbreitung vor¬ 
handen war, immer nur bei einer Erkrankung in derselben Famile. 
So müssen wir heute nach unseren bisherigen Erfahrungen bei 
der Annahme bleiben, daß die Krankheitskeime durch dritte, ge¬ 
sunde Personen übertragen werden. 

Auch die Frage, wo der Krankheitserreger zu suchen 
ist, ist ungelöst geblieben und wird naturgemäß erst beantwortet 
werden können, wenn es gelingt, den Erreger selbst festzustellen. 
Ich neige der Annahme zu, daß der Krankheitserreger in der 
Erde zu suchen ist; diese Vermutung wurde von den Herre 
der Universität Göttingen, die sich mit der Krankheit beschäf¬ 
tigten und die uns mit ihrem Bäte zur Seite standen, geteilt. Ich 
bin zu dieser Annahme auB folgenden Gründen gekommen: Die 
meisten Kinder waren noch in dem Alter, in welchem Kinder sich 
viel an der Erde zu bewegen pflegen und mit dem Erdboden viel 
in Berührung kommen. Die Kinder befanden sich in folgendem 
Alter: 5 Kinder unter einem Jahre, 6 Kinder im Alter von 1 bis 
2 Jahren, 4 Kinder im Alter von 2—3 Jahren, 1 Kind im Alter 
von 3*/, Jahren und 3 Kinder im Alter von 4—7 Jahren. Ich habe 
in allen Fällen durch Nachfrage feststellen können, daß die Kinder 
mit Ausnahme der ganz jungen an der Erde herumgekrochen sind 
und mit dem Fußboden, oder bei den älteren mit der Erde im 
Garten, Felde usw. in Berührung gekommen sind. Auch die Tat¬ 
sache, daß die Schuhmacher einen ungewöhnlichen Prozentsatz 
der Erkrankungen liefern, kann diese Annahme nur bestätigen. 
Abgesehen von einer Erkrankung in der Familie eines höheren 
Beamten, handelte es sich meist um Familien von Arbeitern, 
Ackerleuten und Handwerkern; ein Fall betraf eine Lehrerfamilie. 
Daß bei dieser Annahme, bei dem Vorhandensein der Keime im 
Erdboden, eine Uebertragung durch den Mund und den Magen, 
wie Kr au 8 e annimmt, durch Obst und andere Nahrungsmittel, 
ganz plausibel erscheint, bedarf wohl keiner näheren Auseinander- 



Geber *kute apin&k SimiOTläWung. 


Ü03 


^zasf. Sodann spricht auch aosh tör nnBere Annahme, daß die 
Krankheit bisher meist iD deh Monaten beobachtet worden ist, in 
«*a«B die Kittder sich im Freie® viel bewegen, also in Lyon im 
and Juli, in Stockholm im Mai und den folgenden Monaten, 
J* «eit Jttai, in aaserem Kreise seit Beginn Oktober, 
’^'-üutüÜcfl möchte ich noch darauf isinweisen, daß in Westfalen, 
^ frfthnr bereits in Schweden, i» den Orten, in welchen die 
ag »pädemiech anftrat, ateitweilig auch ein epidemisches 


e®*« unter iko jungen Hühnern beobachtet warde. Du die 
“msw ihre Sahrüög- meist yom Erdboden Dehmen, so würde 
*3« diese Erscheinung ößfißre Annahme nnr bestärken. 

Daß in den F&lten, in weichen, wie bei den Kindern von 
*-• «önateo eia<s Beröyhrftng mit dem Fußboden nicht staufindet, 
"»fciiuch« gwincheaträger eine Holle spielen, habe ich bereits 
**»Mi dies wird auch von Prof,Krause angenommen 

Die Frage, welche sanitätepolizeilieben Maßregeln 
«der akuten epidemischen Kinderlähmung zu ergreifen sind, 
■* ®®r5Wt »chwer zu beantworten, und wird erst seine ent« 
*p*M»de Lösung finden können, wenn der Krankheitserreger 
«aast ist. Bi« dahin tappen wir noch im Dnnkeln; immerhin, 
wü, wie Prof, Krause empfiehlt, eine Absonderung deB Kranken 
!Wp»*wnrert sein, möglichst Ueberföhrung in ein Krankenhaus, 
JM jedoch hei dem zarten Alter der Kinder wohl schwerlich 
wwgisffthrt Werde® wird, Wie lauge diese Absonderung dauern 
.™t & 04 sich wohl nicht sicher sagen; meiner Ansicht nach 
^ Zeii,au ni von 8 Tagen genügen. Es scheint doch 
ua: & ? . , ^ aa fe der Erkrankung die Annahme begründet, 
«ii aie Infektionsträger bald zugrunde gehen und die Lähmungs- 
‘iKneumBgeB eine Folge der nachwirkenden Toxine sind. Ebenso 
*j» den erkrankten Individuen wird man sein Augenmerk den 
dsfeperaooen zuwenden müssen; dieselben werden anzuweisen 
*», die bei den Kranken getragenen Kleidungsstücke einer 
Jtif-Bgen Desinfektion zu unterwerfen und heim Verlassen dea 
«lakenaiinmers u üc | h e j m Verkehr mit gesunden Personen die 
«uaung za Wechseln. Nach allen Erfahrungen erscheint die 
wertragung der Krankheit durch Zwischenträger gesichert. Im 
mnkenaunmer wird man seine Aufmerksamkeit hauptsächlich 
^ Deamfektwn des Faßbodens, des Erbrochenen und der Darm- 
,? Zö 2 es 5 411 ®flsaefi, auch wird sich eine häufige Beinh 

mfiA ^^Öhle, namentlich iß prophylaktischer Hinsicht, 
«uprettien. ömo8£'?er 8 jg ö ^i]ßh muß maß in den Zeiten der Senche, 
? ®?*f 10,10 «er berechtigten Annahme, der Keim Verbreitung i» 
«EiAwTOmigt, d«tür sorga tragen* daß die Kinder mit der 
f*® Fnßböden nicht in innige Berühruog kommen, 
^«Finger in Betracht kommen. Das Herum- 
? <jioeö auf den Fußböden wird man streng 

r* 



ä04 Br. Wteyer: Üeber akate spinale ^inderllkmong. 

Bevölkerung einige Vorsichtsmaßregeln zu geben. Nicht ohne Be¬ 
denken kam ich dem Ansuchen nach und beschränkte mich auf die 
oben angegebenen Maßregeln in der Ueberzeugung, daß ich für die 
Wirksamkeit derselben eine Zusicherung nicht übernehmen konnte; 
hierbei bemerkte ich, daß es sich empfehlen würde, bei größeren Kin¬ 
dern, die exakt gurgeln können, essigsaure Tonerde zuzusetzen. Nicht 
gering war mein Erstaunen, als ich kurz darauf bei der Revision 
einer Drogenhandlung in derselben ein Heilmittel gegen die Kinder¬ 
lähmung angepriesen fand. Auf meine Frage erwiderte mir der 
Besitzer, daß dies essigsaure Tonerde sei, und wies auf die Polizei- 
Verordnung hin, in der Gurgeln mit essigsaurer Tonerde emp¬ 
fohlen wurde. Als ich die Entfernung des Plakats forderte, 
war der Menschenfreund sehr ungehalten über meine Forderang. 

Was die Inkubationszeit der Kinderlähmung anbetrifft, so 
möchte ich mir über diese keine bestimmte Angabe erlauben; ich 
halte aber die von Wollen weber angenommene Zeit von 2—7—14 
Tage zu lang; nach meinen Erfahrungen bei den nachweisbaren 
Uebertragungen dürfte wohl die mittlere Dauer bis zu 7 Tagen 
als die wahrscheinliche erscheinen. 

Zu beachten wäre noch, daß die Seuche in den meisten Be¬ 
zirken mit dem Eintritt der älteren Jahreszeit — bei uns im De¬ 
zember erlosch — und auch in den am heftigsten heimgesuchten 
Regierungsbezirken entschieden nachgelassen hat. Hieran Schlu߬ 
folgerungen knüpfen zu wollen, erscheint mir verfrüht und zwecklos; 
ob im Frühjahr ein Wiederaufflackern der Krankheit erfolgen wird, 
muß abgewartet werden, erscheint mir aber nicht ganz unwahr¬ 
scheinlich in Berücksichtigung unserer Vermutung, daß die In¬ 
fektionskeime im Boden vorhanden sind. Ein Sterben von Hühnern 
ist bei uns nicht beobachtet; daß in einem Hause kurz vor dem 
Auftreten der Erkrankung ein Kaninchen mit dem das betreffende 
Kind in Berührung kam, einging, will ich nur erwähnen. 

Sollte die epidemische Kinderlähmung auch in den nächsten 
Jahren eine Krankheit bilden, mit der wir, ähnlich der Influenza, 
in jedem Jahre zu rechnen hätten, so würde der Krüppelfürsorge 
ein weites, ungeahntes Gebiet der Tätigkeit erschlossen und dem 
Heere ein gewisser Prozentsatz Wehrpflichtiger entzogen werden. 
Schon aus diesen Gründen müssen wir wünschen, daß es bald 
gelingen möge, den Krankheitserreger zu finden, seine Lebens¬ 
bedingungen zu erforschen und in bezug auf die Prophylaxe und 
Therapie sichere Maßregeln zu ergreifen. 

Nach Abschluß dieser Mitteilungen ist in Nr. 3 der Deut¬ 
schen Med. Wochenschrift eine Abhandlung über spinale Kinder¬ 
lähmung von Herrn Dr. Eichelberg, Oberarzt an der Nerven- 
klinik in Göttingen, erschienen. In der Abhandlung sind einige 
Fälle angeführt, die auch ich erwähnt habe; es handelt sich 
in diesen Fällen um Erkrankungen, die Herr Dr. Eichelberg 
gemeinsam mit mir beobachtet hat. Im übrigen darf ich wohl auf 
die Arbeit verweisen, welche manches, was ich nur angedeutet 
habe, noch näher ausfOhrt. 



Kleinere Mitteilungen Und Referate aus 2eitsohrifted. 


205 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 

A. Geriohtllohe Medizin. 

Pathologisch • anatomische Befände bei Sehwefel Wasserstoff verglf- 
taif. Von R. M&g n animi, Direktor des gerichtlich• medizinischen Institute 
tob Saasari. Atti della Societä die Medicina legale; 1909, Fass. II. 

Schwefelwasserstoff konnte chemisch weder in der Longe, noch im Hers* 
blut und den Organen der Versuchstiere (Meerschweinchen, Hönde) naehge* 
wiesen werden. Die Färbung des Blotes war donkel. Zahlreiche subpleorale 
Ekcbymosen; partielles Lungenemphysem. Die Alveolen waren an manchen 
Stellen abnorm aasgedehnt, dio Septen zerrissen. An anderen Stellen war das 
mikroskopische Langenbild nicht verändert. Blotpigment fehlte in der Longe. 
Die Glomeruli waren vergrößert und injiziert, die Bowmansche Kapsel 
erweitert. Trübe Schwellang der Tabali contoru, deren Lamen bald frei war, 
bald abgestoßene Zellen enthielt. Hyperämie der Leber. Pigmentablagerung 
in der Milz und in den Nieren. In der Milz zahlreiche, ln ihrer Form ver¬ 
änderte rote Blotkörper. Die Nierenveränderongen können sich in wenigen 
Minuten aasbilden. Wenn die getändenen Veränderungen noch einen diffe¬ 
rential - diagnostischen Wert nicht besitzen, so Bind sie immerhin beachtens¬ 
wert. Das gilt besonders für die Nierenbefonde. 

_Dr. Bevenstorf-Breslau. 

AknteTrlonalVergiftung. VonJ.S.Mackintosh. Lancet; 1910,8.104. 

Eine 37 jährige Dame, welche 12 gr Trional and 0,1 gr Verona! genommen 
und mitsamt den zu Pulver verriebenen Flaschen, welche die Arzneistoffe ent¬ 
hielten, verschlackt hatte, erwachte aas ihrer Bewußtlosigkeit am 8. Tage 
Sie hatte während dieser Zeit mit Nahrang versorgt werden können. Die 
Krankheitserscheinangen bestanden in Zyanose des Gesichts und Oedem der 
Augenlider. Der ponweinfar-bige Urin enthielt Sparen von Hämatoporphyrin. 
Dm Glasaplitter hatten einige Schranden der Mundschleimhaut verursacht 
und waren vielleicht für eine geringe dreitägige Temperatarsteigerung ver¬ 
antwortlich. — Ein anderer Fall betraf eine 40 jährige Dame, die 8 gr Trioaal 
genommen hatte. Sie bot außer Polsbeschleunigong, Schläfrigkeit and Gesichts- 
Misse keine Krankheitserscheinungen. Dr. Bevenstorf -Breslau. 


Die Chlerztakverglftong vom gerlchtsirstllckeu Standpunkt. Ton 
Dr. E. Matzdorf-Steglitz. Vierteljahrsschrift für gerichtliche Medizin und 
öffentliches Sanitätswesen; 8. F., 89. Bd., 1910, H. 1, S. 26. 

Von der im ganzen seltenen, wenn auch in den letzten Jahren durch 
die Verwendung des Chlorzinks in der Gynäkologie häufiger gewordenen Ver¬ 
giftung konnte Verfasser 40 Fälle zusammenstellen. Der Aasgang war 26 
66'/«) mal Tod, 13 (= 32,5%) Genesang, 1 mal unbekannt. Ein sicherer 
Fall von Mord ist nicht bekannt, dagegen mindestens 6 Selbstmorde, die be¬ 
sonders in England darch den unbeschränkten Verkauf der Präparate des 
Chlorzinks Vorkommen. 8 mal lagen medizinale Vergiftungen vor, gewöhnlich 
durch 60 # /o Lösung, einmal auch Paste. Am häufigsten sind UnglficksfäUe 
anderer Art, meist durch Verwechselung von Mineralwässern mit technischen 
Flüssigkeiten, die fast ausschließlich in England verwendet werden (Burnetts, 
Crews, Goodbys -Flüssigkeit). Die verschienenen Verwendnngsarten, Dosen, 
klinischen und pathologischen Erscheinungen werden kurz besprochen und 
betont, daß dieses Aetzgift keine charakteristischen Wirkungen hat, insbeson¬ 
dere auch keine resorptiver Art. Ein unzureichender örtlicher Befand schließt 
aber die Vergiftung durch Resorption nicht aus. Ein interessanter Fall dieser 
Kinase ist der von Buttersack, in dem nach dreimaliger Aetzung der 
Gebärmutter mit steigenden Konzentrationen von Chlorzink in Zwischen- 
räumen von wenigen Tagen den Tod an Uraemie ohne lokale Aetzerscheinungcn 
ein trat. Der Verfasser hat dann eine Anzahl eigener Tierversuche angestellt, 
von denen nur einige Ergebnisse erwähnt seien. AetzWirkung an der Haut 
fehlt — mit Ausnahme an der des Kaninchenohres. Die Schleimhautschorfe 
sind weiß bis blänlichweiß (Mund, Scheide, Uterus, Blase, Mastdarm, Speise¬ 
rohr) oder duakelgrau bis bläulich grau (Magen). Speiserohr- und Magenschleim¬ 
haut legen sich in zahlreiche Falten. Erweichungen und Ablösungen, die in 



iSk Beiütte MMteQunceu und Seferaie Mt Zeitschriften 

Vmg^tUMrfäilan verkommen, wurden experimentell nieht beobachtet. Du 
Hers war immer schlaff and stark mit flüssigem Blnt gefüllt. Im Urin fehlte 
Biweiß nie, morphitischee Sediment immer. Hyperämie and H&morhngieen der 
Meten, Epithelnekrose and gelegentliche Glomeralo - Nephritis. Diese auf Re¬ 
sorption beruhende Nierenveränderungen sind der . Lange des Lebena nach der 
Vergiftung proportional; sie können, wie im Battersackschen Falle, schon 
hei Konsentrationen Totkommen, die noch in therapeutisch empfohlenen Grenzen 
liegen. — Die knappe and übersichtliche, sehr empfehlenswerte Darstellung 
Mt durch eine karso Wiedergabe der 40 Vergiftungsfälle und.ein ausführliches' 
Idteratirrerseichais < noch besonders wertroU geworden. 

Dr. P. Fraenckel-Berlin. 


Toxische Erblindung nach Genuss reu Tcrfllschtem nitebalsus. 
Beitrag sur Kenntnis der fMsgelstvergiftung, Von Dozent Dr; Alexander 
Netanson in Moskau. Deutsche medis. Wochenschrift; 1909, Nr. 46. 

Ein 45 jIhriger Mann nahm 3 Glischen Spiritus aromaticus zu sich, 
bekam darauf heftiges Erbrechen und wurde blind infelge Sehnerrenatrophie. 
Die-Arznei war mit Holsgeist versetzt. Die Yerwendung von Holsgeist statt 
rektiflsierten Spiritus zu äußerlichen und innerlichen Arzneien ist offenbar in 
Bußland ein weitverbreiteter verbrecherischer Unfug, dem bereits eine große 
Zahl von Menschen zum Opfer gefallen sind. Der Holzfreist, dessen Geruch 
vielfach durch Zusatz anderer Mittel verwischt wird, wirkt ungefähr in 8 gr 
tpxiachi ,in 30 gr . letal, macht schwere gastro- uad intestinale Erscheinungen 
und führt, jedenfalls durch retrobulbäre Neuritis sur Erblindung, in &0°/o der 
Fälle zum Tode. Die Autopsie ergibt flüssiges kirschrotes Blut, Hyperämie > 
df| inneren Organe, Degeneration des Herzens. Notwendig sind gesetzliche * 
Maßnahmen und Aufklärung des Publikums, um die Yergiftungen au verhüten. 

Dr. Liebet rau-Hagen L W. 


Zur Frag» der Verletzung der Schädelbasis und des Gehirns. Von 
Dr^ Job. Longard in 8igmaringen. Vierteljahnehr. f. gerichtl. Medizin u. 
Offeetl. 8aaitäts wesen; 3. ^^89. fid., 1910, H. 1, 8. Iß. 

Ein 45 jähriger Handlanger, dem ein sohweres Holzstück auf den Kopf 
gefallen war, ging nach einem kurzen Shokzustand bei klarem Bewußtsein 
1 Stunde Weges nach Hause, verfiel aber nachts in Bewußtlosigkeit, dann in 
schwere,BeUencheinongen von seiten des Gehirns, suerst unter dem' Bilde 
haUnainatorischer Verwirrtheit, dann in Form großer psychischer und notorischer 
Unruhe. Baldige Heilung, so daß etwa 5 Wochen nach dem Unfall die schwere 
Arbeit wieder aufgenommen wurde und im vollem Umfange 1 l /t Jahre, bis su 
dem plOtsüch unter Krampferscheinungen eintretenden Tode, ausgeübt werden. 
kannte. Die Sektion ergab alo Folge einer ausgedehnten Fraktur der Schädel» 
bacis eine Knochennarbe von der linken hinteren Schädelgrube über das Felsen« 
bebt durch Kailbeisflügel und Siebbein bis sur .rechten vorderen Schädelgrubo. 
Ferner fanden sich oberflächliche leichtere Gehirncrweichungsherde und eine 
eqhwere Zerstörung im linken Stirnlappen, der mehrfach bis in die Tiefe breiig 
enreioht und systisch erweitert war. Die Zyste stand in Verbindung mit dem 
linken ßeitenvenirikeL Wahrscheinlich war ihr flüssiger Inhalt zuletzt durch* 
gebrochen pnd hatte den Tod verursacht — Bemerkenswert ist nicht nur die ~ 
völlige Arbeitsfähigkeit, sondern auch das geistig anscheinend normale Ver¬ 
halten des Verletzten. Zwar war er zeitweilig, auffällig, aber in gans gleicher 
Weise wie yer dem UafaU. Weder der And, noch der Arbeitgeber fanden 
Usfallfolgen. Das anfängliche Verhalten wurde sogar für absichtliche Ueber» 
trelhung gehalten. Auch der Verletste hat nie Entschädigungsansprüche er¬ 
hoben. Brat der Verfasser hat nachträglich, ermittelt, daß die gewöhnlichen 
Erscheinungen von leichterer Erdmüdbaikcit, Schwindel, Intoleranz gegen • 
Alkohol, Heilbarkeit und Vergeßlichkeit auch hier bestanden hatten. Die Be¬ 
deutung dieser Beobachtung für die Begutachtung derartiger Traumen bedarf 
k<dnai<Hervorhebung» Dr. P. Fraenckel-Berün. 


Nachweis von Btthnnrin himatebia In ägyptischen Mumien 4er zwo« 
ligsten Dymnstfoi Von Mure Armand Buffer, President of the Sanitary, 
Maritime and Quarantine Couaett of Egypt., Alexandria. British Medical 
Journal; 1910, 8. 16. 



207 


kleiner« Mitteilungen and Beferate aas Zeitschrift». 

Die erst» Versuche, brauchbare Schnitte der fast 3000 jährigen Organe» 
heraus teil», scheitert» an der Brüchigkeit der Schnitte. Die best» Besamte 
ergab folgendes Verfahren: Die Organe werden in eine Flüssigkeit gelegt« 
die 100 ccm Alkohol, 60 ccm einer 5°/o Natriumkarbonatlosung und 160 com 
Wasser enthält. Nach genügend langer Zeit wird das weich gewordwe Prä¬ 
parat in 30°/o Alkohol, dann in Alkohol steig»der Kons»tration und nach 
2—3 Tag» in absoluten Alkohol übertragen und in Paraffin eingebettet. 

Nach diesem Verfahren hatte Buffer früher (British med. Journal, 1909, 
S. 1005) Teile Ton Mumien der einundzwanzigsten Dynastie (1050—1000 t. Chr.) 
untersucht und gute histologische Bilder normaler Organe erhalt». 

In seiner jüngsten Veröffentlichung teilt Buffer nun seine Ergebnisse 
T» Untersuchung» an noch älterem Mumienmaterial (1250—1000 T. Chr.) 
mit, die den Nachweis pathologischer Veränderung» zum Ziele hatten. Es 
ergab sich, daß Arteriosklerose, pneumonische Infiltration», • Nierenabszesse, 
Leberzirrhose u. a. leicht nachgewies» werden konnten. In den Nier»abszess» 
und ln anderen Eiterherden wurden Mikroorganismen gefund», die sich mit 
Methyl»blau, Fuchsin, Hämatoxylin und nach Gram färben ließen. 

Zar Zeit beansprucht keine Krankheit in Aegypten ein größeres Inter- 
essse als die Bilharzia hämatobia. Bestimmte Nachrichten über diese Krank¬ 
heit aus alter Zeit fehlen, wenn auch die Papyri medizinische Vorschrift» 
gegen ihr Hauptsymptom, das Blutharnen, enthalt». Baffer honnte nun ln 
d» Nieren dreier Mumien der zwanzigsten Dynastie eine große Zahl verkalkter ■ 
Larvra der Bilharzia hämatobia demonstrieren, die grOßt»teils zwischen dem 
Tabuli recti eingebettet waren. _Dr. Berenstorf -Breslau. 

Die Gefahren des Schamponierens. Von V. H. Veley. Lancet; 
1909, 8. 1162 und 243. 

Eine 29jährige Dame, welche sich beim Friseur der Prozedur des „dry- 
shampoo“ untersog, wurde nach 2 Minuten plötzlich blaß und starb nach 
weiteren 2—3 Minuten. Künstliche Atembewegungen waren ohne Erfolg. Die 
Autopsie ergab Status lymphatycus. Der Obduzent nahm einen ursächlich» 
Zosammenhaag an zwischen Tod und Einatmung der giftigen Gase des Tetra* 
chlorkohlenstoff. Tetrachlorkohlenstoff war von dem betreff»d» Friseur seit 
6 Jahren angewandt worden und hatte geleg»tlich Fälle von leichtem Un¬ 
wohlsein und in einem Falle völlige Bewußtlosigkeit hervorgerufen. Unmit-- 
telbar nach dem Unfall war ein starker Geruch nach Tetrachlormethan Im 
Friseur laden festgestellt worden. Das Schamponieren geschah in der Webe, • 
daß die Flüssigkeit aus einer Flasche geg» den Hinterkopf gespritzt und in¬ 
des Haar eingerieben wurde, während das Gesicht zum Schutze der Aug» 
mit einem Tuch bedeckt war und ein elektrisch »getriebener Fächer die- 
Dämpfe rasch verjagte. Das Verfahren wurde täglich bei 90 bis 100 Kunden 
»gew»dt. Sachverständige, denen die Prozedur vorgeführt wurde, beobach-. 
tet» Zyanose der Lippra und Wangen der Versuchsperson, sowie ein» 
stechenden Geruch nach Tetrachlorkohlenstoff, besonders am Bod». des Zim¬ 
mers. Das Ausstrecken der Ohnmächtigen zu ebner Erde wurde als eine un*. 
glückliche und falsche Maßnahme bezeichnet, da sich gerade hier die Dämpfe 
am dichtesten »sammelten. Da das Mittel, dessen ehemalige Anw»dung als ' 
Amaestheticum wegen seiner gefährlichen Eigenschaften verlass» wurde, nicht 
feuergefährlich ist, wird es von den Friseuren gern benutzt. Chemisch reiner 
Tetrachlorkohlenstoff ist giftiger als Chloroform. Die käufliche H»delsware 
welche über 2°/« Schwefelstoff enthält, ist noch gefährlicher. Da es sich um-' 
eia» sehr flüchtig» chemischen Körper handelt, ist die Annahme nickt unbe¬ 
rechtigt, daß schon mit wenig» Bespirationen eine tödliche Dosis eingMtmet 
werden kann. _Dr. Bevenstorf-Breslau. 

B. Gerlohtllohe Psychiatrie. 

Die klinische Stellung der Paranoia. Von Dr. Wilmans-HeideWi 
borg- Vortrag, gehalten auf der 34. Versammlung der südwestdeutschra Nra- 
rolog» und Irrenärzte. Archiv f. Psychiatrie u. Neurologie; 46. Bd., B H. ; 

Der Vortragende kommt in sein» Ausführungen zu dem Sch l üsse,- daß ■ 
der Querulant» wahnsinn und ein Teil der akut» Paranoia Kraepalias,- 
nicht analoge, aus inner» Ursach» heraus sich »twickelnde geistige 8tö- 



kleinere Mitteilungen und Referate aus 2eitschriften* 


206 


rungen und nicht die Aeußerungen einer organischen Hirnerkrankung sind, 
sondern vielmehr die auf ein mehr oder weniger affektbetontes Erlebnis fein 
■ich vollziehenden krankhaften Entwicklungen einer bestimmten degenerntiven 
Anlage. _ Dr. Többen-Münster. 


Choren minor mit Psychose« Von Dr. W. Bunge in EieL Archiv 
für Psychiatrie und Neurologie; 46. Bd., 2. Heft. 

Es bricht sich in unserer Zeit die Ansicht immer mehr Bahn, daß die 
Chorea minor durch Infektionserreger hervorgerufen wird. Das Resultat der 
vorliegenden Arbeit, welche eine ausgesprochene Aehnlichkeit zwischen den 
Psychosen bei der echten Chorea minor und den Infektionspsychosen feststellt, 
ist eine weitere Stütze der Ansicht, daß die letzte Ursache der Chorea minor 
allein eine Infektion sein kann. Dr. Többen-Münster. 


Zur Backbildung der sensorischen Aphasie« Von Dr. K. Heil- 
bronner in Utrecht. Archiv für Pschiatrie; 46. Bd., Heft 2. 

Angesichts der Mannigfaltigkeit, in der sich die einzelnen Komponenten 
der aphadschen Storungen zu den Typen kombinieren, wie sie die klinische 
Beobachtung erkennen laßt, ist die Annahme von der Hand zu weisen, daß 
diese letzteren nur Intensitätsgrade einer einheitlichen „Sprachtunktion" dar¬ 
stellen. Diese Mannigfaltigkeit weist vielmehr auf eine funktionelle und ver¬ 
mutlich auch lokalisatorische Differenzierung nicht nur bezüglich der „feineren“ 
Vorgänge, deren 8t0rungen sich als aphasische darstellen, hin. Wenn gleich¬ 
wohl die anatomische Untersuchung diese Annahme noch nicht zu bestätigen 
vermocht hat, so ist das im wesentlichen darauf zurückzuführen, daß die ana¬ 
tomische Untersuchung auch an Schnittserien sich nach Maßgabe der heutigen 
Untersuchungstechnik noch mit der Feststellung relativ grober Veränderungen 
begnügen muß und über die Funktionsfähigkeit oder Schädigung der grob 
anatomisch intakt erscheinenden Gebiete nichts aussagt. 

_ Dr. TObben-Münster. 


Die Imbezillität vom klinischen und forensischen Standpunkt. Von 
Prot Dr. phiL et med. W. Weygandt in Hamburg. Deutsche med. Wochen¬ 
schrift: 1909, Nr. 46. 

Bei dem auf dem internationalen mediz. Kongreß in Budapest erstatteten 
Referat interessiert den Gerichtsarzt die Stellungnahme des bekannten, auf 
dem Gebiete der Schwachsinns-Forschung besonders erfahrenen Psychiaters 
bezüglich der gerichtlichen Beurteilung der Schwachsinnigen. Er tritt für die 
Einführung des Begriffs der verminderten Zurechnungsfähigkeit auch im deut¬ 
schen Strafgesetzbuch ein, hält aber eine kürzere Freiheitsstrafe für solche 
Individuen oft für unrichtig, sondern verlangt möglichst langes Unschädlich¬ 
machen. Bei der Bewertung von Intelligenzdefekten soll sehr vorsichtig ver¬ 
fahren werden, da auch relativ Gebildete oft erstaunliche Lücken im positiven 
Wissen zeigen. Zur Feststellung des Schwachsinns - Grades ist Vergleichung 
mit der Altersstufe des normalen Kindes zweckmäßig, der das Wissen des 
Untersuchten entsprechen würde. Für einen großen Teil krimineller Schwach¬ 
sinniger hält W. die Einführung der Deportation für geboten. 

Dr. Liebetrau-Hagen L W. 


Erkennung des jugendlichen Schwachsinns« Von Direktor G. Major- 
Zirndorf. Zeitschrift f. ezper. Pädagogik; Bd. IX. H. 1—2. 

Der ethische Defekt eines Debilen zeigt sich von frühester Kindheit 
an, wo eine Einwirkung durch äußere Verhältnisse noch ausgeschlossen ist 
Der ethische Defekt eines normalen Kindes entsteht durch schlechtes Vorbild, 
mangelhafte oder falsche Erziehung, schlechten Umgang, Lesen schlechter 
Bücher usw. 

Beim debilen Kinde sind Lob und Strafe absolut nutzlos, da es keinen 
Unterschied zu machen versteht zwischen Verbotenem und Erlaubtem, zwischen 

S t und böse. Sein Handeln steht nicht im Gegensatz zu seinem Wesen, 
her kann es keine Reue empfinden. Das normale Kind empfindet Über seine 
Untaten Schmerz, hat Einsehen in das Verkehrte seiner Handlungen und ist 
’tr Lob und Tadel zugänglich. 



Kleiner« Mitteilungen und Referate an« Zeitschriften. 


200 


Beim Debilen finden sich neben den ethischen Mängeln intellektuelle 
Schwächen, vor allem eine auffallende Urteilsnchwäche bei sonnt guter Intelli- 
gens. Beim moralisch verkommenen Kinde ist die Intelligens intakt. 

Dan debile Kind weist in seinem Körperbau Anomalien auf, wenn auch 
nicht alle Symptome bei jedem Kinde zu finden sind, so sind doch fast aus¬ 
nahmslos einige vorhanden, vor allem am Schädel und den Genitalien. 

Zu achten ist auf epileptische Anfälle und Lähmung. Das normal ent¬ 
artete Kind braucht keine körperlichen Verbildungen zu haben, hat sie auch 
meist nicht. Undeutlich entsteht die Debilität infolge heriditärer oder erwor¬ 
bener Ursachen. Eine derartige Belastung ist aber nicht die Grundbedingung 
der moralischen Entartung. Unter den auslösenden Ursachen des Schwachsinns 
steht die Erblichkeit an erster Stelle. 

Der Alkohol ist nicht selten der Grund geistiger und körperlicher De¬ 
generationen ; an dritter Stelle steht die heriditäre Syphilis. Nicht so sicher 
ist die Wirkung der Tuberkulose auf die Entwicklung des fötalen Gehirns. 
Daß die Schwangerschaft und die Geburt selbst nicht ohne Einfluß auf die 
Entwicklung des Kindes sind, weiß jeder. Ebenso sind Frühgeburten die Ver¬ 
anlassung zum Schwachsinn. Als weitere erworbene Ursachen des Schwach¬ 
sinnes sind Verletzungen des kindlichen Kopfes anzusehen. In gleicher Linie 
stehen verlangsamte Geburten, Schwergeburten infolge von Enge des Beckens, 
Nachlassen der Wehen, krampfartige Wehen, mangelhafte Elastizität des Uterus. 
Entwicklungsstörungen nach der Geburt haben einen ungleich größeren Ein¬ 
fluß für das Kind. Alkohol ist ein Nervengift und schädigt in jeder Form 
gegeben das Gehirn, vorab das kindliche Gehirn. Auch die erworbene Syphilia 
kann zum Schwachsinn führen. Typhös, Diphtherie, Scharlach, Pocken in den 
ersten Kinderjahren sind nicht selten die Ursachen des jugendlichen Schwach- 
Sinnes. Ausdrücklich sei aber noch einmal hervorgehoben, daß durchaus nicht 
immer des Vorhandensein eines Symptoms die Diagnose Schwachsinn recht¬ 
fertigt ; nur wenn mehrere Zusammentreffen, ist der Schluß anf Schwachsinn 
berechtigt. _ Dr. Wolf-Witzenhausen. 

Katamnestische Erhebungen über begutachtete Untersuehungsgefan- 
gene« Von Dr. Schott-Weinsberg. Vortrag, gehalten aui der 40. Ver¬ 
sammlung der südwestdeutschen Irrenärzte. Monatsschrift für Psychiatrie; 
Bd. XXVII, H. 1. 

Der Vortragende kommt zu folgenden Leitsätzen: 

1. In der übrrwiegenden Mehrzahl der Fälle handelt es sich um vor¬ 
bestrafte, vielfach erblich belastete und von Haus aus entartete Individuen. 

2. Reine Psyohosen sind sehr selten. 

3. Die in der Haft zutage tretenden Störungen entspringen der minder¬ 
wertigen Veranlagung dieser Individuen und haben meist mit der Frage der 
Zurechnungsfähigkeit zurzeit der Tat nichts zu tun. 

4. Diese Störungen haben sich in der Mehrzahl der Fälle nach der Auf¬ 
nahme in die Irrenanstalt rasch wieder ausgeglichen. 

5. Ein gewisser Schwachsinn, epileptische und hysterische Züge traten 
bei den 32 Begutachteten häufig in Erscheinung; sie sind wohl als Erschei¬ 
nungen der allgemeinen Entartung aufzufassen. 

6. Psychopathische Individuen eignen sich zum größten Teil für den 
Strafvollzug und sind recht wohl einer Disziplinierung zugänglich, allerdings 
unter der Voraussetzung irrenärztlicher Ueberwachung. 

7. Es ist bei der psychiatrischen Beurteilung und Begutachtung vorbe¬ 
strafter und entarteter Individuen die Anwendung des § 51 des Str.-G.-B. mit 
grofier Vorsicht und Zurückhaltung auszuüben; insbesondere gilt dies für die 
erste derartige Begutachtung. 

8. Den Psychiatern ist dringend anzuraten, die Psychologie des'^Ver¬ 
brechers genau zu studieren und sich im Verkehr mit Strafanstaltsärzten über 
diese Individuen möglichst zu unterrichten. 

9. Für Anstaltsärzte ist eine gute psychiatrische Ausbildung unerläßlich. 

10. Darch Erfüllung von 8 und 9 wird sich ein großer Teil der .beste¬ 
henden Erschwernisse und Unzuträglichkeiten beseitigen lassen. 

11. Die Irrenanstalt muß sich nach Möglichkeit hüten, zur Detentions- 
stitte psychopathischer Individuen zu werden, sie schadet dadurch ihren Cha¬ 
rakter als Krankenhaus und verletzt durch frühzeitige Entlassung dieser ln- 



210 Kleinere Mitteilungen und Referate aas Zeitschriften. 

dividueu das Eeehssempflnden des Volkes and gefährdet die Rechtssicherheit 
des Staates. 

12. Die katamnestischen Erhebungen bei begutachteten Untersuchungga- 
gefangenen sollten allgemein durch geführt werden. 

i. 13. Die Frage der Straf vollzttgsfähigkeit verdient eine eingehende Be« 
arbeitong, welche nur durch Zusammenwirken Ton Irren- und Strafanstnltn- 
inten ersnrießlich nesteltet werden kann. 

14. Die Einweisung in eine Irrenanstalt oder Klinik nach § 81 8tr.-P.-0. 
wird auch bei guter psychiatrischer Aasbildung der Gerichtsärzte bei den hier 
in Frage kommenden Individuen in Zukunft sich nicht umgehen lassen, da sur 
Beobachtung der ganse Apparat derartiger Speiialinstitute erforderlich int. 

Dr. Többen-Münster. 


Zur forensischen Beurteilung Haiineangehdriger. Von Obernrxt 
Dr. Mönkemöller in Hildesheim. Archiv für Psychiatrie; 46. Bd., 2. H. 

Mönkemöller erörtert in der vorliegenden, su einem kamen Referat 
leider nicht geeigneten Arbeit an der Hand eines reichen Materials in üboraan 

ß Lstreicher und anziehender Weise die Beziehungen, welche zwischen der 
thologie, der Psyche und der Kriminalität Marineangehöriger obwalten. Den 
Medizinal beamten dürften besonders die Maßnahmen interessieren, welche der 
erfahrene Verfasser für die Bekämpfung von Verbrechen und Geistesstörung 
unter unseren Matrosen empfiehlt: Das erstrebenswerteste Ziel ist die Be¬ 
kämpfung des Alkoholismus und die möglichst ausgiebige Ausscheidung aller 
kranken Elemente schon bei der Einstellung. Der überstandene Aufenthalt in 
einer Irrenanstalt soll in jeder 8tammrolle vermerkt, der stattgehabte Besuch 
einer Schule für 8chwachbefähigte, die Verhängung der Fürsorgeerziehung und 
die Herbeiführung einer psychiatrischen Untersuchung bei einer der im Zivil¬ 
leben begangenen Gesetzesübertretungen schon beim Eintritt in die Marino 
dem Amte mitgeteilt werden. Die Möglichkeit, ausgesprochenen Krankheits¬ 
fällen den Weg zur Marine zu versperren, würde noch größer werden, wenn 
den Truppenärzten ein höheres Maß psychiatrischer Kenntnisse zu Gebote stände, 
und bei der körperlichen Untersuchung den Degenerationszeichen und nervösen 
Krankheitssymptomen mehr Aufmerksamkeit geschenkt würde. Bei Simulation 
darf keine Bestrafung ohne vorherige genaue psychiatrische Untersuchung 
erfolgen; diese letztere soll nie verabsäumt werden, wenn die Ueberweisung 
in eine Arbeiterabteilung erfolgt oder ein länger dauernder strenger Arrest 
verhängt wird. Nach den übereinstimmenden Angaben aller praktischen Sach¬ 
kenner auf diesem Gebiete ist der strenge Arrest viel anstrengender und 
strapaziöser für das Nervensystem, als selbst längere Gefängnisstrafen. Sehr 
im argen liegen die Einrichtungen der Lazarette für psychiatrische Beob- 
aehtuagszwecke, die durch die Isolierzelle, in der diese Kranken in der Regel 
untergobrackt sind, oft geradem vereitelt werden. 

Da für die Marinestation der Ostsee allen Anforderungen durch die 
psychiatrische Klinik m Kiel in weitgehendster Weise genügt ist, so käme 
für die Marinestation der Nordsee die Einrichtung einer zweckmäßig eln- 
gerickteten Beobachtungsstation in Frage. Dr. Többen-Münster. 


Lebenssehicksale geisteskranker Strafgefangener« Von Dr. A. Ham¬ 
burger. Vortrag, gehalten auf der 34. Versammlung der südwestdeutschen 
Neurologen und Irrenärzte. Archiv für Psychiatrie; 46. Bd., 2. Heft 

Hamburger hat mit Unterstützung der staatlichen und kommunalen 
Behörden die von Kirn im Jahre 1889 mitgeteilten Fälle katamnestisch 
weiter verfolgt und von etwa 100 derselben vollständige Lebensläufe erhalten. 
Aus seinem Material greift er die diagnostisch gesichertsten Fälle heraus, 
um an ihnen einige allgemeine Fragen zu erörtern. Von diesen ge¬ 
hören nach ihrem Ausgang etwa 45*/o zur Gruppe der Dementia praecox, 
Während Kirn unter den gleichen Fällen nur bei 25•/• mit dem Eintritt 
„sekundärer Demenz* rechnete. Die verschiedensten Verlaufsarten sind ver¬ 
treten, akute, schubweise, schleichende und Spätkatatonien. Sie kamen zum 
Teil früh in Anstalten, zum Teil erst nach mehrfachen Delikten und längerem 
Laadstreicherleben; nur wenige sind mit Defekt geheilt. Der Lebensgtng 
dfeeer Kranken ist also im wesentlichen durch die Psychose bestimmt Bei 



Kleinere Mitteilungen und Referate «m Zeitschriften. 


211 


d« «dm 90 Fällen handelt ee eich um degeneratlve Haftpsyekossu, Wi 
yetkologbdie Sanktionen abnormer Persönlichkeiten auf die Einflüsse des Straf« 
Vollzuges. Soweit nicht ein Ablauf während der Strafseit selbst erfolgte, 
heilten sie nach der Entlassung in der Freiheit Ein Drittel der Bestraften, 
lut ausschließlich erstbestrafte Gelegenheit* und Notverbreoher, sind wieder 
■enisl geworden und geblieben. Unter den Rückfälligen erkrankten nur 10 
mehrfach, zumeist schwer entartete TrinkersOhne und explosive Epileptoide. 
Die übrigen blieben trotz längerer und härterer Strafen bei späteren Inter* 
aierangen gesund. Dr. TObbea'Münster. 


O. Bakteriologie, ZnfekttonnkraakheRea und AfflsnUlohea 

ganit&tswesen, 

L Bekümpfung der Infektlonskrenkheiten. 
n. Diphtherie. 

Ueber Dlphtherlebazlllentrlger. Von Dr. Ch. Nishino, Assistent 
aa Institut für IninktioBskrankheiten zu Tokio. Zentralbl. f. Bakt.; I. Übt, 
Orig., Bd. 63, Heft 4. 

Nishino hst 80 Familien, in welchen Diphtherieerkrnnkungen vorge* 
kommen waren, auf das Vorhandensein von Bazillenträgern untersucht um 
ester den 465 Familienmitgliedern 80 Bazillenträger festgestellt. Unter diesen 
waren 6 Knaben, 9 Mädchen und 16 Frauen über 16 Jahre, unter letsterSh 
7 Mütter und eine Großmutter erkrankter Kinder. Bei den Bazillenträgern 
wurden nur vereinzelt leichte Anschwellungen der Mandeln mit oder ohne BO* 
taag beobachtet; nur in einem Falle zeigte sich später eine lrichte Membran. 

Bei den Dipbtheriekranken hielten sich die Bazillen zwischen 8 und 26 
Tagen im Bachen; dabei machte es keinen Unterschied, ob gar keine Bekond* 
lang eingeleitet 'oder ob Diphtherieserum eingespritzt oder ätsende Pinselungen 
oder antiseptische Gurgeiungen zur Anwendung gebracht wurden. 

Für die Weiterverbreitung der Diphtherie ist ez von besonderer Beden* 
taag, daß in erster Linie Kinder und Frauen Basillenträger werden, also Per* 
sonea, die besonders leicht die Krankheit auf gesunde Kinder übertragen 
können. Die Bekämpfnng der Diphtherie darf es sich daher nicht genügen 
lassen, ln infizierten Häusern zu desinfizieren, zondern muß ihr Augenmerk 
besonde r s auf die Basillenträger richten. Prof. Dr. Lontn*Benia. 


Zur Dlphtherlepidemte. Von Dr. H. Much* Hamburg «Eppendorf 
Medizinische Klinik; 1910, N. 8. 

Die große und schwere Diphtherieepidemie in Hamburg gab Verna* 
kwnag au eingehenden Besprechungen im ärztlichen Verein. Nach anderen 
Vortragenden trat Much mit aller Entschiedenheit für eine lege artis durch¬ 
geführte Serumbehandlung ein. Dazu gehört in allererster Linie, daß die 
Eiaspritmg möglichst frühzeitig geschieht; eine genaue, unter Ausschaltung 
von Fehlerquellen aufgestellte Statistik lehrt unwiderleglich, daß mit jedem 
halben Tage Verspätung die Erfolge der SerumivjekUon immer mehr in Frage 
gestallt werden. — In zweiter Linie ist die Menge der angeführten Antitoxin* 
einheitea von vornherein, gerade bei den schweren Fällen, nicht zu niedrig 
au wählen. Als vorteilhaft erweist sich oft die intravenöse Einspritzung. 
Die richtig nusgeführte Serumtherapie nutzte bei der gegenwärtigen schweren 
Epidemie ebenso wie bei den früheren leichten. Rpd. jua 


Ela Beitrag sur Serumbehandlung der Diphtherie. Von Dr. F. Reich* 
Hamburg-Eppendorf. Medizinische Klinik; 1909, Nr. 49. 

Hamburg steht sur Zeit in einem Stadium des Anstiegs der Gesamt* 
erkreakongsziffer an Diphtherie und einer Zunahme der Bösartigkeit der ein¬ 
zelnen Verlnufsformen. Diese spricht sich in einer intensiven Beteiligung der 
Nasenhöhle (weniger des Kehlkopfs) und schwerer hämorrhagischer Diathese 
aus. Mit dem Diphtherieserum wurden gute Erfolge erzielt. Ausschlaggebend 
für den Erfolg war die möglichst frühzeitige Applikation des 8erums. Das 
a—ahmende Versagen der spezifischen Behandlung an späteren Krankheit** 
Sngsn war häufig auf MbcUaJektiea zurückzufOhren. Auch prophylaktisch 


212 


Kleiner« Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


ist das Serum wertvoll. Verfasser bedauert, daß in der allgemeinen Praxis, 
besonders In der Kassenpraxis die Serumbebandlung noch sehr im Argen Hege. 

_ Rpd. jon. 


Die Behandlung der Diphtherie mit Intravenöse« Sernmlnjektiemen« 

Von Dr. H. Fette-Hamburg-Eppendorf. Medizinische Klinik; 1909, Nr. 50. 

Da in vielen Fällen schwerer Diphtherie die subkutane Anwendung dSs 
Heilserums sn versagen schien, wurde eine Anzahl von Patienten intravenös 
behandelt Es wurden nicht unter 3000 Immunitätseinheiten, vereinzelt sogar 
8000I.-E. auf einmal injiziert. Die Resultate waren nach der zur Zeit zugrunde 
liegenden Statistik günstige. An unangenehmen Nebenerscheinungen sind die 
8erumexantheme zu nennen, höchst selten allerdings in schwerer Form. Ein 
abschließendes Urteil muß weiteren Beobachtungen Vorbehalten bleiben. 

_ Bpd. jun. 

Ueber intravenöse und intramuskuläre Anwendung hoher Serum¬ 
dosen bei der Behandlung der Diphtherie. Von Dr. Berlin. Deutsche 
mediz. Wochenschrift; 1910, Nr. 6. 

Die schon anderwärts angewandte Behandlung von Diphtheriekranken 
mit hohen ßerumdosen intravenös (in die gestaute Armvene) oder bei unruhigen 
Kindern intramuskulär (in die Glutaeen) wurde auch im Augusta - Hospital in 
Cöln sn 120 Kindern erprobt. Es wurden gegeben 4000—16000 A. E. Viel¬ 
fach war ein jähes Abfallen der Temperatur zu konstatieren zugleich mit 
beträchtlichem Sinken der Pulsfrequenz sowie Hebung des Allgemeinbefindens. 
Bei einigen Kindern mit schweren lokalen Prozessen und solchen mit septischen 
Erscheinungen trat nach Iojektion von 12000 beaw. 16000 A. £. eine vorher 
nieht gekannte Besserung ein. Auf die Verhinderung der Larynxstenoee konnte 
dagegen kein Einfluß konstatiert werden. Die Mortalität war mit 23 auf 120 
noch immer hoch, wobei aber in Betracht gezogen werden muß, daß verhält- 
niamäßig viele desolate Fälle eingeliefert wurden. Ueble Nebenwirkungen 
traten nicht aut Nur wurde mehrfach eine ausgedehnte Urticaria mit Drftsea- 
aehwellungen beobachtet _ Dr. Liebetrau-Hagen L W. 


b. Keuchhusten. 

Amtsärztliche Betrachtungen Aber den Keuchhusten. Von Dr. J. Pick» 
k. k. Oberbezirksarzt in 8 a a z. Der Amtsarzt; 1909, Nr. 10. 

Pertussis trägt nicht bloß direkt wesentlich zur Erhöhung der Mor¬ 
talität bei, er hinterläßt auch häufig bleibende Schäden: allgemeines Siechtum 
mit Atrophie, chronische KeblkopUeiden mit Heiserkeit, Lungenemphysem, 
eklamptische Zustände, wahre Epilepsie, Chorea, Hernien, Mastdarmvorfall, 
Herzklappenfehler, Herzneurosen, bleibende Störungen des Auges und Oh ree, 
ferner Prädisposition zu Katarrhen der Luftwege, Tuberkulose, vielleicht 
sogar Appendidtis. Sporadische ärztliche Anzeigen machen eine amtsärzt¬ 
liche Visitation der Schulen von Kind zu Kind nötig. Dabei findet sich 
im initialen Stadium «katarrhale 11 sehr häufig statt einer vermehrten Se¬ 
kretion nur eine charakteristische Hyperämisierung der Bindehäute: «gleich¬ 
mäßige dunklere Rötung der Conjunctiva palpebrarum, dichte, netz- und 
streifenförmige Iojektion der C. sclerae, stärkeres Hervortreten der größeren, 
oberflächlichen Gefäße am Bulbus, kleinere, dunklere, hirseUorn- bis linsengroße 
Verfärbungen auf der geröteten Conjunctiva (keine Ekcbjmosen), auch am 
Uebergangsteile, oft auch auffälliges Durchschimmern der gestauten ChorioideaJ- 
gefäße, besonders zwischen Hornhautrand und Caruncula lacrimalis, dunklere 
Verfärbung und Verbreitung des Ringes um die Iris, welcher der Gegend des 
8chlemm3chen Kanals entspricht, endlich einen eigentümlichen Glanz des Auges 
infolge seröser Durchtränkung der oberflächlichen Decken Augapfels." Die 
Krankheit darf keineswegs bagatellisiert werden und rechtfertigt den vollsten 
Ernst amtsärztlichen Gebarens. Dr.BÖsch-Pasing. 


c. Erysipel. 

Vergleichende Untersuchungen Iber die Streptoke^i 611 
Von Dr. Viktor Hecht und Dr. EduardHulles. Aus de* Prosektur des k.m 



Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 218 

Frans Joseph*Spitals in Wien. Zeitschrift für Hygiene and Infeklionskrank* 
ketten; Bd.63, 8.113. 

Die Verfasser, welche za ihren Untersuchungen nur von tödlich rer* 
lnafenen Erysipelen herrtthrende Streptokokkenstämme verwendeten, haben 
gefunden, daß alle diese Stämme miteinander nnd mit den Streptokokken der 
Eiteraugen identisch sind. Ein scharfes Unterscheidungsmerkmal zwischen den 
▼erschiedenen Streptokokken - Stämmen oder -Rassen ist nicht za finden, da 
weder in morphologischer noch kultureller oder biologischer Beziehung eine 
distinkte Trennung herbeizuführen ist. Auch die von anderen Autoren hierfür 
als differentialdiagnostisches Mittel zitierte Hämolyse ist nicht ausreichend, weil 
sämtliche untersuchten 8tämme Hämolyse zeigten. 

Ebenso ist die prognostische Bedeutung der Hämolyse nicht hoch an- 
suschlagen, da aus Eiter und Sekreten gutartig vorlaufener Prozesse gezüchtete 
Streptococcus-longus* Arten auch hämolytisch wirkten. Agglutination tritt 
nur bei Verwendung homogenen Serams nnd auch dann nur bei sehr gering¬ 
gradigen Verdünnungen auf. Nur die quantitative Säurebildung in hoch¬ 
prozentigen (5*/ 0 ) Traubenzucker-Lösungen zeigt einen Unterschied zwischen 
den Streptokokken* Arten, insofern als die Erysipel*Streptokokken in der Regel 
■ehr Säure produzieren, als alle übrigen Streptokokken - Arten, was sich durch 
Titration in flüssigen Nährmedien, auf festen durch starke Trübung des Nähr¬ 
boden nachweisen läßt. Dr. 8y m a n s k i - Metz. 


d. Tetanus. 

Zwei mit Antitoxin „Höchst“ behandelte Fälle von Tetanns mit 
günstigem Ansgang. Von Dr. L. Simon, Oberarzt der chir. Abteilung des 
allgem. Krankenhauses zu Mannheim. Münchener med. Wochenschrift; 1909, 
Nr. 44. 

Verfasser teilt die Krankengeschichten von zwei Verletzten mit. Im ersten 
Falle handelt es sich um einen zwölfjährigen Knaben, bei dem sich 19 Stunden 
■aeh der Verletzung (Ueberfahren) die ersten Symptome von Tetanns tranma- 
ticns zeigten. Der Kranke erhielt sofort 10 ccm des Tetanusantitoxin (Höchst) 
in die Lumbalgegend eingespritzt und 10 ccm intravenös, so daß er im ganzen 
100 I. E. bekam. Am folgenden Tage erhielt er wiederholt 501. E. intralumbal, 
50 intravenös verabreicht. Am 4. Tage bekam der Kranke nochmals 1001. E. in 
derselben Weise wie am Tage zuvor, außerdem Morphium subkutan und etwas 
Chloroform. Am 6. Tage erhielt der Kranke wiederum 100 I. E subkutan, 
ebenso am 8. Tage nochmals 100 I. E. Am 18. Tage waren alle tetanlschen 
Erscheinungen verschwunden. 

Im 2. Falle handelte es sich um einen fünfjährigen Jungen, welcher 

f leichfalls überfahren wurde. Der Junge bekommt wegen Tetanusgefahr als 
’räventivmittel 20 I. E. Tetanusantitoxin (Höchst). Am 3. Tage erhielt er 
nach dem Auftreten der ersten Tetanuserscheinungen 100 I. E. Tetanusanti¬ 
toxin intralumbal, 100 I. E. intravenös, daneben 6—8 stündlich 0,003 Morphium. 
Am 4. Tage erfolgte subkutane Morphiumdarreichung. Am 5. Tage bekam 
der Kranke 1001. E. (Höchst) intravenös und Morphium'subkutan. Am 9. Tage 
war der Tetanus verschwunden. 

Der Verlauf dieser beiden Fälle dürfte dartun, daß der Pessimismus 
einzelner Autoren gegen die Serumbehandlung nicht berechtigt erscheint; 
denn die beiden Fälle gehörten zu den prognostisch schlechtesten mit sehr 
kurzer Inkubationszeit. Wenn sie nur unter dem Bilde eines mittelschweren 
und nicht ganz schweren Tetanus verliefen, so ist dies lediglich der energischen 
Serumtherapie zuzuschreiben. Verfasser hofft, mit frühzeitiger Serum- 
therapie und bei Darreichung einer bedeutend größeren Menge Im¬ 
munitätseinheiten, noch bessere Erfolge zu erzielen. Der scheinbare 
Mißerfolg mit der Präventivimplung im Falle II darf nicht abschrecken, 
sondern lehren, daß auch hier wohl die Dosis zu gering war, um den Tetanus 
ZU unterdrücken und daß man in Zukunft mit höheren Dosen den Ausbruch 
dieser schrecklichen Erkrankung zu verhindern suchen muß. 

Dr. Wa i b e 1 • Kempten. 



214 Kleiner« Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 

e. Andere Krankheiten. 

Flagellaten im menschlichen Darm. Von Dr.U. Guastalla, Volentär- 
arat an der med. Abteilang des k. k. allg. Krankenhauses in Wien, Wiener 
klin. Wochenschrift; 1909, Nr. 45. 

Ein 50 jähriger Ziegelarbeiter litt seit einer schweren Darmkrankheit im 
80. Lebensjahr an periodisch aaltretenden Durchfällen. Leibschmersen, Heber 
and nanehmender Anämie. Der Leib war bei der Annahme ins Krankenhaus 
druckempfindlich, Vergrößerung von Milz and Leber, starke Blatarmat and 
Oedeme, täglich 4—5 dünnflüssige Stühle. Vermehrung der eosinophilen Zellen. 
Hjpasidität and Hypermotilität das Magens. 

In der Annahme, daß es sich am eine Anchylostomiasis handele, worden 
die dünnflüssigen Stühle untersucht. Es fanden sich aber massenhaft Flagellaten. 
Cercomonas intestinalis. Unter Behandlung mit Rizinus und Araasetin ver¬ 
lebenden die Erscheinungen. 

Bei der Entstehang der Infektion hat vermutlich die Veränderong der 
chemischen Beschaffenheit dos Magensaftes eine Bolle gespielt. Es gelang 
infolgedessen den Flagellaten ungeschädigt durch den Magen in den Darm zu 
gelangen. _ Dr. Dohm-Hannover. 

Ueber anglosklerotisehe Gangrän bei Jugendlieben Individuen. Von 
8an.-Rat Dr. E. Michels, dirigierenden Arst am Deutschen Hospital in London. 
Klin. Jahrbuch; 1909, Bd. 21, H. 4. 

Vorwiegend bei starken Rauchern (Zigarrettearauchera) beobachtete 
Verfasser das Auftreten arteriosklerotischer Veränderungen an den peripheren 
Gefäßen, die langsam zur Gangrän führten. Meistens waren nur nur die 
unteren Extremitäten befallen, gelegentlich aber auch die Arme. Als Vor¬ 
boten der Krankheiten treten starke ziehende Nervenschmerzen auf. 

Pathologisch anatomisch handelt es sieh um Verdickung sämtlicher 
Gefäßhäute, hauptsächlich aber der Intima bis zur gänzlichen Verlegung des 
Lumens. Dr. Dohm-Hannover. 


f. Desinfektion. 

Ein Beitrag zur Sputimdesinfektlen. Von Dr. H. E. Kersten- 
Eberswalde. Desinfektion; 1909, Nr. 10. 

Nach den Untersuchungsresultaten ist eine */ 4 proaentige Cyllinlösung 
sehr wohl imstande, nach 24stündiger Einwirkung TuberkelbasJlen Im Sputum 
abzutöten. Dagegen vernichtet diese Konzentration im frischen Sputum, mag 
es nun energisch durchgerührt sein oder nicht, in 12 Stunden die Basillen 
nicht, scheint diese jedoch in ihrer Virulenz abzuschwächen; denn die infi¬ 
zierten Meerschweinchen litten, im Verhältnis zu den Kontrollticren, an einer 
ziemlich geringgradigen Tuberkulose. Im trockenen Sputum werden die 
Tuberkelbasillen mit Sicherheit abgetötet. Bei sechsstündiger Einwirkung 
'/sprozentiger Lösung konnte eine Abtötuug der Taberkelbazillen nicht erreicht 
werden. Da man nan im allgemeinen verlangen muß, daß ein Desinfektions¬ 
mittel, wenn es für die Praxis zur Sputum-Desinfektion brauchbar sein soll, 
in 6 Stunden das Sputum desinfiziert haben muß, ist das Cyllin in der von der 
Firma angegebenen Verdünnung nicht gut verwendbar und genügt nicht den 
Anforderungen. Immerhin hat es der Mehrzahl der in Betracht kommenden 
Desinfliienten gegenüber bezüglich seiner Wirkung auf den Tuberkelbacillus 
im Sputum mindestens einen ebenso hohen, vielleicht sogar einen höheren 
Desiafektionswert. Dazu kommen noch andere Vorzüge, die dem Mittel nicht 
abzusprechen sind: sein verhältnismäßig geringer Preis, seine fast gänzliche 
Geruchlosigkeit und vor allem noch Beine von Fränkel-Halle konstatierte 
Ungiftigkeit. 

Das Chlor-Naphtoleum tötet in 3prozentiger Lösung selbst nach 
24 ständiger Einwirkung die Taberkelbazillen im frischen Sputum nicht ab 
und verändert es in keiner Weise. Es ist also für die Praxis in dieser Ver¬ 
dünnung unbrauchbar. Außerdem würde sein ungenehmer Geruch seiner Ein¬ 
führung ia die Praxis (s. B. Krankenzimmer in einer Familie) hinderlich im 
Wege stehen. 



Kleinere Mitteilungen and Referate aus Zeitschriften. 


215 


Für Krankenanstalten kommt natürlich nur die Desinlektion des tuber¬ 
lösen Sputums durch Anwendung von Hitze als sicherste Methode zu seiner 
Unschldlichmachung in Betracht._ Dr. Wolf-Witzenhausen. 

Heber die desinfizierende Wirkung einiger gebräuchlicher Zahn- 
und Mundwässer auf pathogene Bakterien. Von Oberstabsarzt z. D. 
Dr. B. Bassenge in Berlin. Deutsche med. Wochenschrift; 1909, Nr. 88. 

B. unterzog eine größere Zahl weitverbreiteter und oft mit pomphafter 
Reklame angepriesener, dabei unverhältnismäßig teurer Zahnwässer einer 
Prüfung auf ihre keimtötende Wirkung, indem er sie in teilweise viel höherer 
Konzentration, als die Gebrauchsanweisungen vorschreiben, zu je 200 ccm mit 
Typhus, Cholera, Dysenterie, Diphtherie infizierte Leitungswasser zusetzte und 
nach verschiedenen Zeiten Proben in Peptonkultur brachte. Dabei zeigte sieh 
selbst nach öminutiger Einwirkung sowohl bei 15°, wie 85° bei fast allen kaum 
eine vernichtende Wirkung auf Typhus und Cholera, abgesehen von ,Perbydrol“ 
und „Stomatol“. Da die zu den Versuchen verwandten Bakterien weniger 
widerstandsfähig sind als die die Zahnkaries bewirkenden, muß die den meisten 
Zahn- und Mundwässern zugeschriebene desinfektorische Wirkung als illusorisch 
betrachtet und der Haupterfolg der mechanischen Reinigung und sonstigen 
Pflege der Zähne zugeschrieben werden. Dr. Licbetrau-Hagen i. W. 

Veber Desinfektion infizierter Wfische. Von Dr. C. Mueller in 
Breslau. Deutsche mediz. Wochenschrift; 1910, Nr. 3, 

Um der Infektion des Wartepersonals, vornehmlich bei Typhus und 
Tuberkulose vorzubeugen, hat M. einen außerordentlich zweckmäßigen, von 
der Zentrale für ärztlichen und Hospitalbedarf (Berlin, Carlstraße, 36) zu be¬ 
ziehenden Metallkastcn konstruiert, der auf einen Handfahrgestell befördert 
und mit 1—2°/o Roh -Lysoform- Lösung zur Hälfte gefüllt wird. Sofort nach 
dem Abziehen wird die Wäsche inkl. Schürze der Warteperson hineingetan (12 
bis 24 8tunden). Ein Hahn dient zum Abschluß der verbrauchten Desinfek- 
Uousflüssigkeit. Dr. Liebetrau-Hagen L W. 

Ueber die Desinfektlonswirkung der Phenostal-Tabletten (Diphenyl- 
exaieater) und ihnen fihnlicher Lösungen organischer Sfturen. (Aus der 
bakteriologischen Untersuchungsstation des K. Bayer. II. Armeekorps beim 
Garnisonlazarett Würzburg.) Von Stabsarzt Dr. Georg Mayer. Zentralblatt 
für Bakteriologie; I. Abt., Orig., Bd. 49, H. 4. 

Mayer hat die Phenostaltabletten einer eingehenden Prüfung unter¬ 
zogen und gefunden, daß eine lprozentige Pbenostallösung sowohl in ihrer 
Giftwirkung, wie Desinfektionskraft gegenüber sporenloeen Bakterien etvft 
einer 5prozentigen Phenollösung entspricht, gegenüber sporenbaltigen Bakterien 
sogar noch etwas stärker wirkte. Die Wirkung des Phenostals beruht im 
wesentlichen auf seinem Gehalt an Oxalsäure, da eine V’Piozentige Oxalsäure¬ 
lösung (entsprechend dem Gehalt einer lprozentigen Pbenostallösung) fast 
ebenso stark wirkte wie eine lprozentige Pbenostallösung. Wein-, Essig- und 
Zitronensäure übten weder für sich noch in Verbindung mit Phenol eine auch 
nur annähernd ähnlich starke Wirkung wie Oxalsäure aus. 

Mit stark kalkhaltigem Wasser gibt Phenostal einen Niederschlag von 
oxmlsaurem Kalk und büßt deshalb an Wirksamkeit ein. Für die Desinfektion 
Ton Instrumenten sind Phenostallösungen nicht zu empfehlen, da die Instru¬ 
mente davon angegriffen werden. Zusatz von Soda Betzt diese schädigende 
Wirkung herab, jedoch auch die Desinfektionswirkung des Phenostals. 

Prof. Dr. Lentz-Berlin. 

Untersuchungen Aber Phenostal (Karbolsfinretabletten) und seine 
keimtötende Wirkung. (Aus dem UntersnchungBamt des hygienischen Instituts 
der Universität Leipzig.) Von Dr. med. E. Küster, Privatdozent. Zentral¬ 
blatt für Bakteriologie; I. Abt., Orig., Bd. 50, H. 2. 

Küster kommt auf Grund seiner in mannigfacher Weise modifizierten 
Untersuchungen zu dem Schluß, daß in ihrer Derinfektionskraft eine 
0,75 —lprozentige Pbenostallösung einer 3prozentigen Karbollösung gleich¬ 
kommt, dabei aber einen nicht unbeträchtlich geringeren Gehalt an gütigen 



216 Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 

Substanzen auf weist als diese. Er erwartet, daß die handliche and haltbare 
Dosierung, die geringe Aetzwirknng und Geruchlosigkeit des Präparats die 
Einführung der Karbolsäuretabletten in die Desinfektionspraxis erleichtern 
werden. Prof. Dr. Lentz-Berlin. 


Yerglelehende Untersuchungen über den praktischen Wert der 
npparatiesen BanmdeslnfektionsTerfabren mit Formaldebyd. Von Stabsarzt 
Dr. K. E. Boehncke. (Ans dem hygienischen Institut der Universität 
Berlin). Zeitschrift für Hygione nnd Infektionskrankheiten, Bd. 63, S. 444. 

Verfasser hat vergleichende Desinfektionsprüf trogen an gestellt mit deip 
Aut an v er fahren (Elberfelder Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Komp.), 
dem Kalinmpermanganatverfahren nachBanbitscheck and Dörr, der 
Modifikation desselben nach Loesener, dem Autoform verfahren (Chem. 
Werke Beiherstieg in Hambarg) and dem Formenganverfahren (Ed. 
Schneider in Wiesbaden). Am besten hat sich nach den Erfahrungen B. 
bewährt das Verfahren nach Banbitscheek and Dörr sowie die Loesen ersehe 
Modifikation. Dio mit dem Aatanverfahren erzielten Resultate waren nicht 
so gate (7°/o Mißerfolge); am wenigsten bewährte sich das Aatoformverfahren 
(bei 21°/o der Testobjekte keine Abtötang). Außerdem hat das letztere wegen 
der großen Neigung der Desinfektionsmasse za schäumen Unbequemlichkeiten 
im Gefolge. Leider sind die Auslagen im Vergleich za denen, die bei der 
entsprechenden Desinfektion mit einem Apparat za machen sind, bisher noch 
immer wesentlich höher. Beispielsweise kostet die Desinfektion eines Baumes 
von 100 cbm bei Anwendung des Kaliampermanganatverfabrens nach Dörr 
und Banbitscheek 5,40 M. (das kg Kaliumpermanganat zu 1,40 M., das 
kg Formalin zu 1 M., das Liter Ammoniak za 60 Pfg. gerechnet); bei An¬ 
wendung des Formanganverfahrens 7,50 M., bei Anwendung der Loes enersehen 
Methode 8.50 M., beim Aatanverfahren 8,40 M. und beim Aatoformverfahren 
12 M. Bet Bszug größerer Quantitäten ermäßigen sich die Preise, namentlich 
beim Formangan (20°/o) darcü erheblichen Rabatt. Dem gegenüber erscheinen 
die Kosten mit dem bewährten Flügge sehen Apparat wesentlich geringer, da 
sie für einen Raum der genannten Größe nar 2,75 M. betragen. Es kommen 
hier nur noch in Frage die Anschaffangs-, Abnatsangs- and Transport-Kosten. 
Immerhin dürfte sich eine der apparatlosen Methoden für Desinfektionen in 
abgelegenen Gegenden und ganz besonders im Kriege und auf Expeditionen 
empfehlen. Im Anschlaß hieran hat Verfasser noch Dosinfektionsversuche mit 
Eisenbahnabteilen 2. Klasse gemacht, and zwar nach dom Flttggesehen 
Verfahren and mit dem Aut&n-, dem Aatoform- and dem Lo es en e r sehen 
Vorfahren. Von den gewählten apparatlosen Methoden bat sich auch hier die 
nach Loesener am besten bewährt und die gleichen Resultate erzielt, wie 
das Verfahren mit dem Flüggesehen Apparat. 

_ Dr. Symanski-Metz. 


ft. Wasserversorgung and Abwässerbeseitigung. 

Der Einfluss der Wasserversorgung auf die Gesnndheitsverhältnfsse 
von Gemeinwesen, mit besonderer Berücksichtigung des Dnrmtyphns. 
Von Dr. Heinrich K o k a 11, Stadtphysikas - Stellvertreter in Brünn. Der Amts¬ 
arzt; 1909, Nr. 12. 

Eine seuchengeschichtliche Lokalstndie] (Stadt Brünn) mit reichen De¬ 
tails als Beleg für die Wichtigkeit der Wasserversorgangsfrage und Leitsätzen 
für die Lösung der letzteren. Am interessantesten ist der Hinweis auf die 
Säuglingssterblichkeit als bisher zu wenig gewürdigten Index für die Qualität 
der Wasserversorgung; jene zeigt einen auffälligen P&rallismus mit der Typhus- 
mortalitat und ist besonders hoch im März, in welchem der die Wasserleitung 
Brünns speisende Fluß sein Verunreinigungs - Maximum zeigt 

_ Dr. Hösch-Pasing. 


Eia nenes Verfahren zum quantitativen Nachweis des Bacteri» 
eeil ln Wasser; zugleich ein Beitrag zum Verhalten dieses Keimes in 
Flüssen nnd Schwimmbassins* (Aus dem hygienischen Institut Göttingen. 
Dir. Geh. Med.-Rat Pro! Dr. v. Jfismarch.) Von Dr. med. Marnfrtnn, 



Kleinere Mitteilungen und Referate nni Zeitschriften. 


21 ? 


Stadtarzt in Chemnitz, früherem Assistenten des Institats. Zentralblatt für 
Bakteriologie; I. Abt., Orig., Bd. 50, H. 2. 

Mar mann beschreibt das im Göttinger hygienischen Institut geübte 
Verfahren zum Nachweis von Bacterinm in Wasser: 6—10 ccm des zn unter¬ 
suchenden Wassers werden auf Endo sehe Fachsin-Agarplatten gegossen und 
hier schnell zum Verdunsten gebracht. Die Platten werden hierzu in einem 
Kasten von ca. */* Qm Bodenfläche und 1 m Höhe gestellt. Im Boden des 
Kastens befindet eich ein Loch für den Lufteintritt und unmittelbar über dem 
Loch ein Bunsenbrenner, dessen Flamme die eintretende Luft auf ca. 80° C. 
erwärmt. In der Mitte des Kastens ist ein elektrisch betriebener Ventilator 
angebracht, der einen starken senkrecht aufsteigenden Luftstrom erzeugt. 
Ueber dem Ventilator befindet sich genau horizontal angebracht eine luftdurch¬ 
lässige Unterlage zur Aufnahme der Platten. Durch eine Reihe von Löchern 
im Deckel des Kastens kann die feuchte Luft aus dem Apparat entweichen. 

Mit Hilfe dieses Apparats gelingt es, die auf die Platten gebrachten 
Wassermengen in ca. 40 Minuten vollständig zu verdunsten, äobald die 
Platten trocken sind, werden sie in einen auf 42 9 C. eingestellten Brfltofen 
verbracht, in welchem in ca. 20 Stunden etwa vorhandene Coli-Bakterien unter 
Botfärbung des Agens zu Kolonien auswachsen, während die meisten Wasser¬ 
bakterien bei diesor Temperatur nicht gedeihen. 

Die Methode gestattet so, sofort eine quantitative Bestimmung der im 
Wasser vorhandenen Coli-Keime vorzunehmen. Man kann allerdings mit ihr 
stets nur geringe Mengen des Wassers untersuchen, doch schlägt Mar mann 
diesen Mangel nur gering an, da sich ihm bei Untersuchungen verschiedener 
Wasserproben aus der Leine, aus Brunnen und Badebassins die beschriebene 
Methode anderen Nachweisverfahren gegenüber, wie denen von Petruschky, 
Eijkmann u. a., überlegen gezeigt hat. Prof. Dr. Lentz-Berlin. 


Die Reinigung städtischer Abwässer durch Fischtelehe. Von Diplom¬ 
ingenieur Ernst 8chick in Dortmund. Technisches Gemeindeblatt; 1909, 
Nr. 18. 

In den letzten Jahren hat man die Beobachtung gemacht, daß an der 
Selbstreinigung von Gewässern neben Bakterien, Pilzen, niederen Tieren auch 
Fbehe witwirken, die kleinere in den Abwässern und Faekalien enthaltenen 
Tieren verzehren. Schleien, Weißfische und Karpfen vertragen auffallend 
hohen Gehalt des Wassers an Fäkalwasser. Deshalb riet Hof er-München 
rar Einleitung von Abwässern in Karpfenteiche. Jetzt nimmt der Vorschlag 
praktische Formen an, indem für die Kanalisation zweier Städte von je 8000 
Einwohner in Südbayern vorhandene Teiche erweitert werden und nach Ver- 
einigung (Entsandung und Entfettung) zur Aufnahme des Kanal-Inhaltes 
dienen, der dann der oben skizzierten Selbstreinigung unterworfen sind. Bei 
güastigen Terrainverhältnissen ist die Anlage sehr billig. Zur Zeit werden 
auch Projekte für Großstädte (München) ausgearbeitet. 

Dr. Liebetrau-Hagen L W. 


Jahresbericht der Königlichen Versuchs« und Prüfung«anstatt für 
Wasserversorgung und Abwäaserbeseltlgung für das Etatsjahr 1909 ( 1 . April 
1908 bis 81 . März 1909 ). Ministerial-Blatt für Medizinal- und medizinische 
Unterrichts • Angelegenheiten; 1909, Nr. 17. 

Mit Befriedigung kann die Anstalt auch auf das verflossene Betriebsjahr 
surückschauen, bedeutet es doch für sie einen Zeitraum gedeihlicher Weiter¬ 
ealwickelung. Aus der zahlenmäßigen Zusammenstellung der Nummern aus 
den geführten Journalen ergibt sich ein Ueberblick über die gesamte Arbeits¬ 
leistung. Die Zahl der fortlaufenden Aufträge belief sich am Jahresschlüsse 
auf 25, die einmaligen Aufträge steigerten sich auf 897. Sie verteilen sich 
sowohl auf Reichs- und Staatsbehörden (222), wie auch auf Behörden der 
engeren und weiteren Kommunalverwaltung (114) und auf Private (60). Im 
ganzen arbeitete die Anstalt 446 Gutachten aus, und zwar 819 Gutachten in 
Wasserversorgungsangelegenheiten, 117 Gutachten in Sachen der Anwässer- 
beaeltigung, 9 Gutachten in Sachen der Flußverunreinigung und 1 Gutachten 



2iß kleinere Mitteilungen und Referat« au Zeitschrifteil. 

in MüUbeseitigungsangelegenheiten. Die in Breviloquens gemachte inhaltliche 
Wiedergabe sowohl der einzelnen znr Begutachtung gestellten Aufträge, wie 
auch der znr Behebung der eingetretenen Schwierigkeiten gemachten Ver¬ 
besserungsvorschläge pp. gestattet uns einen interessanten Einblick in die 
gutachtliche Tätigkeit der Anstalt. Aul dem Gebiete der Wasserversorgung 
hatte sich die Anstalt u. a. über die Frage zu entscheiden, wie weit man für 
eine zentrale Wasserversorgung Wasser enteisenen muß. Des weiteren war 
die Verwendbarkeit gelärbten Gr and wassers zur Speisung einer Zentralwasser- 
leitung Gegenstand mehrfacher gutachtlicher Aeußerungen. So wurde bei einer 
Qaarantäneanstalt, bei der du Grundwasser in einer Tiefe, die ohne Schutz¬ 
gebiet eine genügende Sicherheit gegen Verunreinigungen von oben her bieten 
würde, so reich an huminsauren Eisenverbindungen war, daß eine künstliche 
Enteisenung nicht rationell erschien, untersucht, unter welchen Bedingungen 
du oberste, dicht unter Terrain anstehende, an huminsaurem Eisen verhältnis¬ 
mäßig arme Grundwasser zar Wasserversorgung heranzuziehen wäre. Ueber 
die Entfernung der Farbe eines Grandwassers mit Hilfe von chemischen Zu¬ 
schlägen, wie über die Frage der Eisen- und Manganausscheidang wurde 
ebenfalls des Öfteren die Anstalt zu Bäte gezogen. Auch der Rostangriff 
eiserner LeitungsrOhren darch bestimmte Wässer mußte wiederholt zum Gegen¬ 
stand der Prüfung gemacht werden. In einem speziellen Falle konnte eruiert 
werden, daß nicht das zur Verwendung stehende Wasser, sondern säurehaltige 
Abwässer, die in die Wassergewinnungsanlage eingedrungen waren, diesen Bost¬ 
angriff bewirkten. — Auf dem Gebiete der Abwässerbeseitigung erstreckte 
sich die Begutachtung teils auf die Ableitung der Abwässer, teils auf die Art 
ihrer Beseitigung. So trat eine Stadtverwaltung an die Anstalt mit der An¬ 
frage heran, ob vorteilhafter eine zentrale Kläranlago oder viele kleine Klär¬ 
anlagen innerhalb der Stadt zu wählen seien. Aus hygienischen wie betriebs¬ 
technischen Erwägungen, im speziellen Falle ferner mit Rücksicht auf die Ört¬ 
lichen Verhältnisse sprach sich die Anstalt für eine Zentralanlage aus. Aus 
demselben Grunde befürwortete die Anstalt auch vorwiegend bei kleineren 
Kommunen den Anschluß an die Kanalisation einer benachbarten Großstadt 
und riet von dem Bau einer eigenen Kläranlage ab. Bezüglich der Reinigung 
der Abwässer war des Öfteren darüber Beschluß za fassen, ob zweckmäßiger 
die Rieselei 'oder das künstliche biologische Verfahren Verwendung zu finden 
hätte. Die Anstalt, die grundsätzlich stets eine Besichtigung des Örtlichen 
Geländes vornahm, befürwortete in den meisten Fällen die Landberieselung 
und zwar vorwiegend nach erfolgter Vorreinigung des Abwassers in Becken¬ 
oder Brunnenanlagen (nach Ausscheidung der Sink-, Schwimm- und insbesondere 
auch Fettstoffe). Einen breiten Raum der gutachtlichen Tätigkeit nahmen 
die Aeußerungen betr.die Beseitigung der gewerblichen Abwässer ein. Hier 
war die Frage, ob zweckmäßiger die gewerblichen Abwässer den städtischen 
Kanälen zuzuftthren oder in besonderen Anlagen für sich zu reinigen wären, 
besonders aktuell. Bei der Entscheidung war zu prüfen die ReinigungsmOg- 
lichkoit der gewerblichen Abwässer für sich, dann die Einwirkung der ein¬ 
geleiteten gewerblichen Abwässer auf die städtischen Kanäle, und ferner war 
aut die spätere Reinigungsanlage der Stadt Bedacht zu nehmen. Die Anstalt 
riet, wo es irgendwie angängig war, zur Einleitung der gewerblichen Abwässer 
in die Kanäle, teils mit, teils ohne Vorbehandlung der Wässer auf den be-, 
treffenden Fabrikgrundstücken. ln ausgedehntem Maße worden auch Aeuße- 
r(tagen über die Abwässerbeseitigang der verschiedensten Abwässerarten ein- 

I eholt, so über die Abwässer von Ammoniakfabriken, Beizereien, Gerbereien, 
«derfärbereien, Sauggasfabriken, Talgschmelsen, Kornbrennereien und über 
die Kocherlaugen von Leinengarnbleichereien. Besondere Aufmerksamkeit wurde 
hierbei auch der eventuellen praktischen Verwendungsmöglichkeit der Ab¬ 
wässer entgegengebracht. — Aus der rein wissenschaftlichen Tätigkeit 
ist zu berichten, daß die Untersuchungen über die quantitative Eisenbestimmung 
in Trink- und Brauchwasser beendet sind. Gleichfalls konnten die systemati¬ 
schen analytischen Versuche mit Schlammstoffen vorläufig abgeschlossen werden. 
Zum Abschlüsse geführt wurde ferner auch die Aufstellung von Organismen¬ 
listen füiidie biologische Beurteilung der Gewässer. Die Arbeiten und unter 
dem Titel „Oekologle der pflanzlichen und tiorischen Saprobien* der Oeffent- 
liehkelt übergeben. Des weiteren wurde auch eine Prüfung von Talsperren- 
wlsiera vorgenommea, die ihres baldigen Abschlusses harrt In Bearbeitung 



Kleinere Mitteilungen and fteferate na» teitschriften. 


diö 


der Aufgabe , Aufnahme der biologischen Abwasserreinigungsanlagen* worden 
einige amfangreiche and interessante Versuche auf der Versuchsanlage der 
Anstalt in Cnarlottenburg (Prüfung des Kremer-Imhoff-Apparates, 
Duabar-KOrpers, der Wirkungsweise von Steinkohlen and Mauersteinen 
als biologisches KOrpermaterial) unternommen. Auch die Behandlung von Zell« 
stoff« und Ammoniakiabrikabwis8eni wurde einer systematischen Prüfung unter« 
sogen. Besondere Aufmerksamkeit wurde der Feststellung der in England 
geübten Arten der Abführung und Beinigung von Fabrikabwässern und des 
Abwassers von Industriestädten zugewendet. Zu diesem Zwecke wurde eine 
Boise nach England von zwei Anstaltsmitgliedern ausgeführt. Die Ergebnisse 
stad ln einer größeren Arbeit (unter dem Titel „ Abwässerbeseitigung von Ge* 
werben und gewerbereichen Städten unter hauptsächlicher Berücksichtigung; 
Englands*) niedergelegt und sollen nach Möglichkeit ein einheitliches und 
erschöpfendes Bild von der gesamten gewerblichen Abwasserfrage geben. 

Mich aelssen« Berlin. 


S. S&ugllngsftLraorge. 

Die bei Ihren Müttern verbleibenden unehelichen Kinder und die 
Arbeit des Kinder«Bettungs«Vereins ln Berlin» Von Dr. G. Bahrdt« 
Charlottenburg. Zeitschrift f. Säuglingsschutz; 1909, Nr. 4. 

Die bei Ihren Müttern untergebrachten Kinder sind am besten auf« 
gehoben; eine Hauptursache dafür ist darin zu' sehen, daß ein großer Teil 
der Mütter ihre Kinder selbst stillt. — Der Verein erstrebt ein eigenes Obdach, 
das Mütter und Kinder direkt nach der Entlassung aus der Entbindungsanstalt 
wenigstens so lange aufnimmt, bis eine Pflegestelle gefunden, oder, wenn' 
lsOgUch, die Mutter in die Lage gebracht ist, ihr Kind bei sich au behalten. 

Dr. Wolf«Witzenhausen. 


Gibt es keine Möglichkeit, die unehelichen Mütter mit Ihren Kindern 
mseasuhaltenf Von Frau I. Doelts«Charlottenburg. Zeitschrift für’ 
ßtuglingsschutz; 1909, Nr. 4. 

Eins prompt arbeitende Zentrale für Stellenvermittlung in jeder größeren 
Stadt, wohin sich nach Entlassung aus der Entbindungsanstalt Mutter und 
Kind ohne langes angstvolles Umherirren wenden könnte, wo sie, betör 
genügend Wflchnerinnenheime vorhanden sind, anch im Notfälle einige Nächte 
Obdach fände, wäre das zunächst Notwendige. Die jungen Mütter, wenigstens 
die, welche vom Lande stammen, würden im eigenen Interesse und im Interesse 
dar Kinder am vorteilhaftesten aut dem Lande untergebracht, wo Arbeits¬ 
kräfte gesucht werden, die Unterhaltungskosten würden viel geringer sein. 

Dr. Wolf-Witzenhausen. 


Zu dem Thema* »Wöchnerinnen« und Säuglingsheime“. Von Prof. 
Dr. A. Keller. Zeitschrift, f. Säuglingsschatz; 1909, Nr. 4. 

Es bedarf einer ständigen Belehrung und unermüdlichen Arbeit, um die 
Fürsorge nicht nur um der materiellen Vorteile, sondern um de* Belehrung 
willen populär zu machen. Ebenso wie in der offenen Fürsorge ist die Be¬ 
lehrung in der geschlossenen Fürsorge notwendig, und Aerzte und Pflege¬ 
personal müssen ihren Einfluß geltend machen, um die Mütter für die Anstälts- 
nflege zu gewinnen, bis dieselben sich selbst von ihrem Nutzen überzeugt 
nabdu. Eine Vermehrung der Entbindungs- und WOchnerinnenheime ist not¬ 
wendig, aber es fragt sich, ob die Anstalten auch genügend von den Müttern 
ia Anspruch genommen werden. Hier kann nur die ständige, eindringliche 
Belehrung der Mütter durch Aerzte und Hebammen, Pflegerinnen, Vormünder, 
Verwaltungen uüd Privatpersonen Abhilfe schaffen. Auch durch die Aus¬ 
dehnung des Versicherungsxwanges auf weitere Kreise, wie es in der Beichs- 
vertidkerangsordbung geplant ist, wird eine AenderUng bewirkt werden. 

Dr. Wolf-Witzenhausen. 


Beobachtungen bet Atmenden Müttern. Von Dr. S c h a rf e in KOthen. 
Fortschritte der Medlkin; 1909, Nr. 28. 

Verfasser hat die verschiedenen Methoden; die zur Feststellung, ob 
Ffaumr zum ßtülgetchäft geeignet sind, empfohlen sind, einer Kontrolle unter- 



220 Kleinere Mitteilungen and Referate ans ieitachriften. 

• 

zogen. Er fand, daß nur die makroskopische und mikroskopische Untersuchung 
der Milch befriedigende Resultate lieferten, und ging dabei so vor: & 
ordnete an, daß die Frauen die Kinder planmäßig stets nur an einer Brust 
dreistündlich mit einer sechsstündigen Pause anlegen sollten. Bei der Kon¬ 
trolle wurde dann zuerst das Kind gewogen, auf Gesundheit, Wundsein und 
Reinlichkeit untersucht. Dann wurden die beiden Brüste der Mutter betastet« 
Die Brust, an der das Kind zuletzt getrunken hatte, war schlaffer als die 
andere und fühlte sich wärmer an. Weiter wurde von jeder Brust ein Tropfen 
Milch auf trockenem Objektträger aufgefangen. Der Tropfen ans der Brnst, 
an der das Kind zuletzt getrunken hatte, bildete eine stark konvexe weiße 
Halbkugel; der Tropfen der anderen Brust war dagegen bläulicher oder streifig, 
weniger konvex und zeigte Neigung, aus einander zu fließen. Schließlich wurde 
jeder Tropfen mikroskopisch mit 80facher Vergrößerung betrachtet. Der 
Tropfen der ersten Brust zeigte ein so dichtes Qewimmel feiner, gleichgroßer 
Milchkügelchen, daß man von Milchplasma fast gar nichts sah. Das andere 
Präparat zeigte im ganzen oder wenigstens stellenweise weit spärlicher gleich¬ 
große Milchkügelchen, so daß das Milchplasma deutlicher sichtbar war. 
Dieser Befund entspricht der Differenz des Fettgehaltes zwischen Anfangs¬ 
und Endmilch jeder geruhten Brustdrüse; er ist, wenn keine Nachlässigkeit 
im Stillgeschäft vorliegt, konstant Produziert dagegen die Frau mehr Milch, 
als das Kind trinkt, so treten im mikroskopischen Bilde zwischen den feinen 
Fettkügelchen einzelne gröbere auf; desgleichen finden sich immer mehr, 
zum Teil auch zerfallende Colustrumkörperchen, so daß sie schließlich das 
Bild fast beherrschen. In diesem Falle maß ein zweites Kind angelegt oder 
die Milchpumpe zu Hilfe genommen werden. Produziert dagegen die Mutter 
zu wenig Milch, so werden die Fettkügelchen zuerst seltener, dann kleiner 
und feiner und schließlich staubförmig. Hier muß eine entsprechende Er¬ 
nährung eingesetzt werden. _ Rpd. jun. 


Stlllprämlen und StUlbeihilfen als Mittel im Kumpfe gegen die 
Slnglingssterblichkelt. Von Dr. Schill er- Karlsruhe. Zeitschrift für Säug- 
Ungsfürsorge; 1909, Nr. 10. 

Verfasser unterscheidet .bei der Wirkung der StQlunterstützung: 

1. direkte Wirkungen, 

a) physiologische, durch Besserung der Ernährung der Stillenden, 

b) psychologische, durch das subjektive Gefühl, daß über die Norm hinaus 
etwas für die Stillfähigkeit geschieht; 

2. indirekte Wirkungen, die aus den gewöhnlich die Voraussetzung des 
Bezuges der Stillprämien bildenden Besuch der Fürsorgestelle resultieren, und 
dadurch mit den Stillprämien verbinden 

a) die ärztliche Belehrung über eine zweckmäßige Stilltechnik, 

b> die Beseitigung von Zweifeln hinsichtlich anatomischer Eignung oder 
hinreichender Ergiebigkeit der Brust für das Stillgeschäft, 

c) den so notwendigen psychischen Einfluß des Arztes als Gegengewicht 
gegen die so häufig dem Stillen abträglichen Einwirkungen des Milieus; 

8. induzierte Wirkungen, die bestehen: 

a) in dem propagandistisch wirkenden Beweis der Ueberlegenheit der natür¬ 
lichen Ernährung über die künstliche, wie ihn jedes normal gedeihende 
Brustkind in der Beratungsstelle den Müttern von Flaschenkindern vor 
Augen führt, 

b) in der allmählichen Verbreitung der in der Beratungsstelle erlernten 
richtigen Grundsätze der Säuglingspflege und Ernährung durch die unter¬ 
stützten Mütter in ihrem Bekanntenkreise. 

Da der Erfolg der Stillunterstütsungen im wesentlichen den als indirekten 
und induzierten bezeichneten Wirkungen zuzuschreiben ist, so erhellt daraus 
ohne weiteros, daß die Gewährung von Stillbeihilfen jeder Art unbedingt an 
eine regelmäßige Vorstellung von Matter und Kind in der Fürsorgostelle 
geknüpft sein maß. 

Die Gewährang der Beihilfen sollte weniger als bisher von der Bedürftig¬ 
keit der Frau in materieller Hinsicht abhängig gemacht werden, als vielmehr 
von der Bedürftigkeit in ärztlich-pädagogischer Hinsicht. Vor allen Dingen 
sind gerade Erstlingsmütter, die bei den bisherigen Grundsätzen für die 
Gewährung von Stillprämien häufig keine Berücksichtigung fanden, zu unter- 



Besprechungen. 


221 


stützen, weil eie in der Begel am meisten sachkundiger Belehrung bedürfen 
and dafür zugänglich sind. Ferner sind zarte and schwächliche Franen 
vorzugsweise za bedenken. 

Schon aas diesem Gesichtspunkte scheint es dem Verfasser ein dringendes 
Erfordernis für die Mütterberatungsstellen, nicht nnr das Körpergewicht der 
Kinder, sondern ebenso das der stillenden Mütter regelmäßig za kontrollieren. 
Was nan die zeitliche Aasdehnang der Unterstützungen betrifft, so maß 
zunächst die vielerorts eingeltthrte Karenzzeit bis znm erstmaligen Empfang 
der Stillprämie als gänzlich verfehlt, von falschen Voraussetzungen ausgehend 
und dem Zweck der Stillprämien geradezu zuwiderlaufend entschieden abge- 
lehnt werden. 

Was nun die Gestaltung der Beihilfen, ob sie in Geld oder in Naturalien 
gewährt werden sollen, angeht, so dürfte der Naturalunterstützung der Vorzug 
au geben sein. 

Was die Höhe der Stillunterstützung anbelangt, so richtet sich diese 
natürlich sehr nach den örtlichen Verhältnissen. Als allgemeine Begel kann 
man nur festhalten, daß sie so hoch bemessen sein muß, daß sie nooh als 
genügender Anreiz zum Besuch der Fürsorgestelle dient. 

Dr. Wo 11-Witzenhausen. 


Zur Frage der Stillungsnet und Stlllnngsunftthlgkeit. Von Dr. G. 
Bjelenky. Media. Dissertation der Universität Basel. Leipzig 1909. Verlag 
von G. Thieme. 

Der Verfasser berechnet die Minimalzahl der für 9 Monate Voraussicht* 
lieh stillunfähigen Frauen für Basel auf 74,7 °/o. Die Ursachen der ständig 
zunehmenden Stillungsnot sind dreifach: 1) physikalische, 2) ungünstig ge* 
stellte Lohnarbeit der Frau, 8) andere gesellschaftliche und persönliche Mo* 
mente, Indolenz, Gleichgültigkeit. Dr. Paul Schenk* Berlin. 


Was sollte eine Mutter von der Ernährung nnd Pflege eines Kindes 
jenseits des Säuglingsalters verstehen! Von Prof. Dr. Langsteia. Zelt* 
schtift für SäuglingsBchutz; Jg. I, Nr. 5. 

Verfasser weist darauf hin, daß die wenigsten Mütter heutzutage den 
Gesundheitszustand ihres Kindes im 8äuglingsalter richtig beurteilen können 
und meistens annehmen, daß die Gewichtszunahme allein ausschlaggebend ist. 
Daher ist eine Aufklärung über die Gefahren einer falschen Ernährung, 
namentlich der Ueberernährung mit Milch und Eiern, unbedingt erforderlich. 
Eine gemischte Kost mit Bevorzugung der Vegetabilien macht die Kinder 
nicht nur widerstandsfähiger gegen Krankheiten, besonders gegen die Infek* 
tionskrankheiten, sondern wird auch sicherlich das Auftreten der sog. ezsuda* 
tiven Diathese verhüten. Dr. Wolf- Witzenhausen. 


Besprechungen. 

Dr. W. Oimbal, Nervenarzt in Altona: Taschenbuch nur Untersuchung 
nervOser und psyohlsoher Krankheiten und krankhelterer- 
dächtiger Zustände. Eine Anleitung für Mediziner und Juristen, insbe¬ 
sondere für beamtete Aerzte. Mit 4 Textabbildungen. Berlin 1909. Verlag 
Von J. Springer. Kl. 12°; 170 8. 

Das Heftchen bringt in knappen, kurzen Darstellungen ungefähr alles, 
was man zur Untersuchung Geisteskranker braucht. Der Anfänger und der 
auf diesem Gebiet weniger Erfahrene kann sich sofort leicht orientieren, wie 
er sich bei der Untersuchung zu verhalten und worauf er zu achten hat, aber 
auch dem Psychiater selbst wird es bei Untersuchungen wertvolle Dienste 
leisten können, wenn er über irgend etwas im Zweifel ist oder für irgend eine 
Prüfaog ein praktisches Beispiel braucht. Nicht nnr wer selten, sondern auch 
häufig Geisteskranke zu untersuchen hat, vermißt oft eine kurze und über- 
aichtUche Darstellung der Symptome, der einzelnen Prüfungsmethoden usw.; 
für ihn bildet das Taschenbuch, das man wegen seiner bequemen Form überall 
hin mitnehmen kann, ein sehr geeignetes HilfsmitteL Der Verfasser hat 
cs vorzüglich verstanden, mit größter Sorgfalt und unter Berücksichtigung 



Öesprechungefl. 


Ö8S 

seiner eigenen praktischen Erfahrnngen das in den einseinen Lehrbüchern an* 
sammelte Material in gedrängter Form snsammenzostellen. Auch der beamtete 
Arst wird in dem Handbuch hei seinen Uatennchnngen einen recht bewährten 
Batgeber finden. _ Bpd. jon. 


Dr. B Sohnefer • Hamborg: Allgemeine gerichtliche Psychiatrie. 
Für Juristen, Mediziner, Pädagogen. Berlin 1910. Verlag Ton E. Hol¬ 
mann & Co. KL 12°; 266 8. Preis: geh. 2.40 M., geb. 3 M. 

ln kürzer, klarer und allgemein verständlicher Weise sucht Verfasser 
auch Nichtmediziner in das Wesen der gerichtlichen Psychiatrie eineuführen 
und ihr Interesse für diesen so unendlich wichtigen Zweig der Wissenschaft 
wach zu rufen. In sehr knapper Form hat das Büchlein doch einen sehr reichen 
Inhalt; in 21 kurz gefaßten Kapiteln enthält es das wichtigste, was zum 
allgemeinen Verständnis notwendig ist. Verfasser bringt keine langen wissen* 
schaftliche und theoretische Abhandlungen, sondern schildert an der Hand 
sehr instruktiver, praktischer Beispiele die einzelnen krankhaften Zustände. 
Oie Ausführungen sind so klar, daß auch jeder Laie, für den ja in erster 
Linie dieses Buch bestimmt ist, sie verstehen kann. 8ie werden sicher 
sein Interesse erwecken und dazu dienen, du noch immer bestehende 
Vorurteil gegen den psychiatrischen Sachverständigen zu beseitigen. Auch der 
Mediziner, der keine Zeit und Buhe hat, sich mit größeren Wissenschaft* 
liehen Abhandlungen auf diesem Gebiete zu beschäftigen, wird sich an der 
Hand dieses Buches soweit unterrichten können, daß er als Sachverständiger 
vor Gericht keine klägliche Bolle spielt wie es leider heute noch Öfters ge* 
geschieht Aus dem ganzen Buch spricht eine große Erfahrung, man kann aus 
ihm nur lernen und wenn Bet auch nicht alles, wu Verfasser aasführt, be* 
dingungloB unterschreiben möchte, so kann er eB doch snr eingehenden Lek* 
türe nur empfehlen. Sehr gut sind auch die zum Schluß noch angeführten 
praktischen Fälle, unter denen der von Marie Schneider besonders instruk¬ 
tiv ist. _ Bpd. jon. 


Br. von Vogl, Generalstabsarzt z. O.: Die Sterblichkeit der Siagliage 
und die Wehrflhigkeit der Jugend. Mit einem dreifarbigen Karto¬ 
gramm. München 1909. Lehmanns Verlag. Kl. 8°, 74 S. Preis: geh.2M. 

Oie Ausführungen des Verfassers, die sich auf ein zuverlässiges statisti¬ 
sches Material gründen, ziehen die Verhältnisse in Württemberg, Bayern und 
Oesterreich in Betracht und berücksichtigen in erster Linie die Leistungen der 
Jugend gegenüber den Anforderungen an die Marschfähigkeit. Einen breiten 
Baum in den Erörterungen nimmt die Besprechung der Aetiologie der Säug¬ 
lingssterblichkeit ein. Verfasser gibt Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung und 
zur Hebung der Wehrfähigkeit an. Aus seinen Schlußsätzen sei der erwähnt, 
daß der Wehrkraft aus der Industrialisierung nie Gewinn, der Wehrfähigkeit 
aber mindestens eine Gefahr erwächst. Oie Schlüsse des Verfassers, die sich 
auf großer persönlicher Erfahrung und ein reiches Material stützen, müssen 
als wohlbegründete angesehen werden. Das Buch wird in erster Linie den 
Militärarzt interessieren, in zweiter alle die Aerzte, die durch ihre amtliche 
und praktische Tätigkeit in enger Beziehung zu dieser Frage stehen, also vor 
allem die Medizinalbeamten und Kinderärzte. Bpd. jon. 


Dr. Chutav Tugendreloh, leitender Arzt der städtischen Säuglingsfürsorge- 
stelle in Berlin: Die Matter and S&aglingsfürsorge. Mit Beiträgen 
von Amtsgerichtsrat J. F. Landsberg, Vormundschaftsrichter in Lennep 
und Or. med. Weinberg in Stuttgart. Kursgefaßtes Handbuch. Verlag 
Von Ferdinand Enke. Stuttgart 1909. Gr. 8°; 258 S. Preis: 6,40 M. 

Von diesem groß angelegten Werk ist die erste Hälfte und der erste 
Teil der zweiten Hälfte bisher erschienen, der Schiaß des Werkes ist für den 
Frühjahr 1910 angekündigt. Oie Einleitung gibt zunächst eine Begriffs¬ 
bestimmung und einen historischen Abriß der Mutter- und Säuglingsfürsorge. 
Aus einer erstaunlich großen Zahl von Quellen, die tiefgründige Studien der 
Verfasser erkennen läßt, erfahren wir Uber Schwangerenfürsorge zu allen 
Zeiten und bei allen Völkern. Wir sehen die Sitten und Bechtsansohau* 



Tagesnaehriobten. 


223 


um Aber Geschlechtsverkehr in ihrer wechselnden Bedeatong für du soziale 
Leben und für die Auffassung der Stellung der Frau an unserm geistigen 
Auge vorüberliehen, bis au der Jetztzeit, in der du Problem der „Frau* und 
damit du Problem der Matter- und S&aglingsiürsorge am tiefsten und am 
rein menschlichsten erfafit ist. 

Du zweite Kapitel bringt umfangreiche Statistiken aller Art über 
Fruchtbarkeit der Frau, Einfluß des Alters der Geschlechter auf die Frucht¬ 
barkeit, Einfluß des Stillens auf die Empfftngnis und über eheliche beaw. 
außereheliche Geburten. Sodann folgt eine Säuglingsstati*tik, welche die 
Geburten, die Erkrankungshäufigkeit und die vielberufene Säuglingssterblichkeit 
umfaßt. Im dritten Abschnitt wird über die volkswirtschaftliche Bedeutung 
du Kinderreichtums, über Kindersterblichkeit und die Aufgaben, welche Staat, 
Kommune und private Wohltätigkeit zu läsen haben, gehandelt. 

Das IV. Kapitel enthält juristische Darstellungen über die rechtlichen* 
Verhältnisse der ehelichen und unehelichen Mutter sowie ihres Kindes. 

Mit einem Ausblick auf die voraussichtliche Rechtsentwicklung sehließt 
die erste Hälfte des interessanten Werkes. 

Die zweite Hälfte beginnt im V. Kapitel mit dem sozialgesetzliehen 
Mutterschutz und der Mutterschaftsentwicklung. Der nächste Abschnitt (VI) be¬ 
handelt die Ausbildung der Juristen und Aerzte im Hinblick auf Mutter- und 
8äuglingsfünorge. 

Im VII. Kapitel werden dann Verhältnisse der Hebammen, der Wochen- 
und ßäuglingspflegerinnen besprochen; die Reformpläne der Verfasser in bezug 
auf Vor- und Ausbildung der Hebammen dürften wohl jedem Medizinalbeamten 
aus der Seele gesprochen sein. In den folgenden Kapiteln (VIII—X) werden die 
Schulung des Mädchens zur Frau und Mutter, die Hygiene des Kindesalters, 
die Einrichtung der Rechtsschntzstellen für Frauen und die „offene* Fürsorge 
für Schwangerschaft, Entbindung und Wochenbett einer gründlichen Be¬ 
sprechung unterzogen. Das zur Zeit letzte Kapitel (XI) verbreitet sich an der 
Hand umfangreicher Statistiken über Fähigkeit und Möglichkeit des Stillens. 

Vor jedem Kapitel ist die einschlägige und wohl den Gegenstand völlig 
erschöpfende Literatur angegeben. 

Aus diesem kurzen Deberblick sieht man, welches hohe Ziel sich die 
Autoren gesteckt haben; sie haben es auch meisterhaft verstanden, es su 
erreichen. Eine erstaunliche Fülle Gelehrsamkeit steckt in der klaren, schon 
geschriebenen Darstellung. Jedes Kapitel eröffnet Ausblicke in ungeahnte 
Weiten. Das Werk ist ein vorzügliches Nachschlagebuch für jeden, der 
fortan über Säuglingsfürsorge und damit auch über Mutterfttrsorge, — denn 
ohne diese ist jene nur Stückwerk —, sich unterrichten will. Zwei Tafeln, 
welche die Häufigkeit der Lebendgeborenen im Deutschen Reich nach Kreisen 
geordnet für die Jahre 1898—1902 und nach denselben Gesichtspunkten die 
Säuglingssterblichkeit zeigen sollen, werden dem noch ausstehenden Schlußtejl 
beigegeben werden. Dr. Zelle-LOtzen. 


Tagesnachrichten. 

Aus dum Belohstage. Bei der Beratung des Etats des Reichs- 
amten des Innern, speziell des Gesundheitsamtes, kamen auch ver¬ 
schiedene die Öffentliche Gesundheitspflege und das Medizinalwesen berührenden 
Fragen zur Sprache. In der Sitzung vom 2. März wurden mehrere 
den vermehrten Schutz der gewerblichen Arbeiter betreffenden Resolutionen 
angenommen (8chutz der in der Glasindustrie, in Walz-, Hütten- und Hammer¬ 
werken, Metallschleifereien, bei der Herstellung von Säuren und Teerseifen, 
von giftigen und explosiven Stoffen beschäftigten Arbeiter; Verbot der Be- 
schiftigung jugendlicher Arbeiter unter Tage). Die Bitte des Abg. Prinz 
au SehOnaich-Carolath (nl.) um Einstellung einer höheren Summe in 
den nächstjährigen Etat (jetzt 10 000 M.) zu den Kosten der Zentralstelle für 
Teikswohlfahrt versprach der Staatsminister des Innern Delbrück zu be¬ 
rücksichtigen, falls wieder normale Finanzvorhältnisse eingetreten seien. In 
der 8itsung vom 3. März wurden die in amerikanischen Blättern erhobenen 
Anklagen über angebliche Mlsstände auf deutschen Auswanderer-Schiffen von 
dem Abg. Eraberger (Z.) and dem Direktor des Reichsamtes des Innern 



324 


Tagesnacbricbten- 


v. JeouUres als völlig »berechtigt zurückgewiesen; eine Anträge des 
Abg. Bassermann (nl.) Ober die beabsichtigte gesetaliche Regelung der 
Nachtruhe der Binnenschiffer wurde vom Staatssekretär des Innern dahin 
beantwortet, daß die Ermittelungen darüber abgeschlossen B«ieu, vor weiteren 
Schritten aber auch das Kaiserliche Gesundheitsamt zur Abgabe eines Gut» 
achtens ersucht sei, dessen baldiger Eingang bevorstehe. Weiterhin fand eine 
von den Sozialdemokraten gestellte Resolution, betreffend Untersuchungen übet 
die ArbeltsvCrhSltnisse ln der chemischen Industrie, Annahme, nachdem 
sie von dem Abg. Brey (S.) unter Hinweis auf die gesundheitsschädlichen 
Einwirkungen dieser Arbeit und die in den Betrieben vorhandenen sanitären 
Mängel begründet war. Zu dem Kapitel „Gesundheitsamt* hatte das 
Zentrum eine Resolution gestellt, in welcher der Erlaß allgemeiner Vor« 
Schriften zur Verbesserung der Wohnungsrerhältnlsse der minder bemittelien 
Volksklassen (in bezug auf Lage, Luftraum, Licht, Luft der Wohn«, Schlaf» 
und Arbeitsräume, Zahl und Anlage der Aborte usw.), ferner die Unterstützung 
der Arbeiter« und Beamtenwohnungsvereine und eine Verständigung der eia» 
seinen Bundesstaaten zur Forderung eines gesunden Wohnungswesens ge¬ 
fordert wurde. Die Resolution wurde von dem Abg. Dr. Jäger (Z.) befür¬ 
wortet, während der Abg. Junk(nl.) Einsetzung einer Kommission wünschte, 
von der ein Programm für die Lösung der Wohnungsfrage entworfen wird. 
Der Staatssekretär des Innern Delbrück erkennt die außerordentliche Be¬ 
deutung einer verständigen Fürsorge für gesunde, den hygienischen und 
moralischen Anforderungen entsprechende Wohnungen der minder bemittelten 
Volkski aasen an; die LOsung dieser Frage sei aber in erster Linie Aufgabe 
einer einsichtigen Kommunalpolitik; ein Teil der Kommunen habe auch bereits 
Vorbildliches auf diesem Gebiete geleistet. Die gesetzliche Regelung müsse 
der Landesgesetsgebung überlassen bleiben, eine reichsgesetzliche Regelung 
würde auf zu große Schwierigkeiten stoßen. Im Übrigen werde diese Frage 
von der Reichsregierung, die den gewünschten Zielen wohlwollend gegenüber¬ 
stehe, mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Die Wohnungsfrage kam dann 
■och einmal in der Sitzung am 6. März bei dem außerordentlichen Etat zur 
Besprechung, in dem zwei Millionen zur Förderung veu Kleinwohnungen 
eingestellt sind (zwei Millionen weniger als im Vorjahre), Von den Abgg. 
Dr. Jäger (Z) und Dr. Weber (nl.) wurde eine Erhöhung dieser Summe, 
sowie ein größerer Ausbau des Erbbaurechtes für Wohnungszwecke verlangt. 
Der Staatssekretär des Innern Delbrück sprach sich diesen Forderungen 
gegenüber sehr entgegenkommend aus. Die Resolution des Zentrums wurde 
u der Sitzung vom 4. März angenommen. 

In der Sitzung vom 3. März wrurde dann weiterhin von dem Abg. Kobelt 
die gegen den Genuß von Hackfleisch behördlicherseits erlassenen Warnung 
nnd das Verbot der Konservierungsmittel als zu weitgehend bemängelt; er 
käme doch wesentlich auf die Menge eines zugesetzten derartigen Mittels an, 
um eine gesundheitsschädliche Wirkung hervorzurufen. Jetzt erfolge aber Ver¬ 
urteilung, sobald ein solcher Zusatz überhaupt festgestcllt sei. Er forderte 
ferner eine neue reichsgesetzliche Regelung des Nabrungsmittelverkehrs, die 
im Interesse eines zeitgemäßen und einheitlichen Verfahrens nötig sei. Es müßte 
ein aus Vertretern des Handels, des Gewerbes, der Industrie und des ärztlichen 
Standes gebildeter Gesundheitsbeirat geschaffen werden, der grundlegende 
Bestimmungen für den Verkehr, die Konservierung ubw. von Nahrungsmitteln 
zu treffen hätte. Der Präsident des Reichsgesundhoitsamtes WirkL Geh. 
Ob.«Reg«Rat B u m m, erwiderte später, daß bei der Konkurrenz der Nahrungs¬ 
mittel ln erster Linie das Interesse der Konsumenten und nicht das der 
Händler in Frage komme; eine strenge Kontrolle sei nötig und die Errichtung 
möglichst vieler staatlicher Untersuchungsämter nur freudig zu begrüßen. Der 
Abg. Baumann (Z.) bemängelte in derselben Sitzung die Ausführung des 
Welngesetzes, namentlich in bezug auf die Weinkontrolle; seine Klagen 
wurden sowohl vom Regierungskommissar Geh. Reg.-Rat v. Stein, als vom 
Abg. Dr. Bösicke (k.) als unbegründet surückgewiesen. Zum Schluß dieser 
Sitzung wurden dann noch von dem Abg. Lehmann Klagen über gesundliche 
Mißstände in bezug auf die Bleiweissfabriken und die darin beschäftigten 
Arbeiter vorgebracht, die jedoch am nächsten 8itzungstage vom Präsidenten 
des Reichsgesundheitsamtes und vom Abg. Burckhardt (wirtseb. V.) als 

na«nf**4?Aiul hatfifohfiAt wiwri on 



Tagesnaehricbten. 


225 


j. ln lefr &iisahsf'am 4 . Mais forderten die Abgg, Neuer (natL) 
Burckhardt (wirtscp. VJ eine reichsgesetifllche AegeFung des Apothel 


und 

Apotheken- 

toozeks. Der. Staatssekretär des Innern Delbrück erklärte hierauf, daß 
lieb bei der Darchbejratung der für und vtider dem s. 25. veröffentlichte* 
ApothekeagesettentWhrfs ausgesprochenen Wünsche Und Forderungen ehielil 
Schwierigkeiten ergeben hätten, die in Iffsetf bisher noch nicht möglich g#> 
Wesün leien; er werde jedoch weiterhin bestrebt sein, diese Schwierigkeiten ans 
der Welt nn schaffen. Eine Bitte des Abg. Neuer, der geschäftsmäßige* 
Ausbeutung der HjpnOse die nötige Aufmerksamkeit zu schenken, beantwortete 
der Staatssekretär dahin, daß dies bei Gelegenheit des Kurpfaschereigesetzes *) 
Wtescheheh Werde. Der Wunsch desselben Abgeordneten betreffs Erlasses eins» 
Attdedkereigeseties und strenge Durchführung des YiehseuchengeSetneS 
Würde Bechnnng getragen werden; bei dem ersterea seien noch Schwierigkeiten 
Wagen Ablösung der Privilegien vorhanden, zu dem Viehsedchengesetz würden 
demnächst die eiforderlichen AudtlhrungsanWeisungen erlassen würden/ deren 
Neufassung große Vorarbeiten notwendig gemacht hätten. Der Abg. BrttbnO 
(So*.) brachte Klagen über die fortschreitende Verunreinigung der Haina 
bowie über die Ausnutzung der Kinder in gewerblichen Betrieben und Mi߬ 
handlungen der Zöglinge in einzelnen süddeutschen Pursorgeanstalten j der 
Präsident des Beichsgosundhcitsamts Bumm erwiderte, dsß betreffs der Vor* 
nareigung des Mains die erforderlichen Scbutzmaßregeln bereits getroffen seiet/ 
Der Abg. Leonbart (freis. Volksp.) befürwortete eine von seiner Partei eit* 
gebrachte Besolution betreffend Einstellung weiterer Mittel in den nächsten 
Etat zur Bekämpfung und Erforschung des Alkoholismus; die Besolution 
Wurde aagb&oihihen, nachdem Sie auch vön dem Abg. Burckh&rdt befürwortet 
Wir und der Staatssekretär des Innern Delbrück ebenfalls die Notwendig¬ 
keit der Bekämpfung des Alkoholmißbrauches anerkannt, mit Hecht jedoch 
darauf hingewiesen hatte, daß meistens nicht durch staatliche Maßnahmen/ 
sondern dnreh fortgesetzte aufklärende Tätigkeit seitens der Eltern, Lehrer/ 
Arbeitgeber usw. das Uebel bekämpft werden müsse. 

Auf die Klagen des Abg. Brejski (Pole) über Zunahme der Wnrmkrank- 
kelt, die jetzt auch auf die Ziegeleiarbeiter übertragen werde, bemerkte der Präsi¬ 
dent des Beicbsgesundheitsamts Bumm, daß eine weitere Zunahme nicht statt¬ 
gefunden habe, und es sich bei den Ziegeleiarbeitern nur um ein geschleppte Fälle 
haadeln könne. In derselben Sitzung wurde dann noch die von der konservativen 
Partei beantragte Besolntion betreffs Verhütung des Missbrauchs narkotischer 
Arzneimittel (s.Nr.6 der Zeitschr., S. 184) von dem Abg. y. Treuenfells (b.) 
begründet und die Notwendigkeit gesetzlicher Bestimmungen an der Hand von Bei¬ 
spielen naebgewiesen. Der Präsident des Beicbsgesnndheitsamtes Bumm be¬ 
stritt, daß die jetst geltenden Bestimmungen nicht ausreichten nnd insbesondere 
seitens der Großhändler narkotische Arzneimittel in gesetzwidriger Weise abge¬ 
geben würden. Sollten in dieser Hinsicht seitens der Aerzte Mißbräuche Vorkom¬ 
men, so wäre an Abhülfe mit Hülfe der ärztlichen Ehrengerichte zu denken. Im 
übrigen sei eine Bevision der Kaiserlichen Verordnnng über den Verkehr mit 
Arzneimitteln in Vorbereitung, bei der auch eine schärfere Kontrolle des Gro߬ 
handels ins Auge gefaßt werden würde, falls sich eine solche nach dem Er¬ 
gebnis einer an die Bundesstaaten dieserhaib gerichteten Anfrage als notwendig 
erweisen sollte. Die Besolution wurde trotz dieser Erklärung in derselben Sitzung 
angenommen. — Die von dem Abg. Graf Praschmg (Z) nnd Wilkens(k.) 
gewünschte Einrichtung eines Milchwissenscbaftlichen Instituts wurde vom 
Staatssekretär des Innern Delbrück nicht als notwendig anerkanntdie 
Einrichtung einer Beichsanstalt sei bedenklich, außerdem wende das Beichs- 
geeundheitsamt dieser Frage schon dio erforderliche Aufmerksamkeit zu. 

Bei den Verhandlungen Über den Etat des Beicbsversicberungsamtes 
bemängelten die Abgg. Hoch (Soz.), Wiltberger (Eis.) und Schwarze- 


*) Nach einer öffentlichen Mitteilung in den Berliner Blättern sind ent* 
gegen früheren Mitteilungen die über den Entwurf eines Kurpfuschergesetaes 
in den maßgebenden Kreisen noch herrschenden Meinungsverschiedenheiten als 
beseitigt anzuseben, so daß der Entwarf in nicht zu ferner Zeit dem Bundes- 
rnt vorgelegt yerden dürfte, dem Beicbstage allerdings erst in der nächsten 



22$ 


Tagesnachriohten. 


Lippstadt (Z.) das KeiteafMtsetxuggTerftbrei $ der Abg. B 
dasselbe bereits la der vorhergehenden Sitzung namentlich ml 
die Festsetzung dar Beate bei Leistenbrüchea getan. Der Dii 
amt des Innern Caspar bestritt die Berechtigung diese* Bes 
In der Sitzung am 5. Marz beantragte der Abk. A 
eine Erhöhung der zur Bekämpfung der Slugllngssterbllchk 

{ enteilten Summe Ton 40000 M.; die Abg. Zietsch (Soz.) und 
ofen (kons.) sowie Bassermann (al.), Doormain (lib 
Oppendorf (Z.) schlossen sich diesem Anträge an; der 1 
außerdem, die Anstalt zur Bekämpfung der Säugungssterblichki 
barg dem Beichsgssundheitsamte oder der Universität in Borlh 
Der Staatssekretär des Innern Delbrück lehnte diesen Von 
geeignet ab, die Anstalt sei als Stiftung selbständig und unters 
sehen Medizinalminister; das Reich sei durch ein Mitglied im B 
ausreichend vertreten. Im übrigen sei die Sänglingsfürsorge 
Aufgabe der Gemeinden, ihre erfolgreiche Bekämpfung hänge 
der Sehaffang besserer Wohnung*- und Trinkwasserverhälti 
sieh eine Erhöhung der in den Etat eingestellten Summe a] 
stellen sollte, würde dies in Erwägung gesogen werden. Ein 
mann, daß eine solche Erhöhung im nächstjährigen Etat erfol 
angenommen. — Der Abg. Zietsch (Soz.) bat außerdem un 
Mittelungen über die Tuberkulose als Berufskrankhelt, na 
Porzellan- und Steinarbeiterbranche. 

Zum Schluß wurde der Antrag der Kommission, dii 
10000 Mark als Beitrag zur Forderung des ärstllcben For 
absulehnen, angenommen mit der Resolution, den Reichskann 
mit den verbündeten Regierungen in Verhandlung darüber ein: 
erforderlichen Maßnahmen zur Einführung der Studierenden u 
die soziale Medizin getroffen werden. 


Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 7.d. M. de 
Meichsverieherungsordnung seine Zustimmung erteilt. Der 
Reichstag inzwischen vorgelegt 


Dem Reichstag ist der Entwurf eines Hauzarbeitagose 
der für alle Werkstätten gelten soll, in denen der Arbeitgel 
schließlich Familienangehörige gewerblich beschäftigt oder < 
Personen gewerbliche Arbeit verrichten, ohne von einem bc 
geber beschäftigt zu sein. Diese Werkstätte sollen künftig] 
aufsicht unterstellt werden. Soweit sieh in den einzelnen Gei 
der Art der Beschäftigung Gefahren für Leben oder Gesundhi 
auf Antrag des Gewerbeaufsichtsbeamten die zuständige P 
erforderlichen Maßnahmen anordnen, insbesondere ist folgen« 
Einrichtung und Unterhaltung der Werkstätten, einschlieSlicl 
richtungen, Maschinen und Gerätschaften, daß die Hausarbeite 
für Leben und Gesundheit geschützt sind; insbesondere in 
Licht, ausreichenden Luftraum und Luftwechsel, Beseitigung 
trieb entwickelnden Staubes, der dabei entstehenden Gase D 
zu sorgen. Ferner sind in bezug auf eie Gesundheit und 8itt 
liehen Heimarbeiter unter 18 Jahren und der Heimarbeiterinn* 
Alter und Geschlecht gebotenen Rücksichten zu nehmen. Bei 
bei denen sich Gefahren für die Öffentliche Gesundheitspflege 
lieh bei solchen, welche zur Herstellung, Verschickung odea 
Nahrnngs- oder Genußmitteln dienen, kann die zuständige 
sondere Maßnahmen anordnen, um jene Gefahren auazuschlj 
kann vorgeschrieben werden, daß Räume, in denen Nahn 
mittel hergestellt oder verarbeitet werden, zu bestimmten 
nicht benutzt werden dürfen. Der Bandesrat kann außerdei 
solcher Arbeiten in der Hausarbeit verbieten, die mit erhcihii 
Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit der Hausarbeiter aa?» 
Gesundheit verbunden sind. 04101 



Sprechsaal. 


227 


t i 

Bei der Beratung des Etats des Kultusministerium« am 3. d. Mts. 
erklärte den Herr Minister auf die Frage, ob endgültige Beschlüsse in der 
Bichtung eher etwaigen Abtrennung der Mediiinaubtellnng Ton dem 
Ministerium vorliegen, daß solche noch nicht gefaßt seien, daß man sich aber 
ln den beteiligten Ministerien über grundsätzliche Fragen geeinigt habe, und 
man vermutlich in der nächsten Zeit zu einem endgültigen Beschlüsse kommen 
werde. Eine Entlastung des Ministeriums sei im Interesse der geordneten Ge¬ 
schäftsabwicklung dringend wünschenswert. Diesem Zwecke würde die Ueber- 
Weisung der Medizinalabteilung an das Ministerum des Innern dienen, für die 
nach andere Gründe sprechen. — Die Ueberweisung ist demnach eine be¬ 
schlossene Sache, nur über den Zeitpunkt und gewisse Einzelheiten ist noch 
keine Entscheidung getroffen. _ 


Das Kaiserliche Gesundheitsamt hat Batsehläge an Aerste 
für die Bekimpfung der akuten epidemischen Kinderlähmung ausgearbeitet, 
die bei der Verlagsbuchhandlung von Julius Springer, Berlin N. 24, 
Monbijouplatz 3, erschienen sind und zum Preise von 15 Pfg. für das Exemplar 
portofrei abgegeben werden. Bei Abnahme von 50 Exemplaren tritt eine Er- 

Ä g auf 12 Pfg., bei Abnahme von 100 Exemplaren eine solche auf 
ein. 


Der Westpreußische Provinzial-Landtag hat in einer Sitzung 
vom 3. d. Mts. die 8umme von 1363000 Mark zu dem dringend notwendigen 
Neubau der Provinzial- Hebammen -Lehranstalt in Danzig bewilligt. 


Die Hufelandsche Gesellschaft in Berlin hat für den Alvarlnga- 
Preis (800 M.) das Thema bestimmt: „Wesen und Behandlung der 
Basedowschen Krankheit“. Die Arbeiten sind in deutscher Sprache 
bis aum 1. März 1911 an den Schriftführer der Gesellschaft Prof. Dr. H. Strauß, 
Berlin W. 39, Kurfürstenstraße Nr. 239 zu senden. 


Die diesjährige Versammlung des Deutschen Vereins für Sffentllche 
Gesundheitspflege findet vom 13. bis 16. September in Elberfeld statt. 


Tagesordnung des XXVII« Kongresses für innere Medizin in Wies¬ 
baden vom 17.—20. April. 

Sonntag, den 17. April: Vormittags 9 1 /« Uhr: Sitzung des Ge- 
sehäftakommitees. — Vormittags 10V* Uhr: Sitzung des Ausschusses im 
Kurhause. — Abends von 7 Uhr ab: Begrüßung im Bier-Salon des Kurhauses. 

Montag, den 18. April: Von 9‘/i—3 Uhr: Erste Sitzung. 1 ) 
Eröffnung durch Herrn F. Kraus (Berlin). „Die spezifische Erkennung und 
Behandlung der Tuberkulose.“ Berichterstatter: Herr Schütz (Berlin) und 
Herr Penzoldt (Erlangen). Hierauf Vorträge.*) 

Dienstag, den 19. April. Zweite Sitzung: Vorträge. — 
Abends 6 Uhr: Festmahl im Kurhause. 

Mittwoch, den 20. April: Von 9—3 Uhr: Dritte Sitzung. 
Einreichung der Themata für das nächste Jahr. — Ergänzungswahlen. — 
Erledigung etwaiger Anträge. — Bericht der vom Ausschüsse 1909 gewählten 
Kommissioa über Vorschläge zur Revision der Statuten. Antrag des Geschäfts- 
komitees und des Ausschusses über Statutenänderungen. „Die Entstehung und 
Behandlung der sekundären Anämien.“ Berichterstatter: Herr D. Gerhardt 
(Bnsel). — Vorträge und Demonstrationen. 

Donnerstag, den 21. April: Von 9—3 Uhr. Vierte Sitzung. 
Vorträge. 


i) Sämtliche Sitzungen finden im Neuen Kuihause statt. 
*) Es sind bis jetzt etwa 60 Vorträge angemeldet. 



228 Tagesordnung der Hauptversammlung dei Preaß. MidlzinalbeamteuverehiB. 


Preussischer Medizinalbeamteruerein. 

XXVI. Hauptversammlung 

am ' 

Freitag u. Sonnabend, den 22. n. 28. April 1010 

in 


Tagesordnung: 

Donnerstag, den 21. April: 

8 1 /* Uhr ebenda: BegrQssunge - Abend (mit Damen) im „Rheingold"; 
Eingang: Potsdamerstraße Nr. 8, eine Treppe hoch. 

Freitag, den 22. April: 

9 1 /* Uhr vormittags: Erste Sitzung im „Rheingold ‘ (wie vorher). 

1. Eröffnung der Versammlung. 

2. Geschäfts, und Kassenbericht* 

3. Der Entwurf eines Deutschen Strafgesetsbnehes. Beferenten: Geh. 
Med.-Bat Prof. Dr. Straßmann-Berlin, Gef&ngnisarzt Dr. Fritz 
Leppmann-Berlin und Kreisarzt Dr. Hillenborg-Zeitz. 

2 Uhr nachmittags: Besichtigung des Städtischen Untersuchungs¬ 
amtes ia der Fischerstraße Nr. 89/42 (Eingang Mühlendamm). 

7 Uhr nachmittags: Festessen (mit Damen) im „Bheingold* (wie vorher). 

Bonnabend, den 23. April: 

9‘/» Uhr Tormittage: Zweite 8ltzung im „Rheingold“ (wie vorher). 

1. Die neae Dienstanweisung für die Krelslrste. Beferenten: Med.- 
Bat Dr. Nickel, Kreisarzt in Perleberg, und Kreisarzt Dr. Meder 
in COln. 

2. Torstandswahl; Bericht der Kassenrerisoren. 

3. Beschloss über den Entwurf der Satzungen zum (Tnterst&tsungs- 
fonds. 

1 Uhr mittags: Zwangloses gemeinsames Mittagessen (mit Damen) im 
a Bheingold* (wie vorher). 

8 Uhr naohmltftags: Besichtigungen 1 )- 

8 Uhr abends: Zwanglose Vereinigung I ). 

Um recht zahlreiche Teilnahme, auch von seiten der Mitglieder des 
Deutsches Medizinalbeamten - Vereins, die frenndlichst eingeladen sind, wird 
gebeten. 

Minden, L W., den 8. März 1910. 

Der Vorstand des Preussischen Medizinalbeamtenvereins. 

I. Auftr.: Qeh. Mod.-Bat Prof. Dr. Bapmnnd, Vorsitzender, 

_ Reg.- u. Med. -Rat ia Minden. 

*) Das Nähere darüber wird am Sitsnngstage mitgeteilt. 


Xotia. 

Vom 10. Mära bis 18. April d. J. ist der Herausgeber 
dieser Zeitschrift infolge einer Erholungsreise nach Italien ab¬ 
wesend. Wenn auch für Vertretung gesorgt Ist and Ihm drin¬ 
gende Saohen naohgesohickt werden, so bittet er doch, etwaige 
Zusendungen, Anfragen usw. tunlichst bis an seiner Rückkehr 
an verschieben. 


Bsdsktlos: Geh. Med.-Bat Prof. Dr. Bapmnnd, Beg.- u. Med.-Bat in Minden L W. 

J. 0.0. Brus, Heraegl. Siebs. n. F. Seb-L,. Hofbaebdrsoberei Ib Miadti, 







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28. Jahr&. 


1910. 


Zeitschrift 

für 

MEDIZINALBEAMTE 


ZsntnüUatt für du (Maats ÜMunlMitMMM, 

für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenwesen. 

Herausgegeben 

TOB 

(Ml Med.-Rat Prot Dr. OTTO RAPMOND, 

BtfleruBfs- und Medlilnalrat 1b Miadea 1. W. 

Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, Sächsischen, 
WOrttembergischen, Badischen, Mecklenburgischen und Eisass-Lothringischen 

Medizinalbeamtenvereins. 


Verlag von Fischer’s mediz. Bnehh&ndlg., E Kornfeld, 

HaraogL Bayer. Hof- u. BnbanogL u^mwiT.iinrtiiiSiiaiar 

Berlin W. 35, Lützowstr. 10. 

Inserate aehmea die Verlegt handlang sowie alle AnnoBoeaeacpeditloBeB des In- 
and Auslandes eatgegen. 


Nr. 7. 


ImhelBt mm S. nt 90 . Jedem Memmta. 


5. April. 


Die Reform der inneren Verwaltung in Preussen und die 

Medizinalbeamten. 

Von Kreisarzt Dr. Boersohmann in Bartenstein. 

Vldeaat eonsnies —. 

Der Deutsche Beichsanzeiger and Königlich Preußische 
Staatsanzeiger veröffentlichte am 10. Juni 1909 die Allerhöchste 
Kabinetsorder, durch die eine besondere Immediatkommission 
unter dem Vorsitz des Ministers des Innern zur Vorbereitung der 
„als notwendig erkannten Reform der gesamten inneren Ver¬ 
waltung“ eingesetzt wurde mit der Aufgabe: 

„in der Bichtang des von Mir nach Beratung im Kronrate in seinen 
Qrnndz&gen gebilligten Beformplanes za prüfen, welche Äenderangen der ge¬ 
setzlichen and Verwaltangsvorschriftcn im Sinne der Ver einfach an g and De¬ 
zentralisation es bedürfen wird, um die Gesch&ftsformen, den Behördenaufbau, 
die Verteilung der Verwaltongsgeschäfte auf die Behörden und die Ordnung 
des Bechta mittelwegee and der Instanzenzüge in der gesamten inneren Ver¬ 
waltung den Anforderungen der heutigen Entwickelung des Öffentlichen Lebens 
anzupassen.“ 

Schon lange haben weitschauende, auf das Staatswohl be¬ 
dachte Männer warnend ihre Stimme erhoben: Veraltet and rück¬ 
ständig wäre das ganze jetzige Verwaltungssystem, die ver¬ 
schiedenen Zweige könnten sich nicht fruchtbar entfalten: auch 
das Zusammenwirken der einzelnen VerwaltnngBgebiete ließe viel 
zu wünschen übrig; die Geschäfte vollzögen sich immer schwer- 











280 


Dr. Boeraclunuui. 


fälliger trotz eines großen Heeres von Beamten. Alles in allem, 
die Jetzige Verwaltung entspräche in keiner Weise den Anforde¬ 
rungen des öffentlichen Lebens der Neuzeit und bedürfe dringend 
einer Beform. Mit freudiger Dankbarkeit ist deshalb die Aller¬ 
höchste Initiative begrüßt, die nicht kleine Abänderungen, sondern 
eine Reform von Grund auf, eine Reform an Haupt und Gliedern 
wünscht. Das verbrauchte Räderwerk der Staatsmaschine soll 
nicht ausgebessert, sondern es soll gegen ein neues ausgewechselt 
werden, welches schwerere Bedingungen erfüllen kann wie das 
bisherige. 

Bei jeder Einrichtung, welche an die Stelle einer alten, 
nicht mehr zeitgemäßen treten soll, ist die Untersuchung einer 
Frage äußerst zweckmäßig, ja von entscheidender Bedeutung für 
den Erfolg des neuen Unternehmens: Aus welchen Gründen 
überlebte sich das alte System? Die innere Verwaltung eines 
Staates, organisiert im Interesse des Wohles der Staatsbürger, ist im 
höchsten Maße abhängig von der Entwickelung des öffentlichen 
Lebens. Es bleibt zu untersuchen, welche Faktoren dazu bei¬ 
getragen haben, so bedeutende Veränderungen im öffentlichen 
Leben herbeizuführen, daß die bisherigen Einrichtungen in dieser 
Beziehung versagen. Das sind dann dieselben Faktoren, auf die 
bei der Umformung der größte Wert zu legen ist. Unzweifelhaft 
sind es in erster Linie die gewaltigen technischen Fort¬ 
schritte und Errungenschaften, welche im wesentlichen 
das öffentliche Leben der letzten Jahrzehnte beeinflußten und 
anders gestalteten. Hand in Hand mit den großen, kaum ge¬ 
ahnten Erfolgen der Techniker, die ihre Tätigkeit auf fast alle 
Zweige des wirtschaftlichen Lebens ausdehnten, gingen erfolg¬ 
reiche Forschungen auf wissenschaftlichen Gebieten, nicht zum 
wenigsten sprechen hier die letzten, epochemachenden Ent¬ 
deckungen in der Medizin mit. Handel, Gewerbe und Landwirt¬ 
schaft zogen ihre Nutzanwendungen; sie machten sich die Er¬ 
rungenschaften der technischen Wissenschaften bald zu eigen; 

g ewisse Industriezweige wurden vollständig abhäugig von weiteren 
'ortschritten in der Technik. Ueberall formte die Technik um, 
schuf Neues und veränderte die Wirtschaftslage des einzelnen 
und des Staates. Fraglos werden dadurch auch die ideellen Werte 
des Menschen beeinflußt und steigen im Kurse. Technik ist nicht 
gleichbedeutend mit Kultur, aber unsere Kulturverhältnisse sind 
schon heute im wesentlichen abhängig von der Entwickelung der 
technischen Wissenschaften. Die Jetztzeit ist nun aber sicherlich 
nur erst die Anfangsperiode einer Zeitepoche, in der die tech¬ 
nischen Wissenschaften nach jeder Richtung hin die Situation 
beherrschen werden, des „Zeitalters der Technik.“ 

Bei einer Reform der Organisation, die für das 
gesamte öffentliche Leben da ist, muß daher not¬ 
wendig der größte Wert gelegt werden auf die Ent¬ 
wicklung der technischen Wissenschaften und ihre 
Beziehungen zu den Lebens- und Erwerbsverhält¬ 
nissen der Bevölkerung. 



Die Reform der inneren Verwaltung in Preußen and die Medidnalbeamten. 281 

Außer dem historisch begründeten teleologischen Prinzip, das 
bei einer Umformung der inneren Verwaltung in zweckmäßiger 
Weise zn verwerten ist, möchte ich noch auf ein allgemeines 
Gesetz hinweisen, das, wie fiberall im Leben, auch in dieser Frage 
ganz erheblich mitspricht. Etwas Neugeschaffenes hat für uns, 
in relativen Bedingungen lebende Menschen, nur dann Nutzwert, 
wenn es entwicklungsfähig ist. Bestlos Geschaffenes, ohne oder 
mit nur geringer Tendenz, einen Teil von sich oder sein Ganzes 
fortschreitend nach positiver Richtung hin zu verändern, ist bald 
erledigt; sein Wert ist zu gering, als daß er als Nutzwert in 
Frage kommt. Es ist eine Eunst, das Hauptcharakteristikum 
für eine solche Entwicklung richtig zu bestimmen; durch die 
Erkenntnis desselben ist es erst möglich, die geplante Neu- 
grfindung ohne größere Fehler in Szene zu setzen. Bedingung 
dabei ist, daß dieses Hauptcharakteristikum auch benutzt wird 
und bei der Aufstellung des Ganzen, herausgehoben aus einer Zahl 
weniger bedeutender Faktoren, in erster Linie Berficksichtigung 
findet; denn alles andere ist wenig oder gar nicht entwicklungs¬ 
fähig im Verhältnis zu dem einen Faktor, der im Rahmen des zu 
Schaffenden das leitende Motiv, die führende Rolle bildet. 

Indem ich diese Erwägungen mehr philosophischer Art ver¬ 
lasse, möchte ich in Anwendung auf den speziellen Fall sagen: 
Da es feststeht, daß die technischen Wissenschaften den größten 
Einfluß auf das heutige öffentliche Leben haben und zunächst 
sich noch immer weiter entwickeln müssen, so muß mit ihnen bei 
der Neugestaltung der inneren Verwaltung in besonderer Weise 
gerechnet werden. 

In richtiger Erkenntnis der eminenten Bedeutung, welche 
der Reform der inneren Verwaltung beizumessen ist, in richtiger 
Erwägung, daß Fehlgriffe in der Organisation unberechenbaren 
Schaden anrichten müssen bei den intensiven Ansprachen, die 
heute das öffentliche Leben stellt, haben eine Reihe von Körper¬ 
schaften, Beamtenkategorien u. a. zu der Reform an sich und zu 
gewissen Vorschlägen Stellung genommen, die von mehr oder 
weniger autorisierter Seite mehrfach in dieser oder jener Richtung 
gemacht worden sind. 

Auch die Pflicht der Medizinalbeamten ist es, nicht nur 
ihr Recht, die Aufmerksamkeit der bei dem Zustandekommen der 
Neuorganisation der inneren Verwaltung, sei es als Ratgeber, sei 
es als Gesetzgeber mitwirkenden Persönlichkeiten und Körper¬ 
schaften auf ihr Spezialgebiet zu lenken. 

Das große Gebiet des öffentlichen Gesundheitswesens 
ist eine tedmische Wissenschaft, und die Medizinalbeamten, die im 
öffentlichen Gesundheitsdienste als Staatsangestellte stehen, sind 
technische Beamte. Es erübrigt sich zu beweisen, von welcher her¬ 
vorragenden Bedeutung für die Erhaltung der Volkskraft gerade 
die öffentliche Gesundheitspflege ist; es wird ja auch allgemein 
anerkannt, was die Medizinalbeamten in ihrem Dienst geleistet 
haben. Das öffentliche Gesundheitswesen steht in enger Ver¬ 
bindung mit anderen Zweigen der Wissenschaft, namentlich der 



282 


Dr. Boerschmann. 


medizinischen Wissenschaft nnd der Technik — es arbeitet aber 
an der Hand der sozialen Gesetzgebung. 

Die Medizinalbeamten müssen auf allen Gebieten der tech¬ 
nischen Wissenschaften, die nach irgendwelcher Richtung hin im 
Interesse der Volksgesundheitspflege vorteilhaft zu verwerten sind, 
Bescheid wissen; sie müssen auch einzelne Zweige der Wissen¬ 
schaft und technischen Fächer zu besonderen Studien auf gewissen 
Spezialgebieten anregen, damit Fortschritte in dieser Beziehung 
dem öffentlichen Gesundheitswesen zugute kommen können, ja sie 
haben sich zum Teil sogar selbst an die Spitze wissenschaftlicher 
Forschungen bereits gestellt und sind bahnbrechend gewesen für 
ganz neue Anschauungen in der Naturwissenschaft und Medizin. 
Die Entdeckungen unseres größten Medizinalbeamten, Robert 
Koch8, in der Bakteriologie und Biologie gehören zu den be¬ 
deutendsten Errungenschaften der neueren Zeit. Durchleuchtet 
haben sie das dunkle Gebiet einer Reihe von Krankheiten, denen 
die Menschheit zum großen Teile rat- und machtlos gegenüber- 
stand, ja die neuesten Erfolge der bakteriologisch-biologischen 
Wissenschaft zeigen kaum geahnte Ausblicke auf das Verhalten 
der einzelnen Lebewesen zu einander; sie lassen eine neue Dia¬ 
gnostik und Therapie entstehen auf Grund der Erforschung der 
verschiedenen chemischen und physikalischen Verhältnisse, die 
nach dieser oder jener Richtung hin sich bei den biologischen 
Experimenten entwickeln lassen und wahrscheinlich nichts weiter 
bedeuten, als die Differenzierung eines großen allgemein gültigen 
Naturgesetzes. Auf dem Gebiete der Volksgesundheits¬ 
pflege sind aber diese Entdeckungen die Unterlage 
gewesen für die heutigen staatlichen Maßnahmen zur 
Bekämpfung der gemeingefährlichen und übertrag¬ 
baren Krankheiten. 

Der Medizinalbeamte hat deshalb die staatlichen Gesetze zu 
kennen, soweit sie für die Volksgesundheit und im weiteren Sinne 
für die Volkswohlfahrt in Frage kommen; er muß diese Gesetze 
ebenso gut beherrschen wie der Verwaltungsbeamte. Seine Vor¬ 
schläge und Anordnungen dürfen sich lediglich im Rahmen der 
bestehenden Gesetzesvorschriften bewegen. Die Befolgung seiner 
Dienstanweisung und die Arbeit, welche ihm sonst durch die 
Medizinalgesetzgebung aufgetragen ist — das sind für den Medi¬ 
zinalbeamten die Mittel, deren er sich bedient, um Besserung der 
Volksgesundheit insgesamt, um eine allgemein stetig fortschreitende, 
möglichst vielseitige Assanierung herbeizuführen. Das ist die 
Arznei des Arztes, welche den Kranken heilen soll, oder noch 
besser: Die Klinge des Gesetzes ist für den Medizinalbeamten 
das Messer des Chirurgen. Auch hier hat er die Schaffung 
weiterer gesetzlicher Bestimmungen anzuregen, um immer neue 
Mittel in die Hand zu bekommen zur Bewältigung der Riesen¬ 
aufgaben, die auf dem Gebiete der öffentlichen Gesundheitspflege, 
der gesamten Volks Wohlfahrt aufs neue erwachsen. 

Es ist keine Sisyphusarbeit zu vollbringen. Die Medizinal¬ 
beamten haben gezeigt, daß sie segensreich wirken können: Die 



Die Befora der inneren Verwaltung in Preußen and die Medüdnalbeamten. 288 


Besserung der sanitären Verhältnisse unseres engeren Vater¬ 
landes ist unverkennbar. In mustergültiger Weise sind die ein¬ 
zelnen Fortschritte auf dem Qebiete des Gesundheitswesens, nach 
Spezialgebieten geordnet, zusammengestellt in der Festschrift zur 
Feier des 25jährigen Bestehens des Preußischen Medizinalbeamten¬ 
vereins „Das Preußische Medizinal- und Gesundheitswesen in den 
Jahren 1883—1908“. Bei Gelegenheit dieser Feier sagte der 
damalige Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal- 
Angelegenheiten Dr. Holle in seiner Ansprache an die ver¬ 
sammelten Medizinalbeamten: „Diese trefflichen Leistungen haben 
Ihren Stand und seine Bedeutung in der öffentlichen Schätzung 
gehoben. Sie haben bewiesen, wie durch Pflichttreue und nn- 
ermfldliche Arbeit die preußischen Medizinalbeamten schwer¬ 
wiegende Aufgaben lösen können.“ Aus diesen Worten spricht 
ein hoher Grad von Wohlwollen und unbedingtes Vertrauen zu 
den Medizinalbeamten. Aber auch sein Vorgänger, der Minister 
Dr. von Studt, hat stets ein regesinteresse für das ihm unter¬ 
stellte Medizinalwesen gehabt; in der Zeitschrift für Medizinal¬ 
beamte, Jahrgang 1907, heißt es: „Jedenfalls dürfte zu keiner 
Zeit das preußische Medizinalwesen so große Fortschritte auf- 
zuweisen haben, wie in den letzten Jahren; es kann daher der 
scheidende Minister auf eine recht segens- und erfolgreiche Tätig¬ 
keit nach dieser Richtung hin zurückblicken, die ihm ein bleiben¬ 
des Andenken sichern wird.“ 

Dankbar werden wir Medizinalbeamte dem Ministerium sein, 
das stets bereit war, unsere Ziele und Bestrebungen auf sanitärem 
Gebiet nach jeder Richtung hin zu fördern, und das auch Ver¬ 
ständnis hat für die Wünsche, die sich auf Amtsstellung und Ge¬ 
halts Verhältnisse bezogen. An zentraler Stelle und von den ge¬ 
setzgebenden Körperschaften ist eingesehen worden, daß wie 
überall, so auch hier die Person von der Sache sich nicht trennen 
läßt: Soll für die Hebung der Volksgesundheit und 
die Erhaltung der Volkskraft in richtiger Weise ge¬ 
sorgt werden, so muß ganze Arbeit geschaffen werden, 
und das kann nur geschehen von Männern, die ihr 
Wissen und Können lediglich in den Dienst der öffent¬ 
lichen Gesundheitspflege stellen, und dann volle, 
ganze Kräfte bedeuten, denen mit die wichtigsten 
Aufgaben im Staate übertragen sind. 

Ein unverkennbarer Fortschritt ist nach dieser Richtung zu 
bemerken; trotz der vielen Schwierigkeiten liegen die Erfolge 
klar und deutlich vor Augen. Gerade in den letzten zehn Jahren, 
wie hat sich da das ganze Medizinalwesen entwickelt! Das Kreis¬ 
arztgesetz vom Jahre 1899, ein Werk, geschaffen als Folge einer 
absoluten Notwendigkeit, aber in richtiger Erkenntnis der be¬ 
deutungsvollen Aufgaben der neuentstandenen Beamten, hat schon 
an sich einen hohen inneren Wert, aber nicht zu vergessen ist — 
und das ist ja das ausschlaggebende Kriterium einer Neueinrich¬ 
tung — es ließ der Entwicklung freie Hand. 

Das Ziel der Entwicklung der Stellung und Tätigkeit der 



284 


Dr. Boerschmann. 


Medizinalbeamten ist noch lange nicht erreicht, aber schon die 
letzten 10 Jahre zeigen dem aufmerksamen Beobachter, nach 
welcher Richtung der Fortschritt in bezug auf die Dienstobliegen- 
heiten des Kreisarztes sich bewegt, and ich möchte als besondere 
Etappen in dieser Weiterentwicklung bezeichnen: 1900 das Reichs¬ 
gesetz, betreffend die Bekfimpfnng gemeingefährlicher Krank¬ 
heiten, 1901 die mnstergflltige alte Dienstanweisung, 1905 das 
Preußische Gesetz, betreffend die Bekämpfung übertragbarer 
Krankheiten, 1906 die Ausführungsbestimmungen dazu, 1908 die 
Bauschalierung der Reisekosten und Tagegelder, 1909 die neue 
Gehaltsregelung und nicht zum wenigsten in demselben Jahre die 
neue Dienstanweisung. Aus dem alten Kreisphysikus, der 
wenig mehr als medizinischer Sachverständiger war, 
ist der staatliche Gesundheits’beamte geworden, dem 
immer mehr Pflichten auferlegt, aber auch mehr 
Rechte gewährt worden sind. 

Es ist unverkennbar, daß seine Zuständigkeit, seine Selbst¬ 
ständigkeit bisher stets zugenommen hat, so daß er nicht mehr 
lediglich ein Berater in gesundheitlichen Angelegenheiten ist, 
sondern daß er immer mehr an der Hand der bestehenden Gesetze 
und auf Grund seiner Dienstanweisung als handelnde Person 
mit eigener Initiative auftritt. Die Entwicklung der 
kreisärztlichen Funktionen gerade nach dieser Richtung hin ist 
etwas Selbstverständliches und ist begründet in der Art der 
Materie, in der der Medizinalbeamte tätig ist, und die, wenn 
positive Arbeit geleistet werden soll, frisch und unentwegt, mit 
Lust und Liebe behandelt werden will. 

„Der Kreisarzt ist eben nicht mehr wie früher eine quantite 
nögligeable auf dem Gebiete des öffentlichen Gesundheitswesens, 
sondern mit Recht ein Faktor, mit dem in allen gesundheitlichen 
Fragen nicht bloß seitens der staatlichen und kommunalen Be¬ 
hörden, sondern vor allem auch seitens der Bevölkerung gerechnet 
wird, und der sich nicht wieder ausschalten läßt“, ich zitiere hier 
die äußerst zutreffenden Worte Rapmunds in der Zeitschrift für 
Medizinalbeamte, Jahrgang 1907, Seite 54. 

In jeder Hütte, in jedem Palast macht sich schon heute die 
Wirksamkeit der Medizinalgesetzgebung und das Walten der 
staatlichen Gesundheitsbeamten in segensreicher Weise geltend. 

Es ist vieles in sanitärer Beziehung zur Besserung der Volks- 
gesundheit geleistet worden, aber noch Größeres ist zu vollbringen, 
und wieder können es nur die Medizinalbeamten sein, denen die 
Lösung dieser höheren Aufgaben obliegt. Wir arbeiten jetzt an 
der Hand eineB Reichs- und LandesseuchengeBetzes, betreffend die 
Bekämpfung der gemeingefährlichen und übertragbaren Krank¬ 
heiten, — ich glaube die Zeit ist nicht mehr fern, wo auch wir, 
wie zum Teil andere Nationen, ein Gesetz haben werden, welches 
gerade für den heutigen Stand der Entwicklung des öffentlichen 
Lebens die größte Bedeutung hat, ein Gesetz betreffend die Be¬ 
kämpfung vererb barer Krankheiten, ein Gesetz gegen die 
bösesten Feinde der heutigen Kulturmenschen, gegen Alkoholismus, 



Die Reform der inneren Verwaltung in Preußen und die Medisinalbeunten 286 

Krebs, Syphilis and Tuberkulose. Die staatliehen Maßnahmen 
gegen diese Krankheiten, die die weitesten Schichten der Be¬ 
völkerung in Mitleidenschaft riehen, unermeßlichen Schaden der 
Gesundheit von Generationen anrichten und ungeheure Werte ver¬ 
nichten, sind vollkommen unzureichend und stecken gewisser¬ 
maßen in den Kinderschuhen. Einige kleine Maßnahmen mehr 
sind wohl in der neuen Dienstanweisung für die Kreisärzte vor¬ 
gesehen, indeß bestehen sie in der Hauptsache nur darin, daß der 
Kreisarzt private Unternehmungen nach dieser Richtung hin an¬ 
regen, unterstützen und sich an die Spitze solcher Bestrebungen 
steilen soll. Von einer gründlicheren Behandlung dieser hoch¬ 
wichtigen Fragen hängt ein ganz bedeutender Teü Volksgesund¬ 
heit der jetzigen und künftigen Generationen ab. Jedenfalls 
werden es auch hier wieder die öffentlichen, staatlichen Gesund¬ 
heitsbeamten sein, denen ganz besonders wichtige Aufgaben nach 
dieser Richtung hin gestellt werden müssen, und je mehr ihnen 
freie Hand gelassen wird, je größere Verantwortung 
ihnen auferlegt wird, um so größer werden die Er¬ 
folge sein, und je früher dieses geschieht, um so eher 
fingt der Staat an, Nutzen aus seiner Medizinalgesetz¬ 
gebung zu haben, der sich rasch ins Unermeßliche 
potenzieren muß, falls von den richtigenMftnnern an 
richtiger Stelle und in richtiger Weise gearbeitet 
wird. 

Weil nun eben die staatlichen Gesundheitsbeamten besonders 
wichtige Aufgaben im Interesse des Staates und des gesamten 
öffentlichen Lebens zu erfüllen haben, wird eine Reform der 
inneren Verwaltung des Staates für sie und ihre Tätigkeit auf 
dem Gebiete des Medizinal- und Gesundheitswesens von größter 
Bedeutung sein müssen, insbesondere auch im Hinblick auf der 
gewaltigen Aufgaben, die ihrer noch unbedingt harren. 

Schon mehrfach sind Ansichten in Tagesblättern und Fach¬ 
zeitschriften geäußert worden, welche Stellung, d. h. folgerichtig, 
welche Dienstobliegenheiteu die Kreisärzte für die Zu¬ 
kunft in der neuen Verwaltung haben sollen? In einem län¬ 
geren Artikel der Schlesischen Zeitung, „Zur Verwaltungsreform in 
Preußen* 1 , der im März 1909 erschien, heißt es unter anderem: 

„Zwischen den Inhabern der technischen Dienststellen and den Land¬ 
riten ist nicht immer die persönliche und geschäftliche Verbindung vorhanden, 
welche im allseitigen Interesse gefordert werden muß, und der anscheinend 
sunehmenden Neigung, sich vom Landratsamte tunlichst frei au machen, kann 
nur durch andere Organisation der dienstlichen Besiehungen ein Ende be¬ 
reitet werden.* 

Der Verfasser kommt zu dem Schluß, daß es das richtige 
wäre, die landrätliche Befagnis zu erweitern und zwar auch 
gerade den technischen Beamten gegenüber. Dann sagt er, der 
Grundgedanke der in Frage stehenden Reform wäre der: „Die 
Geschäfte an der richtigen Stelle in fruchtbringender Verbindung 
mit Land und Leuten erledigen zu lassen.* 

Wer ist nun aber diese richtige Stelle, sobald es sich um 
Fragen auf dem Gebiete des Gesundheitswesens handelt? Folgende 



286 


Dr. Boerschmznn. 


Leitsätze werden von demselben Verfasser aufgestellt, worauf sich 
die Reform nach seiner Ansicht vornehmlich zn richten hat: 

1. Vereinfachung des Instanzenxuges and des Verfahrens, 

2. Vereinfachung und Erneuerung des bureaukratischen Geschäftsganges 
und seiner Formen: 

8. Vereinfachung und Verbesserung der Verwaltung durch Dezentrali¬ 
sation der Dienstgeschäfte im Sinne der Verteilung an die sachlich und Örtlich 
geeigneten Behörden; 

4. Vereinfachung und Verbesserung der BehOrdenorganisation im Sinne 
des Zusammenschlusses unter einheitlicher Leitung. 

Die Erweiterung der landrätlichen Befugnisse 
wird auch in mehreren Essays im Preußischen Verwaltungsblatt 
vom Jahre 1909 gefordert; in Nr. 40 dieser Wochenschrift heißt es: 

„Eine gewisse sachliche Unterordnung der technischen Kreisbeamten — 
Kreisbauinspektor, Kreisarzt, Kreisschulinspektor, Kreistierarzt — wird im 
Interesse der einheitlichen Verwaltung unvermeidlich sein,“ 

und weiter: 

„Der Landrat muß die Disziplin erster Instanz über die ihm ungeteilten 
staatlichen Beamten haben.“ 

Von anderer Seite (Nr. 52 des Preußischen Verwaltungs¬ 
blattes von 1909) wird die Errichtung einer kollegialen Behörde 
gewünscht: Landrat bezw. in Stadtkreisen der Polizeiverwalter, 
ein juristischer Beirat als Stellvertreter, die betreffenden tech¬ 
nischen staatlichen Kreisbeamten und Mitglieder der kommunalen 
Körperschaften. 

Gegen eine erweiterte Machtstellung des Landrats sind jedoch 
auch mit Recht Bedenken geäußert, so in Nr. 24 des Preußischen 
Verwaltnngsblattes: 

„Man würde dadurch das Ansehen und die Stellung der technischen 
Kreisbeamten zu sehr herabdrücken. Das erscheint um so bedenklicher, als 
die Landr&te vielfach an Alter und praktischer Erfahrung hinter den tech¬ 
nischen Beamten, die meist erst in mittleren Jahren in ihre Aemter einrücken, 
erheblich zurückstehen. Selbst eine Rangerhöhung der Landr&te würde nicht 
imstande sein, einer solchen Subordination ihren Stachel zu nehmen; Beibungen 
und Zwistigkeiten persönlicher Art würden h&ufig sein. Dagegen ist wohl zu 
erwägen, ob nicht aen Landr&ten das Recht zugestanden werden soil, die tech¬ 
nischen Beamten der Kreisinstanz als Berater und Sachverständige bei den 
Geschäften der allgemeinen Landesverwaltung heranzuziehen. k 

Die obigen Vorschläge inbezug auf die Erhöhung 
der Machtbefugnisse des Landrats bedeuten eine De¬ 
zentralisation auf Kosten der selbständigen Stellung 
der staatlichen technischen Beamten. Sie sollen in 
väterliche Aufsicht genommen werden; denn „sie haben an¬ 
scheinend die Neigung sich vom Landratsamte tunlichst „frei¬ 
zumachen 8 . Welche Verkennung der tatsächlichen Ver¬ 
hältnisse! Nicht die technischen Beamten sind schuld, daß die 
Leistungsfähigkeit der Staatsmaschine erlahmt, daß an fast allen 
Stellen mit einem Bombast von Schreibwerk und einem hohen 
Grad von Unübersichtlichkeit und so kompliziert gearbeitet wird, 
daß die Resultate dem bedeutenden Verbrauch an geistiger und 
körperlicher Kraft nicht entfernt entsprechen. Die heutige Ent¬ 
wicklung des öffentlichen Lebens, von den Fortschritten der tech¬ 
nischen Wissenschaften im höchsten Grade abhängig, ist die 
Ursache, welche eine Neugestaltung der inneren Verwaltung not- 



Die Reform der inneren Verwaltung in Preußen und die Mediiin&lbeamten 237 


wendig macht, und eine Dezentralisation muß gerade diesem 
Umstande Rechnung tragen. Mit einer Beschränkung der tech¬ 
nischen Beamten in bezug auf Stellung und Tätigkeit wird fraglos 
die ganze Entwicklung des Öffentlichen Lebens zum schlechteren 
Teile beeinflußt. Wenn der Kreissrzt in „sachlicher Beziehung”, 
d. h. in Medizinalangelegenheiten und in Angelegenheiten des 
Öffentlichen Gesundheitswesens, dem Landrat untergeordnet sein 
soll, so ist das ein contradictio ad absurdum, weil er doch gerade 
der „Sachverständige” ist. Er ist aber nicht nur Sachverständiger, 
sondern er ist ein unentbehrlicher Mitarbeiter in der Verwaltung 
geworden, der selbständig handelt in besonderer abgemessener, 
entwicklungsfähiger Fanktion im Getriebe der großen Staats¬ 
maschinerie. Ich glaube, jeder einsichtsvolle Landrat, der nicht 
überall seine Hand im Spiele haben will, der nicht alles selbst 
bestimmen und selbst erledigen will — dieses Bestreben wird ja 
gerade den zentralen Behörden zum Vorwurf gemacht — jeder 
einsichtsvolle Landrat ist froh, wenn die Sorge und 
auch die Verantwortung für das leibliche Wohl in 
bezug auf die Gesundheit der Kreiseingesessenen und 
die Abänderung sanitärer Mißstände ihm ganz und 
gar von dem Kreisarzt abgenommen wird. Schmälert 
man aber die Amtsbefugnisse und die Initiative des Kreisarztes, 
so werden die Medizinalbeamten bald ein schemenhaftes Dasein 
führen, die Bevölkerung wird wenig Vertrauen zu ihnen fassen; 
sie werden weniger zu bedeuten haben, d. h. weniger positive 
Arbeit leisten als Subalternbeamte. Fraglos werden sie sich dann 
auch aus einem schlechteren Material rekrutieren; denn die 
Tätigkeit des Kreisarztes verliert in idealer Beziehuug, seine 
Dienststellung ist für ernst denkende Männer nicht mehr er¬ 
strebenswert; persönliche und rein materielle Motive werden dann 
für das Ergreifen der Medizinalbeamtenlaufbahn maßgebend sein. 
Wenn in Nr. 40 des Preußischen Verwaltungsblattes vom Jahre 
1909 mit Rücksicht auf die Stärkung der landrätlichen Stellung 
gesagt wird, wie beim Militär wäre auch in der Verwaltung die 
Selbständigkeit der Unterführer erstrebenswert, so können wir 
Medizinalbeamten einen Wunsch nach dieser Richtung hin mit 
demselben Rechte fflr uns in Anspruch nehmen. Aber der be¬ 
treffende Herr Verfasser dieses Artikels will herrschen und sich 
alles andere unterordnen, während die technischen Beamten, die 
Medizinalbeamten der Losung der Frage auf andere Weise, dem 
koordinierten System voneinander unabhängiger Faktoren ent¬ 
sprechend, entgegensehen. So gut an sich Gehorchen und Unter¬ 
ordnen ist, so schadet es sicher da, wo es nicht nOtig ist, wo die 
Sache auch anders gemacht werden kann. 

Was die Vorschläge anbetrifft, die Angelegenheiten des Kreises 
von einem Beamtenkollegium oder von einem Kollegium, be¬ 
stehend aus den technischen Beamten und Mitgliedern der kommu¬ 
nalen Körperschaften, beide unter dem Vorsitz des Landrats bezw. 
in Stadtkreisen des Polizei Verwalters erledigen zu lassen, so ist 
darin ebenfalls nicht gerade Vereinfachung und Dezentralisation 



288 


Br. Boerschmann. 


za sehen, auch ist davon eine schnellere and sichere Erledigung 
der Geschäfte nicht za erwarten. Gegen solche Kollegienwirt¬ 
schaft bestehen viele Bedenken; von hervorragenden Politikern 
and Staatsmännern ist geäußert worden, nicht gerade, daß viele 
Köche den Brei verderben müssen, aber daß die aafgewandte 
Mühe and Arbeit derartig zusammengesetzter Kollegien einschlie߬ 
lich der mehr oder weniger umfangreichen Vorarbeiten nicht im 
Verhältnis stehe za den Leistungen. Daß der Kreisarzt den 
kommunalen Behörden jederzeit mit seinem Bat in gesundheitlichen 
Angelegenheiten zur Verfügung steht, sieht schon heute die Dienst¬ 
anweisung des Kreisarztes vor. Es wird davon aber nur wenig 
Gebrauch gemacht; es bleibt deshalb zu untersuchen, woran es 
liegt, daß die betreffenden Behörden ohne den Bat des Kreisarztes 
anskommen. Auch das Verhältnis des Kreisarztes zu den Gesund- 
heit8kommissionen ist Gegenstand der Dienstanweisung. Ein 
tüchtiger Kreisarzt wird die Gesundheitskommissionen, wenigstens 
wie sie jetzt bestehen, entbehren können, wenn er die Interessen 
der öffentlichen Gesundheitspflege in richtiger Weise den kommu¬ 
nalen Verwaltungen gegenüber vertritt, bezw. zu vertreten in die 
Lage gesetzt wird. Das kann er besser machen als der Landrat, 
und das wird ihm dieser gern als eine manchmal recht undank¬ 
bare Aufgabe überlassen. 

Es ist hier am Platze, auf das zur Zeit bestehende Ver¬ 
hältnis des Kreisarztes zum Landrat bezw. zu dem Vor¬ 
steher der Polizeibehörde in Stadtkreisen näher einzugehen. Ich 
will es mir aber versagen, Einzelheiten aufzuzählen, sondern nur im 
allgemeinen auf die dienstliche Stellung und das Zusammenarbeiten 
von Kreisarzt und Landrat hinweisen. Nach der Instruktion der 
Landräte vom Jahre 1816 und nach der Kreisordnung von 1872 
liegt ihnen die Ueberwachnng des öffentlichen Gesundheitswesens 
des Kreises ob. Wohl dieselbe Aufgabe haben aber auch die 
1800 neageschaffenen staatlichen Gesundheitsbeamten. Die eigent¬ 
liche Exekutive übt bei der Lokalinstanz die Ortspolizeibehörde 
aus. Der Geschäftsgang ist in der Begel der: Wenn der Kreis¬ 
arzt Mißstände in Angelegenheiten des öffentlichen Gesundheits¬ 
wesens findet, oder bei der Seuchenbekämpfung durch die Vermittlung 
der Ortspolizeibehörden von den zur Anzeige verpflichteten Personen 
Kenntnis erhält über das Auftreten gemeinfährlicher und übertrag¬ 
barer Krankheiten, so macht er seine Vorschläge, die eigentlich 
mehr Anordnungen sind und in der Begel von den Polizeibehörden 
strikte befolgt werden. Der Landrat ist hierbei oft nur Mittels¬ 
person, sei es zwischen Kreisarzt und den betreffenden Ortspolizei¬ 
behörden in gewissen Fällen oder in anderen zwischen Kreisarzt 
und Begierungs-Prä8ident. Ein vorsichtiger Kreisarzt wird sich 
hüten, Vorschläge zu machen oder Abänderungen zu verlangen, 
die über die Grenzen der Notwendigkeit und der Leistungsfähig¬ 
keit der Beteiligten hinausgehen. Gemäß der Dienstanweisung soll 
er so handeln; dabei ist es klug und kann sein Ansehen nur 
erhöhen, wenn seine Vorschläge tatsächlich Anordnungen sind, die 
von den Exekutivinstanzen nicht amgeworfen werden. 



Di« Beform der inneres Verwaltung in Preußen und die Medizinalbeamten. 289 


Der Kreisarzt ist der Berater des Landrats and in Stadt¬ 
kreisen der Polizeibehörde, aber kein Landrat wird so unvor¬ 
sichtig sein, Maßregeln, die vom Kreisärzte in richtiger Würdigung 
der betreffenden gesundheitlichen Angelegenheiten verlangt werden, 
nicht ausführen za lassen. Als eigenüicher Berater kommt der 
Kreisarzt eher dem Landrat gegenüber in Frage in dessen Eigen¬ 
schaft als Vorsitzender des Kreisausschnsses. Wie wenig wird 
aber hier sein Bat in Anspruch genommen! Requisitionen von 
Seiten des Landrats werden heute kaum noch Vorkommen; denn 
der Kreisarzt handelt auf Grand seiner Dienstanweisung selbst¬ 
ständig, sobald er von irgend welcher Seite und sei es durch den 
Landrat, eine ihn angehende Tatsache erfährt, die sein Wirken 
nach einer bestimmton, in der Dienstanweisung vorgesehenen 
Richtung verlangt. Finanzielle Bedenken sind, seitdem die 
Bauschalierung der Reisekosten und Tagegelder eingeführt ist, 
nicht mehr vorhanden; gerade durch die Bauschalierung ist die 
Selbständigkeit der Kreismedizinalbeamten in hohem Maße ge¬ 
fördert, ein großer Vorzug gegenüber ihren sonstigen Nachteilen. 
Sonst ist das Verhältnis des Kreisarztes zum Landrat kein anderes, 
wie zu den übrigen staatlichen und kommunalen Behörden. Er 
hat, wenn seine Aeußerung oder Mitwirkung nötig wird, dem 
Ersuchen der betreffenden Behörde zu entsprechen. Einige kleine 
Aeußerlichkeiton mehr formeller Art, betreffend Berichte an den 
Regierungspräsidenten, sind belanglos. In gewissem Sinne abhängig 
vom Landrat, d. h. lediglich von ihm als Vorsitzenden des Kreis¬ 
ausschusses, wird der Kreisarzt aber unbedingt, wenn er Impfarzt, 
Granulosebezirksarzt und Arzt am Krankenhause ist, oder wenn 
er eine Kassenarztstelle bekleidet bei der Kreiskrankenkasse. 

Im Allgemeinen ist aus den vorstehenden Ausführungen zu 
enehen, daß jede Unterordnung des Kreisarztes unter 
den Landrat als Staatsbeamten fehlt, anderseits 
ergibt sich daraus, daß die Staatsmaschine in gesund¬ 
heitlicher Beziehung in der unteren Instanz recht 
kompliziert arbeitet. 1 ) Dieses hat seine Ursache in dem 
Fortbestehen der landrätlichen Funktionen auf dem Gebiete des 
Gesundheitswesens, wie sie vorgeschrieben wurden bereits im 
Jahre 1816, während im Jahre 1899 selbständig arbeitende 
Gesundheitsbeamte geschaffen wurden, die zunächst nur „ gesund¬ 
heitliche Maßnahmen einer gegebenen Situation anpassen K , *) dann 
aber auch, wie es in der Dienstanweisung heißt, die Durchführung 
dieser Maßnahmen überwachen sollen. Sie haben mithin sozu¬ 
sagen in gewissem Sinne wieder die Aufsicht über die exekutiven 
Organe. Eigentliche Exekutive hat der Kreisarzt offiziell nur 
bei Gefahr im Verzüge. Im Allgemeinen kann man sagen: Der 
Kreisarzt gibt die Richtung an, in welcher die Klinge 
des Gesetzes gehandhabt werden soll, den Schlag 


*) VergL z. B. die Ausführungen von Dr. jur. Diersehke im Preußischen 
Verwaltungzblatt Nr. 46. 

*) Siehe Reg.- und Med.-Rat Dr. Deneke in der Zeitschrift für Medizinal- 
beamte; Jahrgang 1906, Seite 136. 



340 


Dr. Boerschmaan. 


selbst führt die Polizeibehörde ans. Ist es da nicht 
einfacher nnd zweckentsprechender, wenn eine Person 
diese »große, schwere Arbeit* verrichtet? 

Dieses komplizierte Vorgehen in den Momenten des eigent¬ 
lichen Handelns anf dem Gebiete der öffentlichen Gesundheits¬ 
pflege ist begründet in der Art der Exekutive, welche in Preußen 
lediglich Sache der Polizei ist und in der Angliederung des 
Medizinal- und Gesundheitswesens an die innere Verwaltung. 
Das Publikum wird nie in einem sanit&tspolizeilichen Vorgehen 
den Unterschied zwischen Anordnung und Ausfflhrung verstehen, 
es wird in dem Kreisarzt stets ein Organ der Polizei sehen, ja 
es ist sogar vorgekommen, daß ordentliche Gerichte den Kreisarzt 
als Sachverständigen in Angelegenheiten des Gesundheitswesens 
abgelehnt haben, weil er ala Polizeiorgan nicht unparteiisch wäre. 

Wenn vereinfacht werden soll, wenn mit allen Einrichtungen, 
die nur noch geschichtliche Bedeutung haben, gebrochen werden 
soll, wenn in richtiger Weise, passend in den Rahmen der heutigen 
Entwicklung des öffentlichen Lebens gearbeitet und die Arbeits¬ 
kraft voll und ganz im Interesse des Staates und des Allgemein¬ 
wohles ausgenutzt werden soll, so liegt es auf der Hand, daß 
auch gerade in bezug auf das öffentliche Gesundheitswesen und 
zwar vornehmlich an der Front, d. h. in den Kreis- und Lokal¬ 
instanzen gewisse Veränderungen wflnschenswert sind, die ihre 
innere Begründung einfach schon in der bisherigen Entwicklung 
des Medizinalwesens und der öffentlichen Gesundheitspflege haben. 
Weshalb sollte nicht der Kreisarzt schnell, selbst¬ 
ständig und allein handeln, weshalb sollte ihm nicht 
das Wenige von Exekutive gegeben werden, dessen 
er bedarf, um die ganze Kompliziertheit der Hand¬ 
habung der Gesundheitsgesetze zu beseitigen. Es 
braucht wirklich nicht Polizei-Exekutive zu sein, welche er aus- 
zuflben hat, sondern lediglich die Ausführung der gesetzlichen 
Bestimmungen, soweit sie sein Gebiet betreffen. Daß dieses gut 
geht, beweist die Gewerbeinspektion, beweist insbesondere die 
Eisenbahnverwaltung; das Publikum fügt sich gern den Anord¬ 
nungen der Bahnbeamten, es hat Vertrauen zur Eisenbahn Ver¬ 
waltung und ist im Allgemeinen zufrieden mit den staatlichen 
Einrichtungen in dieser Beziehung bis auf den einen Punkt: sobald 
nämlich die Anforderungen au den Geldbeutel erhöht werden — 
das ist aber das Los aller staatlichen und kommunalen Organi¬ 
sationen. 

Mit der Erweiterung der Amtsbefognisse des Kreisarztes 
wächst auch sein Verantwortungsgefühl, und das ist nur von 
Vorteil für das Ganze. 

Was würde denn eigentlich für eine »große Macht* 
dem Kreisarzt zu übertragen sein? Streng genommen 
kaum mehr, als er schon jetzt hat, aber es hört die 
Kompliziertheit auf und es wird schnelle, positive 
Arbeit geleistet; das ist aber von großem Wert und 
die Bedingung für segensreiche Weiterentwicklung! 



Die Reform der inneren Verwaltung in Preußen and die Medininnlbeamten. 241 

Auf Einzelheiten will ich hier nicht eingehen. In bezug auf 
Volkskrankheiten sind besondere Gesetze vorgeschrieben und 
werden schon heute lediglich nach der Initiative des Kreisarztes 
gehandhabt. In sonstigen sanitären Fragen und Abänderungen 
kleiner Uebelstände, die sich gelegentlich der Orts* und Schul* 
besichtigungen ergeben, kann man dem Kreisarzt fraglos auch 
freie Hand lassen. Er wird meistens solche Dinge mit den be¬ 
treffenden Beteiligten kurzer Hand erledigen können, zumal wenn 
man in ihm nicht mehr ein Organ der Polizei sieht, sondern einen 
treuen Berater in allgemeinen hygienischen Angelegenheiten, der 
Vertrauen besitzt, das sich immer mehr befestigt, wenn der Kreis¬ 
arzt es versteht, in enger Fühlung mit seinen Kreiseingesessenen 
zu bleiben und sie immer wieder durch Wort und Tat auf die 
segensreiche Wirksamkeit der staatlichen Gesundheitspflege und 
auf die große Bedeutung der Hygiene für das öffentliche Leben 
aufmerksam zu machen. Kann der Kreisarzt die von ihm als 
notwendig gehaltene Abänderung nicht kurzer Hand herbeiführen, 
so würden dann die betreffenden kommunalen und staatlichen 
Instanzen entscheiden; dieses würde auch geschehen, wenn ohne 
größere Mittel die Beseitigung sanitärer Uebelstände nicht möglich 
ist. Als Entscheidungsinstanzen kämen neben einer Aufsichts¬ 
behörde des Kreisarztes, welche lediglich kontrolliert, in wie weit 
seine Maßnahmen die richtigen sind und ob sie durchaus verlangt 
werden müssen, die betreffenden Organe der freien Selbstver¬ 
waltung in Frage, da sie ja in der Hauptsache die Geldmittel zu 
beschaffen haben aus eigener Tasche oder von den Beteiligten 
und aus Staatsfonds. 

Leute, die sich gegen die Gesundheitsgesetze schwerer ver¬ 
gangen haben und wofür der Gesetzgeber Strafen vorgesehen hat, 
würden vom Kreisarzt nach Würdigung der Sachlage den ordent¬ 
lichen Gerichten zur Aburteilung übergeben werden. Diese 
können dann auch die Angelegenheit noch einmal vom rechtlichen 
Standpunkte aus beleuchten, so daß dem Betreffenden kaum 
Unrecht geschähe. Wenn man bedenkt, was für Ansprüche z. B. 
Leute, die zur Miete wohnen, auf Grund des Bürgerlichen Gesetz¬ 
buches an die Vermieter in hygienischer Beziehung stellen können, 
so handelt der Medizinalbeamte bei Ortsbesichtigungen, andere 
Gesichtspunkte berücksichtigend, wohl meist maßvoller, als es 
nötig ist, auch wenn er sonst an „Uebereifer“ leidet. 

Dieser „Uebereifer“ der Kreisärzte ist schon oft in den 
Parlamenten zur Sprache gekommen. Es handelt sich dann immer 
am eine Beihe von Kleinigkeiten, deren Abänderung von dem 
Kreisarzt für wünschenswert gehalten, aber meist nicht direkt 
▼erlangt werden wird. Ich bin fest davon überzeugt, daß, wenn 
der Kreisarzt solche kleinen Dinge selbst an Ort und Stelle 
erledigen dürfte, er unter Umständen von einer Abstellung dieser 
kleinen Mängel Abstand nehmen würde, um die Beseitigung 
größerer hygienischer Uebelstände herbeizuführen. Und sieht 
der Beteiligte in dem Kreisarzt nicht mehr die Polizeiperson, 
sondern einen treuen Ratgeber in bezug auf die Erhaltung 



m 


Dt. Boertchm&no. 


seiner and seiner Familie Gesundheit und der Gesundheit und 
Arbeitskraft seiner Mitarbeiter und Angestellten, dann werden 
auch bedeutungslosere, aber nichtsdestoweniger zweckmäßige 
Vorschläge nach hygienischer Richtung hin auf fruchtbaren Boden 
fallen und ohne viel Schreibwerk und Aufregung erledigt werden. 
Was wird da wieder für eine Menge unnfitzer, überflüssiger, 
erfolgloser Arbeit gespart! Bei solchen Abänderungen hygienischer 
Mißstände haben die ausführenden Behörden die oft wenig Initiative 
enthaltenden Feststellungen der Kreisärzte zu prüfen und dann 
weitere Schritte zu veranlassen. An diese Adresse haben sich 
dann in der Kegel die Beschwerden der Beteiligten, wie es 
Ministerialdirektor Dr. Foerster so treffend bei Gelegenheit der 
Verhandlungen des preußischen Abgeordnetenhauses über den 
Medizinaletat am 29. April 1909 ausgedrückt hat, zu richten; es 
sollte nicht immer wieder von dem Uebereifer der Kreisärzte ge¬ 
sprochen werden, „welche getadelt würden, weil sie ihre Pflicht 
zu sehr getan haben“ (Geh. Ober-Med.-Rat Prof. Dr. Kirchner 
in der Sitzung des preußischen Herrenhauses am 24. Mai 1909 
gelegentlich der Beratung über den Medizinaletat). In derselben 
Sitzung wurde von einer Seite es für empfehlenswert gehalten, 
wenn in der Dienstanweisung für die Kreisärzte ausdrücklich 
betont würde, daß der Kreisarzt lediglich ein Organ der Polizei 
sei; irgend eine sanitäre Maßnahme auf ihre Zweckmäßigkeit zu 
prüfen, dazu wäre er nicht berufen. Hiernach wäre er dann 
nichts weiter, als ein höherer Sanitätspolizeibeamter — ich glaube 
die Materie ist dann so trocken und erfordert so wenig wissen¬ 
schaftliche Kenntnisse und wissenschaftliches Denken (es ist dann 
ja lediglich nach den bestehenden gesetzlichen Bestimmungen zu 
entscheiden), daß dieser höhere Sanitätspolizeibeamte sich auch 
aus dem niederen Heilpersonal herausbilden könnte. Bei gleicher 
Gelegenheit wird dum wieder hervorgehoben, der Kreisuzt wäre 
nichts weiter als Berater und Gutachter der exekutiven Be¬ 
hörden. 

Ich habe bereits auf das Bedenkliche solcher Auffassungen 
von der Dienststellung und den Dienstobliegenheiten des Kreis¬ 
arztes aufmerksam gemacht. Berater soll der Kreisarzt 
sein, des Landrats, aber auch jedes einzelnen Kreis- 
eingesessenen in bezug auf die hygienischen Bedürf¬ 
nisse des heutigen öffentlichen Lebens. Nur dadurch 
wird das Verständnis für die Aufgaben der Hygiene in weite 
Bevölkerungsschichten getragen und nur so gibt es ein Vorwärts¬ 
kommen. Zunächst sehen eben die Leute, die es angeht, noch 
immer in dem Kreisarzt einen Mann der Polizei, der ihnen 
Unannehmlichkeiten bereitet und Kosten verursacht, nicht den, 
der ihnen raten und helfen, der sie vor Schaden bewahren soll. 
Die Bevölkerung erkennt den idealen Wert des Kreisarztberufes 
noch nicht an; sie hält es eben nicht für einen „wunderschönen 
Beruf“, den Aufpasser zu spielen, Bestrafungen herbeizuführen 
und die Leute am Geldbeutel zu schädigen. — 

Die Polizei hat eigentlich nur über die allgemeine Sicherheit 



Die Reform der inneren Verwaltung in Preußen und die Medininnlbeemten. 248 

zu wachen, eine Besserung der Verhältnisse ist im Ganzen nicht 
ihr Streben, wenn sie auch in gewissem Grade erzieherisch durch 
Abschreckung wirkt. Eine hygienische Erziehung der Bevölkerung 
wird aber durch Abschreckung nicht erzielt werden; hier ist 
Belehrung am Platze. Ebenso aber, wie es notwendig ist, daß 
dem Lehrer als Erziehungsmittel die Strafe als Abschreckung 
zur Verfügung steht, so ist es wünschenswert, wenn der 
Kreismedizinalbeamte auch gewisse Exekutive erhält, 
zum mindesten aber die notwendige Selbständigkeit, 
um die ihm geeignet erscheinenden Maßnahmen aus¬ 
führen zu lassen. Im Allgemeinen werden die Medizinal¬ 
gesetzgebung und die öffentliche Gesundheitspflege 
nur dann Erfolg haben und Früchte zeitigen, wenn 
sie fest auf dem Boden der Wissenschaft stehen, 
die Bevölkerung immer mehr an den Segnungen dieser 
Wissenschaft teil nehmen zu lassen — das ist aber die 
hohe, ideale und dann auch sicher dankbar anerkannte 
Aufgabe des Medizinalbeamten. 

Um dieses Ziel zu erreichen, wird, abgesehen von den 
Postulaten der Schaffung einer selbständigen Tätigkeit nach Los¬ 
lösung von den Polizeiorganen, sich technisch notwendig erweisen 
überall die Errichtung von Kreismedizinalbehörden mit 
Büros, wobei es sich von selbst verstehen würde, daß dann 
sämtliche Kreisärzte voll besoldet werden. Hierbei kann ich es 
mir nicht versagen, die Schlußworte eines Referats von Kreisarzt 
Dr. Gutknecht, bei Gelegenheit der Jubiläumsversammlung 
des preußischen Medizinalbeamtenvereins am SO. September 1908 
gesprochen, zu zitieren: 

»Werden unsere Wünsche nach Vollbesoldiug und reiner Beamten* 
Stellung erfüllt, nimmt uns der Staat unter der Gewährleistung der nötigen 
Mittel zu einer standesgemäßen Lebensführung aus der Priyatprazis heraus, 
dann erhält er eine Beamten*Eategorie von großer Arbeitskraft und Arbeits¬ 
freudigkeit, eine Beamtenschar, die an Pflichttreue, Gewissenhaftigkeit und 
KOnigstreue keiner andern im preußischen 8taate und Deutschen Reich 
aachsteht.* 

Weiter wird es sich empfehlen, Gesundheitsaufseher 
anzustellen, die sich in einzelnen Kreisen und Regierungsbezirken 
durchaus bewährt haben, eine wesentliche Unterstützung des 
Kreisarztes bedeuten und die untergeordneten ausführenden Organe 
der Medizinalverwaltung darstellen werden. Sie müßten unter 
der Aufsicht des Kreisarztes nach einer Dienstanweisung arbeiten, 
bestimmte Aufträge von ihm entgegennehmen und stets zu seiner 
Verfügung stehen. Sie ersetzten nicht nur die mit einer Reihe 
sanitätspolizeilicher Maßnahmen von ihren Vorgesetzten auf Grund 
der kreisärztlichen Anordnungen beauftragten unteren Polizei¬ 
organe, sondern sie würden unbedingt, wenn sie genügend aus¬ 
gebildet sind und unter direkter Aufsicht des Kreisarztes arbeiten, 
mehr leisten als die andern. Sie könnten bei vielen Dienst¬ 
geschäften zu Ermittelungen verwandt werden, die Geschäfte 
wickelten sich leicht ab; auch als Disinfektoren und Leichenschauer 
könnten sie tätig sein. 



244 


Dr. Boerochmana. 


Schon früher ist von einer Aufsichtsbehörde des Kreis¬ 
arztes gesprochen worden. In sinngemfißiger Anwendung und 
Weiterentwicklung der gemachten Vorschläge müßte diese Auf¬ 
sichtsbehörde auch eine rein technische Medizinalbehörde sein. 
In jeder Provinz besteht schon jetzt ein Medizin&lkollegium, welches 
aber wenig mehr leistet, als daß es Obduktionsprotokolle der 
Kreisärzte revidiert. Die Auflösung dieser Behörde ist seit 
längerer Zeit immer wieder angeregt und vielleicht schon be¬ 
schlossene Sache. Für dieses Medizinalkollegium könnte ein 
anderes geschaffen werden, dem eine reichliche Menge Arbeit 
zufallen würde. Ich denke mir als Aufsichtsbehörde der Kreis¬ 
medizinalbeamten eine Provinzial-Medizinalbehörde mit einem 
Präsidenten an der Spitze, zwei bis drei technischen Medizinal¬ 
räten, einem juristischen bezw. einem höheren Verwaltungsbeamten 
und je nach Bedarf technischen und juristischen Hilfsarbeitern. 
Der Präsident müßte unbedingt aus der Medizinallaufbahn hervor¬ 
gegangen sein; er müßte auch der nächste direkte Vorgesetzte 
der Kreisärzte sein. Die Geschäfte dieser Medizinalbehörde wären 
sehr mannigfaltige. Abgesehen von der Beaufsichtigung der Kreis¬ 
ärzte und ihrer Tätigkeit würden an dieser Stelle die Fäden 
des ganzen Medizinal- und öffentlichen Gesundheitswesens der 
Provinz zusammenlaufen und zunächst in technischer Beziehung 
gewürdigt und verarbeitet werden; von hier aus wären dann auch 
für gewisse Kreisarztbezirke, wenn notwendig, Direktiven aus¬ 
zugeben. Mit die Hauptaufgabe dieser Provinzialmedizinalbehörden 
wäre aber die, in steter Fühlung zu bleiben mit den anderen 
staatlichen Organisationen und vor allem mit den provinziellen Or¬ 
ganisationen der Selbstverwaltungen, deren Kompetenzerweiterung 
bei der Umformung der inneren Verwaltung sicher zu erwarten ist. 
Damit würde aber auch eine Vermehrung Aufsichtsgeschäfte und 
der Zuständigkeit der Oberpräsidenten unbedingt notwendig sein. 

Was nun die zentrale Stelle der Medizinalver¬ 
waltung anbetrifft, so besteht der Plan, die Medizinalabteilung 
dem Ministerium des Innern anzugliedern. Bedenken dagegen, 
die vor allem auch in der historischen Entwicklung ihre Begrün¬ 
dung haben, sind verschiedentlich geäußert worden, so vom 
Minister Dr. von Studt in der Sitzung des preußischen Abge¬ 
ordnetenhauses vom 18. März 1907 gelegentlich der Erledigung 
des Medizinaletats. Ob eine Zuteilung der Medizinal Verwaltung 
zum Ministerium des Innern zweckmäßig ist und den Bedürfnissen 
des öffentlichen Lebens entspricht, lasse ich dahingestellt, jeden¬ 
falls handelt es sich dabei nicht nur um die Medizinal- und 
Sanitätspolizei, sondern um das gesamte Heil wesen und den ganzen 
Aerztestand, welcher übrigens in dieser Frage gerade in letzter 
Zeit in verneinendem Sinne Stellung genommen hat. Sollte aber 
die Medizinal- und Sanitätspolizei allein im Ministerium dee 
Innern untergebracht werden, so werden die Medizinalbeamten 
auch dann unbedingt ihre Pflicht erfüllen; sie werden aber in 
diesem Falle immer mehr Polizeibeamte und verlieren die Ver¬ 
bindung mit dem Aerztestand, aus dem sie hervorgehen, und 



Die Reform der inneren Verwaltung in Preußen und die Medizinalbeamten. 245 

vielleicht auch, was unberechenbare Folgen hätte, allmählich die 
Verbindung mit der Wissenschaft. Ein besonderes Ministerium 
würde wohl am ehesten imstande sein, Über bestehende und künftige 
Schwierigkeiten hinwegzukommen, und wenn es zunächst auch nicht 
allein für das Medizinalwesen und die öffentliche Gesundheitspflege 
geschaffen werden sollte, so würde schon ein Ministerium mit 
Freuden zu begrüßen sein und einen erheblichen Kulturfortschritt 
bedeuten, das lediglich für Einrichtungen auf dem Gebiete der Volks* 
Wohlfahrt da wäre. In einem solchen Ministerium würde dann wohl 
gerade dem Medizinal- und Gesundheitswesen eine führende Rolle 
zufallen; an der Spitze dieser Abteilung wäre ein Medizinal¬ 
beamter zu wünschen in gleicher Weise, wie an der Spitze des 
Sanitätswesens der Armee ein Sanitätsoffizier steht. Die gleiche 
Forderung ist selbstverständlich zu stellen, wenn das Medizinal¬ 
wesen dem Kultusministerium verbleibt oder dem Ministerium des 
Innnern überwiesen wird. 

Ich möchte nun noch kurz die Kostenfrage besprechen. 
Da ist zunächst zu bedenken, daß infolge vielfacher Vereinfachung 
und schnellerer Erledigung der Geschäfte ein nicht unerheblicher 
Teil von Arbeit, welcher bisher nach negativer Richtung hin 
geleistet und doch bezahlt wurde, frei werden und an geeigneter 
Stelle in zweckmäßiger Weise verwandt werden könnte. Mehr¬ 
forderungen würden aber auch durchaus angemessen der Ent¬ 
wicklung sein, welche die öffentliche Gesundheitspflege genommen 
hat, und schließlich kann man wohl sagen: jeder Pfennig, für 
sanitäre Zwecke geopfert, bringt hundertfach Zinsen. 

Die Gesichtspunkte, welche bei der Reform der inneren Ver¬ 
waltung für das Medizinal- und Gesundheitswesen in Betracht 
kommen, werden überhaupt maßgebend sein müssen für die ganze 
Neugestaltung: Selbständigkeit und Entwicklungsfreiheit 
— das sind die Grundprinzipien, welche nach dieser oder 
jener Richtung hin zuweilen in extremster Weise immer wieder 
betont werden. Dabei ist es notwendig, daß keine Kraft ver¬ 
geudet, daß schnell und zielbewußt an richtiger Stelle von den 
richtigen Organen gehandelt wird. 

Der Leitsatz in der Schlesischen Zeitung: „Vereinfachung 
und Verbesserung der Verwaltung durch Dezentralisation der Dienst¬ 
geschäfte im Sinne der Verteilung an die sachlich und örtlich 
geeigneten Behörden“ enthält unbedingt die von der Reform an- 
zustrebenden Ziele; mit Rücksicht auf die unumstößliche Notwen¬ 
digkeit, die neue Organisation den Anforderungen der heutigen Ent¬ 
wicklung des öffentlichen Lebens entsprechend zu gestalten; be¬ 
deutet dann aber Dezentralisation in der Hauptsache: 
Erweiterung des Arbeitsfeldes der technischen Be¬ 
amten, wobei die Grundprinzipien der Neugestaltung, Selbst¬ 
ständigkeit und Entwicklungsfreiheit, erhalten bezw. geschaffen 
werden müssen. „Die Techniker vor die Front“ muß es 
heißen. 

Als am Anfang des vorigen Jahrhunderts, nach dem un¬ 
glücklichen Kriege, die Staatsmaschine völlig versagte, schufen 



246 


Dr. Engels. 


Freiherr von Stein nnd von Hardenberg die Selbstverwaltung, 
welche sich so glänzend bewährt hat — sie erkannten mit weitem 
Blick die Bedeutung der Selbständigkeit und freien Entwicklung. 
„Zutrauen veredelt den Menschen, ewige Vormundschaft hemmt 
sein Reifen* — so schrieb damals ein Mitarbeiter Freiherrn 
von Steins, der Königsberger Geheimrat Polizeidirektor Frey. 
Das sind jetzt hundert Jahre her; wir stehen wieder vor einem 
neuen Werk, das für das Staatswesen und das öffentliche Leben 
alles bedeutet. Möge die neue Reform kein Sprung ins Dunkle 
sein; möge sie die alten bewährten Stein-Hardenberg- 
sehen Prinzipien in richtiger Wflrdigung den heuti¬ 
gen Verhältnissen anpassen und damit die Grundlage 
schaffen für gedeihliche Weiterentwicklung auf allen 
Gebieten zum Nutzen des einzelnen, wie zum Segen 
des Vaterlandes! 


Zinksalbe ist kein kosmetisches Mittel und dem freien 
Verkehr nicht überlassen. 

Von Kreisarzt Dr. Engels, Gammenbach. 

In Heft 20, 1909, der Zeitschrift für Medizinalbeamte teilte 
ich kurz einen Fall mit, bei dem ich als Organ der Polizeibehörde 
als Sachverständiger abgelehnt wurde. Der Rechtsanwalt hatte 
sich einen Sachverständigen, einen hiesigen praktischen Arzt Dr. H., 
mitgebracht — eine Vorladung hatte dieser nicht erbalten. Das 
Gutachten des Dr. H. lautet dahin, Zinksalbe sei „lediglich* ein 
kosmetisches Mittel. Auf Grund dieses meines Erachtens unhalt¬ 
baren Gutachtens wurde der Drogist nicht nur freigesprochen, 
sondern die Zinksalbe vom Vorsitzenden ausdrücklich auch als 
Heilmittel für Menschen als freigegeben hingestellt. Bezüglich 
der Einzelheiten verweise ich auf meine frühere Arbeit. Die 
Strafkammer hob das Urteil auf und bestrafte den Drogisten mit 
10 Mark. Die dagegen eingelegte Revision hat das Oberlandes- 
gericht in Cöln auf Kosten des Klägers verworfen. Ich lasse die 
Urteile, deren Wortlaut die Medizinalbeamten sicherlich inter¬ 
essieren wird, nachstehend folgen: 

a) Urteil des Schöffengerichts in Gummersbach vom 24. März 
1909: 

.Der Angeklagte bat innerhalb der Frist von 8 Monaten vor Er¬ 
lass ang des 8tra(befebiB Zinksalbe in seinem Detailgeschäft feilgehalten. Nach 
dem Gutachten des Sachverständigen (nicht der Kreisarzt, sondern der prakt. 
Arzt, Freund des Angeklagten usw. D. B.) ist diese Zinksalbe ein sogenanntes 
kosmetisches Mittel. Der Angeklagte hat nach seiner nicht widerlegten An¬ 
gabe seinen Angestellten die ausdrückliche Anweisung gegeben, 
die Zinksalbe nicht als Heilmittel für Menschen zu verkaufen. 
Eine Nichtbefolgung dieser Anordnung seitens der Angestellten ist nicht feat- 

f eatellt. Die Angestellten haben allerdings die betreffenden 
Läufer nicht ausdrücklich gefragt, ob die verlangte Zink¬ 
salbe als Heilmittel fttr Menschen verwendet werden solle. 

Nach § 1 der Verordnung, betreffend den Verkehr mit Arzneimitteln 
vom 22. Oktober 1901, in Verbindung mit Nr. 10 des Verzeichnisses A darf 
Zinksalbe als Heilmittel fttr Menschen nicht feilgehalten werden. Der 



Zinksalbe Ist kein'kosmetiaches Mittel n. dem’freien Verkehr nicht überlassen. 247 


Angeklagte hat dieser Bestimmung nicht zawidergehandelt; eine Verpflichtung, 
jeden Käufer au fragen, ob er die Salbe nicht etwa als Heilmittel fttr Menschen 
verwenden wolle, ist durch keine gesetzliche Vorschrift begründet. Soweit 
jedoch die Salbe, wie im vorliegenden Falle, auch ein kosmetisches Mittel ist, 
kommt § 1, Absatz 2 a zur Anwendung. Darnach unterliegen kosmetische 
Mittel, soweit sie als Heilmittel feilgehalten werden, der ein* 
schränkenden Bestimmung des Abs. 1 nur unter bestimmten Voraussetzungen, 
die nach dem Gutachten des Sachverständigen hier nicht verliegen. Daraus folgt: 
kosmetische Mittel an sich unterliegen der Verordnung überhaupt nicht; kos* 
metische Mittel, die als Heilmittel feilgebalten werden, nur unter bestimmten, 
hier nicht gegebenen Voraussetzungen. Die Zinksalbe, um die es sich 
hier handelt, ist also auch dem Verkauf als Heilmittel unbe* 
schränkt freigegeben. 

Der Angeklagte war also aus doppeltem Grunde freigesprochen . . . .“ 

b) Urteil der IV. Ferien -Strafkammer des Königl. Land¬ 
gerichts in Cöln vom 9. August 1909: 

. . . Die erneute Gerichtsverhandlung hat die tatsächlichen Ergebnisse 
der früheren Verhandlung bestätigt. Darnach hat der Angeklagte Zinksalbe 
ohne nähere Bezeichnung in Blechdosen, die mit einem weißen Kreuz auf 
rotem Grunde versehen sind, an seine Kunden verkauft. Nach dem Gutachten 
des Sachverständigen Dr. Plempel handelt es sich hier um etwa 1 prozentige 
Zinksalbe. Und zwar hat der Angeklagte, wie er selbst zugibt, die Salbe ab* 
gegeben, ohne die Käufer nach der Verwendung der Salbe zu fragen. In 
Uebereinstimmung mit dem Sachverständigen Dr. Plempel hat der Sach* 
verständige Dr. Engels sein Gutachten über die Natur der in Betracht 
kommenden Salbe dahin erstattet, daß sie nicht als Cosmeticum anzu¬ 
sehen sei, sondern lediglich als Heilmittel für Menschen und Tiere 

Die Berufung mußte Erfolg haben. 

Nach § 1 der angezogenen Verordnung dürfen die in dem Verzeichnis A 
aufgeführten Arzneien usw. als Heilmittel außerhalb der Apotheken nicht ver¬ 
haut werden. Nach Nr. 10 des Verzeichnisses A gehören zu den für den Ver¬ 
kauf nicht freigegebenen Stoffen: Pflaster und Salben. Als Ausnahme ist 
jedoch Zinksalbe zum Gebrauch für Tiere hier genannt. Mithin fällt 
der uneingeschränkte Verkauf der Zinksalbe unter die Hegel, ist also ver¬ 
boten. Daß er die Salbe lediglich für den besonderen Zweck, als Tierheilmittel, 
verkauft hat, ist von dem Angeklagten nicht behauptet worden. Seiner 
Einlassung jedoch, daß der Verkauf der Salbe schlechthin um 
deswillen gestattet sei, weil es sich bei der fraglichen Salbe 
um ein Cosmeticum gehandelt habe, kann nicht beigetreten 
werden. Allerdings wird § 1, Abs. 1 der angezogenen Verordnung ein¬ 
geschränkt durch Abs. 2 a. a. 0; wonach die in a aufgeführten Heilmittel auch 
außerhalb der Apotheken feilgehalten werden dürfen, falls es sich um solche 
kosmetischen Mittel handelt, welche keine Stoffe enthalten, die in den Apo¬ 
theken ohne Anweisung eines Arztes, Zahnarztes oder Tierarztes nicht ab¬ 
gegeben werden dürfen. An sich enthält freilich die in Betracht kommende 
Salbe keine derartigen Stoffe. Jedoch Ist sie nach dem überein¬ 
stimmenden Gutachten der beiden Sachverständigen als Cos¬ 
meticum nicht anzusehen, sondern lediglich als Heilmittel. 

Somit hat sich der Angeklagte einer Uebertretung des 
s 367 Nr. 3 Str.-G.-B. schuldig gemacht und war demgemäß zu be¬ 
strafen. Die durchden Strafbefehl ihm auf erlegte Geldstraf e 
von 10 Mark erschien mit Hücksicht auf seine einschlägigen 
Vorstrafen angemessen. 11 

c) Urteil des Königlichen Oberlandesgericht in Cöln vom 
8. Oktober 1909: 

„Die form- und fristgerecht eingelegte Bevision der Angeklagten rügt 
ohne nähere Begründung Verletzung des materiellen Hechts. Sie konnte aber 
keinen Erfolg haben, denn das angefochtene Urteil läßt keinen Hechtsirrtum 
erkennen. Die hier nicht nachzuprüfenden Feststellungen der Strafkammer 
rechtfertigen die Verurteilung des Angeklagten aus § 367, Ziffer 8 St G. B. 

Die Bevision war hiernach unter Anwendung des § 606 St. P. 0. auf 
Mosten der Angeklagten au verwerfen.* 



248 


Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


Die Sache hat damit für unseren Bezirk ihre Erledigung 
gefunden. Zinksalbe ist nur zum Gebrauch für Tiere frei und 
muß eine entsprechende Kennzeichnung haben. 

Der neue Ministerialerlaß des Herrn Ministers der usw. 
Medizinalangelegenheiten vom 13. Januar 1910 — M. N. 8696 — 
bringt im 2. Teile „Grundzüge über die Begelnng des Verkehrs 
mit Arzneimitteln außerhalb der Apotheken unter Nr. 3, Abs. 3 
die Vorschrift: 

„Arzneimittel, die lediglich ffir den Gebrauch in der Tierbehandlung als 
Heilmittel dem freien Verkehr Überlassen sind, müssen auf den Vorrats¬ 
behältern und Abgabegefäßen oder -Umhüllungen über oder 
unter der sonstigen Aufschrift mit dem deutlich lesbaren Vermerk „Tierheil¬ 
mittel “ versehen sein.“ 

Der Vermerk „Tierheilmittel“ soll also nicht allein auf den 
Vorr&tsgefäßen, sondern auch auf den Abgabegefftßen oder -Um¬ 
hüllungen deutlich lesbar stehen. Hiernach sollen die alten Polizei¬ 
verordnungen der neuen Fassung gemäß umgestaltet werden. 

Bekanntlich spricht die alte Polizei-Verordnung nur von Vor- 
ratsbehältern, nicht aber auch von Abgabegefäßen, die den Ver¬ 
merk „Tierheilmittel“ tragen müssen. Die neuen „Grundzüge“ 
regeln diese Angelegenheit zur Zufriedenheit. Immerhin war in 
dem von mir beschriebenen Falle die Interpretation des betreffenden 
Passus der Polizei-Verordnung nicht schwer, da Vorratsbehälter 
und Abgabegefäße zusammenfallen, da die „Zinksalbe“ nur in ab¬ 
geteilten, fertig bezogenen kleinen Blechdosen vorrätig gehalten, 
feilgeboten und verkauft wurde. 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 

A Gerlohtliohe Medizin. 

Die Feuerbestattung vom gerichtsärztlichen Standpunkt. Von Dr. 
Ernst Stark. H. Groß’ Archiv; Bd. 34, S. 195. 

Stark bespricht an der Hand der Litteratnr die Befunde bei Exhu¬ 
mierten, den Vorgang der Verwesung, das Schicksal etwa in den Leichen ent¬ 
haltener Giftstoffe nach der Beerdigung. Von den Giften sind nach Verbrennung 
nur die Säurebildungen des Arsens nachweisbar und, unter Kautelen, atu 
Vergiftung zu beziehen, alle übrigen lassen sich nicht oder nur unsicher nach- 
weisen; die von ihnen hervorgerufenen pathologisch-anatomischen Veränderungen, 
die bei Exhumeirten eventuell noch festgestellt werden können, fallen beider 
Feuerbestattung natürlich ganz fort. St. verlangt deshalb vom gerichtsärzt¬ 
lichen Standpunkt aus folgende Vorsichtsmaßregeln vor der Erteilung der 
Erlaubnis zur Feuerbestattung einer Leiche: Leichenschau durch Medizinal¬ 
beamte; Bericht des behandelnden Arztes über die Todesursache, der die Mög¬ 
lichkeit eines Verbrechens ausschließt; gerichtliche Obduktion bei jedem plötz¬ 
lichen und nicht völlig geklärtem Todesfall; Aufbewahrung jeder Leiche im 
Leichenhause mindestens 8 Tage lang; Verbrennung zu reiner Asche und 
Aufbewahrung der Gesamtasche. Dr. Wenden bürg-Osnabrück. 


Lelehensera und Wassermannsche SjphlUsreaktton. Von Rudolf 
Krefting. Aus dem hygienischen Institut in Christian!a. Norsk Magazin 
tot Laegevidenskaben; 1910, Nr. 1. 

24 von 96 Fällen, bei denen Syphilis nicht vorlag, ergaben trotzdem 
ein positives Resultat. Die Wassermannsche Reaktion ist als biologische 
Reaktion zu bezeichnen, die an der Leiche keine zuverlässigen Resultate 
ergibt. _ Dr. Revenstorf-Breslau. 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


219 


Zur ferenslschen Würdigung der Bissrerletzungen. Von Dr. Marx 
nad Med.-Rat Dr. Pfleger. N. Groß’ Archiv; Bd. 81; S. 332. 

Bei einer Erwürgten fanden sich Bißverletzungen oberflächlicher Art an 
beiden Brüsten. Durch Vergleich der Krümmung der Zahnbügen, mehrerer 
Defekte und Stellungsanomalien in dem Gebiß eines Verdächtigen mit den 
Verletzungen konnten die Verfasser eine weitgehende Uebereinstimmung 
zwischen den Bißwunden und dem-mit besonderen Eigentümlichkeiten behaf¬ 
teten Gebiß des Beschuldigten feststellen. Sie gaben ihr Gutachten dahin ab, 
daß nichts gegen die Annahme spräche, daß die Bißwunden an den Brüsten 
von dem Gebiß herrührten. Es erfolgte Verurteilung. 

Dr. Wende nburg-Osnabrück. 

Experimentelle Amjloidbildong. Von E. Ravenjna-Padua. La 
Clinica veterinaria; 1910 Januar. 

Ravenna liefert einen Beitrag zu der*noch dunklen Aetiologie des 
Amyloids. Es gelang ihm bei weißen Mäusen »konstant Amyloiddegeneration 
der Organe zu erhalten, wenn er Bouillonkulturen des Staphylococcus pyogenes 
aureus subkutan einspritzte. Schon wenige Injektionen vermochten Amyloid- 
bildung zu bewirken, die zuerst in der.Milz begann. 

_ Dr. Revenstorf-Breslau. 

Experimentelle Seh8digungen^vou?Leber?und Niere nach Inhalation 
von Aether beim Kaninehen. Von F. Rathery und M. Saison. Aus 
dem Laboratorium des Prof. Debove. Comptes rendus de la soc. de biol.; 
1910, LXVin., Nr. 5. 

Es ist bekannt, daß auch nach der Aethernarkose ernste Spätwirkungen 
sich einstellen können, die den Tod zur Folge haben künnen. Ueber solche 
Spätfolgen, die auf Schädigungen der Leber beruhten, berichteten im Boston 
med. and chir. Journal 1904 Brackett, Stones und Low. 

Puppe sagt in Rapmund: „Der beamtete Arzt“: Es treten keine 
Verfettungen der parenchymatösen Organe auf, auch nicht nach längerer An¬ 
wendung, wenigstens nicht solche, daß sie denen des Chloroform auch nur 
annährend gleichen. Die Autoren berichten, daß auch FUetor und Selbach 
in ihren Versuchen keine Laesion gefunden haben; daß Nothnagel nur 
Fettdegeneration der Leber, Babaci und Be bi diffuse haemorrhagische 
Nephritis und Glomerulitis, Schenk etwas Fett in den Leberzellen nach¬ 
gewiesen habe. Fiessinger fand nach subkutaner Aetherinjektion keinerlei 
Schädigung der Leber. 

Die Verfasser schließen aus ihren Versuchen: 

1. Inhalation von Aether kann beim Kaninchen Laesionen von Nieren 
und Leber hervorrufen; diese Laesionen sind aber unbeständig. 

2. Sie haben ihren Sitz besonders im Gebiete der Leber. 

8. Die Schädigungen sind um so intensiver, wenn man das Tier eine 
geraume Zeit nach der Inhalation opfert, als unmittelbar nachher. 

4. Die Veränderungen werden charakterisiert durch Blutüberfüllung, 
Zytolyse und Homogenisierung des Protoplasmas. 

6. Die von verschiedenen Autoren beobachtete Fettdenegeration konnte 
von den Verfassern nicht reproduziert werden. 

6. Eine vorher bestehende Schädigung im Gebiete von Leber und Niere 
kau durch Aetherinhalation verschlimmert werden. 

7. Der Aether scheint die Niere weniger regelmäßig und weniger 

Intensiv zu schädigen, als das Chloroform; was die Leber anlangt, so findet 
de sich auch oft verändert und zwar ebenso stark, vielleicht sogar stärker 
durch Aether, als durch Chloroform. Dr. Mayer-Simmern. 

Neuere Ergebnisse auf dem Gebiete der’gerlchtlichen Medizin. Von 
Priv.-Doz. Dr. P. Fraenckel in Berlin. Deutsche med. Wochenschrift; 
1909, Nr. 50/51. 

Das Referat gibt einen für den Medizinalbeamten willkommenen Ueber- 
blick über neuere gerichtlich-medizinische Erfahrungen and Forschungen, die 
für die im Obduktionsguiachten auszusprechenden Schlüsse wichtig sind. Vor 
allem wird immer wieder auf die Schwierigkeiten bei der Entscheidung, ob 



260 


Kleinen Mitteilungen und Referate ana Zeitschriften. 


gewaltsame Todesart vorliegt, hingewiesen, auf die vorsichtige Bewerttug von 
Symptomen, die früher als sicher galten (z. B. Ekchymosen bei Erstickung*- 
tod). Die Lektüre des Artikels ist dem Praktiker warm an empfehlen. 

Dr. Liebetr au-Hagen L W. 


Die Geheimnispfllcht des Arztes. Von Prof. Josef Kühler. Monats* 
schrift f. Krim.-Psych. n. Strafr.; 6. Jahrg., H. 10, S. 493. 

K. tritt für strengste Wahrung der Schweigepflicht des Arztes ein, die 
nach ihm soweit za geschehen hat, daß Belbst ein Mörder sich ohne Gefahr, 
angezeigt za werden, dem Arzt anvertraaen kann (l). Wendet sich jemand an 
einen Arzt, am za erfahren, ob in Sekreten dritter Personen krankhafte Be- 
standteile enthalten sind, so darf der Arzt keine Auskunft geben ohne Ge* 
nebmigang der Person, von der die Sekrete stammen. Die Schweigepflicht 
bleibt auch dann bestehen, wenn ein Arzt seine Praxis aufgibt. 

Dr. Wenden barg-Osnabrück. 


B. Gerlohtllohe Pzyohi&trle. 

Veher Wortblindheit« Von Dr. Erich Plate-Hamburg. Der Schul¬ 
arzt ; 1910, Nr. 1. 

Verfasser beschreibt einen Fall von Wortblindheit bei einem 16 jährigen, 
durchaus gesunden und über das Normale intelligenten Mädchen. Trotz 
unendlicher Mühe and unermüdlichen Lese- and Scbreibübungen war es ihr 
unmöglich, sich die Wortbilder richtig einzaprägen, sodaß sie in jedem 
Schriftstück eine große Reihe von orthographischen Fehlern machte. Noch 
vor kurzem hatte sie in einem, sonst tadellosen französischen Extemporale 
70 orthographische Fehler gemacht! Klavierspielen konnte sie nicht lernen, 
weil sie die 2 Notenreihen nicht übersehen konnte, dagegen lernte sie gut 
Violine. 

Besonders interessant ist, daß in der Familie des Vaters des Mädchens 
schon 3 solche Fälle von Wortblindheit vorgekommen sind: Die Matter des 
Vaters — Tochter eines Universitätsprofessors —, deren Brader — Offizier — 
und der Brader des Vaters, der sich die Manuskripte seiner wissenschaftlichen 
Werke immer aaf orthographische Fehler darchsehen lassen mußte. 

Diese zusammenhängenden Fälle denten auf erbliche Veranlagung hin; 
das eng begrenzte Gehirngebiet, das zur Aufbewahrung der Wortbilder dient, 
ist mangelhaft veranlagt, während das Gehirn sonst durchaus normal und 
leistungsfähig ist. 

Verfasser warnt vor einer zu schnellen Unterschätzung der geistigen 
Fähigkeiten dieser Kinder, die sich bei richtiger Berücksichtigung ihres 
Zustandes doch geistig ganz normal entwickeln, und mit denen noch gute 
Lehrresultate zu erzielen sind. _ Dr. Solbrig-Allenstein. 

Wert und Einfluss der doppelhändigen Ausbildung auf unser Gehirn. 
Von Dr. Manfred Fränkel -Charlottenburg. Zeitschrift für Schulgesundheits¬ 
pflege; 1909, Nr. 12. 

Verfasser betont die Notwendigkeit, die linke Hand in jeder Beziehung 
gleichwertig mit der rechten aUBzubilden, aus erzieherischen, vor allem aber 
aus physiologischen Gründen, um den jetzt brach liegenden rechten Gehirnteil 
rationell nutzbar zu machen. Der große Wert dieser Methode würde sich 
besonders bei Erkrankungen der linken Gehirnhälfte verweisen. Verfasser 
berichtet über eigene Beobachtungen, die seine Forderung berechtigt erscheinen 
lassen; er beruft sich auf die Erfahrungen von Prof. Liepmann, nach 
denen Patienten, die rechts gelähmt waren, auf dem Umwege von systema¬ 
tischen Scbreibübungen mit der linken Hand, auch die Sprache, die sie 
verloren hatten, wieder erlangten. Dr. Solbrig-Allenstein. 

Hypomanle und Querulantenwahn. Von Dr. med. Karl John-Tübingen. 
Vierteljahrsschrift für gerichtl. Medizin usw.; 3. F., 39. Bd., 1910, 1. Heft, S. 68. 

Die sehr ausführlich wiedergegebene Krankheits- und Prozeßgeschichte 
betrifft einen eigentümlichen Fall von krankhafter Prozeßsucht, in dem die 
Diagnose zunächst auf Querulantenwahn gestellt wurde. Nach etwa lOjähriger 



Rechtsprechung und Medizinal - Gesetzgebung. 


251 


Krankheit, die rar Entmündigung und Aufnahme in eine Anstalt wegen 
Gemeingefährlichkeit geführt hatte, trat eine ebenfalls etwa 10jährige 
Remission mit völliger geistiger Gesundheit ein, in der der Patient wieder be- 
mündigt wurde. Dann begannen neue Krankheitssymptome, die, wie das erste 
mal, infolge eines rechtlichen Konfliktes, wieder zum Ausbruch querulatorischer 
Störungen mit Wahnideen und Gewalthandlungen führten. Nach Erwägung 
der Diffdrentialdiagnostik wird die Krankheit als Hypomanie gedeutet und für 
die Diagnose späterer Fälle, als Resultat dieser Analyse, die Beachtung 
folgender Punkte hervorgehoben: die ursprüngliche Veranlagung des Kranken, 
die Stimmungslage vor und während der Krankheit, der periodische Verlauf 
der Krankheit, Form und Inhalt der Schriftstücke, besonders ihre Verworren¬ 
heit infolge der inneren Ideenflacht des Kranken, die Zahl der Schriftstücke, 
die entsprechend dem Krankheitsverlauf selbst periodisch an- und abschwillt. 

Dr. r. Fraenckel-Berlin. 


Strafanzeigen psyehiseh abnormer Personen. Von Dr. Otto Wallner. 
H. Groß’ Archiv; Bd. 85, 8. 249. 

W. gibt eine ausführliche Darstellung des Falles der Oberin v. H. in 
München, die auf Grund der Anzeige einer Hysterischen wegen Mordversuchs 
n 6 Jahren Zuchthaus verurteilt war und später, als Zweifel an der Glaub¬ 
würdigkeit der Hauptbelastungszeugin entstanden waren, im Wiederaufnahme¬ 
verfahren freigesprochen wurde. Dr. Wenden bürg-Osnabrück. 


Ueber die gerlehtsärstliche Beurteilung perverser Geschlechts triebe. 
Von Dr. Heinr. Gräf. H. Groß’ Archiv; Bd. 84. H. 1 und 2. 

Umfassende Zusammenstellung und Kritik der Litteratur über die per¬ 
versen Geschlechtstriebe. Für die gericbtsärztliche Beurteilung sind besonders 
die letzten Kapitel der Arbeit praktisch, in der Gräf sehr gründlich ausein¬ 
andersetzt, was zum Tatbestand der widernatürlichen Unzucht und ihrer 
Unterabteilungen gehört, wie man sie erkennt und wie die Zurechnungsfähig¬ 
keit bei perversen Geschlechtsakten zu beurteilon ist. Gr. betont, daß sich 
hier keine allgemeinen Gesichtspunkte aufstellen lassen; man hat sein Gut¬ 
achten vielmehr von Fall zu Fall nach gründlicher Untersuchung abzugeben. 
Der § 51 ist nur den geisteskranken Perversen, nicht aber den sog. sexuell 
Psychopathischen oder Urningen zuzubilligen, ganz gleich, ob sie behaupten, 
der Trieb sei angeboren oder nicht Am Schluß der Arbeit befindet sich ein 
reichhaltiges Litteraturverzeichnis. Dr. Wendenbarg-Osnabrück. 


0. flaohvsrstindigentätigksit ln Unflall- and Invalidlt&traaohen. 

Multiple Sklerose und Unfall. Von Geb. Med.-Bat Prof. Dr. 
A Cramer• Göttingen. 2 Gutachten. Medizinische Klinik; 1909, Nr. 51 
and 52. 

Die allgemein wichtigsten Punkte, die aus der Entscheidung der beiden 
ausführlich mitgeteilten Gutachten hervorgehen, sind: Die multiple Sklerose 
ist ein Leiden, das auf Grund einer angeborenen Veranlagung durch die ver¬ 
schiedensten Schädlichkeiten ausgelöst werden kann. Unter den auslösenden 
Momenten kann auch ein Unfall in Betracht kommen; es muß aber ein 
schwerer sein. Häufig ist er mit der Einwirkung starker Temperaturdifferenzen 
verbunden. Ein ununterbrochener Symptomenkomplex, der vom Unfall nach 
der Krankheit hinüberfdhrt, spricht meist dafür, daß die multiple Sklerose zur 
Zeit des Unfalls schon bestanden hat. Man sieht sehr viele Fälle von 
multipler Sklerose, ohne daß irgend ein Unfall resp. Trauma in Betracht 
kommt. In diesem Sinne wurden die beiden Gutachten abgegeben. 

_ Rpd. jun. 


Trauma, Dementia paralytfcaund Unfall. Von Med.-Rat Dr. Gerlach- 
Königslutter. AUg. Zeitschrift für Psychiatrie; 67. Bd., 2. Heft. 

Eine Paralyse, die in voller Entwicklung unmittelbar auf ein Tranma 
folgt, ist stets, auch wenn an dem Verletzten vor dem Trauma keinerlei Ge¬ 
sundheitsstörungen bemerkt wurden, die plötzliche Verschlimmerung einer 
schon vor dem Trauma vorhandenen Paralyse. Zeigen sich dagegen unzwei- 



252 


Kleinere Mitteilungen nnd Referate ans Zeitschriften. 


deutige paralytische Symptome, für deren Auftreten ein Tranma verantwort¬ 
lich gemacht wird, erst längere Zeit nach diesem Tranma, so ist bisher xwar 
mit der Möglichkeit za rechnen, dafi in derartigen Fällen der paralytische 
Krankheitsprozeß erst durch das Trauma ausgelöst wurde. Aber es ist eine 
sehr naheliegende, wiewohl noch nicht sicher bewiesene Vermutung, daß ans 
einem Trauma nur dann eine Paralyse hervorgeht, wenn die paralytische Ver¬ 
änderung des Zentralnervensystems schon vor dem Trauma begonnen hatte. 

Macht eine angeblich traumatisch entstandene Paralyse den Verletzten 
erwerbsunfähig, so ist zur Begründung von Rentenansprüchen notwendig der 
Nachweis, daß das Trauma für diese Schädigung der Gesundheit and Er¬ 
werbsfähigkeit eine ins Gewicht fallende mitwirkende Ursache gewesen ist. 

Die Feststellunng, daß die Paralyse bei dem Verletzten schon vor dem 
Unfall begonnen hatte, macht den Rentenanspruch nicht hinfällig, falls sich 
nachweisen läßt, daß das Trauma den durch Paralyse bedingten Eintritt der 
Erwerbsunfähigkeit erheblich beeinflußt und beschleunigt hat. Für die Berech¬ 
tigung des Rentenansprnchs ist es ohne Belang, ob das Tranma sn einer 
langsamen Entwicklung der Paralyse führt. Dr. Többen-Mttnster. 


Die Beurteilung der Unterleibsbrliehe als Betriebsunfälle. Von 
Prof. Dr. Pietrzikowski. Prager mediz. Wochenschrift; 1909, Nr.46—51. 

Verfasser faßt am Schloß seiner eingehendon Darstellung ihr Resultat 
in folgende Sätze zusammen: 

1) Jeder angeblich auf ein Unfallereignis zurückgeführte Unterleibsbruch 
bedeutet die ärztliche Begutachtung eines dringlichen Falles, der unbedingt 
gleich durch eine möglichst bald vorgenommene Untersuchung vom ersten 
untersuchenden Arzt abgeklärt werden soll. 

2) In der großen Mehrzahl der Fälle wird der erschöpfend genau er¬ 
hobene primäre Befand des Einzelfalles die wichtigste Grundlage für die sofortige 
Abklärung abzugeben imstande sein, der unterstützt von allen bemerkenswerten 
Begleiterscheinungen häufig genug dem ersten untersuchenden Arzte ein defi¬ 
nitiv abschließendes Urteil gestattet. 

3) Die plötzliche Entstehung eines Unterleibsbruches auf traumatischer 
Grundlage, im wahren Sinne des Wortes, gehört zu den größten Seltenheiten; 
dagegen erscheint, wenn auch nicht allzu häufig, eine plötzliche stärkere Zu¬ 
nahme eines immer schon in der Entwicklung vorbereitenden Bruches unter dem 
Einflüsse eines besonderen Unfallereignisses und besonderer Begleitumstände 
sehr wohl möglich und ist als solche im Sinne des Unfallversicherungs¬ 
gesetzes als Unfallfolge bezw. Verschlimmerung entschädigungspflichtig. Ein¬ 
wandfreie Zahlenwerte über die Häufigkeit dieses Vorkommnisses lassen sich 
im allgemeinen nicht feststellen; jeder Einzelfall erfordert diesbezüglich unter 
Erwägung aller unterstützenden Momente eine streng objektive Beurteilung. 

4) Die große Mehrzahl der angeblich auf einen Unfall zurückgeführten 
Unterleibsbrüche bei Erwachsenen kommt unter dem Einflüsse einer ganzen 
Reihe von mitwirkenden Umständen allmählich zur Entwicklung, wobei die 
Entwicklung des Braches unterstützende lokale anatomische Mängel als sogen. 
Brachanlage der Ausbildung des Unterleibsbraches grundlegend Vorschub 
leisten. Derlei allmählich erworbene Krankbeitszustände sind von den eigent¬ 
lichen Unfallbrüchen scharf zu trennen und als solche nicht entschädigungs¬ 
pflichtig. 

Insgesamt hat Verfasser in der Zeit vom 15. Oktober 1896 bis 30. Juni 
1909 790 Unterleibsbrüche unter 16728 Untersuchten zu begutachten gehabt. 
Davon wurden 66 als direkte Unfallbrüche, 98 als entschädigungspflichtige 
Verschlimmerungen anerkannt. 46 waren durch direktes Trauma, 116 durch 
indirekte Gewalteinwirkung entstanden. Rpd. jun. 


Ursächlicher Zusammenhang zwischen einem späteren und früheren 
Betriebsunfall ist anzunehmen, wenn der Verletste die Folgen des zweiten 
Unfalles beim Nichtvorhandensein der Folgen des ersten Unfalles (z. B. 
Unbrauchbarkeit oder Verlust des linken Armes) hätte verhindern oder 
wenigstens erheblich abschwächen kännen. Rekursentscheidung 
des Reichsversicherungsamts vom 15. November 1909. Kom¬ 
paß; 1910, Nr. 4. 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


268 


Der glatte Yerlnat des rechten Kleinfingers berechtigt nach erfolg* 
ter WUtiger Angewöhnung nicht mehr nun Rhntenbemge« Rekurs* 
enteeheidang des Reichsversicherungsamts vom 4. November 
1908. Kompaß; 1910, Nr. 4. 

Der glatte Yerlast des linken Ringfingers berechtigt nach einge¬ 
tretener Anpassung und Gewöhnung nicht mehr mm Rentenbesnge. Re- 
knrsentscheidnng des Reichsversicherungsamts vom 1. De* 
aember 1909. Kompaß; 1910, Nr. 5. 

O. Bakteriologie, Infektionskrankheiten und ßffentliohea 

SanltAtswesen, 

L BekAmpfong der Infektlonakrankheiten. 
a. Bakteriologie and Infektionskrankheiten im 

allgemeinen. 

Linnd and die Mikroorganismen. Von Prof. Dr. Ernst Almqnist* 
Stockholm. Zeitschrift für Hygiene u. Infektionskrankheiten; Bd. 68, 8. 161. 

Almqnist weist in seiner interessanten und umfangreichen Arbeit 
auf ein großes bisher relativ wenig bekanntes und au gering gewürdigtes 
Verdienst des großen Botanikers hin, nämlich auf die Bedeutung von Linnös 
Studien über die Mikroorganismen. Namentlich ist es das Verdienst Linnäs 
gewesen, die in der Litteratur schon vor Linnä gemachten Beobachtungen 
und Behauptungen gesammelt au haben, insbesondere die über die Ansteckung, 
Gärung, Verwesung u. drgl. Linnä hat seine überaus reichen Erfahrungen 
in biologischen Fragen benutat und damals schon die These aufgestellt, daß es 
eine generatio aequivoca nicht geben könne, so daß er beispielsweise in seiner 
„generatio ambigena“ direkt sagt: „Man könnte vomieren, wenn man von 
einer generatio spontanes sprechen hört.* Die Spuren von Linnäs Wirk* 
samkeit sind wieder au finden in den Arbeiten von C. F. Müller, der es den 

S tematischen Arbeiten der Botaniker au verdanken hat, den beobachteten 
kterien entsprechende Namen gegeben und sie in Linnäs System ein* 
geordnet au haben. Selbst Henle, der 100 Jahre nach Linnä seine wert¬ 
vollen Deduktionen, gestützt auf die Entdeckungen von Schwann, Latour, 
Basoi u. a., produziert hat, ist in gewissem Sinne rückschrittlich geworden, 
insofern er eine generatio spontanes nicht glaubt völlig entbehren au können, 
sondern meint, daß die „infizierende Materie* auch im menschlichen Körper 
durch Urzeugung gebildet werden könne. Linnä hat seine eingehenden Stu¬ 
dien freilich gemacht, ohne selbst zu mikroskopieren, und hat durch eigene 
Anschauungen von kleinen Lebewesen kaum mehr gekannt als den Acarus 
scabici. Später allerdings hat L. auch an Schimmel und Pilze gedacht, als er 
sich eine Vorstellung von gewissen Ansteckungsarten machen wollte. — L.s 
umfangreiche Studien haben sich auf Krankheiten wie Malaria, Tuberkulose, 
Anthrax, Scabies, Thyphus, Dysenterie, Lepra, Tetanus u. a. erstreckt; 
man ist erstaunt, wie genau L. schon damals das Wesen der Krankheiten 
bezüglich ihres endemischen und epischen Auftretens beobachtet und beschrieben 
hat. _ Dr. Symanski-Mets. 


Ueber den Nachweis von Indol in den baktertsehen Kulturen mit 


der Ehrllchschen Methode. Von Dr. E. Cross oninL Archiv für Hygiene; 
Bd. 72, H. 2, S. 161. 

Da die gewöhnlich angewandte Methode Salkowskis (1:5000 von 
Kalinitrit und Schwefelsäure) zum Nachweis von Indol nur bd mindestens 
24 ständigen Kulturen zum Ziele führt, außerdem aber auch unzuverlässig ist, 
hat Verfasser das von Ehrlich vorgeschlagene Verfahren, das unter anderen 
auch von Marsch all angewandt ist, nachgeprüft und mit den Resultaten 
der Methode Salkowskis verglichen. 

Das neue Verfahren besteht darin, daß man zu 10 ccm Bouillonkultur 
der zu prüfenden Bakterienart 5 ccm folgender Lösung: 

Paradimetbylamido - Benzaldehyd . ..4 Teile 

Alkohol abs.. 880 „ 


Chlorwasserstoffsäure.80 „ 

hinzufügt, und außerdem 6 ccm einer wässerigen Lösung von Kalipersulfat. 





254 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 


Beim Schütteln bildet sich beim Vorhandensein Ton Indol sofort eine 
rosa Farbe, die immer intensiver wird. 

Verfasser hat non stets mit genau denselben Nährböden gearbeitet, die 
er in genügender Menge sich bereitet hatte. Er benntste genau 15 ccm 
Bouillon nnd wandte zum Beimpfen immer die gleiche Oese an. 

Auf Grund seiner Untersuchungen kommt er zu folgenden Ergebnissen: 

Die neue Ehrlichsche Indolnachweismethode ist der 8alkowskischen 
überlegen; denn jene erlaubt schon Indol in Kulturen von 2—4 Stunden Alter 
nachzuweisen. 

Die Resultate sind sehr genau und konstant; Fehlerquellen, die 
gewisse Substanzen, die nach der alten Methode zu positiven Resultaten ohne 
wirklich vorhandenes Indol führen, werden vermieden. 

Diese neue Methode eignet sich auch sehr gut zu quantitativen Fest* 
Stellungen mittelst kalorimetrischer Schätzungen, wozu die schwierige Destillation 
gar nicht notwendig ist, da die Kulturen selbst hierzu schon geeignet sind. 

_ Dr. Zimmermann - Poeen. 

Ueber MalachltgrflnnährbSden. Von Dr. E Schindler. Aus dem 
KOnigL Institut für Infektionskrankheiten in Berlin. Zeitschrift für Hygiene 
u. Infektionskrankheiten; Bd. 68, S. 91. 

Schindler empfiehlt auf Grund von Versuchen und Untersuchungen, 
die er unter Leitung von Lentz und teilweise auch im Gelsenkirchener In* 
stitut ausgeführt hat, einen für Typhusbazillen besonders elektiven Malachit* 
grünnährboden. Zur Herstellung dient fettfreies kleingehacktes Rindfleisch, 
aas 20 Stunden lang mazeriert und zu 8prozentigen Nähragar verarbeitet 
wird. Reaktion mit Lackmuspapier: neutral oder schwach sauer. Einstellung 
mit lOprozentiger Sodalösung. Reagiert der Agar an sich schon neutral, so 
wird 0,3 ccm einer iOprozentigen Sodalösnng auf 1 Liter Agar zugesetzt. 
Der fertige Agar wird je nach Bedarf in Kölbchen von je 100 oder größerer 
bis zu 600 ccm abgefüllt. Eines der Kölbchen wird verflüssigt und zur Be¬ 
stimmung der günstigsten Malachitkonzentration benutzt. Hierzu werden je 
20 ccm mit dem Farbstoff in verschiedenen Verdünnungen versetzt. Als Aus¬ 
gangspunkt dienen wässerige Stammlösungen in verschiedenen Verdünnungen 
(1:800 und darüber). Die Lösungen werden in Mengen von 1°/« dem Agar 
zugesetzt. Nach Ausgießen der Schalen wird je eine Hälfte der Platte mit 
Typhus bezw. Coli beimpft. Nach 24stündigem Wachstum wird hiernach die 
für Typhusbazillenwachstum günstigste Konzentration bestimmt. 5 Liter Agar 
reichen bei Benutzung von 2 kleinen Petri-Schalen pro Stuhl für ca. 150 Untere 
Buchungen aus. Als Malachitgrün gelangt zur Verwendung das Präparat 
„Malachitgrttnkrystalle Extra Höchst“. Dr. Symanski-Metz. 

Ueber die Brauebbarkelt des Natrium taurocholleum als Zusatz zum 
LSfflerschen Malachitgrünagar. Von A. Müller. Arbeiten aus dem KaiserL 

Gesundheits-Amt; Bd. 83, S. 443. 

Der Zusatz von Natrium taurocbolicum znm Löfflerschen Malachitgrün¬ 
agar hat, wie Verfasser durch seine Versuche festgestellt hat, eine erhebliche 
Wachstumsbegünstigung der Typbusbazillen zur Folge, während er anderseits 
alle übrigen im Wasser und Kot sich aufhaltenden Begleitbakterien im Wachs¬ 
tum stark hemmt. Auch schneller und zahlreicher sollen sich die Typhus¬ 
keime zu makroskopisch sichtbaren Kolonien entwickeln. Demnach wird durch 
den Zusatz von Natrium taurocbolicum der kulturelle Typhusnachweis auch 
bei Gegenwart nur schwach wachsender und gegen Malachitgrün sehr empfind¬ 
licher Typhuskeime viel aussichtsreicher. 

Das Natrium taurocholleum hat außerdem nach der Galle den Vorteil 
voraus, daß es stets vorrätig gehalten werden kann und eine gleichmäßige 
Wirksamkeit des Nährbodens verbürgt. Dr. Zimmermann-Posen. 

Ueber eine neue Art von Reagenzglasgestellen für bakteriologische 
Zwecke« Von Dr. Woithe. Arbeiten aus dem KaiserL Gesundheitsamt; 
Bd. 88, Heft 2, S. 288. 

Die aus dem chemischen Laboratorium übernommenen Reagenzglasständer 
haben sich für den Bakteriologen vielfach unpraktisch erwiesen. Verfasser 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


265 


hat sich daher veranlaßt gesehen, eine neue Art von Ständern zu konstruieren 
die in Tier Ausführungen von der Firma Paul Altmann, Berlin N.W. zu 
beziehen ist. ln diesen neuen Reagensglasgestellen werden die Gläschen nicht 
einfach in Locher gesetzt, sondern vermittelst federnder Klemmen von Neu* 
silberblech gehalten. Hierdurch ist ein Herausfalien eines Gläschens, z. B. 
mit infektiösem Material unmöglich, Bodann hält auch die Klemme das Gläschen 
in jeder beliebigen Hohe, sodaß man seine Kuppe frei sehen und es auch mit 
dem dahinterstehenden Gläschen vergleichen kann. Das Hinausziehen der 
Wattestopfen geht bei dieser Konstruktion viel schneller, da man nicht die 
einzelnen Gläschen, sondern nur das Gestell festzuhalten braucht. Auch sonst 
haben diese neuen Ständer manche Vorzüge. Konstruktion HI ermöglicht eine 
bessere Baumausnutzung im Brutschrank, während Konstruktion IV zu 
Demonstrationszwecken sehr^ geeignet ist. Dr. Zimmer mann-Posen. 


Studien Aber Immunität und Ueberempflndlichkelt* Von Dr. Br. Bloch 
und Dr. B. Massini. Aus der medizinischen Klinik zu Basel Zeitschrift 
für Hygiene und Infektionskrankheiten; Bd. 68. 8. 68. 

Von den Resultaten der interessanten Arbeit seien folgende besonders 
hervorgehoben: Mit einem aus einer favusartigen Dermatose des Menschen 
gezüchteten Trichophytonstamm, der sich bei kutaner Verimpfung für Meer¬ 
schweinchen, Kaninchen und Menschen als pathogen erwies, stellten die Ver- 
fnsser folgendes fest: 

1. Ueberstehen der Krankheit erzeugt Immunität, und zwar mit Sicher¬ 
heit nur nach kutaner Erkrankung. Die Dauer der Immunität betrug bis zu 
1V» Jahren. 

2. Versuche einer aktiven Immunisierung durch Pilzpreßsaft oder Kultur- 
flltrat oder passive Immunisierung mit Serum und Hautpreßsaft mißglückten. 
Aehnliche Resultate wurden erreicht mit einem aus einem Kerion Celoi ge¬ 
züchteten Trichophyton gypseum und Mikrosporon lanosum. 

8. Der Mensch erwirbt durch Ueberstehen einer Trichophytie eine 
Ueberempfindlichkeit. Sie äußert sich analog der Pirquetschen Reaktion 
durch die kutane Reaktion, die sowohl bei Impfung mit Kulturfiltrat, wie auch 
bei Inoculation lebender Pilze zu Tage tritt. 8ie scheint lange bestehen zu 
bleiben. Die Ueberempfindlichkeit ist aber ebensowenig artspezifisch wie die 
Immunität. Die Versuche deuten jedenfalls auf eine enge Verwandtschaft von 
Trichophyton mit Mikrosporon und Achorion hin. Dr. Symanski -Mets. 


b. Cholera und Pest. 

Zur Frage über die Veränderungen des Nervensystems bei der 
asiatischen Cholera beim Menschen. (Aus dem Laboratorium bei der Klinik 
für Geistes- und Nervenkrankheiten des Akademikers W. Bechterew, z. Z. 
8t Petersburg.) Von Sergius Michailow. Mit 2 Figuren. Zentralblatt für 
Bakteriologie; I. Abt., Org., Bd. 50, H. 3. 

Nach der allgemein herrschenden Ansicht vermehren'sich die Cholera¬ 
vibrionen im Darm und zwischen dem Darmepithel und senden von hier aus 
ihre Toxine in den Körper, der auf diese Gifteinschwemmung mit dem be¬ 
kannten Krankheitsbilde antwortet. Nur vereinzelt sind, fast ausschließlich 
in russischen Fachzeitschriften Stimmen laut geworden, nach denen Cholera¬ 
vibrionen bei dem menschlichen Krankheitsprozeß in den allgemeinen Säfte¬ 
strom übergehen und auch in, den inneren Organen von Choleraleichen nach¬ 
gewiesen werden können. 

Michailow hat nun bei Untersuchungen, die auf ein Studium der bei 
der Cholera-Erkrankung des Menschen eintretenden Veränderungen der 
Ganglienzellen in Gehirn und Rückenmark abzielten, im Zentralnervensystem 
herdweise Anhäufungen von Bakterien gefunden, die er nach ihrem Aussehen 
— und seine Abbildungen scheinen dem Recht zu geben — als Choleravibrionen 
aasprechen zu müssen glaubt. Eigentümlicherweise zeigten die Ganglienzellen 
an diesen Stellen ein vollständig homogenes Aussehen, ohne ein einziges 
Nißlsches Körperchen erkennen zu lassen, während diese Gebilde an anderen 
Ganglienzellen, in deren Nachbarschaft Vibrionen nicht lagen, in bekannter 
Weise deutlich zu erkennen waren. Er schließt aus jenem Befnnde, daß die 
Bakterien noch während des Lebens des Verstorbenen in das Zentralnerven- 



266 


Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschrift 


sjstem — und zwar höchstwahrscheinlich auf dem Lymph- an 
eingewandert seien and die Veränderungen an dem Ganglie 
gerufen hätten. Er sieht hierin eine Bestätigung jener Ansicl 
ähnlich wie beim Typbus 'auch bei der Cholera zu einer Bakb 
die hier vielleicht nur in einem sehr frühen Stadium des Krai 
und nur für sehr kurze Zeit Platz greift, woraus sich erklä 
sie auf der Hohe der Krankheit bisher noch nicht hat nachg 
können. Die Choleravibrionen im Zentralnervensystem auch kl 
weisen, ist Michailow aus Mangel an geeignetem frischem ] 
■och nicht gelungen; er setzt diese Untersuchungen noch fort 

_ Prof. Dr. Lenti 

Zur Cheleradtaguese« Von Dr. H. Dold in London. 
Wochenschrift; 1909, Nr. 49. 

Dold hält die Untersuchungen von Kollo und Meini 
der Deutschen med. Wochenschrift, referiert in dieser Zeitst 
seltene Vorkommen von Vibrionen im normalen Darminhalt i 
haltig, weil sie keine Ausstrich-Präparate gemacht haben. Er 
mehr seine und Harris Ansicht (Deutsche med. W. Nr. 6, ref 
Zeitschr.), daß Vibrionen-Befund, wenigstens in cholerareichen 
hältnismäßig häufig ist, und daß die „fnchzugartige Anordnung 
bei der Herstellung von Ausstrich-Präparaten ist, daß diesen ! 
die ausschlaggebende Bedeutung abgeht, die ihnen von eim 
zugeschrieben wird. Dr. Liebetrau-Hag 


Vergleichendej epidemiologische Betrachtungen über i 
Moskau und in Petersburg. Von Dr. Philipp Blumenthal¬ 
schrift für Hygiene und Infektionskrankheiten; Bd. 63, S. 199. 

Eine ausgezeichnete fleißige Arbeit mit einer große 
Kurven und Diagrammen, die das Geschilderte erläutern, hat 1 
mit seinen Betrachtungen geliefert, die uns außerdem einer 
Einblick in die Verwaltungszustände von Petersburg und Mos 
B. schildert außer der Choleraepidemie des Jahres 1908 in 
auch [die Geschichte der früheren dortigen Choleraepidem 
interessante statistische Daten über sonstige epidemisch und 
kommende Krankheiten, wie namentlich Typhus und Tuberkulc 
treten uns mit vollkommener Deutlichkeit 3 Perioden von CI 
entgegen. Eine Periode sehr heftiger Epidemien in den 30 er ui 
eine Periode ziemlich bedeutender Epidemien in den 60 er ui 
und eine Periode geringfügiger Epidemien zu Beginn der i 
vorigen Jahrhunderts. Danach gab es in Moskau keine CI 
mehr. In der großen russischen Pandemie des Jahres 1907 ga 
nur einige vereinzelte Fälle und 1908 nur 16 Fälle, von de 
außerdem nachgewiesenermaßen aus Petersburg eingeschlepp 
Ohne diese wäre M. vielleicht |ganz von der Cholera verschon 
Anders in Petersburg. | Hier waren während der Jahre U 
während eines 43jährigen Zeitraumes, insgesamt 23 Choleri 
zeichnen, für Moskau nur 18. — In Petersburg betrug < 
schlimmen Cholerajahre (mehr als 1 °/o Mortalität) 10, in Moski 
Die Dauer jeder Epidemie betrug in Petersburg 39, in Moskau 
Ebenso ist Petersbarg die einzige russische Stadt, in der Epideu; 
Jahr anhielten (1849, 1853, 1854, 1855 und 1867). Diesen Ti 
folgende Ursachen zu Grunde: .Bereits im letzten Viertel des 1 
begann man in Moskau für gutes und reines Trinkwasser zu a 
1893 ist durch eine ganze Beihe radikaler Maßnahmen die sog. 
Wasserleitung geschaffen worden, die nunmehr fast die gan 
mit gutem Qaellwasser versorgt. Im übrigen erfolgt die W: 
durch vorzüglich filtriertes Wasser ndes Moska-Flusses; die 
liegt 50 Km oberhalb der Stadt. Ferner besitzt die Stadt se 
zentralen, am dichtesten bevölkerten Teil eine Schwemmkanalü 
Trennsystem (Rieselfelder, biologische Kläranlagen etc.). — 
hierzu Petersburg: Keine Kanalisation, daher eine enorme 



Kleinere Mitteilungen and Referate.ans Zeitschriften. 267 

and Verunreinigung des Bodens, da die vorhandenen Gruben vielfach bis in 
das Grandwasser hineinreichen. Es existiert eine ganze Reihe von Straßen* 
Zügen und Häusern, die gar keine Wasserleitung besitzen, während andere 
rechts der Newa belegene Stadtteile unfiltriertes Rohwasser, die 
links belegenen seit 1889 filtriertes Newa-Wasser erhalten, jedoch von einer 
Stelle des Flusses her, die so beschaffen ist, daß das Wasser an der Schöpf¬ 
st eile .mit allerlei faulenden organischen Stoffen sumpfartig 
verunreinigt ist.“ Gholeravibrionen sind wiederholt im anfiltrierten 
sowohl, wie im filtrierten Wasser gefunden worden, da einmal die Filter 
bei der Beschaffenheit des Rohwassers überhaupt ungenügend arbeiten, sich 
naturgemäß bald totarbeiten, und außerdem nicht selten in das Reinwasser¬ 
reservoir als Notbehelf un filtriertes Wasser geleitet wird. Nach dieser Sach¬ 
lage fällt für Petersburg die Choleraprognose für die nächsten Jahre sehr 
schlecht aus. Ein Umschwang ist erst in 6—7 Jahren nach Fertigstellung 
der Kanalisation und Reform der Wasserversorgung zu erwarten. Erfreulicher 
Weise scheint die städtische 8anitätskommission daran zu gehen, die Sanierung 
in die Wege zu leiten; ebenso gedenkt die Regierung eine Vorlage über 
die obligatorische Sanierung der Hauptstadt, sowie der Wolgastädte den gesetz¬ 
gebenden Körperschaften zu unterbreiten. Dr. Symanski-Metz. 


Die Verhütung der Pest in Algier. Die Massnahmen und Resultate 
der Battenvertilgung ln den Häfen Algiers mit besonderer Berücksichtigung 
der Stadt Algier. Von Dr. L. Raynaud. Revue d’ Hygiene et de police 
■anitaire; 1909, Bd. 31, Nr. 11. 

Einige Pestfälle in den Häfen Algiers und Tunis im Winter 1907—1908 
machten besondere Maßnahmen zur Verhütung der Krankheit notwendig. Diese 
Maßnahmen dehnten sich auch weiter über die Zeit hinaus aus, in der die 
Krankheitsfälle gemeldet wurden. Sie bestanden in Assanierung der Städte 
und Bekämpfung der Rattenplage. 

Die allgemeinen sanitären Maßnahmen bestanden in der Einsetzung von 
Kommissionen zur Beaufsichtigung der Häfen, Einrichtung von Laboratorien 
zur bakteriologischen Untersuchung der Ratten und Organisation von Kolonnen 
zur Vernichtung der Ratten. Durch Abdichtung der Mauern und Kanäle in 
Hafenanlagen wurden den Ratten die Schlupfwinkel nach Möglichkeit entzogen. 
Außerdem mußten alle Nahrungsmittel, die im Hafen verladen und den Ratten 
zur Speise dienen konnten, möglichst bald fortgeBchafft oder von rattensicheren 
Zinkwänden umgeben werden. 

Zur Vertilgung der Ratten wurden Fallen, Gift, Impfungen mit Bakterien 
und giftige Gase angewandt. Außerdem wurden auch rattenfeindliche Tiere 
angeschafft. 

Mit dem Aufstellen von Fallen wurden im Ganzen günstige Erfahrungen 
gemacht. Man gewinnt bei dieser Methode eine Uebersicht über die Zahl der 
getöteten Tiere und hat insbesondere die Möglichkeit, eine bakteriologische 
Untersuchung vorzunehmen. Anderseits besteht allerdings die Gefahr, daß 
die mit dem Rattenfang beschäftigten Personen sich infizieren; außerdem gibt 
es besonders schlaue Ratten, die niemals in die Falle gehen. 

Die Infektion der Ratten mit Bakterien (Danyß) wurde nur wenig 
angewandt. Der Erfolg war gering, auch haben die künstlichen Infektionen 
der Ratten manche Aebnlichkeit mit dem wahren Krankheitsbild der Pest, so 
daß unnötige Verwechslungen und Beunruhigungen die Folge sind. 

Sehr gute Erfolge wurden mit dem Aussetzen von Nattern erzielt. 
8chon die Anwesenheit dieser Tiere genügt, um die Ratten zu vertreiben. 
Mit Hunden und Katzen wurden ebenfalls günstige Erfahrungen gemacht. 

Die Kolonnen zur Rattenvertilgung sind in zwei Abteilungen tätig. Die 
eine durchsucht systematisch die Stadt, die andere ist im Hafen tätig. Sie 
sammeln die gefangenen Ratten auf, registrieren sie einzeln und führen am 
Nachmittag die Sektion aus. Die Schiffe werden je nach Bedarf ausgeschwefelt 
und mit Rattenfallen versehen. 

Zur Desinfektion der Schiffe ist die Tätigkeit staatlicher Desinfektoren 
bei weitem derjenigen von Privatgeschäften vorzuziehen. Trotz der großen 
Zahl von Desinfektionen sind nennenswerte Klagen über die Beschädigung 
von Waren nicht vorgekommen. Die Wirkung der Desinfektion war durchaus 



258 


Kleiner« Mitteilungen and Referate tu Zeitschriften. 


zuverlässig and für die Verhinderung der Einschleppung der Pest naf dem 
Seewege von maßgebender Bedeutung. 

Die Einschleppung der Pest durch Batten von infizierten Schiften ans 
ist am so leichter möglich, als die Batte in dem E rklimm en steiler Winde 
and in der Benutzung Ton Schiftstauen, Ankerketten usw. als Verkehrsweg 
außerordentlich geschickt sind. Es war deshalb den Schiffen Torgeschrieben, 
in möglichst weiter Entfernung Tom Lande festzulegen. 

Im allgemeinen hat der systematische Kampf gegen die Batten gute 
Erfolge gehabt. Es ist gelungen, die Pest in Algier auszurotten and weitere 
Einschleppungen zu verhindern. Aehnliche Erfolge hat man auch in anderen 
Lindern (Australien und Amerika) mit dem Kampf gegen die Batte erzielt; 
de Terdienen am so mehr herTorgehoben zu werden, als Ton Kitasatodie 
Vergeblichkeit dieses Kampfes mit Rücksicht auf die außerordentliche 
Verbreitung der Batte betont worden ist. Die außerordentliche Ver¬ 
mehrung der Batte — ein Paar liefert im Jahre ca. 800 Nachkommen — steht 
einer wirksamen Bekämpfung allerdings sehr entgegen. Immerhin sorgen 
aber schon zahlreiche Krankheiten und Feinde der Batte dafttr, daß sie sich 
nicht ins Unbegrenzte Termehren. Kommt hierzu noch ein systematisch ein¬ 
geleiteter und durchgeführter Vernichtungskampf seitens des Menschen, so 
gelingt es, die Rattenplage and damit auch die Pestgefahr aal ein Miwimnin 
za reduzieren. Dr. D o h r n - Hannorer. 


Die Pest in Daressalam 1908.09. Amtlicher Bericht an das Beichs- 
kolonialamt. Archiv für 8chiffs- und Tropenhygiene; 1910, Nr. 1. 

Nachdem in Zanzibar aus Indien eingeschleppte Pestfälle Torgekommea 
waren, mußte man auch in Deutsch-Ostafrika mit der Pestgefahr rechnen. 

Zur Kontrolle der einlaufenden Schiffe wurden Hafenärzte an gestellt. 
Zar Verminderung der Batten wurde Qift (Phosphorlatwerge) gelegt, Prämien 
für Vertilgung Ton Batten ausgesetzt und Katzen eingeftthrt. Außerdem wurde 
durch Gesundheitskommissionen für die Durchführung hygienischer Assanierung«- 
maßnahmen gesorgt. Diese Arbeit machte bei dem notorischen Schmutz der 
Eingeborenen große Schwierigkeiten. Außerdem wurde die obligatorische 
Leichenschau angeordnet and für bakteriologische Untersuchung verdächtigen 
Materials gesorgt. 

Trotzdem gelang es nicht ganz die Pest von Daressalam fernsah alten. 
Es kamen im ganzen 12 Erkrankungen mit 6 Todesfällen vor. Die Kranken 
wurden ebenso wie ihre Angehörigen isoliert, die Wohnungen desinfiziert and 
durch besondere Kolonnen für Reinigung der Stadt und Vertilgung der Batten 
gesorgt. Aach nach Erlöschen der Krankheit sind diese Maßnahmen zur Ab¬ 
wehr der noch weiterhin drohenden Gefahr aufrecht erhalten. 

Dr. Dohm-Hannover. 


c) Malaria und Maltafieber. 

Bericht Iber die Malarlaepldemte des Jahres 1907 in Bant, Heppens, 
Heuende und Wilhelmshaven sowie in der weiteren Umgebung. Von Prof. 
Dr. P. Mühlens, Marinestabsarzt in Wilhelmshaven. Klinisches Jahrbuch; 
1909, Bd. 22, H. 1. 

Von den 1449 Blutproben, die auf Malarisparasiten untersucht wurden, 
hatten 244 ein positives Besaitet. Die Blutproben wurden meist in den 
Wohnungen der Untersuchten durch Einstich in das Ohrläppchen gewonnen 
und dann mit einem besonderen Schnellfärbeverfahren gefärbt. 

Von der Krankheit waren fast nur Arbeiterfamilien, insbesondere aber 
die in den fiskalischen Werfthäusern wohnenden Arbeiter betroffen. Nahezu 
drei Viertel sämtlicher Eiranken waren jünger als 20 Jahre; alle Kranken 
fielen ohne weiteres durch ihre Maßgebliche Hautfarbe auf. 

Für die weitere Bekämpfung der Malaria sind folgende Maßnahmen nötig: 

1. Meldepflicht für alle, auch die nur verdächtigen Fälle durch Aerzte 
und 8chulbehörden. 

2. Fortlaufende eingehende Ermittlungen der Parasiten träger, insbe¬ 
sondere auch durch regelmäßige Nachuntersuchungen der Rekonvaleszenten. 

8. Gründliche Behandlung und Nachbehandlung nach einheitlichen, 
modernen Regeln, am besten durah den Leiter der Malariastation. 



Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 969 

4. Unentgeltliche Chininabgabe seitens der Werft außer an ihre Kassen¬ 
mitglieder nach an nicht su der Kasse gehörende Hausgenossen dieser, sowie 
auch an Angehörige von verstorbenen oder pensionierten Werftarbeitern, wenn 
sie in fiskalischen Häusern wohnen. 

5. Mackenvertilgung im Winter, in erster Linie in Hausern mit dies¬ 
jährigen Kranken. 

6. Assanierungsmaßregeln. Entfernung der Wassergräben usw. in Bant 
durch Ableiten in die Kanalisation. 

7. Fortlaufende Belehrungen der Eingeborenen, unter anderen durch 

Zeitungsnotizen, insbesondere Erziehung zur Nachbehandlung oder Mflcken- 
vertilgung. Dr. Do hm-Hannover. 


Bericht Aber die Malnrlabekämpfong in Wilhelmshaven und Um¬ 
gebung in der Zeit vom 1. April 1998 bis 81. März 1909. Von Professor 
Dr. P. Mahlens, Marine-Stabsarzt in Wilhelmshaven. Klinisches Jahrbuch; 
1909, Bd. 22, H. 1. 

Im Berichtsjahre betrug die Zahl der Malariakranken trotz viel ein- 

f ehenderer Ermittelungen als früher nur den 10. Teil der des Vorjahres. Es 
onnten nur 16 Neuerkrankungen in Bant und Wilhelmshaven festgestellt 
werden. Von den Kindern in den fiskalischen Werfthäusern waren kaum 1 # / # 
Infiziert, gegenüber dem 10 fachen im Jahre 1907. 

In der weiteren Umgebung wurden — abgesehen von Emden — auch 
wesentlich weniger Erkrankungen bekannt, als im Vorjahre. Die meisten in 
der Gegend von Hohenkirchen. 

In Emden sind in den Jahren 1907 und 1908 bemerkenswerte Malaria- 

a iidemien aufgetreten, deren Umfang infolge der daselbst üblichen Selbst- und 
ichtbehandlung nicht bekannt war. Im Jahre 1907 sind schätzungsweise 
mindestens 300, und 1908 mindestens 160 Kranke daselbst gewesen, bei einer 
Bevölkerungszahl von 20000. 

Inwieweit der bedeutende Rückgang der Malaria in Bant den Be- 
kämpfungsmaßaahmen, insbesondere der Kontrolle und Behandlung der Para¬ 
sitenträger zuzuschreiben ist, mag vorläufig unentschieden bleiben. 

Das Hauptbekämpfungsmittel bleibt hier die fortlaufende Ermittelung 
aller Parasitenträger und ihre Behandlung mit Chinin unter dauernder Blut¬ 
kontrolle. 

Chininum tannicum in Schokoladetabletten ist ein gutes Mittel für die 
Malariabekämpfung der Kinder. 

Die Anophelesmücke lebt in einer gewissen Symbiose mit dem Vieh und 
saugt auch im Winter Rinder- und Schweineblut. 

Die Mückenvertilgung stößt in Norddeutschland auf die größten 
Schwierigkeiten. 

Die Malaria in Nordwestdeutschland bedarf noch fortgesetzt besonderer 
Aufmerksamkeit. Dr. Dohm- Hannover. 


Zehn Jahre der Gesetzgebung Im Kampfe gegen die Malaria. Von 
Prof. Dr. Bertarelli in Parma. Revue d’Hygi&ne et de police sanitaire; 
Bd. 81, 1909, Nr. 1. 

Von den drei Mitteln im Kampfe gegen die Malaria: Vernichtung 'der 
Anopheles, Schutz des Menschen gegen die Mücken, Abtötung des Erregers 
im Menschen, hat man auf das erste verzichten müssen. Die unendlichen 
Flächen 8üditaliens sind zu groß, um in der Vernichtung der hier nistenden 
Mückenschwärme wesentliche Erfolge erreichen zu können. 

Von den gesetzlichen Maßnahmen im Kampfe gegen die Malaria hat 
die Regelung der Chininherstellung und des Chinin Verkaufs durch den Staat 
die größte Bedeutung. Für die Bezirke, die ven der Malaria besonders heim- 

S esucht waren, gab das Gesetz sowohl über die Verteilung von Cihnin durch 
te Arbeitgeber, als auch über den mechanischen Schutz der Häuser und über 
die Ausführung von Nivellierungsarbeiten noch besondere Vorschriften. Er¬ 
wähnenswert ist auch ein Gesetz aus dem Jahre 1907, daß die Verhältnisse 
des Reisbaues regelt, weil man annimmt, daß zwischen dem Reisbau und der 
Malaria Beziehungen bestehen. Dieses Gesetz schreibt die Entfernungen der 



260 Kleinere Mitteilungen und Referate «ne Zeitschriften. 

Reisfelder ron den menschlichen Wohnungen Tor, es regelt die Arbeite« und 
Wohnungsverhältnisse, die Kinderarbeit etc. 

Ueber den Erfolg der gesetzlichen Maßnahmen, die keineswegs nur auf 
dem} Papier stehen, sondern energisch durchgefflhrt werden, gibt am besten 
nachstehende Tabelle Auskunft: 


Chininkonsum 

Sterblichkeit an Malaria! 

Verdienst des Staates 
an Chinin 
in Liren 

Jahr Verkaufte Kilogr. 

Jahr 

Gesamtzahl 

— 

_ 

1900 

15 865 


— 

— 

1901 

18 888 

— 

1902-1908 

2142 

1902 

9908 

84000 

1908-1004 

7284 

1003 

8619 

188088 

1904-1905 

14071 

1904 

8 501 

183882 

1905—1906 

18712 

1905 

7 888 

296 295 

1906-1907 

20728 

1906 

4871 

462280 

1907—1908 

24861 

1907 

4160 

600 000 


Dr. Dohm-Hannover. 


Ein Fall ron Maltafieber In Paris* Von Georges Guillain und 
Jean Troisier. Comptes rendus de la soc. de biol.; 1909, LXVII, Nr. 86. 

Das Gebiet, in dem Maltafieber beobachtet wird, ist sicher großer, als 
man bisher glaubte. Von Marseille ist das Vorkommen yon Maltafieber be¬ 
richtet durch Simond, Aubert, Blanchard undArlo (vergl. das Referat 
1909, S. 776); aber auch im Departement du Gard und in Paris selbst finden 
sich Fälle dieser Krankheit, die man stets für ein exotisches 
Leiden hielt. 

Der 80 Jahre alte Kranke hatte die Sommermonate auf dem Lande bei 
Tarascon verlebt. Als Landwirt hielt er Hammel« und Ziegenherden. Am 
29. Oktober kam er in gutem Gesundheitszustände nach Paris. Vom 6. No¬ 
vember an traten abendliche Anfälle von Kopfschmerz mit Temperatur¬ 
steigerung und Verdauungsstörungen auf. Die Diagnose schwankte in den 
nächsten Tagen zwischen Influenza, Status gastricus, Typhobazillose. Das 
rekurrierende Fieber hielt längere Zeit hindurch an; die Widalsche Reaktion 
auf Typhus, Paratyphus A und B blieb indessen negativ. Im Beginne des 
Dezember agglutinierte das 8erum des Kranken im Verhältnis 1:600 zwei 
Kulturen des Micrococcus Melitensis, die den Autoren vom Institut Pasteur 
geliefert worden waren. Sie konnten ferner im Serum eine spezifische substanoe 
sensibilisatrice nachweisen; die Fixationsreaktion war positiv, wenn man als 
Ästigen eine Bouillonkultur des M. Melitensis anwandte. 

Das undulierende Fieber hielt 4 Monate hindurch an und schwankte 
zuerst zwischen 88 und 39,5 # , dann zwischen 87,5 und 89°, später zwischen 
87 und 88°. Im Dezember traten profuse Schweiße, Lendenschmerzen und 
Schmerzen in den Muskeln auf, die von außerordentlicher Qual waren und 
jede Bewegung hemmten. 

Die Autoren nahmen an, daß die Krankheit von den Tieren, mit denen 
der Kranke zu tun hatte, auf ihn Übertragen worden sei. 

_ Dr. Mayer- Simmern. 


8. Gewerbehygiene. 

Die Arbeitsbedingungen und die Gewerbekrankhelten des im Tele¬ 
graphen* und Telephondienst beschäftigten Personals* Von Dr. Vitt. Zevl- 
Rom. H Ramazzinl; 1909, Fass. 8—9. 

Die besonderen Krankheiten der Telegraphenbeamten sind: 

1. Rheumatische und infektiöse Erkrankungen. 

2. 8t0rungen des Verdauungsapparates. 

8. NervOse Storungen. 

4. Storungen des ulgemeinen Stoffwechsels und organische Erschöpfung. 

6. StOrungen des Seh- und HOrorgans. 

Unter den jugendlichen Laufburschen, die im Alter von 12—16 Jahren 
In Italien vielfach im Telegraphendienste Verwendung finden und die offenbar 
viel zu sehr angestrengt werden (7 rtttndige, ununterbrochene Arbeitszeit im 
Umhergehea), findet man häufig Eatsüadung der Leis t en d rüsen, allgemeines 



BUflinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. Ml 

Unwohlsein, katarrhalische Affektionen, chronische Gelenkaffektionea und 
Anschweilangen an den Beinen. 

Ueber die Krankheiten der Telephonistinnen hat Verfasser unter Berück¬ 
sichtigung der zahlreichen sonstigen Beobachtangen ein genaues Schema ver¬ 
faßt, das dazu dienen soll, bei jeder Einzeluntersuchung den Befand der ein* 
seinen Organe einzutragen. Es bandelt sich bekanntlich hier meist um nervöse 
Erscheinungen verschiedener Art und um Herabsetzung des Hörvermögens. 

Für die Prophylaxe der Brustkrankheiten der Telegraphisten und Tele* 
phonistiunen kommen nach Ansicht des Verfassers eine Verbesserung der Arbeite* 
räume in erster Beihe, außerdem eine technische Verbesserung der Apparate 
and eine bessere Verteilang der Arbeitszeiten in Betracht. Damit diese Ver¬ 
besserungen richtig getroffen werden, ist eine zentrale Gesundheitsinspektion 
erforderlich, unter deren sachverständiger Leitung und Aufsicht die hygienisohe 
Seite des gesamten Dienstes dieser Beamten zu stellen ist. 

Dr. 8olbrig*Allenstein. 


Ueber die Bedingungen, unter denen sieh die Arbeit ln den Be¬ 
trieben der Erzeugung von Kalslomkarbtd entwickelt. Von Pro! Gast. 
Pisenti*Perugia. 11 Ram&zzini; 1909, Fass. 8—9. 

Pisenti studierte mit zwei Aerzten im Aufträge der italienischen 
Kalsiumkarbid* Gesellschaft die hygienischen Verhältnisse in zwei großen 
italienischen Fabriken, in denen gegen 1000 Arbeiter und Arbeiterinnen mit der 
Produktion von Kalziumkarbid beschäftigt sind. Die in solchen Betrieben ver¬ 
kommenden Kategorien von Arbeiten sind verschiedene, zu den hygienisch 
wichtigsten gehört das Füllen der Oefen mit Kalk und Kohle, weil hierbei 
viel Staub entwickelt wird und eine ziemlich hohe Temperatur herrscht. Der 
8taub ist auch bei den übrigen Arbeitsverrichtungen, dem Zerkleinern der 
Hanen usw., von Bedeutung. Nach den Analysen des Verfassers ist der Staub¬ 
gehalt der Luft in diesen Betrieben kein geringer; er beträgt an den staub¬ 
reichsten Stellen (bei den Odfen) etwa 13,5 mg pro cbm Luft, ist aber noch 
nicht übermäßig hoch, da es andere Betriebe gibt, in denen weit höhere Zahlen 
festsustellen sind, ln den übrigen Arbeitsräumen ist der Staubgehalt wesent¬ 
lich niedriger (ca. 2—3 mg). Von schädlichen Gasen in der Luft warde ganz 
»eiten COi in geringen Sparen, regelmäßig CO in nicht auffälligen Mengen, 
Asethylengas und Schwefelsäureanbydrid in geriogen Mengen gefunden. 

Die Arbeiter selbst wurden besonders sorgfältig untersucht, namentlich 
die älteren, Männer und Frauen. Der allgemeine Körperzustand war ein zu¬ 
friedenstellender. Im besonderen wurde jedoch recht häufig bei jüngeren Frauen 
schlechte, kariöse Beschaffenheit der Zähne festgestellr, manche Arbeite¬ 
rinnen zwischen 25 und 30 Jahren hatten zam größten Teil kariöse Zähne. 
Verfasser führt dies auf eine Einwirkung des hohen Kalkgehalts des Staubes, 
der den Schmelz der Zähne zerstöre, zurück. Ferner waren häufig za finden 
chronischer Bachenkatarrh und Conjunctivitis. Von sonstigen 
Erkrankungen über wogen Störungen des Magen - Darmkanals, dann kamen. 
Rheumatismus, Mandelentzündung und an letzter Stelle Affektionon der Luft¬ 
wege. Die Magendarmerscheinungen ist Verfasser geneigt, nicht auf das Konto, 
des besonderen Betriebes zu setzen, vielmehr sie dem stark verbreiteten über¬ 
mäßigen Alkoholgenaß zazaschreiben, und zwar deshalb, weil sie fast nur bei 
den dem Tranke recht ergebenen Männern beobachtet wurden. Die rheumati-, 
sehen Affektionen werden auf die Temperaturechwankungen, denen die Arbeiter 
ausgesetzt sind, zurückgeführt. 

Die allgemeinen sozialen, namentlich die Wohnungsverhältnisse werden 
als gänzlich unzureichend bezeichnet. Ebenso wird darüber geklagt, daß die 
Arbeiter in den Betrieben von den für sie geschliffenen hygienischen Ein¬ 
richtungen, die die Fabrikleitung in verständiger Weise getroffen hat, wenig 
oder gar nicht Gebrauch machen, so von den Schutzbrillen, den Gesichtsmasken, 
den Bade- und Wascheinrichtungen usw. Die Arbeiter sind im allgemeinen 
noch gänzlich unerzogen für die einfachsten Begeln der Hygiene. 

Alles in allem bieten die Kalziumkarbid-Betriebe keine größeren Gefahren 
für die Arbeiter, als andere Betriebe; im besonderen sind die Bemühungen 
der In Bede stehenden Fabrikleitung, neue hygienische Einrichtungen zu treffen, 



Kleinere Mitteilungen and Kefernte ui Zeitschriften. 


namentlich nach die Menschenarbeit durch automatischen Betrieb n eraetsee, 
wie dien beim Zerkleinern der Kalziamkarbidmassen geschieht, nnerkennenswert. 

Dr. Solbrig- Allenstein. 

Ueber einige hlnflge Affektienen bei den Jitenrbeiten. Ton Dr. 
Adelichi Znmbler, Uffidnle snnitnrio in Pinuoln. Q Bamaxxini; 1900, 
Pnss. 8—9. 

1. Die besondere Morbidität bei den nn den Knrden,* Kimmen and Spin- 
mnscbines der Jäte beschiftigten Arbeiter besteht im wesentlichen in chronl- 
sehen Verinderangen des Nnsenrnchenrnams infolge des Stsabes, der sich von 
dem sa verarbeitenden Material selbst erhebt. 

2. Solche Veränderungen sind deutlicher bei Fronen und Kindern, bei 
denen sie hnuptsiehlich die Form Ton Hjperplnsie der Ljmphfollikel der Mn* 
cosn annehmen. 

8. Wenn nach solche Affektionen nicht gerade schwer sind und nnr in 
leichtem Grade den Allgemeinxustand des Arbeiters beeinträchtigen, dtxfen sie 
doch den Hygieniker, der sich mit der gesamten Prophylaxe der Gewerbe¬ 
betriebe beschäftigen muß. nicht gleichgültig stimmen. 

4. Die Prophylaxe dieser Krankheiten besteht hauptsächlich in der Ge¬ 
sundmachung der Umgebung, wie sie durch die Entfernung des Staubes zu 
erreichen ist. 

5. Hierzu dient weniger die allgemeine' Lüftung der Blume für die Be¬ 
arbeitung und Spinnerei der Jute, als eine zweckmäßige Einrichtung der lokali¬ 
sierten Ventilation. 

6. Diese Anlagen, welche sehr kostspielig sind und weitgehende Aen- 

derungen an den Maschinen selbst bedingen, können nur für die neu zu errich¬ 
tenden Betriebe gefordert werden. Dr. Solbrig-Allenstein. 

Die Bearbeitung des Strohes fir Hlte und die Strehhutfhbrlkntlea. 
Znr Pathologie der Arbeit. Von Prof. G. Pierazzini. II Bamaauiai; 
1909, Fass, 8—9. 

Die Knltur und Bearbeitung des 8trohes zu Hüten spielt In Italien, 
namentlich in der florentinischen Provinz, eine bedeutende Bolle. Viele tau¬ 
send Männer, Frauen und Kinder sind hierbei beschäftigt. Daß da der Hygie¬ 
niker und Arzt diesem Arbeitsgebiete, das sich‘aus Landwirtschaft und Industrie 
zusammensetst, ein besonderes Interesse entgegenbringen muß, leuchtet ein. 

Verfasser gibt einen interessanten Ueberblick über die Art dieses 
Gewerbebetriebes und die besonderen Gewerbekrankheiten der rorschiedenen 
Arbeiterkategorien, die hierbei beschäftigt sind. 

Der Torbereitende Teil dieses Arbeitsgebietes ist der landwirtschaftliche. 
Da die Ernte des Strohes zu einer bestimmten, kurzen Zeit des Sommers Tor 
sich gehen muß, so bringt die anstrengende, Tom frühen Morgen bis Abend 
dauernde Arbeit auf Strapazen zurückzuführende Affektionen, wie Muskel-, 
Gelenkschmerzen, Fieber und Erytheme durch Sonneneinwirkung mit sich. Die 
darauf folgende Prozedur des Abreißens der Halme führt leicht zur Schwielen- 
bildung, Exkoriationen, Ulzerationen. Bei dem Sammeln des 8trohes in Bün¬ 
deln und Aasbreiten desselben in der 8onne zum Trocknen wird eine besondere 
Kraftanstrengung gefordert, da das Arbeiten ein fortwährendes Beugen und 
Aufrichten des KOrpers mit sich bringt. Die Folgen daron zeigen sich u. a. 
als Lumbago. 

Die eigentliche Arbeit der Hatfabrikation zerfällt in Tiele Abschnitte, 
deren hauptsächlichste die Trennung der Stobhalme in einzelne, das Zusammen- 
nähen und das Bleichen der fertigen Hüte sind. Dementsprechend kommen 
als eigentliche Gewerbekrankheiten Tor: schmerzhafte Spasmen, Paraestheslea 
u. dgl. am rechten Arm (bei den mit Zerteilen der Halme Beschäftigten, Tid- 
fach Frauen), Kallositäten an den Händen und Krampferscbeinungen (bei den 
Näherinnen), chronische Katarrhe der Atemwege, Conjunctivitis u. a. (bei den 
mit Bleichen mittels H» 80» beschäftigten Personen). Vom hygienischen Stand¬ 
punkt ist es freudig zu begrüßen, daß man Tielfach das Bleichen durch 
sehwefiigo Säure aufgegeben und durch das ungefährliche Wasserstoffsuper¬ 
oxyd ersetzt hat. _ Dr. Solbrig-Alleasteia. 



Kleinere Mitteilungen and Uefemte ans Zeitschriften. 


268 


Untersnehnngen, betreffend die Entelnng tob Ketinfreiheit bei mllz- 
brandBperenbnltlgen Pellen nnd Hinten. Ans dem hyg. Lnborntoriom, med. 
Abt des Kgl. württemb. Med.-Kollegiums (Ob.-Med.-Bst Dr. Scheurlen). Von 
Dr. B r e k l e, Kgl. württemb. Oberarzt, kommandiert zam Kgl. Med.-Kollegium. 
Zentralblatt für Bakteriologie; I. Abt., Orig., Bd. 60, H. 1. 

Brekle hat versucht, eine Methode za Anden, welche erlaubt, in Fellen 
enthaltene Milzbrandsporen ohne Schädigung der Felle abzutöten, da alle bis« 
her hierfür angegebenen Methoden sich in der Praxis nicht bewährt haben. 
Dnrch Vorrerauche stellte er zunächst fest, daß Milzbrandsporen anf Agar, 
Olyzerinagar and in Bouillon oder Binderseram bei einer Temperatur von 48 
bie44 , C. innerhalb 48 Standen aaskeimen and bei dieser Temperatur gehalten 
keine neuen Sporen bilden. 

Er infizierte non Meerschweinchen mit Milzbrand, enthäutete die Tiere 
naeh dem Tode und trocknete die Felle Torsichtig. Wenn er in ihnen Milz« 
brandsporen durch den Tierrersuch nachweisen konnte, so brachte er Stücke 
der Felle in Wasser und hielt die Proben bei 48—44° C.; auch hier konnte er 
featstellen, daß die Sporen in 48 Standen auskeimten und keine neuen Sporen 
gebildet wurden. So aasgekeimte Milsbrandbazillen konnte er durch & Minuten 
langes Erhitzen auf 80° C. sicher abtoten. Da aber die Anwendung solcher 
Temperaturen für Felle unangebracht ist, legte er die milzbrandhaltigen Felle 
nach 2 tägiger Bebrütung bei 43—44 0 C. in dio beim Gerberprozeß gebräuch¬ 
liche Kalkmilch und Kalkäscher. Nach 24stttndigem Aufenthalt in diesen 
Losungen waren die Felle, wie wiederholte Prüfungen mittelst der Verimpfung 
ergaben, Tollkommen steril. 

Prüfungen im großen müssen noch die Brauchbarkeit der Methode in 
der Gerbereipraxis erweisen. _Prof. Dr. Lentz«Borlin. 

Reiehsrersteheruag and Gewerbekrankheiten. Von Privatdozent Dr. 
Ewald in Frankfurt a. M. Deutsche med. Wochenschrift; 1909, Nr. 34/86. 

Zwischen der Tatsache, daß Unfälle im Betriebe entschädigt werden, 
and der anderen, daß chronische Erkrankungen infolge Berufsschädlichkeiten, 
wenn sie die Berufstätigkeit herabsetzen oder gar den Tod herbeiführen, keiner 
staatlichen Versicherung unterliegen, klafft ein großer Spalt. Denn die wenigen 
Fälle, in denen derartige Erkrankungen unter liberaler Auslegung des Ge¬ 
setzes noch als .Unfälle* anerkannt werden können, sind selten. Die Schwie¬ 
rigkeiten, Gewerbekrankheiten unter die soziale Gesetzgebung zu bringen, 
sind naturgemäß enorme. Das geht auch aus den einschlägigen Gesetzen 
anderer Länder, die mit der Versicherung schon begonnen haben, hervor. Die 
Begriffsbestimmung ist bereits außerordentlich schwierig; über die tatsächliche 
Verhütung der Berufskrankheiten fehlen einwandfreie Statistiken, zum Teil wegen 
der in dieser Sichtung unzulänglichen Vorbildung der Gewerbeaufsichtsbeamten. 
E. tritt für Angliederung der Versicherung an die BerufBgenossenschaften ein, 
denen gegenüber die Krankenkassen zur Meldepflicht bezüglich beruflicher Er¬ 
krankungen verpflichtet sein sollen. Jedenfalls hält E. die Ausdehnung der 
sozialen Fürsorge über die jetzt bestehende hinaus aui die durch im Berufe 
liegende Schädlichkeiten Erkrankten für notwendig. Daß dann auch hier eine 
Bentensucht großgezogen werden würde, scheint sich Verfasser nicht zu ver¬ 
hehlen. Dr. Liebetrau-Hagen L W. 

Die Fortschritte der Arbeitshygiene in Deutschland im Jahre 1907. 
Von Dr. Bend M a r t i a L Bevue d’Hygifene et de police sanitaire; Bd. 80, Nr. 12. 

Martial bespricht zunächst die hygienische Erziehung des deutschen 
Volkes, die im allgemeinen der anderer Völker überlegen ist, wenn man auch 
manche Berufszweige (z. B. die deutschen Dienstmädchen) nicht als Muster 
der Beinlichkeit bezeichnen kann. Diese hygienische Bildung hat zur Folge, 
daß die Straßen und Wege nicht vom Pablikum durch Aasspacken oder Weg¬ 
warten von Papier und Abfällen beschmutzt werden, in den Wäldern hat man 
nieht den unangenehmen Anblick der verstreuten Butterbrodspapiere (Grone¬ 
wold]?), überall werden die öffentlich angebrachten hygienischen Vorschriften 
von dem Arbeitern in einem Grade geachtet, wie es in Frankreich nieht der 
Fall Ist. 

Zu dieser hygienisches Bildung haben die hervorragenden staatlichen 



264 


Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


and kommunalen Einrichtungen, insbesondere aber die Versicherung!—st alten 
and Krankenkassen, den Arbeiter erzogen. Die Öffentlichen Bauten wirken 
nicht nur durch ihre Einrichtung, sondern auch durch ihr Aenßeres erzieherisch. 

Der erzieherische Wert der Versicherungsanstalten wird am besten duck 
die Tatsache illustriert, daß in Deutschland mit seinen 60 Millionen Einwoh¬ 
nern jährlich 90000 Toberknlöse sterben, während aal die 39 Million— Ein¬ 
wohner Frankreichs 150000 im Jahre kommen. 

Anch in der Fürsorge für Arbeiterwohnungen and Arbeitergärt— steht 
Deutschland weit höher als Frankreich. Von wiss—schattlich— Arbeit— aal 
dem Gebiete der Arbeitshygiene werden das H—dbnch der Arbeiterkrankheitea 
von Weyl sowie die Arbeiten der Deutschen Gesellschaft nur Bekämpfung 
der Geschlechtskrankheiten rühmend erwähnt. 

Leider hat der deutsche Arbeiter mit dem fr—sösch— die Eig—schalt 
gemeinsam, daß er große Ansprüche an den 8t—t stellt, ehe er mit der eigen— 
Erziehung —fängt. Im allgemein— überragt er jedoch d— Fr—zosen weit — 
hygienischem Verständnis. _ Dr. Dohrn-H—nover. 


Die Arbeiterhygiene ln Oesterreich. Von Dr. Bend Marti aL Berne 
d’Hygtene et de police s—itaire; Bd. 81, Nr. 1. 

Die Arbeiten auf dem Gebiet der hygienisch— Erziehung hab— in 
Oesterreich sehr unter den national— und sprachlich— Verschiedenheit— des 
Landes zu leiden. Die Verhältnisse der einzelnen Landesteile sind so Ter- 
schieden, daß man kaum ein einheitliches Bild des L—des entwerfen k—n. 

Trotz aller Schwierigkeiten hat die hygienische Erziehung des öster¬ 
reichischen Arbeiters große Fortschritte gemacht. Die Träger des Fortschritts 
sind hier — ebenso wie in Deutschland — die Kr—kenkassen. Diese haben 
Belehrungen über die Gefahren der Verarbeitung giftiger Stoffe, über die Ge¬ 
fahren der Geschlechtskrankheiten usw. unter d— Kassenmitgliedern verteilt, 
während der Wiener Pockenepidemie — 5 Stellen Impfbüros eingerichtet, ein 
Wöchnerinnenheim gegründet u. dergl. mehr. Der Wiener Arbeiter ist der- 
gleich— Belehrung— sehr viel zugänglicher als der französische, weil zwisch— 
ihm and dem Arzt ein sehr viel —geres Vertrauensverhältnis besteht. 

Dr. Dohrn-H—aover. 


8. Mediain algeeetsgebnng. 

Die Zukunft des medical offlzer of health. Von Dr. G. F. Mo. Cleary, 
Herausgeber des Public health. Pnblic health; Oktober 1909, Nr. 1, Vol XXlU. 

Bei ihren Nachforschungen über die Ursachen der Armut mußte die 
Kommission zur Neuregelung der Armengesetzes vielfach mit Fragen auf dem 
Gebiete der öffentlichen Gesundheitspflege in Berührung kommen. Aus den 
Darlegungen der medical officers of health vor der Kommission zog diese d— 
Schluß, daß in den letzten Jahren die Verwaltungstätigkeit anf hygienischem 
Gebiete wesentlich zugenommen und mehr und mehr klinischen Charakter 1 ) 
—genommen bat, insofern als sie nicht bloß die Prophylaxe, sondern auch 
die Behandlung von Krankheiten in ihr Bereich zu ziehen 
begann. Daraus zogen die Fachgelehrten der Kommission das Ergebnis, 
der medical officer of health habe sein eigentliches Wirkungsfeld Überschritten 
und sei auf das Gebiet der Arm—gesetztätigkeit, der armenrechtlichen Ver¬ 
waltung übergegangen. Auch honte noch, wie zu Zeiten von Chadwick and 
Simon, ist das große Publikum in England der Ansicht, der Medizinalbeamte 
habe bloß mit der Prüfung der Abwässerdrains zu tun. Damals war die 
8ache wohl berechtigt. Die ersten medical officers of health waren der 
Hauptsache nach mit Ortshygiene nnd der Hebung der äußeren sanitär— 
Verhältnisse beschäftigt; die hauptsächlichste klinische prophylaktische 
Maßnahme jener Zeit, die Impfung, lag in den Händen der Armenbehörde, 
des Board of Gnardians. Aber die Zeiten änderten sich; mit der Anseigepflicht 
der ansteckenden Krankheiten und der raschen Vermehrung der Isolierkr—ken- 
häuser, wurde auch die Beh—dlung jener Krankheiten ein Teil der Die—t- 
geschäfte des medical officer of h—Ith, da mit Ausnahme von London and 
einiger der größten Provinzstädte, dieser nach leitest der Amt des Isolier- 


*) VergL d— Beferat, Zeitschrift für Mediztaalb—rote; 1907, 8.222. 



Besprechungen. 


866 


hospitalcs ist. Walter kamen der Kampf gegen die SäucUngssterbliehkait and 
gegen die Taberkalose kinsa — alles Momente, die die persönliche Hygiene 
▼or der früher blos betonten Besserang der änderen sanitären Verhältnisse in 
den Vordergrund stellten. 

Non hat Or. Downes, der einsige Vertreter des ärstlichen Standes 
▼er der Armengesetzkommission, seine Ansicht dahin aasgesprochen, daß die 
Isolierhospitäler der ArmenTerwaltang übertragen and der Belag nie der 
Gesuudheitsverwaltung entzogen werden sollen. Er verweist aaf die vorzüg¬ 
lichen Leistangen der Londoner Wohltätigkeitseinrichtangen. ln einem Leit¬ 
artikel des Britsh Medical Journal vom 21. Aagast wird dementsprechend 
vorgeschlagen, daß einem reformierten Armenamte alle diejenige ärztliche 
Behandlung unterstellt werden solle, die jetzt von der Gesundheitsbehörde 
geleitet wird, also die Verwaltung der Fieberhospitäler, der Sanatorien, auch 
die Behandlung der krank befundenen Schulkinder. 

Die einflußreiche Stellung von Dr. Downes läßt den Herausgeber des 
Public health befürchten, daß der medical offleer of healtb an einem kritischen 
Punkte der Entwicklung seiner Dienststellung angelangt sei, und daß Gefahr 
bestehe, daß seine weitere Tätigkeit mancherlei Hemmungen erfahre. 

Dr. Mayer-Simmern. 


Besprechungen. 

Dr. Knopper, Landesmedizinalrat in Düsseldorf, Kgl. Kreisarst a. D., ärztlicher 
Berater und stellv. Mitglied des Vorstandes der Landes-Versicherungsanstalt 
Bheinprovinz: Welohe Bestimmungen des Invalidenverslcherungs- 
geeetsea muss der Amt kennen ? Karzer Wegweiser für die ärztliche 
Gutacniertäiigkeit im Benten- und Heilverfahren. Düsseldorf, Verlag von 
L. Schwann. Kostenpreis: für Einzelexemplare M. 1,—. 

Der Autor, der zuerst als Arzt, später als Kreisarzt und Arzt eines 
Invalidenheims und jetzt als ärztlicher Berater der Landesversicherungsanstalt 
Bheinprovinz die Anwendung des Invalidenversicherungsgesetzes auf den vor. 
schiedenaten Gebieten der ärztlichen Gatachtertätigkeit kennen gelernt hat, 
gibt auf Grund eigner Beobachtungen in dem vorliegenden Werkchea eine außer¬ 
ordentlich lesenswerte Zusammenfassung seiner Erfahrungen. Ein solches Buch 
ist für jeden Arzt ein dringendes Bedürfnis. Der junge Arzt'wird in fesselnder 
Darstellung an der Hand von Einzelfällen in das Verständnis. aller der 
Qesetzesvorschriften eingeführt, die ihm von vornherein recht fremd sind; 
aber auch der erfahrene Praktiker kann auf jeder Seite des Büchleins Winke 
für die Begutachtung finden, die ihm wertvolle Dienste leisten können. 

Gehe ich aaf die Punkte zuerst ein, die nach dem lange in der Praxis 
stehenden Arste Neues bieten, so sind dies besonderste Frage'der Renten- 
eatziehung bei Fällen, in denen ursprünglich eine falsche Diagnose gestellt 
worden war, ferner jene Fälle, in denen eine „Gewöhnung an den Zustand“ 
angenommen werden kann. Eia zu rigoroses Verfahren liegt, wie der Verfasset 
in seinen ausführlichen Darlegungen in der Aerztl. Sachv.-Ztg. 1909 bereits 
erwähnt hat, übrigens gar nicht im Interresse der Landesversicherongs- 
anstalten. In zweifelhaften Fällen ist das Ueberweisen in eine Klinik oder 
eine Vorstation für alle Teile von Wert. 

Bei der Beantragung der Uebernahme von Heilverfahren durch die Ver¬ 
sicherungsanstalten rät der Autor den Aerzten, In ihren Vorschlägen für die 
Aufnahme in ein Sanatorium oder in Quartiere in Badekurorten nicht einen 
bestimmten Namen zu nennen, sondern die Auswahl der Zentralstelle zu 
überlassen; er rät weiter, Wiederholungen von Kuren nicht gar zu häufig zu 
beantragen, kostspielige und langandauernde Badekuren bei hochbetagten 
Leuten nicht Voranschlägen, schwere Operationen bei malignen inneren Ge¬ 
schwülsten nicht in Anregung zu bringen. Besonders wertvoll sind alle die 
Schilderungen, die dem Verhältnis zwischen Arzt nnd Patienten gewidmet sind. 
Gewissenhaftigkeit, Hochhalten der ärztlichen Ethik, Maßhalten in Ver* 
sprechuagen, Festigkeit des Charakters gegenüber unberechtigten Ansprüchen 
werden dem Arste in lebendiger Darstellung ans Herz gelegt. Oer Arzt muß 
unbekümmert um die Folgen stets eia gerechtes Urteil über den Ge¬ 
sundheitszustand und die Einwirkung desselben anf die Arbeitsfähigkeit 
abgebcu« 



Tagesn&chriehtei 


266 


Dem Vertrauensarst legt der Antor 
Kollegen in schonen, wenn er anderer Ansicht 
Möge das Büchlein die Verbreitung find 


Tagesnachrichi 

Einberufung« Nach dem Ausscheiden de 
Dr. Sehmidtmann aas der Medizinalabteili 
der bisherige Beg.- a. Med.-Rat Dr. Finger 
cinberufen. 


Nach Mitteilung der Tagesseitangen 
nfuscherelgesetses im Laafe dos Sommers sn 
der nächsten Wintersession an den Reichstag 
rangen sind an dem seiner Zeit veröffentlich 
S. 116) nicht vorgenommen worden. 

Der swelte Deutsche Kongress für 81 
21. Mai d. J. in München stattfinden. Berati 
schats in der Reichsversicherangsordnung ( 
Darmstadt und Prof. Dr. 8chloßmann-J 
and die Slaglingsfürsorge auf dem Lande (R 


Die nächste Sitsung der Dentschen 
am 18. and 14. Mai d. J. in Dresden stal 
war, in Leipsig. _ 


Der Verein Deutscher Larjngologen 
ebenfalls in Dresden. 


Vom 80. Mai bis 2. Juni d. J. finde 
Wehnongskongrese statt; an den Kongreß 
Plänen und Modellen mustergültiger Kleina 
anschließen. 


Die General rer Sammlung den Deut 
kimpfung der Tuberkulose findet, wie all 
11. Mai d. J. statt. Der Haaptvortrag wir 
Wohnung und der Tuberkuloseausbreitung 1 

Die alljährlich von dem Zentralkomite 
Versammlung ist in diesem Jahre num 6. n: 
berufen. Es wird mit ihr ein Besuch von £ 
der Badischen Lungenheilstätte verbunden i 

Tagesordnung der vom 6.—8. Oktoh 
Internationalen Tuberkulose - Konferenz« 

Mittwoch, den 6. Oktober: 2 
tungs-, Sanatorien-, Milch - Kommission und 
forschung. — 4 Uhr nachm.: 8itzung den e: 

Donnerstag, den 6. Oktober: 
Sitsung der Konferenz. — 11 Ohr vorm. 
1. Klinische und experimentelle Studien (P 
t) über Tuberkulose-Infektion auf dem W 
Verhandlungen über Infektionswege); b) f 
nierten Regionen. 

Freitag, den 7. Oktober: 9 
Konferenz: 2. Schutz der Kinder gegen Tc 
Schule. — 4. Die Tuberkulose - Bekämpfon; 
5. Angemeldete Vorträge. 

Sonnabend, den 8. Oktober : 9 




fca, die EmpAndlicbkut der 
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, die «« rerdieut. 

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der Kanferen*. — 8. Berichte der Kommissionen (s. rorher). - - a -®***«i®5!!? 
die Fortschritte der Tuberkulose-BekSmpfnng io de» Temhiedenen U»d 
- & BstMhilge *ur Ernennung TOB Ehren- Mitgliedern »et der KontereM #» 
Grafts* Betet 1811. — 9. Ernennung Tan korrespondierenden Mitglied»™. 

Der VII. Internntlonnle Kongress fBr KrimiunUBthropologle lgjj|§ 
i» Oktebet 1911 in CöJn stattfindeo. Als einleitende yortrage «lad » 
Aussicht genommen: t. Dar gegouwftrtige Stand der Krimin*tpsyi. o g - 
2. Die Beurteilung de» morphologischen Abnormitäten, besonders ^»chsflei, 
im Hiobiick *b( die gerichtlicheBegnUchtung. 8. Moiph«lo^enDd P«ychologie 
der primitiren Meoscheomaec. 4. Einfluß Ton Anlage unJ Jtiüeu auf das V« 
brechen. 5. Behandlung der sog. Terrainderteu ZnrechnangslJhigen. ^ tieUng 
•Zweien. 7. Onterbringnng der gefährliche«, öektMkiankeo. B. Fk«OTge m 
Jugendliche. Zuschriften eind m Prof. Dr. Atchaffenbnrg-Oöln, Koanii 
»triße H, n ikkiea. 


Erknnknngan and Todesfälle au anateekea*!« ^f^w'ifi^Bi.nr- 
Pwuaeu. Mach dem Ministerialblatt für Medizinal- and me 4 «iutsche O a ter- 
nehte-Angelegenheiten sind in der Zelt Tom 13. Februar Mar* p 1910 

wkraakt (gestorben) an: Aussatz, Gelbfieber, Fleckfieber, _Pe t, 

!'). <• ÄÄ'* iVi <->, 9(4. 9(-b A'Wi-f’nl»’ 

* c k lollwutTefdÄehtig« Tiere: 8 (—), 1 $ ( ),,4 { h ü t ^ 

typhös: 165 (21), 159 (13), 143 (20). 163 (Bl ; £'iih t; 48(1),1142), 
7 (l), ~ Diphtherie: 1958 (183), 1825 (18i).l<86(128), 1810 (131), 
f^j^lach: 1430 (6t), 1428 (70). 1438 (751,4334. (67): KindbeUneber 
188^22), 134 (30), 107 (27), 10S (39)j GeuHksUr re^ll (6), *W> 

i?Ü. i P l '>» 1 « &i ^ erUbB ' nB *- l ? f* V l V VnHUrkrank-' 

^ flI 7 ^krtakt>: 131, 102, 165, 289; Tiiberkttlone (geutoibco)- ^56, 726, 

Bpnohiftftl« 

» p r»»« de« Krofaurates l>r. A. In B.s Welche ftfcllhttaÄ 
***** Feuerbestattung erforderlichen »mwiratliehen Atteste su berecta . 

toe.» A *kirertt Erforderlich eind ein amtaSwtUche» l . 

S»as^ÄftsÄs 

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s«t Ob dtB«b«ss uook für di« 
d»»om G«hflhr Ton 4. M. gemiß Tarif A 9 gefordert 

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Ob dts*b«s nocb für di« 


der Amtaarn das Zeugnis Aral erstatteten 

ftmmk,^*5> *?*detn auch auf Grond der Tom . ^ 3 «, too Ihm noch 

*fy w hc 5 W “1 dM »oostlgw ** 0 L? Kn kommt die Gebtthr filr 

*hse» I« kefMd«««« Material* abaagab« tat. T , r jf s 8-6 ». betragt- 

0,4 efc ®? tr *"»Port»clieinT dl« »* cb ® ; “® wohltabonde Pereoaea, 

Sra^d 3 »£?? b ' aMl ** * äC eon « Ä beansprutat werden kan». 




968 Tagesordnung der Hauptversammlung des 1 

Prettssischer Medizinalbe 

XXVI. Hauptver 

am 

Freitag tx. Sonnabend, den £#S 

in 


Tagesordnung 

Donnerstagi den 9L i 
8 1 /» Uhr abends: BegrOssungs - Abend (mi 
Eingang: Potsdamerstraße Nr. 3, eine Treppi 
Freitag, den 22. Apr 
OVi Uhr Yormlttags: Erste Sitzung im , 

1. Ertfffhung der Versammlung. 

2. Geschäfte- und Kassenbericht. 

3. Der Entwarf eines Deutschen Strnfgese 
Med.-Rat Prof. Dr. Straßmann-Berli 
Le pp mann-Berlin und Kreisarzt Dr. B 

S Uhr nachmittags: Besichtigung des Stldi 
amtee in der Fischerstraße Nr. 89/42 (Eingaj 

7 Uhrnaohmlttags: Festessen (mit Damen) im 

Sonnabend, den 28. A pi 
O l /a Uhr vormittags: Zweite Sitzung im „I 
; 1. Die neae Dienstanweisnng für die Krei 
Bat Dr. Nickel, Kreisarzt in Perleberg, 
in Cöln. 

2. Vorstandswahl; Bericht der Kasseareri* 
8. Beschloss Iber den Entwarf der Sntian 
fonds. 

1 Uhr mittags: Zwangloses gemeinsames Mittag 
»Rhein gold* (wie vorher). 

S Uhr nachmittags: Besichtigungen 1 ). 

8 Uhr abends: Zwanglose Vereinigung 1 ). 

Um recht sahireiche Teilnahme, auch von » 
Deutschen Medizinalbeamten - Vereins, die freundlich 
gebeten. 

Minden, LW, den 3. Mira 1910. 

Dur Vorstand das Preuasischen Medizin; 

L Auftr.: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Bapmn 

_ Reg.- b. Med.-Bet in Minden. 

J ) Das Nähere darüber wird am Sitsongatage n 
DJotim. 

Vom 10. Mlrs bis 18 April d. J. li 
dieser Zeitschrift Infolge einer Brholungsreii 
wesend. Wenn anoh für Vertretung gesorgt 
gende Sachen naohgesohloht werden, so bitte 
Zusendungen, Anfragen naw. tunlichst bis 11 
an Yereohleben. 

Redaktion: Geh. Me<L-Rat Prof. Dr.Bapmnnd, Reg.* o.J 

J. 0. C. Brams, Henogl. Siek*. «. F. Seh-L. Bofbnobdniak 








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,ur äerfchtlicha Medizin, Psychiatrie und »frän wesen. 

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Geh, Möd'Rat Prof. Br, OTTO RAPKUND 

hMriWBC- «* iMhittirtt •« «tfodffl t, -W. . 

STjiamia 10 * '^P 80 -* 9 ^' PrewsiiKWn, Bayerischen, Sächsischen, 

a i«^5öhen, «ßck^ßburgtaotieß and. Ososs-Lsihringischefi 

1 _^ 

VftThg VOB Usehsr’B medis. Eucbha»a)g. t E Kornfeld. 

Bayer.. a, R jug tm w r - 

,,,_. . W. .'85, Lützowstr, IQ, 

“ * e <“* mri. «0» *« in. 


SP# Ajwl^sito» <ro£^*ar«a. 




;aa,t k*i der EgL BegietWäg zu 


«Mlnstar tVomdier j Kreisarzt Dr. Besser>»1, 

Typhostiarillen im Sekret eines Decubitus 

: Sl^Rw{a^tt«ÄTai Ir*, $t4Bla» 

m\twkLM Mediztalwfcee WocbeuBcbr. 

* 5ßö ” ** ** <«* * 
r*tt n *e: "X(» V«rl*ttt eia«s Abdominalm 

?y* Typ®8abs : iüSfea- ia IM nt u mir fand. Et fakrt ijn 
*“* *? «** Tyebwtowtfüu«, beaoaday« 

^ p6m4fe d * r Knw) * l,fei N BieW selten .»ia EtJ«r- 
BmM: *™ **V m Stetten* wo dort* irgend eien ScUH- 
Mi& e * ß kcne “todfie reBistenöae gesdaßca ist 

web- für ßftorang«) Tttle des aabkeuns» 
£t’»ii?6 die feetföBdejtr.iaiujrndem Druck etngBrtwKtKfc 

fa tf i, uni zur Srgünsuag dieeer B*c*»jtt*sr 

MwaM'St'** Wt>1 ^ ai'ibt gerate b&ofigsa Fall TarStent|)eben 
fc'«rt»iL » daa ®e4Uw.*tbe*mle», wie mrh fBr den Elte&e«- 
lefcS wteroMw Fall, bei dein die Ty{tbe*b*i®i«m 

ft£?S8 f Dfr-ttfritna necJuu wei&eü waren ood bei d«au 
&t, VT “ Ie ? ea Sekret der «wheinintr gatus ubgeheilte Typ!«®" 
^®*)ö ÖWtVAgt® wurde. Durch df«: Lteijewis- 
§§?§£'ter g ye y,g.rzte I>r. Besserer ln Mänater 8»d- 


















270 Dr. Stein: Typhtubazillen im Sekret eines Decubitus. 

Medizinalrat Dr. Strangmeier in Qaakenbrttck bin ich in die 
Lage versetzt, zur Erläuterung dieses Falles die klinischen 
Daten und die Ergebnisse der bakteriologischen Untersuchungen 
kurz anzuf&hren. 

Am 29. April wurde Patient H. als typhusvexdächtig in das Krankenhaus 
in Q. aufgenommen. Die am 2. Mai im Medisinaluntenuchungsamt Münster 
ausgeführte bakteriologische Untersuchung des eingesandten Materials bestätigte 
die klinische Diagnose Typhus. Die Wi dal sehe Eeaktion war in Verdünnung 
des Serums von 1:150 positiv, im Stuhl waren Typhusbazillen nachweisbar. 
Die Krankheit des H. verlief sehr schwer — er war drei Wochen hindurch 
bewußtlos und delirierte — und war noch durch eine doppelseitige fibrinöse 
Lungenentzündung kompliziert. Im Verlauf der Krankheit entstand auf der 
Mitte des Kreuzbeins ein Markstück großer Decubitus, der bis ins Unterbaut* 
Zellgewebe reichte und schlechte Heilungstendenz hatte, obwohl die Erschei¬ 
nungen des Typhus nach 6—7 Wochen verschwunden waren. Bei den Nach¬ 
untersuchungen der Entleerungen, die am 4. Juni und 12. Juni vorgenommen 
wurden, waren keine Typhusbazillen mehr nachweisbar; Patient erholte 
sich langsam, aber vollständig. Den Verbandwechsel des Decubitus besorgte 
nach der Bückkehr von ihrem vom 12. Juni bis 12. Juli dauernden Urlaub die 
Krankenschwester W., bis diese am 12. August, also etwa 10 Wochen nach 
der Genesung des H., an Typhus erkrankte. Der Typhus wurde auch in 
diesem Falle durch den positiven Ausfall der Wid zischen Eeaktion und das 
Vorhandensein von Typhusbazillen im Stuhl und Urin der Kranken bakteriologisch 
absolut sicher festgestellt. Da die Entstehung dieses Krankheitsfalles anfangs 
gar nicht zu erklären war, nachdem die Entleerungen des H. am 80. August 
nochmals mit negativem Erfolg auf Typhusbazillen untersucht waren, und er 
somit als Typhusbazillenträger nicht in Frage zu kommen schien, wurde auf 
Anregung des Medizinaluntersuchungsamtes auch das Dekubitalsekret am 
8. September zur bakteriologischen Untersuchung eingeschickt, ln diesem 
wurden dann reichlich Typhusbazillen nachgewiesen. Die Feststellung erfolgte 
durch die in den Medizinaluntersuchungsämtern üblichen chemischen Methoden 
und durch das Agglutinationsverfahren. 

Die Aggluit»doa mit hochwertigem Trockenserum (Titer 1:8000) des 
Instituts für Infektionskrankheiten verlief anfänglich etwas träge und trat 
nicht in höheren Verdünnungen (über 1:2000) ein. Diese Eigentümlichkeit 
des Stammes verlor sich aber schnell. Nach mehrmaligem Ueberimpfen wurde 
derselbe bis zur Titergrenze in einer Stunde bei 87 0 agglutiniert (makroskopische 
Besichtigung nach der Ko 11 eschen Methode). Eine Prüfung dieses Stammes 
im Institut für Infektionskrankheiten auf seine Virulenz ergab */* Normalöse 
als einfach tödliche Dosis. Der aus dem Urin der Schwester W. isolierte 
Stamm hatte V« Oese Virulenz. 

Die Krankheit der W. verlief ebenfalls typisch und schwer; sie ging 
nach etwa 6 Wochen in Heilung über. Am 14. September war auch das 
Dekubitalgeschwür des H. annähernd verheilt, und bei der an diesem Tage 
nochmals vorgenommenen bakteriologischen Untersuchung waren keine Typhus¬ 
bazillen mehr in dem nur noch sehr spärlichen Wundsekret nachweisbar. 

Bei der Betrachtung dieses Falles treten zwei Fragen aal. 
Wie kamen die Typhusbazillen in die Haut an der Deknbitnsstelle 
und wie gelangten sie in den Körper der Schwester? Zur Beant¬ 
wortung der ersten Frage möchte ich nicht annehmen, daß die 
Bazillen etwa von der Umgebung des After aus in das bereits 
bestehende Dekubitalsekret hineinverschleppt wurden. Mir erscheint 
vielmehr mit aller Wahrscheinlichkeit als feststehend, daß die 
Bazillen, die im Blute kreisten und während der Rekonvaleszenz¬ 
periode durch die Bildung der Schutztoffe im Körper in ihren 
Lebensbedingungen geschädigt wurden, sich einen locus minoris 
resistentiae suchten, wie es Heß in seiner am Anfang erwähnten 
Abhandlung darstellt. Einen solchen fanden sie in dem Unterhaut- 



Dr. Vollmer: Sieben Milzbrandfälle. 


271 


Zellgewebe in der Kreuzbeingegend bei dem Kranken, der wochen¬ 
lang za Bett lag. Darch die Ansiedlang der Bazillen an dieser 
Stelle ist dann meiner Ansicht nach das Zustandekommen des 
Drackbrands begünstigt and darch diesen sind die damals in den 
Entleerungen des Genesenden nicht mehr nachweisbaren Typhus- 
erreger wieder als neue Infektionsquelle an die Körperoberfläche 
gekommen. 

Die Uebertragong des Typhus auf die Krankenschwester ist 
gar nicht anders za erklären, als darch die Bazillen im Dekubital- 
sekret ihres Pfleglings. In den Ausscheidangen des Rekonvales¬ 
zenten waren schon Anfang Jnni keine Typhasbazillen mehr 
nachweisbar, dann war die Schwester einen Monat auf Urlaub, 
und wieder gerade einen Monat später, also anch länger als man 
als Inkubationszeit für einen etwa von auswärts eingeschleppten 
Typhus annehmen kann, begann ihre Erkrankung. Sonst war 
aber damals in der ganzen Gegend kein Typhus vorhanden. Man 
muß demnach annehmen, daß die sonst als durchaus zuverlässig 
geschilderte Pflegeperson doch bei irgend einem Verbandwechsel, 
da sie eben die besondere Gefahr des Wundsekrets nicht kannte, 
die Typhusbazillen von der Gaze oder dem Heftpflasterstreifen 
aus auf ihre Hände übertragen hat. 

Für den Medizinalbeamten ist dieser Fall insofern von 
Wichtigkeit, als er wieder zeigt, wie mit Hilfe der Bakteriologie 
manchmal sonst scheinbar nicht aufzuklärende Fälle von Infektions¬ 
krankheiten klargelegt werden können. Für den Kliniker mahnt 
er zur Vorsicht bei allen Eiterungen und Absonderungen Typhus¬ 
kranker und Genesender, auch wenn die Sekrete anscheinend 
mit der Hauptkrankheit gar nicht in Zusammenhang stehen 
und diese schon abgelaufen ist. Gerade für die Entstehung des 
Dekubitus ist man vielfach geneigt, eine reine mechanische 
Schädigung als Ursache anzunehmen. Dieser Fall regt daher 
vielleicht dazu an, Dekubitalsekret bei Typhus, bei dem ja in 
schweren Fällen verhältnismäßig häufig Druckbrand entsteht, der 
noch oft wochenlang die wirkliche Krankheit überdauert, häufiger 
bakteriologisch auf die Anwesenheit von Typhasbazillen unter¬ 
suchen zu lassen. Von den sonstigen, im Anschluß an Typhus 
auftretenden Eiterungen, speziell denen der Knochen, ist es ja 
schon lange bekannt, daß sie oft virulente Typhusbazillen ent¬ 
halten. 


Sieben Milzbrandfälle. 

Von Dr. E. Vollmer, Kreisarzt in Bad Kreuznach. 

In Kirn, einer Industriestadt des Kreises Kreuznach, sind im 
Lanfe eines halben Jahres sieben Fälle von Milzbrand aufgetreten; 
und zwar handelte es sich hier nicht um die wohl in jedem länd¬ 
lichen Kreise einmal vorkommenden sporadischen Fälle, son¬ 
dern die betreffenden Patienten waren alle Arbeiter einer großen 
Lederfabrik, die Schaf- und Ziegenfelle aus dem Ausland, beson¬ 
ders aus Indien, bezieht. Die Erkrankten sind bei den Manipu- 



272 


Dr. Vollmer. 


lationen mit den ausländischen Häuten infiziert worden und haben 
sich sämtlich die bösartigen Poeteln geholt, die meist im Gesicht 
oder auf der Brust ihren Sitz hatten und von da in dem einen 
Falle, der zu Tode kam, za einer Allgemeininfektion führten. 

Ueber den Verlauf und die lokalen Erkrankungen 
ist nichts Besonderes zu sagen; sie decken sich mit dem bekannten 
Kr&nkheitsbilde der pustula maligna oder des wahren Anthrax 
Charbon. Es entwickelte sich an den verschiedenen befallenen 
Stellen ein kleines, haemorrhagisches Bläschen, das zunächst wie 
ein Furunkel aussah. Anstelle des gelben Zentrums trat aber in 
unseren Fällen ein lederartiger, trockener Schorf, in dessen Nach¬ 
barschaft sich die Oberhaut an verschiedenen Stellen abhob. In 
der Umgebung dieser Bläschen-Eruptionen schwoll die Haut blaurot 
und teigig auf. Die Schmerzhaftigkeit der Haut nahm sehr zu; 
es trat eine Schwellung der benachbarten Lymphdrfisen ein. 

Der erste beobachtete Fall betraf eine 16jährige Arbeiterin, die am 
17. Jnli 1909 mit einer schmerzhaften Hantaffektion der Brost in das Kranken* 
hass eingeliefert worde, woselbst sie schon nach 4 Tagen unter den Er¬ 
scheinungen der Blutvergiftung starb. Die anderen haben durch den 
heilsamen Schrecken, den der Tod der jungen Person einflößte, profitiert. Man 
achtete auf die kleinste, sich entwickelnde, bösartige Pustel und unter den 
therapeutischen Maßnahmen gelang ausnahmslos die Heilung der übrigen 
Erkrankungen. Dem ersten folgte der nächste Milzbrandfall 8 Tage später; 
wieder 8 Tage darauf der dritte und vierte Fall, die gleichzeitig im Kranken¬ 
haus lagen. Der fünfte trat am 20. August, der sechste am 22. Oktober auf. 
Der letzte bekannt gewordene Fall, den auch ich beobachten konnte, erfolgte 
am 18. Januar 1910. Am 28. Januar stellte sich die Affektion dar, wie sie 
auf beifolgenden Bilde zu sehen ist: 

Unter dem rechten Mundwinkel, 1 cm, im Bereiche der noch blonden 
Schnurrbarthaare, befindet sieb eine mit Schorf bedeckte, flache Hautwunde 
von der Größe eines 25-PfennigBtückes und von ellipto'ider Gestalt. Die Spitze 
der Ellipse richtet sich nach dem Mundwinkel. Die ganze rechte Gesichts¬ 
hälfte ist noch deutlich gerötet und leicht geschwollen, die Lymphdrüae im 
Unterkieferwinkel auf Druck schmerzhaft und empfindlich. Der Erkrankte 
ist inzwischen geheilt und hat die Arbeit wieder aufnehmen können. 

Wegen der ersten 6 Fälle, die berechtigtes Aufsehen erregten 
und zu Erwägungen von Seiten der Sanitätspolizei, der Gewerbe¬ 
inspektion und der Veterinärpolizei des Kreises Anlaß gaben, 
wurden verschiedene Gutachten abgegeben, aus denen ich das 
Wichtige nach Streichung der die Fälle selbst betreffenden Wider¬ 
holungen hier mitteilen möchte. 

Gutachten des Kreisarztes: 

„Daß die Infektion an der Arbeitsstelle von den Fellen ansgegangen, 
ist ja zweifellos; im Medizinaluntersuchungsamt wurde an einem 
eingesandten Ziegenfelle Milzbrand nachgewiesen. Die Fabrik 
verarbeitet fast nur ausländische Felle aus Indien, Rußland, Spanien, Italien, 
Afrika etc., welche in getrocknetem Zustande mit reichlichem Salzzusatz ein- 
treffen, fast täglich mehrere tausend. In letzter Zeit wurden zwar Felle aus 
neuen Bezirken bezogen, jedoch ist die Annahme, daß speziell diese die 
Infektion veranlaßt haben, nicht haltbar, da gerade das im Medizinalunter¬ 
suchungsamt mit Milzbrand infiziert befundene Feil aus Indien stammte, 
woher schon lange Jahre bezogen wird. Bei dem Massenbetriebe der Fabrik 
waren die Bemühungen, die Infektionsquelle genauer festzustellen, erfolglos. 
Die 6 Erkrankten waren an verschiedenen Arbeitsstellen beschäftigt, jedoch 
alle an Fellen, welche bereits im Wasser eingeweicht waren und in Kalk- 
Arseclösung gelegen hatten. Von den Leuten, die mit den trockenen 






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voü Kreisarzt ör. E- VdHjtßäf m Bad Kvauanacü: 

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Sieben Milzbrandfälle. 










Sieben Milzbr&ndf&lle. 


273 


Fellen in Berührung kamen, war niemand erkrankt. Nach Mit¬ 
teilang des Fabrikbesitzers sind die z. Z. der Infektion in Arbeit befindlichen 
Felle bereits fertig vergerbt, sodaß für diesmal weitere Erkrankungen voraus¬ 
sichtlich nicht mehr za erwarten sind. 

Sämtliche Kranke, außer dem sehr leicht verlaufenen und ambulatorisch 
behandelten Fall A. CI., wurden sofort ins Krankenhaus aufgenommen. Im 
Verlauf der Krankheit wurde die fortlaufende Desinfektion durch Verbrennung 
des Verbandzeugs etc. streng durchgeführt. 

So weit als möglich müßten noch nachträglich angeordnet werden die 
Desinfektion der Betten, der Leibwäsche, der Kleider und 
Handwerkszeuge der Erkrankten. Es ist dies um so nötiger, als 
die betreffenden Leute teils in dem „Gesellschaftsbaus“ mit einer größeren 
Anzahl anderer Arbeiter zusammen gewohnt und geschlafen haben, teils bei 
fremden F amili en in Logis sind. Einer, K. H., ist aus Monzingen zu Hause. 

An sämtliche Arbeiter der Firma sind die Belehrungen über 
Milzbrand aasgehändigt. Die Leute sind angewiesen, bei der geringsten 
verdächtigen Erscheinung zum Arzt zu gehen; auch sind in den Fabrikräumen 
belehrende Plakate mit Abbildungen angebracht. Weiterhin halte ich die 
Aushändigung der „Ratschläge an die Aerzte“ für zweckmäßig. 

Nachdem seit 10 Tagen Neuerkrankungen nicht mehr vorgekommen, 
sind zur Zeit weitere Maßnahmen nicht nötig; wohl dürften im allge¬ 
meinen Erwägungen anzustellen sein, auf welche Weise sofort bei der 
Ankunft ausländischer Felle eine Erfolg versprechende Desinfektion technisch 
ohne Schädigung der Felle durchführbar ist. Die bisherigen Maßnahmen 
genügen nicht. 

Mit Rücksicht auf die bevorstehenden Truppenübungen 
empfehle ich, die Wohnungen, in welchen Milzbrandkranke gewohnt resp. ge¬ 
schlafen haben, nicht mit Militärpersonen zu belegen. 

Aus der Lederfabrik werden die großen Abwässermengen nach Zusatz 
verschiedener Chemikalien und Passierung mehrerer Klärbecken durch den 
städtischen Kanal in die Nahe geleitet. Bei der großen Widerstands- und 
Lebenssfähigkoit der Milzbrandsporen halte ich die Benutzung des Nahewassers 
unterhalb des Kanaleinlaufs auch zum Tränken der Pferde für bedenklich; 
auch die Abfuhr der Haare und sonstiger Abfälle zur Düngung der Felder 
kann m. E. schlimme Folgen haben, wenn nicht eine genügende Desinfektion 
voraufgeht.“ 

Der Qewerbeinspektor äußerte sich: 

„Die Erkrankungsfälle belaufen sich auf den Betriebsabteilungen wie 
folgt: 1. Br. war im Aescherhaus, 2. Sch. an den Weichen, 3. Gl. an den 
Weiches, 4. N. beim Enthaaren, 5. CI. beim Strecken nach der Hundekotbeize, 
6. W. K. beim Beschneiden der enthaarten und gebeizten Felle beschäftig^;. 

Die 6 Erkrankungsfälle zeigen deutlich, daß für die Arbeiter weniger 
Gefahren bestehen bei dem Aus packen und dem Transport der trockenen 
Felle, als vielmehr nachdem das Einweichen der Felle erfolgt und dadurch 
der schlummernde Milzbrandbacillus geweckt worden ist. 

Die unter Ziffer 2 und 3 der Verfügung des Herrn Regierungspräsidenten 
vom 25. Januar 1899 I. J. 73 verlangten Sicherheitsmaßnahmen be¬ 
dürften daher nach meinem Dafürhalten einer Abänderang bezw. der gänzlichen 
Aufhebung, zumal die Bestimmungen der Lederindustrie-BerufBgenossenschaft 
vom 11. September 1908, gebilligt vom Reichsversicherungsamt Berlin, im 
großen und ganzen dieselben Bestimmungen enthalten, aber in einem Punkte 
z- B. kollidieren. Der § 13 b der Berufsgenossenschaft verlangt nämlich im 
Abs. 3: Zum Tragen der Häute Bind den Arbeitern „Schutzkappen“, die 
auch den Nacken und die Schulterblätter bedecken, in ausreichender Zahl und 
guter Beschaffenheit zur Verfügung zu stellen, während unter Ziffer 4 der 
Verfügung des Herrn Regierungspräsidenten zu diesem Zwecke waschbare 
„Kittel“ gefordert werden. 

Wie ich mich überzeugt habe, sind in der Fabrik Schutzkappen 
der von der Berufsgenossenschaft geforderten Art vorhanden, sio -werden 
jedoch von den Arbeitern nicht benutzt. Da in dieser Betriebsabteilung 
Erkrankungen durch Milzbrand noch niemals vorgekommen sein sollen, so 



274 


Dr. Vollmer. 


braucht dieser hier angenommenermaßen bestehenden Gefahr m. E. nicht 
mehr die Wichtigkeit beigemessen werden, welche diesem Punkte der Gefahr 
bisher beigemessen worden ist. 

Da nunmehr also erwiesen zu sein scheint, daß der Milzbrandbadllus 
durch die Aescher (das ist die Behandlung der rohen Häute im Haar, in einem 
Behälter von 1X 1,8 X 3,6 cbm Inhalt, welcher gefüllt ist mit Wasser, dem 
2—9 Ztr. Kalk und 10 Pfd. Arsen hinzugesetzt sind), in welchem die H&ute 
etwa 18—20 Tage liegen bleiben, nicht getötet wird, so wird sich die 
Infektionsgefahr Tn d i e s e m Telle nicht beseitigen lassen, da alle Desinfektions¬ 
mittel aus Betriebsrücksichten hier unanwendbar sind. 

Zar Bekämpfung dieser Erkrankungsgefahren sind den Arbeitern 
dieser Fabrik Belehrungsvorschriften, betr. die Entstehung und Bekämpfung 
der Milzbranderkrankung, behändigt und außerdem in allen Betriebs- 
räumen Tafoln ausgehängt, welche die Bilder enthalten, an denen man den 
Anfang und das Fortschreiten der Krankheit erkennen kann. 

Arbeiterauienthalts- und Speiseräume sind an verschiedenen Stellen des 
Betriebes vorhanden und in sauberem Zustand gehalten. 

Die Meister achten mit scharfem Blick auf Pusteln und Geschwüre, die 
sich bei den Arbeitern zeigen, und veranlassen alsdann die sofortige Vorstellung 
beim Arzte, welcher das Weitere verfügt. 

Da Waschvorrichtungen in den Arbeiteraufenthalts- 
räumten und Douchen in der großen Arbeiterspeiseanstalt in 
ausreichender Zahl vorhanden sind und auch von den Arbeitern angeblich gern 
benutzt werden, so ist m. E. von seiten der Firma alles getan, was in ihren 
Kräften steht, um nach menschlichem Ermessen diesen Gefahren tunlichst 
Torzubeugen.“ 

Aas dem Gutachten des Herrn Kreistierarztes verdient 
hervorgehoben zu werden, daß auch er gerade die aus dem Aus¬ 
lande kommenden Felle als eine dauernde Quelle für neue 
Milzbrandinfektionen bezeichnet. Es heißt dann weiter: 

„Leider ist es bis jetzt nicht gelungen, eine Methode ausfindig zu 
machen, die von Milzbrandkadavern herstammenden Häute vor 
der Verarbeitung als solche zu erkennen. Als Merkmal können höchstens 
Blutdurchtränkungen der Unterbaut (der Fleischseite des Felles) als verdächtig 
in Betracht kommen; da die getrockneten Felle jedoch mindestens ein halbes 
Jahr (seit dem Tode des betreffenden Tieres) getrocknet und nachher ver¬ 
schickt werden, so sind solche ehemaligen, blutigen Stellen nur schwer und 
unsicher als solche zu erkennen. Ich habe eine große Anzahl von Häuten 
besichtigt, bin jedoch nicht in der Lage, mit annähernder Sicherheit die ver¬ 
dächtigen Häute als solche zu erkennen- Eine Untersuchung der getrockneten 
Häute vor ihrer Verarbeitung bietet somit wenig Aussicht, die von milsbrand¬ 
kranken Tieren stammenden Felle mit Sicherheit zu ermitteln. Bei den den 
Fellen anhaftenden Milzbrand - Keimen handelt es sich nicht um Mils¬ 
brandbazillen, da die Bazillen durch Austrocknung, selbst in dicken Ge- 
webs- und Blutschichten in 4—5 Wochen vernichtet werden. Beim 
Trocknen der Felle entwickeln sich unter der Einwirkung des Sauerstoffes der 
Luft Sporen. Diese Sporen sind aber viel widerstandsfähiger als die Bazillen 
selbst; sie sind in getrocknetem Zustande noch nach vielen Jahren wirksam. 
Kommen diese Sporen nun in für sie günstige Lebensbedingungen, und hierzu 
gehört in erster Linie Feuchtigkeit, so keimen sie wieder zu Bazillen aus 
und sind wieder imstande, Milzbrand zu erzeugen. Bezüglich der Tenasität 
der Milzbrandsporen ist experimentell nachgewiesen, daß dieselben auch nicht 
durch das Salzen der Häute getötet werden; in frischer Kalkmilch blieben sie 
noch nach 125 Tagen lebensfähig. Aus diesem biologischen Ver¬ 
halten ergibt sich, daß der Gerber-Prozeß, wie er auch in der 
Kirner Fabrik gehandhabt wird, nieht imstande ist, dieMilz- 
brandsporen zu töten und somit die Infektionsgefahr für die Arbeiter 
aufzuheben. Mit dem eigentlichen Gerben und dem Einweichen der Felle ist 
dio größte Gefahr für die Arbeiter verbunden. In Uebereinstimmung hiermit 
steht die Tatsache, daß von den Arbeitern, welche nur mit den trockenen 
Fellen zu tun haben, noch keiner an Milzbrand erkrankt ist. Sämtliche er- 



Sieben Milzbrandfälle. 


27b 


krankten Arbeiter waren bei der weiteren, fenchten Bearbeitung der Felle 
tätig, and zwar ohne Unterschied, ob vor oder nach der mehrwöchigen Beize 
mit Kalk und Arsenik. Theoretisch wäre die Milzbrandinfektionsgefahr nur 
na bekämpfen, wenn die trockenen Felle vor ihrer weiteren Bearbeitung in 
einer Desinfektionsflässigkeit eingeweicht würden, welche auch die so resistenten 
Milsbrandsporen mit Sicherheit tötet. Als solche Desinfizientien sind bekannt 
in erster Linie Sublimat (1:1000), Kreolin, Chlor, Brom und Jod. 
Wie weit der Anwendung dieser Mittel technische Schwierigkeiten entgegen* 
stehen, entzieht sich meiner Beurteilung.“ 

Wenn wir ans znm Schlüsse fragen, wie wir der Entstehung 
solcher für die Arbeiter doch recht gefährlichen Erkrankungen in 
Gerbereien, besonders solcher, die ausländische Felle beziehen, 
verhüten können, so scheinen mir in erster Linie auch die Ar* 
beiter auf die Möglichkeit der Entwicklung solcher Pusteln 
hingewiesen werden zu müssen, damit sie selber achtgeben und 
im Beginn der Erkrankung zu ihrem Arzte gehen. Wer aus 
eigener Praxis weiß, wie sehr manche Arbeiter Leiden ver* 
schleppen, ehe sie Hilfe suchen, der wird die Möglichkeit zugeben, 
daß auch von Gerberei-Arbeitern die Entwicklung einer malignen 
Pustel längere Zeit ertragen wird, und daß auf diese Weise der 
günstige Zeitpunkt zu operativer Behandlung versäumt wird. 
Speziell in unseren Fällen ist der letale Ausgang der ersten, und 
die glückliche Heilung der sechs folgenden Fälle bemerkenswert 
und äußerst lehrreich. 

Besonders hervorgehoben sei noch, daß die Diagnose auch 
bakteriologisch einwandfrei durch die Untersuchung des Königl. 
Medizinal -Untersuchungs-Amts zu Coblenz (Vorsteher: Kreisarzt 
Dr. Hi lg ermann) sichergestellt wurde, und daß im Blute der 
Nachweis des Milzbrandbazillen in keinem Falle gelang, wohl 
aber in den exzidierten Gewebestückchen. 

Während des Druckes meiner Arbeit ist leider ein neuer 
Milzbrandfall vorgekommen, der auch nach wenigen Tagen znm 
Tode geführt hat 

Die Affektion bestund in einer kleinen, höchstens 10 pfennigstückgroßen 
Milzbrandpustel an der linken Seite des Halses mit typischem schwarzen 
Zentrum. Von da erfolgte die Infiltration der Halslymphdrftsen und die All¬ 
gemeininfektion mit rapider Schnelligkeit, die auch trotz der solort vor¬ 
genommenen Behandlung durch Dr. C o e s t e r (Exzision; Jodtinktur) den Tod 
veranlaßte. 

In diesem Falle wurde die Sektion der Leiche 20 Stunden 
post mortem ausgeführt und folgender Befund festgestellt: 

Mittelgroße, kräftige, männliche Leiche mit wenig hellroten Totenflecken 
in den abhängigen Teilen. Totenstarre noch vorhanden und sehr intensiv. 
Muskulatur des Brustkorbes tief dunkelrot und fest. 

Beide Pleurahöhlen frei von Flüssigkeit; Lungen nirgends adhärent. 
Bechter Mittel- und Unterlappen stark ödematös; ebenso der linke Unterlappen. 
Bänder beider Oberlappen mäßig oedematös. Lungen sonst ohne Veränderung. 

Herzbeutel frei von Flüssigkeit. Das linke Herz ist fest kontrahiert, 
das rechte gänzlich schlaff; im r. Herzwinkel wenig dunkelrotes, flüssiges Blut; 
keine 8peckgerinnsel; 1. Herz völlig leer; Klappen intakt; an den Bändern 
keine Spur von Ablagerungen. Milz 15,5 cm lang, 10 cm breit, 3,5 cm 
hoch; auf dem Durchschnitt stark zerfließend, dunkelrot, fast schwarz, 
matschig. Nieren, wie alle Organe, blutreich, sonst ohne Besonderes. 

An der linken Seite des Halses zwischen Kieferwinkel und Schlüsselbein 
in der Mitte findet sich ein ovaler Hautdefekt von 10 Pf ennigstttckgröße, 



276 


Dr. Abrunowski. 


dessen Lage einer bei Beginn der Erkrankung ansgefttbrten Exaision der Milz* 
brandpnstel entspricht. Der Qrand dieses flachen Defektes ist trocken und 
blaß, and zeigt nichts Bemerkenswertes. Bei der Heransnahme dieser Stelle 
zeigt sich hinter ihr eine kirschkerngroße, derbe, aof dem Durch* 
schnitt dankeirote Drüse. Weiter nach dem Kieferdeckel za Anden sieh 
noch 3 andere Drüsen Ton derselben Beschaffenheit and Qrüße. 

Der nachträglich noch heraasgenommene Magen ist stark erweitert; 
enthält aber nar etwas blatig gefärbten Schleim. Die Schleimhaat ist ge¬ 
schwollen and dankelrot in großer Ausdehnung. 

Von einer Sektion der anderen Organe mußte ich Abstand 
nehmen, da die wegen der aufgesprungenen Hftnde zum Schutz 
benutzten Gummihandschuhe ein weiteres Hantieren infolge ihrer 
Glätte unmöglich machten. 

Als direkte Folge der Erkrankung läßt sich demnach die 
Veränderung der Milz und des Magens und die außer¬ 
gewöhnlich starke Totenstarre erkennen. Schon während 
der letzten Stunden intra vitam bestand eine hochgradige Extre¬ 
mitäten- und Kaumuskelstarre. 

Die Zerfließbarkeit der Milz ist nicht als Fäulnis zu be¬ 
trachten. 


Tätigkeitserweiterung des Kreisassistenzarztes 
auf dem Lande. 

Von Dr. Abramowski, Krelsaasistenzarzt in Qilgenburg (Ostpr). 

El£ oicovöj iptotog äjitivead-ai nspl «Tci'prjj. 

Ilias 12, 248. 

Es unterliegt keinem Zweifel, daß wir bei der Bekämpfung 
der Tuberkulose neben dem guten Willen und der Hingabe an 
die edle Sache vor allen Dingen Arbeitskräfte brauchen. In den 
Städten mit ihren Fürsorgestellen, ihrer großen Anzahl dies¬ 
bezüglich geschulter Gemeindeschwestern und der Wachsamkeit 
der Kreisärzte ist wahrscheinlich in genügender Weise gesorgt — 
ich kann mir darüber kein Urteil anmaßen, da mir die Erfahrung 
fehlt —; auf dem platten Lande aber, zum wenigsten hier im 
Osten, ist dies nicht der Fall. 

Dem auf dem Lande sitzenden prakt. Arzte fehlt es an Zeit 
und Interesse, sich um Fragen der Hygiene und Volkswohlfahrt 
zu kümmern, und dann ist es ja auch nicht seines Amtes. Dahin¬ 
gegen wird die Arbeitskraft und das Wissen des Kreisassistenz- 
arztes nach meinem Dafürhalten und meiner allerdings noch sehr 
jungen Erfahrung in dieser Hinsicht viel zu wenig ausgenutzt 
und herangezogen. Damit will ich nicht dafür plaidieren, daß er 
bei der Seuchenbekämpfung in den Vordergrund treten soll, dazu 
fehlt es ihm doch oft an Erfahrung; denn er muß in dieses Gebiet 
erst allmählich vom Kreisärzte eingeführt werden. Aber zur Be¬ 
kämpfung der Tuberkulose und zu derjenigen des Krebses, soweit 
von einer solchen die Rede sein kann, ferner zur Belehrung auf 
dem Gebiete der Säuglingsernährung und -Pflege sollte der Kreis- 
assistenzarzt mehr herangezogen werden; es würde sich daraus eine 
dem Staate nützliche und ihn selbst befriedigende Tätigkeit ent- 



Titigkeitserweiterong dos Kreisassietenz&rstes auf dem Lande. 277 


wickeln. Zunächst die Tuberkulosebekämpfung« Der Kreis¬ 
arzt hat die Meldekarte über einen Todesfall an Lungen- oder 
Kehlkopftuberkulose erhalten und ordnet nun die Desinfektion an; 
damit ist die Sache erledigt. Jetzt sollte der Kreisassistenzarzt 
Auftrag erhalten, sich nach dem betreffenden Dorfe zu begeben 
and die Verhältnisse zu untersuchen, wobei sich ihm oft folgendes 
als Beispiel gewähltes Bild entrollen würde: Der Vater ist so¬ 
eben gestorben, die von ihm infizierte Matter hat ffinf Kinder 
allein zu versorgen, davon husten zwei, eins ist skrophulös, zwei 
sind noch resistent geblieben. Ich will hier nun nicht entscheiden, 
was zu geschehen hat, ob die Matter in einem Sanatorium unter¬ 
gebracht werden soll und was mit den Kindern geschehen soll, 
dazu mag später der Kreisarzt nach Anhörung seines Assistenten 
die Initiative ergreifen; dieser aber soll bereits Umschau gehalten 
haben, ob die Gemeinde, der Vaterländische Frauenverein oder 
andere Körperschaften materielle Hilfe leisten wollen und dieses 
Material soll er dem Kreisarzt an die Hand geben. Vor allen 
Dingen aber soll er der betreffenden Familie, wenn weiter nichts 
geschehen kann, wie das ja sehr oft leider der Fall sein wird, 
die entsprechende Belehrung für ihr ferneres Verhalten an¬ 
gedeihen lassen. 

Was nun den Krebs anbelangt, so hört man oft von einem 
Kollegen, daß er hier oder dort einen Fall von Magen- oder 
Uteruskrebs oder Krebs eines anderen Organs in Behandlung hat, 
ohne nähere Auskunft über die die Statistik interessierenden Facta 
geben zu können. Da müßte sich der Kreisassistenzarzt sogleich 
an Ort und Stelle begeben und den Tatbestand aufnehmen, z. B. 
steht das Krebshaus auf sumpfigem Wiesengrund bezw. in dessen 
Nähe, oder wie sind sonst die Bodenverhältnisse, ist die Wohnung 
feucht, ist sie unterkellert, wie sind die Brunnenverhältnisse und 
dergl. mehr. Alles dieses ist für die Krebsstatistik, speziell für 
die Eruierung über das endemische Vorkommen von Krebs von 
der größten Wichtigkeit und dem Kreisärzte beim Abfassen des 
Jahresberichts gewiß willkommen. Ferner gestattet es seine Zeit, 
auf allen Dörfern seines Bezirks Vorträge über Taberkulose, 
Krebs, Alkoholmißbrauch und Säuglingsernährung in der Schule 
oder in dem Gemeindehause zu halten. Da diese Zeilen nur im 
Sinne eines Hinweises gemeint sein sollen, will ich mich auf Bei¬ 
spiele beschränken. Ein solcher Vortrag sollte etwa lauten: 
Wie schützen wir unsere Kinder vor der TuberkuloseP oder: Die 
Taberkalose ist eine ansteckende Hauskrankheit, bei der es vor 
allen Dingen auf Reinlichkeit ankommt, oder: Worin besteht der 
Nutzen der Desinfektion nach einem Todesfall an Tuberkulose etc. 
Bezüglich des Krebses müßte den Leuten gesagt werden, daß 
jeder Mann, der in einem bestimmten Alter ohne einen Grund 
dafür zu wissen, den Appetit verliert und abmagert, sofort zum 
Arzte gehen muß, daß jede Frau, die ihre Regel verloren hat und 
dieselbe plötzlich scheinbar wieder bekommt, mit der Möglichkeit 
eines Gebärmutterkrebses rechnen muß. Bei diesen Gelegenheiten 
ist ferner über die Schädlichkeiten des Alkoholmißbrauches 



278 


Kleinere Mitteilangen and Referate aas Zeitschriften. 


zu sprechen, and auch ein kleiner Vortrag Aber Säuglings- 
ernährung za halten. Das gesprochene Wort wirkt tausendmal 
mehr als alle Merkblätter, die gerade in ihrem Bestreben, in ihrer 
Aasdrucksweise sich auf das Bildungsniveau der Leute zu stellen, 
in eine gekünstelte Redeweise verfallen and anf viel zu kurzem 
Raume viel zu viele Gedanken zusammendrängen. Desgleichen 
muß das Thema den einfachen Geistern breit und mundgerecht vor¬ 
getragen und eventuell an lebenden Beispielen erläutert werden. 
Man kann dergleichen ja auch bei Gelegenheit der Impfung vor¬ 
tragen, doch ist dabei daran zu denken, daß die Gemüter der 
Mütter hierbei viel zu erregt sind, um einem anderen Gegenstände 
Aufmerksamkeit schenken zu können. 

Eine geringe Reiseentschädigung würde den Ereisassistenz- 
arzt zu allen diesen gemeinnützlichen Bestrebungen in den Stand 
setzen; er würde viel Neues hinzulernen und nach Ablauf seiner 
Tätigkeit segensreichere Spuren in seinem Wirkungskreise hinter¬ 
lassen, als dies bislang der Fall zu sein pflegt. 


Kleinere Mitteilungen und Referate aue Zeitschriften. 

A. Oeriohtliohe Medizin. 

Blutunteroucbungen an Vergifteten mit besonderer Berücksichtigung 
der SubllmatTerglftung. Von E. Ri ca-Barberis-Tarin. Giornale defie R. 
Aocademia di Medicina di Torino; 1909. 

Verfasser bat Blutuntersuchungen in 16 Vergiftungsfallen ausgeftthrt. 
Als Gift war in 10 Fällen Sablimat, in je einem Falle Salizylsäure, Schwefel¬ 
säure, Salzsäure, Alkohol und Chinin genommen worden. 

Hyperleukozytose, die auch in den leichten Fällen nicht fehlt, hat fast 
den Wert eines diagnostischen Zeichens, mit dessen Hilfe Simulation ausge¬ 
schlossen werden kann. Im Durchschnitt wurden 14—16000 weiße Blut¬ 
körperchen pro ccm gefunden. Die HOchstzahl betrag 43 400. Der Grad der 
Leukozytose ist abhängig Ton der Menge des eingefttnrten Giftes, nicht Ton 
der Schwere des Krankheitsbildes. Sie tritt sofort nach Resorption des Giftes 
ein und erreicht schon 2 1 /«—3 Standen nach der Einnahme der Medikamente 
Werte Ton 16630—18200. In erster Linie sind die neutrophilen Leuko¬ 
zyten vermehrt. Auch die Zahl der (Jebergangsformen ist erhöht. 

Die Lymphozyten sind anfangs nicht vermehrt. Mit dem Nachlassen 
der Vergiftungserscheinungen nimmt ihre Zahl zu. In tötlich verlaufenden 
Fällen tritt manchmal terminale Lymphopenie auf. Der Hämoglobingehalt 
und die Zahl der roten Blutkörperchen sind oft vermehrt. Es handelt sich um 
scheinbare Vermehrung infolge Wasserverlast des Blutes, der besonders durch 
profuse Stahlentleerangen herbeigeführt wird. Die Veränderung der Alkaieszenz 
des Blutes geht den Schwankungen des Himoglobingehalts parallel. Die 
eosinophilen Zellen sind vermindert oder fehlen ganz, so lange Krankheits- 
erscheuungen bestehen. Vor Eintritt der Genesung beobachtet man Hyper¬ 
eosinophilie. Dr. Revenstorf-Breslau. 


Veber einige bei einer Kali chlorioum-Vergiftung erhobene Blat- 
befunde. Von Dr. F. Lange-Cöln. Medizinische Klinik; 1909, Nr. 61. 

Während der 8 tägigen Beobachtung des ad exitum gekommenen Falles 
wurde ständig Leukozytose konstatiert. Die Zahl der roten Blutkörperchen 
nahm stets ab. Vom zweiten Tag der Vergiftung an verloren zahlreiche 
Erythrozyten ihr gesamtes Hämoglobin. Vom dritten Tage an zeigten sie 
basophile Körnelung; da gleichseitig die Polychromatophflie stärker wurde und 
die Normoblasten an Zahl Zunahmen, legt Verfasser die basophile Körnelung 



Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


279 


za guasten der Regenerationstheorie aas. Für den letalen Aasgang des Falles 
macht er die Niereninsuffizierang verantwortlich; für diese sprachen exzessive 
Gefrlerpanktserniedrigung and die hohen Werte des Betentionsstickstoff. 

_ Bpd. Jan. 


Ueber den diagnostischen Wert der Blatnntersaehnng bei Bleiver¬ 
giftung. Von Priv.-Doz. Dr. P. Schmidt in Leipzig. Deutsche med. Wochen¬ 
schrift; 1909, Nr. 46. 

Ein sehr wertvolles diagnostisches Merkmal der Bleivergiftung ist 
basophile Körnelang von roten Blutkörperchen, die einfach in alkoholgehärteten 
Aasstrichpräparaten bei karzer Färbung mit verdünnter Methylenblau- oder 
Axor-LOsong nachzuweisen ist Da sie unter Umständen bei Anaemie oder 
auch bei Gesunden in geringem Umfang aoftritt, maß eine Grenzzahl ange¬ 
nommen werden, die praktisch aaf 100 gekörnelte pro 1 Million Erythrozyten 
festgestellt warde. Diese Zahl wird schon in Frühstadien der Krankheit ge- 
fanc len, wenn keinerlei Zeichen vorhanden sind; bei schweren Erkrankungen, 
aber aach bei solchen, die noch völlig latent sind, werden hohe Zahlen 
konstatiert. Schmidt legt gerade besonderen Wert aaf die Feststellung 
„gesunder Bleiträger*, d. h. solcher Personen, die chemisch vergiftet sind, 
aber noch keine Symptome zeigen, am sie unter ständiger Kontrolle za halten 
and dem Ausbruch der Krankheit vorzubeagen. Ferner ist das Diagnosticam 
besonders wichtig, am die *Bleihysterischen*, d. h. diejenigen, die sich ein¬ 
bilden, krank za sein, von den wirklich kranken aaszascheiden and annötige 
Aufwendung an Kosten za vermeiden, ln zweifelhaften Fällen maß eine 
chemische Untersuchung des Blates (300 ccm) vorgenommen werden. 

Dr. Liebetraa-Hagen i. W. 


Einfluss der Flalnfs aaf die Zerstörung des Zyankollams. Von 
Gebhard Horn. Inaagoral-Dissertation; Gießen 1909. 

Während man aas frischen Organen beinahe alles zagesetzte Zyankalium 
wieder erhält, treten bei längerem Liegen der Organe Verloste aaf. Diese 
Differenz beträgt bei Verwendung von Leber nach 24 Standen bereits 42°/o, 
am in acht Tagen die Höhe von 68 °/o zu erreichen. Einen geringeren Verlast 
zeigen Maskalatar, Gehirn, Niere and Blat. Die größte Umsetzung von 
Zyankaliam findet in den ersten 24 Standen statt. 

Es ergab sich, daß einerseits das Organgewebe selbst die Fähigkeit 
besitzt, Zyankaliam, za zerstören, und daß anderseits infolge der Fäalniswirkong 
eine Verminderung der Giftmenge eintritt. Die Zerstörung darch das Organ¬ 
gewebe beträgt etwa ein Fünftel des Zyankaliams. Bei Verwendung frischer 
Leber warde allerdings auch ein beträchtlicher Verlast bis 50°/o erhalten. 
Bei Ausschluß der Fäulnis durch Thymolzusatz steigt die Zyankaliumzerstörung 
in den nächsten sieben Tagen nicht weiter an. Darch die Fäulnis werden 
55*/« bis 61 °/° dos Giftes in einer Woche zerstört. 

_ Dr. Bevenstorf-Breslaa. 

Entstehen ln Arsenleiehen darch die Fäulnis gasförmige Arsenver- 
bin dangen! Von J. Marshai, Professor der Chemie and Toxikologie and 
L. A. Byan, Demonstrator. Medical Balletin of the University of Pennsyl¬ 
vania; 1909 Joli. 

Die Verfasser antersachten Gewebsstttcke von Menschen'and Tieren, 
die an Arsenvergiftang gestorben waren. Es ergab sich, daß darch den 
Fäalnlsprozeß weder Arsenwasserstoff, noch auch gasförmige organische Arsen¬ 
verbindungen gebildet worden. Man darf daraas schließen, daß iArsenleichen 
aaf dem Wege der Verflüchtigung einen Verlast ihres Giftgehalts nicht er¬ 
leiden. Dr. Bevenstorf-Breslaa. 


Arsenvergiftang darch arsenhaltiges Konfekt. Von J. B. Hutchinson, 
Assistant Medical olficer of health, Manchester. Public health; Januar 1910, 
XXm, Nr. 4. 

Die Schilderung [ist bemerkenswert schon aas dem Grande, weil die 
chemischen Untersuchungen von Prof. Döl6pine in sehr ingeniöser Weise 



280 


Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


durchgeftthrt worden, demselben Chemiker, der bei der berühmten Bioryer- 
giftongsepidemie yon 1900 in Manchester in erster Linie tätig war. 

Zar Kenntnis des Medizinalbeamten kamen 62 Fälle von Vergiftung 
nach dem Genuß yon Zuckerzeug; 56 waren schalpflichtige Kinder, 5 waren 
jünger, 1 Fall betraf die Matter eines der Kinder. Gewöhnlich waren nor 
1—4 Zackerplätzchen gegessen worden; nach etwa 1 Stande traten Erbrechen, 
Bauchschmerz, Durchfall, allgemeines Krankheitsgefühl ein; 
indessen erholten sich die Kinder alle noch am selben Tage oder am nächsten 
Tage wieder yollständig. 

Das von P/of. D616pine nachgewiesene Arsen fand sich gleichmäßig 
— sowohl in dem harten Kern als der weicheren Oberfläche solcher Bonbons 
aus einer bestimmten Fabrik, die feacht and klebrig waren — verteilt und 
zwar in einer Menge von 13 Teilen auf 10000. Einige der größeren Bonbons, 
die etwa 3 g <*/*• Unze) wogen, dürften wahrscheinlich bis 3 mg (*/*<> gran) 
Arsenik enthalten haben. 

Woher das Arsen stammte, ließ sich nicht eruieren. Dölöpine hielt 
es für möglich, daß eine arsenhaltige Traubenzackerlösnng zur Fabrikation 
benutzt worden sei. Für die Vergiftongserscheinongen durch arsenhaltiges 
Bier im Jahre 1900 mußte ebenfalls Glykose verantwortlich gemacht werden. 
Die größte damals von ihm gefundene Arsenmenge war 6*/» gran auf das 
Pfund, während Prof. Campbell Brown 9 gran pro Pfund nachweisen konnte. 

_ Dr. Mayer- Simmern. 


Beitrag zur Kenntnis der chronischen Arsenvergiftung durch Tapeten 
und Möbel. Von E. A. Zegers-Verhoeven. Dissertation. Amsterdam 1909. 

Tapeten und Möbel sind häufig die Ursachen chronischer Arsenvergif¬ 
tungen geworden, ohne daß bislang die Frage völlig geklärt ist, ob die gas¬ 
förmigen oder die staubförmigen Arsenverbindungen hierfür verantwortlich zu 
machen sind. 

Verfasser experimentierte mit Mäusen, die in arsenhaltiger Atmosphäre 
über einer mit Liq. Fowleri benetzten Kartoffelkultur von Peani cfllium 
brevicaule wochenlang gelebt hatten. Jede Woohe wurde, außer einer Kon- 
trollmaus, ein Versuchstier getötet. Die Mäuse wurden auf ihren Gehalt an 
Arsen untersucht und zwar Haut, Haare und Pfoten gesondert von dem übrigen 
Körper. Die überlebenden Tiere waren nach 28 Tagen ebenso munter wie die 
Kontrollmäuse. 

Der Gehalt der Kontrollmäuse betrug durchschnittlich pro Gramm 
2,821 mg As* 0*, im Vergleich zu 1,741 mg As* 0* der As-Mäuse. Aus Haut, 
Haaren und Pfoten der As-Mäuse konnte trotz des erheblich geringeren Ge¬ 
wichts dieses Anteils beträchtlich mehr Arsen gewonnen werden, als aus dem 
übrigen Körper. 

Im Einklang mit den negativen Tierversuchen steht das Ergebnis der 
Ermittlung der Menge As* 0*, welche Pennieillium brevicaule in einer gege¬ 
benen Zelt verflochtet. In der ersten Woche wurden 0,06 mg, in der zweiten 
Woche 0,03 mg, in der dritten Woche 0,01 mg As* 0* verflochtet, in 21 Tagen 
also insgesamt 0 ; 1 mg As* 0*. 

In Uebcreinstimmung mit Abel und Buttenberg fand Verfasser als 
kleinste Menge Arsen, aus welcher durch Pennieillium brevicaule noch ein 
wahrnehmbarer Knoblauchgeruch entwickelt wurde, 0,001 mg. 

Die Untersuchungen führten Verfasser zu der Schlußfolgerung, daß 
chronische Arsenvergiftungen durch Tapeten und Möbel nicht auf gasförmige 
Arsenverbindungen zurückzufOhren sind, sondern auf As-haltigen Staub. 

Dr. Revenstorf-Breslau. 


Chronisehe Pilokarpintntoxlkatlon. Von Prof. Dr. Eischnig-Prag. 
Medizinische Klinik; 1909, Nr. 51. 

In einer größeren Anzahl von Fällen, bei wolchen wegen Glaukom lange 
Zeit Pilokarpin verabreicht worden war, wurde zunehmende Nervosität, Reiz¬ 
barkeit, Blutwallungen nach dem Kopfe, Erbrechen, unruhiger Schlaf u. s. w. 
beobachtet. Aussetzen des Mittels brachte die Erscheinungen prompt zum 
Verschwinden. Bei längerem Gebrauch scheint Ueberempflndlichkeit gegen das 



Kleinere Mitteilungen and Referate aus Zeitschriften. 


281 


Mittel einzutreten; nach dürfte eine gewisse Prädisposition existieren. Die 
Intoxikation entsteht daroh Aufnahme des Pilokarpins in das Blat oder durch 
Aufsaugung im Magen. _ Bpd. jun. 


Masseavergtftung der franxttsisehen Besatsung von Sanol durch 
Datura. Von Boy6. Ann. d’hyg. et de m6d. colon.; Januar 1910. 

Am 28. Januar 1908 wurde fast die gesamte europäische Besatsung von 
Hanoi das Opfer einer Verschwörung, welche den Zweck hatte, die Soldaten 
zunächst kampfunfähig zu machen und dann alle Franzosen zu töten. Jedoch 
gelangte nur der erste Teil des Komplotts zur Ausführung, da die Komman¬ 
danten auf ihrer Hut waren. 

Die Verschwörer bedienten sich der in Tonking sehr verbreiteten Datura 
da88iflorum. Es wurde eine Abkochung der Droge gewählt, deren Stärke 
auareichte, Delirien zu erzeugen, ohne den Speisen einen unangenehmen 
Geschmack zu verleihen. Eine halbe Stunde nach Beendigung der Abend* 
mahlzeit traten die ersten Krankheitserscheinungen auf: Gesichtsröte, Redelust, 
Papillenerweiterung, Delirien, Halluzinationen. Der eine sah sein Bett mit 
Ameisen bedeckt, der andere flüchtete auf einen Baum vor einem imaginären 
Tiger, ein anderer legte sein Gewehr an auf eingebildete Fliegen, ein anderer 
stieg wiederholt vom Zweirad, weil er den Eindruck hatte, daß es sich nicht 
vom Fleck bewege. Die meisten machten den Eindruck von Betrunkenen, die 
von einem reichlichen Mahle kamen. Viele Soldaten kehrten erst am nächsten 
Tage wieder aur Kaserne zurück. Der Exzitation folgte am anderen Morgen 
eine allgemeine Erschöpfung. Todesfälle kamen nicht vor. 

_ Dr. Revenstorf-Breslau. 

B. Gerlohtllohe Psyohiatrie. 

Zur Tuberkulinbehandlung der Paralytiker. Von Prof. Dr. Pilcz- 
Wien. Psychiatrisch - neurologische Wochenschrift; Bd. 11, Nr. 49. 

Die Idee v. Wagners*Wien, durch künstliche Fiebersteigerungen 
mittels Tuberkulininjektionen einen heilenden Einfluß auf den Verauf der 
progressiven Paralyse auszuüben, hat Pilcz durch eine ausgedehnte Reihe 
von Versuchen erprobt. Er injizierte Anstaltspatienten dauernd Tuberkulin 
in Gaben bis zu 0,3 g; daneben beobachtete er eine gleiche Reihe von Para* 
lysen, die ohne Tuberkulininjektionen verliefen. Schon bei dem Anstalts* 
materiale, das doch vorwiegend aus weit fortgeschrittenen Fällen besteht, 
lehrte die Statistik einen erheblichen Vorteil der Tuberkulininjektionen. Bei 
frischen Fällen, die in die ambulatorische Behandlung von Nervenärzten 
kommen, sollen die Erfolge noch erheblich glänzender sein. Pilcz teilt auch 
den merkwürdigen Fall einer völligen Heilung von Irischer Dementia praecox Im 
unmittelbaren Anschluß an eine Tuberkulinkur mit. Die Versuche von Pilcz 
ermutigen jedenfalls den praktischen Arzt, insbesondere den Nervenarzt, bei 
beginnenden Paralytikern, vielleicht auch bei anderen frischen Geisteskrank¬ 
heiten einen Versuch mit hohen Tuberkulininjektionen zu machen. Bei der 
therapeutischen Hilflosigkeit, mit der wir den prognostisch infausten Geistes¬ 
krankheiten gegenüberstehen, sind solche Versuche allen Aerzten dringend zu 
empfehlen. Und wäre es auch nur, um ein ausgedehntes statistisches Material 
zu sammelnJ Dr. Fritz Hoppe-Willenberg. 


Veber chronisch-manische Zustände. Von Dr. Paul Nitsche, Ober¬ 
arzt in Dresden. Allgemeine Zeitschrift für Psychiatrie; 67. Bd., H. 1. 

Eine einheitliche Schilderung des Symptomenbildes der chronischen 
Manie zu geben, ist nicht möglich. Es gibt verschiedene Typen chronisch- 
manischer Zustände, die sich aber im wesentlichen nur durch den Verlauf und 
den Grad der Störungen unterscheiden. Die zwischen ihnen bestehenden symp¬ 
tomatischen Unterschiede lassen sich zurückführen auf die Vielgestaltigkeit 
des manischen Symptomenkomplexes überhaupt. Es sind aber doch einige 
Merkmale festzustellen, die sich anscheinend häufiger bei chronisch verlaufenden 
als bei akuten Formen finden. Besonders ist hier das Zurücktreten der moto¬ 
rischen Erregung, das Ueberwiegen der räsonnierenden und querulierenden 
Stimmungsnüancen, sowie die Bedeutungslosigkeit etwaiger Verfolgungsideen 
gegenüber den Renommistereien und wirklichen Größenideen zu erwähnen. 



289 


Kleinere Mitteilongen nod Referate ans Zeitschriften. 


Häufig ist den Kranken ein querulatorischer Zog su eigen, wihrend eine 
markante Ideenflacht nur in den deutlichen psychotischen Zuständen Torkommt. 

Bei vielen Fällen spielen erbliche Belastung und sichUiche Schwankungen 
in der Intensität der manischen Symptome eine große Bolle, üeber die Häufig* 
keit und die Prognose Chronisch*manischer Zustände können bestimmte An* 
gaben nicht gemacht werden, weil solche Kranken, namentlich die leichten 
Fälle, verhältnismäßig selten in die Anstalten kommen. Gerade die leichten 
Formen, die Fälle von konstitutioneller Erregung, scheinen recht häufig zu sein. 
Zum Psychiater kommen sie wohl erst dann, wenn die Patienten in ernstere 
und dauernde Konflikte geraten. Die chronischen ausgesprochen psycho¬ 
tischen Formen dagegen sind offenbar ziemlich selten. 

Dr. T 9bben-Münster. 


Ueber periodische Indikanurie heim manisch-depressiven Irresein* 
Von Oberarzt Dr. Taubert*Lauenburg. Medizinische Klinik; 1910, Nr. 8, 
Die Untersuchungen des Verfassers erstrecken sich auf 4 Fälle zirku¬ 
lären Irreseins, die alle während der manischen Phase eine erhebliche und an¬ 
dauernde Vermehrung des Indoxyls im Harn auf wiesen, während sowohl die 
freien Intervalle, als auch die Depressionszustände frei von einer deutlichen 
Indoxylurie waren. In einem fünften Falle konnte bis jetzt nur eine lang- 
dauernde manische Erregung beobachtet werden; es ließen sich da niemals 
auch nur Spuren von Indoxyl nachweisen. Die Indikanausscheidung trat 
meistenteils gleichzeitig mit dem Einsetzen der manischen Erregung ein, einige 
Male 10—12 Stunden früher, so daß bei dem Kranken, der noch eine time 
Depression hatte, das manische Stadium vorausgesagt werden konnte, das dann 
auch richtig eintrat. Nach Ansicht des Verfassers besteht ein direkter Zu¬ 
sammenhang zwischen Stoffwechselanomalie und Zentralnervensystem. Und 
zwar sind wahrscheinlich Indikanurie und Psychose resp. Erregung zwei 
parallel verlaufende Erscheinungsreihen, die ihre gemeinsame Wurzel in der 
unbekannten Ursache des manisch-depressiven Irreseins haben. Daß die In¬ 
dikanurie nicht durch eine durch Bakterientätigkeit und Eiweißfäulnis im 
Darmkanal bedingte Stoffwechselstörung hervorgerufen wurde, ließ sich in 
allen Fällen einwandfrei nachweisen. Bpd. jun. 


Zur Frage der Entartung und des Eatartungslrreselns. Von Privat- 
dozent Dr. G. Voß in Greifswald. Deutsche med. Wochenschrift; 1910, Nr. 1. 

V o ß betont mit Becht, daß unsere Kenntnisse von Entartung und Ver¬ 
erbung noch nicht so sicher sind, daß bestimmte Gesetze sich formulieren 
lassen. Man muß im Einselfall mit der Annahme einer erblichen Belastung 
und Degeneration sehr vorsichtig sein. Bei den auf dem Boden erblicher 
Disposition entstehenden Psychosen darf die Bedeutung exogener Ursachen 
nicht übersehen werden, auch im Interesse einer wirksamen Prophylaxe. 

Dr. Liebetrau-Hagen L W. 


Ueber Dementia praecox auf dem Beden der Imbeiillitit. Von 
Dr. W. Plaskud a, Arzt an der Brandenburgischen Idiotenaastalt Lübben N. L. 
Allgemeine Zeitschrift für Psychiatrie; 67. Bd., 1. H. 

1. Die Dementia praecox, wenn sie sich auf dem Boden eines angeborenen 
leichten Schwachsinns entwickelt, zeigt keine besonderen klinischen Eigen¬ 
tümlichkeiten im Verlauf und Ausgang. 

2. Vorwiegend sind hebephrenlsche und katatonische Formen. 

8. Der Verlauf ist ausnahmslos ein sehr schwerer. 

4. Diese Fälle stellen eine Sondergruppe dar, die mit den Frühformen 
des Jugendirreseins nichts zu tun hat Dr. Többen-Münster. 


Die vorbereitenden Ermittelungen beim Jugendgerichts- und 'Für¬ 
sergeverfahren. VonDr. Cimbal -Altona. Zentralblatt für Vormundschafts- 
wesen, Jugendgerichte und Fürsorgeerziehung; 1910. 

Wie die allgemeine Erfahrung die Notwendigkeit gezeigt hat Ass Straf¬ 
verfahren gegen Jugendliche von dem gegen Erwachsene abzusondern, so muß 
auch das Ermittelungsverfahren ein ganz anderes und viel sorgfältigeres sein. 
Die Voruntersuchung ist im Verfahren gegen Jugendliche das Wichtigste; sie 



Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


283 


maß alles Tatsächliche zutage fördern, so daß auf Ihrem Grand schon die 
sicher nicht straffähigen Elemente vor der Verhandlung aasgeschieden werden 
kOnnen. Eine solche Vorantersachaog soll nach Ansicht des Verfassers ge¬ 
meinsam mit der Staatsanwaltschaft von Waisenämtern, privaten Verbänden, 
Psychiatern and Pädagogen betrieben werden, die für ihre Aufgaben besonders 
geschalt sein müssen, and deren Ermittelungen nach einheitlichen Gesichts¬ 
punkten zu geschehen haben. Dieses ist eine äußerst wichtige Forderung, 
denn gerade eine derartige Voruntersuchung erfordert unendlich viel Takt und 
Sachkenntnis, wenn man gute and glaubwürdige Resultate erzielen will. Ver¬ 
fasser gibt dann einen kurzen Ueberblick über die Ursachen and Motive jugend¬ 
licher Verbrecher and weist auf die Notwendigkeit hin, daß im Falle der Für¬ 
sorgeerziehung die Verteilung der verschiedenen Verbrechergruppen nach 
psychologischen Gesichtspunkten geschehen muß, damit sie Bich nicht gegen¬ 
seitig schlecht beeinflussen. Besonders warnt er mit vollem Recht vor der 
gemeinsamen Unterbringung verbrecherischer und psychopathischer Charaktere. 
Nach seinen Erfahrungen können die leicht Schwachsinnigen in Pflege ihrer 
eigenen Familie bleiben; sie müssen nur der Hilfsschule resp. geeigneten Lehr¬ 
meistern zugeführt werden. Die Schwachsinnigen schwereren Grades gehören 
in Erziehungsanstalten, die Geisteskranken in geeignete Heilanstalten. Für 
die Psychopathen hält er die Familienpflege im psychiatrischen Sinn für das 
Geeignetste, während die reinen Verbrechertypen der Anstaltserziehung über¬ 
wiesen werden sollen. Eine derartige Scheidung hat sicher viel für sich. Alz 
Anhang bringt Verfasser noch einen Fragebogen für das Ermittelungsverfahren 
und ein 8chema für die Stufen der geistigen und körperlichen Entwicklung. 

Rpi. jun. 


O. Bakteriologie, Infektionskrankheiten and öffentllohes 

Sanlt&tsweseu, 

1. Bek&mpfang der Infektionskrankheiten, 
a. Typhus und Paratyphus. 

Eine neue einfache Methode zur Typhusd iagnose. Aus der I. mediz. 
Klinik der Universität München von M. Mandelbaam. Münchener medlzin. 
Wochenschrift; 1910, Nr. 4. 

Verfasser schildert eine Methode zur Typhosdiagnose, welche nicht auf 
der Entdeckung neuer Antikörper oder einer noch nicht erkannten Reaktion 
beruht, sondern wohlbekannte Erscheinungen im biologischen Verhalten von 
Mikroorganismen bei ihrem Wachstum in spezifischen Seren bilden die Grund¬ 
lage hierfür. 

Die Methode ist nach Verfasser denkbar einfach und absolut sicher —, 
soweit bis jetzt erprobt. 

Immun-, Mit- und Normalagglutinine sind nach dieser Methode unter¬ 
sucht, nicht gleichwertig, selbst wenn nach der Gr über sehen Agglutination 
ihr Endtitre derselbe ist. 

Am hochwertigsten ist das Immunagglutinin während bestehender Er¬ 
krankung. 

Die Methode ermöglicht es, auch dann noch die Diagnose .Typhus“ zu 
stellen, wenn dies mit Hilfe der Agglutination wegen zu geringer Agglutinations¬ 
kraft des Serums (1:25 bis 1: 80) nicht mit Sicherheit möglich ist; sie erweitert 
also die Grenzen der Diagnosenstellung nach unten zu. 

Wegen Einzelheiten muß auf das Original verwiesen werden, in welchem 
das Verfahren genau geschildert ist Dr. Waibel-Kempten. 


Die Züchtung von Typhusbasillen aus dem Blutkuehen nach Ver¬ 
dauung desselben ln trypslahaltlger Rindergalle. Von Dr. FritzKirstein, 
Kreisarzt in Stettin. Deutsche med. Wochenschrift; 1909, Nr. 51. 

Kirstein hat die bisherigen Methoden der Anreicherung von Typhus¬ 
bazillen aus dem Blute mittelst Rindergalle wesentlich ergänzt. Er verdaut 
die Blutkuehen, welche sich aus den zur Wi dal sehen Reaktion eingesandten 
Blutproben absetsen, in 5 ccm Rindergalle unter Zusatz von 0,1—0,3 konzen¬ 
trierter Trypsin-Glyzerin-Lösung bei 15—24ständigem Verweilen im Brut¬ 
schrank. Dadurch werden die im Gerinnsel eingescblossenen Typhusbazillea 



284 


Kleinere Mitteilungen nnd Referate ans Zeitschriften. 


befreit und erfahren eine solche Anreicherung, daß die Kultur auf Drigalski- 
Conradi- oder Endo-Platten leicht gelingt. 

Dr. Liebetraa-Eagen i.W* 


Ueber Nachuntersuchungen bei Personen, die vor Jahren Typhus 
durchgemaeht haben* Von Dr. Brttckner. Arbeiten atu dem Kaiserl. 
Gesundheitsamte; 1910, 33. Bd., 2. H., S. 435. 

Da nach einer von Kays er abgehaltenen Spätkontrolle bei 101 abge- 
laofenen Typhen noch nach Jahr and Tag 3 Bazillenträger festgestellt werden 
konnten, die bei den früheren Rekonvaleszenten-Untersuchungen der 
bakteriologischen Kontrolle entgangen waren, sah sich Verfasser seinerseits 
veranlaßt, solche Spätkontrollen in größerem Umfang durchzoführen. Seine 
Nachuntersuchungen erstreckten sich auf 16 Gemeinden. Insgesamt kamen 
566 Personen in Betracht, die früher Typhus durchgemaeht hauen. Nur von 
351 Personen konnte, da die anderen teils inzwischen verstorben, teils verzogen 
waren, Stuhl und Urin eingefordert werden. Von diesen gaben nur 816 Material, 
während 35 = 9,9®/* die Abgabe verweigerten. Unter diesen 816 Personen 
fanden sich 12 = 3,8 °/o Bazillenträger und zwar 9 mal Typhusausscheider, 
und 3 mal Paratyphus-B-Ausscheider. Da unter den Untersuchten 104 Kuder 
unter 15 Jahren waren, die fast nie Bazillenträger werden, so kommen auf 
212 untersuchte Erwachsene 11 positive Befunde = 5,2 °/o. Unter den 

J ositiven Befunden kommen 6 auf Männer, einer auf ein Kind und nur 5 auf 
'rauen, während doch sonst die Frauen als Bazillenträgerinnen bei weitem 
überwiegen. 

Die von Richter geäußerte Ansicht, daß eine Ansteckungsgefahr durch 
die Bazillenträger nicht zu befürchten sei, kann Verlasser an zahlreichen 
Beispielen widerlegen. Er hält es für dringend geboten, durch Spätkontrollen 
früherer Typhen Bazillenträger noch nachträglich festzustellen, und beson¬ 
ders solche Personen, die in ihrer Rekonvaleszenz auffallend lange Bazillen 
ausschieden, etwa 1 Jahr nicht aus der bakteriologischen Kontrolle zu ent¬ 
lassen; einmal festgestellte Bazillenträger sind aber nach Jahr und Tag stets 
wieder zu untersuchen. 

Der Nutzen dieser Maßnahme ist ein doppelter: 

1. Die Aufdeckung manches (hinsichtlich der Ansteckungsquelle) bisher 
dunklen Typhusfalles. 

2. Die Möglichkeit des Schutzes anderer Personen. 

Dr. Zimmermann-Posen. 


Zur Bekämpfung und Prophylaxe des endemischen Typhus besonders 
In Internaten. Von Dr. Eccard, k. Direktor der Kreiskranken- und Pflege¬ 
anstalt der Pfalz in Frankenthal. Münchener med. Wochenschrift; 1910, Nr. 8. 

Wie in so vielen Irrenanstalten war auch in der oben bezeichneten An¬ 
stalt, die aus einer Abteilung von ca. 650 Geisteskranken und ca. 250 körper¬ 
lich Kranken besteht, der endemische Typhus schon seit langem mehr oder 
weniger herrschend und betraf fast nur Frauen. 

Der Herd der Krankheit befand sich im sog. hinteren weiblichen Irren¬ 
hof, einem düsteren, den hygienischen Anforderungen wenig entsprechenden, 
mit ca. 110 zum Teil unreinen, vielfach verblödeten und unruhigen Patienten 
überfüllten Trakte. 

Auf lange Zeit lassen sich alle Typhuserkrankungen, abgesehen von 
außen eingeschleppten Fällen, auch die auf den anderen Abteilungen — psychia¬ 
trischen und somatischen — auf diese Abteilung zurückftthren, sei es, daß 
Patienten von dort verlegt hinterher auf einer anderen Abteilung an Typhus 
erkrankten, sei es, daß Erkrankte mit Insassen dieser Abteilung sonst in nähere 
Berührung gekommen sind. 

Verfasser bespricht nun in interessanten und instruktiven Ausführungen 
die Maßregeln, mit denen er in systematischem Vorgehen den endemischen 
Typhus bekämpfte und die Erfahrungen, die er hierbei machte. Als zweck¬ 
dienlichste Maßregel erwies sich die wiederholte Untersuchung und Auffindung 
von Bazillenträgerinnen, mit deren Unschädlichmachung die Endemie seit 
3 Jahren erloschen zu sein scheint. 



Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 


285 


Verfasser erklärt es auf Grund seiner Erfahrungen für möglich bei 
genügender Ausdauer und den nötigen Hilfsmitteln, den endemischen Typhus 
in jedem größeren Internat su bekämpfen und zum Verschwinden zu bringen: 

1. Durch strenge Isolierung der Erkrankten, die erst nach genügend 
lange dauernder Bazillenfreiheit (4 mal Untersuchung in 4 Wochen) aufgehoben 
werden sollte, und durch Verhinderung der Autoröinfektion Bazillen - Aus¬ 
scheidender, zugleich der beste Schutz für die Umgebung. 

2. Durch periodische, fortgesetzte Durchforschungen des gesamten Inter* 
uates resp. der verseuchten Abtreibungen, solange unaufgeklärte Typhusfälle 
auftreten. 

8. Durch Verhinderung der Einschleppung von außen durch prophylak¬ 
tische Untersuchungen aller Eintretenden und regelmäßig Ein- und Ausgehender. 

4. Durch Beobachtung aller sonstigen hygienischen und sanitären Er¬ 
fordernisse bezüglich allgemeiner Lebenshaltung, Nahrung, Kleidung, Be? 
schlftigung und Krankenpflege. _ Dr. Wai bei-Kempten. 

Ueber das Verhalten verschiedener Stimme des Baeillus paratyphus B 
nnd des Bacillus enteritidls Gärtner in Arablnose- nnd Xyloselakmus- 
benillon. Von Dr. K. Schern. Arbeiten aus dem Kaiserl. Gesundheitsamt; 
Bd. 88, S. 387. 

Verfasser gelang es vermittelst der Arablnose- und Xyloselakmusbouillon, 
die von von ihm untersuchten Paratyphus B-Bazillen und die Stämme 
des Bacillus enteritidls Gärtner in Gruppen einzuteilen. Er konnte 
die untersuchten, vom Menschen stammenden Paratyphus B-Stämme in 5 Gruppen 
einteilen, die untersuchten Stämme des Bacillus enteritidis Gärtner, eben¬ 
falls menschlichen Ursprungs, in 8 Gruppen. Während einzelne Stämme des 
Bacillus Paratyphus B und Bacillus enteritidis Gärtner tierischer Herkunft 
mit den von Menschen herrührenden Stämmen übereinstimmten, zeigten eine 
Beihe dieser Bazillen in der Arabinose- und Xyloselakmusbouillon ein anderes 
Verhalten und ließen sich nicht in die Gruppen einreihen. Deshalb boII man 
nach Verfassers Ansicht zukünftig bei Befunden von Paratyphus B- und 
Gärtner-Bazillen sie auch in Arabinose- und Xyloselakmusbouillon 
züchten und sie in die vorhandenen Gruppen einreihen oder neue Gruppen 
entstellen. Dr. Zimmermann-Posen. 

Paratyphusbazillen und Fleischvergiftung. Von Stabsarzt Dr. E. 
Hübe ne r in Berlin. Deutsche med. Wochenschrift; 1910, Nr. 2. 

In Polemik gegen K ö n i g (Leipzig) verteidigt H. seine in einem früheren 
Artikel (D. m. W., 1908, Nr. 24, referiert in dieser Zeitschrift, 1909, Nr. 7) aus¬ 
gesprochenen Ansichten über die Nicht-Spezifizität des Bacillus suipestifer als 
Erreger der Schweinepest, über die weite Verbreitung von Paratyphusbazillen 
in der Außenwelt, im Darm gesunder Tiere und auf Fleischwaren ohne nach¬ 
weisliche Veränderung. In sanitätspolizeilicher Hinsicht hält H. eine Beob¬ 
achtung und Behandlung von zufällig entdeckten Paratyphuserregern nicht 
für durchführbar. Zur Prophylaxe ist sauberste Behandlung des Fleisches 
und der Fleischwaren ebenso nötig wie völlige Ausscheidung kranker Tiere 
duroh streng durchgeführte Fleischbeschau. 

Dr. Liebetrau-Hagen i. W. 

Zur Frage der Fleischvergiftungen durch den Baeillus paratyphl B. 
(Aus dem hyg. Institut der Universität Leipzig (Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. 
Dr. H o f m a n n). Von Dr. H. K ö n i g, k. s. Oberarzt, kommandiert zum Institut. 
Zentralblatt für Bakteriologie; I. Abt., Orig.; Bd. 50, H. 2. 

König bespricht zunächst die wichtigsten Arbeiten über das Vorkommen 
von Bac. paratyphl B bei gesunden Menschen und Tieren, sowie in Nahrungs¬ 
mitteln. Er warnt eindringlich davor, die Befunde von Uhlenhuth und 
Httbener nnd deren auf sie gegründete Ansicht, daß ein Befund von Bacillus 
paratyphl B noch durchaus nicht für einen ätiologischen Zusammenhang einer 
etwa Bestehenden Magen • Darmerkrankung mit den gefundenen Krankheits¬ 
erregern zu verwerten sei, zu verallgemeinern, wie dies bereits von einigen 
Autoren geschehen ist. Er beschreibt sodann eine von ihm mitbeobachtete 
Fleischvergiftungsepidemie, bei welcher 24 Personen nach dem Genuß von 



Kleinere Mitteilungen nnd Referate au Zeitschriften. 


Schinken unter schweren enteritischen Erscheinungen erkrankten. Das Blnt- 
serom eines in das Diakonissenhans in Leipzig tiberführten Kranken agglatinierte 
den Bac. paratjphi B am 6. Krankheitstage bis 1:100 (eine Stuhlprobe konnte 
KOnig leider nicht erhalten) und aas dem verdichtigen Schinken konnten 
einwandsfreie Paratyphasb&zillen gezüchtet werden. 

In einem anderen Falle, in welchem ein janger Mann nach dem Genoß 
▼on rohem Hackfleisch unter schweren enteritischen Erscheinungen erkrankte, 
konnte König aus dem Stuhl des Erkrankten Paratyphus B-Basülen isolieren; 
auch hier agglatinierte das Serum des Kranken Paratyphus B-Bazillen 
bis 1:100. 

KOnig präzisiert seinen Standpunkt bezüglich des Vorkommens ?on 
Paratyphas B-Bazillen ln Nahrungsmitteln dahin, a dafl es bislang noch 
durohaus nicht erwiesen ist, dafi etwa der Paratyphus 
B-Bazillus in größerer Verbreitung als aichtpathogeaer 
Keim in der Außenwelt Torkommt, daß aber anderseits sehr 
wohl seine oft sehr große Pathogenität als erwiesen gelten 
muß.“ Und weiter: .Nahrungsmittel, auf denen Paratyphus- 
B-Bazillen nachgewiesea wurden, sind unbedingt Tom Genuß 
nuszuschließen.* Prof. Dr. Lents-Berlia. 


Ratinbaelllus und Bacillus enterlttdls Gärtner. (Aus der hygienischen 
Untersuchungs-Anstalt der Stadt Dansig.) Von Kreisasslstensarzt Dr. Fritz 
Lebram. Zentralblatt für Bakteriologie; L Abt, Orig., Bd. 50, H. 3. 

Bei vergleichenden Untersuchungen des Ratinbacillus mit dem Bac. 
enteritidis Gärtner konnte Lebram kulturell nur ganz unwesentliche 
Unterschiede feststellen (wie sie bei der Untersuchung einer grOßoren Anzahl 
von Enteritis-Stämmen stets zu finden sind. Bef.). Durch die Agglutination 
mittelst spezifischer Sera konnten sie nicht differenziert werden, da sie in 
gleicher weise gut agglutiniert wurden. Lebram faßt daher sein Urteil 
dahin zusammen, daß beide Bakterienarten .zum mindesten sehr nahe ver¬ 
wandt sind, sodaß mit Rücksicht auf die hohe Toxizität des Gärtner sehen 
Bazillus bei der Verwendung des Ratin II gewisse Vorsicht wohl geboten 
seheint.* Prof. Dr. Lentz-Berlin. 


b. Epidemische Genickstarre. 

Ein Beitrag zur Behandlung der Xenlngokokkentriger. Von 
Dr. Bethgo, Kreisassistenzarzt in Gelsenkirchen. Deutsche med. Wochen¬ 
schrift; 1910, Nr. 2. 

B. hatte Gelegenheit, eine größere Zahl Kokkenträger im Anschluß an 
eine Genickstarre-Epidemie in einem Waisenhause systematisch mit ver¬ 
schiedenen Mitteln (Pyozyanase, Perhydrol, Serum, Protargol, einfache Spülungen 
mit 1 proz. Kochsalzlösung) zu behandeln. Die besten Resultate lieferte zwei¬ 
malige 8pülung pro Tag mit 3 proz. PerhydrollOsung, mittelst Nasenkänncheas 
in ein Nasenloch eingebracht und aus dem anderen ablaufend, nach vorheriger 
reichlicher Ausspülung mit Kochsalzlösung. Der letzteren Maßnahme mißt 
B. die größte Bedeutung bei, da sie einmal die Kokken mechanisch entfernt, 
dann aber auch aus ihren Schleimhüllen befreit und der Wirkung der Des- 
infisientien zugänglich macht. Bis zur Kokkenfreiheit bedurfte es im Durch¬ 
schnitt einer 8,6 tägigen Behandlung. B. redet dem aktiven Vorgehen gegen 
Kokkenträger das Wort. Dr. Liebetrau-Hagen L W. 


c. Spinale Kinderlähmung (Poliomyelitis acuta). 

Die Epidemie der Heine - Medinsehen Krankheit (Poliomyelitis) 
von 1908 ln Wien und NlederSsterreleh. Von Privatdozent Dr. Julius 
Zappert Referat in der Versammlung Deutscher Nervenärzte im 8eptember 
1909 in Wien. Wiener med. Wochenschrift; 1909, Nr. 46. 

Von 266 tabellarisch zusammengestellten Fällen stammten 137 aus der 
niederOsterreichischen Provinz, 129 aus Wien. Die Epidemie begann im Juli 
1908, erreichte ihren Höhepunkt im September — Oktober, blieb im November 
bis Dezember 1908 auf ziemlicher Hohe und sank rasch im Januar—Februar 1909. 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


287 


Die Erkrankung befiel mehr Knaben als Mädchen; das Maximum der 
Krankheitsfälle neigte das 1. bis 2., bezw. 2. bis 8. Lebensjahr. Es wurde 
auch eine recht große Zahl älterer Kinder, dagegen auffallend wenige Er* 
wachsene Ton der Krankheit betroffen. Armut und Dichtigkeit der Bevölke- 
rang spielten keine große Rolle bei der Ausbreitung der Krankheit 

241 Fälle neigten ausgesprochen spinale Symptome, überwiegend Läh¬ 
mungen der Beine und der Stammmuskulatur (Rücken-, Nacken-, Atem-, Bauch- 
muskulatur). 

In 14 Fällen wurde das Bild der auf- und absteigenden Poliomyelitis 
mit letalem Ergriffenwerden des Atemzentrums (Landrysche Paralyse) be¬ 
obachtet 

Augenmuskellähmungen, Faciaüsparesen, Schluckbeschwerden, die für 
positive und bulbäre Erkrankungen sprachen, waren teils isoliert, teils mit 
der spinalen Form kombiniert, in 26 Fällen nachweisbar. 

Viel seltener beobachtete man die enzephalitische Form, die ihren Sitz 
in den Großhirnhemisphären hat und zu spastischer Halbseitenlähmung führt 

Abortive Formen, in Gestalt von meningitischen oder sonstigen fieber¬ 
haften Zuständen, sind mehrfach beobachtet worden. 

Todesfälle traten in 10,8 Proz. der Fälle, völlige Heilungen in 18,8 Proz. 
(bis zum Abschluß der Beobachtungen) ein. Die Zahl der Heilungen muß 
aber nach Ansicht des Verfassers viel höher eingeschätzt werden. 

In Wien wurden ein vorwiegend von der armen Bevölkerung bewohnter 
8tadtteil und ein dicht bevölkerter Stadtteil nur wenig von der Krankheit be¬ 
troffen. Manchmal zeigte sich eine Häufung der Krankheitsfälle in bestimmten 
Vierteln und Häusergruppen. In der Provinz zeigte sich auch eine ganz un¬ 
gleichmäßige Verteilung der Krankheit, mitunter aber auch ein herdweises 
Auftreten. 

8ichere Beweise für die Kontagiosität liegen nach Ansicht des Verfassers 
nicht vor, jedoch sprechen Geschwistererkrankungen (achtmal) und Erkrankungen 
der Nachbarn für eine Kontagiosität. In Wien erfolgte in den Spitälern keine 
Hausinfektion. 

Mitunter traten in Häusern, wo im Vorjahre Poliomyelitis geherrscht 
hatte, neue Erkrankungen im nächsten Jahre auf. 

Alle Erscheinungen sprechen dafür, daß man es mit einer endemisch 
vorkommenden Infektionskrankheit zu tun hat, die sich plötzlich zu einer 
stärkeren Epidemie ausbreitet. 

Interessant ist die Beobachtung, daß es Landsteiner gelungen ist, 
die Krankheit künstlich beim Affen zu erzeugen, obwohl der Erreger noch 
nicht gefunden ist Dr. Kurpjuweit-Swinemünde. 

Die spinale Kinderlähmung. Von Dr. F. Kr am er-Breslau. Medi¬ 
zinische Klinik; 1909, Nr. 62. 

Kurse Zusammenstellnng der modernen Anschauungen über die spinale 
Kinderlähmung; hauptsächlich auch mit Bezug auf die Beobachtungen von 
Wickmann und Medin. Aus der Klinik der Erkrankung erwähnt Verfasser 
die ohne Lähmungen, nur unter Allgemeinsymptomen verlaufenden Fälle, ferner 
die, welche daraufhin weisen, daß es sich nicht um eine isolierte, systematische 
Erkrankung der Vorderhörner des Rückenmarks handelt, Bondern um eine Er¬ 
krankung der Pyramidenbahnen und des Großhirns. Die neuen Beobachtungen 
haben gegen früher ergeben, daß sich die Prognose quoad vitam verschlechtert, 
quoad sanationem gebessert hat Die Therapie besteht im akuten Stadium 
in Ruhe und diaphoretischen Maßnahmen, bei der Nachbehandlung in Massage 
and elektrischen Prozeduren gegenüber den gelähmten Muskeln. Die Ein¬ 
gangspforte der Infektion dürfte der Verdauungstraktus sein. Rpd. jun. 

Ueber spinale Kinderlähmung. Von Privatdozent Dr. F.Eichelberg, 
Oberarzt der psychiatrischen Klinik in Göttingen. Deutsche med. Wochen¬ 
schrift ; 1910, Nr. 8. 

Bericht über 84 Fälle aus der Umgebung von Uslar und Münden: 
Häufigstes Alter das 2. Lebensjahr. Bestätigung der Wickmannschen Er¬ 
fahrungen. Meist intradurale Drucksteigerung; bakteriologische Untersuchung 
der 8pinalfiüssigkeit negativ, ebenso Intrakranielle Injektion an Kaninchen 



286 


Kleinere Mitteilungen bnd Referate ans Zeitschriften. 


wirkungslos. Epidemiologische Zusammenhänge nur selten nachweisbar. In¬ 
kubationsdauer vermutlich 10 bis 11 Tage. Eventuell Uebertiagung durch 
Erde (relativ häufig waren die Väter der befallenen Kinder Schuhmacher oder 
hatten Landwirtschaft!) E. wünscht für die nächsten Jahre gesetzliche Melde* 

{ flicht für Kinderlähmung (wie sie ja lür die Reg.* Bezirke Arnsberg und 
lüsseldorf festgesetzt ist. Ref.) und beim Auftreten der Krankheit möglichst 
viele bakteriologische Untersuchungsstellen. (Bei dem negativen Erfolg der 
bisherigen intensiven Forschungen verspricht sich Referent auf Grund seiner 
Beobachtungen in einem im Vorjahre verseuchten Gebiete von den Unter¬ 
suchungssteilen nicht allzuviel.) Dr. Liebetrau -Hagen L W. 


S. Hygiene der Nahrungs- und Genassmittel. 

Ueber bakterielle Nahrungsmittelvergiftungen. (Aus der bakterio¬ 
logischen Abteilung der hygienisch-chemischen Untersuchungs- Stelle beim 
San.-Amt, XIV. Armeekorps, Karlsruhe i. B.). Von Stabsarzt Dr. Jakobitz 
und Oberarzt Dr. Heinrich Kaiser. Zentralblatt für Bakteriologie; I. Abt., 
Orig., Bd. 58, H. 4. 

Jakobitz und Kaiser berichten über eine Reihe von ihnen beob¬ 
achteter Nahrungsmittelvergiftungen. 

Bei der ersten wurde die Vergiftung durch Fadennudeln herbeigeführt; 
es erkrankten 122 Mann. In ihren Fäces wie auch in den Fadennudeln fanden 
sich Bakterien vom Typus des Bact. paratyphi B, die sich von diesen nur 
durch eine verhältnismäßig geringe Agglutinierbarkeit, 1:500 bei einem 
Serumtiter 1:2000, unterschied. Auch das Krankenserum, das den Epidemie- 
Stamm bis 1:2000 agglutinierte, beeinflußte einen Paratyphus B-Stamm nur 
bis 1:200. Bemerkenswert war, daß die Leute, die eine schwerere Erkrankung 
durchgemacht hatten, sehr viel schneller frei von den Krankheitserregern 
waren als diejenigen, die nur eine leichte Attacke Überstanden hatten. 

Weiter wurde eine kleine Epidemie beobachtet, welche durch einen 
mit Bac. enteritidis Gärtner infizierten rohen Schinken hervor gerufen worden 
war. 28 Kadetten, die von dem Schinken gegessen hatten, erkrankten und 
in ihren Fäces und den Schinkenresten fand sich kulturell Bac. enteritidis 
Gärtner. Auch das Serum der Kranken agflutinierte diesen Typus noch 
bis zur Verdünnung 1:500. Nach 8 Monaten zeigten 2 der Erkranktgewesenen 
noch eine Reaktion von 1:50 +, 1:100 ±. Außer dem infizierten Schinken 
waren zu derselben Mahlzeit auch noch 2 andere Schinken gereicht worden; 
die Enteritisbazillen fanden sich nun in den Resten aller 3 Schinken, die 
zusammen aufbewahrt worden waren. Da aber Kadetten, die von den beiden 
anderen Schinken gegessen hatten, nicht erkrankt waren, so glaubte Jakobits, 
daß die Reste der ursprünglich nicht infizierten Schinken erst nachträglich 
während des Aufbewahrens durch den infisierten Schinkenrest infiziert worden 
seien. Um die Richtigkeit dieser Annahme zu erhärten, tauchte er ein Ende 
eines faustgroßen Stückes von einem einwandfreien Schinken in 1 ccm einer 
24stündigen Basillenkultur des Enteritis-Stäbchens, ließ es über Nacht bei 
Zimmertemperatur liegen und konnte dann an den verschiedensten Stellen der 
Außenfläche wie im Innern des Schinkens die Stäbchen nachweisen. 

Ferner beobachteten die Verfasser zwei kleinere Epidemien, die durch 
infizierten Kartoffelsalat hervorgerufen waren. In dem ersten Falle fand sich 
in dem Kartoffelsalat — die Kartoffeln waren bereits gekocht und hatten in 
Scheiben geschnitten über Nacht gestanden — Bact. coli, das von dem Serum 
der Kranken bis 1:200 agglutiniert wurde; in dem zweiten Falle konnte in 
dem 8alat typisches Bact. paratyphi B nach gewiesen werden. 

Endlich berichten die Verfasser in einem Nachtrag über eine erst jüngst 
beobachtete Massenerkrankung, bei welcher 145 Mann nach dem Genuß einer 
Mehlsuppe erkrankten. Aus Resten des zur Suppe verwandten Mehls, das 
deutlich muffig roch, wurde wiederum ein Bact. coli gezüchtet, das von dem 
Blutserum der Kranken bis zur Serumverdünnung 1:500 agglutiniert wurde. 

Die Verfasser deuten an, daß bei den durch Bact. cou hervorgerufenen 
Erkrankungen die Gifte, die das Bact. coli in den infisierten Nahrungsmitteln 
zu bilden Gelegenheit gehabt hatte, wahrscheinlich eine wesentliche Rolle 
gespielt haben. Prof. Dr. L e n t z - Berlin. 



Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 


289 


Zar Frage des Vorkommens von sogenannten Flelschvergiftungs- 
erregern In PSkelflelsehwaren. Von Zwick und Weichei. Arbeiten ans 
dom Kaiser!. Gesundheitsamt; 1910, Bd. 33, H. 2, 8. 250. 

Mit der vor kurzem erschienenen Arbeit von Mflhlens, Dahm und 
Fürst, in der diese Autoren publizierten, daß es ihnen durch Fütterungs- 
▼ersuche an weißen Mäusen gelungen sei, in gepökelten und geräucherten, 
meistens anscheinend einwandfreien Fleischwaren, verhältnismäßig häufig 
Bakterien der Enteritis-Gärtner und Enteritis - F1 tt g g e nachzuweisen, sind 
Zwick und Weichei nicht völlig einverstanden. Sie glauben speziell in 
zwei Punkten widersprechen zu müssen. Einmal halten sie es für unwahr¬ 
scheinlich, daß den bakteriologischen Erfahrungen entgegen in einer verhältnis¬ 
mäßig großen Zahl anscheinend einwandfreier käuflicher Fleiscbwaren sich die 
sogen. Fleischvergiftungsbakterien finden sollten; dann aber können sie die 
Auffassung, daß der Impfversuch ein zuverlässigeres Nachweishülfsmittel als 
der Kulturversuch sei, nicht ohne weiteres teilen, da doch das Wachstumver¬ 
mögen der Bakterien länger erhalten bleibt, als die Infektiosität. 

Um diese Punkte aufzuklären und auch festzustellen, ob die von jenen 
Autoren gewonnenen Untersuchungsergebnisse eine Bedeutung hinsichtlich der 
Zuverlässigkeit der Fleischbeschau haben, sahen sich Z. und W. zu Nach¬ 
prüfungen veranlaßt. 

Es wurden 70 Fleischproben kleineren Geschäften von Berlin N. und 0. 
und einigen Vororten entnommen und zwar solche, die nach den Angaben von 
Mflhlens, Dahm und Fürst besonders verdächtig seien, Enteritisbazillen 
in beherbergen, nämlich Gänsebrüste, roher Schinken, Schweinerippen usw. 

Die bakteriologische Untersuchung geschah jedesmal nach vorhergehender 
Anreicherung. Ein etwa Einmarkstück großes und ebenso dickes Stück der Fleisch¬ 
probe wurde in ein Bouillonröhrchen gebracht, und von dessen Inhalt wurden 
nach 24 Stunden Bebrüten mehrere Oesen aufDrigalski- und Malachitgrün- 
platten verstrichen. Alle aufgehenden Kolonien, die nur einigermaßen ver¬ 
dächtig waren, wurden weiter gezüchtet und untersucht. Außerdem wurden 
zu Verfütterungsversuchen weiße Mäuse benutzt, die 12 Tage vorher ge¬ 
hungert hatten. 

Die Versuche, Enteritis-Bazillen durch das Kultur verfahren in den 
Fieisebproben nachzuweisen, führten zu einem durchaus negativen Ergebnis. 

Das Resultat der zahlreichen, mit der größten Sorgfalt (sterile Mäuse* 
gläser) durchgeführten Tiersuche, Mäusekotuntersuchungen, Sektionen, Kulturen 
usw. ist folgendes: 

Das Vorkommen von Enteritis-Bazillen (Gärtner- und Flügge- 
Tjpus) in anscheinend normalen Fleischarten konnte nicht bestätigt werden. 

Zum Nachweis der, sog. Fleischvergiftungserreger ist der Mäusever- 
ffltterungsversuch ungeeignet, da er positive Ergebnisse Vortäuschen kann. 

Im Darm anscheinend gesunder Mäuse kommen öfter Enteritis-Bazillen 
vor, die unter dem Einfluß schädigender Momente, z. B. einseitiger Fleisch- 
fütterung, aus dem Darm in das Blut und hiermit in die Organe einwandern 
können. Dr. Zimmermann-Posen. 


Vorkommen nnd Bedeutung der Streptokokken ln der Mileb. Von 
Joseph Baehr. Archiv für Hygiene; Bd. 72, H. 2, S. 91. 

Die widersprechendsten Erörterungen der neuesten Zeit über das Vor¬ 
kommen der Streptokokken in der Milch und die Beurteilung solcher Milch 
als Nahrungsmittel, zumal die Arbeit Petruschkys hierüber, veranlaßten 
Verfasser, während der Monate Februar, März und April 1909 Milchproben 
aus Düsseldorf und Umgebung in diesem Sinne zu untersuchen. Es kamen 
hierbei Milchproben in Betracht, die aus dem Musterstalle des Vereins für 
Säuglingsfürsorge für den Regierungsbezirk Düsseldorf stammten, ferner von 
50 Kflhen des Rittergutes H. H. in H. und endlich Marktmilchproben. Ver¬ 
fasser benutzte die von Petruschky und Pusch angewandte Methode zur 
Feststellung des Thermophilon- Titers als MaßBtab bakterieller Verunreinigung, 
d. h. derjenigen durch Verdünnung ermittelten geringsten Menge von Milch, 
in welcher noch bei Bratwärme wachsende Bakterien vorhanden sind. Außer¬ 
dem benutzte er die Trommsdorffsehe Zentrifagiermethodo zur Bestim¬ 
mung des Leukocytengehalts der Milch und erleichterten Ermittelung enter- 
krank«? Kühe. 



290 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 


Das Ergebnis seiner Untersuchungen ist, daß sich nur in 2 ron 81 Milch¬ 
proben der Streptococcus pyogenes fand. In fast allen anderen Milcbproben 
(in 61 von 81 = 75°/o) ließen sich nach dem Verfahren Ton Petruschky 
Kettenkokken nachweisen, die sich als 8treptococcus lact. erwiesen und ron 
Streptococcus pyogenes wohl unterschieden werden konnten. 

Diese Streptokokken sind wahrscheinlich aus dem Kot in die Milch 
gekommen. 

Unwahrscheinlich ist eine Schädigung der Säuglinge durch diese 
Streptokokken. 

Der nicht absuleugnenden Gefahr, daß diese harmlosen Streptokokken 
krankmachende Eigenschaften erwerben können, kann durch Vornahme des 
Melkens in besonderen Bäumen und Aufbewahren der Milch in Kühlräumen 
begegnet werden. Dr. Zimmermann-Posen. 


Br&nntwelnTergtftnngen, ungleich ein Verfahren sum qualitativen 
Nachweis von Amylalkohol (Tuselßl) in sptrltußsen Lßsungen. Aus dem 
hygien.-bakteriol. Institut des K. ungar. Min. d. Inn. Von Dr. Hugo Holländer 
in Pest. Münchener med. Wochenschrift; 1910, Nr. 2. 

Verfasser verbreitet sich zuerst über die Toxität der verschiedenen 
Alkohole (Propylalkohol, Aethylalkohol, Butylalkohol, Amylalkohol) und stellt 
fest, daß der Amylalkohol der giftigste der gewöhnlichen einwertigen Alkolhole 
ist. Wenn es jedoch zu Branntweinvergiftungen kommt, so handelt 
es sich fast immer um Methylalkohol- oder um Amylalkohol Vergiftungen. Der 
erstere wirkt durch seine Menge, der zweite aber besonders durch seine giftige 
Qua-lität, d. h. Methylalkohol muß in ganz besonders großen Mengen eu- 
verleibt werden, um eine toxische Wirkung ausüben zu können, während 
der Amylalkohol schon in unmerklich kleinen, aber wiederholten sozusagen 
kumulativ vergifteod wirken kann. Der Amylalkohol verläßt den Körper 
wahrscheinlich mit Glykuronsäure gepaart, wäürend der Methylalkohol erst zu 
Formaldebyd, dann zur Ameisensäure verbrannt wird. Aethylalkohol gibt nie 
Ameisensäure oder Formalin als Verbrennungsprodukt, sondern wird in unschäd¬ 
liche Essigsäure, dann in die Endprodukte der Oxydation, in Kohlensäure und 
Wasser verwandelt. Wir kommen also zu dem Schlußsätze: Der Methyl¬ 
alkohol verursacht in verhältnismäßig großen Mengen rasch auftretende und 
foudroyant, oft letal verlaufende Vergiftungsfälle, der Amylalkohol aber kann 
bei häufiger Zuführung kleinster Mengen zu besonders gearteten chronischen 
Alkoholvergiftungen führen. Daraus ergibt sich die Wichtigkeit des Nach¬ 
weises von Methylalkohol und Amylalkohol in den verschiedensten spirituösen 
Getränken, ihrer Mengenbestimmung in der Nahrungsmittelchemie von selbst. 

Eine methodisch einzuführende behördliche Untersuchung der Alcoholica 
auf diese beiden Schädlichkeiten könnte also eine hygienisch - prophylaktische 
Maßregel werden von der Bedeutung der systematischen Fleischbeschau. 

Es gelang dem Verfasser nach vielen Versuchen ein einfaches Verfahren 
zur qualitativen Bestimmung der Amylalkohole (Fuselöl) zu finden in folgender 
Weise: 25 ccm des zu prüfenden Branntweins werden mit 1 ccm Normalkalilauge 
versetzt und in einen Destillierkolben gebracht. Nach Abdampfung der ganzen 
Flttssigkeitsmenge wird zu etwa 5 ccm des Destillates ebensoviel Konzentrierte 
Essigsäure zugesetzt, die Mischung durch Erhitzen bis zum Sieden gebracht 
und etwa 1 Minute gekocht. Sodann wird dem Gemisch ein einziger Tropfen 
Phenylhydrazinum purum (Merck) beigegeben, die klare Lösung wieder auf¬ 
gekocht und dann durch Abkühlung auf Eis oder in fließendem Wasser auf 
Normaltemperatur gebracht. Dasselbe kann auch durch ruhiges Stehenlassen 
bezweckt werden. Bei der Unterschichtung dieser Lösung mit konzentrierter 
Salzsäure entsteht auf der Berührungsfläche ein deutlich grüner Bing, 
der bei höherer Konzentration einen intensiv smaragdgrünen Farbton annimmt. 
Die Bildung dieses grünen Farbstoffes ist nach den Erfahrungen des Verfassers 
für Amylalkohole spezifisch. Die über dem Farbenring manchmal sich bildende 
braune Verfärbung ist von keiner Bedeutung, 

_ Dr. Waibei-Kempten. 



Kleinere Mitteilungen nnd Beferete aus Zeitaebriften. 


291 


8. 8ohulyglene nnd Jugendfürsorge. 

Nervöse Kinder. Von K. W. Dix-Meißen. Zeitschrift für die Er 
forschnng and Behandlung des jagendl. Schwachsinns; Bd. 3, H. 4. 

Verfasser tritt für Errichtung ven Schalen für nervöse Kinder ein. 
Ans den Ausführungen ergibt sich ferner, daß sich der Lehrer eine ein¬ 
gehende und umfassende Kenntnis auf dem nahen Orenzgebiet der Geistes¬ 
krankheiten im Kindesalter erwerben und für nervöse Kranke ganz beson¬ 
dere Eraiehungs- und Unterrichtsmaßnahmen treffen muß. In der Praxis 
ist es aber so, daß der weitaus größte Teil der Lehrer und besonders auch 
derer an höheren Schulen, der Oberlehrer, hier versagen, daß weiter diese 
Kinder eine außerordentliche Belastung für den normalen Unterricht sind und 
daß sie dort auch nicht so gefördert werden können, wie an besonderen 
Schulen. Wenn auch jetzt die Institution der Schulärzte nach und nach eine 
allgemeine wird, so sind ihre Befugnisse so beschränkt, daß sie auch nur zur 
Ermittlung dieser Kranken dem Lehrer beistehen können, eine Hilfe aber nur 
dann bringen, wenn auch sie mit auf Entfernung solcher schwerer Nervösen 
aus dem öffentlichen Unterricht dringen im Interesse der anderen, gesunden 
Kinder. _ Dr. Wolf- Witzenhausen. 

Ueber die Kontrolluntersuchungen der Schulkinder nebst einigen 
Bemerkungen über die ärztliche Behandlung und über das Schularztsystem. 
Von Dr. Po eich au, Schularzt in Charlottenburg. Zeitschr. für Schulgesund¬ 
heitspflege ; 1909, Nr. 11. 

Verfasser spricht für eine jährliche Nachuntersuchung sämtlicher Schul¬ 
kinder, die bisher in den Dienstanweisungen für die Schulärzte eine neben¬ 
sächliche Bolle spielen, die aber durch die im Laufe eines Jahres hervor¬ 
tretenden Veränderungen im Gesundheitszustand der Kinder dem Verfasser 
ebenso wichtig erscheinen, als die Einschulungsuntersuchung, und die deshalb 
bd den Charlottenburger Schulärzten schon allgemein gebräuchlich sind. Bd 
der Kontrolluntersuchung des Jahres 1908—1909, die Verfasser bei den 1700 
■einer Aufdcht unterstellten Schulkindern vornahm, zeigten 15,6 o/o der Knaben, 
82,4 °/o der Mädchen so bedeutende Krankheitserscheinungen, daß besondere 
Maßnahmen erforderlich waren. Zu den am häufigsten sich zeigenden Leiden 
gehörten (außer der Zahnkaries) Skoliose und adenoide Wucherungen. 

Verfasser glaubt, daß der Schularzt im Nebenamt eine ebenso intensive 
Wirksamkeit entfalten kann, wie der Schularzt im Hauptamt; die Hauptsache 
bleibt, daß dem einzelnen Schularzt keine zu große Anzahl von 8chülern zu¬ 
gewiesen wird. _ Dr. So Ihrig-Allenstein. 

Das Farbenbenennungsvermögen als Intelllgenzprüfung bei Kindern. 
Von Dr. F. War bur g in Köln. Münchener med. Wochenschrift; 1909, Nr. 49. 

Um die Farbensinnprüfung bei Kindern anf ihren Wert als Intelligenz¬ 
probe zu beurteilen, stellte Verfasser bei ca. 1800 Kindern Untersuchungen 
an, and zwar nicht nur bei Kindern der Hilfsschule, sondern auch bei Kindern 
der Volksschulen, Vorschulen, Töchterschulen, Gymnasien und Kinderhorte. 
Za den Untersuchungen benutzte Verfasser als möglich einfachstes Mittel 
verschiedenfarbige Wollfäden, indem er nach Vorbild der Musterkarten je 
mehrere der verschiedenen Farben auf einen Karton klebte; diese einzelnen 
Wollfädenfelder ließ sich Verfasser von den zu prüfenden Kindern benennen, 
ein Verfahren, das an die Intelligenz des Kindes entschieden höhere Ansprüche 
stellt, als wenn man von dem zu prüfenden Kinde verlangt, bestimmte, mit 
Namen bezeichnete Farben zu suchen. 

Von den Farben wählte Verfasser 2 Gruppen; die erste Gruppe umfaßt 
die Farben: weiß, schwarz, rot, gelb, grün und blau; die zweite 
Gruppe enthält die Farben: braun, grau und violett; außerdem hatte 
Verfasser noch auf seiner Farbenskala die Farben rosa, orange und lila zur 
gelegentlichen Verwendung. Bei der Beurteilung der Farbenprobe als In¬ 
telligenzprüfung ist natürlich in erster Linie die Zahl der richtig angegebenen 
Farben maßgebend; daneben ist aber auch das ganze Gebahren der Eiinder 
und namentlich die verschiedene Schnelligkeit im Aussprechen der Farben- 
empfindung in Betracht zu ziehen; manche Kinder sind anfangs befangen und 
benemiea erst nach einiger Zeit die Farben korrekt. Wie bei allen Intelligenz- 



298 


Kleinere Mitteilungen und Referate uns Zeitschriften. 


proben, hat man auch bei dieser Probe kein Normalmaß. Berücksichtigt man 
aber die Möglichkeit einer ev. FarbenuntücbtigkeiL die als angeborene Anomalie 
nichts mit Intelligenz za tan hat, nimmt man ferner Rücksicht anf das Ge¬ 
schlecht des Kindes und namentlich auf die Art der Umgebung and der 
bisherigen Erziehang, so wird man in der Deutung der Farbenbenennungsprobe 
als Intelligenzprüfung sicher nicht leicht fehlgehen. 

Es zeigte sich bei den Untersuchungen als durchgreifende Begel in allen 
Klassen, daß die intelligentesten Schüler die meisten Farben zu benennen 
wußten. Fast in allen Fällen stimmten die Resultate der Farbenprobe mit 
den Erfahrungen der Lehrer überein. Kinder, die bei der Aufnahme nur weiß, 
schwarz und rot oder noch weniger zu benennen wissen, legen den Verdacht 
der Schwachsinnigkeit nahe, während ein Kind, das im 6. oder 7. Lebensjahre 
braun und grau und womöglich noch violett richtig benennt, nie in die Hilfs¬ 
schule gehört. 

Die Mädchen zeigen in der Regel ein höheres Farbenbenennungsvermögen. 

Die Farben der zweiten Gruppe werden bedeutend weniger angegeben; 
um so besser sind sie aber in vielen Fällen zur Intelligenzprüfung brauchbar. 

In den Hilfsschulen fiel die Farbenbenennung entsprechend der geringeren 
Intelligenz der Kinder bedeutend schlechter aus als in Normalschulen. Da¬ 
durch, daß die Resultate in der Oberstufe der Hilfsschulen durchweg bedeutend 
besser als auf der Unterstufe Bind, läßt sich auch durch die Farbenbenennungs¬ 
probe der für die Heilpädagogik wichtige Satz stützen, daß die Schwachsinnigen, 
wenn auch beschränkt, bildungsfähig sind, ein Satz, dessen Anerkennung und 
praktische Durchführung bekanntlich für die Behandlung Schwachsinniger von 
unberechenbarem Werte geworden ist. 

Bezüglich der sehr instruktiven Tabellen wird anf das Original verwiesen. 

_ Dr. Waibel-Kempten. 


Die Ernlhrungsverhiltnlsse der Volkssehulklnder. Vorbericht und 
Verhandlungen der Zentralstelle für Volkawohlfahrt am 24. f 26. und 26. Mal 
1909 in Darmstadt. Berlin 1909. Carl Hermanns Verlag. Gr. 8*, 170 8., 
Preis: 3,60 M. 

Der Vorbericht von Dr. J. Kann, Berlin, bespricht in ausführlichster 
Form mit erschöpfendem Zahlenmaterial die Geschichte und den jetzigen Stand 
der Schulkinderspeisungen — sowohl die Organisation der zu diesem Zwecke 
gebiideten Vereinigungen, wie auch die Art und Menge der verabreichten 
Kost — und die allgemeinen Ernährungsverhältnisse der Schulkinder. 

In dem Referat über die Ernährungsverhältnisse der Volksschulkinder 
führt Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Rubner, Berlin, aus, daß ein erschreckend 
großer Prozentsatz der Kinder — besonders die ans kinderreichen Familien — 
sich im Zustande der Unterernährung befindet. Diese Unterernährung, welche 
auch für den Unterricht von ungünstiger Wirkung Ist, zu beseitigen, liegt 
durchaus im Interesse des Staates, dessen Existenz nicht nur von der Qoantität, 
sondern auch von der Qaalität seiner Bürger abhängt. Den großen Nachteil 
der Schülerspeisungen, der darin liegt, daß die Eltern leicht au laxer Auf¬ 
fassung der Pflichten ihren Kindern gegenüber gelübrt werden, kann man da¬ 
durch behoben, daß die Kosten der Speisung, wo es angeht, von den Eltern 
eingezogen werden. Die Speisungen sind im allgemeinen mit der Schule in 
Verbindung zu stellen und auch während der Ferien durchznführen. Die ver¬ 
abreichte Nahrnng maß ausreichen, das Kind auf sein Normalgewicht au 
bringen und auf diesem zu erhalten. 

In der folgenden Diskussion wird einmütig anerkannt, daß Schüler¬ 
speisungen eine dringende Notwendigkeit seien, und zu tatkräftigem Vorgehen 
und ausdauernder Arbeit auf diesem Gebiete aufgefordert. 

Dr. Glaubitt-Proetken. 


Die Sehulalmmertür. Von Stadtbaurat Schoeufelder-Elberfeld. 
Das Schulzimmer; 1909, Nr. 8. 

Die Klassentür gehört in die Nähe des Katheders vor die Längsachse 
des Qaergangs zwischen Katheder und vordersten Bänken, an den Platz 
gegenüber dem vordersten Fenster. Um das Aufsehen der Tür nach außen 
möglichst zu erleichtern, schlägt Verfasser vor, die Klassentür derart anzulegen, 



Kleinere Mitteilangen and Referate aas Zeitschriften. 


293 


daß sie im geöffneten Zoatand direkt an die Wand kommt; dies kann nur 
erreicht werden, wenn die Abschrägung der Tttrwände nach der Klasse erfolgt, 
die Türleitung nach ihr hin sich öffnet Dr. Wolf -Witzenhaosen. 


Die Lage der Fensterwand des Schulsimmers rar Sonne. Yon Prof. 
G. Ghr. Naß bäum-Hannover. 

Noch einmal: Freies Westlieht in unseren Schulen. Von Stadtbaurat 
Sehoenfelder -Elberfeld. Da9 Schulzimmer; 1909, H. 4. 

Während N. der Ansicht ist, daß es im allgemeinen aweckdlenlicher sei, 
die Flure, Gänge, Vorhallen, sowie den Sehulhof lichtvoll za gestalten und 
dem unmittelbaren Einfall der Sonnenstrahlen za öffnen, dagegen das Schul¬ 
zimmer so zu legen, daß es während des Unterrichts von diesen Strahlen nicht 
getroffen wird, oder daß technische Hilfsmittel den Nachteil der vollen Sonnen- 
läge beheben, tritt Sch. dafür ein, daß die Klassen nach Westen liegen, damit 
die Sonne in die Klassen kommt, aber außerhalb der Unterrichtszeit. Die 
Korridore würden dann nach Osten liegen und während der Schulzeit den 
Sonnenstrahlen ausgesetzt sein. Dr. Wolf-Witzenhaosen. 

Erfahrungen Aber den Anstrich von Fussböden mit Stauböl. Von 
8tadtbaurat Kuli rieh in Dortmund. Techn. Gemeindeblatt; 1909, Nr. 14/15. 

Der auf der diesjährigen Sitzung der Vereinigung der technischen Ober¬ 
beamten deutscher Städte erstattete Bericht stützt sich auf das Ergebnis 
einer Umfrage bei 68 Städten über 50000 Einwohner. Danach findet das 
Staubbindeöl eine weitgehende Verwendung (2'/< Millionen qm), vorwiegend in 
Schulen (1 •/< Millionen qm), und zwar auf verschiedenartigen Fußböden (Holz 
aller Art, Linoleum, Steinholz, Terrazzo etc.). Bei der Oelnng, die ganz ver¬ 
schieden oft geschieht, wird überall Wert auf gründliche Vorreinigung und 
gleichmäßigen dünnen Anstrich gelegt. Aus den verschiedenen praktischen 
Erfahrungen und mannigfachen wissenschaftlichen Versuchen geht trotz 
mancher Abweichungen hervor, daß die Keimzahl in den geölten Räumen, 
insbesondere während der Reinigung, wesentlich vermindert wird. Diese 
Wirkung nimmt allmählich ab; sie hält 6—12 Wochen an. Die Kosten pro qm 
bei einmaliger Oelnng schwanken zwischen 2, 8—8 Pfennig, wenn diese vom 
Schaldiener besorgt wird. Dr. Liebetrau-Hagen i. W. 


