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Full text of "Zeitschrift für Medizinal-beamte 29.1916, Beilage"

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für gerichtlich* Medtem, Psychiatrie und Irrenwesen. 


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öilizieiles Organ des Deutschen, Praussischen, Bayerischen, Sächsischen, 
WürUembergiachen, Badischen, Hessischen, Mecklenburgischen, Thüringischen, 






Jahrgang. 1916. 





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Berlin W. 62. 

PI SO HEFTS MEDIZINISCHE BUOHHäNÜLIINO 


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J. C. C. Bruns, Herzogi. Sachs, u. Fiirstl. Sch.-L. Hofbuchdruckerei in Minden. 




Inhalt. 


I. Original-Mitteilungen. 


A. Gerichtliche Medizin, gerichtliche Psychiatrie und 
Sachverständigen - Tätigkeit, 

Tod durch Ueberf&hren mittels Autos ? Dr. L ö e r.. 65 

Eigenartiger Unglöcksfall eines Säuglings in einer Anstalt. Dr. 

Langstein .249 

Vergiftung mit übermangansaurem Kali. Dr. Racine .253 

Kriminelle Frnchtabtreibnng, künstliche Unterbrechung der Schwanger¬ 
schaft und Fürsorge für tuberkulöse Schwangere. Dr. Roepke 281 

Kasuistik des Erbängungstodes. Dr. Langermann . 589 

Giftigkeit der Aronsbeeren. Dr. Kanngiesser .595 

Frucbtabtreibung durch Gebärmutterauskratzung. Dr. Hofacker . . 597 1 

Selbstvergiftung durch Ammoniak. Dr. Olbrycht .704 

Seltener Leichenbefund. Dr. Bleich.706 


B. Hygiene und öffentliches Sanitätswesen. 

Typhusbekämpfung auf dem Lande. Dr. Graßl . 1 

Privatcntbindungsanstalten. Dr. Lieske . 6 

Zur bakteriologischen Choleradiagnose. Dr. Quadflieg . 33 

Hamburger Tropfkörper mit Deckschicht. Dr. Guttmann . 40 

Tuberkulose und Schwangerschaft. Dr. Roepke . 85 

Verhandlungen des Abgeordnetenhauses über den Medizinaletat. Dr. 

Rapmnnd . 118 

Eine Paratyphus - A - Epidemie. Dr. Quadflieg .153 

Fleckfiebererkennung. Dr. Hansen . 158 

Typhusbekämpfung, Beobachtungen bei einer dörflichen Epidemie. Dr. 

Steinebach .185 

Gesundheitliche Kriegslehren. Dr. Berger .217 

Zur Botryomykose beim Menschen. Dr. Mayer .228 

Bekämpfung der Diphtheritis. Dr. Lembke . 313 

Angestellten-Versicherung der Schreibhilfen der Medizinalbeamten. 

Dr. Rapmund . 320 

Verhandlungen über den Haushalt des Reichsgesundheitsamtes. Dr. 

Rapmund .326 

Vermeidbare Typhnsfälle. Dr. Richter .349 

Meningitis durch milzbrandähnlichen Bacillus. Dr. Schür mann. . . 385 

Aufgaben des Kreisarztes im Kriege. Dr. Sorge .393 

Typhusepidemie infolge Milchinfektion. Dr. Graßl .413 

Was wird aus dem weiblichen Lazarett-Pflegepersonal i Dr. Vollmer 41H 
Ueberwacbung des Nahrungsmittelverkebrs. Dr. Kurpjuweit . . . 441 

Schädigung der Atmungsorgane durch gewerblichen Staub. Dr. Opitz 450 

Beitrag zum Auftreten der Pocken. Dr. Kindler .469 

Geburtenrückgang in Deutschland. Dr. Richter .472 

Neue Aufgaben für die Aerzte. Dr. Döllner.501 






























IV Inhalt. 

Seite* 

Unzureichende Gesetzgebung. Dr. Räuber .. •. 533 

Hygienische Streiflichter aus der Rheinpfalz. Dr. Demutb .... 625 

Diejbakteriologische Untersuchnngsstation Landau und die Bekämpfung 

der Infektionskrankheiten. Dr. Mayer .657 

Zentralisation der Fürsorgebestrebungen. Dr. ltißmann . . . . 678 

Temperaturen von Schnlzimmern im Winter. Dr. Schwink .... 693 

Verlängerung der Mädchenschulpflicht zur Vorbereitung für den Mutter- 

nnd Haushaltsberuf. Dr. Denekc .725 

Kampf gegen die Geschlechtskrankheiten. Dr. Bornträger . . . . 737 

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C. Aus Versammlungen und Vereinen. 

28. ordentliche Versammlung des Mecklenburgischen Medizinalbcnmten- 

Vereins (Dugge).230 

Außerordentliche Tagung fdes Deutschen Vereins für Krttppelfürsorge 

(Rpd.). 299, 333 

Generalversammlung des Deutschen Zentral-Komitees zur Bekämpfung 
der Tuberkulose, Sitzung des Ausschusses und Versammlung der 

Tuberkulose - Aerzte (Roepke).396 

Konferenz, für Trinkerfürsorge.421 

Deutscher Kongreß für innere Medizin (Rehberg). 506, 542 

Außerordentliche Tagung für Durchführung von Massenspeisungen (Rpd.) 511,549 
Geschäfts- und Kassenbericht des Deutschen Mcdizinalbeamtenvereins 

für 1913, 1914 und 1915.527 

Geschäfts- und Kassenbericht des Preußischen Medizinalbeamtenvereins 

für 1915.530 

Geschäftsbericht über die Jubiläumsstiftung des Preußischen Medizinal¬ 
beamtenvereins für 1915.. . 531 

Kongreß der Kriegsbeschädigtenfürsorge (Ritter).599 

Versammlung der Vereinigung zur Förderung des llebammenwesens (Ri߬ 
mann) . 681 

III. Preußische Landeskonferenz für Säuglingsschutz (Rott).681 

XL Landesversammlung des bayer. Mcdizinalbeamtenvereins (Schuster) . 706 


EL Kleinere Mitteilungen und Referate aus 
Zeitschriften u. 8. w. 1 ) 

A. Gerichtliche Medizin. 

Rotsehen hach Genuß von Solanum dulcamara L. Dr. Hil bert (Gradl) 13 

Vergiftung mit Azetylengns. Dr. Nicol (Graßl). 91 

Schädigung des Auges bei Vergiftung durch Methylalkohol. Dr. Ri roh- 

Hirschfeld (Quadflieg) .233 

Optochin-Amaurose Dr. Fei 1 chenfe 1 d (Roepke) .234 

Ablehnung des Arztes als Sachverständigen. Freymutb (Roepke) 234 

Haftung des Arztes wegen Pflichtverletzung. Dr. Stein (Hoffmannt 235 
Diagnostisches Experiment am Menschen. Dr. Bernstein (Rpd.) . . 258 

Bestimmung des Lebensalters an Kindesleichen nach der Histologie der 

Nebennieren. Dr. Photakis (Rpd.) .259 

Kennzeichen des Todes durch Kältewirkung. Dr. Dy ren fur th (Rpd.) 269 
Bestimmung der Todeszeit durch muskelmechanische Erscheinungen. 

Dr. Zsak6 (Rpd) .259 

Fluoreszenz der Hämoglobinderivate, ihre Bedeutung für den Blntnachweis. 

Heller (Rpd.) ..303 

Erfahrungen über Kindesmord.f JDr. Strassroann (Rpd.).361 

Kriminelle Fruchtabtreibung in, Ostpreußen. Dr. Benthin (Roepke) 362 
Sektionsbefunde bei Pilzvergiftungen. Dr. Lyon (Quadflieg) .... 362 

Errichtung kriminalistischer Institute. (Rpd.).363 

Schußverletzungen von Eingeweiden. Dr. Ipsen (Mayer).424 

Giftwirkung des Zyanamids. Dr. Koelsch (Wolf) .476 

*) De Namen der Referenten sind in Klammern beigefügt. 



























Inhalt. 


V 


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Promoterin Vergiftung. Dr. Rattner <Eoepkc) 477 

Tod durch Elektrizität. Lesser (Wolf).565 

Zulässigkeit der Unterbrechung der Schwangerschaft.683 


Plötzlicher Tod durch MagenüberfUUung.. Dr. Kürbitz (Solbrig) . . 742 


B. Gerichtliche Psychiatrie. 

Ein schwachsinniges Wunderkind. Hampel (Solbrig). 13 

Einfluß des Krieges auf psychopathische Jngcndlicho. lir. Oi rs te n be r g 

(Solbrig). 13 

Militär-psychiatrische Beobachtungen. Dr. Weycrt (Bpd.).197 

Erinnern und Vergessen. Dr. Marx (Kpd.).260 

Familienmord in gerichtlich-psychiatrischer Beziehung. Dr. S t r a s s m a n n 

(Bpd.). ..364 

Prophylaxe der ltoheitsverbrcchen und militärischen Vergehen in der 

Kriegszeit. Dr. Bonne (Bpd.). 365 

Anrechnung des Aufenthaltes in einer Irrenanstalt nuf die Strafzeit. 

Bosenberg (Bpd.) .366 

Der Krieg und die Beservekräfte des Nervensystems. Dr. Pick (Rpd.) 424 

Vom Inzest. Dr. Marcusc (Bpd.).477 

Forensisch-psychiatrische Beurteilung von ELeangclcgcnheiten. Dr. Weber 

(Solbrig).646 

Beurteilung psychopathischer Zustande. Pr. Ra ecke (Solbrig) . . . 743 


C. Sachverständigentätigkeit auf militärärztlicheni Gebiete. 

Epidemische Hemerolopic im Felde. Dr. Braunschweig (Bpd.) . . 14 

Augencrkranknngen im Felde. Dr. Zade (Bpd.).. 14 

Nachtblindheit im Felde. Dr. Brest (Bpd.). 14 

Nachtblindheit im Folde. Dr. Pau 1 (Bpd.). 14 

Militärdienst und Thyreotoxie. Dr. Dannehl (Bernstein). 15 

Röntgenuntersuchung des Herzens bei fraglicher Militärtauglichkeit. 

Dr. Grödel (Graßl). 15 

Albuminurie. Dr. Beckers (Bernstein) . 16 

Fliegertod.‘ Dr. Schüppler (Bernstein).. 16 

Gasphlegmone bei Kriegaverwundetcn. Dr. Sackur (Quad flieg) ... 46 

Behandlung der lpngcn Röhrenknochenbruche. Dr. An sinn (v. Mach) 48 
Fraktionelle Nervenstörungen bei Kriegsteilnehmern. Prof. Meyer 

(Roepke>. 71 

Vorbereitende Behandlung der Beinamputierten. Dr. Lewy (Roepkc) . 71 

Winterkuren und Verwundetenfürsorge. Dr. Lilicnthal (Hoffmann) . 72 

Vergiftung durch im Körper lagernde Geschosse. Lew in (<)uadflieg) . 158 

Längenmessung der Amputationsstümpfe. Bahr (lloepket.159 

Spätfolgen nach Scbädelschiissen. Dr. T i 1 m a n n (Roepkc).235 

Uebungsschule für Gehirnkriippcl. Dr. Hart mann (Graßl) .... 235 

Akzidentelle Herzgeräusche. Dr. Ehret (Graßl).235 

Simulation von Ohrenkrankheiten. Dr. Alexander (Mayer) .... 453 

Beurteilung leichter Herzstörungen. Dr. Determann (Roepke) . . 454 

Riesenmagnete behufs Extraktion von Geschoßsplittern. Prof. Sultan 

(Roepke).454 

Behclfsprothesen. Dr. Spitzv (Roepkc).455 

Objektivierung nervöser Beschwerden im Kriege. Dr. Singer (Bpd.) . 515 
Nierenerkrankungen bei Kriegsteilnehmern. Dr. Jungmann (Roepke) 516 

Kriegsnephritis. Dr. Herxheitner (Roepke).517 

Wundbehandlung, Ueberhäutung großer Wundflächen. Dr. Spiegel 

(Bpd.).566 

Kricgsneurosen. Dr. Beyer (Solbrig) . ..647 

Charakteristisches, künstlich erzeugtes Geschwür. Dr. Licbl (Mayer) 743 





























VI 


Inhalt. 


Seite 

D. SachverstlndlgentStlffkelt ln Onfall-, InvaHtHtäts- and Kranken- 

versfcherungssaclien. 

1. Gatachten and Referate. 

Unfallverletzungen des Magens. Dr. Kiltin ge r (Wolf). 16 

Akute gelbe Leberatrophie. Dr. Kur sch mann (Graßl) . 16 

Unfallerkrankungen des inneren Ohres. Dr. Alt (Rpd.). 16 

Traumatische Neurosen. Dr. Zangger (Wolf).199 

Ist Flecktyphus ein Unfall? Dr. Buge (Roepke).286 

DiejUnfallbegutachtuog durch den erstbehandelnden Arzt. C urschmann 

(Wolf) .286 

Brgebnisse der reichsgesetzlichen Unfallversicherung ....... 305 

Unfall- und Invalidenversicherung im Jahre 1915. (Rpd.).368 

Bericht der Angestelltenversicherung 1913—1915 .458 

Vergiftung mit Dinitrobenzol. Dr. Reuter (Rpd.) .554 

Bedeutung des Blutdrucks bei Unfallneurosen. Dr. Horn (Roepke) . 554 

Tabes und Unfall. Dr. L epp mann (Rpd.).. 555 

Unfall und Selbstmord. Dr. Weygandt (Rpd.).556 

Somatische Behandlung bei Unfallneurosen. Dr. Engelen (Solbrjg) 686 

Psychologische Laboratorien zur Erforschung der Unfallneurosen. Dr. 

E n g e 1 e n (Solbrig) .687 

Arteriosklerose und Unfall. Dr. Horn (Solbrig) .687 

Sachverständigentätigkeit in Krankenkassen-Angelegenheiten. Dr. Becker 

(Solbrig).688 

Winkelmaßapparat. Dr. von Poschinger (Solbrig).744 

Arbeitsbehandlung im Heilverfahren für Versicherte. Dr. Bartels 

(Solbrig). 744 


2. Gerichtliche Entscheidungen. M 

1914. 17. April: Delirium tremens als Unfallfolge.456 

„ 7. Sept.: Kosten ärztlicher Gutachten.200 

„ 17. Dez.: Befolgung von Unfallverhütungsvorschriften (Pr. O.V.G.) 457 

1915. 11. Jan. : Krankenkassenzuschuß für größere Heilmittel . . . 304 

„ 13. Febr.: „Familie“ im Sinne des § 1260 R.V.O.. . 206 

„ 27. „ : Schätzung der Erwerbsunfähigkeit des Verletzten nach 

einem ärztlichen Gutachten.200 

„ 20. März: Unterbringung in Familienpflege und Unterbringung in 

einer AustAlt.206 

. 17.April: Begrenzung von Mehrleistungen der Kassen .... 205 

„ 30. „ : Bezahlung von Zahnplomben .206 

„ 6. Mai : Angestelltenversicherungspflicht der Bademeister. (Ren¬ 

tenausschuß Berlin der Reichsversicberungsanstalt für 

Angestellte). 96 

„ 15. „ : Die Vertrauensärzte der Landesversicherungsanstalten 

als Partei Vertreter.199 

„ 31. „ : Eine mediko-mechanische Behandlung stellt eine ärzt¬ 
liche Behandlung, nicht ein Heilmittel dar .... 202 

„ 31. „ : Pauschbetrag für Krankenpflege auch für Sonn- und 

Feiertage.207 

„ 5. Juni: Bezahlung der zwecks Einleitung eines Heilverfahrens 

ausgestellten ärztlichen Zeugnisse .203 

„ 19. „ : Uebertragung des Heilverfahrens an die Krankenkasse 201 

„ 19. „ : Entschädigung bei Linsenlosigkeit eines Auges ... 17 

„ 16. Aug.: Sterbegeld ist auch bei Totgeburten zu zahlen . . . 207 

„ 20. Sept.: Wochengeld ist für 57 Tage zu gewähren .... 207 

„ 29. „ : Blutvergiftung infolge vorhandener Hand wunde ... 18 

„ 13. Okt. : Schlaganfall. Kein Zusammenhang mit der Arbeit 94 

„ 14. „ : Uebertragung des Krebserregers .... ... 95 

„ 19. „ : Selbstmord im Anschluß an einen Streit mit der Ehefrau 96 


*) Wo kein besonderer Vermerk gemacht ist, sind die nachstehenden 
Entscheidungen solche des Reichs Versicherungsamts. 



























Inhalt. 


VII 

8elte 

1916. 30; Okt. : Gewährung von Zahnplomben.710 

„ 6. Not.: Verpflichtung der Berufsgenossenschaft zur Heilanstalts- 

pflege.160 

„ 6. „ : Erstattung def Arztkosten an freiwillige Mitglieder 

(O.V.A. Groß-Berlin) .457 

„ 19. „ : Zusammenhang zwischen Blutvergiftung und dem einige 

Wochen zurückliegenden Unfall .........161 

, 20. „ : Von Nackenfurunkel ausgehende Blutvergiftung . . 162 

„ 3. Dez. : Tödliche Lungenentzündung und Unfall .161 

„ 6. „ : Gewährung ärztlicher Behandlung an Trunksüchtige . 709 

„ 9. „ : Rentenminderung bei Besserung der Unfallfolgen trotz 

Aufhebung dieser Besserung durch ein Sehnervenleiden 160 

„ 11. „ : Durch Selbstmordversuch verursachte Invalidität . . 744 

„ 21. „ : Tragung der Kosten des nach § 1596 R.V.O. eingeholten 

Gutachtens und der Reisekosten usw. . . 162 

„ 11. „ : Badeunfall nicht ohne weiteres Betriebsunfall ... 366 

1916. 5. Jan.: 20°/o Erwerbseinbuße bei Verlust des Sehvermögens auf 

einem Auge .199 

„ 15. „ : Verlust eines Auges mit 25 Proz. Entschädigung . , 455 

„ 31. „ : Kostentragung der Krankenkasse bei Zahnkrankheiten 710 

„ 8 März: Offenbaren der Krankheit eines Versicherten .... 367 

„ 11. „ : Kosten der Geburtshilfe bei versicherungsfreien Ehefrauen 745 

„ 29. April: Verschlimmerung eines Krebsleidens durch Unfall . . 557 

„ 3. Mai : Duldung von Operationen. .612 

„ 6. „ : Für die Schätzung der Einbuße an Erwerbsfähigkeit ist 

der allgemeine Arbeitsmarkt maßgebend.708 

„ 18. „ : Angestelltenversicherungspflicht von Pflegerinnen (Ober¬ 
schiedsgericht) . . . 709 

„ 19. „ : Angestelltenversicherung von Heilgehilfen (Oberschieds¬ 
gericht) .708 

„ 6. Okt.: Verschweigen früherer Erkrankungen bei Lebensversiche¬ 
rung (Reichsger., VII. Z.-S.).688 


E. Bakteriologie und Bekämpfung der übertragbaren Krankheiten. 1 ) 

1. Bakteriologie und Bekämpfung Übertragbarer Krankheiten 

Im allgemeinen. 

25 Jahre antitoxischer Serumtherapie. Prof. Kos sei (Roepke) ... 19 

Schutzimpfungen der Impfstelle des Roten Kreuzes. Dr. Salomon und 

Dr. Weber (Roepke). 20 

Büchsenagar von Uhlenhuth und Messerscbmidt. Dr. Dold (Roepke) . 72 

Wiederholte Bcnutzungvon Bakteriennährböden, Ersatz von Fleischextrakt, 

konservierte Nährböden für Feldgebrauch. Guth (Roepke) . . 73 
Bakteriologisches über Kriegsseuchen. Dr. Aronson (Quadflieg) . . 74 
Wirksamkeit der Typhus- und Choleraschutzimpfung, v. Wassermann 

und Sommerfeld (Quadflieg) . 76 

Erzeugung der Impfstoffe und Massenimpfungen gegen Cholera und 

Typhus Dr. B n j w i d (Quadflieg) . 97 

Künstliche petechiale Umwandlung der Roseolen. Dr. Mayerhofer 

(Graßl). 98 

Eiweißnachweis im Urin. Dr. Siebert (Roepke).236 

Dos Anaphylaxieproblem in der Dermatologie. Dr. Klausner (Quadflieg) 261 
Tätigkeit der bakteriologisch - diagnostischen Untersuchungsanstalt in 

Prag. Dr. Ghon und Dr. Roman (Wolf).566 

2. Cholera. 

Blutalkalitrockenpulver zu Choleranährböden in Feldlaboratorien. Dr. 

Fürst (Roepke).163 

Stuhluntersuchung auf Cholera- und Typhusbazillcn. Dr. Verzär und 

cand. med. Weszeezky (Roepke).370 


') Die Namen der Referenten sind in Klammern beigefügt. 






















VIII Inhalt. 

Seite 

Blutuntersucbungcn bei Cholera. Dr. Ben zier (Rpd.) -.371 

Schutzimpfung gegen Cholera and Typhus. Dr. Oac tilge ns und Dr. 

Becker (Rpd.) ..371 

Schutzimpfungen gegen Cholera. Dr. PI an ge (Rpd) .371 

Pemphigoides Exanthem nach Choleraschutzimpfung. l>r. Simecek 

(Mayer). 372 

Wert und Wirkungsdauer der Cbolera6chutzimpfung. Dr. Knup und 

Kretschmer (Rpd.)..ISO 

Cholera und Paratyphus B. Dr. Jastro wi tz (Roepke).057 

Behandlung der Cholera. Dr. Arneth (Roepke).008 

3. Pest, Gelbfieber, Fleckfieber. 

Flcckiieberepidemie im Oörlitzer Kriegsgefangenenlazarett. I >r. li o n d k c 

(Quadflieg). 22 

Beobachtungen bei einer Flecktieberepidemie. Dr. 011 o (Roepke) ... 22 

Serumreaktionen bei Flecklieber. Dr. Go t sch lieh, Dr. Schürmann 

und Dr. Block (Quadflieg). 38 

Hautveränderungen bei Meerschwcinchen-FlecktyphuB. Löwy (Mayer) . 401 

Untersuchungen über Flecklieber. Dr. Lipschütz (Mayer) .... 401 

Therapie des Fleckfiebers. Hirsch (Roepke) .458 

Beteiligung der Kopflaus an der Flcckiieberverbreitung. Dr. Hey mann 

(Quadfiieg).481 

Züchtung des Bacterium typhiexanthematici. Dr. Paare th (Qaadflieg) 559 

Untersuchungen bei Fleckfieber. Dr. Csernel (Mayer).559 

Aetiölogie des Fleckfiebers. Dr. Töpfer und Schüssler f (Roepke) (514 

Flecktyphus als Kriegsseuche. Dr..Wolter (Solbrig).710 

Aetiologie des Fleckfiebers Dr. Fuld (Solbrig).711 

Fleckfieber und Entlausung. Dr. Arneth (Solbrig) 711 

4. Aussatz. 

Aussatz im Deutschen Reiche 1915.370 

5. Rückfallfieber. 

Eine dem RiickfalKiobcr ähnliche Kriegskrankheit. Dr. K o r b s c h (Roepke i 237 

6. Schwarzwasserfieber. 

Theorie des Schwarzwasserfiebers. Dr. Hintzc (Roepke). .015 

7. Pocken, Varizellen und Schutzpockenimpfung. 

Die Pockenorkrankungen in Detmold. Dr. Hesse (Roepke) .... 20 

Differentialdiagnose zwischen Variola und ähnlichen Bläschcnerkraukungen. 

Dr. Hammer Schmidt (Rpd.) .207 

Bedeutung des Impfgesetzes für den gegenwärtigen Krieg. Dr. Brey er 

(Rpd.).203 

Echte Blattern und Varizellen. Dr. Friedberg (Risel) .369 

Blatternepidemie in Neu-Sandec. Dr. Pilzer (Mayer) .370 

Experimentelle Pockendiagnose. Dr. Gins (Roepke).013 

Dauer des Pockenimpfschutzes. Dr. Gins (Roepke).614 

8. Unterleibstyphus. 

Brauchbarkeit des Kongorot- und Drigalskiserumagars zur Typhus- 

diagnosc. Dr. Schür mann (()uadflieg). 98 

Typhus-Schutzimpfung nnd -Infektion im Tierversuch. Dr. Emmerich 

und Dr. Wagner (()uaddicg).163 

Zur Vakzinctherapic des Typhus abdominalis. Dr. Mayer (Duadflicg) 164 

MundtypbusbazilleDträger. Dr. Eggebrecbt (Graßl) ..208 

Tetragenussepsis nach Typhus abdominalis. Dr. Welz und Dr. Kalle 

(Roepke). 237 

' Einfluß der Typhus-Schutzimpfung auf das weiße Blutbild. Dr. Sikert 

(Rpd.).372 

Urobiliourie bei Typhus. Dr. Hildebrandt (Graßl).372 






























Inhalt. IX 

Soli« 

Behandlung von Typhusbazillcnträgern. Dr. Kuhn (Rpd.).372 

Meningitis typhosa. Dr. Um eck (Quadflieg).425 

Pathologische Reaktionen bei Typhusgeimpften. Koch (Quadflieg) . . 425 

Bedeutung der Wildaschen Reaktion und des Nachweises der Bazillen 

im Blute nnd Kote.567 

Abdominalistyphu8 bei Geimpften. Dr. Löwy (Mayer).567 

Ranchtyphus mit Fleckfieber. Dr. Feig (Qnadtlieg).56S 

Leistungsfähigkeit der bakteriologischen Typbasdiagnose. Dr. Schmitz 

. ’ (Solbrig).. . 712 

Gruber-WidalscheReaktion beiTyphusscbutzgeimpften. Dr.Herxheimer 

(Solbrig).712 

Hauterscheinungen nach Typhusschutzimpfangen. Dr. Ma tko (Mayer) 713 
Der Typhus abdominalis vom epidemiologischen und klinischen Gesichts¬ 
punkte. Dr. Gal am bos (Mayer) .713 

Unterleibstyphus im Felde während des Winters 1915/16. Dr. Herzbach 

(Solbrig).714 

Typhus und Pneumonie. Dr. Döblin (Solbrig).714 

Typhus und Kahrmischinfektion. Dr. Fejes (Quadtiicg).715 

9. Paratyphus. 

Paratyphöse Erkrankungen. Dr. Korczynski (Quadflieg).164 

Verhreitungsweise und Diagnostik des Paratyphus B - Bacillus. Dr. Kie¬ 
ling (Roepkc).372 

Zur Kenntnis des Paratyphus A. Dr. Loewenthal (Quadflieg) . . . 568 

Atypischer Paratyphus A. Dr. Fren zel (Roepke) ..568 

Verschiedene Formen des Paratyphus B. Dr. Sluka (Mayer) .... 715 

10. Fleisch-, Fisch- usw. Vergiftung. 

Botulismuserkrankungen. Dr. Novotny und Ringel (Mayer) . . . 569 

11. Ruhr, Dysenterie. 

Ruhrbehandlung. Dr. Klesk (Quadflieg). 23 

Serumbehandlung der Ruhr. Dr. Klesk (Quadflieg). 23 

Ruhrbehandlung. Dr. Scharf. Die Ruhrepidemie 1914/15. Dr. Marian 

Gieszezykiewiez (Quadflieg). 49 

Aetiologie der Ruhr. Dr. Friedmann und Dr. Steinbock (Roepke) 165 

Epidemiologie und Bekämpfung der Ruhr im Felde. Dr. Koch (Roepke) 167 

Sernmbehandlung der Ruhr. Dr. Scharf, Dr. Sokolowska und Dr. 

Gieszezykiewiez (Quadflieg). . 208 

Fall von Dick- und Dtiundarmdysenterie. Dr. Chowaniec (Mayer) . 373 

Ruhr der Kinder in Russisch - Polen. Dr. F1 u 8 s e r < Quadflieg) . . . 426 

Bazilläre Dysenterie beim Hunde, Bazillenträgertum. Dold (Roepke) . 481 

'Serologische Diagnose der Shiga-Kruse-liuhr. Dr. Schiemann (Solbrig) 745 

Bakteriologie und Aetiologie der Ruhr. Dr. Sternberg (Mayer) . . 746 

Ruhr und Ruhrbehandlung. Trof. Mayer (Solbrig).746 

12. Diphtherie. 

Diphtheriebekämpfung und Schulärzte. Dr. Strelitz (llofl'mann) . . 51 

Primäre Nasendiphtherie. Bergh (Roepke). 168 

Serumtherapie der Diphtherie. Dr. Reiche (Quadflieg).209 

Sparsamer Blutscrumuährboden für Diphtheriediagnose. Dr. Langer 

(Roepke).374 

Abtötung von Diphtheriebazillen mit Jod-Spray. Dr Rüben (Quadflieg) 374 
Diphtherieverbreilung durch das Kriegsgeld .- Wollen berg (Wolf) . 374 

Gramfestigkeit der Diphtherie- und der Pscudodiphtheriebazillcn als 

diagnostisebes Merkmal. Langer und Krüger (Roepke) . . 426 

Behandlung der Diphtherie. Dr. Borg (Quadflieg).427 

Verbreitung und Bekämpfung der Diphtherie. Kruse (Graßli . . . 560, 

13. Scharlach. 

Blutungen bei Scharlach. Klimenko (Rpd.).432 

























X 


Inhalt. 


Seite 


14. Keuchhusten. 

Neue Behandlung des Keuchhustens. Prof. Kraus (Roepke) .... 238 

15. Epidemische Kopfgenickstarre. 

Pie übertragbare Genickstarre. Dr. Spaet (Boepke) . •. 99 

Pneumokokken- und Mcningokokkcn-Meningitis nach Schädelbasisfraktnr. 

Dr. Sch mid t (Roepke).262 

Atypische und abortive Formen der Meningitis. Dr. Schlesinger 

(Roepke).402 

Aligemcininfektion mit gramnegativen Diplokokken. Stephan (Graßl) 402 

Bekämpfung der Meningokokken-Meningitis. Dr. Gr über (Quadflieg) 458 
Befunde beim petechialen Exanthem der Genickstarre. Dr. P i c k (Roepke) 615 

16. Oedeme. 

Malignes Oedem. Dr. Frankel (Rpd.).569 

Das Gasödem. Dr. Frankel, Dr. Frankenthal und Dr. Koenigs- 

feld (Quadflieg).670 

Aetiologie und Prophylaxe der Gasödeme. Asch off (Roepke) ... 571 

Studien aus der Gruppe der Gasbranderreger, v. Wassermann 

(Quadflieg).572 

lieber Gasphlegmone. Dr. Pay r (Quadflieg).573 

Die Gaspbiegmone, eine Muskelerkrankung. Dr. Bier (Quadflieg) . . 573 

Verhütung der Gasphlegmone und anderer Folgezustände schwerer Ver¬ 
wundungen. Dr. Lonhard (Roepke).574 

17. Spinale KinderlShmung. 

Poliomyelitis. Parsons (Mayer). 57 

Poliomyelitis. B u r n e t (Mayer). 58 

18. Weilsche Krankheit (ansteckende Gelbsucht). 

Untersuchungen Uber die Weilsche Krankheit. Dr. Uhlenhuth und Dr. 

From me (Quadflieg). 49 

Aetiologie der Weilschen Krankheit. Dr. Hü bene r und Dr. Beiter 

(Roepke). 50 

Spezifische Behandlung der Weilschen Krankheit. Dr. Uhlenhuth und 

Dr. Fromme (Quadflieg). 99 

Aetiologie der Weilschen Krankheit. Weil, Dr. Ilübcner und Dr. 

Reiter (Roepke).262 

Beiträge zur Weilschen Krankheit. Dr. Goebel (Qaadflieg) .... 561 

Zur Weilschen Krankheit. Dr. Krumb ein und Dr. Frieling (Roepkei 501 

19. Wochenbettfieber, Wochenbetthygiene und Krankheiten der 

Neugeborenen. 

Behandlung der Placenta praevia durch den Arzt. Dr. Rissmann . . 402 

Kklampsiebehaudlung. Dr. Rissmann .402 

20. Tuberkulose. 

Tuberkelbazillen im Blute. Dr. Moewes (Roepke). 24 

Tuberkulosefürsorge der Geucralkrankenkasse. Dr. ( zech (Wolf) . . 24 

Soziale Erhebungen bei tuberkulösen llandelsargestellten. Dr. (’zech 

und Dr. Götzl (Wolf) . 24 

lleilstättcnbehandlung der Generalkrnnkenkasse 1911 — 1913. l)r. Ncn- 

mann (Wolf) . 24 

Ambulatorische Tuberkulinthernpic. Dr. GÖtzi (Wolf). 24 

Ambulatorische Tubcrkulinbehandlung. Dr. Laub (Wolf) . 24 

.Sonnenklinik für Kranke mit chirurgischer Tuberkulose. (Roepke) . . 25 

Tubcrkclbazillen in den Fäces. Eugleson (Roepke) . 7« 

Abderhalden-Verfahren bei Lnngentuberkulose. Oeri (Roepke) ... 77 

Krankenhausbehandlung der Lungentuberkulose. Moewes (Roepke) 77 

Tuberkulosebekämpfung der Heeresverwaltung. Dr. Helm (Roepke) 101 






















Inhalt. 


XI 

Seite 

Arbeitsbeschaffung für Tuberkulöse. Dr. Kayserling (Roepke) . . 101 

Intrakutan-Tuberkulinreaktion bei Meerschweinchen. Dr. Selter (Roepke) 102 
Wiederholung lokaler TuberkuHnreaktionen. Bes sau und Schwenke 

(Roepke).239 

Taberkulinuntcrsuchungen an Kindern ans tuberkulösen und nichttuber¬ 
kulösen Familien. Dethloff (Roepke).239 

Tuberkulose in einem Tale, in welchem bisher Todesfall an Tuberkulose 

nicht bekannt war. Overland (Roepke) .239 

Behandlung der Lungentuberkulose mit RBntgenstrahlen. Dr. Küpferle 

und Dr. Bacmeister (Roepke).240 

Kombinierte Quarzlicht-Röntgentiefentherapie bei Lungentuberkulose. 

Dr. Bacmeister (Roepke).240 

Alkoholismus und "Tuberkulose. Prof. Orth (Roepke) .241 

Taberkuiosespntnmuntersachungen durch Ziehl-Neelsensche und Kron- 

bergersche Tuberkelbazillenfärbung. Dr. Liehtweiss (Roepke) . 403 

Reinfektion und Immunität bei Tuberkulose. Dr. Selter (Roepke) . . 403 

Mobilisierung der Bazillen durch Tuberkulin. Dr. Möllers und Dr. 

Oe hl er (Roepke).404 

Mobilisation der Langen für Tuberkulose-Behandlung. Dr. K u h n (Roepke) 404 

Sanatorientuberkulosefrage. Dr. H o 1 m b o e (Roepke).405 

Tuberkulose und Heilmittelschwindel. Dr. Klare (Roepke) .... 405 

Infektionsversuche mit kleinen Taberkelbazillenmengen. Dr. Selter 

(Roepke).482 

Einteilung der Lungentuberkuloseformen. Kuthy (Roepke) ..... 482 

Alkohol und Tuberkulose. Dr. Lilienthal (Hoffmann) .482 

Tuberkulose und Prostitution. Dr. Köhler (Roepke) .483 

Lungentuberkulose vom militärärztlichen Standpunkt. Dr. Frankel 

(Graßl).483 

Bedeutung psychischer Momente für den Verlauf der Tuberkulose. Dr. 

Strandgaard (Roepke) .484 

Behandlung der Lungentuberkulose mit ultraviolettem licht. Dr. Gut¬ 
stein (Roepke).484 

Bedeutung des Klimas für die Behandlung der Tuberkulose. Dr. Schröder 

(Roepke).484 

Fürsorge für unbemittelte Luogenkranke. Dr. Hartmann (Roepke) 485 
Einteilung der chronischen Lungentuberkulose. Dr. Büttner-Wobst 

(Graßl) .574 

Temperaturmessung und Lungentuberkulose. Dr. T ach au (Graßl) . . 575 
Lungenschüsse und Lungentuberkulose. Dr. Frischbier (Roepke) . 575 
Heilung vorgeschrittener Lungentuberkulose und posttuberkulösc Bron- 

chiektasie. Turban (Roepke) .575 

Tuberkulose-Sprechstunden in Reservelazaretten; Lungentuberkulose nach 

Kriegsdienst. Dr. »Sil b erglei t (Roepke) . ..577 

Ambulatorische Tuberkuliotherapic. Götzl (Roepke).578 

Ambulatorische Tnberkulinbebandlung. Laub (Roepke).578 

Geschlecht und Tuberkulosesterblichkeit. Orth (Roepke).579 

'Typus der Bazillen bei menschlicher Tuberkulose. Dr. MöllerstRoepke) 580 
Alkoholismus und Tuberkulose. Dr. Kathreiner (Graßl) .... 581 

21. Lupus. 

Tätigkeit der Lupuskotnniission des Deutschen Zentralkomitees zur Be¬ 
kämpfung der Tuberkulose in 1914. (Roepke).242 

22. Geschlechtskrankheiten, Prostitution. 

'Todesfälle nach Salvarsan. Dr. Lube (Roepke) . 26 

Jahresversammlung der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung der 

Geschlechtskrankheiten. (Hofimann). 5 t 

Bestrafung des Geschlechtsverkehrs Venerischer. Blaschko (Roepkei 78 
Diagnostischer Wert der Gonokokkenvakzine. Prof. Asch und stad. med. 

Adler (Graßl). 79 

Ausfall der Wa. R. bei größeren 8erummengen. Dr. Fischer (Roepke) 170 

























XII Inhalt. 


S«*ilc 

Geschlechtskrankheiten in Breslau während dos ersten Kriegsjahrcs. 

Dr. Chotzen (Graßl).170 

Vorübergehende positive Wassermannreaktion. Dr. S t ü m p k c (Quadflieg) 2<»9 
Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten, Beratungsstelle für Geschlechts¬ 
kranke. Dr. Lilienthal (llofftnann).263 

Syphilis, Krieg und Geschlechtskrankheit. I)r. Jtichtcr (Hollmnnn) 263 

Zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten.263 

Prostituiertenüberwachung. Dr. ßlaschko (Rpd.l .459 

Prostitutionspolitik nach dem Kriege. Dr. Güth (Bpd.).460 

Wassermannschc Reaktion, Bpinalpunktion und Kutanreaklion bei Spät¬ 
syphilis. Prof. Bruhns (Rocpke) .485 

lfarnröhrensekret- und Flockenuntersuchung zur Feststellung der 

Gonorrhoeheilung. Dr. G a n s (Rocpke) .487 

Ausscheidung des Salvarsans nach intravenöser Injektion. Dr. ötern 

(Boepke).487 

Gleichzeitige Anwendung von Salvarsan und Quecksilber. Dr. Treupel 

(Roepke).488 

Prostitution jugendlicher Mädchen in München 1915. I« upp recht(Graßl) 560 
Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten. Dr. l'rinzing und Dr. 

Herzfeld (Wolf) .615 

Anzcigepflicht der Geschlechtskrankheiten. Prof. Bla sch ko (Wolf) . 615 

Folgen einer intramuskulären S.ilvarsaninjoktion. Dr. Po 11 and (Mayer) 747 
Fürsorge für die aus dem Felde heimkehrenden gcschlcchtskrankcn Eisen¬ 
bahner. Dr. Herrnberg (Wolf) . 747 

Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten. Dr. v. Zumbusch und Dr. 

Dyrott (Graßl). 747 

23. Wundinfektionskrankheiten. 

Spiittetanus nach Antitoxin-Injektion. Dr. Ten tsch 1 aende r (Bocpke) 51 
Fibrillcntheorie, Toxin- und Antitoxinwanderung beim Tetanus. A s c h o f f 

und Robertson (Bocpke). 168 

Zur Tetanusfragc. Dr. Menzer (Bocpke). 170 

Tetanus-Schutzimpfung. Dr. Löwenstein (Mayer).460 

Blulbefund bei Tetanus. Dr. Grote (Roepke).560 

Stand der Tetanustherapie. Dr. Kaiser (Bpd.i.560 

24. Kropf. 

Pnlcrsuchungen über den endemischen Kropf in Binern. Dr. Wcichardt 

und Dr. Wolf f (Graßl).‘.210 

25. Krebs und sonstige Geschwülste. 

Heilungsvorgänge iul Karzinom, Anregung zur Behandlung. Dr. B i b b e r t 

(Roepke).265 

Krehsepidcmiologische l'ntersucbungen. Dr. 11 i 1 lenberg (Bpd.) . . 266 

26. Milzbrand. 

Milzbrandnu ningitis. Dr. v. Czy hla rz (Mayer) .461 

27. Sonstige Krankheiten. 

Akute Darmerkrankungeu im Felde. Dr. Strasb u rge r (Quadflieg) 52 

Thermopräzipitinreaktion bei Pncnmokokkrninfektion. Dr. Schürmann 

(Roepke).^ . . . . 171 

Durch Bakterium coli verseuchte Trinkwasserbrunnen als Ursache von 

Broncho-Pneumonien. Dr. Windrath (Quadflieg) ..... 210 

Infektionen mit fusiformen Bakterien. Prof. G hon und Roman (Quadflieg» 211 


28. Desinfektion und Bekämpfung von Fliegen und 


anderen Insekten. 

Versuche mit Ungeziefermitteln. Dr. Rabe (Bernstein). 52 

iDesinfektion phthisischen Auswurfs. Dr. Kirstein (Bpd.) .... 4SS 
.PniformaP-Desinfektor. Krüger (Wolf) .6P> 

























Inhalt. ■ 


xin 

Seite 

Fahrbare Entseuchungsmaschinen. (Wolf).748 

Ansschwefeln von Räumen. Dr. Schmid (Wolf).74S 

Bekämpfung der Läuseplngo. Dr. Kauf mann (Solbrig).748 

F. Hygiene und Öffentliches Gesundheitswesen. 

1. Wohnungshygiene, Heizung, Lüftung. 

Innenausbau der Kleinwohnungen. Dr. Rosentbal (Hoffmann) . . . 52 

Wohnungsnot. Dr. Feilchenfeld (Hoffmann).242 

Wohnungsverhältnisse in Stadt und Land. Dr. Kürten (Hanauer) . . 748 

2- Bekämpfung der Staubplage, StraBenhygiene. 

Staubfreies Absaugen der Flugasche. (Wolf). 53 

Staubbekämpfung mit Lösungen. Dr.-Ing. Scheu er m a n n (Wolf) . . 102 

TeeTzementpflaster. Absolon (Wolf).211 

3. Wasserversorgung. 

Ein neuer Sandfiltertyp. Heller (Wolf). 79 

Prüfung tragbarer Wasserfilter. Dr. Spitta (Roepke).103 

Desinfektion kleinerer Trinkwassermengen durch chemische Mittel. Dr. 

S p i t ta (Quadilieg).172 

Katacidtabletten. Dr. Weichardt (Quadfiieg) .172 

chemische Verfahren, kleine Mengen Trinkwasscr zu entkeimen. Dr. 

Weichardt und Dr. Wolff (Rpd.).375 

4. Beseitigung der Abfallstoffe und Abwässer; Reinhaltung 

der Flüsse. 

Die Abwässerfrage. Dr. Niebling (Wolf). 53 

Bedürfnisanstalten. Dr. Roh 1 and (Wolf) . 105 

Beseitigung der Gerbereiabwässer. Dr. Abel (Roepke).1<>5 

Abwasser-Kläranlage einer Tuch- und Flanellfabrik. Bannert und 

Spanner (Wolf).242 

Abwässerpflege und Milzbrand. Dr. Rohland (Hoffmann).243 

Die Abwasserfrage IV. Dr. Rohland (Wolf).207 

Verunreinigung des Weserwassers durch Kali-Abwässer. Dr. A b el (Rpd.) 375 
Rhein wassern ntersuchungen. Dr. Oantzlcr und Dr. Splittgerber 

(Rpd.). 376 

5. Hygiene der Nahrungs* und Genußmittel 
und Gebrauchsgegenstände. 

Kleine Scblachthausanlagen. Schmidt (Wolf). 79 

Schlachthofanlage der Kleinstadt. Morgenstern (Wolf).105 

Die Frischerhaltung von Lebensmitteln, stetefeld (Roepke) ... 172 

Entspricht die Broterzeugung den modernen Forschungen 't Dr. S t o k 1 a s a 

(Roepke).173 

Beurteilung der Dänne bei Tuberkulose der Gekröslympbdrtlsen. Prof. 

Bongert (Roepke).174 

Fleiscbbygiene in Nordamerika. Dr. Poztolka (Wolf).176 

Phospborsäuren zur Herstellung von Brauselimonaden. Dr. Heffter, 

Dr. Juckenack und Dr. Finger (Rpd.).376 

Pilzvergiftungen 1916.377 

Verkehr mit Milch in großen Städten. Dr. Niederstadt (Rpd.) . . 406 
Lobecksches Milchsterilisierungsverfabren. Schmitz (Quadflieg) . . . 406 

Resorbierbarkeit der Nährhefe. Rnbner (Graßl).462 

Oemttsenahrung und Gemüseküche. I)r. Sternberg (Rpd.) .... 488 

Brühe aus zerschlagenen und gemahlenen Knochen. Dr. Gottheil (Rpd.) 749 

6. Gewerbehygiene. 

Die gesundheitlichen Verhältnisse in den Vergoldereien (Wolf) ... 106 

Lungenerkrankungen der Steinhauer. Dr. Koclsch (Wolf) .... 106 

Hirnerweichung bei Lokomotivführern selbst nach voraufgegangener 

Syphilis als Unfallfolge. Dr. Sternberg (Wolf).106 


























XIV Inhalt. 


ft.-it«- 

Klinische und sozialmedizinische Arbeiten aus Genossenschaftskranken¬ 
kassen. Dr. Schiff (Wolf).106 

Ausscheidung gewerblicher Gifte durch Atmung. Dr. Bambousek (Wolf) 243 
Elektrische Zweizellenbäder bei Bleikranken. Dr. Böttrich (Wolf) . 243 

Basierstubenhygiene. Dr. Oxenius (Bpd.).267 

Toxikologie des Tetrachlormethans und des Tetrachloräthans. Dr. 