Altes und Neues von Schalaborten. Von Stadtbauinspektor M. Uhlig- 
Dortmund. Zeitschrift für Schulgesondheitspflege; 1909, Nr. 12. 

Die Aborte der Schulen wurden früher ganz stiefmütterlich behandelt. 
Daß dies wenigstens in größeren Städten jetzt nicht mehr der Fall ist, dafür 
liefert die Stadt Dortmund, die überhaupt auf dem Gebiete der Schulhygiene 
manches Erfreuliche aufzaweisen hat, den Beweis. Hier sind, wie Verfasser 
aa der Hand einiger Abbildungen ausführt, in den letzten Jahren sowohl in 
dea höheren, als auch in den Volksschulen tadellose Aborteinrichtungen ge¬ 
troffen. Nachdem sich gezeigt hatte, daß die Sammelspülungen verschiedener 
Systeme sich durchaus nicht bewährten, ist man zur Einrichtung von Einzel¬ 
spülaborten übergegangen. Diese bestehen aus weiß glasierter Fayence ohne 
Verwendung von hölzernen Sitzen, sind mit breiten wagerechten Sitzwänden 
und hochgezogenen senkrechter Rückwand versehen, wodurch nicht fort- 
sehwemmbare Beschmutzungen vermieden werden. Der Vorzug dieser Einzel¬ 
spülung ist ein ästhetischer und volkBerzieherischer. Die diesem System sonst 
nachgesagten Uebelstände, die darin bestehen sollen, daß dem Uebermut, der 
Nachlässigkeit und Vergeßlichkeit der Kinder Vorschub geleistet wird, lassen 
sich völlig vermeiden. 

Auch die beschriebene und abgebildete Pissoiranlage mit schmaler Rinne, 
mit Desinfektionsanstrich versehenen Wänden und dichtem Faßboden, alles 
heU und abwaschbar hergestellt, ist als eine hygienisch einwandfreie Anlage 
an bezeichnen. 

Möchte nur das Beispiel von Dortmund zahlreiche Nachahmer finden! 

_ Dr. 8 o 1 h r 1 g - Allenstein. 



294 


Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


Die Schulsclmester in Deutschland and im Anslande. Von Dr. 
G. Poelchau-Charlottenburg. Konkordia; 1909, Nr. 20. 

Die 1. städtische Schulschwester in Deutschland trat in Charlottenborg 
am 1. Mai 1908 ihren Dienst an. Das Arbeitsgebiet der Schulschwester liegt 
hauptsächlich im Hause der Schulkinder, in der Schule selbst ausnahmsweise. 
Diese Organisation füllt eine tief empfundene Lücke aus und hat sich aus 
den Bedürfnissen des schulärztlichen Dienstes heraus entwickelt. In England 
ist die Schulschwester auch eingeführt; immer spielt sie dort eine größere 
Bolle in der Schule selbst und entfaltet eine viel selbständigere Wirksamkeit. 
Wenn man von der behandelnden Tätigkeit der Schulschwestern absieht, gegen 
die sich in letzter Zeit auch die englische Aerzteschaft zu wenden scheint, so 
ergibt sich, daß die Erfahrungen in England und in Deutschland in gleicher 
Weise dafür sprechen, daß die Anstellung von Schulschwestern eine wertvolle 
Neuerung bedeutet, die viel Segen stiftet. Durch das Zusammenwirken von 
Schularzt, Schulschwester und Lehrer läßt sich der Gesundheitszustand der 
heranwachsenden Jagend am besten überwachen und fördern. Man sollte daher 
bei uns in allen größeren Städten, wo Schulärzte tätig sind, auch besondere 
Scbulschwestern anstellen. In kleineren Orten und aui dem Lande könnte 
man die Gemeindeschwestern mit den Aufgaben der Schulschwestern betrauen 
oder auch andere geeignete Persönlichkeiten zu dieser Tätigkeit heranziehen. 
Auf diese Weise dürfte es gelingen, so manches vernachlässigte Kind zu 
einem gesunden Staatsbürger heranzuziehen und den gesamten Gesundheits¬ 
zustand der künftigen Generation in der vorteilhaftesten Weise zu beeinflußen. 

Dr. Wolf- Witzenhausen. 


Fürsorge für schulreife Kinder. Von Stadtschulrat Dr. Neupert- 
Charlottenburg. Jagend Wohlfahrt; 1909, Nr. 10. 

Es ist für jede Großstadt zunächst zu fordern: Die Untersuchung jedes 
in das schulpflichtige Alter eintretendes Kindes durch den 8chularzt und für 
die Einschulungsbehörde die Befugnis, auf Grund des ärztlichen Befunden 
sch ulanreife Kinder auch gegen den Willen der Eltern von der 8chule auszn- 
schließen. Aber es genügt nicht, schulunreife Kinder vom Schulbesuch ans* 
zuschließen; es sind zugleich geeignete Mittel anzuwenden, sie in möglichst 
kurzer Zeit schulreif zu machen. Einen Weg, der zu diesem Ziele führt, hat 
seit einigen Jahren die Stadt Charlottenburg beschritten. Die zurückgebliebenen 
Geschöpfe sind während der Zeit ihrer Zurückstellung vom Schulbesuch 
körperlich nach Möglichkeit zu fördern und auch ihre meist schwachen 
Geisteskräfte zu heben. Der Kindergarten will nichts weiter, als die Kinder 
schulfähig machen, die körperliche und geistige Erziehung zurückgebliebener 
Kinder so fördern, daß sie am Unterricht teilnehmen und nach dem Maß ihrer 
Begabung fortschreiten können. Das aber leistet er. Jedenfalls haben die 
nunmehr 3jährigen Erfahrungen gezeigt, daß der eingeschlagene Weg durch« 
ans gangbar ist. Könnte der Schulkindergarten in den Wald verlegt werden, so 
wäre dies eine wertvolle Verbesserung. Verfasser befürwortet den obligatorischen 
Kindergartenbesuch für alte 5 ( /sjährigen Kinder. Es wäre wünschenswert, 
wenn die Kindergartenbehandlung schulpflichtiger, aber noch nicht schulreifer 
Kinder auf die Zeit der gesetzlichen Schulpflicht mitgerechnet würde. 

Dr. Wolf «Witzenhausen. 

Die Fürsorgeerziehung ln Sachsen. Von Amtsgerichtsrat Dr. P. Kühne. 
Jagendwohlfahrt; 1909, Nr. 10. 

Als letzter aller Bundesstaaten hat Sachsen am 1. Februar 1909 ein 
Gesetz über die Fürsorgeerziehung mit Wirksamkeit vom 1. Oktober 1909 an 
erlassen. In den Voraussetzungen für die Anordnung der F.-E. unterscheidet 
sich das sächsische Gesetz recht erheblich vom preußischen. Als obere Alters« 
grenze ist für den Regelfall das 16 Lebensjahr bestimmt, ältere minderjährige 
sollen der Fürsorgeerziehung nur überwiesen werden, wenn begründete Aus¬ 
sicht auf Besserung besteht. Nach dem sächsischen Gesetz kann ein Minder« 
jähriger der Fürsorgeerziehung überwiesen werden, wenn die Voraussetzungen 
der §§ 1666, 1838 B. G. B. oder § 55 St. G. B. vorliegen nnd die Entfernung 
des Minderjährigen aus seiner bisherigen Umgebung zur Verhütung seiner 
Verwahrlosung erforderlich ist. Das gerichtliche Verfahren ist ähaUeh gestaltet 



Kleinere Mitteilungen and Beferete aas Zeitschriften. 


295 


wie in Preußen. Die Ausführungsverordnung wirkt naf größte Beschleunigung 
hin and antersagt für den Begelfall das so lästige Aktenumhersenden bei den 
beteiligten Behörden. Die Vorschrift, daß vor der Anordnung der Fürsorge* 
erziehung in jedem Falle der Arzt gehört werden soll, enthält eine äußerst 
segensreiche Neuerung. Ob sich die Zweiteilung zwischen Vollstreckung und 
Durchführung empfiehlt, kann nur bei genauester Kenntnis der Verwaltungs* 
einrichtungen und ihres Zusammenwirkens in Sachsen beurteilt werden. Dem 
Verfasser steht diese Kenntnis nicht zu. Indessen ist ein Mangel jedenfalls 
zu beklagen, daß nämlich auch in Sachsen die Vormundschaftsrichter von der 
Mitwirkung bei Ausführung der Fürsorgeerziehung ausgeschlossen sind. Es 
isi ganz unzweifelhaft, daß das vormundschaftliche Verfahren leidet, wenn 
der Richter nicht in der Lage ist, die Folgen seiner Beschlüsse zu beobachten. 
Die in Preußen vielfach übliche sog. widerrufliche Entlassung ist ihrem Wesen 
nach wohl eine Beurlaubung. Die Entscheidung des Vormundschaftsrichters 
über eine Aufhebung wegen Erreichung des Zwecks der Fürsorgeerziehung 
wird nicht viel mehr als eine rein formale sein können, da er sich dabei 
lediglich auf das Gutachten der VollzugsbehOrde stützen muß. 

Dr. W o 1 f • Witsenhausen. 


Erfahrungen auf dem Gebiete der Zwangs* oder Fürsorgeerziehung 
Minderjähriger. Von Prof. Dr. Frenzel-Worms. Das Land; Jg. 18, Nr. 4. 

Die Erfahrungen lehren, daß die Zwangserziehung, wenn sie einmal 
aOtig geworden ist, nicht früh genug und nicht rasch genug eintreten kann; 
ferner darf man Zwangszöglinge nicht zu früh aus der Öffentlichen Erziehung 
nehmen oder ihnen einen längeren Urlaub geben. Am besten hat sich die 
Familienpflege bewährt. Bei der Berufswahl wie auch bei der Unterbringung 
ist die Mithilfe eines erfahrenen Arztes unentbehrlich. 

Dr. Wolf*Witzenhausen. 


4. Krankenanstalten. 

Ela Beitrag zur Linoleumfrage In Krankenhäusern. Gesundheit; 
1909, H. 22. 

Um das Linoleum, das für Krankenhäuser der beste Faßbodenbelag ist, 
zu konservieren und um die Glätte zu vermeiden, die durch das Bohnern 
entsteht, wird Steger’s echte Linoleum*Politur empfohlen, welche mit dem 
Linoleum eine Verbindung eingeht, nicht glättet, alle Poren abschließt und dem 
Linoleum einen frischen Glanz verleiht. Dr. Wolf - Witzenhaoaen. 


Einige Bemerkungen zum Bau von Säugllngskrankenhäusern. Von 
0. Heubner. Zeitschrift für Säuglingsschutz; 1910, Nr. 1. 

Verfasser verlangt für den Bauplan eines 8änglingskrankenhauses eine 
größere Zahl von Isolierräumen oder eine ganze Anzahl von Bozen in einem 
größeren Isoüerraum; ferner sei dafür zu sorgen, daß die nächste Umgebung 
des Hauses frei von Bäumen und Sträuchen bleibt. 

Dr. W o 1 f - Witsenhausen. 


Kladererholungsheim der Stadt Schöneberg In Wyk-Boldlxum auf 
der Insel Föhr. Von 8anitätsnt Dr. Rabnow. 

Am 5. Juli 1909 hat die Stadt Schöneberg ein Kinder*Erholungsheim 
an der Nordsee eröffnet. Die Anstalt bildet ein Glied in der Kette von Maß* 
nahmen einer organisch in sich geschlossenen Jagend-Fürsorge. Es sollen 
dort Aufnahme Anden Kinder von 5—14 Jahren, die an Skrofnlose, Knochen¬ 
tuberkulose usw. leiden, mit Ausnahme von solchen, die an offener, also 
ansteckender Lungentuberkulose erkrankt sind. Die Kinder haben Gelegenheit 
geregelten Schulunterricht zn genießen. Der Verpflegungssatz ist einschließlich 
Hin* und Rückfahrt auf 2,50 Mark pro Tag festgesetzt. Aufnahme können 
106 Kinder finden. Die Kosten für die Unterbringung der Kinder minder 
bemittelter Eltern trägt in der Hauptsache die Stadt. 

Eine Abbildung und Grundrisse des Heims vervollständigen den Aufsatz. 

Dr. Hoffmann-Berlin. 



296 


Kleinere Mitteilangen and Referate aas Zeitschriften. 


5. Bekämpfung de« Alkoholiemua. 

Ueber den Einfluss des Alkohols nnf den Blntdrnek and die Hen- 
nrbeit ln pathologischen Zuständen, namentlich beim Fieber. Von Prof. 
Dr. A. Dennig, Dr. Hindelang and Dr. Grttnbaam. Deutsches Archiv 
für klinische Medizin; 1909, Bd. 96. 

Die Folgerungen, za denen die Verfasser auf Grand ihrer Versuche 
gelangten, sind folgende: 

1. Die Einnahme von Alkohol beeinflaßt in pathologischen Zuständen, 
namentlich beim Fieber den Blutdruck und zwar meist in negativem, selten 
in positivem Sinne. Das Sinken sowohl, wie das sehr seltene Steigen des 
Drackes ist im großen and ganzen gering, so daß man diesen Faktoren wohl 
keine besondere Bedentung beizumessen hat. 

2. Die GrOße der Alkoholgaben kommt insofern in Betracht, als kleinere 
Dosen den Drack weniger sinken machen als größere, and daß die ursprüng¬ 
liche Druckhöhe nach kleinen Gaben früher erreicht wird als nach größeren. 

3. Die Weitbarkeit der Gefäße spielt bei der Alkoholeinnahme ent¬ 
schieden eine bedeatende Rolle; das Sinken des Blutdruckes and auoh der 
sphygmobolometrischen Werte scheint zum Teil durch die Erweiterung der 
(peripheren) Arterien bedingt. 

Aaf Grand ihrer Untersachangen glauben die Verfasser einen spar¬ 
sameren Gebrauch von Alkohol bei fieberhaften Krankheiten empfehlen zu 
müssen, als es bisher der Fall war. Dr. Paul Schenk-Berlin. 


Behandlung der Vergiftungen mit Weingeist* Von Prot Dr. C. 
Moeli. Separatabdruck aus dem Handbuch der gesamten Therapie von 
Penzolt und Stintzing. 4. Auflage, Jena 1909. 

Bei akuter Alkoholvergiftung ist ein konzentrierter Kaffeeaufguß 20:100 
vermittels der Schlandsonde beizabringen. Za Injektionen eignen sich die 
zimmetsaaren, salizylsaaren, benzoesauren Verbindungen des Koffeinnatriums. 
Aach lohnen Atropininjektionen 0,002 wegen der Aufbesserang der Atmung 
und des Blatdracks wohl einen Versuch. 

Die Bekämpfung der chronischen Alkoholvergiftung kann prophylaktisch 
auf sehr verschiedenartige Weise erfolgen. Verkaufsbeschränkungen, Belehrung 
in der Schale, Verbilligung der Ersatzgetränke, Aufhebung der Trinksitte und 
des Trinkzwangs, therapeutische Verwendung des Alkohols nur bei dringenden 
Indikationen. 

Die Möglichkeit der zwangsweisen Zurückhaltung von Alkoholisten in 
Heilstätten oder Bewahranstalten müßte gesetzlich festgelegt werden. 

Der regelmäßige Gebrauch selbst von bescheidenen Mengen alkoholischer 
Getränke ist nicht zu empfehlen. 

Beim Delirium tremens hat die Therapie zwei Hauptaufgaben: Schutz 
des Kranken vor Beschädigungen und Brhaltung der Herzkraft. Zur Erhaltung 
der sinkenden Herzkraft empfiehlt Moeli neben den anderen Herzezzitantien 
auch die Alcoholica. _Dr. Paul Schenk- Berlin. 

Der Wein ln der Ernährung. Von L. Boos. Montpellier; 1909. 

Der Wein ln der Ernährung. Von Legrain. Annales antialcooliques; 
Paris, Juli 1909. 

Roos, Direktor der önologischen Station von l'H6rault, empfiehlt den 
Wein als ein gutes und preiswertes Nahrungsmittel. Ziemlich allgemein wird 
von den französischen Arsten 1 Gramm Alkohol pro Kilo Körpergewicht, also 
bei einem 150 Pfund schweren Mann ein gutes Liter 9 Prozent Alkohol ent¬ 
haltenden französischen Rotweins als eine hygienische, durchaus unschädliche 
Dosis angesehen. Nicati und Rietch haben ferner in ihren 8tudien über 
die Cholera gezeigt, daß mit Choleravibrionen verunreinigtes Wasser durch 
Zusatz von einem Drittel Wein ungefährlich wurde. Allerdings fand 
Chanveau, daß der Ersatz einer gewissen Menge Zucker in der Nahrung 
durch die isodyname Menge Alkohol eine entsprechende Verschlechterung der 
Arbeitsleistung bewirkt. Roos hat jedoch unter Assistenz von Dr. Hedon 
die Versuche Chanveaus an einem Hunde über ein Jahr lang in modifizierter 
Form angestellt. Chanveau gab seinem Versuehskuade die Dosis von 



Kleinere Mitteilungen and Referate aas Zeitschriften. 


297 


1 Gramm Alkohol auf 1 Kilo Körpergewicht auf einmal. Es trat eine leichte 
Rauschwirkang ein. Die Versuchsergebnisse sind also durch die lähmende 
Wirkung des Alkohols beeinträchtigt. Roos verabreichte den Alkohol nicht 
auf einmal, sondern in zwei oder drei Portionen, welche keine berauschende 
oder lähmende Wirkung zur Folge hatten. Es fand sich, daß die Arbeits¬ 
leistung unter diesen Umständen keine Beeinträchtigung erfuhr. 

Professor Duclauz am Pasteurschen Institut hat schließlich den 
physiologischen Wert des Alkohols als eines sehr guten Nahrungsmittels fixiert. 

Die Kritik der Arbeit von Roos durch Legrain bemängelt, daß die 
leichte Bauschwirkung, welche Chanveau bei seinem Hunde beobachtete, 
eine Lähmungserscheinung sei; ein leichter Rausch stelle vielmehr einen 
Erregungszustand dar. Die Folgerungen, zu denen Chanveau auf Grund 
seiner Experimente am arbeitenden Hunde gelangte, Bind schlüssig und klar: 

Der teilweise Ersatz von Zucker durch Alkohol, in isodynamer Menge 
kurz vor Beginn der Arbeit gereicht, bewirkt: 

1) Verminderung des absoluten Werts der Muskelarbeit. 

2) Stockung oder Verringerung der Nahrungszufuhr. 

8) Erhöhung des Aufwands von Energie im Verhältnis zur ge¬ 
leisteten Arbeit. 

Diese Resultate sprechen durchaus zu Ungunsten des Alkohols. Auch 
Atwater und Benedict haben, wenn sie nach ihren Versuchsergebnissen 
den Alkohol theoretisch zu den Nahrungsmitteln stellten, doch niemals zu 
einer Einführung des Alkohols in die Ernährung geraten. Tatsächlich kosten 
1000 Kalorien Milch in Frankreich so viel wie 1000 Kalorien Wein. Indessen 
geht die Wärmewirkung der alkoholischen Kalorien durch die Gefäßerweiterung 
verloren, welche das Gift Alkohol bewirkt. Der Alkohol ist nicht nur ein 
8pender von Kalorien, sondern gleichzeitig ein giftiges, ein vernichtendes 
MltteL __ Dr. Paul Schenk-Berlin. 

Alkehellsmus und Unsittliehkelt. Von M. Lischweska. Vortrag 
auf dem IV. Deutschen Abstinententag. Hamburg, Verlag von Deutschlands 
Großloge II des I. 0. G. T. 1909. 

Alle Stätten der Freude in Stadt und Land beherrscht der Alkohol. 
Dem Tanzvergnügen folgt häufig der sexuelle Genuß. Bier, Branntwein und 
Glühwein treiben das unerfahrene Mädchen dem Verführer in die Arme und 
führen es schließlich in die Reihen der Prostituierten. Die Bordelle sind 
häufig nur rentabel, wenn zugleich gehörig Alkohol konsumiert wird. Der 
betrunkene Mann schreitet durch jeden Sumpf und bezahlt zum.Schlüsse auch 
jede Rechnung. 

Fälle, wo der alkoholisch völlig entartete Vater seine Tochter jahrelang 
mißbraucht, sind häufiger, als man glaubt. 

Vom Alkohol völlig befreite Stätten der Lust und der Freude müssen 
für das Volk geschaffen werden. Aber auch die „bessere* Gesellschaft bedarf 
der Reform. 

Kraepelin berichtet den Fall einer mit frischer Syphilis behafteten, 
von Jugend auf schwachsinnigen und durch Lupus der Nase gezierten 
Prostituierten, welche eine Reihe von Studenten ansteckte. 

_Dr. Paul Schenk-Berlin. 

Alkehellsmus und Staat. Von Dr. G. Artonini. Archivio di 
Antropologia criminale, Psichiatria etc.; Vol. XXX, Heft 4—5. 

Die neue vom italienischen Staat eingeführte Prämie für Export von 
Spiritus in Hohe von 50 bis 70 Lire für den Hektoliter, die in Form eines 
Nachlasses der Steuer für die Destillation gewährt wird, gibt dem Verfasser 
Veranlassung, seiner Entrüstung über diesen vom Standpunkt des Hygienikers 
und Sozialpolitiken zu verurteilenden Schritt energisch Ausdruck zu verleihen. 
Bisher war in Italien im allgemeinen der Mißbrauch geistiger Getränke auf 
den Weingenuß beschränkt und nur in begrenzten Gebieten (im Norden) war 
ausnahmsweise auch vom Schnapsgenuß die Rede. Aber die Zunahme des 
Alkoholmißbrauchs macht sich auch schon in Italien durch erhebliche Zunahme 
der alkoholischen Irreseinsformen in den Irrenanstalten bemerkbar; so ist in 



298 


Kleinere Mitteilungen und Beiernte ans Zeitschriften. 


der Irrenanstalt der Heimatprovinz des Verfassers die Zahl der alkoholisch 
Irren in den letzten Jahren um mehr als das Doppelte gestiegen. 

Die neueren gesetzgeberischen Maßnahmen werden aber dazu führen, 
daß die Produktion des Spiritus erheblich vermehrt wird. 

Diesen Ausführungen schließt sich in einem Schlußwort der kürzlich 
verstorbene Lombroso an. Nach der neuesten Statistik ist eineVerzehn- 
iachung der Zahl der alkoholischen Irren in den italienischen Irren« 
anstalten seit den letzten 5 Jahren festzustellen. Während die Staaten 
Europas und Amerikas bemüht sind, energisch gegen den Alkoholismus anzu- 
k&mpfen, indem Gesetze zur Einschränkung der Herstellung und des Verkaufs 
von alkoholischen Getränken geschaffen werden, hat Italien durch seine 
gesetzgeberischen Maßnahmen es bewerkstelligt, daß die Alkoholproduktion 
erleichtert wird. Dr. Solbrlg-Allenstein. 

Trinkerversorgung. Von Prof. Dr. August Forei Sonderabdruck 
aus dem „Handwörterbuch* von Prof. Dr. Beicnesberg; 1909. 

Die Schweiz hat zur Zeit 11 Trinkerheilanstalten. Von allen Trinker¬ 
asylen der Welt hat zuerst die Heilstätte Ellikon an der Thur eine sachver¬ 
ständige ärztliche Untersuchung, ärztlichen Krankenbericht auf entsprechendem 
Formular eingeführt. Die Erfolge des Hausvaters von Ellikon, des früheren 
Schusters Boßhardt, wie sie in den Jahresberichten von Ellikon zu 
Tage traten, lenkten die Aufmerksamkeit anderer Länder auf Ellikon als 
auf eine vorbildliche Anstalt. Heilresultat der letzten fünf Jahre: 61,9 ab¬ 
stinent geblieben, 18,9 gebessert, 29,1 rückfällig oder ohne Nachricht. 
Die Anstalt erhält gleich mehreren anderen Staatsbeiträge aus dem 
schweizerischen Alkoholzehntel vom Alkoholmonopol des Staates. Die Beform- 
entwürfe zum schweizerischen Strafgesetz sehen die zwangsweise Einweisung 
des Trinkers in eine Heilstätte vor. Dr. Paul Schenk-Berlin. 

6. HeUpersonal. 
a. Aerzte und Zahnärzte. 

Meldepflicht und Schweigepflicht. Kritische Bemerkungen zu einigen 
neueren Aeußerungen über Fragen des Berufsgeheimnisses, von Professor 
Dr. FleBch, Frankfurt a. M. Halbmonatsschrift für Soziale Hygiene und 
Medizin; 1910, Nr. 6/7. 

Verfasser meint, daß die Meldepflicht in einer den besonderen Ver¬ 
hältnissen der Geschlechtskrankheiten angepaßten Weise auf diese ausgedehnt 
werden müsse. Der Arzt müsse verpflichtet sein, Zeugnis abzulegen, wo die 
Entscheidung in Prozessen von der Feststellung des Bestehens venerischer 
Krankheiten durch die Aussage des Arztes abhängt. Es könnte ihm ja in 
solchen Fällen vielleicht das Becht zuerkannt werden, den Ausschluß der 
Oeftentlichkeit zu fordern. 

Die Anzeigepflicht für Hebammen und Aerzte bei jedem Fall von Abort 
und Frühgeburt zu fordern, sei unrichtig, auch wenn man mit dieser Maßnahme 
die Ausbreitung des kriminellen Aborts bekämpfen wolle. 

Der Arzt solle nicht zum Helfer der Polizei herabsinken und solle nicht 
mit beitragen zur Bestrafung bemitleidenswerter Opfer des Leichtsinns, während 
ihn eine Meldepflicht, die zur Verhütung von Schäden bestimmt sei, nicht 
herabsetze. 

Die künftige Gesetzgebung müsse Klarheit schaffen, daß neben der 
Schweigepflicht auch die Melde- und Zeugnispflicht des Arztes so ausgestaltet 
werde, daß ihn die eine nicht in der Ausübung der anderen im Dienste des 
öffentlichen Wohles störe. _ Dr. Hoff mann-Berlin. 

Zahnheilkunde in Beziehung zum Sffentllehen Gesundheitsdienste. 
Von F. Lawson Dodd, L. B. C. P., M. B. C. 8., D.P.IL, L. D. S. Eng. 
Public health XXII.; 1909, Nr. 11. 

Auch ln England gibt es 2 Arten von Zahnheilkundigen. Die 
eine ist registriert, die andere unregistriert. Die registrierten lassen sich 
wieder einteilen in qualifizierte, die den Hauptanteil ausmaohen, und in einige 
wenige unqualifizierte. Die anregistrierten zerfallen in eine qualifizierte 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


299 


Minorität, meist Amerikaner, and in die große Schar der unquali fixierten. Das 
Zahnantgesetn Ton 1858 hatte den Zweck, „das Publikum gegen Kurpfuscherei 
na schlitzen, indem man ihm Gelegenheit gab, sich zu vergewissern, ob 
Dentisten rite qualifiziert seien." Die Eintragung in das Register des General 
medical ooundl hatte nur den Wert, diese Unterscheidung zu ermöglichen. 
Eine gelegentliche Bestrafung von Unqualifizierten, die die Grenzen des 
Dentists Act überschreiten, nützt sehr wenig. Es geht ebenso wie beim 
Arzt: das Parlament 1 ) ist nicht dazu zu bewegen, die Unter* 
drückung der Kurpfuschertätigkeit anzuordnen, obwohl die 
Gefahren, die dem Publikum von kurpfuschenden „Heilkundigen" drohen, 
großer sind, als jene, die von ungeschickter Zahnheilkunde kommen können. 

Zur Zeit ist die ganze Frage deswegen von großer Bedeutung, weil 
die Behandlung zahnkranker Schulkinder auf der Tagesordnung steht und es 
nicht Zahnärzte genug gibt, die die Behandlung übernehmen konnten. So 
hfttte in Edinburg die Zahl von 24000 Schulkindern, in Aberdeen die Ton 
20000, in London eine solche Ton 720000 und in England und Wales eine 
Zahl Ton 4800000 zahnkranken Schulkindern eine zahnärztliche Behandlung 
nOtlg. Ins Register eingetragen sind aber zur Zeit nur 6000 Zahnärzte und 
diese haben mit ihren Patienten, die wesentlich der begüterten Klasse ange¬ 
boren, genug zu tun. 

Trotzdem muß betont werden, daß es im Interesse der Wissenschaft und 
des Öffentlichen Wohles yerhütet werden sollte, daß die Armen in die Hände 
ungeschickter und ungeschulter Praktiker fallen. 

Der Autor empfiehlt die Gründung von Schulzahnkliniken, wie 
sine solche in Cambridge bereits besteht und wie sie in Deutschland in 
vorbildlicher Weise geschaffen sind. Er hofft, daß die British dental assodation 
danach sieht, daß nur rite qualifizierte und registrierte Männer an dieser neuen 
Arbeit teünebmen. _ Dr. Mayer-Simmern. 


b. Hebammen. 

Der Bericht der englischen Kommission für das Hebammengesetz. 
Von Dr. G. F. Mc. Cleary, Herausgeber des Public health. Public health; 
Oktober 1909, Nr. 1, XXIII. 

Der Bericht der Kommission, die zur Prüfung der Wirkungen des 
englischen Hebammengesetzes gebildet worden war, schlägt vor, daß das 
Datum, an dem das Gesetz in ganzer Ausdehnung zur Ausführung kommen 
soll, wie ursprünglich geplant, der 1. April 1910 sein solle. 1 ) Bei mangelhafter 
Versorgung bestimmter Bezirke mit Hebammen soll aber das Zentralhebammen¬ 
amt den daselbst tätigen Hebammen die Eintragung in die Liste etwas 
erleichtern. Ferner soll in solchen Gebieten, die mit Hebammenmangel 
zu kämpfen haben, eine Verbindung des Hebammendienstes mit dem 
der Fürsorgeschwester insofern geschaffen werden, als die Kommun&1- 
behOrden den Hebammen auch das Amt der GesundheitsbeBucherin, 
sogar auch das der 8chulpflegerin übertragen sollen. Die 
Grafschaft, als Aufsichtsbehörde der Hebammen soll in Verbindung mit dem 
Board of Guardians weiter für bessere Ausbildung der Hebammen sorgen; sie 
soll sich ferner mit geburtshülflichen Instituten in Verbindung setzen, aus 
denen Hebammen zu jeder Zeit nach Orten dirigiert werden können, an denen 
man ihre Dienste notwendig hat. 

* Bin wesentliches Hindernis für ein gedeihliches Wirken des Hebammen- 

J esetses war bisher der Umstand, daß die von den Hebammen zugezogenen 
.erste nicht sicher auf eine Bezahlung ihres Honorars rechnen konnten. 8o 
berichtet Dr. J. Howard Jones, medical officer of health für Newport, daß 
in den Jahren 1905 bis 1908 20 Aerzte in 559 Fällen von den Hebammen zu 
Geburten verlangt worden waren. In 49,9 °/o sämtlicher Fälle hatten die 
Aerzte keinerlei Bezahlung erhalten. Die Kommission schlägt nun vor, daß 
das Local Government Board eine Gebührenordnung schaffe, nach der die 


') VergL: Die Kurpfuschereibekämpfung seitens der British Medical 
Assodation ln England. Von H. W. Armit; Münchener med. Wochenschrift; 
1906 8. 680« 

*) VergL diese Zdtschrift, 1909, S. 539. 



300 


Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


Aente liquidieren durften, daß ferner eine Aufstellung solcher FSlle tob 
amtswegen veröffentlicht werde, in denen der Arzt zagezogen werden müsse, 
and daß schließlich die ArmenbehOrde dem Arzt für sein Honorar bürge. Die 
British medical association and der Medizinalbeamtenverein hatten im Gegensatz 
dazu wegen der bekannten Lässigkeit (apathy) der ArmenbehOrde vor¬ 
geschlagen, die Auf Sichtsbehörde der Hebammen möge, wie bereits jetzt 
schon in Liverpool and Manchester, die ärztlichen Gebühren bezahlen. 

_ Dr. Mayer- Stimmern. 


7. Medizin alverwaltang. 

Zar Regelung des gemeindeftrztliehen Dienstes. Von Dr. Bf f ler- 
Danzig. Halbmonatsschrift für Soziale Hygiene and Medizin; 1910 Nr: 6/7. 

Die Tätigkeit der im Gemeindienste stehenden Aerzte sei eine doppelte: 
ärztliche Behandlung der Erkrankten und Ausübung hygienischer Fürsorge. 
An der Spitze der Gemeinde müsse ein städtischer Medizinalrat stehen. 

Was man den Armen asw. erweise, sei keine Wohltat, sondern eine 
soziale Pflicht. Aach für die Armen müsse die freie Aerztewahl gelten; 
dasselbe sei za verlangen für Schalkinder, Ziehkinder, Besacher der Tuber¬ 
kulose - Fürsorgestellen. 

Der Fürsorgearzt habe andere Eigenschaften als der Praktiker. Er 
müsse mit sozialen Einrichtungen, mit Verwoltungsmaßnahmen vertraut sein asw. 

Ob man in den folgenden Ausführungen dem Verfasser beitreten kann, 
erscheint mir fraglich, nämlich daß die Beaufsichtigung der Ziehkinder nicht 
an eine beliebige Zahl von Aerzten verteilt werden solle und daß ein einziger 
Schularzt besser sei als eine Vielheit von Aerzten: viele Köche verderben den 
Brei. Ref. meint, es werden sich allgemeine Leitsätze finden und es wird sich 
eine Richtschnur aufstellen lassen, die auch für mehrere Aerzte maßgebend 
sein maß. Daß Verfasser darin Recht hat, wenn er protestiert gegen die 
üebertragang einer Säuglings-Fürsorgestelle wochenweise an die daza bereiten 
Aerzte, ist ohne weiteres zuzugeben. 

Verfasser wünscht die Fürsorge-Aerzte voll beschäftigt, ihre Tätigkeit 
würde dann ein besseres Resultat haben, als wenn mehrere Aerzte nebenamt¬ 
lich angestellt seien. 

Die Gemeindeärzzto sollte mau in der Armenverwaltang als Vertrauens¬ 
ärzte mitwirken lassen. 

Verfasser selbst meint, daß seine Ausführungen erst in der Zukunft 
praktische Gestaltung gewinnen können. Dr. Hoffmann-Berlin. 


8. ArsneimlttelTersorgung. 

Ueber unzuverlässige moderne Handelspräparate des Apomorphins. 
Von Prof. Dr. E. Harnack and Privatdozent Dr. H. Hildebrandt. 
Münchener med. Wochenschrift; 1910, Nr. 1. 

Die Verfasser mußten sich auf Grund ihrer Beobachtungen and Unter¬ 
suchungen überzeugen, daß neuerdingB im Handel neben den zuverlässigen 
Apomorphinpräparaten (E. Merck etc.) von anderer Seite her „Apomorphine* 
aufgetaucht sind, die für die arzneiliche Anwendung als völlig unbrauchbar 
bezeichnet werden müssen. Die bezüglichen Präparate unterscheiden sich 
schon durch Aussehen und chemisches Verhalten von dem reinen 
Apomorphin hydrochloricum der Pharmakopoe nicht unwesentlich. Eine genauere 
Untersuchung ergab dann auch mit voller Sicherheit, daß dos Präparat ein 
Gemenge darstellt und zwar wahrscheinlich aus Apomorphin mit Tnmorphin 
oder ähnlichen Polymerisierungsprodukten des Morphin. Schützen kann sich 
der Arzt vor unliebsamen Ueberroschungen einigermaßen dadurch, daß er ein 
Apomorphin, dessen Lösung sich nicht bald nach ihrer Herstellung beim Stehen 
deutlich grün färbt, verwirft und dem Apotheker hiervon Kenntnis gibt, 

_ Dr. W a i b e 1 - Kempten. 


9. Kurpfuscherei. 

Zur Bekämpfung des Kurpfuschertums. Von Kreisarzt Dr. Berger 
in Krefeld. Deutsche med. Wochenschrift; 1907, Nr. 50. 

B. weist mit Recht darauf hin, daß vielfach Aerzte selbst Kurpfuscher 



Besprechungen. 


301 


groß siehen, indem sie Personen, die irgend me einmal tätig gewesen sind, 
Atteste ansstellen. Er verlangt dagegen direkt gesetzliches Verbot. Die Be¬ 
glaubigung von Danksagnngen von Patienten soll nach Vorgang des Sächsi¬ 
schen Ministeriums allgemein verboten werden. Die Presse muß für den Kampf 
gegen die Kurpfuscher gewonnen und von den Verwaltungsbehörden sach¬ 
gemäß beraten werden, während sie leider jetzt noch häufig das gemeingefähr¬ 
liche Treiben der Kurpfuscher unterstützt. Dr. Liebetrau-Hagen i. W. 


Besprechungen. 

Dr. med. Karl Graeter in Basel: Dementia praecox mit Alooholis- 
mne chronicus. Leipzig 1909. Verlag von Joh. Ambrosius Barth. 
Gr. 8 °, 200 Seiten. Preis: M. 6. 

In den Jahresberichten der auf die Initiative von Prof. Dr. August Forel 
im Jahre 1889 gegründeten schweizerischen Trinkerheilstätte Ellikon a. d. Thur 
kehrt beständig die Klage wieder, daß die Aerzte Trinker einweisen, bei denen 
eine unheilbare originäre Psychose vorliegt. Diese Alkoholiker mit kompli¬ 
zierenden Psychosen rufen häufig Störungen im Anstaltsbetriebo hervor und 
erschweren die Behandlung der übrigen Insassen. Zahlreiche dieser unheil¬ 
baren Alkoholiker sind der Dementia praecox zuzurechnen. Der Alkoholismus 
spielt hier eine mehr nebensächliche Rolle als zufällige Begleiterscheinung 
oder als ein Symptom in der Reih9 der übrigen oder aber als auslösendes und 
verschlimmerndes Moment. Fehldiagnosen sind häufig und kommen auch bei 
geübten Psychiatern vor. Steigerungen des lange vorher latent verlaufenden 
und daher verkannten hebephrenen, katatonen oder paranoiden Erscheinungs¬ 
komplexes der Dementia praecox werden nicht selten als Delirium tremens 
gedeutet. Die Angabe in der Anamnese oder im Geberweisungsschein „Patient 
leidet oder hat wiederholt an Delirium potatorum gelitten“ verleitet zu weit¬ 
gehenden falschen Schlüssen, namentlich auch in bezug auf eine relativ günstige 
Prognose. Bei einer originären Verschrobenheit, einem im Gange befindlichen 
Verblödungsprozeß ist aber die Prognose traurig. 

Das Krankheitsbild der Dementia praecox erhält allerdings durch den 
Alkoholismus chronicus mitunter ein völlig alkoholisches Gepräge. Der Alkohol 
verwischt auch noch mehr, als es sonst der Fall ist, die Unterschiede zwischen 
den drei verschiedenen Formen der Dementia praecox. 

Ob übrigens die von dem Verfasser ausführlich geschilderten und ana¬ 
lysierten Krankheitsbilder sämtlich in den großen Kasten mit der Aufschrift 
„Dementia praecox“ zu werfen sind, darüber werden die Ansichten der Leser 
geteilt sein. Referent würde sich persönlich mehr für die „angeborene psycho¬ 
pathische Minderwertigkeit“ oder die „ab ovo abnorme Cbarakteranlage“ ent¬ 
scheiden. Der Verblödungsprozeß kann auch bei der Dementia praecox auf 
jeder Stufe psychopathischer Minderwertigkeit stehen bleiben. Nach Um¬ 
ständen ist eine solche überhaupt nicht mehr zu erkennen. 

Differentialdiagnostisch besonders wichtig ist, daß die Alkoholpsychosen 
im Gegensatz zu der Dementia praecox niemals Gedächtnisstörungen vermissen 
lassen, während Störungen des körperlichen und geistigen Peraönlichkeits- 
bewußtseins bei den Alkoholpsychosen gewöhnlich fehlen. Die Dementia 
praecox zeichnet sich außerdem im Gegensatz zu den Alkoholpsychosen ge¬ 
wöhnlich durch Verschrobenheit, Dissimulation der Wahnideen, Verschlossenheit 
bei gleichzeitigem inhaltsleeren Lächeln, Halluzinationen auto- und somato- 
psychischer Natur aus. Das Vorkommen einer spezifischen chronischen Alkohol¬ 
paranoia (chronisch halluzinatorischer Schwachsinn der Kinder nach Kraepelin) 
wird von Graeter überhaupt geleugnet. Auch Kraepelin erkennt die 
progredienten Formen chronisch paranoider Geistesstörung bei ehemaligen 
Trinkern nicht mehr als alkoholische an. Unter dem Namen chronisch hallu¬ 
zinatorischer Schwachsinn der Trinker faßt Kraepelin Störungen zusammen, 
die bei dauernder Abstinenz nicht nur nicht fortschreiten, sondern sich sogar 
öfter zurückbilden. Nach Graeter handelt es sich auch in diesen Fällen 
um die paranoide Form der Dementia praecox. 

Der Fehlschluß „post hoc, ergo propter hoc“ ist eine der sieben Tod¬ 
sünden der medizinischen Forschung. 



902 


Besprechungen. 


Vom Standpunkte der Busenhygiene und Prophylaxe verlangt der Ver¬ 
fasser die operative Sterilisierung der mit Dementia praecox und gleichseitig 
mit Alcoholismus chronicus Behafteten. Dr. Paul Scheck-Berlin. 


Dr. P. Orlowski, Spezialarzt in Berlin: Die Impoten» des Mannes. 

Für Aerzte dargestellt Wttrzburg 1909. Verlag von K. Kabitzach 

(A. Stübers Verlag). Gr. 8°, 1608. Preis: 4,50 M., geb. 5,50 H. 

In den einleitenden Kapiteln des Buches interessieren m. £. besonders 
„die Mechanik der Erektion“, bei der nach 0. das Wesentliche des Blut¬ 
zuflusses, nicht aber der verhinderte Abflaß sein soll, und die „Innervation 
der Potenz“. Im Hauptteil beschäftigt sich 0. zunächst mit der Entstehung 
der Impotenzformon und ihrer Bedeutung für den behandelnden Arzt; er 
bespricht dann an der Hand von drei farbigen Tafeln die Diagnose und die 
Hauptformen der „Colliculus-Hypertrophie“, die nach ihm den Endzustand 
einer Colliculitis darstellt (colliculos seminalis). Diese Colliculus-Hypertrophie 
ist nach 0. die Ursache einer großen Zahl von Impotenzfällen und verdankt 
ihre Entstehung den „Geschlechtsunsitten“, besonders der Onanie und dem 
Coitus interruptus. Die Behandlung der Colliculitis mit Eaustik (nach dem 
Vorgänge Lallemands) vermag nun nach O’u. Angaben die sie begleitende 
Imp otenz fut ausnahmslos und prompt zu heilen. M. E. wird der Gedanke, 
daß es sich bei den Erfolgen dieser Therapie wesentlich um physische 
Wirkungen handle, trotz der oft betonten gegenteiligen Ansicht O's. nicht 
von jedem Leser aufgegeben werden. Der Beschreibung der Colliculus- 
Hypertrophie folgen Mitteilungen weiterer Impotenzarten, besonders auch nach 
der Impotentia generandi, mit mehr allgemein gehaltenen, kritischen Behänd- 
lungsvorschlägen. Das Buch wird jedem Arzte, der sich mit der Impotenzfrage 
beschäftigen will, sehr willkommen sein. Dr. Ernst-Neu-Ruppin. 


Prot Br. Kl—kalt, Abteilungsvorsteher am hygienischen Institut der 
Universität Berlin: Kisskalt und Hartmann Praktikum der Bakterio¬ 
logie und Protoaoologie. Zweite erweiterte Auflage. I. Teil: 
Bakteriologie. Mtt 40 Abbildungen im Text. Jena 1909. Verlag von 
G. Fischer. Gr. 8°; Preis: 2,70 M., geb. 3,50 M. 

Bereits nach verhältnismäßig kurzer Zeit mußte trotz der doch gewiß 
nicht geringen Konkurrenz an guten bakteriologischen Werken eine Neuauflage 
dieses Praktikums erfolgen. Im Gegensatz zur ersten Auflage ist dieses Mal 
eine Trennung des Praktikums in zwei Hälften vorgenommen, so daß nunmehr 
das Praktikum der Bakteriologie sowie das der Protozoologie einzeln zu 
haben sind. 

Die neue Auflage hat jene bewährten und eigenartigen Prinzipien, durch 
die sich dieses Werk vor allen anderen Praktiken unterscheidet, nämlich die 
Anordnung des Stoffes nach einzelnen Arbeitstagen, die Beschränkung auf 
immer nur wenige, aber absolut zuverläisigo Methoden und eine bis ins Kleinste 
gehende Besprechung eines jeden Handgriffes und der möglichen Fehler bei¬ 
behalten und weiter ausgebaut. Neu hinzugekommen ist je eine kurze Uebung 
in der Wasser mann sehen Reaktion und in der Opsoninbestimmung. Ob 
nicht beide — sie sind nur sehr kursorisch behandelt — besonders aber die 
letztere besser aus einem solchen Praktikum fortzulassen wäre, will Referent 
dahin stellen. 40 gute, nach Photographien hergestellte Abbildungen im Text 
dienen zur sachgemäßen Erläuterung. 

Abgesehen von einzelnen Kleinigkeiten — so vermißt Referent z. B. 
auch in dieser Auflage bei der Uebung Paratyphus eine Erwähnung des 
Farbenumschlages der Lakmusmolke in Blau — sei das vorliegende Praktikum 
jedem, der sich als Anfänger mit der Bakteriologie beschäftigt und besonders 
dem, der gezwungen ist, sich mohr weniger selbstständig in dieses Gebiet 
einzuarbeiten, dringend empfohlen. Dr. R. Mohrmann-Kiel. 


Dr. M. von Provazek: Taaohenbuch der mikroskopischen Technik 
der Protlatenuntersnohnng. Zweite umgearbeitete Auflage. Leipzig 
1909. Verlag von J. A. Bartb. Gr. 12°, 87 Seiten. Preis (geb. und mit 
Schreibpapier durchschossen): 2,50 Mark. 

Die zweite Auflage dieses von dem bekannten Protozoenforscber in 



Besprechungen. 


808 


enter Linie ihr den Gebrauch des Mediziners bestimmten Taschenbuches be¬ 
rücksichtigt die in der Zwischenzeit festgelegten Ergebnisse der modernen 
Protistologie, soweit sie sich für die Methodik der Protozoenlorschang als 
dauernd brauchbar erwiesen haben; bereits überwundene technische An¬ 
weisungen sind in der neuen Auflage nicht mehr aufgelührt. Im übrigen ist 
die Einrichtung des Baches die alt bewährte geblieben. Es enthält eine voll¬ 
kommene Zusammenstellung der gebräuchlichen und praktisch bewährten 
Methoden und technischen Hilfsmittel zur Untersuchung der Protozoen mit 
besonderer Bücksicht der pathogenen Protozoen. Das alte bekannte Protozoen¬ 
system ist auch in dieser Auflage beibehalten. Ein ausführliches Sachregister 
und zahlreiche Literaturan gaben erhöhen noch den Wert des Taschenbuches, 
bei dessen Gebrauch jeder, der sich praktisch mit Protistenuntersuchung be¬ 
fassen will, alles Wissenswerte finden wird. Dr. Mohrmann-Kiel. 


F. Doflein, a. o. Professor der Zoologie an der Universität München: Pro¬ 
bleme der Protietenkunde. I. Die Trypanosomen, ihre Bedeutung 
für Zoologie, Medizin und Kolonialwirtschaft. Jena 1909. Verlag von 
G. Fischer. Gr. 8°, 57 Seiten. Preis: geh. 1,20 Mark. 

Das Heft enthält einen von dem auf diesem Gebiete rühmlichst be¬ 
kannten Forscher auf der 70. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte 
gehaltenen Vortrag über den derzeitigen Stand des Trypanosomenproblems und 
einige durch reiche eigene Forschungen gestützte, von der gegenwärtig herr¬ 
schenden Auffassung der Trypanosomenfrage abweichende Hypothesen. In 
klarer und eindringlicher Weise wird dio Fülle von Problemen für Medizin, 
Zoologie nnd Kolonialwirtschaft, die in der Trypanosomenfrago enthalten sind, 
im Zusammenhang dargestellt. Die Darlegungen werden durch eine größere 
Beihe ausgezeichneter, z. T. nach Mikrophotographien hergcstellter Abbildungen 
auf das wirkungsvollste erläutert._ Dr. B. Mohrmann -Kiel. 

Privatdozent Dr. Pani Slttler: Die wichtigsten Bakterientypen der 
Darmflora beim 8&agllng, ihre gegenseitigen Beziehungen und ihre 
Abhängigkeit von äußeren Einflüssen. Würzburg 1909. C. Kabitsch (A. 
8tubers) Verlag. Gr. 8°, 70 Seiten. Preis: broseb. 2,50 Mark. 

Die Erörterungen des Verfassers beziehen sich ausschließlich auf die 
Mg. endogene Bakterienflora, lassen also die spezifischen Infektionskrankheiten 
des VerdanungBtraktus beiseite. Der Besprechung des Themas selbst, der 
Bakteriologie der einzelnen Abschnitte des Magendarmkanals, der Erstinfektion 
des Säuglingsdarms, der Abhängigkeit der Darmflora von der Ernährung etc., 
schickt Verfasser eine kurze historische Uebersicht und technische Bemerkungen 
bezüglich der angewandten Untersuchungsmethoden voraus. In einigen Punkten 
weichen die Anschauungen des Verfassers von denen der Escherichscben 
Schule ab. Angenehm wirkt die reichlich und genau angegebene einschlägige 
Literatur. Das Buch bringt dem Kinder-, besonders dem Säuglingsarzt manche 
neue Punkte. _ Bpd. jun. 


Dr. Sigmund Fr&nkel, Dozent für medizinische Chemie an der Wiener 
Universität: Praktischer Leitfaden der qualitativen and quanti¬ 
tativen Harnanalyse nebst Analyse des Magensaftes. Für Aerzte, 
Apotheker und Chemiker. Mit 6 Tafeln. Zweite umgearbeitete nnd erweiterte 
Auflage. Wiesbaden 1909. Verlag von J. F. Bergmann. Kl. 8°; 101 S. 
Preis: geb. 2,60 M. 

Der vorliegende Leitfaden ist aus den Erfahrungen mehrjähriger 
praktischer Kurse der Harnanalyse für Mediziner, Apotheker und Chemiker 
an der Wiener Universität hervorgegangen. Es werden in ihm alle für eine 
klinische Harn- und Magensaftanalyse in qualitativer und quantitativer Hinsicht 
wichtigen und erprobten chemischen Untersuchungsmethoden besprochen und 
ihre Ausführungen genau bis ins Einzelne gezeigt, so daß die jedesmalige 
Anstellung der Probe auch dem in chemischen Arbeiten weniger Geübten ohne 
weiteres ermöglicht Ist. Gate Abbildungen des mikroskopischen Harnbefundes 
und spektroskopische Tafeln vervollständigen in wünschenswerter Weise das 
Werkchen. Dr. Mohrmann -Kiel. 



304 


Besprechungen. 


Dr. Carl Arnold: Repetitorium der Ohemle. Mit besonderer Berück¬ 
sichtigung der für die Medizin wichtigen Verbindungen sowie des „Arznei¬ 
buches ittr das Deutsche Beich“ und anderer Pharmakopöen, namentlich zum 
Gebrauch für Mediziner und Pharmazeuten. 13. Auflage. Verlag von Leopold 
Voss. Hamburg und Leipzig 1909. 8°; 710 Seiten. Preis: geb. 7 Mark. 

Die neue Auflage des bekannten Buches kennzeichnet sich als ein 
bequemes Nachschlagebuch für den Mediziner und Pharmazeuten in allen 
chemischen Fragen. Die 3 Abteilungen (Allgemeine Chemie, anorganische 
und organische Chemie) sind in dem einen Bande vereinigt. Gegen die früheren 
Auflagen unterscheidet sich die neue lediglich durch Vervollständigung nach 
den neuen Ergebnissen der chemischen Wissenschaft. Die organische Chemie 
ist konsequent als die Chemie der Kohlenwasserstoffe und ihrer Derivate 
behandelt worden. Neu ist ferner eine besondere Berücksichtigung der Tier- 
und Pflanzenchemie sowie neuerer technischer Darstellungsmethoden. Einge¬ 
führt wurde die vom Verein deutscher Ingenieure angeregte volkstümliche 
Bechtschreibung der naturwissenschaftlichen Fremdwörter und diese konsequent 
durchgeführt. Ein 6500 Stichwörter umfassendes Begister erleichtert sehr 
den Gebrauch des Buches. Dr. v. Leliwa-Waldenburg (Schles.). 


Dr. R. Perlla: Krolle stereoskopische Bilder für Schielende. 7. Aufl. 

28 farbige Tafeln in einer Mappe. Verlag von Leopold Voss in Hamburg. 

Preis: 3 Mark. 

Die bewährten KrolIschen Bilder zur Uebung für schielende Kinder 
erscheinen in neuer, verbesserter und vermehrter Auflage. Das schielende 
Kind kann mit Hülfe jedes Stereoskops auch von der Mutter angelernt und 
kontrolliert werden, ob es das schielende Auge zum Sebakt benutzt. Das 
Schielen wird dadurch in vielen Fällen erheblich gebessert oder doch wenigstens 
das schielende Auge vor dem allmählichen Verluste des Sehvermögens bewahrt. 
Eine instruktive Anweisung gibt dem auch nicht spezialärztlich gebildeten 
Arzte und dem Laien die nötigen Erklärungen zum Gebrauch der dem kind¬ 
lichen Verständnisse angepaflten Bilder. 

Dr. v. Leliwa-Waldenburg (Schles.) 


Dr. med. Otto Ulrioh, 1. Assistenzarzt und 2. Lehrer an der Provinzial- 
Hebammen -Lehranstalt in Erfurt: XVI Tafeln praktischer Anatomie 
für Hebammen and Hebammenachülerlnnen zum Gebrauch beim 
Unterricht ln den Lehranstalten nnd zur Repetition mit 
erl&uterndem Text. Berlin 1909. Verlag von Erwin Staude; Preis: 
2 Mark. 

Mit großem Fleiß und viel Geschick hat Verfasser in zahlreichen Figuren 
auf 16 Tafeln das wiedergegeben, was Hebammen wissen müssen; zugleich 
erleichtert das Werk es den Hebammen, sich in schwierigen Fragen zurecht 
zu finden. Dio Tafeln sind schematisch, aber recht instruktiv; einige sind 
jedoch dem Bestreben, recht viel Lehrstoff auf engstem Baum zusammen zu 
drängen, zum Opfer gefallen; sie enthalten zu viel und wirken dadurch ver¬ 
wirrend und undeutlich. So entstehen Bilder, wie Tafel IX, Bild 1, das 
die Drehung des Kopfes um seine Azen beim Weg durch das Becken darstellen 
soll, aber so viel Linien und Zeichen enthält, daß das Bild den meisten 
Hebammen ohne weiteres kaum verständlich sein dürfte. 

Auch geht Verfasser in seinen Darbietungen hier und da zu weit, so 
ist das Bild „mikroskopischer Schnitt durch die Haut“ für Hebammen wohl 
ohne Schaden ihrer Ausbildung entbehrlich; auch die sehr detaillierte Dar¬ 
stellung des „Nabelschnur kreislanfos“ gebt weit über den Bahmen dessen 
hinaus, was Hebammeu wissen müssen. Hier ist also des Guten zu viel getan. 

Sonst aber wird man Text und Tafeln nur empfehlen können, zumal der 
Preis ein äußerst geringer für die Fülle des Dargebotenen ist. 

Dr. Zelle-Lötzen. 


Dr. Jannes • Eschweiler: »8 Jahre knappsohafts&rztlloher Praxis 
beim Bschweiler Bergverksverein (1884—1909). München 1909. 
Verlag von J. F. Lehmann. 

In seiner reich illustrierten Festschrift gibt Dr. Jannes ein anschau- 



Besprechungen. 


306 


liebes Bild von den Fortschritten auf dem Gebiet der Arbeiterwohlfahrtspilege 
des Eschweüer Bergwerksreviers seit den achtziger Jahren bis rar Gegenwart. 
Unwillkürlich ist der Leser darüber erstaunt, wie weit man hier in der Für* 
sorge für die Bergleute gegangen ist nnd welche Opfer die Direktion gebracht 
hat, nm diesen Zweck za erreichen. Vorzüglich organisiert sind aach die Vor* 
kehrangen zar Hilfeleistung bei Unfällen. Eine Samariter «Kolonne von 50 
Arbeitern sowie einige frühere Militärlazarettgehilfen stehen für diese Zwecke 
zar Verfügung, and hält diese Mannschaft, welche mit allen Hilfsmitteln, wie 
sie die eigenartigen Verhältnisse im Bergbaa verlangen, reichlich aasgerüstet 
ist, nach Hebungen unter Tage ab, um sich mit dem oft sehr schwierigen 
Transport der Verletzten aal den teilweise sehr engen and aasgedehnten 
Strecken der Grabe vertraut za machen. 

Von den vielfachen hervorragenden baulichen Einrichtungen, welche 
allein im Interesse der Arbeiterhygiene errichtet sind, verdient besondere Er* 
wähnung ein Milchaasschank, der zar Abnahme des Alkoholgenasses wesent¬ 
lich beigetragen hat. In dem sonst einwandsfreien Doncberanm vermißt man 
die Einzelzellen, die zwar die Einrichtung wesentlich verteuern, aber doch 
wohl aas den verschiedensten Gründen zweckmäßiger sind. Auch das statt¬ 
liche, burgartige Kraakenhaus macht in seinem äußeren Aufbau einen impo¬ 
santen Eindruck. 

Besonders beachtenswert ist, daß man bei den vielfachen Fürsorge- 
beatrebangen auf sozialen Gebiet jauch die Aerzte nicht vergessen, sondern 
freiwillig anerkannt hat, daß sie als langjährige, wenn auch nicht festange¬ 
stellte Mitarbeiter im Betriebe eine besondere Berücksichtigung verdienen. 
Die Direktion hat nicht nar den gesteigerten Lebensbedürfnissen entsprechend, 
das Aerztehonorar erhöht, sondern nach die beiden Eschweiler Knappschafts- 
ärzte in die Beamtenkasse des Vereins aufgenommen. Im 2. Abschnitt sind 
einige vorwiegend bei den Bergmännern vorkommende Krankheitsgruppen be¬ 
sprochen, nach interessante Beobachtangen über gehäuftes Vorkommen von 
Krebs erwähnt. Bezüglich der Bekämpfung von Typhasepidemien wurde nach 
hier die Beobachtung gemacht, welche wesentliche Bedeatang eine Isolierung 
der Kranken in Krankenhäusern besitzt. Sobald die regierungsseitig ange¬ 
ordnete Ceberführung sämtlicher transportfähiger Kranken in die Notlazarette 
und das Knappschaftshospital erfolgt war, hörte die Epidemie auf. 

Den Schluß der Festschrift bilden eine Anzahl Böntgenphotogramme von 
Knochenbrüchen und Mißbildungen, sowie eine Tabelle über Morbidität und 
Mortalität der Belegschaft vom Jahre 1885—1908. 

Dr. Curtius-Stendal. 


Dr. Moritz Plator, Geh. Ober-Medizinalrat a.D. in Berlin: Grundsflge 
einer Gesohiohte der Preusslsohen Medlzinalverwaltung bis 
Ende 1007. Nach amtlichen Quellen bearbeitet. Braunschweig 1909. 
Verlag von Friedrich Vieweg u. Sohn. 8°; 273 8. Preis: 6 M., geh. 7 M. 

Das vorliegende Werk gibt einen gedrängten Ueberblick über die 
geschichtliche Entwicklung der preußischen Medizinalverwaltung seit ihren 
ersten Anfängen unter dem Markgraf Albrecht von Brandenburg bis zum 
Ende des Jahres 1907. Es bietet auf knappem Baum eine erstaunliche Fülle 
des Inhalts; dazu ist es meisterhaft klar und zwar knapp, aber doch stets er¬ 
schöpfend geschrieben. Da ein solches Werk überhaupt noch fehlte — denn das 
umfangreiche Bach Augustins „die Kgl. preußische Medizinal Verfassung pp.“ reicht 
nur bis 1838 — füllt es eine wirkliche Lücke aus; es ist ein Genuß, in ihm zu 
lesen, und wenn von einem Werk, so darf man von diesem sagen, daß es auf dem 
Schreibtische jedes Kreisarztes einen Ehrenplatz erhalten müßte. Der ernte Teil 
schildert in drei Abschnitten die Medizinaiver waltun g in Preußen im allgemeinen. 
Der zweite Teil behandelt zunächst die ansteckenden Krankheiten, dann die 
Einrichtungen und Maßregeln zur Verhütung von Störungen, wie zur Erhaltung 
und Wiederherstellung der Gesundheit. Den Schluß bildet die Fürsorge für 
Kranke und Gebrechliche. Das kurze, aber praktisch abgefaßte Inhaltsver¬ 
zeichnis ermöglicht in kürzester Zeit die Orientierung. Hoch interessant sind 
die eingeflochtenen historischen Bückblicke; man staunt oft, welche weisen 
Vorschriften auf dem Gebiet des Gesundheitswesens unsere Altvordern trotz 
ihrer viel geringeren Vorbildung und des damaligen tieferen Standes der 



806 


Besprechungen. 


WisMnschaft, für die Volke Wohlfahrt erlassen haben; man muß mit Achtung 
aal jene Männer blicken, welche vor Handerten ron Jahren schon so folge* 
richtig denken and arteilen konnten, wo es galt, das Volksgesnndheitswesen 
zu fördern. Dr. Zelle-Lötzen. 


Dr. Carl Pa wolle ok, Landesmedizinalrat im Ministeriam für Elsaß- 
Lothringen, unter Mitwirkung von Dr. Alfons Holtzmann, Beg.- and 
Med.-Bat, Landesgesundheitsinspektor im Ministeriam für Elsaß-Lothringen: 
Jahrbuch der Medlzinalverwaltung ln Eisass-Lothringen. Im 
amtlichen Aufträge heraasgegeben. XXI. Band ttber das Jahr 1908. Verlag 
▼on Friedrich Bull. Straßbarg 1909. Gr. 8°; 868 S. 

Der vorliegende Band umfaßt 10 Abschnitte, die sich beschäftigen mit 
dem Aerzte-, Apotheken-, Drogisten-, Hebammen- and Krankenpflegewesen, 
den Gesundheitsräten and deren Verhandlungen, dem Impfwesen, der Öffent¬ 
lichen Gesundheitspflege, Krankheitsbekämpfung und -Fürsorge, der Statistik 
and den Gesundheitsberichten nach Bezirken and Kreisen. In den einzelnen 
Abschnitten erscheinen die Gesetze, Erlasse, Vorfügangen des Jahres 1908 bis 
zam 1. April 1909 ausführlich, sodaß der Band für Verwaltungsbehörden, 
Medizinalbeamte and Aerzte der Beichslande ein wertvolles, z. T. unentbehr¬ 
liches N&chschl&gebuch darstellt. Die in der Berichtszeit eingetretenen Vor¬ 
ginge, Zustände, Einrichtungen and Verbessernngen sind aufgeführt and geben 
ein anschauliches Bild der reichsländischen Medizinalverwaltung und deren 
umfangreiche Tätigkeit und Fürsorge. Für weitere Kreise werden die 
statistischen Angaben, besonders diejenigen über dio Taberkulosesterbllchkeit 
seit 1880, die aach in einer farbigen, sehr übersichtlichen Karte dargestellt 
ist, Iateresse haben. Die Taberkalose-Sterblichkeit hat demnach 1880 : 2,88 
pro 1000 Einwohner der mittleren Bevölkerung betragen, ist in den nächsten 
10 Jahren gestiegen auf 8,44 (1885) und 3,12 (1890) und hat seitdem langsam 
abgenommen bis auf 2,34 pro mille im Jahre 1907. In dem Kapitel Über 
Öffentliche Gesundheitspflege interessieren dio Ausführungsvorschriften des 
Kaiserlichen Ministeriums zu der Anleitung des Bundesrats für die Einrichtung 
usw. öffentlicher Wasserversorgungsanlagen vom 16. Juli 1906. Der Abschnitt 
Krankheitsbekämpfung enthält u. a. von der bakteriologischen Anstalt zu 
Straßbarg aasgearbeitete Verhaltungsmaßregeln für Typhusbazillenträger. Als 
gemeinverständliche Belehrung gedacht, die der Gesundheitsbeamte den 
Bazillenträgern zugänglich machen soll, weisen sie auf die moralische Pflicht 
derselben hin, ihre Ausscheidungen unschädlich zu machen, und geben bezüg¬ 
liche Anweisungen. Daß diese Batschläge den erhofften Erfolg haben können, 
ohne daß eine gesetzliche Verpflichtung besteht, sich ihnen unbedingt zu 
fügen, ist wohl nur ein pium desiderium. Hervorzuheben ist noch ein für 
manche Gegenden außerhalb der Beichslande zu verwendendes Gatachten 
betreffend die 8chnakenbekämpfnng, welches von einer besonderen Kommission 
aasgearbeitet worden ist; es verdiente, ausführlich in dieser Zeitschrift sam 
Abarack za gelangen. Dr. v. Leliwa-Waldenburg (Schles.). 


Naununddreisslgster Jahresbericht des Könlgl. Landes-Medlslnal- 
kollegiums ttber des Medizinal wesen im Königreich Sachsen 
auf das Jahr 1007. Verlag von C. F. W. Vogel in Leipzig. Gr. 8 °, 868 8. 

Der Bericht umfaßt 20 Abschnitte nebst einem Anhang von statistischen 
Tabellen and einer Anzahl im Berichtsjahre ergangener, im’Wortlaut abge- 
drackter, das Medizinalwesen betreffender Verordnungen. 

Unter den im Eingang erwähnten Verhandlungen des Landes-Medkrinal* 
Kollegiums interessieren besonders einige Beschlüsse. U. a. wird es aach 
weiterhin für einen Arzt als anstatthaft angesehen, bei Operationen von Zahn¬ 
technikern Narkosen vorzunehmen. Ferner soll das gesamte Krankenpflege- 
personal (einschließlich der Krankenpflegeschwestern) unter Aufsicht der be¬ 
amteten Aerzte gestellt werden, um dem Kurpfuschen dieser Personen ent- 
gegensutreten. Auch mit der Tätigkeit der Kurpfuscher an Krankenkassen 
beschäftigte sich das Kollegium und gelangte zu dem Beschlüsse, „daß jede — 
auch nur ausnahmsweise — Tätigkeit von Karpfaschern bei Krankenkassen 
als sowohl dem Wortlaute des Krankenversicherungsgesetses, wie dem Vor¬ 
teil der Versicherten widersprechend verhindert werde.* 



Tagesnachrichten. 


307 


Am 1. Januar 1908 waren im Königreich vorhanden 2136 Aente, 835 
Apotheken, 1832 Hebammen bei einer Bevölkerungaziffer von 4622400. 

877 Deainfektoren sind bis znm Schlüsse des Berichtsjahres in der 1906 
errichteten Landesdesinfektorenschule ausgebildet worden. 

Hinsichtlich der allgemeinen Geburts- nnd Sterblichkeitsverhältnisse ist 
za bemerken eine Fruchtbarkeit von 30,5 °/oo nnd eine Sterblichkeit von 17,2 # /oo; 
beide sind zurückgegangen, wobei der Rückgang der Fruchtbarkeit den Rück¬ 
gang der Sterblichkeit überwiegt. 

Die Sterblichkeit an Lungentuberkulose zeigt eine abermalige Abnahme 
von 1,36 °/oo im Jahre 1906 auf 1,34 °/oo im Berichtsjahre. Die Mortalität an 
Krebs dagegen nimmt stetig zu, im letzten Jahre 0,96 °/«o gegen 0,94 */oo im 
Jahre 1906. 

Einen breiten Ranm nehmen verdientermaßen die Berichte über das Vor¬ 
kommen und die Bekämpfung der Infektionskrankheiten in Anspruch, auf die 
an dieser Stelle nicht genauer eingegangen werden kann. 

Die Abschnitte Nahrungsmittel, Wasserversorgung, Wohnuugs- und 
Baupolizei, Reinhaltung von Boden, Wasser und Luft, Gewerbepolizei, Schul¬ 
hygiene, Fürsorge für Kranke, Schwache und Gebrechliche enthalten manche 
interessante Einzelheit und zeigen den Fortschritt der Hygiene .auf allen 
Gebieten. 

Auch für den nicht im Königreich Sachsen tätigen Medizinalbeamten 
ozd Hygieniker wird die Lektüre dieses Jahresberichtes interessant sein, 
zumal er sich vorteilhaft von manch ähnlicher Zusammenstellung durch seinen, 
den an sich trockenen Stoff in gefälliger Form darbietenden Text unterscheidet. 

Dr. v. L e li w a - Waldenburg (Schl.). 


Tagesnachrichten. 

Die Kommission des Abgeordnetenhauses zur Vorberatung des Gesetzes 
betr. die Reisekosten der Staatsbeamten beendete am 9. d. Mts. die erste 
nnd am 16. d. M. die zweite Lesung dieser Vorlage, die im wesentlichen un¬ 
verändert angenommen wurde. Als Zeitpunkt des Inkrafttretens wurde der 
1. Oktober festgesetzt._ 


Ans Württemberg. Der bereits früher an dieser Stelle besprochene 
Entwurf einer Verordnung über die BekümpfUng übertragbarer Krank¬ 
heiten ist nunmehr erlassen (s. die Beilage zur heutigen Nummer, S. 64) und 
wird am 1. Mai d. J. in Kraft treten. Die Bestimmungen der Verordnung 
können als mustergültig angesehen werden und tragen einer ganzen Reihe von 
hygienischen Anforderungen Rechnung, die in den meisten anderen Bundes¬ 
staaten, u. a. auch in Preußen, unberücksichtigt geblieben sind. So ist z. B. die 
Anzeigepflicht auch auf Konserven Vergiftung, Frieselfiebcr und Wurm¬ 
krankheit, sowie auf alle Verdachtsfälle von Kindbettfieber, Rotz, Rückfall¬ 
fieber, Tollwut und Typhus ausgedehnt; desgleichen auf vorgeschrittene und 
offene Tuberkulose bei Wohnungswechsel. Weiterhin sind dem Oberamtsarzt 
in bezug auf die von ihm als notwendig erachteten Ermittelungen keine 
einengenden Grenzen gezogen; ihm liegt es auch ob, die ordnungsgemäße 
Durchführung der erforderlichen Maßregeln seitens der Ortspolizeibehörde zu 
kontrollieren. Um die praktischen Aerzte zu veranlassen, sich an seinen Er¬ 
mittelungen tunlichst zu beteiligen, wird ihnen neben den taxmäßigen Reise¬ 
gebühren eine Entschädigung in der Höhe des niedrigsten Satzes der ärztlichen 
Gebührenordnung aus der Staatskasse gewährt, eine sehr wichtige und vor¬ 
läufig noch in keinem anderen Bundesstaate getroffene Bestimmung. Ebenso 
werden vom Staate die Kosten für'alle bakteriologischen Untersuchungen ge¬ 
tragen. Ohne zuvorige Anordnung des Oberamtsarztes dürfen angeordnete 
Schutzmaßregela nicht aufgehoben werden; eine Schlußdesinfektion 
darf nur dann als vollzogen gelten, wenn sie von dem amtlichen Desinfektor 
ausgeführt ist. Mit dem Inkrafttreten der betreffenden Verordnung ist 
Württemberg in bezug auf die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten unter 
den deutschen Bundesstaaten an erste Stelle gerückt, während die bisherigen 
dort geltenden Bestimmungen viel zu wünschen übrig ließen. 



308 Tagesordnung der Hauptversammlung des Preuß. Medizinal beamtenvereins. 


Erkrankungen und Todesfälle an ansteekenden Krankheiten in 
Preussen. Nach dem Ministerialblatt für Medizinal* und medizinische Unter*, 
richts-Angelegenheiten sind in der Zeit vom 13. bis 26. März 1910 erkrankt 
(gestorben) an: Aussatz, Gelbfieber, Fleckfieber, Pest, Botz, 
Cholera, Tollwut, Bftckfallfieber: (—),(—); Pocken: 11 (1),7(4); 
Milzbrand: 5 (1), 2 (—); Bißverletzungen durch tollwntver- 
dlchtige Tiere: 4(—), 1 (—); Unterleibstyphus: 172 (25), 109 (13); 
Buhr: 4 (—) —(—); Diphtherie: 1646 (119), 1487 (117); Scharlach: 
1394 (80), 1160 (56); Kindbettfieber: 95 (27), 113 (23); Genick¬ 
starre: 10 (6), 9 (2); spinale Kinderlähmung: 4 (1), 3 (—); Fleisch- 
und Wurstvergiftung: — (—); Körnerkrankheit (erkrankt): 247, 
205; Tuberkulose (gestorben): 807, 705. 


Preussischer Medizinalbeamtenverein. 

XXVI. Hauptversammlung 

am 

Freitag u. Sonnabend, den 88. n. 88. April 1010 

in 


Tagesordnung: 

Donnerstag, den ah April: 

8 1 /» Uhr abends: BegrQesungs-Abend (mitDamen) im „Rheingold“; 
Eingang: Potsdamerstraße Nr. 3, eine Treppe hoch. 

Freitag, den 22. April: 

8 1 /* Uhr vormittag«: Erste Sitzung im „Rheingold ‘ (wie vorher). 

1. Eröffnung der Versammlung. 

2. Geschäfts- und Kassenbericht. 

3. Der Entwurf eines Deutschen Strafgesetzbuches. Beferenten: Geh. 
Med.-Bat Prof. Dr. Straßmann-Berlin, Gefängnisarzt Dr. Fritz 
Leppmann-Berlin und Kreisarzt Dr. Hillenberg-Zeits. 

S Uhr nachmittags: Besichtigung des Städtischen Untersuohungs- 
amtes in der Fischerstraßo Nr. 39/42 (Eingang M&hlendamm). 

7 Uhr nachmittags: Festessen (mit Damen) im „Bheingold* (wio vorher). 

Sonnabend, den 23. April: 

O'/a Uhr vormittags: Zweite Sitzung im „Rheingold" (wie vorher). 

1. Die neue Dienstanweisung für die Kreisärzte. Beferenten: Med.- 
Bat Dr. Nickel, Kreisarzt in Perleberg, und Kreisarzt Dr. Meder 
in Cöln. 

2. Yorstandswahl; Bericht der Kassenrevisoren. 

8. Beschluss Aber den Entwurf der Satzungen zum Unterstützung»- 
fonds. 

1 Uhr mittags: Zwangloses gemeinsames Mittagessen (mit Damen) im 
„Bheingold“ (wie vorher). 

8 Uhr naohmittagg: Besichtigungen *). 

8 Uhr abends: Zwanglose Vereinigung *). 

Um recht zahlreiche Teilnahme, auch von seiten der Mitglieder des 
Deutschen Medizinalbeamten-Vereins, die freundlichst eingeladen sind, wird 
gebeten. 

Minden, L W., den 3. März 1910. 

Der Vorstand des Preussischen Medizinalbeamtenvereins. 

L Auftr.: Geh. Mod.-Bat Prof. Dr. Bapmund, Vorsitzender, 

_ Reg.- u. Med.-Rat Id Minden. 

*) Das Nähere darüber wird am Sitzungstage mitgeteilt. 


Bedaktion: Geh. Med.-Bat Prof. Dr. Bapmund, Beg.- u. Med.-Bat in Minden LW. 

J. O. O. Bros«, Eum|I. Sieks. ■. F. Sek-U. Hofbachdrookerel 1 b MIbIm. 







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Ansgeschledes» *ls Mitglied 4cs Provinzial-MeclizioalkoUtgiams der 
Provinz PoBca: Geb« Med.-Hat Df. Sostp. in Posen. 

OßstorbßJn i Oeb. Med r -Hat Dir, Ei ton in Berlin, Kreisarzt des Kreisos 
Teltow, Geh. 3ftn.'K4t Df.. Si«gÄar in Bfe8liu, Dr. Swietlib in Danzig, 
Dr, Ment he in EoU'bäs, Saa.'Bftt Dr,^^Weiößhmer ia Recküngbausei', Dr. 
Hctzold in EDIf.be» , Df. Resse in Bamcn, San.-Bat Dr. Waetzold irr 
Wieehadet. Geb. San,-Bat Dr« Witt© in Groß-Lichterfolde. 

Königreich Bayern. 

Ernannt: Dr. Hock, Oberarzt an der Heil- u. PÜsgeanstait Bayreuth: 
zum .Direktor dieser Anstalt; die prakt. Äerzte Dr. Goobring in Salmbach 
zum Bezirksarzfe in Rothenburg o./T. und Dr. Wild in Endorl »um Bezirks 
atzt in Wiin?ledei. 

Yer&sfat: Oie RtzirkstDzto Dr. Wci ek» irden Neu-Blm nach Kempten, 
Dr. Aumhlier ii>. Beding caeh Garmiseh, Dr.Kfbn so Marbthetdenfejd iia<sh 
Schweinfort, 

0; : Gestorben, i Dr. Abraham Haas in Nürnberg, Bezirksarzt ». D. Dr. 


Meyer: io Erding, • V-. /D..>••./.’• 

Königreich Saohsns. 

Ern&nut’: Geb. Med.-Rat Prot Dr. Ren k ante Präsidenten des Landes- 
Medizinalköllegiams; Dr, IIberg, Oberarzt, an der Irrenanstalt GrcrSsehweidoitz 
zum Mediainalrat und Direktor der Heil- und ffiogeanatftlt SonneusleiD. 

In den Ruhestand getreten Ge.Utimer Rat Dr Weber, Direktor der 
Heil und Ffiegean3ta)t Sonnenstein. ^ ' 


Gestorben: San.-Rat £<r. Schumann iii Dotbeln 

OroaeaerzügtHm Baßen. 
Gestorben. Dr. Nfickcimanu in Grüueield. 


Qrnoeerzogrtum Mecklenburg - Schwerin. 

fieriarbea^QisirrelMit •*.' D, Med.-Bat Dr. E*Archen, in Ludwigslust 


ein neues, angenehm riechendes 


dessen Lösungen überhaupt keinen Geruch 
hinterlassen. 

Das Desfnficiens Tür das Sprechzimmer 
des Arztes,. 

Völlig unschädlich im Gebrauch. 

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I Anstalten in Bendorf a Rhein. 

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*•*** Zeitschrift —^ 

für 

MEDIZINALBEAMTE. 


ZMtnWitt für du gtsanh BeswdMtmui, 

für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenwesen. 

Herausgegeben 

▼Ott 

Geh. Hed-Hat Prot Dr. OTTO RAPMOND, 

Bftormp» ttttd Medlxtttttbttl ln Ktttdea U W* 

Offizielles Organ des Deutsohen, Preussisohen, Bayerischen, Sächsischen, 
WQrttembergischen, Badischen, Mecklenburgischen und Eisass-Lothringischen 

Medizinalbeamtenvereins. 


Verlag von Fischer’» mediz. Buehhandlg., E Kornfeld, 

BnoffL Bay«r. Bor- u. BrxbarxocL Uaimnsr-Bpchhtndlf. 

Berlin W. 35, Ltitzowstr. 10. 

ItteenUe Behmea die VerUfihandlang sowie eile Ajinoneeeexpedltionee des la* 

«ad Attsleades entgegen. 


Nr. 9. 


Kraekolat am I. u< Bmli. 


5. Mai. 


Wer soll im Unfallrentenverfahren die Obduktionen machen? 

Voa Or. Liebetrau, Kreis assistenzarzt in Hagen i. W. 

Im Interesse der Medizin&lbe&mten glaube ich einen Artikel 
in unserem Fachorgan zum Abdruck bringen zu müssen, den ich 
unter der Ueberschrift: „Zur Frage der Sektionen im Unfallrenten¬ 
verfahren* in Nr. 3 der „Monatsschrift für die Steinbruchsberufs- 
genossenschaft“ (Herausgeber Dr. phil. Eisentraeger in Char¬ 
lottenburg) veröffentlicht habe als Entgegnung auf die in Nr. 2 
der genannten Zeitung abgedruckte Zuschrift des Direktors eines 
pathol.- anatomischen Instituts, worin verlangt wurde, daß Unfall- 
Sektionen nur von pathologischen Anatomen gemacht werden sollten 
unter Ausschluß der beamteten Aerzte. Meine Erwiderung, die 
der Herausgeber der Monatsschrift sofort in liebenswürdigster 
Weise aufnahm, lautete: 

„Es muß ohne weiteres „xugegeben werden, daß nur sachgemäßen Vor¬ 
nahme von Sektionen, Abfassung des Protokolls, Auswahl ton Material iu 
mikroskopischen und bakteriologischen Untersuchung pathologisch-anatomische 
Vorkenntnisse gehören. Es wäre aber einseitig und ungerecht, wollte man 
diese Vorkenntnisse und Fertigkeiten lediglich demjenigen xusprechen, der die 
pathologische Anatomie sein Leben lang als Spexialberuf betreibt. Mit dem¬ 
selben Rechte konnte man behaupten, daß nur der Spesialchirurg imstande 
sei, eine kunstgerechte Operation ausxuführen. 

Nun behauptet der betreffende Herr schlankweg, daß „es auch den beam¬ 
teten Aorxten (Kreis- und Gerichtsirxteu) auf dem Gebiete der pathol. Anatomie 


/ 













310 Dr. Lidbetraa: Wer soll im Unfallverf ähren die Obduktion machen? 

in der Regel gänzlich an genügenden Kenntnissen and Erfahrungen fehle, 
so daß sie nicht nur bei jedem etwas ungewöhnlichen Fall vollkommen ver¬ 
sagen, sondern auch meistens nicht zu beurteilen wissen, wie der Gang der 
Sektion zweckmäßig eingerichtet werde, was alles nachgesehen und eventuell 
noch mikroskopisch und bakteriologisch untersucht werden muß“. Leider teilt 
die Monatsschrift bzw. der Autor nicht die offenbar sehr trüben Erfahrungen 
mit, die diesen zu einem so vernichtenden Urteil über die Fähigkeiten einer 
Beamtenkategorie veranlassen, auf deren sachgemäße Ausbildung, auch in 
der pathologischen Anatomie, die meisten Bundesstaaten großen Wert 
legen und deren Eifer und Gewissenhaftigkeit selbst von feindlicher Seite 
anerkannt werden. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß die 
eine oder andere unangenehme Erfahrung, die sicher sehr zu bedauern ist, im 
vorliegenden Falle zu einer sanguinischen Verallgemeinerung Anlaß gegeben 
hat, die tatsächlich nicht gerechtfertigt ist. 

Dem Kreisarzt eines ländlichen Kreises mit ruhiger Bevölkerung und 
ohne Industrie mag es bei seltener Gelegenheit zu Obduktionen wohl bisweilen 
an der nötigen Uebung fehlen. In größeren Bezirken aber haben, wie eigentlich 
dem betreffenden pathoL Anatomen nicht unbekannt sein sollte, die Kreis- 
und Gerichtsärzte eine ausgedehnte Obduktions-Praxis, so daß sie sehr wohl 
imstande sind, Unfall-Sektionen sachgemäß auszuführen. Ein großer Teil der 
modernen Kreisärzte ist auch pathologisch-anatomisch und bakteriologisch 
speziell vorgebildet. Die meisten aber werden schon durch die Gewohnheit, 
sieh an ein staatlich vorgeschriebenes Regulativ für gerichtliche Obduktionen 
zu halten, davor bewahrt werden, „unvollständige und ungenaue Sektions- 
Protokolle“ abzufassen. Die Medizinalbeamten müssen jedenfalls mit Ent¬ 
schiedenheit die Behauptung zurückweisen, daß sie in der Regel derartige 
ungewissenhafte Ignoranten sind, als welche sie der Autor der fragl. Zuschrift 
hinstellt 

Aus meiner Tätigkeit in verschiedenen großen Kreisen, zum Teil mit 
lebhafter Industrie, weiß ich, daß die Berufsgenossenschaften bei ihrem Ver¬ 
fahren, die Kreis- bzw. Gerichtsärzte zu Unfall-Obduktionen heranzuziehen, 
im allgemeinen gut beraten sind. Ich hoffe deshalb, daß sie keinen Anlaß zu 
der grundlegenden Aenderung der bisherigen Praxis haben, die der Herr 
Direktor eines pathoL Instituts für so notwendig hält. Vielfach wird der 
Medizinalbeamte, der tagtäglich auf den verschiedensten Gebieten lebende 
Menschen begutachtet, bei völlig genügender pathologisch-anatomischer Vor¬ 
bildung auch aut dem hier in Rede stehenden Gebiete ein ebenso tüchtiger 
Gutachter sein wie derjenige, der jahraus jahrein mit Leichen und Leichen¬ 
material hantiert.* 

Ich hoffe, daß ich mich mit allen Spezialkollegen in Ueber- 
einstimmnng befinde. Der Angriff beweist wieder einmal, daß 
die Kreisärzte mit allerlei Widerständen, nicht zuletzt ans „kolle¬ 
gialen“ Kreisen za rechnen haben. Die wirksamste Waffe gegen 
ähnliche Vorwttrfe dürfte eine möglichst intensive Ausbildung der 
Medizinalbeamten anf allen denjenigen Gebieten sein, in denen 
sie später praktisch tätig sein müssen. Es ist leider nicht zu 
leugnen — wenigstens habe ich selbst diesbezügliche Beobachtungen 
gemacht —, daß mancher Kreisarzt entweder nicht genügende 
pathologisch-anatomische Kenntnisse erworben oder diese im Laufe 
der Jahre bei mangelnder Uebung wieder verloren hat. Vielleicht 
konnte auch hier eine Reform der Vorbildung zum Kreisarzt, über 
die in nächster Zeit von mir ein Artikel erscheinen wird, gutes 
stiften. Im übrigen bieten die Fortbildungskurse der Medizinal¬ 
beamten die beste Gelegenheit zur Ausfüllung von Lücken; even¬ 
tuell ist es sicher keine verlorene Ausgabe, wenn der eine oder 
der andere Kreisarzt auch auf private Kosten einmal an einem 
Kursus in einem Spezialinstitut tcilnimmt. 



Dr. äolbrig: Di« KiidbettAebarerkrukugeii im &eg.-B««. Alloitdi uw. 811 


Die Kindbettfiebererkrankungen im Reg.-Bezirk Allenstein 
in den Jahren 1907—1909. 


Vo» Dr. 0. Sslbrlf, Regierung«- nai Mediiin&lrnt 1 b AllSBstdn. 

Nach den standesamtlichen Angaben, wie eie in den einzelnen 
Jahrgängen des „Gesundheitswesen des Preußischen Staates* ent¬ 
halten sind, starben in Preußen im Kindbett in den Jahren: 


1900: 4074 = 2,40 auf 10000 wdbl. Pen. and 
1901: 8992 » 2£8 _ 

1902 : 4060 = 2,29 ' 

1908: 4120 = 2^8 

1904 : 4896 = 2,40 

1906: 8968 = 2,18 

1906: 8722 = 1,97 

1907 : 8771 - 1,96 „ 


82,4 

81,07 

81,89 

82,76 

84J4 

81,87 

28,81 

29,42 


auf 10000 Entbanden«, 




Hiernach ist eine absolute und relative Abnahme der Sterb¬ 
lichkeit im Kindbett nicht zu verkennen, wenn sie auch nicht 
gerade erheblich genannt werden kann ; bedeutet doch der jährliche 
Verlust von gegen 4000 Frauen und Müttern für unser Land 
einen unschätzbaren Verlust, der um so schwerwiegender ist, als 
man bestimmt annehmen kann, daß ein großer Teil dieser Ver¬ 
storbenen bei sorgfältigerer Pflege hätte gerettet und erhalten 
werden können. Der Regierangsbezirk Allenstein, der bei 
unseren Betrachtungen besonders berücksichtigt werden soll, ist 
nun in besonders hohem Maße an dieser Sterblichkeit beteiligt. 


Es starben nämlich auf 10000 weibliche Personen in den 
Jahren 1005 (Gründung des neuen Regierungsbezirks): 3,2, 1906: 
2,55 und 1907: 2,59. Auf 10000 Entbundene entfielen 1905: 
47,43, 1906: 85,62, 1907: 37,54 Todesfälle. 

Mit diesen Zahlen übertrifft der Bezirk Allenstein in jedem 
der genannten 3 Jahre bei weitem die meisten übrigen Bezirke; 
eine höhere Sterblichkeit war 1905 nur in 2 Bezirken (am höchsten 
Danzig mit 54,6 auf 10000 Entbundene), 1906 in 6 Bezirken (am 
höchsten Berlin mit 49,9) und 1907 in 8 Bezirken (am höchsten 
wiederum Berlin mit 53,0). 

Die angeführten Sterblichkeitsziffern beruhen, wie bemerkt, 
auf standesamtlichen Angaben und schließen, da es sich um den 
Tod im Kindbett allgemein handelt, naturgemäß auch manche 
Todesursachen in sich, die nicht direkt mit dem Wochenbett in 
Verbindung stehen, sondern zufällige Komplikationen von Krank¬ 
heit und Wochenbett darstellen. Wieviele Wöchnerinnen dem eigent¬ 
lichen Wochenbett zum Opfer fällen, dafür gibt uns vorzugsweise 
die Statistik Auskunft, die auf den sanitätspolizeilichen 
Meldungen von Kindbettfieber beruht. Aus dem Gesund¬ 
heitswesen des Preußischen Staates erfahren wir darüber folgendes, 
wobei bemerkt wird, daß vollständige Zahlenangaben über Morbi¬ 
dität und Mortalität an Kindbettfleber für die ganze Monarchie 
erst seit 1904 vorhanden sind. Vergleichsweise ist in der folgenden 
kleinen Uebersicht, die darüber Aufschluß gibt, auch die absolute 
Zahl der Entbindungen überhaupt vermerkt. 



312 


Dr, Solfcrig; Die Kiodbettflstareikraiikuogen 


Z*kl der Fäll* »öa Kindbett- 

: lifcü«*CTWaak^&sfin.. 


Jahr 


Zahl der 
Ent¬ 
bindungen 


j .Zahl Mille 
Ifttn KindlttÜ-i 
'• fie-bor 


fiävan 


• Äu 1 100 Ent- j 
ibnudeaekumuiea 




Kindbett liebet- 
fülle 


Aui 100 Fälle 
von Kindbctt- 
.fieher kommen 
Tödeefälle 



1901 

190 £! 

1903 

1904 
1900 

1905 
1907 


1284 876 

■ isrrnai* 
l mm 
1 287 402 
1 263299 
% 201 «29 
imm 


4i?ft 

49fft 

4ÖÖ9. 

6105 

t,m 
5 \m 


1033 

1305 

»4-26 

um 


? • 

0,30 

0,39 

0,40 

0,40 

0,40 

0,47 


20,00 

27,00 

37,26 

29,50 

MM 

20,13 


Aue dieser-TabeUe.- -jggfet? hervor* daß die Zahl der Kindbelt- 
fieberfäüe von Jahr su Jahr — bi» auf das Jahr 1904 mit dem 
bia jefczt bScbateß Stand — zs nimmt and daß die SterbHckkeit 
prozentnat eine geringe Besserung auf weist. Non liegt es ja 
nahe, «nzunehme», daß die vermehrt« Zahl der Fälle von Kiad- 
bettfleber seit 1904 damit zasammeiihäagt, daß in dem neuen 
Hehammeniehrbnch bekanntlieb die Ahzeigepäicht der Hebammen 
dahin erweitert und verschärfe wurde, daß sie jeden Fall von 
Temperatarsteigerung über 38 0 dem Kreisarzt anzuzeigen haben, 
wodurch manche früher nicht zur Anzeige gekommenen Fälle zur 
Anzeige gelangen. Da die neue Ausgabe des Hebsrnmenlehi buchs 
aber erat 1905 vor sich ging, würde dadurch nicht der erhebliche 
Anstieg des Jahres 1904 erklärt werdenkönnen. Ferner könnte 
ja wohl auch damit gerechnet werden., daß die Auzeigepflicht der 
behandelnden Aerzte infolge des Dandesseuchengesetzes vom 
28i. Anglist 1905 zu einer Vermehinng der Zahl der Kindbett- 
fieberläUe Anlaß gab. Dies zagegebenj bleibt dann aber die 
Tatsache bestehen, daß die Sterblichkeit nur unbedeutend abge- 
oommen hat. 

Nebenbei möge darauf hingswieaen werden, daß die absolute 
Zahl der Entbindungen in Preußen während des Zeitraums 1901 
bis 1907 keine Tendenz zur Zunahme, eher das Gegenteil zeigt, 
eine Tatsache, die vom sozialpolitischen Standpunkt von großer 
Bedeutung ist. 

Der Regierungsbezirk Allenstein zeichnet sich vor sämtlichen 
übrigen Bezirken in unerfreulicher Weise noch dadurch aus, daß 
in ihm die Zahl der ohne Beistand von Hebammen vor* 
genommenen Entbindungen die bei weitem größte im Ver¬ 
hältnis zur Gesamtzahl der Entbindungen ist, Während in Preußen 
die Zahl der ohne den Beistand von Hebammen vorgekommenen 
Entbindungen im Jahre 1905 ; 161807 «&■ 12,8 %, 1906 (ohne Beg.- 
Bez. Frankfurt): 126458 = 10,07%, 1907; 128822 = 10,05% be¬ 
trug, stellt sieh diese im Bezirk AlleUBtein auf;.46,1, 44,7 und 
42,8 %. Dieser bei der bemerkenswerten Tendenz zur Abnahme noch 
immer außerordentlich hohe Prozentsatz, der auch für das Jahr 
1908 (mit 42,4 %) noch keine nennenswerte Minderung erfahren 
bat, wird nicht annähernd in einem Regierungsbezirk erreicht; 









im Beg.-Bez. Allenstein io den Jahren 1907-1909. 


813 


1906 ist es der Reg.-Bez. Bromberg und 1907 der Reg.-Bez. Posen, 
die mit 27,4 und 27,6 •/„ nächst Allenstein in dieser Hinsicht die 
ungünstigsten Verhältnisse zeigen. Wenn non, wie im „Gesund¬ 
heitswesen des Preußischen Staates im Jahre 1907“ auf Seite 455 
richtig bemerkt ist, „in diesen 10 v. H. (d. h. der ohne Hebammen 
vollzogenen) Entbindungen in nicht nachweisbarer Zahl solche 
enthalten sind, die ein Arzt ohne Zuziehung einer Hebamme ge¬ 
leitet hat, ferner jedenfalls eine grössere Zahl von Entbindungen, 
bei denen Hebammen aus anderen deutschen Bundesstaaten oder 
aus dem Auslande Hilfe geleistet haben“, so trifft dies für den 
Bezirk Allenstein nicht zu. Hier sind in den meisten solcher 
Fälle Hebammenpfuscherinnen tätig gewesen, oder es war außer 
den nächsten Angehörigen überhaupt niemand zur Hilfeleistung 
zugegen. Es steht fest, daß die Hebammenpfuscherei in 
einem erschreckenden Maße hier verbreitet ist, mehr als wohl in 
irgendeinem anderen Bezirk. Die Ursache hierfür ist einmal 
darin zu suchen, daß der Bezirk Allenstein der am schwächsten 
bevölkerte in Preußen ist, in dem der auf eine Hebamme und 
ebenso der auf einen Arzt entfallende Flächeninhalt größer als 
in irgendeinem anderen ist (für 1907: 59,16 qkm auf 1 Hebamme). 
Fürs zweite spielen hierbei die ungünstigen sozialen Verhältnisse, 
namentlich in dem armen Masuren, und dann auch die üblen Ge¬ 
wohnheiten und die Gleichgültigkeit der Bevölkerung auf dem 
Lande eine Rolle. 

Wir müssen hiernach erwarten, daß im Bezirk Allenstein 
das Kindbettfleber und die Todesfälle infolge der Entbindung 
besonders häufig Vorkommen, und werden deshalb dessen eingangs 
erwähnte, besonders hohe Sterblichkeit im Wochenbett ganz be¬ 
greiflich finden. 

Es soll nun im nachstehenden genauer untersucht werden, 
wie die Verhältnisse in diesem Bezirk während der Jahre 1907 
bis 1909 sich gestalten, wie groß die Morbidität und Mortalität 
an Kindbettfleber war, welche Faktoren hierbei eine besondere 
Rolle spielen und in welchem Maße die Hebammen au dem Zu¬ 
standekommen der Kindbettfieberfälle beteiligt sind. Das zu be¬ 
arbeitende Material entstammt zum größten Teil den kreisärzt¬ 
lichen Berichten, die nach einem vorgeschriebenen Fragebogen 
über jeden Fall von Kindbettfieber und Kindbettfieber¬ 
verdacht auf Grund einer jedesmal an Ort und Stelle vorzu¬ 
nehmenden Ermittelung zu erstatten und dem Regierungspräsi¬ 
denten einzureichen sind. Es ist hiernach anzunehmen, daß das 
Material einigermaßen vollständig ist, wenigstens soweit es auf 
den Anzeigen der Aerzte und Hebammen beruht; dagegen ist da¬ 
mit zu rechnen, daß manche der Kindbettfieberfälle, die sich, ohne 
Zuziehung einer Hebamme oder eines Arztes ereigneten, verborgen 
geblieben sind. Es wird davon abgesehen, die Verhältnisse in 
den einzelnen Kreisen und einzelnen Jahren für sich zu besprechen; 
vielmehr sollen die sämtlichen Fälle der 3 Jahre zusammen be¬ 
handelt werden. 



814 Dr. Solbrig. Di« KieibeitfiefeererkraakiiBgeB 

Zunächst gibt folgende tabellarische Übersicht ein Gesamt¬ 
bild über die Zahl der vorgekommsnen Fülle von Kiadbettüeber, 
die Zahl der Todesfälle, die besonderen Verhältnisse der Wöch¬ 
nerinnen (Familienstand, Alter, ? pars), die Art der Geburt, ob 
rechtseitig nur.). 


üst 

der 

Daraster 

Fas&Ülen* 
ata&d der 


Alter 


P 

| Meltipara 

Öebart war 

XfaMl* 

Todea* 

Wfcbae* 


20 

30 


ml. 

2 

6 


beit* 

ÜUe 

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mtoi frMfj 


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L 

I jföiu 


iko* 

Rfi. 

20 

29 

39 

40 

pars 

5 

10 

10 


fUi« 

** 5p 

lieb 

«bei. 


J«Ära 



gM 

}%n 




184 

m 

28,3 

166 

19 

6 

82 

73 

34 

62 

68 

68 

m 

fl-i] 

166 

13 

10 


Hiernach waren von 184 Füllen von KindbetiüeW 52 oder 
28,3% mit tödlichem Ansgang. Die Sterblichkeit ist also 
gegenüber der Sterblichkeit in der Hosarchie Preußen, die im 
Jahr« 1907 26,13 betrug, erhebt, wenn auch nicht gerade er* 
beblich. . V; 

Wenn von 184 Geburten 19 unehelich waren, eo bedeutet 
diesmr Prozentsatz von 10.8 offenbar ein Pins gegenüber dem 
durchschnittlich»» TerhÄltai« der unehelichen zu den Geburten 
überhaupt Steht auch die Zahl der nneheßchen Geburten für 
unseren Eegierangabezirk mir nicht zur Verfügung, so entnehme 
ich dem Werk ,D&* Deutsche Reich in geahfidheiüicher und de* 
mographiseber Beziehung, Berlin 1007“, daß für das Jahr 1005 
die unehelichen Geburten 8,5% sämtlicher Geburten aasmachten. 
Für «iss Königreich Preußen ist nach den Angaben des statistischen 
Landesamte Im Durchschnitt der Jahre 1908 und 1907 da« Vor- 
b&ltnie der unehelichen Geburten anf 7,89 % der Geburten über* 
haupt an berechnen, wobei ein wesentlicher ünterachied zwischen 
Land und Stadt nach der Richtung besteht, daß die Ziffer für 
die Städte erheblich höher ist (9,58% für die Städte, 5,78% 
für das Land). Bei dem Ueberwiegen der ländlichen Bevölkerung 
m Bezirk Alleastein wird man also annehmen können, daß die be* 
rechneten 10,8% der unehelichen Geburten bei unseren Rindbett* 
fieberfüllen weit über den Durchschnitt der unehelichen Geburten 
Überhaupt hinansgehen. Die Erklärung ist wohl sicher darin 
zu suchen, daß die unehelichen Mütter bei ihrer Entbindung 
und im Wochenbett eine weniger sorgfältige Pflege erfahren, als 
die ehelichen Mütter und deshalb leichter an Kindbettfieber er¬ 
kranken. 

Untersuchen wir nun diese 19 Fälle von Kindbetifieber un¬ 
ehelicher Mütter etwas genauer, so finden wir zunächst, daß 2 
von diesen Müttern ohne jeden Beistand und 6 mit Hilfe von 
Pfaacherinnen t die dann aüm größten Teil später durch Hebammen 
ersetzt wurden, niederkamea; in den verbleibende» 11 Fällen, in 
denen der Beistand durch Hebammen geleistet wurde, kam die 
Hilfe der Hebammen auch noch zweimal «rat verspätet,, nachdem 
as Kind schon geboren war. Es sind demnach kaum die Hälfte 



im Beg.-Bez. Allenstein in den Jahren 1907—1909. 


315 


der Entbindungen der an Kindbettfieber erkrankten unehelichen 
Mütter unter sachverständiger Hilfe vor sich gegangen, während 
solche Hilfe bei den erkrankten ehelichen Müttern in 47 von 165 
Fällen, also in 28,5 °/o fehlte. Hieraus geht hervor, daß es längst 
nicht immer die Hebammen sind, die das Kindbettfieber über¬ 
tragen. Wir kommen auf diesen Punkt noch ausführlicher zu 
sprechen. Es stellt sich auch heraus, daß die Sterblichkeit bei 
den Kindbettfleberfällen der Unehelichen höher ist (31,6 %), als 
bei den Ehefrauen (28,0 %). Es ist möglich, daß hier nur ein 
Zufall spielt, zumal die Vergleichszahlen keine großen sind, denk¬ 
bar aber wäre es auch, daß dieser Unterschied in den mancherlei 
ungünstigeren Bedingungen der Wochenbettpflege der unehelichen 
Mütter begründet ist. 

Was ferner das Alter der Frauen betrifft, so sind unter 
den Kindbettfieberkranken 6 unter 20 Jahre alt; das niedrigste 
Alter ist 18 und findet sich zweimal bei unehelichen Müttern, 
deren Schwangerschaft ihr normales Ende erreicht hatte und 
von denen die eine dem Kindbettfieber erlag, während die 
andere genas. 

Ueber 40 Jahre alt waren noch 24 Frauen, d. h. 13 %. Das 
höchste Alter betrug 46 und fand sich dreimal bei Frauen, die je 
6, 12 und 13 Geburten hinter sich hatten. 

Primipara waren 52 oder 28%. 

Im ganzen hatten die 132 Pluripara 797 Entbindungen 
durchgemacht, also durchschnittlich jede 6. Mehr als 10 Ent¬ 
bindungen fallen auf 13 Frauen. Die Höchstzahl der auf eine 
Frau fallenden Entbindungen betrug 13 und fand sich dreimal 
bei Frauen im Alter von 40, 42 und 46 Jahren. 

Unter den 18.4 Fällen waren 19 frühzeitige und 10 un¬ 
zeitige Geburten. Der Prozentsatz der nicht zum regelrechten 
Ende gelangten Schwangerschaften betrug demnach 15,7. Wenn 
durchschnittlich nach den Schätzungen der Autoren etwa 10% 
der Schwangerschaften vorzeitig unterbrochen werden, so würden 
wir annehmen müssen, daß verhältnismäßig häufig nach vorzeitig 
unterbrochener Schwangerschaft Wochenbettfieber vorkommt. 
Uebrigens verliefen von diesen 29 Fällen 8 tödlich (= 27 %), und 
zwar je 4 bei den 19 frühzeitigen und bei den 10 unzeitigen Ge¬ 
burten; die Mortalität weist gegenüber den Kindbettfieberfällen 
nach rechtzeitig beendigter Schwangerschaft keine nennenswerten 
Unterschiede auf. 

Wichtiger ist es, zu erfahren, welcher Art die Hilfe¬ 
leistung war, die den entbundenen Frauen zuteil wurde, also 
festzustellen, wie oft Hebammen und ob rechtzeitig zugezogen 
waren, wie oft Pfuscherinnen allein oder unter späterer Zu¬ 
ziehung von Hebammen die Entbindung leiteten, wie oft sich 
Fälle von Kindbettfieber in der Praxis derselben Hebamme 
wiederholten, und wie oft Aerzte bei den Entbindungen zu Hilfe 
gezogen wurden. Die folgende Tabelle gibt hierüber zahlenmäßige 
Auskunft. 



316 Dr. Solbrig: Die Kjaäbettfiebemkraakaag es 


Art der Hilfeleistung bei den Klndbetilie&rft iilen. 


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Wir finden hiernach, daß nur in 133 von 184 Fällen der 
normale Zustand, daß zunächst die Hebamme zur Entbindung 
gerufen wird, zu verzeichnen ist. Diese Zahl erfährt noch «ine 
Verringerung dadurch, daß unter diesen Fällen 7 sind, in denen 
die Hehamin« so spät emtral, daß die Gehurt des Ein des schon 
vor sich gegangen war und die Hebamme nur noch die weiteren 
Hilfeleistungen (Auastoßang der Kachgebart usw.) besorgen konnte. 
Es bieiben also nur 126 Fälle übrig. Dazu kommt ein Fall, in 
dem die Entbindung allein durch den Arzt erfolgte; es handelte 
sich hier um einen Fall von PJacenfca praevia, der frühzeitig von 
der Hebamme und dem Arzt dem Krankenhaus zugeführt wurde 
nnd der zu einer Genesimg von dem im Anschluß an die Wendung 
und Extraktion aufgefcretenen Kindbettfieber führte. Es bleiben 
somit 57 Fälle oder 8! o/o, bei denen die sachgemäße erste Hilfe 
bei der Entbindung entweder ganz fehlte oder durch voran« 
gegangene Untersuchung ungeeigneter und gefährlicher Personen 
(Pfuscherinnen) die Kreißenden von vornherein der Gefahr einer 
Infektion ausgesetzt worden. Diese 57 Fälle verteilen sich so, 
daß 7 mal die zugezogene Hebamme zu spät eintraf, 18 mal zu¬ 
nächst eine Pfoscherin nnd danach erst eine Hebamme ungezogen 
wurde» 17 mal die Entbindung nur von Pfascherinnen geleitet 
Wurde, 8 mal der Ehemann den Beistand leistete und 6msi die 
Entbundene jeden Beistandes einer Hilfsperson entbehren musste, 
Diese letzten 6 Fälle betreffen 8 Aborte, 2 frühzeitige Geburten 
and nur eine rechtzeitige; meint waren es Mehrgebärende; 
einmal war es eine unverheiratete Person, üebrigeaa ist hier¬ 
unter auch der einzige unter der Gesamtzahl vorgekommeue Fall 
von Driliingsachwaugerscbaft zn nennen, der eine VI. para betraf 
and durch Abort unterbrochen wurde. 

Wie steht es non mit der Sterblichkeit? Sind diejenigen 
Todesfälle an Kindbettfieber, die sich bei der zweiten Grnppe, wo 
es an sachgemäßer Hilfe der Hebammen fehlte, häufiger als bei 
der ersten Gruppe, wo diese Hilfe rechtzeitig geleistet ward«? 

'i Di# in KJammora beteiebneten Ziffern bedeute» die- TodestiUls. 




im Beg.-Be*. Allenitein in den Jahren 1907—1909 317 

Es ist klar, daß diese Frage nicht ohne Bedeutung ist und sich 
wichtige Schlüsse ziehen lassen, wenn sich ergehen sollte, daß 
die Sterblichkeit in der ersten Gruppe sich günstiger stellt, als 
die in der zweiten. In der Tat ergeben sich — wie ich dies von 
vornherein erwartete — erhebliche Unterschiede. 

Während die Gesamtsterblichkeit aller 184 Eindbettfieber, 
wie früher bemerkt, 28,3 °/ 0 beträgt, stellt sie sich bei den 127 
Fällen, in denen die Entbindung allein von der Hebamme oder 
dem Arzt vorgenommen wurde, auf 23 °/ 0 (im ganzen 29 Fälle), 
und beträgt bei den übrigen 57 Fällen 40 o/ 0 (im ganzen 23 Fälle). 
Dieser Prozentsatz wird noch höher und steigt auf 44°/o, wenn 
man nur die Fälle in Betracht zieht, bei denen die Entbindung 
unter Beistand von Pfuscherinnen, des Ehemanns oder ohne jeden 
Beistand vor sich ging. 

Was ist hieraus zu schließen? Doch wohl das, daß ohne 
sachverständige Beihilfe bei der Entbindung die Ge¬ 
fahr der Infektion für die Wöchnerin steigt und zu¬ 
gleich die Gefährlichkeit der Infektion größer wird. 
Man wird sich das letztere so erklären können, daß bei der Ent¬ 
bindung durch Pfuscherinnen oder ohne sachgemäße Hilfe größere 
Wunden an den Geschlechtsteilen gesetzt und die durch unsaubere 
Hände oder unsaubere Unterlagen und dergl. eingeführten In¬ 
fektionskeime Gelegenheit zu weitgehender Ausbreitung finden. 
Leider ist es nicht möglich, irgendwelche genaueren Angaben 
über den Verlauf unserer Kindbettfieberfälle zu machen. Von einer 
regelmäßigen ärztlichen Behandlung, auch in schweren Fällen von 
Eindbettfieber ist nur sehr selten die Bede. Die Kreisärzte können 
bei ihren Ermittelungen nur feststellen, ob Eindbettfieber vor¬ 
handen oder anzunehmen ist; dagegen erfahren sie über den Ver¬ 
lauf weiter nichts, als daß Genesung oder Tod der Ausgang war. 

Von großer Bedeutung für das Zustandekommen des Kind¬ 
bettfiebers ist weiter der Umstand, ob die Entbindung 
unter ärztlichem Beistand und namentlich durch operativen 
Eingriff erfolgte. In obiger Tabelle finden wir verzeichnet, daß 
in 75 von den 184 Eindbettfieberfällen, d. h. in 40,8 °/ 0 , die Ent¬ 
bindung unter gleichzeitiger Zuziehung von Aerzten erfolgte. Es 
ist dies ein ganz bedeutender Prozentsatz; denn nach dem „Gesund¬ 
heitswesen des Preußischen Staates" sind im Jahre 1907 von 
1152766 Entbindungen nur 91530 = 7,1 °/o mit Hilfe des 
Arztes erfolgt. Im Bezirk Allenstein waren es 1907 insgesamt 
589 von 10684 Entbindungen, wenn nur die von den Heb¬ 
ammen aufgezählten Entbindungen berücksichtigt werden, d. h. 
5,5 o/o, und von 18658 Entbindungen überhaupt, d. h. 3,2 °/o, bei 
denen ärztlicher Beistand geleistet wurde. Für das Jahr 1908 
betragen diese Zahlen: 521 Entbindungen mit ärztlicher Hilfe, 
d. h. 2,9 °/o der sämtlichen und 5 °/ 0 der unter Beistand von Heb¬ 
ammen erfolgten Entbindungen. Dagegen ist bei über 40 °/ 0 
sämtlicher Eindbettfieberfälle unseres Bezirks ärztliche Hilfe 
während der Entbindung zugezogen; die Wöchnerinnen, die 
unter ärztlichen Beistand entbunden werden, erkrankten also 



818 Dr. Solbrig: Die KindbettflebereikrenkoBgeo 

mindestens 7 mal so häufig an Kindbettlieber als die übrigen 
Wöchnerinnen. Welcher Art die ärztliche Hilfe in unseren Fällen 
nnd wie gross die Sterblichkeit dabei war, wird weiter unten 
besprochen werden. 

Hier mOge noch erörtert werden, in welchem Umfange die 
einzelnen Hebammen bei den Kindbettfieberfällen beteiligt waren. 
Im ganzen sind es, wie in der obigen Tabelle vermerkt ist, 99, 
also fast die Hälfte aller im Bezirk vorhandenen Hebammen, die 
während der .drei Jahre einen oder mehrere Fälle von Kindbett- 
Heber in ihrer Praxis hatten. Davon sind es 64 der beteiligten 
Hebammen, die nur je einen Fall von Kindbettfieber unter ihren 
Wöchnerinnen erlebten, 24 mit je 2 Fällen. Mehr als 2 Fälle 
hatten 11 Hebammen, davon 8 je 3, 2 je 4 Fälle, und schließlich ist 
es nur eine Hebamme, die mit 10 Fällen von Kindbettfieber inner¬ 
halb von 3 Jahren die Höchstzahl erreichte. In diesem letzten 
Fall kann man allein a priori von «inem bedenklichen Umsich¬ 
greifen des Kindbettfiebers durch Vermittlung der Hebamme 
sprechen. Bei näherer Untersuchung erscheint jedoch auch hierbei 
die Hebamme weniger belastet. Diese 10 Fälle, von denen 3 tödlich 
verliefen, verteilen sich nämlich so auf die Jahre 1907—-1909, daß im 
ersten Jahre 5, im zweiten 3 und im dritten Jahr 2 vorkamen. 
Die zeitlichen Zwischenräume zwischen den einzelnen Erkrankungs¬ 
fällen sind der Reihe nach: 3 Wochen, 8 Wochen, 5 Tage, 
6 Wochen, 9 Monate, 3 Monate, 3 Monate, 4 Monate, 6 Monate. 
Hiernach könnte ein Zusammenhaug der einzelnen Kindbettfieber¬ 
fälle wohl nur zwischen ersten und zweiten (Zwischenzeit 3 Wochen) 
und zwischen dritten und vierten Fall (Zwischenzeit 5 Tage) 
angenommen werden. Da nun im zweiten Fall die Wöchnerin 
sich selbst vor der Entbindung untersucht hatte und die Hebamme 
erst nach Geburt des Kindes erschienen war, wird man ihr diesen 
Fall kaum anrechnen können. Auch von den übrigen Fällen 
waren noch 5 dadurch kompliziert, daß entweder eine Pfuscherin 
zunächst in Tätigkeit getreten oder ärztliche Kunsthülfe für die 
Entbindung notwendig war. Auch die 3 Todesfälle unter diesen 
10 Kindbettfiebererkrankungen waren sämtlich solche, bei denen 
die Entbindung nach erstmaliger Untersuchung einer PfuBcherin 
oder nach operativem ärztlichen Eingriff vor sich gegangen war. 
Demnach ist das Schuldkonto' dieser Hebamme, sofern davon 
überhaupt die Rede sein kann, ein viel kleineres als es zunächst 
wohl scheint; ein schuldhaftes Verhalten konnte jedenfalls nicht 
nachgewiesen werden. 

Um auch bei den übrigen Hebammen, in deren Praxis 
mehr als ein Fall von Kindbettfieber vorkam, feststellen zu können, 
ob ein ursächlicher Zusammenhang zwischen diesen Erkrankungen 
anzunehmen ist, ist genau ermittelt, ein wie großer Zwischenraum 
zwischen den Erkrankungen in der Praxis derselben Hebamme 
bestand. Hierbei ergab sich folgendes. Bei den beiden Fälleu, in 
denen auf eine Hebamme 4 Fälle von Kindbettfieber entfallen, be¬ 
trug der Zwischenraum zwischen den Kindbettfieberfällen bei der 
einen Hebamme 11 Monate, 5 Wochen, 10 Monate, bei der anderen 



im Reg.-Bez. Allenstein Ib den Jahren 1907—1909. 


819 


8 Monate, 1 Jahr und mehr als ein Jahr. Man wird hiernach nicht 
annehmen können, daß diese Fälle unter sich in ursächlichem Zn* 
sammenhang stehen. In den 8 Fällen, in denen in der Praxis einer 
Hebamme je 3 Fälle von Kindbettfieber vorkamen, handelt es sich 
aueh niemals nm eine zusammenhängende Kette von 3 Erkran¬ 
kungen; nur einmal war ein kurzer Zwischenraum von 8 Tagen 
zwischen zwei Erkrankungen, der es wenigstens wahrscheinlich 
machte, daß diese beiden Fälle aetiologisch zusammenhingen. Im 
übrigen betrug der Zwischenraum zwischen den Erkrankungsfällen 
einmal einen Monat, 4mal 1—3 Monat, 2mal 3—6 Monat, einmal 
8—12 Monat und 6 mal über 1 Jahr. 

Was schließlich die 24 Fälle betrifft, bei denen in der Praxis 
eine Hebamme je 2 Fälle von Kindbettfieber sich ereigneten, so 
finden sich darunter nur 8 Fälle, bei denen wegen des kurzen 
Zwischenraums von 5 bis 8 Tagen eine Uebertragung durch die 
Hebamme möglich oder wahrscheinlich ist, und weitere 5 Fälle, 
bei denen die Zwischenzeit 1—3 Monate beträgt und deshalb ein 
solcher ursächlicher Zusammenhang schon unwahrscheinlich ist, 
während in allen andern Fällen die lange Zwischenzeit von mehr 
als 3 Monaten bis zu einem Jahr und darüber dagegen spricht, 
daß die Hebamme als Ueberträgerin der Infektionskeime von der 
einen auf die andere Wöcherin gelten kann. 

In kurzer Zusammenstellung über die zeitlichen Zwischen¬ 
räume zwischen den Kindbettfieberfällen, die jedesmal in der 
Praxis ein und derselben Hebamme Vorkommen, läßt sich die 
hier etwas ausffijirlicher dargelegte Frage folgendermaßen beant¬ 
worten: 


Kindbettiieberfälle, die su 2 oder mehr in der Praxis 
derselben Hebamme yorgekommen sind. 


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1 Woche 

wischenseil 

1-4 

Wochen 

t zwischen 

1-3 

Monat 

den einse 

8-6 

Monat 

Inen Fälle) 

6-9 

Monat 

■ 

1 Jahr 
and mehr 

86 

6 

Zahl der Fälle 

1 | 13 | 11 | 10 

16 


Es erhellt hieraus, daß als Infektionsquelle bei unseren 
Kindbettfieberfällen eine andere fiebernde Wöchnerin und als 
Zwischenträgerin die Hebamme nur in ganz vereinzelten Fällen 
in Betracht kommen kann. Man wird doch kaum annehmen 
können, daß der Infektionsstoff, den eine Hebamme durch Berühren 
einer fiebernden Wöcherin an sich, ihrem Körper, ihren Gerät¬ 
schaften und Instrumenten mit sich trägt, länger als 4 Wochen 
an ihr haften bleiben kann; es müßte denn sein, daß alle Regeln 
der Sauberkeit aufs gröblichste vernachlässigt werden. Nun hat 
in unseren Fällen keine einzige Hebamme die Pflege der fiebernden 
Wöchnerinnen übernommen, im Gegenteil wurden alsbald nach 
Auftreten des Fiebers die Wochenbesuche, sofern überhaupt solche 
noch gemacht wurden, eingestellt — was in hiesiger Gegend auf 
dem Lande meist unterbleibt, da in der Regel ein Wochenbesuch 








820 Df. Solbrlg: Die Kindbettflebererkrankungen 

schon alles mögliche bedeutet and nicht selten die Hebamme 
bedeutet wird, nach vollzogener Entbindung alles weitere der 
Wöchnerin selbst zn überlassen. Die einzelne Hebamme hat des¬ 
halb in den Fällen von Kindbettfieber oft ihre Besuche schon 
eingestellt, wenn das Fieber znm Aasbrach kommt, jedenfalls 
aber nnr kurze Zeit in Berührung mit der Wochenbettkranken 
gestanden. Außerdem wird seitens der Kreisärzte regelmäßig 
daraaf gehalten, daß jedesmal eine Desinfektion der Gerätschaften 
und möglichst eine Reinigung der Hebamme selbst durch ein 
Vollbad vorgenommen wird. Aus alledem sind wir zu der An¬ 
nahme berechtigt, daß die Hebamme als Vermittlerin der Infektion 
von einer Wöchnerin auf die andere in unseren 184 Fällen von 
Kindbettfieber höchsten in ß Fällen mit mehr oder weniger Wahr¬ 
scheinlichkeit in Betracht kommen kann. Die genaueren Fest¬ 
stellungen, die seitens der Kreisärzte in jedem einzelnen Fälle 
über das etwaige schuldhafte Verhalten der Hebamme gemacht 
wurden, ergaben, daß nur in 10 Fällen den Hebammen geringere 
Verstöße gegen die Vorschriften ihres Lehrbuches nachzuweisen 
waren. Diese Verstöße bestanden in unterlassener Anzeige des 
Fiebers im Wochenbett, unvorschriftsmäßige Desinfektion, Vor¬ 
nahme weiterer Entbindungen vor Einholung von Verhaltungs¬ 
maßregeln, unterlassenem Verlangen nach ärztlicher Hülfe bei 
regelwidrigen Lagen und dergl. Außer Verwarnungen wurden 
deswegen in 8 Fällen Polizeistrafen in Höhe von 5 bis 15 Mark 
verhängt. Im allgemeinen wird man den Hebammen des Bezirks 
das Attest ausstellen können, daß sie pflichtm^ßig vorgegangen 
sind und sich ihrer Aufgabe, die unter den ärmlichen, unhygienischen 
Verhältnissen der Landbevölkerung und bei den weiten Ent¬ 
fernungen oft recht große Anforderungen stellt and nur schlecht 
entlohnt wird, gewissenhaft entledigen. 

An dieser Stelle mag erwähnt werden, in welcher Weise 
gegen das Pfuschertum, das, wie wir gesehen haben, bei der 
Gebartshülfe im Bezirk Allenstein außerordentlich verbreitet ist, 
vorgegangen wurde. Es besteht für die Provinz Ostpreußen eine 
Polizei Verordnung vom 16. November 1885, in der es heißt: 

„Sowohl die gewerbsmäßige als auch die nicht gewerbsmäßige Ausübung 
der geburt8httlllichen Tätigkeit ist solchen Personen verboten, welche sich 
nicht im Besitse des hierzu erforderlichen Prüfuogszeugnisses befinden. Fälle 
der Not sind von diesem Verbote ausgenommen.“ 

Wenn hiernach auch eine Handhabe gegeben ist, um gegen 
die Pfuscherinnen vorzugehen, and wenn auch regelmäßig Anzeige 
erstattet wird, wenn solche Fälle bekannt werden, so gelingt es 
doch nur recht selten, durch die Gerichte eine Bestrafung herbei- 
zuführen, da einmal die Zeugen, die ja die beteiligte Wöchnerin 
und deren Ehemann sind, nicht selten versagen und dann gar zu 
leicht ein Notfall angenommen wird. So erklärt es sich, daß es 
leider nnr in 3 Fällen gelang, die beteiligten Pfuscherinnen, von 
denen mehrere als gewerbsmäßige Helferinnen bekannt waren, mit 
Geldstrafen in Höhe von 3 bis 30 Mark zu belegen. Eine straf¬ 
rechtliche Verfolgung gegen Pfuscherinnen wegen fahrlässiger 



im Beg.-Bez. AUenstein in den Jahren 1907—1909. 321 

Körperverletzung oder Tötung wnrde mehrere Male eingeleitet. 
Zu einer Bestrafung kam es in keinem Falle, da der Beweis 
nicht zu erbringen war, daß bei sachgemäßer Hfllfe die betreffende 
Wöchnerin gerettet worden wäre. An dieser Kalamität scheitern 
leider so manche dahin gehörige Leistungen von Kurpfuschern. 
Erwähnenswert ist noch ein Fall, in dem der Ehemann unter 
Anklage gestellt wurde, weil er es unterlassen hatte, für seine 
der Entbindung entgegensehenden Frau Hülfe herbeizuholen, so 
daß letztere, die schon vor der Entbindung krank war, an Kind¬ 
bettfieber zu Grunde ging. Der Mann wurde zu 4 Monaten 
Gefängnis verurteilt, eine Strafe, die um so mehr am Platze war, 
als sich herausstellte, daß auch die erste Frau nach einer Ent¬ 
bindung, die sie ohne sachverständige Hülfe durchmachen mußte, 
verstorben war. 

Wir haben jetzt noch etwas näher auf die Fälle von Kind¬ 
bettfieber einzugehen, die Entbindungen mit Zuziehung 
ärztlicher Hülfe betreffen. Es sind dies nach der nachstehenden 
Tabelle 75 Fälle. Bei 8 dieser Fälle war der Arzt zugezogen, 
ohne operativ einzugreifen, während in 67 Fällen die Ent¬ 
bindung unter Vornahme ärztlicher Operationen ansgeführt oder 
vollendet wurde. Die betreffende Tabelle gibt auch über die Art 
des ärztlichen Eingreifens näheren Aufschluß; gleichzeitig ist die 
Zahl der Todesfälle vermerkt. Insgesamt sind von den 75 Fällen 
21 = 28°/ 0 tödlich verlaufen; wenn man nur die 67 operativen 
Fälle in Betracht zieht, wird das Prozentverhältnis mit 27 °/ 0 
noch etwas niedriger. Vergleichen wir die Sterblichkeit der mit 
oder ohne ärztliche Hilfe entbundenen Wochenbettfieberkranken, 
so finden wir, daß da kaum Unterschiede herrschen, denn von 
109 ohne ärztliche Hülfe Entbundenen starben 81 = 28,4 # / 0 . 
Unterschiede traten erst zu Tage, wenn man die Beteiligung der 
Pfuscherinnen bei den Entbindungen berücksichtigt. Von 58 Kind¬ 
bettfieberfällen nämlich, bei denen die Entbindung von den Aerzten 
unter Beistand von Hebammen vor sich ging, endeten 14 = 24 °/ 0 
tödlich, während die Sterblichkeit bei den 13 Fällen, in denen 
neben dem Arzt vorher auch eine Pfuscherin tätig gewesen war, 
54 °/ 0 beträgt (7 Todesfälle). Der bedeutende Schaden, den die 
Pfuscherinnen anrichten, erhellt hieraus aufs deutlichste. 

Entbindungen mit Zuziehung ärztlicher Hälfe. 


Zahl der Fälle (Todesfälle) 


mit operativen Eingriffen 


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322 


Dr. Solbrig: Di« Kiadbettfiebemkrankugea 


Als ein Gnriosnm unerfreulicher Art mnß erwähnt werden, 
daß in einem Fall, in dem eine Hebamme selbst niederkam, von 
dieser zunächst nicht eine Nachbarkollegin, sondern — eine 
Pfuscherin zn Hülfe geholt wurde. Erst später entschloß sich 
die Hebamme, eine Kollegin zu Bäte zu ziehen. Da sie vorher 
sich selbst untersucht hatte, kann es zweifelhaft bleiben, ob die 
Infektion hierdurch oder durch die Pfuscherin erfolgte. Der Fall 
endete mit Genesung. An der nötigen „Aufklärung" angesichts 
dieses Falles ließ es der Kreisarzt nicht fehlen. Es ist zu hoffen, 
daß solche Vorkommnisse große Ausnahme bleiben. 

Aus den bisherigen Betrachtungen ergab sich bereits, daß 
für die Entstehung und Uebertragung des Kindbettfiebers die 
Hebammen offenbar seltener verantwortlich zu machen sind, als 
man vielfach annimmt. Wir wollen versuchen, noch genauer 
nachzuforschen, in wieviel Fällen unserer Kindbettfieberfllle die 
Hebammen als die wahrscheinlichen Infektionsver- 
mittler; angesehen bezw. ausgeschlossen werden können. Wir 
werden zunächst alle die Fälle den Hebammen nicht auf ihr Konto 
setzen können, bei denen Pfuscherinnen ihre Hand im Spiele 
hatten; das sind, wie früher bemerkt, 36 Fälle. Dazu kommen 
die Entbindungen, die vom Ehemann geleitet wurden oder ohne 
jeden Beistand vor sich gingen, zusammen 14, danach der eine 
Fall, bei dem überhaupt nur ein Arzt die Entbindung voraahm, 
und die 7 Fälle, bei denen die Hebamme erst nach der Geburt 
des Kindes erschien. Somit verbleiben 126 Fälle. Von diesen 
können wir diejenigen ausscheiden, bei denen gleichzeitig mit 
der Hebamme ein Arzt zugezogen war, das sind unter diesen 
126 Fällen 57, so daß nur noch 69 verbleiben. Unter diesen 
letzteren 69 Fällen befinden sich nur noch 13, bei denen ermittelt 
wurde, daß das Geburtslager besonders unsauber oder geradezu 
schmutzig war. Wenn nun auch zuzugeben ist, daß dem Zustand 
des Geburtslagers in dieser Beziehung nur ein bedingter Wert 
beizumessen ist, zumal seine Beurteilung dem subjektiven Ermessen 
anheimfällt, so darf dieses Moment doch auch nicht außer Acht 
gelassen werden, wenn es sich darum handelt, nach der Entstehung 
des Kindbettfiebers zu forschen. Ziehen wir somit diese 13 Fälle 
auch noch ab, so sind noch 56 übrig. Es muß übrigens bemerkt 
werden, daß in einer größeren Anzahl von Fällen zwei oder drei 
der vorher angeführten Momente, die für die Entstehung des 
Kindbettfiebers, abgesehen von dem Eingreifen der Hebammen, 
in Betracht kommen, vorliegen, d. h. es findet sich zugleich die 
Beteiligung einer Pfuscherin mit ärztlichem operativen Eingreifen 
oder Selbsthilfe einer Wöchnerin mit unsauberem Geburtslager 
und dergl. Von den 56 Fällen sind nun noch einige in Abzug zu 
bringen, bei denen eine Uebertragung der Infektion durch die 
Hebamme auszuschließen oder zum mindesten unwahrscheinlich 
ist Das sind 2 Fälle, in denen die Wöchnerinnen sich selbst 
untersucht hatten, 2 Fälle, bei denen wegen eingetretenen Damm- 
v risses oder wegen Zurückbleibens von Eihautresten der von dar 
Hebamme verlangte Arzt verweigert wurde, 4 Fälle, bei denen 



im Reg.-Be*. Allenstein in den Jahren 1907—1909. 


333 


das Fieber entweder schon vor oder gleich nach der Entbindung 
aufgetreten war, 1 Fall, in dem das Fieber erst sehr spät, als die 
Hebamme längst ihre Besuche eingestellt hatte, auftrat, 1 Fall, 
bei dem die Infektion offenbar durch ein vorher an Diphtherie 
erkranktes Kind der Wöchnerin erfolgt war. Nach Abzug dieser 
10 Fälle verbleiben nur noch 46 Fälle von Kindbettfieber, bei 
denen es nicht möglich war, Anhaltspunkte für die Entstehung 
des Kindbettfiebers zu finden, die außerhalb der Hebamme 
liegen. Damit ist natürlich nicht gesagt, daß alle diese 
Fälle den Hebammen zur Last zu legen sind, da man mit 
allerlei Faktoren, die sich selbst der sorgfältigsten Untersuchung 
entziehen können, wie Selbstuntersuchung der Wöchnerinnen 
(hier zu Lande anscheinend recht verbreitet!), unbekannt ge* 
bliebene Untersuchung von Pfuscherinnen, Infektion durch 
schmutzige Unterlagen u. a. m. wird zu rechnen haben. An¬ 
derseits ist es selbstverständlich, daß auch von den anderen 
Fällen, bei denen wir gewisse Anhaltspunkte für die Entstehung 
des Wochenbettfiebers haben finden können, manche durch ein 
Verschulden der Hebamme entstanden sein können. Es kam mir 
aber darauf an, zu zeigen, daß es sicher nicht richtig ist, ohne 
weiteres die Hebamme als die Infektionsquelle bei Kindbettfieber 
anznsehen, sondern daß daneben noch andere wichtige Faktoren 
zu berücksichtigen sind. Es braucht nicht hervorgehoben zu 
werden, daß ich deshalb nicht eine weniger strenge Beaufsichtigung 
der Hebammen befürwortete. Es soll nur nicht, wie ich mit 
Rathmann 1 ) meine, der Kreisarzt von vornherein bei jedem 
Fieberfall in der Hebamme die schuldige sehen und gleich mit 
Strafen und Anzeigen drohen; er soll vielmehr bei aller scharfen 
Kontrolle und bei häufigen unvermuteten Revisionen, wie solche 
die Dienstanweisung in ihrer neuen Fassung vorschreibt, der 
Berater der Hebamme sein, an den sie sich in vollem Vertrauen 
wendet, und der sie in Schutz nimmt gegenüber unberechtigten 
Anschuldigungen seitens des Publikums. 

Die Mittel und Wege, die anzuwenden und zn betreten 
sind, um das Kindbettfieber zu bekämpfen und die noch immer 
recht hohe Sterblichkeit im Wochenbett herabzudrücken, sind 
Bekämpfung des Hebammenpfuscherwesens und Besserstellung der 
Hebammen. Beides geht Hand in Hand, denn die Unterdrückung 
des Pfuschertums hat schon ohne weiteres eine Verbesserung der 
Hebammen in pekunärer Hinsicht zur Folge. Sehr viel können 
wir uns von der staatlichen Hülfe versprechen; es ist bekannt, 
daß für die Unterstützung des Bezirkshebammenwesens in Preußen 
seit dem Jahre 1908 ein Betrag in den Staatshaushaltsetat ein¬ 
gestellt worden ist, der schon nach dem ersten Jahr von 50000 
auf 100000 Mark erhöht wurde. Besonders freudig und dankbar 
ist es zu begrüßen, daß dem Regierungsbezirk Allenstein, der, 
wie ieh nachgewiesen habe, unter dem Pfuscherwesen ganz be¬ 
sonders zu leiden hat und in dem die Hebammen bei der Armut 


’) Rathmann: Die Wochenbetterkraakungen und unsere Hebammen, 
Diese Zeitschrift, 1909, Nr. 19. 



324 Kleinerb Mitteilungen nnd Referate ans Zeitschriften. 

and dem sozialen Tiefstand der Bevölkerung ein vielfach kümmer¬ 
liches Dasein fristen, ans diesem Fonds ein namhafter Beitrag 
zagesichert ist, falls die betreffenden Kreise die Vorbedingungen 
betreffs Regelung des Bezirkshebammenwesens erfüllen. Da in 
fast allen Kreisen des Bezirks im Verhältnis zu den vorhandenen 
Mitteln für das Hebammenwesen erhebliches geleistet wird, ist 
zu hoffen, daß mit der bevorstehenden staatlichen Beihilfe die 
Hebammen einigermaßen ihr Auskommen finden werden. Dies 
wird dann zur Folge haben, daß es an dem nötigen Nachwuchs 
nicht fehlt und Bezirkshebammenstellen niemals unbesetzt bleiben 
müssen, wie es jetzt nicht selten vorkommt. Man wird dann auch 
in der Lage sein, neue Hebammenbezirke zu bilden. Je größer die 
Zahl der Hebammen wird, desto weniger werden die Pfuscherinnen 
in Tätigkeit treten. Es wird aber noch vieler Aufklärungsarbeit 
in der Bevölkerung über den Schaden des Hebammenpfuschertums 
und unnachsichtiger Anzeigen und Bestrafungen bedürfen, ehe hier 
auf dem Lande ein gesunder Zustand geschaffen sein wird. 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 

A. Oerlohtllohe Medizin. 

Beitrag zur gerichtlich-medizinischen Spermaforschung. Das 8perma 
in der Leichenurethra. Von Dr. Firmln Der vieux, Präparator an der Fa¬ 
kultät (Paris). Ann. d'hyg. publi. et de m6cL 16g.; IV. 86r., XII, 1909, Nr. 1, 
Seite 28. 

Bei allen Todesarten kommt in der Urethra der Leiche Sperma vor, 
das durch die Gegenwart von Samenfäden und die Kristallproben als solohes 
erkennbar ist. Allerdings fehlt die Flüssigkeit in etwa der Hälfte der Fälle 
(83 von 170) aus mannigfachen Gründen, namentlich oft bei älteren Wasser¬ 
leichen. Spermatozoon, Florencesche und Barberlösche Reaktion können 
gleichzeitig oder einzeln vorliegen; die Barberiosche fehlt häufiger als die 
Florencesche, wenn Spermatozoon vorhanden sind. Keinesfalls besteht aber 
ein Unterschied in dem Sinne, wie einige Autoren behauptet haben, daß nur 
bei vitaler Samenentleerung Barberiosche Kristalle nachgewiesen werden 
können, nicht aber im postmortal ausgeflossenen Samen. Die Barberiosche 
Reaktion ist überhaupt für die Praxis des Gerichtsarztes ungeeignet. 

Dr. P. Fraenckel-Berlin. 


Beitrag zur gerichtlich-medizinischen Spermaforschung. Der Nach¬ 
weis der Samenfäden auf Wische, weissen Stoffen und Holz- Von Dr. Finnin 
Dervieux, Präparator für gerichtliche Medizin an der Fakultät (Paris). 
Ann. d’hyg. publ. et de m6d. leg.; IV. S6rie, XII, 1909, Nr. 3, S. 210—230. 

Nach einer historischen Einleitung über die Methoden des Spermanach¬ 
weises überhaupt wird mitgeteilt, daß die Corin-Stockissehe Färbemethode 
auf weißen 8toffen besonders schOne Bilder ergibt, wenn nach Einwirkung der 
ammoniakalischen ErythrosinlOsung die Faser in einer 0,05 °/ 0 Methylenblau- 
lOsong zerzupft, mit einem Tropfen Wasser nachgewaschen, an der Loft ge¬ 
trocknet und dann in Balsam untersucht wird: Dunkelviolette Kopfe, an¬ 
geblich deutlich abgehoben von dem hellblauen Gewebe, die Schwänze deut¬ 
lich blau. Wie diese Verbesserung aber auf anders gefärbten Stoffen zu ge¬ 
stalten ist, soll erst in einer besonderen Arbeit verraten werden. 8perma 
auf Holz läßt sich ebenso färben, man braucht den abgelOeten Splitter nicht 
abzufasetn. Dr. P. Fraenckel-Berlin. 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 325 

Die gerichtlich-medizinische Bedeutung der Blutbeschaffenheit beim 
Erstickungstode. Von Dr. Ernest de Craene, Gerichtsarzt der Universität 
Paris, Spezialdoktor der freien Universität Brüssel. Ann. d’hygiene publique 
et de mödedne legale; IV. Serie, XII, 1909, Nr. 5, S. 388. 

Die noch immer ungeklärte Frage, welche Bedingungen über das 
Gerinnen oder Fiüssigbleiben des Blutes Erstickter entscheiden, hat der Ver¬ 
fasser experimentell an etwa 50 Tieren unter Berücksichtigung aller vor¬ 
liegenden Erfahrungen neu untersucht. Die Erstickung geschah durch rasches 
Abklemmen der Trachea mittels eines Instrumentes; zum Vergleiche wurde 
das Blut von anders getöteten Tieren untersucht. Vollständig flüssig ist das 
Blut nun in keinem einzigen Falle gefunden worden, die Menge und Art der 
Gerinnsel war aber verschieden. Nachträglich gerinnbar war das Blut von 
Hunden im allgemeinen nur 48 Stunden nach dem Tode, das von Kaninchen 
Viel länger. Verdauungszustand oder Hunger waren ohne wesentlichen Einfluß 
auf die Gerinnselbildung; Aderlässe bewirkten dagegen eine Vermehrung des 
flüssigen Blutes. Der Zusammenhang zwischen Leukozytose und Gerinnung 
ist sehr zweifelhaft; künstliche Leukozytose vermehrte die Gerinnsel nicht. 
Speckhautgerinnsel zeigten sich bei Hunden, die durch Unterernährung oder 
Aderlaß anämisiert waren. Ein mit den Trabekelmuskeln verfilztes Speckhaut¬ 
gerinnsel wurde einmal bei einem weder anämischen, noch Hyperleukozytose 
bietenden Hunde gefunden. Schneller Tod wird also durch den Befund von 
Speckhautgerinnseln nicht ausgeschlossen, auch dann nicht, wenn sie verfilzt 
sind. Für den Aggregatzustand des Blutes sind nach des Verfassers Erfahrungen 
und nach den ausführlich besprochenen gegenwärtigen Theorieen maßgebend 
die Beschaffenheit des Endothels und die Fibrinolyse. Veränderungen der 
enteren im oder nach dem Tode verursachen Gerinnung, die zweite sucht das 
Fibrinogen zu vernichten. Die Tierart, die Schnelligkeit, mit der sich Fibrin¬ 
ferment aus dem Proferment bildet (nach dem Tode nicht lange), pathologische 
Umstände, die Menge der in der Kachexie rasch zunehmenden anti- 
fibrinolytischen Substanzen bedingen den endlichen Zustand mit. Im einzelnen 
bestehen Unterschiede bei den verschiedenen Versuchstieren; ihre Art ist des¬ 
wegen bei künftigen Versuchen genauer anzugeben. Aber alle Unterschiede 
sind nur quantitativ, so daß Schlußfolgerungen aus den Experimenten auf das 
Verhalten des Menschenblutes zulässig sind. 

Dr. P. Fraenckel-Berlin. 


Ueber den Einfluss des Vagus auf den Vorgang der Erstickung. 
Von E. Galante-Palermo. Archivio di Fisiologia; 1909; Fasz. IV. 

Hunde mit atropinisiertem oder reseziertem Vagus unterliegen der Er¬ 
stickung rascher als Hunde mit intaktem Vagus. Die Aufhebung der Vagus¬ 
funktion bewirkt während der Asphyxie schnellen Sauerstoffverbrauch des 
Blutes, Beschleunigung des Stoffwechsels, rasche Erschöpfung und stürmische 
Ueberladung der Zellen mit toxischen Stoffen. Dr. Revenstorf-Breslau. 


Heber Rauchvergiftung bei Feuerwehrleuten. Von Dr. H. Coulland, 
mödicin-major. Ann. d’hygiöne publique de mödecine legale; IV. 86rie, XII 
1909, Nr. 6, S. 490. 

Ueber die Häufigkeit der Rauchvergiftung bei der Pariser Feuerwehr 
(durchschnittlich 4 Fälle im Jahre) im Vergleich mit anderen Wehren belehrt 
eine Rundfrage bei den wichtigsten Städten der Welt, auf deren Beant¬ 
wortungen verwiesen werden muß. Schwere Erkrankungen sind ganz allgemein 
äußerst selten. Es handelt sich vor allem um Schleimhautkatarrhe, die zu 
chronischer Bronchitis und eventuell Tuberkulose disponieren können; ferner 
um Anfälle von Uebelkeit, Erbrechen, Kopfschmerz usw. Ohnmacht ist das 
erste ernste Zeichen der Vergiftung. Wie besondere Tierversuche zeigten, 
sind die schweren Symptome die Folge der CO- und CO i-Vergiftung. Zelluloid¬ 
dämpfe können durch Blausäureentwicklung gefährlich werden. Salpetrig¬ 
säurehaltige Dämpfe können durch heftige Reizwirkungen töten. Die Gruben¬ 
vergiftung beruht wahrscheinlich auf dem Sauerstoffmangel, nicht auf Schwefel¬ 
wasserstoffeinatmung. Schließlich wird die Prophylaxe und Therapie be- 



836 Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 

sprachen. Von den Atmongsapparaten wird besondere der „Pneumatogen“ von 
ü am bergXr<&jBo.eck'empfohlen, der eich in Courri&res bewährt hat. 

_ Dr. P. Fraenekel-Berlin. 

Beitrag nr Lehre tob Erhingungstode. Von Dr. Angelo dp Dominicie. 
Deutsche med. Wochenschrift; 1909, Nr. 48. 

Versuche im gerichtlich-medizinischen Institut in Paria an Hunden, die 
man zun&chst mittels des am Habband angebrachten Dynamometers ruhig 
hochhob, dann aber an einer &0 cm langen Schnur unter Einschaltung des 
Kraftmessers erhängte, ergaben beim Erhängen unter Einfluß der Bewegungen 
des Tieres eine Aber doppeltgroße Zugkraft als beim passiven Hängen. Da¬ 
durch wird die Entstehung größerer Verletzungen an Lebendon gegenüber 
aufgehängten Leichen verständlich. Praktisch wichtig aber kann die Fest¬ 
stellung werden, ob die Zugfestigkeit der Schnur das Gewicht der Leiche nur 
um geringes übertrifft, weil dadurch der Verdacht auf nachträgliches Auf- 
hängen derselben gestützt wird. Dr. Liebetrau-Hagen i. W. 


Ueber Wasserleichen. Von F. G. Crookshauk, Surgeon to the 
Thame Divisions Metropolitan Police. The Clinical Journal; 1910, S. 231. 

Die Mitteilung enthält einige interessante Angaben über die Wasser¬ 
leichen, die alljährlich in beträchtlicher Anzahl in der Themse oder an deren 
Ufern im Gebiet der englbchen Hauptstadt gefunden werden. Viele Selbst¬ 
mörder wählen die Zeit von Mitternacht bb Sonnenaufgang. Nicht seiten 
steht die Zeit mit dem Schluß der Wirtschaften in Beziehung. Unter den 
Effekten der Landstreicher fehlt fast nie eine Zahnbürste und ein Stück Seife. 
Diese Klasse von Selbstmördern liebt es außerdem, vor dem letzten Bade die 
Stiefel auszuzieben und ans Ufer zu stellen. Aus derartigen äußeren Um¬ 
ständen kann manchmal die FluthOhe des Wassers und dann auch die Zeit 
des Selbstmords berechnet werden. 

Selbstmord durch Ertrinken in flachem Wasser bt nichts Seltenes. 
Eines Morgens wurde eine Frau beobachtet, die in das seichte Wasser ging 
und den Kopf untertauchte. Bevor ein vom gegenüberliegenden Ufer herbei¬ 
eilendes Boot eintraf, war die Lebensmüde ertrunken. Die Leichen von Selbst¬ 
mördern, die im flachen Wasser ertrinken, pflegen hoch auf den Strand gespült zu 
werden. Jedoch handelt es sich nicht immer um Ertrinkungsfälle, wenn eine 
Leiche am Flußufer gefunden wird. Manchmal liegt Vergiftung, Lungentuber¬ 
kulose und Anderes vor. Dabei kann es Vorkommen, daß die Leiche eine 
Zeitlang vom Wasser bedeckt wird, um später wieder auf dem trockenen Lande 
zurückzubleiben. Ein Fall betraf einen Knaben, der einen Schädelbruch durch 
Sturz von einer Brücke erlitten hatte, bewußtlos war und in der steigenden 
Flut ertrank. 

Die vielen Untiefen der Themse verhindern mebt ein Vertreiben der 
untersinkenden^ Leichen. In einem Falle wurde eine versandete Fettwachs- 
leiche aufgebaggert. Die Leichen tauchen auf nach 14 Tagen. Schwimmende 
Wasserleichen haben oftmab auch eine aufrechte Steilung. Ihre Lage im 
Wasser wird bestimmt von der Menge und der Verteilung der Körperfette. 
In den Taschen stecken nicht selten Zeitungen. Neugeborene sind mitunter 
in Zeitungspapier ebgewickelt, gewöhnlich in der letzten Abendnummer vor der 
Aussetzung. Nasses Papier sollte unter Wasser entfaltet werden, um es nicht 
au zerreißen. Leichen, die schon mehrere Tage im Wasser gelegen haben, 
weben manchmal Battenbbse auf an der Dorsabeite der Hand. Totenstarre 
tritt gewöhnlich früh ein. Abnorm langdauernde Totenstarre wird manchmal 
durch die Konsbtenzzunahme der Fette durch die Kälte vorgetäusebt. 

Crookshauk hat bei Wasserleichen mehrmab Zeichen beginnender 
Meningitis tuberculosa gefunden. Bei Alkoholbten und Vagabonden sind 
Pleuraadhäsionen häufig. Brustfellverwachsungen verhindern die gute Ausbildung 
de« wichtigsten Ertrinkungszeichens, der Lungenblähung. — Noch wenig unter¬ 
sucht bt aas Verhalten untersinkender Leichen in Flußgebieten, die, wie die 
Themse und die Unterelbe von Ebbe und Flut beherrscht werden. Das Ver¬ 
treiben bt abhängig von dem spezifischen Gewicht der Leiche, von Untiefen 
des Flußbettes, mechanbchen Hindernissen, Strömungsgeschwindigkeit, Strom¬ 
richtung, Dampferverkehr, Größe der Nebenflüsse und anderen Faktoren. Die 



Kleinere Mittellangen and Referate aas Zeitschriften. 


827 


Unterelbe bei Hamburg hat eine 8tromgeschwindigkeit, welche einen schwim- 
inenden Gegenstand unter gewöhnlichen Verhältnissen ca. 18 km stromabwärts 
trägt and mit der nächsten Tide wieder ca. 16 km stromaafwärts schallt 
wobei eine von der Wasserführung der Nebenflüsse abhängige Verschiebung 
nach der Seite der Zuflüsse stattilndet. Untersinkende Leichen taachen in der 
Regel nahe der Unfallstelle oder eine kurse Strecke abwärts davon wieder 
aal, auch wenn sie erst nach einigen Tagen zom Vorschein kommen. Das 
Yertreiben erfolgt parallel dem Ufer, wenn der Strom aaf der Seite des näher 
gelegenen Ufers keine größeren Zuflüsse erhält. Eine Anzahl von Wasser* 
leichen wird alljährlich in die Schwimmdocks gespült — abweichend von 
London, wo die Docks nicht im freien Strom liegen — and von diesen ge« 
hoben. Größere Strecken in karzer Zeit legen nar an der Oberfläche treibende 
Leichen zurück and nach diese nar während der Nachtzeit, da sie am Tage 
im belebten Hafengebiet bald gesehen and aafgefischt werden. Nach dem 
Untergang des „Primus“, der in dankler Sommernacht erfolgte and etwa hun¬ 
dert Personen das Leben kostete, waren mehrere Leichen unter dem Schatze 
der Dunkelheit in wenigen Standen 7 km stromaafwärts getrieben. 

_ Dr. B even st orl-Breslau. 

Plötzlicher Tod bet Epileptischen. Von J. F. Munson-Sonyea, N. Y. 
New York Medical Becord; 1910, Nr. 2. 

Bei Epileptischen ist plötzlicher Tod an akutem Lungenödem and an 
Erstickung häufig. Jagendliche Epileptiker sind besonders gelährdet. Viele 
sterben nach infolge von Traumen, die sie während des Anfalls erleiden. Bei 
einer recht großen Anzahl von Fällen ergibt die Sektion keinerlei Anhalts¬ 
punkte für die Todesursache. Strenge Ueberwachang and die Benutzung luft¬ 
durchlässiger Haarkissen vermindert die Zahl der Todesfälle. 

Dr. Bevenstorf-Breslau. 


Die Docimasla suprarenalis bei der gerichtlich •medislschen Dia¬ 
gnose des Todes. Aus dem Laboratorium für gerichtl. Medizin in Florenz. 
Von Dr. Attii. Cevidalli und Dr. Franc. Leonclni. Lo Sperimentale, 
Archivio di Biologin normale e pathologice; 1909, Heft 5. 

ln der gerichtlichen Medizin spielt die Entscheidung der Frage, ob der 
Tod eines Individuums piötziich oder nach längerem oder kürzerem Todes¬ 
kampfe eingetreten ist, naturgemäß eine große Bolle. Trotz aller Stadien, 
die von zahlreichen Autoren gemacht sind, um Methoden anzageben, die dies« 
Frage lösen, gibt es bis heutigen Tages noch keine einzige Untersachungs- 
methode, die für sich beweisend ist. Die Zeichen, die für das Zustandekommen 
eines plötzlichen Todes als charakteristisch angegeben sind, die Gänsehaut, 
die kataleptische Starre, die Samenentleerung, die flüssige Beschaffenheit des 
Blutes, hatten keinen absoluten Wert; dasselbe gilt auch von der neueren, 
Von Lacassagne und Martin angebenen „Docimasia hepatica“, die sich 
darauf gründet, daß bei dem Fehlen von Glykogen eine längere Agone ansa- 
nehmen und daß beim positiven Ausfall der Glykogen-Probe dagegen der Tod 
plötzlich erfolgt sei. 

In Analogie der eben genannten Docimasia hepatica haben die Ver¬ 
fasser eine neue Mothode aasgearbeitet, bei der die Nebenierenkapseln zur 
Untersachaag dienen and die sie deshalb Docimasia sapravenalis nennen. 
Es handelt sich hierbei darum, daß die bei der Autopsie entnommenen Kapseln 
der Nebennieren zerrieben und mit physikalischer Kochsalzlösung aufgelöst, 
ungesäuert und filtriert werden. Das gewonnene Filtrat wird mit verschie¬ 
denen färbenden Beaktionen (Eisenchlorid, Jod usw.) behandelt. Indem nun 
die Nebennierenkapseln von Individuen, die aus verschiedenen Ursachen, 
schneller oder langsamer gestorben waren, in dieser Weise behandelt wurden, 
ergaben sich verschieden starke Farbenreaktionen. Als Vergleich diente ein 
Nebennierenextrakt von Bindern. So wurden im ganzen 68 Fälle, von denen 
12 schnell, 86 langsam eingetretenen Tod betrafen, untersucht. Das Ergebnis 
war, daß, wenn diejenigen Fälle, in denen die Untersuchungen erst nach Ab¬ 
lauf von 72 Standen nach eingetretenem Tode vorgenommen wurden, als un¬ 
zuverlässig ausscbeiden, bei plötzlich eingetretenem Tode in fast 74°/o der 
Fälle starke und in 26°/o mittlere Beaktionen auftraten, während bei langsam 



328 


Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


eingetretenem Tode die starken Reaktionen in 24.2 °/o, mittlere 4n 86,4°/« and 
schwache in 89,4 °/o za bemerken waren. 

Hiernach kann man schließen, daß die schwachen Adrenalinreaktionen 
für langsam, die starken Reaktionen für schnell eingetretenen Tod sprechen. 
Wenn nach dieser neaen Methode kein absoluter Wert beizamessen ist, so 
glauben die Verfasser doch, ihre Docimasia supravenalis als ein neaos, die 
Diagnose zwischen schnellem and langsamen Tode in der gerichtlichen Me¬ 
dizin sicherndes Mittel empfehlen za sollen. Dr. Solbrlg-Allenstein. 


B. Bakteriologie, Infektionskrankheiten and öffentliches 

Sanitätswesen, 

1. Bekämpfung der Infektionskrankheiten. 

a. Lepra. 

Das Wlederaofleben der Lepra ln Mitteleuropa and seine Ursachen. 
Von A. Blaschko in Berlin. Deutsche med. Wochenschrift; 1909, Nr. 61. 

Die interessante Geschichte der Lepra zeigt Wellenbewegungen des 
Verschwindens and Wiederanstiegs, in weitem Umfang natürlich abhängig ron 
dem Grad der jeweiligen Gegenmaßregeln, aber nicht zeitlich sich direkt an 
das Einsetzen bezw. Aufhören derselben anschließend. Das ist aaf Ver¬ 
schiedenheiten in der übrigens allgemein sehr geringen Disposition zurückzu- 
führen, bei der die Erblichkeit eine große Rolle spielt. Ist die Lepra längere 
Zeit weit zarückgegangen, so fehlt es auch an erblich disponierton Individuen, 
bis mit häufigerem Vorkommen aach wieder durch Vererbung eine größere 
Zahl empfänglicher Individuen erzeugt wird. Die Möglichkeit jederzeitigen 
Wiederaufflackerns der gefährlichen Krankheit rechtfertigt strenge gesetzliche 
Maßnahmen. Nur gegenüber Personen in guten Verhältnissen mit großer 
Sauberkeit und persönlichem Verständnis kann eine mildere Praxis Platz 
greifen, als sie in den Ausführungsbestimmungen zum Reichs-Seuchengesetx 
Ausdruck findet. Dr. Liebe trau-Hagen L W. 


b. Syphilis. 

Ueber die Bedeutung des Spirochätennachweises für die klinische 
Diagnose des Syphilis. Von Prof. Dr. W. Scholtz in Königsberg. Deutsche 
med. Wochenschrift; 1910, Nr. 5. 

Der Nachweis von Spirochäten ist natürlich viel mehr beweisend als 
der Ausfall der Wasser mann sehen Reaktion. Er gelingt besonders in 
erodierten luetischen Effloreszenzen und in Plaques mcqueuses, während er in 
Roseolen, intakten Papeln und im Blut schwer oder häufig unmöglich ist Am 
sichersten ist Dunkelfeldbeleuchtong, die aber Uebung erfordert Die Giemsa- 
Färbung versagt oft weil nur eine verhältnismäßig kleine Zahl der vor¬ 
handenen Spirochäten gefärbt diese aber nur zart tingiert werden. Sehr 
brauchbar ist hingegen das Tusch verfahren nach Barrl: Mischung frischen 
Untersuchungsmateiials mit chinesischer Tasche, Ausstrich in dünner gleich¬ 
mäßiger Schicht wobei innerhalb der braunen Grandfärbung die von Bakterien 
eingenommenen Stellen hell erscheinen. Dr. Liebetrau-Hageni.W. 


Ueber die Bewertung der Wassermannschen Reaktion. Von Dr. 
Dreuer, Spezialarzt für Hautleiden in Berlin. Deutsche medixin. Wochen¬ 
schrift; 1910, Nr. 4. 

Die Wassermann sehe Reaktion ist zweifellos ein wichtiges Unter¬ 
stützungsmittel zur Diagnose Lues, sie macht aber die genaue klinische und 
mikroskopische Untersuchung des einzelnen Falles nicht überflüssig. Ganz 
verfehlt und eventuell verhängnisvoll (Eheschließung!) ist es, aus dem negativen 
Ausfall zu folgern, daß keine Syphilis vorliegt ln dieser Beziehung wirken 
serologische Privatinstitute oft schädlich. Dem Patienten sollte das Resultat 
überhaupt nicht vom Institut mitgeteilt werden, zum mindesten nur mit dem 
Vermerk, daß negative Reaktion noch nichts gegen Lues beweise. Jedenfalls 
muß man die wertvolle Wassermannsche Reaktion immer kritisch beurteilen. 

Dr. Liebetrau-Hagen i. W. 



Kleinere Mitteilungen und Referate ane Zeitschriften. 829 

Welche Aufschläge gibt uns die Seroreaktion über das CoUes- 
Baamesche und das Profetasche Gesetz? Von Privatdozent Dr. Fr. Be rin g 
in Kiel. Deutsche med. Wochenschrift; 1910, Nr. 5. 

Von 32 Franen mit Frühgeburten and Aborten, bei denen weder die 
Anamnese noch der klinische Befund Anhaltspunkte für Lues boten, war 28 mal 
die Wassermannsche Reaktion positiv. Diese Frauen waren also latent 
syphilitisch. Vorbedingung für die Infektion der Kinder ist die Lues der 
Mutter; alle scheinbaren Maßnahmen haben sich als irrtümlich herausgestellt. 
In 14 Fällen wurden auch die Kinder untersucht, 9 mal mit positivem Ausfall 
bei gleichzeitiger positiver Reaktion der Mütter, 4 mal negativ bei positivem 
Ausfall an den Müttern, 1 mal positiv bei negativer Reaktion der Mutter. Die 
negativen Resultate sprechen dafür, daß die Kinder trotz Lues der Mütter 
gesund geboren wurden, nicht aber für Immunität; denn zunächst gesunde 
Kinder können durch die Mutter nachträglich, z. B. beim Stillen infiziert werden. 
Entweder sind die Kinder luetischer Mütter auch syphilitisch oder gesund, 
aber nicht immun. Sowohl das Collessche wie das Profetasche Gesetz 
bestehen nicht zu Recht. Dr. Liebetrau-Hagen i. W. 


Bisherige Erfahrungen über die Serodiagnostik der Syphilis an der 
dermatologischen Universitätsklinik zu Strassburg. Von Dr. Hügel und 
Dr. R u e t e, Assistenten der Klinik. Münchener med. Wochenschrift; 1910, Nr. 2. 

Die Verfasser ziehen aus den Erfahrungen, die sie während eines Jahres 
mit der Wassermannschen Komplementablenkungsmethode in den ver¬ 
schiedenen Stadien der Syphilis gemacht haben, den Schluß, daß die Methode 
im primären Stadium ungefähr in einem Drittel der Fälle positiven, in zwei 
Dritteln negativen Ausfall ergibt. Im sekundären Stadium bekamen 
sie durchweg in Fällen, die noch nicht behandelt waren und sekundäre 
Symptome, wie Roseola, Angina specifica pp. hatten, positiven Ausfall der 
Reaktion; auch in den wenigen Fällen, in denen die Untersuchung negativ 
ausfiel, trat später, in 2 Fällen während der Kur, in einem Falle sogar nach 
der Kur und nach Verschwinden der Roseola, positiver Ausfall ein. Nach 
diesen Resultaten kommt es bei einer luetischen Infektion, die zu einer All¬ 
gemeindurchseuchung des Organismus führt, immer zur Bildung von spezi¬ 
fischen Reaktionskörpern. Irgendwelche Folgerungen in prognostischer Hin¬ 
sicht aus dem Vorhandensein luetischer Reaktionskörper ziehen zu wollen, 
scheint noch verfrüht. Gleichwohl hat die Methode einen ungemein großen 
Wert in diagnostischer Beziehung. Dr. Waibel-Kempten. 


Positiver Ausfall der Wassermann-Nelsser-Bruek’schen Syphilis¬ 
reaktion bei Lupus erythematosus acutus. Von Privatdozent Dr. L.Hauck- 
Erlangen. Münchener med. Wochenschrift; 1910, Nr. 1. 

Bereits früher konnte Reinhart bei einem Fall von akutem disse- 
miniertem Lupus erythematosus in zweimaliger Untersuchung Hemmung der 
Hämolyse beobachten. Verfasser berichtet über einen weiteren Fall von Lupus 
erythomato8us dissominatus acutus, bei dem er ebenfalls positiven Ausfall der 
Was sermannschen Reaktion bekam. 

Wenn nun diese Tatsache zunächst nur wissenschaftliches Interesse hat, 
so könnte sie doch, wenn sie sich auch in weiteren Fällen als konstanter 
Befund bestätigen sollte, zur Klärung der ätiologischen Frage beitragen, indem 
sie neben anderen Beweismomenten dafür sprechen würde, daß der akute 
Lupus erythematosus als Morbus sui generis anzusehen wäre und in keinem 
ätiologisdien Zusammenhang mit Tuberkulose steht. 

_ Dr. Waibel- Kempten. 


Ueber die sogenannten spitzen Kondylome der Mundschleimhaut. 
Von Dr. F. Sprecher-Genua. La Clinica medica italiana; 1909, Nr. 9—10. 

Verfasser beschreibt einen bei einem 9jährigen Mädchen beobachteten 
Fall von papillärer Wucherung der Mundschleimhaut am Lippenrand, die ganz 
analog den „spitzen Kondylomen“ der Genitalien war. Solche Wucherungen 
an der Mundschleimhaut sind auch von anderer Seite nicht selten beobachtet. 
Man soll nach Ansicht der Verfasser endlich damit aufhören, das spitze Kon¬ 
dylom unter die Geschlechtskrankheiten einzureihen, da es eine gutartige kleine 



880 Kleinere Mitteilungen nnd Referate ans Zeitschriften. 

Geschwulst darstellt, die liberall da entstehen kann, wo länger dauernde 
Beizungen der verschiedensten Art anftreten. 

_ Dr. 8olbrig-Allenstein. 

Zur Terbreltnng der Geschlechtskrankheiten ln Deutschland. Vor* 
trag, gehalten in der Gesellschaft für soziale Medizin, Hygiene und Medlzinal- 
statistik am 20. Jannar 1910, von A. Blaschko-Berlin. 

Die Frage nach der Verbreitung der Geschlechtskrankheiten hat wich¬ 
tige nnd folgenschwere Ziele. Man bekommt durch ihre Beantwortung zunächst 
ein ungefähres Bild Uber den Umfang des Uebels und kann hieraus‘die 
Berechtigung herleiten, Maßnahmen zu ergreifen, die zur Bekämpfung der 
Krankheit dienen sollen. 8odann erhält man Überraschende Einblicke in manche 
soziale Verhältnisse. 

Der sehr lesenswerte Vortrag bringt die Verbreitung der Geschlechts¬ 
krankheiten in anderen Ländern, zeigt an sehr Übersichtlichen Tabellen die 
Verbreitung der Krankheit in den einzelnen Bevölkerungsschichten, sowie in 
den verschiedenen 8tädten, insbesondere den deutschen Großstädten, illustriert 
nach ihrer Einwohnerzahl. Auch Ober die Verbreitung der Krankheit in der 
englischen Armee und Marine werden Tabellen gegeben; die letzte Tabelle 
bringt eine Uebersicht Uber Todesursachen der versicherten Syphilitiker. 

Dr. Hoffmann-Berlin. 


c. Desinfektion. 

Uebar das DesinfektionsrermSgen des QueeksflbersubUmats. Von 
Prof. Dr. D. Ottolenghi-8iena. Desinfektion; 1910, Nr. 2. 

Verfasser kommt zu folgendem Resultat: 

a) Der Stapbylococcu« pyogenes aureus, in destilliertem Wasser sus¬ 
pendiert, widersteht der 2,7 proz. Qaecksilberchloridlösung mehr als vier und 
weniger als acht, ßtunden, widersteht dagegen mehr als acht 8tunden, wenn 
diese Lösung 2,7 °/o Gblornatrium enthält. 

b) Der Staphylococcus pyogenes aureus, in flüssigem Serum suspendiert, 
wird bei einer Temperatur von 22—23 0 von einer 2,7 proz. Quecksilberchlorid- 
lösung in weniger als 24 Stunden abgetötet; er widersteht dagegen sehr gut 
Uber 24 Stunden, wenn diese Lösung 2,7°/o N* CI enthält. 

c) Im trockenen Serum widersteht dagegen der Staphylococcus pyogenes 
aureus, der in der Regel in sechs Stunden von der 1,8 proz. Quecksilberchlorid- 
lösung abgetötet wird, über 24 Stunden, wenn diese Lösung 1,8•/• Na CI ent¬ 
hält, auch wenn das Desinfektionsmittel dem zu desinfizierenden Material 
gegenüber stark im Ueberscbusse vorbanden ist. 

Ferner äußert sich Verfasser Uber das DesinfektionBvermögen: 

1. Der Grund, warum Krönig und Paul beim Sublimat eine weit 
stärkere Wirkungskraft beobachtet haben, ist vor allem in der Verschiedenheit 
der angewandten Untersuchungametboden zu suchen. In besonderem fuhrt 
ihre Niederschlagsmethode fttr Quecksilberchlorid, welche durch Eintauchen 
der desinfizierten Proben in konzentrierte Ammoniumsulfidlösungen ausgeftthrt 
wird, zu unrichtigen Ergebnissen. Dieses Reagens ist den Bakterien gegen¬ 
über stark toxisch und deswegen kann eine zu starke Einwirkung desselben 
den definitiven Tod der Keime berbeiftthren, welche von Quecksilberchlorid 
wohl geschwächt, aber nicht abgetötet sein würden. 

2. Die Bildung von unlöslichen Verbindungen des Quecksilberchlorids 

mit den Proteinen muß nicht der einzige Grund sein, daß jenes Desinfektions¬ 
mittel so viel Kraft einbfißt, wenn es seine Wirkung in eiweißhaltigen In- 
fektlonsmaterialien entwickeln soll. Dr. Wolf-Witzenhausen. 


Kresole nnd Kresolgelfenlösungen mit besonderer Berücksichtigung 
Ihres Desinfektionswertes. Von Oberapotheker Dr. Rapp-München. Des¬ 
infektion ; 1909, Nr. 11-12. 

A. Zum Kapitel Kresole. 

1. Bei den Homologen des Phenols nimmt die Desinfektionskraft der 
einzelnen Glieder immer mehr zu, je weiter wir In der homologen Reihe 
hinanfkommen; es wirkt also Kresol stärker desinfizierend als Phenol, Xylenol 
stärker als Kresol; Pseudo• Comenol stärker als Xylenol. 



Kleinere Mitteilungen nnd Referate ans Zeitschriften. 


381 


2. Von den Isomeren des Kresols erhalten wir in bakterizider Hinsicht 
je nach dem Grade ihrer Wirksamkeit folgende Reihenfolge: Am stärksten 
wirkend Meta-, dann Ortho- und am wenigsten Para-Kresol. 

8. Die Aasschaltang eines der drei Isomeren des Kresols, speziell des 
Ortho-Kresols bei Bereitang von Kresolseife, erzielt keine stärker des¬ 
infizierende Präparate als Lysol, weshalb die Kresolseife nach dem Ministerial- 
Erlaß vom 19. Oktober 1907 nicht als das- erwünschte gleichmäßige Kresol- 
Seifenpräparat betrachtet werden kann. 

4. Darch Vornahme verschiedener Mischungsverhältnisse mit den drei 
Isomeren des Kresols können in bakterizider Hinsicht keine besonderen Vor¬ 
teile erreicht werden. Am besten bakterizid scheinen noch diejenig&n Roh- 
kresole za wirken, welche besonders reich an der Ortho -Verbindung sind. 

5. Von den aas der Destillation der Rohkresole etwa herstammenden 
Verunreinigungen beeinflussen die leichten Kohlenwasserstoffe, dann Pyridin 
und Anthrazen, den Kresolen zugesetzt, die Desinfektionswirkang angünstig. 
Eine Beimischung von Naphthalin zam Kresol scheint keinen schlechteren 
Desinfektionserfolg za ergeben; hingegen bringen die Neutralöle, welche alle 
Destilate des KarbolOis und Kresolöls begleiten, den Kresolen beigemischt, 
einen ganz besonders guten Desinfektionswert zustande. 

6. Die Rohkresole des Handels zeigen einen verschiedenen Desinfektions¬ 
wert; dieselben in Seife za Kresolseife gelüst erreichen an bakterizider Kraft 
nicht das bekannte Lysol. 

7. Die abgeschiedenen Kresole von Kreolin, das bekanntlich aas Kreosotül 
and Natronharzseife besteht, zeigen eine stärker desinfizierende Wirkung als 
die Kresole des Handels, welche bei Bearbeitung des KarbolOis resultieren. 

Bei zwei weiteren Kresolen, welche von Kreosotölen des Handels getrennt 
worden, ist die nämliche stärker desinfizierende Wirkung als bei Kreosolen 
aas Karbolöl beobachtet worden. 

8. Die bisherigen Vorschriften des Deutschen Arzneibuches IV zur 
Untersuchung von Cresolum crudum sind heute nicht mehr als ausreichend 
ansusehen. Die Untersuchungsmethoden von Casthelaz haben wegen der 
Einfachheit und Genauigkeit Beifall gefunden. 

B. Zum Kapitel Kresolseifenlösung. 

1. Die Untersuchung des besten der Kresolseifenpräparate, des Lysols, 
ergab 62°/o wasserfreies Kresol, ca. 80°/o Leinöl-Fettsäuren und 0,6 °/o Neutral¬ 
öle. Der Meta-Kresolgehalt von Lysolkresol, nach Raschig bestimmt, ergab 
43,8'/o. Verschiedene Werte der Lysolfettsäuren wurden ermittelt. 

2. Ein in seine Bestandteile zerlegtes und wieder zusammengesetztes 
Lysol ergibt im Vergleich mit dem Orginal-Lysol genau dieselbe desinfizierende 
Wirkung. Die Lysolseife — also das aus den Lysolfettsäuren nach neutraler 
Verseifung erhaltene Präparat — ersetzt durch eine Leinölfettsäureseife mit 
Lysolkresol keinen so starken Desinfektionserfolg, wenn auch der Unterschied 
nicht groß ist. 

8. Eine aus Leinölfettsäure bereitete Seife wirkt mit Lysolkresolen 
gemischt stärker desinfizierend als Oelsäureseifen. Stearinsäureseifen bewähren 
sich in dieser Hinsicht auffallend schlecht, nicht dagegen Palmitinsäureseifen. 
Zusätze von Harzseifen erhöhen die desinfizierende Kraft der Kresolseifen¬ 
präparate, speziell aus Lärchenterpentin bereitet, und geben eine stärker desinfi¬ 
zierende Kresolseife als Lysol; Firnisseifen und Waschseifen als Zusätze zur 
Kresolseife £ eisen hinsichtlich der desinfizierenden Wirkung keine Vorzüge der 
Leinölseife gegenüber auf. 

4. Lysol wurde eingehend auf einen Harzzusatz hin untersucht und im 
Gegensatz zu früheren Angaben konstatiert, daß ein Harzzusatz nicht nach¬ 
zuweisen ist. 

5. Es können Leioölfettsäuren mit einem Schmelzpunkt bis zu 24* C. 
infolge eines hohen Palmitinsäuregehalts Vorkommen; Lysol enthält in der Tat 
Fettsäuren mit so hohem Palmitinsäuregehalt. Ein absichtlich gemachter 
Palmitinsäurezu8atz von 6°/o zu Leinölfettsäuren mit niederem Gehalte an 
dieser 8äure verursacht eine etwa stärker bakterizide Wirkung. 

6. Ein besonders bemerkenswerter Unterschied in der Desinfektions¬ 
wirkung von Kresolseifen mit verschiedenem Seifengehalt konnte nicht feet- 
geetellt werden. 



332 


Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


7. Kresolkaliumverbindungen wirken nach diesen Untersuchungen nie 
schwächer desinfizierend, als die Kresole allein, wenn die n ämlich en Kresole 
and äquivalente Mengen snm Vergleich herangezogen werden; stärker wirken 
dieselben Mengen Kresol mit Kaliseifenznsatz, noch stärker Mengen Kresol 
mit Schwefelsänrezasatz, welche ohne Erwärmnng za erfolgen hat. 

8. Ein Ueberschnß der Seife an Alkali bei Bereitung von Kresolseifen 
erzielt keine nennenswerte schwächer bakterizid wirkenden Präparate; ebenso 
werden durch Mischen von Kresol mit Fettsäuren und nachträglichen Zusatz 
einer entsprechenden Menge von Kalilangen keine minder bakteriziden Prä¬ 
parate erhalten, als wenn die Fettsäuren zuerst verseift und dann das Kresol 
in der Seife gelöst wird. 

9. Die stärker bakterizide Wirkung von Lysol gegenüber den selbst 
bereiteten und handelsüblichen Kresolseifenpräparaten ist zu erklären 1. durch 
den höheren Kresolgehalt gegenüber dem üblichen von 50°/o, 2. durch den 
ausgewählten Seifenzosatz, der sich durch einen hohen Palmitinsäuregehalt 
äuszeiebnet, und 3. hauptsächlich durch die Wahl von Kresolen, welche ganz 
oder zum Teil aus dem Kreosotöl kommen und vom Kreosotöl stammende, 
stärker wirkende bakterizide, noch nicht ermittelte Stoffe mit herüber¬ 
genommen haben. 

Der höhere Preis von Lysol gegenüber dem der anderen handelsüblichen 
Kresolseifen ist infolge Aufwand von größerer Arbeit nnd viel Chemikalien 
zur Abscheidung der Kresole aus dem Kreosotöl berechtigt. 

10. Es wird eine neue Methode zur Untersuchung von Kresolseifen 
angegeben, welche eine schnelle und genaue Kresolbestimmung ermöglicht. 

Dr. Wolf-Witzenhausen. 


Untersuchungen über Formobas, ein neues Desinfektionsmittel. Von 
Stabsarzt Dr. Küster-Berlin. Desinfektion; 1910, Nr. 1. 

1. Formobas ist eine Lösung von Formaldehyd und Borax in Wasser. 
2. Bei den untersuchten Proben schwankte der Formaldehydgehalt zwischen 
33,3 und 38,3 # / 0 und der Boraxgehalt zwischen 0,25 und 1,3 °/o* Die Be¬ 
hauptung des Fabrikanten, daß der Boraxzusatz die Polymerisation des Formal¬ 
dehyds verhindere, ist unrichtig. Es wurde das Gegenteil beobachtet. 4. Die 
Polymerisation schritt während der Beobachtungszeit ständig fort, wie an den 
Ausscheidungen des Präparates nach dem Filtrieren erkannt werden konnte. 
Die Haltbarkeit des Präparates ist mithin eine begrenzte, da der Formaldehyd¬ 
gehalt desselben abnimmt. 5. Wegen seiner verhältnismäßig geringen und 
langsamen bakteriziden Wirkung ist Formobas zur Desinfektion der Haut und 
chirurgischen Instrumente nicht geeignet. 6. Eine besondere Tiefenwirkung 
des Formobas im Gegensatz zum käuflichen Formalin konnte bei den hiesigen 
Versuchen nicht beobachtet werden. Dem Formalin gegenüber hat Formobas 
keinerlei Vorzüge, aber den Nachteil der geringeren Haltbarkeit. 7. Die Schärfe 
und Politur chirurgischer Instrumente werden durch 5—lOprozentige Lösungen 
von Formobas nicht in erkennbarer Weise angegriffen. 

Dr. Wo 1 f • Witzenhauaen. 


Zur Desinfektion mit Formangan. Von Dr. F. Schreiber-Göttingen. 
Desinfektion; 1910, Nr. 2. 

Auf Grund seiner Ergebnisse schlägt Vorfasser für einen Ranm von 
100 cbm folgende Menge vor: 2500 g 60 proz. Formaldehyd, 3678 g Kalium¬ 
permanganat nnd 6020 g Wasser, d. h. pro Kubikmeter Raum etwa 25 g fester 
60 proz. Formaldehyd, 37 g Kaliumpermanganat und ca. 60 g Wasser not¬ 
wendig. Beim gewöhnlichen Permanganatverfahren genügen pro Kubikmeter 
20 g Kaliumpermanganat, 20 g Formalin und 20 g Wasser. Ob diese Rechnung 
auch für kleine und sehr große Bäume richtig ist, wird erst durch besondere 
Versuche festzustellen sein, ebenso, ob die hier ermittelte Kaliumpermanganat¬ 
menge von 37 g pro Kubikmeter nicht als nnnötig hoch begriffen reduziert 
werden kann. Dies Verfahren ist auch von geübten Desinfektoren auszuführen. 
Dm Formangan läßt sich mit hinreichender Genauigkeit dosieren. 

Dr. Wo 1 f - Witzenhausen. 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 833 

Wohnungsdesinfektion bei Tuberkulose* VonDr. St einb erg-Breslau. 
Der praktische Desinfektor; 1909, Nr. 12. 

Die Wohnungsdesinfektion ist zur Bekämpfung der Tuberkulose nicht 
za entbehren and maß nach verschiedenen Seiten hin ansgebaat werden. Es 
genügt nicht, daß sie nar bei der Ueberführang eines Schwindsüchtigen in ein 
Krankenhaus oder bei seinem Ableben stattfiodet. Vor allen Dingen ist es 
bei offener Tuberkulose notwendig, daß während des Verlaufs der Erkrankung 
die fortlaafende Desinfektion stattfiodet nnd das größte Maß von Sauberkeit 
im Krankenzimmer gefordert wird: Die Wohnung muß täglich mindestens einmal 
feucht aufgewischt und einmal wöchentlich mit Wasser und Seife gereinigt 
werden; in Abständen von 4 Wochen müßen der Fußboden, die Türen, Möbel, 
Kleider usw. mit einer 5°/oo Sublimatlösung abgewaschon bezw. abgebürstet 
werden. Bei Wohnungswechsel oder Todesfall muß die Schlußdesinfektion un¬ 
bedingt durch den beamteten Desinfektor stattfinden. Es ist dringend zu 
wünschen, daß die Kommunen die kostenlose Desinfektion überall durchführen 
bei allen leistungsschwachen Familien. Sollte der Hauswirt Schwierigkeiten 
machen, so kann der § 544 B. G. B. in Anwendung kommen. Namentlich aber 
werden die Fflrsorgestellen bei der Durchführung der Wohnungsdesinfektion 
mitznwirken haben. _ Dr. Wolf -Witzenhausen. 

Antiformin nnd andere Mittel zar Desinfektion von Stühlen. Von 
Oberarzt Dr.Fromme-Hamburg. Desinfektion; 1910, Nr. 1. 

1. Als StuhldeainfektionBmittel ist Antiformin nicht geeignet; es steht 
sogar noch hinter einigen anderen Desinfizientien zurück. 2. Es gibt zurzeit 
überhaupt kein chemisches Mittel, das ohne mechanische Zerkleinerung des 
Kotes die Krankheitskeime mit Sicherheit vernichtet 3. Eine gründliche Ver- 
rührung der Abgänge vorausgesetzt, eignen sich bei genügender Konzentration 
und Einwirkung zur Stuhldesinfektion eine Beihe von Mitteln (Natronlauge, 
Schwefelsäure, Kresolseifenlösung). 4. In besonderem Maße ist die rohe Natron- 
lange des Handels zar Stuhldesinfektion brauchbar. Es empfehlen sich daher 
weitere Versuche in der Praxis mit diesem Mittel. 

_Dr. Wo 1 f - Witzenhausen. 

Untersuehungen über die Desinfektion infizierten Düngers durch 
geeignete Packung. Von H. Bohtz. Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesund¬ 
heitsamt; 1910, Bd. 33, H. 2, S. 813. 

Da das Reichsgesetz, betreffend die Abwehr und Unterdrückung von 
Viehseuchen, sowie das Rinderpestgesetz anordnen, daß die Streu, der Dünger 
and sonstige Se- und Exkrete von seuchenkranken und verdächtigen Tieren 
unschädlich beseitigt werden müssen, ist die Art und Weise einer wirksamen 
Desinfektion Gegenstand zahlreicher Versuche gewesen. 

Am sichersten wirkt natürlich das Verbrennen. Allerdings geht bei 
diesem Verfahren, das nur bei ziemlich trockenem Dung und bei geringer Menge 
möglich ist. der Dünger für die Landwirtschaft fast ganz verloren. 

Das Vergraben hat nur bei einer Tiefe von 1—2 m Aussicht auf Erfolg, 
vorausgesetzt, daß ein Steigen des Grnndwassers keine Berührung mit dem 
Dung herbeiführt. 

Feuchte Hitze in Form von] Wasserdampf erfordert technische Ein¬ 
richtungen. 

Chemikalien müssen in hoher Konzentration angewandt werden, wobei 
einerseits sich ein übler Geruch bemerkbar macht, anderseits aber außer den 
pathologischen Keimen auch die zur Umsetzung des Düngers erforderlichen 
Bakterien abgetötet werden. 

Die Anwendung von Kalkmilch hat sich bisher als gut brauchbar 
erwiesen. 

Als neue Rrrungenschaft auf diesem Gebiet ist die Desinfektion durch 
Kompostieren anzusehen, womit zuerst Galtier, Gärtner und Pfeiler sich 
beschäftigt haben. 

Verfasser schien es nun von Wichtigkeit, die desinfizierende Wirkung 
der Kompostierung an größeren Dungmengen nachzuprüfen, dann aber auch 
festzustellen, ob der Erfolg in der kalten Jahreszeit nicht etwa ausbliebe. 

Das Ergebnis seiner Untersuchungen ist folgendes: Durch geeignete 
Lagerang des Düngers gelingt es, Wärmegrade za erzeugen, die in 14 Tagen 



334 


Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


die meisten pathogenen Bakterien abtöten, während Milzbrandbazillen im 
Wachs tarn nur gehemmt werden, ihre Sporen aber ebenso wie die des Rausch* 
brandes nicht abgetötet werden. 

Die Vorbedingungen für die abtötende Wirkung sind: a) mäßige Durch¬ 
feuchtung des Düngers, b) völlige Aufhebung der Witterungseinfiüsse durch 
Bedecken, c) mäßige lockere Lagerung. 

Die täglichen Wärmemessungen lassen eine Kurve erkennen, die schnell 
ansteigt, um gegen Ende der ersten Woche ihre Höhe zu erreichen und dann 
langsam abzufallen. 

Ein Zusatz von lOproz. Kalilauge, von Superphosphat- und Krainit- 
einstreu in den infizierten Dünger ist ohne Nachteil für dieses Verfahren. 

Dr. Zimmermann-Posen. 


Einiges über das Desinfektionswesen und die Stellung der Des¬ 
infektoren in Frankreich. Von Dr. K. Schmitz-Leipzig. Der praktische 
Desinfektor; 1909, Nr. 12. 

In Frankreich sind die Desinfektoren nur zum geringen Teil Staats- 
resp. städtische Beamte. Die Desinfektionen dürfen nach über 50 Methoden 
ausgeführt werden. Zarzeit ist eine Kommission unter Prof. Roux eingesetzt, 
welche sämtliche Desinfektionsverfahren auf ihre Brauchbarkeit zu prüfen hat. 

_ Dr. Wolf- Witzenhausen. 

8. Gewerbehygiene. 

Die Mitwirkung von Aerzten im Dienste der englischen Gewerbe¬ 
aufsicht. Von Dr. W. Abelsdorff-Beriin; 1910. AUgem. med. Verlags¬ 
anstalt. Preis: 1 M. 

Aus dieser lehrreichen Uebersicht, bei der zum Vergleich auch die Ver¬ 
hältnisse anderer europäischer Staaten Erwägung finden, sei folgendes an- 

S eführt: England besitzt 2 völlig getrennte Ministerien, die beide mit dem 
fesundheitswesen zu tun haben. Das eine Ministerium — Local Government 
Board — besitzt in seinem Public Health Departement eine besondere Madizinal- 
Abtellung mit einem Obermedizinalrat an der Spitze, dem 2 Assistenten und 
13 Medizinalinspaktoren unterstellt sind. Als Lokalmedizinalbeamte fangieren 
die Medical Officers of Health, deren England allein 1405 besitzt. Diese sind 
Vollbeamte, denen mit besonderer Genehmigung die ärztliche Praxis gestattet 
werden kann; sie werden von den Sanitätsbehörden, wie sie in allen städtischen 
und ländlichen Distrikten bestehen, angestellt. Ihre Tätigkeit liegt ähnlich 
derjenigen der preußischen Kreisärzte auf den verschiedenen Gebieten des 
öffentlichen Gesundheitswesens. Mit der Gewerbeaufsicht werden sie in der 
Weise befaßt, daß sie die Werkstätten und Arbeitsplätze des Bezirks zu in¬ 
spizieren haben. Zar Unterstützung sind ihnen männliche und weibliche 
Sanitätsbeamte beigegeben. 

Das zweite in Frage kommende Ministerium — Home Office, unserm 
Ministerium des Innern entsprechend — besitzt u. a. das Factory Department, 
d. h. die Gewerbeinspektion, an deren Spitze ein Obergewerbeinspektor steht, 
der selbst Arzt ist, mit Oberinspektoren nsw. Außerdem sind in dieser Ab¬ 
teilung zwei Medizinalinspektoren tätig. Diesem Ministerium sind dann außer 
den Gewerbeinspektoren die Certifying Sargeons, d. h. Amtsärzte unterstellt, 
deren es zurzeit 2003 gibt. Diese Amtsärzte sind nur nebenamtlich in der 
Gewerbeaufsicht tätig, indem sie die Tanglichkeitsatteste, die lür jugendliche 
Personen bei der Beschäftigung in Fabriken verlangt werden, aussustellen, 
gewisse Unfälle und Vergiftungen zu untersuchen und Berichte zu er¬ 
statten haben. 

Diese Art der ärztlichen Mitwirkung bei der Gewerbe - Aufsicht erscheint 
dem Verfasser nicht nachahmenswert, da es nicht im Interesse dioser Tätigkeit 
liegen kann, wenn 2 verschiedene Arztkategorien beteiligt werden, zumal die 
eine Art durch sonstige Amtsgeschäfte hinreichend in Anspruch genommen 
wird, die zweite Art in der Hauptsache aber ihrer Privatpraxis nachgeht. Die 
bessere Lösung ist in Belgien gefanden, wo neben den Gewerbeinspektoren, 
noch Gewerbeärzte angestellt sind. Daß an sich auch bei uns in Deutschland 
eine regere Beteiligung der Aerzte an der Gewerbeaufsicht geboten erscheint, 
als bisher der Fall, geht schon aus der statistischen Tatsache hervor, daß 



Kleinere Mitteilungen and Referate na* Zeitschriften. 


835 


Aber >/• der GesamtbevOlkerung mit dem Gewerbe ln Verbindung steht, and 
ans der weiteren Tatsache, daß die Kriegstflchtigkeit bei den Im Gewerbe¬ 
betriebe stehenden Personen erheblich hinter den in der Landwirtschaft t&tigen 
zurückbleibt. _ Dr. Solbrig - Allenstein. 

Das Angensittern (Nystagmus) der Kohlenberglente. Von Dr. E. 
Mal tos. Berne d’hygiöne et de police sanitaire; Bd. 81, 1909, Nr. 11. 

Ueber die Häufigkeit und die Bedeutung des Augenzitterns bei den 
Kohlenbergleuten sind die Ansichten noch sehr verschieden. Man fand von 
10 °/ 0 bis zu 78*/o der Arbeiter in verschiedenen Betrieben von dieser Krank¬ 
heit befallen. Da die Storungen durch das fortwährende Herumtanzen der 
gesehenen Gegenstände vor dem Auge sehr beträchtlich sind und bis zur 
Arbeitsunfähigkeit fuhren können, hat die Industrie ein lebhaftes Interesse 
daran, den Ursachen dieser Erkrankungen auf die Spur zu kommen. 

Erwähnenswert ist die Tatsache, daß das Augenzittern vielfach nur bei 
besonderer Blickrichtung, hauptsächlich bei nach oben gewandtem Blick, vor¬ 
kommt. Wahrscheinlich spielen Ueberanstrengungen des beim Hauen fort* 
während nach oben gewandten Auges hier ursächlich eine Bolle. Andere 
Autoren sehen eine wichtige Ursache der Erkrankung in der schlechten Be¬ 
leuchtung. Sie glauben, daß mit der Einführung guter Beleuchtung die Krank¬ 
heit zum Verschwinden kommen wird. Endlich wird die Krankheit auch 
ausschließlich auf die Ueberarbeitung und die sonstigen ungünstigen Lebens- 
Verhältnisse des Grubenarbeiters zurückgeführt und als Abhilfe lediglich eine 
Beschränkung der Arbeitszeit vorgeschlagen. 

Wichtig ist die Feststellung, daß Arbeiter, die bei Nachtarbeiten weniger 
erkranken als die bei Tag arbeiten. Man erklärt dies damit, daß beim plötz¬ 
lichen Uebergang aus der Dankelheit in das Tageslicht das Auge eine Schä¬ 
digung erfährt. Diese bleibt jedoch demjenigen Arbeiter erspart* der aus dem 
Dunkeln in das Dunkle kommt. Man kann den Tagarbeiter mit einem Auto- 
mobillahrer vergleichen, der durch Umstellen von der geringsten auf die 
höchste Schnelligkeit seine Maschine schädigt, während sie bei dem Nacht¬ 
arbeiter in gleichmäßiger, ungefährlicher Fahrt bleibt. 

Zur Abhilfe müßte man deshalb den schroffen Uebergang aus der Hellig¬ 
keit ins Dunkle, und umgekehrt, dadurch mildern, daß man die Arbeiter vor 
und nach der Arbeit dunkle Brillen tragen läßt. Dr. Dohrn-Hannaver. 


Natrinmverbrennung. Von B. M. Bergb, Distriktsarzt in Vadheim. 
Tidsskrift for den norske Laegeforening; 1910, Nr. 1. 

Bei der Gewinnung von metallischem Natrium auf elektrolytischem 
Wege sind die Arbeiter gefährdet teils durch den feinverteilten Luftstaub 
von Natrium und Aetznatron, teils durch verspritztes, geschmolzenes Metall. 
Das fertige Produkt wird in Blocken von einem Kilo Gewicht in luftdichter 
Bleiumhüflung versandt. Bei der Füllung der Bleiformen sind die Arbeiter 
besonders gefährdet. Das fortwährend entstehende pulverfOrmige Aetznatron 
beschlägt alle Gegenstände des ArbeitsraumB. Es verätzt Kleider und Schuh¬ 
sohlen. Wolle wird mehr angegriffen als Baumwolle. Die Arbeiter tragen 
Holsschuhe mit eisenbeschlagenen Sohlen. Hunde sind den Werkstätten fern 
zu halten, sie verätzen sich die Pfoten, wenn sie nachher im Freien in Wasser 
oder Schnee treten. 

Die Angestellten arbeiten in einer besonderen Tracht. Die Hände 
stecken in Handschuhen, welche selbst stark angegriffen werden und darum 
alle fünf bis sechs Tage erneuert werden müssen. Die Augen sind durch 
Brillen geschützt. Am gefährlichsten ist das heiße Natrium, weil es die 
Kleider sofort an der Benetzungsstelle verbrennt und auf der Haut Aetzwunden 
Ton kreisrunder oder kraterfOrmiger Gestalt verursacht. Die Wunden zeigen 
eine schlechte Heilungstendenz. Uebrigens sind die Natriumverätzungen anfangs 
fast schmerzlos- Der Arbeiter spürt den durch die Kleider bis zur Haut 
gedrungenen Tropfen erst beim Waschen mit Wasser. 

Dr. Bevenstorf-Breslau. 


Ein Gestell für Stopfarbeiten. Von Gebrüder Blin, Fabrikanten in 
Elbeuf. Berne d’hygiene et de police sanitaire; Bd. 31, Nr. 8. 



836 


Kleinere Mitteilungen and Referate au« Zeitschriften. 


Die Angewohnheit der Frauen, Stopf« und Flickarbeiten anf den Schoofl 
an legen and in stark vorntibergebeugter Haltung za bearbeiten, ist nicht nur 
ittr die Langen and Magen, sondern auch vor allem ltir die Augen schädlich. 
Die Verfasser haben einen verstellbaren Apparat angegeben, der die ansafer- 
tigende Arbeit in Höhe der Brust hält, so daß die Arbeit in gerader' Körper¬ 
haltung aasgeführt werden kann. Das sehr einfache Gestell besteht aas 
einem hufeisenförmig gebogenen Eisenbttgel, auf dessen Höhe ein badehosen¬ 
förmiges Brett verstellbar ist, tiber das die Arbeit gelegt wird. 

Die Erfahrungen mit dem Gestell sind sehr günstig. Die Arbeiterinnen 
wenden es sehr gern an. In einem Falle konnte eine ältere Arbeiterin, die ihre 
Arbeitszeit wegen Magenschmerzon auf 2—3 Standen verkürzen maßte, nach 
Einführung des Gestells wieder 10 Standen täglich arbeiten, ohne erhebliche 
Ermüdung za verspüren. Eine Abbildang des Gestells befindet sich im Ori- 
ginaL Dr. Dohrn-Hannover. 


8. S&uglingsfürsorge. 

Die Säuglingsfürsorge des Badischen Frauenvereins In Karlsruhe 
im Jahre 1908 nebst einen Bericht Uber das weitere Schicksal der Kinder 
aus den beiden Vorjahren. Von Dr. Behrens and Dr. Schiller-Karlsruhe. 
Zeitschrift für Säuglingsfürsorge; 1909, Nr. 10—11. 

Ist das Material auch zurzeit naturgemäß noch ein kleines and sind die 
daraus gewonnenen Zahlen nnr dementsprechend zu beurteilen, so darf es doch 
neben dem theoretischen Wert auf praktisches Interesse Anspruch erheben. 
Nicht zum wenigsten liefert es den Beweis, daß die eingeschlagenen Wege 
der Bestrebungen in der Säuglingsfürsorge richtig sind; es zeigt dabei, welche 
Lücken noch auszufüllen sind. Neben Beratung, Stilluntcrstützungen, Still¬ 
propaganda, Abgabe trinkfertiger Einzelportionen, sozialhygienischer Beauf¬ 
sichtigung usw. wäre die Errichtung eines Krankenhauses mit Ammenernährung 
für erkrankte und diejenige einer Erholungsstätte für gesunde und genesende 
Säuglinge anzustreben. Daß weiterhin eine Mutterschaftskasse und Mutter¬ 
häuser in Karlsruhe begründet worden sind, ist mit Freuden zu begrüßen; 
denn nur der Angriff auf der ganzen Linie wird mit der Zeit den hartnäckigen 
Gegner zu Fall bringen können. Dr. Wolf-Witzenhausen. 


Veber die Häufigkeit der natürlichen und künstlichen Ernährung 
neugeborener Kinder im Medizinalbezirk Rostock. Von Prof. Dr. G. Brü¬ 
ning-Rostock. Zeitschrift für Säuglingsfürsorge; 1909, Nr. 12. 

1. Die unehelichen Neugeborenen sind in den Städten vorwiegend 
Flaschen-, auf dem Lande Brustkinder. 

2. Die Frauen der arbeitenden Klassen nähren in der Stadt im allge¬ 
meinen häufiger ihre Kinder selbst als auf dem Lande (ca. 78 gegen¬ 
über 68* Io. 

3. Die Häufigkeit der Zwiemilchernährung wächst in der Stadt Rostock 
mit zunehmender Wohlhabenheit; in den übrigen Teilen des Medizinalbezirks 
kommt sie nar in Handwerker- und Dnterbeamtenfamilien in Anwendung. 

4. In den gutsituierten Kreisen der Rostocker Bevölkerung werden */» 

der Neugeborenen gestillt, */» bleibt auf Flaschenfütterung angewiesen: für 
die kleinen 8tädte lauten die Verhältnisse günstiger, für das flache Land mit 
68°/o und 42°/o am ungünstigen. Dr. Wolf-Witzenhausen. 


Schutz ffir’s Ammenklnd. Von Prof. Dr. A. Keller. Zeitschrift für 
Säuglingsschutz; 1909, Nr. 6. 

Ammen hat es zu allen Zeiten gegeben und wird es geben, solange es 
reiche und arme Leute gibt. Aufgabe der Fürsorge aber ist es, die mit dem 
Ammenwesen verbundenen Gefahren zu beseitigen. Die Wöchnerinnen- und 
Säuglingsheime empfehlen eine Matter als Amme nur unter der Bedingung, 
daß das Ammenkind gesund ist, ein bestimmtes Alter erreicht hat und durch 
die Entfernung von seiner Matter in seinem weiteren Gedeihen voraussichtlich 
nicht gehindert ist. Sie behalten das Ammenkind in Anstaltspflege, bis es 
ohne Gefahr zu weiterer künstlicher Ernährung in Außenpflege gegeben 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


837 


werden kann, übernehmen selbst die Answahl der Pflege und die ärztliche 
und pflegerische Beaufsichtigung. Ist die Mutter schon durch den Ammenlohn, 
der in der Regel höher ist als ihr sonstiger Arbeitsverdienst, in die Lage 
▼ersetzt, für ihr Kind sorgen zu lassen, so wird dieser Vorteil dem Kinde 
ausdrücklich gesichert. — Der beste Schutz für das Armenkind ist aber ge¬ 
schaffen, wenn es nach dem Vorschläge von Hilda Pauli mit der Mutter in 
der fremden Familie Aufnahme findet. Daß der Vorschlag durchführbar ist, 
dafür sprechen jetzt schon genügend Erfahrungen, und wenn er heut nicht 
noch erheblich öfter durchgeiührt wird, wenn das Ammenkind nicht noch viel 
öfter mit der Amme ins Haus genommen wird, so geschieht es nur deshalb, 
weil die Familien zu wenig wissen, wie notwendig es in vielen Fällen für des 
Gedeihen des eigenen Kindes ist. Das Nahrungsbedürfnis des frühgeborenen 
oder kranken Kindes ist zumeist gering. Nun, wird eine Amme genommen 
und mit Vorliebe — ohne Rücksicht aul das Nahrungsbedttrfnis des Kindes — 
eine möglichst milchreiohe. Die Brust der Amme wird infolgedessen nicht 
leer getrunken. Die Folge davon ist Milchstauung und ein Rückgang der 
Milchsekretion nicht etwa nur auf das benötigte Qaantum, sondern noch 
darunter, häufig bis zum vollständigen Versiegen. Wenn man die Milchstauung 
mit ihren für alle Beteiligten unerfreulichen Folgen vermeiden will, gibt es 
nur ein Mittel, das ist die vollständige Entleerung der Brustdrüse. Da das 
manuelle Abspritzen oder das durch Saugapparate nur ein Notbehelf ist, so 
soll es durch das Absaugen eines gesunden Kindes, nämlich des Ammenkindes, 
geschehen. Sonst folgt ein Ammenwechsel dem anderen, und geschädigt ist 
dadurch neben den Ammenkindern in erster Linie das kranke oder schwächliche 
Kind, für welches die Amme gesucht wird. Unter diesen Erfahrungen dürfte 
der Schutz des Ammenkindes, der aus der Rücksicht auf die Gesundheit des 
eigenen Kindes der Familie erwächst, am schnellsten Eingang in der Praxis 
finden! _ Dr. Wo 1 f-Witzenhausen. 

Famüienpllege für obdachlose Wöchnerinnen und ihre Kinder« Von 
Prof. Dr. H. Neu mann* Berlin. Zeitschrift für Säuglingsschutz; 1910, Nr. 1. 

Notgedrungen ist man in Berlin zur planmäßigen Familienpflege für 
obdachlose Wöchnerinnen übergegangen. Allerdings konnte von vornherein 
dieser Zweig der Fürsorge für Wöchnerinnen nur unter zwei Bedingungen 
ausgeübt werden. Erstens mußten, was keiner weiteren Begründung bedarf, 
Mutter und Kind im wesentlichen gesund sein und zweitens mußte die Mutter 
das Kind mit der Brust ernähren und bereit sein, dies auch weiter in der 
Fürsorge zu tun. Die Dauer der Familienpflege hängt von sehr verschiedenen 
Umständen ab. Jedenfalls sollte das Kind mindestens bis zu einem Alter von 
6 bis 8 Wochen die Brust bekommen; eine Entwöhnung in der heißen Jahres* 
seit ist möglichst zu vermeiden. 

Die Vorteile der Familienpflege sind: 

1. Die Möglichkeit der beliebigen Entfaltung, 

2. die größere Billigkeit der Versorgung. 

Man sollte auch diese Aufgabe, die Versorgung der obdachlosen 
Wöchnerinnen, den Säuglingsfttrsorgestellen übergeben. 

_ Dr. W o 1 f - Witzenhausen. 

Uobor städtische Mustermilchställe. Von Sanitätsrat Dr. Justus 
Thiersch in Leipzig. Vierteljahrsschrift für gerichti. Medizin u. öffentl. 
Sanitätswesen; 1909. 

Um der Stadt Leipzig die Einrichtung eines Musterstalles zwecks Ge¬ 
winnung genügender Quantitäten einer nicht zu teueren tadellosen Milch für 
Singlinge, Kranke, Rekonvaleszenten Vorschlägen zu können, setzte Verf. sich 
zuvor mit einer Autorität auf wirtschaftlichem Gebiete, Professor Falke vom 
landwirtschaftlichen Institut der Universität Leipzig, in Verbindung, ihn um 
seine Unterstützung bei seinem Vorhaben angehend. Falke hat nun ein aus¬ 
führliches diesbezügliches Gutachten ausgearbeitet, welches den Hauptinhalt 
der Arbeit darstellt. 

1. Die Stallanlage muß nach jeder Richtung hin den Anforderungen der 
Landwirtschaft, Tierarzneikunde und Hygiene entsprechen. Die produzierte 
Milch muß nach dem jeweiligen Stande und Technik einwandfrei sein. 



888 


Kleinere Mitteilungen nnd Referate ans Zeitschriften. 


2. Oie Einrichtung soll als Muster für den Landwirt gelten, darf also 
nicht za kostspielig sein. 

8. Die Anlage darf nicht za klein sein, am die Betriebskosten nicht 
übermäßig za steigern, anderseits nicht za groß, am den Milchprodasenten 
keine fühlbare Konkurrenz za machen. 

4. Der Erlös der verkauften Milch soll die Anlage womöglich za einer 
erwerbenden machen. 

Als besonders interessant ist aas dem Gatachten herrorzoheben, daß 
Falke einmal durchaus fttr Weidegang der Tiere eintritt, durch den die 
Milohsekretion in vorteilhafter Weise angeregt wird, sodann die Form der 
sogenannten Abmelkwirtschaft völlig verwirft and im Interesse einer 
wirklich tadellosen Milch lediglich eine Haitang von Zachttieren befürwortet. 
Um nan bei deren Verwendung den hiermit vorhandenen Nachteil aoszoschaltea, 
der darin besteht, daß von dem gesamten Bestand stets 10°/« trocken stehen 
müssen, empfiehlt er das System der Mietkühe,- die vom 6. oder 8. Tage 
nach dem Kalben an für zirka 8 Monate gemietet werden und in tragendem 
Zustande dem Züchter zurückgegeben werden müssen. Zweifellos ein origineller 
Gedanke, für dessen Durchführbarkeit Falke besondere Schwierigkeiten nicht 
za finden glaubt, zumal er eine große Reihe von Züchtern za diesem Mlet- 
geschält — beiläufig pro Kah and Monat 100 M. — bereits gefunden. 

Bei einer derartigen Einrichtung des Masterstalles hofft Verfasser die 
Milch za 83—85 Pfennig pro Liter liefern za können. 

Ob dieses Projekt nan in Leipzig zur Durchführung kommen wird, 
darüber ist nichts gesagt; interessant wire jedenfalls das praktische Ergebnis 
einer derartigen Einrichtung. _ Dr. Hillen berg-Zeitz. 


Das Säuglingsheim zu Bannen im Jahre 1908/09 nebst Mitteilungen 
über den Stand der offenen Säugllngafürsorge. Von Dr. Th. H o f f a - Barmen. 
Zeitschrift für 8änglingsfürsorge; 1909, Nr. 10—11. 

Da das Nebeneinanderbestehen von Säuglingsheim and Krippe in einem 
Haase den Betrieb za sehr komplizierte and überdies die Inanspruchnahme 
der Krippe eine nar mäßige war, beschloß der Vorstand am 17. Juli 1908 die 
Aafhebang der Krippe. Die Kinder warden in Einzelpflege entlassen. Die 
frei gewordenen Räume warden zar Unterbringung der dem eigentlichem 
Säuglingsalter entwachsenen Kinder in stationärer Pflege benatzt. Gesunde 
Säuglinge werden etwa vom zehnten bis elften Monat ab aas der eigentlichen 
Säaglingsabteilang in dies Kinderheim verlegt, wo die Pflegeverhältnisse 
bezüglich Isolierung und dergl. etwas einfachere nnd billigere sind. — Im 
Berichtsjahr warden im ganzen 240 Kinder verpflegt. In ganz besonders 
schlechter Verfassung waren die angehenden Kinder des zweiten Lebensjahres. 
Die meisten befanden sich im Zustand starker Unterernährung; mit dem Ein* 
tritt in die Anstalt nahmen sie bei rationeller Diät oft in kurzer Zeit sehr 
beträchtlich an Gewicht zu. gewannen ein besseres Aussehen and worden 
kräftig und munter. Gerade bei diesen Kindern des zweiten Lebensjahres 
konnte man besonders schöne Erfolge erzielen. Die Unterernährung ist nicht 
immer durch Mangel an Mitteln oder durch Nachlässigung verursacht, häufig 
ist sie die Folge einer quantitativ und qualitativ falschen Ernährung. Die 
verbreitesten Fehler bei der Kinderernährung sind die Unregelmäßigkeit, das 
Füttern zwischen den eigentlichen Mahlzeiten und dann die große Zahl der 
Mahlzeiten — drei bis höchstens vier Mahlzeiten innerhalb 24 Standen genügen 
vollkommen — und endlich die Ueberschätzang des animalischen Eiweißes 
gegenüber den so unendlich wichtigen pflanzlichen Nahrungsmitteln (Obst, 
Salat, Gemüse). — Das größte Interesse beanspruchen, wie stets im Säuglings¬ 
alter sowohl nach der Anzahl der Fälle, wie nach der Schwere des Krankheits¬ 
bildes, die Erkrankungen des Verdauungsapparates, die Ernährungsstörungen. 
Die Zahl der akuten Fälle dieser Art war infolge der niedrigen Sommer- 
temperatur des vergangenen Jahres etwas geringer als sonst, doch gingen 
immerhin auch im Winter eine Anzahl sehr schwerer Fälle von Brechdurchfall 
zu; ein Teil der Kinder befand sich in hoffnungslosem Zustand und starb nach 
wenigen Stunden, ehe die eingeschlagene Behandlung hatte wirken können. 
Im übrigen waren die erzielten Erfolge aber recht gute; sie sind in erster 
Linie dem Umstand zu verdanken, daß stets genügende Mengen Ammenmilch 
zur Verfügung standen. Es konnten von 20i stationär behandelten Hindern 



Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


889 


82 ausschließlich und 83 teilweise, im gansen also 115 mit Frauenmilch ernährt 
werden. Besonders gute Erfolge bei der Ernährung kranker Säuglinge sah 
Verfasser von der Buttermilch, die nach einem von Dr. Gewin-Utrecht mit* 
geteilten Rezept jetzt in der allereinf&chsten Weise aus Vollmilch bereitet 
wird. — Eine Betrachtung der Todesfälle zeigt, daß es sich fast ausschließlich 
um unabwendbare Todesfälle handelte. 10 von den 17 Kindern starben, ehe 
ein Einfluß der Behandlung sich hätte bemerkbar machen können, und auch 
in den Übrigen Fällen war von vornherein die Hoffnung auf Erhaltung des 
Lebens äußerst gering. Es starben von sämtlichen im Jahre 1907/08 entlassenen 
Kindern nachträglich nur zwei im Säuglingsalter und weitere drei vor Ablauf 
des zweiten Lebensjahres. Diese geringe Zahl von Sterbefällen spricht sicherlich 
f&r die Dauerhaftigkeit der im Säuglingsheim erzielten Resultate. 

Im Anschluß an den vorstehenden Jahresbericht wird noch in aller 
Kürze der Stand der offenen Säuglingsfürsorge in der Stadt Barmen besprochen. 
Seit dem 1. Juni 1908 besucht eine im Säuglingsheim ausgebildete Schwester 
die in der Stadt gegen Entgelt bei Fremden untergebrachten Haltekinder, 
ferner die unehelichen Kinder und, soweit Nachforschungen erforderlich, die 
aus dem Säuglingsheim entlassenen Kinder. Die Kontrolle der Haltekinder 
durch die Armenärzte und durch die Damen des Vaterländischen Frauenvereins 
soll in Zukunft fortfallen. Die ganze Organisation erhält eine einheitliche 
8pitze. Der bisherige Dualismus zwischen Polizei und Ar men Verwaltung fällt 
dadurch fort, daß dem Armenverwaltungsdezernenten die polizeilichen Be* 
fagnisse für die Abteilung Haltekinderwesen übertragen sind. Alle unehe¬ 
lichen Geburten sollen außerdem von den Hebammen mittels Postkarte dem 
Säuglingsheim direkt angezeigt werden. Die Hilfeleistungen bei den Unehe¬ 
lichen können vorerst nur fakultativer Art sein; es ist aber die Einführung 
einer Berufsrormundschaft geplant. Dr. Wolf-Witzenbausen. 


Zur Säuglingssterblichkeit und Sänglingsfürsorge ln Kiel. Von Prof. 
Dr. v. Stare k. Zeitschrift für Säuglingsschutz; 1909, Nr. 6. 

Da die Säuglingssterblichkeit in Kiel recht beträchtlich ist, hat Ver¬ 
fasser den Kampf dagegen mit folgenden Maßnahmen aufgenommen: 1. Aerzt- 
liche Kontrolle der Pflegekinder, 2. häusliche Kontrolle durch angestellte 
Pflegerinnen, 3. Berufsvormundschaft, 4. Säuglings- und Wöchnerinnenheim 
(fehlt leider noch), 5. Mithilfe der Hebammen, 6. Säuglingsberatungsstelle, 
7. Milchküche, 8. Stillpropaganda. 

Ferner weist Verfasser auf die Möglichkeit einer ausgedehnten Anwen¬ 
dung abgezogener Muttermilch hin; seine gewonnenen Resultate ermutigen zu 
weiteren Versuchen. Dr. Wolf-Witzenhausen. 


Die Säuglingssterblichkeit ln Pommern. Von Prof. Dr. E. Peiper- 
Greifswald. Zeitschrift für Sänglingsfürsorge; 1909, Nr. 12. 

In den Stadtkreisen Stettin, Stralsund wie in den Kroiseh Saatzig, Rum¬ 
melsburg, Lauenburg und Bütow ist eine geringe Besserung der Säuglings¬ 
sterblichkeit zu verzeichnen, in allen übrigen Kreisen eine Verschlechterung. 

Von den ehelichen Kindern starben im Bezirk Stettin fast ein Viertel, 
im Bezirk Köslin ein Sechstel, im Bezirk Stralsund mehr als ein Fünftel aller 
Lebend geborenen. Von den unehelichen starben im Bezirk Stralsund etwas 
weniger als ein Drittel aller Geborenen. 

Die Höhe und der Tiefstand der Säuglingssterblichkeit steht im engen 
Zusammenhänge mit der Art der Ernährung. 

Verfasser macht folgende Vorschläge: 

I. Hebung der Brusternährung durch weiteste Propaganda dafür. 

1. Einwirkung auf die Hebammen und gründlichere Ausbildung der¬ 
selben in der Kinderpflege. 

2. Verbot, daß die Hebammen selbständig ohne Befragen eines Arztes 
▼om Stillen abraten dürfen (Verfügung des Regierungspräsidenten von Aachen 
Tom 25. November 1902). 

8. Theoretische und praktische Unterrichtskurse in der Säuglingspflege 
für Frauen und Mädchen aller Stände. 

4. Ausgabe von Merkblättern über Kinderernährung. 



340 


Kleinere Mitteilongen nnd Referate ans Zeitschriften. 


5. Errichtung unter ärztlicher Leitung stehender Säuglingsfflrsorgen, 
welche die Verbreitung der Brusternährung zur Hauptaufgabe haben. 

6. Bekämpfung der Reklame des „besten Ersatzes fttr Muttermilch*. 

II. Förderung des Mutterschutzes, denn keine Säuglingsfttrsorge 
ohne Mutterfürsorge. 

1. Errichtung der Mutterschutzversicherung im Anschluß an die Kranken¬ 
versicherung. 

2. Größerer gesetzlicher Schutz der Mutter durch die Gewerbeordnung. 

3. Errichtung von Wöchnerinnen- nnd Kinderasylen. 

4. Gründung von Wöchnerinnenvereinen, Einsetzung von Wochen¬ 
pflegerinnen. 

III. Umfassende Reorganisation des Halte- und Ziehkinder Wesens 
in Stadt und Land durch energische Polizeiverordnungen. 

1. Einführung der Berufsvormundschaft, durch welche auch eine waisen¬ 
ärztliche Kontrolle aller unehelichen Kinder herbeigeführt werden kann. 

2. Anstellung von Waisenpflegerinnen. 

3. Einführung eines Stillzwangs für uneheliche Mütter. 

IV. Die Milchproduktion und Abgabe ist, solange wie ein zutreffendes 
Reichsgesetz noch nicht besteht, auf dem Wege der Polizeiverordnung 
zu regeln. 

1. Strenge Beaufsichtigung der Milchproduktion und Abgabe. 

2. Definition des Begriffes Kindermilch. 

3. Errichtung von Säuglingsmilchküchen, die unbedingt mit ärztlich 
geleiteten Fürsorgestellen zu verbinden sind. 

4. Belehrung der Mutter über die Behandlung der Milch im Haushalt 
und über ihre Verwendung zum Zweck der Kinderernährung. 

V. Die gesamte Säuglingsfürsorge ist in jeder Provinz, in jedem Bezirke 

einer Zentralstelle zu unterstellen. Dr. Wolf-Witzenhausen. 


Sterblichkeit und Lebensbedlngungen der Säuglinge in den Stadt¬ 
kreisen M.-Gladbach und Rheydt und in dem Landkreise M.-Gladbaeh. 
Von Dr. M. B a u m - Düsseldorf. Zeitschrift für soziale Medizin, Säuglings¬ 
fürsorge und Krankenhauswesen. Bd. 5, H. 1. 

Das Erhebungsgebiet bietet nach verschiedenen Richtungen ungünstige 
Lebensbedingungen für Mutter und Kind; durch gemeinsames Vorgehen von 
Gemeinden, Vereinen und Privaten, sowie durch eine gute Lösung der Woh¬ 
nungsfrage ist in einzelnen Orten, insbesondere in den größeren Städten, diesen 
ungünstigen Faktoren in erfolgreicher Weise entgegengewirkt worden. Wir 
haben im Erhebungsbezirk ein gutes Beispiel dafür vor uns, daß zielbewußte 
Arbeit in der Säuglingsfürsorge tatsächlich gute Erfolge zu zeitigen vermag. 
Trotzdem ist jedoch auch hier die bisherige Arbeit nur als eine gute Grund¬ 
lage zu betrachten, die der Durchbildung, des Ausbaues und der Ergänzung 
im einzelnen bedarf, wenn die Säuglingssterblichkeit sich dem seit Jahren 
schon von den Städten und Landkreisen des benachbarten Bergischen Landes 
eingenommenen niedrigen Stande annähern soll. Besonders müssen in Stadt und 
Land Schutz und Fürsorge für die erwerbtätige sowie der im eigenen Haus 
und Feld voll beschäftigten Mutter noch weit energischer und methodischer 
betrieben werden. In der Förderung der natürlichen Ernährung ist bei dem 
relativ niedrigen Stand des Stillens in den meisten Gemeinden noch viel zu 
tun; für das flache Land, wo die Errichtung von Anstalten in absehbarer Zeit 
kaum in Frage kommt, ist die Anstellung gut geschulter Säuglingspflegerinnen 
zur Ueberwachung der gefährdeten Kinder, zur Belehrung der Mütter, und 
als Vermittlerin der weiblichen Bevölkerung mit den Behörden sowie allen 
in Frage kommenden Fürsorgeeinrichtungen dringend zu wünschen. Die haus- 
wirtschaftliche Unterweisung der heranwachsenden Mädchen unter besonderer 
Berücksichtigung der Kinder- und Säuglingspflege bedarf noch des Ausbaues; 
die Fortbildung der Hebammen zur Mitarbeit in der Säuglingsfürsorge muß 
noch weiter durcbgeführt werden. Dr. Wolf-Witzenhausen. 



Tagesnachrichten. 


341 


Tagesnachrichten. 

Oie am 22. and 23. April d. J. in Berlin abgehaltene XXVI. Haupt* 
Versammlung des Preassischen Medizinnlbeamtenverelns war trotz der znr 
Verhandlang stehenden interessanten Themata nicht so stark, wie in den 
letzten Jahren besucht. Als Vertreter des Herrn Ministers war Herr Ministerial¬ 
direktor WirkL Geh. Ob.-Reg.-Rat Dr. Förster erschienen, der die Versamm¬ 
lung sehr herzlich begrüßte und ihren Verhandlungen besten Erfolg wünschte. 
Leider erfahren diese am ersten Sitzungstage, kurz nachdem der erste Referent 
mit seinem Vortrage begonnen hatte, dadurch eine höchst schmerzliche Störung, 
als das langjährige Vorstandsmitglied Qeh. Med.-Rat Dr. Elten einen schweren 
8chlaganfall erlitt und bewußtlos aus dem Saal getragen werden mußte; in¬ 
folgedessen wurde auch von der Veranstaltung eines Festessens Abstand ge¬ 
nommen. — Da der offizielle Bericht über die Versammlung voraussichtlich 
schon im nächsten Monat zur Ausgabe gelangen wird, erübrigt sich die Er¬ 
stattung eines ausführlichen vorläufigen Berichts an dieser Stelle. 


Aus dem Belohatage. Die erste Lesung der Beiehsversicherungs- 
•rdnung hat vom 18. — 20. April stattgefanden. Von den ärztlichen Reichs¬ 
tagsabgeordneten beteiligten sich die Abg. Dr. Mugdan und Dr. Arning an 
der Verhandlang, um die Interessen ihrer Berufskollegen in eindringlicher und 
warmer Weise zu vertreten. Ob ihre Ausführungen Erfolg haben werden, 
wird die Zukunft lehren. Gegen den Gesetzentwurf wurden fast von allen 
Rednern mehr oder weniger schwerwiegende Bedenken erhoben; nur die Aus¬ 
dehnung der Krankenversicherung auf die Dienstboten, die hausgewerbe- 
treibenden und landwirtschaftlichen Arbeiter, sowie die Hinterbliebenenversiche- 
rang fand allgemeine Zustimmung. Die von Dr. Mugdan geforderte gesetz¬ 
liche Festlegung der freien Arztwahl wurde von dem Regierungsvertreter, 
Ministerialdirektor Caspar, als nicht durchführbar bezeichnet; es müsse neben 
dieser an dem Kassenarztsystem unbedingt festgehalten werden. Dagegen 
erkannte der Regierungsvertreter eine andere Forderung der Aerzte: Höchst¬ 
grenze eines Einkommens von 2000 Mark für die Versicherten, als berechtigt an, 
während von anderer Seite eine Erhöhung dieser Grenze auf 3000 Mark verlangt 
wurde. — Der Entwarf wurde einer Kommission von 28 Mitgliedern überwiesen, 
die ihre Sitzungen auch während der Vertagung des Reichstages fortsetzen wird. 


Aus dem preusslsohen Abgeordnetenhaus«. Bei der allgemeinen 
Beratuog über den Kuttusetat wurde von verschiedenen Abgeordneten (Freih. 
v.Zedlitz-Neukirch (freik.), Winkler (kons.) usw.) die Frage der Ab¬ 
trennung der Medizinalabteilnng vom Kultusministerium angeregt. Der 
Herr Minister erwiderte hieraaf in der Sitzung vom 19. April: 

„Es ist in der Tat jetzt ernstlich in Aussicht genommnn, die Abtrennung 
vorzunehmen. Es haben darüber eingehende Verhandlungen zwischen dem 
Herrn Minister des Innern und mir geschwebt, und bei diesen Verhandlungen 
hat sich eine grundsätzliche Uebereinstimmung über alle wichtigen Punkte, 
die dabei in Betracht kommen, ergeben, so daß ich glaube, jetzt mit aller 
Bestimmtheit sagen zu können: die Abtrennung der Medizinalabteilung wird 
stattfinden. Daß es noch nicht jetzt geschehen ist, hat hauptsächlich seinen 
Grund darin, daß im Ministerium des Innern räumliche Schwierigkeiten ent- 
gegenständen, die erst beseitigt werden müssen; ich glaube aber sagen zu 
köonen, daß Sie im nächsten Etat die bezügliche Veränderung finden werden. 
Daß selbstverständlich bei dieser Abtrennung alles, was mit der wissenschaft¬ 
lichen Ausbildung der Aerzte Zusammenhänge beim Unterrichtsministerium 
bleiben muß, das glaube ich wohl kaum noch besonders hervorheben zu müssen. 
Es wird die ganze wissenschaftliche Seite der Aerzteausbildung bei den Uni¬ 
versitäten und damit bei dem Kultusministerium verbleiben; es wird dort das¬ 
selbe Verhältnis eintreten, was in anderen Berufsarten besteht. Ich erinnere 
nur an die Ausbildung der Juristen; kein Mensch wird daran denken, die 
juristischen Professoren dem Herrn Justizminister zuzuweisen.“ 

In der Abendsitzung am 29. April und der darauf folgenden Sitzung 
am 29. April gelangte dann der Medizinaletat zur Beratung, bei der eine 
ganze Reihe von Gegenständen: Kreisärzte, Kreisassistenzärzte, Annahme von 
Medizinalpraktikanten, Medizinal-Untersuchungsämter, Desinfektionswesen, 



342 


Tagesnachrichteii. 


N ahrungsmittelkontrolle, Säuglingsfürsorge, Hebammenwesen, Wohnungs- 
hygiene, Diakonissenwesen, Feuerbestattung, Leichenschauwesen, Apotheken* 
konzessionen, Geheimmilteiwesen usw. zur Verhandlung kam. Wir werden in der 
nächsten Nummer auf diese Verhandlungen an der Hand des bis dahin vor¬ 
liegenden stenographischen Berichtes zurückkommen. 


Infolge des Ausscheidens des Wirkl. Geh. Ober- Med.-Bats Professors 
Dr. Schmidt mann aus der Medizinalabteilung des Kultusministeriums und 
der Berufung des Beg.- und Med.-Bats Dr. Finger in Arnsberg an seine 
Stelle hat eine anderweitige Gesehäftsverteilung unter den medizinisch- 
technischen Vortragenden Bäten ln der Medizinalabteilung in der Weise 
stattgefanden, daß Geheimer Med.- Bat Dr. Abel neben seinem bisherigen 
Beferat über die Nahrungsmittelpolizei und Bekämpfung der Trunksucht das¬ 
jenige über Wasserversorgung, Abwässerbeseitigung und Abfuhrwesen unter 
Oebertragung der Leitung der Versuchs- und Prttfungsanstalt für Wasser¬ 
versorgung und Abwasserbeseitigung erhalten hat, Beg.- und Medizinal-Bat 
Dr. Fin'ger dagegen die Personalien der beamteten und nicht beamteten 
Aerzte, Ausführung des Kreisarztgesetzes, Fortbildungswesen für die beamteten 
Aerzte, pharmazeutisches Prüf ungs wesen, Apotheken wesen, soweit es nicht von 
dem pharmazeutischen Beferenten Geheimrat Froelich bearbeitet wird, ferner 
Arzneimittelverkehr außerhalb der Apotheken, Homöopathie, Kurpfuscherei und 
Geheimmittel. Die übrigen technischen Dezernenten haben ihre Beferate bei- 
behalten, also Geh. Ob.-Med.-Bat Prof. Dr. Kirchner: Bekämpfung über¬ 
tragbarer Krankheiten, Impfwesen, hygienische Institute, Medizinal-Unter- 
suchungdämter, Seehäfen, Desinfeklionswesen, Leichenschauwesen, sowie Prüfung 
der Kreisärzte, Wissenschaftliche Deputation für das Medizinalwesen, Woh- 
nung8-, Gewerbe- und Schulhygiene; Geb. Ob.-Med.-Bat Prof. Dr. Dietrich: 
Fortbildungswesen der nicht beamteten Aerzte, ärztliches und zahnärztliches 
Prüfungswesen, amtliche Angelegenheiten auf dem Gebiete der sozialen Gesetz¬ 
gebung, Krankenpflege einschl. Krüppelfürsorge, Samariter- und Bettunga- 
wesen, Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit, ärztliches Hilfspersonal, Heb¬ 
ammenwesen und Statistik; Geh. Med.-Bat Prof. Dr. Moeli: Irrenwesen; Geh. 
Med.-Bat Dr. Aschenborn: Beferat über ärztliches Vereinswesen, sowie 
Korreferat über Standesvertretung der Aerzte, Personalien und Fortbildungskurse 
der nichtbeamteten Aerzte, ärztliche Angelegenheiten der sozialen Gesetzgebung, 
Hebammen wesen, Samariter- und Bettungswesen, Kurpfuscherei und GeheimmitteL 

Aus dem Königreich Sachsen. Die Begierung hat beschlossen, die 
Stellen der bisherigen nebenamtlich beschäftigten medizinischen Beiräte bei den 
Kreishauptmannschaften in Bautzen, Dresden und Leipzig, ebenso wie dies 
bereits bei den KreUhauptmannschaften in Chemnitz und Zwickau geschehen ist, 
in medizinische ständige Bat(Oberamts-)stellen umzuwandeln. 


In Hamburg hat die Bürgerschaft die Vorlage des Senats auf Er¬ 
bauung eines Instituts für Schiffs- und Tropenbygiene einstimmig ange¬ 
nommen und die dafür erforderlichen Kosten (1339300 M.) bewilligt. 


Der am 17. April d. J. in Berlin abgebaltene ausserordentliche 
Aerstetag hat nach einem vorzüglichen Beferat des Berichterstatters Dr. 
8tresser-Leipzig und nach kurzer Debatte zu dem Entwurf der Reichs- 
verslcherungsordnnng mit 488 Delegierienstimmen gegen 3, von denen die 
enteren etwa 21700, die letzteren 200 Aerzte vertraten, den nachstehenden 
Antrag des Geschäftsausschusses angenommen: 

»Der am 17. April in Berlin versammelte außerordentlich Deutsche 
Aerstetag stellt fest, daß der dem Boichstag vorgelegte Entwurf einer Belehn* 
Versicherungsordnung in seinen Bestimmungen über die Ordnung des kassen- 
ärstlichen Dienstes die seit langen Jahren immer wieder einmütig erhobenen 
Forderungen der im Deutschen Aerzte Vereinsbunde organisierten 24000 Aerzte 
unberücksichtigt läßt. Er erkennt in der geplanten Errichtung getrennter 
Vertragsausschüsse für jedes kassenärztliche System die Gefahr, daß in die 
Einigkeit der Aerstescbaft Bresche gelegt, die ärztliche Organisation aus¬ 
geschaltet und vernichtet wird, und so die Aerzte wehrlos gemacht und der 



Tagesnachriclitea 


343 


unbeschränktes Herrschaft der Kassenvorstände aasgeliefert werden. Eine 
Ordnung der Arztfrage, die selbstsüchtigen Sonderbttndlern ihre Fdrsorge zu- 
wendet and sogar Wortbrüchige den vom Staate eingesetzten Ehrengerichten 
entzieht, dafür aber das jedem freien Berufe anstehende Koalitionsrecht be¬ 
seitigt, lehnt der Aerztetag entschieden ab. Eine solche Ordnang ist nicht 
geeignet, den von allen Seiten and nicht zaletzt von der deatschen Aerzteschaft 
tan Interesse aller sozialen Fürsorgeeinrichtangen als unbedingt notwendig 
erkannten Frieden zwischen Aerzten und Krankenkassen herbeiznftthren, sondern 
nar allzusehr dazu angetan, den Krieg zwischen Kassen and Aerzten za ver¬ 
schärfen and d&za noch Kampf and Streit der Aerzte untereinander za entfachen. 

Immer and immer wieder hat der Deutsche Aerztetag seine maßvollen 
and gat durchführbaren Forderangen einmütig aafgestelit. Sie sind ein un¬ 
trennbares Ganze and müssen es bleiben. Immer and immer wieder hat der 
Deutsche Aerztetag gezeigt, wie leicht man darch ihre Eriüllang im Bahmen 
des Gesetzes eine glückliche Lösung der Kassenarztfrage and dauernden 
Frieden zwischen Aerzten und Ver&icherangsträgern herbeiführen kann. Er 
will aach bis in die letzte Stande an dem Versuche einer friedlichen ^tagelang 
festhalten and beauftragt deshalb seinen Geschäftsaasschaß, dem Reichstage 
sofort die von ihm als anbedingt notwendig erkannten Abänderungen des Ent¬ 
wurfs mit Begründang zur Berücksichtigung ?a unterbreiten; and er erwartet, 
daß die Gesetzgebung, nachdem sie den Aerztestand mit seinen Berafsnotwendig- 
ketten seit Beginn der sozialen Gesetzgebung als anbeachtlich beiseite gelassen 
hat, nunmehr endlich seinen Forderungen die gesetzliche Anerkennung verschafft. 

Der Deatsche Aerztevereinsbund erklärt nochmals feierlich, daß er jedem 
Versuche, die Einigkeit der Aerzte zu untergraben, ihre Koalitionsfreiheit an- 
satasten und Schatzmaßregeln für Schädlinge des Standes za treffen, den 
äußersten Widerstand entgegensetzen wird. Leiden dann Sozialversicherung 
and Versicherte Not, fällt allein der Gesetzgebung die Verantwortung dafür za. 

So raft heate in der Stande der Not and Gefahr der Deatsche Aerzte* 
tag von neaem die Aerzteschaft auf, in festem Zasammenschlaß die Waffen 
der Selbsthilfe bereitzahalten, and er beauftragt seine wirtschaftliche Ab¬ 
teilang, den Leipziger Verband, diejenigen Maßnahmen schleunigst za ergreifen 
and darchsaftthren, die dem ärztlichen Stande die Freiheit seiner Beruf »Übung 
auf jeden Fall za gewährleisten und die ihm gebührende Stellang den Kranken¬ 
kassen gegenüber zu sichern geeignet sind." 


SprsohsaaL 

Anfrage des Kreisarztes Dr. X. ln T: In einer Stadt mit mehreren, 
den Krankenhäasern angegliederten Isolierbaracken werden aus 7—8 Kreisen 
vielfach Krankheitsfälle, die nach dem Reichsgesetz and dem preaßischen 
Gesetz anzeigepflichtig sind, eingeliefert; diese Kranken kommen meist ohne 
Begleitschreiben an. Den ärztlichen Leitern der Isolierbaracken ist nicht 
bekannt, ob ein Arzt überhaupt schon zugezogen ist, mehrfach ist das nicht 
geschehen; sie melden daher jeden Fall der Polizeibehörde des Ortes, wo der 
Kranke zuletzt sich aufgehalten hat, den Erkrankangs- and nach den Sterbe¬ 
fall an. Es entsteht nun die Frage: 

1) Wer ist in solchen Fällen die anständige Polizeibehörde? ist 
dieselbe in der Stadt, in dem die Isolierbaracken sich befinden oder in dem 
Orte, von welchem der Kranke gekommen, wo er sich aafgehalten hat? 

2) Ist die Ueberführaog in die Isolierbaracken als ein Wechsel der 
Wohnung oder des Aufenthalts anzusehen, oder bezieht sich Abs. 2 des § 1 
der Gesetze nar auf Kranke, die ihren Aufenthaltsort verlassen, am nach 
einem andern überzasiedeln, wie z. B. bei Schülern, ZOglingen, Dienstboten, 
Geschäftsreisenden usw., aber sich nicht in Isolierbaracken begeben? 

Antwort: Za 1: Der Arzt der Isolierbaracke hat jeden Fall der 
Polizeibehörde des Ortes, auf deren Gebiet die Baracke liegt, anzamelden. Da¬ 
gegen ist an dem früheren Aufenthaltsorte des Kranken von dem dort zur Anzeige 
Verpflichteten sowohl an die Polizeibehörde dieses früheren, als an die des 
jetzigen Aufenthaltsortes, wo sich die Isolierbaracke befindet, Anzeige za erstatten. 

Za 2: Die Oeberführang in eine Isolierbaracke ist als ein Wechsel 
des Aufenthalts anzosehen. 



844 


Nachruf. 


Aufträge des Kreisarztes Dr. K. In F.: Sind beglaubigte Abschriften von 
„Befähigung: »Zeugnissen zur Verwaltung einer Kreisarztstelle“ stempelpflichtig? 

Antwort: Beglaubigte Abschriften sind nur dann stempelpflichtig, wenn 
die Beglaubigung durch eine Behörde oder einen Beamten erfolgt, die dafür 
zuständig sind, zu deren dienstlichen Obliegenheiten also diese Beglaubigung 
gehört. Dies sind im allgemeinen nur die Gerichte und die Notare. Dagegen 
sind solche Beglaubigungen durch irgend eine Behörde oder einen Beamten, 
die ein Dienstsiegel fuhren, stempelfrei. 


Anfrage des Oberamtsarztes Dr. 8. ln W.: Ist der Apotheker be* 
rechtigt, bei ärztlicher Verordnung von Gng. Hydrarg. flay. die Herstellung 
der Salbe zu berechnen oder nur die Abgabe? 

Antwort: Ung. Hydrarg. flay. braucht nicht vorrätig gehalten zu 
werden; es ist auch kein Taxpreis in der Arzneitaxe vorgesehen; demzufolge 
kann der Apotheker die Herstellung der Salbe berechnen. 

Nachruf. 

Am 26. April d. J. ist das langjährige Vorstandsmitglied des 
Preußischen Medizinalbeamtenvereins, der 

Geh. Med.-Bat Dr. Eliten in Berlin, 

Kreisarzt des Kreises Teltow, 

infolge eines Schlaganfalles, den er drei Tage vorher während des 
ersten Sitzungstages der diesjährigen Hauptversammlung erlitten hatte, 
gestorben. Sein Tod bedeutet fUr den Medizinalbeamtenverein einen 
ebenso schweren als schmerzlichen Verlust! Zwölf Jahre hat der Ver¬ 
storbene dem Vorstande als eifriges, die Bestrebungen und Interessen 
des Vereins nach jeder Bichtung hin förderndes Mitglied angehört! 

Mit vollem Becht erfreute er sich des vollsten Vertrauens und der 
größten Hochachtung bei allen seinen Kollegen, insbesondere bei den 
Medizinalbeamten, unter denen er ob seiner großen Liebenswürdigkeit 
Überaus zahlreiche Freunde zählte. Tielergriffen stehen wir an seiner 
Bahre; erschüttert von dem tragischen Geschick, das ihn in voller 
Manneskraft so unerwartet aus dem Leben gerissen hat! 

Sein Andenken wird stets in Ehren gehalten werden! 

Der Vorstand des Preußischen Medizinalbeamtenvereins. 

I. A.: 

Dr. Rapmund, Vorsitzender. 


Württembergischer Medizinalbeamtenverein. 

Die neunte Jahresversammlung; des Württemberglsohen 
Medizinalbeamtenvereins wird am 

Sonntag, den 8. Mal 1910 

nachmittags 8 Uhr in Stuttgart im Bürgerhospital, Wollramsraße 61 (Straßen¬ 
bahn Pragfriedhof), abgehalten werden. 

1. Geschäftliches. Tsge.Ordnung: 

2. Bericht des Vorsitzenden über die Ausführung der Beschlüsse der letzten 
Jahresversammlung, betr. die Dienst- und Gebaltsverhältnisse der Ober¬ 
amtsärzte, sowie über den jetzigen Stand der Sache. 

8. San.-Bat Dr. Pauser: Die Einrichtungen der Irrenabteilung des Bürger¬ 
hospitals unter Bezugnahme auf die Stadtasyle im allgemeinen; daran an¬ 
schließend Besichtigung der Anstalt mit Demonstration einiger Krankheits¬ 
fälle und einiger neueren psychiatrisch-neurolog. Dntersucbungsmethoden. 

Nach Schluß der Versammlung findet eine zwanglose Vereinigung der 
Vereinsmitglieder im Stadtgarten statt. 

Der Vereinsvorstand: Dr. Kßntlln. 


Redaktion: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Bapmund, Reg.- u. Med.-Bat in Minden L W. 

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28. Jahrg 


1910. 


Zeitschrift 

für 

MEDIZINALBEAMTE. 


Zantralblatt für An gesamte Sasundheitswesen, 

für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irren wesen. 

Hersosgegeben 

von 

öeh. Med-Rat Prot. Dr. OTTO RAPMOND, 

Reglenagi* and Medlilnalrat In Minden I. W. 

Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, Sächsischen, 
Wflrttembergischen, Badischen, Mecklenburgischen und Eisass-Lothringischen 

Medizinalbeamtenvereins. 


Verlag von Fischer’» mediz. Buehhandlg., E Kornfeld, 

HanogL Bayar. Hof- u. BnbanogL Kumnar-BnohliAndlar. 

Berlin W. 85, Lfitzowstr. 10. 

Inserate nehmen die Verlags handlang sowie alle Annoncenexpeditionen des In« 
und Anslandes entgegen. 


Nr. 10. 


Enekelat um S. ul SM. Jedes Hoaata. 


20. Mai. 


Ans dem gerichtsärztlichen Institut der KQnigL Universität Breslau 
(Direktor: Prof. Dr. A. Lobs er). 

Zur Lehre von der gerichtsärztlichen Bedeutung 

der Eklampsie. 

Kasuistischer Beitrag von Dr. 6. Marmetschke, Assistent. 

Das plötzliche Ableben von Personen, bei denen Schwanger- 
scbaft yeramtet wird oder vorliegt, kann den Verdacht einer 
behnfs Abtreibung der Leibesfracht stattgehabten Vergiftung 
erwecken, besonders wenn es an Beobachtung oder richtiger 
Deutung der voransgegangenen Erankheitserscheinnngen fehlt. 
Zn solchen Vorkommnissen gehört znweilen der Tod im eklamp- 
tischen Anfall, dessen Aufklärung dann der Obduktion allein Vor¬ 
behalten bleibt und durch diese auch mitunter einwandsfrei 
erfolgen kann, wie folgender von Herrn Prof. Dr. A. Lesser and 
mir gerichtlich obduzierter Fall zeigt: 

Am 5. März v. J. fand die Polizei, die von dem Regierungs¬ 
baumeister Gf. zur Aufklärung angegangen war, dessen Dienst¬ 
mädchen Emma H. \n ihrer von innen verschlossenen Schlafkammer 
starr und tot im Bette vor. Der Dienstherr gab an, daß die 
Emma H., geh. 19. Februar 1888, tags zuvor (4. 8.) Ansgang 
gehabt hätte nnd nach eigener Angabe mit ihrem Bräutigam, dem 
Postschaffner Earl R., ein Vergnügen habe mitmachen wollen. Die 
Zeit der Rückkehr in ihren Schlafraum sei unbekannt: 



346 


Dr. Marmetscbke. 


„Die p. H. befindet rieb“, fahrt der Bericht des Schitsmunee !c 
Angabe des kinzugerufeuen Arztes Dr. W. in Schwangerschaft nid dtti 
da gelber getrockneter Schleim am Monde zu sehen war, Abtreibt 
eingenommen haben, da der in Massen von ihr abgegangene Suhl 
mit Blot ontermischt war. Jedoch wurde trotz eingehender Revision 
raum nicht das geringste, was als Anhaltspunkt hätte dienen köi 
gefunden. 11 

Die am 8. März 1909 vorgenommene Obduktion d< 
ergab folgenden Befund: 

A. Aeußere Besichtigung. 

1. Die 151 cm lange Leiche der 21 Jahre alten Emma 6.: 
kräftigen Knochenbau, gut entwickelte Muskulatur und mäßig 
Unterbautfettgewebe. 

2. Die Farbe der Haut ist an der Vorderfläche des Körpers 
au der BUckenfläche mit Ausnahme der Druckstellen eine blaßbl 
welche, wie Einschnitte ergeben, bedingt ist durch Füllung der 
mit Blut. 

8. Totenstarre ist an den Gliedmaßen vorhanden. 

6. Die Bnistdrfisen sind ziemlich groß. Aus den Brustwar 
sich auf Druck milchige Flüssigkeit in ziemlich reichlicher Menge 
warzenhöfe sind stark gebräant. Dasselbe gilt von der Mittellinie i 

7. Wassersüchtige Anschwellung besteht nirgends. 

B. Innere Besichtigung. 

8. Das Unterhautgewebe ist blaß, die Muskulatur frische 
getrübt. 

9. Das Bauchfell Ist blaß, zart, glatt und glänzend. 

Im Bauchfellsack eine mäßig reichliche Menge schwach rftt 
wässeriger Flüssigkeit. 

Der vorderen Bauchwand liegen an: ein mäßig großer ' 
bräunlichen Leber, welche zahlreiche unregelmäßig geformte, b 
«tückgroße Blatangen unter der Kapsel aufweist; ein mäßig g 
blassen, mäßig fettreichen Netzes, die bis zweiquerfingerbreit ü 
reichende, blasse Gebärmutter, sowie blasse Dünn- und Dickdai 

10. Das Zwerchfell steht rechts hinter der vierten, li 
fünften Hippe. 

a) Brusthöhle. 

lt. Die Lungen überragen die Herzbeutelränder um ein 
Brustfell ist zart, blaß, glatt und glänzend. In ihm an einer i 
Von 8tellen kleine Blutungen. In jedem Brustfellsack eine 
klarer, wässeriger, schwach rötlicher Flüssigkeit. 

12. Der Herzbeutel, dessen Außenfläche, wie die der 
blaß ist, zeigt eine mittlere Dicke. Die Innenfläche ist blaß, gla 
In ihm befindet sich eine ziemlich reichlicho Menge klarer, was 
rötlicher Flüssigkeit. Das Herz, etwa von der Größe der Ff 
ist links derb, rechts mäßig derb. In beiden Herzhälften ein< 
flüssigen, dunkelroten Blutes ohne besonderen Geruch. Di« 
mündungen sind bequem für zwei Finger durchgängig. I 
Schlagadern schließen auf Wassereioguß. Sie sind ebenso w 
des Herzens zart und blaß. Die Muskulatur ist von mittl« 
getrübt, blaßrot, von normaler Konsistenz. Die Gefäße des H< 

18. Die linke Lunge, sowie 

14. die rechte sind von mittlerer' Größe, vorn durcl 
größten Teil lufthaltig; hier finden sich eine mäßige Anzal 
bläulich gefärbter, derberer luftleerer Stellen von scharfer 
dem Durchschnitt ist das Lungengewebe mäßig blutreich 
erkrankungen bis auf die erwähnten atelektatischen Partie 
sind leer; die Schleimhaut ist ziemlich stark gerötet; in 
Blutungen in ziemlich großer Zahl. 

15. Die Zunge ist blaß, intakt. Die Mundhöhle ist 
baut des Hachens ist ziemlich stark gerötet und etwas ges 

16. Die Speiseröhre ist leer; die Schleimhaut blaß. 



Die gerichtsärztliche Bedeutung der Eklampsie. 


847 


17. Der Kehlkopf und die Luftröhre neigen dasselbe Verhalten wie die 
Bronchien. 

b) Bauchhöhle. 

19. Die Milz miflt 18, 9, 8 cm; die Kapsel ist zart, die Oberfläche 
glatt, bläulich- rötlich, Konsistenz des Organs relativ gering. Auf dem Durch¬ 
schnitt ist das Milzgewebe sehr reichlich, dunkelrot, weich. Balken und KnOt- 
chen treten nicht besonders hervor. 

22. Die linke Niere ist namentlich in ihrem Dickendurchmesser etwas 
vergrößert, Kapsel zart, Oberfläche glatt, etwas trübe^graurötlich; Konsistenz 
des Organs etwas verringert. Auf dem Durchschnitt ist die Bindensubstanz 
verbreitert, trübe -graurötlich. Die Marksubstanz etwas stärker gerOtet, ohne 
erkennbare krankhafte Abweichung. 

23. Die rechte Niere zeigt ein gleiches Verhalten. 

24. Die Nierenbecken und -Kelche, sowie 

26. die Harnblase sind leer; die Schleimhaut ist blaß, nicht geschwollen. 

26. Die mikroskopische Untersuchung der Nieren ergibt eine starke 
Trübung und Verfettung der Epithelien der gewundenen Harnkanälchen. 

27. Die äußeren Geschlechtsteile sind intakt, blaß, nicht geschwollen; 
von dem Jungfernhäutchen sind nur von vernarbten Unterbrechungen durch¬ 
zogene blasse Beste vorhanden. 

28. Die Scheide ist relativ eng; die Schleimhaut ist blaß bis blaßrOtlich, 
nicht wesentlich geschwollen; die Falten sind niedrig. Die Länge der Scheide 
beträgt 11 cm, die Breite 6'/* cm. 

29. Die Länge der Gebärmutter mißt 26 cm, die Breite 17 cm, die 
Dicke 8 cm. Der äußere Muttermund und der Halskanal sind so weit, daß 
man den kleinen Finger einführen kann. Die Muttermundslippen sind blaßrot, 
ohne Verletzungen. Der Gebärmutterhals mißt 2 cm in der Länge und ist 
ausgefttllt mit glasigem Schleim, ln der Gebärmutterhohle findet sich eine 
37 cm lange männliche Frucht in geschlossenen Eihäuten. Dicht über dem 
inneren Muttermunde zeigt sich eine über fünfmarkstückgroße Partie der 
sonst intakten Vera mit zahlreichen Blutungen durchsetzt. Hinten oben sitzt 
ein 18 und 14 cm im Durchmesser führender Mutterkuchen von normaler Dicke 
vollkommen an, an welchem Abweichungen ebensowenig wie an der Nabel¬ 
schnur, den kindlichen Eihäuten und an der Frucht selbst wahrnehmbar sind. 

80. In dem linken Eierstock ein klein - kirschgroßer gelber KOrper. 

31. Der Magen enthält eine mäßig reichliche Menge gelblich - grüner, 
sauer riechender Flüssigkeit. Die Schleimhaut ist belegt mit einer dicken 
Schicht glasigen Schleimes. Sonst intakt, zeigt sie in der linken Hälfte zahl¬ 
reiche, frische punktförmige Blutungen. 

82. Die Gallenwege sind durchgängig. 

83. Im Dünndarm befindet sich eine mäßig reichliche Menge trübes, 
dicklichen, gelblichen Inhaltes; die Schleimhaut ist blaß, nicht geschwollen. 

84. Dasselbe Verhalten zeigt die Schleimhaut des Dickdarmes, in 
welchem eine mäßige Menge dicklichen Kotes ist. 

85. Der After und seine Umgebung sind intakt. 

36. Die GekrOsdrüsen, sowie 

87. die Bauchspeicheldrüse Bind blaß, nicht krankhaft verändert. 

88 Die Leber mißt 24, 17 1 /«, 9*/2 cm. Die Kapsel ist zart, die Ober¬ 
fläche glatt. Unter der Kapsel findet sich eine große Anzahl von punkt¬ 
förmigen bis über talergroßen Blutungen, welche in Gruppen von Leberläppchen 
bezw. in einem Acinus ihren Sitz haben. Das dazwischen liegende Leber¬ 
gewebe ist blaß-braun, nicht getrübt, mit ebenfalls deutlicher Zeichnung. Auf 
dem Darchschnitt nehmen die hämorrhagisch infarzierten Acini etwa */« dee 
Gewebes ein, während das übrige Gewebe ebenso wie an der Oberfläche 
makroskopisch normal erscheint. 

89. Die Lebergefäße enthalten eine recht reichliche Menge flüssigen 
Blutes. Die Gallenblase ist intakt. 

40. Die großen Gefäße des Bumpfes sind intakt. 

II. KopfhOhle. 

41. Die weichen Schädeldecken sind innen vorn blaß, innen hinten bla߬ 
rot, überall unversehrt. 



848 


Dr. Mzmetschke. 


42. Das Schädeldach ist länglich, die Nähte sind erhalten; die Dicke 
and Schwere der Knochen ist eine mäßige. Die innere Tafel ist in dillaser 
Weise etwas verdickt. 

43. Die harte Hirnhaut ist von mittlerer Dicke and Spannung; das 
Gewebe blaß, Innenfläche glatt und glänzend. Blatleiter and Gefäße mäßig 
gefüllt. 

44. Die weiche Hirnhaut ist zart. In ihren Maschen über der kon¬ 
vexen Fläche beider Stirnlappen sowie über dem vorderen Abschnitt des 
Scheitellappens and des Schläfenlappens links findet sich eine nicht anerheb¬ 
liche Masse ausgetretenen Blates ohne Zasammenhangstrennang der Oberfläche. 
In den Maschen der übrigen Abschnitte der weichen Hirnhaat sitzt nar eine 
sehr geringe Menge klarer, wässeriger, farbloser Flüssigkeit. Die Venen sind 
darchweg wenig gefüllt. 

45. Die Windangen der Großhirnhälften sind stark abgeplattet, die 
Forchen entsprechend verschmälert. 

46. Die großen Gefäße der Gehirngrandfläche sind intakt, wenig gefüllt. 

47. In dem mittleren Abschnitte des Markes der linken Großhirnhälfte 
sitzt, amgeben von einem mehrere Millimeter breiten Hof gelber Erweichung, 
ein ungefähr Borsdorfer Apfel großer Blatherd, der die Bindensabstanz nament¬ 
lich in der Gegend der Sylvischen Grabe links darchbrochen hat. Die übrigen 
Teile der Großhirnhälften sind blaß, mäßig feucht, mäßig weich, frei von 
Herderkrankangen. 

48. Dasselbe gilt von den großen Gehirnknoten bis auf den linken Seh¬ 
hügel. In einer etwa doppellinsengroßen Partie dieses findet sich eine ganze 
Anzahl punktförmiger, ebenfalls frischer Blatangen. 

49. Das Kleinhirn, 

60. die Brücke, 

61. das verlängerte Mark sind blaß, mäßig, feucht, mäßig weich, frei 
von Herderkrankangen. 

62. Die Gehirnhöhlen sind leer, mittelgroß. 

63. Die obere Gefäßplatte, sowie die Gefäßgeflechte sind blaßrot, intakt. 

64. Die harte Hirnhaat der Schädelgrandfläche zeigt.dasselbe Verhalten 
wie die des Daches. 

66. Die Knochen der Schädelgrandfläche sind unversehrt. 

Als wesentliche Befände ergaben sich — kurz zusammen- 
gefaßt — folgende: In den Nieren degenerative Prozesse des Paren¬ 
chyms, insbesondere eine sehr starke Trübung und Verfettung 
des Epithels der gewundenen Harnkanälchen; in der Leber punkt¬ 
förmige bis talergroße, in landkarten- und blattartiger Zeichnung 
angeordnete Blutungen sowohl an der Oberfläche, wie auf dem 
Durchschnitt, welche mikroskopisch Trübung der Leberzellen, 
kleinere und grössere Blutextravasate, Erweiterung der Kapil¬ 
laren und mehr oder minder ausgedehnte hyaline Verstopfungen 
dieser darboten; ein kleinapfelgrosser Blntherd im Marke der 
linken Grosshirnhälfte, sowie punktförmige Blutungen im linken 
Sehhügel und nicht unerhebliche subarachnoideale Hämorrhagien, 
vornehmlich im Bereich der linken Grosshirnhälfte. 

Der eben erwähnte Komplex von Organveränderungen ist, 
wie Lubarsch und besonders Schmorl auf Grund eines reich¬ 
haltigen Sektionsmaterials nachgewiesen haben und wie auch wir 
bei relativ zahlreichen Sektionen in der hiesigen Provinzial- 
Hebammen - Lehranstalt (Direktor: Dr. Baumm) bestätigt fanden, 
durchaus charakteristisch für Eklampsie. Wenn auch bisweilen 
bei der in Rede stehenden Krankheit der eine oder der andere Organ¬ 
befund fehlen oder weniger ausgesprochen sein kann, so ist doch 
die anatomische Diagnose sicher aus dem Obduktionsbefunde allein 
zu stellen, falls die Veränderungen so ausgeprägt sind wie in 



Die gerichtsärztliche Bedeutung der Eklampsie. 


849 


unserem Falle. Wir hatten daher am Schlüsse der Obduktion 
das vorläufige Gutachten dahin abgegeben: 

1. Der Tod der H. ist durch Hirnblutungen eingetreten. Diese mit 
den Leber* und Nieren Veränderungen auf die gleiche Krankheit — Eklampsie — 
zurttckzuf (ihren, scheint nach Lage der Verhältnisse geboten. 

2. Die H. befand sich etwa im 8. Monat der Schwangerschaft. 

Auf Befragen: 

3. Die Sektion hat keinen Anhalt für die Annahme ergeben, daß der 
Tod durch Vergiftung (im gewöhnlichen Sinne des Wortes) herbeigeftihrt ist, 
oder daß Abtreibungsversuche vorgenommen worden sind. 

Die inzwischen erfolgte Vernehmung derjenigen Personen, die 
am letzten Abend mit der Verstorbenen zusammen waren, brachte 
u. a. wenigstens bezüglich des Beginns der Erkrankung einige 
Aufklärung. 

Die 22 Jahre alte Anna R., Tochter des Bräutigams der 
Verstorbenen, sagte aus: 

„Soweit ich mich erinnern kann, hat mein Vater mit der H. seit etwa 
einem Jahre ein Liebesverhältnis unterhalten. Ob zwischen beiden näherer 
Verkehr stattgefunden hat, darüber kann ich koine Angaben machen. Ob die 
H. zur Zeit in anderen Umständen war, weiß ich gleichfalls nicht. 

Dieselbe war jede Woche bei uns in unserer Wohnung; ich bin auch 
oft mit ihr ausgegangen; sie hat aber nie mit mir davon gesprochen, daß sie 
sich schwanger fühle. Aus ihren Aeußerungen habe ich ersehen, daß Bie 
meinen Vater heiraten wollte. . . . 

Am 4. März 1909 mittags, als mein Vater in den Dienst ging, sagte er 
zu mir, die Emma käme heute abend her, wir sollten ihn vom Dienst abholen. 
Die H. kam auch, wie dies jeden Donnerstag der Fall war. 

Als ich zu ihr gesagt hatte, wir sollten den Vater abholen, entgegnete 
sie, sie habe äußerst starke Kopfschmerzen, sie wolle lieber nach der Wohnung 
hinauf gehen. Wir gingen hierauf in unsere Wohnung. Hier setzte sie sich 
auf einen Stuhl und sagte, sie sei sehr müde. Nach kurzer Zeit legte sie 
ihren Kopf auf den Tisch. Bei diesem Vorfall äußerte sie noch, dies käme 
bei ihr nicht oft vor, aber heute halte sie es vor Kopfschmerzen nicht aus. 

Gegen 8*/» Uhr kam mein Vater nach Hause. Als er einige Minuten zu 
Hause war, sagte die H., es sei ihr sehr übel, sie werde wohl erbrechen 
müssen. Sie stand auch bald auf, ging nach der Küche und erbrach in den 
Ausguß. Als sie aufgestanden war, bemerkte ich, daß sie auffallend rot im 
Gesicht war. Nach dem Erbrechen spülte sie sich ihren Mund aus und äußerte 
zu meinem Vater, es sei ihr etwas besser; er möchte sie nach Hause be* 
gleiten. Gegen 9 Uhr verließen beide unsere Wohnung, um angeblich nach 
der H. sehen Wohnung zu gehen. Ich bin hierauf schlafen gegangen und 
weiß daher nicht, wann mein Vater nach Hause gekommen ist. 

Ich versichere, daß die H. an dem betreffenden Abend in unserer 
Wohnung nicht das Geringste gegessen oder getrunken hat.“ 

Der Bräutigam der Verstorbenen, Postschaffner Carl R., 
46 Jahre alt, bekundete: 

„Ich muß es ganz entschieden von mir weisen, irgendein Verschulden 
an dem Tode der H. zu haben. Seit dem Tode meiner ersten Ehefrau (25. Oktbr. 
1907) habe ich mit der H. ein Liebesverhältnis unterhalten. Ich hatte auch 
die Absicht, sie in kurzer Zeit zu heiraten. 

Daß ich mit der H. Geschlechtsverkehr unterhalten habe, gebe ich zu. 
Ich habe aber nicht das Geringste davon gewußt, daß sie in anderen Um* 
ständen gewesen sei. Mir gegenüber hat sie sich in dieser Beziehung nicht 
ausgesprochen. Wenn die H. Ausgang hatte, bat sie sich meist in meiner 
Wohnung aufgehalten. Am 4. 3. abends sollte mich die H. mit meiner Tochter 
vom Dienste abholen. Dies geschah aber nicht. Als ich an dem betreffenden 
Abende in meine Wohnung kam, saß die H. am Tische und sagte zu mir, es 
sei ihr sehr unwohl, sie habe bereits erbrechen müssen. Sie bat auch in 
meiner Wohnung in der Küche in den Ausguß erbrochen. Gegen 9 Uhr habe 
ich meine Braut, da sie sich angeblich etwas wohler fühlte, nach Hause be* 



350 


Dr. Hirstein: Zweckmäßige Mengenverhältnisse für des 


gleitet. Gegen 9*/t Uhr sind wir vor ihrer Wohnung an gelangt. 1 
Wege dorthin hat sie sieh noch wiederholt übergeben müssen. Da 
sehr schwach fühlte, wollte ich sie bis in ihr Zimmer begleiten. Si 
dies aber ab. Ich sagte ihr auch, ich möchte die Haushälterin von il 
Wohlsein benachrichtigen. Dies wünschte sie aber gleichfalls nicht; f 
noch, als sie die Treppen hinanfging, ich sollte sie am nächsten Abei 
5 1 /» Uhr besuchen. Als ich zur angegebenen Zeit mich in ihrem Hi 
fand, hörte ich von einem dortigen Dienstmädchen, daß die H. tot i 
fangs habe ich dieser Mitteilung keinen Glauben geschenkt Die Ei 
Würde mir aber von der Hausmeisterin bestätigt/ 

Die Hausmeistern Hedwig K., 35 Jahre, gab an: 

„Daß die H. schwanger war, habe ich ihr angesehen. Ich h&l 
einmal, und zwar im Dezember v. J., ins Gesicht gesagt; sie hat es 
abgestritten. 

Am 1. und 2. März d. J. habe ich mit der H. zusammen Wi 
waschen. Bei dieser Arbeit klagte sie wiederholt, daß sie sich sehr 
fühle. Sie hat auch deswegen öfters ihre Arbeit unterbrochen und 
gesetzt. Was die Veranlassung zu dieser Mattigkeit war, darüber ha 
nicht geäußert; ich habe sie auch nicht danach gefragt. Ich habe &b< 
holt die Wahrnehmung gemacht, daß die H. schwere Waschschaffe a 
gehoben und sich gegen ihren Unterleib gedrückt hat. Auch an d< 
Waschtagen habe ich diese Wahrnehmung gemacht. 

Die p. H. hat auch ihrer Dienstherrschaft gegenüber stets j 
schwanger zu sein/ 

Soweit zu urteilen, setzte also die in Stunden s 
fahrende Erkrankung der H. erst am späten Nachmittage des 
ein und zwar mit Mattigkeit, Kopf schmerzen, Magenscl 
Uebelkeit, Erbrechen. Kurz vor dem Tode müssen sich &i 
reichliche Entleerungen per urethram und per anum eil 
haben. Jene ersterwähnten Symptome waren zweifellos 1 
der Eklampsie; wie auch sonst nicht ganz selten, ließen 
bedrohlichen Charakter des Zustandes auch hier nicht v 
Gleichwie in anderen Fällen stand anch hier das ana 
Gesamtbild in einem gewissen Gegensätze zur Kürze der K 

(Ans dem KOnigl. Medizinaluntersuchungsamte in Ste 

Zweckmäßige Mengenverhältnisse für das Desinfe 
verfahren mit Formalin-Kaliumpermanganat und f 
apparatlose Ammoniakentwicklung. 

Von Dr. Fritz Kiretein Kreisarzt des Stadtkreises Stettin - Q a 
Vorsteher des Medizinalantersuchangsamtes. 

Das ursprünglich von den Amerikanern Evan s und 
angegebene Kaliumpermanganatverfahren wurde bekam 
Preußen durch den Ministerialerlaß vom 1. August 1 qqq 
ebenfalls für amtliche Desinfektionen zugelassen und 
den von Dörr and Raubitschek 1 ) angegebenen 
hältnissen. Hiernach sind für je 100 cbm Luftraum 
übermangansaures Kali, 2 Liter Formalin and 2 Hit© 
erforderlich. Bei den von verschiedenen Seiten vorgenonune 

*) Dörr und Baubitschek: Ueber ein neues Desinf^it+x 
mit Formalin auf kaltem Wege. Wiener klin. Wochenschrift 190*7 
Zentralblatt für Bakt. 45, Heft 1 und 2. * 



Deainfektionsyerfahren mit Formalin-Kaliumpermanganat uw. 861 

Prüfungen hat sich non gezeigt, daß bei den angegebenen Mengen¬ 
verhältnissen nur unsichere Desinfektionsergebnisse erzielt 
werden; als Grund hierfür ergab sich der Umstand, daß nnr 
wenig mehr als 3 g Formaldebyd auf 1 cbm Luftraum entwickelt 
werden. Die amtliche Desinfektionsanweisung verlangt indes von 
einem brauchbaren Formaldehyddesinfektionsverfahren, daß 6 g 
Formaldehyd auf 1 cbm Luftraum und 30 ccm Wasser verdampft 
werden. 

Lösener 1 ) empfahl deshalb zur Erzielung einer sicheren 
Desinfektionswirknng die Verwendung von 3,3 kg übermangan¬ 
saures Kali, 3,3 1 Formalin und 3,3 1 Wasser pro 100 cbm Luft¬ 
raum. Weitere Untersuchungen haben jedoch ergeben, daß es nicht 
erforderlich ist, die Formalin- und Kaliumpermanganatmengen 
in dem von Lösener vorgeschlagenen Umfange zu steigern, um 
den vorgeschriebenen Formaldehydgehalt der Luft zu erzielen, 
wenn man mit der Wassermenge entspechend heruntergeht. 

Als günstige Mischungsverhältnisse empfehlen z. B. Kalähne 
und Strunk *) ein Verhältnis Formalin: Kaliumpermanganat: Wasser 
wie 2,5:2,5:1,0, also pro 100 cbm Baum 2,5 1 Formalin, 2,5 kg 
Kaliumpermanganat und 1 1 Wasser. 

Lockemann und Croner 8 ) bezeichnen auf Grund ihrer 
Versuche als günstigstes Mischungsverhältnis das von 1 Teil 
Formalin: 1 Teil Permanganat: */» Teil Wasser, demnach pro 
100 cbm Raum 2,5 1 Formalin, 2,5 kg Kaliumpermanganat und 
1250 g Wasser. 

Auf Grund eigener Versuche und Berechnungen möchte ich 
bei der praktischen Raumdesinfektion nach dem 
Formalin-Permanganatverfahren pro cbmRaum 25 ccm 
Formalin, 25 g Kaliumpermanganat und 15 ccm Wasser 
zn verwenden empfehlen. Nebenbei möchte ich noch er¬ 
wähnen, daß Kalinm permanganicum crystallisatum, keines¬ 
falls crudum, anzuwenden ist und daß Reaktionsgefäße von 
solcher Größe zu wählen sind, daß ihr Fassungsvermögen wenigstens 
soviel Liter beträgt, als der zn desinfizierande Raum cbm hat. 
Eine Einwirkungszeit des entwickelten Formaldehydgases von 

4 Stunden ist genügend. 

Bei Innehaltung der von mir angegebenen Mengenverhältnisse 
werden sehr günstige Desinfektionsergebnisse erzielt; es werden 
hierbei praeter propter 5 g Formaldehyd und annähernd 25 g 
Wasser pro cbm Raum verdampft. Bei der Entwicklung von 

5 g Formaldehyd pro cbm ist die gleichzeitige Verdampfung von 
20—25 g Wasser vollkommen genügend, um den Desinfektions- 


x ) Lösen er: Wohnungsdosinfektion mit Formaldehyd ohne Apparate. 
Desinfektion; 1908, Heft 3 und 4. 

*) W. Kalähne und H. Strunk: Die Verfahren sur Wohnungs¬ 
desinfektion mittels Formaldehyd und Kaliumpermanganat, ihre Ausgiebigkeit 
an gasförmigem Formaldehyd und ihre praktische Bedeutung. Zeitschrift für 
Hygiene und Infektionskrankheiten; 1909, Bd. 63. 

•) G. Lockemann und F. Croner: Uober die Verwendung von 
Paraform und Permanganat sum Baumdesinfektion. Desinfektion; 1909, 
II. Jahrgang. 



362 Dr. Kirstein: Zweckmäßige Mengenverhältnisse für des 

erfolg za sichern. Bei den mit Apparaten arbeitenden Verfahren 
ist es ja leicht and gewiß auch sehr vorteilhaft, größere Wasser¬ 
mengen za verdampfen. Bei Verfahren jedoch, bei denen die 
größere Wassermenge nur durch Oxydation von Formaldehyd, 
also anf Kosten eines Teiles des za verwendenden Formaldehyds 
erhalten werden kann, läßt sich die Verdampfang von 30 g Wasser 
pro cbm nicht verlangen, wenn anders man dieses Verfahren nicht 
annötig verteuern will. Ich möchte daher anf Grand eigener 
Erfahrungen die Ansicht von Kalähne and Strank 1 ) unter¬ 
stützen, wonach bei einer Entwickelung von 5 g Formaldehyd 
pro cbm die Verdampfang einer nur 4—5 mal größeren Wassermenge 
(20—25 g pro cbm) vollkommen genügend ist, um die Wirksam¬ 
keit des Formaldehyds zu sichern. 

Neuerdings wird an Stelle des flüssigen Formalins die Ver¬ 
wendung des festen Paraforms und Permanganats, das Paraform- 
Permanganat-Verfahren, zur Raumdesinfektion empfohlen. Nach 
Lockemann und Croner 8 ) gestaltet sich das m. W. noch 
wenig bekannte Verfahren folgendermaßen: 

„Der zu desinfizierende Kaum ist in der üblichen Weise abzudichten. 

In einem vollständig trocknen Qefäß aus Holz oder Metall, welches 
ungefähr halb soviel Liter (nicht weniger) faßt, wie der zu desinfizierende 
Baum Kubikmeter enthält, werden soviel Paraform und krystallisiertes 
Permanganat in dem Verhältnis 10:25 miteinander durch Umrühren 
möglichst gleichmäßig gemischt (erkenntlich an der gleichmäßigen Mischfarbe), 
daß auf einen Kubikmeter Baum 10 g Paraform zur Anwendung kommen. 
Gepulvertes Permanganat darf nicht verwendet werden. Bei Des* 
infektion kleinerer Bäume (bis etwa 10 cbm) sind Permanganatkrystalle mittlerer 
Große, bei größeren Bäumen ist das grobkristallinische Präparat zu ver¬ 
wenden. 

Die erforderliche Menge Wasser von Zimmertemperatur wird derartig 
bemessen, daß auf 10 g Paraform 25 —30 ccm Wasser kommen. Das Wasser 
wird aus einem Gefäß mit möglichst weiter Oeffnung zu dem Beaktionsgemisch 
gegossen und durch gehöriges Umrühren mit einem etwa handbreiten Holzbrett 
möglichst gleichmäßig verteilt. Beim Umrtthren muß man besonders beachten, 
daß auch die untersten Teile des Paraform-Permanganat-Gemisches mit dem 
Wasser in Berührung kommen. Man kann ruhig etwa eine halbe Minute 
rühren und hat auch, falls die Beaktion schon cinsetzt, noch genügend Zeit, 
das Zimmer zu verlassen, da die Entwicklung zunächst ziemlich langsam ver¬ 
läuft und erst allmählich in ihrer Intensität gesteigert wird. 

Nach 4 Stunden kann mit dem Entwickeln von Ammoniak begonnen 
werden." 

Bei der von mir vorgenommenen Nachprüfung des Paraform- 
Permanganat-Verfahrens konnte ich die zur Erzielung eines 
günstigen Desinfektionsergebnisses angegebenen Mengenverhält¬ 
nisse bestätigen. Ich möchte daher bei Anwendung dieses Ver¬ 
fahrens ebenfalls empfehlen, pro cbm Raum 10 g Paraform, 
25 g krystallisiertes Kaliumpermanganat and 30 ccm 
Wasser ein wirken zu lassen. Dieses Verfahren hat folgende 
Vorteile vor dem Formalin-Permanganat-Verfahren: 

1. Es brauchen nur feste Materialien in geringerer Gewichts¬ 
menge transportiert zu werden. 

2. Das Paraform-Permanganatverfahren erfordert nar halb 
so große Gefäße wie das Formalin-Permanganatverfahren. 


') 1. c. ») 1. c. 



Desinfektionsverfahren mit Formalin - Kaliamper man ganat uaw. 368 


3. Bei dem Paraform-Permanganatverfahren tritt die Reaktion 
nicht bo rasch in die Erscheinung wie bei dem Formalin-Perman- 
ganatverfahren, sodaß der Desinfektor mehrere Gefäße nachein¬ 
ander durchmischen kann, ohne durch Formaldehydgas belästigt 
zu werden. 

Die genannten Vorteile des Paraform-Permanganat-Verfahrene 
wären jedoch nur dann imstande, das Formalin-Permanganatver- 
fahren zu verdrängen, wenn das Paraform wesentlich billiger 
würde. Vorläufig kostet aber, selbst in größeren Quantitäten 
bezogen, 1 kg Paraform 4,75 M., während 2 1 /* kg Formalin 
(d. i. etwa die gleiche Menge Formaldebyd) nur 2,75 M. kosten. 

Das Paraform-Permanganatverfahren dürfte sich daher vor¬ 
läufig nur fftr militärische Zwecke, für den Feldgebrauch, eignen, 
da hier auf die Mitffihrung fester, leicht transportierender 
Materialien großer Wert gelegt wird. 

Bei der apparatlosen Entwicklung von Formaldehyd wird 
man bestrebt sein, den Formaldehydgeruch durch eine Ammoniak¬ 
entwicklung ebenfalls ohne Apparat zu paralysieren. Dies geschieht 
bekanntlich in einfacher Weise dadurch, daß man aus einem 
Gemisch von Ammoniumsulfat oder Ammoniumchlorid (Salmiak) 
und gebranntem Kalk durch Uebergießen mit Wasser Ammoniak¬ 
dämpfe entwickelt. 

Sind die oben von mir angegebenen Formalin- bezw. Para¬ 
formmengen verwendet worden, so möchte ich zur Paralysierung 
des Formaldehydgeruches auf Grund von Versuchen empfehlen, 
pro cbm Raum 25 g gebrannten Kalk (in nicht zu großen 
Stücken) und 15 g Salmiak mit 15 ccm Wasser (am besten 
heißem) zur Reaktion zu bringen. Das Reaktionsgefäß muß nach 
dem Uebergießen des Gemisches mit Wasser schnell durch die 
geöffnete Tür in das zu desinfizierende Zimmer geschoben werden. 
Die Entwicklungszeit des Ammoniaks ist mit */«—1 Stunde genügend 
lange bemessen. 

Da ich in letzter Zeit wiederholt von Kollegen nach den 
Preisunterschieden zwischen den apparatlosen Verfahren und 
dem Breslauer Verfahren gefragt worden bin, möchte ich hier eine 
vergleichende Zusammenstellung anfügen: 

Unter Zugrundelegung folgender Preise für die einzelnen 
Desinfektionsmittel: 

1 kg Formalin 40°/o.1,10 U. 

1 kg Paraform.4,76 „ 

1 kg Ammoniak 26°/o.0,42 „ 

1 kg KaUom permangan. crystall. . 1,05 „ 

1 kg Spiritas 86 °/o.1,37 „ 

1 kg Salmiak.0,80 „ 

1 kg gebr. Kalk.0,10 „ 

ergibt sich, daß einschließlich Ammoniakentwicklung pro i 00 cbm 
Raum kosten: 

1. Das Formalin-Permanganat-Verfahren: 6,40 M. 4- 1,66 M. = 7,06 M. 

2. Das Paraform-Permanganat-Verfahren: 7,40 M. -|- 1,65 M. = 9,05 tf. 

3. Das Autan-Verfahren — nach den von der Fabrik Torgeschriebenen 
Packungen, welche jedoch unzureichende Formaldebydmengen liefern — inkl. 
Ammoniakentwickler: 8,40 M. 

4. Das Breslauer Verfahren (nach Flügge): 2,79 H. + 0,66 M. = 3,44 M. 









354 


Br. Hagemann. 


Demnach ist das Formalin-Permanganatverfahren rund doppelt 
so teuer wie das Breslauer Verfahren, das Paraform-Permanganat* 
Verfahren annähernd 3 mal, das Autanverfahren unter Verwendung 
ausreichender Quantitäten ca. 4 mal so teuer wie das Breslauer 
Verfahren. 

Von den apparatlosen Verfahren kann daher für die allge¬ 
meine Desinfektionspraxis, abgesehen von militärischen Zwecken, 
nur das Formalin-Permanganatverfahren in Frage kommen. Man 
wird sich dieses Verfahren mit Vorteil bedienen können, wenn es 
sich z. B. in einem Dorfe darum handelt, mehrere Desinfektionen 
auf einmal auszufähren, oder wo es sich um die Desinfektion 
großer Bäume, wie Schulsäle u. dgl. handelt nnd nur eine geringe 
Anzahl von Apparaten zur Verfügung steht. 

Im übrigen ist auch für ländliche Verhältnisse die Apparat¬ 
desinfektion viel rentabler als die Formalin-Permanganatdesinfek- 
tion; denn die allgemeine Desinfektions-Ausrüstung muß in jedem 
Falle mitgeführt werden. Ob nun auf dem Handwagen, den der 
Desinfektor zum Transport der Ausrüstung braucht, anstatt einiger 
Kilogramm Kaliumpermanganat und womöglich noch einiger Kilo¬ 
gramm Kalk für die Ammoniakentwicklung ein Desinfektions¬ 
apparat mitgeführt wird, dürfte für die Transportfähigkeit der 
Ausrüstung ziemlich belanglos sein. 

Die Permanganat-Verfahren sind wie das Autan verfahren 
interessante thermochemische Erscheinungen, die jedoch die be¬ 
währten Apparatverfahren in der allgemeinen Desinfektionspraxis 
deshalb nicht ersetzen können, weil eben die auf Kosten der 
Beaktionskörper erzielte, zur Verdampfung von Formaldehyd nnd 
Wasser erforderliche Wärmemenge erheblich teurer ist als die 
aus Spiritus gewonnene. 


Zur Tabletten-Frage. 

Von Dr. C. Hagemiu, Kreisarzt und medis. Hilfsarbeiter bei der Königlichen 

Regierung zu Breslau. 

Zweck dieser Zeilen ist, gewisse aus § 13 der Apotheken- 
Betriebsordnung vom 18. Februar 1912 sich ergebende Unzuträg¬ 
lichkeiten auch vor dem Forum der Leser dieser Zeitschrift, d. h. 
vom Standpunkte des Bevisions- Beamten zur Sprache zu bringen. 
Auf ihre wirtschaftliche nnd pharmazeutisch-technische Bedeutung 
sei dabei nur soweit notwendig eingegangen, da in dieser Hinsicht 
bereits gründliche Abhandlungen von den berufensten Facbleaten 
(Harnack, Berendes, v. Martins) vorliegen nnd auch der 
Verein Deutscher Chemiker, Fachgruppe für medizinisch-pharma¬ 
zeutische Chemie, in seiner Sitzung vom 20. Februar 1909 sich 
des näheren damit befaßt hat. 

Zu Beginn des verflossenen Jahrzehnts ist bekanntlich die 
Beichs- und Landes - Gesetzgebung durch Aufnahme von Prohibitiv- 
Bestimmungen dem Vertrieb der in Tablettenform komprimierten 
Arzneimittel entgegengetreten, nnd zwar erstere mit Bezug auf 
den freien Verkehr außerhalb der Apotheken in ziemlich radikaler 



Zar T&blettenfrage. 


355 


Weise (Verzeichnis A, Nr. 9 der Kaiserlichen Verordnung vom 
22. Oktober 1901), letztere in der Apotheken-Betriebsordnung mit 
Bezug auf das Vorrätighalten in den Apotheken unter Beschränkung 
auf solche zusammengepressten Zubereitungen, welche Stoffe der 
Tabellen B und C des Deutschen Arzneibuches enthalten, mit 
zwei namentlich aufgeftthrten Ausnahmen. Die für die Apotheken 
maßgebliche Bestimmung, von welcher im folgenden ausschließlich 
die Rede sein soll, erfuhr noch eine Verschärfung durch den 
Ministerial-Erlaß vom 81. Dezember 1906, indem sie auf „die 
zusammengepressten Zubereitungen aller in jenen Tabellen nicht 
verzeichneten Arzneimittel von gleicher Wirkung“ ausgedehnt 
wurde. 

Fragen wir uns nach den Motiven, welche zu einer solchen 
weitgehenden Ablehnung der Tabletten geführt haben mögen, 
so steht der gesundheitliche Schutz des mit Arznei zu versorgenden 
Publikums wohl an erster Stelle: Es war die schwer kontrollier¬ 
bare Form des Mittels, in welcher die Möglichkeit einer Benach¬ 
teiligung, wo nicht einer direkten Gefährdung des Konsumenten 
erblickt werden konnte. Daneben aber spielte zweifellos das Be¬ 
streben, dem Apothekergewerbe gegenüber der gewaltig an¬ 
schwellenden Konkurrenz der chemischen Großindustrie Rückhalt 
und Ansporn zu verschaffen, eine wichtige Rolle, wie ja denn 
auch das legislatorische Vorgehen von dringlichen Vorstellungen 
seitens praktischer Vertreter des Apothekerstandes seinen Aus¬ 
gang genommen hatte. Diesem letzteren, wirtschaftlichen Beweg¬ 
gründe war aber eine Berechtigung umso weniger abzusprechen, 
als bei der Ueberflutung des heimischen Marktes durch ausländi¬ 
sche, speziell englische und amerikanische Erzeugnisse, geradezu 
eine nationale Abwehr sich damit zu verquicken schien. 

Nun ist trotz dieses Bemühens die Tablette aus dem Kampfe 
unzweifelhaft als Siegerin hervorgegangen. Als ein in jeder Hin¬ 
sicht modernes Produkt der hochentwickelten chemischen Industrie 
haben die Tabletten gerade der großen chemischen Werke, unter¬ 
stützt natürlich durch wirksame Reklame, sich die Gunst des 
Publikums wie auch das Vertrauen der Aerzte in einem Maße 
erworben, daß die Apotheker auf den Handel mit ihnen unter 
Verzicht aut eigene Produktion vielfach geradezu angewiesen sind, 
und dieselbe Bestimmung, die sie vor Jahren mit Erfolg herbei¬ 
gesehnt haben, nunmehr als lästige Fessel empfinden. Der Wunsch 
nach Aufhebung oder doch wenigstens Abänderung der zurzeit 
gültigen Vorschriften ist demgemäß wiederholt laut geworden, 
und es fragt sich tatsächlich, wie weit die dem Tabletten-Verbot 
zugrunde Hegenden Anschauungen gegenwärtig noch zu Recht 
bestehen. 

Als unwillkommener Import-Artikel können die Tabletten 
nicht mehr angesehen werden, seitdem die einheimische Industrie 
sich ihrer Fabrikation angenommen und die ausländische Kon¬ 
kurrenz aus dem Felde geschlagen hat. Was die engeren Inter¬ 
essen des Apothekerstandes selbst anbelangt, so sind diese, wie 
schon angedeutet, gegen früher wesentlich verändert. Nicht als 



366 


Dr. Hagemann. 


ob nicht auch gegenwärtig noch wohl die Mehi-z 
die Herstellung dieser Medikamente ans eig-ener 1 
Schaft und unter eigener Verantwortung- a.n si 
werter hielte, als den einfachen Zwischenhandel: 
allgemein die Ueberzeugung Bahn gebrochen, 
triebsfrendigste Klein-Fabrikant mit den unter 
wütiger technischer and finanzieller Hfilfsmittel a 
Werken anf die Däner doch nicht konkurrieren j 
noch: Arzt and Pablikam wollen, durch geschicl 
eingenommen, gar nichts anderes mehr als Ori 
die Zusatz- Bezeichnung des Groß-Fabrikanten 
geradezu suggestiver Weise die Wertschätzung 
glauben eben heutzutage die Apotheker nichts 
können, als aus der Not eine Tugend zu mach« 
Tabletten in buntester Auswahl dem Publikum di 

Ueber seinen eigenen Wunsch hinaus aber d 
gewissen Grade auch wirklich gegen seine Inte 
schfitzen zu wollen, kann fernerhin nicht Aufgv 
gebung sein. Somit bliebe als einzige Grundlag« 
sorge ffir das öffentliche Wohl, die Garantie einer 
Publikums mit einerseits wirksamen, anderseits ni 
differenten, kurz mit richtig hergestellten Arznein 
treter der Groß-Industrie heben zwar hervor, dal 
der Herstellung ebenso gut oder sogar besser g< 
in ihrem Betriebe, wie es bei der Fabrikation 
irgend möglich sei; es läßt sich aber dessenungea 
und selbst eine Verpflichtung des Staates, von c 
sich dauernd fiberzengt zu halten, nicht in Abrede 

Zu weitgehend wäre es jedoch, wollte man 
handel lediglich aus dieser Erwägung heraus auc 
dem Maße, wie bisher, einschränken und erschwej 
stände, wie sie v. Martins 1 ) recht drastisch schi 
wenn sie selbst gegenwärtig im angegebenen Maß« 
existieren, auf die Dauer nicht ausbleiben. 

»Heute,* sagt v. Martins, »dürfte es auch in Deutscl 
eine Apotheke geben, in der keine fertigen Tabletten su habe 
geschieht der Verkauf nur unter der Hand; da der Tablette« 
lieh mit Heilmitteln der Tabellen B und C nun einmal verb 
sich die Apotheker ein vor den Augen des Revisors verborg 
halten, aus dem sie auf Verlangen die Tabletten verabfolgen, 
geschilderten gesetzwidrigen Zustande ist es su verdanken, 
unsere Tabletten-Verordnungen noch keine weitere Kreise nmf« 
gewandt hat; Verbote, die nicht befolgt werden, können in ihr 
empfunden werden.* 

Zwei weitere Umstände hat man noch geltend 
denen die Abwesenheit eines wirklich drflekenden Mil 
geleitet werden sollte: Einmal die »Dehnbarkeit* < 
Betriebsordnung, wie auch des zusätzlichen Minist 
vom 31. Dezember 1906: würde doch durch erster 


*) Zitiert nach der Pharm. Zeitung vom 27. Januar 1909. 
*) Wie ich auf Grund eigener Erfahrungen annahmm mu 



Zur Tablettenfrage. 


857 


relativ geringe Anzahl der modernen nnd beliebten Tabletten be¬ 
troffen, und beziehe sich auch der spätere Erlaß nnr anf Mittel 
„von gleicher Wirkung“ wie die in Tabula B und C namentlich 
aufgeführten. Also nicht auf starkwirkende Mittel schlechthin, 
sondern lediglich auf solche, die pharmakodynamisch einer be¬ 
schränkten Anzahl bestimmter Arzneimittel genau gleichstehen. 
Daß eine solche Auffassung aber nicht im Sinne des Gesetzgebers 
gelegen hat und daß sie auch dem offenbaren Zweck, dem Schutze 
des Konsumenten, nicht genügen würde, braucht kaum verfochten 
zu werden. Unter „gleicher Wirkung“ muß zweifellos die gleiche 
Stufe der Differenz gegenüber dem menschlichen Organismus ganz 
im allgemeinen, also die gleiche Gefährlichkeit verstanden werden. 

Ebenso kann der Revisor ernstlich nicht umhin, eine Gesetz¬ 
widrigkeit in jedem Falle anzunehmen, wo er die verbotenen 
Tabletten in irgend welchen Behältnissen der Apotheke vorfindet. 
Zwar ist selbst von maßgeblicher Seite darauf hingewiesen worden, 
daß nicht der Handel mit diesen Tabletten, sondern nur ihr Vor¬ 
rätighalten verboten sei, und daß es hiernach dem Apotheker un¬ 
benommen bleibe, Präparate dieser Art von Fall zu Fall zwecks 
Weiterverkaufs sich zu beschaffen 1 ). Aber es dürfte doch schlie߬ 
lich keinem Zweifel unterliegen, daß dem Sinne nach durch den 
Wortlaut der Betriebsordnung nur die Selbstdarstellung gegenüber 
der Abhängigkeit vom chemischen Großbetriebe geschützt und 
gefördert werden sollte. Jedenfalls würde eine Ausrede des Apo¬ 
thekers unter Bezugnahme anf die oben wiedergegebene Aus¬ 
legung der Vorschrift nur in jenen gewiss seltenen Fällen den 
Revisor überzeugen können, wo der vorhandene Vorrat nachweis¬ 
lich sich mit bereits vorliegenden Bestellungen bezw. ärztlichen 
Verordnungen deckt. 

Es fragt sich, in welcher Weise der veränderten Sachlage 
am besten Rechnung getragen werden könnte. Hierzu hat 
v. Martins 3 ) bereits Vorschläge formuliert, die ich deswegen 
wiedergeben möchte, weil auch vom diesseitigen Standpunkt 
ihnen beigepflichtet werden kann. v. Martins empfiehlt an Stelle 
der zurzeit gültigen bezüglichen Bestimmungen die Einführung 
einer genauen staatlichen Kontrolle der Tabletten-Fabriken, die 
ihrerseits als Spezial-Abteilungen der chemischen Werke durch¬ 
weg der Leitung gelernter Apotheker zu unterstellen seien. Er 
verlangt weiter eine Verpflichtung der Apotheker, die Tabletten, 
soweit sie diese nicht selbst anfertigen, ausschließlich aus diesen 
kontrollierten Betrieben zu beziehen. Schließlich regt der ge¬ 
nannte Autor an, die Taxpreise für Tabletten etwas zu erhöhen 
and durch äußere Merkmale, vielleicht durch verschiedene Färbung, 
die dem freien Verkehr überlassenen, die im Apotheken-Handverkauf 
abzugebenden und die der ärztlichen Verordnung vorbehaltenen 
Tabletten leicht unterschiedbar zu machen. Eine gewisse Aehn- 
lichkeit mit der gegenwärtig vorgeschriebenen Behandlung anderer 


*) Verordnung des Berliner Polizeipräeidenten vom 14. Juli 1905. 

*) 1. c. 



868 


Dr. Hagemann: Zur Tabletteafra 


staatlich kontrollierter Arzneimittel wie Diphtl 
knlin, Pocken-Impfstoff, springt in die Angei 

Da einerseits die Fabrikanten in der Oi 
mit Recht den Zweck einer Schutzmarke und 
zugleich erblicken, anderseits die Abgabe los 
jeweils gewünschten Menge den Interessen de 
sprechen würde, bliebe vielleicht noch zu erw 
zu prüfen, ob sich der Name des Produzenten i 
zelnen Tablette anbringen ließe. In diesem F; 
der Zwang einer Originalpackung fortznfallen. 

Den v. Martiusschen Vorschlägen bei 
zurzeit gültigen Vorschriften ist von verschied« 
auch von Apothekern, widersprochen worden, t 
weis darauf, daß der Apotheker immer mehr zum 
gestempelt würde und für seine technische Vor! 
Verwendung fände. Das trifft jedoch für die 
nur bedingsweise zu: Wessen sich der Apothe 
der Hauptsache die mechanische Tätigkeit d< 
während die Verantwortung für dauernd einwai 
heit und Verpflichtung zur pharmakologischen 
von ihm geführten Waren einschließlich der Ta 
bleibt. Zugegeben aber auch, der obige Einwt 
berechtigt, so trägt er doch dem Gewicht übermä 
zu wenig Rechnung, wie sie eben zur Wandlung < 
geführt haben. Dies geht schon daraus herv< 
Gegenvorschläge zur anderweitigen Lösung 
Schwierigkeiten nicht haben gemacht werden kö 

Nachwort. Herr Reg.- und Geh. Med.-Rat 
ich für die Durchsicht obiger Arbeit und Stella 
zu lebhaftem Dank verpflichtet bin, führt in i 
Bemerkungen hierzu noch folgendes aus: 

„Ein sehr wunder Punkt ist die Ausdehnung 
des § 13 der Apoth.-Betr.-Ordn. auf die kompri 
mittel „von gleicher Wirkung" durch den Minist« 
31. Dezember 1906. Wer ist überhaupt ohne i 
Lage festzustellen, inwieweit ein neues Mittel, d« 
form auf den Markt geworfen wird, ein seiner Wi 
Mitteln der Tab. B und C gleichwertiges ist? Wec 
theker dazu imstande, noch der Revisor. Verfolj 
klame- Abhandlungen von Aerzten, Kliniken pp., di 
Mitteln vorangehen und ihre Einführung in die I 
bezwecken, so ist man geradezu erstaunt über die 
äußerst differente Wirkung, die denselben von de 


*) Vergl. Apoth.-Betriebsordnung, § 28. Nach einer ; 
Kammergerichts vom 2 Min 1905 (Z f. M.-B. 1906, L Beil. 
Verantwortung allerdings auf die nach dem Anneibach ab« 
Mittel beschränkt; jedoch wird durch freiwilligeDebereendui 
Vorschriften seitens der großen Fabriken an die Apotheker 
letsteren eine etwa beabsichtigte Kontrolle durchui sthegeleg 
(Pharm. Zeitung vom 10. Mira 1909.) 



Die diesj&br. Beratung des preuß. Abgeordneten!]anses über den Vedizinaletat. 869 


gemessen wird. Von diesem Gesichtspunkte ans würden die 
meisten der neuen Mittel zum mindestens denen der Tab. G hin¬ 
sichtlich ihrer Wirkung gleich zustellen und dem Vorrätighalten 
in den Apotheken zu entziehen sein. Eine staatliche Kontrolle 
der Tabletten-Fabriken reicht hier nicht aus; hier würde ebenso, 
wie aas für die Geheimmittel vorgeschlagen worden ist, ein 
Zentral-Prüfungsinstitut im Reichsgesundheitsamt am Platze sein." 


Die diesjährige Beratung des Preussischen Abgeordneten¬ 
hauses Uber den Medizinaletat. 

Wie bereits in der vorigen Nummer der Zeitschrift mit¬ 
geteilt ist, gelangte der Medizinaletat im Abgeordnetenhause in 
dessen Sitzungen am 29. und 80. v. Mts. zur Beratung. Es wurde 
dabei eine ganze Reihe von Fragen angeschnitten, deren Erörte¬ 
rung fast jedes Jahr wiederkehrt; über den sogen. Uebereifer der 
Kreisärzte ist jedoch diesmal nicht geklagt, der beste Beweis, 
dass kein Anlaß zu solchen Klagen vorlag und dass allmählich 
immer mehr die Notwendigkeit einer den Forderungen der öffent¬ 
lichen Gesundheitspflege entsprechenden Tätigkeit der Gesundheits¬ 
behörden, insbesondere der Medizinalbeamten, anerkannt wird. 
Die beschlossene Ueberweisung der Medizinalverwaltung 
vom Kultusministerium an das Ministerium des Innern wurde 
ebenso wie bei der allgemeinen Debatte über den Kultusetat auch 
bei dieser Beratung besprochen und gleichzeitig der Wunsch ge¬ 
bessert, dass dann an der Spitze womöglich ein besonders auf 
dem Gebiete der sozialen Medizin erfahrener Arzt gestellt werde. 
Betreffs der im Etat vorgesehenen Erhöhung der Dienst- 
aufwandsentschädigung der Kreisärzte wurde von dem 
Berichterstatter (Abg. v. der Osten (kons.) die Ansicht ver¬ 
treten, dass diese nunmehr dem Bedürfnis genügen würde; eine 
Ansicht, die bei den beteiligten Beamten wohl kaum auf Zu¬ 
stimmung rechnen dürfte. Dagegen werden wohl die Aus¬ 
führungen des Abg. Gottschalk (natl.) Über die Stellung der 
Kreisassistenzärzte deren vollen Beifall finden; sie ent¬ 
sprechen in allen Punkten ihren Wünschen. Auch der von 
den Abgg. Hirsch (Soz.-D.) und Mogk (natl.) an das Mini¬ 
sterium gerichteten Bitte auf Erlass eines Hebammengesetzes 
werden alle Medizinalbeamten znstimmen; denn nach den bisherigen 
Erfahrungen ist kaum darauf zu rechnen, dass trotz staatlicher 
Beihilfen und Erhöhung der Gebühren die Verhältnisse der Heb¬ 
ammen eine so durchgreifende Aufbesserung erfahren, wie sie im 
öffentlichen Interesse geboten erscheint. Dasselbe gilt betr. der 
von verschiedenen Abgeordneten angeregten Forderungen in bezug 
auf eine ausgiebigere Krüppelfürsorge (Abg. Lüdicke [frk.j 
und Hirsch [Soz.-D.]), in bezug auf Bekämpfung der Säuglings¬ 
sterblichkeit, der Tuberkulose und des Alkoholismus, 
sowie in bezug auf Erlass eines Wohnungsgesetzes und in 
bezug auf Tragnng der Kosten für die Wohnungsdesin- 



860 Die diesjährige Beratung des prenBisehen Abgeordnetenhauses 


fektion. Die Klagen über za schematische Durchführung 
der Nahrangsmittelkontrolle (Abg. v. d. Osten [kons.] 
and Schilfer [natl.]), über Durchführung der obligatorischen 
Leichenschau (Abg. v. d. Osten, Müller-Prüm [Ztr.]) wurden 
mit Recht von dem Herrn Minister als unbegründet zurück- 
gewiesen, dagegen gegenüber einer vom Abg. Schiffer (natl.) 
vorgebrachten Beschwerde über die von den Krankenanstalten 
einzureichenden Morbiditätsstatistik, die zu viel Arbeit 
mache, wohlwollende Prüfung zugesagt. In außerordentlich warmer 
Weise trat der Abg. v. Wenden (kons.) für die Diakonissen 
ein und forderte eine grössere Fürsorge für sie und eine strengere 
staatliche Kontrolle der Diakonissenhäuser, damit die Arbeitskraft 
der Schwestern nicht über Gebühr ausgenutzt werde. Der Herr 
Minister stimmte ebenso wie der Abg. Pachnicke (fortsch. V. P.) 
voll und ganz in das der aufopfernden Tätigkeit der Diakonissen 
gespendete Lob ein, hielt aber eine weitergehende Ausdehnung 
der Staatsaufsicht über die Mutterhäuser nicht für opportun, wenn 
er sich auch im übrigen bereit erklärte, den vorgeschlagenen 
Wünschen nach Möglichkeit entgegenzukommen. Nicht so ent¬ 
gegenkommend zeigte sich der Herr Minister gegenüber einer von 
dem Abg. Peltason (fortschr. V.-P.) vorgebrachten Beschwerde 
über den bekannten Fall aus dem Britzer Krankenhause, wo 
ein jüdischer Medizinalpraktikant von dem Anstaltsleiter 
abgewiesen wurde, weil die übrigen Anstaltsärzte erklärt hatten, 
mit einem solchen nicht gesellschaftlich verkehren zu wollen. Bei 
der dritten Lesung des Etats, in der dieser Fall von dem Abg. 
Cassel (forschr. V.-P.) nochmals zur Sprache gebracht wurde, 
erwiderte der Herr Minister jedoch, dass er es nicht billigen 
könne, wenn die Annahme von Praktikanten in nicht konfessionellen 
Krankenanstalten von ihrer Religion abhängig gemacht werde. 
Den Wünschen der Abgg. Frank (Zentr.), Varenhorst (frk.) 
und Pachnicke (fortschr. V.-P) auf Erlass eines Apotheken- 
gesetzes, falls eine reichsgesetzliche Regelung des Apotheken¬ 
wesens nicht beabsichtigt sei, wurde von seiten des Herrn Ministers 
eine reservierte Antwort zuteil; betreffs ihrer weiteren Wünsche 
auf Abänderung der Kaiserlichen Verordnung über den Verkehr 
mit Arzneimitteln außerhalb der Apotheken, insbesondere 
auf eine positive Fassung dieser Verordnung wurde auf das Reich 
verwiesen; dasselbe geschah in bezug auf die vom Abg. Schiffer 
(natl.) für notwendig erklärte einheitliche gesetzliche Regelung 
der Bestimmungen über die Ankündigung von Gehe im mittein. 
Die sonst noch angeregten Fragen betrafen die Errichtung einer 
Kreisarztstelle für den Kreis Duderstadt (Abgeordnete 
v. d. Hagen [Zentr.] und Otto [kons.]), Zulassung der 
fakultativen Feuerbestattung (Abg. Pachnicke [fortschr. 
V.-P.]), Errichtung eines neuen Gebäudes für das hygienische 
Institut in Posen, Belassung einer Medizinalunter¬ 
suchungsstelle in Wiesbaden, Anzeigepflicht bei Ge¬ 
nesung der an übertragbaren Krankheiten erkrankten Per¬ 
sonen (Abg. Beyer [Ztr.]), sowie staatliche Ueberaahme der 



Über den Medizinaletat. 


361 


Kosten der Leichenschau bei Epidemien (Ab g. Gott* 
achalk) [kons.]). 

Wir lassen die Verhandlungen nachstehend im Auszuge auf 
Grund des stenographischen Berichts folgen; der besseren Ueber- 
sicht wegen sind sie nach den einzelnen zur Erörterung gekommenen 
Gegenständen geordnet. 

V Abtrennung der Medlsinalabteilung vom Kultusministerium 
and ihre UeberWeisung an das Ministerium des Innern; 

Berufung eines Arstes an die Spitze desselben. 

Die hierüber seitens des Herrn Ministers bei Gelegenheit der allgemeinen 
Verhandlung des Enltosetats abgegebene Erklärung ist bereits ln Nr. 9 der 
Zeitschrift (S. 341) mitgeteilt. Erörtert wurde sie bei der Spezialdebatte 
dann noch weiter von den Abgg. Schilfer und Hirsch: 

Abg. Schilfer (ntl.) glaubt nicht, daß den Mißständen auf dem Gebiete des 
Geheimmittelwesens so leicht abzuhelfen sei, insbesondere nicht, daß etwa die 
Uebertragung der Medizinalabteilung auf das Ministerium des Innern hierin einen 
wirklichen Wandel schaffen könne. Es handele sich bei dieser doch schließlich 
wie bei allen Hessortveränderungen mehr um eine äußere Maßnahme, die an sich 
begründet sein möge durch die Last der Geschäfte im Kultusministerium, aber 
eine materielle Veränderung kaum herbeiführen könne; es sei eine Aenderung 
der Etikettierung, die mit der Sache nichts zu tun habe. Er glaubt auch 
nicht, daß die neulich in der Presse gemachten Vorschläge wegen der Be¬ 
setzung des leitenden Postens in dieser wichtigen Abteilung durch einen Arzt 
ein Aliheiimittel darstelle. Es sei allerdings das Natürliche und Gegebene, 
wenn eine ärztliche Kraft die Leitung dieser Abteilung inne habe, aber soweit 
könne man doch nicht gehen, unter allen Umständen darauf zu bestehen, daß 
gerade ein Arzt diese Funktion ausüben müsse. Es komme bei dieser so hohen 
und bedeutsamen Stelle doch am letzten Endo auf die Persönlichkeit an. Ein 
tüchtiger Jurist oder ein einem anderen Ausbildungszweige ungehöriger Mann 
würde sicherlich an der Stelle stehen und durch seine Persönlichkeit Gutes 
wirken können. Das Nächstliegende sei allerdings in der Person eines Arztes 
zu finden; ausschlaggebend scheine diese Frage aber nicht zu sein. 

Abg. Hirsch (Soz.-Dem.): Die Trennung der Medizinalabteilung vom 
Kultusministerium scheint nunmehr beschlossene Tatsache zu sein. In Anbe¬ 
tracht der hohen Bedeutung der öffentlichen Gesundheitspflege würde es das 
Beste sein, wenn ein besonderes Medizinalministerium errichtet würde. Das 
ist jedoch augenblicklich nicht zu erreichen. Unter den jetzigen Verhältnissen 
kommt es aber weniger darauf an, ob die Abteilung dem Kultusministerium 
angegliedert ist oder dem Ministerium des Innern, als vielmehr darauf, daß 
an der Spitze eine tüchtige geeignete Persönlichkeit steht, die auch das 
Amt richtig versieht. Der Abg. Schiffer hat gemeint, daß sich auch 
für diese Stellen ein Jurist eigne, Hedner ist anderer Ansicht; er glaubt, 
wenn die Abteilung wirklich Ersprießliches leisten soll, dann müsse an ihrer 
Spitze ein Mediziner stehen, und zwar ein Mann, der namentlich auf dem Ge¬ 
biete der Sozialmedizin, auf dem Gebiete der Hygiene Erfahrungen hat (Sehr 
wahr! bei den Sozialdemokraten). Ssine Partei erkenne dnrchaus die großen 
Leistungen unserer Wissenschaft auf dem Gebiete der Volksgesundheitspflege 
an; was nützen jedoch alle wissenschaftlichen Ergebnisse, was nütze die ganze 
Forschung, wenn sie nicht praktisch im Interesse der Gesundheit angewendet 
würde? Daran fehle es leider vielfach. Es sei z. B. eine ungeheure Zahl von 
Gewerbekrankheiten festgestellt. In der Praxis geschehe aber so gut wie 
gar nichts, um diesen Krankheiten vorzubeugen, weil die Fürsorge auf diesem 
Gebiete wieder von ganz anderen Instanzen ausgeübt werde. Da würde es 
sich doch wohl fragen, ob es nicht richtig wäre, alles, was überhaupt in das 
Gebiet der sozialen Hygiene fällt, einer einheitlichen Instanz zu unterstellen. 

b. Kreisärzte (Dienstaufwandsentschädlgang, Kreisarztstelle 
in Dnder8tadt) and Kreleassistenz&rste. 

Abg. v. der Osten (kons.) gibt namens seiner politischen Freunde seiner 
Freude darüber Ausdruck, daß es gelungen ist, in den vorliegenden Etat eine 
Erhöhung der bisher unzweifelhat ungenügenden Dienstaufwands ent- 



362 Die diesjährige Beratung des preußischen Abgeordnetenhauses 

Schädigung der Kreisärzte aufzunehmen, and zwar, für vollbesoldete von 
750 anf 900, fttr die nicht vollbesoldeton von 250 anf 400 M.; er glaubt, daß 
damit dem dringenden Bedürfnis genügt ist. 

Abg. v. dem Hagen (Zentr.) bittet um Anstellung eines Kreisarztes in 
seinem Heimatkreise Duderstadt. Vor der Medizinalreform sei dort stets 
ein Kreisphysikus und früher ein „Land- und Stadtpbysikus“ im Amte gewesen; 
das Bedürfnis nach einem solchen mache sich jetzt von Jahr zu Jahr immer 
mehr fühlbar. Duderstadt sei eine hoch entwickelte Schalstadt, habe neuer¬ 
dings ein großes, allen Anforderungen der Neuzeit genügendes Krankenhaus 
mit 40—60 Betten errichtet, auch zähle der Kreis mehr Einwohner als 
mancher andere Kreis in der Provinz Hannover, der einen Kreisarzt habe. 
Namentlich bedürfen aber die dortigen hygienischen Verhältnisse zum Teil recht 
sehr der Abhilfe; insbesondere sei eine energische Bekämpfung der in unmittel¬ 
barer Nähe von Duderstadt stark verbreiteten Kurpfuscherei nötig. Aus allen 
diesen Gründen sei es sehr wünschenswert, wenn im Mittelpunkt des Kreises selbst 
ein Kreisarzt wohne, um den nötigen Einfluß aaszuüben. In der Kreisstadt 
Duderstadt seien vier Aerzte, von denen mindestens zwei das Examen pro 
physicatu gemacht haben. Es wäre vielleicht möglich, daß einer von ihnen 
als nicht vollbesoldeter Kreisarzt angestellt werden könnte. Eine Abhilfe sei 
mit Rücksicht auf die schlechten Verbindungen des Kreises Duderstadt mit 
dem Amtssitze des jetzt zuständigen Kreisarztes in Osterode dringend nötig. 

Abg. Otto (kons.) schließt sich diesem Wunsche an und weist noch be¬ 
sonders darauf hin, daß die Kurpfuscherei gerade im Kreise Duderstadt ganz 
enorme Fortschritte mache. Auch in hygienischer Hinsicht sei im Kreise 
Duderstadt bis jetzt sehr wenig geschehen. Wasserleitungen und andere sanitäre 
Einrichtungen seien überhaupt nicht vorhanden. Die Dörfer Behen so schmutzig 
aus, daß man sie kaum nirgends elender finden kann. Für den in Osterode 
wohnenden Kreisarzt seien die Wege nach dem Kreis Duderstadt zu weit; 
man sollte deshalb dort eine Kreisarztstelle einrichten. 

Abg. Dr. Gottschalk (natl.): Die Stelle des Kreisassistenzarztes 
ist zu einer Vorstufe der Stellung des Kreisarztes geworden. Die Kreis¬ 
ärzte rekrutieren sich aber nicht nur aus den Kreisassistenzärzten, sondern 
teilweise auch aus den kreisärztlich vorgeprttften praktischen Aerzten, die bis 
dahin nicht im Vorbereitungsdienst gestanden haben. Es fragt sich, ob diese 
Duplizität der Herkunft der Kreisärzte zweckmäßig aufrecht erhalten 
werden kann. 

Für den Kreisarzt ist nach zweifacher Richtung eine Spezialausbildung 
erforderlich; erstens in sachlicher Hinsicht: er muß das weite Gebiet der 
Psychiatrie, der Bakteriologie umfassend beherrschen; zweitens muß er aber 
auch für die Beamtenlaufbahn vorgebildet sein. Daß namentlich in letzter 
Hinsicht eine besondere Ausbildung notwendig erscheint, ist in einer Reihe 
von Aufsätzen in der Zeitschrift für Medizinalbeamte durch hervorragende 
Fachleute dargetan. Diese besondere Ausbildung wird sich aber nur erreichen 
lassen, wenn man die Kreisärzte sich ausschließlich aus denjenigen Aerzte- 
kreisen rekrutieren läßt, die in dem besonderen Vorbereitungsdienst gestanden 
haben, und die praktischen Aerzte, fttr die der Uebergang aus dem freien 
Gewerbebetriebe in den Stand des Beamten einen großen Sprung bedeutet, 
ausschaltet. Das ist die Betrachtung, die sich aus dem Verhältnis des 
Amtes ergibt. 

Man kann sich aber auch in den Standpunkt des Kreisassistenzarztes 
selbst versenken. Es liegt die Auffassung sehr nahe, daß jemand, der jahre¬ 
lang in der Vorbereitung begriffen ist, sich zurttckgesetzt fühlt, wenn nicht 
spezifisch vorbereitete praktische Aerzte, dio allerdings die kreisärztliche 
Prüfang bestanden haben müssen, in den Stand der Kreisärzte hineinkommen, 
während er selbst, der meistens schon ein höheres Alter erreicht hat, jeden¬ 
falls in der zweiten Hälfte der 30 er Jahre sich befindet, das Nachsehen hat. 
Dieses Gefühl der Zurücksetzung muß um so mehr berechtigt erscheinen, 
als nach der Praxis auf die Anziennität der Anwärter keine Rücksicht ge¬ 
nommen wird. 

Die KreisassUtonzärzte haben auch andere Klagen; sie beanstanden 
namentlich den Titel Kreisassistenzarzt; sie weisen darauf hin, daß sie, nach¬ 
dem sie ein höheres Lebensalter erreicht haben, und zwar ein Alter, ln dem 



Aber den Medizinaletat. 


368 


die übrigen Aerzte auf der Stufenleiter der Titel schon hoher emporgeklommen 
sind, noch als Assistenzärzte bezeichnet werden. Es wird statt des bisherigen 
Titels der Titel Medizinalassessor vorgeschlagen. Vor allem glanben die Kreis* 
aasistenzärzte sich aber durch die Bestimmungen über die Anrechnung der 
Dienstzeit auf das Besoldungsdienstalter beschwert, da diese Dienstzeit nur 
bis zu 2 Jahren angerechnet werden kann, und zwar unter der Voraussetzung, 
daß sie länger als 4 Jahre in der Stellung als Assistenzärzte sich befunden haben. 

o. Hygienischen Institut in Posen. Medisinaluntersuchangsümter. 

Abg. Klndler (f orte ehr. V.-P.) beschwert sich, daß der Neubau für das 
Hygienische Institut in Posen noch immer nicht ausgeffihrt sei, obwohl 
seine Notwendigkeit allseitig anerkannt und jetzt auch ein geeigneter Bau¬ 
platz vorhanden sei. Die Stadt habe früher 100000 Mark Zuschuß zu 
dem Bau bewilligt; jetzt wolle sie allerdings weniger geben, während 
der Staat den Zuschuß in früher bewilligter Hohe verlange. Nun heiße es 
plötzlich, es seien Verhandlungen wegen Verlegung des Instituts nach Brom- 
borg angeknüpft. Bedner möchte das nicht glauben, da das Institut auch 
einen Teil der Akademie bilde und diese sonst degradiert würde. Man habe die 
Akademie, den Bauplatz mit eingerechnet, mit einem Kostenaufwande von 
2'/» Millionen erbaut; es wäre eine Verschwendung, wenn man einen Teil des 
Lehrkörpers beseitigte und dadurch die Akademie wieder verkleinerte. Die 
Stadt würde bei solcher Sachlage Bicherlich den geforderten Beitrag von 
100000 Mark geben. Bedner bittet dringend um eine klare Erklärung, daß 
eine Verlegung des Hygienischen Instituts von Posen nicht geplant sei; eine 
solche sei als ein schwerer Schlag gegen die Stadt, gegen die Akademie, gegen 
die gebildete Bürgerschaft von Posen a nzusehen. (Bravo 1) 

Geh. Ob.-Med.-Bat Prof. Dr. Kirchner: Das seitens der Stadt Posen 
für das hygienische Institut bis 1. April 1914 zur Verfügung gestellte Gebäude 
hat sich schon nach wenigen Jahren keineswegs als ein so gut und standfestes 
herausgestellt, wie man angenommen hatte; es war vielmehr so baufällig, daß 
die Begierung Jahr für Jahr große Summen in das Haus hat hineinstecken 
müssen. Deswegen wurden schon frühzeitig Verhandlungen mit der Stadt 
Posen eingeleitet, in denen man sich über die Frage eines Neubaues einigen 
wollte. Man ist bei den Verhandlungen davon ausgegangen, daß der Staat 
das Grundstück zur Verfügung stellen und die Stadt einen Bautenzuschuß 
von 100000 Mark zahlen sollte. Obwohl nun ein vorzügliches, in unmittel¬ 
barer Nachbarschaft der Akademie belegcnes Grundstück vom Herrn Finanz¬ 
minister zur Verfügung gestellt wurde, wurden die Vereinbarungen erst im 
vorigen Jahre der Stadtverordnetenversammlung vorgelegt; diese aber versagte 
ihre Zustimmung und gestand nur zu, daß der Zuschuß auf den Betrag von 
46000 Mark beschränkt werden sollte, verlangte aber, daß trotzdem das 
Institut in seiner ganzen Organisation erhalten bliebe. Daß die Verhandlungen 
unter diesen Umständen ins Stocken geraten sind, ist wohl verständlich, da 
die Königliche Staatsregierung auf ein Entgegenkommen gerechnet hatte. Sie 
sind aber keineswegs abgebrochen worden. Vielmehr ist die Staatsregierunu 
bereit, sie wieder aufzunehmen, wenn die Stadt Posen es wünscht. Bezüglich 
der anderen Frage, ob das Institut nach Bromberg verlegt werden soll, ist 
folgendes zu bemerken. Bisher bestand in der Provinz Posen eine bakterio¬ 
logische Untersuchungsanstalt für den Begierungsbezirk Posen, nämlich das 
Hygienische Institut in Posen, und eine kleine Untersuchungsanstalt in Brom¬ 
berg für den Begierungsbezirk Bromberg. Es ist nun zwischen dem Herrn 
Kultusminister und dem Herrn Finanzminister vereinbart worden, daß womöglich 
diese beiden Anstalten vereinigt werden sollen, d. h., daß entweder die 
MedizinaluntcrsuchungB8tclle in Bromberg aufgehoben und vom Hygienischen 
Institut in Posen die Arbeit für den Begierungsbezirk Bromberg mit über¬ 
nommen wird, oder daß umgekehrt die Anstalt in Bromberg bestehen bleibt, 
und in diese das Hygienische Institut verlegt wird. Diese Frage ist Gegen¬ 
stand einer Beratung in Bromberg gewesen, da diese Stadt ein wesentliches 
Interesse daran hat. Aber die Frage ist noch in der Schwebe; eine endgültige 
Stellung ist seitens der Königlichen Staatsregierung noch nicht eingenommen 
worden. Ob nun die Verhandlungen mit der Stadt Posen zu einem gedeih¬ 
lichen Ende führen oder nicht, jedenfalls wird niemand daran denken, da* 



364 Die diesjährige Beratung des preußischen Abgeordnetenhauses 


Hygienische Institut in Posen aufzuheben. Sein Verbleib in Posen oder seine 
Verlegung nach Bromberg aber wird von dem Ergebnis abhängen, zu dem die 
Verhandlungen mit den städtischen Behörden führen. 

Abg. v. Tilly (kons.) schließt sich im allgemeinen den Ausführungen 
deB Herrn Abg. Kindler an und möchte namentlich in derselben Weise, wie 
er es getan hat, den Herrn Ministor bitten, die ungünstigen finanziellen Ver¬ 
hältnisse der Stadt Posen bei den bevorstehenden weiteren Verhandlungen 
nicht außer acht zu lassen, jedenfalls die Frage einer Verlegung des 
Hygienischen Instituts nach Bromburg nicht mehr in Erwägung zu ziehen. 

Abg. Kindler (fortschr. V.-P.) bittet nochmals, auf keinen Fall eine 
Verlegung in Aussicht zu nehmen, sondern das Hygienische Institut, das so 
viele Jahre in Posen bestanden hat, dort za belassen. Es sei überzeugt, daß 
über die Geldfrage eine Einigung erzielt werde. 

Abg. Bartling (natl.)bedauert,daß die Medizinaluntersuchungsstelle 
in Wiesbaden aufgehoben werden solle, obwohl sie im Jahre 1909 bereits 2405 
Untersuchungen aasgeführt und dadurch wohl den Beweis erbracht habe, daß 
sie einem dringenden Bedürfnis entspricht. In sachverständigen Kreisen Bei 
man außerdem der Ansicht, daß der Beschluß des Herrn Kultusministers, die 
Zahl der Medizinaluntersuchungsstellen zu vermindern, deren Gebiet benach¬ 
barten Untorsuchungsstellen zuzuteilen und dadurch größere Untersuchungs¬ 
gebiete zu schaffen, nicht unbedenklich erscheine und jedenfalls recht bedenk¬ 
liche Folgen nach sich ziehen könne. Man verkenne nicht, daß cs leichter ist, 
eine kleine Zahl größerer Untersuchungsstellen mit verhältnismäßig geringeren 
Mitteln besser und zweckmäßiger mit Apparaten, Instrumenten und auch Per¬ 
sonal auszustatten, als eine größere Zahl kleinerer Untersuchungsstellen, und 
daß insbesondere auch in der Möglichkeit der Anstellung mehrerer Beamten 
bei einer großen Untersuchungsstelle ein nicht zu unterschätzender Vorteil 
liegt. Man sei anderseits aber auch der Ansicht, daß dieser Vorteil — ab¬ 
gesehen von Einzelfällen — im allgemeinen durch den Nachteil mehr als auf¬ 
gehoben werde, daß das aus räumlich großen Untersuchungsgebieten zur 
Untersuchung kommende Material dem Untersuchungsamt nicht so rasch zu¬ 
geführt werden könne, wie das aus kleinen Gebieten zu ermöglichen sei und 
daß dadurch ein möglichst rasches Erkennen ansteckender Krankheiten — 
worauf es doch in erster Linie ankomme — in bedenklicher Weise erschwert 
und verzögert werde. Während jetzt das Material in wenigen Stunden an die 
Untersuchungsstelle gelange, werden künftighin 16—20 Stunden darüber ver¬ 
gehen. Der Aerzteverein in Wiesbaden habe deshalb auch in einer Eingabe 
an den Herrn Kultusminister die Bitte gerichtet, von der Aufhebung der Unter- 
suchungsstelle in Wiesbaden abBehen zu wollen, und der Magistrat der Stadt 
Wiesbaden hat sich diesem Ersuchen des Aerzteveroins angeschlossen. Der 
Magistrat habe sich auch bereit erklärt, zu der UntersucbungBsteile von 1910 
ab einen Beitrag von 650 Mark zu zahlen. — Leider sei dem Gesuche keine 
Folge gegeben und die Untersuchungsstelle am 1. April aufgehoben. Man 
suche vergeblich nach den Gründen, die den Herrn Minister haben veranlassen 
können, in Wiesbaden die Untersuchungsstelle aufzuheben und mit dem Unter¬ 
suchungsamt in Koblenz zu vereinigen; auch finanzielle Gründe seien 
dafür nicht vorhanden, da die Untersuchungsstelle in Wiesbaden nur 523,21 M. 
Staatszuschuß erforderlich gemacht habe und dieser demnächst durch den Zu¬ 
schuß der Stadt gedeckt werde. 

Bei der Zahl der Untersuchungsstellen sollten überhaupt nicht finanzielle, 
sondern ausschließlich sanitäre Gründe ausschlaggebend sein. Redner richtet 
deshalb an den Herrn Minister die dringende Bitte, unter Berücksichtigung der 
wirklichen Verhältnisse und der in den Eingaben des Aerzteveroins und des 
Magistrats ausgeführten Gründe, im Interesse der Karstadt Wiesbaden mit 
150000 Fremden die Errichtung einer Medizinaluntersuchungsstelle daselbst 
wieder ins Auge zu fassen. (Bravo 1) 

Geh. Ob.-Med.-Rat Prof. Dr. Kirchner, Regierengskommissar: Ursprüng¬ 
lich beabsichtigte die Königliche Regierung, alle Kroisärzte mit Instrumenten 
und Geräten auszustatten und sie so in den Stand zu setzen, selbst die Unter¬ 
suchungen auszuführen. Das hat sich jedoch bald als undurchführbar erwiesen, 
da es der Mehrzahl der Kreisärzte an der dazu nötigen Zeit und Erfahrung 



Ober den Medizinaletat. 


866 


kleine bakteriologische Laboratorien za errichten, welche diese Arbeiten ihr 
den ganzen Regierungsbezirk machen sollten. Allein auch das erwies sich 
als nicht zweckmäßig; denn je kleiner ein Labor&torinm ist, am so weniger 
leistungsfähig ist es. Erstens hat der Leiter eines so kleinen Laboratoriums 
nicht genügend Gelegenheit, seine Kenntnisse auszubilden und zu verwerten, 
und zweitens hat er, da er der einzige Beamte ist, wenn er beurlaubt oder 
krank wird, keinen Vertreter, so daß das kleine Laboratorium brach liegt oder 
eine kostspielige Vertretung erforderlich macht. Deswegen bat sich jetzt der 
Herr Kultusminister mit dem Herrn Finanzminister dahin geeinigt, daß die 
Zahl der Untersuchungsämter von 17 auf 11 verkleinert, daß aber dafür jedes 
einzelne der bestehenden Aemter in Personal und Material so verstärkt werden 
solle, daß es unter allen Umständen leistungsfähig ist. Wir sind überzeugt, 
daß dieser Schritt gut ist, und daß die Untersuchungen in vielen Beziehungen 
besser und sicherer ausgeführt werden als bisher, und daß alle Teile damit 
zufrieden sein werden. Sicher sind die Bezirke, deren Untersuchungsanstalten 
aufgehoben werden, damit zunächst nicht einverstanden; aber sie werden sich 
sehr bald damit abfinden. Wenn bei dieser Neuorganisation auch die Medizinal- 
untersuchung88telle in Wiesbaden hat eingehen müssen, so ist wohl verständ¬ 
lich, daß die Aorzte und die Stadt dies bedauern; die Sicherheit und Zuver¬ 
lässigkeit der Untersuchungen, welche für die Stadt und den Regierungsbezirk 
Wiesbaden ausgeführt werden müssen, werden aber deshalb nicht leiden. Der 
Regierungsbezirk Wiesbaden ist an das schöne Medizinaluntersuchungsamt in 
Koblenz angeschlossen worden, das nach jeder Richtung hin leistungsfähig ist. 
Bei den ausgezeichneten Eisenbahnverbindungen zwischen Wiesbaden und 
Koblenz ist auch keine große Verzögerung zu befürchten. Finanzielle Gesichts¬ 
punkte haben hierbei nicht den Ausschlag gegeben, sondern lediglich Gründe 
der Zweckmäßigkeit. Sollte sich indessen wider Erwarten herausstellen, daß 
die Untersuchungen für Wiesbaden in Koblenz wirklich nicht so gemacht 
werden können, wie es im Interesse einer wirksamen Seuchenbekämpfung not¬ 
wendig ist, so wird die Frage noch einmal sorgfältig geprüft werden, ob auch 
in Wiesbaden ein Medizinaluntersuchungsamt errichtet werden muß. Für jetzt 
aber bleibt nichts weiter übrig, als die Entwicklung der Dinge abzuwarten. 

d. Krankenanstalten; Morbiditätsstatistik, Fürsorge für 
Diakonissen und Annahme von Medininalpraktlkanten. 

Abg. Schiffer (natl.) bemängelt die vom statistischen Landesamt unter 
dem 29. Februar 1908 ergangenen Vorschriften über die Aufstellung der Mor¬ 
biditätsstatistik in den Krankenanstalten. Das Tabellonformular sei so kom¬ 
pliziert und spezialisiert, daß ganz außerordentliche Aufwendungen erforderlich 
seien, um es namentlich auch für das verflossene Jahr 1909 noch nachträglich 
auszafüllen. Ein Gesuch de3 Magistrats der Stadt Magdeburg, für 1909 von 
Ausfüllung dieses Tabellenformulars abzusohen, sei aber abgelehnt. Wolle 
die Stadt der Anforderung genügen, so müßte eine besondere Arbeitskraft 
angestellt werden, diese sei aber in der Stadtverordnetenversammlung abge¬ 
leitet. Die Bürgerschaft habe sich über die ganze Sache außerordentlich und 
wahrscheinlich mehr, als die Summe Goldes bedeutet, erregt. 

Kultusminister v. Trott zu Solz: Dar Abg. Schiffer hat in sehr aus¬ 
führlicher Weise die Schwierigkeiten erörtert, die entstanden sind durch die 
Anforderung eines zu statistiseken Zwecken bestimmten wechselnden Formu¬ 
lars, die von dem Regierungspräsidenten in Magdeburg an den dortigen Ma¬ 
gistrat gerichtet worden ist. Derselbe Fall ist bereits in der Budgetkom- 
mission vorgetragen worden; infolgedessen habe ich Veranlassung genommen, 
von Magdeburg Bericht einzufordern, und werde, sobald dieser Bericht bei mir 
eingegangen ist — was bis jetzt noch nicht zutrifft —, in der Lage sein, mir 
ein abschließendes Urteil über die Sache zu bilden, um danach die mir erfor¬ 
derlich scheinenden Schritto zu tun. Sollten in der Tat Mißstände der behaup¬ 
teten Art hervorgerufon worden sein, so nehme ich keinen Anstand, schon 
jetzt zu erklären, daß das sehr bedauerlich wäre, und daß dann Abhilfe ge¬ 
schafft werden müßte. 

Abg. v. Wenden (kons.) hält es für notwendig, daß sich ein fürsorgendee 
Auge auch einmal den Diakonissen zu wende. Es sei in den letzten Jahr¬ 
zehnten unendlich viel geschehen in der sozialen Fürsorge für die weniger 
bemittelten arbeitenden Volksschichten, aber an diese „Arbeiterinnen“, welche 



366 Oie diesjährige Beratung des preußischen Abgeordnetenhauses 


nicht um Geld und Geldeswert arbeiten, sondern Tag und Macht sich in selbst* 
loser Liebest&tigkeit abmtthen, die Leiden ihrer Mitmenschen su heilen, ihre 
Schmerzen zu lindern und ihre Tränen zu trocknen, habe niemand gedacht. 
Diese Fürsorge sei nicht etwa so zu denken, welche die sozialpolitische Ge* 
setzgebung vorsieht, sondern sie müsse eine von Grund aus andere sein. 
Wer das Leben kenne, das unsere Diakonissen in ihren Mutterhäusern, auf 
den einzelnen Stationen, oder wo immer auch sie arbeiten, führen, der weiß, 
mit welchem Grade von Selbstverleugnung sie sich hier betätigen. Sie gönnen 
sich keine Buhe, sie gönnen sich keine Erholung, und nur zu oft gehen sie, 
vor der Zeit verbraucht, unter der Last der Arbeit zugrunde. Die Schwestern 
haben sich daran gewöhnt, dies beinahe als etwas Selbstverständliches zu be¬ 
trachten; als etwas Schwerzzuvermeidendes wird es auch vielfach von den 
Anstaltsleitungen angesehen. Die Kranken, die der Fürsorge der Anstalt an¬ 
vertraut sind, gehen den Schwestern unter allen Umständen vor. DaB mag 
an und für sich richtig sein, darf aber nicht so weit gehen, daß die Schwestern 
den Kranken gegenüber ganz zurücktreten. Die Schwestern werden in der 
Tat vielfach zu sehr überanstrengt; die Anstaltsleitung läßt oft den nötigen 
Blick dafür vermissen, den Zeitpunkt zu beurteilen, wann eine Schwester er¬ 
lahmt. Erst wenn die Kräfte ganz versagen, wird eine Erholen gszeit ge¬ 
währt und selbst während dieser die Schwester oft noch mit allen möglichen 
kleinen Diensten betraut. Die Bücksicht auf die Allgemeinheit der Schwestern 
erfordert es, daß diese Uebertreibungen vermieden werden und die Lei¬ 
tung der Diakonissenhäuser einer gewissen staatlichen Kontrolle unterstellt 
wird, damit die Schwestern nicht ganz in die Hände der Anstaltsleitung ge¬ 
geben werden, damit dauernd und gewissenhaft ihr Kräftezustand ärztlich 
beobachtet wird, und damit den erholungsbedürftigen Schwestern die notwen¬ 
dige Erholung zu rechter Zeit in genügendem Maße zuteil wird. 

Auch für die alten und invaliden Schwestern müßte noch mehr ge¬ 
schehen (Sehr richtig!). Der Staat sollte keinem Menschen gegenüber mehr 
das Bedürfnis haben, Fürsorge zu treffen für seine alten Tage, als gerade 
gegenüber diesen alten Schwestern, die ein Leben voller Mühe nnd Arbeit in 
gemeinnütziger Tätigkeit hinter sich haben, die doch auch in ganz eminentem 
Sinne den Interessen des Staates dient (Sehr richtig!). Schließlich sollte man 
auch dazu gelangen, daß man den Diakonissen ihre Tracht schützt. Hierauf 
wird von ihnen der allergrößte Wert gelegt (Sehr richtig!). Bedncr will 
keineswegs, daß der Staat den Mutterhäusern jede Selbständigkeit in ihrer 
Verwaltung nimmt; er möchte nur, daß nach den von ihm gewiesenen Dich¬ 
tungen hin eine gewisse staatliche Ucberwachung eintritt. Er bittet den 
Herrn Minister, dies ernstlich einmal in den Kreis seiner Erwägungen ziehen 
zu wollen. Es gelte eine Dankesschuld gegenüber den hochherzigen Frauen 
abzutragen. Die Diakonissen seien Leuchten und Perlen unserer Frauenwelt 
und müssen unter besonderem staatlichen Schutz stehen. Bedner kennt keinen 
Beruf, vor dem er eine größere Hochachtung hätte, als vor dem Beruf der 
Diakonissen (Lebhafter Beifall). 

Kultusminister v. Trott zu Solz will die warmen, anerkennenden Worte 
des Vorredners für die Diakonissen nicht ohne eine, wenn auch kurze Antwort 
lassen, in der er sich in vollem Maße der Anerkennung für die Tätigkeit 
der Diakonissen anschließe. Die Diakonissen und ihre Häuser können ver¬ 
sichert sein, daß die Staatsregierung ihre Tätigkeit gerne, so weit das in 
ihrer Macht und in ihrem Berufe steht, unterstütze, ihnen hilfreich zur Seite 
stehe. Anderseits ist es doch das Bichtigc, wenn der Staat in dem Maß der 
Aufsicht, die ihm ja auch über die Diakonissenhäuser zusteht, sich zurückhalte 
und den Diakonissenbäusern ihr freies Leben nach Möglichkeit lasse. Soweit 
eine solche Staatsaufsicht aber angebracht ist, wird sie auch ausgeübt, und 
es wird dabei dann auch schon jetzt dasjenige nicht aus dem Auge gelassen, 
was der Herr Vorredner wünscht. Es würde dabei, wenn ein Diakonissenhaus 
nicht die ausreichende Zahl von Schwestern und Pflegerinnen hat, so daß diese 
zu stark in Anspruch genommen werden, gefordert werden, daß entweder die 
Zahl der Kranken vermindert oder die Zahl der Diakonissen, der Pflegerinnen 
vermehrt wird. Im übrigen werde ich mir die Worte des Herrn Vorredners 
in Erinnerung halten und sehen, ob nach der einen oder anderen Bichtung 
hin von Staats wegen seinen Wünschen entsprochen werden kann (Lebhafter 
Beifall). 



Uber den Medizin aletat. 


367 


Abg. Dr. Pachnieke (fortschr. V.-P.) kann alles, was über die Diakonissen 
gesagt worden ist, unterschreiben und dem Herrn Minister darin beitreten, 
daß es nicht gerade das Ziel der Wünsche sein kann, nun recht viel staatliche 
Aufsicht und Ueberwachung zu erhalten. Damit lindere man die Schmerzen 
nicht, die dieser Stand empfinde (Sehr gut! links). 

Abg. Peltasohn (fortscbrittl. V.-P.) bringt den bekannten Fall aus dem 
Kreiskrankenhause in Britz zur Sprache, wo ein jüdischer Medizinalpraktikant 
von dem Anstaltsleiter abgowiesen wurde, weil die übrigen Anstaltsarzte erklärt 
hatten, mit einem solchen nicht gesellschaftlich verkehren zu wollen. Wegen 
dieser offenbar gesetzwidrigen Versagung der Zulassung sei bei dem könig¬ 
lichen Landrat des Kreises Teltow Beschwerde erhoben, der diese als unbe¬ 
gründet abgewiesen habe, da der ärztliche Direktor mit dem Bescheide an den Me¬ 
dizinalpraktikanten diesen im eigenen Interesse nur darüber habe verständigen 
wollen, daß die Annahme seines Gesuchs, falls er Israelit sei, für ihn eine 
unangenehme Situetion, eine Isolierung unter don übrigen Aerzten des Kranken¬ 
hauses, schaffen würde. Antisemitische Tendenzen hätten ihm dabei ebenso 
fern gelegen, wie eine persönliche Kränkung. Tatsächlich stehe aber fest, 
daß in dem Schreiben des dirigierenden Arztes der jüdische Praktikant mit 
Rücksicht auf den Wunsch der Assistenzärzte abgewiesen sei. Daraufhin habe 
die Aerztekammer für Berlin-Brandenburg am 22. Januar d. J. beschlossen: 
die Begierung zu ersuchen, dem Kreiskrankenhause in Britz, so lange die 
jetzige Leitung besteht, das Recht der Ausbildung von Praktikarten zu ent¬ 
ziehen und gleichzeitig den Aerztekammerausschuß zu ersuchen, beim Reichs¬ 
kanzler einen Erlaß anzuregen, daß ans konfessionellen Gründen niemals ein 
Praktikant abgelehnt werden dürfe. Ob und in welcher Weise der Herr Mi¬ 
nister auf Antrag der Aerztekammer eine Entscheidung getroffen habe, sei 
nicht bekannt geworden. 

Redner will hier auf das nicht zu billigende Verhalten gewisser Kreise, 
über Jemand ohne weiteres den gesellschaftlichen Boykott zu verhängen, 
lediglich weil er ein Jude ist, nicht eingehen; der Leiter einer Anstalt, die 
aus öffentlichen Mitteln unterhalten wird und als öffentliches Institut im er¬ 
weiterten Umfange Pflichten hat, muß aber die gesetzlichen Normen streng 
einhalten. Wenn durch eine Zwangsbestimmung dem geprüften Kandidaten 
die Verpflichtung auferlegt wird, das praktische Jahr abzulegen, dürfen die 
durch die Ermächtigung mit der Ausführung der Bestimmung betcauten An¬ 
stalten die Ablehnung aus persönlichen Gründen nicht eintreten lassen, wenn 
nicht Hinderungsgründe in der Person liegen, die das Gesetz kennt. Ein freies 
Ermessen, Willkür kann hier nicht obwalten. Der dirigierende Arzt handelte 
pflichtwidrig, wenn er diese speziellen Bestimmungen außer acht ließ und sich 
auch über die allgemeine Vorschrift der Verfassung hinwegsetzte, wonach 
der Genuß der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte von dem reli¬ 
giösen Bekenntnis unabhängig ist. Er hat auch das durch die Erteilung 
der Ermächtigung erwiesene Vertrauen nicht gerechtfertigt. Auch der Land¬ 
rat hat in einer Angelegenheit, wo ein Arzt in grobem Maße beleidigt 
wurde, in keiner Weise dem verletzten Rechtsgefühl Rechnung getragen. 
Die Sache beansprucht ein öffentliches Interesse, zumal der Fall nicht 
vereinzelt stehen soll. Wie sich der Minister zu der Sache selbst stellt, muß 
seiner Entscheidung überlassen werden. Eine direkte Einwirkung im Wege 
des Zwanges wird wohl nach den gesetzlichen Vorschriften nicht zulässig sein. 
Der Herr Minister hat indeß das Recht, dem Anträge der Aerztekammer 
entsprechend, dem Kreiskrankenhause die Ermächtigung wieder zu entziehen. 
Ob er davon Gebrauch machen wird, ist nicht von besonderer Bedeutung. Von 
Wert wäre jedoch eine Erklärung, daß die Abweisung eines Medizinal- 
praktikauten, der sonst allen Erfordernissen entspricht, nicht zulässig ist, daß 
sie insbesondere nicht aus konfessionellen Gründen geschehen darf, daß nicht 
freies Ermessen obwalten kann, sondern daß die Abweisung nur aus gesetz¬ 
lichen Gründen erfolgen darf. Die Oeffentlichkeit würde es begrüßen, wenn 
diese Besprechung wenigstens diesen Erfolg zeitigte (Bravo! links). 

Kultusminister v. Trott zu Solz: Der Vorredner geht von keiner zu¬ 
treffenden Voraussetzung aus, wenn er annimmt, daß mit der Erteilung der 
Ermächtigung an Krankenhäuser zur Annahme von Praktikanten zugleich die 
Verpflichtung verbunden sei, solche Praktikanten anzunehmen. Es handelt 
rieh lediglich um eine Ermächtigung, und es steht völlig in dem freien 



868 Die diesjährige Beratung des preußischen Abgeordnetenhausee 


Ermessen der Krankenhäuser, ob sie von dieser Ermächtigung Gebrauch 
machen wollen und in welchem Umlang. Ein Einfluß von seiten der Staats¬ 
behörden auf die Art und Weise, wie von der Ermächtigung Gebrauch gemacht 
wird, findet nur insofern statt, als die Praktikanten wissenschaftliche Voraus¬ 
setzungen erfüllen und außerdem in polizeilicher Beziehung einwandsfrei sein 
müssen. Im übrigen steht es den Krankenhäusern yöllig frei, anzunehmen 
oder abzulehnen (Sehr richtig! rechts). So wird auch tatsächlich verfahren. 
Wir haben eine ganze Reihe von Krankenhäusern, die nur evangelische 
Praktikanten annehmen, andere, die nur katholische annehmen, je nachdem, 
ob das Pflegepersonal auf konfessioneller Grundlage beruht, ob katholische 
Schwestern oder Diakonissen in den Häusern pflegen, ob das ganze Haus in 
kirchlicher Hinsicht nach einer bestimmten Richtung gestaltet ist. Das sind 
die konfessionellen Krankenhäuser. Ich führe das nur als Beispiel an, daß 
unter gewissen Umständen Kategorien von Praktikanten von vornherein abge¬ 
wiesen werden, weil sie Anforderungen, die von den Krankenhäusern aufge¬ 
stellt worden sind, nicht entsprechen. Die Staatsverwaltung bekümmert sich 
um die Annahme der Praktikanten im übrigen gar nicht. Bei der Erteilung 
der Ermächtigung ist für die Staatsregierung lediglich maßgebend, daß das 
Krankenhaus den Ansprüchen entspricht, die an ein Krankenhaus in hygienischer 
und sanitärer Beziehung gestellt werden müssen. Außerdem ist Voraussetzung, 
daß an der Spitze eine Persönlichkeit steht, die die Gewähr bietet, daß die 
jungen Praktikanten gehörig beschäftigt und in die Wissenschaft eingeführt 
werden. Das ist die rechtliche Lage. Was nun den speziellen Fall betrifft, so 
berührt er mich auch nur insoweit, als ich zu prüfen haben werde, ob die 
Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen ein Praktikant zngelassen werden 
kann oder nicht. Das steht aber hier nicht in Frage. Immerhin würde ich 
glauben, daß es richtig gewesen wäre, wenn der leitende Arzt vielleicht eine 
andere Form gewählt hätte, um den jungen Praktikanten auf die besonderen 
Verhältnisse in diesem Krankenhause aufmerksam zu machen. Aber ich bin 
im übrigen nicht in der Lage, dem Krankenhaus Vorschriften darüber zu 
machen, welche Praktikanten sie nehmen und welche sie abweisen sollen. Das 
liegt gänzlich außerhalb meiner Kompetenz. Ich würde also auch nicht in 
der Lage sein, dem Anträge der Aerztekammer zu entsprechen, welche glaubte, 
aus diesem Vorgang einen Grund entnehmen zu können, die Ermächtigung 
dem Krankenhause gegenüber zurückzuziehen; denn das Krankenhaus hat 
denjenigen Bestimmungen, die für die Ermächtigung bestimmend sein müssen, 
entsprochen. Ich wiederhole aber, daß ich auch das eingeschlagene Verfahren 
für kein erwünschtes halte, daß ich aber doch den Eindruck gewonnen habe, 
daß der leitende Arzt im Interesse dieses jungen abwieseneu Praktikanten 
handeln wollte, vielleicht aber eine andere Form hätte wählen sollen, um die 
mißverständliche Auffassung bei dem jungen Praktikanten nicht hervorzurufen. 1 ) 


*) Bei der am 4. Mai erfolgten dritten Lesung des Etats wurde von dem 
Abg. Cassel (fortschr. V.P.) nochmals auf dieselbe Angelegenheit zurttck- 

f ekommen und das Verhalten der Anstaltsleiter wie des Landrats als unzulässig 
ezeichnet. Nach der Prüfungsordnung konnten die Praktikanten die Anstalt 
wählen, an der sie tätig sein wollen, und nach der Verfassung für das staats¬ 
bürgerliche Recht unabhängig von dem Bekenntnis. Redner richtete deshalb 
an den Kultusminister die Frage, ob er es mißbillige, daß ein Medizinalprakti¬ 
kant lediglich wegen seiner Religion zurückgewiesen werde. Der Kultus¬ 
minister v. Trott zu Solz erklärte hierauf: „Ich glaubte, daß die Be¬ 
antwortung der soeben an mich gerichteten Frage schon enthalten sei in den 
Ausführungen, die ich gemacht habe zu der Rede des Herrn Abg. Peltasohn. 
Ich scheine mich aber nicht deutlich genug ausgedrückt zu haben, und nach¬ 
dem jetzt diese Frage direkt an mich gerichtet worden ist, bin ich gern bereit, 
sie in Ergänzung meiner früheren Ausführungen zu beantworten und sie dahin 
zu beantworten, daß ich es nicht für richtig halte und nicht billigen konnte, 
wenn die Annahme von Praktikanten in Krankenanstalten, die nicht konfessio¬ 
nellen Charakters sind, davon abhängig gemacht würde, welcher Religion der 
zugelassene Praktikant angehOrt. Ich hoffe, daß durch diese klare Erklärung 
die anscheinend entstandenen Mißverständnisse beseitigt werden, und daß der 
Herr Abg. C as s e 1 die Beruhigung erhalten hat, die er sich wünscht (Bravo links). 



Ober den Medizinaletat. 


369 


e. Bekämpfung ansteckender Krankheiten; Anselgepflloht 
bei Genesung, Desinfektion. 

Abg. Beyer -Neustadt (Zentrum) bemängelt die ungebührliche Hohe der 
Kosten, die durch amtlich angeordnete Desinfektion auf dem Lande nach 
ansteckenden Krankheiten entstehen. Er erkenne gern an, daß durch das 
Preußische Seuchengesetz Tom 28. August 1905 wesentliche Erleichterungen 
für das Land geschaffen worden sind, indem die Kosten der Ermittelung und 
Feststellung der ansteckenden Krankheiten sowie die Kosten der amtlichen 
Beteiligung des beamteten Arztes bei der Gesamtausführung des Seuchen¬ 
gesetzes auf die Schultern des Staates gelegt worden sind, so daß die betei¬ 
ligten Gemeinden bezw. die Haushaitungsvorstände nur die Kosten der Des¬ 
infektion zu decken brauchen. Die Kosten der Desinfektion sind aber noch 
immer sehr erheblich, und sic sind um so großer, je weiter der von der Seuche 
heimge8uchte Ort von dem Wohnsitze des amtlich geprüften Desinfektors ent¬ 
fernt ist. Sie betragen dann oft 15—20 Mark; die Folge davon ist, daß die 
Leute aus Angst vor den Kosten ansteckende Krankheiten ganz verschweigen 
and diese dann schnell eine große Ausbreitung nehmen, namentlich durch die 
Schulkinder. Seit dem Inkrafttreten des Kreisarztgesetzes sind auf dem Ge¬ 
biete der öffentlichen Gesundheitspflege große Fortschritte zu verzeichnen; 
diese könnten aber auf dem Lande noch größer sein, wenn nicht die Krank¬ 
heiten aus Furcht vor den hohen Desinfektionskosten verheimlicht würden. 
Dieselben müssen daher auf alle Weise verringert werden. Bedner weist bei v 
dieser Gelegenheit aut eine Lücke im Reichs- und Landesseuchengesetz hin, 
auf die fehlende Anzeigepflicht bei Genesung; eine solche sei aber 
nötig, um zu verhüten, daß der wiedergenesene Patient ohne vorherige Desin¬ 
fektion seiner Sachen seiner Berufstätigkeit nachgeht und durch seine Klei- 
dnng, die er während der Krankheit getragen oder in der Krankenstube auf¬ 
bewahrt hat, den Infektionsstoff weiter verbreitet. Dem beamteten Arzte wird 
oft erst 14 Tage nach dem Erlöschen einer Infektionskrankheit eine Mitteilung 
hiervon gemacht; daß hier eine große Gefahr für daB Publikum vorliegt und 
die Tätigkeit des Kreisarztes in der Gesundheitspflege gehemmt wird, bedarf 
keiner Ausführung. Das Beichsseuchengesetz enthält allerdings eine Straf¬ 
bestimmung, dahingehend, daß diejenigen Personen, welche den Desinfektions¬ 
vorschriften nicht nachkommen und wissentlich Kleidungsstücke, die während 
der Krankheit getragen worden sind oder sich in ihrer Wohnung befunden 
haben, tragen oder in Verkehr bringen, mit Gefängnis bis zu drei Jahren 
bestraft werden können. Da aber das Tatbestandsmerkmal, die Wissentlich¬ 
keit, verlangt wird, und diese wiederum die Kenntnis des Zweckes der Des¬ 
infektionspflicht voraussetzt, so kann man wohl ohne weiteres behaupten, daß 
die Strafvorschrift wegen der Schwierigkeit des Nachweises wenig Erfolg haben 
wird. Es wäre daher wohl angezeigt, bei den verbündeten Begierungen dahin 
zu wirken, daß diese Lücke im Reichsgesetz ausgefüllt werde. 

Betreffs der Desinfektionskosten ist von mancher Seite Uebernahme 
anf den Staat empfohlen; diese wird sich aber ebensowenig erreichen lassen als 
eine Uebernahme auf die Kreise. Zweckwäßiger sei die Bestellung von Des¬ 
infektoren für jede Gemeinde und die Heranziehung der Mitglieder der Sani- 
nitätskolonnen zu den amtlichen Desinfektionen, wie sie von dem Kreisarzt 
Dr. Berger in Crefeld in der Zeitschrift für Medizinalbeamte angeregt 
worden sei. Jedenfalls müßten die Kosten der Desinfektion auf dem Lande 
nicht nur um vieles geringer werden, sondern am besten ganz fortfallen. Es 
würde dann nicht nur der Landbevölkerung, sondern dem ganzen Vaterlande 
ein großer Dienst erwiesen werden. (Bravo!) 

f. Bekämpfung der Tuberkulose und Wohnungshygiene. 

Abg. Hirseh-Berlin (Soz.-Dem.): Die Sterblichkeit an Tuberkulose 
weist in den letzten Jahren einen kleinen Rückgang auf, sie beträgt aber auch 
jetzt noch immer 17,16 # /o. Daß es bei gutem Willen möglich ist, die Sterb¬ 
lichkeit an Taberkulose herabzusetzen, beweist das bisherige Vorgehen dagegen; 
namentlich sind die großen Städte auf diesem Gebiet bahnbrechend vor¬ 
gegangen, die gewaltige Ausgaben für die Bekämpfung der Taberknlose Jahr 
ftlr Jahr leisten. Die Gemeinden haben auch in erster Linie alles Interesse 
daran, hier helfend einzugreifen, weil sie dadurch ihre Armenlasten ganz 
erheblich vermindern. Das entbindet aber den Staat nicht von der Pflicht, 



870 Die diesjährige Beratung des preußischen Abgeordnetenhauses 


auch seinerseits Maßnahmen zur Bekämpfung der Tuberkalose zu treffen und 
den leistungsschwachen Gemeinden Mittel zur Verfügung zu stellen, damit 
auch sie ihre Aufgaben erfüllen können. 

In ganz engem Zusammeghange mit der Frage der Sterblichkeit an 
Tuberkulose steht dio Wohnungsfrage. Auch die Begierung vertritt in 
dem amtlichen Gesundheitsbericht diesen Standpunkt und wer selbst praktische 
Erfahrungen hat, wird ohne weiteres zugeben, daß dies richtig ist. Was 
nützt die beste Pflege, was nützt es, daß die Patienten seitens der Gemeinden 
in Heilstätten geschickt werden: sie kommen zurück in einem Zustande, der 
ihnen die Wiederaufnahme der Arbeit für einige Zeit gestattet, aber sie 
werden bald wieder krank, müssen bald wieder die Heilstätten aufsuchen, weil 
ihre Wohnungsverhältnisse so schlecht sind, daß es ganz unmöglich ist, in 
diesen Löchern zu gesunden. Solche schlechten Wohnungen finden sich nicht 
nur in den Städten, Bondern besonders auch auf dem Lande. Es wäre deshalb 
dringend notwendig, ein Wohnungsgesetz zu erlassen. Das wäre eine Auf* 
gäbe, die die Medizinalabteilung zu lösen hätte. Hier liegt bereits ein über 10 Jahre 
altes Versprechen der Begierung vor, das bisher noch nicht erfüllt ist. Wenn 
die Medizinalabteilung dem Ministerium des Innern angegliedert ist, dann 
sollte sie eine ihrer Hauptaufgaben darin erblicken, endlich etwas zur Be¬ 
kämpfung des Wohnungselends in den Städten und auf dem Lande zu tun. 
Endlich üben die wirtschaftlichen Verhältnisse, insbesondere die Art der 
Beschäftigung eben ganz kolossalen Einfluß auf die Tuberkuloseerkrankung 
und natürlich auch auf die Sterblichkeit aus. Deswegen wäre es notwendig, 
neben gesunden Wohnungen auch dafür zu sorgen, daß die Beschäftigung 
möglichst wenig gesundheitsschädlich gemacht wird; man sollte deshalb nicht 
beamtete Aerzte den Gewerbeaufsichtsbeamten beigeben. Deber die Not¬ 
wendigkeit der Wohnungshygiene gibt der amtliche Gesundheitsbericht 
überall Hbweise, wie jammervoll die Wohnungsverhältnisse sind, und wie es 
gar nicht möglich ist, daß ebe gesunde Bevölkerung unter so miserablen 
Wohnungsvorhältnbsen heranwächst. Bedner führt einzelne Beispiele aus 
dem Bericht an und betont, daß es in dieser Hinsicht auf dem Lande nicht 
besser sei, als b den Städten. Als schlecht würden besonders viele Wohnungen 
auf den Gütern, die von Instleuten und Knechten bewohnt werden, bezeichnet. 
Erfreulich sei es, daß der Landrat zu Lüdinghausen Musterbaupläne beschafft 
hat und im Dienstgebäude aufgestellt hat, um der ländlichen Bevölkerung zu 
zeigen, wie es möglich sei, zweckmäßige und in gesundheitlicher Beziehung 
ebwandfreie Wohnhäuser zu errichten, ohne von dem Althergebrachten wesent¬ 
lich abzuweichen. Das sei zur Nachahmung zu empfehlen. Becht miserabel 
seien z. T. auch die Quartiere der Saisonarbeiter und der Arbeiter, die zu 
vorübergehenden Zwecken angenommen worden. In dem Begierungsbezirk 
Frankfurt seien z. T. Arbeiter und Arbeiterinnen bei ebem Bahnbau teils b 
ebem Keller, teils in einem Eisenbahnwagen, teils b einer Baubude unter- 

! gebracht. Der etwa 1,25 m unter der Erdoberfläche liegende Keller war 
•ucht und enthielt zwei dürftige, durch eine Tür miteinander verbundene 
Bäume für die verschiedenen Geschlechter. In der Baubude wohnten in einem 
Baum zwei Familien. Auch aus dem Begierungsbezirk Köslin ist berichtet, 
daß bei Wohnungen der Saisonarbeiter mitantor die nicht genügende Trennung 
der Geschlechter und die mangelhaften Koch- und Abortverbältnisse bemängelt 
wurden, während sich anderseits tadellose Sachsengängerhäuser vorfanden. 
Wenn man nicht einmal für die Trennung dor Geschlechter sorgt, hat man 
auch kein Becht, sich über zunehmende ünsittlichkeit zu mokieren (Sehr 
richtig 1). 

Abg. v» Wenden (kons.) bestreitet, daß die Trennung der Geschlechter 
bei der Unterbringung der Saisonarbeiter nicht durchgeführt würde; ihm seien 
solche Fälle noch nicht zur Kenntnis gekommen. Wer jemals Saisonarbeiter 
beschäftigt habe, weiß aber, wie schwer es sei, diese Trennung durchzuführen, 
weil, wenn man nicht immer dafür sorge, daß es geschehe, die Leute doch 
zuaammenkriechen. 

Abg. Pachnteke (fortschr. V.-P.) stimmt der Forderung des Abg. Hirsch 
in bezug auf größere Energie auf dem Gebiete der sozialen Hygiene bei. Ein 
Wohnuugsgesetz muß kommen. Vielleicht wird es beschleunigt, nachdem die 
Medizinalabteilung mit dem Ministerium des Innern verbunden ist, das dioso 
Frage bisher in erster Linie behandelt hat. 



Ober den Medizinaletat. 


371 


g. N&hrangsmittelkontrolle. Weinkontrolle. 

Abg. r. der Osten (kons.) bemerkt, daß die Nahrnngsmittelkontrolle 
den einzelnen Proyinzen des Staates im vergangenen Jahre za sehr lebhaften 
Beschwerden der beteiligten Bevölkerung geführt habe. Wenn nach zuge¬ 
geben werden müsse, daß der Zweck, gesundheitliche und wirtschaftliche 
Schädigungen des Volkes durch eine scharfe sanitätspolizeiliche Kontrolle 
hintanz uhalten, ein unbedingt notwendiger sei, so mÜBse doch mehr als bisher 
auf die Interessen der zur Duldung dieser Kontrolle verpflichteten Bevölkerung 
Bücksicht genommen werden. Die Nahrungsmittelkontrolle scheine von 
manchen Nahrungsmitteluntersuchungsstellen als eine Einnahmequelle betrachtet 
zu werden; eine derartige Handhabung widerspreche aber den Interessen der 
hart um ihre Existenz ringenden Bevölkerung. Bedner möchte deshalb drin¬ 
gend bitten, für eine tunlichste Verbilligung und Vereinfachung der Probe¬ 
nahmen Bowie für eine strenge Beaufsichtigung der mit der Kontrolle beauf¬ 
tragten Stellen im Dienstaufsichtswege Vorsorge zu treffen. Auch die sche¬ 
matische Festsetzung einer bestimmten Anzahl von Proben für eine bestimmte 
Bevölkerungsziffer führe zu Ungleichheiten und Härten. Man solle von jeder 
generellen und obligatorischen Bestimmung über die Entnahme einer bestimmten 
Anzahl von Proben absehen und es den lokalinstanzen — etwa den Kreisen 
und kreisfreien Städten — überlassen, wann, wo und wie oft sie Proben zur 
Nahrangsmittelkontrolle entnehmen wollen. Der neueste Erlaß des Herrn 
Ministers vom 2. März d. J. halte jedoch nach wie vor daran fest, daß auf eine 
bestimmte Einwohnerzahl alljährlich eine bestimmte Mindestzahl von Proben 
zur Untersuchung gebracht werden solle. Angesichts der fortdauernd stei¬ 
genden Steuerbelastungen aller Art sei aber darauf Bedacht zu nehmen, daß 
nicht auch noch Ortspolizeilasten durch allzuscharfe Anspannung der neuen 
sanitätspolizeilichen Gesetze eine weitere Steigerung erfahren. Die Tendenz 
hierzu sei unzweifelhaft zu konstatieren. Es liege in der Natur der Sache, 
daß die mit der Durchführung der Sanitätspoiizei beauftragten Organe aus 
dem lebhaften Interesse, welches sie ihrem Amte wie jeder preußische Be¬ 
amte entgegenbringen, allzu leicht geneigt seien, das Wünschenswerte auch 
hier mit dem Nötigen zu verwechseln. Derartige übertriebene Anforderungen 
seien keine Einzelerscheinungen. Sie liegen sowohl im System, wie auch in 
den Persönlichkeiten begründet und werden in den weitesten Kreisen der Be¬ 
völkerung auf das allerpeinlichste empfanden. Dio Ausgaben, die in den ein¬ 
zelnen Kommunen aus derartigen besonderen Belastungen erwachsen, und die 
allmählich der Staat von sich auf die Kommunen abgeschoben hat, übersteigen 
vielfach die steuerliche Belastung des Staates um das Vielfache (Sehr richtig! 
rechts). Eine derartige Entwicklung sei außerordentlich bedenklich. 

Bedner kommt dann noch auf die Kosten der Weinkontrolle zu 
sprechen. Die Staatsregierung gehe ohne weiteres von der Annahme aus, 
daß die auf Grund des Weingesetzes im Hauptberufe anzustellenden Sachver¬ 
ständigen zwar vom Staate anzustellen, aber von der Ortspolizeibehörde als 
der Trägerin der Ortspolizeilasten zu bezahlen seien. Seines Erachtens fielen 
dieser aber nur die sachlichen Kosten für die Untersuchungen von Weinproben 
zur Last. Es trete auch hier wieder die bedenkliche Erscheinung hervor, daß 
der Staat eine große Beihe von Kosten, die doch im allgemeinen Interesse 
liegen, den Ortspolizeibehörden zur Last lege. Bedner hofft auf eine wohl¬ 
wollende Prüfnng dieser Frage durch den Herrn Minister. (Bravo! rechts.) 

Abg. Schiffer (natl.): Die Klagen des Vorredner sind nicht neu, sie 
enthalten den Vorwurf gegen die Medizinalverwaltung, daß sie vielfach zu 
schematisch und zu theoretisch arbeite, nicht genügend Bücksicht anf die 
Bedürfnisse, die Anforderungen und Anschauungen des Landes, insbesondere 
des flachen Landes und der Kleinstädte nehme, und oft Maßnahmen verlange, 
die mit großen Kosten, Umständlichkeiten und Scherereien verbunden seien, 
und deren Erfolge im Mißverhältnis zu den aufgewendeten Mitteln ständen. 
Man darf diese Vorwürfe nicht ohne weiteres als berechtigt anerkennen. Es tritt 
gerade anf dem Gebiete der Hygiene im allgemeinen in unserem Volke ein 
reiches Maß von Unkenntnis, von Mangel an Verständnis und an Bereitwilligkeit 
gegenüber dem hervor, was notwendig ist (sehr richtig!), weil die Leute häufig 
nicht sogleich den Erfolg der Maßnahme, die von ihnen verlangt wird, sehen. 
8ie halten die Maßnahme selbst für überflüssig und verstehen nicht recht, 
warum von ihnen Dinge verlangt werden, die Urnen Kosten und Unbequem- 



872 Die diesjährige Beratung des preußischen Abgeordnetenhauses 

lichkeiten machen. Han soll jedoch auf die Bequemlichkeit der Bevölkerung 
nicht übertriebene Rücksicht nehmen, jedenfalls nicht so viel, daß dadurch 
das prinzipiell Notwendige, der Bedeutung der Hygiene entsprechend, in den 
Hintergrund gedrängt wird. Die fortschreitende Wissenschaft macht Auf¬ 
wendungen notwendig, die sich zunächst vielleicht dem Verständnis der 
Bevölkerung entziehen. Anderseits scheint aber manchmal wirklich allzusehr 
theoreti8iert und vielleicht in rein wissenschaftlichem Interesse, aber ohne 
genügende Rücksicht auf die praktischen Verhältnisse Anforderungen gestellt 
werden, die die Bevölkerung unnötig belästigen und bedrängen und dadurch 
eine berechtigte Mißstimmung hervorrufen. Auch in der Provinz Sachsen 
werden die gleichen Klagen über die Nahrungsmittelkontrolle erhoben, wie 
dies vom Vorredner geschehen ist. Es wird im allgemeinen über eine allzu 
straffe Zentralisierung, über eine nicht genügende Berücksichtigung der ört¬ 
lichen Bedürfnisse, besonders bei der Probeentnahme, sowie über unverhältnis¬ 
mäßig hohe Kosten gegenüber anderen Nahrungsmitteluntersuchungen geklagt. 
Zugleich wird darüber geklagt, daß es sich bei diesen Untersuchungen vielfach 
mehr darum zu handeln scheine, die finanzielle Leistungsfähigkeit der 
NahrungBmittelämter zu stützen oder gar herzustelien, als dem Bedürfnisse 
derjenigen Kreise, aus denen die Untersuchungen stammten, und zu deren 
Nutzen sie erfolgen sollten, zu dienen. Bedner führt dafür Beispiele aus 
Mühlhausen und Nordhausen an; diese Stadt habe ein eigenes Untersuchungs¬ 
amt einriehton wollen, aber die Genehmigung dazu nicht erhalten. 

Kultusminister r.Trott zu Solz erklärt: Die NahrungBmittelkontrolle hat 
einen sehr wertvollen Grund: sie soll das Publikum vor Schädigungen an Gesund¬ 
heit und Vermögen schützen, soll den reellen Nahrungsmittelhandel vor dem un¬ 
reellen Wettbewerb anderer Verkaufsstellen schützen. Nun erkenne ich an, daß 
auf diesem Gebiete gewisse Nachteile bestanden; der Erlaß, der hier Abhilfe 
schaffen sollte, ist von Herrn v. d[er Osten schon erwähnt worden; es ist der¬ 
jenige vom 2. März d. J. Darin ist namentlich auch ein Punkt berührt, der 
hier als ein Beschwerdepunkt bezeichnet worden ist. Es ist dort ausgesprochen 
worden: „Grundsätzlich muß davon ausgegangen werden, daß die als solche 
im Sinne des § 17 des Nahrungsmittelgesetzos anerkannten Untersuchungs¬ 
anstalten für die unterhaltenden Gemeinden und sonstigen Verbände nicht 
Einnahmequellen darstellen sollen.* Dadurch dürfte dieser Beschwerdepunkt 
seine Erledigung gefunden haben. 

Abg. Hirsch (Soz.-Dem.) stimmt mit dem Herrn Minister insoweit über¬ 
ein, als die Nahrungsmittelkontrolle für die Nahrungsmitteluntersuchungsämter 
der Gemeinden keine Einnahmequelle bilden soll. Anderseits darf aber nie¬ 
mals der Forderung nachgegeben werden, daß die Nahrungsmitteluntersuchungs¬ 
ämter auf gewisse Interessentenkreise, vor allem auf die agrarischen Kreise 
Rücksicht zu nehmen haben, sondern es muß einzig und allein das Interesse 
der Bevölkerung ausschlaggebend sein. Der Eingriff des Staates soll aller¬ 
dings erst mit der Notwendigkeit beginnen und nicht schon mit der Nützlich¬ 
keit. Vieles, was Redners Partei für notwendig halte, werde aber von Herrn 
v. der Osten und seinen Freunden nur für nützlich gehalten; das gelte auch 
ha bezug auf die Nahrungsmittelkontrolle. 

h. 8&agiingeftlrsorge. 

Abg. Hirsch (Soz.-Dem.): Die volle Aufmerksamkeit aller Parteien 
des Hauses und auch der Regierung verdient die kolossale Säuglingssterb¬ 
lichkeit; sie hat sich im Laufe der letzten Jahre infolge der getroffenen Ma߬ 
nahmen etwas verringert, immerhin ist sie aber noch erschreckend hoch. Nach 
den amtlichen Nachrichten starben im Jahre 1907 auf 1000 Lebendgeborene 
im erston Lebensjahre immer noch 168,83, und zwar verteilt sich diese Zahl 
auf die Städte und aut das Land ziemlich gleichmäßig. Daß auf dem Lande 
die Sterblichkeit geringer ist, trifft nicht zu, sie ist hier sogar noch etwas 
höher als in den Städten (169 : 166); außerdem hat aer Osten eine 
wesentlich größere Sterblichkeit als der Westen, z. B. Ostpreußen 190 °/ 00 
gegen 111 */*, in Hessen-Nassau. In dem von dor Modizinalabteilung des 
Kultusministeriums alljährlich herausgegebenen ausführlichen und lehrreichen 
Bericht über das Gesundheitswesen des preußischen Staates wird als Haupt¬ 
ursache lür die Säuglingssterblichkeit angegeben: unzweckmäßige Ernährungs¬ 
weise, da die Kinder, anstatt die Mntterbrust zu erhalten — meistens aus 



Aber den Medizinaletat. 


873 


Unkenntnis, vielfach ans Unbequemlichkeit —, schon nach den ersten 
Wochen künstlich ernährt werden. Das mag vielleicht auf bestimmte Bevöl¬ 
keren gaschichten zutreffen, in denen die Mutter nur aus Bequemlichkeit, weil 
sie fürchtet, daß sie dadurch an Schönheit verliert, das Kind nicht selbst 
stillt; in den meisten Fällen aber wird die Stillung der Kinder deshalb unter* 
lassen, weil die Mütter durch wirtschaftliche Verhältnisse gezwungen sind, 
ihrem Erwerbe nanhzugehen (Sehr wahrl bei don Sozialdemokraten). Diese 
Mütter wissen sehr wohl, welche hohe Bedeutung das Selbststillen hat, sie 
müssen aber davon absehen, weil sie in der Fabrik oder sonst außerhalb des 
Hansea ihrem Qewerbe nachgehen müssen. Will man etwas erreichen in bezug 
auf Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit, so ist es vor allem notwendig, die 
wirtschaftlichen Verhältnisse der Arbeiterklasse zu verbessern (Sehr wahr! 
bei den Sozialdemokraten). Dazu kommt, daß die Mütter aus den arbeitenden 
Klassen, wenn sie selbst schon das Kind nicht stillen können, auch gewöhnlich 
nicht in der Lage sind, sich die gute Milch zu kaufen, die unbedingt als Er¬ 
satz für die Muttermilch notwendig ist (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten); 
anderseits gehen die Arbeiterinnen nicht gern in die Säuglingsfürsorgestellen, 
weil sie nicht gern Unterstützungen annehmen. Ferner werden in vielen Be¬ 
zirken seitens der Hobammen, Standesbeamten usw. Merkblätter über Säug¬ 
lingspflege und -ernährung verteilt. Aber all das erstreckt sich nur auf das 
Gebiet der Aufklärung. Mit der Aufklärung allein, so notwendig sie auch ist, 
ist der Bevölkerung jodoch nicht gedient, denn alle Aufklärung nützt nichts, 
wenn das Volk nicht in der Lago ist, die Vorschläge zu beherzigen. 

Abg. v. Wenden (kons.): Wenn die Kindersterblichkeit auf dem Lande 
jetzt eben so groß ist wie in der Stadt oder womöglich noch größer, so liegt 
das eben daran, daß gerade die kräftigeren und gesunderen Elemente vom 
Lande abwandern und in die Städte ziehen. 

1. Krlippelfürsorge, 

Abg. Lttdlcke: (freikons.): Die Krüppel verdienen ebenso wie die 
Tauben, die Blinden und die Idioten unser Mitleid. Die Frage aber hat nicht 
nur eine humanitäre, sondern auch ^eine eminent Volkswirschaftliche 
Bedeutung. Das ergibt schon die Tatsache, daß es allein im Deutschen Beiche 
270000 Krüppel gibt, von denen gut der dritte Teil, wenn nicht gar die 
Hälfte, aus öffentlichen Mitteln unterstützt oder gar völlig unterhalten werden 
muß. Es ist zwar anzuerkennen, daß die private Liebestätigkeit unendlich 
viel für die Krüppel getan hat; es ist aber notwendig, daß in umfassender 
und planmäßiger Weise für das Krüppeltum gesorgt wird. Zu einem plan¬ 
mäßigen Vorgehen gehört eine amtliche Statistik über das Krüppelwesen, die 
jetzt dank der Tätigkeit des Berliner Orthopäden Dr. Biesalski vorliegt. 
Bei Lösnng der Krttppelfürsorgefrage wird man in erster Linie bei den jugend¬ 
lichen Krüppeln einzusetzen haben. Nach der vorliegenden Statistik gibt es 
in Preußen zirka 50600 jugendliche Krüppel bis zum 15. Lebensjahre. Von 
diesen Krüppeln sind in der Statistik als heilbedürftig bezeichnet worden 
29500, und 6700 haben von ihnen entweder selbst oder durch ihre Ange¬ 
hörige den Antrag gestellt, in ein Heim überführt zu werden. Die Krüppel¬ 
heime Preußens umfassen aber insgesamt nur zirka 2400 Betten, und von 
diesen ist für die 6700 aach nicht ein einziges Bett mehr frei. Wie im 
vorigen Jahre von dem Herrn Vertreter der Staatsregierung anerkannt wurde, 
ist aber die Zahl der Krüppel, die in die Anstaltspflege genommen werden 
müßten, noch größer. Die Zahl der Heimbedürftigen, also derjenigen, die in 
ein Heim aufgenommen werden müßten, ist sogar ganz erheblich höher. Im 
vorigen Jahre hat die Königliche Staatsregierung ihre grundsätzliche Bereit¬ 
willigkeit erklärt, dieser Krüppelfürsorgefrage näher zu treten, und hat 
infolgedessen Bericht von den Oberpräsidenten erfordert. Bedner bittet um 
Auskunft, ob diese Berichte bereits eingegangen sind, und welches Ergebnis 
die Berichterstattung gehabt hat. Die Frage, ob und in welcher Weise man 
an eine gesetzgeberische Lösung herantreten will, ist überaus schwierig, auf 
der Hand liegt die Aasdehnung des erweiterten Fürsorgesetzes vom 11. Juni 
1891; es darf aber wohl bezweifelt werden, ob dieser Weg zur Zeit gangbar 
ist. Man wird zu erwägen haben, ob, wenn man die Fürsorge für die Krüppel, 
also eine neue Last, den Provinzialverbänden auferlegt, man ihnen nicht auch 
•ine erhebliche Dotation wird zuwenden müssen. Ob dies beim gegenwärtigen 



974 Di« diesjihrige Beratung da« preußischen Abgeordnetenhauses 


Staade der Staatafiaansea möglich «eia wird, ist an bezweifele. Aber eiae 
ftsaazielle Beihilfe kaan der Staat leisten. Die Bundesstaaten Sachsen, Baden 
and Braanschweig sind in der Krüppelfttrsorge bereits mit finanziellea Unter* 
sttttsangen vorgegangen. Außerdem maß die Staatsregierang in mittelbarer 
Weise, gewissermaßen von Aufsichts wegen, für die Krüppel etwas tan, insbesou- 
dere dadurch, daß sie Aufklärung über das Krüppelweeea im Volke schafft, vor 
allem darüber, daß bei rechtzeitigem ärztlichen Einschreiten für die Heilung 
Ton Krankheiten, die zam Krüppeltam führen, viel getan werden kann. Redner 
bittet deswegen, in dem Kap. 125 des Etats für das nächste Etatsjahr einen 
Titel Yorzasehen, in welchem hierfür Kittel, etwa 100000 Mark, bereit gestellt 
werden. Diese Mittel sollen eine werbende and aafklärende Tätigkeit für 
Krüppelfürsorge herbeiführen. Sie können auch dazu dienen, eine Unterstützung 
an solche Krüppelheime za gewähren, die gewissermaßen vorbildlich auf dem 
Gebiete der Krüppelfürsorge sind. Man wird hierbei nach daran za denken 
haben, ob man nicht aas einem solchen Etatstitel die verdienstvoll wirkende 
Deutsche Vereinigung für Krüppelfürsorge za unterstützen hat. Was ia 
Sachsen, in Braanschweig und Baden geschehen kann, das sollte auch wahrlich 
in Preußen möglich sein. Gate Früchte werden sicherlich diese Ausgaben 
tragen! (Beifall) 

Abg. Hirsch (Soz.-Dem.) schließt sich in bezog auf die Krüppelfür¬ 
sorge den Wünschen des Abg. Lüdicke namens seiner Freunde voll an. Die 
Regierang müsse aaf diesem Gebiete nicht nar auf klärend Vorgehen, sondern 
die Krüppelheime nach durch finanzielle Beihilfen unterstützen. Eine ganze 
Reihe von Gemeinden and andere deutsche Bandesstaaten tun dies bereits; 
was da möglich ist, das sollte auch dem preußischen Staat möglich sein. 

k. Bekämpfung de« Alkohollamua. 

Abg. Hirsch (Soz.-Dem.) bittet die Regierung, den Kampf gegen den 
Alkoholismus zu fördern. Die sozialdemokratische Partei habe diesen Kampf 
mit aller Macht aufgenommen und durch ihre Agitation bereits dazu beige¬ 
tragen, daß der Branntweinkonsum erheblich zurückgegangen sei. Es gebe 
aber Kreise, die gerade daran interessiert sind, daß die Arbeiter möglichst 
viel Fusel, möglichst viel von diesem elenden Zeug herunterschlucken. Die 
Bekämpfung des Alkohols sei aber nicht Frage einer bestimmten politischen 
Partei, sondern eine solche, an deren Lösung alle Parteien, die den Anspruch 
erhebe«, Kulturparteien zu sein, mitwirken müssen. 

1. Obligatorische Leichenschau. Feuerbestattung. 

Abg. v. der Osten (kons.) bemerkt, daß der Herr Minister in der Kom¬ 
mission die Erklärung abgegeben habe, die obligatorische Leichenschau besitze 
so große Vorzüge, daß die Regierungspräsidenten angewiesen seien, diese 
überall da einzufünren, wo die Verhältnisse es suließen. Infolgedessen sei sie 
z. B. in der ganzen Rheinprovinz eingeführt und zwar auch in den ärmeren 
und entlegenen Gegenden, beispielsweise in der Eifel. Gegen eine derartige 
allgemeine Regelung müsse er namens seiner politischen Freunde gewisse Be¬ 
denken erheben. Das Recht und die Pflicht des Staates, in die Rechtssphäre 
der Einzelperson einzagreifen, ende mit der Notwendigkeit und dürfe sich 
nicht auf die Nützlichkeit erstrecken; im Interesse der öffentlichen Gesund¬ 
heitspflege sei es aber nicht geboten, in jedem armen entlegenen Dorfe einer 
einsamen Gebirgs- oder ländlichen Gegend die öffentliche Leichenschau einza- 
führen. Die Kosten, die dadurch den beteiligten Einzelpersonen bezw. den 
Ortspolisetverbäaden erwachsen, Btehen keineswegs in einem angemessenen 
Verhältnis zu demjenigen Effekt, den der Staat in gesundheitspolizeilicher 
Richtung darch eine derartige Maßregel erreicht (Sehr richtig! rechts). Eine 
derart allzuweit eingreifende Einwirkung des Staates aaf die Einzelperson 
müsse unbedingt dazu führen, das Verantwortungsgefühl des Einzelnen zu 
ersticken. Redner bittet deshalb den Herrn Minister, mit der Einführung der 
allgemeinen Leichenschau äußerst vorsichtig vorzugehen (Sehr richtig 1 rechts). 
Bef Seuchengefahr oder bei besonderen Ausnahmefällen, etwa bei vorzeitiger 
Beerdigung, sei vielleicht eiae derartige Maßregel angebracht, aber nicht 
als Regel. 

Kultusminister v. Trott zu Solz: Die Einführung der Leichenschau ist 
durehaus keine neue Einrichtung. 8ie besteht schon lange in sehr vielen 



Uber den Medizin aletat. 


876 


Teilen unserer Monarchie; sie besteht namentlich schon in der Rheinprovinz 
im Bezirk Düsseldorf seit längerer Zeit. Ich glaube also, daß man darüber 
nicht so sehr erstaunt sein kann, wenn nunmehr die Leichenschau allmählich 
auch weiter ausgedehnt wird. Ihr Wert ist ja unbestreitbar. Wenn es natür¬ 
lich auch von unserem Standpunkt aus bedenklich ist, die Bevölkerung mit 
neuen Lasten irgendwie zu beschweren, ohne daß dazu eine dringende Not¬ 
wendigkeit vorliegt, so ist doch schließlich die mit der Leichenschau verbun¬ 
dene Last keine so große. Die Kosten treten eben nur beim Todesfall ein, 
und es ist auf Gegenden, die von Städten entfernt liegen, auch insofern Rück- 
sicht genommen, als hier, wo ein Arzt aus größerer Entfernung mit erheb¬ 
lichen Kosten herangeholt werden müßte, an Stelle des Arztes ein Laienleicben- 
schauer zegzogon werden kann. 1 ) 

Abg. Gottschalk - Sauerwalde (kons.) bringt die Kosten für die 
Leichenschau bei Epidemien zur Sprache. Um der Einschleppung und 
Verbreitung der Cholera vorzubeugen, werde in den Grenzkreisen häufig die 
Leichenschau verhängt. Die Notwendigkeit dalür liege nun aber keineswegs 
im Interesse dieser Kreise, sondern im Interesse des ganzen Landes, um an 
der Einbruchsstelle die Cholera festzustellen und aufzuhalten. Demnach 
müßten auch die Kosten von der Staatskasse getragen werden, weil diese 
Maßnahme im Interesse der Allgemeinheit liegt; bis jetzt fielen sie aber zum 
Teil armen leis tun gsunfähigen und schon überlasteten Gemeinden zur Last, 
die daB selbstverständlich als hart und ungerecht empfinden. Eis können ihnen 
allerdings Beihilfen dazu gegeben werden; aber einmal ist es sehr schwer, die 
Leistungsunfähigkeit der Gemeinden nachzuweisen, anderseits ist es auch nicht 
richtig, wenn zu den im allgemeinen Interesse erforderlichen Kosten den 
Gemeinden hinterher nur Beihilfen in Form einer Unterstützung gewährt 
werden. Redner bittet deshalb die Königliche Staatsregierung, in Fällen, wo 
es sich um die Abwehr von Epidemien und übertragbaren Krankheiten handelt, 
die Kosten der Leichenschau auf die Staatskasse zu übernehmen. 

Abg. Dr. Fachnicke (fortschr. V.-P.) frägt an, wann der Gesetzentwurf 
über Regelung der Feuerbestattung, der doch fertig gestellt sei, vor- 
gelegt werde. Die Sitte, die Leichname einzuäschern, bürgert sich immer ein. 
In dem letzten Jahre, im Jahre 1909 haben 4479 Feuerbestattungen Btattge- 
fanden, 720 mehr ab im Vorjahre. Alle Stände, alle Konfessionen sind dabei 
vertreten; man würde der Aschenurne vor dem Erdgrab noch häufiger den 
Vorzug geben, wenn jene Bestattungsmethode sich verbilligte (Sehr richtig 1 
links). Heute ist sie aber noch sehr teuer. Die Feuerbestattung zu begün¬ 
stigen, liegt auch im Interesse der Gemeinden. Es wird für die Gemeinden 
immer schwieriger, für die Friedhöfe Grund und Boden zu beschaffen. Die 
Auswahl neuer Beerdigungsplätze wird überdies insofern erschwert, ab strenge 
Rayongesetze für Friedhöfe bestehen, welche eine bestimmte Entfernung der 
Plätze von dem nächsten Wohnhause verlangen. Größeren Gemeinden drohe 
geradezu ein Notstand, sofern nicht eine Entlastung durch Feuerbestattung 
eintrete. Die Gegengründe sind krimineller und kirchlicher Natur. In 
krimineller Hinsicht wird behauptet, daß eine gewaltsame Todesursache sich 
dann nicht mehr mit Sicherheit ermitteln lasse. Aber auch hier haben sich 
die Dinge geändert. Mit Durchführung der obligatorischen Leichenschau fällt 
dieses Bedenken, namentlich wenn diese in verdächtigen Fällen ganz besonders 
gründlich gehandhabt wird. Auch nach den Erfahrungen, die in den Bundes¬ 
staaten, welche die Feuerbestattung zulassen, gemacht sind, hat sich für die 

* 

') Bei der dritten Lesung des Medizinaletats sprach auch der Abg. 
Müller-Prüm (Ztr.) im Namen der Vertreter der Rheinprovinz den Wunsch 
aus, daß die Anordnung der obligatorischen Leichenschau für die ländlichen 
und besonders für die Gebirgsgegenden der Rheinprovinz wieder rückgängig 
gemacht werde. Zur Beruhigung der Bevölkerung würde es mindestens wün¬ 
schenswert sein, daß eine Aufklärung über die große sanitäre Bedeutung der 
Leichenschau orfolge und daß ferner Gebrauch von der Bestimmung der Ober¬ 
präsidialverfügung gemacht werde, nach der in dünnbevölkerten Gegenden, 
wo die Heranziehung von Aerzten große Schwierigkeiten und Kosten mache, 
die Leichenschau durch geeignete Laien, wie Krankenpfleger usw., vorge¬ 
nommen werden könne. 



376 Di« diesjährige Beratung des preußischen Abgeordnetenhauses 

Verfolgung von Verbrechen eine wesentliche Schwierigkeit nicht ergeben. Die 
kirchlichen Bedenken sind ebenfalls hinfällig. Die Feuerbestattung widerspricht 
keinem Gebot Gottes und keinem Artikel des christlichen Glaubens; sie wird auch 
in den Bekenntnissen der evangelischen Kirche nirgends verworfen. Selbst die 
preußische Generalsynode hat Frieden mit der Feuerbestattungsbewegung ge¬ 
macht; sie bezeichnet die Beteiligung der protestantischen Geistlichen an den 
entsprechenden Hausfeierlichkeiten ausdrücklich als zulässig. Es würde ja 
niemand gezwungen zur Feuerbestattung, sondern nur dio Freiheit der Wahl 
zwischen langsamer Verwesung im Erdgrab und rascher Auflösung durch Ein¬ 
äscherung verlangt Die würdige Form ist auch bei der Einäscherung ge¬ 
sichert. Das feinste, das pietätvollste Empfinden kommt hier zu seinem Recht. 
Han legt in den Kreiyen, die sich für Feuerbestattung interessieren, den größten 
Wert darauf, daß das menschliche Empfinden nach keiner Richtung hin ver¬ 
letzt wird, daß die Trauerfoier durchaus weihevoll verläuft Ein deutscher 
Bundesstaat nach dem andern hat die fakultative Feuerbestattung eingeführt 
Soll Preußen allein Zurückbleiben ? Die Feuerbestattung läßt sich nicht mehr 
aufhalten; es gibt keine ethischen Gründe, keine religiösen Gründe dagegen. 
Er hofft, daß die Regierung, wenn sie den vorbereiteten Entwurf dem Hause 
unterbreitet, eine sympathische Aufnahme finden wird. Der Boden ist dafür 
besser vorbereitet als je zuvor (Bravo! links). 

m. Apothekenwesen. Verkehr mit Arsnelmitteln ausserhalb 
der Apotheken. Gehelmmittelwesen. 

Abg. Frank (Zentr.) bittet um Auskunft, ob die Mitteilung in der 
politischen Presse zutreffe, daß über den im Jahre 1907 vom Reichsamt des Innern 
ausgearbeitete Entwurf eines Reichsapothekengesetzes eine Einigung 
zwischen den verbündeten Regierungen nicht erzielt und der Entwurf deshalb 
zurückgestellt sei. Wenn sich diese Nachricht bewahrheite, so sei sie in 
hohem Grade bedauerlich, da eine gleichmäßige Regelung des Apotheken 
wesens im ganzen Reiche ebenso im Interesse der Allgemeinheit wie der 
Apothekenbesitzer liege. Redner mochte weiterhin bei Bejahung dieser Frage 
erfahren, ob die Staatsrogierung beabsichtige, dann eine Neuregelung der 
preußischen Gesetzgebung in dio Wege zu leiten, und welche Richtung sie 
dabei einzuschlagen gedenke. Es sei dringend wünschenswert, daß der 
preußische Apothekerstand rechtzeitig über die Absichten der Staatsregierung 
aufgeklärt werde; denn dieser befinde sich auch sonst in einer ungemein 
schwierigen Lage. Die Oeberschwemmuug des Arzneimittelmarktes mit soge¬ 
nannten Arzneispezialitäten, das Eindringen der Großindustrie in das Apotheker¬ 
gewerbe, der Druck, den die Krankenkassen ausüben, vor allem aber die ganz 
unzureichende Regelung des Verkehrs mit Arznoimitteln außerhalb der 
Apotheke seien Momente, welche, wenn nicht bald Remedur geschaffen werde, 
zu Schädigungen führen müssen, die nicht wieder gut zu machen seien.*) 

Die Kaiserliche Verordnung vom 22. Oktober 1901 über den Verzehr 
mit Arzneimitteln außerhalb der Apotheken sei in hohem Grade 
verbesserungsbedürftig.' Sie widerspreche der Bestimmung des § 6 der Reichs- 


*) Bei der dritten Lesung des Etats brachte der Abg. Dr. Sch epp 
(fortschr. V.-P.) das angeblich ungerechte Verfahren bei der Verleihung von 
Apothekenkonzessionen zur Sprache. Obwohl durch Min.-Erl. bestimmt sei, daß 
bei der Auswahl der Bewerber in erster Linie die Anziennität maßgebend sein 
solle, werde diese Bestimmung seitens der Oberpräsidenten nicht immer beachtet. 
Wiederholt seien der Approbation nach erheblich jüngere Apotheker älteren 
ebensogut qualifizierten Bewerbern gegenüber ohne Grund bevorzugt, nament¬ 
lich in Berlin und Schlesien — es wurden dafür verschiedene Beispiele ange¬ 
führt; — alle deshalb an den Herrn Minister gerichteten Vorstellungen seien 
jedoch leider ohne Erfolg geblieben. Redner zweifelt gar nicht an dessen 
guten Willen, in dieser Hinsicht Abhilfe zu schaffen, wie dies aus wiederholtes 
Min.-Erlassen hervorgeho, in denen die strenge Beachtung der Bestimmung in 
Erinnerung gebracht sei. Es scheine jedoch, als ob diese Erinnerungen den 
Oberpräsidonten gegenüber wirkungslos bleiben. Deshalb sei es. unbedingt 
notwendig, ein öffentliches rechtliches Verfahren bei der Verleihung von 
Apothekonkonsessionen einzuftthreu, wie solches in Bayern bestehe und sich 
dort gut bewährt habe. 



Über den Medizinaletat. 


877 


Gewerbeordnung, da sie nicht die Apothekerwaren bestimme, die dem irden 
verkehr zu tiberlassen sind, sondern die, welche dem freien Verkehr entzogen 
sind. Das habe den großen Nachteil, daß alle neu aultauchenden Mittel, 
deren Zahl bekanntlich ungemein groß sei, selbst stark wirkende, zunächst 
dem freien Verkehr überlassen seien. Eine gründliche Abhilfe sei nur dadurch 
möglich, daß die Verordnung die Stoffe angibt, welche dem freien Verkehr 
überlassen seien, also eine sogenannte positive Fassung erhält. Die Aufstellung 
einer solchen Verordnung Bei sehr wohl möglich, wie der von der Apotheker¬ 
kammer dem Herrn Kultusminister überreichte Entwurf zdge; sie liege 
auch im Interesse der Drogisten. 

Ferner sei die Definition des Begriffes Heilmittel in der jetzigen Ver¬ 
ordnung unzureichend; denn sie ermögliche es, typische Heilmittel als Vor¬ 
beugungsmittel frei zu verkaufen. Als Heilmittel müßten daher alle Mittel 
gelten, die zur Beseitigung, Linderung und Verhütung von krankhaften Zu¬ 
ständen des menschlichen oder tierischen Körpers dienen sollen. Auch der 
Begriff Großhandel wird von den Gerichten verschieden ausgelegt. Statt dessen 
werde besser gesagt: „Großverkauf an berechtigte Wiederverkäufer und Apo¬ 
theker und sonstige öffentliche Anstalten, welche Untersuchungen und Lehr¬ 
swecken dienen und nicht gleichzeitig Heilanstalten sind.“ Auch das Ver¬ 
zeichnis der Zubereitungsformen sei zu revidieren; insbesondere seien die 
Destillate darin aufzunehmen (Bravo I). 

Abg. Schiffer (natl.) gibt an der Hand eines Aufsatzes des Geh. Justiz- 
und Kammergerichtsrats Dr. Kronecker eine übersichtliche Schilderung über 
die zurzeit in Preußen geltenden Polizeiverordnungen über die Ankündigung 
von Arzneimitteln und den Verkehr mit Geheimmitteln. Er weist 
nach, daß nach beiden Bichtungen hin eine in sich vollständig ungerechtfer¬ 
tigte, das Bechtsbewußtsein im höchsten Maße verwirrende und verletzende 
Verschiedenheit herrsche. Dadurch werde eine tiefe Verstimmung der einzel¬ 
nen wie der Gemeinden hervorgerufen. Wie der einzelne in seinem Leben durch 
Kleinigkeiten sehr wohl zur Verzweiflung gebracht und die Freude am Leben 
ihm vergällt werden könne durch scheinbare Kleinigkeiten, so sei es auch beim 
Staate und seinen Bürgern. Das gesunde Verhältnis der Verwaltungsbehörden 
zu dem einzelnen, zum Pablikum, zu den Gemeinden sei ein wesentlicher Faktor 
für die Bewertung der Gesundheit des Staates überhaupt. Durch Hinein- 
bringen von frischer Luft und Licht in die Verwaltung, durch taktvolle Zu¬ 
rückhaltung der Polizei und Verwaltungsbehörde, durch Verminderung des 
Schreibwerks, sowie durch Schaffung eines einfachen und klaren Bechtsbodens, 
insbesondere auch durch Sichtung und Vereinheitlichung des Polizeiverordnungs- 
wesens könne die Freude am Staat, die die letzte, wichtigste und sicherste 
Grundlage für ein gesundes Verhältnis der Staatsbehörden zum Volke ist, am 
besten erhalten werden (Lebhaftes Bravo bei den Nationalliberalen). 

Kultusminister von Trott zu Solz: Der Abg. Schiffer hat aus den 
Beschwerden, die er uns hier vorgetragen hat, zu weitgehende Schlüsse ge¬ 
zogen. Wenn er zuletzt ausgefübrt hat, daß die Freude am Staate verdorben 
würde, dann kann ich nicht annehmen, daß das richtig sein kann, wenn er 
diese verdorbene Freude auf Polizeiverordnungen zurückführt, die vielleicht 
nicht allen Begeln der Kunst entsprechen, und die, wenn die Angaben des 
Abgeordneten Schiffer richtig sind, allerdings Unbequemlichkeiten hervor- 
rufen können und auch geändert werden müssen. Aber solche Dinge können 
meines Erachtens doch zu solchen Schlüssen nicht führen (Sehr richtig! rechts). 

Auch kann ich nicht zngeben, daß in unserer ganzen Verwaltung die 
Dinge so lägen, daß da endlich mal Licht und Luft hineinkommen müßte. 
Ich bin doch der Ansicht, daß unsere Verwaltung in Preußen im großen und 
ganzen eine gute ist, und daß die Bevölkerung unter dieser Verwaltung allen 
Grund hat, sich wohl zu fühlen und befriedigt zu sein. Das schließt selbst¬ 
verständlich nicht aus, daß Schäden im einzelnen vorhanden sind, daß Dinge 
geschehen, die vermieden werden könnten und müßten, und ich glaube, daß 
auch alle Stellen in der preußischen Verwaltung bemüht sind, da, wo Mi߬ 
stände zu ihrer Kenntnis Kommen, diese nach Möglichkeit zu beseitigen. 

Was das Polizeiverordnungsrecht anbelangt, so ist es ja ganz gewiß 
richtig, daß es zuweilen vorkommt, daß Polizei verordnen gen erlassen werden, 
die nachher aus formellen Gründen von den Gerichten aufgehoben werden. 
Das Ist im hohen Grade unerwünscht, und es ist ja auch unerwünscht, wenn 



378 Die diesjährige Beratung des preußischen Abgeordnetenhauses 


in dem einen Teile der Monarchie diese, in dem anderen jene Polizeiverordnung 
über dieselbe Materie gilt. Anderseits ist es aber doch auch wieder sehr 
wünschenswert, daß wir die Dinge nach den verschiedenen Gegenden ordnen 
(sehr richtig! rechts), daß wir Rücksicht nehmen auf Land und Leute, soweit 
es irgend geht. Wir wollen doch nicht alles hier von Berlin aus regeln; es 
hat ja doch gerade das Polizeiverordnungsrecht den Wert, daß man örtlichen 
Verhältnissen Rechnung tragen, leichter solche Bestimmungen geben kann, als 
das im Wege der Gesetzgebung möglich ist. Wenn man das will, so muß man 
schließlich die Nachteile, die auf der anderen Seite mit einem solchen Rechte 
verbunden sind, in den Kauf nehmen. 

Alles das aber rechtfertigt nicht die in der Tat zurzeit recht üblen 
Zustande, die durch die verschiedenen Polizeiverordnungen über die Geheim- 
mittel bestehen. Das ist auch in der Ministerialinstanz durchaus bekannt. 
Wir sind aber bisher an die Regelung dieser verwirrten Frage nicht heran¬ 
getreten, weil es in der Absicht liegt, ein Reichsgesetz Uber diese Materie zu 
erlassen, und wir erwarten, daß durch die Verabschiedung eines solchen Reichs- 
geBetzes die Angelegenheit in Ordnung kommt. Sollte sich das noch längere 
Zeit hinausziehen, dann würde es allerdings wohl angezeigt sein, auch ohne 
auf das Reich zu warten, in die Erledigung der Frage einzutreten und eine 
Aenderung auf diesem Gebiete herbeizuführen. 

Die Wünsche des Abg. Frank in bezug auf das Apothekengesetz 
und die Bestimmungen über diejenigen Mittel, die in den Apotheken oder im 
freien Verkehr vertrieben werden können, betreften eine Angelegenheit, die 
das Reich berührt. Ich muß es mir daher versagen, hierauf näher einzugehen. 
Was die preußische Regierung machen wird, wenn im Reich ein Apotheken¬ 
gesetz nicht zustande kommen würde, darüber kann ich Ihnen heute eine Mit¬ 
teilung noch nicht machen. 

Abg. Dr. Tarenhorst (freik.) bedauert, daß der Herr Minister in bezug 
auf die den Apothekenstand und den Arzneimittelverkehr betreffende 
Fragen keine mehr befriedigende und entgegenkommende Antwort gegeben hat. 
Ein lebenskräftiger, ein existenzfähiger und lebensfreudiger Apothekerstand ist 
ebenso wichtig wie ein gesunder Aerztestand. Es gilt dies im besonderen 
Maße für das Land; deshalb möchte Redner im besonderen auch die Interessen 
der Landapotheker, der Apotheker in den kleinen Städten, Flecken und Dörfern 
dem Herrn Minister dringend ans Herz legen. 

Wie für einen gesunden Menschen Nahrungs- und Gonußmittel in gutem 
Zustande unentbehrlich sind, so ist für einen kranken Menschen eine gesunde 
und zuverlässige Arznei ein dringendes Erfordernis. Deshalb hat man auch 
berechtigtermaßen die Apotheken einer bestimmten Kontrolle unterstellt. Sie 
sind besonderen Anforderungen ausgesetzt und müssen dem gegenüber aber 
auch fest umschriebene Privilegien haben und behalten. Dieser Zustand ist 
aber zu ungunsten der Apotheken allmählich in erheblichem Maße dadurch 
durchbrochen worden, daß man immer neue Medikamente und Arzneimittel 
freigegeben hat durch Kaiserliche Verordnungen. In bezug auf die Auslegung 
dieser Verordnungen besteht Buntschcckigkeit und Recbtsunsicberheit. Es 
liegt daher ein großes Interesse vor, daß hier Abhilfe geschaffen und eine 
Liste aufgestellt wird, die nicht negativen Charakter hat, sondern positiv, 
bestimmt und unzweideutig die Heilmittel und Medikamente bezeichnet, die 
dem Drogisten freigegeben sind. Bei Aufstellung dieser neuen Liste sollte 
man nicht noch weitere Medikamente den Drogisten freigeben und damit den 
Apothekern noch eine größere Konkurrenz verursachen. Im Volke herrscht 
vielfach die Meinung, daß ein Apotheker stets auf Rosen gebettet sei, daß er 
reichliche Einnahmen habe; es geht die Rede von hohen Apothekenpreisen u. dgl. 
Tatsächlich ist das nicht der Fall. Die Statistik der Apotheken ergibt, daß 
allein in Preußen 1400 Apotheken bestehen, die kein pharmazeutisches Personal 
haben. Auf ganz Deutschland entfallen ungefähr ein Drittel solcher Apo¬ 
theken! Was muß ein Apotheker, der auf dem Lande wohnt, für seine Kinder¬ 
erziehung usw. ausgeben. Er leidet unter großen Entsagungen; er ist Tag 
und Nacht, er ist Jahre hindurch jede Stunde und jede Minute gebunden. Er 
kann sich auch nicht wie ein Geschäftsmann durch einen Hausgenossen oder 
eine sonstige beliebige Person vertreten lassen, wenn er aus geschäftlichen 
Gründen ©der Familienrücksichten einmal verreisen muß. Es gibt eine Anzahl 
von Apotheken im Deutschen Reiche, deren Inhaber nach Abzug aller Kosten 



über den Medizinaletat. 


379 


not 670 M., 990 M., 409,50 M., 560 M. and dergl. verdienen. Das sind Sätze, 
wie sie ein Arbeiter, ein gewöhnlicher Tagelöhner, der über gar keine Kennt« 
nisse verfügt, mit Recht zurtickweisen würde. Mit solchen Einkünften kann 
doch wirklich kein Mensch sein Leben fristen. 

Redner bittet den Herrn MitoBter, dem Apothekerstande sein Wohlwollen 
in besonderem Maße zuzuwenden. Eine gesunde Apotheke auf dem Lande 
stellt ein gutes Stück ländlicher Wohlfahrtspflege dar. Wenn Arzt and Apo¬ 
theker auf dem Lande Hand in Hand gehen, wird das der Gesundung der 
Menschheit und überhaupt den hygienischen Verhältnissen des Landes zum 
großen Vorteil gereichen (Bravo! rechts). 

Abg. Dr. Pachnicke (fortsohr. V.-P.) schließt sich den Wünschen der 
Abgg. Frank und Dr. Varenhorst in bezug auf die Interessen der 
Apotheker an. Nichts liege ferner, als begründeten Wünschen eines so 
wichtigen Berufsstandes entgegenzutreten. Aber die Drogisten wollen auch 
leben. Man kann diese Dinge nicht ausschließlich vom Standpunkt des 
Apothekers behandeln; wenn irgendwo, so muß hier der Standpunkt der 
aasgleichenden Gerechtigkeit vertreten werden. Der Wunsch der Drogisten, 
daß die Revision von Drogenhandlungen nicht unter der Mitwirkung von einem 
Apotheker, der Konkurrent sei, stattfinde, sei z. B. berechtigt. Auch über die 
Liste der Gegenstände, die unter das Apothekenmonopol falle, würde sich ein 
billiger Ausgleich finden lasses, bei welchem beide Teile leben können. 

n. Hebammen wesen. 

Abg. v* der Osten (kons.) begrüßt es mit Fronden, daß auch in den 
neuen Etat zur Regelung des Hebammenwesens der Betrag von 100 000 Mark 
eingestellt ist. Dagegen gibt eine gewisse schematische Regelung der Bei¬ 
hilfen, die aus diesem Fonds gewährt werden, zu Bedenken Anlaß, wenn auch 
gegenüber dem Vorjahre insofern eine Milderung eingetreten ist, als eine Bei¬ 
hilfe schon bei 1*/* °/o des Kroissteuersolls lür das Hebammen wesen gewährt wird. 
Das Bedürfnis zur Unterstützung sollte aber weniger nach diesen Prozent¬ 
sätzen zum Ausdruck kommen, als vielmehr durch besondere örtliche Ver¬ 
hältnisse, die sich nicht durch diese Zahlen messen lassen. Es dürfte sich 
empfehlen, den Fonds auf die einzelnen Provinzen zu verteilen und diesem 
dann eine angemessene Unterverteilnng zu überlassen. 

Kultusminister v* Trott zu Solz: Die Erfüllung der Wünsche des Abg. 
v. der Osten, daß der Bedürfnisfonds für Hebammen verteilt werden möchte, 
ist nicht angängig, da es sich um einen Bedürfnisfonds handelt. Wenn wir 
diesen Fonds auf die ganze Monarchie, etwa nach der Bevölkerungszahl ver¬ 
teilen wollten, so würde das Moment dabei nicht berücksichtigt werden, daß 
wir nur dahin geben wollen und können, wo wirklich ein Bedürfnis vorliegt. 
Und dieses Bedürfnis ist eben außerordentlich verschieden in den verschiedenen 
Regierungsbezirken. Es ist im Osten sehr viel größer mit seiner dünnen 
Bevölkerung als im Westen, wo die dichtere Bevölkerung es nicht so erforder¬ 
lich macht, mit Staatsmitteln das Hebammenwesen zu unterstützen. Dabei 
will ich nicht unerwähnt lassen, daß solche dünn bevölkerten Striche auch im 
Westen vorhanden Bind, und daß deshalb auch in diesen Gegenden Mittel aus 
dem Fonds fließen. 

Abg. Hirsch (Soz.-Dem.) hat sich gewandert, daß im Etat der Fonds 
zur Unterstützung des Bezirkshebammenwesens fast um die Hälfte reduziert 
worden ist (von 180000 auf 100000 Mark). In den Erläuterungen heißt es 
darüber, daß die Erfahrung ergeben habe, daß der bisherige Betrag über das 
Bedürfnis hinausgehe. Es wird aber sehr viel davon abhängen, in welcher 
Weise die Bedürfnisfrage geprüft wird. Denn wenn man sich die Statistik 
ansieht, so findet man, daß die Unterstützung der Hebammen gerade im In¬ 
teresse der Bevölkerung dringend notwendig ist. Es wird noch immer über 
Hebammenmangel geklagt; 10°/o aller Entbindungen in Preußen gehen 
ohne Beteiligung von Hebammen vor sieb; im Osten ist diese Ziffer aber 
wesentlich höher und beträgt im Reg.-Bez. Allenstein sogar 42,7 °/o, also 
viermal so viel als im Durchschnitt des Staates, in Posen 27°/o, in Bromberg 
27,3°/o, in Marienwerder 20,7°/o (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten). Wie 
auf allen Gebieten des Kulturwesens, so marschiert auch auf diesem der Osten 
wieder hintan. 

Bereits vor einigen Jahren ist nun von einem der Vorgänger des jetzigen 



880 


Besprechungen. 


Kultusministers ein Hebammengesetz verheißen worden; die angeführten 
Zahlen beweisen, wiö dringend notwendig der Erlaß eines solchen ist. Redner 
möchte deshalb die Regierung dringend ersuchen, ihr Versprechen, das non 
bald 10 Jahre alt ist, endlich einznlösen. 

Aßg. v» Wenden (kons.): Wenn im Osten noch verhältnismäßig viele 
Entbindungen ohne Hebammen stattfinden, so hat dies seinen Grund darin, 
daß die Bevölkerung vielfach zu dünn ist, und daß infolgedessen die Entfer¬ 
nungen zu den Hebammen zu weit sind. Hier sollte der Staat dafür sorgen, 
daß besonders für die Hebammen im Alter mehr getan wird, dann wird dieser 
Mißstand auch eher verschwinden. 

Abg. Mogk (natl.) wünscht eine gesetzliche Neuregelung des Heb¬ 
ammenwesens, die sich nicht auf das Hebammenwesen beschränken, sondern 
auch die obwaltenden Notstände bei der Wöchnerinnenpflege ins Auge fassen 
müsse; sie müsse die Hygiene des Wochenbetts als unbedingte Notwendigkeit 
fordern, wenn sie ein vollkommenes Ganzes werden soll. Das jährliche 
Hinsterben mehrerer Hunderttausend hilfloser Säuglinge in Preußen, das jähr¬ 
liche Sterben von ungefähr 4000 Frauen im Wochenbett, die Tatsache, daß 
weitere Tausende so erkrankt aus diesem hervorgehen, daß sie auf längere 
oder kürzere Zeit oder dauernd an der Gesundheit geschädigt sind, verlange 
dringende Abhilfe und Besserung auf gesetzlichem Wege durch Schaffung 
eines Hebammengesetzes. Die Notwendigkeit eines solchen sei auch schon vor 
Jahren von der Staatsregierung anerkannt und ein Gesetzentwurf ausgearbeitet, 
der aber bis jetzt nicht vorgelegt sei. Statt dessen habe man versucht, unter 
Zuhilfenahme von Staatsbeihilfen die schon vielfach vorhandene statutarische 
Regelung des Bezirkshebammenwesens durch die Kreise auszubauen und die 
Gebühren der Hebammen zu erhöhen. Diese Maßnahmen der Regierung seien 
aber nicht geeignet, Bürgschaft für eine nennenswerte Förderung und Besserung 
des Hebammenwesens zu bieten. Gerade da, wo die Grundschäden des 
Hebammenwesens liegen, versage das neueste Reformprogramm der Regierung 
so gut wie ganz. Der Freizügigkeit und unbeschränkten Niederlassungsfreiheit 
der Hebammen mit ihren verhängnisvollen Folgen werde dadurch kein Riegel 
vorgeschoben, und die auf Besserung der sozialen wie auf Sicherung der wirt¬ 
schaftlichen Lage der Hebammen abzielenden Maßnahmen genügen nicht, den 
ganzen Stand auf ein höheres, der Verantwortung des Berufes entsprechendes 
Bildungsniveau zu heben. Notwendig sei ein durchweg auf der Höhe des 
Verständnisses für seine sozialbygienischen Pflichten auf dem Gebiete der 
Wöchnerinnen- und Säuglingsfürsorge stehender Hebammenstand, der im 
wesentlichen unabhängig von Gunst und Laune des Publikums in geachteter, 
wirtschaftlich gesicherter Stellung sich der Geburtshilfe in zurückhaltender, 
berufsmäßiger und nicht in unruhig hastender und liebedienender, erwerbs¬ 
mäßiger Weise widmen kann, ein Hebammenstand, der in Ausübung seiner 
Berufstätigkeit von einer straff, je nach den örtlichen Bedürfnissen organisierten 
Frauenhilfe unterstützt wird. Auch die Säuglingsfürsorge kann nicht zu 
dem gewünschten Resultat führen, solange das Hebammenwesen und die ganze 
geburtshilfliche Ordnung so unfertig in Preußen bleibt wie bisher. Fürsorge 
für die Wöchnerinnen und MütteT ist nicht nur der beste, sondern der einzig 
zuverlässige Schutz, der den Säuglingen gewährt werden kann; der Mütter 
Not ist eben der Säuglinge Verderben. Nur mit einer großartigen sozialen 
Gesetzgebung, die das Hebammen wesen, die Organisation der Frauenhilfe und 
die Mutterschaftsversicherung zugleich umfaßt und in geordnete Beziehungen 
zu einander setzt, ist im Kampfe gegen die enorme Säuglingssterblichkeit und 
gegen das Elend in den Wochenstuben vorwärts zu kommen. Redner hofft, 
daß die Staatsregierung die Frage der Reform des Hebammenswesens mit 
dauerndem und tatkräftigem Interesse behandeln und zielbewußt Vorgehen 
wird; denn diese Angelegenheit betrifft das Wohl des ganzen Volkes und des 
preußischen Vaterlandes (Bravo! bei den Nationalliberalen). 

Besprechungen. 

Prot Dr. Pribram - Prag: Grundsttge der Therapie. II. vermehrte 
Auflage. Berlin 1909. Fischers medizinische Buchhandlung (H. Korn¬ 
feld). Kl. 8°, 266 S. Preis: 4M. 

Vorliegendes Buch ist hauptsächlich ehf Produkt der Erfahrungen, die 



Tagesnachriehten. 


381 

Verfasser bei langjähriger klinischer Tätigkeit an einem äußerst reichhaltigen 
Krankenmaterial gesammelt hat. Er gibt daher fast durchweg seine persön¬ 
lichen Anschauungen and die von ihm für gat befundene Therapie wieder, 
wenn er allerdings auch abweichende Ansichten karz erwähnt. Aus seinen 
Ausführungen heraas spricht aber der vielerfahrene Kliniker, von dem man 
nar lernen Kann, and dem man auch folgen darf, selbst wenn man vielleicht nicht 
der gleichen Ansicht ist. Im ersten Kapitel spricht er im allgemeinen über 
die Behandlungsmethoden, über die Schwierigkeiten, mit der die innere Be¬ 
handlung za kämpfen hat, and das Mißtrauen, das ihr entgegengebracht wird. 
Im zweiten Kapitel geht er dann weiter aaf die Art der Krankenbehandlang 
ein and stellt eine Beihe von Leitsätzen auf, die dabei anbedingt za berück¬ 
sichtigen seien: Nie höhere Arzneidosen, wie notwendig; bei stark wirkenden 
Arzneien Organismus durch kleinere Gaben prüfen; Vorsicht bei der Anwendung 
anbekannter Mittel; keine Arznei länger, wie notwendig; wirksame Arzneien 
Laien nur in abgemessenen Einzelgaben in die Hand geben; Mittel, bei denen 
GewOhnang eintreten kann, in möglichst anangenehmer Form; Berücksichtigung 
des ganzen Organismus; Sorgfalt nach bei Unheilbaren; bei Indikationsstellung 
alle Behandlungsmethoden erwägen. Dann geht er zor eigentlichen Therapie 
über und bespricht zuerst die der Erkrankungen des Kreislaufes; es folgen 
Atmungs-, Verdauungsorgane, Peritoneum, Leber und Pankreas, Harnorgane, 
Milz, Nervensystem, Blut- und Infektionskrankheiten und schließlich allgemeine 
Ernährungsstörungen. Die einzelnen Kapitel sind kurz und knapp gehalten, 
aber sehr klar und verständlich geschrieben. Sie bringen sehr viel wertvolle 
Anregungen; bei der Stiefmütterlichkeit, mit der gewöhnlich die Therapie auf 
den Universitäten behandelt wird, werden sie jedem willkommen sein. Das 
Buch würde noch mehr an Wert gewinnen, wenn es etwas übersichtlicher 
wäre, ferner, wenn es ein Schlagwortregister enthielte, das völlig fehlt; es 
würde sich dann erheblich besser für deu Gebrauch des praktischen Arztes 
eignen. Im übrigen kann man es aber zum Studium nur empfehlen. 

_ Bpd. jun. 


Tagesnachrichten. 

Fortbildungskurse für Medizinalbeamte und Gerichtsärzte. In 
Preussen werden in diesem Jahre wiederum zwei Fortbildungskurse 
für die Kreisärzte in der Hygiene, gerichtliche Medizin, 
Psychiatrie und Staatsarzneikunde vom 23. Mai bis 10. Juni und 
vom 13. Juni bis 1. Juli in Berlin abgehalten. 

In Bayern wird in der Zeit vom 24.—29. Oktober d. J. ein hygienischer 
Fortbildungskursus für Amtsärzte und Verwaltungsbeamte 
im hygienischen Institut zu München stattfinden. Die Vorträge werden vom 
Ministerialrat Dr. Dieudonn6 (Aufgaben und Erfolge der Gesundheitspflege), 
Obermedizinalrat Prof. Dr. von Gruber (Beseitigung der Abfallstoffe), Prof. 
Dr. Emmerich (Wasserversorgung), Prof. Dr. Hahn (Gewerbehygiene) 
gehalten werden. Zu dem Kurse, der mit Besichtigungen (Tuberkulose- 
Fürsorgestelle, Säuglingsberatungsstelle, Säuglingsheim und Arbeiterhäuser¬ 
block usw.) verbunden sein wird, sollen 26 Bezirkärzte und 25 Verwaltungs- 
beamte im äußeren Dienste einberufen werden; den Teilnehmern erhalten für 
die Dauer der Kurse und der Beise Tagegelder und Ersatz der Beisekosten 
nach den verordnungsmlßigen Bestimmungen. Gesuche um Zulassung sind an 
die Kreisregierungen, Kammern des Innern, bis zum 1. Septbr. d. J. zu richten. 

Außerdem soll im Herbst 1910 (17.—22. Oktober) und 1911 je ein 
Fortbildungskursus für die Landgerichtsärzte durch Land- 
gericbtsarst Prof. Dr. Bichter und Prof. Dr. Alzheimer (Institut für 
gerichtliche und psychiatrische Medizin) stattfinden. Das Programm der Kurse 
umfaßt: 

a) Gerichtliche Medizin: 1. Besprechung und Demonstration von 
Obduktionsmethoden mit Berücksichtigung der Bedürfnisse der forensischen 
Praxis, 2. richtige Beurteilung und Protokollierung der anatomischen Befunde; 
Verwertung derselben bei Abfassung des Gutachtens, 3. Demonstration und 
Besprechung von frischen und Musealpraparaten, 4. neuere Untersuchungs- 
metnoden betreffend den forensischen Nachweis von Blut, Sperma etc., 
6. forensische Kasuistik (Besprechung instruktiver Fälle aus der forensischen 



882 


Tagesnachriohten. 


Praxis), 6. Zeit* and Streitfragen der gerichtlichen Medizin, 7. medizinische 
Fragen betreffend den Strafvollzug (mit Exkursion). 

b) Gerichtliche Psychiatrie: 1. Die strafrechtliche Verantwort¬ 
lichkeit der Hysterischen, der Degenerierten, der mit leichterem angeborenen 
Schwachsinn Behafteten, 2. die Differensialdiagnose zwischen Epilepsie and 
Hysterie, 3. Simulation and Geistesstörung, 4. Gefängnispsycbosen, 5. Sittlich¬ 
keitsdelikte zar Pubertätszeit, 6. psychische Infektion als Quelle bei Ver¬ 
brechen, 7. psychische Untersuchongsmethoden, 8. strafrechtliche Verantwort¬ 
lichkeit der sexuellen Perversen usw. • 

Ferner sind Besichtigungen der psychiatrischen Klinik, der Kreisirren¬ 
anstalt Eglffng, des Strafvollstreckungsgefängnisses Stadelheim und des Er¬ 
kennungsamts der Polizeidirektion in Aussicht genommen. 

Zu dem in der Zeit vom 17. bis 22. Oktober 1910 stattfindenden ersten 
Fortbildungskurs wird die Hälfte der Landgerichtsärzte und zwar: aus den 
Kreisen Oberbayern, Niederbayern, Pfalz, Oberfalz, Mittelfranken, Schwaben 
je zwei, aus den Kreisen Oberfranken und Unterfranken je einer zugelassen. 
Den Teilnehmern werden fttr die Dauer der Kurse und dor Reise Tagegelder 
und Ersatz der Reisekosten nach den verordnungsmäßigen Bestimmungen 

f ewährt. Die Gesuche um Zulassung zu dem Kurse sind ebenfalls bei den 
[reisregierungen, Kammern des Innern, bis zum 1. Sept.br L J. einzureichen. 


Fürsorge für Geisteskranke. Der Leiter der Provinzial-Heilanstalt 
in Güttingen, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Cr am er, hat den Oberpräsidenten 
ersucht, eine Fürsorge für die aus den Provinzial-Heil- und Pflegeanstalten 
entlassenen Geisteskranken zu schaffen. Hierzu soll eine Vereinigung einge¬ 
richtet werden, die in jedem Kreise einen oder mehrero Vertrauensmänner be¬ 
sitzt, die mit Rat und Tat den Kranken an die Hand gehen, ihre Unterbrin¬ 
gung in passende Dienste vermitteln oder ihnen einen sonstigen Broterwerb 
ermöglichen. Auch für die Verbesserung der öffentlichen Irrenpflege soll der 
Verein tätig sein und nach der Ansicht des Geheimrats Cr am er auch einen 
vorbeugenden Einfluß ausüben. Eine besonders wichtige Aufgabe der Für¬ 
sorge sei es, die heranwachsende Jugend im Auge zu behalten, ebenso die 
zeitweilig gefährlichen Grenzzustände nach der Geisteskrankheit hin (Trunken¬ 
heit, Schwachsinn, die für gewöhnlich nicht als Geisteskrankheit angesehen 
werden, zu beobachten. Der Verein kann daher, wenn er in engster Fühlung 
mit den einzelnen Anstaltsdirektionen einerseits und mit den Verwaltungs¬ 
organen im Lande anderseits steht, Gutes stiften. Die Regierungspräsidenten 
sind ersucht worden, sich über diese Anregung gutachtlich zu äußern, insbe¬ 
sondere auch darüber, ob die Gewinnung der Vertrauensmänner zu erreichen 
ist. In Hessen besteht bereits ein solcher Hülfsverein, der mehr als 800 Ver¬ 
trauensmänner besitzt. 


In Hamm i. West! ist unter Leitung des Kreisarztes Dr. Ascher 
ein Fürsergoamt eingerichtet, daß sich die Fürsorge für Säuglinge, Halte¬ 
kinder, Trinker und Tuberkulöse zur Aufgabe gestellt hat. 


Die vor kurzem in Wttrsburg stattgehabte 49. Jahresversammlung 
des Zentralvereins deutscher Zahnärzte befaßte sich u. a. mit der Frage 
eines Infektionsgefahr der Wöchnerinnen durch dieMundhöhle 
der Hebammen. Nach Ansicht des Referenten, Pro! Dr. Loh mann, ist 
ein großer Prozentsatz der alljährlich am Kindbettfieber sterbenden Fraaen 
auf eine derartige Infektion zurückzuführen. Er fordert deshalb: 1) Jede 
Hebammenschülerin muß bei ihrer Aufnahme in die Hebammen-Lehranstalt 
neben dem ärztlichen Attest über ihren allgemeinen Gesundheitszustand ein 
zahnärztliches Attest beibringen, das den gesunden resp. einen den hygieni¬ 
schen Anforderungen entsprechenden Zustand des Mundes bescheinigt. 2) 
Während ihrer Ausbildung muß die Hebammenschülerin über die Bedeutung 
der Mundhygiene aufgeklärt werden. Insbesondere muß sie auf die Gefahren 
hingewiesen werden, die den ihrer Hilfe anvertrauten Wöchnerinnen durch 
Vernachlässigung einer geregelten Mundpflege drohen. 3) Jede Hebamme hat 
jährlich dem Kreisarzt ein von einem zu diesem Zwecke besonders designierten 
Zahnarzt ausgestelltes Attest beizubringen, indem der gesunde Zustand des 
Mundes bescheinigt wird. 8) Die Hebamme ist verpflichtet, dauernd der 



Tagesnachrichten. 


888 


Pflege der Zähne nnd des Mondes die größte Aufmerksamkeit za schenken 
and insbesondere Tor Uebernahme einer jeden Entbindung möglichst eine gründ¬ 
liche Reinigung und Desinfektion des Mundes vorzunehmen. 

Wenn anch die Möglichkeit einer Uebertragung des Wochenbettfiebers 
durch die Hebamme auf diesem Wege nicht in Abrede gestellt werden kann, 
so ist sie doch so selten, daß sie keineswegs eine solche ausgiebige 
Mitwirkung der Zahnärzte auf dem Gebiete des Hebammenwesens not¬ 
wendig macht. Wohin soll es führen, wenn jedes ärztliche Spezialfach, z. B. 
Tuberkulose-, Ohren-, Nasen-, Kehlkopfs-, Augen- usw. Aerzte, aus ähnlichem 
Grunde eine derartige Mitwirkung beanspruchten, zu der sie mindestens die 
gleiche Berechtigung wie die Zahnärzte hätten. Es wird auch für künftige 
Zeiten völlig genügen, wenn die Auswahl und Kontrolle der Hebammen in 
den Händen der Medizinalbeamten ruht und es diesen zu beurteilen überlassen 
bleibt, ob und wann die Zuziehung eines Spezialarztes notwendig erscheint. 


Für das schon seit mehreren Jahren in Gelsenkirchen bestehende 
bakteriologische Institut des Vereins nur Bekämpfung der Volkskrank- 
helten im Ruhrgebiet ist ein neues, sehr zweckmäßiges und allen Anfor¬ 
derungen entsprechendes Gebäude errlohtet und am 2. d. M. feierlich seiner 
Bestimmung übergeben. 


Die VII. Tuberkulose-Aerzte-Tersammlnng findet in Karlsruhe am 
Montag, den 6. und Dienstag, den 7. Juni 1910 im kleinen Saal der städtischen 
Festhalle statt. Auf der Tagesordnung stehen folgende Vorträge: 1. Kurzer 
Bericht über die Tuberkulose und ihre Bekämpfung im Großherzogtum Baden. 
Referent Prof. Dr. Starck-Karlsruhe. 2. Die Bedeutung der y. Pirquetseben 
Reaktion im Kindesalter. Referent Prof. Dr. Fe er-Heidelberg. 8. Die am¬ 
bulante Nachbehandlung mit Tuberkulin nach der Heilstättenbehandlung. 
Referent Dr. R o e p k e - Melsungen. 4. Beschäftigung und Atemübung in 
Lungenheilstätten. Referenten Dr. Koppert-Berka a. Ilm, Dr. Junker- 
Cottbus, Dr. Liebe-Waldhof-Elgershausen. 6. Ehe und Tuberkulose. Re¬ 
ferent San.-Rat Dr. G e b s e r - Carolagrün i. V. 6. Tuberkulose und Schwanger¬ 
schaft. Referent Prof. Dr. Starck-Karlsruhe. 7. Die physikalische 
Untersuchung bei Einleitung und Beendigung des Heilverfahrens. Referent 
Dr. R u m p f - Ebersteinburg. 

An die Verhandlung schließt sich ein Besuch von Baden-Baden zur 
Besichtigung der dortigen Kureinrichtungen und des Sanatoriums Eberstein¬ 
burg, sowie eine Besichtigung der Lungenheilstätten Friedrichsheim und 
Luisenheim bei Badenweiler und des Friedrich-Hilda-Genesungsheims bei 
Oberweiler von Karlsruhe oder Baden • Baden aus. Es wird ferner Gelegenheit 
zur Besichtigung der Privatheilstätten in St. Blasien und Wehrawald, des 
Kurortes Triberg und der Kinderheilstätte Dürrheim gegeben werden. An¬ 
meldungen zur Teilnahme sind an die Geschäftsstelle des Deutschen Zentral- 
Komitees zur Bekämpfung der Tuberkulose, Berlin W. 9, Königin Augusta- 
straße 11, zu richten._ 


Die vierte Konferenz der Zentralstelle für Volkswohlfahrt findet 
vom 5.—9. Juni d. J. in Braunschweig statt. Auf der Tagesordnung 
stehen folgende Themata: 

I. Aufgaben und Organisation der Fabrikwohlfahrts¬ 
pflege. a) Notwendigkeit und allgemeine Ziele. Referent: Dr. R. v. Rrd- 
feerg-Berlin, b) Organisation. Referent: Syndikus Dr. Diloo-Oberlängen- 
bilau. Korreferent: Arbeitersekretär Gisberts-München-Gladbach. 

II. Bekämpfung der Schundliteratur. Referent: Dr. Müller- 

Berlin. 

Im Anschluß an diese Beratungen findet gemäß einem Beschlüsse der 
Darmstädter Konferenz 1909 eine Spezialkonferenz von Jugendver¬ 
einsleitern mit folgendem Programm statt: 

I. Turnen, Spiel und Wandern und ihr Wert für nationale, staatsbürger¬ 
liche Erziehung. Referent Prof. Dr. Koch-Braunschweig. II. Turnen, Spiel 
und Wandern im Jagend verein und an der Fortbildungsschule, namentlich 
auch als Ausgangspunkt für umfassendere Jugendpflege. Referent: Fortbil- 



384 


8prechsaal. 


dungsschuldirektor Dr. 8 t rat hm ana-Bixdorf. III. Aas der Jagendverelns- 
nrbeit. Freie Aassprache Ober verschiedene Fragen der Jugendpflege. 

Anmeldangenrza dieser Konferens sowie alle bezüglichen Anfragen sind 
an die Zentralstelle für Volkswohlfahrt, Berlin SW. 11, Dessauerstraße 14, 
za richten. 

Gleichzeitig mit der Konferenz wird Dienstag, den 7. Jan! d. J. die 
vierte Generalversammlung der Zentralstelle für Volkswohl¬ 
fahrt abgehalten werden. 


An Stelle des Wirk!. Geb. Ob.-Med.-Rats Prof. Dr. Schmidtmann ist 
Geh. Med.-Bat Dr. Abel in Berlin in die Redaktion der Zeitschrift für gericht¬ 
liche Medizin and Öffentliches Sanitätswesen eingetreten. 


Erkrankungen und Todesfälle au ansteckenden Krankheiten ln 
Preassen. Nach dem Ministerialblatt fflr Medizinal- and medizinische Unter¬ 
richts-Angelegenheiten sind in der Zeit vom 27. März bis 23. Aprill910 erkrankt 
(gestorben) an: Aussatz, Gelbfieber, Fleckfieber, Pest, Rots, 
Cholera, Tollwat, Rttckfallfieber: (—),(—); Pocken: 6(1),10(2); 
18 (1), 12 (1); Milzbrand: 4 (—), 8 (—), 3 (—), 1 (1); Bißverletsungen 
darch tollwatverdächtige Tiere: —(—), 1 (—), — (—), 4 (—); 
Unterleibstyphus: 104 (20), 138 (20), 119(8), 122 (16); Ruhr: — (—), 
2 (-), 9 (1), 14 (—); Diphtherie: 1448 (114), 1460(114), 1489 (106), 1426 
(96); Scharlach: 1176 (77), 1336 (71), 1349 (64), 1474 (66); Kindbett¬ 
fieber: 100 (80), 96 (25); 92 (16), 116 (22); Genickstarre: 12 (6), 6 (9), 
21 (9), 18 (7); spinale Kinderlähmung: 2 (—), — (—), 6 (1), 8 (2); 
Fleisch- and Wurstvergiftung: —(1), — (—), — (—( —(—); Kör¬ 
nerkrankheit (erkrankt): 190, 228, 860, 890; Taberkalose (gestorben): 
813, 844, 866, 866. _ 


BprsohsaaL 

Anfrage des Kreisarztes Dr. v. F. ln A.: Können bei auswärtigen 
Drogenrevisionen außer Reisekosten statt Tagegelder Gebühren nach Tarif B, 
Nr. 7 berechnet werden ? 

Antwort: Ja; nach § 7 des Gesetzes vom 14. Jali 1909 dOrfen ln solchen 
Fällen Tagegelder überhaupt nur liquidiert werden, wenn die Gebühren ihren 
Betrag nicht erreichen, und dann nur, insoweit dieser Betrag die Gebühr 
übersteigt. _ 


Anfrage des Kreisarztes Dr. R. in G.: Ist der Besuch zur Unter¬ 
suchung eines bettlägerigen Veteranen kostenfrei als unter das Reisepauschale 
fallend auszuführenP 

Antwort: Nein. Die Tätigkeit gehört zu § 116 der Dienstanweisung; 
Reisen, die durch vertrauensärztliche Tätigkeit des Kreisarztes veranlaßt sind, 
fallen aber nicht unter das Reisepauschale (s. Min.-Erl. vom 9. Dezbr. 1909). 


Anfrage des Kreisarztes Dr. R. ln N.: Sind nach Tarif B, Nr. 11 des 
Gesetzes vom 7. Jali 1909 Gebühren zu entrichten für Auskunftserteilung an 
den Vorsitzenden des Kreisausschusses: 1) über die Verlegung des Wohnsitzes 
einer Bezirkshebamme; 2) über Einrichtung zur Bekämpfung der Tuberkulose P 
Antwort: Nein; die Tätigkeit gehört nach § 16 der Dienstanweisung 
zu den allgemeinen Amtsobliegenhdten des Kreisarztes, die unentgeltlich zu 
verrichten sind. 


Anfrage des Kreisarztes Dr. F. ln X.: Ist Scotts Emulsion zum 
Verkauf in Drogenhandlangen freigegeben P 

Antwort: Nein; denn das Mittel ist stets als Heil- und nicht als Nähr¬ 
und Kräftigungsmittel anzusehen. In diesem Sinne hat auch das Kammer¬ 
gericht unter dem 4. September 1902 entschieden. 


Redaktion: Geh.MecL-Rat Prof. Dr.Rapmund, l!teg.- u. Med.-Rat in MindenLW. 

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ist seine durx?t» •jie rnvtsitT’rfafre FabriUat'cm u 
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23. Jahrg 


1910. 


Zeitschrift 

für 

MEDIZINALBEAMTE. 


ZontralHatt für du geäste desundbeitgwesen, 

für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenwesen. 

Heransgegeben 

▼OB 

Geh. Med.-Eat Prot Dr. OTTO RAPMUND, 

Begiermnfs- and MadMnnlrat In Minden 1« ¥, 

Offizielles Organ des Deutschen, Preussisohen, Bayerischen, Sächsischen, 
WQrttembergischen, Badischen, Mecklenburgischen und Eisass-Lothringischen 

Medizinalbeamtenvereins. 


Verlag von Fiseher’s mediz. Buehhandlg., E Kornfeld, 

HttsogL Bayer. Hof- n. EnhercocL ga.tnmenr.iiiiwhh«iMii«i>. 

Berlin W. 35, Lützowstr. 10. 

Inserale nehmen die Verlegthandlnng sowie alle Annoncenexpeditionen des In« 
and Auslandes entgegen. 


11. Knehelnt am 1. ud M. jedem Moiats, 


5. Juni. 


Todesfall infolge von Schröpfen. 

Von Medizinalrat Dr. Israel, Kreisarzt in Fischbaasen. 

Das Setzen von Schröpfköpfen ist eine noch sehr häufig aus- 
geübte Massnahme, besonders bei uns im Osten. Hebammen und 
Heilgehilfen üben das Schröpfen ans, teils anf ärztliche Ver¬ 
ordnung, teils ohne diese. Nach meinen langjährigen Beobachtnngen 
hat zwar in den letzten Jahren das Schröpfenlassen abgenommen, 
doch wird es noch häufig genug, besonders bei den hierorts 
gehäuft vorkommenden Erkrankungen an Rheumatismus ansgeübt. 
Es werden meistenteils trockene, doch nicht zn selten auch blutige 
Schröpfköpfe gesetzt, besonders bei Männern kommen letztere 
häufiger in Anwendung. Bei unseren Untersuchungen sehen wir 
bei der Mehrzahl der im mittleren und vorgerückten Alter 
stehenden Männern Narben von blutigen Schröpfköpfen. Im Ver¬ 
hältnis zu der grossen Menge der Geschröpften hört man nur 
änsserst selten von einer an das Schröpfen sich anschliessenden 
Erkrankung, geschweige von einem Todesfall. Ich habe deshalb 
es für wert erachtet, einen mir gerichtlich bekannt gewordenen 
Todesfall infolge Setzens blutiger Schröpfköpfe hier veröffentlichen 
zn sollen, nmsomehr als ich glanbe, dass die beim Schröpfen 
vorgeschriebenen Verhaltungsmassregeln bei den heutigen wissen¬ 
schaftlichen Ansprüchen nicht genügen. 



886 


Dr. Israel. 


Am 7. Juni 1909 liess sich die Arbeiterlraa A. von der 
früheren Hebamme K. 10 Schröpfköpfe, and zwar blutige, wegen 
Moskelrheamatismos setzen. Einige Tage darauf hatte sie starke 
Schmerzen in der Bückengegend und konsultierte am 13. Jani 
Dr. P. Dieser konstatierte: Unter dem linken Schnlterblattwinkel 
Schnittwunde des Schröpfkopfes pustulös erhaben und mit 
schmierigem Schorf bedeckt; in der Umgebung dieser Wunde 
Wundrose in einer Fläche von der Grösse dreier Handteller; 
Temperatur 89,3°. 

Am 26. Juni starb Frau A. Auf eine Anzeige wurde die 
gerichtliche Leichenöffnung verfügt und von Herrn Med .-Bat 
Prof. Dr. Puppe-Königsberg und mir ausgeführt. Dabei wurde im 
wesentlichen folgendes festgestellt : 

Fast der ganze Rttcken dunkelrotblau; Oberhaut fehlt fast gänzlich 
oder läßt sich leicht entfernen. Lederhaut teils grauweiß, teils schmutzigrot, 
Ausläufer nach Oberschenkeln und Brttsten. 

Aeußerst schlaffes Herz. Milz 15:9:3'/«, sehr weich, Gewebe aufge¬ 
lockert. Nieren 18 1 /*: 6:3, starke Trübung des Gewebes. Weiche Hirnhaut 
zeigt Füllung der Blutadern bis in die feinsten Verzweigungen. 

Das Gutachten lautete: Der Tod ist eingetreten infolge 
von Wundrose, welche vom Bücken ihren Ausgang genommen hat. 

Frau K., über ihre Tätigkeit im Schröpfen befragt, sagte 
folgendes aus: 

Sie habe 10—15 Personen jährlich zu schröpfen. Der Apparat sei seit 
10 Jahren in Gebrauch. Nach jedem Gebrauch nehme sie die einzelnen Messer 
heraus, reinige sie mit der Bürste und koche sie in Sodalösung aus. Ein 
Bedecken der geschröpften Stelle habe sie nicht vorgenommen. 

Es fragte sich nun, ob die K. das Schröpfen sachgemäß aus¬ 
geführt hat und ob ihr eine Schuld an dem Tode der Frau A. 
beizumessen ist. 

Das blutige Schröpfen wird nach dem Krankenpflegelehrbuch, 
herausgegeben von der Medizinalabteilung des Kultusministeriums 
(Hirschwald 1909) wie folgt ausgeführt: 

„Als Instrumente sind nOtig: s) Schröpfschnepper, b) Schröpfköpfen 
a) besteht aus einem Messingkasten, in dem auf zwei Walzen je 8X8 Messerchen 
(Flieten) befestigt sind. Durch eine 8chraubenvorrichtung kann man die Flieten 
mehr oder weniger weit heraussteilen. Durch eine einem Gewehrabzug ähnliche 
Hebelvorrichtung spannt man die Walzen. Beim ersten Spannen des Abzuges 
treten die Messerchen heraus, beim zweiten verschwinden sie wieder. Den 
völlig aufgezogenen SchrOpfscnnepper setzt man an der SchrOpfstelle fest auf 
die Haut und drückt auf einen seitlich angebrachten Knopf. Die Walsen 
schlagen, durch diesen Druck ausgelöst, schnell zurück. Die Flieten machen 
während des Durchschlagens kleine Einschnitte in die Haut. Dem blutigen 
SchrOpfen geht das trockene voran.“ 

Zur Beifügung bez. Desinfektion sind folgende Maßnahmen 
vorgeschrieben: 

1. Die SchrOpfstelle wird durch sauberes Abwaschen mit lauwarmem 
Wasser und Seife, nachfolgendem Abtrocknen und Abreiben mit Spiritus 
gereinigt. 2. Nach Beendigung des SchrOpfens wird die Haut eingefettet oder 
mit Wundwatte bedeckt. 8. Die Schröpfköpfe und der Schröpfschnepper 
werden sorgfältig gereinigt und die Messerchen tüchtig ausgebürstet und gut 
getrocknet, damit sie nicht rosten. Will man sie für eine längere Aufbe¬ 
wahrung etwas einfetten, so bestreiche man sio mit gereinigter Vaseline. Das 
Fett muß vor neuem Gebrauch des Schröpfschneppers aufs sorgfältigste ent¬ 
fernt werden. Vor jeder Benutzung werden Schröpfköpfe und Schröpfschnepper 
durch Auskochen desinfiziert. Die Flieten müssen scharf gehalten werden.“ 



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Todesfall infolge ton Schröpfen. 


387 



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Es erscheint zweifelhaft, ob angesichts des von ans beob¬ 
achteten Falles von Erysipel mit tödlichem Verlauf die angeführten 
Vorschriften üb genügend erachtet werden können- Man hat es 
beim blutigen Schröpfen zweifellos mit einem chirurgischen Ein¬ 
griff zu tnh und wird daher auch fordern müssen, daß hierbei 
die modernen wissenschaftlichen Anforderungen erfüllt werden. 
Die Reinigung der zu schröpfenden Haut mit warmem Wasser, 
Seife und nachfolgendem Abreiben mit Spiritus dürfte genügen; 
ebenso sind auch die Vorschriften für die Reinigung der Schlüpf- 
inatrumente als ausreichend anzasebea. Dagegen erscheinen mir 
die Bestimmungen über die Nachbehandlung unzureichend und, 
wie der vorliegende Falle beweist, manchmal sogar gefährlich. 
Ein Einfetten der Hast wird nicht in jedem Falle genügen, um 
ein Eindringen von Eiter- oder Eryeipelkokken zu verhindern, 
abgesehen davon, daß daß Fett selbst nicht, oder jedenfalls nnr 
verschwindend selten keimfrei sein wird. Es würde somit in 
jedem Falle ein nachträgliches Bedecken mit Wandwatte oder 
besser noch mit Gaze zu fordern sein. Endlich wird auch noch 
an betonen sein, daß die Hände des Heilgehilfen oder der 
Hebamme genügend zu desinfizieren sind. Die Abänderung bezw. 
Ehgänznug in dieser Beziehung würde bei einer Neuauflage des 
Lehrbuches zu berücksichtigen sein. 

Die Angeschuldigte K, t welche früher Hebamme war, gab 
m, daß sie sich nach den Bestimmungen des alten Hebammen- 
lshrbaehea gerichtet habe. In diesem sind die Vorachriftenwie 
felgt angegeben: 

»AbWMcHeo der H*ntstßllen mit reinam Wasser, Sprozeotigem Kaibol- 
»usef nnd AbtwckJien out Watte oder Leiawwtd. Nach dam Schröpfen vrlrd 
die Stelle »aber »bgewaschee. mit raiaem, ungesalzenen- Fett bestricken und 
ah Lalnwandläppcfien dftfftbergelegt.“ 

Von einer Desinfektion des Schöpfmesaera selber und der 
Hände ist nichts gesagt. Da, in dem neoeu Hebammenlehrbach 
keinerlei Vorschriften über das Schröpfen gegeben sind, 80 ist 
ÄBzunehnten, daß die Hebammen, welche sieh mit Schröpfen 
abgeben, noch nach den älteren Vorschriften verfahren. Auf eine 
Umfrage erfahr ich, daß von 28 Hebammen des Kreises noch 16 
sich mit Schröpfen beschäftigen. Io den meisten Fällen wurde 
mir angegeben, daß nur di« ira alten Löhrbach« angegebenen 
Vorschriften befolgt werden. Insbesondere findet nachträglich 
entweder kein Bedecken oder in den meisten FäUen Bedecken 
mit alter Leinwand statt. Ich habe daher Gelegenheit genommen, 
^ Hebammen auf die Gefahr hinzu weisen, und sie ersucht, zum 
Bedecken stets Wundwafte zu gebrauchen, da die Krankheite- 
«freger sehr wohl hei mangelhafter Antrocknung der von den 
'***§?■, gströffehen Stellea fiÄchträglich von 'unsauberer Wäsche 
nnu KJeidang eindriogen. könaeh. Es empfiehlt sich, wie ich 
?H»M, generell, gelegentlich der Nachprüfungen, die Hebammen. 
wj lör Verhalten beim Schröpfen hiasuweisen. 

> Verfahren gegen die angeschuldigte Frau K. wurde 
Bestellt, da ihr ein fahrlässiges Verhalten angesichts der ihr 





888 Dt. Rogowski: Dm •mtairztliche QoUcbtea 

seinerzeit gegebenen Vorschriften nicht nachgewiesen werden 
konnte. 

Zorn Schlosse betone ich, daß in dem Lehrbache für Heil¬ 
gehilfen and Masseare von Granier, 5. Auflage, Berlin 1907, 
für das Schröpfen Vorschriften gegeben werden, welche den 
vorher gestellten Anforderungen entsprechen. G. verlangt 
sorgfältige Desinfektion des Schneppers and bemerkt dazu, daß 
dieser für die jetzigen Anschauungen nicht sicher genug desinfiziert 
werden kann, weil er nur schwer auseinanderzunehmen ist und 
viel za viel unzugängliche Ecken und Winkel hat. Er wünscht, 
daß ein Schnepper erfunden würde, der diese Mängel nicht hat. 
Ist das Schröpfen zu Ende, so wird die ganze Hautstelle mit 
steriler Verbandwatte und gekochtem, noch warmem Wasser 
gesäubert und dann mit einem Irischen Leinentuch bedeckt. Das 
früher übliche Einölen, ist nicht anzuraten, da es nicht sauber 
genug ist. 

Das amtsärztliche Gutachten über die Befähigung zur 
Führung eines Kraftfahrzeuges. 

Von Medizinalrat Dr. BogOWftkt, Kreisarzt in Berlin. 

Durch die Verfögung über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen, 
welche seitens des Bundesrats in Ausführung des „Gesetzes über 
den Verkehr mit Kraftfahrzeugen vom 3. Mai 1909“ unter dem 
3. Februar 1910 (Reichsgesetzblatt 1910, Nr. 5, S. 389 fl.) erlassen 
und am 1. April 1910 in Kraft getreten ist, ist den Kreisärzten 
eine neue Aufgabe zugewachsen, die an Wichtigkeit und Verant¬ 
wortung über den Rahmen der meisten kreisärztlichen Dienst- 
geschäften weit hinausgeht. Trägt fortan doch der Kreisarzt die 
Verantwortung, wenn infolge eines körperlichen Mangels, der 
schon bei Ausstellung des Fahrscheins für einen Kraftwagenführer 
vorhanden war, ein Unglück geschieht und Menschen verletzt 
oder Sachen beschädigt werden. Es ist jetzt nicht ausgeschlossen, 
daß der Kreisarzt für solche Fälle zivilrechtlich verantwortlich 
gemacht wird. 

Es erscheint deshalb bei der Wichtigkeit der Untersuchung 
für den einzelnen und die Allgemeinheit erwünscht, gewisse 
Grundsätze aufzustellen, nach denen bei Ausfertigung dieser amt¬ 
lichen Zeugnisse zu verfahren sein wird. 

Was die allgemeine Körperbeschaffenheit betrifft, 
so wird darauf zu achten sein, daß der Untersuchte die nötige 
körperliche Gewandtheit besitzt, um allen Anforderungen, die 
während der Fahrt des Kraftwagens an ihn herantreten, ent¬ 
sprechen zu können. Zur Führung des Wagens braucht der 
Fahrer für gewöhnlich beide Hände zur Drehung und zum Fest¬ 
halten des Lenkrades. Ueber oder unter dem Lenkrad sind ein 
oder zwei Hebel oder Kurbeln angebracht, die während des Fahrens 
zu bedienen sind. Ferner sind dort, wo die Füße des Wagen¬ 
führers während der Fahrt sich befinden, zwei bis drei Pedale 
angebracht, die zu einer Bremse, zur Kuppelung des Motors mit 



Aber die Befähigung zur Führung eines Kraftfahrzeuges. 


389 


dem Wechselgetriebe usw. fuhren und gleichfalls während der 
Fahrt abwechselnd oder — zwei von ihnen — gleichzeitig in Wirk¬ 
samkeit zu setzen sind. Endlich befinden sich noch an der rechten 
Seite des Wagens ein bis zwei Stellhebel, von denen einer eine 
Bremse, der andere Einschaltang der verschiedenen Geschwindig¬ 
keiten oder Rttckwärtsg&ng betätigt. Also auch diese Hebel 
müssen vom Fahrer während der Fahrt verstellt werden können. 
Ans dem Gesagten ergibt sich, daß bei der Untersuchung dem 
Zustand der Gliedmassen besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden 
ist. Freie Beweglichkeit beider Arme, freie Beweglichkeit beider 
Handgelenke und aktive Beweglichkeit der Finger soweit, 
daß jede Hand für sich das Lenkrad drehen und in der gewollten 
Stellung festhalten kann, auch gegenüber den nicht seltenen Stößen, 
die bei unebenem Weg auf das Steuerrad wirken, müssen ge¬ 
fordert werden. Vollzähliges Vorhandensein sämtlicher zehn Finger 
braucht hierbei nicht Bedingung zu sein. Beim Fehlen des einen 
oder anderen Fingers wird in jedem einzelnen Fall zu prüfen 
sein, ob die betreffende Hand noch fähig ist, die oben beschriebene 
Arbeit zu leisten. Ob es sich um rechte oder linke Hand handelt, 
macht hierbei keinen wesentlichen Unterschied; denn wenn die 
rechte Hand eine Kurbel oder einen Stellhebel an der rechten 
Seite des Wagens zu betätigen hat, hat die linke Hand für sich 
allein das Steuerrad zu drehen bezw. in einer bestimmten Stellung 
festzuhalten. 

Hinsichtlich der Füße ist zu fordern, daß sie zur Bewegung 
der oben genannten Pedale geeignet sind, d. h. sie müssen ohne 
wesentliche Beschränkung in den Sprunggelenken aktiv beweglich 
sein, insbesondere darf Dorsal- und Plantarflexion nicht beein¬ 
trächtigt sein. 

Die Beweglichkeit des Rumpfes und des Kopfes muß so 
beschaffen sein, daß der Fahrer imstande ist, durch Drehung des 
Kopfes und des Rumpfes wahrzunehmen, was seitwärts von ihm 
und — im Bedarfsfälle — auch, was hinter ihm passiert. 

Endlich ist noch der Zustand des Zentralnervensystems 
zu berücksichtigen. Hochgradige Neurasthenie schließt die Eig¬ 
nung zum Kraftwagenführer aus; deshalb hat auch bei der tech¬ 
nischen Prüfung der Sachverständige „sein Augenmerk besonders 
darauf zu richten, ob der Prüfling die nötige Ruhe und Geistes¬ 
gegenwart . . . besitzt.“ Dadurch wird der beamtete Arzt hin¬ 
sichtlich der Beurteilung einer vorliegenden Neurasthenie in seiner 
Verantwortlichkeit etwas entlastet. Auf zwei Erkrankungen des 
Zentralnervensystems wird dann noch besonders zu achten sein, 
auf Tabes und progressive Paralyse. Letztere Krankheit 
muß in jedem Stadium die Qualifikation zum Kraftwagenführer 
ausschließen; auch beim Vorliegen von Tabes muß meines 
Erachtens das amtsärztliche Befähigungszeugnis versagt werden; 
denn ein Tabiker ist zur sicheren Führung eines Kraftwagens 
nicht geeignet, weil er Koordinationsstörungen im Gebrauch der 
Hände und Füße nicht durch das Auge korrigieren kann, da er 
dieses zur Beobachtung der Fahrbahn braucht. 



890 Dr. BogowsH: Du untiftnUiohe Gutachten 

Daß Geisteskranke zur Führung eines Kraftwagens nicht 
zagelasBen werden dürfen, ist selbstverständlich, wenn anch die 
Durchführung dieses Grundsatzes ans naheliegenden Gründen nicht 
immer ganz leicht sein wird. 

Krämpfe machen unter allen Umständen untauglich zum 
Kraftwagenführer. 

Bezüglich der inneren Organe wird der Zustand von 
Lunge und Herz zu berücksichtigen sein. Schwere Lungen- 
erkranknngen, die ein plötzliches Versagen der körperlichen 
Leistungsfähigkeit befürchten lassen, machen ungeeignet für den 
Kraftwagenführer. Hierher rechne ich auch Höhlenbildungen in 
den Lungen, wie überhaupt vorgeschrittene Phthise. Von Herz* 
erkrankungen machen die Ausstellung des Zeugnisses unmöglich 
eine beträchtliche Entartung der Herzmnsknlatur, nicht kompen¬ 
sierte Herzklappenfehler und Aortenaneurysmen. Vorgeschrittene 
Ateriosklerose macht meines Erachtens gleichfalls untauglich für 
die Führung eines Kraftwagens. 

Ganz besondere Aufmerksamkeit wird der Prüfung des Seh- 
und Hörvermögens zu widmen sein. 

Was das Sehvermögen betrifft, so kommen in Vergleich 
die Anforderungen, welche die Staatseisenbahn an ihr Personal 
stellt. Vom Zugleitungspersonal verlangt die Bahnverwaltung auf 
jedem Auge ohne Glas eine Sehschärfe von mindestens */s* I*t 
nun auch an den Kraftwagenführer eine so strenge Anforderung 
zn stellen? Ich meine nicht. Der Lokomotivführer hat auf der 
Fahrt auf Signale von verhältnismäßig geringen Dimensionen zu 
achten; sowohl das Vorsignal als das Hauptsignal der Strecken 
haben so geringe Ausdehnung, wie sie auf den Landstraßen, die 
der Kraftwagenführer befährt, nur ganz ausnahmsweise Vorkommen. 
Dazu kommt aber, daß der Führer eines fahrenden Eisenbahn¬ 
zuges mit einer ganz anderen lebendigen Kraft zu rechnen hat, 
als der Kraftwagenführer. Der Lokomotivführer muß damit 
rechnen, daß er seinen in voller Fahrt befindlichen Zug erst nach 
einem Bremsweg von mehreren hundert Metern zum Stillstand 
bringen kann; er muß deshalb Hindernisse aus bedeutend 
größeren Entfernungen wahrnehmen können, als der Kraftwagen¬ 
führer. Die neueste Verordnung hat davon abgesehen, einen be¬ 
stimmten Bremsweg für eine bestimmte Fahrgeschwindigkeit eines 
Kraftfahrzeuges anzugeben. Man wird mit einem maximalen 
Bremsweg von 20 bis 25 Metern rechnen können, wenn man 
darüber klar werden will, welche Anforderungen man an das Seh¬ 
vermögen eines Kraftwagenführers stellen soll. Ich halte es auch 
für unbedenklich, dem Kraftwagenführer das Tragen einer Brille 
zu konzedieren, ist er doch jetzt schon durch das Tragen von 
Schutzbrillen an den Gebrauch von Augengläsern gewöhnt. Es 
besteht keine Schwierigkeit, sphärische oder Zylindergläser, auf 
die ich gleich noch zu sprechen komme, in die Schutzbrille ein- 
setzen zu lassen. Aus diesen Erwägungen heraus halte ich es 
für zulässig, noch solche Leute, die mit Glas auf jedem Auge 
*/» Sehschärfe haben, zum Kraftwagenfahren zuzulassen. Auch 



über die Befähigung zur Führung eines Kraftfahrzeuges. 8dl 

in diesen Fällen halte ich es jedoch für geboten, daß sie ohne 
Glas anf einem Ange mindestens 1 / 3 Sehschärfe haben, nm anch 
in den Fällen, wo sie sich der Augengläser nicht bedienen können, 
z. B. bei Regen im offenen Wagen, noch notdürftig mit bloßem 
Ange au8kommen zn können, bei entsprechender Verminderung 
der Fahrgeschwindigkeit. 

Anch solche Grade von Astigmatismus, die durch ent¬ 
sprechende Gläser bis zu der oben beschriebenen Sehschärfe aus¬ 
geglichen werden können, halte ich nicht für ein absolutes 
Hindernis bei Erteilung der Erlaubnis zur Führung eines Kraft¬ 
fahrzeuges. 

In diesen Fällen, wo ich den Gebrauch von Augengläsern 
für geboten halte, schreibe ich einen entsprechenden Vermerk in 
das von mir auszustellende Gutachten, damit der Kraftwagen¬ 
führer keine Entschuldigung hat, wenn er infolge Nichtgebrauchs 
der Gläser Unglück angerichtet hat. 

Bei der weiteren Prüfang des Sehvermögens kommt noch in 
Frage die Prüfung des Sehfeldes. Seitliche Wahrnehmungen 
mittels des Auges muß der Kr&ftwagenführer sowohl nach rechts, 
als auch nach links machen können: nach rechts, wenn er selbst 
ein Fahrzeug überholen will, nach links, wenn er von einem 
anderen Fahrzeug überholt wird. Erhebliche Beschränkungen 
des Gesichtsfeldes nach außen schließen deshalb die Eignung zum 
Kraftwagenführer aus. Das ist natürlich auch der Fall, wenn 
Augenmuskellähmungen oder hochgradiger Strabismus die Ursache 
der Blickfeldeinengung sind. 

Einäugiges Sehen halte ich für den Kraftwagenführer nicht 
für zulässig, und zwar sowohl wegen Beschränkung des Gesichts¬ 
feldes, als auch wegen der dann meist mangelnden Fähigkeit, 
Entfernungen zuverlässig abzuschätzen. 

An das Hörvermögen sind weniger strenge Anforderungen 
zu stellen. Es reicht aus, wenn der Fahrer im stände ist, Schall¬ 
signale aus geringerer Entfernung wahrzunehmen. Ich halte es 
deshalb für genügend, wenn der Fahrer fähig ist, einer Unter¬ 
haltung, die ohne Anstrengung der Stimme geführt wird, mit ab¬ 
gewendetem Gesicht zu folgen. 

Gleichgewichtsstörungen infolge von Erkrankungen des Laby¬ 
rinths machen untauglich zum Kraftwagenführer. 

Ist diese eingehende Prüfung beendigt, so wird das Gut¬ 
achten ausgestellt für das ich folgenden Vordruck 1 ) benutze: 

Amtsärztliches Gutachten über die Befähigung zur Führung 

eines Kraftfahrzeuges. 

Herr.. in.wohnhaft, geboren 

am . . ten.18 . ist heute von mir untersucht worden. 

Oer tatsächliche Befund ist folgender: Oie Gliedmaßen sind frei von 
wesentlichen Mängeln. Oer Bumpf und der Kopf sind in ihrer Beweglichkeit 
nicht beeinträchtigt. Erkrankungen des Zentralnervensystems, sowie der Lunge 
und des Herzens, die der sicheren Führung eines Kraftfahrzeuges hinderlich 


*) Formulare für derartige Gutachten werden in der Expedition der 
Zeitschrift, Hofbuchdruckerei von J. C. C. Br uns* Minden, vorrätig gehalten. 






392 


Dr. Pili' 


sein köantra, sind nicht nachweisbar. Krimpte und Schwindel werden in Ab¬ 
rede gestellt. 

(Hier sind mehrere Zeilen freier Baum gelassen, um besondere Be¬ 
merkungen einffigen zu können.) 

Da auch das Sehvermögen.. das Hörvermögen. 

ist, gebe ich aut Grund des tatsächlichen Befundes mein Gutachten dahin ab, 
daß der Untersuchte frei ist von körperlichen Mängeln, die seine Fähigkeit, 
ein Kraftfahrzeug sicher zu führen, beeinträchtigen können, insbesondere von 
solchen Mängeln hinsichtlich des Seh- und Hörvermögens. 

Die vorgeschriebene amtseidliche Schlußversicherung gebe ich ab. 

Der Königliche Kreisarzt 

Die Gebühr für das Gutachten betrügt nach dem Tarif B, 
Nr. 10, Abs. 2 des Gebührengesetzes vom 14. Juli 1909 10 bis 
SO Mark, da das Gutachten auf Grund »einer besonderen, ein¬ 
gehenden Untersuchung“ ausgestellt wird. Sind schwierigere 
Untersuchungen, z. B. zeitraubende Prüfungen der Sehschärfe, 
Prüfung auf unregelmäßigen Astigmatismus, genaue Gesichtsfeld¬ 
feststeilungen, erforderlich, so ist auch Berechnung eines höheren 
Betrages, als des Mindestsatzes, durchaus gerechtfertigt. 

Ich möchte auch noch darauf hinweisen, daß diese Gutachten 
stempelpflichtig sind, da die von den oberen Verwaltungsbehörden 
auf Grund der vorgelegten Zeugnisse ausgestellten Führerscheine 
der Stempelsteuerpflicht nicht unterliegen. 

Ich kann nicht schließen, ohne darauf hinzuweisen, daß die 
Maßregel, wonach die Zulassung zur Führung eines Kraftwagens 
von der Beibringung eines amtsärztlichen Gesundheitszeugnisses 
abhängig gemacht wird, doch nur eine halbe Maßregel bleibt, 
wenn nicht in gewissen Zeiträumen Nachuntersuchungen statt¬ 
finden. Ich brauche hier die Gründe dafür nicht auseinander¬ 
zusetzen. Ich halte es aber für durchaus geboten, daß — wie 
bei der Eisenbahn — jeder Fahrer verpflichtet wird, sich in drei¬ 
jährigen Zwischenräumen einer Nachuntersuchung zu unterziehen, 
damit festgestellt wird, ob die gesundheitlichen Voraussetzungen, 
die bei Erteilung des Führerscheines maßgebend waren, auch 
weiter vorhanden sind. 


Zur Bekämpfung der Lungentuberkulose. 

Von Kreisusistenzaizt Dr. Pllf in Wiesbaden. 

Bei der Bekämpfung der Lungentuberkulose wird die all¬ 
bekannte Grundregel, daß die Krankheit da bekämpft werden 
mnß, wo sie sich zunächst zeigt, immer noch nicht genügend 
beachtet. Die größte Hemmung scheint bei unserer auf diesem Ge¬ 
biete leider nicht ausreichenden Gesetzgebung zu liegen, denn, wie 
es sattsam bekannt ist, unter den Krankheiten, die in dem Preußi¬ 
schen Gesetze vom 28. August 1905, betreffend die Bekämpfung 
übertragbarer Krankheiten, als anzeigepflichtig genannt sind, 
befindet sich leider die Tuberkulose nicht. Das Gesetz bestimmt 
nur, daß jeder Todesfall an Lungen- und Kehlkopftuberkulose 
anzuzeigen sei. 

Daß die Tuberkulose, die früher nur als konstitutionelle 
Krankheit galt, zu den übertragbaren Krankheiten gehört, kann 





Zur Bekämpfung der Lungentuberkulose. 


393 


nicht mehr als zweifelhaft gelten; die Versuche, die hier nnd da 
gemacht werden, diese durch unsere gewissenhaftesten nnd er¬ 
fahrensten Forscher festgestellten Tatsachen zn verneinen, können 
nicht ernst genommen werden. Sie gehören zu der Klasse der 
wissenschaftlichen Absonderheiten, die es zn allen Zeiten 
gegeben hat. 

Um so bedauerlicher ist es, daß die Volksvertretung sich 
nicht dazu hat entschließen können, die Bekämpfung der Tuber¬ 
kulose dadurch zu erleichtern, daß diese verheerendste aller Volks¬ 
krankheiten unter die Zahl der anzeigepflichtigen Krankheiten 
aufgenommen wurde. Die Gründe zu erörtern, weshalb die Volks¬ 
vertretung dies unterlassen hat, ist an dieser Stelle nicht nötig; 
jedenfalls geht daraus hervor, wie mißlich es ist und zu wie 
erheblichen Schädigungen der Menschheit es kommen kann, wenn 
Laien über Angelegenheiten zu urteilen und zu entscheiden haben, 
die außerhalb ihres Verständnisses liegen, anstatt in solchen 
Sachen der Regierung und ihren wissenschaftlich geschulten Ver¬ 
tretern die nötigen Bestimmungen zu überlassen. Der einzige 
Staat in Europa, der rücksichtslos gegen die Tuberkulose vorgeht, 
ist Norwegen; hier ist durch ein Gesetz vom 8. Mai 1900 die 
Anzeigepflicht der Tuberkulose sowie die sich daraus von selbst 
ergebende Absonderung der Kranken vorgeschrieben. 

Die bei uns bestehende Bestimmung, daß die Todesfälle an 
Lungen- und Kehlkopftuberkulose zu melden sind, kann als eine 
irgendwie erhebliche und wirkungsvolle Maßregel zur Bekämpfung 
der Tuberkulose nicht angesehen werden. Nachdem der Kranke 
monatelang, meist jahrelang seine Umgebung gefährdet nnd an¬ 
gesteckt hat, wird nach seinem Tode desinfiziert, nachdem er 
endlich unschädlich geworden ist; vorher hat sich im allgemeinen 
niemand um ihn gekümmert. Es ist an dieser Stelle nicht nötig, 
noch einmal ausdrücklich auf die Tatsache hinzuweisen, daß die 
Tuberkelbazillen nicht überall sind und nicht überall ihre schädi¬ 
genden Eigenschaften entfalten, sondern hauptsächlich nur in der 
nächsten Umgebung Tuberkulöser; jeder weiß, daß die Ueber- 
tragung im wesentlichen durch die Hustenstöße und den Auswurf 
der Schwindsüchtigen geschieht. 

Wenn sich also auf unmittelbarem Wege nicht viel gegen 
diese gemeingefährlichste aller Krankheiten tun läßt, so bietet 
sich doch dem Medizinalbeamten Grund genug, an der Hand der 
Dienstanweisung nach eigenem Ermessen gegen diesen Feind der 
Menschheit vorzugehen. Der Kreisarzt soll sich nach § 86 der 
Dienstanweisung mit dem öffentlichen Gesundheitszustände seines 
Bezirks bekannt machen; nach § 82 gehört die Verhütung 
und Bekämpfung der gemeingefährlichen oder sonst übertragbaren 
Krankheiten zu seinen wichtigsten Aufgaben; er hat gegen ihr 
Eindringen die geeigneten Maßnahmen in Anregung zu bringen. 

Ich habe deshalb bereits im Jahre 1908 versucht, ähnlich 
wie es Hillenberg in seinem Kreise getan hat, von dem 
Stande der Lungentuberkulose im Landkreise Wiesbaden ein 
Bild zu erhalten, und mich mit einem Fragebogen an sämtliche 



394 


Dr. Pili. 


in Betracht kommenden Aerzte des Li 
ich eie bat, mir Aber die an Lnn^ei 
Erkrankten, die im Juni und Juli des 
handlang standen, die gewünschte A 
Aerzte wurde ein Fragebogen geachicl 
20 Aerzten ein. Diese Antworten gi 
Bild von dem Stande der Tuberkulose 
denn ich erhielt über 109 an Lungen- 
Erkrankte Auskunft. 

Von diesen 109, die natürlich nur e 
Tuberkulosen bilden —, da jedenfalls nich 
Zeit in Ärztlicher Behandlung waren and 
beginn befindlichen Kranken sicher ihr 
solches erkannt war, — standen im Le 


tob 1—10 Jahna 


. H—16 

, 16-20 


- 8 
— 8 

= 11 


tob 21—80 Jahres = 


, 81—40 
, 41—60 



Wir sehen aus diesen Zahlen, daß 
Lebensjahren ansteigt, ihren Höhepunkt i 
40 erreicht und dann wieder abnimmt. 2 


stehen, im Alter von 21—40 Jahren, gerad 
liefern also die größte Erkrankungsziffer; j 
denen die größte Leistungsfähigkeit best 
V&ter und Mütter der Familie am nötigst« 
der Krankheit ergriffen und den Angehöl 
Staate entrissen, abgesehen davon, daß i 
die Invaliden* und Pensionskassen in ai 


belasten. 


Die ausgesprochene Lungentuberkuloi 
Alter kommt hier verhältnismäßig selten v 
Die geringe Zahl der Tuberkulösen ii 
erklärt sich wohl dadurch, daß die wenig« 
überhaupt kein höheres Alter erreichen und 
heit längst erlegen sind. Wir finden nui 
70 Jahren. 


In bezug auf die Berufe der Kranken 


Handarbeiter 

26 

Büglerinnen 

2 

Hausfrauen 

26 

Kaufmann 

1 

Handwerker 

20 

Chemiker 

1 

Ohne Beruf 

20 

Kontoristin 

1 

Landwirte 

4 

Dienstmädchen 

1 

Schreiber 

2 

Drehorgelspieler 

1 


Von den 109 Taberkulösen waren 60 i 
oder verwitwet. In der Mehrzahl der Fl 
Familie durch die Erkrankung unmittelbar h 
49 waren durch ihre Krankheit völlig ai 
unfähig; 39 wurden als teilweise oder in eini 
als ganz erwerbsfähig bezeichnet, womit w< 
leichte Fälle gemeint sein können. Bei 21 En 
nach der Erwerbsfähigkeit nieht beantwortet. 



Zur Bekimpfang der Lob gen tuberkulöse. 


896 


Ueber die Zeitdauer der bestehenden Krankheiten wurde 
folgendäs angegeben: 

TCr wfl.T*An tränt 9 

seit */« Jahre 12 ' über 1-2 Jahre 22 Uber 6—10 , 1 

» */4—*/i Jahre 16 „ 2—8 „ 18 seit 16 Jahren 1 

Aber '/*—1 Jahr 12 „ 8—6 „ 8 unbestimmt 11 

Weitaus die größte Zahl der Kranken ist also schon jahre¬ 
lang krank und hat fortgesetzt eine Gefahr für die Umgebung 
gebildet. 

Ueber die etwaige Ansteckung, durch die diese 109 krank 
geworden sind, erfahren wir, daß bei 28 bestimmt schon früher 
Angehörige oder Hausbewohner an Tuberkulose erkrankt waren; 
in 65 Fällen wird eine derartige Uebertragung als nicht bekannt 
bezeichnet und in 16 Fällen wird die Frage unbeantwortet 
gelassen. 

Von den Angehörigen der 109 wurden damals schon 14 als 
der Tuberkulose verdächtig bezeichnet; sie waren bereits an¬ 
gesteckt, aber noch nicht in ärztlicher Behandlung. 

Die Frage nach der Zahl der nächsten Angehörigen der 109, 
die mit ihnen in enger Familiengemeinschaft leben, ergab, daß 
861 Angehörige vorhanden waren, darunter 203 Kinder. 861 
Menschen sind also fast ohne jeden Schutz der Ansteckung mit 
Tuberkelbazillen durch ihre nächsten Verwandten fortwährend 
ansgesetzt; es ist deshalb als ganz sicher anzunehmen, dass von 
diesen 361 in den nächsten Jahren eine nicht geringe Anzahl 
erkrankt und stirbt. 

Und dabei soll man ruhig die Hände in den Schoss legen 
oder höchstens mit gemütvoller Andacht einen Jahresbeitrag zur 
Erbauung von Lungenheilstätten bezahlen? 

Drängt sich nicht ungewollt die Frage auf: Was geschieht, 
was kann geschehen, um diese Gefährdeten zu schützen? Warum 
geschieht in Wirklichkeit fast nichts, um diesen Leben und Ge¬ 
sundheit zu erhalten? Bei jedem Typhusfalle, bei einem Falle, 
der auch nur im entferntesten verdächtig ist, werden die ge¬ 
nauesten Nachforschungen angestellt, und auf das gewissenhafteste 
wird desinfiziert; ähnliches geschieht bei anderen übertragbaren 
Krankheiten mit vollem Bechte, — und doch, wie verhältnismäßig 
gering ist die Zahl dieser Kranken und derer, die an ihnen sterben? 
Sie ist verschwindend gering gegen die 100000, die in Deutsch¬ 
land jährlich der Tuberkulose zum Opfer fallen! 

Es wird immer wieder vergessen, daß die Tuberkulose vor 
allen Dingen da bekämpft werden muß, wo sie entsteht, wo sie 
sich zuerst zeigt; diese Stelle ist das Haus, die Umgebung 
des Kranken. Erst dann, wenn wir jeden einzelnen Kranken 
sozusagen bis in sein Bett verfolgen, können wir uns dem schönen, 
aber noch sehr weiten Ziele nähern, die Seuche einst völlig aus- 
nurotten. 

Von den 109 Kranken hatten nur 42 eine eigene Schlaf¬ 
kammer; 61 teilten ihre Kammer mit Angehörigen; bei 6 lautete 
die Antwort unbestimmt In 15 Fällen fehlte dem Kranken sogar 



396 


Dr. PÜ1. 


► 

ein eigenes Bett; in 3 Fällen war es unbestimmt, ob ihnen 
ein eigenes Bett zur Verfügung stand. Fünfzehn Tuberkulöse 
schliefen mit Gesunden zusammen in einem Bette! Wie lange 
werden diese noch gesund bleiben? 

Aehnlich niederdrückend lautete die Auskunft über die Be¬ 
seitigung des Aaswurfs. Von einer Desinfektion war nur in 
9 Fällen die Bede; in eine Speiflasche wurde der Auswurf nur 
in 5 Fällen entleert. Jedenfalls konnte in der überwältigenden 
Mehrheit der Fälle von einer zweckmäßigen Beseitigung des Aus¬ 
wurfs keine Bede sein. 

Die Frage, ob etwa besondere Maßnahmen für nötig gehalten 
wurden, wurde fast nie beantwortet, was vollkommen erklärlich 
erscheint, da ja die Aerzte in den meisten Fällen nicht wissen, 
an wen sie sich halten sollen; irgendeine leicht erreichbare «Zen¬ 
trale der Tuberkulosebekämpfung“ (die der Kreisarzt sein müßte!) 
fehlt ihnen für gewöhnlich, und die bis jetzt vorhandenen ma߬ 
gebenden Stellen sind schwer und umständlich zu haben, so daß 
sehr selten der Versuch gemacht werden wird, sich an sie zu 
wenden. 

Mehrere Aerzte drückten bestimmt den Wunsch ans, daß 
etwas geschehen möge, da viele Kranke offenbar eine andauernde 
Gefahr für ihre Umgebung bildeten; andere hoben ausdrücklich 
hervor, daß sich leider die Kranken gesundheitlichen Maßregeln 
in einigen Fällen hartnäckig widersetzt hätten. Man sorge also 
für die nötige Aufklärung und für das wünschenswerte Verständnis 
gesundheitlicher Fragen im Volke! 

Nach dem ziemlich niederdrückenden, aber nicht unerwarteten 
Ergebnisse dieser Ermittelungen konnte es mir nicht mehr 
zweifelhaft sein, dass die unbedingte Notwendigkeit vorlag, etwas 
zur Bekämpfung dieser Zustände zu tun. Diese Notwendigkeit 
wird wohl in den meisten Kreisen vorliegen, da auch dort die 
Zustände nicht viel anders sein werden. 

Es wird fast überall dasselbe sein: Eine ungemein grosse 
Anzahl von ansteckenden Kranken gefährdet durch sorgloses Um¬ 
gehen mit Ausleerungen, Kleidungs- und Wäschestücken usw. 
zahlreiche ihrer nahen Angehörigen, in zweiter Linie noch 
viel mehr Gesunde, die mit ihnen mehr oder weniger in Berührung 
kommen. Auf gesetzlichem Wege kann man nicht dagegen Vor¬ 
gehen, weil der Tuberkelbacillus kein Typhusbacillus ist. Die 
kleinen Diebe fängt man, die großen läßt man laufen. 

Die Wege privater Bestrebungen und Maßregeln sind jedoch 
nicht verboten. 

Maßregeln, die umständlich und schwerfällig sind und außer¬ 
ordentlich viel Arbeit und hohe Kosten verursachen, haben wir 
bereits zur Genüge; solche kamen für meine Bestrebungen also 
nicht in Betracht. Ich habe deshalb ein Vorgehen auf ganz ein¬ 
fache Weise versucht und es tatsächlich im Landkreise Wiesbaden 
zur Durchführung gebracht, was nicht mein Verdienst ist, sondern 
derer, die mich tatkräftig unterstützten. 

Jeder Kreisarzt kann es jederzeit leicht nachmachen. Man 



Zur Beklmpfung der Lungentuberkulose. 


897 


gebraucht nur einige hundert Mark vom Kreis&usschusse oder 
anderswoher, und die Mitwirkung der Aerzte, die durch einige 
erklärende und bittende Worte im Aerzteverein sehr leicht zu 
erreichen ist; denn es ist ganz sicher, daß sich die überwältigende 
Mehrheit der Aerzte einem derartigen Werke sozialer Fürsorge 
und allgemeiner Menschenliebe nicht entziehen wird. 

Sämtliche Aerzte des hiesigen Kreises haben sich sogleich 
zur Mittätigkeit bereit erklärt. 

Die Grundlage dieser Maßnahmen ist eine Meldung der Aerzte 
▼on jedem Erkrankungsfalle an Tuberkulose, und zwar an den 
Kreisarzt. Die Meldung ist natürlich ebenso freiwillig wie die 
gesamte übrige Mitarbeit; sie wird jedoch bei uns in jedem Falle 
mit 2 Mark bezahlt. Auf diese Art ist der Kreisarzt fortdauernd 
über die Zahl und Art der Tuberkulösen in seinem Bezirke unter¬ 
richtet und kann danach mit Hilfe der Aerzte seine Maßregeln 
treffen, deren Auswahl ihm von Fall zu Fall überlassen werden muß. 

Der Ton mir entworfene Meldezettel enthält folgende Fragen, 
für die der nötige freie Raum zum Beantworten frei zu lassen ist: 


Meldung einer Erkrankung an Tuberkulose. 


Name and Wohnort des Kranken. 
(Aach Straße, Hausnummer, Stockwerk.) 


Alter, Beruf, verheiratet, verwitwet, 
ledig. 


Seit wann krankP Arbeitsunfähig? 


Sind früher Angehörige oder Haas* 
bewohner an Tuberkulose erkrankt 
gewesen ? 


Wird anderweitig eine Ansteckung 
angenommen P 


Sind jetst Angehörige asw. an Tuber¬ 
kulose erkrankt oder verdächtig P 


Art and Symptome der Erkrankung. 


Wieviel Angehörige sind da P Kinder P 


Hat der Kranke eigene Schlafkammer 
und eigenes BettP 


Findet eine Desinfektion der Wäsche, 
der Eßgeräte, des Aaswurfs asw. statt ? 
Womit? RegelmäßigP Teilweise? 
üeberbaupt nicht ? 


Wohin wird der Aas warf entleert? 


Sind bakteriologische Untersuchungen 
des Aaswarfs vorgenommen wordenP 


Halten Sie aas irgend welchen Gründen 
die Entfernung des Kranken aas der 
Familie für nötig ? 


Halten Sie besondere Maßnahmen 
(Heilanstalt, Lieferung von Spack¬ 
flaschen usw.) für nötig? 


Sind die Angehörigen und der Kranke 
über die Art der Krankheit unterrichtet ? 


Bemerkungen. 


Ort. Tag, 

Unterschrift des Arztes. 

, 


















898 


Dr. Pili. 


* Die leere Rückseite des ausgefftllten Meldezettels benetze 
icl^ zn Aufzeichnungen Aber die getroffenen Maßregeln nnd das 
weitere Schicksal des Kranken oder seiner Angehörigen. 

Abgesehen davon, daß die Beantwortung der gestellten Fragen 
vielfach einen bedeutenden statistischen Wert hat, zn dem sich 
ein wissenschaftlicher gesellt, können jetzt auf Grund des Melde* 
bogens die nötigen Maßnahmen getroffen werden, die sehr einfach 
sind. Der behandelnde Arzt überreicht ein von mir zusammen¬ 
gestelltes Blättchen, das die einfachsten Ratschläge bei Lungen¬ 
krankheiten enthält, die ohne jede ungewöhnliche Geldausgabe 
auch in den ärmsten Familien befolgt werden können. Die nötigen 
Erläuterungen können nach Bedarf leicht mftndlich dazu gegeben 
werden; manche Aerzte ziehen es auch vor, das Blatt zu behalten 
und die Anweisungen nur mftndlich zu geben. Sie sind absicht¬ 
lich so einfach wie möglich gehalten, damit sie von jedem ver¬ 
standen und ausgeffthrt werden können. Die Erfahrung hat 
überall gelehrt, daß fast nie etwas getan wird, wenn man um¬ 
ständliche Desinfektionsmaßregeln mit Chemikalien und Apparaten 
verlangt. Man versuche es einmal, drastisch ausgedrftckt, die Tuber¬ 
kulose mit dem Scheuerlappen und mit Schmierseife zu bekämpfen; 
vielleicht kommt man weiter damit als mit dem bisherigen großen 
und schwerfälligen Rüstzeugs. Die mechanische Reinigung und 
die einfachste Sauberkeit bilden ja stets die Grundlage aller 
Seuchenbekämpfung; ähnliche einfache Maßregeln, die sich als 
höchst wirkungsvoll erwiesen haben, hat auch die Gemeinde Arosa 
in der Schweiz festgesetzt. 

Zur Probe lasse ich hier einen Abdruck meiner «einfachsten 
Ratschläge bei Lungenkrankheiten* folgen: 

Die einfachsten Batschläge bei Langenkrankheiten. 

1. Aushändigung eines Merkblattes an die Angehörigen oder den Kranken 
selbst, nebst etwaigen Erläuterungen and besonderen Hinweisen. 

2. Gewöhnlich genügt ein nicht za kleiner, halb mit Wasser gefüllter 
Spacknapf, dessen Inhalt morgens and abends in den Abort entleert wird (nicht 
auf den Düngerhaufen). Wöchentlich wird der Napf mit heißer Schmierseifen- 
lOsong gründlich gereinigt. 

8. Eigenes Wohn- and Schlafzimmer, mindestens aber ein eigenes Bett, 
sind für den Kranken nach Möglichkeit anzostreben. 

4. Das Zimmer ist täglich feacht aufzuwaschen and einmal wöchentlich 
mit heißer Schmierseifenlösung gründlich zu scheuern. Die zeitweise Des¬ 
infektion durch den amtlichen Desinfektor, etwa alle drei Monate, wird für 
geeignete Fälle empfohlen. 

5. Das Zimmer ist möglichst staubfrei za halten; deshalb sind Teppiche, 
Vorhänge usw. za vermeiden. Betten, Kleider asw. des Kranken sind oft and 
lange dem anmittelbaren Sonnenlichte aaszosetzen. 

6. Der Kranke darf nur seine eigenen Wasch- and Eßgeräte benutzen; 
diese Geräte sind möglichst oft in heißer Sodalösong zu reinigen. 

7. Die Wäsche des Kranken wird in einen besonderen Sack gelegt and 
zam Zwecke der Beinigang drei 8tanden in SchmierseifenlOsang 3 za 100 aaf 
mindestens 60° C. erwärmt; in dieser LOsang bleibt sie dann noch 48 Standen 
liegen, wonach sie wie gewöhnliche Wäsche behandelt werden kann. 

8. Sorgfältige ärztliche Ueberwachang des Gesandheitszastandes der 
Familienmitglieder wird empfohlen. 

Bei dem unter 1 angegebenen Merkblatt handelt es sich um 
das bekannte Tuberkuloeemerkblatt des Kaiserlichen Gesundheita- 



Zar Bekämpfung der Lau gentaberkaloae. 


399 


amtes, das dem Kranken oder, der Sachlage entsprechend, den 
Angehörigen eingeh&ndigt wird, wobei die wichtigsten Abschnitte 
des Merkblattes besprochen und die notwendigen Maßregeln fest¬ 
gesetzt werden. Ein verständiger Arzt wird dem Kranken fast 
niemals die Art der Krankheit nnd die Ansteckungsgefahr ver¬ 
schweigen; denn dieses Verschweigen ist sehr hindernd bei einer 
erfolgreichen Bekftmpfnng der Tuberkulose. Jeder Arzt wird eine 
schonende Art finden, den Kranken aufzuklären, besonders da er 
ihm fast stets den Trost der Heilbarkeit geben kann, mag auch 
oft die so nötige pia frans dabei im Spiele sein. Scheue also 
niemand die unumwundene, wenn auch rücksichtsvolle Aufklärung! 

Auf der Grundlage dieser einfachsten Ratschläge ist sicher 
bereits viel erreicht worden; noch mehr wird erreicht werden. 
Dies lehrt die bloße Ueberlegung; weitere Auseinandersetzungen 
sind deshalb hier unnötig. 

Außerdem habe ich mich über anderweitige Maßnahmen, die 
notwendig erschienen, mit den behandelnden Aerzten in Verbindung 
gesetzt und auch da in der kurzen Zeitspanne schon mancherlei 
erreicht. Mehrere Kranke wurden in Lungenheilanstalten ge¬ 
bracht, was sonst sicher nicht geschehen wäre. Dankenswerte 
Geldunterstützung leistete dabei der Verein zur Bekämpfung der 
Schwindsuchtsgefahr im Reg.-Bez. Wiesbaden; auch eine Gemeinde 
zahlte einem Kranken einen namhaften Zuschuß. Ein Metzger¬ 
bursche im vorgeschrittenen Zustande der Lungentuberkulose 
wurde aus diesem Nahrungsmittelgewerbe entfernt; er starb, bevor 
er in eine Heimstätte oder ein Krankenhaus gebracht werden 
konnte. 

Die behandelnden Aerzte wurden im allgemeinen angeregt, 
mehr für ihre Kranken in gesundheitspolizeilicher Hinsicht zu tun, 
nachdem die allgemeine Aufmerksamkeit darauf hingelenkt war. 
Krankenkassen und die Landesversicherungsanstalt wurden ver¬ 
anlaßt, Tuberkulöse in Krankenhäuser und Anstalten zu bringen. 
Es hatte bisher die Anregung gefehlt; jetzt ist die Sache in Be¬ 
wegung gekommen. 

Nebenbei will ich noch bemerken, daß ich auch bei den 
Schulbesichtigungen mehrfach Gelegenheit hatte, tuberkulösen 
Kindern zu einem Aufenthalte in Heilanstalten zu verhelfen. Man 
kann überhaupt, wenn man bei gutem Willen die Augen offen 
hat, tagtäglich ohne große Mühe auf dem Gebiete der Tuber¬ 
kulosebekämpfung arbeiten. Vor allen Dingen ist es wichtig, 
daß erst einmal ein Anstoß gegeben wird, daß der Stein ins 
Rollen kommt; man muß erst einsehen, daß es auch ohne Fürsorge- 
steilen, grosse Vereine, „Komitees“ und grosse Desinfektions- 
apparate geht. Hier kann der Kreisarzt zeigen, was er allein 
und aus eigener Kraft vermag! 

Wer dann noch anderes und noch mehr tun will, dem ist 
das natürlich unbenommen; das Arbeitsfeld ist gross, und der 
Werkzeuge sind viele. Jeder kann nach eigenem Ermessen 
handeln; nähere Ausführungen sind überflüssig. 

Zum Schlüsse empfehle ich noch einmal den Herren Kreis- 



400 


Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


Ärzten und Medizinalbeamten, besonders da, wo noch keine Fürsorge- 
steilen bestehen, zur Herrichten# einer Grundlage für die wirkungs¬ 
volle Bekämpfung der Lungentuberkulose folgendes zu tun: 

1. durch Mitwirkung der Aerztevereine die Kollegen zu ver¬ 
anlassen, dem Medizinalbeamten jeden Fall von Lungentuber¬ 
kulose zu melden und für Ausführung der .einfachsten Ratschläge“ 
zu sorgen; 

2. den KreisausschusB, die Stadt, die Landesversicherungs- 
anstatt oder irgend einen Wohltätigkeitsverein um einen Zuschuss 
von einigen hundert Mark zu ersuchen, um Meldezettel und Rat¬ 
schläge nach den hier abgedruckten Proben oder nach eigener 
Zusammenstellung zur Verteilung an die Aerzte, die sich zur 
Meldung bereit erklärt haben, drucken zu lassen. 

Es kann kein erheblicher Zweifel bestehen, dass ein Erfolg 
nicht fehlen kann, wenn er auch nicht gleich glänzend und mit 
grossen Zahlen prunkend ist 

Wenn nur zwanzig Kreis-, Bezirks- usw. Aerzte zusammen 
hundert Aerzte gewinnen, und wenn diese hundert Aerzte nur 
tausend Gesunde vor Ansteckung schützen, abgesehen von den 
Kranken selbst, die sie heilen oder bessern können, so würde dies 
schon ein schönes, menschliches, verdienstvolles Werk bedeuten! 

Wir wollen das tun, was die Gesetzgebung und die Volks¬ 
vertretung nicht gekonnt haben. Wir wollen der Gesetzgebung 
vorauseilen und ihr schon vorher den Beweis liefern, daß nichts 
Unmögliches, wohl aber etwas unbedingt Notwendiges verlangt 
wird. Wenn dann die Gesetzgebung nach Jahren hinterherhinkt, 
können wir sagen: Was Ihr wollt, das haben die Kreisärzte und 
viele Aerzte schon längst gemacht! 

Wir wollen zeigen, wie viel an tatkräftigem Idealismus in 
den deutschen Medizinalbeamten steckt, und daß wir uns auch 
zu einem Werke bereitfinden lassen, das nicht besonders bezahlt wird. 


Kleinere Mitteilungen und Referate aue Zeitschriften. 

A. Oorlohtliohe Medizin. 

Ueber die Veränderung des Glykogengehalts der Muskeln durch die 
Fäulnis. Von Prof. Dr. S. Ottolenghi. Atti della Societä di Medioine 
legale; 1909, Fass. II. 

Bei einer Temperatur Ton 14—16* vermindert sich der Glykogenhalt 
des Maskels in 24 Stunden um 21—61 # /o, in 72 Stunden um 66—lOO'/o. Bei 
einer Temperatur yon 22—26° ergab sich schon nach 48 Stunden eine i Ver¬ 
minderung des Muskelglykogen um 88—90°/o. Aehnliche Resultate lieferte 
die Untersuchung der Leber. Aus den absoluten Werton desjGlykogengehalts 
darf demnach ein Schluß auf die Todesart nicht gesogen werden. 

Dr. Reyenstorf«Breslau. 


Ueber Gefrierpunktsbestimmungen des Leiehenmuskels. Von E. 
Maszolini. Atti della Socletä di Medicina legale; 1909, Fass. II. 

Das Sinken des Gefrierpunkts, welches gleich nach dem Tode eiatritt, 
ist abhängig yon den Diffosionsprozessen, von der Autolyso und yor allem yon 
der Leichenstarre. Die absteigende Kurve des ersten Stadiums wird mit der 
Lösung der Muskeistarre für wenige 8tundea durch ein kurzes Aufsteigea 
unterbrochen. Danach zinkt der Gefrierpunkt rasch und mit zunehmender 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


401 


Beschleunigung, je intensiver die Fäulnisvorgänge einsetsen. Das aweite Sta¬ 
dium umfaßt die eigentlichen Fäulniserscheinongen and die Veränderungen 
durch Bakterieninvasion. _ Dr. Revenstorf-Breslau. 

Der Gefrierpunkt der Leber in Bestehung zur Todesursache. Von 
R. Serratrice. (Aus dem gerichtsärztlichen Institut zu Rom.) Atti della 
societä di Medicina legale; 1909, Fasz. II. 

Der normale Gefrierpunkt der Leber liegt beim Hunde um —0,91°. Ist 
das Organ sehr blutreich, so kann der Gefrierpunkt steigen bis — 0,89°; ist 
das Organ dagegen anämisch, so kann er sinken bis — 1,10°. 

Beim Tode durch Vergiftung (Strychnin, Kohlenoxyd, Chloroform) ist 
die molekuläre Konzentration des Leberparenchyms nur wenig verändert. Es 
fanden sich die Werte —0,92°, —0,916°, —0,94°. 

Beim Tode durch gewaltsame äußere Erstickung beobachtet man da¬ 
gegen deutliche Schwankungen und zwar sinkt der Gefrierpunkt beim Erhängen 
auf—0,97° bis 1,00°. Beim Tode durch Ertrinken dagegen steigt der Ge¬ 
frierpunkt bis auf —0,84°. 

Setzt man diesen Befand in Beziehung zum Blutgehalt der Drüse, so 
ergibt sich, daß beim Erhängen eine relative Anämie, beim Ertrinken eine 
relative Hyperämie der Leber besteht. Dr. Revenstorf-Breslau. 


Arsengehalt der Leber bei den akuten Vergiftungen. Von L6on 
Garnier. Räunion biologique de Nancy. Comptes rendus de la soc. de bioL; 
LXVn, 1909, Nr. 36. 

Der Autor, Professor an der Universität Nancy, war in einem Falle von 
Arsenvergiftung zur Nachprüfung der Beweistücke aufgefordert worden. 

Es handelte sich um mehrfache Vergiftungen mit Arsen in großen 
Dosen, die sich von 1905 bis 1907 in Vanduse abspielten. Die Arsenringe, 
die aus 100 g organischer Materie aus einer der Leichen gewonnen waren, 
wurden dem Verfasser vom Gericht zugesandt. 

Während der Verdaunngstrakt einen Ring von ungefähr 2 mg lieferte, 
enthielt die Leber auf 100 g 30 mg Arsenik, also etwa 15 mal so viel Gift 
wie der Darmkanal. Der Tod war übrigens 3 Tage nach dem Auftreten der 
eraten Vergiftungserscheinungen eingetreten. Aus diesen Resultaten schließt 
der Autor auf die bedeutende Kraft, mit welcher die Leber infolge ihrer anti¬ 
toxischen Wirkung die schädliche Substanz zurückzuhalten bestrebt ist. Das 
Arsen bleibt übrigens in der Form des Lezithins und besonders des Arsen- 
Nukleins fixiert. 

Das Gehirn enthielt nur eine sehr geringe Menge Arsens, nämlich auf 
100 g 0,25 mg; ein neuer Beweis für die Ungenauigkeit der Theorie von 
S co losul oft, die der Autor bereits 1880 nachgewiesen hatte. 

Die Haare enthalten im Einklang mit der A. Gautiersehen Theorie 
als Eliminatien8organe für das Gift ebensoviel Arsen wie der Dannkanal, näm¬ 
lich 2 mg auf 100 g. 

Die beiden übrigen Leichen jener Vergiftungsaffäre waren von den Pro¬ 
fessoren Denig^s-Bordeaux und Hugounenq-Lyon chemisch untersucht 
worden. In bezug auf den relativen Gehalt von Leber und Hirn^an Arsen 
waren diese zu demselben Ergebnisse wie Garnier gekommen. 

_ Dr. Mayer-Simmern. 


Ungewöhnlicher Fall von Anenvergiftung. Von W. J. Webb An¬ 
derson in Fatshan (Canton). Lancet; 1910, 8. 1138. 

Eine 28 jährige Chinesin hatte in selbstmörderischer Absicht As haltige 
Erde, wie sie in Hongkong zu Bauzwecken Verwendung findet, genommen. 
Magenspülung, Erbrechen, Durchfälle, Abgeschlagenheit, kleiner Puls, starker 
Durst, Krämpfe, blutiger Stuhl. Am zweiten Tage profuse Darmblutungen, 
denen die Kranke erlag. Dr. Revenstorf-Breslau. 


Vergl. diese Zeitschrift, 1903, S. 872. 



402 


Kleinere Mitteilungen nnd Referate Ans Zeitschriften. 


Arsenikrergiftung. Von 8. Schmidt-Nielsen. Norak Magazin for 
Laegevidenskaben; 1910, Nr. 8. 

Drei Erwachsene nnd zwei Kinder erkrankten nach dem Gennfi arsenik¬ 
haltiger Milch. Ein Kind starb. Das Arsenik war anf eine nicht aufgeklärte 
Weise in die Milch gelangt and stammte offenbar ans einer starken Arsenik- 
auflösung, die anf Veranlassung des Tierarztes angeschafft worden war. Ver¬ 
fasser richtet ans Anlaß dieses Vorfalls an die Tierärzte die Mahnung, nnr 
die fttr den einzelnen Fall erforderliche Arsenikmenge gleichseitig zu ver¬ 
schreiben. _ Dr. Re venstorf-Breslan. 

Beziehung zwischen den Dosen von Natriumarsenat, die beim Ka¬ 
ninchen Diarrhoen erzeugen und jenen, die Elwelssgehalt des Urins be¬ 
dingen. Von Maurel und Arnaud. Comptes rendus de la soc. de bioL; 
LXVin, 1910, Nr. 9. 

Maurel hatte 1909 die nach Natriumarsenat und nach Kolchizin auf¬ 
getretenen Diarrhoen als ein Mittel angesprochen, dessen sich der Organis¬ 
mus bedient, um die Harnwege bei der Ausscheidung jener Substanzen zu 
unterstützen. Es handele sich bei diesen Diarrhoen um einen echten Vor- 
teidigungsvorgang des Organismus. 

Neue Versuche lehrten, daß schwache Dosen des Arsenates: 0,01 und 
0,025 g pro Kilo, die Albuminurie bedingten, auch Diarrhoen erzeugen. 

Das Natriumarsenat rief demnach nur dann Diarrhoen hervor, wenn 
seine Dose groß genug ist, um die Nieren zu schädigen und 
wahrscheinlich ihre Durchgängigkeit zu verringern. 

Auch diese Versuche bestätigen die Ansicht Maureis, daß in solchen 
Fällen die Diarrhoe ein Unterstützungsmittel für die Nieren ist, insofern als 
beide Organe — Darm und Niere — zur Elimination des Giftes dienen. 

_ Dr. Mayer-Simmern. 


Die toxischen Nebenwirkungen des Arsaxeting, insbesondere die 
Nierenreizungen. Von Hans Borchers, Med.-Praktikant an der Hautab- 
teilung der med. Klinik in Jena. Münchener med. Wochenschrift; 1910, Nr. 8. 

Verfasser behandelte versuchsweise 10 Patienten mit Arsazetin (azety- 
liertes Atoxyl) in 10 # /o Lösung, wobei die Anfangsdosis 0,4 g betrug, diese 
Dosis dann, wenn möglich, bis auf 0,6 gesteigert, jedoch nie überschritten 
wurde. Auf eine Kur kamen 14 Injektionen, also etwa 8,0 g innerhalb der 
etwa 7 Wochen dauernden Kur. Bei allen Patienten traten Intoxikations¬ 
erscheinungen auf. In 5 Fällen mußte deswegen die Kur abgebrochen werden 
(wegen Albuminurie, Magen- und Darmstörangen, Kräfteverfall, psychischen 
Erregungszuständen mit Desorientierung etc.). 

Das Arsazetin ist also kein so harmloses Mittel, wie es allgemein ange¬ 
nommen wird. Es besitzt mehr schädliche Nebenwirkungen als verschiedene 
Autoren annahmen. Besonders auffallend ist die konstante und anhaltende 
Beizung der Nieren. Es bedarf daher bei der Arsazetinkur großer Vorsicht 
und genauer Beobachtung der Patienten. Dr. Waibei-Kempten. 


Klinischer nnd experimentell pathologischer Beitrag zur Atoxyl- 
Vergiftung. Von Dr. Köster. Fortschritte der Medizin; 1909, Nr. 81. 

Bericht über zwei Fälle von Atoxylvergiftung, von denen der eine 9 g, 
der andere 6,4 g injizirt bekommen hatte. Bei beiden trat Sehnervenatropbie 
ein, ferner Inkontinenzerscheinungen und Steigerung der 8ehnenreflexe. Die 
später durchgeführte pathologisch-anatomische Untersuchung ergab vollkom¬ 
mene Verödung der Nervi optici von nervösen Elementen, Zerstörung der 
Betinalganglien usw. Die Wirkung des Atoxyls wurde an Hunden und Ka¬ 
ninchen nachgeprüft; die Versuche zeigten schwere Veränderungen in den 
nervösen Apparaten des Auges, fettige Degeneration der Ganglienzellen im 
Großhirn, Markscheidenzerfall am Bückenmark. An den inneren Organen 
fanden sich vor allem Blutungen an Herzmuskel und Nerven. Bpd. jun. 


1. Spezifische Reaktionen der Leukozyten. Leukodlagnostik (Morphin 
und Heroin). Von Ch. Achard und Henri Benard. Comptes rendus de la 
soc. de bioL; LXVQ, 1909, Nr. 82. 



Kleinere Mitteilangen and Referate ans Zeitschriften 


408 


2. Lenkereaktionen auf Skopolamin and Atropin« Von Ch. Achard 
und Pani Francois. Ibidem; LXVIII, 1910, Nr. 9. 

1. Bei Morphinisten oder einfach morphinisierten Individuen werden die 
weißen Blutkörperchen in vitro gegen das Gift toleranter, als in der Norm. 
Um ihre Tätigkeit ganz aufznheben, muß man den künstlichen 
Medien stärkere Morphinmengen hinzufügen, als wenn man 
an Leukozyten anderer Personen operiert. Die Empfindlichkeit 
der weißen Blutkörperchen gegen Morphin läßt sich daher an dem Grad der 
Verdünnung ermessen, die eben noch ein Minimum von Beweglichkeit der 
Leukozyten gestattet. Die Reaktion ist so spezifisch, daß es möglich ist, 
Morphinismus und Heroinismus zu unterscheiden, obwohl beide Alkaloide che* 
misch verwandt sind. Sie dauert noch einige Zeit auch nach Entfernung der 
Ursache fort. Bei einem Asthmatiker, der mehrere Tage hindurch Morphin* 
Injektionen erhalten hatte, erlosch die Reaktion erst nach einem Monat. Die 
Reaktion erlaubt daher, den Morphinismus zu diagnostizieren und die Morphin¬ 
entziehung zu kontrollieren. 

(Die Leukozyten der Tuberkulösen sind gegen schwache Tuberkulin¬ 
lösungen empfindlicher, als die anderer Individuen. Die Probe im Reagenz¬ 
glase ist exakter und hat weniger Ausnahmen, als die Kutanreaktion. Sie 
fett den Autoren tuberkulöse Fällen diagnostizieren helfen, in denen die Klinik 
versagte, die aber bei der Obduktion sich als solche bestätigen ließen.) 

2. Die spezifische Akkomodation der weißen Blutkörperchen an Gifte 
erstreckt sich außer auf Morphin und Heroin noch auf andere Stoffe. Geprüft 
wurden Skopolamin und Atropin. Als Beispiel diene folgender Fall: 

Eine 28jährige Pthisica hatte seit einem Monat täglich */io— 4 /io mg 
Scopolaminum hydrochloricum subkutan erhalten. In einer Mischung mit 
einem Gehalt von V* 00 Scopolamin war die Aktivität der Leukozyten in vitro 
0,46, während sie bei einem einfachen Morphiomanen 0,02 betrug und bei einem 
normalen Individuum fast Null war. 

Auch bei Atropin fand sich ähnliches nach Subkutaninjektion; tägliche 
Einträufelung in den Bindehautsack dagegen beeinflußte die Reaktion 
der Leukozyten auf dieses Alkaloid auch nach 4 wöchentlicher Anwendung 
nicht; ein Beweis, daß nur minimale Mengen zur Absorption gelangten. 

_ Dr. Mayer-Simmern. 


Die im Deutschen Reich während der Jahre 1897—1905 amtlieh 
gemeldeten Vergiftungen mit Sublimat, Insbesondere mit Sublimatpastillen. 
Von Dr. Fr. F r a n z - Berlin. Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte; 
XXXIV. Bd., 1910, I. Heft. 

Wegen seiner hohen keimtötenden Kraft, seiner Löslichkeit im Wasser 
und seiner Geruchlosigkeit ist das Sublimat als Desinfektionsmittel besonders 
in Form der im Jahre 1887 von Anger er eingeführten Pastillen im Publikum 
weit verbreitet. Außerdem wird es für gewerbliche und technische Zwecke 
neuerdings viel verwendet. 

Für den Verkehr mit Sublimatpvstiilen als Desinfektionsmittel sind die 
Vorschriften über den Handel mit Giften auf Grund des Bandesratsbeschlusses 
vom 10. November 1894 maßgebend, während für die Verwendung als Heil¬ 
mittel dies die Vorschriften der Kaiserl. Verordnung betreffend den Verkehr mit 
Arzneimitteln sind. 

Der Reichskanzler hat die Bandesratsregierungen ersucht, um zuver¬ 
lässige Unterlagen über die Zahl der durch Sublimatpastillen hervorgerufenen 
Unglttcksfälle zu gewinnen, vom Jahre 1893 an über das Vorkommen von 
zufälligen oder absichtlichen Vergiftungen mit Sublimatpastillen statistische 
Erhebungen anzustellen, deren Ergebnisse dem Kaiserlichen Gesundheitsamte 
zur Bearbeitung überwiesen sind. Dis Erhebungen sind von 1897—1905 ange¬ 
stellt. Das Material ist in Tabellen geordnet, nach Geschlecht, Alter und 
Beruf der vergifteten Personen, Menge des genommenen Sublimats, Erwerb 
der PasVMle und Verlauf der Vergiftung. 

Io diesen 9 Berichtsjahren sind insgesamt 101 Vergiftungen mit Sublimat 
eingetreten, von denen 92 absichtlich, 9 durch Zufall sich ereigneten. 58 
Fälle verliefen tödlich, während 43 Vergiftete am Leben blieben. Bei diesen 
Sublim&tverglftuvgen überwiegt das weibliche Geschlecht erheblich. Die 
Sublimatpastillen wurden als solche oder in Lösungen eingenommen. 



404 


Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


Za zufälligen Vergiftungen gaben PaBtillenlösungen nur in 2 Fällen 
wo es sich nm Verwechslung mit anderen Flüssigkeiten handelte, Veranlassng, 
während in 5 Fällen Pastillen selbst versehentlich eingenommen wurden. So 
erhielt ein Kind von der Matter statt Kalomel eine Sublimatpastille, während 
ein Apotheker statt Anginapastillen Angererpastillen verabfolgte, von denen 
eine eingenommen wurde. 

Ueber die geringste letale Dosis geben die Tabellen keine Auskunft, 
zumal die Art der Kunsthttlfe, eventuelles Erbrechen und die Fülle des 
Magens von Wichtigkeit sind. Immerhin kann eine Sublimatpastille auch 
von 0,5 g Gehalt als dosis letalis angesehen werden. 

Von 1903—1905 kamen in Preußen nur 18 Sublimatvergiltungen vor, 
während diesen 18 Fällen in derselben Zeit allein 1332 tödliche Vergütungen, 
in seldstmörderischer Absicht gegenttbersteben, so daß der auf die Sublimat* 
pastillen entfallende Anteil der Vergiftungen nur l,4°/o ist. 

Es dürfte demnach ein Bedürfnis, die Beschaffung dieses wichtigen Des* 
infektionsmittels noch weiter zu erschweren, nicht vorliegen. 

Dr. Zimmer mann-Bromberg. 


Plötzlicher Tod infolge akuter Pankreasnekrose. Von Henry Shaw. 
British med. Journal; 1909, S. 1279. 

Eine 61jährige Frau, an Melancholie leidend, erkrankte plötzlich unter 
heftigen Schmerzen im Abdomen und starb innerhalb einer Viertelstunde. Bei 
der Obduktion fand sich eine gangränöse Zone am Kopf des PankreaB als 
Ausgangspunkt einer die ganze Drüse einhüllenden, zirkumskripten Blutung. 
An der Oberfläche der Bauchspeicheldrüse zahlreiche punktförmige Herde, 
Ablagerung von Calciumphosphat. Keine Fettnekrose. Ductus frei. Peri* 
tonealüberzug unverletzt. Der Fall ist wissenschaftlich wie forensisch von 
Interesse, weil die Patientin vor etwa 9 Jahren unter ähnlichen, heftigen und 
bedrohlichen Erscheinungen erkrankte, die aber rasch vorübergingen. Pankreas¬ 
apoplexie bei Frauen ist sehr selten. Der Tod erfolgt vermutlich durch Syn¬ 
kope infolge reflektorischer Beizung des Solarplexus oder durch Uebertritt 
von Pankreasferment in das Blut._ Dr. Revenstorf-Breslau. 

Die pathologische Rückbildung der Thymus ln der Jugend. Von 
Löon Tix i e r und Mlle. F eld z er. Comptes rendus de la soc. de biol.; LXVIH, 
1910, Nr. 7. 

Nach der Anschauung der maßgebenden Schriftsteller (Friedleben, 
Sappey, Testrit, Branca u. a.) wächst die Thymus während der ersten 
beiden Lebensjahre stetig; dann beginnt die Rückbildung, um gegen das 
20. Lebensjahr vollendet zu sein 1 ). Nach den von den Verfassern im Labora¬ 
torium und der Klinik des Prof. Huhnel ausgeführten Untersuchungen dauert 
jedoch das Stadium der Wachstumszunahme wesentlich länger. Erst vom 
9.—10. Jahre läßt sich eine deutliche Rückbildung nachweisen. Noch im Alter 
von 15—16 Jahren persistiert eine beträchtliche Menge von Drüsenparenchym; 
das ist auch die Ansicht Richters, Simons, die von Pfandler und 
Ham mar. Die Umbildung des Organs geht dadurch vor sich, daß das Pa¬ 
renchym durch Fettbläschen ersetzt wird (physiologische Involution). 

Pathologisch dagegen ist die mehr oder weniger ausgesprochene 
Atrophie der Thymus bei den meisten chronischen Leiden, sei es, daß 
es sich um hereditäre Syphilis, Tuberkulose, Myxoedem, Hypertrophie, 
schwere Rhachitis oder irgend eine andere E.achexie handelt. In diesen 
Fällen beruht der Schwund des Organs auf sklerotischen Prozessen, 
einer Art Narbenreaktion auf toxische und infektiöse Vorgänge im 
Kindesalter. 

Die Thymus verhält sich in dieser Hinsicht wie die Lymphdrüsen; beide 
sind reich an nicht differenzierten Bindegewebszellen, die besonders zur Um¬ 
wandlung in Fibroblasten neigen, so daß sklerotisches Gewebe entsteht. 

Dr. Mayer-Simmern. 


i) Vergl. die Referate in der Zeitschrift für Medizinalbeamte; 1906, 
S. 118; 1909, S. 128. _ 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


405 


Der Mekonlnmpfrepf and seine Bedeutung in geriehtslrstlleher 
Hinsieht. Yon Dr. Marduer-Gießen. Prager mediz. Wochenschrift; 1909, 
Nr. 46. 

(Geschichtliche Notizen über frühere Anschauungen bezüglich der Be* 
deutung des Hekoniumpfropfes. Zu seiner Bntstehung ist eine Entzündung 
nicht notwendig. Da er ein sehr leicht zerstörbares Gebilde darstellt, ist man 
nur in den allerseltensten Fällen berechtigt, auf seinem Vorhandensein oder 
Fehlen irgendwelche ausschlaggebende Schlüsse aufzubauen. Rpd. jun. 


Ueber einen Fall von angeborenem Fehlen beider Ohrmuscheln. 
Von Prof. G. Gradenigo-Turin. Giornale della R. Accademica de Medidna 
di Torino; 1909, Nr. 9-11. 

Es wird über einen solchen Fall bei einem 10jährigen Knaben berichtet; 
des Auffallende ist, daß beiderseits die Ohrmuscheln bis auf ein kleines Ru¬ 
diment fehlten, während sonst meist solche Annomalien nur einseitig sind, und 
daß, obwohl kein Gehörgang vorhanden war, das Gehör (mittelst Knochen¬ 
leitung) so gut war, daß der Knabe dem Schulunterricht gut folgen konnte, 
ja zu den besten Schülern gehörte. Dr. Solbrig-Arnsberg. 


B. Ctorlohtllohe Psyohlatrle. 

Zwangszustände, ihre psychischen Wurzeln und ihre Heilung. Von 
Dr. Stecket Medizinische Klinik; 1910, Nr. 6, 6 u. 7. 

Verfasser steht absolut auf dem Standpunkt von Freun d. Jede Zwangs¬ 
vorstellung entsteht durch Verdrängung einer dem Bewußtsein unangenehmen 
Vorstellung und durch Uebertragung des freigewordenen Affektes auf eine 
andere, scheinbar weniger peinliche Vorstellung. Dementsprechend entstehen 
Zwangshandlungen. Verfasser bringt eine Reihe von Beispielen. Heilung 
geschieht nach der viel erörterten Fround sehen Psychoanalyse. 

_ Rpd. jun. 


Hypomanie und Querulantenwahn. Von Dr. Karl John-Tübingen. 
Vierteljahrsschrift t gerichtl. Medizin u. öffentl. Sanitätswesen; III. F., 89. Bd~ 
1910, H. 1. 

Verfasser geht von der Tatsache aus, daß das Wesen des Querulantenwahns 
eine allgemein befriedigende Erklärung noch immer nicht gefunden habe. Er 
führt die diesbezüglichen Anschauungen einer Reihe von Autoren an, von denen 
die einen ihn als zur chronischen Paranoia gehörig rechnen, andere ihn ganz 
von der Psychose trennen möchten, da es Vorlautearten gäbe, die zweifeliss 
eine Heilungstendenz zeigten, die bei der Paranoia nie zu beobachten sei. 
Nach Heilbronner beruht der Qaerulantenwahn auf einer pathologischen 
individuellen Temperamentsanlage, die den Boden für die „ch&rakterogene 
Wahnentwicklung* darstellt. Noch weiter geht Specht, der ihm vielfach 
als eine Erscheinngsform des manisch-melancholischen Irrseins erklärt, eine 
Auffassung, über die nooh viel gestritten werden wird, wenngleich nicht zu 
übersehen ist, daß auch Autoren wleKöppen und Schüle auf das Bestehen 
manischer Züge im Krankheitsbild geisteskranker Querulanten hinweisen. Ja, 
einzelne Fälle, die in der Litteratur als Querulantenwahn beschrieben sind, 
bieten bei näherer Analyse zweifellos das Bild der querulierenden Manie; es 
bedarf daher einer großen Vorsicht und Ueberlegung, ehe die Diagnose 
«Querulantenwahn" gestellt wird. 

Verfasser schildert einen in dieser Hinsicht sehr lehrreichen und inter¬ 
essanten Fall in ausführlicher Darstellung: Ein erblich belasteter Bauer fängt 
plötzlich an zu prozessieren, wird reizbar, die Wirtschaft wird vernachlässigt, 
seine Prozesse häufen sich im Laufe von 6 Jahren in unheimlicher Weise, 
keiner ist vor ihm sicher; jeder meidet den Mann aus Scheu, infolge eines 
unbedachten Wortes einen Prozeß aufgebürdet zu bekommen. Amtsärztliche 
Untersuchung erfolgt; es wird Querulantenwahn festgestellt und wegen Ge¬ 
meingefährlichkeit Ueber Weisung in eine Anstalt beantragt. Hier glaubt der 
Direktor uach längerer Beobachtung eine Psychose diagnostizieren zu müssen, 
die kein typischer Querulantenwahn sei, aber es noch werden könne. 
Nach •/« jährigem Aufenthalt tritt ganz plötzlich eine Aenderung seines Wesens 
ein: Die Prozeßsacht mit all ihren Konsequenzen verliert sich; der Mann, der 



406 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 


vorher entmündigt war, wird probeweise entlassen, wird au Hause ein arbeit¬ 
samer, für seine Familie treu sorgender Menseh und Vater und bleibt es volle 
19 Jahre hindurch; die Entmündigung war inzwischen aufgehoben worden. 

Da wird wieder eine Aenderung seines Wesens bemerkbar: Er zeigt 
motorische Unruhe, Vielgeschäftigkeit, Schreibwut und die alte Neigung zum 
Prozessieren. Es erfolgt abermals Aufnahme in eine Anstalt und nach '/* Jahr 
probeweise Entlassung; einen Tag nach dieser schlägt er infolge unbedeu¬ 
tenden Zwistes seinen Sohn halbtot und verschwindet; wohin ist unbekannt. 

Diesen Fall bezeichnet John als Hypomanie, die 10 Jahre geheilt 
war und ohne bestimmten Anlaß wiederkehrte; er knüpft daran die Mahnung, 
.daß der Begutachter bei Querulanten stets an die Diagnose .Hypomanie" 
denken sollte. _ Dr. Hill enberg-Zeitz. 

Der Mongolismus. Von Dr. Konrad Frey. Nach einem in der Ver¬ 
sammlung der mediz. Gesellschaft des Kantons Aargau am 10. Dezember 1909 
gehaltenen Vortrage. Schweiz. Rundschau für Medizin; 1910, Nr. 6, S. 167—184. 

Verfasser bringt eine Kasuistik von 6 Fällen von Mongolismus, dieser 
zuerst im Jahre 1866 von den Psychiatern Laugdon Down und Fraser 
Mitchel beschriebenen und so benannten Form der Idiotie. Der Arbeit liegt 
ein Photogramm von 3 von ihm beobachteten Fällen aus der Idiotenanstalt 
Biberstein bei. Die Fälle haben lediglich das gemeinsame des hochgradigen 
angeborenen Schwachsinns und des mongoloiden Gesichtsausdrucks sowie des 
Zwergwuchses. Kretinismus und Schilddrttsenveränderungen fanden sich nicht; 
sie stammten sämtlich aus Familien, in denen erbliche Belastung fehlte. Aetio- 
logisch kommen keine gemeinsamen Ursachen in Betracht. 

Dr. v. Leliwa-Waldenburg (Schles.). 

Porencephalie. Von Oberarzt Dr. W. Scharling-Bryning (Dänemark). 
Zeitschr. f. die Erforschung u. Behandl. des jugendl. Schwachsinns. Bd. ULI, H. 5. 

Verfasser berichtet über einen beobachteten Fall. Patient ist ein tief¬ 
stehender Idiot, spricht nicht, versteht nichts. Zeitweise schläft er auffallend 
viel; er sitzt dann in seinem Stuhl den ganzen Tag mit herabgesunkenem 
Kopfe. Wenn er nicht schläft, sitzt er still; er spielt niemals mit anderen 
Kindern. Zeitweise ist er sehr schlecht gestimmt, weint viel, schlägt seinen 
Kopf gegen den Tisch oder gegen den Stuhl, ergreift die Hand der Wärterin 
und bedeutet, daß sie ihn schlagen soll. Das ganze geschieht ohne Affekt. 
Wenn sich Krämpfe bei ihm einstellen, so fällt er um und ist etwa eine halbe 
Stunde bewußtlos; er wird dabei zyanotisch, mit Schaum vor den Lippen und 
universellen Zuckungen. Nach dem Anfall ist er somnolent und kann ziemlich 
lange Zeit dann das linke Bein nicht bewegen. Meist benutzt er die rechte 
Hand, doch ist er überhaupt schwer imstande, mit den Händen etwas fest zu 
halten. Er ist unreinlich, koprophag, onaniert zeitweise. Die Krämpfe stei¬ 
gerten sich; im März 1906 trat zum ersten Mal ein Status epilepticus auf. 
Tod am 28. Oktober 1906. 

Der Fall gehört in die Gruppe der Bourne vi Ile sehen Pseudo - Poren- 
cephalie; dies zeigt der große, von einer Pseudo-Cystenmembran bedeckte 
Defekt, der tiefe, jedoch nicht in deu Hirnventrikel hineinreichende Poms, die 
scharfabgeschnittenen Windungen, die im übrigen einen ganz normalen Ver¬ 
lauf haben, die Atrophie der ganzen rechten Hemisphäre bei etwas vergrößerter 
linker Hemisphäre. Nicht stets braucht eine Porencephalie eine Idiotie her¬ 
vorzurufen. Die Porencephalie ergibt eine schlechte Prognose. 

_ Dr Wolf-Witzenhausen. 

Jugendliche Lügnerinnen. Von Prof. Dr. H. Vogt-Frankfurt a. M. 
Zeitsehr. Tür die Erforseheng u. Behandlung des jugendlichen Schwachsinns; 
Bd. HI, H. 5. 

1. Für eine bestimmte Zeit des kindlichen Alters ist die Lüge oder besser 
gesagt, die Falschaussage physiologisch; die Falschaussagen der Kinder be¬ 
ruhen zum Teil auf der Unfertigkeit der kindlichen Psyche ähnlich wie die 
Unrichtigkeit, die in der zeichnerischen Wiedergabe gewonnenen Eindrücke 
beobachtet wird. Es kommen hier die mangelnde und flatternde Aufmerksam¬ 
keit der Kinder, die mangelhafte Fähigkeit zur Beobachtung, die Unkenntnis 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


407 


der kausalen and logischen Beziehungen der Dinge der Außenwelt in Betracht. 
Da, wo es sich im Sinne Sterns mehr um Aussagefälschungen handelt, tritt 
▼or allem auch die Lebhaftigkeit der kindlichen Phantasie, das 8pielen mit 
der Sprache und schließlich die Unfähigkeit der ethischen Bewertung der 
Wahrheit, die natürlich auch erst allmählich gewonnen wird. 2. Von der 
normalen zur physiologischen Lüge führt eine kontinuierliche Brüoke. 3. 
Der pathologische Lügner tritt sicher auf, offen und liebenswürdig. 4. Im 
jugendlichen Alter überwiegt erheblich die Zahl der lügnerischen Mädchen das 
männliche Geschlecht. Die pathologische Lüge des jugendlichen männlichen Ge¬ 
schlechts besitzt sehr viel mehr den Charakter der Abwehr- und Schutzlüge 
und die Erdichtungen kristallisieren sich gewissermaßen um diesen Kern. Die Aus¬ 
sagen der jugendlichen Lügnerinnen zeichnen sich von vornherein durch ihren 

X hantastischen Charakter aus. &. Die pathologische Lügnerin ist ein Typus, 
er ebensosehr die soziale Psychiatrie wie die klinische Psychiatrie interessiert. 
Ebensowenig wie die jugendlichen Vagabunden, Diebe und Diebinnen, die 
sexuell verdorbenen Kinder usw. entsprechen die jugendlichen Lügner und 
Lügnerinnen etwa einem einheitlichen klinischen Begriff. 6. Die pathologischen 
Lügnerinnen rekrutieren sich besonders aus Schwachsinnigen, Hysterischen, 
Degenerierten usw. 7. Hartnäckige und auffallende Lüge bei Jugendlichen 
ist an sich keine Krankheit; die Untersuchung muß nachweisen, daß die Lüg¬ 
nerei eine krankhafte Ursache hat. Dr. Wolf-Witzenhausen. 


Moralischer Schwachsinn im Kindcsaltcr. Von Prof. Dr. Stoeltzner- 
Halle a. 8. Medizinische Klinik; 1910, Nr. 5. 

Verfasser bezeichnet als moralischen Schwachsinn die (dauernde) Cha¬ 
raktereigenschaft, durch welche die moralische Bewertung der menschlichen 
Handlungen, namentlich auch als Motiv für das eigene Tun und Lassen, in 
abnormer Weise zurücktritt. Dieser moralische Schwachsinn tritt auch ohne 
intellektuelle Debilität auf. Beim Kinde kann man nur dann von moralischen 
Schwachsinn reden, wenn es hinter der für sein Alter gütigen Norm zurück¬ 
steht, da das Neugeborene physiologischerweise moralisch blödsinnig ist. Die 
Prognose ist meist eine trübe. Praktisch käme für solche Schwachsinnige, 
die kriminell werden, vielleicht Unterbringung in Arbeiterkolonien, eventuell 
auch Deportation in Betracht. Bpd. jun. 


C. ßaokvsrstlndigs&titlgksit ln Unfkll- and InvalldltAtanaohen. 

Das Trauma als ätiologischer Faktor von Geisteskrankheiten. Von 

Dr. Weyert-Spandau. Aerztl. Sachverst.-Ztg.; 1910, Nr. 2, 3, 4. 

Autor kommt aus seinen Ausführungen zu folgenden Schlüssen: Es 
können sich an einen Unfall die verschiedensten Geistesstörungen anschließen. 

Sehr häufig handelt es sich um die Verschlimmerung einer bereits be¬ 
stehenden Psychose, wie sie durch die Erhebung einer objektiven Vorgeschichte 
festgestellt werden hann. 

Das Trauma kann ein latent oder bereits in der Anlage vorhandene 
Psychose zum Ausbruch bringen. 

Selbst bei völlig gesunden Gehirnen können sich infolge des Unfalles 
die mannigfachsten akuten Geistestörungen entwickeln, wie besonders die Aus¬ 
führungen über das traumatische Irresein zeigen. 

In zahlreichen Fällen setzt der Unfall die Widerstandsfähigkeit des Ge¬ 
hirns herab, so daß auf diesem vorbereiteten Boden durch andere Schädigungen, 
s. B. Syphilis, Alkoholismas, Bakterien usw., oft erst nach Jahren Psychosen 
entstehen können. 

Der Unfall verursacht häufig eine psychische Degeneration und zerebrale 
Beizung, die Affekthandlungen oder infolge Alkoholuitoleranz pathologische 
Bauschzustände bedingen können. 

Es gibt eine wohlcharakterisierte, oft schleichend sich entwickelnde 
Hirastörung, die zu einer weitgehenden Verblödung führt, die posttraumatische 
Demenz. Dr. Troeger -Kempen L P. 



408 


Kleinere Mitteilangen and Referate aas Zeitschriften. 


Bemerkungen Aber die praktische Bedentnng der Untersuchungen 
ron Kttlbs Aber Hers nnd Trauma und Lunge und Trauma. Von Privat¬ 
dozent Dr. H. Stursberg-Bonn. Aerztl. Sachverst.-Ztg.; 1910, Nr. 6. 

Auf die experimentellen Untersuchungen von KAlbs über Hervorrufung 
von Herz- und Lungenveränderungen durch stumpfe Gewalteinwirkung auf 
den Brustkorb wird bei Begutachtung von Unfallfolgen mit Recht häufig Bezug 

J enommen. Dem Autor scheint es aber, als wenn manchmal die Bedeutung 
er Experimente in der Annahme überschätzt wOrde, daß durch sie der Nach¬ 
weis einer Schädigung der Brusteingeweide durch leichte Verletzungen er¬ 
bracht sei. Hiergegen fuhrt Stursberg aus, daß die Versuche von Kttlbs 
für praktische Zwecke lediglich beweisen, daß Gewalteinwirkungen auf die 
Brust Herz- und Lungenveränderungen herbeiftthren können, ohne gleichzeitige 
Hervorrufung erkennbarer Verletzungen an den äußeren Bedeckungen, wie das 
ja schon aus Beobachtungen am Menschen bekannt war. Die Versuche von 
Kttlbs beweisen aber nicht, daß Schädigungen der genannten Organe schon 
durch geringfügige oder leichte Traumen hervorgerufen werden. 

Dr. Troeger-Kempen LP. 


Raptara cordis nach Bnutquetschung. Obergutachten von Geh. Med.-Bat 
Prof. Dr. Orth-Berlin. Mediz. Klinik; 1910, Nr. 1. 

Ein Baggermeister erlitt eine schwere Quetschung beider Httften und 
der rechten Brustseite. Nach 7 Wochen noch nicht vollständig hergestellt. 
Damals Klagen Ober Schmerzen in der linken Brusthälfte und Beklemmungen 
in der Herzgegend. Kein objektiver Befund. •/< Jahre nach dem Unfall In¬ 
fluenza mit Lungenentzttndung; plötzlicher Tod an Herzschwäche. Die Sek¬ 
tion ergab einen Riß in der Herzmusknlatur an der Spitze der linken Herz¬ 
kammer. Bluterguß in den Herzbeutel usw. Das Gutachten lautete dahin: 
Der Unfall hat den Tod nicht unmittelbar herbeigeftthrt; es kann aber mit 
einem hinreichenden Grade von Wahrscheinlichkeit angenommen werden, daß 
durch den Unfall der Verlauf der Herzerkrankung (die mikroskopische Unter¬ 
suchung der veränderten Muskulatur in der Nähe des Risses hatte „frischen 
Herzinfarkt“ ergeben) in ungünstiges Weise beeinflußt und beschleunigt 
worden ist, daß somit ein gewisser mittelbarer Zusammenhang zwischen Unfall 
und den Tod des X. besteht. _ Rpd. jun. 


Zur Kasuistik traumattsoher Henerkrankungen. Von Dr. Osten in 
Königslutter. Münchener med. Wochenschrift: 1910, Nr. 15. 

Verfasser berichtet Ober eben Fall von Myocarditb chronica, welche sich 
im Anschluß an eb Trauma entwickelt hat. 

Eb 29 jähriger Großknecht erhielt eben Hufschlag gegen das rechte 
Knie, wodurch er rücklings zu Boden schlug und fttr kurze Zeit das Bewußt- 
seb verlor. Ab nach 19 Tagen der Verletzte wieder sebe Arbeit aufnahm, 
stellten sich Kurzatmigkeit und Druck b der Magengegend eb, so daß Pa¬ 
tient bettlägerig wurde. Die Herzaktion war sehr unregelmäßig; die Herz¬ 
töne waren unreb, Öfters von Geräuschen begleitet; das Herz war nach beiden 
Seiten erweitert, das Atmen kurz; es entwickelte sich das Krankheitsbild der 
Myocarditb chronica. Der ursächliche Zusammenhang zwbchen Unfall und 
Herzleiden wurde bejaht und zwar ans folgenden Gründen: 

1. Der Kranke war den angestellten Erhebungen nach vor dem Trauma 
steto gesund gewesen, hatte insbesondere nie an Gelenkrheumatismus gelitten, 
nie Beschwerden gehabt, die auf eb Herzleiden hbdeuten. Er hat ohne 
Mühe seine Arbeit verrichten können und galt ab eb fleißiger und nüchterner 
Arbeiter. 

2. Der Unfall resp. das Trauma war eb derartiges, daß durch den Fall 
auf den Rücken ebe Läsion des Herzmuskeb hervorgerufen seb kann, ebe 
Schädigung, die zu schweren Storungen der Herztätigkeit führte. 

_ Dr. Waibel-Kempten. 


Nierensteine als Felge einer Dammverletsung. Von Dr. R. SchOn- 
f eld-SchOneberg. Aerztl. Sachverst.-Ztg.; 1910, Nr. 2. 

Im Schiedsgerichte führte der Geh. Med.-Rat B. aus, daß das Steb- 
leiden durch ebe Reizung der Blase und Niere bedbgt sei, welche ihrerseits 



Kleinere Mitteilangen and Referate aas Zeitschriften. 


409 


daroh jahrelang dauernde Störung dor Harnentleerung infolge des Harnröhren- 
riss es and der daran sich anschließenden Blasenlähmung hervorgerufen worden 
sei. Das Schiedsgericht erkannte anf Rentengewährung, da ein ursächlicher 
Zusammenhang anzunehmen sei. Dr. T r o e g e r - Kempen i. P. 


Vorläufige Mitteilung über allgemeine Vibration des Körpers 
mittels eines Vibratlonsstuhles. Von Dr. Adolf Schn6e-Berlin. Zeitschrift 
für physikalische und diätetische Therapie; 1910, XIV. Band, erstes Heft. 

Angeregt durch die Erfahrungen und gttnstige therapeutische Resultate, 
welche Koch-Stendal und Liese-Lttbeck durch allgemeine Körper« 
erschütterungen, auch bei traumatischer Neurose, erzielt haben, unternahm 
der Verfasser eine Nachprüfung dieser Versuche mit einem ihm von der 
Elektrizitätsgesellschaft „Sanitas“-Berlin zur Verfügung gestellten Vibrations« 
stuhl. Dieser zeichnet sich besonders durch die mittels eines Rheostaten 
ermöglichte feine Reguüerbarkeit der Intensität der Erschütterungen aus, die 
sieh dem jeweiligen Erfordernis genau anpassen läßt. 868 bei 83 Personen 
Torgenommene allgemeine Körpervibrationen in der Dauer von 10 bis 25 Minuten 
ergaben in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle eine Verlangsamung der 
Pulsfrequenz mit Steigerung des Blutdruckes, Beschleunigung der Respiration, 
Erniedrigung der Temperatur in Mund- und Achselhöhle und Erhöhung der¬ 
selben im Mastdarm, also im wesentlichen eine (Jebereinstimmung mit den 
von Bechterew und Tschigajew mitgeteilten Ergebnissen. In thera¬ 
peutischer Hinsicht hebt der Autor die günstige Beeinflussung yon Schlaflosig¬ 
keit, Ohrensausen und Schwindelanfällen, Verlangsamung der beschleunigten 
Herzaktion beiHerzneurosen, Besserung nervös-dyspeptischer Magenbeschwerden, 
Hemikranien und Migränen, besonders die sedative Wirkung bei allgemeinen 
Erregungszuständen hervor. Autoreferat. 


Der Kampf um die Rente und der Selbstmord ln der Rechtsprechung 
des Relehsverslcherungsamts. Von Dr. Ernst Schultz e. Sammlung zwangs¬ 
loser Abhandlungen aus dem Gebiete der Nerven- und Geisteskrankheiten; 
IX. Bd., Heft 1. 

Schnitze kritisiert in der vorliegende Abhandlung verschiedene Ent¬ 
scheidungen des Reichsversicherungsamtes von rechtlichen und ärztlichen Ge¬ 
sichtspunkten ausgehend. Er hat zunächst den Eindruck, daß das Reichsver¬ 
sicherungsamt in einzelnen Fällen zu Unrecht den Selbstmord eines Willen¬ 
losen geleugnet habe. Der Verfasser hält eine größere Milde in dieser Hin¬ 
sicht für gerechtfertigt und läßt sich in seiner Ansicht nicht durch das Be¬ 
denken erschüttern, ein Unfallverletzter Arbeiter werde bei einer weniger strengen 
Rechtsprechung leicht zum Selbstmord greifen, um seiner Familie eine Ent¬ 
schädigung zu sichern. Nach Schnitzes Ueberzeugung wird allein die 
Aussicht auf Rente für seine Hinterbliebenen einen Gatten uni Familienvater 
nicht zum Selbstmord treiben; ebensowenig wird aber auch die Verweigerung 
einer Entschädigung den Unfallverletzten abhalten, wegen ernsten Lebens¬ 
überdrusses in den Tod zu gehen. 

Der Verfasser weist bei der Besprechung seiner ärztlichen Bedenken 
— die rechtlichen können im Rahmen eines kurzen Referates nicht weiter 
erwähnt werden — besonders auf die Mängel mancher Gutachten hin. Es ist 
ihm besonders bedenklich, daß so wenige Gutachter die Grenzen ihres eigenen 
Wissens kennen, und daß fast jeder Arzt glaubt, auch über schwierige Fälle 
von traumatischer Neurose urteilen zu dürfen, wiewohl zu deren sachgemäßer 
Bewertung ein nicht geringes Maß psychiatrischen Fühlens und Könnens uner¬ 
läßlich notwendig ist. Vielfach wird auch, besonders bei den Massen-Nach¬ 
untersuchungen von Rentenempfängern, oft eine allzu große Zahl von Gut¬ 
achten ohne die notwendige Gründlichkeit erstattet-. 

Dringend notwendig ist zur Besserung der Verhältnisse eine sorgfältige 
psychiatrische Ausbildung der Aerzte und eine größere Berücksichtigung der 
Unfallheilkunde im psychiatrischen Unterricht. Dr. Többen-Münster. 


Bel der Beurteilung der Entstehung einer Wanderniere gelten 
Ähnliche Grundsätze wie bei der Beurteilung der Entstehung von Leisten- 
brflehen. Rekursentscheidung des Reichsversicherungsamts 
vom 21. Januar 1909. 



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Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


Für die Entstehung oder Verschlimmerung einer Wanderniere liegen 
die Verhältnisse ähnlich wie bei Leistenbrttchen, insofern als auch hier so gut 
wie nie eine normal befestigte Niere dnrch irgend eine äußere Gewalt ans 
ihrer Lage gebracht wird. Auch zum Zustandekommen einer Wanderniere 
ist, wie die alltägliche ärztliche Erfahrung lehrt, eine bestimmte Veranlagung 
nötig. Diese ist gegeben durch Lockerung des Bindegewebes, wie sie als 
häufige Folge nach Zuständen im Bauchraume sich einstellt, die, wie 
Schwangerschaften, Bauchwassersucht oder große Bauchgeschwülste, starke 
Abmagerung, zu einer länger dauernden starken Dehnung der Bauchwandung 
Veranlassung geben. Infolgedessen ist die Wanderniere ein ziemlich häufiges 
Leiden von Frauen, die mehrfach geboren und wohl gar einen sogenannten 
Hängebauch haben. Aus anatomischen Gründen (Druck und Raumbeengung 
durch die Leber) ist ferner die rechtsseitige Wanderniere weitaus häufiger 
als die linke. Zur Entstehung einer Wanderniere ist deshalb stets eine 
geraume Zeit nötig. Das Leiden entwickelt sich meist unbemerkt, bis eines 
Tages — häufig ohne besonderen Anlaß — Beschwerden von seiten der fertig 
ausgebildeten Wanderniere entstehen. 


Zur Anhörung eines anderen Arztes gemäss $ 69 Abs. 8 des Gewerbe* 
Unfall-Verslcherungsgesetses ist die Bernfsgenossensehaft nur dann rer* 
pflichtet, wenn sich die Beurteilung wesentlich anf medizinisch-wissen¬ 
schaftliche Feststellung und Begründung gründet; eine solche Verpflichtung 
besteht aber nicht, wenn andere Tatumstände für die Entscheidung mass¬ 
gebend gewesen sind. Rekursentscheidung des Reichsver- 
Sicherungsamts vom 29. Dezember 1909. Kompaß; 1910, Nr. 6. 


Die Zwangsrerschrift der Anhörung des behandelnden Arztes gilt 
auch dann, wenn eine Rente versagt werden soll, sofern die Entscheidung 
der Unfallinstanzen darüber, ob schon vor dem Unfälle dauernde Erwerbs¬ 
unfähigkeit Torgelegen habe, auf einem im FeststellungSTerfahren einge¬ 
holten ärztlichen Gutachten beruht. Rekursentscheidung des 
Reichster Sicherungsamts vom 7.Februar 1910. 

Nach | 75 Abs. 3 des Unfallversicherungsgesetzes für Land- und Forst¬ 
wirtschaft (§ 69 Abs. 3 des Gewerbe-Unfallversicherungsgesetzes) ist, wenn auf 
Grund eines ärztlichen Gutachtens die Bewilligung einer Entschädigung abge¬ 
lehnt oder nur eine Teilrente festgestellt werden soll, vorher der behandelnde 
Arzt zu hören. Im vorliegenden Falle haben die Vorinstanzen den Ent¬ 
schädigungsanspruch der Klägerin unstreitig auf Grund eines im Entschädi¬ 
gungsfeststellungsverfahren eingeholtea Gutachtens des Kreisarztes abgelehat. 
Der behandelnde Arzt ist bisher nicht gehört worden. Nun bezieht sich aller¬ 
dings der Teil des ärztlichen Gutachtens, auf Grund dessen die Rente versagt 
wurde, weniger auf den durch den Unfall herbeigeführten, als auf den schon 
vorher bestehenden körperlichen Zustand der Klägerin, auf das Maß der ihr 
unmittelbar vor dem Unfälle noch verbliebenen Erwerbsfähigkeit. Indes muß, 
wie dies schon aus der allgemeinen Fassung der angeführten Gesetzesbestim¬ 
mung hervorgeht, die Zwangsvorschrift der Anhörung des behandelnden Arztes 
auch dann Anwendung finden, wenn die Gewährung einer Rente gemäß § 8 
Abs. 4 des Unfallversicherungsgesetzes für Land- und Forstwirtschaft versagt 
werden soll, wofern nur die Entscheidung der Feststellungsinstanzen, wie hier, 
auf einem im instanziellen Feststellungsverfahren eingeholten ärztlichen Gut¬ 
achten beruht. Für die Anhörung des behandelnden Arztes sprechen auch 
in diesem Falle sachliche Gründe, denn der Arzt, der den Verletzten unmittel¬ 
bar nach dem Unfälle gesehen hat, ist eher in der Lage, ein Urteil über dessen 
Zustand vor dem Unfall abzugeben, als ein Arzt, der ihn vielleicht erst 

J erautnn Zelt später zu Gesicht bekommt, da in vielen Fällen ein Unfall neben 
er unmittelbaren Körperschädigung auch das Allgemeinbefinden eines Ver¬ 
letzten nachteilig beeinflußt. 

Die Nichtbeachtung der Zwangsvorschrift des g 75 Abs. 8 des Unfall¬ 
versicherungsgesetzes für Land- und Forstwirtschaft bedingt einen wesentlichen 
Mangel des Verfahrens, der die Aufhebung der Vorentscheidung und die 
Zurückverweisung der flache an die bsrnfsgeaossenschaftliche Instanz recht¬ 
fertigt _ 



Kleinere Mitteilungen nnd Referate aus Zeitschriften. 


411 


Grad der ErwerbRrermlndemng bei Erblindong auf beiden Ingen. 
Rekurs-Entscheidung des Reichs-Versicherungsamts vom 
4. Januar 1910. Kompaß; 1910, Nr. 7. 

Der Anspruch des Klägers aui Erhöhung seiner Hilflosenrente Aber 80 °/ 0 
des JahresarbeUsTerdienstes ist unbegründet. Nach der Rechtsprechung des 
R.-V.-A. ist als völlig hilflos nicht schon jeder zu erachten, der fttr gewisse 
einzelne Verrichtungen, wenn auch regelmäßig auf fremde Hilfe angewiesen 
ist, sofern sich diese Hilfeleistungen ohne beträchtliche Schwierigkeiten und 
Aufwendungen beschaffen lassen, sondern nur derjenige, fttr dessen Pflege 
dauernd eine fremde Arbeitskraft ganz oder doch in erheblichem Umfange in 
Anspruch genommen werden muß, weil er zu den meisten Verrichtungen der 
gewöhnlichen Lebenshaltung aus eigener Kraft nicht mehr imstande ist. 
Letztere Voraussetzung ist bei dem Kläger nicht gegeben. Er ist infolge des 
Unfalls vom 3. August 1908 völlig erblindet. Weitere Unfallfolgen sind, wie 
er in der mündlichen Verhandlung vor dem Rekursgericht selbst erklärt hat, 
nicht vorhanden. Ein Blinder vermag aber Speisen zu sich zu nehmen, auch 
seine Bedürfnisse zu verrichten, ohne daß er dazu einer fremden Unterstützung 
bedarf. Erfahrungsmäßig pflegt er sich auch in kurzer Zeit derartig an eine 
Oertlichkeit, insbesondere an die Verhältnisse in seiner Wohnung zu gewöhnen, 
daß er sich wenigstens in dieser ohne fremde Hilfe bewegen kann. Das R.- 
V.-A. hat daher in der Regel bei völliger Erblindung nur eine Unfallrente von 
80°/ 0 des Jahresarbeitsverdienstes gewährt. Auch im vorliegenden Falle er¬ 
schien unter den angegebenen Verhältnissen eine höhere Rente nicht erforderlich. 


Die Berufsgenossensehaft wird von ihrer EntchSdigungspllleht dadurch 
nieht entbunden, dass sie den Verletzten, ohne Uebernahme des Heilver¬ 
fahrens, in den ersten Woehen lediglich aufgefordert hat, sich selbst ord- 
nungsmflsslg ärztlich behandeln zu lassen und der Verletzte dies aus Fahr¬ 
lässigkeit oder Unverstand unterlässt. Rekurs-Entscheidung des 
Reichs-Versicherungsamts vom 23. Februar 1909. Amtliche 
Nachrichten des R.-V.-A.; 1910, Nr. 4. 


D. Bakteriologie, Infektionskrankheiten nnd Affentllohes 

Sanitätswesen, 

i. Bekämpfung der Infektionskrankheiten, 
a. Tuberkulose. 

Zur Frage der Tuberkuloseinfektion des Mensehen dureh Perlsucht¬ 
bazillen. Von Oberarzt Dr. B.Möllers in Berlin. Deutsche med. Wochen¬ 
schrift ; 1910, Nr. 5. 

Die wichtige Frage der Uebertragbarkeit der Rindertuberkulose auf 
den Menschen steht immer noch im Brennpunkt der Diskussion. Von größter 
Bedeutung sind diejenigen Fälle, in denen im Sputum von Menschen Bazillen 
von Typus bovinus gefunden wurden. Dabei müssen alle zufälligen Bei¬ 
mengungen (z. B. durch vorher genossene Milch) sowie Untersuchungsfehler 
ausgeschlossen werden; z. B. hat sich das von Spengler angegebene 
färberische Differenzierungsverfahren als unbrauchbar zur Untersuchung von 
Typus humanus und Typus bovinus erwiesen, wie besonders aus Versuchen 
von Schröder hervorging. Nur einmal konnte mit Sputum, das nach der 
Spen gier sehen Methode „Perlsuchtbazillen“ enthielt, eine generalisierte 
Kaninchentuberkulose festgestellt werden. Bei woiteren Nachprüfungen aber 
von verschiedenen Untersuchern und in verschiedenen Instituten konnte nach- 
gewiesen werden, daß die Bazillen des von der betreffenden chronisch tuber¬ 
kulösen Patientin stammenden Sputum tatsächlich keine Repräsentanten des 
Typus bovinus, sondern des Typus humanus waren. Das Ergebnis von 
Möllers Untersuchungen im Institut fttr Infektionskrankheiten wird aus¬ 
führlicher geschildert. Die seltene Erzeugung allgemeiner Tuberkulose durch 
Verimpfung von Bazillen des Typus humanus auf Kaninchen, die fast regel¬ 
mäßige Entstehung einer solchen durch Perlsuchtbazillen lassen im allgemeinen 
das Kaninchen als ausreichendes Versuchstier zur Unterscheidung beider Arten 
erscheinen. Man darf sich nur nicht auf den Ausfall einmaligen Versuches 



412 


Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


verlassen and maß Mischinfektionen vermeiden. Nur selten wird es notwendig 
werden, den viel kostspieligeren Versuch am Rinde za machen. 

Dr. Liebetrau-Hagen L W. 

Die Pathologie der Kindertuberkulose. Von Dr. Engel-DQsseldorf. 
Reiheft der Medizinischen Klinik; 1909, H. 11. 

Die Arbeit erfüllt in klarer and dabei sehr übersichtlichen Weise ihren 
Zweck, einen Ueberblick über die modernen Anschaaangen gegenüber der 
Pathologie der Kindertaberkolose za geben. Die Infektion darch den Typus 
hamanas des Taberkelbacillas erfolgt intrauterin oder weit häufiger extra- 
uterin. Die Aufnahme des Bacillus (geschieht durch den Respirauons- oder 
Digestionstraktus. Die Tuberkulose wird in einer mit den Jahren — haupt¬ 
sächlich auch in der Pubertät — zunehmenden Häufigkeit erworben. Die 
Bronchialdrüsen bilden für das Kind den Mittelpunkt der Erkrankung. Die 
Abhandlung schließt mit einer Uebersicht über die pathologische Anatomie 
der Kindertaberkolose, die eine Reihe typischer Sektionsbilder bietet. 

_ Rpd. jun. 

Zur Frage der lm Auswarf Lungenkranker verkommender Tuberkel- 
bazlllen. Von Oberarzt Dr. Dieterlen, kommandiert zum Kaiserlichen 
Gesundheitsamt. Deutsche med. Wochenshrift; 1910, Nr. 5. 

Ein Tuberkelbazillenstamm, der bei Versuchen im v. Baumgartenschea 
Institut bei Kaninchen zentralisierte Tuberkulose hervorgerufen, sich aber bei 
Impfungen auf Rinder als avirulent, damit nicht als Typus bovinus, sondern 
als ein in außergewöhnlicher Weise für Kaninchen pathogener Vertreter des 
Typus humanus erwiesen hatte, wurde im Kaiserlichen Gesundheitsamt weiter 
geprüft. Im wesentlichen wurde dasselbe Verhalten konstatiert: besondere 
Kaninchen - Pathogenität, A Virulenz gegenüber dem Rind; allerdings war die 
bei Kaninchen erzeugte Tuberkulose nicht derart, daß man aus ihr allein die 
Diagnose: Typus bovinus gestellt hätte. Jedenfalls muß in den seltenen 
Fällen, in denen Kultur und Kaninchen-Versuch kein eindeutiges Resultat 
Ergeben, durch Rinder-Impfung der Ausschlag gegeben werden. 

Dr. Liebetrau-Hagen LW. 

Ueber deu Nachweis von TuberkelbazUlen lm Sputum nach der 
Doppelmethode von Ellermann-Erlandsen. Von Dr. Högel, Assistent am 
Hygienischen Institut der Universität Jena. Deutsche med. Wochenschrift; 
1909, Nr. 48. 

Verf. bestätigt die Angaben von Ellermann-Erlandsen, daß durch ihr 
Verfahren (Homogenisieren größerer Sputum-Mengen unter Zusatz von 0,6*/» 
Natrium-Karbonat-Lösung durch 24 Stunden bei 87°, Kochen des Bodensatzes 
mit 0,26 °/ 0 Natronlauge und Sedimentieren) in vielen Fällen, wo bei ge wohnlicher 
Ausstrich-Methode keine Tuberkelbazilien nachge wiesen werden, postiver 
Resultate erzielt werden, und daß bei Vergleichungen mit der sogenannten 
Doppelmethodo 15—30 mal mehr Bazillen in ein und demselben Sputum nach- 

n 'esen werden können. Trotzdem, daß die Methode zeitraubend ist, ist sie 
als sicher zu empfehlen. Dr. Liebetrau-Hagen L W. 

Methodik und Technik der neueren Verfahren zum Nachweis von 
Tuberkelbasillen lm Sputum mit besonderer Berflekslehtigung des Uhlen- 
huthschen Antiformin verfahrene. Von Dr. Schulte-Sigmaringen. Medi¬ 
zinische Klinik; 1910, Nr. 5. 

Verfasser hebt die außerordentliche Ueberlegenheit der modernen Ver¬ 
fahren gegenüber den älteren hervor; die Vorteile basieren hauptsächlich auf 
der ausgezeichneten Wirkung des Antiformins. Die Technik der Verfahren 
ist sehr eingehend besprochen. Nach den bisherigen Erfahrungen hat sich am 
meisten das Antiformin und das Antiformin • Ligroinverfahren bewährt. 

_ Rpd. jun. 

Der TuberkelbaslUennachwcls mittels Antlformln und seine Ver¬ 
wendung für die histologische Diagnose der Tuberkulose. Von Prof. Dr. 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. - 418 

H. Merkel, 1. Assistent am Patholog. Institut in Erlangen. Mttnchener 
med. Wochenschrift; 1910, Nr. 13. 

Verfasser hat gemeinschaftlich mit Med.-Prakt. He an er Untersuchungen 
ttber die Verwendung des Antiformins für den Tuberkelbazillennach¬ 
weis im Qewebe angestellt und kommt nach Mitteilung der Untersuchungs- 
methode und einzelner Versuche zu der Schlußfolgerung, daß sich nicht nur 
rische Gewebe, sondern auch die in Alkohol, Kayserling-Gemisch, Formol- 
M All er-LOsung fixierten Organstflcke, ja sogar die bereits eingebetteten 
Gewebsstttcke mittels der Anttforminmethode noch mit größter Sicherheit auf 
Taberkelbazillen untersuchen lassen. Diese durch Verfassers Untersuchungen 
feetgestellte Tatsache ergibt somit eine weitere, praktisch außerordentUch 
wichtige Anwendungsweise des Antiformins für die Diagnose der Tuberkulose. 

_ Dr. Waibel-Kempten. 


Ein neues einfaches Anrelcherungsverfahren für Taberkelbazillen. 
Von Oberarzt Dr. Zahn, kommandiert zur med. Univ.-Klinik in Straßburg. 
Münchener med. Wochenschrift; 1910, Nr. 16. 

Prof. Moritz machte gelegentlich die Beobachtung, daß bei Ausführung 
der Biedert-KrOnigschen Methode mit Zentrifugierung des durch Alkau 
homogenisierten Sputums ein Zusatz von Kalziumchlorid durch Ausfüllung von 
Kalziumhydroxyd nicht nur ein yiel rascheres und gründlicheres Niederreißen 
der Taberkelbazillen bewirkt, sondern auch das Sediment in eine zur Fixation 
besonders brauchbare Modifikation umwandelt. Auf Grund dieser Beobachtung 
arbeitete Verfasser eine Methode aus, welche sich sehr leicht und schnell 
nasführen läßt und die bakterielle Feststellung der Tuberkulose auch in 
Fällen ermöglicht, in denen dies mit dem gewöhnlichen Sedimentierungsver- 
fahren nicht gelungen war. 

Verfasser giebt eine kurze Annweisung für die einzelnen Unter- 
suchungsnmaterialien und hebt zum Schlosse nochmals die Vorzüge dieses 
Verfahrens gegenüber anderen, bisher gebräuchlichen Untersuchungsmethoden 
hervor. _ Dr. Waibel-Kempten. 


Ueber die AbtStung der Taberkelbazillen ln natürlich infizierter 
■lieh und ttber die Pasteurisierung der Milch. (Aus dem bakteriologisch- 
hygienischen Laboratorium von Priyat-Dozent Dr. Fritz Basenau in Amster¬ 
dam). Von T. ran der Sluis, stellvertretendem Direktor am Schlachtvieh- 
hof in Amsterdam. Zentralblatt für Bakteriologie; I. Abt., Org., Bd. 50, H. 8. 

Van der Sluis konnte in der Milch yon Kühen mit lokaler Tuberkulose 
weder durch die mikroskopische Untersuchung noch durch das Tierexperiment 
Tuberkzlbazillen nachweisen; dagegen fanden sie sich bei allen Tieren mit 
allgemeiner und Eutertuberkulose mit einer Ausnahme schon in Ausstrich¬ 
präparaten, die nach Zentrifagieren der Milch mit einem Bodensatz-Rahm¬ 
gemisch in bekannter Weise angelegt und gefärbt wurden. Intrauterine 
Uebertragung der Tuberkulose von der Kuh auf das Kalb konnte er .nicht 
nachweisen. 

Bei Milchsterilisierungsversuchen stellte sich heraus, daß künstlich der 
Milch zugefügte Kuitur-Tuberkelbazillen höheren Temperaturen gegenüber 
weniger widerstandsfähig waren als die in natürlich infizierter Milch vor¬ 
handenen Taberkelbazillen. Natürlich infizierte Milch mußte für eine volle 
Stunde, nach halbstündiger Vorwärmung, einer Temperatur von 80° C. aus¬ 
gesetzt werden, um eine sichere Abtötung der in ihr enthaltenen Taberkel¬ 
bazillen zu erzielen. Es muß daher gefordert werden, daß Flaschenmilch, die 
unter dem Namen „pasteurisierte, krankheitskeimfreie Milch“ in den Handel 
gebracht wird, wenigstens einer einstündigen Erwärmung auf 100° C. unter¬ 
worfen wird. Prof. Dr. Lentz-Berlin. 


Ueber Tuberkulose ■ Immunblut (I.-K.)- Behandlung. Von Dr. Carl 
Spengler in Davos. Deutsche med. Wochenschrift; 1909, Nr. 49. 

Spengler hält gegenüber den absprechenden Urteilen von Roepke 
und von Weicher und Bandelier (Deutsche med. Wochenschrift Nr. 42; 
in dieser Zeitschrift referiert) daran fest, daß reine Tuberkulose-Immunblut- 



414 


Kleinere Mitteilungen nnd Referate ans Zeitschriften. 


Behandlung bedeutende therapeutische Erfolge habe, und daß damit „das 
Problem der kompletten Tnherknlose-Immunisierung gelungen* sei. 

Dr. Liebetrau-Hagen LW. 


Tuberkulosebehandlnng mit grossen Tuberkulindosen. Von Dr. 
J. Neumann in Spandau. Deutsche med. Wochenschrift; 1910, Nr. 5. 

An einem gänzlich heruntergekommenen 4jährigen Knaben konnte die 
günstige Wirkung fortgesetzter Tuberkulinbehandlung, beginnend mit ’/io mg, 
steigend bis 0,5 g nach dem Vorgänge Schloßmanns und seiner Schule 
erprobt werden. Im Gegensatz zu diesen empfiehlt N. eine langsame Steigerung 
der Dosen unter Beobachtung der lokalen Reaktionen. Jedenfalls können 
Kinder außerordentlich große Tuberkulin-Dosen vertragen und unter ihnen 
geheilt werden. Dr. Liebetrau-Hagen i. W. 


Entsendung Lungenkranker nach Deutsch-Sfldwestafrika. Von Dr. 
Gustav Heim, zur Zeit in Windhuk. Deutsche medis. Wochenschrift; 
1909, Nr. 48. 

Heim sieht es vorläufig noch absolut nicht als erwiesen an, daß das 
Klima Südwestafrikas heilend auf Lungentuberkulose wirke. Bisweilen scheint 
sogar eine Verschlechterung des Zustandes einzutreten, teilweise unter dem 
reizenden Einfluß des scharfen Staubes, der über das Land geweht wird. 
Ferner ist die rapide Zunahme der Tuberkulose unter den Negern höchst 
bedenklich. H. fordert, daß alle Aerzte Südwestafrikas über jeden Tuberkulose¬ 
fall einen eingehenden Bericht mit besonderer Untersuchung des Klima- 
Einflusses an das Sanitätsamt in Windhuk einsenden. Wenn die Verarbeitung 
dieses Materials eine günstige Wirkung des Klimas ergibt, dann kann der 
Gründung von Lungenheilstätten auf staubfreien Berghöhen ohne farbiges 
Dienstpersonal nähergetreten werden. Dr. Liebetrau -Hagen L W. 


Die Tuberkulose • Assanierung Berlins. Vortrag, gehalten in der 
Gesellschaft für soziale Medizin, Hygiene und Medizinalstatistik am 20. Januar 
1910. Von Professor Dr. Arthur Kayserling. Halbmonatsschrift für soziale 
Hygiene und Medizin; 1910, Nr. 10/11. 

K. bezeichnet die Ausrottung der Tuberkulose als eine der verlockendsten 
sozialen Kulturaufgaben der Gegenwart. Die Bekämpiungsmaßnahmen der 
Krankheit erstreben den Schutz der Gesunden vor Ansteckung und die Heilung 
der Erkrankten. 

Tabellen und Kurven illustrieren das Thema in übersichtlicher eise. 

Es werden gefordert: Schutz der gesunden Kinder vor Ansteckung, Ver¬ 
besserung des Desinfektionswesens, Beschaffung von Krankenhäusern für vor¬ 
geschrittene Tuberkulöse; denn große Phthyaikersäle mit sterbenden Kranken 
widersprechen den Forderungen der Humanität unserer Zeit. Endlich müsse 
für arbeitsfähige Tuberkulöse eine hygienische Arbeitsgelegenheit geschaffen 
werden. Dr. Hoffmann-BerUn. 


Betrachtungen über die Bekämpfung der Tuberkulose In einigen 
Ländern, namentlich ln England, Frankreich, den Vereinigten Staaten, 
Norwegen, Sehweden und Dänemark und ihre Nutzanwendung für Deutsch¬ 
land. Von Dr. Kaup-Berlin. Konkordia; 1910, Nr. 1—8. 

Nachdem der Verfasser die verschiedensten Einrichtungen geschildert 
hat, weist er vor allen Dingen auf die große Gefahr hin, daß nämlich die 
Schwertuberkulösen in den Familien bleiben. In dieser Tatsache liegt nach 
seiner Ansicht die Erklärung für die gleichbleibende Häufigkeit der Tuberkulose- 
Sterblichkeit im Kindesalter in Deutschland. Ferner erfreuen sich die Ein¬ 
richtungen prophylaktischer Natur, wie Tuberkulosehospitäler, Pflegeheime für 
Schwertuberkulöse — ganz abgesehen von der Volksaufklärung und systema¬ 
tischer Belehrung, Spuckverbot usw. — nur einer sehr spärlichen Entwicklung. 
Die nächste Aufgabe kann nur darin erblickt werden, daß eine Entseuchung 
der Jugend durch bessere Pflege, Wartung und Absonderung der Schwer¬ 
kranken, bazillenstreuenden Familienangehörigen einerseits und in den Familien 
selbst durch die Fürsorgestellen anderseits im staatlich verstärkten Maße in 
Angriff genommen wird. Ferner ist notwendig, daß 



Kleiner« Mitteilungen und Referate an« Zeitschriften. 


416 


1. die Anzeigepfhcht für alle Falle von vorgeschrittener Langen- and Kebl- 
kopftuberkalose eingeführt wird, 

2. die Isolierung schlecht gepflegter and ungenügend abgesonderter vorge¬ 
schrittener Fälle zum mindesten angedroht werden kann, 

3. Tnberknlosehospitäler oder kleine ländliche Sanatorien oder Pflegeheime 

errichtet werden. _ Dr. Wo 1 f - Witzenhaasen. 

b. Wochenbettfieber, Wochenbetthygiene and Krankheiten 

der Neugeborenen. 

Verhalten und Pflege der werdenden Matter. Von Prof. Dr. 
A. Martin, Geh. Med.-Rat in Berlin. 4. Heft, Fragen des Lebens. Berlin 
1909. Verlag für Volkshygiene and Medizin. Kl. 8°, 16 S. Preis: 0,80 Mark. 

Mit Meisterhand hat in diesen 16 Seiten umfassenden Heftchen der 
bekannte Verfasser es verstanden, alles, was der jungen Matter wichtig ist, 
erschöpfend and allgemeinverständlich wiederzageben. Das Büchlein kann 
für Volksbibliotheken, als Unterlage für gemeinnützige Vorträge und für die 
Perzonen, deren Wohl and Wehe es behandelt, zar Lektüre auf das wärmste 
empfohlen werden. _ Dr. Zelle-Lötzen. 


Di« Kindersterblichkeit unter der Gebart and Ihre Bekämpfung. 
Von Privatdozent Dr. Ludwig 8eitz-München. Münchener med. Wochen¬ 
schrift; 1910, Nr. 3. 

Verfasser stellte Untersuchungen darüber an, ob es den modernen Be¬ 
strebungen gelingt oder bereits gelangen ist, in der Erhaltung des kindlichen 
Lebens Besserung zu erzielen. Dabei geht Verfasser von dem Material der 
Münchener Frauenklinik aus den letzten 28 Jahren mit 269000 Geburten aus. 
Wenn man die 779 Kinder, die bereits vor der Geburt abgestorben waren und 
mazeriert geboren wurden, abzieht, so bleiben noch 782 frischtote Kinder übrig, 
so daß also genau 8 Proz. aller Kinder dem Gebartstrauma erlegen sind. 
Bund 20 Proz. hiervon sind dem engen Becken zum Opfer gefallen. Bei 
weiteren 6 Proz. ist unsere Therapie, wenigstens im Augenblicke der Geburt 
gänzlich machtlos. Es sind Kinder, die von kranken Müttern stammen und 
selbst krank sind, dann solche, die derart mißgestaltet sind, daß ein extra- 
uterines Leben unmöglich gewesen wäre. Weitere 10 Proz. gingen infolge 
ungünstiger Lagen und an unbekannten Ursachen zugrunde. So bleiben noch 
ca. */* (65 Proz.) aller unter der Geburt verstorbenen Kinder übrig, bei denen 
die Todesursache im wesentlichen in den ungenügend erweiterten 
Weichteilen zu suchen ist. Es ist deshalb lür das therapeutisches Handeln 
von der größten Wichtigkeit, darüber klar zu sein, daß nicht diese oder jene 
Komplikation an sieb, sondern meist der jeweilig ungenügend vorbereitete 
Zustand der Weichteile den Tod des Kindes verschuldet hat. 

Dabei sind bei den Weichteilschwierigkeiten zwei verschiedene Kategorien 
zu unterscheiden: 1. Die primären, bei denen eine abnorme Enge und Rigidität 
des Muttermundes oder der Vagina vorliegt, 2. die sekundären Weichteil¬ 
schwierigkeiten, bei denen aber eine unerwartet hinzutretende Komplikation 
im Interesse von Mutter und Kind eine Entbindung bei noch nicht genügend 
erweiterten Weichteilen erfordert. Hierher gehören Placenta praevia, Eklampsie, 
Nabelschnurvorfall und zum Teil auch die Schieflage. 

Verfasser legt nun in weiteren Ausführungen dar, daß und wie diesen 
Weichteilschwierigkeiten und ihren Folgen durch rechtzeitige und häufigere 
operative Eingriffe begegnet werden kann und soll und daß durch diese 
modernen Bestrebungen in den Tat bereits schöne Erfolge erzielt wurden, in 
dem seit 1882 bis heute ein Rückgang von mehr als l 1 /* Proz. in der Kinder¬ 
sterblichkeit unter der Geburt eingetreten ist und zwar ohne höheren Einsatz 
von mütterlichem Leben. Ferner ist trotz der Zunahme der großen operativen 
Eingriffe (insbesondere der Zange und vaginaler Hysterotomie) die mütterliche 
Sterblichkeit an Sepsis auch im Vergleich zur Zeit vollkommener Asepsis 
beträchtlich zurückgegangen. 

Mit 2,28 Proz. Kindersterblichkeit unter der Geburt ist sioher noch 
nicht die Grenze der Leistungsfähigkeit moderner Geburtsleitung erreicht. 

Dr. Waibei-Kempten. 



416 


Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


Zar Beurteilung von Misserfolgen des Creddsehen Verfahrens bei 
Neugeborenen. Von Dr. Wilhelm Feilchenfeld, Augenarzt in Charlotten¬ 
burg. Deutsche med. Wochenschrift; 1909, Nr. 52. 

F. sah ein Kind mit Blennorrhoea neonatorum trotz richtiger Anwendung 
des Credöschen Verfahrens, dessen Unwirksamkeit jedenfalls dadurch erklärt 
werden mußte, daß die Blase schon 35 Stunden vor .der Entbindung gesprungen 
war, die Hebamme aber häufig wegen Nabelschnur-Umschlingung mit der 
Hand eingegangen war. Die Infektion ante partum findet, eventuell durch 
Vermittlung der Hand der Geburtshelfer, anscheinend nicht so selten statt. 
Man darf eine trotz Installation von Höllensteinlösung auftretende Eiterung 
nicht vernachlässigen in der Annahme, es handle sich nur um eine Beizung 
durch das Mittel. Dr. Liebetrau-Hagen LW. 


c. Tropenhygiene (Maltafieber, Schlafkrankheit, Schwarzwasserfieber). 
Ueber Maltafieber. Von A. Lagriffoul, Arnal (aus Tröviers) und 
H. Bog er. Comptes redus de la soc. de biol.; LXVIH, 1910, Nr. 1. 

Aus den Beobachtungen der Verfasser im Norden von Montpellier und 
zahlreichen anderen Orten Frankreichs schließen dieselben: 

1. Das Maltafieber, das bisher als außerordentlich selten in Frankreich 
galt, wird im Gegenteil in ziemlich großer Häufigkeit angetroffen. *) Im letzten 
Jahre sind echte Epidemien aufgetreten (in St. Martini, in St. Bauzille-de- 
Montmel). Vorher kam die Krankheit sicher bereits endemisch vor. 

2. Das klassische Symptomenbild tritt nicht immer auf. Häufig ist eine 
Vergesellschaftung mit Typhus, die zu einer Reihe von diagnostischen Irrtümem 

f eführt hat. Besonders die Frage des mit Schweißen einhergehenden 
'yphus muß neu untersucht werden; die meisten dieser Fälle sind sicher 
solche von einfachem oder mit Typhus kombiniertem Maltafieber. 

8. Die Prognose ist günstig gewesen; Kombisation mit Typhus hat sie 
nicht wesentlich verschlimmert. 

4. Außer der Ziege scheint auch das Schaf an der Weiterverbreitung 
der Krankheit beteiligt zu sein. 

5. Das Maltafieber scheint in Frankreich sich immer weiter auszubreiten 
Die Durchführung sanitärer Maßregeln zum Zwecke der 
Eindämmung erscheint daher geboten. 

Aus der Symptomatologie sei hervorgehoben: Fieber mit rekurrierendem 
Typus, starke Schweiße, mehr oder weniger heftige Schmerzen mit ver¬ 
schiedener Lokalisation (in den Gelenken, in den Nerven, in den Muskeln); 
oft hartnäckige Verstopfung; von den Lungen ausgehende Symptome: 
Bronchitis, Hyperaemie, Haemoptoö; mangelnde Uebereinstimmung zwischen 
Puls und Temperatur; vorübergehende Orchitis; Mastitis; Hautausschläge. 
Die Abschuppung beschränkt sich meist auf Hände und Füße, wo sie oft in 
Fetzen vor sich geht. Die Haare fallen aus, die Genesung schleppt sich 
langsam hin und ist oft mit ausgesprochenem Status gastricus vergesellschaftet. 
Die Dauer der Krankheit schwankte zwischen 8 Wochen und 4 Monaten und 
beträgt im Mittel 40—50 Tage. Dr. Mayer- Simmern. 


Maltalleber und Typhus. Von A. Lagriffoul, Arnal (aus Tröviera) 
und H. B o g e r. Comptes rendus de la soc. de bioL; LXVIH, 1910, Nr. 5. 

In den Fällen der geschilderten Epidemie wurde auf 25 Fälle 9 mal 
festgestellt, daß das Serum eines und desselben Kranken gleichzeitig den 
Micrococcus melitensis und den Typhusbacillus agglutinierte. Keiner der 
Kranken hatte übrigens vorher Typhus überstanden, keiner früher ein Krank¬ 
heitsbild dargeboten, das als Maltafieber hätte godeutet werden können. Das 
Serum der 16 anderen Kranken agglutinierte den Typhusbacillus gar nicht; 
das Serum von Typhuskranken, die nicht gleichseitig an Maltafieber litten, 
agglutinierte aber auch M. melitensis nicht. 

Ein aus Pferden und Hammeln gewonnenes Heilserum zur Behandlung 
des Typhus, daß in einer Verdünnung von 1:200000 bis 1:1 Million noch 
den Typhusbacillus agglutiniert, bewirkte auch in starker Konzentration keine 
Agglutination des M. melitensis. 


') Vergl. diese Zeitschrift 1909, 8. 775. 



Kleinere Mitteilungen und Referate ana Zeitschriften. 


417 


Kombiniertes Vorkommen von Typhus und Maltafieber fanden die Autoren 
auch an anderen Orten Frankreichs und zwar unter 18 Fällen außerhalb 
St. Bauzüles 5 mal. _ Dr. Mayer- Simmern. 


üeber die Persistenz der Agglutlnationsreaktion beim Maltafleber. 
Von A. Lagriffoul und H. Roger. Comptes rendus de la soc. de biol.; 
LXVIII, 1910, Nr. 2. 

Die Autoren berichten über folgenden Fall. Ein Laboratoriumsdiener 
des physiologischen Institutes in Montpellier war vor 4 Jahren fieberhaft 
erkrankt. Rekurrierendes Fieber mit zahlreichen Rückfällen, hartnäckige Ver¬ 
stopfung, profuse Schweiße beim Fehlen von Roseola ließen den Arzt an 
Maltafieber denken. Damals war man indessen der Ansicht, die Krankheit 
existiere in jener Gegend nicht. 4 Jahre später war die Wrightsche Sero¬ 
diagnostik im Verh. 1:80 positiv. 

Daraus ergibt sich: Wenn während einer akuten Infektionskrankheit 
der Kranke positive Wrightsche Seroreaktion hat, so darf man erst dann 
auf Maltafieber schließen, wenn der Patient nicht früher eine fieberhafte 
Krankheit Uberstanden hat, die bereits Maltafieber gewesen sein konnte. 
Früher wurde diese Infektion meist mit prolongiert verlaufendem Typhus 
verwechselt. 

Je weiter die Untersuchungen des Verfassers sich ausdehnen, um so 
mehr kamen sie zu der Ueberzeugung, daß das Maltafieber in Zukunft in der 
Lehre von den übertragbaren Krankheiten eine große Rolle spielen werde. 

_ Dr. May e r- Simmern. 


Ueber experimentelle Schlafkrankheit. Von Privatdozent Dr. W. 
Spielmeyer, Assistenzarzt der psychiatr. Klinik in Freiburg. Deutsche 
medizinische Wochenschrift; 1909, Nr. 51. 

Die experimentellen Untersuchungen des Verfassers füllen insofern eine 
Lücke aus, als sie den Beweis für die bisher eigentlich hypothetische Behaup¬ 
tung erbrachten, daß an schlafkranken Tieren dieselben pathologisch-histo¬ 
logischen Veränderungen auf treten können, wie sie sich im Zentralnerven¬ 
system des Menschen finden. Unter zahlreichen, mit einem aus dem Tropen¬ 
institut in Hamburg bezogenen 8tamm von Trypanosoma gambiense geimpften 
Hunden gelang es nur zweimal typische Bilder im Großhirn zu finden. Das 
wesentliche waren starke Infiltrate von Plasma- und lymphozytären Zellen 
in der Peripherie der Gefässe, vor allem in den tiefen Rindenschichten; erst 
sekundär schließen sich Zell- und Faser - Degeneration und Gliawucherung an. 

Dr. Liebetrau-Hagen L W. 


Theoretische Betrachtungen Aber Cholestearin bei Sehwarzwasser- 
fleber als Heilmittel mit praktischem Versuch. Von Dr. Grimm in Berlin. 
Deutsche med. Wochenschrift; 1910, Nr. 4. 

Aus verschiedenen Experimenten muß geschlossen werden, daß die 
haemolytische Wirkung der verschiedensten Blutgifte zunächst in einer An- 
ätzung der cholestearinhaltigen BlutBcheibenmembran begründet ist, daß 
anderseits freies Cholestearin geeignet ist, die Zerstörung durch Bindung des 
toxischen Agens hintansuhalten. Diese Erfahrung hat schon zu therapeutischer 
Verwendung bei schweren Anaemien geführt. Grimm tritt dafür ein, das 
Cholestearin auch bei Schwarzwasserfieber zu versuchen. Er stellte in Kamerun 
fest, daß mehrere Gramm per os genommen, unschädlich Bind, und daß in 
einem Fall, den er nur kurze Zeit beobachten konnte, die Verabreichung des 
Mittels anscheinend günstig wirkte. Die subkutane Anwendung scheitert vor¬ 
läufig an der schweren Löslichkeit. Der innerlichen Verabreichung steht oft 
das Erbrechen bei Schwarzwassei fieber entgegen. Weitere Versuche erscheinen 
jedenfalls notwendig und aussichtsreich. Dr. Liebetrau-Hagen i.W. 


d. Andere Krankheiten. 

Zur Aetiologie des Kropfes. Von Prof. Dr. Blauei, Oberarzt der 
Chirurg. Univ.-Klinik zu Tübingen. 

Wenn auch die Kropfkrankheit auf der Erdoberfläche in allgemeiner 
Verbreitung getroffen wird, so ist sie doch in ihrem endemischen Auftreten 



418 Kleinere Mitteilungen and Referate au* Zeitschriften« 

fraglos an bestimmte territoriale Verhältnisse gebunden. Man kennt ausge¬ 
sprochene Kroptländer inmitten kropifreier Nachbargebiete, man kennt BOgar 
eigentliche Kropfherde, oft eng umschriebene Bezirke inmitten einer vollständig 
immunen Umgebung. Der Einfluß der Oertlichkeit auf die Genese des Kropfes 
ist dabei so groß, daß erwiesenermaßen die Uebersiedlung auB kropffreier 
Gegend in einen Kropfherd zur Erwerbung eines Kropfes führen kann, wie 
umgekehrt der Rückgang eines Kropfes nach Verlassen einer Kropfgegend 
beobachtet worden ist. Von den zahlreichen Theorien hinsichtlich der Be¬ 
ziehungen zur Oertlichkeit hat nur eine dauernde Gültigkeit behalten: die 
Boden- und Trinkwassertheorie. Dem Erdboden muß das den Kropf 
bedingende Agens eigentümlich sein, und den Weg vom Erd¬ 
boden zum Körper bildet zweifellos das Trinkwasser. Es 
haben sich jedoch bisher weder der Gehalt des Trinkwassers an Magnesia, 
an schwefel- oder kohlensaurem Kalk, noch der Jodgehalt oder Jodmangel als 
Ursache des Kropfes bestätigt, so daß, wenn wir nicht zu noch unbekannten 
chemischen oder physikalischen Kräften unsere Zuflacht nehmen wollen, die 
Annahme eines organischen, eines lebenden Agens notwendig wird. Bisher 
sind jedoch alle diesbezüglichen Versuche zur Ermittelung organischer Gebilde 
aus nacbgewiesenen, sog. Kropfbrunnen fehlgeschlagen. Dagegen hat sich 
durch eingehendes Studium der geologischen Formation in Kropfgegenden, 
durch vergleichende Zusammenstellung der Ergebnisse solcher Studien in den 
verschiedensten Ländern und Erdteilen feststellen lassen, daß zwischen 
Kropf und geologischen Formationen bestimmte Beziehungen 
bestehen, wenn auch die Ergebnisse dieser Forschungen bisher noch wenig 
befriedigen können. Verfasser meint, daß man in der Forschung vielleicht 
rascher vorwärts kommt, wenn man die Tatsache berücksichtigt, daß der 
Kropf keine einheitliche Erkrankung ist, sondern daß in der Art der Erkran¬ 
kung bei den einzelnen Kropf trägem die größten Verschiedenheiten bestehen. 
So scheint es dem Verfasser unter anderem des Versuches weit, die Kropf träger 
mit ausgesprochenen Herzerscheinungen von denen ohne solche zu trennen 
und für jede Gruppe gesondert nach ätiologisch wichtigen Tatsachen zu 
forschen. 

Verfasser hat nun versucht, mit Hilfe der geognostischen Karte 
Württembergs und unter Benutzung des Werkes „Das Königreich Württem¬ 
berg 11 bei 228 Strumakranken die Beziehungen zwischen Herzstörungen der 
Strumakranken und geologischer Beschaffenheit des Heimatsortes festzusteilen; 
er teilt seine Untersuchungsergebnisse in einer Tabelle mit. Das Ergebnis 
war zwar im allgemeinen ein negatives, aber deshalb sicher kein nutzloses. 

Dr. W a i b e 1 - Kempten. 


8. Sftuglingsfflrsorge. 

Zur Frage der Ernährung und Sterblichkeit der Säuglinge» besonders 
in ländlichen Bezirken. Von Kreisarzt Dr. Liedig-Liegen. Konkordia; 
1910, Nr. 4. 

1. ln ländlichen Bezirken steht an erster Stelle die Belehrung der 
Frauen über den Wert des Stillens und seine Notwendigkeit, über die Schäden 
allgemein sozialer und gesundheitlicher Art für die Stillfähigkeit der Mutter 
und das Gedeihen des Kindes; sie ist auch nötig in Bezirken mit sogenannter 
guter Stillfähigkeit. Man hüte sich aber vor zu prononzierter Betonung 
einzelner, wenn auch sonst anerkannter Schädlichkeiten. 

2. Diese Belehrung ist der ganzen Bevölkerung zu geben durch Vor¬ 
träge, Wirksamkeit karitativer Veranstaltungen. Besonders aber müssen die 
Hebammen jede einzelne Wöchnerin, bezw. schon die Schwangere eindringlicbst 
belehren und mahnen; denn ihr Wort bleibt lebendig, weil es von der Beraterin 
und Helferin in ernsten Standen und von einer Frau kommt. Nur ein tüchtiges 
Hebammenpersonal verspricht nach dieser Richtung hin wirksame Hilfe; wo 
es fehlt, ist es erst zu Standesbewußtsein und Ehrgeiz zu jerziehen, sonst 
züchtet man sich durch immerhin auch nur kleine Geldbelohnung gar zu leicht 
günstig gefärbte Statistiken. Es ist aber noch mehr der Ausbildung der 
Hebammonschülerinnen in der Säuglingspflege und verwandte Materien zu 
fördern durch praktische Arbeit in Säuglingsheimen. Die Frage der Hebung 
dieses Standes durch intensivere Ausbildung und soziale Momente spielt also 



ns Zeitschriften, 

ebuftden. Man kesnt iüsge* 
argebkte, man körnt *ogw 
ike hitaitteis siaer tollatuwög 
t auf dfe Öenetfi to Kropfe* 
eherafoSlsag ans kropüreier 
» Kiörjfcf ftoa kann, wie 
/fctfäSfä» ßiaet Kiopfgegend 
’heofies hiaaWbtÖch der Be* 
&4e (xhitigkit bohaltßöi die 
ion maß das den Kropf 
und den Weg toä Eid* 
das Tnuk'waaset. » 
M Trinkwaaseis an Maguiia, 
JadgoitAU oder Jodm&nge! si* 
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Zaflaelit netoM noüM. die 
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Kleinere MltteUnDgon und Beferasie aus Zeitschriften. 


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weh In. du volkswirtschaftlich wichtige Gebiet der BatsgJiugsfdrsofge hinein« 
Das Land ist interessiert an der Eogelong des Ammonwösens oad an der 
Errichtung von MUttetkeimen. 

Beides berührt in gleieMails 6?köbtfa&e? Weise die Städte, weil auch 
sie in ihren bisherigen Veraast idtutfgon der MagUngat&isorge sich mehr an 
diö Mutter woaden, ihr Fürsorge augedeihen lassen müssen. Die Bereitstellung 
künstlicher Nahrung tat den Säugling ist nicht sa umgehen, muß aber kritisch 
aa! die notwendigen Fälle beschränkt werden, Dr. Wuli-Witzeühausen, 


Reichsrersieherungs*Drdiiunf nnd 82Bgliikg&nir«ergo« IC« AfcächluÄ 
an die AttsschußsStzuiig der Deutschen Vereinigung für SäugUngsftefMge Tom 
9, Januar 1910 in Berlin referförten Froh Br. S c h i o ß m ai n o ^ Düflseidort und 
Beg,-Hat Pia ior-DanusUdt über obiges Thema, das zur Annahme folgender 
Anträge führte, die zum. Entwarf einet Eeichaversicheruhgftordrmftß: gesteiifc 
werden sollen; 

L Als WochenhH?« maß gewährt werden; 

‘ ÖfcUg-winriscli, 

1. Ein Wochengeld in- ■;£&?■. H3h« • des Krankengeldes für 8 Wochen, 
von denen mindestens 6 auf dha nach der NtederkunU fallen müssen 
(§ 288 des Entwurfs). 

2- Die erforderliche« rH^hammeAdfaasie'üwd ärztliche Behandlung der 
Schwaogerschaftbeschworden (§ 234 Abs. 2 dos Entwurfs). 

&--Eine Schwangerschötsuhiemütsting bei Arbeitsunfähigkeit der 
§chwangeren im Betrage des Sraukengeldes bis mr Gesamtd&uor veta 
v Wochen, die auf das Wochengeld vot dos' lMiedejkKG.it, ungerechnet werden 
kann (§ 284 Abs. 1 des Eamxfc). 

f* -El® Stillgeld in Höbe de» Krankengeldo*,; das neben dem Wochen* 
gelii. bis zum Ablauf der 12. Woche nach der NMerkonft an Wöchnerinnen 
der hezeiebueten Art m %&Mm kt, so hange nie .jfero \NeogeW<to 
q Ii , Ua ^ StÜlgeldea ist enteprechoud m ktim«* wenn Wochengeld und 
otiiigcld zusammen den Betrag des GcooAh&uea überschreiten. 

IL Als Wochtohilfe kann di© Satzung 
Fakultativ* 

O ... h 8 Ö®k®* einer Hsas*ftege?ifi, deren- Vergütung der Hälfte des 
Stiügeldea bis zur Dauer toi? SU Tagön in Abzug gebracht werden kann. 

2. Unterbringung der Schwangeren ödfcr 4#r Wöchnerin mit ihrer 
Zustimmung In einer uuter ärztliches* Leitung stehenden Anstalt (Schwangeren* 
hoim, Entbindnngfiaaalalt, Wö«hnofinneiihidra) enter analoger Anwendung: der 
Vorschrift hber Aogehödgen^ünterstützujig hei Eraiikenhanepüega Wahrend 
der UnterbnogftHg io, der Anstalt raht <fk ttkrfg* WothenhUfo mit Ausnahme 
?oa Steilimg einer Hxnspflsgerla. 

_ ■ ®« Oder ialbweSG Lieferung der bei der EotHndyog eff^rd^rlichon 

Wascm© übd Bettwäsche und Bettstücke, UaterlagooV Biudea tmd dergi in 
sterilisierten Zostand. 

4. 3äagling»onteratÜl*aBg (freie ärztlkhe Bcratucg der hfütter< Still- 
unterstützunc au «tUloodt Mittler in Form von Milch, Lebehowlttelö oder 
öUIlgelder öber die Vorgeschdeben« 2oit hinaus; Abgabe von SäuglingHmilcb 
aoi ärztliche Verordnung; pßegerische Ueberwachang der Säaglfng©). # 

,cnn.* wocbenhilf« au reraichernngaDöio Ehorrauen der versicherten 
(§ 239, Abs. 1, Ziffer 2 des Entwarfsjv Br. Wolf - WlUenha Dsen. 


Von 


Bf© B^baovm^ofjriLnÜrtüi^ dAr Still* und Milch küsse iu Wien 
M. Bob cowHz. Mutter und Jgasd; Jg, II f B, 8. 

. Es wurde im Jnhrb 1SÖ1 ve* m Friedrich WcUe in Wion eine Ein- 
riefeiuug m m\p rtmÄüda, die Hot SilU- mi Milcbk*sse, ins Löben «ornfe«. 

tUwelbo bnatoht darin, daß die Fitwn schon während der Schwaugorschaft 
wm Beitritt in dio Btülk&ase aufneford^rt werden und durch die Eineahlwng 
▼aa ganz geringen Beträgen sich auf die unmittelbar nach der Entbrndung 



420 


Tagesnachriohten. 


und wählend der ganzen Däner der Stillung zu erfolgende Främlirung einen 
Anspruch erwerben. 

Neben den Stillprämien für die Hutter wird jede Hebamme, welche bei 
ftin wm Mitglied der Stillkasse nach Beendigung der öeburt und durch die 
ersten Wochen die Stillung durchzuführen eich bestrebt hatte, mit einem 
Ehrenhonorar von 3 Kronen ausgezeichnet. 

Es wird nicht die Höchstleistung auf dem Gebiete der SUllförderuag, 
sondern schon die Einzelleitung der Hebamme prämiirt. 

Da die Bezahlung ffir eine Entbindung in den Kreisen der Arbeiter* 
bevölkerung hierorts durchschnittlich 10 Kronen beträgt, so ist diese kleine 
Zugabe, welche fast den dritten Teil des Gesamthonorars ausmacht, ein 
Ansporn für die von der Hebamme bei jeder Wöchnerin von neuem einzu¬ 
setzende und oft mühevolle Arbeit, die Stillung in Gang zu bringen. 

Die Prämiirung hat außer der direkten Wirkung für das Stillen bei der 
betreffenden Wöchnerin, für welche die Prämiirung erfolgt ist, noch den 
entfernten Nutzen, welcher darin besteht, daß die Hebammen sich die Mühe 
nehmen, immer wieder neue schwangere Frauen als Mitglieder der Stillkasse 
zuzuweisen und so der Stillung stets neue Anhängerinnen gewinnen. 

Es kann somit diese Methode der Hebammenprämiirung, welche auf die 
rege Mitarbeit der nächsten Helferinnen bei der Stillung rechnet, als eine 
mächtige Stütze in der Bewegung zugunsten der Verbreitung der natürlichen 
Ernährung angesehen und in jede Säuglingsfürsorge-Organisation aufgenommen 
werden. _ Dr. Wolf- Witzenhausen. 

Die Säuglingssterblichkeit in Böhmen. Von Dr. Felix Sohleißner. 
Prager med. Wochenschrift; 1909, Nr. 51. 

Oesterreich hat eine verhältnismäßig hohe Säuglingssterblichkeit (für 
1891—1900 berechnet durchschnittlich 23,6 */•); Böhmen übertrifft mit 26 */• 
die meisten andern Teile der Monarchie. Auffallenderweise ist die Mortalität 
in den deutschen Bezirken Böhmens beträchtlich höher als in den gemischten 
und tschechischen. Die Ursache ist darin zu suchen, daß die Tschechenfrauen 
an und für sich viel mehr stillen als die Deutschen, und daß in den Industrien 
reichen deutschen Teilen die Frauen vielfach mit in Fabriken tätig und 
dadurch am Stillgeschäft behindert sind. Nur schwer wird hier Wandel zu 
schaffen sein, so dringend notwendig ein solcher ist. Die Hauptaufgabe fällt 
den Aerzten zn, die immer wieder durch Bat und Tat die natürliche Ernährung 
an der Mutterbrust populär machen müssen. 

Dr. Liebetrau-Hagen i. W. 


Der Säugling lm Hochgebirge. Von Dr. H. Neumann in Berlin. 
Deutsche med. Wochenschrift; 1909, Nr. 49. 

In Arosa war, trotzdem daß nur wenig und nur kurze Zeit gestillt wird, 
die Säuglingssterblichkeit gering (4,9 °/o). Die Gründe liegen in der Einwirkung 
guter Luft und reichlichen Lichtes sowie im Fehlen der intensiven Sonnenhitze. 
Die stärkere Bebauung und die dadurch ungünstigeren Wohnungsverhältnisse hat 
jedoch bereits eine Erhöhung der Kindersterblichkeit zur Folge (11,7 °/«). gehabt. 
Wo aber diese Verschlechterung hygienischer Verhältnisse fehlt, ist im Hoch* 
gebirge Rachitis selten. Es empfiehlt sich diese günstige Wirkung des 
Höhenklimas auch therapeutisch auszunutzen; sie Ist derjenigen der See 
mindestens gleichwertig. Dr. Liebetrau-Hagen L W. 


Tagesnachrichten. 

In der Sitzung des Preusslsehen Herrenhauses am 21. Mai d. J. ge* 
langte die Petition des Vereins für Feuerbestattung in Hagen i. W. um Zu* 
lassung der fakultativen Feuerbestattung zur Verhandlung. Von den Herren¬ 
hausmitgliedern Prof. Dr. Borchers-Aachen, Prof. Dr. Loening-Halle, 
Prol Dr. Beinke*Kiel und Staatssekretär a. D. v. Thielemann wurde 
' w ein Antrag auf Ueberweisung der Petition zur Berücksichtigung warm 
unpfohlen, eine recht baldige gesetzliche Regelung der Frage gefordert 




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lirhtaU i f 0<3e? sittlicher VerföhiUtfgeu ihr die GcaumlheB oderSitfc- 

Schüler dne Gefahr bilftn, vem Betmcb* der Ydtecbojo 
ihr« ttu ö 0 ' befreit oder ausgeschlossen werden Jk^mtea, uuä <Uß 

tntut ^ÖMto dnd> für ibo private DnieTweifluagzu »o^v feweH 
«oriw ^ets« oder Einrlcbtengen der Geodndfe dafür Yn- 

8 ft^troSca ist iSind die Eltern dazu tffiiicrstAnde, so fc*t di» Gemeind» 


Tageanächrinhien. 421 

■!i T0B i ?. Be ; dara , ul kiDgewieaen, daß weder kitciliche and PrivaUücbsiciiitei» 
J™ juristische Bedenken der Einäscherung widersprochen, Die Zahl der An- 
i\ Dgflr T> dör J Fetterbfißtatt,W1 ^•waebso von Jahr zu Jahr; in den meiatea deut« 
sehen Bundesstaaten sei sie bereit« gesetzlich gestattet, ohm daß daraas 
rgenawdche Nachteile entstanden seien; auch aul der letzten Generalsynoße 
S d * ß 8ie *° Whw Weise gegen Gotte« Verbat verstoße und mit 

.r ohnstljch^ Lehre in Widersprach aieho. Werde vdmStsfcte noch Weiter 
»V laersptuch dagegen erhoben, so liege die Geiahr nahe, daß sieh die Aos- 
5nttc aas der Landeskirche erhebUeh Vermehren werden* Jedenfalls .entspreche 
Je heaerbestattang weit mehr de» hygienischen Anforderungen als die Erd« 
oeeuttang; aaöerdem ani sie »nah an» finanziellen Gründen geboten, da die 
Beg?dboi»plätzcn in der ..Nähe größerer Städte nur noch mit 
verhaltiusmäöig großen Geldopfern möglich sei, V«>n anderer Seite (Staats¬ 
sekretär a *&'% Koner and Graf v, Ziet*n-Schwerb) wurde dagegen be- 
antragt, über die Petition zur Tagesordnung. tttottogehen; die Einführung der 
-flaerbesUttnng würde wettigstens die ländliche Bevölkerung aufs äußerste 
empören, da dieno k ihr eine heidnische Sitt* sehe; die Erdbestattung sei eine 
im Volke festgewurzelte Sitte; gerade in der jetzigen Zeit, wo schon so viele 
wie gute Sitten abgeachafft werden, sollte man »ich aber hüten, neue ünettten 
«lAanfttnren.^ Bei der Abstimmung war den beide Anträge mit geringer Mehr« 
f a ^"gelohnt and statt dessen ein Vermlttelungsantrag "der Feüiioao- 
Kommission, die Petition der BegleirnBg uh Material za tiberweise», angenommen, 

■ u », a Ä ^ Sitzung vom 31. Mal 4, J, wurde ein Antrag des Herrösiiaus- 
mitgliedes Oberbürgermeister Df La»ix e-Magdeburg, taixöffend gesetaiiehe 
F Öworgeenlühwg auf alle noch nicht verwahrlosten Kinder 
14 dahren, die der Verwahrlosung »nfceimzuiaJieö droben, mctcnmmea. 
Ändern der AntragsteUer iii» warm befürwortet und darauf hingewiesen 
k * £ d i e £ !; ol £ e der Fimorgeemehung m eo besser »ekn, je jünger 
J e «wefrenden Kinder dieser überwiesen würden ; in Betracht komme für 
jese ümder snlbstveratäiidlich nur die Erziehung in geeigneten Familien* Der 
trnater des Innern stellte sich djoaem^Aatrage gegenüber »ehr imtgegen- 
kommend; dasselbe tat er gegenüber einem anderen von dem Herrenhaus« 
oiiguea l)r. v. Dz io mbewski vorgebrach ton Wunsche auf Aosdehnung der 
_amuienpflege bei der Behandlung voo Öeisteskraisken und Idioten, deren 
wtaita »iah m der Anstaitspflege so goheasert habe, daß eine solche nicht 
rnr unbedingt erforderlich fa . 

Brt , ^ü^wfweeliael Im KuUu»m!ttistori»ci* Der bisherige üntorstaab* 
Bat Dv. Wewer ist am 1, d. Mfcav au« seinem Amte ge« 
Sr™®. 11 » £* Ana^eichuiing «lud ihm bei dieser GolegenheU die Brillanten zum 
Ä uööncrdeiia L Klasse Verlieben* An seiner Stelle ist der biaborige 
njnwtetsaldirekfcor au« dem Miniaienum, Wltki. Gtik Bat p. Schwarta- 
r fc attr ü üa ^»ta»iasokTetär und an dessen Stelle der Wifki Geh. Öber- 
ueg.-üat V* Bremen, zum MtoistcrialdiieMor oruaant 


vom ^«cklenhörg-SüliWArtn ist jetzt durch Tarordettög 

nUiJfLir » *?*%$*? bisherigen Kreisphysiker dor Titel Kzülsarart; 
kiS?» x aÄ* ^ ißdoch dadurch ia übrigen an ihre» Amtsgoschäftcn, 
Hechten uadv ObBcgenholtett ; etwav,geäiid^‘iitr‘ 


Acctjs. 


llUMg a erfüv&de Tn&üm% eit» 

itcr. wixi jede Hebamme, vekie bd 
iiügEsg ßtfasi wul 4anA he 
?tä htur, «ix dwa 

k 

jßd 4 ea Öeäeu dö Mifätorag, 
VE&t gtättfe 

sjfaftg iö dca AÄu der irbeim* 
betrat, ist die# liehe 
des öötttkaaöra« aasmKit, m 
j^de; ^ödmeriu von Bevern saua* 
ilicag h Gang rc triigsc, 
n«, Wirkung Mr dw-SöUfi»' bei der 
Fffotttnig erfolgt ißt, uod .des 
dis Ef kauaes säth die Hfitkö 
biw als Mitglieder der Stütom 
ÄJibiajpmaM gewinnen. 

& öaaem mnrjämrraagv weicfle m m 
bei der Stßtaig. 

eo «fer Terbreimg ia satäflici« 

*sr»sÄSasr^ 


(f. Felix SctiöiS#^'- 


ÜjgastefliliciiieitJft' 
, Übertritt mit So - 1 

ila indesgemwSt® 

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422 


Tagesnaohrichten. 


dafür einzutreten (§ 3). Weiterhin können für Kinder, die nach ärztlichem 
Gatachten infolge ihrer geringen Begabang eine besondere Fürsorge erfordern, 
durch die Gemeinde besondere dem Bildungsbedürfnis der Kinder entsprechende 
Einrichtungen mit verminderter Unterrichtszeit und ermäßigten Unter¬ 
richtszielen getroffen werden (Hilfsklassen, Hilfsschulen). Wenn die 
Zahl solcher Kinder in einer Gemeinde mindestens 20 beträgt, ist die Gemeinde 
zur Errichtung von Hilfsklassen verpflichtet (§ 21 c). Der Ortsschul¬ 
behörde, der die örtliche Aufsicht der Volksschule usw. obliegt, gehört 
auch der Schularzt, falls ein solcher bestellt ist, als Mitglied an (§ 10). 
Ein Schularzt muß an allen Volksschulen mit zehn oder mehr LehrersteUen 
bestellt werden. Im staatlichen Dienst stehende Aerzte können durch das 
ihnen vorgesetste Ministerium zur Uebernahme des Amtes angehalten werden. 
Der Schularzt hat darüber zu wachen, daß die für die Schule und die Schüler 
in gesundheitlicher Beziehung erlassenen Anordnungen von allen Beteiligten 
genau beachtet und den Forderungen der Gesundheitslehre beim Schulbetrieb 
entsprechend Rechnung getragen wird. — Er hat den gesundheitlichen 
Zustand der Schüler festzustellen und während der Dauer des Schulbesuchs 
entsprechend zu überwachen. Sind an einer Volksschule mehrere Schulärzte 
angestellt, so bestimmt die Gemeindebehörde denjenigen, der in die Ortsschul¬ 
behörde einzutreten hat. Wo an einer Volksschule ein besonderer Schularzt 
nicht angestellt Ist, werden dessen Obliegenheiten auf Kosten der Gemeinde 
von dem Bezirksarzt ausgeübt, dessen Oberaufsicht auch die Volksschulen 
mit eigenem Schularzt unterstellt bleiben. Im übrigen werden die Rechte 
und Pflichten des Schularztes durch Verordnung und — soweit nötig — 
durch besondere Dienstweisungen geregelt (§ 11). 


Der unerwartete Tod Robert Kochs (s. den Nachruf auf S. 424) hat 
überall die herzlichste Teilnahme und tiefste Trauer berrorgerufen. In zahl¬ 
reichen Telegrammen, Nachrufen usw. wird seiner unvergänglichen Verdienste 
um die Wissenschaft wie um die allgemeine Volks Wohlfahrt gedacht. Seine 
Majestät der Kaiser hat an die Wittwe folgendes Telegramm gerichtet: 

„Beim Hinscheiden Ihres von mir so hooh verehrten Herrn Gemahls 
spreche ich Ew. Exzellenz mein herzlichstes Beileid aus. Ich beklage auls 
tiefste den Verlust des größten deutschen Arztes unserer Zeit und blicke mit 
dem deutschen Volke dankbar auf sein segensreiches Lebenswerk.“ 

Gleiche Beileidskundgebungen sind von der Großherzogin Luise von 
Baden, vom Reichskanzler, vom Kultusminister, vom Staatssekretär des Innern, 
vom Staatssekretär des Kolonialamtes, vom Reichsgesundheitsamt, von zahl¬ 
reichen in- und ausländischen Universitäten, medizinischen Gesellschaften, 
Vereinen usw. abgesandt. Ein längerer Nachruf wird ihm vom Reichs- und 
Staatsanzeiger gewidmet, in dem es am Schluß heißt: 

„In allen wichtigen Fragen der medizinischen Gesellschaft und der 
öffentlichen Gesundheitspflege hat er Jahre hindurch ausschlaggebenden Rat 
erteilt und auch in dem Reichs- und preußischen Seuchengesetz in glücklicher 
Weise mitgewirkt. Ein Heros der Wissenschaft ist mit dem Entschlafenen 
dahingegangen, dessen Scheiden eine unausfüllbare Lücke hinterläßt, aber sein 
Name wird nicht vergessen werden. Er ist in die Annalen der Geschichte 
der Medizin und der Volkswoblfahrt mit unauslöschlichen Lettern eingetragen. 
Die Saat, die er in reichem Maße gestreut hat, wird aufgohen und mit dazu 
beitragen, sein Andenken der dankbaren Nachwelt zu erhalten.“ 

So bescheiden, still und allen Aeußerlichkeiten abhold, wie Robert Koch 
durch das Leben gegangen ist, so ist er auch aus dem Leben geschieden. 
Auf seinen Wunsch ist von jeder prunkvollen Leichenfeier abgesehen; alle 
Kranzspenden sind dankend abgelehnt. In aller Stille und im engsten Kreise 
hat seine Feuerbestattung in dem neuen Krematorium zu Baden • Baden statt- 
gefunden. Friede seiner Asche! Ehre seinem Andenken! 


Der XI. Kongress für Volks- und Jngendsplele findet vom 1.—4. Juli 
d. J. in Barmen statt und ist verbunden mit einer Sport-Ausstellang, sowie 
mit einer Ausstellung für Volks wohl, Gesundheitspflege und soziale Fürsorge, 



Tagesnachrichten. 


423 


die am Freitag, den 1. Juli in der Städtischen Halle eröffnet wird. An den 
beiden Sitzangstagen: Samstag and Sonntag den 2. and 8. Jali werden 
folgende Vorträge gehalten: 1. Fürsorge für die schulentlassene Jagend; 
Beg.-Bat Dominicas, Beigeordneter der Stadt Straßbarg. 2. Tarnpflicht 
and Spieipflicht; Oberrealschuldirektor Dr. Hintzmann-Elberfeld, Mitglied 
des Hauses der Abgeordneten, and Lehrer and Tarnlehrer A. Edelhoff- 
Barmen. 3. Soziale Fürsorge für die Schwächlinge in onBeren VolksBcholen; 
Prof. Dr. med. F. A. Schmidt-Bonn. Die Sitzungen beginnen morgens 10 
bezw. 10V» Ohr; Versammlungslokal: Großer Saal der Konkordia. 


Das Deutsche Zentralkomitee für ärztliche Stadienreisen hat in 
diesem Jahre zwei Stadienreisen in Aussicht genommen. Die erste wird am 
20. Jani in Halle a. S. beginnen und am 1. Jali in Jena enden. Es ist 
hierbei der Besuch verschiedener Badeorte im Harz (Ballenstedt, Harzbarg, 
Wernigerode and Schierke) and Thüringen (Ilmenau, Salzungen, Eisenach, 
Friedrichroda, Bheinhardsbrunn, Sulza und Kösen) beabsichtigt. Der Preis 
für diese Boise beträgt 175 Mark; darin sind sämtliche Eisenbahnfahrten, 
Qaartier und Verpflegung auschließlich Getränke eingeschlossen. Meldungen 
sind bis zom 1. Juni an den Generalsekretär Albert Oliven, Berlin W. 9, 
Potsdamerstraße 134 B unter Beifügung einer Einschreibegebühr von 20 Mark 
zu richten. 

Die zweite Beise beginnt in Stuttgart am 31. August and endet in 
Freibarg L B. am 18. September. 8ie erstreckt sich auf die Orte Stuttgart, 
Friedrichshafen, Bagaz, Bad Pfäffers, Taminaschlucht, Flims, Via Mala, Davos, 
Vulpers, Tarasp, Schals, St. Moritz, Zaoz, Samaden, Muottas Muraigl, 
Pontrosina, 8iJs-Maria, Maloja, Menaggio am Comersee, Lugano, Montreox, 
Caux, Glion (Eztrazug), Territet, Aigle, Leysin, Evian-les-Bains, Interlaken, 
Bern, Basel and Freibarg L Baden. Der Preis beträgt 385 Mark; Anmeldung 
wie vorher bis zum 1. August. 


In Frankreich ist der Deputiertenkammer ein Gesetzentwarf vorgelegt, 
der die strengere Bestrafung der Fraehtabtrelbung und der Verleitung 
dazu verlangt. Nach einem auf dem III. französischen Aerztekongreß 
(7.—11. April d. J. in Paris) von Dr. Bertillon erstatteten Bericht hat in 
Frankreich die Ausübung des künstlichen Aborts außerordentlich zagenommen; 
die Zahl der kriminellen Aborte soll in Paris über 50000, in Lyon 19000 im 
Jahre betragen. Viele von ihnen werden durch Hebammen verursacht, eine 
beträchtliche Zahl fällt aber auch Aerzten zur Last. Nach längerer Beratung 
beschloß der Kongreß, die Staatsregierung aufzufordern, Schritte zar Unter¬ 
drückung des Uebels za tan. Die Zahl der Hebammen soll beschränkt and eine 
regelmäßige Ueberwachung durchgeführt werden. Jeder Abort, gleichgiltig, 
ob er auf natürliche oder andere Weise eingetroten ist, solle anzeigepflichtig 
sein. Ferner sollen die staatlichen and städtischen Behörden and die Gesell¬ 
schaften für Kinderschatz moralische und pekuniäre Unterstützung den 
schwangeren Frauen gewähren, damit diese nicht vor den Pflichten der Mutter¬ 
schaft zarückschrecken. Kinderreiche Familien sollen entsprechend ihrer 
Kinderzahl Unterstützung aus staatlichen Mitteln erhalten. 


Erkrankungen und Todesfälle an ansteckenden Krankheiten in 
Preussen. Nach dem Ministerialblatt für Medizinal- and medizinische Unter¬ 
richts-Angelegenheiten sind in der Zeit vom 24. bis 80. April 1910 erkrankt 
(gestorben) an:Aussatz, Gelbfieber, Pest, Botz, Cholera,Bück- 
lallfieber: (—),(—); Fleckfieber: —(—), 2(—); Pocken: 6 (—), 2 
(—); Milzbrand: 5 (—), 8 (—); Tollwut: — (—); 2 (—); Bißver¬ 
letzungen durch tollwatverdächtige Tiero: 2(—), 10 (—); Unter¬ 
leibstyphus: 155 (14), 139 (22); Bahr: — (—), 23 (1); Diphtherie: 
1415 (120), 1316 (98); Scharlach: 1326 (67), 1280 (90); Kindbettfieber: 
90 (22), 95 (17); Genickstarre: 9 (5), 11 (5); spinale Kinder¬ 
lähmung: 2(—), 5(—); Körnerkrankheit (erkrankt): 267,406; Tuber¬ 
kulose (gestorben): 826, 712. _ 



424 


Nachruf. 


Robert Koob. f. 

Am 27. tfai d. J. lat der geniale Begründer und Meister der bak¬ 
teriologischen Forschung, BobertKoch, in Baden-Baden, wohin er 
sich zur Erholung von einer kurz vorher überstandenen längeren 
Erkrankung begeben hatte, infolge von Herzlähmung gestorben. Tiefsten 
Schmerz und herzlichste Teilnahme wird allerorten diese erschütternde 
Trauerkunde ausgelöst haben, zumal noch einige Tage vorher die Nach¬ 
richten über sein Befinden günstig lauteten. 

Robert Koch war am 11. Dezember 1843 in Klaustal L H. 
geboren, hat also nicht ganz das Alter von 67 Jahren erreicht. In dem 
jugendlichen Alter von noch nicht 29 Jahren wurde er zum Kreispbysikus 
in Wollstein (Kreis Bomst) ernannt und hat hier durch seine epoche¬ 
machenden Forschungen die Grundlage zu demjenigen Zweig der medi¬ 
zinischen Wissenschaft, der Bakteriologie, getroffen, die dieser 
Wissenschaft und der öffentlichen Gesundheitspflege ganz neue Bahnen 
zur erfolgreichen Bekämpfung der übertragbaren Krankheiten gezeigt 
hat. Mit HUfe äußerst sinnreicher Untersuchungsmethoden hat er uns 
die Erreger zahlreicher Infektionskrankheiten (Milzbrand, Cholera, 
Taberkulose, Typhus, Ruhr, Pest, Malaria, Schlafkrankheit usw.) ihr 
Wesen, ihren Entwicklungsgang, die Art ihrer Verbreitung und vor 
allem die Mittel zu ihrer Vernichtung kennen gelehrt. Unermüdlich 
und zielbewußt, mit beispielloser Tatkraft und Hingabe hat er auf 
diesem Gebiete bis in die letzten Tage seines Lebens weiter gearbeitet; 
fast kein Jahr ist seitdem vergangen, ohne daß er uns mit einer neuen 
bedeutungsvollen Entdeckung überrascht und ein neues Blatt seinem 
Ruhmeskranze eingefügt hat. Weit über die Grenzen seines engeren 
Vaterlandes hinaus, in allen Teilen der alten und neuen Welt war sein 
Name nicht nur als der des größten deutschen Forschers und Arztes, 
sondern auch als der des größten Wohltäters der Menschheit bekannt! 

Große Ehrungen sind dem Verstorbenen in seinem Vaterlande wie 
im Auslande zuteil geworden; in hervorragendem Maße ist dies noch 
auf seiner letzten Forschungsreise geschehen. Fast 40 Jahre hat er im 
Reichs- und preußischen Staatsdienste gestanden und sich hier als Mit¬ 
glied des Reichsgesundheitsamtes und des Reichsgesundheitsrats, sowie 
als Direktor des Hygienischen Instituts und des neu gegründeten In¬ 
stituts für Infektionskrankheiten, sowie als Mitglied des Preußischen 
Staatsrats unvergängliche Verdienste nicht bloß um die Bekämpfung 
der übertragbaren Krankheiten, sondern auch um die Entwicklung des 
ganzen öffentlichen Gesundheitswesens und die Ausbildung der hygieni¬ 
schen Wissenschaft erworben. 

Mit besonderem Stolz und Dank dürfen insbesondere die Medizinal¬ 
beamten zu ihm emporblicken; ist er doch aus ihren Reihen hervor¬ 
gegangen, und ist es doch wesentlich seinem Wirken und seinem Ein¬ 
flüsse zu verdanken, daß den Anforderungen der öffentlichen Gesund¬ 
heitspflege endlich in einer den Fortschritten der hygienischen Wissen¬ 
schaft genügenden Weise Rechnung getragen und demzufolge auch den 
Medizinalbeamten eine diesen Forderungen entsprechende Stellung ein¬ 
geräumt ist. Namentlich gilt dies von den preußischen Medizinal¬ 
beamten, die in ihm gleichzeitig das von ihnen so hochverehrte Ehren¬ 
mitglied ihres Vereins verlieren. 

Ein Bahnbrecher der Wissenschaft, ein Forscher ohne Gleichen ist 
mit Robert Koch aus dem Leben geschieden; sein Verlust wird kaum 
zu ersetzen sein! Mit ehernen Lettern wird für alle Zeiten sein Name 
in der Geschichte der Medizin, insbesondere aber in der Geschichte der 
Bakteriologie, Hygiene und öffentlichen Gesundheitspflege eingeschrieben 
sein t Unvergeßlich wird auch der Dank sein, den ihm die Mit- und Nachwelt 
schuldet! An seiner Bahre trauert mit uns die ganze zivilisierte Welt! 


Redaktion: Geh.Med.-Rat Prot Dr.Rapmund, Reg.- u. Med.-Rat in MindenL W. 

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1210 . 


Zeitschrift 

für 

MEDIZINALBEAMTE. 


ZoRtnlblatt für das gesuita BesunAMtsarasaii, 

für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenwesen. 

Herausgegeben 

von 

Sah. Med.-Bat Prot Dr. OTTO RAPMOND, 

Regierung«* und Medlxhudrat in Minden 1. W, 

Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, Sächsischen, 
Wörttembergischen, Badischen, Mecklenburgischen und Eisass-Lothringischen 

Medizinalbeamtenvereins. 


s 


Verlag von Fischer’s mediz. Bnehhandlg., E Kornfeld, 

BflraoffL Bayer. Hof- n. BnherzogL garmn«r-»nn>ihaniiiT 

Berlin W. 35, Lützowstr. 10. 

Inserate nehmen die Verlagshandlung sowie alle Annoncenexpeditionen des In- 
und Auslandes entgegen. 


Nr. 12. 


Kraekelnt ua ff. nnd M. Jedem Mnati. 


20. Juni. 


Die Cholerafälle im Kreise Heydekrug während 
des Jahres 1909. 

Von Kreisarzt Dr. Deckner in Heydekrug. 

Das Auftreten zahlreicher Erkrankungen an asiatischer 
Cholera in den verschiedensten Gebieten des benachbarten Ru߬ 
land während des Jahres 1908 nnd am Anfang des Jahres 1909 
ließ bei den mannigfachen Beziehungen der Provinz Ostpreußen 
za den westlichen Teilen Rußlands von vornherein die Annahme 
za, daß eine Verschleppung der Seuche nach einzelnen ostpreußi¬ 
schen Grenzbezirken im Laufe des Jahres 1909 stattfinden würde. 

Die örtlichen nnd wirtschaftlichen Verhältnisse 
des Kreises Heydekrug sind für das Eindringen nnd die Ver¬ 
breitung der Cholera ganz besonders geeignet. 

Der Hemelstrom, in Baßland Niemen genannt, dessen Hauptmflndungs- 
arm, der Baßstrom, aal seinem Unterlauf vor seiner Mündung in das Kuriscne 
Haff den Kreis Heydekrug last 30 km weit durchfließt, ist eine beträchtliche 
Strecke in das Innere Rußlands hinein schiffbar; sein Nebenfluß Schtschara ist 
durch den Oginskikanal mit dem Pripet, einem Nebenflaß des Dojeper, ver¬ 
banden, so daß eine direkte Wasserstraße zwischen der Memel und dem sehr 
ausgedehnten Sumpf- und Waldgebiet in der Qegend yon Pinsk, das teils im 
Minsker Gouvernement, teils im Gouvernement Wolhynien liegt, vorhanden ist. 

Der Niemen bezw. die Memel wird in der wärmeren Jahreszeit von 
zahllosen Schiffen und Kähnen aller Art befahren, vor allem abor werden auf 
ihm große Mengen von Holzflößen herangeschafft, die aus dem gesamten Quell- 



Dr. Deckiief. 


426 

gebiet des Niemen und seiner Nebenflüsse, zu einem großen Teil nach nds 
Wolhynien stemmen. 

Die Holzflößer, welche die zahlreichen Triften begleiten, werden gewöhn¬ 
lich in Kowno, zum Teil schon früher, abgelöst and darch Leute ersetzt, die 
aas Kowno and (Jmgegend stammen, wahrend eine Ausnahme allein die Flößer 
bilden, welche aas dem Pinsker Gebiete kommen; sie begleiten die Flöße bis 
sam Ende ihrer Fahrt. Da die Holztriften nur za einem Teil vor and in Tilsit 
abgeliefert werden, mehr als die Hälfte davon aber bis Baß im Kreise Heyde- 
krag weitergeführt wird, so gelangt nach ein großer Teil sämtlicher rassi¬ 
scher Begleitmannschaften nach Baß, wo sie die Flöße verlassen, am nach 
karzem Aufenthalt in Baß oder den in unmittelbarer Nähe liegenden Dörfern 
sich aaf dem Landwege nach dem etwa 10 km entfernten Bahnhöfe Heydekrag 
za begeben and mit der Eisenbahn in ihre rassische Heimat zarückzakehren. 
Die herangeschafften rassischen Flöße werden entweder in Baß verarbeitet 
oder, za längeren Triften vereinigt, onter deutscher Begleitmannschaft, die 
größtenteils In Baß and Umgegend ansässig ist, durch Schleppdampfer nach 
Memel befördert. 

Die Bassen treten also aaf ihrer langen Fahrt gerade im Kreise Heyde¬ 
krag mit der Bevölkerung in die innigste Berührung, and es ist klar, daß so¬ 
mit gerade in diesem Kreise die Gefahr der Einschleppung der Cholera be¬ 
sonders groß ist, da etwaige an Cholera leidende Personen bezw. Bazillen¬ 
träger unter den Flößern bei ihrem mehr oder weniger langen Aufenthalt in 
bezw. bei Baß and ihrer Wandernng nach dem Bahnhof am längsten die 
Gelegenheit haben, ihre Ansteckungsstoffe mit ihren Fäzes zu deponieren und 
za Kontaktinfektionen Anlaß za geben. Mit Bücksicht darauf ferner, daß der 
überwiegende Teil der Bevölkerung von Baß and den benachbarten ebenfalls 
am Ufer des Baß- bezw. Atmathstromes liegenden Dörfern mit Handelten von 
Gehöften keine Braunen besitzt, sondern alles Gebraachswasser dem Flosse 
entnimmt, entsteht nach dann die Gefahr der Infektion, falls Entleerungen 
von Cholerakranken oder Bazillenträgern in das Wasser gelangen. EndSch 
sind die deutschen Flößer, von denen in Baß die Holztriften in Empfang ge¬ 
nommen und nach Memel begleitet werden, in großer Gefahr an Cholera za 
erkranken, sofern etwa die Holztriften von cholerakranken Bossen besetzt 
gewesen and somit mit Choleradejektionen verunreinigt worden sind. 

Im Kreise Heydekrag worden die ersten CholerafAlle am 
17. September amtlich ermittelt, es handelte sich am das Ehepaar 
Adam and Eva Ki. in Pokallna. 

Der Flößer Ki. hatte am 9. und 10. September eine größere Holztrift, 
die in Boß aus mehreren kloinen rassischen Triften zusammengesetzt war und 
an den genannten Tagen von einem Dampfer nach Memel geschleppt wurde, 
mit mehreren anderen Männern zusammen begleitet, sich wenige Standen in 
Memel aafgehalten und war am 11. September abends nach Baß zarückgekehrt. 
Hier besuchte er ein Gasthaus, in dem sowohl deutsche, als aach rassische 
Flößer and Schiffer za verkehren pflegen, nahm reichliche Mengen alkoholischer 
Getränke za sich and begab sich dann nach seiner etwa 6 km entfernt liegenden 
Wohnang in Pokallna. Am nächsten Tage, einem Sonntage, befand er sich 
wohl; am 13. September morgens erkrankte er mit Uebelkeit, Darchfällen and 
Erbrechen, krampfhaften Schmerzen in den Gliedmaßen, namentlich in der 
Wadenmnskolator, and zunehmender Schwäche. Am 15. September vormittags 
trat der Tod ein. An Cholera wurde von keiner Seite gedacht. Als dann am 
16. September früh morgens bei der 45 Jahre alten Ehefrau des Verstorbenen, 
Eva Ki., gleichfalls Durchfall, Erbrechen und Wadenkrämpfe aaf traten, schöpfte 
der herbeigerafene Arzt, Herr Dr. Kittel, den Verdacht, daß es sich am 
Cholera handeln könnte, and erstattete sofort telephonische Anzeige. » 

Bei meiner Ankunft am 17. September fand ich bei der erkrankten Fraa 
ein schweres Krankheitsbüd. Die Gesichtsfarbe war bläolicb, die Bindehäute 
gerötet, die Stimme heiser and matt; die Haut des Körpers war kühl, erhobene 
Falten blieben stehen; die Urinsekretion hatte seit Beginn der Krankheit völlig 
aafgehört, die Stahlentleerangen waren von reiswasserähnlicher Beschaffenheit. 

Da somit dringender Choleraverdacht bestand and nach anzanehmen 
war, daß Adam Ki. an asiatischer Cholera gestorben war, öffnete ich sofort 



Die Cholerafälle im Kreise Heydekrug während des Jabres 1909. 42? 

• 

die Leiche; ich fand die Oberfläche der Därme hellrot, die Blutgefäße inji¬ 
ziert, der Darminhalt bestand ans einer dflnnen, reiswasserähnlichen Flüssig¬ 
keit. Ich entnahm dann drei Dünndarmschlingen nnd sandte sie ebenso wie 
die Darmentleerungen der Frau Ei. in der vorgeschriebenen Verpackung an 
das Hygienische Institut in Königsberg i. Pr., das mir am folgenden Tage, 
dem 18. September, mittags die telegraphische Nachricht übermittelte, daß bei 
beiden Personen Choleravibrionen gefunden wären. 

Die bereits am 17. September angeordneten Absperrung^- nnd 
Desinfektionsmaßnahmen wurdeü nunmehr aufrecht erhalten nnd 
mit der größten Strenge kontrolliert. Die erkrankte Fran blieb 
zunächst in ihrer Wohnung isoliert; zu ihrer Pflege und Wartung 
wurde eine Diakonisse bestellt, die in einem leeren Zimmer des¬ 
selben Hauses einquartiert wurde. Die Insassen der beiden 
anderen im Hause noch befindlichen Wohnungen wurden unter 
Zuhilfenahme von Gendarmen einer strengen Beobachtung unter¬ 
zogen, ihre Ausleerungen ebenso wie die aller derjenigen Per¬ 
sonen, welche während der letzten Tage die Ei.sche Wohnung 
betreten hatten, und somit ansteckungsverdächtig waren, mehr¬ 
mals einer bakteriologischen Untersuchung unterworfen. Hierbei 
stellte es sich heraus, daß nur die 53 Jahre alte Dorothea Kl. aus 
Pokallna, die sich mehrfach in der Ki.schen Wohnung während 
der Krankheit des Mannes aufgehalten hatte, mit Choleravibrionen 
behaftet war. Schwere Krankheitszeichen traten bei ihr jedoch 
überhaupt nicht auf, sie litt nur wenige Tage an einem leichten 
Durchfall und fühlte sich andauernd wohl; die Entnahme der Stuhl¬ 
probe, in der Cholerabazillen nachgewiesen wurden, erfolgte am 
20. September; vom 24. September ab wurden bei ihr keine Vi¬ 
brionen mehr gefunden, sie wurde daher entlassen, nachdem ihr 
Wohnhaus mit sämtlichem Inhalt einer Desinfektion unterzogen war. 
Sihr interessant gestaltete sich der Krankheitsverlauf bei Frau Ki. 

Bereits am 17. September hörten Wadenkrämpfe and Erbrechen auf, die 
Stuhlentleerungen erfolgten seltener; sie waren zwar noch dünn, ihre Farbe 
jedoch brännlichgelb. Ob das in großen Dosen verabreichte Calomel hierzu 
beigetragen hat, mag dahingestellt bleiben. Trotz dieser allgemeinen Besse¬ 
rung und subjektiven Wohlbefindens bestand die völlige Anurie fort, die erst 
am 9. Krankheitstage wich, nachdem mehrere Tage lang größere Mengen von 
Kochsalzlösung (0,9°/ 0 ) in den Darm eingegossen waren; der entleerte Urin 
zeigte sich eiweißhaltig. Unter weiter fortgesetzten Kochsalzeingießungea 
btieb nunmehr reichliche Urinsekretion bestehen, die Stühle wurden konsistent, 
der Appetit wurde rege; etwa nach zehntägigem Krankenlager verließ sie das 
Bett; die regelmäßigen bakteriologischen Untersuchungen ihrer Fäzes ergaben 
jedoch stets reichliche Mengen von Choleravibrionen. Am 29. Oktober zeigte 
eich die eingesandte Stahlprobe zum ersten Male bazillenfrei, von da ab 
wurden jedoch wieder Vibrionen in größerer Anzahl nach gewiesen; als dann 
Mitte November drei Untersuchungen nacheinander negativ verlaufen waren, 
no daß die Entlassung der Frau hätte erfolgen sollen, entschloß ich mich mit 
Bücksicht auf die lange Dauer der Vibrionenausscheidung vorher noch eine 
vierte Untersuchung vornehmen zu lassen, und merkwürdigerweise wurden 
dann in dem am 23. November entnommenen und eingesandten Stuhl nochmals 
Cholerabakterien im Hygienischen Institut nachgewiesen; erst von jetzt ab 
zeigten sich ihre Entleerungen, von denen Proben am 28., 80. November und 
am 2., 3. und 4. Dezember zur Untersuchung eingesandt wurden, andauernd 
bazillenfrei. 

Die Absonderung der Frau Ki. ist nur in der ersten Zeit in ihrer 
Wohnung erfolgt; als sio nach völliger Genesung noch weiterhin Bazillen aus¬ 
schied, wurde sie am 16. Oktober in ein ebenfalls in Pokallna befindliches, bis 
dahin unbewohntes größeres Wohnhaus überführt, das nunmehr als Cholera- 



498 


Dr. Deckner. 


lazarett eingerichtet wurde, und in dem außer Freu KL die beiden bereits 
anwesenden Diakonissen untergebracht wurden. Das KLsche Wohnhaus wurde 
sorgfältigst desinfiziert, die Kleider, Wäschestücke und sonstigen geeigneten 
Gegenstände in dem auf dem Hofe aufgestellten Budenbergschen Apparat 
einer Dampfdesinfektion unterworfen. 

Im Laufe des Oktobers bildeten sich dann unabhängig von 
den Pokallnaer Fällen zwei neue Choleraherde im Kreise fleyde- 
krug, und zwar in den Ortschaften Skirwieteil und Bismarck, die 
beide in unmittelbarster Nähe von Buß und unweit des Stromes 
liegen. Betreffs des Choleraherdes in Skirwietell ist folgendes 
mitzuteilen: 

Am 19. Oktober früh morgens erkrankte das 11 Jahre alte Schulkind 
Amanda Schu. in Skirwietell nach völligem Wohlbefinden am vorhergehenden 
Tage plötzlich mit starkem Erbrechen. Da sich schnell große Schwäche ein* 
stellte, rief die Mutter den Arzt herbei, der bei dem schlechten Allgemein* 
zustand des Kindes und dor Plötzlichkeit der Erkrankung an Cholera dachte, 
obwohl Durchfall und Gliederschmerzen, insbesondere Wadenkrämpfe völlig 
fehlten, und mich sogleich telephonisch benachrichtigte; gleichzeitig sandte 
der Arzt (Herr Dr. Kittel aus Buß), da keine Darmentleerungen erfolgten, 
einen Teil des Erbrochenen zur bakteriologischen Untersuchung an das Hygieni¬ 
sche Institut in Königsberg. Ich begab mich am Vormittag an Ort und Stelle 
und fand, daß das Kind sich etwas erholt hatte; allerdings war der Puls noch 
dünn, das Gesicht war etwas eingefallen, die Lippen blaßbläulich, erhobene 
Hautstellen an den Beinen und Armen blieben stehen, jedoch klagte das Kind 
über keinerlei Schmerzen; das Erbrechen hatte aufgehOrt, Stuhl war nach wie 
vor nicht erfolgt. Ich glaubte, die Diagnose „Cholera“ fallen lassen zu können, 
ordnete jedoch bis zur Erledigung der bakteriologischen Untersuchung Ab¬ 
sonderung, unter Kontrolle eines Gendarmen, und Desinfektion an, bis dann 
am 21. Oktober die telegraphische Mitteilung einlief, daß im Erbrochenen 
Cholerabazillen gefunden wären. Nunmehr wurde sofort die Ueberführung des 
kranken Kindes nach dem Choleralazarett in Pokallna angeordnet, woselbst die 
noch immer Bazillen ausscheidende Frau Eva KL sich aufhielt, und zwar ge¬ 
schah der Transport des Kindes nach dem 4 km entfernten Pokallna auf dem 
Wasserwege, da sowohl das Schwache Wohnhaus, als auch das Choleralazarett 
in nächster Nähe des Pokallnaflusses liegen. Die Ueberführung geschah mit 
Anwendung der sorgfältigsten Vorsichtsmaßregeln und unter Begleitung eines 
Gendarmen; die Mutter, Frau Emma Schu., die Großmutter, Frau Johanne Wo., 
und drei Geschwister der Kranken, die 10, 7 und 6 Jahre alten Kinder Emma, 
Martha und Lydia Schu., sämtlich Wohnungsgenossen, wurden gleichfalls nach 
Pokallna geschafft und dort abgesondert von der kranken Amanda untergebracht. 

Während der nächsten Tage stellten sich bei dem Kinde A. Sch. heftige 
Durchfälle ein, die Genesung erfolgte in etwa 5—6 Tagen; es erkrankten auch 
sämtliche übrigen abgesonderten Personen mit Ausnahme der 6 Jahre alten 
Martha an Cholera, und zwar handelte es sich um leichte Choleradiarrhoe, die 
nur bei Lydia Schu. und der 77 Jahre alten Frau Wo. einige Tage Bettruhe 
erforderte, jedoch recht schnell wieder schwand. Choleravibiionen zeigten sich 
bei allen vieren bereits in den am 22. Oktober, dem Tage der Ueberführung, 
entnommenen Stuhlentlehrungen und wurden bei Frau Wo. schon am 26. 10. 
und auch weiterhin nicht mehr gefunden, während sie von Lydia Schu. bis 
zum 31. Oktober, von Amanda Schu. bis zum 2. November, von Frau Schu. 
und Emma Schu. bis zum 11. November ausgeschieden wurden. Nach drei- 
bezw. viermaligem negativen Ausfall der Untersuchung erfolgte die Entlassung. 

In dem von Familie Schu. bewohnten Hause befinden sich noch drei 
Wohnungen, deren Insassen mit jenen in nahe Berührung gekommen waren. 
Da sie somit sämtlich als ansteckungsverdächtig gelten mußten, wurden sie 
in ihren Wohnungen abgesondert und ihre Ausleerungen bakteriologisch 
untersucht; auf diese Weise wurde festgestellt, daß die 82 Jahre alte Witwe 
Eva Scbl. und dor 85 jährige Arbeiter Michel Wa. sowie dessen 88 Jahre 
alte Ehefrau Else Wa., welche mit Frau S. zusammen wohnten, mit Cholera- 
bazillen behaftet waren; alle drei wurden ebenfalls nach dem Choleralazarett 
In Pokallna überführt. Während die Eheleute Wa. vBUig frei von Krankheits- 



Die Cholerafälle im Kreise Heydekrng während des Jahres 1909. 439 

seichen blieben und somit nur als Bazillenträger sa betrachten waren, zeigten 
sich bei Frau Etz Schl, die Symptome einer ausgesprochenen Cholera von 
mittleren Schwere, die etwa 2 Wochen anhielten. Dann trat Besserung ein 
die BasiUenaosscheidang hörte am 11. November auf. Am 27. November starb 
die schwache and hinfällige Fraa plötzlich an Herzlähmang. Bei dem Ehepaar 
Wa. wurden vom 9. November ab Choleraerreger nicht mehr nachgewiesen. 
Nach dreimaligem negativem Ausfall erfolgte ihre Entlassung. 

Bezüglich der Frau Eva Schl, ist noch zu erwähnen, daß sie nach dem 
Ergebnis der nach ihrer Ueberftthrung vorgenommenen Ermittlungen als erste 
im Bause an Cholera erkrankt war; als Amanda Schu. am Sonntag, den 
17. Oktober in ihre Stube trat, um einen Gegenstand zu holen, lag sie bereits 
schwer darnieder und litt, wie das Kind erst später aussagte, an Erbrechen 
und Durchfall; nach Ablauf von fast zweimal vierundzwanzig Standen 
erkrankte das Kind, von dem dann wiederum die übrigen Mitglieder der 
Familie Schu. den Insektionsstoff aufgenommen haben. 

Der dritte Choleraherd des Kreises Heydekrng, der sich 
in Bismark befand, wurde gelegentlich eines mit ihm zusammen¬ 
hängenden Choleratodesfalles am Bahnhofe in Heydekrng ermittelt. 

Am Dienstag, den 26. Oktober morgens um 5*/« Uhr erhielt ich die 
telephonische Nachricht, daß im Bahnhofsgebäude ein Mann an Cholera 
erkrankt Bei. Als ich um 6 Uhr an Ort und Stelle eintraf, wurde mir 
mitgeteilt, daß ein unbekannter Mann nachts anscheinend betranken längere 
Zeit in dem Bahnhofsraum, in dem sich die Zugänge zu den Wartesälen und 
der Billetverkaufs8chalter befinden, gelegen, dort reichlich erbrochen hätte 
und dann gegen Morgen nach dem Abort getaumelt wäre, wo er laut gestöhnt 
und geklagt nabe. Als ich mich nach dem Abortraum begab, fand ich dort 
einen Mann, der mit zurückgeschlagenen Beinkleidern, starren, offenen Augen 
und verzerrten Gesichtszügen tot auf dem Abortsitz lehnte. Da die Umstände 
des Falles den dringenden Verdacht auf Cholera erregten, ließ ich sofort den 
Bahnhof sperren und sämtliche Bäume, namentlich die erwähnte Vorhalle, in 
der noch das Erbrochene lagerte, mit reichlichen Mengen Sublimatlösung einer 
äußerst sorgfältigen .Desinfektion unterziehen; selbst die Mauern des Gebäudes 
und ebenso das um das Gebäude laufende Pflaster, das der Mann betreten 
haben konnte, wurden mit Sublimatlösung gescheuert. Als dann um 7,20 Uhr 
früh der nächste Zug mit einer sehr großen Anzahl von Passagieren einlief, 
die den außerordentlich stark beschickten Wochenmarkt besuchen wollten, 
waren die Schutzmaßnahmen ausgeführt, somit jede Gefahr für das Publikum 
beseitigt. Nunmehr ließ ich die Leiche in einen herbeigeschafften Sarg legen 
und nahm die Sektion vor, die einen stark geröteten und mit reichlichen 
Mengen einer reiswasserähnlichen Flüssigkeit gefüllten Darm ergab. Die 
vorgeschriebenen drei Darmscblingen wurden entnommen und an das 
Bygienische Institut gesandt. Die Leiche wurde nach den bei ihr vor* 
gefundenen Papieren als die des 45 Jahre alten Arbeiters Bichard Pa. aus 
Tilsit rekognosziert; ein gleichfalls vorhandener Ausweis gab an, daß er nach 
Abbüßung einer sechswöchigen Freiheitsstrafe am 23. Oktober morgens aus 
dem Amtsgerichtsgefängnis in Beydekrug entlassen war. 

Es erfolgte darauf unter den größten Vorsichtsmaßnahmen die Ein* 
sargung der Leiche und am Nachmittage bereits die Beerdigung. 

Am 27. Oktober vormittags erhielt ich dann die telegraphische Nachricht, 
daß es sich bei Pa. um Cholera handelte. 

Da im Amtsgerichtsgefängnis keine choleraverdächtigen Erkrankungen 
vorgekommen, auch in der letzten Zeit keine russischen Ueberläufer oder 
sonstige verdächtige Personen eingeliefert waren, mußte von vornherein 
angenommen werden, daß Pa. erst nach seiner Entlassung aus dem Gefängnisse 
die Cholerakeime akquiriert hatte. 

Im Laufe des 27. Oktober wurde festgestellt, daß er am Sonnabend, den 
23. Oktober in Beydekrug verschiedene Lokale besucht und am Sonntag 
mittag sich nach der Kolonie Bismarck aufgemacht hatte, wo er am frühen 
Nachmittage eingetroffen war. Sein Gang galt einer Familie Schi, in der Müller* 
strasse, die nahe der Grenze des Dorfes Jodekrant, etwa 700 m vom Ufer des 
Atmathstromes wohnt und aus dem Pächter SchL, dessen Ehefrau Anna Schi. 



480 


Dr. Deckner. 


and deren swei Schwestern, Witwe Marie Bs. and der unverehelichteu 
Katharine Ma. besteht; ferner wohnt in dem Hanse der Uhrmacher Julias Be. 
Bei Katharine Ma. hatte Bichard Fa. sich vom Sonntag nachmittags bis 
Montag morgens aafgehalten and war dann, nachdem er noch in einem anweit 
gelegenen Gastbaas in Athmath gekneipt hatte, nach Heydekrug gegangen, 
am mit dem Zage abends nach Tilsit za fahren, eine Absicht, die der Aus¬ 
bruch der tätlichen Krankheit vereitelte. 

Da nach dieser Feststellung der Verdacht bestand, daß Pa. sich in der 
Familie Schi, den Cholerakeim geholt hatte, worden in dieser Hinsicht Nach¬ 
forschungen angestellt and ermittelt, daß etwa am 15. Oktober die genannte 
Katharine Ma. nnter höchst choler»verdächtigen Erscheinungen erkrankt war. 
Es wurde von ihr eine Stahlprobe entnommen and in dieser tatsächlich Cholera- 
Vibrionen nachgewiesen. Die Infektionsquelle des Cholerafalles Bichard Pa. 
war somit einwandsfrei festgestellt. 

Nachdem die ganze Familie einschließlich des Jalias Be. zunächst in 
ihrem Hanse abgesondert und aafs strengste bewacht war, erfolgte dann ihre 
Ueberftthrong nach dem Choleralazarett in Pokallna, wo die Katharine Ma. in 
einem besonderen Zimmer, die anderen Personen in einer inzwischen anf dem 
Hofe aafgestellten DOcker sehen Baracke ontergebracht wurden. Bei ersterer 
worden weiterhin keine Cholerabazillen mehr naebgewiesen, dagegen am 
9. November bei Jalias Be. and am 11. November bei Marie Ba.; in den 
nächsten Tagen fielen jedoch auch bei diesen, die völlig frei von Krankheits¬ 
zeichen blieben und somit nar als Baziellenträger anzuaehen waren, sämtliche 
Stohlontersachongen negativ aas, sodaß bald ihre Entlassung erfolgte, nachdem 
ihre Kleider and aas ganze Haus in Bismarck der vorgeBchriebenen Desinfektion 
unterzogen war. Bei der gleichfalls isolierten Frau Anna Schi, warde durch 
positiven Aasfall des Widalsehen Versuchs festgestellt, daß sie Cholera 
ttberstanden hatte, während Cholerabakterien bei einer Beihe von Unter- 
sachnngen nicht aafgefanden worden. Bei ihrem Ehemann Jurgis Schi, ver¬ 
liefen sowohl die Stahl-, wie die Blatantersachangen negativ. Aach die Ent¬ 
lassung dieser beiden Personen konnte somit bald erfolgen. Da die letzten 
Untersuchungen der noch immer abgesonderten Daueraosscheiderin Eva KL 
ebenfalls negativ aasfielen and ebenso auch bei dem Pflegepersonal bei 
mehreren Untersuchungen keine Vibrionen gefunden waren, neue Cholerafälle 
ebenfalls nicht mehr auftraten, warde das Lazarett am’.6. Dezember aufgelöst; 
die Cholera war somit im Kreise Heydekrog als erloschen anzasehen. 

Bei den 16 Choleraerkrankungen im Kreise ist eine Reihe 
von interessanten Beobachtungen gemacht worden. 

Zunächst ist auffällig, daß die Sterblichkeit gering war; 
sie beträgt nur 12,5 °/o, da von 16 Personen nur 2 an der Cholera 
starben. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, daß es sich 
bei den 16 Fällen nur um 7 wirklich ausgesprochene Choleraerkran¬ 
kungen handelte, während 4 Personen Bazillenträger und waren die 
5 übrigen nur an leichter Choleradiarrhoe gelitten hatten. Für 
die 7 mehr oder weniger schweren Erkrankungen würde sich aber 
trotzdem nur eine Mortalität von 28,6 °/o ergeben. 

Von den 16 Personen waren 4 Männer und 12 Frauen bezw. 
Mädchen, die Sterblichkeit der ersteren war 50°/o mit Einschluß 
der beiden Bazillenträger, ohne letztere 100 °/o, während sie bei 
den weiblichen Kranken = 0 war. Inwieweit dieses ungleiche 
Verhältnis der Morbiditäts- und Mortalitätsziffern bei den beiden 
Geschlechtern mit der Schwere der Infektion, äußeren Lebens¬ 
verhältnissen, körperlicher Widerstandsfähigkeit oder äußerlichen 
Zufälligkeiten zusammenhängt, läßt sich nicht mit Sicherheit 
entscheiden. 

Von den 7 mehr oder weniger schweren Choleraffillen 
waren bei 5 die typischen Krankheitserscheinungen, nämlich 



Die Cholerafälle im Kreise Heydekrug während des Jahres 1909. 481 

Durchfall, Erbrechen, Wadenkrämpfe nnd Kräfteverfall zu beob¬ 
achten, während von den beiden anderen Erkrankungen die eine 
sich als Cholera sicca, die andere sich als eine ganz aknt ver¬ 
laufende, in wenigen Standen znm Tode führende Cholera gravis 
darstellte. 

Bei den 5 Leichtkranken stellten sich nur mehr oder weniger 
starke Durchfälle ein, die in der Regel nach einigen Tagen 
schwanden. Die 4 als Bazillenträger festgestellten Personen, zwei 
Männer und zwei Frauen, schieden nur Choleravibrionen aus nnd 
blieben völlig gesund. 

In Bezug auf die bakteriologischen Untersuchnngs - 
ergebnisse am bemerkenswertesten war der Fall der Eva Ki. 
in Pokallna. Da die Frau am 16. September erkrankte und zum 
letzten Male noch am 23. November in ihren Fäzes Cholera¬ 
vibrionen bakteriologisch nachgewiesen wurden, hat bei Frau Ki. 
eine Dauerausscheidung während eines Zeitraumes von 
69 Tagen Vorgelegen, wie sie bisher bei asiatischer Cholera noch 
nicht beobachtet wurde. In dem Falle, welchen Pfeiffer 1 ) mit¬ 
teilt, sind Cholerabazillen bis zum 49. Tage nach Beginn der 
Erkrankung gefunden; bei Frau Ki. ist diese bis dahin als äußerste 
Grenze geltende Zahl somit um 20 Tage überschritten worden. 
Auch der in Nr. 20 der „Zeitschrift für Medizinalbeamte 11 vom 
Jahre 1909 erwähnte Petersburger Fall (S. 765) bleibt mit einer 
Dauerausscheidung innerhalb eines Zeitraumes von 56 Tagen noch 
erheblich hinter dem Pokallnaer Falle zurück. 

Die Bazillenausscheidung der übrigen Kranken hat ebenfalls 
zum Teil überraschend lange gedauert. Während Pfeiffer 1 ) 
angibt, daß Rumpel den Choleravibrio bei 117 typischen Fällen 
niemals mehr nach dem 24. Tage, bei leichteren Erkrankungen 
und bei Bazillenträgern spätestens zwischen dem 18. und 20. Tage 
nachweisen konnte, fanden sich bei den in Pokallna isolierten 
mittelschwer- und leichtkranken Personen die Vibrionen einmal 
25 Tage, zweimal 21 Tage, zweimal 15 Tage, einmal 10 Tage 
nach Beginn der Erkrankung; nur bei einer Leichtkranken und 
den vier Bazillenträgern ließen die Choleraerreger sich ausschlie߬ 
lich bei einer einzigen bakteriologischen Untersuchung nachweisen, 
während sie später nicht mehr auftraten. 

Zu erwähnen ist hier, daß bei den Cholerarekonvaleszenten 
nicht dauernd Bazillen gefunden wurden, sondern mehrmals zwei, 
einmal sogar drei negative Untersuchungen vorkamen, ehe wieder 
Vibrionen nachgewiesen wurden. 

Um festzustellen, in welchen Beziehungen die Schwere des 
Falles zu dem Auftreten der Agglutinine steht und in welchem 
Zeitpunkte der Rekonvaleszenz die Agglutinierbarkeit des 
Blutes verloren geht, wurden von einem Teil der Kranken und 
Bazillenträger mehrmals Blutproben entnommen und an das 
Hygienische Institut in Königsberg sowie an das Institut für 
Infektionskrankheiten in Berlin eingesandt. Hierbei stellte es 


*) Eich. Pfeiffer: „Verbreitung der Cholera durch sogenannte Dauer¬ 
ausscheider und Bazillenträger." Klinisches Jahrbuch; XIX. Bd. 



482 


Or. Deckner. 


sich heraus, daß bei der Dauerausscheidern Eva Ei. das Blut, 
welches am 24. November — also einen Tag nach der Entleerung 
des zum letzten Mal Vibrionen beherbergenden Stuhles — ent¬ 
nommen wurde, in einer Verdünnung von 1:160, am 29. November 
1:40 und am 6. Dezember 1:20 agglutinierte. 

In einem schweren Falle zeigte sich der Widalsche Versuch 
22 Tage nach dem letzten Bazillennachweis negativ, ebenso bei 
einem mittelschweren Cholerafalle 13 Tage nach dem letzten 
Bazillenfunde. In der Verdünnung 1:20 positiv verlief der Ver¬ 
such 13 Tage nach der letzten Bazillenausscheidung bei zwei 
leichten Choleraerkrankungen, negativ ferner bei einem leichten 
Falle, der zum letzten Male 25 Tage vorher positiven Stuhlbefund 
geliefert hatte. Außerdem ist zu erwähnen, daß bei einer Frau, 
die zwei Wochen vorher Cholera durchgemacht hatte, am Tage, 
als die Fäzes noch laut bakteriologischer Untersuchung zum letzten 
Male Vibrionen enthielten, das entnommene Blut nicht agglutinierte; 
ferner, daß bei einer anderen Frau, die in den ersten Tagen des 
Oktober schwer an Cholera erkrankte, am 12. November ein 
Agglutinationswert von 1:640 beobachtet wurde. 

Weiter ist noch hervorzuheben, daß eine Bazillenträgerin, 
bei der nur am 11. November Vibrionen nachgewiesen wurden, 
am 24. November einen negativen, am 3. Dezember einen positiven 
Widal 1:20 aufwies. 

Wenn auch die Zahl der Blutuntersuchungen gering ist und 
leider nur ein Teil der Kranken und Rekonvaleszenten eine Blut¬ 
entnahme zuließ, so läßt sich doch schon nach dem Resultat der 
wenigen Versuche sagen, daß die Agglutinationswerte der Blutsera 
von den Cholerakranken und Bazillenträgern recht verschieden¬ 
artig waren, was für die Choleradiagnostik und namentlich die 
Beurteilung abgelaufener Choleraverdachtsfälle von großer Wichtig¬ 
keit ist. 

Schließlich ist noch zu erwähnen, daß in den Blutseris einer 
Schwerkranken, einer Leichtkranken und einer Bazillenträgerin 
bei den im Institut für Infektionskrankheiten angestellten Unter¬ 
suchungen Antitoxine nicht gefunden wurden. 

Die Dauer der Bazillenausscheidung und die Ergebnisse 
der Widal sehen Versuche habe ich unter Angabe der Daten, in 
denen die Blutproben entnommen wurden, in der beigeiügten 
Tabelle nach der zeitlichen Folge der Erkrankungen bezw. der 
amtlichen Feststellung aufgeführt. 

Was die Entstehung der Choleraerkrankungen 
betrifft, so führe ich sie sämtlich auf Eontaktinfektion zurück. 
Ich erwähnte bereits am Anfänge dieser Ausführungen, daß 
russische Flößer in großer Anzahl bis Ruß gelangen. Es ist nun 
nachgewiesen, daß etwa vier Wochen vor Erkrankung des Ei. 
in Pokallna ein Teil des Flosses, welches er nach Memel geleitete, 
von Russen bis zu einer Anlegestelle in Ruß herangetreidelt 
wurde, ferner hat der zuständige Holzwächter ungefähr um die¬ 
selbe Zeit auf einem der Flösse einen kranken Russen bemerkt, 
der von seinen Landsleuten gestützt und an Land geschafft wurde. 



Di« Cholerafälle im Kreise Heydekrug während des Jahres 1909. 433 


Es ist sehr wahrscheinlich, dass es sich am einen Cholerakranken 
gehandelt hat, der seine Ausleerungen auf dem Floss deponierte 
und somit zur Infektion des später auf diesem Floss beschäftigten 
Adam Ei. Anlass gegeben hat. 

Die Hauptlagerstelle der von Bussen transportierten Hölzer 
befindet sich an einer Stelle des Bußstromufers, die etwa 700 m 
von dem früher erwähnten Schi.'schen Gehöfte der Kolonie Bismarck 
entfernt liegt. Es ist bei den Bewohnern der benachbarten Höfe 
eine allgemein bekannte Tatsache, dass weibliche Mitglieder der 
Familie Schi, sich der Prostitution ergeben und häufig russische 
Flösser vom Stromufer aufgesucht und mit in ihre Wohnung 
gebracht haben; so kann man wohl nicht zweifeln, dass die 
Choleraerkrankungen in Bismarck durch direkte Uebertragung des 
Erankheitsstoffes von einem mit Vibrionen behafteten Bussen 
verursacht sind. 

Bezüglich der Erkrankungen in Skirwietell ist die Infektions¬ 
quelle nicht so einfach festzustellen. Anfangs galt dort die 
Erkrankung der Schfilerin Amanda Schu. für die erste, später 
stellte es sich aber heraus, dass die 82 Jahre alte Witwe Eva Schl, 
einige Tage vor jener erkrankt war. Das von beiden bewohnte 
Haus liegt vom Bassstromufer nur etwa 250 m entfernt und ist 
unmittelbar benachbart einem Holzplatz, auf dem russische Stämme 
aufge8tapelt werden. Dass sämtliche Einwohner des Cholerahauses 
in Skirwietell sich auf diesem Holzplatz zu schaffen gemacht 
haben, haben sie selbst zugegeben. Man muss annehmen, dass 
die genannte alte Frau vielleicht beim Sammeln von Holzabfällen 
in irgendeiner nicht näher feststellbaren Weise mit Infektions¬ 
keimen, die vielleicht auf den Stämmen gelagert haben, in Be¬ 
rührung gekommen ist. 

Eine andere Erklärung für die Choleraerkrankungen gäbe 
die Annahme der Wasserinfektion; dieser Modus erscheint mir 
jedoch als Ursache für die beschriebenen Fälle sehr unwahr¬ 
scheinlich. 

Nach Bobert Koch und Kirchner 1 ) hat man sich die 
Infektion eines Wasserlaufes nicht so vorzustellen, daß das ganze 
Wasser bis in seine kleinsten Mengen mit Choleravibrionen durch¬ 
setzt ist, vielmehr muss man annehmen, daß nur diejenigen 
Wassermengen Vibrionen enthalten, die unmittelbar ein Floss 
oder einen Kahn bespülen, von welchem Choleraentleerungen in 
das Wasser geworfen werden. Im Wasser gehen die Vibrionen, 
nachdem die Fäzes bald auseinandergespült sind, schnell zu 
Grande, sodass im allgemeinen nur diejenigen Personen in Gefahr 
sind, von dem aus dem Strom geschöpften Wasser Cholera zu 
akquirieren, welche zufällerweise das Wasser in der Nähe eines 
Choleradejektionen über Bord werfenden Fahrzeuges geschöpft 


*) Band 17 dee Klinischen Jahrbaches (26 Abhandlangen betreffend die 
Cholera im Jahre 1905). 

H. Kirchner: Die Verbreitung übertragbarer Krankheiten darch soge¬ 
nannte „Dauerausscheider“ and „Bazillenträger“. Bl. 19 des Klinischen 
Jahrbachs. 



434 


Dr. Deckner. 


und getrunken haben. Dieses Risiko wird um so größer sein, je 
mehr Fahrzeuge mit Cholerakranken einen Strom hinabschwimmen, 
während die von Zeit zu Zeit in den Strom gelangenden Ent¬ 
leerungen eines oder mehrerer Leichtkranken oder noch Vibrionen 
beherbergenden Rekonvaleszenten eine Wassermasse wie die des 
Memelstromes kaum werden infektiös machen können. Da Cholera¬ 
fälle auf dem Memelstrom bezw. in seinen Ufergebieten auf 
preussischem Gebiet vor den Pokallnaer Fällen nicht vorgekommen 
sind, muss man annehmen, dass sich unter den nach Russ ge¬ 
langten russischen Flössern vielleicht nur einer, vielleicht auch 
mehrere mit Cholerabazillen behaftete Personen befunden haben, 
die entweder durch direkte Berührung oder indirekte Ueber- 
tragung der Keime unter Vermittlung von verunreinigtem Holz, 
der auf dem Floss befindlichen Strohhfitte oder sonstigen Gegen¬ 
stände zur Verbreitung der Seuche in Russ und Umgegend Anlass 
gegeben haben. 

Daß auch Keime von einem derartigen Bazillenträger auf 
der Fahrt ins Stromwasser gelangt sein werden, ist wohl sicher, 
jedoch dürften sie in der fließenden Wassermasse es kaum zu 
einer Gefährlichkeit für die das Wasser benutzende Bevölkerung 
gebracht haben; andernfalls hätte die Zahl der Cholerafälle doch 
eine weit größere sein müssen. 

Daß ferner der Memelstrom schon auf russischem Gebiet 
verseucht gewesen sein und die Choleravibrionen sich auf der 
Wanderung bis in die Gegend von Ruß im Wasser lebend erhalten 
haben sollten, um beim Wasserschöpfen aufgefangen zu werden, 
ist aus den vorher angedeuteten Gründen noch unwahrscheinlicher; 
in diesem Falle hätte es zahlreiche Cholerafälle weit oberhalb 
Russ, in den Kreisen Ragnit und Tilsit geben müssen, was jedoch 
nicht der Fall gewesen ist. 

Die 16 Choleraerkrankungen im Heydekrug haben uns auch 
in sanitätspolizeilicher Hinsicht manches gelehrt. 

Zunächst muß es stets eine der Hauptaufgaben jeder 
Cholerabekämpfung sein und bleiben, daß jeder wirkliche Cholera¬ 
fall, mag es sich nun um einen Schwerkranken, Leichtkranken 
oder nur Bazillenträger handeln, so schnell als möglich als solcher 
bakteriologisch festgestellt wird, damit er sogleich mit den vom 
Reichsseuchengesetz und der Anweisung des Bundesrats zur Be¬ 
kämpfung der Cholera in die Hand gegebenen Waffen unschädlich 
gemacht werden kann. Um dies zu erreichen, ist in erster Linie 
eine gewissenhafte Erfüllung der Anzeigepflicht notwendig. 
Soweit Aerzte in Frage kamen, ist sie im allgemeinen richtig 
gehandhabt worden; aber auch von seiten des Laienpublikums ist 
in dieser Hinsicht mit Eifer vorgegangen worden; gerade an der 
am meisten gefährdeten Stelle, am Bahnhofe in Heydekrug, wurde 
die schnelle Anordnung der notwendigen und auch wirksamen 
Maßnahmen nur dadurch ermöglicht, daß die Anzeige des Cholera¬ 
falles durch einen Bediensteten der Eisenbahnverwaltung ent¬ 
sprechend der erteilten Belehrung frühzeitig erstattet wurde. 

In jedem Verdachtsfalle wurde eine bakteriologische 




wird um eo größer sein, je 
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rankes oder fioei Vibriouea 
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uöter den mit um ge- 
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ig oder indirekte Ueber* 
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436 Dr. Deckner: Die Cholerafälle im Kreise Heydekrug während des Jahres 1909. 


Feststellung vorgenommen; zu diesem Zwecke wurden nicht 
nur die Ausleerungen von wirklich Kranken, sondern auch die 
sämtlichen anscheinend gesunden Personen ihrer Umgebung mehr¬ 
mals untersucht. Dieses Verfahren war zwar sehr mühsam und 
führte zeitweilig zu einer erheblichen Belastung des Hygienischen 
Instituts in Königsberg, erwies sich aber als sehr wirksam, da 
auf diese Weise die mit den Cholerakeimen behafteten Personen 
festgestellt wurden, die zum Teil einige Tage später wirklich an 
Cholera erkrankten, zum Teil sich aber als Bazillenträger erwiesen. 
Welche Bolle diese letzteren Personen bei der Verbreitung der 
Cholera spielen, ist bei jeder Choleraepidemie der letzten Jahre 
immer wieder hervorgehoben worden. Auch die vier im Kreise 
Heydekrug beobachteten Bazillenträger hätten gefährlich werden 
können, wenn sie nicht schnell isoliert worden wären. Besonders 
verhängnisvoll hätte der in Bismarck wohnende Bazillenträger 
Julius Be. werden können, da er der einzige Uhrmacher in der 
dortigen Gegend ist und bei seiner ausgedehnten Kundschaft in 
Ruß leicht eine Reihe von Kontaktinfektionen hätte bewirken 
können. 

Die von Kirchner in seinem Vortrage in der 23. Haupt¬ 
versammlung des Preußischen Medizinalbeamtenvereins geäußerte 
Ansicht, 1 ) daß die Bazillenträger von prognostischer Bedeutung 
sind, daß bei ihrem Erscheinen das Ende der Epidemie zu 
erwarten steht, wird durch die Beobachtungen im Kreise Heyde¬ 
krug, soweit die geringe Anzahl der Cholerafälle hier überhaupt 
ein Urteil zuläßt, bestätigt. In Skirwietell sehen wir zuerst 
mehrere schwere Erkrankungen, dann leichtere Fälle, dann 2 
Bazillenträger; ebenso in Bismarck anfangs schwere Fälle, zum 
Schlüsse zwei Bazillenträger; weitere Erkrankungen erfolgen 
nicht. 

Daß die Bestimmungen der Anweisung des Bundesrats zur 
Bekämpfung der Cholera sich als mustergültig erwiesen haben, 
mag hier ausdrücklich erwähnt werden, namentlich die in den 
§ 17 und 18 enthaltenen Vorschriften über Absonderung der 
Kranken, krankheitsverdächtigen und unter Umständen auch der 
ansteckungsverdächtigen Personen haben sich glänzend bewährt. 
Nicht ausreichend erscheint jedoch die Bestimmung in der Anlage 
7 Abschnitt 3 der Anweisung, wonach Genesene nicht mehr als 
ansteckungsfähig anzusehen sind, wenn bei drei durch je einen 
Tag getrennten Untersuchungen des Stuhlganges keine Cholera¬ 
bakterien gefunden werden. Bei Frau Eva Ki. in Pokallna 
waren drei solcher Untersuchungen negativ verlaufen, und trotz¬ 
dem zeigte sich eine erneute Untersuchung wieder positiv, sodaß 
die Absonderung bestehen bleiben und eine neue Serie von 
Untersuchungen erfolgen mußte. Eine Aenderung bezw. Er¬ 
weiterung der genannten Vorschrift ist daher dringend anzuraten. 


*) M. Kirchner: Wu haben ans die Choler&erkrankangen des Jahres 
1905 gelehrt? Vortrag aaf der 28. Hauptversammlung des Preußischen 
Medizinalbeamtenvereins. Beiheft zar Zeitschrift für Medizinalbeamte; Jahr¬ 
gang 1906. 



Dr. Wengler: Bleivergiftung durch irdene« Topfgeschirr. 48? 

Der Ueberwachungsdienst wurde auf dem Memelstrom 
bald nach dem Auftreten der Cholerafälle in Pokallna am 
24. September eingerichtet; Choleraerkranknngen sind bei den 
Revisionen der Fahrzeuge nnd Flöße durch die Ueberwachungs- 
ärzte nicht festgestellt. Ob die für die Einschleppung der Seuche 
in Frage kommenden russischen Leichtkranken bezw. Bazillen* 
träger eruiert worden wären, wenn der Ueberwachungsdienst 
früher in Tätigkeit getreten wäre, läßt sich nicht mit Bestimmtheit 
sagen. Soviel ist sicher, daß die ärztliche Besichtigung des auf 
den Flößen und Kähnen befindlichen Personals nicht geeignet 
sein kann, um andere als typische Cholerafälle zu erkennen; hier 
wäre allein das, wenn auch nur für 24 Stunden berechnete, 
Anhalten sämtlicher die Grenze bei Schmalleningken passierenden 
Flößer zur Stuhlentnahme und bakteriologischen Untersuchung 
auf Choleravibrionen wirksam. Zugegeben muß werden, daß ein 
derartiges Verfahren besonders in der Hauptsaison ungeheure 
Arbeit verursachen und ein Laboratorium sowie mehrere geschulte 
Bakteriologen erfordern würde; diese Mühe würde aber dadurch 
aufgewogen werden, daß man die für die Einschleppung ge¬ 
fährlichen Leichtkranken und Bazillenträger feststellen und die 
cholerafrei Getändenen dann unter dem gewöhnlichen Ueber¬ 
wachungsdienst ihre Reise in der bisherigen Weise ohne weitere 
Einschränkungen würde fortsetzen lassen können. 

Ein derartiges bakteriologisches Laboratorium ist im 
November 1909 einige Wochen in Schmalleningken tätig gewesen; 
positive Befunde sind jedoch nicht bekannt geworden, ebenso wie 
ja auch neue Cholerafälle im Memelgebiet im November nicht 
mehr vorgekommen sind. 


Bleivergiftung durch irdenes Topfgeschirr. 

Von Med.-Bat Dr. Wengler in Alsfeld. 

ln den Jahren 1900 bis 1908 beobachtete ich drei Jahre 
auseinander liegende und ganz für sich allein dastehende Blei¬ 
vergiftungen, die alle Mitglieder einer Familie betrafen und sich 
in weit von einander entfernten Orten ereigneten, zwischen denen 
keinerlei Beziehungen herrschten. Man hätte meinen sollen, daß 
die Ursache der Bleivergiftungen leicht zu ermitteln gewesen 
wäre; denn bei der einfachen Lebensweise der ländlichen Be¬ 
völkerung, die in Frage kam, war an eine Vergiftung durch 
Konserven nicht zu denken. Auch bleihaltiges Mehl oder Trink¬ 
wasser war mit Rücksicht auf das isolierte Auftreten der Familien¬ 
erkrankungen gleichfalls auszuschließen. Es blieb als ursächliches 
Moment im wesentlichen nur das Koch- und Eßgeschirr übrig. 
Das spärliche Geschirr der armen Leute, um die es sich handelte, 
wurde auch in allen drei Fällen durch das chemische Unter- 
suchungsamt untersucht, stets aber als unverdächtig bezeichnet. 
Das Endergebnis der Ermittelungen beschränkte sich auf die 
Aktennotiz: 

„Bleivergiftung einer ganzen Familie in . . ., wohl charak- 



488 


Dr. Wengler: Bleivergiftung durch irdenes Topfgeschierr. 


teriaiert durch Bleisaum, Bleikolik nsw.; Aetiologie trotz ein¬ 
gehender Nachforschungen nicht festznsteilen.“ 

Die Fälle worden stets im ärztlichen Kreisverein besprochen 
und so das Interesse der Kollegen für diese unaufgeklärte 
Erkrankungsform wach gehalten. Diesem Umstande ist es wohl 
zu danken, daß im Jahre 1909 zwei solcher Familienerkrankungen 
durch Blei in weit von einander entfernt gelegenen Orten des 
Kreises znr Anzeige kamen. Im Gegensatz zu den frfiheren 
Fällen hatte die chemische Untersuchung diesmal ein positives 
Resultat. Die Familienvergiftungen waren veranlaßt durch Genuß 
von bleihaltigem L&twergemns, das im Hause hergestellt nnd in 
einem irdenen Topfgeschirre mit mangelhafter Bleiglasur auf¬ 
bewahrt war. Es liegt somit nahe, auch für alle früheren ähnlich 
verlaufenen Familienvergiftungen die gleiche Ursache anzunehmen. 
Das frühere negative Ergebnis der chemischen Untersuchungen 
dürfte dadurch zu erklären sein, daß zu der Zeit, als die 
Ermittelungen vorgenommen wurden, das bleihaltige Mus wahr¬ 
scheinlich schon verzehrt und der Topf zerschlagen war. Mög¬ 
licherweise war er auch wohl noch vorhanden, die Bleiglasur 
aber schon abgefressen. In dem einen Falle aus dem Jahre 
1909 fand sich z. B. ein neuer, erst vor drei Vierteljahren ge¬ 
kaufter Topf vor, dessen gelbe Glasur bis auf einen schmalen 
Streifen am Rande verschwunden war. Die Latwerge hatte die 
Bleiglasur fast vollständig aufgelöst nnd in sich aufgenommen. 

Ich teile die in meinem Kreise gemachten Beobachtungen 
über Bleivergiftung hier mit, weil sie anzudenten scheinen, daß 
die Bleivergiftungen durch irdenes Geschirr viel häufiger sind, 
als man gewöhnlich denkt, namentlich auf dem Lande, wo das 
Topfgeschirr meist aus kleinen Töpfereien bezogen wird, in 
denen der Betrieb oft der wünschenswerten Sorgfalt entbehrt. 
Die Vergiftungserscheinungen werden ausserdem vom Arzt meist 
nicht als solche erkannt, sondern als einfache Kolik aufgefasst 
nnd auch mit Erfolg unter Verordnung von Opium behandelt. 
Mir selbst ist in der ersten Zeit meiner ärztlichen Tätigkeit auch 
einmal ein solcher Irrtum untergelaufen. Es fiel mir damals nicht 
ein, die Zähne der Kranken auf Bleisaum zu untersuchen, da ich 
mir die Krankheitserscheinungen auch ohne die Annahme einer 
Vergiftung erklären konnte. Zu meiner Beschämung mußte ich 
erleben, daß ein anderer Arzt dnrch einen Blick in den Mund 
des Kranken die Bleivergiftung unzweifelhaft feststellte. Ich 
wurde durch diese Erfahrung belehrt und habe später jedem an 
Kollik Erkrankten vor alten Dingen in den Mund gesehen behufs 
Feststellung etwaigen Bleisaums am Zahnfleisch. 

Wenn auch derartige einer ganz vorübergehend wirkenden 
Schädlichkeit den Ursprung verdankende Bleivergiftungen nur in 
seltenen Fällen zum Tode führen, so sind sie doch sozial von 
der allergrößten Bedeutung, weil sie die Aufhebung der Erwerbs¬ 
fähigkeit zahlreicher Personen auf Monate hinaus verursachen. 
Eine strenge Ueberwachung des Töpfereibetriebes dürfte sich 
daher auf dem Lande besonders empfehlen. In allen Fällen müßten 



Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 489 

« 

irdene Töpfe, bevor sie zum Verkauf gestellt werden, daraufhin 
untersucht werden, ob die Bleiglasur richtig eingebrannt ist; 
es müßte also stets festgestellt werden, daß die Glasur „bei 
halbstündigen Kochen mit 4% Essigsäure an diese Blei nicht 
abgibt. Die einfache Probe könnte in den Apotheken vorge¬ 
nommen werden. 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 

A. Geriohtliohe Medizin. 

Ueber die Verwendung des Benzidins filr den Blutnachweis, Im be¬ 
sonderen Aber seine Anwendnngswelse in der gerlchtsSrztllchen Praxis. 
Von Dr. E. Walter. Deutsche med. Wochenschrift; 1910, Nr. 7. 

Die Arbeit bestätigt auf Grund umfangreicher Versuche im Löffler sehen 
Institut die Erfahrungen anderer Autoren, daß die Benzidinprobe zweckmäßiger* 
weise als Vorprobe auf die Anwesenheit von Blut an Stelle der bisher meist 
verwendeten Guajak- Reaktion dient. Ihr negativer Ausfall ist beweisend 
lttr Nichtvorhandensein von Blut, während allerdings positiver Ausfall noch 
kein Beweis für Blut ist. Noch in einer Verdünnung von 1 : 250000 wurde 
mit Benzidin Blut durch deutliche Grünfärbung festgestellt, während die 
Guajakprobe schon bei 1 : 10000 versagte. Zum Nachweis von Blutflecken 
in Zeug wird dieses nach intensiver Befeuchtung mit 3°/o Wasserstoffsuper¬ 
oxyd mittelst weißer entfetteter Verbandwatte abgerieben und auf diese einige 
Tropfen des in Eisessig gelösten Benzidins und abermals etwas Wasserstoff- 
oxyd geträufelt. Bei Blutanwesenheit entsteht sofort blaue oder grüne Farbe. 
Das von anderer Seite vorgeschlagene Benzidinreagenzpapier bewährte sich 
nicht, weil schon oft bei bloßem Wasserstoffsnperoxydzusatz Blaufärbung ein¬ 
trat. Dagegen erwies sich der Ersatz des Wasserstoffsuperoxyds durch Na¬ 
triumperborat als brauchbar, welches mit Benzidin in Eisessig gelöst werden 
kann. Durch Herstellung von Pastillen mit diesem Gemisch wird das Verfahren 
sehr vereinfacht. Dr. Liebetrau-Hagen i. W. 


Spektroskopischer Nachweis von Kohlenoxyd im Blnt. Von A. de 
Dominicis in Pavia. Journal de Mödecine de Paris; 1910, Nr. 7. 

Verfasser empfiehlt, die bekannte Methode des Nachweises von Kohlen¬ 
oxyd im Blut mit Hilfe der Tanninprobe durch Anwendung der Spektroskopie 
noch empfindlicher und in ihren Ergebnissen zuverlässiger zu machen. Tannin 
hat die Fähigkeit, den Farbstoff normalen Blutes in Methämoglobin und zum 
kleinen Teil in saures Hämatin umzuwandeln, während CO-Hämoglobin unver¬ 
ändert bleibt. Die spektroskopische Prüfung wird der chemischen Reaktion 
nach 24 Stunden angeschlossen. Die charakteristischen Streifen des Kohlen¬ 
oxyds erscheinen dann mit besonderer Deutlichkeit. Die Untersuchung ist 
nach dem etwas in Vergessenheit geratenen Verfahren von Hönocque im 
reflektierten Licht auszuftthren. Dr. Revenstorf-Breslau. 

Leuchtgasvergiftung einer Hochschwangeren. Von T i s s i e r. Journal 
de Mödicine de Paris; 1910, Nr. 8. 

Selbstmordversuche Schwangerer ducrh Kohlenoxydvergiftung gehören 
nicht gerade zu den seltenen Vorkommnissen. Trotzdem liegen nur wenige 
Untersuchungen am Menschen vor über die Frage nach dem Uebertritt des 
Kohlenoxyds in das kindliche Blut. Tissier berichtet über einen Fall von 
CO-Vergiftung, bei dem die 29jährige Mutter überlebte, während das Kind, 
das 3190 g wog, tot zur Welt kam. Das kindliche Blut hatte eine auffallend 
rote Farbe. Etwa */* des Hämoglobins war in CO Hb umgewandelt. Der CO- 
Gehalt war also etwa 25 mal höher als der normale Gehalt des kindlichen 
Blutes an CO. Der CO-Gehalt wnrde anf chemischem Wege ermittelt, da er 
sich dem spektroskopischen Nachweis entzog. 

Der Tod des Kindes ist nach Tissier als CO-Vergiftung zu erklären. 

Dr. Revenstorf-Breslau. 



440 Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 

Veber Thiosinaminvergiftung. Ton Dr. Hayn, Assistent der Univ.- 
Klinik für Hautkrankheiten in Würzburg. Münchener med. Wochenschrift; 
1910, Nr. 7. 

Das Thiosinamin ist bekanntlich ein Derivat des Senföls, das von 
Merck unter dem Namen Fibrolysin in der Form einer Doppelverbindung 
des TMosinamins mit Natriumsalizytat in sterilen Ampullen in Handel gebracht 
und bisher vielfach bei pathologischen Bindegewebsneubildungen wegen der 
ihm zugeschriebenen narbenerweichenden Eigenschaft angewendet ist. 

Verfasser geht dann näher auf die bis jetzt literarisch bekannten Wir¬ 
kungen des Mittels ein und berichtet dann ausführlicher über eine nach Be¬ 
handlung mit Thiosinamin beobachtete Vergiftung bei einem gesunden und 
ausnehmend kräftigen Manne, welcher wegen Tuberkulosis cutis verrucosa 
des rechten Handrückens in 2—3 tägigen Pausen die gewöhnlich gegebene 
Dosis von 0,2 Thiosinamin resp. 1 Ampulle Fibrolysin injiziert erhielt. Nach¬ 
dem nach den ersten 4 Injektionen nur leichte Kopfschmerzen auftrateo, 
reagierte Patient aui jede neue Thiosinaminzuführung, auch der halben 
Dosis Fibrolysin, mit Intoxikationserscheinungen, die stets das gleiche Bild 
zeigten: Basches Auftreten von Fieber unter Schüttelfrost, das nach zwei Tagen 
wieder verschwand, starke Kopfschmerzen, Durstgefühl, hochgradige Schwäche. 
Die erste schwere Intoxikationsreaktion wurde noch kompliziert durch Erbrechen. 

Es scheint domnach bei Thiosinamin eine wohlcharakterisierte Idiosyn¬ 
krasie vorzukommen derart, daß nach den ersten Injektionen steigende Be¬ 
schwerden allgemeiner Natur (Kopfschmerzen, Ziehen in den Gliedern etc.) 
auf spätere schwere Beaktion hinweisen kOnnen, die sich in plötzlich ein¬ 
stellendem, bald verschwindendem Fieber, hochgradigen Störungen des Allge¬ 
meinbefindens (Kopfschmerzen, Appetitlosigkeit mit schweren Verfall der Kör- 
perkräfte) äußert. 

Es wird also in der Anwendung des Präparats eine gewisse Vorsicht 
zu beachten und zu raten sein, das Thiosinamin oezw. das Fibrolysin, die sich 
ja gleich verhalten, nicht in den üblichen zweitägigen, sondern nur in größeren 
Zwischenräumen anzuwenden, um die „funktionelle Kumulation" nach Mög¬ 
lichkeit zu vermeiden und damit vielleicht in Fällen wie den vorliegenden 
überhaupt das Auftreten von Idiosynkrasie. Jedenfalls mahnen die geringsten 
Storungen zu äußerster Vorsicht in der Anwendung. 

_ Dr. Waibel-Kempten. 

Zur Wismuthverglftung. (Hindernde Wirkung der RSntgenstrahlen 
auf die Bildung von Nitriten aus Wtamuthsubnltrat bei Anwesenheit ven 
Fäkalmassen.) Von L. Marre und 0. Taillandier. Aus dem Laborato¬ 
rium des Dr. Albert Matthieu. Comptes rendus de la soc. de biol.; LXVIII; 
1910, Nr. 6. 

Nach Aufnahme von Bismuthum subnitricum in großen Dosen sind seit 
1906 eine Reihe von ernsten, selbst tödlich verlaufenden Fällen beobachtet 
worden *). 

L. Lew in hat die Schädigungen dem Wismuth selbst zugeschrieben. 
Die meisten Autoren haben dagegen angenommen, daß sich aus dem Subnitrat 
Nitrite bilden. Sie glauben, daß die Anwendung zu starker Dosen des Wis- 
muthsalzes, wie dies in der Radioskopie geschieht, allein die üblen Folgen 
bedinge. Brauer legte sich die Frage vor, ob die Bildung von Nitriten aus 
dem Subnitrat etwa dem Einfluß der BOntgenstrahlen zuzuschreiben sei. 

Die Autoren untersuchten nun, ob sich die Hypothese bewahrheite; sie 
kamen aus ihren Versuchen zu folgenden Ergebnissen: 

1. In vitro entstehen aus dem basisch salpetersauren Wismuth bei An¬ 
wesenheit von Fäkalmassen immer Nitrite. 

2. Die Bildung der Nitrite wird durch BOntgenstrahlen nicht begünstigt 

sondern stark gehemmt. , 

Diese Schlüsse stimmen mit den von B 0 h m e erhaltenen Resultaten 
überein, der den Darmmikroben, insbesondere dem B. Coli die wesentliche 

') cf. z. B. Nowak und Gütig: Nitritvergiftung durch Bismuthum 
subnitricum und das Bef. Aerztl. Sachverst.-Ztg., 1909, S. 58. 



Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zelteehrlften. 


441 


Bolle bei der Bildung tob Kitraten ans dem Snbnitrat zuschreibt. Die Böntgen- 
■trahlen scheinen in erster Linie auf die Darmflora zu wirken.*) 

_ Dr. Mayer-Simmern. 


lieber Schwankungen der Giftwirkung und der haemoljtlsehen Kraft 
der Saponine nach der Art ihrer Darstellung. Von J. Chevalier und 
L. Giro uz. Comptes rendns de la soc. de biol.; LXVIII, 1910, Nr. 7. 

In dieser Zeitschrilt, 1907, S. 215, sind (von Symanski) die Arbeiten 
von Beithien und Schaer besprochen worden. Schaer schlag vor, es 
mOge die freie Vereinigung deutscher Nahrungsmittelchemiker zuständigen 
Ortes dahin vorstellig werden, daß grundsätzlich die Anwendung von Saponinen 
bei kohlensäurehaltigen oder anderen Getränken untersagt werde und daß für 
den Fall man eine vollkommene Ausschließung von Saponinen als Getränk* 
zusatz nicht belieben sollte, nur solche Saponine zur Verwendung gelangen 
dürfen, die von Fabriken mit einem pharmakologischen, auf Tierversuchen 
fußenden Attest über vollkommene physiologische Unschädlichkeit bezw. Nicht* 
giftigkeit selbst bei hohen Dosen abgegeben werden. 

Aehnlich ist der Gedankengang von Chevalier und Girouz. Man 
weiß seit langem, daß die aus Pflanzen durch chemische Behandlung eztra* 
hierten Saponine einen Teil der Giftwirkung verlieren, die sie in den frischen 
Pflanzen besitzen. Eztrahiert man z. B. in der Hitze, unter erhöhtem Druck 
und bei Anwesenheit von Baryt, so erhält man ein weißes und reines Saponin, 
das jede tozische Wirkung verloren hat, ebenso jedes hämolytische Vermögen, 
das aber dennoch seine physikalisch-chemischen Konstanten, seine emulgierende 
Eigenschaft und die Fähigkeit behalten hat, mit Wasser brausende Lösung 
zu geben. Die rohen aktiven Saponine enthalten immer noch eiae beträcht¬ 
liche Menge Phosphorsäure, je reiner sie sind, um so weniger giftig sind sie. 

Die Differenzen der Giftwirkung wiesen die Autoren an 3 Saponinprä¬ 
paraten nach, die sie aus der Seifenworzel (Gypsophila Struthium) darstollten. 
Nr. 1 (nach Schräder): Eztraktion durch Alkohol, Fällung durch frisch 

f efftlltes Bleiozyd; Nr. 2: Eztraktion durch Alkohol bei hoher Temperatur, 
Konzentration im Vakaum, Fällung durch Aether; Nr. 3: Eztraktion durch 
siedendes Wasser und Barythydrat unter 1 / lS tündigem Drucke von 1,30 Kilo. 
Intravenös Hunden injizirt führte Nr. 1 den Tod in der Dose 1,8 mg pro Kilo 
mit den klinischen Symptomen der Santoninvergiftuug herbei; der Tod trat 
hier nach 6 Stunden ein. Nach Injektion von 3,5 mg fpro Kilo des Körper¬ 
gewichtes) des zweiten Präparates erfolgte der Tod nach 2 Tagen mit bedeu¬ 
tenden Läsionen des Darmkanales und Darmblutungen. Nr. 3 dagegen konnte 
in einer Dose von 45 mg pro Kilo Körpergewicht injiziert werden, ohne daß 
Vergiftungssymptome sich gezeigt hätten. Dies letztere Präparat ist ferner 
nicht haemolytisch, Nr. 1 im Gegenteil sehr stark, Nr. 2 weniger haemo- 
lytisch wirksam. 

Aus diesen Versuchen ergibt sich eine Erklärung dafür, daß bestimmte 
Ezperimentatoren manchmal beträchtliche SaponindoBen, ohne üble Zufälle 
auazulösen, geben konnten, so daß Bie auf die Unschädlichkeit derselben 
schließen zu können glaubten. _ Dr. May er-Simmern. 


Phosphorvergiftung. Von B. G. Hann und B. A. Veale. Lancot; 
1910, S. 163. 

Phosphor als Abtreibungsmittel ist zu keiner Zeit in England so populär 
gewesen, wie eine Zeitlang in Deutschland. Gegenwärtig ist, wenigstens in 
Yorluhire, Blei das bevorzugte Abortivum. 

Der mitgeteilte Fall ist erwähnenswert wegen der ungewöhnlich massen¬ 
haft auftretenden Hautblutungen. Ein 19jähriges, im zweiten Monat schwan¬ 
geres Mädchen hatte 1 Drachme, ca. 4*/o Phosphorpaste eingenommen. Unter 
den bekannten Vergiftungserscheinungen traten am 3. Tage ausgedehnte Hä- 
morrhagien auf, die, vom Nabel abwärts, in Form von Punkten und Flecken 
die Haut überall beideckten. Nach 5*/* Tagen erfolgte der Ezitus, dem sub¬ 
normale Temperatur vorherging. Die Obduktion ergab Fettleber und Blu- 

*) Vergl. diese Zeitschr.; 1906, S. 762: Einfluß der Böntgenstrahlen auf 
Mikr oorgaaismen. 



443 


fiebert IBtteHugeii und Referate au 2 


tungen in die serösen Ueberzüge der verschiedenstes 
der Gallenblase u. a. Die sonst bei Phosphorvergiftu 
fehlte. _ Dr. Her 

Ueber den Lustmord, Insbesondere an Klnd< 
lieben Standpunkt« Von Dr. E. Walter in Marburj 
Aathrop. u. 8trafrecht; 6. Jahrg., H. 11 u. 12, S. 091, 

Der Lustmord, die Tötung eines Menschen nur 
ist nicht su verwechseln mit der Ermordung Genotzüc 
des Hauptbelastungszeugen, oder mit Mord zur Weh 
vor der geschlechtlichen Berührung. Für den Sachv 
Wichtigkeit, aus dem Zustand der Leiche den Lustmc 
samen Todesarten unterscheiden zu können, da Lu 
Affekthandlung aus sadistischen Trieben ist und deal 
ahndet wird und nicht als Mord. Bei den zahlretcl 
der Literatur zusammenstellt, fand er als regelmäßig 
an der Leiche die Eröffnung der großen Körperhöhlei 
Diese geschieht meist nach dem Tode; die Verletzi 
talen Charakter. Die Ermordung geschieht selten du 
am häufigsten durch große Halsschnittwunden. Dease 
an den Leichen von Kindern, die Lustmördern zum ( 
waren fast ausschließlich durch Halsschnitte ermordet, 
äußeren Genitalien herausgeschnitten, so kann man an 
rend meist Unzucht vorliegt, wenn man sie durch sl 
findet Ueberhaupt spricht das Fehlen einzelner Köj 
namentlich, wenn der übrige Körper noch zahlreiche 
baren Zweck aufweist, während Zerlegung unter Venn 
Verletzungen den Wunsch des Täters dokumentiert, d< 
zu beseitigen. Fehlen an sämtlichen Verletzungen vit 
delt es sich um Leichenschändung. Dr. Wendel 


Selbstmord durch Erhängen« Von Patoir, 
Medizin in Lille und J. Ledere q. Journal de Mödecbu 
Interessanter Fall von Erhängen, der eine 48 jäh 
Obduktion hatte hinsichtlich der Todesursache ein neg 
Vorgefundenen Veränderungen — Kongestion, punkti 
Haut und der Schleimhäute des Kopfes — auf vers< 
werden konnten. Eine deutliche Strangmarke fehlte, 
den äußeren Umständen des Falles erweisen, daß Tod 
Als Würgband war eine breite und weiche Schnur bei 
hatte etwa s /« Stunden um den Hals gelegen und wai 
Der Fall zeigt, daß eine Strangmarke, wenn das sti 
bald wieder gelöst wird, schon in wenigen Tagen, tro 
frisch ist, verschwinden kann. _ Dr. Bei 

Ueber Verstümmelungen der Angen znm Zwe< 
entzlehung« Von Oberarzt Dr. Günther, früherem 
Augenklinik in Breslau. Münchener med. Wochenschi 
ln Deutschland gehören körperliche Verstümme 
Untauglichkeit zum Militärdienst erreicht werden soll, 
nahmen, während dies in Bußland sich anders verhält, 
Bader, „Feldscherer“ gewerbsmäßig mit der Vornahme 
beschäftigen. 

Verfasser teilt dann 2 diesbezügliche Fälle mit, i 
28 und 22 jährigen Manne mit irgend einem spitzen Geg 
angeblich mit einem Glassplitter, eine Hornhautwunde 
dann eine ätzende, vielleicht auch infektiöse Masse br 
ein Glaucoma secundarium auf, welches zum völligen V 
Wenn auch die Zahl der angeführten Fälle nur 
aus ihr doch auf den Umfang schließen, in dem derai 
Militärdienstentziehuug in Bußland vorgenommen wer<3 

Dr. W 



Kleinere Mitteilungen and Referate tue Zeitschriften. iiÜ 

Gonorrhoe and Sachverständigentätlgkeit. ^Von Dr. B. Leder mann. 
AeratL Sachv.-Ztg.; 1910, Nr. 1. 

Sowohl im Straf* wie im Zivilverfahren maß der ärztliche Sachverstän¬ 
dige den Nachweis führen, daß nicht nnr die verletzte oder geschädigte Person 
gonorrhoisch erkrankt ist, sondern daß auch derjenige, dem die Krankheit zur 
Last gelegt wird, so sichere Zeichen der gonorrhoischen Erkrankung an sich 
trägt, daß an einem ursächlichen Zusammenhang nicht gezweifelt werden kann. 
Ohne den Nachweis der Gonokokken ist ein solcher Zusammenhang nicht zu 
erweisen; vereinzelte Ausnahmen können gelegentlich einmal Vorkommen. 

Zur Färbung der Gonokokken verwendet Autor stets die Löf fl ersehe 
Methylenblaulösung. Oie einzige Möglichkeit zur Differenzierung der Gono¬ 
kokken von anderen Kokken in zweifelhaften Fällen gewährt die Färbung 
nach Gram, bei welcher die Gonokokken entfärbt werden. Man beläßt nach 
Steinschneider die Objektglaspräparate 25—80 Minuten in einer trüben 
AnUingentianaviolettlösung, spült ab und setzt sie 6 Minuten der Jod-Jod- 
kaliumlösung aus, taucht sie dann so lange in Alkohol, bis das Präparat ent¬ 
färbt ist und die vom Präparat abtropfende Flüssigkeit keine Färbung mehr 
zeigt. Färbt man jetzt mit verdünnter Löffler scher Methylenblaulösung 
oder mit Vesuvin oder Safranin solche Präparate nach, so erscheinen die Go¬ 
nokokken hellblau oder braun oder rot, die meisten anderen ln der Harnröhre 
beobachteten und für die Beurteilung in Betracht kommenden Kokken dagegen 
blauviolett gefärbt. 

Nach Neißer stellt man im mikroskopischen Bilde die Diagnose auf 
Gonokokken 1) aus der Diplokokkenform (mit der charakteristischen Lagerung 
von Kaffeebohnen) gewöhnlich in Gruppen zu 2, 4 und 8 Paaren, 2) aus der 
intrazellulären Lagerung, wobei aber zu bemerken ist, daß sie auch extra- 
zellulär Vorkommen und daß auch andere Kokken intrazellulär gelagert sein 
können, 3) aus der charakteristischen Größe und 4) aus dem genannten Ver¬ 
halten gegenüber der Gr amBchen Färbung. Die Kulturmethode braucht man 
nur ganz ausnahmsweise als Beweismittel heranzuziehen. Neißer betont, 
daß ihm noch kein Fall bekannt geworden ist, wo er nur auf dem Wege der 
Kultur und nicht auf dem Wege der mikroskopischen Untersuchung Gono¬ 
kokken, wenn sie überhaupt da waren, gefunden hätte. Die Kulturmethode 
kann nur von Geübten ausgeführt werden. 

Wenn es auch zweifellos möglichst ist, aus Eiterflecken in der Wäsche 
nach Monaten und Jahren Gonorrhoe mikroskopisch nachzuweisen, bo ist doch 
äußerste Vorsicht bei Verwertung vor Gericht geboten; der Gonokokkennach¬ 
weis darf nur dann als gelangen angesehen werden, wenn die Bakterien in 
charakteristischer Lage in Leukozyten aufgefunden werden, wenn die Mög¬ 
lichkeit einer Nachfärbung nach Gram besteht und diese ein einwandfreies 
Resultat ergibt Isolierte oder auch in Gruppen gestellte Diplokokken allein 
können nach L. Ansicht, selbst wenn sie in größerer Gestalt und ihr Ver¬ 
halten der Gramschen Färbung mit Gonokokken übereinstimmen, nioht als 
Beweismittel gelten. Das Kulturverfahren läßt bei angetrockneten Flecken 
fast immer im Stich. 

Zur Ansteckung mit Tripper bedarf es nicht immer des geschlechtlichen 
Verkehrs; es genügt in vielen Fällen die Deponierung des Tripper• Eiters 
bei Männern am Orificium urethrae, bei Frauen, namentlich bei kleinen Mädchen 
In der Vulva. Der Augentripper der Neugeborenen kann nur dann forensisch 
werden, wenn die Hebamme bei Kenntnis der Gonorrhoe der Gebärenden die 
Credösche Einträufelung unterlassen hat. Die Stomatitis gonorrh. neonatorum 
kommt forensisch kaum vor. Eher kommt die Stomatitis gonorrh. einmal bei 
Erwachsenen zur Begutachtung, meistens als Folge perversen Geschlechts¬ 
aktes. Durch Coitus per os kann auch die männliche Harnröhre mit Tripper 
infiziert werden. Ophthalmoblennorhoeu können auch darch unsaubere Finger 
erzeugt werden. Häufig werden von Gonorrhoekranken gebrauchte Gegen¬ 
stände zur Qaelle der Infektion. Ob das Badewasser als solches Tripper¬ 
infektionen bei kleinen Mädchen veranlassen kann, ist sehr strittig. Weiander 
ist geneigt, eine Augenepidemie auf Uebertragung durch Fliegen zurückzu- 
führen. 

Autor bespricht ferner die idiopathischen Urethritiden, deren Ursache 
man nicht kennt, ferner diejenigen, die auf Streptokokken, Staphylokokken 
Colibakterien beruhen und die ohne mikroskopische Untersuchung von Go- 



444 


Kleinere Mitteilungen und Referat 


norrhoe nicht sn unterscheiden sind. Er geht 
Buchung bei Mann und Frau ein. Aach bei Vi 
kann Gonorrhoe nur gerichtlich angenommen v 
gewiesen sind. 

Zivilrechtlich kommt der § 822 des B. G. 
wird nach Helwig nun Entschädigongsgrund 
sittliches Verschulden erworben ist; 2) wenn G 
Gesandheitsgefährdang hinzutreten. Dagegen h 
tungsklage, welche 6 Monate von dem Zeitpoi 
in dem der geschädigte Ehegatte von dem Bes 
unterrichtet war, wegen Gonorrhoe eine Trei 
werden. Es kommen dabei folgende Anfechtui 
Irrtum des Ehegatten über solche Eigenschaft« 
ihn in der Kenntnis der Sachlage und bei verstl 
der Ehe von der Eingehung der Ehe abgehalte 
die arglistige Täuschung der Ehegatten ttber 
Eingehung der Ehe bestimmten. _ 

B. Geriohtllohe Pnyc 

Zur pathelegisehen Anatomie der Der 
Zingerle in Gras. Monatsschrift für Psychia 
Heft 4. 

Sicher ist als Besultat der bisherigen 1 
daß eine stärkere Laesion des Gefäßbindeappara 
praecox pathologisch-anatomisch in keine Para 
stellen läßt, wie dies auf Grund des su Anal 
Verlaufes mehrfach versucht worden ist. 

Es ist außerordentlich erstaunlich, daß 
ausgebildeten Formen das so aussesproche 
organischen Psychose mit der Generalprognose 
an sich trägt, pathologisch-anatomisch so we 
gibt, aus denen sich derzeit gar kein sicherer 
des Leidens intra vitam machen läßt. 

Ueber atypische Paralysen« Von Med.- 
bertusbnrg. Allg. Zeitschrift für Psychiatrie; i 

Näcke stellt als atypische Paralysen so! 
liehen Bilde somatisch, psychisch oder auch na< 
heblich ab weichen, bis nun völligen Verkennen 
schlägt folgende Einteilung dieser Paralysen vo 

1) Fälle, die ganz der Paralyse gleichen, 
diagnostik und Hystologie erweisen. Zu dieser 
Fälle der alkoholischen, traumatischen, saturaine 

2) Solche Psychosen, die zwar Aehnliddu 
doch so, daß ohne Serodiagnostik bis zuletzt di 
diese Bubrik enthält die ganze Klasse der sogi 

3) Diejenigen Geistesstörungen, welche i 

verlaufen und am Sektionstische oder vorher du 
weniger sicher als echte Paralyse befunden wer 
kleine, aber interessante und noch wenig be 
den Pseudoparalysen, sondern su den echten, 
gehört _ 

Beiträge zu den epileptisehen Bewusst 
trieb. Von Oberstabsarzt Dr. Glas, Dozent ft 
trie am Operationskurs für Militärärzte in Müncl 
schrift; 1910, Nr. 9. 

Verfasser berichtet in ausführlichen Kran 
daten, welche sich von der Truppe entfernten, 
heitsgeschichtea überblickt, so fällt in erster I 
der Wandertrieb auf, der su weiten Beisen Anli 
etwas näher, so findet man, daß sie von be 



Kleinere Mitteilungen and Referate aas Zeitschriften. 


446 


iaderen Grand and ohne vorübergehende Ueberlegang unternommen wurden 
and daß in einem Felle für die Begebenheiten der Wanderung völlige Erin¬ 
nerungslosigkeit bestand, während im zweiten Falle noch für einzelne Erleb» 
nisse die Erinnerung vorhanden war. Schon das plötzliche Einsetzen des 
Wandertriebs, das Fehlen äußerer Anlässe za den Wanderungen, sowie das 
sinn- and zwecklose Unternehmen and Darchfilhren der Reisen lassen im Ver¬ 
ein mit der Tatsache, daß beide Kranke sich während der Wanderungen an» 
nähernd geordnet und unauffällig benommen, sich ganz unbeachtet unter 
der Menschenmenge bewegt, sich unterhalten and sehr wahrscheinlich den 
Eindrack von geistig unversehrten Menschen gemacht haben, mit einiger Be- 
stimmtheit daran denken, daß der Wandertrieb auf epileptischer Grandlage 
beraht. ln der Aalfassang, daß die Wanderungen als epileptische Aequiva- 
lente za deuten sind, werden wir noch bestärkt dorch den Nachweis von epi¬ 
leptischen Erscheinungen, die in beiden Fällen so zahlreich sind, daß das 
Nichtvorhandensein der für die Epilepsie kennzeichnenden Krampfanfälle ganz 
außer acht gelassen werden kann._Dr. Wai bei »Kempten. 

Zur Wahnblldang Im Seniam. VonDr. A. DO bl in; städtische Irren¬ 
anstalt Bach, s. Zt. am Urban (Berlin). Archiv f. Psychiatrie; 46. Bd., 8. H. 

Das Seniam, sei es mit schweren, organischen Veränderungen, sei es 
ohne solche, stellt günstige and eigenartige Bedingungen für die Entwicklung 
and Exazerbation psychotischer Prozesse. Diese sind aber selbst nicht hin¬ 
reichend gebunden an das Seniam, am als senile Prozesse spezifischer Art za 
gelten. Dr. TObben-Münster. 


Herzkrankheit und Psychose. Von Dr. L. Saathof f. Aas der U. med. 
KUnik in München. Münchener med. Wochenschrift; 1910, Nr. 10. 

Verfasser gibt zuerst einen kurzen Ueberblick über die bisherigen Beobach¬ 
tungen und Ansichten über den inneren Zusammenhang zwischen Herzkrankheit 
and Psychose; er kommt dabei zu den 8chlnß, daß viele Beobachtungen für einen 
solchen Zusammenhang zwischen Psychose and Herzkrankheit mit den dadurch 
bedingten Zirkalations» and ErnährangsstOrangen des Gehirns, abnormen Pul¬ 
sationen und Erschöpfungszuständen sprechen, daß aber festere wissenschaft¬ 
liche Grandlagen hierfür fehlten. Nor für eine gewisse Groppe der bei Herz¬ 
kranken verkommenden Psychosen hofft der Verfasser eine festere Grundlage 
geschaffen za haben, insofern wir bei herzkranken syphilitischen 
Individuen unter dem Einfluß von KompensationsstOrangen eine ziemlich 
prägnante psychische Erkrankung sehen, die sich meistens zusammensetzt ans 
angstvoller Verwirrtheit, Halluzinationen and motorischer Erregung. Das Zu¬ 
standekommen der Psychose ist za erklären durch die Einwirkung der Somme 
aller Dekompensationserscheinungen auf das durch die Lues geschädigte 
Gehirn. _ Dr. Wai bei-Kempten. 


Das Vorkommen und die ursächlichen Beziehungen der psychischen 
Störungen, besonders der Zwangsvorstellungen und Halluzinationen^ bei 
Magenkrankheiten. Von W. PI ö nies -Dresden. Archiv lür Psychiatrie; 
46. Bd., 3. H. 

Nach 20jähriger Erfahrung kann der Verfasser der „alten Schule* nicht 
Unrecht geben, wenn sie Beziehungen zwischen Psychosen and Magenleiden 
vermutete. Das völlige Gebundensein zahlreicher genan beobachteter Psychosen 
an das Auftreten, den Bestand and die Dauer des Magenleidens, ihr sofortiges 
Abklingen nach einer gewissenhaft dnrchgeftthrten Behandlung, vor allen 
Dingen aber die Rückfälligkeit dieser Erscheinungen mit dem Wiederauftreten 
der Magenläsion nach jahrelangem seelischem Wohlbefinden, ließen allmählich 
die Gewißheit heranreifen, daß nur das Magenleidon die eigentliche Ursache 
dieser Geistesstörung sein könne. Die Kenntnis der durch die bei Magener- 
kranknngen stattfindenden toxischen Einwirkungen und der durch sie hervor¬ 
gerufenen Zwangsvorstellungen and Halluzinationen hat nach Plönies eine 
große Bedeutung für die Verhütung der Melancholie. 

Die Zukunft wird lehren, inwieweit die bislang keineswegs genügend 
bewiesenen Anschauungen des Verfassers zu Recht bestehen. 

Dr. Többen-Münster. 



446 


Kleinere Mitteilungen und Referate *1 


GebtenMmg bei Leprakranken* Von 
rektor der Landesirreaanstalt zu Bio de Janeiro, i 
67. Bd., 2. H. 

Moreira kommt nach fremden and eigei 
genden Schlußfolgerungen: 

1) Es gibt keine besondere Form von Geist! 
Die Polyneuritis leprose kann jedoch Ton dem Ko 
gleitet sein. 

2) Mit der Lepra zusammen anftretend hi 
häufig, beinahe alle Formen der Geisteskrankheit 

3) Die Komplikationen der Lepra (Taberku 
Sklerose) können das Erscheinen yon Geisteskran) 

4) Der Geisteszustand der LeprOsen ist ve 

erblichen Belastung, der Erziehung und den kl 
heit ab. 1 


O. Bakteriologie» Infektionskrankheit« 
Manitätswesen, 

1. 8&uglingsfürsorg 
Säuglingssterblichkeit. Von H. Cooper 
health» Norrich. Publik health; XXH, Nr. 12, Si 
Das Notific&tion of births act ist in Norrie 
Kraft getreten. Des Gesundheitsamt ist nun, im 
Lage, über die Hälfte, selbst Dreiriertel der ( 
erfahren. Die Säuglingssterblichkeit betrug 1908 
Zahl ist wesentlich geringer, als in früheren Ja! 
der Tätigkeit des Verfassers zu statten: Die ) 
besucher, die in den ärmeren Familien aufklären 
welche die „Cbarity Organisation society“ schlech 
in Form ron Mahlzeiten gewährt und schließlich 
▼on der Vereinigung für arme Kranke, an angei 
nommen wurde. Eine solche Mutter erhielt i 
1 Pint Milch. 


Die EntrOlkerung Frankreichs und deren 
Potelet, Gesandheitsinspekteur des Nordens, 
sanitaire; Dezember 1909, Bd. 31, Nr. 12. 

Der mitten in der Praxis stehende Autor 
erhebliche Mittel allein durch zweckmäßige Organ 
kann. Aus dem hohen Lagerschuppen einer S| 
liehe Stillstube, ein leerstehendes Gemeindehaus 
nerinnenasyl, ohne Geldprämien und ohne Austei 
Mütter zu den Beratungsstellen heranzuziehen 
lingssterblichkeit Torzubeugen. Gerade durch d 
bestand philanthropischer Einrichtungen am best 
in einer Zeit yorbildlich sein, in der sich auch 
wisser Luxus entfaltet, der dem Geiste und de 
Unternehmungen diametral entgegensteht. 

Eine der wesentlichsten Ursachen der En 
hohe Kindersterblichkeit. Es starben ungefähr 1 
jahr, meistens als Opfer eines akuten Darmkatai 
beispiellose Unkenntnis der Mütter über eine 
Kindes. Es gibt Kinder, die im Leben nicht 
haben; sie werden von frühester Jugend an m 
unregelmäßig und unzweckmäßig ernährt, alkol 
Brot gefüllten Schnuller im Munde. Es ist kei 
sterben; es ist eher ein Wunder, daß sie nicht 

Um dieser Unkenntnis der Mütter entc 
lingsberatungsstellen eingerichtet. Zu dieser 
solche Mütter erscheinen, die eine öffentliche 
Beratungsstunden tragen den Charakter Offen 



gfeutc am Zeitsohrifteo 

i, Von De Jbüm* Mareit«, D(- 
iseiro. A%. Zeitsshi.1, P«T<üim 

mrf cigoasc BcKbachtonffes ® & 


Kleinere Mitteilungen and Referate *ne Zeitschriften. 


447 


Sem'fömkeH«'*« 11 W"® 1 * ; 

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deaen u der Bend des vorliegenden Materials den Müttern und nach den 
offiziell teiInehju«ndcQ jungen Mädchen die Anfangsgründe einer awec&E&fiäigea 
Siagliaga- and Kinderpflege beigebracht weiden* Sterilisierte Milch and 
Süliprämteo» die den Betrieb der BerÄtttng»steÜea so Bahr vorteuern, werden 
nicht verteilt Es wird vielmehr darauf gesehen* möglichst überall mit den 
Pfingsten Mittels BemuagesieliQii lünzurichteß* um m erster Hinsicht durch 
Belehrung der SäGgiingeeterhlichkeii entgegefl&rbelteu m könne«. Durch 
öffentliche Belobungen und Diplome wird der Eifer der Mütter genügend 
Äagestuchelt Die geringen Betriebskonten haben nach td ehiec aaßecordeotr 
iiehen rasche» Verbreitung der Beratungsstellen geführt* 

Auch hei der Einrichtung Ton StÜlatuben in den Fabriken kam 
dt# Prinzip der Einfachheit und der Billigkeit mit bestem Erfolg «u* Geltung, 
her Betrieb ließ sich so billig gestalten,, daß von Seiten der Fabrikherren 
»ik Einwaade, die aus der Gewährung ton Baum Und freier Zeit für die 
flauer her geleitet werden konnten, lallen gelassen wurden. Auf reichhaltige 
Ektfichtattg der Stuben* auf massiven Bau, geschmackvolle Innendekoration, 
fc%eraadete Ecken und vielfach Übertriebene Anforderungen* mit denen der 
Hygieniker her vortritt und daun statt alles gar nichts erreicht, wurde von 
weher ein verzichtet, jedoch der Kernpunkt* die Ernährung des Kindes mit 
flattermilch stets erreicht 

Um das Sterben der Kinder vor und während der Geburt zu verhindern, 
worden Wöchnerinnen*« jle eingerichtet Hier hat jede Mutter Gelegen- 
beit, sich untersuchen «u lassen, sich Im Bedarfsfall tm 4er Entbindung an* 
eatgeltiich aulnehtaen za lasses und die Geburt bei regelwidrigen Lagen 
a«er ärztlicher Leitung durchaamachezb Der Lohn wird während der Zeit 
m Aufenthalts im Asyl ungeschmälert weitergezahlt Außerdem wird alles 
fliraaf eingerichtet daß das Asyl den Charakter einer Wohnung und nicht 
«aea Krankenhauses trägt daß die Mütter ihre Familie möglichst wenig ent* 
b&ren, und daß m völlige Buha zur Erholung nach dßxs Anstrengungen der 
Schwangerschaft und de? Geburt genießen* Auch hier wieder sind durch 
Mrierhnfie Einfachheit die Unterhaltungskosten auf ein Minimum herab- 
gwrttckt und dadurch der Bestand des Unternehmens gesichert. 

Die Aufnahme in die Asyle verhindeit auch, was Verfasser mit Becht 
bnoaders hervorbebt, daß die Frauen, die zu Hause in den ärmlichsten Vor- 
biltoisaen Geburt und Wochenbett durcbmacben, infiziert werden und «1s 
F%e der Infektion dauernd at^ril bleiben. Dr, Dohra*Hannover. 


Z. SohulhyglOTöv 

Ule Aufgaben der Schulhygiene» Von Friv.-Db». Dr, Süpile-Freir 
twg inBr. Blätter für Volksgeaundheitspüege; iMO ; Nr* 2. 

Die Aufgaben der Scholfaygißne reichen über das ursprüngliche Ziel* 
den Schüler innerhalb der Sefculo gesund zu arhalten, hinaus. Die Sdmlhygicne 
wett die Schule und die Zeit des Schulbesuchs nütabai zu machen, um *&* 
nebaag und Förderung der Gesundheit dm ganaen Volkes eiazuwlrkcn. So 
wwichsen der Schulhygiene hohe und aussichtsreiche Aufgaben, deren Lösung 
V“ dja öffentücte öeirandlieiispäage, für die Besserang and VeranUkommMB 
aet volkgWoWfkhrt Von auasuhlaggebender Beiicatung ist. 

Dr. Wai<.Wi(i*ei»h»ns«B, 

*Jyl*ol»elie Erxiebaag der Jagend. Von AnsUltanrst Dr. Nefl- 
«»««•Brombsrg. GesafldfceiteJeUrer; Jahr*. 12, Nr, 11. 

i Ver längt betr. die hygienische Emehung der Kinder- . , 

n k ^ e ^ Ie ™ern müssen hygienisch leben, um die Kinder richtig eraiehen 

stand ^®suftdheit8ttttterricht in der Schale als obligatorischen Lehrgego®* 
beatei /J, a ^.hef&ßt mit : Nahrung, Kleidößg, W"ohnung, Beschäftigungt ÄJDD 
aorcb einen Arzt Dr. Wolf * Witzeahatwea- 

^ 8r Pürllche Züchtigung der Kinder* Von Dr. J, Mos*»- 
tu w^tschrift für experimentelle Pädagogik i Bd< YllL 
wr * Kiefer hat in einem Aufsatze die 8exualj>sychoiogie ganz Ȁfior 





448 


Kleinere Mitteilangen and Referate aas Zeitschriften. 


acht gelassen. Dem Verfasser erscheint es nicht nur nicht ausgeschlossen, 
sondern durch Erfahrungen fast sicher erwiesen, daß ein sexual sonst normal 
fohlender und lebender Lehrer durch die heutige Ausübung von körperlichen 
Züchtigungen allmählich sadistischen Neigungen anheimfallcn kann. Diese 
Gefahr besteht besonders für neuropathisch Veranlagte. Aber auch die Psyche 
des Zuschauers kann beim Anblick von körperlichen Züchtigungen in erotische 
Schwingen versetzt werden und die Wollust der Grausamkeit mitempflnden. 
Diese Mahnung gilt natürlich auch noch in höherem Maße in bezug auf das 
Kind, das Objekt der körperlichen Bestrafung ist In dem Lebensalter vor 
der Pubertät können sich die Abartungen des geschlechtlichen Fühlens latent 
und unbewußt entwickeln; nach der Gescblechtsreifung tritt dann erst die 
durch die besprochenen Erlebnisse hervorgerufene falsche Richtung des Sexual« 
lebens erkennbar und bewaßt hervor. Auf Grund zahlreicher Beobachtungen, 
die auf anderem Gebiete liegen, als auf dem bis jetzt besprochenen sexual« 
pathologischen, muß Verfasser die Wirkung von Körperzüchtigungen auf nervös 
und pathologisch belastete Kinder als eine in vielen Fällen sehr verderbliche 
bezeichnen. Die neurasthenischen und psychasthonischen Konstitutionen, auch 
die Schwachsinnigen der verschiedenen Grade, die Epileptiker, neigen leicht 
zur Launenhaftigkeit, zu Verstimmungen, die gewissermaßen organischer Natur 
sind; denn es gehen mit den psychischen Verstimmungen körperliche Begleit« 
erscheinungen, wie Kopfschmerz, Herzbeklemmungen, einher. Solche dyBphori« 
schon Zustände werden nun außerordentlich gern durch Karzerstrafen und auch 
durch die Furcht vor Körperstrafen ausgelöst. Auch die Fortschritte in der 
Erkenntnis des jugendlichen Schwachsinns mahnen zur Vorsicht in der Aus« 
Übung der körperlichen Züchtigung. Dr. Wolf- Witzenhausen. 


Zur Frage der Sehülerselbstmorde. Von Oberarzt Dr. Meitzer- 
Waldheim. Zeitschrift für die Behandlung Schwachsinniger; 1910, Nr. 1. 

Der Verfasser bespricht die zur Zeit bestehenden Anschauungen über 
diese Frage in Anlehnung an die vorhandene Literatur (Eulenbürg, 
Maier) und nimmt selbst Stellung dazu; es handelt sich vor allen Dingen 
darum, mehr Wert auf die Charaktererziehung der Jugend zu legen. 

Dr. Wolf- Witzenhausen. 


Die Schule für Schwerhörige. Von Prof. Dr. Arthur Hochmann in 
Berlin. Deutsche med. Wochenschrift; 1910, Nr. 5. 

In Berlin bestehen bereits 17 Schulklassen für Schwerhörige, u. a. eine 
organische Schale mit 6 Klassen. Es ist außerordentlich wichtig, die Kinder 
herauszafinden, die wegen geringen Hörvermögens dem Normal-Unterricht nicht 
folgen können. Vielfach läßt sich noch durch Behandlung das Gehör so ver¬ 
bessern, daß die Kinder in der Normalscbule verbleiben können. Bisweilen 
genügen hierzu sehr geringe Grade von Hörvermögen (Flüstersprache in 
*/t Meter). Es kommt dabei sehr auf die geistige Veranlagung an. Wichtig 
ist, daß die Kinder gut vom Munde ablesen können. Mehr als 10 Schüler 
soll ein Lehrer nicht unterrichten. Als Lehrer sollen möglichst solche mit 
bestandenem Examen für Taubstummenunterricht fungieren. Die Klassen für 
Schwerhörige sind den Hörklassen der Taubstummen nach Bezold vorzu¬ 
ziehen, weil hier die Kinder mit Sprachvermögen und Hörresten völlig das 
Gebühren der Taubstummen anzunehmen pflegen. 

Dr. Liebelrau-Hagen L W. 


Methoden der Intelllgeniprflfnng beim Kinde, speziell beim schwach¬ 
sinnigen* Von Prof. Dr. Thiemich-Magdeburg. Prager medizinische 
Wochenschrift; 1910, Nr. 5 u. 6. 

Verfasser kommt in seinen Ausführungen zu folgenden Schlüssen: 

1. Während schwere Grade der Inteiligenzschwäche meist schon in 
frühen Kindesalter erkannt werden, kann die Beurteilung leichterer Grade im 
Spielalter schwierig oder sogar unmöglich sein. 

2. Die Entscheidung bringt in der Regerdie Beobachtung während der 
ersten Schuljahre; nur in den leichtesten Fällen tritt der Defekt erst in den 
höheren Klassen zu Tage. 



Kleinere Mitteilungen and Referate atu Zeitschriften. 


449 


8. Die Feststellung der Minderleistung an sich ist Sache des Lehrers 
aal Grand seiner pädagogischen Erfahrung, welche ihn sicherer leitet, als die 
experimentellen Methoden. 

4. Dem Arzte fällt die Aufgabe za, eventuell vorhandene körperliche 
Mängel anfzadecken and der Behandlung zuzuführen. 

6. Zar richtigen Abschätzung dos Urteils an der Minderleistung, welches 
auf Rechnung körperlicher Ursachen zu setzen ist, bedarf der Arzt einer 
besonderen Vorbildung und Erfahrung. 

6. Nur durch gemeinsame, sich ergänzende Tätigkeit des Lehrers und 
Amtes werden Fehler in der Beurteilung leistungsschwacher Kinder vermieden. 

__ Rpd. jun. 

Begriff, Umfang und Ausbreitung des Hilfssehulwesens ln Deutsch« 
lud, Von A. Fuchs*Berlin. Zeitschrift für Krüppelfürsorge; Bd. II, H. 8. 

Man bezeichnet mit der HUfBsehule die selbständige Sondereinrichtung 
der öffentlichen Volksschule, welche die geistig schwachen (schwachsinnigen) 
Kinder nach einen zweijährigen erfolglosen Besuch der Volksschulunterstufe 
aufnimmt und durch besonders geartete Erziehungs- und Unterrichtsmethoden 
für das Leben aasbildet. Die Auswahl der Kinder erfolgt auf Vorschlag 
des Lehrers und Rektors durch den Schularzt, den Hilfsschallehrer bezw. Leiter 
und den Kreisschalinspektor; letzterer trifft die letzte Entscheidung. 

Nach dem heutigen Stand der pädagogischen Beobachtungen und 
Forschung ist die Eigenart der Hillsschulkinder in folgender Weise zu 
charakterisieren: Infolge der pathologischen Verhältnisse des Gehirns zeigen 
die Kinder eine allgemeine Schwäche; auf körperlichem Gebiete beobachtet 
man Zurflckgebliebensein und allgemein körperliche und nervöse Anfälligkeit; 
auf geistigem Gebiete herabgesetzte psychische Entwickelungskraft, die 
Ungenauigkeit und UnVollständigkeit der Perzeption, Mangel an Konzentration 
und quantitative und qualitative Mängel im Gedächtnis zur Folge hat, ferner 
8chwäche im logischen Denken, Verlangsamung der Gesamtentwicklung und 
mangelhaftes Koordinationsvermögen. Das Gesamtbild der Kinder weist jedoch 
keine Ausfälle ln der Beanlagung, sondern nur eine Herabsetzung der Ent* 
wickelungsfähigkeit auf, weshalb sich die Ausbildung der Kinder für die 
Arbeit im öffentlichen Leben erzielen läßt. 

Die Schulzeit verteilt sich in der Regel auf 2 Versuchsjahre in der 
Volksschul- und 6 Hilfsschuljahre. Die vollständige Hilfsschule organisiert 
sich in drei Stufen: Unter*, Mittel- und Oberstufe, und besteht mindestens 
aus 3 Klassen. Jede Klasse umfaßt dann immer 2 Jahrgänge. 

_Dr. Wolf- Witzenhausen. 

Die Institution der Sehulftrxte ln Ungarn. Von Dr. Adolf Inba, 
Schularzt, Mitglied des Unterrichtsrates. Der Schularzt; 1909, Nr. 12. 

In Ungarn wird die Berechtigung zum Schularzt nach einem 3monatigen 
theoretischen und praktischen Kursus an den Universitäten durch eine Prü¬ 
fung erworben. Der Arzt kann sich dann Schularzt und Professor der 
Hygiene nennen. Die Anstellungsverhältnisse sind ungünstig, da es Schul¬ 
ärzte vorläufig nur für höhere Schulen gibt und die Einrichtung von 
Schulärzten für die Volksschulen bisher an der Geldfrage gescheitert ist. So 
haben von 800 „Schulärzten“ nur etwa 200 eine Anstellung. Verfasser, der 
an dem größten Staatsgymnasium als Schularzt im Nebenamt wirkt, berichtet 
genauer über seine Tätigkeit, der er täglich die Zeit von 10—1 Uhr widmet. — 
Der angestellte Schularzt hat die Verpflichtung, Hygienennterricht zu erteilen. 

_ Dr. Solbrig- AUenstein. 

8. Krttppelfürsorge. 

Die Hygiene der KrBppelanstalt. Von Dr. L. Rosenfeld und Dr 
8. Merkel- Nürnberg. Zeitschrift für Krüppelfürsorge; Bd. II, H. 3. 

Die Krüppelanstalt muß als integrierende Bestandteile enthalten: ein 
chirurgisch • orthopädisches Krankenhaus, eine Schule, Abteilungen für gewerb¬ 
lichen Unterricht und eine Versorgnngsabteilung. Die Verfasser besprühen in 
eingehender Weise: 1. Gesamtanlage der Anstalt, 2. Verwaltungsbetrieb, 



460 


Kleinere Mitteilungen und Rafei 


8. Hygiene der KrüppelzOglinge, 4. Prephjlaa 
eignet rieh rieht so einem kurzen Referat. 


Krflppelsehule mnd Krttppelklftmik. 

Zeitschrift für Krüppelfürsorge; Bd. II, H. 3. 

Die Krüppelfürsorge hat die Aufgabe 
erfolgreiche Behandlung zu ermöglichen, den tu 
eine zweckentsprechende Erziehung na verad 
erwachsenen Krüppel zu versorgen, vor Hang 
Eine rationelle Krflppelfürsorge maß dm 
ärztliche Behandlang der Krüppel legen. ] 
zweiten Platz in der Krüppelfürsorge ein. Bi 
von Anstalten muß in erster Linie für Betten 
Krüppelkindern gesorgt werden. _ 


Yersneh einer Krtppelfürsorge Ins K 
arzt Dr. Cnrtins-Großkamsdorf. Zeitschrift f 

Verfasser berichtet über die von ihm 
Krüppelfürsorge. 

Dm ein vollständiges und zuverlässiges 
Art der Verkrüppelang za gewinnen and gle; 
welche Kinder einer besonderen Fürsorge beaür 
fasser am zweckmäßigsten zn sein, eine Offent 
der Krüppelkinder zu veranlassen. Za der ben 
vorgenommenen Untersuchung hatten sich unter 
teilen eine auffallend hohe Zahl von Eltern i 

Das Ergebnis der von dem Kreiskranke 
vorgenommenen Untersuchung war folgendes: 

1. Der Zuwachs an neu ermittelten Krüp 

2. Die Zahl der Heimbedürftigen war ins$ 
nach der Statistik vom Jahre 1906 angenommen 

8 . Die Deformitäten hatten sich in vielen 
Alter der Kinder infolge Verschiebung der norm 
nicht gelähmten Muskulatur, mangelhafter Fun 
vierter Muskulatur und sonstiger Veranlassung 

4. Die Verschlimmerung war oft so groß, d 
bezw. eine Erhöhung der späteren Erwerbsfähi 
chirurgische, bezw. orthopädische Behandlung 
werden kann. 

5. Unter den Untersuchungen befand m 
Prozentsatz schwachsinniger Kinder. 

6. Die häufigste Ursache der Gebrechen b 
heit und Rückenverkrümmung, doch kamen a 
luzationen mit teilweise sehr schweren Folgesui 

7. Es wurden fast keine Krüppelkinder i 
bei den statistischen Erhebungen ermittelt und 
Buchung vorgestellt. 

Da Verfasser ein besonderes Gewicht at 
krüppelung, alsdann auf eine baldige Feststellu 
läßt er mit Hilfe der Hebammen tunlichst bei 8 
Lebensjahre die Ernährungsweise und das Best 
bildungen, im zweiten Lebensjahre die Entwiche 
die Gehfähigkeit (Rhachitis, angeborene Hflftsg 
kontrollieren. Außerdem wurde den Hebammen 
merkblatt sagestellt. 

Um bei den Untersuchungen Unzuträglich! 
die Hebammen noch besonders darauf hingewiesei, 
ihrer Praxis aufsuchen, sowie die Uoberwachung c 
Pflege nicht länger ausdehnen sollten, als dies 
würde, und daß für diese Mühewaltung keine V< 
keine Behandlung der Kinder vorgenommen werde 



Kleinere Mitteilangen and Beferate ans Zeitschriften. 


451 


Ton Verkrüppelung and Ton englischer Krankheit sollten sie die Eltern an den 
Arzt verweisen. 

Ferner wurde versucht, die therapeutischen Fürsorgebestrebungen tun* 
liehst auszudehnen, indem man unbemittelten Kindern die Gewährung unent- 

S eitlicher Operationen und eines wesentlich ermäßigten Verpflegungssatzes im 
Lreiskrankenhaus oder sogar Freistellen verschaffte, dadurch daß der Kreis- 
ausschuß Mittel bewilligte, üm dem Krüppelelend zu steuern, regt Ver* 
lasser an: 

1. eine Aufklärung des Publikums über die Folgen beginnender körper¬ 
licher Gebrechen und über die Notwendigkeit einer rechtzeitig geeigneten 
ärztlichen Behandlung; 

2. die kleineren und mittleren Krankenhäuser mehr in den Dienst der 
Krüppelfürsorge zu stellen; 

3. die Prophylaxe bereits im früheren Alter einsetzen zu lassen. 

_ Dr. Wolf-Witzenhausen. 

‘Welche Beziehungen bestehen zwischen der gewerblichen und land¬ 
wirtschaftlichen Kinderarbeit einerseits und der Krflppelfürsorge 
anderseits 1 Von B. Agard-Bixdorf. Zeitschrift für Krüppelfürsorge; 
Band II, Heft 4. 

Es gilt die Hauptsache Im Auge zu behalten: Vorbeugen ist der beste 
Kinderschatz; za dieser Vorbeugung gehört in erster Beihe eine Weckung 
des sozialen Verständnisses in der Masse sowohl, als bei dem Einzelnen. Arzt 
und Lehrer müssen Volkserzieher sein, welche an der Hand tieferen Ver¬ 
ständnisses das Verantwortlichkeitsgefühl anregen pflegen. Der Staat hat 
wohlgetan, wenn er ein Gesetz betreffend die Boglung der Kinderarbeit schuf, 
die Gesellschaft tut wohl, wenn sie es durchführen hilft; denn beide werden 
durch wirksamen Kinderschutz praktische Krttppelfürsorge treiben. Die 
Statistik über Krüppelfürsorge in Verbindung mit der landwirtschaftlichen 
ünfallversicherungsstatistik ergibt, daß, soweit aus der bis dahin erfolgten 
Veröffentlichung über landwirtschaftliche Kinderarbeit in Bayern noch weitere 
Schlüsse gezogon werden können, auch dringend notwendig ist die gesetzliche 
Begelung der Arbeit schulpflichtiger Kinder in Landwirtschaft und Gesindedienst. 

__ Dr. Wolf-Witzenhausen. 

Alkoholmissbrauch und Krflppeltum. Von Dr. G. H o p p e - Königsberg* 
Zeitschrift für Krttppelfürsorge; Band 2, Heft 4. 

Nach den verschiedensten Seiten haben sich Beziehungen zwischen 
Alkoholismus und Krüppeltum ergeben, sowohl direkte, als indirekte. Es gibt 
kaum eine zur Verkrüppelung führende Störung, bei der nicht der Alkohol 
direkt oder indirekt als Ursache in Betracht kommen kann und in überaus 
zahlreichen Fällen auch wirklich in Betracht kommt. Eis fehlt leider an 
Statistiken, die einen genauen zahlenmäßigen Ausdruck für den Anteil des 
Alkoholismns am Krüppeltum geben. Aufgabe der Leiter an Krüppelanstalten 
und Krüppelheimen wird es sein, solche Statistiken herzustellen, indem sie in 
den Antezedentien ihrer Zöglinge möglichst genau nachforschen, ob 
Trunkenheit der Eltern bei der Zeugung, Alkoholismus der Eltern und 
Alkoholismus der Kinder selbst als hauptsächlichste oder mitwirkende Ursache 
zu konstatieren ist. _ Dr. Wolf-Witzenhausen. 

4. Soziale Hygiene. 

Zur Verminderung der uneheliehen Geburten. Von Dr. A. Fischer - 
Karlsruhe. Sexual-Probleme; 1909, Nr. 12. 

Verfasser konnte nachweisen, daß nur l°/o der verheirateten, aber 
21,8 °/<> der unverheirateten Mütter vor dem 20. Lebensjahre niedergekommen 
sind. Man muß ferner annehmen, daß fast alle Schwangerschaften, die vor 
dem 20. Lebensjahre der Mütter erfolgt sind, ohne oder sogar gegen den 
Willen der Gebärenden zustande kommen. Es liegt aber auch im Interesse der 
Bassenverbesserung, die unehelichen Geburten seitens jugendlicher Mütter zu 
verhindern, oder, wenn möglich, zu beseitigen. Als Ursachen für die Unehe¬ 
lichkeit gibt Spann folgende an: 



452 


Kleinere Mitteilungen und Rel 


1. das Heiratsalter und die Haupts 
gliedernng der nicht verheirateten gebär- 
beiderlei Geschlechts; 2. das Verhältnis 
Geschlechter aneinander (männlicher Uebers* 
weiblicher günstig); 3. Heiratsbeschrankoi 
jetat noch ein Ehekonsens notwendig; wahr 
Heirate hindernisses, welches vor der Beic 
Staaten, z. B. auch in Hessen, vorlag, d 
sprunghafte Verminderung der unehelichen 
der jungen Mädchen (nach Spanns Uht 
unelichen Mütter vaterlos oder ihrer Fa 
unehelichen Mütter (Uebersiedelung vom 
gewisser Volksstämme, z. B. der Bajnvar< 
Unehelichkeitsziffern zeigen). 

Verfasser sieht aber die Hauptnrsac 
Personen sich der Tragweite ihrer Handlang 
daher die sexuelle Aufklärung der männliche 


Erwerbsfähigkeit und ihre Ausnntzi 
Organisationsvorschlag von Dr. Vollmann 
soziale Hygiene und Medizin; 1910, Nr. 2 und 
Verfasser ist der Ansicht, daß bei eines 
Armenpfleglinge die Feststellung der Erwerbs 
sei für Bewilligung regelmäßiger Almosen, 
werden: arbeitsfähig oder arbeitsunfähig, soi 
Es kommt nicht sowohl auf die Arbeitsfähigkeil 
fähigkeit an. Man müsse den Mangel an Arbc 
Verfasser schlägt nun vor, Armenhoimc 
der früheren Armenhäuser, sondern Heime, in i 
Beweglichkeit usw. nicht beschränkt, sondern h 
Arbeitsleistungen, und so eine anständige Geleg 
ihre Kräfte zu verwerten. 


Ueber eine Methode zur ziffenunässfgen 
zustaudes« Von Karl Oppenheimer-Münchez 
heitspflege; 1909, Nr. 12. 

Verfasser hat als die brauchbarste Mat 
Ernährungszustandes, die frei von jeder subje 
Umfänge von Brust und Oberarm sowie die Kör 
und daraus zwei Zahlen konstruiert, von denen 
maß (Brustumfang mal Oberarmumfang dividit 
andere Ernährungsquotient (100 mal Obi 
Brustumfang) bezeichnet wird. An einer groß 
verschiedensten Altersklassen wurde die Bichtigk 
beiden Formeln geprüft und auch bewiesen. Es 
daß das Ernährungsmaß unter normalen Verhältn 
zum Erwachsenen ansteigt (und zwar von 6 
Ernährungaquotient in jedem Lebensalter, gut 
Individuums vorausgesetzt, derselbe ist and ca. 
Umfang des Oberams unter normalen Verhältnisse! 
umfangs ausmacht. Diese Ernährungsquotient wii 
Faktor, den Ernährungszustand, beeinflußt; er sinh 
xustand auf 27—28 und bei schlechtem Ernährung: 

Verfasser hält seine hiernach bestimmte hl 
praktisch, da sie den Vorzug der größeren Fiifac 
üblichen Berechnung nach Gewicht und Länge a 
hältnu zwischen Gewicht und Länge verschiebt s 
Lebensaltern, während der Ernährungsqaotient des 
darstellt. 



Kleiber« Mitteilungen und Referate atu Zeitschriften. 453 

Die nette Methode wird gewiß nach geprüft werden und verspricht eine 
brauchbare Handhabe «er Bestimmung des ErnShrttDgstastaoäes der Schul- 
Winder an werden. _Dr. Selsrig-Aüenatein. 

Vererbung, Auslese und Hygiene. Ton Geh. Ob.-Med.-Rat Dr. 
v. Grober in München. Deutsche med. Wochenschrift; 1909, Nr. 46 und 47. 

Per aal dem internationalen med. Kongreß ia Badäpest gehaltene Vor¬ 
trag, der zur Lektüre iin Orginal wann empfohlen werden kann, vertritt die 
•chon in der Intberen bekannten Arbeit Graberar »Führt die Hygiene zur 
Eattitonz der Rasse?* ausgesprochene Ansicht, daß deren unsere modernen 
hygienischen Bestrebungen, die manches minderwertige Individuum am Leben 
«rbalten, das «och im Kampf uma Dasein fmiergehen würde, keine Ver¬ 
schlechterung der Rasse, keine Degeaeratioo au befürchten Lt. Er führt 
diese» Gedanken bcaondera bezüglich der Bekämpfung der Tuberkulose aus. 
Dm Bestreben. der Hygiene maß sein, der Entstehung von »Minasyariaste«^, 
mfc'tferwertig«? ; : H«chkoma»e»ach*ft vorzubeugen; es muß Eastscahygieae, 
»Eugenik* getrieben werden, damit die Kulturvölker der drohenden Gefahr 
entgehen, völlig zu Grande su gehen. Die überall abnehmende €fobttrtenniKer t 
die zunehmende Sterilität ist ein dringendes WaruungBsignaL 

Dr. L i« b e t *s a - Hagen i. W. 


Hie suttehmeßdo Zahnverderbnin — eine nationale üefahr; ihre 
Ursache und ihre Bekämpfung. Von Dr. Ku&ert-Btfeslaa und Professor 
Dr. W ti li g er-Berlin. Zeitschrift für SchuIgesundhcilspfiega; 1910, Nr. 1. 

Die Tatsache, daß die Zahnkaries die verbreitetste Volkskrankheit ist, 
wird bewiesen durch die Untersuchungen Böses-Dresden, der in Deutschland 
an 20**000 Personen, Schulkindern, Soldaten und G-teteRongsptiichtigen Unter¬ 
suchungen anstelBe, und bei 97 °/« der untersuchten Personen Zahnfäule fand. 
Du Grahdttbel za dieser so bedauerlichen VerbTeitang sehen die Verfasser 
in der schlechten Verkalkung der Zähne und ihrer ungenügende« Hüne, 
hervorgerufen dareih *n geringe Aufnahme von Kalksabsen bpi der Ernährung. 
Abhilfe dafür bietet; Die Aufrüttelung aus der zunehmenden StiliaagsBuinat 
der Mütter, die Wiedereinführung der Eigenbäckerei von hartem, dunklem 
Brot, das auch die Kisberschicbt des Korns enthält, und die Lieferung von 
hartem, kalkt eichetn Trink waaser. Dr. S o l h r|g - Atienstein. 


Hie Wehrkraft des Deutsche» Reiches. Von Robert Schmidt- 
München. Halbmonatsschrift für soziale Hygiene und Medizin; 1910, Nf. 6/7. 
Pie interessante Arbeit gibt Aufschluß Über das genannte Thema. Vöt % 

alte«' rind 

•labte 19021 hie IDöSl «cUnifc« in: JMcb«. w den »!r,ägb<r)g At-fs** 

») auf die weg<jii Co Würdigkeit tom MRitärdieoxt Ausgewcchmeentto •" #,2*/* 
h) auf dio sie dauernd auungUcfc AUftgüthttMerfet. . r 0,3— S.o , 

c) auf..die wegen »ärgerlicher Verhält‘risse ud*r als- überadhlig 

dem LanJUiutm «de? dür Ersatsreaerve . Ue.h*uwoLa*;h«o•*;/.» :.*/ 1,9— 

d) auf die wegen bedingt*» odw ceiriger UitfaSgLdtkäie dem • 
ijundstum oder der '£rs&fj;res«ryo Oeberw&fes&upi, .•'V;„ 

e) awf die- Aus gehoben es;. ...... . •ti,l-~4'{h ., 

ft auf die fru«rillig Eicfteweteze« ..... . . . )0.v -u,.i » 

gi-Aüt da*. ' Hoben iai gauitu (c, e und ii . . . :•? •• ?<?,1 .. 

Dl« Stahl der A.a&goLobenea Lat sich im Reiche Um'.3,3 *1« gehoben und 
dH- der T'aubHfcbeo um 4.4*/#, Der Begriff de? Tauglichkeit Pt. wie v. Schier* 

B ia g mit Hecht sagt, kein fester, sondern ein iiae-iigaj- Begriff, Er bängt ab 
>ua den AuBhihangsvorschriftbB, von dem subjekttfeft ErmuPs^n de» unter-- 
saebcodeo A«n^ (wenigstens bei manche» Fehlern), d»btt Von der jSetl d» jp? 
Aas weh! Ktskendew Leute und von dem aofimbrivgeaden üih«ja< an .ßehrrou». 

Pas F«w»s des Aalnsi/i-s geht dahin, daß D-mtscLfabde Webskrab tu 
eteleth Zunkhothu begriffen ist. Dabei weisen auch dee Äictivcn grOÖj-jÜ®.- 
nahm»« auf * •* 



464 


Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


Eine letzte Tabelle zeigt den Einfluß der Beschäftigung auf die Brauch¬ 
barkeit. Es waren im Durchschnitt der Jahre 1903—1908 von 100 endgültig 
Abgefertigten der nachbezeichneten Gruppe tauglich 

Land- Stadt- landwirtsch. anderweitig 
geborene geborene Beschäftigte Beschäftigte 


Preußen .... 68,9 51,2 69,8 64,2 

Bayern .... 68,2 51,7 67,0 56,1 

Sachsen .... 66,2 60,1 69,0 51,0 

Württemberg . . 56,3 53,9 64,8 55,7 

Baden. 57,3 63,5 67,8 55,2 

Hessen .... 59,4 54,1 59,5 56,5 

Elsaß-Lothringen . 65,4 61,1 67,1 62,3 

Reich. 58,7 51,6 59,3 54,5 

Dr. Hoff mann-Berlin. 


5. Medizin alYerwaltung. 

Ueber Hindernisse bei der sanitären und anderen Fermen der 
äffentliehen Verwaltung und Über Mittel zu ihrer Abhilfe* Von Dr. Arthur 
N ewsholme, medical officer to the Local Government Board. Public health; 
XXII, 1909, Nr. 11. 

Die hohe Stellung des Autors veranlaßt ihn zunächst dazu, die Leser 
daran zu erinnern, daß seinen Worten keine offizielle oder irgend welch andere 
Autorität zukomme als die, wie sie durch die Möglichkeit, sich in die Praxis 
umzuBetzen, ergebe. 

Das körperliche, geistige und sittliche Leben des Menschengeschlechts 
kann mit iniolge eingehenderer und ausgedehnterer Kenntnisse auf dem Ge¬ 
biete der Hygiene mehr wie in früherer Zeit in das Bereich vorbeugender 
Heilkunde gezogen werden. Es bedarf eines weiten Ausblickes und eines 
hohen Ideals, wenn auf dem Gebiete der sozialen Fürsorge das Mögliche 
geleistet werden soll. Die Medizin selbst bietet für die Notwendigkeit genauer 
Kenntnisse und weiten Blickes Beispiele genug. Da gibt es Charlatane ohne 
Wissen und Spezialisten^ die etwas fast zu gut wissen, während sie den 
Zusammenhang ihres Sonderfaches mit dem Patienten selbst nicht kennen. 
Der Spezialarzt vergangener Tage, der sich damit beschäftigte, einen Nasea- 
polypen zu behandeln, während sein Patient an Schwindsucht zugrunde ging, 
gleicht der GesundheitsbehOrde, die für ein Isolierhospital verschwenderisch 
Geld ausgibt, während sie es versäumt, die fehlenden Glieder der Kette bei 
ansteckenden Krankheiten aufzusuchen, die die Krankheit weiter verbreiten. 
Es zeugt auch von einem Mangel an weitem Blick, wenn „extravagante" Rat¬ 
häuser gebaut werden, während die Wasserleitung unrein ist oder die Aborte 
ungenügend sind, oder wenn die Stadt türkische Bäder baut, während Hofe 
und Straßen ungepflastert sind, oder wenn die Stadt es versäumt, die Mädchen 
Haushaltungskunde, die Knaben solche Kenntnisse zu lehren, die sie be¬ 
befähigen, als Erwachsene am Off entliehen Leben teilzunehmen 
Schwinden muß auch die Verwaltungspraxis, die Armen Almosen gibt, um die 
Symptome der Armut zu lindern, statt sich zu bemühen, nach den Ursachen 
der Armut zu forschen und ihrem Auftreten vorzubeugen. 

Wichtig ist es auch, dem Armenarzt die Bedeutung zukommen zu 
lassen, die durch seine Kenntnisse der Lebensverhältnisse der Armen begründet 
ist. 8chon Chadwick (1842), Simon (1849), Rumsage (1856) hatten 
darauf hingewiesen, daß die Prüfung der Armenwohnungen am besten durch 
den Armenarzt zu geschehen habe; man solle sich die Erfahrungen dieser 
Aerzte zunutze machen, die ja die Gewohnheiten und Bedürfnisse, die Em¬ 
pfänglichkeit für Infektionskrankheiten, die Ortsverhältnisse gründlicher als 
jeder andere kennen. Im Kampfe gegen den Alkoholismus, in der Sorge für 
passende Wohnung, Kleidung, Ernährung könne der Armenarzt der zweck¬ 
mäßigste hygienische Berater der Armen sein. 

Dem medical officer of health liegt es nun ob, außer seiner dienstlichen 
Tätigkeit sich auch des Mitwirkens aller jener Faktoren zu versichern, die 
dasselbe Ziel im Auge haben. Er muß die religiösen, sozialen Orga¬ 
nisationen, die mildtätigen Gesellschaften, die freiwilligen 
Krankenhäuser, die Krankenkassen zur Mitarbeit heranziehen. 







Besprechungen. 


465 


Biese freiwillige Unterstützung füllt die Blanketts »ns, die die offizielle 
Tätigkeit notwendigerweise zorücklessen maß; sie spornt nach den Beamten 
za neuer Tätigkeit an and erzeugt in weiteren Kreisen ein Interesse für den 
sozialen Fortschritt. 

Für England kommt besonders hinzu, daß der Laie, der „gewählte* Dilet¬ 
tant, einen außerordentlich großen Einfluß hat — sei es als Mitglied! des Par¬ 
laments oder als Mitglied lokaler Verwaltungskörperschaften. Dadurch wird 
der Sachverständige genötigt, die finanziellen Bedürfnisse besonders eingehend 
zu prüfen. Der Arzt, der einem armen Arbeiter eine teuere Hühnersappe 
verordnet, gleicht dem medical offleer of health, der kostspielige Kanalisations- 
Projekte empfiehlt, wo einfache Methoden genügen. Aus dem Kampfe der 
öffentlichen Diskussion ergibt sich dagegen meist ein wirklicher Fortschritt, 
wenn er auch nicht so groß ist, wie der Sachverständige ursprünglich wünschte. 
Außer den Organen der Selbstverwaltung sind nun auch die Kritiker 
zu berücksichtigen, die sich zwar von offizieller oder freiwilliger Verwaltungs¬ 
tätigkeit zurttckziehen, die aber alle ihre Leistungen dauernd kritisieren. 
Nun ist der beste Weg, um Korruption fernzuhalten, der selbsttätige Anteil 
an der Selbstverwaltung oder wenigstens die stetige Unterstützung aller derer, 
die ohne jeden eigenen Vorteil daran teilnehmen. Der Autor empfiehlt nun 
den Kritikern ein eingehendes Studium der Leistungen der Selbstverwaltung, 
da nichts es mehr verhindert hat, daß tüchtige Männer solche Ehrenämter 
übernehmen, als chikanöse Kritik. 

Es bedarf einer hohen ethischen Stellung des Kritikers und des Ver¬ 
waltungsbeamten, wenn die sozialen Fortschritte weiteren Erfolgen der pro¬ 
phylaktischen Medizin den Weg ebnen sollen. Dr. Mayer-Simmern. 


Die Regelung des kommunalärstlichen Dienstes In Charlottenburg« 
Von Dr. B. Lennhofl. Wochenschrift für soziale Hygiene und Medizin 
1909, Nr. 42. 

Verfasser wendet sich gegen den von San.-Bat Dr. A. Gottstein- 
Charlottenburg aufgestellten Organisationsplan des kommunal ärztlichen Dienstes 
und verlangt: Der gesundheitliche Dienst in größeren Gemeinden erfordert 
einen Arzt im Hauptamt als Leiter. Die Uebertragung therapeutischer oder 
iadividaalärztlicher Aufgaben an Aerzte im Hauptamt widerspricht den Wesen 
dieser Aufgabe. Für die anderen Zweige kommunalärztlicher Tätigkeit richtet 
sich die Beantwortung der Frage, ob Haupt- oder Nebenamt nach den örtliohen 
Verhältnissen und den Besonderheiten der Aufgaben. 

Auch der Charlottenburger Aerzteverein hat die Vorschläge Gottsteins 
in Erwägung gezogen, welche er als durchaus unzweckmäßig und bedenklich 
bekämpft; er empfiehlt: 

1. Anstellung eines städtischen Medizinalrates im Hauptamt mit 8itz 
und Stimme im Magistrat. 

2. Die Ausgestaltung des Schwesterndienstes, die eine einheitliche 
Fürsorge im Hause der Bedürftigen verbürgen soll. 

Dr. Wolf-Wltzenhausen. 


Besprechungen. 

Dr. Otto lauern, Assistent der Könglichen Unterrichtsanstalt für Staats- 
arzneikunde an der Universität Berlin: Die foreneiaolie Blutunter- 
suohung. Ein Leitfaden für Studierende, beamtete und sachverständige 
Aerzte und lttr Kriminalisten. Mit 80 Figuren im Text und 8 Tafeln. 
Berlin 1910. Verlag von Julius Springer. 212 Seiten. 

Das Buch bringt eine zusammenfassende und übersichtliche Anleitung, 
welche für alle diejenigen, die sich mit der forensischen Blutuntersuchung in 
der Praxis zu befassen haben, einen unentbehrlichen Führer darstellt. Die 
Schrift ist um so wertvoller, als der Verfasser als Leiter des viel in Anspruch 
genommenen Laboratoriums der Unterrichtsanstalt für Staatsarzneiknnde reiche 
Erfahrungen zu sammeln Gelegenheit gehabt hat, die ihn in die Lage setzen, 
eine Fülle wertvoller Einzelangaben zu bringen. Der spezielle Teil des klar 



456 


Besprechung^. 


geschriebenen Werkes beschäftigt sich mit dem Nachweis des Blutfarbstoffs 
(Vorproben, Kristallproben, Spektralproben), der Blutzellen, der Blutart und 
dem quantitativen Blutnachweis. Eingehende Berücksichtigung finden die 
biologischen Methoden, die Serumpraezipitinre&ktion, die Erythropraezipitin- 
reaktion und der Anaphylaxieversuch. Oute, erläuternde, zum Teil farbige 
Abbildungen erfüllen vortrefflich ihren Zweck, einzelne Befunde, Reaktionen, 
Kristallformationen und technische Operationen zu veranschaulichen. Ein 
ausführliches Literaturverzeichnis wird auch dem Qeübten willkommen sein. 

Dr. Revenstorf-Breslau. 


Dr. Carl Bruok, Privatdozent und Oberarzt der dermatologischen Universitäts¬ 
klinik in Breslau: Die Serodlagnose der Syphilis. Berlin 1909. Verlag 
von J. Springer. Gr. 8°, 166 8.; Preis brosch.: 4,80 M. 

Das Werk ist ein Teil des in den „Arbeiten aus dem Kaiserlichen 
Gesundheitsamte“, Bd. XXXI, erscheinenden Berichtes über die Neiße räche 
Expedition nach Java zur Erforschung des Syphilis. Bruck, der bekannte 
Leiter der Berodiagnostiscben Abteilung der Ne iß ersehen Klinik in Breslau, 
unterzieht in dieser Monographie die Geschichte und die bisherigen Ergebnisse 
der serodiagnostischen Untersuchungen bei Syphilis einer kritischen Sichtung 
und teilt die von ihm an dem überaus reichen Material der Breslauer Klinik 
— mehr als 8000 Blutuntersuchungen — gemachten Erfahrungen mit. 

Es worden so unter ständiger Kritik der gesamten Literatur besprochen 
das Wesen der Komplementbildungsreaktion bei Syphilis, die 
Bruck heute als eine aus zwei Gruppen zusammengesetzte Komplementver¬ 
ankerung anspricht, einmal aus dem nicht spezifischen Faktor Zusammentritt 
von Antikörper — Eiweißlipoidverbindungen — und dem spezifischen Faktor 
Luesantigen — Luesamboceptor. Weiter wird dann in ausführlicher Weise 
dargelegt die Technik der Komplementbindangsreaktion bei Syphilis, wie 
sie heute an der Breslauer Klinik und mit geringen Abweichungen wohl an 
den meisten derartigen Instituten nach dem Breslauer Muster geübt wird. 
Es sei aus diesem Kapitel erwähnt, daß Bruek nur noch mit alkoholischem 
Extrakte aus hereditär-luischen Lebern arbeitet. Des weiteren wird die 
Spezifität der Komplementbindung bei Syphilis — ein der Syphilisreaktion 
analoges Phaenomen wird beobachtet bei Framboesie, Trypanosomen¬ 
erkrankungen, Lepra und Scharlach — und das Vorkommen und die Ver¬ 
wendbarkeit der Reaktion in den verschiedenen Stadien der Syphilis aus¬ 
führlich besprochen und auf ihre schon heute eminente Wichtigkeit in 
ärztlicher und sozialer Beziehung bingewiesen. In einem weiteren Kapitel 
werden die höchst interessanten Beobachtungen mitgeteilt, die die Reaktion 
bei der hereditären Syphilis ergeben hat, und in zwei weiteren Ab¬ 
schnitten wird der Einflnß der spezifischen Behandlung auf den Re- 
aktiosausfall und die Verwendbarkeit der Reaktion in den anderen Dis¬ 
ziplinen der Medizin besprochen. Im Anhang werden die „Eraatzme- 
thoden“ nach Porges-Meier, Fornet-Scherescbewsky und Klausner 
einer kritischen Würdigung unterzogen. Ein fast vollständiges Literatur¬ 
verzeichnis bis Oktober 1909 bildet den Schluß. 

Keinem, der auf dem Gebiete der Syphilisserodiagnose arbeitet oder 
sich in ihm unterrichten will, sollte dieses hervorragende Buch fehlen. 

Dr. Mohrmann-KieL 


Dr. Wolfgang Weiohardt, Privatdozent in Erlangen: Jahresbericht 
Aber die Ergebnisse der Immnnltfitsforschnng. III. Band: Bericht 
über das Jahr 1907. Gr. 8°, 548 S. Preis: geh. 17 M. bezw. IV. Band: 
Bericht über das Jahr 1908. 664 8. Preis: geh. 21 M. Stuttgart 1906 und 
1909. Verlag von F. Enke. 

Ein Blick auf die bisher erschienen 4 Weichardtachen Jahresberichte 
belehrt darüber, daß der Stoff der theoretischen und praktischen Immunittts- 
lehre ständig zunimmt. Eine schnelle Orientierung über die wichtigeren 
Ergebnisse der in- und ausländischen Immunitätsarbeiten ist ohne das Sammel¬ 
werk zur Unmöglichkeit geworden. Deshalb sei hier das große Verdienst 
Weicherdts besonders dankbar anerkannt. 

Der LU. Band bringt außerdem zwei sehr eingehende Beferate „Ueber 



Besprechungen. 


4Ä7 


Anaphylaxie 11 von C. Levaditi and ttber „Phagozytose, Opsonin« 
theorie and Verwandtes“ von W. Bosenthal. 

Im IV.Baad behandelt W. Bosenthal das Thema „Phagozytose 
and ihre Bedingungen“, während das praktisch wichtigste Kapitel aas 
der Immunitätsforschung des letzten Jahres „Die Komplementbindung“ 
durch G. Meier eine übersichtliche Zusammenfassung mit Beigabe praktischer 
Vorschriften findet. 

Daran schließen sich die Einzelreferate, die innerhalb der einzelnen 
Immunitätsgebiete alphabetisch aneinander gereiht sind. Die einleitende 
allgemeine üebersicht und die Zusammenfassung am Schluß, beides vom 
Herausgeber, und ein sehr eingehendes Sachregister geben dem Ganzen einen 
würdigen und für die leichte Orientierung besonders wertvollen Bahmen. 

_ Dr. Boepke-Melsungen. 

Dr. A. Wolfif-Eianer, Berlin: Frühdiagnose und Toberkolose- 
Immanltftt. Würsbarg 1909. Verlag von Curt Kobitzsch (A. Stübers 
Verlag). Gr. 8°, 378 S. Preis: geh. 12 M., geb. 18,50 M. 

Das vorliegende Werk bildet unter gänzlich veränderten Titel die 
zweite Auflage der s. Z. als besonderes Heft der Beiträge zur Klinik der 
Tuberkulose erschienenen Monographie Wolff«Eisn er „Die Ophthalmo- 
und Kutandiagnose der Tuberkulose“. Um diese beiden diagnostische, 
Methoden, namentlich um die der Konjunktivalreaktion, kristallisiert sich das, 
was der Verfasser über die Frühdiagnose, Therapie und Prognose der Tuber¬ 
kulose zu sagen hat. Wolff-Eisners Bewertung seiner Konjunktival¬ 
reaktion ist bekannt und — widerlegt, so einwandslrei und gründlich wider¬ 
legt, daß kein noch so dickes Buch sie je wieder ans der wohlverdienten 
Vergessenheit unlieben lassen wird. Der gelegentlich der ersten Besprechung 
(cf. dieser Zeitschrift 1908, Nr. 16, S. 597) von mir eingenommene kritische 
Standpunkt ist inzwischen ein allgemein und absolut ablehnender 
geworden. Damit ist auch die den lokalen Tuberkulinreaktionen vindizierte 
soziale Bedeutung im Kampfe gegen die Tuberkulose als Volkskrankheit 
gefallen. Bleibt das Kapitel über „Tuberkulinwirkung“ und „Tuberkuloee- 
immunität, das die biologischen Laboratoriumsforschungen mit der experimen¬ 
tellen Therapie in Uebereinstimmung zu bringen sucht. 

_ Dr. Boepke-Melsungen. 

Dr. A. Koalier, Professor, Berlin: Lehrbuch, der Lungentuberkulose. 
Für Aerzte und Studierende. Mit zahlreichen Abbildungen im Text. 
Wiesbaden 1910. Verlag von J. F. Bergmann. Gr. 8°, 828 S. Preis: 
geh. 7 M. 

Za den vielen großen Lehrbüchern und kleinen Kompendien über die 
„Lungentuberkulose“ ein neues, von dem Verlage gut ausgestattetes Werk. 
Es soll ein Führer sein für den „zukünftigen ausübenden Arzt*. Als solches 
dürfte es auf einen persönlichen Ton abgestimmt sein. Aber es ist zu persOnlioh 
ausgefallen und muß bei allen „gegenwärtigen ausübenden Aerzten“, die nicht 
unbedingt und ohne weiteres auf MO Ilers persönliche Diagnostik, Therapie 
und Prophylaxe der Lungentuberkulose schwören, in Aeußerllchkeiten wie ins¬ 
besondere in der Stoffbehandlung auf Widerspruch stoßen. 

Den Medizinalbeamten wird besonders interessieren, was der Verfasser 
über die Entstehung der Tuberkulose u. a. lehrt. Der Aufenthalt in den 
Eisenbahnwagen soll oft sehr gefährlich sein, zumal vielfach die Passa¬ 
giere echauffiert im Zuge Platz nehmen nnd recht tiefe Atemzüge 
machen, um sich zu erholen; somit sind die größten Chancen geboten, um 
eine Lungentuberkulose zu akquirieren.— Die Phthisiker sollen für ihre Mit¬ 
arbeiter, mit denen sie tagsüber zusammen sind, eine größere Gefahr 
bilden als für die Familienangehörigen, da sie nur abends im Kreise 
ihrer Familie sind und nachts keine Tuberkelbazillen an die Außenwelt pro¬ 
duzieren. Dort die Ueberschätzung des tiefen Atemzuges, hier eine geradezu 
unbegreifliche Unterschätzung der abendlichen und nächtlichen Hustenattacken 
und der allmorgendlichen Lungentoilette des Phthisikers. In dem Abschnitt 
über die Infektion vom Urogenitalapparat her heißt es wörtlich: Tuber- 
kelbazillen können ferner in den KOrper eindringen beim geschlechtlichen 



458 


ttespreehungtii. 


Verkehr 1 ) per os nid so rar Lunge weiteiwtndem 
nicht ra verstehenden Kürze etehen seiten- und bogenli 
gegenüber (Krankesjournal, */t Dutzend Thortxschem 
formaler and dergl.). 

Des genze Werk mecht jedenfalls weniger den E 
steUang von Vorträgen, die M. eis Anstelteerzt voi 
gehelten het, eis vielmehr den eines grofiengelegt 
gründlichen Ueberarbeftung mit Rotstift and Papier» 

Dr. Bo 

Dr. J. Jammer - Königsberg L P.: Hauttuberki 
Tuberkulose und Lupus erythematodes, 
matologischen Vorträgen für Praktiker. Würsborg 
Kabitsch (A.Stabers Verleg). Kl. 8°, 76 8eites 

Im ersten Teil des Heftchens bespricht Veri 
Heattaberkalose mit wertvollen differential - diegnoel 
zweiten Teil die Therapie, ra der er mit Kritik eh 
Reihe von Hilfsmitteln heranzieht. — Das Thema 
sondern vor allem aach in der Darstellung schwer 
fasser hat aber die großen Schwierigkeiten glück 
sein Vortrag rach dem Erfahrenen dienlich sein wir« 

Profi Br. Jaeger, Generaloberarzt a. D.: Die B 
liehen Lebens. In 18 gemeinverständlichen 1 
bildnngen im Text and 4 Farbentafeln. Hamborg i 
von L. Voß. Gr. 8% 619 8eiten. Preis: geb. 8 1 

Das recht amfangreiche Werk enthalt in d 
verständlichen Vorträgen eine vollkommene Uebersic 
öffentlichen and privaten Gesundheitspflege in ihi 
Bakterien. Das Werk ist entstanden aas juurelangen 
die er in verschiedenen Städten vor einem gebildete! 
hat Es wird in ihm in angemein ausführlicher, ab« 
bildeten Leser verständlicher, höchst interessanter 
mannigfache und überaus wichtige Rolle, die die Ba 
liehen Leben der Technik, Industrie, Landwirtschi 
und nicht zum wenigsten im täglichen Leben des 
und seines Haushaltes spielen, gezeigt Um einen E 
halt des Werkes zu geben, sollen einige Kapitel mit 
gegriffen werden. 

I. Vortrag: Einilaß der Bakteriologie auf uni 
als Ursache von Infektionskrankheiten. 8euchenbel 
Quarantäne. Desinfektionsanstalten. Hygienische 
gesundheitsamt Das Institut für Infektionskrank 
Schutzimpfung. Sernmtherapie. Bakterien als 1 
Zersetzung. 

IV. Vortrag: Die Stellung der Bakterien in < 
organischer Stoffe in der Natur durch die Bakterien. 
Kreislauf des Kohlenstoffes. Kreislauf des Sauerst 

V. Vortrag: Methoden des Nachweises und d 
für die Uebertragung gewisser Infektionskrankheit 
haltige Stäubchen und Tröpfchen. Folgerungen fü 
in Lebensmitteln. 

X. Vortrag. Aufbau des Bekämpfungsplane 
Lebenseigenschaften des Tuberkelbacillus. 

XU. Vortrag: Berührungs- und Kontaktinfe 
sften. Tynhus und Cholera in ihren Beziehungen : 

XIIL Vortrag. Wasserversorgungsanlagen. 1 

XVIL Vortrag. Milchsäuregärung. Yoghur 
Sauermilch und Alkoholbekämpfung. Die Methodj 
Bakteriologie. Kulinarische Bakteriologie. 

*) Die gesperrten Worte sind im Original f< 



Besprechungen. 


469 


Der reiche Inhalt sei hiermit angedeutet. Zahlreiche und gute Ab¬ 
bildungen, eine reiche Zahl vom Verfasser selbst ersonnener, höchst sinnreicher 
graphischer Darstellungen und 8chematen dienen Ober all zur Erläuterung des 
Gesagten. 

So originell und von einem eigenartigen Temperament durchweht wie 
das gesamte Werk ist «ach der yom Verfasser selbst entworfene Buchschmuck; 
Buchleisten und Schloßvignetten entlehnen ihre Motive der Bakteriologie. 

Fttr gebildete Laien wird das Werk sicherlich von großem Nutzen 
und hohem Interesse sein, aber auch der Arzt wird manche interessante 
Einzelheit Anden, die ihm sonst entgangen ist. Dr. B. Mohrmann-Kiel. 


Dr. A. Jollen: Die Nahrungs- und Genassmittel, Ihre Herst eilang 
and Verfälschung. Leipzig und Wien 1909. Verlag von Fr. Deut icke. 
Kl. 8 °, 209 8.; Preis: geh. 4 M., geb. 4,80 M. 

Verfasser hat seit einer Reihe von Jahren in Wien fttr im Lebensmittel¬ 
gewerbe tätige oder als Aufsichtsorgane für dieses Gewerbe fungierende 
Personen eine Abendvorlesung über Darstellung und Gewinnung der Lebens¬ 
mittel gehalten; das vorliegende Werk soll fttr die Hörer dieser Kurse den 
wesentlichsten Inhalt der Vorlesungen wiedergeben. Verfasser spricht im 
Vorwort die Hoffnung aus, daß sein Werk auch Chemikern, Aerzten und 
Apothekern mannigfache Dienste bieten werde. Diese Hoffnung kann ich nicht 
teilen; das Buch enthält nämlich, besonders in einzelnen Kapiteln, eine Reihe 
von Ungenauigkeiten und Unrichtigkeiten, die z. T. selbst einem Laien auf¬ 
fallen dürften. Nur einige Beispiele will ich hier anftthren: Fieckeier werden 
deAniert als nicht frische, aber keineswegs verdorbene Eier, bei denen das 
Eigelb sich durch das Eiweiß hindurch teilweise gegen die Schale ergossen 
hat und darauf Flecke erzeugt. — Das Räuchern beruht auf Wasserentzug 
durch Erhitzen aul höhere Temperatur, wobei die beim Verbrennen des 
Holzes entstehenden Stoffe konservierend auf das Fleisch einwirken. — 
Um das Blut rascher zum Gerinnen zu bringen, wird es gleich nach dem 
Schlechten des Tieres mit einem Löffel umgerfihrt, wobei es sich rasch 
chemisch verändert und dann eine gleichmäßige Masse darstellt. — Wenn 
man Extrakt des zu untersuchenden Fleisches mit Pferdeserum versetzt, 
erhält man bei Anwesenheit von Pferdetteisch einen Niederschlag. — Austern 
sollen sehr reich an Nährstoffen sein u. a. m. — Diese und viele ähnliche 
Ungenauigketten und Widersprüche vermindern erheblich den Wert des Buches, 
das sonst eine ziemlich ausführliche Beschreibung der Herkunft und Her¬ 
stellung der meisten Nahrungs- und Genußmittel sowie auch kurze Hin¬ 
weise auf die häuAgsten Verfälschungen derselben und deren Nachweis ent¬ 
hält. Abbildungen sind in das Werk nicht aufgenommen worden, um es 
billiger zu gestatten; nur das Pilzmerkblatt des Kaiserlichen Gesundheits¬ 
amtes ist ihm beigegeben. Dr. Doepner-Charlottenburg. 


Dr. med. V. Gerlaoh, Vorsteher der hygienischen Abteilung am Institut 
fttr Chemie und Hygiene von Prof. Dr. Meincke zu Wiesbaden: Phy¬ 
siologische Wirkungen der Bensoesftare and des bennoesauren 
Natrons. Mit 15 Tafeln. Wiesbaden 1909. Verlag von H. Staadt. 
Gr. 8°; 95 8. 

Auf Veranlassung der Vereinigung Deutscher Margarinefabrikanten hat 
G. die Frage, ob gewisse Mengen von Benzoesäure bezw. benzoesaurem Natron 
durch den Genuß der damit konservierten Nahrungsmittel von schädlichem 
EinAuß auf die menschliche Gesundheit sind, untersucht. Aktuell wurde die 
Frage dadurch, daß Benzoesäure und benzoesaures Natron nicht zu den Stoffen 
gehören, die in den Ausftthrungsbestimmungen des Bundesrats zu § 21 des 
Beichsgesetzes betr. die Schlachtvieh- nnd Fleischbeschau zur Konservierung 
von Fleisch und Fleischwaren verboten sind, aber trotzdem ihr Gebrauch als 
Konservierungsmittel, besonders zum Schutz gegen Verderbnis von Butter, 
Margarine und Früchten, in letzter Zeit von amtlichen Nahrungsmittelche¬ 
mikern beanstandet worden ist. 

In vorbildlicher, überaus eingehender Weise ist G. der in Rede ste¬ 
henden Frage näher getreten. In zahlreichen Tierversuchen und Versuchen 



460 


Besprecht* 


am Mwachw, Mich Selbstversuchen, ist 
tägliche Aufnahme roa 1 g Benzoesäure } 
floß auf die Funktionen des menschlicli 
Körpergewicht, Temperatur, Respiration, 1 
«ad Nierentätigkeit usw. — ausblieb. Da 
der Benzoesäure bereits in einer Konzen tr 
scheinung. Die Ausführungen sind so 1 
Ton sehr instruktiven graphischen Darstell 
ist, auch weiteren Kreisen verständlich ist 
herausgenommen, daß die BenzonsSare an 
geringen Mengen, wie sie in den damit koi 
genossen werden können, unschädlich nini 
vierungsmittel zu benutzen, nicht gerechte 


Dr. H. Bohall und Dr. A. Heister: Nal 
Stellung and Berechnung von DiAti 
Verlag von E. Kabitzsch. Gr. 8°, 42 l 
Wie die Verfasser im Vorwort ausf 
hauptsächlich für den Gebrauch in Kranken 
Spezialisten bestimmt, doch dürfte es auch d 
& enthält zunächst eine Reihe von Ts 
teile und die Kalorienzahl fast aller Nahm 
dann eine Tabelle über die Zusammensetsuj 
Weiterhin finden sich Angaben über den 
Gewicht und Nährkraft bei den verschiedenen 
und Mineralstoffgehalt der tierischen und j 
die Schnelligkeit, mit der der menschliche Mi 
verdaut, über das Körpergewicht in den vei 
hältnis zu Geschlecht und Größe und über 
des Menschen je nach Alter, Geschlecht, Bc 
bildet ein ausführliches Sachregister. Das 
sichtlich angeordnet; das Verzeichnis der I 
ziemlich vollständig; für etwaige Nachträge, c 
der Tabellen wohl hier und da gemacht werd 
unter jeder Tabelle eine Reihe von Zeilen frei 
dürfte es sich vielleicht empfehlen, Angaben t 
keit der verschiedenen Nahrungsmittel, am bei 
über das beste Verhältnis von tierischem ui 
Nahrung aufzunehmen. Alles in allem kann 
Arzt und für den Medizialbeamten nur empfoh 

Dr. D< 


E. Bunin, Dr. med., Geh. Med.-Rat u. ord. P 
sum 8tudlum der Geburtshilfe. VI. v< 
1909. Verlag von J. F. Bergmann. 

Kaum 8 Jahre sind verflossen, seit Bui 
Aerztewelt ein Buch geschenkt hat, welches in 
reicht dasteht, insbesondere was den illostiiex 
Anschauung in der Medizin überhaupt Bechnunj 
dies besonders in der Geburtshilfe der Fall, und 
B u m m sehen Grundriß, der seit dieser kurzes \ 
liegt, in vollkommenster Weise erreicht worden. 
Buches, die Anlage des ganzen Werkes gelegen 
Zeitschrift (1903, Heft 4) so genau besprochen, 
verweisen kann, und beschränke mich darauf, h 
neu hinzugekommen ist und inwiefern ich ebenst 
den beamteten Arzt das Buch ganz besonders < 
Nachdem bereits in der zweiten Auflage <3 
sind deren 28) kurze Literaturnachweise beigegel 
Selbststudium jeden Leser anregen, ist inzwischen 
rechtes Lehrbuch geworden, welches dem fertigen A 



Besprechungen. 


461 


Wegweiser in der Praxis dienen wird and dem Studierenden die einzelnen Phasen 
der Qebartshilfe in denkbar anschaulichster Weise illustriert. Nicht nur der text¬ 
liche Teil, dessen Vorzüge ich in der ersten Besprechung genügend gewürdigt 
habe, sondern gerade der illustrative Teil scheint mir der besonderen Beachtung 
wert. Hier findet der Praktiker Gelegenheit, auch über die allerneuestea 
Operationen sich eine Anschauung wenigstens zu verschaffen, auch wenn er 
sie selbst nicht ausführen wird: z. B. die Hebosteotomie (Fig. 572 u. 573), den 
vaginalen Kaiserschnitt (Fig. 630), extraperitonealen Kaiserschnitt (Fig. 574, 
675, 576); anderseits worden diejenigen Operationen im Bilde vorgeführt, die 
erst in den letzten Jahren gelehrt werden, ihm also ferner liegen dürften, die 
aber in praxi ausführbar sind: so z. B. die Metreuryse (Fig. 481 bei Placenta 
praevia) und ihre vielfache Art der Anwendung. Oie Operationen, die der 
Praktiker an sich beherrschen muß, die aber in praxi, wie man bei der kon¬ 
sultativen Praxis mitunter wahrnimmt, nicht immer einwandsfrei ausgeführt 
werden, kann der Praktiker sich allenthalben klar vor Augen führen; ich erwähne 
davon u. a.: Die Aufrichtung des eingeklemmten retroflektierten graviden 
Uterus (Fig. 265) die digitale Ausräumung des Abortus in früherer Zeit (Fig. 
827), die exakte innere Beckenmessung (Fig. 442 u. 443), die Naht eines 
inkompleten and eines kompleten Dammrisses (Fig. 448—454), die Naht eines 
Cervixrisses (Fig. 458), die Tamponade der Scheide bei Placenta praevia (Fig. 
479) und die, für den Praktiker so sehr wichtig, kombinierte Wendnng nach 
Braxton Hicks bei Placenta praevia (Fig. 480), schließlich die manuelle Lösung 
der {Placenta (Fig. 490), die exakte Ausführung einer Uterovaginaltamponade 
(Fig. 491, 492) und die allbewährte bimanuelle Kompression des Uterus bei 
Atonie (Fig. 496). Neu hinzugekommen ist die Momburgsche Blutleere 
(Fig. 496 a), die Wa 1 c h e r sehe Hängelage bei engem Becken (Fig. 523), die Aus¬ 
führung der Metreuryse (Fig. 527 u. 528). [Wenn Bel im operativen Teil 
etwas vermisst, so ist es die bildliche Darstellung der Perforation des voraus¬ 
gehenden wie nachfolgenden Kopfes, zumal in praxi eine merkwürdige Scheu 
vor der Perforation des toten Kindes bei engem Becken (umgekehrt aber eine 
unbegreifliche Vorliebe für die sehr gefährliche hohe Zange) besteht]. Hiermit 
ist nur angedeutet, mit welcher Beichhaltigkeit der illustrative Teil gehalten 
ist, welcher, was Ausführung und Klarheit anlangt, über allem Lob erhaben ist. 
8o bietet das Buch, welches im textlichen Teil und den Literaturnachweisen 
selbst die allerneuesten Forschungen berücksichtigt, dem Praktiker eine aus- 

J «zeichnete Handhabe, über das Erlebte in der Geburtshilfe nachzulesen, an 
er Hand der Abbildungen aber das Geschehene sich auch im Bilde vorzuführen 
und über die neuesten Fortschritte der Geburtshilfe, übrigens auch auf dem 
Gebiete der theoretischen Geburtshilfe [vgl. die vortreffliche Darstellung der 
Entwickelung des Eies bis zur Bildung der Placenta (Fig. 49 bis 72)] sich zu orien¬ 
tieren. Für den beamteten Arzt ist, wie ich schon bei der ersten Besprechung 
hervorgehoben habe, das Buch von unberechenbarem Vorteile für die Abhal¬ 
tung der Hebammennachprüfungen, anderseits auch für das Studium der ana¬ 
tomischen Veränderungen gelegentlich der Abfassung forensischer Gutachten 
[vgl. das Kapitel Uterusruptur; Zeichen drohender Buptur (Fig. 459—463)]. 
Von jeher benutze ich die ausgezeichneten Abbildungen, um im Hebammen¬ 
unterrichte dieses oder jenes den Hebammenschüleribnen im Bilde vorzuführen; 
ich möchte nur wünschen, daß bei einer dereinstigen Neubearbeitung des 
Hebammenlehrbachs eine größere Anzahl solcher instruktiver Abbildungen auch 
hier erscheinen würden 1 Alles in allem muß ich auch bezüglich der neuesten 
Auflage dem Buche die gleiche Empfehlung mit auf den Weg geben, wie ich 
dies bei der ersten Besprechung schon getan habe, und wiederum dem Wunsche 
Ausdruck geben, daß dieses vortreffliche Werk in der Bibliothek eines jeden 
Arztes, auch des beamteten, einen dauernden Platz finden möge! Ein jeder 
wird das Buch gern lesen und sich an den schönen anschaulichen Abbildungen 
erfreuen. Prot Dr. Walther-Gießen. 


Tagesnachrichten. 

Aus dem preuasisehen Landtage. Der Gesetzentwurf betreffend die 
Reisekosten und Tagegelder ist sowohl im Abgeordnetenhaus (Sitzungen am 
3. und 8. Juni), als im Herrenhause (Sitzung am 14. Juni) angenommen, naeh- 



462 Tagesnachriohten. 

dem verschiedene Abänderungen, die seitens der Kommission beschlossen and 
bei der 2. Beratung am 3. d. Mts. vom Abgeordnetenhause angenommen waren, 
— s. B. Herabsetzung der Tagegelder der Staatsminister und Beamten 1. bis 
8. Bangklasse, Nichtgew&hrung vom Tagegeldern bei Reisen von weniger als 
3 Standen Daaer, und Gewährung nar der Hafte der Tagegelder bei Reisen 
von weniger als 6 Standen — vom Abgeordnetenhaus bei der 3. Beratung 
am 8. d. M. wieder gestrichen sind. Der Gesetsentwurf hat demzufolge gegen* 
über seiner ursprünglichen Fassung (s. Nr. 5 dieser Zeitschrift, S. 158) abge¬ 
sehen von einigen stilistischen Aenderungen nur wenige Abänderungen erfahren, 
von denen für die Medisinalbeamten die wichtigste ist, daß im § 1 Abs. 2 die 
Tagegelder bei Reisen, die an demselben Tage angetreten and beendet 
werden, für die Beamten der n. und IIL Klasse vom 14 aaf 15 Mark, der 
IV. und V. Klasse von 10 auf 12 Mark, also auf die bisherigen Sätze wieder 
erhöht sind. Außerdem hat § 1 Abs. 3 insofern eine Einschränkung erfahren, 
daß ein- und einhalbfaches Tagegeld bei den über zwei Tage sich erstreckenden 
Dienstreisen nur dann gewährt wird, wenn die Dienstreise „mehr als sechs 
Stunden“ in Anspruch genommen hat. Im § 3 Abs. 1 ist forner ein Zusatz an¬ 
genommen, wonach als Nachweis, welche Wagen- oder Schiffsklasse benutzt 
ist, die Versicherung der Beamten genügt. Für die Mitnahme eines Dienern 
wird künftighin nur den Staatsministern und Bäten erster Klasse eine 
Entschädigung gewährt (nach dem Entwurf war eine solche wie bisher 
auch für die Bäte III. bis V. Klasse vorgesehen). Endlich ist am Schluß des 
Gesetzes (§ 17) noch die Bestimmung hinzugefttgt, „daß alle Königlichen Ver¬ 
ordnungen and allgemeinen Anordnungen des 8taatsministeriams sowie des Ver- 
waltongschefs in Gemeinschaft mit dem Finanzminister, die auf Grund der 
§§ 4, 5, 9, 14, 17 dieses Gesetzes ergangen sind, dem Landtage, wenn er 
versammelt ist, sofort, sonst bei seinem nächsten Zusammentritt einzubringen 
sind.“ Ebenso warde eine Resolution angenommen, in der die Staats¬ 
regierung ersacht wird, „bei Aufstellung des Staatshaushaltsetats die Beträge 
für Reisekosten und Tagegelder, für Umzugskosten und für Dienstaufwands¬ 
entschädigungen getrennt aufzuftthren.“ 

Die Verhandlungen des Abgeordnetenhauses bei der zweiten und dritten 
Beratung des Gesetzes bieten ebenso wie die des Herrenhauses nichts, was 
die Medizinalbeamten besonders interessieren dürfte, erwähnt zu werden ver¬ 
dient in dieser Hinsicht nur eine Bemerkung des Abgeordneten Dr. Klocke 
(Zentrum), in der dieser betreffs der Dienstreisen der Kreisärzte und 
Kreistierärzte betonte, daß die bisher dafür entstandenen Kosten nicht 
eingeschränkt werden konnten. „Es handelt sich hier um Ausgaben, 
die wir überhaupt nicht fiskalisch umfassen dürfen; es handelt sich um hygi¬ 
enische Fragen, um die Frage der Gesundheit des Volkes und die Frage der 
gesunden Fleischernährung des Volkes, so daß also eine Einschränkung der 
Zahl der Reisen überhaupt nicht standfinden kann.“ 

Hoffentlich erweist sich diese Ansicht, die übrigens die Zustimmung 
des Abgeordnetenhauses fand, bei der Ausführung des Gesetzes, das nun¬ 
mehr am 1. Oktober d. J. in Kraft treten wird, als zutreffend. 

In der Schlußsitzung des Abgeordnetenhauses am 15. Juni wurde eine 
Eingabe des Verbandes konditionierender Apotheker um Ver> 
mehrung der Apotheken und Aenderung des Verfahrens bei der Errichtung 
von Apotheken dem Anträge der Kommission gemäß der Regierung bezüglich 
der enteren Forderung zur Erwägung, bezüglich der letzteren Forderung als 
Material überwiesen. 

Ebenso wurden verschiedene Eingaben von Drogistenverbänden, 
Handelskammern und anderen Vereinigungen betreffend den Betrieb und 
die Beaufsichtigung von Drogenhandlungen, in denen u. a. auch der Aus¬ 
schluß der Apotheker als Revisoren dieser Handlungen gefordert wurde, der 
Regierung ebenfalls zur Erwägung bezw. als Material überwiesen. 


Durch KOnigL Verordnung vom 13. Mai d. J. ist an Stelle der bisherigen 
technischen Deputation für das Veterinärwesen ein Landesveterinäramt und 
ein ständiger Beirat für das Veterinärwesen zur Unterstützung des Ministers 
für Landwirtschaft usw. errichtet. Das Landes veterinär amt ist dem 
Minister unmittelbar unterstellt; es besteht aus einem Vorsitzenden, denen 



Tageflnachrichten. 


468 


Stellvertreter and ans ordentlichen und außerordentlichen Mitgliedern; der Vor* 
sitzende wird Tom König ernannt, alle übrigen Mitglieder werden dazu vom 
Minister berufen. Das Veterin&ramt hat nach § 3 der Verordnnng neben 
den durch die Gesetzgebung zu überweisenden Aufgaben: 

1) auf Ersuchen der Gerichte und Verwaltungsbehörden in Veterinär* 
angelegenbeiten Obergutachten zu erstatten und sonstige Auskunft zu erteilen; 

2) Die Viehseuchenstatistik sowie die von dem beamteten Tierärzten 
erstatteten Jahtresveterinärberichte zu bearbeiten; 

8) nach Maßgabe der von dem Minisser für Landwirtschaft, Dominen 
und Forsten zu erlassenden Prüfungsordnung bei der Prüfung zur Erlangung 
der Fähigkeit als beamteter Tierarzt mitzurrirken; 

4) in den das tierärztliche Unterrichtswesen, die Tierheilkunde, die Vieh* 
Seuchenbekämpfung und die Fleischbeschau betreffenden Angelegenheiten den 
Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten zu beraten. 

Der Minister kann dem Landesveterinäramt weitere Aufgaben auf dem 
Gebiete der Veterinärverwaltung überweisen, auch die einzelnen Mitglieder 
des Landesveterinäramts zur Erledigung besonderer Aufträge heranziehen. 

Der ständige Beirat für das Veterinärwesen hat, auf Er* 
fordern des Ministers für Landwirtschaft usw. wichtige und wirtschaftlich 
bedeutsame Fragen auf dem Gebiete der Veterinärrerwaltung, namentlich die 
über die Anwendung und Ausführung des Viehseuchengesetzes zu erlassenden 
allgemeinen Vorschriften, zu erörtern und zu begutachten. 

Die Mitglieder des Landesveterinäramts gehören auch dem Beirat an. 
Den Vorsitz im Beirate führt der Vorsitzende des Landesveterinäramts. Im 
übrigen werden die Mitglieder des Beirats vom Minister für Landwirtschaft, 
Domänen und Forsten auf die Dauer von fünf Jahren berufen. Dem Minister 
bleibt Vorbehalten, neben den ständigen Mitgliedern auch weitere Mitglieder 
für einzelne Sitzungen zu berufen. Bei dem Beirate können verschiedene 
Abteilungen gebildet und die Begutachtungen von einer oder mehreren 
einzelnen Abteilungen erfordert werden. 


Zur Ehrung von Robert Koch ist von den verschiedenen Gesell¬ 
schaften eine Trauerfeier beabsichtigt, die an seinem 67. Geburtstage, am 
11. Dezember d. J., in Berlin statlfinden soll. Es hat sich zu diesem 
Zwecke ein Komitee unter dem Vorsitz des Geh. Ob.*Med.*Bats Prof. Dr. 
Gaffky gebildet, der auch die Gedenkrede halten wird. 

Die die Asche des Verstorbenen enthaltende Urne ist nach dem Institut 
für Infektionskrankheiten gebracht, wo sie in einem zum Koch-Mausoleum 
bestimmten Zimmer Aufstellung finden wird. 


Für die vom 14. bis 17. September d. Js. in Elberfeld tagende 
fünfunddreißigste Versammlung des Deutschen Vereins für öffentliche Ge¬ 
sundheitspflege ist folgende Tages-Ordnung festgesetzt: 

Mittwoch, den 14. September: 1- Die Errichtung einfacher Kranken¬ 
häuser zur Aufnahme von Leicht- und Chronischkranken. Referent: Prof. Dr. 
Grober (Essen). 2 . Die hygienische Verbesserung alter Stadtteile. Referent: 
Stadtbaurat Voss (Elberfeld). 

Donnerstag, den 16. September: 8. Die Ueberwachung des Nahrungs¬ 
mittelverkehrs. Referent: Geh. Medizinalrat Dr. Abel (Berlin). 4. Neuere 
Erfahrungen über die Behandlung und Beseitigung der gewerblichen Abwässer. 
Referent: Geb. Regierungsrat Professor Dr. König (Münster). 

Freitag, den 16. September: 5. Aufgaben und Ziele der Rassenhygiene. 
Referent: Dr. A. Ploetz (München). 

Samstag, den 17. September: Gemeinsamer Ausflug nach Müngsten und 
Schloß Burg. _ 


Um den Teilnehmern an der vom 18.—24. September d. J. in Königs* 
berg L Pr. stattfindenden Naturforscher-Versammlung zu erleichtern, soll 
kurz vor der Versammlung ein Eztrazug für die Teilnehmer von Berlin 
aus vorgesehen werden. Desgleichen ist eine Seefahrt in Aussicht ge¬ 
nommen, die von Stettin-Swinemünde am 6. September ihren Anfang nimmt 
und über Swinemünde, Wisby, Stockholm, Heuingfors, Wyborg, 8t. Peters- 



464 


8prechsaal. 


borg, Bisa gebend, unmittelbar vor der Versammlung in Königsberg (Pillau) 
enden soll. Der Preis für die Seefahrt stellt sieb aal annähernd 460—600 U., 
einschließlich Verpflegung and Führung. Anfragen sind an den Verb ehrs¬ 
aasschaß der Natarforscher-Versammlang, za Händen des Herrn 
Bothe — in Firma Henze, Mahlow & Co-Königsberg i. Pr. — za richten. 


Erkrankungen and Todesfälle an ansteckenden Krankheiten In 
Preossen. Nach dem Ministerialblatt für Medizinal- and medizinische Unter¬ 
richts-Angelegenheiten sind in der Zeit vom 8. bis 28. Mai 1910 erkrankt 
(gestorben) an: Aussatz, Gelbfieber, Pest, Botz, Cholera, Bflck- 
fallfieber, Tollwut: (—),(—); Fleckfieber: 4 (—), 9 (—), — (—); 
Pocken: 7 (—), 2 (—), 4 (—); Milzbrand: 1 (—), 8 (—), 10 (1); Biß- 
yerletzungen durch tollwutverdächtige Tiere: 2 (—), 1 (—), 7 
(—); Unterleibstyphus: 162 (16), 182 (20), 170 (16); Buhr: 16 (4), 10 
(3), 8 (1); Diphtherie: 1281 (96), 1185 (101) 1087(69); Scharlach: 1281 
(68), 1192 (70), 1278 (71); Kindbettfieber: 109 (23), 94 (22), 104 (31); 
Genickstarre: 6 (3), 10 (9), 7 (3); spinale Kinderlähmung: 5 (1), 
4 (1), 4(1); Körnerkrankheit (erkrankt): 245, 267, 831; Tuberkulose 
(gestorben): 812, 796, 763. _ 


BproohnaaL 

Anfrage des Kreisarztes Dr. 6. in B.: Hat die Nachuntersuchung 
und Ausstellung eines Gutachtens über einen Strafgefangenen, der als solcher 
eine Unfall erlitten hat, gebührenfrei zu erfolgen? 

Antwort: Nein! Diese Untersuchung gehört nicht zu den amtlichen 
Verrichtungen, die dem Kreisärzte als staatlichem Gesundheitsbeamten des 
Kreises obliegen, sondern zur yertrauensärztlichen Tätigkeit und für diese 
können Gebühren gefordert werden (s. § 1 des Gesetzes Tom 14. Juli 1909 
und meinen Kommentar, Anmerkungen 1 auf S. 3 und 4). 


Anfrage des Kreisarztes Dr. F. In L.: Stehen dem Kreisarzt Ge¬ 
bühren zu für 

a. Untersuchung Kaiserlicher und Königlicher Beamten, 

b. Begutachtung einer Dienstwohnung, die feucht sein soll, im Aufträge 
der Oberzolldirektion. 

Antwort: Zu a. Ja; denn die Untersuchung fällt unter vertrauensärst- 
liche Tätigkeit; die gegenteilige Angabe auf Seite 5 meines Kommentars 
zum Gebührengesetz habe ich durch die Notiz auf Seite 748 der Zeitschrift, 
Jahrg. 1909 berichtigt. 

Zu b.: Gehört zu den Geschäften, die dem Kreisarzt als staatlichen 
Gesundheitsbeamten obliegen; daher sind Gebühren dafür nicht zu erheben. 


Anfrage des Kreisarztes Dr. S. ln R.: Ist Ankündigung von Prof. 
Benaults Syras-Sauerstofftabletten — „als einziges Antikonzep- 
tionsmittel, weiches ärztlich begutachtet und empfohlen ist" — von der Fabrik 
ehern. Präparate H. Eckardt in Hannover-Linden — „in Frankreich millionen¬ 
fach bewährt und in jedem Hause zu fladen“ — verboten P 

Antwort: Ja; nach § 184 Nr. 8 des Str.-G.-B. (siehe Urteile des Reichs- 
gerichts vom 25. Febr. und 11. Oktbr. 1908, vom 7. Jan. 1909; Beilage Becht- 
sprechuag und Medisinalgesetzgebang zur Z. f. Med.-B. 1909; Nr. 7, S. 46 und 
Nr. 21, S. 191; hier ist jedoch der oben angeführte g 184 infolge Druckfehlers 
nicht richtig angegeben). 


Berlohtlgang: In dem Artikel von Dr. Bogowski: Amtsärzt¬ 
liches Gutachten Über die Befähigung zur Führung eines 
Kraftfahrzeuges in Nr. 11 dieser Zeitschrift muß es betreffs der Höhe 
der Gebühren auf 8. 892 Z. 12 und 18 von oben nicht Tarif B., Nr. 10, Abs. 2, 
sondern „Nr. 19", Abs. 2 heißen. 

Redaktion: Geh.Med.-Bat Prot Dr.Bapmund, Reg.- u. Med.-Bat in MindenL W. 
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Zeitschrift 


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MEDIZINALBEAMTE 


Zentralblatt für du gesamte Besundheitewesen, 

für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenwesen. 

Herausgegeben 

Ton 

Geh. M«d.-Bat Prot Dr. OTTO BAPMDND, 

Regitrutg*- und Madlxjnalrat ln Minden 1« W. 

Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, Sächsischen, 
Württembergischen, Badischen, Mecklenburgischen und Eisass-Lothringischen 

Medizinalbeamtenvereins. 


Verlag von Fiseher’s mediz. Buchhandlg., E Kornfeld, 

HanogL Bayer. Hof- a. Bnbarzogl. Kammer -BuobhAndler. 

Berlin W. 35, Lützowstr. 10. 

Ineeraie nehmen die Verlegihandlnng sowie «Ile Annoncenexpeditionen des In* 
and Auslandes entgegen. 


Nr. 13. 


Inekeiat su 8. «ad M. Jeden Monate. 


5. Juli. 


lieber die Möglichkeit des Schreiens bei Lungenverletzungen. 

Von Prof. Dr. A. Loewy und Privatdozent Dr. P. Fraenckel in Berlin. 1 ) 

In einem kürzlich verhandelten Prozesse wurde gelegentlich 
die Frage aufgeworfen, ob nach einem die Lange tief verletzenden 
Braststiche ein lautes Schreien des Verletzten noch möglich sei. 
Von Zeugen war nämlich ansgesagt worden, daß sie am die 
fragliche Zeit von der Tatstelle her einen lanten Schrei gehört 
hätten, der offenbar, da eine andere Person nicht inbetracht kam, 
von der Gestochenen ansgestoßen sein mußte. Es wurde nun 
geltend gemacht, daß ein solcher Schrei der Behauptung des 
Angeklagten widerspreche, daß er das Mädchen auf sein aus¬ 
drückliches Verlangen hin getötet habe; denn es wurde ange¬ 
nommen, daß mit einem eine Lunge tief zerschneidenden Schnitte, 
wie ihn die Obduktion festgestellt hatte, ein lauter Schrei nicht 
mehr ansgestoßen werden könne. Der Schrei müßte also vor der 
Verletzung gefallen sein; folglich müsse die Getötete gegen ihren 
Willen erstochen worden sein. 

Der Anschauung des Sachverständigen, daß nach einem die 
Longö tief verletzenden Braststiche das Schreien anmöglich sei, 
lag vermutlich die Vorstellung zugrunde, daß hierbei der intra- 

*) Aus der Unterrichts&nstalt für Staatsarzneikunde der Universität und 
dem tierpkysiologischen Laboratorium der landwirtschaftlichen Hochschule. 












466 


Dr. A. Loewy and Dr. P. Fraenckel. 


palmonare Druck infolge des Entweichens der Luft durch die 
Wunde nicht so weit gesteigert werden könnte, daß ein zur 
lauten Stimmbildung genügendes Anblasen der aneinanderliegenden 
Stimmbänder zustande kommen könne. 1 ) 

Obgleich theoretische Ueberlegungen von vornherein diese 
Annahme wenig wahrscheinlich machten, schien es doch zweck¬ 
mäßig, der Frage experimentell näher zu treten, da sie bisher in 
der gerichtlich-medizinischen Literatur überhaupt keine Erörterung 
gefanden hat, obwohl sie offenbar, wie der vorliegende Fall zeigt, 
unter Umständen praktische Bedeutung erlangen kann. Wir 
haben deshalb die nachstehend mitgeteilten Versuche ausgeführt 

Vor ihrer Besprechung wollen wir kurz die in Betracht 
kommenden Verhältnisse ins Auge fassen. Damit ein Schrei ent¬ 
steht, ist nur notwendig, daß die Lungenluft unter einem bestimmten 
Druck gegen die aneinanderliegenden Stimmbänder andringt und 
sie in genügend starke Schwingungen versetzt. Der notwendige 
Druck kann nicht erzeugt werden, wenn nach Oeffnung der Lunge, 
die wir zunächst freiliegend denken wollen, die in ihr enthaltene 
Luft schnell entweichen kann. Das wird stattfinden, wenn der 
Hauptbronchus einer Lunge oder wenigstens der eines Lappens 
breit eröffnet worden war. Wieweit es nach Eröffnung kleiner 
Bronchien stattfinden kann, ist a priori nicht zu sagen, jedoch ist 
es unwahrscheinlich, daß in diesem Falle ein genügend schnelles 
Entweichen der Luft stattfinden kann, da ja die Bronchien sich 
mit Blut verlegen müssen und durch Lungengewebe leicht be¬ 
deckt werden. 

Befindet sich die Lunge im geschlossenen Thorax, so 
komplizieren sich die Verhältnisse erheblich. 

Der einfachste Fall ist der, daß die Stichwaffe in der 
Wunde stecken bleibt und sie verschließt. Dann wird 
aus der Lungenwunde Blut und Luft in die Brusthöhle über¬ 
treten; es besteht ein geschlossener Hämopneumothorax. Hier 
ist es gleichgiltig, ob die Lunge mehr oder weniger breit verletzt 
wird, denn, sobald die Exspirationsmuskeln aktiv innerviert werden, 
um einen Schrei zu erzeugen, wird gleichmäßig die Luft in der 
Lunge, wie die außerhalb der Lunge im Thorax befindliche 


*) Hierbei ist natürlich vorausgesetzt, daß das Schreien nicht einfach 
durch rascheste Verblutung verhindert wird. Da der Schrei bei einem un¬ 
erwarteten Angriff doch in dem Moment der Verletzung oder unmittelbar 
darauf ausgestoßen werden wird, kann man von dieser Möglichkeit unserer 
Ansicht nach in allen Fällen absehen, in denen neben den Brustwandgeläßen 
nur die Lunge mehr oder weniger tief zerschnitten worden ist; denn hierbei 
ist der Blutverlust nicht sofort so pl&tzlich, daß nicht, wie die Erfahrung lehrt, 
noch zu Handlungen, also wohl auch zum Schreien, Kraft vorhanden ist. Eine 
glatte Darohtrennung der Arteria pulmonalis selbst konnte dagegen eher zu 
sofortiger Ohnmacht durch Anämie führen; daß dieser Erfolg aber notwendig 
oder auch nur die Regel sei, erscheint uns in Analogie mit Verletzungen 
anderer großer Qefäße nicht von vornherein annehmbar zu sein. Auch allein 
der Shock durch den Schreck und anderes kann natürlich das Schreien ver¬ 
hindern. Aber es handelt sieh für den Sachverständigen nioht 
darum, ob das Schreien unmöglich sein konnte, sondern ob es 
unmöglich sein mußte. 



tJeber die Möglichkeit des Schreiens bei Ldngenterletziuigen. 467 


unter Druck gesetzt und es können die Stimmbänder annähernd 
wie in der Norm angeblasen werden. Ein Unterschied gegen die 
Norm besteht allerdings, nämlich der, daß weniger Luft zur Ver¬ 
fügung steht, weil ja die Lunge der verletzten Seite weniger 
Luft als in der Norm enthält, da sie infolge des Pneumothorax 
mehr oder weniger retrahiert ist. 

Anders ist es, wenn die Stichwaffe entfernt und der 
Thorax geöffnet worden ist. Dann spielt einerseits die Größe der 
Thoraxöffnung eine Rolle, anderseits die Möglichkeit ihres Ver¬ 
schlusses durch ein Uebereinanderlegen der verschiedenen Schichten 
der Brustwand. Es wird nur in ganz seltenen Fällen eintreten, 
daß die Brustwnnde weit klafft. Meist wird ein wenigstens teil¬ 
weiser Abschluß eintreten, bei dem während des Versuches zu 
Schreien, Luft durch die Brustwand mehr oder weniger reichlich 
entweichen wird. Die quantitativen Verhältnisse, die hier in 
Betracht kommen, lassen sich ebensowenig wie bei der Lungen¬ 
verletzung selbst von vornherein übersehen, so daß auch hier nur 
das Experiment Aufschluß geben kann. 

Wir haben daher hierzu einige Versuche ausgeführt, die 
ihrer Natur nach in zwei Gruppen zerfallen. Einerseits benutzten 
wir menschliche Leichen, um an ihnen festzustellen, welchen 
Einfluß auf die Höhe des exspiratorischen Drucks Verletzungen 
der Thoraxwand und der Lunge einer Seite ausübten, speziell, 
unter welchen Versuchsbedingungen der zum Schreien notwendige 
Druck nicht mehr erzeugt werden konnte; anderseits unter¬ 
suchten wir am lebenden Tiere, ob es unter gleichen Versuchs¬ 
bedingungen noch zum Schreien gebracht werden konnte. 

Bei den erstgenannten Versuchen gingen wir so vor, daß 
wir bei jugendlichen Leichen mit nachgiebiger Thoraxwand die 
Tracheotomie ausführten, in die Trachea luftdicht eine T-förmige, 
an den einen Schenkel geschlossene Kanüle einbanden, die zu 
einem Quecksilbermanometer führte. Dann wurde von einem über 
der Leiche knieenden, kräftigen Gehilfen der Thorax in mittlerer 
Höhe mit den Händen stets in derselben Weise und mit derselben 
maximalen Kraft langsam komprimiert, so daß keine Schleuderung 
des Quecksilbers zustande kam, und die Ausschläge am Manometer 
abgelesen. Nach einiger Einübung gelang es, stets nur wenig 
von einander abweichende Werte zu erzielen, solange nicht die 
Versuchsperson ermüdet war. Nachdem die Quecksilberausschläge 
an der unverletzten Leiche festgestellt waren, wurde in gleicher 
Weise verfahren, zunächst nach Oeffnung des Thorax, wobei in 
einigen Versuchen die Wunde offen gelassen, in anderen mit 
Muskulatur und Haut bedeckt wurde. Weiterhin wurden dann 
mehr oder weniger ausgedehnte Verletzungen der Lunge vorge¬ 
nommen, und schließlich durch Hindurchführung eines Metallrohrs 
durch einen Hauptbronchus durch die Thoraxwunde heraus ein 
weiter Verbindungsweg des Bronchus mit der äußeren Atmosphäre 
hergestellt. 

Dabei ergab sich, daß nach Oeffnung des Thorax sowie 
auch nach vielfachen Einschnitten in mehrere Lappen 



463 


Dr. A. Loewy und Dt. P. Fraenckel. 


der freiliegenden Lnnge durch die Thoraxkompression aller¬ 
dings die Druckwerte niedriger waren als am unver¬ 
letzten Thorax, aber immerhin noch ein so hoher Druck 
erzeugt werden konnte, daß er den zum Intonieren 
erforderlichen noch flbertraf. 

So fanden wir z. B. bei unverletztem Brustkorb eine Luft¬ 
kompression entsprechend 35—40 mm Quecksilber. Nach Oeffhung 
der rechten Brustseitcr durch einen 8 cm langen Schnitt im zweiten 
Interkostalraum (mit gleichzeitiger geringer Verletzung der Lunge) 
ergaben sich 85 mm Hg, wenn die Wunde mit Haut bedekt wurde; 
27—32 mm Hg, wenn die Wunde freilag und durch ein Bohr offen¬ 
gehalten wurde. 

Nachdem ein Schnitt an der Außenseite der rechten Lunge 
vom Oberlappen über den Mittellappen und die Hälfte des Unter¬ 
lappens angelegt war, der, wie die Sektion zeigte, bis zum Hilus 
reichte, wurde noch ein Druck von 24 mm Hg erzielt 

Bei einer zweiten Leiche entsprach die Luftkompression nach 
Eröffnung der einen Brustseite bei unverletzter Lunge 40—42 mmHg, 
wenn die Brustwand durch Ueberlegen der Haut bedeckt wurde. 
Sie betrug 35 mm Hg, wenn die Wunde offen war. Nach Ein¬ 
schnitt in die Lunge bis in die Gegend der Lungenwurzel ergaben 
sich dieselben Werte von 40—42 bezw. 35 mm Hg. Dann wurde 
durch die Trachea und den Hauptbronchus der angeschnittenen 
Lunge ein Metallrohr geführt, dessen eines Ende in der Thorax¬ 
wunde frei zu tage lag. Der Eompressionsdruck betrug nun 
25 mm Hg. Nach Herausnehmen des Rohres wurden wieder 
höhere Werte erhalten. 

Die vorstehenden Zahlen haben natürlich nur relative Be¬ 
deutung, insofern sie zeigen, daß, nach Oeffhung des Thorax und 
selbst nach Anschneiden der Lunge, innerhalb der Lungen nie¬ 
drigere, aber immerhin noch erhebliche Druckwerte erzeugt werden 
können. Absolute Bedeutung kann ihnen nicht zukommen. Die 
Werte müssen niedriger ausfallen als bei normaler intrapulmonaler 
Druckerzeugung beim lebenden Menschen. Denn einerseits war 
infolge der Kältekonservierung bei beiden durchaus frisch ge¬ 
bliebenen Leichen ein gewisser Grad von Muskelstarre vorhanden, 
trotzdem die eine 3 Tage, die andere sogar 7 Tage alt war. 
Anderseits kann bei einfacher, selbst angestrengtester Thorax¬ 
kompression nie ein so hoher Druck in der Lunge erzeugt werden, 
wie durch die aktive Exspiration beim Schreien; denn im Ver¬ 
such bewirkt eine Kompression des Thorax ein Herabsteigen des 
Zwerchfells und der Baucheingeweide, während beim Schreien 
umgekehrt die Bauchpresse den Bauchinhalt und das Zwerchfell 
nach oben drückt und dadurch den Lungendruck steigert. Außerdem 
ist beim Schreien die im Thorax enthaltene Luftmenge größer 
als die in der Leiche vorhandene um das Quantum der sogenannten 
Atemluft (= normaler Atemzug) und der Komplementärluft, die 
durch die gewöhnlich voraufgehende stärkere Inspiration in die 
Lunge aufgenommen wird. So Übertreffen die von uns gefundenen 
Werte solche, wie sie von Grützner beim Singen mit mittlerer 



Ueber die Möglichkeit des Schreiens bei Lungenverletzongen. 469 


Stärke gefunden worden sind (12—16 mm Hg), bleiben aber zurück 
hinter den von Cagniard-Latour bei lauten Rufen festgestellten 
(72 mm Hg). 

Um die Versuchsbedingungen den in praxi in Betracht 
kommenden Verhältnissen näher zu bringen, haben wir nun die 
oben schon genannte Gruppe von Versuchen an lebenden 
Kaninchen angestellt. Es ist bekannt, daß man Kaninchen 
durch Reizang sensibler Nerven leicht zu lautem Schreien bringen 
kann. Wir legten einen Ischiadicus frei und reizten ihn mit 
starken far&dischen Strömen, daß das Tier laut zu schreien begann. 
Dann eröffneten wir die eine Thoraxseite, zerschnitten die Lunge 
durch eine größere Reihe von Schnitten und reizten den Ischiadicus 
wieder. 

Dabei ergab sich, daß lautes Schreien noch mög¬ 
lich war, wenn der Oberlappen vielfach zerfetzt und 
ein Stück abgeschnitten war, obwohl das Tier durch 
die Eingriffe und den unvermeidlichen Blutverlust 
aus der verletzten Lunge sehr geschwächt war. 1 ) 

An einem zweiten Tiere versuchten wir durch einen großen 
Stich die Hauptbronchien an der Hilusgegend möglichst in der 
Weise zu verletzen, wie es bei einem Mordattentat der Fall sein 
würde. Hierbei war jedoch durch Verletzung der Hilusgefäße der 
Blutverlust sofort so stark, daß das schon vorher geschwächte Tier 
verblutete, ehe wir zur erneuten Reizung des Ischiadicus kamen. 

Wir verfuhren daher beim dritten Tiere in der Art, daß wir 
die Toraxhälfte in Narkose weit eröffneten, die Lunge heraus¬ 
zogen und abbanden, so daß der Hauptbronchus dieser Seite frei 
wurde. Nachdem das Tier aus der Narkose erwacht war, über¬ 
zeugten wir uns, daß die Ischiadicusreizung noch lautes Schreien 
zur Folge hatte. Darauf wurde ein breites Fenster in den frei¬ 
gelegten Bronchus angelegt und der Nerv wieder gereizt. In 
diesem Falle kam kein Schreien, sondern nur ein heiserer Laut 
zustande. 

Allerdings waren in diesem Falle die Bedingungen für eine 
laute Tonbildung abnorm ungünstig; denn die im Bronchus an¬ 
gelegte Oeffnung lag dicht an der Bifurkation; sie war vollkommen 
frei, weil alles Lungengewebe entfernt und der Thorax breit 
eröffnet war. 

Es ist nun freilich bekannt, daß eine selbst weite und frei 
mündende Oeffnung im Trachealbaume, also ein scheinbar recht 
ungünstiges Verhältnis für die Stimmbildung, an sich noch kein 
absolutes Hindernis zur Tonerzeugung bildet. Dies geht aus 
vielen Beobachtungen, von deren Richtigkeit wir uns selbst über¬ 
zeugt haben, hervor, daß tracheotomierte Tiere mit oder ohne 
Kanüle im stände sind, laute Töne von sich zu geben (bellen, 
brüllen), ohne daß irgend ein Hemmnis für den freien Durchtritt der 

*) Dieser Versuch beweist also nebenbei auch, daß die Verblutung aas 
einer vielfach eingeschnittenen Longe nicht sofort das Schreien za verhindern 
braucht, denn bei den kräftigen Exspirationsbewegungen quoll reichlich Blat 
aas der Thoraxwunde. 



470 


Dt. Thora all*. 


Luft durch die Tracheotomiewunde vorhanden ist. Aber bei diesen 
Tieren steht die Luftmenge beider Langen zar Verfügung. Wenn 
auch ein mehr oder weniger großer Teil darch die Oeffnung ent¬ 
weicht, dringt doch noch genug gegen die Stimmbänder an, um 
sie in genügende Schwingungen zu versetzen. In unserem dritten 
Versuche dagegen war nur die Hälfte der normalen Luftmenge 
vorhanden. Von dieser entwich beim Exspirieren soviel durch die 
große Bronchialverletzung, daß der verbleibende Rest nicht mehr 
ausreichte, eine Tonbildung zustande kommen zu lassen. 

Zusammenfassend können wir auf Grund der mitgeteilten 
Erfahrungen sagen, daß eine Eröffnung der Lunge durch Stich 
an sich keineswegs die Möglichkeit der Tonbildung im Kehlkopfe auf- 
* hebt. Ist bei einer penetrierenden Lungenverletzung die Thorax- 
wunde geschlossen, so kann mit fast derselben Kraft, wenn auch 
nicht mit derselben Ausdauer wie im normalen Zustande ge¬ 
schrieen werden. 

Ist der Thorax offen, so genügt der in der noch funktionierenden 
Lunge erzeugbare Druck auch noch zur lauten Stimmbildung. 
Selbst die Eröffnung eines größeren Bronchus braucht diese noch 
nicht aufzuheben, da die Bronchialwunde leicht durch Lungen¬ 
gewebe und Blut verlegt werden kann. Zweifelhaft wird die 
Möglichkeit zu schreien nur dann, wenn der Hauptbronchus einer 
Lunge oder eines Lungenlappens breit geöffnet ist und von 
Lungengewebe frei nach außen mündet. Solche Verhältnisse 
dürften allerdings in der Praxis kaum Vorkommen. 1 ) 


Tod durch Kopfverletzung oder Schuss ins Herz? 

Von Dr. R. Thomalls, Kreisarzt in Johannisburg (Ostpr.). 

Am.d. J. wurde in der Nähe des Aryser Schie߬ 

platzes auf den Schweikower Höhen ein Hirtenjunge tot aufge¬ 
funden. Der untersuchende Arzt fand bei dem auf dem Rücken 
liegenden Toten keine Schußwunde; auch fand er kein Blut in 
der Umgebung der Leiche. An der Vorderfläche des Halses waren 
kreisförmig um den Hals laufende, streifenförmige Substanzver¬ 
luste, die den Anschein von Fingereindrücken erweckten. Bald 
verbreitete sich das Gerücht, der Tote sei von anderen Hirten, 
weil er einem derselben eine Mundharmonika gestohlen habe, 
gemißhandelt worden. Die Zeugenvernehmungen ergaben nichts 
Positives. Vier Tage später erfolgte die gerichtliche Obduktion, 
die nachstehendes Ergebnis hatte: 

*) Nachtrag bei der Korrektur: 

Inzwischen hat Herr Prof. A. Ascarelli in Rom auf unsere Ver¬ 
anlassung liebenswürdigerweise eine Nachforschung bei sahireichen dortigen 
Hospitälern und Chirurgen über die bezüglich des Schreiens gemachten tatsäch¬ 
lichen Beobachtungen angestellt, zu denen die häufigen Messerattentato eine 
Gelegenheit bieten, die in unseren Gegenden nur selten vorkommt. Das 
Resultat war, dafi selbst bei schwersten LungenTerletzungen, 
die raschen Tod zur Folge hatten, die Verletzten immer 
imstande waren, noch laut zu schreien. Das Ergebnis der Experi¬ 
mente steht also mit der Praxis vollkommen im Einklan g. 



Tod durch Kopfverletzung oder Schuß Ine Herz? 


471 


5. Die Nase ist mit halbgeronnenem Blut und mit einer Unmenge 
Schmeißfliegeneiern ungefüllt. Der Nasenknorpel ist unverletzt. An beiden 
Ohren findet man die Ohrmuscheln ziemlich stark angeschwollen und schmutzig 
braunrot verfärbt. Bei Einschnitten ist nur an der linken Ohrmuschel Blut» 
erguß in das Gewebe zu konstatieren. Im linken GehOrgang befinden sich 
Schmeißfliegeneier, im rechten nichts Besonderes. In der Nähe des linken 
Ohres bis zu den Schläfen reichend, Schwellung und Verfärbung der Haut. 
Freiergossenes Blut im Gewebe. 

7. Der Mund geöffnet, beide Lippen zeigen eine dunkelbraunrote Ver¬ 
färbung und geringe Schwellung. Beide sind mit halbgeronnenem Blut bedeckt. 

8. Bings um den Hals bis zum Hinterhaupt reichend, hinten nur in 
einer Strecke von 3 cm unterbrochen, reicht eine 0,5 bis 1,5 cm breite, sich 
lederartig anfühlende Hautnarbe, die auf der Unterlage vollständig beweglich 
ist. Bei Einschnitten in diese Narbe nirgends Bluterguß in das Gewebe. 
Eine ähnliche zackige, vielfach unterbrochene Narbe befindet sich an der 
linken Seite der unteren Halsgrenze über das Schlüsselbein hinausreichend. • 
Auch hier bei Einschnitten kein frei ergossenes Blut in das Gewebe. 

9. Die Brust zeigt elf 0,5 bis 1,5 cm lange, fast ebenso breite Narben 
von oben beschriebener Art. Bel Einschnitten in dieselben kein frei ergossenes 
Blut in das Gewebe. 

10. Am Bücken befindet sich eine 1 cm große Verfärbung der Haut, 
ungefähr in der Höhe der unteren Schulterblattgrenze zwei Finger breit vom 
Bückgrad nach rechts. Beim Einschnitt reichlich freiergossenes Blut im 
Gewebe. 

18. An den Vorderarmen finden sich reichlich Hautnarben in der vorhin 
beschriebenen Art. 

15. Die Knochenhaut des Schädeldaches ist in der Nähe der linken 
Schläfe mit Blut durchtränkt. 

18. Die harte Hirnhaut ist auf der ganzen linken Hälfte braunrot 
durchscheinend, auf der rechten weniger stark braunrot. 

19. Die weiche Hirnhaut ist an der linken Hirnhalbkugel vollkommen, 
an der rechten zum größten Teil mit Blut bedeckt. Die Maschen der weichen 
Hirnhaut sind an diesen Stellen mit Blut angefüllt. Die weiche Hirnhaut 
selbst zieht sich leicht von der Hirnmasse ab. 

21. An der Gehirnbasis Gefäße leer. 

22. Die linke und rechte Seitenkammer leer, die Gefäßplatten blaßbraun. 

23. Der Linsenkern, 8 eh- und Streifenhügel blaßgrau, zeigen nichts 
Besonderes. 

25. Die dritte und vierte Gehirnkammer leer. 

27. Die weiße und graue Gehirnsubstanz vollkommen blutleer, es 
entleert sich auf den Schnittflächen kein Bluttröpfchen. 

28. Am Schädelgrunde reichlich halbgeronnenes dunkelrotes Blut. 

29. Die Knochen des Schädeldaches zeigen an den Flügeln des Keilbeins 
rechts und links je einen Bruch, so daß sich an beiden Seiten je ein 2,4 cm 
langer und 1 cm breiter Knochensplitter loslöst. 

84. Im [Herzbeutel sind 180 g geronnenes Blut; es findet sich 
daselbst ein 3 cm langes, spitzes Geschoß mit einem 0,6 .cm langen Durch¬ 
messer an der Basis (Mantelgeschoß). 

35. Das Herz hat die Größe der geballten Faust der Leiche und ist 
in Kammern und Vorkammern leer. An der linken Herzkammer findet sich 
eine die Seitenwand durchtrennende 3 cm lange Wunde mit stumpfen Bändern, 
so daß die Herzkammer eröffnet ist. 

44. In dem linken Brustraume sind ca. 80 g, im rechten ca. 30 g 
dunkles flüssiges Blut vorhanden. 

45. An der knöchernen Brustwirbelsäule, am 6. Brustwirbel geht die 
Oeffnung, welche die Kugel hervorgebracht hat, nach der in Nr. 10 be¬ 
schriebenen, verfärbten Hautstelle. Die linke Außenseite des 6. Wirbelknochens 
ist zersplittert. 

Das vorläufige Gutachten lautete: 

1. Der Tod ist erfolgt durch Verletzung des Heizens durch ein Geschoß 
und eine dadurch hervorgerufene Verblutung. 

2. Wodurch die Blutung in die Gehirnhäute entstanden ist, behalten 



472 


Dr. Thom&Ua. 


sich die Obduzenten vor, in einem motivierten Gutachten nach Kenntnis der 
Vorgänge an erklären. 

Wenige Tage später erhielt ich von dem Herrn Ersten 
Staatsanwalt folgende Anfrage: 

Sind die Schädelverletznngen an eich geeignet gewesen, den Tod herbei- 
xniflhren P 

Ist mit Wahrscheinlichkeit anznnehmen, daß das tödliche Geschoß den 
L. im Stehen getroffen and daß die Schädelverletzongen durch Anschlägen 
aal den Erdboden entstanden sind, oder ist es möglich, daß L. zuerst diese 
Verletzungen — vielleicht durch Schläge — erhalten hat und erst im Liegen 
getroffen ist?- 

Darauf antwortete ich u. a.: 

„Die Fragen bedürfen einer derartig ausgiebigen wissenschaftlichen 
Erläuterung und Motivierung, daß ich sie nur in eurem motivierten Gutachten 
beantworten kann." 

Von einem motivierten Gutachten wurde jedoch Abstand ge¬ 
nommen. Die Akten worden zurückgefordert; es scheint jedenfalls 
der Tod durch das Geschoß angenommen nnd damit vorläufig 
diese Angelegenheit erledigt zu sein.- 

Wenn wir Ziff. 34, 35, 44 des Obduktionsprotokolls berück¬ 
sichtigen, wonach im Herzbeutel 180 g geronnenes Blut und ein 
Mantelgeschoß sich vorfindet, an der linken Herzkammer sich 
eine die Seitenwand durchtrennende 3 cm lange Wunde nach- 
weiBen läßt, so daß die Herzkammer eröffnet ist und daß auch 
in den beiden Brusträumen noch ca. 110 g geronnenes Blut zu 
finden ist, so wird man ja, ohne Berücksichtigung der sonstigen 
mit Blut bedeckten Stellen, ohne weiteres die Durchbohrung des 
Herzens mit dem Geschoß und die dadurch hervorgerufene Ver¬ 
blutung als Todesursache bezeichnen müssen, um so mehr, als 
alle Gefäße und übrigen Organe durchaus blutleer gefunden 
wurden, so daß nur eine Verblutung als Todesursache angesehen 
werden mußte. 

Mußte diese Verblutung aber durchaus vom Herzen ausgehen, 
konnte der Tod nicht durch die Hirnblutung veranlaßt sein und 
die Kugel ihren Weg erst in das Herz gefunden haben, nachdem 
der Tod durch Gehirnblutung erfolgt warP 

Gehirnblutung als Todesursache halte ich ich jedoch in diesem 
Falle für ausgeschlossen; denn wäre erst der Tote von der Kugel ge¬ 
troffen worden, so hätten sich unmöglich so große Quantitäten Blut 
im Herzbeutel, in den Brusträumen und an den Lungen vorfinden 
können, da aus dem verwundeten Herzen einer Leiche, deren Tod 
noch dazu durch Verblutung ins Gehirn erfolgt wäre, sich doch nur 
kleine Quantitäten Blut entleeren können. Es konnte im Höchstfälle 
das Blut sich im Herzbeutel vorfinden, das in der linken durch¬ 
bohrten Herzkammer der Leiche beim Eindringen des Geschosses 
noch flüssig vorhanden war. Der Schußkanal verläuft von außen 
rechts der Wirbelsäule, er splittert die Wirbelsäule links nnd 
geht in das Herz, ohne andere größere Blutgefäße zu verletzen. 
Falls also die Kugel erst in den toten Körper eingedrungen wäre, 
würden sich die oben geschilderten großen Blutungen nicht 
erklären lassen. — Berücksichtigen wir aber Ziffer 18 and 19, 
wonach die harte Hirnhaut auf der ganzen linken Hälfte braunrot 



Tod daroh Kopfrerletznag oder Sehafl ine Herz? 473 

durchscheinend ist and die weiche Hirnhaut an der linken Hirn¬ 
halbkugel vollkommen, an der rechten znm größten Teil mit Blnt 
bedeckt ist und die Maschen der weichen Hirnhaut mit Blnt 
angefallt sind, nehmen wir hierzu Nr. 28, wonach sich am Schädel¬ 
grande reichlich halbgeronnenes dnnkelrotes Blnt vorfand und 
bedenken wir den Schädelbrach an den Flügeln des Keilbeins, so 
haben wir doch mit der Möglichkeit zu rechnen, daß der Tod 
auch durch die Verletzungen in der Schädelhöhle und den durch 
die Blutung erhöhten Druck im Schädelinnern hervorgerufen sein 
könnte. Allerdings brauchte diese Blutung erst eingetreten sein, 
nachdem der Junge von der Kugel getroffen worden ist; er kann 
beim Einschlagen des Geschosses mit einer derartigen Wucht 
hingeschlagen sein, daß dadurch der Basisbruch und die Blutung 
im Schädelinnern veranlaßt worden sein kann. Nach dem Obduk¬ 
tionsbefunde Ziffer 5 findet sich aber nur in der Nähe des linken 
Ohres eine äußere Verletzung, nur hier ist eine Schwellung und 
Verfärbung der Haut und frei ergossenes Blut im Gewebe nach¬ 
zuweisen. Diesem Befunde entspricht der in Nr. 15, wonach die 
Knochenhaut des Schädeldaches in der Nähe der linken Schläfe 
mit Blut durchtränkt ist. Desgleichen entspricht der in Ziffer 19 
verzeichnete Befund, wonach die weiche Hirnhaut der ganzen 
linken Seite vollkommen und der rechten (Contrecoup) zum größten 
Teil mit Blut bedeckt ist. — Berücksichtige ich noch Ziffer 28, 
worin gesagt ist, daß am Schädelgrande reichlich halbgeronnenes 
Blut zu finden ist, Ziffer 29, die von dem Bruch der Keilbein¬ 
flügel spricht und Ziffer 21, 22, 23, 25, die von der vollkommenen 
Blutleere der Hirngefäße und der Hirnkammern sprechen, so 
komme ich zu dem Urteil, daß auch durch die Verletzung des 
Hirns, die dadurch hervorgerafene Blutung und durch vermehrten 
Gehiradruck der Tod erfolgt sein könnte. Es trägt sich nun, ob 
diese Hirnerscheinungen durch einfaches Hinfallen nach einem 
Schuß hervorgerufen sein können. Dies ist deshalb nicht wahr¬ 
scheinlich, weil ja die Verletzung an der Schläfengegend zu 
finden ist. Wäre der Junge nach erhaltenem Schuß direkt auf 
die linke Seite gefallen, so wäre das erste und vorstehende 
Hindernis doch die linke Schulter gewesen und der Schädel wäre 
nur wenig in Mitleidenschaft gezogen worden. Die kontundierte 
Stelle an der linken Schläfengegend hätte aber nur hervorgerufen 
werden können, wenn der Geschossene mit dem Schädel auf einen 
harten Gegenstand, Stein oder ein Stück Holz gefallen wäre. 
Ein solcher Gegenstand wurde aber in der Nähe der Leiche nicht 
gefunden. Durch einfachen Fall auf Walderde konnte, da der 
Schlag durch die Schulter gemildert werden mußte, eine derartige 
Kontusion nicht hervorgerufen werden, daß so hochgradige Gehirn¬ 
erscheinungen auftreten konnten. Auch wäre beim Hinfallen auf 
flache Walderde die kontundierte Stelle nicht so ausgesprochen 
abgezeichnet gewesen. Es ist die Annahme nicht von der Hand 
zu weisen, daß das Gerücht, das von einer Prügelei erzählt, auf 
Wahrheit beruht, dass also der Junge von einem Gegner mit einem 
breiten Gegenstand oder mit der geballten Faust an die Schläfe 



474 


Dr. Graßi: Die Beziehungen zwischen 


geschlagen wurde, dass er bewusstlos niedersank, dass er djmn 
das Bewusstsein teilweise wieder erlangte, nachdem sich seine 
Angreifer entfernt hatten, in noch nicht normalem, sondern in 
halbbetäubtem Zustande weiter gegangen und ohne sein Ver¬ 
schulden in die Schusslinie gekommen ist; dort hat ihn dann 
die Engel getroffen und den Tod bei dem vorher schon schwer 
Verletzten herbeigeführt hat. Keinesfalls ist man zu der An¬ 
nahme berechtigt, dass der Tod schon vor Eintritt der Engel in 
den Körper erfolgt sei. 

Man ersieht aus dieser Darstellung, wie kompliziert eventuell 
ein solcher Fall sein oder werden kann, und dass man nicht in 
der Lage ist, in einem einfachen Schreiben die von der Staats¬ 
anwaltschaft erbetene Auskunft zu erteilen. Wie gerüchtweise 
verlautet, soll übrigens das gerichtliche Verfahren wegen Ver¬ 
dacht eines vorliegenden Verbrechens wieder anfgenommen sein. 


Die Beziehungen zwischen Landwirtschaft und Kinder¬ 
sterblichkeit in Mitteleuropa. 

Von Bezirks&nt Dr. ttrassl in Lindnn. 1 ) 

Trotz der Menge der Abhandlungen, welche die Kinder¬ 
sterblichkeit in Abhängigkeit von den sozialen Verhältnissen der 
Eltern bringen, wird der Einfluss der Umwelt auf die Lebens¬ 
fähigkeit der Säuglinge nun wieder teils wenig, teils gar nicht 
anerkannt. In neuester Zeit wird der Einfluss der sozialen Ver¬ 
hältnisse für die Kindersterblichkeit in Bayern auch geleugnet 
von den Herren Groth und Hahn, deren Abhandlung von den 
statistischen Landesamte für Bayern herausgegeben und von dem 
bayer. Staatsministerium des Innern zur Anschaffung in die Amts¬ 
bibliothek der Bezirksärzte empfohlen wurde und somit offiziösen 
Charakter annahm. 

Nach jahrelangen, ich darf es mir wohl selbst sagen, ein¬ 
gehenden Studien über die Kindersterblichkeit in ihren ver¬ 
schiedensten Formen, speziell in dem Zusammenhang mit der 
sozialen Stellung der Eltern, bin ich zu der Ueberzeugung ge¬ 
kommen, dass ein derartiger Connex tatsächlich besteht, daß 
die „primären Todesursachen" „Schlossmanns" zu recht 
bestehen. Ich möchte aber die Schlossmannschen „primären" 
Todesursachen zur Vermeidung von Missverständnissen die „Vor¬ 
aussetzung" der Säuglingsmortalität nennen. Ich beschränke mich 
auf einen Teil meiner Forschungsresultate: auf den Zusammen¬ 
hang zwischen Landwirtschaft und Kindersterb¬ 
lichkeit. 

Die Kindersterblichkeit Bayerns wurde Ende der zwanziger 
Jahre des vorigen Jahrhunderts aufgezeichnet. Sie beginnt mit 
einer hohen Ziffer, die unter Auf- und Abschwanken steigt bis 


*) Nach einem auf der Kreisversammlung des Vereins Bayerischer 
Medisinalbeamten am 10. April 1910 in Augsburg gehaltenen Vortrag. 



Landwirtschaft and Kindersterblichkeit in Mitteleuropa. 


475 


anfangs der siebziger Jahre und von da ununterbrochen mit 
Schwankungen fällt. Diese zeitliche Bewegung kann keine kon¬ 
stante, sondern wieder eine bewegliche Ursache haben. Der 
Einfluss der geologischen, die Stillhäufigkeit und selbst die in 
neuester Zeit so sehr betonte Kultur kann nicht die Ursache der 
Bewegung sein. 

Der Boden bleibt sich gleich, die Stillhäufigkeit nimmt ab 
und die Säuglingssterblichkeit auch, die Kultur ist in den ersten 
zwei Dritteln des vorigen Jahrhunderts nicht geringer geworden 
und hat sich in der Gegenwart nicht so erheblich verbessert, um 
dies An- und Absteigen der Kindersterblichkeit zu erklären. 
Bleiben also als Ursache der Bewegung nur die sozialen 
Verhältnisse. 

Kindersterblichkeit in nitteleuropiischen Staaten: 1 ) 

1801 1810 1821 1881 1841 1851 1861 1871 1881 1891 1901 

bis bis bis bis bis bis bis bis bis bis bis 

1810 1820 1880 1840 1850 1860 1870 1880 1890 1900 1908 

Preußen . . . 16,9 16,9 17,4 18,8 18,6 19,7 21,4 20,4 20,8 20,8 18,8 


8achsen ... — — — 26,6 26,1 25,5 26,7 28,2 28,2 27,3 24,1 

Bayern_— — 28,4 29,6 29,7 81,0 32,6 30,9 28,4 26,4 24,8 

Württemberg — 82,1 — — 84,8 — 86,0 32,0 26,8 24,3 21,7 

Baden_— — — — — 26,2 27,6 26,2 22,8 21,7 20,3 

Hessen .... — — — — — — 20,7 19,6 18,1 16,8 15,8 

8chweia ...— - — — — — — - 19,1 16,6 14,9 

Niederlande — — — — — 19,6 18,4 20,8 17,8 15,8 

DInemark . . — — — - — 14,4 13,6 13,4 18,8 18,5 18,6 


Schweden' . . 19,9 18,3 16,7 16,7 16,3 14,6 13,9 18,0 11,1 10,2 — 
Die ganz gleiche Bewegung sehen wir in Württemberg, 
Baden, Reichsland, Schweiz, Hessen, Tirol. Auch in Preussen ist 
sie noch erkennbar; dagegen weicht Sachsen bedeutend ab. 

Nimmt man Bayern und Württemberg zum Ausgangspunkt 
seiner Betrachtung und zerlegt diese beiden Länder in ihre Kreise, 
so ergibt sich: 


1885 

1848 

1862 

1879 

1885 

1896 


Bayern. bis 

bis 

bis 

bis 

bis 

bis 


1841 

1855 

1868 

1888 

1895 

1902 

1906 

Oberbayern . . 88,9 

89,8 

42,0 

86,8 

88,0 

29,6 

26,4 

Niederbayern. 88,8 

83,6 

36,1 

34,1 

83,6 

31,4 

30,5 

Pfalz.18,8 

17,8 

19,6 

17,6 

17,7 

16,9 

16,6 

Oberpfalz . . . 80,8 

82,3 

35,6 

82,6 

31,5 

29,6 

29,1 

Oberfranken . 20,8 

20,9 

22,3 

18,9 

17,8 

17,2 

16,9 

Mittelfranken. 29,8 

80,0 

88,5 

28,2 

26,9 

25,1 

24,4 

Unterfraaken. 28,9 

23,8 

25,4 

19,7 

19,2 

17,8 

16,9 

Schwaben . . . 39,8 

40,5 

41,2 

81,5 

31,6 

27,6 

28,3 


1812 1845 1862 1875 1886 1891 1895 1900 

Württemberg bis bis bis bis bis bis bis bis 

1822 1856 1868 1881 1890 1895 1990 1904 1905 1906 

Neckarkreis_ 29,2 80,2 81,4 27,5 23,8 23,7 22,8 22,7 20,7 19,1 

Schwarzwaldkreis. 27,6 83,1 33,9 28,7 24,7 25,1 23,9 22,7 22,0 20,5 


Jagstkreis. 81,8 81,5 83,7 28,7 24,2 24,0 28,0 21,1 19,1 19,6 

Donankreis. 40,4 44,0 42,8 87,1 30,7 29,1 27,8 24,6 23,2 21,2 


Man sieht also, dass im Anfang des vorigen Jahrhunderts 
Oberbayern und Schwaben höchste; Niederbayern, Oberpfalz und 


*) Nach Prlasing. 










476 


Dr. Qraßl: Die Beziehungen zwischen 


Mittelfranken hohe. Ober* und Unterfranken und Pfalz geringe 
Kindersterblichkeit hatten; ebenso hatte der Donaukreis höchste, 
die der übrigen württembergischen Kreise hohe Kindersterblichkeit. 
Der Donaukreis reiht sich also an Oberbayern und Schwaben an. 

Wenn es nun wahr ist, dass soziale Ursachen die Kinder¬ 
sterblichkeit beeinflussen, so müssen es zu Anfang des vorigen 
Jahrhunderts die agrarischen Verhältnisse gewesen sein; denn 
damals gab es noch keine Industrie. Die agrarischen Verhält¬ 
nisse müssen demnach die Differenzen in der Sterblichkeit der 
Regierungsbezirke hervorgebracht haben. 

Das konstante und wohl beste Maas für die Verhältnisse 
der Bauern ist die Grösse der einzelnen Bauerngüter. 

Die Durchschnittsgröße der Bauerngüter in ha beträgt in 
Oberbayern . . . 10,1 Oberfranken ... 5,7 

Niederbayern . . 8,3 Mittelfranken . . 6,4 

Pfalz.2,9 Unterfranken . . 4,8 

Oberpfalz .... 7,9 Schwaben .... 7,3 

Nun habe ich allerdings die Grösse der Landgüter des 
Jahres 1895 mit der Sterblichkeit 1885 verglichen, aber jeder 
Nationalökononom weiss, dass die Parzellierung des Bodens etwas 
konstantes ist und nur im Laufe von Jahrhunderte geändert wird. 
Zu Anfang des vorigen Jahrhunderts war in Bayern starke 
Parzellierung des Bodens mit geringer Kindersterblichkeit ver¬ 
bunden. Das gleiche finden wir in Württemberg; hier hatten 
im Jahre 1895 von 100 landwirtschaftlichen Betrieben eine 
Grösse von 

unter 2 ha von 2—5 ha unter 2 ha von 2—5 ha 

Neckarkreis. . . . 61,8 28,3 Jagstkreis . . . 45,0 24,4 

Sehwarzwaldkreiz 55,8 81,5 Donaukreis . . . 89,1 24,8 

Da der Bodenbesitz bloss die rechtlichen Verhältnisse kenn¬ 
zeichnet, der Zusammenhang zwischen Bodenbebauung und Kinder¬ 
sterblichkeit sich aber auf tatsächlichen Verhältnissen auf baut, 
so habe ich für Bayern auch die Pachtverhältnisse berechnet. 
Danach betrug das Pachtland Bayerns im Jahre 1895 in °/o der 
gesamten landwirtschaftlichen Fläche in: 

Oberbayern ... 2,5 Oberfranken... 4,6 

Niederbayern . . 1,9 Mittelfranken . . 3,7 

Pfalz.11,5 Unterfranken . . 6,3 

Oberpfalz .... 2,5 Schwaben .... 8,7 

Was die Form der Verpachtung anbelangt, so findet in der 
Pfalz und in Unter- und Oberfranken die Verpachtung der ein¬ 
zelnen Grundstücke und der Teile der Grundstücke statt, in Alt¬ 
bayern und Schwaben die Verpachtung ganzer Güter. — Die 
Verpachtung wirkt also in Bayern in der gleichen Richtung wie 
die Parzellierung des Bodens. Ich habe hier für die Kreise der 
süddeutschen und mitteldeutschen Staaten gefundenen Resultate 
mit dem Resultate der distriktiven Abteilungen verglichen und 
stets das gleiche gefunden. Ich lasse aber an dieser Stelle die 
distriktiven Ergebnisse weg und verweise diejenigen, welche Lust 
haben, sich eingehend darüber zu instruieren, auf eine demnächst 
erscheinende Abhandlung von mir in der Zeitschrift für soziale 





Landwirtschaft und Kindersterblichkeit in Mitteleuropa. 