Koelsch (Wolf).268 

Ein neues Aeschereiverfahreu für Gerbereien Dr. Naske (Wolf) . . 268 
Hautschädigungen durch Kalkstickstoff. Dr. Koel sch (Wolf) . . . 461 
Arbeiterinnen und jugendliche Arbeiter während des Krieges. Körner 

(Wolf).462 

Eine Zellnloidexplosion, deren Ursachen und Folgen, Aufgaben der Aerzte 

bei Katastrophen. Dr. Zangger (Wolf).489 

Die Gewerbeinspektion im Felde. Dr. Bender (Wolf).489 

Maßnahmen für die Gesundheit der Zinkhüttenarbeiter, Dr. Fischer 

(Wolf).617 

Explosion einer Azetylenverdichtungsanlage. Bleyl (Wolf) .... 617 

Azetylen zur Dichteprüfung von Bohrleitungen. Klebe (Wolf) . . . 647 

Genehmigungspflichtige Anlagen. Dr. Mansfeld (Wolf).749 

7. Elsenbahnhygiene. 

Periodische Untersuchungen des Eisenbahnpersonals. Dr. Gilbert, 

T\_ T> L - J _ T* 1 _1_ / ITT. 1 n« -t Ar? 


8. Mutterschutz, Säuglings- und Kleinkinderfürsorge, Haltekinderwesen. 

Wohlstand und Säuglingssterblichkeit. Dr. Klehmet (Wolf) ... 53 

Bedeutung der Mütterberatungsstellen. Dr. Langstein (Wolf) . . 53 

Säuglingsschntz und Beickswochenhilfe. Blaustein (Wolf) .... 53 

Mutterschafts-Versicherung. Dr. Meyer (Hoflmann). 54 

Kriegsfürsorge für Mutter und Säugling (Wolf).176 

Die Säulingsfürsorgestelle in Weißenfels 1914. Dr. Oschmann (Wolf) 176 
Zehn Jahre Säuglingsfürsorge in Charlottenburg. Dr. Bendix (Wolf) . 176 

Säuglingssterblichkeit und Volksernährung.176 

Offene Säuglingsfürsorge im Krieg und Frieden. Dr. Kettner (Wolf) . 212 

Die „Kriegsneugeborenen®. Dr. Langstein (Wolf).269 

Milchbedarf des Kindes, Aetiologie und Behandlung der Bachitis. Dr. 

Feer (Quadflieg).269 

Larosan und Säuglingsfürsorgestellen. Dr. Oschmann (Wolf) . . . 427 

Säuglings- und Kleinkinderpflege im Unterricht der weiblichen Jugend. 

Dr. Lief mann (Wolf).427 

Förderung der Säuglings- und Mutterfürsorge durch Staat und Beich. 

Dr. von Behr (Wolf).428 

Säuglings- und Kleinkinderfürsorge in Sachsen.428 

Bewertung der Sänglingssterblichkcitsziffern. Dr. Szana (lloepke) . . 433 

Die Kinder- u. Säuglingssterblichkeit in Oesterreich. Dr. Bosenfeld (Bpd.) 433 

Statistik des Kleinkinderalters. Dr. Guradze (Bpd.).434 

Die „Kriegsneugeborenen“. Dr. Kettner, Dr. Langstein, Dr. Ben¬ 
dix, Dr. Misch und Dietrich (Wolf).490 

Das ABC der Mutter. Dr. Brauer (lipd.).517 

Gesetzlicher Säuglings- und Mutterschutz in Norwegen. Herzfclder 

(Wolf).648 

9. Schulhygiene. 

Billige Solbadekuren für Schulkinder. Dr. Axmann (Solbrig) ... 26 

Fortbildungskurse für Schulärzte. Dr. Matzdorff (Solbrig) .... 26 

Tätigkeit des Stadtarztes während des Krieges. Dr. Gastpar (Solbrig) 27 
Das erste Kriegsjahr und die großstädtischen Volksschulkinder. Dr. 

Kettner (Roepke). 27 

Schalarztwesen in Oesterreich. Dr. Burgerstein (Wolf). 80 

Einflaß von Krankheiten auf Wachstum und Ernährungszustand. Dr. 

Thiele (Roepke). 80 



























Inhalt. 


XV 


Seite 


Ernährungszustand der Schalanfänger im Kriegsjahr 1915. Dr. Hepner 

(Solbrig).148 

Das Sehen mit einem Auge. Lobsien (Solbrig).148 

Aerztliche Erfahrungen am Schalkindergarten za Dortmand. Dr. Stein¬ 
haus (Solbrig).243 

Verbreitung des Schularztwesens in Oesterreich. Bargerstein (Solbrig) 244 
Mitteleuropäische Gemeinschaft für Schalgesundheitspflege. Lorentz 

(Solbrig).244 

Freilufterziehung. Weinberg (Hoffmann).4<>2 

Die Körperkonstitation der ostprenßischen Schalkinder. Dr. Kisskalt 

(Roepke).490 

Zar Minderang der Kindersterblichkeit an Infektionskrankheiten. Dr. 

Pf and ler (Graßl).517 

Keimgehalt der Loft in Dorfschulen. Pietsch (Solbrig).618 

Ohrenärztliche Beobachtungen in den Volksschalen Augsburgs. Dr. 

Bachaaer (Solbrig).618 

Sommerzeit and Schalanfang. Dr. Langer ha ns (Solbrig).750 

Moderne Sexualpädagogik. Dr. Sonnenberger (Solbrig).750 

10. Jugendfürsorge, Jugendspiele und Leibesübungen. 

Aerztliche Beobachtangen bei einem Armee-Gepäckmarsch. Dr. Thiele 

(Roepke).'. 28 

Jagendhygiene nach dem Kriege. Prof. Moldenhaaer (Solbrig) . . 28 

Vaterländische and militärische Erziehung der Jagend. Kemsies (Rpd.) 28 

Zehn Jahre Fürsorgearbeit (Hoffmann). 54 

Jugendfürsorge und Lehrerschaft. Dr. Altschul and Heller (Solbrig) 435 
Erziehung zur Wehrtiiehtigkeit. Dr. Wimmenaaer (Solbrig) . . . 463 

Jngendpflege. E. B. (Hoffmann).617 

11. Krankenanstalten und Krankenfüraorge. 

Zentrale Krankenhnnsbelüftnng. Dr. Rasser (Wolf).270 

Verringerung der Krankenhaasbaukosten. Spinner (Rpd.).270 

Luxus in Krankenhausbauten. Voggenberger (Rpd.).271 

Ledigenheim Charlottenbarg (Hoffmann).463 

Krankenhauspflege als Leistung der Krankenversicherung. Dr. Wille 

(Hoffmann).490 

Kriegslazarette ehemals and heate. Doggenberger (Hoffmann) . . 491 

Das städtische Tuberkulose-Krankenhaus. Dr. Braeuning (Roepke) . 581 

12. Krlegsbeachldlgtenfüraorge. 

Merkblatt für Kriegsverstümmelte. 80 

Beschäftigungsaussichten der Kriegsbeschädigten. Schlüter (Wolf) . H) 
Kriegsbeschädigtenfürsorge und Diensttauglichkeit. Dr. Herzfeld (Wolf) 107 
Aerztliche Fürsorgesprecbstnnden. Dr. Curschmann (Wolf) . . . 107 
Uebangsschalen für Hirnverletzte. Prof. Goldstein (Wolf) .... 107 
Technische und hygienische Berufsberatung für Kriegsverletzte. Fischer 

(Wolf) .*.306 

Kriegsblindenfürsorge. Dr. Feilchenfeld (Roepke).307 

Hentensacht der Kriegsbeschädigten Horion (Wolf).307 

Invalidenfürsorge in Ungarn. Dr. Ferenczi (Wolf).308 

Kapitalisierung von Kriegsrenten. Dr. Horn (Roepke).308 

Kriegsbeschädigtenfürsorge.492 

Ansiedlung Kriegsbeschädigter. Hans Würtz (Wolf).49t 

Kriegsinvaliden als Siedler. Hans Ostwald (Wolf).494 

Problem der „willkürlich beweglichen künstlichen Hand“. Dr. Poch- 

bammer (Roepke). 494 

Der Arzt als sozialer Helfer; Arbeitsbehandlung, Unterricht und soziale 

Förderung in Lazaretten. Dr. Hartwig (Itehberg).618 

Kriegsinvalidenfürsorge in Nürnberg. (Rebberg). 619 

ChirargUche and allgemeine Kriegsbeschädigtenfürsorge. Dr. König 

(Rchberg) ..619 































XVl Inhalt. 

Seile 

Die Hand und ihr Ersatz. Dr. Bonnet (Rehberg).620 

Werkstätten für Erwerbsbeschränkte. Lohmar (Rehberg).620 

Staatliche Kriegsinvaliden-Fiirsorge. Dr. Köhler (Rehberg) .... 621 

Berufsberatung der Kriegsbeschädigten. Derdock (Wolf) .... (521 

Berufsausbildung Kriegsbeschädigter. Prof. Böhm (Wolf).622 

Ansiedlung der Kriegsbeschädigten. Dr. Keup, Mayer und Wölb- 

ling (Rehberg).64S 

Kriegsbeschädigte, Unfall verletzte und Arbeit. Dr. Ewald (Solbrig) . 716 

Das Mannheimer Schulsystem der Kriegsbeschädigten. Dr. Sicki n ge r) 

(Hoffmann).717 

13. Blindenfürsorge. 

Blindenwesen und Kriegsblindenüirsorge. Dr. Bielschowsky (Rpd.) 407 
Blindenanstalten und Blindenfürsorge. Dr. Behla (Rpd.).407 

14. KrüppelfUrsorge. 

Krüppel. Dr. Jacoby (Hoffmann).716 

15. Soziale Hygiene. 

Einfluß des Krieges auf Ernährung und Gesundheit. Dr. Z u n tz (<)uadflieg) 45 

Siedelungsreform. Dr. v. G ruber (Graßl). 81 

Leitsätze fiir Wohnungs- und Siedelungsreform. (Graßl) . 82 

Die gesundheitlichen Aufgaben nach dem Kriege. Dr. Fi sc h e r (Wolf) 107 

Aufgaben der Hevölkernngspolitik. Winter (Roepke).177 

Oeburtenbewegung in Wien. Richter (Roepke).178 

Die Bevölkerungsfrage. Dr. Richter (Roepke).244 

Der Geschlechtsbruch in der Bevölkerungsstatistik. Dr. v. Eyk (Wolf) 24b 
Einflnß der kriegsmäßig veränderten Ernährung. Somrnel (Koepke) . 245 

Ernährung der Kopfarbeiter. Dr. Hindhede (Hoffmann).245 

Besserung des Zahnelends. Kuhnert (Roepke) .272 

Wohnrenten für Kinderreiche durch Sparpflicht. Dr. Schmittmann 

(Graßl).278 

Geburtenrückgang in Posen. Dr. Larass (Rpd ).273 

Literatur des Geburtenrückganges. Dr. Würzburger (Rpd.) . . . 274 

Kommende Wohnungsnot. Dr. Buetz (Hanauer).436 

Erhaltung der Volkskraft. Dr. Lublinski (Hoffmann).494 

Krieg und Geburtenrückgang. Dr. Altschul (Wolf) .495 

Gründe und Bedeutung des Geburtenrückganges. Dr. v. Hövel 1 (Rpd.) 518 
Staatliche Mütterfürsorge und der Krieg. Dr. Fischer (Rpd.) . . . 518 
Massenspeisungen der Hamburgischen Kriegsküchen. Dr.Fürst(Rocpke) 518 

Sündliche Aiumen-Miete. Jördensen (Graßl).582 

Mangelhafte Ernährung nls Ursache von Sexualstörungcn bei Frauen. 

Dr. v. Jaworski (Mayer).583 

Bedeutung der Konstitutionsanomalien und -krankheiten für den Gvnae- 

kologen. Dr. N ovak (Mayer).583 

Einfluß des Krieges auf die erblich-organische Höherentwicklung. Dr. 

Vaerting (Wolf).584 

Ans der „Deutschen Gesellschaft für Bevölkernngspolitik“. (Graßl) . 584 

Periodische Untersuchung Gesunder. Dr. Sonnenberger (Hoffmann) 535 

Einwirkung der Kriegsfürsorge auf die Volksgesundheit. Dr. Gottstein 

(Roepke).622 

Die Umwertung des Bevöikerungsproblems. Dr. Schloßmann (Wolf) 648 

Periodische ärztliche Untersuchung und Lebensversicherung. Dr. Lilien- 

thal (Hoffmann).649 

Bedeutung der wirtschaftlichen Verhältnisse für die Stärkung unserer 

Volkskraft. I)r. Nissie (Graßl). 717 

Kindcrlosensteuer und staatliche Kinderversicherung. Dr. Walter Zahn 

(Graßl). 717 

Zweikindersystem in Frankreich. Dr. Mansche (Hanauer).718 

Gesetzliche Unterstützung kinderreicher Familien in Frankreich. Dr. Z a li n 

(Wolf) .718 





























Inhalt. iVÜ 

Seile 

16. Statistik. 

Die Bevölkerung in Luxemburg, Niederlande, Norwegen von 1900—1910. 

Dr. Roesle (Rpd.). 29 

Mord, Totschlag, Hinrichtungen in Preußen 1909 bis 1913. 56 

Todesursachenstatistik für 1912. Dr. Prinzing (Wolf).107 

Hevülkerungsregister in den Niederlanden. Dr. Reitsma (Wolf) . . 108 

Bevölkerung in Oesterreich-Ungarn in 1900—1910. Dr. Roesle (Wolf) 108 

Bewegung der Bevölkerung in Preußen 1913/14.178 

'iebartenhiiufigkeit und Säuglingssterblichkeit in Großstädten .... 275 

Hewegung der Bevölkerung in Preußen 1913 und 1914 (Rpd.) .... 519 

Medizinische Statistik des Hamburgischen Staates für 1914 (Rpd.) . . 520 

iJeburtenhäutigkeit und Säuglingssterblichkeit in deutschen Großstädten 

(Rpd.).520 

l>ie Bevölkerung in Portugal 1900—1910. Dr. Roesle (Wolf) . . . 622 

Bevölkerungsstatistik vor dem Weltkriege.750 

17. Medizinalbeamte und öffentliches Gesundheitswesen. 

Das Gesundheitswesen im Gebiete des Generalgouvernements Warschau 179 
Zersplitterung der Gesundheitsfürsorge. Der Ascher (Roepke) . . . 522 

Zersplitterung der Gesundheitsfürsorge. Dr. Sieveking (Roepke) . . 622 

18. Apothehenwesen, Arzneiversorgung, Verkehr mit Giften. 

Pharmazeutische Rundschau. Dr. W i n c k c 1 (Roepke).212 

Kriegspreise der Arzneimittel. Fühner (Roepke).523 

Verfälschung von Medikamenten in Rußland. (Hoffmann).523 

l’arglyzerin und Perkaglyzerin. Dr. Wechselmann (Roepke i . . . 623 

>eifenersatz. Oppenheimer (Graßl). 524 

19. Hebammen. 

Wünsche für das Hebammenwesen. Dr. Riß mann (Rpd.).378 

Aussichten der Hebammenreform. Dr. Rißmann (Rpd.).585 

20. Niederes Heilpersonal. 

Ausbildung des Pflegepersonals. Dr. Patschke (Rpd.).272 

21. Begräbniswesen. 

Prinzipien des Bestattungswesens, Schicksal der Leichen auf den Schlacht¬ 
feldern. Dr. Müller (Rpd.).649 


III. Besprechungen. 1 ) 

Abel, Prof. Dr.: Bakteriologisches Taschenbuch (Rpd.).309 

Bach, H.: Bestrahlungen mit der Quarzlampe (Gumprecht) .... 82 

Bachem, Prof. Dr : Deutsche Ersatzpräparate für pharmazeutische 

Präparate des feindlichen Auslandes (Rpd.).496 

Bierbach, Dr.: Fischers Kalender für Medizin (Rpd.). 57 

Brauer, Prof. I>r.: Erkennung und Verhütung des Fleckfiebers und 

Rückfallfiebers (Rpd.).3!0 

„ „ „ Deutsche Krankenanstalten für körperlich Kranke 

(Rpd.).753 

v. Buchka, Prof. Dr., Kerp, Dr. und Paul, Dr.: Nahrungsmittel¬ 
chemie (Rpd.).340 

„ „ „ Das Lebensmittelgewerbe (Rpd.) .463 

Dethleffsen s. Feldarzt. 

Dornblüth, Dr : Gesunde Nerven im Frieden und Krieg (Roepke) 149 

Eisenstadt, Dr.: Beiträge za den Krankheiten der Postbeamten (Rpd.) 496 

Feldarztes Taschenbuch IV. Teil: Dr. Lipp, Untersuchungsmethoden für 
Lazarette usw., V. Teil: Dr. Plath und Dr. Dethleffsen: Die 
physikalische Therapie im Feld- und Heimlazarctt (Hpd) . . . 409 

') Die Namen der Referenten sind in Klammern beigefügt. 






















XVIII 


Inhalt. 


212 


Gaertner, Prof. Dr.: Die Hygiene des Wassers (Rpd.). 

Geith, Hans: Herstellung pathologisch -histologischer Präparate und 
Zusammenstellung der gebräuchlichsten Färbmethoden (Rpd.) . . 

Granier, Dr.: Lehrbuch für Heilgehilfen usw., bearbeitet von Dr. 

Httttig (Rpd.). 

Griesbach, Prof. Dr.: Physiologie und Hygiene der Ernährung (Rpd.) 
Ha mack, Prof. Dr.: Die gerichtliche Medizin mit Einschluß der 
Psychiatrie und der Beurteilung von Versicherungs- und Unfall¬ 
sachen (Rpd.).. 

Hebammenkalender, Deutscher (Rpd.). 

Hü ttig, s. Granier. 

Joachim, Dr. und Korn, Dr.: Die preußische Gebührenordnung für 

Aerzte und Zahnärzte (Rpd.). 

Kaufmann, Dr.: Handbuch der Unfallmcdizin (Rpd.). 

Kerp, s. v. Buchka. 

Klut, Dr.: Untersuchung des Wassers an Ort und Stelle (Schultz- 

Schultzenstein) . 

Kommunalwirtschaft und Kommunalpolitik, Schriften des Vereins für 

(Rpd-). 

Korn, s. Joachim. 

Langstein, Prof. Dr.: Gesunde Kinder in den Spiel-, Schul- und Ent¬ 
wicklungsjahren (Rpd.) . 

L i p p, s. Feldarzt. 

Lohmar, Paul: Schattenseiten der Reichs-Unfallversicherung (Gasters) 
Medizinal- und Veterinär wesen in Sachsen, Jahresbericht (Rpd.) . . . 

Meyers großes Konversationslexikon, 2. und 3. Jahressupplement (Roepke > 

Orlowski, Dr.: Hausarztkalender (Rpd.). 

Paul, s. v. Buchka. 

P1 a t h, 8. Feldarzt. 

Pranssnitz, Dr.: Grundzüge der Hygiene (Rpd.). 

Richter, Prof. Dr.: Gesundheitspflege der Nieren-und Harnorgane (Rpd.) 
Salge, Prof. Dr.: Therapeutisches Taschenbuch für die Kinderpraxis 

(Rpd.). 

Salomon, Dr.: Taschenbuch mit Anleitung für die klinisch-chemischen 

und bakteriologischen Untersuchungen (Rpd.). 

Sanitäre Kriegsrüstung Deutschlands (Rpd.). 

Sauerbruch, Prof.: Die willkürlich bewegliche künstliche Hand (Rpd.) 

Schnirer, Dr.: Taschenbuch der Therapie (Rpd.).. . 

Schrakamp, Dr.: Fürsorge- und Versorgungsansprüche der Kriegs¬ 
beschädigten (Roepke). 

Ti lim ans, Dr.: Die chemische Untersuchung von Wasser und Abwasser 

(Rpd.). 

Vaerting, Dr.: Mutterpflichten gegen die Ungeborenen (Rpd.) . . . 

Waibel, Dr.: I^eitfaden für die Nachprüfungen der Hebammen (Graßl) 
Wasser- und Gaswirtsehaft, Vereinschriften des Vereins für (Rpd.) . . 

Wolf, Dr.: Improvisationen von Dampfdesinfektionsapparaten (Roepke) 
Würtz, H.: Der Wille siegt (Rpd.i. 


561 


495 

311 


339 

58 


409 

340 


213 

342 


342 

689 
3i »9 
464 


7 ;>2 

496 

310 

495 

66 

497 
378 

108 

341 

562 

689 

497 

108 

30 


Tagesnachrichten. 

A us dem Reichstage, dem Rundesrate und den Reichsämtern usw.: 
Herabsetzung der Altersgrenze bei der Invalidenversicherung 182, 246, 


311, 378 

Wirtschaftliche Kriegsmaßnahmen 182, Etat.246 

Sicherung der Ernährung 410, 651, Rcvölkerungspolitik .... 587, 663 

Vaterländischer Hilfsdienst.719, 753 

Aus dem preußischen Landtage: 

Medizinaletat. 58 

Ansiedlung von Kleingütern. 149 

Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten.214, 378 

Ernährungsfrage.. . 719. 753 

Wohnungsgesetz. 753 




























Inhalt. 


XIX 

Seile 

Ans anderen gesetzgebenden nsw. Körperschaften: 

Sitzung des Sächsischen Landesgesnndheitsamts. 345, 438 

Ehrentafel 31, 63, 83, 111, 151, 181, 215, 248, 279, 312, 347, 383, 411, 440, 
467, 499, 525, 563, 587, 623, 654, 691, 721, 755. 

Ehrengedächtnistafel 32, 64, 84, 112, 152, 184, 216, 248, 280, 312, 348, 383, 
412, 440, 467, 499, 525, 564, 588, 624, 664, 691, 723, 755. 

Aussatz. 84 

Focken 64, 84, 112, 152, 184, 216, 248, 280, 348, 384, 412, 469, 500, 526, 564, 
588, 655, 723, 755. 

Cholera 32, 64, 84, 112, 152, 184, 216, 248, 289, 348, 384, 412, 468, 500, 626, 
564, 588, 655, 723, 755. 

Fleckfieber 64, 84, 112, 152, 184, 216, 248, 280, 348, 384, 412, 468, 500, 526, 
564, 588, 655, 723, 755. 

Obertragbare Krankheiten, Wochenübersichten: 32, 64, 84, 112, 152, 184, 248, 
312, 348, 384, 412, 440, 468, 500, 526, 564, 688, 624, 655, 692, 728, 755. 

Kongresse und Versammlungen; 

Deutsche Vereinigung für Krüppelfiirsorgc.62, 109 

Dcotscher Kongreß für innere Medizin. 111, 150, 183, 846 

„ „ „ Krüppelfiirsorgc.498 

Deutsche Gesellschaft für soziale Hygiene.279 

Deutsches Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose . . . 279 

Konferenz für Trinkerfürsorge. 347 

Deutscher Verein für öffentliche Gesundheitspflege.847 

Zentralstelle für Volkswohlfahrt.411, 654 

Deutscher Verein für Psychiatrie.467 

Landeskonferenz und Landeszentrale für Säuglingsschutz .... 623 

Personalien: Hirsch 382, Pfeiffer 149, Pollitz 721, Richter 215, 

t. Scbj erniüg .411 

Todesfälle: Doebert 215, Dütschke 524, Fehrs 247, Fränken 62, 
Leabuscher 149, Ntinninghoff 655, Philipp 111, 
Richter 524, Wallichs62, Wiedner 439. 

Zivilärzte, die nicht gedient haben .. 30 

Deutsche Arzneitaxe. . 30, 278, 811 

Keuchhustenserum. 80 

neilerfolge bei den Verwundeten. 30 

Friedrich-Bathildis-Medaille. 31 

Qesundheitsbericht für 1914/15. 61 

Vertraglich verpflichtete Zivilärzte. 61, 247, 437 

König Ludwig-Kreuz. 62 

Geheimmittel, Kurpfuscher. 82 

Fahrpreisermäßigung der Fürsorgeschwestern für Lungenkranke ... 83 

Neuwahl des Reichsgesundheitsrats .108 

Verbot der Herstellung von FleisChkonservcn.109 

Prüfstelle für Ersatzglieder.109 

Verlänmdnngen deutscher Lazarettärzte.110 

Ehrenmitglieder der Deutschen Orthopädischen Gesellscbnft.111 

Jnbiläumsstiftang des Deutschen Lcbrervereins.Ul 

Zuwendung an das Bulgarische Rote Kreuz.111 

Medizinisch-biologische Gesellschaft.111 

Errichtung eines kriminalistischen Instituts.149 

Stillgeld bei Mehrgebnrten.149 

Beratnngsstelle für Geschlechtskranke in Bremen.150 

Badische Gesellschaft für Soziale Hygiene.150 

Preisausschreiben der Gesellschaft für Rassenhygiene.150 

Gegen die Zersplitterung der Kriegswohlfahrtspttcge.150 

Inv&lidenversichernngspflicht freiwilliger Kriegsschwestern.150 

Vertrieb der Broschüre eines Kurpfuschers durch das Rote Kreuz . 150 

Sachverständigenkonferenz über Prostitution und Geschlechtskrankheiten 214 



































Inhalt. 


Xx 


Aenderung der Kreisarztbezirke Cöln.215 

Fleischversorgung. 247, 211, 488 

Gesundbeten and christliche Wissenschaft.247 

Kaiser Wilhelm - Institut für Biologie.278 

Nahrangsmittelfragen Groß-Berlins vom ärztlichen Standpunkt .... 811 

Ehrenkreuz für freiwillige Wohlfahrtspflege. 311 

Denkmal fiir Robert Koch.312, 346 

Kriegsernährungsamt.343 

Verkehr mit Seife.344 

Pockenimpfung in Luxemburg. 345 

Tuberkulosefürsorge im Mittelstände.347 

Erhaltung und Mehrung der Volkskraft.347 

Geburtenrückgang.382 

Deutschlands Spende für Säuglings- und Kleinkinderschutz.383 

Preisausschreiben filr künstliche Beine.383 

„ über eine medizinische Leistung aus dem Gebiete der 

Volksernährung in Kriegs Zeiten.411 

Ausstellung für soziale Fürsorge in Brüssel.411 

Kapitalabfindung für Militärrenten.437 

Aerztliche Sachverständige für den Beirat des Kriegsernährungsamts . 438 

Erhöhung der Post- und Telegraphengebühren.438 

Geburtenrückgang in Frankreich.. . 439 

Preisausschreiben für Heilung von Herzkrankheiten nach (ielenkrheuma- 

tismus.439 

Aufruf des Kriegsernährungsamts.465 

Kriegswucheramt.465 

Zentralhilfsstellc für Krankenornährung in Berlin 466 

Sicherung der Ernährung. 497 

Erreger des Flecktyphus.524 

Kreisarztprüfungen 1910—1916.562 

Ergänzungsausbildung der notgeprüften Acrztc.562 

Herabsetzung der Kriegsbesoldung.586 

Des Kaisers Fürsorge für die Zukunft des Volkes.650 

Förderung der Volksernährung durch den König von Bayern .... 651 

Volksernährung. 652, 720 

Wochenhilfe.653 

Beratungsstelle für Kleinwohnungsbau.653 

Feldhilfsärzte.653 

Ober- und Assistenzärzte in Stabsarztstellen.653 

Fünfzigjähriges Jubiläum des Vaterländischen Frauenvereins .... 690 

Volkszählung .691 

Röntgenabteilung der Unterrichtsanstalt für Staatsarzneikunde .... 692 

Vereidigung der mit Kriegsstellen beliehenen Aerzte.719 

Verdienstkreuz für Kriegshilfe.753 

Einkleidungsbeihilfe für Unterärzte.752 

Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten.754 


Y erschiedenes. 

Jnbiläumsstiftung des Preußischen Medizinalbeamtenvereins .... 32, 467 

Kalender für Medizinalbeamte. 588, 624, 655, 632, 724, 756 

Sprechsaal. . 32, 500, 526, 655, 723, 756 

Berichtigungen. 184, 216, 280, 500, 724 

Mitteilnngen an die Leser. 64, 112, 152, 624, 692, 724, 756 










































Sach ^Register. 


Abtreibung 117 ff., 281, in Ostpreußen 
362, durch Gebärmutterauskratzung 
597. 

Abwässer, Reinigung durch Hamburger 
Tropfkörper 40, Abwiisserfrage 53, 
267, von Gerbereien 105, Kläranlage 
einer Tuchfabrik 242, und Milzbrand 
243, Untersuchung 341, Kalinbwässer 
375, Rheinwasseruntersuchungen 376. 

Albuminurie 16. 

Alkoholismus 145, und Tuberkulose 
241, 482, 581, Trinkerfürsorge 847, 
421, Unfall und Delirium tremens 
456, Gewährung ärztlicher Behand¬ 
lung Trunksüchtiger durch Kranken¬ 
kassen 709. 

Ammen-Miete, sündlicbe 582. 

Ammoniak, Vergiftung 704. 

Amputation, Messung der Stümpfe 159, 
Behelfsprothesen 455. 

Angestelltenversielierung, der Bade¬ 
meister 97, der Schreiber 320, Bericht 
über die Jahre 1913/15 458, der Heil¬ 
gehilfen 708, der Pflegerinnen in 
Kinderheilstätten 709. 

Arbeiterschutz 123, während des 
Krieges 462. 

Arbeitsnachweis für Kriegsbeschädigte 
608. 

Aronsbeeren, Giftigkeit 595. 

Arteriosklerose und Unfall 687. 

Arznei- und Geheimmittel, Ersatz¬ 
präparate 212, 496, Tuberkulose- 
beilmittclschwindel 405, Kriegspreise 
523, Verfälschung in Rußland 523, 
Verkauf von Präcipitatsalbe 526, un¬ 
zureichende Gesetzgebung über den 
Verkehr damit 533, Abgabe von 
Schnupfpulver mit Cocain 656, 
Karbolcreme, Rindermarkpomade, 
Jodoformgaze, Warzenstifte, russ. 
Knöterichtee 724. 

Arzneitaxe 30, 278, 811. 

Aerzte, der Ersatzreserve 30, vertrag¬ 
lich verpflichtete 61, 437, Steuer¬ 
pflicht 247, Verleumdungen deut¬ 
scher Lazarettärzte 110, Stellung, 
Verdienste, Wünsche 115 ff., Ver¬ 
tretung durch Kandidaten 282, Ableh¬ 


nung als Sachverständigen 234, Haf¬ 
tung wegen Pflichtverletzung 235, 
unbefugtes Offenbaren der Krankheit 
eines Patienten 867, Gebührenord¬ 
nung 409, Taschenbuch über Unter- 
snehungsmethoden 409, Aufgaben bei 
Katastrophen 489, neue Aufgaben 
501, Ergänzungsprüfung der not¬ 
ausgebildeten 562, Beteiligung an 
Fürsorgebestrebungen 563, als soziale 
Helfer 618, Beförderung zu Feld¬ 
hilfsärzten, Besoldung der Militär¬ 
ärzte 653, Vereidigung der mit 
Kriegsstellen beliehenen 719, Ein¬ 
kleidungsbeihilfe für Unterärzte 753. 

Arzttitel, Mißbrauch 728. 

Auge, Erkrankungen im Felde 14, Ent¬ 
schädigung bei Linsenlosigkeit 17, 
Sehen mit einem Auge 148, Schädi¬ 
gung bei Vergiftung durch Methyl¬ 
alkohol 233. 

Aussatz, s. Tagesnachrichten S. XIX, 
Verbreitung 370. 

Auszeichnungen, Friedrich - Bathildis- 
Medaille 31, König Ludwig-Kreuz 62, 
Ehrenkreuz für freiwillige Wohl¬ 
fahrtspflege 311, Verdienstkreuz für 
Kriegshilfe 753. 

Azetylen, Explosion einer Verdichtungs¬ 
anlage 617, Prüfung von Rohr¬ 
leitungen 647. 

Bademeister, Angestelltenversicherung 
97, Lehrbuch 495. 

Bakteriologie, Erfahrungen mitBöchsen- 
agar 72, Nährböden 73, 163, Infek¬ 
tionen mit fusiformen Bakterien 211, 
Taschenbuch 309, Bazillenträger und 
Dauerausscheider 602. 

Beamte, Kriegsbeschädigte 607. 

Bedürfnisanstalten 105. 

Beinamputierte, vorbereitende Behand¬ 
lung 71. 

ßestattungswesen, Prinzipien, im Kriege 
649. 

Bevölkerung, in Preußen 178,. 519, 
Politik 177, 244, 584, 687, Ge- 
schlechtsbruch 245, in Portugal 622, 
Umwertung des Problems 648, 



XXII 


Sach-Register. 


Statistik Tor dem Weltkriege 750. 

Biologie, Kaiser Wilhelm-Institut 278. 

Blei, Zweizellenbäder für Bleikranke 
243. 

Blinde, KricgsblindenfQrsorge 307, 407, 
609. 

Blut, forens. Blutnachweis 303. 

Botryomykose 228. 

Bromoformvergiftung 477. 

Broncho-Pneumonic durch verseuchtes 
Wasser 210. 

Brot, Art der Herstellung 173. 

Brauselimonade, Phosphorsäuren 376. 

Cholera, s.a Tagesnachrichten S.XIX, 
bakteriologische Diagnose 33, Stuhl- 
nntersuchung 370, Blutuntersuchung 
371, Schutzimpfung 76, 97, 371, 480, 
Exanthem 37 2, Schutz des Heeres 
506, und Paratyphus 557, Behand¬ 
lung 558. 

Darm, Behandlung von Erkrankungen 
52, Krankheiten der Krieger 601. 

Dermatologie, Anaphylaxie 261. 

Desinfektion, Improvisation von Dampf¬ 
apparaten 108, des phthisischen Aus¬ 
wurfs 488, Uniformal-Desinfektor 616, 
fahrbare Entseuchungsmaschinen 748, 
Ansschwefeln 748, Bekämpfung der 
Läuseplage 748. 

Dinitrobenzol, Vergiftung 554. 

Diphtherie, Bekämpfung 313,560, durch 
Schulärzte 51, Nasendiphtherie 168, 
8erumtherapie 209, sparsamer Blut¬ 
serumnährboden 374, Abtötung der 
Bazillen mit Jodspray 374, Ver¬ 
breitung durch Papiergeld 374, 
differcntialdiagnostiscbes Merkmal 
426, Behandlung 427. 

Kbeangelegenhelten, forensisch - psy¬ 
chiatrische Beurteil ang 646. 

Ehren- und Ehrcngedächtnistafel s. 
Tagesnachrichten S. XIX. 

Eisenbahn, Untersuchungen des Per¬ 
sonals 81, 107, 270, Fürsorge für 
aus dem Felde kommendegeschlechts- 
kranke Beamte 747. 

Eklampsie, Behandlung 402. 

Elektrizität, Tod 565. 

Entbindungsanstalten, private 6. 

Epilepsie 601. 

Erhängungstod 589. 

Ernährung, Einfluß des Krieges 54, 
245, der Kopfarbeiter 245, Physiologie 
und Hygicue 341, Kriegsernäbrungs- 
amt 343, Volksernährung 410, 497, 
651, 652, 753, Preisausschreiben 411, 
ärztliche Beiräte des Kriegsernäh- 
rungsamts 488, Aufruf des Kriegs¬ 
ernährungsamts 465, von Kranken 


466, u. Sexualstörungen der Frauen 
583, Richtlinien zur 8ichcrstellung 
719, 720. 

Experiment am Menschen 258. 

Fftrbcmellioden 561. 

Familien 206, UnterbringunginFamilicn- 
pflege 206, Vereinigung für Faroilien- 
wohl 382, Fürsorge für die Familien 
Kriegsbeschädigter 608. 

Fleckfieber s. a .Tagesnachrichten S. X1X, 
in Görlitz 22, Epidemie 22, Serum¬ 
reaktion 98, Erkennung 158, und 
Unfall 236, Erkennung und Ver¬ 
hütung 340, 509, liautveründerungen 
bei Meerschweinchen 401, klinische 
und mikroskopische Untersuchungen 
401, Therapie 458, Verbreitung durch 
Kopfläuse 481, Erreger 524, Züch¬ 
tung des Bakteriums 559, Acliologic 
559, 614, 711, Kombination mit 
Unterleibstyphus 568, als Kricgs- 
seuche 710, Entlausung 711. 

Fleisch, Konserven 109, tuberkulöser 
Tiere 174, Flcischhygiene in Amerika 
176, Fleischkarten 247, 438, für 
Kranke 311. 

Fleischvergiftung 569. 

Flieger, Tod 16. 

Frauen in der Kriegsbcschiiditrton- 
fttrsorge 608. 


Gasbrand 572. 

Gasödem 570, 571. 

Gasphlegmone 573, 574, bei Verwunde¬ 
ten 46. 

Gaswirtschaft, Vereinsschriften 497. 

Gebärmutter, Abtreibung durch Aus¬ 
kratzung 597. 

Gebührenordnung für Aerzte 407. 

Geburten, Rückgang 113 ff., 273, 274, 
518, in Frankreich 439, in Deutsch¬ 
land 472, in Wien 178, Statistik 276, 
Rückgang und Krieg 495, Häufigkeit 
in Großstädten 520, Zweikinder- 
System in Frankreich 718. 

Geheimmittcl, Bekämpfung 82. 

Gehirnerweichung und Unfall 106. 

Gehirnkrüppel, Uebungsschulcn 235. 

Genickstarre 99, 262, Milzbrand¬ 

meningitis 385, 461, atypische und 
abortive Formen 402, Infektion mit 
gramnegativen Diplokokken 402, 
Meningitis typhosa 425, Bekämpfung 
458, Befunde beim Exanthem 615. 

Gerberei, Aeschereiverfaliren 268. 

Gerichtliche Medizin, kriminalistische 
Institute 149, 363, Handbuch 339, 
Kindesmord 36t, Familienmord 364, 
Rohheitsverbrechen und militärische 
Vergehen 365, Anrechnung des Auf¬ 
enthalts in der Irrenanstalt auf die 



Sach-Register? 


XXIII 


Strafzeit 36(5, Beurteilung von Ehe- 
Angelegenheiten 646. 

Geschlecht und Tuberkulosesterblich¬ 
keit 579. 

Geschlechtsbruch 245. 

Geschlechtskrankheiten, Bekämpfung 
51, 130, 214, 263, 378, 615, 653, 787, 
747, 754, Bestrafung Venerischer 78, 
Gonokokkenvakzine 79, Beratungs¬ 
stellen 150,W;tsserma»nscbe Reaktion 
170, 208, in Breslau 170, Behandlung 
der 8pätsyphilis 485, Feststellung 
der Gonorrhoe 487, Ausscheidung 
des Salvarsans 487, gleichzeitige 
Anwendung von Salvarsan und 
Quecksilber 488, Anzeigepflicht 615, 
Fürsorge für aus dem Felde kom¬ 
mende Eisenbahner 747. 

Geschosse, Vergiftung 158, Extraktion 
durch Magnete 454. 

Geschwür, charakteristisches, künstlich 
erzeugtes 743. 

Gesetzgebung und Kriegsbeschädigten¬ 
fürsorge 603. 

Gesundbeten und christliche Wissen¬ 
schaft 247. 

Gesunde, planmäßige Untersuchung 585. 

Gesundheit, Einfluß des Krieges 54. 

Gesundheitsbericht 61. 

Gesundheitsfürsorge, Zersplitterung 
150, 522, 622, Zentralisation (578. 

Gesundheitspflege, s. Hygiene. 

Gesundheitswesen, Warschau 170, 
Kriegslehren 217. 

Gewerbehygiene, Vergoldereien 106, 
Steinhauer 106, Ausscheidung von 
Giften durch Atmung 243, Zelluloid- 
explosion 489, Gewerbeinspektion im 
Felde 489, Schutzmaßnahmen für 
Zinkhüttenarbeitcr 617, Explosion 
einer Azetylenvcrdichtuugsanlage 
617, genehmigungspflichtige Anlagen 
749. 

Gifte, s. a. Vergiftungen, Ausscheidung 
durch Atmung 243. 

Glyzerin, Ersatzmittel 523. 

Gynäkologie, Bedeutung von Konstitu¬ 
tionsanomalien 583. 

Hand, künstliche, willkürlich beweg¬ 
liche 494, 497, 620. 

Handel, Unterbringung von Kriegs¬ 
beschädigten 607. 

Handwerk, Kriegsbeschädigte 608, 611. 

Harnorgane, Gesundheitspflege 496. 

Hausarztkalender 57. 

Haut, Schädigung durch Kalkstickstoff 
461. 

Hebammen, Kalender 58, Unterstützung 
116, Wünsche für sie 378, Reform 
585, Mitwirkung in der Säuglings¬ 
fürsorge 681, Leitfaden für Nach¬ 
prüfung 689. 


Heilgehilfen, Lehrbuch 495, Ange¬ 
stelltenversicherung 708, der Pflege¬ 
rinnen in Kinderheilstätten 709. 

Hcmerolopie im. Felde 14. 

Herz, Röntgenuntersuchung 15, akzi- 
dentiellc Geräusche 235, Preisaus¬ 
schreiben gegen Gelenkrheumatismus 
439, Beurteilung leichter Störungen 
454, Krankheiten bei Kriegern 507. 

Hilfsdienst, vaterländischer 719, 753. 

ninterbliebcnenfürsorge 605, 611. 

Höherentwickelung, erblich-organische 
durch den Krieg 584. 

Hygiene, gesundheitliche Aufgaben 
nach dem Kriege 107, in der Rhein¬ 
pfalz 625, Grundzüge 752. 

Impfung, Ergebnisse 20, Bedeutung 
im Kriege 208, in Luxemburg 345, 
Dauer des Impfschutzes 614. 

Incest 477. 

Industrie und Kriegsbeschädigtenfür¬ 
sorge 605, 606. 

Invalidenversicherung, s. a. Unfall, 
Herabsetzung der Altersgrenze 182, 
246, 311, 378, Stellung der Ver¬ 
trauensärzte 199, Ergebnisse 368. 

Irre, Anrechnung des Aufenthalts in 
der Anstalt auf die Strafe 366. 


Jubiläuuisstlftung s. Tagesnachrichten 

8. XIX. 

Jugend, Unterricht in Säuglings- und 
Kinderpflege 427, Erziehung zur 
Wehrfähigkeit 463. 

Jugendpflege 617, nach dem Kriege 28, 
vaterländische und militärische Er¬ 
ziehung 27, Fürsorgearbeit 54, und 
Lehrerschaft 435. 

Kaiser, Fürsorge für die Zukunft des 
Volkes 650. 

Kalender für Medizinalbcamte 588, 
624, 656, 692, 724, 766. 

Kalkstickstoff, Hautschädigungen 461. 

Keuchhusten, .Serum 30, Behandlung 
238. 

Kinder, Milchbedarf 269, in den Spiel-, 
Schul- und Entwickelungsjahren 342, 
Sterblichkeit in Oesterreich 433, 
Statistik des Kleinkinderalters 434, 
Vorschlag zur Minderung der Sterb¬ 
lichkeit 517, staatliche Kinderver¬ 
sicherung und Kinderlosensteuer 717, 
Un te rs tö tzung kind erreicher Familien 
in Frankreich 718. 

Kindesleichen, Bestimmung des Lebens¬ 
alters 259. 

Kindesmord, neuere Erfahrungen 361. 

Knochen, Herstellung von Brühe 749. 

Koch, Robert, Denkmal 312, 346. 

Kommunalwirtschaft und -politik 342. 



XXIV 


Bach-Register. 


Konversationslexikon 464. 

Konstitationsanomalien, Bedeutung für 
den Gynäkologen 583. 

Kraftwagen, Toa durch Ueberfahren 65. 

Krankenanstalten, Verbilligung 115, 
270, Lüftung 270, Luxus 271, 
Krankenhauspflege der Krankenver¬ 
sicherung 490, Kriegslazarette ehe¬ 
mals 491, Taberkulosekrankenhäu8er 
681, für körperlich Kranke 753. 

Krankenkassen, klinische und sozial¬ 
medizinische Arbeiten der Aerzte 106, 
mediko-mechanische Behandlung 202, 
Bezahlung ärztlicher Zeugnisse 203, 
Mehrleistungen 205, Zabnplombcn 
206, Begriff „Familie“ 206, Pausch¬ 
betrag für Krankenpflege 207, Sterbe¬ 
geld bei Totgeburten 207, Gewährung 
größerer Heilmittel 304, Offenbaren 
der Krankheit an Andere 367, Er¬ 
stattung von Arztkosten 457, 
Krankenhauspflege 490, ärztliche 
Sachverständigentätigkeit 688, Be¬ 
handlung Trunksüchtiger 709, Be¬ 
handlung von Zahnkrankheiten 710, 
Gewährung von Geburtshilfe 745. 

Krankenpfleger 119, freiwillige Ver¬ 
sicherung 150, Ausbildung 272, nach 
dem Kriege 418, Lehrbuch 495. 

Krankheiten, übertragbare, s. a. Tages¬ 
nachrichten S. XIX, Kriegsseuchen 
74, Bekämpfung 115 ff., Verminde¬ 
rung der Kindersterblichkeit 517, 
Bericht der bakteriologischen Unter¬ 
suchungsstation Prag 566, Bekämp¬ 
fung in der Pfalz 657. 