477 


Hygiene, Säuglingsfürsorge und Krankenhaus wesen von Schloss¬ 
mann in Düsseldorf. 

Als einen weiteren Indikator fflr die sozialen Verhältnisse 
der Landlente kann man die Viehhaltungen betrachten; namentlich 
die Anzahl der kleinen Viehhaltungen, insbesondere der Kühe, ist 
ein Maßstab für die Arbeit und für die Ernährungsweise der 
Bauern. Es entfielen: 



auf 100 ha 

von 100 Haus- 

absolute Zahl 


treffen Vieh- 

haltungen haben 

der Milch- 


haltungen 

Kühe 1—2 

ziegen 1907 

Oberbayern . 

6,9 

15,7 

12000 

Niederbayern 

. . 8,1 

22,2 

14000 

Pfalz. 

. . 18,4 

85,9 

52000 

Oberpfalz. . . 

. . 7,4 

21,8 

19 000 

Oberfranken . 

. . 10,9 

19,3 

44000 

Mittelfranken 

9,6 

17,6 

84000 

Unterfranken 

. . 11,2 

20,8 

52000 

Schwaben . . 

. . 8,2 

7,8 

. 7000 

Mit der Zunahme der 

Kleinviehhaltungen, 

namentlich mit 


der Menge der Milchziegen, fällt die Kindersterblichkeit in Bayern. 

Geht man auf die Viehrassen ein, so findet man, dass der 
Kelheimer Landschlag, der mindeste Viehschlag, sich mathematisch 
genau mit dem Gebiete der grössten Kindersterblichkeit deckt: 
die Gebiete der Bezirksämter Kelheim, Neuburg a. D., Beiingries, 
Parsberg, Stadtamhof, Regensburg, südliche Teil von Amberg und 
Neumarkt i. 0. Das Gebiet des zweitschlechtesten Viehschlages, 
des sogenannten bayrischen Landschlages, ist auch das Verbreitungs¬ 
gebiet der zweithöchsten Kindersterblichkeit, und erst, wo das 
gute fränkische Vieh oder das Alpenvieh erscheint, fällt auch die 
Kindersterblichkeit. Mensch und Vieh stehen unter gleichen Ein¬ 
flüssen. — Ueberall da, wo Hopfenbau vorherrscht, ist hohe Kinder¬ 
sterblichkeit; ebenso da, wo die Zuckerrübe in grösserem Masse 
gebaut wird. Die Wiese und die Folgen der hohen Wiesenkultur: 
Viehzucht und Milchwirtschaft, hemmen die Säuglingsmortalität. 

Im bayerischen Wald verhält sich die Wiese zum Felde 
= 1:1; die Kindersterblicht ist dort durchweg geringer als in 
den Aemtem, welche um den bayerischen Wald herumliegen. In 
Oberbayern und in Schwaben ergibt sich bei Vergleich der 
Wiesen und der Kindersterblichkeit folgendes Bild: 


Kindersterblichkeit 

Bezirksämter 1862 1902 »of 1 ha Wiese 

Oberbayern bis bis treffen 

1868 1906 ha Acker 

Aichach. 45,0 80,8 8,4 

AltStting.... 85,9 24,2 8,8 

Bruck. 49,0 84,6 1,8 

Dachau. 48,6 88,3 1,8 

Ebersberg . . . 50,8 32,5 1,8 

Erding. 48,9 32,2 1,7 

Freising .... 44,6 81,8 2,0 

Friedberg . . . 46,4 88,8 2,0 

Ingolstadt . . . 54,1 88,5 4,0 

Landsberg . . . 45,1 25,9 1,1 

Laufen. 81,4 20,5 1,5 

Mühldorf .... 87,7 27,2 3,8 

Pfaffenhofen . . 49,4 37,0 8,0 

HAaawfiAivn DA JL Oft 1 44 














478 Dr. Graßl; Die Beziehungen «wischen 


Kindersterblichkeit 


Bezirksämter 

1862 

1902 

aal 1 ha Wiese 

Oberbayert* 

bis 

bis 

treffe» 

. 

i*R3 

1906 

ha Acker 

ScbröbrinhabsBn 

45,5 

34.1 

3,0 

Traunstein . v,,'. 

83,8 

20,5 

2,0 

Wassetbarg ^ v : 

m 

34.9 

1,8 

Berchtesgaden. 

29.9 

19,5 

0,5 

Gamisch . . . . 

31,6 

194 

0,1 

Miesborg . ... 

m,i 

20,7 

0,16 

Schongaa. , ;, 

38,3 

22.3 

0,3 • 

WiiHbeiffi v.^y 

87.1 

20,5 

0,28 

Tein. . , ' 

Sl,Ö 

.19,5 

0,8 


Onderaterbiichkek 


' 

■:im 

1902 


Schwaben : 

bis 

bis 

aut 1 ha Wiese 


1868 

1906 

. treffen ha Acker 

‘ Aa^htPg >.••■• « 

46,4 

32,9 

2,2 

• 1 ■ 1 ■ g s ‘ 1 ■ ■ . . 

40,6 

29,5 

2,6 

Ja- ß.t tivojibv ,: 

44,9 

31,3 

2,8. 


45,7 

29,3 

1,8 

- IUt\r -..Vw V 

4M 

24,8 

1,6 

Knut»«»«?» v, 

48,1 

28,6 

1,0 

Kniinbach v V. .. V. 

48,2 

23.0 

1,5 


87,4 

21,8 

1,6 

MiudeliiCM y * 

44,3 

84,9 

l,t 

Neubftr^: *. IJ.v-, 

44,1 

32,6 

2,7 

Nonliiu&ftts . ■ t 

89,5 

28,8 

3,2 

Neanlm ,> 

44,0 

24.8 

3,5 

W ertjc^e»^r. 

89,2 

26,7 

■ - , - ■ 1,9 

Bttsaeft yv : k v r 

81,9 

19,9 

0,15 

Kemp r v V. 

80,6 

24,8 

0,6 

Lindao V<0 . 

24,8 

16,9 

o!f 

Obeiderl » .. , * , 

86,3 

33,5 

0.5 

S&nihdhib - . x .» 

25,8 

17,8 

0,1 

Zusmavaiafttvo y 

42,7 

24,7 



Wie ist nun der Ziia&rn rneuhsa# 7 ,wieciien »Ihd 
A jfrÄriaeheoVei-MHaUaft« uod <1«»- kitnleräterbltcU- 
Jceit I« Bayern zu yifkMirhttP*} I>»a bayerische statistische 
-etklftrl 1 sich 4«v* ÄuKfcAüfokoiHOt&ii der grösseren Bgaern- 
göter ifttls dorcii »iie Einwirkung: der uaittrltchen BßflchaiF.iöhelfc 
de» Badeö«. teil« ttttisfc dte«;fe0u«8 der fcreiuden ^rumlherrsrbsii. 
t$jj$0 4$, wo >U*y Siädie, die 4iu Kitter u, g. (. j$|§ 

*) Bei dw Diokaaajvftt Über meinen Vortrag (s. Beilage Berichte aas Vetaamm- 
laagen tat heutigen N (immer, Seite 29) hat Herr Med,-Bat Br. Böhm gegen 
des Zaa&mmeahang der KiadersterbllchfceK mit der Landwirtschaft die meisten 
Bedanke» gcftttBart Ke hat mir dann seine im Jab re.588t »mbieaeBo Statistik 
der Kindersterblichkeit des ße«irksamte Schwelsiert geschickt Bas Bestraft» 
amt Schweift!art besteht »na den Distrikte» Scbweinfart aad Werneck; eraterer 
hatte 24,6 °/ # SiagLlnfsmorUlitit. letzterer 32,2. E® ist bub merkwürdig, traft 
Dr. Böhm üa Jahre 1881 Aber die hydrographischen Vcrhiitaume d<* Be¬ 
zirksamts sagte, *. , . . , Die Wern» di« zwischen Piendorf and Halo ent¬ 
springt und Im trigen, winduegsrcicbeB Laote den Distrikt Wern eck dorcb* 
flieht, links and rechts umgebe« ree herrlichen Wiesen, die ihren Grmsreich- 
tarn den »Ujihrlicb wiederkehrenden DeberflKtangaa dar Wern verdanken.“ 
Die »a der wera Rtlegeoea Orte haben kleinste and kleine Kindersterblichkeit 
Ich danke Herrn Med.-Bai Dr. Bflhm Ihr die — allerdings nicht beabsichtigte 
— Bestätigung meiner Ansicht darcb »eine Statistik. 





Landwirtschaft und Kindersterblichkeit in Mitteleuropa. 479 

Grundherrschaft hatten, finden wir mittleren nnd grosseren Kom¬ 
plex, weil diese ein Interesse daran hatten, dass das Grundstück 
nicht geteilt wurde, damit die Eintreibung des Bodenzinses sich 
erleichtere. Non sagt der Staatswirtschaftslehrer L. Brentano, 
dass zu Ende des 18. nnd Anfang des 19. Jahrhunderts der 
Bauernstand in Bayern (Altbayern) gewaltig überschuldet war. 
Das so stark verschuldete Anwesen ging ungeteilt auf einen 
Nachkommen über. Dieser hatte daher, besonders im Anfang 
seiner Wirtschaft, die grösste Not, das Anwesen zu halten; 
es mussten deshalb maximale Arbeitsleistungen vollführt werden. 
Ein sehr grosser Teil der Arbeitsleistung fiel auf die Bäuerinnen; 
aber gerade am Anfang der Wirtschaft kamen die Kinder und 
vermehrten dadurch die Last der Mutter. Durch diesen Arbeits¬ 
zwang wurde die Bäuerin abgehalten, dem Kinde die nötige 
Pflege zuteil werden zu lassen, und als sie an der Flasche eine 
Methode kennen lernte, das Kind ohne Muttermilch aufzuziehen, übte 
sie — gezwungen — diese Methode. In 25 jähriger Praxis habe ich 
die Bäuerin Altbayerns kennen gelernt; sie ist eine geradezu 
erstklassige Frau: arbeitsam, treu, nüchtern, tüchtig, eine über¬ 
aus besorgte Mutter. Dieser Frau zu imputieren, dass sie aus 
Eigenliebe die Kinder vernachlässige, ist völlig deplaziert. Aus 
diesem Arbeitszwang entstanden dann die Aufzuchtssitten, die 
mittels psychischer Infektion verbreitet wurden. 

Bei der Kleinparzellierung des Bodens trifft nicht annähernd 
ein so grosser Arbeitsanteil auf die Bäuerin. Ist überdies Pach¬ 
tung üblich, so verpachtet der Bauer die Grundstücke, die er nicht 
bearbeiten kann und entlastet sich und seine Frau. In Franken 
und in der Pfalz passt der Bauer die Bodengrösse seiner Familie 
an, in Altbayem und Schwaben passt sich die bäuerliche Familie 
den Bodenkomplexen an. 

Solange die Wirtschaftsform in den einzelnen Regierungs¬ 
bezirken annähernd die gleiche war, solange jeder Bauer das 
zum Leben Gesamtnotwendige selbst produzierte, so lange war 
auch die Parzellierung des Bodens der fast ausschliesslich mass¬ 
gebende Faktor für die Arbeitslast der Mutter; höchstens dass 
da, wo Hopfen gebaut wurde, der Arbeitsanteil der Bäuerin wuchs 
und damit auch die Häufigkeit der Kindersterblichkeit. Zu diesem 
Faktor kam anfangs der 70er Jahre ein neuer wesentlicher: der 
Uebergang zur Milchwirtschaft. Zeitlich und örtlich fallen die 
Abnahme der Kindersterblichkeit und der Uebergang zur Milch¬ 
wirtschaft völlig zusammen. Und je intensiver der Uebergang 
war, namentlich die Zentralisierung der Milchbearbeitung wirkte 
hier ein, desto schärfer war der Abfall der Säuglingsmortalität. 

Dazu kam, dass die neuzeitlichen Verkehrsverhältnisse, die 
Industrie, welche eine Unzahl von Maschinen brachte, mit ihrer 
Entlastung der Bäuerin, der Uebergang vieler Arbeiten von der 
Bäuerin auf eigene Gewerkschaften, z. B. 'des Kerzengiessens u. 
s. f., die direkte Aufgabe unrentierbarer und mühsamer Kulturen, 
z. B. des Flachsens, nicht zu vergessen die Einführung des 
Petroleums mit seiner Ermöglichung der Nachtarbeit, der Fort- 



480 


Dr. Oraßl: Die Bestehungen zwischen 


schritt der allgemeinen Hygiene usw.: alles dies wirkte entlastend 
anf die Bäuerin and erhöhte die Lebensaassicht der Kinder. Wir 
finden daher auf der ganzen Linie einen Abfall der Kinder¬ 
sterblichkeit, ohne dass irgend etwas Spezielles geschah. Die 
▼orausgegangene Vermehrung der Kindersterblichkeit war also 
nichts als der Ausdruck der schlechten Lebenslage der Mutter. 
Dazu kam, dass in den sechziger Jahren die proletarischen Mütter 
durch Erleichterung und später Aufhebung der Eheeinschränkung 
sich mehrten. Die Zunahme der Kindersterblichkeit bis zu den 
siebenziger Jahren erklärt sich aus dem Uebergang von der 
estensiven zur intensiven Landwirtschaft. 

Nicht die Höhe der sozialen Verhältnisse, sondern 
die Form des Wirtschaftslebens der Mutter ist aus¬ 
schlaggebend für die Aufzuchtssitten und damit für 
das Leben des Kindes. Die armen Weber in Naila und Mttnch- 
berg mit ihrer Bodenparzellierung und Hausindustrie, welche beide 
Erwerbsarten die Pflege des Kindes ermöglichen neben der Arbeit, 
sind heute noch in Bayern die besten Bezirke inbezug auf Kinder¬ 
sterblichkeit. Alles, was das Kind von der Mutter trennt, ver¬ 
schlechtert die Lebensaussicht des Kinder. 

Dazu kann auch kommen, dass die Brüste der schwer 
arbeitenden Bäuerinnen eher vertrocknen als die der minder schwer 
arbeitenden, ferner dass die Milchproduktion zur erhöhten Reinlich¬ 
keit zwingt; dass Rübenbau die Qualität der Kuhmilch ver¬ 
schlechtert. Nicht zu vergessen ist, dass durch Aufgabe des 
Körnerbaues die Arbeitsleistung des Bauern frei wurde und dass 
der Bauer freiwillig in den Stall ging und die Bäuerin ent¬ 
lastete. Ueberall im Allgäu kann der Bauer melken; in Altbayern 
gilt dagegen diese Kunst als für den Bauer entehrend. 

Meine Ansicht wird durch das Verhalten der Sterblichkeit 
der Kinder in Württemberg vollständig bestätigt. Zu Anfang 
des vorigen Jahrhunderts war auch in Württemberg die Boden¬ 
teilung massgebend. Ende der 70 er, noch mehr Anfang der 
80 er Jahre trat aber auch Württemberg zur Milchwirtschaft 
über. Der Uebertritt geschah nicht gleichmässig; die Kinder¬ 
sterblichkeit änderte sich jedoch konform der Wirtschafts¬ 
änderung. 

Es vermehrte Es verminderte sich die Kinder- 

sich der Viehstand von 1888 Sterblichkeit von 1876/81—1904/09 
bis 1907 nm 4 / 0 des jewei- am •/• der jeweiligen Kindersterb¬ 
ligen Viehstandes: lichkeit 

Neckarkreis ... 6,6 11,0 

Schwarswaldkreis 15,6 81,0 

Jagstkrels .... 18,6 27,0 

Donankreis . . . 27,8 84,0 

Der Donaukreis hatte die Vorbedingung: starken Futterbau. 
Vom Jahre 1854—1892 vermehrten sich die Aeker in W ürttemberg 
um 20000 ha; von 1892—1907 verminderten sie sich um 20000 ha; 
dagegen vermehrten sich die Wiesen um 85000 ha. die Molkerei¬ 
genossenschaften betragen im Jahre 1892 = 172; im Jahre 1906 
= 493; die Mitgliederzahl wuchs von 9985 auf 82709 und die 



Landwirtschaft und Kindersterblichkeit in Mitteleuropa. 4SI 

produzierte Milch der Genossenschaften von 397591 Liter anf 
1172018 Liter. 

Die Oberämter Wangen und Leutkirch hatten schon vorher 
den Uebergang zur Milchwirtschaft vollzogen und zugleich auch 
den Abfall der Kindersterblichkeit. 

Sehr prägnant ist das Verhältnis in Baden. Bis Ende 
der 60 er Jahre hatte hier die nördliche Gegend die geringere 
Kindersterblicheit; namentlich die Gegend um Mannheim herum. 
Dieser Landstrich hatte von jeher eine Bodenparzellierung, 
die nahezu Zwerg wirtschaften bedeutet. Zugleich war hier von 
jeher die größte Stillhäufigkeit. In den 70 er Jahren und noch 
mehr in den 80 er Jahren aber änderte sich der Zustand. 
Die Sildostecke Badens, welche früher die grösste Kindersterb¬ 
lichkeit hatte und den grössten Bodenbesitz, ist nunmehr die beste 
Gegend, obwohl die Stillhäufigkeit nicht zunahm, ja sogar ent¬ 
schieden geringer war als in Mannheim und Umgebung, die nun 
die schlechtere Gegend wurde. Der Uebergang zur Milchwirtschaft 
gerade in der Südostecke vollbrachte diese Aenderung. Es sei 
hier eingeschaltet, dass die Besserung der Kindersterblichkeit in 
dem württembergischen Donaukreis und in den Alpenbezirken 
Bayerns ohne Vermehrung der Stillhäufigkeit erfolgte, ja ver¬ 
mutlich sogar bei deren Abnahme. In meinem Bezirk Lindau 
hat der Distrikt Weiler grössere Stillhäufigkeit (von Dr. Wann er 
erhoben) als der Distrikt Lindau (von mir erhoben) und trotzdem 
grössere Säuglingsmortalität. Aber Weiler hat den grösseren 
Bodenbesitz. 

Der Kanton Thurgau in der Schweiz hat grosse Abnahme 
der Säuglingssterblichkeit; angeblich und gar nicht zu zweifeln, 
weil die StUlhäufigkeit zunahm. Aber der Kanton ging gleich¬ 
zeitig von der reinen Viehzucht zur Milchwirtschaft und von der 
Hausmilchverarbeitung zur zentralen Bearbeitung Aber und schuf 
so die Vorbedingungen zum Stillen. 

Vorarlberg, das die gleichen wirtschaftlichen Verhältnisse 
hat, wie der Algäu, hat auch gleiche Kindersterblichkeit. Tyrol 
dagegen, das mehr Viehzucht treibt, hat höhere Sterblichkeit der 
Kinder, aber immer weniger als das reiche Ober- und Nieder¬ 
österreich mit seinem Grossbesitz und seinem Körnerbau. Aber 
auch in Oberösterreich hat das „arme“, aber wiesenreichere 
Mfihlviertel geringere Kindersterblichkeit als das reiche und 
getreidebauende Innviertel. Die Gegend um Budweis mit ihrem 
bekannten Getreidebau hat hohe Kindersterblichkeit; besonders 
groß ist die Kindersterblichkeit im Hopfen bauenden nordwestlichen 
Teil Böhmens und in dem Rüben bauenden nördlichen Teil. 

Dieser Uebergang zum Rübenbau ist auch schuld, daß die 
Mannheimer Gegend in der Besserung der Verhältnisse der Kinder 
trotz größter Stillhäufigkeit nicht vorwärts geht. 

Prägnant sind die Beziehungen in Holland, dessen 
agrarische Verhältnisse Dr. Frost in ausgezeichneter Weise 
beschrieben hat. 

Wie ich eingangs in der Tabelle der Säuglingssterblichkeit 



482 


Dr. Graßl: Die Beziehungen zwischen 


gezeigt habe, nahm die Säuglingssterblichkeit Hollands bis zu 
den 90 er Jahren eine keineswegs niedere Höhe ein, ja sie stieg 
sogar in den Jahren 1881—1890. Die Erklärung ist ans der Ge¬ 
schichte der Landwirtschaft Hollands gegeben. Bis zur Aufhebung 
des Getreidezolles (1880) war der Anbau des Getreides keineswegs 
gering; namentlich die nicht an der See gelegenen Provinzen 
hatten beträchtlichen Getreidebau und — beträchtliche Kinder¬ 
sterblichkeit. Durch die Aufhebung des Getreidezolles (1880) 
verschlechterten sich die wirtschaftlichen Verhältnisse der getreide¬ 
bauenden Provinzen und die Kindersterblichkeit in diesen Pro¬ 
vinzen stieg. Erst als die Getreideprovinzen die Wirtschaftsform 
der Milchprovinzen angenommen hatten, fällt auch bei ihnen die 
Kindersterblichkeit. Aber auch jetzt noch ist ein beträchtlicher 
Unterschied zwischen der Kindersterblichkeit an der See und der 
in Nordbrabant und Limburg. Wieder läßt sich der Grund hierfür 
aus dem Werke des Dr. Frost, des deutschen Attaches für Land¬ 
wirtschaft im Haag, ersehen. In der Seegegend wird nur einmal 
gemäht; das übrige Gras wird abgeweidet; das Vieh bleibt von 
Mai bis November auf der Weide. Die Stallung wird zur Wohnung 
umgebildet. „Die Bäuerin rührt keinen Finger in der Landwirt¬ 
schaft 0 , sagt Dr. Frost; alles besorgt der Bauer und seine 
Dienstboten. Die Reinlichkeit ist daher dort nahezu übertrieben. 
Anders in Nordbrabant und Limburg. Es wird zweimal die 
magere Wiese gemäht; Stallfütterung ist durchweg eingeführt; 
die Arbeitslast der Bäuerin ist groß, die holländische Reinlichkeit 
fehlt ganz und gar; die Kindersterblichkeit ist daher auch groß. 

In den norddeutschen Marschen mit ihren Weiden und Milch¬ 
wirtschaften haben wir durchweg geringe Kindersterblichkeit. Die 
geringste Kindersterblichkeit in Deutschland hat Ostfriesland, der 
Regierungsbezirk Aurich, mit seinen durchweg holländischen 
agrarischen Verhältnissen. 

Gering ist die Kindersterblichkeit in Oldenburg, Mecklen¬ 
burg, Holstein; die agrarischen Verhältnisse sind anf Milch- und 
Viehwirtschaft aufgebaut. 

In Dänemark hat die Landwirtschaft in den letzten 
70 Jahren keinerlei Erschütterung durchgemacht und demgemäß 
ist die Linie der Kindersterblichkeit nahezu eine wagerechte. 
Dänemark hat als Lehrmeisterin Holland gehabt, hat aber alsbald 
dieses Land überholt. Butter, Eier und Fleisch, hauptsächlich 
Schweine, sind die Hauptprodukte, die es ausführt. England ist 
auf dänischen Export geradezu angewiesen. Man weidet dort 
und die Bäuerin geht nur selten in den Stall. Die Kindersterb¬ 
lichkeit ist sehr gering. 

In Schweden sind ähnliche Verhältnisse. Wohl nirgends 
wird so viel Milch produzirt und auch genossen als in Schweden. 
Das Weiden der Tiere ist allgemein gebräuchlich. Die Reinlichkeit 
bei der Milchproduktion einwandfrei. Die Kindersterblichkeit gering. 

Ebenso ist es in Norwegen und Finnland. Selbst in 
England ist der Einfluß der Bodenbebauung noch erkennbar. 

Kehren wir nun nach Deutschland wieder zurück, fl ess en ist 



Landwirtschaft and Kindersterblichkeit in Mitteleuropa. 483 

d&s Land der Ziegen nnd hat die geringste Kindersterblichkeit 
— ausgesprochene Kleinteilong. 

Trotz des Znrflcktretens der Landwirtschaft in Sachsen 
sind die Einflüsse derselben auf die Kindersterblichkeit auch 
deutlich kennbar. Oberlausitz mit seinen aasgesprochenen Klein- 
teilangen, mit seinem sehr großen Ziegenreichtam hat geringere 
Kindersterblichkeit; auch das Voigtland mit seinem Wiesen- 
reichtnm. Trotz der ausgezeichneten Fruchtbarkeit der Leipziger 
Gegend, der sog. Lommatscher Pflege, hat sie höhere Kinder¬ 
sterblichkeit als das Voigtland oder Oberlausitz. Hier tritt der 
Rübenbau stark störend auf. Diesen Einfluß des Rübenbaues 
erkennen wir in der Provinz Sachsen und im südlichen Teil 
Hannovers stark. Der Kreis Erfurt liegt außerhalb des Ge¬ 
bietes des Rübenbaues und hat auch geringere Kindersterblichkeit 
Der Süden von Schlesien hat große Zuckerfabriken und 
größte Kindersterblichkeit; der Norden der 3 schlesischen Regie¬ 
rungsbezirke ist dagegen frei von solchen Fabriken und hat 
geringere Kindersterblichkeit. Posen, West- und Ostpreußen 
haben Zuckerrüben und hohe Säuglingsmortalität. Ebenso Pom¬ 
mern mit Ausnahme des Regierungsbezirkes Köslin, das keinen 
Rübenbau und geringere Kindersterblichkeit hat. 

Ich bin gegenwärtig noch mit der Detailstatistik der 
preußischen Provinzen beschäftigt; vielleicht werde ich später 
noch einmal die Einzelergebnisse davon mitteilen. Schon auf 
Grund der bisherigen Untersuchungsergebnisse halte ich mich zu 
der Schlußfolgerung berechtigt, daß die Jahrhunderte lang auf 
die Bevölkerung einwirkenden agrarischen Verhältnisse die haupt¬ 
sächlichste Ursache der Herausbildung der verschiedensten Auf¬ 
zuchtssitten waren. Ich möchte nur noch hinzufügen, daß die Be¬ 
völkerung, als sie zur Industrie und Städtebildung überging, diese 
Aufzuchtssitten beibehielt und daß erst in neuester Zeit sich 
spezifische industrielle Aufzuchtssitten herausbildeten. 

Die Verschiedenheit der Aufzuchtssitten ist aber nicht bloß 
die Ursache der verschiedenen Absterbehöhe, sondern auch der 
Absterbeordnung, derartig, daß bei einer Jahressterblichkeit von 
20°/ 0 z. B. der Kreis A eine andere Erstmonatssterblichkeit hat 
als der Kreis B und eine andere Ersttagsterblichkeit trotz gleicher 
Jahres- und Monatssterblichkeit. Hier muß die offizielle Statistik 
noch stark detaillieren; sie muß die Sterblichkeit auf die ersten 
14 Tage nach den Bezirken ausscheiden, damit wir die endogenen 
Todesursachen, die ungefähr bis zum 9. Lebenstag die Haupt¬ 
rolle innehaben, von den ektogenen ausscheiden können und damit 
wir die Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit auf die Ursachen 
der Kindermortalität einrichten können und nicht auf Experimente 
angewiesen sind. Für Altbayern ergeben sich danach folgende 
prophylaktische Maßregeln: 

Vor allem, glaube ich, könnte die Ziegenzucht noch stark 
vermehrt werden, ohne die Rindviehzucht zu schädigen; dann bin 
ich der Ueberzengung, dass der Bauer im Winter wie auch im 
Herbst und Frühjahr nicht genügend, die Bäuerin aber übermässig 



484 


Dr. Coester: Genickstarrefolgea. 


stark arbeiten muss. Hier halte ich eine Neuordnung der Arbeits¬ 
teilung für notwendig. Der Bauer soll für diese Zeit die ganze 
Stallarbeit übernehmen und dazu sollen alle Faktoren mitwirken. 
Melk-Arbeitsschulen in Altbayern für die männliche BevGllkerung 
wird die Kindersterblichkeit in diesem Kreise stark herabdrücken, 
denn: je intensiver die Verbindung zwischen Mutter 
und Kind möglich ist, desto geringer die Kinder¬ 
sterblichkeit. 


Genickstarrefolgen. 

Von Mad.-E&t Dr. Coester, Kreisarzt in Königshatte O.-SchL 


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Gelegentlich der Feststellung der Zahl 
und Art der Krttppelkinder, kam mir der 
Gedanke zu untersuchen, ob und wieviele 
Kinder von denjenigen, welche in den 
Jahren von 1903—1906 einschließlich die 
Genickstarre ttberstanden hatten, Schulen 
besuchen, und welche Folgen von der 
Krankheit bei den Kindern zurückgeblieben 
waren. Es wurden daraufhin die Kinder 
von 34 Schulen gesichtet und das Er¬ 
gebnis in nebenstehender Tabelle zusam¬ 
mengestellt. Es fanden sich im ganzen 
223 Kinder, darunter 113 Knaben und 
110 Mädchen, welche die Krankheit über¬ 
standen hatten. Sie standen in dem Alter 
von 6—13 Jahren. Die größte Anzahl 
stammte aus dem Jahre 1905, dreißig 
Knaben und 50 Mädchen. Das Lebens¬ 
alter scheint keinen besonderen Einfluß 
ausgeübt zu haben, da die Zahlen sehr 
ähnlich sind, nur daß einmal die Knaben, 
das andere mal die Mädchen überwiegen. 

Als Folgen waren zurückgeblieben: 
Schwerhörigkeit, Sprachfehler, Taub¬ 
stummheit, Geistesschwäche, Augenfehler 
und Lähmungen. Keine Folgen zeigten 
58 Kinder, 31 Knaben, 27 Mädchen. Diese 
Zusammenstellung lehrt, daß die Krank¬ 
heit nicht selten einen günstigen Verlauf 
nimmt, daß sie aber auch ebenso oft die 
traurigsten Folgen hat. Insbesondere 
wird wiederum bestätigt, daß das Ver- 
tauben und Verstummen der Kinder wohl 
am häufigsten eintritt, daß aber Schwer¬ 
hörigkeit und geistige Schwäche nicht 
minder selten als Folgen angetroffen 
werden. Die taubstummen Kinder hat 
man zum größten Teil geeigneten An¬ 
stalten übergeben. Die übrigen Kinder 




Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


486 


werden meistens in sog. Hilfsschulen unterrichtet, die ausdrück¬ 
lich zur Aufnahme Schwachbegabter schwerhöriger, schlecht¬ 
sehender etc. Kinder bestimmt sind und ihren Zweck in muster¬ 
hafter Weise erfüllen. 

Um nur eine Zahl anzuffthren, die beweist, wie mörderisch 
die Krankheit gewesen ist, erinnere ich daran, daß 1904 im 
Stadtkreise Königshfttte bei 292 Erkrankungen 169 Todesfälle 
vorgekommen sind. 


Kleinere Mitteilungen und Referate aue Zeitschriften. 

A. Ctoriohtliohe Medizin. 

Ueber die pharmakodynamische und toxische Wirkung der Brabaater 
Myrte und des in Ihr enthaltenen aetherlschen Oeles. Von J. Chevalier. 
Ans dem Laboratorium für Pharmakologie und Materla medica der Pariser 
med. Fakultät. Comptes rendus de la soc. de bioL; LVm, 1910, Nr. 16. 

Die Brabanter Myrte (Myrica Gale) dient in der Volksmedizin in 
Westen Frankreichs als Abortivmittel und Emmenas ogum. 

Das in der Pflanze enthaltene, von Laloue durch Destillation ge» 
wonnene aetherische Oel ist gelblich grttn und yon sehr feinem Myrten» 
geruch; es erzeugt, Hunden intravenös injiziert, in einer Dosis yon 12 cg auf 
das kfl Körpergewicht, halluzinatorische Erregung, unkoordinierte Bewegungen, 
vollkommene Anaesthesie, Muskellähmung und Tod. Bei der Autopsie findet 
man Zeichen des Erstickungstodes und Blutüberfüllung der Unterleibsergane. 

Das frische Extrakt der Pflanze enthält ein im Wasser unlösliches Harz. 
Dasselbe ist, nach LOsung in kleinen Mengen Natronlauge, sehr giftig und 
bedingt den Tod yon Meerschweinchen nach intraperitonealer Injektion yon 
8—10 cg pro Kilo nach einigen Stunden. Es wirkt als emetico-cathartischee 
Mittel. Es treten blutige Stühle, Muskelschwäche, Verminderung der 
Sensibilität, Fallen der Temperatur, Unbeweglichkeit, mühsame Atmung und 
der Tod ein. 

Bei der Autopsie zeigt sich das Herz in Systole; man findet Hyperaemie 
yon Magen, Leber, Peritonitis mit multiplen Adhaesionen. Die Därme zeigen 
außen Botfärbung, innen yiolette Färbung. Die Schleimhaut ist erweicht, mit 
Ekchymosen, Blutergüssen, Geschwüren, gangraenOsen Stellen übersät, besonders 
wenn der Tod nach kleinen Dosen später eintrat. . Der Darm ist mit faden- 
ziehender, grünbräunlicher oder blutiger Flüssigkeit angefüllt. — Ae hnli ch 
ist das Bild nach Einführung des Harzes durch die Schlundsonde. Bel 
graviden Weibchen tritt immer erst Abort ein, dem auch einmal Genesung 
statt des Todes folgen kann. 

In frischem Zustande als Aufguß genommen, wirkt demnach die 
Brabanter Myrte gleichzeitig durch das aetherische Oel und das Harz, deren 
Wirkungen sich summieren. 

Der Gebrauch der Pflanze ist daher recht gefährlich; der Abort 
hat immer ernste Begleiterscheinungen im Gefolge, kann selbst vom Tode 
gefolgt sein. Die Vergiftung bietet ähnliche Symptome wie jene nach Sabina 
und Ruta. Dr. Mayer-Simmern. 


Die Ausscheidung der Oxalsäure durch den Magen. Von M. Loeper, 
G. Bächamp und E. M. Binet. Comptes rendus de la soc de bioL; LXVI, 
1910, Nr. 12. 

Für die gerichtliche Medizin ist es yon Bedeutung, daß sich Oxal¬ 
säure auch in der Norm im Blute findet, allerdings nur in einer Menge, 
die 1 mg auf 100 nicht überschreitet. Bei Herz» und Nierenleiden kann 4er 
Gehalt 2 mg, bei Diabetes 2—3 mg betragen. Bei einer Ernährung solcher 
diabetischer Kranker mit wenig Milch und reinem Wasser, fand sich in dem 
von Nahrungsmitteln und Galle freien Erbrochenen Oxalsäure bis zu 8 mg. 
Bei Tieren findet sich nach subkutaner oder intravenöser Oxalsäureinjektion 
in dem von Nahrungsmitteln freien Magen Oxalsäure in einer Quantität 



486 


Kleinere Mitteilungen und Beferate ms Zeitschriften. 


▼ob 2Jb eg, wenn die eingespritzte Menge 10—90 eg betrag, wihread im 
Magen von Kontrolltieren sich nur 1,6 cg fand. Die ziemlich große Oxal¬ 
säure quantität sogar der normalen ausgewaschenen Magenschleimhaut vom 
Kaninchen beruht sehr wahrscheinlich auf der konstanten Resorption tob 
in den Nahrungsmitteln enthaltenen Oxalaten durch den Magendana* 
kaaal. Die Art der Ausscheidung der Oxalsäure ist teilweise die als 
Calciums alz. Bei der experimentellen OxalsäureTer gif tung wird diese 
Ausscheidung beim Tiere von Blutüberfüllung und Blutung der 
Magen Schleimhaut begleitet. Nach Abkratzung der Mucosa kann man 
unter dem Mikroskop die charakteristischen Calciumoxalatkrystalle . 
nach weisen. Beim Menschen fanden die Verfasser in 2 Fällen kleine Magea- 
blutungen bei Oxalsäureelimination durch den Magen; das Blut dieser 
Haematemesen zeigte typische oxaedrische Krystalle und enthielt bis 8 mg 
auf 100 g Oxalsäure. Dr. Majy er-flimmern. 


Giftwirkung der Bleisalze auf die Nerrenzentren. Ihre Inkabatlens« 
perlode. Von Jean Camus, pröparateur, Paris. Comptes rendus de la soc. 
de biol.; LXVHI, 1910, Nr. 11. 

Injiziert man einem Hunde zwischen Atlas und Hinterhauptsbein in die 
Zerebrospinalflüssigkeit eine sehr schwache Dose eines Bleisalzss, etwa 
1—2 ccm einer 2°/o Lösung Ton Chlorblei, so wird diese Injektion zunächst 
scheinbar gut vertragen. 2 oder 3 Tage lang frißt und trinkt das Tier gut, 
hat keine Motilititätsstörungen. Ziemlich plötzlich aber wird es unruhig, wirft 
sich umher, hat anscheinend schreckhafte Sinnestäuschungen, dann fällt es 
hin, hat typische epileptiforme tonische und klonische Zuckungen, Kieferklemme 
und Speichelfluß. Der Tod tritt nach 24—48 Stunden im Koma ein. 

Auffällig ist das Symptom der Hydrophobie, das Camus in 2 Fallen 
beobachtet hat. Es genügte, einige Meter vom Hunde entfernt den Wasser« 
bahn zu Dffaen, um ihn sofort unruhig und ängstlich werden zu sehen. 

Aehnliche Symptome zeigten sich bei Injektion tob schwachen Blebalz- 
lösungen unter die Dura nach Trepanation und bei Injektion in die 
SeitenventrikeL 

Injiziert man dagegen dieselben oder stärkerejDosen von Chlorblei 
in die subkortikale weiße Substanz, so zeigt sich nichts dergleichen. Das 
Bleisalz erzeugt einen kleinen nekrotischen Hord, enzystiert sich und ver¬ 
breitet sich nicht; noch nach mehreren Wochen sind die Tiere völlig normal. 

Zum Nachweis des Bleis bei der Autopsie der eingangs erwähnten Tiere 
bringt man das Gehirn in eine sehr schwache Säurelösung (I Tropfen Salpeter¬ 
säure auf 250 ccm Wasser); fügt dann H* 8 hinzu. Die mit Blei imprägnierten 
Zonen der Medulla oblongata, der Plexus chorioidei, der Hirnhäute erscheinen 
sehr deutlich schwarz. Wahrscheinlich entsteht zwischen Nervengewebe und 
und Metall eine organo-metallische Verbindung; denn selbst in vitro verhindert 
der verlängerte Kontakt zwischen Bleisalz und Nervenprobe ein so deutliches 
Auftreten der Ht 8 reaktion, wie sie bei einer ex tempore an gestellten Kon troll¬ 
probe sich kundgibt. 

Gelingt es, an der Oberfläche des Zentralnervensystems Blei auf diese 
Welse noch nachzuweisen, so gelingt dies in don Zentren selbst nicht 

_ Dr. Mayer-Simmern. 


Darstellung der Thromboklnase, Ihre Anwendung als Haemostatieum. 
Von F. Batelli-Üenf. Comptes rendus de la soc. de biol.; LXVHI, 1910, Nr. 16. 

Seit langem weiß man, daß die Organextrakte in vitro die Eigenschaft 
haben, die Gerinnung des Blutes zu beschleunigen. Die Substanz, die den 
Geweben diese Eigenschaft verleiht, hat verschiedene Namen erhalten: 
Gewebsfibrinogen, Leukonuklein, Thrombokinase, Gewebskoagulln. 

Morawitz hatte nach gewiesen, daß die wässerigen Organextrakte 
schnell die Fähigkeit einbttßen, die Blutgerinnung zu beschleunigen, selbst 
wenn man sie vor Fäulnis schützt. Läßt man dagegen die Extrakte im 
Vakuum verdampfen, so erhält man ein Pulver, das eine Zeit lang seine Kraft 
bewahrt. Horneffer stellte 1908 ein Pulver dar, das an Thrombokinase 
sehr reich ist. Die Methode besteht wesentlich darin, die Thrombokinase 
durch Essigsäure zu fällen und den Niederschlag im Vakuum zu trocknen. 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


487 


Neutralisiert man den Niederschlag noch vor der Trocknung im Vakuum, so 
erhält man ein leicht bräunlich gefärbtes Pulver, das 4 bis 5 Monate wirksam 
bleibt, manchmal noch länger seine koagulierende Kraft behält. 

Die so dargestellte Thrombokinase wird mit dem Blute, dessen schnelle 
Gerinnung beabsichtigt ist, direkt als Pulver oder in Salzlösung in Berührung 
gebracht. Sie wirkt außerordentlich energisch, sowohl bei profusen Blutungen 
des Menschen, als der Versuchstiere. Blutungen aus den verschiedensten 
Organen werden nach einigen Sekunden gestillt durch Anwendung eines mit 
Thrombokinase bestäubten Tampons. Mit Erfolg wird das Pulver auch bei 
Blutungen aus der Nase und den Alveolen, selbst bei Haemophilen, angewandt. 

Die Thrombokinase ist vollständig unschädlich; sie ist ein „physio¬ 
logisches* Haemostaticum. _ Dr. Mayer -Simmern. 


B. Gerlohtllohe Psyohiatrle. 

Die diagnostischen Schwierigkeiten ln der Psychiatrie. Von 
Dr. A. Alzheimer-München. Zeitschrift für die gesamte Neurologie und 
Psychiatrie; I. Band, 1. Heft. 

Auf allen Gebieten der Geisteskrankheiten ist dringend eine Verfeinerung 
der ganzen Symptomatologie notwendig. Heute sind unsere Krankengeschichten 
nachträglich in manchen Punkten mär Zusammenstellungen von Urteilen als 
von Symptomen. Sie sind vielfach subjektive Leistungen, ein Spiegel der 
Auffassung des Untersuchenden und deshalb nicht selten die Ursache von 
Selbsttäuschungen und vermeintlichen Beweisen für das, was man von vorn¬ 
herein erwartete. Besonders sind es zwei Richtungen, in denen die Gefahr 
subjektiver Urteile nahe liegt: ln der Annahme eines intellektuellen Schwäche- 
zostandes dort, wo nur eine vorübergehende Beeinträchtigung der Leistungen 
durch Störungen des Bewußtseins, Hemmungen oder Negativismus vorliegt, 
und in der Annahme gemütlicher Stumpfheit dort, wo akute Symptome 
mancherlei Art den wirklichen Gemütszustand verdecken. Aber auch ein ein¬ 
gehenderes Studium der einzelnen Symptome ist noch unbedingt erforderlich, 
ein Studium der besonderen Störungen des Willens, der Unterschiede zwischen 
Hemmung und Sperrung, der katatonischen Bewegungen und der Besonder¬ 
heiten des sprachlichen Ausdruckes. Es fehlen endlich noch tiefergehende 
Forschungen über die verschiedenen Formen der Demenz und feinere Unter¬ 
suchungen, welche eine bessere Abgrenzung der Verblödungsprozesse gestatten 
würden. Dr. Többen-Münster. 


Eine Eiweissreaktion im Blute Geisteskranker. Von Dr. W. Geißler, 
Assistenzarzt der psychiatrischen Klinik der Kölner Akademie für praktische 
Medizin. Münchener med. Wochenschrift; 1910, Nr. 15. 

Verfasser verbreitet sich in längeren Vorbemerkungen über die Art 
und Weise seiner Untersuchungen, zu welchen er solche Patienten der drei 
Psychosenformen gewählt hatte, an deren Diagnose Hebephrenie, 
Katatonie, Dementia paranoides jeder Zweifel ausgeschlossen war. 

Als Schlußsätze seiner Untersuchungen der Beobachtungen teilt er 
folgende mit: 

1. Im Blutserum von Geisteskranken mit Hebephrenie nud Katatonie 
zirkulieren Stoffe, welche qich bei geistig Gesunden nicht finden. 

2. Diese Stoffe sind scheinbar eiweißartige Körper und dem Serum geiatig 
Gesunder artfremd. 

8. Die im Blute der Hebephrenen kreisenden Körper sind jenen im 
Blute bei Katatonie nur zum Teil artgleich. 

4. Die Stoffe lassen sich mittels Vorbehandlung mit der Präzipitin¬ 
reaktion nachweisen. 

5. Normale Sera, d. h. Sera von geistig Gesunden, sowie von körperlich 
Kruken und Geisteskranken anderer Psychosenkomplexe geben als Antigen 
angewendet diese Reaktion nicht. 

6. Die Serodiagnostik läßt, soweit man nach diesen Untersuchungen 
schließen darf, nur die beiden angeführten Psychosen Hebephrenie und 
Katatonie als zusammengehörig erscheinen. 

Da die Reaktion diagnostisch, vielleicht auch prognostisch sowie forensisch 
von Bedeutung zu sein äh eint, muß durch umfassende Untersuchungen und 



488 


Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


«war durch Vorbehandlung mit Seren von Geisteskranken der verschiedensten 
Formen, mit solchen von geistig Gesunden and körperlich Kranken dargetan 
werden, ob es Ausnahmen von den erhobenen Befanden gibt. 

_ Dr. Weibel-Kempten. 


Ergebnisse und neuere Untersuchungen über die Hemmnngsreaktlen 
Im Blote von Geisteskranken. Von Dr. Walter Geifiler in COln. Deutsche 
medizinische Wochenschrift; 1910, Nr. 7. 

G. gibt einen ausführlichen Ueberblick der bisherigen Arbeiten über die 
Mach-Holzmannsehe Reaktion, über die er selbst bereits früher Unter* 
Buchungen veröffentlicht hat (Münchener med. Wochenschrift; 1909, Nr. 6). 
Im Gegensatz zu den meisten Autoren kommt er auch auf Grund seiner fort¬ 
gesetzten Versuche zu dem Resultat, daß die Serum-Probe zwar keine 
spezifische ist, daß sie aber überwiegend positiv ausf&llt bei Psychosen, unter 
besonderer Beteiligung der Dementia praecox. In Geißlers Versuchsreihen 
reagierten 82°/« Dementia praecox-Kranker positiv. 

Dr. Liebetrau-Hagen L W. 


Die Zwisehenstufen-Theorle. Von Dr. M. Hirschfeld. Sexual¬ 
probleme ; 1910, Nr. 2. 

Wir verstehen unter sexuellen Zwischenstufen männlich geartete Frauen 
und weiblich geartete Männer in allen möglichen Abstufungen oder mit andern 
Worten: Männer mit weiblichen und Franen mit männlichen Einschlägen. Die 
Unterschiede der Geschlechter werden in vier deutlich voneinander abgrens- 
bare Gruppen geteilt; sie betreffen 1. die Geschlechtsorgane, 2. die sonstigen 
körperlichen Eigenschaften, 3. den Geschlechtstrieb, 4. die sonstigen seelischen 
Eigenschaften. 

In die erste Gruppe der Zwischenstufen gehören demnach solche, die 
auf dem Gebiet der Geschlechtsorgane liegen, die Zwitterbildungen im engeren 
Sinn, bezw. die sogenannten „Scheinzwitter“. Die zweite Rubrik der sexuellen 
Zwischenstufen bezieht sich auf körperliche Eigenschaften außerhalb der 
Geschlechtsorgane. Zu der dritten Abteilung, den hinsichtlich ihres Geschlechts¬ 
triebes abweichenden Personen, rechnen wir Männer, die Frauen gegenüber 
mehr zu einem sexuellen Verkehr nach Franenart, beispielsweise zur 
Supstumbierung neigen, die aggressive Weiber sowie masochistische Betätigungs- 
formen lieben. Diesen entsprechen unter den Frauen solche, die zur Instum- 
bierung neigen, sexuell Behr aggressiv sind, sowie solche, die sadistische 
Regungen zeigen. 

In Gruppe 4, unter welche wir die nicht unmittelbar mit dem Liebes¬ 
ieben zusammenhängenden seelischen Eigenschaften begreifen, sind den 
sexuellen Zwischenstufen beizuzählen Männer von femininer Geistes- und 
Sinnesart, wie sie sich in ihrer Lebensweise, ihrer Geschmacksrichtung, 
ihren Gesten und Manieren, ihrer Sensitivität, vielfach auch in ihren cchrift» 
Zügen wiederspiegelt, auch Männer, die sich mehr oder weniger wie Franen 
kleiden oder ganz als solche leben; anderseits Frauen von männlichem Cha¬ 
rakter, männlicher Denk- und Schreibweise, starker Zuneigung zu männlichen 
Passionen, männlicher Tracht, natürlich auch solche Frauen, die mehr oder 
minder ganz das Leben eines Mannes führen. 

Legen wir der Berechnung der Anzahl möglicher Kombinationen nur 
jede der 4 Hanptgrappen als ein Ganzes zugrunde, so ergeben sich allein 
daraus 81 Grandtypen der sexaellen Zwischenstufen. Häufig handelt es sich 
aber um Kombinationen verschiedener Typen. — Die sexuelle Eigenart ist als 
solche in körperlicher und geistiger Beziehung angeboren. 

Dr. W o 1 f • Witsenhausen. 


Mitteilung Iber einen Fall von Psychose nach Fleischvergiftung. 
Von Dr. Max Raether, Anstaltsarzt in Andernach. Deutsche medizinische 
Wochenschrift; 1910, Nr. 8. 

Ein 27jähriger imbeziller Ziegelarbeiter erkrankte nach Genuß angeblich 
verdorbenen Pferdefleisches mit heftigen Durchfällen und psychischen Erschei¬ 
nungen : (einige Tage deliranter Zustand, dann Stupor, Losung unter Somnolenz, 
völlige Amnesie), Lähmungen im Gebiet der Hiranerven (Strabismus, Ptosls, 



Kleinere Mitteilungen and Referate aas Zeitschriften. 


489 


Faeislisparese), Aufhebung sämtlicher Sehnenreflexe. Leider scheint die 
bakteriologische Untersuchung nicht genügend zur Deutung des Falles zu 
sein; es wird nur angegeben: am 12. Krankheitstage Vidalsche Reaktion 
gering positiv, am 17. im Stuhl keine Typhusbazillen. 

Dr. Liebetrau-Hagen i. W. 


Ueber Glykosurle der Alkoholdeliranten. Von Dr. Max Arendt. 
Heilanstalt Waldbaus bei Wannsee «Berlin. Monatsschrift für Psychiatrie; 
Baad 27, Heft 8. 

Die Ergebnisse der Untersuchungen Arendts sind kurz zusammen- 
gefaßt folgende: 

1. von 99 Deliranten zeigten 80, also 80*/o, spontane Glykosurie, 
während bei den 69 übrigen kein Zucker im Urin gefunden wurde. 

2. Bei 4 = 15,4 °/o von 26 Kranken mit Abortivdelirium war Zucker 
im Urin vorhanden, bei den anderen 22 nicht. 

8. Von den 69 frisch aufgenommenen, nicht deliranten Trinkern hatten 
21 = 30,4 °/o Zucker im Urin, die übrigen 48 nicht. 

Dr. T ö b b e'n • Münster. 


Ueber die Kriminalität der Juden. Von Dr. de Roos, Chef der 
gerichtlichen Statistik im Haag. Monatsschrift f. Krimiualpsychologie und 
Strafrechtsreform; 6. Jahrgang 1909, 4. und 5. Heft. 

Die Kriminalität der Juden unterscheidet sich fast überall von der der 
Christen. An der Hand elaer Statistik wird gezeigt, daß auch die Kriminalität 
der Juden in den Niederlanden Eigenheiten aofweist. An Delikten, die eine 
Entfaltung körperlicher Kraft voraussetzen (Widerstand gegen Beamte, 
KOrperverlttzuvg, Körperverletzung, Beschädigung fremder Sachen), beteiligen 
sie sich viel weniger als die Christen, dagegen viel häufiger als diese an 
Vergehen, die mit einem Vermögensvorteil verbunden sind (Unterschlagung, 
Betrag, Hehlerei). Die Jaden wenden also bei Begehung ihrer Delikte mehr 
psychische als körperliche Tätigkeit an. Auf sexuellem Gebiete machen sich 
die Juden weniger durch die schweren Sittlichkeitsdelikte (Notzucht, Unzucht 
mit Kindern) strafbar, als vielmehr durch mittelbare Förderung der Unsittlich¬ 
keit (Verbreitung unzüchtiger Schriften und Abbildungen) und unterscheidet 
sich hierdurch ganz wesentlich von den Christen. Aus Vergleichen mit der 
Kriminalität der Juden in anderen Ländern kommt Verfasser zu dem Schluß, 
daß trotz mancherlei Verschiedenheiten in der Begehungshäufigkeit mehrerer 
Delikte in Ländern, wo die Juden anter den verschiedensten Verhältnissen 
leben, ihre Straffälligkeit ähnliche Züge aufweist. Es wird dann 
die Frage aufgeworfen, ob die Kriminalität der Juden als Rassen¬ 
kriminalität oder als Produkt sozialer Verhältnisse aufzufassen ist und dahin 
beantwortet, daß sie im allgemeinen das Produkt ist des Zusammen¬ 
wirkens der natürlichen Veranlagung des jüdischen Volkes 
nnd ihrer sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse. 

Dr. Ger lach-Hildesheim. 


Ueber die Unterbringung geisteskranker Verbrecher. Von Dr. 
Stenge). Allgemeine Zeitschrift für Psychatrie; 26. Bändel. Heft. 

Bei den geisteskranken Strafgefangenen bandelt es sich in der Haupt¬ 
sache um folgende zwei Gruppen: 

1. Die Verblödungsprozesse: Sie kommen alle auf dem Umweg durch 
durch die Irrenabteilang und Irrenklinik in die allgemeinen Irrenanstalten 
und machen dort in der Verpflegung keine größeren Schwierigkeiten als. die 
gleiche Krankheitsform bei Nicht-Kriminellen. 

2. Die degenerierten Psychosen: Der größere Teil von ihnen kommt in 
der Irrenabteilung zur Heilung und wird entweder in den geordneten Straf¬ 
vollzug zurückversetzt oder bei abgelaufener Strafzeit in die Freiheit entlassen; 
der kleinere Teil, mit schwerer Degeneration oder beim Bestehenbleiben 
psychoser Züge, wird mit Strafende in die Irrenklinik versetzt, die eine noch¬ 
malige Aussiebung vornimmt, sodaß nur verhältnismäßig wenige zar definitiven 
Verwahrung den allgemeinen Irrenanstalten zugeführt werden. Unter diesen 



490 


Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


sind die gefährlichsten Kranken; sie müssen auch in der Irrenanstalt gnt 
verwahrt werden. 

Es folgt noch eine Bemerkung über die psychisch Minderwertigen, deren 
Zahl unter den Gewohnheitsverbrechern besonders groß ist. Verfasser hat mit 
dem Strafvollzug der Minderwertigen gute Erfahrungen gemacht, da er ihre 
psychische Eigenart berücksichtigte. Dr. Gerl ach-Hildesheim. 


Die Famllienpflege in der Stadt Leipzig. VonDr. Helmut Mülle r- 
Dösen, Aufsichtsarzt der Familienpflege zu Leipzig. Mit 1 Kurve. 

Schon seit dem Jahre 1909 werden von der Anstalt Dösen Kranke in 
Familienpflege gegeben. Man versuchte es zunächst in den Dörfern 
Liebertwolkwitz und Dösen, stieß hier aber bei großen Teilen der Bevölkerung 
auf einen derartigen Widerstand, daß es ratsam erschien, von der Fortsetzung 
des Unternehmens abzusehen. 8o wurde dann im Herbst 1907 die Einführung 
der städtischen Familienpflege beschlossen, vor allem auch im Hinblick auf 
die günstigen Erfahrungen der Stadt Berlin, wo doch in gewisser Beziehung 
die Verhältnisse ähnlich zu liegen schienen wie in Leipzig. 

Zur Aufsicht über die Familienpflege ist ein besonderer Arzt angestellt, 
welcher der Anstaltsdirektion untersteht und in der Stadt Leipzig selbst, 
möglichst nahe dem Zentrum, wohnen soll. Das Prozentverhältnis der Familien- 
Pfleglinge zu dem gesamten Anstaltsbestande ist 73:1139 = 6,4 °/o. Durch 
die bisherigen Erfolge der Dösener Anstalt scheint erwiesen zu sein, daß trotz 
mancher Nachteile und Schwierigkeiten sich auch in der Großstadt mit Vorteil 
eine Familienpflege organisieren läßt. Dr. T ö b b e n - Münster. 


O. flaohverstAndigent&tigkeit ln Unfall- and Inwalldit&tssuohen. 

Beitrag zur Kenntnis des Terhebungsbruches am 5. Lendenwirbel. 
Von Dr. Delor me, Assistenzarzt der Privatklinik für orthopädische Chirurgie 
in Halle a. d. S. (Dr. Gocht und Ehebold). Münchener med. Wochen¬ 
schrift; 1910, Nr. 10. 

Ein 81 jähriger Mann verspürte beim Anheben des Kastens „Knacken* 
im Rücken mit heftigen Schmerzen und Unfähigkeit, sich gerade zu richten. 
Er abeitete zeitweise, mußte aber die Arbeit immer wieder zeitweise auf¬ 
geben. 

Trotz 18 maliger Untersuchung resp. gutachtlicher Aeußerung stand 
der Verletzte stets unter dem Verdachte der Simulation und galt als trau- 
matischor Neurotiker und neurasthenischer Hypochonder. Bei Aufnahme in 
die Klinik klagte er hauptsächlich über häufigen Schwindel und Kopfschmerz, 
zeitweises Angstgefühl, Schwäche und Schmerzgefühl im Kreuz, ins linke 
Bein ausBtrahlend, das auch leicht ermüde als das rechte. Längeres Gehen 
unmöglich; im Bett beschwerdefrei. 

Objektiv fand man: Keine Lordose der Lendenwirbelsäule. Beim Vor¬ 
wärtsbeugen die sonst gut bewegliche Wirbelsäule vom 8. Lendenwirbel 
abwärts unbeweglich steif, desgleichen beim Rechts-, Linksdrehen und Neigen 
(besonders nach links) und Umdrehen aus Rücken- und Bauchlage. Oberkörper 
über dem Becken leicht nach links verschoben, Wirbelsäule leicht links konvex, 
linkes Taillendreieck fast vollständig verschwunden und verstrichen, rechtes 
etwas vertieft. Linksseitige Glutäalmuskulatur deutlich atrophisch und schlaff, 
ebenso die Muskulatur der Lendengegend und des Oberschenkels links, 
(Differenz 2—3 cm gegen rechts). Druckschmerz am 5. Lendenwirbel¬ 
dornfortsatz und links neben demselben. Patellarrcflexe beiderseits lebhaft. 
Wärmeempfindung an der Hinterfläche des linken Oberschenkels deutlich 
herabgesetzt. 

Röntgenbild: Vom 5. Lendenwirbel ist nur der Bogen und ein 
schmaler Streifen des Körpers zu sehen. Der Dornfortsatz des 6. Lendenwirbels 
ist dem des ersten Kreuzbeinringes fast zur Berührung genähert. Zwischenraum 
zwischen 4. und 5. Lendenwirbeldorn bedeutend größer als zwischen 4. und 8. 
Dornfortsatzlinie, der Lendenwirbel weicht von der des Kreuzbeins ein wenig nach 
links ab. Rechte Hälfte des 6. Lendenwiibelbogens hat normal ansteigenden 
Verlauf, von ihrem obern Rand dicht neben den Dornfortsatz ragt ein kleiner 



Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


491 


zapfenförmiger Vorsprung nach oben mit seiner Spitze in den Schatten des 
4. Wirbels hinein. Dagegen ist die linke Bogenhälfte mit dem Dornfortsatz 
herabgedrückt, so daß der Zwischenraum zwischen ihrem unteren und oberen 
Bande der Kreuzbeinwand nicht rund wie rechts, sondern als schmaler Spalt 
erscheint. Nach unten geht der schmale Körperschatten ohne erkennbare 
Grenze in den des Kreuzbeins über; obere Grenzlinie deutlich sichtbar, aber 
unscharf, Querfortsätze des 5. Lendenwirbels unsichtbar hinter den Kreuz* 
beinflügeln verschwunden. Obere Gelenklortsätze scheinen intakt, an Stelle 
der Wirbelkreuzbeingelenke dagegen unregelmäßige Schatten. 

Die Deutung des Befundes ergibt eine Kompressionsfraktur des 5. Lenden* 
wirbelkörpers, der zugleich infolge Abbruchs der unteren Gelenkfoitsätze Uber 
dem Promontorium nach vorn verschoben ist, sowie Fraktur des Bogens mit 
Hochstand der rechten, Tiefstand der linken Hälfte, die mit dem Dornfortsatze 
zusammengebrochen und distal verschoben ist. 

Typisch Bind nach Verf. in diagnostischer Beziehung durch den Bruch, 
insbesondere für den Verhebungsbruch des 5. Lendenwirbels: 

1. ätiologisch das „Verheben“ mit relativ geringfügiger Gewaltein¬ 
wirkung, 

2. klinisch die anfänglich} oft recht geringfügigen Symptome, die 
zunächst gar nicht auf eine so schwere Verletzung hindeuten und aus denen 
sich erst allmählich die oben geschilderten dauernden, zum Teil die Arbeits* 
fähigkeit schwer beeinträchtigenden Schädigungen entwickeln, 

3. röntgenologisch das Verschwinden des 5. Lendenwirbels aus dem 

Röntgenbild. Verf. erinnert sich an 2 derartige Fälle, welche höchst 
wahrscheinlich iu diese Verletzungskategorie gehörten, ohne daß sie richtig 
erkannt und gewürdigt wurden, weshalb die ziemlich ausführliche Mitteilung 
obigen interesscnten Falles erfolgt. Dr. Waibei-Kempten. 


Plötzlicher Tod durch Lungenentzündung auf der Betrlebsstätte. 
Annahme eines Betriebsunfalles als mitwirkende Vrsaebe für die wesent¬ 
liche Beschleunigung des Todes durch die Arbeit. Rekurs-Entschei¬ 
dung des Reichs-Versicherungsamts vom 11. März 1910. Kom¬ 
paß; 1910, Nr. 12. 

Der 34 Jahre alte Schlackenformer Karl R. in Eisleben wurde in der 
Nacht vom 12. zum 13. August 1908, früh gegen 3 Uhr, beim Formen von 
Schlackensteinen im Betriebe der Mansfeldschen Krughütte plötzlich vom Tode 
ereilt. Kurz vorher hatte er ein Formblech mit einer Zange herausgezogen, 
die er auch beim Tode noch in der Hand hielt. Seine Mitarbeiter fanden ihn 
in gebückter Stellung, mit dem Gesichte auf der etwa 10 cm hohen Sand¬ 
umgebungsschicht liegend, leblos auf. Als sie ihn hochhoben, floß etwas Blut 
aus seinem Munde, Zeichen irgendeiner äußeren Verletzung waren aber nicht 
bemerkbar. Die Leichenöffnung ergab einen normalen Befund bis auf eine 
Veränderung des Gewebes der Lunge (Lungenödem) und eine frische Ent¬ 
zündung des linken Oberlappens. Von der Knappschaftsberufsgenossenschaft 
sowohl, als vom Schiedsgericht war der Antrag der Witwe als unbegründet 
abgewiesen, da der Tod nicht auf einen Betriebsunfall zurückzoführen sei. 
Das Reichs-Versicherungsamt erkannte dagegen eine Entschädigungspflicht 
der Berufsgenossenschaft aus folgenden Gründen an: 

Der erkennende Senat hat nach eingehender Prüfung des Akteninhalts 
zwar nicht angenommen, daß der in der Nacht zum 13. August 1908 während 
der Betriebsarbeit eingetretene Tod des Hüftenarbeiters Karl R. durch einen 
Betriebsunfall verursacht worden sei, jedoch hat er die Ueberzeugung ge¬ 
wonnen, daß dor Eintritt des Todes in der kritischen Nacht darch die Betriebs¬ 
arbeit wesentlich beschleunigt worden ist. Nach den Auskünften der Betriebs¬ 
leitung der Kraghütte bei Eislebea gehörte die Arbeit, die R. in der Nacht 
vor seinem Tode verrichtet hat, nicht zu den leichten und verlangte von ihm 
eine besonders große Kraftanwendung, sobald sich das aus dem Ofen zu ziehende 
Formblech mit der Schlacke verbunden batte. Eine solche Arbeit hat aber 
Prof. Dr. F. in Berlin in seinem Gutachten für geeignet erklärt, den plötzlichen 
Tod des an Lungenentzündung erkrankten R. hervorzurufen. Dazu kommt, 
daß eine kruppöse Lungenentzündung im ersten Stadium, wie sie don R. be¬ 
fallen hatte, nach der Erfahrung der äiztlichen Wissenschaft nicht häufig zum 



492 


Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


Tode führt. Dieser außergewöhnliche Verlauf der Lungenentzündung des B., 
sowie die von ihm in der letzten Nacht verrichtete, wahrscheinlich mit er¬ 
höhter Muskelanspannung verbundene Arbeit verstärken nun nach der Auf¬ 
fassung des erkennenden Senats so sehr die beim Auffinden der Leiche auf 
der Betriebsstätte ohnehin vorhandene Vermutung der Mitwirkung des Betriebs 
zum Eintritte des Todes, daß das Vorhandensein eines zum Eintritt des Todes 
wesentlich mitwirkenden Betriebsunfalls anzunehmen war. Bei dieser Sachlage 
war dem Gutachten des Geheimen Medizinalrats Prof. Dr. E. in Halle a. S. vom 
2. März 1910 keine Bedeutung beimessen, vielmehr waren die Ansprüche der 
Hinterbliebenen als begründet anzusehen. 


D. Bakteriologin, Infektionskrankheiten und öffentllohes 

Sanlt&tswesen. 

1. Bekämpfung der Infektionskrankheiten, 
a. Bakteriologie der Infektionskrankheiten im 
allgemeinen. 

Untersuchungen über Kefmgehnlt normaler Organe. Ans dem 
hygien. Institut der Universität zu Halle a. S. Von Oberarzt Dr. E. Bierotte 
und Dr. S. Machida. Münchener med. Wochenschrift; 1910, Nr. 12. 

Die Verfasser prüften die Ergebnisse Conradis über den Keimgehalt 
normaler Organe nach und fanden im großen ganzen Uebereinstimmung 
mit den von Conradi gefundenen Zahlen und Arten der Keime. Unter 64 
steril entnommenen Proben normaler Organ fanden sich 32 = 59,25 Proz. 
als keimhaltig, und zwar handelte es sich 26mal um aerobe, 6mal um anterobe 
Keime. Nach der Hänfigkeit geordnet fanden sich Bact. coli 12 mal, Streptoc. 
add. lact. 5 mal, Bact. pnnct. und Bact. mesent. vulg. je 4 mal, Bact. mycoides 
8mal, Diploc. pneum. Fraenkel und Micrococ. acid. lact., Bact. subt. und 
Proteus valg. je 2mal und Staph. pyogen, albus lmal. Was den Wert dieser 
Untersuchungen für die Praxis anlangt, so halten die Verfasser die Methode für 
recht brauchbar, aber noch etwas zu kompliziert für die Einführung im allge¬ 
meinen Schlachthausbetriebe. _ Dr. Wal bei-Kempten. 


Ist der Bacillus faecalis alcaltgenes für den Menschen pathogen 1 
Von Dr. med. A. Hamm, Assistent der Universitäts-Frauenklinik zu Stra߬ 
burg. Münchener med. Wochenschrift; 1910, Nr. 5. 

Verfasser teilt eine Beobachtung mit, welche zur Entscheidung der 
bisher noch umstrittenen Frage, ob dem Bacillus faecalis alcaligenes eine 
Bedeutung als Krankheitserreger in der menschlichen Pathogenität znkomme, 
von ansschlaggebender Bedeutung sein dürfte. 

Es handelt sich um eine 29jährige Erstgebärende, welche zuerst an 
heftigem Durchfall und dann an puerperaler Pyelonephritis und Peritonitis 
erkrankt war und bei welcher im Urin nnd im Bauchfellexsudat resp. Punktions- 
flüssigkeit durch die im Original näher beschriebene mikroskopische und 
kulturelle Untersuchung eine Reinkultur von Bac. faec. alcalig. gefunden 
wurde. Die „Alkaligenesgrnppe* ist demgemäß entgegen den Anschauungen 
der letzten Jahre zu den pathogenen Mikroorganismen zu rechnen. 

Den Infektionsprozeß stellt sich Verfasser im vorliegenden Falle so vor, 
daß im Anschlüsse an die zuerst aufgetretene und ätiologisch nicht aufgeklärt, 
Enteritis auf hämatogenem Wege eine Schwangerschafts-Pyelonepbritis ein¬ 
steilte. Diese hatte den vorzeitigen Eintritt der Geburt nnd wie ans der 
Beschaffenheit des Fruchtwassers zu schließen, die Infektion der UternshOhle 
zur Folge. Auf Grund dieser Infektion des Genitalschlauches entstand die 
puerperale Peritonitis. _ Dr. Waibei-Kempten. 


b. Sanitätspolizeiliche Maßnahmen im allgemeinen, 

Die Verhütung der Verbreitung ansteckender Krankheiten dareh 
Kleinkinderschulen. Von Kreisarzt Dr. Berger in Crefeld. — Zeitschrift 
für Schnlgesnndheitspflege; 1910, Nr. 2. 

Um die Uebertragung sezernierender Ausschläge in Kleinkinderschulea 
zu verhüten, verlangt Verfasser das Verbot von Benützung gemeinsamer 



Kleinere Mitteilangen and Referate ans Zeitschriften. 


493 


Schwimme. Jedes Kind habe seinen besonderen Waschlappen und bringe sein 
eigenes Handtuch mit; beides hinge an dem Ihr die Garderobe des Kindes 
bestimmten Haken. _ Dr. Solbrig-Allenstein. 


Kritische Betrachtungen sa dem neuen Ssterreiehlsehen Epidemie* 
gesetsentwarf. Von JDr. Paul Ko mp er t, Wien. Zeitschrift ihr gerichtliche 
Medisin und Öffentliches Ssnitätswesen. 8 F.; 89 Band, 1910, Heft 1. 

Die Fülle der sur Zeit in Oesterreich geltenden Vorschriften zur Be* 
kimpfung ansteckender Krankheiten datiert bis zum Ende des 16. Jahrhunderts, 
ja noch weiter zurück!! Daß da endlich an eine Neuregelung der Seuchen* 
gesetzgebung herangegangen werden mußte, erscheint einigermaßen Ter* 
stindlich. Leider erfüllt der dem Parlament vorgelegte Entwurf durchaus 
nicht alle berechtigte Forderungen; er gibt vielmehr zu mancherlei ernsten 
Bedenken und Abänderungswünschen Anlaß. 

Unter der Zahl der anzeigepflichtigen Krankheiten fehlen z. B. Kind* 
bettfieber, Trachom, Trichinose u: a. Die Anzeige, zu der die gleichen 
Personen, wie bei uns verpflichtet sind, ist an den Gemeindevorsteher zu 
richten, von dem sie an die politische Bezirksbehörde weitergegeben wird. 
Darauf sind zwar Örtliche Ermittlungen zu erheben, jedoch ist nicht gesagt, 
wer diese vornehmen soll. Ein Kommissionsantrag will die den Behörden 
zur Verfügung stehenden ärztlichen Fachorgane hiermit betrauen; ob hierunter 
beamtete Aerzte zu verstehen sind, ist nicht gesagt; an einer anderen Stelle 
des Berichts heißt es nur, es sei die Bestellung von besonderen Epidemie* 
traten vorgesehen. 

Sehr bedauerlich ist, daß die zwecks Bekämpfung der Blattern in 
dem Entwurf vorgesehenen Maßnahmen selbst hinter denen zurückstehen, 
die in einem Dekret vom 9. Jali 1836 angeordnet sind! Aus Bück* 
sicht auf die herrschende politische Partei hat man sich nämlich nicht 
entschließen können, die Schutzimpfung allgemein oder wenigstens in 
besonderen Fällen einzuführen, will vielmehr erst noch weitere statistische 
Erfahrungen über ihren Wert sammeln! (Difficile est, satiram non scribere. 
D. Bef.). In dem genannten, z. Z. geltenden Edikt war doch wenigstens 
angeordnet, daß 2 mal im Jahre von der Kanzel herab dem Volk 
die Schutzimpfang ans Hera gelegt werden solL 

Hinsichtlich der Desinfektion ist zwar ein Zwang zu solcher vor* 
gesehen, jedoch wird demselben gar keine Bedeutung beigemessen, da die ge* 
samten amtlichen Desinfektionsmaßnahmen alles zu wünschen übrig lassen. Ent¬ 
schädigung für Gegenstände, die bei der Desinfektion beschädigt sind, wird übri- 

S ens wie bei uns gewährt. Bezüglich Tragung der Kosten sollen diese vom 
taat, Land (d. h. Kreis) und Gemeinde gemeinsam getragen werden. Allein es 
ist gar keine genaue Abgrenzung vorgesehen, wie weit die finanziellen Verpflich¬ 
tungen der einzelnen Verbände zu gehen haben. Als Grundsatz gilt, daß dieKosten 
der Tilgang der Infektionskrankheiten im allgemeinen vom Staat getragen 
werden müssen, jedoch mit der Einschränkung, daß der Staatsschatz nur in¬ 
soweit belastet werden darf, als die Unterdrückung einer Epidemie durch 
Gemeindeärzte und örtliche Vorkehrungen der Gemeinde nicht möglich ist. 
Kompetenzstreitigkeiten sind durch eine solche Bestimmung nicht zu ver¬ 
meiden; es erscheint daher dringend nötig, auch in dieser Frage absolute Klar¬ 
heit zu schaffen. 

Die baldigste Ausarbeitung eines ganz neuen Entwurfs ist nach allem 
ein dringendes Bedürfnis; wir können nur wünschen, daß unser politischer 
Bundesgenosse auch auf sanitärem Gebiete den Anschluß an seinen hygienisch 
fortgeschritteneren Freund in Bälde erreicht. Dr. Hillenberg*Zeltz. 


c. Cholera und PeBt. 

Ueber die Anwendung des Peptons sur Anreicherung der Cholera- 
vlbrlonen. Von Dr. F. Joshinaga. Archiv für Hygiene; 1910, Bd.72, S. 175. 

Verfasser hat sich zu einer erneuten Bearbeitung der Frage, welches 
Pepton für die Anreicherung der Choleravibrionen am zweckmäßigsten ist, 
veranlaßt gesehen. Verfasser untersuchte die Brauchbarkeit von Pepton Witte, 
Pepton Gehe, Pepton Bender und Pepton Switzerland. 



494 Kleinere Mitteilungen nnd Referate ans Zeitschriften. 

Er fand, daß sieh die Vibrionen in 8 witzer landpeptonwasser früh- 
zeitig entwickeln and schon nach 7 Standen ein dünnes H&atchen bilden. 

Weiter befaßte sich J. mit der Frage, ob im Peptonwasser die Cholera* 
▼ibrionen von Bact. coli commane and solchen Wasserbakterien, die onter 
Umständen noch eine Bahmhaat bilden können, überwuchert werden. Die 
Besaitete sind folgende: 

1. Das mit dem Choleravibrio and Bact coli com. geimpfte Switzerland* 
peptonwasser bildet allein schon nach 12 Standen dicke Häutchen. 

2. Aaf S w i t z e r 1 a n d peptonwasser bilden andere Bakterien nach 
12 Standen noch keine Häatchen. 

3. Der Choleravibrio lebt mit anderen häutchenbildenden Bakterien im 
Peptonwasser zusammen. 

Zorn Schloß hat Verfasser noch Untersuchungen darüber an gestellt, 
waram sich die Choleravibrionen gerade so schnell im 8witzerlandpepton 
Häatchen bilden and hat deshalb alle Tier Arten Pepton analysiert Hierbei 
ergaben sich jedoch kebe die Häatchenbildang erklärenden spezifischen 
Bestandteile. 

Verfasser sieht sich berechtigt, den Schloß aas diesen Untersuchungen 
za ziehen, daß sich Bakterien nicht gat mit ebem Nährstoff ernähren lassen, 
vielmehr für gute Ernährung viele Nährstoffe notwendig sbd, and daß bei 
S witzer land-Pepton die Beschaffenheit der ebzeben Bestandteile die 
Ursache für die häatchenbildende Eigenschaft ist nnd es viel geeigneter ab 
andere Peptonarten macht Dr. Zimmermann-Bromberg. 


Ueber elektive Choleranährböden, Insbesondere den Dlendenndsehen 
Agar. Von Dr. Nenfeld und Dr. Woithe. Arbeiten aas dem KaberL 
Gesundheitsamt; Band 83, Heft 8, S. 605. 

Dan von Dieudonnö angegebenen neuen elektiven Choleranährboden 
haben Verfasser za zahlreichen Nachprüfungen benutzt and konnten ebenso 
wie schon Hantemüller äußerst günstige Ergebnisse mit ihm erzielen. 

Verfasser geben eine ausführliche Anweisung zur Herstellung dieses 
Nährbodens and beachtenswerte Wbke, am Mißerfolge mit ihm za vermeiden. 

Nach ihren Untersuchungen schobt die Natronlauge b ihrer Wirkung 
der von Dieudonnö benutzten Kalilauge noch überlegen za seb. 

Die Ueberlegenheit dieses Dieudonnöschen Nährbodens ^infolge seb es 
hohen Gehalts an Alkali veranlaßte die Verfasser, nun darüber Versuche 
anzustellen, ob die gewöhnlichen Nährböden durch einfachen Alkalisasats auch 
das Cholerawachstum so günstig zu beeinflussen b der Lage wären. 

Das Resultat ihrer Untersuchungen bt folgendes: 

Durch stärkere Alkalbierung des gebräuchlichen Peptonwassers mit 
Kalilauge bt infolge Zorückdrängens der Kolibazillen das Anreichern von 
Choleravibrionen leichter. Es findet;bdessen ebe Abstumpfung der Alkaleszens 
statt, die durch Kochen beschleunigt wird. Es darf daher, wenn das Böhrchen 
sofort benutzt werden soll, nur etwa 0,7—0,8 N. Kalilauge auf 100 Pepton¬ 
wasser zugesetzt werden, während bei einer Benutzung nach etwa 24 Stunden 
1,0—1,5 N. Kalilauge erforderlich bt. 

Natronbuge bt ebenso brauchbar wie Kalibuge. Peptonwasser mit 
Zusatz von etwas Dieudonnöschen Blutalkaligembch hat keinen besonderen 
Vorteil. 

Verfasser empfehlen das stark alkalbierte Peptonwasser zum Gebrauch 
für die Praxis* wenn Dleudonnö-Agar nicht zur Hand ist. 

Dr. Zimmermann-Bromberg. 


Vergleichende Untersuchungen frisch isolierter Cholerastimme mit 
älteren Cholera- und El Tor-Kulturen* Von Dr. Haendel und Dr. Woithe. 
Arbeiten aus dem Kaberl. Gesundheitsamt; Bd. 34, H. 1, S. 17. 

Da das Kaberl. Gesundheitsamt während der im letzten Jahre b Ru߬ 
land aufgetretenen Choleraepidemie eine Reihe frisch isolierter Cholerakulturea 
erhalten hatte, bot sich Gelegenheit, diese frbchen Stämme mit älteren 
Laboratoriumskulturen von Cholera- und El Tor-Stämmen zu vergleichen. 
Insgesamt wurden 29 frbche Kulturen untersucht, von denen 16 aus 



Kleinere Mitteilungen and Referate »ne Zeitschriften. 


496 


einem Moskauer Laboratorium stammten, während 18 Stämme Tom Geh. 
Ob.-Med.-Rat Prof. Dr. Kirchner ans Petersbarg gelegentlich der dortigen 
Epidemie mitgebracht waren. Einer dieser Stimme war ans der Newa 
gezttchtet. 

Diese Stämme wurden eingehend studiert hinsichtlich ihres morpholo¬ 
gischen Verhaltens, ihreB knlturellen Verhaltens auf den verschiedensten 
Nährboden, ihrer Agglutinierbarkeit und hinsichtlich ihrer Virulenz. Das 
Ergebnis dieser Untersuchungen war folgendes: 

Frisch isolierte Cholerastämme zeigen in ihrem morphologischen Ver¬ 
halten und bezüglich des Wachstums speziell auf der Gelatine beträchtliche 
Abweichungen. 

Hinsichtlich der Agglutination hat sich gezeigt, daß doch auch gelegent¬ 
lich recht schlecht agglutinable Cholerakulturen Vorkommen. Derartige 
Kulturen wurden jedoch nur unter den älteren Stämmen gefunden. Alle frisch 
isolierten Kulturen agglutinierten .bei den ersten Untersuchungen bis zur 
Titergrenze. 

Unter den von den Autoren angewandten Versuchsbedingungen erwiesen 
sich Choleravibrionen im Wasser bei 17 0 C. länger lebensfähig als bei einer 
niederen Temperatur von 8*. 

Hinsichtlich der Frage, ob]|die El Tor-Stämme in bezug auf ihr Ver¬ 
halten den Immunitätsreaktionen gegenüber als echte Choleravibrionen anzu- 
sehen sind, ergab sich folgendes: 

Es ist insofern eine gewisse Sonderstellung der El Tor-Stämme anzu¬ 
erkennen, als sie sich z. B. durch das Hämolysierungsvermögen und vielleicht 
auch durch eine etwas höhere Virulenz auszeichnen. Diese Eigenschaften sind 
aber nicht bei alten El Tor-Stämmen gleichmäßig; umgekehrt besitzen auch 
echte Cholerastämme diese Eigenschaften zuweilen in noch stärkerem Maße. 

Man kann daher weder mit Sicherheit auf eine Identität der beiden 
Vibrionen schließen, noch sie strikte trennen. Vorläufig erscheint das Fest¬ 
halten an der Choleranatur der El Tor-Vibrionen als die weitaus wahrschein¬ 
lichste und auch berechtigste Annahme. Dr. Zimmermann -Bromberg. 


Ueber die Bedeutung der Nitrite bei der Cholera Indien. Von 
Dr. Stühlern-St Petersburg. Medizinische Klinik; 1909, Nr. 60. 

Verfasser geht in vorliegender Abhandlung auf die von Prof. Emmerich 
aufgestellte Hypothese der Nitritvergiftung bei der Cholera indica ein. Die 
Beobachtung, daß bei der Mehrzahl der Cholerafälle im Erbrochenen Nitrite 
resp. salpetrige Säure nachgewiesen werden kOnne, sei zweifellos richtig. 
Aber das sei nicht für Cholera spezifisch, sondern er habe auch bei einer 
ganzen Reihe anderer Erkrankungen, z. B. Appendicitis, Peritonitis, Gastro¬ 
enteritis acuta u. a. Nitrite im Erbrochenen leicht nachweisen können. Auch 
Prof. Emmerich gebe zu, daß noch andere Mikroben außer dem Cholera¬ 
vibrio Nitritbilder seien, daher auch choleraähnliche Erscheinungen hervor- 
rufen könnten; dadurch glaube er seine Hypothese noch mehr bekräftigen 
zu können. Dies sei aber nicht richtig; denn u. a. habe auch der Typhusbacillus 
nitritbildende Eigenschaften, während die Symptome des Typhus nicht im 
entferntesten an das Kraukheitsbild der Cholera indica'erinnerten. Nach allem 
sei daher nicht in den Nitriten der Schwerpunkt der Vergiftungserscheinungen 
bei den verschiedenen Infektionskrankheiten des Darmes zu suchen, sondern in 
den toxischen Eigenschaften der Bakterienzellen selbst oder ihrer Toxien. 

_ Rpd. jun. 


Rattenflöhe aus Deutsch• Ostafrika. Von Dr. Schuberg und 
Dr. ManteufeL Arbeiten aus dem Kaiserl. Gesundheitsamt; 88. Bd., 
8. H., 8. 669. 

Durch die Untersuchungen der englischen Pest-Kommission ist fest¬ 
gestellt, daß die Pest von Ratte zu Ratte durch die Flöhe übertragen wird, 
und zwar sind es folgende Arten: 

1. Loemopsylla cheopis, 2. Pulex irritans, 8. Ceratopbyllus fasciatus 
und 4. Citenopsylla masculi. Ferner wurde festgestellt, daß die häufigste Art: 
Loemopsylla cheopis auch am Menschen saugt, und daher auch auf diesem 
Wege eine Infektion leicht möglich wäre. 



496 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 


Es war deshalb Ton Interesse eine Sendung voa Ratteaflöhen, die dem 
Kaiserlichen Gesundheitsamt aus Dareasalem durch das Beichskolenialamt 
angegangen waren, näher zu bestimmen. 

Was die Pestgeiahr für Deutsch- Ostafrika anbelangt, so beruht sie, 
abgesehen ton einigen ständigen Pestherden im Inneren, hauptsächlich auf 
dem Schiffsverkehr mit Indiea. Es ist daher von allergrößtem Interesse, fest* 
zustellen, ob und in welcher Zahl ror allem Loemopsylla cheopis auf den in 
der Kolonie vorkommendea Batten: Mus rattus, decumanus und alexandrinus, 

f efunden wird, da diese Flohart nach dea Untersuchungen in Indien für die 
estübertragung hauptsächlich in Frage kommt. 

Die Sendung bestand aus 258 Flohen und zwar 

Loemopsylla cheopis 172 = 66,6 °/o 
Loemopsylla scopulifer 28 = 10,9 °/o 
Sarcopsylla gallinacea 58 = 22,6 •/•- 
Es zeigt das häufige Vorkommen Ton Loemopsylla cheopis auf den 
Ratten in Daressalem, daß damit eine der günstigstes Vorbedingungen fftr 
die Ausbreitung der Pest, ror allem Ton Batte zu Batte, gegeben ist. 

Ob Loemopsylla scopulifer hierfür in Betracht kommt, ist unbekannt, 
da diese Art nur in Afrika gefunden wird und daher in den Berichten der 
indischen Pestkommission fehlt. 

Eine Ausbreitung der Pest Ton Batten auf Hühner, Enten und dergL 
durch den dem Sandfloh nahestehenden Geflttgelfloh (Sarcopsylla gallinacea) 
ist nicht zu befürchten, da eine Pestimpfung Ton Hühner, Tauben und Gänsen 
Ton diesen Tieren ohne weiteres Überstunden wird. 

Es ist unbekannt, ob Loemopsylla scopulifer den Menschen befällt. 
Nach Tereinzelten Beobachtungen soll Sarcopsylla gallinacea auch bei Kindern 
gefunden sein. 

Zum Schluß betonen die Verfasser die Wichtigkeit der Feststellung, ob 
die Pest von Batte zu Batte durch Sarcopsylla gallinacea übertragen werden 
kann, und welche Flühe in den pestgefährdeten Gegenden am Menschen 
betroffen werden. Dr. Zimmer mann-Bromberg. 


k SIugliagsftLxsorge. 

Sollen tuherkulSse Mütter stillen! Voa Krelsassistensarst Dr. Ahra¬ 
in owski-Gilgenburg. Fortschritte der Medizin; 1910, N. 10. 

In dem Blute einer Mutter, die an einer Infektionskrankheit gelitten 
hat oder noch leidet, kreisen Antitoxine, die nachgewiesenermaßen durch die 
Milch auf das Kind übertragen werden, während die Krankheitskeime diesen 
Weg nicht gehen. Sehr wahrscheinlich üben diese in der Milch einer tuber¬ 
kulösen Mutter zirkulierenden spezifischen Antitoxine nicht nur für die Zeit 
des Stillens, sondern über diese hinaus, ja vielleicht für das ganze Leben ihre 
spezifische Schutzwirkung aus. Da nun sicher ein Ton tuberkulösen Eltern 
stammendes Kind der Infektion Ton Tuberkelbasillea leichter unterliegt als 
ein von gesunden Eltern stammendes, so soll man nach Ansicht des Ver¬ 
fasser s einer tuberkulösen Mutter, wenn es ihr Kräftezustand erlaubt, das 
Stillen ihres Kindes nicht nur nicht untersagen, sondern ihr die Ausübung 
dieses Geschäftes im Gegenteil dringend ans Herz legen. Ausgenommen sind 
Torgeschrittene Fälle von offener Tuberkulose oder solche, bei denen sich 
tuberkulöse Drüsen an oder in der Nähe des Brustkörpers finden. 

_ Bpd. jun. 


Ueber schlecht gedeihende Brustkinder. Von Prof. Dr. Thlmiech- 
Magdeburg. Fortschritte der Medizin; 1909, Nr. 81 u. 82. 

Für das schlechte Gedeihen der Brustkinder kommen Terschiedene Ur> 
Sachen in Betracht: 1. Der Hunger bezw. die Unterernährung an der Brust, 
2. die Nachwirkung einer in den ersten Lebenstagen durchgemachten schweren 
Ernährungsstörung, 3. die exsudative Diathese. Das Nichtgedeihen liegt also 
weniger an der Frauenmilch, als fast ausschließlich am Kinde. Entwöhnen 
Tor der Zeit ist aus diesem Grunde unter allen Umständen zu bekämpfen. 

_ Bpd. jun. 



Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


497 


Die osmotische Konzentration der SäagltngsmUehmlschungen and 
ihre praktische Bedeutung. Von Dr.Engelmann and Dr. Koch-Dresden 
Medizinische Klinik; 1910, Nr. 2. 

Die Verdünnung der Kuhmilch hat unter anderem den Nachteil, daß 
die osmotische Konzentration ungünstig beeinflußt wird. Das trifft auch für 
die sog. Drittelmilch za, selbst wenn Milchzackerzusatz erfolgt. Eine Erhö¬ 
hung der Milchzuckerqaantität ist aber für die Verdünnnng nicht wünschens¬ 
wert. Es empfiehlt Bich daher, kleine Salzmengen zazasetzen. Darch Zusatz 
Ton 65—70 a Kochsalz pro Liter Mischung gelingt es, die Drittelmilch aul 
die gewünschte Konzentration za bringen. 80 g Nährzacker genügen, um 
die Drittelmilchmischung auf einen Gefrierpunkt von —0,56° bis—0,67°, also 
den der Voll- and Mattermilch, zu bringen. Bpd. jun. 

Stillfrauen. Von Prof. Dr. Brüning-Rostock. Zeitschrift für Säug- 
lingsschutz; 1910, Heft 8. 

Die ausschließliche Ernährung eines Kindes an der Brust einer Amme 
läuft in der Praxis wohl nicht allzn häufig zur völligen Zufriedenheit beider 
Parteien ab nnd ist nur den Wohlhabenden überhaupt möglich. 

Aach eine teilweise Ernährung an der Brost, d. h. also die Verabreichung 
von Mattermilch neben der Flasche, vermag bei zweckmäßiger Dnrchführnng 
erfreuliches zu leisten. Als Entgelt für das Mitanlegen eines fremden Säug¬ 
lings ist in Rostock pro Mahlzeit ein Maximalsatz von 50 Pfg. oder bei zwei¬ 
maligem Stillen pro Tag eine wöchentliche Entschädigung von 5—6 Mark 
üblich. Doch empfiehlt es sich dringend, der Stiilfran öfters ein 
Kräftigungsmittel anzubieten nnd ihr für den Fall, daß das Kind gedeiht, eine 
ExtragraUnkation in Aussicht zu stellen. Die Methodik der Zweimilchernänrung 
unter Beihilfe einer Stillfrau verdient auch in klinischem Betriebe Beachtung 
dann, wenn ans äußeren Gründen auf Stationsammen verzichtet werden muß. 

_ Dr. Wolf-Witzenhausen. 

Aerztllcher Bericht Iber die Tätigkeit der ln den Vereinen „Säug- 
Ungastlich Verteilung“ nnd „Caritas“ lm XII. Bezirke errichteten Säuglings- 
flrsergestelle. Von Dr. B. Mautner-Wien. Zeitschrift für soz. Medizin; 
Band V, Heft 2. 

Gestützt auf durchwegs befriedigende Resultate, die der Verein „Säug¬ 
lingsmilchverteilung“ nach dreijährigem Bestände im X. Bezirke erzielt hatte, 
ging derselbe daran, im September 1907 eine zweite nach demselben Prinzipe 
geleitete Stelle im XII. Bezirke zu errichten. Die Aufgaben der Säuglings¬ 
fürsorgestelle bestehen zunächst in Propagierung der Stillung, dann in der 
Abgabe sterilisierter Milch in trinkfertigen Portionen, ferner darin, die Mütter 
an den Wägetagen zu versammeln und an praktischen Beispielen Belehrung 
und Aufklärung durch den Arzt zu erteilen. Außerdem wurden an 2 Sonntagen 
in der Fürsorgestelle im vorigen Winter zusammenhängende Vorträge über 
Säuglingspflege abgehalten. Die durchschnittliche wöchentliche Gewichts¬ 
zunahme der Säuglinge betrug 80—90 g. Dr. Wolf-Witzenhausen. 

Die Nährmtttelreklame alz Feindin des Säuglings. Von Dr. Th. 
Hoffa-Barmen. Zeitschr. f. Säuglingsschutz; 1910, Nr. 1. 

Verfasser verlangt von den Aerzten: 

1) das Publikum immer und immer wieder aufzuklären und zu warnen 
vor den Mitteln; 

2) keines der Mittel zu verordnen, die mit so aufdringlichen Reklamen 

angepriesen werden. _ Dr. Wolf-Witzenhausen. 

Die Tätigkeit des Vereins ffir Sänglingaffirsorge lm Regierungs¬ 
bezirk Düsseldorf. Von Dr. M. Baum-Düsseldorf. Zeitschrift für Säug¬ 
lingsschutz; 1910, Nr. 8. 

Der Verein ist in Zusammenarbeit mit den verantwortlichen Stellen 
▼orgegangen und hat es verstanden, unter Berücksichtigung der besonderen 
örtlichen Verhältnisse die Formen herauszufinden, in denen die praktische 
Arbeit am wirksamsten sein wird. Es mußte vor allen Dingen Wert auf Ge- 



498 


Kleinero Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 


winnung gebildeter Frauen gelegt werden, die mit einem erhöhten Maß toi 
Einsicht und Autorität daran arbeiten sollen, die lokalen Hilfskräfte zu 
tätiger Mitarbeit heranzuziehen. Da die Abhandlung sich nicht zum kurzen 
Beferat eignet, sei hier nur darauf hingewiesen. 

_Dr. Wolf-Wltzenhausen. 

Die Säuglingssterblichkeit ln der prensslehen Statistik. Von Dr. 
W. Birk in Cbarlottenburg. Zeitschrift für Säuglingsschutz; März, 1910. 

Die Städte zeigen einen erheblichen Bäckgang der Säuglingssterblichkeit; 
auf dem Lande ist jetzt die Säuglingssterblichkeit großer als in der Stadt. 
Diese beiden Tatsachen bilden den Kernpunkt der neuesten statistischen Er¬ 
hebungen. So erfreulich der Rückgang der Säuglingssterblichkeit in den 
Städten ist, so niederschmetternd ist die Feststellung, daß das Land, die 
Quelle unserer Kraft, jetzt schlechter dasteht als die yerpOnte Stadt. 

Wir werden dem Autor Becht geben, wenn wir den stellenweise außer¬ 
ordentlich starken Rückgang der Säuglingssterblichkeit in den 8tädten als 
Erfolg der ungeheuren Anstrengungen auffassen, die hier von Kommunen und 
Vereinen gemacht sind. Anderseits wird die Milchabfuhr nach den Städten 
und die damit Hand in Hand gehende Unternährung der Landkinder mit Becht 
vielerorts für die Sterblichkeit auf dem Lande verantwortlich zu machen sein. 
Dazu kommt allerdings noch auf dem Lande nach des Bef. Erfahrung die 
unglaubliche Unkenntnisa in hygienischen Fragen und insbesondere über die 
Wichtigkeit des Stillens^auf dem Lande. Wenn das Uebel der Säuglingssterb¬ 
lichkeit auf dem Lande gerade deshalb als besonders gefährlich gilt, weil es 
im Fortschreiten begriffen ist und nichts geschieht, um ihm Einhalt zu gebieten, 
so dürfte doch die Frage aufzuwerfen sein, weshalb man denn eigentlich auf 
dem Lande diesen drohenden Gefahren vielfach untätig zusieht. Warum sollte 
man hier nicht die gleichen Erfolge wie in der Stadt erreichen können, wenn 
sich die Kreisverwaltung mit derselben Energie ihrer sozialen Aufgaben 
annimmt, als es in den Städten geschehen ist? 

Man kann es kaum begreifen, daß die Säuglingssterblichkeit in den 
Industriegebieten des Westens geringer ist als im ackerbautreibenden Westen, 
und daß die Provinz Pommern den zweifelhaften Ruhm besitzt, mit 821 
Todesfällen pro Tausend Geburten an der Spitze zu marschieren. Im Kreise 
Franzburg, im Regierungsbezirk Stralsund, sterben von 1000 Neugeborenen 824, 
im Untenahnkreise nur 66! 

Hoffentlich trägt diese Statistik dazu bei, den beteiligten Kreisen die 
Notwendigkeit einer intensiveren ländlichen Hygiene auf dem Gebiete der 
Säuglingsfirsorge ebenso wie auch auf anderen Gebieten schärfer vor Auges 
zu führen. Dr. Dohm-Hannover. 


Gewerbliche Tätigkeit der verheirateten Frauen und Säuglings¬ 
sterblichkeit (tn Birmingham). Von Dr. John Robertson. Ref. in Public 
health; XXIII, 1910, Nr. 7. 

Das Home Office hat Untersuchungen über die Bedeutung der Tätigkeit 
verheirateter Frauen in gewerblichen Betrieben für die Kindersterblichkeit 
veranlaßt. Dr. John Robertson, einer der leitenden Männer bei jener 
Umfrage, berichtet bereits über die Ergebnisse in Birmingham. Er prüfte die 
Verhältnisse zweier Bezirke, die beide eine hohe Mortalität, eine hohe Kinder¬ 
sterblichkeit und eine große Zahl gewerblichtätiger, verheirateter Frauen 
aufweisen. Auf eine Bevölkerung von 41884 Personen im Jahre 1908 wurden 
1603 Kinder lebend geboren. Bei 1212 Müttern konnte das Schicksal der 
Säuglinge über 1 Jahr verfolgt werden. 611 Frauen waren während der 
Schwangerschaft gewerblich tätig. Von allen Müttern wurden 31,6 °/o nach 
der Geburt des Kindes beschäftigt, während das Kind noch lebte; 68,6°/« 
dagegen nicht. Die Sterblichkeit unter den Säuglingen, deren Mütter gewerb¬ 
lich vor oder nach der Geburt tätig waren, war 190 auf 1000 Geburten, 
während von den Frauen, die nicht beschäftigt waren, 207:1000 Kinder 
starben. 

Diese Resultate weichen von den Ergebnissen früherer Arbeiten und 
den alten Anschauungen ab. Bobertson fand, daß in vielen Fällen der 
Verdienst, den die Mutter nach Hause brachte, bei der Verhütung der Armut 



Besprechungen. 


499 


eine wesentliche Bolle spielt, die er fttr die Hauptursache der Säuglingssterb¬ 
lichkeit hält. Der Typus der üblichen industriellen Tätigkeit der Frauen in 
Birmingham beeinflußt die Gesundheit von Mutter und Kind demnach nicht 
bedeutend, wenn man Frauen in gleich ärmlichen Vermögensverbältnissen, die 
nicht beschäftigt sind, zum Vergleiche heranzieht. 

Wie die ökonomischen Verhältnisse jetzt liegen, dürfte jedes weitere 
staatliche Eingreifen in die gewerbliche Tätigkeit der Frauen das Uebel, dessen 
Abhilfe beabsichtigt ist, eher noch verschlimmern. Dr. Mayer- Simmern. 


Veber Säuglingssterblichkeit und Säuglingsernährung lm Bezirke 
Kilwa (Deutsch-Ostafrika)« Von Dr. P ei per, Oberarzt der Schutstruppe. 
Archiv für Schiffs- und Tropen-Hygiene; 1910, Nr. 4. 

Die ersten Tage nach der Geburt erhalten die Kinder gekochtes, warmes 
Wasser. Dann beginnt die Ernährung mit Muttermilch, die so lange fortgesetzt 
wird, bis das Kind laufen kann (manchmal bis ins Ste Lebensjahr). 

Bei Milchmangel nimmt die Mutter sofort eine aus gerösteten Kürbis¬ 
kernen bestehende Medizin ein. Oft nimmt auch statt der Mutter eine 
Jungfrau aus der Verwandtschaft die Medizin; die Wirkung auf den Milch¬ 
zufluß soll die gleiche sein. 

In einzelnen Dörfern gibt es Fiaschenernährung. Die Milch wird in 
eise ovale Flasche mit Korkverschluß in der Mitte eingefüllt und durch 
einen Gummilutscher dem Kinde gereicht. Auf dem Pappkarton, in dem die 
Flaschen verkauft werden, steht: Made in Vienna, Austria (!1!). 

Auch durch bezahlte Ammen läßt sich bisweilen die an Milchmangel 
leidende Mutter vertreten. Die Ernährung mit Kuhmilch ist im allgemeinen 
selten, weil Kühe wegen der Tsetse schwer zu halten sind. 

Die als Beinahrung verwandten Breie werden teils roh, teils gekocht 
beigebracht. Eine Folge des übermäßigen Nudelns der Kinder mit Vegetabilien 
sind die häufigen Trommelbäuche und Nabelbrüche, deren Entstehung außerdem 
noch durch die Milzschwellung (Malaria) begünstigt wird. 

Dr. Dohm-Hannover. 


Besprechungen. 

Dr. K. Telohert: Methoden nur Untersuchung von Milch und 
Molfcereiprodukten. VIH./IX. Band von „Die chemische Analyse*, her¬ 
ausgegeben von Dr. B. M. Margosches. Stuttgart 1909. Verlag von 
Ferd. Enke. Gr. 8°, 874 S.; Preis: geh. 11,40 M. 

Verfasser betont in der Einleitung, daß es sein Bestreben war, durch 
das Werk in engem Anschluß an die Bedürfnisse der Praxis ein tiefer gehendes 
Verständnis herbeizuführen. Dementsprechend bringt er von den chemischen 
Untersuchungsmethoden am ausführlichsten die, die sich in der Praxis bewährt 
haben, während er andere, die noch nicht genügend erprobt oder bereits ver¬ 
altet sind, kürzer behandelt. Hervorgehoben sei, daß besonders eingehend 
die neueren Arbeiten über die mikroskopische Untersuchung von Butter und 
Milch behandelt werden. Großer Wert wird auf die Beurteilung der Taug¬ 
lichkeit der Milch zur Weiterverarbeitung nach dem Ergebnis der Milchgär¬ 
probe und Labgärprobe gelegt. Neben den Untersuchungen, die vorwiegend 
für Chemiker in milchwirtschaftlichen Laboratorien und Versuchsstationen in 
Betracht kommen, wird dem Nachweis von Verfälschungen der Milch und 
Molkereiprodukte sowie von Beimengungen der gebräuchlichsten Konservierungs¬ 
mittel ein breiter Baum gewidmet. Auch die bakteriologische Untersuchung 
von Milch, Butter und Käse wird besprochen; bezüglich des Nachweises von 
Krankheitserregern wird jedoch an den ärztlichen Sachverständigen verwiesen. 
Wie schon aus obigem hervorgeht, ist das Werk vorwiegend für den Chemiker 
in milchwirt8chaftlicben Instituten und Nahrungsmitteluntersuchungsämtern 
bestimmt; diesem dürfte es sehr wertvolle Dienste leisten, zumal es ausführ¬ 
liche Anweisungen über die bei Probeentnahmen und Stallproben zu beob¬ 
achtenden Vorsichtsmaßregeln erteilt. Bei einer Neubearbeitung dürfte es 
sich vielleicht empfehlen, die wichtigsten gesetzlichen Bestimmungen über 
Milch und Molkereiprodukte, wenn auch nur auszugsweise, im Anhang oder 



600 


Tagesnachriehten. 


in Fußnoten anzoführen; vielleicht könnte euch des Sachregister aoch eie 
weaig übersichtlicher gestaltet werden. Dr. Doepner- Chanottcabarg. 


Max Oker - Bloxa, Dr. med., Dozent der Physiologie in Helsinglors: Martha 
beim Onkel Doktor, ein Bach für Eltern. Autorisierte Uebersetznng von 
Leo Bargerstein, Wien. Wien and Leipzig 1909. Verlag von A. Pich* 
lers Witwe & Sohn. KL3*, 63 S. Preis: broecb. 1,26 M. 

Ein Bach für Eltern nennt Oker-Blom das kurze Schriftchea, in dem 
er in rationeller, klarer and durchaus verständlicher Weise Eltern zeigt, wie 
sie ihren heranwachs enden Töchtern Außdirung and Belehrung über jene 
natürlichen Einrichtungen, die zar Entstehung and Fortpflanzung des Lebens 
in der Natar dienen, geben sollen. Die Ansichten über diese derzeit vielleicht 
aktuellste Frage des biologischen Unterrichts'in der Schale über die sexuelle 
Aufklärung and Belehrung der heranwschsenden Jagend sind ja noch lange 
nicht geklärt. Referent möchte, da er in der Massenaafklärang durch die 
8chale doch mancherlei ernste, noch nicht zu beseitigende Gefahren sieht, 
diesem Werkehen zar Empfehlang an Eltern, die die ernste Absicht haben, 
ihren Töchtern ln dieser Frage za helfen, das Wort reden. Das Heft ist das 
Gegenstück za einer von demselben Verfasser heraosgegebenen Schrift zar Be¬ 
lehrung der heranwachsendea Knaben mit dem Titel .Beim Onkel Doktor aal 
dem Lande"._Dr. Mohrmann-KleL 

Tagesnachrichten. 

Aas den Vorbandlangen des Herrenhauses am 14. Jani d. J. über 
den Gesetzentwarf, betreffend die Reisekosten der Staatsbeamten, sind für die 
Medizinalbeamten von besonderem Interesse die Ausführungen des Herrn Ersten 
Bürgermeisters Dr. Johansen-Minden, in denen er eine Herabsetzung der bisher 
den Kreisärzten and Kreistierärzten gewährten Reisepaaschale 
mit Rücksicht aüf die neaen Bestimmungen nicht für berechtigt hält and die 
Staatsregierang bittet, davon Abstand za nehmen. Die beteiligten Beamten 
werden ihm dafür besonders dankbar sein, desgleichen dem Herrn Finanz- 
minister, der in seiner Antwort erklärte, daß diesem Wunsche Rechnung ge¬ 
tragen werden solle. Wir lassen die betreffenden Ausführungen nach dem 
stenographischen Bericht folgen: 

Dr. Johannen-Minden: M. H.i Endlich komme ich za einem 
8pezialfalle, der nach einer anderen Richtung geht. Während ich Mäher 
meine Besorgnis darüber ausgesprochen habe, daß an den Bezügen za wenig 
gekürzt ist, komme ich non za einem Spezialfall, wo ich die Besorgnis hege, 
daß zuviel gekürzt werden wird. Dieser Fall betrifft die nicht vollbesoldeten 
Beamten. Wir haben eine Anzahl Kategorien von Staatsbeamten, die nicht 
vollbeschäftigt and daher aach nicht vollbesoldet sind, insbesondere die nicht 
vollbesoldeten Kreisärzte and Kreistierärzte. Diese Beamten erhalten 
zorzeit in der Regel ein Paascbqaantam für ihre Reisekosten. Dieses Pansch- 
qaantam ist seinerzeit so bemessen worden, daß in ihm eine gewisse Entschädigung 
für den entgangenen Gewinn liegt, den sie dadarch erleiden, daß sie während 
ihrer Dienstreisen keine Privatpraxis, keine Privattätigkeit aasflben können. ]Es 
liegt nan die Gefahr vor, daß, wie im allgemeinen die Panschqaanten reduziert 
werden sollen, so aach hier das Paaschqaantum der nicht vollbeschäftigten 
Staatsbeamten etwas schematisch in demselben Umfang einer Redaktion unter¬ 
worfen wird. Ich bin persönlich der Meinung, daß hier eine Redaktion des 
Paaschqaantams überhaupt nicht eintreten dürfte; denn hier treffen alle die 
Gesichtspunkte, die zar Vorlage dieses Gesetzes geführt haben, ln keiner Weise 
za. Vielmehr trifft hier in gewissem Umfange za, daß ein wohlerworbenes 
Recht der Beamten aaf dieses Paascbqaantam in seiner bisherigen Höhe vor¬ 
liegt. Ich möchte daher die Königliche Staatsregierang bitten, diesen ganz 
besonders eigenartig liegenden Fall zu prüfen, in der Hoffnung, daß sie dann 
za dem Besaitet kommt, daß das Paascbqaantam der nicht voll besoldeten 
Beamten einer Reduzierung nicht unterliegen darf. 

Fiaanzminister Freiherr von Rbeinbaben: M. H.! Ich möchte 
schließlich noch auf eine von ihm berührte spezielle Frage antworten, not die 
Frage der nicht vnllbesoldeten Kreisärzte and Kreistiertote. Der Herr Vor¬ 
redner hat dem Wonsche Aosdrack gegeben, daß die Pauschale, die diese 



Tagesnachrichten. 


501 


Beamten schon jetzt bekommen, wenn nnnmehr die gesetzlichen Sitae all* 
gemein ermäßigt werden, nicht ebenfalls nach nnten revidiert würden. Ich 
sagte schon am Eingänge, daß die Reisekosten and Tagegelder keine Neben¬ 
einnahmen für die Beamten bilden sollen and als solche nicht an betrachten 
sind. Ich gebe aber an, daß von diesem Qrandsata eine gewisse Ausnahme 
an machen Ist bei der Kategorie von Beamten, die der Herr Vorredner erwähnt 
hat. Bei diesen nicht vollbesoldeten Ereisäraten and Kreistierftrnten ist in 
der Tat bei Bemessung ihrer Besoldung in Bflcksicht gesogen worden, daß sie 
erhebliche Nebeneinnahmen aus den Beisekosten and Tagegeldern haben. Sie 
haben auf der einen Seite keine volle Besoldung, und auf der anderen Seite 
wird dieser Mangel wett gemacht dadarch, daß sie infolge vieler Beisen doch 
erhebliche Nebeneinnahmen bekommen. Bei dieser Kategorie von Beamten 
ist also ansuerkennen, daß die Nebeneinnahmen aus den Beisekosten and 
Tagegeldern gewissermaßen für sie einen Teil ihrer ganaen Dienst- 
emolnmenteansmachen, und wir haben schon mit dem Herrn Landwirtschaf ts- 
minister vereinbart, daß bei Nachprüfung der Satze dieser Beamten besonders 
wohlwollend verfahren nnd diesem Umstand, daß sie darauf immerhin an¬ 
gewiesen sind, in gewissem Umfange Rechnung getragen werden soll. Ich 
hoffe, daß dadurch die Bedenken des Herrn Vorredners erledigt sein werden. 

Der Anfang der sogenannten Verwaltnngsreform ln Prenssen. Durch 
KOnigl. Verordnung vom 17. Juni d. J. sind die von der Immediat- 
kommission aur Vorbereitung der Verwaltungsroform aufgestellten und vom 
Staatsminiiterium empfohlene Grandzüge für eine vereinfachte Geschäfts¬ 
ordnung der Regierungen genehmigt und deren sofortige Durchführung 
angeordnet. Die Grundzttge bringen sowohl in bezug auf die Behandlung, 
Oeffnung und Auszeichnung der Eingänge, deren Eintragung in das Tage¬ 
buch usw. als inbezug auf den ganzen Geschäftsgang (Behandlung der 
verschiedenen Eingänge, Absetzung der Verfügungen und deren Weiterforderung 
im Geschäftsgänge, Vollziehung der Reinschriften usw.) wesentliche Verein¬ 
fachungen und Aenderungen, die alle den Zweck eines beschleunigten 
Geschäftsganges haben. Die Dezernenten können jetzt alle die nicht vom 
Regierungspräsidenten oder Abteilungsdezernenten gekreuzten Sachen im Auf¬ 
träge zeichnen (auch die Reinschrift); alle Eingänge gehen ihnen, abgesehen 
von formnlarmäßig zu erledigenden Sachen, unmittelbar vom Abteilungs- 
dezernenten zu; sie haben diese dann ohne Verzug entweder selbst zu 
bearbeiten oder ihre Bearbeitung durch den Expedienten nach ihrer Anweisung 
au veranlassen. Geschäftssachen, die keine besondere Schwierigkeiten bieten, 
sind am Tage des Einlaufs, die Nachmittagseingänge bis zum Mittag des 
nächsten Tages zu erledigen; als eilig bezeichnete binnen 24 Stunden, Sofort¬ 
sachen in der kürzesten Frist. Als Geschäftsstunden sind die Stunden vor¬ 
mittags 8—1 Uhr Nachmittags, und von 8—6 Uhr nachmittags festgesetzt; 
ein freier Nachmittag für die Bureaubeamten ist also allgemein nicht vorge¬ 
sehen, Bondern bleibt besonderer Verfügung überlassen. Jeder höhere 
Beamte hat spätestens um 10 Uhr vormittags an der Amtsstelle zum Dienst 
zu erscheinen. Dienstreisen dürfen nur mit Genehmigung des Regierungs¬ 
präsidenten oder Abteilungsdezernenten ausgeführt werden; sie sind auf das 
erforderliche Maß einzuschränken und im finanziellen Interesse des Staates 
wie aus Rücksicht auf das Ansehen der Behörde derart einzurichten, daß alle 
unnötigen Kosten vermieden werden. 

In einer besonderen Beilage zu Nr. 22 der Veröffentlichungen des Kaiser¬ 
lichen Gesundheitsamtes ist das vorläufige Ergebnis über die am 1. Mai 1909 
stattgefundene Ermittelung des Heilpersonals, der pharmazeutischen An¬ 
stalten nnd des pharmazeutischen Personals Im Deutschen Reiche mit- 

g eteilt. Danach betrag die Zahl der approbierten Ae r z t e 30 558 gegen 24 725 
n Jahre 1898, also auf 10000 Lebende: 4,81 gegen 4,56, auf je 100 qkm 5,65 gegen 
4,57. Werden davon die Militär- usw. Aerzte, soweit sie keine ärztliche Praxis 
treiben (1788 [1620] — 397 [509] = 1386 [1111]) und die ausschließlich in und 
für Anstalten beschäftigten Aerzte (3086 gegen 1927) in Abzug gebracht, so 
stellen sich jene Ziffern auf 26086 (21687) bezw. 4,14 (4,00) und 4,82 (4,01). 
Unter den Acrzten waren 211 (240) HomOopathen, 5912 Spezialärzte, 



502 


Tagesnachrichten. 


tob denen 1766 nach allgemeine Praxis treiben, and 85 weibliche Aerzte. 
Pie Zahl der sog. Wundärzte ist aal 119 (271) gesunken; die der Zahn* 
Erste von 1299 aal 2617 gestiegen, im Verhältnis zur Bevölkerung von 0,24 
aal 0,42°/«oo, die der Zahntechniker von 4376 aal 8546 (0,69 aal 1,13 */«*>). 
Unter den Zahnärzten sind 82, unter den Zahntechnikern 651 weiblichen 
Geschlechts. 

Beruismäßige Heildiener einschließlich der Masseure und Des¬ 
infektoren sind 14789 (912 L) — 11639 m. and 3150 w. — oder 2,33 (1,68) aal 
je 10000 Einwohner vorhanden, darunter 8853 (8153 m. und 578 w.) staatlich 
geprüfte. Ausschließlich Masseure waren 3221 (1498 m. and 1723 w.), aas* 
schließlich Desinlektoren: 3345. 

Berntsmäßige Krankenpfleger sind 68818 (29677) = 10,38 •/••© 
(5,46 °/ooo) gezählt, davon 12 881 m. and 55937 w. (3150 a. 26 427). Von dem Kran¬ 
kenpflegepersonal gehörten einem Genossenschaltsverbande, einer religiösen Ge¬ 
meinschaft usw. an: 47 411 (26657), während die Zahl der sonstigen Krankenpfleger 
21407 (3220) betragen; der Zuwachs der letzteren ist also weit größer als 
der der ersteren. In Krankenanstalten waren vorzugsweise 48792 Kranken¬ 
pflegepersonen (11984 m. and 36808 w.) beschäftigt, darunter 8023 (778 m. and 
7250 w.) einer evangelischen and 15427 (1174 m. and 14253 w.) einer katholi* 
sehen Genossenschaft angehörend. In der häuslichen Krankenpflege waren tätig 
20026 (897 m. and 19129 w.), darunter 5801 (153 m. und 5648 w.) einer 
evangelischen und 7457 (158 and 7299 m.) einer katholischen Genossenschaft 
angehörend. Staatlich anerkannt als Krankenpfleger sind 25671, and 
zwar von den in der häaslichen Pflege tätigen 8863 (227 m. und 8636 w.) in 
den Heil- usw. Anstalten beschäftigten 16808 (1807 m. and 15001 w.). 

Die Zahl dor Hebammen betrag 37736(37025) oder594 (6,83) aal 
je 10000 Einwohner oder 1 auf 54,8 (54,8) Gebarten; hier ist also keine 
wesentliche Veränderung eingetreten. 

Nicht approbierte, die Behandlung kranker Menschen be¬ 
rufsmäßig ausübende Personen waren 4468 (3059) — 0,70 (0,56)°/oo* 
vorhanden, darunter 3146 m und 1322 w. 

Die Zahl der Apotheken einschl. Filialen stellt sich auf 6127 (5161), 
oder 0,96 (0,99) auf 10000 Einwohner. Davon waren im Privatbesits 5833 (4989), 
Im Besitze vom Staate, von Gemeinden asw. 71 (37); die Zahl der Filialen betrag 
223 (185). Von den im Privatbesitz befindlichen Apotheken sind 1781 (1820) 
privilegiert, 4046 (3116) konzessioniert, and zwar 2353 (2351) veräußerlich and 
1693 (765) anveräußerlich. 

Das pharmazeutische Hillspersonal betrug 13425 (12036) oder 
2,11 (2,31) auf 10000 Einwohner und 2,19 (2,33) aaf je eine Apotheke. Es ist 
hier also eine relative Abnahme bemerkbar, die ausschließlich durch die Ab¬ 
nahme der Lehrlinge (1704 gegen 2319) bedingt ist, während die Betriebsleiter 
von 5209 auf 6177 und die Gehilfen von 4508 auf 5545 gestiegen sind. 

Aerztlicbe Hausapotheken Bind 587 (533), darunter 109 (101) 
homöopathische, Dispensioranstalten in Krankenhäusern asw. 
343 (188) festgestellt. _ 


Die offiziösen «Berliner Politischen Nachrichten" bringen eine längere 
Mitteilung über die Neuregelung der Beaufsichtigung des Verkehrs mit 
Arzneimitteln ausserhalb der Apotheken, die jedenfalls darch die Verhand¬ 
lungen in der Kommission des Abgeordnetenhauses Uber die Petition der 
Drogenhändler (s. Nr. 12 'dieser Zeitschrift, S. 462) veranlaßt ist und die 
Notwendigkeit des Min.-Frl. vom 13. Januar d. J. näher begründet Sie lantet: 

«Gegen die Im Januar d. J. erfolgte, die seit 1892 in der Praxis und 
bei der Rechtsprechung gewonnenen Erfahrungen berücksichtigende Regelang 
des Verkehrs mit Arzneimitteln außerhalb der Apotheken sind zahlreiche 
Wünsche and Beschwerden aus Drogistenkreisen geltend gemacht worden. 
Bia Interesse der Allgomeinheit kommt dabei zunächst bezüglich der Aus¬ 
führung der Revisionen in Frage. Nach den früheren Vorschriften sollten 
Apotheker die Revisionen vornehmen, and die Kreisärzte nur an ihren Wohn¬ 
orten beteiligt sein. Tatsächlich lagen die Verhältnisse schon damals anders, 
denn von don im Jahre 1908 besichtigten Handlangen ist nahezu die Hälfte 
von Kreuärzton allein, ein Drittol von Kreisärzten and Apothekern zusammen, 
der Rest von Apothekern allein besichtigt wordeo. Nach den neaen Be- 



Tagesnachrichteü. 


603 


Stimmungen haben die Kreisärzte in erster Linie als Revisoren za gelten, 
nur in besonders gearteten Fällen ist ihre Vertretung durch Apotheker 
gestattet. Der Wunsch, dafi der Apothekenbesitzer mit einer Revisions- 
tätigkeit nicht belaßt werden Bolle, weil er von den Drogisten als natürlicher 
Konkurrent zu betrachten sei, dürfte besonders im Interesse der Kosten¬ 
ersparnis bei Revisionen durch die Ortspolizeibehörde nicht immer berück¬ 
sichtigt werden können. Was die Mitwirkung der Polizeibehörde betrifft, 
so läßt sich namentlich in kleinen Orten nicht vorschreiben, daß nur Polizei¬ 
beamte in Zivil zugezogen werden sollen. Uebrigens sind die bisher geltenden 
Bestimmungen in diesem Punkte durch den diesjährigen Erlaß nicht geändert. 
Die eigentlichen Drogenhandlungen werden häufiger als die kleineren Hand¬ 
langen auf dem Lande einer Revision unterworfen, weil sich nach Ansicht 
der zuständigen Behörden unter ihnen manche befinden, die sich bedenkliche, 
für die Arzneiversorgung des Pnblikums gefährliche, bewußte Verfehlungen 
gegen die bestehenden Vorschriften haben zuschulden kommen lassen. Deshalb 
können auch diejenigen Drogengeschäfte von der Revision nicht ausgenommen 
werden, die neben Kleinhandel auch Großhandel betreiben. Es würde dann 
Kleinhandlungen so gut wie gar nicht mehr geben; jedes Drogengeschäft 
würde bemüht sein, sich in irgend einer Weise als Großhandlung hlazustellen, 
um sich von der Kontrolle zu befreien. 

Ebenso ist lediglich die Sorge für das arzneikaufende Publikum 
für die Bestimmung ausschlaggebend gewesen, daß in den Räumen der Drogen¬ 
handlangen, abgesehen von Warenproben, nur Waren vorhanden sein dürfen, 
die zur Feilhaltung bestimmt sind. Erlassen mt diese Bestimmung, weil die 
Erfahrung gezeigt hat, daß verschiedene Mittel, die zumeist nur auf ärztliche 
Anweisung abgegeben werden dürfen, in sehr vielen Drogenhandlungen unter 
allerlei Vorwänden, oft in besonderen Verstecken, ganz augenscheinlich zum 
Verkauf vorrätig gehalten werden, ohne daß bisher ein erfolgreiches Ein¬ 
schreiten möglich war. Dem Versuche, das Vorhandensein solcher Mittel mit 
einem Bedarf für Fabrikationszwecke zu erklären, sind die Drogenrevisoren 
entgegengetreten; sie haben sich übereinstimmend dahin ausgesprochen, eine 
Fabrikation finde überhaupt nur in ganz vereinzelten Drogenhandlungen statt, 
und die Betriebserschwerung infolge dieser Vorschrift sei keineswegs nennens¬ 
wert. Die neuen Vorschriften erscheinen somit durchaus geeignet, diejenigen 
Arzneistoffe und Arzneimittel, die im Interesse einer gesicherten Arznei¬ 
verordnung des Publikums den Apothekern Vorbehalten bleiben müssen, dem 
unberechtigten Vertrieb durch Drogengeschäfte zu entziehen.“ 


Verbesserung der Stellung der ausserordentlichen Professoren an 
den preussischen Landesuniversltäten. Durch die Königliche Verord¬ 
nung vom 30. Mai d. J. ist den etatsmäßigen außerordentlichen Professoren 
an den Landesuniversitäten das aktive Stimmrecht bei der Wahl des Rektors 
aus der Mitte der ordentlichen Professoren eingeräumt, mit der Maßgabe, daß 
die Zahl der wahlberechtigten a. o. Professoren die der etatsmäßigen ordent¬ 
lichen nicht übersteigen darf. Außerdem haben diejenigen etatsmäßigen a. o. 
Professoren, die ein in ihrer Fakultät nicht vertretenes Spezialfach bekleiden, 
Sitz und Stimme in ihrer Fakultät, wenn es sich um Angelegenheiten ihres 
Spezialfaches handelt. _ 


Ein Lehrauftrag für gerichtliche Medizin an der Universität Er¬ 
langen, ist dem a. o. Professor Dr. H. Merkel, erstem Assistenten am 
dortigen pathologischen Universitätsinstitut, erteilt worden. 


In Hamburg hat die Bürgerschaft in ihrer Sitzung vom 16. Juni d. J. 
die Errichtung einer Entbindungsanstalt beschlossen, die mit einer Hebammen¬ 
lehranstalt, einem Wöchnerinnen- und Säuglingsheim, sowie mit einer gynäkologi¬ 
schen Abteilung verbunden und dem Medizinalkollegium unterstellt sein wird. 


In der am 3. Juni d. J. in Berlin abgehaltenen Sitzung des Beirates 
des Deutschen Vereins für Volkshygiene ist an Stelle des bisherigen Vor¬ 
sitzenden, Wirkl. Geh. Ob.-Reg.-Rat Prof. Dr. Schmidtmann, der den Vorsitz 
infolge seiner Ernennung zum Universitätskurator in Marburg niedergelegt 



604 


Sprechsaal. 


hatte, der stellvertretende Vorsitzende, Staatsminister t. MOller, Exellenz, 
Berlin zum Vorsitzenden und an dessen Stelle Geh. Ob.-tfed.-Bat Prof. Dr. 
Kirchner «Berlin zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. 


ln Rußland Ist die Cholera wieder in wachsender Ausbreitung be« 
griffen: Während in den Wochen vom 8.—14., 16.—21. und 22.-28. Hai 28, 
73 und 160 Erkrankungen mit 8, 89 and 66 Todesfällen vorgekommen sind, 
ist diese Zahl vom 29.-4. Jani and .6—11. Jani auf 317 (143) and 7b2 (272) 
gestiegen. Darch Min.-Erl. vom 7. Jani d. J. sind demzufolge die nachgeord- 
neten Behörden aufgefordert, die Anordnungen betreffs der aas Rußland au« 
ziehenden Personen in Erinnerung za bringen. 

Ein rassischer Arbeiter ist bereits auf dem Auswanderungsbahnhof 
Buhleben bei Spandau an der Cholera gestorben. 


Erkrankungen und Todesfälle an ansteckenden Krankheiten in 
Preussen. Mach dem Ministerialblatt fttr Medizinal- und medizinische Unter¬ 
richts-Angelegenheiten sind in der Zeit vom 29. Mai bis 11. Juni erkrankt 
(gestorben! an: Aussatz, Gelbfieber, Fleckfieber, ROckfall- 
fieber, Pest, Rotz, Cholera, Tollwut: — (—); Pocken: 8 (—), 
2 (—); Milzbrand: 1 (—), 3 (—); Bißverletzungen durch toll¬ 
wutverdächtige Tiere: 1 (—), 6(—); Unterleibstyphus: 171(20), 
165 (21); Ruhr: 4 (—), 6 (-); Diphtherie: 1154 (62), 1172 (71); Schar¬ 
lach: 1371 (48), 1270 (60); Kindbettfieber: 96(22),83(28);Genickstarre: 
12(5), 12(3); spinale Kinderlähmung: 3(2), 4(1); Fleisch-, Fisch- 
und Wurstvergiftung: 10 (—), 82 (1); KOrnerkrankheit: 864, 232; 
Tuberkulose: (gestorben): 801, 776. 


SprooluuMtL 

Anfrage des Kreisarztes Dr* Kr. in W.: Ist die OrtspolizeibehOrdo 
berechtigt, das Benzinlager eines Apothekers auf seine Feuersicherheit zu 
revidieren P 

Antwort! Ja; denn diese Kontrolle liegt der OrtspolizeibehOrdo und 
nicht der MedizinalaufsichtsbehOrde ob. 


Anfrage des Kreisarztes Dr. B. in K.t Darf der Apotheker nur Rezepte 
von Aerzten, die im Inland approbiert sind, anfertigen, oder genügt es, wenn 
der Aussteller der Verordnung überhaupt Arzt ist, gleich, ob er im Ia- oder 
Ausland approbiert istP 

Antwort: Ein im Ausland approbierter Arzt gilt im Deutschen Reich 
als „nicht approbiert“, und ist demzufolge bei einer etwaigen Ausübung 
der Heilkunde als solcher zu behandeln, so lange er nicht von der im 
Deutschen Reich für Aerzte vorgeschriebenen Prüfüng entbanden ist. Der 
Apotheker darf deshalb nur insoweit Arzneiverordnungen eines solchen Arztes 
anfertigen, als sie nicht unter die Vorschriften über die Abgabe starkwirkender 
Arzneimittel (s. Bandesratsbeschluß vom 13. Mai 1896 und Min.-Rrlaß vom 
22. Juni 1896 nebst späteren Ergänzungen) fallen. 


/ 


Anfrage des Kreisarztes Dr. L. in P. Sind Regina-Hustentropfen, 
„Destillat ez Benzoe, Kampfer, Alant, Salmiak, kohlens. Kali, Anis, Wasser 
und Spiritus“, zum Verkauf in Drogenhandlungen freigegeben ? 

Antwort: Es kommt bei der Entscheidung der Frage daiauf an, ob 
es sich hier wirklich um ein Destillat handelt, also um ein wesentliches anderes 
Produkt, als um ein durch LSsung oder Mischung gewonnenes; nur im 
ersteren Falle ist das Mittel freigegeben ,(s. Urteil des Kammergerichts vom 
9. Novbr. 1908, Beil, zu Nr. 24 der Zeitschrift für Medizinalbeamte, Jhrg. 1909, 
S. 277, — es muß hier „1908“ statt „1909“ heißen). Uebrigens hat das Kammer¬ 
gericht darch Urteil vom 17. Mai 1909 die gegen Unregelmäßigkeiten des 
weiblichen Organismus empfohlenen Reginatropfen, angeblich ein Destillat aus 
Zimmt, Nelken, Baldrian, Spiritus usw., trotz der Destillation als eine nicht 
treigegehene Mischung oder LOsung bezeichnet. _ 


Redaktion: Geh. Med.-Bat Prot Dr. Rapmund, Reg.- u. Med.-Rat in Minden L W. 

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23. Jahrg 


1910. 


Zeitschrift 

für 

MEDIZINALBEAMTE. 


ZantnlUatt Nr in gesaute Besuidnitsmiea, 

für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenwesen. 

Herausgegeben 

Ton 

Q«L Med-Rat Prot Dr. OTTO RAPMOND, 

Keglerangs- and Medlrinalrat ia landen 1« ¥, 

Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, Sächsischen, 
WQrttembergischen, Badischen, Mecklenburgischen und Eisass-Lothringischen 

Medizinalbeamtenvereins. 


Verlag von Fiseher’s mediz. Buehhandlg., E Kornfeld, 

HtnogL Bayer. Hof- n. ErsbenogL *ummt . 

Berlin W. 33, Ltttzowstr. 10. 

Inserate nehmen die VerUgshandlnng sowie alle Annoncenexpeditionen des In** 
nnd Auslandes entgegen. 


Nr. 14. 


Knekelit mm I. u4 M. Jedem Mnata. 


20. Juli. 


Die neueste Behandlung der Syphilis und ihre Bedeutung 
fUr die öfTentliche Gesundheitspflege. 

Von Professor Dr. Konrad Alt • Ucbtspringe. 

Als ich am 8. -März d. Js. in einem von der medizinischen 
Gesellschaft zu Magdeburg mit gespanntester Aufmerksamkeit 
aufgenommenen Vortrag die überzeugenden Grundsätze der von 
Geheimrat Ehrlich genial ersonnenen neuen Heil weise, der ein¬ 
maligen Sterilisierung eines mit Krankheitserregern 
durchsetzten Tierkörpers, darlegte nnd im Anschluß daran 
berichtete, daß ein im Ehrlichschen Institut tierexperimentell 
als spezifisch antispirillös befundenes neues Arsen-Präparat 
— Dioxydiamidoarsenobenzol — von mir nnd meinen Mitarbeitern 
in der menschlichen Pathologie erprobt nnd damit nach nur 
einmaliger Injektion in 27 Fällen frischer menschlicher 
Syphilis fiberraschend schnell einsetzende, ja vielfach 
geradezu verblüffende Heilwirkung beobachtet worden sei, da 
gedachte mancher der anwesenden 150 Kollegen wehmütig jener 
spannungsvollen Zeit, als die Jubelouvertüre zur Tuberkulin¬ 
apotheose in schriller Dissonanz jäh abbrach. 

Gar zu leicht glaubt der Mensch, was er erhofft, nnd auch 
der naturwissenschaftlich and kritisch wohlgeschnlte Arzt ist nicht 
gefeit gegen Selbsttäuschung nnd verallgemeinernde Ueberwertung 
der eigenen therapeutischen Erfahrungen. Erst dann, wenn seine 

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506 


Professor Dr. Alt. 


genossen Stand halten, wenn von anderen Forschern in genauer 
Befolgung der angegebenen Methode die gleichen Resultate erzielt 
werden, hat eine neue Heilweise berechtigten Anspruch anf all¬ 
gemeine Beachtung und Anerkennung. Dieser Forderung ent¬ 
sprechendstellte ich in Gemeinschaft mit dem Kollegen Schreiber 
anläßlich jenes Vortrags eine ganze Reihe der vor Wochen und 
Tagen nach der neuen Heilweise von uns behandelten Kranken 
vor und zeigte gleichzeitig in natürlich großen, unmittelbar 
vor Einleitung der Behandlung aufgenommenen Photographien 
die früher bei ihnen vorhandenen schweren krankhaften Verände¬ 
rungen. Inbezug auf die ganz kürzlich erst der Behandlung 
unterworfenen Patienten wurde auf Grund der bereits gemachten 
Erfahrungen der weitere Verlauf vorausgesagt und den Kollegen die 
Bitte unterbreitet, die Richtigkeit der Vorhersage durch Besuche auf» 
der Hautabteilung des Altstädtischen Krankenhauses in Magdeburg 
zu kontrollieren. Der Vortrag wurde unter genauer Angabe der 
angewandten Dosis und Einverleibungsart in Nr. 11 der Münchener 
med. Wochenschrift — erschienen am 15. März — veröffentlicht, 
um einem weiteren Kreis von Krankenhausleitern die Nachprüfung 
an ihrem Krankenmaterial zu ermöglichen und sie instand zu 
setzen, die Richtigkeit und Berechtigung meiner Beobachtungen 
und Schlußfolgerungen nachzuprüfen. Das ist inzwischen in reich¬ 
stem Maße geschehen, eine ganze Anzahl von Veröffentlichungen 
erfolgt und das Ergebnis der Beobachtungen berufenster Aerzte 
bekannt gegeben. Bestehen angesichts dieser zahlreichen Nach¬ 
prüfungen meine Ausführungen vom 3. März auch jetzt nach 
4 Monaten noch vollauf zu recht, oder sind sie einzuschränken 
oder zu erweitern? Dem damals Gesagten ist meinerseits 
nichts wesentliches hinzuzufügen, aber auch nichts 
wegzunehmen. 

Es wurde von mir mitgeteilt, daß auch bei äußerst hart¬ 
näckigen, anderer Therapie trotzenden Fällen die Heiltendenz 
sofort sichtlich einsetze, daß die beobachteten Wirkungen 
kurz dahin zusammengefaßt werden können: 

„Die Initialgeschwüre zeigten schon nach wenigen Tagen starken Blick* 
gang, die Skierosierang verlor sich ebenfalls durchweg; die m&kulo-papulösen 
Haatausschläge mit z. T. nässendem and geschwttrigem Charakter blafiten 
rasch ab oder trockneten ein, verheilten alsdann unter Zarttcklassang flacher 
Pigmentflecke. CTlzorationen an den Labien verheilten nach wenigen Tagen 
ganz glatt. Breite strotzende Papeln an After und Scheide verblaßten and 
verflachten stets sehr bald, sind in einigen ganz besonders schweren Fällen 
jetzt nach knapp 4 wöchiger Behandlung restlos verschwanden. Aach ein 
sehr großes, hartnäckiges tertiäres Geschwür am Schenkel ist nach knapp drei 
Wochen nahezu gänzlich vernarbt. Am schnellsten, in wenigen Tagen, gingen 
die zahlreichen, sonst sehr hartnäckigen, spezifischen Anginen mit schmierigen 
Belägen zarücb. Da in allen behandelten Fällen vom Tage der Behandlung 
an die verblüffende Heiltendenz datiert, ist ein Zufall ausgeschlossen, eine 
spezifische Beeinflussung durch die einmalige Injektion 
ganz unleugbar.“ 

Es wurde darauf hingewiesen, daß regelmäßig bald nach 
der Injektion eine starke Hyperleukozytose einsetze, daß in 
einigen Fällen bereits nach kurzer Zeit die Wassermann sehe 
Reaktion geschwunden, in weiteren ein Schwinden zu 



Die neaeste Behandlung der Syphilis usw. 


607 


erwarten sei. Das traf zu; bis znm 26. März war bei 14 von 
den 27 behandelten Kranken die Wassermannsche Reaktion 
negativ geworden. Ob die verabreichte Dasis von 0,3 nnd 0,4 
die richtige oder eine höhere Dosierung angezeigt nnd verträg¬ 
lich sei, könne noch nicht beantwortet werden, auch nicht, 
ob nicht später eine neue Kor zweckmäßig nnd gefahrlos sei. 
Durch das Tierexperiment müsse darüber Aufschluß geschafft 
werden, ob die neue Heilweise endgültig zu heilen vermöge, so 
daß eine Reinfektion mit Syphilis möglich werde. Es seien Vor- 
versuche im Gange, ob nicht die intravenöse Einverleibung vor 
der bis dahin angewandten schmerzhaften, intramuskulären In¬ 
jektion den Vorzug verdiene. „Zur Klärung dieser und anderer 
Pankte bedarf es noch recht vieler Versuche und längerer Zeit, 
wodurch auch erst festgestellt werden kann, ob die nene Kur 
wirklich so unschädlich ist, wie es jetzt den Anschein hat.“ 

So meine Mitteilung vom 3. März; eine weitere Ausführung 
durch die Herren Kollegen Hoppe und Schreiber wurde für 
bald in Aussicht gestellt. Das ist inzwischen geschehen. 
Schreiber hat zugleich in Hoppes Namen auf dem Kongreß 
für innere Medizin zu Wiesbaden und ebenso kürzlich in 
der Göttinger Medizinischen Gesellschaft 1 ) über unsere 
weiteren Erfahrungen berichtet. 

Unsere Mitteilungen erregten überall das größte Interesse 
nnd gaben den gewollten Anstoß zn vielseitiger und gründlicher 
Nachprüfung. Mehrere Institute von anerkanntestem Ruf, z. B. 
die Königlichen Hantkliniken der Universitäten Berlin nnd 
Breslau bestätigten die von Geh. Rat Ehrlich und seinem 
Mitarbeiter Hata im Tierversuch festgestellte, beispiellos prompte 
spirochaetentötende Wirkung des neuen Arsenpräparates auf Grand 
ausgedehnter, exakter Experimentalprüfung an Meerschweinchen, 
Kaninchen nnd Affen, und gingen sodann zn Versuchen an 
Menschen über. Zwar liegen hierüber erst kurze vorläufige Mit¬ 
teilungen vor, die aber eine vollständige Bestätigung unserer 
Beobachtungen darstellen. So schreibt Geh. Rat Neißer*)- 
Breslau in einem an den Herausgeber der Deutschen medizinischen 
Wochenschrift gerichteten offenen Brief, daß zwar ein endgültiges 
Urteil über die Leistungsfähigkeit des Mittels, namentlich, ob es 
absolute Heilung bewirke, bei der relativ geringen Zahl nnd 
Zeit der beobachteten Fälle noch nicht abgegeben werden könne. 

„Aber eines kann man heute schon mit aller Sicherheit sagen: Das 
nene Mittel übt eine eminente, geradezu Überraschende Ein* 
Wirkung aus sowohl auf die Spirochaeten, wie auf dieSyphilis- 
produkte selbst. Spirochaeten verschwinden nicht bloß bei Tiersyphilis, 
sondern anch bei Menschensyphilis in ungemein vielen Fällen nach 24 und 
48 Stunden ans Primäraffekten und Kondylomen, in denen sie vor Darreichung 
reichlichst vorhanden waren. Und was die syphilitischen Prozesse selbst be¬ 
trifft, so kann man in vielen Fällen ein so rapides Zorückgehen von Primär¬ 
affekten, papulösen Syphiliden, speziell aber von ulzerösen Prozessen, besonders 


M Münchener med. Wochenschrift; Nr. 27, S. 1490/32. 

*) A. Neißer: Ueber das neue Ehrlichsche Mittel. Deutsche mediz. 
Wochenschrift; Nr. 26. 



508 


Professor Dr. Alt. 


der malignen Syphilis beobachten, daß Aber die Spezifizität des Mittels kein 
Zweifel herrschen kann.“ 

Neißer hat Dosen von 0,8 und 0,4 verwendet. 

Oberarzt Tomascewski 1 ) von der Berliner Kgl. Univer¬ 
sitäts-Hautabteilung berichtete in der noch ausführlicher zu 
besprechenden Sitzung der Berliner medizinischen Gesell¬ 
schaft vom 22. Juni d. J. im Auftrag seines Chefs, des Geh. Rats 
Lesser: 

„Es handelt sich um 17 Patienten mit frischer sekundärer Syphilis; alle 
bekamen 0,8 der Substanz intramuskulär in der von Alt zuerst angegebenen 
Weise injiziert. Bei sämtlichen Kranken gingen die Erscheinungen prompt 
zurück; in einigen Fällen überraschend und in einem Fall geradezu ver¬ 
blüffend schnell.“ 

Tomascewski, der schon an anderer Stelle Aber die 
prompte, spirochaetentötende Wirkung des Mittels auf Grund sehr 
zahlreicher Tierversuche berichtet hatte, vermied es ebenfalls, 
ein abschließendes Urteil über die Dauerwirkung des Mittels 
abzugeben, auch nicht darüber, „ob das Präparat in der Tat so 
ungefährlich ist, wie es bisher wenigstens den Anschein hat/ 

Aus größeren Krankenhäusern sind namentlich die Versuche 
von Sanitätsrat Wechselmann, 8 ) Leiter der Hautabteilung am 
Virchow-Krankenhause, beweiskräftig, über die er in der oben 
erwähnten Sitzung der Berliner medizinischen Gesellschaft in 
einem ausführlichen Vortrag berichtete. Er warf, nach einleitenden 
Mitteilungen über Ehrliche geniale Experimental-Untersuchungen 
und Alt8 verdienstvolle Arbeiten zur Einführung des Mittels in 
die menschliche Pathologie die Fragen auf: 

„1. Wirkt dasselbe spezifisch bei Syphilis und wenn, übertrifft es darin die 

bisher bekannten Mittel; 

2. heilt cs die Syphilis; 

8. steht das etwaige Risiko des Mittels in richtigem Verhältnis zu der 

Große seiner Wirkungen.“ 

„Hinsichtlich des ersten Punktes kann auch bei der allerskeptischsten 
Beurteilung gar kein Zweifel mehr obwalten, daß das neue Mittel auf die 
Symptome der Syphilis in allen ihren infektiösen Formen mit einer Rapidität 
und Gründlichkeit wirkt, wie sie kein anderes bisher bekanntes Mittel auch 
nur annähernd aufweison kann. Wir haben dies in 80 Fällen erprobt und es 
tritt die Wirkung mit der Sicherheit eines Experimentes ein.“ In bezug auf 
die Frage der Heilung sei die Zeit zur Abgabe eines Urteils noch zu kurz. 
„Einen gewissen Anhalt gibt die Wasser mann sehe Reaktion; schon Alt 
berichtet, daß dieselbe sehr oft negativ wird. Mein Assistent Herr Dr. 
Lange hat die bj(zierten Personen zweimal wöchentlich untersucht und das 
Verschwinden der Reaktion in den lange genug beobachteten Fällen bestätigt. 
Dabei zeigt sich, daß die Stärke der Reaktion ganz langsam in regelmäßiger 
Weise abnimmt und die Zeit bis zum Verschwinden von dem Grad der An- 
fangsstärke abhängt.“ 

Wechselmann verwandte Dosen bis zn 0,45 bei Frauen, 
bis zu 0,6 bei Männern und bediente sich stets der intraglutaealen 
Injektion. Nennenswerte Toxizität habe das Mittel in diesep 
Dosen nie entfaltet, die Schmerzen an der Injektionsstelle dauerten 
mehr oder weniger stark 1—6 Tage an; „gleichzeitig trat meist, aber 

*) Offizielles Protokoll der Berlber med. Gesellschaft. Berliner klin. 
Wochenschrift; Nr. 27. 

*) W. Wechselmann: „Ueber die Behandlung der Syphilis mit Dioxy- 
diamido-arsenobenzol“. Berlber klin. Wochenschrift; Nr. 27. 



Die neueste Behandlung der Syphilis ttsw. 


509 


nicht immer, Temperatur bis 88 and 39 C. auf, bei merkwürdiger¬ 
weise sonst — trotz der Schmerzen — anfallend gutem Allgemein¬ 
befinden.“ Wechselmanns Ausführungen, welche durch eine 
große Anzahl vorgestellter Kranken nnd prächtig gelungener 
Moulagen überzeugend illustriert wurden, fanden die angeteilteste 
Aufmerksamkeit der Versammlung, die von rund 600 Aerzten 
besucht war. 

Auch Professor Leonor Michaelis demonstrierte 2 Fälle, 
von denen einer auf Qaecksilber nnd Jod nicht reagiert, nnd trotz 
der Behandlung zu Sattelnase nnd fressenden Geschwüren im 
weichem Gaumen geführt, auf einmalige Injektion des neuen 
Mittels sofort mit prompter Heilwirkung geantwortet hatte; in 
dem zweiten Fall bestand stärkste Idiosynkrasie gegen Queck¬ 
silber, eine einzige Injektion von 0,3 regte schnellstes Zurück- 
gehen aller Symptome an. 

Prof. Kromayer wußte über 15 Fälle von Syphilis zn be¬ 
richten, in denen die bisherigen Methoden versagt hatten, während 
eine einzige Injektion des Ehrlich-Präparats sofort überraschende 
spezifische Wirkung entfaltete. Er faßte sich dahin zusammen: 

„Das Hata-Präparat hat nach meiner Ansicht, ganz abgesehen davon, 
ob eine spezifische Wirkang an! Syphilis existiert oder nicht, eine eminente 
Wirkung, pathologische Gewebe zur Resorption nnd Ulzeration znr Ueber- 
häutung zn bringen. Wenn wir weiter nichts von dem H a t a - Präparat als 
diese beiden Wirkungen hätten, und wenn die größte Hoffnung, die wir mit 
Geh. Rat Ehrlich aul das Präparat setzen, daß es tatsächlich die Syphilis 
zu heilen imstande ist, sich nicht erfüllen sollte, so würden wir doch in ihm 
ein neues Heilmittel von wunderbarer Wirkung haben, das voraussichtlich nicht 
nur im Kampfe gegen die Syphilis, sondern auch gegen alle die Krankheiten, 
bei denen wir jetzt schon Arsen mit Erfolg geben, von weittragendster Be¬ 
deutung sein wird.“ 

Professor Alt- Uchtspringe und Oberarzt Schreib er-M&gde- 
burg, die von dem Vorstand der Berliner medizinischen Gesell¬ 
schaft zu der Ehrlich-Sitzung und zur Diskussion eingeladen 
waren, berichteten über ihre Erfahrungen. Ersterer wies darauf 
hin, wie gerade der Psychiater überaus häufig Gelegenheit habe, 
die Syphilis in ihren traurigsten Folgen zu sehen — in Deutsch¬ 
land stürben alljährlich gegen 3000 Menschen an Paralyse, die 
nnr auf dem Boden der Syphilis erwachse, 9 °/ 0 der idiotischen 
Kinder wiesen hereditäre Lues auf, die meisten Formen der Spät¬ 
epilepsie seien (soweit nicht traumatischen Ursprungs) auf Syphilis 
znrückzuführen etc. — und deshalb schon vom Standpunkt einer 
vorbeugenden Bekämpfang sich für die gründliche Behandlung 
dieser Krankheit interessieren müsse. Gern sei er deshalb der auf 
Empfehlung v. Wassermanns vor 2 Jahren an ihn ergangenen 
Einladung Ehrlichs gefolgt, seine neuen, in der menschlichen 
Pathologie noch ungeprüften Präparate klinisch zu erproben. Er 
schilderte die Methode, mittelst der er und seine Uchtspringer 
Mitarbeiter bedächtig Schritt für Schritt vom höheren Tier zum 
gesunden und dann erst zam kranken Menschen vorgeschritten 
seien und ohne jeden unangenehmen Zwischenfall die wirksame 

*) Dr. Hatz hat das Mittel im E hrl ich-Institut zuerst am Tier 
studiert. 



610 


Professor Dr. Alt 


Dosis and Einverleibungsart ermittelt hätten, welche die so 
erfreuliche and überraschende Wirkung: bei Menschen mit frischer 
Syphilis entfalte, aber aach bei metalaetischer Epilepsie, frischer 
Tabes nnd Frühparalyse noch gute Erfolge zeitige. Er machte 
Mitteilangen über die Arsenausscheidung bei der intraglutaealen 
nnd der neuerdings in Uchtspringe gemachten intravenösen Ein¬ 
verleibung des Mittels, über dessen Einwirkung auf den Lezithin- 
Stoffwechsel und gab seiner Freude darüber Ausdruck, daß die 
Erprobung des neuen wundersamen Mittels durch Psychiater 
erfolgt sei, die keineswegs bloß schwere Jungen exkulpierten, 
sondern auch tüchtig an dem wissenschaftlichen Ausbau der 
Medizin mitarbeiten. 

Oberarzt Schreiber, der Leiter der inneren Abteilung des 
Altstädtischen Krankenhauses zu Magdeburg, auf dessen Haut¬ 
abteilung Alt und Hoppe, nachdem sie am Uchtspringer Material 
die Dosis efficax tolerata ermittelt, in Gemeinschaft mit 
Schreiber die ersten 50 Fälle von frischer Syphilis behandelt 
hatten, berichtet über seine weiteren Erfahrungen, die sich bereits 
auf 150 Fälle erstrecken. Auch er wendet neuerdings — wie 
die Uchtspringer Aerzte — die intravenöse Injektion an, die der 
intraglutaealen gegenüber den Vorzug der Schmerzlosigkeit und 
schnelleren Wirkung habe. Die neuerdings von ihm angewandten 
Dosen sind 0,6 und 0,7. In 4 Fällen hat er ohne Nachteil nach 
4 Wochen eine zweite Injektion gegeben. Ueberhaupt sah er keine 
nennenswerten Nebenwirkungen, nur Schmerz, mehrtägiges mittleres 
Fieber, ein paar Mal flüchtige Arzeneiexantheme. Die heimlich ver¬ 
breitete Nachricht eines auf seiner Abteilung durch das Mittel vor¬ 
gekommenen Todesfalls bezeichnet er als ganz und gar unrichtig. 
Bei 10 von 128 Fällen trat nach 4 Wochen — ohne daß 
Wassermannsche Reaktion geschwunden war — neues Exanthem 
auf. Schreiber betonte das häufige Vorkommen der Herx¬ 
heim er sehen Reaktion kurz nach der Injektion. Für ihn besteht 
kein Zweifel, daß es mit Hilfe des neuen Mittels, eventuell in 
manchen refraktären Fällen unter Wiederholung der Injektion, 
Steigerung der Dosis oder Kombination mit anderen Präparaten, 
leichter und sicherer als bisher gelingen werde, die Syphilis 
zu heilen. 

Entbehrte die Sitzung der Berliner medizinischen Gesellschaft 
vom 22. Juni schon dadurch nicht eines gewissen historischen 
Interesses, daß Alt und Schreiber, die zuerst in ihren Kranken¬ 
häusern die Methode ausgearbeitet und erprobt haben, ihre 
Beobachtungen mitteilten, so erhielt der Abend seine Krönung 
dadurch, daß der geniale Forscher Ehrlich nunmehr, von 
rauschendem Beifall begrüßt, selbst das Rednerpult bestieg und 
eine ungemein beifällig aufgenommene kurze Ansprache hielt, die 
nach dem offiziellen Sitzungsprotokoll folgenden Wortlaut hatte: 

„Ich danke Ihnen herzlich für den großen Beifall. Aber eigentlich 
gebührt derselbe an diesem Abend weniger mir, als meinen Vorrednern. 
Denn wenn es auch sicher keine gann einfache Sache ist, ein nenes Mittel za 
finden, no ist es anderseits doch auch schwer, ein solches Mittel in die Praxis 
ttbersaffihren. Ich konnte darüber ans den letzten Jahren ein trauriges Lied 



Die neueste Behandlung de* Syphilis usw. 


611 


.singen. So möchte ich denn den Herren, die sich der Erprobung den Mitteln 
in no warmer Weine angenommen haben, aufrichtig danken, in erster Linie 
Herrn Prof. Alt für die große Sorgfalt und Mühe, die er verwandt hat, das 
Mittel vorsichtig in die Praxis einzoführen. Ich kann ja gestehen, mir war 
er manchmal etwas zu vorsichtig (Heiterkeit). Ja, das ist die Ungeduld des 
Erfinders. Ich muß ihm aber doch heute meinen allerherzlichsten Dank aus* 
sprechen; denn nur durch diese sorgfältige Vorprüfung, nur dadurch, daß er 
sich die besten Mitarbeiter suchte — ich erwähne Herrn Dr. Hoppe und 
weiterhin Herrn Dr. Schreiber in Magdeburg —, ist es möglich geworden, 
das Mittel ohne große Erschütterung und glücklicherweise ohne Unfall in die 
Praxis einzuführen. Daneben gilt mein Dank vor allem auch Herrn San.* Rat 
Wechselmann. 

Was die klinische Verwertung anbetrifft, so bin ich ja rein Theoretiker 
und will hier nicht viel darüber sagen. Ich will nur mitteilen, daß auch in 
anderen Staaten gute Resultate erzielt worden sind. So sei nur eine Nach* 
rieht aus Serajewo in Bosnien, das über ein besonders reiches Syphilismaterial 
verfügt, wiedergegeben. Daselbst sind vom Oberarzt Direktor Zech meist er 
und Dr. Glück an 65 Fällen sehr gute Resultate erzielt worden. 

Was nun die theoretische Begründung dieses Mittels anbetrifft, so ist 
der wesentliche Punkt darin zu suchen, daß bei den Tierversuchen die heilende 
Dose nur einen kleinen Teil der Dosis toxica darstellte. Gerade solche Mittel 
verdienen am ehesten beim Menschen versucht zu werden. Nun können ja 
auch alle diese Berechnungen von Tieren täuschen. Es gibt nämlich Fälle, in 
denen — ich möchte sagen — der Mensch ein Loch in die Natur schießt. So 
war es z. B. beim Arsazetin. Dasselbe hat sich beim Tierversuch glänzend 
erwiesen, und wie es beim Menschen angewandt wurde, zeigte es die Uebel- 
stände, die wir vom Atoxyl kennen, wie Erblindung usw. Ich vermute, daß 
hier der Essiggenuß, der den Menschen vom Tier unterscheidet, diese Modi* 
fikation bewirkt hat. Wenn also auch noch so sorgfältig am Tier experi* 
montiert wird, der Uebergang vom Tier zum Menschen hat immer seine 
Schwierigkeiten und bietet seine besonderen Gefahren. Ich hoffe aber, daß 
wir diese Gefahren mit der Dioxydiamidoarsenobenzol - Behandlung nach dieser 
ausgezeichneten Vorarbeit im wesentlichen überwunden haben. 

Dann wollte ich noch einen Pankt erwähnen, und zwar die verschiedene 
Art der Einführung, nämlich intramuskulär oder intravenös. Diese Versuche 
siad mit meinem ausgezeichneten und verdienten Mitarbeiter Dr. Hata an¬ 
gestellt worden. Wenn man einem Hahn die Substanz in die Brustmuskeln 
einspritzt, so beobachtet man. daß so behandelte Tiere 30 Tage vollkommen 
gegen eine Infektion mit Hühnerspirillose gefeit sind. Ja, wir haben schon 
Fälle beobachtet, in denen die Tiere 40 Tage immun waren. Die Ursache 
war sehr leicht zu eruieren. Schnitt man den Muskel ein, so sah man eine 
gelbe Nekrose, die allmählich resorbiert wurde und die chemisch im Laufe 
der Zeit immer weniger von dem Stoff enthielt. Es handelte sich hier also 
um eine typische Vorbehandlung bei subkutaner Einverleibung. Solche Herde 
entstehen auch beim Menschen, indem sich im Injektionsbereich Muskelnekrosen 
bilden, die den Stoff enthalten und langsam abgeben. Wenn man den Hühnern 
dann das Mittel intravenös injiziert, so ist die Sache ganz anders, so wird der 
Stoff sehr rasch ausgeschieden, und nach 3—4 Tagen gelingt die Infektion 
mit Spirillen. Der Modus der beiden Behandlungen, intravenös und intra¬ 
muskulär, ist ganz verschieden. In dem einen Falle handelt es sich um eine 
Depotbehandlung, in dem anderen um einen starken, aber vorübergehenden 
Schlag. Es wird die Aufgabe der Zukunft sein, zu erforschen, weiche von 
diesen beiden Methoden die bessere ist.“ 

Mit Recht hebt die Berliner klinische Wochenschrift in dem 
redaktionellen Teil hervor, daß die medizinische Gesellschaft einen 
großen Abend gehabt habe. Seither sind anch anderswo, so in 
Frankfnrt a. Main von Prof. Treupel, in Wien von Dr. Pick, 
Dr. Dörr und Dr. Pal Vorträge über das neue Mittel gehalten; 
überall ist über gleich günstige Erfahrungen berichtet worden. 

.Alle diese Mitteilangen,“ schreibt die Münchener med. Wochenschrift, 
„zeigen eine merkwürdige Uebereinstimmung. Sie zeigen das Bemühen, in der 



612 


Professor Dt. Alt 


Beurteilung des Mittels möglichst vorsichtig und zurückhaltend zu bleiben, 
und sie vermeiden, namentlich wegen nicht genügend langer Dauer der Beob¬ 
achtungen, eine Aussage über die Dauerhaftigkeit der erzielten Heilungen. 
Dagegen stimmen fast alle überein in dem Erstaunen über die unverkennbare 
prompte Einwirkung des Mittels auf Spirochaeten und luetische Eruptionen. 
Auch das Fehlen schädlicher Nebenwirkungen (abgesehen von der sehr be¬ 
deutenden Schmerzhaftigkeit) bestätigen sämtliche Berichte. Und diese über¬ 
raschenden Wirkungen sind das Resultat einer einmaligen Injektion. Man 
kann hierdurch schon jetzt als gesichert betrachten, daß wir in dem Ehrlich- 
scben Präparat ein auf den Syphiliserreger noch in weit höherem Grade als 
die bekannten Hg-Präparate spezifisch wirkendes Mittel besitzen. Die Therapia 
sterilisans magna, die Ehrlich in seinem Nobelvortrag (D. med W.; 1909,Nr. 6) 
als das Ideal einer rationellen Therapie hinstellte, hat damit ihren ersten 
praktischen Erfolg erzielt. Und darin liegt die große prinzipielle Bedeutung 
dieser Sache.“ 

Man kann nach alledem nur hoffen und wünschen, daß die 
im Prinzip als geradezu wunderbar wirksam erkannte neue Be* 
handlungsmethode nicht durch vorschnelles Steigern der 
Dosis diskrediert werde. Bekanntlich kann auch zuviel 
Pulver eine gute Schußleistung beeinträchtigen. Ich 
persönlich, der ich in langsam bedächtigem Erproben des Mittels 
eine überaus wirksame Dosis gefunden habe, ohne daß der 
geringste unangenehme Zwischenfall vorgekommen ist — bei 
mehr als 180 von meinem treuen Mitarbeiter Hoppe injizierten 
Fällen —, halte es nicht für ratsam, vor der Hand über 
höchstens 0,4 intravenös oder 0,5 intraglutaeal hinauszugehen. 
Erst wenn 3 Monate hindurch mehrere Hundert mit dieser Dosis 
behandelte Fälle genau beobachtet und ohne unerwünschte Neben¬ 
wirkung verlaufen sind, halte ich eine allmählige weitere 
Steigerung für erlaubt. Wenn einige wenige Prozente der be¬ 
handelten Fälle von Syphilis nicht genügende Heiltendenz nach 
der bisher verabreichten Gabe aufweisen, so ist das keineswegs 
ein Grund, ein für allemal hinaufzugehen. Da es sich bei den 
weniger Heiltendenz zeigenden Fällen durchweg um intraglutaeale 
Einverleibung handelte, kann sehr wohl durch besondere Umstände 
eine Art Abkapselung des Mittels und infolgedessen eine nur 
unvollkommene Aufnahme stattgefunden haben. Hierfür spricht 
die Tatsache, daß bei zwei in Magdeburg aus anderen Ursachen 
verstorbenen und obduzierten Personen noch nach 16 bezw. 36 Tagen 
im hiesigen Laboratorium von Hoppe 1 ) und Fischer eine 
meßbare Menge Arsen in der Gesäßmuskulatur nachgewiesen 
werden konnte, während durchweg bei intraglutaealer Injektion 
nach etwa 12—14 Tagen das gesamte Arsen wieder ausgeschieden 
ist. Es muß auch mit der Möglichkeit gerechnet werden, daß 
in manchen Fällen von Syphilis arsenfeste oder doch besonders 
arsenkräftige Spirochaetenstämme vorhanden sind, die 
überhaupt nicht durch Arsen allein abgetötet werden können. 
Das und noch manches andere — z. B. ob die intravenöse Ein¬ 
verleibung wegen zu schneller Ausscheidung nicht vielleicht 
weniger nachhaltig wirkt — muß erst studiert werden, ehe man 
mit der stärksten Ladung schießt, die nach dem Tierversuch als 


‘) Müacheaer med. WochenickrUt; Nr. 28. 



Die neueste Behandlung dei Syphilis usw. 


613 


zulässig ausgesprochen wird. Tier nnd Mensch verhalten sich, 
wie ja gerade erst die Geschichte des Arsazetins gelehrt hat, 
nicht selten grundverschieden einem Mittel gegenüber. 

Das sind noch zu lösende Fragen, die aber die Freude über 
das bereits Erreichte nicht trüben können. 

Jedenfalls steht nach der übereinstimmenden Erfahrung aller 
Beobachter die hochbedeutsame, beglückende Tatsache fest, daß 
Ehrlich und seine Mitarbeiter Hata und Bertheim in rast¬ 
loser genialer Arbeit ein Mittel geschaffen und erprobt haben, 
das im spirillenkranken Tier — sowohl bei Syphilis, wie 
bei Rekurrenz und Schlafkrankheit — wunderbare Heil¬ 
wirkung entfaltet; es steht ferner fest, daß durch meine und 
meiner treuen Mitarbeiter bedächtige Arbeit eine Dosis und 
Einverleibungsart dieses Mittels gefunden worden 
ist, die auch beim syphiliskranken Menschen geradezu 
Wunder wirkt, daß also im Kampf gegen eine der 
schrecklichsten Seuchen eine neue Waffe gefunden 
ist, die aller Voraussicht nach nicht nur vorübergehend den 
Feind besiegen, sondern ihn auch dezimieren, vielleicht sogar in 
gewissem Sinne ausrotten hilft. Eine Waffe, die nicht zufällig 
gefunden, die planmäßig geschmiedet, sinnreich verbessert und 
erprobt wurde. 

Der im vorigen Jahr mit dem medizinischen Nobelpreis 
gekrönte geniale Forscher Paul Ehrlich, Vorsteher des Instituts 
für experimentelle Therapie zu Frankfnrt, dem wir die wunder¬ 
same, beglückende Entdeckung verdanken, hat bekanntlich seit 
seiner Studienzeit her eine ausgesprochene Vorliebe für das Studium 
der Elektivwirkung mancher Farbstoffe und Chemikalien auf 
verschiedene Gewebe und Kleinlebewesen an den Tag gelegt 
und uns im Laufe der Zeit manche, auch praktisch hochbedeut¬ 
same, geniale Färbe- und Unterscheidungsmethode gelehrt. In 
gleich vollkommener Weise ein Meister auf dem Gebiete der 
Chemie, der Bakteriologie und des Tierexperiments hat Ehrlich 
in rastloser Forschung den sicheren Nachweis führen können, daß 
es chemische Stoffe gibt, die vorwiegend von den im Körper 
befindlichen Mikroorganismen aufgenommen (parasitotrope 
Stoffe), andere hingegen mehr von den Organgeweben festgehalten 
(organotrope Stoffe) werden. Die von Ehrlich ersonnene 
Chemotherapie verwendet zur Abtötung der Krankheitserreger 
chemische Stoffe, die zu ihnen eine besonders starke Neigung 
haben, von ihnen fest verankert werden. Paul Ehrlich ist nicht 
nur ein Gelehrter und Forscher ersten Banges, sondern auch ein 
hochbegnadeter Lehrer, der es trefflich versteht, auf seine zahl¬ 
reichen Schüler und Mitarbeiter anfeuernd nnd begeisternd einzu¬ 
wirken und auf sie einen Hauch seiner unermüdlichen Gründlich¬ 
keit zu übertragen. Und so ist es dem großen Meister und seinen 
treuen Helfern gelungen, aus einer Unmenge planmäßig herge¬ 
stellter und gründlich ausprobierter Stoffe — das neue Mittel ist 
Nr. 606 aus der Reihe der durchstudierten Arsen-Verbindungen — 
einige wenige auszulesen, die ganz besondere Avidität zu be- 



614 


ProfcMor Br. Alt. 


stimmten Kleinlebewesen haben, sie auch im Tierkörper zur 
Abtötung bringen, ohne aber die Gewebe und Organe nachhaltig 
zu schädigen. Gelänge es, einem infektionskranken Tier, ohne 
nachhaltige Schädigung seiner Organe, anf einmal so viel von 
solchem parasitotropen Stoff einzuverleiben, daß sämtliche Infek- 
tionskeime absterben, so wäre das eine geradezu ideale Kausal¬ 
therapie, eine Therapia sterilisans magna, wie Ehrlich 
sie treffend bezeichnet. Und das ist im Tierexperiment prompt 
gelungen. Ehrlich, dem wir die Aufklärung der chemischen 
Eigenart und Wirkung des Atoxyls verdanken, hat weit wirksamere 
Arsenverbindungen hergestellt und experimentell bei spirillen¬ 
kranken Tieren erprobt. Daß und weshalb vermutlich in der 
menschlichen Pathologie die im Tierversuch nicht beobachteten 
üblen Nebenwirkungen, namentlich Erblindung, dem Arsazetin 
anhaften, hat Ehrlich ja in der Berliner med. Gesellschaft selber 
mitgeteilt. 

Es folgte das Arsenophenyglyein, bei trypanosomen¬ 
kranken Tieren erstaunliche Heilkraft entfaltend. Aber 
gleich an der ersten Stelle, wo man seine Einführung in die 
menschliche Pathologie versuchte, trat ein höchst unliebsamer, 
entmutigender Zwischenfall ein. Auch mit diesem, nach dem 
Tierversuch in mancher Beziehung idealen Spirillenmittel schien 
ee nichts zu werden in der menschlichen Pathologie. 

Da schlug Geheimrat v. Wassermann vor fast 2 Jahren 
seinem Meister und Freund vor, von nun ab die klinische Er¬ 
probung der neuen Mittel in eine Hand zu legen. So wurde ich 
mit der ehrenvollen, aber auch verantwortungsreichen Aufgabe 
betraut, der ich mit Hilfe treuer Mitarbeiter gerecht zu weiden 
hoffte. Trefflich zu statten kam mir der Umstand, daß Dank der 
Munifizens der sächsischen^ Provinzial-Verwaltung 
die meiner Leitung unterstellte Landesheilanstalt Uchtspringe 
(mit rund 1500 Kranken und 12 Aerzten) über ein trefflich ein¬ 
gerichtetes Stofiwechsellaboratorium sowie über ein serologisches 
Laboratorium verfügt. Durch meinen langjährigen treuen Mit¬ 
arbeiter Oberarzt Hoppe und Dr. Fischer wurden genaue Unter¬ 
suchungen über die Ausscheidung des Arsens sowie über den 
Stoffwechsel der Behandelten angestellt; die serologischen Unter¬ 
suchungen bewirkten Dr. Wittneben, Dr. Jach und Dr. 
Schwartz, die mikroskopischen Blutuntersuchungen Dr. Plange 
und Dr. Schwartz; die Herren Abteilungs- und Oberärzte gingen 
klinisch treu zur Hand, kurzum das gesamte Aerztepersonal der 
Anstalt gab sich der großen gestellten Aufgabe schaffensfreudig hin. 

Wir konnten — ohne unangenehmen Zwischenfall — bei mehr 
als 150 Behandelten feststellen, daß auch das Arsenophenyl- 
glycin im syphiliskranken Menschen unverkennbar günstig ein¬ 
wirke, daß die Wasser mann sehe Reaktion bei etwa 16°/o der 
Spätsyphilitiker zum Schwinden, bei 27 °/ 0 zur Abschwächung ge¬ 
bracht werde, daß der LezinthinstoffWechsel bei Paralytikern 
ganz auffällig in günstigem Sinne beeinflußt, eine Hyperleuko- 
zytose des Blutes herbeigeführt wurde. Auch hatten wir allen 



Die neueste Behandlung der Syphilis usw. 


616 


Grund anzunehmen, daß von uns bei luetischen Epileptikern und 
bei frischen Paralytikern beobachtete weitgehende Besserungen 
dem in neuartiger Methode einverleibten neuen Arsenpräparat 
zuzuschreiben seien. Wir haben nämlich die bis dahin allgemein 
übliche Etappenbehandlung sehr bald aufgegeben und sind zum 
einmaligen konzentrierten Angriff ftbergegangen, d. h. wir ver¬ 
abfolgten an 2 aufeinanderfolgenden Tagen je 0,8 bis 1,0 Arsen- 
ophenyglycin und damit Schluß. 

Hauptgrund zu dieser konzentrierten Methode gab für 
mich die früher in äußerst zahlreichen Tierversuchen gemachte 
Beobachtung, daß allemal dann, wenn man längere Zeit hindurch 
den Tieren auch nur kleine Dosen von Gift gegeben hatte, Organ¬ 
veränderungen vor sich gingen, daß man hingegen ohne nach¬ 
haltigen Schaden eine recht große Dosis Gift anf einmal geben 
konnte. Wenn die Tiere die Vergiftung überhaupt überstanden, 
konnte man nach 3 bis 4 Wochen nachweisen, daß die Organe 
intakt daraus hervorgegangen waren. Mit dieser, von Geheimrat 
Ehrlich aus anderen Erwägnngen heraus ebenfalls sehr ge¬ 
wünschten und bewillkommneten konzentrierten Methode 
der Arsenophenylglycin-Darreichung sind nach einer Mitteilung 
des Londoner Büros zum Studium der Schlafkrankheit mancher- 
wärts in den Kolonien nachhaltige Heilerfolge bei schlaf¬ 
kranken Menschen erzielt worden. Die Arsenophenyl- 
glycintherapie, die zwar noch nicht allgemeiner eingeführt 
ist, bedeutet jedenfalls einen gewaltigen Fortschritt. Ver¬ 
mutlich wird sie noch bei manchen, namentlich chronischen, 
spirillösen Krankheiten zu Ehren kommen. 

Für uns in Uchtspringe bedeutete sie außerdem eine vor¬ 
zügliche Schulung zur Prüfung des neuesten Arsenpräparates, 
Dioxydiamidoarsenobenzol, auch aus bereits angeführtem 
Gründe Marke 606 l ) benannt. 

Im September v. J. hat Geh. Bat Ehrlich mir mitgeteilt, 
daß er ein neues Präparat gefunden habe, das im Tierexperiment 


*) Das Dioxydiamidob enzol, auch Marke 606 benannt, ist ein in Vacuum- 
röhrchen versandtes, schwefelgelbes Pulver. Die ursprünglich von uns ange¬ 
gebene Injektionstechnik ist folgende: 

In ein niedriges Maßgefäß von ca. 60 ccm wird die Einzeldosis 0,3 
— soviel verwenden wir jetzt durchweg — und etwa 10 ccm steriles 
Wasser eingefügt und verrührt. Dann wird soviel sterile N.- Natronlauge 
zugelttgt, bis ein nur ganz geringfügiger Best der Substanz ungelöst 
bleibt; benötigt wird hierfür durchweg 2,0 —2,3 ccm N.-Natronlauge. 
Es wird nun bis zum Strich 20 ccm mit sterilem Wasser nachgefüllt, 
eventuell nach vorheriger Beifügung eines sterilisierten Anästhetikums. 
Nun wird je eine Spritze mit 100 ccm der Lösung tief in die rechte und 
in die linke Glutealmuskulatur unter langsamem Kolbendruck eingefügt. 
Zweckmäßig legt sich der Injizierte auf den Leib und bleibt etwa */» 
Stunde so liegen. 

Bei Erhöhung der Menge muß entsprechender Mehrzusatz von sterilem 
Wasser und N.-Natron lange erfolgen. 

Zur intravenösen Injektion kommt erheblich dünnere Lösung zur Ver¬ 
wendung. Die Technik ist so penibel, daß schon aus diesem Grunde die An¬ 
wendung des Mittels für den Praktiker unangängig ist. 



616 


Professor Dr. Alt 


noch weit wirksamer sei, das Hatapräparat. Er bat mich, auch 
dieses nene Mittel, mit dem noch keinerlei Versuche bei Menschen 
angestellt seien, in der menschlichen Pathologie za erproben. 
Gern sagte ich za, zamal durch die von ans bei etwa 150 Menschen 
ohne jeden schweren Zwischenfall vorgenommene Arsenophenyl- 
glycinbehandlung eine gründliche Schalung vorlag. Wir haben 
ans zunächst, wie das der Brauch ist, mit höheren Tieren be¬ 
schäftigt. Wir haben Versuche am Hand and am Hammel ge¬ 
macht , um auch Aber die Aosscheidong klar zu sehen, über die 
örtliche Wirkang and dergl., namentlich am die etwaige Blut- 
veränderang za sehen. Dann sind wir daza übergegangen, am 
Menschen Versuche zu machen. Zwei meiner Kollegen hatten 
den heroischen Mat, selbst an sich einen Versuch machen zu 
lassen. Sie haben sich eine Dosis von 0,1 eingespritzt. Abge¬ 
sehen von einer lokalen Schmerzhaftigkeit war ihnen nichts be¬ 
gegnet. Erst dann gingen wir in der früher schon angegebenen 
bedächtigen Weise zu Versuchen an Kranken über and konnten 
die im März von mir veröffentlichte wirksame Dosis and praktische 
Einverleibangsart feststellen. Wir haben anch von dem Hata- 
Präparat eine Einwirkung auf die Blatbildang, eine beträchtliche 
Zunahme der weißen Blutkörperchen, eine günstige Beeinflussung 
des Lezithinstoffwechsels, eine Schwächung und stellenweise Auf¬ 
hebung der Wassermannschen Reaktion, eine unverkennbare 
günstige Beeinflussung mancher klinischen Symptome beobachtet 
Nachdem wir dies gesehen hatten, war es verlockend, zu er¬ 
forschen, wie das Mittel am frischen Syphilitikermaterial wirke. 
Wir haben uns vertrauensvoll an Herrn Kollegen Schreiber, 
den Oberarzt des Magdeburger Altstädtischen Krankenhauses, 
gewandt, mit ihm den Plan besprochen und ihm mitgeteilt, was 
wir alles vorher getan hatten; er hatte die Liebenswürdigkeit, 
uns zu gestatten, daß wir — ich und mein treuer Mitarbeiter 
Hoppe — die Behandlung gemeinsam mit ihm machten. 
Die Injektion der ersten 50 Syphiliskranken ist von unserem 
Uchtspringer Oberarzt Hoppe, der die Technik besonders be¬ 
herrscht, in Magdeburg vorgenommen worden. Wir konnten um 
so zuversichtlicher Vorgehen, weil wir niemals nennenswerte In¬ 
toxikationserscheinungen bei unseren genau beobachteten Kranken 
gesehen hatten, weil in allen Fällen die genauen Stoffwechsel¬ 
untersuchungen vorgenommen waren, und weil namentlich auch 
die Arsenausscheidang genau studiert war. 

Ueber die von uns beobachtete wundersame Wirkung 
des neuen Mittels ist bereits eingangs berichtet worden, ebenso 
welch völlige Uebereinstimmung mit untereren Beobachtungen 
und Schlußfolgerungen die zahlreichen, berufensten Fachmänner 
bekundet haben. 

Wir sind um eine neue Heilweise bereichert, die ihresgleichen 
noch nicht hat, die unbestreitbar den bisherigen Behandlungs¬ 
methoden der Syphilis weit überlegen ist und namentlich auch in 
solchen Fällen prompte Wirkung entfaltete, in denen Quecksilber 
und Jod versagten oder nicht vertragen wurden. Ein fundamentaler 



Die neueste Behandlung der Syphilis uaw. 


B17 


Vorzug der Methode liegt darin, daß sie den Krankheitverlauf 
enorm abkürzt und den Menschen nur ganz kurze Zeit seinem 
Beruf und seiner Tätigkeit entzieht. 

Es ist kaum zu bezweifeln, daß die jetzt ihr noch anhaftende 
Schmerzhaftigkeit nach Verbesserung des Präparates bezw. seiner 
Lösung zu beseitigen ist, und daß die wenigen, auf die einmalige 
Injektion geringere Heiltendenz zeigenden Ausnahmefälle 
durch eine wiederholte oder kombinierte Behandlung eben* 
falls zu glatten Ablauf kommen. Auch daß auf dem Wege eine 
prompte Heilung zu erzielen sein wird, lassen die bisherigen Er¬ 
fahrungen bei Mensch und Tier erhoffen. 

Glücklicherweise setzt uns die Wasser mann sehe Reaktion 
in die Lage, nicht erst Jahre und Jahrzehnte abwarten zu müssen, 
um beurteilen zu können, ob ein Mensch von Syphilis geheilt ist 
oder nicht. Nach Ablauf eines Jahres werden wir uns schon 
ein endgültiges Urteil erlauben dürfen, ob, wie es den Anschein 
hat, die neue Heilweise auch endgiltig zu heilen vermag. 

Dem beamteten Arzt, dem die Erhaltung und För¬ 
derung der Volksgesundheit, vorbeugende Bekämpfung der 
Volksseuchen, also gewißlich auch der so weit verbreiteten 
und auf Generationen hinaus verhängnisvollen Lustseuche pflicht¬ 
mäßig obliegt, eröffnet die neue Heil weise der Syphilis manchen 
verheißungsvollen Ausblick. Da die Erkennung auch der 
latenten Form der Syphilis, die ja jederzeit wieder aufblühen und 
einen Ansteckungsherd abgeben kann, durch dieWassermann- 
sche Reaktion ganz wesentlich erleichtert, man kann sagen, fast 
immer ermöglicht wird, ist eine regelmäßige serologische Unter« 
Buchung aller Kantrollmädchen und gegebenenfalls ihre zwangs¬ 
mäßige Behandlung auf dem Wege der Gesetzgebung oder der Polizei¬ 
verordnung anzustreben. Wer gewerbsmäßig den Geschlechtsver¬ 
kehr ausübt, muß sich auch den im Interesse der Betriebssicherheit 
zu stellenden Forderungen unterwerfen. Gibt es eine Heilweise, 
welche die dem Dirnenberuf anhaftende Gefahr der Weiterver- 
breitung einer Volksseuche zu beheben oder doch für geraume Zeit 
zu beseitigen vermag, so muß im Interesse der Volksgesundheit ihre 
Anwendung gefordert werden. Es ist also anzustreben, daß die 
Kontrollmädchen serologisch untersucht und im Fall 
des positiven Ausfalls der Wassermannschen Reaktion 
der so einfachen und anscheinend unschädlichen 
neuen Heilweise zwangsmäßig unterworfen werden. 

Für eine der größten deutschen Provinzialstädte sind bereits 
entsprechende Maßnahmen in der Vorbereitung. 

Es ist allgemein anerkannt, daß die infolge geistiger Minder¬ 
wertigkeit oder ungenügender häuslicher Erziehung schon in 
früher Jugend mit dem Strafgesetzbuch in Konflikt geratenen 
und darum der Fürsorgeerziehung anheimfallenden Mädchen 
in besonderem Grade der Unsittlichkeit fröhnen, syphilitischer 
Ansteckung ausgesetzt sind und, weil sie sich leicht einem Jeden 
preisgeben,zu gefährlichenSpirochaeten-Uebermittlern 
werden. 



518 


Professor Dr. Alt. 


Jeder Arzt, dessen Beruf ihn zu näherer Bekanntschaft mit 
diesen unglückseligen, nach vielen Tausenden zählenden jangen 
Geschöpfen zwingt, kennt ihren sittlichen Tiefstand, ihren leicht¬ 
fertigen Lebenswandel, ihre geschlechtliche Gemeingefährlichkeit. 
Erst kürzlich wurde auf meine Veranlassung eine serologische 
Untersuchung von 21 kurz vor der Fürsorgeentlassung stehenden 
Mädchen vorgenommen und festgestellt, daß 18 von ihnen positive 
Wasser mann sehe Reaktion ergaben. Wer da weiß, wie wahl¬ 
los und gierig derartige junge Mädchen nach Aufhörung der über 
sie verhängten Freiheitseinengung dem Geschlechtstrieb folgen, 
welch’ vielbegehrtes, leicht zu erlangendes Objekt sie für die 
Männerwelt der unteren Schichten abgeben, der kann ermessen, 
welche ungeheure Gefahr sie für die Volksgesundheit darstellen, 
welche verhängnisvolle syphilitische Aussaat sie im weiten Um¬ 
kreis ausstreuen. Aus dieser unbestreitbaren Tatsache leite ich 
die Forderung ab, daß alle in Fürsorgeerziehung befind¬ 
lichen Mädchen angemessene Zeit vor ihrer Freigabe sero¬ 
logisch untersucht und gegebenenfalls zwangsweise einer 
spezifischen Behandlung nach der neuen Heilweise unter¬ 
zogen werden. 

Daß erst recht bei allen wegen sittlicher Verfehlungen und 
Uebertretungen, Vagabondage, Zuhälterei etc. in den Strafanstalten, 
Gefängnissen, Arbeitshäusern etc. befindlichen Personen die gleiche 
Maßnahme angezeigt ist, bedarf keiner besonderen Begründung. 
Erfahrungsgemäß ist in den Kreisen wegen des sehr ungenierten 
Geschlechtsverkehrs die Verbreitung geschlechtlicher Erkrankung 
sehr erleichtert. Dieser Giftbrunnen muß zugeschüttet 
werden. 

Die neue Heilweise sollte auch den Anstoß geben, die Häufig¬ 
keit der lues innocentium und der Ines hereditaria mittels 
der Was s er mann sehen Reaktion festzustellen und dann ent¬ 
sprechende Behandlung einznleiten. Es wird sich gewiß ohne 
große Schwierigkeit und Kosten durchführen lassen, in allen 
öffentlichen Entbindungsanstalten planmäßig serologische 
Untersuchung aller eingelieferten Schwangeren und bei positivem 
Ausfall der Wassermann sehen Reaktion durch einmalige 
Injektion eine spezifische Behandlung vorzunehmen. Freilich ist 
erst durch exakte Untersuchungen darzutun, ob nicht durch 
Plazentarstoffe eine Wassermann sehe Reaktion vorgetäuscht 
werden kann. Werden derartige Untersuchungen regelmäßig in 
den Entbindungsanstalten angestellt, so wird auch das Interesse 
der künftigen Hebammen, die ja dort ihre Ausbildung 
finden, geweckt und damit für den Aufklärungsdienst im 
Volke viel gewonnen. Gerade die Hebamme hat, wie keine andere 
Person, reichlich Gelegenheit in ihrem Beruf, manche Anzeichen 
syphilitischer Erkrankung diskret wahrzunehmen, und nachdrucks¬ 
voll den Rat zur Vornahme einer serologischen Untersuchung und 
eventuellen Behandlung zu geben. 

Es wurde schon erwähnt, daß in der von mir geleiteten 
Landesheilanstalt 9 # / 0 der jugendlichen Idioten erweislich hereditär 



Die neueste Behandlung der Syphilis asw. 


619 


luetisch waren. In größeren Städten wird das Prozentyerhältnis 
— wie das ja fdr Berlin schon erwiesen ist — durchweg hoher 
sein. Es wäre sehr lohnend, auch in Blinden- und Taubstummen¬ 
anstalten planmäßig auf die Häufigkeit der heriditären Lues zu 
fahnden. Anscheinend ist man auch der ererbten Lues gegenüber 
in den frühen Lebensjahren nicht so ganz machtlos. 

Vorhin wurde der Bedeutung des Aufklärungs¬ 
dienstes schon kurz Erwähnung getan. Ihm kommt eine ganz 
besondere Aufgabe zu. Wenn erst allgemein bekannt wird, daß 
die Tabes, die Paralyse etc. ausschließlich auf dem Boden 
der Syphilis erwachsen, daß der Paralyse allein in Deutschland 
alljährlich gegen 3000 Menschen zum Opfer fallen, daß unter den 
Paralytikern in ungeheurem Prozentverhältnis solche einstige 
Syphilitiker vertreten sind, die entweder eine nur sehr unvoll¬ 
ständige oder meist gar keine ärztlich fiberwachte Eur durch¬ 
gemacht haben — recht häufig hOre ich von Paralytikern, daß 
der Naturheilkundige und der Homöopath sie wunderbar schnell 
und schmerzlos geheilt habe —, dann wird gewiß ein recht 
wirksamer Ansporn gegeben, sich richtig fachmännisch untersuchen 
und behandeln zu lassen. So leichtfertig die Menschen in der 
Jugend auch sein mögen, der Gedanke an eine etwaige nach¬ 
folgende schwere geistige Erkrankung wird recht viele bestimmen, 
nichts unversucht und ungeschehen zu lassen, was sie schätzen 
kann vor solcher Gefahr. Die progressive Paralyse, die schreck¬ 
lichste aller Kulturkrankheiten, ist nicht Folge der Entartung, 
sondern der syphilitischen Erkrankung. Ihrer Zunahme kann durch 
aufklärende Belehrung, durch rechtzeitige, sachgemässe Behandlung 
der Grundkrankheit gründlich vorgebeugt werden. Einer plan- 
mässig ins Werk gesetzten Bekämpfung der Syphilis wird es 
gelingen, die augenblicklich in Deutschland und mehr noch in 
manchen anderen Kulturstaaten erschreckend hohe Zahl der 
Paralytiker ganz beträchtlich zu reduzieren, sie zu dezimieren. 

Es sollte keine Gelegenheit versäumt werden, aufklärend 
dahin zu wirken, daß alle jungen Männer, die einmal einen 
Schanker gehabt haben, sich serologisch untersuchen und grfind- 
liehst behandeln lassen. Besonders in den Kreisen, in denen die 
Paralyse die zahlreichsten Opfer fordert, in den Offizierskorps, 
bei den akademisch Gebildeten, den Eisenbahnbeamten etc. muß 
planmäßige Aufklärung erteilt werden. Der Umstand, daß da¬ 
durch manch einer zum Hypochonder werden, die Syphilidophobie 
ansteigen könnte, ist gering anzuschlagen im Vergleich zn dem 
sicher zu erwartenden Segen. Wieweit durch die neue Heilweise 
in den Frfihstadien der Tabes und Paralyse noch eine wirksame 
Behandlung möglich ist, kann mangels ausreichender Erfahrung 
noch nicht beantwortet werden. Immerhin hat es den Anschein, 
als ob namentlich bei Tabes und Taboparalyse eine recht günstige 
Beeinflussung stattfinde. Natürlich kann, was an Nervensubstanz 
eingeschmolzen ist, nicht wieder ersetzt werden. Günstige Be¬ 
handlungschancen bieten sich nur dann, wenn das früheste 
Wetterleuchten der Paralyse als solches erkannt wird. 



520 


Dr. Malert 


Der Schwerpunkt der Bedeutung der neuen Heilweiee der 
Syphilis liegt für den Psychiater in der wesentlich erhöhten Mög¬ 
lichkeit einer vorbeugenden Bekämpfung der syphiliti¬ 
schen nnd metasyphilitischen Erkrankungen des Nerven¬ 
systems und der darauf beruhenden Psychosen. 


Ueber Pemphigus neonatorum. 

Von Kreisarzt Mediziaalrat Dr. Malert in Waren. 

In Nr. 4 dieser Zeitschrift des Jahrgangs 1900 habe ich 
Ober eine Anzahl selbst beobachteter Fälle von Pemphigus neona¬ 
torum berichtet und aus der Literatur 76 Fälle mit 21 = 27,6 •/<> 
Todesfällen zusammengestellt. Ich habe damals betont, wie not¬ 
wendig es sei, daß die Medizinalbeamten mehr als bisher dieser 
doch bisweilen recht bösartigen Erkrankung der Neugeborenen 
ihre Aufmerksamkeit zuwenden. Einige jetzt wieder beobachtete 
Fälle der Erkrankung, die aus der Praxis einer Hebamme 
stammen und auch dadurch interessant sind, daß zu gleicher Zeit 
in der Praxis derselben Hebamme ein tödlich verlaufender Fall 
einer Hautkrankheit bei einem Neugeborenen vorgekommen ist, 
der von dem behandelnden Arzte als Dermatitis exfoliativa 
neonatorum diagnostiziert wurde, haben mich veranlaßt, mich 
nochmals besonders mit dem Pemphigus neonatorum zu be¬ 
schäftigen. 

Es sind seit meiner Veröffentlichung mehrere Arbeiten Ober 
Pemphigus neonatorum erschienen, von denen mir folgende be¬ 
kannt sind: 

ln der vorher erwähnten Nummer dieser Zeitschrift (Nr. 4, Johrg. 1900) 
kommt Kreisphysikos Dr. Hesse za Lünebarg in einem Aalsatz über 
Pemphigus za dem Schloß, daß es nicht gerechtfertigt sei, die Hebamme 
allein als die Verbreiterin der Krankheit anzasehen. Er halte es nicht für 
richtig, gegen dio Hebamme mit allerlei Desinfektionsmaßregeln vorsagehen 
and meine, daß man den Kranken als Träger des Infektionsstoffes betrachten 
müsse. Seiner Ansicht nach ist der Pemphigus eine Haatnearose, deren 
Ursache nicht immer klar ist, die aber meistens bei den Eltern liege, and 
zwar hätten die Eltern entweder hart mit der Not des Lebens za kämpfen 
oder seien nearopathiscb, Trinker etc. and lebten in ärmlichen Verhältnissen. 
Er führt zam Schloß seiner Arbeit die Schlaßfolgerangen einer weiteren 
Arbeit über Pemphigus neonatorum von Dr. Block aas dem Kaiser* and 
Kaiserin Friedrich -Kinderkrankenhaus za Berlin an, welche folgende sind: 

1. Der Pemphigas acatas neonatoram (non syphiliticus) tritt in 2 
Formen, einer benignen nnd einer malignen aaf. 

2. Die maligne Form, welche in der Mehrzahl der Fälle letal endet, 
beruht aaf einer septicämischen Erkrankung; dabei spielt der Streptococcen 
pyogenes die deletäre Bolle; die Eintrittspforte für die Infektion liegt nicht 
klar za Tage. 

3. In differential diagnostischer Beziehang kommen aasgedehnte Ver¬ 
breitungen, der Pemphigas foliaceus (Cazenave) and die Dermatitis exfoliativa 
(Bitter) in Betracht. 

4. Viele Fälle von malignem Pemphigas werden fälschlicherweise als 
Pemphigas folioceas beschrieben. Viele Fälle von Dermatitis ex¬ 
foliativa stellen nichts anderes dar als einen Pemphigas 
acatas malignas neonatoram. 

5. Die Pemphigas - Erkrankung gehört keineswegs za den unschuldigen 
Krankheiten des Säaglingsalters; ihre große Uebertragbarkoit, namentlich 
darch Hebammen, machen eine gesetzliche Anzeigepilicht nötig. 


tJober Pemphigus neonatorum. 


521 


6. Für die Therapie kann bei benignen Fällen die Anwendung ein* 
prozentiger Salizylsalbe Platz greifen, bei den malignen Fällen ist bisher nur 
mit der kombinierten Anwendung von Eichenrindenabkochungen und Trocken* 
pulvern (Zink, Talcum) Heilerfolg erzielt worden. 

Im Jahrbuch fttr Kinderheilkunde (Hai 1903) findet sich dann ein 
Bericht von Dr. Bokelmann Uber ein zwölftägiges Kind mit Pemphigus 
contagiosus, welches noch sechs weitere Kinder bis zum Alter von 15 Monaten 
infizierte. Verfasser berichtet zugleich, daß beide Eltern des Kindes damals 
an einem Bläschenausschlag am Munde gelitten hätten, den sie sich durch 
Kttssen des erkrankten Kindes zugezogen hätten. 

Weiter berichtet inNr. 21 der Münchener med. Wochenschrift, 1907 
der Kinderarzt Dr. Kaupe aus Dortmund über ein zehntägig Kind, welches 
noch die Mutter und zwei andere Kinder infizierte; er berichtet, daß die Ae* 
tiologie des Pemphigus noch nicht klar gestellt sei, daß es sich aber um 
einen spezifischen Diplococcus handle, der von Femme isoliert sein soll. 

In Nr. 8 dieser Zeitschrift v. J. 1908 kommt Medizinalrat Dr. Bichter, 
Kreisarzt in Elbing, zu dem Schluß, daß die Hebammen den Pemphigus und 
zwar durch verliehenes Taufzeug übertrügen. 

Die jetzt von mir, wie schon gesagt, in der Praxis einer 
Hebamme festgestellten Fälle sind folgende: 

November 1909, Neugeborenes in der Familie. eines Kauf¬ 
manns. Januar 1910, Neugeborenes in der Familie eines Rektors, 
infizierte seine Mutter, deren Schwester und seine drei Geschwister. 
Februar 1910, Neugebomes in der Familie eines Rentners. März 
1910, Neugeborenes in der Familie eines Apothekers, gestorben. 
Dieser Fall wurde von dem behandelnden Arzt als Dermatitis 
exfoliativa angesehen. März 1910 vierwöchentliches Arbeiterkind. 

Die Behandlung habe ich in keinem der Fälle gehabt, habe 
aber, sobald ich Kenntnis vom Auftreten des Pemphigus erhielt, 
was freilich erst recht spät geschah, die Hebamme im hiesigen 
Krankenhause der ffir Hebammen zur Desinfektion vorgeschriebenen 
großen Desinfektion unterziehen lassen und dies Verfahren nach 
dem tödlich verlaufenen Falle wiederholen lassen. Weitere Fälle 
sind darauf nicht zu meiner Kenntnis gekommen. 

Die Schifiese, die ich aus diesen Fällen ziehe, sind folgende: 

1. Die Ansicht, daß der Pemphigus vorwiegend Kinder 
in ärmlichen bezw. neuropathischen Familien befalle, kann ich 
nicht teilen; die diesmal in Waren befallenen Kinder entstammten 
mit einer Ausnahme wohlsituierten und sämtlich nicht belasteten 
Familien. 

2. Der angebliche Fall von Dermatitis exfoliativa ist ein 
maligner Fall von Pemphigus gewesen. Eb wäre außerordentlich 
wunderbar, wenn in der Praxis derselben Hebamme plötzlich ein 
Fall von Dermatitis exfoliativa isoliert vorgekommen wäre. Es 
sind übrigens auch in diesem Fall, wie mir nachträglich mitge¬ 
teilt ist, anfangs „kleine Bläschen* vorhanden gewesen. 

3. Die Ansteckung wird allem Anschein nach hauptsächlich 
durch die Hebamme übertragen. Wie und auf welchem Wege 
entzieht sich unserer Kenntnis. Ausgiebige unter Umständen 
wiederholte Desinfektion der Hebamme, ihrer Kleidung und Instru¬ 
mente ist notwendig. 

4. Anzeigepflicht bei Pemphigus neonatorum ist nicht nur 
für die Hebammen, sondern auch ffir die behandelnden Aerzte 
notwendig. 



t>22 


Kleinert) Mitteilungen and Referate atu Zeitschriften. 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 

A. Oeriohtllohe Medizin. 

Ueber Todesfälle mit geringem oder negatirem Obduktionsbefunde 
and deren Deutung. Atu der Königlichen gerichtsärztlichen Unterrichts- 
anstalt der Universität zu Göttingen. Von Prof. Dr. med. Th. Lochte, 
Kreisarzt, Direktor der Anstalt. Vierteljahrsschrift für ger. Medizin und öffent¬ 
liches Sanitäts wesen; 3. F., XXXIX, 2., S. 327—343. 

Die anregend geschriebene Zusammenstellung gibt eine fast vollständige 
Aufzählung der in Betracht kommenden Zustände. Es muß jedoch auf das 
Original verwiesen werden, da es sich zum Referat nicht eignet. 

_Dr. P. Fr aen ekel-Berlin. 

Der Erstiekungsrorguug beim spinalen Tier. Von R. Kaya und 
E. H. Starling. Journal of Physiology; 1909, XXXIX, Nr. 5, Dezember. 

Physiologisch lassen sich zwei ursächliche Faktoren und zwei Symp¬ 
tomengruppen des Erstickungsvorganges unterscheiden. 

1. Vermehrte CO i-Spannung des Blutes. Diese wirkt ausschließlich 
auf die nervösen Zentren der Medolla oblongata und des Gehirns; sie hat 
Hyperpnoe oder Dyspnoe mit gesteigerten, aber geordneten Atembewegungea 
zur Folge. Konvulsionen werden durch die Kohlensäureüberladung nicht 
hervorgerufen. 

2. Verminderter 0- Gehalt des Blutes und der Gewebe. Sinkt die 
0-Spannung unter eine bestimmte Grenze, so treten Krämpfe der gesamten 
Körpermuskulatur ein und Konstriktion aller Blutgefäße. Bei kurazisiertea 
Tieren beobachtet man nur Spasmus der Arterien und Blutdrucksteigerung. 
Auf die Herztätigkeit wirkt der 0- Mangel von Anfang an in depressivem 
8inne und kompensiert dadurch die Wirkung der Gefäßkonstriktion so sehr, 
daß statt der erwarteten Blutdrucksteigerung primäres Sinken des Blutdrucks 
eintritt. 

Die Erstickungserscheinungen werden eingeleitet durch die Exaltation 
der Medulla oblongata infolge vermehrter CO 1 -Spannung. Die Vergesell¬ 
schaftung mit der z. T. antagonistischen Wirkung der verminderten 0-Spannung 
bedingt den oftmals ungeordneten Ablauf des Erstickungsvorgangs. 

_Dr. Revenstorf-Breslau. 

Bemerkungen über die Lebenserhaltung Verschütteter. Von 
Pb. S. Silberstern. Wiener klinische Wochenschrift; 1909, Nr.8. 

Verschüttung ist diejenige Form der Erstickung, bei welcher der Tod 
am langsamsten Antritt. Rumpfkompression und ungenügender Luftzutritt 
führt schließlich das Lebensende herbei. Die Geretteten erliegen oftmals noch 
den Folgen der Sandaspiration. Auch Personen, welche infolge von Lawinen- 
Stößen unter Schneemassen begraben wurden, können noch mehrere Tage ihr 
Leben fristen. 

Verfasser teilt einen Fall mit, in dem ein 80jähriger Arbeiter durch 
einen Sandeinbruch in einem Brunnenschacht verschüttet wurde. 60 Stunden 
nach dem Brunneneinsturz gelang es, den Verunglückten, der seinen rechten 
Arm vor das Gesicht gehalten hatte, um Mund und Nase vor eindringenden 
Sand zu schützen, lebend zutage zu fördern. Delirien, zwei Tage später plötz¬ 
licher Tod infolge von Lungenödem und Lungenentzündung, die die Unter¬ 
lappen betraf und nach Art von Aspirationspneumonien fast symptomenios 
verlaufen war. Der Lungensaft aus den verdichteten Partien wies kleinste 
aspirierte Sandpartikelchen auf. _Dr. Revenstorf-Breslau. 

Ueber Stichverletzungen des Gehirns. Von Dr. Heinrich Schlöß, 
k. k. Regierungsrat und Direktor der u. ö. Landesheil- und Pflegeanstalten 
„Am Steinhof* ln Wien. Wiener med. Wochenschrift; 1910, Nr. 14 und 15. 

Der Verfasser berichtet eingehend über eine derartige Verletzung. Bei 
einem hereditär veranlagten (Vater, Potator) 86jährigen, seit Jahren dem 
Alkohol ergebenen, mit schwerer Lungentuberkulose behafteten, hochgradig 
marastischen Mann traten psychotische Erscheinungen auf, die sich anfänglich 
in Delirien, später in erschwerter Auffassung, ungeordneten Qedankengang, 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


628 


Afflaeslen und Erinnerungsfälschungen äußerten. Die Obduktion ergab eine 
ausgedehnte chronische Langen*, Darm* and Nierentuberkulose. Entsprechend 
einer Narbe in der Koplhaat Aber dem rechten Stirnbein war im Schädeldach 
fixiert eine Messerklinge, welche, mit der Spitze nach vorne and einwärts 
gerichtet, 6 cm lang in das Qehirn hineinragte. Im ganzen Umkreis am die 
Verletzungsstelle war die Hirnsabstanz erweicht. 

Die Meessrkiinge saß seit einer Raaferei vor 18 Jahren im Qehirn, ohne 
irgendwelche klinischen Erscheinungen auszulösen; denn außer zeitweiligen 
Kopfschmerzen, welche aach aal die Taberkalose and den Alkoholismus be¬ 
zogen werden konnten, hatte der Kranke nie zerebrale Symptome dargeboten. 
Bei der zam Schloß einsetzenden Psychose spielte das Trauma als ätiologischer 
Faktor keine Rolle, weil er 18 Jahre hindurch keine klinischen Erscheinungen 
hervorgerufen hatte, and weil sich in den letzten Wochen zahlreiche ätiologi¬ 
sche Momente, wie hereditäre Belastung, Potas, allgemeine Erschöpfung, 
Fieber und Toxinwirkang, gehäuft hatten, welche auch ohne Trauma eine 
Psychose hervorrufen können. 

Aus der Literatur stellt der Verfasser noch 18 Stichverletzungen des 
Gehirns zusammen. Besonders erwähnenswert ist, daß in einem Falle die ab- 

g ebrochene Messerspitze nach 41 Jahren eine tOtliche Meningitis veranlaßte. 

’erner erfolgte einmal der Tod durch Verletzung der Art. meningea media, 
in zwei anderen Fällen entstand ein Hirnabszeß. Fünfmal war die Stich- 
Verletzung durch einen Nagel, je einmal durch eine Dunggabel und durch eine 
Nadel verursacht worden. Die Nadel war in der Kindheit durch die große 
Fontanelle eingetrieben und hatte 79 Jahre im Gehirn verweilt, ohne besondere 
Erscheinungen hervorzurufen. 

Ferner erwähnt er neun Fälle, bei denen Fremdkörper durch die Orbital- 
hohle in das Gehirn eingedrungen waren. Das eine Mal handelte es sich um 
einen 3 Zoll langen Schieferstilt, der mit seinem hinteren Ende bis in den 
Hinterhauptslappen gedrungen war und dort Jahrzehnte gelegen hatte, ohne 
Erscheinungen zu machen. Zweimal war durch Explosionswirkung ein Eisen¬ 
stab durchs ganze Gehirn hindurch und aus dem Schädel herausgetrieben, der 
Verlust der Sehkraft auf einem Auge bezw. aphasische Storungen waren die 
Folge dieser Verletzungen. 

Die Prognose der Stichverletzungen des Gehirns ist immer, wie der 
Verfasser ausführt, eine ungewisse; einesteils können ausgedehnte Hirn¬ 
verletzungen mit Verfall und Ausfluß des Gehirns zur Heilung kommen, andern- 
teils führen oft unscheinbare Hirnverletzungen zu plötzlichem oder späterem 
Exitus oder aber zu mehr bezw. weniger schweren Gesundheitsstörungen. 

Das Abbrechen einer Klinge im Schädeldach und Verweilen im Gehirn 
kann mitunter ganz ohne Folgen bleiben. Der Verletzte bleibt aber ständig 
gefährdet. Dr. Kurpj uw eit-Swinemünde. 


Verblutung aus der Aorta ln die Speiserßhre« Von G. Grey Turner. 
Lancet; 1910, S. 1836. 

Ein 4 jähriger Knabe verschlackte ein Halfpennystück. Fäzes einen 
Monat lang vergeblich nach der Münze durchsucht. In den ersten Tagen 
Schmerzen in der Magengegend; nach einigen Wochen vorübergehend Schling¬ 
beschwerden, danach Hasten und Atembeschwerden. 1 Jahr 10 Monate später 
profuse Blutung aus der Speiseröhre und Tod. 

Die Münze saß im Oesophagus an der Kreuzungsstelle des linken 
Bronchus und hatte die Wand der Speiseröhre und der Aorta arrodiert. Es 
ist bekannt, daß Fremdkörper tage-, Wochen- und monatelang fast beschwerde¬ 
frei in der Speiseröhre getragen werden und gelegentlich derartige Katastrophen 
herbeiführen. Dr. Revenstorf-Breslau. 


Kritik der sog. Pilzvergiftungen vom gerlehtsärstllehem Standpunkte« 
Von Oberarzt Dr. Künen. Friedreichs Blätter für gerichtliche Medizin 
und Sanitätspolizei; Heft 4, 6, 6. 

Mag es sich um frische oder getrocknete Pilze handeln, ihre botanische 
Bestimmung aus den Pilzresten, die stets von einem Pilsspezialisten 
ausgeführt werden muß, reicht in keiner Weise zur Beweisführung einer 
Vergiftung hin, selbst wenn eine der als Giftpilze wissenschaftlich nach- 



624 


Kleinere Mitteilungen und Referate atu Zeitschriften. 


gewiesenen Arten mit Sicherheit erkannt worden ist; geschweige denn, wenn 
nur botanische Pilzwerke die gefundene Pilzart als giftig oder verdächtig 
bezeichnen. Unsere mangelhaften Kenntnisse der in den Pilzen wirksamen 
Gifte, speziell in bezug auf die Frage, ob das Gift in solcher Menge bei- 
gebracht worden ist, daß es unbedingt toten mußte, geben der botanischen 
Bestimmung allein nur einen bedingten Wert. Zur vollständigen Aufklärung 
gehört eine genau geführte Krankengeschichte und bei letalem Ausgang ein 
Sektionsbefund, um andere Krankheitsursachen mit Sicherheit ausschließen zu 
können und, wenn Pilze als Ursache in Betracht kommen, festzustellen, welche 
Pilzart die Vergiftung in der Tat hervorgerufen hat. Auf Grund dieser Fak¬ 
toren wird sich die Diagnose in den meisten Fällen mit einer an Sicherheit 
grenzenden Wahrscheinlichkeit stellen lassen. Den endgültigen Beweis, daß 
die noch vorhandenen Pilze die Krankheit oder den Tod bedingt haben, 
werden jedoch immer erst die mit den Schwämmen vorzunehmenden Fütterungs¬ 
versuche an Tieren erbringen können. Dr. Bump-Osnabrück. 


Krltisehe Betrachtungen der bisher veröffentlichten Fälle von 
Gesundheitsstörungen durch Essigessenz. Von Dr. Franz-Würzburg. 
Friedroichs Blätter f. gerichtliche Medizin und Sanitätspolizei; Heft 6. 

Verfasser beschäftigt sich in der Arbeit mit der Wirkung der aus 
Holzessig hergeBtellten hochkonzentrierten Essigsäurepräparate, die mit dem 
Namen Essigessenz bezeichnet werden. Bei Gesundheitsstörungen kommt es 
nicht in erster Linie auf die geschluckte Menge an, sondern auch noch wahr¬ 
scheinlich in erheblicherem Maße auf den Füuungszustand des Magens und 
ob noch Erbrechen eintrat oder nicht. Der Tod erfolgte verschiedentlich 
unter den Symptomen einer Säurevergiftuug. Häufiger blieb die Todesursache 
dunkel. Unter den Fällen handelte es sich 64 mal um Selbstmord, 6 mal um 
Mord, in 130 Fällen um Verwechselungen, wobei eine besondere Kategorie 
der Versehen jene sind, wo kleinen Kindern eine Flasche mit Essigessenz 
anstatt der Milchflasche gereicht wurde. Dr. B u m p - Osnabrück. 


B. Saohverst&ndlgentätlgkeit in Unfall- und Invaliditätasaohen. 

Die traumatischen Neurosen. Von Dr. Paolo Pini-Mailand. La 
Medicina degli Infortuni del Lavoro; 1910, Nr. 2—8. 

In dieser bemerkenswerten Abhandlung kritisiert Verl zunächst eine 
jüngst von Prof. Sachs-Breslau herausgegebene Schrift: die Unfallneurose, 
eine kritische Studie. Im allgemeinen erkennt er die Verdienste, die sich die 
deutschen Autoren in der Frage der Bewertung und Auffassung der Unfall¬ 
neurosen erworben haben, unumwunden an. Für die Praxis verspricht er 
sich aber nicht viel von dem Modus der Entschädigung, der von deutschen 
Forschern, wie Windscheid, vorgeschlagen, in Italien bereits eingeführt ist, 
nämlich der Kapit&labfindung, indem er meint, daß hierbei nicht verhindert 
werde, daß die auf diese Weise Entschädigten mit weiteren Ansprüchen hervor¬ 
treten. Verf. ist aber sehr damit einverstanden, daß nach der Praxis des Beichs- 
versicherungsamts Renten unter 10 Proz. nicht gewährt werden; er heißtauch 
den weitergohenden Sachs’schen Vorschlag, die unter Grenze aut 25 Pros, 
hinaufzusetzen, willkommen. Vor allem aber tritt Verf. dafür ein, daß die 
praktischen Aerzte es vermeiden sollten, ihren ambulatorischen Kranken ohne 
weiteres Atteste über etwa bestehende Unfallneurose auszustellen, und daß sie 
statt dessen möglichst auf eine klinische Beobachtung dringen sollten. Auf 
diese Weise würde eine große Anzahl von leicht Kranken von selbst auf den 
Weg gebracht, ihre Arbeit ruhig wieder aufzunehmen, ohne daß es zur Ent¬ 
wicklung der Bentenbysterie komme. Dr. 8olbrig-Arnsberg. 


Traumatischer Exophthalmus. Von Prof, van Duyse-Gand. La 
Medicina degli Infortuni del lavoro; 1910, Nr. 1. 

Verf. berichtet über zwei derartige Fälle. Im ersten Fall handelt es 
sich um eine Frau fast der 80 er, die von einer Leiter herab auf die rechte 
Wange gefallen war. Es stellte sich außer einer Gehirnerschütterung anfänglich 
ein deutlicher Exophthalmus heraus. 8ehr bald aber ging dieser Zustand vor¬ 
über und es kam zu einer Lähmung eines Teils der Muskel des Augapfels. 
Aus mancherlei Anzeichen (Blutungen in der Highmor-Hohle) wurde auf 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


625 


eine Fraktur des Unterkiefers und des Jochbeins geschlossen. 10 Wochen 
nach dem Unfall war ein Einstellen des Augapfels um etwa 2,5 mm fest* 
xustellen. Die Funktion des Auges blieb erhalten. 

Der xweite Fall betraf einen jüngeren Arbeiter, der einen Schlag mit 
einem metallenen Qriff gegen die rechte Supraorbitolgegend erhielt, dabei 
eine Verletzung an dieser Stelle erlitt, die genäht werden mußte, und bei 
dem sich 6 Wochen nach dem Unfall ein Enophthalmus, zunächst verdeckt 
durch eine Schwellung der Lider, zeigte. 

Dieser traumatische Enophthalmus wird also zunächst durch einen 
Exophthalmus infolge der intraorbitalen Blutung eingeleitet. Wie er zu* 
standekommt, darüber sind die Meinungen geteilt.. Nach Birch-Hirschfeld 
handelt es sich dabei um Zerreißungen des Zellengewebes der Orbita und 
nachfolgende starke Zasammenziehungen, die ihrerseits den Augapfel retra- 
hieren. Man könnte auch an eine Atrophie infolge der anfänglichen Kom¬ 
pression des Fettgewebes der Orbita denken. Immer kommt dieser Zustand 
ent später erst zur Erscheinung._ Dr. Solbrig-Arnsberg. 

Traumatische Herzrupturen. Von Michel Nicolas. Th6se; Paris, 1909. 

Die traumatischen Herzrupturen teilen sich in zwei Gruppen, je nachdem 
das Herz selbst oder die Fixierungsapparate des Herzens, die großen Gefäße 
der Basis und der Herzbeutel zerrissen sind. 

Der Herzbeutelriß verläuft entweder vertikal oder schräg von vorn 
oben nach hinten unten. Manchmal sind multiple Einrisse vorhanden. 

Die häufigste Nebenverletzung ist die komplette oder inkomplete 
Aortenruptur. Manchmal bängt das Herz nur noch durch eine schmale Brücke 
mit den Gefäßen zusammen. Der Biß hat scharfe Ränder und verläuft in der 
Begel quer. Praedilektionsort ist die Wandpartie dicht oberhalb der Klappen. 
Neben dem Hauptriss finden sich oft charakteristische kleine parallele Einrisse, 
die nur die Tunica media und interna betreffen. 

Die ebenfalls nahe den Klappen gelegenen Einrisse der A. pulmonalis 
sind seltener. 

Die Verletzungen der Vena cava können komplet oder partiell sein und 
einer oder beide Hohlvenen betreffen. Manchmal verläuft der Biß auch durch 
die Wand des Herzohrs. 

Komplikationen sind Verletzungen der Leber, der Milz, des Pankreas, 
des Oesophagus und des Zwerchfells. Rippenbrüche fehlen fast nie. Auch 
Frakturen der Wirbelsäule, des Sternums und der Clavicula sind nicht selten. 

Die Theorien, welche zur Erklärung von Herzrupturen physiologische 
Ausnahmezustände heranziehen wollen (Vermehrung der Widerstände im 
kleinen Kreislauf, Druck der Lunge auf das Herz während der Expiration bei 
geschlossener Glottis, vermehrter Blutdrnck, beschleunigter Herzschlag) sind 
nicht hinreichend beweiskräftig. Auch für die Erklärung von Aortenrupturen 
versagt die physiologische Hypothese, welche unter anderen die Blutdurck- 
Steigerung infolge nervöser Einflüsse bei Bückenmarcksverletzung betont. 
Steigert man nämlich beim Hunde den Blutdruck künstlich durch Unterbindung 
der Körperschlagader, so platzt nicht die Aorta, sondern das linke Herzohr 
und selbst der linke Ventrikel. 

Der physiologischen steht die mechanische Theorie gegenüber. Die 
gewaltsame Annäherung des Brustbeins an die Wirbelsäule verdrängt das 
Herz, das beweglichste aller Brustorgane, und zerreist die Anheftungen der 
Basis. Bei der Ruptur der Aorta descendens spielt der Zug des linken Bronchus 
eine Bolle. Bestimmte Verletzungen sind Zerrangs-, andere sind Platzrupturen. 

Bippenbrüche, Sternumsbrüche und Wirbelsäulenbrüche können direkte 
Ursachen von Herzverletzungen sein. Dr. Bevenstorf-Breslau. 


Zerreißung eines Aortenaneurysma dnreh Unfall. Von Dr. 
T. Cecchetelli-Ancona. La Medicina degli Infortuni del lavoro; 1910, Nr. 4. 

Ein 4üjähriger anscheinend gesunder Arbeiter kam auf einer hohen 
Leiter stehend mit dieser* ins Butschen, erlitt bei den mit Gewalt ausge- 
führten Versuch, die Leiter wieder in das Gleichgewicht zu bringen, einen 
heftigen Schlag gegen die linke Brustseite und wurde darauf von einem 
heftigen Unwohlsein ergriffen. Drei Stunden später stellte Verfasser bei dem 



626 


Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


Verletzten folgendes fest: starke Zyanose, kleinen Pols, vermehrte Atem* 
freqnens, HerztOne wie ans weiter Ferne kommend; dabei bestand Erbrechen 
nnd heftiger Schmerz in der Herzgrube bei erhaltenem Bewußtsein und Fehlen 
von Lähmungserscheinungen. Hach leidlich verbrachter Nacht starb der 
Kranke am nichsten Morgen — 16 8tunden nach dem Unfall, — als er das 
Bett auf kurze Zeit verlassen hatte. Bei der zweifelhaften Sachlage wurde 
die Sektion vorgenommen. Hierbei stand sich neben Atheromatose der Aorta 
und Verdickung der an sich schlußfähigen Aortenklappen ein Aneurysma 
der Aorta dicht oberhalb der halbmondförmigen Klappen von der Große 
einer kleinen Orange, das durch eine etwa 10 Pf. Stück große Oeffnung 
mit der Aorta in Verbindung fand und mit gelblich-grauen Membramen aus- 
gekleidet war. Das Herz war von einem Panzer schwarzen Blutgerinsels 
umgeben. Das Aneurysma wies eine feine Fissur auf, die in Verbindung mit 
dem Herzbeutel stand. Der Tod war danach durch Blutung in den Herzbeutel 
eingetreten. Es blieb die Frage zu entscheiden, ob das Aneurysma infolge 
des Unfalls geplatzt war. Bei der tatsächlich erwiesenen KOrperanstrengung 
und den erlittenen Schlag gegen den linken Brustkorb mußte, auch wenn 
äußerlich festzustellende Verletzungen des Brustkorbs fehlten, diese Frage 
bejaht worden. Der Unfall führte offenbar durch Contrecoup einen zunächst 
feinen Biß des bestehenden Aneurysma herbei, der durch die Brechbewegungen 
und dgl. während der kurzen Krankheitsdauer vergrößert wurde, wodurch es 
zu einer allmählichen Anfüllung des Herzbeutels mit Blut und damit zum 
Stillstand des Herzens kam. _ Dr. Solbrig-Arnsberg. 

Ueber einen Fall ven traumatischer Stenose der Harnrßhre nnd die 
Bewertung derselben bei Betriebsunfällen. Von Dr. Giordano-Venedig. 
La Medicina degli Infortuni del lavoro; 1910, Nr. 2—8. 

Der zunächst besprochene Fall war folgender. Ein 86jähriger Berg¬ 
arbeiter stürzte beim Ueberschreiten eines durch ein Brett überbrückten 
Baches rittlings auf die Kante des Brettes, wodurch eine heftige Quetschung 
des Dammes und eine innerliche Zerreißung der Harnröhre eintrat. Im 
Krankenhaus wurde ein Dauerkatheter eingelegt Nach einem Monat konnte 
der Verletzte geheilt entlassen werden. Da die dem Mann angeratene periodische 
Vorstellung und Ueberwaohung unterblieb, trat in der Folge eine Verengerung 
der Urethra ein, die schließlich operiert werden mußte. Hierbei fand sich eine 
erhebliche narbige Verengerung, derentwegen eine Besektion eines mehrere 
cm langen Abschnitts nötig wurde. Der Heilverlauf war ein guter. 

Im Anschluß hieran bespricht Verf. die etwaige Bewertung solcher 
Verletzungen in der Unfallversicherungspraxis. Aus den Angaben der ver¬ 
schiedenen Autoren, die dies Thema bereits besprochen haben, geht hervor, 
daß die durch eine Zerreißung der Harnröhre hervorgerufene Beeinträchtigung 
der Arbeitsfähigkeit recht verschieden bemessen wird (von etwa 6—60Pros.); 
Becker, der als Autorität besonders zitiert wird, trifft gewiß das richtige, 
wenn er sagt, daß der Grad der Störung Bich nach der Schwere der 8ymptome 
richtet Wie Verf. bemerkt, hat diese Art von Verletzung in der italieni¬ 
schen Unfallgesetzgebung noch keine gebührende Berücksichtigung erfahren. 
Es ist za erwähnen, ob die HainrOhrenzerreißung nicht eine dauernde 
teilweise Erwerbsbeschränkung bedingt, selbst wenn sie zunächst zur Heilung 
gekommen ist Verf. ist geneigt, diese Frage zu bejahen, indem er be¬ 
rücksichtigt, daß ein derartig Verletzter durch die später fortgesetzt nötigen 
Dilatationen der Urethra Zeit und Geld opfern muß, auch wohl direkt durch 
seine Verletzung eine gewisse Einbuße seiner Arbeitsfähigkeit erleidet So 

2 rieht er sich unter gleichzeitiger Berücksichtigung des Umstandes, daß 
sht selten Besidive solche Stenosen eintreten, dahin aus, daß bei den 
gewöhnlichen Fällen der Zerreißung der Harnröhre im allgemeinen eine 
dauernde Einbuße der Erwerbsfäbigkeit von 10 Pros, angemessen ist (Dem 
Bef. will es scheinen, als ob eine solche Bewertung etwas schablonenhaft ist, 
da es viele Fälle gibt, bei denen von einer Herabsetzung der Arbeitsfähigkeit 
nicht die Bede sein kann.) _ Dr. Solbrig-Arnsberg. 

Präsumtive Enuresis durch Unfall. Von Prof. Gast. Piseutt- 
Perugia. La Medicina degli Infortuni del lavoro; 1916, Nr. 4. 

Daß eine Enuresis auf einen Unfall zurückgeführt und zum Gegenstand 



Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 


527 


Ton Rentenaiisprachen gemacht wird, dürfte bisher noch nicht oft Torgekommen 
sein. In der Literatur sind jedenfalls nach Angabe des Verf. derartige 
Fälle noch nicht beschrieben. Der hier besprochene Fall ist deshalb an sich 
interessant; zugleich soll er dazn dienen, darzntnn, wie notwendig es ist, 
bei den ärztlichen Ermittelungen in der Unfallpraxis keinerlei Nebenumstände 
bei Seite za lassen, am die Wahrheit, die von den Unfallverletzten so oft 
verheimlicht wird, za erforschen. 

Ein Arbeiter warde durch eine Maschine zwischen einen Karren und 
den Fußboden festgeklemmt, erlitt dabei Quetschungen des Rückens, der linken 
Schulter und Halsseite und eine Luxation des linken Schaltergelenks. Im 
Krankenhause erfolgte glatte Heilung, nur mit Zurückbleiben einer leichten 
Schwäche des linken ArmB. Mit der ihm von der Versicherung angebotenen 
Entschädigung für vorübergehende Erwerbsbeschränkung unzufrieden, ver¬ 
schaffte sich der Verletzte das Attest eines Arztes, in dem ihm als Unfall- 
folgen neben einer Muskelatrophie und traumatischer Neurose eine Störung 
der Urinentleerung bescheinigt wurde. Schließlich wurde der Verletzte arf 
Veranlassung der obersten Rekursinstanz vom Verf. einer längeren Beo¬ 
bachtung im Krankenhause unterworfen. Das Ergebnis war kurz das, daß 
die Enuresis zweifellos von Kindheit an bestand und keinerlei Zusammenhang 
mit dem fraglichen Unfall hatte. War der Unfall an sich schon als gänzlich 
ungeeignet anzusehen, um eine solche Störung zur Folge zu haben, so ergab 
rieh aus den Nachforschungen, daß auch in der nahen Verwandtschaft des 
Verletzten dieselben Zustände vorgekommen waren nnd daß der somatische 
und physische Zustand des Verletzten neuropathiache Symptome darbot, wie 
sie bei dergleichen von Kindheit an bestehenden Zuständen der Enuresis 
häufig Vorkommen. _ Dr. Solbrig-Arnsberg. 


Luxatio Toluntarla der Hüfte. Von Dr. Guido Noccioli-Pisa 
La Medicina degli Iufortuni del lavoro; 1910, Nr. 1. 

Verf. hatte Gelegenheit als Vertrauensarzt der „Cassa Nasionale 
Infortuni“ 8 Fälle von diesem bisher als selten vorkommend bezeichneten 
Zustand zu beobachten, über die er hier berichtet. Er schließt aus seinen 
Beobachtungen und auf Grund sonstiger bekannt gewordene Tatsachen: 

1. Die Luxatio voluntaria der Hüfte kommt häufiger vor als man bisher 
angenommen hat. 

2. Unter diesem Namen werden Symptome verschiedener Natur zusammen¬ 
gefaßt, nämlich 

a) die eigentliche Luxation oder Subluxation, 

b) das physische Faktum eines Geräusches, hervorgerufen durch die Sehnen 
oder Muskel außerhalb des Gelenkes. 

Nar im ersten Fall handelt es sich um beweisende anatomisch-patho¬ 
logische Befunde. 

8. Dies Symptom ist im allgemeinen das Produkt einer Simulation, 
häufig bei neurasthenischen Personen zu finden. 

4. Die Erscheinung der Luxation oder Subluxation ist dann nicht ent- 
achädigungspflicbtig, wenn es sich nur um einen absichtlich hervorgesufenea 
Zustand handelt. 

5. Entschädigungspflichtig ist der Schaden der Arbeitsfähigkeit, der 
durch die große Schlaffheit des Gelenks bedingt wird, wenn dieser Zustand 
wirklich durch eine Trauma bedingt ist. Dr. Solbrig-Arnsberg. 


O. Bakteriologin, Infektionskrankheiten and ßffentllohes 

Sanitätswesen. 

1. Bekämpfung der Infektionskrankheiten, 
a. Typhus und Paratyphus. 

Naehwels der Typhusbaitllen Ina Blute durch Anreicherung Im 
Wasser. Von Dr. Gildemeister. Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesund¬ 
heitsamt; Band 88, Heft 8, S. 619. 

Dem jetzt üblichen Züchtigungsverfahren von Typhusbazillen aus 
Blut mittelst der Gallenröhrchen haften trotz der im allgemeinen guten 
Methode doch auch Mängel an. So schwankt die Galle in ihrer Zusammen- 



628 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 


Setzung oft erheblich; altere Gallearöhrcheu erweisen rieh bisweilen als 
unbrauchbar, und schließlich ist die Galle nicht immer zur Stelle. 

Die Galle stellt keineswegs einen elektiven Nährboden für Typhus- 
basillen dar, vielmehr kommt für die Anreicherung nur ihre blutauflöeeade 
und antibakterizide Wirkung in Betracht, während das aufgelöste Blut 
Nährsubstrat ist. Verfasser suchte nun nach möglichst billigen, jederzeit 
zu erhaltenden Ersatzmitteln für die Galle und glaubt, diese im destillierten 
Wasser und auch im Leitungswasser, sofern es hämolytische Eigenschaft 
besitzt, gefnnden zu haben. Verfasser untersuchte 15 Blutproben von Typhus¬ 
kranken und zwar 12 mit der Blutgallenmethode und der Wassermethode, 2 
nur mit der Wassermethode, da an dem Tage gerade die Galle fehlte. Von 
diesen Proben waren 9 nach beiden Methoden negativ, während die übrigen 
6 nach der Wassermethode positiv waren. Das Verfahren gestaltet sich so, 
daß der fein zerkleinerte Blutkuchen mit der 8—10 fachen Menge Wassers 
versetzt wird. Das gut geschüttelte Böhrchen wird nach 1 stündigem Verweilen 
im Brutschrank zwecks schneller Hämolyse nochmals gut geschüttelt. Dann 
wieder nach 24stündigem bezw. 48stündigem Bebrüten eine kleine Drigalski- 
platte in gewohnter Weise mit 2—8 Oesen geimpft. 

An eingehenden Tierversuchen hat Verfasser gezeigt, daß es auch 
möglich ist, aus kleinsten Blutmengen auf diese Weise Typhusbazillen zu 
züchten. Auch ihre Züchtung aus Blut, das unmittelbar aus der Vene in Wasser 
getropft ist, ist möglich. 

Sollte sich auch weiterhin an einem größeren Material diese Methode 
brauchbar erweisen, so ist diese Vereinfachung bei dem doch so wichtigen 
Typhusbazillennachweis nur mit Freuden zu begrüßen. 

Mit der Schlußbemerkung des Verfassers, wonach er die sogenannten 
Kapillarröhrchen für ungeeignet zur Blutentnahme für die Praxis hält, 
können wir uns auf Grund unserer täglich sich neu bestätigenden Erfahrung 
nur einverstanden erklären. Dr. Zimmermann-Bromberg. 


Der Typhusbacillus als Eitererreger. Aus der mediz. Universitäts¬ 
klinik zu Leipzig. Von Dr. Otto Heß, Mediziaalpraktikant. Münchener med. 
Wochenschrift; 1910, Nr. 5. 

Verfasser hatte auf der Typhusstation des Krankenhauses St. Jakob 
Gelegenheit, den Eiter einer ParuUs, die im Verlauf von Abdominaltyphus 
aufgetreten war, bakteriologisch zu untersuchen und fand dabei den Typhus¬ 
bacillus in Beinkultur. Verfasser glaubt, trotzdem die Bestimmung der 
Virulenz unterlassen wurde, aus seinen — näher aasgeführten — Unter¬ 
suchungen den Schluß ziehen za dürfen, daß diese Parulis durch den Eberth- 
bacillus allein hervorgerufen wurde. 

Im Anschluss hieran geht Verfasser noch weiter auf die Frage der 
eitererregenden Wirkung des Typhnsbacillus ein und sucht die Frage zu 
beantworten: Wann und wo treten die durch den E,berthbacUlus bedingten 
Eiterungen meist aufP Da fand denn Verfasser die Beobachtungen anderer 
Autoren bestätigt, daß die Typhusbazillen mit Vorliebe an pathologisch 
veränderten Stellen sich ansiedeln. 

Verfasser erwähnt dann die Eiterungen in den Muskeln, in der Schild¬ 
drüse, in den Ovarien, in Varizen-Thromben, im Kniegelenk, in den Lungen, 
In den Nieren und in der Gallenblase und endlich in verschiedenen Knochen 
(bee. in der Tibia und in den Bippen). Dr. Waibei-Kempten. 


Ueber eine Typhusepidemie mit initialem hämorrhagischem 
Exanthem. Von Hans Curschmann. Münchener med. Wochenschrift; 1910, 
Nr. 8. 

Die hämorrhagische Form des Typhus wurde bereits früher, wenn auch 
nicht häufig festgestellt. Alle diese Beobachtungen haben aber das Gemein¬ 
same, daß die hämorrhagischen Symptome auf der Höhe oder am Ende der 
Krankheit auftreten und teils als toxische, teils als direkt kachektische 
hämorrhagische Diathesen imponierten. 

Verfasser beobachtete jedoch eine Hausepidemie von 8 Fällen, in 
welchen (einen Fall ausgenommen) die Petechien als Initial-Exanthem 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


529 


bei miUelschwerem Verlaufe auftraten. Schon am 2. bis 3. Krankheitstage 
kam es in 7 Fällen zum plötzlichen Anftanchen mehr oder weniger zahlreicher 
blänlichroter Flecken von Hanfkorn bis Linsengröße, die bei allen anf der 
nnd Brust, den Schaltern and (spärlicher) Oberarmen am zahlreichsten waren 
and nar in 2 Fällen nach aaf den Baach üborgriffen. Die Flecken, Ter* 
schwanden aaf Fingerdrack nicht and Unterließen bräunlich gelbes Pigment 
waren also rein hämorrhagischer Natur. In allen Fällen traten die PetecUen 
alle auf einmal, in einem Schabe, an einem Tage auf ; nar in einem Falle 
kam es am 18. Krankheitstage unter Schüttelfrost za einer ebenso plötzlichen 
zweiten Aassaat, diesmal spärlicher Petccbien. 

Ferner blieb der zuletzt erkrankte Vater der Familie im Gegensatz za 
den eben angeführten 7 Fällen lrei von dem initialen hämorrhagischen 
Exanthem and zeigte erst am 8. Tage der Krankheit ziemlich zahlreiche 
typische, rein erythematöse Boseoien der Baachhaat. Am 9. Krankheitstage 
jedoch taachte nach bei ihm eine hämorrhagische Hautaffektion aaf, aber 
wesentlich anderer Art als bei den übrigen Familienmitgliedern, nämlich: 
reichliche, ziemlich große, mit hämorrhagisch-serösem Inhalt geiüllte Blasen 
auf dem Bücken und in der Lendengegend. Diese hämorrhagischen Blasen 
erschienen gleichzeitig mit einer profusen Darmblutung. 

Aetiologisch kommt vielleicht der Genoß einer nicht ganz einwandfreien 
Zwetschgenlatwerge in Betracht, von welcher alle aßen. Im übrigen war die 
Ernährung der Kranken vor der Erkrankung sehr kümmerlich. Verfasser 
verbreitet sich dann noch über die Diagnose bezw. über die Beweise für das 
Vorhandensein eines echten Typhus — in differentialdiagnostischer Beziehung 
kam hauptsächlich das Fleckfieber in Betracht — und läßt es dahin gestellt, 
ob die hämorrhagische Form darch eine MiscUnfektion oder durch eine 
familiäre Disposition zur hämorrhagischen Diathese bedingt war. 

_ Dr. Wal bei-Kempten. 


Beobachtungen Aber die Umwandlung biologischer wichtiger Eigen¬ 
schaften von Bakterien. (Paratyphus B nnd Bacillus enteritidis 
Gärtner.) Untersuchungen an der Enteritisgruppe. Von G. Sobernheim 
and E. Seligmann. Deutsche med. Wochenschrift; 1910, Nr. 8. 

Die Ergebnisse der im Berliner Untersuchen gsamt gemachten Stadien 
sind interessant und wichtig. Zunächst wurde die bisherige Anschauung von 
der biologischen Differenz des Paratyphus* B und des Gärtner sehen Bacillus 
enteritidis durch wichtige Erhebungen modifiziert. Ein hochwertiges Gärtner¬ 
serum agglutinierte nur einen Bruchteil von zahlreichen Enteritis-Stämmen; 
verschiedene Sera zeigten verschiedene Agglutinationswirkung, mit lebenden 
Kulturen gewonnene, eine auf mehr Stämme ausgedehnte stärkere als durch 
abgetötete Kulturen erzielte, obwohl der Agglutinationstöter hier dieselbe Höhe 
erreichte. Jedenfalls verhielten sich verschiedene Kulturen verschieden in 
bezug auf ihre Agglutinierbarkeit und auf ihre „agglutinogenen“ Eigenschaften. 
Weiterhin veränderten nach beiden Bichtungen hin einige Stämme ihr Ver¬ 
halten in bemerkenswerter Weise. 2 Stämme wurden weder von Gärtner- 
noch Paratyphus-B-Serum agglutiniert, und die mit ihnen hergestellten Sera 
agglutinierten andere Stämme als die eigenen nicht. Hier wäre aber die 
Diagnose Enteritisbazillen nicht zu stellen gewesen, wenn man nicht die 
ursprüngliche Form als sicheren Bepräsentanten dieser Gruppe gekannt hätte, 
und zwar als die bekannten Stämme Bumfleth und Haustedt. Später 
bildeten sie sich wieder zum ursprünglichen Verhalten um. Ein Paratyphus-B- 
Serum, sei es mit toten oder mit lebenden Kulturen erzielt, pflegt nur selten 
auf Paratyphusstämme die Agglutinationswirkung zu versagen, echte Enteritis¬ 
bazillen agglutiniert es dagegen nicht. Anderseits fanden die beiden Autoren, 
daß Gärtner serum bisweilen Paratyphus genau wie Enteritisbazillen 
agglutiniert. Besonders trat das bei dem bekannten Stamm Aertryck 
hervor, der von Gärtner-Serum hoch agglutiniert wurde, selbst aber echtes 
Paratyphus-Serum lieferte. Mit diesem Stamm ist also offenbar eine wichtige 
biologische Veränderung im Laufe der Jahre vor sich gegangen. Die 
Agglutination allein kann demnach zu falschen Diagnosen führen. Bisweilen 
entsprechen sich agglutininbindende uni agglutininbildende Fähigkeiten nicht. 
Dadurch wird auch wieder die wichtige Frage des Uebergangs einer Art in 
die andere angeregt _ Dr. Liebetrau-Hagen L W. 



530 


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Uefcer ebe liBeUifekttti ult PintyptaM 
Tf^ktotarillei iaf#lfe itrten^eiim Von Hat 
Regensburg. Münchener med. Wochenschrift; 1910, Kr, 

Verfasser berichtet über eines Fall, in weichem efa 
mann während seines Aufenthaltes in Bologna ca. 3 
hatte, wie sie dort in den Restaurants tos den Hin 
•enriert werden. Am 19. Dezmber 1907 genoß er zu 
Austern, darunter eine, welche schwärzlich verfärbt sn 
Geschmacke war. Am folgenden Morgen wurde Pat 
klinischen Bilde der akuten Fleischvergiftung, welche 1 
nahezu abgelaufen war. Diese Besserung dauerte j 
erkrankte vielmehr wiederum mit starken Allgemeinere 
Meteorismus und charakteristischen Typhusstühlen, B 
Die am 21. Januar 1903 entnommene Blutprobe eigal 
des hygienischen Instituts in München, daß du Serum 
bazillen bis zur Verdünnung 1 : 320, Par&typhusbazill 
Paraiypbns A dagegen nicht aglutinierte. Eine spate 
daß das Serum des Patienten sowohl Ayglutinine für 
typhös B enthielt. 

Patient hatte sich demnach durch den Genuß ei 
Auster Paratyphus zugezogen. Durch den gleichzeitig* 
haltiger Austern gelangte er auch außerdem noch x 
nach ca. 21 Tagen deutlich in die Erscheinung trat. 

Patient überstand diese Michinfektion mach 
vielfach kompliziertem Krankheitsverlaufe. Dr. V 


Typhus und sexuelle Verhältnisse, Von P. 
remdus de la soc. biol.; LXVIU, 1910, Nr. 8. 

Unter den Bazillenträgern sind 4 /b weiblichen ( 
Hälfte an Typhus erkrankter Frauen eliminiert lang 
dauernd Bazilien. Bei der Uebertragong des Typhui 
besonders an die Verunreinigung der Nahrungsmitt 
aber noch ein anderer Gesichtspunkt in Betracht, 
sexuelle Beziehungen. Einerseits hat der Abdomina] 
Alter, in dem das Geschlchetsleben die größte Rolle 
er besonders häufig bei solchen jungen Leuten yoi 
Lande in die Stadt gekommen sind und den Gef&hrei 
sind. Durch Exzesse in venere erscheint oft die V 
Typhus verringert. Es liegt aber die Frage nahe, < 
viel direktere Bedeutung als die haben, die W 
zusetzen. Der Autor erinnert auch daran, daß in ei 
Mann und Frau nacheinander erkranken. Er ad 
Gebiete vor: 

1. Nach Heilung des Typhus ist die Aufgal 
nicht vollendet. Erst wenn der Verdauungstrakt, 
wege vom Bacillus frei sind, hat der Arzt seine Ff 
Pflicht kombiniert sich hier mit einer echt sozialen 

2. Man muß die Weisheit der Koranyorschri 
daß nach dem Coitas nicht die kleinste H&atp&rtie 
Die Beobachtung dieser Vorschrift — es werden & 
Wasser gebadet — ist imstande, jede Gefahr eine 

Ausnahmsweise kann übrigens auch eine Ue 
umgekehrten Wege, yom Manne auf die Frau d 
Vorkommen. I 


Die Hftndedeslnfektien bei Tjphosbi 
W. Gaethgens. Archiv für Hygiene; Band 72 
Die besonders bei der Typhusbekämplung 
gewonnenen Erfahrungen haben ergeben* daß 
Erkrankungen die Infektion auf gesunde Peraonei 



Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 


531 


in ihrem Organismus beherbergen, zurückzuführen ist. Es ist daher eine der 
wichtigsten Aufgaben der Typhusbekämpfung, die Verbreitung von Typhus¬ 
bazillen durch Gesunde zu verhüten. Solange wir jedoch noch keine innere 
Desinfektion kennen, sind die Aassichten beider nur gering. Man muß sich 
einstweilen auf das Hilfsmittel der persönlichen Hygiene, besonders einer 
sorgfältigen Händedesinfektion beschränken. 

Verfasser hat nun eingehende Untersuchungen über die Desinfektion 
von mit Faezes verunreinigten Händen angestellt. Das Resultat seiner Ver¬ 
suche ist folgendes: 

1. Die einfache Reinigung mit Wasser und Seife ohne nachfolgende 
Abtrocknung bewirkt zwar eine deutliche Keimverminderung, ist aber nicht 
imstande, die Hände vollkommen von den Faezesbakterien zu befreien. 

2. Die Händereinigung mit Wasser und Seife in erneuertem Wasser, 
besonders das sorgfältige Abtrocknen vermag oft die Bakterien vollständig zu 
entfernen, immer aber sie erheblich in ihre Zahl zu vermindern. 

8. Es ist also das Hauptgewicht auf die mechanische Händereinigung 
mit Wasser und Seife und nachherigem gründlichem Abtrocknen zu legen. 

4. Besonders für in Nahrangsmittelbetrieben beschäftigten Personen 
empfehlen sich noch Antiseptica nach dem Waschen und Abtrocknen. Anti¬ 
formin, Lysoform und Wasserstoffsuperoxyd sind nicht zu empfehlen. Karbol¬ 
säuretabletten sind zweckmässig, sofern nur die Desinfektion hinreichend 
lang und sorgfältig geschieht. — Der Alkohol, besonders in der Form des 
Brennspiritus und der Eau de Cologne, eignet sich hervorragend zur Hände- 
desinfektion. 

Zum Schluß enthält die Arbeit noch Verhaltungsmaßregeln für Typbus¬ 
bazillenträger, wie sie in der Anstalt für Unterelsaß jedem neu ermittelten 
Bazillenträger ausgehändigt werden. Dr. Zimmermann -Bromberg. 


Zur Epidemiologie des Unterleibstyphus in CSln. Von Dr. H. L o h m e r, 
Kreisarzt in Cöln. Mit 2 Kurven. Vierteljahrsschrift f. gerichtl. Medizin u. 
öffentl. Sanitätswesen; 3. Folge, Bd. 39, Heft 2. 

ln einer Behr fleißigen Studie gibt Lohmer auf Grund des vorliegenden 
amtlichen Materials eine Uebersicht über das Verhalten des Typhus in Cöln 
während der Jahre 1896—1908. Mit Recht bezweifelt er zunäebst, daß wirk¬ 
lich alle Typhusfälle zur Kenntnis der Behörde gekommen sind. Schon ein 
Blick auf die letzte Kolumne der Tabelle 1, die das Verhältnis der Sterbe- 
zu der Erkrankungsziffer enthält, läßt diese Skepsis als durchaus berechtigt 
anerkennen. 

Der gute Einfluß der Einrichtung einer guten Kanalisation auf die 
Typhasmorbidität war in vier Vororten von Cöln ganz unverkennbar. Im 
übrigen treten die typischen Schwankungen, die der Typhus während der ver¬ 
schiedenen Jahreszeiten in ganz Deutschland zu zeigen pflegt, auch in Cöln 
deutlich in die Erscheinung. Dabei zeigt die Typhuskurve mit der Grund- 
wasserkarve gar keinen Parallelismus, eher bis zu einem gewissen Grade mit 
der Temperaturkurve. 

Besonders stark sind an der Typhusmorbidität die Vororte beteiligt, es 
folgt dann die Altstadt, während die Neustadt eine relativ geringe Ziffer auf¬ 
weist. Stark ist auch die Beteiligung der Schifffahrt treibenden Bevölkerung. 
Die Männer stellen 56 °/o, die Frauen 44 % der Typhuserkrankungen, die ent¬ 
sprechenden Sterbeziffern verhalten sich wie 7 : 5. 

Bei der Entstehung des Typhus in Cöln Bpielt die Einschleppung eine 
große Rolle; bei großer Zurückhaltung berechnet Lohmer, daß 14% aller 
Typhuserkrankungen auf einer außerhalb Cölns erfolgten Infektion beruhen; 
er belegt diese Berechnung mit einer Reihe epidemiologisch interessanter 
Einselbeobachtungen. Auch die Schifffahrtsbevölkerung trägt zur Höhe dieser 
Ziffer sehr viel bei. Die Verwendung des immer als verdächtig anzusehenden 
Rheinwassers als Trink- und Gebrauchswasser Bpielt hier eine große Rolle. 
Auch auf das Baden im Rhein läßt sich mancher Fall zuiückführen. Brunnen- 
und Milchinfektionen sind verhältnismäßig selten, aber mit Sicherheit fest- 

f estellt worden. In je 1 Falle wurden kleinere umschriebene Epidemien auf 
apierabfälle, Lumpen nnd Uebertragung durch Fliegen zurttckgeführt. Ueber- 
tragungen durch infizierte Wäsche wurden mehrfach beobachtet, niemals da- 



532 


Kleinere Mitteilungen nnd Referate am Zeitschriften. 


gegen durch Ausschachtungen, größere Erdarbeiten and ähnliches. Die größte 
Rolle spielen aber die Kontaktinfektionen. Trotsdem ihr Nachweis in einer 
Großstadt häufig auf recht große Schwierigkeiten stoßt, ist er in COln doch 
verhältnismäßig oft gelangen. 

Lohmer schließt seine sehr lesenswerten and darch die Einflechtung 
mannigfacher lehrreicher epidemiologischer Beobachtungen interessanten Aus- 
ftthrungen mit dem Hinweise, daß eine aassichtsvolle Tjphusbekämpfung nur 
darch das verständnisvolle Zusammenwirken des praktischen Arztes mit dem 
Bakteriologen und beamteten Arzte gewährleistet werden kann. 

_ Prot Dr. L e n t z - Berlin. 

b. Syphilis und sexuelle Hygiene. 

Veber Splrochaetenfärbnng. Von Dr. Henning-Magdeburg. Fort¬ 
schritte der Medizin; 1910, Nr. 10. 

Verfasser empfiehlt ein von Barri angegebenes, sehr einfaches und 
nach von dem praktischen Arzt in der Sprechstunde anzawendendes Verfahren. 
Das Material wird nach Reinigung der Objekte mit physiologischer Kochsalz¬ 
lösung entweder darch Abschaben vermittels Spatels oder Skalpells entnommen, 
oder indem man darch kräftiges Reiben mittels Spatels oder PlatinOse den 
Hervortritt von Seram erzeugt. Es wird dann auf einem Objektträger mit 
etwas Wasser verrührt und mit einem Tropfen flüssiger Perltasche oder 
schwarzer chinesischer Tasche, die im Verhältnis 1:9 verdünnt ist, vermischt. 
Dann streicht mau mit dem Rand eines Objektträgers über die ganze Fläche des 
armierten Objektträgers, läßt an der Luft 1—2 Minuten trocknen und unter- 
sacht sofort mit OeUmmersion. Man sieht im dunklen, tiefbraunem Gesichts¬ 
feld nun die Bakterien, also auch die Spirochaeten, als weiße Körper in ihren 
charakteristischen Formen. Ferner erwähnt Verfasser noch ein sehr lohnendes 
nnd interessantes Verfahren, die Untersuchung im Dunkelfeld. Nach Aus¬ 
schaltung des Abbö-Beleuchtungsapparates wird der Dunkelfeldapparat ein¬ 
geschaltet. Die vom Planspiegel aofgenommenen Strahlen des elektrischen 
Bogenlichtes, das sich am besten dazu eignet, werden an zwei Spiegelflächen 
derart* reflektiert, daß sie mit höchster optischer Kraft fast in einem PunÜ 
des Objektträgers vereinigt worden und dort eine intensive Beleuchtung der 
festen Teile im Präparat erzeugen. Es kommt dadurch eine Kontrastwirkung 
der hell erleuchteten Bakterien im dunklen Felde zustande. Das Material 
wird auf dem Objektträger mit etwas physiologischer Kochsalzlösung ver¬ 
mischt und mit Deckglas bedeckt. Man sieht dann die lebenden Spirochaeten 
in ihren charakteristischen Bewegungen, die differentialdiagnostisch sehr 
wichtig sind. Während nämlich sämtliche Spirochaeten außer der 8pirochaeta 
dentium, die fast unbeweglich ist, lebhafte Bewegung zeigen, ist die Fort¬ 
bewegung der Spirochaeta pallida langsam und korkzieherartig. Rpd. jun. 

Bakteriologische und histologische Untersuchung bei kongenitaler 
Lues* Von Josef Trinchese. Aus der Universitäts-Frauenklinik in München. 
Münchener med. Wochenschrift; Nr. 11. 

Verfasser untersuchte eine große Anzahl (je 100) von Plazenten und 
von Kindern auf Spirochaeten; er fand in Uebereinstimmung mit Baisch, 
daß jede Frau, welche ein luetisches Kind gebärt, dieses durch die im eigenen 
Blut zirkulierenden Spirochaeten infiziert hat. 

Die lange Lebensfähigkeit der Spirochaeten und die rege Eigenbeweg- 
liohkeit, die ihnen ermöglicht, sich in die Gewebe einzubohren, bewirken 
offenbar, daß die mit dem Sperma ins Endometrium gelangten Spirochaeten fast 
ausnahmslos die Frau infizieren, worauf diese nachträglich die Krankheit auf 
das Kind überträgt. Dr. W ai b e 1 - Kempten. 

Was leistet die Wassermannsche Serodiagnose dem praktischen 
Arzte! Von Dr. H. Hecht-Prag. Prager medizinische Wochenschrift; 
1910, Nr. 11. 

Verfasser spricht die Ansioht aus, daß es kaum eine Untersuchungs¬ 
methode gibt, deren Anwendung auf den mannigfachsten Gebieten der Medizin 
dem Praktiker bei der Suche nach der Syphilis als Grundkrankheit so gute 



Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


533 


Dienste leisten kann, wie die Wassermannsche Seroreaktion. Nar dürfe man 
nie die Methode allein, sondern nar in ihrer Beziehung za dem klinischen, 
objektiv xa erhebenden Krankheitsbilde in Betracht ziehen. Er legt Beine 
Meinung in folgenden Schlußsätzen nieder: 

1. Eine Seramuntersachnng soll nar nach genauer Erhebung des klinischen 
Befundes vorgenommen werden. 

2. Eine positive Seroreaktion besagt nichts für die syphilitische Natur 
einer zur Zeit bestehenden Erkrankung. 

8. Positive Seroreaktion bei einem sonst gesunden Menschen spricht 
unbedingt für Syphilis, negative nicht dagegen. Differentialdiagnostisch ist 
nur der positive Ausfall zu verwerten. 

4. Nar in ganz konkreten Fällen läßt der Ausfall der Seroreaktion 
bezüglich Therapie, Verlauf und Prognose einer syphilitischen Erkrankung 
Schlüsse zu. 

5. Wichtig ist es, die Zeit zu beachten, zu der die Blutuntersuchung 
gemacht wird und 

6. den Einfluß der Quecksilberbehandlang auf den positiven Ausfall der 
Beaktion; denn das Quecksilber vermag in kurzer Zeit eine positive Beaktion 
zum Verschwinden zu bringen. 

7. Demnach bieten folgende Krankheiten die Indikation für eine Serum« 
Untersuchung: 

Venerische und dermatologische Fälle: 

a) Zweifelhafte Geschwüre; am besten frühestens 6 Wochen post infectionem 
zu untersuchen. 

b) Exantheme, Schleimhauterscheinungen, Angina, Haarausfall zweifelhafter 
Ätiologie und dergleichen. 

c) Latentgebliebene Syphilis bei Prostituierten. 

Interne Fälle: 

a) Bei Verdacht auf Paralysis progressiva, Tabes dorsalis, Lues cerebri, 
Lues cerebrospinalis etc. 

b) Erkrankungen des Gefäßsystems, wie Aneurysma aortae, Aorteninsuffizienz, 
Aortitis, Myocarditis, Arteriosklerose; 

c) Lebererkrankungen, Nierenaffektionen, Arthritis deformans, chronischer 
Gelenkrheumatismus. 

Chirurgische Fälle: Parotitiden, Drüsenschwellungen, Beingeschwüre, 
Lebertumoren, Hodengeschwülste, Gelenkerkrankungen etc. 

Augenerkrankungen: Ceratitis parencbymatosa, Iritis, Iridocyditis, 
Chorioiditis, Atrophia nervi optici, Chorioretinitis (e lue hereditaria ?) etc. 

Geburtshilfe und Gynäkologie: Wiederholter Abortus, Unterleibs¬ 
tumoren etc. 

Vor allem aber ist die Serodiagnose zur Ammenuntersuchung heran- 
zuziehen. Bpd. jun. 


Die Serodiagnose im Böhmen der Prostituierten-Kontrolle. Von 
Dr. Hugo Hecht. Deutsche medizinische Wochenschrift; 1910, Nr. 7. 

H. untersuchte auf der Prager dermatologischen Klinik von 260 
Prostituierten Sera, und zwar in verschiedenen Stadien und in der Latenz. 
Im ersten Stadium war, wie auch sonst beobachtet, die Beaktion oft negativ, 
im tertiären waren alle 3 untersuchten Fälle positiv, bei Lues II die über¬ 
wiegende Mehrzahl sowohl mit, als ohne vorausgegangene Behandlung; die 
latenten Kranken reagierten zu 50°/o positiv. Bei energischer Behandlung 
dieser Personen verschwindet meist dio Beaktion. H. fordert die Serum-Probe 
bei neueintretenden Prostituierten, bei alten von Zeit zu Zeit und 6—8 Wochen 
nach Ulcus molle. Bei positiver Beaktion verlangt er eine systematische Kur, 
auch wenn klinische Zeichen fehlen. Dr. Liebetrau-HagenLW. 


Ueber BektalgoaorrhSe im Kindesalter. Von Dr. L. Kaumheimer- 
Assistent des Gisela-Kinderspitals in München. Münchener med. Wochen, 
schrift; 1910, Nr. 18. 

Verfasser berichtet über einen klinisch genau beobachteten, schweren 
Fall von Bektalgonorrhoe bei einem l*/«jährigen Mädchen und mochte damit 



534 


Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zer 


die Aufmerksamkeit auf diese wichtige und sicherlich nid 
der so häufigen kindlichen VulYOYaginitis gonorrhoica 1 

Die gonorrhoische Infektion des Rektums ist wohl 
dnrch das Ueberfließen des oft sehr reichlichen Vnl 
welches bei Rückenlage des Kindes dem Damm entlanf 
Öffnung gelangt (Antoinfektion). Manchmal kann abco 
Thermometers oder die Applikation eines Klystiers d 
gelegenheit abgeben; nach ist Uebertragnng durch d 
möglich, wenn auch wenig wahrscheinlich. Die snbje 
welche dnrch die Anwesenheit Yon Gonokokken im Bd 
fehlen meistens oder sind ganz gering. Sicherlich wird 
dieses symptomlosen Verlaufes so wenig beobachtet bexi 
Bei der Diagnose auf Rektalgonorrhöe ist neben der Stal 
häufig der Kotsäule aufsitzende graue, gerinnselartige, 
erkennen läßt, die mikroskopische Untersuchung entscheid 
nicht jeden Fall, in welchem einmal Gonokokken im Rek 
schon als Rektalgonorrhöe bezeichnen können. Bei der H 
Gonokokkennachweises im Rektum yon VulYOYaginit 
annehmen, daß entweder diese Bakterien in den meisten 
entzündlichen Erscheinungen bedingen oder daß die hei 
erkrankungen spontan abheilen können. 

Jedenfalls sollte man der Rektalgonorrhöe im Kinde 
schenken, da manches ResidiY einer VulYOYaginitis od 
Verlauf mit dem Fortbestehen dieser Darmkompiikation z 
ist sehr zu erwägen, ob nicht gerade diese symptomlosc 
so schwer zu bekämpfenden Spitalendemien Yon VuIyc 
eine Rolle spielt. Prophylaktisch wird man bei VuIyoyu 
Sekretion ein Uebeifließen nach der Analgegend zu Yerhl 
durch öftere tägliche Spülungen und durch Tamponade 
sogar durch Bedeckung der Analöffnung mit einem Wi 
Reklguigsprozeduren nach der Defäkation wäre spesie 
Bei Mädchen, welche an VulYOYaginitis leiden, sollen Be 
lassen oder nur unter geeigneter Vorsicht Yorgenommen 

Dr. Wal 


Syphilis und Jagend. Von H. Neumann. Ze 
Wohlfahrt; 1910, Nr. 2. 

Verfasser erinnert daran, daß die Gefährdung der 
stadt besonders nach der Schulentlassung zu berückst« 
guten Beispiel, mit der Erziehung und Beaufsichtigung 
beugung an« Für unseren speziellen Zweck schließe si< 
(bei Entlassung der Abiturienten, in der Fortbildungssch 
Aufklärung an. Vorbeugend ist ferner zu beachten, da 
samkeit im Lernen und Arbeiten, im Spiel und Erhol 
jeder Gelegenheit zur Ansteckung zur Pflicht macht; dat 
schaltlichen Kuß wie für das gemeinsame Essen, Tri 
Fassen wir dies alles in das eine Wort zusammen: mora 
Sauberkeit 1 Wo unsere Kultunrerhältnisse engere B 
fremden Personen mit sich bringen — Verpflegung bei 
Fremder ins eigene Heim — darf man nicht weiter acht 
heit8zustand der Parteien hinweggehen; Gesetz und Wo 
sich hier betätigen. Zur Eindämmung der Syphilis ist sc 
Maße die Behandlung jeder Krankheit zu erleichtern u 
den syphilistischen Kindern der Gesundheitszustand auch 
fortlaufend zu beobachten« Dr. Wolf- 


Die Sexaalhygiene des Mannes in Bestehung anf 
ketten und funktionelle Störungen. Von Prof. Dr. £ 
Probleme; 1910, Nr. 2—3. 

Die Hygiene des Geschlechtslebens hat schon in d< 
nicht auf den jüngeren Stufen, sondern dann, wenn der i 
verlassen bereit ist. Die Schale unterläßt es auch 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


535 


wirkungsvolle Unterweisung die ihr Anyertrauten nur Einsicht zu erziehen 
und in ihnen einen Zustand oder treffender eine Disposition zu erzeugen, 
welche mit der Möglichkeit der Erwerbung venerischer Erkrankungen unver¬ 
einbar ist. Nur diesem Umstand verdanken wir es, daß auch heute noch 
zahllose junge Leute in öffentlichen Lokalen vor zahlreichen Fremden sich 
ihrer ttberstandenen oder noch bestehenden Qeschlechtsleiden rühmen. Ver¬ 
fasser bespricht dann die Gefahren der Prostitution; er die verschiedenen 
prophylaktischen Mittel zur Verhütung dor Ansteckung und empfiehlt 20—30°/o 
Lösung von Phenolkampfer in einem Gemenge von Adeps suill. und Eucerin mit 
einem Zusatz von Zedernöl und Propäsin, ferner von Perubulsam und Helio¬ 
tropin. Im 2. Teil wird das Gebiet der funktionellen Störungen erörtert und 
ihre Beseitigung. Verfasser empfiehlt lür gewisse Fälle Puamambra (Einhorn¬ 
apotheke-Berlin). Leider hat die Kurpfuscherei auf diesem Gebiet weit um 
sich gegriffen. _ Dr. Wolf- Witzenhausen. 

ft. Wohnungshy giene. 

Künstliches Lieht. Von San.-Bat Dr. Schanz-Dresden. Blätter für 
Volksgesundheitspflege; 1909, Nr. 4. 

Die Belästigung unserer Augen liegt weniger in der Helligkeit als in 
der Zusammensetzung des Lichtes unserer künstlichen Lichtquellen; ein Teil 
der unsichtbaren Strahlen erzeugt Fluoreszenz in der Linse und Netzhaut, ein 
anderer Teil Beizung am äußern Auge, die sich bis zur Entzündung steigern 
kann (Schneeblindheit, elektrische Ophthalmie). Das Petroleumlicht enthält 
keine reizende Strahlen, dagegen das Gasglühlicht solche, die den Schleier 
erzeugen, der sich bei Blendung über das Auge legt. Wir müßten daher 
bedacht sein, dem künstlichen Licht die unsichtbaren Strahlen nach Möglichkeit 
zu entziehen; dies kann geschehen durch: 1. Verwendung von diffas 
reflektierten Licht; 2. Verwendung von Hüllen (Zylinder, Lampenglocken etc.), 
welche die Lichtquellen umgibt; 8. Verwendung von Euphosglas. 

_ Dr. Wolf-Witzenhausen. 

Beiträge rar Frage der Gesundheitsschädliehkeit offener Koksfeuer 
bei Ihrer Verwendung zum Aastrocknen von Neubauten. Von Dr.Spitta 
und Dr. B. Heise. Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamt; Band 84, 
Heft 1, Seite 77. 

Um feuchte Wände in Neubauten bei ungünstigem Wetter schneller 
austrocknen zu können, sind künstliche Wärmequellen zur Anwendung gebracht. 
Vorwiegend dienen hierzu offene Koksfeuer sog. Kokskörbe. Aus diesen 
gelangt der sog. Kohlendunst in die Umgebung. Es wird daher die Ver¬ 
wendung offener Koksfeuer nur bedingungsweise zugelassen. Neben Polizei¬ 
vorschriften für die Bauhandwerker sind die Vorschriften des verschiedenen 
Baugewerks - Berufsgenossenschaften maßgebend, die jedoch weitgehende Unter¬ 
schiede aufweisen. Von den Arbeitnehmern wird vielfach ein vollständiges 
Verbot der offenen Koksfeuer für nötig gehalten. 

Eine Prüfung dieser Frage von hygienischem Standpunkte wurde 
dadurch veranlaßt, daß sich im Juni 1908 das Reichs-Versicherungsamt 
dieserhalb an das Kaiserliche Gesundheitsamt wandte. 

Verfasser stellten daher zunächst in Laboratoriumsversuchen den Kohlen¬ 
oxyd und Kohlensäuregehalt des sich aus offen brennenden Kokskörben 
entwickelnden Kohlendunstes fest. Dabei stand ein Baum von 60,0 cbm zur 
Verfügung; die Bedingungen hinsichtlich Luftwechsels und Größe der Koks¬ 
stücke waren stets verschieden. 

Auch auf Neubauten wurden diese Bestimmungen vorgenommen, und 
zwar bei solchen mit verputzten und unverputzten Wänden. 

Auch die Beschaffenheit der Luft in den benachbarten Räumen wurde 
festgestellt. 

Von den Bestandteilen des Kohlendunstes ist das Kohlenoxyd deshalb 
am gefurchtesten, weil es zu den stärksten Blutgiften gehört. 

Der Gehalt an Kohlensäure betrug bei den Laboratoriumsversuchen 
6—25 cm über der Koksoberfläche 27 und 67°/oo Kohlensäure; bei den 
Neubauten betrug der Kohlensäuregehalt der Luft etwas über 10°/m. 

Was die schwefelige Säure anbelangt, so enthält Gaskoks etwa 



536 


Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


0,3—1,0*/« Schwefel, der sich bei der Verbrennung selbst in den Nebeariumen 
sehr unangenehm bemerkbar macht 

Das Besaitet der Arbeit hinsichtlich dee Ersuchens des Beiehs- 
Tersicherangssmtes ist folgendes: 

Unter der Vorsassetzang, daß die Beibehaltung offener Kokafeuer na 
Neubauaustroknen aus technischen Gründen erhebliche Vorteile bietet, erscheint 
ein bedingungsloses Verbot hierzu nicht erforderlich, da die mit den Rauch¬ 
gasen entwickelten gesundheitsschädlichen Bestandteile (Kohlenoxyd, Kohlen¬ 
säure und schweflige Säure) nicht so erheblich sind, daß in jedem Falle eine 
Gesundheitsgefährdung besteht Selbst in gut gelüfteten Bäumen kommt eine 
Ansammlung dieser Gase vor, jedoch nicht in dem Maße, daß den Arbeitern 
ein unmittelbare Gesundheitsgefahr droht 

Die Verwendung von Kohlenkörten ist nur in Bäumen gestattet welche 
ausgiebig mit der freien Luft durch Freilassen des obersten Drittels der 
Fensteröffnungen in Verbindung stehen und gegen die Nachbarräume, in denen 
gearbeitet wird, soweit abgeschlossen sind, daß ein erheblicher Luftaustausch 
ausgeschlossen ist. 

Ein nicht bloß vorübergehender Aufenthalt in Bäumen, in welchen 
Kokskörbe brennen, ist grundsätzlich zu verbieten. 

Gefahrlos erscheint ein Aufenthalt in Bäumen, welche neben, über oder 
unter Räumlichkeiten mit brennenden Kokskörben gelegen sind, dann, wenn 
sie ebenfalls gleichzeitig nach außen gelüftet werden. 

Dr. Zimmermann-Bromberg. 


Ueber die Aufgaben und Berufsplllehten der Krelswehnuugs- 
lnspektion in Worms. Von Dr. Else Conrad-Worms. Zeitschrift für 
soz. Medizin; Band 5, Heft 2. 

Für die 39 Landorte des Kreises Worms ist die Verfasserin'als Wohnungs- 
inspektorin angestellt. Die Wobnungsinspektion in engerem Sinne soll nur die 
Grundlage geben, auf der sich die ganze Tätigkeit der Inspektion aufbaut. 
Durch die Besichtigungen gelangt sie in die Häuslichkeiten der minder¬ 
bemittelten Bevölkerung und dadurch ist ihr Gelegenheit gegeben, dieser nahe 
zn kommen. Fast eine noch wichtigere Aufgabe als die Wohnungsinspektion 
ist die Wohnungspflege. Außerordentlich wichtig kann dis Mithilfe der 
Wohnungsinspektorin bei der Bekämpfung der leider auch auf dem Lande so 
sehr verbreiteten Tuberkulose werden. Ferner muß sie Fühlung mit den 
Krankenschwestern haben und soll die Kontrolle über die weiblichen Zwangs¬ 
zöglinge, die Waisen und die Pflegekinder unter 6 Jahren aasüben. 

_ Dr. Wolf-Witzenhausen. 

Wohnungsaufsicht und Bauordnung. Von Privatdozent Dr. Bauer- 
Stuttgart. Archiv für Stadthygiene; 1910, H. 4. 

Die Aufgaben der Wohnungsämter bestehen in: 

1. Aufstellung einer Ortsbausatzung, die den Anforderungen städti¬ 
scher Wohnweise Rechnung trägt, ihre Nachteile, vor allem das Mietkasernen- 
wesea zu unterbinden und dem Vorort dauernd den Charakter der weiträumigen 
Siedelang za sichern sacht 

2. Ausarbeitung der Ortsbaupläne, zunächst wenigstens des Be¬ 
bauungsplanes, damit durch reichlicheres Angebot von Baugelände die Boden¬ 
preise niedriger bleiben und von vornherein feststeht wo Wohn-, wo 
Fabrikviertel entstehen aollen. 

8. Der Wohnungsinspektor hat frühzeitig, schon ehe stärkerer Zuzug 
von Arbeitern beginnt, den status praesens der Häuser aufzunehmen und 
festzustellen, wie viele Wohnungen ein Haus enthält und wie groß die Höchst- 
belegziffer der einzelnen Wohnungen sein kann. 

4. Die Kontrolle über die Einhaltung der Höchstbelegziffer ist leicht 
zu ermöglichen, wenn die Wohnungsaufsicht für die wachsenden kleineren 
Gemeinden, die wir in erster Linie im Auge haben, nicht nur durch einen Be* 
zlrksbeamten ausgeübt sondern an Ort und Stelle frühzeitig ein Wohnungsamt 
einrichtet. Es kann im Nebenamt von einem Beamten betrieben werden. 
Seine Aufgabe ist Wohnungs Vermittelung. 



Kleinere Mitteilungen nnd Wenie tu Zeitschriften. 


68t 


6. Ferner ist sa ermitteln, inwieweit der gemeinnützige Wohnungsbau 
heraazuziehen ist, und dann das Nötige in die Wege au leiten. 

6. Weit wichtiger als die Kontrolle der yorhandenen Bauten auf Bau- 
fälligkeit und Belag ist die Kontrolle der Um* und Neubauten. Das Erweite¬ 
rungsgebiet soll nicht allmählich auch in die Zustände der Altstadt verfallen 
können. Dem wäre auf einfachste Weise vorsubeugen: durch Heranaiehea 
der Wohnungsaufsicht au der baupolizeilichen Tätigkeit. 

_ \ n_n_«_*_i* _ t» _i__JI- T^r _ 1_Ix_— 




der feuerpoliaeilichen und der übrigen ortsbaustatutarischen Bestimmung ge¬ 
prüft, sondern von vornherein festgestellt werden, ob das Gebäude dem an¬ 
gegebenen Zwecke entspricht. 

b) Das Wohnungsamt setat die Ziffer des aulässigen Belags fest. 

_ Dr. Wolf-Witaenhausen. 

8. Wasaerrersorgnn g. 

Der Wert des Bacillus- coli-Befundes sur Beurteilung der Reinheit 
eines Wassers. Der Wert der Eijkmanachen Gärungsprobe. Von Kreisarat 
Dr. Hilgermann-Coblena. Klinisches Jahrbuch; Band 22, 1909, Heft 2. 

H. sieht aus seinen Untersuchungen folgende Schlußfolgerungen: 

I. Werden in einem Wasser echte Colibazillen nachgewiesen, so ist 
ansunehmen, daß verunreinigende Zuflüsse in das Wasser gelangen. 

2. ln wirklich reinen Wässern werden echte ColibasiUen nicht gefunden. 

3. Für die Beurteilung der Beinbeit eines Wassers ist stets neben 
der Keimzählung und der chemischen Untersuchung der Colinachweis vor- 
suaehmen. 

4. Echte Colibazillen müssen außer den übrigen, dem typischen Bac. 
coli sukommenden Eigenschaften bei 46 Grad Traubenzucker vergären. 

6. Die Ei j km an sehe Gärungsprobe ist ein guter Indikator zum Nach¬ 
weis von Colibazillen, resp. fäkalen Verunreinigungen. 

6. Bei negativer Eij km an scher Gärungsprobe ist der sekundäre 
Eijkman anzusetzen oder ein Anreicherungsverfahren au verwenden. 

_ Dr. Dohrn-Hannover. 

Die Ergebnisse der bakteriologischen Wasserkontrolle tu Budapest. 
Von B. Vas. Archiv für Hygiene; Band 72, 1910, Seite 211. 

Der Bau des Budapester definitiven Wasserwerks ist im Jahre 1904 au 
einem vorläufigen Abschluß gelangt. 

Verfasser gibt zunächst einen Ueberblick über die historische Ent¬ 
wickelung der Wasserversorgung von Budapest. Gegenwärtig genügt das 
Wasserwerk selbst den größten Anforderungen. Die Durchschnittsleistung 
betrug 1908 täglich 183000 cbm, der größte Gebrauch war vom 80. Juli 
(169678 cbm) und der geringste am 20. April (99778 cbm.). i 

Es ist nun von Interesse, die fortlaufende bakteriologsche Wasser¬ 
untersuchung, die von 1897—1908 ausgeführt wurde, in Betrachtung au 
ziehen. Als Verfahren kam das wohl allgemeine übliche Gießen von Gelatine¬ 
platten (Fleichwasserpeptongelatine) in Betracht, die vor dem Erstarren mit 
1 ccm des zu untersuchenden Wassers, resp. einem Bruchteil davon beschickt 
wurden, wobei der Hauptwert nicht auf das Bestimmen der betreffenden Arten 
gelegt wurde, sondern auf ihre relative Zahl. 

Es konnten insgesamt 62 Bakterienarten aus dem Wasser gezüchtet 
werden. Pathogene Keime konnten trotz aorgfältigster Untersuchung nicht 
einmal nachgewiesen werden. 

Im übrigen muß auf die Originalarbeit verwiesen werden. 

Dr. Zimmermann-Bromberg. 

Die Sterilisation des Trinkwassers durch ultraviolette Strahlen. 
Von Prol Dr. Courmont und Prol Dr. Nogier-Lyoa. Medizinische 
Klinik; 1910, Nr. 16. 

Apparat zur Sterilisierung von Trlnkwnsser durch die ultravioletten 
Strahlen. Von Prof. Dr. Nogier-Lyon. Medizinische Klinik; 1910, Nr. 16. 

Taucht man eine Quarzlampe mit Quecksilberdampf, die Quelle per 
ultravioletten Strahlen in Wasser, so dringen von ihr diese Strahlen auf eine 


Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


m 

Tiefe Ton 80 cm und mehr und zerstören rasch die gewöhnlichen Mikroben 
des Wassers, ferner Mikroben, wie das Bacterinm coli, den Typhus- und 
den Cholerabadllos. Wenn man eine Lampe mitten in ein Gefäß Ton 
60 cm Durchmesser setzt, so kann man das Wasser völlig sterilisieren. Die 
Einwirkung der Lampe braucht nur wenige Sekunden bis zu einer Minute 
dauern. Verfassern gelang die völlige Sterilisation von Wasser, das eine 
Million Kolibazillen im Kubikzentimeter enthielt. Auch fließendes Wasser 
kann man auf die Art sterilisieren; das Wasser muß jedoch klar sein. Es wird 
nicht erwärmt und nicht verändert. Flüssigkeiten, die Kolloidsubstansen ent¬ 
halten, weiden von den ultravioletten Strahlen nicht leicht durchdrungen. 
Die Sterilisation des Bieres, des Weins und der Bouillon ist infolgedessen auf 
diese Art schwierig. 

Prof. Dr. Nogier hat für diese Art der Sterilisierung einen entsprechenden 
Apparat konsttuiert, der aus einer 15 cm langen Farbenlampe, einer aus 
leichtem Metall bestehenden äußeren Hülle und einem automatischen Koatroll- 
fuße besteht _ Bpd.jun. 

4. Abw&sserrelnigtwg und MÜHbeseitigung. 

Hauskläranlagen. Von Professor Dr. B. Wolf-Tübingen. Gesundheit; 
1910, Nr. 8. 

Hauskläranlagen sind ein Notbehelf und nur in solchen Städten und 
Gemeinden berechtigt die keine geordnete Kanalisation besitzen. Ihr Haupt¬ 
fehler ist darin zu sehen, daß in ihnen fäulnisfähiger, mit Infektionserregern 
beladener Unrat angesammelt wird. Die oberste Forderung, die wir hygienischer- 
seits allen Ab wasaerboseitigungs verfahren gegenüber erheben müssen, geht 
dahin, jede Ansammlung von Abfallstoffen innerhalb bewohnter Gebiete, 
namentlich im Innern von Städten zu verhindern. Es ist zweifellos, daß 
Fäkalien in ordentlich betriebenen biologischen Kläranlagen besser gereinigt 
werden als in Absitzgruben. Der Abfluß aus chemischen Kläranlagen wird 
immer, wenn er auch vollkommen klar und geruchlos ist, fäulnisfähige Stoffe 
in Lösung enthalten. Verfasser bespricht dann weiter die Vorteile der 
chemisch-mechanischen Kläranlagen für den Hausbetrieb, wo die biologische 
Kläranlage nicht am Platze ist. Als Beispiel wird die chemische Anlage des 
anatomischen Instituts in Tübingen genannt, die aus den bekannten 8 Oruben- 

S stemen besteht. Das Klärmittel, die Lü vemache Masse (Kalk, Magnesium- 
lorid und Teer), wird wöchentlich sweimal dem Inhalt der ersten Grube 
zugesetzt. Die Wirkung der Anlage läßt nichts zu wünschen übrig. 

_ Dr. Wo 1 f - Witzenhausen. 

Dis Reinigung der Fabrikabwässer ln England. Von Dr. E. Arnould. 
Revue d’Hygi&ne et de police sanitaire; 1910, Band 82, Nr. 8. 

Meistenteils wird in England die biologische Methode zur Reinigung 
der Fabrikabwässer angewandt. Man benutzt sie entweder allein oder in 
Verbindung mit andern Methoden. 

Mit der Bodenberieselung werden znar die besten Resultate erzielt, 
wenn man sie mit vorgängiger, anderweitiger Behandlung der Abwässer 
verbindet, jedoch steht der Mangel an Terrain ihrer allgemeinen Anwendung 
entgegen. Für manche Arten von Abwässern, besonders solche, die aus 
Ammoniakfabriken oder Zellstofffabriken stammen, hat man noch keine 
zufriedenstellende Reinigungsmethode gefunden. 

Man kann im allgemeinen überhaupt nicht von der Ueberlegenheit 
einer bestimmten Methode über die andere reden. Es kommt lediglich darauf 
an, eine den vorliegenden Verhältnissen am besten entsprechende Methode 
auszusuchen. Die beste Methode ist dann diejenige, die sich den Umständen 
und örtlichen Erfordernissen am besten anpaßt. 

Außerdem gehört dazu noch die Wahl eines tüchtigen Technikers, der 
einen rationellen Betrieb der Einrichtung verbürgt. 

_ Dr. Dohrn-Hannover. 

Kelmtätende Wirkung des Wassers aus Kohlenzechen und Gerbereien 
auf Typhus, Coli- und Milsbrandbaztllen. Laboratories of Departement of 
Health. Peneylvania Health Bulletin; 1909, Nr. 8. 



Besprechungen. 


m 


Es war schon lange anfgefallen, daB das Wasser der Pensylvanien 
dnrehaiehenden Flüsse aalfallend keimarm, besonders arm an den gewöhn¬ 
lichen Fäulniskeimen sind. Diese Erscheinung wurde allgemein dem Umstand 
sageschrieben, daß diese Flüsse in ihrem Oberlauf reichliche Schwefelsäure 
haltende Qrubenabwässer aus den dort befindlichen Kohlengruben aufnehmen, 
denen man jene keimtötende Kraft zuschrieb. Da ähnliche Eigenschaften auch 
die Abwässer aus Gerbereien besitzen sollen, wurden im Laboratorium des 
Gesundheitsamts in Pensylvanien vergleichende Untersuchungen mit diesen 
Wässern angestellt. Diese ergaben, daß in der Tat die keimtötende Kraft 
beider Abwässer eise außerordentlich große ist. So wurde der Typhusbacillus 
durch Kohlengrabenwasser in 1 Minute, durch Gerbereiwasser in längstens 
24 Stunden, Bact. coli durch Kohlengrubenwasser und Gerbereiwasser in läng¬ 
stens 4 Tagen abgetötet. Wegen der von Gerbereien drohenden Gefahr einer 
Infektion der Abwässer mit Milzbrandbazillen wurde auch die bakterizide 
Kraft dieser Abwässer auf Milzbrandsporon geprüft. Es ergab sich, daß die 
Zahl der in sie eingesäten Mildbrandkeime zwar ständig langsam zurückging, 
jedoch in 7 Tagen kaum auf die Hälfte der ursprünglichen Einsaat herab¬ 
gedrückt worden war. Wegen dieses letzteren Untersuchungsergebnisses 
wollen die Untersucher die Gerbereiabwässer von der Einleitung in die offenen 
Gewässer ausschließen. Die Ausschließung der Kohlengrubenabwässer würden 
sie jedoch geradezu für einen Fehler halten, da dadurch ihrer Meinung nach 
den Flüssen eine in gesundheitlicher Beziehung außerordentlich wichtige 
Eigenschaft genommen würde, der ihrer Meinung nach z. B. Philadelphia den 
niedrigen Stand seiner Typhusmorbidität verdankt. 

_ Prof. Dr. Lentz-Berlin. 

Ueber eine neue Richtung ln der Frage der Mflllbeseitignng und 
Mflllverwertung. Von Dr. Ci. D ö r r - Charlottenburg. Archiv für Stadthygiene; 
1910, Heft 1. 

Das Feinmüll ist zur Aufstapelung das allerungeeignetste Material 
und wird am besten wirtschaftlich verwertet; das Grobmüll ist dagegen dem 
Verbrennungsofen zu übertragen. Dr. Wolf- Witzenhausen. 


Besprechungen. 

Prof. Dr. Icfnigor, Landes-Medizinalrat in Düsseldorf: Begutachtung der 
Finger-, Arm- und Beinverletaungen mit Zusammenstellung der 
neuesten Entscheidungen des Heiohsverslchernngsamtes. Druck 
und Verlag von L. Schwann. Düsseldorf 1910. 8°; 338 8. Preis: geh. 4 M. 

Das Werk bietet nicht nur eine vorzügliche Anleitung zur Begut¬ 
achtung der Extremitäten-Verletzongen, sondern gibt auch praktische Winke 
zur Behandlung. 

Von Kunst fehlem erwähnt der Autor 3 Fälle von Oberarmbrüchen 
im Bereich des Ellenbogengelenkes, die mit Streckstellung des Ellen¬ 
bogens geheilt waren; in solchen Fällen wären event. Haftpflichtansprüche 
begründet gewesen. Bemerkenswert ist, daß auch die Schultergelenkverrenkung 
nicht selten übersehen und infolgedessen nicht eingerenkt wird. Allein die 
Rheinische landwirtschaftliche BerafsgenossenBchaft muß über ein Dutzend 
nicht eingerenkter Schultergelenklaxationen mit hohen Renten ent¬ 
schädigen. (Auch Referent sah einen solchen Fall, in dem aber nicht ein Arzt 
der schuldige Teil war, sondern ein Knochenflicker das Leiden verschuldet 
hatte, der die Diagnose nicht hatte stellen können.) 

Beim Oberschenkelbruch warnt Liniger vor zu früher Belastung, da 
sonst sekundäre Verbiegungen eintreten. Erst nach 3 Monaten ist der Knochen 
fest, beim Unterschenkelbrach tritt richtige Festigkeit erst nach 2 Monaten 
ein. Beim typischen Speichenbruch rät L. von Anlegung eines zirkulären 
Gypsverbandes ab; bei Vorderarmbrüchen und solchen am unteren Humerus- 
ende warnt er vor zu langem Liegen des Gypsverbandes. Bei den Oberarm¬ 
halsbrüchen alter Leute darf das Schultergelenk nicht zu lange ruhig gestellt 
werden, ebenso bei den Schlüsselbeinbrüchen und nach Einrenken der Schulter¬ 
luxationen. Beim Knöchelbruch ist vor zu frühem Aufstehen zu warnen. 



540 


Besprechungen 


Bei frisehverletsten Arbeiterh&nden sc 
Seife and Bürste oder mit nntiseptiBchexi Mil 
Nfthte sind nicht anzuraten. Die Sehnennmht 
gemacht weiden. Sehnenscheidenei ternngen sc 
werden. Bei Fingerverletzungen sollen die 
genügt meist Leukoplast. 

Der Autor verlangt sur Feststellung de 
leuchtung bei Brüchen und Verrenkungen d 
diehtigen Fällen, in allen Fällen von Speichenb 
Oberarmende, bei Verletzungen des Oberarmkno 
gelenkes. Auch die Diagnose eines MittelfaBk 
braches ist häufig nur durch Röntgenaufnahme 
Brüchen sind Durchleuchtungen von vorn nach 
innen notwendig; auch bei Brüchen im Bereich 
der Durchleuchtung sur Sicherstellung der Di eg 
Gibt so der Autor auf Grund der äußeren 
er verfügt, wertvolle praktische Winke, so kann 
Werkes schon aus dem Grunde angeraten werdei 
wirtschaftliche Berufsgenossenschaften auf Anreg 
amtes zurzeit bestrebt sind, den größten Teil der 
in Spezialkrankenhäuser zu verweisen. Jemehr m 
Pflicht auferlegt, schon die erste Diagnose exakt 
stellen, die Reposition von Brüchen und Verrenk 
möglichst genau zu machen, die Verbände — m 
— anzulegen und zu wechseln, um so eher ist n 
Hoffnung vorhanden, daß auch der praktische Arz 
Berufsgenossenschaften voll und ganz zurückgewii 
Der Hauptteil des Werkes ist einer reihha 
Scheidungen des Reichsversicherungs 
Mitteilungen dem Verfasser durch viele tausende 
lieber und gewerblicher Berufsgenossenschaften erz 
eingehend wird die Gewöhnung an Unfallfolgen gei 
Für jeden Gutachter in Unfallsachen ist e 
prägnantesten Punkten mitgeteilten Fälle empfehlet 

Di 


Dr. Baadeller und Dr. Boepke: Lehrbuch d 
gnostlk und Therapie der Tuberkulose. Fl 
Vierte erweiterte und verbesserte Auflage. Mit e 
Geh. Rat Prof. Dr. R. K o c h, Exzellenz. Wfirsbur) 
Kabitzsch (A. ßtubers Verlag). Gr.8°; 260* 
Kaum ist ein halbes Jahr vergangen, seit Be 
die S. Auflage eben genannten Lehrbuchs eingehend 
Zeitschrift; 1909, Nr. 14), und schon hat sich die Notn 
abermals eine Neuauflage — die vierte in 2*/i Jahren 
Wahrlich ein bedeutungsvolles Zeichen für das Buch i 
Weckruf an die praktischen Aerzte, aus ihrer Beser 
fischen Tuberkulosetherapie herauszutreten, das Tube 

S iostischen Zwecken zu verwenden, sondern auch als n 
rem Arzneischatz einzuführen, ist nicht ungehOrt ve 
■ich die Stimmen aus Aerztekreisen, die das Hecht de 
in der ambulanten Praxis für sich fordern und den g< 
als rückständig energisch bekämpfen. Ueberrascht war 
welch eingehendes Interesse auf verschiedenen Verein 
der praktischen Kollegen für die Tuberkulintherspie i 
wie das Verlangen laut wurde, aktire Anhänger dersel 
Nun, für denjenigen, der nicht in der Lage ist, an geeign 
Augen zu sehen und zu lernen, bietet das rorUegend 
Führer zu dem erstrebten Ziel, vorausgesetst, dal die s 
und übersichtlich gegebenen Vorschriften und deutlich g 
steine auf dem Wege der spezifischen Heilbehandlung d 
studiert und beachtet werden. 



Besprechungen. 


641 


Im Übrigen hat der Inhalt des Baches entsprechend den mancherlei 
wissenschaftlichen Neuerscheinungen aal den einschlagenden Gebieten, eine 
Erweiterung erfahren, hier and da konnte jedoch nach eine Kürzung eintreten. 
Im allgemeinen Teil der spezifischen Diagnostik ist namentlich 
das Kapitel Uber die koojanktirale Tuberkulinprobe erweitert worden. Be¬ 
merkenswert ist, daß auch die jüngsten Erfahrungen mit der Tuberkulin- 
Installation das Vertrauen zu dieser Methode nicht nur nicht zu festigen ver¬ 
mocht, sondern im Gegenteil die Verfasser erneut veranlaßt haben, vor ihrer 
Anwendung in der Praxis zu warnen. Interessant in dieser Beziehung Ist, 
daß iCal mette selbst die genannte Methode mehr und mehr fallen läßt. 
Besonders wird vor Wolf f-Eisners neuestem Ersatz der Einträufelung, dem 
Einbringen einer Tuberkulinsalbein den Konjunktivalsack, aufs dringendste 
gewarnt, da dieses Verfahren infolge ungenügender Kontrolle der Dosierung 
und der Güte der Salbe noch größere Gefahren in sich birgt als die Anwendung 
des Tuberkulins in LOsung. 

Aus dem speziellen diagnostischen Teil ist zunächst hervor- 
zuheben, daß auch der Röntgendiagnostik der Lungentuberkulose, an 
die große Erwartungen geknüpft werden, Erwähnung getan wird ; sie vermag 
in vielen Fällen, namentlich wo es sich um Katarrh allein handelt, die Schwierig¬ 
keiten in der Erkrankung einer Tuberkulose nicht zu beseitigen, hinterläßt 
vielmehr Unklarheit beim Arzte und Ungewißheit beim Patienten. — Weiterhin 
ist die Bedeutung der Herdreaktion auf Grund einer neuen Arbeit von 
Kämmerer aus der Tübinger Klinik gebührend gewürdigt, welch eraterer 
darin beruht, daß ihr Nachweis den aktiven Charakter des tuberkulösen 
Lungenherdes feststellt. 

Schließlich hat das Kapitel über die Tuberkulindiagnostik in 
der Kinderheilkunde eine Erweiterung erfahren insofern, als der jüngsten 
Beobachtung Engels gedacht wird, nach welchem man bei Kindern durch 
wiederholte diagnostische Tuberkulininjektionen die gutartigen von den 
bösartigen Tuberkulosen zu trennen in der Lage sein soll; Nachprüfungen in 
Kinderkliniken und Krankenhäusern wären allerdings zur Bestätigung der 
bedeutungsvollen Ergebnisse noch nötig. Jedenfalls bietet die subkutane An¬ 
wendungsweise die Aussicht, durch sie Anhaltspunkte für den Verlauf einer 
Tuberkulose zu gewinnen. 

Im allgemeinen Teil der Abhandlung der spezifischen The¬ 
rapie der Tuberkulose schicken die Verfasser voraus und betonen aufs nach¬ 
drücklichste, daß die Tuberkulintherapeuten sich durchaus nicht in einem 
Gegensatz zu den bewährten hygienisch-diätetisch-physikalischen Heilmethoden 
setzen wollen, sondern diese stets alB das Fundament für die spezifische 
Therapie anerkannt hätten. Die Kombination der beiden großen 
modernen Heilfaktoren, die Anstalts-und Tuberkulinbehand¬ 
lung wird rückhaltlos als die gegenwärtig leistungsfähigste Behandlung der 
aktiven Lungentuberkulose erklärt. 

Im übrigen haben sich die Indikationen und Kontraindikationen für die 
Anwendungsweise des Tuberkulins nicht geändert, nur hinsichtlich des Kindes¬ 
alters sind namentlich durch die Arbeiten Schloßmanns genauere Richt¬ 
linien festgelegt worden, deren Tenor dahingeht, daß ein „grundsätzlicher 
Unterscheid für die therapeutische Anwendung des Tuberkulins bei Erwachsenen 
und Kindern“ nicht mehr zu erkennen ist. 

Im speziellen Teil sind nennenswerte Aenderungen des Inhalts nicht 
zu verzeichnen; neu genannt sind von Tuberkulinen nach Koch’scher Art 
das Haentj ens’sche Präparat, die Filtrase „ein wahres, von den Bazillen¬ 
leibern selbst stammendes Endotoxin,“ und das Zeuner’sche Prosperol, 
eine durch Oelseife ausgelaugte und verseifte Tuberkelbazillenaufschwemmung; 
nähere Angaben über ihre Wirkung sind nicht gemacht. Interessant ist, was 
die Verfasser Uber ihre Versuche mit dem viel genannten Spengler’schen 
Tuberkulose-Immunblut (J. K.) berichten, dem von einigen 8eiten ja hervor¬ 
ragende Erfolge zugeschrieben wurden. Nachdem von ihnen das Verfahren an 
Ort und Stelle studiert worden ist, wurde es an cc. 270 Fällen streng nach 
C. 8prengler’s Angaben angewandt mit dem Ergebnis, »daß das J. K. 
absolut indifferent und für die Behandlung der menschlichen 
Tuberkulose wertlos ist“ 



642 


Tagesnachrichten, 


Nach eingehender außerordentlich übersichtlicher Darstellung der Be« 
handlang der Lungentuberkulose wird die Taberkulinanwendung auch bei 
anderen tuberkulöserkrankten Organen abgehandelt und hierbei namentlich 
auf die Fortschritte und günstigen Erfolge hingewiesen, die eine Anzahl 
Autoren auf dem Gebiete der Augen« und Urogenital tuberkulöse erzielt haben; 
sie sind so auffallend, „daß die Tuberkulinbehandlung hier zu weitgehender 
Nachprüfung auffordert.“ 

Möchte auch die neue Auflage dieses vorzüglichen Buches, das sich, 
beiläufig bemerkt, gegenüber den vorhergehenden durch einen sehr weiten, 
leicht lesbaren Druck auszeichnet, in recht viele ärztliche Hände kommen und 
fernerhin dazu beitragen, daß die zweite Tuberkulinära, nachdem die erste 
infolge manch widriger Umstände ein vorschnelles Ende gefunden, immer 
weitere Kreise zieht und durch Ermöglichung frühzeitigster Erkennung der 
Krankheit und Inangriffnahme ihrer Behandlung dazu beiträgt, die Tuberkulose 
unaufhaltsam von der Scholle menschlichen Daseins zu verdrängen. 

Dr. Hillenberg-Zeitz. 


Tagesnachrichten. 

Nachdem sich auch der neue preußische Minister des Innern v. Dallwitz 
mit dem Uebergang der Medliinalabteilnng des Kultusministeriums an dss 
Ministerium des Innern einverstanden erklärt hat, wird die Verlegung der 
Abteilung am 1. April 1911 stattfinden. 

Zu dieser Abtrennung sagt die Kölnische Zeitung: 

„Wie wenig bisher die Medizinalabteilung den neuzeitlichen Anfor« 
derungen der öffentlichen Gesundheitspflege gerecht werden konnte, ist in den 
letzten Etatsdebatten des Abgeordnetenhauses überzeugend dargelegt worden, 
und erst in den letzten Tagen, bei den Beratungen der Beichstagskommission 
für die Reichsversicherungsordnung hat sich gezeigt, wie wenig man bisher 
die Medizinalabteilang zu den wichtigsten Fragen, die in ihr Gebiet fallen, 
hinzugezogen hat. Danach erscheint der Wunsch nicht unberechtigt, daß die 
Ueberführung der Abteilung vom Ministerium des Kultus zu dem des Innern 
mehr als eine bloße Dislokation sein möge, daß vielmehr die Abteilung sich 
ln Zukunft in weitestem Maße, in größter Selbständigkeitund möglichst 
unter Leitung eines Fachmanns ihrer wichtigen und verantwortungsvollen 
Aufgabe zur Erhaltung und Förderung der Volksgesundheit widmen könne.“ 

Das absprechende Urteil der Kölnischen Zeitung über die bisherige 
Tätigkeit der Medizinalabteilang trifft jedenfalls für die letzten zehn Jahre 
nicht zu; denn während dieser Zeit hat die Medizinalabteilang auch im Kul« 
tusministerium Hervorragendes auf dem Gebiete der öffentlichen Gesundheits¬ 
wesens geleistet und dieses nach allen Richtungen gefördert, so daß die Unter« 
lassungssünden der vorhergehenden Jahrzente nach Möglichkeit wieder aus¬ 
geglichen sind. Eine größere Selbständigkeit unter Leitung eines 
Fachmannes ist allerdings dringend erwünscht; hoffentlich erhält die Abteilung 
diese in dem neuen Ministerium. Noch besser würde ja die Bildung eines beson¬ 
deren Ministeriums für öffentliche Gesundheitspflege sein, das nicht 
blos in ärztlichen Kreisen gewünscht wird. 1 ) Aber dieser Wunsch wird wohl 
vorläufig noch für längere Zeit unerfüllt bleiben. 


*) Das Berliner Tageblatt schreibt in dieser Beziehung: „Das 
Medizinalwesen bleibt wie bisher einem Minister untergeordnet, der 
dasselbe sozusagen im Nebenamt verwaltet. Nach dem gegenwärtigen 
Stand der wissenschaftlichen Hygiene und der praktischen öffentlichen Ge¬ 
sundheitspflege ist es nämlich unbedingt notwendig, daß dieses eminent 
wichtige Gebiet der Staatsverwaltung selbständig innerhalb des 
Staatsministeriums und von einem Fachmann vertreten sei. Wie 
das Ressort der Justiz, der Landwirtschaft, des Verkehrswesens einen Fach¬ 
mann an der Spitze haben muß, so kann und muß auch das Medizinalwesen, 
die öffentliche Gesundheitspflege in des Wortes weitester Bedeutung nur von 
einem Fachmann verwaltet werden, der 8itz und Stimme im Staatsmini- 
sterium hat und der dann auch dem Parlamente gegenüber die volle ver¬ 
fassungsmäßige Verantwortung übernimmt. Mit der Uebertragung der Modi- 



TageBnachrichten. 


543 


Der Bericht Aber das Preassische Gesundheitswesen im Jahre 1908 
ist soeben im Verlag von Bichard Schötz zur Ausgabe gelangt. 


In Mecklenburg-Schwerin ist jetzt durch Verordnung vom 
1. Jali 1910 eine neue Gebührenordnung für die Kreisärzte erlassen; wir 
werden diese in der Beilage zu einer der nächsten Nummern der Zeitschrift 
zum Abdruck bringen. _ 


Tagesordnung der 82. Versammlung Deutscher Naturforscher und 
Aerzte vom 18. bis 24. September d. J. in Königsberg i. Pr. 

Sonntag, den 18. September, vormittags: Sitzung des Vorstandes. 
Abends 8 Uhr: Begrüßung der Teilnehmer in der Festhalle des Tiergartens. 

Montag, den 19.September, vormittags 9 Uhr: Erste allgemeine 
Versammlung in der Festhalte des Tiergartens. 1. Begrüßungsansprachen; 
2. Külpe-Bonn: Erkenntnistheorie und Naturwissenschaft; 3. Gramer- 
Böttingen: Pubertät und Schule. — Nachmittags 3 Uhr: Konstituierung der 
Abteilungen. — Abends 8 Uhr: Empfangsabend, gegeben von der Stadtgemeinde 
Königsberg im Börsengarten und den angrenzenden Logengärten. 

Dienstag, den 20. September, vormittags 9 Uhr: Gesamtsitzung 
der medizinischen Hauptgruppe im Restaurationssaal des Tiergartens. Nach¬ 
mittags 8 Uhr: Abteilungssitzungen. Abends 7 Uhr: Festvorstellung im 
Stadttheater. 

Mittwoch, den 21. September, vormittags 9 Uhr: Gesamtsitzung 
der medizinischen Hauptgruppe 1 ) im Restaurationssaal des Tiergartens. Nach¬ 
mittags 3 Uhr: Abteilongssitzungen. Abends 7 Uhr: Festmahl im Konzert¬ 
saal des Tiergartens. 

Donnerstag, den 22.September, vormittags8 1 /*Uhr: Geschäfts¬ 
sitzung der Gesellschaft. 9 1 /* Uhr: Gemeinschaftliche Sitzung beider Haupt¬ 
gruppen im Konzertsaal des Tiergartens. Nachmittags 3 Uhr: Gesamtsitzungen 
der medizinischen Hauptgruppe *) im Restaurationssaal des Tiergartens. Abends 
von 6 Uhr ab: Tiergartenfest. 

Freitag, den 23. September, vormittags 9 Uhr: Zweite allgemeine 
Versammlung im Konzertsaal des Tiergartens: 1. Mitteilungen; 2. Zenneck- 
Ludwigshafen: Die Verwertung des Luftstickstoffs mit Hüfe des elektrischen 

zinalabteilung auf das Ministerium des Innern ist dieses preußische Ver¬ 
waltungsproblem nicht sowohl gelöst, als vielmehr hinausgeschoben. Ob das 
Provisorium — denn darum handelt es sich unseres Dafürhaltens — von 
langer Dauer sein wird, darüber wagen wir freilich keine Vermutung zu 
äußern." 

») In diesen Gesamtsitzungen der medizinischen Hauptgruppe ge¬ 
langen folgende Gegenstände zur Verhandlung: 

Bär&ny, Wien: Ueber die Bedeutung des Vestibulärapparate bei 
den Erkrankungen der hinteren Schädelgrube und bei Schädeltraumen. 
Friedberger, Berlin: Ueber das Wesen und die Bedeutung der Anaphylaxie 
Gerber, Königsberg: Ueber das Sklerom, insbesondere in Ostpreußen. 
Gordon, Berlin: Ueber das Endotin, die isolierte spezifische Substanz des 
Alttuberkuiin (Koch}. Jadassohn, Bern: Ueber Tuberkulide. Kraus, 
Berlin: Ueber funktionelle Herzdiagnostik. G. Meier, Berlin: Der heutige 
Stand der Lepraforschung. Georg Michaelis, Berlin: Die Lehre von den 
Opsoninen in ihrer Bedeutung für die Praxis. Nagelschmidt, Berlin: 
Diathermie und Hochfrequenzströme. Neiße r, Breslau: Ueber Syphilistherapie. 
Beiter, Berlin: Ueber den gegenwärtigen Stand der Vaccinetherapie. 
R. Stern, Breslau: Ueber Resistenzunterschiede von Bakterien innerhalb und 
außerhalb des Organismus. Wasmus, Hamburg: Demonstrationen über 
Diathermie. Wassermann, Berlin: Die Bedeutung des Spezifizitätsbegriffes 
für die moderne Medizin. Wolff-Eisner, Berlin: Tuberkuloseimmunitftt 
und Tuberkulose-Immunisierung in ihrer klinischen Bedeutung. Zange¬ 
meister, Königsberg: Ueber Streptokokkenimmunität und Serumbehandlung 
bei Streptokokkeninfektionen. 



544 


l^gcghachrichfe 


Flammenbogenn (mit Experimenten); 8. Fil 
deutsche Südpolexpedition; 4. Aoh*Köaigs 

Sonnabend, den 24. Sep t em b er: 

In der 27. Abteilang: Gerichtliche und 
die VL Tagang der Deutschen Sesellechaft i 
gelangen iolgende Referate and Vor trage za 
tingen) gemeinschaltiich mit Wollen borg 4 
(Königsberg): Der Vor ent warf sa einem Straf 
and Schmidt (Kottbas): Ueber Wirbel-Ei 
letzungen. Zangger (Zürich): Ueber die j 
Chemie in der gerichtlichen Medizin. BOri 
kriminelle Bedeutung der Luftembolie bei Nenj 
Die Fleischvergiftung und ihre gerichtlieh-med 
(Berlin): Der Unterricht in der sozialen Medizi] 
Orthopädische Maßnahmen bei Unfallverletzten 
mit besonderer Berücksichtigung der dadurch j 
Begutachtung der Erwerbsfähigkeit. Leere (. 
auf dem Gebiete des forensischen Blutnachwe 
Ueber Haaryerletsungen. Puppe (Königsberg): E 
über den Sauerstoffgehalt des Blutes beim ge 
(München): 1. Ueber die Sektionstechnik bei ge 
2. Altersbestimmungen von Blataustritten. Schl 
Basedowsche Krankheit iu der Inyaliden yersichen 
Ueber die Frage der Aehnlichkeit in der gericl 
(Berlin): Thema yorbehalten. Stumpf (Wflrsbur 
durch Ertrinken. Ungar (Bonn): Thema yorbehal 
postmortale Entstehung yon Fettembolien. 

Sitzungsraum: Institut für gerichtlici 
Verpflegungsstätte: Berliner Hof, Steindamn 
Med.-Rat Prof. Dr. Puppe; Schriftführer: 
Kreisarzt und Dr. Kürbitz. 

Tagesordnung der 28. Abteilung. Hjffic 
Bürgers (Königsberg): a) Choleragift; b) Besiehu 
flüssigkeiten zur Infektion und Immunität des Auge 
Thema yorbehalten. C. Fränkel (Halle): Then 
berger (Berlin): Thema yorbehalten. Kruse (1 
suche im Großen; b) Heue Untersuchungen über 
München): a) Versuche mit dem Formalin-Vakui 
b) Beziehungen der epidem. Genickstarre zu Zivil- 
Fetruschkj (Danzig): a) Weitere Beobachtung 
deutung der Streptokokken in der Milch; b) Bia 
der Sommersterblichkeit der Säuglinge. R. Pf ei 
Vorbehalten. Pappel (Königsberg): (Jeber Strept 
Scheller (Breslau): Thema yorbehalten. Schidor 
gift und Cholerainfektion. F. Schreiber (KOnJgs 
für Bakterien. Springfeld (Königsberg): Ci 
Stühlern (St. Petersburg): a) Ueber Serumtherspii 
b) die Cholera eine Nitrityergiftung? Trentlein (V 
medizinische Versuche in Bolivien. 

Sitzungsraum: Universit&tsgeb&ode; Vei 
Zentralhotel, Restaurant, Schloßteichstraße 7; Ein fl 
Kruse; Schriftführer: Dr. Bürgers and Dr. 8< 

Zur Erleichterung der Reise nach und ?oa KO 
genügender Beteiligung — Extrazftge rerkehren, die 
Teilnehmer der Versammlung reserriert sind; die Fakrpi 
etwa 40•/•• Die Züge werden yon Berlin (Bakaho 
17. September 11,30 Uhr nachts und ?on Breslau 
ca. 3,80 Uhr nachmittags, abgehen und Ansehlußsüge toi 
COlm erhalten. Rückfahrt am 25.September abends. 







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für iefctKcbe MMum. PsytJfeÖtrie 

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23. Jahrg. 


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Inserate nehmen die Verlngshendlung sowie alle Annoncenexpeditionen des In« 
und Auslandes entgegen. 


Nr. 15. 


Knekebit ui I. nt SO. Jeden Monate. 


5. August. 


Die forensische Bedeutung der Fleischvergiftungen; an 
Düsseldorfer Gruppenerkrankungen erläutert. 

Von Qerichtsarzt Dr. Berg in Düsseldorf. 

Man ist gewohnt, die Fleischvergiftungen einznteilen in 
solche nach Genoß von Fleisch kranker Tiere, nach Genoß von 
faulem Fleisch und in die sogenannten Wurstvergiftungen. Die 
Einteilung stammt ans der vorbakteriologischen Zeit; sie iBtzwar 
bequem und übersichtlich, aber für die beiden ersten Abteilangen 
nicht scharf, wie ans dem Folgenden hervorgehen wird. Indessen 
sind die verschiedenen Erreger der Fleischvergiftungen noch nicht 
genan genug bekannt, als daß sich heute schon eine ätiologische 
Einteilung nach ihnen geben ließe. Um aber Mißverständnissen 
vorznbengen, lasse ich der Besprechung meiner Fälle eine kurze 
Uebersicht über die Erscheinongsweise der drei Vergiftangsarten 
vorangehen. 

1. Vergiftung durch den Gennß von Fleisch kranker Tiere. 

Schon das frisch geschlachtete Fleisch ist schädlich; es 
kommen dadurch meist Massenerkrankungen mit Cholera- oder 
typhoBähnlichem Verlauf (Gastroenteritis) vor. Die Schwere der 
Erkrankung nnd die Schnelligkeit ihres Eintritts ist unabhängig 
von der Menge des genossenen Fleisches. Rohes Fleisch wirkt 
verderblicher; die Infektionserreger werden durch Kochen zerstört, 
aber nicht ihre Toxioe. Als besonders schädlich haben sich die 











646 Dr. Berg: Die forensische Bedeutung der Fleischvergiftungen; 

zu Würsten verwendeten Eingeweide: Leber, Milz, Lnnge er¬ 
wiesen, in denen die Bakterien reichlicher vorhanden sind nnd sich 
durch das längere Anfbewahren noch vermehren. Als Ursache 
wurde meist das Fleisch wegen Darmerkranknng oder Sepsis 
geschlachteter Kühe nnd Kälber ermittelt. Als Erreger fanden 
sich Stäbchen ans der Gruppe Coli, fast ausschließlich Bacillus 
enteritidis (Gaertner) nnd Paratyphus B, zwei sehr nahe Ver¬ 
wandte, die für Mäuse nnd Meerschweinchen im Gegensatz zu 
Coli nnd Typhus pathogen sind nnd ein hitzebeständiges Toxin 
liefern. Wiederholt gelang es, den Erreger durch die Serum- 
diagnose zu identifizieren, indem die ans dem giftigen Fleisch oder 
ans den Leichenteilen gezüchteten Stäbchen durch das Blutserum 
der Genesenden bis zur Verdünnung von 1:1000 agglutiniert 
wurden. 

Die Mas senerkrankungen haben also zur Voraussetzung, daß 
der ganze Tierkörper schon zu Lebzeiten verseucht war. Zahl¬ 
reiche Beobachtungen vereinzelter Fleischvergiftungen nötigen 
aber zur Annahme, daß das von gesunden Schlachttieren stammende 
Fleisch noch nachträglich infiziert werden kann. Es ist darauf 
hingewiesen worden, daß sich unter den Metzgern oder den sonst 
mit Fleisch hantierenden Leuten Paratyphusbazillenträger befinden 
können, welche die Keime auf das Fleisch übertragen. Basen au 
hat gezeigt, daß gesundes Fleisch leicht durch Auflegen von 
stäbchenhaltigem infiziert werden kann. Paratyphusstäbchen 
wurden übrigens von Dieudonnö, Uhlenhut und Fischer 
bei kranken Tieren gefunden, scheinen aber auch sonst außerhalb 
des Tierkörpers vorzukommen. 

Ich vermute, daß vereinzelt aufgetretene Erkrankungs- und 
Todesfälle mit den Symptomen der Fleischvergiftung, die ich 
gelegentlich zu begutachten hatte, zu diesen sporadischen 
Paratyphus-Infektionen gehören. In einem Fall jüngster 
Zeit ist dieser Nachweis auch geglückt. Ich führe den Fall hier 
an, obwohl er keine „Fleisch“-Vergiftung ist, sondern eine Para¬ 
typhusinfektion durch Vermittelung von Käse. Selbstverständlich 
ändert sich an der Erkrankung nichts, ob der infizierende Keim nun 
an Fleisch oder einem andern Nahrungsmittel haftet — übrigens 
auch ein Beweis für die Unzulänglichkeit unserer Namengebung. 

Der 66 jährige Gerichtsvollzieher 8., oin Potator strenuus, hatte am 
8. Juni 1908 mit seiner Frau und einer erwachsenen Tochter Tilsiter Käse 
gegessen. Alle 8 erkrankten an Brechdurchfall, der Mann am schwersten, die 
Tochter am leichtesten. Am 6. Juni fand der Arst bei 8. das Bild einer 
schweren Cholera nostras mit vox cholerica und schwerster Prostration. 
8. starb am 9. Juni. 

Aus dem Befund der Leichenöffnung am 12. Juni hebe 
ich hervor: 

Trübung und Oedem der Pia an der Hirnoberfläche, blasiges Oedem der 
Plexus, 8klerose der basilaren Arterien. Herz groß und schlaff. Petechien 
des Epikard, fleckige Sklerose der Eransadern, Petechien der Pleura pulmonaUs, 
Hyperämie der Lungen; kein Milztumor, beginnende arteriosklerotische 
Schrumpfung der Nieren; Fettleber, kleine Blutungen in der Magenschleimhaut 
des Fundus. Darmschleimhaut durchweg injiziert, im Ileum Einzel- und 
Hanfendrttsen geschwollen. Im Dickdarm dünnflüssiger Kot. Im hiesigen 
Medizinal- Untersuchungsamt wurde aus Darminhalt und Organen Bac. Para- 



an Düsseldorfer Grappenerkrankangen erläutert. 


647 


typhi B gezüchtet, der sieh in der Knltnr auf Käse 14 Tage hielt and Ulme 
schnell tütete; das Sernm der genesenen Frau S. agglutinierte ihn. 

Ans neuester Zeit hat Riemer (Zentr. f. Bakt.; 1908, B. II, 
S. 169) eine Massenerkrankung durch Bac. enterit. beschrieben. Es 
erkrankten in einem Stadtteil Rostocks im Jahr 1907 63 Personen 
dnrch den Genuß von Leberwarst mit Fieber, Erbrechen and 
Durchfall. Die Erkrankungen waren meist schwer, doch endete 
keine tödlich. Ans der Warst and den Faeces konnten Gaertner- 
Bazillen gezüchtet werden, die durch das Seram der Franken 
bis zar Verdünnung 1:800 agglatiniert worden. Die Herkunft 
des Erregers aus menschlicher oder tierischer Krankheit konnte 
nicht festgestellt werden. 

Ebenso dunkel blieb der Ausgangspunkt der Fleischver¬ 
giftungs-Epidemie in Berlin, die Kutscher untersucht hat 
(Zeitschr. f. Hyg.; 1907, S. 331). Vom 9. bis 11. Oktober 1906 
erkrankten 190 Personen mit 2 Todesfällen. In den Resten des 
Fleisches fanden sich Paratyphusbazillen, bei einzelnen Kranken 
auch im Kot und Harn, endlich in den Organen der Gestorbenen. 
Aach fiel die Serumdiagnose positiv aus. 

2. Vergiftung durch den Genuß faulen Fleisches. 

Das Schlachtvieh ist gesund, aber das Fleisch verdirbt durch 

Eindringen von Fftulniserregern, meist Proteus, seltener Colibazillen. 
Sie siedeln sich gern im Hackfleisch während des Sommers an. 
Die Erkrankungen sind weniger schwer, selten tödlich, verlaufen 
unter dem Bilde der Gastroenteritis mit starken Kopf- and 
Leibschmerzen, stinkenden Entlerangen, großer Schwäche. Im 
Gegensatz zur ersten Gruppe bilden die Fäulnisstäbchen keine 
hitzebeständigen Toxine; Fleisch und Fleischbrühe wirken daher 
nicht schädlich. In den bisher beobachteten Gruppenerkrankungen 
war fast regelmäßig eine schlechte Aufbewahrung des Fleisches 
in verschmutzten Eisschränken, feuchten Kellern usw. an dessen 
Infektion mit dem weit verbreiteten Proteus schuld. Es leuchtet 
ein, daß diese Art Fleischvergiftung an Bedeutung hinter der 
erstgenannten zurücktritt, nicht sowohl wegen der leichteren Form 
der Erkrankung, als vielmehr wegen der geringeren Ausbreitung 
der Fälle. 

3. Vergiftung durch den Genuß von Warst usw. 

Bei der Wurstvergiftung werden ursprünglich gesundes 

Fleisch und Organteile durch den anaeroben Bacillus botulinus 
nachträglich infiziert. Die bisherigen Vergiftungen wurden durch 
Schinken, Wurst und Fleischkonserven verursacht; sie verliefen 
ohne Beteiligung von Magen und Darm mit Lähmungen von 
motorischen Hirnnerven, mit sekretorischen und Herzstörungen. 
Sie endeten entweder tödlich oder nach wochenlangem Kranksein 
mit Genesung. Bisher wurden nur wenig derartige Vergiftungen 
mitgeteilt; ich habe keinen Fall beobachtet. Ob sie überhaupt 
schon einmal forensisch wichtig wurden, ist mir nicht bekannt. 

Fleischvergiftungen beschäftigen den Medizinalbeamten 
nicht gerade selten. § 82 b der Dienstanweisung handelt von 



548 Dr. Berg: Die forensische Bedentug der Fleischvergiftungen; 


ihnen in polizeilicher Hinsicht Auch die Staatsanwaltschaft pflegt 
den F&llen nachzngehen, so daß gerichtliche Leichenöfinnngen 
von angeblich Vergifteten Vorkommen. Gewöhnlich werden umfang- 
reiche Ermittelungen angestellt zahlreiche Zeugen vernommen, 
Gewerbetreibende (Metzger, Händler, Wirte) empfindlich geschädigt, 
bis der ganze Prozeß endlich nach Anhörung des ärztlichen Sach¬ 
verständigen in einen Freispruch ausgeht Die Gründe dafür 
kann ich am besten an 3 Gruppen von Fleischvergiftungen er¬ 
örtern, bei denen ich als Sachverständiger beteiligt war. Gleich¬ 
zeitig sind sie als Beispiele des oben über Fleischvergiftungen 
im allgemeinen Mitgeteilten lehrreiche 

Gruppe Müller; Proteus-Infektion. Am 21. Dezember 1906 
hatte die Frau Möller morgens aus einem Metzgerladen eine frische Blut¬ 
wurst gekauft An demselben Vormittag hatten davon gegessen: die2jihrige 
Maria, die 6 jihrige Gertrud und 2 ältere Geschwister. Von den beiden 
letzteren blieb der 15jährige Sohn gesund; er hatte gleich beim Einbeißen in 
die Blutwurst den Bissen wieder ausgespuckt mit den Worten: Was ne fiese 
Wurst! Eine ältere Tochter erkrankte am späten Nachmittag an einem leichten, 
schnell vorübergehenden Uebelsein mit Erbrechen, aber ohne Durchfall. 
Maria und Gertrud erkrankten an Nachmittag mit Brechdurchfall, der sieh 
am 22. Dez. so verschlimmerte, daß ein Arzt gerufen wurde. Dieser lenkte zuerst 
dea Verdacht auf die Wurst als die Quelle der gemeinsamen Erkrankungen. 
Am 23. Dez. erlag Gertrud, am 24. Dez. Maria ihrem Leiden. Die gerichtliche 
Leichenöffnung fand am 8. Januar statt. Die Leichen waren gut erhalten, 
die Kinder kräftig entwickelt. Die Herzen hatten derbe Muskulatur. Die 
Lungen waren wenig blutreich, ohne Oedem, hatten aber in allen Luftröhren 
reichlich gelbgrauen, glasigen Schleim; die LuftrOhrenschleimhaut war auf¬ 
gelockert. Der Magen war bei beiden Leichen ohne bemerkenswerten Befund; 
im Dünn- und Dickdarm fand sich dünnflüssiger Inhalt, im Mastdarm düna- 
breiiger Kot. Die Darmschleimhaut war nicht sonderlich injiziert, dagegen waren 
die Follikel und Drüsenhaufen geschwollen. Aus den Leichen teilen wurde im 
Bonner hygienischen Institut Proteus isoliert. 

Nach Lage der Dinge mußte im Obduktionsgutachten als die 
gemeinsame kraokheitsvormittelnde Ursache die Blutwurst angegeben werden. 
Der Metzger wurde angeklagt. In der Verhandlung verteidigte er sich sehr 
geschickt. Er hielt dem Gerichtshof eine rundliche Blutwurst entgegen und 
sagte: Das ist der 1200. Teil meiner jedesmaligen Wurstbereitung. Auch in 
jener Dezemberwoche wurden 1200 solche Würste verkauft, und doch hat es 
in meinem Kundenkreis keinen weiteren Erkrankungsfall gegeben. Also kann 
es auch nicht an meiner Blutwurst gelegen haben, daß die Mülle rachen 
Kinder erkrankt und gestorben sind! Unzweifelhaft hatte der Metzger Becht 
darin, daß die ganze Wurstmasse den Infektionskeim nicht beherbergt haben 
konnte; weitere Erkrankungen wären sonst nicht ausgeblieben. Trotzdem ist 
diese Gruppenerkrankung meines Erachtens nicht anders zu erklären, als 
daß man die gemeinsame schädigende Ursache in der von den Müll ersehen 
Kindern gegessenen Blutwurst voraussetzt. Welcher Art diese Ursache 
war, ist nickt aufgeklärt. Von der verdächtigen Wurst war weder bei 
Müller8, noch von der gleichen Fabrikationsserie beim Metzger etwas vor¬ 
handen. Das bakteriologische Untersuchungsergebnis aus den Leichenteilea 
ist bei der allgemeinen Verbreitung des Proteus natürlich nicht beweisend, 
bietet aber immerhin den nächstliegenden Anhaltspunkt. Unaufgeklärt blieb 
auch ferner, wie der infizierende Keim in die einzelne Wurst gekommen sein 
mag. Nach dem Einkauf kann dies schwerlich geschehen sein, da die Wurst 
wenige Stunden nach dem Einkauf verzehrt wurde. Es muß daher ein 
unglücklicher Zufall in der Wursterei mitgewirkt haben. Der Metzger wurde 
freigesprochen, da ihm ein Verschulden oder auch nur eine Fahrlässigkeit 
nicht nachgewiesen konnte. 

Die so wichtige bakteriologische Aufklärung des 
Zusammenhangs zwischen Krankheit und genossenem Fleisch 


an Düsseldorfer Gruppenerkrankangea erläutert. 


549 


wird in den meisten forensisclien Fällen dadurch vereitelt, daß 
znviel Zeit zwischen dem Verzehren und dem Eingreifen des 
ärztlichen Sachverständigen vergeht. Gewöhnlich sind dann die 
verdächtigen Fleischreste längst verschwunden oder verdorben. 
Bisher wurden sie von der beschlagnehmenden Polizei dem 
Chemiker zugestellt, der dann die Lakmus- oder Salmiakprobe 
machte und die etwa vorhandene chemische Zersetzung feststellte, 
womit der ätiologischen Aufklärung natürlich nicht gedient ist; 
soviel hätte die Nase des Polizei-Sergeanten auch leisten können. 
Hieran wird übrigens der Min.-Erlaß vom 25. Januar d. Js. nicht 
viel ändern; denn er schreibt nur die bakteriologische Unter¬ 
suchung der Leichenteile vor, die von den Kreisärzten wohl schon 
längst in den vorläufigen Gutachten statt der chemischen vor¬ 
geschlagen worden ist. So blieb auch eine forensisch sonst recht 
interessante Gruppenerkrankung unaufgeklärt, die ich im Jahre 1906 
za begutachten Gelegenheit hatte: 

Am 8. August hatte in Düsseldorf ein Leichenbegängnis stattgefunden. 
Es war ein schwüler Tag; kein Wunder, daß das Trauergefolge das Bedürfnis 
einer leiblichen Stärkung empfand, die in einem sonst gut berufenen Bestaurant 
eingenommen wurde. Die Teilnehmer tranken etwas Bier und aßen verschiedene 
Speisen. Vier yon ihnen erkrankten in der folgenden Nacht an Erbrechen 
und Durchfall; 2 nur leicht, der dritte war 2 Wochen krank. Der vierte, 
der 34jährige Schöneberger, hatte nach seinem Kalbschnitzel anfangs 
auch Erbrechen und Durchfall bekommen, fühlte sich aber so schwer krank, 
daß er den Arzt holen ließ. Er fieberte auch noch nach dem Vorübergehen 
der Magen • Darmstörung; eine Entzündung des linken Kniegelenkes stellte 
sich ein, so daß er am 12. August ins Krankenhaus aufgenommen werden 
mußte. Hier wurde ein septischer Ergoß im linken Knie eröffnet. Wegen 
Verschlimmerung des Allgemeinbefindens wurde das linke Bein in der Mitte 
des Oberschenkels abgesetzt. Der Kranke erholte sich unter Anwendung von 
Antistreptokokken-Serum allmählich, doch bekam er einen schnell sich ver¬ 
größernden Decubitus und starb am 26. Dezember. Die gerichtliche Leichen¬ 
öffnung fand am 29. Dezember statt. Sie ergab einen 7 :6,5 cm großen 
Decubitus am Kreuzbein, eine eitrige Meningitis an der Hirngrundfläche und 
am ganzen Bückenmark. Eine Endocarditis fehlte. Es bestand ferner eine 
Bronchitis, im rechten Unterlappen ein kleiner bronchopneumonischer Herd. 
Die Milz war auf 16 : 12 : 5 vergrößert, feBt und braunrot. 

In diesem Fall einer aasgesprochenen septischen Erkrankung 
war eine bakteriologische Untersuchung der Leichenteile zwecklos 
für die Aufhellung des etwaigen Zusammenhangs mit dem ver¬ 
derblichen Fleischgenuß. Die polizeilichen Nachforschungen bei 
dem Gastwirt setzten zu spät ein; von dem Fleisch war nichts 
mehr vorhanden. Die Aufbewahrung des Fleisches war entschieden 
unzweckmäßig; sie geschah in einer Eiskiste auf dem Hof. Ich 
hatte damals den Verdacht, daß das Fleischstück dort mit 
Infektionskeimen verunreinigt war, deren Wachstum der heiße 
Sommertag begünstigt hatte. Der Wirt wurde angeklagt, aber 
von der Strafkammer freigesprochen. Da es sich um eine bessere 
Wirtschaft in einem vornehmen Stadteil handelte, so hatte der 
Wirt durch den Vorfall beträchtlichen geschäftlichen Schaden 
erlitten. 

Genauer konnte eine Grupp e von Proteus-Infektionen 
aufgeklärt werden, die sich im Juli 1909 in dem Vorort 
Eller bei Düsseldorf zugetragen haben. 



550 


Dr. Berg: Die forensische Bedeutung der Flebchvergiflangen; 


Der Vorort wird hauptsächlich von Fabrikarbeitern bewohnt nnd ist 
ziemlich weitläufig gebaut. Dadurch konnte es kommen, daß ein Stuckatör 
Lammertz im Nebenamt eben kleben Fiebchhandel unterhielt, den ebe 
ganze Beihe von Nachbarleuten der Bequemlichkeit halber b Anspruch nahm. 
Am 25. Juli Tormittags 11 Uhr erhielt Lammertz yon einem Düsseldorfer 
Großmetzger aus dessen Kühlanlage im städtischen Schlachthof durch Wagen« 
transport Bbdfleisch. Es war an dem Tage recht warm. Der Kutscher legte 
das Fleuch, zwei Stücke zu 40 Pfund, b den Eisschrank des Lammertz; 
Eis hatte er gleichfalls mitgebracht. Von diesem Fleuch haben am 25. und 
26. Juli yerschiedene Familien in Eller gekauft. Von den Käufern wurde 
überwiegend das Fleisch beim Ebkauf als nicht gerade schlecht aussehend 
geschildert. Einige behaupteten, es habe dunkler als gewöhnlich ausgesehen 
und habe sich klebrig angefühit. Den meisten wurde es gleich im Laden 
mit einer Zerkleinerungsmaschbe zu Hackfleisch verarbeitet. Sie verzehrten 
es roh nach Tatarenart und erkrankten unter bezeichnenden Erschebungen. 
Im ganzen wurden 28 Erkrankungsfälle bekannnt, nämlich b den Familien: 

Schaafhausen ... 5 Fälle Stümper.2 Fälle 


Peitz.6 , Adams ..2 „ 

Weber.4 , Vetten.1 Fall 

Keller.4 „ Keulertz.1 „ 


Schumacher .... 8 „ 

Die Krankheitszeichen waren bei allen Personen, die das Flebch roh 
genossen hatten, ziemlich gleich, nur an Heftigkeit verschieden. Wer am 
meisten davon gegessen hatte, war auch am schwersten erkrankt. Bei allen 
traten heftige Kopf* und Leibschmerzen mit Erbrechen und Durchfall eb. 
Einige Kranke erholten sich schwer und waren wochenlang schwach und 
arbeitsunfähig; andere wurden nur vorübergehend gestört. Eb Erkrankter 
aus der Familie Schaafhausen starb. 

Von den einzeben Fällen verdienen folgende erwähnt zu werden: 

1. Die 21jährige Vetten holte am Samstag den 25. vormittags 11 Uhr 
2 Pfund Hackflebch zum Braten; beim Znbereiten kostete sie etwas vom 
rohen Fleisch und erkrankte. Die anderen Personen des Hausstandes blieben 
nach dem Genuß des gebratenen Fleisches gesund. 

2. Familie Weiser aß am Samstag zwbchen 3 und 5 Uhr */* Pfund 
Hackfleisch roh; alle 4 Personen erkrankten leicht. 

3. Die jungen Eheleute Adams aßen am Samstag abend 8 Uhr 
V, Pfund Hackflebch roh. Die Frau erkrankte Sonntag früh, der Mann 
nachmittags. Zum Sonntag mittag wurde noch */» Pfund Flebch geholt, das 
gebraten verzehrt wurde. 

4. Frau Schaafhausen holte Samstag abend 8 Uhr 1 Pfund Hack* 
flebch und bereitete es mit Sab, Zwiebeb und Wasser zu. Das Flebch sah 
unverändert aus, roch auch nicht. Es wurde sofort von der Hutter, dem 
25jährigen, schwindsüchtigen Sohn Peter und 2 erwachsenen Töchtern etwa 
zur Hälfte verzehrt. Peter aß nur wenig, er mebte, das Flebch habe etwas 
Geruch. Nach einer halben Stunde kam der 16jährige Sohn Johann heim 
und aß die andere Hälfte des rohen Fleisches, das in ober Porzellanschüssel 
mit Papier bedeckt auf dem Tbeh gestanden hatte, auf. Gegen 12 Uhr 
nachts, also knapp 4 Stunden nach dem Genuß des Fleisches, stellten sich bei 
Mutter und Johann Sch. hoftige Leibschmerzen mit Erbrechen und Durchfall 
eb. Die Schmerzen des Johann waren so stark, daß er mit Händen und 
Füßen um sich schlug (Krämpfe). Die drei anderen Kbder erkrankten erst 
am Sonntag weniger stark; die Töchter genasen nach 11 Tagen. Johann 
starb am 28. morgens 6 Uhr, also 2 1 /* Tag nach dem Genuß des Fleisches. 

5. Familie Keller ließ '/« Pfund Hackflebch nnd 1 Pfund Stückflebch 
am Sontag morgens 9 Uhr holen. Die Mutter und 2 Kbder verzehrten das 
Hackflebch alsbald roh; die ganze Familie aß mittags die Suppe und das 
gekochte Flcich. Matter und Kinder erkrankten; der Mann blieb gesund. 

6. Familie Peitz; l /* Pfund rohes Hackflebch wurde Sonntag früh von 
den Eltern und 4 Kindern im Alter von 8 bb 8 Jahren verzehrt. Alle er* 
krankten, wenn auch nur leicht. 

7. Die Ehcloute Stümper verzehrten 8onntag mittag l U Pfund Hack¬ 
flebch. Der Mann erkrankte früher, er hatte den Löwenanteil gegessen, um 










an Düsseldorfer Orappenerkr&nkangen erläutert. B61 

8 Uhr; die Frau hatte nur Kostproben genossen, sie bekam am Montag mur 
Durchfall. 

8. Frau Keulerts ließ am Sonntag mittag 7» Pfand Hackfleisch holen, 
tat es, weil es roch, in Salswasser zum Ausziehen und briet es zum Abend* 
essen. Von den 4 an der Mahlzeit teilnehmenden Personen erkrankte nur 
der 14 jährige Josef, der am meisten genossen hatte. Ob das Fleisch Tielleicht 
nicht ganz durchgebraten war, ist nicht zu ermitteln gewesen. 

9. 3 Gebrüder Schumacher aßen Sonntag 9 Uhr 7* Pfund rohes 
Hackfleisch; alle drei erkrankten. 

Bei der gerichtlichen Leichenöffnung des Johann Schaaf¬ 
hausen Teranlaßte ich die Zuziehung des Vorstehers des hiesigen Medizinal- 
Untersuchungsamtes, Kreisarzt Dr. ZibelL Die Leichenöffnung ergab im 
wesentlichen: Beträchtliche Injektion der Darmserosa. Milz zerfließlich, 
12,6: 6: 7 : 4 cm groß, schwarzrot. Ueber den Darm heißt es im Obduktions¬ 
protokoll: 

„Dünndarm enthält im obern Teil dünnen, dunkelgelben Speisebrei; 
Schleimhaut verdickt und geschwollen, Gefäße nicht sichtbar. Weiter abwärts 
treten immer zahlreicher geschwollene Follikel auf, gleichzeitig werden gefüllte 
feinste Gefäße sichtbar. In der Gegend des Blinddarms sind die entzündlichen 
Veränderungen der Dünndarmschleimhaut am stärksten. Dicht gedrängt 
stehen die gelben Follikel; die Haufendrflsen treten beetartig graurot hervor. 
Gefüllte fernste Gefäße bilden ein enges Netzwerk. Hie und da sind auch 
1—2 mm große rundliche dunkelrote Blutungen neben den Gefäßcheu zu 
sehen. Auch hier ist der Darminhalt spärlich, braunrot, dünnflüssig.“ 

Unter Nr. 85: „Dickdarm: Schleimhaut gelbgrau ohne stark ver¬ 
tretende entzündliche Veränderungen. Gefäßfüllung fast gar nicht sichtbar. 
Follikel nur spärlich geschwollen. Der Inhalt ist dünnflüssiger, milehkaffee- 
farbener Kot.“ 

Nr. 27. „Mastdarm außen grauviolett, Schleimhaut graugelb; ge¬ 
schwollene Follikel treten halbkugelig 2—3 mm groß hervor. Gefüllte Gefäße 
oder Blutungen nicht sichtbar. Enthält nur wenig dünnbreiigen Kot.“ 

Der sonstige Befand bot nichts Bezeichnendes. 

Zur bakteriologischen Untersuchung wurden sogleich bei der 
Leichenöffnung Platten mit Blut, Harn, Galle und Darminhalt besät; ferner 
wurden zur weiteren Untersuchung Proben dieser Flüssigkeiten und Organteile 
zurückgelegt. Da Kreisarzt Dr. Zibell über diese Untersuchungen voraus¬ 
sichtlich selber ausführlich berichten wird, so erwähne ich über deren Ergebnis 
nur, daß die mit den Organsäften geimpften Versuchstiere sämtlich binnen 
12 Standen eingingen. Aus ihren Organen sowie aus dem Blut ließ sich 
Proteus züchten. Derselbe Pilz wuchs auf den bei der Leichenöffnung 
besäten Platten und konnte aus dem bei Lamm er tz beschlagnahmten Fleisch 
gewonnen werden; endlich wurde er auch noch in Stuhlproben der Schnal¬ 
lt aus en sehen Angehörigen gefunden. 

Somit war diese Gruppenerkrankung in Eller bakteriologisch gut auf¬ 
geklärt. Aber für die strafrechtliche Verfolgung war damit nichts gewonnen. 
Lammertz wurde von der Strafkammer in Düsseldorf freigesprochen. Ein 
Verschulden hätte ihn nur getroffen, wenn der Proteuspilz durch seine Fahr¬ 
lässigkeit an das Fleisch gekommen wäre; ich mußte aber in meinem Gutachten 
darauf hin weisen, daß dafür kein Beweis erbracht sei. Der Verkaufsraum 
und der Eisschrank, auch die Hackmaschine waren stets sauber gewesen, der 
Eisschrank war durch den Fleischkutscher am fraglichen Samstag mit Eis 
beschickt worden. Die Anklage machte dem Lammertz zum Vorwurf, daß 
er am Samstag Nachmittag, als der Verkauf flotter ging, das Vorratfleischstück 
auf dem Ladentisch liegen ließ, statt es nach jedesmaligem Verkauf in den 
Eisschrank zurückzulegen. Aber da war es offenbar schon zu spät; hatten 
doch die Familien Vetten und Weiser schon in der Mittagszeit giftiges 
Fleisch bekommen. Es konnte somit der Einwand gelten, daß der Proteus 
schon auf dem Transportwegen dem Fleisch eingeimpft war, da er zu seiner 
Entwickelung in dem Fleisch doch immerhin mehrere Stunden gebraucht haben 
muß. Gans besonders entlastend mußte in dieser Hinsicht der Fall Vetten 
(Nr. 1 oben) wirken; denn die Vetten hatte sehr bald, höchstens eine 



552 Dt. Berg: Die forensische Bedeutung der Fleischvergiftungen; 

Stunde nmoh der Anlieferung des Fleisches, davon erhalten und war schon 
von einer Kostprobe erkrankt. 

Diese Gruppenerkrankung in Eller ist ein Schulbeispiel für 
die Vergiftung mit Proteus. Es ist gewiß berechtigt, solche 
Vergiftungen kurzweg Hackfleisch-Vergiftungen zu nennen gerade 
wegen der Eigentümlichkeit dieses Pilzes. Da er kein Anaerob 
ist, haftet er an der Oberfläche des Fleisches, wird also, wenn 
ein infiziertes Fleischstflck im ganzen erhitzt wird, leicht 
abgetötet. Ebenso wird sein Toxin durch Hitze unschädlich 
gemacht. Dahingegen werden die Keime durch das Zer¬ 
kleinern des Fleisches in der Hackmaschine überall hingebracht 
und vollends beim Zubereiten des Hackfleisches mit Wasser und 
Salz erst recht unter günstige Vermehrungsbedingungen gebracht. 
Es ist daher kein Wunder, daß unter den geschilderten Verhält¬ 
nissen der einzige Todesfall den jungen Mann betraf, der das 
rohe Hackfleisch erst verzehrte, nachdem es zubereitet und zu¬ 
gedeckt in der heißen Stube gewissermaßen wie in einem Brüt¬ 
schrank gestanden hatte. 

Vorher wurde schon erwähnt, daß die Schnelligkeit des Ein¬ 
tritts der Vergiftungserscheinungen und ihrer Schwere 
abhängig von der Menge des verzehrten rohen Fleisches ist. Der 
gestorbene Schaafhausen aß Vs Pfund und erkrankte schon nach 
3 bis 3V> Stunden, seine 47 jährige Mutter bei einer geringeren 
Menge nach 4 Stunden, der Ehemann Stümper bei 1 U Pfund 
nach 3 Stunden, dessen Ehefrau nach Kostproben erst am folgenden 
Tage; Frau Adams bei Vs Pfund nach ca. 12, Ehemann Adams 
bei Vs Pfand nach ca. 18 Stunden. Gesund blieben die Personen, 
welche das Hackfleisch gebraten gegessen hatten. 

Ich erinnere daran, daß Proteus schon mehrfach Anlass zu 
Massenvergiftungen durch Hackfleisch gegeben hat 
(Zusammenstellung darüber bei Schneidemühl, die animalischen 
Nahrungsmittel, 1903, S. 227 ff. und bei Dieudonnö, die bak¬ 
teriellen Nahrungsmittel-Vergiftungen, 1908, S. 58). So erkrankten 
in Chemnitz 1886 160 Personen durch rohes Hackfleisch, in Mans¬ 
feld 1897 63 Personen, in Hannover 1900 81 Soldaten. In allen 
diesen Fällen wurde Proteus nachgewiesen. Besonders wichtig 
ist eine Beobachtung von Levy. Nach seiner Mitteilung (im 
Archiv für experimentelle Pathologie, 1894, Bd. 34) erkrankten 
18 Personen an Brechdurchfall, die sich in der nämlichen Gast¬ 
wirtschaft infiziert hatten. In dieser wurde das Fleisch in einem 
verschmutzten Eisschrank verwahrt, aus dessen Schmutzkrusten 
Proteus gezüchtet werden konnte (vgl. oben meinen Fall Schoene- 
berger). Auch bei Wurstvergiftungen wurde Proteus als Erreger 
ermittelt; durch Räuchern wird er nicht abgetötet. 

Bakterielle Vergiftungen durch Nahrungsmittel 
sind viel häufiger als die enge, auch amtlich gewählte Bezeich¬ 
nung Fleisch-, Fisch- und Wurstvergiftungen ahnen läßt. Die 
Aufmerksamkeit wurde erst in den letzten Jahren auf ihre weitere 
Verbreitung infolge der zufälligen Häufung von Gruppenerkran¬ 
kungen durch Konserven gelenkt. Zahlreiche, nicht tödliche In- 



an DftöBeidofier Ofuppcnerkrankungen oftätttßft. 


553 


ioxikfttionen Einzelner werden alz solche nicht erkannt, sondern als 
Verdauungsstörungen aas anderer Ursache aufgefaßt. Indessen haben 
diese vereinzelten Fälle von Vergiftungen durch Fleisch, Fische, 
Schnecken, Käse, Mehlspeisen. Salat und Konserven, ao wichtig 
aif» in hygienischer Hinsicht auch sein mögen, kaum eine foren¬ 
sische Bedeutung 1 * Selbst die SrnppenerkrftnkÄßgeß durch Protena, 
die iu der Häufigkeit für de» Gerichtaarzfc fsbm wiegen, sind 
In strafrechtlicher ^rinaicht Salten bedeutungsvoll. Meine vorher 
geschilderten Fälle endeten mit Freisprechung; es wäre besser 
erst, gar nicht die Anklage erhoben worden^ Daß es doch geschah, 
daran ist unser Obduktionsgütachten vielleicht mit Schuld ge¬ 
wesen. Es bleibt bei Protens-Tm^iftaßgen ähnlicher Art wie 
die obigen Fälle zu Überlegen, ob sicht därch eine echärlere 
Fassung des endgültigen Gutachtens etwaige haltlose Verdaehts- 
gründe gegen den Händler new. beseitigt werden können. Bei 
der Eller Fleischvergiftung wäre übrigens Dach Eingang unseres 
Gutachtens das Verfahren eingestellt worden; man hat es aber 
wohl vorgezogen, zur Beruhigung der aufgeregten Gemüter in 
Eller, die Haupt Verhandlung vorzonehmen, Der Staatsanwalt 
beantragte selbst die Freisprechung des angekiagten Fleisch* 
bändlers. 

Anderseits ist zuzugeben, daß derartige Gerichtsverhand¬ 
lungen auch einmal unsauberen Metzgern einen heilsamen Schrecken 
einjagen, Käufern und Verkäufern gegenüber anrüchigem Fleisch 
das Gewissen schärfen können und insofern mehr wirken als 

•hygienische Belehn. . .. AV--; das ist 

doch nicht der Sweek Sivdpröx«sse»v: Etwa« anderes ist es 
mit den oben an krankes 

Bchl&cötvieii. 'Wenn jemand Flelscb von-, »otgeäehlackt etem Vieh 
in •;«fen Haudelbringt Uöddädnf^h Anlaß zu FJdaeh Vergütungen 
gibt., so ist in solchem Fall der Kausalzusammenhang ohne 
weiteres für sein« Verurteilung gegebea. Derartige V-,. k.-H mnisse 
werden jedoch selten sein. Bei unserer jetzigen Fleischbeschau 
und *iet" >eewasg m den größeren Btädreu ist es 

gegen früher bedeutenden 
h zahlreiche MsseenerkiAnknfigaa. vor- 
• : t ?*•:• ö b 1 hoRjita in seinem v*rlk*r ^geführten 






U nur tu heinbar 
; :}-at5. v Hriö n ?• i de.mbri I iTÄhl». die In* 
hbf* liäful^rn «nsamaes, Dieu- 

fe» Orten yerbü'höilifihtes. Freilich 
üfeGsrt worden, daß tu neunter- Zeit 
&rrst Foiachuags^ikc ^t£eghh£*bracht 
ÄtrkabnÄi "wM • kaum 

dafür 
k die 
früher 






564 Dr. Berg: Die foreudiehe Bedentwg der Flebchrergiftugea; 


verglichen werden können. Ferner ist ans der Tatsache, daß 
trotz ordnungsmäßiger Untersuchung des Schlachtviehs doch 
infiziertes Fleisch in den Verkehr gelangen kann, der Schloß zn 
ziehen, daß der Sachverständige auch bei solchen Vergiftungen 
mit Bacillus enteritidis und Paratyphus B bezüglich der Schuld- 
frage recht vorsichtig sein soll. In der von v. Drigalski be¬ 
schriebenen Neunkirchener Gruppenerkrankung von 30 Fällen 
(3 tödlich) war geräucherte Fleischware von einem Pferde mit 
Eiterungen gegessen worden; das Fleisch war bei der Schlachtung 
nicht beanstandet. 

Der makroskopische Befund der Leichenöffnung vermag 
in solchen Fällen zur Klärung wenig beizutragen. Es findet sich meist 
nur die anatomische Grundlage der Gastroenteritidis. Deshalb ist die 
Beiziehung eines Bakteriologen zur Obduktion dringend 
zu empfehlen. Heute, wo wir in jeder Provinz ein Medizükal- 
Untersuchungsamt haben, wird es nicht schwer sein, den Vor¬ 
steher selbst nach entlegenen Orten rufen zu lassen. In eiligen 
Fällen habe ich auch auf eigene Faust die Einladung besorgt, 
ohne daß mir nachher wegen der Reisekosten oder der Terminsgebühr 
von dem Richter Schwierigkeiten gemacht wurden. Ich erklärte 
dann zu Protokoll, daß die Beiziehung des Bakteriologen zur 
Aufklärung des Falles notwendig gewesen wäre. Es kann den 
Obduzenten selbst nicht wohl zugemutet werden, das zur Absendung 
des Leichenmaterials nötige Rüstzeug mitzuführen; auch vergehen 
mit der Versendung der assortierten Teile mindestens 24 kost¬ 
bare Stunden bis zur Aussaat im Laboratorium. Wenn so der 
Fall nach allen Seiten hin aufgeklärt werden kann, haben die 
Obduzenten für ihre Bemühungen eine größere Genugtuung, als 
wenn durch Verschleppung des dem Gericht „zur weiteren Ver¬ 
anlassung“ übergebenen Materials die bakteriologische Unter¬ 
suchung ergebnislos verläuft. 

Ich will schließlich nicht den Hinweis unterlassen, daß der 
im Vorstehenden vertretenen rein bakteriellen ätiologischen Auf¬ 
fassung der Fleischvergiftungen eine chemische gegenübersteht, 
die das Wesentliche in einer Veränderung des Eiweißes sieht, 
die auf rein chemischem Wege zustande kommen könne. Wüßten 
wir doch, daß selbst noch so hochmolekulare Eiweißkörper wie 
die Peptone bei intravenöser Anwendung schon giftig wirkten, 
ferner, daß Eiweiß von Fischen und Krustern überhaupt zn 
schnellem Zerfall neige, ohne daß eine bakterielle Zersetzung 
mitwirke. Ich kann mir nicht denken, daß das Sachverständigen- 
Gutachten durch diese verschiedene ätiologische Auffassung wesent¬ 
lich beeinflußt werden sollte. Aber gut ist es doch, sich auch 
mit dieser Erklärungsweise vertraut zu machen, da man sie von 
gleichzeitig geladenen Chemikern gelegentlich zu hören bekommt 
und genötigt sein kann, dem Gericht auseinanderzusetzen, daß 
die Meinungsverschiedenheit über die Entstehung des Fleisch¬ 
giftes an der Tatsache der Giftwirkung nichts ändert 

Zu verschiedenen Schlußfolgerungen jedoch kann die Meinungs¬ 
verschiedenheit in einer besonderen Frage kommen: Das Reichs- 



an Düsseldorfer Grappenerkrankungen erliatert. 


666 


gesetz betreffend den Verkehr mit Nahrangsmitteln vom 14. Mai 
1879 spricht von verdorbenen (§ 10, 2) und gesundheitsschädlichen 
(§ 12, 1) Nahrangsmitteln. Bei jeder gerichtlichtlichen Verhand¬ 
lung ist also die Frage za beantworten: Konnte and maßte der 
Verkäufer das Verdorbensein oder die Gesondheitsschädlichkeit 
des Fleisches erkennen? Durch Besiedelung mit Proteus wird 
das Fleisch sicherlich verdorben und gesundheitsschädlich, aber 
die Verderbnis braucht, wie die Eller Verkaufsgeschichte beweist, 
durschaus nicht äußerlich erkennbar zu sein. In einem solchen 
Fall kann daher der Verkäufer nicht aus § 10, 2 oder 12, 1 
verantwortlich gemacht werden. Jedoch kann unter Umständen 
§ 11, der von der Fahrlässigkeit beim Verkauf verdorbener 
Nahrungsmittel handelt, herangezogen werden. Ich erinnere an 
die angeführten Levysehen Fälle, wo das Fleisch von einem 
verschmutzten Eisschrank aus mit Proteus infiziert war. Das 
war sicherlich eine Fahrlässigkeit; denn durch eine genügende 
Sorgfalt wäre das Uebel leicht zu verhüten gewesen. Wer nun 
die bakterielle Aetiologie verwirft, wird hier kaum eine Fahr¬ 
lässigkeit annehmen können. 

Anderseits werden beide Auffassungen schwerlich abweichen 
in der Frage, bei welchem Grade der Zersetzung des Fleisches 
das Verborbensein und die Gesundheitsschädlichkeit beginnt. Man 
begegnet hier stets dem Einwand, daß nicht jede faulige Ver¬ 
änderung des Fleisches Krankheitserscheinungen verursacht, wie 
der meist unschädliche Genuß übelriechenden Wildbrets dartut. 
Dieser Einwand mag immerhin zu recht bestehen; trotzdem wird 
m. E. der ärztliche Sachverständige daran festhalten müssen, das 
Fleisch von gewöhnlichem Schlachtvieh als verdorben und ge¬ 
sundheitsschädlich zu bewerten, wenn es durch Aussehen und 
Geruch eine auch nur beginnende Fäulnis zeigt. 


Ueber die „Vierte Krankheit“. 

Von Bezirksamt Dr. Tietie in Schwarzenberg. 

Nach meinen Erfahrungen in eigener Praxis und nach Mit¬ 
teilungen von Kollegen scheinen sich in letzter Zeit die Fälle 
von sogenannter „Vierter Krankheit 0 in Deutschland gehäuft zu 
haben. Nachdem ich auch in meiner amtlichen Eigenschaft öfter 
Veranlassung hatte, dazu Stellung zu nehmen, ist es vielleicht 
nicht unangebracht, auch in dieser Zeitschrift einmal das Thema 
zu behandeln, das in Deutschland, wie die spärliche Literatur 
beweist, bis jetzt nur wenig bearbeitet, und, wie ich aus vielen 
Anfragen ersehen konnte, unter den Aerzten nur wenig bekannt 
ist, trotzdem viele von ihnen gewiß schon öfter derartige Fälle 
beobachten konnten, ohne darüber ins Klare kommen zu können. 
So erging es mir auch vor mehreren Jahren in einem Falle, der 
mir damals viel Kopfzerbrechen gemacht hat. An ihn wurde ich 
lebhaft erinnert durch einen Artikel im Oktoberheft 1905 der 
Deutschen Medizinischen Wochenschrift aus der Feder des 



656 


Dr. Hetze. 


Prof. v. Bökay in Budapest: „Ueber die Dnkessche Vierte 
Krankheit.“ 

Der englische Arzt Dukes, Seniorarzt des Bugbyhospitals, 
und mit ihm noch einige andere englische und amerikanische 
Aerzte nehmen bekanntlich neben Bötheln, Masern und Scharlach 
noch eine vierte akute exanthematische Infektionskrankheit an, die 
sie mit dem Namen „Vierte Krankheit — Fourth disease“ belegen. 
Nach Dukes verhält sich die „Vierte Krankheit“ so zum Scharlach 
wie die typischen Bötheln zu den Masern, d. h. geradeso, wie 
sich das Krankheitsbild der typischen Bötheln mit milden Masern 
sozusagen deckt, ebenso deckt sich die „Vierte Krankheit" mit 
mild verlaufendem Scharlach. Dukes sah, daß, obwohl 16 an¬ 
geblich an Scharlach erkrankte Zöglinge einer Schule, bei denen 
er aber die Diagnose auf „Vierte Krankheit“ gestellt hatte, nur 
14 Tage isoliert wurden, trotzdem keins von den Angehörigen 
angesteckt wurde. Bei einer anderen Epidemie waren typische 
Scharlachfälle untermischt mit Fällen von „Vierter Krankheit“; 
es erkrankten Kinder, die erst die „Vierte Krankheit“ Überstunden 
hatten, an Scharlach; auch bekam ein Kind, das schon Scharlach 
gehabt hatte, später die „Vierte Kranheit“. Aus solchen Beob¬ 
achtungen glaubt er sich berechtigt, die Existenz dieser „Vierten 
Krankheit festzustellen. 

Ich bin leider nicht in der Lage, direkt aus seinen Ver¬ 
öffentlichungen im „Lancet“ aus dem Jahre 1900 und später zu 
schöpfen; ich muß vielmehr den Worten des Prof. v.Bökay folgen, 
der das von Dukes entworfene Bild der „Vierten Krankheit“ 
in großen Umrissen folgendermaßen schildert: 

Sogenannte prodromale Symptome fehlen in den meisten Fällen, abgesehen 
von schwachem Halsweh. Die Inkabationsdauer beträgt 9—21 Tage. Die 
Eruption ist meistens das erste wahrnehmbare Symptom der Erkrankung; 
der Ansschlag bedeckt innerhalb einiger Stunden den ganzen Körper. Der 
Ausschlag ist klein und ziemlich dicht punktiert, kaum über das Niveau der 
Haut hervorragend, blaß rosenrot. Das Exanthem ist auch auf dem Gesicht 
sichtbar, jedoch weniger deutlich. Die Rachengebilde sind etwas geschwollen, 
und auffallend injiziort. Die Zunge belegt, aber die charakteristische Htmbeer- 
zunge nicht bemerkbar. Die Augenbindehaut ist injiziert. Die Drüsen des 
Halses und des Nackens sind derb goschwollen, doch weniger ausgeprägt als 
bei Rötheln. Der Ausschlag blaßt rasch ab; der Deflorition folgt eine 
milde Schuppung. Als Nachkrankheit pflegt eine Affektion der Nieren nicht 
aufzutreten. Das Allgemeinbefinden ist in den meisten Fallen bloß in geringem 
Maße alteriert. Der Pulsschlag weicht in den milden Fällen kaum vom 
normalen ab, kann aber auch beschleunigt sein. Die Temperatur schwankt 
zwischen 98,4 und 104 • F. = 36,9 und 40,0° C., sie ist selbst bei starker 
Eruption nicht höher. Der Kranke kann am 6.-6. Tage seiner Erkrankung 
schon das Bett verlassen; nach 2—8 Wochen kann die Isolierung ehne 
Bedenken eingestellt werden. 

Dies ist das Krankheitsbild der „Vierten Krankheit“ von 
Dnkes; es ist also fiir sie besonders charakteristisch der im 
allgemeinen milde Verlauf, der sozusagen vollständige Mangel an 
Komplikationen und Nachkrankheiten und das relativ schnelle 
Schwinden der Infektionsfähigkeit. Die Publikation Dukes fand 
bei einem Teile der englischen und amerikanischen Aerzte lebhafte 
Zustimmung, ein anderer Teil hält die Schlußfolgerungen Dukes 



Ueber die „Vierte Krankheit“. 


657 


für falsch und ist geneigt, die Fälle von „Vierte Krankheit“ zom 
Teil in die Groppe von Scharlach, zum Teil in die Groppe von 
Rötheln einznreihen. Unter den zostimmenden Autoren ist vor 
allen Weaver zu nennen. Dieser berichtet eine Beobachtung, 
wo in mehreren Scharlachfällen ein scheinbares Rezidiv auf trat; 
auch beschreibt er Fälle, wo die „Vierte Krankheit“ dem Scharlach 
voranging. Das Krankheitsbild, welches Weaver von der 
„Vierten Krankheit“ entwirft, stimmt mit dem von Dukes be¬ 
schriebenen vollkommen überein, nur hebt er hervor, daß in seinen 
Fällen kaum auffallende Abschuppung vorhanden war. 

Vor einigen Jahren hatte ich Gelegenheit, solche Fälle in 
einer Familie zu beobachten: 

Zunächst kam ein junger Primaner in meine Behandlung mit einem 
sich über die Brust und den Bücken verbreitenden, etwas juckenden Exanthem 
von scharlachähnlicher Rötung. Er gab an, er habe sich ein bis zwei Tage 
etwas unwohl gefühlt, dann sei dieser juckende Ausschlag auf getreten; er 
befinde sich aber wieder ganz wohl. Antipyrin habe er nicht genommen, 
Erdbeeren oder Krebse nicht gegessen, wobei ja bekanntlich öfter solche 
Exantheme zu beobachten sind. Ich konnte keine rechte Diagnose stellen; 
ohne jede Medikation war nach 2 Tagen das Exanthem verschwunden. 
Ungefähr 3 Tage später erkrankte der zweite Sohn der Familie — 17 Jahre 
alt — mit leichtem Fieber. Halsschmerzen, geröteter hinterer Bachenwand; 
man hielt es zuerst für eine Erkältung, am zweiten Tage der Erkrankung 
zeigt sich jedoch dasselbe juckende Exanthem wie bei dem ältesten Bruder, dazu 
eine ausgesprochene Himbeerscharlachzunge. Auch diese Krankheit endete 
nach nur drei Tagen mit voller Qenesung. Und wieder nach einigen Tagen 
klagte der jüngste Sohn — 16 Jahre alt — auch über Halsschmerzen; die 
Temperatur war etwas erhöht (87,8°), leichte Schwellung der Halsdrüsen und 

S eröteter Bachen vorhanden. Am 8. Tage der Erkrankung trat gleichfalls 
as charakteristische Exanthem auf Brust, Bücken und Bauch auf; auch im 
Gesicht zeigten sich leicht angedeutete Flecken. Bei diesem jüngsten Sohn, 
der einige Jahre vorher eine schwere Diphtherie durchgemacht hatte und das 
Sorgenkind der F amili e war, wurde die Mutter ängstlicher. Da ich selbst 
über die Diagnose, ob Scharlach oder nicht, im Zweifel war, bat ich einen 
Kollegen, der uns jüngeren als Autorität galt, zuzuziehen. Dieser kam, sah 
und stellte die Diagnose auf Scharlach. Auf meine Einwendungen fragte er, 
ob ich denn noch nicht solche rudimentären Fälle von Scharlach gesehen 
hätte. Alle 8 Söhne wurden nunmehr zu Haus behalten, der älteste war 
schon wieder zur Schule gegangen. Nach 8 Tagen war das Exanthem auch 
bei dem jüngsten verschwunden, keiner schälte sich, keiner bekam eine 
Nephritis, und so schnell, wie die Krankheit gekommen, verschwand sie 
auch wieder. Etwa 4 Wochen nach der ersten Erkrankung des ältesten 
Sohnes bekam dieser nun dieselbe Krankheit noch einmal. Ich bat sofort den 
Kollegen zur Konsultation; er stellte wieder die Diagnose auf Scharlach. 
Meiner Einrede, ob er denn schon jemand innerhalb 4 Wochen habe zweimal 
Scharlach bekommen sehen, begegnete er mit den Worten: Ja, dann ist es das 
erste Mal kein Scharlach gewesen! Ich erwiderte: nun, wenn es diesmal 
Scharlach ist, dann war es vor 4 Wochen auch Scharlach und umgekehrt! 
Und nun stellte ich meinerseits die Frage: Was soll es denn aber gewesen 
sein? Hierauf blieb mir der Herr Kollege diesmal die Antwort schuldig. 
Diese Krankheit verlief auch wie die erste; in drei Tagen war alles 
vorbeiI1 

Vergleicht man diese von mir beobachteten Fälle mit den 
von Dukes geschilderten, so wird man zugeben müssen, daß 
zwischen ihnen eine gewisse Aehnlichkeit besteht. 

Von deutschen Autoren hat sich bisher noch niemand ein¬ 
gehend mit der „Vierten Krankheit“ befaßt. Prof. Henbner 



668 


Dr. TIetze. 


sagt an einer Stelle: „Diese den Rötheln eigene Variabilität bat 
öfters za Mißverständnissen, unmotivierten Trennungen zusammen¬ 
gehöriger Krankheitsfälle Veranlassung gegeben.* Vielleicht spielt 
er mit diesen Worten auf den Duke eschen Artikel an. Prof. 
Bäumler erwähnt in einer Vorlesung fiber Rötheln die Beob¬ 
achtungen von Dukes und Weaver, ohne aber irgendwie dazu 
Stellung zu nehmen. 

Prof. v. Bökay fährt in seinem Artikel zur Unterstützung 
der Annahme einer „Vierten Krankheit* noch einen Vortrag des 
verstorbenen russischen Kinderarztes NilFilatow an. Dieser 
berichtet: 

In der Familie eines Fabrikbesitzers mit 11 Kindern erkrankten im 
Jahre 1882 drei Kinder an 8charlach. Im Jahre 1884 bekam ein 9 jIhriger 
Knabe, der vorher kein Scharlach gehabt hatte, Inflnensa mit Longen- 
entzttndang. Wegen höheren Fiebers bekam das Kind Antipyrin and am 
nichsten Tage zeigte sich ein punktförmiges, Scharlach ähnliches Exanthem. 
Filatow dachte zunächst an ein Arzneiexanthem, aber nach 2 resp. 8 Tagen 
erkrankten noch drei Kinder an demselben Exanthem mit einer Temperatur 
von 88,8°; Böte des -Backens. Die Eruption bestand nur 2—3 Tage; bald 
darauf bekamen auch die zwei ältesten Kinder der Familie ein Exanthem, 
welches aber nur einige Stunden andauerte nnd heftig juckte. Die 6 erkrankten 
Personen hatten vorher nicht Scharlach gehabt und Filatow hielt die Meinung 
für gerechtfertigt, daß es sich um sehr milde Scharlacherkrankungen handelte. 
Aber im Jahre darauf trat in derselben Famielie wieder Scharlach auf und 
zwar gerade bei jenen, bei welchen im vergangenen Jahre das Exanthem am 
meisten ausgeprägt war. Infolgedessen änderte Filatow seine Meinung Uber 
die Fälle im Jahre 1884 und bezeichnet diese mit Bubeola scarlatinosa. 

Nach dem, was ich nun in den letzten Jahren in eigener 
Praxis gesehen, von anderen gehört und gelesen habe, stehe ich 
der „Vierten Krankheit* etwas skeptisch gegenüber. Außer den 
vorher mitgeteilten Fällen habe ich selbst noch 3 ähnliche, den 
einen erst in jüngster Zeit, zu beobachten Gelegenheit gehabt, 
bei dem ich wahrscheinlich die Diagnose auf Scharlach gestellt 
hätte, wenn nicht noch mehrere Familienmitglieder Influenza ge¬ 
habt hätten. Auch erzählte mir mein Vater, daß in der Mitte 
der 90 er Jahren in Frankfurt a. Oder verschiedene Influenza¬ 
fälle mit scharlachähnlichem Exanthem beobachtet worden sind. 
Desgl. berichtet San.-Rat Dr. Klein-Berlin in Nr. 48, Jahrg. 1904 
der Deutschen Medizinischen Wochenschrift daß er seit Auftreten 
der Inflaenza öfter solche akuten Exantheme beobachtet hätte. 
Er pflegte diese Affektionen Kollegen gegenüber als Skarlatinoid 
zu bezeichnen und vermutet einen Zusammenhang mit Inflaenza. 
Ferner erzählte mir Med.-Rat Dr. Fl in z er, Bezirksamt in 
Plauen, daß im dortigen Seminar eine größere Inflaenzaepidemie 
ausgebrochen sei, wobei er zwei scharlachverdächtige Fälle, da 
im Seminar kein Isolierraum, ins städtische Krankenhaus geschickt 
hätte; nach zwei Tagen wären die Kranken aber wieder ab nicht 
scharlachkrank und gesund aus dem Krankenhaus entlassen worden. 
Diese beiden Fälle werden also wohl auch unter die Diagnose 
Influenza gestellt werden müssen. Ebenso ist bei den von 
Filatow beobachteten Fällen auffallend, daß der erste Kranke, 
der das merkwürdige Exanthem bekam und nachher 5 andere 
Kinder infizierte, an Influenza erkrankt war. Sollte nicht anch 



Deber die »Vierte Krankheit“. 


669 


in diesen 6 Fällen die Diagnose Influenza richtiger gewesen sein 
als Rubeola scarlatinosaP 

Die jüngste Literatur Aber diesen Gegenstand bringt wenig 
neues. Dr. Hilsner *), kann sich auf Grund von Literaturstudien 
nnd eigenen Erfahrungen nicht davon fiberzeugen, daß die 
Filatow-Dukessche Krankheit eine Krankheit sni generis 
darstelle; er ist vielmehr geneigt, diese Fälle als leichte Scarla- 
tinaform aufzufassen. Dr. Ruhemann in Berlin 1 ) teilt seine 
Beobachtungen im Anschluß an den Kleinschen Artikel mit 
und schreibt: 

»Ich sah in dem ersten Halbjahr 1898 eine kleine Epidemie dieser 
seltenen nnd meist sporadisch auftretenden Krankheit, von der ich sowohl 
vorher als auch spiter nur höchst vereinzelte Exemplare auffinden konnte. 
Es waren damals im ganzen 7 Fälle, die aber das Krankheitsbild so scharf 
erkennen ließen, daß ich es 2 Jahre vor der Do k es sehen Mitteilung als Leiden 
sni generis auffaßte and es mir als Bubeola scarlatiniformis notierte. Die 
ersten 8 Fälle traten in einer Familie auf. Zunächst erkrankte ein 12jähriger 
Knabe unter Erscheinungen, die sowohl die Eltern, als auch ich zunächst als 
Scharlach ansahen; plötzliches Auftreten von Fieber (38,2°), Scharlachexanthem, 
das anfangs Gesicht, Brust und Arme betraf, Rötung der Mandeln und des 
Gaumens, belegte Zunge; Fehlen von Erbrechen, relativ mäßige Prostration. 
An dem nächsten Tage zog sich das Exanthem auf die Nates und die unteren 
Extremitäten; die Temperatur ging nur bis zu 37,6°t Am 3. Tage blaßte 
unter Nachlaß sämtlicher Krankheitserscheinungen der Ausschlag ab; es trat 
schnell Reconvaleszenz ein, und es kam zu keiner Desquamation. Da ich 
anfangs unter dem Eindruck stand, eine Scharlacherkrankung vor mir zu 
haben, so ließ ich keine Absperrung der älteren Geschwister vornehmen, da 
diese bereits früher 8carlatina durchgemacht hatten. Nunmehr erkrankte am 
12. April die 15 jährige Schwester, also 26 Tage später, — die Inkubationsdauer 
beträgt nach Weaver nur 9—21 Tage — unter gleichen Krankheits- 
erscheinungen und gleichem Ablauf des Leidens, wie sie oben skizziert wurden. 
Am 14. April trat alsdann dieselbe Affektion bei dem 8. Kinde, einem 14 jährigen 
Mädchen auf. Bei diesen beiden Kranken war das Exanthem ausgebreitet 
und vollkommen scharlachartig; die Konjunktiven zeigten mäßige Injektion. 
Am 11. April beobachtete ich weiterhin einen ähnlichen Fall bei einem 
10 jährigen Knaben, der in einem ganz anderen Stadtteil erkrankte und frtther 
bereits Scharlach gehabt hatte. Am 18. April trat bei der 5 jährigen Schwester 
ein gleiches Krankheitsbild in die Erscheinung; auch hier waren die Binde¬ 
häute gerOtet und die submaxillaren Drüsen geschwollen. Am 24. April und 
am 30. Mai begegnete ich gleichen Krankheitsbildern, die ein 6jährigeB und 
ein l 1 /* jähriges Kind betrafen. Den nächsten Fall bemerkte ich dann erst 
im Januar 1899 bei einem 8jährigen Knaben, der einen typischen, weitver¬ 
breiteten Scharlachausschlag aumes, aber ganz mäßiges Fieber und gutes 
Allgemeinbefinden zeigte. Seine Geschwister erkrankten nicht. Trotzdem ich 
in den nächsten Jahren auf diese dem Scharlach ähnliche Erkrankungen 
fahndete, bin ich solchen nur ganz vereinzelt begegnet. Ohne auf die Symp¬ 
tomatologie weiter einzugehen, möchte ich nur noch bemerken, daß als einzige 
differentiell diagnostische Momente das Fehlen des Erbrechens im Anfänge der 
Erkrankung, das mäßige, schnell abklingende Fieber, das relative Wohlbefinden, 
das geringe subjektive Leiden, das Ausbleiben der Desquamation und der 
Mangel an Nachkrankheiten und Komplikationen zu nennen sind. Ich habe 
nie eine Albuminurie im Gefolge der Erkrankung gefunden. Man begegnet 
gelegentlich typischen Erkrankungen an Scharlach, bei denen angegeben wird, 
daß bereits vor einigen Jahren eine Scharlachaffektion aufgetreten sei. Nach 
der Festlegung des oben skizzierten Krankheitsbildes geht man wohl nicht 
fehl, wenn man die erste Erkrankung als eine in die Rubrik der letzten 
gehörige, von Scarlatina essentiell verschiedene auffaßt Immerhin ist es 

*) Deutsche med. Wochenschrift, Jahrgang 1906 Nr. 4. 

•) Deutsche med. Wochenschrift, Jahrgang 1905 Nr. 8. 



560 


Dr. Tietze: Debet die „Vierte Krankheit*. 


besser, eine Filato w-Dukessche Krankheit zu verkennen, als 
Scharlach anzusehen und eine unangebrachte Vorsicht walten zu lassen, 
als durch Debersehen einer wirklich skarlatinOsen Affektion schwere Gefahren 
heraufzubeschwören. Klein sagt ganz richtig: „Die Erkenntnis, daß 
es sich um diese selbständige exanthematische Krankheit 
handelt, ist eben zunächst nur ex post möglich.* Hier ist nach 
meiner Meinung das Ausbleiben der Desquamation das Entscheidende.* 

Bougek-Prag stellt folgende Differentialdiagnose: Lange 
Inknbation, Fehlen von Erbrechen, Scharlachzange, Nachkrank- 
heiten and wahrscheinlich Vermehrung der Leukozyten, mäßiges, 
karzdaaerndes Fieber, normaler Pals, fehlende oder nnr feine 
Desquamation. Brechen in einer Familie, wo schon frtther Schar¬ 
lach war, nur milde Scharlachfälle aus, ist Verdacht auf die 
„Vierte Krankheit“ begründet. 

Endlich schreibt Dr. Unruh-Dresden in der Festschrift für 
Exzellenz Dr. Fiedler zu seinem 70. Geburtstage: 

„Ich habe schon früher solche Fälle beobachtet. Das Exanthem besteht 
aus ziemlich kleinen, die Größe der Bubeolaflecke nicht erreichenden, dicht 
anck&nderstehenden Paukten, die die Haut nicht so hoch überragen, wie dies 
die Masern- und Bubeolaflecke tun; die einzelnen Punkte stehen entweder 
getrennt von einander oder sind in größerer Ausdehnung durch ein Erythem 
verbanden, sodsß man den Eindruck eines unregelmäßig geformten, zackigen 
Fleckes hat, der einen Masernfleck Vortäuschen kann, sich aber bei genauerem 
Zusehen als eine Häufung einzelner Punkte darstellt. Die Farbe ähnelt der 
des Scharlachexanthems, nur mit einem leichten Stich ins Braune. Vorwiegend 
befallen wird der Bumpf und Extremitäten; die Abblassung erfolgt sehr rasch, 
in 24—36 Stunden. Es erfolgt zumeist eine Abschuppung in Form ganz 
kleiner Schuppen, der Form der Exanthempunkte entsprechend, niemals in 
Lamellen wie beim Scharlach. Die sichtbaren Schleimhäute zeigen leichten 
Katarrh. Temperatur wohl ausnahmslos erhöht, höchste Temperatur 89.2: 
im Laufe des 2., spätestens am 3. Tage, Temperatur normal. Puls, der bei 
Scharlach immer beträchtlich erhöht ist, ist bei der Vierten Krankheit nicht 
erhöbt. Das Krankheitsgefühl ist nie erheblich. Die Lymphdrüsen am 
Kieferwinkel und Naoken, die bei Böteln so sehr geschwollen sind, sind hier 
nicht geschwollen, auch die dem Scharlach eigentümliche Infiltration der 
Leistendrüsen warde nicht beobachtet. Nieren nicht beteiligt. Es handelt 
sich um eine infektiöse Erkrankung; denn es erkranken immer in einer Familie 
mehrere Mitglieder. Inkubation in einem gut beobachteten Falle 15 Tage. 
Diagnose der Vierten Krankheit ziemlich schwer, nur wenn man sicher weiß, 
daß der Kranke BChon Scharlach und Masern gehabt hat. Man könnte nun 
sagen, es handelt sich um eine milde Form der Böteln; aber es wäre dann 
merkwürdig, daß in derselben Familie, demselben Pensionate, derselben Anstalt 
eine Kette überaus leichter Krankheiten nicht einmal durch eine Erkrankung 
unterbrochen worden wäre, die einen schweren Charakter zeigte.* 

Unruh spricht fdr die „Vierte Krankheit“, rechnet sie aber 
mehr zu Rubeola als zu Scharlach, wie es Bökay tut. 

Aus diesen Literaturauszügen ist also zu ersehen, daß das 
Bild der „Vierten Krankheit“ noch sehr schwankend ist. Der 
eine rechnet sie zum Scharlach, der andere zu den Rötheln, der 
nennt sie Erythema infectiosum, jener Scarlatinoid, auch die 
Namen: Oertliche Rötheln, Erythema Simplex marginatum, ja 
sogar die Fünfte Krankheit finden sich für dasselbe Krankheits¬ 
bild. Wenn ich aber bedenke, daß all diese Beobachtungen erst 
gemacht worden sind, seitdem die Influenza ihren Zug durch 
Europa angetreten hat — Filatow zuerst 1885, Dukes 1900, 
Weaver 1901, Unruh 1894 —, daß Filatow das gleichzeitige 
Auftreten von Iofluenza berichtet, und Klein die Krankheit bei 



Dr. Koeatlin: Das Setsen von Schröpfköpfen durch Hebammen. 661 


Inflaenza beobachtet hat, wenn ich ferner dazu die Inflnenzaf&lle in 
Frankfart a. 0. in den 90 er Jahren mit scharlachähnlichem Exanthem 
und die Fälle aas dem Seminar in Planen rechne, so bin ich sehr 
geneigt, die „Vierte Krankheit“ in eine der vielen Formen der 
Inflaenza einzareihen. Vielleicht hat mancher von den Herren 
Kollegen aach solche Fälle beobachtet; ich würde mich freuen, 
wenn sie sich meiner Meinung, es handle sich nm eine eigen¬ 
tümliche Form der Inflaenza, anschließen könnten. 


Das Setzen von Schröpf köpfen durch Hebammen. 

Antwort ani Israel, „Todesfall infolge von Schröpfen“ in Nr. 11 

dieser Zeitschrift. 

Von Dr. Koeatlin, Direktor der Provinzial- Hebammenlehranstalt in Daniig. 

Das neue Hebammenlehrbach 1904 and 1905 bringt im 
Gegensatz zu den früheren kein Wort über das Schröpfen. Bei 
den Vorbereitungen zu der nenen Auflage wurde aach die Frage 
des Schröpfens durch Hebammen erörtert. Daß nan kein ent¬ 
sprechendes Kapitel eingeführt ist, dürfte schon Beweis genug 
sein, daß dieser Eingriff den Hebammen jetzt verboten 
ist. Ihre Tätigkeit ist nach dem neuen Lehrbuch noch strenger als 
früher auf Schwangerschaft, Gebart und Wochenbett beschränkt 
mit einziger Ausnahme der in § 119 angegebenen Ersten Hilfe 
bei Unglücksfällen. Auch die Operationsbefugnis der Hebammen 
ist, wie der Vorbericht zur Ausgabe 1904 betont, erheblich 
eingeschränkt. 

In dem Hebammeneid schwört nun die Hebamme, „die Heb- 
ammenkunst nach den Vorschriften des Lehrbuches und der Dienst¬ 
anweisung auszuüben.“ Nach § 9 der Dienstanweisung soll sie nur 
Schwangeren, Kreißenden, Wöchnerinnen und Neugebornen Beistand 
leisten, nach § 11c keine Pflegedienste bei Kranken übernehmen, 
die ihrer Hebammenhilfe nicht bedürfen, nach § 4 die in § 194 
des Lehrbuchs vorgeschriebenen Diensterfordernisse, Instrumente 
nnd Arzneimittel besitzen, von den Instrumenten und Arzneimitteln 
nur in den Fällen, welche im Lehrbuch angegeben sind, den vor¬ 
geschriebenen Gebrauch machen, sie darf diese aber nie zu 
anderen Zwecken verwenden. Ueberhaupt hat sich die Hebamme der 
Anwendung innerer und äußerer Arzneimittel, abgesehen von den 
Fällen, in denen ihr die Anwendung im Lehrbuche bis zur An¬ 
kunft des Arztes gestattet ist, sowie jeder unbefugten Behandlung 
von Krankheiten, namentlich von Frauenkrankheiten, zu enthalten. 
Sie ist verpflichtet, vor den Heilversuchen unberufener Personen 
zu warnen, nsw. Nach § 17 ist es ihr streng untersagt, die 
Grenzen der ihr durch das Lehrbuch zugewiesenen Hilfeleistung 
zu überschreiten. In den §§ 32 u. 33 sind die Eingriffe und Medika¬ 
mente noch ausdrücklich aufgefdhrt, welche die Hebamme ver¬ 
wenden darf. Also auch in der Dienstanweisung ist ihre Tätig¬ 
keit scharf umgrenzt, und das Schröpfen, da nicht besonders 
aufgeftthrt, verboten. 



562 Dr. Eoestlin: Du Seiten ton SchrOpfkOpfen durch Hebammen. 


Mit dem Erscheinen des nenen Lehrbuches ist selbstverständ- 
lich auch das frühere Lehrbuch ungültig geworden, and zwar 
nicht nur für Hebammen, welche neu in den Beruf eintreten, 
sondern für alle. 

Um so mehr war ich erstaunt, aus dem Artikel von Israel 
zu ersehen, daß im Kreise Fischhausen das Schröpfen durch 
Hebammen teils auf ärztliche Verordnung, teils ohne diese noch 
geschieht, daß von 28 Hebammen des Kreises sich noch 16 mit 
diesem Eingriff abgeben, meist nach den Vorschriften des alten 
Lehrbuchs, daß Israel den Hebammen das Schröpfen noch erlaubt 
und daß er sogar empfiehlt, generell gelegentlich der Nach¬ 
prüfungen die Hebammen auf ihr Verhalten beim Schröpfen hin¬ 
zuweisen. Er setzt sich damit in Widerspruch mit dem Heb¬ 
ammenlehrbuch, der Dienstanweisung und dem Eid der Hebamme. 

Wenn Israel weiter das im Aufträge des Herrn Ministers 
herausgegebene Krankenpflegebuch erwähnt, so steht dort das 
Schröpfen neben vielen anderen den Hebammen ebenfalls nicht 
erlaubten Eingriffen unter C „ Ausführung ärztlicher Verordnungen 1 . 
Also es darf auch dort nur auf ärztliche Anordnung geschröpft 
werden und zwar nur von Pflegern und Pflegerinnen, welche an 
der Hand dieses Lehrbuches einen Kurs durchgemacht, das 
Schröpfen also theoretisch und praktisch erlernt haben. Im 
Unterricht der Hebammenschülerinnen und der zum Wiederholungs¬ 
kurs einberufenen Hebammen haben wir uns aber streng an das 
Hebammenlehrbuch zu halten; das Schröpfen wird dort mit keinem 
Wort erwähnt, die Schülerinnen und Hebammen werden 
darin nicht unterwiesen, und wir dürfen es auch nicht. 
Grund genug, daß ihnen derartige Eingriffe in ihrer Praxis ebenfalls 
nicht erlaubt sind. Wohin soll es schließlich auch führen, wenn 
den Hebammen beim Unterricht in den Anstalten für die Praxis 
Eingriffe verboten, von den Kreisärzten aber später erlaubt 
werden. Welcher Schaden daraus erwachsen kann, ersieht man 
aus einer Besprechung des Israel sehen Artikels in Nr. 14 der 
Allgemeinen Deutschen Hebammenzeitung, welche — ebenfalls 
unberechtigter Weise — das Schröpfen durch Hebammen für 
erlaubt hält 

In dem ganzen Lehrbuch ist schließlich an zahlreichen 
Stellen zum Ausdruck gebracht, daß die Hebammen nur bei 
normalen Geburten und Wochenbetten selbständig handeln dürfen, 
daß aber, sowie eine Regelwidrigkeit eintritt, ein Arzt zuzuziehen 
und ihm die Behandlung zu übergeben ist. Dasselbe steht auch 
an verschiedenen Stellen der Dienstanweisung. Und in der Ein¬ 
leitung des Lehrbuches heißt es: »Diese Regelwidrigkeiten zu 
beseitigen, erfordert eine tiefere wissenschaftliche Ausbildung, die 
nur der Arzt besitzt. Es ist daher die Aufgabe der Hebamme, 
solche Störungen rechtzeitig zu erkennen, um, wenn sie erkannt 
sind, die Behandlung einem Arzt zu übergeben!“ Wie stimmt 
nun damit überein, wenn im Kreise Fischhausen Hebammen 
außerhalb Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett Regelwidrig¬ 
keiten wie Moskelrheumatismus teils auf ärztliche Verordnung, 



Df. Israel: Erwiderung aal den vorstehenden Aalsatz. 


568 


teils ohne diese behandeln P Sollte da nicht manche Pleuritis 
verschleppt werden, indem sie von der Hebamme als Rheumatismus 
behandelt wirdP Interessant wäre es anch y zu erfahren, ob 
die Hebammen in Israels Fall (am 7. Juni hat sie geschröpft, 
am 18. Juni ist ein Arzt wegen Wandrose zagezogen, am 26. Jani 
starb die Frau and es warde Anzeige erstattet) ihre Patientin 
wiederholt besucht hat, ob sie ferner in der Zeit vom 7. Jani 
bis zar Anzeige bei Eatbindangen Hilfe geleistet hat and ob 
hierbei Infektionen vorgekommen sindP 

Steht Israel auf dem Standpunkt, daß überhaupt noch 
geschröpft werden maß — ich bin gegenteiliger Ansicht and 
halte mit wenigen Aasnahmen das noch übliche Schröpfen, von 
dem Israel selber sagt, daß es abgenommen hat, für einen alten 
Zopf and eine annötige Konzession an die Geschmacksrichtung 
mancher Laien — so lasse er durch die Aerzte schröpfen. Dann 
wird sich allerdings herausstellen, daß mit einem Male das 
Schröpfen aafhört, weil eben der größte Teil der Aerzte es nicht 
für nötig hält und es vielleicht auch selbst nicht richtig za 
machen versteht. Jedenfalls fort mit der Schröpferlaabnis der 
Hebammen seitens der Kreisärzte! 


Erwiderung auf den vorstehenden Aufsatz. 

Von Med.-Bat Dr. Israel. Kreisarzt in Fischhausen. 

Der Koestlinsche Aufsatz ist mir vor Drucklegung von 
der Redaktion freundlichst zar Verfügung gestellt worden. Ich 
habe hierauf folgendes za erwidern: 

1. Der spezielle Fall, welcher Anlaß zu meiner Ver¬ 
öffentlichung gab: Koestlin scheint die hierzn angeführten 
Bemerkungen nicht aufmerksam gelesen zu haben, denn ich habe 
ausdrücklich geschrieben: „Die Arbeiterfrau A. ließ sich von der 
früheren Hebamme K. 10 Schröpfköpfe setzen*. Es erübrigen 
sich somit alle hierauf bezüglichen Anfragen, ob die Hebamme 
ihre Patientin wiederholt besucht hat, ob sie ferner bis zur An¬ 
zeige bei Entbindungen Hilfe geleistet hat und ob hierbei Infek¬ 
tionen vorgekommen sind. Die K. war wegen schwerer Ver¬ 
fehlungen im Beruf (tötliche Infektion dreier Wöchnerinnen inner¬ 
halb einer Woche) vor mehreren Jahren zu einer mehrmonatlichen 
Gefängnisstrafe verurteilt worden; auch war ihr das Hebammen¬ 
zeugnis entzogen. Seit dieser Zeit übt sie den Hebammenberuf 
nicht mehr aus, doch wird sie nicht selten von den Leuten zum 
Schröpfen in Anspruch genommen. 

2. Was die allgemeine Frage betrifft, ob man den 
Hebammen die Schröpferlaubnis geben darf, so kann 
diese m. E. nur nach dem örtlichen BedQrfais geregelt werden. 
Im hiesigen Kreise, und ich kann wohl sagen in ganz Ostpreußen, 
hat besonders die ältere Bevölkerung die Neigung, sich schröpfen 
zu lassen, wenn auch, wie ich bereits in meinem Aufsatze betont 
habe, eine Abnahme zu konstatieren ist. Diesem Bedürfnis wurde 
auch in früheren Jahren seitens des Kreises dadurch Rechnung 



664 


Kleinere Mitteilungen and Referate ana Zeitschriften. 


getragen, daß den Hebammen bei ihrer Anstellung außer den 
anderen Instrumenten auch Schröpfinstrumente frei geliefert 
wurden. Andere Personen, welche das Schröpfen ausführen können, 
sind in ländlichen Kreisen nicht vorhanden. Der eine Heilgehilfe, 
der in der äußersten Ecke meines Kreises wohnt, kommt nicht 
in Betracht. Daß man den Aerzten, wie Koestlin meint, das 
Schröpfen überlassen soll, daran kann doch wohl im Ernst nicht 
gedacht werden. Man steht somit in hiesiger Gegend vor der 
Frage, ob man den älteren Hebammen wie bisher das Schröpfen 
gestatten oder die Leute Pfaschern oder Pfascherinnen überant¬ 
worten soll. Im letzteren Falle werden sich dann, davon bin ich 
überzeugt, Fälle wie der veröffentlichte wohl bald vermehren, 
während weder ich noch die Aerzte meines Kreises jemals er¬ 
fahren haben, daß beim Schröpfen durch die geschulten und mit 
der Antisepsis vertrauten Hebammen solche Schädigungen hervor¬ 
gerufen worden sind. Da die jüngeren Hebammenschülerinnen 
das Schröpfen nicht lernen, so handelt es sich nur um die älteren 
Hebammen, welche nach dem alten Lehrbuch unterrichtet sind; 
demzufolge war eine Belehrung meinerseits unter Hinweis auf 
den unglücklichen Fall wohl am Platze. 

Daß die Ansicht von Koestlin nicht allgemein geteilt 
wird, geht vielleicht aus dem Referat der Hebammenzeitung 
hervor, deren Redaktion wohl auch mit den gesetzlichen Bestim¬ 
mungen vertraut ist. In dem Referat über meinen Aufsatz wurde 
ebenfalls zur Vorsicht beim Schröpfen gemahnt. Der letzten 
Hebammen-Nachprüfung in meinem Kreise wohnte der Lehrer der 
Hebammen-Lehranstalt in Königsberg i. Pr. bei. Ich trug den 
Hebammen den Fall vor, ohne daß ich von ihm auf das allgemeine 
Sehr öpfverbot aufmerksam gemacht wurde. Ein Kreisarzt des hiesigen 
Bezirks schreibt mir: Ä Hinsichtlich des Schröpfens bin ich aller¬ 
dings der Ansicht, daß es den Hebammen nicht gestattet ist, da 
es unter den Hilfeleistungen nicht erwähnt ist; nichtsdestoweniger 
kommt es alle Jahre ein- bis zweimal vor, daß ich mich auf dem 
Lande einer Hebamme zum Schröpfen bedienen muß, und oft habe 
ich es bedauert, daß keine der vorhandenen jüngeren Hebammen 
es verstand.“ 

Bei dem Widerstreit der Meinungen halte ich es für nötig, 
daß eine Entscheidung seitens der Zentralinstanz in dieser Frage 
erfolgt; ich werde selbst unter Hervorhebung der örtlichen dies¬ 
bezüglichen Verhältnisse eine solche beantragen. 1 ) 


Kleinere Mitteilungen und Referate aue Zeitschriften. 

A. Oarlohtliohn Medizin. 

Eine gehellte ahnte Subllmatverglftung. Von De Rechter, Ge- 
richtanrst ln Brüssel. Arch. intern&tion. d. med. leg.; Vol. I, 1. Jan. 1910, 8.60. 

Eine 24jlhrige Frau hatte von einer 8ublimatpastttle an 1 g etwa 
*/• ln 260 g Wasser gelüst, das übrige nngelüst geschluckt, bald darauf 


l ) Dieser Weg nur Entscheidung der strittigen Frage scheint auch der 
Redaktion, für die die Angelegenheit damit erledigt ist, der richtige su sein. 



Kleinert» Mittellangen and Referate ans Zeitschriften. 


666 


du Stück aasgebrochen; Entliehe Hilfe (Eiweißlösung and Ausspülung) war 
aber bald nur Stelle. Es traten fut alle charakteristischen Vergiftangssymp- 
tome, aber in leichter Form auf. Die Heilung, auch der leichten Nephritis, 
war nach drei Wochen vollständig. Dr. P. Fraenckel -Berlin. 


Ein Fall von gewerblicher Arsenwasserstoffrerglftnng. Von Dr. 
Hoff er-Gablonz. Prager medisin. Wochenschrift; 1910. Nr. 13. 

33jKhriger Galvaniseur, der plötzlich mit unaufhörlichem Erbrechen, 
großem Angstgefühl, Schmerzen und Druck auf der Brust erkrankte. Körper¬ 
wärme etwu erhöht, Puls beschleunigt, Patient von kaltem 8chweiß bedeckt. 
Harn enthielt Blutfarbstoff, kein Eiweiß und keine Blutkörperchen; spektro¬ 
skopisch zeigte er die Streifen des Oxy- und Methämoglobins. Am zweiten 
Tage traten starker Icterus, Leber- und Milzschwellung hinzu. Der Harn ent¬ 
hielt 6 Tage lang Blutfarbstoff, vom dritten Tage an auch Blutkörperchen 
und Eiweiß. Nach 5 Tagen erfolgte auf Klysma pechschwarze Stuhlentleerung. 
Die Symptome gingen im Verlaufe einer Woche zurück; jedoch bestand noch 
lange nachher Schwächegefühl, Stechen auf der Brust und Kurzatmigkeit. 

Ueber die Ursache der Erkrankung ließ sich folgendes ermitteln: 
Patient hatte als Galvaniseur Metallgegenstände „oxydiert“, d. h. zur Imitierung 
von Altsilber das Metall auf galvanischem Wege mit einem Niederschlag von 
metallischem Arsen versehen. Da ihm am Tage vor der Erkrankung die 
LOsung ausgegangen war, hatte er die Gegenstände in ein sogenanntes „Oxyd¬ 
bad* getaucht, einer aus Arsenik, Antimon, Eisenvitriol und konzentrierter 
Salzsäure bestehenden LOsung. Zur Beschleunigung des Prozesses hatte er 
dann die Gegenstände mit schmalem Zinkstreifen umwickelt. Es entwickelten 
sich dann übelriechende Dämpfe, denen er 2 Standen lang ausgesetzt war. 
Nach 6 Standen hatte dann die Erkrankung eingesetzt 

Aus den Erscheinungen geht deutlich hervor, daß es sich um eine 
Arsenwasserstoffvergiftung handelte; naturgemäß mußte sich beim Eintauchen 
des Zinkes in Salzsäure bei Gegenwart von Arsenik Arsenwasserstoff ent¬ 
wickeln. Verfasser geht dann noch näher auf die Möglichkeit der gewerb¬ 
lichen Arsenwasserstoffvergiftung ein. Bpd. jun. 


Ueber das Auftreten kernhaltiger Blutkörperchen im Verlauf der 
Vergiftung durch Schlangengift. Von Argand und Billard (Clermont- 
Ferrand). Comptes rendus de la soc. de biol.; 1910, LXVI1I, Nr. 17. 

Beim Menschen, den Säugetieren, Meerschweinchen, Kaninchen rieht 
man einige Stunden nach dem Biß von Nattern eine große Anzahl 
kernhaltiger roter Blutkörperchen auftreten, als Mikroblasten, besonders als 
Normoblasten, die teils frei, teils münzenförmig gruppiert sich darstellen. 

Ueber die Bedeutung dieser Hämatoblasten äußern sich die Verfasser 
noch nicht; es schien ihnen nur von Interesse auf ihr Vorkommen im Verlaufe 
der Schlangenbißvergiftung hinzuweisen. Sie erinnern daran, daß ähnliches 
bereits beschrieben ist, sowohl bei experimentellen Infektionen, als auch nach 
bestimmten Vergiftungen, und zwar nach solchen durch Chloroform, Nitro* 
beazin, Phosphor (Ehrlich, Lindenthal). Dr.Mayer-Simmern. 


Plötzlicher Ted Infolge Aspiration von Wismutemulsion. Von 
Desternes. Bulletin de la Soci6t6 de Radiologie de Paris 1910. 

Ein 59jährigor Mann, der an hochgradiger Oesophagusstriktur litt, 
wurde während der Durchleuchtung mit Röntgenstrahlen, ohne einen Schrei 
auszustoßen oder zu husten, plötzlich bewustlos und starb in wenigen Minuten. 
Die Obduktion ergab Neoplasma dicht oberhalb der Bifurkation. Eine schmale 
Fistel verband Speiseröhre und Luftröhre. Oesophagus-,’ Larynx- und Tracheal- 
schleimhaut waren mit feinem Wismutpulver bedeckt. Etwa 50 gr Wismut* 
aufschwemmung fanden sich in den Luftwegen. Es mußte angenommen 
werden, daß diese Fiüssigkeitsmenge von dem erschöpften Kranken unbewußt 
asporiert worden war. Es bestanden SemibilitätsstOrungen im Larynx. 

Dr. Revenstorf-Breslau. 


Beitrag zur Frage der Glftwirkung von Bismutum subaitrlcum und 
anderen in der Röntgendiagnostik angewandten Bismutpräparaten. Von 



566 


Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitaehrifte 


0. Schümm nnd A. Lorey. Fortschritte an! dem Gebiete 
strahlen; 1910, Band XV, Heft 3. 

Die Vergiftungen nach intestinaler Einverleibung i 
nbnitmm sind als Nitritvergift ungen aufzufassen. Ihr he 
Symptom ist eine Methämoglobinämie, die spektroskopisch nach 
Nach äußerer Anwendung von Wismutpräparaten kommen auch 
Vergiftungen vor. Bismutum carb. und oxychlorat. sind t 
Anwendung auch in größeren Dosen vollkommen unschädlich. 

_ Dr. Bevenstor 

Ueber Vergiftung durch Bleck’sehe Wismutpastenbehl 
A. B eich-Tübingen. Brun’s Beiträge nur klinischen Ct 
November. 

Einem 29jährigen Manne wurden 20 um 30°/o Beck’i 
subnitratpaste in einen Douglasabszeß injiziert. Es trat ak 
ein mit Temperatursteigerung, Kopfweh, Schwindel, Schwäche 
losigkeit. Der Zahnfleischsaum wurde schwärzlichbraun, metallis 
Albuminurie, Halluzinationen, Krämpfe. Tod am 11. Tage. 

Obduktionsbefund: Blut chokoladenbraun, lackfarben. Sc 
ration der parenchymatösen Organe. Zerfall der roten I 
Methämoglobinämie, ln den Nieren Bindenblutungen, Hämoglob 
zylinder. ln der Milz kapilläre Blutungen. Chemische Unt 
Leber auf Wismut negativ. 

Die Vergiftungserscheinungen lassen sich etwa folgender 
Metall- und auf die Nitratkomponente des Giftes verteUen. 
metallischen Wismutvergiftung: BOtung und Auflockerung de 
Schleimhaut, Dysphagie, metallischer Zahnfleischsaum. Auf Nitrit 
zu beziehen: Hämolyse, Methämoglobinämie und motorische Bei: 

Es sind bereits 6 Vergiftungen mit tödlichem Ausganj 
worden. Dr. Bevenstor!• 


TOdliche Vergiftung mit Kaliumpermanganat ln S 
L Bubih und G. Dorner. Deutsches Archiv für klinische 
S. 267. 

Ein 22 jähriges Mädchen hatte offenbar in selbetmOrdei 
eine Düte mit Ksdiumpermanganatkrystallen an den Mund g 
Inhalt hinabgeschüttet. Heftiges Erbrechen. Speichelfluß. S< 
Mundhöhle, Zunge und Bachengebilde tief schwarzbrann. Stai 
der Oesophagusschleimhaut. Tod etwa 50 Stunden nach dem 
Autopsie: Lobuläre Pneumonie. Starke BOtung der Schleimhaut 
bis in die feinsten Verästelungen. EntzündSche Verändern* 
gradjge Schwellung des Kehlkopfinnern. Auf der intensiv geri 
haut punktförmige, dicht gesäte, tief schwarze Manganflecke. N 
war die enorme Aetzwirkung der hinteren Bachenwand, die in 
Ausdehnung in eine nekrotische Membran umgewandelt war. 
Methämoglobin. im Harn kein Urobilin. Mangan war chemi 
inhalt, in der Galle und im Urin nachweisbar. 

_ Dr. Beven8toi 

Die Blutverändemngen bet Vergiftung mit Telnylt 
A. Gilbert und K ChabroL Comptes rendus de la noc. 
LXVHI, Nr. 17. 

Die Versuche wurden an Hunden angestellt, denen 
intraperitoneal in Dosen unter der Dosis toxica injiziert wnr 

Zunächst ändert sich das Blut der Tiere nicht. Ersi 
Stunden tritt Cholaemie auf, die anfänglich leicht, sich al 
stärker ausprägt. Alsdann findet sich auch Fragilität der ro 
chen. Diese ist nie das Initialsymptom der Vergiftung, ao 
sekundär; allerdings ist die Cholaemie anfänglich nur leicht, 
sie gleichzeitig mit der Veränderung der Blutkörperchen. Pj 
Gift stets auf die Leberzelle. 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


567 


Der durch Toluylendiamin eneugte Icterus scheint kein hämolytischer 
Ikterus au sein, sondern ein hepatogener Icterus mit Hämolyse. 

Unter dem Einfluß des Giftes war die Leberselle gereizt und trat in 
verstärkte Tätigkeit, die sich in Cholaemie und verstärkter Brüchigkeit der 
roten Blutkörperchen äußert. Nach der letzteren nimmt die Cholaemie weiter zu. 
Während die Fragilität nur einige Stunden anhält, überdauert die Cholaemie 
dieses Symptom gewöhnlich mehrere Tage. Dr. Mayer-Simmeru. 


Zersetzung des Chloroforms lm Organismus. Von Maurice Nieloux. 
(Travail du laboratoire de Physiologie gOnärale du museum national d'histoire 
naturelle). Comptes rendus de la soc. de biol.; LXVI1I, 1910, Nr. 17. 

Aus neuen Versuchen an Hunden (über solche am Kaninchen war in 
dieser Zeitschrift 1909, S. 801 berichtet worden) schließt der Verfasser: 

Im Laufe der Narkose und während der Periode des Erwachens wird 
das vom Blute und den Geweben fixierte Chloroform im Verhältnis von etwa 
50'/« zersetzt. 

Im Moment der Narkose fixiert der Organismus ungefähr 20 mg 
Chloroform auf 100 g Körpergewicht = 0,2 g pro Kilo. Zersetzt wird aber 
eine Menge von 0,1(X> bis 0,110 g pro Kilo: also etwa 50°/ o des wirklich im 
Moment der Narkose fixierten Chloroforms, eine recht beträchtliche Menge, 
zerfällt in den Geweben. 

Ueber den Ort der Umbildung und die Art derselben sollen weitere 
Versuche Auskunft geben. _ Dr. Mayer-Simmern. 


Schwangerschaft hei unverletztem Hymen. Von J. C. Mc. Walter, 
Barrister at Law. British medical Journal; 1910, 7. Mai. 

Im Gegensatz zu der Mehrzahl der veröffentlichten Fällen, bei welchen 
das Hymen eine ungewöhnliche Dehnbarkeit besaß, betrifft der mitgeteilte Fall 
ein 19 jähriges Mädchen mit so engem Introitus vaginae, daß eine Immissio 
schon aus rein physikalischen Gründen nicht stattgefunden haben konnte. 

_Dr. Bevenstori-Breslau. 

Zur Serodiagnostik der Schwangerschaft. Von G. Fieux und 
P. Mauriac. BOunion biologique de Bordeaux. Comptes rendus de la soc. 
de biol.; LXVHI, 1910, Nr. 17. 

Die Autoren suchten sich über die Pathogenese der Schwangerschafts- 
Symptome der ersten Monate Bechenschaft zu geben und betonen folgende 
Tatsachen: 

1. Die Störungen, die den Beginn einer Schwangerschaft kennzeichnen, 
verschwinden völlig und nahezu plötzlich, wenn das Ei ausgetrieben, ganz 
entfernt wird oder abstirbt. 

2. Gegen Ende des dritten oder im Laufe des vierten Monats werden 
die Beschwerden schwächer oder verschwinden ganz. 

3. Bei bestimmten krankhaften Zuständen des Eies, insbesondere bei 
der Mola hydatitosa können sie sich länger hinziehen und eine besondere 
Intensität erlangen. 

Bei der Erzeugung der Schwangerschaflsbeschwerden scheint demnach 
eine vom Ei ausgehende Toxämie zu existieren. In den Ann. des gynOcol. et 
d’obstOtr., Febr. 1910, haben die Verfasser eine Statistik von 55 Fällen gegeben. 
Aus weiteren Untersuchungen schließen sie: 

1. Das Blut der schwangeren Frau enthält im Beginn der Schwanger¬ 
schaft einen spezifischen Antikörper der jungen Chorionzetten. 

2. Derselbe ist am deutlichsten nachweisbar während des 2. und 
8. Monats. 

3. Er schwächt sich schnell ab, und zwar vom 4. Monat ab; — er 
verschwindet in den folgenden Monaten. 

4. Man findet ihn manchmal bei bestimmten Frauen infolge eines 
frischen Abortes in den ersten Monaten. 

5. Während der ersten Schwangerschaftsmonate scheint demnach eine 
echte Zotten-Toxämie zu bestehen, die die Möglichkeit eines Nachweises der 
Schwangerschaft durch Serodiagnostik vom 2. bis 4. Monate liefert. 

_ Dr. May er• Simmern. 



568 


Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


Echter Hermaphroditismns beim Menschen. Von Dr. Uffreduzzi- 
Turin. Giornale della B. Actdemia di Medicina di Torino; 1910, Nr. 1—2. 

Hermaphroditismns im klassischen Sinne, d. h. das Vorkommen yon 
funktionierenden männlichen und weiblichen Geschlechtsorganen bei dem¬ 
selben Individuum, gibt es bekanntlich beim Menschen und anderen Sänge¬ 
tieren nicht. Wohl aber ist, wenn auch ganz Belten — unter einigen tanzend 
Beschreibungen von sog. Hermaphroditismns oder PseudohermaphroditisK» 
etwa 6 mal bisher — bei Menschen derjenige Zwitterznstand beobachtet, bei 
dem in den Geschlechtsdrüsen zugleich Hoden- und Oyarialgewebe, wenn 
auch in infantilem Zustande, zu finden ist. Ein interessanter kasuistischer 
Beitrag hierzu ist der vom Verfasser beschriebene, durch einige makros¬ 
kopische und mikroskopische Abbildungen erläuterte Fall, der ein siebenjähriges 
Individuum betraf, das gelegentlich der Operation wegen eines Leistenbrucbs 
als Hermaphrodit erkannt wurde, übrigens bis dahin als Mädchen erzogen 
worden war. Es wurde makroskopisch ein wohlgebildeter, leicht atrophischer 
Penis mit normaler, aber imperforierter Glans, darunter die Harnröhren- 
mündung in Form einer flachen Grube ähnlich dem Vorhof einer rudimentären 
Vagina gefunden. Im Bruchsack fand sich bei der Operation eine Geschlechts¬ 
drüse, die das Aussehen eines sehr kleinen Hodens hatte, bei der mikroskopi¬ 
schen Untersuchung teils aus charakteristischem Hodengewebe bestand, teils 
eine vollkommen ausgebildete Tube ohne Höhle und Ausführungsgang dar- 
stellte. Das Kind war im übrigen normal gebaut, hatte aber meist männliche 
Neigungon. Auch das Becken schien mehr von männlichem Typus zu sein. 

Hiernach ist kein Zweifel, daß es sich um echten Hermaphroditismns 
mit Ueberwiegen der männlichen Eigenschaften in den äußeren Genitalien 
handelt. _ Dr. Solbrig - Arnsberg. 


B. Gerlohtliohe Psyohiatrle. 

Blutuntersuehungen bei Dementi« praecox. Von Abteilungsarzt 
Dr. med. Heilemann-Breslau. Allg. Zeitschrift für Psychiatrie; 67. Band,' 
III. Heft. 

Der Verfasser will bei Fällen von Dementia praecox krankhafte Ver¬ 
änderungen des prozentualen Verhältnisses der einzelnen Formen weißer Blut¬ 
zellen zueinander gefunden haben und fordert zur Nachprüfung auf. 

Dr. Tö oben-Münster. 


Ein Fall von Narcolepsie. Von A. Pritres und B. Brandeis. 
Böunion biologique de Bordeaux. Comptes rendus de la soc. de biol.; LXVUI, 
1910, Nr. 17. 

Ein 44jähriger Mann, der auf dem Lande ein recht tätiges Leben geführt 
hatte, keinerlei pathologische Antezedentien aufwies, begann im Jahre 1901 
häufiger, als nötig, den Zwang zum Schlafe zu empfinden. Obwohl er jetzt 
von abonds 9 bis morgens 7 Uhr schläft, wird er mehrmals am Tage von 
unüberwindlichem Schlafbedürfnis befallen. Er schläft in seiner Arbeits¬ 
stube ein, auf der Eisenbahn, im Theater, bei Tisch, mitten in der Unter¬ 
haltung, bei Behandlung geschäftlicher Angelegenheiten, schläft */«—V 1 Stande 
lang, wacht von selbst auf und nimmt die Beschäftigung wieder auf, die der 
Schlaf unterbrochen hatte. 

Die Seltenheit derartiger Fälle und das Dunkel der ihnen zugrunde 
liegenden Pathogenese veranlaßte die Autoren, Harn, Blut und Zerebrospinal¬ 
flüssigkeit zu untersuchen. 

In bezug auf das Blut fanden sie die Zahl der roten Blutkörperchen 
und ihren Durchmesser vermehrt, den Haemoglobingehalt erhöht, einen Befund, 
der das Blut dem der Asphyktischen nähert. 

_ Dr. Mayer-Simmern. 


Zur Symptomatologie der Hysterie. Von Dr. Hermann Goldbladt 
in Kiew (Bußland). Münchener med. Wochenschrift; 1910, Nr. 22. 

Schon seit Jahren konnte Verfasser bei Kranken, die wir als •hysterisch* 
zu bezeichnen pflegen, häufig zwei überaus charakteristische Symptome beob¬ 
achten. Das eine Symptom besteht in einem lästigen Gefühl von Trocken- 



Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


669 


heit !m Munde, zuweilen auch im Rachen and ist häufig mit dem Globus 
vergesellschaftet. Das andere Symptom stellt ein objektiv wahrnehmbares 
vasomotorisches Phänomen dar. Das Wangenrot der hysterischen Individuen 
hat nämlich häufig einen etwas OdematOsen Charakter and leicht bläulichen 
Farbenton. Bei typischen Fällen erhält man den Eindruck, als ob die betreffende 
Person eine gehörige Schicht von bläulich-rosafarbigem Puder aufgetragen 
hätte. Diese bläulich-rosafarbige leichte Schwellang lokalisiert 
sich in der Regel an beiden Wangen, Öfters nach an der medialen Stirngegend, 
anweilen am ganzen Gesicht, selten nur an einer Wange. 

Verfasser sieht die beiden Symptome als häufige, charakteristische and 
differential-diagnostisch wertvolle Zächen bei der Hysterie an and hat die¬ 
selben bei nearasthenischen and depressiven Zuständen stets vermißt. 

_ Dr. Waibel-Kempten. 


Die Behandlung der progressiven allgemeinen Paralyse mittels 
Nukleinsäure- Injektionen. Von Prof. Dr. Julius Donath-Budapest. Allg. 
Zeitschrift für Psychiatrie; 67. Bd., 3. H. 

Unter 21 Fällen von progressiver Paralyse wurde nach Angabe Donaths 
in 10 Fällen, also nahezu in der Hälfte, durch Nukleinsäureinjektionen eine 
wesentliche Besserung, d. h. eine Wiedererlangung der Arbeite- und Erwerbs¬ 
fähigkeit erzielt. In weiteren fünf Fällen kam es insofern zu einer Besserung, 
als die Patienten einer Krankenhausbehandlung nicht mehr bedurften, jedoch 
ihre frühere Leistungsfähigkeit nicht wieder erlangt hatten. Der Zweck der 
Methode ist, durch Hyperthermie und Hyperleukozytose und die dadurch ge¬ 
steigerte Oxydation die bei der progressiven Paralyse sich bildenden giftigen 
Stoffwechselprodukte zu zerstören. Der Autor resümiert, daß progressive 
Paralysen mit unzweifelhaft luischer Vergangenheit und ohne vorhergegangene 
spezifische Behandlung die Chancen hätten, durch die Nukleinsäurebebandlung 
gebessert zu werden. Referent steht dem vielleicht nicht unberechtigten, 
hoffnungsfrohen Optimismus des Verfassers vorläufig sehr skeptisch gegen¬ 
über, glaubt sieh aber zunächst eines abschließenden Urteils enthalten zu sollen. 

Dr. TObben-Münster. 


Ueber Aphasie. Von Privatdozent Dr. Kurt Goldstein. Beihefte 
zur Medizinischen Klinik; 1910, H. 1. 

Die Entwickelung der Aphasielehre basiert auf den Arbeiten We r n i ckes, 
der dartat, daß es mehrere Aphaaieformen gibt und mehrere für die Lokali¬ 
sation der Sprache wichtige Stellen im Gehirn vorhanden sind. Von ihm 
stammt die Benennung des motorischen, in der dritten Stirnwindung und des 
sensorischen in der ersten Schläfenwindung lokalisierten Sprachzentrums. 

Auf Wernickes Anschauungen baute Lichtheim weiter und führte 
neu in die Aphasielehre die »Begriffe* ein, die hirnphysiologisch eine lokali¬ 
sierte Summe von Einzelwahrnehmungen und deren Erinnerungsbilder sind, die 
in Beziehung stehen zu den im motorischen und sensorischem Zentrum nieder¬ 
gelegten Bewegung»- und Klangbildern der Sprache und mit ihnen durch 
Bahnen verbunden Bind. 

Die Anschauung beider Autoren vermag eine befriedigende Erklärung 
aller Symptome der verschiedenen Aphaaieformen nicht zu geben; vor allem 
lassen sie die Schreib- und LesestOrungen vermissen, so daß sie sich später 
gezwungen sahen, weitere Zentren, ein Schreib- und Lesezentrum, einzu¬ 
führen, eine Annahme, die nur eine neue Komplikation, keine Besserung der 
bestehenden Schwierigkeiten bildet, ebensowenig wie die Einlührung des Wort¬ 
begriffes durch Wern icke eine Lösung erbrachte. 

Einen Fortschritt für das Verständnis bieten erst die Arbeiten von 
Bastian und Freud, von denen der erste den Begriff der funktionellen 
Schädigung eines Zentrums durch einen Herd in die Aphasielehre einführt, 
während Freud auf Grund einer kritischen Untersuchung sich gegen die 
Unterscheidung von Zentrum und Leitungsbahn ausspricht, indem er zu dem 
Resultat kommt, daß sich alle Aphasien durch Unterbrechung von Leitungs¬ 
bahnen erklären lassen. Das „Sprachgebiet* ist für ihn ein zusammen¬ 
hängender Rindenbezirk, in welches akustische, motorische und optische Ele¬ 
mente eingehen; es breitet sich zwischen den Rindenfeldern des VII. und 



670 


Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


V1IL Hirnnerven und den motorischen Zentren der Sprachmosknlatnr und der 
Hand ans. Die verschiedenen Formen der Aphasie, die alle auf Verinderaagen 
in der Binde selbst beruhen, kommen durch Herde an der Peripherie, die die 
Zuleitung Ton einem bestimmten Bindenfeld vernichten, zustande. 

Es gibt also keine einzelnen Zentra für die einzelnen Bestandteile der 
Sprache; in dem zusammenh&ngenden Sprachfeld gehen alle Assoziationen, auf 
denen die Sprachfunktionen beruhen, vor sich, es reprisentiert die Wortbegriffe. 

Die Definition des Wortbegriffes erfahrt im weiteren durch 8torch und 
Goldstein eine Umgestaltung. Die in ihm Tereinigten Klang- und Be- 
wegungsTorstellungen sind keine psychischen elementaren Vorstellungen. Die 
Vorstellung ist das Besiduum einer früheren Wahrnehmung, die ihrerseits aus 
einer sinnlichen, der spezifischen Sinnesqualität entstammenden Komponente, 
und nicht sinnlichen Anteilen besteht. Unter den letzteren spielt die größte 
Bolle die Vorstellung der Bäumlichkeit. Sie ist das Wesentliche, was in uns 
als Erinnerungsbild surttckbleibt; auf ihr beruht das Wiedererkennen Ton 
Gegenständen. Die räumliche Vorstellung eines Gegenstandes ist auch der 
Ausgang jeder Bewegung; da dieselbe Bewegungsvorstellung auf die ver¬ 
schiedensten Muskelgruppen übertragen werden kann, so kann sie nicht an 
der Stelle der motorischen Foci der betreffenden Muskelgruppen lokalisiert 
sein, sondern muß wie alle anderen räumlichen Vorstellungen im Begriffsfelde 
lokalisiert werden. Bei der akustischen Wahrnehmung der Sprache tritt an 
die Stelle der Vorstellung der Bäumlichkeit die Auffassung des Verhältnisses 
der Töne zueinander, die Intervallvorstellung, die auch das Erinnerungsbild 
der akustischen Wahrnehmung darstellt; sie wird der Anstoß zum Aussprechea 
eines Lautes wie die räumliche Vorstellung zur Ausführung einer anderen 
Bewegung und ist zugleich das Wesentliche, was von dem motorischen Spreeh¬ 
akt als Besiduum im Bewußtsein bleibt. Da die Sprachvorstellung im Be¬ 
wußtsein sein kann, ohne das akustische oder motorische Bindengebiete in 
Tätigkeit sind, da sie beim Hören und Sprechen dieselbe ist, kann sie weder 
akustisch noch motorisch lokalisiert sein, sondern beansprucht ein gesondertes 
Bindengebiet, das Sprachfeld, das in Verbindung steht mit dem Begriffsfeld, 
dem akustischen Perzeptionsfeld und der motorischen Zone der Sprachmuskela. 

An der Hand dieses auf psychologischen Beobachtungen gestützten 
Gerippes werden die einzelnen Aphaueformen und ihre Erscheinungen erklärt. 

_ Bpd. jun. 


Ueber eine Tätowierung. Von P. Giani, Oberstabsarzt. Archivio di 
Antropologia criminale. Psychiatrie etc.; 1910, H. 1—2. 

Die Lombroso'sehe Schule legt bei der psychologischen Beurteilung 
u. a. auch Wert auf etwaige Tätowierungen. Verfasser als Militärarzt meint, 
daß gerade zur Beurteilung des Geisteszustandes von Soldaten, unter denen 
sich nicht selten zweifelhafte Elemente finden, die Tätowierungen wichtige 
Fingerzeige geben können, um Simulation und Dissimulation erkennen zu helfen, 
und führt aus seiner Praxis einen derartigen Fall an. Es handelt sich um 
einen 22 jährigen Kavalleristen, der zur Beobachtung ins Militärlazarett ge¬ 
schickt wurde. Der Mann hatte angegeben, an anfallsweise auftretenden Herz- 
störungen zu leiden und deswegen dienstunfähig zu sein. Bei der Unter¬ 
suchung fanden sich ausgedehnte Tätowierungen am ganzen Körper, die inso¬ 
fern charakteristisch waren, als sie einen gewissen Abglanz des bisherigen 
Lebens und der Charaktereigenschaften des Mannes darstellten: Es handelte 
sich um teils obszöne, teils auf Eigenschaften wie Kraft und Mut hindeutende 
Darstellungen am Körper. Die Nachforschungen ergaben, daß es sich um 
einen von moralisch recht zweifelhaften Eltern abstammenden, von Kindheit 
an verwahrlosten, liederlichen, mehrfach bestraften Menschen handelte. 

So glaubt Verfasser, daß dergleichen Zeichen zur Beurteilung eines In¬ 
dividuums von Bedeutung sind und berücksichtigt werden müßten. 

_ Dr. Solbrig- Arnsberg. 


Bemerkungen zu dem Vorentwurf zu einem deutsehen Strafgesetz¬ 
buch. Von Oberarzt Dr. Otto Juliusburger-Steglitz. Allg. Zeitschrift für 
Psychiatrie; 67. Bd., 8. H. 

Der Verfasser unterzieht nicht etwa den ganzen Vorentwurf einer 



Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


671 


kritlaohen Erörterung, sondern beschäftigt sich Torwiegend mit der Stellung* 
nähme der lex ferenda zur Trunkenheit. 

Da die lesenswerte Arbeit in einem kurzen Referat nicht erschöpfend 
behandelt werden kann, so sei hier nur darauf hingewiesen, daß Julius¬ 
burger den rationellen Ausbau der Psychotherapie bei Trinkern fttr ein be¬ 
sonders fruchtbringendes Feld und für eine der dringendsten, sofort in Angriff 
zu nehmenden Aufgaben hält. Die Kollektivbehandlung soll einer fein ab- 

f ;estimmten, individuell nuancierten Behandlung Platz machen; die Irren- 
rate sollen in Zukunft den wertvollen Prinzipien der Enthaltsamkeitsvereine 
nicht mehr wie bisher aus dem Wege gehen, sondern vielmehr die nationalen 
und sozialen Bestrebungen der Abstinenzbewegung unterstützen. 

Dr. T 0 b b e n - Münster. 


O. Bakteriologie,' Infektionskrankheiten und öffentliches 

Sanitötawesen. 

1. Bekämpfung der Infektionskrankheiten, 
a. Epidemische Genickstarre. 

Zur Serumbehandlung der Meningitis cerebrospinalis. Von Dr. 
Mathilde Lateiner-Lemberg. Medizinische Klinik; 1910, Nr. 15. 

60 Kinder, von denen 26 mit Seruminjektionen behandelt wurden. Die 
Serumtherapie hatte eine bedeutende Herabsetzung des Mortalitätsprozentes 
zur Folge: von 70 auf 40°/o. Von einer regelmäßig auftretenden Wirkung 
der Seruminjektionen konnte sich Verfasserin nicht überzeugen, doch war in 
vielen Fällen ein so deutlicher und nachhaltiger Einfluß auf die meninge&len 
Symptome, auf die Temperatur und subjektive Befinden nachzuweisen, der 
nicht auf die Wirksamkeit der gleichzeitig geübten Lumbalpunktion zurück¬ 
geführt werden konnte. Verfasserin ist daher der Ansicht, daß man in keinem 
Falle auf die Serumtherapie verzichten soll, wenn sie auch keine Sicherheit 
der Heilung gewährt. _ 


Ueber die Reaktion der Rüekenmarkshäute auf Injektionen von 
Pferdeserum und kttnstllchem Serum in den A rachnoidealraum. Von 
I. A. Sicard und H. Salin. Comptes rendus de la soc. de biol.; LXIU, 
1910, Nr. 11. 

Bei ihren Versuchen mit Injektion von 3—6 ccm künstlichem Serum 
oder von 6—20 ccm Pferdeserum in den Arachnoidealsack beobachteten die 
Verfasser von Allgemeinsymptomen: Temperatursteigerung um 1—2°, 
Kopfschmerz, Ekel, Kernig’sches 8ymptom, Zeichen, die innerhalb 48 Stunden 
vorübergingen. Von lokalen Symptomen war besonders konstant das Auf¬ 
treten zahlreicher polynukleärer Zellen in der Zerebrospinalflüssigkeit, welches 
vom 3. Tage an einer Lymphozytose Platz machte, die nach einer einzigen 
Injektion mehr als 2 Monate anhalten kann. Diese lokale Reaktion tritt 
nach jedem Pferdeserum auf, sei es Serum antitetanicum, antidiphtericum 
oder antimeningococcicum. 

Diese lebhafte Zellreaktion weist darauf hin, daß das intralumbal 
injizierte Antimeningokokkenserum bei der Genickstarre nicht nur antitoxisch 
und bakterizid wirkt, sondern auch in heilendem Sinne: leukotaktisch auf die 
Zellen der Rückenmarkshäute. Dadurch, daß diese jungen aktiven polynukleären 
Zellen in den Arachnoidealsack eintreten, wirken sie im Sinne einer Verteidigung 
des Organismus im Kampfe gegen die Krankheit. Hierauf beruht auch der 
Vorzug der subaraohnoidealen Seruminjektion vor der subkutanen Injektion 
(vergl. diese Zeitschrift; 1909, S. 600.). Dr. Mayer-Simmern. 


b. Spinale Kinderlähmung (Poliomyelitis acuta). 

Schädigung der Nerven und Muskelschwund bei den an Kinder¬ 
lähmung erkrankten Affen* Von G. Levaditi und V. Stanesco. Aus 
dem Laboratorium von Levaditi im Institut Pasteur. Comptes rendus 
de la soc. de biol.; LXVIII, 1910, Nr. 13. 

Die Affen, die einen akuten Anfall experimenteller Poliomyelitis über¬ 
stehen, bleiben gelähmt. Manchmal gehen die Lähmungssystemo etwas 
zurüCK, meist aber folgt den motorischen Störungen des Krankheitsbeginnes 



572 


Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


ein Schmnd der Mnskeln. Wie Flexner. Levadltl and Laadsteiaer 
nachgewiesen haben, sind diese Affen „geimpft"; ihre Seram hat bakterizide 
Eigenschaften gegenüber dem Virns der Poliomyelitis. 

Die Antoren antersnchten das Zentralnervensystem, Mnskeln and Nerven 
von 8 Affen, die seit 21, 29 and 67 Tage gelähmt waren, and verglichen die 
dabei beobachteten Laesionen mit denen, die man bei der aknten Periode der 
Erkranknng findet. 

Im Rückenmarck schwinden die Verändernngen an den Gefäßen der 
weißen 8nbstana and der Meningen; die grane Substanz allein zeigt sich 
geschädigt. Man findet keine Infiltration mit polynukleären Leukozyten 
mehr, die die akute Periode kennzeichnet, sondern nur eine chronische Ent¬ 
zündung teils diffuser Natur, teils um die Gefäße der grauen Substanz 
lokalisiert. Diese Prozesse verschonen die Hinterhörner; sie entsprechen ia 
den Vorderhörnern den gelähmten Extremitäten. 

Hals- und Brustmarck der gelähmten Affen sind unverändert. Akute 
Veränderungen dagegen findet man in der Brücke. Besondere Verwandtschaft 
zum Gift der Kinderlähmung zeigen 2 Segmente des Zentralnervensystems: 
das Lendenmark und das verlängerte Mark (rögion bulbo-protubörantielle). 
Es ist ja bekannt, daß das in das Gehirn eingeführte Virus zunächst das 
Lendenmark angreift und daß die Lähmung der unteren Gliedmaßen viel 
häufiger ist, als die der oberen. 

Auch ein Rezidiv im Laufe der experimentellen Kinderlähmung wurde 
von den Verfassern beobachtet, besonders bei Tieren, die nicht rasche aktive 
Immunität erlangen. 

Muskelschwund und Degeneration der Nerven, entsprechend den 
gelähmten Gliedmaßen, folgen übrigens wie beim Menschen den motorischen 
Störungen des Krankheitsbeginnes. Dr. Mayer-Simmern. 


1. Mikrobizlde Wirkung des Serams von Kranken nach Kinder¬ 
lähmung auf den Virns der aknten Poliomyelitis. Von A. fetter and 
C. Levaditi. Aus dem Hospital Trousseau und dem Institut Pasteur. 
Comptes rendus de la soc. de biol.; LXVIII, 1910, Nr. 12. 

2. Feststellung einer selch mikroblziden Wirkung lm Seram eines 
Individuums, das eine abortive Form der Kinderlähmung Überstunden hat. 
Von denselben. Ebenda 1910, Nr. 18. 

1. Das Serum von Individuen, die von Kinderlähmung betroffen 
waren, neutralisiert in vitro das Virus der Poliomyelitis. Diese Eigenschaft 
kann schon 6 Wochen nach Beginn der Krankheit nachgewiesen werden und 
findet sich nooh nach 3 Jahren. Das Virus, nach dem die Verfasser 
ihre Versuche anstellten, stammte vom Zentralnervensystem eines Kindes, das 
in Wien gestorben war. Die Epidemien der Kinderlähmung in Paris (vom 
September 1909 an), in Oesterreich, in Deutschland and in Amerika haben 
einen identischen Ursprung. 

Auch zwischen sporadisch auftretender klassischer Kinderlähmung 
und epidemisch vorkommender Poliomyelitis besteht keine Differenz 
in bezug auf die Aetiologie. So hatte das Serum einer Kranken, die vor 
8 Jahren an klassischer Kinderlähmung erkrankt war, zu einer Zeit, wo von 
epidemischem Auftreten noch nicht die Rede gewesen ist, dieselben Eigen¬ 
schaften, wie das Serum von Kranken der jüngsten Epidemie. 

Die Prüfung des Blutserums ermöglicht übrigens manchmal auch nach¬ 
träglich noch die Diagnose von Lähmungen und Atrophien, deren primäre 
Ursache verschieden sein kann. 

2. Bemerkenswert ist folgender Fall: Ein 12jähriger Knabe war den 
Verfassern von der orthopädischen Station des Hospital Trousseau zage- 
sandt worden mit sehr schlaffer, atrophischer Lähmung des Beines. Der 
Beginn der Atrophie, der kurz dauerndes Fieber vorangegangen sei, datiert 
bereits 11 Jahre zurück. Das Serum dieses Kindes neutralimerte das Virus 
nicht vollständig, schwächte ea aber sichtlich ab. Der mit der Mischung 
Serum -j- Virus geimpfte Affe zeigte nur eine partielle Lähmung, ohne Tendenz 
zur Weiterverbreitung. Die durch eine erste Attacke übertragene mikrobizlde 
Kraft des Serums ist also nicht unbeschränkt und erschöpft sich mit der Zeit. 
Auch die Klinik zeigt in Uebereinstimmnng mit diesem Versuche, daß Kranke 




Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften 573 

die Kinderlähmung Überstunden heben, nach einer Reihe von Jahren 
Poliomyelitis acuta anterior adoltornm dnrchmachen können. 

ln einem andern Falle zeigte das Blatseram eines Kindes, das nie 
Lähmung gehabt hatte, das aber zar Zeit, in der sein Bruder an 
Kinderlähmung erkrankt war, sich unwohl gefühlt hatte, abmagerte und 
ungern umhergegangen war — doch mikrobizide Eigenschaften. 

Solche abortive Formen waren von Wickmann*) beschrieben 
worden, der in der schwedischen Epidemie von 1905 auf 1025 Fälle 157 abortive 
Fälle gesammelt hatte, sind aber anch bereits neuerdings in Oesterreich, 
Deutschland, Norwegen, Holland, Amerika beobachtet worden. Die Autoren 
sahen unter 00 französischen Fällen 5 bei der jüngsten Epidemie. Bei der 
Verbreitung der Krankheit spielen sie eine wichtige Bolle. (Referent sah 
einen solchen abortiven Fall bei einem Knaben, der im Alter von 7 Jahren 
eine Fraktur einer nach Osteomyelitis aufgetretenen Knochenlade durchgemacht 
hatte und der bald darauf an Lähmung der linken unteren Extremität erkrankte. 
In demselben Orte erkrankte ein Mädchen an isolierter Lähmung einer oberen 
Extremität). Dr. Mayer-Simmern. 


Wirkung des Thymols, des Kalihypermanganienm und des Wasser¬ 
stoffsuperoxyds auf das Gift der akuten Poliomyelitis. Von C. Levaditi 
und K. Landsteiner. Aus dem Laboratorium von C. Levaditi im Institut 
Pasteur, Paris. Comptes rendus de la soc. de biol.; LXVIII, 1910, Nr. 15. 

Die Versuche von Flexner und Lewis, von Leiner und Wiesner 
und von Levaditi und Landsteiner wiesen nach, daß das Gift der 
akuten Poliomyelitis durch die Nasenschleimhaut des Affen eindringen kann 
und daß es bei infizierten Tieren dnrch dieselbe Schleimhaut aasgeschieden 
wird. Die Autoren haben bereits nachgewieBen, daß Mentholöl und eine 
Mischung von Menthol, Salol und Borsäure in vitro auf das Gift der Kinder¬ 
lähmung von Wirkung sind. Neue Versuche mit Kaliumpermanganat zeigten 
nun, daß in vitro nach einstfindigem Kontakt bei Körpertemperatur KMnO« 
(in 2*/ooiger Lösung) ebenfalls das Gift zerstört, daß Perhydrol Merck in 
Verdünnung mit Kochsalzlösung (1 : 1—5) in vitro sehr schnell die Giftwir- 
kung aufhebt, so daß beide Mittel, ebenso wie das Menthol, in der Pro¬ 
phylaxe der akuten epidemischen Poliomyelitis als Antiseptica benutzt werden 
können. Thymol dagegen erwies sich in den angestellten Versuchen als wir¬ 
kungslos. _ Dr. Mayer-Simmern. 


Ueber Immunität und Immunisierung gegen das Virus der epi¬ 
demischen Kinderlähmung. Von Pro! Dr. Paul H. Roemer und Dr. 
Karl Joseph-Marburg. Münchener med. Wochenschrift; 1910, Nr. 10. 

Die Verfasser teilen ihre Versuche mit, in denen sie Affen nach 
Ueberstehen einer Poliomyelitisinfektion zusammen mit Kontrollieren einer 
Reinfektion mit vollvirulentem Vir ob unterwarfen. Ans diesen unter Umständen 
für die Epidemiologie der Erkrankung des Menschen wichtigen Versuchen 
ergab sich, daß es scheint, als ob die Immunität eines Affen nach überstandener 
experimenteller Poliomyelitisinfektion mit dem Zeitintervall zwischen Erst¬ 
infektion und Reinfektion wüchse, daß ferner eide experimentelle Infektion 
mit Poliomyelitisvirus, die zu keinen klinisch nachweisbaren Folgeerscheinungen 

f eführt hat, Immunität gegen eine nachfolgende, für Kontrollaffen tödliche 
oliomyelitisinfektion znrficklassen kann. 

Durch geeignete thermische Beeinflussung des Poliomyelitisvirus ist es 
den Verfassern gelangen, zu Immanisierangsresaltaten zu gelangen, die für 
praktische Verwertung berechtigte Aussicht bieten. 

_ Dr. Waibei-Kempten. 


Beiträge zur Prophylaxe der epidemischen Kinderlähmung. Von 
Professor Dr. Paul H. Roemer und Dr. Karl Joseph. Münchener med. 
Wochenschrift; 1910, Nr. 18. 

Es ist nicht unwahrscheinlich, daß das Virus der epidemischen Kinder¬ 
lähmung sowohl bei an Poliomyelitis erkrankten Individuen, als auch bei 


*) Diese Zeitschrift; 1910, S. 28. 



674 


Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


der klinisch gesundbleibenden, eventuell nur an leichten abortiven Formen 
erkrankenden Umgebung sich in der Nasenrachenschleimhaut findet und mit 
den Mundsekreten auf andere Individuen übertragen werden kann. Ver¬ 
mutlich wird also hauptsächlich der direkte Kontakt mit 
einem das Virus im Mund und Rachen bei sich tragenden 
Menschen den Anlaß sum Auftreten neuer Infektionen geben. 

Immerhin wird man mit der Möglichkeit noch rechnen müssen, daß bei 
der nachgewiesenen großen Widerstandsfähigkeit des Virus dieses mit 
den Mundsekreten eines Patienten oder eines Virus-Zwischenträgers in die 
Außenwelt gelangt, dank seiner großen Widerstandsfähigkeit sich längere 
Zeit — im Trockenzostand mindestens 28 Tage — voll virulent hält und auf 
diese Weise auch einmal von toten Gegenständen aus übertragen werden 
kann. Die Verfasser empfehlen die von ihnen bereits als wirksam erprobte 
Raumdesinfektion mittels der modernen Baumdesinfektionsverfahren und halten 
es für eine ungleich wichtigere Aufgabe der hygienischen Prophylaxe, die 
Verbreitung des Virus durch die lebenden Virustr&ger au verhindern, insbes. 
durch geeignete persönliche Prophylaxe bezw. geeignete Mund- und Rachen¬ 
pflege mittels geeigneter, die Mund- und Rachenschleimhaut nicht angreifender, 
aber gegen das Poliomyelitisvirus desinfektorisch wirksamer Desinfektionsmittel. 

Dio Verfasser können ferner aus ihren Versuchen und aus den Versuchen 
anderer Autoren (Levaditi und Landsteiner) folgern, daß das Serum von 
Affen, die eine künstliche Poliomyelitisinfektion Überstunden haben oder in 
geeigneter wirksamer Weise immunisierend mit Poliomyelitisvirus vorbehandelt 
sind, die krankmachende Fähigkeit des Poliomyelitisvirus bei genügend langem 
Kontakt in vitro aufhebt. Der Nachweis spezifisch wirksamer Antikörper 
bei der Poliomyelitis kann also als sichergestellt betrachtet werden, was für 
eine eventuelle Serovakzination zu kurativen oder präventiven Zwecken von 
großer praktischer Bedeutung sein oder werden konnte. 

_ Dr. Waibel-Kempten. 


c. Tetanus. 

Zur Antitoxinbehandlung des Tetanus. Von Dr. Alois Heilmaier 
in Rottenbuch. Münchener med. Wochenschrift; 1910. Nr. 12. 

Verfasser berichtet eingehend über einen Fall von Tetanus bei einer 
46jährigen Frauensperson, welche von einem durchgehenden Pferde mit dem 
umgestürzten Wagen auf der Landstraße geschleift wurde, und dabei mehrere 
Wunden am Kopfe erlitten hatte. Bereits am 10. Tage nach der Verletzung 
zeigte Patientin deutliche Symptome zuerst von lokalisiertem Tetanus (Trismus) 
und einige Tage später Zeichen von allgemeinem Tetanus der Kau-, mimischen, 
Rücken-, Bauch-, Unterschenkel- und Atmungsmuskeln, zuletzt wieder mehr 
die lokalisierte Form des Tetanus. Patientin genas nach ca. 7 Wochen, nach¬ 
dem sie vom 11. Tage ab nach der Verletzung am 11., 12., 14., 19. und 23. Tage 
subkutan 100 A. E. = 20 ccm des Höchster Tetanusserums und am 16. Tage 
nach der Verletzung subdural 100 A. E. injiziert erhalten hatte. 

Die am 16. Tage bemerkbare auffallende Wendung zum Bessern mochte 
Verfasser der lumbalen Injektion zuschreiben. Auf Grund seiner Er¬ 
fahrungen empfiehlt er deshalb mehr oder weniger häufige subkutane In¬ 
jektionen, so lange der Tetanus lokalisiert bleibt, rät aber dringend zur nötigen¬ 
falls mehrfach wiederholten lumbalduralen Injektion, wenn der Tetanus 
sich universell ausbreitet. _ Dr. Waibel-Kempten. 


Tetanus traumatlcus mit Antitoxin „Hächst“ und Blutserum eines 
gehellten Tetanuskranken gehellt. Von Dr. Albert Wiedemann, prakt. 
Arzt in Straßkirchen. Münchener med. Wochenschrift; 1910, Nr. 16. 

Verfasser berichtet in ausführlichen Krankheitsgeschichten über zwei 
Fälle von Tetanus traumaticus bei 2 Kindern im Alter von 12 und 13 Jahren. 
In beiden Fällen hat sich das Tetanusantitoxin „Höchst“ bewährt und be¬ 
wiesen, daß es, in genügend hoher Dosis angewendet, die aussichtsreichste 
Behandlung des Tetanus darstellt. 

Verfasser glaubt, daß die meisten aller bisherigen Mißerfolge von zu 
später oder ungenügender, besonders nach zu früh aufgegebener Anwendung 
herrühren. 



Kleinere Mittellangen nnd Referate aus Zeitschriften. 


676 


Im Falle II spritzte Verfasser, da er kein frisches Antitoxin zu Hand 
hatte, dazwischen Blutserum des geheilten ersten Falles und konnte danach 
Benerung, wenn auch nicht andauernd, konstatieren, ohne vorerst aus dieser 
Beobachtung zu weitgehende Schlüsse ziehen zu wollen. Er möchte gegebenen* 
falls zur Nachahmung auffordern. Dr. W ai b e 1 «Kempten. 


d. Milzbrand. 

Zur Bekämpfung des Milzbrandes. Veber Symptome von Anaphylaxie, 
die bei Schutzimpfung gegen Milzbrand an Tieren beobachtet wurden. 
Von D. Alexandrescu und A. Ciuca. Aus dem Laboratorium der tier¬ 
ärztlichen Hochschule in Bukarest. Comptes rendus de la soc. de biol.; LXVIII, 
1910, Nr. 13. 

Im Anschluß an die Arbeit von Kreisarzt Dr. Vollmer in Nr. 8 dieser 
Zeitschrift dürfte ein Bericht über die Ergebnisse der Bekämpfung des Milz¬ 
brandes in Rumänien von Interesse Bein. 

Die 8chutzimpfangen gegen Milzbrand werden in Rumänien nach der 
Methode der Serovakzination ausgeführt. Die Tiere (Bovideen und Pferde) 
erhalten gleichzeitig an zwei verschiedenen Körperteilen subkutan 6 ccm 
Milzbrandserum und 1 ccm einer Emulsion PasteurBcher Lymphe Nr. 2 
(Agarkultur von 48 Stunden). Diese Iqjektionen werden dann alle 12 bis 
14 Monate wiederholt. Auf 70000 so behandelte Tiere, von denen 
6000 von den Verfassern, die übrigen von den Amtstierärzten 
geimpft worden waren, boten während eines Zeitraums von 
6Jahren, 10°/» leichte, nicht tödliche anaphylaktische Neben¬ 
wirkungen dar, die in Oedemen der Schnauze, der Vulva, der Brustwarze 
bestanden, ferner in starkem Speichelfluß, Koliken und Verringerung der Milch¬ 
sekretion. 

Ernster waren die Symptome bei einer besonderen Gelegenheit im Juni 
1909. Damals trat auf einer Farm eine schwere Milzbrandepidemie auf, bei 
der in 8 Tagen 10 Tiere eingingen, nachdem im April bereits eine Schutz¬ 
impfung aller Tiere slattgefunden hatte. 60 Tage nach der ersten wurde bei 
260 Tieren eine zweite Schutzimpfung vorgenommen. Bei mehreren Kühen 
zeigte sich eine fondroyante Art des Auftretens anaphylaktischer Zufälle. In 
einem Falle: Zyanose, Oedeme, Dyspnoe,. Zuckungen, Lungenödem, Ted; bei 
anderen Dyspnoe, Lungenödem, Schwindel, Speichelfluß. Loichte Oedeme der 
verschiedenen Schleimhäute, Urticaria, Verringerung der Milchsekretion, Abort 
wurden häufiger beobachtet. 

Bei Pferden sahen die Verfasser neben sehr ausgeprägter Urticaria, 
und Oedemen von Kopf und Hals äußerste nervöse Erregung. 

Das bei dieser Epidemie angewandte 8erum war eine Mischung von 
Serum vom Pferde, Ochsen und Hammel, war nicht erhitzt und stammte aus 
einem Aderlaß, der unter dem Drucke der Verhältnisse erst drei Tage vor 
der Injektion ausgeführt worden war. Dr. Mayer-Simmern. 


e. Trichinose. 

Ueber eine neue Trichinenepidemie in Bayern. Von Bezirksarzt 
Dr. J. N. Boecal e in Stadtamhof. Münchener med.Wochenschrift; 1910, Nr. 12. 

Verfasser erklärt die Anschauung, daß die Trichinose in Bayern nur 
sehr selten ist, für irrig; dies beweisen die Epidemien der letzten Zeit in 
Rothenburg L T., Markterbach, Gallinhofen und Lorensen. Die Epidemie im 
letzteren Orte beobachtete Verfasser teils als behandelnder Arzt, teils als 
Amtsarzt. Nach Mitteilung einiger Krankengeschichten macht er darauf 
aufmerksam, daß die ersten Fälle einer Tricbinenepidemie oft große dia- 

E os tische Schwierigkeiten bieten und in milderen Fällen sehr häufig ver- 
nnt werden. 

In neuester Zeit wird bekanntlich auch die Blutuntersuchung als dia¬ 
gnostisches Hilfsmittel herangezogen. Es zeigt sich nämlich Bchon frühestens 
am 8. Tage im Blute eine Vermehrung der eosinophilen Zellen. Diese „Eosino¬ 
philie“ erlaubt die Stellung der Diagnose auf Trichinose zu einer Zeit, wo die 
Trichinen auf ihrer Wanderung noch nicht in die Muskeln gelangt sind; sie 
ist außerdem differential-diagnostisch gegen Typhus zu verwerten, wo sie sich 
niemals findet. 



676 Kleinere Mitteilungen and Referate ane Zeitschriften« 

Was nun die Prophylaxe der Trichinenkrankheit anbelangt, so muß die¬ 
selbe sowohl die Trichinose bei den Schweinen vermindern, als auch die Er¬ 
krankung des Menschen durch trichinöses Schweinefleisch verhüten. 

Zu diesem Zwecke ist auf reinliche Stallhaltung und reinliche Ernährung 
der Schweine zu dringen; dann muß die Herkunft der trichinösen Schweine 
genau festgestellt werden. Ferner ist das Halten von Schweinen auf Ab¬ 
deckereien und das Verfüttern von Abfällen geschlachteter Schweine an die 
lebenden Tiere streng zu verbieten. Damit muß auch die Vertilgung der 
Ratten einhergehen, welche in TrichinengehOften stets trichinOs sind und die 
Uebertragung der Trichinen auf gesunde Schweine vermitteln. 

Die Erkrankung des Menschen würde wohl am sichersten Kochen 
des gefährlichen Schweinefleisches bis zu 70° verhüten. Da man aber die 
schädliche und trichinöse Beschaffenheit des Schweinefleisches makroskopisch 
nicht sicher erkennen kann, so muß die obligatorische mikroskopische Fleisch¬ 
beschau eingeführt werden und besonders in allen Gemeinden mit Öffentlichem 
Schlachthof und an denjenigen Plätzen, an welchen ein reger Fremdenverkehr 
stattflndet. _ Dr. Wai bei-Kempten. 

f. Desinfektion. 

„Aatomors“ ein neues Desinfektionsmittel. Von Oberarzt Dr. Ein¬ 
eck e r. Medizinische Klinik; 1910, Nr. 9. 

Mit diesem neuen, mit einem großen Aufwand von Reklame empfohlenen 
Desinfektionsmittel hat Verfasser eingehende Versuche angestellt, auf Grund 
deren er, wie auch schon andere Autoren, zu dem Resultate kommt, daß dieses 
Präparat eher schlechter wie unsere gebräuchlichen Desinfektionsmittel ist, 
als besser. Er sagt darüber zum Schluß: 

1. Automors hat vor altbewährten Desinfektionsmitteln keine an¬ 
erkennenswerten Vorteile, der Karbolschwefelsäure gegenüber sogar noch den 
Nachteil der schlechteren LOslichkeit. Für die Desinfektionspraxis ist es nicht 
besonders zu empfehlen, da ein Desinfektionsmittel, von dem vor der Benutzung 
jedesmal eine Lösung frisch bereitet werden muß, für viele Verhältnisse un¬ 
geeignet erscheint. 

2. Zur Desinfektion von Kot, Sputum, sowie von Gefäßen Ist es nicht 
empfehlenswert. 

3. Die Automorsseife hat vor der gewöhnlichen Kaliseife keine Vorzüge. 

_ Bpd. jun. 

Morblzld technisch, als Ersatz für Kresolselfenlösung ln der Allgemela- 
deslnfektlon. Von Oberarzt Dr. Keßler-Saarbrücken. Desinfektion; 1910, 
Nr. 8. 

Morbizid technisch ist ein Desinfektionsmittel, das gute Lösungs¬ 
verhältnisse zeigt und bei etwa 4°/» Anwendung eine dem Seuchengesetz 
genügende Desinfektionswirkung hat. Die gebräuchlichen Lösungen sind 
nahezu ungiftig und geruchlos. Der Anschaffungspreis ist derart, daß der 
Präparat zur allgemeinen Desinfektion in der Seuchenbekämpfung Verwendung 
finden kann. _ Dr. Wolf- Witzenhausen. 

Untersuchungen Aber die Desinfektionskraft von Morblzld. Von 
M. V. Brehm-Berlin. Desinfektion; 1910, Heft 4. 

1. „Morbizid“ und „Morbizid (technisch)“ haben .fast gleiche Wirk¬ 
samkeit. Mitunter zeigt „Morbizid (technisch)“ einen etwas höheren Des- 
infektioaseffekt; der Unterschied überstieg in den Verfassers Versuchen 
nie 16 Minuten. 

2. Der Des infektionswert der Morbizidpräparate Ist 2—8 mal so hoch 
wie derjenige des Formaiins. 

8. Mächtige Erwärmung (40° C) der Desinfektionslösungea steigert 
die Wirksamkeit bedeutend. 

4. Virulensabschwächung der mit den Desinfizientien behandelten 
Bakterien findet nicht statt. 

6. Morbizid hat bedeutende eatwickelungshemmende Eigenschaften. 

6. Die in den Morbizidpräparaten enthaltenen Seifen sind geeignet, 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


677 


einen bedeutend höheren Desinfektioneeffekt als wie er den Präparaten an! 
Grund ihres Formaldehydgehaltes zukommt, zu erzielen. 

Morbizid wäre in der Praxis etwa in folgender Weise zu verwenden: 

Für Händedesinfektion. Nach vorhergegangener mechanischer Reinigung 
mit Seife und Bürste 8—6°/« warme Lösungen zum Spülen. 

Für Mundbehandlungen und Spülungen: 2—3°/o warme Lösungen. Zur 
Desinfektion von infizierten Räumen, Kliniken. Stallungen, Gebrauchs* 
gegenständen usw. sind je nach Art der in Betracht kommenden Krankheits* 
erreger die oben aufgeführten Konzentrationen in, wenn möglich, warmer 
Lösung zu verwenden. 

Ein Vergleich endlich zwischen „Morbizid“ und Lysoform bezüglich des 
Preises fällt deutlich zugunsten des enteren aus. 

.Morbizid“ stellt sich in der Verwendung nur halb so teuer wie 
Lysoform. Dazu kommt noch, daß für die Zwecke der Großdesinfektion das 
erheblich billigere „Morbizid (technisch)“ zu verwenden wäre. 

_ Dr. Wolf-Witzenhausen. 

Die gebräuchlichen, wasserlöslichen Desinfektionsmittel. Von 
Dr. Richard Friedländer -Berlin. 

Trotz Asepsis und trockener Wundbehandlung können wir doch die 
wasserlöslichen Desinfektionsmittel nicht entbehren. Es werden nun die ein¬ 
zelnen Desinfektionsmittel durchgesprochen. Von den Formalinpräparaten 
wird gesagt, daß sie sich zur Schnelldesinfektion nicht eigenen, die für des¬ 
infizierende Umschläge allerdings nicht gefordert werde. 

Die Für bringerache Methode — heißes Wasser, Seife, Alkohol, 
Sublimat — stehe noch immer unerreicht da. 

Verfasser bespricht dann die Preise der verschiedenen Mittel; nach 
diesem Gesichtspunkt geordnet, marschieren sie in folgender Reihenfolge: 

1. Liqu. kres. sap. 4. Karbol, 7. Lysoform 6 °/ 0 

2. Lysol, 6. Formald. sap. 0% 

3. Sublimat, 6. Morbizid 6 °/ 0 

so daß Lysol und Sublimat auch in ökonomischer Hinsicht die empfehlens¬ 
werteren Präparate darstellen. Zur Desinfektion der Hände und des Operations¬ 
feldes empfiehlt Verfasser Sublimat, für Umschläge essigsaure Tonerde, für 
Ausspülungen Lysol. _ Dr. H offmann-Berlin. 

Die Erhöhung der Desinfektionskraft der Phenole dureli Zusatz 
von Säuren (Phenostal, Kresoloxalsäure). Von E. Haller. Arbeiten aus 
dem Kaiserlichen Gesundheitsamt; Bd. 33, 8. H., S. 500. 

Dr. Schneider-Hamburg besitzt ein durch D. R. P. Nr. 189960 ge¬ 
schütztes Verfahren zur Darstellung von Desinfektionsmitteln aus Gemischen 
von Oxalsäure mit Phenolen, Phenolderivaten oder Aldehyden. Diese Des¬ 
infektionsmittel können in Form von Lösungen, Pulvern oder Tabletten in den 
Handel gebracht werden. 

Zur Herstellung der Mittel in fester Form soll ganz oder annähernd 
wasserfreie Oxalsäure mit 26proz. Gewicht an Rohkresol bespritzt werden. 
Wenn dies Gemisch durch mehrtägiges Stehen trocken geworden ist, kann es 
in Tabletten gepreßt werden; trockene Pulver werden auch bei entsprechender 
Verwendung geschmolzener Karbolsäure erhalten. Die Produkte sind in 
Wasser leicht löslich; durch das Zusammenwirken der beiden Stoffe (Oxalsäure 
und Phenol bezw. Aldehyd) findet eine erhebliche Steigerung der Desinfektions¬ 
kraft statt, und zwar wird die desinfizierende Wirkung des Phenols durch 
Oxalsäure in höherem Maße gesteigert als durch Schwefelsäure. So etwa 
lauten die Angaben der Patentbeschreibung. 

Das Kaiserliche Gesundheitsamt erhielt nun von Dr. Schneider- 
Hamburg ein als Kresoloxalsäure bezeichnetes Präparat, und von der Firma 
Schülke & Mayr in Hamburg ein Präparat mit dem Namen Phenostal 
(Diphenyloxalester), das ebenfalls unter das eben erwähnte Patent fällt, zu¬ 
geschickt. 

Verfasser schien wegen der Ankündigung der höheren Desinfektions¬ 
kraft, sowie des Vorteils, den die Verwendung in Tablettenform darbietet, eine 
nähere Untersuchung dieser Stoffe von Wichtigkeit. 



578 


Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


Das Resultat seiner Arbeit ist im wesentlichen folgendes: 

1. Ozals&ure läßt sich in der Winne bei Gegenwart Ton Kresolee, 
nicht Ton Phenol axidimetrisch bestimmen; die Ozalsiurebestimmung durch 
Ausfällen der Oxalsäure als oxalsaures Calcium aus essigsaurer Lösung, Glühen 
und Wägen als Calciumoxyd wird durch Gegenwart ?on Phenolen nicht 
beeinträchtigt. 

2. Umgekehrt hindert Oxalsäure nicht die Bestimmung der Phenole 
durch direkte Titration mit Kaliumbromat und nach dem Koppeschaarsohen 
Verfahren. 

8. Phenostal verliert beim Stehen an der Luft allmählich Phenol. 

4. Nach seinem chemischen Verhalten ist Phenostal nicht als Phenol* 
exter der Ortho • Oxalsäure, sondern als eine Oxalsäure mit 2 Molekülen 
Kristallphenol ansusehen, was für die praktische Bedeutung des Präparats 
von Wichtigkeit ist, da es somit nicht als Verbindung von immer konstanter 
Zusammensetsung angesehen werden kann. 

5. Die Desinfektionswirkung des Phenols und der drei Kresole wird 

durch Zusats von Säuren s. T. erheblich verstärkt und zwar ist die Reihen* 
folge der Wirkung der Säuren folgende: Oxalsäure (stärkste Wirkung), 
Schwefelsäure, Essigsäure, Weinsäure, Zitronensäure, Borsäure (kaum eine 
Wirkung). Dr. Zimmermann-Bromberg. 


Ueber Erfolge mit der aussehliessliehen Alkeholdesimfektton und 
der Jedtinkturdesinfektlen. Von Dr.Nast-Kolb, Oberarzt der chirurgi¬ 
schen Abteilung des städtischen Katharinenhospitals Stuttgart. Münchener 
med. Wochenschrift; 1910, Nr. 6. 

Verfasser wäscht die Hände mit Seife ohne Bürste in lauwarmem Wasser 

f ass kurz ab, und reibt dann die Hände gründlich und systematisch in Alkohol 
Minuten lang ab, wobei 95 proz. Alkohol und größere, sterile Gazetupfer 
verwendet werden. 

In derselben Weise werden auch die Kranken vorbereitet, nur fällt bei 
ihnen die vorhergehende Seifenwaschung fort. Sie erhalten, wenn möglich, am 
vorhergehenden Abend ein Vollbad. 

Als weitere und weitgehendste Vereinfachung der Desinfektion des 
Patienten empfiehlt Verfasser das Bestreichen oder Bepinseln des Operations* 
feldes mit Jodtinktur. So hat Verfasser in der Ambulanz bei kleineren Ope¬ 
rationen, Exstierpation kleinerer Tumoren, Warzen, Ganglien pp. den Jod¬ 
anstrich ausschließlich angewandt und keinen einzigen Mißerfolg erlebt. Einen 
ausgiebigen Gebrauch macht Verfasser auch von dem Jodanstrich bei frischen 
Verletzungen, namentlich bei Wunden der Hände und Füße, und zwar zur 
größten Zufriedenheit 

Verfasser glaubt, daß wir in den beiden geschilderten Verfahren zwei 
Methoden besitzen, die an Einfachheit und sicherer Wirkung allen praktischen 
Bedürfnissen genügen, und die es verdienen mehr als bisher Gemeingut aller 
praktischen Aerxte zu werden. _ Dr. W a i b e 1 • Kempten. 


Ueber moderne Raumdesinfektion. Von Sanitätsrat Hugo Baubit* 
schek in Czernowitz. Wiener Med. Wochenschrift; 1910, Nr. 11. 

Als den Krebsschaden der gebräuchlichen Formalindesinfektion bezeichnet 
der Verfasser die Unerläßlichkeit teurer Apparate. Von den apparatlosen 
Formalindesinfektionsmethoden ist das Autanverfahren nach Eichengrün 
sehr teuer, ferner ist es nicht überall gleich wirksam, weil das Autaa in 
seiner Zusammensetzung wechselt und bei nicht luftdichter Aufbewahrung sich 
leicht sei setzt. 

Von den übrigen Methoden, die ohne Apparat Formaldehyd entwickeln, 
erscheint das nach Evans und Bussel modifiziert von Dörr und Raubit¬ 
sohe k am brauchbarsten. Es beruht auf dem Phänomen, daß beim Ueber- 
gießen von reinem, krystallisiertem, übermangansaurem Kali und der doppelten 
Menge einer zur Hälfte mit Wasser verdünnten Formalinlösung eine stürmische 
Entwickelung von Formaldehydgas und Wasserdampf stattfindet. Die Reaktion 
ist in kürzester Zeit beendet. 

Bei dichtschließenden Fenstern und Türen ist eine besondere Abdichtung 
des Zimmers sieht erforderlich, nur die Ofentüren müssen des starken Zuges 



Kleinere Mitteilungen and Befer&te »ne Zeitschriften. 


679 


wegen verklebt werden. Für 100 cbm sind 2 kg krystslllsiertes Kalium hvper- 
maaganicum, 2 kg Formalin und 21 Wasser za verwenden. Es sind mehrere 
recht große Gefäße aus Holz oder Metall wegen des starken Aufschäumens 
notwendig. Nach 6 Stunden ist die Desinfektion beendigt. Die Kosten be¬ 
tragen für 100 cbm ca. 4 Kronen (ca. 3,40 M.). 

Von Huber und Bickel ist zur Formaldehydentwickelung Formalin 
mit frisch gebranntem Kalk und heißem Wasser, von Carteret Paraformal¬ 
dehyd mit Chlorkalk, von Kalähne und Strunk Paraform, Soda und 
Kalium permanganicum vermischt worden. Die Verfahren sind aber noch 
nicht genügend nachgeprüft. 

Um ihre Methode auch für Kriegs- und Manöverzwecke brauchbarer zu 
gestalten, haben Dörr und Baubitschek anstelle des flüssigen Formalins 
die gleiche Menge Formalinseife, sog. Festoform, mit gutem Erfolg angewandt. 
Das Verfahren Ist von den chemischen Werken Beiherstieg Hamburg als sog. 
„ Autoformverfahren“ in den Handel gebracht. 

Dr. Kurpjuweit-Swinemünde. 


Die Ausbildung von Desinfektoren in der Armee» Von Min.-Bat 
Prof. Dr. Dieudonne-München. Münchener med. Wochenschrift; 1910, Nr. 9. 

Seit dem Jahre 1906 werden beim Operationskurs für Militärärzte (nun¬ 
mehr Königl. Bayer, militärärztliche Akademie) DesinfektionBkurse für Sanitäts¬ 
unteroffiziere abgehalten, meist in der Dauer von 10 Tagen. Die Leitung der 
ersten Kurse hatte Verfasser übernommen. Bei dem Unterricht wurde das 
Wesen der Infektion und der Desinfektion gründlich zum Verständnis zu 
bringen versucht, und zwar durch theoretische Ausführungen einerseits und 
durch Demonstrationen und praktische Uebungen anderseits. So wurden zuerst 
nach einer übersichtlichen Erklärung der Morphologie und Biologie der Bak¬ 
terien lebende Bazillen unterm Mikroskop in hängendem Tropfen gezeigt 
dann die Ansteckungswege und Eingangspforten der Bakterien erläutert und 
die Luft- und Kontaktinfektion an praktischen Beispielen demonstriert. 
Ebenso wurde die Vermehrung und Wirkung der krankheitserregenden Bak¬ 
terien vorgeführt, dann auf die einzelnen ansteckenden Krankheiten Uberge- 

S sagen und bei jeder die Eigenart der Ansteckungswege, der Verbreitung 
er KrankheitskeiqnTgjifl^ der Eingangspforten besprochen. 

Erst nach diesen, das Verständnis des Wesens der Infektion bezweckenden 
Ausführungen wurde zusi theoretischen und praktischen Lehre der Desinfektion 
übergegangen. Zunächst wurde« die einzelnen Desinfektionsmittel, besonders 
Kresolseifenlösung, Sublimat, Kalkmilch und Formaldehyd mit seinen ver¬ 
schiedenen Präparaten hinsichtlich ihrer Beschaffenheit und Wirkung be¬ 
sprochen und demonstriert, dann die einzelnen Desinfektionsmethoden, ins¬ 
besondere die Zimmerdesinfektion, die fortlaufende Desinfektion mit besonderer 
Berücksichtigung der Ausscheidungen und der Wäsche der Kranken, ferner 
die Schlußdesinfektion, endlich die Desinfektion mittels Dampfes erörtert und 
geübt. Auch die Desinfektion der Aborte und Graben wurde besprochen. 

Weiter wurde dann die Anwendung der Desinfektionsmittel bei den ein¬ 
zelnen Krankheiten gelehrt und dabei besonders daraul hingewiesen, daß bei 
den einzelnen Krankheiten sich die Desinfektion verschieden gestaltet und daß 
eine zweckmäßige fortlaufende Desinfektion die Schlußdesinfektion wesentlich 
zu vereinfachen vermag. Das Wichtigste aus dem Vorgetragenen wurde 
diktiert, insbesondere auch eine große Uebersichtstabelle über die Ansteckungs- 
quelien, die Verbreitungswege und die Desinfektionsmaßnahmen bei den ein¬ 
zelnen ansteckenden Krankheiten gefertigt. 

Die auf diese Weise in den alljährlich stattfindenden Kuraen aus- 

g ebildeten Desinfektoren haben sich gut bewährt; es werden mit der Zeit 
i allen Garnisonen solche gründlich ausgebildeten und praktisch geschulten 
Desinfektoren zur Verfügung stehen und dem Sanitätsoffizier die Bekämpf onus- 
maßnahmen bei ansteckenden Krankheiten erleichtern können. Auch im Felde 
werden diese Desinfektoren nützlich sein. Dr. Waibei-Kempten. 



580 


Rechtsprechung and Medizin»! - Gesetzgebung. 


ft. Hygiene der Nahrung»- und GenunnmitteL 

Kritik der gegenwärtig gebräuchlichen Methoden rar Verhinderung 
der Mtlchverderbnls durch Schmutz und Bakterien Tom Standpunkt der 
Sffentllehen Gesundheitspflege. Von Oberarzt Dr. Kunow - Detmold. 
Vierteljahrsschrift für gerichtliche Mediain u. Öffentliches Sanitätswesen; 8 F., 
39 Band, 1910, H. 1. 

Verfasser gibt eine eingehende Darstellung der bekannten anti¬ 
septischen und aseptischen Methoden zur Gewinnung einer hygienisch 
einwandfreien Milch und knttpft daran kurze kritische Bemerkungen, die darin 
gipfeln, daß nur die Milch, die nach aseptischen Grundsätzen gewonnen 
und behandelt wird, den Forderungen der Öffentlichen Gesundheitspflege 
vollauf genügt. Zur Erreichung dieses Ziels fordert er, durch Unterricht in 
landwirtschaftlichen Schulen, Vorträge auf landwirtschaftlichen Versammlungen 
eine Generation von Landwirten heranzubilden, denen die Kenntnisse, welche 
zur Gewinnung einer einwandfreien Milch notwendig sind, in Fleisch und 
Blut übergegangen sind. Daneben ist das Publikum in geeigneter Weise 
immer wieder auf die richtige Behandlung und den Wert einer guten Trink¬ 
milch hinzuweisen. 

Neues wird in der Arbeit nicht gebracht, das Bekannte ist sorgsam 
zusammengetragen und gesichtet._ Dr. Hillenberg-Zeils. 

Bemerkungen Aber die Fermente der MUeh. Von J. Meyer. Ar¬ 
beiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamt; Band 84, Heft 1, Seite 115. 

Allgemein werden die Erscheinungen, daß rohe Milch Wasserstoff¬ 
superoxyd zu zersetzen und anderseits das sog. Storch sehe Reagenz (eine 
verdünnte LOsung von Hi Oi und Paraphenylendiaminchlorhydrat) blau au 
färben vermag, auf das Vorhandensein von Fermenten in der rohen Milch 
zurückgeführt. 

F. Bor das und F. Touplain haben nun vor einiger Zeit den Nach¬ 
weis zu führen geglaubt, daß die Annahme der Existenz von Fermenten in 
der Milch zur Erklärung der Paraphenylendiaminreaktion nicht erforderlich 
sei. Als die Ursache der Zersetzung des Wasserstoffsuperoxyds und der 
Bläuung des Paraphenylendiamins in roher Milch sahen diese Autoren das 
Kasein an, oder genauer die Kalkverbindung des Kaseins. 

Da dem Verfasser diese Ansicht nicht völlig einwandfrei und genügend 
beweiskräftig schien, sah er sich seinerseits-zu Untersuchungen hierüber 
veranlaßt. aäinioV sab ,i* r 

Seine Untersuchungen betreffen: Vcrobek*>dUit zentrifugierter Milch, 
Versuche mit rohem Milch - Kasein, Versuchb mH erhitztem Milch-Kasein, Ver¬ 
suche mit Milchserum und endlich Versuche zur Reaktionierung gekochter Milch. 

Die Ergebnisse seiner Arbeit sind folgende: 

Die Zersetzung des Wasserstoffsuperoxyds durch die Milch ist wohl 
zu unterscheiden von ihrer Fähigkeit bei Gegenwart von Wasserstoffsuperoxyd 
Paraphenylendiamin in einen blauen Farbstoff zu verwandeln. 

Das andere Prinzip der Milch, welches die Oxydation des Storchschea 
Reagens bewirkt und von F. Bordas und F. Touplain von der Katalase 
nicht auseinander gehalten wird, die sog. Peroxydase der Milch, ist gegen 
chemische und physikalische Einflüsse bedeutend empfindlicher als die Katalase. 

Des Verfassers Untersuchungen konnten also die Versuchsresultate von 
F. Bordas und F. Touplain unter den vorgelegten Versuchsbedinguagea 
zum großen Teil nicht bestätigen. Dr. Zimmer mann-Bromberg. 


Neue Methode, die Mileh su sterilisieren ohne Ihre physikalischen 
Eigenschaften und Ihre Fermente su verändern. Von Th. Heryag- 
Warschau. Comptes rendus de la soc. de biol.; LXVIII, 1910, Nr. 13. 

Die Milch, als Produkt der Milchdrüsen, ist nicht eine einfache Lösung 
von Nährsubstanzen; sie ist ein lebendes Gewebe, das wohl umschriebene 
biologische Eigenschaften besitzt. Sie enthält verschiedene Fermente und 
Antitoxine. Alle diese Körper werden bei 62° C. zerstört. Das Erhitzen der 
Milch über 100* zersetzt das Kasein, den Zucker, die Fette und die 8alze. 
Diese letzteren werden unlöslich. Die Eigenschaft der Milch, die Gewebe 
aufzubauen, beruht nach v. Behring auf der Verbindung der Eiweißkörper 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


681 


mit Kalk and Elsen, Phosphor and Schwefel. Jene Sterilisation macht daher 
die Milch inaktiv. 

Aach die chemischen Methoden der Sterilisation sind teils anwirksam, 
teils schädlich. Borax, Salizylate verändern den Qeschmack; andere verlangen, 
wie die Perhydrate, eine 24 ständige Vorarbeit, ohne die TuberkelbazUlen 
zerstören za können. 

Der Verfasser geht non von folgenden. Oedanken aas: Alle in der 
Milch enthaltenen Permente zersetzen sich, wenn sie einige Minuten lang dem 
Erhitzen aof 66—70° aasgesetzt sind, bleiben aber anverändert, wenn das 
Erhitzen nur einige Sekunden dauert und die Milch sofort abgektlhlt wird. 
Es handelte sich also darum, einen Apparat za konstruieren, der in sehr 
harzer Zeit eine gegebene Menge Milch za sterilisieren imstande ist. Ein 
Dampfspray verstäubt die Milch in einen Gaskondensator und erhitzt die 
Milch aaf eine Temperatur von 76—80°. Die Milch kondensiert sich sofort 
and träufelt in einen Behälter, wo sie sofort abgekühlt wird. Vor dem Ge¬ 
brauch werden Kondensator und Behälter darch einen Dampfstrom von 96° 
sterilisiert Dank besonderer Einrichtung wird die Milch in äußerst feinen 
Tröpfchen verstäubt. Die Wärme wirkt auf diese Tröpfchen besonders rasch 
and energisch. Bedient man sich des Dampfes als Verstäubungsmittel, so erhält 
man übrigens eine 10—16°/ 0 ige Verdünnung der Milch, eine Tatsache, die 
besonders für die Säuglingsmilch wichtig ist. 

Der Aator, dessen Versuche im Berliner hygienischen Institut von 
Prof. Dr. Ficker, in Warschau von Dr. 8erkorwki und Dr. Zurakowski 
bestätigt worden sind, sieht die Vorteile einer derartigen Sterilisierung der 
Milch bei 76° in folgendem: 

1. Die Milch behält ihre physikalischen und chemischen Eigenschaften, 
also Farbe, Geruch, Geschmack, Fette und Zucker. 

2. Die Albuminoide bleiben unverändert. 

8. Bei 4° säuert die Milch nicht binnen 8—10 Tagen, wenn sie vor 
Licht geschützt wird. 

4. Die so dargestellte Milch wird homogenisiert. 

6. Der Apparat ist in Bau und Anwendung einfach, und gibt ohne 
Kontrolle des Thermometers, feste Temperaturen von 76—80°. 

_ Dr. Mayer-Simmern. 


Zwei Fälle von Myasis Intestinalis. Von Dr. A. Bovasio-Sassari. 
Bivista Veaeta di Sdenze mediche; Heft 7, 1910. 

Ueber 2 interessante Fälle, welche die Schädlichkeit der in den Magen¬ 
darmkanal gelangenden Käsemaden beweisen, berichtet Verfasser. In seiner 
Heimatsprovinz wird der mit Käselarven durchsetzte „form&ggio marcio“ mit 
Vorliebe genossen. Der 1. Fall betrifft eine Frau, die ziemlich plötzlich an 
Schmerzen krankte, nachdem sie vor etwa einem Jahr von einem Bandwurm 
durch eine Kur mit Filix mas befreit worden war. In dem ärztlich unter¬ 
suchten Stuhl fanden sich etwa 20 Larven von Käsemaden; eine Kur mit 
einem salinischen Abführmittel förderte noch eine große Anzahl weiterer 
Larven zutage. Heilung trat sofort ein. Die Frau berichtete, mit besonderer 
Vorliebe von dem oben genannten Käse gegessen zu haben. 

Im 2. Fall handelt es sich um ein junges Mädchen, das 2 Jahr vorher 
an einem schweren Magendarmkatarrh gelitten hatte, und nun mit allgemeinem 
Unwohlsein, Kopfschmerz, diffasen Leibschmerzen, Durchfall und leichter 
Temperatursteigerung erkrankte. Auch hier entleerte ein Abführmittel zahl¬ 
reiche, zum Teil noch lebende Fliegenlarven der genannten Art. Heilung 
erfolgte prompt. — In beiden Fällen zeigten sich die Krankheitserscheinungen 
nicht wieder, nachdem der Käse vermieden wurde. 

Die Seltenheit solcher Fälle trotz des häufigen Genusses dieser Käse¬ 
sorte weist auf die notwendige Vorbedingung einer gewissen individuellen 
Disposition hin, die in diesen beiden Fällen in der vorsuBgegangenen Er¬ 
krankung zu suchen ist. Die Ursache der Störungen liegt wohl nicht in 
toxischen Wirkungen, sondern vielmehr in mechanischen Läsionen der In¬ 
testinalschleimhaut durch die mit Häkchen versehenen Larven und die dadurch 
bewirkte Möglichkeit des Eindringens von Bakterien und ihren Toxinen in 
den Körper. Dr. Solbrig-Arnsberg. 


(• 



682 


Besprechungen. 


Besprechungen. 

Prot Dr. Clans Bohllllng, Leiter der Abteilung fttr Tropcnkraakhcitcn 
and Tropenhjgieae am Königlichen Institut ittr Infektionskrankheiten 
in Berlin: Tropenhjgleiie. Mit 123 Abbildangen, 2 Karten und 10 zam 
Teil iarbigen Tafeln. Leipzig 1909. Verlag Ton Georg Thieme. 

In dem vorliegenden werk hat Schilling in dankenswerter Weise alle 
ittr die besonderen Verhältnisse der Tropen wichtigen hygienischen Fragen 
zasammengestellt and aal Grand seiner reichen, in unseren afrikanischen 
Kolonien gesammelten Erfahrungen besprochen. Ausgehend von der Klima¬ 
tologie and dem Einfluß des Tropenklimas auf den menschlichen Organismus 
bespricht er die Bau- und Wohnungshygiene, die Ernährung, Trink- und 
Gebrauchs wasser, Abfallstoffe, Kleidung, ferner die Akklimatisation, Tropen¬ 
diensttauglichkeit und die Errichtung von Sanatorien. 

Sodann folgt eine Zusammenstellung der in den Tropen vorkommenden 
Infektionskrankheiten, und zwar sowohl der spezifischen Tropenkrankheiten, 
als auch der in anderen Zonen heimischen, bei denen die durch das Tropen¬ 
klima bedingten Besonderheiten hervorgehoben werden. Auch die durch 
tierische Parasiten hervorgerufenen Krankheiten, die ja in den Tropen besonders 
zahlreich sind, werden hier besprochen. 

In einem Nachtrag erwähnt Schilling eingehend die neueren Arbeiten 
Aber den Stoffwechsel in den Tropen, zu denen er selbst während seines 
Aufenthaltes in Togo wertvolle Beiträge hat liefern können. Becht gute, 
z. T. farbige Abbildangen veranschaulichen das Gesagte. 

Schilling hat hier ein Werk geschaffen, durch das er sich den Dank 
aller derer erwerben wird, die sich fttr unsere Kolonien interessieren, sei es 
daß sie selbst in die Kolonien gehen wollen, sei es, daß sie andere fttr einen 
Aufenthalt in den Tropen zu beraten haben. Prof. Dr. Lents-Berlia. 


Tagesnachrichten. 

Die vom 1. April 1911 ab dem Ministerium des Innern angegliederte 
Medlzinal-Abteilung siedelt nach der .Neuen Politischen Korrespondenz" von 
diesem Tage ab nach der Schadowstraße 10, in das dortige dem Fiskus gehörige 
Gebäude ttoer, welches zu diesem Zwecke ausgebaut werden wird. Die Ver¬ 
leihung des Professortitels verbleibt übrigens, trotz der Abzweigung derMedi- 
zinal-Abteilung, dem Kultusminister, auch hinsichtlich der praktischen Aerzte. 


Durch Ministeriai-Erlaß vom 21. Juli d. J. ist angeordnet, daß in diesem 
Jahre wiederum die im Vorjahre ausgefallenen nmtltchen Konferenzen der 
Kreisärzte abgehalten werden sollen, mit Bttcksicht auf die günstigen 
Erfahrungen, die bisher damit gemacht seien, sowie im Hinblick auf die im 
Vorjahre erlassene neue Dienstanweisung. Der Erlaß wird sicherlich von den 
beteiligten Kreisen begrüßt werden; er entspricht dem auf der diesjährigen 
Hauptversammlung des Preuß. Mediziaalbeamtenvereins ausgesprochenen 
Wunsche. 


Betreffs der StempelpfUehtigkelt der gemäß Ziffer 13 der Anlage B 
zur Bundesratsverordnung vom 8. Februar 1910 über den Verkehr mit Kraft¬ 
fahrzeugen aussustellenden Gesundheitszeugnisse wird in Berichtigung zu 
dem Artikel von Dr. Bogowski in Nr. 11 der Zeitschrift (s. S. 892) bemerkt, 
daß diese Zeugnisse auf Grund der Tarifstelle 77, Z. 8 a in Verbindung mit 
77, Z. 4 des Preußischen Stempelsteuergesetzes vom 80. Juni 1909 von der 
Besteuerung befreit sind. Die Stempelfreiheit tritt jedoch nur dann eia, 
wenn der diese begründende Zweck aus der Urkunde hervorgeht, also ent¬ 
sprechender Vermerk darauf gemacht wird. Auf den in der Hofbuoh- 
druckerei von J. C. C. Bruns vorrätig gehaltenen Formularen fttr diese Zeug¬ 
nisse ist eia solcher Vermerk jetzt vorgedruckt. 


Auf eine Eingabe einer westfälischen Handelskammer betreffend An¬ 
stellung eines pharmazeutisch vergeblldeten Beamten bei den Begierungen 
hat der Kultusminister den Bescheid erteilt, daß eine endgültige Entschließung 



Tagesnachriohten. 


688 


darüber in absehbarer Zeit aoch nicht erfolgen kOnne, weil eie nicht unab¬ 
hängig von anderen nun Teil in anderen Ressorts bearbeiteten Angelegenheiten 
getroffen werden kann. _ 


Die diesjährige Plenarversammlung des KinlgL Sächsischen Landes- 
medizinalkollegiums wird am 21. November d. J. in Dresden stattfinden. 
Anträge ittr deren Tagesordnung sind von den Aerstekammern bis spätestens 
Mitte September d. J. bei dem Landesmedizinalkollegium anzumelden. 


Die diesjährige Hauptversammlung des Deutschen Apotheker-Vereins 
findet vom 6.-8. September in Braunschweig statt. Auf der Tagesordnung 
steht u. a. ein Antrag betr. Regelung des Apothekenwesens, der 
folgenden Wortlaut hat: 

„Der deutsche Apotheker-Verein spricht sein großes Bedauern darüber 
aus, daß allem Anscheine nach eine Regelung des Apothekenwesens durch das 
Reich nicht zustande kommen wird. Er beharrt auf seiner Forderung der 
allgemeinen Durchführung der Vererblichkeit und Veräußerlichkeit aller 
Apothekerbetriebsrechte für das Reich und für jeden Einzelstaat, betrachtet 
den von seinem Vorstande dem Reichsamt des Innern im Jahre 1908 über¬ 
reichten, auf diesem Prinzip beruhenden Entwurf als die beste Grundlage für 
ein solches Gesetz und lehnt jede andere Regelung, namentlich aber die 
Personalkonsession, sowie jede Ablösung oder Entschuldung, deren Endziel die 
Personalkonzession ist oder sein kann, ab. 

Sollte dem Apotherstande gegen seinen Willen die Penonalkonzession 
aufgeswungen werden, so muß den bisher unter irgend welchen Voraus¬ 
setzungen als vererblich oder veräußerlich behandelten Apotheken dieses Recht 
gewahrt und den Inhabern der Personalkonsession eine angemessene Berück¬ 
sichtigung der ehelichen Nachkommenschaft und der Witwen sowie ein Kund¬ 
schaftswert sichergestellt werden.* 


Anläßlich der im 8eptember dieses Jahres in Königsberg L Pr. tagenden 
82. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerste ist eine Rundfahrt 
mit Extradampfer in der Ostsee geplant Sie beginnt am 6. September in 
8winemttnde, berührt Wiaby auf Gotland, Stockholm (Aufenthalt 2 Tage), 
Helsingfors, Wyborg (sum Besuch der Imatrafälle), St. Petersburg (Aufenthalt 
8 Tage), Riga und endet in Pillau am 18. September früh. Es ist Sorge ge¬ 
tragen, daß die Teilnehmer der Fahrt rechtzeitig zur Eröffnung der Versamm¬ 
lung in Königsberg L Pr. eintreffen. Schleunige Anmeldung zur Teilnahme 
ist dringend erwünsoht. Nähere Auskunft erteilt der Vorsitzende des Verkehrs¬ 
ausschusses der 82. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte, Herr 
Chr. Bot he, Königsberg L Pr., Schleus enstr. 


Erkrankungen und Todesfälle an ansteckenden Krankheiten in 
Preussen. Nach dem Ministerialblatt für Medizinal- und medizinische Unter¬ 
richts-Angelegenheiten sind in der Zeit vom 12. Juni bis 24. Juni erkrankt 

f estorben) an: Aussatz, Gelbfieber, Rückfallfieber,Pest, Rotz, 
'ollwut: — (—); Fleckfieber: 1 (—), — (—); Cholera.* — (—), 2 
(1); Pocken: 8 (—), 1 (1); Milzbrand: 8 (2), 8 (—); Bißverletzungen 
durch tollwutverdächtige Tiere: 2 (—), — (—); Unterleibs¬ 
typhus: 221(18), 262 (27); Ruhr: 6 (2), 16 (-); Diphtherie: 1186(64), 
1181 (66); Scharlach: 1206 (62), 1214 (64); Kindbettfieber: 86 (21) 
82 (16); Genickstarre: 10 (4), 6 (1); spinale Kinderlähmung: 6(1), 
8 (—); Fleisch-, Fisch-u. Wurstvergiftung: 88 (—), 2 (—); KOrner- 
krankheit: 199, 221; Tuberkulose: (gestorben): 696, 726. 


IprsohsaaL 

Anfrage des Kreisarztes Dr. H. in L. t Gehört die Begutachtung der 
Projekte zu zentralen Wasserleitungen (§ 74 Dienstanweisung) zu den orts- 
polizeilichen gebührenpflichtigen Gebühren t (Vergl. R a p m u n d, Gebühren usw., 
Seite 6, Anm. l.)f 

Antwort: Nein, zu den landespolizeilichen; denn Wasserleitung«- und 



684 


SpreehsaaL 


Kanalis ationsanlagen müssen laadespolizeiHch genehmigt werden (§ 98 I 8 
Allg. Lnndr.). Es können vom Kreisarzt keine Gebühren dafür gefordert 
werden; diese Tätigkeit ist daher in meinem Kommentar an der angesogenen 
Stelle nicht aufgeführt. _ 


Anfrage des Krelsassistensantes Dr. D. in B.: Dürfen für Vor besuche, 
die snr Ansstellung eines Befondscheines oder Befnndattestes notwendig 
waren, Gebühren liquidiert werden? 

Antwort: Ja, nach dem Tarif A1II, 17, Abs. 8 des Gebührengesetzes 
vom 14. Juli 1909 2 Mark. 


Anfrage des Kreisarstes Dr. Sek. in G.: Ist der Kreisarzt verpflichtet, 
einen Termin als Sichverständiger im Bureau der Einkommensteuerveraiuagungs- 
kommission unentgeltlich wahrzunehmen? 

Antwort: Nein; der Vorsitsende der Veranlagungskommission und die 
Veranlagungskommission selbst haben nach Art. 51, U, Nr. 2 und 61, II bei 
Sachverständigen sich über die Vermögens- und Erwerbsverhältnisse Steuer¬ 
pflichtiger su erkundigen und Zeugen und Sachverständige su vernehmen. 
Diese dürfen, soweit es sich um die Einkommensteuer handelt, die Auskunft¬ 
erteilung nur unter den Voraussetxungen ablehnen, welche nach der Zivil¬ 
prozeßordnung zur Ablehnung eines Zeugnisses oder Gutachtens berechtigen. 
Bei unberechtigter Weigerung wird das zuständige Amtsgericht um die Ver¬ 
nehmung ersucht; durch den Vorsitzenden der Berufungskommission kann auch 
die eidliche Vernehmung von dem Amtsgericht beantragt werden. Die Ge¬ 
bühren der Sachverständigen werden nach 8 78, Abs. 8 des Einkommensteuer¬ 
gesetzes nach den in Zivilprozessen zur Anwendung kommenden Vorschriften 
berechnet. 



Anfrage des Kreisarztes Dr. K. ln A.: Ist Daucussaft zum Verkauf 
in den Drogenhandlungen freigegeben ? — Ist die Mohrrübe als „Obst* im 
Sinne des Verzeichnisses A. Ziffer 6 der Kaiserlichen Verordnung vom 
22. Oktober 1901 anzusehen ? — Wie ist der Begriff „Obst* im Sinne der 
Kaiserlichen Verordnung zu definieren? 

Antwort: Die Mohrrübe ist kein Arzneimittel und daher der aus ihr 
hergestellte Daucussaft dem freien Verkehr überlassen wie Jeder Rüben- 
syrup. Sie ist ebenso wie die Zuckerrübe eine Wurzel und keine Frucht, 
und demzufolge auch nicht als „Obst“ im Sinne der Kaiserlichen Verordnung 

anzusehea. 

Obstsäfte sind die durch Zerkleinern und Abpressen der Früchte ge¬ 
wonnenen Säfte (Gutachten der Wissensch. Dep. 1 d. Medizinalwesen vom 
80. Mai 1891). 


Anfrage des Dr. 8. in D.: 1. Bei Verbringung in Irrenanstalten etc.: 
Ist nur absuführen die Gebühr für das „Gutachten* (also etwa 10 Mark) 
oder die Gesamtgebühr (einschließlich der Feststellungen und event. Beratung 
mit dem behandelnden Arzte, also etwa 10 -+■ 10 = 20 Mark)? 

Antwort: Es ist auch die Gebühr für Vorbesuche (Vorberatungen) ab¬ 
suführen, abzüglich der etwaigen Auslagen für Fuhrkosten. 

2. Leichenpaßatteste mit Besichtigung: Ist nur absuführen die Gebühr 
für das Gutachten (6 Mark) oder die Gesamtgebühr mit Besichtigung (10 Mark) ? 

Antwort: Wie vorher. 

8. Begutachtung von Wohnungen auf Antrag von Privaten in gesund¬ 
heitlichem Interesse (also etwa von solchen, die wegen Feuchtigkeit der 
Wohnung ohne Kündigung ausziehen, oder wegen gesundheitsschädlichen 
gewerblichen Störungen gegen die betr. Nachbarbetriebe Vorgehen wollen). 
Sind diese Gebühren abzuführen? 

Antwort: Ja. 

4. Begutachtungen für gerichtliche Zwecke und Termine aul Antrag 
einer Partei. Sind diese Gebühren absuführen? 

Antwort: Ja. 


Eedaktiou: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Bapmuad, Reg.- u. Med.-Rat in Minden i. W. 

J. 0.0. Brui, Htnofl, 8icka. m, F.lch-Isn Hoffca&kdrmaktrd li Kladtt. 




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28. Jahrg. 


1910. 


Zeitschrift 

für 

MEDIZINALBEAMTE 


ZwrtralMatt für dos guaote Besundbeitswestn, 

für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenwesen. 

Herausgegeben 

▼OB 

GMl M«d.-Bat Prot Dr. OTTO RAPÄUND, 

Reglerungt- and Medlrinmlrat ln lOnden i. W. 

Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, Sächsischen, 
WQrttembergischen, Badischen, Mecklenburgischen und Eisass-Lothringischen 

Medizinalbeamtenvereins. 


Verlag von Fischer’s mediz. Buehhandlg., E Kornfeld, 

BnaogL Bayer. Hof- n. BrsbenogL Kammer-BnchMadler. 

Berlin W. 25, Lützowstr. 10. 

Ineerale nehmen die VerUgshandlung sowie alle Annoneenezpedltloneift des In- 
and AasUndes entgegen. 


Nr. 16 . 


Krsehelat n B. ud 90. jedem Heut». 


20. August. 


Fruchtabtreibung. Tod durch Luftembolie. 

Von Oberamtsarzt Dr. Welwenrleder-Maulbronn. 

Am 3. März d. J. abends gegen 7 Uhr kam die 37 jährige 
verheiratete F., Matter von 6 Kindern, in Begleitung ihres Mannes 
znm Arzte mit der Angabe, es sei ihr ein Unglück passiert; beim 
Ansspritzen der Geschlechtsteile sei das Röhrchen, das sie selbst 
eingefährt habe, stecken geblieben, sie bitte nm Entfernung des¬ 
selben. Anf Befragen teilte sie weiter mit, daß sie sich schwanger 
glaube, da die Periode nnn schon seit einigen Wochen ansgeblieben 
sei; Schmerzen haben eie im Augenblick keine. Der untersuchende 
Finger fühlte im äußeren Muttermund einen harten Gegenstand 
stecken, der mit der Kornzange sich leicht entfernen ließ und 
das Ansatzstück einer Spritze war. Es war ein bleistiftdickea 
Hartgummirohr von 9 bis 10 cm Länge, das an seinem Ende 
zngespitzt war und hier verschiedene seitliche kleine Oeffnnngen 
hatte. Die Spritze selbst, welche nicht mitgebracht worden, war 
nach der Beschreibung eine kleine Glasspritze von ähnlicher 
Beschaffenheit, wie sie znm Ohrenspritzen benutzt werden. Sowohl 
den Ansatz, als auch die Spritze verbrannten die Leute sofort, 
nachdem sie wieder zu Hanse angelangt waren. Als Befand 
wurde notiert eine mäßige Vergrößerung der Gebärmutter; eine 
Blutung bestand nicht: Verletzungen waren keine nachznweisen. 
Die Frau wurde mit dem Rate absoluter Bettrahe and sofortiger 













686 


Dr. Weißenrieder. 


Herbeiholung ärztlicher Hilfe, wenn irgend eine Aendernng ein¬ 
trete, entlassen. Sie nahm solche aber nicht mehr in Anspruch. 
Der Arzt sah sie erstmals wieder am 7. März, zufällig auf der 
Straße, mit ihrem Manne spazieren gehen. Am 8. März vormittags 
wurde er schleunigst gerufen, es gehe der F. ganz plötzlich sehr 
schlecht. Bei seiner Ankunft fand er sie in Agonie: pulslos mit 
verlangsamter Atmung, krampfartigen Exspirationen. Dieser Zu¬ 
stand hielt 2 Stunden an. Dann sistierte die Atmung völlig; 
der Tod war eingetreten, ohne daß die applizierten Eampher- 
injektionen den geringsten Erfolg gehabt hätten. 

Der Vorfall kam zur Anzeige ans Gericht und auf Veranlassung 
der Staatsanwaltschaft fand am 9. März, 22 h. p. m., die gericht¬ 
liche Sektion der Leiche statt. Aus dem Protokoll erwähne 
ich der Kurze halber nur die Stellen, welche die Fruchtabtreibung 
und die Luftembolie betreffen: 

Scheide klaffend. Am Eingang derselben eine geringe Menge einer 
rötlich-wässerigen Flüssigkeit. Der Damm, der After, sowie seine Umgebung 
blatbeschmiert. Blutflecken an der Innenseite beider Oberschenkel bis herab 
zur Grenze zwischen oberen und mittleren Drittel. 

In den Arterien an der Hirnbasis, den vertebrales, der basilaris, den 
profund, cerebri, dem Circulus arteriöses, den Arteriae fossae Sylvii, in den 
Plexus chovoidei, sowie in den Arterien der weichen Häute in zahlloser Menge 
Luftblasen und Lultsäulchen, die sich mit dem Messer verschieben lassen. 
Beim Aufschneiden eines Gefäßes unter Wasser entweichen Luftblasen. Die 
großen Hirnkerne, die weiße und graue Substanz, sowie diejenige des Klein¬ 
hirns zeigen auffallend wenige Blutpunkte. 

In den Herzhöhlen, namentlich der linken, wenig flüssiges Blut, keine 
Luft. Aorta descendens und Vena cava inferior werden auf eine weite Strecke 
abgebunden, enthalten keine Luft. Ebensowenig läßt sich solche nachweisen 
in den Gefässen der Lungen. 

Im kleinen Becken etwa */« 1 aber schmutzig-roten Flüssigkeit. 

Die Gebär mutter, von der Größe einer Männerfaust, fühlt sich weich 
an. Auf der Höhe des Fundus eine dreieckförmige, stichartige Verletzung. 
In den Venen der breiten Mutterbänder reichliche Luftblasen und Luftzylinder, 
im linken breiten Mutterband, Luft außerdem im Gewebe (Emphysem). Im 
Scheidengewölbe nirgends eine Verletzung. Der äußere Muttermund faßt die 
Kuppe des Zeigefingers. Der Cervix für eine zusammengelegte 8cheere gut 
durchgängig. Länge der Gebärmutter 14, Breite 11 cm. In der Gebärmutter¬ 
höhle einige Eihautreste und geronnenes Blut. Innen oben in der Gebärmutter, 
etwas an der Bückseite, eine Stecknadelkopf große Verletzung, welche im 
Zusammenhang mit der auf der Höhe des Fundus gefundenen steht. In den 
Venen des Gekröses zeigen sich beim Aufheben und leichtem Anspannen der 
Därme zahlreiche Luftblasen und Luftsäulchen. 

Das vorläufige Gatachten lautete: Die anmittelbare 
Todesursache ist in den Blntkreislaaf, speziell in die Schlagadern 
des Gehirns eingedrnngene Luft. Der Lufteintritt war verursacht 
durch die an der Gebärmutter befindliche Verletzung. Letztere 
kann nicht anders, als durch die Einführung eines Instrumenta 
durch*die äußeren Geschlechtsteile hindurch erfolgt sein. 

Der Fall bietet nach verschiedenen Richtungen hin Be¬ 
merkenswertes. Aus der Vorgeschichte und dem Befund an der Leiche 
geht hervor, daß ein von Erfolg begleiteter Abtreibungsversuch 
gemacht worden ist und daß demselben der Tod der Frau zuge¬ 
schrieben werden muß. Ferner mußte angenommen werden, daß 
der Abort in der Zeit zwischen der Untersuchung vom 8 . März 
und dem Tode eingetreten, daß durch den in den Uterus einge- 



FruchUbtreibung. Tod durch Luftembolie. 


687 


führten Spritzenansatz eine Perforation yernrsacht and endlich, 
daß dabei Luft in den Blutkreislauf geblasen worden war. 

Gegen diese Annahme erheben sich allerdings Bedenken, 
welche nicht sofort von der Hand zu weisen sind und darum einer 
ausführlichen Besprechung bedürfen. Man könnte daran denken, 
daß der Abtreibungsversuch mit dem Spritzenansatz überhaupt 
mißglückte und daß die Frau noch einen zweiten, von Erfolg 
begleiteten, machte. Da dieser Ansatz ja nur eine Länge von 
9—10 cm, die Gebärmutter dagegen eine solche von 14 cm hatte, 
so scheint es auf den ersten Blick unmöglich, daß mit diesem 
Ansatz eine Perforation, wie die beschriebene, gesetzt werden 
konnte. Ferner war es sehr auffallend, daß die Frau einen Tag 
vor dem Tode in anscheinend voller Gesundheit spazierte. Schlie߬ 
lich schien das Fehlen von ausgesprochenen Beaktionserscheinungen 
um die Perforationsstellen dafür zu sprechen, daß die Perforation 
überhaupt nicht dem Spritzenansatz, welcher ja 5 Tage vor dem 
Tode entfernt worden war, zugeschrieben werden konnte. Das 
Vorhandensein von Blut und Eihautresten, die Beschmutzung des 
Afters, des Damms und der Oberschenkel deuteten vielmehr auf 
einen kurz vor dem Tode erfolgten Abtreibungsversuch. Die 
Spuren desselben konnten dann von dem Ehemann entfernt worden 
sein, wie dies nach dem ersten Versuch durch Verbrennen von 
Spritze und Ansatz geschehen ist. Der Gedanke lag nach allem 
nahe, daß der erste erfolglose Versuch den Zweck lediglich durch 
Injektion einer Flüssigkeit in den Uterus zu erreichen suchte, 
und daß die Frau, als er mißglückte, zu einem stärkeren Mittel, 
zum Eihautstich mit einem anderen, längeren Instrument griff. 
Voraussetzung für diese Annahme war, daß der Eingriff dem Tode 
unmittelbar voranging. In der Regel pflegt nach derartigen mi߬ 
glückten Abteilungsversuchen der Tod sofort einzutreten. 

Dagegen ist zunächst zu sagen, daß die Frau am Todestage 
morgens um 6 Uhr, wie gewöhnlich, aufstand, ihre Hausarbeiten 
besorgte und ihre Kinder zur Schule, welche um 8 Uhr begann, 
herrichtete. So gab eine Nachbarin an. Gleich nach 8 Uhr nahm 
die Katastrophe ihren Anfang und etwa um V,ll Uhr erfolgte 
der Tod. Da der Mann an jenem Morgen dienstlich auswärts 
weilte, so war die Frau allein zu Hause. Damit fallen alle oben 
ausgeführten Vermutungen in sich zusammen. Selbst wenn die 
Frau nach dem Weggange der Kinder zum Eihautstich geschritten 
wäre und einen Abort erzielt hätte (ob die Zeit ausgereicht hätte, 
lasse ich dahingestellt), so wäre sie sicher nicht im stände ge¬ 
wesen , bis zum Erscheinen des Arztes, welcher nicht das geringste 
Anzeichen eines eben erfolgten Aborts bemerkte, die Spuren zu 
verwischen. Man darf infolgedessen die Blutbeschmierungen am 
After, Damm und Oberschenkel, welche sich bei der Sektion 
fanden, auch nicht auf einen unmittelbar vorangegangenen Abort be¬ 
ziehen. Viel ungezwungener lassen sie sich durch Lochien erklären, 
dafür spricht auch, daß am Scheideneingang „eine geringe Menge 
einer rötlich-wässerigen Flüssigkeit“ sich fand. Auch der Um¬ 
stand, daß in der Gebärmutter einige Eihautreste und geronnenes 



688 


Dr. Weißenrieder. 


Blut (letzteres auch in ganz geringer Menge) vorhanden waren, 
kann nicht für einen kurz vorher erfolgten Abort verwertet 
werden. Denn daß Eihautreste und geronnenes Blut noch tagelang 
nach der Geburt im Uterus bleiben können, ist bekannt Alle 
diese Befunde deuten vielmehr mit Sicherheit darauf hin, daß der 
Abort mehrere Tage vor dem Tode erfolgt ist. Daß die Frau 
noch am Tage vor dem Tode im Freien sich erging, ist weiterhin 
kein Beweis für das Gegenteil; denn die Erfahrung lehrt, daß 
Frauen aus dem Volke, namentlich Mehrgebärende, aus einem 
Abort sich gar nichts machen und oft am gleichen Tage oder am 
nächsten Tage vom Bett aufstehen. 

Es bleibt nichts anderes übrig, als die Annahme, daß im 
Gefolge der Einführung des Spritzenansatzes der Abort erfolgte 
und es ist sonach ein zweiter Abtreibungsversuch auszuschließen. 
Ihr hat die Frau die Uterusruptur zu verdanken, sie war bei der 
Sektion zweifellos schon mehrere Tage alt; denn die „schmutzig- 
rötliche Flüssigkeit*, welche sich im kleinen Becken fand, kann 
nicht anders als Reaktion des Peritoneums auf den durch die 
Perforation gesetzten Reiz gedeutet werden und kann erst innerhalb 
einiger Tage entstanden sein. Vermißt wurde allerdings an der 
Stelle der Perforation ein deutlicher Blutaustritt. Einen solchen 
mußte man aber auch bei einer frischen Verletzung erwarten. 
Und wenn irgend welche Entzündungserscheinungen fehlten, so 
glaube ich nicht, daß das gegen meine Auffassung spricht; denn 
es braucht ja nicht jeder Verletzung eine Entzündung zu folgen. 
Es erübrigt nur noch den Widerspruch zwischen der Länge des 
Ansatzes, 9—10 cm, und derjenigen des Uterus, 14 cm, zu erklären. 
Wie oben schon erwähnt, ist das Wahrscheinlichste, daß die Frau 
den Abort durch Injektion einer Flüssigkeit in die Gebärmutter¬ 
höhle erzielen wollte. Zu diesem Zwecke führten sie den an die 
Spritze angesteckten Ansatz in den Zervikalkanal ein. Damit 
wird das ganze Instrument vielleicht schon um einige cm länger 
geworden sein. Das an solchen Spritzen beündliche Ansatzstück 
ist ja oft mehrere cm lang. Irgend ein unglücklicher Zufall, der 
natürlich nie ganz erklärt werden kann, ein Ausrutschen oder 
dergl., wird dann mit Gewalt das Instrument in die Gebärmutter 
getrieben und so, ohne den Uterusinhalt zu verletzen, die Per¬ 
foration hervorgerufen haben; dabei wird das Ansatzstück stecken 
geblieben sein. Daß aber ein solcher Fremdkörper Wehen hervorrufen 
und damit den Abort verursachen kann, ist ohne weiteres klar. 

Zunächst war die Frage zu beantworten, ob der Ansatz von 
der Frau allein oder mit fremder Hilfe eingeführt worden sei. 
Anhaltspunkte für letztere Annahme ergab weder die Sektion 
noch die sonstige Untersuchung. Es ist aber zweifellos eine 
Seltenheit, wenn ein solcher Ansatz so weit in die Gebärmutter 
eingefährt wird. Hofmann 1 ) sagt dazu, daß bei tiefem Stand 
des Uterus, wie er in den ersten Monaten der Gravidität sich 
faktisch finde, es namentlich bei Mehrgebärenden möglich sei, daß 
die Betreffenden sich selbst ein Instrument in die Cervix einführen 


*) Hof mann: Lehrbuch der gerichtlichen Mediain; 9. AuiL, 8.840. 



Fruchtabtreibung. Tod durch Luftembolie. 


589 


kOnne. Die Frage wurde deshalb im bejahenden Sinne beant¬ 
wortet. Das Verfahren wurde später von der Staatsanwaltschaft 
eingestellt. 

Bei der Durchsicht des Sektionsprotokolls interessiert Tor 
allem das Vorhandensein von Luft in den Arterien an der 
Gehirnbasis. Zweifellos war die Luft zuerst in Venen und zwar 
in die der Ligamenta lata eingetreten. Wie war sie in das 
arterielle System gekommen? War es möglich, daß die Luft die 
Lungenkapiilaren passierte, also vom rechten Ventrikel durch die 
Lungen ins linke Herz gelangte und weiterhin in die genannten 
Arterien hineinkam? Es scheint das auf den ersten Blick aus¬ 
geschlossen, ist aber doch tatsächlich möglich; einwandfreie Tier¬ 
experimente beweisen es. Der erste, der diesen Beweis lieferte, 
war Jürgensen*). Er legte bei Hunden an den Hinterschenkeln 
die Eruralarterien und Kruralvenen auf ca. 10 cm frei, indem 
er zugleich auch ihre Scheiden entfernte. Es zeigte sich bei 
allen Versuchen, daß „die in die Eruralarterien der rechten Seite 
eingeführte Luft in den Kruralvenen der linken Seite wieder 
erscheint/ Jürgensen schloß daraus, daß Luft vom rechten 
Herzen in das linke gelangt und mit dem von diesem ausgetriebenen 
Biut kreist. Wolf 9 ) hat wiederholt den gleichen Versuch ge¬ 
macht und sagt darüber: „Die in die linke Arteria femoralis 
injizierte Luft tritt prompt in der rechten Vena cruralis auf/ 
Weitere Versuche in dieser Richtung wurden von einem Veterinär¬ 
mediziner, Richter 4 ), angestellt; er benutzte dazu Pferde. In 
allen 4 Fällen war Luft in die Jugularis geblasen worden; 
bei den nach 1—2 Stunden gemachten Sektionen fand sich „Luft 
in reichlicher Menge im rechten und linken Herzen, den großen 
Venen und Arterien der Bauchorgane, den Venen der Extremi¬ 
täten und der verschiedenen Muskelgruppen, den Arterien und 
Venen des Gehirns und, was besonders wichtig, in der Pfortader und 
in sämtlichen Darmvenen/ Es mußte also die Luft durch zwei 
Eapillarsysteme getreten sein. Die in die Venen und damit in das 
rechte Herz gelangte Luft kann demnach die Lungenkapillaren 
passieren und weiterhin den ganzen Körper durchsetzen. Außer 
an Pferden und Hunden wurde der Uebertritt von Luft durch die 
Kapillaren auch an Kaninchen nachgewiesen. Dabei ergab sich 
nun weiterhin, daß dieser Luftübertritt nicht bei allen Tier¬ 
gattungen gleich leicht erfolgt, daß vielmehr ein Unterschied 
besteht. Bei Pferden erfolgt der Uebertritt leicht, bei Hunden 
und Kaninchen wenigstens das erste Mal, nur schwer. Wie sich 
das beim Menschen verhält, läßt sich hieraus mit Genauigkeit 
nicht ableiten. Doch ist das Vorkommen von Luft in Arterien 
nach Lufteintritt schon früher öfters beobachtet. Auch in der 
neuesten Zeit wird dieser Befund als besonders bemerkenswert 


*) Jürgensen: Luft im Blute. Deutsches Archiv für klinische Medizin; 
1882, Bd. 81, S. 441. 

*) Wolf: Experimentelle Studien über Luftembolie. Virchows Archiv; 
1903, Bd. 174, 8. 454. 

4 ) Bichter: Die Bedeutung des Lufteintritts in die Venen. Archiv 
für wissenschaftliche und praktische Tierheilkunde; 1905, Bd. 81, S. 109. 



690 


Dr. Weißenrieder. 


erwähnt, so von Feldmann 6 ). Er fand bei zweien seiner Fälle 
Luft im linken Herzen; bei einem derselben war Luft außerdem 
in den Arterien der weichen Häute. 

Interessant an dem Fall F. ist aber nicht nur das soeben 
Ausgeführte, sondern auch die Tatsache, daß die Frau nach der 
Lufteinblasung noch 5 Tage lang lebte, daß sie sich während 
dieser Zeit anscheinend wohlfühlte (sie machte am Tage vor ihrem 
Tode noch einen Spaziergang, war also zweifellos nicht ernstlich 
krank) und daß sie in diesen Tagen sogar einen Abort durch* 
machte. Ist man doch an den Gedanken gewöhnt, daß einer 
Lufteinblasung in die Venen der Tod sofort auf dem Fuße folgt! 
In der Tat mußte in allen ähnlich liegenden Fällen, welche im 
Uebrigen — ich meine damit eben die kriminellen — in der 
Literatur nur spärlich vertreten sind, der Tod unmittelbar nach 
der Lufteinblasung eingetreten sein. Lochte 6 ) berichtet über 
4 Fälle, bei welchen die Betreffenden, wie ans der Lage der Leiche 
zu schließen war, unmittelbar beim Abtreibungsversuch gestorben 
waren. Für Pollaks 7 ) Fall gilt das gleiche. Auch in den 
Feldmann sehen Fällen (1. c.) mußte der Tod unmittelbar dem 
Versuche gefolgt sein; denn neben den Leichen wurde teils die 
benutzte Spritze, teils Spritze und ein Wassergefäß gefunden. 

Wie ist es nun zu erklären, daß in Fall F. der Tod erst 
nach so langer Zeit eintrat? 

Die Frage beantwortet sich einfach damit, daß im Falle F. 
die Menge der eingeführten Luft zur sofortigen Herbeiführung 
des Todes nicht ausreichte; denn eine solche hängt direkt ab 
von der Quantität der eingeblassnen Luft Sieht man sich darauf* 
hin z. B. die Feldmann sehen Fälle (1. c.) an, so findet man vom 
ersten erwähnt: „Beim Schnitt durch die Weichteile vom Kinn 
zur Schamfuge entleert sich zischend Luft; die Gebärmutter auf¬ 
gebläht durch Luft, knistert bei Druck." Auch im 2. und 8. Falle 
war die Gebärmutter angefüllt mit Luft, die beim Aufschneiden 
zischend entwich. Vergleicht man mit solchen Befanden den an 
der Leiche F., so fällt sofort ins Auge, daß der Luftgehalt in 
dieser Leiche ein ungleich geringerer war. Wenn auch jedenfalls 
ein Teil der eingedrungenen Luft in vivo wieder ausgeschieden 
oder auch resorbiert wurde (s. u.), so war eben doch in der Tat 
eine zur Herbeiführung des sofortigen Todes ungenügende Menge 
eingeführt worden. Dazu hatte zweifellos auch das Instrument, 
eine kleine Spritze, nicht ausgereicht. Auch über diese Frage 
hat man sich durch Tierexperimente Klarheit zu verschaffen ge¬ 
sucht. Richter (1. c.) berichtet über Versuche an Hunden. 
Danach ertragen mittlere Hunde die ununterbrochene Injektion von 
20 ccm Luft, wird mehr eingeführt, so wird die „Gefahrengrenze* 

*) Feldmann: Ueber drei Fälle von tödlicher Luftembolie infolge von 
Abtreibungaversachen. Aerztliche Sachverst&ndigen-Zeitung; 1910, Nr. 1, S. 8. 

•) Lochte: Ueber Todesfälle nach Fruchtabtreibungsversuchen. Aerzt¬ 
liche Sachverständigen-Zeitung; 1908, Nr. 2. 

T ) Pollak: Fruchtabtreibung am eigenen Leibe, ausgeftthrt von einer 
nicht schwangeren Frauensperson. Tod durch Luftembolie. Der Amtsarzt: 
1909, Nr. 6, 8. 887. 



Fruchtabtreibung. Tod durch Luftembolie. 


591 


überschritten; den sichern Tod kann man herbeiftthren, wenn man 
ohne Panse 1 / i 1 Lnft in eine Vene einführt. Die an zahlreichen 
Pferden von ihm angestellten Versuche ergaben die „Gefahrengrenze“ 
bei 1000 ccm. Den sicheren Tod von Pferden führte die pansen¬ 
lose Insufflation von 8000 ccm Luft herbei. Führte er weniger 
als 1000 ccm Lnft ein, so blieben die Tiere am Leben, es traten 
keinerlei bedrohliche Symptome auf, es herrschte vielmehr, von 
leichtem anfänglichem Unbehagen abgesehen, dorch Wochen der 
Beobachtung hindurch Wohlbefinden. Es liegt also in diesen 
Versuchen die Erklärung nicht nur dafür, daß die,F. noch fünf 
Tage nach der Lufteinblasung lebte, sondern auch für ihr Wohl¬ 
befinden während dieser Zeit. 

Nun drängt sich die weitere Frage von selbst auf, warum 
die F., obwohl sie die Luftinjektion 5 Tage überstand, doch noch 
starb. Ich habe einen ähnlichen Fall in der Literatur nicht 
finden können. Auf Grund seiner Tierexperimente kommt Richter 
(1. c.) zu dem Schluß, daß „alle bedrohlichen Erscheinungen und 
letalen Ausgänge sich meist innerhalb der ersten halben Stunde 
abspielen.“ Um das zu untersuchen, muß man sich über die Art 
der Luftembolie Klarheit verschaffen. Man hat dabei von jeher 
bald von einem „Herztod“, bald von einem „Gehirntod“, bald von 
einem „Lungentod“ gesprochen. Eingehende Untersuchungen über 
diese Frage liegen vor von Hauer. 8 ) Er injizierte dem einen Teil 
seiner Versuchstiere, hauptsächlich Kaninchen, aber auch Hunden, 
kleine, dem anderen größere Luftmengen in den Kreislauf und 
fand dabei, daß das Herz sich der injizierten Luftmengen durch 
Fortbewegen in den kleinen Kreislauf entledigen kann; daß die 
Luft unter diesen Umständen zumeist;] im Lungenkreislauf sich 
einkeilt und diesen verlegt, geht klar hervor aus der ganz all- 
mählig sich vollziehenden Drucksteigerung in der A. pulmonalis. 
Er schließt daraus, daß es sich bei dem Tod an Luftembolie nie 
um einen Herztod, sondern um eine Emboliesierung des kleinen 
Kreislaufs, also um einen Lungentod handle; infolge ungenügender 
Blutzufuhr vom rechten Herzen her, sinke der Blutdruck in der 
Arterie ganz tief, so daß eine Gehirnanämie die Folge sei. 
Hauer bestreitet aber nicht, daß durch Uebertritt der Luft ins 
linke Herz eine Embolie im großen Kreislauf bewirkt werden 
könne; doch könne eine Embolie der Gehirngefäße höchstens als 
sehr seltener Ausgang der Luftembolie erwartet werden. Bichter 
(1. c.) kommt zu dem gleichen Ergebnis. Er sagt: 

„Wenn es sich tatsächlich um Herztod handelte, .so müßte zweifellos 
Herzstillstand die Ursache des Todos sein. Es ist aber durch eine große 
Beihe Ton Versuchen dargetan worden, daß das Herz noch nach dem Tod 
fortschlägt, der Tod also nicht durch Aufhören der Herztätigkeit bedingt sein 
kann. Die Verstopfung der Arteria pulmonalis und ihrer Verzweigungen 
durch die mit Blut untermischte Luft führt zur Unterbrechung der Zirkulation,; 
hierin dürfte die UrBcahe des in unmittelbarem Anschluß an das Eindringen 
der Luft in die Venen erfolgenden Todesjzu suchen sein.* 

Auch Richter sagt, daß die Möglichkeit einer Embolie 

8 ) Hauer: Ueber die Erscheinungen im großen und kleinen Kreislauf 
bei Luftembolie. Zeitschrift für Heilkunde; 1890, Bd. 11, S. 169. 



692 Dr. Weißenrieder: Fruchtabtreibung. Tod darob Luftembolie. 

von Gehirn- und Herzarterien durch die im Blnt kreisende Luft 
vorhanden sei, doch gehöre diese Art des Gehirn- bezw. Herz¬ 
todes za den größten Seltenheiten. Wolf (1. c.) sagt hierzu: 

„Es konnte wohl nach einmal za einem Aasgang kommen, der nicht als 
Longentod bezeichnet werden könnte, aber eine Barität wäre es sicher.* 

Hierbei ist indes zu bedenken, daß keiner der Fälle, auf 
welche die eben angeführten Erklärungen sich stützen, so liegt, 
wie der Fall F. In allen diesen Fällen waren die Tiere entweder 
sofort nach der Lufteintreibung gefallen oder nach kurzer Zeit 
getötet worden. Bei der Frau F. war der Tod aber erst nach 
5 Tagen eingetreten. Während alle diese Tiere die eingeblasene 
Luft beim Tode noch vollständig in ihrem Körper hatten, war das bei 
der F. mindestens sehr zweifelhaft. Die Vermutung lag vielmehr 
nahe, daß ein Teil der Luft bis zum Tode wieder ausgeschieden 
oder resorbiert war. Richter (1. c.) erblickt „in der Lunge den 
natürlichen Schutz des Organismus gegen die in die Venen gelangte 
Luft, welche für den Tierkörper eine enorme Gefahr bieten würde, 
würde sie nicht in der Lunge teils ausgeschieden, teils zur feinsten 
Verteilung gebracht. 0 Aber diese Luft kann auch ein anderes 
Schicksal erfahren. Ziegler 9 ) sagt: 

„Qelangt Luft nur in geringer Menge oder nar sukzessive in den Blut¬ 
kreislauf, so wird sie in Form von Luftblasen von demselben weitergeftthrt 
and kann im ganzen KOrper kreisen. Größere Mengen bleiben zeitweise in 
den kleinen Gefäßen stecken, führen zu Verschloß derselben und geben 
dann za Zirkulationsstörungen, welche Störungen der Hirn- und Atmungs- 
tätigkeit verursachen können, Veranlassung. Nach einer gewissen Zeit wird 
die Luft resorbiert.* 

Das scheint nun im Fall F. tatsächlich so gewesen zu sein. 
Ein Teil der eingedrungenen Luft war ausgeschieden bezw. resorbiert, 
bei dem in der Leiche Vorgefundenen anderen Teil war es dazu 
nicht mehr gekommen. Die Luftblasen und Luftsäulchen, welche 
bei der Sektion in den verschiedenen kleinen Venen und Arterien 
gefunden wurden, machten ganz den Eindruck, als wären sie dort 
stecken geblieben. Eine so große Menge Luft, die zu einer derartigen 
Embolisierung des kleinen Kreislaufs führte, daß dadurch die 
bei der Sektion gefundene Hirnanämie hätte hervorgerufen werden 
können, war sicher zur Zeit des Todes im Körper der F. nicht 
mehr vorhanden. Denn dann hätte man im rechten Herzen und 
in der A. pulmonalis größere Mengen schaumigen Blutes, wie das 
sonst immer der Fall ist, finden müssen. Das war aber, wie das 
Sektionsprotokoll ausweist, nicht so. Damit ist aber ein „Lungen¬ 
tod 0 auszuschließen, ebenso wie ein „Herztod 0 , der nur mehr 
eine historische Bolle spielt. Auch von einer Embolie der Kranz¬ 
arterien kann keine Bede sein, da man bei der Sektion in ihnen 
keine Luft vorfand. 

So liegt der Schluß nahe, daß die Luft, welche die an der 
Gehirnbasis befindlichen Arterien förmlich ausfüllte, den Blutstrom 
plötzlich abschnitt und damit den späten Tod der Frau verur¬ 
sachte. Es waren ja gerade die Gefäße betroffen, welche das 
Gehirn und die Medulla oblongata mit Blut versorgen. Die Luft 


*) Ziegler: Allgemeine Pathologie; 6. Aafl., 8.40. 



Dr. Bremme: Die Vierte Krankheit 


693 


war jedenfalls zu der Zeit, in welcher die Frau sich noch wohl 
befand, in einem Gefäßgebiet, in welchem sie noch keine be¬ 
drohlichen Erscheinungen machen konnte, und rfickte, fortgetrieben 
durch die Zirkulation, plötzlich in die Gehirnarterien ein, damit 
eine akute Gehirnanämie verursachend. Deshalb durfte das eben 
erwähnte vorläufige Gutachten: „Die unmittellbare Todesursache 
ist in den Blutkreislauf, speziell in die Schlagadern des Gehirns 
eingedrungene Luft“ zu Recht bestehen; es dürfte sich in 
diesem Falle um einen der so seltenen Fälle von „Gehirntod* 
infolge Embolie von Gehimarterien handeln. 


Die Vierte Krankheit. 

Von Stadtarzt Dr. Bremme in Dresden. 

Die Ausfahrungen des Herrn E. Bezirksarztes Dr. Tietze 
in Nr. 15 dieser Zeitschrift möchte ich nicht unwidersprochen 
lassen. 

Herr Dr. Tietze sieht die „Vierte Krankheit* als eine 
eigentümliche Form der Influenza an. Diese Annahme ist m. E. 
deshalb ungerechtfertigt, weil das Allgemeinbefinden der Patienten 
bei beiden Krankheiten ein grundverschiedenes ist. Ich selbst 
habe vor einigen Jahren einige Fälle der sogen. Vierten Krank¬ 
heit, bei denen ärztlich behandelte Scharlach- und Masern¬ 
erkrankungen vorausgegangen waren, in Behandlung gehabt. 
Hierbei konnte ich feststellen, wie auch in den von Herrn 
Dr. Tietze angeführten Krankheitsgeschichten mehrfach erwähnt 
ist, daß das subjektive Befinden der Kranken ein relativ gutes 
war. Nun ist aber das markanteste Merkmal der Influenza das 
intensive Gefühl der Prostration und Zerschlagenheit, welches 
auch in den leichtesten Fällen fast niemals fehlt. 

Daß skarlatina- und rubeolaartige Hautaffektionen zu den 
häufigsten Erscheinungen der Influenza gehören, ist bekannt Dies 
ist auch bei anderen Krankheiten der Fall. Lediglich aber aus 
der Aehnlichkeit dieser Hautveränderungen und der zufällig 
gleichen zeitlichen Beobachtung beider Krankheiten, beim Fehlen 
des für die Diagnose der einen Erkrankung wichtigsten Symptoms, 
Influenza und Vierte Krankheit als eine auf gleichen Ursachen 
beruhende Krankheit anzusehen, erscheint mir doch etwas zu 
weitgehend. 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 

Bakteriologie, Infektionskrankheiten nnd öffentUohes 

Sanitätswesen. 

1. Bekämpfung der Infektionskrankheiten, 
a. Cholera 

Veber die Isolierung des Cbolerarlbrlo. Ans dem mikrogrsph. and 
bskt. Lsb. des öffentl. Gesundheitsamtes. Vorstand: Prof. B. Gosio. Von 
Dr. M. Pergola, Assistenten. Zentralblatt für Bakteriologie; 1. Abt., 
Orig.-Bd. 64, H. 6. 




594 


Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitach 


Pergola bestätigt zunächst die guten Erfolge, die i 
dem ron Dieudonnö angegebenen Blatalkali - Agar bei < 
Choleravibrionen gehabt haben. Mit bestem Erfolg hat er das 
Prinzip aach auf Gelatineplatten angewandt. Es exnj 
20—SOproz. neutrale Gelantine zu verwenden und diese c 
8chale im Verhältnis 7:3 mit Blatalkali za mischen, di 
Erstarrungsfähigkeit des Gemisches in Frage gestellt wi 
werden ebenfalls im Oberflächenausstrich beschickt and lass 
kolonien auf gehen, die schon nach 24 Stunden mikroskopisch 
SO Standen als deutlich verflüssigende Kolonien erkannt 
werden können. Beide Nährböden (Agar wie Gelatine) habe 
bei der Wasseruntersuchung nach der üblichen Anreicherung 
sehr bewährt. Der Zasatz des Blutalkigemisches zu Peptonw&j 
Anreicherung bietet keinen Nutzen; dagegen hat Perg 
Resultate mit der Anreicherung von nur spärlichen Cholera 
Blutalkali-Gelatine in Röhrchen oder Kölbchen bei 37 0 erzieJ 
dieses Verfahren angelegentlichst zur Nachprüfung. 

Prof. Dr. Leut 


b. Pocken. 

Die Poekenepidemie in der ProvInzlal-Heil- and Pfleg 
borg« Von Dr. Richter, Oberarzt im Feldartillerie-Regimei 
diert zur Anstalt. Allg. Zeitschrift für Psychiatrie; 67. Band, 

Die Provinzialheilanstalt Allenberg ist im Kreise Wehlan, 
Königsberg in Ostpreußen, am linken Ufer der Alle gelegen. L 
wies an Pockenerkrankungen im Jahre 1887 8 Fälle and i 
10 Jahren einen bei einem polnischen Arbeiter festgestellten 
gebliebenen Pockenfall in Bonslack auf. Im übrigen kamen im 

1908 in der Anstalt Allenberg selbst zwei Pockenfälle vor, 
Krankheit nachweislich aus Memel durch Ansteckung von ein 
Matrosen eingeschleppt war. In den Monaten Mai bis Augus 
nun in der Anstalt vielfach fieberhafte Erkrankungen aufg< 
Ursache und Art nicht erklärt werden konnte. Der am 17. Jan 
Verdachtes einer übertragbaren Krankheit hinzngezogene beamt 
selbst ein durch häufige Epidemien geschulter Kenner der Pockt 
sich gleichfalls zu keiner Diagnose entschließen und sprach si 
daß Variola nicht vorhanden wäre. Ein am 8. August 1909 za Ri 
Spezialist aus Königsberg glaubte anfänglich die W&hrscheinlid 
„Variola* aussprechen zu können, neigte sich aber später aus 
im Rahmen eines kurzen Referates nicht erörtert werden können, 
„Varizellen* zu. Zwei Tage darauf stellte der Kreisarzt in eine 
Wehlauer Wohnungsbauvereins einen Todesfall an „Variola veri 
zwei weiteren Tagen im Nebenhause — d. h. in dem Hause, in 
früher nnter zweifelhaften Erscheinungen erkrankter Anstaltspfh 
zwei weitere Erkrankungen an typischer Variola fest. Nonne! 
sicher, daß die Erkrankungen in Allenberg als Variola aufxufass 
am 11. August 1909 wurde der Ausbruch der Seuche in der Am 
angezeigt. 

Den Medizinalbeamten dürften besonders die getroffenen 
maßregeln interessieren: 

Vom amtlich erklärten Ausbruch der Epidemie an befai 
Anstalt mit sämtlichen Angehörigen in Qaarantäne. Nor der Pos! 
Briefschaften an eine bestimmte Stelle außerhalb der Anstalt bring 
dort wieder abholen. Der Briefverkehr wurde möglichst eingeschrs 
aber nicht ganz verboten werden. Kranke wurden aas der Anstal 
lassen, ebensowenigin die Anstalt aufgenommen. Die Sperre wurde am 

1909 aufgehoben, die Qaarantäne für die Angestellten nach Desin 
ganzen Anstalt etwas früher. Sämtliche Pockenkranke, ?erdäc 
Beobachtung8kranke, wurden in gesonderten Bäumen isoliert. Die D 
wurde nach sanitätspolizeilicher Anweisung gemäß der Anweisung d 
rates zur Bekämpfung der Pocken in folgender Weise durch Def 
aus Königsberg ausgeführt: Die Räume wurden mit Formalingas, V 



Kleinere Mitteilungen nnd Referate ans Zeitschriften. 


595 


Faßboden mit Sublimat, Kleidungsstücke, Decken and Matratzen im Dampf* 
apparat desinfiziert. Die Desinfektion der Anstalt mit Nebenräumen dauerte 
etwa 14 Tage. _ Dr. Többen-Münster. 


c. Diphtherie. 

Therapeutische Erfahrungen bei Diphtherie mit dem Behring -Ehr- 
llchschen Serum. Von Dr.Knanth, Oberstabs*und Regimentsarzt. Münchener 
med. Wochenschrift; 1910, Nr. 23. 

Verfasser teilt einen sehr schweren Diphtheriefall bei einem Soldaten 
mit, welcher innerhalb 3 Tagen 1900 1. E. Nr. II, dann 3000 I. E. Nr. III und 
noeb einmal 1500 I. E. Nr. III von dem oben genannten Heilserum injiziert 
erhielt und innerhalb 10 Tagen vollkommen geheilt war. 

Verfasser fügt dann noch einige allgemeine Bemerkungen über Beine 
Erfahrungen mit Diphtherieheilseram bei, die hauptsächlich für diejenigen 
Kollegen berechnet sind, welche der Wiikung des Serums bisher noch skeptisch 
gegenüberstanden oder die Anwendung des Serums deshalb unterließen, weil 
sie befürchteten, es könnten mit der Injektion des Serums erst recht schädliche 
Stoffe dem Organismus einrerleibt werden. 

Verfasser erachtet die Injektion des Serums als solche für absolut un¬ 
gefährlich bei Beachtung der notwendigen Vorsichtsmaßregeln in bezug auf 
Antiseptik. 

Das Behringsche Heilserum wirkt sicher und zwar um so prompter, 
je frühzeitiger und je ausgiebiger es eingespritzt wird. Die Verab¬ 
reichung kleiner, mehrfacher, verzettelter Dosen ist nicht zweckmäßig. Ver¬ 
fasser gibt den Rat, das erstemal bei einem Erwachsenen mindestens 3000 I. E., 
einem Knaben mindestens 2000 I. E. und einem Kinde mindestens 1500 I. E. 
zu verabreichen. Die Seruminjektion kann, ohne Schaden zu stiften, auch 
öfters wiederholt werden. _ Dr. Waibei-Kempten. 


Veber lokale Behandlung Diphtheriekranker zur Verhütung und Be¬ 
seitigung der Bazillenpersistenz. Von Dr. J o c h m a n n in Berlin. Klinisches 
Jahrbuch; 1910, Bd. 22, Heft 4. 

Zar Beseitigung der Bazillenausscheidang kamen die verschiedensten 
älteren und neueren Mittel zur Anwendung, Argentum nitric. in 2—10°/o Lö¬ 
sung, Jodtinktnr, Natrium sozojodolicum, Löf f lersehe Toluolalkoholmischung, 
Natrium perboricum, Pyozyanase, Pergenol, Formaminttabletten und Antiformin. 

Alle Mittel versagen mehr oder minder, weil es — wie schon frühere Unter¬ 
sucher erfahren mußten —, unmöglich ist, daß Desinficiens in den buchten- 
und faltenreichen Nasenrachenhöhle mit den Bazillen in hinreichend innige 
Berührung zu bringen. Man muß sich darauf beschränken, die Zahl der Ba¬ 
zillen wenigstens zu vermindern. Das erreicht man durch Einblasungen von 
Natrium sozojodolicum oder durch Anwendung von Pergenol - Mundpastillen. 
Das Wichtigste zur Verhütung der Weiterverbreitung der Diphtherie bleibt 
aber die bakteriologische Ueberwachung und Absonderung bis zur sicheren Ba¬ 
zillenfreiheit. Dr. Dohrn-Hannover. 


d. Tuberkulose. 

Ueber die Bedeutung der Bindertuberkulose für die Entstehung der 
Tuberkulose im Kindesalter. Von Privatdozent Dr. M. Hohlfeld -Leipzig. 
Münchener med. Wochenschrift; 1910, Nr. 5. 

Verfasser bespricht in längeren und interessanten Ausführungen die 
bisherigen Untersuchungen und Beobachtungen über die Beziehungen der 
Tuberkulose des Menschen und der Perlsucht des Rindes und kommt zu dem 
Schlüsse, daß man bei Bekämpfung der Tnberkulose im Kindcsalter die Perl¬ 
sacht nicht vernachlässigen darf, daß jedoch der Angriff in erster Linie sich 
gegen die Menschentuberkulose richten muß; denn der Mensch ist auch auf 
diesem Gebiete sein größter Feind. Dr. Wai bei-Kempten. 


Eingangspforten der Tnberkulose. Von Dr. A. Reiche-Berlin 
Zeitschr. f. Krüppelfürsorge; Bd. II, H. 4. 



596 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Ze 


Verf. betrachtet als feststehend: 

1. Die Tuberkulose ist yererbbar, jedoch komm 
Uebertragung im Mutterleib so selten yor, daß sie p 
Betracht kommt. 

2. Die Perlsuchtbazillen bieten keine große Gef 

3. Die Hauptansteckungsquelle ist der schwindf 
die, welche mit einem solchen in Berührung kommen < 
leben, sind einer Ansteckung aasgesetzt. 

4. Die Krankheitserreger gelangen zum größten 
dringen dann sowohl durch die Respirationsorgane, al 
dauungstraktus in den Körper ein. Hieraus ergibt siel 
folgerang, daß jeder Mensch mit einer offenen Tuberli 
abzasondern ist und daß die Kinder, als die am meistei 
aus der Umgebung Schwindsüchtiger entfernt werden 
merk müssen wir auf die Gesundheit der Ammen, Kin< 
mädchen, auch Lehrer und Lehrerinnen richten. Nur 
alter yor der Ansteckung bewahrt, kann man Erfolge 
Tuberkulose erzielen. Dann wird es auch gelingen, de 
die Tuberkulose yerkrüppelten Kinder erheblich herab 

_ Dr. W o 

Miliartuberkulose im Anschluss an Abort« 
ehemaliger Medisinalpraktikant an der med. Klinik d< 
Münchener med. Wochenschrift; 1910, Nr. 7. 

Verfasser teilt zwei karz nacheinander beoba 
tödlich yerlaufende Fälle mit. Der erste Fall beti 
welche im 4. Monate der Schwangerschaft abortier 
unter dem Kraukheitsbilde einer septischen Erkrai 
Die Sektion ergab Miliartuberkulose und zwar mu 
die Genitalen betrachtet werden. Das Cayum 
einer beetartigen, stellenweise yerkästen Masse bc 
Teilen des Uterus zahlreiche miliare Tuberkel in 
Tube stark dilatiert, in ihrer Wand v er dickt uni 
grünlich-gelben, käsigen Brei bedeckt. Ovarien und 
Miliartuberkulose überwog in den Lungen. Viel g 
Milz, Nieren, fehlend auf dem Bauchfell. 

Der zweite Fall betraf ein 18jährigea Mädel 
Schwangerschaft abortierte und fast genau 1 M 
Erscheinungen yon Miliartuberkulose starb. Die ! 
Erscheinungen allgemeiner Miliartuberkulose, speziel 
eine yorgeschrittene, käsige Tuberkulose der Genit 
in ihrer abdominellen Hälfte mit käsigem Inhalt & 
befand sich ein käsiger Knoten und in der Wand 
reiche, bis hanfkorngroße, tuberkulöse Knötchen, di 
saßen, wo wahrscheinlich die Placenta inseriert 
waren höchstwahrscheinlich die Genitalien der Aus$ 
lisierte Tuberkulose, da sich außer einer yerkäs 
schlossenen Bronchialdrüse sonst kein älterer tuberkv 

In beiden Fällen wird wohl die Tuberkulös« 
Ursache des Aborts gewesen sein und dann nach 
des Uterus auch die Infektionsquelle für den ganze 
die Lungen gebildet haben. _ Dr 

Brusternährung und tuberkulöse Menlngl 
Julius Zappert. Wiener medizinische Wochensc! 

Heubner hat bereits darauf hingewiesen, 
im ersten Lebensjahre an tuberkulöser Meningitis 
befinden. 

Der Verf. konnte an 125 Fällen, die im ers 
jahre vorkamen, nachweisen, daß die Zahl der Brost 
bei weitem überwog, sie ieirug 101 = 80,8 °/o 
lährten Kindern = 19,2 °/o. 



Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


5»T 


Trota dieser Zahlen kommt der Verf. ans Gründen, die er weiter aus¬ 
führt, za dem Schloß, daß für das Auftreten der tuberkulösen Meningitis im 
frühen Kindesalter die Art der Ernährung keinerlei Bedeutung besitzt. 

Dr. Kurpjuweit-Swinemünde. 


Schwindsucht und Aikoholismus. Dr. Jaques Bertilion. Revue 
d’ Hygiöae et de police sznitaire; 1910, Bd. 82, Nr. 8. 

Unter allen Ursachen, die zur Entstehung der Schwindsucht führen, 
nimmt in Frankreich der Aikoholismus die wichtigste Stellung ein. Für diese 
Anhahme sprechen folgende Tatsachen: 

1. Die Sterblichkeit an Lungentuberkulose ist vom 80. Lebensjahr an 
gerechnet bei dem männlichen Geschlecht, das dem Alkohol sehr viel mehr 
ergeben ist, ungefähr 2—3 mal so häufig als bei dem weiblichen Geschlecht. 
Die mit dem höheren Alter überwiegende Sterblichkeit der Männer gegenüber 
den Frauen tritt besonders scharf in der preußischen Statistik zu Tage. Dieser 
Unterschied ist in den Städten, besonders in den Großstädten, sehr viel großer 
als auf dem Lande. 

2. In Frankreich ist die Tuberkulosesterblichkeit in denjenigen Bezirken 
am höchsten, in denen pro Kopf der meiste Branntwein getrunken wird. 

8. Die Sterblichkeit der im Schankgewerbe tätigen Personen überragt 
nicht nur den Darchschnitt der Gesamtsterblichkeit, sondern auch die Tuber* 
kulosesterblichkeit anderer Berufszweige, die ebenfalls in geschlossenen Bäumen 
beschäftigt sind, ohne aber dem Alkohol in so weitgehendem Maße zu frOhnen. 

Um den Aikoholismus und damit die Tuberkulose zu bekämpfen, muß 
man den Weinbau fordern; denn der Wein ist der Feind des Branntweins. 

In den Bezirken Frankreichs mit spärlichen Weinbau ist auch der 
Branntweingenaß (and die Taberkalose) stark verbreitet. Das gleiche gilt 
auch für Oesterreich. Als im Jahre 1853 die Weinernte durch Pilzkrankheiten 
vernichtet wurde, nahm der Schnapsgenaß rapide zu. Auch in den Gegenden 
mit starkem Bier- und Apfelweingenaß ist der Branntweinkonsum sehr stark, 
weil nach Ansicht des Verfassers das Bier und der Apfelwein dem Konsumenten 
nicht zur Erlangung eines Behaglichkeitsgefühleg hinreicht und deshalb noch 
Schnaps za Hülfe genommen wird. Analog dem Sohnapskonsum ist in Frank¬ 
reich die Verbreitung der Taberkalose sehr Btark im Norden und Westen, 
gering im Zentrum und im Süden. Es sterben in den Departements des 
Nordens 230 auf 100000 Einwohner (1906), in den anderen Departements 
140 auf 100000. 

Würde man den Branntwein in den nördlichen Bezirken durch den 
Wein verdrängen und damit die Schnapstrinker zu Weintrinkern machen, so 
würde auch im Norden die Tuberkulosesterblichkeit auf 140 pro 100000 
herabgehen und Frankreich damit 16500 Todesfälle an Tuberkulose sparen. 

Dr. Dohrn-Hannover. 


Beobachtungen über die Tuberkulosehftuflgkelt an Dortmunder Volks¬ 
schulkindern lm Schuljahre 1906/1907. Von Stadtschularzt Dr. Steinhaus. 
Zentralblatt für allgemeine Gesundheitspflege; 1910, 1. und 2. H. 

Auf Grund von Untersuchungsergebnissen anderer Autoren und auf 
Grund eigener Beobachtungen an einem großen Schülermaterial kommt Ver¬ 
fasser zu folgenden Schlußsätzen: 

„1. Die Lehre Nägelis von der Verbreitung der Tuberkulose bedarf 
für das kindliche Alter auf Grund der neueren Forschungen der Ergänzung 
nach folgenden Richtungen hin: 

a) Das Säuglingsalter ist nicht frei von Tuberkulose. 

b) In dem Zeitabschnitt vor der Pubertät kommen ausgeheilte, latent 
inaktive Tuberkulosen vor. 

c) Die Infektion mit Tuberkulose erfolgt in der bei weitem grüßten 
Zahl der Fälle nicht im Pubertäts-, sondern im vorschulpllichtigen und ganz 
besonders im schulpflichtigen Alter durch Kontakt. 

2. Die Erfahrungen, die an Obduktionen kindlicher Leichen gesammelt 
sind, lehren, daß etwa 75°/o der Kinder, die im schulpflichtigen Alter sterben, 
tuberkulöse Veränderungen aufweisen. 

8. Durch die neuesten Untersuchungen darf es als Tatsache angesehen 



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«j^pw^'SJdirw'O Atr Xrr£%ao>v 2 ta, iArs rir??i«.rtKt a»ä tir? ATökitg *a< iea 
Or^tsijatA, f iitrt V*zf*A.iet «a< jr / 6 ® Äiü* ebudwr TrTj>**- 3 ««^aijTS»H 
n.' L.a^cx«si?r xtsciäfngt *i skA ah, der ScfeUftrarkstH. ür w*^re« ikrer 
WirÄcxAcit czi der F iricäarxuz, die sici aa irre Esk&sffsa^ 
ws^carti'xrtffs biben, statt Aerrsrrtgcsde S'itfisxg »iccissv R>i jaa. 

.........’^XyrV^rjy^ ■;:'). , ■ 

Vstor lufsktitnsp+jcüswä, 1 » 4 m TrepenGuiders* Vua Pndesier 
tft. h. Adstreceeito im Bto de «t, Arcfcrr lAr Scüf#* aad Trope»* 
kjgvrae . 1V10, ?fr. ?. ■/7. v , v ■ "'>■ 

Die tropUcAea S.rmakWÄtem kcVsmaa e&easo fst wie »adere lafektioee» 
y?*sir>-j '«3 dlt Cfea^Se <rei»tig£t St^rtta^a aM^a. Om »»geblicae Feklsa reo 
Ftjdtmtvx btt Tt^p-x.kJAtJtu&i:ea Vit aul d&a U* 3 ^el aa pmcimertea Reob- 
»rctuagsa zarftckxBfAbrea, 

[h& »kavsa FtebenaiekUoseo (gelbe* Fieber, Pe*t f Melari» &a *4 fiJkrra 
za des Krvtkbsi tßf^rniea de* Fieberdelmanu, IalckAtaazdeitriaa», po*tHfektiS«er 

! i« 7 cbischer Sebwieba, Kollapeiellriam* and AtaesU». liogeges wig« !»• 
«kUoitea mit ebro«i»ch«s Cbanücter t Lepra) selten esgeasrtige St^faagwt. — 
Kiae hAoftge TJr*»cbe roo Oaisteest^rangea giad die Büot- and EiagewcSde- 
wdnsar iFiiari*. ÄBchfK«t<.miM«>. — Die psycbisubea Aa«jm»iiea far Bedbcri 
tragen ia der Kegel de* Korsakowaebea Tjpvs an sieb. 

9 r. Dohm-Haaaorer. 






Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


699 


lieber die Wirkung des neuen Arsenpräparates (606) Ehrliche bei 
Reknrrens. Von JaliuB I v e r s e n in St. Petersburg. Münchener med. Wochen* 
schrift; 1910, Nr. 15. 

Anf Anregung des Geb. Bat Prof. Dr. Ehrlich stellte Verfasser 
erfolgreiche Versuche in der Beknrrenstherapie an und zwar mit einem 
nenen Mittel, dem Dichlorhydrat*diamido*arsenobenzol, abgekürzt Arsenobenzol. 

Verfasser kommt auf Grund seiner Versuche und Beobachtungen zu 
folgenden Schlüssen: 

1. Das Natriumsalz des Dioxydiamidoarsenobenzols, einem Bekurrens- 
kranken eingeführt, ist imstande, an beliebigem Tage eines beliebigen Anfalls, 
innerhalb 7—14, aber spätestens in 20 Stunden den Anfall zu koupieren und 
in 92 Proz. aller Fälle einen weiteren Anfall zu verhüten, d. h. eine einzige 
Injektion dieser Substanz sterilisiert das Blut eines mit 
Bekurrensspirochäten infizierten Menschen. 

2. Die therapeutische Dosis für Bekurrens beträgt 0,2 bis 0,3 dieser 
Substanz. 

8. Nach Iojektion einer solchen Quantität r des Mittels verschwinden die 
Spirochäten innerhalb 4—10 Stunden aus dem Blute vollständig und können 
nicht mehr nachgewiesen werden. 

4. Die Temperatur fällt nach der Injektion sukzessive im Verlauf von 
7—14 Stunden, spätestens aber nach 20 Stunden meist unter profusen Schweiß 
ohne Kollaps bis unter die Norm. Gleichzeitig schwinden alle subjektiven 
Beschwerden. 

6. Das DioxydiamidoarBenobenzol übt in den meisten Fällen an den 
Injektionsstellen einen lokalen Beiz aus, der sich in Schmerzhaftigkeit und 
Infiltraten äußert, welche individuell sehr variabel sind und in manchen Fällen 
längere Zeit bestehen. 

6. Die intravenöse Injektion dieser Substanz ist vollständig schmerzlos, 
wird von keinen unangenehmen Nebenerscheinungen begleitet, und die Wirkung 
tritt 3—4 Stunden schneller als bei intramuskulärer Injektion ein. 

Wir stehen hier, so schließt Verfasser, zum ersten Mal in der 
Therapie akuter Infektionskrankheiten einem so klaren und 
schlagenden Beweise der spezifischen parasitiziden Wirkung 
eines Medikamentes gegenüber, welche gerade an diesem Beispiel der 
menschlichen Pathologie so überzeugend ad oculos demonstriert werden kann. 

_ Dr. W a i b e 1 - Kempten. 


f. Granulöse und sonstige Augenkrankheiten. 

Der jetzige Stand der Traehomforschuog. Von Dr. Wolfrum - Leipzig. 
Fortschritte der Medizin; 1909, Nr. 21. 

Verfasser geht von den Untersuchungen Halberstädters und Pro* 
wazeks aus, die für die Erkrankung parasitäre Zelleinschlüsse verantwort¬ 
lich machen, welche in Ausstrichpräparaten und in Schnitten nachgewiesen 
wurden. Heymann fand derartige Einschlüsse auch bei der Blennorrhoea 
non gonorrhoica. Es steht noch nicht fest, welche Bolle jenen Erscheinungen 
zukommt und wie groß ihre Verbreitung überhaupt ist. Klärung in dieser 
Frage zu schaffen, bleibt späteren Untersuchungen Vorbehalten. Bpd. jun. 


Bakteriologische Untersuchungen der Bindehaut in der Praxis. Von 
Privatdozent Dr. L. Schmeichler in Brünn. 1 ) Wiener med. Wochenschrift; 
1909, Nr. 12 and 13. 

Ein Ausstrichpräparat des Bindehautsekrets genügt, um die Diagnose 
mit annähernder Sicherheit oder wenigstens mit großer Wahrscheinlichkeit 
festzuBtellen. Nach Axenfeld soll sogar das Deckglaspräparat in manchen 
Fällen von Conjanctivitia der Kultur überlegen sein, weil die Keime, auf die 
es ankommt, häufig schon aufgehen, während die Nebenbefunde sich in den 
Vordergrund drängen. 

Im allgemeinen wird die Ansiedlung von Keimen durch den ständigen 
Zu* und Abfluß der Tränen erschwert. Keime, die z. B. durch Staub hinein- 


') Vortrag im Aerzteverein in Brünn. 



600 


Kleinert Mitteilungen and Beferate aus Zeitschriften. 


gelangen, werden event durch den vermehrten Trinenstrom schnell weg« 
geschafft. Im Schlaf sistiert die Trinensekretion, dementsprechend können 
sich die vorhandenen Keime entwickeln and eine erhöhte Entzündungsreaktion 
bis zam Morgen heryorrafen. 

Der Bakteriengehalt der gesunden Conjanctiva ist etwas Vorttber« 
gehendes, Wechselndes, Zufälliges, der sich nach den jeweiligen äußeren Um« 
ständen richtet. Nach Axenfeld birgt die normale Bindehaut als regelmäßige 
Bewohner die sogenannten Xeroseb&zillen und virulente weiße Staphylokokken 
in sich, zuweilen findet man auch Pneumokokken und Staphylococcus pyogenes 
aureus. 

Die Xerosebazillen ähneln den Diphtherie« oder Pseudodiphtheriebazillen, 
sie sind sehr wahrscheinlich für das Auge nicht pathogen. 

Auf den Heilungsverlauf von Wunden haben die Bakterien der normalen 
Bindehaut keinen Einfluß. Durch Napp ist es erwiesen, daß der manchmal 
hohe Gehalt an pathogenen und nicht pathogenen Bakterien keinen Einfluß 
auf die Wandheilung hat. Es ist anzunehmen, daß das sterile Kammerwasser 
eventuell vorhandene Keime wegschwemmt. Eine ungestörte Ableitung durch 
den Tränennasenkanal spielt eine sehr wichtige Bolle. Eine Dacryocystitis 
birgt eine schwere Gefahr sowohl für das verletzte, als für das operierte Auge 
in sich (Ulcus serpens). 

Die Entzündungen der Bindehaut lassen sich leicht durch den Befund 
im Mikroskop erkennen. Die Pneumokokkenconjunctivitis durch den bekannten 
Diplococcus lanceolatus, die Conjunctivitis nach Koch«Weeks durch einen 
zarten gramnegativen Bacillus, die Diplobazillenconjunctivitis (Morax, 
Axenfeld) durch einen gewöhnlich plumpen gramnegativen Diplobadllus, 
die Gonorrhoe durch den bekannten gramnegativen Diplococcus, und die Diph¬ 
therie durch den grampositiven Diphtheriebacillus. 

Die Uebertragung dürfte durch direkten Kontakt mit dem Sekret, durch 
Staub oder durch Tröpfcheninfektion beim Husten, Niesen, Sprechen erfolgen. 

Eine mechanische Beizung der Lider bedingt nach den Versuchen von 
Bömer eine größere Empfänglichkeit für die Infektion. 

Wenn der Höhepunkt der Entzündung überschritten ist, sind die 
pathogenen Erreger spärlich oder garnicht im Sekret zu Anden. 

Bindehautentzündungen können, wie die Versuche mehrerer Autoren 
beweisen, auch abakteriell durch mechanische oder chemische Beize auf treten. 

Für gewisse pathogene Mikroben bildet die Conjanctiva einen ausge¬ 
zeichneten Nährboden, dahin gehört der Bacillus Koch«Weeks, der 
Gonococcus und Diplobadllus (Morax, Axenfeld). Pneumokokken können 
einmal ganz harmlos sein, ein anderes Mal eine heftige Entzündung hervor- 
rufen. Die Virulenz der Pneumokokken, ein gewisser refraktärer Zustand der 
Bindehaut gegen diese Erreger und die Hyperämie der Conjanctiva sind beim 
Entstehen einer Entzündung wahrscheinlich von großer Bedeutung. 

ln seinen weiteren Ausführungen geht der Verfasser auf die verschiedenen 
klinischen Formen der Konjunktivitiden ein und bespricht die therapeutischen 
Maßnahmen. 

Erwähnenswert Ist, daß Pneumokokkenkonjunktivitlden epidemisch ln 
Schulen auftreten können, daß bei der Blennorrhoe der Neugeborenen nicht 
allein die Gonokokken, sondern auch alle bereits genannten Keime eine Bolle 

S ielen. Es ist bekannt, daß zuweilen sogar eine zu energische Argentum« 
iträuflung nach Cr6d6 eine heftige Entzündung provozieren kann. 

Zum Schluß empfiehlt der Verfasser eindringlich bakteriologische Unter¬ 
suchungen des Konjunktivalsekrets, da sie für die Therapie und Prognose von 
großer Wichtigkeit sind. Dr. Kurpjuweit-Swinemttnde. 

g. Syphilis. 

Wie kann der Arzt die Wassermannsehe Beaktien ohne Torkenntnlz 
leicht vornehmen! Von Prof. Dr. E. v. Dun gern-Heidelberg. Münchener 
medizinische Wochenschrift; 1910, Nr. 10. 

Die Wassermannsehe Beaktion ist, trotzdem sie für die Erkennung 
der Syphilis von sehr großer Bedeutung ist, bisher noch nicht Gemeingut der 
Aerzte geworden, weil sie ziemlich kompliziert ist und einerseits serologische 
Kenntnisse, anderseits entsprechende La boratoriumseinrichtungen voraussetst. 



Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


601 


Verfasser gelang es nach einer bereits Ton No guck i angegebenen, 
von ihm vereinfachten Methode, die Reaktion ohne jegliche Vorkenntnisse mit 
käuflichen Reagentien vorzon ahmen. Er hat nämlich die Firma Merck ver¬ 
anlaßt, die notwendigen Reagentien bereits austitriert in den Handel zu bringen 
— pro Reaktion um den Preis von ca. 1 M. Die Vornahme der Reaktion ge¬ 
staltet sich nach seiner Angbe folgendermaßen: 

Man füllt 2 Reagensgläser mit je 2 ccm physiologischer Kochsalz¬ 
lösung ein. ln das eine Röhrchen kommt außerdem ein Tropfen alkoholischer 
Organextrakt. Man bringt dann in jedes Röhrchen ein mit einer bestimmten 
Menge Meerschweinchenserum getränktes Komplementpapier. 

Dem Patienten wird hierauf aus der Fingerbeere etwas Blut entnommen 
und in einem Uhrschälchen mit einem Streichholz defibriniert. Von diesem 
Blut wird dann 0,1 ccm in die Flüssigkeit gebracht. Nachdem man gut ge¬ 
schüttelt hat, läßt man die Mischung eine Stunde stehen und fügt danach 
in jedes Reagensglas eine bestimmte Menge Immunserum hinzu. Schon nach 
wenigen Minuten beginnt das Resultat sich zu zeigen. 

Handelt es sich um ein syphilitisches Serum, so tritt in dem eben 
ROhrchen, welches den Organextrakt enthält, eine sehr starke Agglutination 
eb, während die Blutkörperchen in dem anderen Röhrchen suspendiert bleiben. 
Nach kurzer Zeit erfolgt in der Kontrolle Lösung. Wenn die Reaktion negativ 
ist, so geschieht dasselbe auch b dem mit Organextrakt versetzten Reagens- 

{ las. Ist sie dagegen positiv, bo bleibt Flüssigkeit b diesem Röhrchen hell; 
io Blutkörperchen sbd ungelöst ab kompakte Masse mit dem Boden des 
Glases zu erkennen. 

Das bt die ganze Reaktion, welche sich dem Verfasser in ihren 
Resultaten bisher sehr bewährt und mit den Ergebnbsen der Wasser- 
mann sehen Reaktion stets ttbereingestimmt hat. Dr. Waibel-Kempten. 


Ueber die Hemmung der Wassermannschen Reaktion durch Sublimat 
und über die Möglichkeit) dieselbe aufsuheben. Von G. Satta und 
A. Donati, Assistenten deB pathologischen Instituts der K. Universität b 
Turin. Münchener medizinische Wochenschrift; 1910, Nr. 11. 

Es erschien den Verfassern besonders wichtig, wie sich Sublimat bei 
der Komplementbindung von syphilitischen Seris verhielt. Aus den von ihnen 
angestellten Versuchen ziehen sie folgende Schlußfolgerungen: 

1. Das Sublimat hemmt das Komplementbindungsvermögen der syphili¬ 
tischen Sera. 

2. Die durch Sublimat gehemmte antikomplementäre Wirkung wird 
durch eb geeignetes Mittel, welches das Quecksilber b ebe nicht dissoziier¬ 
bare Verbindung umsetzt, wieder hergestellt. 

8. Die Voraussetzung, das Verschwbden des Komplemente bei der 
Wassermannschen Reaktion sei die Folge ober fermentativen Wirkung, 
findet ebe Stütze in dem Umstande, daß wohlbekannte Fermente sich gegen 
Sublimatzusatz und nachfolgende Behandlung mit Kaliumzyanidlösung genau 
so verhalten, wie das syphilitische Serum. Dr. Waibel-Kempten. 


Aeltere und neuere Anschauungen Aber die Qnecksilberbehandlung 
der Syphilis. Von Dr. Hübner-Marburg. Fortschritte der Medizb; 
1910, Nr. 13. 

Sobald die Diagnose „Syphilis" durch den Nachweb der Spirochaete 
pallida festgelegt ist, muß mit der Quecksilberkur begonnen werden. Kebe 
schematische Wiederholung der ebzeben Kuren und auch kebe symptomatische 
Behandlung, sondern der Kranke bt so lange, so intensiv und so oft mit 
Quecksilber zu behandeb, bb die Wassermannsche Reaktion negativ ist und 
negativ bleibt. Die Kuren sind unter Wahrung aller Kautolen so lange aus- 
zudehnen, bb die positive Reaktion verschwbdet; die Indikationen zu den 
chronbch-btermittierenden Kuren werden durch die chronisch-intermittierenden 
Blutuntersuchungen gegeben werden. Am besten bt, wenn nach Stellung der 
Diagnose durch Spirochaetennachweb eb Primäraffekt noch vor Ebtritt der 
positiven Reaktion die Behandlung so früh und so energbeh eingeleitet wird, 
daß die Reaktion sich bei dem Patienten überhaupt nicht ausbildet. 

_ Rpd. jun. 



602 


Kleinere Mitteilungen nnd Referate ans 2 


Beitrag nur Behandlung der Syphilis mit ate 
Von 0. Boethke-Dortmund. Medizinische Klinik; : 

Verfasser erzielte mit Hydrargyrnm atoxylicon 
0,1 g in die Glutealgegend eingespritzt — sehr grate 
frischer Lues heilten die primären Ulcera nnd Indurati 
ein Exanthem eintrat, ln 16 Fällen von sekundärer I*u 
durchweg gut, dagegen nicht so sehr in 3 Fällen vc 
fasser ist der Ansicht, daß hierbei ohne Jodkali kein 
Bei 2 von 4 behandelten Frauen versagte das Mitte 
seiten der Augen wurden nicht beobachtet. Zweima 
Urin. Dagegen klagten die Patienten fast durchweg t 
Injektionen; einige Male trat Fieber auf, verbanden 
schmerzen. Rezidiven wurden nicht beobachtet. 

In welcher Welse wirkt das Quecksilber be 
Behandlung auf den Ausfall der Seroreaktion f Von 
Assistent der K. Universität«-Klinik für Hautkrankheitei 
med. Wochenschrift; 1910, Nr. 17. 

Zur Erklärung der Wirkung einer spezifischen E 
diagnose gibt es 3 Möglichkeiten: 

1. Das Hg kann das Serum hämolytisch machen. 

2. Das Hg kann die im Luesserum vorhandenen 
Substanzen zerstören oder paralysieren. 

3. Das Hg kann die Produktionsstätten der 
Substanzen direkt angreifen oder auf das Virus selbst wi 

Um diese Fragen zu lösen, hat Verfasser untersi 
der Wassermannschen Reaktion mit der Intensität d 
in Beziehung steht. 

Nach ausführlicher Beschreibung der Untersuchen 
Untersuchungen kommt Verfasser zu folgenden Schlußsät: 

1. Es findet sich positive Reaktion auch bei stärkst! 
negative Reaktion auch bei geringer und fehlender Hg-A 

2. Eine vorher negative Reaktion kann positiv werc 
heit mittlerer und größter Hg-Mengen im Blut. 

3. Eine unter dem Einfluß der Kur negativ gewor* 
wieder positiv werden trotz der Remanenz von Hg. 

4. Das im Serum eines behandelten Syphilitikers entJ 
imstande, die komplementbindende Substanz im Serum einei 
Syphilitikers zu zerstören oder zu paralysieren. 

5. Die klinische Beobachtung lehrt, daß bei frischer 
Rinfluß der Hg-Behandlung auf den Ausfall der Serodiagi 
schieden ist. 

Auf Grund dieser Ergebnisse ist die von Epstein ui 
Kaninchen gefundene Tatsache der Einwirkung des Hg an 
ablenkende Substanz für den Menschen als unzutreffend erw 

6. Der Hg-Gehalt des Organismus ist ohne direkte: 
Ausfall der Seroreaktion. 

7. Hg hat nur einen indirekten Einfluß auf den j 

diagnose, weil es das Syphilisvirus selbst angreift und nicht 
bindenden Stoffe. _ Dr. Waibel 

Die Verhütung der Geschlechtskrankheiten^ insbesoic 
heim Militär. Von Stabsarzt Dr. Gilardonl Giornale di k 
1909, Bd. 10—11. 

Die für die Bekämpfung der Geschlechtskr&nkheitep 
griffenen Maßnahmen bedürfen noch eines weiteren Ausbai 
gänzung. Bisher kommen die vorschriftmäßigen ärztlichen 
Belehrungen und Listenführungen über die Kranken z 
G. hält es nun für sehr wichtig, daß bei den ärztlichen 
individueller verfahren wird. Die bisherige OeffentMkeit de 
das Bekanntwerden der Erkrankung bei den Vorgesetzten und 
viele Soldaten davon zurück, ihr Leiden einzugeatehen. Am b 



Kleinere Mitteilangen and Referate ans Zeitschriften« 


603 


Untersuchung in besonderen Räumen ohne Anwesenheit weiterer Zeugen vom 
Arzte Yorgenommen werden. 

Auch Yon Seiten der Militärärzte ist möglichst großer Wert auf die 
Stärkung und Erhaltung des VertrauensVerhältnisses zwischen Arzt und 
Kranken zu legen. Eine gute Gelegenheit, um dem Soldaten menschlich näher 
zu treten, bieten Vorträge und Belehrungen. Sie sind wohlmöglich mit 
Unterstützung Yon Lichtbildern zu veranstalten. 

Sehr gute Erfolge Yerspricht sich G. von der Verteilung kleiner Taben 
Metschnikof fscher Salbe. Dm einer guten Herstellung und vorschriftsmäßigen 
Zusammensetzung sicher zu sein, wäre es zweckmässig, die Verausgabung der 
Tuben von der militärischen Zentralapotheke erfolgen zu lassen. Falls dann 
die Anwendung der Salbe spätestens eine 8tunde nach der Infektion erfolgt, 
wird auf eine sichere Wirkung gerechnet werden können. Ein Soldaten¬ 
merkblatt und Anweisung für den Gebrauch der Salbe ist am Schluß angegeben. 

_ Dr. Dohrn-Hannover. 

h. Andere Krankheiten. 

Ueber das Vorkommen von Mäusefavus beim Menschen. Von Dr. 
B. Chajes-Berlin. Medizinische Klinik; 1910, Nr. 4. 

Der Mäusefavus ist in Deutschland nicht häufig. Er tritt als Körper- 
favus auf. Verwechselung mit Herpes tonsurans ist leicht. Der Kulturnach¬ 
weis auf dem Sabourandschen Nährboden und das Vorkommen der Scutula 
schützt vor Fehldiagnosen. Die Behandlung erzielt gute Resultate mit Jod¬ 
tinktur und mehrmanligen Röntgenbestrahlungen. Rpd. jun. 


Zur Aetlologle des Lupus vulgaris. (Der regelmäßige Nachweis des 
Erregers.) Von Dr. M. Krüger, Assistenzarzt an der Chirurg. Abteilung des 
städt. Krankenhauses zu Altona. Münchener mediz. Wochenschrift; 1910, 
Nr. 22. 

Verfasser kommt auf Grund seiner zum Teil ausführlich mitgeteilten 
Untersuchungen und Protokolle zu dem Schlosse, daß wir berechtigt sind, den 
Lupus vulgaris für eine wahre Taberkulose zu halten. Es steht für den 
Lupus vulgaris fest, daß durch die Antiforminmethode der Erreger in jedem 
Falle nachweisbar ist. Er ist das Tuberkulosevirus, das als Ziehlsches 
Stäbchen häufiger als die Much sehe Form zu finden ist. 

_ Dr. Waibel-Kempten. 

L Desinfektion. 

Desinfektionsmittel: Ihre wissenschaftliche Anwendung, ihre kur- 
pfuscherlsche Anwendung und Ihre Gefahren. Von F. W. Naylor Bar low, 
M. R. C. S., L. R. C. P., D. P. H., Barrister -at- Law. Medical officer of health, 
Wallasey Urban District. Vorgetragen in der Society of medical officers of 
health. 11. März 1910. Public health; 1910, XXIII, Nr. 7. 

Der Autor will nachweisen: 1. daß ein großer Teil der Desinfektion, 
wie sie in England jetzt ausgeführt wird, nichts anderes ist, als Kurpfuscherei 
in ihrer schlimmsten Form; 2. daß von der übrigen vieles nutzlos ist: a) weil 
das angewandte Mittel keinen Wert hat, oder b) weil die Art der Anwendung 
falsch ist; 3. daß demnach beim Ankauf von Desinfektionsmitteln viele öffent¬ 
liche und private Summen verschwendet werden; 4. daß die verschrobene Vor¬ 
stellung, welche das Publikum vom Werte der Desinfektionsmittel hegt und 
von der Desinfektion selbst, eine echte Gefahr darstellt. 

Man sollte meinen, daß infolge ihrer genauen Kenntnis der übertrag¬ 
baren Krankheiten und der Art ihrer Vorbeugung die Amtsärzte in bezug auf 
die Art, die Zeit und den Ort der Desinfektion für ihre Behörden die ma߬ 
gebenden Sachverständigen seien. Dieses ist aber nicht der Fall. Ent¬ 
scheidend sind die Fabrikanten der Desinfektionsmittel und ihre Chemiker; 
sie berichten nicht nur darüber, welches Mittel Anwendung zu finden hat, 
sondern auch zu welchen Zwecken. Ein angesehener medical officer of health 
erlebte vor einiger Zeit eine ausgedehnte Scharlachepidemie, auf deren 
besonderen Verlauf infizierte Milch von großem Einfluß war. Sein Bericht 



604 


Kleinere MitteÜungpn und Referate aus Z( 


wurde tob der Behörde anerkannt, kam nur Kenn 
glieder und wurde dadurch Öffentlich bekannt. Plöt 
Tageszeitung Briefe, die die Darlegungen des Amtsar 
jeden Zusammenhang mit der Milch ablehnten und den 
der Krankheit darin suchten, daß er bei der Deainl 
Häuser das richtige Desinfektionsmittel nicht habe a 
liebes haben auch andere Amtsärzte erlebt. Besondc 
Desinfektion der Schulen richten solche Zeitungsartik 
wohl sie von Chemikern verfaßt sind, werden sie mit 
erscheinen stets zu Zeiten von Masern- oder Scharlachs 
auch dann, wenn Verträge Ober Ankauf von Waren, 
mittel seitens der Behörde bevorstehen. 

An den Amtsarzt kann auch die Zumutung he 
sammensetzung unbekannte Mittel zu empfehlen, aus der 
weil der Fabrikant am Orte wohnt und die Gemeindei 
Neigung haben, einheimische Industrien zu fordern. Da 
lose Substanzen oft unter dem Namen „ Desinfektionsmi 

Die Desinfektionsmittel werden benutzt: 1. mit 
Besprengen der Straßen; 2. zum Benetzen der Aschenb 
in Mauselöcher, AbfallrOhren, 4. auf freie Plätze gegosse 
Tabloids werden in den Waschräumen von Hotels, Schif 
aufgehängt. Vor 2 Jahren — beim Auftreten der Pest 
der 1 mile lange Landungssteg, auf dem keinerlei 
gekommen waren, mit einem starken Desinfektionsmittel 
Anwendungsarten sind zwecklos. Trotzdem werden d 
hierzu auch noch Leute, von den Sekretären der Unterricl 
sehen Ingenieuren, den Sanitär? inspectors und geL 
dical officer of healt selbst verordnet. Das Bestreuen de 
Entleerung mit einem sog. desinfizierenden Pulver wai 
des Verfassers so üblich, daß die Aufhebung der Sitte 
von Steuerzahlern auslOste, welche sich darüber beklagte 
Folgen prophezeiten. 

Wie wird nun bei übertragbaren Krankhe 
tatsächlich gehandhabt? Der obligatorischen Anzei 
Pocken, Scharlach. Flecktyphus, Unteneibstyphus, Erysi 
Diphtherie. Fakultativ werden angezeigt: Masern, Ke 
Tuberkulose. 

Nun unterscheiden sich die Erreger dieser Kran! 
noch nicht alle bekannt sind — in bezug auf ihre infe 
bedeutend. Der Erreger des Scharlachs ist in vielen 
näckig, der der Masern verhältnismäßig wenig festhaftei 
zellen können durch die Luft übertragen werden; Diphtl 
persönlichen Kontakt. Trotz ihrer Verschiedenheiten wirc 


Englands dieselbe Art der Desinfektion nach jede 
ausgeführt Hausdesinfektion auf irgendeine Weise fin 
Diphtherie, Scharlach und Pocken statt, auf dem Lande 
in recht unvollkommener Form. Die meisten der große 
nach Tuberkulose, viele der kleineren nicht; manche nacl 
leibstyphus, — die meisten nicht Trotz ihrer großen 
Keuchhusten nie, nach Masern nicht oft desinfiziert. 
26 Londoner medical officers of health ergaben, daß ns 
Infektion nach Masern aussprachen, und von diesen n 
Zwecken. Es gibt Hospitäler für ansteckende Krankheit« 
vor ihrem Ausgang ihr Haar waschen und ihre Kleidung 
und andere in denen keine Vorsichtsmaßregeln dieser i 
Trotzdem haben auch in den letzteren Fällen Krankheit 


stattgefanden. Eine Reihe von Amtsärzten, darunter 
Hausdesinfektion, wie sie gewöhnlich ausgeführt wird, i 
noch weniger der Schuldesinfektion. Ueber den Weit 
infektionsmittel herrschen unter den medical officers < 


Meinungsverschiedenheiten; es findet Bich unter ihnen 
Zahl, die skeptisch der Frage gegenüberstehen, ob aus i 
Vorteil sich ergibt oder nicht 



Kleinere Mitteilungen and Referaft aas Zeitschriften. 


605 


Jede Krankheit sollte nach ihrer Eigenart behandelt werden. Bei 
Typhös sollte die Desinfektion sich auf die Betten und die Hauskanäle be¬ 
schränken, bei Diphtherie aof die Ausflüsse von Nase and Mond. Es ist un¬ 
möglich bei übertragbaren Krankheiten so za desinfizieren, wie der Arzt im 
Operationsraum die von ihm gesetzten Wanden desinfiziert. In der Be¬ 
schränkung zeigt sich erst der Meister! — Das Pablikam verlangt aber heute 
Desinfektion bei allen möglichen Krankheiten, bei denen sie ganz wertlos ist. 
In Amerika hat man sogar den Mut der Ueberzeugung in so hohem Maße 
gehabt, daß nach Diphtherie und Scharlach keinerlei Hausdesinfektion von der 
Gesundheitsbehörde angeordnet wird. Von 1905 bis 1908 kamen ohne Haus¬ 
desinfektion in Providence, U. S. A., 159 Diphtheriefälle mit 1,74°/o neuen 
Fällen vor; in den 14 Monaten vorher unter denselben Umständen waren aber 
nach Desinfektion der Häuser durch Spray: 646 Fälle aufgetreten mit 1,86°/ 0 
neuen Fällen in demselben Hanse. 

Die Hygieniker sollten ihre Behörden und das Publikum dahin aul¬ 
klären, daß chemische Desinfektionsmittel nur geringen Wert haben, nnd daß 
das Geld, das jetzt für sie verausgabt wird, besser für Seife, Soda und Bürsten 
verwandt werden kann. — «Einen öffentlichen Irrtum zu widerlegen, ist oft 
eine undankbare Aufgabe. Einen Irrtum, der durch Ueberlieferung und Autori¬ 
tät gestützt ist, zu widerlegen, wird Widersprach auslösen. Ist aber der 
Irrtum das Ergebnis exakter Forschung und wird er von den besten Namen 
unterstützt, so wird seine Bekämpfung als rückschrittlich gebrandmarkt.“ 

In der an den Vortrag sich anschließenden JDiskussion hob J. C. T. 
Nash, County medical officer of Health, Norfolk, hervor, daß bei passender 
Art der Anwendung den Desinfektionsmitteln^ immerhin ein Wert nicht abzu- 
sprechen ist. Die Fabrikanten machen allerdings oft widersinnige Ansprüche. 
Bei Diphtherieausbruch in der Schule genügt^ bakteriologische und klinische 
Feststellung der Erkrankung. Desinfektion der Schulräume nach Ausbruch 
der Epidemie ist wahrscheinlich überflüssig. Reinigung der Wände und Böden 
mit heißem Wasser, Seife und Bürste, „ Entfernung des Schmutzes ist die 
Hauptsache. 

William B u 11 e r • Willesden erklärte sich für Wohnungsdesinfektion nach 
8charlach und nach Erysipel — hier wegen der Gefährdung etwaiger Wöch¬ 
nerinnen durch Rosekeime. Auch er hat seiner Behörde den Rat gegeben, 
auf chemische Desinfektionsmittel zu verzichten, konnte aber nicht durch¬ 
dringen, da man den Vorwurf fürchtete, möglicherweise eine unschuldige 
Maßnahme versäumt zu haben. Er schlägt vor, ale gesamte Society of medical 
officers of health in der Frage der Desinfektionsmittel zu hören. 

Dr. F. J. Allan-Westminster widerlegte die Ansicht, daß die Pflege¬ 
rinnen in Infektionskrankenhäusern Krankheitsfälle, nicht nach außen weiter¬ 
verbreiten könnten. Er erinnert an Pocken und Scharlach. In einem Falle 
war sogar der Arzt an der Verbreitung schuld.?: Vor§ der Schuldesinfektion 
hat die Reinigung wesentliche Vorzüge; sie wird aber zu selten gehandhabt. 
Manche der Londoner church schoolsAwerden nur, einmal im halben Jahre 
feucht gereinigt oder in den Ferien. Beim Sprayen mit Desinfektionsmitteln 
glaubt man die großen Kosten der wöchentlichen Reinigung sparen zu können. 
Auch seine Gemeindebehörde habe? für ^Desinfektionspulver 200 £ im Jahre 
ausgegeben; man habe aber die unnütze Verschwendung später eingestellt. 

Dr. P. Caldwell Smith-Battersea gab im Jahre bei einer Bevölkerung 
von 800000 Einwohnern nur 10—12 Shilling für Desinfektionsmittel aus, außer 
Formalin und Schwefel. Er hat keine größere Erkrankungshäufigkeit in seinem 
Bezirk, als andere Amtsärzte, wahrscheinlich noch weniger. Auch er schlägt 
vor, die Frage der Dampf- und der chemischen Desinfektion vom Vorstand 
der Gesellschaft einer neuen Untersuchung unterwerfen zu lassen. Auf die 
Tüchtigkeit ausgebiideter Desinfektoren sei besonderes Gewicht zu legen. 

Die Gesellschaft beschloß die ganze Frage der Desinfektion durch die 
einzelnen branches der Gesellschaft neu beraten'zu lassen und diese znm 
Bericht aufzufordern. _ Dr. M aj e r - Simmern. 

Ueber das bakterizideJVerhalten de»-Wasserstoffsuperoxyds unter 
verschiedenen physikalischen und chemischen Bedingungen, mit besonderer 
Berücksichtigung des „Wasserstoffsuperoxyds in statu nascendl“. Von 



606 


Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften, 


Dr. phil. nat. Fr. Croner. Ans dem KönigL Institut für Infektionskrankheiten 
in Berlin. Zeitschrift für Hygiene and Infektionskrankheiten; Bd. 68, 8. 819. 

Croner kommt auf Grund seiner experimentellen Untersuchungen an 
folgenden Schiaßergebnissen: 1. Daß das aus Superoxyden, Natrium* oder 
Magnesiumsuperoxyd, freigemachte Saperoxyd im „statu nascendi“ von 
ganz besonderer desinfektorischer Wirksamkeit sei, konnte nicht bestätigt 
werden. Vielmehr haben Wasserstoffsuperoxydlösungen gleicher Konzentration 
und gleichen Säuregehalts dieselbe Desinfektionswirkung, gleichgültig, ob man 
sie aus Superoxyden freimacht, oder ob man dem neutralen Perhydrol Säure 
zusetzt. 2. Neutrales HiO» hat nur geringe desinfektorische Kraft. Man 
kann sie steigern, wenig durch Alkali-Zusatz, dagegen aber beträchtlich durch 
Säurezusatz. 8. H« 0» ist bei 0° ein schwaches Desinfektionsmittel. Eine 
0,lproz. Lösung von Zimmertemperatur -f* Sproz. Essigsäure 
kommt jedoch schon einer 2—3pros. Lysollösung gleich. Bei 
87° wurden durch eine derartige Lösung Kartoffelbazillen¬ 
sporen, die eine Resistenz bis zu einer */< Stunde gegenüber strömendem 
Dampf aufwiesen, schon in einer halben Stunde abgetötet. Allgemein 
gesagt: eine Temperatursteigerung um 20° steigert die desinfektorische Kraft 
derHtOi so beträchtlich, daß z. B. eine O,lprozentige Lösung bei 87° 
gleich einer 2prozentigen bei 17° ist. 4. Die Gegenwart von Eiwei߬ 
körpern beeinflußt die Desinfektionskraft des Mittels nur in geringem Maße. 
5. Die Lösungen des Pergenols (Chemische Werte Byk), eines festen un- 
zersetzüchen H* 0«-Präparates, wirken wie die entsprechenden Verdünnungen 
▼on reinem HtO».— Auf Grund dieser Befunde und der Arbeiten von Beck, 
Bruhns, 0. Müller und Bodo Schmidt glaubt Verfasser das Mittel für 
alle Fälle der Chirurgie empfehlen zu können, ebenso seine Anwendung (lau¬ 
warm) für Friseurgeschftfte und infizierte (grob verschmutzte) Wäschestücke, 
die nach Traugott vollständig steril gemacht werden können. Auch die 
Händedesinfektion mit warmer HiOi-Lösung dürfte hiernach eine sehr wirk¬ 
same und empfehlenswerte sein. _ Dr. Symanski-Metz. 


8. Hygiene der Nahranga- and GenassmltteL 
Ueber Fütterungsversuche an Mäusen mit gesundem Flelseh. Aus 
dem bakt. Institut der Landwirtschaftskammer zu KieL Leiter: Dr. B u g g e. 
Arbeit V. Von Albin Schellhorn, Sanitätstierarzt in Preetz (Holstern). 
Zentralbl. f. Bakt.; I. Abt., Orig., Bd. 54, H. 5. 

Schellhorn kommt auf Grund ausgedehnter Untersuchungen zu dem 
Schloß, daß der Mäusefütternngaversuch für die Zwecke der Beurteilung den 
Fleisches notgeschlachteter Tiere ungeeignet ist, weil sie sich einerseits zu sehr 
in die Länge zieht, da die Mäuse im Durchschnitt erst am 4.-5. Tage nach 
der Verfütterang infizierten Fleisches starben, anderseits aber unzuverlässige 
Resultate ergibt, da sowohl bloße Fleischnahrung genügt, um den Tod von 
ca. ßO°/ 0 der gefütterten Mause herbeizuführen, als auch bei Verfütterang 
infizierten Fleisches ein erheblicher Prozentsatz der Mäuse am Leben bleiben kann. 

Um das erstere der beiden zuletzt angeführten Momente auszuschalten, 
empfiehlt es sieb, das zu prüfende Fleisch nicht rein, sondern mit 8emmel 
gemischt zu verfüttern, da diese gemischte Nahrung ganz erheblich besser 
vertragen wird, als reine Eiweißnahrung. Prot Dr. Lents-Berlin. 


Beitrag zur Fleiehrergiftung, bedingt durch den Bacillus enterltldis 
Gaertner. Von Dr. Bröckle, Oberarzt, kommandiert zu dem hygienischen 
Laboratorium des Königl. Württembergischen Medizinalkollegiums. Münchener 
med. Wochenschrift; 1910, Nr. 28. 

Verfasser berichtet über eine kleine Fleischvergiftungsepidemie in 
Zazenhausen, welche 14 Personen umfaßte. 

Als gemeinschaftliche Ursache der Erkrankung wurde notgeschlach- 
totes Kalbfleisch ermittelt, aus dem durch eingehende, im Original näher 
geschilderte Untersuchungen ein Bacillus gezüchtet wurde, der seinen Eigen¬ 
schaften gemäß dem Typus I der Fleischvergifter, der Gärtnergrappe 
angewiesen werden mußte. _ Dr. W a i b e 1 - Kempten. 



Kleineret Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


607 


Ceber den bakteriologischen Befund bei einem Fall ron Käse- 
Vergiftung. Von Dr. Hermann Dold in London. Deutsche med. Wochen¬ 
schrift; 1910, Nr. 8. 

Schon frühere Unteraachungen machten es zweifelhaft, ob für Käse- 
Vergiftung das von Vaughan gefundene Ptomain Tyrotoxikon verantwortlich 
zu machen ist. Gelegentlich einer innerhalb eines Tages vorübergehenden 
Käsevergiftung von 5 Personen wurde dieses Ptomain in dem äußerlich völlig 
einwandfreien Hartkäse vermißt, dagegen wurden aus diesem Bakterien fast 
in Reinkultur gewonnen, die als Milchsäurebazillen identifiziert wurden, wie 
sie ja im Käse normalerweise vorhanden sind. Hier mußte, wie es bei Bakterien 
der Coligruppe auch vorkommt, eine zufällige Pathogenität des Bacterium 
acidi lactici angenommen werden, die experimentell an Kaninchen durch auf¬ 
fallende Veränderungen der Fäzes nach Verlütterung wahrscheinlich gemacht 
wurde. Dr. Liebetrau-Hagen i. W. 


Ueber die Zerstörung der im Brote enthaltenen pathogenen Stoffe 
darob den Baekprozoss. Das Brot Ist ein aseptisches Nahrungsmittel. 
Von B. Auch6. Röunion biologique de Bordeaux. Comptes rendus de la 
soc. de biol.; LXVIII, 1910, Nr. 7. 

Auch 6 hatte 1909 in den Sitzungsberichten der Biologischen Gesellschaft 
von Bordeaux nachgewiesen, daß Tuberkelbazillen, die dem Teig ver¬ 
schieden großer Brote einverleibt worden waren, nach dem Backprozeß ihre 
Virulenz verloren hatten. (Die Arbeit ist in Nr. 23 dieser Zeitschrift 1909 
referiert worden). In einem dem Conseil d’bygiene publique et de salubritd 
des Seinedepartements erstatteten Berichte hat Laveran diese Arbeit er¬ 
wähnt und ihre Schlußfolgerungen anerkannt. 

Nun können aber durch Wasser, durch Mehl, durch die Hände, durch 
den Speichel, der beim Kneten in den Backtrog gelangt, andere pathogene 
Keime in den Teig eingeführt werden, außer dem Taberkelbazillen; der Autor 
denkt hierbei an die Diphteriebazillen, die Meningokokken, die Pneumokokken, 
die Typhus- und Rohrbazillen, die etwa von Bazillenträgern in den Teig 


gelangen können. 

Die Versuche des Verfassers ergaben nun, daß die Kulturen der 
Typhusbazillen, vom Paratyphus B., der Ruhrbazillen (Typus Flexner und 
Shiga), der Kolibazillen, des Streptococcus pyogenes, des Staphylococcus 
aureus im Brote von einem Sou und solche von einem Kilo - Gewicht eingefühlt, 
durch den Backprozeß vollständig zerstört werden. In viel 
höherem Grade werden demnach jene Keime, die durch Vermittlung des 
Wassers, des Mehls, der Hände oder des Speichels der Bäcker in den Teig 
gelangen, zerstört, da sie in geringerer Zahl dem Teig einverleibt werden 
und nicht wie in den Versuchen des Verfassers in einem flüssigen Medium 


hineingelangen, sondern aus innigste mit ihm gemischt sind. 

Brotkrume aus gewöhnlichen Verkaufsbroten ergab ebenfalls stets 
negative Resultate. Abgesehen von Beschmutzungen der Oberfläche, die nach 
dem Verlassen des Bockofens ja immerhin möglich sind, ist demnach das 
Brot als aseptisches Nahrungsmittel anzusehen. 

_ Dr. Mayer-Simmern. 


Zur Frage der Differenzierung von Natur- und Kunsthonig auf bio¬ 
logischem Wege. Von Prof. 8 c h ü t z e - Berlin. Medizin. Klinik; 1910, Nr. 11 
Verfasser versetzte 5 g reinen Naturhonig mit 5 g psychologischer 
Kochsalzlösung und spritzte diese Lösung gesunden kräftigen Kaninchen unter 
die Haut. Im Verlaufe eines Monates erhielten sie auf diese Art ungefähr 
30 g Honig. In der gleichen Weise behandelte er andere Kaninchen mit 
Kunsthonig. Acht Tage nach der letzten Injektion wurden die Tiere entblutet 
und das Serum gewonnen. Es fand sich, daß das unerhitzte Serum der mit 
Naturhonig behandelten Kaninchen in einer homologen Honiglösung eine Präzi¬ 
pitation bei 37 0 im Gegensatz zu normalem Kaninchenserum hervorrief, 
während das gleiche Serum in einer Kunsthonigverdünnung keine einwands¬ 
freie Niederschlagsbildung bewirkte. Es waren also während der Behandlung 
der Tiere Antikörper in ihrem Blutserum entstanden, welche mit den im Honig 
vorhandenen Antigenen zur Präzipitation führten. Auch nach Zusatz von 



608 


Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


Serum eines mit Kunsthonig behandelten Kaninchens trat dieses Phinomen 
beim künstlichen Honig nicht auf; es müssen demnach in dem Bienenhonig 
Substanzen Torkommen, die dem künstlichen Honig nicht eigen sind. Weitere 
Untersuchungen müssen ergeben, ob es möglich ist, auch schon geringe Bei* 
mengangen Ton Kunsthonig znm echten Bienenhonig durch ein hochwertiges 
Naturhonig-Antiseram im Kornplementbindungsverfähren aufzuweisen. 

_ Bpd. jun. 


Die Giftigkeit des Holsgelstes (Methylalkohols). Von Dr. Rudolf 
J a k s c h, K. K. Polizei • Oberbezirksarzt in Wien. Der Amtsarzt; 1910, Nr. 1. 

Holzgeist wird in der Lack- und Farbentechnik, zur Denaturation des 
Spiritus, zur Verfälschung von Spirituosen, auch von Cosmetids und Patent¬ 
medizinen verwandt und erzeugt schwere Vergiftungen (8—20 g Blindheit, 
120—240 g Tod), bei Idiosynkrasie schon in kleiner DoBis. Ueberwachung 
des Verkehrs, der Verfälschungen (massenhaft in Amerika, auch in Rußland 
und Ungarn) und der Hantierung mit Holsgeist ist dringend geboten. Er ist 
gesetzlich als Gift zu behandeln und zur Denaturierung ungeeignet. 

_ Dr. HOsch-Pasing. 


8. Gewerbehygiene. 

Die hygienische Bedeutung der Forderung nnd Aufbereitung von 
Bleierzen und bleihaltigen Erzen* Vom internationalen Arbeitsamt zu Basel 
angekaufte Preisschrift. Von Prof. Dr. Th. Sommerfeld-Berlin. Mit 
4 Abbildungen im Text. Vierteljahrsschrift für gerichtliche Medizin und 
Öffentliches Sanitätswesen; 1910, 8. F., 39. Band, H. 1. 

Eine trotz aller Knappheit der Form außerordentlich klare und über¬ 
sichtlich gegebene Darstellung des Themas, die sich mit Vergnügen liest. 

Von den Bleierzen kommt für die hüttenmännische Technik fast aus¬ 
schließlich der Bleiglanz in Betracht, sehr häufig in inniger Verbindung mit 
Gold-, 8ilber-, Kupfer-, Antimon- und anderen Erzen. Die gesundheitlichen 
Gefahren, denen der Bergmann bei der Gewinnung und Forderung von Blei¬ 
erzen und bleihaltigen Erzen ausgesetzt ist, haben nichts eigenartiges, ja sind 
z. T. unbedeutender als bei sonstigen bergmännischen Betrieben. Vom 
hygienischen Standpunkt tritt die Gefahr der Bleivergiftung infolge des 
Bleigehalts der Erze, trotz vielfacher Gelegenheit zur Verunreinigung des 
KOrpers, namentlich der Hände, mit bleierzhaltigem Material, völlig in den 
Hintergrund gegenüber derjenigen, die mit der bei dem Anbohren des Gesteins 
entstehenden Staubentwicklung verbunden ist. Dies findet seine Er¬ 
klärung darin, daß das Blei fast ausschließlich als Schwefelverbindung 
vorkommt, die im KOrper nahezu unlöslich ist. Beim Anbohren des Gesteins, 
namentlich dem maschinellen, bilden sich aber große Mengen feinen, äußerst 
flugfähigen Bohrmels, das in großen Mengen durch die Luftröhre bis zu 
den Lungenbläschen vordringt und hier tiefgreifende Entzündungen nnd Ver¬ 
dichtungen des Lungengewebes erzeugt, Veränderungen, die für die Ansiedlung 
der Tuberkelbazillen einen sehr geeigneten Boden abgeben. Nach englischen 
Berichten war die Sterblichkeit unter den Arbeitern in den Zinngruben 3—4 Mal 
größer als unter der Belegschaft z. B. der englischen Kohlenbergwerke, und 
zwar wurde diese erhöhte Sterblichkeit vornehmlich durch Lungentuberlraloee 
veranlaßt. Hauptsächlich waren die Mannschaften betroffen, 
die mit der Bohrmaschine gearbeitet hatten. Von 142 Todesfällen bei diesen 
Leuten waren 120 durch Schwindsucht verursacht! 

Zur Verhütung dieser Gesundheitsschädigung durch Staub wird ständige 
Berieselung des Bohrlochs während des Bohrens empfohlen, wie die Königliche 
BerginBpektion Clausthal sie eingeführt bat. 

Bei der Aufbereitung d&r Erze, dem Zerquetschen, Zerhämmern, 
Pochen usw. kommt eine Gefährdung der Gesundheit nur an wenigen Arbeits¬ 
punkten in Frage, da die betreffenden Arbeiten sich zum größten Teil auf 
nawem, zu einem geringeren auf trockenem Wege vollziehen. Auf letzterem 
geht die grobe Handseheidung der Erze, das Aufgeben auf den Stab¬ 
rost, der nur Stücke von bestimmter Größe durchläst, die Zerkleinerung im 
Steinbruohe und in Kugelmühlen vor sich. Da es aber nicht notwendig 
ist, daß während der genannten Prozeduren der Gebrauch von Wasser ans- 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


609 


geschlossen wird, so ist man imstande, durch genügende Befeuchtung des 
Erzgutes Tor dessen Aufgabe auf Roste und Fülltrichter jede gesundheitliche 
Gefahr su beseitigen. „Die Verhütung der Staubentwicklung ist somit auch 
in den Aufbereitungsanstalten für Bleierze und bleihaltige Erze eine dringliche 
Forderung des Arbeiterschutzes, zumal durch diese Maßregel die an und für 
sich nur geringe Gefahr der Bleivergiftung beseitigt werden kann.* 

_ Dr. Hillenberg-Zeitz. 


Die Bleivergiftung rom hygienischen Standpunkt und über die Er¬ 
fahrungen, welche in neuerer Zelt ln Bleihtttten über die Verhütung der 
Bleivergiftung gemacht worden sind. Von Oberarzt Dr. Tr embur in Jena. 
Klinisches Jahrbuch; Bd. 22, H. S. 

Der schädigende Einfluß des Bleies auf die menschliche Gesundheit ist 
schon im grauen Altertum bekannt gewesen. Es war besonders in römischen 
Zeiten die lähmende Wirkung des Bleis auf die Geschlechtsfunktionen bekannt. 
Erst im vorigen Jahrhundert ist aber die Bleigefahr in ihren Einzelheiten 
näher erforscht und allgemein bekannt geworden. 

Der Weg auf dem das Blei in den Körper eindringt, ist bei weitem am 
häufigsten der Magendarmkanal. Frauen sollen im allgemeinen häufiger er¬ 
kranken als Männer, weil das Blei sich leichter in der faltenreichen Kleidung 
und in der Frisur ablagert. Auch Alkoholiker sollen wegen ihrer Unacht¬ 
samkeit und mangelhaften Körperpflege besonders gefährdet sein. 

Für die Frau hat die Bleivergiftung deshalb eine besondere Bedeutung, 
weil sie zu frühzeitiger Unterbrechung der Schwangerschaft und Unfruchtbar¬ 
keit führt. Die Zahl der Aborte nimmt bei Frauen, die in ein mit Bleigefahr 
verbundenes Gewerbe eintreten, nach verschiedenen Statistiken außerordentlich 
zu. Auch die Bleivergiftung des Vaters soll auf die Fruchtbarkeit und die 
Gesundheit der Kinder einen weitgehenden Einfluß haben. 

Unter den beiden Formen der Bleivergiftung ist die akute Form Belten, 
die chronische dagegen recht häufig. Genußmittel (Konserven, in bleihaltiges 
Staniolpapier eingewickelte Käse, Bonbons, ferner Mehl) Bind leicht der Gefahr 
der Vergiftung durch Blei ausgesetzt. Sehr wesentlich ist auch die Gefährdung 
durch Genuß von Trinkwasser, das in BleirOhren gestanden hat, zumal wenn 
das Wasser eine spezifisch bleilösende Fähigkeit besitzt. Auch die gewerb¬ 
lichen Betriebe bieten reiche Gelegenheit zur Vergiftung. Es kommen hier 
außer den bekanntlich stark gefährdeten Berufen (Maler, Schriftsetzer etc.) 
auch noch andere, weniger bekannte Erwerbszweige wie die Fabrikation von 
Kabeln, Akkumulatoren usw. in Betracht. 

Bei der außerordentlich umfangreichen Verwendung des Bleis ist es 
nicht zu verwundern, wenn in 4 Jahren zusammen 5698 Personen wegen Blei¬ 
vergiftung in den Krankenhäusern PreußenB behandelt wurden. Unter diesen 
nahmen natürlich die Hüttenarbeiter, die das Blei aus erster Quelle beziehen, 
mit 812 Personen den ersten Platz ein. Wie weit die Bleigefahr reicht, ersieht 
man auch daraus, daß das Malergewerbe in Deutschland allein 185790 Personen 
umfaßt (nach der Gewerbezählung von 1895). Von diesen beschäftigten sich 
schätzungsweise 70°/« mit Bleifarben. 

Die Maßnahmen zur Bekämpfung der Bleigefahr richten sich natur¬ 
gemäß nach der Eigenart des Betriebes. Im allgemeinen ist eine möglichst 
geringe direkte Berührung des Arbeiters mit Blei anzustreben. Hierzu dient 
der Ersatz der Handarbeit durch Maschinen, möglichste Entfernung des Stand¬ 
ortes von der Arbeit, gute Ventilation, Reinlichkeit etc. Sehr wünschenswert 
ist die ärztliche Untersuchung der Arbeiter vor ihrer Anstellung und während 
ihrer Tätigkeit in bestimmten Abständen. Auf die^Notwendigkeit einer per¬ 
sönlichen Hygiene, Mundpflege, Sauberkeit der Kleidung und des Körpers muß 
in Wort und Schrift immer wieder hingewiesen werden. Schließlich wäre auch 
eine bessere Ausbildung der Aerzte in der Gewerbehygiene und die Anstellung 
von Gewerbeärzten dringend wünschenswert. Dr. Dohm-Hannover. 


Gesetzlicher Arbeiterschutz bei Caissonarbeiten in Frankreich. Von 
Dr. Philipp Silber stein, K. K. Polizei-Bezirksarzt in Wien. Der Amts¬ 
arzt; 1910, Nr. 1. 

Nach historischem Rückblick giebt Verf. eine kritische Mitteilung der 



610 


Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschrift 


gesetzlichen Bestimmungen, welche, nach dem Voran gang d 
nun auch in Frankreich, dem Matterland der Druckluftteehnik, g< 
(VgL den Aufsatz des Verl im Oesterr.Sanitits-Wesen; 1909. 

Dr. Hösch 


Vergehen gegen die Klndersehntsbestlmmungen. Voi 
borg-Stuttgart. Die Jugendfürsorge; 1910, Nr. 4. 

Bei den Vergehen gegen den Jugendschutz sind zwei j 
unterscheiden, und zwar die Verfehlungen gegen den Jugend- an 
nach der Gewerbeordnung und ferner die Verfehlungen gege 
schütz nach dem Kinderschutzgesetz. 

Die ersteren Verfehlungen beziehen sich auf die in 
gleichgestellten Anlagen stattfindende Beschäftigung Ton Kii 
Jahren und schulpflichtigen Kindern, yon nicht mehr schulpflic 
über 6 Stunden, von jungen Leuten zwischen 14 und 16 J 
Stunden, Yon jugendlichen Arbeitern in der Nacht, ohne die y< 
Pausen, an 8onn- und Festtagen und während der Stunden 
Unterrichts und auf die Beschäftigung über zugelassene Ausi 
sowie auf den Aufenthalt Yon jugendlichen Arbeitern in den P 

Hierfür wurden im Jahre 1906 im ganzen 1228 gestrai 
und 1150 Yerurteilte Personen gezählt. 

Unter den Vergehen gegen den Kinderschutz kommt 
Betracht die Beschäftigung Yon fremden Kindern in Yerbotenen 1 
arten, im Betriebe Yon Werkstätten, im Handelsgewerbe uuc 
gewerben, bei öffentlichen Schaustellungen, in Gast- und Seht 
und bei Botengängen. 

Die Vergehen gegen diese Bestimmungen waren recht": 
gestraften Handlungen in Höhe Yon 8094 umfassen 14 f / f sämtli 
Handlungen überhaupt. 

Zu den Vergehen gegen das Kinderschutzgesetz gel 
Beschäftigung Yon fremden Kindern an Sonn- und Festtagen; Jb 
267 gestrafte Handlungen und 217 Yerurteilte Personen in Beti 
belaufen sich die gestraften Handlungen auf insgesamt 4588, d 
Personen insgesamt 4436 und somit steht den Vergehen gege 
schütz der zweifelhafte Ruhm zu, bei den Vergehen gegen den 
überhaupt an zweite Stelle zu treten. Das Jahr 1907 zeigt ein n< 
Bild, indem die gestraften Handlungen in Höhe Yon 3944 : 1! 
gestraften Handlungen überhaupt, die verurteilten Personen 
2944 : 19 °/o sämtlicher verurteilten Personen umfassen. 

Diese Erscheinung zeigt wieder deutlich, daß den Kinder 
liehen ein ganz besonderer Schutz zu teil werden muß, daß sie 
sind und der Ausbeutung rettungslos anheim fallen, wenn nicht di< 
Gegenmaßregeln getroffen werden._ Dr. Wolf-Witzei 

4. SÄuglingsfüreorge. 

Sterblichkeit im 1. Lebensmonat. Von Dr. E. Boi 
Zeitschr. t soziale Medizin; Bd. V, H. 2. 

Verf. bespricht die Verhältnisse in Beziehung zur Ge 
Sterblichkeit, die Sterblichkeit in den ersten 30 Lebenstagen, ns 
nach der Abkunft der Geborenes, nach den Beruf der Eltern, ii 
Jahresmonaten und in Stadt und Land sowie die Todesursachen 
monat. Von den Angaben interessieren am meisten die aus 
daher werden sie hier mitgeteilt. Bayern, dessen ausführll 
Statistik die weitgehendste Detaillierung ermöglicht, zeigt die 
aufgezeichneten Sterbeziffern mit 13 Proz. bei den Unehelich 
Geschlechts und die höchste Sterbeziffer in der I. Dekade. Auß 
der Unterschied zwischen den Ziffern der Städte und denen des 
relativ am größten, und'zwar zu Gunsten der Städte, ln Wf 
das mit Baden die höchste Sterblichkeit am 1. Lebenstage auf 
Geschlechtsunterschied der Sterbeziffer mit am geringsten. In i 
infolge des charakteristischen Anstiegs der Sterblichkeit in <3 
das Durchschnittsalter der Gestorbenen am größten ist, fln 



Kleinere Mitteilungen nnd Referate ans Zeitschriften. 


611 


der Einfluß der sozialen Faktoren auf die Sterblichkeit im ersten Monat nur 
gering ist, nnd daß hier der Sommergipfel der Säuglingssterblichkeit schon im 
ersten Monat, ja sogar am 1. Lebenstage in Erscheinung tritt. In Baden ist 
die Sterblichkeit allerdings bei sehr geringer Totgebnrtenqnote nur in der 
1. Woche hoch; außerdem macht sich hier noch ein Anstieg in der 3. Woche be¬ 
merkbar. In Preußen, wo die Sterblichkeit in der 1. Pentade andauernd hoher 
ist als in Sachsen, ist der Unterschied zwischen den ehelichen und unehelichen 
Sterbeziffern nach Frankreich und Norwegen am größten nnd zwar in den 
Städten, deren uneheliche Sterbeziffer, im Gegensatz zur ehelichen, die des 
platten Landes übersteigt. Wie aber die Ziffern von Hessen erkennen lassen, 
dürfen wir uns mit einiger Gewißheit der Hoffnung hingeben, daß es auch in 
manchen deutschen Gebieten möglich sein wird, die Norm zu erreichen, je mehr 
wir darauf hinarbeiten, schon vor, während und nach der Geburt das^Leben 
unserer Neugebornen zu beschirmen und zu erhalten. 

Dr. Wolf - Witzenhausen. 


Organisation zur BekSmpfnng der Säuglingssterblichkeit in Neuss. 
Ton Beigeordneten Kl ein-Neuß. Mutter und Kind; 1910, Nr. 3—4. 

Wenn alle Vorbedingungen erfüllt sind, erhält jede Mutter für den 
eigenen Genuß 1 Liter Vollmilch bewilligt und zwar ,4 Monate lang nach der 
Niederkunft. 

Hie wirksamste Förderung des Selbststillens bei allen dazu fähigen 
Müttern der unteren Volksschichten, die bekanntlich die bei weitem größte 
Kindersterblichkeit anfweisen, erfolgt dnrch die Gewährung von Stillprämien. 

Seit Juni vorigen Jahres hat die Organisation in das Gebiet ihrer Tätig¬ 
keit auch die Besorgung von Pflegerinnen für solche Wöchnerinnen auf¬ 
genommen, die selbst und für ihren Haushalt ohne Hilfe sind. Die Pflege 
beginnt sofort mit der Geburt, wenn notwendig, auch schon vor der Niederkunft. 

Bedürftige und schwache Wöchnerinnen erhalten, wenn sie der Organi¬ 
sation angehören, also selbst nähren, auf die Dauer von 8 Tagen ein ordent¬ 
liches Mittagessen. 

Die Anmeldung der Frauen zum Empfang von Milch und Stillprämien 
erfolgt, soweit es sich um solche handelt, deren Familie von der Armen¬ 
verwaltung unterstützt wird, nur auf dem Armenbureau. Alle übrigen Frauen 
müssen sich, damit der Charakter einer öffentlichen Unterstützung durchaus 
vermieden wird, an jedem Donnerstag-Vormittag in der zu diesem Zweck 
bereitwilligst zur Verfügung gestellten Privatwohnung einer Deputation zur 
Anmeldung einfinden und zwar möglichst einen Monat vor der Niederkunft. 

Wenn eine Mutter, die nach ärztlichem Gutachten imstande ist, ihr Kind 
selbst zu nähren, und bei der auch sonst keine Hindernisse irgendwelcher 
Art vorliegen, sich weigert, ihre Pflicht dem Kinde gegenüber zu erfüllen, so 
werden selbstverständlich Milch und Stillprämie sofort entzogen. 

Sämtliche Frauen müssen bei der Anmeldung eine Erklärung unter¬ 
schreiben, laut welcher sie Kenntnis davon nehmen, daß sie sich des Betruges 
schuldig machen, wenn sie Prämie und Milchgutschein in Empfang nehmen, 
ohne inzwischen ihr Blind ununterbrochen selbst genährt zu haben. 

Das Gedeihen der Organisation ist nicht am wenigsten davon abhängig, 
daß die Aerzte mit der Verwaltung der Deputation und den Bezirksdamen 
freudig und einmütig Zusammenwirken. 

Eine direkte Mitwirkung der Hebammen ist nur erforderlich unmittelbar 
nach der Geburt, und zwar hinsichtlich der Bescheinigungen, ob die Wöchnerin 
ihr Blind selbst nährt. 

Die Oberaufsicht über die gesamte Organisation führt die von der Stadt¬ 
verordnetenversammlung gewählte Deputation. 

Bei jeder Geburtsanmeldung wird ein Merkblatt übergeben, das in 
knapper, leicht verständlicher Form besonders den Wert des Selbststillens her¬ 
vorhebt und dazu die wichtigsten Grundsätze der Säuglingspflege enthält, 
außerdem bei Erstgeburten eine ausführlichere Darstellung der Gesundheits¬ 
pflege des Kindes im Säuglingsalter von Dr. Gustav Custer. Ferner wird 
durch Bekanntmachungen und Veröffentlichungen, die sich auf Maßnahmen, 
Beobachtungen und Erfolge der Organisation beziehen, ständig auf die Be¬ 
völkerung einzuwirken versucht. 



612 


Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


Vom 1. April 1907 bis 1. April 1908 bei 1141 Geburten und 262 Todes¬ 
fällen im ersten Lebensjahre sind aus der Zahl der der Organisation ange¬ 
hörenden Kinder nur 82 im ersten Lebensjahre gestorben. 

_ Dr. Wolf-Witnenhausen. 

Wöchnerlnnenfttrsorge und Beichztagspetitlonen. Von Dr. A. Fischer- 
Karlsruhe. Konkordia; 1910, Nr. 5. 

Die Propagandagesellschaft für Mutterschaftsversicherung, Hauptsita 
Karlsruhe, stellt folgende Forderung: 

1. Den dem Krankenversicherungsgeseta unterstellten Wöchnerinnen 
ist fttr die Dauer von acht Wochen, darunter wenigstens fflr sechs Wochen 
nach der Niederkunft, ein Wöchnerinnengeld in Höhe des vollen Tagelohnes 
nu gewähren. 

2. ln Ergänzung der durch das Krankenversicherungsgesetz den ver¬ 
sicherten Wöchnerinnen gewährleisteten Wöcbnerinnenfftrsorge ist reichs¬ 
gesetzlich zu bestimmen, daß staatlich genehmigte, auf Selbsthilfe beruhende 
Mutterschaftskassen, die vorwiegend fttr nicht versicherungspflichtige Personen 
geschaffen werden, aus Reichsmltteln finanziell zu unterstützen sind. 

Dr. Wolf- Witzenhausen. 


Warum braucht mau auf 81nglingsstationen gebildetes Pflege¬ 
personal! Von Dr. M. Wichura-Freiburg. Zeitschrift f. Säuglingsfttrsorge; 
1910 Nr. 1. 

Es wird jedem einleuchten, daß eine gebildete Person von vorn herein 
fttr die allgemeinen Fragen der Hygiene, fttr einen geordneten Krankendieast, 
wie fttr eine individuelle Pflege ein höheres Verständnis haben wird, als eine 
ungebildete. In der Säuglingspflege und -behandlung ist viel mehr wie in 
anderen Disziplinen ein verständnisvolles Eingehen auf die besonderen Intentionen 
des Arztes seitens der Pflegerin erforderlich. Eine schwere und sehr wichtige 
Aufgabe ist fttr den Säuglingsarzt die Aufrechterhaltung der ärztlichen Au¬ 
torität auf der Säuglingsstation. Auch aus diesem Grunde wird die gebildete 
Pflegerin geeigneter fttr die Säuglingspflege sein. Eine wichtige Nebenaufgabe 
fttr die Kinderpflegerin ist die Mithilfe an der Erziehung der auf der Station 
befindlichen etwas größeren Kinder. Im Verkehr mit den Angehörigen der 
Patienten zeigt sich vor allen die Ueberlegenheit der gebildeten Pflegerin. 
Ein weiterer Uebelstand machte sich bei ungebildeten Pflegepersonal geltend 
auf den Stationen, auf welchen Ammen gehalten werden. Das Prinzip der 
Einheitlichkeit, des gemeinsamen Ziehens an einem Strang, läßt sich natur¬ 
gemäß eigentlich nur mit gebildeten Pflegerinnen erreichen. Fast ftberall, 
wo eine größere Anzahl von weiblichen Personen in enger Gemeinschaft zu¬ 
sammen arbeiten, bilden sich kleine Spannungen und Eifersüchteleien heraus. 
Das behandelte Thema hat auch eine soziale und wirtschaftliche 8eite. Eine 
gute Säuglingsschwester muß zu ihrem Spezialwerk vom Säuglingsarzt selbst 
erzogen sein. _ Dr. Wolf-Witzenhasen. 


Fachlich ausgebildete, beamtete Helferinnen ln der Säuglings- 
fttrsorge. Von Prof. Dr. A. Keller. Zeitschrift fttr Säugliagssohuts: 
1910, H. 6. 

Verfasser tritt dafür ein. die gesamte Sorge fttr das junge Kind (bis 
zu 2 Jahren) besonders aus gebildeten^ und beamteten Fttrsorgesehwestern zu 
überlassen. Dr. W o 1 f • Witzenhausen. 


Die Berufsvarmnndsehaft in ihrer Bedeutung für die uaeheUehen 
Säuglinge. Von Dr. W. Feld. Zeitschrift fttr Säuglingsschutz; 1910, Nr. 4. 

Fttr die Zukunft des unehelichen Säuglings ist die Einführung eineu 
berufsmäßig geschulten Vormunds in Form der Sammelvormundschaft nötig. 
Verfasser bespricht die in Deutschland vorhandenen Organisationen. So wichtig 
auch die Sorge fttr die hilfsbedürftigen unehelichen Säuglinge ist, es genttgt 
nicht, sie Aber die gefährdete Zeit ihres zartesten Alters hinüber zu retten, 
unbekümmert darum, ob sie später unsere Gefängnisse und öffentlichen Häuser 
füllen werden. Mindestens ebenso notwendig, aber viel, viel schwerer ist die 



Kleinere Mitteilungen und Referate aas Zeitschriften. 618 

Aufgabe, diese Kinder, die so oft die Aasgestofienen der Gesellschaft sind, in 
den Jahren ihres Reifens an kräftiger, liebevoller Hand so za leiten, daß sie 
hineinwachsen in das GelOge unseres menschlichen Zusammenlebens, sich auf¬ 
rechten Hauptes als gleichberechtigte Glieder des Ganzen fühlen lernen und 
so bewahrt werden vor dem traurigen Lose, außerhalb unserer Kultur und 
Gesittung ein 8onderdasein in Roheit, Zügellosigkeit und Schande zu leben. 

_ Dr. Wolf-Witzenhausen. 

5. Sohulygiene und Jugendfürsorge. 

Der 7 Uhr •Schulanfang in den Yolksschulen der Grossstidte. Von 
SanitStsrat Dr. Paul Meyer, Schularzt in Berlin. Zeitschrift für Schulgesund¬ 
heitspflege ; 1910, Nr. 8. 

Verfasser stellt fest, daß in der Großstadt bei einem Schulanfang um 
7 Uhr das physiologische Schlafbedürfnis der Kinder der Volksschulen zu 
wenig Berücksichtigung findet. Bedingt ist diese Tatsache durch die sozialen 
Verhältnisse: enges Beieinanderwohnen in Mietskasernen, kleine Wohnungen, 
gemeinsames Benutzen eines Bettes. Alles dies verhindert ein rechtzeitiges 
Beginnen des Nachtschlafes. Darum ist mindestens für die Unter- und Mittel¬ 
stufe der Volksschulen der 8 Uhr-Schulanfang im Sommer, der 9 Uhr-Schul¬ 
anfang im Winter zu fordern, auch mit Rücksicht auf die Gesundheit der 
Lehrkräfte, die oft erst am Abend Gelegenheit zur Erholung und Weiter¬ 
bildung haben. _ Dr. Sol brig-Allenstein. 


Praktisch durchgeflhrte Reformen an der Knabensekundarschule 
der Stadt Bern. Von Direktor Dr. Badertscher-Bern. Körperliche 
Erziehung; Jahrg. VI, H. 1. 

Der Verfasser berichtet über die Reformen: 

1. Einführung von Kurzstunden, 

2. Reduktion des Unterrichtsstoffes, 

8. Einführung von Handarbeits- und Laboratoriumsunterricht an einem 
Nachmittage, 

4. Einführung eines Exkursions- und Spielnachmittags, 

6. Einführung eines Aufgabennachmittags. 

2 Nachmittage bleiben ganz frei. Es wurde ein Schulgarten angelegt; 
ferner wurden Duschen, Bäder, Schwimmexamen, Unterricht in der Gesund¬ 
heitspflege und Schülerreisen eingeführt Im Schulzimmer werden nur Sandalen 
getragen. _ Dr. Wolf-Witzenhausen. 

Prflfung der Sehschärfe bei jungen Kindern.tVon Dr. Elwin H. T. Nash, 
medical offleer of health and school medical olficer, Wimbledon. Public health; 
Mai 1910, XXIII., Nr. 8. 

Zur Prüfung der Sehschärfe 6—7jähriger Kinder empfiehlt der Autor 
als Schularzt folgendes Verfahren: Er läst sich vom Buchstaben E in ver¬ 
schiedener Große und in verschiedenen Stellungen Typen drucken und fordert 
das Kind auf, ein ähnliches E, wie das vorgezeigte in derselben Stellung auf- 
zufinden. Wenn das Kind auch hierbei sich geistig etwas anstrengen muß, 
so ist die Anstrengung geringer, als wenn man ihm aufgibt Buchstaben, die 
es nicht oder kaum kennt zu lesen. 

Auch Snellensche Sehprobentafeln, die ausschließlich mit Vokabeln 
bedruckt sind und zwar in den Lettern, in denen die Kinder das Lesen lernen, 
hatten Erfolg. _ Dr. Mayer-Simmern. 


Das ttbernermale Kind. Von W. Stern. Zeitschrift für Jugend Wohl¬ 
fahrt; 1910, Nr. 2 u. 8. 

Verfasser versteht unter Uebernormalität nicht etwas qualitiv total 
Neuartiges, sondern die graduell höchsten Formen in der Ausprägung der 
allgemein vorhandenen Anlagen. Mit einiger Sicherheit kann man schon jetzt 
behaupten, daß sich die Uebernormalen in zwei Gruppen scheiden: die speziell 
und die generell Uebernormalen. Bei der ersten Gruppe ist eine bestimmte 
Seite der Psyche besonders stark ausgeprägt, während die übrigen Seiten nicht 
über das Normalmaß hinauszuragen brauchen, zuweilen sogar dahinter zurück- 



614 


Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitach: 


stehen: es sind die großen Talente oder Begabungen. Hi 
hervorragend musikalische Kind, das künstlerisch begabte, • 
das technisch, das sprachlich besonders veranlagte Kind, 
verbreitet sich die Uebernormalität Aber die Ganzheit des i 
zwar nicht Aber alle Teile gleichmäßig, doch so, daß eine 
Veranlagung die Formen des Fonktionierens auf den verschi 
beeinflußt. Es sind die großen Intelligenzen. — Es gescb 
manches fAr Kinder dieser Art; aber wie wenig im Verh&l 
geschehen mAßte, und vor allem, wie zufällig, wie unsys 
alles. Die Schule, die ja nur einen begrenzten Kreis von Leist 
Art fordert, kann hervorragende Leistungsfähigkeiten auf 
nur allzu leicht Abersehen. Aber selbst, wenn sie die be* 
bemerkt, so hat sie meist bei der Notwendigkeit des Ma 
nicht die Möglichkeit, sie richtig einzuschätzen und etwa 
sie zu tun. 

Es gibt aber noch Schädigungen ganz anderer Ai 
leider oft gerade die höchsten Stufen übernormaler Begabu: 
kinder-Unwesen Aber nicht nur unOkonomisch ist der D 
betrieb für den abnorm Befähigten, sondern unter Umständen g 
gefährdend. 

Verfasser macht folgende Vorschläge beir. die^Päda 
den Uebernormalen: 

1. Nach der praktischen Seite: Schaffung von Klassen : 
Bei den Spezialtalenten kann die Schule wenig tun. Bei de: 
sind nur private Maßnahmen möglich; nur müßte das Kind« 
höherem Grade sich dieser Kinder annehmen. 

2. Nach der theoretischen Seite. Hier muß die wisi 
forschung, Prüfung und Aufsuchung der Abernormalen Bega 

_ Dr. Wolf-Wit 

Der Werkunterrieht in der Hilfsschule. Von K. ] 
Berlin. Zeitschrift für die Behandlung Schwachsinniger; 191 

Verfasser faßt die Gründe, die für eine umfangreich 
diesem Gebiete sprachen, dahin zusammen: 1. Psychische Pro 
einen längeren Zeitraum verteilt und dadurch nachhaltiger 
Vorstellungen der Schüler werden vielseitiger und klarer. 3. 
Denkens können gemildert werden. 4. Ermüdung des Gei 
anstrengung lassen Bich leichter verhindern. 5. Die sprachlic 
wird gefordert. 6. Das Gemüt wird in günstigem Sinne b 
Charakterbildung wird unterstützt Dr. Wolf-VS 


Orthopidisehe Turnkurse in unseren Schulen. 

A. Schmidt-Bonn. Gesunde Jugend; Jahrg. IX., Nr. 10—1 
Verfasser erOrtert zunächst die Rückgratsverbiegungen 
die vorbeugenden Maßregeln dagegen sowie die Ergebnisse d< 
Tumkurse in Düsseldorf; er schildert dann die Formen d 
krümmungen, welche von einer turnerisch - orthopädischen B< 
schließen sind und für welche sich diese Behandlung empflei 
gibt er Auskunft, was in diesen Tarnstunden betrieben wer« 
aie Turnlehrerinnen hierfür ausgebildet werden sollen. D 
Arbeit verdient im Original gelesen zu werden. Dr. Wolf - W 


Das Tarnen an der Sehnlbank. Von E. Fischer 
Schulzimmer; 1910, Nr. 1. 

In Deutschland sucht man zur Zeit der körperlichen 
helfen durch das sog. Zehnminutenturnen, d. L Massenturnei 
hofe. Dem Verfasser erscheint ein tägliches Turnen an d< 
seinen kräftigen Haltungsübungen wertvoller, schon deshalb, 
Schüler beim Ueben besser beobachtet werden kann. Daß 
Uebungen eine tüchtige Durchlüftung des Klassenzimmers 1 



Seiner« Mitteilangen and Referate ans Zeitschriften. 


615 


dafi während des Uebens, wenn irgend wie mSglicb, Fenster and Türen offen 
na stehen haben, ist selbstverständlich. Doch ist auch daraal za achten, dafi 
die Uebenden während der Haitang in einer Uebnng tief and gleichmäßig 
atmen. An einer Reihe von Beispielen wird die Verwendung der Schulbank 
als Tarngerät geneigt. _ Dr. Wolf- Witsenhauaen. 

Erfahrungen aas der Waldschule der Stadt Dortmund. Zweites 
Betriebsjahr 1909. Von Dr. F. Steinhaus, Stadtschalarzt. Der Schalarzt; 
1910, Nr. 8. 

Verfasser steht für die Bedingungen zur Aufnahme in die Waldschale 
aaf dem Standpunkt, dafi „die Waldschale tuberkulösen und tuberkulose- 
verdächtigen Kindern ihre Pforten Offnen soll,“ daß sie also eine soziale 
Maßnahme im Kampfe gegen die Tuberkulose bedeute. Danach sollten nur 
schwere Anämie und Tuberkulose der Lunge im ersten Stadium die Indikation 
für Aufnahme in die Waldschule sein. Ganz streng wurde aber nach diesem 
Prinzip bei der Aufnahme nicht verfahren, sodaß auch einige skrofolOse und 
rhachitische Kinder in beiden Jahren aulgenommen wurden. Im Sommer 1908 
hatten von 100 Kindern 54 einen vollen Erfolg zu verzeichnen, von denen bei 
einer Nachuntersuchung nach 6 Monaten noch 41 einen ausgezeichneten Dauer¬ 
erfolg aufwiesen. 1909 wurden 151 Kinder aufgenommen; sie wurden sämtlich 
mit Tuberkulin nach v. Pirquet geimpft; rund 50°/o gaben eine positive 
Kutanreaktion (59,5 °/o der anämischen Kindor allein reagierten positiv I). Bei 
einer Kardauer von 69 Tagen betrug die Dorchschnittsgewichtzunahme 1,9 kg; 
bei 117 Kindern war ein voller und befriedigender Erfolg zu verzeichnen, und 
zwar wiesen die älteren Kinder die besten Erfolge auf. — Nur 23,8 °/o der 
Kinder zeigten ein fehlerfreies Gebiß. — Die Betriebskosten der Waldschule 
beliefen sich 1909 auf 9346 Mark. Dr. Solbrig-Allenstein. 


Die städtische Schulzahnklinik ln SchSneberg (Rabnow). Halb¬ 
monatsschrift für soziale Hygiene und Medizin; 1910, Nr. 15. 

Am 80. April 1910 ist die städtische Schulzahnklinik in SchOneberg dem 
Betriebe übergeben. Im Jahre 1908 wurde in einer Kommission beschlossen, 
auch bei der Zahnpflege von dem bei der Anstellung von Schulärzten aufge- 
stellten Prinzip der Nichtbehandlung nicht abzuweichen, dem Magistrat 
jedoch zu empfehlen, eine städtische Zahnklinik für Kinder unbemittelter 
Eltern einzurichten. 

Die Deputation für Wohlfahrtspflege hat dann nach einem Referat des 
8tadtarzte8 beim Magistrat die Einrichtung einer Schulzahnklinik beantragt. 

Das Straßburger System sollte auch in SchOneberg eingeführt werden, 
der Schulzahnarzt sollte als Beamter angestellt werden; seine Aufgabe soll 
die Untersuchung, Beobachtung und Behandlung der Kinder der Gemeinde¬ 
schulen sein. Die Behandlung soll nur in der Schulzahnklinik stattflnden und 
in jedem Falle unentgeltlich sein. 

Kosten kommen bei 18000 Kindern in den Gemeindeschalen auf Kopf 
und Jahr rund 0,75 Mark. 

Unsere Großstädte, die Träger der Kultur, sollten auch ihren Pflichten auf 
dem Gebiete der sozialen Hygiene nachkommen. Dr. Hoffmann-Berlin. 


Pubertät und Schule. Von A. Cramer-Güttingen. Zeitschrift für 
mathem. und naturw. Unterricht; XL., Heft 12. 

Einleitend bespricht Verfasser die anatomischen Vorgänge, die in der 
Pubertät hauptsächlich durch Reifen der Geschlechtsorgane und Abschließen 
der Gehirnentwickelung charakterisiert sind. Psychologisch verwandelt aber 
Pubertät das ohne Ueberlegung handelnde Kind zu einem Individuum, das auf 
Grund selbständiger abstrakter Vorstellungen handelt. Neigung und Ver¬ 
anlagung differenzieren sich. Der ohnehin labile psychische Zustand in der 
Pubertät wird häufig durch psychopathische Erscheinungen kompliziert; in 
erster Linie durch Schwachsinnszustände, oft mit kriminellen Ausschlägen; 
dann durch Anzeichen einer degenerativen Veranlagung. Die Schule kann diesen 
Momenten gegenüber ihre Disziplin nicht ändern, doch müssen eventuell 
untaugliche Elemente unter den Schülern entfernt, resp. ln andere Bahnen 




Kleiner« Mitteilungen and Referate aas Zeitschriften 


geleitet werden« Vor allem wichtig ist es aber, daß die Schulmänner immer 

* - •> -■ W + w f» n , — _ m m T -I i-w4 * -fc % 


mehr mH der Klinik der Pubertät bekannt werden. Sie werden dann davor 
bewahrt bleiben, allxu schablonenhaft don invidttellen Eigenschaften ihrer 
Sekkier gegenübenntreten. Rpd.jun. 


Die psychiatrisch? Ausbildung der Ersieher and Fdrsergeangestellten. 
Von Dr. Gai u». Die Jugondfft?*orge; 1910, Nr, d. 

Eine der schwierigsten Fragen der Fhraorgeeraiehang ist die Behand¬ 
lung der geistig minderwertigen Zdgiingfl, Ist eine aasgesprochene Geistes¬ 
krankheit vorhanden, dann kann der Minderjährige in eioer Idiotenanstalt oder 
Irrenanstalt antergebrauht werden, and lassen sich diese krankhaften Zustände 
unschwer erkennen. Andern ist es mit den weniger ausgesprochenen. Formen 
der Geisteskrankheit, die die verschiedensten Abstufungen von den leichtesten 
geistiger Störungen an aufweisen und zum größten Teil recht schwierig xu 
erkennen sind, für den Nichtpsychiatik« häufig gar nicht. Nun ist die Zahl 
der Fttraorgesögüage, die kriminell veranlagt und mit geistigen Anomalien und 
Defekten behaftet sind, Alna recht große; deshalb ist es unbedingt notwendig, 
daß die Leiter Und Ersleher an FttraorgeerslehungsanstaUen auf diesem Gebiete 
hinreichende Kenntnisse erwerben, um in aweckentsprechenderWeise Vorgehen 
so können und nicht durch verkehrte Maßnahmen sa schadea. Sie müssen 
vor allem die am häutigsten vorkommenden Abweichungen von anormaler 
Geistesbeechaffenheit kennen, die krankhaften Erscheinungen des Seelenlebens 
in Ihrem Einfluß auf die Erziebbarkeif, erkennen und berücksichtigen lernen, 
damit einmal der Fftrsorgöxögliag nicht unter falscher Behandlung Leidet und 
daun möglichst viel mit Ihm erreicht wird. Nur wen» die geistigen Abnormitäten 
möglichst früh sh* solche erkannt und die richtigen Er jae,hange mittel dagegen 
ergriffen werden, kaaa die Erxiebung Erfolg haben. Es handelt sich also 
darum, die Wege zu fladen, um die Erzieher vertraut au machen mit den 
Farmen krankhafter Beanlagung von Zöglingen, damit sie ,4 m» was sehr hsuflg 
Irisch bourteilt wird, und was Ausdruck anormaler Vertelltrissft ist, als solche 


würdigen können. Sie dürfe» nicht als moralisch Verwerflich das behandeln, 
was geistiger Defekt ist. 

Ein dahingehende* CTaterricbt, den sw erteilen nur hervorragenden 
Psychiatern möglich ist, ist von dem LaodeshanptmwB« in Cassel ein¬ 
gerichtet und wurde Vom 17, bis 21. Mal d. J, ln der Laadesheilaaslait zu 
Marburg von deren Direktor, dem Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Tacseck, gemein- 
•amt mit Oberarzt Pfof. Df. Jahrmärker abgeh&lten. Zur Teilnahme an 
dem Kursus sind zaoächat die Anstaltsleiter und Erzieher de? im Regierung«- 
bezirk Cassel belegenen Füraorgeorziehufigsaoatriteu eiugeiaden. Verfasser 


Die Ffirsergeerriehang. Von Strafanstaltsdirektor Br. jur. Leonhard. 
Jugend Wohlfahrt; 1910, Nr. 3. 


Streng« und Anspannung de? Kräfte ■ : I wod, wenn 

ein Erfordernis der Erriehong sribBt, so doch «Jehl» des vpiuMft» I.efciraft». 
Neben der Strenge aber bedarf es siebt nur d« Freandlichfcmt und Nadbiidtiv 
soodera auch der Wärme, eben der Wärme tlU u tu Stade mit «efoim I- l W;-» 


baose entzogen ist ; es bedarf der Pflegt nu hi uur •'Abi »egleocKtnrhrei 
Darreichung vo# Essen, 'Bettzeug,' üuiweilc^^iww., Voadatu aurit Je? B.Uf» v 
düng pemönUchen Interesses; ea bedarf de? Achtung vor 4dm b*ris«'4>*kW&$fci. 
Meseebe», der: BerttcksichUgung »einet Jede' AhateB. WaS'-.-aJe 

äußern«* Mittel die Elimination schlechte;;'.' Element« 2 P£estaju< r 
Ist Inlercsse eine? richtigen Erkennung gedeihlich?» 

Zögling« lat ein mit Kinderfehlens und <>>. ■ Hkrankheit *peamii;t -o 

trauter Arzt für jede Erziehungsanstalt daiduu.s sc fordern,. Anstalt . . . 

und Fürsorgeerziehung werden oft verw* 




Kleinere Mitteilungen nnd Referate ans Zeitschriften. 


617 


und Mädchen, soweit sie irgend Familiensinn und überhaupt Gemütsleben 
haben. Man suche die Familien mit peinlicher Sorgfalt aus und verärgere 
sie nicht, wenn man sie gefunden hat, durch eine bureaukratische Bevor« 
mundung und Kontrolle ihrer Erziehungsweise. Handelt es sich um die Unter¬ 
bringung einer früheren Straßendirne, eines vielerfahrenen Landstreichers, so 
gehören diese in die Anstalt. Nun gibt es bekanntlich in Preußen über 800 
Erziehungsanstalten von äußerster Verschiedenheit des Umfanges, des 
Erziehungssystems, der Besitz- und Verwaltungsverhältnisse. 

Es war ein sehr guter Gedanke des Gesetzgebers, die Ausführung des 
Werkes in die Provinzen, nicht in die einzelnen Städte und Kreise und nicht 
in die Hand des Staates zu legen, letzterem hingegen ein Oberaufsichtsrecht 
vorzubehalten. Aber wie man schon bedauern darf, daß der Staat diese Ober¬ 
aufsicht nicht mittels der doch hierzu gewiß am ehesten berufenen Schulver¬ 
waltung führt, sondern sie der Polizei oder Gefängnisverwaltung angegliedert 
hat, so macht sich in der provinziellen Ausführungsinstanz der Mangel sachlicher 
Leitung geradezu als ein Gebrechen der Fürsorgeerziehung geltend. — An 
unserer Sache besteht ferner ein tiefer Schaden: Er hat seine Ursache in der 
Art der Bekrutierung der Zöglinge. Da ist die nicht vom Kammergericht 
geschaffene, sondern vom Gesetz selbst gewollte Subsidiarität der Fürsorge¬ 
erziehung, und die Tatsache, daß nämlich in der Hegel nur hochgradig Ver¬ 
wahrloste nach dem Scheitern aller anderen Versuche zur Fürsorgeerziehung 
gelangen, bedeutet ganz sicher eine bedauerliche Hemmung ihres Gedeihens. 
Verhängnisvoller wirkt der schon vorhin berühmte Umstand, daß die schlechthin 
unerziehlichen Elemente nicht abgestoßen werden können, sondern als eine 
ewige Krankheit von ihren Fluchtwegen oder aus den Gefängnissen immer 
wieder in die Anstalten zurückkehren. 

Noch immer beengender und verderblicher für die Fürsorgeerziehung 
erscheint ein drittes und allgemeineres, das ist ihre kriminalpolitische Ver¬ 
wendung und Verbindung. Den schwersten Schaden der Fürsorgeerziehung 
sehen wir, wenn ein barbarischer Ausdruck gestattet ist, in ihrer Kriminali¬ 
sierung. Wohin aber mit den jungen Verbrechern ? Verfasser bekennt sich zu 
der Meinung, daß zur Besserung eines solchen die Zelle eines wohleingerichteten 
JugendgefängnisBes ein besserer Ort ist als die bunte Gemeinsamkeit eines 
Erziehungshauses. _ Dr. Wolf-Witzenhausen. 

Ist ein besonderes Gesetz für das Jugend-Strafrecht anzustreben? 
Von K. v. Lilienthal. Zeitschrift für Jugendwohlfahrt; 1910, H. 1. 

Die Strafprozeßreform würde bringen: 

1. Zunächst eine Beseitigung zahlreicher Anklagen durch die Aufhebung 
des Legalitätsprinzipes Jugendlichen gegenüber. Die Vormundschaftsbehörde 
entscheidet zunächst über die Schuld des Jugendlichen und hat nach deren 
Feststellung die Wahl: 1. ihn zu vermahnen, 2. ihn der Zucht des gesetzlichen 
Vertreters oder der Schulbehörde zu überantworten, 3. Fürsorge- oder Zwangs¬ 
erziehung anzuordnen, 4. ihn zunächst unter die Aufsicht eines Fürsorgers zu 
stellen und sich weitere Maßregeln vorzubehalten (§ 866). 

2. Besondere Jugendgerichte. Als solche würden praktisch hauptsächlich 
die Amtsgerichte (Schöffengenichte im Sinne des geltenden Hechts) in Betracht 
kommen, da deren Zuständigkeit für Jugendliche außerordentlich erweitert 
worden ist (§ 23 * Abs. 4 des G.V.G.). 

8. Ausdehnung der Verbeiständung (§§ 868—870), so daß kein Jugend¬ 
licher ohne Beistand — in erster Linie ohne seinen gesetzlichen Vertreter — 
oder Verteidiger (für Verhandlungen vor dem Landgerichte vorgeschrieben) 
vor Gericht stehen würde. 

4. Beschränkung der Untersuchungshaft. 

6. Für die Hauptverhandlung: möglichste Trennung von erwachsenen 
Angeklagten, Möglichkeit des Ausschlusses der Oeffentlichkeit in allen 
Fällen (§ 372). 

6. Für das Urteil, falls nicht Freisprechung erfolgt: Die Möglichkeit, 
das Verfahren durch Beschluß einzustellen, wenn Erziehungs- und Besserungs- 
maßregeln einer Bestrafung vorzuziehen sind. 

In rein strafrechtlicher Beziehung genügt der Entwurf einer Str.-P.-O. 
allen billigen Anforderungen. Mehr könnte ein besonderes Gesetz auch kaum 
enthaltet!. Immerhin ist aber damit noch lange nicht alles geschehen, was 



618 Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 

xur Bekämpfung der jagendlichen Kriminalität erforderlich erscheint. Na¬ 
türlich lassen sich die Ursachen der Kinderkriminalität durch Gesetze so wenig 
beseitigen, wie die der Kriminalität überhaupt. Nur in einer Beziehung sind 
wir besser daran. Während wir die Ursachen der Kriminalität im einzelnen 
noch viel zu wenig kennen, könn wir bei den Kindern einen sehr wichtigen 
Faktor zweifellos feststellen: Die mangelhafte Erziehung. Mehr wie bisher 
muß der 8taat das Kind vor seinen natürlichen Erziehern beschützen. Das 
unsere Gerichte alle zu Gebote stehenden Mittel mit genügender Energie 
anwendeten, ist zum mindesten zweifelhaft. An besonderen Bestimmungen, 
die zu größerer Strenge nötigten, fehlt es im Gesetz. 

Mit einer härteren Strafdrohung allein ist es nicht getan. Es muß 
dafür gesorgt werden, daß die Fälle zur Kenntnis der Behörde gelangen. 
Man hat daran gedacht, eine allgemeine Anzeigepflicht aufzustellen — das 
ist aus allgemeinen Gründen nicht unbedenklich. Besser wäre es, Schutzvereine 
zu organisieren und deren Mitgliedern eine amtliche Stellung einzuräumen, 
namentlich ihnen erhöhten Schutz gegen Widerstand und Angriffe bei ihrer 
Tätigkeit zu gewähren. Vor allem aber müßte das Sand weiteren Mißhand¬ 
lungen entzogen werden. Einen weiteren Schutz bedarf das Kind gegen den 
Mißbrauch seiner Arbeitskraft. Schutz aber bedarf das Kind auch gegen sieh 
selbst. Wo eine Verwahrlosung vorliegt, ob mit, ob ohne Schuld der Eltern, 
da muß für geeignete Erziehung gesorgt werden. Weiter sind die Zwangs¬ 
erziehungsanstalten in einer durchaus nicht einwandsfreien Verfassung. 

Bloß verwahrloste Kinder sollten nicht mit schon verderbten in Be¬ 
rührung gebracht werden, von den Leitern muß gründliche erzieherische 
Bildung und Befähigung gefordert werden, sonst kann es leicht dahin kommen, 
daß die Zwangserziehung fast schädlicher wirkt als eine Bestrafung. Gans 
wird diese ja nicht zu vermeiden sein. Dann aber muß sie von längerer 
Dauer sein und der Strafvollzug immer noch im wesentlichen Erziehung be¬ 
zwecken. Ebenso muß die bedingte Verurteilung für Jugendliche in weitem 
Umfange zulässig sein, und zwar nicht in der Form des bedingten Strafauf¬ 
schubes, wie sie der Vorentwurf zu einem Strafgesetzbuche einfühten wilL 
Alle diese und noch eine große Anzahl hier nicht erwähnter Forderungen 
können nur durch wohl durchdachte, von einheitlichen Erwägungen getragene 
Vorschriften erfüllt werden. Alle Vorbeugungs-, Erziehungs- und Strafma߬ 
regeln müssen im Zusammenhänge geordnet werden, und das kann nur in 
einem den ganzen Gegenstand umfassenden Gesetz geschehen. Ein solchen 
Gesetz muß stets das Ziel aller auf die Wohlfahrt der Jugend gerichteten 
Bestrebungen sein. _Dr. Wolf-Witzenhausen. 

Das Jugendstrafrecht in dem „Torentwurf zn einem Deutschen 
Strafgesetzbuches Von Dr. W. Bloch-Charlottenburg. Konkordia; 
1910, Nr. 7. 

Verfasser betrachtet als unstreitige Vorzüge des Entwurfs: a. (allgemein 
für Erwachsene und Jugendliche): 1. bedingte Strafaufsetzung, 2. Rehabilitation, 
8. Einführung des Begriffs der verminderten Zurechnungsfähigkeit; b. (nur 
für Jugendliche): 1. die Heraufsetzung des Strafmündigkeitsalters aui das 
14. Lebensjahr, 2. die Beseitigung des „Einsichtsparagraphen*. 

Zu der Hauptschwierigkeit dürfte die schwere Frage „8trafe oder 
Erziehung* werden. Dieses Problem wird nicht gelöst werden, aber an ihm 
wird die Reform des Jugendstrafreohts nicht scheitern. 

Wenn ein einheitliches „Jugendschutzgesetz“ sicht zustande kommt, so 
wird man dem Vorentwurfe des Strafgesetzbuchs, soweit es sich auf die 
Jugendlichen besieht, freudig zustimmen können, vorbehaltlich Aenderusgen 
im einzelnen. Dr. Wolf-Witzenhausen. 


Das Jugendgericht und der Vorentwurf des Strafgesetzbuchs. Von 
Amtsgerichtsrat J. F. Landsberg -Lennep. Die Jugendfürsorge; 1910, Nr. 6. 

Ein nach den Idealen des Verfassers eingerichtetes „Jugendgericht*, 
welches also ab F. A. oder „Jugendschutzkommbsionen* die Gewalt des 
Strafgerichts und Vormundschaftsgerichts in sich vereinen würde, müßte weiter 
ab Verwaltungsbehörde, der ja das Vormundschaftsgericht schon in vielem 
gleicht, organisiert werden. Ab Verwaltungsbehörde muß es eigene Geld¬ 
mittel haben, um die Bettung der gefährdeten Kinder auch selbst organisieren 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


619 


an können. Es muß ferner dem Jugendgericht in einem gewiesen Rahmen für 
•einen Bezirk ein Verordnungsrecht zustehen, wie die anderen Verwaltungs¬ 
behörden haben. _Dr. Wolf-Witzenhausen. 

Die Gestaltung des Klndersehutzparagraphen ln der Relchstags- 
kemmlsslon. Von E. Frosch. Zeitschrift für Jagendwohlfahrt; 1910, Nr. ß. 

Es fehlt (da nur „Körperverletzungen* getroffen sind) eine Erstreckung 
des Kindermißhandlungsbegriffs auf körperlich-seelische Quälereien. Es fehlt 
eine besondere Bewertung der mehrfachen, fortgesetzten, systematischen, durch 
Monate oder Jahre dauernden Mißhandlungen von Kindern durch ihre Macht¬ 
haber. Es fehlt die allein prophylaktisch wirkende Charakterisierung solcher 
dauernden Bestialitäten als Verbrechen. Es fehlt ferner die Berücksichtigung 
und entsprechende Bewertung fortgesetzter Mißhandlungen durch alle die, 
welche ihre Brutalitäten unter dem Schutze und in mißbräuchlicher Ausnutzung 
der einem anderen gegen das Kind zustehenden Fürsorge und Obhutpflicht 
ausüben (Zuhälter, Liebhaber der Mutter usw.). Es fehlt ferner irgendwelche 
Berücksichtigung der so schweren, entwicfcelungsschädigenden „Vernach¬ 
lässigung* der Kinder. _ Dr. Wolf- Witzenhausen. 

Die Jugendliehen im Vorentwurf zu einem Deutsehen Strafgesetz¬ 
buch. Von W. Weygandt-Hamburg. Zeitschrift für die Erforschung des 
jugendlichen Schwachsinns; Bd. UI, H. 6. 

Verfasser ist der Ansicht, daß mit der Aenderuug des § 51 manches 
gebessert werde, aber immer noch Bedenken offen bleiben; die besondere Auf¬ 
führung von blödsinnig neben geisteskrank ist zum mindesten völlig über¬ 
flüssig. Eine folgenreiche Neuerung, die freilich von Psychiatern längst 
gefordert war und schließlich auch in den meisten früheren einzelstaatlichen 
deutschen wie auch in vielen außerdeutschen Strafgesetzbüchern ihre Vorbilder 
findet, ist die verminderte Zurechnungsfähigkeit, die in dem zweiten Abschnitt 
des neuen § 68 vorgesehen wird. Gleichzeitig ist damit die Fürsorge für 
die vermindert Zurechnungsfähigen verbunden, die nach dem 3. Abschnitt 
wie zurechnungsfähige Verbrecher, noch wie unzurechnungsfähige Irre be¬ 
handelt werden sollen, sondern, wenn auch unter Umständen bestraft, in 
besonderen Anstalten und Abteilungen untergebracht werden. Es werden 
ferner die Fürsorgemaßregeln, die das geltende Strafgesetzbuch nur bei 
Jugendlichen vorsieht (§ 56), nunmehr auch für Unzurechnungsfähige und 
vermindert Zurechnungsfähige eingeführt. Nicht mehr die Verwaltungs¬ 
behörde, die Polizei hat den wegen geistiger Abnormität straffrei Gebliebenen 
oder gelinder Bestraften unterzubringen, sondern der Richterspruch selbst, 
der ja gewöhnlich auf die eingehendere Aktenkenntnis und direktere Fühlung 
mit dem ärztlichen Sachverständigen gestützt ist, hat bereits jene Vorkehrung 
zu treffen. Nach § 68 ist die obere Grenze der Strafmündigkeit vom vollendeten 
12. auf das vollendete 14. Lebensjahr hinausgeschoben worden. Vielfach 
wurde an dem § 56 des bestehenden Strafgesetzbuches bedauert, daß bei 
Jugendlichen die zur Erkenntnis der Strafbarkeit der begangenen Handlung 
erforderliche Einsicht nachgewiesen werden mußte. 

In erfreulicher Weise wird nun in Uebereinstimmung mit Rechtsgelehrten 
und Aerzten der Gesichtspunkt des Unterscheidungsvermögens mit seiner allzu 
intellektualistiscben Einseitigkeit über Bord geworfen. Immerhin wäre es 
nach Ansicht des Verfassers nicht unangebracht, bei einzelnen Jugendlichen 
die Aufenthaltsbeschränkung (nach § 53) noch vorzusehen. Mit vollem Recht 
muß eine strenge Scheidung zwischen Unterbringung Jugendlicher und 
Erwachsener bestehen; von einer Ausdehnung der oberen Grenze der Jugend¬ 
lichen im strafgesetzlichen Sinne vom 18. auf das 21. Jahr, wie es Aschaffen- 
burg vorgeschlagen hat, sah der Vorentwurf ab. Erwähnt sei noch, daß der 
Vorentwurf einige, freilich noch wenig ausgiebige Maßregeln gegenüber der 
Trunksucht enthält, worin eine indirekte Vorbeugung auch hinsichtlich des 
jugendlichen Schwachsinns erblickt werden kann. Dr. Wolf-Witzenhausen. 


Zum Vorsehlage eines Erzlehungawohnsitz-Gesetzes. Von Amts¬ 
gerichtsrat Seifert. Zeitschrift für Jugendwohlfahrt; 1910, Nr. 2. 

Es ist der Vorschlag gemacht worden, der Gefahr der Abwanderung der 
Jugend in die großen 8tädte durch ein „Erziehungswohnsitzgesetz für Minder- 



620 


Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


jährige* mit dem Grandgedanken za bezeichnen, daß za jeder Veränderung 
des Aufenthaltsortes eines Minderjährigen die Genehmigung des Vormund* 
Schaftsgerichts notwendig sei. Dies Gesetz würde aber nicht erreichen, was 
es erstrebt. 

Die vorhandenen gesetzlichen Bestimmungen zur Beaufsichtigung der 
Jagend, zur Bewahrung vor Verwahrlosung, verbunden mit den privaten Ein¬ 
richtungen zum Jagendschatz reichen aber, wenn erstere richtig gehandhabt 
und von letzteren reichlich Gebrauch gemacht wird, aas, um den Jagendlichen 
daheim und in der Ferne vor Verwahrlosung zu schützen, wenigstens so weit, 
als das vorgeschlagene Gesetz es erstrebt. Dr. Wolf-Witzenhausen. 


6. Bekämpfung den Alkoholinmun. 

Beiträge zur Alkoholfrage. (Aus Nr. 3 des Belchsarbeitsblattes). 
Halbmonatsschrift für soziale Hygiene und Medizin; 1910, Nr. 12/13. 

In bezog auf den Verbrauch von Branntwein steht Deutschland an 
zweiter Stelle (an erster Dänemark), wenn auch im allgemeinen der Branntwein¬ 
verbrauch zurückgegangen ist. 

Auch in bezog auf den Bierverbrauch nimmt Deutschland die zweite 
Stelle ein. Hier steht England an erster Stelle. Von 100 °/o igem Branntwein 
kommen 8,86 Liter und von Bier 116,66 Liter auf den Kopf der Bevölkerung 
in der Zeit von 1904 bis 1908. Es würde dies einer jährlichen Ausgabe von 
nahezu 8 Milliarden Mark entsprechen. 

Verfasser empfiehlt eine Heilstätten - Behandlung der Alkoholiker und 
weist weitor darauf hin, daß Verhütungsmaßregeln für die Kolonien notwendig 
sind, denn der Alkohol bedeutet für unsere Kolonialwirtschaft eine große Gefahr. 

Dr. Hoffmann-Berlin. 


Behandlung Alkoholkranker. Von San.-Bat Dr. Seiffert-Beuthen. 
Zeitschrift für Bahnärzte; 1910, Nr. 6. 

Die frühzeitige Behandlung ist abhängig von der frühzeitigen Diagnose. 
Hier kommen in Betracht: 1. Schädigungen physischer und nervOser (Neuritis) 
Art. 2. Magen-Darmerkrankungen. 3. Gewisse Muskel- und Körperschwäche. 
4. Erkrankungen des Herzens und des Gefäßsystems. 5. Leber- und Nieren¬ 
erkrankungen. 

Die Behandlung erfordert: 1. wohlwollende, aber eindringliche Belehrung; 
2. volle Enthaltsamkeit (Anschluß an einen Abstinentenverein); 8. psychische 
Beeinflussung; 4. diäto-physikalische Maßnahmen; 6. Behandlung in einer 
Anstalt von Alkoholkranken. _ Dr. Wolf-Witzenhausen. 

7 . Soziale Hygiene. 

Die MUttärtaugllchkeit in Norddeutschland im Lichte der sozialen 
Biologie und Hygiene. Von Generalarzt a. D. Dr. H. Meißner. Klinisches 
Jahrbuch; Bd. 22, H. 3. 

Unter vorzugsweiser Benutzung des von Schwiening veröffentlichten 
Materials kommt Verfasser zu dem Schluß, daß für den Prozentsatz der zum 
Dienste mit der Waffe tauglichen Mannschaften die Zahl der Geburten und 
die Zahl der Sterbefälle der Jugendlichen bestimmt ist. Durch die Sterblich¬ 
keit der Jugendlichen findet eine natürliche Auslese statt. Die Bestrebungen 
der sozialen Hygiene zur Unterdrückung der Sterblichkeit der Jugendlichen 
haben nur innerhalb gewisser Grenzen ihre Berechtigung. Die Gefahr einer 
körperlichen Entartung der Basse ist bei Erhaltung der schwachen, nicht 
besserungsfähigen Elemente nicht von der Hand zu weisen. Sie ist um so 
größer, wenn neben den schwachen männlichen Elementen auch schwache 
Frauen erhalten bleiben und zusammen eine minderwertige Nachkommen¬ 
schaft liefern. 

Als Quelle der Kraft bedarf besonders die Landbevölkerung, die leider 
durch Abwanderung nach den Städten immer mehr zusammenschrumpft, beson¬ 
derer Fürsorge. Es gilt hier gegen die Unterernährung energisch zu Felde zu 
ziehen, auf deren schwere Folgen aufmerksam gemacht zu haben, in erster 
Linie das Verdienst der Zentralstelle für Volks Wohlfahrt (Dr. Kaup) gewesen 
ist (Verfasser führt hier fälschlich Dr. Both an. Bef.). Ferner bedarf die 
Haut- und Körperpflege auf dem Lande, die Förderung der Spieie und besonders 



Kleinere Mitteilangen and Referate aas Zeitschriften. 


621 


des Wandermarsches nicht nur von Seiten der Schale, sondern auch der Ge¬ 
meinde and der Aerzte besondere Aufmerksamkeit. 

Dr. Dohrn-Hannover. 


Einfluss des Zahnverlustes auf die Mllltärdiensttauglichkeit. Von 
Stabsarzt Dr. Adolf Neaner. Münchener mediz. Wochenschrift; 1910, Nr. 9. 

Verfasser hat aaf Grand langjähriger Beobachtungen im truppenärzt- 
liehen Dienst and im zahnärztlichen Lazarettsdienst über den Einfluß des 
Zahnverlustes aaf die Militärdiensttaaglichkeit sich folgende Ansicht gebildet: 

1. Nicht yermindert ist die Tauglichkeit durch Verlust oder Erkrankung 
einzelner Zähne ohne Beeinträchtigung des Kauvermögens und der Sprache. 

2. Bedingte Tauglichkeit ist anznnehmen bei Verlast oder dem Verlust 
gleich za achtender Erkrankung von 3 oder mehr nebeneinander stehender 
Schneide- oder Eckzähne, wenn hierdurch die Deutlichkeit der Sprache beein¬ 
trächtigt wird. 

3. Landsturmtauglichkeit und Untauglichkeit zum Dienst ohne Waffe 
ist gegeben durch Verlast von Kauzähnen bis auf 8 oder 2 sich treffende 
Paare bei krankhaftem Zastand der Vorderzähne oder durch Verlast von 
Kauzähnea aaf weniger als 2 Paare bei guter Beschaffenheit der Vorderzähne. 

4. Dauernd untauglich macht Verlust von Kanzähnen auf weniger als 
2 Paare bei schlechter Beschaffenheit der Vorderzähne. 

_ Dr. Waibe 1-Kempten. 


Volkstümliche Vorträge Aber Gesundheitspflege. Von Kreisarzt Dr. 
Dohrn-Hannover. Konkordia; 1910, Nr. 7. 

Die hygienische Erziehung des Volkes muß noch viel intensiver ge¬ 
staltet werden; eins der wichtigsten Hilfsmittel ist die Belehrung, welche 
Bchon viel Gates gestiftet hat. Aber noch viel wirksamer ist das gesprochene 
Wort im aufklärenden Vortrage, der sich womöglich noch mit Unterstützung 
von Lichtbildern und Demonstrationen direkt an den Laien wendet. Dieser 
Weg, den aach der Deatsche Verein für Volkshygiene mit großem 
Erfolg beschritten hat, bietet die Aassicht, daß das Interesse an gesundheit¬ 
lichen Fragen unter der Bevölkerung gehoben wird. Am vorteilhaftesten 
wird man derartige Vorträge in geschlossenen Vereinen halten, die derartige 
Bestrebungen unterstützen. Verfasser berichtet über das von ihm eingeführte 
Verfahren in Hannover. Eine Reihe von Aerzten stellten sich als Vortragende 
zur Verfügung. Ein Verzeichnis der Vorträge und der Vortragenden wurde 
sämtlichen Vereinen, Gewerkschaften, Verbänden usw. zagestellt. Es wurden 
in zwei Wintern 74 Vorträge gehalten, die großen Beifall fanden. Ganz be¬ 
sonders waren die Vorträge über die Tuberkuloseverhütung, Ernährung und 
Nervosität begehrt. Auch auf dem Lande wurden derartige aafklärende Vor¬ 
träge mit bestem Erfolge versucht, und zwar in der Form von „Elternabenden*. 

_Dr. Wolf--Witzenhausen. 

In welcher Beziehung steht die Hygiene zur Teehnik und was soll 
die Hygiene als Lehrfach an den technischen Hochschulen I Von Dr. 
Gemünd, Dozenten für Hygiene an der techn. Hochschule Aachen. Tech¬ 
nisches Gemeindebl.; 1910, Nr. 20. 

Die Fortschritte der öffentlichen Gesundheitspflege haben zu innigen 
Beziehungen der Hygiene zur Technik geführt. Die Vertreter der enteren haben 
zu vielen technischen Neuerungen Anregung gegeben; anderseits haben die 
Techniker die schwierigsten Probleme auf dem Gebiete der Wohnungshygiene, 
der Trinkwasserversorgung, der AhWässerbeseitigung, Kanalisation etc. gelöst. 
Um so bedauerlicher ist die stiefmütterliche Behandlung der Hygiene als 
Unterrichtsgegenstand auf den technischen Hochschulen. Sie wird bisher vor¬ 
getragen von nebenamtlichen Dozenten ohne genügende UnterrichtsmitteL 
Gemünd verlangt etatsmäßige Professoren, Laboratorien, wissenschaftliche 
Sammlungen. Der Unterricht in der Hygiene muß systematisch über mehrere 
Semester verteilt erfolgen und damit schon auf der Hochschule die in der 
Praxis so notwendigen und segensreichen Wechselbeziehungen zwischen Technik 
und Hygiene begründen. Dr. Liebet rau-Hagen i. W. 



622 


Kleinere Mitteilungen uni Referate ans Zeitschrii 


8. Apotheken wesen. 

Veber die pharmakodtagnoHtischen Prüfungen bei 
Tiaitattonen. Von Professor W. Mitlacher. Der Amtsar 
Verf. gibt Ratschläge für die Prüfung von verschiedene 
Apotheke selbst unter Hinweis auf die Unvollkommenheit diese 
gegenüber der Einsendung von Proben an pharmakologisch 
Fingerzeige beruhen auf den Ergebnissen mehrjähriger Visit 
(Vgl. Zeitschr. d. allg. Oesterr. Apothekenvereins 1904, Nr. 5 

Dr. Hösc 


Die Freiverklnfllehkelt von Kampfer-Vaseline und 1 
Obergutachten der Königlichen Wissenschaftlichen Deputation f 
wesen. Referenten: Geh. Reg.-Rat Paul Fischer und Ge 
Abel. Vierteljahrsschrift für gerichtliche Medizin und Offei 
wesen; 1910, 3. F., 39. Bd, 1. H. 

Bei der Revision einer Drogenhandlung hatte ein Ki 
Kampfer-Vaseline und 4 Flaschen Tamarindenpaft, mit Zu 
beanstandet. Das zuständige Schöffengericht verurteilte den 
Uebertretung der Kaiserlichen Verordnung vom 22. Oktober 19* 
mit § 367,3 St.G.O. Der Drogist legte Berufung ein. In 
vor dem Landgericht erklärte er die Kampfersalbe, wie schon 
Schöffengericht, für ein Cosmeticum, hinsichtlich des Tamar 
er sich auf eine Antwort im Fragekasten der Zeitschrift für 
laut welcher Tamarindensaft ein „Obstsaft 8 im Sinne des Ve 
der Kaiserlichen Verordnung vom 22. Oktober 1901 sei. 1 ) Dei 
bestreitet die Richtigkeit der Ausführungen des Angeklagten; 
das Gericht, ein Gutachten der wissenschaftlichen Deputation f 
wesen einzuholen. Zu beantworten waren die Fragen: 

1. Ist Kampf er-Vaseline ein kosmetisches Mittel? 

2. Ist Tamarindensaft mit Zucker eingekocht ein Obstf 

Die Frage 1 wird bejaht, nachdem Erkundigungei 

Drogenhandlungen Berlins und in einem weiteren Geschäft, das 
und Cosmetica feilhält, gezeigt haben, daß tatsächlich e 
Kampfer und Vaseline unter dem Namen „Vaseline-Kampfer 
lettenartikel feilgehalten und verkauft wird. 

Die Frage 2) wird dagegen verneint. Nach dem all 

f «brauch versteht man unter Obstsaft den durch Ausprea 
accus von saftigen Früchten, die auch von gesunden Me 
werden. Das ist bei Tamarinden gar nicht oder doch nur 
weise der Fall, sie werden vielmehr nur als Heilmittel zn 
braucht. Tamarindensaft mit Zucker eingekocht darf daher a 
in Apotheken feilgehalten werden. 1 ) Dr. Hillen 

Tagesnachrichten. 

Im Jahre 1909 haben in Preußen 51 Aerzte die Prüfnn 
bestanden, davon 2 mit „sehr gut 8 , 31 mit „gut 8 und 18 mit , 
Zahl der kreisärztlich approbierten Aerzte hat seit dem Jahre 
70 betrug, allmählich abgenommen und im Jahre 1909 die 
wesentlich unter dem 6jährigen Durchschnitt (56,8) bleibend 


*) Die abweichende Ansicht des Herausgebers ging v 
wägungen aus: Nach dem Deutschen Arzneibuche ist Pol] 
cruda — Tamarindenmus — das Fruchtfleisch von Tamarindiu 
einer Frucht, das etwa dem aus Kernfrüchten (Birnen, Aepfe 
hergestellten rohen, die Kerne noch enthaltenden Mus en 
wie nun ein hieraus hergestellter Saft zweifellos unter den I 
fällt, ist dies in der s. Z. erteilten Antwort auch für einen ] 
hergestellten Tamarindensaft angenommen worden und diese 
dem freien Verkehr überlassen erklärt, zumal das Feilhalten 
des rohen Tamarindenmus keinerlei Beschränkungen unterlj 
Obergutachten der Wissenschaftlichen Deputation ist nunmi 
Frage entschieden. 



Tagesnachrichteil. 


623 


Ebenso hat sich das Prttiongsergebnis etwas verschlechtert and ist unter dem 
Durchschnitt (2,8, 87,8 and 17) geblieben. 


Karpfnseher- and Gehelmmittelgesets. Der vor zwei Jahren ver¬ 
öffentlichte Entwarf eines Gesetzes, betreffend die Ausübung der Heilkunde 
durch nicht approbierte Personen und den Geheimmittelverkehr, ist nach einer 
Mitteilung der Tagespresse nach seiner Umarbeitung im Beichsamt des Innern 
nunmehr auch vom Preußischen Staatsministerium verabschiedet worden und 
wird demnächst dem Bundesrat vorgelegt werden, so daß er voraussichtlich 
noch in diesem Jahre im Reichstage eingebracht werden wird. 


In den Tagesblättern wird über eine angeblich unter den Schulkindern 
des Kreises Hörde (Beg.-Bez. Arnsberg), besonders in Schwerte sehr 
verbreitete Hnarsehwundepidemie berichtet. Nach der uns von zuständiger 
Stelle gegebenen Auskunft sind diese Mitteilungen ganz außerordentlich über¬ 
trieben. Es sind nur etwas über 100 Kinder von der Krankheit befallen, die 
meisten aber nach Angabe der Aerzte bereits wieder geheilt oder in Heilung 
begriffen. Die Erkrankungen sollen leicht und gutartig sein. Die Fest¬ 
stellungen sind im übrigen noch nicht zum Abschluß gekommen, insbesondere 
nicht hinsichtlich des Erregers. Wir hoffen nach Ablauf der Epidemie und 
nach Abschluß der Untersuchungen einen ausführlichen Bericht aus kompetenter 
Hand darüber bringen zu können. 


Vom 4. bis 8. Oktober d. J. findet in Brüssel in dem Palast der 
Weltausstellung unter dem Protektorat der belgischen Regierung der II. inter¬ 
nationale Kongress für Nahrungshjglene und rationelle Ernährung des 
Menschen statt. Um die wissenschaftlichen Ziele, die der Kongreß verfolgt, 
durch Besuch und Vorträge zu fordern und die Leistungen der deutschen 
Wissenschaft auf den einschlägigen Gebieten zur Darstellung zu bringen, hat 
sich ein Deutsches Nationalkomitee gebildet, dem die namhaftesten 
Vertreter der deutschen Wissenschaft und Behörden angehören. Den Vorsitz 
hat Geheimrat Prof. Dr. Bahn er übernommen, Sekretär ist Stabsarzt Prof. Dr. 
Hoff mann-Berlin NW. 40, Scharnhorststraße 34, der über alle Fragen weiter 
Auskunft gibt, Prospekte verschickt und die Anmeldung von Vorträgen an¬ 
nimmt. Es sind 7 Hauptsektionen gebildet: I. biologische Physik und 
Energetik; II. Physiologie und physiologische Chemie; rationelle Ernährung 
und Diätetik; III. Nahrungshygiene, Bakteriologie, Parasitologie und Nahrungs- 
Vergiftungen ; IV. Zusammensetzung der Nahrungsmittel; Analyse und Verfäl¬ 
schungen ; V. Trinkwasser; VI. Gesetzgebung, Bekämpfung der Verfälschungen, 
Aufsicht und Statistik; VII. Unterricht in der rationellen Ernährung und 
der Ernährung8-Hygiene, Genossenschaften, Genußmittelregie, Armenpflege 
und','sonstige soziale Anwendung. 

Der Beitrag für die Teilnehmer beträgt 16 Mark. Offizielle Sprachen 
sind französisch, deutsch, englisch, italienisch und spanisch. Die Sitzungs- 
protokolle werden französisch abgefaßt. 

Von deutschen Teilnehmern sind bis jetzt folgende Vorträge angemeldet: 
Pro! Dr. Langst ein-Wilmersdorf: Die Ernährung des wachsenden Organis¬ 
mus. — Prof. Dr. Adamkiewicz-Wien: Ueber die Bedeutung des Zackers 
als Quelle der Kraft und des Rhytmus des Herzens. — Prof. Dr. E. Abder¬ 
halden-Berlin: Ueber die Bedeutung der Zusammensetzung der Nahrungs¬ 
stoffe für ihren Nährwert. — Bagnar Berg-Loschwitz: Phosphorsaurestoff- 
Wechsel. — Prot Dr. 0. Cohn heim-Heidelberg: Vegetarismus. — Professor 
Dr. Adolf Jolles-Wien: Ueber eine neue Methode zur quantitativen Be¬ 
stimmung der Saccharose in Nahrungs- und Genußmitteln. — Prof. Börner- 
Münster : Neue Gesichtspunkte für die Analyse der Fette. — Prot Dr. Thiesin g- 
Berlin: Enteisenung und Entmanganung von Trink- und Brauchwässern. — 
Prot A. Friedrich-Wien: Die Talsperrenwasser. — Stabsarzt Professor 
Dr. Hofimann-Berlin: Die Trinkwasserversorgung der Truppen im Felde.— 
Dr. Georg Erlwein (Berlin): Die Sterilisation des Trinkwassers durch Ozon. 


SpreoluMMtL 

Anfrage des Kreisarztes Dr. H. in Br.: Mir sind von dem Amtsgericht 
lür eine mit Obduktion verbundene zweitägige Dienstreise (Rückreise am 



624 


Sprechsaal. 


«weiten Tage) für den zweiten Tag keine Tagegelder zngebllligt, weil nach 
§ 7 des Gesetzes vom 14. Joni 1909 eine gleichzeitige Berechnung von Tagegelder 
neben den Gebühren für das anf der Boise erledigte Geschäft ausgeschlossen 
ist, wenn die Gebühren (24 Mark) höher als die Tagegelder (2 X 9 = 18 Mark) 
sind. M. £. gilt diese Bestimmung nur für den Tag, an dem das Geschäft 
erledigt ist, während für etwaige Reisetage mir Tagegelder zustehen; ist diese 
Ansicht zutreffend P 

Antwort: Jal Der § 7 des Gesetzes vom 14. Juli 1909 ist an Steile 
das § 6 des früheren Gesetzes vom 9. März 1872 getreten, dessen Fassung 
einen Zweifel in dieser Hinsicht nicht aufkommen ließ, da es hier ausdrücklich 
lautet: „Beansprucht der Medizinalbeamte Gebühren, so erhält er für den 
Tag, an welchem das Geschäft vorgenommen wird, keine Tagegelder.“ Die 
hier und später auch in dem Jost.-Min.»Erlaß vom 14. Februar 1878 zum 
Ausdruck gebrachte Vorschrift, wonach die Gebühren nur die auf den Tag 
der Ausführung desGeschäfts fallenden Tagegelder absorbieren, 
während bei mehrtägigen Dienstreisen für die anderen Tage Tagegelder zu 
gewähren sind, gilt aber auch für den jetzt maßgebenden § 7 des neuen 
Gebührengesetzes, wie sich aus der Begründung zu § 7 ergibt; denn hier heißt 
es: „Nach dem geltenden Recht hat der Kreisarzt, welcher auf Dienstreisen 
gebührenpflichtige Verrichtungen vornimmt, keinen Anspruch auf Gebühren 
und Tagegelder, sondern nur die Wahl zwischen beiden in der Weise, daß, 
wenn er Gebühren beansprucht, er für den Tag, an welchem das 
Geschäft vorgenommen wird, keine Tagegelder erhält. Bei 
dem Ausschlüsse der Kombienirung der Gebühren und Tagegelder beläßt es 
auch der vorliegende Entwurf mit der Maßgabe, daß Tagegelder nur insoweit 
bezahlt werden, als sie die Gebühren für die auf der Reise vorgenommenea 
Verrichtungen übersteigen.“ 

Das neue Gesetz hat also nach dieser Richtung keine Aenderung bringen 
wollen, wenn auch die Fassung der betreffenden Paragraphen eine andere 
geworden ist. Wäre die Ansicht des Amtsgerichts zutreffend, dann würde 
z. B. ein am Orte der Obduktion oder in dessen Nähe wohnender Medizinal¬ 
beamter die gleiche Gebühr erhalten wie der andere zur Obduktion zugezogene 
Medisinalbeamte, der dazu zwei Tage unterwegs sein muß; selbst bei drei¬ 
tägiger Dienstreise würde dieser dann nur nooh „drei Mark" als Mehr¬ 
betrag der Tagegelder beanspruchen können. Das würde aber eine schwere 
Benachteiligung dieses Beamten bedeuten, die in dem neuen Gesetz ebenso¬ 
wenig wie früher beabsichtigt ist. 


Preu8sischer Medizinalbeamtenverein. 

Den Vereinsmitgliedern zur Nachricht, daß der Vorstand der Jubl- 
llumsstlftung sich dem Beschlüsse der diesjährigen Hauptversammlung gemäß 
durch Zuwahl ergänzt hat und aus folgenden Mitgliedern besteht: Geh. Med.- 
Rat Prof. Dr. Rapmund-Minden i. W., Vorsitzender, Geb. med.-Rat Dr. 
Fielitz-Halle a. S. (Stellvertreter), Geh. Med.-Rat Dr. Schlüter-Gütersloh 
(Schrift- und Kassenführer), Geh. Med.-Rat Dr. Sch leg tendal -Berlin und 
Med.-Rat Dr. Schröder-Berlin (früher Kattowits). — Gleichseitig 
die erfreuliche Mitteilung, daß bis jetzt bereits 221 Vereinsmitglieder der 
Jubiläumsstiftung beigetreten und sich zu regelmäßigen jährlichen Bei¬ 
trägen bereit erklärt haben. Außerdem sind der Stiftung zwei einmalige 
Beiträge im Beiträge von je 800 und 65 Mark zugeflossen. 

Weitere Beitrittserklärungen nimmt der obengenannte Schrift- 
und Kassenführer gern entgegen. 

Minden i. W., den 17. August 1910. 

Der Vorstand des Preußischen Medizinalbeamten-Vereins. 

Im Auftr.: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Rapmund, Vorsitzender, 

Regierung*- u. Med.-Rat in Minden i. W. 

I>rackfehlerberichtignng: In Nr. 15,8.681, Z. 4 muß es heißen 
statt „Perhydrate“ „Perhydrase“, und Z. 12 statt „Gaskondensator* „Glas¬ 
kondensator“. 


Redaktion: Geh. Med.-Rat Prof.Dr.Rapmund, Reg.- u. Med.-Rat in Minden i. W. 

J. 0. 0. Brau, Herxof 1. Sieh*, n. F. flch.-L. Hofbeebdraokerei ln Minden. 






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1910. 


*-**+ Zeitschrift 

für 

MEDIZINALBEAMTE. 


Zmtnlkhtt für fas gatants Besundbeitswesen, 

für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenwesen. 

Herauzgegeben 

▼OB 

(Ml M#cL-Bat Prot Dr. OTTO RAPMOND, 

BaffiorBBfs- and Medlxtnolrat in Xlnden I« W. 

Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, Sächsischen, 
WQrttembergischen, Badischen, Mecklenburgischen und Eisass-Lothringischen 

Medizinalbeamtenvereins. 


e 


Verlag von Fischer’s mediz. Bnehhandlg., E Kornfeld, 

BenogL Bayer. Hof- u. BnhonogL Kanuner - Bndihlntller. 

Berlin W. 35, Lützowstr. 10. 

luenii nehmen die Verlagshandlong sowie alle Annoncenexpeditionen des In» 
mnd Auslandes entgegen. 


Nr. 17. 


üraekelBt ui S. ui SO. Jedem Kuala. 


5. Septbr. 


Beitrag zur Psychologie des Familienmordes. 

Von Kreisarzt Dr. Ltobetran in Recklinghausen. 

Kasuistische Mitteilangen ans der gerichtlichen Medizin dftrfen 
wohl dann anf einiges Interesse in Fachkreisen rechnen, wenn 
sie zur Erörterung allgemeiner Fragen Veranlassung geben, die 
praktische Bedentnng haben. In dieser ßichtnng erscheint ein 
Fall von Familienmord lehrreich, bei dessen strafrechtlicher 
Beurteilung bezüglich der Psychologie dieses in unserer Zeit so 
häufigen und deswegen im Einzelfall an und fdr sich nicht 
besonders interessanten Verbrechens offensichtliche Differenzen 
zwischen der Auffassung des Verteidigers und der Laienrichter 
einerseits und der psychiatrisch Sachverständigen anderseits 
hervortraten: 

Die 27j5hrige Arbeiterfrau D. in H. tötete am 24. Februar 1910 ihre 
beiden Kinder, Mädchen im Alter von 3 und Vjt Jahren, indem sie diese mittelst 
Schürzenbändern an einem Bettpfosten erhängte. Zunächst führte sie die 
Tütung des älteren Kindes aus, während das jüngere in der Küche spielte. 
Dann nahm sie dieselbe Prozedur an diesem vor. Nachdem sie sich überzeugt 
hatte, daß die Kinder tot waren, befreite sie diese aus den Schlingen, wusch 
■ie und bekleidete sie mit irischer Wäsche, um sie dann in einem Bett, wie 
der Polizeibericht besagte, .förmlich aufzubahren“ Darauf unternahm sie zwei 
Selbstmord versuche mittelst Erhängens und Durchschneidens der linken Badialis; 
beide mißlangen, der Erhängungsversuch aus nicht recht ersichtlichem Grunde, 
die Aderdurchschneidung offenbar infolge mangelnden Mutes. Nun eilte die 
Frau au einer Hausgenossin, teilte dieser ihre Tat mit und bat sie um Lysol, 
um sich zu vergiften, widerrief, als man sie Veranlassen wollte, mit zur Polizei- 











626 


br. Liebetraü. 


wache zu gehen, ihre ersten Angaben, fand dann Gelegenheit, eich ans 6er 
Apotheke Lysol za holen, mit dem sie sich, in ihre Wohnung zurückgekehrt, 
zu vergiften suchte, wieder ohne Erfolg. Nachdem man sie bewußtlos mit 
krampfartigen Erscheinungen aufgefunden hatte, erholte sie sich im Kranken» 
hause bald soweit, daß sie noch an demselben Tage vernehmungsfähig war. Bei 
der polizeilichen Vernehmung schilderte sie ihre Tat mit allen Einzelheiten, 
gab an, daß sie den Entschluß zur Tat schon am Tage vorher gefaßt habe, 
daß sie morgens, als ihr Mann weggegangen sei, diesem damit gedroht habe, 
und daß sie dann „nochmals überlegt“ habe, was sie tun solle, ln gleichem 
Sinne äußerte sie sich zur Krankenhaus - Oberin. Später aber wollte sie von 
ihrem Beginnen nichts mehr wissen und blieb konsequent dabei sowohl in der 
Voruntersuchung, wie in der Hauptverhandiung. Bisweilen äußerte sie, daß sie 
mit dem Tode bestraft werde, dann, daß sie ins Zuchthaus komme; ein anderes 
Mal quälte sie sich wieder mit Selbstmordgedanken, die sie aber erst ausffihren 
wollte, wenn sie ihre ungefähr im 5. Monat stehende Schwangerschaft beendigt 
habe. Im Gefängnis war sie ruhig und gefaßt. Einmal machte sie eine 
theatralische 8sene, behauptete, die ihr verordnete Milch sei vergiftet, und 
lief aus der Zalle mit dem Bufe, es seien Schlangen darin. Als ich ihr direkt 
sagte, sie solle doch kein Theater spielen, das alles glaube ich ihr nicht, ent» 
gegnete sie: „ich spiele kein Theater“, begab sich in ihre Zelle zurück und 
zeigte nie wieder etwas Auffälliges. 

Das geschilderte Ereignis würde sich, so traurig der Tat» 
bestand ist, nicht über das Niveau einer lokalen Sensation erheben 
nnd das Interesse des Mediziners nicht erwecken, wenn nicht die 
Hanptverhandlnng einen gänzlich unerwarteten Verlauf ge¬ 
nommen hätte. 

Schon in der Voruntersuchung hatte die Verteidigung sich lebhaft ba» 
müht zu beweisen, daß die des Mordes Angeklagte in einem geistig unzu¬ 
rechnungsfähigen Zustande gehandelt habe. In der Verhandlung wurde diese 
Aktion konsequent durchgeführt mit dem Erfolg, daß die Geschworenen schon 
die Hauptschuldfrage, ob Frau D. ihre beiden Kinder vorsätzlich getütet habe, 
verneinten und die Freisprechung der Angeklagten erfolgen mußte. 

Mit der Verneinung der Schuldfrage nach vorsätzlicher 
Tötung wurde ausgesprochen, daß ein die Strafbarkeit aus¬ 
schließender Grund vorlag; denn daß die Frau tatsächlich ihre 
Kinder umgebracht hatte, war ja über allen Zweifel erhaben. 
Damit erledigte sich die Beantwortung der Unterfragen, ob die 
Handlung mit Ueberlegung ausgeführt sei, nnd ob mildernde 
Umstände vorhanden seien. Bei der ganzen Sachlage kommt als 
Strafausschließungsgrund nur der Tatbestand des § 51 R.-Str.- 
G.-B. in Betracht. Da es bei unseren Geschworenen-Gerichten 
gänzlich ausgeschlossen erscheint, daß sie Urteile fällen, die der 
Staatsanwalt in seinem Plaidoyer als „südeuropäische* bezeichnete, 
Urteile, nicht nach Rechtsgrundsätzen, sondern vom Mitleid diktiert, 
so muß man als einzige Möglichkeit annehmen, daß die Ge¬ 
schworenen von der Voraussetzung ausgingen, die Frau habe in 
einem Zustand von Bewußtlosigkeit oder krankhafter Störung 
der Geistestätigkeit gehandelt, durch den die freie Willens¬ 
bestimmung ausgeschlossen war. Dieser Annahme aber wurde 
von zwei Sachverständigen, von denen der eine ich war, aus- 
drücklichst widersprochen, während sie der Verteidiger begreif¬ 
licherweise lebhaft plausibel zu machen suchte. 

Tatsächlich aber fand Bich weder in der Anamnese noch in dem Geistes¬ 
zustand vor der Tat, noch in dem Verhalten nach dieser das geringste, was 
für den Psychiater etwas Auffälliges auf geistige Unzurechnungsfähigkeit hin» 
deutendes an sich gehabt hatte. Wohl wurde durch Zeugenaussagen fest- 



Beitrag zu Psychologie des Familienmordes. 


627 


gestellt, daß die Frau immer etwas Unruhiges an sieh gehabt habe, daß sie 
klatschsüchtig und lügenhaft sei, daß sie am Tage nach der Tat und nach 
dieser aufgeregt war (einer Frau kam sie kurz danach „wie irrsinnig" vor, 
während andere sie für völlig normal befanden), daß sie öfter Selbstmord¬ 
gedanken geäußert hatte. Körperlich war sie nicht sehr kräftig, etwas blut¬ 
arm, litt häufig an Kopfschmerzen. Aber sonst waren alle ärztlichen Er¬ 
hebungen negativ. 

Unter diesen Umständen klafft ein tiefer Spalt zwischen der 
Auff&ssang der genannten Sachverständigen gegenüber derjenigen 
der Verteidigung und der Geschworenen, die allerdings unter¬ 
stützt wurde durch das Gutachten eines nicht psychiatrisch vor¬ 
gebildeten Arztes und — eines Geistlichen. Auch in letzterer 
Hinsicht war die Hauptverhandlung sehr lehrreich. 

Im ganzen waren 5 Aerzte als Sachverständige geladen. Der auch nicht 
psychiatrisch geschulte Hausarzt der elterlichen Familie konnte von der An¬ 
geklagten, die sich körperlich und geistig normal entwickelt hatte, und von 
den Familienangehörigen nichts berichten, was Anhaltspunkte für eine geistige 
Erkrankung der ersieren geboten hätte. Bezüglich der Tat gab er die Mög¬ 
lichkeit zu, daß sie in einem Zustand von Unzurechnungsfähigkeit begangen 
sei, von einer Anstaltsbeobachtung versprach er sich nu Erfolg, wenn sie sich 
über mehrere Monate erstreckte. Der andere praktische Arzt, der die Frau 
mehrfach wegen ihrer Kopfschmerzen behandelt hatte, hielt sie zwar sowohl 
zur Zeit der Hauptverhandlung, wie vor der Tat für geistig völlig normal, 
antwortete aber auf die diesbezügliche Frage des Verteidigers prompt, daß 
die Tat selbst in einem unzurechnungsfähigen Zustand begangen sei. Ein 
Pastor, der bald nach der Tat die Frau besucht hatte, schilderte sehr leb¬ 
haft ihre zerknirschte Stimmung und tiefe Beue; er betonte dann, daß aus 
ihrem Verhalten ihm gegenüber „mit absoluter Sicherheit hervorgehe, daß sie 
nioht wußte, was sie tat, daß sie für die Tat nicht verantwortlich war.* Man 
konnte es beinahe bedauern, daß der Zeuge hier an der weiteren Abgabe seines 
psychiatrischen Gutachtens durch die Einwendung des Vorsitzenden gehindert 
wurde, über die Frage der Zurechnungsfähigkeit würden die Aerzte ver¬ 
nommen werden; denn es wäre doch interessant gewesen, das was selbst 
einem Gerichtsarzt in der Neuzeit als Ideal vorschwebte, in die Wirklichkeit 
übersetzt zu sehen, die Begutachtung zweifelhafter Geisteszustände vor Gericht 
durch „Psychologen*, durchnichtärztiicbeLaien (cf. Kornfeld: „Psychiatrische 
Gutachten und richterliche Beurteilung* 1905)1 Gegenüber diesen Urteilen 
fiel das Gutachten eines in 25 jähriger gerichtsärztlicher Tätigkeit erprobten 
Sachverständigen und das meinige nicht ins Gewicht. Gegen die Qualifikation 
des Ersteren führte der Verteidiger an, daß er sich bereits einmal zu Ungunsten 
eines Angeklagten geirrt habe (1), was allerdings gar nicht der Fall war, 

S egen die meinige, daß mir, wenn ich auch ab und zu als Gefängnisarzt einen 
eisteskranken za sehen bekäme, die klinische Erfahrung abginge; er konnte 
ja nicht wissen, daß ich eine jahrelange klinische Ausbildung an einem außer- 

J ewöhnlich großen Material genossen hatte. Dagegen wußte er selbst aus 
er Tatsache, daß ein Bruder der Angeklagten an tuberkulöser Meningitis 
gestorben war, eine besondere geistige Labilität desselben zu konstruieren; 
die natürliche Aufregung vor der Tat, die Unruhe, die die Frau am Tage 
vorher gezeigt hatte, und die Aufregung nach der Ausführung waren Zeichen 
ihrer goistigen Abnormität, die planmäßig mit vollster Ueberlegung ausgeführte 
Tat selbst aber war in einem Zustand strafrechtlicher Unverantwortlichkeit 
begangen. 

Nach alledem haben wir hier die Tatsache, daß 
beim Fehlen jeder geistigen Abnormität eine rechts¬ 
brecherische Handlung als isolierte, die Strafe ans¬ 
schließende transitorische Geistesstörung prokla¬ 
miert wnrde. Für den Psychiater entbehrt sie aber, wie 
gesagt, des pathologischen Charakters; sie ließ sich, wie ich in 
meinem Gatachten aasführte, rein psychologisch erklären, bedurfte 



628 


;Dr. Liebetrati. 


keiner psychopathologischen Erklärung. Die Amnesie, die erst 
nach mehrfachen detaillierten Schilderungen der Vorgänge eintrat, 
die man nicht als retrograde nach dem verunglückten Erhängungs- 
versuch aussprechen konnte, war kurzgesagt simuliert, die 
Schwangerschaft bedingte keine geistige Störung, wie auch die 
früheren normal verlaufen waren; die Szene im Gefängnis war 
absichtlich gemacht. Dagegen hatte die Frau rein menschlich 
begreifliche Motive zu ihrer Tat: 

Sie lebte mit ihrem Manne, den sie tot 4 Jahren geheiratet hatte, als 
ein Liebesverhältnis mit ihm Folgen gezeitigt hatte, in unglücklicher Ehe, 
konnte nicht wirtschaften, machte Schulden, hatte letzthin eine Urkunden* 
lähchung begangen — derentwegen sie kurz vor der Schwargerichtsyerhand- 
lung von der Strafkammer verurteilt war —, um ohne Wissen des Mannes 
von der Sparkasse Geld abzuheben. Am Morgen der Tat ging der Mann zur 
Kasse, um den Sachverhalt festzustellen. Am Abend vorher hatte er sie 
körperlich mißhandelt. 

Es erhebt sich nun die Frage, ob etwa der Familienmord, 
die Tötung von Personen, die dem Täter durch engste Bluts* 
Verwandtschaft verbunden sind, aus an und für sich nicht niedrigen 
Motiven verknüpft mit der Absicht der Selbsttötung, allgemein 
als Ausfluß einer geistigen Störung zu betrachten ist, wie es in 
unserem speziellen Fall geschah, und demnach von vornherein 
unter den § 51 fällt. Es liegt auf der Hand, daß eine derartige 
Tat wie jedes andere Delikt die Folge einer vielleicht in ihren 
Anfangsstadien übersehenen und erst mit dem Einsetzen des 
schrecklichen Ereignisses manifest werdenden Geisteskrankheit 
sein kann, wie beispielsweise der Fall des Studenten R. in Fr. 
zeigte, der in der scheußlichsten Weise seinen Vater und mehrere 
Geschwister tötete. Um aber die Forderung des § 51 zu erfüllen, 
genügt nicht die Tatsache, daß es dem Laien — incl. psychiatrisch 
nicht geschulten Aerzten! — auffällig erscheint, wenn jemand 
das Liebste, daß er besitzt, umbringt, z. B. die Mutter ihre 
Kinder. Es ist selbstverständlich, daß zur Annahme strafrecht¬ 
licher Nichtverantwortlichkeit genau wie bei jeder anderen rechts¬ 
brecherischen Handlung das Bestehen einer unter ein bestimmtes 
klinisches Bild zu rubrizierenden Geistesstörung nachgewiesen 
werden muß. Mit dem Augenblick, wo wir ein Ver¬ 
brechen selbst ohne sonstige Anhaltspunkte für ein 
Psychose — natürlich unter diesen Begriff auch kurz¬ 
dauernde Zustände durch Vergiftungen eingerechnet 
— als eine Geistestörung betrachten, fällt die ganze 
Rechtspflege in ein Nichts zusammen. Dann kann der 
eigentliche Mörder, der Rohheitsverbrecher, viel eher beanspruchen, 
daß er für seine Handlungen nicht verantwortlich gemacht wird; 
denn dem „normalen* Empfinden sind diese doch noch viel 
unerklärlicher als der Familienmord in dem Sinne, in dem wir 
ihn hier auffassen. 

Wie v. Mur alt 1 ) mit Recht betont, muß man derartige 
Fälle wie den unsrigen eigentlich nicht als Mord auffassen, 

*) „Ueber Familienmoral", cf. Referat von Hoppe in Nr. 19 der Zeit¬ 
schrift für Medizinalbeamte von 1905. 



Beitrag zur Psychologie des Familienmordes. 


629 


sondern als Selbstmord, dem ans altruistischen Motiven die Tötung 
von Familienangehörigen vorangeht, der aber selbst mißglückt, 
so daß nun der Täter zur Rechenschaft gezogen wird. Die Tat 
der Frau D. entsprang ebenfalls der Erwägung, daß sie nicht 
mehr weiter leben könne, hervorgerufen durch die Leiden ihrer 
Ehe und die Furcht vor den Folgen ihrer unredlichen Manipula¬ 
tionen; die Kinder aber wollte sie nicht allein zurftcklassen, ergo 
mußte sie sie töten. 

Der Familienmord ist ein Ereignis, das leider in den letzten 
Jahren einen erschreckenden Umfang angenommen hat. Meine 
Bemühungen, einen statistischen Nachweis dieser Zunahme zu 
führen, waren ohne Erfolg, da ich (z. B. im statistischem Jahr¬ 
buch des preußischen Staates) keine Angaben fand. Man braucht 
aber nur einen Blick in die Tageszeitungen zu tun, um fast 
immer Nachrichten von derartigen Vorgängen zu finden. 

Diese Tatsache gibt zu denken, nicht nur dem Psychiater, 
sondern vor allem auch dem Sozialhygieniker. Jeder Fall von 
Familienmord streift m. E. wichtige soziale Probleme. Vielfach 
ist es wirtschaftliche Notlage, die das Familienhaupt und seine 
Angehörigen in den Tod treibt. Aber damit allein wird die 
Häufigkeit des Ereignisses sicher nicht erklärt; denn zweifellos 
wäre die allgemeine Verbesserung der Erwerbsverhältnisse eher 
geeignet, eine Abnahme zu bedingen. Man darf natürlich nicht 
einen Fall zu allgemeinen Schlüssen benutzen, aber einen Hinweis 
kann er immerhin geben. In wie vielen Fällen mag eine 
unglückliche Ehe die letzte Ursache zu solchen Katastrophen 
seinP Wer viel Gelegenheit hat, tiefen Einblick in die Familien¬ 
verhältnisse der weniger bemittelten Volksschichten zu tun, kann 
sich kaum des Eindrucks erwehren, daß nur selten eine wahre, 
auch schwierige äußere Verhältnisse überwindende Neigung zur 
Ehe führt, daß um so häufiger die Ehe leichtsinnig ohne genügende 
Subsistenzmittel in viel zu jungen Jahren, oft unter dem Zwang 
der Folgen eines Liebesverhältnisses geschlossen wird. Was mir 
aber das wesentliche zu sein scheint, wir befinden uns in einer 
Epoche, auf die wir Schüles scharfe Charakteristik an wenden 
können: 

„Es gibt nervBae Zeitlageo, mit zu viel Nerven und zu wenig Nerv — 
wie gerade Virchow die unsrige einst treffend bezeichnete —, und so sind 
auch wir Nervenärzte, die Diagnose des Altmeisters bestätigend, darüber einig, 
dafi die geistige Luft der Gegenwart neben tüchtigen produktiven Elementen 
von innerlichem Kaliber doch auch ein überstarkes Gemenge aus Suggestibilität 
und nervös-psychischer Erregbarkeit mit rascher Erschöpfung enthält, sagen 
wir kurz: einen ausgesprochen hysteroiden Grundzug.“ 

Ich glaube, in dieser nervösen Uebererregbarkeit unserer 
Generation finden wir auch häufig den Schlüssel zum psychologi¬ 
schen Verständnis des Familienmordes und des ihm ähnlichen 
Mordes an nicht blutsverwandten, aber dem Täter sonst nahe¬ 
stehenden Personen (ich denke hier an die erschreckend zahl¬ 
reichen Tötungen mit Selbstmord unter Liebespaaren). Den breiten 
Massen unseres Volkes fehlt ein starker innerlicher Halt; das 
Verantwortlichkeitsgefühl gegen Familie und Gesellschaft, gegen 



680 Dr. Liebetrau: Beitrag zur Psychologie des Familienmordes. 

den Staat ist progressiv gesunken, die Empfindlichkeit, die 
Sensationslust gewachsen. Ist es ein Zufall oder eine Aeuße- 
rung des „hysterischen Grundzuges“ unserer Zeit, daß die 
Selbstmorde unreifer Knaben, die Schülerselbstmorde aus den 
nichtigsten Motiven beträchtlich zagenommen haben, daß sich die 
meist leichtfertig vereint den Tod suchenden Liebespärchen noch 
mit allerlei Brimborium umgeben, um „in Schönheit zu sterben“. 
— Auch im Falle D. fand die Täterin nicht die Kraft, die zum 
größten Teil durch ihre Schuld verursachten Schwierigkeiten zu 
überwinden, der Ausweg über ihren und ihrer Kinder Tod war 
der bequemere; und klingt nicht die „förmliche Aufbahrung“ der 
von eigener Hand getöteten Kinder an die „hyBteroide“ Phrase 
vom „Sterben in Schönheit“ an? Es wäre m. E. eine lohnende 
Aufgabe, alle Fälle von Familienmord (inkl. der ihnen verwandten 
Handlungen) kritisch auf ihre innersten Motive zu untersuchen. 
Sie müßten zu dem Resultate führen, daß sie in der 
überwiegenden Mehrzahl sozial-pathologische Er¬ 
scheinungen sind. 

Zum Schluß noch einige praktische Bemerkungen: Wie 
gesagt, muß zweifellos die Tötung von Angehörigen mit der Ab¬ 
sicht der Selbsttötung anders bewertet werden als der Mord aus 
unlauteren Motiven ohne Selbstmordversuch. Freilich fällt die 
Tat, falls wie in unserem Falle sowohl Vorsatz, wie Ueberlegung 
nachgewiesen wird, unter den § 211 des Str. G. B. Mit dem 
Augenblick aber, in dem das kunstvolle Gebäude der Anklage 
auf Mord, ohne die Möglichkeit der mildernden Umstände, vor 
den Augen der Geschworenen aufgebaut ist, fällt es auch schon 
zusammen. Freilich werden ja meist — wie auch im Falle D. — 
die Unterfragen auf Totschlag (ohne Ueberlegung) und auf mil¬ 
dernde Umstände gestellt, aber im Denkprozeß führen von einer 
extremen Anschauung direkte Pfade zur diametral entgegen¬ 
gesetzten Ansicht. Und so kann es wohl einmal Vorkommen, daß 
der Täter bei klarer Sachlage ohne Vorliegen eines gesetzlichen 
Strafausschließungsgrundes freigesprochen wird. Im Einzelfall 
kann man dem meist tief bemitleidenswerten Täter den Erfolg 
gönnen; aber ein solcher Freispruch würde doch auch eine recht 
bedenkliche Seite haben. Wenn demjenigen, der seine Angehörigen 
getötet hat, der Selbstmord mißglückt, muß er eben, falls die 
Tat nicht unter den § 51 fällt, auch die strafrechtlichen Konse¬ 
quenzen tragen. Wie wir sehen, spielt aber beim Familienmord 
die gesteigerte Suggestibilität unserer Generation eine wichtige 
Rolle; ein Freispruch ist jedoch sicher nicht geeignet zur Ver¬ 
minderung des Ereignisses beizutragen, vielmehr wird er bei dem 
raschen Bekanntwerden aller Sensationen durch die Presse auf 
unbegrenzte Strecken dazu beitragen, im gegebenen Falle ein 
anderes Individuum leichter der Versuchung unterliegen zu lassen. 

Ferner: der Prozeß D. rollt wieder einmal die Frage der 
Auswahl der ärztlichen Sachverständigen auf. Ich muß es mit 
aller Schärfe betonen, daß zur Abgabe psychiatrischer 
Gutachten nicht jeder Arzt befähigt ist. Früher brauchte 



Dr. Schwärt»: Ueber Paradysenterie. 


681 


ja noch nicht einmal eine Prüfung: in Psychiatrie im Staatsexamen 
bestanden zu werden; aber auch die genügt nicht. Im allgemeinen 
ist das „Gutachten“ eines Arztes, der sich nicht intensiv mit 
Psychiatrie, speziell mit forensischer, zu der doch anch eine ge¬ 
wisse formale Schulung]gehört, beschäftigt hat, ebensoviel wert wie 
das des Laien, der eventuell einen Menschen als „verrückt“ be¬ 
zeichnet, weil dieser etwas tut, was ihm selbst nicht recht ver¬ 
ständlich ist. Vor Gericht aber wird kein Unterschied zwischen 
den verschiedenen vernommenen Aerzten gemacht. Auf der Ver¬ 
sammlung des „Deutschen Vereins für Psychiatrie“ 1909 in Bonn 
wurde bei Besprechung der Reform des Strafprozesses die For¬ 
derung aufgestellt, daß zur Vernehmung ajs psychiatrischer Sach¬ 
verständiger eine mindestens einjährige psychiatrische Tätigkeit 
als Vorbedingung gelten solle! 

Schließlich noch eines: Mit Recht wird immer mehr Wert 
darauf gelegt, daß bei der Ausbildung der Juristen die Psychiatrie 
Berücksichtigung findet. Für die Rechtspflege ist es nicht nur 
wertvoll, wenn die Berufsrichter psychiatrisches Verständnis 
haben, sondern wenn dieses auch bei den Verteidigern, bei den 
Rechtsanwälten zu finden ist. Viel schwieriger ist es, im Rahmen 
einer Verhandlung Laienrichter in psychiatrische Grundbegriffe 
einzuführen. Vor kurzem brachte eine angesehene nationale 
Zeitung einen beachtenswerten Aufsatz über die Frage der recht¬ 
lichen Vorbildung der Laienrichter mit Rücksicht anf die in der 
Strafprozeßreform beabsichtigte Erweiterung ihrer Tätigkeit. Wäre 
es nicht wertvoll, wenn dabei anch die Psychiatrie Berücksich¬ 
tigung fände? 


Aus der Landes-Heil- uud Pflege-Anstalt Uchtspringe 
(Direktor: Prof. Alt). 

Ueber Paradysenterie. 

Von Dr. med. W. Schwärt», Assistenten. 

Ende April und Anfang Mai 1910 erkrankten in 2 benach¬ 
barten Gebäuden der Anstalt nacheinander 13 Patienten und 
1 Pfleger unter ruhrartigen Erscheinungen. Zum Beginn trat in 
einigen Fällen unregelmäßiges Fieber bis zu 40,5° C., bei den 
meisten geringeres, bald zur Norm abfallendes, unregelmäßiges 
Fieber ein; in 3 Fällen verlief die Erkrankung fieberlos. Auch 
subnormale Temperaturen wurden gemessen. Es setzten heftige, 
zunächst noch fäkulente Durchfälle ein, denen bereits Schleim¬ 
klümpchen und Blutstreifen beigemischt waren; aber bald 
nahmen sie, allerdings nur in den schwereren Fällen blutig- 
Bchleimigen Charakter an. Dabei bestand dumpfer, zuweilen 
kolikartiger Leibschmerz; besonders die Gegend der Flexura 
sigmoidea war druckempfindlich. In 2 Fällen wurde anfangs 
Erbrechen beobachtet. Alle litten unter quälendem Tenesmus, 
unter Appetitlosigkeit und lebhaftem Durstgefühl. Die Pulszahl 
war, der Temperatur entsprechend, bis zu 140 und darüber erhöht. 
In den schwereren Fällen erschien der Puls auffallend klein und 



Dt. Sckwarts. 


weich. Bel einigen waren wässerige Diarrhöen sut allgemeinem 
Unbehagen den akuten Erscheinungen voraufgegangen. Der Er¬ 
krankung erlagen sehr bald 2 fortgeschrittene Paralytiker unter 
zunehmender Anaemie und allgemeiner Entkräftung bei sehr 
schlechtem Pulse. Die Behandlong mit strenger Diät, Tannigen, 
Strophantns, Rotwein und Tanninklystieren vermochte hier nichts 
aosznrichten. Sie starben beide am 7. Tage der Erkrankung 
unter zunehmender Herzschwäche. 

Die Sektion ergab neben Veränderungen, die auf die pro¬ 
gressive Paralyse zu beziehen waren, die Zeichen einer ausge¬ 
dehnten katarrhalischen Entzündung der Schleimhaut 
des Rektums, der Flexura sigmoidea und in dem einen Falle des 
ganzen Intestinum crassum mit Valvula Bauhini und des 
unteren Teiles des Dünndarmes. An einzelnen Stellen 
fanden sich in beiden Fällen lebhafte Hyperaemie der Mucosa 
und vereinzelte, unregelmäßig begrenzte Geschwüre, 
deren Ränder glatt, aber ein wenig unterminiert waren. Im 
unteren Dünndarm erschienen die Follikel geschwollen. Es be¬ 
stand ferner noch in dem Falle mit Beteiligung des Dünndarms 
eine entzüodliche Verwachsung zwischen dem aufsteigenden Kolon 
und der Bauchwand. 

Die Stuhlgänge waren gleich im Beginn der Erkrankungs¬ 
fälle bakteriologisch im Laboratorium der hiesigen Anstalt 
von mir untersucht worden, indem besonders von den Schleim- 
kümpchen Material auf Drigalski-Conradisehen Nährboden 
ausgesät wurde. Es wuchsen klare blaue Kolonien, die nach 
längerem Aufenthalte im Brutschränke einen gezackten Rand 
aufwiesen. Der hängende Tropfen ließ sie erkennen als 
unbewegliche, Typhusbazillen an Größe übertreffende, plumpe 
Stäbchen mit lebhafter Molekularbewegung. In der gleichmäßig 
getrübten Bouillon konnte auch nach längerer Zeit keine Indol¬ 
bildung naebgewiesen werden. Milch wurde gesäuert, doch 
nicht zur Koagulation gebracht. In Traubenzuckernährboden fand 
keine Gasbildung statt. Lackmusnutrosemannitagar wurde 
nach 48 Stunden deutlich rot gefärbt. 

Mit dem Fick ersehen Dysenteriediagnosticum ließ sich eine 
Agglutination für TypuB Fl einer und T^pus Shiga-Kruse im 
Verhältnis 1:100 und 1: 50 nicht konstatieren. Wegen dieses Aus¬ 
falles des Agglutinationsversuches, sowie wegen der Tatsache, 
daß der fragliche Bacillus Lackmusnutrosemannitagar rot färbt, 
wurde der Stamm Uchtspringe als Paradysenteriebacillus 
Typus Flezner aufgefaßt. Vom Bacillus dysenteriae Flexner 
unterschied er sich durch das Fehlen der Indolbildung. 

Zur Differenzierung und Identifizierung wurde der Stamm 
Uchtspringe in das hygienische Institut der Universität Halle 
gesandt. Herr Dr. Käthe hatte die Liebenswürdigkeit, festsu- 
stellen, daß es sich um den Hiss-Russelschen Y-Bacillus 
handle; jedoch passe der Stamm Uchtspringe nicht völlig in das 
für den Y-Bacillus gegebene Schema hinein; er schlösse sich 



Ueber Paradysenterie. 


683 


kulturell hinsichtlich seines Verhaltens verschiedenen Kohle¬ 
hydraten gegenüber sehr nahe dem Flexnerschen Typus an. 
Von diesem weiche er aber, wie schon oben gesagt, insofern ab, 
als er kein Indol bildet. Durch zwei hochwertige Flexner- 
seren wurde er bis zur Titergrenze agglutiniert. Erwähnenswert 
ist noch, daß das Serum des einen Patienten die aus dem Stuhle 
eines anderen Erkrankten gezüchteten Bazillen bis 1:300 agglu- 
tinierte. 

Die 14 Erkrankungen kamen nacheinander in nur zwei von 22 
mit Kranken belegten Gebäuden der Anstalt vor. Die Erst¬ 
erkrankung betraf am 27. April in Gebäude V, welches ins¬ 
gesamt mit 105 Patienten belegt war, einen weit fortgeschrittenen 
Paralytiker, der am 6. März von dem benachbarten Gebäude XXIII 
nach Gebäude V verlegt worden war. Frühere Erkrankungen 
waren weder in Gebäude V, noch XXIII aufgetreten. Dieser Mann 
verstarb nach 7 Tagen. In Gebäude V erkrankten nacheinander 
noch 5 in demselben Saale nebeneinanderliegende Patienten und 
ein einem anderen Saale angehörender Kranker. Der zweite Fall 
betraf einen ebenfalls an fortgeschrittener Paralyse leidenden 
Mann in Gebäude XXIII am 30. April. Die Gesamtzahl der 
Kranken in Gebäude XXIII belief sich auf 47; von diesen wurden 
6 ergriffen und der sie pflegende Wärter am 5. Tage nach der 
Uebernahme dieses Postens. 

Der zu zweit erkrankte Paralytiker starb ebenfalls am 
7. Tage. Besonders gefährdet erschienen 2 weitere, an fortge¬ 
schrittener Paralyse dahinsiechende Patienten, während der Verlauf 
bei den übrigen 10 Fällen sich als ein leichterer erwies. Der 
mitbetroffene Pfleger holte die Gewichtsabnahme von 18 Pfund 
in kurzer Zeit wieder ein. 

Die hygienischen Verhältnisse der Anstalt sind gut. 
Sie ist mit vorzüglichem Leitungswasser versehen; für einwand¬ 
freie Beseitigung der Abwässer ist Sorge getragen. Eine Infek¬ 
tion durch die Nahrungsmittel erscheint ausgeschlossen, da das 
Essen, für die Station V A z. B., in einem gemeinschaftlichen 
Kessel transportiert wird, nachdem es einer weit größeren 
Menge in der Dampfküche entnommen ist. Auf dieser Station 
erkrankten aber von 26 nacheinander nur 6 Bettnachbarn. 

Der Stationspfleger von V A ist, wie ich in Erfahrung bringen 
konnte, am 29. Dezember 1909 unter den gleichen Erscheinungen 
erkrankt gewesen. Die bakteriologische Untersuchung hatte 
damals nicht vorgenommen werden können. Es ist wohl möglich, 
daß es sich bei ihm um denselben Erreger gehandelt hat und 
daß auf diesem Wege die Uebertragung stattgefunden haben mag. 
Es handelt sich hier um eine reine Kontaktinfektion; dafür 
spricht die Häufung der Fälle in bestimmten Gebäuden, in be¬ 
stimmten Sälen, sowie die zeitliche Aufeinanderfolge der Er¬ 
krankungen. 



684 


Dr. Coester. 


Zur Desinfektionsfrage. 

Von Med.-Bat Dr. Coester in EOnigsbtttte O.-Schl. 

Bei der letzten hiesigen großen Scharlachepidemie im Jahre 
1908 nnd 1909 hat die Desinfektion der Wohnnngen anf den Verlauf 
und die Aasbreitang der Krankheit keinen Einfluß gehabt. Trotz¬ 
dem die Stadt Königshütte die Kosten trag nnd darch geschaltes 
Personal die Desinfektion aasführen ließ, mithin Weigerungen, die 
Desinfektion aasführen za lassen, so gat wie gar nicht vor- 
gekommen waren, griff das Scharlachfieber immer weiter um sich. 
Ueberraschend schnell, fast plötzlich, ist dann die Epidemie im 
Angnst 1909 fast gänzlich erloschen; nur ganz vereinzelt sind 
seitdem noch Scharlachfälle vorgekommen. Jedenfalls hat die 
Desinfektion auf das plötzliche Erlöschen der Epidemie keinen 
Einfluß gehabt, wenn auch eine große Anzahl von Wohnungen 
auf solche Weise saniert worden sind. 

Ich habe mich nun dadurch, daß ich persönlich den Desin¬ 
fektionen beigewohnt habe, bemüht, diese einwandfrei aasführen 
zu lassen, da ich fürchtete, daß während der Epidemie sie nicht 
ganz vorschriftsmäßig ausgeführt worden seien. Dabei habe ich 
die Beobachtung gemacht, daß sie höchst selten einwandsfrei ge¬ 
langen, wenn auch die vorschriftsmäßigen Mengen von Formalin 
verwendet worden. Nicht einmal die Fliegen in manchen Woh¬ 
nungen starben und auch anderes Ungeziefer wurde nicht ver¬ 
nichtet. Als Kuriosum will ich hinzufügen, daß gelegentlich 
auch einmal eine Katze, die sich irgendwie verkrochen hatte, die 
Desinfektion ausgehalten hat. Sie hatte sich in ein Bett voll¬ 
ständig vergraben nnd anscheinend von der Luft gelebt, welche 
zwischen den Federn noch vorhanden war, das Bett gewisser¬ 
maßen als Respirator benutzend. 

Wenn man die Fliegen beobachtete, die sich in einem noch 
mit Formalindämpfen erfüllten Zimmer befanden, so bemerkte 
man, daß sie an den Fensterscheiben ängstlich nnd wie zit¬ 
ternd hin und herkrochen und besonders gern die Gegend auf¬ 
suchten, an welchen die Fensterscheiben in den Holzrahmen be¬ 
festigt waren. Dieser Umstand ist leicht erklärlich; denn dort 
dringt, wenn der Fensterkitt nur einigermaßen älter ist, stets von 
außen Luft hinein, wahrscheinlich genügend, um das Sauerstoff¬ 
bedürfnis der Tiere zu decken. Erwägt man nun, daß gerade 
die Fliegen, aber auch Flöhe und Wanzen, sicher die Träger von 
Ansteckungsstoffen sind, indem sie Mikroben aus dem Blute des 
einen Menschen bei ihrer Nabrungssache auf andere übertragen, 
dass besonders die Fliegen Milch, Brot, Fleisch, Käse, kurz, alle 
möglichen Nahrungsmittel mit ihrem Rüssel, mit dem sie vorher 
auf dem Kopf, auf den Händen, dem Gesicht etc. eines Kranken 
gesogen haben, infizieren können, so moß man von einer wirk¬ 
samen Desinfektion verlangen, daß sie auch diese Tiere unschäd¬ 
lich macht. 

Um die Vorgänge bei einer sorgsamen Desinfektion einwand¬ 
frei za prüfen, habe ich im Knappschafts-Lazarett zu Neu-Hei- 



Zu Ddsinlektionalr&ge. 


685 


duk, mit Erlaubnis des leitenden Arztes, Herrn San.-ßat Dr. Hart» 
mann, wofür ich ihm hier meinen besten Dank sage, in einem 
Krankenzimmer einige Desinfektionen zunächst mit dem Flügge - 
sehen Formalin-Apparat ausgeführt: Aufs sorgfältigste wurden 
die Ritzen der Fenster und Türen verstopft; auch wurde genau 
nach Vorschrift die bestimmte Menge von Formaliu verbraucht. 
In zwei Drahtfliegenfallen wurde eine Anzahl lebender Fliegen so 
aufgestellt, daß die eine Fliegenfalle in der Nähe der Tür, die 
andere möglichst nahe an den Fensterscheiben sich befand. 
Außerdem wurden einige Wanzen in einem offenen Glase dessen 
Wände sie nicht emporklimmen konnten, unbedeckt untergebracht 
und an Nägeln in der Wand Je ein Faden, der mit Koli- und 
Typhusbazillen besät worden war, aufgehängt. 

Das Ergebnis war nach viereinhalbstflndiger Einwirkung 
der Formalindämpfe, daß die Fliegen getötet waren. Die Wanzen 
lagen zwar zunächst ebenfalls wie tot, einige erholten sich aber 
wieder (von 20 vier Stück), nachdem sie an die frische Luft ge¬ 
bracht worden waren. Sowohl der mit Typhus, wie der mit Koli- 
bazillen besetzte Faden war steril geworden; ebenso waren die 
getöteten Fliegen, die zum Nachweis in Nährbouillon gelegt 
worden waren, keimfrei. 

Ein ähnliches Ergebnis hatte die sorgfältig ausgeführte Des¬ 
infektion mit Kali hypermang. pur. und Formalin, während die 
Desinfektion mit Kali hypermang. crud. keinen genügenden Erfolg 
hatte, wie die aufgehängten Probefäden bewiesen, die noch lebende 
Keime enthielten. 

Diese Versuche scheinen zu beweisen, daß meine Vermu¬ 
tung betreffs Beeinträchtigung der Desinfektion durch schlecht- 
schließennde Fensterscheiben in den meisten Wohnhäusern be¬ 
rechtigt ist. Deshalb wird man den Instruktionen zur Ausführung 
der Desinfektion die Bestimmung hinzufügen müssen, daß bei der 
Dichtung der Ritzen auch auf die Fensterscheiben zu achten ist 
und daß bei älteren Fenstern oder solchen, bei denen die Ver¬ 
kittung locker und schadhaft geworden ist, der Vorsicht wegen 
auch die Fensterscheiben mit Heftpflasterstreifen oder mit gummier¬ 
tem Papier oder Fensterkitt zu dichten sind, damit sowohl das 
Eindringen der Luft von aussen, wie das Entweichen von For¬ 
malin von innen nach aussen vermieden wird. Jedenfalls haben 
meine Versuche ergeben, dass sowohl die Desinfektion nach 
Flügge, wie auch die mit Kali hypermang. pur. befriedigende 
Ergebnisse haben. Die Kosten sind fast gleich. Was die Aus¬ 
führung der letzteren anlangt, so sind als billige Gefässe halbe 
Petroleumfässer, d. h. in der Mitte zersägte, überall zu haben; 
um das Ueberschäumen zu vermeiden, ist zu empfehlen, die Kali 
hypermang.-Krystalle zuerst mit dem nötigen Wasser zu einem 
Brei umzurühren, ehe man das notwendige Formalin hinzuifigt. 



636 


Kleinere Mitteilungen and Referate aas Zeitschriften. 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 

A. Gerichtliche Medizin. 

Erfahrungen ans dem Gebiete der gerlehtllehea Chemie. Yen ProL 
E. Ludwig. 1 ) Wiener med. Wochenschrift; 1910, Nr. 14. 

Unter 685 Untersuchungen ergaben 388 = 56,7 °/o ein positives Resultat 
Von anorganischen Giften kamen Arsen, Phosphor und Quecksilber, von den 
organischen Giften Morphin, Strychnin, Blausäure bezw. Cyankalium weitaus 
am häufigsten in den Üntersucbnngsobjekten vor. Eine große Schwierigkeit 
bietet bei den Untersuchungen die Beschaffung chemisch reiner Beageatien. 

Weiterhin werden spezielle Untersuchungsmethoden besprochen. Der 
Verfasser erwähnt, daß Gantier auch normalerweise Spuren von Arsen in 
den Ektodermorganen nachweisen konnte. Er hält diese Angelegenheit noch 
nicht f&r gentigend geklärt da bei zahlreichen sorgfältigen, gerichtlichen 
Untersuchungen nie Arsen gefunden ist. Arsenspuren können, wie er an einem 
Beispiel nachweist, auch von Kränzen, Bildern, Metallkreuzen, Tüchern etc. 
herrühren, die mit arsenhaltigen Farben künstlich gefärbt sind. Wichtig ist 
fernerhin, daß Metallgifte und besonders Arsen häufig in Friedhoferde gefunden 
ist. Diese Gifte können unter besonderen Umständen aus der Erde in die 
Leiche übergehen. 

Phosphor konnte mit Hilfe bestimmter Methoden noch bis au sechs 
Wochen nach der Beerdigung festgestellt werden. Fast regelmäßig findet 
man nach Phosphor Vergiftung Sparen von Arsen in der Leber; diese rühren 
vom Arsengehalt des Phosphors her. 

Blausäure ist nicht so vergänglich, wie man bisher glaubte. In der 
Leiche eines Mannes, der sich mit Cyankalium vergiftet hatte, konnte vier 
Monate nach dem Tode noch eine beträchtliche Menge Blausäure gefunden 
werden. 

Bei dem Nachweis der Pflanzengifte wurden neben gut ausge¬ 
arbeiteten Spezialreaktionen auch physiologische Tierversuche angewandt. 

In Tierleichen konnte Strychnin und Morphin noch nach 1—2 Jahren 
von Haneke festgestellt werden. Ferner gelang es dem Verfasser aus einer 
bereits neun Monate begrabenen Leiche eines mit Belladonnawursel vergifteten 
Mannes noch reichlich Atropin auszuscheiden. 

Der Nachweis der Pflanienalkaloide kann bisweilen durch Leichea- 
alkaloide oder Ptomaine erschwert werden. Der Verfasser betont aber, daß 
es kein Ptomain gibt, welches in allen Reaktionen einem der bekannten Pflanzen- 
alkaloide gleichkäme. Zum Schluß der Ausführungen tritt er für die Errichtung 
staatlicher gerichtlich - chemischer Institute ein. 

Dr. Kurpjuweit-Swinemüade. 


Direkter Nachweis von Kohleuoxydhaemoglobln ln Geweben. Von 
Dr. de Domlnicis-Paria. Arch. internation. de mödec. 16g.; VoL L Januar 
1910, S. 80. 

Das auf CO-Hb zu untersuchende Organgewebe und ein gleich blut¬ 
haltiges normales werden 24 Stunden oder länger in eine l,5°/oige Tannin¬ 
lösung gelegt. Ist das Untersuchungsobjekt nach dieser Zeit leicht rosa 
(mehr oder weniger kirschrot), die Kontrolle nicht, so ist CO nachgewiesen. 

_ Dr. P. Fraenckel-Berlia. 

Zwei Fälle von Kohlenoxyd-Tergiftung. Von A. J. HalL Lancet; 
1910, p. 1467. 

Eine 83 jährige Lehrerin wurde bewustlos in der Badewanne liegend 
auf gefunden, den Kopf über Wasser. Geruch nach Gas oder Kohlenduast 
fehlte in dem Zimmer. Rasche Erholung. Kurze Zeit darauf wurde der 
Verlobte in dem gleichen Zimmer bewustlos, als er ein Bad nehmen wollte. 
Man fand ihm in der leeren Badewanne, auf einem Handtuch sitzend. Diesmal 
starker Gasgeruch. Langsame Erholung. Demenz. Später Inkontinenz des 
Urins und des Stahls. Unter Temperatursteigerung Tod am 17. Tage nach 


‘) Vortrag, gehalten im Oesterrelchischen Ingenieur- und Architekten¬ 
verein am 25. Februar 1910. 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


687 


der Vergiftung. 8ektion negativ. Mikroskopischer Untersuchungsbefund fehlt. 
Wenngleich die Regel, daß immer an Selbstmord au denken ist, wenn eine 
Person, die bereits vor ihrer Verehelichung steht, plötzlich stirbt, gewiß zu 
Recht besteht, darf im vorliegenden Falle doch aus den Süßeren Umständen 
mit großer Wahrscheinlichkeit auf Ungllicksfali geschlossen werden. 

Dr. Revenstorf-Breslau. 

Ueber Absorption von Inhalationsgiften in den Knochen* Von A. 
de Dominicis. Journal de Mödecine de Paris; 1910, Nr. 21. 

Verlasser, der bereits in einer früheren Arbeit darauf hingewiesen hat, 
daß manche Gifte, z. 6. Strychnin ln größeren Mengen aus den Knochen 
wiedergewonnen werden können, teilt in in der vorliegenden Arbeit Versuche 
über den Nachweis gasförmiger Gifte aus den Knochen mit. Die Experimente 
wurden an Hunden angestellt, die durch Inhalation von Chloroform getötet 
waren. Das Chloroform wurde nach der Methode ven Seyda nachgewiesen. 
Es gelang das Gift noch nach 4—10 Monaten aus den Knochen der Tiere 
wieder zu gewinnen. Chloroform wird begierig vom Fett absorbiert und ist 
wahrscheinlich im Knochenfett aufgespeichert, das eine große Widerstands* 
fähigkeit gegen die Fäulnis besitzt. Dr. Revenstorf-Breslau. 

Vergiftung durch Dynamitgase. Von P. W. K. BOckmann, 
Christiania. Tldsskrift for den norske Laegeforening; 1910, Nr. 7. 

In einem Bergwerk wurden 8 Arbeiter tot aufgefunden, welche den 
Schacht kurze Zeit nach einer Sprengung betreten hatten. Todesursache: 
Vergiftung durch Kohlenoxyd, das sich infolge unvollständiger Verbrennung 
des Dynamits gebildet hatte. Das Kohlenoxyd lagerte, vermischt mit der 
schweren Kohlensäure, am Boden der Grube und war nicht beseitigt worden, 
trotzdem der Ventilator 15 Minuten gearbeitet hatte. 

^ Dr. Revenstorf-Breslau. 

Experimentelle Untersuchungen über die Veränderungen der Nieren 
bei Karbolsäurevergiftung. Von Dr. S. Uyeno-Japan. Zieglers Beiträge 
zur allgemeinen Pathologie und pathol. Anatomie. Bd. 47, Heft 1. 

Verfasser hat an Kaninchen und Hunden mehrmals subkutane In¬ 
jektionen einer 2proz- Karbolsäurelösung in der Dosisgröße von 0,5—2 ce 
gemacht und hat mehrfach während der Versuchsdauer die eine Niere exstir- 
plert und histologisch untersucht, um durch Vergleich mit der später (nach 
spontanem Tod und erfolgter Tötung) untersuchten zweiten Niere die ver¬ 
schiedenen Stadien studieren zu können. Die längste Versuchsdauer betrug 
159 Tage, die größte injizierte Gesamtmenge 81 g der 2proz. Karbollösung. 

Als Folgen der Karbolsäurevergiltung konstatiert Verfasser in den 
Glomeruluskapseln das Auftreten eines gerinnenden oft mit Erytrozyten 
untermischten Exudates, das entweder zu zystenartiger Umwand¬ 
lung des Kapselranmes, oder aber zur Induration der Kapsel mit Ver¬ 
kleinerung und Verödung des Glomerulus führt. Die Harnkanälchen, meist 
die Tabuli contorti und die Henloschen Schleifen, seltener die geraden, ent¬ 
hielten hyaline, in einzelnen Fällen auch verkalkte Zylinder (dieser 
Befund ist also nicht pathognomonisch für Sublimatvergiftung I Ref.) In der 
Umgebung der durch Zylinder verschlossenen Harnkanälchen finden sich in 
der Rinde zahlreiche Disseminate, in der Marksubstanz einzelne größere inter¬ 
stitielle Prozesse, die im späteren Verlauf zur Atrophie und Schrumpfung 
führen. Wenn auch die an Kaninchen gewonnenen Ergebnisse mit den Hunde¬ 
versuchen im allgemeinen übereinstimmen, so treten die Erscheinungen doch 
beim Hunde schon früher ein als wie bei Kaninchen. 

Von den 8 vergifteten Hunden gingen 2 an Pneumonie ein, was wohl 
mit der bekannten Ausscheidung der Phenole durch den Tractus respiratorius 
zu erklären ist; dem gegenüber ist interessant, daß von den zahlreichen 
Kaninchen keines pneumonisch zugrunde ging. Dr. Merkel-Erlangen. 

Der Fall Beckert* (Mord und Brand in der deutschen Gesandtschaft 
zu Santiago de Chile.) Gerichtsärztliches Gutachten, zugleich ein Beitrag zur 
Kenntnis der Verbrennungserscheinungen an der Leiche. Von Professor 



688 


Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitacbrii 


Dr. M. Westenhoeffer. Vierteljahrsschrift für gerichtlii 
8. F., 89. Bd., H. 2, 8. 236-806. 

Die Arbeit schildert zunächst die teilweise bekannten 
raffinierten Verbrechen, das der Kanzlist der deutschen 
Santiago, Beckert, am 6. Februar 1909 begangen hat. Ei 
sandtschaflsdiener, T a p i a, erstochen und dann einen Hai 
nachdem er die Leiche mit seinem eigenen Anzage bekleid 
neben sie seine eigenen Wert- und Qebraachsgegenst&i 
Kneifer etc.) gelegt hatte. Es gelang hierdurch zunächst < 
Irrtum zu wecken, daß Beckert der Ermordete und Ta] 
Die gerichtliche Sektion durch die chilenischen Aerzte g< 
Ergebnis für die Todesursache (sie war in Wirklichkeit von 
geführt worden). Westenhoeffer obduzierte zwei Tag 
und fand noben den Zerstörungen durch Feuer eine schwere 
mit starker vitaler Reaktion und große Stichrerletzungen 
Aorta, der Lungen usw. Die Verbrennungen waren alle poa 
die Leiche unter Beteiligung der chilenischen und deutsche 
jenige Bockerts bestattet worden war, trat der Direktor 
Instituts mit der Angabe hervor, er habe auf die bestim 
Zeugen hin, der Beckert am Tage nach der Tat gesel 
haben wollte, bei Beckerts Frau und seinem Zahnarzt 
sein Gebiß augestellt. Daraus ergebe sich mit Sicherheit, 
die Beckerts sein könne. Die Angabe war richtig, da 
entsprach vielmehr dem Tapias. Bedauerlicherweise waren 
der auch sehr sorgfältige Untersuchungen über das Gebiß a 
einen Sprachfehler des Dolmetschers bei Vernehmung v< 
die entscheidenden Tatsachen nicht bekannt geworden; de 
aus Cuauvinismus bis eine Stunde nach dem pompösen 1 
schwiegen. Beckert wurde nach 11 Tagen auf de? F 
Tat war von dem höchst intelligenten, langjährigen Beau 
rischer Volksschullehrer gewesen war und mehrfach, d 
hatte, lange mit Drohbriefen an sich und andere De ul 
und ähnliches vorbereitet worden. Ihr Motiv waren. 1 
der Gesandtschaftskasse, deren Entdeckung bevorstan<P. 
Verbrennung des Archivs, aus dem sich seine Verantreuu 
und durch den Glauben an seinen Tod wenigstens mit 
der Bildfläche verschwinden. In zurückgelassenen Bit 
seine Familie der staatlichen Unterstützung. 

West enh oef f er hat einige Leichen Verbrennung 
wortung einiger Fragen angestellt. Er fand u. a., daß 
ein Unterschenkel in drei Minuten bis auf den Knochen 
Rinde verkohlt, z. T. kalziniert wird. Die Kopfschwarte 
Baues besonders schwer (1 Stunde Gebläsefeuer gegenttl 
die Gesichtshaut erforderlich sind). Die Zähne verkohl 
Die Kronen brechen in der Weise ab, daß ein kegeltörn 
bleibt, von dem der Schmelz bis auf einen leinen St 
Alveolarrandes abgesprungen ist. Die Verkürzung dei 
durch Hitzewirkung kann ein Vortreten der Zunge 
Strangulierten bekannt ist. Hautverletzungen streben i 
Feuers der Kreisform zu. Die Querdurchmesser werk 
sich dabei mehr oder weniger, je nach der Lage der 
siehnng zu Knochen, nach der Menge elastischer Faser 
gewebes. Sobald durch das Feuer ein Wand Winkel 
gegen diese rasch bis zu ihrem vollständigen Verschwii 
Schnitt Verletzung bleiben dabei vollständig glatt. V© 
entstandene Verletzungen haben aber abgerundete V7 
Feuer selbst bewirkt sind, in der Regel enge Winke 
hältnisse gelten auch für Verbrennungen mit Petro 
des Schädels wird nach dam Bersten der Dura dei 
Gewalt dampfend ausgespritzt. Als „Wanderung de 
Verfasser die Erscheinung, daß eine schon verkohlte VS 
Verkürzung benachbarter Gewebe ihre Lage um meh 
kann. Hieraus können sich Schwierigkeiten im Ern 



Kleinere Mitteilungen Und Referate ans Zeitschriften. 


689 


Knochenverletzung ergeben. W. betont die Bedeutung, die die inneren Pig- 
mentiernngen (Haarwarzein, Regenbogenhaut, Aderhaut) für eine Identifizierung 
verkohlten des Haares beraubter Leichen haben können und erwähnt, daß in 
Chile bei Eingeborenen oder Mischlingen mit brauner Hautfarbe, dunkler Regen* 
bogenhaut und dunklem Haar der Leichen ganz regelmäßig auch eine starke 
Pigmentierung der weichen Hirnhaut des verlängerten Marks, ja manchmal des 
ganzen Hirnstammes und des ganzen Rückenmarks vorkommt. Neben den 
angeführten enthält die Arbeit noch eine große Anzahl interessanter Unter* 
Buchungen und Betrachtungen, die im Referat nicht kurz wiedergegeben werden 
können. JDr. P.Fraenckel-Berlin. 


Ueber Selbstmord dureh Erschlossen mit abnormer Einschuss¬ 
öffnung und die Entscheidung, ob Mord oder Selbstmord vorliegt. Aus 
der Königl. Unterrichtsanst. f. Staatsarzneik. d. Univ. Berlin. Von Dr. med. 
Th. Rehberg-Trier. Vierteljahresschr. für ger. Medizin usw.; 89. Band, 

Heft 2, 8. 806 -826. 

Nach einer Besprechung der bekannten Fälle von Selbstmord durch 
Kopfschuß mit abnorm gelegener Einschußöffnung teilt R. nach einem 
Straßmann sehen Obergutachten einen schwierigen Fall dieser Art mit. 
Erbsengroßer Einschuß hinten links von der Mittellinie des Hinterkopfs, ohne 
Versengungsaymptome oder Pulvereinsprengung. Die Enochendurchbohrung 
(1 cm Durchmesser) saß 1 cm über dem Foram. magn. dicht links von der 
Mittellinie. Außen nur ein halb so breiter, zungenlörmiger, ca. 6 mm langer 
Ausläufer nach unten, innen eine Abschrägung der Ränder nach links und 
unten hin vorhanden. Der Schußkanal im Gehirn zog von der entsprechenden 
Stelle der linken Kleinhirnhälfte nach der rechten Großhirnhalbkugel bin und 
endete in der rechten Seitenkammer, wo sich das Hauptstück des Geschosses 
fand. Trotz der ungewöhnlichen Befunde war ein Selbstmord nicht auszu¬ 
schließen, weil dieser Sitz des Einschusses bei Selbstmördern vorkommt, ebenso 
das Fehlen der Schußwaffe und das Fehlen der Nahschußerscheinungen durch 
Verwendung von Schwarzpulver und Durchschießen des (anfangs gesehenen, 
später abhanden gekommenen) Hutes erklärt werden kann. Die Splitterungen 
am Einschuß können durch die Festigkeitsverhältnisse des Knochens bedingt 
sein und sind nicht ohne weiteres für die Richtung der eindringenden Kugel 
zu verwenden, die dann in einem scharfen Winkel zum inneren Kanal auf¬ 
geschlagen wäre. Zu diesen Fragen wurden Scbießversuche angestellt, die 
ergaben, daß die Nahschußkriterien an der Kopfbedeckung immer vorhanden 
sind, außer bei unmittelbar aufgesetzter Mündung. Ein Feuerfangen (Glimmen) 
des Filzes erfolgte nur in einem Drittel der Versuche. Am Schädel der Leiche 
fehlten Versengungen. Die Palvereinsprengungen in den Wundrändern und im 
Schußkanal des Gehirns waren so gering, ebenso die Tachreste, daß sie 
neben starken Blutungen der Beobachtung hätten entgehen müssen; mikro¬ 
skopisch dürfte dagegen aus ihnen die Diagnose des Nahschusses auf beklei¬ 
deten KOrper wohl stets möglich sein. Aehnlich waren die Ergebnisse bei 
Isolierten, außen und innen mit Plastellin bedekten Schädelkapseln, wenn die 
Mündung etwa 1 cm weit entfernt blieb. Bei aufgesetzter Mündung dagegen 
bekam R. sowohl außen wie in der Füllung Naherscheinungen. Nur in diesen 
Fällen wären sie ohne Mikroskop zu entdecken gewesen. Die Kopfbedeckung 
verursachte niemals eine wesentliche Abschwächung der Durchschlagskraft. 
Bei Schrägschuß wurde nie eine Aenderung der Gehirnbahn erhalten. Des- 

! gleichen waren aus dem Knochenbefand keine einheitlichen Anhaltspunkte 
ür eine schräge Schußrichtung zu gewinnen. 

Dr. P. Fraenckel-Berlin. 


Die Unterscheidung von Mord und Selbstmord. Von G. Cor in und 
F. Heger Gilbert. Arch. internation. de m6d. 16g.; VoL 1., Januar 1910, 
fasz. S. 69. 

Eine Zusammenstellung mehrerer interessanter Fälle, die zeigen, wie 
keinerlei allgemeine Regeln, sondern nur die Erwägung aller Umstände die 
Entscheidung, ob Mord oder Selbstmord, richtig leiten können. Zunächst 
mehrere Beobachtungen von Ueberleben und Fehlen einer Bewußtlosigkeit 
nach mehrfachem, das Gehirn durchsetzenden Kopfschüssen. In einem Falle 



640 


Kleinere Mitteilungen und Referate Ans Zeitschriften. 


von Schuß in die linke Schilfe entschied die Zerstürung der Pjramidenbahm 
du Gutachten für Mord, weil die Hand, die die nach der Verletzung erfolgten 
Bewegungen hätte ausftthren müssen, gelähmt sein mnßte. Gelegentlich der 
Beschreibung auffällig tiefer Halsschnittwanden mit Herausschneiden von 
Kehlkopfstücken bei Selbstmördern, vertreten die Verf. die Ansicht, daß beim 
Selbstmord durch HalBschnitt selten die Sternodeidomutoidei und die Karo* 
tiden verletzt werden, weil sie durch die Streckung des Kopfes, die der 
Selbstmörder macht, um das Messer anzusetzen, nach den Seiten und außer* 
halb des Bereichs des Schnittes gelangen. Weitere Mitteilungen betreffen 
eine Selbsterdrosselung mit einer Schürze, die durch einfache Knotung ge¬ 
schlossen war, eine Erhängung in liegender Haltung im Bett, eine zufällige 
Erhängung eines Mädchens an einem Baumut. 

Dr. P. Fraenckel-Berlin. 


Mord und Selbstmord. Ermittelung der Todesstunde. Von 
F. Bravo y Moreno und J. Vilarrasa J. Arenyas. Barcelona 1910. 

In einem Keller wurden 4 Leichen gefunden, die sich sämtlich bereits 
im Zustande vorgeschrittener Fäulnis befanden. Es handelte sich um zwei 
Männner, eine Frau und ein Kind von 5—6 Monaten. Der MOrder hatte 
Selbstmord begangen, nachdem er das Ehepaar und das Kind durch Axthiebe 
auf den Schädel amgebracht hatte. Es lag eine seltene Form du Selbst¬ 
mordes vor. An der Leiche fanden sich 21 oberflächliche Schnittwunden, 
einige Schußrerletzungen und 6 schwere Hiebwunden des Schädels. Die 
Obduzenten nahmen an, daß Denatus sich zunächst die Schnittwunden und 
danach die ebenfalls nicht tödlichen Schußverletzuogen beigebracht habe 
und daß erst die gegen den Kopf gerichteten Beilhiebe den Tod herbeiführten. 
Au dem Grade der Fäulniserscheinungen schlossen die Sachverständigen, daß 
die Frau vor 6—7 Tagen und daß der Mann vor 5—6 Tagen gestorben sei, 
während der MOrder seinen Verletzungen erst vor ca. 36 Stunden erlag. 

W. Bevenstori-Breslau. 


Tetanus Infolge von kriminellen Abortus. Von Dr. Hermann MetalL 
Allgemeine Wiener mediz. Zeitung; 1910, Nr. 26. 

Einer IV. para waren zur Hervorrufung des Aborts frische, mit Erde 
beschmutzte Wurzeln (wahrscheinlich Malvenwurzeln) in die Genitalien ein* 
geführt worden durch eine Kurpfascherin. Es trat Tetanu ein, der am 
12. Krankheitstage zum Tode führte. Die gerichtliche Obduktion ergab aller¬ 
dings keinerlei Läsionen an den Genitalien, da aber auch keine andere Ver¬ 
letzung nachzuweisen und die Einführung der Wurzeln durch das Geständnis 
der Pluscherin sichergestellt war, so ist die Annahme vollauf berechtigt, daß 
die Infektion von den Genitalien au erfolgt ist. 

Dr. v. Leliwa-Waldenburg (Schics.). 


Ein Fall von Hypogastrodldymle. Von Dr. Leopold Neufeld-Uag.- 
Brod. Allgemeine Wiener medizin. Zeitung; 1910, Nr. 25. (Abbildung der 
lebenden Mißbildung.) 

Die Mißbildung wurde von einer 40 jährigen Zigeunerin geboren nach 
normaler Schwangerschaftsdauer und blieb 8'/• Tage am Leben. Bis zum 
Bauche 2 normale Kinder, du schwächere mit offenem Foramen ovale, der 
Bauch gemeinsam, ebenso du Becken. Im unteren Teile des Leibes eine offene 
4*/» cm lange, 2 cm breite klaffende Bauchspalte, in deren oberem Winkel die 
Nabelschnur hervortritt; Symphyse gespalten, Blue ektopiert. Es sind drei 
untere Extremitäten vorhanden, zwei davon normal augebildet, die dritte 
hinten iuerierend artikuliert mit dem Beckenteile des schwächeren Kindes, 
hat einen dickeren Umfang, besitzt aber nur 1 Femur und 1 Tibia. Diene 
Extremität, obwohl mit des schwächeren Kindes Beckenteil artikulierend, setzt 
sich längs der Wirbelsäule des anderen stärkeren Kindes fort und endigt an 
dessen Nacken. Der Faß dieser Extremität ist ein Klumpfuß mit 6 Zehen, 
wobei die überzählige Zehe am Dorsum pedis mit dem Metatarsu der dritten 
Zehe artikuliert in der Nähe dos Lisfrankschen Gelenks und mit dem Meta¬ 
tarsu einen nach oben offenen Winkel bildet. 

Dr. v, Leliwa-Waldenburg (SchL). 



Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 


641 


B. Cforlohtliohe Payohlatrle. 

Veber Technik and Bedeutung der zytologlschen Untersuchung des 
Liquor cerebrospinalis. Von Dr. Victor Kafka, klinischem Assistenten. 
Monatsschrift lür Psychiatrie; Bd. XXVII, H. 5. 

Kafka fallt seine praktischen Erfahrungen folgendermaßen zusammen: 

1. Die besten Zählresultate gibt die Zählung im gefärbten Präparate, 
vorausgesetzt, daß gleich nach der Liquorentnahme Formol zugesetzt und 
nach einer bestimmten Methode vorgegangen wird. 

2. Als Grenzwerte zwischen normalen und pathologischen Zellzahlen 
gelten ca. 2 Zellen für die erste, ca. 5 fttr die zweite Methode. 

8. Auch bei den progressiven Paralysen kommen negative Zellbefande 
vor. Da aber die Zeitzahl bei dieser Erkrankung (wie auch nicht selten bei 
anderen Erkrankungen, die mit Pleozytose einhergehen) oft großen Schwankungen 
unterworfen ist, die mit dem Krankheitsbilde in keinerlei Parallismus stehen, 
läßt sich aus einer einzelnen Punktion noch kein bindender Schluß auf negativen 
Befand geben. 

4. Nicht ganz so selten kommen auch bei organischen Nerven* 
erkrankungen ohne irgendwie nachweisbare Lues Zellen im Liquor vor, sehr 
selten aucn bei Dementia praecox und Epilepsie. 

5. Exarzerbationen im paralytischen Krankheitsbilde sind nur selten 
von einer Liqaorleukozytose gefolgt oder begleitet; die letztere kommt 
häufig vor, ohne daß sich irgendeine Veränderung im Krankheitsbilde zeigt. 

6. Postmortal tritt eine Zellvermehrung auch in intravital zellfreien 
Liquores mit schweren Degenerationserscheinungen der Zellen ein. 

7. Zur Differentialdiagnose läßt sich in bezug auf die Paralyse nur 
ein (mehrmals gefundener) negativer Befund verwerten; freilich sprechen hohe 

{ »oaitive Zellbefande fttr Paralyse. Zar Bestimmung, ob ein organisches Hirn« 
eiden auf luischer Basis beruht, wird ein positives Resultat gute Dienste 
leisten. Dr. Többen-Mttnster. 


Die psychischen und nerrSsen Erscheinungen bei Arteriosklerose 
des Gehirns. Von Prof. Dr. Alexander Pilcz. *) Wiener Med. Wochenschrift; 
1910, Nr. 11. 

Bisher worden die leichteren Formen der arteriosklerotischen Hlrn- 
verinderang mit der Diagnose „Neurasthenie“ abgetan und die schweren Pro« 
zesse fälschlich mit der „Paralysis progressiva“ oder mit dem „AltersblOdsinn“ 
susammengeworfen. 

Die leichteste Form ist die sogenannte nervöse Form der Hirnarterio- 
sklerose. Hierbei treten ohne jede besondere Ursache im hohen Lebensalter 
objektiv nachweisbare Gedächtnisschwäche, Verlangsamung und Hemmung des 
Denkverlaufs, Kopfschmerz, Schwindel, verbunden mit Veränderungen des 
Herzens und der Niere (hoher Blutdruck, Eiweiß) und Halbseitenerscheinungen 
(Differenz der Reflexe) auf. 

Die schwerere und wichtigere Form ist die progressive arteriosklerotische 
Hirndegeneration. Die Anfangsstadien haben eine gewisse Aehnlichkeit mit 
der neurasthenischen Form. Zunächst stellen sich sehr flüchtige hypochon¬ 
drische und melancholische Zustände ein; dann entwickelt sich eine schub¬ 
weise Zunahme der Verblödung. Die Denk- und Merkfähigkeit sind schwer 
beeinträchtigt. Die Reproduktionsfähigkeit, das Gedächtnis lür frühere Studien, 
Kritik und Urteilskraft bleiben lange erhalten. Eigenartig sind die plötzlichen, 
vorübergehenden Besserungen. Ferner besteht lebhaftes Krankheitsgefühl. 
Späterhin nimmt die Verblödung bis zar vollständigen Hilflosigkeit zu. Bei 
vielen kommt es auf dem Boden der Demenz noch zu deliranten Verworren- 
heitszuständen. 

Daneben machen sich kortikale und bulbäre Ausfalls- resp. Reiz¬ 
erscheinungen bemerkbar, so apoplektische, epileptische Anfälle, Aphasie, 
Heminanopsie, Dysarthrie, Papillenstarre, Papillenungleichheit etc. Herz und 
Niere zeigen dieselben Veränderungen wie bei der neurasthenischen Form. 

Differentialdiagnostisch kommt gegenüber der Paralysis progressiva be¬ 
sonders der Mangel der strahlenden Euphorie und der abandanten Größen- 


*) Vortrag im Aerzteverein des 2. Bezirks in Wien. 



642 


Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


Ideen neben den bereite erwähnten Symptomen, ferner in körperlicher Beziehung 
des höhere Lebensalter, der negative Befand bei Untersuchung der Lumbal- 
fiOssigkeit auf Wassermann und Pleozytose, hoher Blutdruck, verhalten der 
Pupillen, Fehlen der charakteristischen paralytischen Dysarthrie, Henhyper- 
trophie, Albuminurie, Zeichen schwerer Arteriosklerose, das Pr&valieren von 
Herderscheinungen in Betracht. 

Gegenüber dem Altersblödsinn ist häufig eine genaue Differentialdiagnose 
unmöglich, da beide gleichzeitig vorliegen. Für Dementia senilis spricht 
Saggestibilität und dos Eonfabulieren, fftr Arteriosklerose der Mangel dieser 
Symptome einerseits, anderseits das Vorwalten von Herderscheinungen und die 
raschen ungeahnten Remissionen. 

Gegenüber der Melancholie ist die große Beeinflußbarkeit der arterio¬ 
sklerotischen Verstimmungen, der rasche Wechsel der Erscheinungen und der 
körperliche Befund in der Differentialdiagnose za verwerten. 

Therapeutisch sind Alkohol und Tabak zu verbieten. Eine intermittierende 
Jodbehandlung, 1 g täglich sechs bis acht Wochen lang mit ebenso langer 
Pause, ist empfehlenswert. Die Regelung der Darmtätigkeit ist zu beachten. 
Weiterhin kommt eine symptomatische Behandlung: Hypnotico, Antipyretica, 
lokale Blatentziehung, event. auch Anstaltsbehondlang ln Betracht. 

Dr. Eurpjaweit-Swinemünde. 


Ueber katatonische Zastandsbilder bei Degenerierten. Von Dr. 
Kutner, Nervenarzt in Breslau. Allgemeine Zeitschrift für Psychiatrie; 
67. Band, 8. Heft. 

ln allen drei Fällen handelt es sich um schwer degenerierte Verbrecher, 
die in der Strafhaft kurz nach Antritt der Strafe erkrankten. Der Beginn 
war ein auffallend rascher. In dem einen Falle war lediglich eine einfache 
Erregung, in dem anderen ein kurzer, deliranter Verwirrtheitszustand voraus¬ 
gegangen und in dem dritten machte sich einige Wochen vorher ein Zustand 
geltend, in dem in der auffallendsten Weise ganz gesucht absurde Aeußerungen 
mit völlig geordnetem und zweckmäßigem Verhalten wechselten. In allen 
drei Fällen setzte dann in voller Ausbildung ein katatonischer Symptomen- 
komplez ein, der sich kaum von dem akinetisch-parakinetischen Bilde einer 
echten Katatonie unterschied. Auffallend und eigenartig wie der Beginn war 
auch der Abschluß des ganzen Zustandsbilder: Nach dem Schwinden des 
katatonischen Zastandsbildes war bei allen Kranken ihre gewöhnliche geistige 
Verfassung wieder hergestellt, d. h. tie zeigten das Bild gefühlsarmer, 
moralisch minderwertiger Degenierter mit geringer oder stärker ausgeprägten 
nervösen Beschwerden. Referent hat an dem Material der Strafanstalt Münster 
ähnliche Beobachtungen gemacht und kann dem Verfasser nur beipflichten, 
wenn er sagt, daß solche Fälle auch von den gewiegtesten Pscyhiatern mit 
echter Katatonie verwechselt werden können und dennoch nach ihrer ganzen 
klinischen Stellung von ihr diagnostisch zu scheiden sind. 

Dr. T 0 b b e n • Münster. 


Ueber pathologische Rauschzustände. Von Gerhard Richter. In¬ 
augur al Dissertation. Berlin 1909. 

Als besonderes Charakteristikum für den „pathologischen* Rausch (besser 
wäre entschieden: „komplizierter* Rausch, da auch der einfache, gewöhnliche, 
normale Rausch eine pathologische Erscheinung darstellt) wird der Angzt- 
affekt angegeben. Die Amnesie allein hat einen äußerst subjektiven Wert 
und ist an sich für pathologischen Rausch nicht beweisend. Fließende Ueber- 
gänge zwischen normalem, abnormem und pathologischem Rausch kommen vor. 
8 Fälle von pathologischem Rausch werden näher beschrieben. 

_ Dr. Paul Schenk-Berlin. 

Ein Fall von Alkoholballnslnose (Alkoholwahnsinn) im Klndeenlter. 
Von Dr. Bittershaus-Hamburg-Friedrichsberg. Zeitschrift für die Be¬ 
handlung des jagendl. Schwachsinns; Bd. III, H. 6. 

Es handelt sich am einen leicht imbezillen Knaben, der aus einer schwer 
belasteten verkommenen Trinkerfamilie stammend, im zarten Alter, vielleicht 
*chon in der Wiege von seinen Eltern zum Genuß konzentrierten Alkohols 



Kleinere Kitteilangen and Referate ine Zeitschriften. 


643 


geswungen wurde. Mit 6 Jahren schwere Nephritis, dabei Fieberdelirien, bei 
denen man vielleicht an eine alkoholische Mitursache denken konnte. Mit 
7 Jahren Polyarthritis nnd Vitium cordis. Beständiger Alkoholgennfi, häufige 
Trunkenheit, wahrscheinlich ängstliche Halluzinationen, induziert von seinem 
schließlich selbst wegen AlkoholhalluzinoBe in die Irrenanstalt verbrachten 
Vater. Der Knabe kommt dann in ein Waisenhaus nnd von da aufs Land, trinkt 
aber nichtsdestoweniger weiter. £s treten immer häufiger Angstzustände auf; 
schließlich kommt es im Alter von 11 */* Jahren zu einer typischen Alkoholhallu- 
zinose, die von niemand erkannt wird, nach relativ akutem Beginn einen 
ziemlich protahlerten Verlauf nimmt und langsam abkiingt. Mit ca 14 Jahren 
unter Alkoholwirkung erneute Erregungszustände, wahrscheinlich ebenfalls 
halluzinatorischer Art (in der Arrestzelle); allmählich beginnt der bekannte 
Dauerzustand des chronischen Alkoholisten, die Aengstlichkeit, die Beziebungs- 
Ideen, vielleicht hie und da leichte Halluzinationen. Der Junge läuft von der 
Stelle weg, geht schließlich auf die Wanderschaft und nach einem schweren 
Alkoholexzeß (mit etwa 15‘/i Jahren im Herbst 1908) kommt es wiederum zu 
deutlichen Halluzinationen, nebst Prügelei mit seinem Brotherrn; 2 Tage 
später nächtliche Flucht aus seiner Kammer über das Dach. Er kommt 
wieder nach Hause, dann ins Waisenhaus und in die Lehre; mit 16 Jahren 
im März 1909 tritt wieder nach einem starken Alkoholexzeß ein halluzina¬ 
torischer Erregungszustand auf, der ihn in die Anstalt führt. Hier langsame 
Besserung, die durch erneute polyarthritische, endo- und perikarditische 
Prozesse kompliziert und durch heimlichen Alkoholgenuß sehr verzögert wird; 
schließlich auffällige, fast als Heilung zu bezeichnende Besserung. Der Fall 
beweist, daß die Fürsorgezöglinge unter strengster Abstinenz erzogen werden 
müssen. _ Dr. Woif-Witzenhausen. 

O. Isohvent&ndlgentltigktit la Unfall- und Invalldit&tszaohen. 

Ein neues Messinstrument für Extremitäten. Von Dr. W. Pull- 
ma n n, Spezialarzt für Chirurgie in Offenbach a. M. Münchener mediz. Wochen¬ 
schrift; 1910, Nr. 24. 

Die Tatsache, daß die Messung der Extremitäten mit dem üblichen 
Zentimetermeßbande wegen der das Meßband mehr oder weniger beeinträch¬ 
tigenden Muskulatur ein ungenaues Resultat gibt und anderseits eine genaue 
Feststellung des wirklichen Längendifferenzverhältnisses in den meisten Fällen 
von größter Wichtigkeit ist, veranlaßte den Verfasser eine Meßmethode zu 
ersinnen, welche bequem anwendbar ist und jede Fehlerquelle tunlichst aus¬ 
schließt. Dies geschieht nach Verfassers zahlreichen Versuchen sehr zweck¬ 
mäßig mit dem von dem Mechaniker der Chirurg. Klinik zu Greifswald, Herrn 
Karbow angefertigten und von dort direkt beziehbaren, im Original abge¬ 
bildeten, Meßinstrument. _ Dr. Waibel-Kempten. 


Encephalitis nach Trauma. Von Oberstabsarzt Dr. Hammerschmidt- 
Danzig. Monatsschrift für Unfallheilkunde und Invalidenwesen; 1909, Nr. 12. 

Einem Waffenteilfräser fiel ein ca. 6 kg schwerer Biemenanfieger mit 
der 8tange ans einer Höhe von 4 m auf den Kopf. Der Arzt stellte sofort 
eine leichte Gehirnerschütterung fest. Die Krankheitssymptome verschlim¬ 
merten sich; Schwindel, Flimmern, Schwarzsehen und mehrfaches Erbrechen 
traten auf, nach einigen Tagen trat auch Nasenbluten ein. Später traten noch 
Sprachstörungen auf und es stellte sich Taubheit am rechten Ohr ein. Der Ver¬ 
letzte bekam Anfälle, Zucken der Glieder und unerträgliche Kopfschmerzen. Ver¬ 
fasser nimmt eine Blutung in die Gehirnsubstanz mit nachfolgender Erweichung 
an. Patient wurde für 100 °/ 0 erwerbsunfähig erklärt. 

Dr. B. Tho malla- Johannisburg (Ostpr.). 


(Jeher Begutachtung der Unfallverletzungen des Auges. Von Prof. 
Dr. Hago Wintersteiner 1 ). Wiener mediz. Wochenschrift; 1910, Nr. 22,23. 

Die Augenverletsungen bilden nach verschiedenen Statistiken 4—6% 
der Unfälle überhaupt. 


*) Nach einem am 14. März 1910 in der wissenschaftl. Sitzung des Wiener 
mediz. Doktoren-Kollegiums gehaltenen Vortrag. 



644 


Kleinere Mitteilungen and Referate atu Zeitschriften. 


An erster Stelle stehen die Fremdkörperverletzungen, insbesondere der 
Hornhaut. Am häufigsten sind es Metallsplitter, die sich beim Abspringen 
erhitzen und in der Regel in aseptischem Zustand in das Auge dringen. An 
zweiter Stelle kommen Verbrennungen und Verätzungen durch Lauge, Schlacke, 
Kalk etc. 

Sehr wichtig sind Kontusionen der Augengegend durch stumpfe Gewalt 
wegen der meist schweren Folgen. Der Augapfel kann dabei bersten, durch 
Netzhautablösung, intraokulare Blutung erblinden oder nach Entleerung seines 
Inhalts schrumpfen. 

Seltener sind Wunden, die durch Glassplitter, Messerklingen etc. er¬ 
zeugt werden. 

An einer Reihe von Beispielen wird nachgewiesen, daß es für den Be¬ 
gutachter nur ein Gebot der Vorsicht ist, den Zusammenhang Vorgefundener 
Veränderungen mit einem angegebenen Unfall stets nur als wahrscheinlich 
hinzustellen, da häufig Täuschungen seitens der Verletzten Vorkommen. 

Aggravation oder Simulation konnte der Verfasser in 80 °/ 0 aller Fälle 
feststellen. 

Die Einbuße an Erwerbsfähigkeit ist aus der Einbuße an Arbeitsfähigkeit 
und an Konkurrenzfähigkeit zusammengesetzt; letztere kommt namentlich bei 
auffallenden Entstellungen in Betracht. 

Die Arbeitsfähigkeit des Auges ist abhängig von der zentralen Seh¬ 
schärfe 'oder der Größe des Gesichtsfeldes und von dem Erhaltensein des 
binokularen Sehaktes, welche das stereoskopische Sehen ermöglichen. Die 
zentrale Sehschärfe ist am wichtigsten. */ 4 der normalen Sehschärfe reicht 
ihr jede sog. feinere Arbeit aus. 8. = */ 4 bis */* ist daher als normale Seh¬ 
schärfe zu betrachten; folgerichtig sind Unfälle, die das Sehvermögen nur 
bis auf die Hälfte der normalen Sehschärfe reduziert haben, Überhaupt nicht 
zu entschädigen. 

Bei nicht qualifiziertem Arbeitern, Tagelöhnern, landwirtschaftlichen 
Arbeitern fingt eine eventuelle Schädigung erst bei einer Herabsetzung der 
Sehschärfe auf */« bis 1 /« an. Ein Auge ist als erblindet bei einem Erwer¬ 
benden anzusehen, wenn das Sehvermögen unter ‘/io bis */so der normalen 
gesunken ist. 

Der Verlust eines Auges wird gewöhnlich zu hoch mit SS 1 /« 0 /» ein ge¬ 
schätzt. Tatsächlich gewöhnen sich die Verletzten recht häufig an das 8ehen 
mit einem Auge und erzielen den gleichen Lohn wie ihre Mitarbeiter. Von 
Amman wird die Lohneinbuße bei Eisenarbeitern auf 4— 12,6°/o und von 
nus auf 7,2°/ 0 geschätzt. Bei landwirtschaftlichen Arbeitern wird der 
Verlust eines Auges auf 20—25 °/ 0 und bei Arbeitern mit optisch höheren 
Ansprüchen auf 30—35 °/o Einbuße der Arbeitsfähigkeit zu veranschlagen sein. 

Gänzlich Erblindete, welcho fremder Wartung und Pflege bedürfen, 
müssen die Hilflosenrente von 100 °/ 0 erhalten. 

Dr. Kurpjuweit-Swinemünde. • 


Ueber Begutachtung der Unfallerkrankungen des Ohres. Von Prot 
Dr. Ferd. Alt. Wiener mediz. Wochenschrift; 1910, Nr. 15. 

Unter 83000 Unlälleo, welche bei der ArbeiterunfaUversicherungsanstalt 
für Niederösterreich im Jahre 1909 untersucht wurden, waren 450 Erkran¬ 
kungen des Gehörorgans. 

Als Folgen der Unfallerkrankungen des Ohres kommen im allgemeinen 
in Betracht: Hörstörungen, Gleichgewichtsstörungen, subjektive Ohrgeräuache, 
Mittelohreiterungen mit ihren Geiahten, ferner Entstellungen durch partiellen 
oder totalen Verlust einer Ohrmuschel. 

Ebenso wie beim Militär ist bei Unfallkranken, die auf ein Ohrenleiden 
zu untersuchen sind, die größte Vorsicht am Platz. Direkte Simulation wird 
weniger oft aachgewiesen als die Geneigtheit, alte Affektionen des Gehör¬ 
organs auf den Unfall zu beziehen oder wenigstens eine Verschlimmerung 
des alten Ohrübels mit dem Unfall in Zusammenhang zu bringen. Das beob¬ 
achtet man sehr häufig bei Arbeitern in lärmenden Berufen, z. B. Schmieden 
etc., die an Labyrintherkraakungen mit mehr oder minder hochgradiger Schwer¬ 
hörigkeit infolge ihres Berufs leiden. 

Eine genaue Anamnese über das Verhalten der Verletzten vor, während 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


645 


and nach dem Unfall ist erforderlich. Eine möglichst frühzeitige Untersuchung 
nach dem Unfall ist weiterhin notwendig, um ev. bereits vorhanden gewesene 
chronische Mittelohreiterungen nachzuweisen. 

Partieller oder totaler Verlast der Ohrmuschel wird bei einem Manne 
auf 10 °/o eingeschätzt. Bei Frauen ist diese Entstellung des Schönheitsfehlers 
hoher einzuschätzen. 

Verletzungen des äußeren GehOrgangs kommen selten, ev. durch Ver¬ 
brennungen vor. 

Verletzungen des Trommelfells traumatischen Ursprungs heilen fast 
immer in 4 Wochen und gelangen nur ausnahmsweise wegen zurückgebliebenen 
Ohrensausens zur Begutachtung. 

Akute Mittelohreiterungen heilen bei entsprechender Behandlung eben¬ 
falls in 4 Wochen aus. Fälle von chronischem Ohrenfluß werden mit 16*/, bis 
50% bewertet, je nachdem, ob es sich um eine einfache Schleimhauteiterung 
der Paukenhöhle handelt, oder um eine Eiterung aus dem Antrum mit Schwindel 
oder Ohrensausen handelt. 

Personen mit trockener Durchlöcherung des Trommelfells und mit leicht 
heilenden, auf die Paukenhöhle beschränkten chronischen Mittelohreiterungen 
sind von einer Rente „für die Eiterung* aaszuschließen und nur ihre eventuelle 
Hörstörung zu bewerten. 

Chronische Mittelohreiterungen erfordern mitunter die Radikaloperation 
als lebensrettenden Einfluß. Für einen ev. eintretenden Todesfall wäre nach 
den gesetzlichen Bestimmungen aufzukommen. 

Residuen nach abgelaufenen Eiterungen, Trommelfellnarben, trockene 
Durchlöcherungen, Adhäsivprozesse des Mittelohrs kommen bei einer Einschätzung 
in Betracht, wenn sie eine leichte, mittlere oder hochgradige Schwerhörigkeit 
zur Folge haben, und wenn sie mit subjektiven Beschwerden, Ohrensausen, 
Schwindel, Kopfschmerzen, psychischen Depressionszoständen, Vergeßlichkeit 
etc. verbunden sind. Eine Einbuße der Arbeitsfähigkeit besteht nur bei mitt¬ 
lerer beiderseitiger Schwerhörigkeit (2 m Flüstersprache, 8 m Konversations¬ 
sprache) und zwar von 10°/o, bei einseitiger Taubheit oder hochgradiger 
Schwerhörigkeit von 10—15°/«, bei beiderseitiger hochgradiger Schwerhörigkeit 
von 10—20%, bei vollkommener Taubheit 30—60%. 

Die gleichen Renten sind für Hörstörungen bei Labyrinthaffektionen 
znzuerkennen. 

Nach Basalfrakturen mit Blutung in das Mittelohr und das Labyrinth 
treten wohl meist irreparable Hörstörungen auf; jedoch sind nicht selten 
auch beträchtliche Hörverbesserungen zu beobachten. Bei den Kommotionen 
des Labyrinths, welche mit Hirnerschhtterungen häufig gemeinsam Vorkommen, 
ist eine Heilung die Regel. 

Der bei Läsionen des Vestibularapparats auftretende Schwindel, der 
auch bei den verschiedensten Zaständen des Mittelohrs zur Begutachtung 
gelangt, kann zunächst eine Erwerbseinbuße bis 100% hervorrufen. Späterhin 
schwankt die Rente zwischen 10 und 50°/o. 

Subjektive Ohrgeräusche werden mit 10—15% einzuschätzen sein. 

Die Hörstörung bei der traumatischen Neurose und Hysterie ist nur als 
Symptom aufzufassen und vom Neurologen zu bewerten. 

Wird einem Arbeiter, der wegen eines Ohrenleidens eine Rente bezieht, 
das normale zweite Ohr durch eine Erkrankung geschädigt, so wird die 
Rente in Deutschland entsprechend erhöht (Passow). In Oesterreich bleibt 
die erste Schätzung weiter bestehen. Dr. Kurpjuweit-Swinemünde. 


Ueber den Zusammenhang von Raucheinatmung und kruppöser 
Pneumonie* Von Dr. Gr au-Düsseldorf. Medizinische Klinik; 1910, Nr. 12. 

Ein Anstreicher war in einem Walzwerk tätig und zwar direkt ttber 
Wärmöfen, bei deren Bedienung es zum Aufsteigen sehr unangenehmer Rauch¬ 
gase kam. Er beschwerte sich mehrfach darüber, sank einmal bewußtlos 
zusammen und hatte seit der Zeit Blutspacken und Kopfschmerzen. Nach 
mehreren Tagen war er gerade über den Oefen beschäftigt und wieder bei un¬ 
günstiger Windrichtung ganz in Rauch gehüllt. An demselben Abend klagte 
er über Unwohlsein und brach mehrere Male. Er arbeitete noch zwei Tage 
und blieb dann zu Hause. Nach weiteren zwei Tagen suchte er einen Arzt 



616 


Kleinere Mitteilungen and Referate aas Zeitschriften. 


auf, der Luftröhrenkatarrh feststellte; im weiteren Verlauf entwickelte rieh 
nan Lungenentzündung, der er erlag. Die Frau führte den Tod ihres Mannes 
auf Gasvergiftung zurück, wofür die Sektion keine Anhaltspunkte ergab. Nun 
führte die Frau die Lungenentzündung auf die Einwirkung von Rauchgasen 
zurück. Nach Ansicht des Verfassers besteht kein direkter, aber wohl ein 
indirekter Zusammenhang zwischen der Raucheinwirkung und der Todes« 
Ursache. Der Anstreicher hatte infolge heftiger Raucheinwirkung eine Tracheo¬ 
bronchitis erworben; diese ist dann weiter für die Gelegenheitsursache zur Ent« 
stehung einer echten fibrinösen Pneumonie geworden. Danach bestand ein 
Zusammenhang zwischen Raucheinwirkung und Tod; dieser wurde dann auch 
als Betriebsunfall anerkannt. _ Rpd. jun. 


Juvenile Muskeldysthrophie infolge Ueberanstrengung. Von Dr. 
Doewenapeck in Essen a. Ruhr. Münchener mediz. Wochenschrift; 1910. 
Nr. 26. 

Verfasser teilt die ausführliche Krankengeschichte eines an Erb scher 
juveniler Muskeldystrophie leidenden 25 jährigen Mannes mit. 

Derselbe ist hereditär nicht belastet, lebte in seiner Kindheit in arm¬ 
seligen Verhältnissen, war aber nie ernstlich krank bis zum 14. Lebensjahre. 
In diesem Alter kam er zu einem Bauer und mußte ein volles Jahr lang mit 
dem Dreschflegel dreschen oder die Dreschmaschine drehen 
Schon bald hätten sich Schmerzen in beiden Schultern eingestellt, die immer 
heftiger wurden; zugleich wurde es ihm immer schwieriger, die Arbeit mit 
dem Flegel oder an der Dreschmaschine zu leisten, bis er schließlich die Arme 
überhaupt nicht mehr hochbringen konnte und nach Ablauf eines Jahres den 
Dienst verlassen mußte. Die Schmerzen hätten dann nachgelassen, um nach 
einem Vierteljahre ganz zu verschwinden, die Schwäche jedoch und die ver¬ 
änderte Form seiner Schaltern bestand seitdem unverändert fori 8eine zumeist 
schwere Taglöhnerarbeit hat er alsbald gelernt so zu leisten, daß auch seine 
Arbeit8genos8en nichts von seiner Abnormität bemerkten. 

Der vorstehende Fall von juveniler Muskeldystrophie ist wohl der erste 
mit sichergestellter Aetiologie und beweist, daß außer der Heredität und 
Familiarität, die ja in einer Reihe von Fällen nachgewiesen sind, auch die 
bisher nur als Gelegenheitsursache betrachtete Ueberanstrengung 
als Mit- oder gar als hauptsächliche Ursache ernstlich berücksichtigt 
zu werden verdient. 

Daß die über 1 Jahr sich erstreckende ganz ungewohnte Arbeit mit 
mit dem Dreschflegel oder an der Dreschmaschine für den 14 jährigen, soeben 
schulentlassenen und in armseligen Verhältnissen aufgewachsenen Knaben eine 
wirkliche Ueberanstrengung darstellt, wird wohl nicht zu bezweifeln 
sein und ist um so mehr anzunehmen, als die Dystrophie gerade die Muskeln 
ergriffen hat, welche bei der Drescharbeit vornehmlich strapaziert wurden. 

Jedenfalls ist ln keinem der bisher bekannt gewordenen Fälle von ju¬ 
veniler Dystrophie die Rolle der Ueberanstrengung in Form einer sicher nach¬ 
gewiesenen, in ihrer Muskelbeansprucbung genau bekannten, auf einen ver¬ 
hältnismäßig kurzen Zeitraum beschränkten, ohne Zweifel 
überanstrengenden Arbeit so offensichtlich wie im vorlie¬ 
genden Falle. Die Dystrophie ist anscheinend seit dem 15. Lebensjahr 
geblieben. Der Kranke wird wohl in absehbarer Zeit an Lungentuberkulose 
zugrunde gehen, welcher die meisten Dystrophiker infolge der mangelhaften 
Ventilation der Lungen schon frttzeitig erliegen. 

_ Dr. Waibel-Kemptea. 


Röntgenbefunde bei Lumbago traumatica. Von Dr. Norbert Dohan. 
Wiener mediz. Wochenschrift; 1910, Nr. 17. 

Die Verletzung der Lumbosakralgegend kann direkt oder indirekt er¬ 
folgen. Die Folge davon ist Lumbago mit den bekannten Symptomen. Ob¬ 
jektiv ist meistens außer einer Wirbelsteifigkeit nicht die geringste Abweichung 
von der Norm feststellbar. Durch zahlreiche klinische, pathologisch - ana¬ 
tomische und Röntgenuntersuchungen ist aber in den letzten Jahren der Nach¬ 
weis erbracht, daß in einer großen Zahl von Fällen Zerrung bezw. Zerreißung 
von Muskeln sowie anderer Weichteile, Läsionen sensibler Nerven, sowie Vor- 



Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


647 


letzungen der Wirbelgelenke and der Wirbelknochen stattgefunden haben. 
Die letzte Art der Verletzung faßt unter dem Namen ,Distorslon* der Wirbel- 
siole, Zerreißungen der Gelenkkapsel, der Gelenkbänder, Absprengungen kleiner 
Knochen und Knorpelstttcke zusammen. 

Die funktionellen Storungen setzen oft erst nach Wochen und Monaten 
ein. Zahlreiche Autoren haben in diesen Fällen einen arthrogenen Ursprung 
des Lumbago bedingt durch eine Erkrankung der Wirbelgelenke nacbgewiesen. 

Man fand eine Druckempflndlichkeit der letzten Lendenwirbel und be¬ 
hinderte Lateralflexion in sahireichen Fällen. 

Der Verfasser hat 15 Fälle tabellarisch zusammengestellt, bei denen er 
sichere Gelenkveränderungen radiologisch feststellen konnte. Br fand eine 
Arthritis, die durch hochgradige Atrophie der Gelenkfortsätze, Knochendestruk- 
tion und Deformation charakterisiert war. Ferner fanden sich Exkressenzen, 
Exostosen, Brüche der Qaerfortsätze etc. 

Der Prädilektionssltz für die nach einem Trauma entstehende arthritische 
Erkrankung der Seitengelenke befindet sich zwischen dem IV. und V. Lenden¬ 
wirbel. Das linke Seitengelenk ist häufig allein befallen, weil die Muskel¬ 
binder und Ligamente dieser Seite beim überwiegenden Biegen des KOrpers 
nach rechts am meisten gezerrt werden und dadurch die Knochen am meisten 
irritieren. Die Folgen dieser Irritation sind arthritische Veränderungen und 
Atrophien. Das derartig veränderte Gelenk wird aber durch ein Trauma in 
gröberer Weise geschaffen als die nicht alterierte andere Seite. 

Dr. Kurpjuweit-Swinemünde. 

Einige Fälle von Wasserbrüchen aus der Unfallpraxis. Von Landes- 
Med.-Rat Prof. Dr. Liniger-Düsseldorf. Monatsschrift für Unfallheilkunde 
und Invalidenwesen; 1909, Nr. 10. 

1. Wasserbruch, angeblich entstanden durch Hufschlag eines Pferdes 
gegen den Unterleib. 

Ein 70 Jahr alter Landwirt meldete sich drei Monate, nachdem er von 
einem Pferde gegen den Unterleib geschlagen worden war, beim Arzt und 
machte gleichzeitig Unfallanzeige, weil sein Wasserbruch durch den vor 8 Mo¬ 
naten erhaltenen Unfall entstanden sei. — Der behandelnde Arzt nahm die 
traumatische Entstehung des Wasserbruchs als wahrscheinlich an und hielt 
eine Rente von 25% für angemessen. — Später wurden die Unfallansprüche 
von allen Instanzen abgelehnt, indem nachgewiesen wurde, daß sich der behan¬ 
delnde Arzt irrtümlich auf ein Gutachten des Prof. Dr. KOrte vom 25. Mai 
1899 berufen hatte; denn es müßte dann vor allem die einmalige Verletzung 
den Hoden unmittelbar getroffen haben; außerdem müßte sie eine größere und 
heftigere gewesen sein. Auch hätte der Verletzte den Arzt so spät auf gesucht, 
daß schon aus diesem Grunde an ein plötzliches Entstehen des Wasserbruchs 
nicht gedacht werden kOnne. 

2. Abgelehnt wurde ferner ein Unfallanspruch wegen Wasserbruch, 
angeblich entstanden beim Wegrücken eines Waggons. 

8. Ferner abgelehnt ein Wasserbrucb, der angeblich durch Stolpern 
entstanden sei. 

4. Endlich abgelehnt ein Wasserbruch, der angeblich durch Verheben 
entstanden sei. 

In den letzten drei Fällen wurden dieselben Bedenken wie in dem ersten 
erhoben. 

Anerkannt wurden: 

1. Unfallansprüche bei einem Wasserbruch, der durch Hodenquetsshung 
entstanden war. 

2. Unfallansprüche bei einem Wasserbrucb, entstanden durch Verheben. 

In diesen beiden Fällen konnten die im KOrteschen Gutachten ange¬ 
gebenen Voraussetzungen zur Beurteilung herangezogen werden. In beiden 
Fällen war der Wasserbruch sofort entstanden und sofort ein Arzt heran¬ 
gezogen worden. Dr. R. Thomalla-Johannisburg (Ostpr.). 

Schlaganfall als Unfallfolge abgelebnt. Von Prof. Dr. Windscheid, 
leii. Arzt des Herman-Hauses. Monatsschrift für Unfallheilkunde und Inva- 
lidenwesen; 1910, Ni. 11. 



648 


Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


Ein Arbeiter war von ablösendem Mauerwerk an den Kopf getroffen 
worden and rücklings hingefallen. Er hatte aber bald weiter gearbeitet and 
erst zwei Monate später sich beim Arzt gemeldet, da er seit dem Unfall lang- 
sanier and schlechter gearbeitet habe. Es worden verschiedene Gatachten ab¬ 
gegeben, die teils Unlallfolgen anerkannten, teils die Hirnerscheinnngen auf die 
vorhandene Arteriosklerose and senile Degeneration zurückführten. Das Schieds¬ 
gericht erkannte die Unfalliolgen an, das Reichsversicherungsamt lehnte die¬ 
selben ab, da ein Zusammenhang zwischen Unfall and Beschwerden des Klägers 
nicht nachgewiesen sei. Dr. R. Th om alle* Johannis barg (Ostpr.). 


Sobald eine wesentliche Besserung der Tornnssetsnngen des f 88 
des G. U. G. eingetreten ist, ist die Bernfsgenossenscbaft berechtigt, die 
Rente anderweit festznsetsen, and zwar ohne Rücksicht nef den Grad der 
bei der früheren Feststellung der Entschädigung angenommenen Erwerbs¬ 
unfähigkeit. Rekursentscheidung des Beichsversicherungs- 
amts vom 5. November 1909. Amtliche Nachrichten des Reichsver- 
sicherungsamts; 1910, Nr. 7. 

Es kann also, auch wenn die Besserang nar eine Steigerung der Er- 
werbslähigkeit am 10°/« bedingt hätte, gleichwohl eine Herabsetsong der 
Rente von 50 aaf 80°/ o erfolgen, wofern die noch bestehende Einbuße an Er¬ 
werbsfähigkeit auf nicht mehr als 80 # /o der völligen Erwerbsunfähigkeit sa 
schätzen ist 


Kätscher sind hinsichtlich der Entschädigung für den Verlast eines 
Auges den sogenannten qualifizierten Arbeitern nicht susurechnea oder 
gleichzustellen. Die Rente ist mit 2ö°/o ausreichend bemessen. Rekurs - 
entscheidung des Reichsversicherungsamts vom 18. Januar 
1910. Amtliche Nachrichten des Reichsversicherungsamts; 1910, Nr. 7. 


Erwerbsunfähigkeit im Sinne des 9 18 des Invalldenversfchernngs- 
gesetzes liegt auch dann vor, wenn ein Versicherter, dessen Erwerbs¬ 
fähigkeit noch nicht auf weniger als ein Drittel herabgesetzt ist, dock 
infolge Durchführung eines zur Abwehr drohender Invalidität von ihm 
eingeleiteten geeigneten Heilverfahrens nicht In der Lage Ist, das für ihn 
in Betracht kommende Lohndrittel zu verdienen. Revisionsentschei¬ 
dung des Reichsversicherungsamts vom 19. April 1910. Amt¬ 
liche Nachrichten des Reichsversicherungssmts; 1910, Nr. 7. . 


Auf die blosse theoretische Möglichkeit hin, dass sich Regelwidrig¬ 
keiten, für die jede Erklärung im körperlichen Befände fehlt and di« 
wahrscheinlich willkürlich hervorgerufen sind, späterhin dnreh ein« 
natürliche Krankheitsursache nachwelsen lassen würden, kann ela« 
Invalidenrente nicht gewährt oder festgesetzt werden. Revisions¬ 
entscheidung des Reichsversicherungsamts vom 22. April 
1910. Amtliche Nachrichten des Reichsversicherungsamts; 1910, Nr. 7. 

Das Reichsversicherungsamt hat kein Bedenken getragen, auf Grund 
der geschilderten Sachlage und der dargelegten Erwägungen ansunehmen, daft 
das Befinden des Klägers seit Bewilligung der Rente sich genügend gebessert 
hatte, am deren Entziehung gemäß § 74 des Invalidenversicherungsgesestea 
zu rechtfertigen. Dr. R. spricht sich zunächst bestimmt und vorbehaltlos mit 
überzeugender Begründung dahin aus, daß er den Kläger „insbesondere" für 
fähig halte, leichte Arbeit zu verrichten, weil außer geringer Ernährung — 
bei derber Maskolatur and starkem, sehnigem Baue — überhaupt „nichts su 
finden sei, was den Kläger als in nennenswertem Grade arbeitsunfähig 
erscheinen lassen könnte*. Wenn der Sachverständige demnächst mit Rücksicht 
auf zwei Regelwidrigkeiten, die auch im Befunde gar keine Erklärung finden 
und ohne jede Schwierigkeit willkürlich hervorgerufen werden können,ln weit¬ 
gehender Vorsicht den oben mitgeteilten Vorbehalt macht, obwohl er selbst 
die Frage nach Vorspiegelungen oder Uebertreibungen mit den Worten „solche 
scheinen mir wohl vorzuliegen“ beantwortet, so mag diese Stellungnahme vom 
rein wissenschaftlich-medizinischen Standpunkt wohl gerechtfertigt sein, für 



Kleinere Uitteilnngen und Referate ans Zeitschriften« 


649 


die Bechtsanwendong ist sie aber nicht verwertbar. Es ist unmöglich, eine 
Invalidenrente an gewähren oder eine gewährte im Falle bttndig nachgewiesener 
wesentlicher Basserang za belassen anf die bloße theoretiche Möglichkeit hin, 
daß ihr Regelwidrigkeiten, für die jede Erklärung im körperlichen Befände 
fehlt and die nicht nar möglicher-, sondern sogar wahrscheinlicherweise will¬ 
kürlich hervorgerafen oder mindestens gesteigert sind, sich doch die Möglich¬ 
keit der Eatstehang auf krankhafter Grandlage und des Nachweises dafür in 
späterer Zeit nicht anbedingt aasschließen läßt. Die Bewilligung oder Be- 
lassung von Renten aaf solcher Grandlage würde za anhaltbaren Zuständen 
iühren, insbesondere geradeza eine Verlockung za Simulation und Uebertreibnng 
enthalten. Die notwendige Sicherstellung der Versicherten gegen die aus der 
Unzulänglichkeit der medizinischen Erkenntnis ihnen drohenden Gefahren liegt 
in der Möglichkeit, den Rentenansprach, sei es mit der Beschränkung des 
§ 120 des Invalidenversicherungsgesetzes, zu wiederholen; diese Sicherstellung 
genügt dem praktischen Bedürfnisse. 


Die zu besonders organisierten weitliehen Krankenfttrsorgeverelnen 
gehörigen Krankenschwestern sind verslcberungspfllchtig. Revision*- 
entscheidung des Reichsversicherungsamts vom 23. April 
1910. Amtliche Nachrichten des ReichsversicherungsamtB; 1910, Nr. 7. 

D. Bakteriologie, Infektionskrankheiten and öffentllohes 

Banlt&tswesen. 

1. Bekämpfung der Infektionskrankheiten, 
a. Typhus und Paratyphus. 

Ein unbeweglicher Typhusstamm. Von Stabsarzt Dr. Oskar Fischer. 
Klinisches Jahrbuch; 1909, Bd. 22, H. 2. 

Aus dem Fäzes und dem Sputum eines unter dem klinischen Bilde des 
schweren Typhus erkrankten Mannes wurde ein unbeweglicher, jedoch mit 
Geißeln ausgestatteter Stamm gezüchtet, der im übrigen die Characteristica 
des Typhusbacillus zeigte. Erst bei häufigerem Ueberimpfen auf Bouillon 
traten hin und wieder geringe Bewegungen einzelner Bazillen auf, während 
die Hauptmasse unbeweglich blieb. 

Die Virulenz war durch die Unbeweglichkeit nicht beeinträchtigt. 

Dr. D oh r n - Hannover. 


Hautblutungen im Verlaufe von Typhus abdominalis. Von Dr. Adolf 
Huber in Blumenbach in Mähren. Münchener med. Wochenschrift; 1910,Nr.l9. 

Verfasser teilt 3 Fälle mit, die er im Verlaufe der letzten 13 Jahre 
unter ungefähr 600 Fällen von Unterleibstyphus in einer Gegend, in der 
dieser vom Herbste bis zum Frühjahre endemisch ist, beobachtete, und die 
sich dadurch charakterisierten, daß auf der Höhe der Erkrankung an ver¬ 
schiedenen Körpergegenden flohstich- bis linsengroße Hautblutungen auftraten. 
Die 3 Fälle, für sich allein betrachtet, gestatten folgende Schlüsse: Haut¬ 
blutungen können sowohl bei klinisch von vornherein schweren, als auch bei 
leicht verlaufenden Fällen von Typhus abd. aultreten; sie erscheinen auf der 
Höhe der Erkrankung und müssen nicht unbedingt mit Darmblutungen kombi¬ 
niert sein. Als Boseola haemorrhagica können die Hautblutungen nicht an¬ 
gesprochen werden, weder, wenn man unter Ros. haem. das Haemorrhagisch- 
werden gewöhnlicher Roseolen versteht, noch, wenn man die Blutungen 
als Ersatz der Roseola auffassen wollte; dagegen sprechen insbesondere 
Form, Größe und Lokalisation der Blutungen. Es kann ferner ätiologisch 
nicht die Art des Krankheitserregers Ursache der Blutung sein, sondern ein 
eigentümliches Verhalten des Organismus zu demselben, hsemorrhagische 
Diathese, die während des Typhus selbst zur Entwicklung gelangt und mit 
ihm verschwindet. Zahlreiche Blutungen gestalten die Prognose ungünstig. 

_ Dr. Waibel-Kempten. 


Ueber die Bedeutung der ambulanten Typhusfälle im Kindesalter 
bei der Welterverbreitung des Abdomlnaltyphns. Von Dr. Brückner, 
Oberarzt, kommandiert zur bakteriologischen Untersuchungsanstalt für Unter¬ 
elsaß zu Straßburg i. E. Münchener med. Wochenschrift; 1910, Nr. 23. 



660 


Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


Verfasser verbreitet sich zunächst Ober die verschiedenen Ansteckungs- 
qnellen des Typhös abdom., schildert dann 8 Typhasepidemien, geht ferner 
aaf das ihnen Gemeinsame and Besondere ein und kommt dann na folgenden 
Schiaßfolgerangen: 

1. Das Kindesalter von 11—15 Jahren ist die ffir das Typhnsgift 
empfänglichste Altersklasse, während man bisher dies von dem 2. and 8. Jahr¬ 
zehnt annahm. 

2. Dieses Ueberwiegen der Kindertyphen zeigt sieh namentlich bei 
Epidemien, während bei allgemeinen Berechnungen sich der Unterschied mehr 
aasgleicht. 

8. Die Tatsache, daß namentlich bei Epidemien das Kindesalter von 
1—15 Jahren das Hanptkontingent der Erkrankungen stellt, sprieht im 8inne 
der von Frosch angenommenen regionären Typhnsimmanität 

4. Der Kindertyphos verläuft oft in leichtester, klinisch nicht erkenn¬ 
barer Form, bleibt nicht selten anbehandelt and ist daher fftr die Ausbreitung 
des Typhus besonders gefährlich. 

6. Der ambulante Rindertyphus ist zuweilen das aaslösende Moment 
mehr oder weniger zahlreicher Erkrankungen an Typhus und sogar von 
Epidemien. 

6. Die Bekämpfung dieser leichten Kindertyphen ist von Seiten der 
organisierten Typhnsbekämpfang vor allem — wie bisher — durch genaue 
8chulkontrollen fortzusatzen in Verbindung mit Schulärzten and Lehrern. 

7. Die wirksamste Bekämpfnng wird erst einsetzen können, wenn die 
Erkenntnis, daß in erster Linie das Kindesalter für Typhus disponiert ist und 
bei diesem der Typhus in leichtester Form als einfache Dyspepsie verlaufen 
kann, auch Allgemeingut der Praktiker geworden ist. 

8. Eine größere Inanspruchnahme der bakteriologischen Untersuchungs¬ 
anstalten von Seiten der Praktiker ist daher dringend zu wünschen, namentlich 
bei fieberhaften Erkrankungen der Kinder mit bestimmter Diagnose. 

9. Nur durch dieses Hand in Hand arbeiten der Praktiker mit den 
bakteriologischen Anstalten kann die Kenntnis der klinisch unsicheren Typhus- 
erkrankungen weiter gefördert und sogleich auch diesem Hindernis einer 
wirsamen Typhusbekämpfung entgegengetreten werden. 

_ Dr. Weibel-Kempten. 


Ueber Typhnsversehleppung durch Säuglinge. Von Oberarzt Dr. 
Bommeler, kommandiert zur bakteriologischen Untersuchungsanstalt Neun¬ 
kirchen. Münchener med. Wochenschrift; 1919, Nr. 18. 

Eine 26jährige BergmannBfrau erkrankte an Typhus abdom. und kam 
Ins Krankenhaus. Ihr Säugling wurde von der kranken Matter angesteokt 
nnd unmittelbar nach der Krankenhausfiberführung der Matter zu fremden 
Leuten gebracht. Hier steckte der Sängling seine Pflegemutter an nnd nicht 
nur diese, sondern auch ihre 3 Kinder, eine 8jährige Nichte und eine 20jährige, 
zur Pflege zugesogene Verwandte. 

Die von diesem typhosinfizierten Säuglinge, der wenige Tage an leichten, 
sein Wohlbefinden kaum beeinträchtigenden Darmstörangen litt, ausgehenden 
Typhnserkranknngen mahnen zur Vorsicht; es scheint dringend geboten, 
daß wenn Mütter, die ihr Kind selbst stillen, an Typhös erkranken, Mntter 
und Kind gleichzeitig in das Krankenhaus aufgenommen werden, da sonst die 
Gefahr besteht, daß ein von einer an Typhös erkrankten Matter gestillter Säug¬ 
ling trotz anscheinenden Wohlbefindens den Typhus verschleppt. 

_ Dr. Weibel-Kempten. 


Studien Aber Typhusbastllenträger. Von Dr. Prigge. Aus der 
bakteriologischen Untersuchungsanstalt Saarbrücken. Klinisches Jahrbuch; 
1909, Bd. 22, H. 2. 

Zu den Dauerb&zlllenträgern (Ausscheidung über ein Jahr hinaus) stellt 
das weibliche Geschlecht das weitaus größte Kontingent. Die Menstrnationn- 

J eriode steht direkt oder indirekt in ursächlichem Zusammenhang mit der 
•auerausBcheidung. Die Wahrscheinlichkeit, daß eine Typhoskranke Dauer¬ 
trägerin wird, ist am größten in der Altersperiode vom 25.-45. Lebensjahr. 
Frauen, die innerhalb dieser Altersgrenze an Typhus erkranken, sind vor 



Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 661 

der Entlassung aus der Beobachtung bakteriologisch besonders eingehend au 
untersuchen. 

Spontanheilungen bei Dauerträgerinnen sind selten. 

Dr. D o h r n - Hannover. 


Zur Frage der Baiilientrlger und ihrer Beilehung nun endemischen 
Typhus. Von Dr. Schumacher. Aus der bakteriologischen Untersuchung?, 
anstalt Trier. Klinisches Jahrbuch; 1909, Bd. 22, H. 2. 

Die sorgfältige Durchforschung einer Typhusendemie ergab, daß die 
Basillenträger für die Verbreitung der Krankheit eine weitaus größere Be* 
deutung besitzen, als man nach der bisher gültigen Ansicht annehmen durfte. 
Wahrscheinlich wird auch bei anderen Typhusherden die Ansteckung durch 
Bazillenträger sehr yiel häufiger sein als der bisherigen Annahme entspricht. 
Demnach muß der Verminderung der von den Bazillenträgern ausgehenden 
Gefahren vorzugsweise Beachtung geschenkt weiden, zumal da erwiesen ist, 
daß die Typhusbazillen auch bei langjähriger Ausscheidung durch den Menschen 
stets gleich infektionstüchtig bleiben. Dr. Dohrn«Hannover. 


Zur Therapie der Bazillenträger beim Typhus. Aus dem Medlzinal- 
Untersuchungsamt in Coblenz. Von Dr. R. Hilgermann*Coblenz. Klinisches 
Jahrbuch; 1909, Bd. 22, H. 2. 

Bei der Bedeutung der Bazillenträger für die Verbreitung des Typhus 
würde die Entdeckung eines Medikaments, das spezifische Wirkungen auf die 
Ansiedelung der Bazillen, insbesondere die Galle, besitzt, einen außerordent* 
liehen Fortschritt bedeuten. 

Hilgermann hat nach mehreren orientierenden Vorversuchen die 
Wirkung des Natrium salicylicum bei drei Bazillenträgern ausprobiert. Es 
wurden Dosen von 8— 6 g pro Tag gegeben. Der Erfolg der Behandlung war 
der, daß bei der einen TyphusbaziUenträgerin, die bisher Typhusbazillen stets 
in Reinkultnr ausschied, völlige Bazillenfreiheit eintrat; selbst nach Aus- 
setsen des Mittels blieb der Stuhl bazillenfrei. 

Bei den beiden anderen Bazillenträgerinnen wurde zwar kein AufhOren, 
jedoch eine erhebliche Herabminderuog der Bazillenausscheidung erzielt. 

Verfasser hofft mit dem Natrium salicylicum (intravenös) auch eine 
sterilisierende Wirkung und AbtOtung der Bazillen bereits in der Blutbahn 
zu erreichen, ehe es überhaupt zur Ansiedelung in der Gallenblase kommt. 

Dr. D o h r n • Hannover. 


Zur Bekämpfung der Dauerausscheider von Typhusbazillen. Von 
Oberarzt Dr. Mayer*Nürnberg. Klinisches Jahrbuch; 1909, Bd. 22, H. 2. 

M. schlägt „Typhusbazillenträgerheime“ vor, d. h. Genesungsheime, in 
denen Typhusrekonvaleszenten aufgenommen und entsprechend behandelt 
werden sollen, um chronischen Veränderungen in den Gallenwegen vorzubeugen, 
die für die Dauerausscheidung von Typhusbazillen so bedeutungsvoll sind. 
Die Bazillenträger sollen hier wohlmOglich auch derart beschäftigt werden, 
daß sie einen kleinen Gelderwerb haben. Dr. Dohm*Hannover. 


ParatyphusbazlUenausscheldung bei Kranken und Gesunden. Von 
Dr. Prigge und Stabsarzt Dr. Sachs-Mücke. Aus der bakteriologischen 
Untersuchungsanstalt Saarbrücken. Klin. Jahrbuch; 1909, Bd. 22, H. 2. 

Die 70 Personen, die, ohne klinisch krank zu sein, Paratyphusbazillen 
ausschieden, teilen die Verfasser in zwei Gruppen. 

Zu der ersten Gruppe gehören 10 Personen, die teils selbst früher 
Paratyphus durchgemacht batten, teils aus der Umgebung Kranker stammten. 
Diese unterscheiden sich von der folgenden Gruppe durch positiven Ausfall 
der Widalsehen Reaktion und durch den Nachweis zahlreicher Paratyphus¬ 
kolonien bei wiederholter, bakteriologischer Untersuchung. Sie sind auch, wie 
die Erfahrung zeigt, nicht nur für ihre Umgebung, sondern auch für sich selbst 
eine dauernde Gefahr (Reinfektion). Die Krankheit kann in solchen Fällen 
unter einem klinischen Bilde verlaufen, das mit Typhus auch nicht die ge¬ 
ringste Aehnlichkeit hat (Bronchitis etc). 



652 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 


Bei der sweiten Gruppe fehlt jede Beziehung zu Paratyphuskranken 
oder Bazillenträgers. Wahrscheinlich werden bei diesen die Bazillen mit der 
Nahrung aufgenommen. Die Wi dal sehe Reaktion fällt meist negativ aus; 
der Nachweis der Bazillen gelingt trotz eingehender Untersuchung nur 
einmal. Da die Ausscheidung nur vorübergehend erfolgt, erübrigen sich bei 
dieser Kategorie auch sanitätspolizeiliche Maßnahmen. 

Dr. Dohrn-Hannover. 


Ueber die Verbreitung des Typhus im Regierungsbezirk Potsdam 
ln den Jahren 1906—1908, mit besonderer Berücksichtigung der Aetlologie. 
Von Kreisassistenzarzt Dr. SchOnbrod. Klinisches Jahrbuch; 1909, Bd.22, 
Heft 2. 

Soweit die Fälle ätiologisch aufgeklärt werden konnten, kam Infektion 
durch Kontakt und Nahrungsmittel in Betracht. 

Dr. Dohrn« Hannover. 


b. Tuberkulose. 

Ein neues einfaches Anrelcherungsvcrfabren für Tnberkelbazlllen. 
Von Oberarzt Dr. Zahn, kommandiert zur medizinischen Universitäts• Klinik 
Straßburg. Münchener med. Wochenschrift; 1910, Nr. 16. 

Prof. Dr. Moritz machte die Beobachtung, daß bei Ausführung der 
Biedert-Krönigsehen Methode mit Zentrifugierung des durch Alkali homo- 
genisierten Sputums ein Zusatz von Kalziumchlorid durch Ausfüllung 
von Kalziumhydroozyd nicht nur ein viel rascheres und gründlicheres Nieder« 
reißen der Tuberkelbazillen bewirkte, sondern auch das Sediment in eine zur 
Fixation besonders brauchbare Modifikation umwandelte. 

In Weiterverfolgung dieser Beobachtung arbeitete Verfasser eine Me« 
thode aus, die technisch sehr einfach, in kurzer Zeit (10—15 Minuten) sich 
ausführen läßt und die bakterielle Feststellung der Tuberkulose da noch 
ermöglichte, wo dies mit dem gewöhnlichen 8edimentierungsverfahren nicht 
gelungen war. 

Es ergab sich, daß das Kalsiumchlorid eine sehr rasch zu zentri« 
logierende, gleichmäßige, gut verstreichbare, ohne Schwierigkeiten zu fixierende 
und zu färbende Ausfüllung bervorrief, welche unbeschadet der Brauchbarkeit 
des Präparates sich in so dicker Schicht aufhäufen läßt, daß man auf zwei 
Objektträgern ein Material vereinigen konnte, für das man auf den ersten 
Blick eine sehr viel größere Zahl als notwendig betrachten müßte. 

Durch weitere Versuche wurde festgestellt, daß es noch nicht einmal 
der Zentrifugierung bedurfte, sondern daß sich der Niederschlag auch sehr 
leicht und rasch auf einem Filter gewinnen ließ. 

Die gleichen Versuche wurden dann außer dem mit Sputum mit Urin, 
Stuhlgang, Organen von Meerschweinchen pp. Exsudaten und zuletzt auch mit 
Blut gemacht und führten mit geringfügigen Modifikationen der Technik zu 
gleichen Resultaten. 

Verfasser gibt nun für die einzelnen Untersuchungsmaterialien eine 
kurze Anweisung und kommt zu folgenden Schlußsätzen über die Vorzüge des 
neuen Verfahrens. 

1. Dem gewöhnlichen Ausstrichverfahren ist es, ebenso wie die übrigen 
AnreicherungBverfahren, weit überlegen. 

2. Gegenüber dem Biedertschen Sedimentierungsverfahren hat es 
vor allem den Vorzug der ungleich rascheren Ausführbarkeit 

8. Den gleichen Vorzug bietet es gegenüber der Ligroinmethode. 

4. Es ist ergiebiger als das Biedert sehe und dasKrOnig sehe Ver¬ 
fahren, ermöglicht eine bessere Fixierung des Ausstrichs auf dem Objektträger 
und macht eine Zentrifuge entbehrlich. 

5. Gegenüber den Antiforminmethoden bietet es den Vorzug, daß nicht 
mit virulentem Material gearbeitet wird; hierzu kommt noch überdies der 
Wegfall jedes fixierenden Zusatzes, sowie unter Umständen der Zentrifuge. 

Dr. Waibei-Kempten. 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


653 


Zar spezifischen Diagnostik und Therapie der Lungentuberkulose. 
Von Fr.Rollj-Leipzig. Münchener med. Wochenschrift; 1910, Nr. 16. 

Verfasser berichtet kurz über die Erfahrungen in bezog anf die Dia¬ 
gnostik der Lungentuberkulose und über die Resolution der Tuberkulintherapie 
in der Leipziger med. Klinik. 

Zur Erkrankung bezw. zur spezifischen Diagnose der Lungentuber¬ 
kulose stehen uns gegenwärtig hauptsächlich 3 Methoden zur Verfügung: 
1. Die subkutane, 2. die kutane und 3. die sog. Ophthalmoreaktion. 

Nach Naegeli ergeben die Sektionen Erwachsener im Alter vom 
18. Lebensjahr aufwärts fast bei jedem Individuum tuberkulöse Veränderungen, 
sei es, daß dieselben aktiv, latent oder bereits ausgeheilt sind. Zwischen dem 
14. und 17. Lebensjahr hat die Taberkulose bereits die Hälfte der Individuen 
ergriffen. Damit wissen wir, daß fast jeder Mensch über 18 Jahre irgendwelche 
tuberkulöse Veränderungen in seinem Körper auf weist. Wären die Reaktionen 
imstande, aktive und latente Tuberkulose anzuzeigen, so wäre das ein großer 
Gewinn. Das tun sie aber nicht, die latenten Tuberkulösen können gerade so 
reagieren, als die aktiven. 

Hierzu kommt noch, daß die oben genannten drei Methoden nicht bei 
allen Tuberkulösen positive Resultate ergeben, daß besonders bei schweren, 
aber auch nach Erfahrung des Autors, wenn auch in seltenen Fällen, bei 
mittelschweren die Pirquetsche kutane Reaktion fehlt und nach anderen 
Autoren in diesen Fällen auch die Ophthalmoreaktion versagt. Ferner reagieren 
nach Verfassers Erfahrung bei der kutanen Methode ca. 80 Proz. aller er¬ 
wachsenen Patienten positiv, welche nicht an Tuberkulose leiden und bei 
welchen die Diagnose „Tuberkulose“ klinisch überhaupt nicht in Betracht 
kommt. Außerdem sollen, wenn auch in seltenen Fällen, die Reaktionen 

E reitiv sein können, ohne daß bei der Sektion Taberkulose gefunden wird. 

immt man ferner noch hinzu, daß die kutane PirquetBChe Reaktion, so¬ 
wohl bei Masern, als auch bei anderen Infektionskrankheiten negativ werden 
kann, daß ferner die Pir quetsche und Ophthalmo- Reaktion uns weder über 
den Sitz, noch über die Ausdehnung, noch über aktive oder latente Taber¬ 
kulose irgend etwas sicheres auszusagen vermag, so hält Verfasser 
beide Reaktionen — die kutane und die Ophthalmo-Reaktion — 
bei Erwachsenen für höchst überflüssig und die Ophthalmo¬ 
reaktion sogar noch wegen Augenerkrankungen, welche sie 
gelegentlich hervorruft, für verwerflich und unangebracht. 

Der Moroschen Salbenreaktion haften in praktischer Beziehung die¬ 
selben Mängel wie der kutanen Pir quetschen Reaktion an; man kann also 
auch auf sie bei der Diagnosenstellung verzichten. Aehnliches läßt sich von 
der Komplementbindungsreaktion sagen. 

Etwas anderes ist es mit der Koch sehen subkutanen Methode, wobei 
Verfasser den Hauptwert nicht auf die Fieberreaktion, sondern auf die Herd¬ 
reaktion legt. Ist letztere positiv, so liegt an der betr. Stelle der Lunge ein 
tuberkulöser Prozeß vor, wenn nicht, so bleibt die Frage offen. Nar wenn bei 
einer ersten diagnostischen Einspritzung einer geringen Taberkulinmenge 
(z. B. Vio mg.) eine deutliche Fieberreaktion auf tritt, ist mit Wahrscheinlich¬ 
keit ein aktiv tuberkulöser Prozeß zu vermuten. Fehlt die Reaktion auch 
nach der Einspritzung großer Dosen (10 mg), so spricht dies nicht gegen 
Tuberkulose. 

Schließlich verbreitet sich Verfasser noch ausführlich über die spezifische 
Tuberkulosetherapie mittels Tuberkulin und ihre Methoden. Auch hier sind 
die sichtbaren objektiven Erfolge bis jetzt anscheinend noch gering. Vielleicht 
kommen wir auf diesem Gebiete einmal weiter, wenn wir das Wesen der 
Gewebsimmunität besser erfaßt haben. Dr. Wai bei -Kempten. 


Ferienkolonie und Nachbehandlung bei Tuberkulose* Von Dr. Ab r a- 
mowski, Kreisassistenzarzt in Gilgenburg (Ostpr.). Halbmonatsschrift für 
soziale Hygiene und Medizin; 1910, Nr. 18. 

Verfasser meint, daß Erwachsene mit offener Tuberkulose nicht in ein 
Seebad gehören; bei tuberkulösen Kindern sei diese Krankheit dagegen kein 
Hinderungsgrund; nur sollte man die Kinder nicht nur sechs Wochen dort 
lassen und sie dann wieder in dieselben unglücklichen Verhältnisse zurück- 
bringen, sondern sollte sie weiter unter Augen behalten, sie uub den Infektions- 



664 


Kleinere Mitteilungen und Referate «u Zeitschriften. 


räumen beranabringen, einer fortlaufenden antituberkulösen Ersieh nag unter¬ 
werfen; denn ein einmaliger Sommeraufentbalt von wenigen Wochen wir« 
Stückwerk, mit dem wir nicht auskämen. Dr. Hoff mann-Berlin. 


Sensibilisierung des normalen menschlichen Organismus gegen 
wiederholte Tnberknilnlnjektionen. Von A. Slatineanu, D. Daniölo- 
p o 1 u und M. C i n c a. Ans dem Laboratorium für experimentelle Medisin und 
dem Milit&rkrankenhaus Regina Elisabete in Bukarest. Röonion biologique 
de Bucarest. Comptes rendus de la soc. de biol.; 1910, LXVIH, Nr. 18. 

Die meisten Autoren, die Tuberkulin su diagnostichen Zwecken an- 

S ewandt haben (nach den Methoden von Koch, Frftnkel, Cornet, Turban, 
Loeller) nehmen an, daß in der Norm der menschliche Organismus durch 
Tuberkulin nicht sensibilisiert war. Personen, bei denen eine Temperatur* 
Steigerung selbst durch enorme Tuberkulindosen, nachdem mehrere Injektionen 
mit wachsenden Dosen dieser Substanz vorausgegangen waren, nicht eintritt, 
werden als frei von Tuberkulose angesprochen. Diese Ansicht braucht nun 
nicht richtig zu sein, da solche Individuen durch vorausgegaagene Injektionen 
immunisiert sein können. 

Die Autoren injizierten 57 Soldaten subkutan eine erste Dose von 4 mg 
Rohtuberkulin. 87 Personen reagierten mehr oder weniger; die übrigen 20 
wurden nach 14 Tagen wieder behandelt und zwar mit einer Dose von 1 mg 
Tuberkulin, Nach der zweiten Injektion, obwohl sie. 4 fach schwächer war, 
als die erste, reagierten alle 20 Soldaten; und zwar trat nicht bloß eine All- 
gemeinreaktlon ein, sondern außerdem am Orte der Einspritzung eine ödematöse, 
rote, schmerzhafte Schwellung. 

Obwohl nicht das geringste Zeichen von Tuberkulose bei diesen Männern 
nachweisbar war, so kann vielleicht ein Teil derselben nicht ganz frei von 
Tuberkulose gewesen sein, aber doch nicht alle. Soviel ist sicher, daß auch 
gesunde Personen durch wiederholte Tuberkulininjektionen sensibilisiert werden 
können. 1 ) Ist dies richtig, so ist die auf wiederholte Injektionen 
aufgebaute Tuberkulosediagnose nicht zweifelsfrei. 

Dr. M ay e r - Simmern. 


Sterblichkeit an Schwindsucht in Torkshire. Nach einem Vortrag 
vor der Yorkshire brauch der society of medical officers of healtb. 20. Juni 1910. 
Von Dr. T. A d a m, Assistant county medical officer of health for the West 
Riding of Yorkshire. Public health; XXIII, Juni 1910, Nr. 9. 

Die Grafschaft West Riding in Yorkshire mit einer Einwohnerzahl von 
über 2'/« Millionen Ist zu 9 /io städtisch und enthält meist industrielle Bevölke¬ 
rung. Die Grafschaften Nord Riding mit 875000 und Ost Riding mit 
454000 Einwohner dagegen haben ländlichen Charakter mit nur ackerbau¬ 
treibender Bevölkerung. Von vornherein sollte man annehmen, daß West 
Riding die höhere Tuberkulosesterblicbkeit aufweise und tatsächlich war dies 
für das Jahrzehnt 1891—1900 richtig. Für das Jahr 1907 aber ergab sich schon, 
auf 10000 Einwohner berechnet, folgendes: Die Abnahme der Todesfälle an 
Tuberkulose betrug in England und Wales 2,51; in West-Riding 2,98; in Nord- 
Riding 0,63, in Ost-Riding 1,41, oder in Prozenten ausgedrückt: 18 # /o, 21,9 •/•, 
6,8 o/o, 10,9 o/o. Worauf beruht nun die auffällige Besserung in dem industri¬ 
ellen West- Riding t Der Autor sieht die Ursache in dem energisch durch- 

J etührten Kampfe gegen die Tuberkulose. Er weist auf die wertvolle Mitarbeit 
er praktischen Aerste hin, die auf den Wert der frischen Luft in Wohn- und 
8ohlafzimmern unaufhörlich in jedem Einzelfalle Gewicht legen, auf die Besse¬ 
rung der Ernährung, die Förderung der Mäßigkeit, Erhöhung der Widerstands¬ 
fähigkeit hinarbeiten. Das bakteriologische Laboratorium in West-Riding*) 
tat gute Dienste; die Infektiosität des Auswurfs, die Notwendigkeit der Durch- 


*) Vergl. dagegen: Franz Hamburger und Romeo Monti: Ueber 
Taberkulinimmnnität. Münchener ued. Wochenschrift; 1910, Nr. 25. (,1s läßt 
sich durch Tuberkulininjektionen beim tuberkulosefreien Menschen nicht nur 
keine Tuberkulinttberempfindlicbkeit (Hamburger), sondern auch keine 
Taberkulinimmnnität erzeugen"). 

i) Vergl. diese Zeitschrift; 1909, S, 889. 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


655 


führung der Desinfektion von Wohnung, Kleidung, Auswurf wurde von ihm 
dauernd betont. Die Presse Öffnete zu jeder Zeit ihre Spalten für die wohl¬ 
tätigen Zwecke einer Erziehung des Publikums. 

In einem großen industriellen Gemeinwesen wie West «Riding fielen 
alle diese Grundsätze auf besseren Boden, als in den beiden anderen dfinn 
bevölkerten Grafschaften, wo die Kanäle zum Gedankenaustausch spärlicher 
sind, der Einfluß der GesundheitsbehOrden, der Aerzte, der Presse nur langsam 
und zOgernd die ländliche Bevölkerung zu überzeugen vermag. 

_ Dr. Mayer-Simmern. 


8. Gewerbehygiene. 

Beitrag zum Studium der Caisson •Krankheiten. Von Dr. Franc. 
Pagano-Bom. La Medicina degü Infortuni del lavoro; 1909, Nr. 12. 

Verfasser hatte Gelegenheit, folgenden Fall zu beobachten. Ein 26jähriger 
Mann, bereits Aber 5 Jahre mit Caisson arbeiten in komprimierter Luft be¬ 
schäftigt, wurde plötzlich, als er vom Arbeitsplatz fortging, von heftigen 
Schmerzen in beiden Kniegelenken befallen. Er mußte mehrere Tage das Bett 
httten, nahm dann ohne Störung die Arbeit wieder auf, wurde von neuem 
nach wenigen Monaten von Schmerzen und Kribbeln in der rechten Körper- 
Seite befallen; der zu Rate gezogene Arzt verordnete Einreibungen und Aspirin. 
Der Zustand des Kranken verschlimmerte sich indes, es trat eine spastische 
Lähmung der rechten Gliedmaßen ein, dazu kamen heftige Schmerzen im Kopf, 
in den Kiefern und in allen Zähnen. Der Zustand blieb unverändert Monate 
lang bestehen. Als Verfasser den Kranken zu sehen bekam und während der 
wiederholten Untersuchung stellte er folgenden Befund fest: Beugestellung 
der rechten oberen und unteren Gliedmaßen bei stark verminderter Beweglich¬ 
keit der einzelnen Glieder, Unfähigkeit, Gegenstände mit der rechten Hand 
zu ergreifen oder mit dieser einen Druck auszuüben, Zittern bei Versuchen, 
Bewegungen auszuführen, Hypotrophie der rechtsseitigen Muskulatur, Unfähig¬ 
keit, eine aufrechte Haltung einzunehmen, ohne Rom bergsches Symptom und 
ohne Störungen der elektrischen Erregbarkeit. Dazu traten als subjektive 
Störungen: heftige anhaltende Schmerzen in den unteren Gliedmaßen, die die 
Ursache von Schlaflosigkeit waren, heftige Neuralgien im Kopf, Erloschen der 
Potenz, Urinbeschwerden. 

Der Symptomenkomplez deutete auf eine Störung des Nervensystems, 
deren Sitz nicht zentral, sondern peripher sein mußte, da Zeichen wie Fuß- 
klonus, Babinsky, Erhöhung der Patellarreflexe fehlten. Dieser spinale 
Typus der Caissonkrankheit ist die gewöhnlichste Form dieser eigentümlichen 
Krankheit. _ Dr. Solbrig-Arnsberg. 


1. Einfluss der Ventilation auf den Organismus. Von J. P. Lan glois. 
Aus dem Laboratorium für praktische physiologische Arbeiten der Pariser 
med. Fakultät. Comptes rendus de la soc. de biol.; LXVIII., 1910, Nr. 22. 

2. Einfluss der Ventilation auf den arteriellen Druck in der Ruhe. 
Von Routhier und Marcon. Ibidem. 

8. Einfluss der Ventilation auf den arteriellen Druck während der 
Arbeit beim Menschen. Von Routhier und BouBsaquet. Ibidem. 

1. Herrmann hatte 1883 die Ansicht ausgesprochen, bei den üblen 
Wirkungen der Luft im abgeschlossenen Raume spielten die gasförmigen 
Ausscheidungen des Menschen und der Tiere nur eine geringe Rolle. Diese 
Vorstellung ist neuerdings von Flügge aufgenommen worden; er und seine 
Schule behauptet, daß die in engem Raume beobachteten Störungen wesentlich 
auf dem Uebermaß von Wärmebildung in der Umgebung des KOrpers 
beruht, und daß es genüge, die Luit des Raumes stark zu ventilieren, um die 
Beschwerden zu unterdrücken. 

Auch Langlois beobachtete bei seinen gewerbe-hygienischen Unter¬ 
suchungen das Gefühl der Erleichterung, daß die Zuführung stark bewegter, 
selbst heißer Luft bei Personen ausübt, die in heißen und feuchten Räumen 
arbeiten. Sogar in den Kohlenbergwerken äußert sich dann das Gefühl 
der Erleichterung. 

Die französischen Vorschriften verlangen eine Luftzuführung von 
50 Litern pro Sekunde und Arbeiter. Die Commission d’hygiOne des mines 



656 


Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


sah indessen ein, daß es nicht möglich sei, genaue Zahlen festxusetzen und 
entschied, daß die Bergwerksingenieure sich an bestimmte Grenxwerte xu 
halten hätten, and zwar 25 Liter pro Stande and Mann in den Erzgruben, 
50 Liter in den Kohlenbergwerken. Diese Zahlen sind zwar für den Gaswechsel 
genügend,, während sie in der galerie d’aärage 7—8 m Geschwindigkeit 
erlangen kann. 

Ei war daher von, Interesse za bestimmen, welchen Einflaß die Be¬ 
wegungen der Luft, wie sie im Bergwerksinnern beobachtet werden, aal die 
verschiedenen Fanktionen des Organismus aasüben. 

Mit Unterstützung des Komitee der französischen Kohlenbergwerke and 
mehrerer wissenschaftlicher Vereine worden in Rücksicht aal die Bedeutung 
der besprochenen Fragen wissenschaftliche Untersuchungen angestellt über 
den Einflaß des hygrometrischen Zustandes, der Temperatur und dor Ventilation 
auf den Organismus. Vom Ingenieur jener Körperschaft wurde nach Angabe 
des Verfassers eine 8 m lange, 1,5 m breite Galerie gebaut, die mit dem 
physiologischen Laboratorium in Verbindung stand. Die Lüftung eines Stollens 
ueß sich in einem abgeschlossenen, mit der Galerie in Zusammenhang stehenden 
Raume dor Wirklichkeit entsprechend darstellen. Es war für meßbare 
Ventilation, Erhitzung und Befeuchtung der Luft gesorgt. Bei einer Temperatur 
von 40° in einem mit Feuchtigkeit gesättigten Medium konnte eine Luftzu- 
führnng von 6,4 m Geschwindigkeit in 1 m Hohe erreicht werden. 

Mit 7 Mitarbeitern führte Langlois Versuche darch: 

a. Ueber den Einflaß der Ventilation (0—6 m) bei verschiedener Tem¬ 
peratur in trockenem Medium. 

b. Bei verschiedenem Feuchtigkeitsgehalt. 

Die Arbeiten umfaßten: Prüfung des Gewichtsverlustes, den Einfluß 
auf die Atmung, den arteriellen Druck, Blutuntersuchungen, Temperatur- 
messungen. 

Die Versuchspersonen trugen alle blauen Arbeiteranzug oder den Ober¬ 
körper nackt. 

2. Unter dem Einflüsse der Ventilation sinkt der Maximaldruck etwas; 
besonders deutlich zeigt sich dieser Einflaß bei erhöhter Temperatur. 

So war der maximale Blutdruck bei einer Temperatur des trockenen 
Thermometers von 20—23° ohne Ventilation 16 cm, bei mittlerer Ventilation 
von 4 m in der Sekunde 16 cm; dagegen betrugen die Zahlen bei 28—26° 
18 und 16 cm; bei 88—41° 20 und 17 cm. Unter 210 Beobachtungen an 
demselben Individuum und an demselben Tage ergab sich 115 mal ein solchen 
8inken des Druckes. 

8. Der Einflaß der Ventilation bei der Arbeit, z. B. an dem 
M o s s o sehen Ergographen, mit dem bicyclette zeigt sich darin, daß die durch 
die Arbeit erzeugte Erhöhung des arteriellen Druckes durch die Ventilation 
sichtlich verringert wird. 

Das Mittel von 46 Beobachtungen ergab: 

Blatdruck ohne Ventilation vor der Arbeit 17,5 cm, nach der Arbeit 
25,5 cm; mit Ventilation (swischen 4 und 6 m in der 8ekunde) vor der Arbeit 
17 cm, nach der Arbeit 22 cm. _ Dr. May er-Simmern. 


8. Krankenanstalten. 

Welche Anforderungen sind an die Einrichtungen des Badehanses 
an einer modernen Klinik zu stellen I Von Prof. Dr. Matth es-COln. Medi¬ 
zinische KUnik; 1910, Nr. 11. 

Einfache Bäder und solche mit einfachen Zusätzen müssen auf den 
Abteilungen verabreicht werden können, desgl. Dauerbäder. Kohlensäure 
Bäder finden am besten im Badehause Aufstellung, für Infektionskranke dagegen 
auf den Abteilungen. Alle anderen komplizierten Bäder, wie Duschen, Licht- 
bäder und dergl. müssen in einem ßadehause zentralisiert werden, das am 
besten in der Mitte zwischen der Frauen- und Männerseite liegt. Das Bade- 
haus muß enthalten: Eine gute Duscheinrichtung in einem größeren Raum, 
in dem zweckmäßig auch einige Halbbäder und eine größere Wanne für 
kinotherapeutische Bäder, sowie die Einrichtungen lür Wassertreten, 8its- 
duschen und ähnliche Dinge untergebracht sind; ferner ein elektrisches Licht¬ 
bad und ein Dampfbad; schließlich kohlensaure und andere medizinische Bäder, 



Kleinere Mitteilungen uttd Referate ine Zeitschriften. 


667 


elektrische Wasserbäder and womöglich ein Sandbad. Schwefelbäder 
einzoriehten, ist answeckmäßig, desgleichen Bassinbäder. Die Wannen 
sind am besten aas Hols. 8ehr wesentlich ist die Anordnang der einzelnen 
Räame. Der Raheraam maß zentral liegen and in anmittelbarer Verbin¬ 
dung von dem Aas- resp. Ankleideräamen stehen. Im Raheraam sind genügend 
Warm- and Kaltwasserleitangen anzalegen, desgleichen eine Massage¬ 
bank. An den Raheraam direkt anschließen maß der Dascberaam, der seiner¬ 
seits wieder mit den Anlagen für Heißprozedaren anmittelbar in Verbindung 
stehen soll. An die andere Seite des ßaheraames maß die Bäderabteilang im 
engeren Sinne (medizinische Bäder asw.) anschließen; desgl. soll die Fango- 
kttche mit ihm in Verbindung stehen. Das Sandbad kann abseits liegen. 
Zweckmäßig ist es, mit dem Badehaas Einrichtungen für die übrige physi¬ 
kalische Therapie za verbinden, Räame für Inhalation and pneamatische 
Behandlung, für Elektrotherapie und Uebangatherapie der Rückenmarks¬ 
leidenden; ferner ist ein Zimmer für Endoskopie, und ein kleiner Opera- 
tionsraam sehr wünschenswert. Sämtliche Räame müssen za ebener Erde 
liegen and genügend hell sein. Der Baderaam soll nicht einen besonderen 
Leiter unterstehen, sodaß eine Abtrennung der physikalischen Heilmethoden 
von dem übrigen klinischen Betriebe stattfindet. Ein Arzt hat die aufsicht- 
führende Leitang, aber jeder Assistent soll mit den Einrichtungen vertrant 
sein and wenigstens das erste Mal, wenn er sie für seine Kranken ge- 
braacht, die Aasftthrang selbst übernehmen. Verfasser geht dann noch aaf die 
Badeanlagen in Cöln ein, die in diesem Sinne eingerichtet sind. Rpd. jon. 


Die „Heimstätten* der Stadt Berlin im Etatsjahr 1909 (1. April 
1908 bis 1. April 1909). Von Dr. S. Davis, leitender Arzt der städtischen 
Heimstätte Gütergotz. Halbmonatsschrift für soziale Hygiene and Medizin; 
1910, Nr. 18. 

In dem Berichte über die Heimstätten finden wir vor allen Dingen den 
Hinweis, daß diese aach noch Lungenkranke mit Erfolg anfnehmen, bei denen 
die Landesversicheraog ein Heilverfahren abgelehnt hat, bezw. bereits Invaliden¬ 
rente zahlt. Es müssen deshalb die Heimstätten noch ab notwendige Institution 
im Kampfe gegen die Taberkalose gelten. 

Aach die Heimstätten für Genesende stehen in diesem Kampfe; denn sie 
stärken die Rekonvalezenten and die sonstig Geschwächten and machen sie 
so der Taberkolosegefahr gegenüber widerstandsfähiger. 

Dr. Hoffmann-Berlin. 


Zar Reorganisation der Rettungskästen. Von Dr. Baß-Bremen. 
Zeitschrift für Bahnärzte; Nr. 7. 

An Stelle der Desinfektionsmittel müssen sterile Verbände, am besten 
Einzel verbände, treten. Die Wanden dürfen von den Mitgliedern der Sanitäts¬ 
kolonne nicht berührt werden; diese müssen aber lernen, ihre Hände vor An¬ 
legen eines Verbandes zu reinigen. Verfasser empfiehlt, die Umgebung der 
Wände mit Jodtinktur mehrmals za pinseln, dann ohne vorhergehende Präpa¬ 
ration oder Sterilisation Perabalsam bis zum Uebeifließen aufzngießen and 
darüber einen trockenen sterilen Verband za legen. 

_ Dr. Wolf-Witzenhaasen. 

4. Medininalpersonen und Medizinal Verwaltung. 

Die Reform des ästerreichlsehen Strafrechtes and die Aerste. Halb¬ 
monatsschrift für soziale Hygiene und Medizin; 1910, Nr. 17. 

Die Absicht, das Österreichische Strafgesetz za reformieren, erfordert 
auch die Aufmerksamkeit der ärztlichen Kreise. Es ist falsch, Rechtsfragen, 
die die Ehe und Sittlichkeit betreffen, ohne Zahilfenahme and Berücksichtigung 
der ärztlichen Erfahrungen za regeln; ebenso müsse bei allen Sittlichkeits¬ 
delikten, bei Beurteilung der Prostitution, des Kindesmordes, der Körper- 
beschädigang asw. der Geist der Medizin mitsprechen. Aach die Gefährdung 
durch Uebertragung der Geschlechtskrankheiten and eigenmächtigen ärztlichen 
Behandlung müsse anter ärztlicher Mitwirkung geregelt werden; denn in allen 
diesen Teilen ist eine vollkommene Erfassung der Natar der Delikte nur bei 
Heranziehung der medizinischen Wissenschaft möglich. 



658 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zej 


Die Aerzte würden ihr Interesse auch entgegenbring 
über Lebensmittelfälschung, über Gefährdung der Gheaiu 
mittel oder Gebrauchsgegenstände, über den Mißbrauch 
mündiger und jugendlicher Personen, über die Unterlass 
Schutsyorkehrungen uaw. 

Wenn in dem Vorentwurf Ton einer „Verhöhnung < 
einer strafbaren Handlung gesprochen werde, so sollte n 
der Gesundheitspflege 1 * gleichfalls unter Strafe stellen. 

Was weiter die Kurpfuscherei angeht, so sollte : 
eine Eigenmächtigkeit eines Arztes strafbar sei, warum nl 
der Laien! Das Gleichgewicht im staatlichen Organismu 
mit den National-Oekonomen die Aerzte herbeiführen. 

Dr. Hof tu 


Die Dienstobliegenheiten des medical offleer of h 
einer RoYlslonf Von W. W. Stainthorpe, M. D. f D. 
of health, Guisborough Combined Districts. Vortrag Vor , 
des englischen MedizinalbeamtenYereins. Public health ; XX 

Die englische Gesetzgebung der letzten Jahre hat 
of health Yiel Routine-Arbeit auf erlegt, die unproduktiv 
Sanität8in8pektor oder besonderen Angestellten ausgeftkhr 
selbst aber Yiel Zeit wegnimmt, die besser verwendet w< 
durch Bureauarbeit wird in zunehmendem Grade Zeit ui 
Die wesentlichen Gesetze, auf denen seine Tätigkeit beruh 
workshop act, 1883, Housing of the working clnsses a 
diseases (notification) act 1889, Infections diseases (p? 
Public health amendment act 1890, Housing of the workj 
Factory and workshop act 1891, Public health amendme 
sing, town planning act. 1909. Dazu kommen zahlreiche 
Local GoYernment Board. 

In großen Städten hat der med. officer of health ein 
Inspektoren zu seiner Verfügung; anders dagegen auf den 
ländlichen Kreisen ist der Gesundheitsinspektor gleichzeit 
Kirchhofanfseher, WasserwerksVerwalter, Straßenaufseher, 
zahlt wird er manchmal zu ’/s *la Gesundheilsinspektor, 9 
hat er auf andere Weise ansznführen. Der Amtsarzt ial 
nicht bloß für die Tätigkeit seines sanitary inspector vera 
hat sie selbst in Wirklichkeit zu leisten. 

Wieviel Zeit geht dabei verloren, wenn der Amtsarzt 
and workshop act eine Werkstatt nach der anderen besuci 
in großen ländlichen Bezirken die Kohställe selbst besiebti 
die zahlreichen Berichte über systematische Besichtigu 
ansteckenden Krankheiten. Er muß korrespondieren mit 
Inspektor, mit den Hausbesitzern, mit der Ortsnnterrichtsb 
Verwaltern, dem Gewerbeinspektor, dem Local Governmez 
Grafschaftsrat. Er hat die Gebühren für die Anzeigen <3 
steckenden Krankheiten anzuweisen, hat die standesamtlich« 
prüfen, hat bakteriologische Untersuchungen zu machen. I 
bereitung für seine Monats- und Jahresberichte, feiner füi 
Tabellen, die dem Local Government Board einzureichen sin 

Wenn Routine - Tätigkeit zunimmt, muß die Geschick] 
Jene erzeugt körperliche und geistige Ermattung, sie lahmt 
samkeit. Zeit und Energie des Amtsarztes sind nicht unbec 

Der Autor empfiehlt die Verhältnisse auch auf dem fl 
zu regeln, daß dem Amtsärzte Zeit bleibt za Vorträgen üb« 
häusliche Gesundheitspflege an Eltern und Schüler, zu genau 
logischen Untersuchungen. Er wünscht, daß der Wert « 
medical officer of health steige, daß die bloße Routi 
abnehme. Dr. Maye 



Kleinere Mitteilungen und Beferate aus Zeitschriften. 


669 


5. Sonlale Hygiene. 

Das Verbrechen, seine Vrsaehen und seine Bekämpfung. Von Prof. 
Dr. Lochte in Göttingen. Klinisches Jahrbuch; 1910, Bd. 22, H. 8. 

Als Ursachen des Verbrechertums kommen in erster Hinsicht ungünstige 
Erwerbsverhältnisse, Wohnungselend mit Beinen entsittlichenden Folgen, Al¬ 
koholismus und mangelhafte Erziehung in Betracht. Während zurzeit des 
vorwiegend Ackerbau treibenden Deutschlands die Kriminalität mit den Weizen- 
und Roggenpreisen ziemlich parallel ging, hat seit seiner Umwandlung in einen 
Industriestaat die Lage des gesamten Arbeitsmarktes ihren Einfluß geltend 
gemacht. 

Die Bekämpfung des Verbrechertums hat die Wege einzuschlagen, die 
durch die ursächlichen Momente gewiesen sind. Dr. D o h r n - Hannover. 


Der Bericht der Minorität der englischen Armengesetzkommission, 
seine Beziehung zur öffentlichen Gesundheitspflege und zum ärztlichen 
Stande. Von Mrs. Sidney Webb, D. Litt. Vortrag vor der Society of medical 
olfleers of health. Public health, Februar 1910, XXIII., Nr. 6. 

Die Verfasserin, über deren Ansichten und Wirksamkeit das Referat in 
dieser Zeitschrift 1907, S. 222, empfehlend berichtete, führte folgendes aus: 

Der Tätigkeit des Armenarztes sind im Laufo der Jahre eine Reihe 
von Gebieten entzogen worden und statt dessen in das Arbeitsfeld des 
public health Service, des Gesundheitsbeamten, eingefügt worden. Zum 
Bereiche des public health service gehören zur Zeit 700 Krankenhäuser, die 
mit Patienten überfüllt sind, mit Polikliniken und Fürsorgestellen verbunden 
sind und ihre Pforten — meist unentgeltlich — einer Krankheit nach der 
anderen öffnen; gehören ferner die Gesundheitsbesucher, die größtenteils Aerzte 
sind, und — ebenfalls unentgeltlich — hygienischen Rat erteilen, ferner die 
Organisation der häuslichen Krankenpflege, die Beaufsichtigung der Hebammen, 
die Milchkliniken, die ärztliche Besichtigung und Behandlung der Schulkinder. 
Schließlich nahm die offizielle Aufnahme der Tuberkulose unter die ansteckenden 
Krankheiten dem Armenarzt und dem Armenkrankenhaus einen großen Teil 
seines Materials und erzeugte in bezug, auf die persönliche und rechtliche 
Verantwortlichkeit den Krankheiten gegenüber eine Zerstörung der bis dahin 
bestehenden Grundsätze. 

Diese Entwickelung beruhte darauf, daß für die Staatsarzneikunde 
die Grundlagen des „Public health department“ eine bessere Basis lieferte, 
als jene des Armenarztes. Der Armenarzt als solcher war nicht an der Ent¬ 
wicklung schuld. Für ärztliche Behandlung der Armen werden zwar im Jahre 
6 Millionen £ ausgegeben, die 4000 Armenärzte Englands lassen es auch an 
Geschicklichkeit und hilfreichem Entgegenkommen nicht fehlen; sie Btehen 
aber zu einer Zeit untätig bei Seite, wenn ihre Dienste eigentlich am wirk¬ 
samsten sein müssen. Sie sehen eine vermeidbare Krankheit auftreten, sich 
verschlimmern; der Patient gleitet den Hügel der Armut hinab, und erst dann 
wird der Armenarzt zugezogen, wenn äußerste Not eingesetzt hat. Dann 
aber kommt die ärztliche Hülfe zu spät. Die armenärztliche Tätigkeit war 
ja auch ursprünglich, wie heute, nur zur Verringerung des individuellen 
Leidens bestimmt; zur Vorbeugung des Auftretens einer Krankheit tut sie 
dagegen nichts. Die Tätigkeit des Gesundheitsbeamten auf der anderen Seite 
beugt dem Auftreten einer Krankheit vor und wenigstens dem Neuauftreten 
bei anderen. Ihm stehen die Anzeigepflicht, das Ermittlungsverfahren, das 
Recht zur Unterbringung im Krankenhause, sogar die zwangsweise Entfernung 
des Kranken aus seiner Wohnung; die Besichtigung von Haus zu Haus, die 
Regelung der häuslichen Pflege unterstützend zur Seite. Dazu kommt die 
beständige Ueberwachung der Säuglinge und Schulkinder, die Möglichkeit einer 
Besserung der hygienischen Verhältnisse und schließlich der moralische Faktor. 
Die Ironie des Armenarztdienstes ist die, daß jener Bergmann Recht hatte, der 
sagte: Wenn Sie etwas besitzen, bekommen Sie nichts; wenn Sie aber nichts 
haben, bekommen Sie etwas und etwas gutes dazu.“ Die armenärztliche 
Hülfe, je besser sie wird, tut um so mehr Leides demjenigen, der um sie 
nachsuchen muß. 

Der Bericht der Minorität der Armenkommission, von dem bereits 
in dieser Zeitschrift 1909, S. 633 und 742 gesprochen wurde, sucht nun dem 



660 


Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


Dilemma an entgehen, in welches England durch das gleichseitige Bestehen 
zweier, von den Steuern unterhaltener, mit einander rivalisierender ärztlicher 
Einrichtungen gebracht wurde. Er verlangt, daß das Prinzip des Ermitte- 
lungsveriahrens, wie es bereits jetzt vom Gesundheitsbeamten ausgeführt 
wird, weiter ausgedehnt werde, daß aber die Kranken unter allen 
Umständen der Armenbehörde zu entziehen seien. Diese hat ihre 
Schuldigkeit bisher nicht getan. Wenn sich Jemand nicht um Unterstützung 
an die Armenbehörde wendet, braucht sie von seiner Existenz gar nichts zu 
wissen. Wenn or aus dem Armenkrankenhaus entlassen wird, wird sein 
Schichsal nicht weiter verfolgt, seine Lebensweise, sein Haus wird nicht weiter 
beobachtet; auf keine Weise kann verhindert werden, daß sein ZuBtand ihn 
nicht wieder — z. B. durch Alkoholismus — ins Armenhaus bringt. Keine 
Armenbehörde darf beim Trunkenbold, so lange er nicht aller Mittel entblößt 
ist, etwas tun, um der Proletarisierung vorzubeugen, die sicher kommen wird. 
Nur wenn er an Delirium tremens leidet, kommt er ins Arbeitshaus, bekommt 
ein reines Bett, 2 Wärter, teures Morphium; — sobald er entlassen wird, 
hört die Fürsorge auf. 

Tritt aber der Vorschlag der Minorität der Armenkommission in Kraft, 
so werden Zusammenarbeiten: Unterrichtsbehörden, Qesundheitsbeamte, Kranken* 
hausbehörden. Die beginnende Proletarisierung der Familie, des schwach¬ 
sinnigen Kindes wird ermittelt. Darch die gemeinsame Tätigkeit der Gesund- 
heitsbesucher, der Schulschwestorn, städtischer Milchabgabestellen, Schulen für 
Mütter, unentgeltliche Behandlung der Schulkinder, Aufnahme ins Kranken¬ 
haus ist es ermöglicht,' r rechtzeitig vorzubeugen, zu raten und zu helfen. 

Wie soll es nun bei diesem ganzen Plane später dem praktischen Arzte 
möglich sein, zu existieren und seine Wirksamkeit durchzufühien P Mrs. Webb 
macht hier folgenden Vorschlag: Jeder Fall, in dem die Tätigkeit des neuen, 
dem Gesundheitsamt unterstellten, öffentlichen Wohlfahrtsdienstes in Anspruch 
genommen wird, wird dem Registrar gemeldet. Die Vermögensverhältnisse 
des Mannes werden nun von dem Beamten genau geprüft. Der besser situierte 
Arbeiter, Leute aus den mittleren Klassen, die in die Versuchung kommen, 
die Dienste des Gesundheitsamtes in Anspruch zu nehmen, weil kein Stigma 
der Armut darauf ruht, müßten das sonst für den Arzt übliche Honorar an 
den Registrar ebenso entrichten, wie sie ihr Wassergeld oder die Steuer für 
elektrisches Licht bezahlen. Dadurch, daß die Behandlung nicht unentgeltlich 
ist, geht wieder ein Teil in die Praxis des privaten Arztes zurück. Auf die¬ 
selbe Weise ließe sich auch dem Mißbrauch einer unentgeltlichen Benutzung 
der Krankenhäuser durch bemittelte Personen entgegenarbeiten. Die freie 
Arztwahl irgendwie zahlungsfähiger Kranker soll also nicht angetastet 
werden, insoweit als diese Kranken veranlaßt werden sollen, ihren eigenen 
Arzt aufzasuchen. 

(Interessant ist übrigens doch, daß die Ansichten der Verfasserin seit 
1906 sich etwas geändert haben. Damals hieß es: „Die Bezahlung ärztlichen 
Honorars für die Behandlung einzelner Krankheiten sei Unsinn; den Arzt 
müsse man bezahlen, der einen gesund erhalte, und nicht dann, wenn man 
krank sei.*) _ Dr. Mayer-Simmern. 

Das Einkindersystem ln Ungarn* Von Dr. Heinrich Pach in Magyar- 
faln. Halbmonatsschrift für soziale Hygiene und Medizin: 1910, Nr. 7. 

Die Bilanz der Bevölkerungszunahme zeigt Neigung zur Abnahme. Die 
Ursache sind Furcht vor Zersplitterung des ererbten Grundbesitzes, der unstill¬ 
bare Bodenhanger, die einseitige Begünstigung des einzigen Kindes seitens 
der österreichischen Heeresgesetze, das frühzeitige Eingehen der Ehe, die 
maßlose Genuß* und Trunksucht. 