Krebs, Uebertragung 95, Behandlung 
265, Forschungen 266, u. Unfall 557. 

Kreisarzt, Aufgaben während des 
Krieges 393, Prüfung 562. 

Kreisarztbezirk, Aenderung in Cöln 215. 

Krieg, Einfluß auf psychopathische 
Jugendliche 13, Tätigkeit der Stadt¬ 
ärzte 27, Schulkinder 27, Einfluß 
auf Ernährung und Gesundheit 54, 
sanitäre Kriegsrüstung 56, wirt¬ 
schaftliche Maßnahmen 182, gesund¬ 
heitliche Kriegslehren 217, und Er¬ 
nährung 245, Rohheitsverbrechen und 
militärische Vergehen 365, Aufgaben 
der Kreisärzte 393, Reservekräfte 
der Nerven 424, Kricgslazarette 
ehemals und heute 491, Geburten¬ 
rückgang 495, Arbeiterschutz 462, 
staatliche Mtttterfürsorgc518, Einfluß 
auf die erblich-organische Höher- 
cntwickelung 584, Zuckerkrankheit 
601, Ausgestaltung der Rechts¬ 
pflege 611. 

Krieger, Nervenstörungen 71, Herz¬ 
krankheiten 507, nervöse Beschwerden 
515, Nervenerkrankungen516,Magen- 

. und Darmkrankheiten 601. 


Kriegsbeschädigte, Merkblatt 80, Be¬ 
schäftigungsaussichten 81, Fürsorge 
I und Diensttauglicbkeit, ärztlicho 

Sprechstunden 107, Uebungsschulen 
für Hirnverletzte 107, Versorgungs- 
ansprüche 108, Fttrsorgceinrichtun- 
gen usw. 300 ff., Berufsberatung 306, 

1 Rentensucht 307, staatliche Fürsorge 

in Ungarn 308, Kapitalisierung dor 
Renten 308, 437, Preisausschreiben 
für künstliche Beine 383, Fürsorge, 
Merkblatt 492, Ansiedlung 494, 603, 
648, willkürlich bewegliche Hand 
494, 497, 620, Organisation dor 
Fürsorge 602, Gesetzgebung, Land¬ 
wirtschaft, ärztliche Fürsorge 604, 
| Industrie 605,606, Prothesen, Ersatz¬ 

glieder 606, 610, Unterbringung im 
öffentl. Dienst 607, im Handel 607, im 
Handwerk 608, 611, Arbeitsnachweis 

608, Frauen in der Fürsorge 608, FüV- 

| sorge für die Familien 608, Privatan- 

| gestellte 609, Kriegsblindenfürsorge 

609, gewerblicher Mittelstand 610, 
Kapitalabtindung 611, Lehren für die 
Fürsorge für Unfallverletzte 611, Ar¬ 
beitsbehandlung, Unterricht, soziale 
Förderung in den Lazaretten 618, 
Fürsorge in Nürnberg 619, chirurgi¬ 
sche und allgemeine Fürsorge 619, 

! Werkstätten für Erwerbsbeschränkte 

| 620, staatliche Fürsorge 621, prnk- 

1 tische Ergebnisse und Erfahrungen 

621, Berufsausbildung 622, Unfall- 
! verletzte und Arbeit 716, Mnnn- 

| heimer Schulsystem 717. 

! Kriegsbesoldung, Herabsetzung 580. 

Kriegshilfskassen 611. 

I Kriegsneurosen 647. 

; Kriegswohlfahrtspflege, Zersplitterung 
I 150, 522, 622, Einfluß auf die Volks- 

! gesundbeit 622, Zentralisierung 678. 

Kriegswucheramt 465. 
i Kropf, endemischer 210. 

| Krüppel, der Wille siegt 30, Tagung 
für Krüppelfürsorge 62, 109, 299, 
333, 498, 699, Prüfstelle für Ersatz¬ 
glieder 109, Uebungsschulen für 
Gehirnkrüppel 235, Aenderung der 
Bezeichnung 716. 

Kurpfuscher, Bekämpfung 82, Rotes 
Kreuz 150, 216. 

; Landwirtschaft und Kriegsbescbä- 
digtenfiirsorge 603. 

' Läuse, Bekämpfung 748. 

I Lebensversicherung, periodische ärzt¬ 
liche Untersuchungen 649, Ver¬ 
schweigen früherer Erkrankung 688. 

Leberatrophie 16. 

Ledigenheim Charlottenburg 463. 
j Leichen, seltener Befund 706, 

Lüftung von Krankenhäusern 27t». 




Sach-Register. 


XXV 


Lungenschiisse and Tabcrkalose 575, 

Lupuskommission 242. 

Mädcheuscliulpfliclit, Verlängerung 
zar Vorbereitung auf den Mutter- und 
H&usbaltsberuf 725. 

Magen, Unfall Verletzungen 16, Magen¬ 
krankheiten der Krieger 601, Tod 
durch Magenüberfüllung 742. 

Märsche, mit Gepäck 28. 

Massenspeisungen 411, 511, 541), in 
llamburg 518, 549. 

Masseure, Lehrbuch 495. 

Medizin, Kongreß für innere 346, 506, 
542. 

Mediziner, Kalender 57, Prüfung 116. 

Medizinalbeamte 246, Versicherungs- 
ptlickt ihrer Schreiber 320, Kalender 
588, 624, 656, 692, 724, 766. 

Medizinalbeamten vereine, Vermächtnis 
für den preußischen 467, Geschäfts¬ 
bericht des deutschen 527, des preußi¬ 
schen 530, der Jubiläumsstif tnng 531, 
Landesvcrsammlung des bayerischen 
706. 

Medizinaletat 58, 113, Reichsamt des 
Innern 326. 

Medizinal- und Veterinär wesen in 
Sachsen 309. 

Medizinisch-biolog. Gesellschaft 111. 

Mehrgeburten, Stillgeld 149. 

Methylalkohol, Vergiftung 233. 

Milch, Bedarf für Kinder 269, Ueber- 
wachung des Verkehrs 406, Lobeck- 
sches Sterilisierverfahren 406. 

Militärdienst, Hemerolopic, Augen¬ 
erkrankungen, Nachtblindheit 14, 
Tbyreotoxie 15, Röntgenunter¬ 
suchung des Herzens 15. 

Milzbrand und Abwässer 243, Milz¬ 
brandmeningitis 385, 461. 

Mord, neuere Erfahrungen über Kindes¬ 
mord 361, Familienmord 864. 

Nachtblindheit im Felde 14. 

Nahrungs- und Genußmitte], Frisch¬ 
erhaltung 172, Nahrungsmittelfragen 
Groß-Berlins 311, Chemie 340, Ueber- 
wachung des Verkehrs 441, Resor¬ 
bierbarkeit der Nährhefe 462, Lebens¬ 
mittelgewerbe 463, Gemüsenahrung 
und Kriegsküche 488, Knochenver¬ 
wertung 749. 

Nerven, gesunde 149, Reservekräfte 424. 

Neurosen, fraktionelle Nervenstörungen 
71, traumatische 199, Objektivierung 
nervöser Beschwerden im Kriege 515, 
Blutdruck bei Unfalineurosen 554, 
Kriegsneurosen 647, Behandlung von 
(Jnfallnearosen 6S6, ihre Erforschung 
687. 

Nieren, Gesundheitspflege 496, Er¬ 


krankungen bei Kriegern 516, Ent¬ 
zündungen im Felde 547. 

Oedem, malignes 569, Gasödem 670, 
571. 

Ohr, Unfallerkrankungen 16, Simulation 
von Krankheiten 453, Beobachtungen 
in Volksschulen 618. 

Operation, Verweigerung der Duldung 
612. 

Optochin - Amaurose 231. 

Paratyplins, Epidemie 153, Erkran¬ 
kungen 164, Verbreitungsweise 372, 
und Cholera 557, zur Kenntnis, atypi- 
pcher 568, verschiedene Formen 7i5. 
; Pathologisch • histologische Präparate 
561. 

Personalien, 8. TagesnachricbtenS. XIX. 

Pilze, Vergiftungen 362, 377. 

Pneumonie, Infektion 171, Optochin- 
Amaurose 234, nach Schädelfraktur 
262, und Typhus 714. 

Pocken, in Detmold 20, Differential¬ 
diagnose 207, und Varizellen 369, 
in Neusandec 370, Beitrag zum Auf¬ 
treten 469, experimentelle Diagnose 
613, Dauer des Impfschutzes 614. 

Post, Gebührenerhöhung 438, Krank¬ 
heiten der Beamten 496. 

Privatangestellte und Kriegsbeschädig- 
! tenfürsorge 609. 

> Prostitution, Reform der Ucberwachung 
I 459, Politik nach dem Kriege 460, 

! und Tuberkulose 483, in München 
j 560. 

j Prothesen, Ersatzglieder 606, 610. 

| Psychiatrie, militärische Beobachtungen 
I 197, Erinnern und Vergessen 260, 
deutscher Verein 467. 

I Psychopathologie, Einfluß des Krieges 
auf Jugendliche 13, gerichtsärztliche 
Beurteilung psyenopathiseber Zu¬ 
stände 743. 

. Psychosen, Gefängnis- 231. 

Quarzlampe 82. 

Rasierstubenbyglene 267. 

Rassenbygiene, Preisausschreiben 160. 

! Rechtsauskunftsstellen 611. 

I Rechtspflege, Ausgestaltung im Kriege 
611, Sühneverfahren 612, Bekämp¬ 
fung des Schwindels 612. 

! Reichsgesundheitsamt, Etat 326. 

1 Reichsgesund hei tsrat 108. 

Reisekosten, Pauschvergütung bei 
Dienstreisen nach nahegelegenen 
Orten 756. 

Röhrenknochenbrüche, Behandlung 48. 

Röntgenstrahlen, Behandlung d. Tuber¬ 
kulose 240, Abteilung der Unter- 



XXVI 


Sach-Register. 


rieb lsansto.lt für Staatsarzneikunde 
(»92. 

Uobeitsverbrecben 365. 

Roseolen, künstliche petechiale Um¬ 
wandlung 98. 

Rotes Kreuz, Zuwendungen 111, Kur¬ 
pfuscher 150, 216. 

Rotsehen nach Genuß von Solanum 
dnlcamara 13. 

Rückfiilllieber 237, 340. 

Ruhr, Behandlung 23, 49, 746, Aetio- 
logie 165, 746, Rekäropfung 167, 
Serumbehandlung 203, Dick- und 
Dünndaruidysenieric 373, der Kinder 
in Russ. Polen 426, bazilläre Dysen¬ 
terie beim Ilunde 481, im Kriege 
515, und Typhus 715, Diagnose 745. 


Salvarsan, Todesfälle 26, eigentüm¬ 
liche Folgen einer Injektion 747. 

Säuglinge, Sterblichkeit und Wohl¬ 
stand 53, Mütterberatungsstellen 53, 
Reichswochenhilfe 53, Mutterschafts- 
Versicherung 54, Fürsorge 121 ff., 176, 
Fürsorge Weißenfels 176, t'harlotten- 
burg 176, Sterblichkeit u. Ernährung 
176, offene Fürsorge 212, Unfall in 
einer Anstalt 249, Kriegsneugeborenc 
269, 490, Spende für Säuglings- und 
Kleinkinderschutz 883, Behandlung 
mit Larosan 427, Unterricht in der 
Pflege 427, Aufgaben des Staates 
428, Fürsorge in Sachsen 428, Säug- 
lingssterblichkoitsziffern 433, in 
Oesterreich 433, ABC der Mutter 
517, staatliche Mutterfürsorge 51S, 
Sterblichkeit in Großstädten 520, 
Landeskonferenz für Säuglingsschutz 
623, Säuglings- und Mutterschutz in 
Norwegen 648, Kreisfürsorgegesetz 
681, Organisation der Fürsorge 682. 

Schädelschüsse, Erkennung von Spät¬ 
folgen 235. 

Schlachthäuser, dörfliche SO, klein¬ 
städtische 80, 105. 

Schulärzte, Fortbildung 26, Diphtherie¬ 
bekämpfung 51, in Oesterreich 80, 
244, ohrenärztliche Beobachtungen 
618. 

Schulen und J ugendf ürsorge 435, Tem pe- 
raturen der Zimmer im Winter 693, 
Sommerzeit und Schulanfang 750. 

Schulhygiene, mitteleuropäische Ge- 1 
meinscliaft 244, Freilufterziehung 
462, Kcimgehalt der Scbulluft 618, , 
Sexualpädagogik 750. 

Schulkinder, billige Solbäder 26, während 
des Krieges 27, Einfluß von Krank¬ 
heiten 80, Ernährungszustand 148, 
Schalkindergärten 243, Körperkonsti¬ 
tution der ostpreußiseben 490, Min¬ 
derung der Sterblichkeit 517. 


Schüsse, Verletzung von Eingeweiden 
424. 

Schutzimpfung gegen Cholera und 
Typhus 76, 97, 371, Exanthem 372. 

Schwachsinn, Wunderkind 13. 

I Schwangerschaft und Tuberkulose 85, 
j 281, Verhütung 117, künstliche 
j Unterbrechung 284, 683, Mutter¬ 
pflichten gegen Ungeborene 562. 

Schwarzwasserfieber, Theorie 615. 

; 8eife, Verkehr 344, Ersatz 524. 

! Selbstmord, Unfall 96, 556, Invalidität 
nach Selbstmordversuch 744. 

Serumtherapic 19. 

Sexualpädagogik 750. 

Sexualstörnngen der Frauen und Er- 
| nährang 583. 

| Siedlangsrcform 81, 82, 149, Ansied- 
: lung Kriegsbeschädigter 494, 603, 

| 648. 

Solbäder, billige für Schulkinder 26. 

Sommerzeit, Schulanfang 750. 

Soziales, Bevölkernngspolitik 177, 
i deutsche Gesellschaft für soziale 

Hygiene 279, Ausstellung für soziale 
Fürsorge 411, Erhaltung der Volks¬ 
kraft 494. 

' Staatsarzneikunde, Bönfgcnabteilung 
der Unterrichtsanstalt 692. 

Städte, Stadtärzte im Kriege 27. 

Statistik, Entwicklung der Bevölke¬ 
rung 29, 108, 622, Tön, Mord, Tot¬ 
schlag, Hinrichtungen 55, der Todes¬ 
ursachen 107, Bevölkerungsregister 
10S, Geburten und Säuglingssterb¬ 
lichkeit 275, medizinische in Ham¬ 
burg 520. 

Staub, Absaugen der Flugasche 53, 
Bekämpfung 102, Schädigung der 
Atmungsorgane 450. 

Stcmpelpflicht von Gutachten zur An¬ 
stellung von Kriegsinvaliden 32, 
Krankheitsattesten für Krieger 500. 

! Sterblichkeit, Verwundeter 30, <Jc- 
schlecht und Tuberkulose 579. 


1 Tabes und Unfall 555. 

Teerzementpflaster 211. 

I Taschenbuch für klinisch-chemische 
| und bakteriologische Untersuchungen 
495. 

Tetanus 170, Antitoxin-Injektion 51, 
460, Fibrillentheorie 168, Blutbefund 
560, Therapie 560. 

Tetrachlormethan und Tetrachloräthan 
268. 

Tetragenussepsis nach Typhus 237. 

Tbyreotoxie und Militärdienst 15. 

Therapie, Taschenbuch für die Kinder¬ 
praxis 310, Taschenbuch 378, physi¬ 
kalische 409. 

Todesfälle, s. Tngesnachricbten S. XIX. 



Sach - Register. 


XXVII 


nach Salvarsan 26, durch Elektrizität 
565. 

Tod, Kennzeichen bei Tod durch Kälte 
259, Bestimmung des Alters an 
Kindeslcichcn 259, Bestimmung der 
Todeszeit durch muskelmecbanische 
Erscheinungen 259, durch Magen¬ 
überfüllung 742. 

Tuberkulose, Bazillen im Blute 24, 
Fürsorge für Wiener Kaufleute, > 
tuberkulöse Handelsangestelltc, Heil¬ 
stätten, Tubcrkulinbehandlung 24, 
Sonnenklinik 25, Bazillen in Fäzes 76, 
Abderhalden-Verfahren 77, Kranken¬ 
hausbehandlung 77, Fahrpreiser¬ 
mäßigung! ür Tuberkuloseschwestern 1 
83, und Schwangerschaft 85, Be- 1 
kämpfung im Heere 101, Arbeits- i 
beschaff ang 101, Intrakutan-Tuber- ! 
kulinreaktion 102, der Steinhauer ! 
106, Jubiläumsstiftung des Lehrer- > 
Vereins 111, Bekämpfung 115, Wieder- I 
holung lokaler Reaktionen 239, ver¬ 
gleichende Untersuchungen an Kin- 
dem aus tuberkulösen und nicht- j 
tuberkulösen Familien 239, Auftreten 
in einem tuberkulosefreien Tale 239, I 
Behandlung mit Röntgenstrahlen 240, 
Quarzlicht-Röntgen tief theorie 240, , 
und Alkoholismus 241, 4S2, Lupus- ] 
kommission 242, Fürsorge im Mittel¬ 
stand 347, Generalversammlung des 
Zentralkomitees 396, vergleichende ■ 
Sputumuntersuchungen 403, Rcinfek- ' 
tionundlmmunität403,Mobilisierung : 
der Bazillen durch Tuberkulin 404, ; 
Mobilisation der Lungen als Grund- ' 
läge der Behandlung 404, Sanatorien- : 
frage 405, lieilmittelschwindel 405, 
Infektionsversuche 462, Einteilung i 
der Lungentuberkuloseformen 482, 
und Prostitution 483, von militär- ■ 
ärztlichem Standpunkte 483, Bedeu¬ 
tung psychischer Momente 484, Be- | 
bandlung mit ultraviolettem Licht 
484, Bedeutung des Klimas für die 
Behandlung 484, Fürsorge für unbe¬ 
mittelte Lungenkranke 485, Desin¬ 
fektion des Auswurfs 488, Schema 
der Einteilung 574, Terapcratnr- 
tncssung 575, Lungenschüsse 575, 
Heilung vorgeschrittener 575, Tuber¬ 
kulosesprechstunden in llescrve- 
l&zaretten, Erfahrungen über Tuber¬ 
kulose nach Kriegsdienst 577, ambu¬ 
latorische Tuberkulinbehandlung 578, 
Geschlecht und Sterblichkeit 579, 
Typus der Bazillen 580, und 
Alkoholismus 581, Tuberkulose- 
krankcnbäu8er 581. 

Typhus, s. a. Paratyphus; praktische 
Bekämpfung 185, auf dem Lande 1, 
Serumnährböden VS, Schutzimpfung 


76, 97, 163, 371, Vakzinetherapie 
164, Mundtyphusbazillenträger 208, 
Tetragenussepsis 237, vermeidbare 
Fälle 349, Stuhluntersuchung 370, 
Einfluß der Impfung auf das weiße 
Blutbild 372, Urobilinurie 372, 
Behandlung von Bazillenträgern 372, 
Epidemie infolge Milchinfektion 413, 
pathologische Reaktionen Geimpfter 
425, im Kriege 542, Nachweis der 
Bazillen 567, Diagnostik bei Ge¬ 
impften 567, Kombination mit Fleck¬ 
fieber 568, Diagnose 712, Gruber- 
Widalsche Reaktion 712, Hant- 
erscheinungen nach Impfungen 713, 
epidemiologische und klinische Be¬ 
merkungen 713, im Felde 1915/16 
714, und Pneumonie 714, Ruhrmhch- 
infektion 715. 

Uebennangausnurcs Kali, Vergiftung 
253. 

Unfall, Blutvergiftung durch Hand¬ 
wunde 18, Scblaganfall 94, Ucbcr- 
tragung von Krebß 95, Selbstmord 
96, 556, Gehirnerweichung 106, Ge¬ 
währung von Anstaltspflege 160, 
Rentenminderung bei Besserung 160, 
Lungenentzündung 161, Blutver¬ 
giftung 161,162, Kostentragung 162, 
Neurosen 199, Erwerbscinbuße bei 
Verlust eines Auges 199, 455, 

Schätzung der Erwerbsunfähigkeit 
20o, Kosten ärztlicher Gutachten 
200, Heilverfahren 201, Flecktyphus 
236, Begutachtung durch den erst- 
behandelnden Arzt 236, Ergebnisse 
der Unfallversicherung 305, 868, 
Handbuch der Unfallmedizin 340, 
Badeunfall 366, Delirium tremens 
456, Befolgung von Unfallverhütungs- 
Vorschriften 457, Blutdruck bei 
Unfallneurosen 554, Tabes 555, Krebs 
557, Lehren der Kriegsbeschädigten¬ 
fürsorge 611, Verweigerung der 
Duldung einer Operation 612, Be¬ 
handlung von Unfallneurosen 686, 
ihre Erforschung 687, und Arterio¬ 
sklerose 687, Schattenseiten der 
Unfallversicherung 689, Schätzung 
der Einbuße an Erwerbsfähigkeit 
708, Kriegsbeschädigte, Unfallver¬ 
letzte und Arbeit 716, Arbeits¬ 
behandlung im Heilverfahren 744. 

Ungeziefer, Mittel 52. 

Urin, Eiweißnachweis 236. 

Vaterländischer Frauenverein, 50jähr. 
Bestehen 690. 

Vergiftungen, Azetylen 94, durch Ge¬ 
schosse 158, Methylalkohol 233, 
übermangansaures Kali 253, Tetrn- 
chlormethan und Tetrachlorätban 



XXVIII 


Sach «Register. 


268, Pilze 362, 377, Zyanamid 476, 
Bromoform 477, Dinitrobenzol 554, 
Aronsbeeren 595, Ammoniak 704. 

Vermächtnis, Dr. Stell 721. 

Versammlungen s. Tagesnachrichten 
S. XIX. 

Verwundete, Heilerfolge 80, 118, Gas¬ 
phlegmone 46, 573, 574. 

Veterinär wesen in Sachsen 309. 

Volkskraft, Stärkung 717. 

Volks Wohlfahrt, Verhandlungen der 
Zentralstelle 847. 

Volkszählung 691. 

Wasser, Sandtiltertyp 79, tragbare 
Filter 103, Desinfektion 172, 375, 
Katacidtabletten 172, Hygiene 212, 
Untersuchung 213, 341, Vereins¬ 
schriften des Vereins für Wasser- 
und Gaswirtschaft 497. 

Weilsche Krankheit 49, 50, 561, 

spezifische Behandlung 99, Actiologie 
262. 


Winkelmeßapparat 744. 

Wochenbett, Behandlung der Plazenta 
praevia 402, Gklampsiebehandlung 
402. 

Wochenhilfe 207, 233, 653. 

Wohnrenten für Kinderreiche 273. 

Wohnungen, Innenausbau 52, Reform 
81, 82, 123, Wohnungsnot 242, 436, 
Reichswohnungsversicherung 663, 
Wohnungsverhältnisse in Sachsen 
748, Wohnungsgesetz 753. 

Wundbehandlung 566. 

Wunderkind, schwachsinniges 13. 

Zahnärzte 119. 

Zähne, Besserung des Zahnelends 272, 
Behandlung auf Kosten der Kranken¬ 
kassen 710. 

Zahntechniker, Anforderungen 233. 

Zinkhüttenarbeiter, Schutzmaßnahmen 
617. 

Zuckerkrankheit und Krieg 601. 

Zyanamid, Giftwirkung 476. 



Namen ^Verzeichnis. 


Abel 309, 375. 
Absolon 211. 

Adler 79. 
Alexander 453. 

Alt 16. 

Altschal 485, 495. 
Ansinn 48. 

Arneth 568, 711. 
Aronson 74. 

Asch 79. 

Ascher 522. 
Aschoff 168, 571. 
Axm&nn 26. 


Bach 82. 

Bachem 496. 

Bachaner 618. 
Bacmeister 240. 

Bahr 159. 

Bannert 242. 

Bartels 744. 

Becker 371, 688. 
Beckers 16. 

Behla 407. 
v. Behr 428. 

Bender 489. 

Bendix 176, 490. 
Benthin 362. 

Benzler 371. 

Berg 427. 

Berger 217. 

Bergh 168. 

Bernstein 258. 

Bessan 239. 

Beyer 647. 

Bieling 373. 
Bielschowsky 407. 

Bier 573. 

Bierbach 57. 
Birch-Hirschfeld 233. 
Blaustein 63. 

Blaschko 78, 469, 615. 
Bleich 706. 

Bleyl 617. 

Block 98. 

Bbbm 622. 


Böttrich 243. 

Bongert 174. 

Bonne 365. 

Bonnet 620. 
Bornträger 737. 
Bränning 581. 

Brauer 340, 753. 
Braanschweig 14. 
Brest 14. 

Breyer 208. 

Brnhns 485. 
y. Bachka 340, 463. 
Büttner-Wobst 574. 
Bütz 436. 

Bnjwid 97. 
Bargerstein 80, 244. 

Cantzier 376. 

Chotzen 170. 
Chowaniec 378. 
Csernel 559. 
Cnrschmann 107, 236. 
Czech 24. 
v. Ozyhlarz 461. 

Dannekl 15. 

Demath 625. 

Deneke 725. 

Derdock 621. 
Determann 454. 
Dethleffsen 409. 
Dethloff 239. 

Dietrich 490. 

Döblin 714. 

Döllner 501. 
Doggenberger 491. 
Dold 72, 481. 
Dornblfith 149. 
Dyrenfurth 259. 
Dyrott 747. 

Eggebrecht 208. 
Ehret 235. 

Eisenstadt 496. 
Emmerich 163. 


Engelen 686, 687. 
Engleson 76. 
Ewald 716. 
y. Eyk 245. 


! Feer 269. 

1 Feig 568. 

Fejes 715. 

Feilchenfeld 234,242,307. 
Ferenczi 308. 

Finger 376.- 
Fischer 107, 170, 300, 
518, 617. 

Flasser 426. 

} Frankel 483, 569, 570. 
Frankenthal 570. 

Frenzei 568. 

I Freymuth 234. 

! Friedberg 369. 

! Friedemann 165. 

! Frieling 561. 

Frischbier 575. 

Fromme 49, 99. 

I Fühner 523. 

Fürst 163, 518. 
j Faid 711. 


Gähtgens 371. 

' Qärtner 212. 

Galambos 713. 

! Gans 487. 
i Gastpar 27. 
i Geith 561. 

Ghon 211, 566. 
GieBzezykiewicz 49, 208. 
Gilbert 81, 107. 
Girstenberg 13. 

Gins 613, 614. 

Göbel 561. 

Götzel 24, 578. 

Goldstein 107. 

Gotschlich 98. 

Gottheil 749. 

Gottstein 622. 

Granier 495. 



Namen - Verzeichnis. 


XXX 


Graßl 1, 413. 
Griesbach 341. 

Grödel 15. 

Grote 560. 
v. Grnber 81, 458. 
Guradze 434. 

Oüth 460. 

Outh 73. 

Gatstein 484. 
Gattmann 40. 

Hammersclimidt 207. 
Hampel 13. 

Hansen 158. 

Harnack 339. 
Hartmann 235, 485. 
Hartwig 618. 

Heffter 376. 

Heller 79, 435. 

Helm 101. 

Hepner 148. 

Herrnberg 747. 
Herxheimer 517, 712. 
Herzbach 714. 
Herzfeld 107, 615. 
Herzfelder 648. 

Hesse 20. 

Hejmann 481. 
nilbert 13. 
Hildebrandt 372. 
Hillenberg 266. 
Hindhede 245. 

Hintze 615, 

Hirsch 458. 
t. Hövell 518. 
Hofacker 597, 
Holmboe 405. 
norion 807. 

Horn 308, 554, 687. 
nobener 50, Ö62. 
UQttig 495. 

Ipsen 424. 

Jacoby 716. 
Jastrowitz 557. 
t. Jaworski 58)5. 
Joachim 409. 
Jördensen 582. 
Jackenack 376. 
Jangmann 516. 

Kaiser 560. 

Kalle 237. 

Kanngießer 599. 
Kaufmann 840, 748. 
Kaup 480. 

Kayserling 101. 
Kemsies 28. 

Kerp 340. 

Kettner 27, 212, 490. 
Keap 648. 

Kiltinger 16. 


Kind ler 469. 

Kirstein 488. 

Kißkalt 490. 

Klare 405. 

Klaasner 261. 

Klebe 647. 

Klehmet 53. 

Klesk 23. 

Klat 213. 

Köhler 483, 621. 

Körner 462. 

Koch 167, 425. 

Königsfeld 570. 

Korbsch 237. 
v. Korczynski 164. 

Kölsch 106, 268, 461, 
476. 

König 619. 

Kossel 19. 

Kraus 238. 

Kretschmer 480. 

Kröger 427, 616. 
Krambein 561. 

Kruse 560. 

Kühn 372. 

Kahn 404. 

Köpferle 24<». 

Kürbitz 742. 

Kürten 748. 

Kanert 272. 

Karpjaweit 441. 
Karschmann 16. 

Kathy 482. 

Langer 374, 427. 
Langerhans 750. 
Langermann 589. 
Langstein 53, 249, 269, 
342, 490. 
l.&rass 273. 

Laub 24, 578. 

Lembke 313. 

Leppmann 555. 

Lesser 565. 

Lewin 158. 

Lewy 71. 

Lichtweiss 403. 

Liebl 743. 

Liefmann 427. 

Lieske 6. 

Lilienthal 72, 263, 482, 
649. 

Lipp 409. 

Lippschötz 401. 

Lobsien 148. 

Lohmar 620, 689. 
Lonhard 574. 

Loer 65. 

Löwenstein 466. 

Löwen thal 568. 

Löwy 401, 567. 

Lorentz 244. 

Labe 26. 


Lublinski 494. 

Lyon 362. 

Mansche 718. 

Mansfeld 749. 

Marcnse 477. 

Marx 260. 

Matko 713. 

Matzdorf 26. 

Mayer 164, 228, 648, 658, 
746. 

Mayerhofer 98. 

Meene 497. 

Menzer 170. 

Meyer 54, 71. 

Misch 490. 

Möllers 404, 580. 

Möwes 24, 77. 
Moldenhaner 28. 
Morgenstern 105. 

Möller 649. 

Xaske 268. 

Neamann 24. 

Nicol 94. 

Niebling 53. 

Niederstadt 406. 

Nissle 717. 

Novak 583. 

Novotny 569. 

Hehler 404. 
üeri 77. 

Olbrycht 704. 

Opitz 450. 

Orlowski 67. 

Orth 241, 579. 

Oschmann 176, 427. 
Ostwald 494. 

Otto 22. 

Overland 239. 

Oxenius 267. 

Paareth 559. 

Patsch ke 272. 

Paul 14, 340. 

Payr 573. 

Pfand ler '517. 

Pfeiffer 497. 

Photakis 259. 

Pick 424, 615. 

Pietsch 618. 

Pilzer 370. 

Placzek 270. 

Plange 371. 

Plath 409. 

Pochbammer 494. 

Pollak 716. 

Polland 747. 
v. Poscbinger 744. 
Poztolka 176. 

Pranssnitz 751. 

Prinzing 107, 615, 



Namen - Verzeichnis. 


XXXI 


((uadflieg 33, 153. 


Rabe 52. 

Racine 258. 

Kicke 743. 

Rambonsck 243. 
Kapmund 113, 320, 326. 
Rasser 270. 

Kattner 477. 

Räuber 533. 

Reiche 209. 

Reiter 50, 262. 

Reitsma 108. 

Reuter 554. 

Rheins 107. 

Ribbert 265. 

Richter 178, 244, 263, 
350. 472, 496. 

Ringel 569. 

Rißmann 378, 402, 585, 
678. 

Robertson 168. 

Roepke 85, 281. 

Roesle 29, 108, 622. 
Rohland 53,105, 243,267. 
Roman 211, 566. 

Rondke 22. 

Rosenberg 366. 

Kosenfeld 433. 
ltoscnthal 52. 

Raben 374. 

Rabner 462. 

Rage 236. 

Rapprecht 560. 


Sacknr 46. 

Salge 310. 
Salomon 20, 495. 
Sauerbruch 497. 
Scharf 208. 
.Scheuermann 102. 
Schiemann 745. 
Schiff 106. 
Schlesinger 402. 
8chlossmann 648. 
Schlüter 81. 


Scbmid 748. 

Schmidt 80, 262. 
Scbmittmann 273. 
Schmitz 406, 712. 
Schnirer 378. 

Schöppler 16. 

Schrakamp 108. 

Schröder 484. 

Schttrmann 98, 171, 385. 
Schüssler 614. 

Schwenke 239. 

Schwink 693. 

Selter 102, 403, 482. 
Sickinger 717. 

Sieben 236. 

Sieveking 622. 

Sikert 372. 

Silbergleit 575. 

Simecek 372. 

Singer 515. 

Sluka 715. 

Sokolowska 208. 

Sommel 245. 

Sommerfeld 76. 
Sonnenberger 585, 750. 
Sorge 393. 

Spaet 99. 

Spanner 242. . 

Spiegel 566. 

Spinner 270. 

Spitta 103, 172. 

Spitzy 455. 

Splittgerber 376. 

Stein 235. 

Steinbock 165. 

Steinebach 185. 

Steinhaus 243. 

Stephan 402. 

Sternberg 106, 488, 746. 
Stetefeld 172. 

Stoklasa 173. 
Strandgaard 484. 
Strasburger 52. 
Straßmann 361, 364. 
Strelitz 61. 

Stümpke 209. 

Snltan 454. 

Szana 433. 


Tachau 575. 
Tcntschländer 51. 
Thiele 28, 80. 
Tillmans 841. 
Tilmann 235. 
Töpfer 614. 
Trenpel 488. 
Turban 575. 


Uhlenhuth 49. 

Umeck 425. 

Vaerting 562, 584. 
Verzer 370. 
Voggenberger 271. 
Vollmer 418. 

Wagner 163. 

Waibel 689. 
y. Wassermann 76, 572. 
Weber 20, 646. 
Wechselmann 523. 
Weichardt 172, 210, 375. 
Weinberg 462. 

Welz 237. 

Weszeczky 370. 

Weyert 197. 

Weygandt 556. 

Wille 490. 

Wimmenauer 463. 
Winckel 212. 

Windrath 210. 

Winter 177. 

Wölbling 648. 

Wolf 108. 

Wolff 210, 375. 
Wollenberg 374. 

Wolter 710. 

Wttrtz 30, 494. 
Würzburger 274. 

Zade 14. 

Zahn 717, 718. 

Zangger 199, 303. 489. 
Zsako 259. 
y. Zumbusch 747. 

Zuntz 54. 










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29. Jahrg, 


1916. 


Zeitschrift 

für 

MEDIZINALBEAMTE. 


Zentralblatt 

für das gesamte Gebiet der gerichtlichen Medizin und Psychiatrie, 
des staatlichen und privaten Versicherungswesens, sowie für das 
Medizinal- und öffentliche Gesundheitswesen, einschließlich der 

Hygiene und Bakteriologie. 

Herausgegeben 

von 

Prof. Dr. OTTO RAPMOND, 

Geh Med.-Rat In Minden I. W. 


Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, Sächsischen, 
Wörttembergischen, Badischen, Hessischen, Mecklenburgischen, Thüringischen, 
Braunschweigischen und Eisass - Lothringischen Medizinalbeamtenvereins. 


Verlag von Fiseher’s med. Buehhandlg H. Kornfeld, 

Htnogl. Bayer. Hof- u. K. a. K. Kammer - BnchMLndler. 

Berlin W. 62, Keithstr. 5. 

Anzeigen nehmen die Verlagshandlung sowie eile Anzeigenannahmcatellen des ln- 

und Auslandes entgegen. 


Nr. 1. 


Erscheint am 5« und ÄO. Jeden Monats« 


5. Jan. 


Zur Typhusbekämpfung auf dem Lande. 

Winke aus der Praxis und für die Praxis. 

Von Med.-B&t Dr. Graß], Bezirksarzt in Kempten (Allgäu). 

Nicht eine gelehrte Abhandlung, sondern schlichte Beob¬ 
achtungen aus der Praxis sollen hier wiedergegeben werden. 
Die Berechtigung, von der Eigenerfahrung in der Typhus¬ 
bekämpfung auf dem Lande zu sprechen, glaube ich zu haben: 
Wie ich in Friedreichs Blätter für gerichtliche Medizin und 
Sanitätspolizei 1892, Seite 219 u. ff. gezeigt habe, war ich zwei 
Jahrzehnte in einer Typhusgegend als Arzt tätig. Ich beob¬ 
achtete in Vilshofen zwei Epidemien, eine sehr ausgebreitete 
Epidemie in dem Hügelland südlich der Donau, Teile der 
Bezirksämter Vilshofen und Griesbach umfassend, eine Epidemie 
in Burgstall und eine kleine in Sandbach, außerdem als Amts¬ 
arzt eine ländliche Epidemie in Arnbruck und Solla, Bezirks¬ 
amt Viechtach; im Bezirksamt Lindau sah ich keine Typhus¬ 
epidemie, im Bezirksamt Kempten drei kleine Lokalepidemien 
und nebenbei eine beträchtliche Anzahl von Hausepidemien 
und Einzelfälle. Die Gesamtzahl der von mir behandelten 









Dr. Graßl. 


2 

Typhusfälle mag 300—400 betragen. Trotz dieser Kleinheit 
ist die Zahl doch durch die besonderen Außenumstände geeignet, 
Fingerzeige für manche Frage zu geben. Die Fälle waren fast 
durchweg auf dem Lande oder doch in so engumschlossenen 
Wohngemeinschaften auf getreten, daß man sie in ihrer Ent¬ 
stehung und in ihrem Verlauf länge verfolgen konnte. 

Wie fast alle älteren gegenwärtigen Amtsärzte Bayerns, 
war auch ich als Schüler v. Pettenkofers ein überzeugter 
Lokalist. Der Umstand, daß die Typhusfälle in gewissen 
Häusern sich stark häuften, daß ferner keine meiner Epidemien 
eine Winterepidemie war und namentlich der Umstand, daß sie 
alle sich von selbst verloren, sprachen für örtliche und zeitliche 
Einflüsse, die man im Boden suchte. Unterstützend kam noch 
dazu, daß in einem großen Bauernhöfe in Aisterham Jahrzehnte 
hindurch fast alle Dienstboten an Typhus erkrankten, so daß 
die wirtschaftliche Existenz des anfänglich sehr wohlhabenden 
Bauers in Frage gestellt wurde. — Wie sich später heraus¬ 
stellte, war offenbar die Bäuerin eine Bazillenträgerin; denn 
mit ihrem (gewaltsamen) Tod hörten die Typhusfälle ohne 
weiteres auf. 

Damals aber stand die Medizin unter der Einwirkung 
v. Pettenkofers; man zwang daher den Hofbesitzer die kost¬ 
spieligsten „Verbesserungen“ ohne jeden Erfolg auf. 

Neben dieser schon damals erkennbaren Nutzlosigkeit der 
amtlichen Vorkehrungen erregte die weitere Beobachtung 
meinen Zweifel an der lokalistischen Theorie, daß nämlich in einer 
großen Anzahl von Familien nur ein oder höchstens zwei Mit¬ 
glieder erkrankten, in anderen Familien wieder nahezu alle; 
daß in mehreren Familien trotz aller Vorsicht die Krankheit 
um sich griff und dann plötzlich ohne jede erkennbare Ursache 
zum Stehen kam. Geradezu verblüffend war mir in der großen 
Teutelsbacher (Tillbacher) Epidemie die Beobachtung, daß m dem 
Großbauernhof des M. St. nahezu sämtliche Familienmitglieder 
und Dienstboten erkrankten, trotz der anscheinend guten hygieni¬ 
schen Verhältnisse, während bei dem dicht daneben wohnenden 
Stöhrschuster, der bei dem Großbauern M. St. sich den Typhus 
offenbar geholt hatte, njpmand aus der zahlreichen Familie 
erkrankte, obwohl die WohnungsVerhältnisse sehr eng und die 
übrigen Verhältnisse ungünstig waren. 

Ich begann dann, da der Vergleich der hygienischen Ver¬ 
hältnisse der Familien diese Verschiedenheit des Verhaltens 
des Typhus nicht zu erklären vermochten, die wirtschaftlichen 
und die Gewohnheitsbedingungen zur Erklärung heranzuziehen. 
Auf eine gangbare Spur leitete mich das Verhalten der Haus¬ 
epidemie in dem bereits erwähnten Großbauernhof in Aisterham. 
Ich begann die Verschiedenheit der Tätigkeit der Hausfrau zu 
beobachten. Im Großbauernhof M. St. pflegte die sehr tüchtige 
Bäuerin ihre Kinder und führte zugleich die Küche, lediglich 
von einem Mädchen unterstützt. Bei dem Stöhrschuster war eine 
alte Großmutter vorhanden, die kochte, während die Schuster- 



Zur Typhusbekämpfung auf dem Lande. 


8 


frau die zahlreichen Kinder und den kranken Mann besorgte. 
Der nachträgliche Vergleich der Familienepidemien in meiner 
Praxis wiederholte diese Erscheinung öfters, so daß ich zu der 
Ueberzeugung gekommen bin, daß die Doppelstellung der 
Hausfrau alsPflegerin undKöchin zurZeit der Ein¬ 
schleppung eines Typhuskeimes in die Familie auf 
die Verbreitung der Keime in der Familie wesent¬ 
lich Einfluß hat. Auch beobachtete ich wiederholt das 
Stehenbleiben der Hausepidemie, wenn die Hausfrau selbst 
an Typhus erkrankte, also in ihrer Doppeleigenschaft als 
Pflegerin und Köchin ausgeschieden wurde. — Dies wird den 
jetzigen Amtsärzten als selbstverständlich gelten; es war aber 
vor 20 Jahren noch keineswegs selbstverständlich. 

Die Experimente, die in den süddeutschen Kliniken und 
Krankenhäusern unter dem Einfluß der lokalistischen Lehre 
v. Pettenkofers mit Typhus seiner Zeit gemacht wurden, 
sind äußerst lehrreich. Man legte die Typhuskranken ohne 
Scheu und ohne Schaden mitten in die Abteilung. Der Typhus- 
keira ist also, abgesehen von seinem Verhalten im Reagenz¬ 
glas, viel bodenständiger als z. B. die Keime von Masern oder 
Influenza. Die Keime bedürfen anscheinend eines festen Ver¬ 
mittlers zur Uebertragung. Nun sind die legitimen Ausscheidungs¬ 
orte der Keime die natürlichen Oeffnungen ihrer Standorte, die 
After- und Harnröhrenöffnung; die übrigen Ausscheidungs¬ 
orte kommen ihnen gegenüber praktisch kaum, in Betracht. 
Gerade diese Ausscheidungsöffnungen sind bei dem Gesunden 
beständig, bei dem Kranken nahezu beständig durch Wäsche 
und Kleidung gedeckt. Es bleiben also für die Uebertragung 
zwei Wege: Das direkte Hineingeraten der Bazillen in Keime 
erhaltende Träger, also z. B. in das Trinkwasser, oder die Ver¬ 
mittlung der Uebertragung der Keime von den Ausscheidungs¬ 
öffnungen und der sie deckenden Kleidungsstücke durch einen 
Vermittler. Dieser Vermittler ist offenbar die Hand, entweder 
die Hand des Bazillenträgers, des Kranken oder des Pflegers 
oder der Wäscherin. 

Trotz aller Rücksichtsnahme auf die Anhänger der Wasser- 
infektionisten, also auf die Anhänger des unmittelbaren Ueber- 
ganges, muß auf die Seltenheit der nachgewiesenen Wasser¬ 
epidemien hingewiesen worden. Mit Ausnahme der örtlich stark 
umschriebenen kleinen Typhusepidemie in Solla, war das Wasser 
als Träger der Typhuskeime in den beobachteten Epidemien 
sicher auszuscheiden. Auch die Solla-Wasserepideraie war nur 
als möglich, nicht als sicher nachgewiesen. 

Diese schulmäßig gewonnene Erkenntnis zusammengehalten 
mit der aus der Praxis gewonnenen Einsicht ergänzen und er¬ 
klären sich gegenseitig. 

Die Hand der Pflegerin dürfte in der Mehrzahl 
der Hausepidemien die Verbreiterin der Typhus- 
keime sein. Ich glaube, daß wir in der Bekämpfung des 
Typhus auf diese Quelle der Uebertragung zu wenig Rücksicht 



4 


Dr. GraßL 


nehmen, und stimme dem erfahrenen Leiter der Seuchen¬ 
lazarette der FestUng Straßburg, Prof. Dr. v. Tabora, voll¬ 
ständig bei. Dieser schreibt: 1 ) 

„Von großer Wichtigkeit ist die Sorge für die persönliche Reinlichkeit 
des Wartepersonales; man gewöhne sich daran, beim täglichen Randgang durch 
die Krankenräume sich die Hände der Krankenwärter vorzeigen zu lassen und 
etwa konstatierte „Mißstände“ streng zu ahnden. Die Zahl der Hausinfektionen 
wird auf ein Minimum sinken. Vor allem dieser Maßnahme glauben wir es 
danken zu sollen, wenn wir unter einem fast 200kÖpfigen Personal auch vor 
der Durchführung der Schutzimpfung nicht einen einzigen Typhusfall zu ver¬ 
zeichnen gehabt haben.“ 

. Die Schwierigkeiten der Ueberwachung der Hände des 
Wartepersonales in der Privatpraxis und namentlich auf dem 
Lande sind aber um ein Vielfaches größer als die selbst in 
einem Kriegsseuchenlazarette. 