Als Reform Vorschläge werden empfohlen: Verhinderung der Abtreibung, 
Einführung der obligatorischen Leichenschau, damit alle Todesfälle von Kin¬ 
dern unter 7 Jahren nach ihren wahren Ursachen aufgedeckt würden, strenge 
Bestrafung der Engelmacherei, auch an den Müttern. 

Zum Schluß erwähnt Verfasser, daß nach Ansicht vieler Kenner an dem 
Einkindersystem die im vorigen Jahrhundert stattgehabte Invasion des fran¬ 
zösischen Heeres unter Napoleon L schuld sein soll. 

Dr. Hoffmann*Berlin. 



Kleinere Mitteilangen and Referate ans Zeitschriften. 661 

Das Problem der körperlichen Entartung im Sinne der soilalen 
Hjglene. Von Dr. Alfred Grotjahn. Vortrag, gehalten in der Gesellschaft 
für soziale Medizin, Hygiene u. Medizinalstatistik am 31. März 1910. Halb¬ 
monatsschrift für soziale Hygienn and Medizin; 1910, Nr. 17. 

Unter Entartung verstehen wir die somatische oder psychische Ver¬ 
schlechterung des Deszendenten im Vergleich zu dem als vollkommen oder 
doch wenigstens nach dem Durchschnitt gemessen, als im wesentlichen fehler¬ 
frei vorgestellten Aszendenten. Daß die Nachkommen eines kleinen, körper¬ 
lich schwächlichen Elternpaares ebenfalls klein und schwach ausfallen, ist 
ohne weiteres klar. Ist eins der Eltern rüstig, das andere schwächlich, so 
können in der Nachkommenschaft rüstige und hinfällige Individuen abwechseln, 
es können sich aber auch in ein und demselben Individum die Eigenschaften 
mischen. Sind die Eltern nerven- oder geisteskrank, so vererben sich nicht 
die besonderen Erscheinungsformen der Psychopathie, sondern nur die Anlagen 
dazu, ebenso wie bei der Tuberkulose nur die Anlage zum Haften und Ge¬ 
deihen der Tuberkelbazillen vererbt wird. 

Die minderwertigen Individuen haben ihren Defekt meist ererbt und 
vererben ihn weiter, aber es gibt auch eine frei entstehende Minderwertigkeit. 

Es müßte eine Statistik der Körperfehler aufgestellt werden. Diese 
Lücke füllt bis zu ebem gewissen Grade die Rekrutierungsstatistik aus, die 
uns zeigt, daß nur die Hälfte militärtauglich ist. 

Zu beachten ist auch, daß ungefähr ein Drittel aller Mütter aus phy¬ 
sischer Unfähigkeit ihre Kinder nicht selbst zu stillen vermag. 

Auch auf die Häufigkeit der Kinderfehler ist zu achten; denn der dritte 
Teil aller Schulkinder leidet an somatischen oder psychischen Defekten. 

Nach einer Stichprobe kommen in Deutschland auf 100000 Personen 
etwa 300 Geisteskranke und Idioten, 150 Epileptiker, 200 Trunksüchtige, 60 
Blbde, 30 Taubstumme, 260 Verkrüppelte und 600 Lungenkranke. 

Will man die Zahl der Minderwertigen verkleinern, so muß man zunächst 
den frischen Zuzug abschneiden. Kbder, die von Eltern stammen, welche an 
Alkoholismus, Bleikrankheit, Malaria usw. leiden, zählen zu den Minderwer¬ 
tigen ; deshalb müssen Maßnahmen gegen oben genannte Krankheiten ergriffen 
werden. Die Mbderwertigen müssen b bezug auf ihre Fortpflanzung mög¬ 
lichst matt gesetzt werden. Schon gegenwärtig entbehren die Vagabonden, 
Alkoholiker, Verbrecher, Prostituierten infolge ihrer unsteten Lebenswebe 
ober nennenswerten Nachkommenschaft. 

Wenn man aber bei diesem Lumpen-Proletariat [ebe Verallgemeinerung 
des Asylwesens anwenden könnte, so würde man in humanerer und trotzdem 
sielbewußter Webe die Fortpflanzung ungeeigneter Elemente ausschalten können. 

Die Nation, der es zuerst gelänge, das gesamte Krankenhaus- und An¬ 
staltswesen b den Dienst der Ausjätung der somatbch und psychisch minder¬ 
wertigen Individuen zu stellen, würde eben von Jahrzehnt zu Jahrzehnt wach¬ 
senden Vorsprung haben vor allen übrigen Völkern. Aber nicht nur die Quan¬ 
tität der Bevölkerung, sondern auch die Qaalität müßte verbessert werden. 

Wenn man auf dem Gebiete der Entartungslehre größere Erkenntnbse 
erwirbt, wird man allmählich in den Stand gesetzt weiden, die Entartungs¬ 
tendenzen wirksam zu bekämpfen und den menschlichen Artprozeß rationell 
positiv zu beebflässen vermögen. _ Dr. Hoffmann-Berlb. 

Ueber Medbinabtatistik. Von Prof. D. H. Silbergleit-Berlin. 
Zeitschrift für soziale Medbb; Bd. V, H. 2. 

Verfasser zeigt an einigen Proben die Notwendigkeit eber vorsichtigen 
Behandlung der Statistik. Jeder statbtbchen Betätigung muß das Durch- 
drbgen zu methodologischer Klarheit auf allen Stufen, bei der Erhebung, bei 
der Bearbeitung wie bei der Verwertung vorangehen. 

Dr. Wolf-Witzenhausen. 


6. Hebammen wesen. 

Bemerkungen zur Reform des Hebammenwesens und der geburts¬ 
hilflichen Ordnung. Vortrag, gehalten am 24. Februar 1910 in der Gesell¬ 
schaft für soziale Medizin, Hygiene und Medizinabtatbtik in Berlin, von 



662 Kleinere Mitteilungen and Referate aas Zeitschriften. 

Dr. Brenn ecke, Magdeburg. Halbmonatsschrift fttr soziale Hygiene and 
Medizin; Mai 1910, Nr. 16. 

Der Vortrag dreht sich am die Frage: Welche Reformvorschläge die 
meiste Aassicht haben and die besten Resultate versprechen, insbesondere ob 
die Hebammenfrage durch Verordnungen, wie jetzt in Preußen, gelost werden 
kann, oder ob es daza eines Gesetzes bedarf. Brennecke ist im Gegen¬ 
satz za Dietrich für gesetzliche Regelung. Er sacht sein Ziel aaf dem 
Wege za erreichen, der durch die Thesen vorgezeichnet ist, die gelegentlich eines 
Vortrages im deutsch-evangelischen Frauenbünde aufgestellt wurden, nämlich: 

1. Die Hebammenfrage kann in befriedigender Weise nur durch Erlaß 
eines Gesetzes — nicht darch Verordnungen aaf dem Wege der Verwaltung — 
gelöst werden. 

2. Für die Zulassung zum Hebammenberaf ist eine strenge Auswahl 
unter den Bewerberinnen zu fordern. Die Aaswahl der Schülerinnen hat nicht 
sowohl nach bestimmten Bildungsnormen und Gesellschaftsklassen, als viel¬ 
mehr nach individueller Befähigung zu erfolgen. Eine durch Prüfung za 
erweisende gute Mittelschulbildung und häusliche saubere Erziehung fallen 
dabei besonders ins Gewicht. Bei Nachweis einer höheren Mädchenschulbildung 
gilt die Vorbildung als erwiesen. 

3. Die Ausbildungszeit soll analog der Forderung zur Ablegung eines 
Examens in der Krankenpflege mindestens 1 Jahr betragen. 

4. Die Kosten des Lehrkursus sind grundsätzlich von^den Schülerinnen 
selbst zu tragen. Das bisher übliche Präsentationsrecht der Gemeinden und 
Gatsbezirke zOrt auf. 

6. Die Freizügigkeit der Hebammen wird aufgehoben. Sie werden 
nach Bedarf in den einzelnen Bezirken angestellt und erhalten ein Mindest¬ 
gehalt von 1000 Mark bis 1200 Mark, je nach den ländlichen oder städtischen 
Verhältnissen. Die Bevölkerung hat freie Hebammenwahl. Um den Leistungen 
einer besonders begehrten Hebamme gerecht zu werden, steigt deren Ein¬ 
kommen stufenweise beim Nachweis je einer bestimmten, sich über die Durah- 
schnittszahl erhebenden Anzahl von Geburten. Zur Aufbringung der Mittel, 
die vom Staat gegeben werden müssen, ist eine stufenweise, nach der Ein¬ 
kommensteuer zu bestimmende Abgabe bei jeder Eheschließung und bei jeder 
Geburt zu erheben. 

6. Die Hebammen unterstehen als staatliche Beamtinnen dem Pensions¬ 
gesetz für Staatsbeamte. 

7. Bei jeder Geburt ist die Zuziehung einer Hebamme zu fordern, auch 
wenn ein Arzt die Geburt leitet. 

8. Hebammen, die drei Jahre hindurch mit Erfolg in armen und ungünstigen 
Gegenden gewirkt, sollen Prämien oder auch bevorzugte Stellungen erhalten. 

9. Die Hebammen unterstehen der Kontrolle des Kreisarztes. Sie haben 
sich jedes Nebenerwerbs, besonders aber solcher Beschäftigungen zu enthalten, 
die auf die Reinheit des Körpers und in bezug auf Pflege der Hände nachteilig 
wirken. Ihre Pflichten sind durch besondere Dienstanweisung zu regeln. 

10. Zar Hebung der sozialen Stellung ist es erwünscht, die Bezeichnung 
„Hebamme“ durch eine andere zu ersetzen — etwa „Frauenschwester“. Diese 
Aenderung konnte mit dem Inkrafttreten eines neuen Gesetzes erfolgen. 

11. Als notwendige Ergänzung eines so geordneten Hebammenwesens 
ist in jedem Kreise eine auf gesetzlicher Grundlage organisierte Fraueahilfe 
Frauenhilfe zu fordern, deren Aufgabe es ist, mit Anstellung von Hauspflege¬ 
rinnen, Wochen-, Säuglings- und Krankenpflegerinnen, sowie ehrenamtlich 
wirkenden Helferinnen, eventuell auch mit Gründung von Asylen aller Axt 
sich im Dienste der Wöchnerinnenfürsorge, des Familien-, Mutter- und Kinder¬ 
schutzes zu betätigen. 

Vortragender betont die Notwendigkeit einer organischen Angliederung 
des Hebammenwesens an eine festgeordnete Frauenbilfe zum Schutze der 
Wöchnerinnen, der Familien, der Mütter und Kinder. 

Dr. Hof f mann-Berlin. 


Interkantonale Konferenz snr Reform des Hebammenwesens 1« der 
Schweiz am 30. November und 1. Dezember 1909 in Bern. Schweizer Bund- 
schau für Medizin; 1910, Nr. 16, 8. 470—480. 

Der Konferenzbericht zeigt, daß die Ausbildung der schweizerischen 



Tagesnächrichteü. 


663 


fiebammen eine verschiedene Ist and die Hebammen nur in dem Kanton tätig 
sein dürfen, für den sie aasgebildet sind. Die Konferenz hält eine Hebung 
des Hebammenstandes durch sorgfältigere Aaslese der Hebammenschülerinnen 
in körperlicher, geistiger and sittlicher Hinsicht für nötig, sowie das Ver¬ 
langen nach besserer Vorbildung, nach gleichmäßigerer Ausbildung in besag 
auf die Dauer der Hebammenkarse, Prüfangen and Fortbildungskurse, nach 
Ökonomischer Besserstellung, Freizügigkeit innerhalb der ganzen Schweiz, Schutz 
vor unbefugter Konkurrenz und Maßnahmen gegen die Ueberschreitung ihrer 
Befugnisse ltta berechtigt. Für den deutschen Medizinalbeamten ist daraus 
nur zu entnehmen, daß wir gegen die freie Schweiz in bezug auf das 
Hebammen wesen doch einen ziemlichen Schritt voraus sind .und unsere Heb¬ 
ammen im Vergleich zu den schweizerischen sich einer größeren Fürsorge 
seitens des Staates erfreuen, allerdings auch einer schärferen Ueberwachung. 

Dr. v. Leliwa-Waldenburg (Schien.). 


Tagesnachrichten. 

Dem städtischen hygienischen Institut ln Frankfurt a. M. sind durch 
Min.-Erl. vom 19. April 1910 die bakterioligischen Untersuchungen bei der 
Bekämpfung übertragbarer Krankheiten für den Stadtkreis Frankfurt a. M. 
übertragen. _ 


Das preusslsche Gesetz über die Reisekosten vom 26. Juli 1910 ist 
jetzt in der Gesetzsammlung veröffentlicht; es tritt am 1. Oktober d. J. in 
Kraft Sein Abdruck wird in der Beilage der nächsten Nummer der Zeitschrift 
erfolgen; voraussichtlich sind bis dahin auch die Ausführungsbestimmungen 
erlassen, so daß diese mit abgedruckt werden können. 


Im Grossherzogtum Baden ist jetzt auch eine neue Gebührenordnung 
für ärztliche Geschäfte lm Dienste der Rechtspflege und im Dienste der 
Verwaltung erlassen; sie wird in der Beilage zur nächsten Nummer der Zeit¬ 
schrift zum Abdruck gelangen. Dasselbe gilt betreffs des dort in Kraft 
getretenen neuen Irrenffirsorgegesetses vom 25. Joni 1910 nebst Vollzugs¬ 
verordnung vom 30. Juni 1910. Weiterhin ist im Badischen Ministerium des 
Innern ein Entwurf za einer Verordnung betreffend die Bekämpfung über¬ 
tragbarer Krankheiten ausgearbeitet und zunächst den zuständigen Behörden 
zur Aeußerung vorgelegt. Die Bestimmungen entsprechen im großen und 
ganzen den in Preußen, Mecklenburg und Braunschweig erlassenen Vorschriften. 


Vom Abis 10. August hat in Brüssel unter dem Vorsitz von De wen 
der 8. internationale Kongress für gerichtliche Medizin getagt. Die Teil¬ 
nahme war im allgemeinen sehr gering, anscheinend deshalb, weil von dem 
Kongreß überall wenig bekannt geworden war. So waren aus Deutschland 
und Oesterreich im ganzen nur 5 Teilnehmer erschienen. Das ist um so mehr 
zu bedauern, als sich die belgischen Kollegen in der denkbar liebenswürdigsten 
Weise bemüht hatten, durch interessante Ausflüge und Entfaltung einer gro߬ 
artigen Gastfreundschaft den Fremden den Aufenthalt angenehm und lehrreich 
zu gestalten. Ueber die Verhandlungen, die in den Archives internat. de mdd. 
leg. erscheinen werden, wird s. Z. im Referatenteil dieser Zeitschrift berichtet 
werden. Aus Deutschland sprachen Ziemke-Kiel über die Bedeutung der 
Spektroskopie im violetten und ultravioletten Teil des Spektrums für den 
forensischen Blutnachweis, Bevenstorf-Breslau über die gerichtsärztliche 
Diagnose des Ertrinkungstodes, Fraenekel-Berlin über die histologische 
Abortdiagnose aus der Uterusmuskulatur. Ais Tagungsort für den 4. Kongreß 
im Jahre 1913 wurde Berlin gewählt. 


Cholera. Am 26. u. 28. August ist je eine Erkrankung an Cholera in 
Spandau vorgekommen; saerst erkrankte die Frau eines Hülfsrevisors der 
Königl. Munitionsfabrik, zwei Tage später der Ehemann; bei der ersteren ver¬ 
lief die Krankheit letal. Die Art der Uebertragung ist noch nicht genau fest¬ 
gestellt worden. Verschiedene andere choleraverdächtige Erkrankungen in 
Spandau und Berlin haben sich schließlich nicht} als Cholera erwiesen. 

Ia Italien ist die Seuche in der zweiten Hälfte des Augusts eiage- 



664 


Sprechsaal. 


schleppt, angeblich durch rassische Zigeaner, and zwar saerst nach Tran- 
(Prov. Bari); außer an diesem Ort sind häufige Erkrankungen noch ia 
Barletta (Prov. Bari) and Trinitapili (Prov. Foggia) sowie in einigen anderen 
Orten dieser beiden Provinzen festgestellt. Eine erhebliche Ausdehnung hat 
die Seache bisher aber noch nicht genommen; die Gesamtzahl der Erkran¬ 
kungen (Todesfälle) beträgt seit ihrem Aasbrach (18. Aagast) etwa 246 (165). 

In Baßland hat die Cholera dagegen immer weiter am sich gegriffen, 
namentlich seit der zweiten Hälfte des Jali. Während in den Wochen vom 26. Juni 
bis 2. Juli, 3.—9. Juli und 10.—16. Jali die Zahl der Erkrankungen (Todesfälle) 
nar 2482 (1126), 4638 (2114) und 7395 (3300) betrug, ist sie in den Wochen 
vom 17.-23. Jali auf 13574 (5979), vom 24.—30. Jali auf 15244 (6944) and 
▼om 31. Juli bis 6. Aagast auf 20827 (8750) Personen gestiegen. Die Gesamt¬ 
zahl beträgt bis zum 6. August 81837 (36130), davon in der 8tadt Petersburg 
1137 (355). Am meisten verseucht sind die Gouvernements Jekaterinoslaw 
(8508 [3753]), Dongebiet (12620 [5769]) und das Eubangebiet (15168 [7883]). 

Mit Bücksicht auf die große Verbreitung der Cholera in Bnßland hat am 
27. v.M. im preußischen Kultusministerium unter Teilnahme von Vertretern 
der beteiligten Beichs- und preußischen BesBorts eine Beratung aber etwaige 
zur Verhütung einer Einschleppung der Seuche zu ergreifenden weiteren Ma߬ 
nahmen stattgefunden. Es wurde mitgeteilt, daß an den Stellen, wo die 
Weichsel and Memel auf deutsches Gebiet übertreten, schon seit einigen 
Wochen die Einrichtung getroffen sei, und zwar zum ersten Male in diesem 
Jahre, daß dio Insassen der von Bußland kommenden Schiffe und Flöße nicht 
nar ärztlich besichtigt, sondern auch bakteriologisch auf das Vorkommen der 
Choleraerreger in ihren Entleerungen untersucht werden. Dabei ist es ge¬ 
langen, auf der Weichsel drei Personen anzuhalten, die völlig gesund 
erschienen, aber doch Choleraorreger im Darminhalt beherbergten und mit ihm 
ausschieden, also leicht zur Flußverseuchung Anlaß geben konnten. Zur 
Verschärfung der Beaufsichtigung des Verkehrs auf der Weichsel ist infolge 
der Beratung inzwischen noch die Einrichtung einer Ueberwacbungsstelle in 
Thorn neben den schon vorhandenen in Schillno, Scholitz und Einlage ange- 
ordnot. Auch gegen die Gefahr einer Einschleppung der Cholera aus Italien 
oder Oesterreich sind die nötigen Maßnahmen getroffen. 


Erkrankungen und Todesfälle an ansteckenden Krankheiten in 
Prenssen. Nach dem Ministerialblatt für Medizinal- und medizinische Unter¬ 
richts-Angelegenheiten sind in der Zeit vom 26. Juni bis 23. Juli erkrankt 
gestorben) an: Aussatz, Gelbfieber, Bückfallfieber,Pest, Botz. 
Tollwut: - (-); Fleckfieber: 1 (-), - (-), - (-), - (-); 
Cholera- - (1), - (-), - (-), - (-); Pocken: - (-), - (-), 2 (-), 
1 (1); Milzbrand: 1 (1), — (—), 2 (—), — (—); Bißverletzungen 
durch tollwutverdächtige Tiere: — (—), 1 (—), 8 (—), 9 (—); 
Unterleibstyphus: 227 (25), 296 (31), 418 (30), 360 (38); Buhr: 27 (1L 
26 (2), 16 (2), 8 (1); Diphtherie: 1157 (79), 1076 (82), 1081 (63), 1045 (74); 
Scharlach: 1296 (61), 1191 (71), 1185 (73), 1053 (48); Kindbettfieber: 
"5(23), 70 (18), 69 (20), 81 (25); Genickstarre: 6 (6), 6 (3), 7 (1), 4 (4); 
spinale Kinderlähmung: 7 (—), 7 (2), 7 (2), 5 (2); Fleisch-, Fisch- 
und Wurstvergiftung: 1 (—), — (—), — (—), 46(1); Körnerkrank¬ 
heit: 157, 819, 260, 187; Tuberkulose: (gestorben): 658, 715, 686, 658. 


SpreohsaaL 

Anfrage des Kreisarztes Dr. 8* In G.t Darf in Drogenhandluagen 
essigsaure Thonerde in gleicher Weise wie in den Apotheken vorrätig 
gehalten und verkauft werden ? 

Antwort: Ja, und zwar nicht nur Aluminium aceticum, sondern auch 
Liq. Aluminii acetic., da dieser als chemisches Präparat und nicht als Zu¬ 
bereitung ansusehen ist (Urteil des Kammergerichts vom 21. April 1902). 

Berichtignmg;« In dem Aufsatz „Die Vierte Krankheit" in Nr. 16 
der Zeitschrift muß es auf S. 593, Z. 18 nicht „häufigsten", sondern „häu¬ 
tigeren" heißen. 

Bedaktlon: Geh.Med.-Bat Prot Dr.Bapmund, Bog.» u. Med.-Bat ia MindenL W. 

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28. Jahrg. 


Zeitschrift 


iöiö. 


für 


MEDIZINALBEAMTE. 


Zantralblatt für iis gssants BesunAeitsweua, 

für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenwesen. 

Heruugegeben 

▼OB 

Geh. Med.-Rat Prot Dr. OTTO RAPMÜND, 

Boffloru*»- ud MedMiuürot ln Minden 1. W. 

Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, Sächsischen, 
WOrttembergischen, Badischen, Mecklenburgischen und Eisass-Lothringischen 

Medizinalbeamtenvereins. 


Verlag von Fiseher’s mediz. Buehhandlg., E Kornfeld, 

Httngt Bayer. Hof- n. BrtbenogL Kammer-Bwoliliamaer. 

Berlin W. 35, Lützowstr. 10. 

Ineerato nehmen die Verlagshandhing sowie eOe Annoncenexpeditionen dea In¬ 
end Auelende« entgegen. 


Nr. 18. 


■nehelat 


B. 


ud M. Jedem Hraata. 


20. Septbr. 


Die Frühdiagnose der Lungentuberkulose auf 
serologischem Wege. 

Von Prof. C. Fraenkel und Oberarzt Dr. Bierotte in Halle n. S. 

Unter der auch diesen kurzen Zeilen vorangestellten Ueber- 
sclirift veröffentlicht Roepke in Nr. 5 dieser Zeitschrift vom 
5. März d. J. S. 149 die Ergebnisse von Versuchen, die auf dem 
Wege der Anaphylaxie die Erkennung von tuberkulösen 
VerändernngenbeimMenschen ermöglichen sollten. Warden 
Meerschweinchen mit dem Serum von tuberkulösen 
Kranken unter die Haut gespritzt, so antworteten sie auf eine 
24 Standen später erfolgende ebenfalls subkutane Darreichung 
von 0,1 ccm Tuberkulin mit einer deutlichen Steigerung 
ihrer Körperwärme, die schon nach kurzer Zeit eine steile 
Erhöhung auf 39 oder 40° aufweist, um dann alsbald wieder ab¬ 
zufallen, so daß die ganze Störung nach 8 bis 9 Standen abge- 
laufen ist. Dagegen soll diese Reaktion ebenso regelmäßig 
ansbleiben, wenn es sich um das Serum von gesunden oder 
an anderen Leiden erkrankten Personen handelt, und also hier 
ein besonders einfacher and bequem auszuführender Einblick in 
das Wesen des vorliegenden Uebels eröffnet werden. 

Bei der Bedeutung, die diesem Wege auf dem Gebiete der 
Diagnostik, wie auch der Therapie der Longenkrankheiten im 
Falle der Bestätigung ohne Zweifel zustehen würde, haben wir 












666 


Or. Frankel and Dr. Bierotte. 


alsbald nach der oben erwähnten Veröffentlichung eine Nach- 
pr ft fang der mitgeteilten Befunde unternommen, die zu folgenden 
Ergebnissen führte: 

Meerschweinchen — im ganzen 17 Tiere — im durch¬ 
schnittlichen Körpergewicht von 400 g wurden zunächst mit 
Hilfe des in den Mastdarm eingebrachten Thermometers auf 
das Verhalten ihrer Temperatur geprüft und hierbei die auch von 
zahlreichen anderen Beobachtern bereits vermerkte Unregel¬ 
mäßigkeit, das schnelle Auf- und Niedergehen ihrer Körper¬ 
wärme, wieder ermittelt. Indessen bewegten sich doch die 
Schwankungen meist zwischen 37,8 und 38,5, erreichten jedoch 
oft noch 39°, fielen aber bei den gleich genauer zu erwähnenden 
starken Veränderungen, die sich im eigentlichen Versuche zeigten, 
doch nicht wesentlich ins Gewicht. Wurde nämlich den Tieren 
nun eine verhältnismäßig geringffigige Menge, 2—3 ccm, des 
Serums von Menschen unter die Haut gespritzt, so ant¬ 
worteten sie auf diesen Eingriff meist nach Ablauf von 2 
bis 3 Stunden mit einer deutlichen, wenn auch geringen, meist 
nur V betragenden Erhöhung ihrer Temperatur, die rasch wieder 
abzufallen und zur Regel zorftckzukehren pflegte. Auf die 24 
Standen später geschehende Einspritzung von 0,1 ccm Tuber¬ 
kulin (Tub. Höchst) fand dann aber eine Steigerung der 
Körperwärme statt, die sich gewöhnlich auf einen, aber 
auch auf anderthalb oder sogar auf zwei Grade belief, 
um dann ebenso rasch wie sie gekommen war, wieder zu ver¬ 
schwinden. 

Hatten wir diese auffällige Erscheinung anfänglich nach der 
Verwendung des Blutserums von Schwindsftchtigen beobachtet 
und waren wir deshalb schon geneigt, hierin eine Bestätigung 
der Roepkeschen Befunde zu erblicken, so belehrten uns weitere 
Ermittelungen dann, daß wir einer Täuschung zum Opfer zu fallen 
im Begriff standen* Als wir nämlich genau in der gleichen, eben 
beschriebenen Weise das Serum von Menschen verwandten, die 
sicherlich nicht an Tuberkulose litten, bezw. niemals von 
diesem Leiden ergriffen gewesen waren, erhielten wir durchaus 
die nämlichen Ergebnisse: Nach der Einspritzung des Tuber¬ 
kulins im Anschluß an die einen Tag vorangehende Einverleibung 
des Serams machte sich eine mehr oder minder entschiedene 
Steigerung der Körperwärme bemerkbar, die durchaus den näm¬ 
lichen Verlauf annahm, wie er vorher nach der Einspritzung des 
Serams Schwindsüchtiger aufgetreten war. Auch gänzlich indiffe¬ 
rente Mittel, wie z. B. Bouillon, zeigten sich genau ebenso 
wirksam, wie das menschliche Serum, und endlich erwies sich 
eine Einspritzung von Tuberkulin allein, ohne jede vorher¬ 
gegangene Einführung eines anderen Stoffes, ebenfalls als deutlich 
die Körperwärme erhöhend und sie auf die gleiche Stufe steigernd, 
wie es nach vorausgeschickter Einverleibung des Serams der Fall 
gewesen war. Die Roepkesehen Beobachtungen sind daher 
sicher irrtümlich, und vor der Hand bietet uns die Erscheinung 
der Anaphylaxie nicht die Möglichkeit, einen tuberkulösen von: 
einem andersartigen Vorgang zu unterscheiden. 



Oie Frühdiagnose der Lungentuberkulose aui serologischem Wege. 667 

Haben wir uns hier auf eine ganz kurze, nur zusammen- 
fassende Darstellung unserer Befunde beschränkt, so geschah das 
namentlich deshalb, weil eine genauere Durchsicht des gewaltigen 
Schrifttums, wie es sich in von Jahr zu Jahr steigender Fülle 
in unserer Wissenschaft anhäuft, uns lehrte, daß die ganze hier 
in Rede stehende Frage eigentlich schon durch zwei Arbeiten 
entschieden war, die im Verlaufe des vergangenen bezw. dieses 
Jahres veröffentlicht worden waren. Die erste, von Novotny 1 ) 
herrührend, beschäftigt sich ebenso wie die zweite, die Joseph*) 
zum Verfasser hat, ausdrücklich mit der Tuberkulose- bezw. der 
Tuberkulin-Ueberempflndlichkeit; beide kommen unter Zurück¬ 
weisung der Beobachtungen und Behauptungen von Yama- 
nouchi 3 ), Bauer 4 ), Helmholz 9 ) zu dem Ergebnis, daß gesunde 
Meerschweinchen auf eine in die Unterhaut erfolgende Ein¬ 
spritzung von Tuberkulin sehr leicht mit einem raschen Anstieg 
ihrer Körperwärme antworten, also diese Erscheinung unter 
keinen Umständen als beweisend für das Bestehen 
einer echten Ueberempfinülichkeit gegen das Taberkulin 
angesehen werden dürfe. Der schon von Bauer versuchte Beweis, 
daß durch Behandlung von gesunden Tieren mit dem Serum tuber¬ 
kulöser Menschen eine echte Anaphylaxie gegen das Tuberkulin 
hervorgerufen werde, könne daher nicht als erbracht gelten. 
Natürlich gehören die Angaben von Roepke auch durchaus in 
die nämliche Gruppe und müssen dasselbe ablehnende Urteil über 
sich ergehen lassen. _ 


(Aus der Eiaenbahnheilstätte Stadtwald - Melsungen.) 

Die Frühdiagnose der Lungentuberkulose 
auf serologischem Wege. 

II. Mitteilung, zugleich Erwiderung auf vorstehenden 
Artikel der Herren Prof. C. Fränkel nnd Oberarzt 

Dr. Bierotte-Halle. 

Von Chefarzt Dr. Roepke and Assistenzarzt Dr. Storni. 

Auf Grund von tierexperimentellen Versuchen, die Starkloff 
in der Heilstätte Stadtwald angestellt und zu einer Dissertations¬ 
arbeit verwendet hat, wurde von Roepke in Nr. 5 dieser Zeit¬ 
schrift ausgeführt, daß „man das Verfahren, die Ueberempfindlich- 
keitsreaktion gegen Tuberkulin vom tuberkulösen Menschen auf ein 
mit seinem Serum vorbehandeltes Meerschweinchen zu übertragen, 
mit berechtigter Erwartung weiter studieren muß“ und daß 
insbesondere „die Mitarbeit der Medizinaluntersuchungsämter und 
öffentlichen hygienischen Institute an den hier berührten Fragen 
wünschenswert erscheint.* 


*) Zeitschrift für Immunitätsforschung; Bd. 8, S. 679. 

•) Ibidem; Bd. 4, 8. B7B. 

•) Wiener klin. Wochenschrift; 1908, Nr. 47, S. 1628. 

*) Münchener med. Wochenschrift; 1909, Nr. 24, S. 1218. Beitrüge zur 
Klinik der Tuberkulose; Bd. 18. 

*) Zeitschrift für Immunitltsforschung; Bd. 8, 8.871. 



668 


Dr. Eoepke und Dr. Stürm. 


Aach Exzellenz Robert Roch hat die Fortsetzung solcher 
Untersuchungen für wünschenswert gehalten und hierzu noch kurz 
vor seinem Tode die Gewährung einer Beihilfe aus der Robert K o ch - 
Stiftung befürwortet. Obwohl die Nachricht von der Bereitstellung 
der Mittel Mitte Mai hier eintraf, mußten die Arbeiten mangels 
an gesunden, einwandsfreien Tieren bis August aufgeschoben 
werden. 

Wir hatten zwar sofort von einer Tierhandlang eine Partie 
Meerschweinchen bezogen; ihre Verwendung erschien aber nicht 
angängig, weil die Kontrollmessungen Temperaturanstiege über 
89° bis 40° und darüber ergaben. Die Erklärung hierfür fanden 
wir in 8 Fällen durch die Sektion; ein Meerschweinchen hatte 
vergrößerte, erweichte Drüsenherde, ein zweites zeigte einen 
Krankheitsherd in der Lunge und bei Behandlung des ausge¬ 
schnittenen Gewebsstückes mit Antiformin Tuberkelbazillen im 
Ausstrichpräparat des Zentrifugensedimentes; ein drittes ging an 
eitriger Bauchfellentzündung ein. Mehrere Tiere magerten trotz 
bester Pflege ab und gingen zu gründe, ließen aber außer 
Atrophie und allgemeinem Fettschwund einen Krankheitsherd bei 
genauer Untersuchung nicht feststellen. 

Wir betonen dies hier ausdrücklich wegen der Andeu¬ 
tungen vonFränkel undBierotte über die Unregelmäßig¬ 
keit der Körpertemperatur bei Meerschweinchen. 
Nach unseren Temperaturbestimmungen, die nach Hunderten 
zählen, ist „das schnelle Auf- und Niedergehen der Körperwärme* 
bei gesunden Tieren und sorgfältiger Rektummessung eine Aus¬ 
nahme, bedingt durch äußere Umstände (Luft- und Ortswechsel, 
Nahrung, Angst); Temperaturen über 39° sind pathologisch. 
Man darf eben nicht ohne weiteres alle Meerschweinchen als 
gesund und die unregelmäßigen höheren Temperaturen bei ihnen 
als Ausdruck einer physiologischen Labilität ansehen. Unsere 
Erfahrung mahnt auch zur Vorsicht beim Einkauf von Meer¬ 
schweinchen aus fremden Ställen, besonders aus Händlerkreisen. 
Wir glaubten jedenfalls, die von außerhalb bezogenen Tiere nicht 
verwenden zu sollea und warteten, bis die Nachzucht aus unseren 
eigenen Beständen ein genügendes Material zur Fortsetzung 
unserer Versuche lieferte. Darüber wurde es August. 

Wir begannen nun wieder mit Kontrollmessungen und fanden, 
daß bei einstündlicher Messung tagsüber die Temperatur¬ 
kurve des gesunden Meerschweinchens um 38,5° verläuft, also 
etwas höher, wie früher angegeben war. Dies erklärt sich bei 
der Kleinheit des Meerschweinchens und seiner verhältnismäßig 
großen Oberfläche durch die höhere Temperatur im August gegen¬ 
über der erheblich niedrigeren Außentemperatur in den Winter¬ 
monaten, die zu einer Herabsetzung der Körperwärme führt. 

Bei den eigentlichen Versuchen fiel dann eine Beobachtung 
auf, die früher nicht gemacht war. Von 2 Individuen, die klinisch 
und tuberkulindiagnostisch als gesund und nicht tuberkulös 
anzusehen waren, — beide hatten negative Anamnese, negativen 
Befand und keine Spur von Reaktion auf die subkutane Dosis von 



Die Frühdiagnose der Lungentuberkulose auf serologischem Wege. 669 


10 mg Tuberkulin gezeigt, — wurden je 2 ecm Serum subkutan 
auf 2 Meerschweinchen fibertragen. Beide Tiere zeigten nach 
der Injektion bei stündlicher Messung nicht den geringsten 
Temperaturanstieg. Nach 24 Stunden erhielten beide Tiere je 
0,1 ccm Tuberkulin (Höchst) subkutan, und, während das eine 
genau den gleichen Temperaturverlauf wie vor und nach der 
Injektion — stets um 38,5 0 — beibehielt, zeigte das andere einen 
zwar nicht besonders steilen, aber deutlichen Anstieg von 88,6° 
auf 39,5 °. Es fiel also die tierische Ueberempfindlichkeitsreaktion 
bei 2 klinisch ganz gleich gelagerten Fällen, bei denen Tuberkulose 
auszuschließen war, verschieden aus, in dem einen Fall 
absolut negativ, in dem anderen deutlich positiv. Nach dem 
früheren eindeutigen Ausfall der bei Tuberkulösen positiven, bei 
Nichttuberkulösen negativen Ergebnisse war das eine große 
Ueberraschung. 

Mit Suchen nach etwaigen Fehlerquellen beschäftigt, bekamen 
wir durch die Liebenswürdigkeit des Herrn Herausgebers, der 
sich ebenfalls für unsere Arbeit interessierte, Kenntnis von den 
Ausführungen der Herren Fränkel und Bierotte. Sie ver- 
anlaßten uns, die früher schon von Starkloff angestellten Vor¬ 
versuche nochmals und in erweitertem Umfange aufzunehmen. 
Im Folgenden berichten wir über die Ergebnisse: 

1. Im Gegensätze zu Fränkel und Bierotte und den 
von ihnen zitierten Gewährsmännern Novotny und Joseph 
müssen wir nach wie vor bei der Behauptung bleiben, daß die 
subkutane Injektion von 0,1 Tuberkulin (Höchst) bei einem 
gesunden Meerschweinchen, das über 350 g wiegt, keinen 
Fieberanstieg auslöst. Auch bei unseren jetzigen Versuchen 
erhielten wir nach Injektion von 0,1 Tuberkulin bei stündlicher 
Messung nie eine Temperaturerhöhung, selbst dann nicht, als 
wir 2 Tage nach einander je 0,1 Taberkulin gaben. Größere 
Tiere von 600 g Gewicht und mehr vertrugen sogar 0,15 ccm 
Tuberkulin reaktionslos und bekamen erst Temperatursteigerungen 
auf eine Gabe von 0,2 Taberkulin, während kleine Meerschweinchen 
von 300 g Gewicht schon auf 0,1 ccm Tuberkulin eine erhöhte 
Temperatur zeigten. Die Fieberanstiege, die nach Einspritzung 
von Tuberkulin allein beobachtet werden, hängen also damit 
zusammen, daß die Tiere entweder nicht ganz gesund, oder für 
die gewählte Tuberkulindosis zu klein sind. Auch der gesunde 
menschliche Organismus verträgt ja nur eine bestimmte Menge 
Taberkulin ohne Fieber; auf Gaben von 15—20 mg aufwärts 
reagiert er mit Fieber und Allgemeinstörungen. Es handelt sich 
dann aber nicht um eine spezifische Tuberkulinreaktion, sondern 
um eine Intoxikation durch die im Taberkulin enthaltenen nicht 
spezifischen Giftstoffe, Albumosen usw. Ganz ebenso muß natürlich 
beim Meerschweinchen die Menge des Tuberkulins dosiert werden 
je nach der Größe und Schwere des Tieres. 0,1 ccm Tuberkulin 
wird von gesunden ca. 500 g schweren Meerschweinchen immer 
ohne Anstieg ihrer Körperwärme vertragen; also in dieser Hin¬ 
sicht sind unsere Beobachtungen sicher nicht irrtümlich. 



670 Dr. Roepke n. Dt. Sttrm: Die Frühdiignoae der LuBgeataberkulMe u*w. 


2. Aach auf die subkutane Injektion von 2,0 ccm mensch¬ 
liches Serum allein wird im allgemeinen kein Temperaturanstieg 
bemerkbar, stündliche Messung vorausgesetzt. Ebenso beobachteten 
wir kein Fieber, als wir einem Tier 2,0 ccm seröses Pleuraexsudat 
von einem Phthisiker, einem anderen 2,0 ccm einer sehr tuberkel¬ 
bazillenreichen Ponktionsflüssigkeit aus einem Sero - Pyopneu- 
mothorax injizierten. Nur ein Serum, und zwar das von einem 
anamnestisch und klinisch tuberkulosefreien Menschen, machte 
4 Standen nach der Einspritzung einen Fieberanstieg bis 40,1°. 
Die Frage, worauf diese Reaktion zurückzuführen ist, müssen wir 
offen lassen; es ist nicht ausgeschlossen, daß bei dem Individuum, 
das einige Tage später unter Fieber an einem Tonsillarabszeß 
erkrankte, fiebererregende Stoffe (Bakterien) im Blute kreisten. 
Immerhin läßt auch diese eine Beobachtung an Fehlerquellen 
denken. 

' 8. Nach subkutaner Injektion von 2,0 ccm Milch und 2,0 ccm 
10°/o Kochsalzlösung sahen wir keinen Temperaturanstieg auf- 
treten. Dagegen machte die Injektion von 2,0 ccm sterile Nähr¬ 
bouillon Fieber bis 40,4°. Ob Bouillon bei subkutaner Ein¬ 
verleibung ein „gänzlich indifferentes Mittel“ ist, kann dahin¬ 
gestellt bleiben; die Bouilloneinspritzung ist jedenfalls nicht so 
indifferent wie Kochsalzlösung und Milch und beweist nur, daß 
es Stoffe gibt, die beim Meerschweinchen Fieber auslösen können. 

4. Während die bisherigen Befunde, vor allem die Tatsache, 
daß ausgewachsene gesunde Meerschweinchen auf 0,1 ccm Tuber¬ 
kulin nicht reagieren, sich mit den früheren Ergebnissen 
deckten, ergaben unsere weiteren Untersuchungen Abweichungen 
gegen früher. Wir müssen heute die Beobachtung von Fränkel 
und Bierotte bestätigen, daß auch Meerschweinchen, denen 
2,0 ccm Serum eines klinisch gesunden und tuberkulose- 
freien Menschen subkutan einverleibt wird, die nachfolgende 
Tuberkulininjektion mit Fieberanstieg beantworten können. Die 
Fieberreaktion pflegt dann im ganzen nicht so stark auszufallen 
wie bei den Tieren, die mit dem Serum Tuberkulöser vorbehandelt 
sind. Aber beide Reaktionen ähneln sich doch in Eintritt und 
Ablauf derartig, daß eine Unterscheidung nicht möglich ist 
Anderseits beobachteten wir auch jetzt wieder Gesunde, deren 
Serum bei ganz gleicher Versuchsanordnung keine Reaktion aus¬ 
lösen ließ. Einem Gesunden, der auf 10 mg nicht reagiert hatte, 
wurde sogar an verschiedenen Tagen Blut entnommen, das Serum 
wurde verschiedenen Meerschweinchen injiziert, und in keinem 
Falle trat nach der Taberkulininjektion die allergeringste 
Steigerung der Körperwärme des Tieres ein. Das ändert aber 
nichts daran, daß auch im Serum von Nicht tuberkulösen Stoffe 
vorhanden sein können, die bei der Uebertragung auf das Tier 
eine Tuberkulinüberempflndlichkeit schaffen. 

Dadurch wird der diagnostische Wert der tierischen 
Ueberempfindlichkeitsreaktion allerdings sehr 
zweifelhaft. 

5. Hierzu kam nun noch folgende Beobachtung: Als die mit 



Dr. Schlitz: Zur Schalarztfrage auf dem Las de. 


671 


Milch, 10°/o Kochsalzlösung und Bouillon vorbehandelten Tiere 
am nächsten Tage je 0,1 Tuberlin erhielten, erfolgte bei allen 
ein prompter, starker Fieberanstieg. Hiermit war der endgültige 
Beweis erbracht, daß dem ganzen Vorgänge des Fieberanstiegs bei 
Meerschweinchen, die mit Serum vorbehandelt sind und mit 
Tuberkulin nachbehandelt werden, überhaupt nicht die Bedeutung 
einer spezifischen Ueberempfindlichkeitsreaktion zukommt. Milch 
und Kochsalzlösung sind tatsächlich indifferente Stoffe, und wenn 
sie den Tierkörper so sensibilisieren, daß er die nachfolgende 
Tuberkulininjektion auch mit Fieber beantwortet, so berechtigt 
eine Seruminjektion, die das Gleiche bewirkt, nicht zu irgend 
welchen Schlüssen hinsichtlich des ätiologischen Charakters dieses 
Serums bezw. der Krankheit desjenigen, von dem das Serum 
stammt. 

Auf Grund unserer Beobachtungen stehen wir nicht an, zu 
erklären, daß die Ueberempfindlichkeitsreaktion als Diagnostikern 
der Tuberkulose keinen Wert besitzt; sie teilt eben hier das 
Schicksal aller anderen serologischen Untersuchungsmethoden bei 
Tuberkulose. Daß bei der Agglutination, der Präzipitation und 
der Komplementbindung das Serum Gesunder, Nichttuberkulöser 
die gleichen Phänomene zeigen kann wie das von Tuberkulösen, ist 
nachgewiesen und von uns bestätigt gefunden. Auch bei der von 
Calmette so warm empfohlenen Kobragiftaktivierungsmethode 
Bind wir nunmehr auf Grund unserer Versuche, über die wir an 
anderer Stelle berichten werden, zu dem gleichen negativen 
Resultate gekommen. Sie bildet ein Gegenstück zur Erscheinung 
der Anaphylaxie; zwar ist der Ausfall der Calmetteschen 
Reaktion in fast allen Fällen von Tuberkulose positiv, aber 
auch das Serum von sicher Nichttuberkulösen aktiviert das 
Kobragift in einem erheblichen Prozentsatz der Fälle (48 # /o). 
Lüdke hatte, wie er vor kurzem in einem Vortrage berichtete, 
sogar 80°/o positive Resultate bei Gesunden, während Calmette 
und seine Schüler behaupteten, daß nur die Sera von Tuber¬ 
kulösen diese giftaktivierende Wirkung besäßen. 

Die geschilderten Untersuchungsresultate haben Roepke 
veranlaßt, die von der Robert Koch-Stiftung bewilligten 500 Mark 
dem Kuratorium wieder zur Verfügung zu stellen. 


Zur Schularztfrage auf dem Lande. 

Von Bezirks&rzt Dr. Schütz • Vilsbiburg. 1 ) 

Von den verschiedensten verwaltungsmedizinischen Fragen, 
die heutzutage im Mittelpunkte des Interesses und der Diskussion 
stehen — ich erinnere hier nur an die Hebammen-Reform, die 
Säuglingsfürsorge, die Bekämpfung der Tuberkulose, die Erweite¬ 
rung der Anzeigepflicht ansteckender Krankheiten usw. — ist 
eine der wichtigsten das Schularztwesen auf dem Lande. 

*) Nach einem aaf der Versammlung'des Medizinalbeamtenvereins „Kreis 
Niederbayern“ am 81. März l910 gehaltenen Vortrage. 



672 


Dt. Sckfttx. 


Die Sehularztfrage in den Städten ist bereits seit mehr 
als 10 Jahren gelöst und bedarf deshalb keiner weiteren Er« 
örterung und Verteidigung. Auch in Bayern sind schon 
seit 1907 Schulärzte aufgestellt in Ansbach, Fürth, Ludwigs¬ 
hafen, München, Nürnberg und Würzburg, welchen Städten 
sich unterdessen sicher noch viele andere angeschlossen haben. 
In Preußen und den anderen deutschen Bundesstaaten wurde in 
dieser wichtigen Frage gleichfalls mit Energie und großem 
Erfolge gearbeitet. Ich glaube deshalb, daß es unnötig ist, über 
die Durchführbarkeit, Wichtigkeit, Notwendigkeit und Nützlich« 
keit der schulärztlichen Tätigkeit überhaupt und im besonderen 
in den Städten zu sprechen, um so mehr sie ja durch die Berichte 
aus München, Nürnberg usw. bewiesen und von allen einsichts¬ 
vollen Verwaltungsbeamten, Schulmännern und Aerzten voll und 
ganz anerkannt werden. 

Ich werde deshalb in den weiteren Ausführungen die Schul¬ 
arztfrage in den Städten völlig übergehen und nur die Schularzt¬ 
frage auf dem Lande in den Kreis der Erörterungen ziehen, um 
so mehr gerade die ländlichen Verhältnisse für das Schularztwesen 
viele besondere Eigentümlichkeiten und Schwierigkeiten bieten. 

Vor allem drängt sich in dieser Hinsicht die Frage auf: 
„Sind Untersuchungen der Schulkinder auf dem Lande 
durch Schulärzte notwendig und nützlichP" Diese 
Frage muß entschieden bejaht werden, sogar mit dem Zusatze: 
„Noch viel mehr als in der Stadt* Mag auch zugegeben 
werden, daß in den Städten durchaus nicht alles Gold ist, was 
glänzt, daß also auch bei der Bevölkerung der Städte die hygieni¬ 
schen Gesamt-Verhältnisse der Personen und ihrer Umgebung 
oft mehr als zweifelhaft sind, so wird anderseits kaum ernstlich 
bestritten werden können, daß auf dem Lande die hygienischen 
Verhältnisse auch bei der wohlhabenderen Bevölkerung durchweg 
schlechter sind und eine größere Anzahl gesundheitsschädigender 
Momente auf die Kinder einwirken, die teils in dem Mangel an 
Verständnis für die Gesundheitslehre überhaupt, teils in den länd¬ 
lichen Verhältnissen selbst liegen. 

Zu dem ersteren Punkte rechne ich vor allem das fast voll¬ 
kommene Außergebrauchkommen des Stillens und die 
unzweckmäßige Ernährung nicht nur der Säuglinge, sondern 
auch der älteren Kinder. Wenn vielleicht dadurch auch eine 
gewisse Auslese stattfindet und die schwächeren Kinder vorzeitig 
zu Grunde gehen, so werden doch sicher auch die übrigbleibenden 
schwächer und weniger widerstandsfähig sein und auf alle schädi¬ 
genden Einwirkungen schneller und intensiver reagieren. Dazu 
kommen auch in den weiteren Jahren die häufig ungenügende 
und unschmakhafte Kost, die mangelhafte Peinlichkeit über¬ 
haupt und im besonderen des Körpers, die feuchten und un¬ 
gesunden Wohnräume, die nicht selten unzureichende 
Bekleidung, unzulängliche Pflege und Beaufsichtigung und zwei¬ 
fellos häufig die zu baldige Inanspruchnahme der rohen 
Kraft der Kinder. 



Zur Schalarztfrage auf dem Lande. 


678 


Dazu gesellen sich die weiteren in den ländlichen Verhält¬ 
nisse liegenden Schäden. Ich erinnere hier an das frühe Auf¬ 
stehen, um zur rechten Zeit Kirche und Schule zu erreichen; an 
den weiten Schulweg von oft mehreren Kilometern auf schlecht 
gebahnten Wegen, zu jeder Jahreszeit und bei jedem Wetter, so 
daß die Schulkinder schon ermüdet und recht oft durchnäßt in 
der Schule eintrefien; an den Kirchenzwang, so daß die Kinder 
sich nicht erwärmen können, in der Kirche frieren und damit 
allen möglichen Erkältungskrankheiten ausgesetzt sind; an 
den Mangel eines richtigen und genügenden Mittagessens, das 
meistens aus Brot oder Nudeln besteht. Rechnet man hierzu noch 
die leider häufig auf dem Lande noch nicht hygienisch einwand¬ 
freien Schulverhältnisse und die auf dem Lande noch nicht so 
gut hygienisch durchgebildete Lehrerschaft, so wird man zugeben 
müssen, daß auf den Schularzt des platten Landes eine Unmasse 
von Arbeit wartet und er deshalb hier noch nötiger erscheint als 
in den Städten. 

Die Beantwortung der zweiten Frage: „Ist die schul¬ 
ärztliche Tätigkeit auf dem Lande nützlich?* liegt 
zum Teil sicher schon in den vorhergehenden Ausführungen. 
Denn der Schularzt auf dem Lande wird und kann danach streben, 
die angeführten Mißstände zu paralysieren und ihnen soweit wie 
möglich abzuhelfen. Er wird deshalb immer wieder auf den 
Nutzen der allgemeinen und Körper-Reinlichkeit hin weisen, er 
wird die Notwendigkeit einer ausgiebiegen Lüftung der Wohn- 
und Schlafzimmer betonen, er wird den Wert der Milch und Eier 
als Nahrungsmittel dartun; er wird dafür sorgen, daß die Kinder 
trockene Filzschuhe bei ihrer Ankunft und vielleicht Milch oder 
Suppe verabreicht erhalten; er wird die Schwachen und Kränk¬ 
lichen von dem Besuche der Kirche und, wenn nötig, der Schule 
entbinden usw. 

Da der Schularzt ferner bei der Untersuchung der Schüler 
nur zu häufig kleine, im Entstehen begriffene Gebrechen wird 
konstatieren können, so wird er hier prophylaktisch wirken, so 
daß manche Krankheit, die später irreparabel ist, durch geeignete 
Belehrung oder Ueberweisung an den Hausarzt noch geheilt 
wird; ich erinnere hier an Augen- und Ohrenleiden, Mund-, 
Zahn- und Rachenerkrankungen, Sprachfehler, Verkrümmungen 
der Wirbelsäule, Eingeweidebrüche usw. 

Außerdem wird der Schularzt durch Belehrung auf die 
Lehrer und Lehrerinnen einzuwirken vermögen; er wird diese 
auf die Notwendigh6it richtiger Plazierung der Kinder mit Augen- 
und Ohrenleiden aufmerksam machen, er wird die Gefahren einer 
schiefen und nachlässigen Haltung der Kinder beim Schreiben 
usw. erklären, die Symptome der ansteckenden Krankheiten und 
die sofort hiergegen zu ergreifenden Maßregeln darlegen usw. 

Dazu kommt die Abstellung sanitärer Mißstände der 
Schulgebäude und Schulräume, die recht häufig ohne 
besondere Kosten erfolgen kann, wie z. B. mangelhafte Brunnen¬ 
anlage und Wasserversorgung, ungenügende Lüftungsmöglichkeit 



674 


Dr. SchttU. 


der Sehulzimmer, Mangel an Aufhängerahmen, Ofenschirmen, 
Thermometern and Vorhängen, schlechte Schalbänke oder un¬ 
zweckmäßige Aufstellung derselben asw. Selbstverständlich wird 
der Schularzt auch auf die großen Mängel der Schulhäuser hinweisen 
und deren Abstellung beantragen; es sind dies vor allem: feuchte 
und ungesunde Wohnräume und Sehulzimmer, unzweckmäßige 
Abortanlagen, Ueberfüllung der Schulräume, mangelhafte Belich¬ 
tung derselben, Auftreten von Hausschwamm usw. 

Glanz besonders wertvoll aber halte ich noch das System 
der Schulärzte auf dem Lande aus folgenden 4 Gründen: Durch 
dieselben können nämlich 

1. Erhebungen gepflogen werden Aber die Entwicklung 
der Kinder, über die Ursachen der so häufigen Militäruntaug¬ 
lichkeit, wodurch vielleicht dem Militärersatzgeschäft vorgearbeitet 
und wissenschaftlich erforscht werden kann, wodurch den vielen 
Gebrechen der Gestellungspflichtigen entgegengearbeitet wird; 

2. eine Zusammenstellung der epileptischen und geistig 
minderwertigen Kinder bearbeitet werden, die sicher auch 
der Militärverwaltung von Wert sein wird; 

3. eine genaue Statistik der Krfippelhaften, Taub¬ 
stummen und Schwerhörigen, Blinden, geistig Schwachen, Epilep¬ 
tiker, Idioten usw. erhoben werden, die bisher trotz aller Mühe 
der Amtsärzte sehr lückenhaft geblieben ist und 

4. Alkoholismus und Tuberkulose mit großem Er¬ 
folge bekämpft werden. 

Da die S ersten Pankte einer näheren Begründung nicht 
bedürfen, will ich nur auf den 4. Punkt etwas näher eingehen. 

Der Alkoholismus kann in der Schule bekämpft werden 
durch Belehrung des Lehrpersonals und der Schüler der höheren 
Klassen, der Feiertags- und Fortbildungsschulen, durch Erläute¬ 
rung und Verteilung des Merkblattes des kaiserlichen Gesundheits¬ 
amtes, der Karten aus dem Bavensberger Verlag und der 
Quen sei sehen Karten; besonders empfehlenswert dürften in 
dieser Hinsicht sein die Karten: „Was muß die schulentlassene 
Jugend, der Lehrer, der Beamte, die Mutter usw. vom Alkohol 
wissen P“ oder „Tatsachen über das Bier“ usw. (Karten 1 mit 5, 
2, 9, 11 und 16). 

In der Tuberkulosefrage gestatte ich mir auf meinen 
Antrag und dessen Begründung zur Aerztekammer für Nieder¬ 
bayern von 1908 und auf den weiteren Antrag des ärztlichen 
Bezirks-Vereines Südfranken von 1909 hinzu weisen. Die beiden 
Anträge bezwecken bekanntlich die Bekämpfung der Tuberkulose 
in der Schale, da eine Uebertragung dieser Krankheit auf die 
Gesunden in der Schule sehr nahe liegt. Durch Aufstellung von 
Schulärzten auf dem Lande würde diese Frage wenigstens zum 
Teil insofern gelöst, als der Schularzt nicht nur die tuberkulösen 
Schulkinder feststellen und eliminieren könnte, sondern auch 
tuberkulöse Erkrankungen beim Lehrpersonal eruieren könnte; 
natürlich müßten auch letztere aus der Schule entfernt werden, 
solange sie durch ihre Krankheit eine öffentliche Gefahr bedeuten. 



Zur Schnluitfxage auf dem Lande. 


675 


Ieh habe ferner schon fr&her erwähnt, daß die Behämpfung 
der Tuberkulose am zweckmäßigsten und erfolgreichsten schon in 
der Schule einsetzen muß, indem die Schuljugend über die Ur¬ 
sachen und Uebertragungsmögliehkeiten der Lungenschwindsucht 
belehrt wird und damit zur Einsicht kommt, daß das Spucken 
auf den Boden, das Anhusten usw. nicht nur aus Gründen der 
Reinlichkeit und des Anstandes, sondern ganz besonders wegen 
der damit verbundenen Gefahr für jeden Nebenmenschen zu ver¬ 
bieten ist. In der Schuljugend läßt sich so allmählig eine 
Generation heranbilden, die aus Kenntnis diese Unsitten oder 
Unarten vermeidet, die der lebenden Generation abzugewöhnen 
viel schwerer fallen, wenn nicht teilweise unmöglich sein wird. 
Also eingehende Belehrungen an der Hand eines Koch, Flügge 
usw., des Merkblattes des kaiserlichen Gesundheitsamtes usw. 
werden Aufgabe der künftigen Schulärzte auf dem Lande sein. 
Außerdem werden sie auch noch eingehendere Vorträge über an¬ 
steckende Kinderkrankheiten, Alkoholismus, Tuberkulose usw. auf 
Lehrerkonferenzen halten müssen. 

Aus diesen Erörterungen ergibt sich ein Bild über die weit¬ 
reichende Tätigkeit der Schulärzte; daß die Tätigkeit derselben 
auf dem Lande eine sehr nützliche sein kann und wird, darüber 
dürfte wohl allseitige Zustimmung herrschen. 

Wenn man sich nun trägt, was in der Schularztfrage 
auf dem Lande bisher schon geschehen ist, so muß 
man antworten: Nicht viel, aber doch schon genug, um sich ein 
ziemlich klares Bild über die Durchführbarkeit und die Art der 
Durchführung machen zu können. 

Für Bayern sind einstweilen nur erwähnenswert die 
M.-E. vom 16. Januar und 24. Februar 1867, die Gesundheits¬ 
pflege in den Schulen betr., die in allgemeinen Bestimmungen die 
bauliche Aufführung der Schulhäuser und im speziellen die Schul¬ 
zimmer, die Schulschließung bei Auftreten ansteckender Kinder¬ 
krankheiten usw. behandeln. Ueber diese Pankte sind auch einige 
Regierungs-Entschließungen ergangen, vor allem auch von der 
Kgl. Regierung für Niederbayern vom 17. April 1897 (Kreis-Amts- 
Blatt Nr. 101). Es folgten alsdann die M.-E. vom 18. Dezem¬ 
ber 1875 und die Bekanntmachung vom 28. Januar 1891 für die 
Mittelschulen, nach denen die Ortsschulbehörden, resp. Anstalts- 
Vorstände verpflichtet sind, erstere, den am Ort befindlichen Arzt 
bezw. Amtsarzt einzuladen, wenn es sich um Fragen der Gesund¬ 
heitspflege handelt, an den Beratungen mit Sitz und Stimme 
teilzunehmen; letztere, sich in allen sanitären und hygienischen 
Fragen der Schule künftighin an die zuständigen amtlichen 
Aerzte zu wenden, die durch die M.-E. vom 10. Februar 1891 
angewiesen sind, die Anstaltsvorstände mit ihrem sachgemäßen 
Rate zu unterstützen und geeigneten Falles auch entsprechende 
Initiativ-Anträge zu stellen. 

Wie in den bayerischen Aerztekammern früher schon betont 
worden ist, sind diese Verordnungen leider kaum jemals in die 
Praxis umgesetzt worden. 



676 


Dr. Schlitz. 


Weitere Miniaterial- oder Regierungs-Entschließungen sind 
meines Wissens Aber die sogenannte Schularztfrage nicht mehr 
ergangen, mit Ausnahme der im Referate des Herrn Med.-Rats 
Dr. Henkel erwähnten R.-E. von Oberbayern vom 23. Novem¬ 
ber 1906. 

Dagegen ist in den Kreisen der bayerischen Amtsärzte schon 
wiederholt Aber die Schnlarztfrage auf dem Lande beraten und 
debattiert worden. Ich erinnere hier nnr an die Tagung des 
B. M.-B.-Y. in NArnberg 1906, auf der der leider za frAh ver¬ 
storbene Kollege Dr. Wille von Markt-Oberdorf diesen wichtigen 
Gegenstand behandelte. 

Ganz unerwartet kam alsdann der sehr interessante Bericht 
des Herrn Kollegen Dr. Groß von SchwabmAnchen Aber seine 
Tätigkeit als Schularzt in diesem Amtsbezirke pro 1908, enthalten 
in Nr. 8 der M. m. W. vom 23. Februar 1909. Der benannte 
Kollege bemerkt mit vollem Recht in diesem seinen Berichte, daß 
die Aufstellung eines Schularztes im ländlichen Bezirke Schwab¬ 
mAnchen in der Geschichte der Entwicklung des Schularztwesens 
in Bayern einen Merkstein bilden wird, da damit der Beweis 
erbracht ist, daß auch in ländlichen Bezirken die Aufstellung 
eines Schularztes sehr wohl möglich ist. Das Ergebnis dieser 
schulärztlichen Tätigkeit fAr weitere ländliche Kreise kann als 
Anregung dienen, gleichfalls mit der Aufstellung von Schulärzten 
vorzugehen. 

Ich selbst habe ferner im Anschluß an den Antrag des ärzt¬ 
lichen Bezirksvereines Südfranken zur Tuberkulosebekämpfung in 
der Schule fAr die Aerztekammern pro 1909 den Zusatzantrag 
gestellt: 

„Die Aerztekammer für Niederbayern wolle beschließen, es möge an die 
K. Staatsregierang die ehrfurchtsvollste Bitte gestellt werden, daß der Rege¬ 
lung der Scholarztfrage aach aal dem Lande näher getreten werde; als Schul¬ 
ärzte sollten in erster Linie die Amtsärzte aoigeatellt werden; wo dies ans 
dienstlichen, lokalen oder territorialen Gründen nicht tanlich erscheint, sollten 
prakt. Aerzte die Untersuchungen der Schulkinder im Benehmen mit den 
Amtsärzten durchführen.* 

Nach entsprechender, teilweise im Vorhergehenden schon 
enthaltener BegrAndung wurde dieser Antrag von der Aerzte- 
kammer fAr Niederbayern einstimmig angenommen. 

Endlich erstattete Herr Med.-Rat Dr. Henkel ein Referat 
Aber die Schularztfrage auf dem Lande in einer Versammlung des 
M.-B.-V., Kreis Oberbayern, das in Nr. 5 der M. m. W. vom 
1. Februar 1910 veröffentlicht ist. Der Herr Referent spricht 
sich natArlich nach dem Grundsatz: „mens sana in corpore sano* 
fAr die Notwendigkeit und Nützlichkeit des Schularztwesens auch 
auf dem Lande aus mit der Unterscheidung, daß 

1. die Bezirksärzte die natürlichen Oberschulärzte sein und bleiben 
müssen; dieselben müssen ein Bild der Gesundheits- und Krankheitsverhältnisse 
der Schale and Schüler za gewinnen suchen, können sich aber ihrem Amte 
entsprechend nur vorwiegend mit den sanitären Verhältnissen der Sehnige» 
bände usw. befassen; 

2. dagegen die Gesundheitsverhältnisse des einzelnen Schülers, d. h. die 
individuelle Hygiene nicht Sache des Amtsarztes sein kann, sondern daß die 
schulärztliche Untersuchung und Ueberwachung der Kinder ausschließlich den 
praktischen Aerzten übertragen werden müsse. 



2ur Schularztfrage auf dem Lande. 


677 


Herr Med.-Rat. Dr. Henkel schließt sein Referat mit fol¬ 
genden Worten: 

1. Eine schulärztliche Einrichtung soll an allen Orten bestehen, wo nur 
immer ein Arzt ist. 

2. Oie Aufgabe des Schularztes im allgemeinen ist die individuelle 
Hygiene der Schulkinder. 

8. Oie Grundarbeiten des Schularztes sind: 

a. die Untersuchung der ein* und austretenden Schulkinder; 

b. die Führung der Sanitätsliste, des Gesundheitsbogens, welche für das 

ganze Beich eine Fassung erhalten soll; 

c. die Ueberwachung der Kinder während der Schulzeit und 

d. eine einfache, gleichartige Berichterstattung nach Schluß jedes Schul¬ 
jahres. 

Man ersieht hieraus, das eine Unstimmigkeit über die Not¬ 
wendigkeit und Zweckmäßigkeit der schulärztlichen Tätigkeit 
auf dem Lande nicht besteht und auch nicht bestehen kann; da¬ 
gegen kann man über die Art der Durchf&hrung und 
über die Person des aufzustellenden Schularztes, 
d. h. ob nur Amtsarzt, oder nur praktische Aerzte, oder beide 
gleichzeitig, sehr wohl verschiedener Meinung sein. 

Ich möchte hier noch besonders bemerken, daß die folgenden 
Ausführungen, in denen ich speziell auf den Bezirk Vilsbibnrg 
exemplifizieren werde, nur der Aufstellung von Schulärzten auf 
dem Lande dienen und daß wohl deshalb Städte wie Deggendorf, 
Passau, Straubing, Landshut usw. an eigene Schulärzte denken 
müssen. 

Oer Bezirk Vilsbibnrg zählt gegen 88000 Einwohner; die größte Ort¬ 
schaft ist Vilsbibnrg mit 8000 Seelen. Oer Bezirk umfaßt 2 Distrikts-Schul¬ 
inspektionen, nämlich Frontenhausen mit 21 und Eberspoint mit 14 Schulorten, 
also ingesamt 85 Schulorten mit 80 Schulklassen. 

Nach den gepflogenen Erhebungen zählte der Bezirk Frontenhausen 
1908/1909 1425 Knaben und 1509 Mädchen = 2984 Kinder, der Bezirk 
Eberspoint im gleichen Schuljahre 1040 Knaben und 1256 Mädchen und 2296 
Kinder, also Summa: 2465 Knaben und 2765 Mädchen = 5280 Kinder, so 
daß bei 7 Klassen im Durchschnitt auf jede Klasse 493 Knaben und 553 Mädchen 
= 1046 Kinder entfielen. 

Herr Med.-Bat Dr. Henkel fordert nur die Untersuchung der ein- und 
austretenden Kinder = 2 Klassen, so daß jährlich 986 Knaben und 1106 Mäd¬ 
chen = 2092 Kinder untersucht werden müßten. Herr Kollege Gr oß-Schwab- 
münchen untersuchte dagegen 1908 die I., III. und VII., also 3 Klassen, so 
daß nach diesem jährlich 1479 Knaben und 1759 Mädchen = 3238 Kinder 
anfielen. Dabei ist aber nicht zu vergessen die Entfernung der einzelnen 
Schulorte vom Sitze des Amtsarztes; dieselbe beträgt z. B. von Vilsbibnrg: 


bei 1 Schulort 2,6 km; 

»1 , 4,2 „ 

„ 3 Schulorten 5 „ 

. J . • . 

»1 » 7 „ 

»3 „ 8 „ 

,6 „ 10 „ 


bei 2 Schulorten 11 km und darüber; 


und darüber; 


Es wären demnach bei Ausübung der schulärztlichen Untersuchungen 
durch den Amtsarzt ganz erhebliche Entfernungen zurttckzulegen, die auch 
einen großen Zeitaufwand erfordern; dieser Umstand fällt noch deswegen 
besonders ins Gewicht, weil auf dem Lande der Nachmittag während der 
Sommermonate gar niest und im Winter etc. höchstens bis 3 Uhr zu Unter¬ 
suchungen verwendet werden kann. Mit vollkommenem Becht sagt deshalb 
Herr Kollege Gross in seinem Berichte: „Für den Bezirksarzt bedeutet die 
Uebernahme der Schalarztstelle große Opfer an Zeit und Arbeit*, was auch 


r 



678 


Dr. Schutz. 


dadurch bewiesen wird, daß derselbe in 34 Tagen 876 Knaben and 913 M&dchen 
oder 1789 Kinder in Samma untersucht hat. 

Kann non der Amtsarzt in einem Bezirke, wie 
Vilsbiburg, die Schalarztstelle ganz allein nnd 
ohne Benachteiligung der anderen Amtsgeschäfte 
besorgenP 

Es wurde schon seit längerer Zeit festgestellt, daß der Schul¬ 
arzt in der Stunde höchstens 10 Kinder untersuchen kann, was 
meiner Ansicht nach, wenigstens für die erste Untersuchung, sicher 
zu hoch gegriffen ist. Von großem Einfluß für die erforderliche 
Zeit ist natürlich die Art des Formulars und die Vorarbeit des 
Lehrers. Bleibt man aber bei der Zahl 10 in der Stunde, so 
erfordert die Untersuchung der Schulkinder im Bezirke Vilsbibnrg 
bei 2 untersuchten Klassen (nach Henkel): 209 Stunden; 
d 4 „ „ (nach Groß): 824 „ 

oder 9 resp. mehr als 13 Tolle Tage. 

Dazu kommt selbstTerständlich der Zeitaufwand für Erreichen 
des Schulortes, für Besichtigung der Schulhäuser, Belehrung des 
Lehrpersonals und der Kinder, Einnahme des Mittagsmahles usw. 
Wenn man auch annimmt, daß bei leicht erreichbaren Schulorten 
und einer geringen Zahl zu untersuchender Kinder an einem Tage 
hie und da 2—3 Schalorte absolviert werden können, werden 
andere Schulorte wieder infolge ihrer Entfernungen und der 
größeren Zahl der Kinder 1, ja sogar 2 Tage erfordern. 

Alles in allem genommen, ist es sicher, daß die schulärzt¬ 
liche Tätigkeit des Amtsarztes im Bezirke Vilsbiburg mindestens 
40—50 Tage, wenn nicht mehr, absorbiert. 

Es kann also wohl die obengestellte Frage bejaht werden, 
aber die Uebernahme der Schularztstelle im Bezirke wird dem 
Amtsarzt zu Vilsbiburg außerordentlich viel Zeit und Mühe kosten 
und wird ihn, mehr als alle andere amtliche Tätigkeit, zwingen, 
auf eine private Praxis vollständig zu verzichten; anderseits 
aber muß wieder Herrn Kollegen Groß zugestimmt werden, wenn 
er sagt: „Sofern es zweckmäßig und auch wünschenswert er¬ 
scheint, die schulärztliche Tätigkeit in einem Bezirke einem Arzte 
zu übertragen, so kann wohl nur der Bezirksarzt in Betracht 
kommen.“ 

H. Med.-Bat Dr. Henkel verfocht in seinem Referate 
den Standpunkt, daß die Untersuchungen der Schulkinder auf dem 
Lande fast ausschließlich von den praktischen Aerzten 
ausgeführt werden sollen. Hier kann ich ihm nicht zustimmen, 
weil ich ihn für zu optimistisch halte und mit guten Gründen 
fürchte, dass uns die praktischen Aerzte hier nicht 
Gefolgschaft leisten werden. Alle Amtsärzte werden 
schon erfahren haben, wie schwer es oft fällt, ja, wie nur zu 
oft alle Mittel versagen, die Herren Kollegen aus der Praxis 
zu verhältnismäßig leichten und im Sprechzimmer zu be¬ 
tätigenden Leistungen im allgemeinen sanitären Interesse zu ver¬ 
mögen; man braucht nur an die Statistik der Infektionskrank¬ 
heiten, an die Säuglings- und Tuberkulose-Fürsorge, an die 



Zar Schalarztfrage aaf dem Lande. 


679 


Anzeige ansteckender Krankheiten, wie Wochenbettfieber, Typhus 
abdominalis nsw. zu denken. Um wie viel schwerer wird es 
dann erst fallen, die Aerzte zur Besorgung der Schularztstellen, 
selbst in loco, mit dem verhältnismäßig vielen Schreibwerk 
zu bringen! Ich bin der festen Ueberzeugung, daß die prakti¬ 
schen Aerzte nur in sehr seltenen Fällen diese Bürde übernehmen 
werden, und zwar 

1) weil sie zuviel Zeit und Mühe fordert, wodurch sie von 
der Praxis abgehalten werden, 

2) weil die Bezahlung dieser Untersuchungen etc. zweifellos 
stets eine ziemlich kärgliche bleiben wird im Verhältnis zur auf¬ 
zuwendenden Zeit und Arbeit, 

3) weil sie fürchten, mit dem Publikum in Differenzen 
zu kommen, die ihre Praxis beeinflussen könnten, 

4) weil sie sich kaum dazu verstehen werden, die Schularzt- 
steilen im Benehmen mit den Amtsärzten zu versehen und am 
Schlüsse des Jahres einen Bericht zu erstatten. 

Anderseits liegen aber auch in ländlichen Verhältnissen selbst 
manche Schwierigkeiten, die die Untersuchung der Schulkinder 
durch die praktischen Aerzte verbietet, wie die weite Entfernung 
mancher Schulorte vom Sitze des Arztes, die tagelange Abwesen¬ 
heit usw. Es könnte also unbedingt nur gewünscht werden, daß 
die praktischen Aerzte die Schularztstellen nur an ihrem Wohn¬ 
sitze und in den nächstgelegenen Schulorten versehen, während 
die übrigen Untersuchungen stets dem Amtsärzte verbleiben 
müßten. Wenn ich auf den Bezirk Vilsbiburg zurückkomme, 
würde Vilsbiburg selbst mit den umliegenden Schulorten unter 
jeder Bedingung dem Amtsärzte zugeteilt werden müssen. Es 
wohnen dann noch je 1 Arzt in Altfrauenhofen, Frontenhausen, 
Giesenhausen und Gerzen und 2 Aerzte in Velden. Wenn nun 
diese Aerzte sich wirklich bereit erklären würden, als Schulärzte 
zu wirken, so kämen nach meiner Berechnung höchstens 17 Schul¬ 
orte in Wegfall, während 18 Schulorte, und darunter sehr ent¬ 
fernte, dem Amtsärzte verbleiben würden. 

Ich bin demnach der Ansicht, daß 

1. die Methode der schulärztlichen Tätigkeit durch den 
Amtsarzt allein in größeren Bezirken so mühevoll wird, daß sie 
auf die Dauer nicht durchführbar ist, 

2. die Untersuchung der Schulkinder auf dem Lande nur 
durch die praktischen Aerzte auch nicht realisiert werden kann. 

Ich gestatte mir deshalb einen Mittelweg vorzuschlagen, 
der beide Ansichten vereint und schon im Anträge zur Aerzte- 
kammer für Niederbayern angedeutet ist. 

Der Amtsarzt bleibt der Oberschularzt des Bezirkes, 
aber nicht bloß für die allgemeine, sondern auch für die indivi¬ 
duelle Hygiene. Die praktischen Aerzte werden selbstver¬ 
ständlich um ihre Teilnahme angegangen und werden die Arbeit 
des Amtsarztes sehr verringern, wenn sie auch nur in loco die 
Untersuchungen der Schulkinder vornehmen; dabei handeln sie 
im Benehmen mit dem Amtsärzte und senden ihm nach den 



680 Dr. Schftti: Zar Sehalarstfnge auf dem Lande. 

vorgeschriebenen Formularen bis 1. Februar jeden Jahres Aber 
das vorhergehende Schuljahr Bericht ein. Jedenfalls werden 
sich zu dieser Tätigkeit, vielleicht auch in erweitertem Um¬ 
kreise, die bezirksärztlichen Stellvertreter und pro physicatu ge¬ 
prüften Kollegen bereit finden lassen, die damit ihr Interesse an 
Öffentlich-medizinischen Einrichtungen bekunden und auch an¬ 
genehmes Material ffir ihre Jahresberichte erhalten. Diese Mög¬ 
lichkeit wird aber fast in allen größeren Bezirken zutreffen, so 
daß die Amtsärzte damit erheblich entlastet werden können. 
Selbstverständlich werden die Bezirksärzte die Tätigkeit aller 
Aerzte auch auf diesem Gebiete mit größtem Danke anerkennen. 

Sollten sich aber in einem größeren Bezirke wirklich einmal 
weder praktische Aerzte, noch bezirksärztliche Stellvertreter, 
noch pro physicatu geprüfte Kollegen finden, die den Amtsarzt in 
seiner schulärztlichen Tätigkeit unterstützen können oder wollen, 
so wird und muß es auch genügen, wenn der Amtsarzt nicht alle 
Jahre sämtliche Schulen seines Bezirkes absolviert, sondern eines 
Zeitraumes von 2 oder 3 Jahren hierzu bedarf. 

Zum Schlüsse will ich noch kurz auf die Kosten des 
Schularztwesens auf dem Lande eingehen. 

Im Bezirke Schwabmttnchen erhält zurzeit Herr Kollege 
Groß eine Fuhrwerkentschädigung von 220 Mark pro anno und 
für jedes untersuchte Kind 40 Pf., so daß also für die 1789 
Kinder 715,60 Mark bezahlt wurden bei 34 Tagfahrten (neben 
den Fahrwerkskosten). 

Wenn nun der Amtsarzt von Vilsbiburg im Bezirke allein 
die Untersuchungen der Schulkinder durchführt, würden vor allem 
die Kosten für Fuhrwerk höhere werden, weil mehr Tagfahrten 
zu machen wären und die Eisenbahn nur selten benutzt werden 
kann; es dürften hierfür deshalb mindestens 400—500 Mark an¬ 
fallen. Da ferner auch die Zahl der zu untersuchenden Kinder 
eine viel größere wäre, sind auch die Untersuchungskosten ver¬ 
mehrte und betragen sicher auch 900—1000 Mark, so daß ein 
Gesamtaufwand von 1400 —1500 Mark erwachsen würde. 
Verteilt man diese Summe auf die 35 Schulgemeinden gleichmäßig, 
was ja nicht ganz richtig sein wird, so treffen auf jede Schul¬ 
gemeinde pro Jahr mindestens 40 Mark. 

Bedeutend billiger würde natürlich die schulärztliche Tätig¬ 
keit werden, wenn der Amtsarzt, wie bei anderen Amtsgeschäften, 
nur eine Tagesdiät von 11 Mark nebst Vergütung der Fahrt¬ 
auslagen erhielte; doch dürften auch in diesem Falle für den 
Bezirk Vilsbiburg mindestens 1000—1200 Mark Kosten erwachsen. 

Erhöhen würden sich aber zweifellos die Ausgaben, wenn 
nur die praktischen Aerzte als Schulärzte tätig sein würden, 
weil diese kaum mit den angeführten Entlohnungen zufrieden 
wären. 

Man ersieht aus diesen Zusammenstellungen, daß die Auf¬ 
stellung von Schulärzten auf dem Lande immerhin eine etwas 
kostspielige Einrichtung sein und bleiben wird, die nmso 
schwerer empfunden würde, als ein momentaner augenschein- 



Dr. Hoch«: Die Umänderung anhygienischer Schulbänke. 681 

licher Erfolg in gesundheitlicher Beziehung wohl nicht za de¬ 
monstrieren ist. 

Die Bezahlung der Kosten wttrde nach meiner Ansicht 
am zweckmäßigsten den einzelnen Schulgemeinden über¬ 
tragen, weil dann kleinere Summen in Berechnung kommen, die 
zn tragen den Schulgemeinden nicht schwer fallen könnte; da¬ 
gegen dürfte die Aufbürdung der verhältnismäßig großen Summe 
auf die Distrikte auf großen Widerstand stoßen und die schwere 
Realisierung des Schularztwesens anf dem Lande sehr gefährden, 
wenn nicht unmöglich machen. 

Es läßt sich über diese ganze Frage noch vieles sagen, so 
z. B. über die Notwendigkeit, das Schalarztwesen anf dem Lande 
auf dem Verordnungswege za regeln, weil die Gemeinden, 
Lokal- und Distriktschulinspektoren aus verschiedenen Gründen 
sich nur selten freiwillig hierzu bereit erklären würden; 
über die notwendigen und zweckentsprechendsten Formulare, über 
die Vorarbeiten der Lehrerschaft usw.; doch will ich diese Pankte 
diesmal übergehen. 

Zum Schlosse aber gestatte ich mir, meine Ausführungen in 
folgenden 5 Leitsätzen zusammenzufassen: 

1. Die Aufstellung von Schulärzten ist auch auf dem Lande 
notwendig und nützlich. 

Als Schulärzte daselbst kommen in erster Linie die Amts¬ 
ärzte in Frage; doch wird die Mitwirkung der bezirksärztlichen 
Stellvertreter, der pro physicatu geprüften und aller praktischen 
Aerzte nicht nur erhofft, sondern sogar gewünscht und stets mit 
Dank angenommen. 

S. Der Amtsarzt bleibt seiner Stellung nach stets der Ober- 
Schularzt seines Bezirkes; im Benehmen mit ihm haben die 
anderen Schulärzte ihre Untersuchurgen vorzunehmen und bis 
1. Februar jeden Jahres Bericht über das abgelaufene Schuljahr 
an denselben einzusenden. 

4. Die Kosten der schulärztlichen Tätigkeit werden am 
zweckmäßigsten den einzelnen Schulgemeinden aufgebürdet. 

5. Das Schularztwesen auf dem Lande ist nur dann realisier¬ 
bar, wenn es von der K. Staats - Regierung auf dem Verord¬ 
nungswege geregelt wird. 


Die Umänderung unhygienischer Schulbänke. 

Von Med.* Bat Dr. Hocke, Kreisarzt in Potsdam. 

In zahlreichen Schulen, besonders auf dem Lande, findet 
man immer noch vielsitzige Schulbänke, die in keiner Weise 
den Anforderungen genügen, die im Interesse der Gesundheit der 
Schulkinder gestellt werden müssen. Unter den vielen Nachteilen 
dieser Bänke ist meistens der hauptsächlichste eine große Plas- 
distanz, die ein Aufstehen der Schüler innerhalb der Bank ermög¬ 
lichen soll. Daneben kommen vorwiegend zu große oder zu kleine 
Sitzhöhe und zu große oder seltener zu geringe Differenz in Frage, 
während die anderen Abmessungen der Bänke — der Neigungs- 



682 


Dr. Hoche. 


winkel der Tischplatte, die Breite der Sitzplatte und der Tisch¬ 
platte, sowie der Abstand der Lehne von der Tischplatte — 
meines Erachtens nebensächlicherer Natur sind. 

Diese Uebelstände würden natürlich am rationellsten dadurch 
beseitigt, daß man die unhygienischen Schulbänke dnrch moderne 
zweisitzige Snbsellien ersetzte, die unveränderliche Null- oder 
eine geringe Minusdistanz aufweisen. Für die zweckmäßigste 
zweisitzige Schulbank halte ich die umlegbare Rettig-Schulbank 
mit freiliegenden Wechselschienen, für Landschulen besonders 
deshalb, weil sie nur geringen Raum beansprucht. 

In vielen Fällen ist aber eine Beschaffung neuer Schalbänke 
nicht zu erreichen, weil die alten Bänke noch so gut erhalten 
sind, daß man den Gemeinden die Kosten für die Anschaffung 
neuer wirklich nicht zumuten kann. Es kommt dann darauf an, 
die Snbsellien in geeigneter Weise hygienisch einwandfrei urnzu- 
gestalten, ohne die Gemeinden übermäßig zu belasten. Hierzu 
ist zunächst nötig, die Bänke mit Einrichtungen zum Aaswechseln 
der Distanz zu versehen. Es kann dies geschehen durch An¬ 
bringung entsprechender Vorrichtungen an den Sitzen, von denen 
die Hip pan f sehe am bekanntesten sein dürfte. Fast immer zeigt 
sich aber, daß die alten Snbsellien den durch die gewalttätige 
Bewegung der Sitzplatte nach vorn und nach hinten gegebenen 
Insulten doch nicht mehr gewachsen sind, und daß nur zu bald 
die Bänke in den Fußbalken sich lockern und wackelig werden. 
Außerdem wirkt das Geräusch des Verschiebens der Sitze sehr 
störend. 

Weniger groß sind die Nachteile bei Einrichtung der Tisch - 
platten im ganzen oder geteilt zum Schieben. Immerhin aber 
ertragen auch diese Erschütterung alte Snbsellien vielfach nicht 
lange, besonders wenn bei ungleichmäßigem Schieben seitens der 
Schulkinder große Kraft angewandt wird. Auch bei verschieb¬ 
baren Tischplatten klagen außerdem die Lehrer immer über das 
unvermeidliche heftige Geräusch. 

Aus diesen Gründen bin ich davon abgekommen, zur Moder¬ 
nisierung von Schulbänken die Tischplatten oder die Sitzplatten 
verschieblich hersteilen zu lassen, und empfehle immer nur noch 
die Anbringung von Klappen an den Tischen, weil 
deren Umlegung ohne erhebliches Geräusch möglich ist und 
nicht dazu führen kann, die ganze Schulbank in ihrem Gefüge 
zu lockern. Von den mancherlei Konstruktionen, die hierfür 
angegeben werden, gefällt mir am besten die von den Werk¬ 
stätten für Schuleinrichtung von P. Johannes Müller in Char¬ 
lottenburg hergestellte, bei der der Tisch jedes Kindes besonders 
niedergeklappt wird, keine besondere Stützen nötig sind infolge 
der Benutzung sehr kräftiger Albis-Exzenter-Scharniere, kein 
erhebliches Geräusch entsteht und außerdem infolge sinnreicher 
Anordnung ein Quetschen der Finger der Kinder fast ausgeschlossen 
erscheint, da sie beim Umlegen automatisch aus dem Scharnier 
heraasgedrängt werden. 

Viel einfacher als die Schaffung einer auswechselbaren 



Die ü äs ander aag undbygioftlacbor Sctcüb&ake. 


Distanz ist die Veränderung der Sitzhöhe und der Differenz an 
alten Schalbänken, letztere natürlich bei nledergekJapplen Tisch¬ 
klappen berechnet. Die Differenz ist auBZughäicfeen durch Er¬ 
höhung oder Erniedrigung der Bank, die Sitsthöhe za vergrößern 
durch Gaterfegung von Deisten unter die Faßbalken, zu verringern 
durch Anbringung von Fußbreitem, beides Maßnahme», die die 
Bank in ihrem Gefüge nicht lockern und nur geringe Kosten 
machen. 

Was nun die Ausführung der tlmänderang von Schul¬ 
bänken betrifft, so würde deren Transport nach einer Fabrik 
natürlich vielfach sehr erhebliche Kosten bedingen. Es liefern 
jedoch wohl alle Schulbankfabrifem den Gemeinden Beseblagteile 
und die nötigen Werkzeichnangeu, so daß jeder Tischler die 
Modernisierung der Bänke vornehmen kann. Nach meiner Er¬ 
fahrung muß aber bei der Umänderung sehr genaue Aufsicht geübt 
und jede Bank einzeln kontrolliert werden, da man sonst bei den 
Arbeiten im Schulbaiikbau unerfahrener Tischler nachträglich 
recht unliebsame Erfahrungen machen kann- 

Die Kosten bei diesem Verfahren werden ungefähr die 
gleichen sein, wie wenn die Arbeiten in der Fabrik ansgeführt 
werden. Wie hoch sie sich beiaafen, zeigt mir die Berechnung 
der Umänderung alter Bänke za Klapppalten mit Albis-Scharnieren, 
die die Firma P. J. Müller im Vorjahre auf meine VcranlaHSimg 
für eine Schule meißes Bezirke aosführte (siehe die beigefügten 
'Zeichnungen). Außer den Transportkosten beliefen sich die Kosten 
der Umänderung fdnfsitziger Bänke auf 22 Mark; davon ent* 


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684 Df- Ef-che: Die CroäB^erang nabygveaiscber ScbalHnfce. 

fielen 8 Mark anf 2 Seitenscharniere zu 1 Mark und 4 Mittel- 
Scharniere zu 1,50 Mark und 14 Mark auf die Herstellung der 
Pultklappen, die Bearbeitung der Pchkante der alten Bank, das 
An bringen der Scharniere und das Lackieren der Klappen. Ina- 


gesamt werden also die Kosten dieser Umänderung sich für jeden 
Sitz nach der Länge der Bänke auf 4,30 bis 4,60 Mark belaufe«, 
wozu meistens allerdings noch die Kosten der Regelung der Dif¬ 
ferenz and der Sitzhöhe bmzukoQimen, Berechnet man diese auch 
noch — wenn nötig — mit höcbtenB 1,00 Mark für jedes Kind, 
so ist jedenfalls für 6,30 Mark bis 5,50 Mark pro Sitz fönfaitziger 


ipitlimini«»»-— fi5*V ’ " 

V8(>ki*'f>bJt a AH$ V*<'t • ÜSttPÄttttf! VrOlii 

Bänke — also etwa für die Hälfte des Preises der Plätze anf 
zweisitzigen einfachen festen Subseilien — jede noch einiger¬ 
maßen feste Schulbank so zu ändern, daß sie den wichtigsten 
Bedingungen: Auswechselbare Distanz, der Größe der Schul¬ 
kinder entsprechende Differenz und Sitzböke genügt. Erheblich 
verbilligt sich der Preis natürlich noch, wenn anstatt der Einzel * 




Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


685 


klappen eine gemeinsame Klappe fdr alle Plätze einer Bank an¬ 
gebracht wird, die weniger nnd auch weniger komplizierte Mittel¬ 
scharniere erfordert. Nötig ist natürlich geschickte Answahl 
der einzelnen Bänke, so daß möglichst wenig Arbeit nnd Un¬ 
kosten nnd auch möglichst geringe Lockerung der ganzen Bank 
entsteht, indem man z. B. niedrige Bänke mit großer Differenz 
durch Unterlegung von Leisten unter die Fußbalken für größere 
Kinder herrichtet, hohe Bänke mit geringer Differenz durch Fu߬ 
bretter für kleinere Kinder. 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 

A. Oerlohtllohe Medizin. 

Eine neue Spermareaktion. Von Dr. Angelo de Dominicis. Ans 
dem Institut für gerichtliche Medizin der Universität in Paris. Sep.-Abdruck 
aas dem Risveglio medico; 15. M&ggio 1910. Mit einer Tafel. 

Zu einer auf den Objektträger aufgetragenen geringen Menge flüssigen 
menschlichen Spermas lügt man ein TrOpfchen einer Lösung von Goldtribromllr 
(Au Br«) oder von Goldbromür-Merck; legt das Deckglas auf und setzt das 
Präparat der Flamme aus bis zum Beginne des Siedens. Bei der Abkühlung 
sieht man bei 3—400facher Vergrößerung zahlreiche Mikrokrystalle von 20 bis 
80 bis 50 p Größe, die die Gestalt von Quadraten, Kreuzen, zugespitzten 
Rhomben, nach der der Arbeit beigegebenen Zeichnung auch Kleeblattform 
haben. Die zugespitzten Krystalle zeigen eine Längsleiste; hie und da sieht 
man auch quer zu der Längsleiste verlaufende Meridiane. 

Bei den Kreuz- und Qaadratformen ist die Farbe granatrot, bei einigen 
zugespitzten Krystallen mehr gelbrosa. 

Im polarisierten Lichte sind die Krystalle doppeltbrechend, bei der 
Untersuchung mit dem Ultramikroskop sieht man feine Granula darin. 8ie 
lösen sich leicht in Alkalien, in Alkohol, widerstehen dagegen auch konzen¬ 
trierten Mineralsäuren. 

Die Reaktion beruht auf dem Gehalt des Spermas an Spermin. Bei 
frischem menschlichem Sperma ist sie in Fällen von Azoospermie von Wert; 
aber auch bei älterem Sperma, das 2 Monate lang in geschlossener Flasche 
konserviert war, ferner bei eingetrocknetem Samen läßt sie sich ausftlhren. 

Der Autor hält die Ausführung der Reaktion für indiziert in allen 
jenen Fällen von Untersuchung des Urethralinhaltes, die sich auf die Ejaku¬ 
lation beziehen. _ Dr. May er-Simmern. 


Zur Frage der Verwertbarkeit der Wassermanngehen Syphtllsreaktlon 
an der Leiche. Von M. Löh lein -Leipzig. Folia serologica; 1910, Nr. 8. 

Die Komplementbindungs-Methode ergab eine Anzahl unklarer Resultate, 
so daß der Skeptizismus, welcher der Verwertung der Wassermann sehen 
Reaktion an der Leiche entgegengebracht wird, berechtigt ist. Agonale Blut- 
veränderungen beeinflussen die Luesreaktion nicht, wohl aber postmortale. 
Einigermaßen zuverlässige Resultate kann man erhalten, wenn die Blutentnahme 
bald nach dem Tode ausgeführt wird und Sera, die sich mangelhaft ab¬ 
scheiden, ausgeschaltet werden. Nur sinnfällige, starke Hemmung darf als 
positive Reaktion angesehen werden. Dr. Revenstorf-Breslau. 


Die Ermittelung der Todesstunde. Von G. C o r i n. Annales de la 
Soci6t6 de Mädecine lägale de Belgique; 1909. 

Cor in berichtet über Versuche, die Zeit des Todeseintritts aus dem 
Mageninhalt zu ermitteln. In einem Kriminalfalle fand sich fast unverdautes 
Brot und eine schwärzliche Flüssigkeit im Magen, die für Kaffee gehalten 
wurde. Experimente bewiesen, daß Brot vom Magensafte sehr langsam an¬ 
gegriffen wird, während schon nach einer halben Stande sich keine 8pur des 
genossenen Kaffees mehr vorfand. Leider ist die Beobachtung des Falles un- 



686 


Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


vollständig, da nicht festgestellt wurde, ob die genannte schwäraliche Flüssig¬ 
keit vielleicht Kaffee war, trotadem die Wahrscheinlichkeit dafür sprach, daß 
es sich um verändertes Blut handelte. 

Die Bestimmung des Zeitpunkts des eingetretenen Todes mit Hille der 
Kryoskopie des Blutes ist schwierig. Co rin versuchte statt des vielen Ein¬ 
flüssen unterworfenen Blutes Muskelsaft zu verwenden. Die Ergebnisse waren 
unbefriedigend und widerspruchsvoll (Außerachtlassung des Einflusses der 
Totenstarre!). Urinuntersuchungen erwiesen sich für die Zeitbestimmung des 
Todeseintritts als wertlos, schon deshalb, weil der Urin keine konstante Zu¬ 
sammensetzung hat. Am besten eignen sich eiweißarme Flüssigkeiten, z. B. 
die Zerebrospinalflüssigkeit. Die fast eiweißfreie, der Verdunstung nicht aus- 
gesetzte Zerebrospinalflüssigkeit wird durch die Fäulnis rasch eiweißhaltig, 
erreicht aber niemals den Eiweißgehalt des Blutes oder der Lymphe. Der 
Gefrierpunkt der Zerebrospinalflüssigkeit sinkt daher auch weniger rasch als 
der Gefrierpunkt des Blutes. _Dr. Rcvenstorf-Breslau. 

Ueber Giftwirkung des normalen menschlichen Blutserums auf Tiere. 
(Etüde expdrimentale du sörum sanguin humain normal.) Von Alex Cawadias. 
Comptes rendus de la soc. de biol.; LXVIII, 1910, Nr. 19. 

Das normale menschliche Blutserum ist für das Versuchstier ein 
schwaches, aber echtes Gift. Der Tod eines Meerschweinchens tritt ein nach 
Intraperitonealer Injektion von etwa 70 g. Das Tier wirft sich umher, zeigt 
Lähmungserscheinungen, Koordinationsstörungen, Krämpfe. Eb stirbt an Atem¬ 
lähmung. Bei geringeren Dosen treten Dyspnoe und Krämpfe ein; es kann 
aber Erholung folgen. Die schädliche Wirkung zeigt sich an vielen Organen 
und Geweben: Hyperaemie des Peritoneum parietale und viscerale, Exsudat¬ 
bildung in der Bauchhöhle, Schädigungen von Nieren und Leber. Das 8erum 
hat zudem eine lokale, nekrotisierende Wirkung: bei subkutaner Injektion 
zeigt sich intensive Rötung, selbst Nekrose der Haut. 

Die Ernährung des Versuchstieres wird durch die Seruminjektion ohne 
Rücksicht auf die Größe der einverleibten Menge derart herabgemindert, daß 
allmählich tödliche Kachexie eintritt. Die Injektion selbst kleiner Dosen 
erzeugt ferner Anaphylaxie gegenüber dem normalen menschlichen Blutserum. 

_ Dr. M a y e r-Simmern. 


Vergiftung mit Jodtinktur. Von P. Lande und Muraret. Journal 
de Mödedne de Paris; 1910, Nr. 28. 

Eine 60 jährige Frau trinkt etwa 80 g Jodtinktur. Sofort Erbrechen, 
später Magenspülung. Tod nach 30 Stunden unter urämischen Erscheinungen. 
Autopsie: Die Schleimhaut des Oesophagus löst sich in Fetzen ab, Magen¬ 
schleimhaut geschwollen, hämorrhagisch. Geringere Veränderungen im Darm, 
Nierenkongestion. Mikroskopisch: Interstitielle Gastritis, stellenweise Ne¬ 
krose. Auf der Mucosa massenhaft kleine gelbbraune Konkremente, die weder 
Iflsen-, noch Jodreaktion geben. Die Tubuli der Nieren sind hochgradig ver¬ 
ändert. _ Dr. Revenstorf-Breslau. 

Unterscheidung vitaler und postmortaler Verletzungen. Von G. Corin. 
Annales de la SociölA de Mödecine 16gale de Belgique; 1909. 

Es ist bekannt, daß manche Verletzungen, die während des Lebens ent¬ 
stehen, ohne die Zeichen vitaler Reaktion bleiben. Blataustritte können 
fehlen, wenn der Blutdruck stark herabgesetzt oder das Gefäßsystem blutleer 
war. Das Blut braucht nicht zu gerinnen, selbst wenn dem Blut Fremdkörper, 
welche doch im allgemeinen Gerinnung herbeizuführen pflegen, beigemischt 
sind, s. B. Kleiderfetzen bei Blutungen in die Pleurahöhle infolge Brustschuß. 
Postmortale Blutaustritte sind häufig. Die Unterscheidung von vitalen Blut- 
austritten ist oft schwierig, wenn nicht unmöglich. Post mortem über Mnskela 
fließendes Blut imprägniert das Gewebe derartig, daß es sich durch Wasser 
nicht abspülen läßt. Auch das Vorhandensein oder Fehlen eines Fibrinnetzeo 
darf nicht als überall zutreffendes Unterscheidungsmerkmal angesehen werden. 
Die Retraktion der Wundränder ist abhängig von der Kontraktilität der 
Muskeln, die ziemlich lange nach dem Tode noch erhalten ist. 

Ein lehrreicher Fall zeigt, daß nicht nur frische Wunden, sondern auch 



Kleinere Mitteilungen nnd Referate ans Zeitschriften. 


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vernarbte Verletrangen sa irrtümlichen Deutungen Anlaß geben kdnnen. 
Eine Leiche, welche mehrere Tage im Wasser gelegen hatte, zeigte eine 
eigentümliche Wände, welche in ihrer Schnittlührang völlig der Radikaloperation 
einer Hernie nach der Methode von Bas sin i entsprach, ln der Haatwonde 
fehlten die Nähte, obgleich Stichkanäle vorhanden waren. Es warde vermutet, 
daß es Bich möglicherweise am eine chirurgische Operationsttbang an der 
Leiche handelt. Es stellte sich jedoch heraas, daß die Leiche einem Manne 
gehörte, dem beim Verlassen des Krankenhauses, 15 Tage nach der Operation, 
die Nähte heraasgenommen waren, da völlige Vernarbung der Wunde ein* 
getreten war. Autolytische Vorgänge und der Fäulnisprozeß hatten die noch 
jungen Verklebungen in kurier Zeit wieder völlig gelöst. Es wäre Wissens* 
wert, bis zu welcher Zeit eine Narbe derartigen autolytischen Vorgängen 
unterworfen ist _ Dr. Bevenstorf -Breslau. 

Ein Selbstmordversuch durch Bauchaufschlitxung. (Darmprolaps — 
gehellt) Von Dr. Isidor Priester, Gemeindearzt in Gnadendorf. Wiener 
med. Wochenschrift; 1910, Nr. 28. 

Ein 53 Jahre alter Mann hatte sich mit einem Rasiermesser eine Schnitt¬ 
wunde an dem linken Handgelenk und eine Schnittwunde am Bauch, die unter¬ 
halb des Nabels quer von einer Seite bis zur anderen verlief, beigebracht. 
Aus dieser Wunde prolabierte an eiaer Stelle eine '/* m lange Dünndarm¬ 
schlinge. Unter den schwierigsten äußeren Verhältnissen konnte erst nach 
12 Stunden eine Naht ausgeiührt werden. Erst nach mehreren Tagen erfolgte 
die Ueberführung in ein Krankenhaus, wo der Betreffende trotz eines Herz¬ 
fehlers vollkommen wieder hergestellt wurde. 

Der Verfasser zitiert aus der Literatur noch zwei weitere Fälle dieser 
seltsamen Selbstmordart. Dr. Kurpjuweit -8winemünde. 


Zur Diagnose des Todes durch Ertrinken. Von G. Co rin. Aus dem 
Institut für gerichtliche Medizin in Liöge. Annales de la Socidtä de Mädecine 
lögale; 1909. 

C o r i n hat die Methode, das Blut beider Herzhälften auf mineralogische 
Fremdkörper zu untersuchen durch die Verwendung des Antiformins zur Auf¬ 
lösung des Blutkuchens weiter ausgebildet. Antiformin löst nicht nur die 
Blutkörperchen auf, sondern vernichtet auch die störenden Kalkkristalle und 
andere kristallinische Niederschläge. Am besten eignet sich eine ca. 30pros. 
Lösung von Antiformin. Krystallbildungen aus dem Antiformin werden durch 
Zasatz von Wasser vermieden. Die Bestrahlung im polarisierten Licht kann 
auch durch die Untersuchung im Dunkelfeld ersetzt werden, welche die kleinen 
Silisiumfragmente hell aufleuchten läßt. Dr. Hevenstorf-Breslau. 


Ueber Fruchtabtreibung. Von Dr. M. Hirsch. Sexaalproblem; 
1910, Nr. 5. 

Verfasser nimmt Stellung zu dem v. Winkel sehen Vorschlägen betr. 
Bekämpfung der Fruchtabtreibung, die er nicht für durchführbar hält. 

Man wird über den Verdacht nur in wenigen Fällen hinauBkommen. 
Ohne Geständnis der Schwangeren und ohne Eingreifen des Staatsanwalts 
und Beiner die Untersuchung fahrenden Organe wird immer nur der Verdacht 
auf Fruchtabtreibung ausgesprochen werden können. 

Man muß aufhören, in der Fruchtabtreibung nur ein Verbrechen zu 
sehen. Sie ist vielmehr ein Akt der Notwehr, und als solcher muß sie vom 
Gesetz behandelt werden. Die Maßnahmen der sozialen Hilfsarbeit, die so 
vielfach vorgeschlagen worden und eigentlich nichts als das Einverständnis 
der Machtlosigkeit gegenüber dem kriminellen Abort sind, wie moralische 
Stütze für uneheliche und arme Mütter, Hilfeleistung während der Schwanger¬ 
schaft und während des Stillens, Forschung nach der Vaterschaft, Gründung 
von Asylen, Herabsetzung der Steuer für kinderreiche, erhöhte Besteuerung 
der kinderlosen Familien haben ihre Wirkungslosigkeit bewiesen und werden 
es weiter tun. 

Nur eine Maßnahme ist geeignet, wirkungsvoll gegen die Fruchtab¬ 
treibung ins Feld geführt zu werden: die fakultative Sterilität. 

_(Dr. Wolf-Witzenhausen. 



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Kleinere Mitteilangen and Referate ans Zeitschriften. 


B. Bakteriologie, Infektionskrankheiten und öffentllohes 

Banltdtsweeen. 

1. Bekämpfung der Infektionskrankheiten. 

a. Bakteriologie der Infektionskrankheiten im 
allgemeinen. 

Ueber die Verbreitung der Streptokokken Im Hinblick auf Ihre In¬ 
fektiosität und ihre hämolytische Eigenschaft« Von Prof. W. Zange¬ 
meister-Königsberg i. P. Münchener med. Wochenschrift; 1910, Nr. 24. 

Verfasser verbreitet sich in längeren Ausführ an gen über die biologischen 
besw. hämolytischen Eigenschaften der Streptokokken, ihre Herkunft und ihre 
Infektiosität; er kommt auf Grund seiner diesbeaüglichen umfangreichen 
Untersuchungen au folgenden Schlußfolgerungen über das Verbreitungs¬ 
gebiet der Streptokokken: 

Streptokokken finden sich am gesunden Menschen häufig. Im Mund 
kommen sie in ca. 62 Prozent vor; im Rectum und in der Scheide fand Verf. 
sie —> bei Kreissenden — in etwa 80 Prozent. An der äußeren Haut sind sie 
relativ selten; die Häufigkeit ihres Vorkommens schwankt hier erheblich je 
nach der Körperregion; so ist die Umgebung von Mund, Anus und Vagina 
erheblich reicher an Streptokokken (25 Proz.) als die übrige Haut (cs. 15 Pros.), 
wobei aber die Haut der Hand namentlich solcher Personen eine Ausnahme 
macht, welche viel mit Streptokokken in Berührung kommen (Hebammen¬ 
hand: 42 Prozent). In der Frauenmilch fand Verfasser sie unter 10 Fällen 
nur einmal; hier waren aber Rhagaden vorhanden. 

Alle diese Streptokokken sind anhämolytisch; entweder handelt es sich 
dabei um den Streptococcus anhämol. vulgaris oder den viridis, dessen spezielle 
Verbreitungsgebiete Verfasser bereits in den vorhergehenden Ausführungen 
näher bezeichnete. In der Umgebung des Menschen nehmen sie rapid ab, so 
daß man den Menschen als den Verbreiter der Streptokokken ansehen muß. 

Verfasser hat an seiner Klinik alle in Betracht kommenden Räume auf 
ihren Streptokokkenreichtum untersucht und gefunden, daß Wände, Fußboden, 
MObel, Vorhänge etc. stets — selbst auf der Infektionsabteilung — strepto¬ 
kokkenfrei waren (abgesehen von einzelnen Ausnahmen), ebenso Ausgüsse, 
Abwässer pp. Die Ausnahmen bezogen sich auf solche Gegenstände, die 
viel mit den Händen oder anderen streptokokkenhaltigen Körperteilen oder 
Sekreten in direkte Berührung kommen (Türklinken, Griffe von Sterilisatoren, 
Sterilisiertormmeln, Untersuchungsstühle pp.). In der Luft ließen sich Strep¬ 
tokokken nie nachweisen; nur wenn unmittelbar vorher und in nächster Nähe 
von Personen, welche Streptokokken im Munde hatten, gesprochen worden 
war, fanden sich Streptokokken in der Luft, und zwar unter solchen Um¬ 
ständen reeht häufig. 

Im Gegensatz zu diesen relativ spärlichen Streptokokkenfunden am 

G esunden Menschen und in seiner Umgebung zeigte sich die Nachbarschaft von 
Iranken mit streptokokkenhaltigen Infektionssekreten einen 
geradezu verblüffenden StreptokokkenreTchtnm. Bettgestelle, Bettwäsche 
waren, auch wenn eine sichtbare Verunreinigung mit den Sekreten gar nicht 
stattgefunden hatte, mit kultivierbaren, also lebenden Streptokokken über¬ 
sät. Dieselben waren anhämolytisch, wenn ein Sekret mit anhämolytischen 
Streptokokken abgeschieden wurde, sie waren hämolytisch, wenn das Sekret 
der betreffenden Patienten hämolytische Streptokokken enthielt. Hier sind 
also Streptokokkennester von ungeahnter Reichhaltigkeit und Ausdehnung vor¬ 
handen. 

Da es dem Verfasser gelang, Streptokokken durch Eintrocknen einige 
Wochen lebend zu erhalten, während sie in gewöhnlichen Kulturen um diese 
Zeit bereits abgestorben waren, so läßt sich denken, daß von derartigen 
Kranken und ihrer Umgebung eine Gefahr ausgeht, die allerdings nur dort in 
Betracht kommt, wo andere Kranke mit frischen Wunden behandelt werden. 
Diese Gefahr wächst aber praktisch noch ganz erheblich, wenn die klinischen 
Erscheinungen auf den Streptokokkenreichtum eines Wundsekretes nicht oder 
nicht mehr hinweisen, wie es z. B. bei einer Reihe normaler Wöchnerinnen 
oder nach bereits abgelaufener 8treptokokkeninfektion der Fall ist. 

_ Dr. Wal bei-Kempten. 



-Kleinere Mitteilangen and Referate au Zeitschriften. 


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Veber den bakteriziden Wert der Pyeiyannse von Emmerieb nnd 
Loew. Von Dr. Georg Menini-Fiorenz. — Lo Sperimentale, Archivip di 
Biologia normale e patologia; 1910, Heft 2. 

Auf Grund seiner Laboratoriumsversuche mit der au dem serothera¬ 
peutischen Institut in Dresden bezogenen Pyozyanase und einer Reihe von 
Bakterien kommt Verfasser zu folgenden Schlußergebnissen: 

1. Die Pyozyanase hat in vitro eine starke bakterizide Einwirkung 
auch auf beträchtliche Mengen von pathogenen Mikroorganismen (Strepto- 
coccus, Cholera-, Milzbrand-, Diphtherie - Bacillus). 

2. Diese bakterizide Einwirkung entwickelt sich verschieden je nach 
der Zeit des Kontaktes und Überdies je nach der Bakterienart, indem sie für 
manche stark, für andere Mikroorganismen schwach oder gleich null Ist. 

_ Dr. Solbrig-Arnsberg. 


b. Typhus. 

Die Typhopyocyanle. (Generalisierte Pyocyanie unter dem Bilde 
des Abdominaltyphus.) Von Lagriffoul, Bousquet und Bocher. 
Comptes rendus de la soc. de biol.; LXVIII, 1919, Nr. 21. 

Der Bacillu pyocyaneus erzeugt meistens örtlich beschränkte In¬ 
fektionen; er kann aber auch in den Kreislauf eindringen und echte Septic- 
aemie bedingen. Solche Fälle haben gewöhnlich folgendes Symptomenbild: 
Magendarmstörungen schwankender Intensität, bedeutender Kräfteverfall, hohes 
Fieber, Atemnot, Albuminurie und, was besonders charakteristisch ist, Purpura- 
Hecke von der Größe einer Linse bis zu der eines Froncstöckes, die sich all¬ 
mählich in Bläschen umwandelo, deren Platzen Geschwüre mit nekrotischem 
Grande hinterläßt. Die Umgebung der Ulzerationen ist blutinfiltriert. Der 
Allgemeinzustand verschlimmert sich und der Tod tritt ein. 

Solche Hautveränderungen können in Ausnahmefällen fehlen. Die Autoren 
beobachteten einen Kranken, der Kopfschmerz, Nasenbluten, Durst, Diarrhoen, 
reichliche Roseolaflecke hatte, dessen Leiden als Fibris nervosa vereatilis ver¬ 
lief und dos von ihnen für Typhus gehalten wurde. Erst die Obduktion ergab, 
daß keinerlei Ulzerationen der Pey er sehen Plaques, keine Milzschwellung 
vorlag. Uebrigens war auch die Serodiagnostik auf Typhus negativ aus¬ 
gefallen. Die Autoren schließen: 

1. Es handelte sich um generalisierte Pyocyanie. Der Bacillus pyo¬ 
cyaneus konnte aus verschiedenen Organen gezüchtet werden. Die positive 
Serodiagnose auf diesen Bacillus bewies, daß es sich nicht um agonale Infektion 
handelte. 

2. Es lag eine primäre Pyocyanie vor, die nicht mit Typhus kombiniert 
auftrat: Beweis der zweimalige negative Ausfall der Widalschen Probe, 
das Fehlen der charakteristischen Veränderungen beiQder Autopsie, dos Fehlen 
des Typhusbacillus in der Milz. 

Unter Typhopyocyanie verstehen demnach die Verfasser eine unter dem 
Bilde des Typhus verlaufende Allgemeininfektion, die durch den 
B. pyocyaneus hervorgerufen wird, aber nicht die sonst bei generalisierter 
Pyocyanie beobachteten Hautveränderungen aufweist. 

_ Dr. M a y e r - Simmern. 


Von der AnsteckungsfUhlgkeit des Abdominaltyphus. Some points in 
the infectivity of typhoid fever. Von Alex Anderson, M. B., D. P. H., 
medical officer of health, Wortley Rural District, Yorks. Nach einem Vortrag 
in der Yorkshire brauch des engl. Medizinalbeamtenvereins. Public health; 
1910, XXIII, Nr. 8. 

Zar Lebensfähigkeit des Typhusbacillus außerhalb des menschlichen 
Organismus berichten Morgan und Harvey in einer Arbeit (Journal of 
Royal Army Medical Corps, 1909). Sie arbeiteten mit Bazillen, die von 
Bazillenträgern aasgeschieden worden waren, und wiesen nach, daß in 
Wasser, roher Milch, in Urin, der dem Tageslicht ausgesetzt worden war, 
ferner im Boden, der mit infiziertem Urin besetzt wurde, der Keim rasch ab¬ 
stirbt. Fäzes, in trockenem Erdklosett gehalten, waren nur 1 Woche lang 
infektiös; außer in der Mitte einer eingetrockneten Fäkalmasse, wo die Bazillen 
noch nach 18 Tagen aufgefunden werden konnten. Baumwollstoffe, die mit 



690 Kleiner« Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 

infektiösem Urin benetzt worden waren, waren schon nach 4 Tagen nicht mehr 
ans(eckungsfähig, wenn sie dem Tageslicht ansgesetzt worden; wenn im 
Dunkeln gehalten nach 11 Tagen. Mit infizierten Fäzes beschmatzte wollene 
Decken verloren dagegen erst nach 40 Tagen ihre Anstecknngsflhigkeit. 

Der Autor berichtet über eigene Erfahrungen, in denen Tagelöhnerinnen, 
die beschmutztes und ungenügend gereinigtes Leinen wuschen, in ihre eigene 
Familie die Krankheit übertragen. Er weist auf die Schwierigkeiten hin, die 
sich der genauen Untersuchung der Exkrete bei Rekonvaleszenten and in 
Kontaktiftllen entgegenstellen, auf das trügerische Ergebnis negativer Unter* 
Buchungen bei Baziiienträgern, bei denen die Bazillen nur in Zwischenräumen 
aus der Gallenblase in den Darm entleert werden. Isolierung der Bazillen¬ 
träger läßt sich auch ln England nicht erzwingen. 

Den Aerzten macht Verfasser den Vorwurf, daß sie viele Fälle von 
Typhus als „Febris continua“ ansehen und glauben, dieses sei nicht anzeige¬ 
pflichtig. 

In gesunder Umgebung sind übrigens auch die Bazillenträger nicht so 
gefährlich, wie man gewöhnlich meint. Sogar in großen Hospitälern und 
Asylen, durch die eine beträchtliche Zahl von Bazillenträgern und undiagnosti- 
zierten Fällen zu passieren pflegt, ist der Schaden nicht groß. So wurden im 
Süd-Voksbire Asyl in den letzten 10 Jahren nur 19 Typhusfälle gemeldet, 
obwohl es im Durchschnitt täglich einen Bestand von 1600 Kranken aufweist; 
nur bei einer Gelegenheit fand sich eine Verbreitung der Krankheit auf die 
Patienten und das Pflegepersonal. 

Auch nach Kenntnis der neueren bakteriologischen Forschungsergebnisse 
ist bei Bekämpfung des Typhus die Besserung der hygienischen Verhältnisse 
von der größten Wichtigkeit. _ Dr. Mayer-Simmern. 

Zur Aetiologle des Abdominaltyphus mit besonderer Berücksichti¬ 
gung der Kanalgashypothese. Von F. W. N. Barlow, M. D., D. P. H. 
Medical officer of health, Wallasey. Vortrag vor der N.-W. Sektion des eng¬ 
lischen Medizinalbeamtenvereins. Public health; XXI11, Mai 1910, Nr. 8. 

Bei einer Gerichtsverhandlung in Liverpool l ) stand jüngst die Frage zur 
Entscheidung, auf welchem Wege der Typhus übertragen wird. Die Ueber- 
zeugung der A e r z t e, daß eine Epidemie auf Milch, Austern, Wasser zurück- 
zufübren ist, reicht nach der Erfahrung des Autors in vielen Fällen nicht 
dazu aus, auch dem Gerichtshof dieselbe Ueberseugung beizubringen. 

Der Fall war folgender: Es wurde Schadenersatz beansprucht von einem 
Manne, der angab, er, seine Frau, einige seiner Schüler seien durch Milch¬ 
genuß an Typhus erkrankt; die Milch sei in seine Wohnung von einer 
bestimmten Farm geliefert worden. In die betreffende Farm war eine von 
Typhus noch nicht völlig hergestellte Frau aus einem Isolierkrankenhause 
entlassen worden. Etwa 18 Tage später erkrankte unter den Personen, die 
von der Farm ihre Milch bezogen, eine an Typhus, ln den nächsten 2*/• 
Monaten wurden dem Amtsärzte 24 Typhusfälle, meist Sünder, gemeldet, die 
sämtlich Milch, ausschließlich von der betreffenden Farm, getrunken hatten. 
Andere Fälle von Typhus kamen in jener Zeit im Bezirk nicht vor. In der 
Farm selbst waren außer dem ersten Falle noch 8 weitere aufgetreten. Als 
der Verkauf der Milch verhindert wurde und die Kühe verkauft wurden, 
traten neue Fälle nicht mehr auf. 

Das Gericht erkannte indessen diesen Zusammenhang nicht an. Man 
gab die Möglichkeit zu, daß an dem Ausbruch des Typhus der unreine Zu¬ 
stand der Meeresbucht schuld sein könne, an der die Schule des Klägeis lag, 
da dort hinein die städtischen Abwässer mündeten. Alle Buchten, die Ab¬ 
wässer aufnehmen, seien eine mögliche Quelle derartiger Infektion. 

Hierzu sagt der Autor: Es ist nachgewiesen, daß die Typhusbazillen 
schnell in der Kanalflüssigkeit verschwinden. Es erscheine ihm daher mehr 
als zweifelhaft, daß einige überhaupt in die Meeresbucht hineingelangen 
könnten. Aber auch io diesem Falle finde eine solche Verdünnung der Ab¬ 
wässer in der Vorflat statt, daß sie sicher absterben. Es sei nicht zu ver- 

*) In bezug auf Schadenersatzpflicht bei Typhus vergleiche diese Zeit¬ 
schrift ; 1905, 8. 609 und 1908, S. 618. 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


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stehen, daß etwa Bazillen in die Luft hineingelangen oder durch Fliegen 
weiter verbreitet werden konnten. 

Im Anschluß an die Gerichtsverhandlung gibt der Verfasser eine Ueber- 
sicht Aber neuere Arbeiten Aber die Kanalgaslrage. Er berichtet Aber Ver¬ 
suche aus 1906 und 1907 von Dr. Andre wes, die mit dem Kanalinhalt im 
8t. Bartholomews Hospital, und Aber solche von Major Horrocks, die in 
Gibraltar ausgefAhrt wurden. Es erscheint danach außerordentlich unwahr¬ 
scheinlich, wenn nicht völlig unmöglich, daß Typhus durch Kanalgase Aber¬ 
tragen werden kann. _ Dr. Mayer-Simmern. 


Eine Reihe von Typhusfällen, die auf einen Basillenträger inrflck- 
lufBhren sind. Von H. Meredith Richards, M. D., D. P. H., medical offleer 
of health, Croydon. Public health; XXIII, Mai 1910, Nr. 8. 

Ein Melker, der nie Typhus Aberstanden haben will, dessen Frau aber 
1894 an Typhus erkrankt war, kam 1902 auf ein Landgut 1903 erkrankte 
der Kellermeister des Gutes an Typhus. Der Melker gab 1906 seine Stelle 
auf und kehrte am 10. Oktober 1908 wieder zurAck. Am 22. Oktober 1908 
erkrankte Fall 2, am 1. und 4. November Fall 8 und 4; während die beiden 
nächsten Fälle erst 1910 auftraten. Am 28. August 1910 wies D. Leding- 
ham im Stuhle des Melkers den Typhusbacillus nach. 

Bemerkenswert ist die zeitweise Intermittenz der Ansteckungsfähigkeit, 
die sich Aber lange Zeit hinaus erstreckte; ferner der Umstand, daß nur 
6 Personen infiziert wurden, während weit mehr Menschen von der betreffenden 
Milch genossen hatten. Es ist anzunehmen, daß der Mann nicht dauernd 
Bazillen ausschied, und daß er wahrscheinlich „nicht alles infizierte, was er 
anfaßte*. Auch die Dose des Giftes wflrde wohl zu klein dazu sein. 

_ Dr. Mayer-Simmern. 


Hunde als Typhnsbazillenträger. Von J. Courmont undBochaix- 
Lyon. La 8emaine mödical; 1910, Nr. 26. 

Ffittert man Hunde mit den Ausscheidungen Typhuskranker, so werden 
die Hunde temporär zu echten Typhusbazillenträgern. Ihre Exkremente ent¬ 
halten lebensfähige Typhusbazillen, während die Tiere selbst in ihrem Wohl¬ 
befinden nicht beeinträchtigt werden. Die Ausscheidung der Infektionserreger 
dauert nur einige Tage, da die Bazillen sich im Hundedarm nicht zu ver¬ 
mehren scheinen. Diese Feststellung ist in hygienischer Beziehung wichtig, 
da die Hunde auf dem Lande vielfach Gelegenheit haben, menschliche De- 
jektionen in sich aufzunehmen und auf diese Weise zur Ausstreuung der 
Krankheitskeime beitragen können, wenn die Dejektionen von einem Typhus¬ 
kranken stammten. _ Dr. Bevenstorf-Breslau. 

Zur Epidemiologie des Unterleibstyphus ln CO ln. Von Dr. H. Lohmer, 
Kreisassistenzarzt (jetzt Kreisarzt) in Cöln. Mit 2 Kurven im Text. Viertel¬ 
jahrsschrift für gerichtliche Medizin und Öffentliches Sanitätswesen: 8. Folge, 
39. Bd., 1910, 2. H. 

Cöln hat in jedem Jahre eine große Zahl von Typhusfällen zu ver¬ 
zeichnen, was fflr eine Stadt mit derart vollkommenen hygienischen Einrich¬ 
tungen, wie es Cöln ist, eine recht bedauernswerte Tatsache bleibt. Es 
erkrankten in den Jahren 1896—1908 : 2,31—4,83 auf 10000 Einwohner, 
während z. B. in Berlin im Jahre 1900 nur 2,8°/«ooo Erkrankungen bekannt 
wurden. Betreffs der jahreszeitlichen Verteilung ist die Tatsache auffallend, 
daß in jedem Jahre, mit einer kleinen Abweichung im Jahre 1896, im Frflbjahr 
die geringste Morbiditätsziffer zu verzeichnen list, daß diese dann in den 
Sommermonaten allmählich ansteigt, um in der Regel im September und Ok¬ 
tober die größte Höhe zu erreichen. Diese Verteilung wurde auch von anderen 
Autoren festgestellt, „ohne daß sich wohl mit irgend welcher Sicherheit an¬ 
geben ließe, worauf ein solcher Verlauf der Kurve, die Nesemann den nor¬ 
malen Verlauf nennen möchte, beruht*. Die Kochsche Schule gibt selber 
zu, daß diese auffallende jahreszeitliche Verteilung der Typhusfälle nicht 
genfigend geklärt ist. Sie als eine Stfltze für die Petto nkof er sehe Boden¬ 
feuchtigkeitstheorie ausnAtzen wollen, ist indes nicht angängig, da in einer 



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Kleinere Mitteilungen and Referate ana Zeitschriften. 


Reihe tob Jahren die Steigerung der Erkrankongsxiffer mit hohem Grund» 
wasserstand zusammenfällt, während in anderen Jahren allerdings höherer 
Rhein- und somit höherer Grnndwassorstand mit einer geringeren Typhus- 
morbidität einhergeht. Hinsichtlich des Einflusses der Temperatnr aal die 
Hohe der Erkrankangssiffer ist xa bemerken, daß die jahreszeitlichen Steige¬ 
rangen der Typhaserkrankungen regelmäßig gleich oder bald nach den heißen 
Monaten einsetzen. 

Was die Infektionsquellen des Unterleibstyphus für Cöln anlangt, so 
steht einmal fest, daß eine große Reihe von TyphusfäUen Ton auswärts 
eingeschleppt wird. Bemerkenswert erscheint für die Tatsache auch der Um¬ 
stand, daß Bahnbeamte und Bahnpostschaffner ein großes Kontingent der Er- 
krankangsfälle stellen. — Des weiteren ist hinsichtlich der Verbreitung der 
Krankheit Ton großer Bedeutung die Rbeinschiffart, was z. B. schon 
aus der großen Zahl der auf Schiffen erfolgten Typhuserkrankungen erhellt. 
Klein-8t. Goar ermittelte, daß auf 1000 Rheinschiffer pro Jahr durchschnitt¬ 
lich 10 Typhusfälle kamen und die Erkrankung der Rheinschiffer etwa 10 mal 
so hoch ist, wie die der umgebenden Landbevölkerung. Im übrigen ist nach 
dem eben genannten Autor nicht eine allgemeine gleichmäßige Verseuchung 
des Rheinwassers anzunehmen, vielmehr eine solche begrenzter Abschnitte. 
Besonders gefährlich seien die Schiffshaltestellen und die Kanalmündungs¬ 
stellen an Städten und Dörfern. Die Milch kommt für Cöln nur ausnahms¬ 
weise als Infektionsquelle in Betracht, dagegen ist die Uebertragung durch 
Aborte vielfach beobachtet worden. — Kontaktinfektionen, die zumeist in 
der ersten Woche der Erkrankung erfolgen — nach Conradi in 68 °/o —, sind 
in einer Großstadt schwor mit Sicherheit nachzuweisen; die häufigste und am 
sichersten za beweisende Kontaktinfektion ist die von Aerzten und Kranken- 
Pflegepersonal. 10—15 Medizinalpersonen lassen sich durchschnittlich jährlich 
aufzäblen, bei denen die letztere sozusagen auf der Hand liegt; außerdem ist 
für die Insassen öffentlicher Anstalten die Gefahr der Kontaktinfektion eine 
große. Als wichtig für die Bekämpfung des Typhus wird zum Schluß auf 
die eminente Bedeutung rechtzeitiger epidemiologischer Recherchen Ungewissen. 

_ Dr. Hillenberg-Zeitz. 


c. Masern. 

Ieterus ln den Prodromen der Morblllen. Von Dr. Josef K. Fried- 
jung-Wien. Allg. Wiener med. Zeitschrift; 1910, Nr. 15, 8.164. 

Im Anschluß an einen Fall von Masern bei einem Kinde eines erfahrenen 
Kinderarztes, der mit Krankengeschichte angeführt wird, zeigt Verfasser, daß 
die Krankheit auch sofort, ohne Inkubationszeit, einsetzen and prodromale 
Erscheinungen — in diesem Falle seitens des Verdauungstraktns — machen 
kann, die gar nicht auf die eigentliche vorliegende Infektion hindeutea; 
wenigstens traten in dem vorliegenden Falle der Icterus und Anorexie derart 
in den Vordergrund, daß erst nach Ausbruch des Exanthems — am 14. Krank¬ 
heitstage — vom Verfasser die von Anfang an beobachtete Conjunctivitis and 
der Hasten als bereits zur Maserninfektion gehörig erkannt wurden. Der 
Icterus wird als „exanthomatische“ Erkrankung des Magens und Zwölffinger¬ 
darms, die zur Hemmung des Gallenabflusses geführt hat, erklärt. 

Dr. t. Leliwa-Waldenburg (ScUes.). 


d. Wochenbettfieber, Woebenbetthygiene. 

Das Brechen der Schwangeren. Von Prof. Pinard-Paris. Vortrag, 
gehalten in der Akademie de Mädecine am 20. April 1910. Allgemeine Wiener 
med. Zeit; 1910, Nr. 21. 

Pinard lehnt die von Dubois angegebenen 8 Perioden — Abmage¬ 
rung, Fieber, nervöse Zustände — ab, ebenso die beiden aufgestellten Theorien 
(Ueberreixung des Nervensystems — Autointoxikation); er hält lediglich 
eine Intoxikation für vorliegend, die vielfache Symptome machen und letal 
endigen kann. Er glaubt die Ursache des unstillbaren Erbrechens in der 
ersten Schwangerschaftshälfte auf eine Hepato-Toxaemie, eine Iasufficienx der 
Leber, zurückführen zu können, während in der zweiten Schwangerschaftshälfte 



Kleinere Mitteilungen and Referate aas Zeitschriften. 


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d&s Brechen Folge der Eklampsie sei als wahrscheinliche Folge einer Ver¬ 
giftung, su der das corpus luteum in ursächlicher Beziehung stehe. Bei Ver¬ 
sagen der internen Behandlung, insbesondere der Sauerstoffinhalationen, und 
bei einer Palsbeschleunigung bis zu 100 Schlägen in der Minute sei die 
Unterbrechung der Schwangerschaft zur Erhaltung des Lebens der Frau 
indiziert. Dr. Leliwa-Waldenburg (Schl.). 


Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett bei den Suaheli von Kilwa. 
Von Dr. Peiper in Kilwa. Archiv für Schiffs- und Tropenhygiene; 1910, Nr. 15. 

Ist eine Saahelifrau zum ersten Male schwanger, so geht sie in den 
ersten Monaten zu einer weisen Frau, um Ratschläge für ihr Verhalten während 
der Schwangerschaft einzuholen. Zum zweiten Male sucht sie am Ende der 
Schwangerschaft die weise Frau auf, um zu erfahren, ob die Lage des Kindes 
richtig ist. Falsche Lagen werden dann durch äußere Handgriffe korrigiert. 

Die Gebart selbst wird von einer erfahrenen Verwandten oder der 
Schwiegermutter geleitet. Nur im Notfall tritt die bereits früher befragte 
weise Frau ein. Dammschatz wird nicht vorgenommen. Ebenso unterbleibt 
eine Reinigung der äußeren Geschlechtsteile. 

Die Ruhezeit beträgt bei den wenig begüterten Frauen 7 Tage; bei den 
reichen Frauen wird sie bis zu 40 Tagen ausgedehnt. Eine Behandlung des 
Nabels findet nicht statt. Sieben Tage nach der Gebart werden dem Kinde 
die Nägel geschnitten, die Kopfhaare rasiert, und Nägel, Haare und die ab- 
gefallene Nabelschnur neben der schon früher begrabenen Nachgeburt ver¬ 
graben. Darüber wird eine Kokospalme gepflanzt, die Eigentum des Kindes ist. 

Bis zum Ende des ersten Lebensjahres schlält das Kind bei seiner 
Mutter. Dieser ist während dieser Zeit jeder Verkehr mit ihrem Manne streng 
untersagt; das Kind bekommt sonst einen Wasserkopf! Vor Vollendung des 
10. Lebensjahres wird der Knabe beschnitten. Das Präputium wird stark nach 
vorne gezogen und mit einem Messer quer abgeschnitten. 

Außerordentlich häufig sind Abtreibungen, die teils aus materiellen 
Rücksichten, teils aus Furcht vor den Mühen des Kinderaufziehens, teils in 
der Absicht vorgenommen wird, um schön und begehrenswert zu bleiben. Von 
der Abtreiberin wird eine braune, gallebittere Flüssigkeit verabfolgt, die sehr 
bald die erwünschte Wirkung herbeiführt. Viele Frauen sollen allerdings 
dabei zugrunde gehen. _ Dr. Dohrn-Hannover. 


e. Syphilis. 

Ceber den Wert der Wassermannschen Reaktion für die Diagnose 
der hereditären Syphilis. Von R. Demanche und G. Dötrö-Paris. Travail 
du laboratoire de M. Queyrat ä l’hdpital Cochin annexe. Comptes rendus de 
la soc. de biol.; LXVIU, 1910, Nr. 20. 

Die Autoren prüften den Wert der Wassermannschen Reaktion bei 
76 Kindern, von denen 12 an hereditärer Syphilis litten oder darauf verdächtig 
waren; 64 dieser Kinder wurden in einer Poliklinik (Dispensaire de la caisse 
de l’öcole da VII. e arrondissement) bekannt. Ihr Schicksal konnte mehrere 
Jahre hindurch verfolgt werden. Es wurde entweder die klassische Technik 
Wassermanns oder die Modifikation nach Hecht angewendet. 

Bei der in der Entwicklung befindlichen Syphilis heredit&ria praecox 
war die Reaktion in 87,5 # /® der Fälle positiv, in «ähnlichem Prozentsätze, wie 
bei der floriden Form der akquirierten Syphilis. Bei der SyphiliB heredit&ria 
tarda dagegen fanden sich unter 5 Fällen 4 negative; ein negatives Ergebnis 
gestattet daher, besonders nach der späteren Jugend, 8yphilis nicht vollständig 
auszuschließen. 

Bei Kindern, die frei von Syphilis waren, war die Reaktion konstant 
negativ. 

Unter 22 Fällen mit verdächtigen Erscheinungen: Hydrocephalus, 
Littlesche Krankheit, Kopfschmerz, Phalangitis, Ceratitis, Ozaena, Leber¬ 
tumor, Zurückbleiben der geistigen Entwicklung mit vielfachen Mißbildungen — 
war die_ Reaktion 9mal positiv; 6mal war sie teilweise positiv. Es war 
durch die Untersuchung des Serams also möglich, den syphilitischen Ursprung 
in einer Reihe von Fällen, insbesondere bei Littlescher Krankheit, Ozaena, 
Ceratitis interstitialis nachzuweisen. Negative Ergebnisse können sich übrigens 



694 


Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


nach durch das Alter der Prozesso erklären, die snr Zeit in ihrem Verlaaf 
eine Art Stillstand erfahren hatten. 

Aach bei Störungen in der Entwicklung, schlechtem Allgemeinbefinden, 
beträchtlicher Gewichtsabnahme, aasgesprochener Bhachitis war tob 87 Fällen 
die Reaktion positiv in 4, teilweise positiv in 11, negativ dagegen in 22 Fällen. 

_ Dr. Mayer-Simmern. 


Die Serodlagnestlk der Syphilis. Aas dem k. Institut für Infektions* 
krnnkheiten in Berlin. Von A. Wassermann and G. Meier. Münchener 
med. Wochenschrift; 1910, Nr. 24. 

Mit Rücksicht aaf die nach der Meinung mancher Forscher bestehenden 
Kompliziertheit der ursprünglichen Methodik der Serodiagnostik der Syphilis 
and am die Originalversachsnnordnung empfindlicher za gestalten, sind in den 
letzten beiden Jahren verschiedene Modifikationen der ursprünglichen Methodik 
entstanden, welche daza dienen sollen, diese za vereinfachen und jeden 
Arzt in die Lage za versetzen, die Untersuchung selbst aassnführen, ferner 
die Methode so empfindlich za gestalten, daß auch bei den vereinzelten, bis 
dahin noch negativ reagierenden Fällen von sicherer Syphilis eine positive 
Reaktion erzielt wird. 

Nachdem die Verfasser sich in eingehender Weise über die ver¬ 
schiedenen neueren Modifikationen geäußert haben, kommen sie zu dem Schlosse, 
za dem nach andere aaf diesem Gebiete erfahrene Autoren gelangt sind, daß 
trotz der vielen Modifikationen, die vorgesohlagen and 
bereits zam Teil wieder verschwanden sind, nicht eine einzige 
die ursprüngliche Methodik za ersetzen oder gar an ver¬ 
drängen imstande ist. 

Eine so verantwortungsvolle Methode, wie es die Serodisgnostik der 
Laos ist, kann nar aaf einem Wege bei den Aerzten populär werden, wenn 
sie absolat zuverlässig ist and sicher beherrscht wird. Bs wird für die Aerzte 
vorläufig besser sein, in möglichst vielen Fällen das Sernm der verdächtigen 
Patienten an einer Stelle, wo die Methode in einwandfreier Weise aas- 
geübt wird, antersachen za lassen, als unter Verschlechterang einer nan schon 
seit mehreren Jahren allgemein als einwandsfrei erwiesenen Methode ein ihnen 
doch immer fremd bleibendes Gebiet schematisch, ohne Kenntnis der möglichen 
Fehlerquellen aoszuüben. _ Dr. Waibei-Kempten. 


Ueber eine neue Splroehätenfärbnng. Von Dr. Richard Kalb, 
Assistenzarzt der dermat. Klinik des städt. Krankenhauses zu Frankfurt a. M. 
Münchener med. Wochenschrift; 1910, Nr. 26. 

Verfasser teilt in aasführ lieber Beschreibung ein einfaches, rasches und 
bequemes Verfahren zam Nachweis von Spirochäten mit, nach welchem er bis 
jetzt in 49 Fällen, mit Ausnahme eines einzigen Falles, die Spirochäten sicher 
and rasch fand. Die Methode nimmt nor eine Zeitdauer von */• bis 1 Minute 
in Ansprach and läßt sich bei einiger Uebung and nach Herstellen einiger 
Präparate gat aneignen. Näheres im Original. Dr. Waibel-Kemptea. 


Ueber einfache Methoden zar schnellen Färbung lebender Spiro¬ 
chäten. Von Dr. Meirowski in KOla a. Rh. Münchener med. Wochen¬ 
schrift; 1910, Nr. 27. 

Wenn man sich aas Methyl violett and einigen Tropfen physiologischer 
Kochsalzlösung einen Farbstoffbrei herstellt and diesen in einen alserierten 
Primäraffekt oder in ein alzeriertes Kondylom kräftig einreibt, so enthält das 
nach einigen Minuten entnommene Reizserum die Spirochäte pallida and die 
Spirochäte refringens mehr oder weniger intensiv violett gefärbt. Die Inten¬ 
sität der Färbang bängt von der Konzentration der angewendeten Farbstoff- 
lOsang and von der Intensität der Einreibung ab; sie ist erkennbar an der 
Färbang der lipoiden Hülle der roten Blutkörperchen. Diese maß tiefblau- 
violett gefärbt sein, wenn die Färbung als gelangen gelten soll. Im Gegensatz 
za der hellvioletten Färbang der Spirochäte pallida ist die Sp. refringens intensiv 
blau violett tiagiert. Dr. Waibel-Kemptea. 



Kleinere Mitteilangen and Bef ernte aas Zeitschriften) 


695 


Sexaalhygiene and Sexualpädagogik. Nach einem im Verein „Frauen¬ 
fortschritt“ in Prag gehaltenen Vortrage. Von Dr. Theodor Altschal. 
K. K. Obersanitätsrat (Prag). Deutsche Vierteljahrsschrift ihr öffentliche 
Gesundheitspflege; 1910, 2. H. 

Wie der Verfasser es bereits in einer kleinen Schrift „Sexuelle Auf¬ 
klärung der Jagend“ betont hat, soll man dem Kinde die Wahrheit über alle 
Dinge — and so nach in sexuellen Fragen — and in dem Maße sagen, als 
es dem Auffassungsvermögen des Kindes entspricht. Man darf daher die 
Wißbegier nicht mit der Antwort: „Das brauchst Da nicht sa wissen“, ab¬ 
fertigen. 

Bei der sexuellen Aufklärung maß aber sehr strenge unterschieden 
werden swischen Belehrungen über biologische Vorgänge and Aufklärungen 
besüglich des Geschlechtsverkehrs und der Geschlechtskrankheiten. Diese 
Aufklärung kann nur in einer geringen Zahl von Fällen durch die gebildete 
Matter in wirklich rationeller Weise erfolgen. In biologischer Beziehung 
kann die reifere Jagend in der Schale genügend vorgebildet werden. Die 
eigentliche sexuelle Aufklärung soll durch den Arzt (Schularzt) erfolgen. 

Darchaus richtig ist der Standpunkt Albert Mo 11 s, daß für eine sach¬ 
gemäße Aufklärung bald der Vater, bald die Matter, in dem einen Falle der 
Lehrer, in dem andern der Arzt zuständig ist and daß durch diese Aufklärung 
die Entwicklung einer sexuellen Neurasthenie verhindert werden kann. 

Eine Aufklärung über die Gefahren der Geschlechtskrankheiten durch 
geeignete Aerzte bezw. Aerztinnen erscheint nur für die reifere männliche und 
weibliche Jagend angebracht. 

Ueber die Koödukation als Erziehungsmittel zur Sittlichkeit kann der 
Verfasser vorläufig kein abschließendes Urteil abgeben, da sie erst zu kurze 
Zelt darchgeführt wird. 

Ein wichtigeres Hilfsmittel ist die körperliche Kräftigung der Jugend 
durch Turnübungen, Jagendspiele und eine gut aasgewählte Jugendlektttre. 

Ein ausgiebiger Erfolg im Kampfe gegen die Geschlechtskrankheiten 
ist aber nur möglich, wenn die Bekämpfung der Prostitution durch Beseitigung 
des sozialen Elends gelingt. Mutterschutz, Säuglingsfürsorge, Bekämpfung 
des Alkoholmißbrauchs, Wohnungsreform, Bassenaaslese, das sind die einzelnen 
Etappen auf diesem Wege. Dr. Kurpjuweit-Swinemünde. 


f. Sonstige Krankheiten. 

Zur Aetiologle der Karzinome. Aus Hofrats Dr. A. Theilhabers 
Frauenheilanstalt. Von A. Theilhaber und 8. Greischer. Münchener 
med. Wochenschrift; 1910, Nr. 16. 

Die mit Felix Theilhaber zusammen vorgenommenen Untersuchungen 
haben ergeben, daß das Karzinom des Uterus bei Beichen und Jüdinnen 
seltener ist wie bei Armen and Christinnen. 

Bezüglich des Mammakrebses ergaben die Leichenschaoscheine der 
Stadt München aus den Jahren 1907, 1908 and 1909, daß das Brustdrüsen- 
karzinom amgekehrt weit häufiger ist bei Ledigen, Beichen und Jüdinnen. 
Ursachen: Seltene Schwangerschaften, seltenes Stillen, starkes Schnüren, 
Basseneigentümlichkeit. Der Magenkrebs ist häufiger bei Aermeren 
(Alkoholismus P) und bei Köchinnen (Genoß von sehr heißen Speisen); dagegen 
ist der Mastdarmkrebs häufiger bei den Beichen (Kotstauungen, Hä¬ 
morrhoiden), am häufigsten bei den hohen Beamten. 

Im Allgemeinen erkranken Beiche häufiger an KrebB (aller Organe 
zusammen), wohl weil von ihnen infolge der geringeren Sterblichkeit an 
Säaglingskrankheiten, Berufskrankheiten und Tuberkulose mehr Leute ins 
höhere Alter gelangen. Der Krebs aller Organe tritt bei den reichen 
Leuten in höherem Alter auf als bei den Armen. Die Juden erkranken im 
ganzen an Krebs (aller Organe zusammen) häufiger als die Christen, wahr¬ 
scheinlich aus denselben Gründen, wie die bei den reichen Leuten angeführten. 

Die Krebssterblichkeit hat sich in München seit 40 Jahren ver¬ 
doppelt. Die Zunahme ist zum Teil eine wirkliche, bedingt durch beträchtliche 
Abnahme der Kindersterblichkeit, des Typhus etc. Da die Sterblichkeit in 
München ln dieser Zeit von 40 pro Mille auf 17 pro Mille herabgegangen ist, 
mußten die Alterskrankheiten häufiger werden. Zum Teil ist die Zunahme 



696 


Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


der Krebssterblichkeit eine Folge der genaueren Diagnosestellung, also nur 
eine scheinbare. 

Für die Entstehung des Krebses ergibt das Studium der Narben 
wichtige Aufschlüsse, insofern die Entstehung von Karzinomen auf Narben 
weit h&ufiger ist, als man bisher annahm. 

In geringem Grade disponieren zur Entwicklung von Karzinomen die 
Narben von Stichwunden, yon nicht zu großen Schnittwunden, von Narben an 
der Hand, am Oberschenkel, an der Wade pp. 

Hochgradig disponierend wirken große, breite Narben, breite Brand* 
narben, tiefgehende Narben (Mastitis), Narben bei schon kranken Individuen 
(Lues, luetische Endarteritis, Tuberkulose, Lupus etc.), Magengeschwürsnarben, 
Hautnarben, bei denen in der Umgebung wenig gesundes Bindegewebe vor* 
banden ist (an der Tibia, am Schädeldach festsitzende Narben). Trauma sowohl, 
wie Narbe wirken durch Stoffwechselstörung in den mesodermalen Geweben. 

Die Karzinomrezidive nach vollständiger Entfernung alles Kranken 
würden sich vielleicht zum Teil daraus erklären, daß gerade ausgedehnte 
Narben nach Karzinomoperationen wie jede große Narbe eine Prädisposition 
zum Karzinom schaffen, um so mehr als ja die hochgradig disponierende 
Stenose der Gefäße, die zum ersten Karzinom mit Veranlassung gab, meist 
auch nach der Operation in der Umgebung weiterbesteht. Vielleicht könnte 
man die Rezidive hinausschieben durch Hyperämisierung der Narbe (heiße 
Umschläge, Bier sehe Stauung, blutige Schröpfköpfe, Anwendung der Elek* 
trizität, bei Uterus*Karzinomen durch Heißwasserscheidenspülungen und Ein* 
nehmen von Ovarialsubstans. _ Dr. Waibei-Kempten. 


Die Belle der Flühe bei der Uebertragung der Pneumonie. Von 
P. Mauriac. Journal de Mädecine de Paris; 1910, Nr. 24. 

Flöhe, welche auf Mäusen gelebt haben, die an Pneumokokken sepsis ein¬ 
gingen, sind imstande, gesunde Mäuse, die Bie nach dem Tode ihrer Wirte 
anspringen, zu infizieren. Setzt man eine gesunde Maus in den Käfig einer 
infizierten, so stirbt die gesunde Maus ebenfalls an Pneumokokkensepsis, wenn 
das infizierte Tier Flohträger war. Bei Abwesenheit von Flöhen überlebt die 
zugesetzte Maus. Durch Verfütterung werden Pneumokokken nicht über¬ 
tragen. Sind gesunde und infizierte Mäuse in getrennten Käfigen unter¬ 
gebracht, so können die gesunden Tiere infiziert werden, selbst wenn ein 
Zwischenraum von 10 cm zu überspringen ist. In einem Falle wurde eine 
Maus mit Pneumokokken infiziert, der man eine Aufschwemmung zerriebener 
Flöhe injizierte. Mikroskopisch fanden sich die Erreger der Lungenentzündung 
oft im Mageninhalt der Flöhe. Dr. Bevenstorf-Breslau. 


g. Desinfektion. 

Ist die Wohnungsdesinfektion nach unseren jetzigen Kenntnissen, 
insbesondere Im Hlnbliek auf die neuere Lehre von den Bazillenträgern, 
noch berechtigt nnd erforderlich! Von Dr. E. Walter, I. Assistent am 
hygienischen Institut in Greifswald. Deutsche Vierteijahrschrift für öffentliche 
Gesundheitspflege; 1908, 41. Bd., 4. Heft. 

An der Hand zahlreicher Literaturangaben weist der Verfasser nach, 
daß Krankheitsübertragungen durch Wohnungen nur in sehr wenigen Fällen 
wirklich erwiesen, durch eine ganze Beihe von Beobachtungen jedoch wahr¬ 
scheinlich gemacht sind. Er nimmt aber an, daß derartige Infektionen wahr¬ 
scheinlich nicht selten sind, obwohl ihr exakter Nachweis schwierig ist. 

Gegen die Infektionen ist das Desinfektionsverfahren mit Formaldehyd 
das einfachste und wirksamste Mittel. Formaldehyd vermag bei einer lege 
artis angeführten Wohnungsdesinfektion die bekannten Erreger der meisten 
Infektionskrankheiten sicher zu vernichten. Nur die sporenbildenden Milzbrand- 
und Tetanusbazillen, einige Stapbylokokkenstämme und unter Umständen 
Tuberkelbazillen werden nicht abgetötet. Gewöhnlich ist die Formaldehyd¬ 
desinfektion auch bei Tuberkulose wirksam. Der einzige Mangel dieser 
Desinfektion ist die geringe Tiefenwirkung des Gases. Betten, Kissen, Teppiche 
nsw. müssen daher mit Dampf oder mit Desinfektionsflüssigkeiten desinfiziert 
werden. Wenn auf diese Weise die Formaldehyddesinfektion ergänzt wird. 



Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 


697 


dann kann man sicher annehmen, daß die in den Wohnungen vorhandenen 
Krankheitskeime vernichtet werden. 

Wenn in desinfizierten Bäumen Neuerkrankungen Vorkommen, dann ist 
es wahrscheinlich, daß diese durch völlig gesunde Individuen aus der Um* 
gebung des Erkrankten, welche pathogene Reime beherbergen und ausscheiden, 
hervorgerufen werden. 

Um dem vorzubeugen, daß nach vollendeter Desinfektion fticht erkrankte 
oder gesunde Individuen ungehindert wieder pathogene Keime in der Wohnung 
ausstreuen, muß eine bakteriologische Untersuchung des Rekonvaleszenten 
und ihrer Umgebung stattfinden. Werden Bazillenträger gefunden, so sind 
sie über die Gefährlichkeit und Desinfektion ihrer Ausscheidungen zu belehren. 
Erst nach Abschluß aller Untersuchungen darf, nach Ansicht des Verfassers, 
zur endgültigen Desinfektion der Wohnräume geschritten werden. 

Dr. Kurpjuweit-Swinemünde. 


Ist die Desinfektion einer von einem Phthisiker geräumten Wohnung 
mittels Formaldehyd unbedingt erforderlieh? Von Kreisarzt Dr. Kirstein- 
Stettin. Desinfektion; Jahrg. 3, H. 5. 

Verfasser ist der Ansicht, daß unter gewöhnlichen Verhältnissen darauf 
verzichtet werden kann. Eine Formaldehyddesinfektfon empfiehlt sich jedoch — 
abgesehen natürlich von denjenigen Fällen, wo dieselbe seitens des Publikums 
ausdrücklich verlangt wird — dann, wenn eine Renovierung der geräumten 
Wohnung stattfinden soll, und zwar aus dem Grunde, um die betreffenden 
Handwerker, Anstreicher, Tapezierer usw., welche häufig den Anstrich ab* 
kratzen bezw. die Tapeten entfernen müssen, vor einer Ansteckung sicher zu 
schützen. In diesen Fällen ist gewöhnlich auch Zeit genug für die Vornahme 
der Formaldehyddesinfektion übrig. In allen übrigen Fällen möchte Verfasser 
Vorschlägen, eine von einem Phthisiker geräumte Wohnung folgendermaßen 
zu desinfizieren. Zunächst wird die Wohnung auf frische, bezw. angetrocknete 
Sputummassen seitens der Desinfektoren abgesucht. Erstere werden entweder 
durch Kochen oder durch Verbrennen vernichtet, letztere werden mit 6%. 
SublimatlÖ8ung gründlich durchfeuchtet, die von allen bisher zur Vernichtung 
von phthisischem Auswurf verwendbaren chemischen Desinfektionsmitteln weitaus 
am wirksamsten sich erwiesen hat. Vorgefundene Staubmassen in Zimmer¬ 
ecken, auf Oefen, Türleisten usw. werden mit 6°/o» Subiimatlösung gründlich 
durchtränkt Alsdann erfolgt eine gründliche Befeuchtung von Spalten, Bissen 
und Fugen der Fußböden und der Wände mit 5*/oo 8ublimatlösung und Ab* 
scheuern der Fußböden mittels Schrubber unter Zuhilfenahme derselben Lösung. 
Nunmehr werden die Wandflächen in der Umgebung der früheren Lagerstelle 
des Phthisikers auf wenigstens 2 m Entfernung mit 6°/©* Sublimatlösung ge¬ 
tränkten Lappen gründlich abgewaschen, dasselbe geschieht mit Türrahmen 
in der Nähe der Türgriffe und mit letzteren selbst, mit Fensterrahmen und 
Fenstergriffen, und zwar mindestens bis zu einer bei ausgestrecktem Arm 
erreichbaren Höhe, mit Fensterbrettern, Scheuerleisten, dem Abortsitz, eventuell 
auch mit Kachelöfen und dergleichen mehr. Bei starker Beschmutzung der 
genannten Teile ist hierbei eine Scheuerbürste zu Hilfe zu nehmen. An diese 
mittels 5°/oo Sublimatlösung vorgenommene chemische Desinfektion hat sich 
noch eine gründliche mechanische Reinigung der ganzen Wohnung mittelst 
Scheuerbürste, heißer Seifenlösung und viel Wasser und eine ausgiebige Lüftung 
der Räume anzuschliefien. Die oben geschilderte chemische Desinfektion, ver¬ 
bunden mit einer gründlichen Reinigung der Wohnung, dürfte hinsichtlich der 
Desinfektion der von Phthisikern geräumten Wohnungen mindestens denselben 
Erfolg aufzuweisen haben, wie das seither geübte Formaldehyddesinfektiona- 
verfahren, das häufig die Hauptmaßregel, die wirksame mechanische Reinigung, 
in den Hintergrund drängt. Das beschriebene Verfahren hat vor letzterem 
noch den Vorteil, daß es bei genügender Anzahl geübter Kräfte binnen 
kürzester Frist, durchschnittlich wohl in zwei Stunden, ausgeführt werden 
kann und mit wesentlich geringeren Kosten verbunden ist. Der erste Teil 
des Verfahrens, die chemische Desinfektion mittelst 5°/«« Sublimatlösung wird 
zweckmäßig von geschulten Desinfektoren ausgeführt, während der zweite 
Teil, die gründliche mechanische Reinigung, durch Scheuerfrauen erledigt 
werden kann. Es dürfte sich daher für den großstädtischen Desinfektions- 



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Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


dienst empfehlen, außer der Desinfektoren- noch eine Schenerfraaenkolonne 
einzastellen. Dr. Wolf- Witzenhansen. 

8. Abw&aserrelnlgnng und Kanalisation. 

Die toh städtischen Abwässern in besorgenden Infektionsgefahren 
and die Xasfregeln in ihrer Bekämpfang. Von Stabsarzt Dr. Kätscher 
in Berlin. Vierteljahrsschrift für gerichtl. Medizin n. öffentl. Sanitätswesen; 
3. Folge, 30. Bd., 1910, 2. H. 

Für die Frage der Infektiosität der Abwässer ist es gleichgiltig, ob 
Kot and Harn in denselben zugleich mit abgeführt werden oder nicht; denn 
aach ohne daß dieses geschieht, nehmen die Abwässer einen großen Teil des 
Harns and der F&kalien — nach König etwa zwei Drittel — auf. Als In¬ 
fektionserreger kommen nar ganz bestimmte, verhältnismäßig wenige Arten 
in Frage, nämlich in erster Linie die Erreger infektiöser Darmerkrankongen 
der asiatischen Cholera, des Unterleibs- and Paratyphus, in zweiter Linie die* 
jenigen der bazillären Rohr. Aach bei der sogenannten W eil sehen Krank¬ 
heit, dem infektiösen Icterus, spielt die Infektion vom Wasser her eine gewisse 
Rolle. Als Infektions w e g ist hauptsächlich die Möglichkeit des Eindringens 
der Erreger von den Verdaaongswegen aas in Betracht za ziehen. Hinsicht¬ 
lich der Verseuchung von AbwässBern durch Typhös sei noch besonders be¬ 
merkt, daß die Ausscheidung der Typhusbazillen mit dem Harn gewöhnlich 
gegen Ende der zweiten Krankheitswoche beginnt und in der Rekonvaleszenz 
Wochen und Monate anhalten kann. Betreffs ihres Verhaltens in der Außen¬ 
welt geht aus neuen Beobachtungen mit Sicherheit hervor, daß die Typhus¬ 
erreger gegen äußere schädigende Einflüsse, namentlich gegen Austrocknung 
verhältnismäßig widerstandsfähig sind. Verfasser konnte in alten ausgetrock¬ 
neten Agarkulturen noch nach 8 Monaten lebensfähige Typhusbazillen nach- 
weisen. Diese Widerstandsfähigkeit des Typhusbacillus gegen Austrocknung 
kann gelegentlich einmal von Wichtigkeit sein bei seinem Verhalten im Erd¬ 
boden, von welchem aus wiederum eine Infektion des Wassers, z. B. durch 
Einschwemmung in Brunnen möglich ist. — Aehnlich wie der Typhusbadllas 
ist auch der Erreger des Paratyphas gegen Eintrocknung außerordentlich 
resistent. Sehr viel (geringer gegen schädigende äußere Einflüsse ist dagegen 
die Resistenz der S hi ga- Kruse sehen Ruhrbazillen, indem sie der Ueber- 
wucherung durch Saprophyten sehr schnell erliegen. 

Die Maßregeln zur Bekämpfung der von städtischen Abwässern 
za besorgenden Desinfektionsgefahren erstreben, daß 

1. Die genannten Desinfektionserreger, bevor sie in die Abwässer hin¬ 
eingelangen können, nach Möglichkeit unschädlich gemacht werden. 

2. Dennoch in die Abwässer hineingelangte Infektionskeime mit den¬ 
selben möglichst unschädlich beseitigt werden. 

3. Eine Infektion seitens des mit Abwässern verunreinigten Trink- oder 
Nutzwassers oder sonstiger Nahrungsmittel nach Möglichkeit verhütet wird. 

Diesen Zielen sucht man gerecht zu werden einmal durch fortlaufende 
Desinfektion am Krankenbett, sodann durch möglichst schnelle und vollkommene 
Entfernung der Abwässer aus dem Bereiche der menschlichen Wohnungen, 
was am einwandfreiesten nar durch eine sorgfältige Kanalisation gelingt and 
schließlich bis za einem gewissen Grade durch die verschiedenen Verfahren 
der Abwässerklärung bezw. -Reinigung: das mechanische, chemische and bio¬ 
logische. Mechanisch geklärte Abwässer enthalten natürlich noch Bak¬ 
terien, unter ihnen gegebenenfalls auch pathogene in großen Mengen; der 
bakteriologische Effekt der chemischen Klärung ist nicht wesentlich 
höher als derjenige der mechanischen Behandlung der Abwässer und ebenso¬ 
wenig übt die künstliche biologische Reinigung einen nennenswertes 
schädigenden Einfluß auf die in den Abwässern enthaltenen pathogenen Bak¬ 
terien aus. Bel den biologischen Anlagen werden daher ebenso rrie bei dem 
mechanischen Kläranlagen unter Umständen Vorkehrungen gefordert werdem 
müssen, welche in Zeiten von Epidemien, deren Erreger durch Wasser über¬ 
tragen werden können, die Desinfektion der Gesamtabwässer gestatten. Wo- 
aentlich günstiger liegen die Verhältnisse bei den verschiedenen natürlichem 
biologischen Verfahren: der Berieselung and der namentlich in Amerika 
mit günstigem Erfolg angewandten intermittierenden Bodenfiltrm- 
tion nach Frankland. 



Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


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Durch ein ordnungsmäßiges Rieselverfahren gereinigte Abwässer wird 
man als hygienisch einwandsfrei in jedem Fall unbedenklich den Vorflutern 
übergeben können. 

Handelt es sich um die Notwendigkeit einer Desinfektion der Gesamt* 
abwässer, so wendet man am zweckmäßigsten den Chlorkalk an, der fiel 
energischer als der Kalk wirkt. Seine nachträgliche Neutralisierung erfolgt 
durch Eisenvitriol. Die wichtigste Maßnahme von allen bleibt eine aus¬ 
reichende Desinfektion der Abgänge bei solchen Krankheiten, deren 
Erreger durch Wasser verschleppt werden. Dr. Hillenberg-Zeitz. 


8. Hygiene der Nahrung»- und Genussmittel. 

Die Ursache der Hackfleischepldemlen im Rudolf Ylrchow-Kranken¬ 
hause und die dagegen zu ergreifenden Massnahmen. Gutachtliche Aeußerung 
der Königlichen Wissenschaftlichen Deputation für das Medizinalwesen. 
Referenten: Gaffky, Dietrich, Abel, Kraus. Vierteljahrschrift für 
gerichtliche Medizin und Öffentliches Sanitätswesen; 1910, S. Folge, 89. Bd., 2. H. 

Während von 3 Gastro-Enteritis-Epidemien im Juni und Juli 1908 im 
Rudolf Virchow-Krankenhause, die teils Schwestern, teils Waschmädchen 
betrafen, bei keiner die Ursache der Erkrankungen hat aufgeklärt werden 
können, ist eine 4. Epidemie, bei welcher eine größere Zahl Schwestern — 
108 insgesamt — erkrankten, ohne Zweifel durch den Genuß von rohem 
Hackfleisch verursacht worden. Auch Wärter hatten von dem gleichen Fleisch 
erhalten, waren jedoch in der überwiegenden Mehrzahl gesund geblieben, da 
sie dasselbe vor dem Genuß hatten anbraten lassen. Besonders aus dieser 
bemerkenswerten Tatsache geht hervor, daß die gesundheitsschädliche 
Wirkung nicht sowohl durch ein in dem Fleische vorhandenes fertig gebildetes 
chemisches Gift bedingt gewesen ist, als vielmehr durch krankheitserregende 
Mikroorganismen, die im vermehrungsfähigen Zustand in dem rohen Hackfleisch 
vorhanden waren. Und zwar wurden im Königlichen Institut für Infektions¬ 
krankheiten als eigentliche Krankheitserreger Paratyphusbazillen B, daneben 
in einigen Stühlen als mehr zufälliger Befund Gärtnersehe Enteritisbazillen 
nachgewiesen. An den zur Hackfleischbereitung verwendeten Fleischstücken 
konnte weder durch die Sinnenprüfung, noch durch eingehende chemische 
Untersuchung Abweichungen von der Beschaffenheit frischen unverdorbenen 
Fleisches aufgefunden werden; auch Fütterungsversuche mit Fleischproben 
aus den Orginalstücken haben zu keinem positiven Ergebnis geführt. Wie 
sind nun die Bakterien in das Hackfleisch hinein gelangt? Man hat an die 
Möglichkeit gedacht, daß unter den mit der Zubereitung des Fleisches be¬ 
schäftigten Personen ein mit Paratyphusbazillen behafteter Bazillenträger sich 
befunden, oder daß die zur Zerkleinerung des Fleisches benutzte Hackmaschine 
die Enteritiskeime bereits enthalten haben könnte. Die in diesen Rich¬ 
tungen angestellten Ermittelungen verliefen jedoch ergebnislos; es läßt sich 
betreffs der Herkunft nur soviel sagen, daß bei der weiten Verbreitung der 
Paratyphusbazillen in der Umgebung des Menschen für die Infektion des 
Hackfleisches verschiedene Wege in Betracht kommen, ohne daß man imstande 
wäre, einen bestimmten herauszufinden. Das sicherste Mittel, Erkrankungen 
durch infiziertes Fleisch vorzubeugen, besteht darin, von dem Genuese rohen 
Hackfleisches vollständig abzusehen, zumal dieses gegenüber dem 
gebratenen hinsichtlich Nährwert, Verdaulichkeit keinen Vorzug besitzt In 
geschlossenen Anstalten ist die Verabreichung rohen Hackfleisches vollends zu 
vermeiden. 1 ) _ Dr. Hillenberg-Zeitz. 

Ueber weitere Verwendbarkeit des „Kufeke • Kindermebles“. Mit¬ 
teilung aus der ärztlichen Praxis und dem KOnigl. Krankenstift in Dresden 

g irenor Hofrat Dr. Honecker). Von Dr. Freudenberg-Dresden. Der 
nderarzt; XVII. Jahrgang, H. 12. 

Während das Kufekesche Heilmittel bisher meistens nur als Kinder¬ 
nährmittel und Kinderheilmittel bei gewissen Verdauungsstörungen gebraucht 
wurde, eignet es sich auch in hervorragendem Maße für kranke, schwache, 
senile Erwachsene. Beim Kinde sowohl, wie bei dem in seiner Vitalität ge- 


*) Siehe den infolge dieses Gutachtens ergangenen Minist.-Erlaß vom 
14. Januar 1910; Beilage zu Nr. 8 der Zeitschrift, 8. 28. 



700 


Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


stOrten Erwachsenen liegt bezüglich der Verdannngsorgane die gleiche Empfindl 
llchkeit and leichte Verletsbsrkeit and die hierdurch bedingte Schonungs- 
bedttrftigkeit vor. Nach Verfassers Versuchen ist nun das Knicke sehe Meh- 
nicht nur ein vortreffliches Nährmittel für Erwachsene, sondern es macht auch 
die bei Krankheitszaständen so wichtige Milch als Zusatz wohlschmeckender, 
nahrhafter and leichter verdaalich. Es leistet für die Ernährung tatsächlich 
soviel, wie gleiche Mengen von Eiweiß, Kohlehydrate etc. in irgendeiner leicht- 
verdaulichen Form. Dabei wird es von Erwachsenen gern genommen and 
eignet sich als Nahrangs- and Kräftigungsmittel namentlich in solchen Fällen 
wo Milch nicht vertragen wird. _ 


4. S&ugllngefttrsorge. 

Tuberkulose and Stillen. Von Dr. A. Deutsch-Frankfurt a. M. 
Münchener med. Wochenschrift; 1910, Nr. 26. 

Verfasser stellte an 74 Müttern und 77 Säuglingen, welche er 1—2 Jahre 
hindurch beobachten konnte, Untersuchungen an, wobei er hauptsächlich die 
Fragen zu behandeln suchte: Wie die Tuberkulose auf die Stillfähigkeit wirkt? 
Wie das Stillen auf den Verlauf der Tuberkulose wirkt? Wie häufig die 
Tuberkulose unter den Stillenden ist? Wie die Ernährung an der Brust einer 
tuberkulösen Mutter auf den Säugling wirkt; ob sie die Tuberkulose auf ihn 
übertragen hilft oder ihn sonst schädigt? 

Wenn auch Verfasser mit Rücksicht auf das bescheidene Beobachtungs¬ 
material sich vorerst in seinen Schlußfolgerungen etwas vorsichtig aussprechen 
mOchte, stehen doch für ihn folgende Forderungen fest: 

1. Säuglingsfürsorgestellen (Mütterberatungsstellen) haben die Ver¬ 
pflichtung, nicht nur die überbrachten Säuglinge, sondern auch deren Mütter 
bei der Aufnahme (die Mütter am besten schon vor der Entbindung) zu unter¬ 
suchen, über die Zulässigkeit des Stillens zu entscheiden und die Stillenden 
ständig zu überwachen. 

IL Müttern mit deutlichen tuberkulösen Lungenveränderungen ist in 
ihrem eigenen Interesse wie im Interesse der Kinder das Stillen unbedingt zu 
verbieten. Mütter mit verdächtigen Veränderungen dürfen nur unter ärztlicher 
Ueberwachung das Stillen versuchen. 

IQ. Ist Verfasser der Ueberzeugung, daß mit der Ausbreitung des 
Stillens allein der Säuglingsnot nicht zu steuern ist; dazu ist die Verbreitung 
der Taberkulose unter den Müttern und die Bedeutung der Tuberkulose für 
die Säuglingssterblichkeit, insbesondere die Gefahr ihrer Uebertragung durch 
das Stillen, zu groß. 

IV. Die Sänglingsfüraorge muß neben der Propaganda des 8tillens auch 
die 8orge für geeignete künstliche Ernährung weiter pflegen. 

V. Dazu muß sie eine neue Pflicht übernehmen: Mitarbeit an der Be¬ 
kämpfung der Tuberkulose. _Dr. Wai bei -Kempten. 


Slugllngsmtlch und Ihre Behandlung Im Haushalt. Von Dr. P. Sommer¬ 
feld. Blätter für Volksgesundheitspflege; 1910, Nr. 6. 

Verwendung sauber gewonnener, frischer Milch; (Spiritusprobfe; In¬ 
spektion des Bodens der Milchflasche.) Bereitung der Säuglingsnahrung mög¬ 
lichst gleich nach dem Eintreffen der Milch im Hause, oder wenn dies nicht 
mOglich, Kühlhaltung der Milch bis zur Bereitung der Nahrung. Verwendung 
peinlich sauberer Gefäße und Gerätschaften. Nach erfolgter Mischung und 
Erhitzung Abktthlen der Milch und Kühlhalten bis sie zum Trinken wieder 
angewärmt wird. Im Sommer Kühlwasser öfters erneuern, falls kein Eis nu 
Gebote steht. Leere Milchflaschen und Gefäße sofort ausspülen und mit 
Wasser gefüllt stehen lassen bis zur definitiven Reinigung. 

Die Ziegenmilch ist der Kuhmilch durchaus gleichwertig, und ihre Be¬ 
handlung hat ganz nach denselben Grundsätzen zu erfolgen. Vermeidet man 
unsauberes Fatter, hält man vor allem Böcke und Ziegen in getrennten, gut 
gelüfteten Ställen, und nimmt man endlich das Melken möglichst außerhalb 
des Stalles vor, so ist weder ein unangenehmer Geschmack noch Geruch vor¬ 
handen, und die Milch ist von Kuhmilch nicht zu unterscheiden. Zudem ist 
die Ziege entschieden leichter sauber zu halten und sauber zu melken wie 
üe Kuh. D. Wolf• Witzenhansen. 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


701 


Säuglingssterblichkeit und Säuglingsfttrsorge ln Mecklenburg- 
Schwerin. Von Prof. Dr. G. Brttning-Rostock. Zeitschrift fttr sozial- 
Medizin; Bd. V, H. 2—3. 

Es wird auf Grund der mitgeteilten Zahlen fttr einen Zeitraum von 
30 Jahren kein Zweifel daran bestehen können, daß auch fttr das Großherzog- 
tum Mecklenburg-Schwerin die bei den im allgemeinen doch sicherlich nicht 
ungttnstigen Bedingungen relativ hohe Säuglingssterblichkeit dringend der 
Besserung bedarf, falls es nicht hinter den ttbrigen Kulturstaaten Zurück¬ 
bleiben soll. Die Arbeit ist groß, langwierig und vielseitig, aber, sie ist er¬ 
folgversprechend. Wenn diese Ausführungen erreichen würden, [auch fttr 
Mecklenburg die Frage der Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit in dem 
8inne anzuregen, wie es von dem unter dem Protektorate der deutschen Kai¬ 
serin stehenden Komitee im Januar 1906 fttr das ganze deutsche Reich beab¬ 
sichtigt ist, dann wird die relativ große und ansteigende Mortalität der hilf¬ 
losen und unmündigen mecklenburgischen Säuglinge allm&hlig einem Absinken 
Platz machen müssen und vermutlich die fttr Dänemark und das mit den meck¬ 
lenburgischen Verhältnissen sehr viele Aehnlichkeit auf weisende Großherzogtum 
Oldenburg mit 10—12*/o Säuglingsmortalität eintreten. 

_ Dr. W o 1 f - Witzenhausen. 

Ueber die Sterblichkeit und die kSrperliche Wertigkeit der unehe¬ 
lich geborenen Sttnglinge. Von Prof. Dr. Peiper und K. Polenz-Greifs¬ 
wald. Zeitschrift fttr Säuglingsfürsorge; 1910, Nr. 2. 

In den pommerschen Kreisen mit hohem Stillwert ist, wie zu erwarten 
war, die Abnahme der Sterblichkeit der ehelichen und unehelichen 8äugllnge 
eine wesentlich günstigere als in den Kreisen, in welchen die natürliche Er¬ 
nährung erheblich abgenommen hat. 

An sich läßt sich erwarten, daß der uneheliche Neugeborene, der erzeugt 
ist von zumeist gesunden, in der Blüte der Jahre stehenden Eltern bezüglich 
seiner körperlichen Entwicklung eine Minderwertigkeit bei der .Gehurt nicht 
erkennen läßt. Die Beobachtungen des Verfassers bestätigen vollauf diese 
Annahme. Minderwertiger und damit widerstandsloser wird der uneheliche 
Sängüng erst in der Folgezeit. 

Es zeigt sich also, daß von einer minderen Leistungsfähigkeit der Ille¬ 
gitimen nicht gesprochen werden kann. Dr. Wolf-Witzenhausen. 


5. 8ohulygiene. 

Die Beaufsichtigung des Schulgebäudes durch den Schularzt. Von 
Dr. M. Fürst-Hamburg. Das Schulzimmer; 1910, Nr. 1. 

Fttr die Stellung der Schulärzte ist zu verlangen, daß ihr Aufgaben- 
kreis sich in allen Fällen auch auf die Besichtigung des Schulgebäudes zu 
erstrecken hat und zwar am besten nach dem Beispiel der Dienstanweisung 
der Stadt Mannheim. Wo das nicht möglich ist, weil der schulärztliche Dienst 
nur nebenamtlich besorgt wird, da ist zu verlangen, daß der hauptamtliche 
Medizinalbeamte, dem die Hygiene des Schulgebäudes überwiesen ist (Physikus, 
Kreis-, Stadt-, Bezirksarzt usw.), in allen Fällen, wo er sich mit Fragen der 
Hygiene des Schnlgebäudes amtlich zu beschäftigen hat, den zuständigen 
8chularzt beratend hinzuzieht. Vor allen Dingen ist der größte Wert darauf 
zu legen, daß alle Pläne fttr Neu- und Umbauten an Schulen auch dem 
zuständigen Schularzt (auch dem nebenamtlichen) vorgelegt werden, um dessen 
Gutachten zu erzielen. 

Nur wenn man dem Schularzt einen derartigen Einfluß einräumt, kann 
man ein tiefergehendes und innerliches Interesse fttr den ganzen Umfang der 
Schulhygiene bei ihm erwecken und erhalten und verhindern, daß er im Laufe 
der Jahre ein verknöcherter medizinischer Registrator wird. Die immer größere 
Belastung der Medizinalbeamten im Hauptamte mit alten'und neuen Berufs- 
geschälten wird diese immer mehr geneigt machen, unwesentliche Kompetenzen 
auch an nebenamtliche Faktoren der öffentlichen Gesundheitspflege abzutreten, 
wenn nur ein organischer Zusammenhang aller in Betracht kommenden Aemter 
und Persönlichkeiten gewährleistet ist. Dr. Wolf-Witzenhausen. 



702 


Tagesnachrichten. 


Tagesnach richten. 

Debet die Stempelpflicht der amtsärztlichen Zeugnisse für die Führer 
eines Kraftfahrzeuges gehen nach den der Redaktion zngegangenen Mit* 
teilongen die Ansichten der zaständigen Behörden auseinander. Während die 
Obersolldirektion in Cöln 1 ) eine Stempelpflicht an( Grund der Tarifstelle 77, 
Z. 3 a und Z. 4 des preußischen Stempelsteuergesetzes Tom 30. Juni 1909 nicht 
anerkennt, ist die Oberzolldirektion in Hannover entgegengesetzter Ansicht 
und begründet diese damit, daß die Fahrscheine stempelfrei seien und dem¬ 
zufolge die amtsärztlichen Zeugnisse nicht als sogen, stempelfreie Vorseugnizse 
angesehen werden könnten, sondern stempelpflichtig seien. Diesen ver¬ 
schiedenen Auslegungen gemäß haben einzelne Regierungspräsidenten, z. B. in 
Lüneburg, Posen und Merseburg, die Zeugnisse für stempelpflichtig, andere, z. B. 
in Minden, für stempelfrei erklärt. Bei dieser Meinungsverschiedenheit ist eine 
endgültige Entscheidung der Zentralinstanz dringend erwünscht. 


Durch KOnigl. Verordnung ist jetzt auch in Preußen den tierärzt¬ 
lichen Hochschulen das Hecht zur Verleihung der tierärztlichem Doktor¬ 
würde verliehen worden. 


In Elzass-Lothrlngen sind durch Verordnung des Statthalters vom 
11. Juni die Kreisärzte zu Gerichtsärzten ihres Amtsbezirks bestellt an 
Stelle der Kantonalärzte, die bisher als solche fungierten. Gleichzeitig ist 
eine neue Gebührenordnung für geriehtsärstllche Verrichtungen erlassen 
(s. S. 176 der heutigen Beilage), deren Sätze mit derjenigen der preußischen 
Gebührenordnung*) vom 18. Juli 1909 fast genau übereinstimmen. 


Der VII. Deutsche Samaritertag findet vom 7. bis 9. Oktober in 
München statt. Auf der Tagesordnung stehen folgende Vorträge: Professor 
Dr. A. Schmidt in München: Behandlung der schädigenden und nicht selten 
zu Verstümmelungen führendenn kleinen Verletzungen; Bergwerksdirektor 
Meyer-Herne: Rettungsdienst in Bergwerken; Hof rat Dr. Uhr 1-München 
Rettungsdienst im Gebirge; Dr. Tempel-München: Automobil-Transport; 
Dr. WOmer-Leipzig: Das moderne Rettungswesen. 


Der XXVII. Kongress für innere Medisin wird vom 19. —20. April 
1911 in Wiesbaden stattfinden. Als Hauptberatungsgegenstand ist bestimmt: 
üeber Wesen und Behandlung der Diathesen. 


Die vom 12.—16. d. M. in Elberfeld abgeh&ltene XXXV. Hauptver¬ 
sammlung des Deutschen Vereins für äffentliehe Gesundheitspflege war 
gut besucht. Ein Bericht darüber wird in der nächsten Berichtsbeilage ge¬ 
bracht werden. Hier sei nur kurz bemerkt, daß an Stelle der ausscheidenaea 
drei Mitglieder des Zentralausschusses (Stadtbaurat Bredtsohneider- 
Charlottenburg, Oberbürgermeister v. Bor seht-München und 8tadtrat Dr. 
Erismann-Zürich) Oberbürgermeister Veitmann-Aachen, Generalstabsarzt 
der bayerischen Armee Dr. v. Westermeyer-München und Stadtbaurat 
Pot er s- Magdeburg gewählt wurden. 


Auf der am 6. u. 7. d. Mts. in Braunschweig abgehaltenen 89.Haupt¬ 
versammlung des Deutschen Apotheker-Vereins wurden u. a. folgende Be¬ 
schlüsse gefaßt: 

a. Entwurf einer Reichsversicherungsordnung. 

„Gegenüber den Beschlüssen der Reicbstagskommission zum Entwürfe 

') Unsere Mitteilung'in Nr. 16 der Zeitschrift, 8. 682, beruhte auf dieser 
Entscheidung. 

*) Die in voriger Nummer unter Tagesnachrichten (s. S. 668) gebrachte 
Notiz über eine im Großherzogtum Baden erlassene neue Gebührenord¬ 
nung für gerichtsärztliche Geschäfte beruht auf einen Irrtum; eine 
solche ist bereits unter dem 28. Januar 1909 ergangen und in Beilago zu 
Tr. 7, 1909, der Zeitschrift, 8. 48 abgedruckt. 



Tagesnachrichten. 


703 


ober Reichsversicherungsordnung sind die folgenden Mindestforderungen auf- 
zastellen, snf deren Erfüllung sich die Bemühungen des gesamten dentschen 
Apothekerstandes richten müssen: 

1. Der Rabatt soll ein Maximalrabatt sein. 

2. Handyerkaufspreise können nicht Gegenstand einer gesetzlichen 
Regelung sein, sie müssen vielmehr der freien Vereinbarung zwischen Kranken* 
kaasen and Apotheken überlassen bleiben. 

3. § 404 ist in der Fassung des Regiernngsentwnrles wiederherznstellen. 
Will man andere Gewerbebetriebe als die Apotheken an der Versorgung der 
Krankenkassenmitglieder mit Arzneien, soweit die Abgabe derselben nicht den 
Apotheken gesetzlich Vorbehalten ist, teilnehmen lassen, so muß anderseits 
im Gesetz festgelegt werden, daß den Mitgliedern von Krankenkassen die 
Freiheit nicht beschränkt werden darf, auch diesen Teil der ihnen anf Rechnung 
der Krankenkassen verordneten Arzneimittel aus den Apotheken zu beziehen. 

4. Der Vorstand des Deutschen Apotheker-Vereins möge seine Be¬ 
mühungen zur Wahrung der Interessen der Apotheker an der neuen Reichs¬ 
versicherungsordnung auch dahin geltend machen, daß der von der obersten 
Verwaltungsbehörde festgesetzte Rabatt nicht nach der Höhe der Rech¬ 
nung, sondern nach Anhörung der Interessenten den örtlichen Verhältnissen 
entsprechend festgesetzt wird, und so, daß kleine Landgeschäfte, die nach¬ 
weislich bisher keinen Rabatt gegeben haben, auf ihren Antrag ganz von der 
Pflicht der Rabattgewährung befreit werden können.“ 

b. Wahrung der Standesinteressen. 

„Der D. Ap. V. wolle bei dem Herrn Reichskanzler vorstellig werden, 
daß, sobald Gesetze zur Ausarbeitung gelangen, welche die Interessen des 
Apothekerstandes in den einzelnen Bundesstaaten zu jedem derartigen Gesetz¬ 
entwürfe gutachtlich gehört werden.“ 

c. Vor- und Ausbildung der Apotheker. 

„Die Hauptversammlung wolle den Vorstand beauftragen, an den Bundes¬ 
rat erneut eine Eingabe zu richten, in welcher die Einführung des Abiturienten¬ 
examens als Vorbedingung für den Eintritt in das Fach verlangt wird.“ 

d. Regelung des Apothekenswesens. 

.Der D. Ap. V. spricht sein großes Bedauern darüber aus, daß allem 
Anscheine nach eine Regelung des Apothekenwesens durch das Reich nicht 
zustande kommen wird. Er beharrt auf seiner Forderung der allgemeinen 
Durchführung der Vererblichkeit und Veränderlichkeit aller Apothekenbetriebs- 
rechte für das Reich wie für jeden Einzelstaat, betrachtet den von seinem 
Vorstande dem Reichsamt des Innern im Jahre 1908 überreichten, auf diesem 
Prinzipe beruhenden Entwurf als die beste Grundlage für ein solches Gesetz 
und lehnt jede andere Regelung, namentlich aber die Personalkonzession, 
sowie jede Ablösung oder Entschuldung, deren Endziel die Personalkonzession 
ist ab. 

Sollte die Einführung der Personalkonzession nicht aufzuhalten sein, so 
muß den bisher unter irgend welchen Voraussetzungen als vererblich oder 
veräußerlich behandelten Apotheken dieses Recht gewahrt und den Inhabern 
der Personalkonzessionen eine angemessene Berücksichtigung der ehelichen 
Nachkommenschaft und der Witwen sowie ein Kundschaftswert sichergesteilt 
werden.“ 

e. Deutsche Ar’zneitaxe. 

„Der Hauptvorstand wird auf gef ordert, dahin zu wirken, daß in Berück¬ 
sichtigung der stetig vermehrten Betriebsspesen der Apotheken und des in 
den letzten Jahrzehnten bedeutend verteuerten Lebensunterhaltes die Arznei¬ 
taxe endlich die seit Jahren erbetene Aufbesserung erfahre.“ 

f. Vor- und Ausbildung der dispensierenden Kranken¬ 
schwestern und -Brüder. 

„Die Hauptversammlung beauftragt den Vorstand, dahin zu wirken, daß 
die ungesetzmäßige Ausübung der Pharmazie durch Krankenschwestern und 
-Brüder verhindert wird und daß insbesondere die preußische Zivilverfügung 
vom 2. Juli 1853, die Ausbildung und Prüfung von Diakonissen, barmherzigen 
8chwestern und Brüdern betreffend, eine zeitgemäße Aenderung erfährt. Auch 
soll versucht werden, die Materie generell in allen Bundesstaaten zu regeln.“ 



704 


Sprechsaal. 


Cholera. Im D «ätschen Reich sind in den lotsten Wochen mehrfach 
vereinzelte Choleraerkr&nknngen festgestellt: am 9. d. H. bei einem Schiffer 
in Freibarg a. Elbe, am 10. d. H. bei einem Arbeiter in Pirna in 
Sachsen; ferner ist in Spandau die Krankenschwester, die den verstorbenen 
cholerakranken Hilfsrevisor Sarnow gepflegt hatte, ebenfalls an Cholera 
erkrankt; außerdem sind in Kallhof bei 11 arienburg i. W. 10 Erkran- 
kungen und 4 Todesfälle vorgekommen. Die dagegen ergriffenen energischen 
Maßregeln werden hoffentlich die Seuche ebenso wie in früheren Jahren im Keime 
ersticken. — In Oesterreich-Ungarn sind auch vereinzelte Cholera- 
erkranknngen auf getreten, s. B. in Wien 3, in Budapest und Preßburg je 1, 
etwas zahlreicher [(21 (8)] im ungarischen Komitat Baranya, besonders in Mohnes. 

In Italien (Apulien) betrug die Zahl der Erkrankungen und Todes* 
fälle in den Wochen vom 28. Ang. bis 8. Sept. und 4.—10. Sept. 182 (95) und 
82 (69); die Seuche scheint also hier in starker Abnahme begriffen au sein, 
wenn auch mit. Bücksicht aof dio hohe Sterblichkeitsziffer anzunehmen ist, 
daß nicht alle Erkrankungen zur amtlichen Kenntnis gelangen. 

In Rußland hat die Seuche scheinbar in der Woche vom 7.—13. August 
mit 86610 Erkrankungen und 18674 Todesfällen ihren Höhepunkt erreicht; 
denn in der darauf folgenden Woche vom 14.—20. August sind diese Ziffern 
auf 16106 (7748) gesunken. _ 


IpnehmL 

Anfrage des Kreisarztes Dr. R. ln 6t.: 1. Ist Veril — Wurmmittel, beste¬ 
hend aus Arekanuß und Chokolade — und Forbit — Abführmittel, bestehend 
aus Phenolphtolin und Chokolade — für Drogerien zum Verkauf freigegeben ? 

Antwort: Ja; siehe Entscheidung des Ober*Landesgerichts in Düssel¬ 
dorf vom 11. Juni 1910; Beilage zu Nr. 16 der Zeitschrift, S. 120. 

2. Kann gemäß Ministerial* Erlaß vom 6. April 1910, M. V. 388, der 
stellvertretende Medizinalbeamte auch Tagegelder auf die Staatskasse 
liquidieren, wenn der Ort des Dienstgeschäftes vor dem Wohnsitze des zu Ver¬ 
tretenden liegt. 

Antwort: Nein; der Vertreter erhält Tagegelder aus der Staatskasse 
nur für diejenigen Tage, an denen er lediglich am Wohnsitze des Ver¬ 
tretenen beschäftigt ist und keine Dienstreisen in dessen Amtsbezirken vor¬ 
nimmt Auch für die Reisetage zum und vom Wohnsitze des Vertretenen 
werden Tagegelder nur unter derselben Voraussetzung gewährt. 


Erblftranff. Zu dem Artikel „Das Setzen vo n Schröpfköpfen 
durch Hebammen* des Herrn Dr. Koestlin, Direktor der rrovinzial- 
Hebammen-Lehranstalt in Danzig, in Nr. 15 dieser Zeitung, Seite 561 möchten 
wir nns folgende Erklärung erlauben: 

Die Allgemeine Deutsche Hebammenzeitung ist nicht ausschließlich für 
Preußen beredinet, sondern wird von vielen deutschen Hebammen gelesen, 
denen .das Schröpfen nicht verboten worden ist. Daß unsere Ermahnung, 
.beim Schröpfen vorsichtig zu sein*, in Nr. 14 der „Allgemeinen Deutschen 
Hebammenzeitung“, Seite 808, aber auch für preußische Hebammen berechtigt 
ist, das ergibt sich aus dem Umstande, daß den älteren Hebammen trotz 
Herausgabe des neuen preußischen Lehrbuches das Schröpfen nicht ausdrücklich 
verboten worden ist. Da nun diese Hebammen darauf approbiert sind und 
besonders in ländlichen Bezirken nicht selten durch ärztliche Verordnung in. 
die Lage kommen, schröpfen zu müssen, so scheint es uns zweckmäßig, die 
üblen Folgen von Unsauberkeit beim Schröpfen durch Fälle wie derjenige ist, 
den Herr Med.-Rat Dr. Israel, Kreisarzt ln Fischhausen, in dieser Zeischrift 
veröffentlichte, den Leserinnen vor Augen zu führen. Die jungen Hebammen, 
die im Schröpfen nicht unterwiesen und geprüft worden sind, haben selbst¬ 
verständlich auch keine Berechtigung zum 8chröpfen und drängen sich auch 
nicht dazu; aber auch ihnen wird solcher Fall eine heilsame Belehrung sein. — 
In Berlin wurden z. B. bis zur Einführung der freien Hebammenwahl (1909) 
die als Armenhebammen bestellten Hebammen von dem Armenarzt gewöhnlich 
gefragt, ob sie auch schröpfen können. 

Redaktion der Allgemeinen Deutschen Hebammenzeitung. 


Induktion: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Rapmund, Reg.- u. Med.-Rat in Minden L W. 

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23. Jahrg. 


Zeitschrift 


1910. 


für 


MEDIZINALBEAMTE. 


ZMtnlUatt für das grants BosunAeitswssan, 

für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und irren wesen. 

Herausgegeben 

TOB 

Qnh. Mad.-Rat Prot Dr. OTTO RAPMUND, 

B«rl«r»ü(a- ud Madlaliuürnt ln Minden 1. TT. 

Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, Sächsischen, 
WOrttembergischen, Badischen, Mecklenburgischen und Eisass-Lothringischen 

Medizinalbeamtenvereins. 


Verlag von Fischer’« mediz. Buchhandlg^ E Kornfeld, 

HaraogL Bayer. Hof- u. ErztunogL Kmraraar-BnchlJLndinr. 

Berlin W. 35, Lhtzowstr. 10. 

lAieraie aikmea dt# Terlagshandlnng sowie alle AjinoneenexpedltioneB des Ib- 
and A.nslandes entgegen. 


Nr. 19. 


KiMhetat mm S. ud SO. Jedem Hemmte. 


5. Oktbr. 


Ueber das Sehvermögen dee Führers eines Kraftfahrzeuges. 

Von Aagenarzt Dr. Jang in CöId. 

Durch Erlaß des Bandesrats ist jeder Fahrer eines Kraft¬ 
fahrzeuges gezwungen, ein amtsärztliches Zeugnis beizabringen, 
daß er auf Grand seiner körperlichen Eigenschaften befähigt ist, 
sicher ein solches Fahrzeug zn führen. Ohne diese Bescheinigung 
erhält er niemals das Führerzengnis. 

Die Berechtigung einer solchen Forderung wird jeder Kenner 
der Verhältnisse ohne weiteres zugeben. Auf der anderen Seite leidet 
jedoch der Erlaß des Bandesrats an einem wesentlichen Mangel: Er 
gibt den Amtsärzten für die Untersuchung nur ganz allgemeine An¬ 
weisungen nnd stellt nicht bestimmte, feste Normen auf,wie z. B. für 
Miütärtanglichkeit. Hierdurch ist der Willkür Tür nnd Tor ge¬ 
öffnet nnd dem Ermessen des einzelnen beamteten Arztes der größte 
Spielraum gelassen. Um aber im vorliegenden Falle ein richtiges 
Gutachten abgeben zn können, ohne bestimmte Anweisungen, ist 
nicht allein ärztliches Wissen, sondern auch die praktische Er¬ 
fahrung als Kraftfahrzeugführer erforderlich. Diese Unsicherheit 
macht sich besonders bei Beurteilung des Sehvermögens geltend 
und hat schon jetzt in den automobilf&hrenden Kreisen eine große 
Unzufriedenheit hervorgernfen. So schreibt Dr. jur. Weitz 1 ): 

.Gerade aas (rötlichen Kreisen werden lebhafte Klagen darüber laut, 


') Dr. Weite: .Der kraftfahrende Arzt.“ 1910; Nr. 6, S. 74. 



706 


Dr. Jang. 


daß die beamteten Aerzte bei der Begutachtung der körperlichen Brauchbarkeit 
des Antragstellers zum Führer außerordentlich rigoros verfahren; namentlich 
bei nicht völlig normaler, wenn auch durch Gläser ausgeglichener Sehkraft ist 
in wiederholten Fällen das erforderliche Attest verweigert worden.“ 

Dieses ist aber nicht wanderbar; denn wenn man die ein* 
schlägige Literatur verfolgt, so kann man sagen: So viele Ab¬ 
handlungen über das Sehvermögen eines Kraftwagenführers, so 
viele Ansichten. Dabei kann man sich nicht dem Eindruck ver¬ 
schließen, daß manche Forderungen theoretisch konstruiert und 
nicht den praktischen Erfahrungen des Lebens entsprungen sind. 

Am weitesten geht wohl die bayerische Regierung (B. Gesetz- 
und Verordnungsblatt 1909, Nr. 10): Nach einem Gutachten des 
Königl. Obermedizinalausschusses sind vom Führen eines Kraft¬ 
fahrzeuges auszuschließen: 

„Personen, welche an eine Herabsetzung der zentralen Sehschärfe — 
wenn auch nur auf einem Auge unter */« des Normalen (ohne Korrektur) oder 
an sog. Nachtblindheit oder an Farbenblindheit, insbesondere an BotgrttnbUnd- 
heit leiden; ferner Personen, die nicht in jeder Hinsicht ein normales Gesichts¬ 
feld besitzen, nicht körperlich stereoskopisch sehen, schielen oder an einer 
Augenmuskellähmung leiden, endlich Personen, die mit akuten oder chronischen 
Tränensackleiden oder prognostisch gleichartigen Erkrankungen oder Beiz- 
zuständen der Bindehaut und Lider oder mit Anzeichen ernsterer innerer Er¬ 
krankungen des Auges selbst und mit Neigung zu BUckfällen oder zur Ver¬ 
schlechterung der Sehfunktion behaftet sind.“ 

Hiergegen richtete die Kraftfahrervereinigung Deutscher 
Aerzte in München an den bayerischen Minister des Innern eine 
begründete Elingabe (datiert: den 12. April 1909) und schlug vor, 
„alle Leute zum Führen eines Kraftfahrzeuges zuzulassen, deren 
Sehschärfe durch Tragen einer Brille zum Normalen korrigierbar 
ist* Gleichzeitig regte sie an, „einen Unterschied zu machen 
zwischen Berufsführern und solchen Führern, die nur gelegentlich 
des Kraftwagens sich bedienen, den Gelegenheitsfahrern*. 

Ferner hat nach einem mir vorliegenden Briefe die Königliche 
Regierung zu Wiesbaden am 21. April 1910 eine Verfügung er¬ 
lassen, nach welcher der Führer eines Kraftfahrzeuges dasselbe 
Sehvermögen haben müsse, wie ein Lokomotivführer bei der Elisen¬ 
bahn, d. i. */, auf jedem Auge. 

Eine „obligatorische Sehprüfung von Chauffeuren* forderte 
wohl als erster Feilchenfeld 1 ). Er sagt: 

„Wenn vou Lokomotivführern, die doch eine abgesperrte Bahn vor sich 

haben,.bereits mit vollem Bechte eine Sehschärfe von beiderseits 

ohne Glas mindestens ’/» verlangt wird, um wieviel mehr müssen wir gleiches 
von Chauffeuren fordern, die oft genug — nicht nur auf freier Chaussee — 
mit Eisenbahngeschwindigkeit dahinsausen." 

Aehnliche Ansichten stellt Steindorff*) auf: 

„Wie kann ein kurz- oder schwachsichtiger Führer, schreibt er, Hinder¬ 
nisse erkennen, die auf der Landstraße dem windschnell anrasenden Wagen 
entgegenkommend Es ließe sich wohl die Zahl der Unglücksfälle, die die 
Popularität des Automobils bedrohen, einschränken, wenn die zuständigen Be¬ 
hörden Fahrscheine nur solchen Personen aushändigten, die ohne Gläser 
mindestens •/« der normalen Sehschärfe haben.“ 

In dieser Zeitschrift (1910, Nr. 11) hat Rogowski ein 
eingehendes Gutachten zu der vorliegenden Frage veröffentlicht. 

*) Deutsche med. Wochenschrift; 1907, S. 1010. 

*) Die Woche; 1909, Heft 42, S. 1774. 




Debet das Sehvermögen des Führers eines Kraftfahrzeuges. 


707 


Er fordert */s auf jedem Auge. Dabei l&ßt er die Brillenträger 
insoweit zu, als sie ohne Glas mindestens 1 / 3 Sehschärfe haben, 
damit sie im Notfall anch ohne Glas ein Automobil fahren können. 

Neuerdings hat sich auch der Verein Deutscher Motorfahr¬ 
zeugindustrieller mit einer Eingabe an die zuständige Zentral¬ 
behörde gewandt: „Es sollte bestimmt werden, daß es genftgt, 
wenn der Kurzsichtige durch sein Glas normale Sehschärfe hat 
und an keiner Augenkrankheit leidet. 1 ) 

Mit der Frage der Mindestsehschärfe der Chauffeure haben 
sich auch schon verschiedene wissenschaftliche Gesellschaften 
beschäftigt. So ftthrt die Sociötö d’ Ophthalmologie de Paris a ) in 
ihrer Sitzung vom 10. März 1908 folgenden Beschluß herbei: 

„Die Pariser ophth&lmologische Gesellschaft ist der Ansicht, daß die 
durch schlechtes Sehen der Chauffeure bedingten Gefahren Beachtung ver¬ 
dienen. Je kleiner ein Gesichtsfeld, je großer die Gefährdung. Um letztere 
möglichst einzuschränken, hat man von den Chauffeuren zu fordern: Binokularen 
Sehakt, intaktes Gesichtsfeld beider Augen, normale Augenbewegung. Bei 
Herabsetzung des Visus müssen die Chauffeure korrigierende Gläger tragen, 
mit denen das eine Auge mindestens */*i das andere J / 4 der normalen Seh¬ 
schärfe hat.“ 

Also eine hervorragende augenärztliche Gesellschaft nimmt 
eine geringere Sehschärfe wie die vorerwähnten Gutachter an 
und läßt ohne jegliche Einschränkung Gläser gelten. 

Vorher hatte schon im Jahre 1907 de Lantsherre 8 ) auf der 
22. Sitzung der Belgischen ophthalmologischen Gesellschaft zu 
Brüssel einen Vortrag „Ueber Sehschärfe und Automobillahrer tt 
gehalten. Er fordert fttr das eine Auge S = 1, für das zweite 
S = Vs und höher. Dabei machte er die interessante Mitteilung, 
daß die Zahl der Einschreibungen fftr die Schule des Belgischen 
Automobilklubs um 30 »/» gesunken sei, als im Jahre 1907—1908 
diese Sehschärfe gefordert wurde. 

Auf der Sitzung derselben Gesellschaft, am 29. November 
1908, sprach van Lint 4 ) über die notwendige „Sehschärfe fflr 
die Automobilisten“. Er ist der Auffassung, welcher wohl jeder 
beistimmen wird, daß es richtig wäre, wenn ttber das Mindest¬ 
maß der Sehschärfe eine Einigung unter den Augenärzten zustande 
käme, „damit nicht der eine für genügend erkläre, was der 
andere als ungenügend angibt.“ Nach Korrektion nimmt er 
für das eine Auge V.. für das andere V« Als Minimum an. 

Ich persönlich kam zum erstenmal im Jahre 1907 in die 
Lage, mir ein Urteil über die im Interesse der Verkehrssicherheit 
notwendige Sehschärfe eines Kraftfahrzeugführers bilden zu 
müssen. Damals wurde ich von dem Kgl. Polizeipräsidium in Cöln 
zu einem Gutachten in dieser Frage aufgefordert, und zwar hielt 
mich das Königl. Polizeipräsidium für besonders geeignet, einmal 


‘) Zitiert nach der Zeitschrift: Das Auto. Nr. 14, 8. 7; der Verein 
scheint in dieser Frage doch nicht orientiert su sein, wenn er nur von Kurz¬ 
sichtigkeit spricht. 

*) Klinische Monatsblätter fttr Augenheilkunde; 1908, Januar-Juni, 8.664. 
•) Klinische Monatsblätter fttr Augenheilkunde; 1. c. 8. 668. 

*) Ibidem; 1909, Januar-Juni, 8.888. 



708 


Dr. Jtug. 


weil ich Augenarzt, dann anch weil ich mehrjähriger Motorfahrer 
war. Gleichzeitig wurde mir hierbei der Einwand gemacht, daß 
es wohl nicht angängig sei, das Tragen einer Brille zu gestatten, 
weil diese beschlagen könne. An alle diese Fragen bin ich noch 
einmal in der letzten Zeit mit Bftcksicht auf den Erlaß des 
Bandesrates and meine eigene Kurzsichtigkeit herangetreten. Anch 
wurde ich verschiedene Male von Kreisärzten in zweifelhaften 
Fällen um meine Ansicht angegangen. 

Wie die Mehrzahl der Gutachter nahm ich als Ausgangs¬ 
punkt die von einem Lokomotivführer geforderte Sehschärfe. Beim 
Eintritt in den Dienst muß dieser auf jedem Auge ohne Glas 
mindestens */# haben. Nun ist es nicht richtig, ohne weiteres 
den Lokomotivführer und den Führer eines Kraftfahrzeuges auf 
dieselbe Stufe zu stellen. Wohl ist der Lokomotivführer insofern 
günstiger gestellt, als seine Bahn fest vorgeschrieben und durch 
alle möglichen Maßregeln gesichert ist, aber wie Rogowski (1. c.) 
mit Recht betont kommt für einen Eisenbahnzug ein ganz anderer 
Bremsweg in Betracht wie für einen Kraftwagen. Man denke 
sich nur einen D Zug mit seiner gewaltigen Lokomotive, seinen 
schweren Wagen und einer Geschwindigkeit bis zu 80 km. 
Welche Massenwirkung und welche Wucht sitzt dahinter! Tritt 
ihm in voller Fahrt ein Hindernis entgegen, so kommt er erst 
nach mehreren Hundert Metern zum Halten. Anders beim Auto¬ 
mobil. Auch hierin stimme ich Rogowski bei, wenn er für 
volle Fahrt desselben einen Bremsweg von 20—25 Metern an¬ 
nimmt. Außerdem hat aber der Kraftwagen im Vergleich zur 
Lokomotive den großen Vorteil ganz hervorragender Lenkbarkeit, 
er kann dem Hindernis aus weichen. Wenn nun aber der Brems¬ 
weg einer Lokomotive, bezw. eines Eisenbahnzuges wesentlich 
größer ist, wie der eines Kraftwagens, wenn letzterer durch seine 
Lenkfähigkeit wesentlich günstiger gestellt ist, so ist es nach 
meiner Ansicht nicht richtig, von einem Kraftwagenführer dieselbe 
Sehschärfe zu verlangen wie von einem Lokomotivführer. An 
ersteren braucht man nicht so hohe Anforderungen hinsichtlich der 
Sehschärfe zu stellen, denn es ist nicht notwendig, daß er aus so 
großen Entfernungen wie ein Lokomotivführer ein Hindernis 
erkennt. Also genügt bei einem Kraftwagenführer eine geringere 
Sehschärfe wie ■/» der normalen. Nun stellte ich auch Unter¬ 
suchungen im Freien an, ob ein wesentlicher Unterschied zwischen 
Sehschärfe gleich V« und */# ist. Ich machte dieses so, daß ich 
meine Kurzsichtigkeit nur so weit ausglich, daß ich bei Prüfung 
an Sehtafeln die gewünschte Sehschärfe hatte. Alsdann konnte 
ich auf weitere Entfernungen mit halber Sehschärfe die Gegen¬ 
stände gerade so gut erkennen wie mit */*• Nur war im ersten 
Falle die Zeichnung der Gegenstände nicht so scharf. Daß aber 
eine Sehschärfe gleich Vs auch sonst für das Gelände als eine 
brauchbare Sehschärfe angesehen wird, geht daraus hervor, daß 
sowohl im deutschen, wie im österreichischen Heeresdienste Leute 
mit halber Sehschärfe als militärtauglich betrachtet werden. Aua 
'eaen Erwägungen heraus sagte ich mir: .Für einen Kraftfahr- 



Ueber das Sehvermögen des Führers eines Kraftfahrzeuges. 


709 


zeugführer genügt es, wenn er auf einem Ange gut sieht, d. i. 
mindestens Vs S. besitzt“. Wenn er anf dem zweiten weniger sieht, 
so macht dieses nichts ans; denn auch mit einer geringeren Seh- 
schärfe wie Vs ist noch ein binokularer Sehakt möglich. Nur 
mnß er mit dem schlechten Auge zur Not ein Kraftfahrzeug 
führen können. Mit einer Sehschärfe von Vs — V* konnte ich auf 
ungefähr 500 m noch Personen auf der Landstraße erkennen; 
diese dürfte somit im Notfälle genügen. Ich trage deshalb kein 
Bedenken, als Mindestmaß für das zweite Auge V* S. anzunehmen. 

Wie schon aus Vorstehendem hervorgeht, fordere ich eine 
hinreichende Sehschärfe des zweiten Auges, um ein Ersatzauge 
zu haben und nicht um einen binokularen Sehakt zu erzielen. 
Käme es auf diesen allein an, dann könnte die Sehschärfe des 
zweiten Auges wesentlich schlechter sein, weil noch bei einer 
Sehschärfe bis Vio ein exaktes binokulares Tiefenschätzungs¬ 
vermögen vorhanden ist. Nun ist aber hauptsächlich durch die 
Untersuchung von Unfallverletzten sichergestellt, daß auch das 
monokulare Tiefenschätzungsvermögen, d. i. das Beurteilen der 
Lage eines Gegenstandes im Baum, einer großen Ausbildung fähig 
ist und bis zu einer hohen Vollkommenheit das binokulare 
Tiefenschätzungsvermögen ersetzen kann. Die Besprechung der 
näheren Verhältnisse würde hier zu weit führen; nur will ich 
ein Hauptmoment erwähnen, die parallaktische Verschiebung. 
Daher würde ich einen Mann mit konkomittierendem, abwechseln¬ 
dem Schielen unbedenklich zum Führen eines Kraftfahrzeuges für 
geeignet halten, wenn er auf beiden Augen brauchbare Sehschärfe 
hat. Auch kann ich durch ein klassisches Beispiel beweisen, daß 
man mit nur einem gebrauchsfähigen Auge sogar einen Renn¬ 
wagen im Renntempo führen kann. Im letzten Rennen um den 
Grand Prix de France wurde dem zweitbesten Fahrer, Hemery, 
durch einen gegenfliegenden Stein ein Glas seiner Schutzbrille 
zertrümmert. Die Splitter flogen in ein Auge, so daß dieses un¬ 
brauchbar wurde; trotzdem fuhr Hemery in vollem Tempo 
weiter bis zur Tribüne, wo ihm Hilfe zuteil wurde. 

Die einzelnen Gutachter sind, wie aus früherem hervorgeht, 
geteilter Ansicht, ob es erlaubt ist, die erforderliche Sehschärfe 
durch Tragen eines Glases zu erzielen. Wie mir aber jeder 
Kraftfahrer zugeben wird, ist man während der Fahrt gezwungen, 
eine Schutzbrille zu tragen. Diese schützt ihn einmal vor dem 
Einfliegen von Insekten, Staub und kleinen Fremdkörpern; andern¬ 
falls könnte er im gegebenen Augenblick durch solch einen kleinen 
Störenfried völlig direktionslos werden und einen Unfall hervor- 
rufen. Die Hauptaufgabe der Schutzbrille ist aber, den Luftzug 
von den Augen abzuhalten. Dieser ist für die Augen ein so 
starker Reiz, daß nach längerer rascher Fahrt ohne Schutzbrille 
das Auge eine solche Blutüberfüllung annimmt, daß man glauben 
könnte, man habe die schwerste Augenentzündung vor sich. Dabei 
sind bei nur etwas kühlerem Wetter die Augen fortwährend am 
Tränen, so daß jedes richtige Sehen einfach unmöglich wird. 
Daher ist das Tragen einer Schutzbrille im Interesse der VerküQp»» 



710 


Dr. Jang. 


Sicherheit anbedingt erforderlich. Für die Kraftfahrer bei den 
Verkehrstrappen ist deshalb das Tragen einer Schatzbrille Vor¬ 
schrift. Wenn aber nan einmal eine Brille notwendig ist, so ist 
es ganz gleichgültig, ob das Glas derselben Fensterglas oder ein 
geschliffenes Glas i&t; es ist also anch einerlei, ob die geforderte 
Sehschärfe mit oder ohne Glas erreicht wird. Dabei ist die An¬ 
sicht, eine Brille könne während der Fahrt beschlagen, eine irrige, 
denn das Prinzip des Kühlers kommt anch bei der Brille znr 
Geltang. Darch den kühlenden [Luftzug werden Brille and Ge¬ 
sicht anf ungefähr die gleiche Temperatur wie die Luft gebracht; 
ein Beschlagen ist somit unmöglich. Nor im Stehen wäre ein Be¬ 
schlagen denkbar, wenn der Führer stark erhitzt and die Tempe¬ 
ratur kühl ist. Wollte man sich auf den Standpunkt von Ro¬ 
gowski stellen, daß nur die Brillenträger geeignet wären, die 
ohne Glas noch V» Sehschärfe haben, so müßte der größte Teil 
der Brillenträger anf das Führerzeugnis verzichten; denn alle 
Kurzsichtigen von 1,5 D ab, ebenso alle Weitsichtigen von dem 
gleichen Grade, sobald sie durch Akkomodation nicht mehr ihre 
Weitsichtigkeit verdecken können, haben ohne Glas eine Sehschärfe 
weniger wie Vs« selbst wenn sie mit Glas eine Sehschärfe gleich 1 
haben. Würde man aber das Tragen einer ausgleichenden Brille 
nicht in jedem Falle gestatten, so würden gerade die gelehrten 
Berufe, wie Aerzte, Tierärzte, Ingenieure ubw. getroffen. In 
diesen Kreisen ist bekanntlich die Kurzsichtigkeit außerordentlich 
verbreitet; auf der anderen Seite sind sie heute schon, um kon¬ 
kurrenzfähig bleiben zu können, gezwungen, das Automobil für 
ihren Beruf zu benutzen. So gab es z. B. am 1. Januar 1910 im 
Deutschen Reiche 5480 Kraftfahrzeuge gebrauchende Aerzte. 
Unter diesen ist sicher ein hoher Prozentsatz zum Tragen einer 
stärkeren Brille gezwungen; ihnen würde man daher die Benutzung 
eines Kraftfahrzeuges einfach unmöglich machen. Man muß aber 
bedenken, daß bei der Führertüchtigkeit neben körperlichen Eigen¬ 
schaften auch moralische Qualitäten eine ganz wesentliche Rolle 
spielen. Daher kennzeichnet ein Ausspruch des Vorsitzenden der 
Kraftfahrer-Vereinigung Deutseher Aerzte, des Herrn Dr. Graf, 
richtig die Sachlage, daß man sich im Automobil viel eher einem 
kurzsichtigen Arzte, als einem normalsichtigen Rowdy anver¬ 
trauen könne. Auch könnte ich eine ganze Reihe von prak¬ 
tischen Beispielen aniühren, daß ein Brillenträger ein Kraftfahr¬ 
zeug genau so sicher führt, wie ein Führer, welcher kein Glas 
gebraucht. 

Neben mangelhafter Sehschärfe kommen andere Fehler und 
Erkrankungen des Auges selten in Frage. Unverständlich ist es mir 
bis jetzt immer gewesen, welche Bedeutung die Farbenblind¬ 
heit für die Sicherheit im Kraftfahrzeugverkehr haben soll. Daß 
ein Farbenuntüchtiger nicht zum Lokomotivführer paßt, bedarf 
keines Beweises. Im Eisenbahndienst kommen farbige Signale, 
mit den Verwechselungsfarben Rot und Grün vor, und diese kann 
man in jedem Falle nur richtig bei normalem Farbensinn er¬ 
kennen. Wenn auch in der freien Natur Farbenunterschiede das 



Ueber du Sehvermögen des Führers eines Kraftfahrzeuges. 711 

Erkennen erleichtern, so spielen sie doch nicht die Hauptrolle; 
auch die Formen der Gegenstände, die Verteilung von Licht nnd 
Schatten nnd andere Eindrücke verwerten wir hierbei. Würde 
aber normaler Farbensinn für die Führertüchtigkeit ausschlag¬ 
gebend sein, so müßte dieses auch auf anderen Gebieten des 
Lebens, z. B. der Jagd, zu unübersehbaren Konsequenzen führen. 

Von anderen Störungen der Netzhaut schließt Nachtblind¬ 
heit stets vom Führen eines Kraftfahrzeuges aus; da es solche 
Fälle ohne objektiven Befund gibt, müßte jeder Kreisarzt an den 
zu Untersuchenden eine entsprechende Frage richten. Unbedingt 
würde ich auch jeden mit Veränderungen des Gesichtsfeldes 
ablehnen, einmal weil sie meistens das Zeichen einer schweren Er¬ 
krankung sind, dann weil in solchen Fällen auch die Orientierung 
mangelhaft ist. Aus den gleichen Gründen ist auch jede Augen- 
muskellähmung zurückzuweisen. 

Erkrankungen der Bindehaut und der Tränenorgane 
sind nach meiner Erfahrung kein Hindernis; denn der Beiz, welcher 
das Tränenträufeln hervorrufen könnte, wird durch die Schutz¬ 
brille abgehalten. Auf der anderen Seite werden dem Unter¬ 
sucher auch leicht Erkrankungen des Tränenkanales entgehen, 
wenn er nicht darauf hingewiesen wird, oder wenn er nicht 
eine eingehende spezialistische Untersuchung vornimmt. Ja es 
gibt sogar Tränenträufeln, wo der Kanal als ganz normal be¬ 
funden wird. 

Was nun die Art der Untersuchung des Sehvermögens des 
Führrers eines Kraftfahrzeuges angeht, so kann es Fälle geben, 
bei welchen man zweifelhaft ist. In diesen Fällen wäre es nach 
meiner Ansicht richtig, wenn der begutachtende Arzt, ähnlich wie 
bei der Eisenbahn, mit dem zu untersuchenden Führer eine prak¬ 
tische Probe, gegebenenfalls vielleicht als Fahrt, auf der Land¬ 
straße vornähme. 

Aus vorstehenden Ausführungen geht zur Genüge hervor, 
daß die einheitliche und feste Begelung der Vorschriften über 
das Sehvermögen der Führer eines Kraftfahrzeuges eine dringende 
Notwendigkeit ist. Hierbei liegt aber die große Gefahr vor, daß 
man an die Sehschärfe, wie überhaupt an die körperlichen Eigen¬ 
schaften, unter Verkennung der wirklichen Verhältnisse zu hohe 
Anforderungen stellt. Welche Bedeutung aber die körperlichen 
Eigenschaften für die Verkehrssicherheit haben, könnte man ein¬ 
wandfrei nur beweisen, wenn man feststellt, wieviele Automobil¬ 
unfälle durch körperliche Mängel der Führer verschuldet sind. 
Diesen Beweis habe ich im Kleinen versucht. Auf meine Ver¬ 
anlassung wurde im Jahre 1909 bei der Kraftfahrer-Vereinigung 
Deutscher Aerzte eine Rundfrage in diesem Sinne erlassen. 
Daraufhin steht in dem Merkblatt 1909 vermerkt: „Bei keinem 
der berichteten Unfälle lag die Schuld an einem körperlichen 
Fehler des Fahrers.“ 



712 Dr. Bürger. 

Aas der (Jäten ichisanatalt tilr StnatearaBeikunde de; Kgl. tToIversHai Berlin 
(Direktor: Qeb. Bat Fr, St.?aßmann). 

Die gerichtsärztliche Begutachtung von Wohnungen. 

Von Dr. Leopold Bürger, 

■ Assistenten deir Anstalt. 

Die Begutachtung von Wohnungen gewinnt für den Medr 
zinalheamten *.*=u- gröiKw 

Die vom Kaitftsnvifiiöfeiiütü ^gegebenen Berichte Uber 
die Tätigkeit der zeige«, daß die Zahl der Wohnunga- 

besichtigungen io jedem Jahre zmnmmt Ueber ihre Häufigkeit 
belehrt uns am besten die nachfolgende Tabelle: 

Im Jahre 1802 fanden statt:*) 


Ltd. 

Eeciernr-gis- 

Besichtigungen 

LG; 

Regierungs¬ 

Besichtigungen 

m 

■ besrfrk 

von Wohnungen 


bezirk 

von Wohnungen 

3. 

Königsberg 

687 

19. 

Scblezvig ' 

149 ' - 

ü 

Gambianea 

104 

20. 

Hannöver 

175 - 

s. 

Danzig ,* 

196 

21. 

HUdeaheün 

80 

: *V\ 

ÄarienrpBfder 

105 

22. 

Lüneburg 

169 

•'•■bv.--- 

Borim ' 

163 

23. 

Stade 

26 . ' 

6, 

Potsdam '• v 

91 

24. 

Osnabrück 

41 

7. 

Frankfurt 

310 

25. 

Audch 

16 

8. 

StettiÄ 

642 

26, 

Münster 

47 

ftjr 

Kdsiiö 

642 

27. 

Minden 

71 

lö. 

StrnUuad 

2 

28. 

Arnsberg 

, . 76 

11. 

PÖBBB ‘ 

1043 : 

29. 

Kassel 

4-4:4 100 s*i 

13. 

Bromberg 

683 

30. 

Wiesbaden 

: ; 'r; 216 i - ' ■ 

13. 

Breslau 

661 

31. 

Koblenz 

■' 15 

14. 

Liegnitz 

286 

92. 

Düsseldorf 

• 301 

1&. 

Ojjpeln 

1586 

33. 

Cdln V-H 

m \hy.y 

16. 

Magd »barg 

271 

34. 

Trier- 


17. 

Merseburg 

236 

36. 

Aachen.; 4 V J£' 


ia :• 

Erfurt 

85 

36. 

Sigmaringes 

4 m 


Zusammen:; iß 658 


Aber nicht nur fftr den Kreisarzt als Geaundheitsbe&mtsn, 
sondern auch für ihn in seiner Tätigkeit als Sachverständiger 
und Gutachter vor Gericht spielt die Wohnungsbegutachtung eine 
bdeutende Holle. 

Waren gerichtsärztliche Untersuchungen von Wohnungen 
frfiher selten, so nehmen sie jetzt in jedem Jahre zu, und zwar 
nicht nur bei Prozessen im Verwaitongsstreitverfahren, sondern 
auch vor den gewöhnlichen Gerichten. Besonders seit Einführung 
des B. G. B. haben die Prozesse wegen Gesandheitsgefährdcng 
bedingender Wohnungen angenommen. Während z, B. im zweiten 
Jahre nach Einführung des B.G.B, in Berlin Stadt nur 21 gerichta» 
ärztliche Untersuchungen auf Bewohnbarkeit stattfanden *)♦ war 
im vergangenen Jahre ihre Zahl mehr als doppelt so groß. 

Ich selbst habe gemeinsam mit meinem Chef, Herrn Geheim¬ 
rat Prof. Di. S tr as sm an n»Berlin in den letzten 8 1 /, Jahren eine 
große Zahl von Wohnungen begutachtet. ') 

*) Gesundheitswesen das prAU&bichen Staates im Jahre 1902. 

*) Ibidem; .1801, Anhang S. 88. 

*> Dr. Jannaach bat in seiser DuwUtion: «Di» garichtsirzUiche 
Begutachtung von Wohnungen, Berlin 1009“, ein« grüßet« Anzahl Gutachten 
von Strassmann mitgeteüt. 






Oie gerichtefirzUiche Begutachtung ton Wohnungen. 


713 


Die Fragen, die mir hierbei von Richtern und Anwälten 
vorgelegt worden, waren außerordentlich vielgestaltig. Vielfach 
handelte es sich dämm, festzustellen, ob eine Wohnung infolge 
von Feuchtigkeit, schlechter Luft, Geräuschen, Erschütterungen 
eine erhebliche Gefährdung der Gesundheit der Insassen bedinge 
(§ 544 B. G. B.). Doch auch alle möglichen anderen Fragen 
wurden gelegentlich an uns gerichtet. So hatten wir in einem 
Falle die Frage zu beantworten, ob eine feuchte Dienstwohnung 
die Tuberkulose eines Schuldieners verursacht oder doch ver¬ 
schlimmert habe. Bei einem anderen Prozeß handelte es sich 
u. a. darum, ob das Arbeiten in einer engen Metzgerei ohne 
Wrasenabzug eine erhebliche Gesundheitsgefährdung bedinge. 
Eine Mieterin erhob Schadenersatzansprüche gegen den Haus¬ 
besitzer, weil ihr Mann und ein Sohn infolge Einatmens der Gase 
aus Koksöfen, die im Keller zur Beseitigung von Feuchtigkeit 
aufgestellt waren, gestorben resp. geisteskrank geworden seien. 
Der Sohn bot ein typisches Bild der Hebephrenie. 

Diese wenigen Beispiele mögen genügen, um ein Bild der 
Schwierigkeiten zu geben, die dem Gerichtsarzt bei der Wohnungs¬ 
begutachtung entgegentreten. 

Bei der großen praktischen Bedeutung, welche die Wohnungs¬ 
begutachtung für den Gerichtsarzt hat, ist es sehr zu bedauern, 
daß ihr in den Lehr- und Handbüchern der gerichtlichen Medizin 
noch nicht genügend Raum gegönnt wird, und daß der angehende 
Gerichtsarzt sich hierüber nirgends rasch orientieren kann. Nicht 
einmal die in Betracht kommenden Paragraphen werden vielfach 
genannt, ohne deren Kenntnis man natürlich den Zweck der 
richterlichen Fragen meist weder verstehen, noch sachgemäß und 
formell richtig beantworten kann. 

Die hygienischen Lehrbücher geben uns über die hier an 
den Gutachter gestellten Fragen meist gar keine oder doch eine 
völlig ungenügende Auskunft. Ja selbst in den großen Hand¬ 
büchern der Hygiene werden hierher gehörige, für den Gerichts¬ 
arzt außerordentlich wichtige Fragen oft mit wenigen Worten 
abgetan, ganz abgesehen davon, daß sie dem Praktiker nur selten 
zur Verfügung stehen. Die Gesichtspunkte, von denen aus der 
Hygieniker die Wohnungen betrachtet, sind eben ganz andere, 
wie die des gerichtlichen Mediziners. Dieser hat stets den richter¬ 
lichen Zweck im Auge zu behalten; tut er das nicht, so können 
die besten hygienischen Kenntnisse nicht verhüten, daß ein für 
den Richter unbrauchbares Gutachten abgegeben wird. 

Auch die Kenntnis einer Reihe Untersuchungsmethoden, die 
z. B. selbst für den Kreisarzt als Gesundheitsbeamten nur eine 
geringere Bedeutung haben, sind für ihn als Gerichtsarzt außer¬ 
ordentlich wichtig. Ich erinnere nur an die Bestimmung der 
Mauerfeuchtigkeit. — Die neueren Methoden sind sehr einfach 
und erfordern so wenig Instrumentarium, daß wir bei gerichtlichen 
Fällen nie auf ihre Anwendung verzichten sollten. 

Da bei der polizeilichen Abnahme von Wohnungen meist 



714 


Dr. Bürger. 


hunderte von Wänden anf Mauerfenchtigkeit zn nntersnchen sind, 
haben sich hier die so guten nnd bequemen Methoden leider nicht 
eingebürgert, obwohl es ein großer Vorteil wäre, an Stelle der 
so nnznverl&ssigen subjektiven Untersuchung eine objektive treten 
zu lassen. 

Glanz anders liegen die Dinge bei gerichtlichen Fällen. 
Meistens handelt es sich hier nur nm einige wenige, meist 2 bis 
3 Wände, oft gar nur um eine einzige Wand. Es sind also meist 
nur 5 Mörtelproben auf ihren Gehalt an Feuchtigkeit zu unter¬ 
suchen. Das ist so einfach und so wenig zeitraubend, daß 
wir vom Gerichtsarzt, wie gesagt, die Vornahme der Unter¬ 
suchung verlangen müssen, wenigstens in allen zweifelhaften 
Fällen. 

Bei der später folgenden Besprechung der einzelnen Methoden 
werde ich hierauf näher eingehen. Heute will ich nur die bei 
der Wohnungsbegutachtung in Betracht kommenden Gesetze be¬ 
sprechen. 

Leider ist wegen der Schwierigkeit der Bearbeitung das 
Wohnungsgesetz, das bereits vor vielen Jahren im Entwurf vor¬ 
lag, noch nicht vorhanden, obwohl alljährlich bei den Beratungen 
über den Medizinaletat im Landtage Stimmen laut werden, die 
es verlangen. 

Zurzeit finden wir überall zerstreut im Landrecht, im Gtasetz 
über die Polizeiverwaltung und über die allgemeine Landes¬ 
verwaltung, in der Beichsgewerbeordnung, im Bürgerlichen Gesetz¬ 
buch, im Handels- und Strafgesetzbuch auf die Begutachtung von 
Wohnungen bezügliche Paragraphen, auf die ich zunächst ein¬ 
gehen will, da sie alle für den Gerichtsarzt gelegentlich Bedeutung 
erlangen. 

A. Das Allgemeine Landrecht für die preuasischen Staaten. 

T. II, Titel 17, § 10. „Die nötigen Anstalten nur Erhaltung der Öffent¬ 
lichen Babe, Sicherheit nid Ordnung und rar Abwendung der dem Publico 
oder einzelnen Mitgliedern desselben bevorstehenden Gefahren in treffen, ist 
das Amt der Polizei.“ 

Diese Bestimmung gilt nicht nur im Gebiete des allgemeinen 
Landrechts, sondern für die ganze Monarchie (Urteil des Ober- 
Verwaltungsgerichts vom 11. Dezember 1890). 

„Gefahr“ im Sinne des § 10 des Landrechts ist ein solcher 
Zustand der Dinge, der die Besorgnis begründet, daß ein schädi¬ 
gendes Ereignis eintreten werde. Sie ist nicht gleichbedeutend 
mit Nachteil oder Belästigung.“ 1 ) 

Nach dem Wortlaut des oben genannten § 10 berechtigt be¬ 
reits das „Drohen“, „Be vor st eben“ einer Gesundheitsschädi- 
gung die Polizei zum Einschreiten. 

Es bedarf hier keiner „erheblichen“ Gefährdung der 
Gesundheit, wie sie der § 544 B. G. B. vorschreibt. 


*) Niendorff: Die Wohnungsuiete. Berlin 1907. 



Die gerichtsärztliche Begutachtung tob Wohnungen. 


716 


B. Gesetz über die Polizeiverwaltung 
vom 11. März 1850, eingeführt in die neuen Provinzen durch 
Königl. Verordnung vom 20. September 1867. 

§ 6. „Zu den Gegenständen der ortspolizeilichen Vorschriften gehören: 

S die Sorge für Gesundheit und Leben. 

Fürsorge gegen gemeinsch&dliche und gemeingefährliche Handlungen, 
Unternehmungen und Ereignisse überhaupt.* 

Diese Bestimmnngen haben sich ausgezeichnet bewährt. 
Die Polizei macht von ihnen ausgiebigen Gebrauch, wie man sich 
durch Studium der Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts 
leicht überzeugen kann. 

Auf die genannten Paragraphen im Allgemeinen Landrecht 
und im Gesetz über die Polizeiverwaltung stützt sich das Hecht 
der Polizei, Baupolizeiverordnungen zu erlassen. Leider ist, wie 
der „Runderlaß des preußischen Ministers der öffentlichen Arbeiten 
vom 11. Oktober 1909, betr. Baupolizeiverordnungen für das platte 
Land*, betont, es wegen „der großen Unterschiede in den Bau* 
gewohnheiten, denklimatischen Verhältnissen, der Bodenbeschaffen¬ 
heit, dem Wirtschaftsbetriebe und dem durchschnittlichen Wohl¬ 
stände der Bevölkerung* nicht möglich, allgemein gültige bindende 
Normen für die ganze Monarchie oder auch nur für einzelne 
Provinzen aufzustellen. Dennoch haben die Vorschriften, soweit 
die Standsicherheit, Feuersicherheit und der Verkehr in Frage 
kommen, Ausgezeichnetes geleistet, allerdings nicht selten, ohne 
auf den Kostenpunkt genügend Bedacht zu nehmen. Viel zu 
wenig Rücksicht wird dagegen in manchen Bauordnungen auf die 
gesundheitlichen Verhältnisse genommen. So kommt es, daß bei 
den Wohnungsbesichtigun gen stets eine außerordentlich große 
Zahl von Wohnungen aus sanitätspolizeilichen Gründen, und nur 
sehr wenige aus feuer-, baupolizeilichen und anderen Ursachen 
geräumt werden müssen. Die nachfolgende Tabelle über die 
Wo hnnn gurft nmnng^T i in Berlin zeigt dieses klar und deutlich: 

Wohnungsräumungen in der Stadt Berlin auf behördliche 

Verfügungen:___ 



1901 

1908 

1908 

1904 

1905 

1906 

1907 


254 

816 

807 

876 

825 

549 

756 


176 

200 

164 

223 

160 


8 

10 

4t 

68 

44 

84 

34 


60 

105 

102 

84 


Die Bäumungen 
wurden veranlaßt aus 


sani-lh-n. ,eu ' and ®- 
täts-| baU er- ren 

polizeilichen Gründen 

in Fällen 


Es bezogen sieh die 


Anträge auf: 


Vor- Hin« 
der* ter- 

Häuser 


Keller¬ 
geschoß in 

Vor-1 Hin* 
der- | ter- 

Häusern 


8 

9 

41 

63 

44 



. 

___ 

189 

116 

66 

81 

1 

— 

—. 

189 

177 

42 

36 


— 

— 

88 

15t 

48 

K| 

— 

— 

— 

1 

-- 


— 

__ 

— 

— 

- 

-- 

— 

— 

— 

— 

— 

251 

226 

r 

< 


— 

— 

— 

— 

—- 

1 

I ^^ 















716 


Dr. Bürger. 


Ergebnis der Wohnungsbesichtigungen im Regierangsbezirk 
Cöln 1901 (ausgenommen Cöln Stadt): 


Begier. 

Cöln 

Zahl der 
vor¬ 
handenen 
Woh¬ 
nungen 

Zahl der 
besich¬ 
tigten 
Woh¬ 
nungen 

Zabl d. Woünungen, 
die nach dem Ergeb¬ 
nis der Besichtigung 
der Vorschrift der 
Polizei - Verordnung 
nicht entsprechen 

Zahl der Wc 
als ungeeign 

WUI 

a) zum Be¬ 
wohnen 
überhaupt 

»hnuagen, die 
et bezeichnet 
rden 

b) wegen 
Raum¬ 
mangels 

1901 

123216 

6710 

849 

155 

# 

234 


Aehnlich wie in Berlin liegen die Verhältnisse in anderen 
Städten. So wurden im Jahre 1901: 


in Barmen 193 Ton 2259 besichtigten Wohnungen, 

in Elberleid 1163 yon 13620 „ „ 

in Essen 430 yon 1512 „ „ 

aus Banitätspolizeilichen Rücksichten beanstandet. 

In Stettin wurden im Jabre 1903 22 Wohnungen lür gesundheits¬ 
schädlich erklärt; ebenso mußte in Posen in demselben Jahre, obwohl unter 
Berücksichtigung der Wohnungsnot mit Schonung yorgegangen wurde, in sahi¬ 
reichen Fällen Schließung yon Wohnungen, besonders yon Kellerwohnungen 
verfügt werden. 

Besonders Dienstbotengelasse wurden in den verschiedensten 
Städten als unbewohnbar bezeichnet. 

C. Gewerbeordnung für das Deutsche Reich. 

§ 16, I. „Zur Errichtung yon Anlagen, welche durch die Örtliche Lage 
oder die Beschaffenheit der Betriebsstätte für die Besitzer oder Bewohner der 
benachbarten Grundstücke oder für das Pabliknm überhaupt erhebliche 
Nachteile, Gefahren oder Belästigungen herbeiführen können, ist 
die Genehmigung der nach den Landesgesetzen zuständigen Behörde erforderlich.* 

Diese Anlagen bedürfen also neben der allgemeinen bau¬ 
polizeilichen Genehmigung noch einer besonderen „Konzession*. 

Nach Schicker (Gewerbeordnung, Bd. I, S. 48) sind „An* 
lagen* Einrichtungen, welche zum fortdauernden gewerblichen 
Betriebe bestimmt sind. Blosse Niederlagen fallen im allgemeinen 
nicht unter § 16 der Gewerbeordnung, wenigstens soweit sie 
nicht Bestandteile einer Anlage im Sinne des § 16 sind. 

In welcher Weise gegen Mißstände aus solchen Nieder¬ 
lagen und Magazinen eingeschritten werden kann, bestimmt das 
Landesrecht für Preußen (s. Min.-Erlaß vom 10. November 1887, 
Min.-Bl. S. 273). 

Wichtig sind für medizinische Sachverständige weiter die 
folgenden Paragraphen der Gewerbeordnung: 

„§ 21 a. Die Sachverständigen haben über die Tatsachen, welche durch 
das Verfahren za ihrer Kenntnis kommen, Verschwiegenheit zu beobachten 
und sich der Nachahmung der von dem Unternehmer geheim gehaltenen, zu 
ihrer Kenntnis gelangten Betriebseinrichtungen und Betriebsweisen solange, 
als diese Betriebsgeheimnisse sind, zu enthalten. 

§ 27. Die Errichtung oder Verlegung solcher Anlagen, deren Betrieb 
mit ungewöhnlichem Geräusche verbunden ist, muß, sofern sie nicht sckoa 
nach den Vorschriften der §§ 16 bis 25 der Genehmigung bedarf, der Ortz- 
poüsoibehörde an gezeigt werden. Letztere hat, wenn in der Nähe der ge¬ 
wählten Betriebsstätten Kirchen, Schulen oder andere öffentliche Gebäude^ 
Krankenhäuser oder Heilanstalten vorhanden sind, deren beetimmnngs- 








Di« gerichtsärztliche Begutachtung tob Wohnungen. 717 

gemäfle Benutzung durch den Gewerbebetrieb auf dieser Stelle eine erheb¬ 
liche Störung erleiden würde, die Entscheidung der höheren Ver¬ 
waltungsbehörde darüber einzuholen, ob die Ausübung des Gewerbes an der 
gewählten Betriebsstatte zu untersagen oder nur unter Bedingungen zu ge¬ 
statten sei.“ 

Die bisher an geführten Paragraphen, deren großen prakti¬ 
schen Wert ich schon hervorgehoben habe, haben nicht genügt, 
um den Wohnungen ihre gesundheitlichen Gefahren zu nehmen. 
Diesen Mangel hat der Gesetzgeber erkannt und im Bürgerlichen 
Gesetzbuch Paragraphen geschaffen, die ihn, wenn auch langsam, 
beseitigen werden. Es kommen eine Beihe von Paragraphen in 
Frage, auf die ich genauer eingehen will, da sie den Gerichts¬ 
arzt besonders interessieren. 

D. Bürgerliches Gesetz-Buch. 

㤠686. Der Vermieter bst die vermietete 8ache dem Mieter in einem 
zu dem vertragsmäßigen Gebrauch geeigneten Zustande zn überlassen und sie 
während der Mietszeit in diesem Zustande zu erhalten. 

§ 587. Ist die vermietete 8ache zur Zeit der Ueberlassung an den 
Mieter mit einem Fehler behaftet, der ihre Tauglichkeit zu dem vertrags¬ 
mäßigen Gebrauch anihebt oder mindert, oder entsteht im Laufe der Miete 
ein solcher Fehler, so ist der Mieter für die Zeit, während derer die Tauglich¬ 
keit aufgehoben ist, von der Entrichtung des Mietzinses befreit, für die Zeit, 
während derer die Tauglichkeit gemindert ist, nur zur Entrichtung einer nach 
den §§ 472, 478 zu bemessenden Teile des Mietzinses verpflichtet. 

Das gleiche gilt, wenn eine zugesicherte Eigenschaft fehlt oder später 
wegfällt. 

§ 688, Abs. 2. Im Falle des Verzuges des Vermieters kann der Mieter 
den Mangel selbst beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen 
verlangen. 

S 656. Der Mieter ist verpflichtet, die gemietete Sache nach der Be¬ 
endigung des Mietverhältnisses zurückzugeben.“ 

Die §§ 536, 537, 538 und 556 geben zuweilen die Veran¬ 
lassung zu Prozessen, in denen wir als Sachverständige auftreten 
müssen. Dem Publikum ist heute fast allgemein bekannt, daß 
eine Wohnung, die vorher von infektiösen Kranken innegehabt 
ist, eine Gefahr für die neuen Bewohner bedeutet. Sie verlangen 
daher mit Hecht, daß derartige Wohnungen desinfiziert werden, 
bevor sie einziehen. Nun schreibt bekanntlich bei Umzügen von 
Tuberkulösen das Gesetz leider derartige Wohnungsdesinfektionen 
nicht vor. Vermieter sowohl, wie der alte Mieter weigern sich 
daher nicht selten, die Desinfektion vornehmen zu lassen. Der 
neue Mieter verlangt sie und so kommt es zum Prozeß. In großen 
Städten weiß leider der Mieter selten, wer vor ihm die Wohnung 
innegehabt hat. Fast niemand hält es, wie von Esmarch 1 ) 
besonders hervorhebt, für nötig, sich nach dem Gesundheitszustände 
der Vormieter zu erkundigen, leider häufig zu seinem und seiner 
Familie Schaden. Besonders bedenklich ist dieses, wenn eine 
solche Desinfektion bei Vermietung von möblierten Zimmern unter¬ 
bleibt, die z. B. monatelang von einem schwer Tuberkulösen be¬ 
wohnt sind. Nene Bettwäsche und ein reines Handtuch sind 
vielfach selbst bei besseren möblierten Wohnungen von Studenten etc. 
die einzige Vorbereitung auf den neuen Bewohner. Man kann 


l ) Esmzrch: Hygienische Winke für Wohnnngisuchende. Preis: 1 M. 



718 


Dr. Bürger. 


sich vorstellen, welche Gefahren dies fttr den „möblierten Herrn* 
bedingt, von dem „Schlafburschen* gar nicht zn sprechen, der 
häufig nicht mal frische Wäsche bekommt. Erfährt jedoch mal 
zufällig ein neuer Mieter, daß vor ihm ein schwer Tuberkulöser 
die Wohnung inne hatte, was in kleineren Städten nicht selten 
vorkommt, so weigert sich der Hausbesitzer, da er den alten 
Mieter oft nicht mehr fassen kann, auf seine Kosten das Zimmer 
desinfizieren zu lassen. Zweifellos ist eine solche „tuberkulöse 
infizierte* Wohnung ungeeignet zum Bewohnen. Es hat also nach 
§ 538 der neue Mieter das Recht, die Wohnung selbst desinfizieren 
zu lassen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen zu ver¬ 
langen. 

Aber auch in Fällen, wo eine Desinfektion stattgefunden 
hat, kommt es gelegentlich zu Streitigkeiten. Sind in einer 
Wohnung Kinder an Diphtherie, Scharlach etc. erkrankt nnd 
wechseln die Bewohner zufällig die Wohnung, so wird oft nur 
ein Zimmer, das „Krankenzimmer* desinfiziert, da sich die Sanitäts- 
Polizei hiermit vielfach zufrieden gibt. Fttr den neuen Mieter 
und seine Kinder ist hiermit die Gefahr aber zweifellos nicht be¬ 
seitigt. Mit Recht verlangt in solchen Fällen der neue Mieter 
eine Desinfektion der ganzen Wohnung und der Gutachter muß 
meines Erachtens die Frage bejahen, daß eine erhebliche Ge¬ 
fährdung der Gesundheit durch die Wohnung besteht. Von dem 
neuen Mieter können wir nicht verlangen, daß er, um seinem Vor¬ 
gänger resp. der Verwaltung Kosten zu ersparen, sich und seine 
Familie einer schweren Gesundheitsgefahr aussetzt. 

Wegen der großen sozialen Bedeutung will ich auch auf 
diese eigentlich rein juristische Frage, wer die Kosten der Des¬ 
infektion zu tragen hat, mit einigen Worten eingehen. 1 ) 

Nach Niendorff kann „der Mieter nach einer ansteckenden 
Krankheit, z. B. beim Tode des Mieters, die Erstattung der des¬ 
halb fttr Desinfektion und Neuherstellung aufgewendeten Kosten 
verlangen. Bei möblierten Wohnungen wird er sogar, wenn in 
einem solchen Falle das Bettzeug nicht sofort nach dem Tode 
des Kranken desinfiziert wurde, Erstattung des Wertes fordern 
dttrfen (Ost, G. H. 24, S. 534, Fuld S. 138, Staudinger 
§ 559, vergl. dagegen Frankfurter Rsp. 13, S. 369, Ort mann 
§ 548 N. 1. b.). 

Fuld hält die Rttckgabe ohne vorherige Desinfektion fttr 
eine Verletzung der Rftckgabepflicht. Sie begrttndet, abgesehen 
von der Schadenersatzpflicht gegenüber dem Vermieter auch die 
Schadenersatzpflicht gegenüber den späteren Bewohnern der 
Wohnung, welche von der betreffenden Krankheit befallen werden. 
Der Mieter kann nach Fuld nicht die Einrede der höheren Ge¬ 
walt Vorbringen, da die Krankheit nicht als höhere Gewalt an- 
zusehen ist. 

„Dagegen steht nach Fuld dem Vermieter kein Erstattungs- 

*) Näheres siehe Ar Bold: Die Wohnungsmiete nach dem Bürgerliches 
Gesetsbuche 1899. Faid: Dm Mietrecht. Leipzig 1898. Brückner: Miete 
▼ob Wohnungen. Frinkel: Miet- undPnchtrecht. Niendorff: Mietrecht. 
Berlin 1907. 



Die gerichtsärztliche Begutachtung von Wohnungen. 


719 


anspruch za, wenn er ohne polizeilichen Zwang das Zimmer, das 
ein erkranktes Kind des Mieters benutzt hat, desinfizieren läßt“ 
(K. GL 9. U. 1570/92; vergl. Senf f ert 39, N. 298). Dieser Auf¬ 
fassung kann ich mich aus den oben angegebenen Gründen nicht 
ohne weiteres anschließen, da durch die polizeilich Torgeschriebene 
Desinfektion aus den oben angeführten Gründen nicht alle Ge¬ 
fahren beseitigt werden. 

„Wenn dagegen ein Hotelwirt das Zimmer, in welchem ein 
Gast am Herzschlage gestorben ist, desinfizieren, neu tapezieren 
und mehrere Tage unvermietet läßt“, so ist, wie Niendorff 1 ) 
richtig ausführt, der Gast nicht verpflichtet, die Kosten zu tragen. 

Viel häufiger, wie die bisher genannten Paragraphen, gibt 
der folgende dem Gerichtsärzte Veranlassung, als Sachverständiger 
über Wohnungen tätig zu sein: 

㤠544. Ist eine Wohnang oder ein anderer zum Aufenthalte von 
Menschen bestimmter Baum so beschaffen, daß die Benutzung mit einer erheb¬ 
lichen Gefährdung der Gesundheit verbunden ist, so kann der Mieter das 
Mietsvorhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen, auch wenn 
er die gefahrbringende Beschaffenheit bei dem Abschlüsse des Vertrages ge¬ 
kannt oder auf die Geltendmachung der ihm wegen dieser Beschaffenheit zu¬ 
stehenden Rechte verzichtet hat.“ 

Wegen der großen sozialpolitischen und gerichtlich medi¬ 
zinischen Bedeutung dieses Paragraphen will ich auf die Ent¬ 
stehungsgeschichte mit einigen Worten hin weisen. 8 ) 

Im 1. Entwarf des B. G. B. fehlte der Paragraph; es hätten 
also für den Fall, daß jemand wissentlich eine die Gesundheit 
erheblich gefährdende Wohnung mietete, oder auf die Geltend¬ 
machung der ihm wegen dieser Beschaffenheit zustehenden Rechte 
verzichtete, die allgemeinen Grundsätze Platz greifen müssen. 

Glücklicherweise wurde dann in der zweiten Kommission 
für den ersten Entwurf der Antrag gestellt, folgenden Paragraphen 
einzuschalten: 

„Ist eine Wohnung Gegenstand des MietsVertrages und leidet sie „an 
einem die Gesundheit der Bewohner gefährdenden Mangel“, so 
kann der Mieter nach Maßgabe des § 529 von dem Vertrage iür die Zukunft 
zurücktreten, auch wenn er den Mangel zur Zeit der Schließung des Vertrages 
gekannt hat oder die Haftung des Vermieters für den Mangel durch Vertrag 
ausgeschlossen ist.“ 

Wir sehen also, daß eine „erhebliche Gefährdung“ 
anfangs nicht verlangt wurde, daß vielmehr ein die Gesundheit 
gefährdender Mangel genügen sollte. Der Paragraph wurde aber 
lebhaft bekämpft. Man wies darauf hin, daß sich eine Besserung 
der Wohnungsverhältnisse der Armen nur durch die Polizeigesetz¬ 
gebung und die Verwaltung, nicht aber durch einen Paragraphen 
des B. G. B. erreichen lasse. 

„Die Mehrheit hielt hingegen mit Hecht den beantragten Paragraphen 
für geeignet, ein wichtiges sozialpolitisches Prinzip zu unterstützen.. Wenn 
auch die direkte Wirkung einer solchen Bestimmung nicht allzu erheblich sein 
werde, so könne sie doch als Stützpunkt für andere, besonders polizeiliche 
Maßnahmen dienen und werde auch auf die Vermieter schon vermöge ihrer 
Existenz einen gewissen Druck ausüben, die Wohnungen besser zu gestalten. 
Es komme allerdings oft vor, daß der Mieter wisse, daß die Wohnang feucht 


*) Siehe Anm. 1 anf S. 714. 

*) Mugdan: Die gesamten Materialien zum B. G. B. 



720 


Dr. Bürger. 


aei 08 W., und daß er trotsdem dieselbe miete, indem er eben die Gefahren 
unterschätze. Steile sich nun hinterher Krankheit ein, so sei es Bihnam, 
ihu indirekt (dadurch, daß er die Miete bezahlen müsse) zu zwingen, in der 
Wohnung zu bleiben. Es käme auch noch in Betracht, daß der Mieter regel¬ 
mäßig nicht nur für sieb, sondern auch für seine Familie miete und daß der¬ 
selbe nicht befugt erscheine, durch einen solchen Verzicht über Leib und 
Leben seiner Angehörigen zu verfügen. Allerdings sei ein Mißbrauch auf 
Grand dieses Paragraphen nicht vollständig ausgeschlossen, und es empfehle 
sich deswegen, um das darin liegende Bedenken abzuschwächen, daß man für 
die Anwendung des gedachten Paragraphen einen „die Gesundheit erheblich 
gefährdenden Mangel* verlange.* 

Die Reichstagskommission (Bericht der X1L Kom. des 
Reichstages vom 12. Juni 1896) gab dem Paragraphen später 
die heutige Fassung. Durch die Abänderung wollte man aus¬ 
sprechen, daß die Bestimmung des Paragraphen nicht nur auf 
eigentliche Wohnräume, sondern auch auf andere zum Aufenthalt 
von Menschen bestimmte Räume zu beziehen sei, wie z. B. ein 
Comptoir, einen Laden, eine Werkstatt usw. 

Wenn wir heute, 10 Jahre nach Inkrafttreten des B. G. B. 
die Wirkung des § 544 betrachten, so müssen wir sagen, daß sie 
außerordentlich segensreich war und weit mehr mit ihm erreicht 
ist, als man erwartet hatte. 

Freilich wird der Paragraph auch zuweilen mißbraucht, um 
einen unbequemen Mietsvertrag zu lösen. Bald hat ein Mieter 
eine billigere Wohnung gefunden, bald rentiert sich sein Geschäft 
nicht, alles Gründe, die ihm ein Loskommen vom Kontrakte er¬ 
wünscht sein lassen. 

Im großen und ganzen ist aber die Zahl der „Wohnungs¬ 
prozesse“ gering, wenn wir bedenken, daß die Zahl der Woh¬ 
nungen, die zweifellos eine erhebliche Gefährdung der Bewohner 
bedingen, eine verhältnismäßig große ist. Das haben die vielfach 
von Vereinen, Behörden, Krankenkassen etc. veranstalteten Massen- 
wohnungs-Besichtigungen ergeben. Wenn, wie gesagt, trotzdem 
die Zahl der Prozesse um Wohnungen verhältnismäßig gering ist, 
so liegt das vielfach daran, daß gerade die schlechtesten Woh¬ 
nungen meist an solche Leute, Portiers (Kellerwohnungen), Ver¬ 
walter etc. vermietet sind, die in einem Abhängigkeitsverhältnis 
zum Hausbesitzer stehen. Andere Mieter wiederum können nicht 
wechseln, weil sie sonst um ihr Brot kommen. Das weiß der 
Hausbesitzer; er tut deshalb vielfach nicht das geringste, um die 
Gesundheitsgefährlichkeit der Wohnung zu beseitigen. Die Polizei 
erfährt nichts; denn der Mieter darf es ihr ja nicht mitteilen. 

Fallen aber plötzlich für den Mieter all diese Gründe fort, 
dann hat er keinen Grund mehr, dem Hausbesitzer zu Liebe sich 
und seine Familie Krankheiten auszusetzen. Und wer wollte ihm 
das verargen! Wir dürfen also nicht daraus, daß ein Mieter 
längere Zeit in einem Hause gewohnt hat, ohne weiteres schließen, 
daß seine Klagen unbegründet seien, wie ich wiederholt sogar in 
ärztlichen Gutachten gelesen habe. 

Nach diesen Vorbemerkungen will ich nunmehr auf den § 544 
selbst eingehen. 

Zwei Fragen sind es also vor allen Dingen, die dem Sach- 
rerständigen immer wieder vorgelegt werden: 



Die gerlchts&rstliebe Begutachtung von Wohnungen. 


721 


1. Liegt Oberhaupt eine Gefährdung der Gesund¬ 
heit vor? 

2. Ist diese eine erhebliche? 

Die erste Frage ist meist leicht zu beantworten. Große 
Schwierigkeiten bietet dagegen die zweite. Selbstverständlich 
muß die Gefährdung eine naheliegende sein, da eine in ent¬ 
fernter Zukunft liegende nicht als erheblich angesehen werden 
kann. Auch genügt es nicht, daß der Mieter sich der Gefahr 
einer leichten Erkältung, eines Schnupfens, eines Bindehaut¬ 
katarrhs, einer Uebelkeit aassetzt, sondern es muß die Gefahr 
einer ernsteren Erkrankung vorliegen. 

Eine erhebliche Gefährdung kann aber nicht nur, wie 
man vielfach fälschlich annimmt, durch eine dauernde Eigenschaft, 
sondern auch durch eine vorübergehende hervorgerufen werden. 
Wenn ein Kinder- oder Arbeitszimmer im Winter ein oder mehrere 
Tage infolge Versagens der Zentralheizung eiskalt ist oder ein 
Ofen tagelang dauernd raucht, so dürfte eine erhebliche Ge¬ 
fährdung vorliegen. 

Wichtig ist es, daß wir bei Abgabe unseres Gutachtens 
immer den Zweck eines Raumes berücksichtigen. Von zwei 
ganz gleich feuchten Zimmern kann das eine eine erhebliche 
Gefährdung bedingen, das andere nicht, je nach dem Zwecke, zu 
dem es dient. Wir werden kaum jemals eine Erheblichkeit an¬ 
nehmen, wenn nur das Badezimmer oder der Korridor feucht ist, 
während beim Schlafzimmer der Kinder schon eine relativ ge¬ 
ringe Mauerfeuchtigkeit genügen dürfte. 

Eine feuchte Speisekammer, in der alle Nahrungsmittel ver¬ 
derben, ist zweifellos viel gefährlicher wie ein feuchter Kleider¬ 
raum, eine Bodenkammer oder ein Keller. Ein Feuchtigkeits¬ 
gehalt, der einem in Bewegung befindlichen Arbeiter nichts 
schadet, kann für einen stets ruhig sitzenden Kopfarbeiter eine 
erhebliche Gefahr bedingen. 

Die Ursache der Gesundheitsgefährdung muß in 
der Beschaffenheit der Wohnung selbst liegen. Auf 
den besonderen Zustand der Bewohner nehmen weder der § 544 
noch der später zu besprechende § 906 Rücksicht. Es ist viel¬ 
mehr stets der Maßstab des „Durchschnittsmenschen“ zugrunde 
zu legen. — Nach der Reichsgerichtsentscheidung vom 9. No¬ 
vember 1904 ist die Darchschnittseigenschaft nach im Einzelfall 
in Betracht kommenden Örtlichen Verhältnissen zu beurteilen. 

Man wird in Berlin z. B. bedenken, daß der Durchschnitts- 
berliner einen gewissen Grad von Nervosität besitzt und daher 
durch Geräusche und Erschütterungen vielmehr gefährdet wird 
wie ein Landbewohner. Dasselbe gilt von seiner Empfindlichkeit 
gegen den Geruch von Düngerhaufen, Schweineställen, Pferde¬ 
ställen etc. Auch gegen Feuchtigkeit ist der Stadtbewohner, be¬ 
sonders seine zum größten Teile zu Blutarmut, Skrofulöse, 
Taberkulose neigenden Kinder viel empfindlicher wie der Ländler. 

Die zweifellosen Härten, die die Einscbiebung des Wortes 



722 


Dr. Bürger. 


„erhebliche“ in den § 544 bekommen hat, werden durch diese 
Auffassung des Reichsgerichts etwas gemildert. 

Als Arzt muß man es bedauern, daß ein Rheumatiker, ein 
Tuberkulöser eine ihn erheblich gefährdende Wohnung behalten 
muß, weil sie für einen „Durchschnittsmenschen“ wohl 
eine Gefährdung, aber keine „erhebliche“ bedingt. Bedenken 
wir doch, daß der Mieter z. B. oft außer Stande ist, zu beurteilen, 
ob seine Wohnung, die er im Sommer trocken gemietet hat, auch 
im Winter trocken bleiben wird. 

Man hätte das Wort „erheblich“ ruhig weglassen können. 
Der Nutzen, den der Paragraph dann bringen würde, dürfte den 
Schaden, den er infolge Mißbrauchs stiften könnte, weit über¬ 
wiegen. 

Uns Aerzte würde der § 544 viel mehr befriedigen, falls 
er auch Anwendung finden könnte, wenn objektiv zwar nur 
eine Gefährdung, subjektiv, d. h. infolge besonderer Eigen¬ 
schaften der Bewohner, z. B. Rheumatismus, Nervosität, Tuber¬ 
kulose, eine erhebliche Gefährdung vorliegt. Juristisch 
soll das aber nicht möglich sein, da sonst, wie in'der Entscheidung 
des Reichsgerichts vom SO. Mai 1904 ausgeführt wird, „die Ent¬ 
scheidung von wechselnden persönlichen Empfindungen abhängen 
würde, also für die ohnehin schwierige Bestimmung der Grenze 
des Erlaubten jeder objektive Maßstab fehlen würde.“ Wenn das 
der einzige Grund ist, so vermag ich die Bedenken des Reichs¬ 
gerichts nicht zu teilen. Für uns Sachverständige würden sich 
sicherlich bald ganz bestimmte Normen für den Begriff „Ge¬ 
fährdung“ ergeben. 

Weiterhin sind für den Sachverständigen in Wohnungssachen 
folgende Paragraphen wichtig: 

„g 618. Der Dienstberechtigte hat Bäume, Vorrichtungen oder Gerät- 
schalten, die er zur Verrichtung der Dienste zu beschaffen hat, so einzurichten 
und zu unterhalten, und Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder 
seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, daß der Verpflichtete gegen 
Gefahr Iflr Leben und Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der 
Dienstleistung es gestattet. 

Ist der Verpflichtete in die häusliche Gemeinschaft aufgenommen, so 
hat der DienBtberechtigte in Ansehung des Wohn- und 8chlafraumes, der 
Verpflegung, sowie der Arbeite- und Erholungszeit diejenigen Einrichtungen 
und Anordnungen zu treffen, welche mit Bücksicht auf die Gesund¬ 
heit, die Sittlichkeit und die Beügion des Verpflichteten erforderlich sind. 

Erfüllt der Dienstberechtigte die ihm in Ansehung des Lebens und 
der Gesundheit des Verpflichteten obliegenden Verpflichtungen nicht, so 
Anden auf seine Verpflichtung zum Schadenersätze die für unerlaubte Hand¬ 
lungen geltenden Vorschriften des § 842 bis 846 entsprechende Anwendung. 

§ 906. Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von 
Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Bauch, Buß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen 
und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen inso¬ 
weit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstückes 
nioht oder nur unwesentlich beeinträchtigt oder durch eine Benutzung 
des anderen Grundstückes herbeigeführt wird, die bei den örtldhea Ver¬ 
haltungen bei Grundstücken dieser Lage gewöhnlich ist.“ 

Es gehören hierhin nach Rosenthal: 

„Die Gerüche and Dünste industrieller Anlagen, musikalische 
Geräusche, Kneipenlärm, Kindergeschrei auf Spielplätzen, Hunde- 



Die gerichtsärztliche Begutachtung von Wohnungen. 


723 


gebell, Hahnenschrei, Gestank ans Mistgraben nnd ungereinigten 
Teichen.“ 

»Sehnliche Einwirkungen“ im Sinne des § 906 sind solche 
durch Elektrizität, Licht usw. 

Für die Frage, was eine Beeinträchtigung ist, ist das 
Empfinden eines normalen Durchschnittsmenschen zugrunde zu 
legen, nicht eines nervösen (0. L. G. Colmar 27.0. El. 1903, 

D. R. J. S. 557). 

Bei der Prüfung der Frage, ob Störungen ein Grundstück 
„wesentlich“ beeinträchtigen, können wir Mediziner den Stand¬ 
punkt des Reichsgerichts durchaus gutheißen, daß man einem 
Hausbewohner nicht zumuten kann, zum Schutze gegen Geräusche, 
Gerüche, Fliegen etc. die Fenster beständig geschlossen zu halten 
(J. W., 1898; S. 447), daß er aber zur Nachtzeit event. seine Fenster 
schließen muß, um sich gegen Lärm etc. zu schützen (R. G. V. 
20. März 1909). 

E. Strafgesetzbuch. 

Eine gewisse Bedeutung für den Wohnungssachverständigen 
hat durch eine Entscheidung des Reichsgerichts auch der § 330 
Str. G. B. erlangt. Er lautet: 

„Wer bei der Leitung oder Ausführung eines Baues wider die allgemein 
anerkannten Hegeln der Baukunst dergestalt handelt, daß hieraus für andere 
Gefahr entsteht, wird mit Geldstrafe bis zu 900 Hark oder mit Gefängnis bis 
zu einem Jahre bestraft.“ 

Es hat nämlich das Reichsgericht am 28. September 1895 
entschieden: 

„Es liegt kein Grund vor, den Begriff der Gefahr auf die Befürchtung 
oder Schädigung durch äußere mechanische Einwirkung infolge mangelhafter 
technischer Konstruktion zu beschränken. Die Gefahr liegt nicht minder vor 
in bezug auf mögliche Erregung innerer Krankheiten, als bezüglich äußerer 
dynamischer Einwirkung auf andere Personen“ (Hucppe in Weyls Hand¬ 
buch der Hygiene; 8. 929). 

In Zukunft werden also die Gefährdung der Gesundheit durch 
Nichtbeachtung der hygienischen Forderungen beim Häuserbau 
und die hierdurch hervorgernfenen Schädigungen der Gesundheit 
gerichtlich bestraft werden; der Sachverständige wird demzufolge 
gelegentlich begutachten müssen, ob eine Gesundheitsgefährdung 
Vorgelegen hat. 

Eine gewisse Bedeutung haben endlich die §§ 62 nnd 77 des 

F. Handelsgesetzbuch. 

„| 62. Der Prinzipal ist verpflichtet, die Geschäftsräume und die für 
den Geschäftsbetrieb bestimmten Vorrichtungen und Gerätschaften so einzu¬ 
richten und zu unterhalten, auch den Geschäftsbetrieb und die Arbeitszeit so 
zu regeln, daß der Handlungsgehilfe gegen eine Gefährdung seiner Gesundheit, 
soweit die Natur dos Betriebes es gestattet, geschützt und die Aulrecht¬ 
erhaltung der guten Sitten und des Anstandes gesichert ist. 

Ist der Handlungsgehilfe in die häusliche Gemeinschaft aufgenommen, 
so hat der Prinzipal in Ansehung des Wohn- und Schlaf raumes, der Ver¬ 
pflegung, sowie der Arbeits- und Erholungszeit diejenigen Einrichtungen und 
Anordnungen zn treffen, welche mit Rücksicht auf die Gesundheit; die Sitt¬ 
lichkeit und die Religion des Handlungsgehilfen erforderlich Bind. 

Erfüllt der Prinzipal die ihm in Ansehung des Lebens und der Gesund¬ 
heit des Handlungsgehilfen obliegenden Verpflichtungen nicht, so Anden auf 



724 


Kleinere Mitteilungen und Referate aua Zeitschriften. 


seine Verpflichtungen zum Schadenersätze die für unerlaubte Handlungen 
geltenden Vorschriften der §§ 842—846 des B. G. B. entsprechende Anwendung. 

Die dem Prinzipal hiernach obliegenden Verpflichtungen können nicht 
im voraus durch Vertrag aufgehoben oder beschränkt werden.* 

Bei Schadenersatzklagen auf Grund dieses Paragraphen haben 
die Gerichtsärzte nicht selten Gutachten abzugeben. 

„§ 77. Als ein wichtiger Grund zur Kündigung durch den Lehrling ist 
es insbesondere auch anzusehen, wenn der Lehrherr seine Verpflichtungen 
gegen den Lehrling in einer dessen Gesundheit, Sittlichkeit oder Ausbildung 
gefährdenden Weise vernachlässigt.* 

Im Gegensatz zum § 644 B. G. B. verlangt also der § 77 
des Handelsgesetzbuchs keine erhebliche Gefährdung der 
Gesundheit. 

Wir haben, wie aus Vorstehendem hervorgeht, eine große 
Zahl von segensreichen Gesetzesparagraphen über Wohnungen, 
deren Kenntnis leider im Volke noch zu wenig verbreitet ist 
Sollte ein Wohnungsgesetz kommen, so wird es zweifellos schon 
deshalb auf die Besserung unserer Wohnungen von großem Ein¬ 
fluß sein, weil es sicherlich ein populäres Gesetz werden wird. 
Hoffen wir daher, daß es bald kommen und alle berechtigten 
hygienischen Forderungen berücksichtigen möge. 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 

A Qeriohtliohe Psychiatrie. 

Zur Lehre von den periodischen Psychosen, Insbesondere Aisgang 
und Sektionsbefand. Von Dr. Taubert, Oberarzt an der Prov.-HeUaastalt 
Lauenburg i. P. Archiv für Psychiatrie; 47. Band, 1. Heft. 

1 . Das manisch »depressive Irresein disponiert als eine vermutlich 
primäre affektive Störung und als eine vorzüglich endogene, auf hereditärer 
Grundlage beruhende Geisteskrankheit ganz besonders zu periodischem oder 
zirkulärem Verlauf. 

2. Diejenigen Faktoren, die geeignet sind, die in einzelnen Individuen 
latent vorhandene Veranlagung zum periodischen Verlauf einer Psychose 
manifest zu machen, spielen auch in der Aetiologie des manisch -drepressivea 
Irreseins eine entscheidende Bolle. Es sind dies insbesondere 8chädeltraumes, 
Herderkrankungen des Gehirns und in wenigen seltenen Fällen der chronische 
Alkoholismus. 

8 . Die ausschließlich durch erbliche Belastung erzeugten Fälle geben, 
was den Ausgang in Demenz betrifft, eine gute Prognose. 

4. In den Fällen, wo eine erworbene Schädlichkeit ätiologisch in Frage 
kommt, ist für den Ausgang in Demenz die Prognose um so schlechter, je 
mehr dadurch eine grob anatomische Verletzung des Gehirns geschaffen wird. 

5. Außer dem Ausgang in Demenz brauchen sich solche Fälle nicht 
von dem typischen Bilde des manisch-depressiven Irreseins zu unterscheiden. 

6 . Periodisch zirkuläre Psychose und Demenz sind bei dieser Unter¬ 

gruppe von Fallen vermutlich von einander unabhängige, mehr oder minder 
parallel laufende Störungen, die ihre gemeinsame Wurzel in der organischen 
Schädigung des Gehirns besitzen. Dr. Többen-Münster. 


Zar Prognose der Katatonie. Von Prof. Dr. Baeeke. Aua der 
psychiatrischen und Nervenkiioik der Universität Kiel. Direktor: Geh. Med.-Bat 
Prof. Dr. Siemerling. Archiv für Psychiatrie; 47. Band. 1. Heft. 

Verfasser macht den beachtenswerten Versuch, auf Grund der Beob¬ 
achtung von 200 in der Zeit von November 1901 bis Dezember 1906 ln der 
Kieler Klinik aufgenommenen Katatonlkern praktisch brauchbare, prognostische 
Gesichtspunkte aufsosteilen. Er glaubt lünl Haoptverlaufstypen im Beginn 



Kleinere Mitteilangen and Referate ans Zeitschriften. 


725 


dieser Krankheit unterscheiden za müssen, and zwar die depressive, die 
erregt-rer wirrte, die stuporöse, die sabakut paranoide Form and die Katatonie 
in Schüben. Es zeigte sich dabei das interessante Resultat, daß die nach 
Symptomverbindungen abgegrenzten Unterformen der Katatonie eine ver¬ 
schiedene Prognose darbieten and die sabakat entstandenen paranoiden Formen 
mit Beachtnng8wahn den weitaas günstigsten Verlauf nehmen. 

Dr. T 0 b b e n • Münster. 


Epileptoide and delirante Zustande bei kombiniertem Morphium* 
und Isopralmlssbraueh. Von Dr. F. Moerchen in Ahrweiler. Monats¬ 
schrift für Psychiatrie; Band XXVIII, Heft 1. 

Im Verlauf des chronischen Morphinismus, [wahrscheinlich mit Vorliebe 
bei psychopathischer Disposition, kommen neben epileptiformen Anfällen, 
transitorische Psychosen vor, die teilweise klinische Abweichungen vom Bilde 
des Delirium tremens alcohoücum darbieten, in einzelnen Fällen diesen aber 
bo vollständig entsprechen, daß eine Unterscheidung nicht mehr möglich ist. 
In den meisten, aber nicht in allen Fällen scheint die Abstinenz eine ursäch¬ 
liche Bedeutung zu haben. Ueber die organische oder funktionelle Ursache 
dieses Zastandes läßt sich klinisch zur Zeit noch nichts ermitteln. Es ist 
anzunehmen, daß vorwiegend solche Fälle von Morphinismus an Delirium 
tremens erkranken, bei denen eine komplizierende Vergiftung (mit Alkohol, 
Schlafmitteln) den ursprünglichen Zustand im Sinne einer weiteren Schädigung 
des Zentralnervensystems modifiziert hat. Diese vorübergehenden Erkrankungen 
sind, soweit sie sich dem Bild des Delirium tremens nähern, von den übrigen 
Morphiompsychosen zu trennen. Verfasser bezeichnet diese seltenen Zustände 
als ,das Delirium tremens der Morphinisten“. Dr. Többen-Münster. 


Papillenanomalien bei Alkohollsten. Von M. Margulies, früherem 
Medizinalpraktikanten der psychiatrischen Universitätsklinik Königsberg L Pr. 
(Direktor: Prof. Dr. E. Meyer). Archiv für Psychiatrie, 47. Band, 1. Heft. 

Nicht selten wird reflektorische Starre oder Trägheit der Papillen bei 
Korsakowscher Psychose gefunden. Infolge dieses Befundes entstehen oft 
Schwierigkeiten bei der Differentialdiagnose gegenüber der progressiven 
Paralyse. Da aber schwere Papillenstörungen bei der Paralyse häufiger 
gefunden werden als bei rein alkoholischen Psychosen, wird der Arzt, dem 
nicht alle modernen Unzersuchungsmethoden zu Gebote stehen, selten einen 
Fehler machen, wenn er in derartig zweifelhaften Fällen Paralyse annimmt; 
für die Behandlung wird es außerdem wenig aasmachen, solange wir noch keine 
spezifische Behandlung der Paralyse kennen. Wenn ein dringendes soziales 
oder forensisches Interesse vorliegt, sollte man nach Möglichkeit die Unter¬ 
suchung des Liquor cerebrospinalis auf Lymphozytose und vermehrten Eiweiß- 

J ehalt vornehmen und auch die Wasser mann sehe Reaktion anstellen. Alle 
iese Mittel stellen eine wertvolle Ergänzung der Pupillenuntersuchung dar. 
Bei den übrigen Formen deB chronischen Alkoholismus fand Margulies 
keine dauernde Starre und uur einmal eine dauernde Trägheit bei einem 
Kranken, der eine schwere, wahrscheinlich alkoholisch bedingte Demenz zeigte. 
Die Komplikationen, welche für das Zustandekommen dauernder Pupillen- 
störang wichtig erscheinen, sind außer Lues, Arteriosklerose, Trauma und 
Senilität, gelegentlich vielleicht auch Epilepsie. Flüchtige Störungen findet man 
selten, wenn nicht außer der akuten Vergiftung noch etwas anderes und zwar 
namentlich Epilepsie vorliegt. Besonders im Stadium des Delirium kann man 
einen Zusammenhang flüchtiger Papillenstörung mit epileptischen Insulten 
beobachten. Träge Licbtreaktion bei der akuten Halluzinose der Trinker 
erklärt sich meistens aus dem Angsteffekt der Kranken. 

Dr. Többen-Münster. 


Ueber die Prognose der Moral insanity (mit Katamnesen). Von 
Dr. D. Pachantoni-Genf, Assistenzarzt der psychiatrischen und Nerven- 
künik. Archiv für Psychiatrie; 47. Band, 1. Heft. 

Der Verfasser teilt in seiner Arbeit die Krankengeschichten einiger vor 
vielen Jahren in der Hallenser Nervenklinik behandelter Fälle von Moral 
insanity mit, bei denen die kürzlich erhobene Katamnese eine damals nicht 



726 


Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


vorauszusehende Heilung oder weitgehende Besserung aulwies. Der Ausgang 
in Heilung der Fälle des Verfassers soll ein Beweis dafür sein, daß die Mond 
insanity als ein zuweilen heilbarer Zustand, nicht mit dem absolut unheilbaren 
Schwachsinn zu identifizieren ist. Ueber die Berechtigung der Anschauung 
Pachantonis wird man nach Ansicht des Referenten erst nach Sammlung 
weiterer Erfahrungen ein abschließendes Urteil geben können. 

Dr. Többen-Münster. 


Verbrecherische Eitelkeit. Von Carlo Bosetti-Turin. Archivio di 
Antropologia criminale, Psichiatria etc.; XXXI. Band, Heft 1—2. 

Verfasser weist unter Wiedergabe einer dem Lombrososchen Atlas 
entnommenen Photographie zweier in der Pose eines MOrders und seines Opfers 
aufgenommenen Verbrecher auf die Eitelkeit hin, die nach Lombroso dem 
Verbrecher eigentümlich ist und die im Gesänge, in der Pose, in der Malerei 
und Skulptur, namentlich auch in der Tätowierung zum Ausdruck kommt. 

_ Dr. 8olbrig-Arnsberg. 


Katamnestlsehe Erhebungen tber begutachtete Untersuchung* 
gefangene. Von Schott*Weinsberg. Vortrag, gehalten im psychiatrischen 
Verein süddeutscher Irrenärzte. Allgemeine Zeitschrift für Psychiatrie; 
67. Band, 2. Heft. 

Der Vortragende stellte auf Grund der Beobachtung eines Materials 
▼on 82 Fällen folgende Leitsätze auf: 

„1. In der Mehrzahl der Fälle handelt es sich um vorbestrafte, vielfach 
erblich belastete und von Haus aus entartete Individuen. 

2. Reine Psychosen sind bei dem Material Schotts sehr selten. 

3. Die in der Haft zutage getretenen Störungen entspringen der minder¬ 
wertigen Veranlagung dieser Individuen und haben meistens mit der Frage 
der Zurechnungsfähigkeit zur Zeit der Tat nichts zu tun. Diese 8t0rungea 
haben sich in der Mehrzahl der Fälle nach der Aufnahme in die Irrenanstalt 
rasch wieder ausgeglichen. 

4. Ein gewisser Schwachsinn, epileptische und hysterische Züge traten 
bei den 32 Begutachteten häufig in die Erscheinung und sind als Aeußerung 
der allgemeinen Entartung aufzufassen. 

6 . Psychopathische Individuen eignen sich zum größten Teil für den 
Strafvollzug und sind recht wohl einer Disziplinierung zugänglich, wobei 
irren&rztliche Ueberwachung wertvolle Dienste leistet. 

6 . Bei der psychiatrischen Beurteilung und Begutachtung vorbestrafter, 
entarteter Individuen ist die Anwendung des § 51 Str.-G.-B. mit großer Vor* 
sicht und Zurückhaltung auszuüben, insbesondere gilt das für die erste der¬ 
artige Begutachtung. 

7. Den Psychiatern ist dringend anzuraten, die Psychologie des Ver¬ 
brechers genau zu studieren und sich im Verkehr mit Strafanstaltsärzten über 
diese Individuen möglichst zu unterrichten. 

8 . Den Strafanstaltsärzten wird gute psychiatrische Ausbildung von 
großem Nutzen sein. 

9. Durch die Erfüllung dieser beiden letzten Punkte wird sich ein 
großer Teil der bestehenden Erschwernisse und Unzutriglichkeiten beseitigen 
besw. mildern lassen. 

10 . Die Irrenanstalt muß sich nach Möglichkeit hüten, zur Detentkms- 
stätte psychopathischer Individuen zu werden; sie schadet dadurch ihrem 
Charakter als Krankenhaus, verletzt durch frühzeitige Entlassung dieser 
Individuen das Rechtsempfinden des Volkes und gefährdet die Rechtsfähigkeit 
des Staates. 

11 . Die katamnestischen Erhebungen bei begutachteten Untersuchung* 
gefangenen sollten allgemein durchgeführt werden. 

12 . Die Frage der Strafvollzugsfähigkeit verdient eine eingehende 
Bearbeitung, welche nur durch Zusammenarbeiten von Irren- und Strafanstalt* 
traten ersprießlich gestaltet werden kann. 

13. Die Einweisung in eine Irrenanstalt oder Klinik nach $ 81 St. P. 0. 
wird sich auch in Zukunft trotz guter psychiatrischer Ausbildung der Gericht- 
ärzte nicht umgehen lassen." 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


727 


Referent ist mit den aofgestellten Leiteitaen im großen and ganzen 
darchans einverstanden, glaubt jedoch hervorheben an sollen, daß nach seinen 
Erfahrungen die psychopathisch Minderwertigen lär eine Displinierung wenig 
geeignet sind, vielmehr eines besonderen Strafvollzuges in gesonderten 
Abteilungen unter Anwendung lediglich psychiatrischer Gesichtspunkte be¬ 
dürfen. _ Dr. T ö b b e n - Münster. 

Klinischer Beitrag zur Frage der Alkoholpsyehose. Von Dr. Wilh. 
St Ocker, Assistenzarzt der psychiatrischen Klinik zu Erlangen. Verlag von 
Gustav Fischer. Jena 1910. 298 Seiten. Preis: 7,50 M. 

Verfasser berichtet über die Resultate nachträglicher Ermittelungen 
über 90 Kranke, welche seinerzeit mit der Diagnose: Delirium potatorum (im 
Sinne der Reichsstatistik) in der psychiatrischen Klinik in Erlangen behandelt 
wurden. Diese nachträglichen Ermittelungen haben in sämtlichen 90 Fällen 
zu einer Abänderung der Diagnose geführt. Der Verfasser zieht aus seinen 
Untersuchungen den etwas zu weit gehenden Schluß, daß eine reine, lediglich 
durch den Alkohol bedingte Geistesstörung überaus selten sei. Augenschein¬ 
lich nimmt diese Schlußfolgerung keine Rücksicht auf die akuten einfachen 
und komplizierten Alkoholräusche. Auch die einfache akute Alkoholvergiftung 
stellt aber eine transitorische Geistesstörung dar. 

Stöcker rechnet von seinen 90 Fällen 34 der Epilepsie zu, 27 dem 
manisch-melancholischen Irresein, 14 der Dementia praecox, 4 der Hysterie, 
6 Psychopathie (8 davon zweifelhaft), 2 Paranoia chronica, 1 Imbezillität, 
1 progressive Paralyse, 1 Arteriosklerose des Gehirns, 1 Fieberdelirium. 

In einigen Fällen wird sich über die Richtigkeit der von Stöcker 
gestellten Diagnose streiten lassen. Anderseits steht fest, daß die Diagnose: 
Alkoholismus ^chronicus, chronischer Alkoholwahnsinn wesentlich häufiger ge¬ 
stellt wird, als die tatsächlichen Verhältnisse dies gestatten. Kiel holz und 
ebenso Gräter haben schon früher auf diesen Punkt hingewiesen; Stöckers 
verdienstliche Forschungen bestätigen aufs neue, daß keineswegs ein jeder 
Geisteskranker, der wiederholt berauscht gewesen ist, an alkoholischer Geistes¬ 
störung leidet. _Dr. Paul Sehenk-Berlin. 

Trunksucht und Trunkenheit im Torentwurf zu einem deutschen 
Strafgesetzbuch. Von Dr. E. Stier, Stabsarzt, kommandiert zur Nerven- 
kllnik der Charitö. Archiv für Psychiatrie; 47. Band, 1. Heft. 

Der bekannte, in der Alkoholfrage literarisch wiederholt hervorgetretene 
Verfasser macht zum Torentwarf des deutschen Strafgesetzbuches folgende 
Abänderungsvorschläge, deren für ein Gesetz brauchbare Redaktion er den 
Juristen überlassen will: 

„1. Beibehaltung des Wirthausverbotes mit dem Recht des Gerichts, es 
über alle zu verhängen, die infolge von Trunkenheit eine Straftat be¬ 
gangen haben. 

2 . Verpflichtung des Gerichts, alle Trunksüchtigen, soweit es erforderlich 
erscheint, sie wieder an ein gesetzmäßiges und geordnetes Leben zu gewöhnen, 
einer Trinker-Heilstätte zu überweisen; beides ohne Rücksicht darauf, ob 
Verurteilung oder Freisprechung wegen Bewußtlosigkeit erfolgt ist. 

3. Bemessung der Aufenthaltsdauer in der Trinker-Heilstätte nicht nach 
der eingetretenen Heilung, sondern prinzipiell anf 2 Jahre mit der Maßgabe, 
daß nach Smonatigem Aufenthalt widerrufliche Entlassung gestattet ist, 
wenn sofortiger Eintritt in eine Enthaltsamkeits - Vereinigung erfolgt. 

4. Recht der Entmündigung heim ersten, Pflicht zur Entmündigung 
beim zweiten Rückfall von Trinkern, die aus Trinker - Heilanstalten ent¬ 
lassen sind. 

5. Volle Straffähigkeit der durch Trunkenheit vermindert Zurechnungs¬ 
fähigen, volle Straflosigkeit der durch Trunkenheit Unzurechnungsfähigen. 

6 . Einheitliche Anwendung des Begriffs „selbstverschuldete Trunkenheit*. 

7. Zusammenfassung der Bestimmungen über Trunkenheit und 
Trunksucht. 

8 . Verbot des Verkaufs alkoholischer Getränke an Kinder und Jugendliche 
unter 16 Jahren in Abwesenheit der Eltern.“ Dr. Többen-Münster. 



728 


Kleinen» Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


Die neue Strafrechtasehule. Von Cesare Lombroso. Archivio di 
Antropologia criminale, Psicbiatria; XXXI. Band, 1—2. Heft. 

Es handelt Bich um eine der letzten Schriften des verstorbenen geist¬ 
reichen Italieners, in dem er die Entstehung seiner im „Uomo delinquente" 
niedergelegten Gedanken widergibt. Als Militärarzt fand er im Jahre 1864 
Tätowierungen obszönster Art bei Soldaten von schlechter Ftlhrung; einige 
Jahre später fing er als Psychiater an, Analogien zwischen Irren und Ver¬ 
brechern zn finden. So kam er za den Schiaß, daß man nicht die Schuld, 
sondern den Schuldigen bei Abmessung der Strafe analysieren müsse. Später 
fand er dann bei Verbrechern Abweichungen an dem Skelett und dem Körper 
überhaupt, die er als Zeichen von Atavismus auffaßte, da sie an Eigentüm¬ 
lichkeiten von Tieren nnd an Instinkte des primitiven Menschen erinnerten. 
Dahin gehören: starker Unterkiefer, vorspringende Jochbeine und Augen- 
brauenbögen, weite Augenhöhlen, angewachsene Ohrläppchen, Schmerzuneropfind- 
licheit, Tätowierung und geistige Eigenschaften, wie Faulheit, Sinnenlust, 
Grausamkeit, Kanabalismus. Schließlich ließen sich auch Beziehungen zwischen 
epileptischen Zuständen und Verbrechen feststellen. So wurden Gewohnheits-, 
Gelegenbelts-, Leidenschafts- und Krankheitsverbrecher unterschieden. 

Wie es in Amerika besonders aasgebildet ist, fordert Lombroso als 
Grundlage des Strafrechtsverfahrens Analyse des Individuums. Der stigmatisierte 
Verbrecher ist zum Schutze der Gesellschaft vor ihm in eine Zwischenaustalt 
zwischen Gefängnis und Irrenanstalt nnterzubringen. 

Dr. Solbrig-Arnsberg. 


B. Saohvsnt&ndigsntätlgkslt in Unfhll- und InvallditAtssaohen. 

Die Paralysis traumatica des X. radialls lu der UnflallgesetsgebuBg. 
Von Dr. Rob. Borelli-Novara. La Medicina degli Infortuni del lavoro; 
1910, Nr. 2—8. 

Ein 19 jähriger Arbeiter erlitt durch eine rotierende Maschine einen 
Bruch des rechten Oberarms. Es stellte sich trotz sachgemäßer Behandlung 
im (Krankenhaus Muskelatropbie, Flezionsstellnng von Hand und Fingern, 
Anästhesie und Immobilität der Eztensoren bei starker Kallusbildung eia. 
Die Arbeitsfähigkeit war dadurch vollständig aufgehoben, da der Verletzte 
weder etwas fassen noch fortbewegen, noch ein Werkzeug regelrecht gebrauchen 
konnte. Da der Verletzte eine Operation verweigerte, wodurch allein eine 
Besserung hätte erzielt werden können, mußte der Schadenersatz auf 60— 66'/« 
veranschlagt werden. 

Solche Paralyse kann primär und sekundär bei Knochcnbiüchen des 
Oberarms Vorkommen; im ersten Fall spricht man von Kontusionsparaljaea, 
im zweiten Fall handelt es sich um die Folgeerscheinungen des Drucks durch 
Knochenfragmente oder übermäßige Kallusbildung an der Bruchstelle. Die 
Therapie solcher Zustände besteht in Massage, Elektrizität, besonders aber, 
wenn es sich um die sekundäre Form handelt, in einem chirurgischen Eingriff. 
Die Prognose der Operation ist eine recht günstige, selbst nach 4—6 Monaten 
kann noch ein Erfolg erwartet werden. 

Bei dieser Aussicht, durch eine unschädliche Operation eine Wiederher¬ 
stellung der Gebrauchsfähigkeit des verletzten Armes und damit der Erwerbe¬ 
fähigkeit herbeizufübren, hält Verfasser es für geboten, auf gesetzlichem 
Wege einen Zwang für die Verletzten, sich einer derartigen Operation zu 
unterwerfen, herbeizufflhren, was einstweilen bei den bestehenden Unfall- 
gesetzen in Italien (und ebenso in Deutschlandl D. Bei.) unmöglich ist 

_ Dr. Solbrig-Arnsberg. 


Lixation des Nerras ulnaris. Von Stabsarzt Dr. Grunert in 
Königsberg i. Pr. 

Ein 28 jähriger Soldat wurde wegen starker 8ehmerzen bei Berührungen 
des Condylus internus des rechten Oberarmes, die besonders bei starkem 
Beugen auftraten, in das Lazarett aufgenommen. Die Untersuchung ergab, 
daß der Nervus ulnaris im 8ulcus bicipitalis deutlich verdickt und abnorm 
beweglich war, so daß er sich nach beiden Seiten aus seinem Lager drücken 
ließ. Bei Beugung des Armes sprang der Nervus jedesmal völlig über den 
Condylus hinüber, wobei sich heftiges Krabbeln in den Fingern und im Ober- 



Kleinere Mitteilungen und Referate am Zeitschriften. 


729 


arm einstellte. Ala angebliche Entstehunggareache der Luxation wurde ermit¬ 
telt, daß Patient längere Zeit vor seiner Einstellung einmal mit der Innenseite 
des rechten Ellenbogens auf eine Mauer aufgestoßen war und sich infolge¬ 
dessen 3 Wochen lang in ärztlicher Behandlung befunden hatte. Seit der Zeit 
hatte er wohl hin und wieder Beschwerden, konnte aber seinen Beruf weiter 
versehen und nahm noch ein Jahr lang au jedem militärischen Dienst teil. 
Verfasser bespricht dann die verschiedenen Ansichten über das Zustande¬ 
kommen der Luxation; von einem Teil der Autoren wird kongenitale Anlage, 
die wohl durch ein Trauma in Erscheinung tritt, angenommen, von anderen 
angeborene Disposition zur Verschieblichkeit der Nerven; die Luxation selbst 
entstehe aber immer durch ein Trauma. Nach Ansicht des Verfassers han¬ 
delte es sich im vorliegenden Falle um eine kongenitale Luxation. Bei dem 
angeblichen Unfall trat die Sache dann dadurch in Erscheinung, daß Patient 
sich gegen den Nervus stieß, ohne daß daraus weitere Folgen resultierten. 
Jetzt beim Militär aber wurde bei den spezifischen Uebungen, Grjffeüben u. 
dergi., der Nervus sehr häufig veranlaßt, über den Condylus hinüberzugleiten, 
wodurch dann allmählich ein chronischer Beizzustand bezw. Entzündung ent¬ 
stand, die dem Patient derartige Beschwerden verursachte. Therapie bestand 
in diesem Falle in Operation und Vernähung des Nervum mit der Tricepssehne. 
Patient wurde völlig dienstfähig._ Bpd. jun. 

Gesichtswunde mit erheblicher Beschränkung des Kauens durch 
UnfalL Von Dr. A. Bricchetto-Busto-Arsizio. La Medidna degli Infor¬ 
tuni del lavoro; 1910, Nr. 4. * 

Ein Arbeiter erlitt in der Schmiede eine große Verletzung des Qesichts, 
die sich auf den M. temporalis und den M. masseter ausdehnte und nach ihrer 
Vernarbung eine starke Behinderung des Kauens zur Folge hatte, so daß 
schließlich nur noch flüssige Nahrung eingeiührt werden konnte. Alle Heil¬ 
versuche (Massage und Extension) blieben erfolglos. Verfasser nahm an, daß 
es sich hier um einen nach dem Gesetz entschädigungspflichtigen Unfall 
handle; er bewertete den Schaden genau so hoch, wie den infolge Verlustes 
eines Beins. 

(Wie würde man sich nach unseren gesetzlichen Bestimmungen in einem 
derartigen, gewiß nicht alltäglichen Fall erhalten P Doch wohl auch in dem 
Sinne, aaß an sich eine solche Unfallfolge die Arbeite- und Erwerbsfähigkeit 
herabzusetzen imstande ist. D. Bef.) Dr. Solbrig-Arnsberg. 


Ein Fall von traumatischen Magengeschwüren. Von Dr. F. Delitala 
und Dr. A. Bovasio-Sassari. Bivista Veneta; 1910, Nr. 8. 

Ein 16jähriges, voll entwickeltes, gesundes Mädchen aus guter Familie 
wurde, unmittelbar nachdem es von dem eigenen Vater heftig geschüttelt und 
mit Faustschlägen gegen Brust und Bauch traktiert worden war, von einer 
heftigen Nervenerregung, Brennen im Schlunde und häufigen Brechneigungen 
befallen. Es mußte zunächst an Vergiftung gedacht werden; dieser Verdacht 
wurde fallen gelassen, nachdem die Mißhandlung nachgewiesen war. In den 
nächsten Tagen trat reichliches Bluterbrechen mit Empfindlichkeit des Leibes 
und Temperatursteigerung auf. Die Behandlung bestand in Milchdiät, Eis, 
Bismuth. salicyl. mit Opium. Das Blutbrechen hörte jedoch nicht auf, wieder¬ 
holte sich vielmehr in heftigster Weise; auch stellte sich blutiger Stuhl ein. 
Die Diagnose mußte auf Magengeschwüre, die Prognose ernst gestellt werden. 
Die Kranke verfiel auch mehr und mehr und starb nach einer Woche. Bei 
der Obduktion fanden sich bei sonst normalen Organen mehrere größere Magen¬ 
geschwüre biB zur Ausdehnung von 1: 2 cm mit Zerreißung zahlreicher, z. T. 
größerer Blutgeläße. 

In seinem anläßlich dieses eigentümlichen Falles auf Ersuchen der Be¬ 
hörde ausgestellten Gutachten kommt Verfasser auf Grund der Anamnese, des 
Verlaufs der Krankheit und des Obduktionsbefundes zu dem Ergebnis, daß es 
sich um rein traumatische Magengeschwüre handle, die auf die erlittenen 
Faustschläge zurückzufübren seien, und daß jede pathologische Ursache aus- 
zuschließen sei. _ Dr. 8 o 1 b r i g - Arnsborg. 



730 


Kleinere Mitteilangen and Referate ans Zeitschriften. 


Diabetische Gangrän nach geringer Zeheaverletsung. Von Dr. Frank 
in Charlottenbnrg. Medizinische Klinik; 1910, Nr. 20 u. 21. 

Einem 54jährigen Kaufmann wurde im Bad gelegentlich einer Hühner* 
augenoperation von dem Bademeister eine kleine Schnittwunde an der Kuppe 
der zweiten Zehe des rechten Fußes boigebracht, die dieser mit Watte be¬ 
deckte und mit Kollodium begoß. Der Verletzte bemerkte gar nichts davon; 
er ging ohne Beschwerden die nächsten Tage seiner Besch&itigung nach. 
Vier Tage danach bemerkte seine Frau, daß die verletzte Zehe geschwollen 
war und sich dicht unter dem kurz geschnittenen vorderen Nagelrande ans 
einer linsengroßen und -tiefen Oeffnung, deren Boden schwarz gefärbt war, 
.Eiterjauche entleerte. Von da schonte sich Patient, war aber nicht bett¬ 
lägerig. Am zwölften Tage wurde ein Arzt geholt, der den ganzen vorderen 
Teil der Zehe Bchwarz verfärbt fand. Nagel und Haut des vorderen Zehen* 
teiles waren brandig; auch die Knochen der beiden vorderen Zehenglieder 
waren abgestorben, die Lymphdrüsen aber nicht entzündet. Die Brandbildung 
ging immer weiter, so daß schließlich zur Amputation des rechten Beines im 
rechten Oberschenkel geschritten werden mußte. Fieber, Drüsenschwellungen 
und sonstige schwere Störungen des Allgemeinbefindens waren nicht vorhanden; 
dagegen wurde festgestellt, daß Patient zuckerkrank war und an Aderwand* 
starre litt. Patient, der das Leiden auf die erlittene kleine Verletzung zurück- 
fübrte, verklagte nun den Bademeister auf Schadenersatz. Bei der Art der Ent* 
Btehang handelt es sich entweder um brandige Entzündung durch Infektion, aus¬ 
gegangen von der Verletzung oder um Brand durch Erkrankung der großen, 
das Blut zuführenden Gefäßstämme mit nachfolgender Fäulnis des brandigen 
Gewebes und dadurch erzeugter Entzündung, wobei die Entzündung Folge des 
Brandes war. Eine brandige Entzündung war völlig ausgeschlossen, da diese 
immer eine akute fieberhafte Erkrankung ist, die mit heftigen Schmerzen, Drüsen* 
Schwellungen usw. einhergeht. Diese Erscheinungen fehlten aber völlig; Pa¬ 
tient hatte zuerst gar keine Beschwerden und versah ruhig seinen Dienst. 
Die Erkrankung nahm bei ihm den typischen Verlauf des Zehenbrandes bei 
Zackerleidenden, wie denn auch bei ihm Zucker und Aderwandstarre konsta¬ 
tiert wurden. Die Erkrankung entstand von selbst; auch ihr Verlauf wurde 
durch die Verletzung, deren Behandlung eine völlige sachgemäße war, nickt 
beeinträchtigt. Kläger hatte demzufolge keinen Anspruch auf Schadenersatz. 

Bpd. jan. 


Sturz von der Leiter infolge Trunkenheit. Betriebsunfall« Von 
Dr. Zander-Berlin. Medizinische Klinik; 1910, Nr. 23. 

Ein 42jähriger Arbeiter fiel in trunkonem Zustand von einer Leiter und 
starb nach wenigen Standen. Die Sektion ergab Rippenbrüche, starke fettige 
Degeneration des Herzmuskels und überhaupt überall starke Verfettung, ferner 
Schädelbrach mit Zertrümmerang dos Kleinhirns und des rechten Stirnlappens. 
Gegen Zahlung einer Hintorbiiebenrente wurde geltend gemacht, die Möglich¬ 
keit bestehe, daß ein mit einem schweren Herzleiden behafteter Mensch nach 
einem nachgewiesenermaßen starken alkoholischen Exzeß beim Besteigen einer 
Leiter sehr gut einen Herzschlag (Herzlähmung) erlitten haben and infolge« 
dessen von der Leiter gestürzt sein könne. Außerdem hätte der Verstorbene 
die Leiter nicht benutzen dürfen, wofür aber eine ausdrückliche Vorschrift 
nicht bestand. Dieser Einwand wurde jedoch vom Schiedsgericht nicht als 
stichhaltig anerkannt, da auch bei einem event. Schlaganfall der Annahme 
eines Betriebsunfalles nichts entgegenstände, denn die sehr schwere, zum Tode 
führende Verletzung habe sich der Verstorbene unstreitig bei Gelegenheit des 
Betriebes zugezogen. Bpd. jun. 


Statistische Angaben Ober Unfälle und grundsätzliche Kriterien flr 
eine kflnftlge rationelle Statistik. La Medicina degli Infortuni del lavoro; 
1910, Nr. 1. 

Die Unfälle auf don italienischen Staatseisenbahnen haben in den letzten 
ähren an Zahl und Dauer der zeitlichen, wie anch an Zahl der dauernden 
ivaiidität zugenommen. Die ersten Tage der Woche neigten mehr Unfälle 



Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


731 


als die letzten. Am häufigsten waren Verletzungen der oberen und danach 
der unteren Gliedmafien. 

Es werden Vorschläge für eine einheitliche Statistik gemacht. 

_ Dr. So Ihrig-Arnsberg. 


Entschädigung bei habituellen Sehulterluxatlonen. Rekursent¬ 
scheidung des Reichsversicherungsamts vom 18. Januar 1910. 
Amtliche Nachrichten des Reichsrersicherungsamts; 1910, Nr. 7. 

Der Kläger will sich, wie er bei Erstattung der Unfallanzeige vom 
9. Dezember 1908 angegeben bat, im Jahre 1906, wie er in der Berufungs- 
schrift behauptet hat, im Frühjahr 1907 dadurch im Betriebe den linken 
im Schultergelenk ausgerenkt haben, daß er sich, um sich Tor einem Falle zu 
schützen, mit der linken Hand an einem Geländer festhielt und hierbei den 
Arm aus dem Gelenke zerrte. Ein Mitarbeiter hat ihm damals geholfen, den 
Arm einzurenken. Nach der Unfallanzeige hat er die Arbeit nicht unter¬ 
brochen, nach der Berufungsschrift hat er sie nach einigen Tagen wieder 
schmerzlos verrichten können. Später, angeblich zuerst wieder im November 
1908, sollen öfter Ausrenkungen vorgekommen sein, und zwar in jenem Monate 
fünfmal. Die Einrenkung hat der Kläger jedesmal selbst mit einem Mitarbeiter 
vorgenommen; er hat Weiterarbeiten können und hat erst im Dezember 1908 
wegen der Beschwerden im Arme einen Arzt zu Rate gezogen. 

Hiernach handelt es sich bei dem Kläger, wie die ärztlichen Sachver¬ 
ständigen ausführen, um den Zustand der sogenannten habituellen Schalter¬ 
luxation, der darin besteht, daß die Schultergelenkkörper die Neigung haben, 
bei Bewegungen, die ein gesundes Gelenk nicht beeinflussen, aus der normalen 
Lage zu geraten. Dieses Leiden ist, wie das Rekursgericht mit den Sachver¬ 
ständigen angenommen hat, dann als entschädigungspflichtige Unfallfolge 
anzuerkennen, wenn die erste Verrenkung, auf Grund deren die Neigung zu 
Verrenkungen entstand, durch einen Betriebsunfall verursacht oder wenn das 
Leiden durch einen solchen Unfall verschlimmert worden ist. 

Daß die Ausrenkung, die der Kläger im Jahre 1906 oder im Frühjahr 
1907 erlitten haben will, die erste gewesen ist, haben die ärztlichen Sachver¬ 
ständigen verneint. Nach ärztlicher Erfahrung erfolgt eine erstmalige Aus¬ 
renkung des Schultergelenkes außerordentlich selten durch innere Gewalt, also 
eine heftige Kraftanstrengung. Sie ist im allgemeinen nur möglich durch eine 
Zerreißung der Gelenkkapsel in erheblicher Ausdehnung und ist deshalb mit 
so starken Schmerzen und solcher Bestürzung der davon Betroffenen verbunden, 
daß diese kaum darauf kommen, von einem Laien Versuche der Wiederein¬ 
renkung an sich vornehmen zu lassen, sondern daß ihr erster Gedanke ist, 
zum Arzte zu gehen, ln der weitaus größten Zahl von erstmaligen Ver¬ 
renkungen wird Narkose zur Einrenkung notwendig, weil die Kranken ihre 
Muskulatur so stark anspannen, daß die Einrenkung ohne Narkose meist 
unmöglich ist. Der Mechanismus der erstmaligen Einrenkung ist ferner so 
verwickelt, daß nur ganz bestimmte Bewegungen zur Wiedereinrenkung führen, 
und daß der Verletzte von selbst kaum auf diese bestimmten Bewegungen 
kommen kann. Endlich hinterlassen erstmalige Einrenkungen noch längere 
Zeit derartige Schmerzen und Beschwerden, daß der Verletzte nicht in der 
Lage ist, schon nach einigen Tagen wieder zu arbeiten. Anders liegt die 
Sache bei einer wiederholten Ausrenkung. Hier können die Einrenkung, nach¬ 
dem der Verletzte die erforderlichen Handgriffe kennen gelernt hat, ohne 
große Schwierigkeiten und Schmerzen Laien vornehmen, und der Betroffene 
kann die Arbeit alsbald wieder fortsetzen. 

Im vorliegenden Falle sind alle Merkmale gegeben, die beweisen, daß 
die vom Kläger als erste bezeichnete Ausrenkung nicht die erste gewesen ist. 
Der Kläger hat nach seinen Erklärungen keine übermäßigen Schmerzen gehabt, 
hat die Einrenkung im Beistand eines Laien vorgenommen und die Arbeit 
fortgesetzt. Die Einrenkung ist nach seiner Schilderung völlig kunstgerecht 
gemacht worden, und dasjenige Verfahren, das nach Ansicht des gehörten 
Sachverständigen Laien noch am ehesten, gewissermaßen instinktmäßig anzu¬ 
wenden pflegen, und das darin besteht, daß das ausgerenkte Glied stark in 
seiner Richtung gezogen wird, ist hier nicht angewendet worden. Wenn der 
Kläger hierzu angegeben hat, daß er die Kunstgriffe von seiner Schwester 



732 


Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


kennen gelernt habe, die Diakonissin sei, so iät es unwahrscheinlich, daß der 
Kläger, bevor er sich zum ersten Male den Arm ausrenkte, so ausltkhrlich und 
anschaulich von seiner Schwester Uber die Einrenkung verrenkter Glieder sich 
unterrichten ließ, daß ihm später, als er von der unvorhersehbaren Ausrenkung 
betroffen wurde, die Handgriffe noch im Gedächtnisse waren und daß ihm 
daraufhin die Einrenkung glatt gelang. (Jebrigens ist die Schwester Diakonissin 
in einem Heine für schwachsinnige und verkrüppelte Kinder, wo man für 
gewöhnlich nicht lernt, wie verrenkte Glieder eingerenkt werden. Diese 
Kenntnis haben, wie der Sachverständige bemerkt, meist auch sehr erfahrene 
Krankenschwestern nicht. 

Unter diesen Umständen haben die Sachverständigen mit Bestimmtheit 
erflärt, daß der Ausrenkung im Jahre 1906 oder im Frühjahr 1907 schon 
mindestens zwei Ausrenkungen vorhergegangen waren, daß also der damalige 
Betriebsvorgang die habituelle Schulterluxation nicht verursacht hat. Dafür 
aber, daß das Leiden durch jenen Vorgang oder durch ein späteres Vorkommnis 
im Betrieb ungünstig beeinfloßt worden Ist, ist weder nach den Angaben des 
Klägers, noch nach Lage der Ssche irgendwelcher Anhalt vorhanden. 

Unfall Im Sinne der Prlvatunfallverslchernng und Infektion durch 
Gonokokken (Angenentsündung) bei einem Krankenwlrter Infolge seiner 
Berufstätigkeit. Haftpflicht der betreffenden Gesellschaft. Urteil des 
Reichsgerichts (VII. Z.-8.) vom 13. Mai 1910. 

Die Revision rügt Verletzung der §§ 183 und 157 des Bürgerlichen 
Gesetzbuchs und der §§ 286 und 313,4 der Zivilprozeßordnung. Die Rüge 
kann jedoch nicht für begründet erachtet werden. Es ist zunächst nicht 
zuzugeben, daß das Gutachten des Dr. Stern, Dozenten für Haut- und 
Geschlechtskrankheiten an der Akademie für praktische Medizin in Düsseldorf, 
das der Entscheidung des Berufungsrichters zu Grunde liegt, an Widersprüchen 
litte. Zwar zählt der Sachverständige im Eingänge seines Gutachtens die 
außerhalb des Geschlechtsverkehrs erworbenen Geschlechtskrankheiten mit zu 
den Infektionskrankheiten, während er im weiteren Verlaufe seiner Ausführungen 
dahin gelangt, daß eine durch Tripperinfektion hervorgerufene eiterige Ent¬ 
zündung des Auges nicht ohne weiteres als Infektionskrankheit anzusehen sei. 
Der Widerspruch ist aber nur ein scheinbarer. Wesentliches Erfordernis 
einer jeden Infektionskrankheit ist nach Ansicht des Sachverständigen die 
Mitbeteiligung des Gesamtorganismus, das Befallensein des ganzen Organismus 
in seinen Körpersäften. Eine außerhalb des Geschlechtsverkehrs erworbene 
Tripperinfektion ist demnach dann eine Infektionskrankheit, wenn die Infektion 
nioht bloß zu lokalon Störungen führt, sondern auch das Allgemeinbefinden 
beeinträchtigt; sie ist aber keine Infektionskrankheit, wenn sich die Infektion 
nur auf einen eng umschriebenen Bezirk beschränkt und nicht über den ersten 
Ort der Ansteckung hinausgreift. Es ist demnach nicht zu beanstanden, daß 
der ßerufungsrichter, gestützt auf dieses Gutachten, angenommon hat, bei 
dem Krankenwärter F. sei deshalb eine Infektionskrankheit nicht zur Ent¬ 
stehung gelangt, weil das Trippergift nur ein Auge ergriffen habe, ohne den 
Gesamtorganismus irgendwie in Mitleidenschaft zu ziehen. 

Die Revision ist nun zwar der Meinung, daß es richtiger gewesen wäre, 
anstatt einen Sachverständigen zu vernehmen, die Bedeutung des Wortes 
Infektionskrankheit durch Auslegung zu ermitteln, insbesondere durch Aus¬ 
legung der Versicherungsbedingungen in ihrem Zusammenhänge. Allein das 
Wort Infektionskrankheit ist kein Ausdruck des gewöhnlichen Lebens, sondern, 
wie auch der erste Richter hervorgehoben hat, ein medizinisch-technischer 
Ausdruck, und kann deshalb auch nur im technischen 8inne verstanden werden, 
zumal davon ausgegangen werden darf, daß die Versicherungsbedingungen 
unter Mitwirkung von Aerzten verfaßt worden sind. Uebrigens ist aber nicht 
ersichtlich, inwiefern der Zusammenhang der Versieherungsbedingungen der 
vom Bernfungsrichter gegebenen Begriffsbestimmung entgegenstehen sollte. 
Die Revision macht geltend, da nach § 5 alle Krankheiten schlechthin, also 
auch bloß lokale, von der Versicherung ausgeschlossen seien, so müsse auch 
die Augenentzttndung des F. ausgeschlossen sein. Indessen wenn nach den 
Versicherungsbedingungen einerseits zwischen Unfällen und Krankheiten zu 
■nterscheiden und wenn anderseits davon auszugehen ist, daß nach dem Willen 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


788 


der Vertragschließenden der Gesellschaft nicht etwa die Möglichkeit gewährt 
werden sollte, die Rechte, die sie dem Versichernngsnehmer in den §§ 2, 8, 4 
eingeräumt hatte, dorch Bernfang auf § 5 wieder illnsorisch zu machen, so 
kann nur angenommen werden, daß die Augenentzündung des F. zu den 
Unfällen im Sinne des § 2, aber nicht za den Krankheiten im Sinne des § 5 
za rechnen ist. Die Voraassetzangen des § 2 sind nach der unangefochtenen 
Feststellung des Berafangsrichters sämtlich gegeben. Es handelt sich am eine 
Einschränkung der Arbeitskraft, ohne Mitwirknng anderer Umstände verursacht 
durch eine Körperbeschädigang, die anabhängig vom Willen des Verletzten 
durch eine plötzliche äoßere mechanische Einwirkung eingetreten ist, denn 
der Berafang8richter hält für erwiesen, daß sich die Bindehautentzündung des 
F. nicht allmählich von innen heraus entwickelte, sondern plötzlich dadurch 
zur Entstehung kam, daß F. mit der Hand, an der sich Gonokokken befanden, 
eine unwillkürliche Bewegung nach dem Auge machte. 

Ohne Rechtsirrtum hat schließlich der Berufangsrichter angenommen, 
daß sich die Beklagte auch nicht auf § 6a der Vcrsicherungsbedingungen 
berufen kann. Hier ist bestimmt, daß Körperverletzungen, die sich der Vor* 
sicherte durch grobe Fahrlässigkeit oder Mutwillen zugezogen hat, zu Ersatz¬ 
ansprüchen nicht berechtigen. Der Berufungsrichter ist der Ansicht, daß die 
Beklagte den Beweis einer groben Fahrlässigkeit auf Seiten des F. nicht 
erbracht habe. Die Gonokokken konnten dem F. bei einer Gelegenheit an die 
Hand gekommen sein, wo er sich der Gefahr gar nicht bewußt zu sein 
brauchte, z. B. bei Berührung eines Gegenstandes, von dem er nicht wußte, 
daß er einem Tripperkranken zugänglich gewesen war. Die Erfahrung lehrt, 
daß selbst Aerzte trotz Anwendung der größten Vorsicht nicht selten durch 
Uebertragung von KrankheitsBtoffen angesteckt werden. Der Vorwurf einer 
groben Fahrlässigkeit hätte deshalb durch Anführung besonderer Tatsachen 
begründet werden müssen; solche Tatsachen sind aber von denr Beklagten 
nicht angeführt. 

O. Bakteriologie, Infektionskrankheiten und dffentllohes 

Sanlt&tswesen. 

1. Gewerbehygiene. 

Eine eigentümliche Form gewerblicher Quecksilbervergiftung. Von 
Dr. Meine rtz-Rostock. Medizinische Klinik; 1910, Nr. 23. 

Der Fall betrifft einen 56jähriger Mann, der seit September 1908 täglich 
4 Stunden in einem Betriebe, in dem Zahnplomben fabriziert wurden, damit be¬ 
schäftigt wurde, die aus Kupfer und Quecksilber bestehende Amalgammasse, nach¬ 
dem sie verrührt war, weiter zu verarbeiten. Die Masse wurde mit einem email¬ 
liertem Löffel ausgeschöpft und in Pfannen gefüllt, mit Salzsäure und Wasser 
gewaschen, über Gas getrocknet und durch einen leinenen Lappen gedrückt, 
darauf in eine Nickelpfanne gestampft, geglüht und mit dem Löffel heiß 
herausgeschöpft. Während die Masse durch den Leinwandlappen gedrückt 
wurde, mußten lederne Handschuhe, beim Glühen und Herausschöpfen des 
Quecksilbers eine Kappe getragen werden. Diese Vorschrift war befolgt, 
aber nicht in genügend wirksamer Weise, denn es drang soviel Quecksilber in 
die Handschuhe hinein, daß der Arbeiter hinterher das Metall aus ihnen her- 
ausschtttten mußte. Schon seit 5 Monaten hatte dieser über nervöse Erschei¬ 
nungen, Zittern in den Armen, Schwäche in Armen und Beinen geklagt. 
Am 1. November 1909 kam er in poliklinische Behandlung. Es bestanden bei 
ihm Tremor und lokalisierte, vorwiegend die Streckmuskulatur betreffende 
Maskelschwäche mit einfacher, nicht degenerativer Atrophie der befallenen 
Muskeln, ferner leichte Stomatitis und geringe Albuminurie. Im Urin wurden 
mehrere Male Qaecksilber nachgewiesen, auch noch 4 Wochen nach Aussetzen 
der Tätigkeit, die schließlich Zurückgehen der Erscheinungen herbeiführte. 

_ Bpd. jun. 

Bedarf das gesunde Auge des Schutzes gegen Licht, besonders gegen 
solches von knrser Wellenlänge! Von Prof. Dr. Birch-Hirschfeld in 
Leipzig. Medizinische Klinik; 1910, Nr. 80, 81. 82 u. 38. 

Verfasser kommt am Aide seiner Ausführungen zu folgendem Schluß: 

1. Es ist einwandfrei erwiesen, daß die ultravioletten Strahlen unter 



7S4 


Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


besonderen Verhältnissen (in technischen Betrieben, Schmelzwerken, Glasfabriken, 
Arbeiten an der Quecksilberdampflampe nnd der elektrischen Bogenlampe za 
euer Schädigung am vorderen Augenabschnitt (Ophthalmia electrica), der Linse 
(Experimente von Widmark and Hess) and der Netzhaut (Farbensinn» 
Störungen) fuhren können. Aach die Entstehung des Glasbläserstars darch 
kurzwelliges Licht ist in hohem'.Grade wahrscheinlich. 

2. Aach die leuchtenden Strahlen können allein (Beobachtung von 
Sonnenfinsternissen, Erythropsie) oder gemeinsam mit den ultravioletten Strahlen 
(Kurzschlußblendung, Blitzbiendang, Regulierung von Bogenlampen, Biendang 
aarch Qaecksilberdampflicht, Eisenlicht, Erythropsie des aphaktischen Auges) 
das Auge schädigen. 

3. Es ist deshalb falsch, die Schädlichkeit oder Unschädlichkeit einer 
Lichtquelle nur nach dem Gehalt an ultravioletten Strahlen zu beurteilen. 
Immer sind auch die leuchtenden Strahlen zu berücksichtigen und, falls sie 
in Intensitäten einwirken, die dem diffusen Tageslicht überlegen sind, durch 
entsprechende Anordnung der Lampen (indirekte Beleuchtung, Lichtzerstreuung 
oder geeignete Schutzglocken) entsprechend abzuschwächen. 

Strahlen unter 330 pji, die reizend auf die Bindehaut wirken können, 
sind bei Lichtquellen, die reich an solchen Strahlen Bind (Quecksilberdampf¬ 
lampe), abzublenden. 

4. Es ist nicht erwiesen, sogar unwahrscheinlich, daß die gebräuchlichen 
modernen Lichtquellen, wenn man diese Gesichtspunkte berücksichtigt, was 
sich leicht und ohne besondere Aufwendungen bewerkstelligen läßt, durch 
Gehalt an kurzwelligen Strahlen zu einer Schädigung der Bindehaut, der Linse 
oder der Netzhaut führen. 

5. Ebensowenig ist, wenn wir von der Schneeblendung absehen, von der 
dauernden Wirkung des diffusen Tageslichtes, dessen Intensitätsschwankungea 
sich unser Auge genügend anzupassen vermag, eine Störung zu erwarten. 

6. Oie Entstehung des Altersstares durch Strahlen, besonders solche 
von kurzer Wellenlänge, entbehrt einer ausreichenden Begründung. Eine der¬ 
artige Hypothese ist nicht geeignet, weitgehende Schutzmaßregeln zu begründen. 

7. Es ist unnötig, dem Lichte unter gewöhnlichon Verhältnissen sämt¬ 
liche ultraviolette Strahlen durch besondere Schatzgläser zu entziehen. 

8. Nur für spezielle Umstände (Arbeiten an der Quecksilberdampflampe, 

Regulierung von Bogenlampen, Arbeiten am Glasofen, in Eitenschmelzen usw.) 
sind Schutzbrillen nötig, die sowohl durch ihre Glassorte die ultravioletten 
Strahlen, als durch ihre Färbung die leuchtenden Strahlen genügend abschwächen. 
Oas Ideal wäre hier eine Schatzbrille, die das Licht der blendenden Licht¬ 
quelle zur Helligkeit und zum Farbenton des diffusen Tageslichts abdämpfea 
würde. Dieses^Ideal ist bisher noch nicht erreicht. Rpd. jun. 


Reaktionen der verschiedenen Funktionen des Organismus auf die 
Veränderungen des umgebenden Mediums. Von J. P. Langlois. Comptes 
rendus de la soc.Tde biol.; 1910, LXIX., Nr. 25. 

Im Anschluß an die früher besprochenen Versuche des Autors und 
seiner Mitarbeiter^ untersucht er in der vorliegenden Arbeit, wie die bisher 
isoliert geprüften Reaktionen)des Organismus sich’Jzu einander verhalten. 

Von 3 gesunden Männern)wurde eine Arbeit von etwa 700 Kilogramm¬ 
metern pro Minute geleistet. Die Versuchsperson bemühte sich außerdem, 
eine konstante Zahl vonfPedalstößen auszuführen. 

Die charakteristische Reaktion, die alle anderen beherrscht, ist die 
Elimination von Wasserdampf,Jdielfsich)mit der Ventilation verdoppelte 
(von 9 g auf 19 g stieg), bei ruhiger feuchter Wärme mit der Erhöhung 
aer Temperatur verringerte^ von 9 g bei 21—25° auf 7,5 zwischen 25 und 
80° auf 17,5 g). Bei weniger als 15 Minuten Arbeit kann die Körpertemperatur 
auf 88,6° steigen. ~ Blutdruck und Atemrhythmus wurden weniger deutlich 
verändert. _ Dr. Mayer-Simmern. 


Die Praxis)dos Klndorsehutsgosotses ln Preussen. Von Gewerbe¬ 
assessor Dr. Schürmann-Frankiuxt a. 0. Konkordia; 1910, Nr. 12. 

Zieht man aus den Betrachtungen Schlüsse, so kommt man su dom 



Kleinere Mitteilungen nnd Referate ans Zeitschriften. 


786 


Resultate, daß die Durchführung des Kinderschutzgesetzes heute noch als 
unzureichend bezeichnet werden muß. Anderseite hat die sechsjährige 
Praxis uns aber auch zum Teile schon gelehrt, wo der Fehler liegt, und uns 
einige erprobte Mittel zur Abstellung der noch herrschenden Mißstände an die 
Hand gegeben. Das Wichtigste ist zunächst, für eine weitere Aufklärung dor 
beteiligten Kreise zu sorgen und den mit der Aufsicht beauftragten Behörden 
eine bessere Möglichkeit zu bieten, Ungesetzlichkeiten in Erfahrung zu bringen. 
Das, was auf diesem Qebiet bereits erreicht worden ist, ist dem Zusammen¬ 
arbeiten der Qewerbeaufsicbtebehörden mit der Schule zu verdanken. 

Mehr jedoch als yon allen Verwaltungsmaßnahmen und der Strenge des 
Strafrichters muß yon denen erwartet weiden, die das Gesetz selbst trifft. 
Es sind die Arbeitgeber und die Eltern der Kinder. Bestrebungen wie die 
des in Berlin gegründeten deutschen Käuferbandes dürfen als wirksames 
Mittel zur Bereicherung dieses Zieles angesehen werden. 

Dr. Wolf- Witzenhausen. 


Ueber gewerbliche Kinderarbeit. Von Dr. Bender. Zeitschrift für 
Jugend Wohlfahrt; 1910, Nr. 5. 

Verfasser berichtet über das Verfahren, wie er mit Hülfe der Schule 
durch Ausfüllung eines Formulars die Ausdehnung der gewerblichen Kinder¬ 
arbeit feststellte. Nach den Erfahrungen in der Praxis findet die Mitarbeit 
der Lehrer noch nicht überall in wünschenswertem Maße statt. Empfohlen 
wird zur Abhilfe namentlich, daß durch Vorträge der Schulärzte in Lehrer- 
kreisen die gesundheitliche Schädigung der Kinder durch zu starke körperliche 
Inanspruchnahme hervorgohoben wird. Die Tätigkeit der Beamten zur Durch¬ 
führung des Gesetzes wird neuerdings durch eine yon den organisierten 
Arbeitern geschaffene Kinderschutzkommission unterstützt. 

Dr. Wo 1 f - Witzenhausen. 


8. Jugendfürsorge. 

Die Fürsorgeerzlehungsgesetse der deutschen Bundesstaaten. Von 
Landrichter Mengelkoch-Dttsseldorf. Soziale Kultur; 1910, Nr. 8—9. 

Eine Altersgrenze für die Anordnung der Fürsorgeerziehung ist nach 
unten im allgemeinen gesetzlich nicht festgesetzt, sondern nur nach oben. Hier 
lassen sich drei Gruppen yon Gesetzen unterscheiden. Erstens diejenigen, welche 
die Anordnung der Fürsorgeerziehung zulassen bis zum vollendeten 16. Lebensjahr. 
Es sind dies die Gesetze von Bayern, Bremen, Elsaß-Lothringen, 
Lippe, Lübeck, beide Mecklenburg, Sachsen, Schaumburg-Lippe, 
Schw.-Rudolstadt und Württemberg. Von diesen gestatten aber Bayern 
und Elsaß-Lothringen die spätere Anordnung „in besonderen Fällen“, und 
zwar Bayern bis zam vollendeten 18., Elsaß-Lothringen bis zum yoll- 
endeten 21. Lebensjahr. Auch Sachsen gestattet die nachträgliche Anord¬ 
nung bis zum 21. Lebensjahr, jedoch nur, wenn begründete Aussicht besteht, 
daß durch sie eine Besserung erzielt wird. 

Bis zum vollendeten 18. Lebensjahr gestatten die Anordnung der Für¬ 
sorgeerziehung die Gesetze von Baden, Hessen, Preußen und Waldeck. 

In den übrigen Bundesstaaten ist keine besondere obere Altersgrenze für 
die Anordnung der Fürsorgeerziehung gezogen; sie ist daher an sich rechtlich zu¬ 
lässig bis zur Volljährigkeit (21 Jahreji Sie wird aber naturgemäß um so 
weniger angeordnet werden, je mehr sich der Minderjährige dem 21. Lebens¬ 
jahre nähert, weil dann die Erziehungszeit zu kurz ist und keinen Erfolg 
mehr verspricht. Die Bundesstaaten ohne obere Ordnungsgrenze sind Anhalt, 
Braunschweig, Hamburg, Oldenburg, Reuß ä. u. j. Linie, Alten¬ 
burg, Coburg-Gotha, Meiningen, Weimar und Schwarzburg- 
8ondershausen. 

Die Frage, ob man die Zulässigkeit der Anordnung der Fürsorgeerzie¬ 
hung auf das vollendete 16. Lebensjahr, statt auf das vollendete 18. Lebens¬ 
jahr beschränken soll, steht heute in Preußen im Vordergründe des Interesses. 

Als Endpunkt der Fürsorgerziehung sind in den Gesetzen vier Lebens¬ 
alter vorgesehen: In Bremen und Lübeck endet die Fürsorgeerziehung 



736 


Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


schon mit dem 16. Lebensjahre. Die Ausdehnung durch Beschloß des Vor¬ 
mundschaftsgerichts ist jedoch zulässig, und zwar in Bremen bis xnm voll¬ 
endeten 18. Lebensjahre, aber nur mit Zustimmung der 8enatskommi8sioa für 
Poliseiaogelegenheiten; in Lübeck bis zur Volljährigkeit (21 Jahre), wenn 
dies zur Erreichung des Zweckes der Fürsorgeerziehung notwendig ist. 

Mit dem vollendeten 18. Lebensjahr endet die Fürsorgeersiehnng in 
Bayern, Lippe, beiden Mecklenburg, Württemberg, Schaum- 
bürg-Lippe und Schw.-Budolstadt. In allen diesen 8taaten ist die 
Ausdehnung durch Beschluß des Vormundschaftsgerichts in außergewöhnlichen 
Füllen zulässig, wenn dies zur Erreichung des Zweckes der Zwangserziehung 
notwendig ist. In Württemberg bedarf es zur Ausdehnung des Antrages 
des Anschusses der LandarmenbehOrdo. Die Ausdehnung kann dann erfolgen 
in Lippe, Mecklenburg, Württemberg und Sch w.-Budolstadt bis zum vollendeten 
20., in Bayern und Schaumburg-Lippe bis zum vollendeten 21. Lebensjahre. 

Mit dem vollendeten 20. Lebensjahr endet die Fürsorgeerziehung ia 
Baden, in den übrigen Bundesstaaten mit der Volljährigkeit (dem vollendeten 
21. Lebensjahr). Es sind dies Anhalt, Elsaß-Lothringen, Hamburg, 
Hessen, Oldenburg, Preußen, Beuß ä. u. j. Linie, Sachsen, ferner 
Alten bürg, Coburg-Qotha, Meiningen, Weimar, Schw.-Sonders- 
hausen und Waldeck. 


Das Anordnungsverfahren zeigt in allen Fürsorgeerziehungsgesetzen 
insofern ein einheitliches Gepräge, als nach der reichsrechtlichen Vorschrift 
des Artikels 186 des Elinführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch überall 
das Vormundschaftsgericht für die Anordnung der Fürsorgeerziehung 
zuständig ist. Hinsichtlich der ortsüblichen Zuständigkeit des Vormundschafts¬ 
gerichts enthalten die Gesetze von Baden, Braunschweig, Hamburg, 
Lippe, Mecklenburg, Schaumburg-Lippe, Schw.-Budolstadt 
und Württemberg besondere Bestimmungen. In den übrigen Ländern 
richtet sie sich nach den ZuständigkeitsbeBtimmungen für Angelegenheiten der 
freiwilligen Gerichtsbarkeit. 

In neuerer Zeit ist die Wichtigkeit der ärztlichen Untersuchung 
der zur Fürsorgeerziehung zu überweisenden Minderjährigen, und zwar 
möglichst frühzeitig, betont werden. Von den älteren Gesetzen schreibt nur 
das hessische die Einholung eines Gutachtens des Kreisgesundheitsamts vor, 
jedoch nur im Falle körperlicher Vernachlässigung oder Mißhandlung. Nach 
den beiden neuesten Gesetzen, in Hamburg vom 11. September 1907 und im 
Königreich Sachsen vom 1. Februar 1909, Ist im Verfahren vor dem Waisea¬ 
hauskollegium bzw. dem Vormundschaftsgericht ein ärztlicher Sachverständiger 
zu hOren. In Preußen ist durch Verfügung des Justizministers vom 24. Juni 
1909 die Ermittelung des geistigen und körperlichen Gesundheitszustandes im 
Fürsorgeersiehungsverfahren als erwünscht bezeichnet. Es handelt sich hierbei 
um die Ausscheidung geistig entarteter Kinder, die der Irren- oder Armen¬ 
pflege zuzuweisen sind. 


Die Ausführung der Fürsorgeerziehung liegt in allen Bundes¬ 
staaten Verwaltungsbehörden ob, nur in Lübeck dem Vormundschafts¬ 
gericht mit Hilfe des Gemeindewaisenrates. Soweit die Unterbringung auf 
Privatkosten erfolgt, steht dagegen die Entscheidung dem Vormundschafts¬ 
gericht zu. Dies ist in den Gesetzen von Hessen, beiden Mecklenburg, 
Beuß ä. L., Altenburg, Coburg-Gotha, Meiningen, Sehw.- 
Sondershausen ausdrücklich gesagt. 

Für die endgültige Entlassung sind in Anhalt, Elsaß- 
Lothringen, Oldenburg und Schaumburg-Lippe die Vollzugs- 
behOrden zuständig; das Vormundschaftsgericht kann aber auch die Fürsorge¬ 
erziehung aufheben. Die VollzugsbehOrden sind ausschließlich für die Ent¬ 
lassung zuständig in Hamburg, Lippe, Preußen. Schw.-Budolstadt 
und Wal deck (Landesdirektorium); Jedoch ist in Preußen und Waldeck 
gegen den die Entlassung ablehnenden Bescheid der Antrag auf gerichtliche 
Entscheidung durch das Vormundschaftsgericht zulässig. In allen übrigen 
Bundesstaaten ist das VormundschaftsgerTcht ausschließlich zuständig für die 
Aufhebung der Fürsorgeerziehung. Dr. Wolf-Witzen hausen. 




Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


787 


Die Fürsorgeerziehung ln Preusseu ln 1908» Von Amtsgerichtsrat 
P. Kühne. Zeitschrift für Jugendwohllahrt; 1910, Nr. 4. 

Zehn Jahre Fürsorgeerziehung. Von Demselben. Ebenda; 1910, H. 7. 

a. Am 81. März 1909 befanden sich in Preußen 80286 männliche, 14039 
weibliche, insgesamt 44325 Kinder und jugendliche Personen in Fürsorgeer¬ 
ziehung. Im Jahre 1908 sind 7363 Jagendliche nea der Fürsorgeerziehung über¬ 
wiesen. Die ZOglinge sind zu */» männlichen, zu */• weiblichen Geschlechts. 
Von den neu Ueberwiesenen stehen 3,8 °/o im Alter unter 6 Jahren,2 7,6 °/# 
in der Altersstufe zwischen 6—12 Jahren, 68,6 °/o in höherem Alter bis zu 18 
Jahren. Die Zahl der unehelich Geborenen unter den Zöglingen ist erheblich 
zurückgegangen; prozentual von 16,4 °/o im Jahre 1907 auf 18,8 9 /o im Jahre 1908. 
Dem Religionsbekenntnis nach waren unter den Zöglingen 58,5 °l» Evangelische, 
41°/t Katholiken, 0,4 °/o Juden, 0,1 °/o Angehörige anderer Glaubensgemein¬ 
schaften. Von dem im Jahre 1908 Ueberwiesenen waren ungefähr */* im 
Elternhause, etwa */« ganz oder teilweise außerhalb des Elternhauses erzogen. 
Sehr groß ist die Zahl der gerichtlich vorbestraften ZOglinge. Was die 
Unterbringung der ZOglinge anbelangt, so überwiegt diejenige in Anstalten 
sehr erheblich. Auffallend niedrig ist die Zahl der auf Grund des Beiehsrechts 
von den Vormundschaftsrichtern angewandten Fürsorgemaßregeln. 

b. Das Fürsorgeerziehungsgesetz ist eine große soziale Tat sowohl in 
seinem Wollen, als in seinen Wirkungen. Zwei Leitgedanken sind es, die einer 
neuen Richtung moderner Jugendfürsorge den Weg weisen. Der erste, daß 
es weder gerecht noch politisch klug ist, jagendliche Verwahrlosung und 
jugendliches Verbrechertum nur mit Strafen zu bekämpfen, daß vielmehr nur 
durch erzieherische Maßnahmen ein Erfolg zu erziehen ist; der zweite, daß 
an einer Stelle der Jugendschutz einen Brennpunkt finden muß. Das Für- 
sorgeerziehangsge8etz stellt pädagogische Aufgaben von einer Schwierigkeit, 
wie sie niemals früher gestellt sind. Nicht nur wegen der ungeheuren Zahl 
der in Betracht kommenden Minderjährigen, sondern auch weil sich unter 
ihnen zahlreiche, bereits der häuslichen Zucht entwachsene Personen befinden, 
für deren Behandlung es an einer wissenschaftlichen Pädagogik fehlt. Die 
Abänderungsvorschläge beziehen sich ausnahmslos auf § 1 des Gesetzes, obwohl 
auch manche anderen Vorschriften sich als nicht völlig zweckentsprechend 
erwiesen haben. Wichtiger als eine Gesetzesänderung, deren Tragweite schwer 
zu übersehen ist, und die sachgemäß nur in Verbindung mit einer Reform der 
Armengesetzgebung bewirkt werden kann, sind Fortschritte auf dem Gebiete 
der praktischen Ausführung des Gesetzes. Es gilt vor allen Dingen ein 
Erziehungspersonal heranzubilden, das den schweren Aufgaben der Fürsorge¬ 
erziehung gewachsen ist. Schließlich wird nicht zu vermeiden sein, die Auf¬ 
sicht über die Ausführung der Fürsorgeerziehung neu zu organisieren. Es 
wird bei der Neuordnung erforderlich sein, in irgendeiner Form den Zusammen¬ 
hang zwischen der anordnenden und ausführenden Behörde herzustellen. 

_ Dr. W o 1 f - Witzenhausen. 

Die Stellung und Tätigkeit des Arztes in dem Ffirsorgeerslehungs- 
uud Jagendgerichtswesen. Von Dr. Julius Moses, Arzt in Mannheim. 
Halbmonatsschrift für soziale Hygiene und Medizin; 1910, Nr. 22. 

Verfasser bespricht das Fürsorgeersiehungs- und Jugendgerichtswesen; 
er hebt hervor, daß die Erhebung einer brauchbaren Anamnese eine Kunst sei, 
die der Arzt mühsam erlernen müsse, und die doch nur ein Teilstück eines 
als zuverlässige Unterlage dienenden Gutachtens sei. Man dürfe nicht auf 
halbem Wege stehen bleiben, müsse obligatorische Untersuchung der Minder¬ 
jährigen vor der Einweihung in die erste Erziehungsstelle verlangen, und wo 
eine einmalige ärztliche Untersuchung nicht zum Ziele führe, müsse Ueber- 
Weisung in eine Beobachtangsstation erfolgen. 

Die Jagendgerichtshilfe sei nicht nach einem Schema geregelt. Das 
Maß der Inanspruchnahme der Aerzte schwanke zwischen gelegentlichen Unter¬ 
suchungen mit Erfordern eines ärztlichen Attesten und der Untersuchung 
sämtlicher vor ren Jugendrichter gelangenden Fälle. 

Hls wesentliche Fortschritte sind zu bezeichnen: die Verweisung aller 
gegen Jugendliche schwebenden Verfahren in die Hand eines Richters, die 
Trennung der jugendlichen von erwachsenen Angeklagten, eine größere Be* 



738 


Kleinere Mitteilungen nnd Referate uns Zeitschriften. 


sdur&nkiug der Oeffentliohkeit und die Ermöglichung einer intensiveren, den 
individuellen Verhältnissen dee Täters gereut werdenden Nachbehandlung 
jedes einzelnen Falles. 

Es ist wünschenswert, daß die freiwilligen Organe bereits im Vor* 
verfahren in Aktion treten, sich aber dabei aller Schritte enthalten, die auf 
tatsächliche Feststellung der Schnldfrage absielen. 

Vogt sagt, daß nichts geschehen dürfe, was eriiehnngswidrig sei Bis¬ 
weilen sei die Erstattung des Gatachtens in Gegenwart des Angeklagten 
ersiehongswidrig. 

Als Schöffen Aerzte für Jugendgerichte su bestellen, sei nicht zweck¬ 
mäßig. Die Aufgabe des Arztes sei anderseits nicht mit der Erstattung des 
Gutachtens erschöpft, sondern er müsse weiteres Material liefern für die Frage, 
ob bedingte Begnadigung, welche Erziehungs- und Schutzmaßnahmen zu 
empfehlen seien. Es sei anzuraten, daß der mitarbeitende Arzt einige Fälle 
als Jugendgerichtshelfer ganz übernehme und nicht nur die rein ärztlichen 
Untersuchungen anstelle. So erst gewinne er ein klares Bild und siehe reich¬ 
lichen Gewinn für seine ärztliche Spezialaufgabe. Dr.Hoffmann-Berlin. 

8. Bekämpfung des AUtohollsmna. 

Bericht über die 26. Jahresversammlung des Deutschen Vereins 
gegen den Missbrauch geistiger Getränke. Anhang: Bericht über die 
10. Jahresansammlung des Verbandes von Trinkerheilstätten des Deutschen 
Sprachgebietes. Berlin, Mäßigkeits-Verlag; 1910, 120 S., Mark 1,25. 

Auf der Hauptversammlung wurden die beiden Themate behandelt: 

1. Welche Aufgaben stellt die Alkoholnot an die Jugend- und Volkserziehung ? 

2. Wünsche zur Beichsversicherungsordnung betreffend Bekämpfung des 

Alkoholmißbrauohs. In Bezug auf den zweiten Punkt faßte die Jahresver¬ 
sammlung u. a. die Resolution, daß im Entwurf der Beichsversicherungsordnung 
die Bestimmung gestrichen werden soll, daß die Zahlung an Trunkfällige in 
den Satzungen ausgeschlossen werden kann. Ferner sollen sämtliche Ver¬ 
sicherungsträger verpflichtet werden, die Renten oder Krankengelder von 
Trinkern, ohne Rücksicht darauf, ob diese auf die Trinkerliste gesetzt oder 
entmündigt sind, entweder durch Leistung von Gegenständen des Lebensbedarfs 
zu ersetzen oder für die Trinker an deren Ehegatten oder eine andere geeignete 
Person su zahlen. Dr. Paul 8 ehenk-Berlin. 


Trinkerfürsorge. Bericht über die erste deutsche Konferenz für Trinker¬ 
fürsorgestellen am 26. Oktober 1909. Berlin, Mäßigkeits-Verlag; 1910, 176 8., 
Mark 120. 

Fttrsorgestellen für Alkoholiker bestehen bereits in 70 deutschen Städten, 
in 15 sind sie in Aussicht genommen. Der Bericht über die erste deutsche 
Konferenz für Trinkerfürsorgestellen bringt eine Menge interessanten Materials 
über die praktische Seite der Frage. Der Bericht zeigt vor allem, wie ver¬ 
schieden der Betrieb der Fürsorgestellen aufgefaßt und gehandhabt wird. 
Ich persönlich Btehe auf dem Standpunkt: Die Fürsorgestelle ist fast nichts, 
der Helfer, welcher sich dem Alkoholiker mit Geduld und Hingebung widmet 
fast alles. Entmündigung, Ehescheidung, Unterbringung in einer Anstalt sind 
dem Alkoholelend gegenüber stets nur Notbehelfe. Der geschiedene Trinker 
wird so schnell wie möglich eine zweite Frau unglücklich machen, wenn man 
nicht vorzieht, ihn zu kastrieren. Die Resultate der Trinkerheilstättea sind 
bei genauerem Zusehen recht unbefriedigend. Von vier Aufgenommenen wird 
vielleicht einer geheilt Auch bei den Fürsorgestellen sind manche Krälte am 
Werke, welche die Dinge gar zu leicht anfassen und so die Auffassung ver¬ 
wirren. Der Guttempler Blume führte auf der Konferenz recht treffend 
aus, daß die Berichte der Auskunfsstellen für Alkoholkranke vielfach einen 
Dilettantismus zeigen, der nur schaden kann. Was soll man dazu sagen, wenn 
v eine Stelle nach einjährigem Bestehen von Heilerfolgen redet f Ein Trinker 
darf eigentlich nur als geheilt bezeichnet werden, wenn er als Abstinent 
Teetorben ist Es gibt bekanntlich aber auch mehrere Trinkerheilstättea, 
welche einen Trinker bereits im Zeitpunkte der Entlassung als geheilt 
«zeichnen. ... -rm rW, M 



Kleinere Mitteilungen und Referate an« Zeitschriften. 


739 


Ohne eine stärkere Abstinensbewegnng als Matter, ohne abstinenz- 
freudige Personen als Helfer werden die Fttrsorgestellen — die Prognose 
scheint mir nicht schwer na stellen — bald an Entkräftung sterben. 

_Dr. Paul Schenk- Berlin. 

Geschiehtliehes über den Alkoholismus. Von Dr. med. Georg 
B. Gruber. München 1910. Verlag vonE. Reinhardt. 94 S., Preis: 1M. 

Der Verfasser bringt eine Fülle wenig bekannten historischen Materials 
über die Alkoholfrage. Hippokrates hielt in manchen Fällen einen Rausch 
als Mediiin für heilsam. Baer wies seinerzeit darauf hin, daß die Japaner 
ihren Reiswein izu dem Zwecke benutzen, um den nach ihrer Ansicht 
weit verderblicheren Mißbrauch 'des Opiums entgegenzuwirken. Die Chinesen 
dagegen ziehen den Opiumrausch als das bei weitem nach ihrer Ansicht kleinere 
Uesal dem Alkoholrausche vor. Je nach Zeit und Ort gehen die Ansichten 
über die Schädlichkeit des Alkoholgenusses außerordentlich weit auseinander. 
Der Bier- und Meth-Alkoholismus der Germanen ist bekannt. Im 18. Jahr¬ 
hundert zählte man noch 65 Geschlechter, die den Beinamen „Schenk“ führten. 
Die Glanzära des deutschen Saufens fällt in das 16. Jahrhundert. 1565 be¬ 
standen allein in der Umgegend von Berlin nicht weniger als 96 Weinberge. 

Gruber behauptet nicht, daß der Alkohol die einzige Schuld an der 
Verelendung der Geschlechter und Individuen bildet. Jedenfalls aber kann der 
Alkohol entbehrt werden. Man soll ihn mit Enthaltsamkeit bekämpfen, denn 
die Mäßigkeit erstreckt sich, wie die Geschichte lehrt, bald wieder über die 
Grenze, wo die Unmäßigkeit anfängt. Dr. Paul Sehenk-Berlin. 


Der Alkoholismus, seine Wirkungen und seine Bekämpfung. 6. Teil. 
Neue Folge. Berlin 1909. Deutscher Verlag für Volkswohlfahrt. 123 S., 
Preis: 1,80 M. 

Von den Vorträgen, welohe in den diesjährigen wissenschaftlichen Kursen 
zum Studium des Alkoholismus in Berlin gehalten wurden, sind in dem vor¬ 
liegenden Bändchen, die nachstehenden abgedruckt: 

Alkohol und Nervenkrankheiten. Von Dr. med. Arndt. 

Die Organe der Arbeiterversicherung im Kampf gegen den Alkoholismus. 
Von Landesversicherungsrat Hansen. 

Die psychotherapeutische Behandlung von Alkoholkranken in der 
modernen Spezialanstalt. Von Dr. v. Kap ff. 

Fürsorge und Vorsorge bei Trunkgefährdeten. Von Pfarrer J. Neu¬ 
mann. 

Strafe und Strafvollzug in Beziehung auf den Alkoholismus. Von 
Strafanstaltsdirektor Schwandner. 

Sozialethische Wirkungen der Schankkonzessionssteuer. Von Syndikus 
Dr. jur. Hauswald. 

Als besonders interessant sei aus dem reichen Inhalt des Bändchens 
hier erwähnt, daß Dr. v. Kap ff, der frühere Direktor der von dem Berliner 
Bezirksvorein gegen den Mißbrauch geistiger Getränke errichteten Trinker¬ 
heilstätte Waldfrieden bei Fürstenwalde für die suggestive phychotherapeutische 
Behandlung der Alkoholisten eintritt. Auf den sogenannten Schlaf ist bei der 
Hypnose als Heilmittel nicht der Hauptwert zu legen, sondern auf den eigen¬ 
tümlichen, „aufgelockerten“, sogenannten Rapportzustand des Gehirns. „Be¬ 
handeln heißt beherrschen“. Gewiß ist das das ideale, von allen Aerzten aufs 
innigste zu erstrebende Verhältnis des Arztes dem Kranken gegenüber. Leider 
bleibt jedoch der Alkoholiker meist nicht in dauerndem Rapport mit 
seinem Arzte. Dr. Paul Schenk-Berlin. 


4. Soziale Hygiene. 

Geburtspolitik. Von Dr. Graßl-Lindau. Konkordia; 1910, Nr. 9. 

Wir müssen nicht bloß Sterbepolitik treiben, sondern auch Geburtspolitik, 
und dazu ist naturgemäß der ärztliche Stand berufen. Ein bereits achtens¬ 
werter Teil der Aerzte ist leider schon in das Lager derjenigen gegangen, welche 
die Unterdrückung der Mutterschaft aus sozialen Gründen begünstigen. Nicht 
nur die Lehre der verhüteten Konzeption, sondern auch die unterbrochene 
Schwangerschaft hat sich bedenklich erweitert. Einzelne Volkswirtschaftslehrer 



740 


Kleinere Mitteilungen und Referate aua Zeitechj 


verlangen sogar die Freilassung der Kinderabtreibung. Hi 
damit das Bestreben nach der Freilassung der widernatürlici 
Basis doch in der Mehrzahl der Fälle in Degeneration der & 
pathologischen Veranlagung liegt, und ähnliches. Dr. Wolf 


Zur hjglenlsehen Erstehung des Mensehengesehl 
staltsarst Dr. Neumann* Bromberg. Blätter für Volks 
1910, Nr. 6. 

Es bandelt sich hier nicht um eine gelegentliche 
interessanten Vortrag, der dankbar hingenommen wird, i 
systematischen Unterricht in Gesundheitslehre. Gerade di 
wachsene Jagend ist ihr dieses Gebiet besonders emj 
systematische Unterricht für die schulentlassene Jagend bei« 
in Fortbildungsschulen aller Art, wie sie vorhanden sind, u 
Hilfe bei Unglücksfällen, b) das eigentliche Gebiet der pei 
heitspflege. Man schaffe deshalb in den Fortbildungss 
systematischen hygienischen Unterricht, der in erster Lini« 
erteilen ist. Es werden sich Aerzte finden, die es als ihre 
Pflicht erachten, hier mitzuhelfen. Die Warnung vor dem 
Folgen unsittlicher Ausschweifungen lassen sich sehr 
entlassenen Jagend predigen. Die Hebung des Schwimmens 
Rodelsports usw. läßt sich leicht anregen. Die haoswiri 
Weisung der jungen Mädchen wird ebenfalls den Unterricl 
heitslehre nicht auslassen dürfen, wie solcher ja auch in ■ 
statthaben muß. _ Dr. Wolf-W 

Ueber medizinische Schutzmassregeln (Kastration, St 
Verbreehen und andere soziale Uebel, mit besonderer 
der amerikanischen Gesetzgebung* Von Dr. L. Loew 
Problem; 1910, Nr. 8. 

Wenn wir uns die Frage vorlegen, welche Mittel un 
Schränkung der Fortpflanzung Entarteter und speziell der s 
Klasse dieser Abnormen führen mögen, müssen wir in erster 
greifen des Staates, d. h. an Maßnahmen denken, die auf d 
setzgebung zur Einführung gelangen können. 

Hier können nur zwei Gruppen von Maßnahmen erns 
kommen: 

a) Heiratsgesetze, d. h. Gesetze, durch welche das Hei: 
Frage stehenden Individuen ausgeschlossen wird; 

b) Gesetze, auf Grund wdcher die betreffenden Individuei 
untauglich gemacht werden können. 

Bei unseren Bestrebungen, die Fortpflanzung sozial 
arteter und kranker Bevölkerungselemente zu beschränke] 
Wege wandeln, die man in Amerika bereits eingeschlagen 
setzgebung muß sowohl durch Heiratsverbote für gewisse 
arteten und Kranken, wie durch Anordnung der Sterilisation 
den Forderungen der sozialen Hygiene Rechnung tragen. I 
Heiratsverbote handelt, kann an eine Durchführung ohne ärzt 
der Heiratskandidaten nicht gedacht werden. 

Was die Sterilisation anbelangt, so besteht Aussicht, 
ohne jeden blutigen Eingriff sich ausführen läßt, für diesen 
die sehr unbedeutende Operation der Vasektomie entbehr! 
Versuche an Tieren haben ergeben, daß durch die Ein wirk 
strahlen auf die Hoden die samenbereitenden Elemente dersel 
gebracht werden, während das Zwischengewebe, dem ver 
Sektion der Hoden hauptsächlich zufällt, erhalten bleibt, 
sehr wahrscheinlich, daß dieses Verfahren auch bei Mensch 
Sterilisation sich mit Erfolg anwenden läßt. 

Die Bedenken, die man bisher gegen die gesetslicl 
^Sterilisation weiblicher Personen hegte, können ebenfalls al 
Tlichnet werden. _ Dr. Wolf-^ 



Besprechungen. 


741 


Ueber die Bedeutung der Medliinalstatlstik für die soziale Hygiene 
und die soziale Medlxln. Von Dr. A. Grotjahn-Berlin. Zeitschrift ittr 
sosiale Medizin; Bd. V, H. 8. 

Die Medizinalstastik ist die zahlenmäßige Erlassung der krankhaften 
Erscheinungen der Menschen, und zwar sowohl nach deren biologischer Diffe¬ 
renzierung, also nach Alter, Geschlecht usw., als auch besonders nach ihrer 
sozialen Differenzierung, was im Zusammenhänge der Gegenstände, die in 
diesem Fache vereinigt sind, hervorzuheben gewiß nicht überflüssig ist. Aus 
dieser Definition geht hervor, daß es sich boi der Medizinalstatistik nicht um 
eine naturwissenschaftliche, sondern um eine geisteswissenschaftliche Betäti¬ 
gung handelt und das naturwissenschaftlich-medizinische nur darin zum Aus¬ 
druck kommt, daß die zu zählenden Objekte so eigenartig sind, daß nur me¬ 
dizinisch und naturwissenschaftlich Vorgebildete sich auf diesem Gebiete zu¬ 
rechtfinden können. 

Die verbindende Bolle, die die Medizinalstatistik zwischen der allge¬ 
meinen sozialen Hygiene und speziellen sozialen Medizin spielt, ist eine von 
den Gründen, die erklären, weshalb die soziale Hygiene und die soziale Me¬ 
dizin bei ihren literarischen Vertretern in der Begel eine Personalunion ein¬ 
gegangen sind; die Medizinalstatistik wird eine größere Bedeutung und eine 
lebhaftere Förderung erfahren, als ihr das in der zweiten Hälfte des 19. Jahr¬ 
hunderts, in der Medizin und Hygiene allzu einseitig an das chemische und 
bakteriologische Laboratorium gefesselt waren, beschieden gewesen ist. 

Dr. Wolf-Witzenhausen. 


Besprechungen. 

Havelook Ellis: a. Das Geschleohtsgefllhl, eine biologische Studie. 
II. vermehrte Auflage. Würzburg 1909. Kl. 8®, 390 8. Preis: 4M., geb.5M. 
Verlag von Kort Kobitzsch (A. Stübers Verlag), 
b. Mann nnd Weib, eine Darstellung der sekundären Geschlechts¬ 
merkmale. II. Auflage. Ebenda. 1909. Kl. 8°, 556 S. Preis: 6 M. 
Deutsche Ausgabe besorgt von Dr. Hans Kurella, Nervenarzt in Bonn, 
a. Der immer mehr anschwellenden Sexualliteratur steht man heute viel¬ 
fach mit einigem berechtigten Mißtrauen gegenüber; denn es ist sicherlich nicht 
zu bestreiten, daß viele ernstgemeinte Werke auf diesem diffizilen Gebiete 
viel seltener in die Hände des Arztes als recht unberufener Leser gelangten. 
Der Arzt aber sollte auf diesem wichtigen und interessanten Forschungsgebiete 
genügend wissenschaftliche Erfahrungen besitzen und darf den zahlreichen 
ärztlichen, gerichtsärztlichen, hygienischen und medizinalpädagogischen Fragen 
nicht mit dem Urteil und Vorurteil des Laien gegenüber stehen. Es ist ein 
besonderes Verdienst des englischen Autors sowie seines Uebersetzers und Be¬ 
arbeiters, daß er in einer Serie von Einzeldarstellungen das ganze Gebiet der 
sexuellen Fragen in eingehender und streng wissenschaftlicher Weise bearbeitet 
hat. Diese Arbeiten stützen sich auf eine äußerst umfangreiche Literatur, 
eigene Beobachtungen und zahlreiche Selbstbeobachtungen und Angaben von 
Männern und Frauen über ihre vita sexualis. Von besonderem Interesse sind 
die Mitteilungen über das der Forschung mehr parat liegende Geschlechtsleben 
der Tiere wie der niederen Volksstämme, deren primitive Bräuche und Reiz¬ 
mittel uns nicht selten das Verständnis für die Erscheinungen und Verirrungen 
des Sexuallebens einer kultivierten Bevölkerung eröffnen. Ellis schließt sich 
in der Deutung des Sexualvorganges selbst mit einiger Einschränkung der 
Mo 11 sehen Detumeszenzlehre an. Der Drang nach sexueller Spannung und 
Entspannung, nicht das Fortpflanzungsbedürfnis, bildet die eigenartige Grund¬ 
erscheinung des Sexualtriebes; beiden dienen in dem Tierreich die zahlreichen 
Erscheinungen des Anlockens und Beizens, angedeutet durch intensive Be¬ 
wegung, daher jede Art von Tanz, dessen roheste Form als Werbung bei tief¬ 
stehenden Völkern durchaus der bei Tieren beobachteten entspricht Sehr 
eingehend wurden die interessanten Beziehungen zwischen Erotik und Schmerz 
erörtert, die uns durch zahlreiche Erfahrungen aus dem Tierleben mit seinen 
gewaltsamen „Liebesspielen“ und dem eigenartigen, oft brutalen Liebeswerben 
bei niederen Volksstämmen verständlich gemacht werden. Die große krimi¬ 
nalistische Bedeutung, die sich aus der nahen Berührung von Wollust und 
Grausamkeit ergibt, zeigt die Tatsache, daß Gewalttätigkeitsverbrechea in den 



742 


Tagesnachriohten. 


Lebensaltern stärkster Sexualität von 22—25 Jahren allgemein am häufigsten 
sind. In diesem Zusammenhang wird der kriminalpsychologisch wichtigen 
Phänomene des Sadismus und Masochismus gedacht, die ihre Grundlagen in 
den durchaus physiologischen Erscheinungen des normalen Geschlechtergegen» 
satzes finden; in ihren Ausartungen aber schließlich zu den verbreiteten aigo- 
lagnischen Exzessen, der FlageUationen, der Erdrosselungen, Verwundungen, 
Fesselungen und Tötungen des anderen Teils fahren. Von den weiteren Aus* 
fahr an gen des Verfassers sei nur der lehrreichen Darstellung der noch immer 
strittigen Frage des weiblichen Geschlechtstriebes gedacht. Ellis hält im 
Gegensatz zu zahlreichen Autoren, die die sexuelle Libido — die wohl au 
scheiden ist von dem sexuellen Wollustgeftthl — beim Weibe sehr gering ein« 
schätzen, jede Form von Hyperaesthesie des Weibes fttr abnorm; allerdings kann 
das Weib unter den Bedingungen einer verfeinerten Kultur ihren Wttnschen 
nicht uneingeschränkt nachgehen. Tatsächlich sind aber Sittlichkeitsverbrechea 
junger Mädchen an jttngeren Knaben nicht ganz selten, und umgekehrt werden 
viele angebliche Notzuchtsattentate nicht nur so sehr gegen den Willen der 
„gemißb rauchten“ Frau ausgeftthrt, wie nachträglich vor Gericht dargestellt 
wird. Schließlich wird der Homosexualität des Weibes gedacht, die keineswegs 
seltener ist als bei Männern und ganz besonders Verbreitung unter Prostitu» 
ierten findet. 

b. In dem zweiten Bande gibt der Verfasser eine äußerst lehrreiche und 
umfassende Darstellung der sog. sekundären Gesohlechtsunterschiede. 
Diese Unterschiede zeigen sich am deutlichsten im infantilen und senilen 
Typus beider Geschlechter. Es werden im einzelnen an der Hand zahlreicher 
Kurven und anatomischer Abbildungen die Unterschiede in den Größeaver» 
hältnissen des Körpers, der Beckenbildung und des Schädels behandelt, der 
keine fttr beide Geschlechter konstanten Geschlechtsmerkmale enthält — ein 
zur Agnoszierung von Schädelteilen sehr wichtige Tatsache. Imm erhin findet 
sich eine Belhe Merkmale, deren Zusammenvorkommen das Geschlecht mit 
größter Sicherheit erkennen läßt. Dahin gehört stärkere Ausbildung aller 
Muskelansätze, stärkeres Vorspringen der arcus superoiliaris und der Glabella 
beim Manne, dagegen läßt das Gehirn in seiner Konfiguration keinerlei Ge- 
schlechtsunterscuede hervortreten. Weiterhin finden die Sinnesorgane, die 
Bewegungsfunktion, die intellektuelle Begabung, ttber die der verfasset 
zn keinen bestimmten Ergebnissen gelangt, die inneren Organe, der 
Stoffwechsel und das Phänomen der Menstruation eine kritische Dar» 
Stellung. Besonderes Interesse kommt der Behandlung der psychischen Ge» 
schlechtsunterschiede zu, unter denen dem hypnotischen Phänomen eine ver» 
hältniamäßig umfangreiche Behandlung zuteil wird, während das wichtige 
Kapitel der weiblichen Kriminalität, das seine Orientierung vorzüglichln 
Lombroso-Terreros Werk, „das Weib als Prostituierte und Verbrecherin* 
findet, etwas dttrftig ausgefallen ist. Wenn nun auch, wie der Verfasser am 
Schlüsse seiner höchst wertvollen Untersuchungen ausftthrt, das gesamte 
Ergebnis derselben nur zu einer bescheidenen Zahl bestimmter Schlösse ftthrt, 
so ergeben sie ihm doch die Sichtung fttr eine Kultur der Zukunft, die gleiche 
Freiheit fttr beide Elemente des Lebens, das männliche und weibliche, fordern wird. 

Dr. Pollitz»Merseburg. 


Tage8itachrichten. 

In der am 29. 8eptember d. J. abgehaltenen Bundesratasitsung ist 
der Entwurf eines Kurpfuseherefgesetzes oder wie es jetzt heißt: Entwurf 
eines Gesetzes gegen Misstinde im Heilgewerbe, dem zuständigen Ausuehuß 
überwiesen. Der Entwurf dürfte demzufolge dem Reichstage noch in diesem 
Jahre vorgelegt werden. _ 

Im Königreich Bayern ist jetzt durch KönigL Verordnung vom 
81. August d. J. die Errichtung bakteriologischer Untersuchungsaastalteu 
bei den drei Landesuniversitäten erfolgt; desgleichen sind für diese Anstalten 
durch Mln.»Erlaß vom 6. September d. J. eine Betriebsordnung und 
ein Gebührentarif erlassen. In der Beilage zur nächsten Nummer der 



Tagesnachrichten. 


743 


Zeitschrift werden die betreffenden Bestimmungen, soweit es der Baum ge¬ 
stattet, sum Abdruck gelangen. _ 

Von der Begierung der Vereinigten Staaten Nordamerikas ist an die 
Begierungen der europSischen Staaten eine Einladung au einem im Jahre 
1911 in Haag abzuhaltenden Internationalen Kongress zur Regelung des 
Handels mit Morphium, Opium und Kokain ergangen. 


Zur Ausgabe gelangt ist der Bericht über die diesjährige ln Karls¬ 
ruhe am 6. und 7. Juni 1910 abgehaltene VH. Tuberkulose-Aerste-Ver¬ 
sammlung) redigiert von Prof. Dr. Nietn er, Generalsekretär des Deutschen 
Zentral-Komitees zur Bekämpfung der Tuberkulose. 


Die vom 18. bis 24. September d. J. in Königsberg i. Pr. ab- 

f ehaltene diesjährige Naturforscher Versammlung ist trotz der für die meisten 
Mitglieder ungünstigen Lage des Versammlungsortes verhältnismäßig gut be¬ 
sucht gewesen und hat einen alle Teilnehmer voll befriedigenden Verlauf 
genommen. Ein Bericht darüber wird in einer der nächsten Beilagen folgen. 
Als nächster Versammlungsort ist Karlsruhe gewählt. 


Vom 12. bis 16. Oktober findet in Aachen die 19. Jahresversamm¬ 
lung des Allgemeinen Deutschen Bäderverbandes statt. Auf derselben 
werden folgende Vorträge zur Verhandlung kommen: 1. Die Frage des Unter¬ 
richts der angehenden Mediziner im Bäderwesen; Dr. Krone-Sooden a. W. 
2. Die modernen Anforderungen an die Mineralquellen; Dr. Wagner-Bad 
Salzbrunn. 3. Ueber das Krankenhaus des Kurortes mit Bücksicht auf die 
übertragbaren Krankheiten; Dr. Siebelt-Bad FlinBberg. 4. Ueber die Buhe 
in Kur- und Badeorten; Kurdir. Major Prestien-Sooden a. W. 5. Beichs- 
scuch engesetz und Kurorte; San.-Bat Dr. B. Kl oi dt-Schreiber hau. 


Die diesjährige Hauptversammlung des Niederrheinischen Vereins ffir 
Öffentliche Gesundheitspflege findet am Sonnabend, den 8. Oktober d. J., 
vormittags 11 */* Uhr in Bemscheid im großen Saale der „Concordia* statt. 
Abgesehen von geschäftlichen Angelegenheiten stehen folgende Vorträge auf 
der Tagesordnung: 1. Ueber die Zahnpflege in den Schulen; Dr. Zilkens, 
Cöln, dirigierender Arzt der städtischen Zahnklinik. — 2. Ueber Krüppelfürsorge; 
Prof. Dr. Cr am er-Cöln. — 3. Zur Hygiene der Heizung und der Ventilation; 
Prof. Dr. Beichenbach-Bonn. — Dem gemeinsamen Mittagessen (2 Uhr 
nachmittags in der „Concordia“, Gedeck 3 Mark) wird sich am Nachmittage eine 
Besichtigung der Talsperre im Eschbachtale anschließen. 


Cholera. Im Deutschen Beich sind in der zweiten Hälfte des 
September Choleraerkrankungen nicht mehr vorgekommon; dasselbe gilt von 
Oesterreich, dagegen sind in Ungarn, bezw. im Bezirk Mohacs noch 
28 Erkrankungen und 11 Todesfälle gemeldet. — In Italien hat sich die Seuche 
weiter ausgebreitet, besonders in Neapel und in der Provinz Neapel, während die 
Zahl der Erkrankungen und Todesfälle in der Provinz Apulien abgenommen 
hat. Sie betrug hier in den Wochen vom 11. bis 17. September 40 (22), vom 
18. bis 24. September 65 (26) und vom 25. September bis 1. Oktober 16 (9); 
in Neapel dagegen vom 26. September bis 1. Oktober 91 (44) und in der Provinz 
Neapel 26 (7); vereinzelte Fälle sind auch in Born 4 (1) aufgetreten. In 
Buß 1 and hat sich die Zahl der Erkrankungen und Todesfälle wieder ver¬ 
ringert und ist in der Woche vom 21. bis 27. September auf 12610 (6376) 
gesunken. Eine größere Zahl von Cholerafällen sind in der letzten Woche 
des Septembers in Konstantinopel vorgekommen: 68 (36). 


Erkrankungen und Todesfälle an ansteckenden Krankheiten in 
PreusBen. Nach dem Ministerialblatt für Medizinal- und medizinische Unter¬ 
richts-Angelegenheiten sind in der Zeit vom 24. Juli bis 3. Sept. erkrankt 
gestorbenl an: Aussatz, Gelbfieber, Bückfallfieber, Pest, Botz 
-(-); Fleckfieber: - (-), - (-), - (-), - (-), 2 (2k - (-); 
Cholera: - (-), - (-), - (-), 2 (-), 2 (1), - (-); Tollwut: 



744 


SprechsaaL 


- (-), - <-), - (-), - (-X - (-), 6 (-); Po« 

— (—), — (—), - (—), — (—) ; Mil*brand: 6 (2), 
7 (1) 6 (—); Bißverletzungen durch to 
Tiere: - (-), 6 (-), 2 (-), 5 (-), 12 (-), 8 (-); C 
877 (81), 384 (39), 473 (39), 456 (44), 431 (46), 451 (89) 
81(3), 16 (1), 28 (3), 34(1); Diphtherie: 1012 (56), 
1226 (66), 1461 (93), 1466 (79); Ücharlach: 1163 (58. 

^ A /AAk -4 AA? /»T/lV 4 OAA /rTA\ WT 1 _ J L _ 1 1 J • - L A4 



Fleisch-, Fisch- und Wurstvergiftung: 6 (—) 
1 (—), 184 (1); Körnerkrankheit: 162, 186, 236, 1' 
kulose: (gestorben): 673, 624, 631, 614, 587, 562. 


Spreohaaal. 

Anfrage des Kreisarztes Dr. St. ln T.: Ist die 
nisse für Führer von Kraftfahrzeugen als vertrauen* 
Sinne des § 115 anzusehen und können die vollbeuoldc 
folge die Gebühren dafür behalten f 
Antwort: Ja. 


Anfrage des Kreisarztes Dr.D. in B.: Kann 
Kreisarzt bei Feststellangen der ersten Fälle v< 
Scharlach die Gebühren behalten oder muß er sie al 
der Taxe von 1896 zu liquidieren? 

Antwort: Die Gebühren sind von dem vollbesoh 
an die Staatskasse abzuführen (s. meinen Kommentar; A 
Ihre Berechnung erfolgt nach der ärztlichen Gebühren 
1896 (s. Ausführungsbestimmongen vom 15. September 1 
28. August 1905, betr. die Bekämpfung übertragbarer Kn 


Anfrage des Kreisarztes Dr. Sch. in 6.: L 
31. August 1909 betr. die Besichtigung der unter Leit 
stehenden Krankenanstalt durch den benachbarten Krei 
Erlaß vom 5. April 1910 aufgehoben, so daß nunmehr für 
nach dem Wohnorte des benachbarten Kreisarztes ausg< 
gesetzlichen Beisekosten und Tagegelder auf die Staatai 
können ? 

Antwort: Nein! Ia dem Erlaß vom 31. August 
ausgesprochen, daß dem Staate durch diese Besichtigung 1 
dürfen, sondern diese von dem als Anstaltsarzt fungi 
tragen sind. Es handelt sich auch hier nicht um ein Di 
des Min.-ErL vom 5. April 1910, durch den die Frage 
Tagegelder nur für den Fall einer Beurlaubung 
eines Kreisarztes geregelt wird. 


Mitteilungen: Der Kalender für Media 
Jahr 1911 — X. Jahrgang — wird diesmal schon in < 
des November zur Ausgabe gelangen. Bestellung 
die Verlagsbuchhandlung entgegen. 

Sonderabzüge der heutigen Beilage, das Bei 
Ausführungsbestimmungen enthaltend, auf weißem Pap 
vom Mitunterzeichneten heransgegebenen Gebührengesei 
können von der Verlagsbuchhandlung oder von d 
Zeitschrift (Hofbuchdruckerei von J. C. C. Bruns) , 
50 Pfennig portofrei bezogen werden. 

Die Verlagsbuchhandlung. D 

Bedaktion: Geh. Med.-Bat Pro! Dr. Bapmund, Beg.- u. II 

J. C. C. Br ans, Hersoirl. Sachs, u. Fürst]. Sch.-L. HoAmUm 





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Original - Mitteilungen. 

Welche Bedeutung kommt der ferologUchen 
Feststellung der Syphilis in der gericht¬ 
lichen Medizin zu? Von Dr. Walthor 

Kürbitz. 74T* 

Zur Begutachtung von Funktion8*törungcn 
der unteren Extremitäten mit Hülfe von 
Fusaabdrückeu. Von Dr. KurpjuweJt 756 
W ie es heutzutage leicht zu einer Pocken- 

ausbreitung kommen kann.76D 

Kleinere Mitteilungen und Referate 


aus Zeitschriften. 

A. Gerichtliehe Medizin. 

Dr. Carl Dngge: Untersuchungen zur 

Magen darinprobe.70^1 

Koque und darin: Tod durch abnormen 

Wärmcverlu«t.764 

Dr. Windrath: Feber Wiimutintoxikation, 
nebst Mitteilung eines tödlich ver¬ 
laufenden Falles nach Intoxikation 

einer Bi -Salbe.. • 764 

Herrn. Hagen: Uebcr Umsetzung des 
Zyankaliums in toten und überlebenden 

Organen.764 

Georges Guillain und Guy Laroche: 

Die Fixierung der aetherischcn Oele an 

das Nervensystem. . 765 

Dr. A. Ovidalii und l)r. F. Leoncini : 
Primäre Streptokokken. Peritonitis und 

unvorhergesehener Tod.765 

Pierre Lande: Ueber die Einschussöffnung 

von Schrotwchüssen.765 

M. Dartigue«: Eine bemerkenswerte 

SchuMsverletzung ..766 

Dr. Tito Montanarie: Der hervorgerufene 
Abort und die ihn begünstigenden 

Bedingungen.. • 766 

Spire: Schwangerschaft bei unverletztem 

Hymen.766 

A. de Dominicifl: Eine neue Sperma- 

reaktion.766 

V. Borrien: Zum Vorkommen von 

Hacmatoporphyrln im Meconium . . . 767 

Prof. Vit. Tirelli: Gerichtsärztliche Be¬ 
trachtungen über die menschlichen 

Knochen.767 

G. Corio: Vorschläge zur Reform der 
gerichtlich - medizinischen Sachverstän- 


dlgentätigkeit in Belgien.767 

B. Bakteriologie, Infektionskrankheiten 
und öffentliches Sanitütswesen. 

I. Bekämpfung der Infektionskrankheiten. 

a. Bakteriologie und Infektions¬ 
krankheiten im allgemeinen. 
Dr.Reiter: Opsonine-und Vakzine-Therapie 768 
I)r. Frankl: Eine modifizierte Petrischale . 769 1 

b. Pocken. 

Dr. Knöpfelmacher: Aktive Immuni- * 

slcrung des Menschen mittels abgetön ter ] 

Pockenvakzine.76!) 

W. Hanna: Beobachtungen über die gegen¬ 
seitige Einwirkung gleichzeitiger Pocken- 
und Kubpockenimpfung. 770 l 

Person; 

Deutsches Belob und Kl 

Ansieicbnnogen : Verliehen: d 
Medisiaslrat: denaaBerordentl. Profess« 
in Berlin; — der Charakter als San 
„Paalinenstiitong“ Dr. Pagen Stecher 
als Professor: dem Stabsarzt Or. Is 
dozenten Dr. Frankenhäaser, Br.Fri« 
in Berlin; — der Bote Adlerorden 
den o. Professoren and Geh. Med.-Bäten 
Berlin; — derselbe Orden III. Kl 



















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23. Jahrg. 


Zeitschrift 


1910. 


für 


MEDIZINALBEAMTE. 


Zentralblatt für das gesamte Besundbaitsiiesen, 

für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenwesen. 

Heraasgegeben 

von 

Geh. Med-Rat Prot Dr. OTTO RAPMUND, 

Befienuifs- and Mtdliimlrai ln Minden 1. W. 


Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, Sächsischen, 
Wörttembergischen, Badischen, Mecklenburgischen und Eisass-Lothringischen 

Medizinalbeamtenvereins. 


Verlag von Fiseher’s mediz. Bnehhandlg^ E Kornfeld, 

Herzog!. Bayer. Hof- u. BrzberzogL 

Berlin W. 35, Ltitzowstr. 10. 

Inserate nehmen die Yerlagshandluiig sowie eile Annoncenexpeditionen des ln» 
and Auslandes entgegen. 


Nr. 20. 


Krsefceimt 


I. ad SO. Jedem Komata. 


20. Oktbr. 


Aas dem Iastitat für Gerichtliche Medizin der Königlichen Universität 
za Königsberg i. P. (Direktor: Med.-Bat Prof. Dr. Pappe.) 

Welche Bedeutung kommt der serologischen Feststellung 
der Syphilis in der gerichtlichen Medizin zu? 

Von Dr. Walther Kttrbitz, Assistent am Institut. 

Drei Errungenschaften der medizinischen Wissenschaft waren 
es, die nns in den letzten Jahren in der Erkenntnis der Syphilis 
einen guten Schritt vorwärts gebracht haben: die Entdeckung 
der Spirochaete pallida, die üebertragbarkeit auf niedere and 
höhere Affen and schließlich die serologische Blatantersnchang. 

Faßend aaf den klassischen Versuchen von Bordet and 
G-engou gingen Wassermann and seine Mitarbeiter daran, 
das sogenannte Eomplementablenknngsverfahren auch bei der 
Syphilis anzuwenden, wobei sie za Anfang bekanntlich an eine 
absolute Spezifität der Reaktion and an eine Wechselwirkung 
zwischen Antigen und spezifischem Antikörper dachten. Ffir 
erforderlich zum Versuch hielten sie, um das nur ganz knrz 
wiederzageben, laetischen Organextrakt, fragliches Patienten¬ 
serum und ein hämolytisches System, bestehend ans Hammelblnt- 
körperchen, Hammelantisenun und Meersehweinchenserum. 

Im Anschluß an die erste Pablikation im Jahre 1906 ergab 
sich bei den non folgenden zahlreichen Nachprüfungen, daß auch 
ein normaler Organextrakt mit Erfolg verwendet werden kann. 











746 Dr. Kürbitz: Welche Bedeutung kommt der serologischen 

Marie und Levaditi stellten zuerst diese Beobachtung fest 
(1907), und zwar fand sich eine Hemmung der Hämolyse nur bei 
luetischen Körperflüssigkeiten, nicht aber auch bei normalen. Bei 
späteren Untersuchungen fand man dann, z. B. Plaut (1907), daß 
zwischen luetischem und normalem Organextrakt im wesentlichen 
nur ein gradueller Unterschied besteht, daß aber im allgemeinen 
der ursprünglich angegebene luetische vorzuziehen sei. Auch mit 
Tumorextrakten wollen Weil und Braun (1907) gute Erfahrungen 
gemacht haben, jedoch ist mir nicht bekannt, daß diese Unter¬ 
suchungsmethode weitere Verbreitung gefunden hat. 

Von erheblichem Interesse war aber sodann die Tatsache, 
daß auch alkoholischer Extrakt ohne Bedenken Anwendung 
finden kann, da das wirksame Prinzip der Reaktion alkohollöslich 
ist, mithin, so folgerte man, den Lipoiden nahe steht (Porge8 
und Meier, 1908). Auch hier gelang der Versuch mit luetischem 
und mit normalem Organextrakt. Dieser alkoholische luetische 
Extrakt erfreut sich wegen seiner größeren Haltbarkeit rechter 
Beliebtheit, so verwendet ihn die „Breslauer Schule“ jetzt fast 
ausschließlich; bei meinen Versuchen, auf die ich noch zu sprechen 
kommen werde, habe ich mich seiner ebenfalls bedient. 

Da eine exakte Ausführung der sogenannten Wasser¬ 
mann sehen Syphilisuntersuchung mit ihren zahlreichen diffizilen 
und leicht veränderlichen Ingredientien aber nur bei gehöriger 
Beherrschung der Technik möglich ist, so lag es nahe, auf eine 
Vereinfachung zu sinnen; aber alle Vorschläge halten einer 
Kritik mehr oder weniger doch noch nicht stand. Bauer (1908) 
z. B. verzichtet auf die Hammelblutimmunkörper, da im normal 
menschlichen Blut schon reichlich Hammelblutambozeptoren vor¬ 
handen seien; Hecht (1906) geht sogar noch weiter, indem er 
auch das Komplement ausschaltet, dieses sei bereits in genügender 
Weise in jedem menschlichen Serum vorhanden. Dem ist jedoch 
entgegenzuhalten, daß das menschliche Blut in seinem Gehalt 
dieser Stoffe viel zu variabel ist, als daß sich dies nicht störend 
bei den Resultaten bemerkbar machte. 

Das im menschlichen Blut vorhandene Komplement soll nach 
T8chernogubow (1908) die antimenschlichen Ambozeptoren 
reaktivieren und die Blutkörperchen desselben Patienten zur Auf¬ 
lösung bringen können, eine Ansicht, die aber leider nicht zu Recht 
besteht. Erst kürzlich hat uns sodann Noguchi (1909) insofern 
mit einer Aenderung bekannt gemacht, als er das Antigen auch 
in getrocknetem Zustand verwendet, indem er die Lipoide in 
Alkohol oder Aether auflöst und dann auf Filtrierpapier bringt; 
den Ambozeptor trocknet und verreibt er, wodurch er sich unter 
gutem Verschluß lange hält. So praktisch auch dieses Filtrier¬ 
papiersystem erscheint, so bedarf es doch noch eingehender Nach¬ 
prüfung. 

Ohne auf die übrigen Vereinfachungen einzugehen, will ieh 
sogleich einer grundlegenden Aenderung von Porges und Meier 
(1908) Erwähnung tun. Durch die Alkohollöslichkeit hatten sie 
festgestellt, daß den Lipoiden nahestehende Stoffe die Reaktion 



Feststellung der Syphilis io der gerichtlichen Medizin zuP 747 

wahrscheinlich vernrsachten; sie gingen demgemäß noch einen 
Schritt weiter nnd nahmen direkt reines Lezithin. Wenn¬ 
gleich man non auch mit den Lipoiden Komplementablenkung 
erzielen kann, so ist damit, wie Plant (1909) mit Recht betont, 
doch noch keineswegs gesagt, daß dieser Vorgang absolut identisch 
mit der alten Wassermann sehen Reaktion mittelst wässerigen 
luetischen Leberextraktes ist. 

Ferner brachten sie das Serum direkt mit 1 proz. Lezithin- 
lösung in Verbindung, eine „Ausflockung“ sollte dann ein positives 
Resultat anzeigen; als charakteristisch fftr Lues darf man aber 
wohl kaum diesen Befand ansehen, da er sich z. B. auch bei 
Gesunden (Gross und Volk, 1908) und bei Kachektischen 
(Eisler, 1908) fand. 

Auch die Ausflockungsreaktion von Elias (1908) mit Natrium 
glycocholicum vermögen wir nicht als beweisend anzuerkennen, 
desgleichen auch nicht Klausners Globulinausfällung mit Hille 
von Aqua destillata (1908). 

Fornetund Schereschewsky (1907) glaubten anfänglich, 
die Präzipitation zur serologischen Syphilisdiagnostik verwenden 
zu können; dieser Standpunkt dürfte jedoch im allgemeinen nicht 
zutreffen, da man sogar mit verschiedenen Verdflnnungen des¬ 
selben Serums einen Ring an der Berührungsstelle Anden kann 
(Plaut 1908). 

Nach alledem müssen wir uns augenblicklich zn den Ergeb¬ 
nissen des an sich löblichen Bestrebens, eine Vereinfachung der 
Wasser mann scheu Syphilisreaktion zu erzielen, noch ablehnend 
verhalten. Auch die Resultate mit dem Extrakt normaler Organe 
nnd Tamoren haben ergeben, daß ihre komplementbindende 
Wirkung nicht so intensiv ist wie diejenige mit wässerigen 
und alkoholischen luetischen Leberauszttgen. Des¬ 
halb wollen wir nur die Befunde mit diesen letzteren noch er¬ 
wähnen, ehe wir ihre Anwendung fdr die gerichtliche Medizin 
erörtern. 

Die Leistungsfähigkeit der serologischen Syphilis¬ 
diagnostik nach diesen beiden Methoden ist bekanntlich eine 
große. Im ersten und zweiten Stadium ist die Zahl der „Ver¬ 
sager“ nur eine unbedeutende; wohl aber ist zu beachten, daß 
innerhalb der ersten 6 Wochen post infectionem in der Regel noch 
keine Hemmung der Haemolyse auftritt, eine Beobachtung, die 
für die gerichtsärztliche Untersuchung von großer Erheblichkeit 
ist, wie wir noch sehen werden. 

In therapeutischer Hinsicht hat die Blutuntersuchung 
ergeben, daß man das Herausschneiden der Sklerose nicht über¬ 
schätzen darf, da man, wie z. B. Fischers (1909) und Plauts 
(1909) Befunde mit Sicherheit gelehrt haben, doch nicht eine 
Generalisierung der Infektion zu verhindern vermag. Auch bei 
Late nt Syphilitikern, sowohl im Früh-, als im Spätstadium, ist die 
Reaktion mit Erfolg anzuwenden; ich erinnere nur anNeissers 
(1906) Untersuchungen. 

Mit Erfolg war sodann eine serologische Untersuchung noch 



748 


Dr. Kürbits: Welche Bedeutung kommt der serologischen 


bei den N&chkrankheiten der Syphilis, der Tabes and der Para¬ 
lyse, durchzuf Öhren; „Nachkrankheiten“, sage ich, denn die bis¬ 
herige, fast allgemeine Annahme von der wohl stets diesen Krank¬ 
heitsformen vorausgegangenen luetischen Infektion sollte durch 
die Wassermannsche Reaktion eine neue Stütze erhalten; sind 
uns doch nur ganz sporadisch einmal Tabesfälle nach Trauma 
ohne nachweisbare Syphilis mitgeteilt worden. 

Plaut (1009), der die größte Anzahl von Paralytikern dies¬ 
bezüglich untersucht hat, fand unter 188 Patienten nur einen, 
dessen Serum nicht ablenkte, and zwar konnte bei ihm die Krank¬ 
heitsform nicht aus den klinischen Erscheinungen, sondern erst 
durch den pathologisch-anatomischen Befund sicher gestellt werden. 
Ob eventuell ein geringerer Alkaleszenzgehalt des Blutes für das 
Versagen der Methode verantwortlich zu machen ist, wie Plaut 
vermutet, läßt sich nicht sagen. Beachtenswert ist 6odann noch 
die Tatsache, daß zwar bei positivem Spinalbefund auch stets das 
Serum Komplementablenkung zeigte, aber nicht immer umgekehrt; 
demnach dürfte das Blut der Paralytiker zur Prüfung als zweck¬ 
dienlicher zu gelten haben. 

Bei Tabikern fand man (z. B. Nonne 1009) positive Re¬ 
aktion im Blute bei 90°/o, in der Lumbalflüssigkeit aber nur bei 
50°/ 0 . Bei Hirnsyphilis erwies sich das Blut zwar meist 
komplementablenkend, die Spinalflüssigkeit dagegen im Gegensatz 
zur Paralyse sehr häufig nicht. 

Der Vollständigkeit halber komme ich noch kurz auf die 
Einwirkung des Quecksilbers auf die Wassermannsche 
Reaktion zu sprechen. Citron war es, der zuerst (1907) nach 
beendeter Schmierkur bei einer großen Anzahl Patienten (75°/ 0 ) 
die vorher positive Reaktion nicht mehr fand, eine Erscheinung, 
die er mit Recht wohl der spezifischen Behandlung zuschreibt. 
Anderseits können wir aber seinen extremen Standpunkt (1909) 
nicht teilen, in dem komplementablenkenden Blutbefand ausnahms¬ 
los den Grund für den Beginn einer Kur zu sehen; ich glaube, 
man muß immer von Fall zu Fall entscheiden, um so mehr, als 
es ja bislang noch keineswegs absolut sicher ist, ob positive Re¬ 
aktion auch stets aktive Lues beweist. Pinkus 1 ) sagt zu¬ 
treffend: ,Es kann die Reaktion leider noch nicht den praktisch 
am allermeisten benötigten Aufschluß geben, ob der untersuchte 
Mensch noch syphilitisch ist oder nicht.* 

Es steht ferner fest, daß zwar in der Regel das Blut nur 
bei stattgehabter syphilitischer Infektion positiven Ausschlag gibt, 
daß sich anderseits aber doch hin und wieder Ausnahmen 
finden. Diesen hat man früher eine allzugroße Bedeutung beige¬ 
messen, bei richtiger Würdigung können sie den Wert der 
Wassermannschen Methode aber nicht sonderlich herabsetzen. 
Ihre Kenntnis ist jedoch für den Arzt unbedingt erforderlich, da¬ 
mit er nicht zu einem Fehlschlüsse verleitet wird, und darum 
will ich sie hier nicht ganz übergehen. 


') Beiheft« sur nedUimbckee Klisik; 1907, H. 8. 



Feststellung der Syphilis io der gerichtlichen Medisin za? 749 

Ein lebhafter Meinungsaustausch schloß sich über diese 
ganze Frage vor allem an eine Veröffentlichung von Mach and 
Eichelberg (1908), die bei Scharlach das im allgemeinen 
sonst nur bei Lues vorhandene Phänomen sahen. An der Richtig¬ 
keit derartiger Beobachtungen kann, wie auch von anderen 
Forschern festgestellt wurde, nicht gezweifelt werden; ob aber 
diese Erscheinung mit dem Wasser mann sehen Prozeß identisch 
ist, ist fraglich, da nach Bruck und Cohn (1908) in verschiedenen 
Zeiten der Krankheit das Blut mit dem einen Extrakt einen 
positiven, mit anderen aber einen negativen Ausschlag zn geben 
vermag, ein Verhalten, das Luessera ihnen nie gezeigt haben. 
Eine Erklärung hierfür ist vielleicht darin gegeben, daß während 
der Scharlacherkrankung Stoffe im Serum vorhanden sind, die 
befähigt sind, mit gewissen Stoffen in Organextrakten Komplement¬ 
bindung verursachen zu können. Jedenfalls mnß man dieses 
Verhalten des Blutes bei Scharlach kennen; der Wert der Wasser¬ 
mann Bchen Reaktion steigt aber wieder durch die Erfahrungs¬ 
tatsache, daß diese erwähnte Erscheinnng spätestens 80—90 Tage 
nach der Infektion verschwunden ist. 

Von großem Interesse, wenn auch praktisch wegen der 
Seltenheit der Krankheitsformen von geringerer Bedeutung, ist 
sodann die Komplementablenkung bei Lepra (Eitner 1906, 
Wechselmann und Meier 1908), bei Framboesia tropica 
(Hoffmann und Blumenthal 1908, Mulzer 1909), bei Malaria 
Michaelis 1907, Reinhardt 1909). Auch experimentelle 
Donrine- und Trypanosomeninfektionen (z. B. Land¬ 
steiner 1907 n. a.) ließen ein positives Resultat zustande 
kommen. Dazu ist nun noch in jüngster Zeit die Ho dykin sehe 
Krankheit mit dem gleichen Befand getreten (Fraenkel und 
Much 1910, Caan 1910), ferner bisweilen Tuberkulose, Tumoren 
und Leukämie. 

- Eine absolute Spezifität der Reaktion besteht also, wie man 
schon bald nach ihrer Bekanntgabe ersah, nicht, jedoch betreffen 
die Abweichungen immer nur vereinzelte Fälle, von zum Teil 
sogar bei uns nicht heimischen Krankheiten, sind also nur als 
Ausnahmen zu betrachten. 

Bei der großen Bedeutung der Syphilis für alle die einzelnen 
Zweige der Medizin nimmt es nicht Wunder, wenn alle Disziplinen 
die serologische Untersuchnngsmethode naebgeprüft und mehr oder 
weniger eingeföhrt haben. 

Im folgenden wollen wir uns nun mit der Frage beschäf¬ 
tigen, welche Bedeutung die Was s er man nsche Reaktion für die 
gerichtliche Medizin hat. 

Beginnen wir mit der Frage des Heiratskonsenses. 

Liegen seit der Infektion mehrere Jahre (5—7) zurück, hat 
eine gehörige Behandlung stattgefunden und lenkt das Serum bei 
wiederholter Prüfung nicht mehr ab, dann wird man die Heirat 
unbedenklich zulassen können. 

Ist all dies aber mehr oder weniger nicht der Fall, handelt 
der Betreffende dem ablehnenden Rat des Arztes entgegen, so 



760 Dt. Kürbitz: Welche Bedeutung kommt der serologisches 

kann dies Verhalten verschiedene zivil- nnd strafrechtliche Folgen 
nach sich ziehen. In Betracht kommen hierbei einmal di? 
§§ 1383 (error in persona) nnd 1334 BGB. (arglistige Tftnschnng 
vor Eingehung der Ehe). 

Daß eine verheimlichte oder geleugnete syphilitische Er¬ 
krankung zur Zeit der Eheschließung zu den Irrtttmmern gehört, 
die die Einwilligung des anderen Gatten zur Ehe aufheben, ist 
wohl unbestritten; in diesem Sinne ist auch eine Reichsgerichts- 
Entscheidung vom 28. April 1890 ergangen (vergl. Rudeck 1900). 
Grundbedingung zur Anwendung des § 1833 ist natürlich der 
Nachweis einer nicht geheilten Syphilis zur Zeit der Heirat. Der 
Arzt, der auf richterliche Anordnung diese Frage beantworten 
soll, muß dabei das ganze ihm zu Gebote stehende medizinische 
Rüstzeug verwenden; handelt es sich doch um eine Frage, die 
ebenso schwierig zu entscheiden, wie schwerwiegend in ihren 
Folgen ist. Neben allen klinischen Erfahrungen und Kenntnissen 
muß man meines Erachtens heutzutage auch noch eine serologische 
Untersuchung vornehmen lassen. Findet sich Komplementablenkung 
in Verbindung mit sonstigen luetischen Erscheinungen, so dürften 
wohl ohne weiteres die Bedingungen für eine Nichtigkeits¬ 
erklärung der Ehe gegeben sein. 

Nicht so klar liegen die Verhältnisse aber beim Fehlen 
sämtlicher Symptome und doch vorhandener Hemmung der Haemo- 
lyse, da wir diese bis jetzt noch nicht sicher als Zeichen einer 
noch bestehenden aktiven Syphilis betrachten können. Der Ge¬ 
richtsarzt darf dann, zumal wenn seit der Infektion schon einige 
Jahre verflossen sind, in seinem Urteil nur ein „Non liquet" aus¬ 
sprechen. 

Bei Lösung eines Verlöbnisses (§ 1298 Str.G.B.) tritt eine 
Ersatzpflicht nicht ein, „wenn ein wichtiger Grund für den Rück¬ 
tritt vorliegt"; dies kann natürlich auch ein medizinischer sein, 
z. B. eine syphilitische Erkrankung mit ihrer zweifelhaften 
Prognose. 

Auch wenn eine Ehescheidung (§ 1568 BGB) zur Erörte¬ 
rung steht, kann unter Umständen einmal die Wassermann- 
sche Reaktion den tatsächlichen Verhältnissen eine festere 
Stütze verleihen; ähnlich liegen die Verhältnisse bei fraglicher 
Vaterschaft. Eine wie große Bedeutung tatsächlich die sero¬ 
logische Untersuchung in praxi hat, lehren uns zwei Fälle, die 
jüngst Hochsinger in Wien publizierte. 1 ) Ein Ehepaar hatte 
ein 3 Monate altes Kind, dessen Serum ablenkte, das der Eltern 
jedoch nicht. Man mußte deshalb annehmen, daß nicht der legi¬ 
time Gatte, sondern ein anderer Mann, und zwar ein syphilitischer, 
Erzeuger des Kindes war, was die Frau schließlich auch zugab. 
In einem zweiten Fall fand sich bei Mutter und Kind positive 
Reaktion, bei dem vermeintlichen Vater aber nicht; auch hier 
kam ein anderer als Schwängerer in Betracht. 

Gar mannigfach sind dann ferner die Möglichkeiten, bei 


*) Medizinische Klinik; 1910, S. 488. 



Feststellung der Syphilis in der gerichtlichen Medizin su? 751 

denen eine syphilitische Ansteckung als Körperverletzung 
angesehen werden mnß unter Berücksichtigung der §§ 223, 223 a, 
224 und 225 Str.G.B. 

Als Körperverletzung resp. Gesundheitsbeschädigung ist 
z. B. die während eines Beischlafes erfolgte luetische Infektion 
anzusehen. Während aber bei einem legitimen Coitus vorwiegend 
die Nichtigkeitserklärung der Ehe (§ 1333) und die Ehescheidung 
(§ 1568) in Betracht kommen, wären bei einem außerehelichen 
Verkehr mit späterer Ansteckung die Paragraphen über die Körper* 
Verletzung heranzuziehen. 

Da die Syphilitiker beiderlei Geschlechtes in der Mehrzahl 
der Fälle doch bis zu einem gewissen Grad über die in ihnen 
befindliche Ansteckungsgefahr unterrichtet sind, so kann, je nach 
Lage des Falles, unter Umständen sehr wohl auch einmal eine 
„vorsätzliche Schädigung der Gesundheit* des Partners vorliegen. 

In praxi wird es jedoch für den Kläger oft nicht leicht sein, 
mit Sicherheit die infizierende Persönlichkeit nennen zu können. 
Manchmal ist dies aber doch möglich, und Sache des Gerichts¬ 
arztes ist es dann, vom medizinischen Standpunkt aus die Richtig¬ 
keit oder Nichtigkeit der Quellenangabe für den Richter zu er¬ 
weisen. Dabei ist es von großer Bedeutung, an der angeschul¬ 
digten Person tunlichst einmal die Symptome selbst und sodann 
ein nach dem heutigen Stand unserer Kenntnisse als übertragbar 
geltendes Stadium dieser Krankheit zu konstatieren. Ein wieder¬ 
holter positiver Ausfall der Wassermann sehen Reaktion würde — 
unter Berücksichtigung der bekannten Ausnahmen (Scharlach etc.) — 
mit hoher Wahrscheinlichkeit für eine einstmals erfolgte Infektion 
sprechen; ob das betreffende angeschuldigte Individuum aber noch 
ansteckungsfähig ist, wird nur im Verein mit allen übrigen Be¬ 
fanden zu entscheiden sein. Jedenfalls darf niemals der Ausfall 
der serologischen Prüfung allein bestimmend für unser Gut¬ 
achten sein. 

Unter Umständen kann der Richter an den Sachverständigen 
die Frage richten, ob Verfall in Siechtum anzunehmen ist 
(§ 224 Str.G.B.). Eine derartige bejahende Entscheidung findet 
sich z. B. in einem Erkenntnis des sächsischen Oberlandesgerichts 
Dresden vom 8. Januar 1887 (Rudeck 1899) mit der Begründung, 
daß bei syphilitischer Infektion eine sichere Aussicht auf voll¬ 
ständige Heilung, auch bei ärztlicher Hilfe, keineswegs gegeben 
sei. Finden derartige Klagen bald nach der Ansteckung statt, 
so werden Arzt und Richter auch heute noch nicht wesentlich 
anders urteilen 1 ). Liegen dagegen Jahre zurück, haben wir ein 
latentes Stadium vor uns, dann kann, wie gesagt, der negative 
Ausfall der Wassermann sehen Reaktion unserer Wahrschein¬ 
lichkeitsdiagnose auf Heilung bis zu einem gewissen Grade noch 
mehr Halt und Stütze bieten. In früheren Jahren darf uns aber 
dies negative Ergebnis der Blutuntersuchung nicht bestimmen, 
Verfall in späteres Siechtum absolut auszuschließen. 

*) Ob eine Beil and Inn g mit „Ehrlich-Hata 606“ hinsichtlich der 
Prognose grundlegenden Wandel su schaffen vermag, wird uns erst die Zu- 
kunlt lehren. 




752 Dt. Kftibiis: Welche Bedeutung kommt det aetolo; 

Analog können auch die flbrigen in § 224 
nannten Folgen einer schweren Körperverletzun 
kommen. 

Natnrgem&ß ähnlich liegen die Verhältnisse 
wenn es sich nm nicht geschlechtliche Uebertragoi 
z. B. durch Kuß oder dergleichen, handelt, woftti 
Umständen die Paragraphen über Körperverletzunj 
werden können. 

Der Gterichtsarzt hat nicht so selten Unter 
zufahren an weiblichen Personen unter 16 Jahren i 
und an solchen, bei denen gewaltsam ein B 
zogen ist (§§ 176, 177 Str.ö-.B.). Bei erwachse 
findet man dann unter Umständen Hymenaleinriss 
jüngeren Individuen erfahrungsgemäß Läsionen 
vaginae häufig sind und der Hymen erhalten ist 
hältnisses zwischen kindlichem weiblichen und aus| 
liehen Genitale. Manchmal stellen sich dann be 
auch noch Zeichen einer Geschlechtskrankheit < 
ein noch keineswegs völlig erloschener Aberglanb 
Erkrankung durch Verkehr mit einem unberührte 
chen heilen zu können! 

Neben dem Nachweis einer tatsächlich st 
gewaltigung (Verletzungen, Spermatozoen) muß 
tuelle Infektion möglichst auch noch durch di< 
kokken, Spirochaeten) sicher stellen. Was nun 
langt, so kann man sich auch hier der serologisch 
bedienen, muß dabei aber immer bedenken, daß 
ablenkung, wie wir das im ersten Teil unserer ] 
getan haben, erfahrungsgemäß sich sehr oft < 
naeh erfolgter Ansteckung einstellt. Nach dies 
ein negatives Resultat einen gewissen Wert, wä 
Ausschlag von großer Bedeutung ist. In de: 
dürfte man sich zweckmäßiger des Bakter 
bedienen; liefert uns ein Abstrich von dem 1 
des einfachen Burrischen Tuschverfahrens die £ 
so ist die Diagnose sicher gestellt. 

Unerläßlich ist es, auch bei dem Attentäl 
fahnden, um so mehr, wenn seine Täterschaf 
erwiesen ist; dazu kommt noch, daß man 1 
aussagen stets mit einer gewissen Reserve h 
die Wassermannsche Reaktion positiv, so 
Befund, falls sonstige klinische Erscheinungen 
sichtiger Weise verwerten; aber der Richte 
sonders wenn kriminalistisch viel für die Scho 
spricht, auch das Ergebnis unserer Serologie 
nicht unberücksichtigt lassen. 

Handelt es sich um die Vergewaltigt! 
Frauenspersonen, so liegen die Verhältnisse f 
in vieler Hinsicht ähnlich, nur muß er st 
frischen syphilitischen Zeichen suchen, da 



Feststellung der Syphilis ln der gerichtlichen Medisin zu? 768 

schon vorher luetisch infiziert gewesen sein kann; bei Kindern 
muß man anderseits immer an die Lues congenita denken. 

Unter Umständen kann auch eine fahrlässige Körper¬ 
verletzung durch Personen, die durch ihren Beruf zu besonderer 
Aufmerksamkeit verpflichtet gewesen wären, hervorgerufen werden 
(§ 230 Str.G.B.). 

Dieser Paragraph würde in Anwendung kommen für die¬ 
jenigen Fälle, in denen Aerzte, Hebammen usw. durch Unacht¬ 
samkeit die Syphilis weiter verbreiten; hierzu gehört auch der 
von Hutchinson erhobene Befand, bei dem 7 kleine Kinder 
nach der Beschneidung, die stets von demselben Manne aus¬ 
geführt war, an Lues erkrankten (vergl. Budeck: „Medizin 
und Recht*; Jena 1899). 

Aber nicht nur bei den einzelnen Stadien der Syphilis selbst 
hat die Wassermannsche Reaktion einen, wenn auch im all¬ 
gemeinen nur bedingten Wert, sondern wir können uns ihrer auch 
bei den luetischen Nachkrankheiten, Tabes, Paralyse und 
Lues cerebri, in forensischer Beziehung bedienen. 

Besonders in diagnostisch zweifelhaften Fällen ist uns jede 
neue brauchbare Methode von Wert, da wir natürlich möglichst 
sicher in allen Feststellungen sein müssen, zumal ja von unserem 
Gutachten praktisch je nach Lage des einzelnen Falles viel ab- 
hängen kann. Ich erinnere z. B. nur an die Erklärung der Ge¬ 
schäftsunfähigkeit (§ 104, Abs. 2 und § 105 B.G.B.) und 
ferner an die Frage der Entmündigung wegen Geisteskrank¬ 
heit oder Geistesschwäche nach § 6, Abs. B. G.-B. 

Die zivilrechtliche Bedeutung einer Geistesstörung ist also 
eine sehr große und daraus geht zur Genüge die eminente Ver¬ 
antwortung hervor, die der begutachtende Arzt trägt Will¬ 
kommen muß es ihm daher sein, neben den klinischen mehr oder 
weniger charakteristischen Befanden auch noch ein anderes Hilfe¬ 
mittel, die Blutuntersuchung, zu besitzen, um so mehr, als ja die 
beginnenden Paralyse- und Tabesfälle erfahrungsgemäß oft so 
sehr schwer klar zu erkennen sind. Von den serologischen Me¬ 
thoden kommt hier aber nur die Wassermannsche Reaktion in 
Betracht, zumal die vor einiger Zeit veröffentlichte Muchsche 
Psychoreaktion mittelst Kobragiftes (1909) Nachuntersuchungen 
nicht Stand gehalten hat. 

Diese Tatsachen muß der Gerichtsarzt natürlich entsprechend 
berücksichtigen und bewerten, und zwar nicht nur für die zivil- 
nnd strafrechtliche Begutachtung, sondern in gleicher Weise auch 
in versicherungsrechtlicher Beziehung. Ich berühre 
dieses Gebiet auch noch, da man ja die soziale Medizin unge¬ 
zwungen an die gerichtliche Medizin angliedern kann. 

Vornehmlich bei Unfällen wird man auf die Reaktion zurück¬ 
greifen können. Dies ist z. B. erforderlich, wenn einige Zeit 
nach einem Trauma sich paralyseähnliche Zustände bei einer vorher 
voll erwerbsfähigen und anscheinend ganz gesunden Person ein¬ 
stellen. Der positive Ausfall der serologischen Prüfung zeigt uns 
dann im Verein mit den klinischen Erscheinungen die Richtigkeit 



764 Dr. Kürbitz: Welche Bedeutung könnt der serologische» 

unserer Diagnose and den Weg für unser Gutachten. Wir mtsaen 
nach Sachlage des ganzen Falles dann folgern, daß das Trauma 
zwar ein von Hans ans wenig widerstandsfähiges Hirn getroffen 
hat, daß aber anderseits der Unfall selbst nur als auslösendee 
Moment der jetzt eingetretenen Krankheit aufzufassen ist. 

Edel (1909) sagt mit Recht: „In keinem Falle von trau¬ 
matischer Paralyse sollen deshalb die Semmnntersnchnngen unter¬ 
lassen werden, um die Beziehungen derartiger Fälle zur Syphilis 
festzustellen.* Im Einklang mit den allgemeinen Erfahrungen 
steht auch Alts Beobachtung (1909), daß bei „traumatischer 
Pseudoparalyse* kein Serum Hemmung der Haemolyse ergab. 
Aach sonst vermag der negative Befund manchmal den Ans¬ 
schlag für unsere Diagnose und für unsere Therapie zu geben, 
wie man es aus Fällen ersehen kann, deren einen uns z. B. Coenen 
(1908) schildert. Bei einem 14 jährigen Knaben bestand klinisch 
nnd röntgologisch der Verdacht auf Knochenlues, das Serum ergab 
aber keine Hemmung. Schließlich konnte man feststellen, daß 
der Patient vor 14 Tagen ein Tranma mit starkem Bluterguß 
erlitten hatte! 

Bei der Alters- nnd Invalidenversicherung dürfte 
die Methode zur Klärung bestehender Krankheitsbilder hin nnd 
wieder anch einmal Anwendung finden; ferner wird sie sich 
vermutlich bei den Lebensversicherungsgesellschaften 
bald mehr oder weniger einbürgern. Da die Lues oft verheim¬ 
licht oder, besonders bei weiblichen Individuen, vielleicht gar nicht 
wahrgenommen wird, so ist es natürlich von Wert, wenn es eine 
Methode gibt, die uns — unter Berücksichtigung der eventuellen 
Ausnahmen etc. — eine derartige Durchseuchung des Individuums 
anzeigt. Ein positiver Ausschlag wird hierbei noch relativ häufig 
anzutreffen sein, da die Aufnahme in eine Lebensversicherung in 
der Regel zwischen dem 25. und SO. Jahre zu erfolgen pflegt, die 
Ansteckung mithin meist erst wenige Jahre znrückliegt. Möglich 
ist es anderseits auch, daß die Komplementablenkung des Be¬ 
treffenden nicht auf eine akquirierte, sondern auf eine kongenitale 
Lues zurückzuführen ist; auf keinen Fall ist aber ein positiver 
Ausschlag für die Gesellschaft völlig belanglos. 

Die gerichtliche Medizin hat aber nicht nur Gelegenheit, 
eine serologische Syphilisuntersuchung am lebenden Individuum 
vorzunehmen, sondern sie kann sich bis zu einem gewissen Grade 
ihrer auch an der Leiche bedienen im Verein mit dem makro¬ 
skopischen und mikroskopischen Organbefund, wie z B. Fraenkel 
und Much (1908) derartige Sera geprüft haben. 

Ich habe nun bei einem Teil der im Sommer 1909 im hiesigen 
Institut für gerichtliche Medizin zur Obduktion gekommenen 
Leichen Blut entnommen und es mit der Komplementablenkunge- 
methode untersucht. 

Ich verfuhr dabei in der Weise, daß ich bei Eröffnung dea 
Herzens das Blut in einem Reagensröhrchen anffing und auf Eie 
stellte. Um nun den Verhältnissen in der Praxis, z. B. gericht¬ 
lichen Sektionen in kleinen Städten etc., möglichst nahe zu kommen, 



Feststellung der Syphilis in der gerichtlichen Medizin so? 766 

zentrifugierte und inaktivierte ich erst am folgenden Tage; die 
eigentliche Prftfong wurde daun in der Regel 24—48 Stunden 
später ausgeführt. Die Untersuchung selbst' fand im hiesigen 
hygienischen Universitäts- Institut statt unter Leitung der Herren 
Ihr. Bürgers und Dr. Schidorski, denen ich auch an dieser 
Stelle für ihre bereitwillige Unterstützung meinen verbindlichsten 
Dank sage. 

Die Sera wurden alle nach der sogenannten «Breslauer 
Methode“ mittelst alkoholischen luetischen Leberextrakts geprüft; 
im ganzen verfüge ich zurzeit über 16 Fälle. 

Sehr störend machte es sich bemerkbar, daß die Obduktion 
nicht schon einige Stunden post mortem erfolgen durfte; die kürzeste 
Frist betrug 48 Stunden, die längste 116 Stunden! 

Den Nachteil dieses nicht zu umgehenden Umstandes zeigt 
uns z. B. folgender Fall: Ein Gefangener erhängt sich im Delirium 
tremens (Juni 1909); 60 Stunden später erweist sich die Leiche 
bei der Sektion schon in weit vorgeschrittener Fäulnis, im Blut 
finden sich u. a. viele schwimmende Fettropfen. Das aus den 
großen Gefäßen entnommene Blut wird zentrifugiert, bleibt aber 
infolge Haemoglobinaustrittes diffus rötlich gefärbt. Trotzdem 
wird noch ein serologischer Versuch gewagt, bei dem es sich dann 
herau8stelit, daß das Serum mit der Kochsalzkontrolle schon hemmt! 

Andere Sera waren überhaupt nicht brauchbar, da sie beim 
Inaktivieren infolge Fibrinüberganges erstarrten, eine Beobachtung, 
die auch schon Seligmann und Blume (1904) gemacht haben. 

Manchmal war das Eindicken dadurch zu umgehen, daß das 
Serum mit gleichen Teilen Kochsalzlösung versetzt wurde; nach 
dem Zentrifugieren und Inaktivieren gelangten dann später nicht 
0,2 ccm, sondern 0,4 ccm zur Anwendung. Trotzdem war das 
Resultat aber häufig nicht zu verwerten, wie z. B. nachstehender 
Fall lehrt: 

Das Blut eines 89 jährigen Mannes, der am 24. September 
1909 von einem Gerüst gestürzt und nach kurzer Zeit an einer 
Milzruptur verstorben war, wurde geprüft. Bei der Sektion, 
78 Stunden post mortem, war die Leiche schon in starker Fäulnis; 
auch hier hemmte das Blut schon allein mit der Kochsalzkontrolle. 

Die Unbrauchbarkeit des Blutes zur serologischen Prüfung, 
wie sie sich in dem Befunde der hemmenden Kochsalzkontrolle 
dokumentiert, muß man meines Erachtens wesentlich auf die durch 
die Fäulnis gesetzten Veränderungen zurückführen. Vielleicht 
sind diese auch dafür verantwortlich zu machen, daß bei dem 
einzigen Fall, in dem wir schon bei der Obduktion die syphilitische 
Durchseuchung des verstorbenen Individuums feststellen konnten, 
unsere Vermutung ebenfalls nicht erfüllt wurde. Es handelte 
sich um ein 5 Monate altes Kind mit syphilitischem Ausschlag, 
geschwollenen Drüsen, Feuersteinleber und großer Milz, wie die 
106 Stunden nach dem Tode vorgenommene gerichtliche Obduktion 
erwies. Das Herzblut zeigte keine Hemmung der Haemolyse, 
ebenso auch nicht die Perikardflüssigkeit; die Kontrollen waren 
sämtlich in Ordnung. 



7B6 


Dr. Karpjaweit: Zar Begutachtung tob Funktionsstörungen 


Unseren Erwartungen entsprachen dagegen zwei andere 
Blutproben, bei denen kein Luesverdacht vorlag. 

Bei einem an Erstickung zugrunde gegangenen Neugeborenen 
und bei einem an einem Darmkatarrh verstorbenen 4 Wochen 
alten Kinde, wurde 48, resp. 52 Stunden post mortem Blut ent¬ 
nommen und in dem ersten Fall mit Kochsalz verdünnt. Beide 
Sera zeigten Haemolyse, die Kontrollen verliefen in normalerWeise. 

Die Untersuchungen unserer Sera ergaben nnn insgesamt 
folgendes: 

a) Anatomisch keine Anzeichen für Syphilis, serologisch 
keine Hemmung der Haemolyse, Kontrollen normal nur in 8 Fällen; 
die Obduktion war ausgeführt 48, resp. 58 Stunden post mortem. 
In dem dritten Falle fand die Sektion schon 31 Stunden nach 
dem Tode statt, jedoch handelte es sich nicht um eine gerichtliche 
Leichenöffnung. 

b) Anatomisch keine Zeichen für Lues; serologisch Hemmung 
der Haemolyse, Kochsalzkontrolle gleichfalls gehemmt: 8 Fälle 
(Obduktion 58, 68, 72, 76, 78, 90, 96, 116 Stunden post mortem). 

c) Sichere Zeichen für Lues; Blut und Perikardflüssigkeit 
ergaben jedoch negatives Resultat, Kontrollen in Ordnung: 1 Fall 
(Sektion 106 Stunden nach dem Tode). 

Nicht zu verwerten waren 2 Untersuchungen, da hier zu¬ 
fällig keine Kochsalzkontrolle eingestellt war. 2 andere Sera 
konnten überhaupt nicht benutzt werden, da sie trotz reichlichen 
Zentrifugierens infolge Transfusion von Blutfarbstoff erheblich 
gerötet blieben und schließlich beim Inaktivieren eindickten. 

Aus der soeben gegebenen Zusammenstellung geht meines 
Erachtens klar hervor, wie verderblich die Fäulnis auf das Blut 
einwirkt; konnte ich von 16 Fällen doch nur 8mal ein brauch¬ 
bares Resultat gewinnen und der eine von ihnen war noch mcht 
einmal gerichtlich obduziert! 

So lange die Behörden also nicht schneller ihre Erhebungen 
beenden und dadurch eher eine gerichtliche Obduktion ermöglichen, 
dürfen wir von der Blutuntersuchung bei Leichen noch nicht 
allzu viel erhoffen. Handelt es sich aber um Flüssigkeitsentnabme 
am Lebenden, so hat die Wassermannsche serologische Prü¬ 
fung auf Syphilis, unter Vorbehalt der gemachten Einschränkungen, 
als Mittel zur Stütze des klinischen Befundes zweifellos ihre Be¬ 
deutung für die gerichtliche Medizin, so daß sich ihre Anstellung 
zur Sicherung der Diagnose wohl rechtfertigen dürfte. 


Zur Begutachtung von Funktionsstörungen der unteren 
Extremitäten mit Hülfe von Fussabdrücken. 

Von Dr. Karpjaweit, Kreisarst in Swinemünd©. 

Bei der Begutachtung von Verletzungen der oberen Extre¬ 
mitäten bietet uns die mehr oder minder schwielige Beschaffen¬ 
heit der Hohlhände häufig einen gewichtigen Anhaltspunkt 
dafür, ob der betreffende Unfallverletzte seine Hände gebraucht 
oder nicht. 



der unteren Extremitäten mit Hülfe von Faßabdrücken. 


767 


Bei der Fanktionsprüfang der unteren Extremitäten haben 
wir leider kein entsprechendes, untrügliches Zeichen, weil wir 
nicht in gleicher Weise gewohnt sind, auf etwaige Veränderungen 
der Fußsohlen, bezw. des Faßgewölbes, zu achten. Nor sehr 
hochgradige Veränderungen, z. B. Plattfaßbildung, pflegen uns 
bei der Untersuchung in die Augen zu fallen. Darum sind auch 
gerade für die Begutachtung der Plattfaßbildung und zur 
Herstellung von Plattfaßabdrücken verschiedene, zweckmäßige 
Methoden angegeben. 

So werden nach Volkmann 1 ) derartige Plattfaßabdrficke auf berußtem 
Papier hergestellt and dann mit Schellack fixiert. S ad eck 1 ) erwähnt die 
Hentellang derartiger Abdrücke mit Hilfe von Druckerschwärze, welche anf 
Qlae mit Hülfe einer Bolle verteilt wird. Der Betreffende tritt aaf diese 
Druckerschwärze und druckt dann seine Füße auf ein Papier ab. 

Zar oberflächlichen Orientierung empfiehlt fernerhin Sudeck, 
daß man den Patienten in eine kleine Wasserlache treten nnd 
durchs Zimmer gehen läßt. Die Fußspuren zeigen dann deutlich 
genug die Form des Faßgewölbes. 

Auf die geringfügigeren Veränderungen des Fußgewölbes 
bei Verletzungen der unteren Extremitäten hat man bisher wenig 
geachtet, weil die für diese Pfüfung angegebenen Methoden sich 
nicht recht eingebürgert haben. 

Muskat 1 ) verwendet gewöhnliche Hektographentinte, welche in dünn* 
ster Schicht auf gutes, feines Papier aufgetragen und getrocknet wird. Auf 
ein gut durchfeuchtetes Stück Holzpappe wird dieses Blatt vorsichtig aufgelegt 
und dann der Faß aufgesetzt 

Timmer*) benutzt ähnlich wie Sudeck zwei dicke Glasplatten. Auf 
die eine Platte wird ein wenig Druckerfarbe mit einer Tintenrolle aufgetragen 
und auf die andere Platte ein glatter Bogen Papier gelegt. Der Patient tritt 
zuerst auf die erste Platte und dann auf den Bogen Papier. Der erhaltene 
Abdruck wird sofort mit Watte und Talcum getrocknet. 

Freiberg 4 ) bestreicht die Faßsohle mit einer Mischung von Tinct. 
Ferri chlorst. 50,0, Alkohol (80°/«) 45,0, Glyzerin 5,0 und läßt dann auf 
Stücke von weißem Karton treten. Der Abdruck wird mit starker alko¬ 
holischer Gerbsäurelösang bestrichen und erscheint in blauschwarzer Farbe. 

Bettmann 5 ) benutzt photographisches Zelloidinpapier. Auf dieses tritt 
der Patient, nachdem die Fußsohle mit Natronlösung oder Tonfixierbadlösung 
bestrichen ist. Unter dem Einfluß dos hellen Tageslichts entwickelt sich der 
Abdruck außerordentlich scharf. Das Bild wird dann in das Tonfixierbad 
gelegt und wie jede andere Kopie weiter behandelt. Statt des Zelloidinpapiers 
kann man auch das billigere Eisenblaupapier verwenden. Der Fuß wird dann 
mit Essiglösang bestrichen und der Abdruck nicht dem Licht ausgesetzt, 
sondern in Wasser gelegt und dann getrocknet. 

Im Krankenhaus za St. Georg in Hamburg wird folgende Methode 
angewandt. Man bestreicht große Bogen Papier mit Liquor Ferri sesquichlorati 


x ) Sud eck: Chirurgische Erkrankungen, besonders der Bewegungs¬ 
organe. Handbuch der sozialen Medizin; 1906, 8. Bd., 2. Abt., 8. 217. 

*) Muskat: Eine neue Methode, Fußabdrttcke anzufertigen. Deutsche 
med. Wochenschrift; 1902, Nr. 25. 

*) Timmer, H.: Eine neue Methode, Fußabdrücke zu machen. Zeit¬ 
schrift für orthopädische Chirurgie; Bd. 14, 8.143. 

4 ) Freiberg: Zur Herstellung von Faßabdrücken. Zeitschrift für 
erthopädische Chirurgie; Bd. 14, S. 889. 

*) Bettmann: Zur Technik der Faßabdrücke. Zentralblatt für 
Chirurgie; 1902, Nr. 27, 8. 722. 

Die Llteraturangaben verdanke ich der Liebeswürdigkeit des Herrn 
Dr. P. Sudeck-Hamburg. 



758 Dr. Karpjaweit: Zar Begutachtung tob Fuikl 

▼ermittelst eines Töpfers, sodaß die Bogen kunrien 
wird die Fnßaohle mit SoL Eil. ferrocyuit (1:10) b 
tritt dann mit beiden Faßen anf den gelben Bogen oi 
seine Faßsohlen infolge der Berliner Blsaentwickltu 
müssen dann abgeeeift werden. 

Vom Heraasgeber dieser Zeischrift wird mir mitg 
Jahren schwarzen Stiefellack za Faß&bdiÜcken mit sei 

Fftr eine rasche Orientierung in der Spret 
zur Fanktionsprüfnng der unteren Eitremitä 
letzungen, erschienen mir die genannten Metl 

Als brauchbar hat sich mir folgende Mei 
von Untersuchungen erwiesen: 

Während der Patient sitzt, werden ihm 
mit Vaseline oder mit Oel (Olivenöl, Sesami 
gerieben. Er stellt dann gleichzeitig bei« 
rallel auf einen untergeschobenen Bogen ] 
bleibt einen Augenblick stehen und setzt 
ohne zunächst die Füße za bewegen, hin. 
die Füße gleichzeitig durch den Untersuch 
hoben. Zweckmäßig ist immer eine kurze 
dem Einfetten der Fußsohlen mit dem Pa 
bekommt man in wenigen Minuten einen Abdi 
und der Zehen, auf dem man deutlich einen 
den mehr und weniger belasteten Partien 
kann. Darch Vergleich der beiden Faß 
weiterhin Schlüsse auf die Belastung des e 
im Ganzen ziehen. 

Will man den Abdruck aufheben, sc 
mit einem Bleistift nachgezogen oder mit Ko] 
werden, weil die Grenzen leicht verschwimn 
die feine Struktur des Abdracks ebenso 1 
abdrücken bei längerer Aufbewahrung vei 
häuser und Kliniken dürfte vielleicht &uß< 
Methoden die Beschaffung großer Dauere 
Stellung dieser Abdrücke empfohlen werdei 

Das geschilderte einfache Verfahren 
von Unfallverletzungen der unteren Extremil 
über die Form und die Belastung des Fu 
die Begutachtung nicht ohne Bedeutung ^ 
erscheinen besonders bemerkenswert: 

1. 67 jähriger Mann. Brach des linken Unte 
vor ca. 40 Jahren. Klagen über Unsicherheit un 
beim Stehen und Gehen. 

Befand: Unteres Brachende des linken 
obere etwas bajonettartig verschoben. Keine 
Moskelschwäche, linker Oberschenkel am 3 cm, lii 
dünner als rechts, stOckriger Gang. Faßabdri 
schmäler als der rechte. Breite des Abdrucks am 
ballen, rechts 8*/*, links 7'/» cm; in der Mitte < 
2‘/» cm; an der Ferse rechts 6, links 5 cm. Kats 
welsbaren Schwäche des linken Beins warde nac! 
Faß erheblich weniger belastet als der rechte. 

2. 45jähriger Arbeiter. Seit 15 Jahren a 
linken Unterschenkel. Vor 11 Jahren geringfügig; 



der unteren Extremitäten mit Halle von Faßabdiücken. 


769 


folgender Geschwttrsbildung nm linken inneren Knöchel. Angeblich Unsicher¬ 
heit beim Stehen und Gehen mit dem linken Bein. 

Befund: Außer den Krampfadern und Narben von Unterschenkel- 
geschwttren keine wesentlichen Veränderungen am linken Bein. Fnßabdruck: 
Linker Faß deutlich schwächer als der rechte. Breite des Abdrucks (wie oben 
gemessen) links 8,6, 4, 6 cm; rechts 10, 6, 6 cm. Der linke Foß wird dem¬ 
nach weniger belastet als der rechte. 

8. S&jähriger Fischer. Vor 2 Jahren infolge einer Verletzung Pjämie 
mit eitriger, linksseitiger Kniegelenksentsttndung. Angeblich Lahmheitsgefühl 
im Unken Bein, Schwäche beim Gehen und Stehen. 

Befund: Muskulatur des linken Beins um 1 cm schwächer als reohts. 
Keine Beweglichkeitsbeschränkung im linken Kniegelenk. Gang unbehindert. 
Fußabdruck: Linker Fuß schmäler als der rechte. Breite: Links 7,6, 8,6, 6 cm; 
rechts 8,6, 4,6, 6 cm. 

Als Folge der abgelaufenen Kniegelenksentsttndung war also außer 
einer geringen Schwäche der linken Beinmuskeln noch eine geringere Belastung 
des linken Fußes vorhanden. 

Im Gegensatz za dem ebenerw&hnten Verhalten konnte bei 
Knochenbrüchen der unteren Extremität, die mit Verkürzung 
ansgeheilt waren, anscheinend eine stärkere Belastung des 
verletzten Fußes in einzelnen Fällen festgestellt werden. Diese 
Mehrbelastung war an einer geringen Verbreiterung des Fu߬ 
abdrucks, besonders aber an dem kompakteren Aussehen des 
Abdrucks zu erkennen. Als Beispiel mögen folgende Fälle ange¬ 
führt werden: 

1. 20jähriger Matrose. Bruch des linken Unterschenkels im unteren 
Drittel vor 8 Jahren. Heilung mit Verschiebung der Bruchstücke. Kann 
angeblich schlecht klettern und stehen. 

Befund: Bajonettartige Verschiebung des unteren Bruchendes gegen 
das obere. Verkürzung des linken Unterschenkels um 1*/» cm. Gleichkräftige 
Muskulatur der Beine. Flotter Gang. Breite der Faßabdrücke: links 8, 8, 6 cm; 
rechts 8, 2,5, 6,5 cm. Abzusehen von dieser geringen Verbreitung sieht der 
linke Fußabdruck auch dichter, kompakter aus als der rechte. 

2. öOjähriger Arbeiter. Bruch des rechten Unterschenkels vor mehreren 
Jahren. Kann angeblich nur humpeln. 

Befund: Verkürzung des rechten Unterschenkels um 8 cm, ohne nach¬ 
weisbare Verschiebung der Bruchenden gegeneinander. Muskulatur des rechten 
Oberschenkels um 1 cm, des rechten Unterschenkels um 2,5 cm dttnner als 
links. Hampelnder Gang. Breite der Faßabdrücke beiderseits gleich. Der 
Faßabdrack des rechten kranken Bein 8 sieht dichter aus als links. 

Besonders gate Dienste leistete das Verfahren bei Ver¬ 
letzungen der nnterep Extremitäten, welche nnr geringe nach¬ 
weisbare Veränderungen hinterlassen hatten. 

Gerade in solchen Fällen begegnet man recht häufig lebhaften 
Klagen über stechende Schmerzen an der Stelle der Verletzung, 
ferner über schlechtes Gehen und Stehen; nur durch unbe¬ 
merktes Beobachten beim Gehen und durch den Fnßabdruck kann 
man sich ein objektives Urteil über die Gebranchsfähigkeit des 
verletzten Beins verschaffen. Aus der .Reihe der hierhergehörigen 
Beobachtungen mögen folgende hervorgehoben werden: 

1. 34jähriger Mann. Verstauchung bezw. zweifelhafter KnOchelbruch 
des linken Fußgelenks vor 1*/* Jahren. Klagen aber Unsicherheit beim Stehen 
und Gehen. 

Befand: Geringe Verdickung der Knöchel. Umfang des linken Faß« 
geleoks um 1 */* cm stärker als rechts. Keine Beweglichkeitsbeschränkung im 
Fußgelenk. Flotter Gang. Faßabdruck beiderseits vollkommen gleich. 

2. 22jähriger Fleischer. Bruch des linken äußeren Faßknöchels vor 



760 


Dr. Kramer. 


*/« Jahren. Kann angeblich nicht andauernd stehen und gehen, ferner keine 
schweren Lasten tragen. 

Befund: Geringe, nicht meßbare Kuochenrerdickang des linken iußeren 
Fußknöchels. Keine Beweglichkeitsbeschränkung. Flotter Gang. Fußabdruck 
beiderseits vollkommen gleich. 

8. 47jähriger Arbeiter. Quetschung des rechten Unterschenkels Tor 
1 Jahr. Kann angeblich schlecht stehen und gehen. 

Befund: Keine Veränderungen am rechten Unterschenkel. Eine durch 
den Unfall verursachte Knochenverdickung des rechten Scbienheins ist ver¬ 
schwanden. Muskulatur beider Beine gleichkräftig. Gang unbehindert; Fu߬ 
abdrücke beiderseits vollkommen gleich. 

Ebenso wie bei Verletzungen der unteren Extremitäten kann 
man selbstverständlich das Verfahren auch bei anderen Erkran¬ 
kungen der unteren Gliedmaßen, z. B. bei Ischias u. a., zum 
Nachweis einer ungleichen Belastung der beiden Fußgewölbe 
benutzen. 

Ihre Hauptverwendung wird diese Untersuchungsmethode 
aber immer bei Verletzungen der unteren Extremitäten finden. 
Ich möchte daher zum Schluß zur Empfehlung des Verfahrene 
nochmals folgende Punkte hervorheben: 

1. Die Fußabdrttcke lassen sich sehr leicht und bei einiger 
Vorsicht auch unabhängig vom Willen des Patienten herstellen, 
da dieser den Zweck der Prüfung nicht kennt. 

2. Sie liefern neben allen anderen Untersuchungsergebnissen 
brauchbare Anhaltspunkte für die Belastung des verletzten oder 
kranken Fußes, und damit Aufschlüsse über die Gebrauchsfähig- 
keit der betreffenden Extremität. 


Wie es heutzutage leicht zu einer Pockenausbreitung 

kommen kann. 

Von Kreisarzt Dr. Kramer in Wilhelmshaven. 

Am 17. und 18. April d. J. vertrat ich den leitenden Arzt 
des hiesigen städtischen Krankenhauses, Herrn Marineoberstabs¬ 
arzt a. D. Dr. Behrens. Am zweiten Vertretungstage meldete 
sich zur Aufnahme ein Arbeiter Fr. Sp., 35 Jahre alt, der 14 Tage 
vorher aus Lübschow in Westpreußen nach hier gereist war. Er 
gab an: 

Seit etwa 10 Tagen fühle er eich nicht mehr wohl, habe aber bis nun 
Anfnahmetage noch gearbeitet. Vor 6 Tagen habe er zuerst rötliche Flecke 
am Leib and den Beinen bemerkt, dabei sei Ziehen im Krens anfgetreten, dann 
nach Frost and Hitzegeftthl. Die Flecke seien allmählich auch im Ge¬ 
sicht, am Halse, auf der Brost, karz, aaf dem ganzen Oberkörper zam Vor¬ 
schein gekommen; die zuerst am Leib aafgetretenen Flecke hätten am anderen 
Tage schon ein anderes Aassehen angenommen, dem die anderen bald gefolgt 
seien. Pocken könnten es nicht sein, so meinte er, die hätte er viel in Ba߬ 
land gesehen, die sähen ganz anders aas, wären schwarz and die Kranken 
wären auch viel kränkor als er sei. Kr habe diese seine Krankheit noch nie 
gesehen; er wäre saletst vor 2 Jahren mit Pockenkranken in Berührung ge¬ 
kommen. Geimpft sei er saletst als 12 jähriger Knabe. 

Das Krankheitsbild, das der Kranke am Anfnahmetage bot, 
war folgendes: 

Im Gesicht, auf dem behaarten Kopf, am Halse, auf der Brost, den 
oberen Gliedmaßen, dem Bücken and Beinen, karz, fast auf der ganzen Körper- 



Wie es heatsnUge leicht sa einer Pockennasbreitnng kommen kenn. 761 


hnat wer eine große Anzahl teils dicht bei einander stehender, teils vereinzelt 
sitzender Büschen von Stecknadelknopf« bis LinsengrOße vorhanden, die teils 
hellgelben, klaren, größtenteils trüb eitrigen Inhalt hatten. Einzelne waren 
auch schon geplatzt und im Eintrocknen begriffen. Dellen waren auf den 
Büschen nirgends sichtbar, auch fanden sich nirgends Krusten oder Borken. 
Zwischen den Büschen sah man besonders da, wo sie mehr vereinzelt standen, 
so anf der Brnst und dem Bücken, auf der sonst normal anssehenden Haut 
eine Anzahl rötliche, auch wohl zinnoberfarbene und vereinzelt zyanotisch 
gefärbte Flecke von verschiedener Größe, die flach waren; Knötchen- oder 
Papelbildnng zeigte sich nirgends. An den Beinen hatten einzelne Flecke 
eine auffallend büolichrote Farbe. Anf der Schleimhaut des Mundes, des 
weichen Gaumens, am Eingang der Nase sah man auch diese Flecke and ein¬ 
zelne Büschen, die schon geplatzt waren and sich in ein oberflächliches Ge¬ 
schwür mit etwas eitrigem Boden und rotem Band amgewandelt hatten. Impf¬ 
narben befanden sich deutlich namentlich aof dem linken Oberarm. 

Mein erster Gedanke war: Pocken; da ich aber bisher 
einen Pockenkranken noch nicht gesehen, mir immerhin anch 
wieder Zweifel aafkamen, zog ich den Spezialarzt für Hautkrank¬ 
heiten Dr. E. von hier zn, der entschieden Pocken verneinte und 
eine Hautkrankheit Erythema exsudativum mnltiforme annahm. 
Gegen Pocken spräche das relativ gute Allgemeinbefinden der 
ersten Erankheitstage — der Kranke hatte bis zum Anfnahmetage 
im Krankenhanse noch gearbeitet —, sodann das Fehlen jeglicher 
Dellenbildnng anf den Bläschen und der Umwandlung der Flecke 
in Knötchen oder Papeln. 

Gleichwohl betrachte ich den Fall suspekt, brachte ihn im 
Isolierhanse mit einem besonderen Wärter unter und ließ alle zur 
Verhütung der weiteren Ausbreitung in Betracht kommenden Ma߬ 
regeln in Kraft treten. 

Der weitere Verlauf war, daß das am Aufaahmetage be¬ 
stehende Fieber von 88,2 am anderen Tage anf 39,0 abends stieg; 
dann warde die Temperatur aber normal, morgens 37,0—87,2, 
abends 37,4—37,6. Die Bläschen Augen an überall einzutrocknen, 
die Flecke blaßten ab; am 6. Krankenhauetage war das Ab¬ 
schuppungsstadium in voller Blüte; nirgends sah man Borken 
oder Krnstenbildung; die kleiige Abschuppung danerte bis zum 
Anfang der dritten Woche. Am Entlassungstage (7. Mai) war 
die Haut völlig abgeheilt; nnr ganz vereinzelt waren bräunliche 
Pigmentflecke auf dem Bücken, der Brnst nnd den Oberarmen 
als letzter Rest der Hautkrankheit wahrznnehmen. 

Hier füge ich ein, daß der Wärter des Kranken am 29. April, 
also am 11. Tage nach Uebernahme der Pflege, an einem typischen 
Masernexanthem erkrankte mit starker Beteiligung der Schleim¬ 
häute; man dachte damals noch nicht an einen Zusammenhang 
beider Krankheiten um so weniger, als zn der Zeit verschiedene 
Fälle von Masemerkranknngen in Wilhelmshaven vorkamen. 

An dem Tage nun, an welchem der unter Erythema exsuda¬ 
tivum mnltiforme geführte Arbeiter nach seiner Wohnung in 
Heppens (Oldenburg) entlassen wurde, kam im hiesigen Kranken¬ 
hanse ans demselben Hanse in Heppens eine 55jährige Wasch¬ 
frau B. unter der Diagnose Pocken anf Veranlassung des Amts¬ 
arztes zur Aufnahme. Diese Frau war bereits 10 Tage krank; 
nach Aussage des behandelnden Arztes Dr. B. in H. war das 



762 Dr. Kramer: Wie ea leicht za einer Pockeifcubreitang kommen kui. 

Erankheitsbild anfangs das der Influenza, am 5. Tage seien am 
Leibe nnd an den Beinen rötliche Flecke anfgetreten, die sich 
rasch za Papeln and am 3. Tage in Bläschen amwandelten, deren 
Inhalt anfangs klar gelblich, dann bald eitrig geworden. Mit dem 
Auftreten des Eiters sei das Allgemeinbefinden der Frau auf¬ 
fallenderweise erheblich besser geworden, trotzdem der Ausschlag 
angenommen hätte. Bei der Aufnahme im Krankenhause bot die 
Krankheit folgendes Bild: 

Ueber die Haut des ganzen Körpers zerstreut, namentlich im Gesicht, 
auf der Brust, den Armen, Händen, auf dem Leibe, den Beinen, weniger auf 
dem Bttcken, sah man steeknadelknopfgroSe bis gut linsengroße Bläschen mit 
eitrigem Inhalt, die größtenteils einzeln fUr sich standen, nur wenige kan« 
fl alerten; zwischen ihnen sah man einzelne rötliche Flecke Ton gleicher Größe, 
die teils flach, teils etwas erhaben waren, Knötchen- oder Papelbildung, sowie 
euch typische Dellenbildang auf den Bläschen fehlten die ersten Tage. Daher 
war die Ansicht der Aerzte hinsichtlich der Diagnose verschieden. Die Mehr¬ 
zahl war für Varizellen, da sich die Umwandlung rieler Flecke in Bläschen 
ohne Knötchen oder Papelbildung, und zwar auffallend rasch von einem zum 
anderen Tage vollzog; es war eben das Bild an jedem Tage eia andere«. 
Han schwankte die ersten 8 Krankenhanstage hin und her, als aber dann am 
4. Tage des Aufenthalts der Kranken im Krankenhause auf vielen Bläschen 
eine Delle erschien, auch Krusten und Borkenbildung sich bemerkbar machte 
und mir Mitteilung gemacht wurde von der oben angeführten vermeintlichen 
Masernerkrankong des Wärters, da fiel es wie Schoppen von den Augen und 
es wurde mir kiar, daß es sich in allen 3 Fällen, in dem Fall von vermeint* 
liebem Erythema exsudativum mnltiforme, dem Masern* und schließlich dem 
Varizellenfall um nichts anderes als Variolois handelte, jene Abortivform von 
Variola vera, die wir heutzutage bei der allgemeinen Schutzpockenimpfung 
häufiger zu sehen bekommen mtUsen, als Variola vera selber. 

Der weitere Verlauf war nun bei der Frau ein recht milder. Die nächsten 
Tage brachten noch recht viele Dellen; der Eiter trocknete in Krusten und 
von der zweiteo Krankenhauswoche ab begann das Desqnamationsstadium, das 
durch geeignete Bäder nntersttttzt wurde. Bei der Entlassnag am 2. Juni war 
die Haut rein, es waren aber noch sehr viele kleine und größere Pigmentfleeke 
von braunroter und braunschwärzlicher Farbe vorhanden, die ich bei einer 
Nachkontrolle am 15. August noch angedeutet fand. 

Um sicher zu gehen, wurde die Frau vor der Entlassung 
noch mit Kuhpockenlymphe geimpft, die Impfung war ohne Erfolg, 
eine Blutuntersuchung mit der Wasser mann sehen Reaktion auf 
Lues war ebenfalls negativ, so konnte eben nichts anderes als 
Variolois übrig bleiben. Die Frau erkrankte daran am schwersten, 
d. h. bei ihr war das Pockenbild am deutlichsten, weil ihre Schuts¬ 
impf ung am weitesten — 43 Jahre — zurücklag; bei dem Arbeiter 
lagen 23 Jahre dazwischen, und das Blut des Wärters hatte noch 
am meisten Schutzkraft — er war zuletzt vor 10 Jahren geimpft —; 
bei ihm kam es nur zum Initialstadium, zum Initialexanthem, das 
häufig sehr viel Aehnlichkeit mit Masernausschlag hat. Im übrigen 
stimmt auch das Inkubationsstadium der Dauer nach. Am 
18. April kam der Arbeiter Sp. mit Pocken behaftet ins Kranken¬ 
haus; er steckte alsbald den Wärter an, der am 29. April, also 
11 Tage später, einen Ausschlag bekam. Am 7. Mai kam Frau 
B. ins Krankenhaus, d. i. 19 Tage später als der Arbeiter, der 
mit ihr in demselben Hause wohnte; der Ausschlag bestand schon 
3 Tage, 10 Tage war sie schon krank, also dauerte das Initial¬ 
stadium 7 Tage und für das Inkubationsstadium blieben 9 Tage. 



Kleinere Mitteilungen and Heferate ans Zeitschriften. 


768 


W&b nun die gegen die WeiterVerbreitung der Krankheit 
getroffenen Maßregeln anlangt, so ist streng nach den Vorschriften 
verfahren, die die Anweisung zur Bekämpfung der Pocken (fest¬ 
gestellt in der Sitzung des Bundesrats vom 28. Januar 1904) an 
die Hand gibt. Außer der Schutzimpfung aller Personen, die zur 
Uebertragung und Weiterverbreitung beitragen konnten, wurden 
die Mitbewohner des Hauses, aus dem die Kranken stammten, 
sämtlich zur Beobachtung dem Krankenhause (St. Willehad-Hospital) 
für 12 Tage zugeffthrt. Die Wohnungen der Kranken wurden 
gründlich desinfiziert und auf der Isolierstation im Krankenhanse 
bei der Behandlung der Kranken, des Krankenzimmers, der 
Wäsche pp. alles getan, was zur Verhütung der weiteren Aus¬ 
breitung der Seuche auch nur in Frage kommen konnte. Die 
Prohibitivmaßregeln, die in ausgedehntestem Maße in Anwendung 
kommen, hatten auch die erwünschte Wirkung; weitere Fälle von 
Pocken kamen nicht mehr vor. 

Ich glaubte aber, dieses Erlebnis veröffentlichen zu müssen, 
um zu zeigen, wie schwer es ist, unter den heutigen Verhält¬ 
nissen — Folgen der gesetzlich geregelten Pockenschutzimpfang — 
einen Pockenerkrankungsfall sofort richtig zu erkennen und wie 
leicht es somit zu einer Pockenausbreitung kommen kann. 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 

A. OeriohtUohe Medizin. 

Untersuchungen zur Magendarmprobe. Von Sanitätsrat Dr. Carl 
Dogge. Kreisarzt in Rostock. Habilitationsschrift. Rostock 1910. Verlag 
Ton H. Warkentien. 

Hat das Neugeborene nicht geatmet, so ist der Magen luftleer and wird 
selbst durch mittelgradige Fäulnis nicht immer lufthaltig. Frische Leichen 
wurden ohne besondere Vorbereitung teils vergraben, teils bei wechselnder 
Temperatur der freien Luft ausgesetzt, d. h. in Verhältnisse gebracht, welche 
den natürlichen einigermaßen entsprechen. Weder im Magen noch im Dünn¬ 
darm fanden sich nach einigen Tagen Oase. Ohne Atmung kommt eine konti¬ 
nuierliche Lufcfüllung des Magendarmkanals nicht vor. Die Fäulnis bläht den 
Darm an einzelnen Stellen und verschieden stark; doch kommen auch Fälle 
vor, in denen trotz vorgeschrittener Fäulnis und trotz günstiger Eintritts- 

£ forten für Qasbildner kein Oas im Magen und Darm gefunden wird. Fötale 
langen faulen ungemein schwer. Aus ungenügend geblähten Lungen kann 
die Luit, wenn es sich um lebensschwache Kinder handelt, die vielleicht wenige 
Atemzüge getan haben, unter Umständen wieder entweichen. 

Ein Teil der Versuche wurde an Tierfoeten (Kälbern) angestellt. Durch 
ungeschickte geburtshilfliche Manipulationen kann Luft in den Mastdarm der 
Kälber eintreten. Fäulnisbakterien künnen in der lufthaltigen Partie des 
Mastdarms fehlen. Auch bei Kindern, welche nachweislich einige Atemzüge 
getan haben, braucht die im Magenschleim eingehüllte Luft Bakterien nicht 
zu enthalten. 

Eine Skala für das Fortschreiten der Aufblähung des Magendarmkaaals 
unter dem Einflasse der Fäulnis existiert nicht. Die Luft, welche mit den 
Atembeweguagen in den Magen oder in den Darm gelangt, bleibt auch später 
an diesem Orte lokalisiert. Versuche an Kälbern, denen vom freigelegten 
Oesophagus aus Luft in den Magen gespritzt wurde, bestätigten dies. Trotz 
seiner vier Abteilungen blähte sich der Wiederkäuermagen sofort als Ganzes 
auf; die Luft schob sich ohne weiteres in das Duodenum und in den Darm- 
traktus fort. Es kam aber unter dem Einflüsse der Fäulnis nicht zu einer 
späteren gleichmäßigen Aufblähung des ganzen Darms. Uebermäßige Gas- 


764 


Kleinere Mitteilungen und Referate au Zeit) 


entwlcklug machte schließlich eine Trensnsg irischen ! 
and ursprünglichem Leichenznstand unmöglich. 

Durch Unterbindung des Nabelsiranges konnte 
Fäulniskeime gar nicht verhindert, aber doch aulgehalte 
erwies sich als eia schlechter Nährboden für Fäolnisbi 
Emphysemblasen fanden sich manchmal gerade an den 8 
dem Zwerchfell und den stark gefaulten Bancheingeweh 

Dugge regt an, die im Magen angettoffene La 
teriologisch zu untersuchen. Wenn auch dem Qerichtsi 
Trennung der Fäulnisgase von der atmosphärischen Luit 
werden können, so müsse doch rein wissenschaftlich eine 
durchgeführt werden. 

Der wertvollen Arbeit, welche in vielen Pank 
Breslau, Ungar und Straßmann bestätigt, sind 
Protokolle beigegeben. _Dr. Beve 

Tod dureh abnormen Wirmeverlust. Von 
Prov. mäd.1910, nach einem Auszug in British medieal 

Der bemerkenswerte Fall von prolongiertem Tc 
betraf einen 61jährigen Mann, der während einer Na 
einer Temperatur von —2° C. gelegen hatte. Haut 
temperatur unterhalb der Skala des Anstaltstbermometi 
Herztätigkeit unregelmäßig, oft 15—20 Sekunden 
Stok e scher Atemtypus. Pupillen anfangs erweitert, c 
Kornealreflex fehlend. Sensibilität der Haut herabg 
aber zuckerhaltig. Nach 12 Stunden war die Tempei 
meßbar. Puls 48. Patient nennt seinen Namen. Di 
Puls 128. Atmung 40, Fiebertemperatur. Tod am Ab« 
Autopsie: Leichter Orai von Schrumpfniere, leichtes 
betont, daß die Qlykosurie als Begleiterscheinung 
durch abnormen Wärmeverlust aufzufassen ist und 
betischen Comas. Dr. Bev 


Ueber Wismutintoxikation, uebst Mitteiluo 
feudeu Falles nach Intoxikation einer Bi.-Salbe. 
Duisburg. Medizinische Klinik; 1910, Nr. 19. 

Drei durch siedenden Kaffee verbrühte Bündel 
des Arztes zweimal täglich mit 10'/,iger Wismu 
zwei Tagen begann das eine Kind nachts plötzlich z 
auch heutige Durchfälle auf. Am anderen Tage wa 
Lippen* und Gaumenschleimhaut waren livide gra 
Mundschleimhaut entzündlich geschwollen. Starkes 
am Rumpf und an den Beinen graublaue Flecke. 
Später traten am Rumpf und Extremitäten Pusteln 
ferner Leibschmerzea und klonische Krämpfe. Na 
Sektion ergab kleine bis linsengroße Geschwüre 
frei. Ein anderes von den Kindern erkrankte ebc 
Erscheinungen: Stomatitis, Durchfälle, Fieber, 
Hier trat sehr schnell völlige Genesung eia. Ve 
hieran noch eingehender auf die Wismut - Vergiften 
Ueberblick über die wichtigste Literatur und die « 
fragen, ob Nitrit* oder Metall Vergiftung. Nac 

es sich ganz entschieden um eine Metallyergiltu 
unter allen Umständen eine individuelle Dispoeitioi 
besondere vasomotorische, neuropathisehe oder kut 
mochte. 


Ueber Umsetzung des Zyaakalinnss Im te 
ganen. Von Herrn. Hagen. Inaug.-Dissertation. 

Bei der forensischen Beurteilung des qustntiti 
in den Organen ist zu berücksichtigen, daß eia 1 
umgesetzt wird. Die Verluste können bis um 78 °/< 



Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


766 


das Alter des Fleisches, die Herkunft des Materiales und die Dauer der Eis* 
Wirkung des KCN. Das Fleisch verschiedener Tiere besitzt die gleiche KCN 
amsetsende Eigenschaft. Leber verhält sich wie Fleisch. Je großer die 
Fieiscbmenge ist, um so größer wird die Umsetzung des Zyankaliums. Bis 
zum Eintritt der Wirkung vergeht längere Zeit. Spritzt man die Zyankaliam- 
lOsung in die Blutgefäße der Überlebenden Organe, so tritt die Umsetzung 
sofort ein. Jedes Organ scheint eine bestimmte Menge von Stoffen zu be¬ 
sitzen, die Zyankalium zu binden vermögen. Wenn diese verbraucht ist, ist 
eine weitere Umsetzung nicht mehr möglich. Ueberlebende Organe setzen 
ebensoviel KCN um wie tote. Dr. Bevenstorl-Breslau. 

Die Fixierung der aetherlsehen Oele an das Nervensystem. Von 
Georges Guillain und Guy Laroche. Aus dem Laboratorium des Prof. 
Chauffard. Comptes rendus de la soc. de biol.; LXIX, 1910, Nr. 26. 

Die Untersuchungen beziehen sich auf die aetherischen Oele, deren epi- 
leptogene Wirkung bekannt ist. Sie injizierten Oleum Tanaceti, 0). Salviae 
und OL Hy8Sopi dem Kaninchen in die Ohren. Nach 6—10 Sekunden traten 
ein: allgemeine Muskelstarre, Kontraktur der Nackenmuskeln, gewaltsames 
Aufspringen, Zungebiß; blutiger Schaum vor den Mund, Dyspnoe und Koma 
folgen. Der Tod erfolgte nach Iojektion von */*—1 ccm 01. Tanaceti; bei 
geringen Dosen traten Konvulsionen auf, das Tier blieb aber am Leben. 
Wurden diese Kaninchen durch Verbluten getötet, so zeigte sich durch Ein¬ 
bringen einer Aufschwemmung der verschiedenen Partien des Zentralnerven¬ 
systems unter die Dara vom Meerschweinchen, daß die Meduila ohiongata 
allein das Gift aufgenommen hatte, während die übrigen Partien Giftwirkung 
nicht entfalteten. Bei größeren Dosen diffandiert indessen das Gift auch auf 
das übrige Nervensystem und die Eingeweide. 

(Bekanntlich ist das aetherische BainfarnOl als Fruchtabtreibungsmittel 
hie und da in Gebrauch; die Kenntnis seiner Wirkungen ist daher von In¬ 
teresse.) _ Dr. Mayer-Simmern. 

Primäre Streptokokken. Peritonitis und unvorhergesehener Tod. 
Beitrag zum Studium der unerwarteten Todesarten in der Kindheit. Von 
Dr. A. Ce vidalli und Dr. F. Leoncini in Florenz. Arehivio di Antropologia 
criminale, Psichiatria etc.; Heft 1—2, Bd. XXXI. 

Der hier ausführlich beschriebene Fall betrifft ein Kind von 4 Monaten, 
das in der elterlichen Wohnung plötzlich verstorben war, ohne daß der die 
Leichenschau vornehmende Arzt imstande war, die Todesursache festsusteilea. 
Es wurde deshalb eine amtliche Obduktion vorgenommen. Hierbei fand man 
alz Todesursache eine exsudative eitrige Peritonitis; in dem Exsudat wurden 
Kokken in Kettenform n&cbgewieBen. 

Die anamnestischen Erhebungen ergaben, daß {das Kind, welches aus 
gesunder Familie stammte und teils mit Muttermilch, teils mit Kuhmilch er¬ 
nährt worden war, bis 14 Tage vor seinem Tode völlig wohl gewesen war. 
In dieser Zeitperiode war ein leichter konvulsivischer Anfall von ganz kurzer 
Dauer und dann kurz vor dem Tode ein ähnlicher Anfall aufgetreten, auf den 
die Eltern kein Gewicht legten. Fieber und Darmstörungen waren nicht 
beobachtet 

Die genaueren Untersuchungen des Falles führten die beiden Verfasser 
zu der Annahme, daß es sich um primäre eitrige Peritonitis gehandelt hatte. 
Ein im eigentlichen Sinne unvorhergesehener Todesfall lag also hier nicht vor, 
da es sich nicht um ein Individuum mit völligem Wohlbefinden handelte; 
wenigstens müßte diese Annahme zweifelhaft bleiben, da das Alter des kleinen 
Patienten eine Entscheidung hierüber unmöglich erscheinen ließ. 

_ Dr. Solbrig-Arnsberg. 

Ueber die Einschussöffnung von Sehrotsehflssen. Von Pierre Lande, 
Chef de Laboratoire de Mödedne legale de Bordeaux. Journal de Mödecine 
de Paris; 1910, Nr. 27. 

Aus Anlaß eines Spesialfalles stellte Lande Versuche an über die Ein¬ 
schußöffnung von Schrotschüssen. Bis zu einer Entfernung von 1,20 m erhielt 
er nur eine zentrale Oeffnung. Aus einer Distanz fc von l,50^m lieferte ein 



766 


Kleinerb Mitteilungen und Beferate a 


Teil der 8chrotkörner getrennte Einsehußöfihuiij 
wenige Körner entbleit. Schrot Nr. 4 gab noch 
8 m eine zentrale Einschußöffnung. Die größte 
die Haut mit Polverschmauch geschwärzt wurde ui 
nulwlea, betrug 2 m. Je kleiner die Sehrotkörnei 
Einschußöffnung und um so größer die Streuung 
Schrotkugeln batten eine so geringe Durchschli 
Eindruck, keine Perforation hervorbrachten. I 

Eine bemerkenswerte Sehnssverletsung. \ 
de Mödedne de Paris; 1910, Nr.26. 

Bei einem Zweikampf erhielt der eine Duell 
in den Oberschenkel. Der Chirurg suchte die 
Wunde. Das nicht deformierte, aus 16 m Entl 
Geschoß hatte einen Seidenstoff handschuhfingerf 
zu durchlochen. _Dr. B 

Der hervorgerufene Abort und die ihn be 
Von Dr. Tito Mon tan arie-Cavarzere. Archiv! 
Pdohiatria etc.; Bd. XXXI, H. 1—2. 

Verf. hatte folgenden Fall gerichtlich zu b 
Frau, die vorher 6 Kinder geboren hatte, die siml 
war, als sie zum sechsten Male, und zwar etwa L 
war, mit Faustschlägen und Stößen gegen den ga 
Kopf traktiert worden. 8ie verspürte alsbald h 
verlor Blut aus den Genitalien und zugleich ei 
Körper von Nußgröße. Ein Arzt oder eine Heban 
erat nach einigen Tagen suchte sie Hülfe im . 
Folge verlor sich die Blutung. Sehr bald kam es 
scbaft. In dieser Zeit bekam Verfasser die Frau 
sich über folgende Fragen gutachtlich zu äußern 
gegangen sei? 2) Ob dieser durch die erhaltenen 8c 
uttenen Schrecken bewirkt seiP 8) Ob pridispon 
Abort nachzuweisen seien? 4) Wie lange die der 
gedauert habe? Frage 1 wurde bejaht, ebenso Fra 
der Verfasser, daß als prädisponierende Ursachen 
gegangene Fieberanfälle malariaartiger Natur, reicl 
sich bei der Untersuchten nach jeder Entbindung ei 
Menstruationen, wahrscheinliche Lues der Mutter, 
6 Kinder in früher Jugend spreche, und Aaämi 
gab der Verfasser an, daß die Heilung etwa 16 
nommen habe. _ Dr. 

Schwangerschaft bei unverletztem Hym 
de Mädedne de Paris; 1910, Nr. 26. 

Der Fall betraf ein 21 jähriges kyphoskoli 
einem einmaligen Kohabitationsversuch konzipiert 
war ziemlich stark und ohne Verletz an gssporen; < 
kaum einen Bleistift passieren ließ. Dr. : 

Eine neue Spermareaktlea« Von A.del 
stitut für gerichtliche Medizin in Pavia. Bisveglh 

Fügt man zu menschlichem Sperma auf dem 
Tropfen einer gesättigten Lösung von Aurum tri- 
bedeckt es mit einem Deckgläschen und bringt es 
Kochen, so bilden sich beim Abkühlen dunkelrote 1 
Die Beaktion ist au die Anwesenheit des Spermins 
ist d ie Bildung von Vierlingen, von Quadraten 
krystallea mit mehr oder weniger späteren Endet 
Beaktion Barberlös erinnern. Dr. Be 



Kleinere Mitteilungen und Referate ui Zeitschriften, 


767 


Zun Terkommen roi Haematoporpbyria tan Mecenlum. Von V. 
Borrien. Comptes rendus de ln soc. de biol.; LXIX, 1910, Nr. 24. 

Man pflegt das Meconiom als Qalle anaosehen, die nur schwache Ver¬ 
änderungen dorchgemacht hat. Außer dem Bilirnbia und dem Biliverdin hat 
Zweifel das Vorkommen eines roten Pigmentes, eines Oxydationsproduktes, 
nnohgewiesen. 

Der Autor wies nun außerdem einen anderen Farbstoff nach, den er als 
Haematoporphyrin identifizierte. Sein Vorkommen wäre ein Bindeglied swischen 
Blutpigment und Gallenpigment; es wäre dadurch eine weitere Bestätigung 
des nahen Zusammenhangs der beiden gegeben. 

Das Meconium wird in einem Reagensglas lange mit Aseton verrieben. 
Wenn die Verdünnung genügend konsentriert ist, beobachtet man nach Fil¬ 
tration, daß die gelbe, ambrafarbene Flüssigkeit spektroskopisch 2 Streifen 
neigt: der eine a, schmal, liegt bei D, der andere ß, breiter, liegt bei E. 

Mit den Oxyhaemoglobinstreifen können die Haematoporphyrinstreifen 
verwechselt werden; indessen ist es unmöglich, daß bei den geschilderten 
Prozeduren und bei einer weiteren vom Verfasser angewandten Methode 
Oxyhaemoglobin gewonnen werden kann. Ferner wird beim Spektrum des 
Autors keine Modefikation durch Zusatz von SchwefelammoniumlOsung er« 
zeugt; schließlich ist im Gegensatz zum Oxyhaemoglobinspektrum der Streifen 
ß am stärksten ausgeprägt und bei Verdünnung von längerer Dauer als *, 
der beim Oxyhämoglobin am dichtesten ist. 

Die 4 Streifen, die alkalische HaematoporpbyrinlOsungen geben, lassen 
sieh allerdings, wohl infolge der geringen Konzentration der angewandten 
Losungen und der Art der Lösungsmittel, nur unvollkommen darstellen. 

_ Dr. Mayer-Simmern. 


Geriehtslrstliehe Betrachtungen über die menschlichen Knochen. 
Von Prof. Vit. Tirelli. Archivio di Antropologia criminale, Psichiatria etc.; 
Baad XXXI, H. 2. 

Verfasser stellte Untersuchungen der Knochen von verstorbenen In« 
sassen der Irrenanstalt in Turin an, wobei er folgende Beobachtungen machte: 

1. Das Knochenmark erscheint bis zum Alter von einigen 40 Jahren 
rot, wird mit höherem Alter rosa und färbt sich im höchsten Aiter gelb. Es 
findet ein allmählicher Uebergang der Farbennuancen statt, der bei Para« 
lytikern und besonders bei Dementia praecox schneller vor sich geht. 

2. Die Dekalzination frischer Knochen (in salssäurehaltiger Pikrinsäure« 
lOsung) erfolgt durchschnittlich in 60 Tagen; sie dauert länger beim weiblichen 
Geschlecht, bei Idioten und Epileptikern. Die widerstandsfähigsten Knochen 
sind Fibula und Clavicula. 

8. Die Dicke der Röhrenknochen infolge Atrophie ist großer beim 
männlichen Geschlecht und im jugendlichen Alter; sie ist besonders gering 
bei Paralysis, besonders groß bei Epilepsie. 

4. Hinsichtlich der Struktur überwiegen bis zum 40. Lebensjahr die 
Grundlamellen, bis zum 60. Jahr die Haversschen Systeme, deren Kanäle 
infolge Resorption eine Erweiterung erfahren. Dieser Prozeß tritt bei Amentia 
agitata und Paralysis progressiva praecox früher ein. 

5. Die verschiedenen Knocnen zeigen bezüglich der hier besprochenen 

Veränderungen ein verschiedenes Verhalten, deren Besonderheiten wichtig 
genug sind, um gerichtsärztlich bei Indentifizierungen von Leichen verwertet 
zu werden. _ Dr. Solbrig-Arnsberg. 


Vorschläge rar Reform der gerichtlich «medfiinlsehea Saehver- 
stindlgentätlgkelt ln Belgien. Von G. Co rin. Bulletin de l’Acaddmie 
royale de mädecine de Belgique; Februar 1910. 

In Belgien ist die forensische Sachverständigentätigkeit noch nieht 
organisiert; kein Gesetz, keine Verordnung, kein Erlaß gibt dem Gerichtsarzt 
Regeln oder Grundsätze an die Hand. Jedem Gerichtsarzt Ist es überlassen, 
seine Aufgabe zu lösen, wie er es für recht hält. Es gibt auch keinen obli« 
gatorischen Unterricht in der gerichtlichen Medizin, wenngleich seitens einiger 
Universitäten lobenswerte Anstrengungen in dieser Richtung gemacht worden 
sind. In Lüttich hat Verfasser erreicht, daß kein Student die Universität 



768 


Kleinere Mitteflnngen and Bef erste ui Zeitschriften. 


verläßt, ohne einer gerichtlichen Leichenöffnung beigewohnt oder selbst eine 
solche ausgeführt na heben. Am 8chlasse jeden Jahres wird eine körne 
Prüfung veranstaltet, welche sich auf die gerichtsirstliche Titigkeit erstreckt, 
soweit sie dem praktischen Amt entgegentreten kann. An den anderen Uni- 
versititen fehlt eine derartige 8chlußprüfung. Es gibt in Belgien keine Spezial* 
Erste, welche mit den deutschen Gerichtsärzten verglichen werden können. 
Man will auch keine Beamtenstellen schaffen, weil man die Erfahrung gemacht 
hat, daß das Interesse an der Wissenschaft einige Jahre nach dem Zeitpunkt 
der festen Anstellung erlisoht. Man wünscht vielmehr Aerste, deren Stellung 
es mit sich bringt, daß sie sich aus eigenem Interesse in den Fortschritten 
der Wissenschaft unterrichten, ohne daß besondere Einrichtungen, wie periodi¬ 
sche Fortbildungskurse, die Lücke ausfüllen. Unumginglich notwendig ist 
nach Ansicht des Verfassers, daß die Obduktionsverhandlungen und die Gut¬ 
achten der Gerichtsirste durch eine stEndige Kommission von 8achverstEndigen 
kontrolliert wird. Dadurch würde der Wert der Gutachten erhobt werden 
und die wenig höflichen und manchmal auch wenig sachlichen Auseinander¬ 
setzungen aus den Gerichtsverhandlungen verschwinden. Eise Kontrolle ist 
um so notwendiger, als über den Gang und über den Umfang einer gericht¬ 
lichen Leichenöffnung sehr verschiedene Auffassungen herrschen. Manche 
Aerzte halten es, wenn traumatische Todesarten vorliegen, für ausreichend, 
die verletzte KOrpergegend zu untersuchen. Fast allgemein üblich ist es noch, 
die Autopsie zu unterbrechen, wenn die Todesursache hinreichend festgestellt 
erscheint. Unter diesen Umstünden ist es kein Wunder, daß die Sektionen 
manchmal sehr abgekürzt und Gutachten abgegeben werden, deren ganzer 
Inhüt aus fünf Zeilen besteht. Es nimmt kein Wunder, daß Fragen, welche 
erst wEhrend der Hauptverhandlung aufgeworfen werden, seitens des Obdu¬ 
zenten in der Begel nicht beantwortet werden können. 

Hierzu kommt noch der weitere Uebelstand, daß die Protokolle ungenau 
sind. Die Protokolle entstehen nicht an Ort und 8telle wEhrend der Obduktion, 
sondern werden erst mehrere Tage später aus dem GedEchtnis und nach 
kurzen Notizen niedergeschrieben. Es ist dann wahrhaft erstaunlich, was aus 
der Feder des Sachverständigen manchmal fließt Diese Gutachten sind ge¬ 
legentlich in literarischer Hinsicht Meisterwerke, Muster von Ordnung und 
Gründlichkeit, halten aber der Kritik nicht 8tand. In einem Falle von Kinder¬ 
mord hatte ela Arzt ein Gutachten abgegeben, in welchem er eine ganze Reihe 
von SchEdelverletzungen auf das genaueste beschrieb. Aber eine zweite Autopsie, 
die einige Tage spEter angeordnet wurde, ergab, daß einerseits wichtige Ver- 
Enderungen übersehen und anderseits die beschriebenen Verletzungen des 
knöchernen SchEdeldaohes durch die unverletzte Haut hindurch diagnostiziert 
worden waren. Sehr bedenklich ist die Sitte, die Obduktion in dem gleichen 
Zimmer oder am gleichen Ort vornehmen zu lassen, an dem die Leiche ge¬ 
funden wurde. Manche Gerichte ordnen die Obduktion am Fundorte mit Vor¬ 
liebe an. In einem Falle entstanden sogar Zweifel, ob Blutflecke, die sich 
auf dem Tische fanden, auf dem die Leiche obduziert wurde, von dem Morde 
oder von der 8ektion herrührten. — Die ReformrorschlEge der Verfasser er¬ 
streben Im wesentlichen das, was in Deutschland bereits überall erreicht ist. 

Dr. Revenstorf-Breslau. 


B. Bakteriologie, Infektionskrankheiten und ßffentUohea 

BaaltAtswesen. 

1. BekEmpfong der Infektionskrankheiten, 
a. Bakteriologie der Infektionskrankheiten im 
allgemeinen. 

Opsonine- und Vakzine-Therapie. Von Dr. Reiter-Berlin. Fort¬ 
schritte der Medizin; 1910, Nr. 15. 

Unter Opsoninen verstehen wir 8chutzstoffe des KOrpert, Substaanen 
des Serums, die, weißem Blutkörperchen und Bakterien zu gesetzt, bewirken, 
daß die Bakterien von den Leukozyten aufgenommen, „gefressen* werden. 
Diese 8toffe wirken, wie Ehrlich und Morgenroth nach gewiesen haben, 
nicht auf die Leukosytsn, sondern sie verändern die Bakterien; sie machen 
diese schmackhafter. Wir unterscheiden zwei Arten von Opsoninen: die Normal- 



Kleinere Mitteilungen und Bef ernte ans Zeitschriften. 


769 


opionlne, solche, die in jedem Gesunden vorhanden sind, nnd die Immun» 
opsonine oder Bakteriotropine, die sich nur im Kranken resp. im Immunisierten 
finden. Die Normalopsonine werden bei einstfindiger Erhftsung auf 56° zer- 
stört, die Itnmunopsonine dagegen nioht oder nur teilweise. Diese finden 
sich nur im Serum kranker Menschen resp. solcher, die eine Krankheit 
flberstanden haben resp. künstlich immunisiert sind; sie sind streng spezifisch, 
das 8erum enthält nur Immunopsonine gegen die betreffenden Krankheits¬ 
erreger. Der Opsoningehalt wird durch den opsoninischen Index (0.1.) nach 
der Wrightsehen Methode bestimmt. Bei Gesunden ist er immer gleich 
1,0; beim Kranken ändert er sich. Beträgt er mehr als 1,0, so ist er 
erhöht, im anderen Falle erniedrigt. Beim Kranken ist der 0.1. immer 
nur gegen die Bakterien verändert, die die eigentlichen Erreger der Krank¬ 
heit sind; daraus läßt sich umgekehrt feststellen, welche von etwa gefun¬ 
denen Keimen die eigentlichen Krankheitserreger sind. Eine derartige Aen- 
derung des 0.1. kann man hervorrufen, in dem man den Krankheitsherd 
künstlich reizt, wodurch es gelingt, bei Krankheiten mit unklarer Aetiologie 
die richtige Diagnose zu stellen. Bei den meisten Erkrankungen findet sich 
eine Erniedrigung des 0. I. — Durch die Vakzinetherapie vermögen wir 
den 0.1. zu erhöhen und dadurch die Kranken in ihrer Besistenz zu steigern. 
8ie eignet sich daher als Therapie für solche Erkrankungen, die einen dauernd 
erniedrigten 0.1. aufweisen. Als Isjektionsdosis wird man gewöhnlich die 
sogenannte „mittlere* Dosis wählen, die nach einem kurzem Sinken des 0. L 
die größte Steigerung desselben aufweist. Nur in Fällen, wo die geringste 
Besistenzverminderung eine Gefahr fftr den Patienten bedingt, wird man die 
„kleine* Dosis wählen, die nur eine Steigerung, allerdings nur eine geringe 
hervorruft. Sie muß infolgedessen schon nach 8—4 Tagen wiederholt werden, 
die „mittlere* erst nach 8—10 Tagen. Verfasser bespricht dann noch die 
Herstellung der Vaksine (Eigen- und Standard-Vakzine) und geht schließlich 
zu der Vakzine-Therapie der einzelnen Bakterieninfektionen fiber, auf die Bef. 
hier nioht näher eingehen kann. _ Bpd. jun. 


Eine modifizierte Petrischale. Von Dr. Fr an kl-Wien. Medizinische 
Klinik; 1910, Nr. 28. 

Um zur exakten Züchtung der Kolonien das Nährsubstrat überall gleich¬ 
dick aufgießen zu können, hat Verfasser Schalen angegeben, die aus einem 
1 ccm hohen Zylinder von 9 cm Durchmesser bestehen. Der geschliffene 
Band dieses Zylinders ist mittels eines hitzebeständigen Kittes an eine plan¬ 
parallele Glasplatte von gleichem Durchmesser aufgeklebt. Die Schale ver¬ 
trägt sowohl das Auskochen, wie die trockene Sterilisation, nur konzentrierten 
Mineralsäuren hält das Klebemittel nicht stand. Um vollkommen gleich 
hohe Nährbodenschichte zu erzielen, muß die 8chale auf eine Glasplatte 
gestellt werden, die mittels dreier Schrauben regulierbar ist und durch eine 
wasserwage vollkommen horizontal gestellt wird. Die 8chale wird vom Glas¬ 
künstler Paul Ha ach-Wien hergestellt. Bpd. jun. 


b. Pocken 

Aktive Immunisierung des Menschen mittels abgetöteter Pocken- 
▼aktine. Von Privatdozent Dr. Knöpfelmaoher-Wien. Medizinische 
Klinik; 1910, Nr. 16. 

Nachdem es Verfasser bei früheren Versuchen gelungen ist, durch sub¬ 
kutane Injektionen virulenter Kubpockenvakzine am Menschen Immunität gegen 
nachfolgende intradermoidale Impfung zu erzeugen, hat er jetzt den Versuch 
gemacht, durch Einverleibung von abgetöteten Erregern Immunität zu erzielen. 
Er verwendete dazu eine Kubpockenvakzine, die eine halbe Stunde lang auf 
68° C. erhitzt worden war. Es wurden dann in 20 Fällen 0,5—1,0 g injiziert. 
Es gelang, den Menschen gegen eine später vorgenommene Hautimpfung zu 
immunisieren, sofern diese mehr als 8 Tage nach der Injektion stattfand. 
Zur Sicherheit, daß es sich wirklich um Immunität handelte, hat der Ver¬ 
fasser noch vorher und nachher die Vakzineprobe angestellt. Er hat damit 
den Beweis geliefert, daß es beim Menschen gelingt, ihn mit Sicherheit gegen 
eine Infektion dadurch zu immunisieren, daß ihm abgetötete Krankheits¬ 
erreger subkutan einverleibt werden. Bpd. jun. 



770 


Kleinere Mitteilungen and Referate me Zeitschriften. 


Beobachtungen Iber die gegenseitige Ein wirken« gleichseitiger 
Pocken- and Kuhpockenlmpfuig. Vortrag, geholten in der N.-W. breneb 
des engL Medizinalbeamtenrereins. Von W. Hanne, M. B., D. P. H, Assi* 
stant medical offleer of healtb, Port ol Liverpool. Public health; 1910, XX11I, 
Nr. 10. 

Bekanntlich erstrebt der Verein impf gegnerischer Aerste eine Revision 
des deutschen Impfgesetzes und die Einführung der Gewissensklausel nach 
englischem Muster. Da ist es von Interesse, daß der Autor an die Spitze 
seiner Arbeit folgenden Satz stellt: .Die systematischen Beobachtungen vieler 
tüchtiger Beobachter haben seit langem die Kontroverse über den Wert 
der Impfung als Schutz gegen Pocken in einen vollständigen Sieg der Ver¬ 
fechter der Impfung als wissenschaftlicher und prophylaktischer Maßregel ver¬ 
wandelt.“ 

Die Kuhpocken sind als abgeschwächter Abkömmling der echten Pocken 
anzusehen. Im Zusammenhang mit dieser engen Verwandtschaft, wenn nicht 
absoluten Identität dieser beiden Affektionen teilt der Autor 76 Fälle von 
Pocken mit, die in den letzten 9 Jahren in Liverpool und seinem Hafen gesam¬ 
melt worden sind, und untersucht den Einfluß auf den Verlaut Es handelte 
sioh meist um Personen, die im Inkubationsstadium oder während der Pocken 
gelandet und in das Haienisolierhospital geschafft worden waren. Viele von 
ihnen waren Viehtreiber aus Boston, die im Inkubationsatadium nach Liverpool 
kamen, deren Ansteckung aber bei der schweren Epidemie 1902/3 in Boston 
erfolgt war. 

Der Verfasser untersuchte den Erfolg der Impfung nach erfolgter In¬ 
fektion bei vorher nicht Geimpften und bei solchen, die im ßäoglingsalter ge¬ 
impft worden waren. Als Inkubationszeit nimmt er 12 Tage an; der Aus¬ 
schlag erscheint 3 Tage nach dem Auftreten der Initialsymptome. Impfung 
und Wiederimpfung während der Inkubationszeit und sogar bis zum Tage dee 
Auftretens der Krankheitssymptome waren von Erfolg. Ohne Erfolg war die 
Impfung dagegen, wenn sie nach Beginn der Pocken geschah. Die Papel er¬ 
reichte ihr typisches Aussehen nicht, die Areola pflegte sich nicht zu entwickeln, 
Bläschen traten nicht auf, etwaige Pusteln blieben ln der Entwicklung gehemmt 
und trockneten rasch ein. In anderen Fällen, insbesondere dann, wenn die 
Impfung spät erfolgte, erschien lokal keine Reaktion oder es trat nur eine 
einfache traumatische Reaktion auf. Trugschlüsse sind dann möglich, wenn die 
Impfung spät ausgeführt wurde und einen einfachen Entzündungsreiz erzeugte. 
Es traten dann Pockenbläschen kranzförmig um die Schnittstellen auf, insbe¬ 
sondere bei schwer verlaufender Variolakonfluens; diese Bläschen sind echte 
Variola und täuschen nur scheinbar einen Impferfolg vor. 

Der Autor benutzte zu seinen Untersuchungen auch 22 Fälle von Impfung 
bei Variola, die 1878 von einer Kommission der Londoner Klinischen Gesell¬ 
schaft gesammelt worden waren, über die Dr. Birdwood vom Metropolitan 
Asylums Board Hospital Bericht erstattete. Auch aus ihnen ergibt sien, daß 
eine Impfung während der Inkubationsperiode und während der Initial¬ 
periode der Pocken von Erfolg ist. Verf. schließt: 

1. Impfung nach vorausgegangener Infektion mit Pocken Ist von Erfolg 
bis zum Beginn der Krankheit. 

2. Die Impfung gewährt einen Schutz gegen die Pocken, wenn sie 
innerhalb 8 Tagen nach der Infektion vorgenommen wird. In Fällen, die zum 
ersten Mate geimpft sind, braucht der Schutz nicht absolut zu sein; der Ver¬ 
lauf der Krankheit pflegt dann aber sehr mild zu sein. 

8. Der Wert der Impfung, die Schwere der Krankheit zu mildem, ist 
zweifellos, selbst wenn sie nach dem Beginn der Pocken erfolgt. 

_ Dr. Mayer- Simmera. 

Ein erprobtes Yerfahren zur Ansttchtung neuer Yarlola • Yakstne- 
stlmme vermittelst des Kaninchens. Von Geh. Med.-Rat Dr. Frey er in 
Stettin. Klinisches Jahrbuch; 1910, Bd. 22, H. 4. 

Bisher glückte es recht selten. Pockenstoff direkt vom Menschen auf 
das Kalb erfolgreich zu übertragen; F. gelang es jedoch durch Einschaltung 
einer dreifachen Kaninchenpassage einen hervorragend wirksamen Vakzinestamm 
heranzusüchten. Das Material wurde aus den klaren Pusteln des Pockenkranken 



Kleinere Mitteilungen and Referate aas Zeitschriften. 


771 


mit Haarröhrchen entnommen and dtuch Einreiben ani die rasierte Bücken» 
haut des Kaninchens gebracht. Der nach 6 Tagen abgenommene Stoff wnrde 
mit Glyzerinwasser verrieben, nach 2 Tagen aai ein zweites Kaninchen über¬ 
tragen and von diesem wiederum aaf ein drittes Kaninchen überimpft. Dieses 
lieferte reiche Mengen eines vorzüglich wirksamen Impfstoffs. 

Der Impfstoff vom ersten Kaninchen haftete aaf dem Kalbe gereicht, 
der des zweiten Kaninchens nar wenig. Bei dem ersten and zweiten Ka¬ 
ninchen bildete sich nar eine allmählich einplatzende Borke aas, während erst 
dos dritte Kaninchen typische Pockenbildang zeigte. 

Dr. Dohrn»Hannover. 


c. Cholera. 

Die Bedeutung der Nitrite, der salpetrigen Säure und des Stickoxyds 
bei der Cholera Indien« Von Prof.Dr. Emmerich-München. Medizinische 
Klinik; 1910, Nr. 25. 

Verfasser verteidigt seine Theorie, daß die Nitrite und besonders die 
giftige salpetrige Säure, welche durch die von den Choleravibrionen gebildete 
Milchsäure in Freiheit gesetzt wird, sowie das innerhalb weniger Minuten 
daraas entstehende Stickoxyd die Ursache der Kronkheitserscheinungen und 
der pathologisch • anatomischen Veränderungen bei Cholera Indien bilden. Daß 
auch bei anderen Kranken und gesunden Menschen Nitrite und salpetrige 
Säure nachgewiesen werden können, spreche nicht dagegen, da es sich nur 
um im Speichel enthaltene und mit diesem verschluckte Mengen handele, 
die keine schädlichen Wirkungen enthalten konnten; außerdem besitze der 
Ma gen die Fähigkeit, die aus den verschluckten Nitriten durch die Salzsäure 
in Freiheit gesetzte salpetrige Säure sofort in völlig indifferentes Stickstoff- 

S as überzuführen. Bei der Cholera Indien würde aber erhebliche Mengen von 
’itriten, salpetriger 8äure, Stickoxyd und Untersalpetersäure gebildet, die 
dann die Krankheitserscheinungen zur Folge hätten. Verfasser wendet sich 
dann weiter gegen die von Stühlern (in Nr. 60, 1909 der Med. Klinik) 
verteidigte Endotoxinhypothese; die von diesem mit Seruminjektionen er¬ 
zielten therapeutischen Erfolge bezweifelt er. Bpd. jun. 


Zur Frage über die Bedeutung der Nitrite [der salpetrigen Säure 
und des Stickoxyds bei Cholera Indien« Von Dr. Stühlern-Petersburg. 
Medizinische Klinik; 1910, Nr. 25. 

Entgegnung auf obigen Artikel von Prof. Dr. Emmerich. Verfasser 
hebt nochmals hervor, daß er bei vielen anderen Kranken und Gesunden 
salpetrige Säure im Verdauungskanal aufweisen konnte. Es habe sich da 
nicht nur um Spuren, sondern um die gleichen Mengen gehandelt, wie sie 
Emmerich bei der Cholera Indien gefunden habe. Emmerich stehe zudem 
mit seiner Hypothese ganz allein da, während die Endotoxinlehre Unterstützung 
durch eine ganze Beihe namhafter Forscher finde. Er führt dann noch eine 
ganze Beihe solcher Stimmen, die sich gegen die Theorien von Emmerich 
wenden, an. Zum Schluß wendet er sich gegen die Zweifel Emmerichs in 
bezug auf seine therapeutischen Erfolge mit Seruminjektionen. Bpd. jun. 


d. Typhus und Paratyphus. 

Untersuchungen über die Ausscheidung des Typbusbacillus und der 
Paratyphusbaslllen durch den Darm. Von L. Bibadeau-Dumas und 
P. Har vier. Comptes rendus de la soc. de biol.; 1910, LXIX., Nr. 27. 

V ersuchsanordnung: Die Autoren injizierten in die Vena marginaüs 
des Ohres beim Kaninchen je 1 ccm etwa 1 Woche alter Peptonwasserkultur 
vom Typhusbacillus und von Paratyphusbaslllen. Das Tier wurde am nächsten 
oder übernächsten Tage durch intrakardiale Chloroforminjektion getütet. Um 
eine mögliche Passage von Bazillen durch die Galle in den Darm auszu¬ 
schließen, wurde in einigen Fällen 48 Stunden vor der Impfung der Choledochus 
unterbunden und reseziert. 

Ergebnis: Die Bazillen finden rieh besonders in der Milz, der Leber, 
dem Wurmfortsatz und scheinen, was dem Darmtiakt anlangt, im Gebiete 
des Wurmfortsatzes und des Duodenum in erster Linie, außerdem 



772 


Kleinere Mitteilungen and Referate aas Zeitschriften. 


aber nach durch Oün* und Dickdarm ausgeschieden n werden. 
Die Keime finden eich in der Darawand bedeutend leichter, als im 
Darmiabalt. Es haadelt sich dabei nicht bloß am eisen einfachen Transport 
der Keime darch die Blatbahn and bloße Ausstreuung derselben. In einer be¬ 
stimmten Zahl von Fällen konnten Bibadeau-Dumas und Harvier am 
Darme Veränderungen konstatieren, wie sie bei ernsten Toxiainfektioaen ge¬ 
funden worden sind und die vorzugsweise an Stellen lokalisiert waren, wo 
die Mikroben hatten isoliert werden können. Es handelte sich um ausge¬ 
sprochene Blutüberfüllung, um Ekchymosen, um haemorrhagische Ergüsse 
besonders im Gebiete der oberen Partien des Daodenums und an der Warsei 
des Wurmfortsatzes. Ferner fanden die Verfasser umschriebene haemorrhagische 
Gangrän, die auf die Schleimhaut beschränkt war. Die ausgesprochensten 
Veränderungen am Duodenum wurden bei Tieren aagetroffes, die mit dem 
Paratyphus B injiziert worden waren. 

Das lymphoide Gewebe des Darms, die „Tonsilla intestinalis*, der 
Peyersche Haufen gab bei der Kultur übrigens nur in 8 Fällen positive 
Besaitete. _ Dr. Mayer-Simmern. 


Veber AUgemelnlnfektlenea des menschliehen Körpers dar eh 
Baeterlnm coli commune» Von Dr. Lindemann -Essen. Medizinische 
Klinik; 1910, Nr. 82. 

Ein kleines Kind, das sich die ersten sieben Tage seines Lebens gut ent¬ 
wickelt hat, erkrankte plötzlich an Durchfall und Erbrechen. Einige Tage 
später zeigten sich auf der Haut Pickel und Knoten, die anfangs hart und 
klein blieben, später erweichten und teilweise konfluierten. Das Allgemein¬ 
befinden verschlechterte sich zusehends; die Durchfälle und Erbrechen hielten 
an, die Haut färbte sich gelb. Leber stark vergrößert, Urin enthielt reichlich 
Eiweiß. Fieber za Anfang 39°, stieg bis 41,2°. 8 Tage vor dem Tode kam 

das Kind zur Aufnahme in die Klinik. Dort wurden aus dem Eiter der 
Hautabzesse 8täbchenbakterien gezüchtet, die sich bei genauer Nachprüfung 
als Bacterium coli erwiesen. Bei der Sektion wurde im Herzblut gleichfalls 
Bacterium coli nachgewiesen. Leber und Nieren zeigten vorgeschrittene 
parenchymatöse Degeneration; im Ileum fanden sich 2 Querfinger von der 
Bauhinischen Klappe entfernt zwei je 1 pfennigstückgroße kreisrunde 
Defekte mit glatten, nur leicht erhaben scheinenden, nicht Überhängen- 
den Bändern und ebenfalls glattem, grauem, leicht vertieft erscheinendem 
Grunde. Die mikroskopische Untersuchung ergab ein flaches Geschwür der 
Schleimhaut; die 8abmucosa war kaum beteiligt. Bakterien ließen sich darin 
ebensowenig, wie in der Leber und den Nieren nachweisen. Nach dem Befund 
nimmt Verfasser an, daß es sich hier schon um ältere Prozesse handelt. Seiner 
Ansicht nach hat bei der Gebart beim Darchtritt darch den Geburtaschlauch 
eine Uebertragung von Kolistämmen stattgefunden; diese seien durch den 
Mund des Kindes in den Darm gelangt, haben dort eine Enteritis und ln 
deren Verlauf die lokalen Darmveränderungen hervorgernfen; durch die 
8ubstanzdefekte sind die Bakterien in die Darmscbleimhaut eingedrungen und 
haben so zu einer Allgemeininfektion geführt Hierfür spricht noicb, daß 
zuerst die Darmveränderungen klinisch in Erscheinung traten und dann die 
Hautveränderungen. 

Mit der Geschichtserzählung dieses Falles verknüpfte Verfasser eine 
längere Betrachtung über die Möglichkeit einer Allgemeininfektion durch das 
sonst als harmloser Schmarotzer betrachtete Bacterium coli und über die 
Bedingungen, unter denen eine derartige Infektion stattflndea kann. 

_ Bpd. jun. 


Zur Kenntnis der Parakellbaiillosen. Von Prof. Dr. Schttso-BerUa. 
Medizinische Klmih; 1910. Nr. 24. 

Ein 16*/» jähriger Schlosser erkrankte drei Tage nach Genuß sähen, schleckt 
schmeckenden rohen Schinkens mit Uebelkeir, Erbrechen, schleimig ausaehenden 
Durchfällen und Fieber (89,4°). Da keine Besserung eintrat das Erbrechen 
sunahm, die Durchfälle — 6—8 mal täglich — Zunahmen, wurde Verfasser 
konsultiert, der außer leichtem Meteorismus, geringer Milzschwellung und 
Temperaturerhöhung auf 88,8* keine Besonderheiten feststellen konnte. Da 



Kleinere Mitteilangen and Referate ans Zeitschriften. 


773 


Verdacht aut Typhös oder Paratyphos bestand, worden dahingehende Unter* 
sochongen an gestellt, die aber ein negatives Besaitet hatten. Das Befinden 
des Patienten verschlechterte sich dann in den nächsten Tagen, die Temperalar 
stieg über 40°; neben den sehr starkem Meteoiismns traten Dyspnoe and 
Zyanose aal. Es worden 200 ccm Blat abgelassen; Verfasser fand dann bei 
der Untersuchung im hängenden Tropien plumpe Stäbchen, die Aehnüchkeit 
mit Kolibasilien hatten. Darch weitere genaue Untersuchung ihrer Eigen* 
schalten, speniell durch Agglutination des typischen Serums, neigte sich, daß 
es sich um Parakolibasiiien handelte, die auch späterhin im Urin des Patienten 
nachgewiesen werden konnten, woraus sie aber nach Gebrauch von Urotopin 
verschwanden. Im Stuhl konnten sie nicht gefunden werden. Die Krankheit 
verlief weiter unter dem Bilde einer septischen AUgemeininfektion: Hohes 
Fieber (40,2—40,8 °), Schüttelfröste, Druckempfindlichkeit der Miln* und Leber* 
gegend, Icterus, unregelmäßiger, dikroter Puls. Langsam trat lytischer Abfall 
des Fiebers und Besserung ein. Im Anseblaß daran berichtet Verfasser über 
Versuche nur Differenzierung der Koli- und Parakolibasiiien aul biologischem 
'Wege. Nach ihm gelingt es, bei genauem, quantitativem Arbeiten mit Hilfe 
der Komplementbindungsmethode Koli- und Parakolibasiiien sicher von ein¬ 
ander su unterscheiden. _ Rpd. jun. 


Ueber das Vorkommen von Bakterien der Pnrntyphns* and Gärtner- 
Gruppe bei nicht spezifisch Erkrankten. Von Dr. Käthe-Halle. Medizinische 
Klinik; 1910, Nr. 23. 

Verfasser behandelt die durch die Untersuchungen der letzten Jahre 
gefundene Tatsache, daß gelegentlich Bakterien der Paratyphusgruppe als 
harmlose Sapropbyten im menschlichen Darmkanal, ja sogar im Blute und in den 
Organen gefanden werden, ohne daß dadarch eine spezifische Erkrankung 
hervorgerufen wird. Auch rufen solche Leute keine Paratypbuserkrankangen 
in ihrer Umgebung hervor. Das gelegentliche Anifinden derselben dürfe also 
zu keinen diagnostischen Irrtümern Veranlassung geben hinsichtlich ihrer 
pathogenetischen Bedeutung; davor schütze, wenn man beachte, daß bei 
solchen Fällen die Zahl der Bazillen im Untersuchangsmateiial gewöhnlich nur 
spärlich sei, daß im Blate der betreffenden Patienten spezifische InnenkOrper 
fehlen und daß das Auftreten der Bakterien in der Regel nur vorübergehend 
seL Verf. erwähnt dann zwei derartige Fälle, wo in dem Pleurapunktat eines 
neunzehnjährigen Mädchens und in dem Sekret eines Mammakarzinoms einer 
86jährigen Frau dreimal Paratyphusbazillen gefanden wurden; auch in den 
Fäces eines Paralytikers wurden GKrtnerbazillen nachgewiesen. Eine spe¬ 
zifische Erkrankung lag in keinem Falle vor. Rpd. jun. 


Einige Fälle von Uebertragung des Paratyphus von Mensch in 
Mensch. Von L. Fortineau und L. Ribereau. Aus dem Laboratorium 
für Bakteriologie der med. Schale in Nantes. Comptes rendus de la soc. de 
biol.; 1910, LXtX., Nr. 26. 

Bei einer Paratyphasepidemie, die ein französisches Regiment im Westen 
betraf, erkrankte ein Offizier, der weder an der Einquartierung, noch am 
Kasernenaufenthalt der Soldaten teilgenommen, der 8peisen und Trinkwasser 
der Leute nicht genossen hatte, selbst an Paratyphus. Als Aetiologie nahmen 
die Autoren an: Der Barsche des Offiziers war beurlaubt und durch einen 
8oldaten des infizierten Truppenteils, der selbst scheinbar gesund war, 
ersetzt worden. Jeden Morgen kam der Barsche aus der Kaserne, um das 
Frühstück des Offiziers zurecht zu machen. Wie der spätere Verlauf ergab, 
war der Bursche im Inkabastionsstadium des Paratyphus; 10 Tage später 
erkrankte der Offizier. 

2. Fall: Ein 14monatliches Kind, das ausschließlich mit sterilisierter 
Milch und leichter Bouillon ernährt wurde, erkrankte an Paratyphus. Die 
Bonne, die das Kind pflegte, war einige Tage vorher an derselben Affektion 
erkrankt 

Die Autoren betonen die Wichtigkeit der die Uebertragung des Para¬ 
typhus von Mensch za Mensch verhütenden Maßregeln. 

(In einem Falle sah Referent bei einem 2 l /ijäbrigen Kinde Paratyphus 
am 6. November 1907 auftreten; die Krankheit dauerte bis 16. November 1907. 



774 


Kleinere Mitteilungen and Hefe: 


Die Matter, die das Kind stets gepflegt hatte, 
1907 an schwerem Paratyphus.) 

Eia Fall von Paratyphos mit letalem 
U. Monnier and L. Bibereau. Comptes rend 
LX1X., Nr. 26. 

Während des Lebens waren beobachtet wo 
schmerzen, Bigidität besonders der unteren GUI 
Schwäche; dann kamen Ekel und Erbrechen. Ke 
fall, keine Verstopfung. Die fast absolute S chl i 
machte später der Somnolenz Platz. Die Zange 
dem; auch der Schlund war gerOtet. Der Leib gesi 
Leichtes Garren in der Ileocoec&lgegend. K eli 
dankel, übelriechend. Die Leber vergrößert, ] 
schmerzhaft. Angedeutet Icterus der Bindehäute, 
der Perkussion. Einige Basselgeräusche an den al 

Serodiagnostik positiv im Verhalten 1 : 2 
Brion, Typus A., negativ mit dem Typhusbaciilua 
müller) Typus B. Auch die Kulturen des an 
beweglichen, zilientragenden Bacillus auf Kartoffe 
Nachweis des Paratyphus - Bac., Typus A. 

Autopsie: Leber: Fettentartung, Lymphael 
und stellenweise der interlobulären Partien. Milz: 
Zelleninfiltration besonders im Niveau der M a'l 
Nieren: groß, 190—210 g schwer; breite weiße Ni 
rot, glänzend, besonders in der Endpartie des Heu 
der Pey er sehen Plaques, der Lymphfollikel, der 
Ulzerationen des Dickdarms. Histologisch: Bazillen 
Degeneration der Drüsenselien. Lymphzellenlnflltrai 
Schläuchen. ß r> 


e. Tuberkulose. 

Ucker die neuere Tuberkelbasillenfärbung 
Bedeutung fflr die Sputumuntersuchung« Von 

Medizinische Klinik; 1910, Nr. 22. 

Nach Ansicht des Verfassers ist die Anwendi 
zur Färbung auf TuberkelbasÜlen eine willkomi 
diagnostischen Büstwerkes bei der Tuberkulose. 1 
bestehenden Verdacht auf Taberkulose mit der alti 
keine Tuberkelbazilien nachgewiesen werden können, 
methode angewendet wissen; sind dann noch keine kl 
so müssen noch andere Hilfsmethoden wie AuflOsu 
Antiformin und Ausschütteln mit Ligroin herangezoge 
wohl in allen Fällen, wo TuberkelbazUlen wirklich 
gelingen, diese nachzuweisen. 


Tuberkelbasillennachweis Im Sputum naeh 
Antlformlnmethode. Von Dr. Beicher-Berlin. Me 
Nr. 21. 

Verfasser hat die von Uhlenhuth vorgeschlag 
in der von Hüne vorgeschlagenen Modifikation an i 
eine Nachprüfung unterzogen. Er kommt zu folgender 

Die Uhlenhuthsche Antiforminmethode ergil 
Modifikation durchschnittlich um 27 , 5 ®/o mehr positive] 
gewöhnl i c h en Methoden, liefert daher zur Stellung de: 
wie besonders bei der Unterscheidung s wisch es offen 
Taberkulose viel exaktere Besaitete. Sie zwingt zu 
Auffassung bezüglich jahrelang als geschlossen sagest 
uns eine scharfe Kontrolle zur Beurteilung der Heilstätt 
Verfasser mochte nach seinen günstigen Erfahrungen < 
Methode einer allgemeinen Nachprüfung anemplehlen, 



Kleinere Mitteilungen and Referate aas Zeitschriften. 


775 


▼erkenne, daß sie für den praktischen Arzt immerhin einige Unbequemlich¬ 
keiten mit sich bringt. _ Bpd. jan. 


Eia Beitrag nur Behring*sehen Bovovakxiaation. Von W. Ebeling. 
Medixinisch - Kritische Blätter; 1910, Nr. 2. 

Nach den Erfahrungen des Verfassers hat die Behringsche Bovovok- 
aination den erwarteten Ansprüchen vollauf entsprochen. Ein Fehlen jeglicher 
tuberkulösen Erkrankung hei allen Impflingen na fordern, ist nach den Aus¬ 
führungen ein Verlangen, das vorläufig wegen der gewaltigen Ausbreitung 
der Seuche und der damit gegebenen häufigen Gelegenheit nur Infektion 
unmöglich sein wird. Wird die ergiebigste Quelle der Infektion verstopft, 
werden olle Tiere mit offener Tuberkulose nach der Einführung des neuen 
Viehseuchengesetzes vom 18. Mai 1909 ausgemerzt, dann wird der Erfolg 
der Bovovakzination glänzend werden und aas Verdienst ▼. Behrings auf 
diesem Gebiete die gerechte Anerkennung finden. Dr. W o 1 f - Witxenhausen. 


Ueber die Entstehung der Kehlkopftuberkulose. Von Oberarzt Dr. 
Brandenburg-Schöneberg. Medizinische Klinik; 1910, Nr. 17. 

Ueber die Entstehung der Kehlkopftuberkulose stehen sich drei Theorien 
gegenüber: die Infektion durch Kontakt mit dem bazillenhaltigen Sputum, 
die Infektion auf hämatogenem und die Infektion anf lymphogenem Wege. 
In der letzten Zeit haben zur Entscheidung dieser Frage Al brecht und 
Meyer Tierversuche gemacht; beide kamen zu dem Schluß, daß die Kontakt¬ 
infektion die am weitem häufigste ist. Falls diese Ansicht richtig ist, müßten 
nach Annahme des Verfassers die vorgeschrittenen Tuberkulösen am häufigsten 
an Kehlkopftuberkulose leiden. Von diesem Gesichtspunkte aus hat er 
893 Kranke seiner Heilstätte untersucht, von denen 86 mit Larynxtnber- 
kulose behaftet waren. Hiervon befanden sich einer = 2*/< */» im erBten, 2 = 
ß 1 /« 0 /* im zweiten und 88 = 91'/«°/o im dritten Stadium. Bei 84 = 94*/» */o 
wurden im AuBwarf Tuberkeibazillen nachgewiesen. Während von ollen 
Patienten 68 •/• sich im dritten Stadium befanden, betrag also diese Zahl 
bei den Kehikopftuberlöeen 91 */**/•• Dieses sprioht nach Ansicht des Ver¬ 
fassers auoh für die Richtigkeit der Kontaktinfektion. Rpd. jan. 


Die Taberkulese bei den Volkssehullehrern. Von Stadtassistenzarzt 
Dr. Schmidt in Düsseldorf. Klinisches Jahrbuch; 1910, Bd. 22, Heft 4. 

Seitdem man weiß, daß die Tuberkulose bereits im Kindesalter außer¬ 
ordentlich verbreitet ist, muß der Aufdeckung und Verschließung oller von 
Seiten der Schule in Betracht kommender Infektionsquellen besondere Beachtung 
geschenkt werden. In erster Hinsicht kommen hier die Gefahren in Betracht, 
die von Seiten tuberkulöser Lehrer drohen. 

Daß die Tuberkulose gerade im Lehrerstande recht stark verbreitet ist, 
wurde bereits mehrfach hervorgehoben. Aach die Feststellungen, die Verfasser 
auf Grund des amtlichen Materials der Düsseldorfer Regierung und Stadtver¬ 
waltung machte, bestätigen ein erhebliches Befallensein des Lehrerberufes. 
Es wurden wegen Lungen- und Kehlkopftuberkulose pensioniert oder vor 
erfolgter Pensionierung hingerafft 18,8 °/» der pensionierten oder gestorbenen 
Lehrer und 22°/o der Lehrerinnen. 

Forscht man den Ursachen der hohen Taberkalosesterblichkeit nach, so 
wird man die stets ins Feld geführte Ueberlostung im Beruf nicht allgemein 
als ursächliches Moment anerkennen können, zumal wenn man den Lehrerberuf 
mit anderen Berufsarten (Arzt!) vergleicht. Eher als bei den Lehrern mag 
bei den Lehrerinnen die Last des Berufes die körperliche Leistungsfähigkeit 
überschreiten. 

Sehr viel mehr schuld hat offenbar der Umstand, daß dem Lohrerberuf 
nach altem Brauch noch vielfach körperlich ungeeignetes Material zugeführt 
wird; ferner die Ueberanstrengung in hygienisch unzulänglichen Präparandeu- 
anstalten und Seminaren. Hier wären die Hebel zur Besserung der Verhältnisse 
anzusetzen und insbesondere durch strenge Auswahl bei der ersten Unter¬ 
suchung alle untauglichen Elemente vom Lehrerberuf fern zu halten. 

Dr. Dohrn-Hannover. 



776 


Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


ft. Wanne rreraorguiig. 

Die Trinkwasserversorgung anf dem Lande. Von Bussen-Hannover. 

Das Land; 1910, Nr. 1. 

Sollte es nicht gelingen, Gemeindewasserleitangen sa bauen, so bleibt 
als Notbehelf die Errichtung durch genossenschaftliche Organisation. In der 
ProTias Hannover gibt es snr Zeit 29 Wasserleitungsgenossenschaften, deren 
26 mit unbeschränkter Haftpflicht. Dr. Wolf -Witzenhausen. 


Zar Bewertung des Baeterlum eoll Im Wasser. Von Oberar st Dr. 
Konrieh-Jena. Klinisches Jahrbuch; 1910, Bd.23, H. 1. 

Konrich faßt die Besultate seiner ausgedehnten Untersuchungen 
folgendermaßen zusammen: 

Die Kolibazilien finden sich überall auf der Erde, und swar um so zahl- 
relcher, je intensiver ein Land unter Kultur genommen ist. Sie leben sehr 
lange in der Erde und vermehren sich auch wohl darin; jedenfalls dauert es 
lange Zeit, bis ein mit Kolibakterien infiziertes Land wieder kolifrei wird. 
Dient eine Fliehe als Niederschlagsgebiet für eine WasserVersorgung oder 
wird deren Grundwasser benutzt, so wird das Wasser um so mehr Kolikeime 
enthalten, je mehr von seinem Niederschlagsgebiet Kulturland ist, und je 
durchlässiger die Erdschichten sind. Einige Gegenden haben daher durchweg 
kolireiche, andere koliarme oder vielleicht auch kolifreie Wässer. Grundsätz¬ 
lich Wässer zu verwerfen, die auch in Mengen von etwa 1,0 ccm noch Kali» 
bazillen enthalten, ist unmöglich; manche Gegenden haben eben kein anderes 
Wasser. Wollte die Hygiene Koligrenzzahlen für die Wasserbegutachtung 
aufstellen oder gar verlangen, daß ein Trinkwasser überhaupt kein Bact. coli 
enthalten soll, so würde sie in der wichtigen Frage der Beurteilung von 
Wässern vom gesundheitlichen Standpunkte aus unfruchtbar werden; sie muß 
zu Kompromissen bereit sein. 

Wie weit sie aber darin gehen darf, wieviel Kolibazilien im gegebenen 
Falle als gleichgültig betrachtet werden dürfen, darüber gibt einzig und allein 
die Örtliche Besichtigung der Wasserentnahmestelle Auskunft. Nur auf diesem 
Wege kann ein Urteil darüber gewonnen werden, ob ein Wasser infizierbar 
ist; niemals auf Grund des Koiibefanden. 

Za der grundsätzlichen Unzulänglichkeit der Koliprobe hinsichtlich der 
Frage, ob ein Wasser infizierbar sei, kommt noch ihre sehr große Unzuver¬ 
lässigkeit und Unregelmäßigkeit hinzu. Wohl ist es vielleicht möglich, daß 
jemand an oft untersuchtem Wasser und mit „seiner* Methode sich ein Urteil 
Über die jeweilige Güte des Wassers bilden kann; aber die einfache Keim¬ 
zählung leistet ganz unzweifelhaft dasselbe und hat den Vorzug der Einfach¬ 
heit Neu in Gebrauch zu nehmende Wässer aber nach dem Koliverfahrea 
beurteilen zu wollen, auch dann, wenn der Untersucher auf „seine* Methode 
auf das gründlichste eingearbeitet ist erscheint nicht mOgUch. Von den 
Uatersuchungsmethoden für Trink- oder Gebrauchswässer, als welche benutzt 
werden können: physikalisch-chemische, bakteriologisch - keimzählende, orts¬ 
besichtigende und Koliprobe, ist die letzte bei weitem die unzuverlässigste, 
die Ittr die Praxis kaum Wert hat Ihr Ergebnis macht die Ortsbeaiohtiguag 
nicht entbehrlich, sondern erst recht notwendig. Die Koliprobe leistet nicht 
mehr als eine ganz grobe Orientierung über die Ursprungsgegend eines 
Wassers; darüber hinaus versagt sie. Sie in die Methodik der Wasserbegut- 
ach tun g einführen, heißt die Methodik komplizieren, ohne sie zu verbessern. 
Man wird deshalb gut tun, bis auf bestimmte Fälle die Koliprobe für die 
Praxis absulehaea. Dr. Dohrz-Hannover. 


Ucker die praktische Sterilisierung von Trinkwasser durch Calelum- 
hypecblorit Von John C. Thresh, M. D., D. Sc., medical officer of healtk, 
Essex County Concil. Pablic health; XXIII., Juli 1910, Nr. 10. 

Gegen die chemische Behandlung von Trinkwasser herrscht ln 
England zurzeit ein Vorurteil; aber die Zeit wird voraussichtlich kommen, 
wo dieses Vorurteil überwunden und die Reinigung von irgendwie ver- 
_ dächtigem Trinkwasser durch Calciumhypochlorit allgemein angewandt werden 
^ wird. Die Kosten sind so gering und die Ergebnisse sind so sicher, daß 
>da anderes Verfahren befriedigendere Besultate liefert. Allerdings kann 



Kleiner« Mitteilangen and Referate aus Zeitschriften. 


777 


in manchen Fillen der Ueberschaß des anterchlorigsaaren Salzes die nach¬ 
trägliche Anwendung von Polarit, Holzkohle oder Bisenfeilen notwendig 
machen, durch die das Wasser passieren muß. Das so gewonnene Wasser ist 
rein, trinkbar; bei der chemischen Analyse zeigt es sich ärmer an organischer 
Materie. 

In England wurden Versuche angestellt, bei denen 7000 Oallons 

8 .4,64 Liter) Wasser pro Stunde behandelt worden. Bei Wasser mit geringem 
ehalt an organischer Substanz zerstört 1 Teil Oa (CIOs) auf 10 Millionen 
Teile Wasser den Bacillus coli und praktisch alle mit ibm verbundenen Bak¬ 
terien. 2 odor 3 Wasserwerke gebrauchen das Mittel versuchsweise; in 
Amerika und Südafrika wird dagegen vielfach die ganze gelieferte Wasser¬ 
menge dadurch sterilisiert, z. B. in NaahviUe, Tenn, Minneapolis, Johannesburg. 

In Montreal war im letzten Winter eine Typhusepidemie in der City, 
die ihr Wasser vom 8t. Lawrence River empfängt. Vor der Behandlung mit 
Caloiumhypoohlorit fanden sich in 1 ccm Wasser 29 bis 1600 Keime, nach der 
Behandlung (1: 2*/» Millionen) bei einer Wassermenge von 40 Millionen Oallons 
pro Tag nar 2 bis 46 Keime. Die Kosten der Behandlung einschließlich 
Arbeit, Beleuchtung und Heizung waren nur gering. 

In den Johannesberger Wasserwerken wird zurzeit die Chlorbehandlung 
benutzt, um mehrere Millionen Gallons Wasser pro Tag zu sterilisieren. 

_ Dr. Mayer-Simmern. 


8. Hebammenwesen. 

Der Entwurf zum Hebammengesets 1910. (The midwives Bill.) Von 
Dr. G. F. Mo. Cieary, Herausgeber des Public healtb. Public health; 1910, 
XXIII, Nr. 8. 

Auf Grund des von der Kommission, die zur Prüfung der Wirkungen 
des Hebammengesetzes von 1902 eingesetzt worden war, erstatteten Berichts 1 ) 
hat die englische Regierung im Oberhause einen neuen Gesetzentwurf ein¬ 
gebracht. Iu Anerkennung der Leistungen und des Einflusses der Society of 
medical officers of health soll in das Zentralhebammenamt ein Vertreter des 
Medizinalbeamtenrereins anfgenommen werden; ferner ist vorgesehen die Auf¬ 
nahme eines Vertreters der British medical association, als der angesehensten 
ärztlichen Körperschaft Englands, dann eines solchen der Vereinigung der 
städtischen Korporationen und schließlich des Local Government Board. 

Dem Grafschaftsrate soll nach dem Entwarf das Recht zustehen, eine 
stärkere Kontrolle der Hebammentätigkeit auszuüben, als bisher; insbesondere 
soll es seinem Beauftragten gestattet sein, jede Räumlichkeit zu betreten, in 
welcher eine approbierte Hebamme in Ausübung ihres Berufes tätig ist. 

Den Hebammen, die zu ihrer Verteidigung vor die Zentralbehörde ge¬ 
laden sind, sollen die Auslagen ersetzt werden. 

In § 9 des Gesetzes von 1902 war es den Grafschaftsbehörden anheim¬ 
gestellt worden, die ihnen zustehenden Befugnisse auf die nachgeordneten 
Distriktsbehörden zu übertragen. Diese Befugnis wird nun widerrufen; 
jede auf Grund des Gesetzes stattgehabte Uebertragung soll rückgängig ge¬ 
macht werden. 

Den Grafschaftsbehörden wird weiterhin die Ermächtigung beigelegt, 
die Ausbildung der Hebammen durch eigene Zuschüsse innerhalb und 
außerhalb ihres Gebietes zu unterstützen. 

In Fällen, in denen der Arzt zu einer Entbindung auf den Rat der 
Hebamme zugezogen wurde, soll er, falls die Wöchnerin nicht bezahlt, das 
Honorar vom Board of Guardians, der Armenbehörde, erhalten. Diese kann 
solche Zahlungen als Unterstützung durch Darlehen behandeln und kann den 
Betrag nachträglich wieder einziehen. So anerkennenswert es ist, daß eine 
Forderung des ärztlichen Standes auf öffentliche Anerkennung der ärztlichen 
Leistungen darch den Gesetzentwarf erfüllt worden ist, so auffällig ist der 
Gegensatz, in den sich der Entwurf zu den maßgebenden ärztlichen und amts¬ 
ärztlichen Körperschaften insofern stellt, als jene das Eingreifen der Armen- 
behörde um jeden Preis vermieden wissen wollten und die Zahlung durch 
die Gesundheitsbehörde vorgesehlagen hatten. In Manchester und 


>) Diese Zeitschrift; 1910, S. 299. 



778 


Besprechungen. 


Liverpool wird das ärztliche Honorar schon seit mehreren Jahren durch den 
City Council bezahlt. Im Jahre 1908 waren 1634 Entbindungen von Aersten 
in tf anchester geleitet worden; in 315 Fällen wandten sich die Aerzte an den 
Stadtrat, in keinem Falle wurde ein zahlungsfähiger Kranker vom Zahlen 
entbunden. Besonders auffällig ist es, daß die Unterrichtsgesetze: das Edu- 
cation (administrative Provision) act von 1907 und das local education autho- 
rities (medical treatment) act von 1909 die Graf schal tsbehOrden 
ermächtigt, die Bezahlung der ärztlichen Behandlung der Schulkinder zu über¬ 
nehmen ; dieselbe Behörde darf aber nicht für das Honorar für ärztliche 
Hilfeleistungen bei Geburten einstehen, sondern muß — obwohl KontrollbehOrde 
der Hebammen — die ganze Sache der armenrechtlichen Unterstützung 
überweisen. Da man im Öffentlichen Leben Englands denjenigen für einen 
„pauper* hält, der vom Board of Guardians Unterstützung bekommt, so wird 
jede Inanspruchnahme des Arztes bei Entbindungen bei minderbemittelten 
Wöchnerinnen dieser das Odium des „pauper* mit all seinen rechtlichen Folgen 
auf erlegen. 

So praktisch wertvoll und nützlich der Entwurf im übrigen ist, so sehr 
ist darauf zu dringen, dafl die „ArmenbehOrde* nicht ln das Gesetz hiaein- 
kommt 1 ) Dr. Hay er-Simmern. 


Tom englischen Hebammenwesen (midwiVes notes). Public health: 
XX in., Juli 1910, Nr. 10. 

Auf dem flachen Lande sind in England viele kleinen Besitzer nicht 
imstande, während der Entbindung und des Wochenbettes neben der Hebamme 
noch eine weitere Helferin für den Haushalt zu bezahlen. Die Hebamme ist 
daher oft gezwungen, in abgelegenen Gegenden ihren ständigen Aufenthalt ia 
einer solchen Hütte zu nehmen; sie ist allerdings bei Komplikationen alsdana 
sofort zur Hand, und manche lokalen Vereinigungen bezahlen eben nur solche 
Hebammen, die sich zum stationären Aufenthalt in der Wohnung der WOchneria 
bereit erklären. Ideal sind diese Zustände ja nicht; so groß der Fortschritt 
im Hebammenwesen in den letzten 10 Jahren aber war, so langsam kommt 
man auf dem flachen Lande vorwärts. 

Es bestehen zwei große Vereinigungen, die die Ausbildung der Heb¬ 
ammen und die Versorgung des Landes mit denselben in die Hand nehmen. 
Die eine, die Rural midwives association, hat als solche, oder durch Vermitte¬ 
lung von Örtlichen Vereinen im Jahre 1909 die Ausbildung von 95 Frauen 
bezahlt; sie verliert aber nach 8 Jahren ihre Hebammen aus dem Auge, ffie 
vertritt den Standpunkt, daß auf dem Lande die Hebamme gezwungen sei, im 
Haushalte der Wöchnerin tätig zu sein und dort Wohnung zu nehmen. Die 
zweite Vereinigung, „the association for promotingthe training and supply of 
midwives*, erstrebt die Ausbildung von Frauen aus den besseren Kreisen, die 
jene häuslichen Arbeiten nicht übernehmen würden. 8ie bleibt dauernd ia 
Fühlung mit den von ihr ausgebildeten Hebammen. 

Eine Verschmelzung beider Gesellschaften, die jüngst unter dem Vorsitz 
eines Grafschaftsmediainalbeamten erstrebt wurde, scheiterte an der Frage der 
„stationären Hebamme in der ländlichen Kleinwohnung*. 

Dr. May er-Simmern. 


Besprechungen. 

Dr. H. Räuber, Reg.- u. Med.-Rat in KOslin: Zusammenstellung dar 
gesetzlichen Bestimmungen, Erlasse und Verfügungen für das 
Medizinalwesen ln Preussen nebst Kreisaratgesetz und Dienst¬ 
anweisung für die Kreisärzte. Zweite vermehrte Auflage. Leipzig 


*) Aehnlich wie es hier für die Aerzte geschehen soll, so will Bros noeke 
in Magdeburg in seinem in der Gesellschaft für soziale Medisin am 94. Fe¬ 
bruar 1910 (Aerztliche Sachverständigen - Zeitung; 1910, 8. 245) gehaltenen 
Vortrage für die behördliche Einziehung der Hebammenhonorare die Schaffung 
eines Tarifamtes Vorschlägen, welches für die Leistungen ein dem Ein¬ 
kommen entsprechendes Entgelt einziehen soll. 




Besprechungen. 779 

1910. Verlag von F. Leineweber. KL 8*; 88) 8. Preis: 6 Mark; geb. 
u. durchschossen 7,60 Mark. 

Derselbe: Zusammenstellung der gesetzlichen Bestimmungen, 
BSrlaeee and Verordnungen für das Apothekenwesen, den Ver¬ 
kehr mit Qlften and A r an eimitt ein ausserhalb der Apotheken, 
sowie mit Mineralwasser nebst Apothekenbetriebsordnang 
and den Vorschriften betr .die Abgabe stark wirkender Arznei¬ 
mittel. Leipzig 1910. Verlag von F. Leineweber. Preis: 2 Mark. 

Die Herausgabe dieser zweiten vermehrten Auflage wurde bedingt 
durch die Abänderung und Umgestaltung der Dienstanweisung für die Kreis¬ 
ärzte. Besonders erweitert ist die Anführung der Bechtsprechung mit den 
Erkenntnissen, soweit sie für das Medizinal wesen von Wichtigkeit sind; sonst 
ist die Einteilung des Stoffes dieselbe geblieben. Es ist beabsichtigt, die im 
Laufe eines Jahres hinzukommenden Bestimmungen, voraussichtlich alljährlich, 
in einem Nachtrage zu sammeln, welcher leicht eingefttgt werden kann. Auch 
diese Auflage des fftr jeden beamteten Arzt unentbehrlichen Kommentars ver¬ 
dient die günstige Besprechung, die schon die 1. Auflage in dieser Zeitschrift 
(1907, Nr. 8) gefunden hat. 

Die Sonderausgabe der Zusammenstellung der Bestimmungen fiber das 
Medizinalwesen ist zwar hauptsächlich fftr Apotheker bestimmt, aber auch 
Medizinal- und Verwaltungsbeamten zu empfehlen. Fftr diese Ausgabe ist 
ebenfalls die Lieferung von Nachträgen geplant. 

Dr. Wolf-Witzenhausen. 


Dr. XL Bohazfzr, Oberarzt der Irrenanstalt Friedrichsberg in Hamburg: 
Jenas ln psychiatrischer Beleuchtung. Verlag von E. Hof- 
mann & Co. Berlin 1910. Kl. 8°, 178 Seiten. Preis: 2,40 Mark. 

Die 8chrift des als psychiatrischer Schriftsteller nicht unbekannten Ver¬ 
fassers hat als Hauptzweck die Widerlegung der Pathographie de Loostens 
(Pseudonym fftr Dr. Georg Lomer) Aber Jesus Christus, welche bei Jesus 
Geisteskrankheit, Paranoia, behauptet. Nach Ansicht des Beferenten haben 
Pathographien nur dann einen wissenschaftlichen Wert, wenn sie Personen zum 
Gegenstand haben, die geschichtlich genau bekannt sind oder deren Original¬ 
werke vorliegen. Dagegen haben keinerlei medizinisch - naturwissenschaftlichen 
Wert Pathographien ftber Persönlichkeiten wie Jesus, von dem keine exakte, 
unparteiische geschichtliche Beschreibung existiert, von dem nur religiöse, 
durch die gewaltige Saggestivkraft seiner Persönlichkeit beeinflußte Tendenz¬ 
schriften oder anderseits durch Haß entstellte Ueberlieferungen seiner Gegner 
berichten. Da gibt es nur mehr oderweniger vage Vermutungen in wissen¬ 
schaftlichem Gewände, die dann je nach dem persönlichen Standpunkte des 
Schreibers der Pathograpbie differieren. Lomer als Freigeist vermutet nach 
der einen Biehtung hin, Schaefer als überzeugter Christ nach der entgegen¬ 
gesetzten. Einen strikten, wissenschaftlichen Beweis kann keiner von beiden 
erbringen. Der Zweck der Schrift Schaefers ist also nur insoweit erreicht, 
als der psychiatrische Laie, der Lohmers Ausführungen gelesen und sie fftr 
erwiesene Wissenschaft gehalten hat, nun erkennt, daß die vorhandenen Ueber¬ 
lieferungen ftber JesuB, psychiatrisch betrachtet, auch ein anderes Bild vom 
Geisteszastande Christi liefern können, als es Lomer bietet. 

Die Ausführungen Schaefers lesen sich interessant, insbesondere weiß 
der Verfasser durch eingestreute, allgemeine psychiatrische Erklärungen und 
durch Heranziehung bekannter Gestalten aus der Geschichte und bekannter 
Krankheitsfälle dem psychiatrischen Laien seinen Gedankengang klar zu legen. 
Zum Schlosse wird die Stellung der christlichen Beligion und der beiden 
großen, einander gegenftberstehenden Konfessionen zu dem gegenwärtigen 
Zeitgeiste beleuchtet. Dr. Fritz Hoppe-Willenberg. 


Dr. Ohistav Tagendreloh, leitender Arzt der Säugiingsfftrsorgestelle in 
Berlin: Die Matter- and 8&aglingsfttrsorge. Kurzgefaßtes Handbuch. 
Mit Beiträgen von J. F. Landsberg, Amtsgerichtsrat, Vormnndschafts- 
richter in Lennep und Dr. med. Weinberg in Stuttgart. IL Hälfte, 



780 


Besprechungen. 


2. Tefl. Mit 2 Tafeln und 6 Textabbildungen. Stuttgart 1910. Verlag tob 
Ferdinand Bake. Gr. 4; 466 S. Preis 6,60 Mark. 

Der vorliegende Band bildet den Abschluß des formal und inhaltlieh 

« leich ausgezeichneten Sammelwerks, dem uneingeschränktes Lob gebührt. 

erfasset hat sich, wie die schier unabsehbaren Literaturaagaben beweisen, 
einer ungeheuren Arbeit unterzogen, indem er alles auf das gigantische Gebiet 
der Mutter* und Säuglingsfürsorge bezügliche Material gesichtet und ge¬ 
sammelt hat. Die Schwierigkeit, ein Thema abzuhandeln, das die Wissens» 
kreise von Ethiken, Volkswirten, Politikern, Aerzten, Juristen, Theologen und 
Verwaltungsbeamten gleichermaßen berührt und schneidet, hat Tugendreich 
glKnzend überwunden. Namhafte Fachleute haben die speziell juristischen 
Themen trefflich bearbeitet, so das Kapitel über „Rechtsschutz und die Rechts¬ 
stellung von Mutter und Kind“, über „soziale Ausbildung der Juristen" und 
über „Mutterstatistik". 

Auf diese Weise ist ein geradezu fundamentales Werk entstanden, an 
dem in Zukunft keiner, der über Mutter- und Säuglingsfürsorge sich orientieren 
will oder muß, vorübergehen kann. Wenn ein modernes Werk, so ist das 
vorliegende berufen und geeignet ein integrierender Bestandteil der kreis- 
ärztlichen Bücherei zu werden, aus welcher manche alte, durch Tradition ge¬ 
heiligte Schwarte bekanntlich ohne Schaden verschwinden konnte. 

_ Dr. Z e Ile • LOtzen. 

Dr. Hesse, Sanitätsrat: Die Fürsorge für Alkoholkranke. Berlin 1910. 
Verlag von Richard Schoetz. Gr. 8°, 82 8eiten. Preis: 80 Pf. 

Verfasser beschreibt die Einrichtung und den Betrieb der „Ausknnfts- 
und Fürsorgestelle für Alkoholkranke in Berlin*. Es wird die Technik der 
Bearbeitung der Trinker in den Sprechstunden, durch die Abstinenzvereinigungea, 
in den Heilstätten, durch die Fürsorgeschwestern und durch die Entmündigung 
geschildert. Das Büchlein ist allen denen sehr zu empfehlen, die aktiven 
Anteil an der Bekämpfung des Alkoholismus nehmen, insbesondere den Medi¬ 
zinalbeamten zur Organisation neuer Fürsorgestellen. 

Dr. Fritz H o p p e - Willenberg. 

Dr. ▼. Ammon, Stabsarzt in München: 8ehprobentafeln nur Bo- 
atlmmung der Behsohürfe für die Frau. Erläuternden Text und acht 
lithographierte Tafeln. U. Auflage. München 1909. Lehmanns Verlag. 
Preis: 4 Mark. 

Die Sehprobentafeln sind speziell für ärztliche Gutachten bestimmt und 
sollen einen möglichst objektiven Nachweis der Wahrheit der gemachten An¬ 
gaben ermöglichen. 8ie bilden eine Zusammenstellung von Prüfungsmitteln 
für die Sehschärfe, die unter verschiedenen Bedingungen verwendbar sind und 
hinreichend übereinstimmende oder vergleichbare Resultate ermöglichen. Ver¬ 
wendet werden die Majuskeln des lateinischen Druck-Alphabets, Hakenfiguren 
und Zahlen. Für die gewöhnlichen Zwecke der Untersuchung sind die Zahlen- 
und Buchstabentafeln berechnet. Unter den letzteren befinden sich zwei ganz 
gleiche Tafeln, nur mit dem Unterschied, daß die Buchstaben auf der einen 
etwas kleiner sind. Zu jeder der Tafeln findet sieb eine entsprechende In 
Spiegelschrift. Eine weitere Tafel enthält 76 Hakenfiguren, die in der gleichen 
Weise wie die Buchstaben und Zahlen angeordnet sind. Die letzte Tafel be¬ 
steht aus 10 je eine Figur enthaltenden Qaadraten, die ausgeschnitten und 
auf 6 steife Kartons geklebt werden sollen. In den Ecken jedes Quadrates 
stehen Zahlen, die die Normalerkennungsdistans in Metern angeben. Mittels 
der so auf 6 Kartons verteilten Hakenfiguren, die in der Hand gehalten werden 
und daher leicht in jede beliebige Richtung gebracht werden können, lassen 
sieh sowohl auf dem Wege der direkten Prüfung, als auch bei Verwendnag 
der Spiegelprobe so viele Modifikationen vornehmen, daß es einem Untersuchten, 
der absichtlich vorsutäuschen versucht, unmöglich wird, untereinander über¬ 
einstimmende Angaben zu machen. Durch den beigegebenen Text wird die 
Anwendung der Tafeln sehr klar erläutert. Die Ausführung der einzelnen 
Tafeln ist ausgezeichnet, Für alle Fälle, wo man mit Simulation oder Aggra¬ 
vation rechnen muß. scheinen die Tafeln sehr passend; ihre Anschaffung 
kann daher nur empfohlen werden._ Rpd. jnn. 



Besprechungen. 


781 


Dr. 7. Kaiser: Praktische Anleitung sar Sjphlllsdlagnose auf 
biologischem Wege. Mit 19 Abbildungen and 4 Tafeln. Berlin 1910. 
Verlag von Jalias Springer. Kl. 8°, 128Seiten; Preis broscb.: 8,60 M. 

Der erste Teil des Baches beschäftigt sich ausschließlich mit der 
8pirochaete paliida. Die Methode der Materialentnahme, Färbnng und 
Morphologie ist sehr genau angegeben und besonders der Untersuchung bei 
Dunkelfeldbeleuchtung eine eingehende Schilderung gewidmet. Der zweite 
Teil, die Serodiagnose der Syphilis (W assermann sehe Beaktion), gibt eine 
besonders nach der rein technischen 8eite außerordentlich eingehende Schilderung 
der Untersuchungsmethoden, die fast jeden einzelnen Handgriff erwähnt. 
Als unnötig erscheint es, daß eine ganze Heike von Ersatzmethoden der 
Wasser mann sehen Beaktion angegeben sind, deren Wert teilweise stark 
angezweifelt werden muß und die der Anfänger, für den das Buch haupt¬ 
sächlich geschrieben ist, zum mindesten entbehren kann. Die klinische Seite 
des Themas ist nur andeutungsweise behandelt. — Der Zweck des Baches, 
einen praktischen Führer zu geben, ist gewiß erreicht; denn es berücksichtigt 
alle wichtigeren Arbeiten «2 dem Gebiet der biologischen Syphiiisdiagnose. 

_ Bpd. Jan. 


Dr. A. Lftbbert- Hamburg: Zar Entstehungsgeschichte dos Krebses 
and der anderen echten Geschwülste. Hamburg 1909. Kom¬ 
missionsverlag von C. Behre. Gr. 8°, 15 Seiten. Preis: brosch. 1 M. 

Verfasser nimmt an, daß sich die echten Geschwülste aus besonderen 
Zellkomplexen bilden, die sich von den normalen Zellverbänden abgelOst haben. 
Tritt eine Protoplasmaschädigung ein, so werden Kerne frei. Diese werden 
durch die Kerne anderer Zellen assimiliert. Es entstehen aber Keimzentren 
durch Kernbefruchtung ursprünglich normaler Zellen und neue Zellen, 
welche durch die Verschmelzung einen ganz außerordentlichen Fortpflanzungs¬ 
trieb zeigen, aber auch sehr zum Zerfall neigen. Die Grundlage der Ge¬ 
schwulstbildung ist also eine Protoplasmaerkrankung, eine Erkrankung des 
Stoffwechsels. — Verfasser will sobald als möglich das biologische und patho¬ 
logisch-anatomische Beweismaterial zu der aufgestellten Theorie beibringen. 

_ Bpd. jun. 


Dr. mid. A. Smith: Hera- und Gef&sskrankheiten. Neue Wege 
au ihrer Beurteilung und Heilung. Teil 2. Heramuskelsohwftohe - 
Herzerweiterung und ihre nervösen Begleiterscheinungen. Mit 
einem Anhänge: Pathologie für Herzkranke. Berlin 1910. Verlag für Volks- 
bygiene und Medizin. Gr. 8°; 96 Seiten. Preis: 1,80 Mark. 

Nachdem A. S m i t h im I. Teile in gemeinverständlicher Weise über 
Gefäßentartung — Arteriosklerose — gesprochen hat, legt er in diesem Hefte 
aus eigener reicher Erfahrung in populärer und leicht faßlicher Weise dar, 
was der Laie über Entstehung, Krankheitszeicben, Vorbeugung und Behand¬ 
lung der Herzmu8kel8chwäche und verwandter Zustände wissen kann. Auch 
dem Arzte dürfte manches, so die Abschnitte über die Behandlung mit 
»Kondensatorentladungen“ und über psychische Einwirkung auf Herzkranke, 
neu und nützlich sein. _ Dr. B. Mohrmann-8tade. 

Dr. med. Höring: Leitfaden der Krankenpflege in Frage und 
Antwort. Für Krankenpflegeschulen und Schwesterhäuser. Mit einem 
Vorwort von Prof. Dr. med. A. Fiedler, Geheimer Bat. Berlin 1910. Verlag 
von Julius Springer. Kl. 8°; 185 S. Preis: 2 Mark. 

Dr. Häring hat im vorliegenden Buch die reichen Erfahrungen, die 
er beim Krankenunterricht der Schwestern gesammelt hat, weiteren Kreisen 
zugänglich gemacht und sich damit um alle Kollegen, die sich berufsmäßig 
oder freiwillig in Unterrichtskursen für Frauen betätigen, ein großes Verdienst 
erworben. Beferent selber hat in seinem Leben viel solcher Kurse abhalten 
müssen und es ist ihm jedesmal schmerzlich aufgefallen, daß solch Buch fehlte. 
Auf dem engen Baum von 185 Seiten hat Verfasser alleB zusammengedrängt, 
was Schwestern und Krankenpflegerinnen gebrauchen und zu wissen nötig 
haben. Die kurze prägnante Form der Fragen und Antworten läßt das Buch 



782 


Tagoenadirichtcn. 


sowohl zum Uitenlekk, ab auch zur Repetition geeignet erschsiaea. Iaaerkk 
gehabt Terfasser hier and da auch dea Gaten zuviel ra bringen, so wenn es 
b Frage 7 heißt «Wie lang int Ihr rechter Zeigefinger, Schwester? Einige 
Fragen erbnern nach unwillkürlich an die unfreiwillige Komik der sagenhaften 
Uateroffizierinstruktion: (.Was ließ der Große Karffirst ergehen?* Kein 
Rekrat weiß es. Unteroffizier: .Eb Edikt ließ er ergehen.') Z. B. Frage 196: 
„Was ist sam Leben nfitigP Frage 111: „Was folgt aaf das Kaaea?* nsw. 

In solchen and ähnlichen Fragen hat den Verfasser die Neigung snr 
größtmöglichsten Prignans etwas sa weit geführt; es konnte dies hier and 
da sar Ebftbang ebes Frage- and Antwortspiels Anlaß geben. 

Mochte diesem Uebebtaad b eber hoffentlich bald erfolgenden neun 
Auflage abgehollen werden. Dr. Zelle- Lotsen. 


Tagesnachrichten. 

Dem seitens der preußischen Medisiaalbeamtea wiederholt — 
zuletzt noch auf der diesjährigen Hauptversammlung des Preaß. Medizinal- 
beamtenvereine — ausgesprochenen Wunsche auf Herausgabe eber amtlichen 
Dienstaltersliste der Kreisirzte hat die Zentralinstans jetzt b dankenswerter 
Weise Rechnung getragen. Die im Kalender flr Medizinalbeante alljähr¬ 
lich gebrachte Dienstaltersliste wird nach dieser amtlichen Liste b dem Ende 
November erscheinenden X« Jahrgang flr 1911 entsprechend berichtigt und 
dabei auch die einzelnen Gehaltsgruppen durch Ziffern kenntlich gemacht 
werden. 


Durch 8taatsvertrag zwischen Preußen und Oldenburg vom 
18. März d. J. sind die Großhersoglich Oldeaburgischen Fürstentümer Lübeck 
und Birkenfeld an die Aerstekammern der Provinzen Schleswig • Holstein 
bezw. Rheinland angeschlossen und die für die preußischen Aerste b bezug 
auf ärztliche 8tandesvertretung, Ehrengerichte usw. geltenden Vorschriften 
auf die Aerzte dieser beiden Fürstentümer ausgedehnt. 


Aus Bayern. Der schon mehrfach von den Bayerischen Medisbalbeamtea 
und den dortigen Aerstekammern ausgesprochenen Wunsch nach Erlaß einer 
Dlenstanwetsnng für die dortigen Bczlrksirste schebt nunmehr in Erfüllung 
zu geben. Im Mblsterium ist ein Entwarf für eine solche ausgearbeitet una 
den Delegierten der ebselnen Kreis -Medisbalbeamtenverebe behufs eber Vor¬ 
beratung zugegaagen. die am 20. und 21. d. M. b Bamberg unter Vorsitz 
Ministerialrelerenten, Herrn Ministerialrat Prof. Dr. DieudonnO, stattfindet. 


Königreich Sachsen. Vom 10.—22. d. 1L wird eb Fertbildnagskunau 
flr Bcslrkslrste an der Universität Leipzig nach folgendem Arbeitspläne 
abgehalten: Geh. Rat Prof. Dr. Hofmann: „Hygiene, Bakteriologb und 
Medizinalpolizei, Besprechungen, Demonstrationen und praktische Uebungen*; 
Geb. Rat Prof. Dr. Marchand: „ Pathologisch - anatomische Demonstrationen 
und Sektionen, sowie mikroskopische Uebungen*; Prof. Dr. Ko ekel: 
„Mikroskopische und sonstige praktische Uebungen, gerichtliche medizinische 
Demonstrationen und Besprechungen, gerichtliche Sektionen*. Außerdem 
werden Besichtigungen folgender Anstalten statt finden: Markthalle mit Lebeaa- 
mittellagerung, Gasanstalt, Schlachthof mit Kühlhaus und Verwertung der 
Abfälle, 8üdfriedhof mit Leichenballe und Krematorium, städtische Wasser¬ 
leitung, Desinfektionsanstalt. Kraokenhaus St. Jakob, zahnärztliches Institut 
der Universität, Asyl für Obiacbiose, Exmittiertenhaus. Landgericht und 
Gefangenenanstalt, Carolabad mit den medizinischen Bädereinrichtungen, Irren- 
und Nervenheilanstalt (Geh. Rat Dr. Flechsig), Logierbiuser für Auswanderer 
und Auswanderer • Kontrollstation, städtische Kläranlage, Ventilation- und 
Hebuogsanbgen der gesamten Universitätsgebäude, Germaniabad, Arbeitshaus 
8t. Georg, städt. Ablagerungsplats für Müll und Abfälle usw. usw. 


Aus Württemberg. Das Küaigl. MedIzlnal-Kollegium hat jetzt die 
lür ihm neuerbauten Geschäfts- und Arbeltsrlume bezogen. 8ie bestehen 



Tagesnaohricbten. 


788 


aas drei Gebäuden: einem allgemeinen Dienstgebäade, einem Laborntoriam 
and einem Nebengebäude; ihre Einriebtang entspricht allen in dieser Eicbtang 
sa stellenden Anforderungen; die Baakosten haben 650000 Mark betragen. 


Revision tob Drogenbandlangen. Welchen Gefahren die Beamten 
bei der Bevision von Drogenbandlangen nasgesetst sind, neigt folgender im 
Berliner Lokalanzeiger vom 18. d. M. mitgeteilter Fall: 

Als bei der am 12 d. M. staufindenden Bevision des Drogengeschäftes 
der Kaufmann E. in Cöpenick (Kreis Teltow) der Medizinalbeamte in Begleitung 
eines Kriminalbeamten den Ladenraom besichtigt hatten and nan nach den 
Lagerraum sehen wollte, verweigerte E. dem Beamten den Zutritt dato. Alles 
gütliche Zureden war vergeblich. Als der Beamte schließlich E. za Seite 
schieben wollte, ließ dieser einen großen Hand herein and hetzte ihn aal den 
Beamten, so daß dieser gezwungen war, in der Notwehr den Hand sa 
erschießen. E. rief nan Beinen 17 jährigen Sohne sa, er solle ihm schnell 
seinen Bevolver holen, aber mit frischen Patronen laden. Der Sohn führte 
den Wansch des Vaters aus, nnd nun ging E. mit geladenem Bevolver auf 
die Beamten los und drohte, sie sa erschießen. Nor durch schnelles Zagreifen 
des Kriminalbeamten warde Unheil verhütet. E. warde in Haft genommen. 
Die darauf erfolgte Durchsuchung der Lagerräume forderte ganse Wagen¬ 
ladungen verbotener Sachen satage. Daraus erklärt sich, warom E. sieh den 
Wünschen der Beamten so energisch widersetste. 


Die am 6. d. M. in Brüssel abgehaltene IX. Internationale Tuber- 
knlosekonferens hat auf Antrag des Geh. Med.-Bat Prof. Dr. Fränkel- 
Berlin in besag auf die Bekämpfung der Taberkalose im Kindes¬ 
alter einstimmig beschlossen, daß eine vermehrte Fürsorge im kindlichen 
Alter sehr wünschenswert and dringlich sei, aber in keiner Weise die bisher 
eingeleiteten prophylaktischen Maßnahmen beeinträchtigen dürfe. Weiterhin 
warde beschlossen, die X. internationale Taberkalosekonferens im 8eptember 
1811 za8ammen mit dem internationalen Taberkolosekongreß in Born abza- 
hnlten. Zam Vorsitzenden der Kommission für Prophylaxe (Fürsorgestellen, 
Wohnungspliege, Arbeiterversicherang asw.) warde der Präsident des Kaiser¬ 
lichen Gesundheitsamtes, Wirkl. Geh. Ob.-Beg.-Bat Bumm, zam Vorsitzenden 
der Kommission für die Fürsorge im Kindesalter Geh. Ob.-Med.-Bat Prof. Dr. 
Kirchner-Berlin gewählt. _ 


Die italienische Begierung hat fünf Preisaasschreiben zum inter- 
nationalenWettbewerb über Maßregeln and Vorrichtungen von Betriebs¬ 
unfällen aasgeschrieben, von denen die Leser dieser Zeitschrift besonders 
das V. Preisausschreiben interessieren dürfte mit einem Preis von 10000 Lire 
für eine Arbeit über geeignete Massregeln zur Vorbeugung gegen die 
Gefahr der Milzbrandinfektion, der die Arbeiter in Gerbereien beim Trans- 

{ >ort and bei Bearbeitung der Häate ausgesetzt sind. Die Arbeit maß in 
taüenischer oder französischer Sprache abgefaßt sein and bis zam 1. Dezember 
1911 an das Ministerium für Landwirtschaft, Industrie and Handel eingereicht 
werden. 8ie bleibt Eigentum des Bewerbers; die Begierang behält sich jedoch 
vor, nach ihrem Ermessen Beschreibungen and Zeichnungen za veröffentlichen. 


Die Cholera hat in Baßland eine weitere Abnahme erfahren; die 
Zahl der Erkrankungen (Todesfälle) ist in den Wochen vom 28. Aagast bis 
17. September (in der vorigen Nummer ist 8. 743 irrtümlich 21.—27. September 
statt „Aagast" gesetzt) aaf 18830 (0187), 7659 (8686) and 4412 (2071) ge¬ 
sunken, darunter in Petersbarg 429 (169), 869 (115) and 889 (186). 

In Ungarn sind vom 14. September bis 1. Oktober 68 Personen an 
der Cholera erkrankt and 82 gestorben, davon 21 (12) im Komitat Mohacs. 

In Italien sind vom 1.—6. Oktober 208 (59) Erkrankungen (Todes¬ 
fälle) vorgekommen, davon in Neapel 84 (41), in der Provinz Neapel 103 (20) 
und sonst 21 (8). 



784 


8prechsaaL 


In Konstantinop el betrag die Zahl der Erkranknagen and Todes¬ 
fälle vom 1.—3. Oktober 15 (11), in Trapesnnt vom 4.-9. Oktober 70 (40).* 


Erkrankungen and Todesfälle an ansteckenden Krankheiten in 
Preussen. Nach dem Ministerialblatt für Medizinal- and medizinische Unter¬ 
richts-Angelegenheiten sind in der Zeit vom 4. bis 24. 8eptember erkrankt 
gestorben) an: Aassatz, Gelbfieber, Bttckfallfieber, Pest, Rots 
— (—); Fieckfieber: — (—), 1 (—), — (—); Cholera.* 2 (1), 17 (4), 
9 (1); Tollwat: - (-),-(-), 1 (-); Pocken: 1 (-), - (-), l(-); 
Milzbrand: 9 (1), 4(1), 6 (—); Bißverletzungen dnrch tollwat¬ 
verdächtige Tiere: 2 (—), 8 (—), 8 (—); Unterleibstyphus: 478 
(47), 421 (39), 370 (36); Ruhr: 89 (2), 8 (1), 6 (2); Diphtherie: 1542(84), 
1594 (85), 1829 (107); Scharlach: 1490 (72), 1475 (51), 1445 (82); Kind¬ 
bettfieber: 68(18), 93 (20), 91 (19); Genickstarre: 8 (1), 4(1), 9 (6); 
spinale Kinderlähmung: 5(1), 8(—), 11Y2); Fleisch-, Fisoh-und 
Wurstvergiftung: 18 (—), 20 (1), 5 (—); Körnerkrankheit: 247, 198, 
220; Tuberkulose: (gestorben): 610, 588, 587. 


SpreohaaaL 

Anfrage des Kreisarztes Dr. G. in C.: Sind Gutachten über Neu- 
anlegen von KirohhSfen stempelpflichtig f Wer bezahlt die Gebühren für daa 
Gutachten und die vorhergehende Besichtigung des Grundstückes P 

Antwort: Nach dem Erlaß vom 4. Juli 1910 (Beilage Rechtsprechung 
und Med.-Gesetzgebung S. 112) liegt die Herbeiführung der Genehmigung zur 
Anlage eines Begräbnisplatzes im Interesse desjenigen, der einen solchen 
anlegen will, nicht in dem der Polizeibehörde. Das Gutachten des Kreisarztes 
über die Brauchbarkeit des Grundstücks ist daher ein amtliches Attest in 
Privatangelegenheiten und im allgemeinen gemäß Ziffer 7 und 77 des 
Tarifs mit 3 Mark stempelpflichtig. Nar die Gutachten über Anlage von 
kirchlichen Begräbnisplätzen für deutsche Kirchengemeinden und andere 
deutsche Religionsgesellschaften (denen die Rechte juristischer Personen au- 
stehen), sind nach § 5 Abä. lc des Stempelsteuergesetzes stempelfrei. 
Zahlungspflichtig für die Gebühren und etwaige Reisekosten ist eben¬ 
falls derjenige, der den Begräbnisplatz anlegen will und die Ausstellung des 
Gutachtens beantragt hat (Gemeinde, Kirchen gemeinde, Privatperson). 


Preu8si8cher Medizinalbeamtenverein. 

Der Vereinsvorstand wird am 6. November d. J. eine 8iUung 
abhalten, in der u. a. über die Tagesordnung der nächstjährigen Haupt¬ 
versammlung beraten werden soll. Die Vereinsmitglieder werden daher ge¬ 
beten, etwaige Vorträge oder sonstige Wünsche fflr diese bis 
4. November d. J. dem Unterzeichneten mitzuteilen. 

Minden i. W., den 18. Oktober 1910. 

I. A.: Dr. Rspusnnd, Vorsitzender. 


Sonderabzflge aus Beilage Nr. 19, das Reisekostengesetz nebst 
Ausführungsbestlmmungen enthaltend, auf weißem Papier und im Format des 
vom Mitunterzeichneten herausgegebenen Gebührengesetzes vom 14. Juli 1909 
können von der Verlagsbuchhandlung oder von der Expedition der 
Zeitschrift (Hofbachdruckerei von J. C. C. Bruns) gegen Einsendung von 
50 Pfennig portofrei bezogen werden. 

Die Verlagsbachhandltmg. Der Herausgeber. 


Redaktion: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Rapmun d, Reg.- u. Med.-Rat in Minden L W. 

J. C. 0. Brau, Heraofl. Siehe. n. Ffirttl. Sch.-L. Hofbttehdnokerel in MIadi. 










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für yerjcttfil^it» Medizi». P^ych)afr|a||^/ 
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23. Jahrg. 


1910, 


Zeitschrift 

für 

MEDIZINALBEAMTE 


ZentralUatt für las gesaute tauMmsu, 

für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irren wesen. 

Herausgegeben 

▼OB 

Geh. M«L-Rat Prot Dr. OTTO RAPMOND, 

Beftarunfs- and Medlainnlrat 1 b Mindea U W. 

Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, Sächsischen, 
Württembergischen, Badischen, Mecklenburgisohen und Eisass-Lothringischen 

Medizinalbeamtenvereins. 


Verlag von Fiseher’s mediz. Buehhandlg., E Kornfeld, 

HttaogL Bayer. Hof- n. EnhemogL Mananar-Badiliiadlw. 

Berlin W. 35, Lntzowstr. 10. 

Inserate nehmen die VerUfthandlang sowie alle Ajinonee&eKpedltloiieB des Ib- 
and AasUndee entgegen. 


Nr. 21. 


Rnekelit mm I. nl SO. Jedem Komata. 


5. Nobr. 


Die Lebensdauer der Erhängten. 

Von Geh. Med.-Bat Prof. Dr. Gwnprecht in Weimar. 

Die Frage, wie lange der Erhängte lebt, ist einmal für die 
JnstifikatioD nicht ohne Bedeutung und anderseits namentlich 
für die Anstellung von Wiederbelebungsversuchen von ausschlag¬ 
gebender Wichtigkeit. Sie hat deshalb in der Literatur mehrfach 
Berücksichtigung gefunden. 

Leider gibt das Tierexperiment keine oder vielmehr eine 
falsche Auskunft. Das erhängte Tier lebt etwa 12—20 Minuten. 
Diese Zeit hat schon Tardieu 1 ) angegeben; sie ist auch 
den älteren Autoren aus dem Anfang des neunzehnten Jahrhunderts 
geläufig. Neuere Tierversuche mit genauen Zeitangaben sind, 
wenn ich von einigen ausländischen, schwer zugänglichen Arbeiten 
(Tamassia, Misnracca) absehe, von Reineboth*) in der 
Hallenser Klinik, von Placzek’) im Berliner gerichtlich-medi¬ 
zinischen Institut und von Baron 4 ) im gleichen Institut zu Paris 
gemacht. Baron beobachtete bei 9 erhängten Hunden im Mittel 
nach 11 Min. 65 Sek. Herzstillstand and sezierte sie dann ohne 


*) Tardieu: Etüde m6d. 16g. rar la pendaison. Paris 1879, 8.24. 

*) Beineboth: Vierteljahraschrift für gerichtliche Median; 1895, 
IX. S 266. 

*’ *•) Placzek: Ibid.; 1901, XXII., 2. 

4 ) Baron: Th6se de Paris; 1898. 











786 


Dr. Gomprecht. 


Wiederbelebungsversuche zu machen. Den Tieren fehlt aber der 
primäre Bewaßtseinsverlust beim Erhängen, der beim Menschen 
so charakteristisch ist und die Pathologie des Erhängungstodes 
in mehreren Punkten erst verständlich macht. Bei Tieren fehlt 
ferner die Möglichkeit des tödlichen Erhängens nach Tracheotomie; 
Hunde mit Trachealkanüle können stundenlang hängen, ohne zn 
sterben. Auch das ist schon ein Jahrhundert bekannt; Baron 
hat den grausamen Versuch neuerdings wiederholt. Beim Menschen 
dagegen wird durch die Trachealkanüle der Erhängungstod nicht 
aufgehalten (Reineboth 6 ), Bertelsmann 6 ). Sicher also sind 
beim Erhängungstod des Tieres andere Faktoren beteiligt, als 
beim Menschen. 

Beim Menschen bietet sich nur selten Gelegenheit, zu 
erfahren, wie lange Zeit nach der Erhängung der Tod ein¬ 
getreten ist. 

Am wenigsten geeignet dazu erscheinen die Hinrichtungen. 
Hier werden Herztöne, soweit überhaupt eine wissenschaftliche 
Beobachtung stattfindet. Puls und Atmung als Zeichen des Lebens 
benutzt; indessen muß angenommen werden, daß auch nach 
Erlöschen dieser klinischen Zeichen das Leben und damit auch 
die Wiederbelebungsfähigkeit nicht völlig erloschen ist, wie 
dies die oft glücklich verlaufenden Wiederbelebungsversuche an 
Erstickten und Ertrunkenen zeigen. Hofmann 7 ) hat uns eine 
genaue Schilderung der Hinrichtung des Raubmörders Frances- 
coni hinterlassen; nach anderthalb Minuten waren keine Respira¬ 
tionsbewegungen mehr wahrzunehmen, nach in Summa 8 Minuten 
hörte der Herzschlag auf. 

Haberda 8 ) hat nach 10 und selbst nach 16 Minuten noch 
Herzbewegungen bemerken können. Barr 9 ), der an den englischen 
Hinrichtungen, die den Delinquenten mehrere Fuß mit der Schlinge 
hinabfallen lassen, seine Erfahrungen gewonnen hat, sagt, daß 
die Herzaktion zwischen 2 und 13 Min. nach dem Anziehen des 
Strickes aufhört 

Es scheint nach allen diesen Angaben, daß die Zeitdauer, 
binnen welcher bei Erhängten die Herztätigkeit erlöscht, individuell 
ziemlich verschieden ist, aber oft gegen 8—10 Minuten beträgt, 
während die Atmung viel früher erlischt. Ueber die Dauer des 
Lebens, d. h. der Wiederbelebungsfähigkeit ist damit freilich 
wenig gesagt 

Es sind einige Fälle vom Wiederaufleben bei juatifl- 
zierten Erhängten vorgekommen. Der bekannteste ist der von 
Hof mann 10 ), Prof, der gerichtlichen Medizin in Wien, beechrie- 


*) Beineboth: L e. 

•) Bertelsmann: Vierteljahrsschrift ftr gerichtliche Mediale; 1908, 
XXVL 8.261. 

i) E. Hof mene: Wiener med. Wochenschrift; 1876, Nr. 62. 

8 ) Haber da: Archiv für Kriminalantropologie; X., 280. 

•1 Barr: Lancet; 1884, 1., 8.1028. 

“) E. Hofmann: Wiener mediaiaische Wochenschrift; 1880, 8.477. 



Die Lebensdauer der Erhängten. 


787 


bene Raaber Fall, der seiner Zeit auch in der politischen Presse 
Oesterreichs lebhaft besprochen wurde: 

Der Delinquent wurde, nachdem er 10 Minuten gehangen hatte, fttr tot 
abgenommen, lebte aber sogleich wieder auf und ging erst am nächsten Tage 
an Lungen ödem zugrunde. 

Zweifellos war es ein Fehler des Gerichtsarztes, den Er¬ 
hängten so früh abnehmen lassen. Immerhin war die Wahr¬ 
scheinlichkeit, daß der Tod bereits nach 10 Min. eingetreten sei, 
eine ziemlich große. 

Die anderen ähnlichen Fälle haben ein verdächtig hohes 
Alter. Nach J. G. Smith 11 ) wurde der erhängte Redmond in 
Cork nach 28 Min. abgenommen und durch Tracheotomie wieder¬ 
belebt. Von dem gehängten Straßenränber Gordon, der sich 
heimlich vorher hatte tracheotomieren lassen and angeblich nach 
s / 4 Standen (PP) Hängens wiederbelebt wurde, will ich, obgleich 
er in der älteren Literatur eine große Rolle spielt, hier schweigen. 

Besser beobachtet und sehr merkwürdig ist der von Parrot 1 *) 
beschriebene und von Tardieu 19 ) in seine Monographie über¬ 
nommene Fall eines in Boston Erhängten: 

Um 10 Uhr fand die Erhängung durch 7—8 Fuß hohen Sturz statt, 
nach 20 Minuten ließ man den Körper herab, nach weiteren 16 Min. wurde 
die Schlinge vom Halse entfernt. Um 11 Uhr 80 Min. sah man ein leichtes 
Pulsieren der Vena subclayia deztra und zählte durch Auskultation — der 
Fall wurde Ton 3 namentlich aufgeführten Aerzten beobachtet — 80 Herz¬ 
schläge. Man öffnete den Brustkorb und sah das rechte Hersohr energisch 
und regelmäßig sich zusammenziehen. Um Mittag betrag der Herzschlag 40, 
um 1 Uhr 40 Min. noch 6 in der Minute; erst um 2 Uhr 45 Min. hörte die 
Palsation auf. 

Erhängte Selbstmörder, die wiederbelebt wurden, gibt 
es in großer Zahl, aber meist fehlt eine nur einigermaßen verwert¬ 
bare Zeitangabe, wie lange sie gehangen hatten. Nur der Zufall 
kann derartige Zeitangaben bringen. E. W. White 14 ) berichtet 
von einer Frau, die sich erhängt hatte; sie war 8 Minuten vorher 
noch gesehen worden, wurde dann hängend aufgefunden, tief 
bewußtlos abgeschnitten und in der Folge wiederbelebt. — In 
den Archiven jeder phychiatrischen Klinik werden sich ähnliche 
Fälle finden. 

Nicht so groß, aber weit wichtiger für die Lehre vom 
Erhängangstode ist die Reihe der Fälle, die nach ganz kurzer 
Erhängungsdauer tot waren und trotz der meist vorge¬ 
nommenen Wiederbelebungsversuche tot blieben. 

Briöre de Boismont 15 ) berichtet folgenden Fall: 

Eine Frau, welche ihrer Schwester mißtraut, stößt deren Türe ein; sie 
findet sie auf ihrem Bett, den Strick eben um den Hals gelegt; sie stürzt 
auf die Selbstmörderin zu; diese sieht sie einen Augenblick starr an, beugt 
die Knie, so daß sie hängt, und ist tot; alle Hülfe war umsonst. 

Tardieu 16 ) gibt 2 Fälle: 

In einem handelt es sich um einen gewissen Meignant, der seine 

11 ) J. G. Smith: Prindples of forensic med. London, 1824, S. 562. 

*•) Parrot: Thöse, Paris; 1860. 

*•) Tardieu: L o., 8. 12. 

»«) White: Lancet; 1884 ; 2., 8.401. 

18 ) Zit. nach Tardieu. 

w) 1. c., S. 10. 



788 


Dr. Gumprscht: Die Lebeasd 


Tocita ermordet bitte und sich im Maxi 
30 Mia. war er ia die Zelle gebracht« um 1( 
Gitter. Hier hatten also weniger als 10 Jd 
Falle hatte sich eiae Frau am Feasterladea 
der Ausführung gesehen, maa holte eiae . 
brachte sie wieder xo Leben und Beaiaa 
Momente der Erbängung bis som Einsetzen 

Taylor 17 ) hielt die Wiederbe! 
5 Minuten möglich. 

Weiter existiert noch ein Fall 
Literatur; hier war der Erhängte, ein 
10 Minuten, bevor man ihn tot auf 
worden. 

Anch die beiden neuerdings beit 
Erhäugung Tracheotomierter 19 ) zeigen 
belebungsversuche, trotzdem die Kra 
Bertelsmann rechnet höchstens eine 
hatten. 

Daß diejenigen Erhängungen, die 
werden, den Herzschlag zuweilen sei 
löschen lassen (Barr* 0 ), ist oben berei 

Ich kann heute zu der Frage de 
einen Beitrag liefern, der vielleicht des 
weil sich die Erhängnngsdaner mit g 
berechnen läßt nnd sicher sehr kurz ist 

Im Juli d. J. warde der 26jährige Arbeit« 
gerlchtsgefängnis eingeliefert. Der Landgerich 
befand ihn gesund. 

Noel hatte seine Geliebte durch mehrer< 
troffen, deren 8chweeter leicht verwandet und 
erschossen. Er warde im Gefängais in Fessel an; 
Unterarm und den linken Faß war ein eiserne: 
waren durch eine Kette verbunden. 

Um 8 /«7 Uhr am Morgen des 27, Juli d. J. I 
dem Noel das Frühstück, ein 3tück Brod und < 
gehen stets 15—20 Minuten, bis er im Verein i 
Geschirr wieder abholt, an diesem Tage war es um 

Als der Gefangene bei Bückknnft des Wärt 
stand, um seinen Becher abzageben, trat der Wi 
fand Noel erhängt vor; die Fußspitzen berührte 
Handtuch war um den Hals geschlangen and der £ 
die beiden Zipfel waren mit den AufhäogebSndchen 
gerissenen Löchern über einen kaam aas der Wi 
gehängt, der zum Aufh&ngen des Handtuches nnd dt 
bestimmt ist. Der Schemel lag unmittelbar vor 
Boden. Der Selbstmörder hatte ihn notwendig gehn 
tuchende bis sum Nagel emporzubringen and ihn h 
offenbar umgestoßen. — Der Wärter schnitt den 8i 
einen Augenblick nach den Puls nnd den Herzschli 
nichts wahrnehmen. Er löste sofort das Schließaei 
Amen die ihm wohlbekannten künstlichen Atembe 
den beiden ihn begleitenden Gefangenen unterstützt 


17 ) A. Taylor: The prindples and practice 
London 1865. 

Kinkead: Lancet, 1896,-1,8.701. 
w ) L c n s. oben. 



Dr. Jäckel: Ueber Ortsbesichtiguogeo. 


789 


diszipliaarisch fflr den Fell verantwortlich war, so ist an seinen ernsthaften 
Bemühungen zur Wiederbelebung des Toten nicht za zweifeln. Nach 10 Minuten 
war der dicht dabeiwohnende Landgerichtsarzt zur Steile und machte 
mindestens eine halbe Stunde künstliche Atembewegungen. Alles ohne Erfolg. 

Nach Aussage des Gefangenenwärters, die durch 2 Gefangene bestätigt 
warde, hatte Noel den Becher Kaffee von */t 1 Inhalt ausgetrnnken und von 
dem 2 Pfd. betragenden Brotlaib etwa ein Drittel gegessen. Nach Schätzung 
des Wärters sind hierfür 10 Minuten nötig gewesen. Weitere 5 Minuten 
waren nötig, um das Handtuch zu knoten — was nur mit der linken Hand 
geschehen konnte, da die rechte an das Bein geschlossen war —, um 
die Löcher in das Handtuch zu reißen, auf den Schemel zu steigen und das 
Handtuch am Nagel zu befestigen. Es bleiben daher höchstens 5 Minuten 
übrig, die der Verbrecher unbemerkt hatte hängen können. Daß ein Teil der 
Vorbereitungen etwa schon früher getroffen wäre, ist unwahrscheinlich; denn 
der Selbstmordgedanke entsprang offenbar einem augenblicklichen Impulse, er 
wäre sonst nicht zu einer Zeit ausgeführt worden, in der die Bttckkunft des 
Wärters jeden Augenblick erwartet werden konnte. 

Es handelt sich also um einen gesunden jungen Mann, der 
nach 5 Minuten Hängens durch sachgemäße Hülfe nicht wieder- 
belebt werden konnte. 

Wir wissen, daß bei Fällen reiner Erstickung das Herz 
noch mehrere Minuten nach den terminalen Atembewegungen 
weiterschlägt und daß im allgemeinen sowohl bei Erstickten, als 
Ertrunkenen eine Wiederbelebung nach so kurzer Zeit gelingt. 
Asphyktische Neugeborene, erstickte Diphtherie-Kinder, kollabierte 
Chloroform-Narkotisierte werden, wie jeder Arzt weiß, oft nach 
erstaunlich langer Zeit wieder zum Leben zurückgebracht. Warum 
gelingt dies bei Erhängten nicht in dem gleichen MaßeP Der 
Herzschlag dauert doch, wie wir oben gesehen haben, auch bei 
Erhängten bis zu 8 Minuten an. Die Antwort darauf ist einmal 
durch die Kompression der Halsarterien gegeben; da diese aber 
nach Lösung des Strangwerkzeugs aufhört, muß wohl noch 
ein anderes Moment hinzukommen, ein Moment, welches auch 
die nicht seltenen Blasen- und Mastdarm - Lähmungen bei 
geretteten Erhängten bedingt. Ich glaube dieses vermißte 
Moment in einer Kompression des Halsmarks gefunden zu 
haben, die durch Hals Wirbel Verschiebung — aber innerhalb der 
Elastizitätsgrenzen der Wirbelbänder nnd ohne Luxation — 
ausgelöst wird. Näheres darüber werde ich in einer demnächst 
erscheinenden Arbeit in der Vierteljahrsschrift für gerichtliche 
Medizin mitteilen. 


Ueber Ortsbesichtigungen. II. 1 ) 

Von Medizinalrat Dr. Jäckel, Kreisarzt in Samter. 

Es hat in der ersten Zeit nach Einführung des Kreisarzt¬ 
gesetzes nicht an Stimmen gefehlt, welche der Einrichtung der 
Ortsbesichtigung kein langes Leben prophezeiten. 

Auf Grund der nunmehr fast zehnjährigen Erfahrungen halte 
ich es daher für angebracht, dieses Thema einmal wieder zu 
erörtern; denn es will mir scheinen, als ob diese neue Einrichtung, 
sobald sie den Intentionen des Gesetzgebers entsprechend sorg- 


*) S. Nr. 21 dieser Zeitschrift 1902. 



790 


Dr. JIckeL 


fältig and gewissenhaft gehandhabt wird, bedeutungsvoll, wie 
kaum eine zweite den Wirkungskreis des Medizinalbeamten 
erweitert hat, wenigstens in den ländlichen Bezirken. In den 
großen Städten mögen die Verhältnisse aber anders liegen, da 
hier, wie mir von verschiedener Seite versichert wurde, regelmäßige 
Besichtigungen in der vorgeschriebenen methodischen Weise über¬ 
haupt nicht oder wohl nur ausnahmsweise stattfinden. 

Die Ortsbesichtignngen waren für uns etwas ganz Neues, 
Unbekanntes, gewissermaßen ein neu erfundenes Instrument, dessen 
Gebrauch man erst lernen mußte, ohne daß es einen Lehrmeister 
oder auch nur eine Lehrmethode dazu gab. Es erscheint darum 
wohl gerechtfertigt, den Fragen näher zu treten: Wie haben sich 
die Ortsbesichtigungen bis jetzt bewährt, haben sie Erfolge auf- 
znweisen, was für Mängel haben sich etwa herausgestellt P Ich 
bin fiberzeugt, daß die Antworten auf diese Fragen grundver¬ 
schieden lauten werden, je nach Gegend und Oertlichkeit, nach 
Temperament und Auffassung des Einzelnen von der Bedeutung 
dieser Aufgabe, und je nach der Stellungnahme der obersten 
Kreisbehörde, des Landrats bezw. Polizeipräsidenten, zur Sache. 
Ich habe seit Einführung des Kreisarztgesetzes Gelegenheit 
gehabt, in zwei Kreisen neben den verschiedensten Landräten zu 
arbeiten und kann aus eigener Erfahrung die eminente Wichtig¬ 
keit besonders des Landrats in dieser Beziehung bezeugen. 
Liebt er die Buhe nach dem Grundsatz: quieta non movere, so 
liefern die fleißigsten Ortsbesichtigungen mit ihren Verhandlungen 
höchstens statistisches Material, das einstweilen, wenn nicht ffir 
immer, in den Akten verschwindet Unter einem ffir hygienische 
Aufgaben empfänglichen, dabei tatkräftigen Landrat aber läßt 
sich mit Genugtuung feststellen, daß durch die planmäßig dnrch- 
gefflhrten Besichtigungen mit ihren Folgerungen allmählich etwas 
Positives erreicht wird. 

In den ländlichen Kreisen hier im Osten stehen im 
Vordergründe des hygienischen Interesses die schlechten Wohnunge- 
verhältnisse der Arbeiter und Mietsleute, dann die mangelhafte 
Wasserversorgung, endlich die Sfinden in der Beseitigung der 
Abwässer und Fäkalien; sie geben bei den Besichtigungen haupt¬ 
sächlich zu Beanstandungen Anlaß und den Verhandlungen meist 
ein gleichförmiges, ödes Gepräge. In neuerer Zeit sind dazu 
noch die unzulänglichen Unterkunftsräume der ausländischen, vom 
Osten her kommenden Sommerarbeiter gekommen. In den kleinen 
Städten interessieren den Medizinalbeamten am meisten die 
ungünstigen Wohnungsverhältnisse der niederen Bevölkerungs¬ 
schichten, das Abfuhrwesen und die Nahrungsmittelbetriebe, 
namentlich Bäckereien und Fleischereien mit ihren bekannten 
Mißständen. 

Wie steht es nun mit der Durchführung der kreis- 
ärztlich vorgeschlagenen Verbesserungen? So ganz 
glatt geht das selbstverständlich nicht immer. Der Besitzer 
. weigert sich z. B. an dem zum Gutsbezirk gehörenden Gasthause 
' 4en ffir notwendig befundenen Brunnen anzulegen. Das Schrift- 



Ueber OrtabeeichtlgUDgen. 


791 


stück, in welchem es mitunter nicht an krassen Invektiven gegen 
den Kreisarzt fehlt, wandert vom Distriktsamt (der dem Landrat 
untergeordneten ländlichen Polizeibehörde), zu diesem zurück, von 
da zum Eireisarzte zur nochmaligen Aeußerung. Es wird — voraus¬ 
gesetzt, daß man die Forderung aufrecht erhält und bis in weitere 
Instanzen zu verfechten sich getraut — dem Interessenten eine 
Frist gesetzt, schließlich mit zwangsweiser Errichtung des 
Brunnens gedroht. Aus dem einfachen Protokoll wird allmählich 
ein kleines Aktenstück. Es vergeht darüber vielleicht ein Jahr 
oder mehr, aber — der Brunnen wird gebaut. 

Im Interesse der hierzulande höchst notwendigen Verbesserung 
der Wasserversorgung haben die Ortsbesichtigungen in meinem 
Kreise zu einer Verfügung des Landrats an alle Polizeibehörden 
Anlaß gegeben, wonach: „. . . fortan keine Bauerlaubnisse zur 
Neuanlage von offenen Brunnen oder zur Besserung solcher, 
insofern es dazu einer Bauerlaubnis bedarf, zu erteilen, vielmehr 
... die Anlage von Pumpbrunnen zu fordern, in Aus¬ 
nahmefällen . . . seine Entscheidung einzuholen.“ Die gesetzliche 
Handhabe für diese Maßnahmen bietet die „Baupolizeiverord¬ 
nung für das platte Land im Regierungsbezirk Posen“ im § 21 
Abs. 5 und der § 85 des Reichsgesetzes, betreffend die Be¬ 
kämpfung gemeingefährlicher Krankheiten, vom 80. Juni 1900, 
der auch die Fortschaffang der Abfallstoffe behandelt und die 
leidige Streitfrage der Abortverhältnisse in wirksamer Weise 
löst. Es existiert nämlich sonderbarer Weise im hiesigen Bezirk 
keinerlei gesetzliche Bestimmung darüber, daß an jedem Wohn- 
hause ein Abort vorhanden sein muß. Das Allg. Landrecht schreibt 
nur vor, wie Schweineställe, Kloaken, Düngergruben etc. beschaffen 
sein müssen, nicht aber, daß solche überhaupt da sein sollen. 
Die Baupolizei Verordnung vom Jahre 1904 für den Reg.-Bez. Posen 
bestimmt im § 48 — n. b. nur mit Geltung für Neuanlagen —, 
daß für jede Familienwohnung ein Abort von bestimmter Größe 
und Beschaffenheit anzulegen ist. Diese Neuerung gilt aber auch 
nur für die Städte, nicht für das platte Land. Und gerade hier 
fehlen grundsätzlich derartige „hygienische Einrichtungen“ an 
den Arbeiter- und sonstigen Mietswohnungen. Wenn sich darum, 
wie mir bekannt ist, manche Landräte in anderen Kreisen gegen¬ 
über den Forderungen des Medizinalbeamten bezüglich der Aborte 
— ich selbst verlange in gewiß maßvoller Beschränkung bei den 
ländlichen Arbeiterwohnungen „mindestens je einen Abort für je 
4 Familien“ — auf gänzlich ablehnenden Standpunkt gestellt 
haben, weil ihnen die gesetzliche Unterlage für solche „Nenemngen“ 
fehlt, so sind sie entschieden im Unrecht. Das genannte Seuchen¬ 
gesetz verpflichtet die Gemeinden zur Herstellung von Ein¬ 
richtungen für Fortschaffang der Abfatlstoffe und zwar „jeder 
Zeit“, nicht erst, wenn Seuchen drohen. 

Auf sehr viel ungünstigerer gesetzlicher Grundlage stehen 
wir bezüglich unserer Forderungen zur Verbesserung hygienisch 
mangelhafter Wohnungen. Eine erheblich feuchte Wohnung 
kann man wohl ohne weiteres als gesundheitsschädlich bezeichnen 



792 


Dr. JIckeL 


and einfach schließen leasen. Aber anf Grand welcher gesetz¬ 
lichen Bestimmungen können wir den Mißst&nden abhelfen, die 
durch Bauf&lligkeit, Verwohnen, bauliche Verwahrlosung entstehen 
und uns leider noch so überaus h&ufig in den Wohnungen, nament¬ 
lich der ländlichen Arbeiterbevölkerung entgegentreten P Welches 
ist das Maß, nach dem wir eine Wohnung für überfüllt oder für 
ungenügend mit Tageslicht erhellt bezeichnen dürfen? Nach 
welchen Grundsfitzen können wir Abstellung dieser fundamentalen 
Mängel fordern, welche oft überhaupt nur durch die radikale 
Maßregel der Wohnungsschließung und des Neubaues beseitigt 
werden können und natürlich Geld, viel Geld kosten P Brauchbare 
Anhaltspunkte in diesen schwierigen Fragen gibt der leider bisher 
in der Mappe gebliebene preußische „Entwurf eines Gesetzes zur 
Verbesserung der Wohnungsverbältnisse“ von 1905, in welchem 
es unter anderen in bezug auf Mietswohnungen hieß: „Die Wohn- 
und Schlafräume dürfen nicht baulich verwahrlost und nicht in 
gesundheitlicher Weise feucht sein; .... sie müssen insgesamt 
soviel Baum bieten, daß auf jede Person mindestens 10 cbm Luft¬ 
raum und 4 qm Bodenflfiche entfallen: .... die Wohnung muß 
soviel Baum enthalten, daß ... die über 14 Jahre alten Personen 
nach Geschlechtern getrennt im besonderen Baume schlafen 
können* usw. Derselbe Gesetzentwurf enthält auch Bestimmungen 
über die Schlafräume der Dienstboten und Gewerbegehilfen, ein 
Gebiet, anf welchem man, wie ich bereits früher ausgeführt habe, 
gelegentlich der Ortsbesichtignngen in den kleinen Städten 
zuweilen wunderbare, d. h. nichts weniger als mustergiltige 
Zustände zu Tage fördert. Es wäre zu wünschen, daß ein solches 
Wohnungsgesetz recht bald znr Annahme käme. Bis dahin sind 
die Behörden auf dem Wege der Polizeiverordnung angewiesen, 
der bereits in verschiedenen Begierungsbezirken, z. B. Düsseldorf, 
Münster, Arnsberg, Minden i. W. beschritten ist Es ist übrigens 
zuzugestehen, daß trotz dieser bisher znm mindestens sehr 
zweifelhaften rechtlichen Grundlage die Forderungen des Kreis¬ 
arztes bezüglich Verbesserung der Lentewohnnngen bei den 
interessierten Besitzern so gut wie niemals auf grundsätzlichen 
Widerstand stoßen. Diese erkennen meist, wenn auch ungern, an, 
daß die Wohnungsverhältnisse bei ihren Leuten im Argen liegen; 
sie müssen es anerkennen, wenn man auf den oft vorhandenen 
schroffen Gegensatz zwischen Wohnungen einer- und Wirtschafts¬ 
gebäuden, Ställen etc. anderseits hin weist. Auch die beliebten 
Einwendungen, daß es die Leute selbst gar nicht besser haben 
wollten und sich in den neuen geräumigen Häusern nicht wohl 
fühlten, sind längst nicht mehr zutreffend und stichhaltig; die 
tüchtigen und ordentlichen Elemente unter den Arbeitern bean¬ 
spruchen hente eine ordentliche Wohnung mit zwei oder drei 
Bäumen. Aber woran alle unsere Forderungen scheitern trotz 
Einsicht und bestem Willen der Beteiligten, das ist, wie auch 
anderwärts auf hygienischem Gebiet, der Geldpunkt. Wo die 
Mittel fehlen, da hat selbst ein willens- und tatkräftiger Landrat 
sein Becht verloren. Jedoch nicht ganz! 



Ueber Ortsberichtigungeo. 


798 


ZnnÄchst fordere man nieht zuviel anf einmal und 
begnüge sieh mit einem Anfänge! Es muß den Wünschen der 
Beteiligten in bezug auf Fristgewährung in entgegenkommender 
Weise Rechnung getragen werden. Ferner hat der Kreis Samter, 
nachdem durch die immer wiederkehrenden Ausstellungen bei den 
Ortsbesichtigungen die Aufmerksamkeit der leitenden Stelle auf 
diesen wunden Punkt gelenkt war, mit Hilfe der Landes-Ver¬ 
sicherungsanstalt einen Kredit zum Bau von Wohnungen in der 
Weise bereitgestellt, daß seitens des Kreises 100000 Mark als 
Darlehen zum Bau guter, gesunder Arbeiterwohnhäuser auf dem 
platten Lande gegen S °/o Zinsen und 1 °/o Amortisation an Grund¬ 
besitzer des Kreises zur Verfügung gestellt sind. Von dieser 
Vergünstigung ist bereits in einer Reihe von Fällen Gebrauch 
gemacht worden, sodaß der Fond um 50 000 Mark erhöht werden 
mußte. Jedenfalls wird mit einem solchen grundsätzlichen Vor¬ 
gehen in wirksamer Weise dem Wohnungselend auf den Leib 
gerückt und ungerechtfertigten Einwänden die Spitze abgebrochen. 
In manchen Fällen, wo weder Einsicht und guter Wille noch die 
Mittel fehlen, wird durch die medizinalpolizeilichen Anregungen 
und das gute Beispiel die Sache mindestens in Fluß gebracht 
und das Bautempo beschleunigt. So ist es im hohen Grade 
erfreulich, zu beobachten, daß hierorts fast allenthalben das 
ländliche Wohnungswesen während des vergangenen Jahrzehnts 
einen sichtlichen Fortschritt gemacht hat, ein Erfolg, zu welchem 
allerdings auch nicht zum wenigstens die gute wirtschaftliche 
Lage der Landwirtschaft beigetragen haben mag. Statt der alten 
strohgedeckten Fachwerkgebäude mit engen Einzimmerwohnungen, 
gemeinsamen Hauseingängen und Fluren sind massive Häuser 
mit einem Wohnraume, Kammer, Küche, Nebengelaß und besonderem 
Eingang für jede Familie entstanden. 

Auch in anderer Beziehung sind in neuerer Zeit Fortschritte 
des ländlichen Wohnungswesens zu verzeichnen. Die alljährliche 
Heranziehung ausländischer Sommerarbeiter auf den Gütern des 
Ostens hat erhebliche Mißstände geschaffen. In Ermangelung 
geeigneter Unterkunftsräume wurden die Leute, oft SO und 40 
Personen beiderlei Geschlechts, in einem gerade leer stehenden 
Wohnhause, gewöhnlich dem schlechtesten, untergebracht. Als 
Schlafstellen pflegte eine Strohscbüttung zu ebener Erde zu 
dienen; die Trennung der Geschlechter war häufig mehr als 
mangelhaft. Im günstigsten Falle war noch ein gemeinsamer 
Eßraum vorhanden. Ich habe es erlebt, daß in einem solchen 
Quartier im Monat März ein Unterleibstyphus eingeschleppt wurde 
und bis Juni nach und nach 4 weitere Fälle zur Folge hatte, 
trotzdem jedesmal der Kranke sofort dem Krankenhause überwiesen 
und eine Desinfektion ausgeführt wurde. Eine wirksame Be¬ 
kämpfung der Seuche erwies sich eben unter den unbygienischen 
Wohnungsverhältnissen als undurchführbar. Daß derartige Massen¬ 
quartiere bei der Ortsbesichtigung in mehr als einer Beziehung 
beanstandet werden müssen, liegt auf der Hand. Eine Polizei¬ 
verordnung vom Jahre 1908 regelt nunmehr für die Provinz 



794 


Dt. JlckeL 


Posen — uck In allen übrigen Provinzen bezw. Reg.-Bezirken 
ist dies der Fall — diese Wohnungsverhältnisse der Saison- und 
sonstigen Arbeiter in vorübergehenden gewerblichen nnd land¬ 
wirtschaftlichen Betrieben in aasreichender, nach den strengen 
Hygieniker befriedigender Weise. 

Es sind aber bekanntlich nicht allein die Wohnungen der 
abhängigen ländlichen Arbeiterbevölkemng, welche unsanitire 
Zustände anfweisen. In Stadt and Land gibt es gewisse schwierige 
Wohnangsverhältnis8e auch bei Eigentümern, welche, sei es durch 
Erbteilung oder durch freien Kauf, Teile von Haus- oder Boden- 
grandstücken erworben haben. So entstehen Halb-, Drittel-, Vier- 
telhausbesitzer, kleinste Stellen auf dem früheren vielleicht an sich 
schon kleinen Besitztum einer einzigen Familie, als Folge davon 
nicht nur überfüllte Wohnungen, bauliches Verwohnen derselben, 
sondern auch — besonders bei Viehhaltung — in der Umgebung 
übermäßige Anhäufung von festen und flüssigen tierischen und 
häuslichen Abgängen, eine förmliche Versumpfung des Bodens in 
einem Umfange, daß alle Ordnung und hygienische Sicherheit 
aufhören. In unseren kleinen Städten wird mit den elendesten 
Wohnungen in Kellern, ehemaligen Ställen und Wirtschafts¬ 
gebäuden, finsteren, unsauberen Spelunken aller Art, die jeder 
hygienischen Anforderung spotten, ein wahrer Wacher getrieben. 
Wenn im ganzen Orte mitunter nicht eine einzige Wohnung leer 
steht, so ist die notwendige Folge davon nicht bloß eine ganz 
unverhältnismäßige Wohnungsteuerung, sondern bei polizeilicher 
Schließung der beanstandeten allerschlechtesten Wohnungen auch 
eine augenblickliche direkte Wohnungsnot. So ist es hier wiederholt 
vorgekommen, daß die Polizei bereits für unbewohnbar erklärte 
und geschlossene Wohnungen wieder freigeben mußte, um nur 
ortsarmen Familien, natürlich der niedersten Volksschicht über¬ 
haupt Unterkunft zu gewähren. Solchen Zuständen gegenüber 
ist die Medizinalpolizei nahezu machtlos nnd könnte ebenfalls nur 
ein Wohnungsgesetz allmählich wirksam eingreifen. Die Aufgabe, 
derartige Mißstände aufzudecken und das Material zu liefern für 
die Vorbereitung und Begründung eines Wohnungsgesetzes, 
erfüllen m. E. die Ortsbesichtigungen mittelbar neben vielen 
unmittelbaren lokalen Kleinerfolgen. 

Ueberhaupt ist ein mittelbarer, sozusagen prophylaktischer 
günstiger Einfluß der Besichtigungen auch allgemein gar 
nicht zu verkennen. Wie alle Revisionseinrichtungen wirken auch 
die regelmäßigen Ortsbesichtigungen vorbeugend und belehrend 
ein. Behörden und Publikum rechnen bereits damit. Die Gewi߬ 
heit, daß revidiert wird, rüttelt an dem alten Schlendrian, öffnet 
die Augen für gewohnheitsmäßige, daher übersehene Blößen und 
Schäden, weckt das Gewissen. Das Beispiel des Nachbarn stachelt 
den Ehrgeiz an, fordert zur Nachahmung heraus. Es ist mir 
vorgekommen, daß ein Besitzer vor meinem angekündigten Besuche 
noch rasch an den Arbeiterwohnnngen Aborte aufstellen ließ, um 
daun bei der Besichtigung im Hinblick auf die schmucken 
Häuschen vorwurfsvoll in die Worte auszubrechen: .Herr Kreis- 



Ueber Ortibeslchtlgongen. 


796 


arzt, Sie haben mich aber bereite ein schönes Stück Geld gekostet.* 
— Einmal hatte meine sich wiederholende Bemerkung, daß anl 
den Kirchhöfen eine dauerhafte Bezeichnung der Grabstellen 
▼ermißt würde, zur Folge, daß die gesamte Diözese nicht nur 
solche, sondern auch eine einheitliche Friedhofsordnung erhielt, 
die bis dahin gefehlt hatte. 

Ein weites und nicht minder schwieriges Arbeitsfeld für 
unsere Besichtigungen linden wir, abgesehen von den unmittelbaren 
Wohnungsverhältnissen, auf dem Gebiete der übrigen kommunalen 
Hygiene in den kleinen Städten. Die greifbaren Erfolge 
sind hier einstweilen spärlich. Mit kleinen Mitteln, insbesondere 
mit rein polizeilichen Maßnahmen ist wenig auszurichten. Solange 
nicht durch großzügige Einrichtungen, wie zentrale Wasserver¬ 
sorgung, Kanalisation, städtische Uebernahme des Abfnhrwesens 
mit entsprechenden Einrichtungen die Ortschaften von Grund aus 
saniert werden, bleiben zahlreiche Mißstände in unseren alten 
winkeligen dichtbevölkerten Städten mit ihrer vielfach armseligen 
Bevölkerung und stellenweise halb ländlichen Beschaffenheit 
unvermeidlich bestehen. Aufgabe der Besichtigungen ist es aber, 
durch Feststellung der Mißstände und immer erneute Vorhaltung 
der hygienischen Sünden den Stadtvätern die Notwendigkeit und 
Dringlichkeit jener großen kommunalen Einrichtungen zur Einsicht 
zu bringen. Daß auch die kleinen Kommunen allmählich Ver¬ 
ständnis für großzügige Städtehygiene gewinnen nnd wirtschaftlich 
den höheren Anforderungen einer solchen sich gewachsen zeigen, 
beweist die knapp 7000 Einwohner zählende Kreisstadt Samter 
in erfreulicher Weise. Außer Schlachthaus mit Kühlhalle hat 
dieselbe in rascher Aufeinanderfolge elektrische Beleuchtung und 
zentrale Wasserversorgung eingeführt und beginnt noch in diesem 
Jahre die Kanalisation der Stadt in großem Stile. 

Ein Schmerzenskind sind für mich bisher überall die schlechten 
Zustände der Arbeitsräume, in welchen unsere hauptsächlichen 
Nahrungsmittel zubereitet werden, namentlich Fleischereien 
und Bäckereien, gewesen. Auch hier fehlte es bis vor kurzem 
an polizeilichen Bestimmungen, welche feste Grundsätze für die 
Beschaffenheit der Arbeitsräume aufstellen, den Betrieb regeln 
und eine wirksame Kontrolle dnrch Aufsichtsbeamte festsetzen. 
Daß z. B. die Werkstätten der Fleischer in Kellern oder allen 
möglichen unsauberen Gelassen, Waschküchen etc. sich befinden, 
ist keine Seltenheit. Bäckereien in Kellern sind vielerorts sogar die 
Regel. Das geltende Nahrungsmittelgesetz nnd die Gewerbeord¬ 
nung treffen mit ihren Bestimmungen die wesentlichen hygienischen 
Mängel der Nahrnngsmittelbereitung nnr znm kleinsten Teile. 
Es war daher die für die gesamte Monarchie 1907 in Kraft 
getretene Bäckereiordnnng ein erfreulicher Fortschritt. Eine 
gleiche ist noch für die Fleischereien zu wünschen; obwohl diesen 
gegenüber die Gewerbeordnung nnd das Fleischschaugesetz bereits 
eine schärfere Kontrolle ermöglicht. 

Noch einige Bemerkungen über die wenigen Ausführungs- 
bestimmungen zum Kapitel der Ortsbesichtigungen. Wir 



796 


Dr. JlckoL 


müssen es dankbar anerkennen, daß 
führung derselben völlig freie Hand gel* 
die Aufgabe im Anfang auch war. 1 
Neuheit der Sache überhaupt noch ni 
weitesten Spielraum gelassen. Wie \ 
wurden, war unsere Sache. Aas diesem 
nach den bisherigen praktischen Erfahr 
Da ist zunächst die Bestimmung: 
ladungen und Mitteilungen an die 
welche in der neuen Dienstanweisan 
geblieben, nur bezüglich der Domänen 
worden ist. Durch diese Bestimmung: 1 
herein etwas Schwerfälliges, Bureaukrat 
dasselbe theoretisch so gedacht ist, daß 
denjenigen Behörden, welche einiges Int 
könnten, mit dem Kreisärzte gemeinsci 
vornehmen würde, hat die grüne Präs 
anderes Ding daraus gemacht. Es hat sic 
auch von vornherein zu erwarten war, g 
maßen mühevolle wie zeitraubende Arbei 
liehen Inspizierung ganzer Ortschaften nie 
sondern nur in stiller minutiöser Arbeit 
werden kann. Eine Reihe von Jahren h 
gewissenhaft alle vorgeschriebenen Einla 
erschienen ist immer nur der Ortsvorsteil 
recht Interesse daran, alle die unbygienisc 
Zustände mit eigenem Auge zu sehen, v( 
jeder überzeugt ist, wenn er nachträgln 
Gesicht bekommt. Dagegen ist es wieder] 
sich Landrat und Polizeibehörde nachträglii 
persönlich überzeugt haben, besonders ^ 
Schwierigkeiten bereitete und die Beteiligte: 
Auch die Hinzuziehung der Gesnndheits 
Städten stößt (wie ich bereits früher a 
Schwierigkeiten, die in der ganzen schein 
Einrichtung zu suchen sind. 

Bei Schulbesichtigungen hat in der al 
ein Kreisschulinspektor an einer solchen teilj 
erklärt, daß seine Teilnahme wenig Zweck 
schwerlich wieder erfolgen werde, zumal er 
Verhandlung doch zugeschickt bekomme. Ii 
noch einmal ein besonders eifriger junger Kre 
Erscheinen zugesagt; leider war ich in leti 
die Besichtigung aufzuschieben. Meine tele 
graphische Benachrichtigung erreichte ihn nie 
die Sache einigermaßen peinlich war, als er 
ausführte. 

Damit komme ich zu einem zweiten ffesi 
aus die offenbar beabsichtigte offizielle Gei 
besichtigungen sich als unzweckmäßig erwi< 



Ueber Ortsbesichllgangen. 


797 


Festlegung: der Termine. Es ist bei der Vielseitigkeit und 
Eigenart unserer Amtsgesch&fte ohne weiteres klar, daß wir gar 
nicht selten in die Lage kommen müssen, die angesagte Orts- 
und Schulbesichtigung aufzuschieben. Anlaß dazu sind in erster 
Reihe dazwischen kommende dringlichere Amtsgeschäfte, Obduk¬ 
tionen, Feststellungen ansteckender Krankheiten, ja selbst dring¬ 
liche Anforderungen der privaten ärztlichen Praxis, wie Ent¬ 
bindungen etc., dann aber auch ungünstiges Wetter, bei welchem 
die an und für sich schon höchst anstrengende Aufgabe geradezu 
zu einem Unding, einer physischen Unmöglichkeit werden kann. 
In allen solchen Fällen halte ich mich ohne weiteres für berechtigt, 
die Ortsbesichtigung, die ja an jedem beliebigen anderen Tage 
ebenso gut ausgeführt werden kann, aufzuschieben. Und nun 
müssen alle vier, fünf oder sechs in Frage kommenden Stellen, 
die man vorher eingeladen hat, auch ordnungs* und pflichtgemäß 
wieder „ausgeladen“ werden. — Für die Besichtigungen stehen 
uns überhaupt nur wenige Monate zur Verfügung, wenn man die 
ungeeignete nasse und kalte Jahreshälfte, die für das Impfgeschäft 
reservierten Monate mit gemäßigter Temperatur — bei mir Mai 
und Juni — und die Schulferien abrechnet. Zu vermeiden, weil 
naturgemäß wenig geeignet, ist möglichst auch die Zeit der 
Roggen- und der Kartoffelernte. Ich habe in meinem ausgedehnten 
Kreise immer alle Mühe, mein jährliches Pensum gehörig unter¬ 
zubringen, und empfinde dabei stets als einen besonders lästigen 
Hemmschuh die offizielle Gestaltung des Geschäfts durch die 
schon mindestens 8 Tage vorher erforderliche Festlegung des 
Besichtigungstermines sowie die formellen Einladungen und Mit¬ 
teilungen. Diese müssen in Zukunft wegfallen oder doch auf das 
geringste Maß zurückgeführt werden, damit man sich nicht in 
jedem Falle hinter die Klausel des „nach Möglichkeit“ oder der 
„gelegentlichen“ Erledigung zu verstecken braucht. 

Ferner hätte im Interesse größerer Bewegungsfreiheit des 
Medizinalbeamten die Vorschrift fortzufallen, daß dem Ortsvor- 
Steher „acht Tage vorher“ die geplante Besichtigung mitzu¬ 
teilen sei. Dem Zwecke und der Ausführbarkeit derselben wird 
zur Genüge gedient, wenn der Ortsgewaltige überhaupt von dem 
Vorhaben Kenntnis erhält und Zeit hat, im Falle seiner Ver¬ 
hinderung einen Stellvertreter zur Beteiligung zu bestellen. 

Ganz besonders würden sich auch, wie ich wiederholend 
betonen will, für die Schulen gänzlich unvermutete Be¬ 
sichtigungen sehr viel zweckdienlicher erweisen. Man braucht 
sich nur über den Stundenplan vorher zu unterrichten, um auch 
die Schulkinder vollzählig vorzufinden und untersuchen zu können. 

Als ein weiterer wunder Punkt hat sich, wie bereits früher 
angedeutet, die Vollziehung der Besichtigungsverhand¬ 
lung durch die Beteiligten herausgestellt, was nichts anderes 
bedeutet als Fertigstellung der Verhandlung an Ort und Stelle. 
In der Praxis macht sich das einmal sehr schlecht; es zwingt zu 
längerem Aufenthalt, kostet unnötig Zeit. Sofern die Besichtigung 
eines Gutes stattfindet, fühlt sich der Besitzer meist verpflichtet, 



798 


Dt Weagier. 


Gastfreundschaft zu üben. Und dann erfordert die Abfassung des 
Protokolles aach ein gewisses redaktionelles Geschick, damit die 
meist wenig erquicklichen Dinge beim richtigen Namen and 
angemessen, nicht za schroff, aber auch nicht zu zahm, benannt 
werden. Das läßt sich za Hause am Schreibtisch in aller Buhe 
sehr viel besser machen. Selbstverständlich ist aber niemals za 
unterlassen, die tatsächlichen Erhebungen an Ort and Stelle mit 
dem beteiligten Gats-, Ortsvorsteher oder deren Vertreter ansu- 
stellen und die Mängel za besprechen, 

Ich glaabe im Vorstehenden nachgewiesen za haben, daß 
sich die Ortsbesichtigungen wenigstens in ländlichen Bezirken 
bewährt haben und geeignet sind, die Bestrebungen der allgemeinen 
Ortschafts- und Wohnangshygiene za fördern. Durch diese Ein¬ 
richtung hat unsere amtliche Stellung bedeutend an Inhalt ge¬ 
wonnen; allerdings gehört die ans zugewiesene Aufgabe za den 
mühevollsten and schwierigsten des Amtes überhaupt, sofern man 
nicht bloß etwas daran nascht, sondern ihr wirklich ernsthaft zu 
Leibe geht Za belauern ist, daß darch die Pauschaulierung der 
Reisekosten unsere Arbeitsfreadigkeit in bezog auf diese einiger¬ 
maßen in unser freies Ermessen gestellte Tätigkeit nicht gerade 
aafgemantert worden ist; es ist dies nm so mehr, wenn man 
erwägt, daß gerade die mit dem Kreisarztgesetz neu eingeführten 
langdaaernden Amtsgeschäfte mit ihren nicht selten unangenehmen 
Rückwirkungen den Niedergang unserer ärztlichen Praxis zum 
großen Teil verschuldet haben. Und wenn mir einmal ein be¬ 
freundeter Großgrundbesitzer mit bezug auf die Ortsbesichtignngen 
sagen konnte: «Wissen Sie auch, Herr Kreisarzt, daß Sie ein 
gefürchteter Mann im Kreise sind,* so war das dem Tenor nach 
zwar scherzhafte Uebertreibung, faktisch aber wenigstens znm 
Teil bittere Wahrheit. In der Tat kenne ich keine unangenehmere 
und dabei schwierigere Tätigkeit als diese; sie hat ans ans eine 
Art Inspektoren gemacht. Sanitätsinspektor würde man uns 
vielleicht in früheren Zeiten genannt haben nach Art der Bau¬ 
end Gewerbeinspektoren, nur daß unsere Aufgaben erheblich 
vielseitiger und dadurch schwieriger sind, daß uns vielfach die 
gesetzlichen Grandlagen fehlen und wir auf unseren hygienischen 
Instinkt und unseren Takt angewiesen sind. Darum dürfen wir 
auch mit Recht fordern, daß uns diese Aufgabe nach Möglichkeit 
erleichtert und nicht darch hemmende Paragraphen und rein 
bürokratische Bestimmungen beschränkt wird. 


Bleihaltige Glasuren. 

Ergänzung zu dem Aufsatz in Nr. 12 vom 20. Juni 1910 «Blei¬ 
vergiftung durch irdenes Topfgeschirr*. 

Von Med.-Rat Dr. Wengler Ln Alsfeld. 

Bleiglasuren sind in der Technik unentbehrlich wegen ihrer 
leichten Schmelzbarkeit, ihres Glanzes, ihrer Undurchlässigkeit 
und ihrer glatten Oberfläche. Es darf jedoch nie vergessen 



Bleihaltige Glasuren. 


799 


werden, dass sie bei mangelhafter Beschaffenheit durch Bleiabgabe 
za Bleivergiftungen Anlass geben können. Es besteht daher 
auch die gesetzliche Bestimmung, dass Bleiglasuren bei halb¬ 
stündigen Kochen mit 4proz. Essigsäure Blei nicht abgeben 
dürfen. 

Die Abgabe von Blei an den Geschirrinhalt beruht „auf der 
angenügenden Bindung des Bleis in der Glasur, wofür in der 
Hauptsache ein ungünstiges Mengenverhältnis der Glasurbestand¬ 
teile, besonders von Blei und Kieselsäure, oder ein ungenügendes 
und fehlerhaftes Brennen verantwortlich gemacht werden/ Die 
feste Bindung der erwähnten Glasurbe standteile kann um so 
sicherer erreicht werden, je mehr die kieselsänrereichen Blei¬ 
verbindungen der Glasur die kieselsänrearmen überwiegen. 
Hierbei ist zn bemerken, dass die löslichen Bleiverbindungen 
einer Glasur von einem säurehaltigen Inhalt allmählich aufgesaugt 
werden, so dass eine in bezug auf Bleiabgabe bedenkliche Glasur 
allmählich ihre gesundheitsschädlichen Eigenschaften verlieren 
kann. Man wird also bei Prüfung der Glasuren auf Bleiabgabe 
möglichst neues Geschirr verwenden müssen. Bei der Unter¬ 
suchung des Geschirrs einer an Bleivergiftung erkrankten Familie 
wird man deshalb zunächst nach den vor nicht langer Zeit ge¬ 
kauften und frisch in Benutzung genommenen Geschirren fragen. 

Leider ist die Töpfereitechnik noch nicht so weit gelangt, 
eine Methode der Herstellung von Bleiglasuren anzugeben, bei 
welcher der Austritt von Bleisparen aus der Glasur mit Sicher¬ 
heit ausgeschlossen werden kann. Von der Großherzoglich 
Hessischen Prüfungs- und Auskunftsstation für die Gewerbe 
warden (Bericht aus dem Jahr 1892) 53 verschiedenen Betrieben 
entnommene Geschirrproben untersucht. Das auf Grund der 
Untersuchung abgegebene Gutachten der Prüfengsstation geht 
dahin, daß nach Lage der gegenwärtigen Töpfereitechnik eine 
Beanstandung nur dann erfolgen könne, wenn „bei halbstündigen 
Kochen durch 100 ccm 4°/o Essig dem Geschirr 1 mg Blei und 
mehr entzogen wird/ 

Die Beurteilung der Frage hat sich im wesentlichen seit 
1892, wie aus einer 1910 erschienenen Arbeit ans dem Kaiserl. 
Gesundheitsamt „Zur Kenntnis der bleihaltigen Glasuren new/ 
hervorgeht, nicht geändert. Das von der Großherzogi. Hessischen 
Prüfangsstation im Jahr 1892 aufgestellte Höchstmaß zulässiger 
Bleiabgabe durch Bleiglasuren ist noch heute gütig. Eine Abgabe 
von Blei durch die Glasur, die einer Lösung von weniger 
als 1 mg Blei auf 100 ccm bei Anstellung der Essigkochprobe 
entspricht, hat auch keine gesundheitlichen Bedenken. Praktisch 
würde also bei Glasnruntersuchung die Frage so zn stellen sein: 
„Gibt die Glasur bei Anstellung der gesetzlichen Probe mehr als 
1 mg Blei an 100 ccm 4°/o Essig abP“ 

Zur oberflächlichen Orientierung genügt es, daß man durch 
den bei der Kochprobe gewonnenen Essig nach dem Erkalten 
Schwefelwasserstoff leitet. Tritt eine gelbliche oder bräunliche 
Färbung ein, dann ist der Bleigehalt geringer als 1 mg auf 



800 Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 

100 ccm; tritt dagegen eine schwarz-braune Färbung ein oder 
gar eine sofort oder nach einigen Minuten entstehende Ans* 
flockung eines Niederschlags von Schwefeleisen, dann ist der Blei¬ 
gehalt größer als 1 mg auf 100 ccm. 

Schon die äußere Besichtigung gibt uns oft einen Wink. 
Hat die Glasur nur einen geringen Glanz und eine rauhe, unfertige 
Beschaffenheit, so ist daraus zu schließen, daß das Geschirr nicht 
richtig gebrannt wurde. Freilich darf aus der glatten Oberfläche 
und dem Glanz noch nicht ohne weiteres auf die Ungefährlichkeit 
der Bleiglasur geschlossen werden. Wenn auch die Glasur 
scheinbar gut eingebrannt ist, so kann doch die Glasurmischung, 
aus der sie bereitet wurde, mangelhaft zusammengesetzt gewesen 
sein. Gerade die aus stark bleihaltigen Glasurmischungen ent¬ 
standenen Bleiglasuren haben oft einen besonders schönen Glaus 
und eine spiegelglatte Fläche. 

Was nun die von uns in Nr. 12 besprochenen Bleiver¬ 
giftungen aus dem Jahr 1910 anlangt, zu denen inzwischen 
3 weitere Familienvergiftungen in anderen Orten des Kreises 
hinzugekommen sind, so fand die quantitative Untersuchung im 
Chemischen Untersuchungsamt Giessen in dem bei Anstellung der 
Kochprobe gewonnenen Essig bei einem Topf 94 mg, bei einem 
zweiten 23 mg, bei einem dritten 40 mg Blei. Die drei von 
uns an das Chemische Untersuchungsamt Giessen abgesandten 
Musproben enthielten, quantitativ bestimmt, in 100 g Mus die 
eine 233 mg, die zweite 24 mg, die dritte 6 mg Blei. Die Ver¬ 
schiedenheit des Bleigehalts in den Musproben erklärt sich wohl 
durch die ungleiche Verteilung des Bleis im Topfinhalt, veranlaßt 
durch das Sinken der schweren Bleiverbindungen auf den Boden 
des Gefäßes. Bei der ersten so stark bleihaltigen Mosprobe 
handelte es sich z. B. um flüssiges Mus aus den unteren Partien 
des Topfes. 

Alles in Allem konnte es sich aber doch nur um kleine 
Bleidosen handeln, die in den Körper aufgenommen wurden. Dass 
es trotzdem zu schweren Vergiftungen kam, erklärt sich durch 
den fortgesetzten Genuß geringer Bleimengen. So erkrankten ja 
auch, wie klinisch festgestellt wurde 1 ), Personen, die zu Heilzwecken 
längere Zeit hindurch unausgesetzt Bleipräparate in kleinen Dosen 
in den Körper aufuahmen, an Bleivergiftung. Das Blei sammelt sieh 
eben im Körper an. Dadurch ist es wohl auch zu erklären, daß, 
wie wir bei unseren Familienvergiftungen beobachteten, die 
Kinder, deren Stoffwechsel ein regerer ist als der der Erwachsenen, 
relativ selten und dann nur leicht erkranken. 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 

A. Gerlohtliohe Medizin. 

Untersuchung Aber den Einfluss der Znsnmmensetwny des Redens 
auf die Fäulnis uüt Hilfe praeslpttlereader Bern. Von J. Leclercq. 
Aus dem Institut Pasteur de Lille. Oomptes rendus de la soe. de bioL; LIIX, 

1910, Nr. 28. 


') VergL Riegel: Deutsches Archiv für klinische Hedisia; 1878. 



Kleinere Mitteilangen and Referate aas Zeitschriften. 


801 


Die Untersuchungen, die auf Rat von Prof. Calmette-Lille vorge¬ 
nommen wurden, dienten zur Ergänzung der ulten gerichtlich - medizinischen 
Forschungen von Orlila, Lesueur, Devergie Uber den Gang der Fäulnis 
bei beerdigten menschlichen Leichen und den Einfluß der Zusammensetzung 
des Rodens auf dieselbe. Sie beruhten auf folgendem Gedankengang: 

Stellt man sich ein Serum dar, daß den Auszug des menschlichen Mus¬ 
kels fällt, und läßt man ein Stück desselben Muskels faulen, so kommt ein 
Zeitpunkt, in dem das Extrakt des gefaalten Maskels mit dem präparierten 
Serum keine Reaktion mehr gibt. Die Reaktion verschwindet nämlich dann, 
wenn unter dem Einfluß der Fäulnitkeime das ganze Maskelei weiß zersetzt 
worden ist. — Methode: Der Autor stellte sich 2 präzipitierende Sera dar, 
das eine für den Auszag des menschlichen Maskels, das andere für den des 
Meerschweinchenmufkeis. Er brachte dann in verschiedene, 50 kg fassende 
Töpfe, eine Mischung von Sand und Eies, reine Tonerde, Humus, denselben 
Hamas mit einem Gehalt von 12,5% Ca CO», ferner von 25°/o und 50°/o dieses 
Ealksaizes. 

Sechs Meerschweinchen von gleichem Gewicht wurden getötet und je 
eines in einen solchen Topf gegeben, ln eine andere Serie von Töpfen, die 
ebenso mit Erde beschickt worden waren, kamen Stücke von menschlichen 
Muskeln ein und derselben Leiche, die gleiches Gewicht hatten. Die 12 Töpfe 
kamen unter einen Schuppen in gleicne atmosphärische Verhältnisse. — Zu 
verschiedenen Zeiten nach der Vergebung entnahm der Autor gleiche Stückchen 
vom Meerschweinchen und vom Menscbenmuskel. Die Stückchen wurden in 
künstlichem Serum mazeriert; die erhaltene Flüssigkeit wurde filtriert und 
zentrifagiert, dann mit den vorher dargestellten Serumproben gefüllt. — Die 
Untersuchungen begannen im November 1909 und endeten im Mai 1910. Sie 
ergaben: 

Völliger Eiweißzerfall wurde in dem Gemisch von Eies und Sand spät 
gefunden (erst nach 189 Tagen beim Meerschweinchenmuskel); in der Tonerde 
und im Hamas nach 173 Tagen, also etwas früher. Der Zerfall war 
besonders beschleunigt im kalkhaltigen Boden. Nach 157 Tagen 
war die Zersetzung vollständig beim Aufenthalt des menschlichen Muskels im 
Boden mit 25 und 50°/o Ca Co». 

Der kalkhaltige Boden gestattet eine völlige Lüftung. Die durch die 
Fäulnis gebildeten Säuren werden neutralisiert, dadurch wird die Entwicklung 
der Mikroben begünstigt. Je größer der Ealkgehalt ist, um so mehr wird die 
Zersetzung der Gewebe beschleunigt. Dr. Mayer- Simmern. 


Ueber tödliche Bromäthyl- und Bromätbylen - Vergiftung. Von Dr 
G. Marmetscke, Assistent. (Gerichtsärztl. Institut der Univ. Breslau. Di¬ 
rektor: Prof. Dr. Lesaer.) Vierteijahraschr. f. gerichtl. Medizin usw.; 8. F., 
1910; 40. Bd., 8. H., S. 61. 

1. Ein schwächlicher, tuberkulöser Mann von 86 Jahren überstand eine 
Operation in 20 Minuten langer Bromäthylnarkose (45 ccm) gut, bis auf etwas 
Gelbsucht und Sparen von Albuminurie; 14 Tage später Morphium-Chloroform¬ 
narkose (15 ccm Chloroform). Ungefähr sechs Wochen darauf stirbt er im 
Anschluß an eine 4 Minuten lange Bromätbylnarkose (10 ccm) plötzlich, als 
die Maske schon entfernt war, der Verband angelegt wurde. Herzerweiterung, 
alte Veränderungen der Aortenklappen, Eoronarsklerose, chronische Nephritis, 
partieller Status lymphaticus. Freisprechung. 

2. Eine gesunde Frau stirbt in Bromäthylnarkose (11 ccm) bei der Ex¬ 
traktion von 3 Zähnen darch einen ungenügend vorgebildeten Zahntechniker 
infolge unzweckmäßiger Wiederbelebungsversuche. Verurteilung. 

3. Eine gesunde 37jährige Frau erhält durch ein Versehen des Apo¬ 
thekers 70 ccm Bromäthylen statt Bromäthyl bei einer zahnärztlichen Nar¬ 
kose. Im Anschluß daran erkrankt sie an Schwäche, Erbrechen, Darchfall, 
Schmerzen unter dem Brustbein, Hasten, Atemnot, Herzschwäche und Gebär- 
mutterblutung und stirbt nach etwa 44 Standen. Fettige Degeneration des 
Myokards, der Leber, Nerven, eitrig-hämorrhagischer Eatarrh der Luftwege. 
Infolge von Blutungen geschwollene Bronchialdrüsen und besonders große 
Drüsen in der Adventitia der Earotiden uod im Mediastinum posticum. Endo- 



808 


Kleinert» Mitteilungen and Referate ana Zeitschriften. 


metritis haemorrhngica. Magen* und Darmbefunde erklärten die klinischen 
Erscheinnagen nicht Verurteilung. 

Literatur ähnlicher Fälle. Einige Tierversuche, die dieselben Erschei¬ 
nungen bieten. _ Dr. P. Fraenckel-Berlin. 

Beitrag rar gerlehtstrstllehen Bedeutung des Verblutungstodes. 
Von Dr. Kart ▼. 8nry in Basel. Vierteljahrsschr. f. gerichtl. Medizin nsir.; 
8. F., 1910; 40. Bd., B. 8, 8. 23. 

Der Verfasser hat eine Kritik und teilweise Nachprüfung der Lehren 
über den Verblatangstod unternommen and hierzu eine Anzahl Tierexperi¬ 
mente sowie sehr zahlreiche Beobachtungen an geschichteten Tieren und an 
Leichen aus verschiedener Ursache verbluteter Menschen gesammelt Die 
wesentlichen Ergebnisse enthalten die nachstehenden, etwas gekürzten Schlu߬ 
folgerungen; es sei aber ausdrücklich auf die Notwendigkeit hingewiesen, die 
reichhaltige, lesenswerte Arbeit selbst einzusehen. 

Das klinische Bild der Verblutung ist bei langsamem Blataus- 
floß abhängig vom Sauerstoffmangel des Organismus; die Aktionsfähigkeit 
dauert fort, der Tod tritt durch eine Erstickung ein. Bei blitzartiger 
Verblutung (z. B. Aortenruptur) kann — aber muß nicht — die momentane 
Erniedrigung des Blutdrucks den primären Herztod herbeiführen. Die Ak¬ 
tionsfähigkeit wird entsprechend schnell aufgehoben. Die anatomische 
Diagnose ergibt sich ans der allgemeinen Blutarmut; besonders wichtig ist 
die der Nieren, während Lungen, Gehirn und Hirnhäute wechselnden Blut- 

S ehalt zeigen. Totenflecke fehlen nur ausnahmsweise an den druckfreien 
[8rperstellen. Die Verteilung und die Menge des restierenden Blutes stehen 
im umgekehrten Verhältnis zur Schnelligkeit des Blutausflasses. Bei post¬ 
mortalen Verletzungen oder Zerstückelung kann ein der vitalen Verblatung 
ähnlich charakteristischer Leichenbefund nicht erhoben werden. Bei Fäulnis 
der Leichen oder bei Auslaugung von Leichenteilen im Wasser darf die Dia¬ 
gnose auf vitale Verblatung nicht gestellt werden. 

Neu ist die Auffassung der subendokardialen Ekchymosen als eine 
Leichenerscheinung, im Gegensatz zur bisherigen Meinung, daß sie vital durch 
Leerkontraktion des Herzens entstehen. Sie waren in 60*/ o der menschlichen 
und in 94 */• der kontrahierten Tierherzen vorhanden, aber nie am schlaffen, 
dem frischen Kadaver entnommenen Organe, sondern traten erst mit der Starre 
auf. Sie entstehen daher nach v. S. durch Kapillarruptur infolge der anhal¬ 
tenden Pression des rigiden Herzmuskels auf den Kapillarinhalt und infolge der 
Saugwirkung des unter erniedrigter Spannung befindlichen Ventrikelraumes. 
Für ihre Ausbildung bedarf es weder einer gewissen Schnelligkeit noch Voll¬ 
ständigkeit der Verblatung. Ihr fHtz ist stets der kontrahierte Ventrikel, 
gegebenenfalls beide Kammern. Beim Menschen finden sich die Ekchymosen 
bei äußerer wie innerer Verblutung. Pathognostisch für die Verblutung sind 
sie nur in bedingter Weise, da sie auch sonst Vorkommen. 

Verblutung aus der Nabelschnur ist sehr selten. Wird primär oder 
sekundär die Laagenatmung gehemmt, so kann sich das Neugeborene auch aus 
der unterbundenen Nabelschnur verbluten. Die Nabelgefäße bleiben trotz 
Unterbindung sondierbar. Zudem ist die Salze nach den ersten 12 Stunden 
so geschrumpft, daß dis Unterbindongaschlingen sich etwas gelockert haben. 

_ Dr. P. Fraeackel-Beslia. 

Bemerkungen zu der verstehenden Arbeit des Dr. v. Sury. Von 
Dr. Marx. Bbenda; 1910, 3. H., 8. 61. 

Marx hat auf Grund weiterer Beobachtungen seit längerem seine frü¬ 
here Auffassung verlassen, daß die subendokardialen Ekchymosen nur bei 
Verblutungen nach außen Vorkommen. Fanden sie sich jedoch bei innerer 
Verblutung, so war die Verblatung immer sehr ergiebig und schleunig gewesen; 
bei langsamer Verblutung hat er sie stets vermißt. Er macht darauf auf¬ 
merksam, daß gelegentlich wohl einzelne Kontusionsblutungen unter dem En¬ 
dokard für Verblutuugsekcbymosen gehalten werden können. 

Dr. P. Fraenckel-Berttn. 

S - 



Kleinere Mitteilungen und Referate ana Zeitschriften. 


808 


Ein Beitrag nur Kasuistik der Herzverletrangen. Von Dr. Thomas, 
Kreisassistensarzt in Marienwerder. Vierteijahxsschrift L gerichtL Mediain 
08w.; 3. F., 1910; 40. Bd., 3. H., S. 53. 

Ein 20jähiiger Mann wurde in Höhe der Brost zwischen einem Soll* 
wagen (vorn) uni einer Maoerkante (hinten) gequetscht. Er wurde sofort 
bewußtlos und starb etwa 20 Minuten später. Todesursache war Blutung aus 
einem Biß des rechten Hersohrs in den Herzbeutel (500 ccm). Die Spitze des 
Bisses fiel mit der des Herzohres zusammen, das von der rechten Kammer 
abgehoben war. Der 3 cm lange rechte Schenkel des Bisses verlief an der 
Greoze zwischen Vorhof und Kammer unmittelbar an der Art. pulmon. nach 
hinten; der linke zog zunächst in derselben Bichtung nach hinten, setzte sich 
dann stumpfwinklig 1 */» cm lang nach oben auf der Grenze zwischen Vorhof 
und Herzohr weiter fort. Es fanden sich außerdem noch zwei Einrisse des 
Vorhofsendokards, am Septum atriorum, das in der Fossa ovaüs 3 mm lang 
durchtrennt war, und an der Einmttndnng der Cava inferior. An der Bflcksette 
beider Atrien je eine etwa bohnengroße, an der rechten Kammer unter der 
Knickungsstelle des linken Bißschenkels eine erbsengroße subepikardiale Ek- 
chymose. Subpleurale Ekchymosen der Lungen. 

Der Mechanismus dieser Verletzung wird durch eine Verlagerung des 
Herzens nach links und hinten erklärt. Durch den Wagen wurde die linke 
Thoraxseite von rechts her derart eingedrückt, daß die hinter ihr liegende 
Kammer nach links, unten und hinten gepreßt wurde. Dadurch wurde die 
vordere Wand des rechten Vorhofs zwischen Ventrikel nnd den großen Venen- 
stimmen durch Zug gespannt; an der Stelle der stärksten Spannung erfolgte 
der Biß. Unterstützend wirkte die Schwäche der Wandung an dieser Stelle 
und vor allem auch die Füllung des Vorhofs, die die Spannung erhöhte. Die 
Eadokardrisse sind Platzrupturen infolge zu hohen lonendruckes, der das 
Septum am schwächsten Teile bersten ließ. Die Bewußtlosigkeit war eine 
Folge des Shoks, nicht der langsam erfolgenden Blutung. Der Fall ka*n 
ferner als neuer Beleg dafür gelten, daß eine Hersruptur mit Blutung in den 
unversehrten Herzbeutel an sich nicht, wie Bichter meinte, die Handlungs¬ 
fähigkeit sofort aufzuheben braucht. Dr. P. Fraenekel-Berlin. 

Ueber die Entstehung und Bedeutung der Ekchymosen heim neu¬ 
geborenen und beim Fötus. Von Dr. Fab er, jetzt Prosektor an denstädt. 
Krankenanstalten zu Mannheim. Aus dem pathol. Institut des Haienkianken- 
hauses zu Hamburg. Vierteljahrsschr. L gerichtl. Medizin usw.; 3. F., 1910; 
40. Bd., H. 3. 

Auf Grund der Beobachtungen an 150 Frühgeburten, einigen Heuge¬ 
borenen und Tierexperimenten spricht der Verfasser Ekchymosen jede prak¬ 
tische Bedentung für die Diagnose einer Erstickung im landläufigen 8inne ab. 
Er bezeichnet sie nur als ein Symptom der Asphyxie und legt auf die Kohlen- 
säureüberlaiung des Bluts besonderes Gewicht, ohne freilich näher zu erläu¬ 
tern, wie er sich unter ihrer Einwirkung die Entstehung des Deberdrucks er¬ 
klärt, auf den es zuletzt ankommt. Praktisch wichtig ist seine Mitteilung, 
daß er subkapsuläre Blutergüsse an der Leber auch bei Frühgeborenen 
gesehen hat, bei denen keinerlei Kunsthilfe in Frage kam. Sie können, wie 
Dittrich meinte, rein mechanisch durch den äußeren Druck des Genital¬ 
schlauches oder auch, wie Verfasser in Uebereinstünmung mit B. Schnitze 
annimmt, durch die Asphyxie entstehen, also auf dieselbe Weise, wie die im 
Brustraume auftretenden. Gelegentlich ergießt sich das Blut nach Beratung 
der Kapsel in die Bauchhöhle. Dr. P. Fraenckel-Berlin. 

Beitrag zur Lehre vom Erhingungetede. Von Dfpl-Ing. C. Krug 
in Frankfurt a. M. Vierteljahrsehr. L gerichtl. Medizin usw.; 8. F., 1910; 
40 Bd., H. 3, 8. 95. 

Die Ergebnisse, zu denen de Domiaicis in seiner gleichnamigen Mit¬ 
teilung (Vierteljahrsschr. f. ger. Med.; 88. Bd.) gelangt ist, entsprechen nicht 
den theoretischen Verhältnissen, weil seine Versuche zur Lösung der Aufgabe 
aiekt aasreiehsn. Durch Beehaaag zeigt der Verfasser, daß unter den dyna¬ 
mischen Wirkungen der zackenden Last im 8traagmerkneug Zusatakitfte auf- 
treten, die am so größer sind, je größer die verfügbare Mnsheleneargie des 



804 


Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


IndlTidnms and je unnachgiebiger das 8trangwerkieng ist. Die Beanspruchung 
des letiteren durch den lebenden Körper kann daher das Vielfache, nicht nur 
das Doppelte, wie de Dominicis fand, der Beanspruchung durch die tote Last 
betragen. Versuche, die alle einschlägigen Pankte berücksichtigen, wären 
noch aiizustellen. Dr. P. Fr aen ekel-Berlin. 


Veber die Praxis der künstlichen Atmung bei scheinbarem Atmungs¬ 
und Herztod. Von Th. Gail los. fiöanion biologjqae de Nancy. Comptes 
rendus de la soc. de bioL; LX VIII., 1910, Nr. 11. 

Die Frage der Wiederbelebung wurde u. a. in dieser Zeitschrift 
1900,8. 202 (Laborde’sche Zangentraktionen), 190b, 8.595 (subdiaphragmatische 
Herzmassage) berührt. 

Quillos hatte bereits 1904 darauf aufmerksam gemacht, daß bei 
Ausführung der künstlichen Atmung es großen Vorteil bringe, wenn die Masse 
der Baucborgane so hoch wie möglich nach der Zwerchfellhönlung, also nach 
dem Thorax hin, gebracht werde. Er konnte damals einen Kranken in einer 
Chloroformsynkope, die tödlich zu sein schien, retten. 

Im vorliegenden Falle handelt es sich um einen Mann, der nach einer 
schweren Operation (Exstirpation von Halsdrüsen, Bildung eines linksseitigen 
Pneumothorax) 5—10 Minuten nach Aufhören der Chloroformdarreichung eine 
solche Synkope zeigte, daß die gewöhnlichen Methoden: Zangentraktionen, 
künstliche Atmnng wirkungslos blieben. Der Autor sah den Operierten suf&llig 
in dem Moment, in dem die Operateure den Fall auf gaben uud die direkte 
Massage des Herzens als ultimum refugium vornehmen wollten. 

Er führte seine Methode aus und zwar nach je 4—5 sekundenlangen 
Intervallen, 8mal hintereinander: Die Atembewegungen setzten ein, die Hers- 
schlüge begannen wieder. Man sucht dabei einen Zufluß des Blutes zum 
Herzen, dann einen Abfluß desselben und eine mächtige Erschütterung des 
Organs dadurch zu erzielen, daß bei der Druckentlastung des Thorax die 
Bewegungen brüsk ausgeführt werden. Auf den unteren Teil des Bauches 
kommen die flach ausgestreckten Hände; die ganze Masse der Eingeweide 
wird nach dem Thorax zu gedrückt. Dann hebt man die Hände brüsk, um 
das Verfahren wieder zu beginnen. Bei Vorhandensein von Assistenten, muß 
der bei der künstlichen Atmung auf die Rippen ausgeübte Druck durch diese 
plötzlich beendet werden, wenn das Nach-Obenschieben der Onterleibsorgase 
ausgeführt wird. 

Der Autor empfiehlt seine Methode zum Ersatz der direkten Herz¬ 
massage und bei Rettungsversuchen an Menschen, die durch den elektrischen 
Strom verunglückt sind. _ Dr. Mayer-Simmern. 


Sympathiekuren* Von Gericbtsassessor Dr. jur. Albert Hellwigin 
Berlin-Friedenau. Vierteljahrsschr. f. ger. Medizin usw.; 8. F., 1910; 40. Bd M 
H. 8, 8. 78. 

Verfasser setzt die an gleicher Stelle, Bd. 87 erschienenen Mitteilungen 
über die Volksmedizin fort und bespricht die noch heute beim Volke üblichen 
Mittel sympathetischer Art. Auf das in knapper Form gebotene reichhaltige 
Material sei wiederum empfehlend hingewiesen, da es vorkommenden Falles 
dem Gerichtsarste wertvolle Aufklärung geben kann. Der Verfasser stellt 
übrigens eine buchmäßige Bearbeitung des Gebietes in Aussicht. 

_Dr. P. Fraenckel-Berlin. 

B. GeriohUlohe Psyohiatrle. 

Zur Anstaltsbehandlnng der beginnenden Paralyse. Von Dr. v. Barth- 
Wehrenalp- Frankenstein. Prager medizinische Wochenschrift; 1910, Nr. 8i 

Verfasser weist zunächst auf die unendliche Wichtigkeit der Früh¬ 
diagnose bei der Paralyse hin, da sonst das größte Unheil geschehen kann. 
Ist die Diagnose Paralyse gestellt, so gehört ein solcher Kranker in eine 
geschlossene Anstalt. Jedoch kann er im Prodromalstadium schließlich noch 
in einer offenen Anstalt behandelt werden; durch geeignete Behandlung (Ruhe, 

G te Ernährung, Fernhalten jeder Erregung) kannman dieses Stadium auch 
ige hinsieh es. Bedingung hierfür ist aber, daß man den meist ab 

Neurastheniker geschickten Patienten sofort als Paralytiker erkennt. Verfasser 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


m 


bespricht dann eingehend die Differentialdiagnose «wischen Neurasthenie und 
beginnender Diagnose. Findet sich eins oder mehrere der körperlichen 
Kardinalsymptome (Papillenstarre, Silbenstolpern, Fehlen oder Ungleichheit 
der Kniephänomene), so ist die 8acbe schon verdächtig; bestehen dabei noch 

S sychiache Veränderungen {Merkfähigkeitsstörungen, Intelligenzschwäche, 
tünmungsanomalien), so ist die Diagnose Paralyse sicher. Auch der rnhigste 
and anschuldigste Paralytiker bedarf einer scharfen Uebenyachung; wenn ein 
derartiger Kranker in einer offenen Anstalt weilt, so muß man immer bereit 
sein, ihn sofort in eine geschlossene überführen sn können; desgleichen muß 
man die Angehörigen entsprechend belehren and vorbereiten. Bpd. jan. 


Die Behandlung der Homosexualität. Von Med.-Rat Prof. Dr. Näcke. 
Sexaalproblem; 1910, Nr. 8. 

Die Hauptmasse der sog. Homosexuellen besteht nur aus Pseudohomo* 
sexuellen, die nur heterosexuell fühlen und homosexuell aus verschiedenen 
Gründen sich betätigen. Die echten Urninge teilt man ein in reine Homo* 
sexuelle und Bisexuelle. 

Han wird die Urninge zurzeit nur als höchstens abnorm, nicht aber als 
krank oder entartet hinstellen, am wenigsten auf das bloße Bestehen der kon¬ 
trären Sexaalempfindung hin, die an sich jedenfalls allein noch kaum ein 
Stigma darstellt. Liegt dauernd Urnismus von einer gewissen 8tärke vor, 
so daß der Trieb mächtig ist und die Natur eine häufige sexuelle Betätigung 
verlangt, so ist sicher jede Therapie aussichtslos. Anders steht es dagegen, 
wenn die Neigang nur scharf ausgeprägt ist oder erst spät sich zeigt. Gün¬ 
stiger noch liegen die Verhältnisse bei den Bisexuellen. Hier ist eine psycho¬ 
therapeutische Kur entschieden zu versuchen und wird um so aussichtsreicher 
sein, je kleiner die homo* und je großer die heterosexuelle Libido ist. Das 
Hauptmittel der Behandlung stellt offenbar die Psychotherapie dar. Sie kann 
auf verschiedene Art geschehen, wie auch sonst bei Neurosen usw. Wirkliche 
und dauernde Heilungen oder nur auffallende Besserungen von Urningen oder 
Bisexuellen sind zurzeit mit Sicherheit nicht bekannt. Von vielen ist die Ehe 
angeraten worden. Bei einem echten Urning ist sie im allgemeinen entschieden 
absuraten. Ist aber die homosexuelle Neigang nur gering vorhanden und der 
Trieb desgleichen, besonders bei Bisexuellen, so konnte schon eher eine Ehe 
Gutes stiften, doch ist der gute Erfolg nie sicher vorauszusagen. Bei den 
Pseudohomosexuellen gilt es, dieselben aus ihrem Milieu zu entfernen. 

_ Dr. Wolf-Witzenhausen. 

Eine psychische Epidemie unter Aersten. Von Prof. Dr. Hoohe- 
Freibarg. Medizinische Klinik; 1910, Nr. 26. 

Verfasser wendet sich im vorliegenden Aufsatze gegen die Auswüchse 
der Freadschen Psychoanalyse, die er als seltsame ärztliche Taumelbewe¬ 
gung bezeichnet. Er erkennt das Gute der Freud sehen Theorien an, die 
ein tieferes Eindringen in das individuelle Seelenleben bei psychisch zu beein¬ 
flussenden Fällen gestatten und uns zeigen, daß doch wohl selbstbewußte 
Dinge hänfiger und stärker, als wir gewöhnlich annebmen, in das bewußte 
Seelenleben hinaufwirken können, aber wendet sich scharf gegen die geradezu 
groteske Formen annehmende Ueberscbätsung des Sexaalfaktors, wie sie be¬ 
sonders von den 8chülern Freuds gepflegt wird. Es ist ihm rätselhaft, wie 
man die ungeheuerlichen Deuteversuche und die Auffassung von der Anal¬ 
erotik der Säuglinge und der Inzestphantasien der Kinder überhaupt jemals 
hat ernst nehmen können. Das Hinzerren auf das Sexuelle, die Züchtung 
einer dauernden Sexualatmosphäre im Individuum durch tägliches Aufrübren 
dieser Dinge und Hineinreden in den Patienten hält er mit Recht für eine 
äußerst gefährliche Prozedur. Eine derartige Behandlungsmethode ist nach 
seiner Ansicht direkt ärztlich unerlaubt. Noch schlimmer aber sei, daß sich 
schon Laien der Freud sehen Psychoanalyse bemächtigt hätten und sich be¬ 
müßigt fühlten, ihre pädagogischen Bemühungen danach einzurichten. Wenn 
angeblich große Erfolge erzielt worden seien, die er aber bezweifelt, so müsse 
man bedenken, daß es sich da meistens um reine Hysterische bandele, bei 
denen schon allein die unendliche Zeit, die der Arzt auf sie verwende, ein 




Kleinere Sittpücmgtm and Referate «tu 


•ehr wichtiger Heilfukt»? «ei. Dan« wendet er «iclt 
bebtmg der Anhänger Freud», die »an als eine ( 
als eine Art Sekte betrachte» mftsse. Es handele 
nickt um wiMMsehuftliah greifbare oder beweisbare 
GUabcusflätse. Kur dar wird anerkannt, der sich » 
Freud» bekennt; anderen gegenltber kehren sie m 
Verzeih«; harte Unduldsamkeit alt der Neigung z 
Bef. kau» Ater auf den höchst interessanten / 
«Aber ein gehen, empfiehlt ihn. aber jedem, der siel 
lesen. Bei dem Geschrei, daß die Fi eudiaucr ms 
eines erfahreoea alten Psychiater« beruhigend omt 
grüße». Wenn man an der Kritik etwa« aaeaetsen 
da», daß «iß noch au milde ist. 0*»» diese« 

Fermen sich wiederholende Hermkrhroo des gras 
ohfthtemn Mcaachea dfarekt ahstoßead, mau möchte 


C. Saohvent&udigent&tlgkelt in tJnfkJJ- m 

Ueber dl« Neuronen nach Fnflllen. Von 1 
zfnische Klinik; 1910, Nh 32. 

VerfsEner bespricht susfidtst den Begriff *ti 
den Uhfug, der hftuÄg damit Von Gutachtern isfuj 
griffe« getrieben wird. Zeugnisse ahne objektive 
Eittireise, daß die Klagen glaubwttrdig «eiem, sc 
»eigen das Wohlwollen de» Am«?, sind aber ke 
folgen, Objektive Symptome ssttese» eachgewfenen 
wuntbeii ela Äberei*stimmende« Bild geben. 0 
nicht ohne weitere» Wir echt angenommen werde 
kentroÜjett werden. Verfasser gibt dann yersc 
man sich ror Simulailt« oder tJebertTeibung sch 
tun die meisten UafaUktaaken, besondere aber Ti 
der tr&umatfacfcon Neurosen «ei auch die bei weite 
»ach der Umstand, ob die Neurose schon yor dei 
biodg habe ein solcher gereicht siattgeinnden, »out 
Verfasser erörtert ferner genauer, was man unter „ 
d«an auf die sogenannten «Be&tosncurosen^ über. 
Zeit nach dem Unfall, nachdem er Jszwlachen xn 
Neurose bekommen habcj könne man von einer 
die man in gewisser Weise als Unfall folge angp 
sei de uielA «1» üafxlMslge' «ftxft»eb«B,. wenn « 
letzten erweisbar sei. Ai» Mittel dagegen empfiehl 
des Bentenverfahremt. Die OaJUÜaotjroten im aljg 
Linie psychotherapeutisch behandelt wissen. Er 
Ziehen angegebene Verfahren. Dean leiste taaa 
man mttsse |» dem Ktaskee ds* ActorHäteglsuben 
man Ihn unbedingt zas Arbeit bringen. 


lieber den Zusammenhang einer Lungen 
eines Stotntroge« und aber den Einfluss tfte«« 
eutwieklung ö*s wahrscheinlich sehe» besteuenc 
gutachtcn ro» Gshelmm Prof Dr. Schultz« ur 
Medizinische Klinik; 1910, Kr. 82, 

46 jähriger Ackerer bitte am ¥%. KoTersher 
trog von seine» PiaUo gehoben» wobst er äehfoerx* 
verspürte. 2 —3 Staude» danach trat stark« Lun 
aut Am Tage danach beatshd noch blaUger „Aua-? 
Auch später hin fand *&h telegen? Ucfc noch e t w* 
dem Gutachten des befeafidelsden Aretua war Päii 
obere recbteBnmh Elfte war abge flacht; der E3cm 
d« SöhlSuselheieo geitmpft, bis zur dritten Rrm 
verschärfte» oud verläogme*, beföube 
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807 


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Hebere Mitteilungen und Befeuto mb Zeitschriften. 

vereinseltes Bassein. Nach Ansicht des Antos war schm» ▼« iem ünWl rii» 
Lunaenleidea vorhanden, sumal Patient «ugegebea batte, daß er schon früher 
manchmal Hasten und Auswarf gehabt habe. Bis Mai 1908 arbeitete Patient 
nicht, von da aber verrichtete er leichte Arbeit* Zar Zeit der Aufnahme in 
die Klinik am 9. Juni 1909 klagte er über 8chmer*en in der rechten Brust¬ 
seite und Mattigkeit. Die Untersuchung ergab, daß der Prozeß abgelauleu 
war; es fanden sich nur noch geringe Veränderungen über der rechten Lungen¬ 
spitze (3challabachwachung und Verschärfung des Exspirmms). Gutachter 
kommen zu dem Resultat, daß eine krankhafte Veränderung der rechten 
Lungenspitze schon vor dom Unfall bestanden habe, denn eine Blutung aus 
völlig anomalem Langengewebe könne durch einen derartigen Vorgang nicht 
hervorgerufen werden; dagegen genüge es, um in einem krankhaft veränderten 
Gewebe Zerreißungen hervorzurufen. Daß die Lungenblutung sofort auftreteu 
müsse, sei nicht notwendig, die Anstrengung braoehe nur •*“ 

Häute eines Geläßes zur Folge zu haben; der allmählich voninnen 
Druck wölbe daou die Gefäßwand vor und bringe de schUeßüch zum 
Zerreißen. Durch die Blutung sei das Lungenleiden entschieden einige Monatt 
un güns tig beeinflußt; diese ungünstige Beeinflussung sei aber nur vorüber¬ 
gehend gewesen, zur Zeit sei die Verschlimmerung wieder völßg^ehoben. 


tm TrMrwasssr 

Dr. Frank-Cha*- 


Typbuserkrankung naeb wiederholten* Genw 
sweifelbafter Beschaffenheit kein Betrlebsunfull. Von 
lottenburg. Medizinische Klinik; 1910, Nr. 29. Mattin- 

Ein Schlosser erkrankte, nachdem er schon 10 Tage 1*"£*! 
kalt und Kopfschmerzen geklagt hatte, an Typhus, ^ d« Mm«len Ve^ 
nahm. Wegen Verdachts des Durchbruches eines TyphusgeschWlrs wurde «* 
im Krankenhauso noch operiert; es wurde aber nichts getänden. P . 

wunde heilt!» glatt. Patient machte Entschädigungsansprüchegeltend und 
behauptete, es läge ein Betriebsunfall vor, da er sidb de« Typhra danjfajen 
Genuß des auf der Arbeitsstätte den Arbeitern *u* Y®* »gewiesen da 
Trinkwassers zugozogeu habe. Seme Aa^rttche wurden a 8 
sieh keine Beweise dtfttr fänden, daß der Typhus dar* 

hervorgerufen sei. Der Zusammenhang sei sogar ua 

Wasser als einwandfrei befanden wäre, wenn es Mich me b- nocJ | ggr 

Trinkwasser bezeichnet werden könnte. Außerdem wuwe dc *g . 

.eh,, ob di. Erfcfbnknag durch 

koebber Milch hcr.hh.c- SchlicSUch hebe cc Jhh jjeht »«■ «MUllfCC 
UnfaUereignis gehandelt, da er wiederholt das Wasser 


Myositis osslflcans traumatica ahi Unfullfolgü. Von Dr. Hoff«»»* 

Stettin. Medizinische Klinik; 1910, Nr. 81. «.hing mit dem linken 

Ein 55jähriger Arbeiter fiel von einer Lorter unü^scwugi dui aem_ u» 

Kniegelenk auf den zementierten Faßboden; gleichMdtig m nRte sich 

leere? Säcke^us beträchtlicher Höhe ge gen die link. 

in ärztliche Behandlung begebein. mit^leichMMger 8pitzfußsteÄung 

sich eine Versteifang des linken Foßgelenus m« g * ' u du 

aaszubilden, die immer stärker wurde. Bei beugeiähig; die Achilles- 

FuBgol.ok ukU, i«. lick« Fitf 

sehne war straff gespannt. Beim »tenen 8 |2 l ; ugaminei| „enteiltem Füßen be- 

V 2l f ad ci 8e i nk L Ö w® ??i BÄ nichV ohne daß eine Verkürzung des linken 
rührte die linke Ferse den Boden aus«, Fußgelenkes ergab 

Beines bestand. Eine .^“^deTwade dicht hinter dem Zwischenraum von 
nichts, dagegen fand lioh in de i a» beiden zage- 

Tibia und Fibula ein 10 mn angesji o Bte Jschenkelknochen nicht h» 

spitztes Knochenstück, das n \ c ht von irgend einem der beiden Knochen 

Vcrbiudcj cu.4, d« » b .r . u ch ... i*»»^ ^ 10 

ubgMprcngt wur. A dich de« die oben ei»kh»tc«JBm*oli>Mch 




808 Kleinere Mitteilungen und Referate mos 2«i 

traumatisch bedingte Muskelentsündnngen (Myositis 
können, so mußte die Erkrankung als Unfallfolge aafgei 


Angeborener partieller Defekt der Ulna als TT] 
Von Dr. Ho ff mann-Stettin. Medizinische Klinik; 1911 
Einem 29jIhrigen Arbeiter fiel der eiserne Deckel 
Handgelenk, das sofort stark anschwoll. Der beb an de! 
Diagnose Verstauchung des linken Handgelenkes mit Brach 
der Elle. Verfasser bekam den Fall zur Begutachtung 
Handgelenk auffallende Veränderungen. Das Köpfchen < 
nicht su fühlen, ihr distales Endo lag 3 cm weiter oh 
Radiusende war verdickt, die Hand stand ulnarw&rts ab 
flexion war behindert, die Muskulatur des Kleinfinger balle 
Danach glaubte er, daß es sich um einen Bruch des dists 
handele, der wahrscheinlich mit Pseudoarthrogenbildung 
Röntgenaufnahme ergab aber, daß hier keine Verletzung, 
borene Verkürzung der linken Ulna um 8 cm, rudimentS 
distalen Gelenkeudes der Ulna und Verlängerung des Rad 
Seite vorlag. Das Os pisiforme war auffallend groß, das 
stand anscheinend aus zwei Teilen. Die anderen Ersehe! 
magerung des Kleinfingerbailens) waren Folgeerscheinungen 
Defektes. Eine Unfallentschädigung wurde daher abgelebt 


Beitrag ram Studium des Alten der Narben bei 
Von Dr. Gin. Antosnio Pozzo. Archivio di Antropologia er 
etc.; Band XXXI, Heft 3. 

Die Frage nach dem Alter der Narben ist in gerichti 
von großer Bedeutung. Es ist bekannt, daß alle Narben i 
Körper anhaften nnd von einem gewissen Zeitpunkt ab sfc 
finden. Man teilt deshalb die Narben ein in frische und 
nennt frische Narben solche, die nicht filter als 8 Monate sin 
die darüber hinaus reichen. So einfach aber läßt sich dies« 
machen. Die beiden Perioden einer Narbe sind abhängig 
Umständen, so daß die Dauer der ersten Periode, auch s 
Narbe genannt, verschieden lang sein kann. Zunächst kon 
ob die Heilung der ursprünglichen Wunde per primam od< 
erfolgte. Im ersten Fall entwickelt sich das Narbengewer 
geht die Evolution der Narbe schneller vor sich. An dem Au 
kann man erkennen, ob Heilung per primam oder secun 
erfolgte. Jede Narbe macht Farbenverändernngen vom i 
weißlich-glänzenden durch; nur selten bleiben die Narben dai 
Die Narben nach Heilnng durch Eiterrng sind größer, di 
anfangs prominenter. Von Bedeutung für das Eintreten d< 
Narben ist ferner die Ausdehnung and Tiefe der arsprünglii 
danach die betroffene Körperuegend nnd schließlich der all; 
beitsznstand des Individuums; so sind in letzterer Beziehung 
Tuberkulose, Diabetes, Albuminurie etc. wenig günstig ein 
Evolution der Narben. Im allgemeinen kann man bis sur 
Evolution einen Zeitraum von 8 Monaten bis zu einem Jat 
jedem einzelnen Fall sind aber die vorher erwähnten Um Stände 
su ziehen. 

Bei den Unfallverletznngen spielen bekanntlich schon rt 
gewesene Verletzungen eine Bolle. Dieser Umstand biete 
Gelegenheit, auch die Frage nach dem Alter von Narben ge 
und beantworten zu können. Indem aus dem Zustand der Narl 
man genau kennt, Rückschlüsse auf das Alter einer früher« 
kannten Alters gemacht werden können. Dr. Solbrig 


Begriff „Betriebsunfall“. Tod durch eine auf der I 
gezogene Influenza nicht als ein Im Dienst erlittener Betr 
erkannt. Urteil des Reichsgerichts (III. Z.-*' vom 2 



Kleinere Mitteilungen and Referate an» Zeitschriften. 


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Das Berufungsgericht steUt lest, daß der Oberpostinspektor N. sioh 
entweder die InflueSa, die schließlich seinen Tod herbeigeführt hat, wahrend 
der Dienstreise vom 14.-16. Januar EUgezogen hat oder den Krankheitskeim 
bei Beginn der Reise schon in sich trug, oder daß viellelchtdam^sdreKrank- 
heit schon bis *u einem gewissen Grade entwickelt war, daß *”® r . ”: e 

Witternngsnnbilden wahrend der Dienstreise den bösartigen, schließlich töd 
liefen Charakter der Krankheit bewirkt haben Das MjrtUjU 
weiter lest, daß eine Individnalisierung und zeitliche Begrenzung des «seibM 
liehen Ereignisses während der Boise nicht möglich ist, sondern d8 J 8i ®h “J' 
feststellen laßt, die Witternngsnnbilden während der ganzen Ihenstreise blttM 
entweder die Erkrankung oder die Verschlimmerungfeines 

herbeigeftthrt. Wenn das B. G. unter diesen Umständen einen im Dienste er 
littenen Betriebsnnfall im Sinne des Beamten-U.-Fttrs.-G. vom 18. Jnni 19M 
verneint, so ist dies nicht rechtsirrtttmlich. Denn ein solcher Betriebsunlau 
setzt (wie bei den übrigen UnfaUversicherungsgesetzen, ein 
Ereignis voraus, auf dessen plötzliche, nicht allmhMige E g 

Krankheit znrückzuführen ist, im Gegensatz zud< **Jf SJjggJjjL*“ die 
einem längeren Zeitraum sich verteilenden nachteiligen Einwirkungen ln ate 

Erscheinung tretenden gewerblichen Krankheit. 

Zur Annahme eines ursächlichen ZMMn.eabM.gs »^ehen Unfall 
und Kßrpersehldlgnng (Austreten einesLelstenbrnches)ist esnlchter 

forderlich, dass der Unfall die alleinige ürB “ c h®hüdet,sondern es^genügt, 
wenn er eine der znsammenwlrkenden >JJ t ?’fmZ.8M0 

wirkende Ursache darstellt. Urteil des Reichsgericht ( 

vom 8 D MM|mO n deg link s 8 eitigen Leistenbruches bei dem^äger^d.^b. 

eines Teils der Eingeweide durch die Bruch pforte des Le . ’ Unfalls 

Gelegenheit des vom Kläger am 26. September 1899 erlitten« UMaus 

erfolgt. Hiernach muß angenommen werden, daß dies oh Sach- 

mindestens nicht zn dieser Zeit geschehen wäre, wie denn auch aeröaen 
verständige 8t. ausdrücklich erklärt hat jener wirf 

daß, wenn keine Gelegenheit znm Hemrtret«. ^d« Bruch« gekommen^wa,, 

der Kläger noch lange seinen Dienst hatte **}* k ®“ rÄigtenbrnch auch dann 
der Annahme des B. G. der Boden entaogen, daß der Vielmehr hätte, 

entstanden wäre, wenn der Unfall re*Gelegenheit eintreten 

damit dies hätte geschehen können, eben eine an hrscbeinlicb- 

mflssen, und über die Notwendigkeit oder w!LteUt waren auch 

keit eines solchen Eintritts hat das Gerb*^nichts festgestem^ 
von dem Beklagten keine Behauptungen aufge»teilt I” *'WJiLll die un- 

aus jenem Gutachten der Sachverständigen hervor, daß de Uni a 

mittelbare Ursache der körperlichen B “? 8d jfXt zu de^r AnJahme des 
seiner Dienstunfäbigkeit geworden ist. Dies g Daß g der Bruch infolge des 
ursächlichen Zusammenhangs zwischen beiden. Daß der Brucn A * Uge 
Unfalls nicht hervorgetreten wäre, wenn der d»» dann 

dazu, eine sogen. Disposition besessen hätte, Ursachen znrückzuführen, 

war die Entstehung des Schadens eben auf zwei Ursacnen zu daß 

deren jede als mitwirkende *■ *5™** kam, una es rmc» 
deren eine eben der vom Kläger erlittene Unfall war. 

Ted eines wogen Amputation der Je?”taten In- 

gebrachten und ln der Genesung l J?[f*J_„^ , 2 ll f" e fgnete Behandlung 1« 
folge von Sch lagan fall, hervorgernfen d Yarhereltung begriffenen knrs 
Krankenhansc _ Transport bei einer *“ IJIh/C ZusnrS.enbnng mit 
vorher eingetretenen Hlrnblntnng , 8 ^J idurg de s Beichs-Ver- 
Betrlebsnnfall anerkannt, f'^VßlO Kompaß; 11910, Nr. 20. 
siekernngsamts vom 2. Juli 191 . _ ? ten ^Q Dnf n als Todesursache 
Nach dem vorliegenden Ä , r8t Thrombo3e (Bildung eines Blutgerinnsds) 

Kä£;2: sfSÜrÄÄ» »• - ä » 



810 Kleinere Mitteilungen and Referat« Man 2 . 

führten gewichtigen Umstünde, vor allem die bereit« 
Verkalkung, der Zustand, in dem sich der Verstorbene 
1908 befand, and die UnWahrscheinlichkeit, dnß dem c 
Dr. B. während der aehntigigen Behandlung die ISmfe 
und Embolie hätte entgehen können, sprechen tbersei 
Nacht iio 20. Jani oder doch am frühen Morgen di< 
blntnng sich vorbereitet hat and wahrscheinlich bereife 
daß dann während des Transports, der am 10 Uhr von 
bahre nach dom Verbandzimmer erfolgte, der Tod wahr 
Nachblatang eingetreten ist. Doch kann dies gans de 
bei beiden Arten der Todesursache eia arsächlidier Z 
Unfall vom 80. Mai 1908 anerkannt werden maß. Folg 
des Prof. Dr. M., so würde die Thrombose die direkt) 
Quetschung der linken Qroßzehe gewesen sein and die j 
weiteren Folge gehabt haben. Der ursächliche Zosan 
ohne weiteres gegeben sein. Folgt man aber der A.nsic 
so würde zwar die Gehirnblatang unabhängig von der 
Schlagaderverkalkong entstanden sein. Aber die den T< 
Nachblatang würde unter wesentlicher Mitwirkung d 
teilaahmlos im Bett liegenden Patienten auf die Tragi 
Portes nach dem Verbandszimmer eingetreten sein. Da 
Folge der Verletzung wäre«, so würde der durch sie 
wesentlich beschleunigte Tod gleichfalls in ursächliche] 
dem Unfall stehen. Nach dem Nachtragsgatachten das 
Dr. R. hätte bei dem Zustande, in dem der Verstörte 
morgens 6 Uhr vom Lazarettinspektor vorgefanden wt 
unter allen Umständen vermieden werden müssen. Denn d 
aof die in Vorbereitung begriffene oder gar schon erfolg 
erforderte eine absolute Bähe, am die etwa zam Stillsten« 
nicht von neaem anzuregen. Ein derartiger Transport ■ 
getretener Gehirnblatang war unter allen Umständen 1« 
den ärztlichen Darlegungen hat das B.-V.-A. die Ueberzei 
die zam Tode führende Gehirnblatang erst bei oder kurz 
Patienten aus dem Bett eingetreten ist, und zwar nicht n; 
Transporte zasammenfallend, sondern auch dnreh die da 
wegungen veranlaßt. Die Möglichkeit, daß der Tod noci 
port lediglich infolge der Schlagadervorkalknng eingetretei 
niobt ausgeschlossen, and d&nn würde ein ursächlicher 
dem Unfall oder der nachfolgenden Amputation der Zehe b 
bis zum Todestage wohl zu verneinen sein. Aber das 
daß der Zustand des Verstorbenen am Morgen des Todeeta, 
port bereits ein hoffnungsloser war. Dafür fehlte aber eii 
und diese könnte auch durch weitere Ermittelungen nie 
Denn dazu kann nur der von dem Lazarettinspektor beob 
wertet werden. Diesem fehlt aber die ausreichende B 
fassenden Beurteilung des von ihm beobachteten Zustände 
Patienten nicht als dem Tode verfallen erachtet bat, ergi 
der behandelnde Arzt Dr. B. sich durch dessen Bericht an 
gesehen hat, sofort den Patienten aufzusuchen, was er t 
gemäß getan haben würde, namentlich auch um den anf 
Transport zu verhindern. Auch die beiden Krankenwärter. 
Vornahmen, können jenen Eindruck noch nicht gehabt habe 
Arzt benachrichtigt haben würden. Das B.-V.-A. ist auf < 
Erwägungen zu demselben Ergebnis wie das Schiedsgericl 
der ursächliche Zusammenhang des Todes mit dem Unfall z 
Bekam ist danach nicht begründet. 


Dnreh unbegründete BegehrunggvonteUengei 
schwere Hysterie steht mit dem Unfall nicht In nrsäebl 
hang. Rekursentscheidung desReiehsversickei 
21. Mai 1910. 

Der Kläger leidet infolge des Unfalls vom 27. Jana 



Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


811 


Behinderung des rechten Daumens, für welche Ihm eine Teflrtnte von 16 •/• 
«gesprochen worden ist. Seinen Ansprneh anf eine höhere Rente gründet er 
auf eine nervöse Erkrankung, die in das Gebiet der Hysterie gehört and naeh 
dem Unfall aufgetreten ist. Ueber den ursächlichen Zusammenhang der Hy¬ 
sterie mit dem Unfall sind die Sachverständigen verschiedener Ansieht. Nach 
dem Gatachten des Prof. W. vom 24. Dezember 1908 and des Prof. Fl. vom 
14. März 1910 ist das Leiden dadurch entstanden, daß sich bei dem Kläger 
im Laufe der Behandlung der nnr geringfügigen örtlichen Folgen des Unfalls, 
wahrscheinlich nach unter dem Einflüsse seiner Familienangehörigen, der Ge¬ 
danke festgesetzt hat, er sei infolge des Unfalls dauernd krank, insbesondere 
magenleidend und völlig erwerbsunfähig. Gleichzeitig mit dieser Einbildung 
haben sich sog. Begehrungsvorstellungen entwickelt und dazu geführt, dal 
das 8treben nach einer möglichst hohen Unfallrente das ganze Denken and 
Handeln des Klägers beherrscht. Beide Aerzte sind auch der Ansicht, daß 
der Kläger die krankhaften Erscheinungen zum Teil vortäuscht. Dabei han¬ 
delt es sich nach der Auffassung des Prof. Fl. um eine bewußte Täuschung, 
nach Auffassung des Prof. W. dagegen um krankhafte, hysterisch-hypochon¬ 
drische Vorstellungen. Im übrigen erklärt Prof. W. das Leiden nicht für eine 
entschädigungspflichtige Bentenkampfhysterie, während Prof. FL mit Aus¬ 
führungen, die zum Teil das medizinische Gebiet verlassen und auch den 
Akteninhalt nicht zutreffend würdigen, in dieser Hinsicht Zweifel äußert, ohne 
jedoch für die Annahme eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen Unfall 
und Nervenleiden stichhaltige Gründe vorzubringen. 

Das R.-V.-A. hat sich dem Endergebnis dieser auf eingehender Beobach¬ 
tung von Autoritäten auf dem Gebiet der Nervenheilkunde erstatteten Gut¬ 
achten angeschlossen und hat angenommen, daß die Hysterie des Klägers 
allerdings im zeitlichen Zusammenhänge mit dem Unfall aufgetreten ist. Da¬ 
gegen besteht nur eine entfernte Möglichkeit dafür, daß sie mit dem Unfälle 
ursächlich zasammenhängt. Ein solcher Zusammenhang konnte um so weniger 
angenommen werden, als der Kläger von der BerufsgenossenBehaft für die 
Folgen der Handverletzung ohne weiteres die naeh den insoweit übereinstim¬ 
menden Gutachten angemessene Teilrente von 15°/ 0 durch den Bescheid vom 
31. Januar 1908 erhalten hat, die Berufsgenossenschaft auch hinsichtlich der 
KrankenhauBbehandlung und der Angehörigenrente seinen berechtigten For¬ 
derungen von selbst nachgekommen ist, und von der Beklagten bisher kein 
Versuch gemacht worden ist, dem Kläger die Teilrente von 16°/« zu entziehen. 
Wenn daher das nervöse Leiden des Klägers durch seine Bemühungen, eine 
höhere Rente zu erlangen, oder durch Aufregungen, die das Rentenfeststellungs¬ 
verfahren sonstwie mit sich bringt, verschlimmert worden sein sollte, so ban¬ 
delt es sich nioht um einen Schaden, der durch den Unfall und seine Folgen 
bedingt worden ist, sondern der lediglich in unbegründeten Begefarungsvor- 
stellungen des Klägers seine Ursache hat. Für einen derartigen Schaden hat 
aber die Berufsgenossenschaft nicht aufzukommen. 


Die ln den allgemeinen Yerslobernngsbedingungen einer Privat- 
unfallreraicherungsgesellscbaft für strittige Fälle vorgesehene ärztliche 
Sachverständigen.Kommission setzt eine gemeinsame Beratung voraus, die 
durch Einzelgatachten ihrer Mitglieder nicht ersetzt werden knnn. Ur¬ 
teil des Reichsgerichts (VII Z.*S.) vom 27. Mai 1910. 

Kläger, der bei der Beklagten gegen Unfall versichert war, fiel am 
22. März 1903 die zu seiner Wohnung gehörige Kellertreppe hinunter. 
Einige Tage darauf trat bei ihm Glaukom des rechten Auges auf. Kläger 
zeigte den Unfall und diese Folgeerscheinung vorschriftsmäßig der Be¬ 
klagten an und forderte die policenmäßige Entschädigung. Es kam zur 
Bestellung einer Sachverständigen-Kommission gemäß g 13 der Allgemeinen 
Versicherungsbedingungen. Die Kommission trat zusammen, gab aber keine 
gemeinsame Entscheidung ab, sondern die einzelnen Mitglieder äußerten sich 
in besonderen Gutachten. Auf Grund dieser Aeußerungen verweigerte die 
Beklagte jede Entschädigung, wurde aber auf die erhobene Anklage verurteilt; 
die Revision warde zarückgewiesen. Nach dem angezogenen g 13 soll „eine 
Kommission von drei Aerzten“ über die Frage, ob die Invalidität und in 
welchem Grade die unmittelbare Folge dee Unfalls ist, sowie über die Höhe 



812 Kleiner« Mitteilungen und Referate tos 'Ijnw. 

. 

der Entschädigung für vorübergehende GewerbsunfShigkeii 
Bestimmung k&ns nach ihrem Wortlaut und mit dem ih 
mit dem Berolungwicbter nur dahin verstanden werdoa, 
wählten Jtereie ’su einer gn.m«inenmen Be vttau 
und' der«» Ergebnis *1* Btaurcbeidufig der Kommisstot 
teo. gemeinsamen Ankspfaßh bakanotxagebe*■ h 
nicht genügt, worb, wie es vaaiißgeod nach den mit $ 
nicht «ngefffiftmen FesteteBsaeen des Bardungärkhlen 
einzelnen SommiseionaiaitglledBr in getrennten guUch 
ihr© Auffassung ett den eiäxelnen Fragen dariegon, nnd e 
dem Gericht überlassen, auf Grund dieser Eiuzelpfcacbt« 
and io wi* weit tu den -.4a* EftBi^elduog' der'Ähmm' 
Fragen eine «tnstimmige oder doch eine ton d« Äehrl 
mUgüeder vertrat'oen Ansicht »aageeprochen ist. Bä 
Regenden ergabnlsiosae Verlauf da«' KtttnaiadonshesteV 
M»tau»s« mit Hecht sich nanmahr fttt heiagt erachtet,: 
| 13 »ttfgefhhrtön Frageo tu entaeheHen. 

Ein städtischer Desinfektor Ist nach dem ünf&i 
nicht rersiehrrongspflichlfg» BeknrsenUcheiduz 
sicherungeamii« vom 7. Juni 1910. 


B. Bakteriologie, Xttfo%rüanekrankh«lt»a u 

Sauititaweteu, 

1. BeAAmpfunp ddrlafektlcmakr&n 
n. Scharlach. 

Return cksps hei Seimflarb; eine loaijse to 
R itcbie, M. B, Cb, B. v 0. P. 8L senior raedicxl 
Edinburgh. Public beslth; XXIII, 1910, Nr. 9. 

Ala „Return cases“ bezeichnet man Jene Sehr 
Wohnung aqftrctnn, in weich» ln den voraufgegaugen 
stxndeoem Scharlach ein Patient entlassen worden 

Die Dntefsudhungon des Verfasser«, die Im l 
(Cfcelanu: D. C. B. K e r) auageführt. wurden, führten 

1, Die Hdefigkeit tob Return cases ist beeo 
5 Lehensjähren. Die Schule wirkt In diesem Alter 
hrdtang des Scharlach ein, auch andere Anateckuugag' 
Kinder sind dagegen in dieseta Alter besonder» da 
Wenn ein. Scharlach rekonTaleaxent sru ihnen hr die W 

9. Die Sterblichkeit der Baturo caans ist 
übrigen SchajiachfSlk. Mi Har d dagegen hatte an 
*5 s i\ ■ £<'4.Ä*/4, Die Zahloa des Autors sind rA.nl 

lalle sss 2,12%, während di« Darchschniitwaier bll 
Krankenhäusern an Scharlach 1905—1908 2,78*/« w 

3. B°t den inöäieraadeu Falles und den Ttc 
größere Häufigkeit an Sehartaehkömplikatjooan (Ota 
entaündang). als bei den danihschttiUticben Scharia 

4. Ein bestimmter Anteil der j.-geoaanteä 
iichkeit nur ein zufälliges Zusammentreffen. 

5. Die Bäcfckehr ln uahygteflirdia Wohaa»; 
mal die Urehnhe da! ftr «sui, daß esu KraektjT. den b 
hauaea nicht assteckUttgUtihig war, wieder asattm 
Hinsicht rat folgende Re-obachiaag von lutereese 

»> Die ArMfen Von D, & KiÜick Miliar 
Erörterung im EinSnegcq der K ranken b.acusisalit'rt 
in in dieser Z»äfc«cbiift besprochen worden t 1901, 
S, 078 und 1904, & I9S. 

. *) Daa KTanfcenhaos ist von W^hmer i» 

■ : '^ÖlJU:-;lfodi*In j 1910, X Sappl., S. 104 geardtild.) 

, 



818 


Miebüfat 


Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


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1908 wurden in das Rekonvaleszentenheim In Campte 1562 Rekonvaleszenten 
nach Scharlach und 1825 nach anderen Übertragbaren Krankheiten gesandt* 
Von jenen waren 25, die nach ihrer Rückkehr in die eigene Wohnung aus 
Campie, dort zum Aultreten von Scharlach Veranlassung gaben. Unter den 
Rekonvaleszenten nach anderen Krankheiten erkrankten bei den guten hygieni¬ 
schen Verhältnissen des Genesungsheimes an Scharlach nur 2. Allerdings ist 
die Bevölkerung hier für Scharlach nicht sehr empfänglich. Das Verhältnis 
von 25 :2 gibt indessen doch einen Hafistab lür die Wichtigkeit ungesunder 
Wohnun cs Verhältnisse bei der Weiterverbreitung des Scharlachs. 

Dr. H a y e r - Simmern- 


gehäufte Fälle der „Vierten Krankheit«. Von Richard Prichard, 
M. D., D. P. H., Medical offleer of health, Llandaff rural district. Public health, 

Nachdem Ti etze-Schwarzenberg in Nr. 1B dieser Zeitschrift eine Bc- 
ßprechung der Frage der -Vierten Krankheit“ wieder eingeleitet hat, dürfte 
eine Wiedergabe der Erfahrungen des Autors yon lnteresse sein. Bei der 
.Vierten Krankheit“ sind die Flecke größer und isoliert, wahrend sie bei 
Scharlach kleine, rosafarbene Punkte darstellen, die eng aneinander stehen 
und bald verschmelzen. Die Flecke sind nicht so erhaben, wie bei Masern Md 
Röteln; sie treten am zweiten Tage der Krankheit, und zwar zuerst im Ge¬ 
sicht auf, während am Stamm nur spärliche, an den Gliedern 
Paukte vorhanden sind. Am dritten Tage schwindet bei der „Vierten Krank¬ 
heit“ der Ausschlag im Gesicht; am Körper findet sich nun eine Rötang,, an 
den Gliedmaßen erscheinen Fleckchen und Papeln. Am Stamm ähnelt die 
gleichmäßige Eruption dem Scharlach, verschwindet aber nicht so r “ ch ™*® r 
lingerdrucl. Der Aasschlag geht wie eine Welle TOzKoplM .iFdßen. 

An den Gliedmaßen verschmelzen die Punkte nlcht zu BOt* 

Angina findet sich nur im Beginn und kt unbedeutend; die Tempe- 
ratursteigerung ist nicht sehr ausgeprägt und dauert tTag. Der Pols ist 
wenig beschleunigt. Die Abschuppang ist geringer, als bei den milden Schar 

laehfäilen; leicht kleienförmig um den Stamm. . . T « 

Die genaue Diagnose ist besonders wichtig bei Aufnahme in kolier- 
krankenbäuaer mit nicht ausreichend vorhandenen, getrennten 
jeden Kranken. Es besteht hier die Gefahr der Weiterverbreitang. Em K 
mit .Vierter Krankheit“, das irrtümlich in einen Scharlachpayilloii gelegt 
wird, erkrankt an Scharlach, überträgt aber die „Vierte Krankheit auf andere 

Kinder.^ ^ pjU en des Verfassers wurde 7mal die Diagnose *uf 8skmhmä 
gestellt* die Kinder wurden in die Scharlachräume eingeüefert. 2 erkrankten 
ÄÄ!kch nlrtäd, die »deren k..»«. fad, tot- 
werden Eines von diesen erkrankte nach 2 Monaten an Scharlach, ln sechs 
anderen Fällen hatte der Arzt die richtige Diagnose gestellt; diese wurdea 
zu Hause behandelt. Auch die Oberin des fsolierkrankenhauseB des Autors 
war in der Diagnosestellung so gut geschult, daß sie die A^aahme yon 
Fällen der „Vierten Krankheit“ mit der richtigen Versteht/^sXme^ * 
regeln konnte. __ * * 


b. Tuberkulose. 

rr.f—» 41. üArdreaktion bei der subkutaueu Tuberknllnprobe und 
ihr« |fed.«t..g Or dder V» 

Dr. 0 nicht in jedem Feil,' wo Lnngenapitnen. 

ver»«-irrnnSnTefMden werden, berechtigt und verpflichtet sind, therapeutisch 

veräaderangen gefunden wera^, ^ Qm 1 ' friBch0) aktiy tuberkulöse 

^zugreifen, Bondern nur da ün t 0 rBachung und das ßöntgenverfahren 

Prozesse handelt Die pby^« Aa(jdeh tuberkulöser Spitzenverändeiungen 

geben nun wohl über Lage an * Altw ^ er(ar ei t * ich am besten die 
Aufschiuß, ^er nicbt tiber ^ DQbeQ einer in t on8 unten Stichreakiion und 

If B b A kQ t“fl T AUgemeinreaktion eine Herdreaktion am erkrankten 

gner häufigen fieberhaften AUg ß ^ {rlBch ^ Verfasser hat bei 824Fälten 

ÄbSune WertaSinprob« nn.gelnh.ti 197 - 60,6-/. »i«*" nUgemeine 



814 


Kleiner« Mitteilungen and Bef ent« au Zeits 


and Herdreaktion, S54 = 7,8 •/ • nur Herdmktiu, 76 = 2 
reaktioa and 27 = 8,8 •/• gir keine Buktks aaL A 
ffthrungea kommt Verfasser za folgenden Schloß: 

1) Die physikalische Unterweisung, insbesondere d 
Böatgenverfahrea gehen ans über die Lage and Audehi 
herdä bei Laagenspitsentaberkalose aut weitgehender < 
Ueber Aktivität and lenktirität des Grades vermögen 
emucheidea 

2) ln dieser Frage entscheidet bei der Kochach 
Herdreaktion am zuverlässigsten. 

8) Die 8tichreaktion and die Allgemeiuesktion 1 
können dagegen diese Frage nicht oder sicht sicher 
genug entscheiden. 

4) Wird die Kinleitnng der Therapie von dem A 
Taberkolinprobe abhängig gemacht, dann ist dar Aui 
entscheidend. 


Die klinische Bedentnng der Tsherkalln-Res 
aenea Menschen. Von Dr. J. Bitter-Ednnndstal. k 
Bd. I, H. 8. 

Der positive Ausfall einer Taberkolinreaktion be 
eines tuberkolOaen Herdes im KOrper. Je frischer der 
and heftiger tritt die Beaktion eia. Der negative Ai 
sehen Beaktion mit 100°/o Tuberkulin und der sabkati 
bis sa 10 mg lädt eine tuberkulöse, irgendwie bekam 
kong unwahrscheinlich erscheinen; doch kommen hier 
Die Ausnahmen nehmen bei Anwendung des 25°/,-T 
Der negative Ausfall der Koojunktivalreaktiom (auc 
beweist nichts gegen eine .aktive“ Tuberkulose. Dl 
Menschen* und Bindertuberkulose gemischten Tuberk 
Morosche Beaktion bietet recht unsichere Ergebnis 
Alle Tuberkulinreaktionen heben nur Bedeute 
Ergebnissen sorgfältiger klinischer Untersuchung. ( 
oder alte Infektion mit Tuberkulose von Bedeutung 
nur der Kliniker entscheiden. Neben der physika 
Lunge gibt dabei die genaue Erhebung der Anamni 
achten g des Körpergewichtes, der Körperwärme und 
und Aus warf einen viel genaueren Aufschluß über „i 
Erkrankung, als dies durch irgend eins Bnuktlou n 

Dr. V 


Hlmegleblubestlmmuugeu bei Tuberkulös« 
DIfferensia 1 dlagnose iwiscben Tuberknlese und < 
graf-Bremerhaven. Fortschritte der Medizin; 19 
Nach den Untersuchungen von Limb eck 
die Tuberkulose Veränderungen der Blatbeschal 
Studium der Erkrankang verschieden sind. Im 
meistens die Symptome der leichten Anämie, bei F 
Befund einer Chlorose. Von diesen Tatsachen a 
leitender Arzt der Beobachtungs- oder Taberknlii 
bei einer ganzen Reihe von Frauen, die mit der I 
Bleichsucht geschickt waren, eingehende Untervuc 
der Tuberkulose zur Chlorose angestellt. Im 
Patientinnen Taberkulinprobeeinspritzungem, auf 
kuloseverdächdgen eine Lungensiätten-Bedtirftig: 
Chlorotischen mit oder ohne tuberkulösen Verdate 
70,7*/« feststellte. Daraus schließt Verfasser, < 
der Chlorose eise versteckte Tuberkulose ist, und 
Bll lu rmitt mH s:ans besonderer Soti *i.lt a nf Li 

"Lai 1 Xi.-_»j- 1. - L.. - — I— ■ 



Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


815 


maß in den Anstalten für Bleichsüchtige eingehender auf Tuberkulose gefahndet 
werden, damit diese in Lungenheilstätten verlegt werden können. 

_ Rpd. jun. 

Klinische Gegenüberstellung der Aufnahmebefende In der Elsen« 
babnbellntfttte Stadtwald und der bahnkaHsen&ritlichem Ueberwelsungs- 
gutaehten. Von Br. 8türm. Zeitschrift f. Bahnärzte; 1910, Nr. 7. 

Die großen Unterschiede in den gegenseitigen Befanden liegen zunächst 
in den Ergebnissen der Perkussion und Auskultation. Verfasser schildert 
daher die dort geübten Methoden. Mit einer Untersuchung darf man sich 
in der R^gel nicht zufrieden geben, ebenso nicht mit einer Untersuchung ohne 
Hastenlassen. 8tets muß man den Patienten, nachdem man ihn bei mäßig 
tiefer Atmung auskultiert hat, bei der nochmaligen Untersuchung zum Hasten 
auffordern und gleichzeitig über den verdächtigen Lungenstellen auskoltieren. 
Schon die Anamnese bietet uns wenigstens Anhaltspunkte, ob wir an Tuber« 
kulose denken müssen. Macht der Patient selbst bei der Inspektion einen 
matten, schlaffen, körperlich schwächlichen oder herabgekommenen Eindruck, 
und hat die klinische Untersuchung einen minimalen, auf Tuberkulose nur 
verdächtigen Befand ergeben, so werden wir nach dem Erreger der Tuber« 
kulose im Sputum suchen, ln den meisten Fällen wird es im Frühstadium 
nioht gelingen, Tuberkelbazillen nachzuweisen aus einfachen anatomischen 
Gründen. Einen Fortschritt in der bakteriologischen Diagnostik bedeutet die 
Uhlenhuth8che Antiforminmethode, die auch vereinzelte Tuberkelbazillen 
im Spatum nach weisen läßt. Gelingt der Bazillennachweis im 8patum nicht, 
ao kommt in klinisch zweifelhaften Fällen die Tuberkulin*Diagnose zur An« 
Wendung. 

Vor der neuesten Wolf«Eisnerschen Modifikation der Konjonktival* 
reaktion, der Einbringung einer Tuberkulinsalbe in den Konjanktivahack, 
warnt Verfasser ganz besonders und eindringlich. Die souveränste Methode 
der Taberkulindiagnostik ist auch für den Praktiker die subkutane In« 
jektion von Alttuberkulin. Man injiziert am besten unterhalb der Schulter¬ 
blätter, zuorst 0,0002 ( 2 /i# mg), als zweite Dosis 0,001 (1 mg), dann 0,005 (5 mg), 
als Enddosis 0,01 (10 mg) in je zweitägigen Intervallen; wenn auf die vorher¬ 
gehende Injektion gar keine Steigerung erfolgt, sowie bei geringem oder zweifel¬ 
haftem Anstieg steigert man nicht, sondern injiziert die gleiche Menge Tuber¬ 
kulin nochmals. Als Diagnosticom erscheint, sowohl nach den wenigen darüber 
bis jetzt erschienenen Arbeiten, als auch nach eigenen Versuchen noch die besten 
Resultate die KobragiftaktiVierungsmethode nach Galmette zu geben. Die 
Komplementbindungsmethode analog der bekannten Wasser mann sehen Reak¬ 
tion bei Lues ist als Frühdiagnosticam verwertbar, während sie der Feststellung 
der Antikörper* Bildung und Vermehrung im Verlaufe der Tuberkalinbehandluag 
bereits eine Bolle spielt. Die Agglutination versagt nach den Ergebnissen voll¬ 
ständig als DiagnosUcum. Das Röntgenverfahren wird in Fällen, in denen sich 
die tuberkulösen Veränderungen als Infiltration oder Schrumpfung mit Retraktion 
oder als Induration äußern, wertvolle Hinweise geben, ebenso bei der Prüfung 
der Verschieblichkeit der unteren Lungengrenzen. Dagegen zeigt das Röntgen- 
bild Katarrh allein nicht an. Für hochfiebernde, bettlägerige, fast präagonale 
Phthisiker bleibt nur das Krankenhaus. Natürlich gehören sie meist aus 
ihrer Umgebung, wo sie die größte Infektionsgefahr bilden, heraus, aber nicht 
in die Heilstätte. Daß aus denselben Gründen Tuberkulöse mit schweren 
komplizierenden Darm*, Nieren* und anderen Organstörungen nicht in die Heil¬ 
stätte geschickt werdon dürfen, ist wohl ebenfalls klar; auch sie erfüllen nicht 
die Voraussetzungen lür die Uebernahme des Heilverfahrens. Aehnlich ist es 
mit der Kehlkopftuberkulose. Nur die kompensierten leichteren Herzfehler 
bilden an und für sich keine Gegenindikation zur Heilstättenkur. Darüber, 
daß da Morphinist nicht in die Heilstätte gehört, wird kein Zweifel bestehen. 

_ Dr. Wolf- Wittenhausen. 

Sehuti des Säuglings und Kindes vor tuberkulöser Infektion. Von 
Dr. Mallinckrodt-Elberfeld. Zeitschrift f. Säuglingsfürsorge; 19i0, Nr.8. 

Gründliche Belehrung erkrankter Eltern, wie sie sich gegenüber ihren 
Kindern verhalten sollen, falls vollständige Trennung nicht durchführbar ist; 



816 


Kleinere Mitteilungen und Beferate au 


Uebertragung der bisher nur bei Ammes geübten 1 
w&rterinnen und -pflegerinnen, genane Berücksichtig 
Verhältnisse nicht nur der Pflegemütter, sondern 
stände gehörigen Personen bei Erteilung der Erlau 
hindern, Brach mit dem alten Vorurteil, nach der 
kalose“ als unaussprechlich an betrachten und di 
falose", .Drüsen“ nsw. su verschleiern. Dr. 1 


Tuberkulose und Beruf. Krebs und Tube 
statistischer Bestehung mit besonderer Berät 
Von Beg.- und Geh. Med.-Bat Dr. Bobert Behla. 
richten des Kgl. preuß. Statistischen Landesamts; 

Die Beziehungen der Tuberkulose znm 
facher als bei der Krebskrankheit. Es ist bereits 1 
Berufe, die häufig Gelegenheit zur Aufnahme d< 
(Aerzte, Krankenpfleger) und solche, die durch £ 
einen Beizzustand der Lunge unierualten, sehr i 
befallen sind als andere Berufe. 

Auf 10000 erwerbstätige Männer des Jahre 
die Taberkalosesterblichkeit der wichtigsten £ 
Linie folgendermaßen: Armee und Kriegsflotte: 2, 
Erziehung und Onterricht: 12,6, Forstwirtschaft 
heitspflege und Krankendienst: 14,8, Bergbau etc 
Baugewerbe: 20,0, Metallverarbeitung: 22,3, Gas 
Häusliche Dienste: 57,1, Künstliche Gewerbe: 61 
Im Gegensatz zum Krebs ist die ländliche 
als die Industrietreibende, fernerhin sind die l 
betroffen als die niederen Schichten. 

Beim statistischen Vergleich von Tub 
sich, daß die Tuberkulose ab-, und der Krebs sunii 
das weibliche Geschlecht stärker befallen, bei 
allgemein — in manchen Lebensabschnitten i 
männliche Geschlecht. Weder beim am Einzel 
sichtigung der Verteilung von Krebs und Tal 
Völker wird man erkennen, daß eine Krankheit 
gibt es auch tuberkuiosereiche Berufe, die star 
und umgekehrt. Faßt man den Krebs als pari 
seine Kontagiosität jedenfalls nur als sehr gerii 
Eine allgemeine Prophylaxe des Kn 
Man wird aber bis zu einem gewissen Grade eine 
treiben können, indem man am eigenen Körper 
läßt, die notorisch der Entwicklung des Krebst 
Beseitigung chronischer Katarrhe, gutartiger G 
allgemeine Körperpflege etc. Für dio Wirke 
spricht u. a. der Backgang des Krebses in mi 
seit Einführung zweckentsprechender Gegenma 
Anilinfabriken und Steinkohlenbrikettfabriken 
hygienische Einrichtungen erheblich aurttckgeg 


c. Milzbrand 
Das Problem der Milzbrandinfektion. 

medizinische Wochenschrift; 1910, Nr. 27. 

Das Tier resp. der Mensch besitzt in 
und Säfte wirksame Schutzkräfte, durch die d 
Teil vernichtet werden; dio überlebenden we 
nötigt, die dem Einflüsse dar Schutzkräfte we 
sie während einer gewissen, einer Art Inkat 
Hier vollzieht sich eine, schon morphologisc 
Bazillen, die man als eine Krankheit anapr 
infizierten Organismus herbeigeführt wird. i 



Kleinere Mitteilungen and Referate aas Zeitschriften. 817 

in der Ausscheidung einer Kapsel, die auf abnorme Sekretionen, auf eine 
Veränderung der Ausscheidungen hindeutet. Es ist anaunehmen, daß es 
außer diesen mikroskopisch sichtbaren noch andere Sekretionen gibt, die 
man nicht mehr sehen, sondern nur an ihrer Wirkungsweise erkennen kann. 
Diese Bakteriensekrete sammeln sich zuerst im kleinen Umkreise, nehmen 
immer mehr zu und gehen schließlich in den Kreislauf Uber. UeberaU, wohin 
sie gelangen, lähmen sie die sonst so wirksamen Schatzkräfte, bis der ganze 
Organismus wehrlos ist; er ist physiologisch tot, noch ehe irgend ein Krank* 
heitszeichen sichtbar ist, das Tier, dessen Lebensundurchdringlichkeit beseitigt 
ist, ist nur noch Nährmaterial für den Milzbrand. Schließlich erfolgt der Tod 
des Tieres bei Übermäßiger ßazillenwacherang durch eine Störung der Körper* 
funktionen, über deren Einzelheiten noch fast nichts bekannt ist. 

Daß die Lieferung der Verteidigungsmittel tatsächlich durch Fernwir* 
kung erfolgt, ergibt sich nach Ansicht des Verfassers aus dem Umstand, daß 
das Peritonealexsudat eines infizierten Tieres seine Bakterizidie yerloren oder 
doch vermindert hat, noch ehe die Bazillen selbst dahin vorgedrungen sind. 

_ Rpd. jun. 


d. Pellagra. 

Zur Pathogenese der Pellagra. Von H. Baubitschek in Czernowitz. 
Wiener klinische Wochenschrift; 1910, Nr. 26. 

R. hat zunächst Untersuchungen darüber angestellt, ob durch bakterielle 
Einflüsse Mais derart verändert werden kann, daß dadurch toxische Produkte, 
die zur Entwicklung der Pellagra führen, entstehen können. Alle einschlägigen 
Untersuchungen führten zu einem negativen Resultat. 

Auch die Untersuchung des Stuhlganges, die bakteriologische Prüfung 
von Leichenteilen und die serologischen Methoden führten zu völlig negativen 
Ergebnissen. Die Versuchsresultate haben nur insofern Wert, alB sie zeigen, 
daß keine der bisher angeführten Theorien den tatsächlichen Verhältnissen 
Rechnung trägt. 

Ein neuerdings beschriebenes Krankheitsbild, der Fagopyrismus, ver* 
anlaßte den Verfasser dazu, Untersuchungen in der Richtung dieses, der 
Pellagra sehr ähnlichen Krankheitsbildes anzustellen. Der Eagopyrismns tritt 
bei weißen, mit Buchweizen gefutterten Tieren auf, die gleichzeitig dem Lichte 
ausgesetzt werden. Er äußert sich ebenso wie die Pellagra in Haarausfall, 
Abmagerung und bis zum Tode führenden Lähmungserscheinungen. Bei dunkel 
gefärbten Tieren oder solchen mit Buchweizen gefütterten Tieren, die im 
Dunkeln gehalten werden, tritt der Fagopyrismus nicht auf. 

Es zeigte sich bei den zahlreichen, an weißen Mäusen ausgeführten 
Versuchen, daß die nur mit Mais oder Reis gefütterten und dem Lichte aus- 
gesetzten Tiere unter den Erscheinungen von Abmagerung und Lähmung in 
8—21 Tagen zugrunde gingen, während die gefärbten Tiere am Leben blieben. 
Auch gelang es solche Tiere, die bereits leichte Krankheitserscheinungen 
zeigten, ohne Aenderung der Kost am Leben zu erhalten, wenn sie aus dem 
Hellen ins Dunkele gebracht wurden. 

Aus diesen Versuchen zieht Verfasser den Schluß, daß die Ernährung 
mit Mais von guter oder schlechter Qualität an und für sich nicht pellgrogen 
wirkt, daß aber unter dem Einfluß des Sonnenlichtes bei vorwiegender Mais¬ 
ernährung, . wahrscheinlich aus den alkoholiöslichen Anteilen deB Kornes 
(Lipoiden), an den dem Sonnenlicht aasgesetzten Partien der Haut eine Noxe 
entsteht, die neben den lokalen Hauterscheinungen auch auf den Gesamt* 
Organismus deletär wirkt. Dr. Dohrn*Hannover. 


e. Krebs. 

Theorien und Experimente hinsichtlieh der Aetlologie der malignen 
Tumoren. Von Prof. Aless. Lustig-Florenz. Lo Sperimentale, Archivio di 
Biologin normale e patalogica; 1910, H. 2. 

Der auf dem Gebiet der Pathologie hervorragende italienische Forscher 
wirft hier einen kritischen Blick auf die Ergebnisse der Forschungen über die 
Aetlologie der malignen Tumoren, wobei er die verschiedenen Theorien durch¬ 
geht. Er kommt dabei zu dem Ergebnis, daß man mit Ehrlich zugeben 



818 


Kleinere Mitteilungen und Referate »ns Zeit 1 


muß, daß es nicht eine alleinige Ursache für diese Nen 
mehr Reiz Wirkungen, abgeirrte Keime nnd innere org&ni 
Bedeutung in der Aetiologie besitzen. Za den ßeizwi 
solche physikalischer oder chemischer Art, als auch org 
siten mit direkter oder vermittels ihrer Prodakte ert 
za rechnen. Bei allen Fortschritten, die die Wissem 
Jahren aafzaweisen hat, maß man zagestehen, daß das 
Tumoren noch in Dankei gehüllt ist. Es bleibt aber 
gelingt, wie bei anderen Krankheiten, noch gegen die 
dangen einmal eine Immunisierung za erfinden. Dr. 


Krebs and Beruf. Von Reg.- u. Geh.-Meä.-R 
zinalstatistische Nachrichten des Kgl. prenß. Statistische 
Die Sterblichkeit an Krebs hat von den Jahren 
eine Zunahme erfahren. Es starben 1907 im Gänsen 
Männer, 18 730 Fraaen). Im Jahre 1908 starben 26602' 
14051 Fraaen). 

Daß der Krebs in manchen Berofen bestimmte 
weise befällt, ist bekannt. So kennen wir den Hand« 
den Scrotalkrebs der Schornsteinfeger, den Blasenkret 
den Händekrebs der mit Röntgenstrablen beschäftigte 
Will man das verschieden häufige Bufallensein 
statistisch beleuchten, so ist das mit großen Schwierii 
Berafsgruppe wie das Militär, der vorwiegend jagend] 
ist naturgemäß sehr viel weniger von Krobs heimgest 
der „Berufslosen“, za der Pensionäre, Rentner nnd soi 
Stofen zugehörige Personen zählen. 

Unter den beiden Haaptgrappen ist die Landw 
als die Industrie. Besonders der Haatkrebs bevorzi 
kerang. Gesichts- and Unterlippenkrebs sind hier b 
kerang erheblich häufiger als in der Stadt. Auch i 
Länder kofnmt das vorwiegende Befallensein der läi 
Ausdruck. So findet man hauptsächlich betroffen di 
Kleinhäusler, Tagelöhners. Auch die Forstwirtschi 
talität, ebenso wie die mit der Holzbearbeitung bc 
Erheblich seltener ist der Krebs im Bergbau, in d 
schlnenindustrie, der chemischen Industrie und den 
Wenn man die soziale Schichtung der Bei 
so scheinen die höheren Stände mehr von Krebs he 
niederen. Auch herrscht in den einzelnen Ständen 
vor als in der anderen, so der Darm- und Brustkr 
der Gesichts- und Gebärmutterkrebs mehr in den i 
Die äußerst inhaltsreichen Ausführungen, d 
Betonung der subjektiven Auffassung der Krebst 
halten, gipfeln darin, daß der Krebs als eine para 
ist, dessen Pilz besondere Beziehungen zur Feuch 

D 


ft. Nahrnngsmlttelhyg] 
Die Flelsehverglftungsepldemie in St* Jol 
Bacillus enterttidls Gärtner (Paratyphna G&rti 
in Hagenau i. E. Klinisches Jahrbuch; 1910, Bd 
Nach dem Genuß von Ochsenfleisch, das v< 
notgeschlachteten Tiere stammte, erkrankte eii 
heftigen Leibschmerzen, Durchfällen und mehrere 
Todesfälle kamen nicht vor. Das Fleisch war 
oder gebratenem Zustand genossen. Die Kts 
jedoch in denjenigen Fällen meistens ans, in de 
reitung des Fleisches z. B. durch langes Kochen 
Bd der bakteriologischen Untersuchung 
proben wurden 91 mal (71 bezw. 20mal) Gärtne: 



Besprechungen. 


819 


größte Zahl der positiven Besaitete lieferten die Untersuchungen der ersten 
Krankheitswoche. Auch bei anscheinend Gesunden, die von dem Fleisch 
gegessen hatten, wurden mehrfach Bazillen gefunden. 

Bei der serologischen Untersuchung fiel wieder die starke Mitagglutina- 
tion von Typhus bei den Gärtner bazilleninfektionen auf, eine für die 
Differentialdiagnose und Bewertung der Wi da Ischen Beaktion sehr wichtige 
Tatsache. Zar Verhütung derartiger Epidemieen würde eine Vervollständigung 
der Fleischbeschau durch die bakteriologische Untersuchung beitragen; jedoch 
steilen sich ihrer praktischen Durchführung, zumal in ländlichen Verhältnissen, 
erhebliche Schwierigkeiten entgegen. Die Infektion mit den Gärtnersehen 
Bazillen läßt sich jedenfalls vermeiden, wenn das verdächtige Fleisch in allen 
seinen Teilen auf hohe Temperaturen gebracht wird, welche die eingeschossenen 
Bakterien wirklich abtüten. Hierdurch wird die rasch fortschreitende Infektion 
des Menschen verhindert, auf deren Wirkung die beschriebene Epidemie zurück- 
zuführen war, während die Intoxikation keine Bolle spielte. 

Dr. Dohm-Hannover. 


Ueber die AbtStnng pathogener Keime durch Bestrahlung der Milch 
mit ultraviolettem Licht. Von Dr. Seiffert-Leipzig. Fortschritte der 
Medizin; 1910, Nr. 29. 

Verfasser beschäftigt sich schon seit langen Jahren mit Versuchen, die 
desinfizierende Wirkung des Lichtes technisch verwertbar zu machen. Lange 
Zeit erzielte er keine brauchbaren Besultate, da es mit erheblichen technischen 
Schwierigkeiten verknüpft war, die Strahlen der Sonne, die bakterientütend 
wirken, durch ultraviolette Strahlen künstlich herzustellen. Daß diese Strahlen 
bakterientütend wirken, ohne einen nachteiligen Einfluß auf die Milch auszuüben, 
hatte Lobeck durch eingehende Untersuchungen bewiesen. Durch die Erfindung 
der Quecksilberdampflampe und besonders der Qaarzqaecksilberdampflampe 
wurde es nun Verfasser müglich, einen geeigneten und praktischen Apparat zu 
konstruieren, der dazu diente, die Milch der Wirkung der ultravioletten Strahlen 
auszusetzen. Die Bestrahlung hat den Erfolg, daß die pathogenen Keime in der 
Milch vernichtet werden, während die normalen Milchsäurebakterien, welche 
die Milch vor Zersetzung und Fäulnis schützen, wegen ihrer grüßeren Wider¬ 
standsfähigkeit gegen das Licht meist erhalten bleiben. Die Behandlung er¬ 
wies sich für die Milch weder schädlich noch geschmackverändernd. Mit dieser 
Milch sind nun seit Juli 1907 bis zum 1. Januar 1910 an der Leipziger Univer- 
sitfttskinderklinik Ernährungsversucbe an gestellt worden. Es sind im ganzen 
17105 Liter in rohem Zustand an 800 kranke 8äoglinge verabfolgt worden 
mit durchweg gutem Erfolg. Dieser Erfolg ist um so hüher zu bewerten, als 
es sich meistens um kranke Kinder handelte, die in einem solchen Zustand auf¬ 
genommen wurden, daß häufig mit der besten Spreewälder Amme nichts mehr 
anzufangen war, geschweige denn mit irgendwelcher Kuhmilch. Bpd. jun. 


Besprechungen. 

Profi Dr. Eduard Hüller, Direktor der Medizinischen Universitätspoliklinik 
in Marburg: Die spinale Kinderlähmung. Eine klinische und epide¬ 
miologische Studie. Mit Unterstützung von Dr. med. M. Windmüller, 
Assistenzärztin der Poliklinik. Mit 21 Textabbildungen und 2 Tafeln. Berlin 
1910. Verlag von Julius Springer. Preis: broschiert 6 M. 

Die vorliegende ausführliche und breit angelegte Monographie über die 
Heine-Medinsche Krankheit ist die Fracht ausgedehnter Forschungen der 
Marburger Medizinischen Universitätspoliklinik. Mit Unterstützung des Herrn 
Ministers der Medizinalangeiegenheiten und der nachgeordneten Behürden, 
besonders aber auch durch das bereitwillige Entgegeenkommen der Aerzte- 
schaft bekam der Verfasser ein reiches Material von Über 180 Fällen von 
frischer Poliomyelitis aus der Provinz Hessen - Nassau zur Kenntnis und konnte 
in fast allen Fällen persünlich an Ort und Stelle eingehende Untersuchungen 
und Nachforschungen anstellen. 

Dieses reiche Material und zahlreiche abortive Fälle liegen der Arbeit, 
die zugleich einen Bericht an das Ministerium der Medizinalangeiegenheiten 
bildet, zugrunde. Aus dem Inhalt sei folgendes herausgenommen. 



Besprechungen. 


820 


Ganz kurz wird in einem einleitenden Kapitel 
Aflenpoliomyelitis • und im aweiten Kapitel du 
die pathologische Anatomie und Pathogenese i 
Bezugnahme auf die zur Obduktion gelangten Fälle un 
gung der Literatur, besonders der klassisdien Arbeit v 
richtet. Es handelt Bich hiernach bei der Heine-Mi 
um eine infiltrative disseminierteMeningo>ei 
skopisch sind die Veränderungen oft kaum sichtbar, ei 
Bild und eine Impfung auf Affen läßt in solchen Fällen 
Histologisch lehnt sich der Prozeß eng an die Oefiße 
charakteristische Veränderungen an anderen Organen fi 
teritis follicularis und Bronchitis wurden häufig festges 

Aus dem Abschnitt ttber die Epidemiologie 
Infektion augenscheinlich sehr viel weniger durch nach* 
Kinder, als durch scheinbar gesunde Geschwister um 
durch gesunde erwachsene Zwischenglieder erfolgt. 1 
Verschleppung der Krankheit kann so auf weite Streck 
häufig waren Kinder von Schuhmachern befallen. Die 
berg über Uebertragung des Virus durch die Erde w 
für diskutabel erklärt. Direkte Uebertragung vom kri 
Geschwister ist sehr selten. Die Krankheitsfälle in e 
zeigen ausgesprochene Gruppenbildungen. Als gesund 
auch der Arzt in Betracht kommen. Beziehungen zu 
nicht nacbweisen. Sommer und Herbst werden von d 

Aus dem Abschnitt Symptomatologie sei < 
der Fälle Kinder von noch nicht 5 Jahren betraf; bes 
zweite Lebensjahr. Die Inkubationsdauer beträgt 5- 
konstantes Initialsymptom. Erscheinungen von seit 
Kespirationstraktus sind sehr wechselnd, aber auffallei 
Infektionsquelle gleich. Zwei sehr charakteristiBc] 
nicht genügend gewürdigte Frühsymptome sind eine 
— die Kinder sind gegen die geringste Berührung 
lieh — und eine sehr auffällige Neigung zum 8ct 
Kinder kam es zu Lähmungen der unteren Extremiti 
erwies sich in 11 Fällen für alle gebräuchlichen Näl 
Punktat stand regelmäßig unter erhöhtem Druck. 1 
Verimpfung auf Affen das Vorhandensein des Virus i 
nacbweisen. 

Sehr bemerkenswert sind die Forschungen de 
die Häufigkeit von larvierten und abortiven Fälle 
Krankbeitserscheinungen. Es scheint danach, daG 
Krankheit sehr, viel mehr Menschen befällt, als I 
Warum die Infektion in so vielen Fällen, besonders 
verläuft, oder aber warum das kindliche Zentral: 
empfänglich für das Virus ist, konnte nicht festges 
sehen Fälle von Kinderlähmung sind ätiologisch gl 
sehen Fällen. 

Die Therapie ist zurzeit noch machtlos. 
Schutzimpfung ähnlich wie bei der Lyssa, mit de 
auffällige Analogien gemeinsam hat, wenn auch n 
pbylaktische Erfolge. 

Schließlich fordert Verfasser mit Nachdruc 
die allgemeine Anzeigepflicht für die Hei 
Dann wird es auch leichter möglich sein, die nocl 
demiologischen Kenntnisse zu erweitern und au v« 
ist Isolierung im Krankenhaus zu verlangen, gesum 
vom Schulbesuch fernzuhalten. Verkehrsbeschrs 
wachsenen — vermuteten — Zwischenträger las 
durchführen. Formalinwohnungsdesinfektion ist n 
und Leihwäsche sowie Entleerungen sind in ttbli 
Da die Infektion vielleicht durch den Mund erfolg 
dringend zu empfehlen; Nahruugsmittel sind nur 

Dr. 1 



Tagesnachrichten. 


821 


A. von Lindhelm: Salati seneoutls. Die Bedeutung der mensch¬ 
lichen Lebensdauer im modernen Staate. Leipsig 1910. Verlag 
Ton Fr. Denticke. Gr. 8°, 601 8eiteo. Preis: brosch. 10 M. 

Es ist unmöglich, in ein paar Sätzen all das sasammenzofassen, was in 
dem Werke y. Lindheims an Erfahrung, reichen Gedanken and kritikvoll 
verwerteten Zahlenmaterial za einem großen Bauwerk geschaffen wnrde. Das 
Bach schließt sich würdig an die früheren Werke: Salati iaventatis and 
Salati aegrorum an. In dem vorliegenden Buche haben wir ein stolzes Lied 
auf die Arbeit vor uns. Die Arbeit ist das leitende Motiv, das sich durch 
alle Kapitel hindurch verfolgen läßt. Das nach allen Bichtangen sich aas¬ 
dehnende Gebiet, das von dem Verfasser bearbeitet werden maßte, veranlaß!« 
ihn, Hilfskräfte auf verschiedenen Teilgebieten heranzaziehen. Sein Bach be¬ 
weist, daß es im Interesse des einzelnen, wie in dem des Staates liegt, den 
Menschen möglichst bis ins Alter hinein arbeitsfähig zu erhalten. Den Schloß- 
Worten des Verfassers: Es ist eines der vornehmsten Gebote jeden Kultur- 
Staates, das Alter hochznhalten and za schätzen, sowie der Jagend diese 
Pflicht schon in frühester Zeit einzuprägen“, wird jeder zustimmen. 

__ Bpd. jon. 


Tagesnachrichten. 

Der Bandesrat hat in seiner 8itsung vom 8. d. M. dem Entwurf der 
fttnfteu Aasgabe des Arzneibuches für das Deutsche Beleb zugestimmt. 


Die Kaiserliche Verordnung über den Verkehr mit Arzneimitteln 
vom 22. Oktober 1901 erteilt bekanntlich ln § 4 den Beichskanzler die 
Ermächtigung, „weitere, im einzelnen bestimmt za bezeichnete Zabereitangen, 
Stoffe and Gegenstände von dem Feilhalten und Verkaufen außerhalb der 
Apotheken aaszuschließen“. Jetzt hat das preußische Kammergericht 
(I. Str.-S.) durch Urteil vom 6. Oktober 1910 (s. S. 220 der heutigen Beilage 
„Bechtsprechung and Medizinalgesetzgebung“) entschieden, daß die Erteilung 
einer solchen Ermächtigung mit § 6 der Gewerbeordnung im Widerspruch 
stehe und demzufolge die auf deren Grund erlassenen Bekanntmachungen des 
Beichskanzlers durch die verschiedene Arzneimittel vom freien Verkehr ausge¬ 
schlossen werden, rechtsungültig seien. Hoffentlich gibt das Urteil des 
Kammergerichts Veranlassung, die beabsichtigte Neufassung der Kaiserlichen 
Verordnung etwas zu beschleunigen und ihr dann eine positive Fassung zu 
geben. Daß eine solche möglich ist und eine weit sichere Bechtsgrundlage 
bildet, als die bisherige Fassung, unterliegt keinem Zweifel. 


In München hat vom 17. Oktober d. J. ab ein Fortbildungskursus für 
LandgorlchtsBrzte stattgefunden, zu dem 16 Landgerichtsarzte und 2 Bezirks- 
ärzte einberufen waren. Die Kurse umfaßten das Gebiet der gerichtlichen 
Medizin und Psychiatrie; sie wurden vom Landgericbtsarst Prof. Dr. Bichter 
(im Institut zur gerichtlichen Medizin) und Prof. Dr. Alzheimer (in der 
psychiatrischen Klinik) abgehalten. Nachmittags wurden Besichtigungen der 
psychiatrischen Klinik, der Kreisirrenanstalt Eglfing, des Strafvolbtreckungs- 
gefängnisses Stadelheim, des Erkennungsamtes der Königl. Polizeidirektion 
etc. vorgenommen. 

Fast gleichzeitig, vom 24. Oktober ab, ist auch ein hygienischer Fort- 
blldnugskursus für Amtsärzte und Verwaltungsbeamte im hygienischen Institut 
in München abgehalten worden, zu dem 26 Bezirksärzte einberufen waren. Der 
Kursus umfaßte das ganze Gebiet der öffentlichen Gesundheitspflege, insbesondere 
Wohnungsbygiene, Beseitigung der Abfallstoffe, Wasserversorgung und 
Gewerbebygiene; die Vorträge wurden von Ministerialrat Prof. Dr. Dieudonnö, 
Ob.-Med.-Bat Prot Dr. v. Gruber, Prof. Dr. Emmerich und Prof. Dr. 
Hahn gehalten; nachmittags fanden Besichtigungen von hygienischen Ein¬ 
richtungen, Krankenanstalten, des städtischen Schlachthauses, der städtischen 
Desinfektionsanstalt usw. statt. 



822 Tat?ösuafchriebt€C 

Der diesjährige Nobelpreis sst dem Heidplbflfi 
Dr, A. Kessel zaerkannt« 

Die Gedenkfeier f&r Schert E*eh wird ein U, E 
i2 Ohr, ih Eet.lln in der heuen Aula der Univcrs 
Gedenkrede wird Geh. Ob.-Mod.-ßet Prot Dr, Gaflkj 
sollen Dar güis kurse Ansprachen v^-a Delegierte» & 
sich an der Feier beteiligen wolfen, werden gebeten, $!£ 
Geb. Ob.-Med.-Bat Prof. Dr, ß&t I k j ia «wldec. 

D*s Stadtreirordnei-snkolleg in Berlin hat »nf Voj 
die Anbringung einer OedOBktatel au dom Woimhi 
Koch lange Jahre hioiiarch «ein Helm gehabt bat, triM 

To<k**ISJie< Am Si. v. Mt«, ist im Alter von 6$. 
Heg.- and Med.* Bat, Geb» Med.-Bat Dr, tfSHer fas Lfioe 
eines Heraschlage« in<nl«ea seiner dienstliche» Tärigkftl 
ist e}n Aoßewt pflichttreuer und süchtig«* MsiudnaD: 
geschieden, 4er eich bei setae« Kclkgeä duraT«eia * 
würdigen und frohgemutes Wesen uneingeschränkter L 
erfreute. Sni» Aö4ß»keo wird ihnen deshalb saferges» 

Ein .ii-pi'f t seine» Berufes Jfet der Kreis»«? 
broT, Assisteni «na MedalhnlBflliersocbeagsftat ia P< 
hat« sich *Üer Wfthrscheblkbkeit beim Aröelten aalt 1 
and ist gegen Ende v. Mts. dem dadurch erworbenen sei 
Ela leider recht schmeraUchsr Beweis för die Notweadt 
den, beamicßfärsorgegesctzcs »nf riss Madjziaalbßaiutea 


Önter dom Titel „Erbauliche» &m der Bibse 
bringt daa Korrespoadenabiiitt der imlichen Kreis- j 
Königreich Sachsen ln Nr. 20 (3&. Oktober d, J.) eine 
interessierende Mitteiiaug, der wir folgendes entnehme 
Krewausschussea Dresden am t. Oktober d. J. werde u 
um Ausdehnung der Kooxmion auf einen Erweitern! 
Nainrbeüanstalt ln Oberl Ößflttx, sowie am GooehtDXgta. 
neu su errichtenden Natarheilaoatalt ic ßsicbeDberg;" t 
bandelt. Nach den Austöb/ungea de« Referenten, Ob.* 
ftrsttieban Eatea der Dteadeaef KreiabaaptmaBnecbfclt, .1 
1892 von dem Vwiagsbachhsndhr BUx gegründet, 
«ebmigung snr Aufnahme fon 15Kr*oken wsrde schon 
Jahre» auf die Auf nähme van 123 Krasken srweite 
VerjpSicluaBg, die Anstalt unter arstliche Leitung st 
Konsesteeaserteilung Irgend weiche sonstige Bedingen sr ei 
^eir mao Äog^eemmea hahsn will, daß alle etfordtaill* 
banden seien» (!) 8o durften. denn Kranke aller Art, aut 
den Krankheiten, angenommen werden» Xiri Jahr© LI* 
auf den älteren Sahn. A» Bils, öher. Dieser ptasste 
der 60 Zimmer zur Aufnahme' von 1ÖÖ. bis 120 Kr»u 
d«S dann die Anwalt etwa 26«> Kranke wbfde anfuöJbrr 
batte Ella 8«Bv 1906 die* E>-ricblMg eines neuen g* 
bergsr Flur g<spl«*t, dar Erpkauaaclinfi ihm icdntilt v 
uad ünllbigkeit snr EeHuag rön^r «olcbf® AswUki'fc :% 
-ArstUebar Kriiffcsdie Kasass^ion mssgt.: Jetzt er»ott©> 
Jab. B(Ta, das Gesuch. ‘.Erwill «sna grnßo Anstalt f $I 
Darauf beafebrigten Amtsba«mroä8»«eh*?t T BeaDfea»p 
am ii. Aagast d. »T. dfe vbrha&deee Anstalt.. Da« Huts 
arstes iat für die AtreUli; gerade*« vernichf und, 
Führung der Krankcögesebicbteö ist Außere« («cke-ri' 
(mit Ausnahme de» Saoncnbidf-s) lassen die '.«(«rdnrlfc 
das Mobiliar ist vielfach dürftig und abgenutzt, der * 
Haut- und Geschlechtskranke im gesundheitlicher Be 
wertige eine Trennung der Tuberkulose« und GeaelriUjc 



Tagesnachrichten. 


*23 


der Belegschaft) von den ttbrigen Kranken findet so gut wie nicht statt; in 
wichtigen Anstaltsräamen herrschen schlechte hygienische Zustände. Trotz 
der zahlreichen Kranken mit ansteckenden Krankheiten sind die zum Schatze 
der ttbrigen Kranken and des Personals getroffenen Maßnahmen völlig nnzu- 
reichend. DieBilzsche Anstalt trägt alle Zeichen einer schlechten 
and unzuverlässigen Leitung! Es sei eine Gewissenlosigkeit 
ohnegleichen, Leate mit ansteckenden Krankheiten ohne entsprechende 
Schatzmaßnahmen anfzanehmen. Schwere Bedenken bestehen auch in sitten¬ 
polizeilicher Hinsicht, ln dem Anstaltsgarten beländen sich in gewissen 
Abständen sogenannte „Lufthäuschen“, die dauernd von den Kranken bewohnt 
würden. Die männlichen Patienten tragen nur eine Badehose, die weiblichen 
ein einfaches Lnfthemd. Bei der Besichtigung sei es aufgefallen, daß eine 
jugendliche weibliche Person, nur mit leichtem Hemd bekleidet, sich ungeniert 
vor ihrer Hütte bewegte, und daß ein ziemlich freier Verkehr zwischen den 
Kranken beiderlei Geschlechts stattfand. Beobahtet wurde, wie eine Gruppe 
notdürftig bekleideter Frauen sich von Männern in Badehosen photographieren 
ließ. Die Ankleideräume seien zwar getrennt, die Türen seien jedoch derart 
weit geöffnet, daß man auf beiden Seiten sich auskleidende Personen erblicken 
konnte. Als Grund der Neuerrichtung einer zweiten Anstalt werde vom Ge¬ 
suchsteller Platzmangel angegeben. A. Bilz solle die alte, Johi Bilz die neue 
Anstalt leiten. 

Bei der Verhandlung des Kreisausschusses erklärten die Oberbürger¬ 
meister Beutler-Dresden und Haupt-Freiberg Bie seien geradezu er¬ 
schrocken über die Mitteilungen von diesen unerhörten Zuständen. Eine An¬ 
staltsleitaug, die eine riesenhafte Beklame betreibe, scheue sich nicht, einen 
großen Teil der Kranken in der leichtfertigsten Weise den schwersten Gefahren 
auszusetzen. Sie seien für gänzliche Konzessionsentziehung. Der Kreisaus¬ 
schuß lehnte darauf einstimmig beide Konzessionsgesuche ab.“ 


Der bekannte Puroproiess ist vom 24.-27. Oktober d. J. nochmals 
vor dem Landgericht I in München zur Verhandlung gekommen, nachdem 
das frühere Urteil vom Beichsgericht aufgehoben war. Der Beklagte, 
Dr. Scholl wurde diesmal nach Vernehmung zahlreicher Sachverständiger 
die teils zu seinem Ungunsten, teils zu seinem Gunsten aussagten, nicht 
wieder wegen Betrngs, sondern nur wegen Vergehens gegen das Nahrungs¬ 
mittelgesetz zu einer Geldstrafe von 1000 Mark verurteilt. Das Gericht 
hat angenommen, daß eine Vermögensschädigung der Konsumenten nicht 
vorliege, auch der Preis des Puro nicht als zu hoch bezeichnet werden könne. 
Dagegen habe der Angeklagte seinem Fabrikat den Anschein haltbar gemachten 
Fleiscbsaftes gegeben und auch tatsächlich erreicht, daß es von Aerzten wie 
von Laien dafür gehalten und infolgedessen gekauft sei, obwohl es kein 
Fleisch-, sondern nur Hühnereiweiß enthalten habe. Damit sei das Tatbestands- 
merkmal des Nachmachens im Sinne des g 10 des Nahrungsmittelgesetzes 
gegeben, da auch die ttbrigen Voraussetzungen — Inverkehrbringen und Feil¬ 
bieten unter einer zur Täuschung geeigneten Bezeichnung — zutreffen. 


Erkrankungen und Todesfälle an ansteckenden Krankheiten ln 
Preussen. Nach dem Ministerialblatt für Medizinal- und medizinische Unter¬ 
richts-Angelegenheiten sind in der Zeit vom 25. September bis 8. Oktober 
erkrankt (gestorben) an: Aussatz, Gelbfieber, Bückfallfieber, 
Pest, Rotz, Fleckfieber, Tollwut: —(—); Cholera: 7 (8), — (—); 
Pocken: 1 (—), 2(—); Milzbrand: 1 (1), 2 (—); Bißverletzungen 
durch tollwutverdächtige Tiere: 1 (—), 8 (—); Unterleibs¬ 
typhus: 871 (26), 369 (29); Buhr: 10 (-), 4 (—); Diphtherie: 1703(98), 
1780 (127); Scharlach: 1366 (71), 1400 (64); Kindbettfieber: 81 (17), 
93 (13); Genickstarre: 6 (2), ß (2); spinale Kinderlähmung: 6 (2), 
6(1); Fleischvergiftung: — (—), 6 (—); Körnerkrankheit (er¬ 
krankt): 91,129; Tuberkulose: (gestorben): 591, 598. 


Die Cholera ist in Rußland weiter in der Abnahme begriffen; die 
Zahl der Erkrankungen (Todesfälle) ist in den Wochen vom 18. September bis 



824 


Sprechsaal. 


8. Oktober auf 8878 (2004), 2104 (1087), 1677 (868) gesunken, davon In Peters» 
barg 285 (94), 167 (66) bezw. 118 (31). 

Ia Ungarn sind vom 2.-8. Oktober 84 (18), vom 9.—16. Oktober 76 
(39) Personen an der Cholera erkrankt bezw. gestorben; die (Gesamtzahl seit 
Auftreten der Seache beträgt 283 (139). Ia Italien sind in den Wochen 
vom 6.—19. Oktober 155 bezw. 248 Choleraerkrankangen and 61 bezw. 122 
Todesfälle gemeldet, davon 49 (21), 60 (36) in der Stadt and 63 (10), 43 (11) 
in der Provinz Neapel. In Konstantinopel betrag die Zahl der Er¬ 
krankungen and Todesfälle in der Zeit vom 6.—17. Oktober: 22 (15); ia 
Trapezant vom 6.—16. Oktober: 109 (60). Zeitungsberichten nach soll die 
Cholera unter der türkischen Armee eine größere Ausbreitung gefunden haben. 


Iprsohsaal 

Anfrage des Kreisarztes Dr. F. inM.: Oilt das neue Beisekosten- 
gesetz nach für solche Dienstreisen, die nicht aas der Staatskasse bezahlt 
werden, z. B. Besichtigung von Drogenhandlungen, Beklamationen usw. in 
jeder BeziehangP Haß man also stets den billigsten Beiseweg berechnen, 
nach wenn man einen teueren Weg genommen hat? 

Antwort: Ja! Gemäß § 5 des Gebührengesetzes gilt das Beisekostea- 
gesetz auch für diejenigen Beisen der Kreisärzte, die nicht aus der Staats¬ 
kasse bezahlt werden. Nach § 24 der Ausführungs-Bestimmungen des Staats¬ 
ministeriums zu den Vorschriften über die Beisekosten der Staatsbeamten ist 
der billigste Weg zu wählen, der mit den bestehenden Verbindungen nach 
dem Zweck der Beise und den Umständen des einzelnen Falles benutzt werden 
konnte and dessen Benutzung auch der Verkehrssitte entspricht. Ein Umweg 
ist nur dann zu berücksichtigen, wenn durch ihn eine im dienstlichen Interesse 
liegende Zeitersparnis erzielt oder eine Unterbrechung der Beise vermieden ist. 


Anfrage der Kreisärzte Dr. Seh. ln K., Dr. F. ln M. und Dr. W. in W.: 

Finden die Bestimmungen des neuen Beisekostengesetses nach 
auf die Beisen in gerichtlichen Angelegenheiten Anwendung oder 
bleiben hierfür die Vorschriften der Königlichen Verordnung vom 14. Juli 1909 
in Geltung ? 

Antwort: Die Frage ist darch die in der Beilage znr heutigen Nummer; 
8. 227 abgedruckten Bundverfügung des Justizministers vom 27. 8eptember 1910 
beantwortet. Danach bleiben die Bestimmungen über die Hohe des Tagegeldes 
in Kraft, weil diese stets — auch bei Dienstreisen die nicht zwei volle Tage 
umfassen — niedriger sind, als bei Berechnung nach dem neuen Reisekosten- 

K esetz. Dasselbe gilt betreffs des Kilometergeldes bei Beisen auf dem 
and woge (50 Pf.). Dagegen gelten die neuen Vorschriften über Kilo¬ 
metergelder bei Beisen auf der Eisenbahn, sowie über die Gebühr für 
Zn- und Abgang, auch für Dienstreisen in gerichtlichen Angelegenheiten, 
da sich die Kosten dafür nach § 17, Abs. 2 des Gesetzes nicht hoher als die 
in § 1 Abs. 1 und $ 3 bestimmten Vergütungen stellen dürfen. Die Kilo¬ 
metergelder betragen also auf der Eisenbahn 7 oder 9 Pf. für das Kilo¬ 
meter, je nachdem I. oder IL Wagenklasse benutzt ist; Gebühr für Zu- und 
Abgang wird nar am Wohnort and am auswärtigen Uebernachtangsort ge¬ 
währt. Aach die Bestimmang über die Abänderung der Entfernungen bei 
Beisen unter 8 Kilometer fällt fort; es werden hier nur noch Fahrkoston für 
die zurückgelegten Wegestrecken gewährt. Desgleichen kommt die Bestim¬ 
mang betreffs Herabsetzung der Kilometergelder auf 30 Ff. bei gemeinschaft¬ 
licher Besatzung eines Wagens mit mehreren Personen zur Anwendung. 


Anfrage des Kreisarztes Dr. M. In R.: $ 15 des Pensionsgesetzen 
(Dienstanweisung 8.145) lautet: .Der Zlvildieastseit wird die Zeit des aktiven 
Militärdienstes hinzugerechnet.“ Ist darunter zu verstehen, daß den Kreis¬ 
ärzten, die ihrer Militärpflicht genügt haben, das Jahr als Einjährig-Frei¬ 
williger, resp. einj.-freiw. Arzt, die 6 Wochen Uebung zum Assistenzarzt und 
die vierwOcbige 8tabsarzt- Uebung, falls sie vor ihrer Anstellung stattgefundea 
hat, bei der späteren Pensionszeit angerechnet werden P Antwort: Ja. 

Bedaktion: Geh. Med.-Bat Prof. Dr. Bapmuad, Bog.- u. Med.-Bat in Minden KW. 

J. .0 C. Bram, Harsogl. 8ichs. n. Fürst!. Srh.-T, Ilofbuchdrockcrcl In Minden. 



für gerichtilche Medizin. P»vßhmtf9| 


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Grossfceraogtmn Beden. 

Gestorben: iltiL-Bat Di. Kellei in Lörrach. 


An* «mdereB öeut»oh©a Band®**t 

AnsaelcbnüBgea:: Verliehen: De* Ok’iik't 
JC&gUzintlrat; dem Prof. Dr. Lenseria ÜflB«; 

Prot. Dr. De necke 


Direkter de« 


baasee zwu Mitglied des MedizinglkoUegituns. 

Geeforlt^o: Heg,- b. Med. Ent Dr. Beet tts Xti 
Dessen, Qeb. Med.-Bst Dr. Kothe, Bezirksarzt a. t>. 


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23, Jahrg. 


1910. 


Zeitschrift 

föi 

MEDIZINALBEAMTE. 


Zentralklatt für du gesamte SesundbeitmsM, 

für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenwesen. 

Heraasgegeben 

TOB 

Geh. Med.-Rat Prot Dr. OTTO RAPMOND, 

Beftcnafa» and Mtdlriathtt in Minden 1« W. 

Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, Sächsischen, 
Württembergischen, Badischen, Mecklenburgischen und Eisass*Lothringischen 

Medizinalbeamtenvereins. 


Verlag von Fiseher’s mediz. Buehhandlg., E Kornfeld, 

HanogL Bayer. Hof- u. Erxhenogl. Kamroar-BpohhAndler. 

Berlin W. 35, Lützowstr. 10. 

Inserate nehmen die YerUgshandlang sowie alle Jinnoneenaxpedltionen des ln** 
and Aaslandes entgegen. 


Nr. 22 


Knehelit mm S. ud M.Jedm Heut*. 


20. Nobr. 


Welche Anforderungen sind an die kleinen Krankenhäuser 
in ländlichen Bezirken zu steilen und inwieweit ist der 
Ausbau derartiger Anstalten zu fordern? 1 ) 

Von Kreisarzt Dr. Herbst In Kempen (Bhein). 

Die großen Erfolge der hygienischen Wissenschaft in den 
letzten Jahrzehnten sowie der rapide wirtschaftliche Aufschwung, 
der sich in der gleichen Zeit bei nns vollzogen hat, sind als 
Ursachen anznsehen für das außerordentliche Interesse, das seit 
etwa 2 Dezennien der Fürsorge für die Kranken nnd Hilfs¬ 
bedürftigen zugewendet wird. Entsprechend diesem Interesse hat 
auch der Ausbau des Krankenbanswesens in jüngster Zeit einen 
ungeahnten Aufschwung genommen. Staat und Kommunen, wohl¬ 
tätige Körperschaften nnd Privatpersonen wetteifern darin, den 
leidenden Mitmenschen würdige Stätten zu schaffen, in denen sie 
Heilung ihrer Gebrechen finden können. 

Leider aber kommt dieser erfreuliche Fortschritt in der 
Hauptsache nur einem Teil der Bevölkerung zu gute, nämlich 
den größeren Kommunen, während das platte Land nnd die Klein¬ 
städte mehr oder weniger leer ansgehen insofern, als sie entweder 
von Krankenhäusern überhaupt entblößt sind, oder die vorhandenen 


*) Nach einem vom Verfasser in der Medizinalbeamtenversammlang na 
Düsseldorf am 11. Dezember 1909 gehaltenen Vortrag. 













826 Dr. Herbst: Welche Anforderungen sind an die kleinen Krankenhäuser 

zum beträchtlichen Teil so große Schäden aufweisen, daß sie 
ihrem Zwecke nicht genügen. Eine Aendernng auf diesem Gebiete 
herbeizufahren, entspräche daher einem tatsächlichen Bedürfnis. 
Dazu ist es aber erforderlich, die bestehenden Verhältnisse in 
allen Einzelheiten kennen zu lernen, um festzustellen, in welcher 
Richtung etwaige Besserungsbestrebungen sich zu bewegen hätten. 

Als ich mich der Bearbeitung des vorliegenden Themas 
zuwandte, verschickte ich an ca. 200 in ländlichen Bezirken 
wirkende Kreisärzte aus allen Provinzen Preußens gleichlautende 
Fragebogen, die auch von mehr als der Hälfte der Herren Kollegen 
in dankenswerter Weise beantwortet wurden. Das hierdurch 
gewonnene Material sowie meine persönlichen Erfahrungen sind 
den folgenden Ausführungen zu Grunde gelegt. 

Einleitend hierzu will ich einen kurzen Ueberblick über den 
Charakter der ländlichen Krankenhäuser in den ver* 
schiedenen Teilen der preußischen Monarchie vorausschicken. 

In den Ostprovinzen überwiegt das Kreiskranken¬ 
haus; wie der Name besagt, ein kreiskommunales Institut, das 
zumeist unter der Leitung des Kreisarztes steht. Daneben findet 
man in geringerer Zahl Gemeindehospitäler und Anstalten, die 
von gemeinnützigen Verbänden (Frauenvereine, Johanniterorden 
n. a.) gegründet sind. In Mitteldeutschland tritt das Kreis¬ 
krankenhaus za Gunsten des Gemeindehospitals etwas zurück. 
Sonst sind die Verhältnisse von denen im Osten nicht wesentlich 
verschieden. In den Westprovinzen findet man das Kreis- 
krankenhaus nur noch vereinzelt; es dominiert hier das Gemeinde¬ 
krankenhaus und vornehmlich das kirchliche Hospital. 
Diesem gleichzustellen ist das Stiftungskrankenhaus, das 
durch testamentarische Stiftung einzelner Personen ins Leben 
gerufen und fast immer der Verwaltung der Kirchenorgane unter¬ 
stellt ist. Einer besonderen Art von Anstalten begegnet man in der 
Provinz Hessen-Nassau; das sind die Landkrankenhäuser, 
größere Institute, die der Provinzialverwaltung gehören und deren 
jedes der Krankenversorgung mehrerer Kreise dient. 

Die zahlreichsten Hospitäler finden sich in den Westprovinzen, 
speziell im Rheinland, die wenigsten in einigen Gegenden des 
Ostens. Eine verhältnismäßig große Zahl von ländlichen Kreisen, 
die sich auf ziemlich alle Provinzen verteilen, besitzt Überhaupt 
kein Krankenhaus. 

Man könnte bei oberflächlicher Betrachtung einwenden, daß 
die ganze Erörterung der Angelegenheit überflüssig sei, da sie 
durch die bestehenden Verfügungen der Aufsichtsbehörden bereits 
erledigt sei oder doch erledigt werden könnte. Dem ist jedoch 
nicht so. Wer sich eingehend mit der Materie beschäftigt, weiß, 
daß die das Krankenhaus wesen betreffenden Erlasse und Ver¬ 
fügungen, soweit sie in der Form von allgemeinen Anweisungen 
gehalten sind, vorwiegend auf die Neugründang von Anstalten 
Bezug haben, während die bestehenden Dinge unberührt bleiben. 
Ferner darf man nicht vergessen, daß derartige Verfügungen den 
heterogensten örtlichen und sonstigen Verhältnissen angepaßt 



in ländlichen Bezirken zn stellen nsw. 


827 


sein müssen, weshalb sie sich auf die Nominierung gewisser 
grundlegender Forderungen beschränken, die für die Lokal¬ 
instanzen und die ausFübrenden Organe wichtige Direktiven 
bilden, die aber notwendigerweise viele Detailfragen unberück¬ 
sichtigt lassen. Diese sind aber in ihrer Gesamtheit häufig von 
aasschlaggebender Bedeutung für die Wirksamkeit des einzelnen 
Erankenhanses. *) 

Ich glaube zn einer richtiger Beantwortung der in dem 
Thema enthaltenen Fragen dadurch am besten gelangen zn können, 
daß ich die Vorzüge nnd Nachteile des in Betracht kommenden 
Krankenhaus wesens bespreche, woraus sich dann die notwendigen 
Schloß folgerangen von selbst ergeben. Da die Nachteile in 
der Mehrzahl sind, so will ich mit ihnen beginnen. 

Zanächst sei die Bedürfnisfrage kurz berührt. Ich 
möchte hierbei eine positive and negative Seite unterscheiden. 
Die positive trifft für die Gegenden zn, in denen ein Mangel an 
Krankenanstalten besteht. Wie eingangs erwähnt, gibt es eine 
ziemlich große Zahl von Kreisen, in denen überhaupt kein Hospital 
vorhanden ist. Man kann das meines Erachtens noch nicht ohne 
weiteres als einen Mißstand bezeichnen. Für die Beurteilung 
darüber, ob in einem Kreise ein diesbezügliches Bedürfnis vorliegt, 
kommen verschiedenartige Erwägungen in Betracht: Die allge¬ 
meinen gesundheitlichen Verhältnisse, die Art der Bevölkerung, 
die räumliche Ausdehnung and vornehmlich der Umstand, ob in 
der Umgebung Orte mit guten Anstalten vorhanden sind nnd ob 
die Verkehrsbedingnngen zn diesen günstige sind. Ans den mir 
zngegangenen Berichten geht hervor, daß in der Mehrzahl der¬ 
artiger Kreise das völlige Fehlen von Krankenhäusern von der 
Bevölkerung wie von der Aerzteschaft schwer empfanden wird. 
Wenn in solchen Fällen von den einzelnen Gemeinden wegen 
mangelnder Leistangsfähigkeit keine Abhilfe zn erwarten ist, so 
sollten die Kreisverwaltnngen es als ihre Ehrenpflicht betrachten, 
helfend einzagreifen. Nar darf das nicht in der Weise erfolgen, 
daß von einer Privatwohnnng einige Zimmer abgemietet nnd 
ohne weitere Abänderungen als Krankenräume verwendet werden. 
Eine derartige Maßaahme kann in keiner Weise befriedigen; sie 
widerspricht jedem hygienischen Empfinden. 

Anderseits gibt es auch einen Mißtand nach der negativen 
Seite der Bedürfnisfrage. Diese Behauptung mag parodox 
erscheinen; man könnte einwenden, dass von etwas gutem, was 
die Krankenhäaser doch ohne Zweifel darstellen, nie zn viel 
geschehen kann. Und doch halte ich es für richtig! Es gibt 
Gegenden, in denen ein wahrer Wetteifer in der Errichtung von 
Hospitälern besteht. Private Wohltätigkeit (insonderheit testa¬ 
mentarische Stiftungen), Ordensgesellschaften nnd Konfessions¬ 
gemeinschaften sind die hauptsächlichsten Förderer. Jeder Er¬ 
fahrene, der die geschichtlich begründete segensreiche Wirksamkeit 


*) Vonreg sei zur Vermeidung von Mißverständnissen bemerkt, daß 
unter den ländlichen Lazaretten auch einwandfreie zu finden sind. Diese 
scheiden bei den nachstehenden Erörterungen selbstverständlich aus. 



828 Dr. Herbst: Welche Anforderungen sind an die klei 


der genannten Faktoren in der Krankenpflege 
Prinzip ihre Betätigung nur in hohem Maße 
sieh aber nicht verhehlen können, daß man ai 
zu weit geht. Die Folge ist, daß die Hospi 
vorhandene Bedürfnis fibersteigen, nm existen: 
ihre Räumlichkeiten zu anderen Zwecken hergel 
pflegungspreise über Gebühr herabsetzen. Hierge, 
im Ioteresse der Krauken nichts zu sagen; es i 
eine Mindestgrenze eingehalten werden. Daß u 
Verhältnissen ein Krankenhaus seine Insassen n 
pro Tag verpflegen kann, wie es tatsächlich 
dürfte ohne weiteres klar sein. Eine derartige 
billigung bedingt notwendigerweise, sofern ni< 
fällen besondere Hilfsmittel zur Verfügung stehe: 
der Kranken durch unzureichende Beköstigung 
trächtigen derartige Anstalten durch ihre Konkuri 
fähigkeit von benachbarten Instituten. 

Die weiteren Mängel lassen sich in vier • 
Sie betreffen die Lage, den Bau, die innere Eh 
Betrieb der Krankenhäuser. 

Die Lage gibt insofern zu berechtigten ! 
die Krankenanstalten häufig in der Nähe von 
die durch Geräusche, Gerüche, Rauchentwickelui 
wirken. Bei älteren Häusern kann man sich d; 
wandern, weil hier die störenden Anlagen spät 
sind. Es trifft da die Baupolizeibehörden der 
die Betriebe an diesen Stellen genehmigt hal 
wird der gleiche Mißstand nicht selten auch b 
beobachtet. Die Ursache liegt darin, daß in za] 
Gemeinden die Neigung besteht, das Kranken ha 
einem Schmuckstück für die Ortschaft za ms 
möglichst an einer Hauptstraße gebaut wird, v 
gehenden gesehen werden kann. 

Aeltere Anstalten leiden ferner vielfach 
daß sie in engen schmutzigen Gassen liegen, v 
von Licht und Luft behindert wird. 

Hinsichtlich der baulichen Verhält] 
deutlicher Unterschied zwischen solchen Anlage] 
lieh für die Kranken Versorgung errichtet 1 
solchen, die früher anderen Zwecken gedien 
später zu Lazaretten umgewandelt worden si 
sind begreiflicherweise die weitaus schlimmere 

Zu den häufigsten Klagen in baulicher Be 
leider auch die erstgenannte Kategorie von H 
vertreten ist, gehören die über die räumliche I 
Sparsamkeitsgründen ist man vielfach bestrebt 
auf einem möglichst kleinen Terrain und n 
Gebäude zu vereinigen. Ich lasse dahingesteU 


*) Ich werde auf dieses Punkt noch aunfUhr liehe 



In ländlichen Bezirken za stellen usw. 


829 


ist, die Unterbringung von Wirtschaftsräumen in dem der Kranken¬ 
aufnahme dienenden Hanse wegen der unvermeidlichen Belästi¬ 
gungen (Gerüche, Geräusche n. a.) als unzulässig zu bezeichnen. 
Man geht meines Erachtens zn weit, wenn man bei jedem kleinen 
Krankenhause ein besonderes Oekonomiegebäude verlangt, zumal 
bei zweckmäßiger Disposition und Konstruktion die Schädlichkeiten 
sich auf ein erträgliches Maß herabsetzen lassen. 

Vollberechtigt aber sind die recht zahlreichen Beschwerden 
darüber, daß die Isolierung von ansteckenden Kranken 
wegen Raummangels nicht möglich ist. Die hierdurch bedingten 
Gefahren für die übrigen Insassen des Krankenhauses sind so 
offenkundige, daß weitere Erörterungen sich darüber erübrigen. 
Ganz besonders gilt dieser Mißstand hinsichtlich der Tuberkulösen. 
Die Ansichten über die Infektiosität der Taberknlose sind selbst 
in gebildeten Laienkreisen noch äußerst unzulängliche. Dement¬ 
sprechend findet man bei kleinen Landkrankenhäusern nur ver¬ 
einzelt ausreichende Isolierräume für Schwindsüchtige, während 
doch nach der heutigen Kenntnis von der Uebertragbarkeit dieser 
Seuche die Absonderung der von ihr befallenen Personen 
mindestens ebenso wichtig erscheint, als beispielsweise die von 
Diphtheriekranken. 

Als einen krassen Folgezustand des Raummangels muss man 
es bezeichnen, wenn infolgedessen verschiedene Lazarettver¬ 
waltungen die Aufnahme von ansteckenden Kranken grundsätzlich 
ablehnen. 

Was die Baulichkeiten im speziellen Sinne des Wortes 
angeht, so liegen die Dinge in manchen Gegenden noch ausser¬ 
ordentlich im Argen, und zwar über wiegen hier weitaus diejenigen 
''Anstalten, welche früher andersartig verwendet wurden. Es ist 
interessant zn erfahren, was alles noch zur Aufnahme und Be¬ 
handlung von kranken Menschen für würdig befanden wird. Bau¬ 
fällige Privathäuser, unbrauchbare Schulen, Fabrikgebäude, alte 
Scheunen und ähnliche Bauten müssen es sich gefallen lassen, zu 
Krankenhäusern umgewandelt zu werden. Würden non wenigstens 
ausgiebige Umbauten vorgenommen werden, so könnte unter Um¬ 
ständen noch etwas Brauchbares erreicht werden. Da aber gespart 
werden soll und muß, so geschieht meist nur das Notdürftigste, 
und dann steht ein „Krankenhaus“ da, welches das Entsetzen 
jedes Sachkundigen hervorruft. Die meisten der Herren Kollegen, 
welche derartige Anstalten in ihren Kreisen haben, erklären sich 
demgemäß außer Stande, die vorhandenen baulichen Schäden im 
Einzelnen zu schildern; sie beschränken sich auf eine allgemein 
gehaltene Kritik. So schreibt der eine: „Das Krankenhaus in N. 
ist ein alter, erbärmlicher KaBten, der allem anderen eher, als 
einem Krankenhause ähnlich ist.“ Mehrere andere äußern sich 
dahin, daß es am besten wäre, wenn alle derartigen Hospitäler ent¬ 
gingen, da sie nur Schaden stifteten. Recht vielsagend ist eine 
Mitteilung, nach welcher die Kreis- und Stadtverwaltung in N. 
beschlossen hätten, das jetzige Lazarett zum Armenhaus zu 
machen und das bisherige Armenhaus als „Kreiskrankenhaus“ 



880 Dt. Herbst: Welche Anforderungen sind nn die kleinen Erenkenkinser 

einzurichten. Wer die Armenhäuser auf dem Lande kennt, kann 
sich hiernach ungefähr eine Vorstellung machen, in welchem 
Zustande das dortige Hospital sein muß. 

Dem äußeren Bau entspricht gewöhnlich die innere Ein¬ 
richtung. Ich sehe dabei von allen kleineren Mängeln sowie 
solchen ab, die sich wegen der unzulänglichen hygienischen Ver¬ 
hältnisse der betreffenden Orte schwer vermeiden lassen, wie z. B. 
mangelhafte künstliche Beleuchtung, das Fehlen einer Kanalisation 
und ähnliches. Ich erwähne nur diejenigen gröberen Mißstände, 
deren Beseitigung überall ohne zuweitgehende Geldopfer möglich 
ist. Hierher gehören die immer wiederkehrenden Klagen über 
zu geringe Höhe, schlechte Belichtung und ungenügende Ventilation 
der Krankenräume. In vielen Hospitälern gibt es überhaupt 
keine besonderen Entlüftungsvorkehrungen. Die Ventilation erfolgt 
hier ausschließlich durch Fenster und Türen, wodurch begreif¬ 
licherweise Belästigungen durch Staub und Geräusche, die von 
der Straße eindringen, und im Winter durch übermäßige Abkühlung 
der Zimmer hervorgerufen werden. 

Zu häufigen Beschwerden geben auch die Heizvor¬ 
richtungen Anlaß. Als solche werden vielfach noch eiserne 
Oefen verwendet, die sich sehr schnell erwärmen, ebenso rasch 
wieder abkühlen und dadurch eine fortwährende starke Schwankung 
der Temperatur hervorrufen. Gelegentlich kommt es bei solchen 
Oefen vor, daß die Heizgase nicht nach außen entweichen, 
sondern in die Zimmer eindringen und die Kranken aus diesen 
hinaustreiben. 

Ziemlich oft werden die Betten und die Wäsche als 
mangelhaft bezeichnet. Verschlissene Holzbettgestelle, alte Stroh- 
säcke anstelle von Matratzen, schadhafte und unsaubere Bett- 
und Leibwäsche können tatsächlich nicht als für Krankenhäuser 
geeignet angesehen werden. 

An nicht wenigen Anstalten sind ferner die Abortanlagen 
in einem unerfreulichen Zustande. Man kann gewiß nicht ver¬ 
langen, daß jedes kleine Krankenhaus an eine Kanalisation ange- 
schlossen ist; es genügt, wenn die Fäkalien sofort in eine luft¬ 
dicht abgedeckte Grube oder in festverschlossene Tonnen hinab¬ 
sinken. Dagegen muß das in manchen Gegenden noch allgemein 
gebräuchliche Kübelsystem schon im allgemeinen, besonders aber 
für Hospitäler wegen seiner mannigfachen Schädlichkeiten ver¬ 
worfen werden. Abgesehen von dem unaesthetischen Aussehen 
derartiger Aborte bleiben die in freistehende Eimer gelangenden 
Fäkalmassen solange an Ort und Stelle stehen, bis der Eimer 
gefüllt ist, und verbreiten einen höchst unangenehmen Geruch, 
der mitunter in dem ganzen Gebäude wahrnehmbar ist. Bei der 
Entleerung der Kübel k n mmt es vor, daß Teile des Inhalts ver¬ 
schüttet werden, wodurch widerwärtige Verschmutzungen und 
noch intensivere Geruchbelästigungen bewirkt werden. 

Völlig unhygienisch ist es, wenn der Abort nicht im Kranken¬ 
hause selbst oder wenigstens in direkter Verbindung mit diesem 
Mch befindet, sondern wenn die Kranken gezwungen sind, erst 



Io lin fliehen Bezirken so stellen uw. 


881 


20 m und mehr durch das Freie zu gehen, um ihre Bedürfnisse 
befriedigen zu können. 

Von einem Hospital wird ein ganz schlimmer Fall einer 
unzweckmäßigen Abortanlage berichtet, der hoffentlich ein Unikum 
bildet. In der betreffenden Anstalt, die nicht einmal zu den 
ganz kleinen gehört, fährt der Zugang zu dem Kloset durch das 
Operationszimmer! 

Ein schwerer Mißstand besteht dann, wenn in einem 
Krankenhaus die Wasserversorgung nicht genügt Leider 
kommt auch das vor. Es handelt sich dabei weniger um die 
Qualität, als vielmehr um eine unzureichende Quantität. Der 
Grund hierfür liegt bei den in Frage kommenden Hospitälern 
darin, daß keine Vorrichtungen existieren, um das an sich in 
reichlicher Menge vorhandene Wasser mit Leichtigkeit den 
einzelnen Bäumen zuzuführen. Es muß deshalb mit der Hand 
hineingetragen werden; die weitere Folge ist eine höchst 
beklagenswerte Einschränkung des Verbrauches. Hiermit dürften 
zum Teil wohl in Zusammenhang zu bringen sein die Beschwerden 
über ungenügende Wasch- und Badeeinrichtungen. Speziell 
hinsichtlich der letzteren kommt es nach meinem Dafürhalten 
weniger auf eine schöne Ausstattung der Bäume und Utensilien 
an — obwohl auch diese wünschenswert ist — als darauf, daß 
sie in genügender Anzahl vorhanden sind. Wenn aber in einem 
Krankenhaus für sämtliche Insassen einschließlich der Infektions¬ 
kranken nur eine Badegelegenheit vorgesehen ist, so ist die 
bescheidenste Anforderung in dieser Hinsicht nicht befriedigt. 

Zu beanstanden ist ferner, daß es in manchen Lazaretten 
an einem Operationszimmer fehlt oder, wo ein solches vor¬ 
handen ist, die Einrichtung desselben unzureichend ist. Wenn 
z. B. berichtet wird, daß das Instrumentarium eines Operations¬ 
raumes aus einem stumpfen Messer, einer Scheere und einer 
Pinzette besteht, daß in einem anderen Fall das vorgesehene 
Operationszimmer je nach Bedürfnis abwechselnd auch als Arzt-, 
Warte-, Empfangszimmer und Kapelle verwendet wird, so kann 
man sich eines gewissen Gefühls von Heiterkeit untermischt mit 
etwas Beschämung kaum erwehren. 

Daß in zahlreichen kleinen Landhospitälern die Desinfek¬ 
tionseinrichtungen noch unvollkommen oder gar nicht vor¬ 
handen sind, kann bei dem verhältnismäßig jugendlichen Alter 
dieses Zweiges der medizinischen Wissenschaft noch am wenigsten 
überraschen. 

Ich komme nunmehr zu der Gruppe von Unzulänglichkeiten 
im kleinen Krankenhauswesen, die den größten Baum und das 
weitgehendste Interesse für sich in Anspruch nimmt, das sind 
die Mängel hinsichtlich des Betriebes. An der Spitze 
marschiert hier ein Uebelstand, über den mehr als die Hälfte, 
aus einzelnen Gegenden alle Berichte gleichmäßig klagen, nämlich 
die Verwendung von Teilen der Lazarette zu anderen 
Zwecken oder, richtiger gesagt, die Verquickung von Kranken¬ 
hauspflege mit anderen Formen menschlicher Fürsorge. Wer in 



882 Dr. Herbst: Welche Anforderungen sind an die kleinen Kiankcnhitiser 

die einschlägigen Verhältnisse keinen tieferen Einblick hat, hält 
es nicht tfir möglich, wie viele der verschiedenartigsten Dinge mit 
dem Krankenbansbetrieb vereinigt werden. Armen-, Siechen- nnd 
Pflegestationen, Asyle ffir Waisen nnd Obdachlose, Erziehungs- 
institnte höherer nnd niederer Art, Spielschnlen, Kleinkinder¬ 
bewahranstalten, Näh-, Koch- nnd Hanshaltnngsschnlen, Ptnsionate, 
Wohnungen für Sommergäste nnd ähnliches mehr findet man in 
vielen Hospitälern untergebracht. In einem Fall ist sogar von 
einem Schankbetrieb berichtet worden. In manchen Orten wird 
das Krankenhaus geradezu als ein Depot ffir alle unbequemen 
Elemente angesehen. 

Besonders verbreitet ist in Westdeutschland der Brauch, 
Ortsarme, Waisen, Sieche und Pfrfindner in die Kranken¬ 
häuser zu stecken. Diese, kurz als Hospitanten — Sieche — 
bezeichnte Personen, bilden in vielen Anstalten eine wahre Plage 
ffir das Pflegepersonal und namentlich ffir die wirklich Kranken, 
zumal sie nur ausnahmsweise auf gesonderte Abteilungen be¬ 
schränkt sind. Sie zeigen sich unbotmäßig, ihre häufigen Streitig¬ 
keiten werden mit lärmenden Schimpfreden ausgefochten und arten 
gelegentlich in Tätlichkeiten aus. Die männlichen Hospitanten 
betrinken sich und verpesten die Luft durch Bauchen von 
schlechtem Tabak. Mit ihrer unsauberen Kleidung und sonstigem 
Hausrat bringen sie Schmutz, Ungeziefer und fible Gerüche in 
die Lazarette hinein. Selbst Krankheiten werden von ihnen 
importiert. So ist mir folgender Fall bekannt geworden: 

In einem in ganz trachomfreier Gegend befindlichen Lazarett wurde bei 
der Berision ein Granulosennest Ton 10 Personen gefunden. Die »»gestellten 
Ermittelungen ergaben, daß die Krankheit höchstwahrscheinlich durch ein von 
einem polnischen Arbeiter infiziertes Waisenkind eingeschleppt und, da das 
Kind, wie alle seinesgleichen, ärztlich nicht regelmäßig kontrolliert wurde 
und sich frei bewegte, aul andere Insassen Übertragen war, ohne daß man 
zunächst darauf aufmerksam wurde, was bei der Matur des Leidens auch 
begreiflich ist. 

Einen großen Nachteil verursachen diese Leute dadurch, 
daß sie viel Baum einnehmen, der den Kranken entgeht. Da sie 
alle lange Zeit, ein erheblicher Teil bis zum Tode, in der Anstalt 
verbleiben, so häuft sich ihre Zahl schnell an und infolgedessen 
bilden sie in vielen Hospitälern das Hauptkontingent. In allen 
Krankenzimmern findet man sie, oft in der Mehrzahl, zwischen 
tatsächlich Leidenden verteilt, die sie durch ihre Gewohnheiten 
belästigen und unter Umständen direkt schädigen. Nicht selten 
kommt es sogar vor, daß ihretwegen kranke Personen abgewiesen 
werden, weil kein Platz mehr vorhanden ist. Eine derartige 
Konsequenz ist an sich schon unzulässig; sie muß aber als Unfug 
angesehen werden, wenn es sich bei den Abgewiesenen um 
ansteckende Kranke handelt, weil dadurch eine Gefährdung der 
Allgemeinheit provoziert wird. Nach den mir zugegangenen Mit¬ 
teilungen ist es verschiedentlich vorgekommen, daß Infektion»- 
kranke selbst in solchen Hospitälern, die besondere Isolierhäuser 
v besitzen, keine Aufnahme fanden, weil die ffir sie eigens her- 
»erichteten Bäume mit Hospitaliten belegt waren. 



io ländlichen Bezirken zu stellen uw. 


888 


Ferner darf die Mehrarbeit, welche durch die Anwesenheit 
dieser Insassen unter Umständen dem Pflegepersonal erwächst, 
nicht übersehen werden. Die Verpflegung von hinfälligen Siechen 
erfordert begreiflicherweise andere Maßnahmen, als die von 
Kranken, wenigstens von Kranken gewisser Art. So wird z. B. 
eine Schwester, welche 10 Personen mit äußeren Verletzungen 
zu versorgen hat, schneller mit ihrer Arbeit fertig werden, als 
wenn sie sich 5 derartigen Patienten und 5 hilfsbedürftigen 
Pfleglingen widmen muß. Demgemäß habe ich mit anderen 
Kollegen wiederholt die Erfahrung gemacht, daß das Kranken¬ 
hauspersonal von der Doppelgestaltigkeit seiner Tätigkeit keines¬ 
wegs erbaut ist. 

Schließlich sei noch erwähnt, daß auch die Beaufsichtigung 
seitens der Medizinalbeamten durch die Verquickung von Siechen-, 
Armen-, Pfründnerhäusern mit Hospitälern erheblich erschwert 
wird. Die Vorschriften bezüglich der hygienischen Anforderungen, 
welche an Krankenanstalten zu stellen sind, weichen von denen, 
die für Siechenhänser etc. maßgebend sind, wesentlich ab. Wie 
soll mau sich nun verhalten, wenn ein Haus oder gar ein Zimmer 
zur Hälfte mit Kranken, zur zweiten Hälfte mit anderen Personen 
belegt ist? Einen äußeren Ausdruck findet dieser Zwiespalt bei 
den jährlichen Revisionen in der stets und oft recht stark 
schwankenden Beantwortung der Frage nach der Zahl der 
Krankenbetten. Es weiß eben niemand mehr, wie viele Betten 
den Kranken, wie viele anderen Personen zukommen. 

Den Hospitaliten stehen in mancher Hinsicht nahe die in 
vielen Lazaretten in relativ stattlicher Anzahl befindlichen 
Pensionäre. Es ist vielerorts beliebt, daß alleinstehende Personen 
(kleinere Rentner, Lehrerinnen u. a.) längeren bezw. dauernden 
Aufenthalt im Krankenhaus auf eigene Kosten nehmen. Wenn 
diese Leute auch nicht die gleichen Störungen verursachen, wie 
die Hospitaliten, so wirken sie doch nachteilig, da sie den Kranken 
die besten Räume fortnehmen. 

Eine ganz ungehörige Sitte ist das vorübergehende Ver¬ 
mieten von Zimmern in Krankenhäusern. Menschen, die 
billig eine Sommerfrische genießen wollen, logieren sich teils 
mit, teils ohne Verpflegung in einem abseits in schöner Gegend 
gelegenen Krankenhause für einige Wochen ein, selbstverständlich 
ohne der ärztlichen Kontrolle unterstellt zu sein, um dann anderen 
Platz zu machen, sodaß dem Hospital das Gepräge eines Hotels 
ohne Konzession aufgedrückt wird. Welche schweren Nachteile 
daraus dem eigentlichen Krankenhausbetriebe erwachsen, bedarf 
keiner eingehenderen Beweisführung. Nur ein Fall aus eigener 
Erfahrung sei als Beleg angeführt. Ich fand in einem Hospitale 
mehrere Taberkulöse in ungenügender Isolierung, obschon eine 
solche in Anbetracht der zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten 
gut möglich gewesen wäre. Als Ursache wurde angegeben, daß 
verschiedene Zimmer vermietet wären. Mein Wunsch, diese zu 
besichtigen, konnte nicht erfüllt werden, da die Logiergäste sie 
abgeschlossen hatten. 



884 Dr. H«rb(t: Welche Aafarderugos ibd u ih kfata InikaUw 

Die Abrißen za Eingang dieses Abschnittes erwähnten Ver¬ 
anstaltungen (Erziehungsinstitute, Eieinkinderbewahr« 
anstalten, Näh-, Koch- etc. Sehulen), welche man mit 
Hospitälern vereinigt findet, unterscheiden sich von den soeben 
besprochenen dadurch, daß die hierbei in Frage kommenden 
Menschen nicht über Nacht in den Anstalten verbleiben. Dadurch 
schränkt sich auch ihre nachteilige Einwirkung auf diese wohl 
etwas ein, wird aber nicht völlig aufgehoben. Beispielsweise 
sind Ruhestörungen unvermeidlich; ebensowenig lassen sich direkte 
und indirekte Berührungen zwischen den die Schule besuchenden 
Kindern und den Lazarett-Insassen verhindern. Vornehmlich aber 
muß bemängelt werden, daß hierdurch die Aufmerksamkeit und 
die Arbeitskraft des Pflegepersonals zersplittert wird. 

Auf die Verquickung von Krankenhausbetrieben mit anderen 
Betätigungsformen mag es zum Teil zurückzuführen sein, daß in 
manchen Gegenden die Hospitäler fiberhaupt dos erforderliche 
Abschließen gegen die Außenwelt vermissen lassen. Besucher 
gehen trotz vorgeschriebener Besuchsstunden zu jeder Tageszeit 
ein und aus. Vielfach werden die Kapellen von den Umwohnern 
zur Verrichtung ihrer Andachten benutzt, weil es ihnen zu 
unbequem ist, bis zu der etwas entfernter liegenden Kirche 
zu gehen. 

Im Zusammenhang damit sei gleich noch auf einen anderen 
bedenklichen Umstand hingewiesen: Der Besuch der Erbauungs- 
Stätten in den Hospitälern wird gewöhnlich — Ausnahmen kommen 
allerdings vor — allen Insassen gestattet, welche nicht bettlägerig 
sind. Diese Regelung erscheint mir hinsichtlich derjenigen 
Kranken, die mit einem übertragbaren Leiden behaftet sind 
(Taberkulöse u. a.) oder ein solches vor kurzem Überstunden 
haben (Bazillenträger) wegen Gefährdung der übrigen Kapellen¬ 
besucher unzulässig. Die betreffenden Personen brauchen deshalb 
in der Befriedigung ihrer religiösen Bedürfnisse keineswegs 
beeinträchtigt zu werden. Ich glaube annehmen zu können, daß 
die Herren Geistlichen in Anbetracht des guten Zweckes die 
kleine Mühe nicht scheuen würden, jene Leute auf ihren Zimmern 
bezw. Abteilungen zu besuchen. 

Eine weitere Gruppe von Unzulänglichkeiten betrifft die 
Arztversorgung in kleinen Krankenhäusern, eine Frage, die 
während der letzten Jahre bei den Diskussionen über die freie 
Arztwahl des öfteren Gegenstand lebhafter Kontroversen in den 
ärztlichen Standesorganisationen gewesen ist und auch wiederholt 
zu Maßnahmen seitens der Aufsichtsbehörden geführt hat Es 
ist hier nicht der Ort, auf das schwierige Kapitel im Sinne jener 
Erörterungen näher einzugehen. Nnr soviel sei gesagt: Die 
Erfüllung der meines Erachtens an sich berechtigten Forderung, 
daß in jedem Hospital nur ein Arzt, und zwar nur einer, für 
diA hygienischen Verhältnisse wie für die Behandlung der Insassen 
maßgebend sein soll, stößt in verschiedenen Gegenden wegen der 
örtlichen Gewohnheiten und ans anderen Gründen anf Schwierig¬ 
keiten. Ich will mich hier im übrigen darauf beschränken, gewisse 
Angel in den bestehenden Verhältnissen zu berühren. 



in lindlfchm Bezirken su atellen uw. 


886 


Man muss es als einen unhaltbaren Zustand bezeichnen, 
wenn ein Lazarett keinen ortsangesessenen Arzt hat. Hierbei 
gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder hat sich die Hospitalver- 
waltung mit den im Orte wohnenden Aerzten ttberworfen, sodass 
sie ihre Hilfe versagen, oder es ist an dem Platze ein Arzt über¬ 
haupt nicht vorhanden. Den ersteren Fall darf ich wohl als 
unerfreuliche Ausnahme bezeichnen. Im Zeitalter der Streiks 
kommen ähnliche Dinge vorübergehend in vielen freien Berufen 
vor. Allerdings dürften schwebende Differenzen niemals dahin 
führen, dass ausländische Aerzte an die Stelle von einheimischen 
treten. 

Die zweite Möglichkeit sollte eigentlich eine Unmöglichkeit 
sein. Mit dem Begriffe eines Erankenhansbetriebes ist die 
Forderung nach jederzeit schnell erreichbarer ärztlicher Hülfe so 
eng verwachsen, dass man es kaum versteht, wie ein derartiges 
Institut ohne einen ortsangesessenen Arzt existieren kann; und 
doch kommt es vor. Eine Reihe von Hospitälern wird von Aerzten 
aus benachbarten Orten versorgt. Diese, oft an sich schon stark 
beschäftigte Männer, müssen häufig weite und schlechte Landwege 
zurücklegen, um das Krankenhaus zu erreichen. Zu Epidemie¬ 
zeiten oder aus anderen Gründen bleiben sie an manchen Tagen 
auch ganz fort, eventuell erfolgt die Ordination dann telephonisch. 
Derartige Anstalten können selbstverständlich nicht das leisten, 
was man als Minimum verlangen muss. Es fehlt zwischen ihnen 
und dem ärztlichen Leiter das so wünschenswerte innige Ver¬ 
hältnis, durch welches sie eigentlich erst ihr charakteristisches 
Gepräge erhalten. Der fremde Arzt, dem das lokale Interesse 
abgeht, der überdies seiner Praxis wegen an Zeit sparen muss, 
erledigt die wichtigsten Krankheitsfälle, die spezifisch hygienische 
Seite bezüglich der inneren Einrichtungen und des Betriebes 
bleibt jedoch mehr oder weniger unberücksichtigt. 

Leider beschränkt sich dieser Missstand nicht auf die 
erwähnten Fälle, man findet ihn auch in Krankenhäusern, denen 
es nicht an ärztlichen Kräften fehlt. Forscht man nach der 
Ursache, so erkennt man bald, daß diese nicht in der Qualität 
der betreffenden Aerzte, sondern in ihrem Mangel an Autorität 
beruht, der seinerseits wieder zum großen Teil auf der unge¬ 
nügenden Besoldung der Krankenhausärzte basiert. Manche An¬ 
stalten zahlen überhaupt kein Honorar, bei vielen bewegt sich 
dasselbe zwischen 150—450 Mark; Gehälter von 600—900 Mark 
sind fast schon als gute zu bezeichnen. Daß ein Arzt, der auf 
seine Praxiseinnahme angewiesen ist, einerseits solcher kärglichen 
Entlohnung auch die Arbeitsleistung anpaßt, anderseits es scheut, 
wegen hygienischer Fragen sich mit den hierüber oft anders 
denkenden maßgeblichen Laienkreisen zu Überwerfen, ist mensch¬ 
lich verständlich. 

Besonders häufig ist der Uebelstand in Gegenden anzutreffen, 
in denen dem örtlichen Brauch gemäß alle einheimischen Aerzte 
ihre Patienten im Hospital weiter behandeln. Dieses System hat 
in kleinen Orten und an kleineren Anstalten gewisse Vorzüge, 




ÜBt V>t. Hexbat: Welche Anfordenuigeo i 

aber es zeitigt — neben verschie 
Kak-teil, daß dadurch nach der An 
Arzt nahezu überflüssig gemacht \ 
Entschädigung niedrig bemessen r 
hefaögedrftckt wird. D&s letzten 
dem Umat&nd Zum Ansdracb, daß 
Eoapitalarzt garsicht Mitglie« 
(Kommission, Kuratoriam) ist. 

Weiterhin reihen sieh die anf t 
gnfüarenden Mängel an. Anch hiei 
betreffenden Persönlichkeiten — gvi 
au ^-schuldigen, sondern vielmehr a 
j*ne nicht verantwortlich gemacht 1 
dis Verweigernng der Hülfeleistoog 
vornehmlich bei GeRcblechtakraokli 
ö • Ordensregeln den Schwestern 
■dittwr Art verbieten. Wenn bei ein/ 
8?snie ein notwendiger operativer 
t'ffif &inden in der ärmlichen Woiisn. 
weü das örtliche Krankenhaas sie au 
ihr Leben oder wenigstens ihre 6- 
en. Wenn einem Menschen » 
Syphilis, die der ambulantes Beha 
■dk Wohltat der Lazarettversorgaei 
er unheilbarem Siechtum verfallen, 
in ÜiUeidensehaft gezogen. 

JSa welcher Härte die »IreDj 
Ordensregeln gelegentlieh führt, b 
mehrere Jahre zurückliegender Fall. 
kck-90 im Hospital beflodliche seL* 
c r i'r>mdnng einsetate, aas diesem h 
WiMerttdrtn nach ihrem enttemtea 
Derartig krasse Vorkommnisse stei 
ober in gemilderter Form mögen sie 
dafür sprechen die Bemühungen der 
Hospitäler zu einer estgegenkoiamöu 
-aweise sind die Öeetrebanges 
wms man schließen kann, daß em 
Bei den Venerischen ist die L 
Iött^esse der Allgemeinheit geboten. 

des Leidens ist es in sehr v 
gründliche Behandlung umhalstem 
> ken einfach fortbleiben. Nicht 
-ib^i schaden, tragen sie durch F 
vfeitehrs oder anf anderen Wegen 
reitußg der Krankheit bei. Tie! 
iVeivnagftffiitfcelbetrieben beschäftigt 
bi t rdurch Uebertr&gongen stattflnden, 
an«, ästhetischen Gründen Venerisch» 
gehalten werden; dazu ist aber eri( 
kenbänsern Aufnahme finden. 




in ländlichen Bezirken za stellen asw. 


837 


Besondere Schwierigkeiten in dieser Hinsicht macht die er¬ 
hebliche Menge der ständig fluktuierenden Bevölkerung. Von 
gewissen Elementen der Großstädte and der Iadastriebevölkerung 
ist das bekannt. Ich möchte hier aber aaf eine Berafsklasse hin- 
weisen, die gerade aaf dem platten Lande anzutreffen ist, das 
sind die sogenannten Schweizer oder Holländer. Diese größten¬ 
teils aas dem Aaslande herübergekoramenen Leute, meist unver¬ 
heiratet, führen oft ein recht ausschweifendes Leben in baccho et 
in venere und bleiben selten lange an demselben Platze, so daß 
sie sehr schwer zu kontrollieren sind. Folgender lehrreicher Fall 
ist mir bekannt geworden: 

„Der Schweizer eines Bauerngutes — diesmal ein Inländer — wurde 
bei dem Oberersatzgeschäft als schwer syphilitisch befanden and deshalb dem 
zuständigen Medizinalbeamten zugeschickt, welcher die UeberfUhrung ins Orts- 
krankenhaus veranlaßte. Eine nach wenigen Tagen eingezogene Erkundigung 
ergab, daß der Mann wohl aufgenommen, aber nach 24 3tanden wieder ent¬ 
lassen worden war, weil die Ordensregeln den Schwestern die Betätigung bei 
Geschlechtskranken nicht gestattete. Die Ton dem Kreisarzt benachrichtigte 
Polizeibehörde stellte sofort Ermittelungen an, konnte aber nur in Erfahrung 
bringen, daß der Betreffende nicht wieder za seiner alten Arbeitsstelle zurttck- 
gekehrt war; er blieb verschwanden and hat vermatlich eine Beihe anderer 
Menschen infiziert. 

Ich habe bereits wiederholt erwähnt, daß in vielen kleinen 
Hospitälern die Isolierung von ansteckenden Kranken 
bezw. der Verkehr mit ihnen nicht den hygienischen Anforde¬ 
rungen entspricht. Soweit das auf Unzulänglichkeiten des Baues 
und der inneren Einrichtungen beruht, kann man dem Pflege¬ 
personal selbstverständlich keinen Vorwurf machen. Es läßt sich 
jedoch nicht verkennen, daß auch das letztere noch häufig gegen 
die Grundsätze der Hygiene verstößt. Nebenbei nur sei bemerkt, 
daß die Schwestern, welche infektiöse Kranke pflegen, vor der 
Berührung derselben oft keine besonderen Ueberkleider anlegen 
oder sich nachher mangelhaft desinfizieren. Ein gröberes Ver¬ 
sehen ist es aber, wenn das Pflegepersonal von ansteckenden 
Kranken die anderen Bäume der Anstalt betritt, etwa zum Ein¬ 
nehmen der Mahlzeiten, was man nicht selten beobachten kann. 
Ein Kollege hat mir z. B. mitgeteilt, daß ihm beim Besuch eines 
Krankenhauses, in dem sich Pockenkranke befanden, die Schwester 
der Isolierabteilung, auf der diese Personen lagen, die Pforte 
öffaete, als er zur Revision erschien. Umgekehrt besuchen die 
Schwestern, welche auf den nicht infektiösen Abteilungen beschäf¬ 
tigt sind, gelegentlich die Isolierräume, was selbstverständlich 
ebenso unzulässig ist. Wiederholt hat man festgestellt, daß eine 
Schwester ansteckende Kranke und andere gleichzeitig pflegte. 

Ein weiterer hierher gehöriger und an manchen Orten noch 
reformbedürftiger Punkt betriflt das Verhältnis der Gemeinde¬ 
schwestern zu den Krankenhäusern. Fast überall, wo 
Ordensgesellschaften mit der Krankenpflege in Lazaretten betraut 
sind, wird auch die Gemeinde - Krankenpflege von ihnen ausgeübt. 
Die dazu bestimmten Schwestern wohnen und essen im Hospital 
mit den anderen Schwestern zusammen und werden in ihren 
Maßestanden nach Bedarf auch in den verschiedensten Bäumen 



Dt. Herbst: Welche Anforderungen 1 

der Anstalt zur Mitarbeit heran, 
vegnttgsfreiheit halte ich mit Rücks 
piUgerinnen off mit ansteckenden i 
ko tarnen, für bedenklich. Es wäre 
gewisse Verkebrsbesehränkangen e 
Sieben Weise, wie bei den 8chw 
Ferner dürfte es nicht gestattet wer 
weiche einen ansteckenden Kran 
brachen. 

Als tJrsache ihr die letztgena; 
großenteils eine mangelhafte h 
PUegepersonea ftnzuBehen. Zi 
Hr/isicht von den Mutterhäusern 
sei»; in anderen Fällen haben sh 
brochenen Aufenthalt an kleinen i 
ro&agelhaft geleiteten Lazaretten vei 
Mail sollte deshalb das Wartspersoa 
Anstalten fortlaufend in nicht zo la 
damit die einen Ihre Kentniase auffiri 
noi die hygienischen Verhältnisse 
ein wirken. Außerdem wäre es seh 
Krankenhaus mindestens eine Staat) 
h&ntan wäre. 

Neben der unvollkommenen A 
die ungenügende Zahl des F 
worden. In einem mir mitgeteilten ; 
l/asarett, dem einzigen in einem abg 
Verpflegung der Insassen von einem 
der, ein Schneider von Berat, die £ 
svue Aenderaag dieses unglaublich 
augestrebt wurde, konnte nicht er 
Zahlung seitens der Stadt, der 
.«‘.Mecht ist. 

Die MiÜatÄnde infolge einer un 
kreiten erstrecken sich aber nicht Dar 
pitoger- bezw. -Pflegerinnen, sonder 
da» niedere Dienstpersonal In vi 
liHupt keine Dienstboten; hier müsst 
geordneten Arbeiten selbst verrieb 
wichtig« Staad (taalitativ stark her, 
weiteren Folge führen kann., daß * 
U i.glieder leidet. 

Die Reihe der angeführten Mäi 
itang and Betrieb von kleinen 
: .v?Aöts unschwer vermehrt werden, dk 
am nicht durch eine za große Fülle 
•v^ientlicbsten Gesichtspunkten abzt 
at ndUch nicht in meiner Absicht, das 
za diskreditieren; ich habe vielmehr i 
■ ■ vorhandenen Mängel eine Bessei 




ln lindUchen Beiirken za stellen asw. 


839 


zielen, am auf diese Weise auch der Landbevölkerung Überall die 
Segnungen einer geordneten Erankenversorgnng in höherem Maße 
als bisher zukommen zn lassen. 

Die Ursachen für die besprochenen Zustände habe ich bei 
den verschiedenen Abschnitten größtenteils schon erwähnt. Zn 
den wichtigsten gehört die Finanzlage der einzelnen Anstalten, 
die deshalb hier noch besonders hervorgehoben werden soll. Die 
allerschlechtesten Krankenhäuser sind last immer solche, bei 
denen von Anfang an mit unzulänglichen Mitteln gearbeitet wurde. 
Wegen Mangel an Geld sind die Baulichkeiten schlecht, wegen 
Mangel an Geld können keine Aufwendungen für die inneren Ein¬ 
richtungen gemacht werden. Geldnot trägt mitverschuldend zn 
der ungenügenden Honorierung von Arzt und Pflegepersonal bei; 
auf sie ist, zum Teil wenigstens, die übertriebene Herabsetzung 
der Preise, Unzulänglichkeit der Verpflegung, und die Verquickung 
der Hospitäler mit anderen Dingen zurückzuführen. Schlecht 
finanzierte Anstalten schädigen durch ihre Konkurrenz die Leistungs¬ 
fähigkeit anderer, und in Gegenden, wo sie isoliert existieren, 
bringen sie der Bevölkerung einen falschen Begriff vom Kranken¬ 
hauswesen bei. 

Die kümmerliche Finanzlage im Zusammenhang mit der Be¬ 
dürfnisfrage macht es erklärlich, daß die gröbsten und zahlreichsten 
Mißstände in den ganz kleinen Lazaretten anzutreffen sind. 1 ) 
Gewiß begegnet man auch in mittleren und selbst größeren 
Häusern auf dem einen oder anderen Gebiet Schäden, die der 
Abhilfe bedürfen, aber die außergewöhnliche Anhäufung von Mi߬ 
ständen, denen man völlig ratlos gegenübersteht, ist fast aus¬ 
schließlich in den kleinsten Anstalten zu finden, die mit geringen 
Geldmitteln in primitivster Form begründet und, weil sich ihnen 
andere Hilfsquellen nicht anfgetan haben, auf dem ursprünglichen 
Standpunkt stehen geblieben sind. Die Grenze, unter welche ein 
Hospital nicht heruntergehen darf, wenn es bei Zugrundelegung 
der notwendigsten gesundheitlichen Anforderungen existenzfähig 
sein soll, ist etwa bei der Bettenzahl von 15—20 anzunehmen. 
Heutzutage gibt es aber noch eine große Zahl von Häusern bis 
zn 6 und noch weniger Betten herab. 

Ein weiteres ursächliches Moment ist in dem Bestreben der 
kleinen Kommunen zu erblicken, alle ihren Armenetat belastenden 
Personen, sofern sie mehr als eine fortlaufende kleine Geldunter¬ 
stützung erfordern, aus ökonomischen Gründen in die Hospitäler 
zu verlegen. Sie sparen damit besondere Institute (Armen-, 
Siechen-, Waisenhäuser) und finden nirgends für ihre Hilfs¬ 
bedürftigen so billige Preise wie in den Lazaretten. Man kann 
dieses Sparsamkeitsprinzip der Gemeinden wohl verstehen, wenn 
man in Erwägung zieht, wie viele Lasten sie zn tragen haben. 
Die Rücksichtnahme darf aber nicht so weit gehen, daß der wich- 


*) Zar Vermeidang von Mißverständnissen bemerke ich, daß kleine 
Priratkr&nkenh&aser, die für Spesinlswecke errichtet sind, hier nicht mit ein¬ 
begriffen sein sollen. 



840 Dr. Herbst: Welche Anforderaagea sied u die klemea Krukaüteer 

tige eigentliche Zweck der Krankenhäuser darunter leidet In 
Gegenden, in denen diese in größerer Zahl nahe beieinander¬ 
liegen, könnte ein Ausweg in der Weise geschaffen werden, daß 
ein Teil von ihnen ausschließlich zur Kranken Versorgung, ein 
anderer ausschließlich zur Aufnahme von Siechen etc. bestimmt 
würde. Bei einigem gaten Willen der als Besitzer beteiligten 
Körperschaften ließe sich dies wohl erreichen. 

Welche Vorzüge stehen nnn den geschilderten. 
Nachteilen gegenüber? Zunächst könnte man ganz all¬ 
gemein sagen, daß in Bezirken, wo ein wirkliches Bedürfnis vor¬ 
handen ist, ein schlechtes Krankenhaus immer noch besser sei, 
als gar keins. Dieser vielgebrauchten Redewendung ist eine ge¬ 
wisse Berechtigung nicht abzusprechen; sie führt aber leicht xa 
der irrigen Schlußfolgerung, daß da, wo nichts vorhanden ist, 
das schlechte schon genügt. Richtiger wäre es, die gegenteilige 
Auffassung zur Geltung zu bringen; denn, um auf die Hospitäler 
zu exemplifizieren, wenn in einem größeren abgelegenen Gebiet 
überhaupt kein Lazarett existiert, so kann durch Errichtung eines 
schlechten das ganze Krankenhaus wesen bei der Bvölkerang in 
Mißkredit kommen. 

Von speziellen Vorteilen dürfte wohl an erster Stelle zu 
nennen sein die durch zahlreiche kleine, wenngleich mangelhafte 
Hospitäler gewährleistete bessere Möglichkeit einer Iso¬ 
lierung von ansteckenden Kranken. Ohne Zweifel int 
dieser Umstand von nicht zu unterschätzender Bedeutung; aber 
doch eigentlich nnr in solchen Landesteilen, in denen auf weit« 
Entfernung sonstige Institute nicht vorhanden sind; er wird da¬ 
gegen dort hinfällig, wo die Ueberführung der Kranken in eia 
anderes Lazarett ohne Schwierigkeit erfolgen kann. Zu Zeiten 
größerer Epidemien aber, die ja eine besondere Berücksichtigung 
erfordern, versagen die kleinen Anstalten mit ihrer geringen 
Bettenzahl doch; man maß dann eben zur Errichtung von Baracken 
übergehen. 

Anderseits darf man nicht übersehen, daß in einem rück¬ 
ständigen Hospital die Gefahr der Weiterverbreitung von Krank¬ 
heiten viel größer ist, als in einem gutem. Wo keine Isolier¬ 
abteilungen vorgesehen sind, wo das Pflegepersonal nach Zahl 
und Ausbildung unzureichend ist, wo die Anforderungen an Bade- 
und Desinfektionseinrichtungen nicht erfüllt werden, muß jederzeit 
mit der Möglichkeit einer Uebertragnng auf die übrigen Insassen 
(Kranke and Pfleger) gerechnet werden. 

Bei einer Reihe von Krankheiten, die ihrer Natur nach ins 
Hospital gehören, ist es wichtig, daß die ärztliche Hilfe schnell 
geleistet wird, auch kann bei verschiedenen von ihnen (z. B. Blind¬ 
darmentzündung, Darmverschlnß, schwere Schädelverletzungen u.a.) 
durch einen weiten Traosport auf schlechten Wegen und mit 
schlechten Beförderungsmitteln eine Verschlimmerung des Leidens 
bewirkt werden. Die Vorzüge eines am Orte befindlichen Kranken¬ 
hauses liegen hier auf der Hand, nur sind sie nicht als so un¬ 
bedingt feststehend anzunehmen, daß man darüber die mit einer 



in ländlichen Besirken na stellen usw. 


841 


unzulänglichen Anstalt verbundenen Schäden außer acht läßt. 
Was beispielsweise die Schnelligkeit der ärztlichen Hilfe 
anlangt, so darf man nicht vergessen, daß es sich bei den in 
Frage kommenden Fällen fast immer um Spezialärzte handelt, 
die erst ans einem größeren Ort herbeigeholt werden müssen, 
was kanm weniger Zeit in Anspruch nehmen dürfte, als wenn man 
die Kranken dort hinschafft. Die Gefährdung durch den Trans¬ 
port kann aber durch gut eingerichtete Beförderungsmittel auf 
ein geringes Blaß reduziert werden, wenn die Entfernung nicht 
zu groß ist. Es wäre daher für manche kleinen Landgemeinden 
empfehlenswert, wenn sie an Stelle von schleckten Hospitälern 
sich gute Krankenwagen (Automobile) ansebaffen würden. Sie 
kämen dabei billiger fort, und der beabsichtigte Zweck würde 
besser erreicht werden. Dazu kommt, daß operative Eingriffe in 
einem hygienisch tadellosen Hause mit größerer Aussicht auf Er¬ 
folg vorgenommen werden können, als in einem minderwertigen. 

Weiterhin wird gern zugunsten möglichst zahlreicher, zer¬ 
streut liegender, kleiner Lazarette angeführt, daß die Bevölke¬ 
rung eher bereit ist, eine einheimische Anstalt aufzusuchen, als 
eine fremde. Auch diese Behauptung ist bis zu einem gewissen 
Grade richtig, aber auch bei ihr muß man Einschränkungen 
machen. Zweifellos gibt es eine Menge von Menschen, die derart 
an ihrer Scholle hängen, daß sie einem weit entlegenen Kranken¬ 
hause abgeneigt sind, die aber ein 4 bis 5 km entferntes einem 
heimatlichen gleichstellen und es daher ohne Sehen frequentieren. 
Dieser Kategorie stehen solche gegenüber, die gerade das lokale 
Hospital ablehnen, entweder weil sie mehr oder minder bewußt 
die Unzulänglichkeiten desselben empfinden, oder weil sie der 
weit verbreiteten Vorliebe für alles Externe huldigen. Ferner 
findet man überall Leute, die grundsätzlich gegen jedes Kranken¬ 
haus eingenommen sind. Ein Teil von ihnen gibt seine Abneigung 
ohne weiteres zu, ein anderer verbirgt sie hinter der Ansrede, 
daß er wohl in ein einheimisches Lazarett gehen würde, nicht 
aber in ein fremdes. Werden solche Personen unter veränderten 
Verhältnissen vor die gleiche Entscheidung gestellt, so äußern sie 
dieselbe Abneigung gegen die im Orte befindliche Anstalt und 
suchen nach einem anderen Vorwand. 

Schließlich werden häufig noch die niedrigen Verpflegungs¬ 
preise als ein Vorteil der kleinen Landkrankenhäuser genannt. 
Dieser Vorzug besteht aber in Wirklichkeit nicht. Eine erheb¬ 
liche Preissteigerung ist selbst in den großstädtischen Hospitälern 
nnr vereinzelt zn finden, weil da die Krankenkassen nnd andere 
Faktoren eine solche im allgemeinen nicht zulassen. Für ans 
kommen aber gar nicht großstädtische Anlagen in Betracht, 
sondern lediglich hygienisch einwandfreie, die in jedem kleinen 
Landstädtchen errichtet werden können nnd sollen, wie sie ja 
auch in manchen ländlichen Bezirken erfreulicherweise schon an- 
zntreffen sind. Wenn zwischen diesen Anstalten und anderen 
noch nennenswerte Unterschiede in den Verpflegungssätzen be¬ 
stehen, so ist das nnr so erklärlich, daß die letzteren entweder 



'.42 Df. Herbst: Welche Aalorderangeo 

absichtlich aas Konto rrenzgrÜD den 0 
mangelhafte Einrichtungen besitzen, 
nehmen können, wenn ela Überhang 
Beides ist aber als Mangel zu bezeie 

Einen Vorzug der ländlichen I 
darin erblicken, daß sie den Land- 
bessere Gelegenheit zur For t bi 1 d 
aal dem Gebiete der Chirurgie. Man 
daß nach Errichtung von Lazaretten 
angesessenen Aerzte sieh Verhältnis 
ermöglichte praktische Hebung- eine 
aogeeignet haben, die sie in den Sta 
Krankheitsfällen selbst za behandeln, dt 
von erheblichen Geldmitteln die näch 
Aulsuchen müssen. Der Nutzen dieser 
wie für das PabUkum ist hier un verke) 
die Kehrseite nicht übersehen, die darij 
immerhin mangelhaft ausgebildete Ch 
verleiten lassen, an Dinge berauzügehan, 
r ind. Ich habe in meiner früheren Täi 
Personen kennen gelernt, denen am 
irreparabler Schaden zogefügt war. 

Das Ergebnis der vers tobenden 
dahin zusammen: 

In dem ländlichen Krankenhaus wes« 
OTta eine Summe von Mißständen zu firn 
dürfnisfrage, die baulichen Verhältnisse,, 
den Betrieb erstrecken. Diese Mängel 
dürftig, wenn das Krankenhaus wesen aid 
Weise fortentwickeln soll,. Daran Ändert, 
•laß den Schäden gewisse Vorzüge gfigenü 
teren Bind nicht so groß, daß mau jene de 
um so weniger, als ihre Beseitigung- zwar 
geschehen kann, aber keineswegs auf uni 
leiten stößt. Die: in dieser Hinsicht not* 
möchte ich in folgenden LeUsätzen prl 
gleichzeitig die Antworten aal die iu dem 1 
enthalten. Unter ihnen befinden »ich ein* 
iber der Vollständigkeit halber doch mit 

t. Da» ländliche Krankenhaus wesen 
fiintwfckfdnng b^gtiffanes wichtiges Glied i; 
FarsofgewaöaafeBHMi und bedarf daher i 
toitigten Faktoren. Zur Erreichnng des 
müssen bestimmte Punkte besonders ins 
--Vater denen znn&chat za nennen ist 

II. die BedÜrfniafrage, bei der eine 
r itive Seite unterschieden werden muß. | 
%n Hospitälern vorliegt, ist die Errichtcnj 
betreiben, wo ein sich nachteilig beserkba 
vorhanden ist, sollten nene Anstalten aid 








In ländlichen Bezirken zu stellen nsw. 


843 


Bestehende überflüssige Häuser, zumal wenn sie gleichzeitig er¬ 
hebliche Mißstände auf anderen Gebieten zeigen, soll man zur 
Aufgabe der Krankenpflege zu veranlassen suchen, um den besseren 
Anstalten eine schädliche Konkurrenz zu beseitigen. Letztere 
müssen sich dafür ausschließlich der Krankenversorgung widmen. 
Je nach Lage der Verhältnisse soll man event. kleinen Gemeinden 
die Beschaffung guter Krankentransportmittel an Stelle von 
schlechten Lazaretten empfehlen. 

III. Krankenhäuser mit weniger als 15—20 Betten dürfen 
in ländlichen Gegenden nicht genehmigt werden, weil die Er¬ 
fahrung gelehrt hat, daß ganz kleine Anstalten nicht existenzfähig 
sind, wenn sie den notwendigsten hygienischen Anforderungen 
gerecht werden wollen. Ausnahmen sind dann gestattet, wenn 
in einem speziellen Fall besonders große Geldmittel vorhanden sind. 

Bestehende Anstalten mit sehr geringer Bettenzahl sollen 
nach Möglichkeit in Siechen- etc. Häuser umgewandelt werden. 

IV. Bei jedem nen zu begründenden Hospital muß die 
Finanzlage eingehend geprüft werden. Ungenügend finanzierte 
Lazarette dürfen nicht genehmigt werden, da sie erfahrungsgemäß 
von Anfang an rückständig sind und deshalb dem ganzen Kranken¬ 
hauswesen mehr schaden als nützen. Hinsichtlich der schlecht 
finanzierten alten Häuser gilt das gleiche wie bei Nr. III. 

Die Verpflegungssätze dürfen unter eine den örtlichen Ver¬ 
hältnissen angemessene Mindestgrenze nicht hernntergehen, weil 
sonst eine Schädigung der Kranken dnrch nnzureichendn Be¬ 
köstigung zu befürchten ist. 

V. Der Bau und die innere Einrichtung auch der kleinen 
ländlichen Krankenanstalten müssen unbedingt den bewährten 
hygienischen Grundsätzen genügen. Die Umwandlung von Ge¬ 
bäuden, die früher anderen Zwecken gedient haben, in Lazarette 
ist möglichst ganz zu verhindern oder höchstens unter der Be¬ 
dingung zu gestatten, daß ausgiebige Umbauten vorgenommen 
werden, die einem Neubau annähernd gleich zu erachten sind. 
Von Einzelheiten in baulichen etc. Verhältnissen seien folgende 
noch besonders hervorgehoben, weil gegen diese am häufigsten 
gefehlt wird: 

a) In jedem Krankenhause muß außer der Isolierabteilnng 
für akute Infektionskrankheiten eine getrennte Station für Tuber¬ 
kulöse vorgesehen sein. Diese Station muß ebenso wie die Iso¬ 
lierabteilung eine eigene Badegelegenheit besitzen. 

b) Jedes Krankenhaus muß mit Einrichtungen zur Dampf- 
nnd Formalindesinfektion ausgerüstet sein. 

c) In jedem Krankenhaus muß ein entsprechend ansgestattetea 
Operationszimmer existieren, das zu anderen Zwecken nicht be¬ 
nutzt werden darf und nur mit dem Korridor und etwa vor¬ 
handenen Verband-, Instrumenten-, Röntgen - Zimmern direkte 
Verbindung haben darf. 

d) Jedes Hospital, das nicht an eine zentrale Wasserver¬ 
sorgung angeschlossen ist, muß ein Pumpwerk besitzen, durch 
welches ohne Schwierigkeit eine reichliche Wassermenge den An¬ 
staltsräumen zugeführt werden kann. 



844 Dr. Herbat: Welche Anforderungen sind An klebe Krankenhäuser *n stellet. 

e) Für die Abortanlagen ist das Eflbelsystem za verbieten. 
Die Aborte müssen in direkter Verbindung mit dem Krankenhaase 
stehen. 

Wo für das Abortwesen das Grnbensystem besteht, müßte 
die Infektionsabteilang eine eigene Grabe besitzen, die besonders 
sorgfältig za desinfizieren wäre. 

f) Jedes Lazarett soll möglichst mit einer gnten zentralen 
Heizangsanlage versehen sein. 

Bestehende Hospitäler, welche den genannten Anforderungen 
nicht genügen, sollen veranlaßt werden, durch Umbauten und 
ergänzende Neueinrichtungen die notwendigen Verbesserungen 
vorzunehmen. Wo auf diesem Wege eine Abstellung grober 
Mißstände nicht erreicht werden kann, muß dahin gearbeitet 
werden, daß die betreffenden Anstalten ihren Charakter als 
Krankenhäuser aufgeben. 

VI. In allen Krankenhäusern muß der Betrieb so geregelt 
sein, daß keine Gefährdung und Belästigung der Insassen und 
der Außenwelt möglich ist. Folgende Punkte sind in dieser Hin¬ 
sicht besonders zu beachten: 

a) Kein Krankenkaus darf 'mit anderen Dingen, welcher Art 
sie auch sein mögen, verquickt werden. Speziell gilt das von 
den sogenannten Hospitaliten. Zur Erreichung dieses Zieles wäre 
es empfehlenswert, bei Neuniederlassungen von Ordensgesell¬ 
schaften von vornherein, etwa durch Aufnahme einer entsprechenden 
Bestimmung in die Konzessionsbedingungen, darauf hinzuwirken, 
daß die Krankenpflege nicht mit anderen Dingen verquickt wird. 
Bei den bestehenden Anlagen muß wenigstens dahin gestrebt 
werden, daß die Hospitaliten und die Betriebe, welche mit dem 
Krankenwesen nichts zu tun haben, in völlig gesonderten Ab¬ 
teilungen untergebracht und von einem eigenen Personal besorgt 
werden. 

Das Vermieten von Räumen in Krankenhäusern an Pensionäre 
und Sommerfrischler ist zu untersagen. 

b) In allen Hospitälern muß ein leitender Arzt mit ge¬ 
nügender Autorität und angemessenem Gehalt für einen längeren 
Zeitraum angestellt sein. Es mnss vorgesorgt werden, daß dieser 
Arzt für materielle Verluste, die ihm aus unverschuldeten Diffe¬ 
renzen mit der leitenden Körperschaft erwachsen, schadlos ge¬ 
halten wird, und daß er stets stimmberechtigtes Mitglied dieser 
Körperschaft ist. 

Lazarette, die nicht von einem ortsangesessenen Arzt ge¬ 
leitet werden, dürften nicht zugelassen werden. 

c) Jedes Krankenhaus muss ein genügend zahlreiches, gut 
geschultes und auskömmlich honoriertes Pflegepersonal besitzen. 
Mindestens je eine Persönlichkeit des Wartepersonals muss in der 
Krankenpflege und im Desinfektionswesen staatlich geprüft sein. 

Ein häufigerer Austausch zwischen dem Pflegepersonal der 
großen und kleinen Anstalten ist erwünscht 

Untergeordnete Dienstbotenarbeiten dürfen dem Pflegepersonal 
nicht zugemutet werden. 



Kleinere Mitteilangen and Referate ans Zeitschriften. 


845 


Der Verkehr der Gemeindeschwestern mit den übrigen In¬ 
sassen der Krankenhäuser bedarf der Einschränkung in ähnlicher 
Weise, wie es bei den Schwestern der Isolierabteilangen der 
Fall ist. 

d) Es muss angestrebt werden, daß in den ländlichen 
Hospitälern alle Arten von Kranken, auch Geschlechtskranke and 
Schwangere Aafnahme finden. 

e) In allen Krankenhäusern dürfen Besucher nur an be¬ 
stimmten Tagen und za bestimmten Stunden zugelassen werden. 

f) Die Kr&nkenh&uskapellen sollten in Orten, in denen Kirchen 
vorhanden sind, nur von den jeweiligen Einwohnern der Lazarette 
besucht werden. Ansteckungsverdächtige Insassen müßten wegen 
der Gefährdang der anderen Kapellenbesucher gleichfalls fern¬ 
gehalten werden. Für diese Personen könnten Andachtsübungen 
und Gottesdienste auf den betreffenden Stationen bezw. Zimmern 
abgehalten werden. 

Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 

Bakteriologie, Infektionskrankheiten and dffentllohes 

Sanitätswesen. 

1. Bekämpfung der Infektionskrankheiten, 
a. Cholera. 

Ueber die Verbreitungswege und die BekBmpfung der Chelera. Von 
Prof. Dr. 0. Lenta-Berlin. Desinfektion; 1910, H. 9. 

Da die Hauptgefahr von seiten einer Verseuchung der Flnßläufe und 
der schiffahrttreibenden Bevölkerug droht, so richten sich auch die gegen die 
Einschleppung gerichteten Maßnahmen in erster Linie gegen diese. Außer 
der regelmäßigen Versorgung der Fischer mit frischem Trinkwasser und der 
Aufstellung von Abortkübeln an Bord der Fahrzeuge und deren einwandfreies 
Entleerung au Land hat sich hier bisher die Einrichtung sogenannter Strom- 
Überwachung88tellen hervorragend bewährt. Auch in diesem Jahre sind wieder 
an den hauptsächlich bedrohten Stellen der Weichsel und Memel diese Ueber- 
wachung8steilen eingerichtet worden. Immerhin hat sich diese Maßnahme, so 
wertvolle Erfolge wir ihr schon zu danken haben, als nicht ganz vollkommen 
erwiesen, insofern eben nur die wirklich Kranken festgestellt werden konnten. 
Die aber als Infektionsquellen oft noch weit wichtigeren gesunden Bazillen¬ 
träger, d. h. Personen, die, ohne selbst zu erkranken, Choleravibrionen in 
ihren Verdauungswegen beherbergen und mit ihrem Stuhlgang ausscheiden, 
konnten naturgemäß auf diese Weise nicht erkannt werden. In richtiger Er¬ 
kenntnis dieses schwachen Punktes der bisherigen Maßnahmen hbt die preußische 
Regierung in diesem Jahre auf Anraten von Rob. Koch ln Schilno und 
Schmalleningken — den Eintrittsstellen von Weichsel und Memel in preußisches 
Gebiet — neben den dort befindlichen Stromüberwachungsstellen je ein bak¬ 
teriologisches Laboratorium eingerichtet mit der Aufgabe, die Besatzung aller 
durchpassierenden Flöße bakteriologisch za untersuchen. In jedem der Labo¬ 
ratorien sind zwei Mitglieder nebst einem Diener des Kgl. Instituts für Infek¬ 
tionskrankheiten in Berlin stationiert; ihnen ist ein Sanitätsunteroffizier und 
das nötige Hilfspersonal zugeteilt. Der Sanitätsunteroffizier hat die Aufgabe, 
▼on allen Flößern, die an diesen Grenzstationen behofs genauer ärztlicher 
Unterachung durch die Aerzte der Stromüberwachungsstellen an Land kommen, 
eine Strichqrobe zu entnehmen und in das Laboratorium zu befördern. Hier 
werden die Proben dann bakteriologisch auf das Vorhandensein von Cholera- 
wibrionen untersucht. Diese Untersuchung kann heute Dank der immer mehr 
vervollkommneten Untersuchungsmethoden in etwa 24 8tunden abgeschlossen 
werden. Das Untersnchungsergebnis wird sofort der Stromüberwachungsstelle 
mitgeteilt, die, falls Choleravibrionen gefunden werden, die Unterbringung der 



846 


Kleinere Mitteilungen and Referate ans ZeKaehrfftea. 


infizierten Pereonen ond der ganzen Mannschaft des betreffenden Floßes In der 
Qaarantänebaracke in Sebilno bezw. 8cbmalleningken sowie die gründliche 
Desinfektion des Floßes veranlaßt. Bieber ist in diesem Jahie noch kein ein* 
ztger Terd&chtiger Kranker auf Weichsel and Memel durch die Deberwachnnga¬ 
steilen festgestellt worden (zum Teil maß dies nach damit zusammeahiagen, 
daß die rassischen 8chiffer and Flößer vorsichtig geworden sied and kranke 
Personen vor Passieren der Grenze von den Fahrzeugen entfernen, am sich so 
Unannehmlichkeiten za ersparen), dagegen hat das Laboratorium in Schiine 
in der kurzen Zeit seiner Tätigkeit seit Ende Jali bereits drei gesande Be- 
zlllestriger heraasgefanden and ihre Unschidlichmachasg veranlassen können. 
Um noch einer Einschleppung der Cholera darch den Oeberlnndverkehr nach 
Möglichbeit za begegnen, der nntargemiß nicht annähernd so einfach an 
fibersehen ist, wie der Floßverkehr, anderseits aber auch nicht entfernt so 

J roße Gefahren in sich birgt wie dieser, ist wieder, wie in früheren Jahren, 
le Ueberwachung des Gesundheitszustandes des reisenden Pnblikums durch 
das Zagpersonal sowie die Meldepflicht aller ans Rußland kommenden Per¬ 
sonen angeordnet worden. Außerdem sind alle Vorkehrungen getroffen, am 
möglichst schnell einen während der Reise Erkrankten ohne Gefährdung der 
Mitreisenden einem geeigneten Krankenhause sozaffihren. Gleichseitig sind 
nach wieder die Bestimmungen über die Desinfektion im Bereich der Eisen¬ 
bahnen za Choleraseiten in Kraft getreten. Dr. W olf-Witsenhaasen. 


b. Epidemische Genickstarre. 

1« Pathogenese der Iblen Zufille, die Im Verläufe der Immantsferung 
von Pferden gegen den Menlngoeoecus beobachtet wurden. Von Briot 
and Dopter. Comptes rendus de la soc. de hiol.; 1910, LX1X. Nr. 84. 

8. Dlsknsslonsbemerkoagen zur Serotherapie der Genickstarre beim 
Menschen. Von Netter. Ebenda. 

1. Die Autoren beobachteten bei Pferden, denen wöchentlich eine intra¬ 
venöse Injektion von Meningokokkenkaltaren zur Vakzination einverleibt 
worden, oft schwere Zofille: Einige Minuten nach der Injektion Schwindel, 
Kontrakturen der hinteren Gliedmaßen, Schwanken, plötzliches Hinfallen. Es 
kann Erholung eintreten. In anderen Fällen: Krämpfe, Dyspnoe, Angst, 
Kollaps, Tod 20—40 Minuten, ja selbst schon 5 Minuten nach der Injektion. 

2. Flezner hat nach der Darstellung Nettere schon ähnliche 
Symptome bei Pferden während der Immunisierung beobachtet und diese 
aut eine Wirkung der Mikroben und der Produkte der Autolyse auf den 
Kreislauf zurtlckgeführt. 

Netter hat, wie andere Aerzte ebenfalls, beim Menschen 
ernste und selbst tödliohe Zufille wihrend der serothera¬ 
peutischen Behandlung des Meningitiden beobachtet; Hutiael 
hat dementsprechende Erfahrungen in der Presse mödicale 
jüngst veröffentlicht Es handelte sich bei Netter um 9 Kranke auf 
100 und 18 intravertebrale Injektionen auf 484. Er führt die Schädigungen 
auf die normal im Pferdeserum enthaltenen toxischen Prinzipien zurück. 
Aehnliche Erscheinungen hat man beim Menschen nach subkutaner Injektion 
von Diphtherieheilserum oder Antistreptokokkenserum beobachtet Herbort 
Gilette konnte 28 Fälle derart sammeln; in 15 Fällen trat der Tod ein. 

Um Anaphylaxie handelt es sich bei den Nebenwirkungen da 
Antimeningokokkenserums nicht In der Mehrzahl der Nett ersehen Fälle 
trat» die üblen Zufälle schon nach der ersten Injektion ein. Ein 20 monat¬ 
liches Mädchen wurde z. B. nach der ersten Injektion von sehr ernsten Zu¬ 
fällen betroffen. Am 2. und 8. Tag lösten die neuen Injektionen dieselben 
Erscheinungen aus; es kostete große Mühe, das Kind am Leben zu erhalten. 
Ein Rückfall, 6 Tage später, swang zur wiederholten Seruminjektion. Dies« 
Mal blieben die Erscheinungen aus. Man muß ihr Vorkommen kennen, das 
zwar selten ist immerhin aber nach intravenöser, intravertebraler und intra¬ 
kranieller Einverleibung weniger selten, als nach subkutaner Injektion. 

Der Autor spricht die Hoffaung aas, daß die Befreiung da au Heil¬ 
swecken verwandten 8erums von dm schädlichen Stoffen da normalen Pferde- 
bluta geling» möge. Dr. Mayer-Simmera. 



Kleinere Mitteilungen und Beferste ans Zeitschriften. 


847 


c. Desinfektion. 

Ueber prnkttsebe Ergebnisse der Desinfektion ron Rosshaaren nnd 
Borsten ln Fabriken. Von Dr. Holtsmann-Karlsruhe. Konkordia; 1910, 
Nr. 16. 

Verfasser berichtet Uber Desinfektionsver suche, die an verschiedenen 
Dampfapparaten angestelit sind and über die Grenzen des Oberhaupt Erreich« 
baren wertvolle Aufschlüsse gegeben haben. 

Die in der Praxis aasgeübte Desinfektion genügt bei gewissenhafter 
Handhabung nicht allzu widerstandsfähiger 8poren, insonderheit zur Abiötung 
der Milzbrandsporen. Oie Fabrikanten, denen Mitteilung über die Resultate 
suging, haben sich überzeugt, daß der gewünschte Zweck auch erreicht wird. 
Darch eine öftere Probeentnahme, die etwa jedes Jahr stattfiaden soll, wird 
Sorgfalt und lateresse an der Desinfektion wach erhalten. Freilich werden 
Infektionen nach in Zakanft nicht ganz vermieden bleiben. Treten Milzbrand* 
fälle bei Personen auf, die nachweisbar mit ausländischem Rohmaterial vor 
der Desinfektion nicht in Berührung gekommen sind, so wird der Verdacht 
naheliegen, daß wider besseres Verstehen ungenügend desinfiziert wurde. 
Allerdings ist auch dieser Schiaß kein unbedingt bündiger; denn einmal ist 
die Uebertragung möglich durch Staub, der beim Abladen der undesinfi* 
zierten Ballen in reichlichem Maße entsteht und Verbreitung findet, anderseits 
ist auch die Möglichkeit der Uebertragung durch inländisches, von der Des* 
Infektion aasgenommenes Material nie ganz ausz aschließen. 

_ Dr. Wolf • Witsenhausen. 

Ueber die Desinfektion von Ztegenfellen nnd Borsten Im Rabner- 
Apparnt. Von Dr. H. A. Giens* Frankfurt a. M. Desinfektion; 1910, Nr.8. 

Die Vakuumdampfdesinfektion im Rubner* Apparat ist für Ziegenfelle 
unbrauchbar, dagegen anwendbar für die Desinfektion von Borsten. Da diese 
Desinfektionsart durch die Wiedergewinnung fast der gesammten Desinfek¬ 
tionen üssigkeit sich sparsam gestaltet, kann sie für die Desinfektion von 
Borsten empfohlen werden. Es wäre deshalb wünschenswert, wenn die gesetz¬ 
lichen Bestimmungen über die Desinfektion von Borsten dahingehend erweitert 
würden. _ Dr. Wolf*Witzenhausen. 

8. Abw&sserbeseitigung. 

Der augenblickliche Stand der Abwasserfrage ln 8uIilt«Zellfabiiken. 
Von Dr. A. Pritzkow, wissenschaftliches Mitglied der Königlichen Prüfungs- 
Stelle für Wasserversorgung nnd Abwässerbeseitiguog. Vierteljahrsschrift für 
gerichtliche Medizin und öffentliches Sanitätswesen; 1910, 3. Folge, XI. Band, 
3. Heft. 

Eins der schwierigsten Probleme auf dem Gebiete der gewerblichen 
Abwässerfrage stellt ohne Zweifel die befriedigende Reinigung und Beseitigung 
der Abwässer der Sulfit-Zellstofffabriken dar. Die Lösung dieses Problems 
beansprucht aber deshalb besondere Aufmerksamkeit, weil die deutsche Zell* 
stoffmdustrio im letzten Jahrzehnt eine großartige Entwickelung erfahren hat, 
und mit ihr Hand in Hand eine fortschreitende Belastung unserer Flüsse mit 
ihren Abfallstoffen gegangen ist. Als solche kommen in Betracht: 

1. Roh- und Waschlaugen aus den Kochern, in denen das zerkleinerte 
Rohmaterial, fast ausschließlich Fichten* und Tannenholz, mit einer wässerigen 
Lösung von Kalziumbisulfit (Salfitlauge) viele Stnnden hindurch erhitzt wird; 

2. Sieh- und Preßwässer aus den Zelluloseentwässerungsmaschinen und 

3. Kondenswässer der verschiedenen Maschinen und andere Betriebs¬ 
wässer. Diese kommen bei der Reinigungsfrage jedoch nicht in Betracht. 

Die gefährlichsten Wässer sind die Kocherablaugen, einmal wegen ihrer 
großen Menge— täglich insgesamt ca. 15000 cbm—, sodann besonders wegen 
ihres hohen Gehaltes an gelösten organischen Stoffen, die spezifische 
Pflanzennährstoffe darstellen. Die Zuführung dieser Stoffe zu dem Flußwasser 
bewirkt in den weitaus meisten Fällen eine reichliche Entwickelung von Pilz- 
wucherangen, die zuweilen das ganze Bachbett wie mit einem dichten Polster 
überziehen. Sekundär bilden sich dann durch Absterben derselben Zersetzungs¬ 
und Fäulnisprozesse, durch welche Schädigungen aller Art bewirkt werden 



848 



Kleinere Mitteilungen ood Referate »na Zeitschrift 


kennen, unter besonders ungünstigen Umständen vormag das g> 
and pflanzliche Lehen im Floß vernichtet za werden. 

Was nun di« Verfahren zur Behandlung der Abwässer 
es wegen der schweren and nur langsam vor sich gebenden 
Langen ein von vornherein «ossichteloaea Beginnen, diese fttj 
der üblichen Vecrhehsadltjusg durch natürliche oder ktlnstlic 
metbeden unterwerfen zu wollen Dagegen läßt sieb aowo 
verfahren, wie di® Behandlung in küuatlichea biologischen Kö 
sieht auf durchgreifenden Erfolg dann an « enden, wen» die 
laugen vorher einen ■durebgmiunden Zersetsongsproeeß darc 
mit leicht fioiofeffthigen Stoffen nnterwoifea werden. Dies 
Umständen dadttWh errdeien, daß sie 4er Kanalisaüfi» einer i 
Südlichen größtes Stadt srogefßktt weiden, -- Aal jeden ] 
Beialgung dsr Wasser, vor ihrer Saiflhiimg; in die Yoiflat gi 
kalten; daher /ist« dem Yorflnter ganz fern 

durch Ei a d » m p i hm Da Sher die hiermit' verknüpfte» Koste 
mäßig hohe sind, wird sich dies Verfahren erst dann eisigen 
gestalten, «renn es gelingt, die in den Abfangen enthaltenes w 
«urßekaugewinaea und praktisch natsbar «n wacher». Zahlreiche 
Vorschläge sind gemacht worden, ohne daß jedoch bisher wirk! 
Besuitate erzielt wordsn wären. A m rationellsten erscheint noch 
von Alkohol aus dan verschiedenen Zackerarten enthaltend 
wobei man mit einst Auahente von 60 Liiere 100 pros. Alkoj 
Ablaäge rechnet. In .Schweden wird aut diesem Wege jährlich 
Kronen Alkohol produziert; hei uns könnten Werte von ran« 
Mark döroh Produktion ¥<m Sulfitsprit, der die gleichen 
wie Karteffelapirivaa besitzt, geschaffen werden, wenn nicht .. 
Brauctweinsteuergeaetzgsbflng derartige Schwierigkeiten im Wej 
an trfae lohnende fSewinnang des Alkohols au# Ablaugonnicht g 
kann, Jedenfalls sied die derzeitigen Bestrebungen bei der £ 
letzteren mehr auf eine Nutzbarmachung als auf ihre Reinig 
womit letzten Endes das gleiche Ziel verfolgt wird: Beinhalte 
von unseren Flüssen. Dr. H i U e n b e r i 


Heber Gerucbsbelästignngen bei künstlichen biol 
wSsaerungsanlagen, Von Prof. Dr. Salomen, Geb. Med 
Gesundheit; lötU, Nr. 18. 

Aas den Ausführungen dürfte zur Genüge hervorgeben 
reichere biologische Kläranlagen ebenso wie .Rieselfelder für 
Nachbarschaft sicherlich nicht gleich gültig sein können, da e 
Zersetzung der Abfallatoffe entstehenden Gase und Aasdünst 
umgehende Luft Weitergaben müssen, falls nicht besondere l 
deren anderweitiger Beseitigung oder Unschädliche) »chang ( 
Obwohl es zweifellos ist, daß kränkelnde, «chwacbnervfge 
nicht minder akut erkrankte Personen unter Gerechsbeiästig 
au leiden haben, ab Gesunde, dürfen dJe fps Mefogfeehet 
stainmondea Gerilohe im allgemeinen sicht *i& unmittelbar 
schädlich bezeichnet werden. Alle Erfahrungen aufRieselfeld*« 
Umgebung, sowie die Beotmchtaogon über den Qesuodheiteauet 
Wärtern and Kanal*! beitem sprechen dag*gc». 

Die bloße Beeinträchtigung des Wohlbehagens durch mel 
ununterbrochene Einwirkung üblen Duftes kann jedoch auf d 
die Gesundheit nicht völlig gleichgültig sein; die Betroffenen 
Anrecht auf Schutz durch die Sauitsispolmh 

Din unterirdische Einbettung ist leider nur im Kleie«) 
weder billig noch Überall ausführbar (felsiger Untergrund, hoher 
stand); dagegen kann die Verlegung ebaaelner Teile bioiegh 
unter die Erdoberfläche namentlich da von hohem Wert sein 
Raummangel besteht und die Aesefnaaffcratebung der verschi 
langen, s. B. in engen Täler», geböte# erscheint. Ebenfalls a 
Anlagen anwendbar dürfte die Entlüftung sein. 

Da, wo es auf zuverlässige öeroebsverbinderung an ko mm 



behüte 


Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


849 


du genab tiu* 

riaer nlugt, sä 
ad«Zeneun|h 
je llr lick »Heil 
lutlkit Bäi|jV 
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kaum etwas anderes übrig, als die erste Stnfe der FttllkOrper In ibrer 
ganzen Ausdehnung au überdachen oder mit Bohlenbelag su überdecken, wie 
es bei den Faulkammern und Filtern für grobe Vereinigung die Regel zu 
sein pflegt. 

Für die zweite Stufe der Füllkörper gibt es ein wesentlich einfacheres, 
recht zuverlässiges Verfahren der Geruchsblndung, nämlich die gleichmäßige 
Ueberdeckung der zuführenden Rohre, Binnen oder Kanäle mit einer 80—60 cm 
dicken Koksschiebt. 

Die Zahl der augenblicklich vorhandenen Mittel für Hemmung und 
Beseitigung von Geruchsbelästigungen durch biologische Anlagen ist somit 
nioht gerade grofl zu nennen. Dr. Wolf- Witzenhausen. 


8. Strassenbygieae. 

Der Strassen staub und seine Bekämpfung* eine hygienische Erörterung* 
Von Oberbürgermeister a. D. Paul am Ende*Dresden. Im Selbstverläge des 
Verfassers. Dresden 1910. C. Richard Gärtner sehe Buchdruckerei (Heinrich 
Viescher). 89 8eiten; geheftet M. 1. 

Auf Grund seiner Ausführungen auf der letzten Versammlung deutscher 
Naturforscher und Aerste in Salzburg über den Straßenstaub und Beine 
Bekämpfung hat Verfasser seine Erfahrungen, die er als Oberbürgermeister 
von Dresden sammeln konnte, in dieser lesenswerten Broschüre niedergelegt 
und sie bo der Allgemeinheit zugänglich gemacht. Es werden die manigfachen 
häufig nicht genug beachteten Gefahren einer starken Staubentwicklung und 
einer damit einhergebenden Verschlechterung der Luft dargelegt. Die Ursachen 
dieser Staubplage liegen einmal in der Abnutzung des Straßendeckenmaterials 
und in der Zermahlung der auf der Straße abgelagerten Verkehrsver* 
unreinigungen. ln neuester Zeit ist die Staubplage besonders aktuell und 
Hidg geworden durch die immer zunehmende Zahl der elektrischen Bahnen 
und ganz besonders der Automobile. Die bisherige Art der Staubbekäir~' 
die Straßenbesprengung, ist völlig unzureichend und die erheblichen , 
stehen in keinem Verhältnis zum erreichten Nutzen; ebenso aber ist auch 
bis heute noch kein Straßendeckenmaterial gefunden, daß eine erhebliche 

Die letzten Jahre haben nun unzweifelhaft Fortschritte auf diesem 
Gebiete gezeitigt und zwar durch alle jene Versuche, die Straßen mit solchen 
chemischen Mitteln zu tränken, die die Eigenschaft der 8taubbmdung haben. 
Nachdem sich verschiedene Mittel wie Emulsionen von wasserlöslichen Oelen 
und Salzen und wässerige Lösungen verseifter Mineralöle als nicht brauchbar 
erwiesen haben, hatte man im Steinkohlenteer anscheinend ein recht brauch¬ 
bares Mittel gefunden, bei dessen genauerer Prüfung sich jedoch «ch »och 
erhebliche Mängel wie schlechter Geruch und Schädigung der Vegetation 
heraufs te Htew. Zur Gruppe dieser Teerpräparate gehört auch das Apokonin, 
dessen Zusammensetzung jedoch nicht näher »ff*« wird ; al £ a fi c ^®“ 
Angaben des Verfassers soll dieses nicht wasserlösliche Praparat alle anderen 
bisher für denselben Zweck angegebenenMittelweit über ‘ reff ®"-£ 1 ®® U H b ‘ 
bindende Wirkung des Apokonins soll sich auf viele Jahre erstrecken, die 
Widerstandsfähigkeit apokonierter Sollen gegen mechanische Abnutzung soll 
infolge Bildung einer elastischen OberflSchenscblcht derartig erhöht werden, 
daß eine Neubeschotterung seltener nötig wird. Hiernach scheint das Apokonin 
geeignet zu sein, sowohl in hygienischer, wie in wirtschaftlicher Beziehung 
eine Umwälzung auf dem Gebiete der Staubbekämpfung herbeizuftthren. Das 
Apokonin wird hergestellt von der Firma C. F. Weber, Aktiengesellschaft 

in Ldpng (le^Medizinalbeainte nicht ganz selten gezwungen ist, zur Frage 
der Staubbekämpfung z. B. auf Schulhöfen und Spielplätzen Stellung zu 
nehmen und da die bisherige Art der Staubbekämpfung mit einfacher Teerung, 
mit Gasteer oder Steinkohlenteer sehr wenig ermutigend war, glaubte Referent 

diese kleine Broschüre ausführlicher besprechen zu sollen. 

vtv Dr ß Mohrmann-Stade. 


Ueber die zum Ersätze der gewShnliehen Steinsehlagdecke in Be¬ 
tracht iMiMmden Fahrbahnbelag«. Von Oberingenieur Dr. F. Bernhard- 

»s,.VäJI n._• 1Q1£* 1?:*. 15. 




850 


Kleinere Mittellangen and Referat 


Dm KleiapÜMter kann im Vergleich 
staub* und kotfrei bezeichnet werden. 

Das Kleinsteinpflaster ist nicht ger&as 
wesentlich geringer als auf gewöhnlichem Qj 
koeffisient rar Klebpflaster beträgt schätsnnj 
Zagwiderstand auf Kleinpflaater geringer alt 
Steinschlagdecke und auf Kopfsteinpflaster, s 
Holz* und Beihensteinpflaster mit Asphalt fug 
ist bis za Neigungen von 6°/o bei allen Witte 
verkehrssicher. Bei Basaltkleinsteinpflasternngei 
bis 8*/« zulässig. Dr 


4. Nahrimgwznlttelhyg 
Sind die aus Lot hergestellten Poppenea 

Von Prof. Dr. med. A. Gärtner. Viertelj*hrssch 
und Öffentliches Sanitätswesen; 1910, 3. Folge, XI 
In den letzten Jahren wurden vielfach Papp 
einer Zinnbleilegierung mit 30—40 Pros. Blei beste 
mittelchemiker wegen ihres hohen Bleigehalts a 
Nahrangsinittelgesetzes beanstandet. Die »usführj 
Verfassers verfolgten den Zweck, einmal einwandsf« 
lieh die genannten Sächelchen der Gesundheit gefäh. 
Untergang einer mehrere Tausende von Arbeitern 
Industrie gerechtfertigt wäre, oder ob das nicht < 
weitere Schädigung dieser Industrie unter allen Umstäi 
Nachdem vom Verfasser hervorgehoben, daß 
dauer der Spielservice auf die Kinder eine recht g 
die zum Spielen verwandten Genaßmittel: Wasser, Kt 
8&fte u. a. stets nur eine sehr geringe Zeit in den kleiner 
an der Hand eines reichen Literaturmaterials und auf < 
die Präge erOrtert, welche kleinste Mengen Blei 
chronischen Vergütung nOtig sind, und welcher Zeit < 
tozikationserscheinnngnn auszulOsen. Verfasser komm 
daß „mindestens 5 —10 mg durch minderte 
tragen werden ohne jede Schädigung.* Es 
schiedenen Sachverständigen, ohne eigentliche beweiskri 
aut Grund von theoretischen Erwägungen, betont, daß 1 
besonders empfänglich seien. Diese Ansicht wird vom 
voeinwandfrelen Beobachtungen als durchaus Irrig geJ 
ergaben vielmehr das völlige Gegenteil, so daß die 
fertigt ist, „daß eine Prftdisposition des jag 
bis gegen das 10. Jahr bestimmt sieht beste 
ein recht beträchtliches Verschontbleiben 
gruppe sich deutlich hervorbebt. 

Auf welchen Wegen und in welchen Mengen vermi 
den Spielzeugen aus in den kindlichen Körper hineiasogel 
Gerichtsverhandlungen wurde behauptet, daß das Blei d 
zadringen vermöge, besonders wenn das Kind an den Bin 
verhält sich jedoch hierzu die Wirklichkeit? Oirtner I 
an der Hand von praktischen Versuchen die an den Hände: 
bleibenden Bleimengen und stellte dann durch Umrechnung /es 
also höchstens 1 mg Blei bei einem einstOndlgen Spiel aa 
haften bleiben kann; „und diese Menge soll durch die Hai 
Kinder ambringen P* fragt er ironisch. Wird aber nicht i 
welche in den kleinen bleihaltigen Gefäßen beim Spiel eich 
den Kindern genossen werden, bleihaltiges Material dem Orgt 
Schaden zageftlhrt? Aas einer großen Seihe entsprechende! 
verschiedener bekannter Autoritäten geht jedoch mit aller Oe 
daß die in den Speisen sich losenden Bleimengen minimale l 
vielen Fällen eine quantitative Bestimmung überhaupt nicht l 
was bedeutet die gelegentliche Aufuahme solcher aller kl 
wenn man sich vergegenwärtigt, daß Aente Säuglingen 1 



Kleinert» Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 851 

8,5 mg, größeren Kindern 10 mg mehrmals verabreichen dürfen! G&rtner 
weist somit die chronische Bleivergiftung durch die Aufnahme des von den 
Speisen und Getr&nken aufgenommenen Bleis vollständig zurück, wie er auch 
aus zahlreichen fremden und eigenen Versuchen mit absoluter Sicherheit 
konstatiert, daß die Aufnahme von metallischen Blei in Form kleiner 
8tückchen, die beim Spielen abgebissen werden, wie sie in einer Gerichts¬ 
verhandlung eine Bolle spielten, durchaus belanglos ist, da seine Menge in 
1 8tunde höchstens 1—2 mg betragen kann, und hiervon wahrscheinlich blos 
*/ioo— 8 /ioo mg gelöst werden. Tatsächlich ist auch, soweit man die deutsche, 
englische und französische Literatur durchsucht, kein einziger Fall von Blei¬ 
vergiftung durch Pappenspielservice bekannt geworden. Daher ist zu fordern, 
daß die Beunruhigung, unter welcher der Zinngießereibetrieb schon seit 
10 Jahren leidet, endlich anfhOrt, und die Schädigung, welche eine fleißige 
und nutzbringende Industrie Bayerns und Thüringens pro nihilo erleidet, 
ein Ende findet; sonst wird die „Wohltat des Gesetzes zur Plage“. 

Dr. Hillenberg-Zeitz. 


5. S&uglingsftlrsorge. 

Die Stellung der Esellnmlleh ln der Diätetik des Säuglings« Von 
Dr. Brückner-Dresden. Fortschritte der Medizin; 1910, Nr. 29. 

Die Eselinmilch hat einen sehr geringen Fettgehalt (1 °/ 0 ), enthält etwas 
mehr Eiweiß wie die Frauenmilch, etwa 1,5 °/ 0 , und ungefähr gleichviel Zucker 
(6°/ 0 ). Gering ist anch ihr Gehalt an Salzen. Im Vergleich zur Kuhmilch ist 
sie bedeutend keimfreier und kann unbedenklich roh genossen werden, da 
Taberknlose beim Esel nicht vorkommt. Ihr Kaloriengehalt beträgt 500. Nach 
Ansicht des Verfassers ist sie gesunden, kräftigen Kindern wohl zuträglich; 
diese können aber, falls keine Brustmilch zu beschaffen ist, auch ohne Be¬ 
denken mit Kahmilch ernährt werden. Dagegen leistet sie bei gewissen Er¬ 
nährungsstörungen ausgezeichnete Dienste; besonders bei der Dyspepsie und 
Darmkatarrhen mit ganz dünnen Stühlen ist sie für junge Säuglinge sehr 
zu empfehlen, wenn man keine Brustmilch beschaffen kann, die natürlich 
unter allen Umständen vorzuziehen ist. Erhältlich ist Eselinmilch durch die 
gemeinnützige Genossenschaft Hellerhof in Dresden. Bpd. 


Die Anwendung getrockneter Milch ln den städtischen Säuglings¬ 
milch-Niederlagen. Von C. Kiliick Miliard, M. D., D. Sc., Medical officer 
of health, Leicester. Public hcalth; XXIII, 1910, Nr. 9. 

Darstellung der „getrockneten“ Milch: Eine dünne Lage Milch 

? assiert über einen rotierenden Metallzylinder und wird durch Dampf anf eine 
'emperatur erhitzt, die bedeutend höher als der Siedepunkt ist (etwa 250 0 F.). 
Bei hoher Temperatur und geringer Dicke der Milchschicht wird der Flüssig- 
keitsgehalt der Milch rasch verringert; der Best wird nachher vom Milch¬ 
zucker als Krystallisationswasser aufgenommen. Die Schicht der getrockneten 
Milch wird automatisch bei jeder Drehung des Zylinders abgescbnitten und 
in einem Behälter gesammelt. Der Prozeß ist einfach, dauert nicht lange, 
die Zusammensetzung der Milch wird wenig geändert. 

Die so gewonnene getrocknete Milch ist ein grobkörniges, rabmfarbenes 
Pulver, das sich leicht mit Wasser mischt, in welchem der größere Teil sich 
rasch löst. Fett, Eiweißkörper und Milchzucker stehen in demselben Verhältnis 
zueinander, wie in der ursprünglichen Milch. Nach Zasatz von Wasser sind 
allerdings Farbe, Konsistenz und Geschmack etwas verändert; dadurch daß 
die Milchkügelchen zerrissen sind, steigt das Fett leichter an die Oberfläche. 
Zum Gebrauch mit Tee oder Kaffee empfiehlt sich das Präparat nicht, obwohl 
es nicht unscbmackhaft ist. 

Für Säuglinge ist es leicht verdaulich und wird auch von kranken 
Säunlingen gut vertragen; es ist frei von Taberkelbazillen und hält sich lange, 
auch im heißen Sommer. In luftdichten Büchsen verpackt, sind Proben überall 
hin versandt worden. 

In der Säuglingsfürsorgesteile in Leicester betrugen die Kosten, so 
lange trinkfertige Milch in Flaschen gereicht wurde, 300 £ im Jahre. Bei 




8 &S tUeiuere Mitteilungen and Keferate 

• 

A^erendang wa TyöoJfeuamitch erreichen diu E« 
di*»ar Sawae, B& basteht keine Arbeit, di« 31 1 
Pl*$chen »« rdutgun; die getrockneteMt leb .fc* 
wü’den und ist auch fftr Ame c.rsefc wi»*>licfa- 
Auf dt« iu döf Diskussion geäußerten 
Milch gut vertrugen, erwiderte der Autor; Auf 
liQ Sinder, die aber 10 Monate mit di«aar Mücb oj 
>. die sie mehr >1» S Monate erhalten betteu. 
damals noch. Kar la einigen wenigen Fällen u 
werdem, d» getrocknete in dieses siebt rertrsges ■ 
Der Aatoe selbst, der parsßaticü die Kinde 
to. Zeit siebt, die Aernte, die die Falle untersuch 
die diese Milch 70 a der Zentralstelle entnehmen, 

Kc len wirk an gen eines längeren Gebrauchen der Ti 

' • ■. Ü 

SSagUngBfUrForge in Bsrm«n* Von Dt. T 
schrlft far SasgUngafftrsorgfi; 19 tö, Nr. 8 —4. 

Im Berichtsjahr t. April 1809 bis 81. März 
im Sineiinsrsheia stntioaär verpflegt gegen 106 im J 
Jahre 1907/0S.! ,;Die Fre«i fl<5 ® s hat sich also in er!: 
Vm den in irdhetes Jahren &n manchen Orten so gr 
der Eiader durch den AustulU.afenthalt (SespUalis 
konnte in diesem Jahte so wenig wie in den hei 
v len. Die fier Xardiaatpunkto sind folgender 
JL gate hygienische Einrichtung der Anstalt im »Hg 
ß die Befilaksichtigong der großen Fortschritte 4i 
hetikande ; 

3. die Bereitstellung rcn Ammen Jtr kranke an d ach wi 
l. sorgfältig« Pflege, anagettbt yoa einem Intelligenten, 
treuen Personal. 

Während die Sterblichkeit, der Säuglinge in Bar 
d:.r Jahre 1900-19Ö5: 13,3^ betrog, sank sie 1906 %i 
in den nächste» Jahr«» 10,4 9,9 9 /« und endlich 1909 i 
Die Sterblichkeit der naebeirdten Säoglloge beuiif 
als 32-3Ö ^;(i?0« «. Th noch 37,5#J* f sie sank 1907(1 
SKagüngflheimä) auf 30 9°/», dann 1908 (Organisaiioa 4 
19 *'n and betrag auch 1909 nur 20,9 Dr. Wal/ 


Säaglfagsfftmrg« tu Magdeburg. Von Prof. Dr. 
s.shrifi für SättgÜngsscbetz; 1910, Nr, 8. 

Seit dem t> April 1908 besitzt Migdebarg tiae atd 
von Keller and Lindemond großzügig organisierte an 
mäßig großen Mitteln »osgestauete «idtiwhe Skagliagifte 
Die Fürsorge cmfabt: 

1, alle unehelichen Kmder, mögen sie hei der Natter, bei 
Fremden, unter gehr acht sein', 

~ alle ehelichen, gegen Entgelt bei Drittes octcrgebrsci 
dr «Ile Eiader, ihr die AnmnsientiMag gewiß 

Die Fdraorg«hört mit Anlauf des sneitea Jahre« auf, 
tif^hränkangön erstreckt sich die Fürsorge auch aa/dtejenigi 
;T5;.Äfi0ten Groppen gehörigen Kindci, d«ea Mütter hillprm, 
Die Tätigkeit and die Letausge» der Fürsorge bestehet 
i:< Dur Einrichtsng einer BernfsToroaBdichaft; 

% der Daberwachong dmcb besoldete Päegerirnea aaäim l 
freier ärztlicher Behandlung o?d Arznei durch die stadtii 
amtsärnte; 

1 die Gawährang von SliHprämien; 

% der JUleferang gtttor Rühmlich mi Preise m gewöhnlich 
Nen hinnagekommeB ist schließlich seit dem Mai 1910 e 
»urguttiueda unterhaltene StUlkrippA Ergänzt wird die bisher 





Kleinere Mitteilungen nnd Referate ans Zeitschriften. 


858 


städtische 8äaglingsfttrsorge durch die unter Leitung des städtischen Kinder* 
erstes stehende Säaglingaabteilang der Krankenanstalt Altstadt. 

Von privaten Einrichtungen, welche dem Säuglingsschntze dienen, ist 
nur das Säuglingsheim an erwähnen, daß mit Subvention der Stadt and der 
Provins vom Verein „Säuglingsheim“ unterhalten wird. 

Aus allen bisher mitgeteilten geht hervor, daß in Magdeburg die Für¬ 
sorge für uneheliche Kinder in organisierter und nur in einseinen Punkten 
noch besserangsbedürftiger Weise geregelt ist. Die Fürsorge für die ehe¬ 
lichen Kinder der ärmeren und ungebildeten Bevölkerung sschichten ist bisher 
nicht su gleicher Hohe ausgebildet, aber die Wege, auf denen auch hier Fort¬ 
schritte su ersielen sind, liegen klar erkennbar vor uns. 

_ Dr. Wolf-Witzenhausen. 

Säuglingsfürsorge im Posen. Von Dr. Th. Pincus. Zeitschrift für 
Säuglingsschuts; 1910, Nr. 9. 

Bis sum Jahre 1905 waren die Sänglingsfüraorgeeinrichtungen in Posen 
nur dürftig vorhanden. Es wurde dann in schnellem Tempo, fast gleichseitig, 
die offene 8äaglingsfürsorge unter Anstellung von städtischen Kinderärzten 
und Berufspflegerinnen nach dem Tau besehen 8ystem reorgarnisiert, Still¬ 
propaganda wurde unter Bewilligung großer Mittel getrieben, eine 8&uglings- 
milchanstalt ins Leben gerufeo, Berufs- und Generalvormundachaft eingeführt 
und unter Einstellung von Hausammen umgestaltet. 

Diesen Bestrebungen folgte ein auffallendes Herabgehen der Sterblich¬ 
keit der Kinder im 1. Lebensjahre. 

Der Vollständigkeit halber sei noch kurz erwähnt, daß den Hebammen 
für wirksame 8tillpropaganda Prämien zugesichert und den Pflegefrauen, die 
unter besonders schwierigen Verhältnissen einen 8äugling gut erhalten reap. 
gestillt haben, Beträge von 20 M. als Prämien gewährt werden. Zur Beseiti¬ 
gung der im Ammenweseo herrschenden Mißstände wurde ferner die Ammen* 
Vermittlung durch das Waisenamt eingerichtet. Ammen werden erst abge- 

{ ;eben, nachdem sie 6 Wochen ihr eigenes Kind gestillt haben; die Vermut- 
ungsgebtthr wird für die Ammenklnder zinsbar angelegt. 

_ Dr. Wolf-Wltzenhausen. 

Die Säuglingssterblichkeit im Pommern, Ihre Ursachen und ihre 
Bekämpfung. Von Prof. Dr. Erich Peiper und Dr. Richard Pauli- 
Greifswald. Klinisches Jahrbuch; 1910, Bd. 28, Heft 2. 

Die vorliegende Arbeit hat um so größeres Interesse, als Pommern 
— unerwarteter Weise — eine sehr hohe Säuglingssterblichkeit bat. Die 
Provins Pommern unterscheidet sich auch noch insofern von anderen Provinzen, 
als hier die Säuglingssterblichkeit von Jahr zu Jahr gestiegen ist, während 
sie in den übrigen preußischen Provinzen dauernd abgenommen hat. 

Eine wesentliche Zunahme hat die Säuglingssterblichkeit gerade in den 
Landgemeinden erfahren. Weder ungünstige soziale Verhältnisse, noch 
Mangel an Versorgung mit Arsten und Hebammen, noch übermäßige Abfuhr 
von Milch nach der Stadt und „Entmilchung* des Landes tragen hier die 
Schuld, sondern lediglich die epidemisch sich auch auf dem Lande ausbreitende, 
unnatürliche Ernährung sowie der Mangel an Sorgfalt und Verständnis in der 
Aufsucht lebensschwacher Kinder. 

Der Einflaß des 8elbst8tiUens auf die Säuglingssterblichkeit geht auch 
aus den statistischen Erhebungen hervor, die gelegentlich der Impfungen über 
die Häufigkeit und Dauer des Stillens in Pommern angestelit wurden. Es 
zeigte sich, daß in denjenigen Kreisen, in denen die natürliche Ernährung 
weil verbreitet ist, auch die Säuglingssterblichkeit geringer war. Kreise mit 
kurzer Stilldauer hatten hohe, solche mit langer Stilldauer geringe Säug¬ 
lingssterblichkeit. 

Als Ursache des Nichtstillens liegt keineswegs ein Mangel an Still- 
fähig keit vor, sondern dieselben Gründe, wie wir sie auch anderwärts immer 
wieder finden: „Völlige Unkenntnis der Grundgesetze der Kinderernährung 
und Pflege, im besonderen der Stilltechnik, unzweckmäßige Beratung durch 
die Hebammen, Mangel an Pflichtgefühl, Gleichgültigkeit der Mütter, die 
lieber ihre Kinder umkommen lassen, als ihnen die Brust su geben, Genuß- 


854 


Kleinere Mitteilungen and Referate aas Zeitschriften. 


sacht, Bequemlichkeit and Faulheit.“ Daß daneben auch die veränderte 
Stellung der Fraa im Erwerbsleben eine wichtige Rolle spielt, ist nicht Ton 
der Hand za weisen. Man ersieht aber gerade ans dem Beispiel Pommerns, 
das betreffs der gewerblichen Frauenarbeit an viertniedrigstor Stelle steht, 
daß weniger der raahe Zwang des Gelderwerbs als vielmehr der mangelnde 
Wille znm Stillen den Hanptgrnnd der Flascheneroährung bildet. Daß von 
einer physischen Unfähigkeit znm Stillen, dem „Mangel an Nahrung“ nicht 
die Rede sein kann, lehrt bereits ohne weiteres der hofiere Anblick der 
kräftigen Fraaengeatalten. Ueberall tritt lediglich der Mangel an Wert* 
Schätzung der natürlichen Ernährung und die Unkenntnis der Stilltechnik za 
Tage. Unzweckmäßige Beikost wird den Kindern schon vom ersten Lebens* 
monat an gegeben. Einem 6 monatlichen Kinde mußte ein Heriogsschwanz 
aus den hinteren Halsorganen entfernt werden! 

Aus diesen Beobachtungen über die Ursachen der hohen Kindersterb* 
lichkeit leiten sich ohne weiteres die Maßnahmen za deren Bekämpfung her: 
Vor allem Propaganda für die natürliche Ernährung, Anfklärang and Belehrung 
aller Beteiligten über Säuglingspflege and 8äuglingsschatz. 

Die Belehrung hat bei den Aerzten anzufangen, denen eine bessere 
fädiatrische Vorbildung za wünschen ist; bei den Hebammen wären die 
Kenntnisse der Säaglingsernährang, besonders über die Stilltechnik, za 
vertiefen. 

Besonders wohltuend berührt die eifrige Propaganda einer besseren 
Fürsorge für uneheliche, für Pflege* and Ziehkinder. Wie viel darch Ein- 
fOhrnog einer umsichtig arbeitenden Berufsvormundschaft geleistet wird, lehrt 
das Beispiel Leipzigs, wo sich die Erträge an Alimenten von 15404 M. (1897) 
auf 220260 M. (1906) steigerten. 

Auf die Fülle von interessanten Einzelbeobachtangen, die sich bei der 
gründlichen Bearbeitung des statistischen Materials ergeben, kann hier nicht 
eingegangen werden. Jedem, der sich für Säagilngsfürsorge interessiert, sei 
das Studiam des Originals empfohlen. Dr. D o h r n - Hannover. 


Ein Beitrag zur Frage der Beslehugen zwischen Minderzahl and 
Kindersterblichkeit* Von Marie Baam*Düsseldorf. Halbmonatsschalt für 
soziale Hygiene and Medizin; 1910, Nr. 21. 

Eine sehr ausführliche Tabelle sucht nachsaweisen, daß die Forderung, 
die Kinderzahl zu beschränken zum Zwecke der Verringerung der Kinder* 
Sterblichkeit, nicht richtig ist. Es wird in dieser Tabelle anf die Ernährungs¬ 
weise eingegangen and unterschieden zwischen Kindern, die nicht gestillt, 
solchen, die nur kurze Zeit, anderen, die ausreichend and endlich solchen, die 
lange gestillt sind. Bei allen diesen Gruppen stehen in bezng auf die Sterb¬ 
lichkeit die Erstgeborenen günstiger da, als die späteren Kinder; es wird 
hierdurch die entgegengesetzte Angabe, die sich vielfach in der Literatur 
findet, nicht bestätigt. Im Mittel stirbt von den Erstgeborenen jedes 7. bis 8^ 
von den Zweit- bis Achtgeborenen jedes 6., von den Neantgeborenen jeden 
4. bis 5., and von den noch höher in der Geburtsreihe stehenden jr.des 8. Kind. 
Diese Darch8chnittsziffern verschieben sich erheblich, wenn die Kinder nicht 

f estillt werden; so fallen z. B. von den Achtgeborenen oder noch späteren 
[Indern fast die Hälfte dem Tode znm Opfer. Bei einer Stilldaaer von 
18 Wochen stirbt ein Drittel, bei längerer Stilldaaer nur noch ein Sechstel, 
ein Zwölftel asw. Bei 190 Kindern, die über •/« Jahre gestillt waren, kamen 
nur noch 6 Sterbofälle vor. Es geht daraus hervor, daß ein erst*, zweit- oder 
drittgcborenea Kind, wenn es nicht oder nur kurze Zeit gestillt ist, erheblioh 
mehr gefährdet erscheint, als das 8., 9., 10. oder noch spätere Kind, das lange 
genug Mutterbrust erhalten hat. 

In einer zweiten Tabelle werden die Familien in einzelne Groppen 
geteilt, für die das Unterscheidungsmerkmal die Stilldaaer ist. 

Praktisch wird eine gesunde Darchführnog der Volksvermehrang viel 
mehr erreicht durch natürliche Ernährung der Kinder, als durch Bestrebungen, 
die aaf Herabsetzung der Geburtenziffer hinzielen. Eine Vergeudung von 
Kindermaterial und folglich auch von Frauenkraft ist mit einer Minderzahl 
von 6 bis 8 und selbst noch mehr Lebendgeborenen keineswegs notwendig 
verknüpft _ Dr. Hoffmenn-Berlin. 



Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


855 


Statistische Erhebungen über die Stlllungsverbältnisse Berliner 
Gemeindeschul• Rekruten. Von Dr. M. Scbaefer, Schularzt. Halbmonats¬ 
schrift für soziale Hygiene und Medizin. 1910, Nr. 23. 