Schon bevor ich die Aeußerung v. Taboras kannte, habe 
ich als Amtsarzt mich zu folgenden Vorsichtsmaßregeln 
durchgerungen: 

Notwendig ist, daß der Amtsarzt in jedem Binzelfall von 
Typhus sich in das Typhushaus begibt und sich die Verhält¬ 
nisse ansieht, wie es die bayerischen Vorschriften nunmehr 
verlangen. 

Wenn irgendwie möglich, ist der Typhuskranke in 
ein Krankenhaus zu bringen. Bei Kassenangehörigen 
und bei Armen ist dieses unerläßlich. Diese, namentlich Dienst¬ 
boten, werden in der Regel schlecht abgesondert und nehmen 
nach der Genesung fast stets viel zu früh die Arbeit wieder auf. 
Die Zwischen- und Schlußdesinfektion ist mangelhaft; dadurch, 
daß sich die dienenden Angehörigen meist in ihre Familie be¬ 
geben, verseuchen sie auch diese. Die Durchführung dieser 
Maßregel stößt übrigens oft weniger bei den Kranken als bei 
den behandelnden Aerzten auf Widerstand. 

Gelingt diese Ueberführung nicht, so dringe ich auf Pflege 
des Kranken durch eine Berufspflegerin. Namentlich in den 
ländlichen Kreisen ist mir diese stets gelungen. Allerdings benutze 
ich hierbei einen Kunstgriff: Manche Verwaltungsärzte hatten in 
Bayern bei Typhus aus Besorgnis die völlige Milchsperre verhängt; 
diese Sperre ist als eine notwendige Vorsichtsmaßregel auch viel¬ 
fach bei den Bauern bekannt. Vor einigen Jahren hat jedoch die 
Aufsichtsbehörde die Milchsperre verboten und angeordnet, daß 
die Milch nur in abgekochtem Zustand abgegeben werden darf. 
Ich fürchte nun, wenn die Möglichkeit der Milchinfektion vor¬ 
handen ist, daß auch die abgekochte Milch infiziert werden 
kann. Außerdem versichern alle Sachverständige einstimmig, 
daß abgekochte Milch in der Rundkäserei, wie sie hier im großen 
Maßstab geübt wird, nicht verwendet werden kann. Habe ich 
nun einen Typhusfall bei einem Bauern, so erlaube ich den freien 
Verkehr der Milch, wenn der Kranke aus dem Hofe entfernt 
oder eine mir als zuverlässig bekannte Berufspflegerin zur Pflege 


>) Münch. Med. Wochenschrift; 1915, Nr. 13. 



Zur Typhusbek&mpfung an! dem Lande. 


6 


verwendet wird und die Absonderung des Kranken gesichert 
ist. Ich kann dieses Risiko um so leichter tragen, als hierorts nicht 
die Bäuerin, sondern der Bauer melkt; dieser gibt sich aber mit 
der Pflege des Kranken nicht ab; außerdem wird die Milch 
unmittelbar vom Stall in gut geschlossenen Gefäßen zur Molkerei 
gebracht, ohne daß sie auch nur auf kürzere Zeit in die Woh¬ 
nung kommt. Diese Vorsichtsmaßregeln haben bisher immer 
genügt, die Verbreitung des Typhus mittels Milch durch mir be¬ 
kannt gewordene Typhuskranke zu verhindern. 

Gelingt auch die Heranziehung einer Berufspflegerin nicht, 
was bei ärmerer, nicht-bäuerlicher Bevölkerung manchmal 
vorkommt, so suche ich die Krankenpflege und die 
Küchenbestellung zu sondern. Beiden Teilen erkläre 
ich nicht bloß die Gefahren der Weiterversohleppung, nament¬ 
lich durch die Hand, sondern mache ihnen die Händedes¬ 
infektion praktisch vor und lasse sie mir nachmachen. Als 
Händedesinflzienz verwende ich möglichst heißes Wasser und 
nachfolgende Brennspiritus-Waschung; bei zuverlässigen Per¬ 
sonen Sublimatlösung. Die Zahl der geleerten Spiritusflaschen 
ist mir ein Kennzeichen der geübten Desinfektion. 

Hier könnte man nun die Frage auf werfen, ob man nicht 
grundsätzlich die Trennung der Krankenpflege von der Küche 
einzuführen bemüht sein sollte. Diese grundsätzliche Trennung 
habe ich nicht nur nicht angestrebt, sondern sogar bekämpft. 
Die Frau, die Mutter hat die Aufgabe der Krankenpflege der 
Familienangehörigen und auch die Aufgabe der Besorgung der 
Küche. Der familiäre Interessenkreis der Frau der Oberstände 
— und nur bei diesen ist die grundsätzliche Trennung erreich¬ 
bar — ist ohnehin klein, d. h. er wäre groß genug, aber die 
moderne Frau hat sich den häuslichen Pflichten mehr oder 
minder entzogen und begnügt sich mit einer 10 Minuten in 
Anspruch nehmenden allgemeinen Anordnung. Die Küche ist 
einem Teil der modernen Frauen ein Fremdwort geworden. 
Wenn man nun auch noch aus gesundheitspfleglichen Gründen 
diese Abtrennung vertieft und verbreitet, so verteuert man das 
Familienleben mit allen Nachteilen des teueren Haushaltes in 
biologischer Beziehung, und wenn man den Frauen alle Mög¬ 
lichkeiten, zu erkranken, sorgfältig aus dem Wege räumt, so 
zwingt man sie zu einem Glaskastenleben. Es wird dann das 
eintreten, was wir bei den Ameisen beobachten: Aus einer 
kriegerischen Waldameise wird die kieferlose Rasenameise, die 
sich zur Erhaltung ihres Lebens füttern lassen muß. Wir dürfen 
die allgemeine Biologie von der Bakteriologie nicht erdrücken 
lassen und müssen uns hüten, in den Fehler anderer führenden 
Berufssparten zu verfallen, ihre Sparte als die allein maßgebende 
im Volkskörper zu betrachten. Gerade wir Verwaltungsärzte, 
denen es Gemeingut ist, daß die Gesamtheit und nicht bloß 
ein Teil der Pflege bedarf, müssen uns vor einer Ueberspannung 
unserer Forderungen hüten. Obwohl wir also die Gefahr der 
Verbindung von Küche und Bett voll erkennen, dürfen wir 



6 


Dr. Hans Lieske 


beide nicht grundsätzlich trennen, sonderh im gegebenen 
Falle blofi ein vorübergehend getrenntes Marschieren an¬ 
streben. 

Dagegen möchte ich auf eine andere grundsätzliche Forde¬ 
rung hier aufmerksam machen: Die Benutzung des Klosett¬ 
papiers ist noch nicht Allgemeingut der niederen Bevölkerung 
geworden. Wer die Ersatzmittel dieses notwendigsten aller 
Gebrauchsgegenstände und die dadurch bedingten Gefahren gerade 
in der Frage der Weiterverbreitung des Typhus durch Bazillen¬ 
träger ebenso kennt, wie der Amtsarzt, der die oft recht mangel¬ 
hafte Fürsorge der Schulbehörden namentlich in dieser Richtung 
zu beobachten Gelegenheit hat, und der Amtsarzt, der weiß, daß 
jung gewohnt noch immer alt getan ist, der wird mir beistimmen, 
wenn ich beonders in dieser Frage aus praktischen Gründen eine 
wesentliche Besserung wünsche. Gerade deshalb muß in der 
Gegenwart die unbedingte Forderung gestellt werden, Bazillen¬ 
träger rücksichtslos aus dem Nahrungsmittelgewerbe auszu- 
soheiden. Ich glaube zwar, daß vorübergehend ein Mensch 
unter dem Drucke der Verhältnisse seine Gewohnheiten ein¬ 
schränkt, aber ich glaube nicht daran, daß er dauernd sie ablegt. 

Das Erlöschen der von mir beobachteten Allgemein- und 
ebenso der Hausepidemien ohne wirksame Gegen maßregeln der 
öffentlichen Gesundheitspflege, erkläre ich mir dadurch, daß die 
Bevölkerung aus sich heraus Häuser zu meiden beginnt, in 
denen die „Sucht“ herrscht, wodurch die Weiterverschleppung 
verhindert wird. Diese Erklärung würde die Wirksamkeit der 
Absperrungsmaßregeln veranschaulichen. 

Wenn ich mit dieser Mitteilung den Kollegen auch nichts 
Neues geboten habe, so glaubte ich doch, Veranlassung zu haben, 
einzelne Punkte zu unterstreichen. Es sollte mich freuen, 
wenn die Herren Amtsärzte gegebenenfalls mir ihre Beobach¬ 
tungen über diese Punkte mitteilen würden. 


Privatentbindungsanstalten. 

Ein Beitrag zum Kampf gegen das Kurpfuschertum. 

Von Dr. Hans Lleske-Leipzig. 

Der unheilvolle Einfluß, den die Ausbeutung von Krank¬ 
heit, Not und Gewissensqual Kreißender durch nicht zweifels¬ 
freie Personen auf die Volksgesundheit in ethischer und psychi¬ 
scher Richtung ausübt, liegt zu klar vor Augen denkender 
Menschen, um der Worte eines Nachweises zu bedürfen. Aber 
nicht allein gegen böse Absicht, sondern auch gegen Gleich¬ 
giltigkeit und Unverstand müssen der Entbindung entgegen¬ 
gehende Frauen gefeit sein. 

Das Gesetz hilft nun in gewissem Umfang an seinem 
Teile hierin fürsorgend und vorbeugend mit, sofern es die Privat¬ 
entbindungsanstalten für konzessionspflichtig erklärt. Nach An¬ 
sicht der Aerzte ist der Gesetzgeber bei Aufstellung der Be¬ 
dingungen für die Betriebsgenehmigung aber leider auf halbem 



Privaten tb Indungsanstalten. 


7 


Wege stehen geblieben; ärztlicherseits wurde seinerzeit ge¬ 
wünscht, von den Unternehmern von Privatkranken- und Ent¬ 
bindungsanstalten einen Betriebsplan einzufordern, der sie in 
der Behandlung der der Anstalt anvertrauten Leidenden be¬ 
schränkt oder sie mehr oder weniger an bestimmte Verfahrens¬ 
weisen binden sollte. Die Gewerbeordnung hat sich jedoch 
solchem Verlangen gegenüber taub gezeigt; sie gestattet keinerlei 
Anforderungen, die über das Gebiet der einfachen Gesundheits¬ 
polizei hinaus in das Gebiet der ärztlichen Kunst reichen. 1 ) 

Infolgedessen muß der Arzt als Geburtshelfer unaufhörlich 
Bilder schauen, die die Gebote sozialer Hygiene verhöhnen, 
und die sich vor seinem Auge oft nicht zu entrollen brauchten, 
hätte der Gesetzgeber, ärztlichen Wünschen willfahrend, mit 
festerer Hand zugegriffen. 

Gröbsten Mißständen im Geburtshilfewesen vermag aber 
auch unter dem herrschenden Rechte naturnotwendig niemand 
besser zu steuern, als der Arzt, weil ihm allein genügende Ge¬ 
legenheit und genügender Sachverstand zur Erkenntnis der be¬ 
stehenden Schäden gegeben sind. Durch Aufklärung der zu¬ 
ständigen Behörden kann er deshalb die Gegenwart von gesetz¬ 
widrigen gemeingefährlichen Entbindungsanstalten säubern und 
der Zukunft möglicherweise ein darin strafferes Recht bescheren 
helfen. 

Da aber hierzu eine genaue Kunde dessen, was das Gesetz 
von Privatentbindungsanstalten verlangt, zu unerläßlichem 
Rüstzeug gehört, so sei hierüber in folgendem das Bemerkens¬ 
werte aus Gesetzgebung und gerichtlicher Gesetzesdeutung 
dargestellt. 

Der Satz, der Privatentbindungsanstalten konzessions¬ 
pflichtig nennt, erheischt vor allem eine rechte Antwort auf 
die hochwichtige Frage: „Was versteht man unter einer 
Privatentbindungsanstalt?“ Das Ergebnis solcher Unter¬ 
suchung wird der Aerzteschaft die erfreuliche Tatsache zeigen, 
daß weit häufiger unzulängliche, zu Entbindungszwecken aus¬ 
geschriebene Quartiere als nichtkonzessionierte Entbindungs¬ 
anstalten auf entsprechende Anzeige hin geschlossen werden 
können, als man bislang vermutete. Damit würden aber gerade 
die gefährlichsten, weil unkontrollierten, Unterschlupfwinkel für 
Schwangere getroffen. 

Nach der Rechtsprechung des preußischen Oberverwaltungs¬ 
gerichts betreibt eine — konzessionspflichtige .— Privatentbin¬ 
dungsanstalt jeder, der gewerbsmäßig für eine gewisse Dauer 
Räume bereit hält, um sie Schwangeren zur Abwartung der 
Entbindung und demnächst zur Entbindung selbst zur Ver¬ 
fügung zu stellen. 2 ) 


*) Vergl. die Ausführungen von Land mann: Kommentar zur Gewerbe¬ 
ordnung; 5. Auflage, I. Bd., S. 240 fg. 

2 ) Urteil des preußischen Oberverwaltungsgericht vom 29. Mai 1914, 
HL A. 45/13; abgedruckt im Gewerbearchiv f. d. Deutsche Reich; 1915, Heft 2, 
8. 219 fg. 



8 


Dr. Hans Lieske. 


Pflegen darunter nun regelmäßig die Entbindungsgelegen¬ 
heiten zu fallen, auf die in allen größereft Zeitungen fortgesetzt 
in der Weise hingewiesen wird, daß man „Damen freund¬ 
liche diskrete Aufnahme“ zusichert? Es liegt auf der 
Hand, wie wichtig ein bejahender Bescheid hierauf sein muß, 
da vermutlich gerade hier, wo die Heimlichkeit Trumpf ist, so 
oft staatliche und ärztliche Kontrolle zugunsten der Gebärenden 
und ihrer Kinder gänzlich fehlt. Hören wir deshalb einen 
Gerichtsentscheid aus der Praxis: 

Eine Frau X., die bereits in ihrem früheren Wohnorte W. in einer er¬ 
heblichen Anzahl von Fällen Schwangere zum Zwecke der Entbindung in ihrer 
Wohnung anfgenommen hatte, betrieb seit Mitte 1912 in einer von ihrer 
Tochter im Hanse D.-weg 12 gemieteten Wohnung unter der Bezeichnung 
„Fremdenpensionat“ die Aufnahme und Verpflegung von Pensionsgästen gegen 
Entgelt. Unter diesen, hatten sich nach ihrem Eingeständnis 3 weibliche Personen 
befunden, die in der Pension der N. entbunden waren. Weiter waren Zeitungs¬ 
anzeigen ermittelt, worin mitgeteilt war, daß sie „Damen freundliche und dis¬ 
krete Aufnahme im stillen Waldhänschen gewähre“. Die Polizeiverwaltung 
sah die Pension infolgedessen als eine Privatentbindungsanstalt an, für die die 
X. die Genehmigung nicht besaß; sie verbot ihr deshalb bis zur Beibringung 
der Genehmigung diesen Gewerbebetrieb mit dem Hinzufügen, im Nichtbeach- 
tungsfalle hätte sie zu gewärtigen, daß die sich in ihrer Wohnung zum 
Zwecke der Niederkunft aufhaltenden Personen aus dieser entfernt und er¬ 
forderlichenfalls einer Provinzialentbindungsanstalt überwiesen würden. Frau 
X. bestritt das Betreiben einer Privatentbindungsanstalt und machte insbesondere 
geltend, nicht sie besorge die Entbindungen, sondern von den Schwangeren 
selbst bestellte und bezahlte Hebammen. Sie selbst habe keine Vorteile da¬ 
von; auch liege die Pflege der Wöchnerinnen nur in den Händen der bestellten 
Hebammen; ebensowenig besorge sie etwa Wäsche, Verbandszeug oder der¬ 
gleichen. Ihr einziger Verdienst bestehe vielmehr in dem Preis für Miete und 
volle Pension. 

Das preußische Oberverwaltungsgericht stellte sich aber 
auf dem Rechtsst&ndpunkt der Polizeiverwaltung und erkannte ebenfalls den 
Betrieb der X. als eine Privatentbindungsanstalt an. Nach seinen Ausführungen 
kann es allerdings im einzelnen Falle mit Rücksicht auf die besonderen Um¬ 
stände zweifelhaft sein, ob eine solche Anstalt vorliege. Bedeutungsvoll sei 
aber hierfür, ob nach dem geplanten oder tatsächlichen Betrieb die Gefahren 
wirklich gegeben sind, denen der Konzessionszwang steuern möchte. Jeden¬ 
falls stehe der Annahme einer Privatentbindungsanstalt nicht entgegen, daß in ihr 
nicht bloß Schwangere, sondern auch männliche und weibliche nicht schwangere 
Personen aufgenommen würden. Ebensowenig brauche es sich um einen Groß- 
betrieo oder einen Betrieb mit besonderen technischen Einrichtungen zu bandeln. 
Unerheblich sei es auch weiter, ob der Unternehmer sich selbst an der Wartung 
und Pflege der Schwangeren beteilige. Das Fehlen dieser Tatumstände schließe 
die Gefahren nicht aus, denen durch die Einführung der Genehmigungspflicht 
für Entbindungsanstalten vorgebeugt werden solle. 

Von einer solchen wird man zwar unter Umständen nicht reden können, 
wenn nur eine vereinzelte gelegentliche Aufnahme von Schwangeren stattfinde. 
Die Inserate: „Damen finden freundliche Aufnahme im stillen Waldhäuschen“ 
ließen aber klar erkennen, daß dauernd auf den Zuspruch von Schwangeren 
gerechnet werde und daß die Zimmer des Hauses wenn auch nicht ausschließlich, 
so doch jedenfalls’ zum Teil für eine gewisse Dauer bestimmungsgemäß be¬ 
liebigen Schwangeren und zu Entbindungszwecken zur Verfügung gestellt 
würden. Darin aber beruhe der Betrieb einer Privatentbindungsanstalt. 

Die an diesem Beispielslalle zu Wort gekommene ober- 
gerichtliohe Rechtsprechung zeichnet den Begriff der Privat¬ 
entbindungsanstalt in solch klarer, die notwendigen Merkmale 
mit so scharfen Umrissen beleuchtender Sprache, daß danach 



Priratentbindongganstalten. 


9 


die Frage nach dem Wesen der Privatentbindungsanstalt als 
deutlich beantwortet gelten darf. Damit aber steht die Aerzte- 
schaft einer Antwort gegenüber, die als wackerer Streitgenosse 
im Kampfe gegen Hintertreppen-Entbindungsgelegenheiten die 
besten Dienste verheißt. Mit Hilfe der uns hier von der Recht¬ 
sprechung des Oberverwaltungsgerichts bescherten Gesetzes¬ 
auslegung ist es dem Arzte vergönnt, in ungezählten Fällen 
darauf hin zu wirken, daß polizeilicher Zwang alle gewerbs¬ 
mäßigen Entbindungsanstalten, die ob der mangelnden not¬ 
wendigen sanitären und ethischen Voraussetzungen nicht ge¬ 
nehmigt sind, verschwinden, ein für die Förderung der Gesund¬ 
heit von Leib und Geist des Volkes sicherlich herzlich zu 
ersehnendes Ziel. 

Nach der Kenntnis vom Wesen der Privatentbindungs¬ 
anstalt sei jetzt kurz dargetan, auf welche Umstände sich eine 
Zuverlässigkeitserklärung für den Betrieb stützen muß; 
denn wenn die gesetzlich aufgeführten Versagungsgründe nicht 
vorliegen, besteht Konzessionszwang, d. h. die Konzession darf 
nur unter den ins einzelne bezeichneten Gründen abgelehnt 
werden. 

Erste Hauptbedingung ist — natürlich — die Züver- 
ässigkeit des Unternehmers bezüglich der Leitung und 
Verwaltung der Anstalt — ein Erfordernis, das uns umso selbst¬ 
verständlicher erscheint, als der Unternehmer nicht gleichzeitig 
der ärztliche Leiter zu sein braucht. Vielmehr gilt als Unter¬ 
nehmer der, in dessen Namen und für dessen Rechnung der 
Betrieb der Anstalt erfolgt und der in technischer und admini¬ 
strativer Hinsicht die erforderlichen Bestimmungen trifft. 1 ) Von 
den nach dem Sinn des Gesetzes an ihn zu stellenden Anforde¬ 
rungen wird noch ausführlich zu sprechen sein. 

Weitere Voraussetzung für die Erteilung der Genehmigung 
ist, daß die Anstalt in den baulichen und sonstigen techni¬ 
schen Einrichtungen den gesundheitspolizeilichen 
Anforderungen entspricht. Deshalb sind Beschreibungen 
und Pläne mit dem Gesuche einzureichen. 

Untersagt werden muß die Genehmigung ferner bedingungs¬ 
los dann, wenn die Anstalt nur in einem Teile eines auch 
von anderen Personen bewohnten Gebäudes untergebracht 
werden soll und für die .Mitbewohner erhebliche Nachteile 
hervorrufen kann. Ob dies der Fall ist, darüber haben sich 
zunächst die Ortspolizei und die Gemeindebehörden zu äußern. 
Bei Privatentbindungsanstalten werden indessen Bedenken dieser 
Art kaum sonderlich häufig rege werden. Vielmehr bezieht sich 
die Furcht, die diese Vorschrift schuf, wohl mehr auf den 
Betrieb von Privat-Kranken- und Privat-Irrenanstalten. 

Für die Privatentbindungsanstalten ist der Kreis der Kon¬ 
zessionsbedingungen damit erschöpft. 

Der heilsame Einfluß des Arztes in der Ueberwachung 


*) Vergl. Land mann; 1. c., S. 236. 



10 


Dr. Hans Lieake. 


eines für die Geburtshilfe wünschenswerten Anstaltsbetriebs 
aber kann sich um so reger entfalten, als irgendwelche be¬ 
deutsamen Aenderungen der Anstalt ebenfalls polizei¬ 
liche Genehmigung erheischen. Bemerkt also der Arzt in 
einer Anstalt, deren Errichtung wegen ursprünglicher Untadlioh- 
keit polizeiliche Bedenken nicht versperrten, eine erhebliche 
Wandlung zum Schlechten, so wird eine entsprechende An¬ 
zeige nach fruchtloser Warnung die Polizei von neuem in 
Tätigkeit setzen und unter Umständen eine Schließung der 
Apstalt zur Folge haben. 

Konzessionserneuerung ist ferner nötig auch beim Wechsel 
in der Person des Unternehmers; es unterliegen dann 
auch die baulichen und die sonstigen technischen Einrichtungen, 
sowie die Interessen der Mitbewohner des Hauses einer neuen 
Prüfung, bei der die Behörde an die frühere Würdigung dieser 
Einrichtungen nicht gebunden ist. 1 ) 

Besonders notwendig aber erscheint das Studium der 
Gesetzesgeschichte danach, welche Umstände bei der Zu¬ 
verlässigkeitsprüfung des Unternehmers den Aus¬ 
schlag geben. Da der Unternehmer, wie bereits hervorgehoben, 
nicht Arzt zu sein braucht, so sind strenge Anforderungen 
sicherlich erst recht angebracht, weil bei einem Arzte in seiner 
Berufsbetätigung das als selbstverständlich vorausgesetzt werden 
darf, was bei einem Laien nachdrücklicher Sicherheiten be¬ 
darf. Die Begründung der Gewerbe-Ordnung ergibt aber nach 
dieser Hinsicht ein befriedigendes Bild, indem sie uns erklärt, 
daß durchaus nicht etwa nur die gewerbliche Seite zu betonen 
ist. Im Sinne der durch das Gesetz zu schützenden Interessen 
soll nämlich der Unternehmer durch seine Vergangenheit nicht 
nur die Annahme ausschließen, als könne sein Geschäftsbetrieb 
auf eine strafbare oder auch nur unredliche Ausbeutung des 
seiner Anstalt sich anvertrauenden Publikums gerichtet sein; 
es darf vielmehr auch kein Raum für die Besorgnis bleiben, 
daß in der Leitung und der Verwaltung der Anstalt derjenige 
besondere Grad von Umsicht, Erfahrung und Kenntnis nach 
der technischen wie nach der administrativen Seite fehlen werde, 
der erforderlich ist, wenn solche Anstalten ihren Charakter als 
gemeinnützige Unternehmungen behaupten sollen. Der Staat 
darf verlangen, daß der Unternehmer, sei es in eigener Person 
oder durch vertragswürdigen Stellvertreter, nach den bezeich- 
neten Richtungen hin, insbesondere auch betreffs der Sorge 
für die etwa nötig werdende ärztliche Hilfe, die dem 
Interesse des Kranken entsprechende Sicherheit biete. 2 ) 

Danach verschließt allerdings der Geist des Gesetzes 
Schwachköpfen und Dunkelmännern aller Art einen Posten, 


') Landmann; 1. c., S. 242. 

*) Motive zur Novelle vom Jahre 1879, durch die der $ 30 der Gewerbe¬ 
ordnung, der die Anforderungen an den l’ntrrnehmer betrifft, seine jetzige 
Fassung erhielt. 



Privatentbindungsanst alten. 


11 


der ob der mit seiner Bekleidung verknüpften hohen Verant¬ 
wortlichkeit für das Volkswohl umsichtige und makellose 
Menschen aufs dringendste fordert. Die sich verstohlen an¬ 
preisenden verschieden „diskreten Waldhäuscheninhaberinnen“ 
dürften aber wunderselten die Prüfung auf Herz und Nieren 
nach solchem Maßstabe bestehen. 

Welch wichtige Rolle im übrigen trotz grundsätzlicher 
Erläßlichkeit eigner Sachkunde die Kenntnis der Unternehmer 
in der Geburtshilfe bei der Zuverlässigkeitsprüfung 
spielt, wird ein Fall aus jüngster Praxis die Aerzteschaft am 
besten unterrichten: *) 

„Der Provinzialausschnß der Provinz Starkenburg hat bei der Prüfung 
eines Gesuchs' um Konzession zum Betriebe einer Privatentbindungsanstalt fest¬ 
gestellt, daß die Gesuchsstellerin eine unbescholtene, zuverlässige und in ihrer 
Haushaltung sehr tüchtige Frau ist und daß ihr Mangel an Pflichtbewußtsein 
oder Verantwortlichkeitsgefiihl nicht vorgeworfen werden kann. Er gründete 
diese Ansicht u. a. auf die Bekundung zweier L.er Aerzte, die meinen, daß ihr 
die Leitung einer Entbindungsanstalt anvertraut werden könne. Der Provinzial¬ 
ausschuß hat ferner durch die vorgelegten Zeugnisse für erwiesen erachtet, 
daß die Gesuchsstellerin vom 6. September 1886 bis 15. Juni 1887 im all¬ 
gemeinen Krankenhaus in M. als Wärterin tätig war, am 8. Februar 1887 das 
theoretische Examen bestand und von da ab in der weiblichen chirurgischen 
Abteilung gearbeitet hat, daß sie bis Herbst 1889 über zwei Jahre im 
S. v. It.schen Hospital in F. als Kranken Wärterin tätig war und ihre Obliegen¬ 
heiten in jeder Beziehung zur vollkommensten Zufriedenheit erfüllt bat, und 
er hat ihrer Versicherung geglaubt, daß sie auch längere Zeit in der Wochen¬ 
bettpflege tätig gewesen sei. Der Provinzialausschuß hat ferner dargelegt, 
daß für die Gesuchsstellerin in L. Hebammen und Aerzte jederzeit leicht er¬ 
reichbar und von ihr für die drei Schwangeren, die bereits bei ihr nieder¬ 
kamen, rechtzeitig zugezogen worden seien und daß anzunehmen sei, sie werde 
auch in späteren Fällen fachmännische Geburtshilfe gewissenhaft zuziehen. 

Wenn aber die Vorinstanz unter diesen Umständen die Tatsache, daß 
die praktische Ausbildung der Gesuchsstellerin in der Geburtshilfe mangelhaft 
ist, nicht für wesentlich erachtet hat, verkennt sie den Begriff der Zuverlässigkeit. 
Denn gerade diese Tatsache läßt die Gesuchsstellerin, nach der Auffassung 
des Großherzoglichen Oberverwaltungsgerichtshofs, unbeschadet ihrer allgemein 
moralischen Eigenschaften, zur Leitung und Verwaltung der Anstalt insolange 
nicht genügend zuverlässig erscheinen, als sie sich für diese nicht die ständige 
Hilfe und Ueberwachung einer zuverlässigen geprüf ten Medi¬ 
zinalperson sichert, die auch für den Betrieb der Anstalt verantwortlich 
ist. Die von der Vorinstanz betonte Möglichkeit, jederzeit einen Arzt oder eine 
Hebamme von Fall zu Fall zuznziehen, genügt nicht. Daß jetzt schon die 
Unzuverlässigkeit feststünde, läßt sich nicht sagen, da die Zuverlässigkeit 
durch geeignete Bedingungen, die der Gesuchsstellerin aufzuerlegen sind, ge¬ 
währleistet werden kann.“ 

Wie schwer solche Bedingungen aber wiegen, wenn sie 
eine aus Mangel an persönlicher Sachkunde zunächst verneinte 
Zuverlässigkeit stützen wollen, das wird die Kundgabe der 
Auflagen am deutlichsten dartun, von denen der Provinzial¬ 
ausschuß die Genehmigung schließlich abhängig gemacht hat. 
Sie seien deshalb in folgendem wiedergegeben: 

„1. Die Anstalt muß einem Arzt unterstellt sein, der für ihre sanitären 
Einrichtungen, für die Pflege, Wartung, Beköstigung der Schwangeren, Wöchne¬ 
rinnen und Kinder verantwortlich ist. 


•) Urteil des Großherzoglich hessischen Verwaltungsgerichtshofs, ab- 
gedruckt im Gewerbearchiv f. d. Deutsche Reich; 1915, S. 568. 



12 


Dr. Hans lieske: Privatentbindungsanstalten. 


2. Der Inhaber der Konzession ist verpflichtet: 

a) mit einem Arzt oder einer Hebamme einen Vertrag abzuscbließen, durch 
den jederzeit die erforderliche Hilfeleistung gesichert'wird; 

b) darauf hinzuwirken, jede in die Anstalt eintretende Frau alsbald durch 
einen Arzt oder eine am Ort ansässige Hebamme untersuchen zu lassen, 
ob Abweichungen von dem normalen Verlauf der Schwangerschaft oder 
Geburt vorliegen; 

c) einen Arzt oder eine Hebamme sofort zuzuziehen, sobald sich bei einer, 
in die Anstalt aufgenommenen Frau regelwidrige oder krankhafte Er¬ 
scheinungen einstellen; 

d) jede Geburt von Beginn bis zur Beendigung der Nachgeburtszeit und .bis 
zur Beendigung etwaiger gefahrdrohender Zustände durch einen Arzt oder 
eine Hebamme überwachen zu lassen; 

c) solange es ihr Zustand erfordert, mindens aber 10 Tage lang, durch eine 
Hebamme oder eine staatlich geprüfte Wochenbettptlegerin pflegen und 
die Neugeborenen besorgen zu lassen, wozu mindestens zwei Besuche der 
Hebamme täglich erforderlich sind; 

f) jede ansteckende oder fieberhafte Erkrankung einer Schwangeren, Ge¬ 
bärenden oder einer Wöchnerin oder eines Säuglinges alsbald dem zu¬ 
ständigen Kreisgesundheitsamt anzuzeigen; 

g) über die in die Anstalt aufgenommenen Frauen ein fortlaufendes Ver¬ 
zeichnis zu führen, aus welchem die Personalien (Alter, Geburtsort, 
Wohnort, Stand und Beruf, Befund bei der Aufnahme, Tag und Verlauf 
der Geburt, Befund bei dem neugeborenen Kind, Verlauf des Wochen¬ 
betts, Ernährung des Kindes, Tag der Entlassung von Mutter und Kind, 
sowie der Ort, nach dem das Kind verbracht wird) ersehen werden könne. 

3. Vor Eröffnung der Anstalt sind dem zuständigen Kreisgesundheits¬ 
amt der Arzt und die Hebamme zu benennen, die nach Ziff. 1 und 2 in der 
Anstalt vertragsmäßig tätig sein sollen. 

4. Vor Eröffnung der Anstalt sind dem zuständigen Kreisamt die Be¬ 
dingungen und Preise mitzuteilen, unter denen Schwangere, Kreißende oder 
Wöchnerinnen aufgenommen werden. 

Die Verträge, welche mit Arzt und Hebamme geschlossen sind, sind 
dem Kreisamt vorzulegen. 

5. Wechsel in der Person des für die Anstalt angenommenen Arztes 
oder der Hebamme, Aenderungen in der Anordnung oder Benutzung der An¬ 
staltsräume, Aenderungen des Vertrages mit Arzt oder Hebamme, oder der 
Aufnahme- und Verpflegungsbedingungen sind alsbald dem zuständigen Kreis¬ 
amt mitzuteilen. 

6. Der Inhaber der Konzession ist verpflichtet, dafür zu sorgen, daß 
neugeborene Kinder ohne ausdrückliche Erlaubnis des Arztes von der Mutter 
des Kindes nicht getrennt werden, und daß die Kinder während des Aufenthaltes 
in der Anstalt von den Müttern gestillt werden, wenn nicht der Arzt aus¬ 
drücklich das Stillen durch die Mutter untersagt hat. 

7. Dem Inhaber der Konzession ist es verboten, Pflegestellen für die in 
der Anstalt geborenen Kinder zu vermitteln oder durch ihm unterstellte Per¬ 
sonen oder Familienangehörige vermitteln zu lassen. 

8. Dem Großh. Kreisarzt ist jederzeit Zutritt in die Anstalt zum Zwecke 
der Ueberwachung des Betriebs zu gestatten und Einsicht in das nach Ziff. 2g 
zu führende Verzeichnis zu gewähren. 

Bis zum 15. Januar ist dem Großh. Kreisgesundheitsamt eine Abschrift 
des nach Ziff. 2 g zu führenden Verzeichnisses aus dem Vorjahre mitzuteilen. 

9. In öffentlichen Ankündigungen darf die Anstalt nicht als „staatlich 
konzessionierte - oder mit einem ähnlichen Ausdruck bezeichnet werden; auch 
darf nicht das Unterbleiben von Heimberichten in Aussicht gestellt werden. 
Ferner ist der Ausdruck „diskrete* Niederkunft zu unterlassen. 

10. .Soweit Hilfskräfte für die Wartung der Wöchnerinnen tätig sind, 
haben diese das Zeugnis als staatlich anerkannte Wochenpflegerinnen binnen 
einer von dem Kreisamt zu bestimmenden Frist beizubringen.“ 

Hiermit dürften die Grundzüge für die Beurteilung der 



Kleinere Mitteilungen and Referate atu Zeitschriften. 


18 


Bewerbungen und die Genehmigung von Privatentbindungs¬ 
anstalten zweifelsfrei festgestellt sein. 

Die sich hieraus für die Aerzte und Medizinalbeamten 
ergebenden Handhaben aber erscheinen danach als geschliffene 
Waffe iro Kampfe gegen eine wichtige und gefährliche Sorte 
geldgieriger Kurpfuscher. 

Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 

A. Oeriohtliohe Medizin. 

Ein Fall von Rotsehen nach Genuß der Samen von Solanum dulca- 
marm L. Von San.-Rat Dr. Hilbert-Sensburg, z. Z. Stabs- and Bat.-Arzt im 
Felde. Münch, med. Wochenschrift; 1915, Heft 52. 

Ein 8 1 /» Jahre gesundes Kind hatte 10—12 reife Beeren von Solanum 
dulcamara zu sich genommen. Es erfolgte Erbrechen; in dem Erbrochenen 
waren deutlich Trümmer der giftigen Beere bemerkbar. Das Kind war sehr 
unruhig, warf sich im Bett nmher, klagte über Kopf- und Magenschmerzen, 
Schwindel, Herzklopfen, Angstgefühl und Rotsehen: n Alles sei rot, wie die 
genossenen Beeren gefärbt“. Das Gesicht war gerötet; außerdem bestand 
rnpillenerweiterang ad maximnm und Akkomodationslähmnng (das Kind konnte 
kleine Buchstaben nicht entziffern). Die Haat des Kindes war trocken; Druck 
in der Magengegend schmerzhaft In Ermangelung einer Magenpnmpe wurde 
durch Trinken großer Mengen warmen Wassers Erbrechen hervorgemfen und 
diese Behandlung fortgesetzt, bis das Erbrochene keine Teile der Beeren mehr 
enthielt. Hierauf wurde der Genuß kalter Milch verordnet. Die Beschwerden 
ließen nach; es trat Schlaf ein. Am nächsten Tage waren nur noch Blässe 
des Gesichts nnd allgemeine Mattigkeit vorhanden; die Papillen waren 
noch erweitert, während über Rotsehen nicht mehr geklagt wnrde. Nach 
5 Tagen waren alle* bisherigen Erscheinungen der Solannmvergiftnng ver¬ 
schwunden. _ Dr. Graß 1-Kempten. 

B. Oeriohtliohe Psyohlatrie. 

Ein schwachsinniges Wunderkind. Von V. Hampel. Zeitschrift für 
Schnigesandheitspflege; 1915, Nr. 11. 

Verfasser, der Leiter eines Fürsorgeheims, berichtet über einen 11jährigen 
schwachsinnigen, sprachlosen Knaben mit charakteristischen Zuckungen; bei 
dem sich eine auffällige, weit über die normale Begabung hinaus reichende 
Fähigkeit im raschen Erfassen einer ungeordneten Menge von Gegenständen sowie 
im raschen Zählen and im Taxieren von Längenmaßen zeigte. Die Längen 
and Breite eines Tisches, die Größe von Personen wnrde schuell bis aaf wenige 
Zentimeter genau angegeben, Entfernungen ausgezeichnet geschätzt. Die 
Zahlenvorstellnngen nnd die Kunst des richtigen Abschätzens verdankt der 
Knabe seinen von früh ans betriebenen Lieblingsspiel mit den Blättern eines 
Abreißkalenders and einem ächneidermaß. 

Die Sprache, anfänglich aaf ganz tiefer Stofe stehend, fing unter fort¬ 
gesetzten Artikulationsübnngen an, sich za vervollkommnen. 

_ Dr. Solbrig-Königsberg. 

Einfluß des Krieges auf psychopathische Jugendliche. Von Dr. 
J. Girstenberg. Zeitschrift für Schnigesandheitspflege; 1915, Nr. 10. 

Verfasser, Pädagoge, berichtet über einen Fall von nenropathiseber 
Reaktion eines 16jährigen Imbezillen ans vornehmer Familie anf die durch 
den Krieg geschaffenen Verhältnisse: Unter den Erregungen des Krieges, der 
fehlenden psychischen Einwirkung seitens der Matter, wohl auch unter dem 
Einfluß der Pnbertät beging der jonge Mensch einen Diebstahl in der elter¬ 
lichen Wohnung. 

Im allgemeinen begegnet man nach Girstenberg zwei Groppen von 
psychisch minderwertigen jugendlichen Individuen, soweit von einer Stellang- 
asJune zum Kriege die Rede ist: 

1. solche Individuen, die vom Kriege absolnt nichts wissen wollen, 



2. solche Individuen, die durch gesteigerte Erregung, erhöhtes Tatendrang, 
Abenteuerlust, also in gefährlicher Weise reagieren. 

Es können aber noch gesnnde Kinder in der Entwicklungszeit durch die 
Aofregnngen des Krieges schwer geschädigt werden, was auch die seit Kriegs¬ 
ausbruch zunehmende Kriminalität der Jagendlichen beweist. 

Dr. ft o 1 br i g-Königsberg. 


O. laehTirstindlgSBtitifktlt auf milit&r ärztlichem Gebiete.') 

1. Karze Xitteilang über epidemische Hemeralopie im Felde. Von 

Oberstabsarzt der Res. Prof. Dr. Braun schweig. Münchener med. Wochen¬ 
schrift, 1916; Feldärztliche Beilage za Nr. 9. 

2. Ueber Aagenerkrankangen im Felde. Von Stabsarzt der Res. 
Dr. Z a d e, Privatdozent in Heidelberg. 

3. Ueber Nachtblindheit Im Felde. Von Prof. Dr. A. Brest-Dresden. 
Münchener med. Wochenschrift, 1915; Feldärztliche Beilage za Nr. 33. 

4. Beobachtungen über Nachtblindheit im Felde. Von Stabsarzt d. R. 
Dr. Paal, Angenarzt in Halle a. 8. Münchener med. Wochenschrift, 1915; 
Feldärztliche Beilage za Nr. 45. 

Die sog. Nachtblindheit, eine Herabsetzung der Licbtempfindlichkeit der 
Netzhaut, die sich nicht bloß im Dunkeln der Nacht, sondern auch bei Abend- 
und Mondlicbt bemerkbar macht, wird auch im Frieden zuweilen beobachtet und 
ist hier dann entweder Folge von ererbten und erworbenen Brechungsfehlera oder 
häufiger Folge von Kräfteverfall nach schweren Erkrankungen oder nach schlechter 
einseitiger Ernährung. In Rußland soll sie bei den großen Hungersnöten in 
epidemischer Form auf treten und auch nach der langen Fastenzeit um Ostern 
sowie in rassischen Gefängnissen nicht selten beobachtet werden. Leichte 
Formen dieser Sehstörung kommen übrigens den davon Betroffenen wohl öfters 
nicht zum Bewußtsein, weil ja die meisten Leute im Frieden bei Tage ihrer 
Beschäftigung naebgehen und in ihrem Berufsleben daher durch etwa vor¬ 
handene Nachtblindheit wenig beeinträchtigt werden. 

Braunschweig(l) sah nun nach Errichtung einer Augenabteilang 
bei der vierten Armee eine gehäufte Zahl von Nachtblindheit (29) bei ver¬ 
schiedenen Truppenteilen. Die betreffenden Kranken waren nicht imstande, 
sich nach Eintritt der Dunkelheit zurechtzufinden; alle Altersklassen von 17 
bis 46 Jahren waren unter ihnen vertreten, ihr Ernährungs- und Kräftezustand war 
meist gut und scheinbar ohne besonderen Einfluß; ebenso wurde eine Erkrankung 
innerer Organe niemals vorgefunden. Dagegen fanden sich in */» der Fälle 
Brecbungsfehler jeder Art und öfters auch ein leichter Bindehautkatarrh des 
Auges; die sog. Bilotschcn Flecken wurden aber an der Angapfelbindehaut 
in keinem Falle festgestellt. Als Ursache der Erkrankung beschuldigt Braun- 
sekweig das unausgesetzte scharfe Spähen im Schützengraben; als be¬ 
günstigender Umstand komme auch die starke körperliche und seelische Be¬ 
anspruchung in Betracht. Die Nachtblindheit im Felde stelle somit ebenso 
wie im Frieden einen Erschöpfungszustand dar, der bei hohen Anforderungen 
besonders an solchen Augen auftrete, deren Leistungsfähigkeit durch un¬ 
regelmäßigen Bau oder äußere Erkrankung beschränkt sei. Die Behandlung 
habe deshalb in Beseitigung vorhandener Brechnngsfehler durch entsprechende 
Oläscr, Verabfolgung von Stärkungsmittel, Ausspannung und kräftige Ernährung 
zu bestehen. Zur Feststellung der Nachtblindheit hat Br. die im Felde viel 
gebrauchte Leuchtuhr benutzt, deren Ziffern ein Normalsichtiger im Dunkel¬ 
raum nach einigen Sekunden Anpassungszeit auf 80—160 cm Entfernung er¬ 
kennt, ein Nachtblinder dagegen nur in unmittelbarer Nähe oder höchstens bis 
80 ein. Vortäuschung komme nur sehr selten vor. 

Za de (2) hnt au 12 Fällen ähnliche Beobachtungen gemacht; anatomische 
Störungen der peripheren Netzhautelemente konnte er jedoch nicht nachweisen; 
als Ursache wird von ihm deshalb allgemeine Erschöpfung und psychische 
Alteration infolge des monatelangen Stellungskampfes angesehen. 

Brest (3) tritt der Anschauung entgegen, daß die Nachtblindheit als 


') Mit Rücksicht auf die durch den Krieg veranlaßte militärärztliche 
Tätigkeit eines großen Teiles der Leser dieser Zeitschrift, namentlich der 
beamteten Aerzte, ist diese Unterabteilung neu eingefUhrt. 



Kleben Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


lö 


eine besonders durch den Krieg veranlaßte Sehstörung aufzufassen sei; es 
handele sich vielmehr fast durchweg um Leute, deren schon früher vorhanden 
gewesene Nachtblindheit erst im Schützengraben entdeckt sei. Der Stellungs¬ 
krieg bringe eine Reihe von Vorbedingungen wie: nächtliche Tätigkeit, un¬ 
vermeidliche Entbehrungen, unregelmäßige Ernährung, körperliche und seelische 
Anstrengungen, die verbunden sind mit der unbedingt notwendigen Anpassung 
der Aufmerksamkeit, die das Auftreten der Nachtblindheit zwar begünstige, 
aber keineswegs in einem Umfange, daß man von einer besonderen Kriegs¬ 
nachtblindheit sprechen könnte. Der Mehrzahl der Kranken komme die Nacht¬ 
blindheit als Begleiterscheinung eines alten Brechungsfehlers oder als ererbte 
Eigentümlichkeit erst unter den Verhältnissen des nächtlichen Schützengraben¬ 
krieges im Verkehr mit ihren scharfsichtigen Kameraden zum Bewußtsein. 