Verfasser hat bei den Eiaschalungsantersuchangen die Mütter der 
Kinder nach den Stillangsverhältnissen befragt. Die Resultate seiner 
Erhebungen führt er in Tabellen vor, wonach von 2796 Kindern 884, d. b. 
33‘/*°/o, Brustkinder waren. Als Braslkinder bezeichnet Sch. nur solche 
Kinder, die mindestens 26 Wochen gestillt Bind. Einzelne Fälle hat Verfasser 
festgestellt, wo Kinder zwei Jahre (34 Kinder), 2'/a Jahre (3 Kinder), 2 1 /* Jahre 
(4 Kinder) und 3 Jahre (1 Kind) lang gestillt wurden. Diese Überaus lang 
gestillten Kinder machten aber durchaus nicht etwa einen besonders günstigen 
Eindruck in bezug auf ihre Konstitution; die lange Stilldauer beruhte wohl 
nur auf Bequemlichkeit, Indolenz und Scheu der Mutter vor den Unannehm¬ 
lichkeiten des Entwöhnens; auch Aberglaube spielt hier wohl eine Rolle. 1 ) 

Dr. Hoffmann-Berlin. 


6. Schulhygiene. 

Dan Untergeschoss den Stadtschnlhauncs. Von Prot H. Chr. Nuli¬ 
fo a um-Hannover. Das Schulzimmer; 1910, Nr. 3. 

Verfasser empfiehlt, das Untergeschoß anstatt als Hochkeller als Sockel¬ 
geschoß auszabauen. In ihm ist jeder Raum fttr Schulzwecke ausnutzbar, 
während der Hochkeller kaum fttr Schulbäder als wirklich geeignet bezeichnet 
werden darf, die man vielerorts in ihm anlegt, um seine unbenntzten großen 
Flächen einigermaßen verwendbar zu machen. Rttekt man den Fußboden des 
Untergeschosses über das Erdreich empor, sichert ihn wie das Mauerwerk 
gegen Bodenfeuchtigkeit und gibt diesem Geschoß eine ausreichende Höhe, 
dann ist es geeignet, einer Reihe von Aufgaben dienstbar zu werden, die 
gegenwärtig vom städtischen Schulhause zumeist nur mangelhaft gelöst sind. 
Zunächst biotet dieses Geschoß Gelegenheit zur Entfaltung einer weiträumigen 
Halle, die geeignet ist, bei ungünstiger Witterung der gesamten Schuljugend 
des Hauses als Aufenthalt während der Unterrichtspausen zu dienen, bei 
günstiger Witterung aber den Lehrern und den älteren Schülern das Ergehen 
gestattet, falls im Hof oder Garten der Raum beengt ist oder in ihnen ein 
der Erholung ungünstiger Lärm durch Spielen der jüngeren Schüler hervor- 
gerufen wird. Der großen Halle sind dann gut durchgebildete und ausge¬ 
stattete Kleiderablagen von solcher Geräumigkeit anzuiügcn, daß sämtliche 
Schüler hier nicht nur die Oberkleider abzulegen vermögen, sondern auch der 
hygienisch so wünschenswerte ScbuhwechBel zur Durchführung gelangen kann. 
Für die Heizung und Lüftang wie fttr das Schalbad und den unteren Teil der 
(zweigeschossigen) Turnhalle bietet ein Sockelgeschoß weit einwandfreiere Räume 
als der Hochkeller, während sein etwa weiter verfügbar bleibender Platz fttr 
eine Schuldienerwohnung, für Sammlangsräume, für Lehrerzimmer und Bera¬ 
tungssaal, im Erfordernis sogar fttr die Dienstzimmer des Schulleiters ausgenutzt 
werden darf, ohne irgendwelche hygienische Nachteile befürchten zu müssen. 

_ Dr. Wolf-Witzenhausen. 

Bestimmung der Grösse eines Schulsimmers für ländliche Volks¬ 
schulen. Vom Kgl. Baurat Wilke-Posen. Das Schulzimmer; 1910, Nr. 3. 

Zur Beantwortung der in Rede stehenden Frage sind die örtlichen Ver¬ 
hältnisse eingehend zu prüfen and alle bezüglichen Umständo in sorgfältige 
Erwägung zu nehmen. Für die Bestimmung der Unterrichtsräume nach Zahl 
und Größe dient zweckmäßig die Kenntnis der Kinderzahl aus einer möglichst 
großen Reihe von Jahren. Werden diese Z ihlen vereinigt oder durch eine 
Zeichnnng bildlich dargestellt, so wird sich ohne Mühe ergeben, ob eine Zu- 
oder Abnahme oder ein Stillstand des Schulbesuches vorhanden ist. 

Dr. Wolf-Witzenhausen. 


i) Das lange Stillen, wie es vielfach in einzelnen ländlichen Kreisen 
von Westfalen Sitte ist, hat hier seinen Grund hauptsächlich darin, daß es 
als wirksames Antikonzeptionsmittel angesehen wird. Interessant ist, daß in 
diesen Kreisen die Frauen eine außergewöhnlich hohe Tuberkulosesterblichkeit 
zoigen, zweifellos z. T. eine Folge dieser Unsitte. Rpd. 





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S56 Eignere Mittelungen and Referate tu Zedtscluif 

Zorn gegenwärtig*« Stand der SchulbnakRj-glein 
Moaes-Mannbetm. Das Sebolsimmer; Kr. 2. 

Oie Erwägungen, ob man xo diesem öder jenem Syste 
außerhalb des Bereicfcea der eigentlichen Oeaandieitawisseo 
technischer, pädagogigischer, ökonomischer Katar. Sehr wicbi 
wähl und Verteilung der Baaknaomern. Die Zielrichtung der 
der 8chalbankb;giene gebt keineswegs nach einer fort» ehren- 
lang aller möglichen raffinierten technischen Neukonstrahtiomt 
dem Ausgleich and die Ausschaltung der mit dem Stillsitrea 
in der besten Baak verbundenen gesundheitlichen Üasoträglic 

_ Dt. Wolf- Wit* 

Zar SchniUfelfrsge. Von Fr. Weigl-München. Qt 
1910, Nr. 7. 

Der Verfasser empfiehlt die BeingiaaUfel van Schamb 
welche weiß and matt ist, keinerlei störende Reflexe ltat, »ich 
als die Schiefertafel ist, nur ö0 PI kostet and sieh «ehr lefati 
rügen läßt; die Liabtinr ist dauerhaft. Die Blaistiftacbicibii 
leicht aoUragca, __ _ Br. Wolf* Witixi 

Wert der doppelhfiadlgeo Ausbildung ISr Schale «ad 
röckslehtlgung der f orteUe der Steilsehrift. Von Dr. Muni 
CbarloUeBbnzg, Nebst- einem praktisch - didaktischen Teil »int 
Ausbildung“ vob Stadt» und IfrekscJmUnspektot F. Trema 
L Pr. Berlin 1910. Verlag von BJchard Saböts. 

Frankel tritt mit begeisterten Wortes and einem g 
von Gelehrsamkeit für die doppeln findige Ausbildung des Mer 
dem Zweck bemüht er sich, dU* Kö-pereEhädeis unserer Kinde 
snsetsea, sodann bespricht er den Wert der 8teÜschrlft für i 
solcher Schälen, indem er ihr den Versag vor der boote Üblich 
gibt. Es folgt daun eine «ehr interessante, durch Beispiele 
«euer Zelt belegte Besprechung 4er Theorie der Rechtshändig] 

Das folgende Kapitel fährt die Ein wände, weiche gegen 
der Unkshündtgen Oebiuag erhob»« werden können, *» und nach 
legen. Es folge« dann sehr aosföhrlicbe Betrachtungen Aber 
der Doppolbäadigkflit, die Ausführung apppeihandigea Schreiben« 
and Uber die Nachteiie uascrer bisherige» Einfaanderrieboog. 

Damit schließt der erste Teil, der durchweg flott, wenn i 
leiefaieemlndHeh geechriflHen tet. 

Im II, Teil wird der Wert der linkshändigen Ausbiid 
Schule und Statt büWpFöChea. 

Aach dieser Teil Ist höchst Interessant go lesen and. ent 
selbständiger originell«* sam Nachdenken anregenden Gedanken 

Sch weriieh wird mau aber den Ausführungen des rasti 
in dem Verfasser seiner Phantasie die Zügel schieße« läßt 
Einführung der linksfeSndigsn Ausbildung eise eeao Epoche 
liehen Entwicklung datieren will» Hier ist *« dem Autor o 
ergangen wie Tielea Forschern und Menschenfreunden tot ib 
Durcbfftbrung einer an sich nicht unrichtigen and heachtenswwi 
das HsU der Zakanft erblicken, and dadurch In einseitige tfr 
verfallen. 

Der dritte Teil bringt ans der Feder eines Erehwehaiinspek 
Ergebnisse and Anleitungen nur Doppelschrift, Dr. Zell 


_ 

Fßraorg» ftr Scbwachhsgabte auf dem Bunde» Von 
Worms. Gssandbeitswartei 191,9, Nr. 7, 

Die Fordernng des Verfassers, die fiel für sich hat «ad d 
Fachleute das Wort geredet haben, geht dahl», KTeishiDsscbnlet 
Omer ümatitsden könnte ntaa schließlich für den Anfang dem Rahme 
siehe», größere Gebiete amlassen und Prortniittlaastalten in* 
Später könatö vielleicht *u den Kreisinstitoten uarfickgekehrt 



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Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


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konnte entweder „Schulen“ einrichten, wo die Kinder in Familien unter gebracht 
werden, oder „geschlossene Anstalten“. Da diese Frage von weittragender 
Bedeutung und die dafür aufgewendeten Mittel reichlich Zinsen tragen, so 
verdient sie ernste Betrachtung. Dr. Wolf-Witsenhausen. 

Das Problem der Erstehung normaler Kinder. Von Direktor G. 
Major‘Zirndorf. Gesundheit in Wort und Bild; 1010, H. d. 

Anormale Kinder bedürfen eines besonderen Unterrichts, einer längeren, 
auf den Einzelfall sorgfältig zugeschnittenen Heilerziehung und Heilpflege. 
Da ist zunächst die große Gruppe der geistig Zurückgebliebenen, dann runder 
mit psychopathischer Konstitution. Zu diesen, wenn es gleich licht die Regel 
ist, wird man auch solche Kinder rechnen müssen, die ^ der Erziehung unter 
gewöhnlichen Umständen Rätsel aufgeben und unüberwindbare Hemnisse be¬ 
reiten durch auffallend starke Charakterfehler. Weiter bedürfen der Heil¬ 
pflege alle an motorischen und choreiformen Störungen, an Sprach- und lienor- 
störungen und anderen Ausfallerscheinungen leidende Kinder. Es kann sich aber 
auch um leichte nervöse Affektionen eines früheren Kindesalters handeln, deren 
Beseitigung den sonst sicheren Ausbruch späterer Psychoneurosen verhindern soll 
— oder nm Rekonvaleszenten, deren nervöses Gleichgewicht durch Infektions¬ 
krankheiten, traumatische und andere Einflüsse erschüttert wurde oder um 
sog» schulmüde Kinder, die etwa von längerer Krankheit genesen, mit ver¬ 
doppeltem Eifer das Versäumte nachzuholen sich mühten, oder durch die 
meist unseligen Nachhilfestunden dazu angehalten worden sind und so an der 
Grenze ihrer körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit angelangt, schüeo- 
lieh zusammengebrochen sind. Sie alle sind den Anforderungen der Schule 
und des öffentlichen Lebens nicht gewachsen und bedürfen grtndlicaar Hilfe. 
Für sie gilt ein anderes, ein sozial-pädagogisches Ziel: Durch und Ito die 
Arbeit erziehen zur Selbsthilfe, zum eigenen Schaffen, unter steter Beobachtung 
und starker Betonung der Individualität des Einzelnen wie der Entwickelungs¬ 
prinzipien der kindlichen Wesenheit, aus den Kindern nach d ™*™*™** 

äs**“ “ 4 A “ U8 '° bt,T 8 - 1 

Vollbesc hä ftigte und teilweise beschäftigte Schulärzte. Von W. J. 
Howarth, M. D., D. P. H., Connty medical offleer of health, Kent. Public 

of health; September 1910, Nr. 12, XXIII. a ., 

Bei seinem dem Grafschaftsrate von Kent in der Frage: „Schularzt Im 
Haupt- oder im Nebenamt?“ erstatteten Gutachten leiteten den Autor ab 

Amtsarzt der Grafschaft folgende Erwägungen: . . w-rd« 

Für den vollbeschäftigten Schularzt spricht die Annahme, werde 
billiger arbeiten, die Resultate seiner Untersuchungen würden 
sein; die von ihm gefundenen Zahlenwerte würden spater ^ standara 

Werte dienln können. Dagegen spricht: Die “®J“® to “° TOrtaTd« 
da ihm kaum eine Aussicht auf Beförderung winke, Wechsel der 

Stelleninhaber bedingen, so daß die erhoffte Einheitlichkeit doch nicht 

zuatande^kame.W j^i der ortgftn8 &saigen Aerztefzu SchuiSrzten läßt »ich 
geltend mtchen daß sie in dünn bevölkerten Landstrichen häufiger dazu 
kämen, die 8chnle zur Untersuchung solcher abnormer Kinder za besuche^ 
die b!i der yorgeschriebenen Besichtigung ermittelt ivorden sind, undl daß 
sie mit der Familiengeschichte von vielen alten und Kindern bekannt smd^ 

Ab Einwände sind zu berücksichtigen: Für den Arzt, der die 
Stelle erhielt, besteht die Möglichkeit von Behängen mit de “f® U £8° n - 1 
beträchtliche Zersplitterung der einze neu Distrikte mnß e “ e “ ““g 1 “ 
Einheitlichkeit znr Folge habon; schließlich besteht die Gefahr, daö aie 
Interisen der Privatpraiis mit Vorher festgesetzten Besichtigangsterminen 
kollidierten. Unter sonst gleichen VerhäitnbBen sollte unter den ansässigen 
Aerzten der Amtsarzt den Vorzug erhalten. 

Es wurde beschlossen, beide Kategonen von Schuläraton ernennen, 
and es ergab sich: Die ortsansässigen Aerzte kÖ““ e “ **• * r .°®** 
recht befriedigend leisten, sie vergrößern nur die Schwierigkeiten 



8&B Kleinere Mitteilungen and Heferate au# Zeitschriften. 

der Organisation des DletsUa dadurch, daß bei ihren Bericht« dar persönliche 
Faktor eine große Rollo »pielt. Bei größerer Erfahrung durfte unter dem 
Einfluß dar Zentr Abteile «Ich diese Schwierigkeit fache» lassen, Bei riefen 
Gelegeabeitea hat «ich die Kenntnis der üi ciicheu Verhältnisse, die 
sieb die Aersto erworben Unten, *1« wesentlicher Vorteil erwiesen. 
Aach waren die Aerate eit so Extrabctiucbeo eher bereit, bLi eie roll- 
beschäftigter Beamter, dessen Zeit durch mrher {«stesaatat® Termine 1 b Tollem 
Maße besaut ist. Pdf die ftnuässigea Aerxte «mpfiehÜ »ich ein Bezirk mit 
einer Schüler zahl Ton Je 2 -3000 Krudem, Otesor ist groß genug, um dem 
Ant« die Semmtas-g tob BfiehmugeB za ownflg ticken, eher nicht eo groß, am 
ihm die xn seiften sonstig«» Ar beiten nötige Zeit zu entstehen. — Die ?oll* 
besoldeten Schulärzte «rlcicbterten den Dienet dadurch, daß sie regelmäßig 
xu sprechen sind, daß dadurch Schwierigkeiten schon bei Ihrem Entstehen 
durch mündliche YerbaoiHfcng fcölgelegt werden können, daß sie auch während 
der Ferien tätig rdud Und daß sie Wi Ermktiangen und Erproben neuer 
Methoden wirksam «dt hwi/e«. — Beide Kategorien, too Schul braten können 
demnach bei gute: Örgaaiaatiöa des Dienste* Befriedigendes leisten. 

Aul dem äftoiicn Lande können nun die finanzielles Verhältnisse der 
Praxis so aagücat-lg «ela, daß solche Bezirk« nicht Anziehungskraft genug 
besitzen., nm die Nieder! as,so sg besonders guter Aerste dann za begr&adei, 
wenn eise Arbeit, die recht wohl vom Ante mit Erfolg ausgeführt werden 
konnte, einem eigenen beamteten Schalarzt« überwiesen wird. Allerdings muß 
man auch wieder togoben, d aß ein® Ortpbebörde nicht einfach als »philan tropische 
Agaatar* angesehen werdea darf. Die Kosten dar TacKhiednaeo Scbemate 
müssen oben berttcksicbtlgt werden. Da hat eich horausgesteUt, daß sie Ihr 
städtische Sebol&rzte und »eiche Im Hauptamt geringer sind, als für I&Bdliche 
Schulärzte im Nebenamt, Diese ei Wtea nämlich 1) pro Kind und Jahr 1 sh ; 
2) to« der Schul« ©io»« Zuschuß ton 1 £ hn Jahr und 3} je 1 £ für 1000 
acie» Laod (=* 405 Hektar) als Ersatz für Zeitr«ffast und Arbeit bei 
itu«o Reisen. 

Der Autor schlägt to r, daß für jeden Bezirk eine bestimmte Gahalti- 
ekala festgesetzt werde, sobald die Anforderung©# der ZentraJuateaTkn i&- 
buhürde über die Zahl de? regelmäßigen Scbnlbeakfeisgnngen fixiert sc&es. 

Dr. Majtr-Slmmera. 


Heber da* Zttcifttgnngsreeht der Lehrer. Von Kreisarzt Dr, 3L Voll- 
m er * Krauauaeh. Vortrag aof eine? &r«iaiohrer?CM&mm!n.ng, F. Böhmer* 
»ehe Buchdruckerel in Slmmere. 8°, 15 S., 1810. 

Die Folgen der körperlichen Züchtigung der Schulkinder hat Schle* 
a i n g e r • Straßborg 1. E bereits 1906 eingehend gewürdigt. 1 ) 

Der Autor macht in seinem Vertrage mit Beebt darauf aufmerksam, daß 
sehr eft körperliche Zustände au Ucautmerksamkclt und Trägheit führen, 
die dem Lehrer strafwürdig erscheine». Er berichtet Ton einem Falle Ton 
Meningitis tobtnrculoaa, den er gemeinsam mit dem Referenten obduziert hat; 
die Obduktion war in einem Strafverfahren gegen eisen Lehrer Tom (Berichte 
angaordnet worden, nuf dessen Züchtigungen das Kind gestorben sein sollte, 
und erbrachte den Beweis, daß das oft oui hart gestrafte 12jährige Mädchen 
an einer schweren Tuberkulose gelitten hatte, die den Eitern u«4 dem junge» 
Lehrer entgangen war. Auf dom Lande wird eine kti rpciiur.be tw 

müiung der Kinder durch die Hilfeleistungen hei laad?riruu-b» f Ui cfcten Arbeite», 
in der Großstadt auch durch mangelhafte Ernährer ; und konstitiailcselta 
Fehler Unfähigkeit crseogi, dem Unterrichte zu folgt e. 

Der Autor berichtet nun Über die Schranken, du, d<ty 'J.aefaiigUdgsrBcht 
dor Lehrer darch mlsleterieUe Erlasse und maßgebende .0«? !c fav wmtv. htud uog *:» 
gesogen sind. Eine Züchtigung, durch welche die oder tabuge 

Integrität gefährdet, eine (lesaadheitabeschädigueg TvriirsaäM wird, liegt 
anßerbalb des Kreises der dem Lehrer eingcräumi cr < ^»»yabdogwBi 
Für die Detentof« ist nur der Gebrauch einer Birke kui© «r^mtriv itto «n 
dünnen Blrkenswetgen xusammeugeeetst Dt und die ahw^ihsfeiAd »tf die Khdfc 
hlnzuhaltooden Hände des Kindes zu richten ist; in *li» MlUal- und Ohtatcabi 

l ) Beferiert diese Zeitschrift; 1907, 8.946. 



Kleinere Mitteilangen and Referate ans Zeitschriften. 


869 


dagegen dar! auch, wenn eine empfindlichere Strafe aal Bficken and Geslfi 
erforderlich ist, ein biegsames glattes Stöckchen angewandt werden, welches 
im Durchschnitt nicht mehr als 1 cm stark sein darf. Verboten ist das Schlagen 
mit dem Lineal, mit einem anbiegsamen Stock oder überhaupt mit eben 
harten Werkseng (Buch). Ab Mißhandlangen des kindlichen Körpers sbd 
das Schlagen mit dem Handrücken gegen die Backe, das Stehenlassen auf 
eben Bebe, die sog. Kopfnttsse, das Ziehen an den Haaren, das Schlagen auf 
die Handrinder — sa erachten. 

Der Stock bt am besten b ebem Schranke außerhalb des Scbobimmers 
an verwahren; wenn er aber im Schalzimmer bt, soll er nicht gleich sar 
Hand, sondern auch in ebem Schranke verschlossen seb, damit der Lehrer 
nie übereilt oder im Zorn strafe. Mädchen sollten nie körperlich gezüchtigt 
werden. Die Min.-Erl. vom#. April 1888, vom 1. Mai 1899, vom 19. Jaanar 1900 
(Strafveneichnb) sind ausführlich wiedergegeben. Dr. Mayer- Simmern. 

Zar Gründung eines schalhygienischen Maserung. Von Dr. Alfred 
Lewandowski-Berlb. 

L. meint, daß es sich allerdbgs wohl um Znkuoftsmnsik handele, aber 
man müsse doch schon jetzt weitere Kreise für Errichtung ebes schulhygieni¬ 
schen Maseams bteressieren. Es wäre bedauerlich, wenn nach Schloß der 
Brüsseler Ausstellung die zurückkommenden Gegenstände wieder b alle Wbde 
zerfiattern; sehr wünschenswert wäre es, wenn die Ausstellungsobjekte zum 
dauernden Nutzen unseres Volkes eine bleibende Stätte finden könnten. 

_ Dr. Hoffmann-Berlb. 

Zur Schulhygiene ln Schottland. Von Thomas F. De war, M. D., 
D. Sc- medical officer of health of the county of Fife. Public health; August 
1910, Nr. 11. 

Auch b Schottland findet sich b bezug auf die Schulhygiene der alte 
Gegensatz zwbcben Industrie und Landwirtschaft. In den industriellen Be¬ 
zirken der Grafschaft Fife sbd die Scholen nach modernen Grundsätzen erbaut, 
geräumig, bb zu einem gewissen Grade schön zu nennen; in den ländlichen 
Gebieten dagegen mit stagnierender oder allmählich abnehmender Bevölkerung 
müssen alte Gebäude so lange geduldet werden, ab sie eben noch geeignet 
sbd, ihren Zweck zu erfüllen. 

Besonders wichtig für ländliche Schulen bt die Fürsorge für diejenigen 
Kbder, die wegen der weiten Entfernungen von ihren Heimaborten zum 
Mittagbrote nicht nach Hause gehen können. In der Grafschaft Fife bestehen 
fast bei allen Schulen Schatzhütten (shelter sheds), wo diese Kbder sich 
aufhalten können, eine Einrichtung, die sich wohl auch für unsere 
Landschulen empfehlen dürfte. 

Was die Reinigung der Scbnlzimmer anlangt, so setzte die schotti¬ 
sche Unterriehtsbehörde in ebem 1907 erlassenen Rundschreiben auseinander 
das, was ab ideales Ziel zu erstreben sei, und das, was ab Minimum zu 
fordern sei. Zn verlangen ist tägliches feuchtes Aufwischen und Abstäuben, 
allmonatliches Scheuern des Bodens und aller Inventarstücke aus Hob mit 
Seife und heißem Wasser; eine große Reinigung schließlich wenigstens ebmal 
im Jahr, für Vorhänge, Ventilatoren, Karten, sämtliche Bitzen und Fngen. 
Für die Heizung ländlicher Schulen empfiehlt der Autor offene Feuefnngs- 
aalagen, die Wände und Lnft erwärmen und die VentUation fördern. Für die 
Beleuchtung fordert er möglichst große Fenster und helle Wandflächen. 
Wie der englische Schalhygienekongreß (London 1908) gegen die mechanischen 
Lüftungssysteme sich aussprach, bei denen danernd geschlossene Fenster er¬ 
forderlich sbd, hält auch der Autor Kbppfenster für die beste Ventilation. 

Für alle die Schalen, die nicht an ebe Kanalbation angeschlossen sbd, 
wäre theoretbch das Erdkloset das beste; es findet sich in Wirklichkeit aber 
fast nie b Ordnung. Aach das Wasser-Kloset ist, wenn schlecht beaufsichtigt, 
schädlich. Der oben erwähnte Zirkalarerlaß rät die üblichen alten Gruben 
durch Eimer zu ersetzen, die möglichst groß sein und oft gewechselt werden 
sollen. Bei regelmäßiger Anwendung trockener Erde oder eines anderen des¬ 
odorisierenden Mitteb könne ihre Anwendung den Ansprüchen der Hygiene 
entsprechend gestellt werden. Dr. May er-Simmern. 



860 


Besprechungen. 


Besprechungen. 

Medizin alarohlv für das Deutsche Kelch. Zeitschrift für Recht¬ 
sprechung und Verwaltung auf dem Qebiete des Gesundheitswesens. Heraus¬ 
gegeben von Kurt v. Bohrscheidt, Beg.-Bat in Merseburg. Berlin 1910. 
Verlag yon Franz Vahlen. 1. Jahrg. Heft 1—8. Preis Ihr den Baad au 
4 Hefte, mit je 16 Druckbogen: 12 Mark. 

Von dem seit April v. J. erscheinenden neuen Archiv liegen jetzt drei 
Hefte vor, die einen außerordentlich reichen Inhalt bieten und der vom Verfasser 
sich gestellten Aufgabe: eine vollständige Sammlung der auf dem Gebiete des 
Gesundheitswesens ergehenden Gesetze und Ausföhrungsbestimmungen, der 
gerichtlichen und verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen sowie der zentral- 
behördlichen Erlasse und Verfügungen zu geben, in vollem Umfange gerecht 
werden. Berücksichtigt ist besonders die Reichs- und Preußische Gesetzgebung 
und dementsprechend auch die Rechtsprechung des Reichsgerichts, des preußi¬ 
schen Kammergerichts und Oberverwaltungsgerichts, des Reichsversicherungs- 
amtes und des Preußischen ärztlichen Ehroegerichtshofes; aber auch die 
Rechtsprechung und Gesetzgebung in den übrigen Bandesstaaten hat ent¬ 
sprechend Berücksichtigung gefunden. Infolge seiner zahlreichen Mitarbeiter 
— unter denselben befinden sich auch mehrere Medizinalbeamte und Aerste 
(Geh. Ob.-Med.-Rat Prof. Dr. Dietrich, Geh. Med.-Rat Dr. Scblechtendal 
und San.-Rat Dr. Mugd an-Berlin, Geh. Med.-Rat Dr. Springfeld- 
Königsberg i. Pr. und Geh. Med.-Rat Dr. Wo dtke- Merseburg) — ist Ver¬ 
fasser auch in der Lage gewesen, mehrfache Originalentscheidungen der 
höchsten Gerichtshöfe zu bringen, die in den anderen Sammlungen fehlen; 
nicht minder wertvoll sind aber auch die Originalartikel, die jedes einzelne 
Heft enthält und von denen besonders die vorzügliche Abhandlung des Kammer- 
geriebtsrats Dr. Kronecker über die’gerichtlichen Polizeivorschriften betr. 
Ankündigung von Arzneimitteln hervorgeboben zu werden verdient. 

Den Lesern dieser Zeitschrift kann das Archiv aufs wärmste empfohlen 
werden; denn wenn sie auch naturgemäß in demselben vieles finden werden, 
was in der Rechtsprechung und Gesetzgebung dieser Zeitschrift veröffentlicht 
ist, so bietet das Archiv doch mancherlei Neues und Interessantes, besonders 
in seinen Originalabbandlungen; außerdem hat es, wie alle derartige In 
größeren Zwischenräumen erscheinenden Sammlungen, den nicht zu unter¬ 
schätzenden Vorzug einer übersichtlichen und nach den einzelnen Materien 
geordneten Regelung des Stoffes, die im Bedarfsfälle ein schnelles Nachschla¬ 
gen und Unterrichten ermöglicht. Bpd. 


Dr. Frtedrloh Wiedemann, Bezirksarzt in Teuschnitz: Naohschlage- 
baoh über das Medlninal wesen der Inneren Verwaltung den 
Könlrelohn Bayern. Für Amtsärzte, praktische Aerzte und Verwaltungs¬ 
behörden. Würxburg 1910. Stübers Verlag (C. Kabitzscb). 12'; 
204 Seiten. 

Eiu neuere, speziell zum Gebrauch für Aerzte bestimmte Zusammen¬ 
stellung des Bayerischen Medizinalwesens ist zurzeit nicht vorhanden; denn 
das ßeckersche Handbuch ist nur bis zum Jahre 1903. fortgesetzt und 
umfaßt nicht alle Abschnitte des Medizinalwesens, ebenso wie die Kei de Ische 
Sammlung, die außerdem besonders für Verwaltungsbeamte bestimmt ist. Ver¬ 
fasser hat sich deshalb ein besonderes Verdienst erworben, wenn er versucht 
hat. diesem Mangel abzuhelfen. Er hat auf die wörtliche Wiedergabe der ein¬ 
schlägigen Gesetze verzichtet und sich auf die Angabe ihres wichtigsten In¬ 
halts beschränkt; dadurch ist zwar der kompendiOse Charakter des Buchen 
gewahrt und sein Umfang in engen Grenzen gehalten; es wird aber der Be¬ 
sitz der benötigten Gesetzesblätter vorausgesetzt, um diese erforderlichenfalls 
einsehen zu können. Auf diese Weise ist es dem Verfasser gelungen, nicht 
nur die landesgesetslichen Bestimmungen, sondern auch die einschlägigen 
reichsgesetzlichen und die oberpolizeilichen Vorschriften der einzelnen Kreis¬ 
regierungen zu berücksichtigen. Der Stoff ist alphabetisch geordnet; die 
StichwOrter sind zweckmäßig gewählt, so daß auf jede Frage die Antwort 
leicht zu finden ist. Desgleichen sind überall die in Betracht kommenden 
Quellen (Gesetzesblätter usw.) genau angegeben, wodurch ein Nachschlagen 
im Bedarfsfälle sehr erleichtert mt Bpd. 



Besprechungen. 


861 


Dr. Xi. Krause, Oberarotsarzt in Kirchheim n. Teck: Das Medizin alwesen 
des Königreichs Württemberg. XU. Aullage. Stuttgart 1910. Ver¬ 
lag der J. C. Met zier sehen Bachhandlang. Gr. 8°; 448 Seiten. 

Eine ungemein fleißige und sorgfältige Arbeit, die ein genaues Bild von 
dem jetzigen Stande der Wttrttembergischen Medizinalgesetzgebung gibt und 
bei der auch die Beicbsgesotzgebang auf diesem Gebiete berücksichtigt ist. 
Die bisherige Einteilung des Stoffes in acht Abschnitten: Höhere Medizinal¬ 
behörden, Bezirksmedizinalbehörden, Ausübung der Heilkunde, Handel mit 
Arzneiwaren und Giften, Vorkehrungen zum Schutze der Gesundheit und des 
Lebens (in bezog auf Nahrungsmittel, Wohnungen und gewerbliche Anlagen 
sowie in bezog auf sanitätspolizeiliche Fürsorge einzelner Kreise der Bevöl¬ 
kerung — Arbeiter, Arme, Gefangene, Kost- und Pflegekinder, Schuljugend usw.), 
Fürsorge für Kranke und Maßregeln gegen die Verbreitung bestimmter Krank¬ 
heiten, Leichen- und Begräbniswesen, sowie gesetzliche Bestimmungen in bezug 
auf gerichtliche Medizin, ist beibehalten; sie hat sich bei den früheren Auf¬ 
lagen bewährt und gestattet ein leichtes Zarechtfinden selbst den weniger mit 
der einschlägigen Materie Vertrauten. Die wttrttembergischen Aerzte und 
Medizinalbeamten werden sicherlich die Neuauflage des Werkes mit Freuden 
begrüßen und dem Verfasser jedenfalls für seine mühevolle Arbeit dankbar 
sein. _ Bpd. 


Geh. Med.-Bat Prof, Dr. Bapmund, Heg.- und Med.-Bat in Minden: Die 
gesetzlichen Bestimmungen über den Verkehr mit Arsnei- 
mltteln. Giften nnd Geheimmitteln ausserhalb der Apotheken. 
Verlag von J. C. C. Bruns-Minden i. W. 1910. 12°; Preis: geb. 1,40M. 

Diese im amtlichen Aufträge heraus gegebene 2. Auflage berücksichtigt 
alle neuen Vorschriften, die in den letzten Jahren erlassen sind, und hat daher 
eine vollständige Umarbeitung und Erweiterung erfahren. Wenn auch dieser 
Leitfaden neben der Kaisexl. Verordnung vom 22. Oktober 1901, der Landes- 
Polizeiverordnung über den Verkehr mit Giften vom 22. November 1906 die 
für den Reg.-Bezirk Minden besonders erlassenen Bestimmungen bringt, so 
wird er doch in anderen Bezirken zu verwenden sein, da die Polizeiverordnungen 
kaum oder nur wenig abweichen. In der Anlage sind für die verschiedenen 
Arten von Drogen- usw. Handlungen Muster für die Besichtigungen beigefügt 
und probeweise ausgefüllt. _ Dr. Wolf- Witzenhausen. 

Dr. med. Engen Gr&txer, prakt. Arzt in Berlin - Friedenau, Redakteur der 
„Excerpta mertica“ und des Zentralblatts für Kinderheilkunde: Die wich¬ 
tigsten Krankheiten. Wie erkennt man sie rechtzeitig? nnd 
welche Gefahren bringen sie? Ein Hausbuch zur Aufklärung und 
Beratung. Berlin 1910. Verlag von Otto 8all e. Kl. 8*; 220 8. Preis: 8 M. 

Im vorstehenden Bach behandelt Verfasser in recht geschickter Weise 
die wichtigsten Krankbeiten des Menschen, ihre Entsiebnng nnd Verhütung. 
Die Tendenz des Werkes ist lobenswert und soll das Publikum bewahren, et¬ 
waige Krankheitsanzeichen leicht zu nehmen und den Arzt erst zu konsul¬ 
tieren, wenn es zu spät ist. Leider wird durch Belehrungen, wie sie vor¬ 
stehendes Buch nach dem Muster unzähliger anderer bringt, gewöhnlich, wie 
Referenten aus langjähriger Lehrtätigkeit in Kursen des Roten Kreuzes bekannt 
ist, nicht das gewünschte gute Ergebnis erreicht, sondern der Kurpfuscherei 
im Hause oft unabsichtlich die Hand geboten. Indessen hat diese Tatsache 
mit dem Inhalt des vorliegenden Buches nichts gemein; es bann vielmehr für 
jeden, der Kurse in Krankenpflege vor Laien und vor Berufspflegerinnen zu 
geben hat, nur warm empfohlen werden. Die Ausstattung des Buches ist 
vornehm. Dr. Zelle-Lötzeu. 


Dr. med. Karl Opitz, Kreisarzt und Vorsteher des Königl. Medizinalunter- 
8uchungaamte8 in Stade: Brnnnenhyglene. Anleitung zum Bau gesund¬ 
heitlich einwandfreier Brunnen. Mit 26 Abbildungen. Berlin 1910. Verlags¬ 
buchhandlung von Richard Schoetz. KL 8°; 80 Seiten. Preis: geb. 2 M. 
Im vorliegenden Werke werden in Form von Frage und Antwort in 
anschaulich knapper, klarer und in einer dem hygienischen Laien durchaus 



Tagesn&chricl 


162 

verst lindliehen Weise alle Fragen, die bei ein< 
einer Elnzalwasserversorg tob Wichtigkeit i 
Frage 1—49 werden da« Wasser im allgeme 
Bosuadteile, seine äußere Beschaffenheit < 
wirtschaftliche Brauchbarkeit des Wassers 
salz zu stellen sind, erörtert. In Frag 
des Wassers, Grundwaager, Oberfläcbenwassei 
die Brauchbarkeit dieser Wasser gesprochen, 
beziehen eich auf die Auffindung von Waes 
lasser hier auch auf die Zuhilfenahme der 
Empfehlung der Wünschelrute in einem solc 
noch Völlig fehlenden wissenschaftlichen 1 
divergierenden Ansichten über ihren Wert 
für »am mindesten diskutabel. Klare Leitsät 
denen aur Verfügung stehenden Wässern büc 

Im II. Kapitel werden in den Fragen 7i 
Anlage eines hygienisch einwandfreien Brun 
doch aus reiner Unkenntnis so unendlich 
ganzen Anlage vernachlässigt werden, auf 
werden im einzelnen Lage, Umgebung, Bi 
and Abwasserrinue der Brunnen — Böhrei 
Klar« kurze Leitsätze bezüglich des Brunn 
Kapitels. 

Im nächsten Abschnitt wird in den 
von Qaellen und richtige Qaellfassung, 
Berechnung der Begenwassermenge und 
Die Fragen 162—165 beziehen sich auf die A 
sie bei Einzelwaaserversorgungen in Frage 
Kapitels macht die Besprechung der oft reci 
den Fragen 168—187 werden wertvolle Finge 
von Filtern, Enteisenungsapparaten nnd an 
soweit sie für Einzelwa&serversorgangen Bec 
werden Leitsätze über Wasserreinigungsvor; 
Ugas wird über baupolizeiliche Bestimme 
Untersuchungen von Waaserproben berichte 
Und originelle Abbildungen dienen zar Verai 

Boferent glaubte bei der Neuartigk 
den Inhalt genauer angeben zu sollen, 
auf «las lebhafteste zu begrüßen, da so ei 
Mangel in vortrefflicher Weise abgeholfen 
brauch für den praktischen Brannenbaner fc 
Zweitel bald aal keinem Gemeindebureau uni 
fehlen. Dem Medizinalbeamten wird das 
Es wird ihm ein Batgebor bei dor hygien 
aulagen sein, es wird ihm Winke geben zur \ 
and m wird ihm als geeignete Grundlage he: 
von Brunnenbauern dienen. 


Tagesnachrit 

Der Bnndesrat hat ln seiner 8itzur 
warf, betreffend Bekämpfung der MissstiUk 
gc*f;t») zugestimmt 

Das neue Deutsch# Arzneibuch, Y. j 
machung des Beicbskaazlors vom 6. Novert 
Rechtsprechung und Medizinalgetetzgebung 
Kraft. 


In den letzten Tagen der ersten Neve 
heit&a&rt eine Sitzung des VII. Ausschuss 






TagesnacbriohteiL 


868 


Amtes (für Apothekenwesen, Ameimittel* and Giftverkehr) behafs Beratung 
einer Neuordnung der zurzeit gültigen Verordnungen Aber den Handel mit 
Giften getagt. _ 


In Braunschweig ist dem Landtage ein Gesetzentwurf behufs Zu* 
lassung der fakultativen Feuerbestattung Torgelegt. 


Von seiten der Impfgegner ist bekanntlieh wiederholt behauptet, daß 
die Kaiserlichen Kinder nicht geimpft seien. Oer IV..Deutsche Impf* 
gegnerkongreß hatte es infolgedessen auch gewagt, Se. Majestät den Kaiser 
telegraphisch um Uebernahme des Protektorats zu bitten. Daraufhin bat er 
folgende Antwort erhalten: „Auf die Seiner Majestät dem Kaiser und König 
telegraphisch vorgetragene Bitte um Uebernahme des Protektorats über die 
deutschen Impf gegner vereine teile ich im Allerhöchsten Aufträge ergebenst mit, 
daß Seine Majestät sich nicht bewogen gefasden haben, dem Gesuche zu ent* 
sprechen. Aus Anlaß Ihrer Bitte geruhte Seine Majestät zu bemerken, daß 
die Annahme, die kaiserlichen Kinder seien nioht geimpft, auf einen 
Irrtum beruhe. Im Aufträge ?. Jonquiöres.* 


Ehrung Hebert Kochs. Ebenso wie Berlin hat auch die Stadt Woll¬ 
stein beschlossen, eine Gedenktafel mit Beliefbildnis an dem ron Bobert 
Ko eh in den Jahren 1872—1880 bewohnten Hause anbringen lassen. 


Besirksarzt Med.-Rat Dr. Kürz in Heidelberg hat sich an der dortigen 
UniTendtit als Privatdozent für gerichtliche Medizin habilitiert. 


In der Sehriftleitung für den wissenschaftlichen Teil 
der Zeitschrift „Der praktische Desinfektor“ ist jetzt ein Wechsel einge¬ 
treten, indem die Bearbeitung dieses Teils der Kreisarzt Dr. Wolf-Witzen- 
hausen übernommen hat. Die Zeitschrift, die als Organ der vorhandenen 
Desinfektoren-Vereine hauptsächlich für deren praktischen Gebrauch bestimmt 
ist, soll nach einer Mitteilung des jetzigen Schriftleiters vom 1. Januar 1911 ab in 
veränderter Form erscheinen und der Abonnement»preis dann von 2 auf 8 Mark 
erhöht werden. Ihr Halten kann den Desinfekotren nur empfohlen werden; 
überhaupt verdienen deren Bestrebungen, sich zu Kreis-, Bezirks* und größeren 
Provinzial* bezw. Landesvereinen zusammenzuschließen, ebenso der Unterstützung 
der Medizinalbeamten wie die der Hebammenvereine. Die jetzt bestehenden zahl¬ 
reichen Desinfektoren-Vereine beabsichtigen einen „Deutschen Desinfektoren« 
Bund“ zu gründen und zu diesem Zwecke im nächsten Jahre bei Gelegenheit 
der internationalen Hygieneausstellung einen „Deutschen Desinfektoren - Tag“ 
zusammenzuberufen. Zweck und Ziele dieses Desinfektloren-Bandes sollen 
■ein: Fortbildung und Belehrung der Desinfektoren im Sinne der staatlichen 
Desinfektionsschulen, Austausch praktischer Erfahrungen mit Hilfe eines 
Bundesorgans, Stellenvermittlung nlr Behörden und Desinfektoren, Schaffung 
von Versicherungsmöglichkeiten für die Desinfektoren (bes. gegen Infektion). 
In einem von dem Arbeitsausschuß für diesen ersten Desinfektorentag an den 
Vorstand des Deutschen und Preußischen Medizinalbeamtenvereins gerichteten 
Schreiben werden die Medizinalbeamten gebeten, die Desinfektoren ihres 
Kreises aul diese Bestrebungen aufmerksam zu machen und ihnen die Teil¬ 
nahme an dem Desinfektorentsg durch Erteilung von Urlaub und einer 
pekuniären Beihilfe seitens der Gemeinden zu ermöglichen, eine Bitte, welche 
die Medizinalbeamten soweit es in ihren Kräften steht, gewiß gern erfüllen 
werden. Ueberhaupt dürfen die Desinfektorenvereino wohl auf die g;leiohe 
Förderung ihrer Bestrebungen seitens der Medizinalbeamten rechnen wie die 
Hebammen, vorausgesetzt, daß sich diese in den gegebenen Grenzen halten 
und nicht über das Ziel hinausschießen. 


Cholera: In Bußland hat die Zahl der Erkrankungen (Todesfälle) in 
den Wochen vom 9. bis 22. Oktober nur noch 679 (858) und 808 (845) betragen, 


864 


Sprechsaal. 


davon in Petersburg 58 (29) und 86 (23); in Ungarn vom 16. bis 29. Oktober: 
84 (20), in Slawonien während derselben Zeit 51 (16), in Italien vom 20. Ok- 
tober bis 2. November: 152 (86), davon in der Stadt Neapel 20 (8), in der 
Provinz Neapel 16 (2), in der Provinz Caserta 67 (27). — Ia Konstanti¬ 
nopel sind in der Zeit vom 18. bis 31. Oktober 15(11) Cholera-Erkranknngen 
und Todesfälle gemeldet, im Bezirk Trapeznnt 83 ( 30 ), im Bezirk Bagdad 296 
(248). Unter den bei Konstantinopel liegenden Trappen sind vom 27. September 
bis 1. November 243 Erkrankangs- and 103 Todesfälle vorgekommen; in Kon¬ 
stantinopel selbst scheint die Seuche sich übrigens mehr aoßzubreiten, am 
16. d. Mts. sind z. B. 37 Erkrankungen und 21 Todesfälle an Cholera festgestellt. 


SpreohaaaL 

Anfrage des Kreisarztes Dr. M* In 6.: Fällt die den Bahn* 
äraten gewährte freie Eisenbahnfahrt unter „unentgeltlich 
gestellten Verkehrsmittel“ im Sinne des § 5 des Reisekostengesetzes? 

Antwors: Nein! Dio Gewährung freier Euonbabnfahrt bildet einen 
Teil der Honorierung für die bahnärztliche Tätigkeit und ist demzufolge kein 
„unentgeltlich gewährtes Verkehrsmittel“. Dasselbe gilt übrigens auch für 
den Fall, wenn für Dienstreisen von Aerzton an Irren- ubw. An¬ 
stalten, Heilstätten etc. das Anstaltsfahr werk za Reisen in gerichtlichen 
Angelegenheiten zur Verfügung gestellt wird; denn auch hier geschieht diese 
Bereitstellung auf Grund einer bei ihrer Anstellung gewährten Berechtigung, 
die demnach zu ihrem Diensteinkommen gehört. 


Anfrage des Kreisarztes Dr. A. ln St.: Ist es Pflicht des Kreisärzte?, 
Auszeichnungen (Titel) für Aerzte und andere Medizinalpersonen (Broschen für 
Hebammen) zu beantragen? Ist diese Angelegenheit in den verschiedenen 
Regierungsbezirken verschieden geregelt? 

Antwort: Der Kreisarzt ist zweifellos ebenso wie der Landrat berech¬ 
tigt, für Aerzte und andere Medizinalpersonen (Apotheker, Hebammen, Kranken¬ 
pfleger U8W.) Anträge auf Auszeichnungen zu stellen. Derartige Berichte sind 
durch die Hand des Landrats an den Regierungspräsidenten einzureichen; 
gehen die Anträge vom Landrat aus, so hat dieser vorher den Kreisarzt zur 

J 'Utachtlichen Aeußerung aufzufordern. In einzelnen Regierungsbezirken sind 
ür derartige Anträge bestimmte Termine vorgeachrieben, in anderen nicht; 
desgleichen erfolgt die Aushändigung der verliehenen Auszeichnung in einzelnen 
Bezirken, z. B. im Reg.- Bez. Cöln, durch den zuständigen Medizinalbeamten, 
in anderen durch den Landrat. Das erstere Verfahren dürfte allgemein anzu¬ 
streben sein (8. Verhandlungen der diesjährigen Hauptversammlung S. 107). 


Anfrage des Kreisarztes Dr. W. in S.: Eine Landgemeinde hat zur 
Prüfung der Frage, ob ein Gemeinde-Krankenhaus zu errichten sei, eine 
Krankenhaaskommission eingesetzt. Auf Ersuchen des Bürgermeisters nimmt 
der Kreisarzt an einer Sitzung dieser Kommission teil. Fällt die dazu er¬ 
forderliche Reise unter das Pauschale? 

Antwort: Nein, die Reisekosten würden nur dann daraus zu be¬ 
streiten sein, wenn der Regierungspräsident die Teilnahme an der 8itzung 
angeordnet bat. 


Berlehtlgniig In dom Aufsatz „Bleihaltige Glasuren* (s. 
Nr. 21 dieser Zeitschrift) muß es auf 8eite 800, dritte Zeile von oben 
„Schwefelblei* statt „Schwefeleisen* heißen. 


Der Kalender für MedlzinaLbeamte, X Jahrgang, 1911, 
lat soweit fertig gestellt, dass er bestimmt ln der «raten Woohe 
den Dezembers sur Versendung gelangt. 


Redaktion: Geh. Med.-Rat Proi. Dr. Rspmund, R*g.- u. Med.-Rat in Minden LW, 

J. C. 0. Bnuu, Henofl. Bich*. n. Fürst!. 8ch.-L. Hofbaefadmekerel la Wnd«a. 









































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{ f ;.y|>|joi wjf Aitfiueftitäw atttebfüj. ' £$%mS-; 


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I SePÄSlftpS^^ffiÄi^ -ü*$t Gem0&k*wk«: >1 • 

vt^vv^- y,t Ti*IHIftrttfi v -iiT ,, k -'fii* • - r^'ir .•'■» iii difS *-- 11 r i • •■’■ ii '« 




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I^ «,■ .*;’-HTm, 'i r!»^iii r i-~ (l .'Vi J* 

: $K>. wfiSÄMl~^V T* 

M*sEv •- äae&KJtffeu-s;-' •» k« 




■'JLr&iiGitO* •Päda Jc«gH»*n v Ä0^j^*^oV.>:'ivsvMäoiW'P- -Aue «y»S ftte:«Mtö bt .# ' .vjO«? 

- jjpiwiii 1 . 11 , v^ga^aiiffl^,,^ i«WMWfc^n'' mti* 

||^pHERTmed^^^S!nnu( 0 ^m&:A|;| 

^^^•^•'^B'erlUi W 8 &; ■ tO .'. ■' ££jj$C%. : -’ >‘i 5 "-■ i’lsf 

—~—:- - — -- ——•’—‘——s—^—•—~*~~"—’:• ■ y ‘h 

PömtiäcUafc' gtliUAS'en. -zur Vai^ep&üög-; "•;.- •: y. ;y?vV ; ^,:^: v f/-/-^;|jj[j 

Meadsr für Msdizfnalbeamte, Ä | 

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28, Jahr*. 


Zeitschrift 


1910. 


für 


MEDIZINALBEAMTE. 


ZmlrilMitt Sr to gmnt» la n dMtamM, 

für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irren wesen. 

Heraugsgebfla 


Ml Med.-Rat Prot Dr. OTTO RAPMUND, 

Begtevifs- ud MedMaalrat Im Mlmdem U W, 


Offizielles Organ des Deutschen, Preussisohen, Bayerischen, 8ftohsi8ohen, 
Wflrttembergischen, Badischen, Meoklenburgisohen und Eisass-Lothringischen 

Medizinalbeamtenvereins. 


Verlag von Fisehert mediz. Bnehhandlg., E Kornfeld, 

HMTBO 0 L Bayer. Hot n. EnbamosL Kainnur - BmtfiTULndlnr. 

Berlin W. 85, Lützowetr. 10. 

des Im- 


die Terlafshandlany sowie alle 

imd Amslamdes entgegem. 


Nr. 23. 


Inehelataal. ulM. 


| 5. PezbrT 


Ueber biologische Kläranlagen. 

Von Beg.- und Med.« Bat Dr. H. Hecker in Straßboig. 1 ) 

Unter „biologischen Klaranlagen“ versteht man solche An¬ 
lagen, in welchen — bezw. durch welche — Abwässer mit ge¬ 
lösten organischen fäolnisf&higen Stoffen — ohne Zuhilfenahme 
chemischer Fällnngsmittel — derartig verändert werden, daß die 
erwähnten fäulnisfähigen Stoffe zersetzt and in solche Körper 
übergeführt werden, welche der stinkenden Fäulnis nicht unter¬ 
liegen. 

Die im Abwasser etwa vorhandenen ungelösten Stoffe müssen 
dabei — praktisch genommen — vollkommen beseitigt werden. 
Die Vorgänge, durch die dies geschieht, sind teils mechanischer, 
teils physikalischer — bezw. chemischer — teils biologischer 
Natur. Die Versuche, die Klärong nur durch einen Oxydations¬ 
körper zu bewirken — was theoretisch nicht unmöglich erschien — 
sind vollkommen gescheitert. Infolge der bald eintretenden Ver¬ 
schmutzung des Oxydationsmaterials, wobei auch die sich bildenden 
Bakterien sofort wieder erstickt wurden, wurde das Wasser nicht 
genügend geklärt und gereinigt. Außerdem entstanden durch die 
häufig erforderliche Erneuerung des Oxydations- Materials enorme 
Kosten. Erst mit Hilfe einer genügenden Vorreinigung haben 

*) Nach einem in der Sommenitrang des Elsaß-Lothringischen Medi¬ 
ain elbeamten-Vereins gehaltenen Vortrage. 














l)r. Becker. 


666 

die biologischen Kläranlagen den jetzigen hohen Grad der Voll¬ 
kommenheit erreicht. 

Die Einrichtung solcher Anlagen ist non folgende: 

Zunächst treten die Abwässer in einen zementierten! am 
Boden etwas vertieften Raum, den „Sandfang“ ein, in dem 
ein nach vorn za schräg gestelltes Gitter die groben Stoffe, Pa¬ 
pier, Lumpen nsw. abfängt. Solche Sandfänge werden nicht 
selten doppelt angelegt, nm die Reinigung, die übrigens nur 
selten vorgenommen zu werden braucht, zu erleichtern. 

Bei der Anlage der Anstalt Stephaneieid, die nnr einen Sandfang ent¬ 
hält, war zunächst nur ein Gitter angebracht worden, dessen Stäbe 30 nun 
Abstand von einander hatten. Da es sich aber heransstellte, daß es wünschens¬ 
wert sei, diesen Abstand noch za verringern, wurde noch ein zweites Gitter, 
1 m hinter dem ersten, aafgestellt, dessen Stäbe nnr 10 mm voneinander ent¬ 
fernt sind. Diese Einrichtung scheint sich gut zu bewähren; sie dttrfte daher 
bei Neuanlagen empfohlen werden können. 

Aus dem Sandfange gelangen die Abwässer, falls sie durch 
Pumpenkraft auf die eigentliche Anlage gehoben werden müssen, 
in einen Sammelraum. Sehr erwünscht ist es, zwei solche 
Sammelräume nebeneinander herzustellen. Diese Räume stehen 
für gewöhnlich in offener Verbindung, können aber durch einen 
Schieber getrennt werden; dadurch wird eine leichte Reinigung 
jeder Hälfte ermöglicht. 

In diesem Sammelraume ist ein pneumatischer Wasser¬ 
standsanzeiger angebracht, der aus einer mit der Oeffnung 
nach unten gerichteten Glocke besteht, in der die Luft beim 
Steigen des Wassers zusammengepreßt wird. Von der Glocke 
führt eine Bleirohrleitung zu einem Manometer, welcher demnach 
die Höhe des Wasserstandes und damit den Zeitpunkt angibt, 
wann gepumpt werden muß. Das Pampen geschieht meist 5 mal 
täglich und dauert jedesmal etwa eine Stunde. Die Sammelräume 
dürfen aber höchstens so groß angelegt werden, daß sie nur die 
Tagesmenge der Abwässer fassen, also täglich leer gepumpt 
werden müssen. Andernfalls würden hier bereits die später zu 
beschreibenden Zersetzungsvorgänge eintreten. Namentlich würde 
dabei eine Schwimmschicht der leichten festen Stoffe sich bilden, 
welche die Pampen verstopfen könnte. Dieser Fehler ist z. B. in 
der biologischen Kläranlage in B. bei Berlin gemacht worden. 
Die ganzen Kosten für das Mauerwerk, die sich bei dem Ar¬ 
beiten in der Tiefe noch ganz besonders hoch stellen, sind dem¬ 
zufolge in solchem Falle zwecklos vergeudet. 

Die Abwässer gelangen bei genügendem natürlichen Gefälle 
direkt aus dem Sandfange, bei Hebung durch Pampen von diesen 
aus in die bisher als „Faulkammern 41 bezeichneten Behälter, 
deren jetzt meist drei hintereinander angelegt werden. 

Dem ersten dieser Behälter gibt man — da sich in ihm die 
meisten Stoffe absetzen — zweckmäßigerweise die doppelte Größe 
der beiden folgenden, so daß also sein Fassungsvermögen der 
Summe des zweiten und dritten Behälters gleichkommt. Die ans 
Zement hergestellten, vollständig geschlossenen Kammern haben 
nur oben kleine Oeffnungen, die mit übergreifenden Deckeln ver¬ 
sehen sind, um Luft und Licht möglichst absuhalten. Bei der 



Ueber biologische Kläranlagen. 


86? 


Anlage in Stcphansfeld sind diese Deckel mit Verschlüssen ver¬ 
sehen, um einer etwaigen Gefährdung der Irren vorzubeugen. 

In diesen Behältern sinken die schweren Stoffe zu Boden, 
während die leichteren, in Zersetzung befindlichen Stoffe eine 
schwimmende Schicht bilden, welche den gesamten Inhalt wie 
eine undurchdringliche Platte bedeckt, und den Abschluß von Loft 
und Licht noch vollkommener macht. Hierdurch ist den in der 
Flüssigkeit sich entwickelnden luft- und lichtscheuen sogen, 
„anaöroben“ Bakterien die Möglichkeit gegeben, sich ins Unge¬ 
messene zu vermehren. Sie zersetzen dann alle in dem zufließenden 
Wasser enthaltenen organischen Stoffe und überwuchern bezw. 
vernichten hierbei zugleich in dem „Kampf ums Dasein* alle übrigen 
Bakterien pp., also auch diejenigen, die als Krankheitserreger 
bekannt sind, in geringerem oder höherem Maße. Mindestens 
aber schwächen sie diese in ihrer Lebensfähigkeit, so daß eine 
etwaige spätere Abtötung durch Desinfektionsmittel leichter aus¬ 
führbar ist. 

In den genannten Behältern findet demnach keine „Fäulnis* 
in dem Sinne statt, daß unter Zutritt von Luft organische Massen 
„verfaulen* und dabei Gestank verbreiten. Der Vorgang ist 
vielmehr folgender: 

Ein Teil der unlöslichen Stoffe wird als Schlamm nieder¬ 
geschlagen; dieser erleidet im Laufe der Zeit eine weitgehende 
Zersetzung, wobei ihm seine offensiven Eigenschaften genommen 
werden. Ein anderer Teil geht in den flüssigen bezw. gasförmigen 
Zustand über. Ein weiterer Teil der unlöslichen Stoffe sammelt 
sich an der Oberfläche des Abwassers und bildet die sogenannte 
„Schwimmdecke*. Der restliche Teil der unlöslichen Stoffe 
wird in der Weise zerlegt, daß er teils in flüssige, teils in gas¬ 
förmige Produkte ergeht, wobei u. a. Schwefelwasserstoff, Sumpf¬ 
gas, Ammoniak in großer Menge gebildet werden. 

Alle diese chemischen Zersetzungen sind „Reduktionen*. 

Im Gegensatz hierzu steht jener, im gewöhnlichen Leben 
als „Fäulnis* bezeichnete Prozeß, welcher teilweise an der 
Luft verläuft, und bei dem übelriechende Gase von höherem 
Molekulargewicht in großer Menge gebildet werden und entweichen. 

Es dürfte nach alledem zweckmäßig sein, die fraglichen 
Räume „Zersetzungskammem* anstatt „Faulkammern*, zu be¬ 
nennen, und die mit dem Abwasser darin vor sich gehenden Ver¬ 
änderungen demgemäß nicht mehr, wie bisher meist üblich, als 
„Vorfaulung*, sondern als „Vorreinigung* zu bezeichnen. Die 
bauausführende Firma „Biologos* in Berlin hat diese Art der 
Bezeichnung auch bereits angenommen. 

In manchen Anlagen hat man — der Kostenersparnis wegen — 
die Zersetzungsräume oben offen gelassen. 

In der Pflegeanstalt W. in Süddeutachland bilden i. B. die „Zersetzungs- 
rinne* zwei solche oben offene Becken; der lose Bretter beleg, mit dem de 
sagedeckt sind, hat nur den Zweck, sn verhindern, daß jemand hineinfUlt; 
der Lnftsutritt ist in keiner Weise abgehalten. Während außerdem, wie 
schon bemerkt, sämtliche Zersetsungsräume (meist 3) stets gleichseitig benutzt 
werden mflssen, damit das Abwasser von dem einen in den anderen geleitet 



Dr. Hecker. 


868 

wird und so nacheinander olle durchstrOmt, wird in der betreifenden Anstalt 
in W. Ton den zwei Zersetsongsränmen immer nur einer gebraucht. Dadurch 
ist die 8tr0mung in ihm doppelt so stark« als wenn eine gleichzeitige Be¬ 
nutzung beider Bäume stattfände. Je langsamer aber die Strömung, um so 
leichter erfolgt das Absetzen der spezifisch schweren Massen. Außerdem ist, 
jo stärker die Strömung, um so kürzer die Zeit, in der das Abwasser der 
Einwirkung der Bakterien und den sonstigen zersetzenden Einflüssen aus¬ 
gesetzt ist. So beschaffene offene Blume können — namentlich bei einem 
derartigen Betriebe — nur mehr als „ Absetzbecken*, nicht aber als „Zer- 
setzungsrlume“ in dem oben erwähnten biologischen Sinne angesehen werden. 
Während der Zeit von mehreren Wochen, in welcher das eine dieser 
Becken andauernd benutzt wird, bleibt das zweite mit seinem ganzen Inhalte 
offen liegen. Die natürliche Folge ist, daß diese Massen in Fäulnis übergehen. 
Der dadurch entstehende Gestank ist manchmal so stark, daß die Bewohner 
der Anstalt bei warmer Witterung und entsprechender Windrichtung, bis su 
400 m Entfernung, belästigt werden. Diese Belästigung ist eine so hoch¬ 
gradige, daß die Abfälle des kleinen, yon der Anstalt betriebenen und innerhalb 
ihres Geländes liegenden Schlachthauses der Kläranlage nicht mehr sugeführt 
werden können, sondern in der Erde vergraben werden müssen. Solche stag¬ 
nierenden, sich zersetzenden Massen geben außerdem noch geradezu ideale 
Brutstätten für Schnaken und anderes Ungeziefer ab. Die Anstaltsbewohner 
klagten denn auch gelegentlich einer Besichtigung sehr über die ungezählten 
Mengen yon Schnaken, die dort ausgebrütet wurden. Da diese Tiere in dem 
fauligen Inhalte unter Umständen sich noch mit Infektionskeimen beladen 
können, ist die Möglichkeit gegeben, daß sie solche auch auf Menschen Über¬ 
tragen. Aber nicht nur Schnaken und dergleichen Insekten, sondern sogar auch 
Batten hatten sich dort angesiedelt und bevölkerten in so großer Menge diese 
Becken und deren Umgebung, daß man versuchte, sich ihr durch Gift su ent¬ 
ledigen. Welche Bolle aber gerade die Batten bei Verschleppung von Kränk- 
heitskeimeB, namentlich denen der Pest spielen, ist allgemein bekannt. 

In der Anlage in B. bei Berlin war, wie schon bemerkt, 
der unterirdische Raum, in welchem sich die Abwässer sammeln, 
nm von da ans anf die Anlage gepumpt zu werden, viel zu groß 
angelegt, so daß er als „Zersetzungsraum* wirkte und eine dicke 
Schwimmdecke aufwies. Demgegenüber waren die Behälter, die 
als Zersetzungsräume dienen sollten, zu klein bemessen worden, 
so daß man später noch zwei solche dazu gebaut hatte. Alle 
waren aber gleichfalls oben offen. Auch hier wurde der Betrieb 
so gehandhabt, daß jedesmal nur zwei Becken gleichzeitig benutzt 
wurden, während der Inhalt der beiden anderen sich zersetzte. 
Ein solcher Betrieb muß als direkt fehlerhaft bezeichnet werden. 
Aus den angeführten Gründen muß auch die Ersparnis, welche 
durch Fortfall der Decke des Zersetzungsraumes erzielt wird, 
gegenüber den erwähnten Nachteilen, als zu teuer erkauft an¬ 
gesehen werden. 

Die den Zersetzungsraum verlassenden, mit anaöroben Bak¬ 
terien reich beladenen Abwässer werden bei den biologischen 
Kläranlagen nun weiter über einen aus Koks (oder einem sonstigen 
vielkantigen Materiale) aufgebauten Filtrationskörper ge¬ 
leitet, um mit dem Sauerstoffe der Luft in innige Berührung 
gebracht zu werden. Hierbei entwickeln sich auf dem Filtrations¬ 
oder Oxydationskörper — wie er zweckmäßiger genannt wird —, 
unzählige Mikroben oder Bazillen, die sogenannten „aeroben*. 
Unter Einwirkung dieser, sowie des Sauerstoffes der Luft werden 
die in dem Zersetzungsraume schon gespaltenen organischen Stoffe, 
sowie ein Teil der anorganischen Körper mit Ammoniak und 
Schwefelwasserstoff einer wirksamen „Oxydation* unterzogen. 



Uiber biologische Kläranlagen. 


869 


Die Stickstoffverbindungen, welche teils in Form organischer 
Stickstoffkörper, teils als Ammoniak anf den Oxydationskörper 
gelangen, werden in dem Grade oxydiert, daß insbesondere folgende 
Körper gebildet werden: freier Stickstoff, der in die Lntt ent¬ 
weicht, salpetrige Sftnre and Salpetersäure, die beide im Abwasser 
verbleiben. 

Der Schwefelwasserstoff des Abwassers wird im Oxydations¬ 
körper gleichfalls oxydiert; die Oxydation geht znm Teil bis zur 
Bildung von Schwefelsäure, die sich dann mit den im Abwasser 
stets vorhandenen Basen zu Schwefelsäuren Salzen verbindet. Bei 
diesen Vorgängen gehen auch die vegetativen Formen der an- 
aöroben Bakterien zugrunde. Die Entwickelung der anaeroben 
Bakterien in den Zersetzungskammern, sowie der aeroben auf dem 
Oxydationskörper, den sie allmählich, wie mit einem feinen Basen 
überziehen, erfordert allerdings einige Zeit. Es dauert demzu¬ 
folge immer mehrere Monate, bis die Anlage die volle Höhe ihrer 
Leistungsfähigkeit erreicht, „sich eingearbeitet“ hat. 

Als Oxydationskörper benutzte man früher ausschließlich die 
auch jetzt noch hie und da bei mangelndem Gefälle gebräuch¬ 
lichen oben offenen Zementbehälter, welche mit entsprechendem 
Material — meist Koks von einer von unten nach oben geringer 
werdenden Korngröße — gefüllt werden. Obgleich, wie schon 
bemerkt, jedes vielkantige Material hierzu in vollkommen 
gleichem Maße benutzbar ist, ist es doch vorgekommen, daß 
Firmen ihr angeblich besonders zubereitetes „patentiertes 0 Material 
verwendet und dementsprechend erheblich teurer berechnet haben. 
So ist es z. B. bei der biologischen Kläranlage des damals dem 
Bezirke Unter-Elsaß gehörenden Sanatoriums Tannenberg ge¬ 
schehen. Das dortige Material bestand aus einem viel zu feinen 
Koks, der, infolge seiner geringen Korngröße, sehr bald ver¬ 
schlammte. 

In die Oxydationskörper läßt man die aus den Zersetzungs¬ 
kammern kommenden Abwässer laufen, wobei sie meist durch 
Binnen möglichst gleichmäßig verteilt werden. Die ersten Flüssig¬ 
keitsmengen kommen hierbei, indem sie durch die ganze Koks¬ 
schicht sickern müssen, ehe sie auf den Boden gelangen, mit der 
Luft und den auf dem Füllmaterial in Form von Basen ange- 
siedelten aeroben Bakterien in eine ziemlich innige Berührung. 
Je mehr sich jedoch der Behälter füllt, um so kürzer dauernd ist 
diese Berührung. 

Nachdem der Behälter ganz gefüllt ist, läßt man ihn mehrere 
Stunden stehen, bis dann das Wasser abgelassen wird, um dem 
Oxydationskörper bezw. dessen aeroben Bakterien Zeit zu ge¬ 
währen, mit dem Sauerstoffe der Luft wieder in Verbindung zu 
treten. Es folgen somit regelmäßig Stunden der Bähe auf Stunden 
der Benutzung. Um genügende Wirkung zu erzielen, muß das 
Abwasser aber wenigstens 2—3 derartige Oxydationskörper durch¬ 
laufen. 

Dieses stundenlange Stehenlassen der Flüssigkeit beansprucht 
verhältnismäßig große Oxydationskörper; außerdem wird aber 



870 


Dr. Hecker. 


durch den steten Wechsel des Zn- and Ablnnfenlnssens der 
Flüssigkeit die Bedienung der Anlage äußerst erschwert und 
erfordert, wenn sie wirksam sein soll, ein sehr zuverlässiges 
Personal; denn alle Versuche, dies Zuströmenlassen und Abstellen 
des Wassers auf selbsttätigem (automatischem) Wege zu regeln, 
haben bisher zu keinem befriedigenden Ergebnis geführt 

Hierzu kommt noch, daß erfahrungsgemäß die Leistungs¬ 
fähigkeit derartiger Ozydationskörper durch allmähliche Ver¬ 
schlammung in dem Maße abnimmt, daß das Material jedesmal, 
nach durchschnittlich etwa 3 Jahren, einer völligen Erneuerung 
bezw. Reinigung durch Auswaschen bedarf. Hierdurch entstehen 
ebenfalls Kosten und Betriebsstörungen. 

Ein fernerer Uebelstand dieser Art Einrichtungen ist noch 
folgender: 

Die kleinen Oeffnungen der meist hölzernen Rinnen, in 
denen das Wasser über die Oberfläche gleichmäßig verteilt werden 
soll, verstopfen sich sehr leicht. Das ist besonders der Fall, 
wenn diese Rinnen — wie es auch in der Tannenberger Anlage 
geschehen ist — mit einer beträchtlichen — dort 60 cm hohen — 
Schicht Koks bedeckt werden. Durch solches Vergraben der 
Rinnen ist es unmöglich gemacht zu beobachten, ob der Ausfluß 
aus ihnen richtig vor sich geht. Außerdem ist aber auch die 
über den Rinnen gelegene Koksschicht völlig zwecklos, da das 
Wasser doch nur bis zur Höhe der Rinnen steigt, und ein Ein¬ 
frieren des stets genügend warmen Wassere, gegen welches das 
Bedecken vielleicht Schutz gewähren soll, erfahrangsgemäß nie 
stattfindet. Deshalb können die Becken um so viel niedriger 
angelegt und die Kosten für das überflüssige Mauerwerk und 
Koks gespart werden. Wenn man nach einiger Zeit solche ver¬ 
senkten Rinnen freilegt, findet es sich, daß sie fast sämtlich ver¬ 
schlammt und von den Löchern nur noch einige durchgängig sind. 
Das Wasser staut sich infolgedessen in den Rinnen. Erweitert 
man diese Löcher, so stürzt das Wasser in starkem Strahle hervor. 
Unter solchen Umständen ist eine gleichmäßige Verteilung und 
ein gleichmäßiges allmähliches Herabsickern des Wassere von 
Brocken zu Brocken nicht möglich. 

Etwas besser wirken durchlochte glasierte Tonröhren, 
die frei auf der Oberfläche des Koks liegen. 

Alle die erwähnten Nachteile werden am sichersten durch 
das sogenannte „Tropfverfahren“ vermieden. Hierbei ist 
das Füllmaterial — Koks — in einem gemauerten Turme, dessen 
Mauer mit schießschartenähnlichen Oeffnungen durchsetzt ist, so 
aufgeschichtet, daß, während die Stücke unten etwa Faustgröße 
besitzen, die Korngröße nach oben zu, bis etwa zur halben Wall¬ 
nußgröße, abnimmt. Die Flüssigkeit wird nun über die Ober¬ 
fläche dieses Ozydationskörpers möglichst gleichmäßig verteilt. 
Sie rieselt dann, von Brocken zu Brocken fallend, — wie die 
Sole in einem Gradierwerke — ganz allmählich herab und wird 
so mit Luft völlig gesättigt Durch deren Sauerstoff und durch 
lie Tätigkeit der Mikroorganismen wird hierbei ein so hoher 



Ueber biologische Kläranlagen. 


871 


Grad von Reinigung der Flüssigkeit erzielt und zwar sowohl in 
chemischer, als anch in bakterieller Hinsicht, daß sie, ohne jedes 
Bedenken anch dem kleinsten Wasserlaufe zugeführt werden 
kann. Die Vorzüge dieses Verfahrens sind folgende: 

Zunächst sind die Herstellungskosten des viel kleiner zu 
bemessenden, etwa 4—5 m hohen Tropfturmes erheblich geringer 
als die der großen Becken von annähernd gleicher Leistungs¬ 
fähigkeit; desgleichen erfordert die Anlage einen viel geringeren 
Baum. Wenn genügendes natürliches Gefälle vorhanden ist, kann 
ferner der Betrieb ununterbrochen vor sich gehen, ohne jedes 
Eingreifen seitens des Bedienungspersonals. Reicht das natürliche 
Gefälle nicht hin, so muß die Flüssigkeit gehoben werden. Dies 
geschieht am besten mittels elektrisch betriebener Pumpen. 

Eine Verschlammung des Oxydationsmaterials tritt, falls für 
genügende Vorreinigung gesorgt ist, bei der vollständigen Zer¬ 
setzung der organischen Beimengungen, selbst nach vielen Jahren 
nicht ein. Außerdem kann jede Störung in der gleichmäßigen 
Verteilung des Wassers — da der ganze Vorgang sich dem Auge 
sichtbar abspielt — sofort bemerkt und daher leicht beseitigt 
werden. 

Eine Frage von großer Wichtigkeit betrifft die Art, wie die 
Flüssigkeit über der Koksmasse verteilt wird. 

Seitens der „Königlichen Prüfungsanstalt für Wasser¬ 
versorgung und Abwasserbeseitigung“ in Berlin ist in Charlotten¬ 
burg eine Anlage errichtet worden, in der fast sämtliche 
bekannten Verteilungsarten in betriebsfähigen Modellen vor¬ 
geführt werden. Als besonders praktisch erscheint hierbei auf 
den ersten Anblick die Verteilung durch Sprinkler, welche 
dem Segnersehen Wasserrade nachgebildet sind. Aus einem 
drehbaren Mittelstücke, dem sogenannten „Kopfe“ gehen eine 
Anzahl radiär gestellter Arme ab, die aus eisernen, an den Enden 
geschlossenen, aber je an einer Seite, ihrer ganzen Länge nach 
mit Löchern versehenen Röhren gebildet sind. Durch den Wasser¬ 
druck soll sich der Sprinkler selbsttätig in Bewegung setzen. 

Aber diese Art der Verteilung hat bei genauerer Prüfung 
doch manche sehr schwerwiegende Nachteile: 

Zunächst genügt erfahrungsgemäß der Wasserdruck nicht 
immer, um den Sprinkler dauernd in der drehenden Bewegung zu 
erhalten. Hierzu müßte denn schon elektrischer Antrieb benutzt 
werden, der natürlich nur da möglich ist, wo elektrische Kraft 
zur Verfügung steht. Dann wird auch der Verschluß des Sprinkler¬ 
kopfes leicht undicht, und zwar dadurch, daß sich Kalk- und 
andere Salze an dem Metall ansetzen, ferner dadurch, daß das 
Metall durch die in der Flüssigkeit enthaltenen Säuren pp. an¬ 
geätzt wird. Diese Nachteile hat man dadurch zu verringern ver¬ 
sucht, daß man den Sprinklerkopt in einem Lager von Quecksilber 
laufen läßt. 

Irgendwelche Betriebsstörungen könnten aber, wenn nur ein 
Sprinkler vorhanden ist, die unangenehmsten Folgen haben. Um 



872 


Dr. Hecker. 


dies za vermeiden, müßten schon zwei Sprinkler-Türme zur 
Verfügung stehen. 

Eine weitere, praktisch erscheinende Verteilungsort besteht 
darin, daß das Wasser in eine Anzahl von Kipptrögen fließt, 
die bei jeder Füllung seitlich umkippen und ihren Inhalt auf den 
Koks-Körper entleeren. Dadurch, daß dieses Umkippen ab¬ 
wechselnd nach der einen und anderen Seite geschieht, werden 
auch die einzelnen Koksteile abwechselnd befeuchtet 

Die anderen Verteilungsorten sind größtenteils zu kompli¬ 
zierter Natur, um praktisch brauchbar zu sein. Als ganz be¬ 
sonders unpraktisch muß an dieser Stelle noch eine Art der Ver¬ 
teilung des Wassers über dem Kokskörper erwähnt werden, die 
bei der schon erwähnten Anlage in B. bei Berlin ausgeführt 
worden ist: 

Dm Abwasser wird hier über der Oberfliche des gans im Freien, oha« 
jede Ummauenmg oder Ucberd&chuag aafgebaaten Koks- Körpers durch eise 
Anzahl „Düsen“ verspritzt. Znr besseren Durchlüftung der Eoksmasse sind 
in ihr noch senkrechte gUsierte Tonrühre eingebaut Zunächst besprengt jede 
Düse nur den von ihr bestrichenen, sehr kleinen Kreis, wobei das zwischen 
diesen Kreisen liegende Füllmaterial nicht benutzt wird. Dann verkennt aber 
das WMser den Zweck der Lüftungsrohren vollständig and benutzt diese 
vielmehr zum direkten Abflüsse, unter Vermeidung des längeren Weges durch 
den Koks. So slrOmt das, infolge mangelhafter Vorreinigung sehr unreine 
Wasser auf kürzestem Wege durch den KokskOrper und tritt aus ihm als 
übelriechende schwärzliche Brühe zutage. Die ganze Anlage ist demnach nicht 
nur unwirksam, sondern bildet sogar überdies noch eine große Belästigung 
für die Umgebung durch die üblen Gerüche, welche sie ausstrOmen läßt und 
mangels jeder Umkleidong nach allen Seiten ungehindert verbreitet 

Auf Grund der Erfahrungen einer Studienreise, welche 
Verfasser zusammen mit dem Geh. Reg.- und Baurat Herrn 
Blumhard, unter Leitung des damaligen Oberregiernngsrats, 
jetzigen Bezirkspräsidenten Herrn Pöhlmann, im Jahre 1907 
ausiührte, schlugen die Teilnehmer eine neue, bis dahin noch nicht 
geübte, durch Einfachheit sich auszeichnende Verteilungsort vor, 
die in dem erstatteten Reiseberichte genauer beschrieben ist. 
In diesem Berichte, der in Heft 21 des Jahrganges 1907 der 
«Zeitschrift für Medizinalbeamte* veröffentlicht ist, heißt es: 

„Am einfachsten würde die Verteilung des Wassers über dem Koks wohl 
in der Weise vorgenommen werden, daß es zunächst in einen quer über dis 
Mitte des Turmes verlaufenden festen Trog sich ergOsse. von welchem aus es 
durch zahlreiche senkrecht zu ihm gestellte offene Binnen über die ganze 
Oberfläche gleichmäßig verteilt würde. Eine solche Anlage, die auch eine 
gleichmäßige Verteilung des Wassers gewährleistet, ist bei grOßester Einfach¬ 
heit leicht übersichtlich; etwaige Separatoren konnten von gewöhnliches 
Handwerkern ausgeführt werden.* 

Dieser Anregung ist die Firma, welche die Stephanafelder 
Anlage ausgeführt hat, gefolgt Sie hat dabei noch die sehr 
wesentliche Verbesserung angebracht, daß in den in den Ver¬ 
teil Ungarinnen befindlichen kleinen Einschnitten, eiserne Zapfen 
befestigt sind. An diesen Zapfen tropft das Wasser herunter und 
wird so verhindert, etwa an der Außenseite der Rinnen entlang 
zu fließen, bis es, vielleicht an einem fernen Punkte, abtropft 
Diese Verteilungsort hat sich ganz vorzüglich bewährt Sie ist 
an Einfachheit und Sicherheit des Betriebes nicht wohl in über- 



Ueber biologische Kl&ranUgw. 


878 


treffen. Allerdings muß, damit alle Rinnen gleichmäßig in Tätig¬ 
keit treten, der Wasserzufluß ein sehr lebhafter sein. Das ist 
bei jener Anlage der Fall, da das Wasser, des mangelnden Ge¬ 
fälles wegen, mittels elektrisch betriebener Pnmpen auf die ganze 
biologische Anlage gehoben werden mnß. 

Wenn bei genügend vorhandenem natürlichen Gefälle der 
Betrieb der Anlage, d. h. also der Zoflaß ein ununterbrochener 
ist, so würde, da der Zufluß dann zeitweise ein nur schwacher 
ist, diese Verteilungsart sich voraussichtlich kaum bewähren, da 
dann oft nur die nächstgelegenen Rinnen in Tätigkeit treten 
würden. 

Eine weitere kleine Verbesserung, welche die vorerwähnte 
Kommission gleichfalls vorgeschlagen hatte, ist bei der Stephans- 
felder Anlage auch ausgefilhrt worden. Sie besteht darin, daß 
die schießschartenähnlichen Ventilationsöffuungen in der den Koks¬ 
körper umgebenden Mauer nicht horizontal angelegt sind, sondern 
eine nach innen zu schräg abfallende Richtung erhalten haben. 
Dadurch wird das Ausfließen des Wassers durch sie verhindert. 

Eine fernere vom Verfasser dringend befürwortete Ver¬ 
besserung: den ganzen Kokskörper auf einen etwa 30—40 cm 
hohen Rost zu setzen, ist bedauerlicherweise nicht zur Ausführung 
gelangt Dadurch wäre ein „Reinigungsraum“ geschaffen worden, 
von dem aus die an der Sohle sich ansammelnden, ans den Bei¬ 
mengungen des Wassers gebildeten Verunreinigungen, sowie die 
Verwitterungsprodukte des Koks durch Wasserspülung leicht 
hätten entfernt werden können, ohne auch nur einen Teil des 
Brockenmaterials herausnehmen zu müssen. Außerdem wäre da¬ 
durch vor allem auch eine gründliche Durchlüftung des Koks¬ 
körpers von unten her ermöglicht worden. Jetzt beginnt die 
Durchlüftung — 1 wie bei allen solchen Anlagen — erst in Höhe 
der untersten Luftscharten, hier also */ 4 m vom Boden ab. Die 
untersten, dem Boden unmittelbar aufliegenden Schichten des im 
ganzen 8,80 m hohen Kokskörpers sind dabei von dem herab¬ 
tropfenden, sich dort ansammelnden Wasser umspült. Sie kommen 
daher für die Oxydation schon jetzt nicht in Frage, so daß ihr 
Ausfall keinen Nachteil zur Folge gehabt hätte. Wenn aber erst 
im Laufe der Jahre die sich ansammelnden — jetzt nicht entfern¬ 
baren — Mengen an Schmutz und verwittertem Koks die am 
Boden liegenden Koksschichten verstopfen, fallen diese für die 
Oxydation erst recht aus. Dabei ist anzunehmen, daß die untersten 
Koksmassen, wenn sie bald im Wasser liegen, bald wieder trocknen, 
leichter zermürben, als wenn sie auf einem luftigen Roste lagern. 
Die Anhäufung solcher Massen könnte außerdem sehr wohl im 
Laufe der Zeit zu üblen Ausdünstungen Veranlassung geben. Es 
würde nach alledem zweckmäßig sein, wenn einmal nach Jahren 
eine Reinigung oder Erneuerung des Kokskörpers notwendig 
werden sollte, einen solchen Rost noch nachträglich einzubauen. 

Eine andere, gleichfalls diesseits vorgeschlagene Verbesse¬ 
rung ist bei der betreffenden Anlage — zum ersten Male — aus¬ 
geführt worden: 



874 


Dr. Hecker. 


Um die Möglichkeit za geben, daß bei etwa notwendiger 
Reinigung oder Reparatur jede der 3 Zereetznngskammern, ohne 
Betriebsstörung ausgeschaltet werden kann, ist bisher stets an 
2 Längsseiten je ein Umleitungskanal angebracht worden, mit 
dessen Hilfe das Wasser, bei Ausschaltang je einer Kammer, so 
geleitet werden kann, daß es durch die zwei ttbrig bleibenden 
Kammern gleichlaufend rinnt, sie also nicht nacheinander durch* 
strömt. Dadurch, daß hier nun der Umleitungskanal um 3 Seiten 
der Zer8etzungskammeranlage herumgeifthrt ist, ist die Möglich* 
keit gegeben, bei Ausschaltung jeder einzelnen Kammer das 
Wasser durch die beiden in Tätigkeit verbleibenden Kammern 
nacheinander zu leiten, so daß es beide der ganzen Länge nach 
durchströmen muß. Durch den so erzielten längeren Weg und 
das längere Verweilen in den Zersetzungskammern wird das Ab¬ 
setzen der Sinkstoffe erleichtert und den anaeroben Bakterien 
längere Zeit Gelegenheit gegeben, ihre Einwirkung auf die in 
dem Wasser enthaltenen Bestandteile auszuttben. 

Für den Tropfkörper ist bei der Stephansfelder Anlage nicht 
die runde, sondern eine länglich-viereckige Form gewählt worden. 
Der ganze Körper besteht aus zwei Hälften, welche durch einen 
zwischen ihnen gelegenen — begehbaren — Gang getrennt sind. 
Dieser Gang ermöglicht es, daß auch an der ihm zugewandten 
Seite jeder Tropfkörper-Hälfte Luftscharten angebracht werden 
konnten. Jede Hälfte ist in ganz gleicher Weise mit einer Längs¬ 
rinne und zahlreichen Querrinnen versehen, so daß jede für sich 
einzeln betrieben werden kann. Fftr gewöhnlich werden beide 
Hälften gleichzeitig benutzt. Bei etwa nötigen Reparaturen einer 
Hälfte kann diese leicht ausgeschaltet werden, ohne daß der 
Betrieb stockt. 

Wenn die Pampen ihre Tätigkeit beginnen und das Wasser 
in den Längsrinnen zu fließen anfängt, bemerkt man, daß anfangs, 
so lange der Zufluß noch mäßig stark ist, nur die der Einfluß- 
Öffnung zunächst gelegenen Querrinnen in Tätigkeit treten, und 
daß in ihnen wiederum das Wasser aus den der Längsrinne zu¬ 
nächst gelegenen Ausflußöffnungen stärker abtropft Erst nach¬ 
dem die Zuflußmenge ihre größte Höhe eireicht hat — was nach 
einigen Minuten der Fall ist — tropft das Wasser aus sämtlichen 
Qaerrinnen gleichmäßig von allen in deren Einschnitten befind¬ 
lichen Stiften auf den Kokskörper herab. Damit ist der Beweis 
geliefert, daß die hier gewählte und sich unter den vorliegenden 
Verhältnissen vorzüglich bewährende Verteilungsart — wie schon 
oben bemerkt — nur dort angezeigt ist, wo ein gleichmäßiger und 
genügend starker Zufluß vorhanden ist. Dies ist stets der Fall, 
wenn das Wasser durch Pumpenkraf auf die Anlage gehoben 
werden muß. 

Wo genügend natürliches Gefälle vorhanden ist und infolge¬ 
dessen das Wasser andauernd, aber mit sehr wechselnder Menge, 
zufließt, würden die der Zuleitungsöffnung zunächst gelegenen 
Qaerrinnen, und von ihnen wieder der zentrale Teil sehr viel 
mehr in Anspruch genommen werden, als die entfernteren. Da- 



Ueber biologische Kläranlagen. 


876 


durch würde eine unregelmäßige Verteilung des Wassers &nf dem 
Koks und infolgedessen eine ungleichmäßige Inanspruchnahme 
des Oxydationskörpers stattfinden. In solchem Falle dürfte viel¬ 
leicht die Benutzung von Kipprinnen zweckmäßiger sein, da diese 
wenigstens ein gleichmäßiges Ablaufen des Wassers aus allen 
Einschnitten der Qaerrinnen gewährleisten. 

Um aber bei schwachem Zuflüsse alle Querrinnen in Tätig¬ 
keit treten zu lassen, wäre es am sichersten, wenn man mehrere 
Längsrinnen anbrächte, von deren jeder nur ein Teil der Qaer¬ 
rinnen sich abzweigte. Durch Schieber könnte der Zufluß dann 
so geregelt werden, daß in diejenigen Längsrinnen, welche die 
entfernteren Querrinnen speisen, verhältnismäßig mehr Wasser 
einströmte. Oder man könnte die Längsrinnen überhaupt ab¬ 
wechselungsweise in Benutzung nehmen und so eine mehr gleich¬ 
mäßige Inanspruchnahme des Füllmaterials erzielen. 

Der ganze Oxydations- Körper ist in Stephansfeld noch mit 
einer zweiten Mauer umkleidet, welche, auf Pfeilern ruhend, nach 
unten zu 40 cm oberhalb des Erdbodens endet. Diese Außen¬ 
mauer, welche die Mauer des eigentlichen Koksturmes in einem 
Abstande von 27 cm amgibt, hat den Zweck, das seitliche Aus¬ 
treten von Gasen zu verhindern. Oben ist der Zwischenraum 
zwischen beiden Mauern durch eine, nach innen etwas schräg 
ansteigende Decke abgeschlossen. Die ganze Oxydations-Anlage 
ist außerdem mit einem Dache versehen, so daß sie den Eindruck 
eines Hauses macht. Da das Abwasser dem Koks-Körper stets 
eine etwas erhöhte Temperatur verleiht, hat die in dem über¬ 
dachten Baume befindliche erwärmte Luft die Neigung emporzu¬ 
steigen. Von außen strömt dabei neue Luft durch den Spalt 
zwischen dem unteren Bande der Umfassungsmauer und dem 
Erdboden in den Zwischenraum der beiden Mauern nach. Diese 
Luft tritt dann, da sie keinen anderen Ausweg findet, durch 
die Schießscharten-ähnlichen Oeffnungen der den Koks-Körper 
umgebenden inneren Wand und damit mit ersterem in Verbin¬ 
dung. Selbstverständlich muß am Dache für genügenden Abzug 
der emporsteigenden warmen Luft gesorgt sein, was bei der 
Stephansfelder Anlage leider nicht in ausreichendem Maße ge¬ 
schehen ist; gegenwärtig noch der einzige Mangel der sonst so 
ausgezeichnet gelungenen Konstruktion. 

Das Dach hat, wie schon bemerkt, die Form eines gewöhn¬ 
lichen Hausdaches, in welchem oben zwei Luftabzugsschächte, 
wie aufgesetzte große Schornsteine, angebracht sind. Schon bei 
der Vorlage der Pläne wurde die bauausführende Firma — welche 
für geruchlose Arbeit der Anlage Garantie übernommen hatte — 
diesseits darauf aufmerksam gemacht, daß für den Luftabzug 
nicht ausgiebig genug gesorgt zu sein schiene. Sie wies diesem 
geäusserten Bedenken gegenüber aber darauf hin, daß ihre der 
Konstruktion zugrunde gelegten Berechnungen auf Grund ihrer 
reichen Erfahrung aufgestellt seien. Die Tatsachen haben aber 
unseren geäusserten Bedenken recht gegeben; der Luitabzug 
genügt in Wirklichkeit nicht. Die warme Luft staut sich viel- 



87$ Dr. Hecker, 

mehr unter dem Dache und tritt infolgedessen durch Rückstau 
unter der äusseren Umfassungsmaner — wo nur Luft eintreten 
sollte - nach außen. Dadurch entstehen üble Gerüche um die 
Anlage hernm. 

Diesem Fehler ist aber durch geeignete Verbesserungen mit 
Sicherheit abzuhelfendie nasführende Firaa ist. hierzu kontrakt- 
. nissig verpflichtet. Zunächst könnte man die Kamine um so viel 
erweitern und erhöhen, wie die Tragfähigkeit der Dachkonstruktion 
Bulftset, and auch vielleicht hoch einen «kitten solchen Kamin auf- 
setzen. Oder men errichtet neben der Oiydationsanlage einen 
20—25 m hohen Schornstein, in weichem Abzngsleitnngen aas 
dem Aber dem Koke befindliche» Luftraum« gefühlt werden. Zur 
Verstärkung der Laftsttömong nach dem Schornsteine zu könnte 
auch in ihm eine Gasfeuerung angebracht oder die Luft mittels 
elektrisch betriebener Ventilatoren nach ihm zu an gesaugt werden. 

Sollte hierdurch trotzdem keine genügende Abhilfe geschaffen 
werden, so bliebe immer noch der Ausweg übrig: alle loftzQ- 
ffthrenden Oeffhungen (zwischen Umfassnngsmaner und Erdboden) 
zu schließen und durch eine besonders herznstellende Zuleitung 
Luft mittels elektrisch betriebener Ventilatoren in den Baum 
zwischen Dmfassungsmauer und Kokekörper hineinznpressen. Die 
Luft tritt daun durch die Schießscharten -ähnlichen Oeftnungeo in 
des Kokskörper und von da in den Schornstein. Diese Lösungen 
Hessen sich insofern verhältnismässig leicht durchführen, weil 
sowohl die Dasfabrik, als auch die elektrische Leitung in unmittel - 
barer Nähe der Anlage sich befinden. Alle diese Einrichtungen 
würden aber eine dauernde Ausgabe durch die in Anspruch ge¬ 
nommene Betriebskraft bedingen. 

Am geeignetsten wäre es wohl gewesen, wenn — wie dies¬ 
seits bereits vor dem Bau vorgeschlagen wurde — dem Dache 
die Form eines von allen Seiten nach oben schräg entsteigenden 
E&uchf&nges gegeben worden wäre, der Über das Dach hinaus 
in einen raflglfcbst hoben Schornstein von genügender Weite 
mündet«. Falk di*- Länge dm Daches — wie hier — zu groß 
gewesen' wire-' für & eiogigeh Bauehfkng, hätte man es in 
beliebig viele «oJcher Ein.zelko&ctrnktionen zerlegen können. So 
würde vor allem vermieden w-:>rd<» sein, daß bonzontale Fiftchea 
■oster dem Dach* vorhanden *ind, unter denen sich rabende Lnftr 
schichten' biMen, die keinen Auftrieb nach oben haben. Wenn 
die Äßfst«lgeade warme La ft «iäf* nur auf die schräg nach oben 
gerichteten Flächen, der' trifft* würde sie auch 

dauernd eaiporsleigen. Kb erübrigte sich dann nur noch, die Ab- 
zugskainme gross genog anzukgen und sie genügend hoch über 
das Dach hiaißsführdd, um jeden üblen Geruch zu vermeiden. 

Der y^phausfelder Anlage werden sämtliche Abwässer der 
Anstalt, eittocUltesaliöb dwje$gm» der Wäscherei und der etwa 
160 Wasserklosetts ^geführt. Die MeteonrÄsser und Badewäsaer 
der Dauerbädeir dagegen werdso in einer schon von früher be* 
stehenden Leitung abgeleitet, Die Leistungsfähigkeit der ganzes 
ksdag'e ist auf 400 cbm tSgttüfc berechnet. Bei einer Belegungi» 





üeber biologische ELläranlagan. 87? 

stärke von 1000 Kranken (zurzeit 900) ist eine Tageamenge von 
500 Liter aal den Kopf zugrunde gelegt = 500 cbm. Bei dieser 
sehr reichlichen Berechnang ist das Personal (250 Köpfe) un- 
beröcksicbtigt geblieben, i 00 cbm kommen als Daaörb&dewasser 
und Bedarf der OakoDomie m Abzog. so daß also 400 cbm von 
der Anlage tlglicb zu verarbeiten sind. 

Von Beginn ihrer Tätigkeit, also seit ? Monaten, sind mon&t- 
lieh mebrm&is Proben des Abwassers entnommen and in ver¬ 
siegeltes Flaschen aai bewahrt worden. Keine davon hat bisher 
FMaiseraeheifiohgeb erkennen kssen v alle Proben sind nahezu 
vollkommen klar geblieben. Aniaags enthielt das Abwasser bei 
seinem Aastritte ans dem Oxydation# -Kor per noch reichliche 
Mengen von Ammoniak. Jetzt ist in ihm, neben Sparen von Am¬ 
moniak, nnr noch salpetrige Säure and Salpetersäure nachweisbar, 
wie es der Fall sein soll, wenn eine biologische Kläranlage »eich 
eingearbeitet 0 hat. 

Das Gütachten des Anstalteapotbekers, welcher das Abwasser 
fortlaufend untersucht, Ober die Kläranlage lautet folgender- 

maßen:'v ■ 

»Anfangs war tlaa abUufende Wasser trübe, hatte einen jauchigen 
arinösoo Geriet» («eitweiss nach Schwefelwasserstoff) und enthielt reichliche 
Mengen Schweiei Wasserstoff und Ammoniak, während salpetrige- und Salpeter¬ 
säure vollständig fohlten. — Allmählich wciTdc das Wasser klarer und ge¬ 
ruchlos ; Schwefelwasserstoff verlor sich schnell ganz, während der Ammoniak* 
gehalt nur langsam nachlioß; nach und nach stellte sich zuerst salpetrige 
Säure und dann auch Salpetersäure ein, welche weiterhin bis heute in reich¬ 
lichem Maße vorhanden sind. — Einmal (28. IT. 10} zeigte sich eise Storung, 
deren Veranlassung uicbt festzustelie» war; das Wasser war plötzlich wieder 
trübe und übelriechend und die Ammcniakprofco fiel wieder sehr stark aus, 
während der Gehalt an salpetriger Säure nachgelassen hatte, ü»d Salpetersäure 
fast verschwunden war; desgleichen wtu die Anzahl Milligramm Kalium¬ 
permanganat pro Liter von 193 plötzlich auf 272 gestiegen. — Dann aber 
waren die weiteren flntarsuchuagen wieder normale und sind beute sehr be¬ 
friedigend« Der Verbrauch an Kaliuropomangtaat ist pro Liter anf 72,7 mg 
gefallen. Die bisher wohl als ket-ilunkOcnlerand aoeueebende biologische 
Kli&raulaga von 2erbat, hatte noch 33 mg KJjfiaÜr » Verbrauch; — 200 mg gilt 
noch als genügend/' 


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klar geruchlos 

reich* reich- i reich- 
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878 


Ör. Hecker. 



Datum 

Ange¬ 

schlossene 

Aborte 

Aus¬ 

sehen 

,Geruch 

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Hs 8 

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— 

sehr 

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272 Dg 


1. III. 10 

160 

wieder 

klar 

geruchlos 

— 1 

reich¬ 

lich 

reich- 
1 lieh 

reich- 
| lieh 

120 mg 


18. III. 10 

160 

klar 

geruchlos 

— 

reich- 
1 lieh 

reich- 
i lieh 

reich- 
| lieh 

196 mg 


8. IV. 10 

160 

klar 

geruchlos 

— 

reich¬ 

lich 

reich¬ 

lich 

reich¬ 

lich 

106 mg 


10. V. 10 

150 

klar 

geruchlos 

— 

1 

'S 

reich¬ 

lich 

sehr 

reich¬ 

lich 

86 mg 


1. VI. 10 

160 

klar 

geruchlos 

— 

i 

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9 

1 

1 

i 

reich¬ 

lich 

sehr 

reich¬ 

lich 

86,4 mg 

! 

i 

30. VI. 10 

166 

klar 

geruchlos 

i 

1 

1 1 

reich¬ 

lich 

i 

sehr 

reich¬ 

lich 

1 

72,7 mg 


Das aas der Anlage abfließende Wasser gelangt mittels 
einer zementierten Rinne in einen Wiesengraben, der es der etwa 
3 Kilometer entfernten Zorn znffthrt. Irgend welche üblen Gerüche 
werden von dem Graben ans jetzt nicht mehr verbreitet, ganz 
im Gegensatz za früher, wo die Aasdünstangen des Grabens, in 
welchen damals die ungereinigten Abwässer der Anstalt — mit 
Ausnahme der Fäkalien, die in Tonnen aafgefangen worden — 
gelangten, dauernd za den lebhaftesten Beschwerden seitens der 
Nachbargemeinde Bramath Veranlassung gaben. 

In sehr zweckmäßiger Weise findet ein Teil des Abwassers 
zom Begießen der nach ihrer Vollendung nahezu an 1000 Stämme 
umfassenden im Garten angelegten Obstbaumanlage Verwendung. 
Das Wasser wird in Röhrenleitung dem Grundstücke zugeführt, 
wo es aus zahlreichen Zapfstellen mittels Schläuchen an die 
Bäume gelangt. Um so starken Druck zu erhalten, daß das 
Wasser von selbst ausströmt, mußte es aber dem 3. Zersetzungs¬ 
raume entnommen werden. Bei Entnahme an der Austrittsstelle 
aus dem Oxydations-Körper hätte der Druck hierzu nicht hin ge¬ 
reicht. Bei dem tief sandigen Boden, der nur eine schwache Humus- 
Decke trägt, ist erfolgreicher Obstbau nur bei künstlicher Be¬ 
wässerung möglich. Und hier enthält das Wasser zugleich noch 
die für die Pflanzen erforderlichen Nährstoffe. So kann man 
erwarten, daß in einigen Jahren der ganze Obstbedarf der Anstalt, 
dessen Beschaffung bisher gegen 6000 Mark erforderte, durch die 
neue Obstanlage gedeckt werden wird. 

Auf einen wunden Punkt bei den sämtlichen bisherigen 
Kläranlagen möchte ich zum Schlüsse noch hin weisen: Wenn in 
den biologischen Kläranlagen auch die In fektionskeime zum 
Teil abgetötet bezw. in ihrer Lebensfähigkeit abgeschwäeht 
werden, muß doch die Möglichkeit gegeben sein, zu Zeiten gefähr- 



Ueber biologische Kl&ranUgen. 


879 


lieber Epidemien das ans dem Oxydationskörper fließende Abwasser 
vor seinem Einlaafe in einen Flußlauf noch einer Desinfektion 
unterziehen za können. Gewöhnlich ist nun hinter dem Koks¬ 
körper noch ein Zementbehälter eingeschaltet, in dem eine solche 
Desinfektion vorgenommen werden soll. Um diese anszuftthren, 
werden yorkommenden Falls — nach Angabe der betreffenden 
Betriebsleiter — mit Chlorkalk gefflllte Säcke oder dorchlochte 
Eisentrommeln in die Flüssigkeit gehängt, oder es wird eine 
Chlorkalklösnng in den Behälter geleitet. Daß eine solche Des¬ 
infektion ganz anzaYerlässig ist, liegt anf der Hand. Zunächst 
kommen hierbei durchaus nicht alle Wasserteilchen mit dem 
Chlorkalk in innige Berührung und selbst bei denjenigen, bei denen 
dies der Fall ist, ist keine Sicherheit gegeben, daß die Berührung 
lange genug dauert, um die Infektionskeime abtöten zu können. 
Eine solche Desinfektionsanlage hat also nur einen gewissen 
moralisch-beruhigenden, aber keinen sachlichen Wert. 

Bei der Stephansfelder Desinfektionsanlage ist nun eine 
diesseits vorgeschlagene neue Konstruktion angewendet worden, 
für welche die Firma übrigens das Patent nachgesucht hat: 

Das Abwasser durchläuft einen Yiereckigen länglichen Zement¬ 
behälter, in dem feste, vom Boden bis nahe zur Oberfläche 
reichende Wände mit Tauchwänden, die bis etwas unter die 
Wasseroberfläche hinabreichen, sich abwechseln. Das Wasser 
wird so gezwungen, abwechselnd unter den Tauchwänden hindurch- 
zutreten und dann wieder über die festen Wände zu fließen. Es 
bleibt so in einer fortwährenden regelmäßigen Auf- und Ab¬ 
bewegung. — Aus einem Nebenbehälter wird nun ein Binnen¬ 
system gespeist, dessen einzelne Binnen so angebracht sind, 
daß sie paralell den Quer- und Tauchwänden, jedesmal in dem 
zwischen beiden befindlichen Baume gelagert sind. Diese Binnen 
sind, gerade sowie die über dem Koks-Körper befindlichen, mit 
Einschnitten versehen, in denen kleine Zapfen befestigt sind. 
Wenn nun Kalkwasser in das Binnensystem geleitet wird, 
ergießt es sich von den Zapfen aus, in Tropfenform, auf das in 
steter auf- und absteigender Bewegung unter ihm durchfliessende 
Wasser und wird so auf das Innigste mit ihm gemischt. — 
Die Größenverhältnisse des Behälters sind so bemessen, daß 
das einfließende Abwasser etwa Vs Stunde braucht, ehe es ihn 
wieder verläßt. Dadurch findet eine innige Mischung und zugleich 
eine genügend lange Einwirkung statt. Je nachdem man diese 
zu verlängern wünscht, kann man dies dadurch erzielen, daß man 
den Zementbehälter größer — d. h. namentlich länger — anlegt. 
Um den Kalk nun wieder niederzuschlagen, ist eine ganz 
gleiche kleinere Anlage an die erstere angeschlossen, in der dem 
Wasser schwefelsaure Tonerde in Lösung zugeführt wird. Der 
hierdurch entstehende Niederschlag sammelt sich auf dem schrägen 
Boden an und kann von dort aus in einen daneben angebrachten 
tieferen, für gewöhnlich durch einen Schieber abgeschlossenen 
Schacht gespült werden, von wo er sich dann leicht ent¬ 
fernen läßt. 



m 


Dt. Becker: Dol>er iüui: 


Belbstverst&ndlicb kann m&j 
andere Dwkfekjioniumittel, z. B. « 
wa*sm zvM'tae«. 

Di« ganz* DeBmiektiooB&xiI&i 
das Abwasser «tu dem Oxydatione” 
daß sie i&t gewöhnlich nicht b enu 
VtAsUÄlm der tbetreffenden Schieb« 
Zo bemerken ist noch, daß 
angebrachi ist, welcher von dem 8 
das Wasser auf die biologische A 
Umgebung dieser ganzes Anlage - 
anlage tökrt. Aul diese Weise k 
•düusee der biologischen Kläranlage 
and lieber desinfiziert werden. 

Bei Kmriclittuag der Ktärani 
Aborte mit Wasserspülung ▼ersehe 
diesseitige Anregung, die Einrichtu 
öpQivorrkhtuug fftr die Aborteitze j 
eme ttkgeizugartige Vonicbtnng m 
einer am Erdboden angebrachten I 
Falk betätigt wird. Durch einen mit 
können gar zu lefcht Infaktionakeim* 
übertragen werden. Dies ist hier 
gerade Irre oft äußerst unsauber sin» 
werden können, daß sie nach jeder Sti 
waschen. Wie leicht solche Debertr 
anstalten ▼orkommen können, haben 
io unserer Zweiganstalt Hördt zur 0 
andauernd schwere Typhus*Erkrank 
Kineehleppnng von Außen in Frage 
sämtliche Insassen untersucht worden 
als 5 Typhus - Bazüke-Trägerinnen, i 
erscheinungen erkennen ließen. Sol 
waren, hörten die Typhus* Erkraoku» 
Der Beweis der (lo&hrhchkeit di; 
wurde Übrigens noch dadurch gabele 
Wärterin nach einigen Monaten au Ti 
dass sie schon nach wenigen Tagen \ 
liegende Mahr, dass solche nicht« 
mitteis der Handgriffe an den Wasser 
Bazillen aal Andere Übertragen, ist du 
Einrichtung beseitigt. 

Es dürfte vielleicht noch von Inft 
über die Kosten der Anlage und ihres 
Dia 0enamtkosten betragen rund 
Davon entfallen: 

*a! die AoUga »elbat . . 

Za- oo4 äblattangca . ■ • ■ 


M -, f* 


, lAstAliaÜäBMrbsilen »n des i'kiu. 
, : UeabMleo der Aborte 






BößchaJfoag ros Koh . 



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Oberbaur&t Braun: Desinfektion von Abwassers. 881 

auf die Pumpen. 6000 K. 

» , Desinfektionsanlage.3 OOO „ 

„ „ Diaphragma-Pampe (nun Entleeren des Bodensatses 

aus dem Sandfange und den Zersetsungskammern) 1800 , 

„ das Maschinenbaus.1200 „ 

n den zweiten Bechen.1200 „ 

„ die Betonierung des Vorfluters.1000 , 

„ den Wasserstandsanzeiger. . - 600 » 

160000 M. 

Die Pampen verbrauchen bei der jedesmaligen stündlichen 
Arbeitsleistung etwa 5 Kilowatt & 10 Pfennig. Da sich dies 
5 mal täglich wiederholt, betragen die 24stündigen Ausgaben für 
elektrische Energie zum Heben des Abwassers (300 cbm) auf die 
Anlage 2,50 Mark. 

Die ganze regelmäßige Arbeitsleistung des Personals be¬ 
schränkt sich auf die Bedienung der Pampen, und das wöchent¬ 
liche Reinigen der Rechen. 

Aus alledem ergibt sich, daß diese biologische Kläranlage, 
trotz der ungünstigen Geländeverhältnisse — Tieflage —, sehr 
billig arbeitet, und daß der Reinigungseffekt ein ganz vorzüg¬ 
licher ist._ 

Desinfektion von Abwässern. 

liitgeteilt von Oberbaurat Braun in Ulm a. D. 

In der Kultur weit finden die Wasser-Klosets unaufhaltsam 
immer weitere Verbreitung, nachdem es gelungen ist, ihre Ab¬ 
wässer — deren Verfrachtung für die Landwirtschaft infolge der 
großen Verdünnung unr entabel und daher undurchführbar ist 
biologisch zu klären und fäulnisunfähig zu machen und damit 
ihre Zuführung auch in kleinere Vorfluter flußpolizeilich zu 
ermöglichen. . . . 

Professor Dunbar’s Untersuchungen in Hamburg haben 
aber ergeben, daß die pathogenen (ansteckenden) Keime (Mikroben) 
der Abwässer durch die biologische Reinigung und zwar infolge 
der Zerstörung ihrer Schleimschutzhttllen in ihrer Lebensfähigkeit 
geschwächt, aber nicht getötet werden. Damit liegt, insbe¬ 
sondere bei den Abwässern der Krankenhäuser, Kasernen und 
dergl., größeren Wohnstätten, die große Gefahr nahe, aaö 
durch diese Abwässer beim Ausbruch ansteckender 
Krankheiten (Cholera, Ruhr, Typhus, Post usw.) deren 
Ansteckungskeime in weite Kreise verschleppt werdmi. 
Diese G efahr wird durch die Durchführung der in , e ^ ze “^® n 
Staaten, wie z. B. in Württemberg, gegebenen Forschrifteni für 
den Ausbruch von Seuchen zwar vermindert, aber nicht beseitigt, 
yeil eben nicht sämtliche Abwässer der die Kranken bergenden 
Anstalten desinfiziert werden und nach den bisherigen Weisung©n 
®icht dauernd und zuverlässig desinfiziert werden können. 

Die mitunter von Staatsbehörden vorgeschriebene Desinfektion 
der Abwässer in den den Kläranlagen angefügten sog. Mischrinnen 
▼Ölli» wertlos, wenn diese Wasser wenige Minuten später 
mi t andertn Wassern sich mischen (Kanäle, Vorfluter). 












Oberbxcr&t Bian» 


■ ■$*3 Zar Durchführung einer einwandfreien Desinfektion ist es 
notwendig, daß: 


1. Die Beimengung der Desinfektionsmittel zu den Abwässern 
genau im Verhältnis der Ah wassermengen und in vollkommen 
gleichmäßiger Mischung erfolgt nnd 




das Desinfektionsmittel mindestens 2 Stunden lang ohne 


weitere Verdünnung auf die damit gemischten Abwässer, also 
auf die ansteckaugBfähigen Keime, einwirkt, wie Prof. Dnnbar 









üäsinfafetfOB w AbwJwern. 




in seinem „Leitfaden“ für die Abwasser-Rein igungßfrage nach- 
gewiesen hat. 

Diese Bedingungen werden aber bis jetzt nirgend« erfüllt. 
Während der Durchführung der Bedingung Ziffer 2 besondere 
Schwierigkeiten nicht erwachsen, — es genügt die Herstellung 
einer örabe, welche den größten zweistündigen Abwafleeranfall 
mindestens faßt und welche von den Abwässern durch ent¬ 
sprechenden Einbau von Qaer wänden, scblangenartig durchlaufe» 




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) jV/ { Xtof.fctec;.* _;'. 

7Vr? S£&&*$£ 




Die Mis«5l»iii5e erfolgt stets, ancli bei jo3er ZaflaÄJndenifig dos Abwwsers, 
nelbst bei Zaflttß, genau • (in efogeateUteayerbikafo, JQnrch, 

Spitzönw«ebael Smlert aiob tis* MiachTerb&ltnla. Gewnbnlicb Chlorkalk; Ab- 
wßss«r ~ i } 3Ö000. D&/.ß «tw*r Chlor-Kalkwaaser '/< I f»)n 11 50 su 100 1 

Abw<taoef. Sobald im 8<i«iraelg»!ä0 100 1 Abwasser geeamoiek «i»d, wird 4**. 
Wasser eelbattitig abgesaugt und eine bestimmte Menge DeadfiCektioBSwaaeef 

sugemisciit. 


wird 


war die Lösung der Bedingung Ziffer 1 bei der großen 
Bäßigkeit der Abwassermengeö eine schwierigere — Eb 





Oberb*oiat Braun: Desinfekti* 


ist mir jetzt nach längeren Vers ach«: 
such bei tropfenweisem Zufluß noci 
vorricbtnng zu kenstraieren, durch we 
tionsmittel (in der Kegel Chlorkalk wag 
langten Verhältnis zor Abwasaermeng-e 
and mit ihr innig vermischt wird; sie 
interessiere«. 

Dies© J^cbfowichtuag bestellt ans »te 
Absangar, *o*ri« mit Ansaoger für das Desinj 
gsfiä mH 8ch wimmern» Üi für das PestoiÄtrfcfos 
{aasenden Behüter für des Verrat des fiftsefg 
Begel Chlorkalk wasac? 1 : 60). , '. / ; Y' ; 

Weno Im Samattlgeötß 100 1 Abrraaeer j 
Saugroh? eingeapannie Luit es beginnt e 
die äaugglock« das Absaugen der Abwasser 
sogleich das Anstagen des Desinfektionsmittels * 
gefäß. Beide Flüusigkeiten mischen sieb im Afcwju 
Innig, was durch Färben der Flüssigkeit des Bef 
kann. Hat nan im SamraelgeiäJ} der Wasoeiapir 
(3 cm über dem Gefäßborten) erreicht, an wird 
lichtang Duft In da« Sangrohr geführt, wodard 
koiten rasch antorbrechen wird. Es beginnt emt 
Füllung des Sammelgcl&öesr. 

In das die OesiafekiioBHÖüijaigheit enthe! 
ein ZaleltQng»r*>hr ans einem mindeatess des 24 
Gefäß. Diese Zuleitung ist im Regulioigefäö 
▼ersehen, das sich aach Bedarf öffnet and schließ 
RogollergcfÄß Ist aomit homer derselbe. Daa von 
röhr dea Sammelgefäßes führende Bohr bat im B 
besonderer OeffBungaweiie, Durch diese Weite * 
bestimmt, welch* dem Abwasser (1001) bajgemten^ 

Id der Begel gehören swei SfiftseD snr MO 
ifi 1 , die andere für ‘fr i Deaiaiektionrflüssigkoit: . 
also dafür gesorgt, d«@ das DesWaktiönafflitie 
richtig nnd rechtzeitig erhält, so arbeitet die MhcJ 

selbsttätig weiter. 

Profftseor Dönbar hat featgsstellt, 
Keime bei einer Beimengung ?on Chlo 
gerßüngtaö Abwasser im Verhältnis 1 i 20 
Einwirkung noch getötet werden* ££ Nach 
„öeaandhwts-iiigemeQr“ von 1910, Nr. 22, 
durch seine Desmiektionaverftache ztt dam Br. 
von der Zto&mmenseiisöog der Boston«* Troj 
innerhalb einer Stande mit 8,5 mg Ghlwm; 
(Chlorkalk-Ab wasser .« i :8800Ö) 
and daß FanlkammerabÖSsse wegeti 
10—15 mg Chlor (CMoik'alk'^aaaär M. ’ll#” 
erfordern. Er berechnet die Kosten für ( 
Abwasser bei der Mischung 1: 22000 auf 0, 

Es dürfte sich empfehlen, anler 1 * t 
herabzngeben. 

Bei Chlorkalkwasser 1 ; 50 und V» jfjf 
Abwasser »H -- m = |§| « 
den Abwasser beigemengt. — Di« vojbe&ci 


Kleinere Mitteilungen nnd Referate ans Zeitschriften. 


885 


richtung sangt in 12 Sekunden 100 1 Abwasser ans dem Sammel¬ 
gefäß, somit in 1 Sekunde rund 8 1. 

Die Firma Frz. Steinle, Installationsgeschäft in Ulm a. D. 
hat meine Versuche durch Opfer an Zeit, Geld und Arbeit in 
dankenswerter Weise unterstützt und durchgeführt, ich habe ihr 
deshalb gestattet, den Mischapparat zum Patent anzumelden, was 
geschehen ist. 

Die derzeitige Seuchengefahr (asiatische Cholera und Pest) 
für Deutschland dürfte den maßgebenden Behörden die Ver¬ 
pflichtung nahelegen, rechtzeitig die besten Mittel zu ihrer 
Bekämpfung bereit za stellen. Ein solches Mittel zur Bekämpfung 
dieser Seuchengefahr und allgemein zum sanitären Schute 
der Menschheit dürfte die vorbeschriebene Desinfektions • Misch¬ 
vorrichtung sein, welche mindestens bei Krankenhäusern und 
Kasernen fanktionsbereit aufgestellt sein sollte, um in gegebenen 
Fällen die Menschheit von ihren größten Feinden nachhaltig zu 
schützen. 

In Württemberg sind die Lungenheilstätte! der Versiche¬ 
rungsanstalt Württemberg Ueberruh bei Isny mit” 180 Betten und 
die Krankenhäuser in Isny und Söflingen i bei Ulm mit je 100 
Betten mit diesen Vorrichtungen versehen, die anstandslos arbeiten. 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 

JL Geriohtliohe Medizin. 

Hämatologlsehe Untersuchungen bei Kohlenoxydverglftuug. Von 
Otto Roth. Zentralblatt fttr innere Medizin; 1910, Nr. 85. 

Bei Kohlenoxyd Vergiftung findet man Hyperleukozytose und manchmal 
eine sehr hochgradige Vermehrung der roten Blutkörper. Die Befände sind 
nicht konstant. Unter 5 Fällen, die mitgeteilt werden, wurde zweimal Hyper» 
leukozytose und nur einmal Vermehrung der roten Blutkörperchen feetgestellt. 
Dagegen macht Verfasser auf einen neuen Befund aufmerksam, der sich bei der 
Analyse des leukozytären Blutbildes ergibt, nämlich das völlige oder doch fast 
völlige Verschwinden der fttr toxische Vorgänge besonders empfind¬ 
lichen eosinophilen Zellen aus dem Blute. Die Erscheinung ist nur von 
kurzer Dauer; schon nach 24 Stunden können die eosinophilen Zellen ihre normale 
Zahl wieder erreichen. Die Beobachtungen an Menschen fanden im Tierversuche 
ihre Bestätigung. Bei Meerschweinchen erreichte der Gehalt an eosinophilen 
Zellen einige Stunden nach der Vergiftung seinen Tiefstand,: um? nach 24 
Stunden zu normalen Werten zurttckzukehren. Sie ganz zum Verschwinden 
zu bringen, gelang bei Tieren nicht. Dr.Bevenstorf-Breslau. 


Zwei Todesfälle infolge KohlenoxydvergUtnng durch] Kehlenblgel- 
elsen. Von Dr. Emil Kominik, k. k. Polizei-Assistenzarzt in Wien. Der 
Amtsarzt; 1910, Nr. 6. 

Die kräftigen jungen Dienstmädchen derselben Partei wurden einige 
Monate nacheinander in ihrem nur 12 1 /a cbm großen Schlafraum tot in Bauch¬ 
lage aufgefunden; die Totenflecke waren typisch hellrot, die Schleimhäute 
karmoisinrot, an Lidern und Augäpfeln kleine Blutunterlaufungen. In beiden 
Fällen hatte das Fortbrennen eines im Schlafraum abgestellten Kohlenbttgel- 
eisens zur Entwicklung einer tödlichen Menge (10 # /o der Bespirationsluft) 
Kohlendunst genügt. Die Angaben über den gewöhnlichen Kohlenoxydgas- 
Gehalt des Kohlendunstes schwanken übrigens zwischen 0,5 und 6 # /©. 

_ Dr. Hösch-Pasing. 



m 


Kleinere Mitteilungen aja<l Äefer 


K*W«B*xyäfetgtftm»K. Von W. J. 
Queens tJairemty, Belfast» iucet; 1310, 1 
Iü eine» 15; lörlO Foß groöea Sau 
FracbewofitJos atrfg&fnnden. Seid«. Person 
dem dorch fine» Qftsofen ohne Ab*ng; 

Fenstern dicht geachiouaen waren, *a<geh»i*«j 
ßOOL CO. Yer&em warnt *or der Aalstöliai 
Die Qef&ht Hegt sc de» Zorhckacbl*fcesi «er 
Kohlenoxyd, QWÄOere üttteraoelmngea erp 

nrdaa&g«ge»jäß htefloe», »o» nnnveßbajns Me* 
biaseix dag*g«u dessen Flxmme^ jsuröclf#*, 
Fl 4 tansßööäs»n»ß fine Loft, die fl» °/o t'O ei*i 
oxyd wird außerdem begünstigt, wen® Bich 

6 tMU 60 v . • , 

El» 50 jähriger Mann ward» tot 1« 8«» 
Sein Blttt eaiiäeU W* 00. Ei« $»»»**£ .< 
Schlafzimmers lag, war an der Stelle opaleb 
fiektri »zU L^limg mit defekter Isolier nngr kr 
sich ln da# Zimmer» te dem « nach 2V2 Stande 
Mi«&g» 9 cbl*f ««rSsfegMogeo. Der Raum war 
versehen. Zw Zeit des Unfalls waren .dtö X 1 w; 
Leaehigsu dürfte eine V ergiftuog her beige 
hielt aber eine Mischung vom gewöhnliche» Legcß 
gas (80-33 */„ 00). Tödliche GO* Vergiften*^ 
versorgosg «rfahtungsgemkß Malig. Die Z&kh 
diese» Hlssicbl besondere instrahüv. 

'Verlasset fordert gcssfxgebeiiache Maan»n 
wer demaüsse.daß d«r 00 Schalt des Leacfatgasos 
' überschreite« dürfe. Die Aafetelhmg r<sn Ossi 
verbieten. Aaßerdam wiwacbenswert, de» 

halten, die H&hne der ßtwleitiißgea, WfißkeScjs 
absoscbUsßen. _ _ B 

Zar F«tt*e der; ThioslnsaalnTBrglftnnr. 
Leipzig. Münchener med, Wochenschrift; 11*10, N 

Tertaaser ttttfi einen Krankhfifof all mit, in 
Dame bandelte, die nach einer YerbrettanDg der B».c 
keloide bekommen hatte and mittels ThiosinXmi* 
wurde. Nach der ä.iejttktioo bekam Patient F. 
meines ünfeebageit nad starken Kopfechi3ers. üj 
sich regelmäßig nach jeder Injektion sin, wlordmg 

Da die BeMndlang von Erfolg war, ward* 
jektionea) trotz der VörgiltangseTBcheinungön iorlgt 
Meagtrqzüßß werde nicht beobachtet. I 

Beitrag »am Stadium de» Todes dsreb nie 
sehen Strem,. Von Df.Csmülp Tavö- Törin. Atel 
minaie F^eWatifia e Mefttcf®» Irgidö; Bspd XXJI,. 

Die Frage nach de» Tode durch elektri» 
Spannung Ink iitrfx ihre* htögUchkeft soch Wwjr 
Verfasser baabachtete» u* <3 gesao »esehiiobeneß Jik. 
voa Interesse. Beides MaIö fcsadaU btf sich Bca di<? 
elektrischen Strömen ron höchstes 320 Volt, pi 
nass entlieh noch der SokUcasbefMd. ergab, daß in 
nähme de» Tode» dsreh de* elehtriachrB Strom gort 
in dem anderen Fall diese Todecart nicht wahxuchein. 
schiedeae Wärdtgung der ^inasineB !ü Set rieht hoous 
der beiden FS1I* » 9 t »echt tnatTBkür «r die Bear* 
pisse and rechtfertigt ela kotzen Bogehoo asi die T< 

Der «rate Fall betrifft einen SOjlbHgeaAobeitrr 
von Isolatoren an die elektrische StnSeobelsociitoog 
von Hi nt ans dem MtmdA zns&nmeshnrfi 3a d stirb. 




Kleinere Mitteilangen and Referate an& Zeitschriften. 


887 


wesentlichen: kleine Qaetschangen im Gesicht, flüssige Beschaffenheit des 
Blotes, müßiges Lungenödem, punktförmige Ekchymosen auf den Ungern, 
zystische Kropfbildung, Erweichung, Deformierung und Deviation der Luftröhre. 

Der andere Fall betrifft einen 17jährigen Küchenjungen, der in einem 
Ktthlraum des Kellers mit elektrischer Beleuchtung plötzlich tot zu Boden 
sank. Bei der Obduktion fand man als hauptsächlichste Veränderungen: Ab« 
Schürfungen an verschiedenen Körperstellen, Hämatom am Schädel, Ekchy¬ 
mosen an der Schultergegend, Verbrennungen der verschiedenen Grade an den 
Händen, Hyperämie des Gehirns, Lungenödem, Ekchymosen am Herzen und 
auf den Lungen, flüssige Beschaffenheit des Blutes, allgemeiner Status lym- 
phaticus, Hypertrophie der Thymusdrüse. 

Die Frage eines etwaigen Todes durch den elektrischen Strom ist nach 
folgenden Gesichtspunkten zu erörtern: Hat ein elektrischer Kontakt statt* 
' gefunden? Ist der elektrische Strom durch den Körper gegangen? War der 
Strom geeignet, den Tod herbeizuführen? Ist der Tod wirklich durch die 
Passage des Stromes entstanden? 

Wenn in dieser Weise die beiden Fälle analysiert werden, war beim 
ersten Fall sicher, daß ein Kontakt stattgefunden hatte; dagegen fehlten 
Veränderungen am Körper, die für das Darchströmen eines elektrischen 
Stromes charakteristisch sind; als solche werden von Jellinek bezeichnet: 
Verbrennungen, Versengungen der Haare, Zusammenhangstrennungen der Haut, 
Hämorrhagien, spezifische Veränderungen der Haut. Hiernach müßte es 
zweifelhaft bleiben, ob ein elektrischer Strom durch den Körper des Toten 
gegangen war. Dagegen konnte es keinem Zweifel unterliegen, daß im zweiten 
Fall nicht nur ein Kontakt, sondern auch ein Durchströmen des elektrischen 
Stromes durch den Körper stattgefunden hatte, da die Anordnung und Form 
der Hautveränderungen eine spezifische war. 

Die Frage, ob die elektrischen Ströme geeignet waren, den Tod herbei« 
zuführen, mußte im ersten Fall sehr zweifelhaft gelassen, im zweiten Fall 
unbedingt bejaht werden. Es liegen Beobachtungen vor, wonach elektrische 
Ströme von weniger als 500 Volt Spannung den Tod herbeiführen; in solchen 
Fällen kamen aber als begünstigende Momente das Arbeiten mit nackten 
Händen oder Füßen, die nasse oder feuchte Umgebung u. a. m. hinzu. Hiervon 
konnte aber nur im zweiten Fall die Rede sein, wo es sich um einen feuchten 
Arbeitsraum handelte. Auch war die Kontaktfläche im zweiten Fall eine 
wesentlich größe, was gleichfalls als ein begünstigendes Moment anzusehen 
ist Schließlich mußte auch der besondere Körperzustand des zweiten Opfers, 
nämlich des 8tatus lymphaticns, als ein Moment angesehen werden, das das 
Eintreten eines plötzlichen Todes überhaupt begünstigt. Anderseits war der 
Zustand des ersten Opfers, wie ihn die Obduktion erkennen ließ, nämlich die 
Kropfbildung und damit zusammenhängende Veränderung der Luftröhre an 
sich geeignet, auch ohne das Zutun einer anderen Ursache, wie des Ein« 
Wirkens des elektrischen Stromes, den Tod herbeizuführen. Auch der Befund 
der Leichenöffnung, nämlich die flüssige Beschaffenheit des Blutes, die Ekchy« 
mosen, das Lungenödem, stimmt mit dem bei plötzlicher Erstickung infolge 
Kropf vorkommenden Zeichen überein. 

So kommt Verfasser zu dem Schluß, daß im ersten Falle der Tod nicht 
auf die Einwirkung eines elektrischen Stromes znrückgeführt werden könne, 
wohl aber im zweiten Falle. Ob man sich mit der Schlußfolgerung im ersten 
Fall allgemein wird einverstanden erklären, erscheint dem Referenten zweifei« 
haft. Würde die Frage, z. B. im Sinne unserer Unfaligesetzgebung zu entscheiden 
sein, möchte Referent glauben, daß man mit Recht zum mindestens darauf 
hinauskommen würde, einen mittelbaren Zusammenhang ansunehmen (Ver¬ 
schlimmerung eines bestehenden Leidens) und somit den Fall als Unfallfolge 
an anerkennen. _ Dr. Sol brig-Arnsberg. 


Ueber den Befund von Luftblasen im linken Herzen nach Eindringen 
von Luft ln die Venen. Von Dr. L. L a 11 e s - Turin. Archivio di Antropologia 
criminale, Psichiatria etc.; 1910, Heft 8. 

Verfasser kommt auf Grund seiner Studien und Tierversuche zu folgenden 
Ergebnissen: 

1. Die Durchgängigkeit des For. Botalli ist eine Bedingung für den 



888 


Kleinere Mitteilungen and Referate atu Zeitschriften. 


Luftbefand im linken Heraen and im großen Kreislauf im Gefolge tob Bia« 
dringen von Luft in die Venen. 

2. Wenn das For. Botalli geschlossen ist, kann die in die Venen 
eingeführte Luft nicht in das linke Hers eindringen. 

8. Der Zustand des For. Botalli kann den Nachweis, wie der Me« 
chanismus dos Todes in Füllen von Gasembolie gewesen ist, gestatten. 

_ Dr. Sol brig-Arnsberg. 


Zur Kasuistik plötzlicher Tedesfllle bei Kindern. Ton Dr. BudeU 
Jahn, städtischer Oberbezirksarzt in Wien. 

Ein bis dahin völlig gesund gewesenes neunjähriges Mädchen erkrankte 
plötzlich mit Unwohlsein, Kopfschmerz, Pulsverlangsamung, Erbrechen, Be* 
wußtlosigkeit und rechtsseitiger Lähmung, es starb nach 12 8tunden. Todes¬ 
ursache war eine Gehirnblutung infolge eines Gliomes ln der linken Hemisphäre. 

_ Dr. Hösch*Pasing. 


Verkannte Schwangerschaft. Von Dr. Bagnit Journal de Mededne 
de Paris; 1910, Nr. 85. 

Der Fall betraf eine 85 jährige Frau, deren Menses nach der 4 Jahre 
zurückliegenden Geburt des ersten Kindes nicht wieder ausgesetzt hatten. 
Seit 5 Monaten war ihr aufgefallen, daß die Periode 5—6 Tage früher eintrat 
als erwartet und nur 2—8 Tage, statt 5—6 Tage dauerte. Die Frau war in 
den letzten Monaten etwas stärker geworden, trug aber die gewöhnliche 
Kleidung nebst Korsett und hatte keine Ahnung von ihrer Schwangerschaft. 
Beim Beginn der letzten Periode, die wieder 4 Tage zu irüh auftrat klagte 
sie über Brechneigung und heftige Nierenschmerzen die bald unerträglich 
wurden. Nach 2 Tagen erfolgte plötzlich in Gegenwart ihres Gatten die 
Gebart eines Kindes, während sich die Kranke auf dem Klosett befand. Das 
Kind war ausgetragen und wog 8200 g. 

_ Dr. Bevenstorf-Breslau. 

B. Geriohtliohe Psyohlatrle. 

Beitrag zur pathologischen Anatomie der Kersakewsehen Psye h sse. 
Von Med.• Bat Dr. Ernst Thoma. Aus der Heil* und Pflegeanstalt Unnau. 
Allgemeine Zeitschrift für Psychiatrie; 67. Band, 4. Heft 

Thoma hat die Gehirne von 2 Fällen Korsakowscher Psychose post 
mortem untersucht und folgendes festgestellt: 

1. Allgemeine, der Paralyse ähnliche Erkrankung der Ganglienzellen; 

2. Degeneration der Merkfasern im Gehirn; 

8. Vermehrung der Gila und zwar sowohl der Gliasellen wie der 
Fasern als Ersatz für die ausgefallenen Merkfasern. Dr. Többen*Münster. 


Zar Anatemle und Aettelogle der Dementia jaraeeex. Aus dem 
pathologischen Institut der Universität Bonn. Von Dr. Heinr. Bickel, 
II. Assistent des Instituts. 

Der Verfasser kam bei einer klinischen Untersuchung auf den Gedanken, 
daß die bei der Dementia praecox zu beobachtende Hypalgesie möglicher 
Weise auf einer Schädigung der sensiblen Nervenendigungen in der Haut 
beruhe. Es fragte sich nun, ob es sich nur um eine funktionelle Schädigung 
handele, oder ob gar eine Degeneration der Tastorgane nachzuweisen sei. 

Von den 2 Fällen, die Bickel bisher anatomisch verarbeiten konnte, 
bot der eine eine deutliche Verminderung der Nervenendigungen infolge von 
Degeneration, während sich der andere in diesor Hinsicht ziemlich normal 
verhielt. Es besteht nun nach Ansicht des Autors einmal die Möglichkeit, 
daß die Degeneration des peripheren Neurons den krankhaften Veränderungen 
des Zentralnervensystems parallel geht; anderseits wäre es denkbar, daß 
die allmählich eintretende Verblödnng eine Folgeerscheinung der geringeren 
Perzeptionsfihigkeit der Psyche für äußere Beize ist. Die krankhaften Ver¬ 
änderungen des Zentralnervensystems wären in diesem Fall nur sekundäre 
Erscheinungen. Der Verfasser wird nach Anschauung des Beferenten seine 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


889 


allerdings nur nnter großer Reserve ausgesprochene Vermutung mit großer 
Vorsicht an einem reichhaltigen Material nacbprüfen müssen. 

Dr. T ö b b e n - Münster. 


Beitrag mr Kenntnis der Reekllnghausenschen Krankheit. Von Dr. 
Otto Maas, leitender Arzt des Hospitals Buch-Berlin. Monatsschrift für 
Psychiatrie; XXXVIII., Ergänzungsheft. 

1. Zur ReokliaghauBenschen Krankheit gehören auch Falle, bei 
denen die Tumorbildung sich auf das Zentralnervensystem und die großen 
peripheren Nerven beschränkt, während fühlbare Hauttumoren dauernd ver¬ 
mißt werden können. 

2. Die histogenetische Natur der Tumoren bedarf noch weiterer Unter¬ 
suchungen; namentlich bei den intramedullären- und Nervengeschwülsten 
spricht manches dafür, daß sie gliogenen Ursprungs sind. 

8. Ebenso wie an den Neuronen der Haut- und Nervenstämme kommen 
bei der Recklinghausen sehen Krankheit auch an den Rückenmarkstumoren 
weitgehende Remissionen vor. 

4. Die Bedingungen für das Auftreten sekundärer Degenerationen sind 
noch nicht völlig klargestellt. Dr. TObben-Münster. 


Zur Paranoiafrage. Vortrag, gehalten auf der Wanderversammlung 
der süddeutschen Neurologen und Irrenärzte in Baden-Baden im Mai 1910. 
Von Dr. Weygand-Hamburg. Monatsschrift für Psychiatrie u. Neurologie; 
28. Bd., 2. H. 

Der Vortragende glaubt, den früher so anspruchsvollen Begriff der 
Paranoia immer mehr einschränken zu müssen. Seiner Auffassung nach wird 
ein großer Teil der bisher noch angenommenen Paranoiafälle in die Gruppe 
der jugendlichen Verblödungsprozesse zu zählen sein, die querulatorischen 
und kriminellen hingegen gehören zum manisch-depressiven Irresinn. Bei dem 
noch übrig bleibenden verschwindenden Rest müssen wir uns damit begnügen, 
zu konstatieren, daß die rein klinisch diagnostischen Mittel noch nicht aus- 
reichen zu einer völlig befriedigenden Klassifizierung, und können daher 

S rovisorisch den alten, vertrauten Begriff immerhin noch weiter bestehen 
usen. Dr. Többen-Münster. 


Ueber die Beziehungen der Paranoia acuta halluolnatoria (Westphal) 
zur Amentla (Meynert). Von Dr. M. Br eso wsky in Jurjew (Dorpat). Aus 
der psychiatrischen Klinik der Charitö in Berlin. Monatsschrift für Psychiatrie 
und Neurologie; 28. Bd., 2. H. 

Nach Meynert ist die Amentia eine Psychose, deren wesentliches 
8ymptom eine auf einer zerebralen Erschöpfung beruhenden, als Ausfalls- 
symptom aufzufassende Verwirrtheit ist. Verfasser legt dar, daß die akute 
halluzinatorische Paranoia Fälle umfaßt, deren Symptome auf zerebralen 
Schädigungen beruhen, die nicht mit der zerebralen Erschöpfung zu indentifizieren 
sind und die dieselbe Aetiologie und denselben Verlauf und Ausgang zeigen 
wie die klassische Amentia; diese ist nur als Spezialfall der akuten 
halluzinatorischen Paranoia zu betrachten. 

Es gibt eine Form der akuten halluzinatorischen Paranoia, bei der 
eine primäre Inkohaerenz besteht, welche nicht als Ausfallsymptom im Sinne 
Meynerts aufzufassen sein dürfte, sondern als echte Assoziationsstörung. 
Diese Form könnte daher eine Sonderstellung beanspruchen; vielleicht wäre 
es zweckmäßig, ausschließlich für diese Form die Bezeichnung Paranoia acuta 
dissodativa (Ziehen) zu reservieren. Dr.Többen-Münster. 


Ueber das manisch-melancholische Irresein. Zur Frage der Beziehung 
zwischen manischen nnd melancholischen Zuständen. Von W. v. Bechterew. 
Vortrag gehalten 1908 in der Klinik für Nervenkranke in St. Petersburg. 
Monatsschrift für Psychiatrie; Band XXVIII, Heft 8. 

Der 8treit, ob die Manie und Melancholie auch nicht'periodisch Vor¬ 
kommen können, ist nach v. Bechterew ganz überflüssig. Das wesentliche 
der Frage liegt vielmehr in der Tatsache, daß die melancholischen und 
manischen Zustände auch dann, wenn sie sich auf große Zeitperioden verteilen 



890 


Eleinerb Mitteilungen nnd Referate an» Zeitschriften. 


oder ganz isoliert auftreten, ohne im Lanfe des Lebens znm sweiten Male 
wiederzukehren, doch im Hinblick auf die übereinstimmende Pathogenese die 
denkbar engste Verwandschaft mit den periodischen Formen haben. 

Dr. Többen-Münster. 


Eine psychische Epidemie unter Aerzten. Von Prof. Dr. A. Ho che* 
Freibarg i. Br. Vortrag gehalten aaf der Wanderrersammlnng süddeutscher 
Neurologen und Irrenärzte in Baden im Mai 1910. Monatsschr. f. Psychiatrie 
and Neurologie; Band 28, Heft 2. 

Der Begriff der psychischen Epidemie amfaßt, wenn von den eigentlichen 
krankhaften Vorgängen abgesehen wird, nach die Uebertrngang besonderer 
Vorstellungen von zwingender Kraft in eine Anzahl yon Köpfen mit der 
Wirkung des Verlostes des eigenen Urteils nnd der Besonnenheit, ln diesem 
Sinne rechnet Hoche zu den psychischen Epidemien die eigentümliche ärzt¬ 
liche .Taumelbewegung*, die sieh an den Namen Freud und seine Methode 
der «Psycho-Analyse* anschließt. In wissenschaftlicher Hinsicht hält der 
Vortragende die ganze Bewegung, die nicht nur für den Patienten bedenklich 
sei, sondern zweifellos in der Art, wie fanatische Anhänger sie zur Zeit aus¬ 
üben, auch die Neuropathologie kompromittiere, für erledigt. 

Dr. Többen-Münster. 


Neue somatische Untersuchungen ln anthropologisch • forensischer 
Beziehung nach der deskriptiven scgnaletlsehen Methode. Von Dr. Gast. 
Funaioli-Rom. Archiv di Antropologia criminale etc.; XXXI. Band, 8. Heft. 

Im 8inne der Lombrososchen Schule und speziell den Spuren des 
auf dem Gebiete der anthropologischen Erforschung des Verbrechers hervor¬ 
ragenden Ottolenghi folgend, hat Verfasser sich der Mühe unterzogen, an 
100 Photographien schwerer Verbrecher genauere Untersuchungen nach einer 
eigenen Methode ansustellen, über die ausführlich berichtet wird. Wir heben 
daraus folgendes hervor: Es wird nur der Kopf in betracht gesogen, und zwar 
wird zunächst das Volumen desselben absolut und dann Schädel und Gesicht 
einzeln und im Verhältnis zu einander betrachtet Im besonderen wird auf 
die Dimensionen, die Form, die Richtung der Achsen, die Symmetrie, die 
besonderen Abschnitte des Kopfes und den Haarwuchs geachtet. Haupt¬ 
ergebnisse der Untersuchungen sind die nachstehenden: Während Mikrozephalie 

{ ar nicht vorkam, fand sich Makrozephalie bei 8 '/«. Die Schädelbildung zeigt 
äufiger die Eigenschaften mangelhafter Entwicklung, während beim Gesicht 
häufiger eine übermäßige Entwicklung beobachtet wird. Bei den einzelnen 
Dimensionen des Schädels überwiegt die Ultradolichozephalie. Die haupt¬ 
sächlichste Asymmetrie zwischen Schädel und Gesichtsbildung ist die 
Plagiozephalie (20°/o). Polygonale Form des Schädelabschnitts fand sich in 
26°/o der Fälle. Hinsichtlich der Gesichtsbildung ist ein merkliches Ueber- 
wiegen der Länge über die Breite beobachtet. Polygonale Form des Gesichts 
kam bei 26°/« der Fälle vor. Abnorme Entwicklung des Gesichtsabechnitta 
fand sich in 65, mangelhafte Entwicklung in 41 •/«. Fliehende Stirn kam bei 
10°/o vor. Ziemlich häufig waren ferner: Hervortreten der Augeabrauenbogea, 
Hervortreten der Glabella, Zusammengewachsensein der Augenbrauen In dar 
Mittellinie. Weitere Eigentümlichkeiten, die hier und da beobachtet wurden, 
sind: 8trabismus, Asymmetrie der Augäpfel, starke Entwicklung dergNasesi- 
Öffnungen. Recht häufig fanden sich exzessive Entwicklung der regia 
sygomatica (20°/»)« Anomalien der Ohrmuscheln, Hervortretea der Lippen, 
übermäßiges Volumen des Unterkiefers. Zusammengerechnet zeigten die 100 
Verbrecher: 178 Abweichungen bezüglich der Dimension, 224 Abweichungen 
der Form. 161 Abweichungen hinsichtlich der Proportion, 162 asymmetrische 
Eigentümlichkeiten und 80 Abnormitäten hinsichtlich der Insertion. Diene 
Abweichungen der 6 verschiedenen Gruppen, die in analoger Weise von vielen 
anderen Autoren (in Deutschland s. B. von B a e r) gefunden worden sind, sind 
verschieden zu würdigen; sie sind in atavistische und atypische besw. patho¬ 
logische einsuteilen. Wie Verfasser ausrechnet, handelt es sich häufiger um 
atavistische als atypisch-pathologische Zeichen. Die atavistischen Formen 
finden sich besonders häufig bei den brutalen Verbrechern (Mördern). 

_ Dr. 8 olbrig-Arnsberg. 



Kleinere Mitteilangen und Referate aus Zeitschriften. 


891 


Betrachtungen Aber eine behauptete reversive Anomalie der'Hand. 
Von Prof. Dr. Enr. VHohes y Gomes«Madrid. Arcbivio di Antropologia 
criminale etc.; XXXI. Bd., 8. Heft. 

Das Stndiam der Hand, namentlich auch hinsichtlich ihrer Beweglichkeit, 
ist Ton psychiatrischer und anthropologischer Seite in den letsten Jahren leb* 
halt betrieben. Besonders waren es Masini und Lecha-Marso, die Ano¬ 
malien der Beweglichkeit der Hand bexw. der Finger besonderer Art als 
Zeichen von Degeneration fanden nnd beschrieben. Das MaBinische Phi* 
noznen besteht in einer auffälligen Dorsalflexion der Finger (bis su einem 
Winkel von 90° mit dem Uetacarpns), die aktiv oder passiv sein kann, die 
Lecha-Marxosche Anomalie ist die Möglichkeit einer isolierten aktiven 
Biegnng der Endphalangen. Verfasser hat sich mit dem Stndiam dieser 
interessanten Anomalien befaßt and Handerte von gesanden and krankhaften 
(nervösen) Personen daran! untersucht. Während das erstgenannte Phänomen 
häufig za finden war, and zwar häufig bei gesanden Personen, sind ihm unter 
mehr als 1000 ontersachten Personen nur 7 Fälle (darunter 4 bei Gesanden) 
vorgekommen, bei denen das Lecha*Marzosche Phänomen ansgeprägt war. 
Besonders interessant ist eine weitere Anomalie, die Verfasser bei einer jangen, 
intelligenten, nearopathisch veranlagten Pianistin fand, die darin bestand, daß 
bei einer besonderen Aneinanderlegung die Finger beider Hände ein Absprfagts 
der (Kingfinger möglich war (das Phänomen wird an einer Photographie 
erklärt). Dieselbe Erscheinung boten bei amfangreichen Untersuchungen der 
verschiedensten Personen nar noch 2 andere geistig hochstehende Individnen. 

Das Zustandekommen dieser besonderen Anomalie und nach der vorher 
genannten ist nicht so einfach za erklären. Jedenfalls ist darch Röntgenstrahlen 
nachgewiesen, daß anatomische Abweichungen der Knochen and Gelenke nicht 
die Ursache abgeben, wie behauptet worden ist. Es müssen vielmehr besondere 
Maskeleinwirkangen bei Vorhandensein bestimmter Dispositionen im 8piele sein. 
Nach Ansicht des Verfassers ist ferner anzunehmen, daß das von ihm beschriebene 
Phänomen nar darch Vorhandensein eines eigenen Maskels, der für gewöhnlich 
fehlt, nämlich eines m. extensor proprius digiti 17, za erklären ist. Dies führt 
den Verfasser za der von ihm genau entwickelten Annahme, daß es sich bei 
dieser and den anderen Anomalien der Hand nicht am atavistische Zeichen 
handle, sondern hierin der Uebergang za einer Vervollkommnung der Be* 
weglichkeit der Hand za erblicken sei. Die feinen Bewegungen der Hand 
unterscheiden bekanntlich den Menschen von den höheren Tieren; wie das 
Fehlen von Fingergliedern n. a. bei Imbezillen vorkomme, so seien solche 
Vervollkommnungen der Beweglichkeit der Hand in Zusammenhang mit der 
Fortentwicklung der Menschen zu bringen. Dr. Solbrig* Arnsberg. 


O. flaohventindigentitigkeit ln Unfall- and Invalldit&tssaohen.' 

Herserkrankungen im Anschluss an ein Trauma. Aas der medizinischen 
Abteilung des Krankenhauses za Brsnnschweig. Von Dr. Beckhaas, 
Assistenzarzt. Münchener medizinische Wochenschrift; 1910, Nr. 42. 

Verfasser berichtet über 3 Beobachtungen von traumatischer Herz* 
erkrankang mit Krankengeschichte and Gatachten. 

Im ersten Falle ratschte ein 62 jähriger Waldarbeiter bei Glatteis ans 
nnd fiel mit der linken Brastseite auf die Kante eines schweren Verbands* ' 
kastens. Nach dem Traama versagte ihm der Atem; es zeigte sich trotz 
sofortiger längerer Bähe and Einstellung der Arbeit krankhafte Symptome 
von seiten des Herzens. Vor dem Unfall hatte er niemals eine ernste Krank* 
heit darchgemacht, im Gegenteil jahrelang die schwere Arbeit eines Wald¬ 
arbeiters verrichten können. Erst nach dem Unfall, bei dem die linke Brost* 
seite einen heftigen Stoß erlitt, versagte er vollkommen, wurde schlaff and 
energielos and äußerte Beschwerden, wie sie bei Herzkranken häufig sind. 
Die Untersnchong and Begutachtung ergab einen noch in Weiterentwicklung 
begriffenen Horzfehler. 

Im zweiten Falle fiel ein BOjähriger Wagenwärter bei Glatteis von der 
Treppe eines Eisenbahnwagens aos Dachhöhe herunter auf den Bahnsteig und 
zog sich hierbei eine heftige Erschütterung der ganzen linken Körperseite su, 
über dem Darmbeinkamm links fand sich eine blutunterlaufene Stelle. Nach 



892 


Kleinere Mitteilungen and Referate aas Zeitschriften. 


dem Unfall war seine Leistungsfähigkeit vollständig geschwunden, er heute 
nicht durchatmen, der Atem blieb ihm stecken; es stellten sich Kopfschmersen 
und 8chwindelanfälle ein, sowie häufige Brustbeklemmungen, schlechter 8ehlei, 
Angstgefühle etc. Die Untersuchung ergab, daß sich eine Vergrößerung 
des Hersens und ein Geräusch an der Heraspitse entwickelt hatte. Vor dem 
Unfälle war der Verletste ein vollkommen gesunder Mensch und konnte 
31 Jahre lang schwere und verantwortungsvolle Dienste verrichten. 

Im dritten Falle fiel ein 19 jähriger Malergehilfe beim Anstreichen eines 
Signalmastes aus einer Hohe von 7—8 m herunter und war hinterher bewußt¬ 
los; irgendwelcher Einzelheiten bei dem Sturze erinnerte er sich nicht. Aeußere 
Verletzungen bestanden nicht, doch enthielt der Urin Blut und Zylinder. Es 
stellten sich Brust- und Bfickenschmerzen und allmählich verschiedene Hers- 
stOrungen ein. Bis zu seinem Unfälle hatte der Verletzte keinerlei Herz¬ 
beschwerden. Die Annahme des Verfassers, daß vor dem Trauma ein gesundes 
Herz bestanden hatte, wurde durch die ersten drei nach dem Unfälle abge» 
gebenen Gutachten gestützt, in denen der Herzbefund entweder als normal 
bezeichnet oder aber von krankhaften Veränderungen am Herzen nichts 
erwähnt wurde. Der Unfall ereignete sich am 9. Mai 1908 und erst am 
21. November 1908 worden ausgesprochene Herzsymptome konstatiert, welche 
allmählich immer Zunahmen und zwar sowohl subjektiv, als objektiv. Da also 
in den ersten Monaten nach dem Unfall noch keine krankhaften Veränderungen 
am Herzen nachgewiesen waren, später aber ein Herzfehler festgestellt wurde, 
konnte dieser zwangslos auf den Unfall zurückgeführt werden, zumal, da durch 
den 8turz aus 8 m Hohe eine heftige Erschütterung des ganzen KOrpera mit 
Bewußtlosigkeit etc. hervorgerufen war. 

Am Schlüsse seiner interessanten Arbeit spricht sich Verfasser dahin 
aus, daß man nach einem Trauma, welches einen ungünstigen Einfluß auf das 
Hers haben konnte, weil es eine Erschütterung des ganzen Körpers oder 
besonders der linken Brustseite verursacht hat, stets auf die Entwicklung eines 
Herzfehlers bedacht sein soll, ln allen derartigen Fällen erweist es sich zur 
Vermeidung späterer Irrtümer und Schwierigkeiten bei Begutachtung dev 
Fälle stets als notwendig, sofort auch eine genaue Untersuchung des Herzens 
vorzunehmen. Wenn auch zurzeit dann noch kein Herzfehler vorliegt, so muß 
man immer die Möglichkeit der Entwicklung eines solchen im Auge 
behalten; nur dadurch wird es vermieden, daß ein Herzfehler übersehen 
wird und subjektive Beschwerden von seiten des Hersens für neurasthenische 
gehalten werden. _ Dr. Waibei-Kempten. 


Ueber Betriebsunfälle, die bet scheinbar vOllig Gesunden auf Grund 
latenter Veränderungen innerer Organe zustande kommen, unter Mit¬ 
teilung eines Falles von bis dahin symptomles verlaufenen Verschluss der 
linken Carotis und erheblicher Verengerung beider Arterlae snbclarlae. 
Von Prof. Dr. Oh. Bäumler in Freibarg i. B. Münchener med. Wochen¬ 
schrift; 1910, Nr. 31. 

Es gibt unter den Betriebsunfällen Fälle, in welchen nicht die be¬ 
sondere Art der äußeren Einwirkung, nicht der Grad der 
körperlichen Anstrengung bei einer Arbeit, also nicht ein rein äußeres 
plötzlich oder zeitlich begrenztes Ereignis ausschlaggebend ist, 
sondern lediglich die individuelle Prädisposition zu einer be¬ 
stimmten Gesundheitsstörung. 

Verfasser teilt einen derartigen sehr interessanten und praktisch 
wichtigen Fall samt Krankengeschichte und Gutachten mit. Es handelt rieh 
dabei um einen 81 Jahre alten kräftigen Monn, welcher während und noch 
einer an sieh durch die Dauer und durch die Stellung, in der sie verrichtet 
werden mußte, anstrengenden, aber für einen ganz normalen Mann dieses 
Alters sicher ungefährlichen Arbeit eine thrombotische Hemiplegie 
bekam. Aus der Art, wie die Erscheinungen aufgetreten waren, ergab ach, 
daß nicht eine plötzliche Gefäßzerreißung und Blutung ins Gehirn oder 
embolischer Verschluß einer Hirnarterie die Ursache der Lähmung sein konnte, 
sondern daß es sich um eine durch Verminderung des arteriellen Blutzuflusees 
»ach und nach zustande kommende Beeinträchtigung der Funktion der betr. 
'Hhirnteile handelte und zwar infolge einer höchstwahrscheinlich ans frühester 



Kleinere Mitteilungen and Referate aas Zeitschriften. 


893 


Jagend stammenden, vielleicht angeborenen Gefäßanomalie: völliges 
Fehlen eines Knrotispulses auf der linken Seiteland erheb¬ 
liche Verengerang der beiden Armarterien. 

Krankengeschichte mit Untersuchungsbefund sowie Gatachten sind sehr 
amfangreich and eignen sich nicht za referatsmäßiger Kürzung, weshalb aaf 
das Original verwiesen wird. Dr. Wai bei-Kempten. 


Traumatische subdurale SpAtblutung. Von Dr. M. de Hartogh. 
Monatsschrift für Unfallheilkunde and Invalidenwesen; Nr. 6. 

Ein Knecht fiel vom Wagen und zog sich neben Verletzung der 
Schalter eine Kopfwunde za, er warde später geheilt aas der Behandlung 
entlassen. Sofort nach dem Unfall hat er seinem Prinzipal den Vorgang 
erzählt; es bestand also keine Amnesie. Ungefähr 2 Monate später erkrankte 
er an Aphasie and Lähmung des rechten Beines nnd Armes; er wurde be¬ 
wußtlos, bekam Konvulsionen and starb. Verfasser beschreibt non das 
Ergebnis der Obduktion, die eine starke Blatang in die linke Hirnhemisphäre 
ergab; er kommt za dem Urteil, daß der Verstorbene sofort nach dem Un¬ 
fall eine Gehirnblutung bekommen habe, die keinen Drack auf das Gehirn 
ausübte, und daß erBt später eine zweite Blutong eintrat, die unter starken 
Drackerscheinungen zam Tode ftthrto. Der Tod stand demnach in ursächlichem 
Zusammenhang mit dem Unfall. Dr. B. Thomalla, Altena-Lüdenscheid. 


Pankreas und Fettgewebsuekrose als Unfallfolge? Von Dr. A. Wagner. 
Monatsschrift für Unfallheilkunde und Invalidenwesen; Nr. 6. 

Wie schwer die Diagnose von Pankreaserkrankangen mit ettgewebs- 
narkose zu stellen ist, wird dadurch bewiesen, daß unter 816 Fällen dieser 
Erkrankungen, soweit eine Diagnose gestellt war, 69,6 °/o Fehldiagnosen gestellt 
wurden. Verfasser zählt die angeblichen Ursachen dieser Erkrankung und 
ihre Symptome auf, doch hebt er hervor, daß oft der genaueste Obduktions¬ 
befund die Entstehung der Krankheit nicht erklärt. — Darauf berichtet er 
über einen Fall, bei dem er die Frage über ursächlichen Zusammenhang 
zwischen Trauma und Pankreasfettgewerbsnekrose aufwirft. Die Obduktion 
ergab eine akute hämorhagische Pancreatitis und Fettgewebsnekrose. Die 
weiteren Ausführungen des Verfassers über diesen Gegenstand, seine Anführung 
anderer Autoren, die Besprechung über Ursache und Entstehung dieser 
Krankheit, die er mit Beispielen belegt, bieten durchweg viel Interessantes. 

Dr. B. Thfomalla, Altena-Lüdenscheid. 


Karzinom und Trauma. Von Dr. Gerdes und Dr. Susewind. 
Monatsschrift für Unfallheilkunde und Invalidenwesen; Nr. 6. 

Ein Bierfahrer renkte sich den Oberarm im Schultergelenk aus. Ein¬ 
renkungsversuche, die erst fruchtlos waren, dauerten sehr lange. Später ent¬ 
standen an der linken Halsseite Geschwülste, an denen Patient vorher nie 
gelitten hatte. Mikroskopische Untersuchung der bei der Operation entfernten 
Teile ergab Karzinom. — Patient starb. Die Gutachter kamen zu dem Urteil, 
daß es sich um eine Krebsgeschwulst handle, die dadurch entstanden sei, daß 
die aus der Entwickelangszeit aus Kiemspalten abgeschnürten, in der Tiefe des 
Halses und in der Nähe des Schultergelenks liegen gebliebenen sog. fötalen 
Ge websteile unter dem Einfluß der Verletzung und der gemachten Einrenkungs¬ 
versuche geschädigt und zum Wildwachs angeregt worden seien. Der Zu¬ 
sammenhang des Karzinoms mit dem Unfall wurde von den Gutachtern zu¬ 
gegeben. Dr. B. Thomalla-Altena-Lüdenscheid. 


Ein Fall "von Myositis ossifleans traumatica im Blceps humeri. Von 
Dr. Marcus. Monatsschrift für Unfallheilkunde und Invaliden wesen. Nr. 4. 

Ein Brauereiarbeiter verspürte beim Anbeben eines schweren Sackes im 
linken Oberarm plötzlich einen starken Schmerz. Die Haut verfärbte sich 
blaurot, der 'Arm schwoll an und war druckempfindlich. Ein Böntgenbild, 
10 Wochen nach dem Unfall ergab am unteren Drittel des Oberarms, durch 
einen breiten Zwischenraum vom Knochen getrennt, einen kleinen, mit dem 
Knochen absolut nicht zusammenhängenden, bohnongroßen Schatten. Man ver- 



kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


*94 


mochte die harte Stelle gut abzntasten. Es wurde die Diagnose an! Knochen* 
neubildung Im Muskel, also auf Myositis ossificans traumatica gestellt. Eine 
Operation wurde verweigert. Da es sich hier nicht um ein direktes Trauma 
handelt, also auch abgerissene Perioststückchen bei der Entstehung keine Rolle 
gespielt haben, sondern, da es offenbar zu einer Zerreißung des Biceps ge* 
kommen ist, so ist jedenfalls die Verknöcherung dadurch entstanden, daß 
es durch Aufsaugung des Blutes im Muskel zu einer Reizung und infolge 
dieser entzündlichen Vorgänge zu einer Produktion von Knochen im Muskel* 
bindegewebe gekommen ist. 

Dr. R. Thomalla-Altena• Lüdenscheid. 


D. Bakteriologie, Infektionskrankheiten und ßffentliobes 

SanltAtswesen. 

1. Bekämpfung der Infektionskrankheiten. 

a. Ruhr. 

Zur Epldemlelogle und Bakteriologie der Pseudedysenterfe. Von 
Oberarzt Dr. Otto Mayer* Nürnberg. Klinisches Jahrbuch; 1910, Nr. 28, H. 1. 

Die Ergebnisse seiner Untersuchungen faßt Autor in folgenden Sitzen 
zusammen: 

Bei einer durch Pseudodysenteriebazillen hervorgerufenen Epidemie 
wurden 22 klinisch als Ruhr diagnostizierbare Krankheitsfälle und 81 Dann* 
katarrhe in der Umgebung derselben beobachtet. Bei 52 dieser insgesamt 
58 Krankheitsfllle wurde die Diagnose Pseudodysenterie bakteriologisch 
gesichert. 

Außer bei Kranken wurden Pseudodysenteriebazillen noch bei 22 Bazillen* 
trägem gefunden, welche sich als vollkommen gesund angaben. 

Die Beimengung von 8chleim und Blut im 8tuhle trat in verschiedenen 
Fällen erst sehr spät auf, am 16. bis 40. Tage von der Lasarettaufnahme an 
gerechnet. 

Die Darmkatarrhe in der Umgebung der Ruhrfälle waren bei dieser 
Epidemie als echte Pseudoruhrerkrankungen aufzufassen, wie teilweise die 
klinischen Beobachtungen, vor allem aber die bakteriologischen 8tuhl und 
Blutuntersuchungen bewiesen. 

Es lag näie, die Entstehung der Epidemie auf dm Genuß infizierter 
Tierleber zurüokzufübren, jedoch konnte der Beweis für diesen Entstehung«* 
modus nicht einwandsfrei erbracht werden. 

Eine Reihe von Fällen ließ sich als sichere Kontaktinfektioaen nach* 
weisen. 

Das Wiederauf fl ackern der Epidemie nach fast einmonatlichem rühr fr eien 
Intervall war mit größter Wahrscheinlichkeit auf einen Ruhrrückfall und 
einen zu früh als bakterienfrei entlassenen Rekonvaleszenten surücksuiührea. 

Der in der Anweisung zur Bekämpfang der Ruhr $ 15 Abs. 5 enge* 

J ebene Termin, daß Ruhrkranke nach klinischer Gesundung entlassen werden 
ttrfen, sobald 2 in einwöchigem Zwischenraum ausgeführte bakteriologische 
Untersuchungen negativ ausgefallen sind, erwies sich als zu kurz. Bei 
Einhaltung desselben würden 44,4 °/o der Rekonvaleszenten nach Ruhr, 
86,3°/° jener nach Darmkatarrh in der Umgebung der Ruhrkranken als unver* 
däcbtig entlassen worden sein, zu einer Zeit, zu der sie noch lange nicht 
basillenfrei waren. Nur bei den Bazillenträgern ohne vorangegangene Krank* 
heitserscheinungen hätte die Anweisung zur Bekämpfung der Ruhr genügt. 

Leute, die nach vorhergegangener Krankheit Pseudodysenteriebasillen* 
träger wurden, schieden noch ca. 2 Monate lang verhältnismäßig große Mengen 
von Pseudoruhrbazillen in festen Stuhlentleerungen aus. Ohne klinisch hu* 
merkbare Rückfälle trat nach zweimonatlichem basillenfrelen Intervall eine 
mehrere Tage anhaltende Ausscheidung von Pseudodysenteriebazillen eis. 

Innerhalb der ersten 4 Wochen genasen bakteriologisch nur 70'/«. Von 
29 schweren Kranken schieden zwischen 5 und 16 Wochen 81,14*/«, von 95 
unter dem Bilde des gewöhnlichen Darmkatarrhs Erkrankten zwischen 5 
und 12 Wochen noch 28 */# Bazillen aus. 

Von den 22 Bazillenträgern genasen bakteriologisch in der ersten Woche 



Kleinere Mitteilungen and Bef ernte aus Zeltaohrifteao 896 

der Feststellung 81,8%; je 9,1% schieden dagegen noch je 2 Wochen bis je 
4 Wochen Pseudodysenteriebazillen ans. 

Für die Gefährlichkeit eines Pseudoruhrbasillenträgers waren nicht 
klinische Gesichtspunkte oder die Beschaffenheit des Stuhles (fest oder nicht 
fest), sondern lediglich der bakteriologische Stuhluntersucbungsbefund maß« 
gebend. 

Der Bek&mpfungserfolg bei dieser Buhrepidende schien ron der Mög¬ 
lichst rasch und umfassend ausgefiihrten bakteriologischen Untersuchung und 
der auf Grund dieser ausgeführten Isolierung absuhfingen. Die Isolierung 
der klinisch Buhrkranken allein wäre nur eine halbe Bekämpfungsmaßregel 
gewesen. Es empfiehlt sich demnach bei Pseudodysenterie Bokohvaleszenten 
mindestens 3 Monate lang von der klinischen Genesung angerechnet, als Ba¬ 
sillenträger su behandeln und innerhalb dieser Zeit wöchentlich su untersuchen. 

Bei allen Ausscheidern wurde der gleiche Bazillenstamm gefunden. Er 
stand nach den kulturellen Merkmalen dem Pseudodysenteriestamm D. Kruse 
sehr nahe, war aber serologisch Ton diesem verschieden. Gruber-Widal- 
sche Beaktion auf Pseudodysenterie wurde bei Buhrkranken, Durchfallkranken 
und Bazillenträgern nur auf den bei dieser Epidemie isolierten Stamm ge¬ 
funden, und zwar in 8erumverdfinnung 1 : 50, bei Kranken gewöhnlich 1:200. 
Die Beaktion trat ungefähr am 8. Krankheitstage ein; sie verschwand in 
einigen Fällen schon nach Verlauf von wenigen Wochen. 

Dr. Dohm-Hannover. 


Die Bohreptdemte des Jahres 1909 ln Essen. Von Dr. Fischer, 
Dr. Hojin und Dr. Stade in Essen. Klinisches Jahrbuch; 1910, 23. B., 1. H. 

Von den insgesamt 96 Erkrankungen endeten 14 tödlich (14,58%). Die 
meisten Krankheitsfälle kamen in kinderreichen, ärmeren Familien vor, die in 
benachbarten Str&ßenzfigen wohnten. Die mangelhaften, hygienischen Zustände, 
insbesondere bezüglich der Fäkalienabfuhr, begünstigten die Verbreitung der 
Krankheit. Die Verschleppung der Krankheitserreger erfolgte hauptsächlich 
durch Kinder; außerdem kamen wohl Fliegen als Verbreiter von Keimen in 
Frage. Es gelang auch in dem Flußwasser, unterhalb der Einmttndungsstelle 
der Abwässer, Shiga-Kruse-Bazillen nachzuweisen; sie verschwanden 
jedoch, nachdem durch systematisches Vorgehen der Desinfektoren die Abwässer 
gründlich desinfiziert waren. 

Die bakteriologische Untersuchung ergab, daß in der Mehrzahl der Fälle 
der giftige Typ, Bacillus Kruse-Shiga, vorhanden war. Vielfach war er 
mit den beiden anderen Typen, Bac. Flein er und Bac. T. kombiniert. Je 
nach der Art des gefundenen Erregers verlief auch das Krankheitsbild mehr 
oder minder schwer. Die Todesfälle kamen nur bei Shiga-Kruse- 
Infektionen vor. 

Im klinischen Bilde traten neben den DarmstOrungen Herzerscheinungen 
vielfach in den Vordergrund, die auf Toxinwirkung zurttckzufOhren waren. 

16 Fälle wurden mit Antitoxin Schottelius ans den Höchster Farb¬ 
werken behandelt. Bei Erwachsenen wurden 20 ccm, bei Kindern 10—15 ccm 
unter die Haut des rechten Oberschenkels eingespritzt. In einigen Fällen 
schien die Antitoxinbebandlung gute Erfolge zu haben, jedoch waren die 
Erfolge im ganzen nicht so eiodeutig, daß sie für ein allgemeines Urteil 
Uber den Wert der Serumbehandlang hinreichen. 

Immerhin würde der Versuch einer Serumbehandlung ln den ersten 
Krankheitstagen zu empfehlen sein, event. mit mehrfacher Wiederholungder 
sog. Heildosis. Im übrigen ist auf die diätetische Behandlung größter Wert 
zu legen. Dr. Dohm-Hannover. 


b. Epidemische Genickstarre. 

Unsere Beobachtungen bei Meningitis cerebrospinalis epidemica. 
Von Dr. Bschbaum, Assistent der med. Klinik in Bonn. Münchener med. 
Wochenschrift; 1910, Nr. 38. 

Verfasser teilt die Beobachtungen mit, welche an 15 Fällen in Bonn 
und Umgebung im Laufe der Jahre 1907—1909 gemacht sind. 

Die grüßte Zahl der Fälle trat sporadisch in den verschiedensten Stadt¬ 
teilen und der Umgebung auf; es war auch bei den genauesten Nach- 



896 


Kleinere Mitteilungen and Beferate aas Zeitschriften. 


forschangea anr wenige Male möglich, einen direkten Zosammeohaag der ein¬ 
zelnen Erkrankungen untereinander festzustellen. 

Unter den Erkrankten fiberwog das jagendliche, besonders das kindliche 
Alter; nur 8 Kranke waren 29, 89 and 50 Jahre alt. Dem Geschlechts nach 
▼erteilten sich die Erkrankungen auf 7 weibliche and 8 männliche. Jahres¬ 
zeitlich erkrankten 5 im Winter and 10 im Frühling. 

Von Gelegenheitsarsachen wurde dreimal ?orhergegangeae Erkältung 
mit Hasten and Schnupfen angegeben; die übrigen Fälle begannen plötalieh 
mitten im Wohlbefinden, ohne dafi Störungen yoraosgegangen waren, 5 mal 
mit Schüttelfrost. Auf das akate Auftreten and den Schüttelfrost wurde hei 
Diagnoseastellang großer Wert gelegt; sie kommen besonders differential - dia¬ 
gnostisch gegenüber tuberkulösen Meningitiden sar Bedeatang. 

Als Erreger der Meningitis wurden in der durch Lumbalpunktion ge¬ 
wonnenen Zerebrospinalflüssigkeit 15mal der gr am negative Weich selb aumsche 
Meaingococcus intraceilularis und 2 mal der Frinkelsche Pneumococeun 
gefunden. Stets fanden sich die Kokken nicht nur intrazellulär, sondern in 
größerer Anzahl außerhalb der Eiterzellen. 

Des weiteren berichtet Verfasser eingehend über den KrankheÜsrerlanf 
und die einzelnen Symptome der Erkrankungsfälle, ferner über die Therapie 
und einzelne Obduktionsbefunde. 10 Fälle wurden mit Kolle-Wasser¬ 
mann schein Meningokokkenserum, darunter 4 Fälle mit Serum von der Firma 
Biedel-Berlin und 6 Fälle mit dem Serum aus dem Kgl. Institut für Infek¬ 
tionskrankheiten zu Berlin behandelt Wenn sich auch bei der geringen Zahl 
der beobachteten Fälle keine sicheren Schlüsse ziehen lassen, so dürfte dock 
zugunsten der Serumbehandlung sprechen, daß Ton den 10 mit Genickstarre- 
serum behandelten Fällen 7 gesund wurden, ohne daß nennenswerte Nack¬ 
krankheiten zurückblieben. Das Kolle-Wassermannsche Serum wurde 
stets intralumbal in Dosen yon je 20 ccm innerhalb von 6—7 Tagen in der 
Geaamtdosis yon 60—70 ccm eingespritzt. 

Bezüglich der makroskopischen und mikroskopischen Obduktionsbefunde 
wird auf das Original verwiesen. _ Dr. Waibel-Kempten. 

8. Wochenbetthygiene. 

Ueber die Morbidität lm Wochenbett bei yeneltlf em Fruchtted und 
bei Syphilis der Mutter* Von Dr. Oskar Jäger, Assistent der Königlichem 
Universität* •Frauenklinik in Kiel. Münchener med.Wochenschrift; 1910, Nr.86. 

Verfasser hatte relativ häufig Gelegenheit, an der Kieler Frauenklinik 
Geburten yon faultoten Kindern mit anschließendem Wochenbett zu beobachten. 
In ätiologischer Beziehung konnte unter 67 Fällen 64 mal mit Sicherheit di« 
Todesursache festgestellt werden. Die Lues liefert weitaus den größtem 
Prozentsatz mazerierter Kinder. Bezüglich der Bedeutung der Geburt einen 
mazerierten Kindes für die Mutter resp. für den Verlauf des Wochenbetten 
wurden die Verhältnisse in der Kieler Klinik nicht so günstig wie anderswo 
befanden, insofern die Zahl der Wochenbettserkranknngen gegenüber der Qo» 
samtmorbidität augenfällig vermehrt war. Unter den 67 FäUea yon Foetus 
maceratus wurde 24 mal ein fieberhafter Wochenbettverlauf beobachtet. Ala 
eine wichtige Ursache der gesteigerten Wocheabettsmorbidität nach der Geburt 
mazerierter Früchte hält Verfasser die häufig dabei vorkommende Beteatioo 
von Nachgeburtsteilen, besonders yon Eihäuten. Daneben kommt der aasen- 
dierenden Infektion intra partum eine nicht geringe Bedeutung zu, wie die 
beobachteten Temperaturanstiege vor und kurz nach der Geburt beweisen. 
Auch die Fälle von Fruchtwassersersetsungen sprechen für diesen letzten In¬ 
fektionsmodus. 

Verfasser behandelt dann noch die Frage, ob die Syphilis an und für 
sich imstande ist, den Verlauf des Wochenbetts besonders ungünstig zu be¬ 
einflussen. Von 117 luetischen Wöchnerinnen machten 60 ein fieberhaftes Wo ch en- 
bett durch (etwa 48 Pros.), so daß die Morbidität der Gesamtmorbidität gegen¬ 
über erheblich gesteigert war. 

In bezug auf die Ursachen der hohen Wochenbettsmorbidität bei lueti¬ 
schen Frauen kommen verschiedene Faktoren in Betracht. Neben ander¬ 
weitigen begleitenden Erkrankungen (Gonorrhoe, Mastitis, Angina, Ne¬ 
phritis etc.) sind als besonders bedeutsam für die puerperalen Infektiösen der 



Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


89? 


Luetischen alle diejenigen syphilitischen Veränderungen, die sich an den äußeren 
Genitalien oder deren Umgebung etablieren (Primäraffekt, Kondylome pp.). 
Sie stellen die Ausgangspunkte dar, Ton denen aus auf dem Wege der Aszension 
eine Ueberschwemmung des puerperalen Uterus mit allen möglichen Keimen 
stattflnden kann. 

Offenbar ist ferner bei luetischen Frauen die Widerstandskraft des 
KOrpers gegen Infektionen sehr herabgesetzt und dementsprechend auch die 
(Jefahr einer puerperalen Infektion ganz besonders groß. 

Schließlich gibt Verfasser den dringenden Rat, eine innere Untersuchung 
bei jeder mit Lues behafteten Kreißenden zu unterlassen (wenn irgdend mög¬ 
lich), auch dann, wenn syphilitische Veränderungen an den äußeren Genitalien 
augenblicklich nicht vorhanden sind. Auch muß die Wochenbettsprophylaxe 
bei jeder luetischen Schwangeren in ganz besonders rigoroser Weise gehand- 
habt werden. Bei florider Lues sind die bestehenden syphilitischen Verände¬ 
rungen darch die Einleitung einer spezifischen Kur, wenn angängig, noch vor 
der Entbindung zu beseitigen. 

Jedenfalls mochte Verfasser auf Grund seiner Erfahrungen die Prognose 
für den Verlauf des Wochenbettes bei luetischen Frauen immer als zweifel¬ 
haft bezeichnen. _ Dr. Wai bei-Kempten. 


Bolus alba als Träger der Infektion. Von Geh. Rat Prof. Gr. P. 
Zw eifei-Leipzig. Münchener med. Wochenschrift; 1910, Nr. 84. 

Nachdem 7 Jahre lang bei ca. 10000 Geburten Bolus alba als Streu¬ 
pulver zu Nabelverbänden bei den Neugeborenen ohne Anstand verwendet 
wurde, worden 4 Kinder, die alle in der Leipziger Frauenklinik geboren 
waren, mit Tetanus in das Kinderkrankenhaus eingeliefert. An der Richtig¬ 
keit der Diagnose war ebenso wenig zu zweifeln wie an der Infektionsquelle 
darch Bolas alba, welche irrtümlicherweise unstorilisiert zur Verwendung kam. 
Es ist selbstverständlich, daß diese Erfahrung zur Warnung dienen muß gegen 
Bolus alba als Wandstreumittel, überhaupt gegen alle Streupulver, die in 
ihrer Herstellung nicht eine Sicherheit gegen Infektionskeime bieten, also 
auch gegen Talkerde, welche massenhaft in und an die Handschuhe gepulvert 
wird. Es ist deshalb für den Arzneigebrauch dieser Mittel, insbesondere für 
Bolus alba irgendeine Sterilisierung zu fordern, sei es durch trockene Hitze 
oder durch strömenden Dampf. _ Dr. Wai bei-Kempten. 


Ueber Entstehung und Yerhfltung des Puerperalfiebers. Von Prof. 
Dr. A. Doederlein in München. Münchener med. Wochenschr.; 1910, Nr. 38. 

Die klinischen und bakteriologischen Forschungen über das Wesen des 
Puerperalfiebers haben gezeigt, daß es eine von den puerperalen Geni¬ 
talien ausgehende Wundinfektion ist. Die Angriffspunkte für die Verhütung 
des Paerperalfiebers sind damit in das Bereich der Geschlechtsorgane verlegt. 
Es kommen dabei hauptsächlich zwei Infektionsfaktoren in Betracht: 

1. die innerhalb der weiblichen Geschlechtsorgane selbst gelegene 
Infektionsgefahr und 

2. die der Kreißenden von außen während des Geburtsaktes und im 
Wochenbett drohende Einimpfung pathogener Spaltpilze. 

Bezüglich des ersten Punktes findet sich unter den Autoren zurzeit ein 
unlösbarer Widerspruch zwischen den verschiedenen Anschauungen. Während 
man auf der einen Seite immer noch an dem Bestreben feathält, durch mög¬ 
lichst ausgiebige, aktive Behandlung der Genitalien etwa in ihnen gelegene 
Infektionsgefahren dadurch zu bekämpfen, daß man bei jeder Geburt besondere 
Desinfektionsmaßregeln durch Ausspülungen und Abreibungen mit desinfizieren¬ 
den Substanzen in aie Geburtshygiene einführt, stehen andere, darunter auch 
Verfasser, auf dem Standpunkte, keinerlei derartige unnatürliche Maßregeln 
in diesen physiologischen Lebensakt, den die Natur selbst mit den nötigen 
Schutzvorrichtungen umgeben hat, einzuschalten. 

Verfasser hat sowohl in der Klinik zu Tübingen, als in der zu München 
Untersuchungen angestellt und gefunden, daß die Desinfektion der 
inneren Genitalien der Kreißenden, mit welchen Mitteln man 
sie auch immer ausführen mag, nichtnur keinen Nutzen, son¬ 
dern eher Schaden stiftet. 

Was den zweiten Punkt anbelangt, so kann die den Kreißenden von 



900 


Besprechungen. 


Ueber des Einfluss der Flagellaten uf die Selbstreinigung des 
Basstnwassers ln Badeanstalten. Von Dr. Abdul Bivai. Oeneeaknndige 
Bladen; Barletn, 1909, XIV., Nr. 11. 

In Vorversuchen wurde zunächst festgestellt, daß das Leitungswasser, 
mit welchem das Schwimmbassin gespeist wurde. Flagellaten enthielt. Die 
Flagellaten wurden in den Vorversuchen mit Hilfe der Salatflttssigkeit nach 
Bosetto, im Hauptversuch mit Hilfe sterilisierten Vechtwassers isoliert. Als 
Nährstoffe dienten den Hesosaprobiern 24 ständige Agarkulturen von Typhua- 
bazillen, die in einer solchen Menge verrieben wurden, daß der Kolbeninhalt 
undurchsichtig erschien. Waren Flagellaten vorhanden, so klärten sich die 
Kolben nach 4—12 Tagen. Entnimmt man von der Oberfläche des geklärten 
Wassers mit der PlatinOse etwas Flüssigkeit, so siebt man bei schwacher Vor» 
grOßerung zahlreiche Flagellaten. Die vorherrschenden Arten waren Bodinae 
und Ciliaten. VakuolenbUdung der Flagellaten wurde nicht beobachtet. Aas 
dem Wasser der geklärten Kolben konnten durch das Plattenverfahren Typhus¬ 
bazillen nicht mehr isoliert werden, während sich in den Kolben, welche trübe 
geblieben waren, selbst nach 80 Tagen noch bis zu 1000 Keimen im Kubik¬ 
zentimeter nachweisen ließen. 

Die Fragestellung lautete, ob eine Beziehung gefunden werden konnte 
zwischen dem Gehalt an Bakterien und dem Gehalt an Flagellaten. Die 
Untersuchung wurde an dem Wasser des Schwimmbassins am Heiligenweg in 
Amsterdam täglich ausgeführt. Die Probeentnahme begann am erstes Tage 
nach der Füllung des Bassins mit frischem Wasser. Versuchsdauer 11 Tage. 
Die zur Titerstellung bestimmten Kolben wurden mit je 100 ccm Leitungn- 
wasser gefallt und soviel Typhuskulturen hineingebracht, daß das Wasser 
undurchsichtig erschien. Aufbewahrung bis zum Gebrauch im Dunkeln. Die 
mit Wattebausch versehenen, beimpften Kolben wurden bei Zimmertemperatur 
in diffuses Licht gestellt und täglich geschüttelt. Am 16. Beobachtungstage 
wurde die Untersuchung abgeschlossen. Die Anzahl der Flagellaten wurde 
aus der Feststellung der kleinsten Wassermenge ermittelt, welche noch aus- 

f ereicht hatte, den Kolbeninhalt aufzubellen, denn in dieser Wassermenge 
atte sich mindestens ein Flaggellat befunden. 

Die Versuche ergaben folgendes: Der Bakteriengehalt des Bassin- 
Wassers schnellte am zweiten Untersuchungstage in die Höhe, um vom 6. Tage 
wieder abzunehmen. Am letzten Untersuchungstage trat unvermittelt noch 
einmal eine sehr starke Vermehrung der Bakterien ein. Der Flagellaten- 
gehalt des Bassinwassere stieg langsamer, erreichte am 4. Tage seinen Höhe¬ 
punkt, um dann wieder zu sinken. Am letzten Tage auch hier eine unver¬ 
mittelt eintrettnde Vermehrung der Flagellatensabl. Die Zunahme und Ab¬ 
nahme des Bakteriengebaltes ging im großen und ganzen der Zunahme und 
Abnahme des Flagellat* ngeb altes parallel. Eine bestimmte Beziehung zwischen 
der Anzahl der Besucher einerseits und dem Gehalt an Bakterien, sowie an 
organischen Substanzen und Chlor anderseits konnte nicht ermittelt werden. 

Unter den Wasserbakterien, die aus dem Schwimmbassin gezüchtet 
wurden, überwog ein Mikroorganismus, den Verfasser als „Badlle rouge* be¬ 
zeichnet. Dieses Stäbchen gehörte zu denjenigen Mikroorganismen, die von 
den Flagellaten zum Unterschied von den Typhusbasillen nicht völlig auf¬ 
gezehrt wurden. 8elbst am 25. Tage waren die mit den roten Bazillen und 
Flagellaten beschickten Kokken noch trübe. 

Als Hauptergebnisse führt Verfasser an: Die Flagellaten leben auf 
Kosten der Wasserbakterien. Der Vernichtungskrieg, welchen die Flagellaten 
führen, kommt in einer Verminderung der Wasserbakterien zum Ausdruck. 
Verschiedene Bakterien werden in ganz verschiedener Weise von den Flagel¬ 
laten geschädigt. B. subtilis, B. proteus vulgaris, Micrococcus aquatilis und 
besonders die a roten Bazillen* sind sehr widerstandsfähig. Typhusbasillea 
werden von den Flagellaten in kurzer Zeit vernichtet. 

Dr. Bevenstorf-Breulau. 


Besprechungen. 

Sr. O. Bapnnnd, Prof., Beg.- u. Geh. Med.-Bat in Minden i. W. Kalen¬ 
der für Media laalbeamte. X. Jahrg. Berlin 1911. Verlag von Fi- 
x schere medizinische Buchhandlung (H. Kornfeld). Ausgabe A: (für die 



Besprechungen. 


901 


preußischen Medisinalbenmten) Preis 4 M.; Aasgabe B: (für die übrigen 
Medisinalbeamten) Preis 3 M. 

In der zehnten, diesmal früher als sonst erschienenen Ansgabe des Ka¬ 
lenders für Medizlnalbeamte ist die bewährte Anordong des Stoffes beibehalten; 
fast alle Abschnitte haben jedoch wiederum wesentliche Umarbeitungen, Ab¬ 
änderungen und Ergänzungen erfahren, um sie nicht nur mit den Fortschritten 
der Wissenschaft, sondern auch besonders mit den während des letzten Jah¬ 
res getroffenen gesetzlichen Bestimmungen und gerichtlichen Entscheidungen 
in Einklang zu bringen. Insbesondere gilt dies betreffs der Vorschriften Aber 
den Verkehr mit Arzneimittteln und Giften. Auch die Kalender¬ 
tafel ist vielfach geäußerten Wünschen entsprechend bei jedem Monat mit 
einer leeren Spalte zu etwaigen Eintragungen versehen. In der Ausgabe für 
die preußischen Mcdizinalbeamten sind das Gebührengesetz für Medi¬ 
zinalbeamte und das neue Reisekostengesetz beigefügt. 

Vor allem ist aber Dank der dem Verfasser zur Verfügung gestellten 
amtlichen Dienstaltersliste der preußischen Kreisärzte die bisherige 
einer gründlichen Berichtigung unter Berücksichtigung der einzelnen 
Gehaltsgruppen unterzogen worden. Dadurch ist ein langgesehnter Wunsch 
der preußischen Medizinalbeamten erfüllt. Der Kalender kann auch diesmal 
wieder aufs wärmste empfohlen werden; hoffentlich findet er in den beteiligten 
Kreisen die weiteste Verbreitung, die er im vollen Maße verdient. 

Dr. Fielitz-Halle a. S. 


Dr. Look, Stadt- und Gerichtschemiker in Düsseldorf. Chemie und Pho¬ 
tographie bei Kriminalfomohungen. Düsseldorf 1910. 2. Folge. 

Verlag von Fr. Dietz. 8°; 164 Seiten. Preis: 3 Mark. 

Der Verfasser weist r an der Hand einer großen Anzahl von begutachteten 
Fällen die Bedeutung der Chemie und Photographie zur Aufdeckung von 
Verbrechen nach. Diese Feststellungen besitzen hinsichtlich ihrer Objektivität 
und Zuverlässigkeit einen ungleich höheren Wert als Zeugenaussagen; der 
Gerichtsarzt wird daher den in dieser Abhandlung nieder gelegten Erfahrungen 
ein großes Interesse.entgegenbringen. Dr. Wolf-Witzenhausen. 


F. Betmlaff, Polizeischuldirektor, Polizeiinspektor a. D. Dm kleine Poll- 
sei - Handbuch. 17. Jahrgang. F. Retzlaffs Verlag. Recklinghausen 
L W. 1910. 1036 Seiten. Geb. 3,50 M. 

Ein Werk, das von staunenswerter Gründlichkeit und von geradezu 
genialem Fleiß Kunde gibt. Das auch äußerlich handliche, gut aus¬ 
gestattete Buch sollte in der Bücherei keines Medizinalbeamten fehlen. 
Wer es besitzt, wird oft und dankbar nach ihm greifen und stets schnell Rat 
und Auskunft finden. Der Medizinal beamte kommt ja so oft in die Lage, 
sich über Sachen unterrichten zu müssen, die ihm an sich ferner liegen; in 
diesem Handbuch findet er alles; auch die ganze Medizinalpolizei ist in ihm 
enthalten. Unsere anderen Bücher werden dadurch aufs Wertvollste ergänzt. 
Jeder Medizinalbeamte, der Retzlaffs Handbuch nicht besitzt und benutzt, 
schädigt sich und stiehlt sich Zeit. 

Das Buch ist unmittelbar vom, Verfass er zu beziehen. 

Dr. Pilf-Wiesbaden. 


Dr. Bonne: Im Kampf am die Ideale. Geschichte eines Suchenden. 

München 1910. Verlag von Ernst Reinhardt. 544 S.; Preis: brosch. 4 M. 

Dieses Buch eines abstinenten und energisch für die allgemeine 
Abstinenz eintretendeu deutschen Arztes verdiente es wohi, von den Medizinal- 
beamten gelesen zu werden; denn die hohen Ideale, für welche der Arzt 
Bonne seit langem eifrig kämpft: Abstinenz um unseres Bruders und um 
unseres deutschen Volkes willen, Eigenheime auch für den ärmsten Arbeiter, 
gründliche Umgestaltung des Erziehungswesens, Sorge für Reinhaltung der 
Flüsse sind wesentliche Bestandteile der Staatshygieno. Seinen Idealen näher 
xu kommen vermag der Arzt nur durch die Kraft jener christlichen Liebe, 
welche alle Gebrechen und alles Elend heilt. Der Widerstand der stumpfen Welt 
muß sich schließlich an der Langmut und der Geduld dieser Liebe.brechen. 

Bonne kleidet seine Ideen in das Gewand eines Reiseromans. Müde, 



Besprechungen. 


*02 


aber nicht mürbe gemacht durch unzählige Enttäuschungen, un ternimmt dar 
Verfasser als Schiffsarzt eine längere — empfindsame — Heise nach Brasilien. 
Im Kreise einer interessanten Schiffsgesellscnaft stoßen mit leuchtendem Auf* 
blitzen die Wellenkreise der verschiedenen Auffassungen aneinander. 

Dr. Paul Schenk* Berlin. 


Dr. Ernst Ringler, gew. Arzt in Kirchdorf (Kt. Bern): Leiden and 
Freuden einen Landarztes. Bilder nach dem Leben gezeichnet. 
Frauenfeld 1910. Verlag von Huber & Komp. Kl. 8*; 127 S. Preis: 
geb. 3 Mark. 

Der Verfasser, ein schweizerischer Arzt, schildert in dem Büchlein in 
anspruchsloser Form seine ärztlichen Erfahrungen, die er in langer mühsamer 
Landpraxis gesammelt hat. Das Buch erinnert, wenn auch nur sehr entfernt, 
an jenes köstliche, das Kussmaul geschrieben, den Bingier natürlich 
weder in der lebendigen Schilderung, noch in den wunderbaren Beflexioaea 
des berühmten Klinikers erreicht. Immerhin ist dasselbe für Landärzte 
nicht uninteressant zu nennen; das a goldene ABC für laadärztUehe 
Anfänger* hat auch für reichsdeutsche Verhältnisse Gültigkeit. 

Dr. Zelle-Lötzea. 


Sudhoff, Karl: Klassiker der Medisin. 

a. Harvey, William: Die Bewegungen des Hersen and des Blatee 

Uebersetzt und erläutert von Prof. B. Bitter von Töply in Wien. 
I 1910. Verlag von Jul. Barth. Mit 4 Abbildungen im Text. KL 
8«; 120 8. Preis: gb. 8,20 M. 

b. Beil, Job. Christ.: Von der Lebenskraft (1795). Ein geleitet von 
Karl 8udhoff. Ebenda 1910. KL 8°; 94 Seiten. Preis: geb. 2,80 M. 

c. Henle, Jaoob: Pathologische Untersuchungen ron den Miasmen 
and Kontagien und ron den miasmatisch-kontaglÖsen Krank¬ 
heiten (1840). Mit Einleitung von Felix Marchand. Ebenda 1910. 
KL 8®; 88 Seiten. Preis: geb. 2,40 M. 

d. Helmholtx, H. von: Beschreibung eines Augenspiegels nur Unter¬ 
suchung der Netshaut im lebenden Ange (1851). Eingeleitet voa 
Hubert Sattler, o. ö. Professor der Augenheilkunde an der Universität 
Leipzig. Mit 3 Abbildungen im Text. KL 8*j 36 Seiten. Ebenda 1910. 
Preis: geb. 1,20 M. 

Im Verlage von J. A. Barth in Leipzig sind in diesem Jahre dis 
ersten vier Hefte einer größeren Sammlung mit dem Gesamttitel Klassiker 
der Medizin, erschienen. Der Urheber und Herausgeber dieser Sammlung 
ist Karl Sudhoff, dessen Name und Buf auf dem Gebiete der Geschichte 
der Medizin dafür bürgt, daß dem Arzte hier etwas Eigenartiges und Be¬ 
sonderes geboten werden solL 

Nicht historische Betrachtungen und chronologische Daten über das 
Wesen und Wirken, über das Denken und die Entwicklung der Klassiker der 
Medizin, nicht ihr Einfluß auf die medizinische Wissenschaft soll in diesen 
Heften durch eine historisch*kritische Gelehrtenarboit dem Leser näher 

J ebracht werden. In voller Ursprünglichkeit sollen vielmehr jene Großen 
er Medizin zu uns in einer ihrer klassischen Arbeiten sprechen, die ebenso 
wie bei ihrem ersten Erscheinen noch groß und grundlegend, zum Teil für 
viele unerreichbar und vergessen sind. In dieser Bibliothek der Meisterwerke 
medizinischer Wissenschaft sollen diese gleichsam zu neuem Leben erstehen, 
aber befruchtend auf die Lebenden wirken und ihnen zeigen, wie jene 
Großen der Vergangenheit für Erkenntnis, Wahrheit und Fortschritt gedacht 
und heiß gerungen haben. 

Aus diesen Erwägungen hat der Herausgeber die Klassiker ausgewählt. 
Die vier ersten vorliegenden Hefte der Sammlung erfüllen voll und ganz diese 
Absicht. Die bahnbrechende Arbeit Harveys aus dem Jahre 1628 über die 
Lehre vom Blutkreislauf eröffnet die 8ammlung. Es folgt Job. Christ. 
Reils Arbeit von der Lebenskraft aus dem Jahre 1795. Im 3. Bande spricht 
Jacob Henle in einer Jugendarbeit auf pathologischem Gebiete zu uns und 
im vierten Hefte führt H. von Helmholtz uns in wunderbarer Klarheit in 
die Theorien der Bedingungen ein, unter denen es gelingt, am Lebenden ein 
Bild des Augenhintergrundes zu bekommen. 



Tageunachrichten. 


908 


Mögen diese Hefte eine weite Verbreitung Anden; möge ihr Stndinm 
in stillen Musestunden dem 8treben nach Erkenntnis und Wahrheit dienen. 

_Dr. B. Mohrmann-Stade. 

Tagesnachrichten. 

Der Gesetzentwurf betreffend BekAmpfang der MIsstBnde im Heilge¬ 
werbe ist dem Beichstag Torgelegt and von diesem bereits in seinen Sitzungen 
rom SO. November and 1. Dezember d. J. verhandelt. Er wird in der nächsten 
Kammer der Zeitschrift zam Abdruck gelangen and dabei gleichzeitig einer 
Bespreehang unter Berücksichtigung der Beichstagsverhandlangen, deren 
stenographischer Bericht bis dahin vorliegt, unterzogen werden. 


Am 20.November d. J. hat in München eine zahlreich besnohte Ver¬ 
sammlung behufs Gründung eines Bayerischen Landesverbandes zur Be- 
kimpfang der Tuberkulose stattgefanden. Nach dem einstimmig ange¬ 
nommenen Satzungsentwarf hat der Verein den Zweck, im Königreich Bayern 
die Tuberkulose als Volkskrankheit in planmäßiger und einheitlicher Weise, 
jedoch unter Wahrung der Selbständigkeit der einzelnen der Tuberkulose¬ 
bekämpfung dienenden Einrichtungen, zu bekämpfen. Zam Vorsitzenden wurde 
Hofrat Dr. F. May gewählt, za Ehrenvorsitzenden die Staatsminister 
v. Podewils und v. Brettreioh. Der Staatsrat v. Krazersen stellte 
die Gewährung staatlicher Mittel in Aussicht. Im Anschluß an die Versamm¬ 
lung erfolgte die Eröffnung eines Tuberkulosemuseums. 


Am 5. d. M. findet die diesjährige Plenarsitzung des verstärkten 
Bayerischen Obermedlzlnalaussehusses ln München im Sitzungssaale des 
Ministerium des Innern statt. Hauptgegenstand der Beratung ist: Die Be¬ 
kämpfung übertragbarer Krankheiten. 


Das bisherige staatliche Impfinstitut in Leipzig ist aufgelöst; die 
sächsischen Impfärzte erhalten nunmehr sämtlich ihren Bedarf an Lymphe aus 
dem staatlichen Impfinstitut in Dresden. 


Der preussische Apothekenrat ist am 30. v. M. unter dem Vorsitz des 
Ministerialdirektors Dr. Förster zu einer Sitzung zusammengerufen, in der 
die Frage der Erleichterung des Arzneibezuges in ländlichen Bezirken 
zur Beratung gelangte. _ 


In Hamburg ist unter dem 27. Oktober d. J. eine neue Apotheken- 
Betriebsordnung erlassen, die jedoch gegenüber der bisherigen vom 
28. Dezember 1906 und ihren in den Jahren 1908 und 1909 erfolgte Ab¬ 
änderungen nur unerhebliche Abweichungen bringt. 


In Hamburg und Altona ist nach Zeitungsnachrichten eine große 
Anzahl von Erkrankungen durch den Genuss von Margarine (8—400) auf¬ 
getreten, von denen bereits 4 tödlich verlaufen sein sollen. Auen in Berlin 
und Düsseldorf sollen derartige Fälle beobachtet sein. 


Das Ehrlich-Hatasche Präparat 606 wird nunmehr unter der Bezeich¬ 
nung .Salvarsan“ in Ampullen von 6 g zum Preise von 10 Mark in den 
Handel gebracht _ 


Cholera. In Bußland sind in den Wochen vom 23. Oktober bis 
6. November 447 (281) und 170 (110) Erkrankungen (Todesfälle), davon in 
Petersburg 76 (29) bezw. 26 (16) vorgekommen; in Ungarn vom 30. Oktober 
bis 12. November 42 (19), in Italien: vom 3.—16.Novbr. 142 (46), in Kon¬ 
stantin opel vom 1.—14. November 196(108), im Bezirk Trapezunt 76(37), 
im Bezirk Bagdad 174 (167). _ 


Erkrankungen und Todesfälle an ansteckenden Krankheiten ln 
Preussen. Nach dem Ministerialblatt für Medizinal- und medizinische Unter- 



904 


SprechsaaL 


richts -Angelegenheiten sind in der Zeit vom 9. Oktober bis 12. November 
erkrankt (gestorben') an: Aussatz, Gelbfieber, Bfickfallfieber, 
Pest, Botz, Tollwat, Cholera: —(—); Fleckfieber: —(—), — (—), 
- (-). 1 (-), - (-), Pocken: 1 (-). 2 *2), - (-), - (1), - (-); Milz¬ 
brand: 2(—), 10(2),2(—), —(—),2(—); Bißverletzungen durch toll- 
wutverd&chtigeTiere: 4(—), 4(—), 3(—>,3(—),8(—); Unterleibs¬ 
typhus: 861 (84),845 (32),280(28), 252 (26),274 (16); Bahr: 8(-),10(4),7 (8). 
4 (2), 2 (—); Diphtherie: 1666 (116), 1894 (124), 1799 (133), 1984 (151), 

<x>.h\ /’liU'k. S/»h «rlich- 1077 <711 1AZ7 t7Cl\ 1 11.99. IR7\ IlfiS f7 Kl- 



SpreohzaaL 

Anfrage des Kreisarztes Dr. 8. in N.: Kann gemäß des Absatzes 6 
des Ministerial- Erlasses vom 5. April 1910, M.N. 388, der stellvertretende 
Medizinalbeamte bei allen Dienstreisen, die er im Amtsbezirk des zu Ver¬ 
tretenden nasführt (und wobei er den Weg über den Wohnsitz des za Ver¬ 
tretenden za nehmen gezwungen ist), Beisekosten (selbstverständlich keine 
Tagegelder) für die von seinem Wohnsitze zum Wohnsitze des za Vertre¬ 
tenden zarückgelegte Strecke aas der Staatskasse liquidieren P 

Antwort: Ja. Für die Beise von seinem Wohnsitz bis zam Wohnsitz 
des za vertretenden Kreisarztes erhält der Vertreter stets die Fahrkosten, 
wie sie jetzt nach dem neaen Beisekostengesetze lauten, aus der Staatskasse; 
die durch die Weiterreise entstehenden Fahr kosten sind dagegen aus dem 
Beisepauschale des vertretenen Kreisarztes zu entrichten. 


Anfrage des Kreisarztes Dr. F. L. in H.: Ist ein Beamter, der gemäß 
dem neuen Beisekassengesetz liquidiert, berechtigt, zu »versichern*, daß er 
bei einer Dienstreise an einen Ort (des Bezirks), der mit der Eisenbahn za 
erreichen ist, L Klasse Fahrgeld bezahlt hat, wenn er nicht die Eisenbahn, 
sondern ein teureres Fahrwerk, Wagen oder Auto benutzt hatP 

Antwort: Nein, nach § 26, Satz 2 der Ausführungs - Bestimmungen vom 
24. September 1910 erhält der Beamte in diesem Falle stets Fahrkosten nach 
dem niedrigeren Kilometersatze, also für die II. Fahrklasse (7 Pf. für das 
Kilometer). _ 

Anfrage des Kreisarztes Dr. Sch. ln G.: 1. Ist eine Leberthran- 
emulsion wie die Zelewskische oder schottische, welche Dorschlebertkran, 
Glyzerin, unterphosphorigsauren Kalk, unterphosphorigsaurea Natnun, Gumsü- 
pulver, Tragsnthpulver, Wasser und verschiedene ätherische Oele enthält, dem 
freien Verkehre überlassen, wenn sie als »Kräftigungsmittel” oder als »diä¬ 
tetisches Nähr- und Kräftigungsmittel bezeichnet wird? 

Antwort: Ja; siehe z. B. Urteil des Oberlandesgerichts in Breslau vom 
26. Mai 1908. 

2. Darf graue Quecksilbersalbe als Ungeziefermittel außerhalb 
der Apotheken feilgehalten werden P 

Antwort: Ja; siehe Urteil des Oberlandesgerichts in Dresden vom 
16. Juni 1908. 


Mitteilung für die preussischen Medizinalbeamten. 

Auf vielfache Anfragen die Mitteilung, daß das Qesa mtfe rmnl s r 
fftr den Jahresbericht wiederum zusammengestellt ist und schon jetzt 
von der Expedition der Zeitschrift — Hofbuchdruckerei von J. C. C. Bruns- 
Minden i. W. — zu dem bisherigen Preise bezogen werden kann. Bed. 


Bedaklion: Geh.Med.-Bat Prof. Dr. Bapmund, Reg.- u. Med.-Bai in Minde« L W. 

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Dr. 1) r on.c k 4i • lin in Detmold; dw Ü qm «i»a 4 
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Kreia&m in L*nbg.ü. 

; '■ V«raetet: 41« Kreisärzte Mediwo&rritte Bt, H 
in dea EjdwtrKtbczi/k OßtaMunen mit dcut Wt^^^ya^Ba 
hr. Plc eh Sa <>amb;naeD in den krciaambeiiii^ 

Webositir le J?j*iik!att *. 0. • /; ’J, ,';. 

^ t fe w i^rlWwi s Keg/- a. Med^Efci Or« V 4« '^ciirK^r-Vt' 
br»#d 1» Ridefeld, Gob. Bari-Rat Dt. 5anif 
GüüeQtr-0'efc- Pro!’, Pc. Kvonig- ta 

F^eihfiftt taz T»l«P*a JHfe. -0 o« i g aa) sßbja«rTäüBfff^t ^ftßV’ W 
frAÄec W K«wo % ;i?^u .Oy.- .tri«tri ^■^P8P" V ' *-' ; - -- *<• - 

feiaxibaX'-Ür- S1» J e> ta» io ;i|t51aa. J**f\Ä«si:*bi.-iif‘.»\ |*fJ '$i 
firfcoa vö« vriiud!/.»el»^«ü ie. äkiäkitif• .^e<4vi^ ’^ : 
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. Plrasaafr. 3?rTr tU}‘«ej'''ieJi^ Irs i^wcadisdliifaiaJi! i*V^j 

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Wasserheilanstalt 

W Bendorf am Rhein. 
Kurhaus für Nervenkranke. 

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thiekenm&rhcr, ^'iTrasti^oikf?;, 

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10221 Sanatorium 




— Sächs. Vogtland — 
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Nerven- 

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28. Jahrg. 


1910. 


Zeitschrift 

für 

MEDIZINALBEAMTE. 


ZmtnMatt für in gesamte Besundheüswesen, 

für gerichtliche Medizin, Psychiatrie und Irrenwesen. 

Herausgegebea 

▼on 

Geh. Med.* Bat Prot Dr. OTTO RAPMUND, 

Reyienngs» and MedlsbuJrat in Minden 1« W* 

Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, Sächsischen, 
Württembergischen, Badischen, Mecklenburgischen und Eisass-Lothringischen 

Medizinalbeamtenvereins. 


Verlag von Pischer’s mediz. Buehhandlg., E Kornfeld, 

HarsogL Bayer. Hof- u. BrshanogL m*irniMr.wi™»n«m«niiT 

Berlin W. 85, Ltttzowstr. 10. 

lawlt nekmen die Verlagshandlnng sowie aDt AaionomiptdMoMi des In¬ 
end dealendes entgegen 


Nr. 24 


Imhetit 


ua I. 


ni SO. Jedem Maaata. 


20. Dezbr. 


Entwurf eines Gesetzes gegen Misstände im Heilgewerbe 
und die erste Beratung im Reichstage am 30. November 

und 1. Dezember d. J. 

Vom Heraasgeber. 

Vor zwei Jahren hatte bekanntlich die Reichsregierung einen 
vorläufigen Gesetzentwarf, betreffend die Ausübung der Heilkunde 
durch nicht approbierte Personen und den Geheim mittelverkehr 
nicht blos. den einzelnen Bundesregierungen zur gutachtlichen 
Aensserung unterbreitet, sondern überhaupt öffentlich bekannt¬ 
gegeben, um dadurch die beteiligten Kreise za einem möglichst aus¬ 
giebigen Meinungsaustausch sowie zur Aensserung ihrer etwaigen 
Wünsche in Form von Abänderungsvorschlägen nsw. zu veran¬ 
lassen. Der Entwarf hat infolgedessen zahlreiche Erörterungen 
erfahren; er ist anch in dieser Zeitschrift (s Nr. 4, Jahrg. 1908) 
and mit Rücksicht auf die Wichtigkeit der Frage in der Haupt¬ 
versammlung des Preussischen Medizinalbeamtenvereins (Sep¬ 
tember 1908) einer eingehenden Besprechung sowohl seiten des 
betreffenden Referenten — Reg.- n. Med.-Rat Dr. Dütschke- 
Erfurt — als in der an dieses Referat sich anschliessenden Dis¬ 
kussion unterzogen. Das Ergebnis aller dieser Beratungen und 
Besprechungen ist jedenfalls nicht ohne Einfluss auf die endgültige 
Fassang des Entwurfes geblieben; denn er ist jetzt dem Reichs- 













$0ö Df. Ehpaand; Entwarf eines Gascttes geg&a 

'•‘"•'V'- ^ ‘ /'.•■•' V ' l . • ' * ' * •• v : - ' 

tag, der ibm bereits am 30. November and 1 
erster Lesung beraten h*V ja folge«der, wm 
Fassung- vorgefegt worden • l ), 

§ i. Wer «ich gewerbsmäßig ©jfc der Behao 
Leideo ©der Kßrpefachihiei» aa Mensche» od«Tter« 
sprechend» staatliche ABörketieaug (Frftfttagszeagöi*,. 
hat des Gdwerbeboiricb sgEtödecii ah liegien de« ; v 
Wohnort* sthrtidich ftsransdlgen. In der Anzeige bar 
seine Gea«ti£ferän*ae *a beidchnon, 

VeT^ndöft 4«c ÖöwerhetreihEöde des Wohnort 
Ge8cbäfur&atntv oder «tollt er de» Bttrieb dauernd et 
hat er die« bbt«eti $e&f) Tagen Sn gleicher Weise «< 
Ilfi Afd'Uficliptt wjf oder Bezeichnung des (lfm 
Anzeige nicht h*ng€wiesm werden, 

*) Dia Abäadensagcn and Ergänzungen sind, e. 
stjiistiacher Äst sind, dtueh «Schrägschrift kein 
der Begr öadaag* die, ibweit sie die einaelnec 
gleich bei daa bfetffcfffnden § § in Anmerkung beigeli 

*> Ftdser »FobseibebOfde 58 , 

*; Statt »14. Tagen“, 

2a § I* Der Entwarf lichtet eich io erster I 
gegen die gewwbamäßigen Krankenbehänd] er, also ; 
feinen fortgesetslen Erwerb gerichtet ist. Ee falten 
Gesät« gelegentliche, aas Nlebstealiebe oder ia Noti 
tektdBgen ärztlicher Katar. Öeteeffea worden soll 
Ton Krank bedien, sonder», am die Tätigkeit der JED 
eiDeaschrtaken, nach die Behandlung ros Leiden 
Grenzlinien awiscbea Kr&nkhäii und Leides werden Si 
Entwarf will hieran tor nicht nur eise solche Vorfeld 
nisffloa begreif ea, die ihn in seine« gesamtes Foaktior 
jede Abweichung yüa dw Norm, die geeig*et i*t, de 
Der Entwurf will, ds.6 als Leiden öder KdrpersChi^le 
der Norm za gelten haben, die tob der Bechtspfecbi 
nh Krankheiten anerkannt, aber mit Vorliebe ross I 
miUötfabrikantea zain Gegenstands der Bohaodlunp 
gehSrflo a. B. Beschwerden bot der Menstruation, 
beim Zahne», Fettleibigkeit, Verstopfung, MaUerm 
kdf&gkgit nsw„ wahrend die bloße Lieferung aon 
rerlorener ÖJfoder, *. B. tob künstliche« Aagvi 
mechanische» HüLmlUelc, wie Bmchbiodet«j, ISinopm . • 
nicht ab Behasdiang anzusehen ist. Im ftbr^r« 
de» Gesetses, asrter Behandlung nicht nur die Auw 
sonstige» Heilmittels oder einer Kor (Kur-,■'.$£*$ 
Zitronen‘Kar jww.), sondern auch eine karporiieL 
er teil on c »3 w. sta ««rsteien. 

Die fi*tetm§. : «#t Geburtshilfe wird nicM : 
einer hrankheit, eines' Leiden* oder *intt JSör-pern 
Qitiehwehl erübrigt, Sieh iiis Auf nah tue einet- hesui 
gewertomdssigeLeimung tvn Geburtshilfe, da 
Betracht Kommen durften, schon iw der OewerBeat-drt 
Besitz eines PrBfitupszeugnksec corgesrJiriehen ist fi 
nicht gewerbsmässig auageäbtm Geburtshilfe ent ha 
hestimmung, ' I', ‘ \ 

Ais staatliche Anerkennung (Prüf nag» eetJe-ui: 
TersUtadiich nar di« von einer inlfindischeu BeJbä 
besontisren Bestimmung darüber bedurfte rs in dt 

de» ZasfctK »entsprechend“ ist zum Ausdruck g e fe 3 



Heügewerbe und dessen erste Berntnng im Beiehstage. 


607 


§ 2. Die lm 9 1 Abs. 1 bezeichneten Gewerbetreibenden haben der 
zuständigen Behörde 1 ) ihres Wohnorts über ihre persönlichen Verh&ltnisse, 
soweit sie mit dem Gewerbebetrieb im Zusammenhang stehen, insbesondere 
Aber ihre Vorbildung and ihre seitherige Tätigkeit, ferner über ihre Behand¬ 
lungsart auf Erfordern Auskunft za erteilen. 

Sie haben Geschäftsbücher zu führen and der zuständigen Behörde 1 ) aaf 
Verlangen vorzulegen oder einzureichen. 

*) Früher Polizeibehörde*. 


über die durch die Approbation nsw. gezogenen Grenzen hinaus den Be* 
Stimmungen dee Gesetzes unterliegen soll. Das gilt z. B., wenn ein Zahnarzt 
Z/ip/Mnkrebskranke, eine Hebamme Geschlechtskranke behandelt. Verrichten 
geprüfte Heilgehilfen, Masseure, Krankenwärter, Hebammen derartige Dienst¬ 
leistungen auf Grund ärztlicher Anweisung oder unter ärztlicher Aufsicht und 
Kontrolle, so sind sie nicht selbständig tätig und deshalb nicht den Be¬ 
stimmungen des Gesetzes unterworfen. Ebensowenig fallen Studierende, die 
als Gehilfen von Aerzten oder Tierärzten unter deren Leitung und Verant¬ 
wortung mit gewissen ärztlichen Verrichtungen betraut werden, unter die 
Vorschriften des Entwurfs. 

Mit der vorgeschriebenen Meldepflicht folgt der Entwurf einbm schon 
in zahlreichen landesrechtlichen Verordnungen sich findenden Vorgang. Durch 
die Meldung soll der Behörde die zur Ueberwacbung des Betriebs nötige 
Kenntnis von dem Beginne desselben, sowie von seiner Einstellung gegeben 
werden. Der Beginn des Betriebs ist sofort anzuzeigen, für die Einstellung 
oder Aenderung in den Betriebsverhältnissen genügt es, wenn die Anzeige binnen 
einer dreitägigen Frist eingeht. Eine bestimmte Behörde, bei der die Anzeige 
oder Meldung erfolgen soll, ist, wie in dem allgemeinen Teile der Begründung 
bereits hervor gehoben, in dem Entwürfe nicht bezeichnet, vielmehr ist es nach 
§ 16 des Entwurfs Sache der Landes-Zentralbehörde, die Behörde zu bestimmen. 
Vielfach wird die Ortspolizeibehörde zur Meldestelle gemacht werden. Die 
Landesbehörden haben es aber in der Hand, sei es mit Rücksicht auf gewisse 
örtliche Verhältnisse oder mit Rücksicht auf bestimmte Personenkreise, auch 
andere Behörden oder den beamteten Arzt als Meldestellen zu bezeichnen, ln der 
Regel wird sich der Betrieb des Krankenbehandlers auf seinen Wohnort bezw. 
den Bezirk der Behörde des Wohnorts beschränken, indessen werden auch Fälle 
Vorkommen, wo der Betrieb über diese Grenzen hinaus in andere Bezirke hin¬ 
übergreift. Das wird besonders der Fall sein in grossen Städten mit selbst¬ 
ständigen Vororten oder auf dem Lande. Gleichwohl ist, um das Meldewesen 
nicht allzusehr zu beschweren, davon abgesehen, die Meldung nicht nur bei der 
Behörde des Wohnorts, sondern daneben bei der Behörde jedes Ortes vorzu¬ 
schreiben, an dem der Betrieb ausgeübt wird. Es wird genügen, wenn die 
fjandesregierungen die Behörde des Wohnorts anweisen, die Behörden des Ortes, 
an dem der Betrieb ausgeübt wird, mit entsprechender Nachricht zu versehen. 
Dass die Behörde des Wohnorts dazu imstande ist, wird bei der ihr im § 2 
gegebenen Befugnis, insbesondere zur Einsicht der Geschäftsbücher, angenommen 
werden dürfen. Eine etwa darch andere, z. B. Steuer gesetzliche Bestimmungen 
angeordnete Meldepflicht, bleibt durch die hier vorgeschriebene Meldepflicht 
unberührt. 

Es muss damit gerechnet werden, dass die Kurpfuscher die behördliche 
Anmeldung zu Rehlamezwecken oder zu sonstiger Förderung ihrer geschäftlichen 
Interessen verwerten, indem sie auf Schildern, in Annoncen, Geschäftsanzeigen 
oder in sonstiger Weise sich als „behördlich gemeldete„staatlich konzessionierte * 
Heilbehandler oder dergleichen bezeichnen. Solchen Manipulationen tritt die 
Vorschrift des Abs. 3 entgegen. Sic findet auch Anwendung, wenn die Bezeich¬ 
nung an sich eine wahrlieitsgemässe ist. 

Za g 2. Die Bestimmungen des § 2 bezwecken die Beaufsichtigung 
der Krankenbehandler nach der persönlichen and nach der sachlichen 8eite. 
Die Verpflichtung, der Behörde über ihre persönlichen Verhältnisse in ge¬ 
wissem Umfang Auskunft zu geben, findet sich in ähnlicher Weise schon ln 
verschiedenen landesrechtlichen Verordnungen. Die ln den Worten „soweit 


908 Dr. Bspmund: Ent wort eines Gesetzes gegs» 




m. 

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In welcher Weite die GeaGhiftsbficher xu iftbre: 
zubewabren slsd, bestimmt der Bondearat. 

Boi Ankündigung oder Bezeichnung des Getcet 
Erfüllung dar im j 44». 1, 2 auferkgiett Pflichten oder ti 
keif der Behörden nicht hingetcietv-n irerden. 

§ 3. Dem im § 1 Aba. 1 bezeichnet?« Gewerbe 
ko. Menschen oder 'Tiaren W 

1. eine Behandlung, die nicht not Grand eigener 9 
su Behandelnden erfolgt (FernbehandJang), 

2. die Bekandlang mittele mystischer Verfahren; 
tn Menschen 

8. die Behandlung ton gemeingefährlichen KranhUeitt 
die Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten 
Reicha~G*utzbt. Seife 3iW -*■). r ) 


mi 


0 Statt „tJnterauchni'g*. : 

*> Fttther nur bei B&handlaeg ton Menschen \ 


ev-.’y''.":'-*!'-':.' y.J. 


sie mit dem Gewerbabet^kb im Eatammenhenge stehe 
der Anshnntiepdicht beugt.«hswaüza peinlichen 
des Frngereehu durch die Behörde vor. Im ttbrigt 
von nicht geringem Vor teil, wenn sie sich durch ai 
Gewerbetreibenden and durch Vorgielchang setnor 
festgestellten Tatsachen ein Bild aber seine Zairer! 
Tätigkeit und seine Vorbildung machen baur>. An 
Behandlungsart ist für die BehÖrdt von Wicht igfcti!, s 
ob der Beilbehandtir Mine ‘Tätigkeit, nicht auf iktk./ 
Uebrigens soll auch hier eine ingnmtorische uml nun 
rechts vermieden werden. Etas «octt schärfere Kot 
Abs. 2 vorgftschriöbeae BacMabrang, ein« Anunrdiiu&i 
in einzelnen Verordnungen susgesptoaben findet. £i 
sicherste Grundlage fttr die Feststellung dafür, ob 
seines suwidergehsBäett ist, fernor iGr die Nacbprttfi 
Verfolgung »« oft erhobenen Einwandes, daü der H< 
nicht als solch«, deren Behandlung ihm verboten 
sprechend der Vorschrift im § 38 Abs. 4 der Ge' 
stusiucng darüber* was in die Bacher eioeatragen 
zu fahren und wie lange eie «atsabewaluea sind. 
Durch die de« Behörden »«gestandene Einsicl 
zwar Dingo oekaoat werden, an deren Gebeimha 
Interesse hat Die aua den.'Büchern gewonnenen 
aber dem Dienatgebeüaeiase, wodarch das Interesse 
ist. Sollte aber die fö? den Eruakeabebaodler t 
sich von dem Patienten oder Ttferbesüm dessen X 
die Art der Krankheit and <f*jrgl«eh*n *am Z«ro< 
Bücber nngafce« an lassen — «»4 dfr&riige Finfra^ 

mindestens •siigevrrinei hkcdkk: müssen den Patie 
in die Behandlung raus Sorpfahcbcre zu begeben 
Absichten de* Gesetzes entsprochen. 

Die Behörde kan» esch ihrem Ermessen di. 
ihrem Bareaa oder in da» Geacbsftsr&aroett dvr O. 

Die Voi-schrift des Ak+. A .ferfolgt den selben £ 
§ 2, Den im § 1 Abs.hptefchnfitw Gmerbaa-cU, 

. darauf hinsnu'tiseM. das» ‘sic' die' egn, ihnen grfot-, 
dass Sie Geschäftsbücher jfk der hritbe»ett 

der Behörde Vorgelegen häbeMf dass *t» ihnen ohne 
. / .gegeben sind usu>., auch wenn die betriffendeH '.;' J • 
sprechen. ' ; ; . /'/•:'/: W'M-W 

Za § 8. Der § 8 verbietet, wia ober» erwfS 
zeichneten Personen die Behsadlnng bestimmter 


S&z 


Heilgewerbe und denen erste Beratung In Reichstage. 


909 


4. die Behandlung aller Krankheiten und Leiden der Geachleehteorgane, Ton 
Syphilis, Schanker und Tripper, auch wenn eie an anderen Körperteilen 
auftreten, 

6 . die Behandlung von Krebekrankheiten, 


wendnng bestimmter Behandlungsarten. Gewisse Gebiete, auf denen die 
Tätigkeit der nicht approbierten Personen sich als besonders schädlich erwiesen 
bat, sollen deren Wirkungskreise gänzlich entzogen werden. 

Nr. 1. Dahin gehört in erster Linie die sog. Fernbehandlung bei 
Hänschen and Tieren, d. i. eine Behandlung, die nicht aal Grand eigener 
Wahrnehmungen an dem za behandelnden Menschen oder Tier erfolgt. 

Diese hat sich za einem amfangreichen Geschäftsbetrieb ausgewachsen 
and führt, wie zahlreiche Prozesse der Neozeit erkennen lassen, insbesondere 
auch durch das schwindelhaft betriebene Rehlamewesen nicht nur erhebliche 

K undheitliche, sondein nach yermögensrechtliche Schädigungen weiter Volks« 
ise herbei. Der Erfolg einer Heilbehandlung ist in erster Linie bedingt 
durch eine richtig gestellte Diagnose. Eioe solche kann nur auf Grund 
eigener Wahrnehmungen an dem za Behandelnden gestellt werden. Solche 
eigenen Wahrnehmungen fallen bei der Fernbehandlnng fort, so daß die Dia¬ 
gnose nicht eigentlich der Krankenbehandler, sondern vielmehr der Kranke 
selbst oder einer seiner Angehörigen oder gar ein fernstehender Dritter za 
stellen pflegt. Demgemäß erfolgt auch die Behandlung auf Grand von An« 

{ aben oder Symptomen, die völlig unsicher sind und nach von dem Behandeln« 
en auf ihre Zuverlässigkeit and Richtigkeit nicht nachgeprttft werden können. 
Es bedarf keiner Erörterung, welche Gefahren and Schäden für den einzelnen 
und die Gesamtheit eine solche Fernbehandlung im Gefolge hat, zumal der 
Behandelnde auswärtigen Kunden gegenüber seinen Nimbus besser wahren 
kann and anderseits den Behörden die Kontrolle Uber die den auswärtigen 
Knoden zugefügten Schädigungen äußerst erschwert wird. Dass der Gewerbe¬ 
treibende die Untersuchung des zu Behandelnden im vollen Umfang persönlich 
vomimmt, wird im Entwurf nicht gefordert. Es müssten sonst die auch bei den 
approbierten Aerzten ähnlich vorkommenden Fälle als Fernbehaltung angesehen 
werden, dass der Patient in den Geschäftsräumen des Ueilbehandlers zunächst 
ohne dessen Beisein oder in dessen Vorzimmer von den Assistenten untersucht 
und erst dann dem Heilbehandler vorgeführt wird, der auf Grund des Unter¬ 
suchungsergebnisses seiner Gehilfen und auf Grund seiner eigenen Wahrneh¬ 
mungen dann die Behandlung anordnet oder bestimmt. Eine solche Behandlungs¬ 
art wird gemeinhin nicht als Fembehandlung bezeichnet und sie zu verbieten, 
erschien nicht geboten. Wohl aber muss der Heilbehandler den zu Behandelnden 
vor sich gehabt und eigene Wahrnehmungen an ihm gemacht haben. Unter 
Wahrnehmung ist jede Sinneswahrnehmung zu verstehen. Es fällt darunter 
auch das Anhören der Klagen und Beschwerden des Patienten. 

Nicht als Fernbehandlung ist anzusprechen die gelegentliche briefliche 
oder telephonische Beratung wegen einer Krankheit, eines Leidens oder eines 
Körperschadens, wenn der Beratende hierdurch lediglich eine auf Grund eigener 
Wahrnehmungen an der betreffenden Person oder dem betreffenden Tiere vor¬ 
genommenen Behandlung fortsetzt. 

Das Verbot betrifft nur die im § 1 Abs. 1 bezeichnten Personen, besieht 
sich also nicht auf die approbierten Aerste. Für diese bedurfte es einer 
solchen Vorschrift nicht, da das Verbot tatsächlich schon insoweit besteht, als 
die ärztliche StandeBsitte die Fernbehandlung nur ganz ausnahmsweise zulißt 
und als etwa sich zeigenden Mißständen meist im Disziplinarweg oder im 
ehrengerichtlichen Verfahren wird entgegen getreten werden können. Zu den 
vom § 1 nicht getroffenen Personen gehören auch die Heilgehilfen, Bader, 
Hebammen usw., kurz alle diejenigen, die im Besitz eines Prtlfangszengnissen 
sind and innerhalb der dadurch gegebenen Befugnisse der Heilbehandlung sich 
widmen; sie unterstehen daher dem Verbote des § 3 nicht. Für diese Personen 
erscheint es zweckmäßiger, etwaige entsprechende Vorschriften der Landes« 
gesetsgebung zu überlassen, da die Regelung ihres Geschäftsbetriebs ohnehin 
meist schon landesgesetzlich erfolgt ist. 

Nr. 3. Es bedarf keiner besonderen Begründung, dass die in dem Reichs- 




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A»r*i«a m S. b, üli» «ich», rna» 4»» 

*mi/ni*ih HkA», *rt#4p/i» »net» *Jb« »Utit *{<prn<iilm« 
WVnii ith Hr/phttt*, lijtr krftrthkrr und tUr 'Prippar f 
• Hkldnit* htiib hfy\»,ifr» ftUf<h'fdkri Wnu/, *!> »yt 

in vl.«,iv7i tir/nbrrn riir KrankhvifrH fß.i 

*Auh iiiiphtn*nfddy für ittfn* Viaiphuvtij diicA dann h 
HK' -Itiim <t» rn dm $fjtcA hu finde ft 

Kt,' b f>tt (ff* /fitfpWdnfrhfitw ntorh de»i /(^ fj 
*>Jtut‘f iw nltyfififlnrn nur (IstrthrMkfmtiQfi ‘‘Atrurtfi; ’ 
mtiji(it‘Hffrführt nuitrit kttnitm, ist fhn' Avfunhhn 
itnr-rh nirM iipi't'obfrt'tr t'iru-nen au <••«»fifehmdtm 

t/rMzif. •. : 

Nr. 8. fl, 7, ft Dl« Vftrhote unter 2, 0, 7 n«. 
«nndnt* mit Unckufliitt «uf (Hu OiflÜbrUubkelt der dort 
«♦«» In *J°r fUnd »oa Bukuo.tlB»'n und mit df*r Wij 

«Inbt ir»*»l riHMO l’rfrtnnrn, Iht* VeyM dir AV. &■ 

stitr-L( ffpptfitrbw $ehtr*t»<f*t tm'ffni, M Ji’r ftg»ti 

Vtritm I -aut tÄmtü inV bei Sr. 6 verhüt*-#* , 
ti't!'b*)Hihu,»tf iitutebiieh Ubif*t.tÜ!irlieh>‘ 'Kritfii, t'*t-*pe . 
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Heilgewetbe and dessen erste Beratung im Beiehstage. 911 

Der Bondesrat kann ihnen die Anwendong der unter Nr. 6 f 7 und 8 
genannten Verfahren auch bei Tieren sowie die Anwendung anderer als der 
unter Nr. 2, 6, 7 und 8 genannten Verfahren bei Menschen oder Tieren 
untersagen. 

Der Bundesrat kann ihnen ferner die Behandlung von anderen ah den 
unter Nr. 3 genannten übertragbaren Krankheiten und von übertragbaren Tier¬ 
seuchen untersagen. 1 ) 

§ 4. Die im § 1 Abs . 1 bezeichnten Gewerbetreibenden dürfen weder 


l ) Nach der früheren Fassung konnte die Polineibehörde die Weiter¬ 
behandlung der gemeingefährlichen und übertragbaren Krankheit untersagen. 

auflegen, durch Besprechen und ähnliche abergläubische Manipulation. Da die 
Behandlung mittels mystischer Verfahren auch bei den Tieren eine nicJU uner¬ 
hebliche Rolle spielt (Gesundbeten, Besprechen), ist die Ausdehnung des Verbots 
auch auf die Tierbehandlung gerechtfertigt. Nach Nr. 7 ist die Behandlung 
unter Anwendung von Betauoungsmitteln mit Ausnahme solcher verboten, die 
nicht über den Ort der Anw* n lang hinaus wirken. Damit sind verboten nicht 
nur eine allgemeine Narkose durch Einatmen von Chloroform usw., sondern auch 
die neuerdings in Aufnahme kommenden Arten der Betäubung des Schmerzge¬ 
fühls durch Einwirkung auf das Zentralnervensystem, z. B. durch Einspritzung 
anästhesierender Mittel in den Rückenmarkskanal; ferner wird dadurch auch 
getroffen die Örtliche Anwendung von Kokain, weil erfahrungsgemäss nicht nur 
eine örtliche Betäubung des Schmerzgefühls dadurch hei'vorgerufen wird , sondern 
auch eine Einwirkung auf das Zentralnervensystem, die sich in manchen Fällen 
durch Schwindel usw. äussert, damit verbunden sein kann. Dagegen bleibt die 
Anwendung von Mitteln erlaub», die Dacbweislich nur eine örtliche Wirkung 
aUHÜben. Dahin gekört z. B. die Anwendung von Aether oder Aethylchlorid 
mittels Zerstäubers oder die Einspritzung von destilliertem Wasser und derglei¬ 
chen. Die Nr. 8 will die in der Band von Laien leicht schädlich wirkenden 
Einspritzungen unter die Haut und in die Blutbahn unter die verbotenen 
Massnahmen einreihen, übrigens unter Vorbehalt der nach Nr. 7 sich ergebenden 
Ausnahme. 

Der Abs. 2 trifft Vorsorge, daß, wenn im Laufe der Zeit noch andere 
Behandlungsarten sich als gleich gelährlich oder schädlich erweisen sollten, 
auch diese, ohne Gesetzesänderang von dem Verbote getroffen werden können. 

Den Interessen der Landwirtschaft genügt es zur Zeit, wenn nur die 
Bestimmung des Abs. 1 unter Nr. 1 und 2 auf die Tiere erstreckt, also die 
Fernbehandlung von Tieren und die Behandlung mittels mystischer Verfahren 
bei diesen verboten wird. Dagegen erschien es angezeigt, im Abs. 2 die Aus¬ 
dehnung des Verbots der Anwendung der unter Nr. 6, 7 und 8 genannten 
Verfahren (Heilmethoden) auf die Behandlung von Tieren und die Ausdehnung 
des Verbots der Anwendung noch anderer Verfahren auf die Behandlung von 
Menschen oder Tieren durch den Bundesrat vorzubehalten, damit einem später 
etwa nach dieser Richtung hervortretenen Bedürfnis ohne Gesetzesänderang 
Genüge geschehen kann. 

Während die im Abs. 1 vorgesehenen Behandlungsarten durch das Gesetz 
unmittelbar verboten sind, soll bei den im Abs. 8 vorgesehenen Krankheiten 
die Behandlung durch den Bundesrat untersagt werden können. Der Zweck 
dieser Vorschrift ist, dem Umsichgreifen der Krankheiten durch falsche oder 
unsachgemässe Massnahmen der Gewerbetreibenden entgegenzuwirken. Dass die 
Krankheiten und Seuchen anzeigepflichtig sind, ist für das vom Bundesrate zu 
erlassende Verbat nicht zur Voraussetzung gemacht, weil die Krankheiten, die 
landesrechtlich für anzeigepflichtig erklärt sind, nicht in allen Bundesstaaten die 
gleichen sind. Der Bundesrat hat es danach in der Hand, je nach Bedürfnis 
die Behandlung einer übertragbaren Krankheit oder Seuche für das ganze Ge¬ 
biet des Reichs den im § 1 Abs. 1 bezeichnten Personen zu untersagen. 

Zu § 4. Den approbierten Aerzten ist, soweit nicht Handapotheken in 
Betracht kommen — eine Ausnahme bilden in dieser Beziehung in den meisten 
Bundesstaaten die Tierärzte — die Abgabe von Arzneimitteln im allgemeinen 
nicht gestattet. Dies beruht auf gesetzlichen Bestimmungen oder auf bundes - 




912 Pr. Bapmuad; Entwarf eines Geseties gegen 

Arsenik» für die «m ih?tr.n behandelte» Menschen otler 
Kunden für deren .Bezug m eimeAm bexo» de re Rest*#** 
§ 5, Des Ist § l Aba.. 1 beaeiclineie» ü&wsfbesrei 
beirieb vo» der zu&Sttdiytn Beti&'d.e jot unter«#«», w< 

rOfiichen Anordimngm »dsr dpf F'M'tisdungm der Semd 
bei de» Kratikenbeha/tdUni -ohne.; stadiiiehe '4«#r i*nttun$ 
gesetzlich jede Arstttwbgähi* verboten werden, tim so Mi 
«rfd'hfungi'gmtds* pfl '«.wr dir Abgabe ton Arzneiinititfi 
hohen Preist» oder durch Bezeichnung einfacher Mit 
kochtrdbmätsy Name» Kapitol tu schlugen und dos 
pflege». Wird- jedoch nur die Abgabe von Arzneien mrb 
dass der Zitede, der mit dieser Bestimmung erfüllt h 
w»VdF. Denn die Kurpfuscher ; rffrdc» in ItOumcn au 
•sei es in demselben 'Mause oder in der Kühe oder so» 
r«n ihnen vervrdneten Arxhcimittef eiArichten oder mit a 
auf den Verkauf dieser Arznei mittet bezügliche Voris 
tiidst-: Weite ihre Arzneimittel 'Unter da» Publikum brit- 
verhindern, i*t den iw § 3 Abs. 1 brze/ch nett jt Per*:» 
was u Origem dem Arzte auch die Stondessittc verbiete 
Bezug der Arzneien an einzelne besonder* Bezugs» ei 
Vtnceisungen et folgen in erster JJnie aus gcschdftlith 
sichten der Kurpfuscher und der mit ihrem in Vtridne 
urtd wiche. Vtrweisun/jsn will das Verbot des § 4 des ; 
treffen- Die Verweisung auf eine bestimmte Apatkdki. 
dort vorhandenen wird meist unter das Verbot fälltet. 
Verweisung auf „die Apotheke“, besonders trenn ei'*- rfi< 
besondere geschäftliche Verbindungen zwischen ihr kl 
nicht bestehen, ebensowenig der allgemeine Hinweis, 
Apotheke* ou- bekomme» sei. 

Za | {*♦ Während dss Verbot des § 3 sieb 
wisse; ebne!**!* Kranbbeitan oder eaf beaiimmte I 
sieht § 5 die fTottniagung des ganzen Betriebs Tor, < 
des Abs. 1 TBflögt frerdcfl muß, Io den Fhlle.fi des 
lögt werde* Jtioav Per § 5 ist denn § 35 der Gewt 
der insbesondere im Aha. f worschteibr, daß der fiat 
mischen Präparate», welche ta Beilaweckan diesen, 
die fiaadbabasg des Gewerbebetathe Lebe« und Oes 
febrilst. Jodessea ist es zweckmSÖig erschienen, v 
einireten sa ia&aea, daß mit dem Gewerbebetrieb eil 
heit, eicht nar eine Gefährdung verbanden sein muß, 
saebang des öewarbebe trieb« »oii nach Abs, 1 des' 
wann Tatsachen torliegec, daß Koadeo schwinde! 
Wasa eine solche Anabeatfisg gagsbea lat, kann na 
werden. Anhaltspunkte für die Boftolwortung der 
gangen ln de* Qesdbhftsbtlehern ergebe». Ki»e J 
bei anerinhrssett oder tineilaiosen Peisoneo io Fr# 
sachteliigacg oder Schsdigaag der betreffeadeo ' 
habeo. Weiterhin wird *bar noch erfordert, daß i 
ist darch ein Vwiwhee dos ßetrieteinfeabera, «i*u» g 
befleichnst ne werden pflogt, ohne daß darauf die 
Betrags Äazaüeflee brauchen. 

StraiWe Handlangen, die mit der Ansftbang 
dang «teheft (Abs, 3i sind nicht ausschließlich void 
§§ 8, 9, JÖ. 1t: astcr Strafe gestellt sind. 

Bai Verbreche» und Vergeben genügt di» r 
die Ontemgting de# Betrieb«, während bei Oebeurv 
holte Veraiteiinng eine solche Folge nach eich nie 

Kit der Vorschrift in Abs. 3 folgt der Ent 
Gewerbeordnung. 

Dk im Abs. 4 corgesfbeut Begehvg der De 



Hellgewerbe and dessen erste Beratung im Reichstage. 


918 


welche die Annahme begründen, daß durch die Ausübung des Gewerbes das 
Leben der behandelten Menschen oder Tiere gefährdet oder deren Gesundheit 
geschädigt wird, oder Kunden schwindelhaft ausgebeutet werden. 

Der Betrieb kann untersagt werden, wenn der Gewerbetreibende wegen 
einer strafbaren Handlung, die mit der Ausübung des Gewerbes in Verbindung 
steht, rechtskriftig verurteilt ist, bei Uebertretungen jedoch nur im Falle 
wiederholter Verurteilung. 

Der Betrieb kann auch dann untersagt werden, wenn dem Gewerbe¬ 
treibenden wegen eines nicht unter Abs. 2 fallenden Verbrechens oder Ver¬ 
gehens die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt sind, jedoch nicht über die 
Dauer des Ehrverlustes hinaus. 

Der Bescheid gilt für das Gebiet des Reichs; er kann im Verwaltungs¬ 
streitverfahren und, wo ein solches nicht besteht, im Wege des Rekurses ge- 
miß §§ 20, 21 der Gewerbeordnung angefochten werden. Die Einlegung von 
Rechtsmitteln hat keine aufschiebende Wirkung. 1 ) 

§ 6. Der Bundesrat kann den Verkehr mit Gegenständen, die bei Menschen 
die Empfängnis verhüten oder die Schwangerschaft beseitigen sollen, beschränken 
oder untersagen. Dasselbe gilt von 

1. Arzneien, Apparaten *) und anderen Gegenständen, die nur Verhütung, 
Linderung oder Heilung von Krankheiten, Leiden oder KBrperschädeu bei 
Menschen oder Tieren dienen sollen, 

2. Kräftigungsmitteln für Menschen oder Tiere, 

3. Säuglingsnährmitteln, 

sofern von deren Anwendung eine Schädigung der Gesundheit su befürchten 
ist, oder wenn sie in einer Täuschung oder Ausbeutung der Abnehmer absie- 
leaden Weise angepriesen oder vertrieben werden. 

*) Hier ist der frühere Abs. 4 fortgefallen: „Ist die Untersagung er¬ 
folgt, so kann die Landes-Zentralbehörde oder eine andere von ihr su be¬ 
stimmende Behörde die Wiederaufnahme des Gewerbes gestatten, soweit seit 
Untersagung mindestens ein Jahr verflossen ist.“ 

s ) Statt „Mitteln*. 


sagungsbescheid schlisset sich an § 54 Abs. 2 der Gewerbeordnung an. Dabei 
ist, da Über die räumliche Geltung des Untersagungsverbots in der Theorie wie 
in der Praxis Meinungsverschiedenheiten bestehen, um solche Zweifel auszu- 
schliessen, besonders zum Ausdruck gebracht , dass das Verbot für das ganze 
Gebiet des Reichs Geltung hat. 

Die Aufnahme einer Bestimmung ähnlich der des Abs. 5 des § 35 der 
Gewerbeordnung, wonach , wenn eine Untersagung eines Betriebs erfolgt ist, die 
Landeszentralbehörde oder eine andere von ihr zu bestimmmende Behörde die 
Wiederaufnahme des Gewerbebetriebs gestatten kann, sofern seit der Untersagung 
mindestens ein Jahr verflossen ist, erschien nicht notwendig , da die Behörden 
für befugt zu erachten sind, die Wiederaufnahme nach eigenem Ermessen auch 
dann zu gestatten, wenn die untersagenden Verfügungen im instanziellen Ver¬ 
fahren (Rekursverfahren, Verwaltungsstreitverfahren) bestätigt sind. 

Zu fl 6. Die Bestimmungen des § 6 beswecken die Bekämpfung des 
Geheimmittelunwesens und swar in der Richtung, daß der Verkehr mit 
Gegenständen usw. soll untersagt oder beschränkt werden kOnnen. Dabei sind 
unter Gegenständen, wie schon in dem allgemeinen Teile hervorgehoben, auch 
Mittel, Arzneimittel, Apparate u. dgl. zu verstehen. Die sur Zeit bestehenden 
Poliseirerordnunges usw. lehnen sich wesentlich an die in den Bundesrats- 
beschlttssen vom 28. Mai 1908 und vom 27. Juni 1907 auf gestellten Normativ¬ 
beetimmungen an. 

Die einselnen Poliseirerordnus gen enthalten die im § 6 des Entwurfs 




91.4 Df. Kapumnd; Entwarf eines Gesetze» 

Die Anwendung der vom Hundts tat wimm )if 
hots wird dadurch nicht ausgeschhmn, (Jas« die Bi> 
bei im wesmttichen gleicher ZusQ.mwnsctzwj gtiSmi 

Soweit des Eundesrat deo Vetkehf mit eini 
sagt has (Abs. 1>, ist deren Einfuhr verboten. 

Zur Mitwirkung hei Ausübung der dem B 
stehende» Bafttgaia wird bei dem Kaiserlichen Ges\ 
gebildet Sie besieht ans Beamte», welche die l 
oder tsum höheren Verwaltangaamtü besitzen, tus 
dem Gebiete der Medizin, der Tierheilkunde un 
gliedfif ■werden vom Beichskaozlef ernannt. Dh 

t ’orgetäherten* den Verkehr betreffctiäett Vorschrift 

vielmehr darztjf, du# öffentliche Ankttodigea n 
Diese Beschränkung War lediglich deshalb geh 
darchana berechtigte und den effeatlkhe» loten 
▼erbot an einer ausreichenden gesetzlichen Grv 
durch die Vorschrift des Entwurfs geschaffen w 

Der Entwurf will gruutisdtilich Milchen 
gesundheitlichem Gebiete Hegen und durch itihw 
Ausbeutung des Publikums heevorgsrufen: tm«. 
spricht ety dass die Ferkelt rsKerbgU oder -titschr 
lassen Herden dürfen, nenn von dir AmvrndU 
eine Schädigung (Ur Gesundheit m heidrehten. 
Täuschung oder Ausbeutung der AbnshWr atu 
vertrieben werden. An dieser Voraussetzung 
bei dm unter 2?r\ t bis 3 oufgefßhrienMrijri 
worden* ... ' : r-': /■••"'■e'.: 

Die Formulierung der Voraussetzungen 
haltung der Zusammensetzung der Bestand!« 
notwendige VaraesaeUung bildet. Wie he 
Beerttndscg ttwäbat, ist der Ausdruck Geh 
technischer geworden, der für die Abs. 1 4 
Mittel angewendet au werden pfleut. Dort 
geführt, dia zur Verhütung, zur Linderung 
Leiden oder Körperschäden an Men sehen < 
werden auch diT .vielen Schwindelapparate, 
Sperwppdrai* hsw , denen man nach der hfa 
nur schwer beileotriinen konnte, getroffen. V< 
dagegen aus alle MiMbi usw, die nur ml 
Mittet, Ntbrengs- and GennS-mittel und der 
aber sollen der Bestimmung auch die Kräftig 
{Pfr- Oty dnd die Säuglingsnährmittel (Nr. & 
den seit einigen Jahren in versch if.denshs-r 
ßhy-bestandtcilev. in marktschreierischer IVeis 
mittein für Tiere gehören besonders solche 
der Förderung der Haftfähigkeit- ■ -zu dien' 
SoUrn hauptsächlich Eresspvlver, je. J3, fit 
Wirkung meist zweifelhafte mt<f. ■gdufffhnr 
Auch mit den Säut/ling$Hfik>Gh.kf«!tJti tvtrii i 
Reklame seitens der Fabrikanten petriehen 
teresse der Volhugesuwihcil gegert <Zic lerit 
Säuglingen schwer ansvkämpfrm, s ' l; ? y i : : 

Dagegen schien es geboten, bei petc 
eigentlichen Rahmen de* Entwurf# Hisua* 
Untersagungen oder -le&ikräukutoffeTS »n»« 
Voraussetzungen mcht wrliegen. Das gilt 
sehen die Empfängnis »erküim odhrr- eise & 
stimmend für diese Ausnahme s in d voll: 
zahlreichen, im Verkehre beft »dl leitest tsredt 



Heilgewerbe and dessen erste Beratung im Beichstage. 015 

seienden und dessen Stellvertreter aas der Zahl der Mitglieder. Die Ernen¬ 
nung der Sachverständigen erfolgt aaf die Daaer von fünf Jahren. 

Vor der Beschlußfassung des Bandesrats hat die Kommission sich gut¬ 
achtlich darüber su äußern, ob eine Beschränkung oder Untersagung des Ver¬ 
kehrs geboten sei. Die Kommission beschließt in der Zusammensetsung von 
fünf Mitgliedern, unter denen mindestens drei Sachverständige sein müssen. 

Die Kommission hat dem Verfertiger oder anderen Beteiligten, soweit 
dies ausführbar ist, zur Wahrung ihrer Interessen Gelegenheit su geben. 

Im übrigen wird die Einrichtung der Kommission and das Verfahren 
vor ihr durch den Bandesrat geregelt. 


Stände dieser Art wird nämlich nicht nur die Volksgesundheit geschädigt, son¬ 
dern auch der Geburtenhäufigkeit erheblich entgegengewirkt. Diese ist aber in 
Deutschland trotz der Zunahme der Bevölkerung schon seit längeren Jahren eine 
konstante geblieben. Derartige Erscheinungen erfordern ernsthafte Beachtung 
und schleunige Anwendung geeigneter Abwehrmassregeln. Solche dürften in 
einer Erschwerung des Verkehrs mit den betreffenden Gegenständen zu erblicken 
sein. Trifft das zu, so darf der Erlass von bundesrütlichen Verordnungen nicht 
an das Vorliegen der vorerwähnten Voraussetzungen geknüpft werden. Insbe¬ 
sondere kann die Frage, ob die betreffenden Gegenstände gesundheitsschädlich 
sind oder nicht, nicht von ausschlaggebender Bedeutung sein schon um deswegen, 
weil nicht alle Gegenstände, bei denen eine Verkehrsbeschränkung erwünscht ist, 
als gesundheitsschädlich bezeichnet werden können. Ebensowenig kann deshalb 
auch die Art der Reklame, die mit den betreffenden Gegenständen getrieben wird, 
für die zu beschliessende Verkehrsbeschränkung entscheidend sein. Damit recht¬ 
fertigt sich die Sonderbestimmung für die empfängnisverhütenden und frucht¬ 
abtreibenden Gegenstände. 

Nach den Erfahrungen, die mit den Geheimmittellisten gemacht worden 
sind, ist es geboten, besonders zum Ausdruck zu bringen, dass die Anwendung 
der Verkehrsverbote oder Verkehrsbeschränkungen des Bundesrats dadurch nicht 
ausgeschlossen wird, dass die Bezeichnung der Gegenstände bei im wesentlichen 
gleicher Zusammensetzung geändert wird. 

Die Entschließung Uber die Verkehrsbeschränkungen ist dem Bandesrat 
übertragen, der von Fall zu Fall zu prüfen hat, ob bei einzelnen Gegenständen 
die Voraussetzungen für eine Verkehrsbeschränkung oder für ein Verkehrs¬ 
verbot gegeben sind, und dann entscheiden muß, wieweit in der Beschränkung 
zu gehen ist, ob der Vertrieb nur in bestimmten Umhüllungen oder Gefäßen, 
mit bestimmten Aufschriften oder Warnungen usw. gestattet sein soll oder 
ob er schlechthin und zwar entweder auf bestimmte Zeit oder ohne Zeitgrenze 
zu untersagen ist. Die Entschliessung des Bundesrats kann auch gleichzeitig 
eine ganze Gruppe von Gegenständen betreffen, besonders dann, wenn schon nach 
deren angeblichem Heilzweck ihre Wertlosigkeit klar ist. So sind z. B. alle die 
zahlreichen zur Heilung der Trunksucht angepriesenen Mittel wirkungslos und 
nur auf Täuschung und Ausbeutung der Abnehmer berechnet und die Entfet¬ 
tungsmittel, wenn sie überhaupt wirksam sind, ohne ärztliche Ueberwachung an¬ 
gewendet, in der Regel gesundheitsschädlich. Die Gründe dafür, daß der 
Bandesrat gehalten wird, vor seiner Entschließung die gutachtliche Aeußerung 
einer beim Kaiserlichen Gesundheitsamte zu bildenden technischen Kommission 
einzuholen, sind oben bereits dargelegt. Der Kommission sollen außer richter¬ 
lichen beziehungsweise Verwaltungsbeamten auch Sachverständige der Medizin 
— dazu gehören auch die Zahnärzte —, ferner der Pharmazie und der Tier¬ 
heilkunde angehören. Soweit sich bei der Erörterung über einzelne Gegen¬ 
stände usw. das Bedürfnis ergibt, andere Sachverständige, z. B. des Handels, 
der chemischen Industrie oder dergleichen zuzuziehen, kann dies im Wege der 
Anhörung durch die Kommission geschehen. 

Der Entwurf beschränkt sich darauf, über die Zusammensetzung der 
Kommission, über die Ernennung bezw. Berufung ihrer Mitglieder, sowie über 
ihre Aufgaben einige allgemeine Bestimmungen zu geben. Im übrigen ist die 
nähere Ausgestaltung der Einrichtung der Kommission, sowie des Verfahrens 
vor ihr dem Bandesrat überlassen. 




Dr. Bapmund: Entwurfeines 0ts«&et gejßi 


| 7. Ißt Gefängnis bi« sb einem Jiire w 
fünftausend Huk 1 ) oder mit einer dimer Strafe» wu 
liebe« Ankündigungen ©der Aapreieoage», welch« i 
«der Heilung tob K>ä.nkheltes f Leide« oder Kdrpero; 
Tieren oder Kräftigungsmittel für Menschen oder 1 
mittel betreffen, wisse»! üefe na webte Angaben macht 
sch na gen aber den Wert öder die Wbkssmkeh de 
iahreo herforxorafen. Dasselbe gilt, wenn wisse: 
gemacht werden ia besag auf den Ursprung oder du 
»der ferfaMrerty in toe*og eoi die Person de« Verlar 
aber die die Vaidffentlichung veranlassende Pecs« 
«hier dieew Femmea. 

Ist die Handlung aus Fahrlässigkeit begsngt 
bis srw drei Monaten und Geldstraft bis äh sechshuh'. ■ 
Strafen ein. ■ 

ln dem Urteil kann ungeordnet wenden, tyfä'-Q. 
der Schuldigen äffmtlkh bekannt zu machen &*,• 

Art. der Bekanntmachung zu bestimmen. 

l ) Statt o 3000 Mark*. 

Die Beschlüsse des Bundecrate werden Uff 
«ein und in ihrer Zaanmmeiuetxuog ein den jeui| 
liehe« Verzeichnis bilden, Äks mit Rücksicht stuf 
Ge werbe treibende, Ihr Zeitungkredakteure ubw. vo 
Za den „anderen Beteuiglea* des Abs. 6 g< 
Verfertiger xu sei«, die Gegenstände yertreiben o 
bei im Auidaad hergestellten Gegenständen asw.. 
Daß ihr diejenigen Gegenstände, deren Ye 
Innd verboten hat, nach die Einfuhr Tont Ansinn 
ist dringend wünschenswert* In diesem Fuße k 
Steuerbehörden nur Fernhaltung der verbotenen V 
Zu $ 7. Hit § 7 heben die Strafbestimmung 
der Vorschriften des Gesetzes and seiner Zwecl 
enthalten die §§ 7, 8 and 9 die gegen das schert 
richteten Bestimmungen. ; " 

Aas zahlreichen Prozessen ist. wie bereits 
worden, d«ö für Rehjamexwecke nafierordentdief 
Würden, Der k Ende stehende Geschäfts betrieb 
bringender sein. Auch stehen die «ngehOndigt^j 
stände sehr hoch im Preise. Die Absicht des Ge 
Androhung empfindlicher Geld- und Preiheitsgtr 
Geldstrsien warden rijch dutch den aus dem werl 
»rzteiten Gewinne reichlich bexofils machen au? 
«ein. Aue diese» Gründen sind in den §§ 7 bis 
gebracht. 

Durch die Handlungen der in Rede eit eh »ne 
bestand des versuehien oder des rollendsten Betrug 
der Fall vtrdm auch künftig die Forschrift^ 
Platz zu greifen haben. Diese reichen (ndcsäe.n 
selten wird dcr SesCtis über das Vor liegen c£*r- 
nicht geführt;Mrden Mn nm. Es erschien tdcssHul 
wissentlich unrichtiger Behauptungen in 8ff*s*it,l4x 
preisungen bestimmter Art an sich unter eiste, 
stellen. Tm Forschrift ist dem § 4 den Ge&ertzren 
bewert vom 7. Juni IJO'J — Reichs - Gesetz:&l, 
Strafandrohung richtet sich gegen jedermann, 
liehen Ankündigungen oder Anpreisungen ts*. 







Hellgewerbe ud denen erste Berntvng Im Beiehstage. 917 

§ 8. Mit Gefängnis bis zu sechs Moneten and mit Geldstrafe bis sn 
eintauseadfünfhundert Mark oder mit einer dieser Strafen wird bestraft, wer 
sioh in Öffentlichen Ankündigungen oder Anpreisungen nur Fernbehandlung 
(§ 4 Abs. 1 Nr. 1) erbietet. 

Mit der gleichen Strafe wird, wenn nicht nach anderen gesetilichen 
Bestimmungen eine schwerere Strafe verwirkt ist, bestraft, wer Öffentlich an* 
kündigt oder anpreist Gegenstände oder Verfahren, die 
1. bei Menschen nur Verhütung, Linderung oder Heilung von Krankheiten 
oder Leiden der Geschlechtsorgane , von Syphilis, Schanker oder Tripper, 


im S ® entsprechend begrünst. Die unwahren Tatsachen brauchen keine 
Täuschungen tatsächlich hervorgerufen in haben, es genügt die Fest* 
Stellung, daß sie solche hervorbringen können. Durch die vom Entwürfe 
gewählte Ausdrucksweise soll der 8trafvorschrift eine möglichst weite Wir¬ 
kung beigelegt werden. Es soll die in neuerer Zeit vielfach in Aufnahme 
gekommene Art der Beklame getroffen werden, wonach in Zeitungen, Volks¬ 
kalendern, illustrierten Blättern usw. Schreiben sum Abdruck gelangen, 
in denen bestimmt beseichnete Personen den Et ändern oder Herstellern von 
Heilmitteln, Gegenständen usw. den durch den Gebrauch derselben erzielten 
glänzenden Erfolg mit Dankesworten bestätigen, während die Schreiben jeder 
tatsächlichen Grundlage entbehren und meist von den Herstellern der be¬ 
treffenden Mittel selbst oder in ihrem Auftrag von unzuverlässigen Personen 
gefertigt und größtenteils mit erdichteten Namen, besonders solcher Personen 
versehen sind, die durch ihre Stellung oder ihr Amt in den Volkskreisen für 
glaubwürdig gelten. In diesen Fällen ist die Veröffentlichung auf die Geheim¬ 
mittelfabrikanten zurückzufahren, von ihnen veranlaßt, und es scheint geboten, 
sie dafür zur Verantwortung zu ziehen, zumal die Erfahrung gelehrt bat, daß 
gerade solche Täuschungen eine erhebliche Irreführung weiter Kreise des 
Publikums verursachen. Femet soll auch da« bei den Heilmittehchwindlem 
und Kurpfuschern beliebte Vorgehen unter Strafe gestellt werden, durch die Be¬ 
hauptung ausländischen Ursprungs ihrer Mittel, durch die Vorspiegelung des 
Besitzes eines seit Jahrhunderten erprobten Geheimverfahrens und dergleichen 
die Urteilslosen anzulocken. 

Bei dem Satz 2 geht der Entwurf davon aus, dass die Behauptungen der 
dort bezeichnten Art geeignet sind, Täuschungen hervorzurufen. Täuschungen 
über den Wert können vorliegen, wenn z. b. der Preis in keinem Verhältnis 
zu den Herstellungskosten steht oder wenn dieser absichtlich nicht ange¬ 
geben wird. 

Der Unterschied zwischen Ankündigen und Anpreisen ist ein grad¬ 
weiser. Wann das Ankündigen in ein Anpreisen (marktschreierische Empfehlung) 
übergebt, kann nur nach den Verhältnissen des Einzelteiles entschieden werden. 

Es muss auch mit der Möglichkeit fahrlässigen Handelns gerechnet werden, z. B. 
wenn die Unkenntnis der Unwahrkeit der Angaben auf Fahrlässigkeit beruht. 
Deshalb rechtfertigt sich die Vorschrift des Absatz 2. Die Strafen für das 
fahrlässige Vergehen waren entsprechend niedriger bemessen. 

Um das Publikum in möglichst weitem Umfang vor den Geschäftskniffen 
des Verurteilten zu warnen, ist entsprechend dem § 16 des Fahrungsmittel¬ 
gesetzes vom 14. Mai 1879 vor geschrieben, dass die Verurteilung auf Kosten des 
Schuldigen öffentlich bekannt gemacht werden kann. Ob das geschehen soll , ist 
im Urteil anzuordnen ; in der Anordnung ist auch die Art der Bekanntmachung 
zu bestimmen. 

Zu | 8. Die Bestimmung dient ebenfalls zur Bekämpfung der Beklame. 
Im Abs. 1 wird das Erbieten zur Fernbehandlung (vgl. g 8 Abs. 1 unter 1) 
für jedermann mit Strafe bedroht, während das Erbieten zu den übrigen im 
g 8 verbotenen Behandlungsarten (2 bis 8) im g 9 Abs. 1 unter 2 nur für die 
im § 1 Abs. 1 bezeichnten Gewerbetreibenden unter 8trafe gestellt ist. Die 
beabsichtigte Folge ist u. a., daß das Öffentliche Erbieten zur Fernbehandlung 
auch seitens approbierter Aerzte strafbar ist, während die Fernbehandlung 



ölfi Dr. fiapoand: Entwarf eis ca Gmtetan gegen 

,\Z- VV;\' *« V ;I V ‘ v/ ' V 5 * % / t »${ä& 

■auch wenn sie an anderen Körperteilen nvftreten, vi 
Heber Erregung, »dei iqt Verhütung der Stapfte 
gong d«r Schwangerschaft dieses sollen, 

2. bei Menschen oder Tieres zur Verhütung, Linder 
Krankheifcea, Leiden oder Körpericbädes dienen ec 
teile vier die Ütieiehismengm der Gegenstände od 
■■ ■ . . . ' 

selbst ihnwr nicht anNsdiogt TerrboU'», sondern gege 
im eh reo g«f icbtl leb«» Verfahre*! Gber-s^sen ist. 

Mii itit V.&scfcrftt im Abs, 2 Sr. 1 folgt der 
wie sie teUwoi«? «cto i» einsefaao UM&desrecbtlicben 
sind (Tgl. Veiördftoisg d« Sena?» der freien and Br 
1. Jani 1900, d*s oadiacHe Gteset* vom 30. Angast l$KM 
der Polisei-StriifKepeuboche). Es werden Strafen a 
Jln.irJ.geit oder Anpreisungen von Gegenständen oder tVr 
liehe.» Verhältnissen tu Bestehung stehen, 3a 
}ifusaitr ihre yrifeste Tätigkeit ■■■*&&■£ 

tdtiglstit besonder* notwendig, Die Fassung der 2fr. j 
die Sr. 4 des Ais. 1 im § #■ an. Damit %vfrd auch 
sogenannten Frauenleiden, auf dem insbesondre mit & 
ieltt gegen Afertsiruationsstörungen (Blutjtotknngcn) j> 
Unfag getrieben wird. Aowxdem trijft das Verbot d 
coler An preisen ton Gegenstände*» oder lerfaStren, die 
fi?h"r Schwäche oder zur Jirr&jrrufitvig gafchlvchfUc 
I >t rhüinng (Irr Empfängnis oder cur Brseifigang der Sekt 

Da» Verbot <Ur Ankündigung von Gegenständen 
hüiattg vmt fttiihlceblrh\inkheitoi ist- nickt iUntrflüisifj 
dem Deckmantel ran. Mitteln zur I erhütung geschtiaA 
zur lerhOtwtff dir Empfängnis dngslrßndigt, wie uu 
filr beider fai Zwecke gevigtwj sihd, rdem kann n 

pbhe Ankündigung von ,l\,rb*ntgu»gsatitteln- gegen] G, 

>)ri(rko*nt 

Ab». 2 Nr. 2 stellt 4fe Aofctt» dIfang von G 
Sinne, d. h, Mittel» usw., bei denen die Bestandteil« 
geheirogehalten oder TersebJeiert werden, und von ( 
dm § .8 rc-rgesebcM ■.schwerere VeTgehensetmfie, «i 
der.i ««ästigen sogonaßsten QefeeipjmUte!, deren 
.den Es, t warf* rerbpten ddtdb 1 13 ntu mit 
bedf'Ohi wIrd. \ ■; 

Fs hinn zweifelhaft *rseneihSA, ob ein (,.u. 

• rJod.- xoTHfdttn, i(n laiats'f der .\Vyeim inheit 
dä.cftcdit. Frage, doch ja lejgtfn xe.iii. Einmal ist 
- Bedeutung, ie> u,n *y ,;a? As &bfi ritugrr Aufnu‘rkw.ttnk^(t , 

fntit mit) d**i *p«fd rnachfn iann. " '‘Mtetlh 

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Ptffifftt bmdxirah die l\ 
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die lb rjeüf-r rdii Heilmitteln 'vernäh):■■■ -• • < > ' 

sein. Endlich wird' di« sieh reroplmst. 

sorgfältig zu I Perke zu .ji-hett. In einer rersibh:i,.. 
Ahnahme der Heiimittelre.khii»*, in der • 

für die dfftnüicho GcsundMeit-tp/fegt. 

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snmaienseiznogssrt in dem Sinne, den dies« 
nicht die Bede sein, Aocb i*t es nicht Jeicht, k. 1 
wasserverfabrens oder des ortbopadlscben Verf»!m»ts 
kemtnenden Arten de» Verfahrens assegebexa. Ju 
Gründen, damit das PabUknm weiß, was es ssa 






919 


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Heilgewerbe and dessen erste Beratung Im Beiehstage. 


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des Verfahrens hei der Ankündigung oder Anpreisung geheimgehalten 
oder verschleiert werden. 

Die Vorschriften des Abs. 2 finden keine Anwendung, soweit die An¬ 
kündigung oder Anpreisung in wissenschaftlichen Fachkreisen auf dem Gebiete 
der Medizin, der Tierheilkunde oder der Pharmazie 1 ) erfolgt. 

§ 9. Mit der gleichen Strafe (§ 8) werden bestraft die im § 1 Abs. 1 
bezeichneten Gewerbetreibenden, die vorsätzlich 
1. einem der Verbote des § 8 Abs. 1 oder einer gemäß § 8 Abs. 2, 3 oder 
§ 5 ergangenen (Jnteraagang zuwiderhandeln. 


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*) Statt ,iu ärztlichen, tierärztlichen and pharmazeutischen Fach¬ 
schriften.* 


daß wenigstens im wesentlichen die Art des Verfahren angegeben wird. Denn 
erfahrungsgemäß wird häufig die Ankündigung eines Verfahrens, einer Kur, 
als Deckmantel für den Vertrieb eines Arzneimittels benutzt. Dass die Vor¬ 
schrift auch die Aerzte bei etwaigen Anzeigen auch ausserhalb ihrer Fachpresse 
trifft, ist ohne Bedenken. 

Neben der Angabe der Bestandteile oder der Gewichtsmengen wird eine 
Erklärung oder Erläuterung der Znbereitungsart nicht gefordert werden 
können. Auch wird ein Gegestand der Unterstellung nnter die vor liegende 
Strafvorschrift nicht schon dadurch entzogen, daß der Hersteller auf besonderes 
Ansuchen die Zusammensetzung jedermann richtig bekannt gibt, bei der An¬ 
preisung sie aber verheimlicht. Ein Geheimhalten oder Verschleiern hat nicht 
zur Voraussetzung, daß die Zusammensetzung oder die tatsächlich oder 
angeblich wirksamen Einzelbestandteile für jedermann geheimgehalten werden, 
es genügt vielmehr, wenn das kaufende Pablikam über wesentliche Eigen¬ 
schaften eines Gegenstandes in einem gewissen Dunkel gehalten oder in einen 
irrtümlichen Glauben an eine im besonderen Maße vorhandene geheimnisvolle 
Heilkraft versetzt wird. 

Die Vorschriften des Abs. 1 und Abs. 2 Betzen ein vorsätzliches Handeln 
voraus. Ein fahrlässiges Verhalten unter Strafe zu steilen, besteht kein 
Bedürfnis. 

Für die Zwecke des Entwurfs ist es nicht erforderlich, das Verbot des 
Abs. 2 auch die Aufkündigung oder Anpreisung in wissenschaftlichen Fach¬ 
kreisen auf dem Gebiete der Medizin (einschließlich der Zabnheilkunde), der 
Tierheilkunde oder der Pharmazie auszudehnen. Derartige Ankündigungen 
oder Anpreisungen haben nur einen beschränkten Hörer- oder Leserkreis, so 
daß eine Schädigung des großen Pablikums nicht za befürchten ist. Anderseits 
erscheint es zweckmäßig, die Möglichkeit offen zu lassen, daß die angekündigten 
oder angepriesenen Gegenstände usw. in Fachkreisen bekannt werden, damit 
sie von Sachverständigen dieser Kreise geprüft oder untersucht werden köonen. 
Eine ähnliche Bestimmung besteht bereits in Baden (Gesetz vom 20. August 
1904, betreffend Abänderung des Polizei - Strafgesetzbuchs). 

Die Einschränkung im Abs. 2, it w>nn nicht nach anderen gesetzlichen 
Bestimmungen eine schwerere Strafe verwirkt ist“, ist auf genommen im Hin¬ 
blick auf § 184 des Strafgesetzbuchs, wo nach Nr. 3 derjenige, der Gegenstände, 
die zum unzüchtigen Gebrauche bestimmt sind, an Orten, welche dem Publikum 
zugänglich sind, ausstellt oder solche Gegenstände dem Publikum ankündigt oder 
anpreist, mit Gefängnis bis zu einem Jahre oder mit Geldstrafe bis zu ein¬ 
tausend Mark oder mit einer dieser Strafen, also mit einer höheren Freiheits¬ 
strafe bedroht wird, als sie im § 8 vorgesehen ist. Da die Tatbestände beider 
Strafbestimmungen sich unter Umständen völlig decken können, ist zum Aus¬ 
druck gebracht, dass die Anwendung der härteren Strafvorschrift nicht hat aus¬ 
geschlossen werden sollen. 

Za § 9. In Nr. 1 und 3 des Abs. 1 wird das Zawiderhandeln gegen 
die Verbote beziehungsweise Untersagungen den § 1 Abs. 3, § 2 Abs. 4, § 8 
Abs. 1 bis 8, §§ 4 und 5, in Nr. 2 das in öffentlichen Ankündigungen oder 
Anpreisungen erfolgende Sicherbieten zu den im 9 8 Abs. 1 unter Nr. 2 bis 8 




030 Dr. Raptnanl; Entwarf eines öbbs^m gegen l 

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3. sich jv siaer ascfc § 3 Abs. 1 aot«i Nr, 2 bi« 8 
; 3 Ate- 8„ Suntoraagten Behandlung i» ßffeat! 
olc-t Anpreisungen «bieten. 

A (*■> ■> V^boitn dm $ S Als. Ä /><?<?*• des' § £ _4A*. 4. < 
hattJeJt’ttf-g:- •i ••.':} 'V;'’, ; 'v 

&I ('ina AArua Abs. i Nr. i betekhoetes Haadisi 
ö tritt öefJmgnRstrafc Ua « drei Mteatea 

• Asficodert Mark oder eine dieser Straffte ein. 

§ IO.. 4 ) Mit (Mdatrafe bla am oIciiaadertfSBit; 
werden betraft die, Im f 1 Aba, 1 besefchneteai (Jewer! 

1. die in »lau §§ 1, 19 Torgonchriebene Aaeaige «leb 
o-ier die gem&ft «$j Ate, 1 Tön ihnen gefordert 
oder unrichtig «teilen, 

2. die OeacbiftsbQcher, deren Führung oder Aafb« 
nlüM oder siebt ia der Tom Btmdearate rorg& 
o«T)cbtig iühten oder mheimUchen oder tsi sieht 
Behörde auf deren Verkttgeii aicbt toi legen oder 

§ if. Mit Geldstrafe bis au etabondertftlntsig h 
bestraf^ -wer gegen Entgelt <H&r sonst zur Krretehunt, 
eisen' MeuAsfate ödst .«k fite Wege» eiaer Eraokhelfc, 
Körparjchfcdaas behandelt, ebne data staatlich aner 
eins entsprechende Anzeige steil § I «mattet sit 1 
5 t'af- »**>'»? bestraft, wer gegen Entgeh lei einem -Motu 
ohne da-m mttifit-h mttrHtuW'zu '«rite» ••' 

Di« Towchrlft des Aba, 1 findet keine Auweadui 

• über | 18. 

i... ; A..'.. : 

and Aba. ^ 8 rerbotenea Handlungen -— mit Auen») 
Ate. i erledigte» Fanjbebaadle»g~- unter Straf* g« 
tVwd das öffentlich« Erbieten xu den Bobaadin« 
das ¥ -3 Ate. 1 mit Strafe belegt, no maß toigewel» 
br.em.»li< , u der S&todiuagnartea, welch« der Bandes 
des ‘g-S »’fcfhoten bet, ' : ; 

d b«). 2 eiebt eine geringer bemessene Strafe g«g< 
der »it Nrl teneichnftlen Art rot. 

Hb % 10. Die Strafeom-hriften -im § 10 lszte>c< 

hierttst Kr<j.nkenbth(tndlern in den 0 i, 2 und i& aut 
AfKi-ffii tio-r gewisse Verh&llmmt &*«■ hririd‘e .iert&ßfef. 
'■rrttht.t,i ».**</'pur Buchführungden erforderfiehti* '$tß. 

5S«i § 11. § il enthalt eiue SooierrQt»ch 
btetö« soif, der gelegentliche« Kurpfuscherei eatgegt: 
rrueü d« i’tnit greifen soll, wo sich dk Öesroebaosi 
liiif., zu befürcht?* ist, dass die Kurpfuscher 

fu>:?t wt st.-et Vorwände, 'sie C-bten die Berandttinn 
nicht v-»i • ismässiff amt, versuchen werden, sieh der 
*.*• der KufutMrf btmttec6$ t zu entziehen. Der SUiCtemT 
b«Jrr>n und es würde eine starke Vermehrung di^ Sl 
vs bt-awefK sein, wenn sie TöUig etraüos ihrer 
kfisötou. 'IcnmerMn wird, eine niedrigere Straf e ftir 
duakör'ivirift des § 11 werden in der Regel, *1, 
<3. li. m tebaadeifc ein Tierkurpfascher, der di©®; 1 
gwlrgterild. Menschen) die im g 1 Abs. 1 be&ajyater 



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Hellgewerbe and dessen erste Beratung im Beichstage. Mt 


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wegen Gefabr im Versag Aber nommen and nar so lange lortgelAbrt worden 
ist, bis Hilfe von einer staatlich anerkannten Person geleistet werden konnte. 

Ist die Behandlung eine Bolche, die den im g 1 Abs. 1 beseichneten 
Gewerbetreibenden nach § 3 verboten ist, so kann neben der Strafe aal Ein« 
siehang der sar Behandlung gebrauchten oder dasu bestimmten Gegenstinde 
erkannt werden, sofern sie dem Tater oder einem Teilnehmer gehören. 

§ 12. Inhaber einer ausländischen staatlichen Anerkennung, die im 
Ausland wohnen, unterliegen der Strafbestimmung des § 11 nicht, wenn sie auf 
Aufforderung die Behandlung einzelner Fälle im Inland übernehmen, jedoch 
kann der Reichskanzler mit Zustimmung des Bundesrats anordnen, dass gegen 
Angehörige eines ausländischen Staates ein Vergeltungsreckt angewendet wird. 

unterliegen. Ebenso werden Personen, die im Besitz einer staatlichen Anerken¬ 
nung sind, nur ausnahmsweise unter die Strafbestimmung fallen. 

Schon in der Begründung zu § 1 ist hervorgehoben, dass die Schwanger¬ 
schaft weder als Krankheit noch als Leiden oder Körperschaden anzusehen ist . 
Es würde danach den Hebammenpfuscherinnen gegenüber der § 11 ebensowenig 
wie eine andere Bestimmung des Entwurfs anwendbar sein. Ein Bedürfnis nach 
einer Strafbestimmung für die nicht nachweisbar gewerbsmässig Geburtshilfe 
treibenden Pfuscherinnen ist aber unleugbar vorhanden, werden doch in manchen 
Gegenden, zumal im Osten des preussischen Staatsgebiets , mehr dis die Hälfte 
der Geburten von Pfuscherinnen besorgt . Die Aufnahme einer besonderen Be¬ 
stimmung erschien daher erforderlich . 

Die Strafbestimmung des Satzes 1 richtet sich gegen diejenigen, denen aus 
der Behandlung ein Vermögensvorteil erwächst, und zwar ohne Unterschied, ob 
es sich um einen unmittelbaren oder mittelbaren Vermögensvorteil handelt . Hier¬ 
durch wird bewussterweise den Arzneimittelhändlem, und zwar auch dann, wenn 
sie für die Behandlung von Kranken sich nicht bezahlen lassen, sondern durch 
den Verkauf von Arzneien an sie einen Verdienst erzielen wollen, die Ausübung 
der Heilbehandlung in Verbindung mit ihrem Hauptgewerbetriebe tatsächlich 
unmöglich gemacht . Denn wenn sie, um der vorliegenden Strafbestimmung zu 
entgehen, gemäss § 1 ihren Gewerbebetrieb als Heilbehandler anmelden wollen, 
würden sie zufolge der Vorschrift in § 4 ihren Kunden keine Arznei abgeben 
dürfen . 

Durch die Ausnahme im Abs. 2 soll verhütet werden, daß in Notfällen, 
wenn z. B. ärztliche Hilfe aus besonderem Anlaß nicht oder nicht sofort zu 
haben ist, aus Furcht vor einer etwa nachfolgenden Bestrafung eine au sich 
nicht unsachgemäße Hilfe, z. B. Wiederbelebungsversuche, Anlegung von Not- 
verbänden, Stillen von Blutungen usw., unterbleibt. 

Der Abs. 8 ist dem § 40 des Strafgesetzbuchs nachgebildet, der be¬ 
stimmt, daß Gegenstände, welche ...... zur Begehung eines vorsätzlichen 

Verbrechens oder Vergehens gebraucht oder bestimmt sind, sofern sie dem 
Täter oder einem Teilnehmer gehören, eingezogen werden kOnneo. Während 
danach bei den im g 9 unter Nr. 1 vorgesehenen Zuwiderhandlungen gegen 
die Verbote bezw. Untersagungen des § 8 des Entwurfs die Möglichkeit gegeben 
ist, die Gegenstände, welche zur Fernbehandlung, zur Behandlung von Ge¬ 
schlechtskrankheiten usw. gebraucht oder dazu bestimmt sind, zur Einziehung 
zu bringen, soweit sie dem Täter oder Teilnehmer gehören, ist dies bei einer 
Zuwiderhandlung nach § 11, die sich nur als Uebertretung darstellt, nicht 
ohne weiteres der Fall. Es bedarf deshalb einer ausdrückliäen Bestimmung, 
um auch bei solchen Zuwiderhandlungen die erwünschte Einziehung zu 
ermöglichen. 

Zu § 12. Vielfach kommt es vor, dass im Ausland wohnhafte Inhaber 
einer ausländischen staatlichen Anerkennung, besonders Aerzte, die sich auf be¬ 
stimmten Gebieten der Medizin, sei es in der Stellung der Diagnose oder als 
Operateur oder sonstwie eines besonderen Rufes erfreuen, zu inländischen Pa¬ 
tienten zur Vornahme einer Untersuchung, einer Operation oder zu ähnlichen 
Zwecken gerufen werden. Es würde eine ungerechtfertigte Härte sein und den 
inländischen Patienten zum Nachteil gereichen, wenn diese ausländischen Personen, 
sobald sie in EinzdfäUen und gegen Entgelt eine Heilbehandlung in Deutsch- 




92a 


Or. Rapmund: Entwurf eines Gesetzes gegen Mißetände im 


§ 18. Mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Hark oder mit Haft wird 
bestraft, wer 

1. einer Verkehrsbeschrlnkung oder einem Verkehrsverbote (§ 6 Abs. 1, 2) 
oder dem Einfuhrverbote (§ 6 Abs. 8) zuwiderhandelt, 

2. Gegenstände, die von solchen Verkehrsbeschränkungen oder Verboten 
betroffen sind, Öffentlich ankündigt oder anpreist. 

Ist der Verkehr oder die Einfuhr verboten, so kann im Palle der Nr. 1 
neben der Strafe auf Einziehung der Gegenstände erkannt werden, sofern sie 
dem Täter oder einem Teilnehmer gehören. 

§ 14. Ist in den Fällen der § 11, 18 die Verfolgung oder die Ver¬ 
urteilung einer bestimmten Person nicht ausführbar, so kann auf die Einziehung 
selbständig erkannt werden. 

§ 15. Der Öffentlichen Ankündigung oder Anpreisung im Sinne dieses 
Gesetzes ist es gleich zu achten, wenn gegenüber einem größeren Kreise von 
Personen Empfehlungen, Anerkennungen, Gutachten, Danksagungen oder 
ähnliche Aeußerungen verbreitet werden oder auf solche Aeusserungen ver¬ 
wiesen wird. Dasselbe gilt von Mitteilungen an einzelne Personen, wenn der 
Mitteilende sich zuvor öffentlich zur Auskunft erboten hat. 

Diese Vorschriften gelten nicht für Berichte über die Verhandlungen 


land ausüben, ohne dass einer der Ausnahmefülle des §11 Abs. 2 vorliegt, den 
Straf vor Schriften des § 11 unterfielen. Dem beugt die Bestimmung des § 12 
dadurch vor, dass sie die Inhaber einer ausländischen staatlichen Anerkennung 
in solchen Fällen der Straf Vorschrift des §11 entzieht. Es soll aber die Mög¬ 
lichkeit geschaffen werden, die für die Ausländer vorgesehene Vergünstigung, 
soweit ein Bedürfnis dazu sich zeigen sollte, durch ein Vergeltungsrecht einzu¬ 
schränken. Die Fassung ist dem Artikel 31 des Einführungesetzes zum Bürger¬ 
lichen Gesetzbuch nachgebildet. 

Zu § 18. Die Vorschrift des g 13 soll den vom Bundesrate gemäß § 6 
verfügten Verkehrsverboten bezw. dem daselbst ausgesprochenen Einfohrverbots 
die nOtige Nachachtung sichern. 

Auch hier bedarf es wie im g 11 einer besonderen Bestimmung, um die 
verbotswidrig eingeführten, die feilgehaltenen und die zum Verkaufe vorrätig 
gehaltenen Gegenstände, wenn ein solches Verbot vom Bundesrat ausgesprochen 
ist, einziehen zu kOnnen. 

Gemäß dem Zwecke des Entwurfs, der mit den Geheimmitteln usw. be¬ 
triebenen Reklame nach Möglichkeit entgegenzutreten, bedroht der § 18 auch 
diejenigen mit Strafe, welche Gegenstände, die von Verkehrsverboten oder 
Verkehrsbeschränkungen gemäß g 6 betroffen sind, Öffentlich ankündigen oder 
anpreisen. 

Zu § 14. Die Vorschrift des g 14 ist eine Folge der Zusätze zu des 
|g 11 und 18. Es erschien geboten, entsprechend der Vorschrift im g 42 des 
Reichs-Strafgesetzbuchs auch dio Zulässigkeit des sogenannten Strafverfahrens 
auszusprechen. 

Zu g 15. Schon in der Begründung zu § 7 ist anf die Art der Bn- 
klame hingewiesen, die darin besteht, daß in Zeitungen und sonstigen Öffent¬ 
lichen Blättern vielfach Atteste, Empfehlungen, Anerkennungen und Daak- 
sagungen angeblich geheilter Personen, gutachtliche Aeußerungen über die bei 
Anwendung der betreffenden Mittel angeblich erzielten glänzenden Erfolge siefc 
abgedruckt finden, ohne daß diese Angaben tatsächlich begründet sind. Um 
etwaige Zweifel, auch in der Rechtsprechung, zu beseitigen, ist im Batworf 
besonders zum Ausdruck gebracht, daß auch solche Anzeigen der Öffentliches 
Ankündigung oder Anpreisung im Sinne des Gesetzes gleichgeachtet sind and 
soweit das Öffentliche Ankündigen und Anpreisen mit Strafe bedroht ist, gleich¬ 
falls den Strafbestimmungen unterliegen. 

Unter § 15 fällt auch die Beigabe von prahlerischen Empfehlungen, voa 
Danksagungen und Attesten der vorbezeichneten Art bei der Verabfolgung 
der betreffenden Mittel oder Gegenstände, ferner die sogenannte indirekt« 



928 


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Heilgewerbe and denen erste Berntang im Beiebetnge. 


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wissenschaftlicher Fachkreise auf dem Gebiete der Medizin, der Tierheilkunde 
oder der Pharmazie. 

§ 16. Welche Behörde in jedem Bundesstaat unter der Bezeichnung 
zuständige BehSrde za verstehen ist, wird von der Zentralbehörde des Bandes¬ 
staats bekannt gemacht. 

§ 17. Inhaber einer ausländischen staatlichen Anerkennung als Arzt 
Zahnarzt oder Tierarzt kann unter den vom Bundesrats bestimmten Voraus¬ 
setzungen der Reichskanzler im Einvernehmen mit der Landeszentralbehörde von 
den Vorschriften des § 2 und des § 3 Abs. 1 Nr. 3 bis 8 befreien . 


Beklame, die darin besteht, dafi auf Broschliren, Druckschriften nsw. aasdrück« 
lieh Bezug genommen wird, in denen die betreffenden Mittel oder Gegenstände 
näher bezeichnet sind and ihre wirkliche oder angebliche Heilkraft behauptet 
and erläutert wird. Als öffentliche Ankündigung wird ebenfalls angesehen 
werden müssen eine Anpreisung in öffentlichen Vorträgen , desgleichen eine Ver¬ 
breitung der Flugschriften in der Art, dafi sie in die Häuser getragen oder 
durch die Post versandt werden. 

Vielfach benutzen die Geheimmittelhändler bei der Ankündigung und An¬ 
preisung auch Mittelspersonen. Es erscheinen in den Zeitungen usto. Anzeigen, 
in denen Personen aus angeblicher Menschenliebe, aus Dankbarkeit usw. sich 
bereit erklären, unentgeltlich oder gegen Erstattung der Portokosten mitzuteilen, 
wie sie von irgend einem Leiden befreit sind. Den Anfragenden wird dann ein 
bestimmtes Heilmittel oder eine bestimmte Heilmethode, die angeblich Hilfe ge¬ 
bracht hat, empfohlen . In solchen Fällen würde ohne eine besondere Bestimmung 
ein Einschreiten gegen die Inserenten wegen Mittäterschaft beziehungsweise soweit 
Vergehen in Betracht kommen, auch wegen Beihilfe meist nicht durchführbar 
sein, da nur selten der Beweis zu erbringen sein wird, dass sie mit dem Heil¬ 
behandler, dessen Mittel oder Heilmethode sie dem Anfragenden empfehlen , in 
Verbindung stehen , sei es, dass sie in dessen Auftrag oder auf seine Veranlassung 
oder mit seiner Zustimmung das Inserat erlassen haben. Um aber gleichwohl 
den in Rede stehenden Annoncen entgegenzutreten, ist vor geschrieben, dass auch 
Mitteilungen an einzelne Personen der öffentlichen Ankündigung oder Anpreisung 
im Sinne dieses Gesetzes gleichgeachtet werden sollen, wenn der Mitteilende sich 
öffentlich zur Auskunft erboten hat. 

Im § 8 Abs. 3 ist bestimmt, dass die Vorschriften des § 8 Abs. 3 keine 
Anwendung finden auf die Ankündigung und Anpreisung in gewissen wissen¬ 
schaftlichen Fachkreisen. Das Publikum hat ein Interesse daran, über die Ver¬ 
handlungen solcher wissenschaftlichen Fachkreise unterrichtet zu werden. Es ist 
deshalb, um Zweifel auszuschliessen, besonders zum Ausdruck gebracht, dass für 
Berichte über solche Verhandlungen die Bestimmungen des § 15 nicht gelten sollen. 

Zu § 17. Im § 12 ist eine Ausnahmebestimmung für solche im Ausland 
wohnende Ausländer vorgesehen, die sich im Besitze einer staatlichen Anerken¬ 
nung ihres Heimatstaats befinden und in vereinzelten Fällen gegen Entgelt im 
Deutschen Reiche zur Uebernahme einer Heilbehandlung an Menschen oder Tieren 
veranlasst werden. Der §17 schafft eine weitergehende Ausnahme für solche 
Inhaber einer ausländischen staatlichen Anerkennung, die in Deutschland bisher 
anstandslos gewerbsmässig die Heilbehandlung an Menschen oder Tieren ausge¬ 
übt haben oder nach Inkraftreten des Gesetzes ausüben wollen. Es wird dabei 
nicht unterschieden zwischen Inländern und Ausländem, sondern die Vorschrift 
bezieht sich auf alle Inhaber einer ausländischen staatlichen Anerkennung, also 
auch auf die Inländer, die nicht in Deutschland, sondern im Ausland die staat¬ 
liche Anerkennung erworben haben. Alle diese Personen würden, wenn nicht 
für sie eine Ausnahme vorgesehen würde , mit dem Inkrafttreten des Gesetzes 
dessen Beschränkungen in vollem Umfang unterliegen. Das ist rieht geboten, 
würde auch für zahlreiche Inhaber der ausländischen Approbation eine Härte 
enthalten, die um so weniger an gezeigt ist, als unter diesen Personen sich manche 
befinden, die vermöge ihrer Ausbildung, ihrer Kenntnisse, Geschicklichkeit usw. 
den im Inland Approbierten nicht nachstehen und deren Behandlungsweise auch 
bisher zu keinerlei Beschwerden oder Anständen Veranlassung gegeben hat. Es 
kann deshalb auch nicht aus gesundheitlichen Rücksichten gefordert werden, dass 




; W. % > $ % 

'TgJt TL •, J 1 



994 Br. Bapunnf: Entwurf eine» Gesetzes feget 

§ 18. Die lnadesrechtiichen Vorschrift* n ftbsT 
gewerbea ohne staatliche Anerkennung sowie Über 
Anpreisung ton Gegenstände« der Im | 6 besfcieht 
fahren, die rar Verhütung, Linderung oder flefisng 
oder Kdrjwrachadcn der Menschen oder Tier« dienen t- 
’fe;;/V-- v:; Unberührt bleilm die kmüegreehtliehin forscht 
erkannten J Tilfspersogen des Gesundheitswesens tim 
schreitend* Tätigkeit: auf dem Gebiete des Beilgemrbc. 

§ 19. Die vOn dem Deutschen Beicfar mit m 
schlosserten Verträge 'Uber die gegenseitig* Zulassung i 
heften Medizinalperxonen .zur Aasrüb\mg der ''Berit fU 
Vorschriften dieses Gesetzes nicht berührt. 


sie wie Kurpfuscher behandelt und bezüglich der Au 
Schränkungen und sachlich nicht ulkigen JBelästigu 
Deshalb ist vorgesehen-, dass sie unter gewissen Vora 
Vorschriften des Gesetzes auf Antrag befreit werden 

Uebcr die Erteilung der Einzeldispense kann f 
sondern nur der Beickslaasltr im Einvernehmen- r 
härde entscheiden. Immerhin ist es- im Interesse der 
habung der Bestimmung erwünscht, dass gewisse Gm 
die für di« Entscheidung über die Anträge auf j 
dienen sollen. Die Aufstellung dieser' Grundsätze A 
fallen. Di* Befreiung soll steh einmal auf die Vu 
und ferner auf die im § d Sr~ bis & aufgtzählfei 
von weiteren Yorsushriftm des Entwurfs, insbesonderi 
bthandlung und der Behandlung mittels mystischer 
Rücksicht auf die Inhaber einer auÜündUvfum stau 
Das gilt ferner von der im § 1 und im § JB W 
ebenso von dem im § 4 ausgesprochenen Verbote dm 
auch in Deutschland im allgtfneinm für die approf 
'dm Tierärzten bezieht. Die Vorschriften des § : 
Gewerbebetriebs müssen aber auf die Inhaber austä?, 
deshalb Anwendung finden, um etwaigen Misset finde, 
ung im Laufe der Zeit ergeben salUen, im Jnteremt 
zu binnen. •-!$!; ' 

Zu | 18 . im allgemeinen Teile der Beg 
hingewieees, dsd die bisher snr Bekämpfong < 
Geheieaartislonwasena avlasaenen laadesrechtlicben 
den gewünschten Erfolg gehabt haben, and dnfi 41 
der Angelegenheit dis Beohtslage nicht na einer 
tfa dies« für die Zakantt na gewährleisten, em 

'■ß.H'-:: A» einzelnen Bundesstaaten sind zur l%rdi7r i 
Beilgehilfen, Krankenpflegern und ähnlichen Bgri 
Grund einer fandest iehtHchen staatlichen ■An&rfr&wn' 
über die Grenze dessen hinausgehen, «rav »lii 

kennung gestattet ist, ausdrückt ich verboten-, jföb“ ■'<&?■ 
sichtHtnassnahm ««, die noch über die BestiotmuMpei 
aufxuheben und ihrem fernereit Erlass -zu vtrhinxl 
rechtfertigt, derartige landesrechiUche Vorschriften 

3a $ 19* Zwischen dem Deutschen Rgichr u. 
Staaten bestehen Verträge über die gegenseitige 
wohnhaften ifedizinalpsr-ionen gi*r Ausübung ti#** / 
der Zweckbestimmung dieser Verträge werde*« tli e 
der in Brtrgchx kvmeacfaii dutfändiechm ßr«Hzrgt«Bi 
kennung (Apjirgbaiio w, PrÜfmpszcvtfm# ousgä&Ttzti-e.' 
und Hebammen gleiehgeachtet. Da das Gesetz &*■' 







Hdlgewerbe und denen erste Bereinig im Beiehstage. 926 

g 20. Dieses Gesets tritt am.in Kraft. 

Din im § 1 Abs. 1 b»zeichneten Gewerbetreibenden, die das Gewerbe 
beim Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits betreiben, sind verpflichtet, die im 
g 1 vorgesehene Anzeige spätestens binnen vierzehn Tagen nach dem Inkraft* 
treten des Gesetzes zu erstatten. 1 ) 

') Diese Bestimmung war früher im g 1 Abs. 2 vorgesehen. 


handler umfasst, die nicht im Besitze einer staatlichen Anerkennung sind, so 
folgt daraus, dass auch die von den einzelnen Verträgen betroffenen ausländischen 
Medizinalpersonen und ebenso die Verträge selbst von den Bestimmungen des 
des Gesetzes nicht berührt werden. Um indessen etwaige Zweifel in dieser Be¬ 
ziehung auszuschliessen, ist die Vorschrift des § 19 aufgenommen. 

Vergleicht man den Wortlaut des jetzigen Gesetzentwurfes 
mit dem des im Jahre 1908 bekanntgegebenen vorläufigen Ent¬ 
wurfes, so wird man mit besonderer Genugtuung anerkennen 
müssen, daß, wie wir später noch sehen werden, fast alle damals 
von Seiten der Medizinalbeamten — namentlich auf der Hauptver¬ 
sammlung des Preußischen Medizinalbeamtenvereins — geäußerten 
Vorschläge und Wünsche mit wenigen Ausnahmen mehr oder 
weniger Berücksichtigung gefunden haben. An dem Grundsatz, 
durch die Vorschrilten des Gesetzes einmal den durch die Kur¬ 
pfuscherei entstehenden Schädigungen vorzubeugen nnd anderseits 
dem Unwesen, mit dem Vertriebe, Ankündigen nnd Anpreisen 
von Geheimmitteln usw. verbunden ist, entgegenzutreten, ist fest¬ 
gehalten und ihm jetzt in der Ueberschrift „Gesetz gegen 
Mißstände im Heilgewerbe“ zutreffender Ausdruck gegeben 
als früher, wo diese „Gesetz betr. die Ausübung der Heilkunde 
durch nicht approbierte Personen und den Geheimmittelverkehr* 
lautete. Schon daraus erhellt, daß der Gesetzentwurf sich auf 
dem Boden des unter den obwaltenden Verhältnissen Erreichbaren 
stellt und von einem gänzlichem Verbot der Kurpfuscherei oder 
des Geheimmittelverkehrs absieht; er will nur die offenkundigen 
nnd die öffentliche Gesundheit in hohem Grade gefährdenden 
Mißstände auf diesem Gebiete beseitigen, im übrigen aber an den 
Grundsätzen der Gewerbefreiheit selbst nicht rütteln. Unseres 
Erachtens genügt dies auch vollständig; denn die Erfahrung in 
anderen Ländern, wo Kurpfuscherverbote bestehen, lehrt, daß dort 
die Quacksalberei in verborgener Weise ebenso üppig,. wenn nicht 
noch üppiger gedeiht als bei uns. Jeder offene Feind ist bekannt¬ 
lich anch leichter zu bekämpfen als der versteckte, ganz abgesehen 
davon, daß bei der Zusammensetzung des Reichstages gar nicht 
auf dessen Zustimmung zu einem derartigen Verbot gerechnet 
werden kann. Daß sowohl in der Ueberschrift, als im Text die 
im vorläufigen Entwurf gebrauchten Worte „Ausübung der 
Heilkunde* durch „Heilgewerbe“ ersetzt sind, ist eine Ver¬ 
besserung, die den Wünschen der Aerzte nnd Medizinalbeamten 
Rechnung trägt. . 

Die ersten Paragraphen des Entwurfs beschäftigen sich ebenso 
wie früher mit der Bekämpfung der Mißstände durch Kur- 




926 Dr. Bapmund: Entwurf eines Gesetzes g« 

pfuscherei; 1 ) die Bestimmungen hat 
wesentliche Abänderungen erfahren, di' 
Medizinalbeamten als unbedingt notwendig 
das Gesetz eine wirksame Handhabe gege 
sollte. Für die betreffenden Personen siD 
Beschränkungen vorgesehen: 

1. Anzeigepflicht bei der zuständig 
mnng t ob Polizeibehörde oder beamteter Arzt (1 
behördc überlassen bloibt; die Anzeige bat sowol 
betriebe«, als bei dessen dauernder oder vorfibe 
binnen 3 Tagen) za erfolgen (§ 1), 

2. Verpflichtung zur Auskanftserteil 
Verhältnisse, insbesondere über ihre Vorbildung, 
neu hiozngefügt — Ober ihre Behandlungsa. 
Geschäftsbüchern, die sie der zuständigen ] 
bloß vorzulegen, sondern nach einzcrticben habet 

3. Verbot eines Hinweises in den Ankttndigi 
auf die ihnen unter Nr. 1 and 2 auferlegten Verj 

4. Verbot der Fernbeh&ndlnng und m 
bei Menschen und Tieren, der Behandlung toi 
Krankheiten, aller Krankheiten und Leiden d 
insbesondere von venerischen Krankhei 
beiten, der Behandlung mittels Hypnose, d 
bungsmittcln, Einspritzungen unter dl 
bahn (§ 3). 

5. Verbot der Abgabe von Arzneien fü 
Menschen oder Tiere sowie der Verweisung 
BezagrqacUcn für die von ihnen verordneten Arj 

6. Verbot aller öffentlichen Ankttnd 
unwahren, Täuschungen über den Wert oder dk 1 
oder Verfahren horvorrufenden Angaben (§ 7) ac 
der unter Nr. 8 genannten Behandlungsarten (§ 1 

Es ergibt sich daraus, daß die voi 
gegenüber dem vorläufigen Entwurf ei 
erfahren baben. So ist die Plliebt für 
mit Recht auch auf die „Behandlang* 
ist so wohl im § 1, als im §2 durch ein 
Kurpfuschern untersagt, in ihren Ankö; 
durch jene Bestimmungen auferlegten \ 
nehmen und sie zn Reklamezwecken ans 
die nach den bisher in dieser Hin sich; 
durchaus gerechtfertigt ist. Die An zeig 
ständigen* Behörde erstattet wer«|< 
behörde“ oder dem „beamteten Arzte ( 
Entwurf diesmal landesreebtlicher Besi 
§§ 1 und 2 würde es aber auf alle FäJ 
beamteten Arzt gesetzlich dazu zu 
in erster Linie die Ueberwachoog 

') Aus der allgemeinen Begrün dxi 
daß die Zahl der Rn»pfoscher in Preußen v 
(In Berlin von 231 (1889) auf 1349 (1907), in 
1207 (1906), in Württemberg von S5 fl J 
ist und zur Zeit auf 12000 im ganzen I) c 
werden kann. Die Begründung bringt dann st! 
helUtcheu ScbSdignrgen durch leichtfertige 
seitens derartiger Personen. 











927 




Hellgewerbe and dessen erste Berntang im Beichstnge. 


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bewehrt tou.^ 
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Jedenfalls ist er weit geeigneter als die Polizeibehörden, etwaige 
Zeugnissen der Kurpfuscher einer sachgemäßen Pr&fang za unter¬ 
ziehen und sich darch entsprechende Rückfragen Auskunft über 
ihre persönlichen Verhältnisse, Vorbildung, Behandlungsart nsw. 
zu verschaffen. Vor allem ist aber von dem beamteten Arzte 
viel mehr als von unteren Polizeiorganen zu erwarten, daß er 
bei Einsicht der von den betreffenden Personen zu führenden und 
ihm vorliegenden Geschäftsbücher das erforderliche Amts¬ 
geheimnis wahrt. Wie wir später sehen werden, ist gerade im Reichs¬ 
tage die Führung und Vorlage von Geschäftsbüchern mit Rücksicht 
darauf bemängelt und mehrfach die Ansicht ausgesprochen, daß 
man den nicht approbierten Personen das Recht und die Pflicht 
des Berufsgeheimnisses ebenso einräu.oen müsse als denAerzten; 
wenn diese Forderung* auch unseres Erachtens viel zu weit geht 
und man dadurch gleichsam den Kurpfuscher dem Arzte gleich¬ 
stellen würde, so erscheint es doch billig, ihnen einen gewissen 
Schatz nach dieser Richtung hin zu gewähren und sie sowohl, 
als die ihre Hilfe in Anspruch nehmenden Personen vor etwaigen 
Mißbrauch der aus ihren Geschäftsbüchern geschöpften Kenntnis 
sicherzustellen. Das dürfte aber am besten in der Weise ge¬ 
schehen, daß untere Polizeiorgane von der Berechtigung, die Ge¬ 
schäftsbücher einzasehen, ausgeschlossen werden und diese Ein¬ 
sicht nur den Medizinalbeamten zusteht. In Wirklichkeit hat 
auch bis jetzt in fast allen Bundesstaaten die Ueberwachung der 
Kurpfuscherei in den Händen der Medizinalbeamten geruht; eine 
Aenderung in dieser Hinsicht eintreten zu lassen, dafür liegt gar 
kein Grund vor. 

Sehr erfreulich ist es, daß der Kreis der Krankheiten, 
deren Behandlung den nicht approbierten Personen nach § 3 
untersagt ist, erheblich weiter gezogen ist wie bisher und jetzt auch 
die Leiden und Krankheiten der Geschlechtsorgane 
überhaupt — also die sogenannten Frauenleiden und nicht bloß 
wie früher die Geschlechtskrankheiten, Syphilis, Schanker und 
Tripper — die gemeingefährlichen Krankheiten sowie 
die Krebskr&nkheiten umfaßt und die Behandlung von 
Einspritzungen unter die Haut und in die Blutbahn, 
soweit sie nicht zur örtlichen Betäubung geschieht, verbietet. 
Außerdem ist das Verbot der Behandlung mittels mystischen 
Verfahrens auf die Tiere ausgedehnt und dem Bandesrat das 
Recht eingeräumt, auch die Behandlung von anderen übertrag¬ 
baren Krankheiten und Tierseuchen zu untersagen. 

Mit dieser größeren Beschränkung des Arbeitsgebietes der 
Kurpfuscher kann man sich vom gesundheitlichen Standpunkte ans 
nur einverstanden erklären; denn es handelt sich gerade hier um 
diejenigen Krankheiten, darch deren unsachgemäße Behandlung 
der größte Schaden nicht bloß für die Kranken, sondern auch für das 
Allgemeinwohl angerichtet werden kann, und anderseits um solche 
Behandlungsmethoden, die lediglich auf Ausbeutung der leidenden 
Menschheit ausgehen. Namentlich ist die Ausdehnung des Ver¬ 
botes auf die Behandlung der gemeingefährlichen Krankheiten 



928 


Dr. lUpmtmd: E&lwaif eiaas Oeselao* gef 

mit Freuden zu begrüßen; man hätte hier 
weitergehen und in dieses Verbot auäi die m 
anzeigepflichtigen Sbartragbarea Kn 
fioileß. Die jetzige Fassung des Gesetzen!, 
über diesen Krankheiten sogar eine Verschi 
zu der früheren Fassung, denn danach j| 
berechtigt aeia> in jedem EmzelfaH» die 
oUtefftÄijen, während jetzt eia allgemeines 
erlövd.^H Üch ißt; ehe ein solches aber erlass 
zahlreichen Fällen das Allgemeinwohl in de 
durch Weiterverschkppttng von den sog. 
geschädigt sein. Wieviele Fälle von 
Xyphni usw. haben schon, zu Epidemien 
ledtgiish weil sie zuerst von Kurpfuscher* 
dessen »ichtzur amtlichen Kenötniagekomo 
sind x«?ar schon Jetzt zur Anzeige dieser 
laagt^r Kenntnis“^verpflichtet sind, sie im 
Anzeige and bleib'ea d&au gleichwohl später 
lieh die Krankheit nicht erkannt haben und f it 
Avegeu ihrer mangelhaften Vorbildung » 
macht werden können. Es empfiehlt sie 
ZuBat.z dem §3 am Schluß wieder einzul 
behöbe wenigstens, so lange ein tilget 
laescit hat, daa Jlechfc besitzt, im Ein ü 
behäödlung zu untersagen, wenn 
körnng des zuständigen Medizinal 
liehe Gesundheit gefährdet ist. 

Aach in bezug auf die Fernb eh an 
insofern eine Aenderung, als er dam 
eigener „Wahrnehmungen“ (statt Uq 
B ehandlung versteht. In der Begründu? 
geeagtd »Der fleilbehandler maß des z 
gehabt und an ihm eigene WahrnebtE 
äinneswahrnehmung zu verstehen ist, g** 
allerdings das Anhören der Klagen und. t 
• hrend eine Untersuchung des Kranit 
bedingt erforderlich ist. Briefliche od< 
fiberbrachte Klagen und Beschwerden e 
fl bigt-ß6n Wahrnehmungen“ nicht ersetz^ 
einer anf Grand solcher Wahrnehmung^ 
Behandlung ist eine weitere gelegent T 
phonisr'he Beratung zulässig, ohne nie i 

sprechen. . d-' V. . v : . v,' ; ; ••• > ” 

Sssfcr wichtig ist die neue Verseil 
nre.bfc approbierten Personen die Ab|^ 
ihre Kunden ebenso untersagt ist wie 
seine besondere Bazugssfcellen, Diaö« 
ebenfalls einer Forderung dör Medizixu 
guog ergibt sich vor allem aus dem. 
Isrtte« das Selbstdispensieren, abgese 




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Heügewerbe and dessen erste Beratung im Reichstage. 


929 


nahmen, grundsätzlich verboten ist, obwohl sie jedenfalls weit 
eher als die Karpfascher in der Lage sind, die Arzneimittel auf 
ihre Güte und Reinheit za prüfen. Dazu kommt aber noch, daß, 
wie iu der Begründung mit Recht hervorgehoben wird, gerade 
die Karpfascher erfahrungsgemäß oft aus der Abgabe von Arznei¬ 
mitteln za nn verhältnismäßig hohen Preisen oder durch Bezeichnung 
einfacher Mittel als Spezialitäten mit hochtreibenden Namen 
Kapital zu schlagen und das Publikum auszubeuten pflegen. Da¬ 
mit, daß im § 4 nicht bloß die unmittelbare Abgabe von Arznei¬ 
mitteln, sondern auch die mittelbare (durch Verweisen an beson¬ 
dere Bezugsquellen) verboten ist, kann man sich nur einverstanden 
erklären, denn sonst würde das Verbot leicht umgangen werden 
können und lediglich ein Schlag ins Wasser sein. 

Die in dem vorläufigen Gesetzentwurf vorgesehenen Be¬ 
stimmungen über die Untersagung des Gewerbebetriebes haben 
keine Abänderungen erfahren; sie sind dem § 35 der Gew.-Ordnung 
nachgebildet und Maßregeln, die von den gesetzgebenden Körper¬ 
schaften inbezug auf den Handel mit Arzneimitteln für nötig erachtet 
sind, werden von diesen auch schließlich in bezug auf die Kur¬ 
pfuscherei für berechtigt anerkannt werden, zumal ja gegen 
etwaige Untersagungsverbote dem Beteiligten die ordentlichen 
Rechtsmittel (Rekurs- und Verwaltungsstreitverfahren) zur Ver¬ 
fügung stehen. Da aber bekanntlich unter den Kurpfuschern ment 
selten geistig minderwertige Personen sind, auch solche, die 
infolge dessen im Strafverfahren auf Grund des § 51 freigesprochen 
sind, so dürfte sich im § 5 Abs. 2 ein entsprechender Zusatz em¬ 
pfehlen, wonach auch diesen Personen die Fortsetzung ihres 
Gewerbebetriebes untersagt werden kann. Dasselbe müßte Per¬ 
sonen gegenüber erfolgen, die wegen Geisteskrankheit 
entmündigt sind: allerdings dürfte dies schon jetzt bei der 
Fassung des § 5 Abs. 1 möglich sein, wenn „Geisteskrankheit 
des Betroffenen die Annahme begründet, daß dadurch bei Aus¬ 
übung seines Gewerbes das Leben der von ihm behandelten Per¬ 
oder deren Gesundheit gefährdet wird. . , 

Ebenso wie die Bestimmungen über die Kurpfuscherei haben 
auch die über das Geheimmittelwesen (§§ 

liehe Zusätze und Abänderungen erfahren. Zunächst ist hier dem 
Bandesrat das Recht eingeräumt, den Verkehr mit Gegen¬ 
ständen, die bei Menschen die Empfängnis verhüten oder die 
Schwangerschaft beseitigen wollen, zu beschränken oder 
zu untersagen, da durch ihre Anwendung nicht nur die Volks- 
gesundheit geschädigt, sondern auch der Geburtenhäufigkeit er¬ 
heblich entgegengewirkt wird. Die Anpreisung diwer Gegen¬ 
stände ist bekanntlich schon auf Grund des Str.-G.-B. § 8 
strafbar; der jetzige Entwarf geht »ber weiter und vnU dra Ver¬ 
kehr damit erforderlichenfalls untersagen. Di«' Notwendigkeitjmd 
Berechtigung einer solchen Bestimmung muß im öffentlichen Interesse 
unbedingt anerkannt werden; das von dem Ba “‘}f 81p j£“ 

Verbot muß dann aber auch die Aasnahmefälle berücksichtigen, 
in denen sich z. B. die Anwendung antikonseptioneller Mittel aus 




f*&f D ', Bipmttud: Entwarf eines Gasetsea göf 


Mckeickten nicht völlig vernäei 
iv:*} A-u'-r-iauag erfolgt. 

jDfr&ft ermächtigt dass- weiter den 
den mit Arzneien u & d A p p a ra 

Katw^^jö: a«. „Mitteln“) und Rüderen 
VitAÄ^&ftit'öderung öder Heilung von Ki 
hni Meßschen oder Tieren 
«ohränkea' oder 'za untersagen, sondern' 
Kräl UKOhgsoiitteli! für Meüsehe 
S&äghmittein, sofern ihre A 
hfeit-ih^iiiädigung befiirehteu läßt, oder«« 
und ÄsabHftuug dar Abnehmer abzietem 
oder mttifibösa werden. Die Ausdehnung 
.B&sckdajkeag aal Kräftigung*- o.i 
mittel e.rycEöiht ebenso berechtigt als g 
7 Di'gfejt«n»'.¥ärtigt t in welcher marktschrt 
! in .den Verkehr gebracht v 
die mit ihrem wirklichen Werte in ac 
stehen. Mit Böeht ist außridoffi hier 
presden“ kinzagefügt, während es frühe] 
Wor<feö“.. Wie za erwarten stand, hat 
hefeiHgien Kreisen der Fabrikanten de; 
hervorgerafenj sie befdrchtec dadurch 
duautieUe Schädigungen, von denen auch 
sourlere die Presse, wegen des Fortfalls zal 
gewvfer AnsoBcen getroffen werden. Diea 
auch mm. der ..chemischen Industrie geti 
der Herstellung von derartigen Mitteln i 
: vergißt dabei aber, daß auch 

die h. die schwindelhaften 

weHfö*Hü Mittel treffen sollen, und da 
nichts Jfeuea bringen, sondern da* 
nnr weiter anabanen, als die bi 

erst la Sfaft getretenen Bundesratsbee 
biete kjtuMgbin gleieh unmittelbar auf 
Öölthng' eiAaltefe Damit wird zwei! 
die Beachtung der Vorschriften und 
mäßlgo Handhabung, Durchführung an< 
der Behörden wesentlich erleichtert, 
auch 'Kanteten,, damit unschädliche, bi 
■ oder Ausbeutung des Pabl 
uaretfoifen bleiben. Ob diese allerdingf 
IdjereiMÄJB' der Fabrikanten ausreichend 
einer oViTgchendeh Prüfung zu unter«: 
eich wo d man wohl der nach §8 Aha. » 
«ndheitaamte zu bildenden \ 
sc'iei 'Vertraue» entgegea bringen köan 
rate m? BeechränkoBg oder Unteraa 
Vorschlag wird, bei denen dies mit 
mein wohl'geboten erscheint; immerhin ■> 







!get HMikii 


i Bo&desnt, mektUtä 
t en (in deDT#Wjt 
Gegenständen, die # 
•ankheiten, Lsidemiää 
dienen nollen, h & 
lach den Verkdu lil 
i oder Tiere ul 
ivondonj eine Gera! 
in eiser ȟf TinKtof 
en Weise ujepn» 
der hier vorgesehaa 
d Siifli J ? ,ll ,j 
boten, wenn Mi ij 



Heilgewerbe und deasen erste Beratnag im Reichstage. 981 

leicht noch eine Ergänzung der jetzigen Bestimmungen nach der 
Richtung empfehlen, daß die Zahl der Kommissionsmitglieder 
durch stimmberechtigte Vertreter, namentlich aus den Kreisen der 
chemischen Industrie, erhöht wird. Eine derartige Forderung ist 
auch bereits von verschiedenen Seiten im Reichstage gestellt 
worden; ihre Erfüllung wird bei der Staatsregierung kaum auf 
Widersprach stoßen. Ebenso erscheint es nicht unbillig, wenn 
gegen eine etwaige Beschränkung oder Untersagung in ähnlicher 
Weise wie bei der Untersagung des Heilgewerbes die Einlegung 
von Rechtsmitteln eingeräumt wird; ein geeigneter Modus wird 
sich hier schon finden lassen. Selbstverständlich dürfte die Ein¬ 
legung keine aufschiebende Wirkung haben. 

Sehr zweckmäßig und dem praktischen Bedürfnis entsprechend 
ist die im § 6 Abs. 2 hinzugefügte neue Bestimmung, daß die 
vom Bandesrate erlassenen Bestimmungen oder Verbote auch 
weiter fortbestehen, wenn bei den betreffenden Mitteln etwa die 
Bezeichnung bei im wesentlichen gleicher Zusammensetzung 
geändert wird. Die Notwendigkeit einer solchen Bestimmung hatte 
sich bereits bei den jetzigen Vorschriften Über den Geheimmittel- 
verkehr ergeben und war deshalb durch Bundesratsbeschluß vom 
27. Juni 1907 hinzugeffigt; sie entspricht also dem geltenden 
Recht. 

Die Strafbestimmungen in den §§ 7—10 u. 13—14 ent¬ 
sprechen im großen und ganzen denen des früheren Entwurfs, so 
daß auf meine Ausführungen zu diesem (s. Jahrg. 1908, Nr. 4) 
Bezug genommen werden kann. Nnr insofern ist eine Aenderung 
eingetreten, als die Höchststrafe im §7 (schwindelhafte 
Ankün di gangen) auf 5000 Mark bezw. ein Jahr Gefängnis 
erhöht, außerdem hier auch eine Strafe für Handlungen aus 
Fahrlässigkeit (3 Monate Gefängnis und Geldstrafe bis 600 
Mark) vorgesehen und dem Gericht die Befugnis eingeräumt ist, 
in dem Urteil dessen Bekanntmachung auf Kosten des 
Schuldigen anzuordnen. Da niedrige Geldstrafen gegen derartige 
Reklamen mit Rücksicht auf die durch den verbotswidrigen 
Gewerbebetrieb erzielten hohen Gewinn erfahrungsgemäß wirkungs¬ 
los zu bleiben pflegen, erscheint ihre Erhöhung begründet und nicht 
minder berechtigt, auch eine Bestrafung bei fahrlässigem Handeln 
eintreten zu lassen; denn sonst wird meist Freisprechung wegen 
mangelnden Beweises des Vorsatzes erfolgen. Ein Mindestmaß 
der Strafen ist ebenso wie früher nicht vorgesehen; es widerspricht 
dies den geltenden Grundsätzen für die Strafbemessung bei 
Uebertretungen und Vergehen, so daß darin im vorliegenden Falle 
keine Ausnahme gemacht werden kann, wenn eine solche auch 
für die wirksame Handhabung des Gesetzes wünschenswert ge¬ 
wesen wäre. Eine Bekanntmachung des Urteils hat 
unseres Erachtens als verschärfte Strafe nur geringen Wert; sie 
dient im Gegenteil nicht selten als wirksame Reklame, so daß 
Jüan auf sie wohl verzichten könnte. 

Neu ist die Strafbestimmung im § 11, wonach auch nicht- 
epprobierte Personen bestraft werden können, die das Heil- 



95 1 Df. E%p®s*4: Eaiwari dstt Ocwucr gfc 

•! •* • v *.*!’ " ;) : '-f/i t:*iv*’,S-V 

gwwerbe gelegentlich w zsr Etmchmi 
teil** '«asftbeo, ohne der vorgeachri 
gesögt za haben, eine Bestimmung, 
weil auch, wie es in der BegrSsdiffig 
sich vie l lach der behördlichen AuMeht m 
Vorwände, die Heilbehandlung siebt ge' 
Ebenso gerechtfertigt Ut das im § U vm 
gewerbsmäßigen Ausübung der 
siebt appro&ierte Personen; es trifft äse 
die allerdings bisher wohl nur «nanakms 
Gebiete betätigt haben. 

% Von den sonstiges Bestimmungen 
▼on denen des rorllüßgen Entwni ft ab-a 
schrift im § 15, wonach die Ackffa 
preisungen dar eh Mittelspersona 
gestellt werden; diese waren bisher 
fassen und werden gerade deshalb in * 
Kurpfuschern und Gebeimmittelfabrik&Df 
benutzt» Daß anderseits unter öffentlic 
Berichte Ober die Verhandlungen wies ei 
kreise auf dem Gebiete der Me« 
künde und Pharmazie fallen (s. § ll 
Vorschrift im § 8 Abs. 8, durch welche 
Anpreisungen new. auf solche in wissen 
auf dem Gebiete der Medizin usw. keine 
könnte vielleicht noch das Gebiet der € 
werden. 

Neu sind auch die Bestimmungen 
mit Rücksicht auf die im Auslände « 
usw.; eie tragen den dafür in Betrac 
punkten und den über gegenseitige Z 
Personen mit den Nachbarstaaten ges 
zweckmäßiger Weise Rechnung. 

Die Frage, ob der Gesetzentwurf 
führ bare und wirksame Handhabe gegen t 
im Baugewerbe bietet, muß vom geenn 
punkte onbediflgl bejaht werden; es hi 
bedauert werden, wenn er vom Reich s 
oder in wesentlich veränderter Form v 
Verlauf der in diesem bereits stattgefa 
des Entwurfs stellt ihm jedoch leider kej 
Alle Redner erkannten allerdings melsj 
h&ndenaeiu von Mißatäoden auf diesem 
Wendigkeit ihrer Bekämpfung an; ein T 
daß die bestehenden Gesetze (Gewerbe 
Gesetz flber den unlauteren Wattb-e 
während ein anderer den jetzigen Zeit y 
des Gesetzentwurfes für ungeeignet hief * 
der Materien: Kurpfuscherei und ö«*b 
sowie die Behandlung von Menschen na cl 



Heilgewerbe ui dessen erste Berstnag in Beiebitege. 938 

zweckmäßig bezeichnet«. Einstimmig sprach man sich, wie zu er¬ 
warten stand, gegen eine Aufhebung der Kurie rfreiheit ans, anch 
von Seiten der beiden ärztlichen Mitglieder des Reichstages 
(Dr. Arning und Dr. Struve) wurde dieser Standpunkt vertreten. 
Wundern muß man sich aber, daß in einer gesetzgebenden Körper¬ 
schaft, . die seinerzeit fast einstimmig den Befähigungsnachweis 
für den Hufbeschlag der Pferde als nOtig befunden und gesetzlich 
sanktioniert hat, Vorschriften, die nur die gröbsten Schäden 
in bezug auf das Kurpfuschertum im Interesse der kranken 
Menschen und ihres Geldbeutels beseitigen wollen, von den 
meisten Rednern als ein unberechtigter Eingriff in die persönliche 
Freiheit bezeichnet wurden; man müsse jedem Kranken volle Frei¬ 
heit lassen, die Hilfe desjenigen in Anspruch zu nehmen, der sein 
Vertrauen besitzt. Dieser Grundsatz ist ja an sich berechtigt, 
man soll dann aber auch konsequent sein und ihn nicht ver¬ 
leugnen, wenn es sich bei der Reichsversicherungsordnung um 
die Einführung der freien Aerztewahl handelt. Dann 
heißt es aber: Ja, Bauer, das ist etwas ganz anderes! Der Abg. 
Dr. Arning hat durchaus Recht, wenn er am Schluß der Verhand¬ 
lungen behauptet, die Kurpfuscher seien in diesen weit gnädiger 
als die Aerzte behandelt. Von Wohlwollen gegen den ärztlichen 
Stand war jedenfalls in den Verhandlungen wenig zu spüren, 
wohl aber das Bestreben, die Sünden der Kurpfuscher sowie die 
großen Schäden durch das Geheimmittelunwesen mit dem Mantel 
der Liebe zuzudecken und die angeblich hervorragenden Leistun¬ 
gen der Naturheilkunde und ihrer Begründer wie Prießnitz, 
Kneipp, Schrott usw. ins helle Licht zu stellen. Ihnen und 
ihren Jüngern, namentlich der ausgedehnten Aufklärung des 
Volkes durch die zahlreichen Natnrheilvereine über gesunde Er¬ 
nährungsweise usw. wurde großes Lob gesungen, dem ärztlichen 
Stande dagegen der Vorwurf gemacht, sich wenig oder gar nicht 
um die Aufklärung der Bevölkerung gekümmert und lediglich 
aus Konkurrenzneid all seinen Einfluß geltend gemacht zu haben, 
um die Regierung zur Einbringung des Gesetzentwurfes zu ver¬ 
anlassen. Dabei sollte doch gerade der Reichstag wissen, daß die 
Regierung wegen der schonen Augen der Aerzte keinen Finger 
auf diesem Gebiete gerührt hätte, sondern dass sie es lediglich 
getan hat, um unhaltbaren Mißständen, die an dem Mark des 
Volkes zehren, endlich einmal mit wirksamen Waffen entgegen¬ 
zutreten. Nicht minder sollte man im Reichstage wissen, daß 
es anderseits gerade die Aerzte gewesen sind, die seit Jahrzehnten 
mit Wort und Schrift in der tatkräftigsten Weise für die 
wichtigsten Massregeln auf dem Gebiete der öffentlichen Gesund¬ 
heitspflege: Verhütung der Krankheiten und Hebung der Wider¬ 
standsfähigkeit unseres Volkes, eingetreten sind und dass wir 
gerade ihren Bemühungen und Forschungen nach dieser Richtung 
hin Erfolge zu verdanken haben, denen gegenüber die angeblichen 
Leistungen der Naturheilkundigen zu einem Nichts zusammen¬ 
schrumpfen. Möge sich das Schicksal des Gesetzentwurfes in der 
Kommission günstiger gestalten, als man nach seiner ersten Lesung 



984 Dr. Bapmund: Entwurf einen Gesetzes gegen Umstände In 

im Plenum annehmen kann; einzelne Abänderungsvorschläge, die 
hier gemacht sind, z. B. Sicherstellung der Diskretion in bezog 
auf die Angaben des Geschäftsbuches, Untersagung der Ausübung 
des Heilgewerbes seitens Personen, die wegen Geisteskrankheit 
entmündigt oder im Strafverfahren freigesprochen sind, Erweite¬ 
rung der Kommission im Reichsgesundheitsamt durch stimm¬ 
berechtigte Vertreter aus der beteiligten Industrie, Zulassung 
des Rechtsmittels gegen etwaige Beachränkungs- und Untersagungs¬ 
verbote auf Grund des § 6 usw. verdienen unzweifelhaft Berück¬ 
sichtigung; auch dürfte sich mit Rücksicht auf die Zeitungs¬ 
redaktionen eine Bestimmung empfehlen, die für diese — nicht 
für die Auftraggeber — erst dann eine Bestrafung eintreten läßt, 
wenn sie behördlicherseits auf die Unzulässigkeit der Aufnahme 
einer Ankündigung usw. aufmerksam gemacht sind; ein Verfahren, 
das jetzt bereits von der Zentralinstanz durch besondere Verfügung 
angeordnet ist und wesentlich dazu beigetragen hat, den Zeitungen 
gegenüber die scheinbaren Härten der z. Z. geltenden Vorschritten 
zu beseitigen. Trotz aller Schwierigkeiten wird dann hoffentlich 
ein brauchbares Gesetz Zustandekommen! 

Nach dem Ergebnis der ersten Sitzung der Kommission 
haben sich allerdings die Aussichten auf Erfüllung dieser Hoffnung 
nicht gerade gehoben; es wurden hier zahlreiche Auskünfte 
— womöglich bis zum Wiederzusammentritt des Reichstages nach 
Neujahr — erbeten, deren Erteilung immerhin einige Zeit bean¬ 
sprucht. Es wurden namentlich verlangt: 

1. Eine Uebersicht Ober die in den letzten zehn Jahren rechtskräftig 
erfolgten Verurteilungen gegen approbierten Personen (Aerzte) auf der eines 
und gegen nichupprobierte Personen auf der anderen Seite. 

2. Eine Uebersicht über die Ansbreitnng der Geschlechtskrankheiten in 
Deutschland resp. in Preußen und den übrigen Bundesstaaten. 

8. Eine Uebersicht, welche mystischen Verfahren in Deutschland zur 
Anwendung gelangen, ob Einzelheiten über die Verbreitung dieser Verfahren 
festgestellt sind, und welche, und ferner, auf welche Volksschichten sich die 
Verbreitung erstreckt. 

4. Auskunft über die bisherigen Grundsätze bei der Einreihung von 
Präparaten in die Geheimmittelliste sowie darüber, in wie vielen der Fälle 
von den Erzeugern Einwendungen gegen die Aufnahme ihrer Präparate ln die 
Geheimmittelliute erfolgt, sowie in wie vielen Fällen diese Einwendungen Kr* 
folg gehabt haben. 

5. Uebersicht über die Anzahl der in Deutschland praktizierendes 
homöopathischen Aerzte und ihro Verteilung auf die einzelnen LnadesteUe 
und die Bevölkerungszshl. 

6. Uebersicht über die Anzahl der approbierten Aerste, die speziell 
sich als Vertreter des physikalisch - diätetischen Heilverfahrens bezeichnen, 
Ihre Verteilung auf die einzelnen Landesteile und die Bcvölkerungstahl. 

Die Vertreter der Staatsregierung haben die Beantwortung 
der Fragen zugesagt; dies düifte betreffs der Fragen 2—6 wohl 
kanm anf Schwierigkeiten stoßen; ob aber auch die unter Nr. I 
erbetene Uebersicht sich in so schneller Zeit heratellen läßt, 
erscheint ziemlich zweifelhaft. 

Wir lassen znm Schluß die betreffenden Verhandlungen 
des Reichstags auf Grund des stenographischen Berichtet 
folgen: 



(lKMbhh 


Hallgewerbe und dessen erste Berateng im Beichatage. 


935 


■ Diskretiat ia best 
eagtBg der AwSl«! 
gen Gö&stoitot 
ocfcen lind, W* 
tsant durch it®* 
Indostrie, ZjIw®? 
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«rb»'pS 

ischen ^ 


Staatsminister, Dr. Delbrück, Staatssekretär des Innern, weist zunächst 
darauf hin, daß die Mißstände, welche die Heilbehandlnng Erkrankter durch 
nicht approbierte Personen and der Verkehr mit Oeheimmittein gezeitigt 
haben, wiederholt Gegenstand von Erörterungen and daaernd der Gegenstand 
der Aufmerksamkeit der verbündeten Regierungen gewesen sind; in weiten 
Kreisen wird wohl darin Uebereinstimmung bestehen, daß ein Einschreiten 
gegen diese Mißstände im Wege der Gesetzgebung geboten ist. Seitdem die 
Behandlung Kranker durch die Gewerbeordnung von 1869 ein freies Gewerbe 
geworden ist, hat die Zahl der nicht approbierten Personen, die sich 
mit der Krankenbehandlung befassen, ganz außerordentlich zugenommen; unter 
diesen nichtapprobierten Personen befinden sich aber viele, denen jede Quali¬ 
fikation für einen derartigen Gewerbebetrieb fehlt, and die diesen in der Regel 
nicht im Interesse and zum Segen ihrer Patienten, sondern im Interesse ihres 
Geldbeutels aasüben. Gegen eino Rückkehr za dem vor 1869 bestandenen 
Verbot der Krankenbehandlung durch nichtapprobierte Personen spricht je¬ 
doch nicht nar der Umstand, daß es immerhin mißlich ist, einen Zustand, der 
vierzig Jahro lang bestanden hat, ohne weiteres za beseitigen, sondern vor 
allem anch die Erwägang, daß ein solches Verbot nicht geeignet sein würde, 
den beinahe in allen Bevölkerungsklassea weit verbreiteten Drang einza- 
dämmen, in Krankheitsfällen Rat and Hilfe nicht bei Aorzten, sondern bei 
nichtapprobierten Personen za Sachen. Unter diesen Umständen schien es 
zweckdienlicher, die Krankenbehandiang durch Nichtapprobierte nicht schlecht¬ 
weg za verbieten, sondern sich bei dem Verbot auf bestimmte Krankheiten 
za beschränken, bei denen die Ausübung der Praxis darch nichtapprobierte 
Personen zweifellos za Mißständen and Schäden geführt hat and öffentliche 
Interessen za schädigen geeignet ist. Im übrigen beschränkt sich der Ent¬ 
warf darauf, Vorsorge za treffen, daß der Gewerbebetrieb nichtapprobiorter 
Krankenbehandler einer Kontrolle unterworfen wird. Es ist za diesem Zwecke 
eine Anzeigepflicht vorgesehen, and es ist ferner Vorsorge getroffen, daß die 
Möglichkeit besteht, die Ausübung des Gewerbebetriebes angeeigneten Per¬ 
sonen zg untersagen. 

Betreffs der Geheimmittel hat der Entwarf in erster Linie daraaf 
Bedacht genommen, die Aaswüchse der Reklame in öffentlichen Anpreisungen, 
die sich speziell auf diesem Gebiete breitgemacht hat, za beschränken. Im 
übrigen sieht er die Möglichkeit vor, den Verkehr mit bestimmten Geheim¬ 
mitteln za untersagen. Dio Möglichkeit der Untersagung beschränkt sich nicht 
aaf rein arzneiliche Mittel, sondern erstreckt sich auch aaf Apparate and In¬ 
strumente, welche zur Linderung oder Heilung von Krankheiten oder Ge¬ 
brechen Verwendung finden können. Diese (Jntersagang, die darch den Bandes- 
rat aasgeübt werden kann, soll indes nar erfolgen können, nachdem ein 
geordnetes Verfahren vorhergegangen ist, das sich vor einer aas Richtern, 
Verwaltangsbesmten und Sachverständigen zusammengesetzten, dem Kaiser¬ 
lichen Gesundheitsamt an gegliederten Kommission abspielt, und in dem den 
betreffenden Gewerbetreibenden die Möglichkeit gegeben werden muß, ihre 
etwaigen Einwendungen gegen die beabsichtigte Untersagung darzutun. Im 
allgemeinen soll die Untersagung nur anter der Voraussetzung erfolgen können, 
daß feststcbt, daß die Anwendung der betreffenden Mittel geeignet ist, die 
Gesundheit der Patienten zu schädigen, oder aber daß diese Geheimmittel in 
einer betrügerischen Weise zum Schaden des Publiknms feilgeboten werden; 
nur hinsichtlich des Vertriebes von Mitteln und Apparaten zur Verhinderung 
der Befrachtung oder Unterbrechung der Schwangerschaft ist besonders aus 
volkswirtschaftlichen Erwägungen ein allgemeines Verbot vorgesehen, denn 
während in der letzten Zeit die Bavölkerangaziffor im Deutschen Reich daaernd 
gestiegen ist, ist die Geburtenziffer konstant geblieben. Es muß daher an¬ 
genommen werden, daß die Ursache davon za einem erheblichen Teil in dem 
Bestreben za suchen ist, die Befrachtung künstlich oder willkürlich za ver¬ 
hindern. • 

Der Staatssekretär hofft, daß es gelingen wird, auf dieser Grundlage 
eine Einigang über die endgültige Gestaltung des Entwurfs za erzielen. 

Abg. Dr. Fassbender (Zentram): Die vielfach vertretene Angicht, daß 
der Gesetnentwarf in erster Linie oder ganz ausschließlich im Iateresae der 
Aerzte gemacht werde, lat eia Irrtum. Anderseits ist es unzweifelhaft be- 



m 


Dr. Rtpmund: Eotwarf eine« Q« 


rceUigi, daß, wenn der Staat durch das i 
a*chw«is des Aerzten erteilt, er «aC der 
A’6 Hiebt hat, dem äretlichea Staad ia 
gewi**>in Schau angedeiheu za lasse«, £ 
wenn man dis cngttnsiige Lago eines groi 
Lindeste, ihre hohe Sterblichkeit a&w, ia 
noch begreiflich, daß gerade Aerxte <iro 
i'Ar die leidende Menschheit am besten bn 
■gaa*. vdlMtloeen Sttndpmkta aas ein öes 
ktta*#»-';- Es gibt je-ioch nach ärztliche Kft 
tegea, daß nie geeignet sei, die K> 
dar^h das Oeaeis nebön den approbierte-» A 
appMiviertSf Heilkundiger rechtlich ia die C 
eeorfaat werde. X>cr Sotwarf vor meidet d 
in Ihm eigentlich nur lestgelegt, daß ela A 
soin kann, 'während häufig nach von Arm 
rtrask ,SMpfu*ßfc«r* gebraucht wird, aar c 
Wio'dM, 4** in 4oo Augen der üstreffeodei 
Are Vhtlage einer solchen ÜnkoUegiahtät i 
dliwt ¥>>hr au bßgtöfien; OagmatisDon und 
SrctHshBO ffmsc» sehr groß, Aach bei A 
-werter Kenntnis «der minderwertiger ethl 
Oewbia de« Beüweeerrs entwickeln. Will ta 
bierto« Aerxte erstreben, dann maß als Kor 
zWung Ihr die approbierten Aerztö wieder 
sicherlich nicht wünsche». 

Der Orandgndatiko dos Entwurfs g< 
nischan Dingen, überhaupt mit den Frage» 
länglich Vertraute in seinom 8satr»Ua, •' ? 
zaÖAd/n, yor Ausbeutung der ilaer fahren beit 
(Jarl «sch jedoch nicht au afuem 
heir, nad zwar auf einem so ureigenen GoM* 
ßtaithw., Was aiiea als Mittel zur Geeoüdang i 
io iriatracht kommt, das fit boote tro« aller 
wis!f:*»chaftett und der Msduia noch eine ?i 
die: u> vom Medizin, ist Im lauten dah/baaderi 
Krankheiten angeht, nicht w isoatüch fortgo*< 
*iri i'JüwandtfBg so Tiol Strittige« nouh *a e 
treffen, welche öS jemandem ahoi 
Vs-aMii auch hier da« Heil finden su können. 

Daß eich die Karpfaocherei in den 1 su 
zAngübretial hat und oa aobr ziele zsraifeli 
pi.jy-j?K«r* gibt, jkt »weifeUo»; aber auf der ai 
d *&;«$** dem sogen. »Ijftinnp.rntiiikBTO* 
gibt, « eiche mit ikna angöboronea intaitiren <i 
d-u?«h: ihre P(Mhr ein ErliicckHche« auf im Q 
habe*» und dose« Ai© MAdisin eine ga«e ße 
WW £’rl«öuit*. Msjor ThareBtaod, ßicl 

Ok Vorlage wüt allerdings daa 2j$kj 
«ondcftt for allem die raarktsekreie 
toniX >lae strengere Kontrolle der Laienpr*kl 
war. in die Wege goMust Werden. Das ffkfct 
dMiri gegen Karplascher — .iiit jadoch tmt 
•I'i» {‘»»olikam« Aber die 2fc»tänAe des Körpers, 
llnaiiohkeit, Oofahre« d,»9 Aikohok, Aifkiäf , i r 
K'arpf'isch'ertanjs, sowie *.*C6 Aber gwSe Osbietr 
fiibit und Hygiene. Gejmda die Katarbeilkan 
AiitktlnuiK geleistet äud Aich dadurch ÄnCri 
wo. i, : i. Erziehung zur Gnsundieitl — das 1 
KiviIäb angestrebc Werdau muh; die AnfkÜ 
hört, :i»6 wa größt« Bedeutung ittr die Volk 
»hj. A*fl mna ia weiten Kreisen des Volkes des 





ii 


Heilgewerbe and dessen erste Berntang im Reichstage. 


987 


Befittgnp- 
i tolgenekäg 
Benin an 
ehr ugesägt, 
;uaeiÜKk ter 
idendUBta 
Karpfucierd 
ilge toi tiios 
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fotligt die At* 

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entgegenbringt, and deshalb eine Beschränkung der Karierfreiheit, soweit sie 
eine Aasmerzung oder Bekämpfung der Natarheilmethode nach sich sieben 
würde, nicht erwünscht. Zar Cnarakterisierang der hier herrschenden Strömung 
▼erliest Redner eia ihm zagegangenes Schreiben, in dem darüber Beschwerde 
geführt wird, „daß ein Ausnahmegesetz gegendie Naturhellkundigen geschaffen 
werden solle and diese schlechter als die Aerzte behandelt werden sollen. 
Dos Publikum wende sich nar deshalb an die Natarärzte, weil es mit den 
Medizinern schlechte Erfahrungen gemacht habe. Sterbe ein Kranker in 
der Behandlung eines Natararztes, dann werde dieser gerichtlich verfolgt, 
ein approbierter Arzt aber nicht, selbst bei schweren Vernachlässigungen. 
Die ganze Bewegung gegen die Einschränkung bezw. Aufhebung der Kurier¬ 
freiheit gehe nar von den Aerzten aas; der Entwarf sei ein Gesetz zur 
Wahrung der ärztlichen Berafsinteressen and stehe in schwerem Gegensatz 
za den allgemeinen Volksinteressen*. Redner hat dies Schreiben nur noch dem 
Grandsatz: audiatur et altera pars hier zur Kenntnis bringen wollen; jeden« 
falls müßte alles vermieden werden, was die Bestrebungen zar Verbreitung 
der physikalisch-diätetischen Heilmethode schädigen könnte. Das Ziel der 
Vorlage, gegen Mißstände auf dem Gebiet des Heilgewerbes Torzugehen, 
billigt er ganz und gar. Bedenklich scheint es ihm aber, daß man hier die 
Tier- and Menschonheilkande in einem and demselben Entwarf behandelt hat, 
nicht minder bedenklich sei, daß man iu einem und demselben Gesetzentwarf 
die Frage der Laienpraktiker and die der Geheimmittel ordnen will; auch die 
Interessen der nicht approbierten Zahnärzte, also der Zahntechniker oder 
Dentisten, sind nicht genügend gewahrt. (Sehr richtig!) Es unterliegt keinem 
Zweifel, daß vielfach die Kurpfuscher sich auch mit dem Vertrieb and der An¬ 
preisung von Geheimmitteln beschäftigen, bei der beabsichtigten Bekämpfung 
der Gebeimmittel könne aber der deutschen chemischen Industrie ein 
empfindlicher, vielleicht ihre Ezistens gefährdender Schlag versetzt werden. 

Von den einzelnen Bestimmungen des Gesetzes bemängelt Redner 
dann, daß die Laienpraktiker Geschäftsbücher führen und diese den Be¬ 
hörden (§ 2) voriegen müßten; dem ihre Hilfe in Anspruch nehmenden Pa- 
blikatn müsse bezüglich der Geheimhaltung und Diskretion seines Krankheits- 
zustandes ebenso geschützt sein wie bei Inanspruchnahme von Aerzten (8ehr 
richtig! in der Mitte). Auch das Verbot der Behandlung gewisser Krank¬ 
heiten der Fernbehandlang usw. (§ 3) sei nicht ohne Bedenken, und der 
Begriff „mystisches Verfahren" sehr dehnbar; es könnte z. B. auch 
die Homöopathie darunter fallen. Zu Bedenken gäbe ferner das Verbot zar 
Abgabe von Arzneien (§ 4); manche Medikamente könnten in kleinerea 
Apotheken wegen Mangels der erforderlichen maschinellen Einrichtungen 
nicht her gestellt werden. Mit einem gänzlichen Verbot des Verkehrs mit 
antikonzeptionellen Mitteln (§6) ist Redner völlig einverstanden 
(Bravo!); nicht aber mit einem solchen von Arzneien, Apparaten und an¬ 
deren Gegenständen, die zur Verhütung. Linderung oder Heilung von Krank¬ 
heit, Leiden oder Körperschäden bei Menschen oder Tieren dienen sollen 
— sowie von Kräftigungsmitteln und Säuglingsnährmitteln. — Auch 
sei en bedenklich, alle derartigen Mittel in eine Rubrik zu stellen; Säug¬ 
lingsnährmittel and Kräftigungsmittel für Menschen müßten z. B. von 
einem anderen Gesichtspunkte aas betrachtet werden. Ebenso sei die Be¬ 
stimmung „sofern von deren Anwendung eine Gefährdung der Gesundheit 
za befürchten ist", eine außerordentlich dehnbare; denn selbst größere Men¬ 
gen Kochsalz können unter Umständen beim gewöhnlichen Essen dauernd ge¬ 
nommen Kraakheitserscheinangen hervorrafen. Bei Fassung des § 6 müßte 
jedenfalls große Rücksicht auf die chemische Industrie genommen werden, and 
deshalb der betreffenden Kommission des Reichsgesundheitsamtes nach ein 
Vertreter der chemischen Industrie angehören (Sehr richtig!) 

Nachdem Redner dann noch unter Hinweis auf Pfarrer Kneipp es be¬ 
mängelt hat, daß nach $ 11 auch jemand, der in rein charitativer Welse 
irgend welche Mittel verabreicht hat, bestraft werden kann, schließt er mit 
dem Wansche, daß es der Kommission gelingen möge, die Vorlage sowohl 
den Interessen der tüchtigen Aerzte, wie dem Wohle des hilfesuchenden 
Pablikams zu gestalten (Beifall in der Mitte). 

Abg. Henning, (konserv.): Die Vorlage hat ihre großen Bedenken 



93S 


Dr. Bapmund: Entwarf eines Gesetz 


(Sehr richtig!). Es gibt eine große Zahl i 
keinen Umständen die Laienpraxis in dieser 
wissen wollen, and in dieser Ausschaltung gie 
Eookurreozneidee sehen. Wolle man die Laie 
muff mn fdr die Aerztewelt den Krankenbeao 
ricbüe!) Oie medizinische Behandlung der n 
vom Publikum nicht unbedingt als ein Vorzug 
deutend teurer als die ältere Methode, die m 
anderseits worden oft Mittel als unschädlich t- 
Bild fl iehe verseilwinden, weil sich doch bedenj 
bangen ergeben haben. Olelcbwohi gibt Bedne 
pfu schertums doch Bedenken and Anlaß zti 
gibt. Namentlich ist das nötig gegen dieje* 
der Behandlung von Krankheiten auf sexuell 
d«*m gemeingefährlichen Treiben dieser Heilkün 
ln noch höherem Maße gilt dies betreffs der ^ 
und des Abtreibens. Betreffs der Behandlung 
heitcu, hei denen eine große Gefahr fttr die 
Auch dem Goheimmlttelunwesen muß ein 
§ 6 vorgesehene Kommission ist sehr zweckmäi 
elemant mehr vertreten sein. Desgleichen e 
Interesse der Seuchenbekämpfung unbedingt g< 
aaszuschalten, denn es trägt dazu bei, derartig« 
zu vertuschen und den ordnungsmäßig beruft 
verschleiern oder gar unmöglich zu machen. A 
sebo politischen Freunde sich entschlossen, d 
sie in ihrem Hauptpunkte als vollberechtigt at 
seinen Bestimmungen haben sie jedoch mehre 
die im § 2 angeordnete Buchführung und die 
Bttchof verletzen zu müssen, wodurch dio Ws 

C rdet wird, zumal auch untergeordnete Orga 
Menge Laien in der Provinz und anf de 
behandeln, sind außerdem oft nicht im Stande, 
Mit dem im § 3 vorgesehenen Verbot der 
handlang gemeingefährlicher Krankhei 
einverstanden erklären; der Begriff mystisches 
Daß darunter die sog. Gebetheilung falle, sei etwas 
aus berechtigt, der Behandlung des Handauflegeng 
lieh werde erfahrungsgemäß daB Besprechen in dei 
besonders von Tieren oft mit gutem Erfolge ang 
politischen Freunden bereit, der Vorlage näher 
angelegen sein lassen, diese so auszugestaltei 
Völksgßsundheit und der Pflege des öffentliche! 
wird, anderseits aber auch darauf Bedacht ne 
Leidenden die Möglichkeit gegeben wird, sieb 
er sie wünscht. Diesen Standpunkt solle man 
gegen den höchst ehrenwerten Stand der appi 
großen ganzen sei das Gesetz notwendig, es m 
geschaltet und etwas zustande gebracht werden, 
wirklich zum Nutzen und zum Wohle gereiche 

Abg. Zietsch (Sozialdemokrat): Mit der 
Kurpfuschertums und des tatsächlichen Schwj 
seine Partei völlig einverstanden, sie muß aber 
vom Ausfall der Kommissionsberatnngen abhäng 
gegen die Vorlage erhebliche Bedenken, da di 
Gosst« den Geheimmittelanfag, unter dem beson 
an leiden haben, beschränken will, dann muß 
ffea, die von approbierten Ärzten empfohlen, 
i® gfPmjb ea werden. Vor allem ist aber eine < 
•?riff* Geheimmittel notwendig, die bis jetzt 
;el kann eventuell gesundheitsschädlich sein, 
Kreisen als gesundheitsschädlich ang 




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Heilgewerbe and dessen erste Beratung im Beichstage. 


989 


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Verkehrs mit Abortivraltteln ist nach Ansicht des Verfassers nicht nötig; da 
deren Verwendung schon nach dem Strafgesetsbnch mit Strafe bedroht ist. Für 
ein Verbot des Verkehrs mit antikonzeptionellen Mitteln wttrden volks¬ 
wirtschaftliche, insbesondere der Geburtenrückgang als bestimmend angelührt; 
der Haaptarsache des Geburtenrückgangs sei jedoch nicht in der Anwendung 
solcher Mittel, sondern in den ungünstigen wirtschaftlichen Verhfiltniasen 
der Arbeiterbevöikerung zu suchen. Bedner bemängelt dann weiter die 
Blankovollmacht, die im § 6 dem Bundesrat gegeben werde, und das Fehlen 
einer Deklaration des Begriffs „Kurpfuscher“. Nach seiner Auffassung ist 
derjenige ein Karpfoscher, der die Heilkunde ausübt und dabei Verrichtungen 
übernimmt, deren Ausführung er nicht gewachsen ist, während nach der 
Begierungsvorlage jede nicht approbierte Person als Kurpfuscher angesehen 
werde. Eine solche Auffassung m5ge wohl vom 8tandtpunkt des Arztes 
berechtigt sein, aber nicht von Seiten der Begierung, sie sei eine Beleidigung 
vieler Tausender von Leuten, die in ehrlichstem Bestreben die Heilkunde 
ausüben. Auch in der Beichsregierung hat es schon Leute gegeben, die nicht 
durch die zunftmäßige Schule der Diplomatie oder über die 8prossen der 
Beamtenleiter hinauf zu den höchsten Posten geklettert sind (Heiterkeit). 
Der eigentliche Zweck des Gesetzes scheint die Aulhebung der Kurierfreiheit 
nu sein, wenn auch angeblich nur die ärgsten Mißstände eingeschränkt werden 
sollen. Man braucht sich die Bestimmungen der §§ 2 und 3 nur anzusehen, durch 
die in der Praxis die Kurierfreiheit tatsächlich aufgehoben wird. Durch die Be¬ 
stimmung, daß die Heilkundigen ein Krankenbuch führen und dies den Be¬ 
hörden zur Einsicht vorlegen müssen, wird die Naturheilkunde ohne weiteres 
lahmgelegt. Von dieser Bestimmung werden auch die Zahntechniker und die aus¬ 
ländischen Aerzte getroffen, insbesondere die im Auslande approbierten weib¬ 
lichen Doktoren der Medizin. Das Gesetz dient ferner dazu, die Naturheil- 
künde zu bekämpfen, die doch zahlreiche überzeugte Anhänger gefunden und 
viel positive Arbeit geleistet hat. Das Gesetz ist ein Ausnahmegesetz gegen 
die Naturheilkunde in der schlimmsten Form. Es heifit allerdings seitens der 
Aerzte, daß für sie allein das Volksinteresse maßgebend sei und daß die 
große Zahl der Kurpfuscher und ihre mindere Qualifikation eine Gefährdung 
der öffentlichen Gesundheit bedeuten. Gegen das richtige Kurpfuschertum 
in den Kreisen der Naturheilkundigen wehrt sich aber niemand ärger als die 
Naturheilkundigen selbst, und räudige Schafe gibt es auch unter Aerzten. 
Seit dem Jahre 1901 seien z. B. 72 Aerzte gerichtlich verurteilt, darunter 11 
wegen Sittlichkeitsverbrecben, 5 wegen fahrlässiger Tötung, 10 wegen Körper¬ 
verletzung. Das Gesetz verdankt seine Entstehung lediglich dem Bestreben 
der Aerzte, ihre Privilegien noch weiter auszudehnen. Von jeher haben sie 
sich bemüht, die Kurierfreiheit wieder einzuschränken; auch gegen die Zu¬ 
lassung der Frau zum medizinischen Studium haben sie aus Konkurrenzneid 
bekämpft. Dieser Kampf der Aerzte um ihre Privilegien hat sich gegenüber 
den Krankenkassen fortgesetzt. Obwohl die Aerzte immer das Interesse der 
Volksgesundheit in den Vordergrund schieben, haben sie sich bei ihren Streiks 
gegen die Krankenkassen nicht gescheut, ihre ärztliche Hilfe zu verweigern. 
Wenn die Aufhebung der Kurierfreiheit Platz greifen sollte, dann müßte außer 
dem Kurierzwang als weiteres Korrelat eine gerechte Verteilung der Aerzte 
über das Land gefordert und die Ungleichheit in der Verteilung der Aerzte 
ausgeglichen werden. Es müßte ferner gefordert werden, daß die Naturheil¬ 
kunde in den wissenschaftlichen Kreisen einen größeren Platz bekomme, daß 
sie gelehrt und eventuell ein Stnhl für Naturheilkunde an den Hochschulen 
eingerichtet werde. Es handelt sich aber weniger darum, das Kurpfuschertum 
durch gesetzgeberische Maßnahmen zu bekämpfen, sondern vor allem darum, 
die wirtschaftlichen Zustände zu bessern, dem Volke eine gesunde körperliche 
Grundlage zu schaffen, das Volk aufzuklären über seinen eigenen Körper. 
8chon in den Volksschulen solle mit dieser Aufklärung begonnen werden (Bravo! 
bei den Sozialdemokraten). 

Abg. Müller-Meiningen (fortschr. Volkap.): Meine politischen Freunde 
stehen dem Grundgedanken dieses Gesetzes, dem Kampf gegen den Schwindel 
und der Ersetzung der polizeilichen Willkür durch Schaffung von Beohts- 
garantieu, sympathisch gegenüber. Wir haben selbst wiederholt eine gesetz¬ 
liche Begeluag dieser Materie durch Anträge angeregt Es erscheint mir 


holt eine gesetz- 
Es erscheint mir 



940 Dr. Bapmond; Entwarf eines Qegefca« 


ab Kr die Frage gerechtfertigt, ob der Zeitpi 
artigen GeBetzesvoxlage ein glücklicher ist. 1 
Bizndemrats and der Beicbsregienmg emo g<& 
schäl;Siche Lag«! varlangen. Es ist kein e gl 
daß sie aaa im letzten Abschnitt der letzten 
strittigen and schwierigen Vorlagen aaachi'. 
legislatorische Earpfaecberei entslehesr, die t 
an ihrem Körper spüren klonten. Mhu hätte 
beechr&nkce solle», die ia Zasimmaiih&ag steh 
and der Arbeiterverstehemngiierd&aog. W*« cf. 
trifft, so läßt sich nicht loagceny daß «3»n Stur 
Gebieten häßliche Dk»ött«iüfeße aogenoixuneo tu 
der Fernbabaadloog. der Frachtafetreibaug »o<J 
Hier hat die Bsgiarung sieb auf den richtigen Stau 
aber, ob die vorgeschlagenea gesetzlichen Mitte 
tatsächlich vorhaödouso Mißstasde *a bekümp? 
Gesetz die notwendigen Bechtsgarantien verletzt 
wird die Kommission efnstbalt za prüfen habe 
leiden vor allem an einem Mangel, »n der vcUfc 
der Zuständigkeit des Bamissrats. Wir 
Bandesrata mit aller Schärfe begegnen und von 
vor allem die §§ 8 und 6 dieser Vorlage ins 
wesentlichen das Sichtige. knderBeits wird aber I 
za unlösbare Aufgaben gestellt« Duich daa Verb 
fahren?* werden große pathologische and pathol 
die weit O ber das hinauagehen. was der Bich her ft 
fähigt ist. Im Gegensatz au den Äbg. Hennin 
tuang Aßsdfocfc geben, daß hier einmal der Vers 
lag des Oesandhateos za bekämpfen, der vor alle 
ergriffen hatte. Erfreulich ist es, daß daach di 
Dentisten nlcM anterdcilekt werden kann. Dk Et 
heimmittetverkehr, vor »Hem § 18, sind in de 
radezu anannehmbar. Daß auf dein Gebiete de# i 
gesetzliche Neuordnung dringead notwendig fst, wii 
maßgebenden BandesraUbescblbsHe von 1903 ood 
Dokumente büreaakratischer Willkür, sie ver*(o&ei 
pr&ßgesetz. Es ist doch ein ünlksm der Kdcbsgi 
einen Seite es erlaubt lat*, gewlBee Mittel *a verJianf 
aber verboten ist, sie aasukOodigen. Die Folge dfeer 
war, daß sich eine Industrie von Falsifikates g# 
Lande, sosder« vor »Bern an 4«e Grenzen fies Beiche 
pharmazeutischen ladnsirie eisen noianteren Weitbi 
gemacht hat, und daß eine Reihe g*as oascheldigcf 
heunmittdiiate kam, während aadtsrsolt» .Tsnatnde 'v< 
artiketn ohne weiteres verbreitet werde« kmtto, N 
das GeketoMttelwesea. auf. diese reicbugesetzliche ßw 
§ 6 ist in alioi höchstem Grade anfechtbar, nickt tu, 
dnatria, sondern auch ffir die Aerzfcoweit Letxtfj* wir 
Verbot <tea Verkehrs mit Gegensthsaea, dl»i» Eapf* 
Schwangerschaft beseitigen sollen fAbs. 1 fies § 6), em 
geschädigt. Aehnlloha Bedenken hat last juan weite: 
gegen nleb, die schwersten der zweite Teil desrelbts, 
die unglanbiicbsten Bechte gegenüber der pöarmazentwc 
erhalten soll. Die vielerwahnte Komm ii<*Jon soll b<v 
oder tum höheren Vei-WAlinngsdienst befähigten Bern 
ständigen. Diese Kommission habet) wir ja achoc bene 
bereits einen gewissen Boi erworben. Mit einer sulchen 
aazuiaagen. Die Entscheidung übe; iit Verbot ein«; 
ndastrle produzierten Mittels maß im geordneten Ter 
Verbot maß begründet werden and die Bmtüng in dt 
zulässig aein. Ohne eine solche UiugsstaUnng das ff 
nehmbar. Sehr bedenklich erscheint die Aasdelfiaag der 
itimmangen des Entwurfs &ui die Fahrlässigkeit; es 1 




941 


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Heilgewerbe and denen erste Berntang im Beichstnge. 


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Gefahr der Presse, denn nnch einem Kammergerichtsarteil kann in solchen 
Fällen neben dem strafbaren Inserenten nach der Bedaktear bestraft werden, 
and zwar nach dem Eatwurf mit Gefängnis bis za drei Monaten. Die Presse 
wird nicht nmhin küanen, sich zar Vermeidung solcher Eventualitäten einen 
Geheimmittelspezialisten zuzulegen. Die kleinliche, schikanöse Anwendung 
eines solchen Gesetzes würde die allgemeine Verärgerung über unsere gesamte 
Polizeigesetzgebung ins Ungemessene steigern. Die Partei des Redners ist 
gern bereit, gewisse gefährliche Erscheinungen auf dem Gebiete des Heilge- 
werbes gesetzgeberisch zu bekämpfen, aber es müsse sehr vorsichtig geschehen. 
Er hofft, daß der gute Kern aus der Vorlage in der Kommission richtig 
heraasgeschält wird; aber nicht ein drakonisches Strafgesetz, sondern ver¬ 
nünftige Aufklärung wird nach wie vor das beste Heilmittel gegen schwindel¬ 
hafte Ausbeutung des Publikums sein (Lebhaftes Bravo, links). 

v. Jonqulfcres, Direktor im ReichBamt des Innnern: Die Auffassung 
verschiedener Seiten, als handele es sich hier um ein Gesetz zum Schutze der 
Aerzte, ist grundfalsch. Der Stand der Aerzte ist so ehrenwert, daß er vom 
Begierungstisch nicht verteidigt zu werden braucht. Wenn die Regierung in 
der letzten Zeit auch mit einer gewissen Organisation der Aerzteschaft nicht 
immer einer Meinung gewesen ist und mit ihr Debatten hat führen müssen, 
so steht das der besonderen Wertschätzung, _ die sie diesem Stande entgegen¬ 
bringt, nicht im Wege. Es handelt sich nicht um ein Gesetz zum Schutze 
der Aerzte, sondern zum Schutze der Volksgesundheit. Nicht un¬ 
erfüllte Wünsche bei der Reichsversicherungsordnung haben den Anlaß za 
dieser gesetzgeberischen Aktion gegeben, sondern sie ist seit langer Zeit vom 
Reichsamt des Innern vorbereitet, denn es waren eklatante Mißstände hervor¬ 
getreten. Der Gesetzentwurf richtet sich keineswegs gegen den Stand der 
Naturheilkandigen; selbstverständlich mußte aber der ganzeKreis der nichtappro- 
biorten Personen, darunter die Naturheilkandigen und die Dentisten, gowissen 
Bedingungen unterworfen werden. Eine gesetzlich haltbare Definition für den 
Begrilf des Kurpfuschers läßt sich nicht geben; es blieb nur übrig, zu 
unterscheiden zwischen den approbierten Personen und denen, die sich der 
Approbation nicht unterzogen haben. Die Vorschriften des Gesetzes sind im 
einzelnen so sorgfältig aufgebaut, daß die Naturheilkundigen und besonders 
auch die Dentisten in keiner Weise gehindert sind, ihren Beruf auszuüben, 
soweit nicht das öffentliche Interesse der Gesundheitspflege entgegensteht. 
Es sind nur einige Krankheiten und Behandlungsarten den approbierten Aerzten 
Vorbehalten, weil es untunlich ist, sie anderen zu überlassen. Davon abgesehen, 
mag jeder Naturheilkundige seine Praxis ausüben, und jeder, der Vertrauen 
nur Naturheilkunde hat, sich dieser anvertrauen. Insbesondere haben die 
Dentisten die Möglichkeit, das, was Bie bisher innerhalb ihres Gewerbebetriebes 
ausübten aach weiter za tan. Bei der Frage der Betäubungsmittel ist genau 
unterschieden, so daß die Dentisten in der Lage sind, solche Mittel anzu¬ 
wenden. Ob mit dem Gesetz ein Erfolg erreicht werden wird, laßt sich noch 
nioht sagen; die Regierung glaubt an einen Erfolg. Daß alles erreicht wird, 
was man wünschen könnte, steht wohl kaum zu erwarten; aber daß eine 
Besserang der Zustände erzielt werden wird, darauf darf mit Bestimmtheit 
nach dem Vorgänge der bisherigen Behandlung des Geheimmittelwesens ge¬ 
rechnet werden; denn die Zustände haben sich seitdem schon wesentlich gebessert. 
Es ist bemerkt worden, daß durch die rigorosen Bestimmungen des Gesetzes 
das Publikum in Notlage kommen und nicht die nötige Hilfe erhalten könnte, 
wenn ein ernster Krankheitsfall auf dem Lande vorkomme. Dieser Be¬ 
fürchtung ist im § 11 Abs. 2 Rechnung zu tragen und durch die dortige 
Ausnahmebestimmung den Bedürfnissen entsprochen. In der Kommission wird 
sich darüber reden lassen, ob man diese Vorschrift erweitern kann. Die 
Führung von Büchern ist für die Nichtapprobierten weder besonders 
beschwerlich, noch entehrend. Was von ihnen verlangt wird, kann jeder an¬ 
ständige Mensch tun. Es ist notwendig, damit der Zweck des Gesetzes erreicht 
wird damit diejenigen, die wirklich etwas auf dem Kerbholz haben, gefaßt 
und überführt werden können. Sollte es wirklich Vorkommen, daß sich ein 
Arzt erlaubt, Abschriften aus den Büchern zu nehmen und zu verbreiten, so 
wäre das ein grober Unfug. Was die Aerztinnen betrifft, so sind von 
Beiehswegen beide Geschlechter gleichberechtigt. Die Approbation kann onter 



942 Dr. Bapmund: Entwurf eines Ges et; 


Ums unadea auch dem »pprobierten Arzt es in 
siebt el probierten nicht schlechter gestellt. 

Du Geheim mittel wesen ist biehe 
snogeii der Landesregierungen geregelt. Es w 
Verzeichnis nalgestellt und 1907 revidiert. Es J 
d*8 dae gssse Anzahl necer Mittel sufgetaucl 
wünschten aber dem Beichstsg bald eine reich 
and haben deswegen eine weitere Bevision eins 
möglich des Gesetz einzubringen. Daß das t rii 
wese» ist, ist unzutreffend, jedenfalls hat boc 
aag^talich erklärt. Die Vorwürfe, die der Ab 
.i-’fkständigkeit der Zusammensetzung der B 
zu berichtigen. daß die Begutachtung von Ge 
den Bdchsgesundheitsrat, und daß auch Ver 
»ngissoge» worden sind; denn so verständig si 
Verordnungen machen, sie nicht am grünen 7 
Leute zuziehen, die uns belehren können, 
braucht wirklich nicht banse zu sein, wenn ü 
▼iclle.'cbt ein paar gesundheitsschädliche Ko 
erkennen die großen Verdienste der chemischst 
eine so große und mächtige Industrie wird < 
k'*a»ea. Daß das Verfahren vor der Kommis: 
erkennen wir an, aber auch der bisherige Zar 
Interessenten angehört blieben ; 8acbe der Koi 
hier genauer zu prüfen. Die ordentlichen ( 
efeUa®, ob z. B. Br an dt sehe Scbweizerpillen er 
Ist usmüglicb. Der Gesetzentwnrf verfolgt ei 
gal«; Begründung und ist nicht getragen von t 
Erwerbsleben zu bevorzugen und andere bered 
<1 rücke«. Unterdrückt werden sollen nur die 
es dem Reichstage trotz starker Belastung m 
gelinge® wird, die Vorlage noch in dieser 8< 
bringen (Bravo). 

Abg. Dr. Arnieg (natL) weist zunächst di 
Bedcsr gegen die Aernte erhobenen Vorwürfe 
auch das Vorwurf der Verweigerung ärztlicher 
Streike. Eine solche Verweigerung hat niemals 
selbst entschieden verurteilen. Mit einer Be 
Studiums seitens der Frauen habe der Gesetsentw 
sei ela Freund des Frauenstudiums, insbesonde 
hiö H&turheilkunde, hieScholmedizin,köni 
ausg«f echten werden; gleichwohl müsse betont 
na Gierenden ausdrücklich der große Wert ein* 
wehre eingeprägt werde. Wenn von Reichs t 
werde, daß derjenige, welcher die Tätigkeit ausÜ 
Bildung besitzen, ein langjähriges Stadium s 
Prüfungen ablegen müsse, dann könne man i 
gewisse Bevorzugung genießt, sonst würden sich 
die die viele Zeit und das viele Geld für das 
ein Jutarheilkundiger 6 Wochen lang irgend* 
keine® Anspruch herleiten, auf die Menschheit 
ärztliche Kunst lat nicht allein eine Wissenschaft 
ganz iüsin auf Studium; aber wer die Menschbe 
GraaöJkgen und Kenntnisse erwerben und beet 
da« ganze Gebiet der Natnrwissenschaftes, das d 
Grad« beherrschen muß. Der Umfang des Arzt 
eines j?den anderen Fachstudiums, auch des ji. 
Stadlsa befähigt die Aerste, weit über das him 
eigentlich beabsichtigt. Gerade durch ihre weil 
der Lago, auch auf anderen Gebieten der Natun 
-’Wtea. Unter Umständen können allerdings 
iprwissee Gebieten der Medizin manches geleistet 







Heilgewerbe and deuen erste Beratang im Reichstage. 


948 


auf gaas beschränktem (Jebiete. Ein großes allgemeines Wissen aber ist 
durchaus notwendig, wenn man die medlainische Konst wirklich ausüben und 
nicht znm Schädling an der Allgemeinheit werden will. Uit welch mangel¬ 
halter Vorbildung fühlen sich aber viele Leute berechtigt, auf die Menschheit 
lossugehen. Die meisten haben kaum mehr als eine Volksschulbildung; sehr 
viele haben noch nicht einmal eine ordentliche Volksschulbildung. Redner 
verliest als drastisches Beispiel hierfür den Brief eines Kurpfuschers, in dem 
er einen Doktor der „8chömi“ die Eröffnung eines „Companiens“ Geschäfts 
vorschlägt. Eine gance große Reihe von Kurpfuschern ist außerdem auf 
Grund des fi 51 des Reichsstrafgesetzbuchs wegen großer Minderwertigkeit 
von Strafen freigekommen. Auch notorisch Geisteskranke sind darunter. 
Gerade die maßlose Reklame dieser nicht approbierten Heilgewerbetreibenden 
führt zu ganz außerordentlichen Mißständen nach jeder Richtung hin, sowohl 
in bezug auf die Schädigung der Gesundheit der Allgemeinheit, wie auch in 
bezug auf die Schädigung — und zwar eine enorme Schädigung — des Geld¬ 
beutels. Die als Erfolge angeführten Krankengeschichten sind in den aller¬ 
meisten Fällen fingierte (Sehr richtig!). Die meisten Herren haben hier die Mei¬ 
nung ausgesprochen, daß so ein bißchen Kurpfuscherei eigentlich ganz schOn 
wäre; unter den Mitgliedern des Reichstags selbst ist vielleicht eine ganze An¬ 
zahl die einmal zum Kurpfuscher gegangen sind (Sehr richtig! — Heiterkeit). 
Die Hauptsache ist, daß durch die Tätigkeit der Kurpfuscher der Volks¬ 
gesundheit großer Schaden zugefügt wird, nicht zum wenigsten dadurch, daß 
sie ungehindert die Behandlung gewisser epidemischer Erkrankungen über¬ 
nehmen dürfen (Sehr richtig!) und auch vielfach übernehmen, weil die Leute 
in solchen Fällen zu den nichtapprobierten Krankenbehandlern gehen, um sich 
Unannehmlichkeiten, die vielleicht aus Desinfektion u. dgl. entstehen, nicht 
auszusetzen. Dadurch aber wird der Ausbreitung gefährlicher Krankheiten 
Tür und Tor geOffaet und die Allgemeinheit derartig geschädigt, daß es zu 
ihrem Schutze und nicht zu dem der Aerzte gesetzlicher Maßnahmen bedarf. 
Ein Arzt, der einmal vor Gericht wegen eines Kunstfehlers gestanden hat, 
verliert seine ganze Praxis, auch wenn er freigesprochen wird, einem Kur¬ 
pfuscher dient es dagegen zur schönsten Reklame (Sehr richtig!). Der Arzt 
steht außerdem unter dem Ehrengericht, der Kurpfuscher kann machen, was 
er will. Redner ist durchaus damit einverstanden, daß die Gewerbe-Kurier¬ 
freiheit nicht aufgehoben wird; denn die Kurpfuscherei werde dann nur 
in die geheimsten Winkel getrieben und dadurch noch schädlicher wirken. 
Als im Jahre 1869 die Gewerbeordnung eingeführt und die Kurierfreiheit 
gegeben wurde, hoffte man, daß die Bildung des Volkes weit genug vor¬ 
geschritten sei, um zwischen dem Kurpfuscher und dem Arzte richtig wählen 
zu kOnnen. Im Laufe der Jahrzehnte hat sich aber herausgestellt, daß diese 
Anschauung und Hoffnung nicht vollständig berechtigt gewesen, gerade die 
sogenannten gebildeten Stände liefern die meisten Anhänger der Kurpfuscher; 
man braucht in dieser Hinsicht nur an die sog. Gebetsbeilungen zu erinnern. 
Das ist der finsterste Aberglaube, den man sich denken kann. Wenn ich 
jemand gesund beten kann, dann mnß ich ihn eigentlich doch auch krankbeten 
kOnnen! Eine Kontrolle muß über die Nichtapprobierten ausgeübt werden; sie 
kann aber kaum anders aasgeübt werden als dadurch, daß diese Bücher zu 
führen und vorzulegen haben, selbstverständlich mit den Kautelen, die das 
Geschäftsgeheimnis der Heilgewerbetreibenden schützen. Es wäre vielleicht 
erwägenswert, an die Stelle der OrtsbehOrde von vornherein den beamteten 
Arzt des betreffenden Kreises zu setzen. Die näheren Bestimmungen über 
Einrichtung der Bücher usw. sollten nicht — und das bezieht sich nicht allein 
auf diesen Paukt, sondern auch noch auf verschiedene andere Punkte im 
Gesetse — ohne weiteres dem Bandesrate überlassen, sondern, soweit es 
angängig ist, in das Gesetz einfügen (Bravo!). Redner schlägt dann weiter 
vor, im § 3 statt „mystisch“ das Wort „übersinnlich“ zu wählen; 
ferner sollten im § 3 außer den selten vorkommenden gemeingefährlichen 
Krankheiten auch die übrigen viel häufiger aaftretenden übertragbaren 
Krankheiten wie Diphtherie, Ruhr, Genickstarre and Kindbettfieber aafgenommen 
werden (Sehr richtig!). Statt „Krebskrankheiten“ empfiehlt es sich, 
„bösartige Geschwülste“ zu sagen. §5 bedarf einer Ergänzung dahin¬ 
gehend, daß den nach § 51 des Strafgesetzbuches Geistigminderwertigen 
die Ausübung des Heilgewerbes untersagt wird. Ueber die Hohe der 



944 Dr. Rapmund: Eatwnif eines Gesetzes gegen Mißstinde im 

Strnfen kann man gewiß verschiedener Meinung sein; aber gegenüber dem 
Abg. Dr. Müller (Meiningen) muß doch daran fest gehalten werden, daß anch 
die Fahrlässigkeit unter Strafe gestellt werden muß; denn es wird oft 
doch sehr schwer sein, die Absichtlichkeit so nachzuweisen, daß eine Bestrafung 
erfolgen konnte, obwohl sie moralisch und tatsächlich verdient ist. Man sollte 
auch bei wiederholten Vergehen gegen den § 7 von einer Geldstrafe absehen 
und auf Freiheitsstrafe erkennen müssen, wenigstens bis zu einem 
gewissen Grade und zwar deswegen, weil Geldstrafen für viele Nichtappro- 
feierte ganz gleichgültig sind, da es sehr viele 'Leute darunter gibt, die 
erheblich viel mehr verdienen als der berühmteste Arzt in deutschen Landen. 
Wegen der Zulassung von ausländischen Aerzten sollte man nicht 
zu scharf mit seinen Forderungen sein; denn die Vergeltung bleibt in an« 
deren Löndern nicht aus und zwar zum Schaden der dort sich nieder¬ 
lassenden deutschen Aerzte. Im § 6 wünscht der Redner statt »Verkehr* die 
Fassung „freier Verkehr" mit Gegenständen" usw., denn Gegenstände, die im 
freien Verkehr sehr schädlich sind, können unter Umständen ln der Hand dee 
Arztes doch sehr gut wirken. Desgleichen hält er es für notwendig, daß in 
der Kommission auch Fabrikfachleute als Mitglieder geboren. Eingehend 
müsse die Frage des freien Verkehrs neu heransgebrachter Arznei¬ 
mittel besprochen werden, sie sollten erst nach Prüfung freigegeben werden. 
Eine solche Bestimmung würde den guten und anständigen Fabriken nicht 
schaden; denn diese lassen solche Präparate erst durch die Aerzte prüfen, 
ehe sie sie in die Oeffentlichkeit bringen, und verkaufen sie gar nicht im 
freien Verkehr, wenn sich herausstellt, daß sie von schädlicher Wirkung in 
der Hand des Laien sind. Redner erwähnt als nachahmenswertes Beispiel 
dafür das bekannte Ehrlich-Hata €06 und spricht bei dieser Gelegenheit 
seine Freude darüber aus, daß die deutsche medizinische Wissenschaft Männer 
in ihren Reihen aufweisen kann wie den Entdecker dieses Heilmittels, den 
Prof. Dr. Ehrlich (Bravo 1). Die Partei des Redners ist der Ansicht, daß 
ein Gesetz in irgend einer Form gemacht werden muß, um die unzweifelhaft 
vorhandenen schweren Schädigungen zu verhindern (Bravo I bei den National« 
liberalen). 

Abg. Dr. Hoeffel (Reichspartei) betont gegenüber dem Abg. Zietach, daß 
gerade die Aerzte 1869 für die Kurierfreiheit eingetreten sind; sie glaubten, 
daß die allgemeine Bildung im deutschen Volke die Leute davor schützen 
würde, beim Kurpfuscher Hilfe zu suchen. Diese Voraussetzung hat sich »ber 
ebensowenig verwirklicht wie die Hoffnung, daß die Kurpfuscherei verschwinden 
würden, wenn ihr der Nimbus des „Verbotenen" genommen sei. Die Zunahme 
der Kurpfuscher ist auf ihre große Reklame und auf die außerordent¬ 
liche Verbreitung der von ihnen verfaßten Bücher zurücksnführen. Daß 
diese Schriften soviele Anhänger und Verehrer finden, liegt einmal darin, daß 
es viele unheilbare Krankheiten gibt, deren Träger bei den Aerzten vergebens 
Heilung gesucht haben, und die dann zum 8chlnß zu einem Kurpfuscher gehen, 
um dort Heilung zu suchen. Auch die Vielgestaltigkeit und der Öftere 
Wechsel der ärztlichen Anschauungen spielt dabei eine Rolle, noch mehr das 
mystische Gebaren vieler Kurpfuscher auf die Gutgläubigkeit des Publikums. 
Die Vorlage will die Ausübung der Heilkunde durch nichupprobierte Personen 
nicht verbieten, sondern richtet sich nur gegen die Auswüchse, und daß 
diese in großem Maße existieren und in den letsten Jahren immer mehr 
zugenommen haben, darüber kann kein Zweifel sein. Diese Auswüchse beziehen 
sich auf die große Zahl von Gesundheitsschädigungen durch Kurpfuscher; 
auch die betrügerische Art ihres Vorgebens, sowie, daß viele dieser Leute sehr 
minderwertige vorbestrafte Subjekte sind, ist bekannt. In manchen Kreise 
steigt das Verhältnis der Vorbestraften unter den Heilbeflinsenen ohne 
Approbation auf SS 1 /» Prozent. Schon die Art und Weise, wie viele von 
diesen Leuten ihre Diagnose aufstellen, dadurch, daß sie sich Haare von dem 
Patienten bringen lassen, andere wieder Kleidungsstücke, ist doch ein 
genügender Beweis, daß hier der Betrug in großem Maße verübt wird. Ban 
vor einigen Jahren in Breslau veranstaltete Umfrage ergab, daß in einem 
Jahre 68 Fälle von zum Teil schweren Gesundheitsschädigungen, 
zum Teil sogar Todesfällen und Verstümmelungen konstatiert wurden. Dabei 
muß man berücksichtigen, daß die Zahl in Wirklichkeit viel größer ist; denn 



Heilgewerbe and dessen erste Beratung in Beie he t ag e. 


946 


es gibt viele, die ee verschweigen, daß eie sich durch Kurpfuscher behandeln 
lassen, oder es direkt leugnen. Die bestehenden Bestimmungen in der 
Gewerbeordnung, im Strafgesetzbuch und im Gesets gegen unlauteren Wett¬ 
bewerb genügen nicht, um diesen Auswüchsen entgegensutreten. Im Interesse 
des Allgemeinwohls und der allgemeinen Gesundheit ist daher die Vorlage 
des Gesetzentwurfes nur zu begrüßen. Daß eino Beaufsichtigung der Kur¬ 
pfusche rei notwendig ist, wird wohl niemand leugnen, in der Kommission 
werde jedoch eingehend geprüft werden müssen, inwieweit Kautelen geschaffen 
werden, damit die Einsicht der vorzulegenden Geschäftsbücher nicht nach¬ 
her zu indiskreten Mitteilungen Anlaß geben. Betreffs des Verbots der Be¬ 
handlung von Krebskrankheiten hat Bedner Bedenken, da es oft schwer 
sein würde, festzustellen, besonders im Anfang der Krankheit, ob der nicht 
approbierte Heilbeflissene wissentlich gehandelt hat. 

Was das Geheimmittelwesen anbelangt, so ist es die höchste 
Zeit, daß diesem Unwesen, das in den letzten Jahren so sehr grassiert und 
Umsätze von 80 Millionen Mark in einem Jahre aufweist, Einhalt geschieht. 
Dies geschieht in einer sehr schonenden Form, so daß die Befürchtung nicht 
stichhaltig ist, als würde man Mittel treffen, die nicht als Geheimmittel zu 
bezeichnen sind. Nach der Erfahrung sind diese Mittel durchweg wertlos 
oder doch minderwertig und auch gefährlich. Der Ortsgesundheitsrat in 
Karlsruhe hat festgestellt, daß von 75 durch Beklame angepriesenen soge¬ 
nannten Heilmitteln nicht weniger als 48 für direkt lebensgefährlich anzusehen 
und nicht in die Hand von Laien abzugeben waren (Hört! hört!). In bezug 
auf die Zusammensetzung der Kommission beim Gesundheitsamt hat 
Bedner auch Bedenken, jedenfalls müssen die Vertreter der chemischen Indu¬ 
strie dabei ihr Wort mitzureden haben. Die Vorlage wird manche Gefahren, 
die Leben und Gesundheit bedrohen, beseitigen; sie bedeutet einen Fortschritt, 
daher wird die größere Zahl seiner Parteifreunde ihr die Zustimmung nicht 
versagen (Bravo!). 

Abg. Lattmann (wirtschafte Vereinigung) will sich nur auf einige all¬ 
gemeine, grundsätzliche Ausführungen beschränken. Man könnte einen Preis 
demjenigen aussetzen, der nach dem Verlauf der bisherigen Verhandlung Über 
das Schicksal der Vorlage etwas Bestimmtes sagen könnte. Alle Vorredner 
haben übereinstimmend beteuert, das von keiner Seite die schützende Hand 
gehalten werden soll über das wahre Kurpfuschertum, über Schwindel, über 
Aberglaube und Wahnwitz. Es handelt sich bei der Frage des Befähigungs¬ 
nachweises im Heilgewerbe oder der Zurückdrängung einer angeblich unbe¬ 
rechtigten Konkurrenz nicht um einen Bechtsanspruch, sondern um Leben und 
Gesundheit, die, wenn einmal verpfuscht, eben unwiderbringlich verloren 
sind (Sehr richtig!). Es handelt sich ferner nicht blos um die zwei die Heil¬ 
kunde ausübenden Subjekte, die Aerzte und nicht approbierte Heilkundige, 
sondern eigentlich weit mehr um das Objekt beider, die leidenden, hoffenden 
Patienten, und da wird zu prüfen sein, ob im Interesse gerade der Patienten 
nicht mehr von einer umfassenden, vielleicht durch den Staat zu unter¬ 
stützenden Aufklärung zu erwarten ist als von einer Gesetzgebung, die 
vielleicht manches Schlechte verhindert, aber auch manchem Guten und 
Segensreichen entgegentreten würde. Man wird auch zu untersuchen haben, 
ob die heutigen Gesetze, wenn sie richtig angewendet werden, nicht genügen 
für den Kampf gegen den wirklichen Schwindel. Die Aerzte haben sich im 
Gegensatz zu den Naturheilkundigen erst in den letzten Jahren allgemeiner 
an der Aufklärung des Volkes über Fragen der Gesundheit, der Krankenbe- 
handlang und der Krankbeitsvorbengnng beteiligt und diese Aufklärungsarbeit 
lange den Kreisen überlassen, denen in diesem Gesetzentwurf entgegengetreten 
werden soll. Durch laute Schlagworte von der Gefährlichkeit des Kurpfuscher¬ 
tums oder der Vernichtung der persönlichen Freiheit dürfen wir uns nicht be¬ 
einflussen lassen. Man wird sagen müssen: keine Voreingenommenheit gegen 
die Aerzte, aber auch nicht Verkennung des gesunden und segensreichen Teils 
der Natnrheilkunde I Der Kampf gegen das wahrhaft Unsittliche, Schwindel¬ 
hafte und Volksschädlichr wird die gemeinsame Grundlage zur ernsten Prü¬ 
fung des Gesezes abgeben müssen. Möge die Arbeit der Kommission unter 
der Devise stehen: Gesundheit unseres Volkes! (Beifall rechts!). 

Abg. Dr. Mayer*Kaufbeuren (Zentrum): Die Einschränkung der aktiven 
und passiven Kurierlreiheit bedeutet zugleich eine Einschränkung dor bürger- 



'Hß Df. Rtpmund: Entwarf eines Geset; 

Itebitt Freiheit überhaupt und ist daher to 
Aü^-Ui .Mliais aas za betrachten. Es band 
fcia'aU^eioJnöe »jUätabftfgärHcbes Eecht. I 
vorksftrtcs und in der tarnen Zeit häufige 
wkwiä*' e9kw'taBÄ' : sfta An und sied gern bert 
M •tirMVftd^ goabtngeberfech mit*«arbeiten; ea 
BtiüvsJ^fiibg v»b' öffenbaren Uißßiändtjn band 
wolle» W*tet allea U tastenden vermieden wie« 
btamsi t'iiöiitea dareb das Gesetz die Ans üb 
gemärt?*. u>t»f ««ob nur erschwert wird (Sebi 
gilt k$ \»?ü% aaf die ob«rii * il ▼ e n Best 
eng' s?ß »er Aasttböng As* HeiJknust durch 
3a<atr.»»s>Sngön. Jedenfalls bedarf es einer 9 
Kammw^rn, ebe wir am 4m« eutscblieöeo, £ 
riuschö-iiu SS*c wird sich dabei fragen, ob d. : 
geaftfij& bet «tfenger ff«ndbabBng desselbe 

£0 bakSmpfen, bezw. ob es nicht vorsazlebeu 
gäuv.x äad auBZttbaaen, statt eio allgemeine 
Hailgawharto *n erlassen {Sehr wahr in der 
g*Q*s ß.*ihft Bestimmangea, di« wertvolle Hai 
bieten »nt) deren weliarer Ausbau leichter m0j 
gnbtiog nach Art des Entworfa. Von den eit 
warfcj eotatiageli, Redner bBjroisdma die VerpfiJct 
ms öi. vfbäftrbacberii (§ .2), Verbot de? 
Ttabendlcmg yon G-eschlecfcln* and Kr e>* fe r« 

6er i hg ab evat AfS* öimHteS n (§ 4) j dag 
Verkehr* mit antifeonsepttoooiien Mitteln 
soletoe« Verbot in bcssag ani R.r l f ti gnng * iJii t 
ft 3 n « H u g s n a h r o n g s m i 11 ei für äberflösnig 
&b*iyöfiUMig erscheint Um 4er § 11, nach dom *u 
Böst/afi. worden kann, die gelegentlich, also »ich! 
.oder nar Erreichung eiaea Vemögensfortri 
wegen «emesr Krankheit uaw. behandelt, ohne de 
.eetg^rS.'i'li t: genagt za haben. Ea sei auch nfdb 
Meöferö find Tier «»«Magen Uber einen Kamm 
mir. »5a&.. Wonache, daß ea gelingen ffiöga den 
aus- und umsugestalte«, d&8 er nur die wjrklitr 
die hir'ci.ejiprobierten HiillkÖnstier, dio oft gebot* ■ 
der VeivM'hheit viel Gates gewirkt haben nnc 
<rtjhiicö*af »der in ihrer Heiltätigkeit za besd 

Abc Stöcklen (Sozialdemokrat): Die t 
t)eidsi< Materien werden besser getrennt beb« 
pegrko>1«*rg d« erforderliche Zahlenmaterial, s. 
Insgeo von Kurpfuschern nnd Aerzteo wegen Enns 
iss Begriffes B Kcfbf 9 bfibo»*. JÖfo 
A atebt nach der Begtöndnngder Vojriag«: 

dem GwjM.ffcett*t, Di« Mat#tboUkttad^gh;!wii!ö||f 
aebcü, . «*» v.ebt ab*r durchaus nicht fest,'.d*S 
etwa» $* kommen oft EäÜe vor, 

Werter »ine verkehrte ist. Naea- dom £ ■ 

k )-i im äh gwger Teil der Mediziner nur: pe* & 
ht viel. Ein Knrplascher Ist, wer eh 
*obleäs äUi h von vialaai Aomten. Wenn Mißständ 
eic- agf 4äa» Gebiete des MfatiaihmnH, der heut 
.io gra3.it ßolJo npiolt.- Nicfet dl« Arbeiter sind e< 
Iitmi -, die «ich geatindhet®« jMseo, Die Oesondbe 
auch K'Dige Gesundbeter gewesen sind', sie Ultra 
b$r„ Wrmvi das Gesetz «leb gegen solchen Onfo 
üÄgt«g-}> .-iazo wenden aeln. Dasselbe gilt betrtf 
« : : , arena aaw. Die Aorste verwenden heu; 



Heilgewerbe and dessen erste Beratung im Belehstsge. D47 

lang, neebdem sie saerst die Netarheilkandigen, die sogen. Kurpfuscher 
engewendet heben. Gens entschieden wenden wir ans dagegen, daß den Netur- 
heuvereinen jede Tätigkeit untersagt werde; men darf dem Menschen nicht 
des Becht nehmen, sich von dem heilen sa lassen, sa dem er Vertrauen hat. 
Unter den Netarheilkandigen sind sehr viele gewissenhafte Leate, während es 
gewissenlose Leute auch unter den Aersten gibt. Die größeren Kurpfuscher 
werden gar nicht darch des Gesets getroffen, sondern nur die kleineren. Der 
große Knrpfascher engagiert sich einfach einen approbierten Arzt als Teil¬ 
haber; dann geht die Kurpfascherei unter der ärztlichen Firma weiter, 
nnd dann fällt nach jede Kontrolle des Betriebes fort. Es ist erstaunlich, daß 
für alles Aerzte za heben sind (Leider!). Man sollte den Naturheilkundigen 
dieselbe Schweigepflicht anferlegen, die den Aerzten obliegt, aber davon 
wollen die Aerzte nichts wissen. In der Begründung wird amtlich dem deutschen 
Volke attestiert, daß es in den letzten 40 Jahren nichts gelernt hat, daß men 
sich über den Bildungsstand des deutschen Volkes getäuscht hebe, indem es 
euch heute noch nicht den Qaackselber vom wirklichen Arzt unterscheiden 
künne. Wäre es so, niemand anders wäre daran schuld als der Klassenstaat, 
der dem Volke die Möglichkeit, sich zu bilden, vorenthalten hat. Ob ein 
Zahntechniker zur Ausübung der Zahnheilkunde zugelassen werden soll oder 
nicht, stellt die Vorlage einfach in das Belieben der Verwaltungsbehörden; 
man weiß, was dabei herauskommt, wie da politische und religiöse Momente 
erheblich mitspielen. Für eine solche Willkür sind wir nicht zu haben. Wir 
Sozialdemokraten wollen niemanden die Möglichkeit beschränken, sich an den 
Heilkundigen zu wenden, za dem er Vertrauen hat. Anders stehen wir zum 
GeheimmittelschwindeL Auch der Begriff „Geheimmittel“ muß genau 
umschrieben und die Willkür, die verlangte Blankovollmacht des Bnndesrates 
ausgeschaltet werden; der Beichstag darf sich hier sein Mitwirkungsrecht auf 
keinen Fall aus der Hand nehmen lassen. Mindestens müssen der Kommission, 
die dem Bandeszat zur Seite stehen soll, auch ein paar Mitglieder des Reichs¬ 
tages angeboren. In neuester Zeit werden eine Menge Geheimmittel zur 
Wiedererlangung der geschwundenen Nervenkraft schwindelhaft empfohlen; 
hier konnten die Behörden schon auf Grnnd der bestehenden Gesetze energisch 
Vorgehen. Staatsanwälte und Gerichte sind doch sonst, namentlich wenn es 
sich um Arbeiterstreiks etc. handelt, so angemein findig; leider vermißt man 
diese Findigkeit, wenn diese schwindelhaften Anpreisungen in Frage kommen. 
Der Geheimmittelschwindel wird oft auch durch die Aerzte direkt gefordert; 
sogar Professoren stellen Gutachten über die Erfolge solcher Mittel aus. Auf¬ 
gabe der Aerzte ist, hiergegen vorzngehen. Höchst bedenklich ist die Vor¬ 
schrift des Entwurfs, wonach auch Fahrlässigkeit bestraft werden muß, 
also auch die Bedakteure für den Inhalt von Inseraten bestraft werden 
können. Badikale Abhilfe wird nur durch die Verstaatlichung des Heilge¬ 
werbes geschaffen; sie würde auch dem ärztlichen Proletariat der Großstädte 
ein Ende machen. Not tut vor allem Aufklärung der breiten Massen des 
Volkes. In der Kommission werden wir mit dafür wirken, ans dem Wust der 
vorgeschlagenen Bestimmungen einen brauchbaren Kern herauszuarbeiten; 
festgehalten werden muß aber an der Kurierfreiheit (Lebhafter Beifall bei den 
Sozialdemokraten). 

Abg. Dr. Struve (fortschr. Volksp.). Bis auf wenige Ausnahmen haben 
sich die Ausführungen der Bedner in erster Linie gegen die Aerzte gerichtet, 
so daß man glauben sollte, es handle sich um einen Gesetzentwurf, der die 
Berufstätigkeit der Aerzte einschränken sollte, und nicht um einen solchen 
gegen die Mißstände im Heilgewerbe. Von den wirklich Schuldigen, von den 
gemein gefährlichen Kurpfuschern, ist stets nur in allgemeinen Sätzen gesprochen; 
Verfehlungen aber, die Aerzte begangen haben, sind breit und spezialisiert 
vorgetragen. Nichts zehrt aber an der Gesundheit des deutschen Volkes so 
stark wie das Tun und Treiben der Kurpfuscher. Es ist ein Irrtum des Vor¬ 
redners, wenn er sagt, daß die Kurpfuscher strenger bestraft würden als die 
Aerzte; im Gegenteil, Kunstfehler der Aerzte werden schwer bestraft, während 
bei Kurpfuschern Unkenntnis als Milderungsgrund angenommen wird. Daß 
die Standesorganisationen der deutschen Aerzte dies Gesetz veranlaßt haben, 
ist ebenso unrichtig, als daß sie der deutschen Arbeiterschaft nicht freundlich 
gegenüberständen. Beklagenswert ist es allerdings, daß es leider immer noch 



949 Dr. lUpeaüad ; Entwurf eia©« Oe«et: 

lernte gibt, die eich m weit vergessen, b« 
Gebatomittel-SehwindelSnt* Teilhaber an 
solcher Arst ist nicht mehr nie Stsade^i 
durch das Geaets genau ec behandelt «a 
gewerbetreibenden (Sehr richtig S). Die b e 
nicht gar Bekimpfang dieser Schwindel, /fred 
gesetabachef», noch <*to über den nulmator&a 
sind als Hftter dar Volkegosnndheit nicht it 
allein mit Erfolg zn führen (Sehr richtig ! I 
du Mißtrauen des Peblifcama, das da gianl 
durch Kottkareengoeid geleitet werde* Der Sr. 
«onderea Schutxeä de» Staates und beansprucht 
vorliegende Entwarf, dessen Bestiasmangen ali 
der Aerstfl eBtsprechen, ist aber keiaeavreg# Ja 
lediglich i» Interesse der Geäsmtbevölkerwog v 
nachte Ui gttag der h trg erlich 
▼ob deaen gesprochen werden/dte ihr alt? ahdi 
fähigosganachweis fordern (Sehr richtig ! links 
noch sicht das SalbathestimtaQu gar e eh * 
Wahl der Heilmethode und in der freien WzJb, 
Seiner tet selbst Anhseger der freien Aeratewa 
am bestes der Arst helfen kann, zu dem der 1 
tränen hat. - W*e in dam. Eatwnrf fehlt, fet *:iz 
des Begriffs flerNatarhoilmeihode Im Cre 
schmähten Schalmedlai». Gibt es denn In 
zwischen 4er Schgjmedlztn, »wischen der Sratlic. 
heilknode? Aach die Schoiiaediain kann sicht 
Heilmitteln, die die alJgötigc Matter Natur uni 
Namhafte Vertreter der HatarhcUkande haben vi 
daß aio schließlich In ernstes Fällen nor diese 
ordnen, wie die Aerxte. Alle die, welche hier 
gewerhes so warm emtretem, »oUtea tot alle? 
A rs t w n h L im weitesten Umfang dnrcbgefilhr». 
kann aber vo» der YoSkevertrer'Mg verlasgen. 
wenn ibr Gelegenheit gesehen wird, es vor Sch 
so Bchtttsen, die ohne Vorbildung, ohae alle Kr 
Khrpere an die Behandlung selbst der schwieri 
gehen. Gegen diasogenanntes angeborenes Fabie 
tiven Biisk* maß man recht kritisch and alwptri 
Aoch innrere großen and grilöten Steter ÜaNm 
fleißig arbeiten inflüseB. Wann gestern behauptet ist 
für eiaö geea&ds. nÜgemeina VoUraantklärung gOsiv, 
ob na» Immer die Aäffclürang die richtige ge» 
Falle hier auf eine verahoitige Eroihfangsweise a 
aammoahang 4wischen den aeeüschen Vorganges ös< 
nährang de3 Körpers hhrgawiesen wird, so ist. dies 
wenn bdligoa Flei»ch and’hiiÜ|r«3 Brot vorbaaden si, 
dieses Geset« verabschiedet lei* wird »ach der 
deatschcn Volks schon deswegen shiige», wrii ö 
schwersten Scüädigaugos dann hoff^ttüch dauernd 
Von seitoa der Acrtte aad .Mediriiiidbeiaileu cesetis 
ebensoviel in besag »af die Aufklärung der Bur 
der NaturheüVoodigöo', Zahlreiche rou Amten gsgr 
Seilschaften haben *« AcitkläfQog alles Mögliche 
Verein lor Voikshygio»^ die Geüteche öesellscliafi 
GeochlechtHkrankhetten «sw,; nicht Weniger als 
Zeitschriften herabben .«hihi dieser. Aalkl5»qog *a i 
es Böcher von NathrheHknodlgeo, die in Handertiaiw 
verbreitet ward«* and höchst boJenkMen Inhalt hs 
auf dam Gebiete der Medisia etwas lefclon iöiirea, 
■icht geleugnet, der Kehlktipfapiegel und die Bdntgenri 
atdeckt, 

Biö&khiüch der cuwelaen Bcstianmcgea des ß< 





Heilgewerbe und deaeen erste Beratung Im Reichstage. 949 

Redner fftr bedenklich, solche für Tiere nnd Menschen in einem und demselben 
Gesetz sa treffea; die Kurpfuscherei auf dem Gebiete der Tierbehandlnng 
misse allerdings anch bekämpft werden, dies geschehe aber besser dnreh eine 
Novelle zum Yiehseuchengesetz. Unter allen Umständen müsse die Fern« 
behandlang and die mystische Behandlung verboten werden; denn sie 
sind das Karpfaschergottesgnadentam in der reinsten Form. Ebenso kann nicht 
geduldet werden, daß gemeingefährliche Krankheiten von Laien behandelt 
und ihre Verschleppung dadurch begünstigt wird. Statt „Krebskrankheit" 
empfiehlt es sich, „bösartige Geschwülste" oder „Neubildungen" zu sagen. 
Bei der Vorlage handelt es sich um eine alle Parteien des Haoses gleichmäßig 
berührende Frage: um die Gesundheit unseres deutschen Volkes; hoffentlich 
werde der Reichstag in dieser Frago etwas Gutes schaffen, das jede Kritik 
auch für die spätere Zukunft aushält (Brawo! links). 

Abg. Dr. Stresemann (natlib.) wendet sich zunächst gegen den Inhalt 
eines im Hause von den Impfgegnern unterbreitetes Flugblatt und weist 
zahlenmäßig die Unrichtigkeit der darin aufgestellten Behauptungen nach, ins¬ 
besondere der Behauptung, daß die Zwangsimpfung keinen Erfolg gehabt 
habe. Er tritt dann der Ansicht entgegen, als wenn das Königreich Sachsen 
insonderheit ein Herd für Kurpfuscher sei; diese Ansicht finde in den 
statistischen Zahlen der Denkschrift keine Bestätigung. Den Grundgedanken 
des Gesetzes hält er für durchaus zutreffend nach der Richtung hin, daß man 
Schutz im einzelnen gegen diejenigen Geheimmittel gewähren soll, die 
unter großem Aufwand von Reklame völlig wirkungslos, manchmal sogar 
schädlich sind. Auch stimmt er dem Abg. Dr. Arning zu, daß geistig 
minderwertigen Leuten die Behandlung von Kranken untersagt werden 
müßte. Er bestreitet dagegen, daß durch alle Reden ein Mißtrauen 
gegen die Aerzteschaft und ein Lob für die nichtapprobierte Aerzte hindurch« 
geklungen sei. Weiterhin ist er der Ansicht, daß in dem Gesetzentwurf der 
Kreis der Kurpfuscher nicht eng genug gezogen ist, insbesondere empfehle 
es sich, die Dentisten überhaupt aus dem ganzen Gesetz herauszulassen. 
Mit dem im Gesetzentwurf dem Bandesrat erteilten Blank ett voll machten 
sollte man außerordentlich vorsichtig sein und nicht Rechte deB Reichstags 
aus der Hand geben, die dann leicht für immer fortgegeben sein könnten. 
Bedenklich und zu weitgehend ist auch die Bestimmung in § 5 betreffs Un¬ 
tersagung der Ausübung des Heilgewerbes, wenn Bedenken vorliegen, daß 
die Gesundheit eines Menschen durch eine Behandlang geschädigt werden 
kann. Es ist der weitestgehende Eingriff in die persönliche Freiheit, wenn 
Jemandem nicht gestattat werden soll, in der Krankheitsbehandlung zu dem 
Manne des Vertrauens zu gehen, zu dem ihn sein Gewissen und seine Ueber- 
zeugung hinweist. In Bezug auf die chemische Industrie ist von dem 
Herrn Regierangsvertreter gesagt worden, daß diese die Bestimmungen des 
Gesetzes leicht überwinden kann; der § 6 des Entwurfs hängt aber wie ein 
Damoklesschwert über jeder Fabrik, über jedem Unternehmen, das sich mit 
Herstellung von Kräftigungsmitteln oder von Säuglingsnährmitteln befaßt. 
Einem Fabrikanten, der eine Million in seine Fabrik gesteckt hat, könne sein 
ganzes Unternehmen mit einem Federstrich ruiniert werden. Das geht zu 
weit, daß alles, was jemand in ein Unt ern ehmen hineinsteckt, durch einen 
einzigen Federstrich beseitigt werden bann, ohne daß er das Recht hat, sich 
zu äußern, ohne daß eine Beschwerdeinstanz da ist, an die er sich wenden 
kann. In dieser Form ist jedenfalls dieser Teil des Gesetzes unannehmbar. 
Bei Fassung des § 11 sind scheinbar nur die Verhältnisse der Großstadt ins 
Auge gefaßt; für das platte Land ist er mit Rücksicht auf die Interessen der 
Landwirtschaft schlechterdings nicht durchführbar. Wenn jeder bestraft 
werden solle, der gegen Entgelt einen Menschen oder ein Tier wegen einer 
Krankheit, eines Leidens oder eines Körperschadens behandelt, dann zerstört 
man alles, was an Beziehungen zu Nachbarn untereinander auf dem Lande 
Rechtens ist (Sehr richtig! bei den Nationalliberalen), denn es ist ja nicht 
überall eine Hebamme approbierter Tierarzt usw. da. Die Naturheilvereine 
haben vielfach eine durchaus nützliche und aufklärende Tätigkeit entfaltet 
haben. An dem Ernst und Eifer, mit dem sich die Mitglieder zusammen getan haben, 
um über vernunftgemäße und gesunde Lebensweise Bich zu unterhalten, ist 
nicht za zweifeln. Das Abwenden vom übermäßigen Alkoholgenaß, eine Mäßig- 




fceft in der Ernährung, die Zurftckfährang: 
rnomchheit rar Natur, Sonnen- und Lichtb 
Reihe darcb die Naturheümeioe In di« Be' 
sollte man anerkennet* and tm § 15 der 

S ehen, stach gegen diese Vereine Forzageben 
er popalären Bücher der NaittrheilteaadU 
solche Bücher in einet Auflage tob 1 800000 
das nicht gegen sie, sondern zeigt, in «eia § 
kandeu ist, sich über Körperpflege aa<l Kürjpöj 
hofft, daß ia der Kommission eia Mod an jg< 
os.i gestattet, daß es den Schwindel trräc. »a« 
'Sion" Öeheicß&itteln and jenes Kurpfuschertum, 
rar Fernhehaadlang heraudrüogt, dsuÖ ee Aber 
ihre ehrliches Bestrebungen anbaheliigt laßt (B 

Afeg, Br, Aralng (Natl) kann die Ana-cJ 
NifurfeellTereine sicht im »ollen Dmfußga bil 
auf die Aeaßerang eines .Führers der NatarA 
Seuchenbekämpfung jede Berechtigung abeprict 
Vorredner gegenüber» daß seiner Ansicht nach 
kejoe besondere Werlang bei den bisherigen ? 
der Gang derselben dränge ihttt rielmehr die M 
als Arzt zu sein; denn dl« Kurpfuscher seien 
die Aerxte (Heiterkeil). 

Der Gsaetsantamf würde hierauf mit grt 
mißelcö tsÄ Öä Mitgliedern rerwieseu. 


Tagesnachrichte 

Der Bandesrat hat in seiner Sitzung rom J 
deutschen Araneltftxe für das Jahr ISO gsnebm: 


lm neoon Reichsotat ist f8r das Betels 
ile für ein Mitglied der chemfsch-feygi«'« 
sebati, -da die Begutachtungen für Zwecke der Zv 
rar Prüfung der Kinfabriähigkeit »astladirchflf N*i 
Gebiete des NahrungsmittelTbrh 0 ^« Jm Xnlaade ei 
«rUbren haben. Namentlich soUafl die dringend t 
■iUsreichan Kräfte seit Jshr und Tag «ödende ,N 
H.\wea für die Untersuchung nud Besrboitaeg reu N 
durahgefttht werden. 

Die PetitiOfleiommission des Beleb 
Strang eise Petition am Aufhebung des Impffettet» 
I'ieaam »erwarten. Gegenüber dem Einwande, daß d 
hrhürden Zwangsbefugnisse nicht emrätune, 
bemerkt, daß es Pflicht der Laadesbehörden sei, t 
eventuell durch Zwangsmittel zur Anslfthranf za brü 
.. 'cudang von Zwang aber stets äaöerute Zardckha! 
Wo aber effensichtöth ohne sachlichen Gnmd, «Iw 
gegnerischer Agitatoren, teräaeht Werden sollte, durcs 
iiin AaGühntag de* Gesetzes *u fsmtals, wäre w » 
IMUcht der Behörde, dem Wiflerawad einzelner geg* 
ätiii anile Gesetz mit alles Mitteln augegesnatratee. 1 
i !:\ Ji f b ea ehadig a » g eo iahte* die amtlich osis. 
äd wfeUel, 4*8 es s»ob l*at ausaahosi« nur «* BecteiS; 
jkShfl TOrmeidten Jfuaea$j nicht »eiten seien die aaderdo® 
oder Borg (alt der Eltern und ■ Pfleg» der Geicspftoa an 







Tagesnachriohten. 


951 


Die auf den 21. November d. J. angesetzte Plenarversammlung des 
KSnlgl. Laadesmedlzinalkolleglums ist bis Ende Mai 1911 verschoben. 
Anträge Ihr diese, deren Vorberatung in den ärztlichen Besirksvereinen er¬ 
wünscht ist, sind bis EndeFebrnar 1911 an das Königliche Landes- 
medizinalkollegium einzareichen. Vorläufig sind folgende Punkte ihr die 
Plenarversammlung in Aassicht genommen: Aaf Antrag des Königlichen 
Ministeriums des Innern: Die Desinfektion bei ansteckenden Krankheiten. — 
Auf Antrag der Aerztekammer Dresden: a) Der Mangel an Vertretern für 
Aerzte und an Hilfsärzten in Krankenanstalten, b) Beratung der Verträge 
mit Krankenkassen durch die Aerztekammer, bezw. durch zwei Aerztekammern, 
wenn mehrere Bezirksvereine beteiligt und sie verschiedener Meinung sind, 
bezw. wenn sie verschiedenen Kreisvereinen angehören, c) Anpreisung und 
Vertrieb antikonzeptioneller Mittel, insbesondere im Hausierhandel, d) Aus¬ 
führung der anzeigepflichtigen Krankheiten auf den Anzeigeformularen für 
ansteckende Krankheiten (Verordnung vom 29. April 1905). — Auf Antrag des 
ärztlichen Besirksvereins Meißen: Festsetzung, wer unter der Bezeichnung 
„beamteter Arzt“ im 8inne des § 14 der Verordnung über den Verkehr mit 
Kraftfahrzeugen vom 8. Februar 1910 (Reichs • Gesetzblatt S. 889/487) zu ver¬ 
stehen ist 


Die Braunschweiger Landesversammlung hat in ihrer Sitzung 
vom 7. Dezbr. das Gesetz betreffend die Zulassung der Feuerbestattung 
bis auf unwesentliche Aenderungen in der von der Regierung vorgelegten 
Fassung angenommen. . _ 


Die Gedenkfeier für Robert Koch hat unter großer Beteiligung am 
11. d. M. zu Berlin in der dortigen neugeschaffenen Universitäts-Aula statt- 
gefunden. Fast sämtliche Spitzen der beteiligten Reichsbehörden, der Kultus¬ 
minister, der Direktor und die Vortragenden Räte der Med.-Abteilung, der 
Generalstabsarzt der Armee, sämtliche Mitglieder der Berliner medizinischen 
Fakultät, Vertreter der medizinischen Fakultäten der übrigen deutschen 
Universitäten sowie zahlreicher Vertreter des In- und Auslandes usw. waren er¬ 
schienen, als Stellvertreter des Deutschen und Preußischen Medizinalbeamten- 
Vereins nahmen Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Straßmann-Berlin und Geh. Med.- 
Rat Dr. Fielitz-Halle a. S. teil. In der vordersten Reihe der Versammlung 
hatten die Hinterbliebenen Robert Kochs, insbesondere seine Witwe, Platz 
genommen. Die Feier war sehr würdig, schlicht und gehaltvoll wie der, dem 
sie galt; die so recht aus dem Herzen kommende vorzügliche Gedächtnis¬ 
rede vom Geh. Ob.-Med.-Rat Prof. Dr. Gaffky, der den verstorbenen Meister 
von allen seinen Schülern stets am nächsten gestanden hat, der wundervolle 
Gesang und die der Trauerfeier angepaßte Musik wirkten zusammen, um die 
Feier za einer tiefergreifenden za gestalten. 

Der eigentlichen Gedächtnisfeier war am Tage zuvor eine Feier im 
engeren Kreise vorangegangen, die der Eröffnung des Koch-Mausoleums 
im Institut für Infektionskrankheiten galt. Nvch einer tiefempfundenen An¬ 
sprache des Direktors dieses Instituts, Geh. Rat Prof. Dr. Gaffky, übergab 
er den monumentalen Raum, den auch die Asche Robert Kochs umschließt. 
Auf einem besonderen Pult ist hier auch das Goldene Buch ausgelegt, das 
u. a. die Chronik der Kochstiftung, die eigenhändigen Unterschriften der hanpt- 
sächslichsten Stifter enthält. 

Am 16. d. M. hat der Kreistag des Kreises Zellerfeld zum Andenken 
an Robert Koch, „dem Sohne des Oberarztes“, den Beschluß gefaßt, alljährlich 
6000 Mark als Robert Koch-Stiftung zu Zwecken der öffentlichen 
Gesundheitspflege in den Kreishaushaltsetat einzustellen I Wahrlich eine 
Ehrung, wie sie schöner und würdiger von der Vertretung dieses Kreises nicht 
gedacht werden konnte. 


An Stelle von Robert Koch ist Geh. Ob.-Med.-Rat Prot Dr. Kirchner 
in den Vorstand der Kochstiftung gewählt. 



952 


S JrJÖCbsÄfcS- 

'SstreSs dof ift Nr. 23 oster Tagcjnact r 
darob Margarine aas der Margarinefabrlk S: i •; 
Ottensen teilt das Altoaaer PoJiseiamt mit, 
ÖRteraac.haag rati großer Wahrscheinlichkeit « 
herrergerafen and »af den Zäumt eioe a aeuen 
Margarine xurfteksalübren sind, das bisher 
nicht verwendet, aber nach der chemischen U 
bemtung als brauchbar an gesprochen ist- Es e 
deren Katar durch chemische üntereaelraag - 
konnte. Die pbyeiologiscbo# Eigfioscbalto» de& 
aarasit ijn L^horfttoauffi des Aitoa««r Kraei 
Tierae erferschr t Seit dem 26, JJovemfcer Ist 
membi, d&a nuria der Marke Back« oed ft 
Marke Luise des betreleades FirSß* zur Verv 
wendet worden, au daß die Potis« de« Bettle b t 
nicht heasaUßdeL, 

**' •' \ , <pd-; s ■ *; r ' 7? — — ------ * 

, ... * .* >. \ Vv *' - : V-'- - ■ V-■ = : -c-' ' - '■ 

Cholera, In Ruhland sind in den W 
nar nogh 1Ö7 (51) bezw, 101 (47) Erkrankaogc 
davon in Petereburg 6 (7) Und 8 (2), die Son 
in 17nga(c and ia Italien kt dies bereits j 
die Krankheit in der Türkei sieh immer mehr : 
tinOpel betrag die Zahl der E<kt*aknagtn (T 
i vemberr 8it (2051,- lm Beairk Tf*pe«antj S4 

136 (lBt). .Sin nocet ChoLeraheerd hat sich «i 
bildet; bk «um 3. Dezember waren dort 181 E 
l&Ueo vofgekemmes, 

Erkrauk&Ägea n»d TedcsfAiie aa «aste 
Preossen. Nach dem. Ministerialblatt für Kedista« 
ricbts -Jujgelegeateuen ziad ia der Zeit Vom 13, 
(gostorbenlan; Aaaanl»,Gelhiieher, Bttckf« 
Toll war, Cholera; — t*—)i Fiehkileber; '~ 
— (->, 3 (1); Müxbr an d; ~ <-). ß (2); Bit 
toliwa«verdächtige Tiere: 2 (—X i (—); u 
(24), 195 (21); Ruhr: 2 && &Diphtherie 
Scharlach; 1395 165), 4432 Kiodbett^l 
Genie kstarre; 2 (1), 4 (1);; spinale Kinder]4 
Fleisch- Fisch* nud Wurstvorgittang: - 
kraokbeit (erkrankt); 196.. 233;. Taberkaioe! 


-'•;’,: : ' : y' ^ v 'Mpreoh*aaL 

Anfrage des Xreisftrseies Dr, L. In M. ? Gilt Eh 
Irstlicher Tätigkeit (Impf nagen, Vertrauensarzt dor 
aastalt etc) ats amtliche oder wird cs in Tollem 
einkommeneteaer veranlagt ? 

Antwort; Nach § 25 Aba. 2 der DiöüBtMwehs! 
elokoiötnen des orobt voUhesoldeten Kreisarttss nar < 
liehe Vamcbtaugen (jj 2 des Qeböhtengesetzes), sowi 
Sachverjttäsdlger vor den Gerichten (jj 8 das.) ; also die 
besoldete Krekurst m die Sraatekawe abzaitttren hat. A 
daroater aoeh die für veccraaeasibzüktic Tätigkeit, 4 
„Dtaastefakommen* und irerden demzafolge in vollem 
öinkocomenstener beraageaagnu. 



’&htiion: Geh. Med.-Rat Prot.Dr.fUpmaad,Beg.- o .H 


i.OfO. Brau. 36*10fl. BSch». «.VJtb,4i.Htift«(Wnatiii 




tu Terfffinp 
oop. ii Ai» t 
:h der uida ' 
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• pluilicte Gdu, . 
«gestellt wto 
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du segCirü- 
;em MideitHer 
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UNIVERSITY OF MICHIGAN 



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