Einen anderen Standpunkt vertritt Dr. Paul (4) auf Grund der von 
ihm gemachten Beobachtungen. Es sind ihm 16 Soldaten zugeführt worden 
mit einer erst während des Krieges erworbenen Nachtblindheit; die Befallenen 
waren ausnahmslos kräftige felddienstfähige Leute, die alle gut genährt waren, 
so daß bei keinem der Eindruck der Unterernährung oder körperlichen Er¬ 
schöpfung aufkommen konnte. Die Leute, 14 Infanteristen, ein Pionier und 
ein Faßartillerist, stammten sämtlich aus der vorderen Linie. Irgend eine 
krankhafte Veränderung zeigten die Augen nicht. Auch ein anderer im Felde 
stehender Augenarzt machte ähnliche Beobachtungen, so daß er zuweilen sogar 
auf den Verdacht der Verstellung kam. Es handelt sich nach der Meinung von 
Dr. Paul nicht um die durch körperliche Erschöpfung und schlechte Ernährung 
hervorgerufene Friedensform der Nachtblindheit, überhaupt nicht um eine 
Augenerkrankung, sondern um eine zerebrale Angelegenheit, also um ein rein 
nervöses Leiden, das als Folge nervöser Erschöpfung und psychischer Depression 
auf tritt, als deren Ursache der in früheren Kriegen nicht bekannte langwährende 
moderne Stellungskampf anzusehen ist, der lange Schützengrabenkrieg mit 
seiner zerreibenden Gleichmäßigkeit, unter der namentlich bei schlechtem 
Winterwetter die Gemütsstimmung leidet. Seit Anfang Mai hat Dr. Paul 
keinen einzigen Kranken dieser Art mehr zu sehen bekommen. Wie bei allen 
nervösen Leiden, gewährt das Fernhalten nervöser und psychischer Schädi¬ 
gungen die beste Aussicht auf Heilung.' Rpd. 


Militärdienst und Thyreotoxie. Von Oberstabsarzt Dr. Dannehl. 
Deutsche militärärztliche Zeitschrift; 1915, H. 3 und 4. 

Für die militärärztliche Sachverständigentätigkeit erscheint folgendes 
wichtig: 

Die thyreotoxischen Beschwerden werden hervorgerufen: 1. durch lang¬ 
andauernde Anstrengungen mit mechanischen und thermischen Schädigungen, 
2. durch Infektionskrankheiten, 3. durch psychische Einwirkungen. Außer auf 
die drei bekannten B a s e d o w Symptome ist auf nervöse und vasomotorische 
Reizerscheinungen, Psychopathie (mit Selbstmordneigung) und Stoffwechsel¬ 
störung (Gewichtsabnahme, Glykosurie) zu achten. Postinfektiöse Formen 
gehen rascher und vollständiger zurück als die psychogenen und die Ueber- 
anstrengungsformen. Vor allzu gründlichen, regelmäßigen Pulsuntersuchungen 
wird wegen der psychischen Empfindlichkeit der Thyreotoxiker gewarnt. 

Dr. R. B e r n s t e i n - Mühlhausen i. Thür. 


Zur Röntgenuntersuchung des Herzens bei fraglicher Militärtang- 
Mchkelt. Von Dr. Franz Grödel. Münch, med. Wochenschrift; 1915; Nr. 52. 

Bei der Einschätzung der subjektiven Klagen und des objektiven Be¬ 
fundes im Bereiche der Zirkulationsorgane, insbesondere des Herzens, stehen 
wir oft vor einer fast unlösbaren Frage. Bald lassen sich subjektive Klagen 
durch keinen objektiven Befund erklären, bald machen schwere objektive An¬ 
zeichen geringe Beschwerden. Die große Anpassungsmöglichkeit einerseits und 
der Einfluß des Nervensystems anderseits ist schuld daran. Die Herzgröße ist 
von verschiedenen Momenten abhängig: Geschlecht, Alter, Körpergewicht, 
Beruf, Lebensweise. Die Form der Brusthöhle stimmt mit dem übrigen Körper¬ 
bau überein. Es gibt keinen hohen Brustkorb in einem untersetzten Körper, 
während in einem schlanken Körper auch stets ein schlanker Brustkorb zu 



16 


Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


finden ist. Herz* and Gefäßschatten entsprechen der Brastkorbform. Die 
Röntgenuntersuchung gibt in vielen Fallen Aufschluß über sonst unklärbare 
Angaben und Befunde. Dr. G r a ß 1 - Kempten. 


Beobachtungen Uber Albuminurie. Von Marine-Stabsarzt Dr. Beckers. 
Deutsche militärärztliche Zeitschrift; 1915, Heft 9 und 10. 

Beckers untersuchte bei 1038 Mann, vorwiegend Rekruten, den Harn 
mittels der gewöhnlichen Essigsäure - Kochprobe morgens nach 1—2stündigem 
Dienst. Er fand zunächst bei 36 = 3,5 °/o Eiweiß, von denen bei 7 trotz längerer 
Beobachtung bei Bestehenbleiben der Eiweißausscheidung keine Anhaltspunkte 
für eine Nephritis gewonnen werden konnten. Sechs von diesen 7 hatten eine 
ausgesprochene Lordose, nach deren Ausgleichung (durch entsprechende Körper¬ 
haltung) sie eiweißfreien Harn ausschieden. Die Frage, ob diese Erscheinung 
von einer konstitutionellen Minderwertigkeit zeugt, kann nicht ohne weiteres 
beantwortet werden; es bedarf in manchen Fällen einer langdauernden Be¬ 
obachtung. Dr. R. Bernstein -Mühlhausen i. Thür. 


Ueber den Fliegertod. Von Stabsarzt Dr. Schöppler. Deutsche 
militärärztliche Zeitschrift; 1915, H. 15 und 16. 

Die meisten Todesfälle durch Abstürzen sind, wenn nicht durch den 
schweren Motor ganz besondere Zerstörungen verursacht werden, einander 
ähnlich, gleichviel ob der Sturz aus großer oder geringer Höhe erfolgt Meist 
findet man Schlüsselbeinbruch am sternaleu Ende, Vorderarmbrucb, Unter¬ 
schenkelbrach oberhalb der Knöchel und in der Mitte, Obcrschenkelbruch 
im unteren Drittel, Zertrümmerung der Fußwnrzelknochen, Verletzung der 
Wirbelsäule ist sehr selten; Zerreißungen der inneren Organe sind häufig. 

Dr. R. Bernstein -Mühlhausen i. Thür. 


D. laohverst&ndlge&tltlgkeit in Unfall- und InvalldltAts- and 
KrankenverslolioranffH&olion. 

Ueber Unfallverletzungen des Magens. Von Dr. A. Kiltinger- 
Wien. Wiener Arbeiten aus dem Gebiete der sozialen Medizin; H. 7 (Beiheft 
zum „Oesterreichischen Sanitätswesen*; 1915, Nr. 43/46). 

Verfasser berichtet über 3 Fälle. Die Höhe der Einbuße an Erwerbs¬ 
fähigkeit durch Magenerkrankungen nach Unfällen ist nach dem Einzelfalle zu 
beurteilen. Im allgemeinen wird bei Magenneurosen nicht über ein Viertel 
binauszugehen sein; bei Geschwürsbildung im Magen beträgt die Einbuße etwa 
>/3 bis l jt ; in einem Falle von Netztumor wurde die Einbuße anfangs auf 
i/s, später auf l /i geschätzt. Dr. Wolf-Hanau. 


Akute gelbe Leberatrophie (nach Unfall). Von Dr. H. Kurschmann. 
Münch, med Wochenschrift; 1916, Heft 62. 

Als dritten Fall einer akuten gelben Leberatrophie nach Unfall be¬ 
schreibt K. den vorliegenden. Ein zwei Jahre altes Kind kletterte auf einen 
großen Stuhl, fiel damit um, so daß die Lehne gegen den Bauch gedrückt 
wurde und zwar so heftig, daß es auf beiden Bauchseiten zwei blutunterlaufene 
Flecken bekam. Am gleichen Tage wiederholte sich derselbe Vorgang. 10 Tage 
danach Exitus. Diagnose: akute gelbe Leberatrophie. 

Dr. G r a ß 1 - Kempten. 


Die Begutachtung der Unfallerkrankungen des inneren Ohres. Von 

Prof. Dr. Alt-Wien. Wiener Arbeiten aus dem Gebiete der sozialen Medizin; 
H. 7 (Beiheft, zum „Oesterreichischen Sanitätswesen“; 1915, Nr. 43/46). 

Bei der Begutachtung der Unfallerkrankungen des Gehörorgans stößt 
selbst der erfahrenste Arzt mitunter auf große Schwierigkeiten, wenn er 
entscheiden soll, ob eine alte Erkrankung oder eine frische Unfallsfolge oder 
eine Verschlimmerung eines schon vorhandenen Ohrenleidens, namentlich einer 
sog. Bernfsschwerhörigkeit vorliegt, die ebenso wie die Altersschwerhörigkeit 
und die meisten der Gehörorgane betreffenden Unfallfolgen durch eine Er¬ 
krankung bezw. Schädigung des Labyrinths bedingt wird. Verfasser bat nun 
durch Untersuchung zahlreicher Arbeiter aus lärmenden Betrieben festgestellt, 



Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 


17 


daß die bei ihnen festgestellte Berufsschwerhörigkeit ausschließlich auf eine 
Erkrankung des Schneckennerven zurückzuführen and verhältnismäßig selten 
mit persönlichen Beschwerden wie Ohrensausen,, namentlich nicht mit dauernd 
vorhandenem Ohrensausen verbunden ist. Außerdem werden Störungen des 
Vorhofsnervens, also des ganzen Astes des Qehörnervens, der dem Qieich¬ 
gewichtssinn dient, sehr selten bei Berafsschwerhörigkeit beobachtet; vor¬ 
handene Gleichgewichtsstörungen deuten deshalb auf Mittelohr- oder Labyrinth¬ 
erkrankungen hin, die durch andere Ursachen hervorgerufen sind. Klagen 
über Schwindel und Brechreiz sowie vor allem Gleichgewichtsstörungen 
sprechen somit gegen die Annahme von Berufsschwerhörigkeit, ganz abge¬ 
sehen davon, daß Schwerhörigkeit durch Beruf stets doppelseitig ist und sich 
meist allmählich entwickelt, während diejenigen durch Unfall in der Kegel 
einseitig ist und plötzlich oder verhältnismäßig schnell entsteht. Bei den 
Unfall Verletzungen des inneren Ohres handelt es sich meist um Erschütterun¬ 
gen des Labyrinths, Knochenbrüche oder Bisse des knöchernen Schädelgrundes, 
sowie Blutungen in alle Teile des häutigen Labyrinths; außer der mit hoch¬ 
gradiger einseitiger Schwerhörigkeit verbundenen Gleichgewichtsstörung ist in 
der Kegel auch unwillkürliches Augenzittern (Nystagmus) vorhanden. Zur 
Beurteilung und Entscheidung ist eine sorgfältige Feststellung der Vorgeschichte 
des Unfalls erforderlich; außerdem sind genaue Ermittelungen über das Ver¬ 
halten des Verletzten vor und nach dem Unfall anzustellen; sehr häufig wird 
sich die Notwendigkeit einer längeren Beobachtung erweisen. Bpd. 

Entschädigung bei Linsenlosigkeit eines Auges. Rekurs-Entschei¬ 
dung des Eeichs-Versicherungsamts vom 19. Juni 1916. 

Die unkomplizierte Linsenlosigkeit eines Auges wird nach sachverstän¬ 
diger ärztlicher Ansicht mit einer Rente von 16°/o, ausnahmsweise 20% hin¬ 
länglich entschädigt. Bei Berufsaiten, die nur grobe Arbeiten erfordern, 
genügt eine Rente von 16°/o. Tritt nach einiger Zeit Gewöhnung an das ein¬ 
äugige Sehen und wieder brauchbares Tiefenschätzungsvermögen ein, etwa 
nach Verlauf eines Jahres, so ist die Minderung auf 15°/o, bezw. 10°/o berechtigt. 
Voraussetzung für die Minderung der Rente ist aber, daß das unverletzte 
Auge voll sehtüchtig und das Starauge mit gutem Erfolge operiert ist, sowie 
ferner, daß keine stärkere Entstellung oder Schiefstellung des letzteren vor¬ 
handen ist und endlich, daß das Bild des Starauges nicht störend empfunden 
wird. Im anderen Falle wird der höhere Satz dauernd gewährt werden müssen. 
Auch Berufe mit außergewöhnlich hohen Ansprüchen an das stereoskopische 
Sehen, zum Beispiel Feinmechaniker, Uhrmacher, Bildhauer und dergleichen 
haben unter Umständen Anspruch auf dauernde Gewährung der 20prozentigen 
Rente. Betraf der Verlust der Linse das bessere Auge, oder ist die Sehschärfe 
des operierten Auges so gering, daß es einem erblindeten gleich zu setzen ist, 
dann wird je nach dem Falle eine höhere Bewertung Platz zu greifen haben. 
Einem Hauer hat z. B. das Reichsversicherungsamt in einer Rekursentscbeidung 
vom 6. Juni 1912 für die unkomplizierte einseitige Linsenlosigkeit mit normalem 
Sehvermögen des anderen Auges eine lOprozentige Rente zugesprochen, weil 
der Verletzte beim Gebrauch der erforderlichen Brille mindestens halbe Seh¬ 
kraft auf dem verletzten Auge besaß, die Herabsetznng der Sehschärfe also 
aur für geringfügig erachtet wurde. Der Verletzte war wieder als vollwertiger 
Hauer wie vor dem Unfälle beschäftigt, ln einem weiteren Falle hat dagegen 
das R.V.A. die Linsenlosigkeit eines Auges bei einem Hauer mit 20°/o ent¬ 
schädigt, obwohl der Verletzte, der vor dem Unfälle Lehrhauer war, jetzt ohne 
Beeinträchtigung als Hauer arbeitete und im Akkord 7,23 M. arbeitstäglich 
verdiente. Die betreffende Rekurs-Entscheidung (vom 19. Juni 1915) wird wie 
folgt begründet: 

»Für die Bemessung der Entschädigung kommt in Betracht, daß der 
Kläger den Unfall bei Ausübung seines Berufes als Koblenhauer erlitten hat 
und der völlige Verlast eines Aages bei einem solchen Arbeiter nach der 
Sprachübung des R.V.A. in der Regel mit einer Teilrente von 33'/8°/o zu ent¬ 
schädigen ist. Hierbei ist die Einbuße, welche der Kläger infolge des Unfalles 
vom 11. Juli 1907 nach der eingetretenen weiteren Gewöhnung noch an seiner 
Erwerbsfähigkeit seit dem 1. Dezember 1912 erleidet, auf 20°/» zu schätzen 
gewesen.“ _ Kompaß; 1916, Nr. 23. 



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Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 


Tod durch Blutvergiftung Infolge einer schon vorher vorhandenen 
Handwnnde durch die Arbeit. Entschädigungspflichtiger Betriebsunfall 
anerkannt. Rekurs-Entscheidung des Reichs-Versicherungs¬ 
amts vom 29.September 1915. 

Der Schachtreparaturhauer Hermann G. aus Stoppenberg mußte am 7. April 
1914 wegen einer Entzündung seiner rechten Hand ärztliche Hilfe in An¬ 
spruch nehmen. Die auf dem rechten Handrücken befindliche Borke und eine 
darunter befindliche' Eiterbildung rührte nach seiner eigenen Angabe von einer 
Verletzung her, die er sich etwa 4 Wochen vorher zu Hause durch einen 
Schusterpinn zugezogen hatte. Aus der angeblich zuerst ohne Entzündung 
verheilt gewesenen kleinen Verletzung hatte sich eine Blutvergiftung entwickelt, 
die immer weiter um sich griff und am 16. Mai 1914 den Tod herbeifübrte. 
Erst kurz vor dem Tode des G., am 10. Mai 1914, führten die Angehörigen 
die Erkrankung auf einen Unfall zurück, den G. in der Nacht vom 4. zum 
5. April 1914 im Betriebe der Zeche Helene und Amalie dadurch erlitten habe, 
daß er sich beim Hochziehen eines Wagens durch das dabei benutzte stark be¬ 
schmutzte Seil an der früher verletzt gewesenen Stelle eine frische Verletzung 
zugezogen habe. Den nach dem Tode erhobenen Hinterbliebenenrentenanspruch 
wiesen die Knappschafts-Berufsgenossenschaft und auch das Oberversicherungs¬ 
amt zurück, weil die erst später behauptete frische Verletzung im Betriebe 
nicht erwiesen sei. G. selbst habe zu seinen Lebzeiten auf die Frage der Aerzte, 
wodurch die Entzündung entstanden sei, angegeben, daß sie von selbst ent¬ 
standen sei; er wisse wenigstens keine andere Ursache anzugeben. Auch eine 
Verschlimmerung der ersten durch den Schusterpinn hervorgerufenen Wunde 
durch die Arbeit mit dem Seil sei unwahrscheinlich, denn ärztlicherseits seien 
keine Zeichen einer frischen Verletzung festzustellen gewesen. Die Infektion 
dieser alten Wunde außerhalb des Betriebes sei ebensogut möglich als die be¬ 
hauptete Infektion durch das Seil. Das von den Hinterbliebenen angerufene 
S.V. A. verkannte die Zweifelhaftigkeit der Sache nicht, hielt es aber doch für 
wahrscheinlicher, daß durch die Arbeit im Betriebe die Eitererreger in die 
Wnnde gelangt sind und verurteilte daher die Berufsgenossenschaft aus 
folgenden Gründen zur Entschädigungsleistung: 

„Das R.V. A. hat den aus Anlaß des Todes des Bergmanns Hermann 
G. erhobenen Anspruch der Hinterbliebenen für begründet erachtet. G. ist 
infolge einer phlegmonösen Entzündung, die die ganze rechte Hand und 
den Arm bis zur Achselhöhle ergriffen hatte, an Blutvergiftung gestorben. 
Erkrankungen dieser Art pflegen dadurch zu entstehen, daß auf dem Wege 
einer oft geringfügigen Hautbeschädigung Eitererreger in das Zellgewebe ein- 
dringen und die Entzündung herbeiführen. Sie sind nach der ständigen Recht¬ 
sprechung des R.V.A. sowohl dann als Folgen eines Betriebsunfalls anzusehen, 
wenn die den Eingang der Krankheitserreger in das Zellgewebe ermöglichende 
Hautverletzung im Betriebe verursacht worden ist, als auch dann, wenn ein 
Betriebsunfall den Eintritt der Krankheitskeime in eine schon vorhandene 
Hautwunde bewirkt hat. Bei dem Bergmann G. fand sich zur Zeit der Auf¬ 
nahme in das Krankenhaus in Stoppenberg am 9. April 1914 auf dem rechten 
Handrücken eine kleine Borke und darunter eine Eiteransammlung. Die Borke 
rührte von einer Verletzung her, die sich G. nach seiner eigenen Angabe etwa 
4 Wochen früher zu Hause durch einen Schusterpinn zugefügt hatte und die 
angeblich ohne Entzündung verheilt war. Durch die Aussage der Zeugen ist 
erwiesen, daß G., der bis dabin regelmäßig gearbeitet hatte, am 4. April 1914, 
als er auf der 5. Sohle bei dem Herausholen von 3 Förderwagen aus dem 
Schachtsumpf mitbeschäftigt war, und ferner am 6. April darüber geklagt hat, 
daß er sich bei der Arbeit am 4. April an der früher verletzten Hand webgetan 
habe. Es unterliegt auch keinem begründeten Zweifel, daß seine Tätigkeit bei 
dem Heranziehen der aus dem Sumpf gehobenen Wagen auf den Füllort mittels 
8eils leicht zu einer Beschädigung der Hand oder, wenn die Haut bereits ver¬ 
letzt war, zu einer Verschlimmerung der alten Wunde führen konnte. Durch 
die Berührung der mit Sumpfschlamm überzogenen Wagen oder des schmutzigen 
Hanfseils war aber die Gefahr der Infektion einer Wunde an der Hand be¬ 
sonders gegeben. Unter diesen Umständen hat der Senat, ohne eine gewisse 
Zweifelhaftigkeit des Falles zu verkennen, es für überwiegend wahrscheinlich 
erachtet, daß die zum Tode des Bergmanns G. führende Krankheit auf ein am 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


1 * 


• 

4. April 1914 im Betriebe eingetretenes DnfaUereignis znrückznfiihron ist. Die 
Beklagte ist daher verurteilt worden, die Kläger nach Maßgabe der §§ 586 ff. 
der R. V.O. zu entschädigen. Kompaß; 1915, Nr. 23. 

E. Bakteriologin und Bekämpfung der übertragbaren Krankheiten. 

1. Bakteriologie und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten im 

allgemeinen. 

25 Jahre antitoxischer Serumtherapie. Von Prof. H. Kos sei-Heidel¬ 
berg. Deutsche med. Wochenschrift; 1915, Nr. 49. 

In der Deutschen med. Wochenschrift vom 4. Dezember 1890 berichteten 
v. Behring und Kitasato, daß es ihnen bei Diphtherie und Tetanus 
gelungen sei, „sowohl infizierte Tiere zu heilen, wie die gesunden derartig vor¬ 
zubehandeln, daß sie später nicht mehr an Diphtherie bezw. Tetanus erkranken.“ 
1892 konnte v. Behring mit Wernicke Ergebnisse veröffentlichen über die 
Immunisierung von Schafen mit Diphtheriegift. Gleichzeitig wurden von 
Schütz Pferde und Schafe immunisiert. Weiter förderten Ehrlichs Arbeiten 
über giftige Pflanzeneiweißkörper das Studium der Immunität, die Kenntnis 
der antitoxischen Werte im Blutserum und ermöglichten nicht nur die 
Steigerung der Immunität der blutliefernden Tiere, sondern auch das genaue 
Bestimmen ihres Antitoxingehaltes. 

Der ersten Veröffentlichung über die Behandlung diphtherie- 
kranker Kinder durch Behring, Boer und Kossel im April 1893 
folgten weitere Mitteilungen von Behring, Wernicke, Ehrlich, 
Wassermann, Kossel (1894) und von Roux und Martin auf dem 
internationalen Kongreß in Budapest (1894). Von nun an wurde auch das 
Mittel der Allgemeinheit zugänglich gemacht und die Herstellung des 
Diphtherieserums in den Höchster Farbwerken im großen Maßstabe be¬ 
trieben. Und der Erfolg? Während in Deutschland im Jahre 1893 in 
10 deutschen Staaten 65384 Todesfälle an Diphtherie und Krupp bei Kindern 
im Alter von 1 bis 15 Jahren gezählt wurden, betrug die Ziffer 10 Jahre 
später in 24 deutschen Staaten in der gleichen Altersklasse 15712 und 1918 
trotz erheblicher Bevölkerungszunahme nur noch 12129 in 26 deutschen Staaten. 
Die Sterblichkeit an Diphtherie war also in 20 Jahren auf 
den 5. bis 6. Teil abgesunken. Noch beweiskräftiger Bind die Ver¬ 
hältnisse in den deutschen Städten über 15000 Einwohner, in denen die früh¬ 
zeitige Anwendung des Serums bei den erkrankten Kindern besser gewähr¬ 
leistet ist als auf dem flachen Lande: Hier ist die Kurve der Diphtheriesterb¬ 
lichkeit in den auf die Einführung des Serams folgenden Jahren steil abgefallen 
(von 130 bezw. 100 auf 50 und 20 auf 100000 Lebende berechnet), ohne sich 
nicht wieder zu erheben. Wie in Deutschland, so ist auch in anderen Ländern 
nach Einführung der Serumbehandlung die Diphtheriesterblichkeit gesunken. 
Immerhin ist sie noch beträchtlich, so daß den neuesten Behringschen Be¬ 
mühungen, die Schutzimpfung mit einem Toxin-Antitoxingemisch zu erreichen, 
Erfolg zu wünschen wäre. 

Bei dem Tetanus erfüllte das antitoxische Serum als Heilmittel nicht 
die Hoffnungen. Der Grund hierfür liegt in der Pathogenese der Krankheit, 
bei der das Wandstarrkrampfgift durch frühzeitige Bindung an die Zellen des 
Zentralnervensystems und an die peripherischen Nerven der Einwirkung des 
nur im Blute kreisenden Antitoxin» entzogen wird. Trotzdem entlastet die 
intramuskuläre und intraspinale Injektion des Tetanusserums den Körper vor 
der Giftwirkung und ist bei der sonst so furchtbaren Krankheit durchaus 
berechtigt. Die prophylaktische Wirksamkeit des Tetanus- 
antitoxins ist durch den Krieg erwiesen. Die Einspritzungen, möglichst 
bald nach Granatsplitter- und anderen auf Tetanuskeime verdächtigen Ver¬ 
letzungen vorgenommen, haben die Erkrankungen an Wundstarrkrampf immer 
seltener gemacht. Die hierzu erforderlichen großen Sernmmengen hat man 
gewinnen können. 

Die Anwendung antitoxischer Sera wurde außerdem verwertet für die 
Behandlung der Schlangenbisse durch Ca 1 me11e, des Botulismus 
durch Kempner, des Heufiebers durch Dnnbar. Die neuen Waffen 
entstammen dem Arsenal deutscher Wissenschaft. Dr. R o e p k e - Melsungen. 



20 


Kleinere Mitteilungen und Beterate ans Zeitschriften. 


Ergebnisse der Schatzimpfangen an der Impfstelle des Zentral» 
komltees der Preußischen Landesvereine vom Boten Krenz in Berlin. 

Von Dr. 0. Salomon und Dr. R. Weber. Deutsche med. Wochenschrift; 
1915, Nr. 49. 

Als Impfstoffe gelangten ausschließlich zur Verwendung die Pocken* 
ly mp he von der Kgl. Impfanstalt Berlin, der Typhusimpfstoff aus dem 
Institut für Infektionskrankheiten „Robert Koch“, der Choleraimpfstoff 
von der Kaiser Wilhelm-Akademie-Berlin. Die Pockenimpfung erfolgte mit 
Platin-Iridium-Lanzetten, die gegen Typhus und Cholera mit Rekordspritzen 
und Nickelkanttlen. Impfstelle: Mitte zwischen Sternum und Mamilla, ihre 
Desinfektion mit Aether oder 10 proz. Jodtinktur. Reihenfolge: am ersten Tage 
Pocken- und erste Typhusimpfung (0,5 ccm), nach 7 Tagen Nachschau und 
zweite Typhusimpfung (1 ccm), wiederum nach 7 Tagen dritte Typhusimpfung 
(1,0 ccm); nach einer Woche erste Choleraimpfung (0,5 ccm), nach 7 Tagen zweite 
Choleraimpfung (1,0 ccm); in der folgenden Woche Nachschau der Impfstelle 
und Ausstellung des Impfscheins. Nur in ganz dringenden Fällen wurde der 
Zwischenraum auf 8—5 Tage herabgesetzt, nach sehr starker Pockenreaktion 
um 8—14 Tage verlängert. Ueber Verhaltungsmaßregeln wurden die Geimpften 
mündlich, später durch ein gedrucktes Formular unterrichtet 

Der Pockenimpfung wurden 2873 Personen während des ersten 
Kriegsjahres unterzogen; nicht zur Nachschau waren erschienen 417, ohne 
Erfolg geimpft 101. Starke Reaktionen, noch stärker als beim Erstimpfling, 
wurden bei Personen beobachtet, die 30 Jahre und älter waren; häufig hatten 
sich bei ihnen in der Umgebung der Impf blättern kleine sekundäre Pustelchen 
gebildet. Auf Grund dieser Beobachtung und der Gefahren der Pockenseuche 
durch den Krieg wird zur Erwägung gestellt, ob nicht eine Wiederimpfung 
im Alter von 25 — 30 Jahren bei den Personen gerechtfertigt oder 
geradezu erforderlich erscheint, die nicht im 21. Jahr gelegentlich einer 
Militärzeit wiedergeimpft sind. 

Bei der Typhusimpfung von 2869 Personen wurde von der drei¬ 
maligen Injektion nicht abgewichen. Bei starken Reaktionen, die regelmäßig 
bei Potatoren auftraten, wurde die Dosis verkleinert oder der Zwischenraum 
von 8 auf 14 Tage ausgedehnt oder ein älterer Impfstoff genommen. Hoch¬ 
gradige Reaktionen (mit tagelangem hohen Fieber, Bettlägerigkeit, ödematöser 
Schwellung der Impfstelle), wie sie in Schützengräben, Garnisonen usw. vor¬ 
gekommen sind, wurden niemals beobachtet. 

Die Choleraimpfungen wurden von allen 1606 Personen sehr gut 
vertragen. 

Durch die serologische Untersuchung des Blutes der 
Geimpften wurde folgendes festgestellt: Die Agglutination ergab bei 
T y p h u s geimpften in 16,6 °/o der untersuchten Fälle einen Titer von 200, bei 
83,8 # /o 160, bei 16,6 °/o 100, bei 22,5 °/o 50 und bei 11,5®/# keine Agglutination. 
Bei den C h o 1 e r a geimpften ergab die Agglutination bei 6,6 °/o einen Titer 
von 800, bei 13,3°/« 400, bei 6,6 ®/o 200, bei 13,3 ®/o 100, bei 20®/o 50 und bei 
33,8°/o keine Agglutination. Der Pfeiffersche Versuch bei den Cholera¬ 
geimpften (eine Oese hochvirulenter Cholerakultur mit 0,01 Serum verrieben 
und intraperitonal injiziert) zeigte in 42,8 Fällen nachweisbaren 8chutz, 
während der übrige Teil der Tiere der Infektion erlag. 

Dr. Roepke-Melsungen. 

- 1 - 

2. Pocken. 

Die Pockenerkrankungen in Detmold Im Frühjahr 1914. (Aus dem 
Kaiserlichen Gesundheitsamte in Berlin). Von Stabsarzt Dr. E. Hesse. 
Deutsche med. Wochenschrift; 1915, Nr. 46. 

Der Verfasser hat sich im Juni v. J. auftragsgemäß an der Behandlung 
der in der Isolierstation des Detmolder Landkrankenhauses untergebrachten 
Pockenkranken und den weiteren Bekämpfungsmaßnabmen beteiligt und gibt 
die in epidemischer Hinsicht bemerkenswerten Tatsachen bekannt. Von 38 für 
landwirtschaftliche Arbeiten am 16. März 1914 eingetroffenen russisch-polnischen 
Arbeitern der fürstlichen Domäne Schieder waren nur 37 zu der vorgeschriebenen 
ärztlichen Untersuchung erschienen. Den fehlenden Arbeiter, der krank im 
Bette lag, suchte man zu verschweigen, um Unbequemlichkeiten vorzubeugen. 



Kleinere Mitteilungen and Referate atu Zeitschriften. 


21 


Der Stellvertreter des Kreisarztes stellte bei dem im Sterben liegenden Kranken 
schwere Pocken fest. Kurze Zeit danach erkrankten drei der übrigen Polen, 
zwei Mädchen nnd ein Junge, unter verdächtigen Erscheinungen. 8ie wurden 
am 23. März in einer vom übrigen Hause nicht weiter abgesperrten Isolier¬ 
baracke des Landkrankenhauscs untergebracht, das gesamte Pflegepersonal 
einer Schutzimpfung, allerdings mit nicht frischer Lymphe, unterzogen. 
Bei einem der eingelieferten kam eine sehr schwere Pockenerkrankung zum 
Ausbruch, während die beiden anderen, die vor der Einlieferung mit 
Erfolg geimpft waren, gesund blieben; letztere wurden am 19. April, 
ersteres am 27. Mai nach seiner Genesung entlassen. Am 30. Mai erkrankte 
im Hauptgebäude eine operativ behandelte (Oberschenkelamputation) Frau mit 
pockenähnlichem Ausschlag ohne Fieber; man nahm Varizellen an, immerhid 
konnte eine leichte echte Pockenerkrankung (Narben) Vorgelegen haben. Im 
Laufe der ersten Hälfte des Juni erkrankten dann im H&upthause des Land- 
krankenhauses fünf und im abgesperrten Diakonissenhause eine Person ein¬ 
wandfrei an Pocken (2 Diakonissen, 3 alte Männer, ein halbjähriges, noch 
nicht geimpftes Kind). Trotzdem waren am 15. und 16. Juni 13 Kranke und 
bis zum 20. Juni im ganzen 39 Kranke aus dem Landkrankenhause entlassen 
worden, nachdem sie am 15. und 16. Juni mit frischer Lymphe geimpft waren. 
Unter den am 16. Juni Entlassenen befand sich eine ältere wegen Unterleibs¬ 
leiden Operierte, die am 22. Juni erkrankte mit typischem Pockenausscfalag 
und am 30. Juni den Pocken erlag; bei einer mit ihr in Berührung gekommenen 
Frau* wurden atypische Varizellen festgestellt. Im ganzen sind also 12 Er- 
krankungsfälie vorgekommen, davon waren neun mit Sicherheit 
echte Pocken; die Zahl der Pockentodesfälle betrug 6. Die 
Seuche ist durch das pockenkranke Polenmädchen, das vom 
23. März bis 27. Mai im Landkrankenhause war, eingeschleppt worden. 
Es liegt weiterhin die Annahme nahe, daß die Infektion der später erkrankten 
Personen durch infektiöses Material erfolgt ist, daß in Form von angetrocknetem 
Eiter, beschmutzter Wäsche, in ungenügend vernichtetem Kehricht oder auf 
andere Weise lebenskräftig geblieben ist und später seine Wirkung entfaltet 
Lat. Der im Krankenhause vorhandene Desinfektionsapparat entsprach den zu 
stellenden Anforderungen nicht. Für die Uebertragung der Pocken im Kranken¬ 
hause waren verschiedene Möglichkeiten gegeben: Die völlig fehlende Ab¬ 
sperrung der pockenkranken Polin in der Döck er sehen Baracke vom übrigen 
Krankeohause, die Heranziehung der sie behandelnden Aerzte zu ihrem sonstigen 
Dienst, der Verkehr einer Hauskatze zwischen dem pockenkranken Polen¬ 
mädchen und den anderen Kranken (die Katze erkrankte mit Erbrechen und 
Durchfall und wurde getötet, die im Krankenhause gehaltenen Schweine 
erkrankten an einem pockenähnlichen Ausschlag — auf Schweine wie auf 
Katzen ist eine Uebertragung der Pockenvakzine möglich!). 

Zur Verhütung der Weiterverbreiiung der Pocken wurden folgende 
Maßnahmen getroffen: Räumung und Desinfektion der mit Erkrankten belegten 
Räume, Unterbringung der Kranken und Ansteckungsverdächtigen in der 
Döckerschen Baracke mit eigenem Pflegepersonal, Impfung mit frischer 
Lymphe sämtlicher Insassen des Hauses einschließlich der Aerzte, der Pfleger 
und Pflegerinnen, Absperrung der Isolierbaracke und der Döckerschen 
Baracke durch Umzäunen mit Maschendraht, strenge Vorschriften betr. Ver¬ 
teilung des Essens, Reinigung des Geschirrs, Beseitigung der Abfälle und 
menschlichen Ausscheidungen, Sperrung des Hauses für Besucher, Impfung 
neu aufgenommener Kranker, Ueberwachung der Entlassenen, öffentliche frei¬ 
willige Durchimpfung der Bevölkerung der Stadt, welche Gelegenheit trotz 
starker impfgegnerischer Gegenströmungen in ausgiebigstem Maße benutzt 
wurde. Besondere Sorgfalt wurde auf die Entlassung der Genesenen und der 
zur Beobachtung im Isolierbezirk untergebrachten Personen verwandt, ferner 
auf die Desinfektion der Räume der Station und der Docker sehen Baracke; 
diese Räume wurden außerdem für mindestens 3 Wochen gesperrt. 

Für die Beurteilung des Impfschutzes ist aus der Detmelder Epidemie 
zunächst zu folgern, daß eine einjährige Glyzerinlymphe, wenn sie 
nicht gerade bei einer Temp M’atur unter 0° auf bewahrt wird, wohl unter allen 
Umständen wirkungslos ist. Anderseits erhärten den Nutzen der 
Pockenschutzimpfung die zahlreichen mit frischer Lymphe geimpften 



22 


Kleinere Mitteilungen and Beferate ans Zeitschriften. 


Personen, die einer Ansteckung in hohem Mähe aasgesetzt waren (4 Aerzte, 
4 Schwestern) and demnach nicht erkrankt sind. Bei den alten Leuten, 
die höchstwahrscheinlich nie geimpft waren, verlief die Krankheit ausnahms¬ 
los tödlich, bei einer Schwester, bei der die Impfung 12 Jahre zurücklag, 
bestand keine Immunität mehr, und bei einer anderen Schwester, die 36 Jahre 
vorher mit Erfolg geimpft war, verlief die Krankheit unter ganz leichten 
Erscheinungen. Endlich erscheint sicher, daß die Verhütung des Umsichgreifens 
der Seuche auf Stadt und Land zu einem großen Teil der Massenimpfung 
in der Bevölkerung zu verdanken ist. Dr. R o e p k e - Melsungen. 


3. Fleckfieber. 

Die Fleckfleberepldemie im Görlitzer Kriegsgefangenenlazarett. 
Von Dr. Rondke, ord. Arzt der Seuchenabteilung des Kriegsgefangenen¬ 
lazaretts. Medizinische Klinik; 1916, Nr. 42. 

Der noch unbekannte Erreger des Fleckfiebers scheint zu den filtrierbaren 
Krankheitserregern zu gehören; er befindet sich im Blut und zwar in den weißen 
Blutkörperchen. Die Ueberträger sind die Kleiderläuse (vielleicht auch Kopfläuse), 
in denen die Erreger einen Reifungsprozeß durchmachen; erst nach 6—7 Tagen 
werden die Parasiten fähig, die Krankheit durch ihren Biß zu übertragen. 
Wahrscheinlich geht das Virus auch in die Nisse und damit auf die folgende 
Generation über. Gegen die Spirochaetennatur spricht der negative W a s s e r - 
mann und das Versagen der Salvarsan-Therapie. Eine erneute Verlausung 
der Patienten von außen oder von den Nissen an Körperhaaren ist zu verhüten, 
da eine Summation des Giftes eintritt. Vielleicht vermittelt auch in seltenen 
Fällen die Tröpfcheninfektion die Uebertragung. Aus den zur Beobachtung 
gelangten 270 sicheren Fällen gestaltet sich das Krankbeitsbild folgender¬ 
maßen : Die Inkubationszeit ist meist ohne Beschwerden, das Prodromalstadium 
gelegentlich mit Unbehagen, Kopfschmerzen, Durst, Hitzegefühl, Schwindel 
und Bronchitis verbanden. In der Hälfte der Fälle tritt als Beginn Schüttel¬ 
frost auf, immer Fieberanstieg; gleichzeitig besteht ein influenzaartiges 
Initialstadium. Die Milz ist oft, aber nicht regelmäßig, vergrößert. Die 
Magen-Darmsymptome sind so selten, daß ihr Auftreten direkt gegen Fleck¬ 
fieber spricht. Am 3.—6. Tage erscheint das Exanthem (mikroskopisch finden 
sich in den kleinen Hautarterien charakteristische Proliferationen, die zu knoten¬ 
artigen Verdickungen und Verschluß der kleinen Gefäße führen; differential¬ 
diagnostisch gegen Roseola typhosa, die in Anschwellung des Papillarkörpers 
besteht). Das Exanthem kann auch fehlen. Am 12.—16. Tag tritt kleien¬ 
förmige Abschuppung auf. Febris continua mit meist lytischem Abfall. Die 
Allgemeinerscheinungen sind schwer: Status typhosus mit Delirien und 
Erregungszuständen. Im Urin findet sich fast stets leichte Albuminurie und' 
Zylindrurie; sehr oft ist Ohrensausen und Schwerhörigkeit, zentral bedingt, 
vorhanden, ferner Lungenerscheinungen. Die Mortalität steigt mit dem Alter. 
Differentialdiagnostisch kommen in Betracht: Typhus abdominalis (Bazillen¬ 
nachweis, Widal), Rückfallfieber (Spirillen im Blut), Masern, haemorrbngische 
Pocken, Roseola syphilica, gewisse Formen von Genickstarre und Malaria, 
Lungen- und septikaemische Pest, Influenza, septische und Arzneiexantheme. 
Die Behandlung deckt sich mit der allgemeinen Therapie der Infektions¬ 
krankheiten. Dr. L. Quadf lieg-Gelsenkirchen. 


Beobachtungen bei einer Fleckfleberepldemie. Von Oberstabsarzt d. R. 
Prof. Dr. Otto, Berlin. Deutsche med. Wochenschrift; 1916, Nr. 45 und 46. 

Die Beobachtungen sind in dem Kriegsgefangenenlager W. bei 
Z. gemacht. Von vornherein wurde eine möglichst schnelle and sichere Ent¬ 
lausung aller Gefangenen, in erster Linie der in den abgesperrten Lagerteilen, 
anbefoblen; gleichzeitig wurden die Gefangenen, ihre Kleider, Wohnungen 
und Lagerstätten entlaust Die unter verdächtigen Erscheinungen erkrankten 
Gefangenen kamen zunächst in eine besondere Baracke des abgesperrten 
Lagers, wurden gebadet, mit reiner Wäsche versehen und, falls der Verdacht 
auf Fleckfieber fortbestand, am nächsten Tage ins Seuchcnlazarett übergeführt, 
wo sie vor ihrer Aufnahme nochmals gebadet und auf das Vorhandensein von 
Läusen untersucht werden mußten. Dank dieses Vorgehens blieb das Lazarett 



Kleinere Mitteilungen and Referate aas Zeitschriften. 


28 


l&asefrei, auch sind trotz engster Berührung des Pflegepersonals mit den 
Kranken keine Infektionen yorgekommen. Auch Sanitats- und Wachpersonal in 
dem Lager blieben vor Ansteckung bewahrt; eine solche ereignete sich nur 
auf der Revierbaracke, in der die Entlausung vieler verdächtiger Fälle erst 
vorgenommen werden maßte. 

Die ärztliche Behandlung der Verdächtigen und Kranken erfolgte in der 
von einem Drahtzaan abgetrennten Seachenabteilnng des Kriegsgefangenen- 
lazaretts; alle Sanitätspersonen tragen Gummimäntel. Die Behandlung bestand 
in kalten Bädern. Urotropin warde bald anfgegeben, da sich nach den vor¬ 
geschlagenen Dosen schwerste Delirien, vorübergehende Psychose, Blasenkatarrh 
mit Tenesmas and blatigem Harn einstellten und in den übrigen Fällen das 
Mittel ohne jede Wirkung blieb. Von 66 klinisch sicheren Fleckfieberfällen 
mit Exanthem and 9 Fleckfieberverdächtigen Fällen ohne Exanthem starb je 
einer an Herzschwäche und Septikämie. Als Nachkrankheit wurde mehrfach 
Schwerhörigkeit beobachtet, die sich in einzelnen Fällen bis zu gänzlicher 
Taubheit steigerte. 

Das Virus des Fleckfiebers hat seinen Sitz in den Leukozyten; denn 
es gelingt leicht, mit geringen Leakozytenmengen Affen za infizieren. Ander¬ 
seits findet sich bei Fleckfieberkranken eine oft mit der Schwere der Infektion 
einhergehende Nekrose der Kerne der polynukleären neutrophilen Leukozyten, 
die stark segmentiert and eingebuchtet erscheinen. Ob die ebenfalls im Zell¬ 
leib beobachteten basophilen Körnelangen and intensiv gefärbten Körperchen 
und Doppelkörperchen eine differentialdiagnostische Bedeatang haben, steht noch 
aus. Sonstige protozoenähnlicbe Gebilde sind im Blale der Erkrankten nicht 
beobachtet; auch bakteriologische Untersuchungen ergaben regelmäßig ein 
negatives Ergebnis. 

Die Komplementbindungsreaktion, mit alkoholischen Extrakten 
aus Organen als Antigen aasgeführt, tritt in der Regel erst am dritten Krank¬ 
heitstage oder noch später, meist nach dem Aasbrach des Exanthems, ein. 
Ihre diagnostische Bedeatang beschränkt sich daher auf die „ersten“ Fälle 
ohne Exanthem, deren ßlatseram zuerst negativ reagiert, dann positiv wird 
und dauernd negative W i d a 1 sehe Reaktion ergibt. 

Besonders bemerkenswert erscheint der Vergleich des klinischen Verlaufs 
des Fleckfiebers mit dem der Weil sehen Krankheit. Analogien zwischen 
beiden sprechen zweifellos für eine Verwandtschaft oder ein Nahestchen der 
ätiologischen Ursachen beider Infektionskrankheiten. Aach die Weil sehe 
Krankheit gehört zu der Grappe, die dadurch besonders gekennzeichnet ist, 
daß ihre Erreger durch Zwischenwirte übertragbare, mit unseren jetzigen 
Hilfsmitteln nicht sicher erkennbare Mikroorganismen sind, höchstwahrscheinlich 
Protozoen. 

Gelegentlich der Fleckfieberepidemie sind auch einige Fälle von Rück¬ 
fallfieber beobachtet; sie hörten ebenfalls nach Entlausung der Mann¬ 
schaften und Baracken auf. Dr. R o e p k e - Melsungen. 


4. Ruhr. 

BeitrSge zur JRuhrbehandlnng. II. Aas der k. and k. Eisenbahn- 
sicheraogsabteilung Podleze (Chefarzt: Oberarzt Dr. Klesk). 

lieber die Scrumbehnndlnng der Rohr. Von Dr. Adolf Klesk, 
k. und k. Oberarzt i. d. Res, Direktor des Spitals „Panien Ekonomek“ in 
Krakau. Medizinische Klinik; 1915, Nr. 42. 

Die so wichtige Prophylaxe der Ruhr erfordert zunächst die schnelle 
Isolierung der Kranken, Desinfektion des Stuhles sowie geordnete Abführung 
der Abfallstoffe. Ein weiteres Mittel zur Bekämpfung ist in der Sernmbeband- 
lang gegeben. Das polyvalente Serum (Kraus und Doerr, Bijounal) wird 
durch Immunisierung mit dem Toxin der Bazillen gewonnen. Die Einspritzung 
geschieht unter die Bauchbaut in der Dosis von 2—5 Portionen. Nach der 
Einspritzung steigt gewöhnlich die Temperatur auf 38—39°, um aber nach 
einigen Stunden wieder zur Norm zurückzukehren. Die Wirkung ist um so 
besser, je früher die Injektionen gemacht werden, am besten in den ersten 
Tagen. Injektionen im Inkubationsstadimn können den Ausbruch der Krankheit 
nicht mehr verhüten, verkürzen aber sehr oft die Dauer. Prophylaktische 
Impfungen scheinen Immunität hervorzurufen, über deren Dauer keine 



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Kleinere Mitteilungen and Referate aas Zeitschriften. 


genügende Beobachtungen gemacht werden konnten. Die Schmerzen an der 
Injektionsstelle sind gering; sie nehmen zu parallel der Schwere der Erkrankung. 
Neben Serum und Diät bekamen die Patienten Opium, Rotwein, Salizyl- oder 
Eichenrindeeinläufe. Von den Nichtinjizierten starben dreimal so viel als von 
den Geimpften. Die Einspritzungen sind bei Brustkindern und dekrepiden 
Greisen nicht zu empfehlen. Dr. L. Quadflieg-Gelsenkirchen. 

5. Tuberkulose. 

Tuberkelbazillen im Blute. Von Dr. C. M o e w e s - Lichterfelde. Deutsche 
medizinische Wochenschrift; 1915, Nr. 46. 

Die Nachprüfung der Behauptung, daß diagnostische oder therapeutische 
Tuberkulininjektionen eine Bazillämie hervorrufen können, ist praktisch und 
theoretisch von größter Bedeutung. Moewes hat die eigentlichen Tuberkulin- 
versuche an 30 tuberkulösen Patienten ausgeführt und zwar im Tier¬ 
versuch beim Meerschweinchen: 10 Patienten, die Wochen bis Monate mit Alt- 
Tuberkulin in der üblichen Weise behandelt worden waren, boten in keinem 
Fall ein positives Ergebnis. Von 10 Patienten, die unmittelbar nach einer 
probatorischen Tuberkulininjektion (1—5 mg) auf der Höhe der Allgemein- und 
Lokalreaktion untersucht wurden, gab 1 Fall ein positives Resultat bei der 
Verimpfung von 10 ccm Blut auf einen Affen, während der entsprechende 
Meerschweinchenversuch negativ war. 10 Patienten, deren Blut vor und nach 
einer probatorischen Tuberkulininjektion untersucht wurden, ergaben nur in 
einem Fall ein positives, aber nicht bei der Untersuchung am Lebenden, sondern 
einige Tage später 2— 3 Stunden post mortem bei der Untersuchung des Blutes 
aus der Vena cava. Bei der Gegenüberstellung der tuberkulinisierten und 
nicht gespritzten Fälle kommt M. zu dem Ergebnis, daß 40 nicht tuberkulini- 
sierte reine Lungentuberkulosen 5 °/o positiven Bazillenbefund im Blute (2 Fälle) 
aufweisen gegenüber 30 tuberkulinisierten Fällen mit 6,6°/« positivem Blut¬ 
befund (2 Fälle). Danach kommt ein e M o b ilisierung von Tube rkel- 
bazillen beim Menschen durch Tuberkulin nicht in Frage. 

M.' bat ferner an 22 tuberkulösen Meerschweinchen Parallel¬ 
versuche angestellt, indem er ihr Blut vor und nach Tuberkulininjektionen im 
Tierversuch untersuchte. Er fand bei den nicht tuberkulinisierten Tieren in 
64 # /o (bei 14 Tieren), bei den tuberkulinisierten Tieren in 68 %> (bei 15 Tieren) 
virulente Tuberkelbazillen im Blut. Dabei waren die Tuberkulindosen so groß 
(0,01 Alttuberkulin, 24 Stunden später 0,3 ccm), daß die meisten Tiere an 
Schockwirkung zugrunde gingen. Dieses Ergebnis ist um so bemerkenswerter, 
wenn man berücksichtigt, daß im Blute der Meerschweinchen selbst bei noch 
geringer Ausbreitung des tuberkulösen Prozesses sich fast regelmäßig (70 bis 
l00°/o) Bazillen nachweisen lassen. 

Nach allem kann von einer Mobilisierung von Tuberkelbazillen durch 
Tuberkulin nicht die Rede sein weder bei Mensch und Tier nach probatorischen 
Tuberkulindosen, noch beim Menschen nach längerer Tuberkulinbehandlung. 

Dr. Roepke-Melsungen. 

1. Tuberkulosefürsorge der Generalkrankenkasse der Wiener Kauf¬ 
mannschaft. Von Chefarzt Dr. Czech. 

2. Soziale Erhebungen bei tuberkulösen Handelsangestellten. Von 

Dr. Czech und Dr. Götzl. 

8. Die Hellstättenbehandlung ln der Generalkrankenkasse 1911—1913. 

Von Dr. Neu mann. 

4. Klinische Bemerkungen zur ambulatorischen Tuberknlintheraple. 

Von Dr. Götzl. 

5. Grundlagen nnd Ergebnisse ambulatorischer Tuberknlinbehand- 
Inng. Von Dr. Laub. Wiener Arbeiten aus dem Gebiete der 8oz Medizin, 
Heft 7. (Beiheft zum „Oesterreichischen Sanitätswesen“; 1915, Nr. 43/46). 

Nach Czech (1) ist für Tuberkulosebekämpfung durch Krankenkassen 
der beste Mittelpunkt eine Fürsorgestelle mit vielen ärztlichen Hilfskräften 
und bei besonders großen Kassen je eine solche Fürsorgestelle für mehrere 
Wohnbezirke vorzusehen. Diese muß ambulatorische Behandlung mit Tuber¬ 
kulin in der Station selbst ermöglichen. Genaue klinische und soziale Buch- 



Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


26 


föhrung ist die Grundlage der Fttrsorget&tigkeit; • daher anch Anzeigepflicht 
fttr die Ton den Kassenärzten selbst behandelten Fälle. Weiterhin» ist Tuber¬ 
kulosebekämpfung ohne viele Heilstättenplätze undenkbar. Beschränkung auf die 
Tuberkulinbehandlung allein bedeutet nur Stückwerk; Fürsorgetätigkeit und 
ambulatorische Tuberkulinbehandlung an getrennten Stellen bringen große 
kassentechnische Schwierigkeiten. Wo Heilstättenbetten nicht erreichbar, be¬ 
währen sich kleine Hilfsstationen, selbst Einzelpflege mit fachkundigem Arzt. 
Für Schwerkranke haben sich Invalidenheime nicht bewährt; daher gemeinsame 
Anstalten oder Krankenhaus. Unerläßlich ist die Heranziehung aller Kassen¬ 
ärzte zur Mitarbeit für jede Fürsorgetätigkeit. Die Fürsorge muß nach 
Dr. C z e c h und Dr. G ö tz 1 (2) in der Lehrlingszeit einsetzen. Die unhygienische 
Beschaffenheit der Wohn- und Arbeitsräume, die lange Arbeitszeit und die den 

f eringen Löhnen entsprechenden schlechten Ernäbrnngsverhältnisse bedingen 
ie enorme Ausbreitung der Tuberkulose im Handelsgewerbe, dessen eigentliche 
Berufskrankheit sie darstellt. 

Dr. N e u m a n n (3) weist auf den überaus günstigen, durch eine längere 
Beobachtungsdauer erwiesenen therapeutischen Erfolg in den Heilstätten hin, 
der durch den nichts erreichbaren Wert der Erziehung der Infektionsträger 
erreicht wird. 

Betreffs der ambulatorischen Tuberkulintherapie fordert Götzl (4): 

1. Die ambulatorische Behandlung Tuberkulöser mit spezifisch wirkenden 
Mitteln ist nicht nur berechtigt, sondern bildet ein wichtiges und unentbehr¬ 
liches Glied in der Reihe jener Maßnahmen, die in den Rahmen einer kassen- 
ärztlichen Fürsorge fallen. 

2. Die Durchführung dieser Art Therapie bietet unter der Voraussetzung 
einer genügenden Intelligenz der Kranken sowie aller gebotenen Vorsichts¬ 
maßregeln (Beobachtung der Temperatur der eventuellen Reaktion usw.) keine 
wesentlichen Schwierigkeiten. 

3. Diese sind vielmehr hier wie auch sonst vornehmlich in der Indi¬ 
kationsstellung zur Einleitung der Behandlung und in der Beurteilung des 
Endeffektes dieser gelegen. 

4. Die Frage, die unser medizinisches Interesse im höchsten Grade er¬ 
regt, ob durch die spezifische Behandlung Dauerheilungen zu erzielen waren, 
muß für die Mehrzahl unserer Kranken mit Rücksicht auf die noch zu kurze 
Beobachtnngszeit in Schwebe gelassen werden. Bei einer kleinen Gruppe 
scheint dieses Ziel allerdings erreicht. 

5. Viel deutlicher erhellt der Wert der spezifischen Behandlung, sobald 
die Erwerbung und Erhaltung der Arbeitsfähigkeit der Kranken als Maßstab 
fttr die Beurteilung herangezogen wird. 

6. Die ambulatorische spezifische Behandlung bietet die Möglichkeit, 
ökonomische und soziale Werte zu erhalten, die sonst mehr minder rasch dem 
Untergange preisgegeben wären. 

7. Sie muß schon aus diesem Grunde als ein wichtiger Faktor in der 
Bekämpfung der sozialen Krankheit Tuberkulose angesehen werden. 

Dr. Laub (ö) faßt die Ergebnisse der ambulatorischen Tuberkulin- 
therapie dahin zusammen, daß nicht bloß die Erwerbstätigkeit seiner unter 
nicht besonders günstigen sozialen Verhältnissen lebenden Patienten unter dem 
Einfluß des Tuberkulins erhalten, sondern auch der Gesundheitszustand wesentlich 
gebessert und bekräftigt wurde sowie ferner neben dem Schwinden subjektiver 
Beschwerden auch in objektiver Weise Zeichen der Besserung nachgewiesen 
werden konnten. Dr. Wolf-Hanau. 


Sounenkliulk für Kranke mit chirurgischer Tuberkulose. Tuberku¬ 
lose-Fürsorgeblatt; 2. Jahrgang, Nr. 13. 

Auf Anregung der Großherzogin Luise von Baden und im Aufträge 
des Sanitätsamts des 14. Armeekorps ist im 8olbad Dürrheim im badischen Schwarz¬ 
wald (720 m üb. M.) eine Sonnenklinik zur Behandlung von geeigneten 
Fällen von Kriegsverwundungen und von im Felde aufgetretener chirur- 
gischer Tuberkulose errichtet worden. Die Anstalt wurde von Dr. Bern- 
hard-St. Moritz, der bekanntlich die Sonnenlichtbebandlung in die Therapie 
eingeführt hat, eingerichtet. 

Als Indikationen für die Aufnahme in die Anstalt gelten: 1. große 



26 


Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


schlechtgranulierende und-stark separierende Wunden; 2. Brand* und .Frost- 
wunden oder solche von Verätzungen; 3. Wunden, deren Heilung erschwert 
ist durch Zirkulationsstörungen (Krampfadern) oder durch trophische Nerven¬ 
störungen (Bückenmark-Erkrankungen oder Verletzungen); 4. Wunden, die 
schlecht heilen infolge allgemeiner Schwäche oder konstitutioneller Krankheiten 
wie Tuberkulose und Lues; 5. hartnäckige Fisteln; 6. verzögerte Kallusbildung 
bei schweren KnochenbrUchen; 7. chirurgische Tuberkulose. 

l>r. R o e p k e - Melsungen. 


6. Geschlechtskrankheiten und deren Bekämpfung. 

lieber Todesfälle nach Salvarsan. Von Dr. F. L u b e - Braunschweig. 
Deutsche med. Wochenschrift; 1916, Nr. 49. 

Es gibt zwei Formen der akuten Arsenvergiftung: 1. die stürmisch 
verlaufende paralytische Form, Aspbyxia arsenicalia, deren Wesen in einer 
akuten Gefäßlähmung des Zentralnervensystems besteht; 2. die gewöhnliche, 
gastrointestinale Form, bei der die Gefäßlähmung den Magendarmkanal betrifft 
und Gehirn- und Nerven Veränderungen in der Regel fehlen. 

Mit der ersteren, akutesten Form der Arsenvergiftung ist der klinische 
Verlauf der sog. Encephalitis haemorrhagica nach Salvarsan, die Salvarsan- 
epilepsie, identisch. Die zweite, beim Menschen ungleich häufiger beobachtete 
Form, die gastrointestinale Arsenvergiftung, ist nuch Salvarsan so selten, daß 
die von L. bekannt gegebene Beobachtung der erste Fall dieser Art zu sein 
scheint. Vielleicht liegt der Grund hierfür darin, daß in dem beobachteten 
Fall keine Lues, die das Zentralnervensystem häufig und frühzeitig ergreift, 
Vortag, dagegen ein Herzfehler mit vorübergehender, zur Zeit der Salvarsan- 
behandlung klinisch nicht mehr erkennbarer Stauung in der Leber und im 
Splanchnikusgebiet, die den Angriff des Arsens auf die Leber und die Darm¬ 
gefäße erleichtert haben kann. Jedenfalls wirkt das Arsen in erster Linie 
als ein Gefäßgift und nicht, wie Fischer meint, als ein Nervengift; der 
beobachtete Fall ist ein Beispiel für die gastrointestinale Form der Arsen- 
Vergiftung nach Salvarsan. Die chronische Arsenvergiftung (multiple Neu¬ 
ritis, Hautveränderungen, Pigmentablagerungen) ist auch gelegentlich nach 
Salvarsan und Neosalvarsan beobachtet. Dr. R o e p k e - Melsungen. 


F. Hygiene and dffenttiohee Geeandhelteweeen. 

1. Schulgesundheitppflege. 

Billige Solbadekuren für Schulkinder. Von Dr. Axmann-Erfurt. 
Zeitschrift für Schulgesundheitspfiege; 1915, Nr. 10. 

Verfasser will das bekannte Keklamewort: Bade zu Hausei auf die 
Solbadekuren für Schulkinder angewandt wissen. Die Kuren in den Solbädern 
sind viel zu teuer, als daß sie vielen Kindern zugute kommen könnten. 
Bedürftig solcher Kuren sind aber Tausende. Deshalb sollten die Schulbade- 
einrichtungen zur Verabreichung von Solbädern während der Schulferien heran¬ 
gezogen werden. Nach dem Bade soll eine kurze Ruhe im Schulhofe oder in 
einer offenen Turnhalle stattfinden, möglichst ein Frühstück mit Milch gewährt 
werden und am Nachmittag ein Ferienspaziergang sich anschließen. 

Dr. S o 1 b r i g - Königsberg i. Pr. 


Nachklänge znm Fortbildungskursus für Schulärzte in Köln vom 
20. bis 26. Jnll 1914. Von Med.-Rat Dr. Matzdorff, Kreisarzt in Schmal¬ 
kalden. Der Schularzt; 1915, Nr. 10. 

Der infolge der Einberufung des Verfassers zum Heeresdienst verspätet 
erstattete Bericht ist deshalb doch noch von großem Interesse. Zunächst sind 
solche Kurse für Schulärzte an sich höchst erwünscht, da sie nicht nur ein 
Zeichen dafür sind, daß die schulärztliche Einrichtung in ihrer Wichtigkeit 
immer mehr erkannt wird, sondern auch angehenden oder bereits tätigen Schul¬ 
ärzten Belehrungen und Anregungen bieten; vom Standpunkt der Medizinal¬ 
behörden ist es außerdem besonders mit Freuden zu begrüßen, daß auch den 
beamteten Aerzten, die ja die geborenen Schulärzte sind, Gelegenheit gegeben 



Klebers Mitteilungen und Belerate atu Zeitschriften. 


27 


wird, neues auf dem Gebiete'der schulärztlichen Tätigkeit kennen za lerneti, 
altes und bewährtes yon beratener Seite zar Auffrischung vortragen za hören. 

Daß der Korans vieles, ja vielleicht za vielerlei bot, hören wir vom 
Verfasser. Wie er mit seinem Lobe nicht kargt, wo, wie bei den meisten 
Vorträgen (so Siege rt über Er näh rangsfragen and Infektionskrankheiten, 
Gramer über Skoliose, Aschaffenbarg über Hygiene des Unterrichts a. a.) 
volle Befriedigung über das Dargebotene herrschte, so unterläßt er auch 
nicht, aaf hier and da hervortretende Mängel aufmerksam zu machen. 

Dem WanBche, daß solche Fortbildungskurse weiter abgehalten werden 
und häufigere Entsendungen von Kreisärzten dazu stattfinden, schließen wir 
uns durchaus an. Dr. S o 1 b r i g - Königsberg i. Pr. 


Die Tätigkeit des Stadtarztes während des Krieges. Von Prof. Dr- 
Gastpar-Stuttgart. Der Schularzt; 1915, Nr. 11. 

Es ist ein erfreuliches Bild, das hier über die stadt- und schulärztliche 
Tätigkeit in Stuttgart während der Kriegszeit entrollt wird. Trotz Personal¬ 
mangels und Schwierigkeiten infolge der veränderten Lage verstand es Ver¬ 
fasser, die stadtärztliche Tätigkeit nicht nur weiter auszuüben, Bondern ange¬ 
paßt den neuen Aufgaben zu Kriegszeiten zu erweitern und fruchtbringend 
umzugestalten. Besonders erfuhren die Fürsorgeeinrichtungen erhebliche Aus¬ 
dehnung (Säuglingsheime, Kinderheim, Entbindungsheim, Unterkunftsbeime für 
ansteckende Kranke u. a. m. wurden eingerichtet); auch die schulärztliche 
Tätigkeit wurde mit Eifer wieder aufgenommen. Schulschwestern und Tuber- 
kuloseschwestern waren als Helferinnen mit Erfolg tätig. 

Dr. Solbrig-Königsberg i. Pr. 


Das erste Kriegsjahr and die großstädtischen Volksschulkinder. Von 
Dr. med. et phil. A. H. Kettner, Schularzt in Charlottenburg. Deutsche 
med. Wochenschrift; 1915, Nr. 48. 

Die in der Fürsorgestelle vorgestellten Säuglinge nnd Kleinkinder im 
sogen. Spielalter haben unter der Ungunst der Kriegsverhältnisse bedeutend 
weniger gelitten, als zu Beginn des Krieges befürchtet wurde. In dem der 
ärztlichen Aufsicht des Verfassers anvertrauten Bezirk (Norden Charlottenburgs) 
mit etwa 5000 Kindern sind im Sommer Erkrankungen an Magendarmkatarrhen 
nur selten, Todesfälle daran überhaupt nicht zur Beobachtung gekommen. Nur 
Rachitis und Tetanie oder spasmophile Diathese, die in unmittelbarem Zu¬ 
sammenhang mit dem Krieg zu bringen sind, wurden in vermehrter Anzahl 
beobachtet. 

Anders verhält es sich im Schulalter. In diesem hat schon das erste 
Kriegsjahr einen deutlichen Einfluß auf die körperliche Entwicklung ausgeübt 
und zwar für Knaben und Mädchen hinsichtlich der Gewichts- und Längen- 
zunabmen in deutlich nachteiliger Weise. Durch Kurven weist K. nach, daß 
die in den Friedensjahren beobachteten großen Zunahmen im Kriegsjahre ganz 
fehlen oder auf ein Minimum zurückgegangen sind. Die geringeren, den Null¬ 
punkt näher gelegenen Zunahmewerte zeigen ein dementsprechendes Anwachsen. 
Stillstand und bei den Gewichten auch Abnahmen treten entweder überhaupt 
erst im Kriegsjahre auf oder ergeben auch dort höhere Werte als in den 
Friedensjahren. Diese Tatsachen zusammen ergeben eine deutlich nachweisbare 
ungünstige Beeinflussung durch den Krieg für alle Altersklassen vom 8. bis 
14. Lebensjahre, bei den Mädchen noch stärker als bei den Knaben. 

Darch diese Einflüsse ist eine direkte Schädigung der Schulkinder wohl 
noch nicht eingetreten; ob sie bei längerer Dauer des Krieges ausbleibt, ist 
zum mindesten zweifelhaft. Erneute vierteljährliche Wägungen und Messungen 
werden darüber Klarheit schaffen. Doch erscheinen vorbeugende Maßnahmen 
etwa durch Ausgabe von Brotzusatzkarten an die besonders gefährdeten Alters¬ 
klassen empfehlenswert. Sofort und nachdrücklicbst muß aber davor gewarnt 
werden, daß aus zwar wohlgemeintem, aber vollkommen mißverstandenem 
patriotischen Gefühl heraus seitens der Tagespresse und leider auch seitens 
mancher Lehrer und Lehrerinnen unsere Schuljugend ungehalten wird, sich in 
ihren Mahlzeiten nnd besonders in dem mit Unrecht angefeindeten Schul- 
frflhstück Einschränkungen aufzuerlegen oder dieses sogar ganz fortznlassen. 



28 


Kle_ nuueil ungen and Referate ans Zeitschriften. 


„Hierdurch kann unsere heranwachsende Schuljugend an sich auch als Trägerin 
kommender Generationen schwer geschädigt werden, was auf alle Fälle ver- 
mieden werden mußl“'"' Dr. Roepke-Melsungen. 


2. Jugendfürsorge und Sport. 

Aerztliche Beobachtungen an Teilnehmern eines Armee • Gepäck* 
inarsches. Von Stadtschularzt Dr. T h i e 1 e - Chemnitz. Deutsche medizinische 
Wochenschrift; 1916, Nr. 48. 

Die Abteilung Chemnitz der Deutschen Turnerschaft veranstaltete 
am 6. Juni 1915 einen sog. Armee-Gepäckmarsch, der sich auf 19 km erstreckte, 
die mitzunehmende Last (Rucksack oder Ranzen mit Sandsack oder losem Sand 
gefüllt) dem Alter der Teilnehmer entsprechend abstufte und im übrigen 
bestimmte Bedingungen vorschrieb. Bei allen Untersuchten wurden außer Alter, 
Körpergröße und Belastung vor und nach dem Marsche das Körpergewicht, 
die Körperwärme, die Pulszahl und der Blutdruck festgestellt, bei einer engeren 
Auswahl auch noch der chemische und mikroskopische Harnbefund. Die Zu* 
sammenstelluug der ärztlichen Beobachtungen führt Tb. zu dem allgemeinen 
Urteil, daß der Körper junger Männer im Alter von 18—25 Jahren die größte 
Widerstandskraft hat, die geringste der Körper älterer Männer; zwischen 
beiden steht die heranwachsende Jugend vom 14. Lebensjahr ab. 

Die neuzeitliche Kriegführung erfordert, daß der Körper nicht nur in 
jeder Beziehung dauernden Anstrengungen, sondern auch gelegentlichen Ueber- 
anstrengungen ohne Schaden gewachsen ist. Die körperliche Vorbereitung 
hierzu muß allmählich in denselben Formen erfolgen, die die betreffende 
Körperanstrengung verlangt. Insbesondere müssen sich die der Vorbereitung 
für den Kriegsdienst gewidmeten Leibesübungen der Jugenderziehung an die 
im Heere geforderten und erprobten Uebungen anschließen; Turnen im engeren 
Sinne ist ein Teil dieser körperlichen Vorbereitung; Märsche mit Belastung 
sind zu begrüßen. Es ist aber hierbei die Mirwirkung eines sachkundigen 
Arztes unerläßlich, um für die heranwachsende Jugend das Maß der An¬ 
strengung zu beurteilen, Körperschädigungen zu verhüten und ungeeignete 
Kräfte auszuschalten. Dr. Roepke-Melsungen. 


Jngendhyglene nach dem Kriege. Von Prof. Moldenhau er-Köln. 
Zeitschrift für Schalgesundheitspflege; 1915, Nr. 10. 

Verfasser weist darauf hin, daß in den einzelnen Bundesstaaten noch 
immer große Verschiedenheiten auf dem Gebiete der Schulhygiene herrschen, 
so in der Form des Turnunterrichts, den Grundsätzen der Körperpflege, der 
Art der Schulbauten, der Schaffung von Spielplätzen, vor allem aber in der 
Zahl der Unterrichtsstunden. Es sollte aber in allen Fragen der Schulhygiene 
das Reich als solches das bestimmende und entscheidende Wort haben. Das 
Reichsschulamt, das nach einer Entschließung des Reichstages aus der Reichs¬ 
schulkommission gebildet ist, sollte deshalb zu einer wirklichen Zentralstelle 
für alle schulhygienischen Fragen umgestaltet werden. Die Uebungen für die 
militärische Vorbereitung der Jugend müßten zur Pflicht gemacht .werden, 
sowohl für höhere, als für Fortbildungsschulen. 

Dr. 8 o 1 b r i g - Königsberg i. Pr. 


Die vaterländische und militärische Erziehung der Jugend. Von 

Fcrd. Kernsies. Leipzig und Hamburg 1916. Verlag von Leopold Voß. 
8°; 86 Beiten. Preis: 1 M. 

„Die Jünglinge vom 16. Lebensjahre an militärisch vorzubereiten, ge¬ 
bietet die eiserne Zeit. Aber auch nach dem Kriege dürfte militärische 
Leistungsfähigkeit von der gesamten deutschen Jugend gefordert werden, will 
sie das mit den Waffen Errungene in starken Händen festhalten. Immer mehr 
müssen daher selbst diese Uebungen, die Jünglinge, Jugendwehr und Jung- 
deutschland in vaterländischem Geiste betrieben haben, zum Gemeingut der 
beranwachsenden Generationen werdeo. u Drei Gesichtspunkte müßten nach 
Ansicht des Verfassers künftig für die vaterländische Erziehung der Jugend 



Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 


29 


maßgebend sein: 1. Die Pflege körperlich-geistiger Gesundheit und Willens¬ 
kraft, 2. der Unterricht in der Muttersprache, die Einführung in die Schätze 
des deutschen Geistes und der Unterricht in vaterländischer Geschichte und 
Bürgerkunde sowie 3. die naturwissenschaftlich-technische Erziehung. Von 
dem ersten Gesichtspunkt aus ist die vorliegende Schrift geschrieben und dem¬ 
zufolge ihr Schwerpunkt auf die körperliche Ertüchtigung der Jugend gelegt, 
für die ein militärischer Einschlag als angemessen erachtet wird, wie er in 
anderen Staaten bereits besteht. Militärische Jugend Vertretung und Jugend¬ 
pflege (I), Turnen, Spiel und Sport im Dienste der Erziehung und Wehr¬ 
kraft (II), hygienisches Gleichgewicht in der Erziehung (III) sowie vater¬ 
ländische Erziehung und Wehrübungen (IV) lauten die vier Abschnitte der 
Schrifc, in denen Verfasser seine Hauptforderung: eine höhere Bewertung der 
Leibesübungen an den Schulen und eine dementsprechende Einwirkung des 
Torn-Wehrnnterrichts, um das hygienische Gleichgewicht zwischen körperlicher 
und geistiger Erziehung herzustellen, in fesselnder und überzeugender Weise 
begründet. Er ist sich der Schwierigkeiten für ihre Durchführung bewußt, 
hofft aber, daß die Aussicht, eine wahrhaft vaterländische Schule zu begründen, 
die Jugend an des Reiches Ehr und Wehr heranzuführen, so verheißungsvoll 
sei, daß alle Schwierigkeiten dagegen zurücktreten werden. Rpd. 


3. Statistik. 

Die Entwicklung der Bevölkerung in den Kulturstaaten in dem ersten 
Jahrzehnt dieses Jahrhunderts — Luxemburg, Niederlande, Norwegen —. 
Von Dr. E. Boeßle, Regierungsrat und Mitglied des Kaiserlichen Gesund¬ 
heitsamtes in Berlin. Archiv für soziale Hygiene und Demographie; 1915, 
II. Band, 1. Heft. 

Verfasser schildert in der Fortsetzung seines Rückblickes über die 
bisherige Entwicklung der Bevölkerung in den Kulturstaaten zunächst diejenige 
im Großherzogtum Luxemburg. Hier macht sich in dem Jahrzehnt von 
1901—1910 eine erhebliche Wanderungsverlust bemerkbar, dem aber anderseits 
im Gegensatz zu allen anderen europäischen Staaten eine Zunahme der Geburten¬ 
ziffer (30,0 °/oo gegen 28,7 in den Jahren 1891—1900) gegenüber steht. Di« 
Niederlande haben in der Zählungsperiode von 1899—1909 die größte 
Bevölkerungszunahme im Vergleich zu den vorhergehenden Jahrzehnten erfahren. 
Die Geburtenziffer ist hier allerdings in dem Jahrzehnt 1900—1909 ebenso wie 
in fast allen anderen europäischen Staaten schon seit Jahren ständig gesunken, 
die Sterbeziffer aber noch in höherem Maße; sie war im Jahre 1912 mit 
12,3° oo am niedrigsten in ganz Europa. Demzufolge hat die tatsächliche 
Bevölkerungsznnahme in dem Jahrzehnt 1900—1909 die Ziffer von 13,8°/o 
erreicht (gegen nur 6,6°/oo in dem Jahrzehnt 1840—1849 und ll,5°/oo in dem 
Jahrzehnt 1870—1879) trotz eines nicht unerheblichen Verlustes durch Aus¬ 
wanderung (l,6°o); die Zunahme infolge Geburtenüberschusses würde sonst 
15,3 °.oo betragen haben. Bemerkenswert ist, daß die eheliche Fruchtbarkeit in 
den Niederlanden am höchsten von allen europäischen Staaten ist; die an und 
für sich ziemlich hohe allgemeine Geburtenziffer bleibt jedoch hinter diejenigen 
in den slavischen Ländern zurück. 

In Norwegen hat die Bevölkerungszunahme ihren höchsten Stand 
(17,8 */o) schon verhältnismäßig frühzeitig (1825) erreicht und ist von auf¬ 
fallend langer Dauer (1825—1869) gewesen. Darauf hat infolge dieser starken 
Bevölkerungszunahme die Auswanderung in sehr erheblichem Grade eingesetzt 
und bis heute angehalten, obgleich Norwegen, wenn man von Island absieht, 
die geringste Bevölkerungsdichtigkeit in Europa hat. Der sich danach ein¬ 
stellende Rückgang der Bevölkerung ist lediglich auf diesen Wanderungs¬ 
verlust (1901—1910: 15,2%«) zurückzuführen, denn die natürliche Bevölke¬ 
rungszunahme 15,2 °/oo) ist infolge eines sehr starken Sinkens der Sterbeziffer 
die gleiche wie früher geblieben und würde ohne den Wanderungsverlust 30,4 °/oo 
betragen haben. Die wirtschaftlichen Verhältnisse waren eben in Norwegen 
während der letzten Jahrzehnte für eine weitere Volksernährung sehr 
ungünstig; daraus erklärt sich die starke Auswanderung. Rpd. 



80 


Besprechungen. 


Besprechungen. 

Hans Wftrtz ebungsdirektor im Oskar*Helenenstift Zehlendorf-Berlin. 
Der Wille * Ein pädagogisch-kultureller Beitrag zur Kriegskrüppel- 

fürsorge. 915. Verlag von Otto Elsner, Verlagsgesell6chaftm.b. H. 

8°; 186 S. ' ahlreichen Abbildungen. 

Verfa&: t in seinem Büchlein die Schicksale und die Tatsachen 

selbst das v Ihren. Wir erfahren in einer bunten Reihe von Selbst¬ 

bekenntnissen. es in den Seelen der Kriegs- und Friedenskrüppel aussiebt 
und wonach sie *. Wirklichkeit verlangen. Was sie aus ihrem Leben ver¬ 
künden, wird durch die Zeugnisse anderer verkrüppelter Lebenskämpfer er¬ 
gänzt und bestätigt. Auf diese Weise ist ein ganz einzigartiges Gesamtbild 
entstanden, das uns nicht bloß den besten Beweis für die auf diesem Gebiete 
erzielten großen Erfolge gibt, sondern uns auch Uber das große Gebiet der 
Kriegskrüppelfürsorge umfassend unterrichtet. Verfasser zeigt, daß Wissen¬ 
schaft und Erziehung inzwischen neue Waffen geschmiedet und Hemmnisse 
niedergerungen haben, die bisher unbezwingbar schienen. In gut ausgeführten 
und ausgewählten zahlreichen Abbildungen wird der Inhalt mit packender An¬ 
schaulichkeit erläutert. Das Buch ist demzufolge besonders allen Aerzten und 
Berufsberatern und sonstigen auf dem Gebiete der Kriegsbescbädigtenfürsorge 
zu empfehlen; es sollte aber auch in Lazaretten und unter den Kriegs¬ 
beschädigten selbst,-sowie unter deren Angehörigen die weiteste Verbreitung finden, 
da es das beste Mittel ist, um auch den Bedrücktesten .wieder Lebensmut 
zu bringen. _ Bpd. 

Tagesnachrichten. 

Eine Anfrage des LeipzigerVerbandes, ob auch zur Ersatzreserve 
gehörige Aerzte, die bei der Musterung als dauernd feld- und garnison¬ 
dienstunfähig zum Dienst mit der Waffe, dagegen in ihrer Eigenschaft als Arzt 
für arbeitsverwendungsfähig befunden worden sind, den landsturmpflichtigen 
Aerzten gleichstehen und Stellen als assistierende oder ordinierende Aerzte 
erhalten können, hat die Medizinalabteilung des preußischen Kriegsministeriums 
unter dem 24. Dezember 1915 wie folgt beantwortet: 

„Zivilärzte, die nicht gedient haben und bei der Musterung auf Grund 
der Aenderung des § 15 des Reichsmilitärgesetzes vom 2. Mai 1874 als arbeits¬ 
verwendungsfähig befunden worden sind, werden wie landsturmpflicbtige Aerzte 
behandelt und demgemäß mit einer Arztstelle auf Widerruf beliehen “ 

Die mit dem 1. Januar d. J. in Kraft getretene neue deutsche Arznei* 
taxe bringt entsprechend der bei den meisten Arzneimitteln eingetretenen 
Erhöhung der Einkaufspreise sehr zahlreiche Preiserhöhungen; außerdem 
sind die Gefäß preise um je 5 Pf. erhöht, für alle Gläser, für graue oder 
gelbe Kruken von 100—200 g Inhalt, sowie für alle Pappschachteln und Pulver- 
kästchen. Neu aufgenommen ist Serum antimeningiticum; dagegen sind für 
Adrenalin, hjdrochloric. solut., Atrop. sulf. anglic., Benzin. Petrolei, Chlorof. 
anglic., Ol. Menth, peper. angl. und Ova gallinacea keine Preise mehr vorgesehen. 

Nach einer Mitteilung der „Neuen Freien Presse“ in Wien soll der 
Bakteriologe Prof. Dr. Rudolf Kraus in Buenos-Aires ein Keuchhustenserum 
entdeckt haben, durch das seine früheren Wiener Studien mit Erfolg gekrönt 
worden sind. _ 

Steigende Znnahme der Heilerfolge bei den Verwundeten und 
stfindige Abnahme ihrer Sterblichkeit. Nach der Korrespondenz „Heer und 
Politik“ haben sich die Erfolge unserer hervorragenden Verwundetenpflege 
während der Kriegsmonate ständig immer günstiger gestaltet. Nicht nur die 
Diensttauglichkeit der Verwundeten ist von Monat zu Monat gewachsen, son¬ 
dern auch ihre Sterblichkeit hat gleichfalls von Monat zu Monat regelmäßig 
abgenommen. 

Während bereits im ersten Kriegsmonat August 1914 von hundert Ver¬ 
wundeten die hohe Ziffer von 84,8 Dienstfähigen und 3,0 Gestorbenen, gegen 



Tageenach richten. 


81 


nur 12,2 Dienstuntauglichen und Beurlaubten erzielt war, hat sich dies schon an 
sich recht günstige Ergebnis im September 1914 auf 88,1 # /o, 2,7 und 9,2 °/o 
gestellt. Wieder einen Monat später, im Oktober 1914, ist die Zahl der 
Dienstfähigen auf 88,9 gestiegen und die Anzahl der Todesfälle auf 2,4, die 
der Dienstuntauglichen und Beurlaubten auf 8,7 °/o gesunken, ln den Monaten 
November bis März schwankte die Zahl der Dienstfähigen zwischen 87,3 und 
83,9, so daß im März die gleiche Zahl von Verwundeten wieder dienstfähig 
geworden war, wie im Oktober. Erfreulich ist aber, daß auch in diesen Mo* 
naten die Anzahl der Todesfälle weiter ständig sank und im November 
nur noch 2,1 °/o, im Dezember 1,7 # /o, im Januar 1,4 % und im Februar 1,8 °jo 
betrug. Die denkbar niedrigste Sterblichkeitsziffer ist im Juni und Juli mit 
1,2 */o erreicht. Hand in Hand damit hat in den Monaten März—Juli auch 
die Verhältnisziffer der Diensttauglichen wieder zugenommen und ist von 88,9 
im März auf 91,8! im Monat Juli gestiegen; nur 7 "/o der Verwundeten mußten 
als dienstuntauglich entlassen oder beurlaubt werden; von den Beurlaubten 
konnten aber eine erhebliche Anzahl wieder als dienstfähig eingestellt werden. 
Die Durchschnittszahlen für das ganze Kriegsjahr vom August 1914 
bis Ende Juli 1915 stellen sich anf 89,5 % Dienstfähige, 8,8 Dienstunbrauch- 
bare und Beurlaubte und nur 1,7 Todesfälle. Jedenfalls hat keine Armee der 
Welt bisher ähnlich günstige Ergebnisse aufzuweisen. 


In Waldeck-Pyrmont ist jetzt ebenfalls vom regierenden Fürsten eine 
Krlegsmedallle, die „Friedrlch-Bathildis-Medallle“, als Anerkennung für be¬ 
sonders verdienstliche Leistungen auf dem Gebiete der Nächstenliebe während 
des Krieges gestiftet. Sie besteht aus Bronze und trägt die Bildnisse des 
Fürstenpaares mit der Umschrift „Friedrich Bathildis F. u. F. z. W. u. P.“, auf 
der Rückseite die Aufschrift „Für treues Wirken in eisener Zeit“ sowie die 
Jahreszahl 1915. Die Medaille soll ohne Ansehen des Ranges und Standes 
verliehen werden an Männer, Frauen und Jungfrauen, die sich auf dem Ge¬ 
biete der Kriegsfürsorge besonders ausgezeichnet haben; sie verbleibt nach 
dem Tode der Beliehenen den Hinterbliebenen. 


Ehrentafel. Nach erst neuerdings eingegangenen Mitteilungen haben 
außerdem schon früher das Eiserne Kreuz II. Klasse folgende Medizinal¬ 
beamten und Mitglieder des Medizinalbeamtenvereins erhalten: 

Med.-Rat Dr. Behrendt, Kreisarzt in Tilsit. 

Kreisarzt Dr. Bo ege in Ueckermünde (Pommern). 

Kreisarzt Dr. Fehrs in Czarnickau (Posen). 

Kreisarzt Dr. Franz in Loetzen (Ostpreußen). 

Dr. Hoppe, Oberarzt an der Heil- und Pflegeanstalt in Uchtspringe. 
Kreisarzt Dr. Kramer in Wilhelmshaven: 

Kreisarzt Dr. v. Leliva in Guhrau (Schlesien). 

Nervenarzt Dr. Lüdicke in Stettin. 

Med.-Rat Dr. v. Petrikowsky, Kreisarzt in Orteisburg. 

Kreisarzt Dr. Poddey in Lauenburg (Pommern). 

Kreisarzt Dr. v. Reklinghausen in Tecklenburg. 

Kreisassistenzarzt Dr. Richter in Waldenburg (Schlesien). 

Dr. Schelowsky, prakt. Arzt in Sterkrade (Rheinland). 

Physikus Dr. Schulze in Holzminden (Braunschweig). 

Kreisarzt Dr. Vial in Gardelegen. 

Kreisarzt Dr Wollermannin Lyck (Ostpreußen). 

Med.-Rat Dr. Wolters, Kreisarzt in Koesfeld (Westfalen). 

Weiterhin hat erhalten: Den Königlich Bayerischen Militär- 
Verdienstorden II. Klasse mit Schwertern: der Generalarzt ä la 
suite des Sanitätskorps Ministerialrat Prof. Dr. Dieudonn6-München. 

Es haben ferner erhalten das Eiserne Krenz I. Klasse: 

Hauptmann Ernst Pfeiffer, Adjutant des Generalkommandos des 
18. Reserve-Armeekorps, zweiter Sohn des Geh. Med.-Rats Dr. 
Pfeiffer in Wiesbaden. 



32 


Sprechsaal. 


Das Eiserne Kren 
Kriegsfreiwillige: 
Med.-Rats D' 


lasse: 

Solbrig, Referendar, ältester Sohn des Geh. 
r i g, Reg.- u. Med.-Rat in Königsberg i. Pr. 


Ehren-Oed&ol »fei. Für das Vaterland gefallen sind ferner: 

Assistenzarzt d. 1 r. Siegmnnd Bärensprung-Torgau (gestorben 
infolge von Kr jit). 

Oberstabsarzt I)r. Froenhoefer (gestorben infolge yon Krankheit). 
Stabsarzt d. L. Dr. V T. heim G o s m a n n - Delligsen (Braunschweig). 
Assistenzarzt d. Res. L r. Addy Hein-Darmstadt. 

Assistenzarzt d. Res. Dr. W. Herzfeld-Jeßnitz (Anhalt). 
Feldunterarzt A. Katthagen. 

Marinestabsarzt Dr. 0. Wienhaus. 


Cholera. Im Deutschen Reich sind Choleraerkrankungen nicht 
mehr vorgekommen; in Oesterreich ist ihre Zahl auch sehr gesunken und 
hat vom 21.—27. November nur noch 6 (mit 1 Todesfall) betragen. In Ungarn 
sind vom 22.—28. November 4 (4), in Kroatien und Slavonien vom 22. 
bis 29. November 17 (14) festgestellt 

Fleckfieber-Erkrankungen sind im Deutschen Reich in der Woche vom 
12.—18. Dezember 2 (1) gemeldet, ein tödlich verlaufender Fall in Dortmund und 
* 1 unter den Kriegsgefangenen eines Gefangenenlagers in Sachsen-Coburg-Gotha. 
Die Zahl der Erkrankungen an Pocken hat im Deutschen Reich in den 
Wochen vom 12.—25. Dezember 6 und 8 betragen (davon 8 in der Provinzial¬ 
irrenanstalt in Lublinitz i. Schl.). 


Erkrankungen und Todesfälle an ansteckenden Krankheiten in 
Preußen. Nach dem Ministerialblatt für Medizinal-Angelegenheiten sind in der 
Zeit vom 28. November bis 11. Dezember 1916 erkrankt (gestorben) an Pest, 
Gelbfieber, Fleckfieber, Cholera: — (—), — (—); Tollwut: — (—), 
1 (1); Bißverletzungen durch tollwutverdächtige Tiere: 
7 (— ), 5 (—); Milzbrand: — (—), 3 (1); Rotz: — (1), 1 (1); Aussatz: 

— (1), — (—); Pocken: — (—), 24 (—); Unterleibstyphus: 385 (29), 
221 (23); Ruhr: 71 (6), 30 (4); Diphtherie: 3722 (310), 8696 (309); 
Scharlach: 2761 (162), 2881 (147); Kindbettfieber: 78 (26), 67 (17); 
Genickstarre: 5 (1), — (—); spinaler Kinderlähmung: 8 (1), 

— (—); Fleisch-, Fisch- und Wurstvergiftung: 1 (1), 9 (—); 
Körnerkrankheit (erkrankt): 31, 38; Tuberkulose (gestorben): 
675, 644. 


gpreohaaal. 

Anfrage des Kreisarztes Dr. W. ln Sch. : Sind die amtsärztlichen 
Gutachten für die neuen Kriegsinvaliden behufs Anstellung im 
Post- usw. Dienst stempelpflichtig oder nicht? 

Antwort: Die Gutachten sind stempelpflichtig, die Stempelfreiheit nach 
§ 4 Abs. 1 c des Stempelgesetzes vom 31. Juli 1915 besteht nur für die auf die 
Heeresergänzung und Befreiung vom Heeresdienst sowie auf Befreiung von 
Reserve- und Landwehrübungen bezüglichen amtlichen Urkunden (Gutachten). 


Sammlung zur Jubiläumsstiftung. 

An außerordentlichen Beiträgen zur Jubilftumsstiftung sind seit dem 
20. Dezember 1915 noch eingegangen: 

Kreisarzt Dr. Doepner in Bitterfeld und Kreisarzt Dr. Klesow in Kalau 
je 20 Mark; zusammen 40 Mark, wodurch sich die Gesamtsninme auf 
3686 Mark erhöht. 

Herzlichen Dank den Gebern! 

Der Vorstand. 

L A.: Prof. Dr.Rapmund, Geh. Med.-Rat, Vorsitzender. 


Redaktion: Prof. Dr. Rapmund, Geh. Med.-Rat in Minden i. W. 

J. 0. G. Braut, Hersofl. ftftdu. a. F. 8ch.-L. Hofbnchdraekerai ln Minden. 






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29. Jahrg 


1916 


Zeitschrift 

für 

MEDIZINALBEAMTE. 


Zentralblatt 

für das gesamte Gebiet der gerichtlichen Medizin und Psychiatrie, 
des staatlichen und privaten Versicherungswesens, sowie für das 
Medizinal- und öffentliche Gesundheitswesen, einschließlich der 

Hygiene und Bakteriologie. 

Heraasgegeben 

von 

Prof. Dr. OTTO RAPMÜND, 

Geh. Med.-Rat In Minden l. W 


Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, Sächsischen, 
Württembergischen, Badischen, Hessischen, Mecklenburgischen, Thüringischen, 
Braunschweigischen und Eisass - Lothringischen Medizinalbeamtenvereins. 


Verlag von Fiseher’s med. Buehhandlg H. Kornfeld, 

Herzog]. Bayer. Hof- u. K. u. K. Kammer-Büchh&ndler. 

Berlin W. 62, Keithstr. 5. 

Anzeigen nehmen die Veiiagshandlung sowie alle Anselfenannahmestellen des Isl¬ 
and Auslandes entgegen. 


Nr. 2. 


Erscheint am 5. und ÄO. jeden Monats. 


20. Jan. 


Aus dem Institut für Hygiene und Bakteriologie in Gelsenkirchen 
(Direktor: Prof. Dr. Hayo Bruns). 

Ein Beitrag zur bakteriologischen Choleradiagnose. 

Von Dr. L. Quadflleg, Abteilungsvorsteher. 

Die gegenseitige Mit- und Paragglutination in der Typhus- 
Coli-Gruppe ist eine bekannte und allseitig anerkannte Tatsache, 
die ihre Erklärung in der weitgehenden Uebereinstirnmung des 
Rezeptorenapparates der Bakterien dieser Gruppe findet. Anders 
verhält es sich innerhalb der Gruppe der Vibrionen, deren 
agglutinatorisches Verhalten als in so hohem Grade spezifisch 
gilt, daß z. B. eine in höheren Verdünnungen eines Cholera¬ 
serums eintretende Agglutination zur Diagnose „Cholerabazillen“ 
berechtigt. Daß jedoch auch andere Bakterien durch Cholera¬ 
serum sehr hoch agglutiniert werden können, mag folgender 
Fall, der gelegentlich einer Stuhluntersuchung auf Cholera¬ 
bazillen zur Beobachtung gelangte, dartun, 

Wenn ich mir auch bewußt bin, daß die wissenschaftliche 
Durcharbeitung des gezüchteten Stammes auf Vollständigkeit 











84 


Dr. L. Quadflieg. 


keinen Anspruch erheben kann, so möchte ich das bisherige 
Ergebnis doch nicht vorenthalten, um so weniger, als es 
vielleicht gerade in den jetzigen Zeiten einen Fingerzeig für 
die bakteriologische Gholeradiagnose zu geben und vor etwaigen 
Irrtümern zu schützen vermag. 

Da für die Bewertung eines Untersuchungsergebnisses 
auch der klinische Verlauf der Krankheit nicht ohne Be¬ 
deutung ist, sei er hier vorausgeschickt: 

Es handelt sich um einen 29 Jahre alten Unteroffizier, 
C. H., der einem Gefangenen-Bewachungskommando auf einer 
Zeche des Ruhrkohlenbezirks angehörte und nicht an der Front 
war. Er ist nie ernstlich krank gewesen; einige Wochen vor 
der hier zu schildernden Erkrankung litt er an Angina. Am 
Tage vor Beginn der Erkrankung hatte er ziemlich viel Obst 
gegessen und darauf kaltes Bier getrunken, wodurch er sich 
seiner Meinung nach den Magen verdorben hatte. Tags 
nachher, am 11. September 1915, begann er morgens um 
4,30 Uhr noch in völligem Wohlbefinden seinen Dienst. Gegen 
8 Uhr stellten sich plötzlich heftige Leibschmerzen, Erbrechen, 
Durchfälle und starkes Durstgefühl ein. Auf Oel und Opium 
erfolgte keine Besserung. Die Stühle wurden immer dünner, 
schließlich wässerig und Schleimfetzen enthaltend; auch das 
Erbrechen nahm zu. Die Stimme wurde heiser; Wadenkrämpfe 
stellten sich ein. 

Bei der Krankenhausaufnahme wurde folgender Befund 
aufgenoramen: Ziemlich großer Mann mit blaßgrauer Gesichts¬ 
farbe, tiefliegenden Augen und trockener Haut; abgehobene 
Hautfalten bleiben stehen. Der Leib ist kahnförmig eingezogen, 
die Stimme heiser. Druck auf den Leib in der Gegend des 
Magens und Colon transversums in geringem Grade schmerz¬ 
haft; die Beine sind stark druckempfindlich, besonders die 
Waden. Die mittelweiten Pupillen reagieren etwas träge. Die 
Zunge ist trocken und wenig belegt; Lungen ohne Befund; 
die Herztöne sind leise, rein; die Aktion ist regelmäßig, der 
Puls klein und weich, setzt zeitweise aus. Milz und Leber sind 
nicht vergrößert. 

Behandlung: Subk. Kampfereinspritzung, Kochsalzinfusion 
mit Adrenalinzusatz, Rotwein, Limonade, Kognak, Wärme¬ 
flaschen und Thermophor. 

Am 12. September findet sich verzeichnet: Patient hat 
leidlich gut geschlafen, Aussehen besser, keine Leibschmerzen, 
kein Erbrechen, kein Stuhlgang. 

Um Material für die bakteriologische Untersuchung zu 
gewinnen, wurde eine Glyzerin-Spritze gegeben. Der hierauf 
reichlich entleerte Stuhl war von grünlicher Farbe, sehr 
schleimig, zähe und mit Epithel- und Schleimfetzen durchsetzt. 

Am 13. September war erhebliche Besserung eingetreten, 
der Pulsschlag war gut, die Stimme wieder normal, Hunger 
gering, Schleimdiät. Am 14. September fühlt sich der Patient 



Ein Beitrag zur bakteriologischen Choleradiagnose. 


85 


wohl, Stuhlgang erfolgte nicht. Die Krankheit ging in 
Genesung aus. 

Die Krankheitssymptorae ließen jedenfalls den Verdacht 
auf Cholera gerechtfertigt erscheinen. Anderseits war auch die 
Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen, daß der am Ta^e 
vor dem Krankheitsbeginn erfolgte Obst- und Biergenuß in 
ursächlichem Zusammenhang zu der Erkrankung stehen konnte. 
Die bakteriologische Untersuchung konnte in diesem Falle die 
entscheidende Diagnose bringen. Rechtzeitig waren natürlich 
von den Sanitätsbehörden alle Vorsichtsmaßregeln getroffen, 
um weiteren Infektionen vorzubeugen. 

Der auf Glyzerinverabreichung gewonnene Stuhl ging uns 
zur Untersuchung zu. Die Verarbeitung erfolgte nach den in 
der Anweisung des Bundesrats zur Bekämpfung der Cholera 
erlassenen Bestimmungen: Aussaat auf Agar- und Gelatine- 
platten, Verimpfung in Peptonlösung, sowohl 1 Oese in Reagens¬ 
röhrchen, mit weiteren Verdünnungen, als einer größeren Menge 
(1 ccm) Stuhl in Kölbchen mit 50 ccm Peptonlösung. Gleich¬ 
zeitig erfolgte, einer Gepflogenheit im hiesigen Institut ent¬ 
sprechend, Aussaat auf eine Typhus-Serie, bestehend aus 
3 Drigalski-, 3 Endo- sowie 2 Malachitgrünplatten zur 
Anreicherung nach Lentz-Tietz. Wir verfolgen dabei den 
Zweck, etwa vorhandene Bakterien der Paratyphus-Enteritidis- 
gruppe bald und bequem nachzuweisen. Es sei gleich hier 
bemerkt, daß sowohl die Originalplatten, als auch die Malachit¬ 
grünabschwemmungen nur Kolonien von dem typischen Aus¬ 
sehen und Wachstum des Bacterium coli lieferten. 

Die Original-Agarplatten waren ziemlich dicht bewachsen 
und zeigten keine choleraverdächtigen Kolonien. Pepton¬ 
röhrchen und -Kölbchen waren getrübt, ein eigentliches Häutchen 
hatte sich nicht gebildet, nur an den Glaswänden hatten sich 
einige schleierartigen Trübungen angesetzt. Die von der Ober¬ 
fläche der Peptonanreicherung angelegten Agarplatten boten 
Kolonien von verschiedenem Aussehen: dickere, schleimigere 
und in der Minderzahl zartere, durchscheinende und irisierende. 
Die mit den letzteren in Choleraserum angestellte Probe¬ 
agglutination ergab in der Verdünnung 1/10 sofortige starke, 
in der Verdünnung 1/100 zwar langsamere und feinere, aber 
ohne Lupe deutlich sichtbare Häufchenbildung, ebenso wie der 
zur Kontrolle benutzte echte Cholerastamm. Die gleichzeitig 
in physiologischer Kochsalzlösung vorgenommene Verreibung 
der fraglichen Kolonien zeigte keinerlei Klumpung. Damit war 
eine Täuschung durch Spontanagglutination ausgeschlossen und 
die Annahme, daß es sich um Cholerabazillen handeln könne, 
zunächst sehr wahrscheinlich. Von den agglutinierenden 
Kolonien wurden demnach Reinkulturen auf Schrägagar angelegt. 
Es sei hier angeführt, daß wiederholte Abimpfungen aus den 
Peptonkulturen auch immer wieder die gleichen, oben erwähnten 
Kolonien lieferten. 

Im gefärbten Präparat stellten sich die verdächtigen 



36 Dr; L. Qaadflieg. 

Bakterien aber nicht als Vibrionen, sondern als Kurzstäbchen 
dar, die-sich der Gramfärbung gegenüber negativ verhielten. 
Die Beweglichkeit im hängenden Tropfen (Peptonlösung) war 
nur gering und bot keineswegs das Bild des „Mückepschwarmes“, 
wie es in deutlichster Form bei dem einige Wochen vorher 
aus den Fäces eines erkrankten Soldaten gezüchteten Cholera¬ 
stamm zur Beobachtung gelangte. Auffallend war ferner, daß 
auf den Gelatineplatten bislang (am 3. Tage) noch keine ver¬ 
flüssigenden Kolonien zu sehen waren. Die aufgezählten Be¬ 
funde berechtigten somit zu Zweifeln an der Choleranatur der 
isolierten Bakterien, trotz der positiven Probeagglutination, ln 
diesem Sinne wurde denn auch dem zuständigen Reservelazarett 
die vorläufige Mitteilung durch Fernsprecher erstattet. Zur 
weiteren Klärung wurde von den Kolonien inRothbergersehen 
Neutralrotagar (Schüttelkultur), Traubenzuckerbouillon (in 
V förmigen Röhrchen), Lakrausmolke, Gelatine (Stichkultur) und 
Peptonröhrchen abgeimpft. Das Ergebnis war, daß am nächsten 
Tage der Neutralrotagar starke Gasbildung (Sprengung) und 
Fluoreszenz zeigte; in den Vförmigen Traubenzuckerbouillon¬ 
röhrchen fand sich in dem geschlossenen Schenkel eine große 
Gaskuppe. Die Lakmusmolke war stark gerötet und getrübt, 
die Gelatine-Stichkultur zeigte auch nach 8 Tagen noch keine 
Spur von Verflüssigung im Gegensatz zu den Kontrollen, die 
mit den echten Cholerastämmen Ba und Kier beimpft waren, 
und die schon am 2. Tag beginnende und dann von Tag zu 
Tag weiter fortschreitende Verflüssigung erkennen ließen. Die 
nach 24 Stunden vorgenommene Prüfung auf Indol ergab nur 
schwache Rosafärbung; auch in 8 Tage alten Peptonkulturen 
war sie nicht wesentlich stärker geworden. Jedenfalls kam es 
nicht zur ausgesprochenen „Cholerarotreaktion“. 

Diese Ergebnisse werden noch kurz zur Begründung der 
Diagnose zu würdigen sein: Betrachten wir nun zunächst die 
mit der Schrägagarreinkultur des fraglichen Stammes (955) 
und mit den beiden Cholerakulturen (Ba und Kier) erzielten 
Agglutinationsergebnisse, die in den folgenden Tabellen nieder¬ 
gelegt sind. Die Agglutinationsprüfung wurde so vorgenommen, 
daß in 1 ccm der angegebenen Serumverdünnung eine Oese 
18stündiger Agarkultur verrieben wurde. Die Ablesung erfolgte 
nach 1 bezw. (zur Kontrolle) nach 4 Stunden Brutschrank¬ 
aufenthalt bei 37° mit unbewaffnetem Auge und Lupe. 

Die Agglutination des Stammes 955 (s. Tafel 1) für sich allein 
betrachtet, würde zur Diagnose Cholerabazillen vielleicht verleitet 
haben, obgleich sie allerdings nach der 1. Stunde noch nicht 
so ausgesprochen war, wie bei den beiden Cholerastämmen. 
Aber schon der Befund nach 4 Stunden zeigte einen kaum 
nennenswerten Unterschied gegenüber dem Stamme Kier, nur 
war die Agglutination in den Verdünnungen 1 : 1000 und 
1 : 2000 nicht ganz so deutlich; immerhin dürften so geringe 
Unterschiede auch echte Cholerastämme untereinander aufweisen. 
Noch geringer war der nach 24 Stunden festgestellte Unter- 



Ein Beitrag zur bakteriologischen Choleradiagnose. 
Tafel I. 


87 


Cholera-Serum: 

fragt. Stamm 

Cholerastamm 

Cholerastamm 

Verdünnung 

955 

Ba. 

Kier. 


1 : 100 

++ (H 

-++) 

+ + + (H 

— 

1 : 200 

■+• (H 

- + +) 

+++ (- 

~ -|~ 

1 : 600 

+ (H 

b + +) 

+ + H 


1: 1000 

± H 

b) 

+ (H 

— 

1: 2000 

- (d 

k) 

+ H 


1 : 5000 

- (- 

-) 

- (H 

- _L 

1 : 10000 

- (- 

-) 

— (- 

-) 

Na CI. 

- (- 

-) 

- (- 

-) 


+ 

(H 

h4“ 

+ 

H 

b+ 


<H 

b+ 

+ 

(H 

b+ 

+ 

(H 

b + 

— 

(- 

-) 


(- 

(- 

-) 

-) 


Zeichenerklärung für die Tabellen: 

+ -J- = totale Ansflockong, überstehende Flüssigkeit klar; 

-j- -j- = teilweise Ausflockung, daneben ohne Lnpe deutlich erkennbare 
Häufchenbildung; 

-+• — mit schwacher Lnpe deutlich sichtbare Häufebenbildung; 
db = mit schwacher Lupe noch eben erkennbare Häufchenbildung; 

— = keine Agglutination; 

( ) = Ergebnisse nach 4 Stunden abgelesen. 


schied in der Stärke der Agglutination; doch ist dieser Befund, 
da für die Diagnose belanglos, nicht angeführt. Bei Bewertung 
des Agglutinationsergebnisses darf nicht vergessen werden, daß 
dieses bestimmungsgemäß nach 1 Stunde festzustellen ist, und 
daß in allen ersten und zweifelhaften Fällen der Pf ei ff ersehe 
Versuch berufen ist, die definitive Entscheidung zu bringen. 
Hiervon wurde unter Berücksichtigung der oben genannten 
Ergebnisse: Gramnegative Kurzstäbchen, geringe Beweglichkeit, 
Verhalten in Neutralrotagar, Traubenzuckerbouillon, Lakmus- 
molke und Gelatine abgesehen. Eine noch auf seine Zugehörig¬ 
keit zu der Gruppe der Paratyphus-Enteritidis Gärtner- 
Bazillen wiederholt durchgeführte Agglutinationsprüfung des 
Stammes führte ebenfalls zu einem negativen Ergebnis. Das 
war ja auch von vornherein wohl zu erwarten, nach dem sich 
eine verdächtig gewachsene Kolonie weder auf den Original- 
Drigalski- und Endoplatten, noch auch auf der Serie fand, 
die mit den in Choleraserum agglutinierenden Bakterien beimpft 
worden war. 

Vergegenwärtigen wir uns die gesamten Befunde, so kann 
es sich trotz der Beeinflussung durch Choleraserum nur um ein 
Bacterium coli handeln. Diese Diagnose wurde auch den 
zuständigen Behörden mit der ausführlichen Begründung 
zugestellt. 

Eines war bisher noch außer acht gelassen: das Verhalten 
des Stammes in dem normalen Serum der Tierart, von der das 
Testserum stammte. Gelegentlich dieser Prüfung mit normalem 
Pferdeserum gelangte auch noch einmal die Titration mit 
2 Choleraseren verschiedener Herkunft zur Ausführung. Diese 
Ergebnisse sind in den folgenden Tafeln II, III, IV nieder¬ 
gelegt. Die Verarbeitung war die gleiche wie oben. Die 
Ablesung der Ergebnisse erfolgte nach 1 (bezw. 3) Stunden 
Brutschrankaufenthalt: 





38 


Dr. L,Qa&dfifeg, 


Tafel JJ. 


Oh&lera-Scfuifi 
rfltchis. »S«tr.--Werk : | 
Verdünnung • 


frag]- Stamm 
955 


CJirtiejrK;»iainm 

tM, 


CbuletMUaim 

Kier.. 


1:10o 
1: jfrK» 

J. : 600 
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Tafel III. 


fragl. Stamm 

Cäolerastamm 

Citolerastamm 

95S 

Ba. 

Kier. 


Cholera-Bernm 

Berlin 

Verdünn ang 


1:100 
1 : 200 
1: 600 
1 : 1000 
1:2000 
1: 5000 
1 : 10000 
Na CI, 


-j-+ f 


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* t+ 

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(• 

1 

•(+) 


<++. 


li 

-h 


4-v 


+' 


1 



Tafel IV, 


Normale* Pferde- 
fien/to 

. Verdünnoiig 

fragl. Stamm 

'UU.' 96B 
■ 

| Übolerastamm | Cboleraßiamm 

! Ba. Kiei. 

-v.U:> \ . 0.// 

t :100 ! 

1: 500 j 

1 : tooo j 

Mk 
..... < | 

| 

V: V y- , 

4+4 

'H 

h + + ’ : . i—t 

L -B':.+ 4-': -•f44+''.Y4 

h>- ~ 


Die vorstehenden Prüfungen ergaben aunttch® eine be¬ 
deutend schwächere Beeinflussung des iragi. St»mn*;esflaS durch 
das'wenigstefia wenn mau die Ergebnisse 
nach- i Stunde betraohbet.. Die Stämme Ba. und Kier. sind in dieser 
kurton.' Sfoft his aüm Endtiter aggluUniert; der Stamm 955 
zeigte mir Häufchenbildung hi der Verdünnung .1 : 500, während 
er in der gloiohen Zeit durch das Serum S. S. W. in der Ver¬ 
dünnung 1 : 2Öt)Ö noch deutlich agglütmibirt witrdht allerdings 
war der Unterschied nach' ■> Stunden bet dem Berliner Serum 
auch schon erheblich geringer geworden. Immerhin scheint, 
es, als ob dem Serum Berlin eine gröbere Spezitizität zukomine. 

Weiter zeigt Tafel IV auch eine hohe Beeinflussung 

unseres Stammes und des Ohoierastammes Ba, durch normales 


Pferdeserum. Bel döiu 
geschlossen, daß das 


letzteren erscheint, es Dient aus- 
des Stammes eine Rolle spielt, 












Ein Beitrag zur bakteriologischen Choleradiagnose. 


89 


während dies für den Stamm 956 nicht in Frage kommen kann. 
Es handelt sich wohl vielmehr um einen jener durch heterologe 
(Immun)-Sera leicht beeinflußten Colistämme, wie sie schon 
öfter beobachtet worden sind. Daß es sich nicht um Spontan¬ 
agglutination handelt, beweist die Kochsalzkontrolle, die nicht 
eine Spur von Häufchenbildung erkennen ließ. 

Des Interesses halber wurde noch ein Absättigungsversuch 
nach Castellani angesetzt mit folgendem Ergebnis: 

Tafel V. 


Cholera-Serum Tit. 1 :10000, mit Stamm 95& abgesättigt: 
Agglutination mit Stamm Kier angestellt; Ablesung nach 1 Stunde. 


Verdünnung 

Cholerastamm Eier 

fragl. Stamm 955 

1:100 

1:200 

1 :500 

1:1000 

1 :2000 

1 :5000 

1:10000 

Cholera-Serum Tit. : 

Agglutination mit St 

£ 

Tafel 

l: 10000, mit 
;amm 956 ang 

V 

, c 

;est 

I. 

holerastami 
teilt; Ables 

n Kier abgesättigt, 
tung nach 1 Stunde. 

Verdünnung 

fragl. Stamm 965 

Cholerastamm Eier. 

1:100 

1:200 

1 :600 

1:1000 

— 

++ 

± 


Die vorstehenden Ergebnisse rechtfertigen den Schluß, 
daß trotz ihrer Höhe die Agglutination des Stammes 965 in 
Choleraserum als Mit- bezw. Paragglutination zu bezeichnen 
ist. Wohl vermochten die Cholerabazillen sämtliche homologen 
und heterologen (Coli) Agglutinine zu absorbieren; dagegen 
konnte der Stamm 955 die Choleraagglutinine kaum nennens¬ 
wert erschöpfen. 

Es kann nicht Absicht sein, auf die hier sich ergebenden 
interessanten wissenschaftlichen Fragen der Coliagglutination 
weiter einzugehen, dazu könnten die ausgeführten Unter¬ 
suchungen nicht genügen. Auch mag dahingestellt bleiben, 
ob der isolierte Colistamm in ursächlichem Zusammenhang zur 
Erkrankung steht, wenn man schon zugeben muß, daß Coli- 
Enteritiden Vorkommen. Wie bereits eingangs erwähnt, soll 
diese kurze Darlegung nur der praktischen Diagnostik dienen. 
Und wenn diese Zeilen dazu beitragen können, zur Vorsicht 
in der Bewertung der „Cholera-Agglutination“ zu mahnen und 
etwaige Irrtümer in der Diagnose, wie sie ohne Würdigung des 
gesamten bakteriologischen Befundes fraglicher Stämme Vor¬ 
kommen könnten, zu vermeiden, dann ist ihr Zweck erfüllt. 









40 


Dr. Guttmann. 


Der Hamburger Tropfkörper mit Deckschicht. 

Von Kreisarzt Dr. Gnttmann-Stade. 

Die einwandfreie Beseitigung kleinerer Abwasserraengen 
z. B. aus Einzelhäusern oder kleineren Anstalten wie Gefäng¬ 
nissen, Krankenhäusern, Molkereien auf dem Lande oder in 
kleinen Städten ohne Kanalisation bereitet trotz der hohen Ent¬ 
wicklung der Abwasserreinigungsverfahren noch heute gewisse 
Schwierigkeiten. 

Von einer Reinigungsanlage kleinerer Abwassermengen 
ist zunächst in hygienischer Beziehung zu fordern, daß die Ab¬ 
flüsse der stinkenden Fäulnis nicht mehr zugänglich sind und 
daß sie zu einer grobsinnlich wahrnehmbaren Verschlechterung 
des Wassers im Vorfluter nicht Anlaß geben. Aus praktischen 
Gründen ist erforderlich, daß eine solche Anlage mit möglichst 
geringen Kosten herzustellen ist, daß ihre Wartung möglichst 
einfach sich gestaltet, so daß man sie tagelang sich überlassen 
kann, und daß sie keiner großen Höhenentwicklung bedarf, um 
sie in flachen Gegenden, womöglich auch in solchen mit hohem 
Grundwasserstand, wie z. B. in den Marsch- und Moorgegenden 
des Reg.-Bez. Stade, in Anwendung bringen zu können. Aesthe- 
tische Gründe machen es wünschenswert, daß man von solcher 
Anlage wenig sieht und riecht. 

Das Füllverfahren kummt für diese Anlagen nicht in Be¬ 
tracht, weil es nur bei sorgfältiger Behandlung im Gange bleibt 
und bei Vernachlässigung sofort zur Fäulnis des biologischen 
Körpers und infolgedessen auch der Abflüsse führt. In ein¬ 
wandfreier Weise löst diese Aufgaben der Hamburger Tropf¬ 
körper mit Deckschicht nach Prof. Dr. Dun bar. 

Das Abwasser wird auf diesen künstlichen biologischen 
Tropfkörper ohne irgendwelche kostspielige Beschickungs- und 
VerteilungsVorrichtungen, die stets eine sachverständige Ueber- 
wachung und Pflege notwendig machen, geleitet. Die gleich¬ 
mäßige Verteilung und tropfenförmige Auflösung des Abwassers 
wird in einfacher und wirksamer Weise durch die sogenannte 
Deckschicht herbeigeführt. In der richtigen Wahl und Anord¬ 
nung der Deckschicht liegt der Erfolg des Verfahrens. 

Der Hamburger Tropfkörper wird ganz aus Koks oder 
Schlacken aufgebaut. Aus der den eigentlichen biologischen 
Körper überlagernden Deckschicht tritt das Abwasser beständig 
tropfenförmig aus. Es füllt also niemals die Zwischenräume 
zwischen dem Trofkörpermaterial, sondern überzieht die ganze 
Oberfläche der Koks- oder Schlackenstücke in dünnster Schicht 
und tropft weiter auf die darunterliegenden groben Stücke. Die 
Schmutzstoffe des Abwassers werden bei seinem Versickern 
durch den Tropfkörper durch dessen Material bald mehr, bald 
weniger abgefiltert und die Oberfläche des Materials umkleidet 
sich mit einer aus Organismen bestehenden Schicht, dem 
sogenannten biologischen Rasen. Diese zurückgebliebenen un¬ 
gelösten wie gelösten Schmutzstoffe erfahren nach dem Kontakt 



Der Hamburger Tropfkörper mit Deckschicht. 


41 


mit dem Tropfkörpermaterial eine Oxydation, wenn genügende 
Luftzufuhr vorhanden ist. Um eine solche zu sichern, dürfen 
zum Aufbau der eigentlichen biologischen Tropfkörper nicht 
zu kleine Koks- oder Schlackenstücke verwendet werden; zweck¬ 
mäßig wählt man solche von Faust- bis Kindskopfgröße. Je 
höher der biologische Körper ist, um so wirksamer und leistungs¬ 
fähiger wird er sein. Für mittlere Anlagen genügt schon eine 
Höhe von 70 cm. Dun bar hat solche Körper mit weniger 
als 20 cm hohen groben Unterbau lange Zeit hindurch mit 

bestem Erfolg in Betrieb gehalten, woraus hervorgeht, daß 

dieses Verfahren auch anwendbar ist unter Verhältnissen, wo 
kaum 1 m Gefälle zur Verfügung steht. 

Die Deckschicht muß aus feinstem Schlackenmaterial be¬ 
stehen, aus dem alles Korn, was kleiner als 1 mm und größer 
als 3 mm ist, auf das sorgfältigste ausgesiebt ist. Zur Tropfen¬ 
bildung und zur Verteilung auf einem mittelgroßen Tropfkörper 
genügt eine Höhe von 30 cm. 

Damit die Deckschicht nicht in die Fugen des biologischen 
Körpers hineinfällt, bedarf es noch einer Stützschicht zwischen 
beiden, die unten so eingebaut ist, daß ihre Korngröße größer 

ist als die Fugen des biologischen Körpers und oben so, daß 

ihre Körner zwischen sich keine größeren Fugen lassen, als 
wie die darüberliegende Deckschicht Korngröße hat. Bei den 
angegebenen Körnergrößen der Deckschicht und des biologischen 
Körpers kann die Stützschicht aus einer oberen etwa 10 cm 
starken Schicht von 3—10 mm Korngröße und aus einer 
unteren ebenfalls 10 cm starken Schicht von 10—30 mm Korn¬ 
größe bestehen. Bei genauer Befolgung dieser Vorschriften 
weist die Deckschicht selbst nach jahrelanger und starker 
Benutzung kaum Zeichen von Verschlammung auf. 

Von großer Bedeutung ist die dauernde Zuführung von 
frischer Luft zur Ergänzung des entzogenen Sauerstoffes und 
die dauernde Entlüftung des biologischen Körpers zur Abführung 
der sich bildenden Abgase. Der Tropfkörper umfaßt daher 
zweckmäßig oben seitlich die ganze Deckschicht bis über die 
Zuleitungsrinne hinauf (s. Abbildungen lau. lb). Die Außen¬ 
böschungen der pyramidischen Tropfkörper können bei kleineren 
Anlagen durch stark durchlöcherte Mauerwände ersetzt werden, 
selbst bei der geringen Höhe des biologischen Tropfkörpers 
von etwa 20 cm. Kleine Anlagen können daher schon hei 
einem sehr kleinen zur Verfügung stehenden Gefälle ausgeführt 
werden. Sie müssen aber stets vor Frost geschützt werden; 
müssen sie über Terrain angelegt werden, so sind sie gut zu 
überdachen. 

Ein Absitzbecken mit feinem Sieb vor dem Tropfkörper 
ist nicht immer erforderlich, jedoch zweckmäßig, wenn die 
Abwässer Sand führen, da Sand die Deckschicht leicht verstopft. 
Durch dieses Absitzbecken sind die Abwässer möglichst frisch 
hindurchzuleiten, bevor sie in Fäulnis übergehen. Die Ab¬ 
lagerungen in dem Vorbecken sind von Zeit zu Zeit zu entfernen. 



Abbildung 1 a. 



mSM 





Abbildung 1 b 




Bieter, 


















44 


Or. Gattmann. 


Im Betrieb muß zur Verhütung einer Verschlammung in 
der Deckschicht diese ab und zu 10—15 cm hoch durch¬ 
geschaufelt werden. Vorher läßt man die Oberfläche gut 
abtrocknen und das darauf liegende Häutchen, das meist 
aus Papierstoff besteht, mit einer Planierschaufel nicht tiefer 
als 0,5 cm abheben. Wo nicht mehrere Tropfkörper neben¬ 
einander angelegt sind, kann ein Reservekörper von ge¬ 
ringen Abmessungen nachgeordnet werden (Abbildung 2). Palls 
eine genügende Unterbrechung ohne Betriebsstörung möglich 
ist, wie vielfach bei kleineren Anlagen in Einzelhäusern, kann 
auch der Reservekörper noch entbehrt werden. Auch genügt 
dann meistens ein einfaches Aufharken der Deckschicht. Weitere 


IPuftunjsfCappen 



Abbildung: 2. Hamburger Tropfkörper (Längsschnitt). 1 ) 


Wartung bedarf die Anlage nicht. Niemals darf die Deckschicht 
bei einer Verstopfung durchstoßen werden; ist dies doch 
geschehen, so ist der ganze Körper neu aufzubauen. Dabei 
muß das Material sorgfältig ausgewaschen und gesiebt werden, 
oder es muß neue Schlacke verwendet werden. 

Eine solche Abwasserreinigungsanlage für ein Erholungs¬ 
heim mit 30 Insassen und 3 cbm Abwassermenge pro Tag in 
Poppenbüttel bei Hamburg ist von dem Verfasser wiederholt im 
Betrieb besichtigt (s. Abbildung 3). Dieselbe ist unterirdisch ange¬ 
legt, so daß nur drei Deckel zu sehen sind. Insektenplage und 
übler Geruch wurde selbst im heißen Sommer nicht bemerkt. Der 
Tropfkörper ist aus Schlacke hergestellt. Die Luft wird durch 
die durchbrochene Wand der einen Seite zugeführt. Die Ab¬ 
flüsse werden auf einen zweiten nachgeordneten kleinen Tropf¬ 
körper geleitet, ehe sie in einen Straßenkanal abfließen. Ein 
Absitzbecken von 1,2 m 3 Größe mit Gitter ist vorgeschaltet, 
um den Sand abzufangen. Sobald die Deckschicht anfängt, 
undurchlässig zu werden, was in der Regel nach 8 Tagen ein- 
tritt, werden die Abwässer einen Tag lang direkt auf den 
kleinen nachgeschalteten Körper geleitet. Nach Abtrocknen 

') Aas dem „Leitfaden für die Abwasserreinigungsfrage". Zweite Auflage. 
Von Prof. Dr. H. Dun bar. Verlag von B. Oldenbourg, München u. Berlin. 


Abbildung 3. 

















46 Kleinere Mitteilungen and Referate aas Zeitschriften. 

wird die Oberfläche geharkt. Den oft erheblichen Tages¬ 
schwankungen hat sich der Körper ausgezeichnet angepaßt; in 
12jährigem Betriebe ist eine Störung nie aufgetreten. Die 
Sedimente des Vorbeckens werden ab und zu mit einer 
Schaufel aus dem Sandfang gehoben und im Garten vergraben. 
Die Innenmaße der gesamten Anlage betragen 3,90 m Länge, 

2 m Breite, 2,30 m Tiefe. Die Kosten der im Jahre 1903 
erbauten Anlage betrugen laut vorliegender Rechnung 2000 Mark, 
wovon 320 Mark für wissenschaftliche und technische Ueber- 
wachung von dem Erbauer in Rechnung gesetzt sind. Es 
unterliegt aber keinem Zweifel, daß sich die Kosten bei Verein¬ 
fachung der Anlage erheblich verringern lassen. Das von Prof. Dr. " 
Dun bar angegebene Hamburger Tropfkörperabwasserreinigungs¬ 
verfahren ist patentamtlich nicht geschützt; die Abgaben von 
Patentgebühren kommen somit nicht in Frage. Das Material 
für die Deckschicht in Korngröße von 1—3 mm kann von der 
Müllverbrennungsanstalt Bullerdeich in Hamburg für den Preis 
von ungefähr 5,50 Mark pro cbm*ab Platz bezogen werden. 

Im Medizinaluntersuchungsamt in Stade habe ich zu¬ 
sammen mit der Assistentin des Instituts, Fräulein Dr. Sachse, 
längere Zeit hindurch Laboratoriumsversuche mit einem Ham¬ 
burger Tropfkörper von 30 cm Höhe angestellt. Nachdem der 
Tropfkörper 1—2 Wochen mit stark riechenden Molkerei¬ 
abwässern bis zur völligen Einarbeitung beschickt war, war er 
imstande in der verblüffend kurzen Zeit von 1—3 Minuten die 
faulen Abwässer so erheblich zu reinigen, daß 100 g der ge¬ 
reinigten Abwässer mit 0,6 g einer 0,05 proz. Methylenblaulösung 
versetzt nach 6—36 Stunden bei 46° C. noch nicht entfärbt 
waren. Bei dem ungereinigten Abwasser trat die völlige Ent¬ 
färbung schon nach wenigen Stunden ein. 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 

A. Baohverstfcndlgent&tlgkeit auf militlrärztliohem Gebiete. 

Die Qasphlegmone bei Kriegsverwundeten. Klinische Studie von 
Dr. 8 a c k u r - Breslau, zurzeit Oberstabsarzt bei einer Kriegsl&zarettabteUang 
im Westen. Medizinische Klinik; 1915, Nr. 37 und 88. 

Za den häufigeren Infektionskrankheiten des Krieges gehört auch die in 
Friedenszeiten wenig beobachtete Qasphlegmone. Die Aetiologie ist bakterio¬ 
logisch sichergestellt. Es handelt sich um einen anaeroben, den FraenkeIschen 
Bacillus phlegmones emphysemotosae, gelegentlich wurden auch andere Erreger 
angeschuldigt. Der Fraenke Ische Bacillus wurde von Simmonds in 
18 Fällen von Qasphlegmone post mortem im Herzblut gefunden. Die Ent¬ 
stehung der Krankheit setzt eine Beschmutzung der Wnnde mit Erde, worin 
die Bazillen leben, voraus. Die Zunahme der Gasphlegmonen zur Regenzeit 
ist wohl nur mit der dann größeren Beschmutzung und dem Festhaften der 
feuchten Erde an den Kleidern zu erklären. Das seltene Vorkommen von Qas¬ 
phlegmone an Gesicht und Kopf hängt ebenfalls wohl mit der größeren Sauber¬ 
keit dieser Teile zusammen. Hauptsächlich schließt sie sich an größere, zer¬ 
fetzte und gequetschte Wunden mit Taschen nnd Buchten an, wie sie durch 
Artilleriegeschosse verursacht werden. Das Zustandekommen wird weiter be¬ 
günstigt durch schlechte arterielle Durchblutung infolge Thrombosierung von 
Gefäßen oder Kompression durch Haematome; ebenfalls schließt sich das 
KrankheitsbUd an unzweckmäßig feste Tamponade, Esmarchsche Blutleere 



Kleinere Mitteilungen and Befernte ans Zeitschriften. 


47 


und Unterbindungen an. Das Vorkommen sekundärer Infektionen (endemische 
Spitalinfektionen) ist noch nicht genügend sichergestellt. Die Symptome sind sehr 
charakteristisch: Oertlich: starker Wandschmerz, Oedem, Hautverfärbungen, 
Knistern der geschwollenen Umgebung der Wunde, die stets dunkel miß- 
farbig aussieht und oft neben ttblem Geruch eine Vermischung des geringen, 
dünnen fleischwasserfarbenen oder trübgelben Sekrets mit Gasblasen zeigt; 
erheblichere Eiterbildung fehlt stets. Die Wunde ist mißfarben, oft graugrün, 
die Muskelteile sind schwarzrot bis dunkelbraungrün und brüchig wie Zunder. 
Je nach der Lokalisierung unterscheidet man eine „epi“- und „subfasziale“ 
Form; bei der letzteren sind die obengenannten Krankheitszeichen nicht alle 
leicht nachzaweisen. 

Die Allgemeinerscheinungen gleichen denen aller anderen schweren 
bakteriellen lufoktidnen. 

Die Gasblasen, namentlich auch in der Tiefe der Gewebe lassen sich 
bequem im Böntgenbild nachweisen. 

Differentialdiagnostisch kommen neben Luft-Aspiration und 
Fäulnisgasentwicklung das maligne Oedem und das Hautemphysem in Frage. 
Bei der Gasphlegmone kommt es nie zu einer bedeutenden eitrigen Einschmelzung 
des Gewebes, ferner ist stets eine haemorrhagische Infarzierung der befallenen 
Gewebe vorhanden. Bei therapeutisch unbeeinflußten Wunden tritt innerhalb 
24 Stunden Gangrän ein, der am längsten die Haut widersteht. Die lokale 
Infektion geht sehr bald in eine allgemeine über; der Erreger muß sehr rasch 
in die Blutbahn eindringen, nicht aber in die Lymphwege; denn nie wird eine 
Erkrankung der regionären Lymphdrüsen festgestellt. Klinisch treten die 
ersten Anzeichen der Infektion meist in 12—24 Stunden nach der Verletzung 
auf,' seltener nach längeren Zwischenräumen; einzelne Fälle sind allerdings 
noch nach 6 bis 8 Tagen beobachtet. An den Extremitäten bevorzugt die 
Infektion ganz besonders das Fortschreiten nach der peripheren Bichtung; häufig 
ist der Verlauf durch Thrombosierung größerer Gefäßstämme kompliziert. 

Die Prognose ist schlecht; wenn bis zur Behandlung mehrere Tage 
verstreichen, endet die Infektion mit ziemlicher Sicherheit tödlich. Bei früh¬ 
zeitigem Eingriff geht die epifasziale Form in den meisten Fällen in Heilung 
aus; weniger gut ist die Prognose bei der tiefen Form, weil sie schwerer recht¬ 
zeitig erkannt wird, zumal dabei auch die Verletzungen weit ausgedehnter sind. 

Die Therapie ist bedingt: 1. durch die Neigung der befallenen Gewebe zu 
raschem brandigen Zerfall, 2. durch die „anaeroben“ Bakterien. Angezeigt ist 
eine sofort einsetzende aktive chirurgische Behandlung; konservative Therapie ist 
aussichtslos und gefährlich. Die Behandlung besteht in der Anlegung großer Ent- . 
spannungsschnitte vom Gesunden ins Gesunde; die gangränösen Haut- und Ge- 
websteile werden abgetragen, Taschen und Buchten freigelegt. Dann folge das 
Abtasten der Wunde nach Fremdkörpern mit dem Finger (Gummihandschuhe I), 
erforderlichenfalls Aufsuchen durch Böntgenphotographie, Aufbringen von Wasser¬ 
stoffsuperoxyd, lockere Mulltamponade. Die Hauptsache ist Luft- und Sauerstoff- 
Zuführung, mehrmaliger Verbandwechsel am Tage; auch Einlegen von Ortizon- 
stiften ist empfohlen, ebenso 10°/oiges Ichthyol-Glyzerin, Perubalsam, Jodtinktur, 
Bepudem mit Kalziumchlorat 10 */o vermischt mit Bolus alba. Bier sehe Stauung 
ist gefährlich. Die primäre Amputation ist angezeigt je nach dem Zustande der 
Verletzung oder wenn die Extremität peripher von der Wunde schon unbeweglich 
nad kalt ist Hohe Amputation oder Exartikulation ist noch zu versuchen, 
wenn das Oedem schon auf den Stamm übergegangen; in diesen Fällen sind 
die oedematösen Teile auch zu inzidieren, mit H 2 O* zu bespritzen und locker 
zu tamponieren. Der Verschluß durch Naht ist kontraindiziert. Geht der 
Prozeß auf Inzision nicht zurück, so ist die sekundäre Amputation angezeigt. 
Ein französischer Autor, Weinberg, der den Bacillus perfringens V e i 11 0 1 
für den Erreger hält, hat aus seinen Kulturen ein Antiserum hergestellt, mit 
dem er Heilerfolge erzielt haben will. 

Cm dieser Infektionskrankheit vorzubeugen, sind die Soldaten zu 
belehren und zur Sauberhaltung ihrer Kleider anzuhalten; immerhin können mit 
Erde beschmutzte Geschoßsplitter auch dann noch Infektionen vermitteln. 

Dr. L. Quadflieg -Gelsenkirchen. 



48 Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 

„Zar Behandlung der langen Böhrenknochenbrüche insbesondere 
mit dem Frakturhebel“ and „Streckverbandapparate mit passiven and 
automatischen Gelenkbewegungen“. Von Dr. Otto Ansinn, Chirurg am 
Reservelazarett Kriegsschale zu Bromberg. Bruns’ Beiträge zur klinischen 
Chirurgie; Bd. 97, 6. und 9. Kriegschirurgisches Heft. 

Dr. A n s i n n, der an dem mit 600 Betten ausgerüsteten Reservelazarett 
Kriegsschale zu Bromberg seit 1. Oktober 1914 seine chirurgische Tätigkeit 
ansübt, weist ans in diesen Arbeiten einen neuen Weg, auf dem schwere 
Brüche der Oberschenkelknochen zur Heilung gebracht werden können ohne 
nennenswerte Verkürzung des Beines, und auf dem in erheblich kürzerer Zeit 
volle Bewegnngsfähigkeit der Gelenke eintritt, ohne die schwere, doch oft 
recht schmerzhafte Behandlung im Zanderinstitut. 

Das außerordentlich reiche Material des Bromberger Lazarettes bewog ihn 
bald dazu, bei schweren Verletzungen mit schwerster jauchiger Infektion die 
Höhlen möglichst frühzeitig auszuräumen, die Sequester subperiostal zu entfernen 
and die, wenn auch bereits nekrotisierenden Frakturenenden durch eine Situations¬ 
naht miteinander zu fixieren. Die dadurch erreichten Erfolge ermutigten ihn 
bei größeren Knochenbrüchen Aluminiumstreifen, die er sich entsprechend dem 
Spezialfall zurechtschnitt und bohrte, zur Knochenfixation zu verwenden. Die 
außerordentliche Schwierigkeit, die Bruchenden in die richtige Lage zu bringen, 
um die üblen oft 15 cm betragenden Verkürzungen zu vermeiden, überwand 
er, da Menschenkraft hierzu nicht ausreichte, durch einen „Frakturhebel“ 
eigener Konstruktion. Wenn auch die ersten Exemplare sich als zu schwach 
erwiesen gegenüber den Verwachsungen und dem kolossalen Muskelzuge, so 
reichte doch das 3. Exemplar, das auf eine Belastung von 110 kg eingerichtet 
war, auB, alle Widerstände zu überwinden und die Knochen in die richtige 
Lage zu bringen, in der sie dann durch die Aluminiumstreifen fixiert wurden. 
Fälle, die mit 15 cm Verkürzung eingeliefert wurden, heilten mit einer Ver¬ 
kürzung von 0—8 cm. Hierdurch war zwar die Verkürzung auf ein Minimum 
beschränkt, doch blieben noch die schweren Gelenkversteifungen und Muskel¬ 
atrophien, die der Bar den heuer sehe oder Zu p p in ge r sehe Streckverband 
hinterließen, zu beseitigen, wozu monatelange Uebungen im Z a n d e r institat 
notwendig waren. Der Gedanke, diese Uebungen in die Heilungsdauer selbst 
za verlegen, führte Dr. An sinn zur Konstruktion eines Apparates, der Ober¬ 
und Unterschenkel einzeln extendiert und zugleich eine Bewegung der sämt¬ 
lichen Gelenke des Beines ermöglicht, ohne dem Patienten größere Schmerzen 
zu verursachen. Die Hand der Pflegerin oder auch die des Patienten kann 
jederzeit, ohne die Extension zu beeinträchtigen, diese Bewegungen vornehmen. 
Diese ingeniöse Erfindung fand ihre Krönung in der Herstellung desselben 
Apparates mit automatischen Bewegungen, die durch einen kleinen Elektromotor 
(2—8 Pfg. pro Stande), oder noch einfacher durch einen Wasserdruckmotor, 
der sich an jede Wasserleitung anschließen läßt, hervorgerufen werden. Die 
auf diese Weise behandelten Patienten sind, sobald sie aus dem Apparat mit 
konsolidierten Knochen herausgenommen werden, sofort imstande, ihren Fuß 
selbsttätig auf einen Stuhl zu setzen, d. h. sehr umfangreiche Bewegungen im 
Hüft-, Knie- und Fußgelenk auszuführen und ohne Krücken oder Stock za 
gehen, ein Resultat, das mit dem gewöhnlichen Streckverband ganz unerreich¬ 
bar ist. 

Den Abhandlungen sind die entsprechenden kurzgehaltenen Kranken¬ 
geschichten und recht instruktive Abbildungen und Röntgenphotographien bei¬ 
gefügt. 

Da Referent selbst Stationsarzt in dem Reserve-Lazarett KriegBschnle seit 
Beginn des Krieges ist, hat er oft Gelegenheit gehabt, die Apparate and 
ihre großartige Wirkung zu sehen. Es ist durch diese geniale Erfindung der 
Weg gewiesen — nach Dr. Ansinns Meinung dürfte es auch möglich sein, 
für den Arm einen ähnlichen Apparat zu erfinden — das Krüppeltum, das der 
Krieg nach sich zieht, ganz erheblich zu vermindern und recht vielen unserer 
tapferen Feldgrauen die frühere Arbeitsfähigkeit wieder zu geben. Es kann 
nar jedem Chirurgen und Orthopäden geraten werden, sich — wie schon recht 
viele es auch getan haben — von den Vorzügen der Apparate an Ort und Stelle 
zu überzeugen. Dr. v. M a c h - Bromberg. 



Kleinere Mittellangen and Referate aas Zeitschriften. 


49 


B. Bakteriologie and Bok&mpfang der Abertr&gberen Krenkhelten. 

1. Bahr. 

Beiträge zur Bahrbehandlung. III Ans dem k. and k. Epidemie¬ 
spital Nr. 2, Krakaa-Lobzöw (Kommand. Regimentsarzt Dr. S. Scharf). 
(Jeher die Rahrepldemle 1914/15 aaf Grand des Spitalmaterials. Von 
Dr. Marian Gieszezykiewiez, k. k. Assistenzarzt i. d. Res., Vorstand des 
bakteriol. Laboratoriums. Medizinische Klinik; 1915, Nr. 43. 

Verfasser bespricht seine an 1400 rnhrkranken Soldaten bei einer 
Epidemie in Galizien gemachten Erfahrungen. Das Verhältnis der giftigen 
(Shiga-Kruse) zur giftarmen Groppe (Flexner, Y) war 38:62. Neben 
sehr schweren kamen sehr leichte, abortive Formen vor. Das ist bedingt in 
erster Linie von der Art und Giftigkeit der Erreger. Die Mehrzahl der letalen 
Fälle (5,4°/o) war schon draußen 2—3 Wochen krank gewesen. Aus der 
Symptomatologie ist hervorzuheben, daß Singaltas ein signum mali ominis ist. 
Die meisten der sehr leicht verlaufenden Formen entfielen auf die Winter¬ 
monate and waren durch den Bacillus Y bedingt. Es ist von großer Bedeu¬ 
tung, diese Erkrankungen rechtzeitig zu erkennen wegen der notwendigen 
Isolierung. An Komplikationen wurden beobachtet: Bei 2 Kranken Lähmungen, 
3mal Neuralgien, 8 mal Psychosen (akate Verwirrtheit), 8 mal Conjunktivitis, 
1 Iridocyclitis, 5 Urethritis (ohne Gonokokken), 9 Oedeme, 3 Ascites, 8 Deku¬ 
bitus, 3 Parotitis, 6 Pneumonien (4 t), 1 Prolapsus recti. 1 Rekonvaleszent 
infizierte sich mit Cholera und starb in 24 Stunden, dagegen verliefen Typhus- 
infektionen bei Ruhr-Rekonvaleszenten ziemlich leicht. Häufige Nachkrank¬ 
heiten sind Tbc. palm. et intest. Die Therapie bestand in Diät and bei 
265 Patienten in Seruminjektionen. Das Serum warde subkutan in Dosen von 
20 ccm bei leichteren and von 30—60 ccm bei schwereren Fällen verabreicht; es 
war polyvalentes Seram von Prof. Dr. 0. Buj wid. Die Injektionen hatten guten 
Erfolg, namentlich bei leichteren and mittelschweren Fällen. Es wurde ömal 
Urticaria, 6 mal Erythem an der Injektionsstelle, nie Anaphylaxie beobachtet. 
In der dritten Woche waren noch ca. 16°/o Dauerausscheider vorhanden; Ruhr- 
rekonvaleszenten können noch monatelang periodisch Bazillen ausscheiden. Die 
Unterscheidung der giftigen (Shiga-Kruse) von den giftarmen Rohrbazillen 
wurde in */& der Fälle durchgeführt. Die Differentialdiagnose der giftarmen 
ist von geringer Bedeutung und sehr schwierig; es sind das die Bazillen des 
Typus Flexner, Y and Strong. -Ihre Unterscheidung gelingt auf Lakmus- 
nährböden, denen Mannit, Maltose und Saccharose zugesetzt sind. Den 
Shiga-Kruse-Bacillus kann man von der giftarmen Gruppe durch die 
Agglatination unterscheiden; dies empfiehlt sich auch wegen der schnelleren 
Entscheidung; dagegen gibt die Agglatination in der giftarmen Gruppe keine 
deutlichen Unterschiede. Dr. L. Qu ad flieg-Gelsenkirchen. 

2. Weilsche Eirankheit. 

Experimentelle Untersuchungen Uber die sogenannte Weilsche 
Krankheit (ansteckende Gelbsucht). Aus dem Laboratorium des Beratenden 
Hygienikers der ... Armee und dem Laboratorium des Hygienikers beim 
Korpsarzt .... R.-K. Von Oberstabsarzt Prof. Dr. Uhlenhuth, beratendem 
Hygieniker und Stabsarzt Dr. Fromme, Korpshygieniker. Medizinische 
Klinik; 1916, Nr. 44 und 46. 

Die Weilsche Krankheit, ansteckende Gelbsucht, konnte durch Blut 
und Urin von Kranken auf Meerschweinchen übertragen und in (bisher) 
9 Passagen weitergeführt werden; es genügten 0,001 ccm Blut und 0,6—1,0 ccm 
Urin. Das Virus fand sich im Blut, in Urin, Galle (0,1) und Organauf- 
schwemmungen der infizierten Tiere. Von Tier zu Tier übertrag sich die 
Krankheit nicht, entsprechend den Erfahrungen beim Menschen. Blut bei 66° 
eine Stunde oder Urin bei 70° */* Stunde lang erhitzt, waren nicht mehr 
virulent; ebenso versagte die Impfung schon mit kürzere Zeit lang ange¬ 
trocknetem Blut. Das Virus ist auch nicht filtrierbar. Chemische Mittel: 
Kresolseifenlösung, Karbolsäurelösung (1—4°/o), Aether töteten das Virus ab. 
Dagegen vermochten Antiformin (— 10°/oig) und Sublimat (1 °/oig) defibriniertem 
virushaltigem Blut zugesetzt keine Abtötung bewirken. Kulturversuche auf 
künstlichen Nährböden hatten ein negatives Ergebnis. Dagegen beobachteten 



•BO 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 


die Verfasser im Blut, in den Organen geimpfter Meerschweinchen sehr zarte, 
schlanke Spirochaeten mit dachen Windungen, welche wahrscheinlich die 
Erreger sind. Sie färben sich nach Giemsa und im Schnitt nach Lev ad iti. 
Das Blut ist hauptsächlich in der ersten Woche infektiös; es empfiehlt sich 
daher, im Beginn der Erkrankung den Tierversuch zur Diagnose zu verwerten. 
Außer Meerschweinchen sind auch Kaninchen empfänglich, scheinbar nicht 
Affen, Hühner, Katzen, Hunde, Ferkel, Hammel und Mäuse, über Batten sind 
die Versuche noch nicht abgeschlossen. Die sicherste lufektionsart ist die 
intrakardiale, weniger die intraperitoneale und muskuläre, auch gehen sie 
durch die skarifizierte Haut. Die Menge soll 1 — 2 ccm betragen. Die 
Spirochaeten finden sich in Leber, Galle, Nieren, seltener im Blut und anderen 
Organen. Arsenikalien brachten keinen therapeutischen Erfolg. Da Rekon- 
valeszentenserum das Virus schon in kurzer Zeit abtötet, ist es zur Behandlung 
zu verwerten. Es handelt sich nun darum, von geeigneten größeren Tieren 
Immunsera für die Behandlung zu gewinnen. 

Dr. L. Q u a d f 1 i e g - Gelsenkirchen. 


Beiträge zur Aetiologle der Weilscheu Krankheit. Von Prof. Dr. 
Hüb euer und Priv.-Doz. Dr. Reiter, Berlin. Deutsche med. Wochen¬ 
schrift; 1916, Nr. 1. 

Die hauptsächlichsten Untersuchungsergebnisse der Autoren sind inzwischen 
durch Uhlenhuth und Fromme (s. vorstehendes Referat) bestätigt: Er¬ 
zeugung eines typischen Krankheitsbildes beim Meerschweinchen, Möglichkeit 
der Uebertragung auf Kaninchen, Unempfänglichkeit der Mäuse und Ratten, 
Vermehrungsfähigkeit des Virus, Virusgehalt des Urins, keine spontane direkte 
Uebertragung von Tier zu Tier, Nichtinfektiositfit der Rezidive, fast keine 
Beeinufissung des Krankheitsverlaufes durch Salvarsan und Atoxyl, Vorhanden¬ 
sein von Immunkörpern in der Rekonvaleszenz und Möglichkeit einer passiven 
Immunisierung. 

Die nach Giemsa gefärbten Präparate zeigten „Gebilde, die man am 
besten mit den feinsten Geißeln der Typanosomen vergleicht". Außerdem 
wurden noch massenhafte kleinste, schwach gefärbte Protoplasmakugelchen 
beobachtet, deren spezifische Bedeutung aber noch offen bleibt. Untersuchungen 
im hängenden Tropfen und im Dunkelfelde waren nicht befriedigend. Der 
augenfälligste Befund konnte bei Leberausstrichen von Meerschweinchen erhoben 
werden, die nach der Infektion möglichst lango gelebt hatten. Die Tiere 
zeigten den hochgradigsten Ikterus und bei der mikroskopischen Untersuchung 
in den Leberausstrichen die feinen Geißelformen, die man vielleicht als 
Spirochäten ansprechen kann, teils einzeln liegend, teils zu wirren Bündeln 
zusammengeballt. Jede Regelmäßigkeit in Größe und Windung wird vermißt, 
oft sind die „Spirochäten“ langgestreckt wie gedehnt, oft nur an den Enden 
ein wenig umgeschlagen oder vollständig zu Oesen- und Schleifenformen, oder 
sie haben große, peitschenschlagähnliche Windungen; sie sind oft Blut¬ 
körperchen oder anderen Zellen angelagert, äußerst fein und bei Giemsa¬ 
färbung rötlich. Häufig sieht man an der „Spirochäte" eine sich ebenfalls mit 
Giemsa rotfärbende Knötchenbildung und zwar häufiger bei weniger ikterischen 
Tieren. Im allgemeinen geht die Zahl der in der Leber gefundenen „Spirochäten“ 
dem Grade des Ikterus parallel; sie sind bei mit hochvirulentem Virus geimpften 
Tieren, die rasch ad exitum gekommen waren, viel weniger zahlreich. 

Auch in nach Levaditi gefärbten Leberschnittpräparaten läßt sich 
die „Spirochäte" deutlich erkennen, häufig in wirren Knäueln zusammenliegend. 
Sie erscheint natürlich wesentlich dicker als in Giemsa präparaten; die 
Knötchenbildung ist besonders schön zu sehen. 

Ferner können die „Spirochäten" in anderen Organen, wie Lunge, 
Knochenmark und Milz nachgewiesen werden, allerdings nur ganz ver¬ 
einzelt. Häufiger sind sie im Blute der infizierten Tiere anzutreffen und 
zwar einzeln oder in Bündeln und Knäueln zusammenliegend, mit oder ohne 
Knötchenbildung. Immer aber gilt, daß, je stärker der Ikterus ausgesprochen 
bezw. je langsamer die Infektion vorgeschritten ist, desto leichter die be¬ 
schriebenen Mikroorganismen nachweisbar sind. Sie besitzen eine ganz besondere 
Vorliebe für das Lebergewebe, das vielleicht filterähnlich auf die Parasiten 
wirkt and den übrigen Organismus vor einer Ueberschwemmong mit dem 



Kleinere Mitteilungen and Referate aas Zeitschriften. 61 

lebenden Virus schützt. Es ist nicht anznnehmen, daß die „Spirochäten“ 
Gefäße verstopfen and hierdurch den Ikteras erzeugen; wahrscheinlich wird 
letzterer durch eine längere toxische Schädigung der Leberzellen hervorgerufen. 
Darüber besteht aber für die Autoren kein Zweifel, daß es sich bei dem 
von ihnen am 1. 8eptember 1916 entdeckten Mikroorganismus 
um den Erreger der Weil sehen Krankheit handelt. 8eine Klassifi¬ 
zierung muß noch geklärt und* festgestellt werden, ob der äußerlich als 
Spirochäte erscheinende Mikroorganismus auch tatsächlich dieser Gruppe zuzu¬ 
sprechen ist. Vorläufig wird als Bezeichnung: Spirochaete nodosa 
(Hübener-Reiter) vorgeschlagen. Prof. Dr. R o e p k e - Melsungen. 


3. Diphtherie. 1 

Die Diphtheriebekämpfung und die Schulärzte. Von Sanitätsrat 
Dr. Strelitz, Schularzt in Charlottenburg. Medizinische Reform; 1915, Nr. 24. 

Verfasser macht Bemerkungen zu dem Aufsatz von Wallenstein, 
der das gleiche Thema behandelt; er führt aus, daß in Charlottenburg schon 
längst entsprechende Einrichtungen getroffen seien, daß dprt schon seit längerer 
Zeit Schulärzte, allerdings im Nebenamte, tätig seien und überhaupt in aus¬ 
gedehnter Weise für die Hygiene des Kindes gesorgt würde. 

Dr. ,E offmann- Berlin. 


4. Geschlechtskrankheiten und deren Bekämpfung. 

Jahresversammlung der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung der 
Geschlechtskrankheiten. Medizinische Reform; 1916, Nr. 25. 

Professor Blaschko weist darauf hin, daß die durch den Krieg ver¬ 
ursachte Massentrennung von Männern und Frauen notwendigerweise eine Zu¬ 
nahme des außerehelichen Geschlechtsverkehrs und damit ein Ansteigen der 
Geschlechtskrankheiten gezeitigt hat. Ein solches ist nach den früheren Er¬ 
fahrungen auch wieder mit dem Friedensschluß zu erwarten, deshalb muß be¬ 
sonders jetzt mit aller Energie der Verbreitung der Geschlechtskrankheiten zu 
Leibe gegangen werden. Dahin zielen Schließung der Animierkneipen und 
Bordelle, Abkürzung der Polizeistunde, Schaffung von alkoholfreien Soldaten¬ 
heimen, Deberwachung der Straßenprostitution, der Winkelhotels usw. Un¬ 
zählige Menschen lassen sich nicht ausheilen und verschleppen zum Teil un¬ 
bewußt die Krankheit weiter. Es müssen Beratungsstellen da sein für der¬ 
artige Kranke. Der Ueberwachung der Prostitution muß die jetzt damit verbundene 
Entehrung genommen werden. Alle Prostituierten müßten einer regelmäßigen 
Salvarsanbehandlung unterworfen werden. Die einzuführenden Schutzmittel 
würden sicherlich den Geburtenrückgang nicht befördern. Genaue Kenntnis 
der Geschlechtskrankheiten muß Allgemeingut der Aerzte werden, deshalb 
müssen diese Krankheiten im Staatsexamen obligatorisch geprüft werden. 

Dr. Hoffmann -Berlin. 


5. Tetanus. 

Spättetanus nach frühzeitiger prophylaktischer Tetanus-Antitoxin* 
Injektion. VonDr. 0. Teutschlaender -Heidelberg. Deutsche medizinische 
Wochenschrift; 1915, Nr. 49. 

Tetanusbazillen, die durch Wunden in die Gewebe gelangt sind, können 
selbst bei lebhafter Granulationsbildung in der Tiefe eingeschlossen werden, 
besonders wenn Knochen- oder Granatsplitter oder andere Fremdkörper die 
Bildung einer Höhle begünstigen. Man kann daher zu den tetanusgünstigen 
Wunden als weiteren Typus geheilte Wunden mit Einschluß von Fremdkörpern 
oder Gewebstrümmern (N a r b e n t e t a nu s) rechnen. Tetanusbazillen können 
symptomlos einheilen. Abgekapselt bleiben sie viele Monate lebens- und ent¬ 
wicklungsfähig oder ihre Toxine doch wirksam; sie können dann bei günstiger 
Gelegenheit zum Ausbruch des Wundstarrkrampfes (Spättetanus) führen. 
Selbst wenn seit der Verwundung Monate verflossen sind, kann der Starrkrampf 
sehr schnell einen ungünstigen Verlauf nehmen. 

Da nur die vollständige Ausschaltung der Tetanuskeime und ihrer Toxine 
mit einiger Sicherheit den Wundstarrkrampf endgültig verhütet oder heilt, 



52 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 


sollte die Behandlung stets eine möglichst frühzeitige kombinierte, chirurgisch- 
antiseptisch - antitoxische, sein. Granatsplitter sind möglichst stets zu entfernen, 
die Narbe bei Abkapselung auszuschneiden. Die Antitoxinbehandlung allein 
ist selbst bei sofortiger prophylaktischer Anwendung nicht imstande, Spättetanus 
oder Rezidiv sicher zu verhüten; sie wirkt nur vorübergehend gif (.neutralisierend. 
Solange Tetanusbazillen im Körper vermutet werden können, empfiehlt sich bei 
verdächtiger Temperatursteigerung u. a. die Einspritzung der Heildosis des 
Tetanusserums. Dr. R o e p k e - Melsungen. 


6. Sonstige Krankheiten. 

Akute Darmerkrankungen 1m Felde und Ihre Behandlung, insbe¬ 
sondere mit Suprarenin. Von Prof. Dr. J. Strasburger, Frankfurt a. M , 
Stabsarzt der Landwehr bei einem Feldlazarett. Mediz. Klinik; 1915, Nr. 42. 

Verfasser berichtet zunächst über die akuten Darmstörungen, die ihm 
im Felde begegnet sind: Durchfälle, 1. infolge von Diätfehlern, 2. bei Typhus 
abdominalis, 3. bei Grippe, 4. bei Ruhr, 5. bei fieberhaften Störungen mit dem 
Bilde der Enteritis paratyphosa (Bazillen nicht gefunden), 6. bei Brechdurch¬ 
fall (Cholera nostras>, 7. Beschwerden in der rechten Unterbauchgegend, wobei 
es sich differentialdiagnostisch um Blinddarmkatarrh oder Appendicitis handeln 
konnte. Die Diagnose läßt sich durch Untersuchung des Stuhles erbringen, 
insofern als beim Blinddarmkatarrh Schleim darin enthalten ist, während bei 
destruktiver Appendicitis Schleimbeimengungen fehlen. Therapeutisch bewährte 
sich Bolus alba in großen Dosen (200 g in 2 Portionen hintereinander) sowohl 
bei einfach dünnen, als auch schleimigen und ruhrartigen Stühlen; zuweilen 
blieb auch der Erfolg aus. Uzara brachte die besten Resultate bei ruhrartigen 
Erkrankungen. In vielen Fällen hatte die besten Erfolge Suprarenin-Verordnung 
(3 mal 15—20 Tropfen [1 : 1000] in etwas Wasser per os in Abständen von je 
einer Stunde, manchmal am nächsten Tage wiederholt). Schädliche Wirkungen 
wurden nie beobachtet. Dagegen verlor sich sehr bald der Schleimgehalt. Auf¬ 
fallender war noch das Aufhören von Schleim- und Blutabsonderung nach Ein¬ 
läufen (1 ccm Adrenalinlösung auf '/* 1 lauwarmen Wassers). Wahrscheinlich 
beeinflußt das Adrenalin bezw. Suprarenin den Sympathicus und verringert so 
die Schleimsekretion. Vielleicht bewährt sich diese Verordnung auch bei chroni¬ 
schen Darmkatarrhen und bei der Colica mucosa oder auch bei Asthma bronchiale. 
Zu prüfen wäre noch, ob die in kleinen Gaben schon kontraktionerregende 
Wirkung auf den Uterus bei innerlicher Verabreichung erhalten bleibt und 
dadurch bei Graviden zu Abort führen könnte. 

Dr. L. Quadflieg -Gelsenkirchen. 


7. Desinfektion und Bekämpfung von Ungeziefer. 

Ueber vergleichende Versuche mit Ungeziefermitteln. Von Marine¬ 
stabsapotheker Dr. F. Rabe. Deutsche militärärztliche Zeitschrift; 1916, 
Heft 15/16 und 19/20. 

Die Versuche wurden an Blattläusen angestellt und zum Teil an Kleider¬ 
läusen fortgesetzt. Lausofan-, Globol- und Pedicusol - Dämpfe haben eine 
schnellere Fernwirkung als Terpentindämpfe, jedoch ist ihr Geruch störend. 
Lysol und Kresol haben eine sehr geringe Fernwirkung. Pulver müssen locker 
und nicht zu feucht sein; geeignet ist Infusorienerde, während Bolus mit etwa 
10°/ 0 Magnesia carbonica oder usta aufgelockert werden muß. Eins dieser 
Pulver, mit 40—50°/o Kienöl versetzt, macht die Läuse binnen kurzer Zeit 
bewegungslos und tot. Dr. Bernstein -Mühlhausen L Thür. 


O. Hygiene und öffentliches Gesundheitswesen. 

L Wohnungshygiene. 

Der Innenausban der Kleinwohnungen. Von San.-Rat Dr. M. Rosen¬ 
thal-Berlin. Medizinische Reform; 1916, Nr. 1. 

Im jetzigen Kriege sind allein in Ostpreußen 83563 Gebäude zerstört 
worden; auf sämtlichen Kriegsschauplätzen werden demnach sicherlich Hunderb¬ 
tausende von Wohngebäuden ruiniert worden sein, bei deren Wiederaufbau der 
Städtebauer nach Plänen arbeiten kann, die den Fragen der Verschönerung, des 



Kleinere Mitteilungen und Beferate aus Zeitschriften. 


63 


Verkehrs und der Hygiene Rechnung tragen. Es müssen in den einzelnen 
Kreisen Bauämter eingerichtet werden zur Beratung der einschlägigen Fragen. 
Gerade die kleinen Wohnungen bedürfen dringend der Verbesserung, denn die 
Wohnung dient ihren Inhabern doch für eine lange Zeit des Tages zum stän¬ 
digen Aufenthalte; es müsse berücksichtigt werden die Lage, der Bauplan, 
vor allen Dingen muß auf Licht und Loft geachtet werden. Sehr wichtig sind 
für die Innenräume festgefügte oder fugenlose Fußböden, abwaschbare Wände usw., 
denn gerade die Tapete, die nicht häufig erneuert wird, ist für Krankheits¬ 
keime und Ungeziefer ein Zufluchtsort. 

Verfasser betont weiter die Lüftung, die auf Wohnungsfluren fast nie 
berücksichtigt ist, ferner die Helligkeit, die Einrichtung der Fenster usw. 

Dr. Hoffmann-Berlin. 


2. Bekämpfung der Staubplage. 

Neue Vorrichtungen znm staubfreien Absaugen der Flugasche. Rauch 
und Staub; 1915, Nr. 2. 

Der von E. von Ritter Zuhony in Skrivan bei Neubiolschow (Böhmen) 
angegebene Apparat verhindert den direkten Zutritt der Flugasche aus dem 
Sammelbehälter in die in diesen mündende Saugleitnng. Eine weitere Neuerung 
auf diesem Gebiete ist W. Har t m a n n - Offenbach a. M. patentiert worden, 
welche den Betrieb sehr erleichtert, da die früheren notwendigen Klappen und 
Deckel beim Sammelbehälter fortgefallen sind. Dr. Wolf-Hanau. 


3. Beseitigung der Abwässer. 

Die Abwässerfrage. Von Reg.- und Geheimrat Dr. Niebling-Wies¬ 
baden. Erwiderung. Von Prof.Dr.Rohland -Stuttgart. Schlußerwiderung. Von 
Reg.- und Geheimrat Dr. N i e b 1 i n g - Wiesbaden. Zentralblatt für Gewerbe¬ 
hygiene; 1916, Nr. 11. 

N. bespricht eine Abhandlung von R. 1 ) und stellt eine Reihe von Unrichtig¬ 
keiten fest, die in der Erwiderung von R. zurüokgewiesen werden. In dem 
Schlußwort betont N., daß das Wesen des von R. angegebenen Kolloidtonreinigungs¬ 
verfahrens noch immer nicht geklärt ist. Dr. Wolf- Hanau. 


4. Säuglings- und Kleinkinderfttrsorge. 

Wohlstand und Säuglingssterblichkeit. Von Dr. Klehmet-Kaputh. 
Zeitschrift für Sänglingsfürsorge; 1916, Nr. 10/11. 

Für das Leban des Flaschenkindes sind die Verhältnisse, unter denen 
es geboren und auferzogen wird, von großer Bedeutung, im besonderen die 
Sorgfalt und Pflege, die ihm gewidmet werden kann, die Ehelichkeit der 
Geburt, die wirtschaftliche Lage, die Bildung und Beschäftigung der Eltern, 
die Wohnuugs- und Reinlichkeitsverbältnisse usw. Es ist aber verständlich, 
daß aUe diese Dinge schwer statistisch zu erkennen und zu verarbeiten sind. 

Dr. Wolf- Hanau. 


Die Bedeutung der Mütterberatungsstellen für Kleinkinder. Von 

Prof. Dr. Langstein. Zeitschrift für Säuglingsschutz; 1916, Nr. 11. 

Ans der Praxis aller jener heraus, die Kleinkinderfürsorge treiben, kann 
der Verfasser erklären, daß der Erfolg, wie erwartet, ein ausgezeichneter ist. 
Daher sollte man unter den jetzigen Verhältnissen dafür sorgen, daß in der 
offenen Fürsorge der Weg von der Säuglingsfürsorge zur Kleinkinderfürsorge 
so schnell als möglich beschritten wird und daß die Säuglingsfürsorgestellen 
daß Programm der Kleinkinderfürsorge sich zu eigen machen. 

Dr. W o 1 f - Hanau. 


Säugllngsschutz und Reichswochenhilfe. Von E. Blaust ein-Mann 
heim. Zeitschrift für Säuglingsschutz; 1916, H. 12. 


*) Siehe das Referat über diese Abhandlung in Nr. 19 dieser Zeitschrift 
Jahrgang 1916, S. 693. 



54 


Kleinere Mitteilnngen nnd Referate ans Zeitschriften. 


Der Verfasser berichtet über die seit dem 1. März geschaffene Organi¬ 
sation für die Reichswochenhilfe innerhalb der Abteilang für Wöchnerinnen 
und Säuglingsfürsorge. _ Dr. Wolf- Hanau. 


Allgemeine Mutterschaft»-Versicherung. Von Geheimr&t Professor 
Dr. Meyer. Medizinische Reform; 1916, Nr. 25. 

Die Wochenhilfe fttr Kriegerfrauen gewährt einen Beitrag zur Entbin¬ 
dung, ein Wochengeld, eine Beihilfe für Hebammendienste pp. und endlich ein 
Stillgeld für die Wöchnerinnen, die selbst stillen. Nebenbei aber müßte auch 
eine Krankenkassen - Wochenhilfe weiter bestehen, die zur besseren Vorernährung 
Beihilfen gewährte, die das Stillgeld länger zahlte, und die auch den Schwan¬ 
geren, die nicht arbeitsfähig sind, eine Unterstützung gewährte. Oeffentliche 
Aufwendungen für die Wochenhilfe, die dem Staate die Geborenen erhalten, 
sind gewissermaßen Friedensversicherungs- Prämien. 

Dr. Hoffmann -Berlin. 


5. Jugendfürsorge. 

Zehn Jahre FQrsorgearbeit. Medizinische Reform; 1916, Nr. 24. 

Die deutsche Zentrale für Jugendfürsorge bat ihren Jahresbericht für 
1913/1914 herausgegeben. Im Jahre 1913 wurden 4994 Fälle beraten, im 
Jahre 1914 7101. Die Kriegsarbeit ist eine erheblich größere. Die Jugend¬ 
gerichtshöfe stellen fest, daß zu Anfang des Krieges ein auffallendes Sinken 
der Straffälligkeit eintrat, dem aber im weiteren Verlauf ein ebenso starkes 
Anschwellen der Kriminalität folgte. 1040 Jugendliche standen vor dem Ge¬ 
richt, von dennn nur 96 freigesprochen wurden. Die Einberufung der Väter 
und Vormünder zu den Fahnen hat doch eine größere Aufsichtslslosigkeit der 
jüngeren Kinder gezeitigt. Unter den verurteilten Jugendlichen waren 132 Halb¬ 
waisen, 23 Ganzweisen und 53 Kinder, deren Eltern getrennt leben. Der Krieg 
verlangt besondere Maßnahmen, es wurden Kriegs-Kindergärten, Kriegs- 
Mädchenheime eingerichtet, das Heilerziehungsheim für psychopatische Knaben 
mußte seinen Betrieb erweitern. Die deutsche Zentrale für Jugendfürsorge 
will allen an sie herantretenden Fragen praktisch begegnen. 

Dr. Hoffmann -Berlin. 


6. Soziale Hygiene. 

Einfluß des Krieges auf Ernährung und Gesundheit des deutschen 
Volkes. Von Prof. Dr. N. Z u n t z - Berlin. Tierpbysiol. Institut der Land¬ 
wirtschaftlichen Hochschule. Medizinische Klinik; 1915, Nr. 43 und 44. 

Die Absperrung Deutschlands machte Maßnahmen erforderlich, um den 
Ausfall der im Frieden eingeführten Nahrungs- und Futtermittel auszugleicben. 
Dazu standen zwei Wege zur Verfügung, die auch beschriften wurden: 1. Die 
direkte Einsparung, 2. die Einschränkung der Umwandlung von Nahrungsmitteln 
in tierische Produkte. Es fragt sich nun, ob die vorhandenen Zustände 
genügen, unser Volk kräftig und gesund zu erhalten. In den letzten 
50 Jahren hat sich der Fleiscbgenuß auf den Kopf verdoppelt, ohne daß man be¬ 
haupten kann, die Menschen seien gesunder und leistungsfähiger geworden. 
Man braucht allerdings auch nicht so weit zu gehen, daß man sagt, der 
Fleiscbgenuß, wie er sich im Durchschnitt stellte, führe zu Schädigungen. 
Daß er bei sonst gut gewählter Nahrung gering sein kann, beweisen die 
Leistungen des Vegetariers. Eine erhebliche Beimengung tierischer Nahrung 
zu unserer Kost ist von großem Vorteil, aber keine Notwendigkeit; sie ist 
deswegen ein Vorteil, weil der Magendarmkanal dabei keine so großen Mengen 
zu verarbeiten braucht, was wieder der geringeren körperlichen Leistung ent¬ 
spricht. Auch ist eine kohlenhydratreiche Ernährung nicht so leicht schmack¬ 
haft zu gestalten; ebenso ist es vielen Menschen aus äußeren Gründen nicht 
möglich, zu Mittag zum Essen nach Hause zu gehen. Dem ist abzuhelfen 
dadurch, daß in den Kantinen schmackhafte Kost zur Verfügung gehalten 
wird. Was die Fettknappheit anbetrifft, es stehen höchstens auf den Kopf und 
Tag 40 g zu Gebote, so ist auch dies kein großer Schaden, da das Fett sich 
leicht durch Kohlenhydrate vertreten läßt; es gibt Völker, die täglich nicht 
mehr wie 6 bis 8 g Fett zu sich nehmen. 100 g Fett werden ersetzt durch 
240 g Kohlenhydrate; auch hier sind in erster Linie die Kartoffeln zum Ergab; 



Kleinere Mitteilungen and Beferate ans Zeitschriften. 55 

bestimmt. Nach den Versuchen von Hindkede reichen Fett and Kartoffeln 
allein ans, Arbeitsfreudigkeit and Gesundheit fttr lange Zeit za erhalten. Bei 
Kartoffelnahrang ist der Eiweißbedarf ganz besonders gering. Kriegsbrot ist 
daher unbedenklich. Durch die Einschränkung des Fleischgenusses, der 
reichlicheren Benutzung von Kartoffeln and der Verwendung von Kriegsbrot 
ikleiereiches) ist eine Schädigung nicht za erwarten. Das kleiereichere Brot 
kann bei wenigen daran nicht Gewöhnten geringe Verdauungsstörungen ver¬ 
ursachen. Dem Körper stehen 3 Mittel fttr die erforderliche Anpassung zur 
Verfügung: 1. Eine Anpassung im Drüsenapparat des Verdauungstraktus, 
2. Reflexe auf die Darmmuskulatur, 3. die Bakterienflora des Darmes. Wenn 
sich Beschwerden infolge Kalkmangels geltend machen, empfiehlt es sich, 
Calziumkarbonat oder an Kalk reiche Stoffe (Milch, Käse) zu verabreichen. 
Ein gutes Vorbeugemittel gegen /übermäßige Gärungsprozesse ist das gründ¬ 
liche Kauen der Nahrung. Sollte sich event. bei schwer Arbeitenden Abmagern 
cinstellen, so muß der Arzt für geeignete Zuschüsse sorgen. Das auf den Kopf 
sur Verfügung stehende Mehlquantum muß nach Ermessen und Geschmack des 
einzelnen verabfolgt werden, damit die Angewöhnung an Mehlspeisen nicht 
eingeschränkt zu werden braucht. 

Im zweiten Teil der Abhandlung stellt Z. sich auf den Standpunkt, daß 
die Grundlage unserer Nahrung unbedingt im Inlande erzeugt werden muß. 
Das läßt sich erreichen durch intensiveren Betrieb der Landwirtschaft mit 
heimischen Kräften. Die Verwirklichung dieses Problems hat der Verfasser in 
seinen interessanten Ausführungen näher beschrieben. Er wünscht es so zu 
lösen, daß dabei auch ein Gewinn an Gesundheit und Kraft fttr unsere 
Industriebevölkeruog erzielt wird. Dr. L. Q u a d f 1 i e g - Gelsenkirchen. 


7. Statistik. 

Mord und Totschlag sowie Hinrichtungen in Preußen in den Jahren 
1909 bis 1918. Im Jahre 1913 kamen in Preußen 871 (586 männliche und 
285 weibliche) Personen durch Mord oder Totschlag ums Leben; ferner worden 
18 Hinrichtungen an Männern vollstreckt. In der folgenden, der „Stat. Korr.“ 
entnommenen Uebersicht wird die Zahl der in den Jahren 1909 bis 1913 durch 
Mord oder Totschlag in Preußen umgekommenen männlichen (m.) und 
weiblichen (w.) Personen auch nach dem Alter der Getöteten und nach der 
Art der Tötung nachgewiesen._ 


Gesamtzahl. 

Alter. 

Tötungsart. 

Durch 

1909 

m. w. 

Mord odei 

1910 

m. w. 

' Totschlag 
Personen 

1911 

m. w. 

; umgekom 

1912 

m. w. 

mene 

1913 

m. w. 

Gesamtzahl') 

583 

274 

548 

230 

491 

243 

518 

269 

586 

285 

Alter: 











bis 5 Jahre . 

120 

110 

112 

86 

116 

85 

89 

103 

124 

105 

über 5 bis 15 „ 

20 

18 

19 

22 

23 

17 

29 

13 

22 

25 

„ 15 Jahre . 

443 

146 

417 

122 

352 

141 

400 

153, 

440 

155 

Tötungsart: 











erhängt . 

3 

2 

3 

7 

4 

5 

4 

2 

: 3 

2 

erwürgt. 

25 

36 

20 

24 

26 

21 

25 

28 

25 

37 

erstickt. 

38 

33 

35 

26 

23 

27 

22 

29 

; 40 

26 

ertränkt. 

29 

30 

34 

24 

35 

24 

30 

31 

30 

38 

erschossen. 

75 

67 

65 

59 

61 

70 

78 

78 

79 

71 

erstochen. 

202 

23 

183 

18 

162 

26 

169 

21 

179 

23 

Schnitt in den Hals . . 

9 

8 

17 

14 

13 

11 

11 

12 

1 23 

13 

verbrannt . 

2 

2 

1 

2 

2 

— 

— 

— 

4 

2 

vergiftet. 

12 

11 

10 

4 

i i4 

12 

14 

13 

14 

11 

Sturz von Treppen usw. 

4 

— 

3 

2 

! l 

— 

5 

2 

, 7 

1 

erschlagen. 

154 

36 

129 

26 

114 

31 

127 

37 

147 

39 

sonstige Arten und 
ohne nähere Angabe 

30 

26 

! 48 

24 

l 

36 

16 

33 

16 j 35 

22 


t ) Ausschließlich der Hinrichtungen. 













66 


Besprechungen. 


Von der Gesamtzahl der Getöteten wurde, wie schon in den Vorjahren, 
auch in den Berichtsjahren annähernd die Hälfte erstochen oder erschlagen, 
nämlich 1913 : 388 von 871, 1912 : 364 von 787, 1911: 833 von 784, 1910 : 856 
yon 778, 1909 : 415 von 857. Diese Zahlen am nächsten kommen für 1913 
150 Tötungen durch Erschießen, 68 durch gewaltsames Ertränken, 66 durch 
Ersticken und 62 durch Erwürgen. 

Nach der sozialen Stellung der Getöteten waren, wie in den Vor- 
jahren, am stärksten, beteiligt die Gehilfen, Gesellen, Lehrlinge, Fabrikarbeiter 
usw. Dann folgen die Tagearbeiter, die Selbständigen im Besitz und Beruf 
und die Dienstboten. 

Am meisten erlagen dem Mord und Totschlag wiederum erwachsene 
männliche Personen. Es starben auf diese gewaltsame Weise im Jahre 1913 
von 100000 Lebenden des betr. Geschlechts^ 


in der Provinz 

Westfalen. 

Westpreußen. 

Rheinprovinz. 

Pommern. 

Ostpreußen .. 

(im Staatsdurchschnitt 

Posen . 

Brandenburg . 

Hohenzollern. 

Schlesien. 

Hessen-Nassau. 

Schleswig-Holstein . . . . 
Berlin, Landespolizeibezirk 

Sachsen . 

Hannover. 


männl. 

weibl. 

überh. 

4,40 

1,22 

2,85 

3,40 

0,91 

2,18 

3,38 

1,59 

2,49 

3,28 

0,80 

2,02 

3,25 

0,94 

2,07 

2,94 

1,35 

2,13) 

2,88 

1,26 

2,04 

2,84 

2,11 

2,47 

2,83 

— 

1,88 

2,66 

1,51 

2,07 

2,50 

1,02 

1,74 

2,32 

1,22 

1,78 

2,18 

1,24 

1,66 

2,06 

1,82 

1,68 

1,96 

1,88 

1,65 


Eine Uebersicht der Hinrichtungen für die Jahre 1909 bis 1913, 
nach Provinzen geordnet, ergibt, daß in diesem Jahrfünft in Schlesien die 
meisten Hinrichtungen vollzogen worden sind, und zwar an 21 Männern und 

I Frau. Größere Zahlen zeigen noch Brandenburg mit Hinrichtungen von 

II Männern, Ostpreußen mit Hinrichtungen von 9 Männern und 2 Frauen, 
Westfalen und die Rheinprovinz mit Hinrichtungen von je 9 Männern und 
Sachsen mit solchen von 8 Männern. Es wurden nämlich Personen hin¬ 
gerichtet 

in den Jahren 

in der Provinz 1909 1910 1911 1912 1913 zusammen 


Ostpreußen. 

m. 

2 

m. 

2 

m. 

3 

w. 

1 

m. 

1 

w. 

1 

m. 

1 

m. 

9 

w 

2 

Westpreußen. 

Brandenburg mit Berlin . 

1 

2 

1 

2 

4 

_ 

1 

— 

3 

3 

11 

— 

Pommern. 

1 

1 

1 

— 

— 

— 

1 

4 

— 

Posen. 

— 

2 

1 

— 

1 

1 

2 

6 

1 

Schlesien. 

5 

4 

3 

1 

3 

— 

6 

21 

1 

Sachsen . 

2 

4 

2 

— 

— 

— 

— 

8 

— 

Schleswig-Holstein . . . 

1 

2 

— 

— 

— 

— 

2 

5 

— 

Hannover. 

— 

— 

— 

— 

1 

— 

1 

2 

— 

Westfalen. 

3 

1 

1 

— 

3 

— 

1 

9 

— 

Hessen-Nassau . . 

1 

— 

1 

— 

1 

— 

1 

4 

— 

Rheinprovinz. 

1 

3 

1 

— 

4 

— 

— 

9 

— 

im Staate . . . 

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(Deutscher Reichs- u. Preuß. Staatsanzeiger, Nr. 308 vom 31. Dez. 1915.) 


Besprechungen. 

Die sanitäre Kriegsrüstung Deutschlands. Vierzehn Vorträge, gehalten 
in der Ausstellung für Verwundeten- und Krankenfürsorge im Kriege 
Berlin 1914-15. Berlin 1916. L. Oehmigkes Verlag ,R. Appelius). 
8°; 266 S., mit zahlreichen Abbildungen. Preis: geb. 5 M. 






















Besprechungen. 


67 


Die in dieser Sammlung vereinigten Vorträge sind während der Monate 
Dezember 1914 nnd Januar 1916 im Hauptsitzungssaale des Beichstagsgebäudes 
in Berlin gehalten worden, und zwar auf Veranlassung des Arbeitsausschusses 
der im Beicbstagsgebäude damals veranstalteten Ausstellung für Verwundeten- 
und Krankenfürsorge im Kriege, die es sich zur Aufgabe gestellt hatte, weite 
Kreise der Bevölkerung in anschaulicher und eindringlicher Weise darüber zu 
belehren, was alles zur Versorgung unserer verwundeten und erkrankten Krieger, 
von der fechtenden Truppe bis zum Genesungsheim in der Heimat und 
darüber hinaus geschieht. Die Vortragsreihe ist vom Herrn Ministerialdirektor 
Prof. Dr. Kirchner zusammengestellt und dabei der Zusammensetzung der 
Ausstellung und ihren einzelnen Abteilungen Beehnung getragen. Die Samm¬ 
lung beginnt mit einem Vortrag über das Heeres - Sanitätswesen im Kriege 
von Generalarzt Dr. Paalzow (1); ihm folgen die Vorträge über Verwundeten¬ 
fürsorge in der Marine von Marine - Generaloberarzt Dr. Weber (2), über 
freiwillige Krankenpflege von Prof. Dr. Kimmle (3), über die Genossenschaft 
freiwüliger Krankenpfleger im Kriege von Geb. Justizrat Prof. D. Dr. W. K a h 1 (4), 
über Mitwirkung der Frau in der Verwundeten- und Krankenfürsorge im Kriege 
von Frau Staatsminister von Boetticher (6), über Helferinnen von General¬ 
arzt Dr. Körting (6), über die geschichtliche Entwicklung der Verwundeten¬ 
fürsorge in Altertum, Mittelalter und neuerer Zeit von Dr. Eug. Holländer (7), 
über Ernährung des deutschen Volkes zur Kriegszeit von Geh. Med.-Bat Prof. 
Dr. M. Bubner (8), über Verhütung und Bekämpfung der Kriegsseuchen von 
Wirkl. Geh. Ob.-Med.-Bat Ministerialdirektor Prof. Dr. Kirchner (9), über 
moderne Krankenpflegetechnik von Dr. P. Jacobsohn (10), über Bevölkerungs¬ 
bewegung und Krieg von Oberstabsarzt Dr. Schwiening (11), Uber die 
ethische und wirtschaftliche Bedeutung der Kriegskrüppelfürsorge und ihre 
Organisation im Zusammenhang mit der gesamten Kriegshilfe von Prof. Dr. 
ILBiesalski (12), über die zahnärztliche Fürsorge im Kriege von Prof. 
Dr. med. W. D i e c k (13) und über unsere Kriegskrankenpflege in Belgien von 
Dr. Mamlock (14). 

Sämtliche Vorträge gehen weit über ihre ursprünglich gestellte Aufgabe, 
eine Erläuterung und Ergänzung der Ausstellungsdarbietungen zu geben, hinaus 
und zeichnen sich nicht nur durch eine vollendete Form, sondern auch durch 
ihren bedeutungsvollen, den Vortragsgegenstand völlig erschöpfenden Inhalt 
aus. Man kann daher den Arbeitsausschuß nur dankbar sein, daß er durch 
ihre Drucklegung und Herausgabe diese wertvollen Zeugnisse für die Kriegs¬ 
fürsorgearbeit während des gewaltigen Bingens um des Deutschen Beicnes 
Größe und Zukunft auch weiteren Leserkreisen zugänglich gemacht hat. 

Bpd. 


Fliohsn Kalender für Mediziner nebst Bezepttascbenbuch. Heraus¬ 
gegeben von Dr. J. Bierbach-Heidelberg. 27. Jahrgang 1916/16. Berlin 
1916. 12°; 425 Seiten. Preis: 2 M. 

Der im vorigen Jahre des Krieges wegen nicht herausgegebene Kalender 
ist jetzt für beide Jahre 1916/16 erschienen. Die Anordnung des Stoffes hat 
gegen füher keine Aendernng erfahren, der Inhalt der einzelnen Abhandlungen, 
namentlich des für die Praxis sehr brauchbaren medizinisch-therapeutischen 
Taschenbuches, aber einer gründlichen Durchsicht unterzogen und vielfach er¬ 
gänzt. Dem Notizkalender ist in Form von 4 handlichen Beiheften für jedes 
Vierteljahr beigegeben. Bpd. 


Dr. Orlowaki : Hausarztkaleuder. Verlag von 0. Kabitzsch -Würzbutg. 

Preis: 1 M. 

An Stelle des Begründers und bisherigen Herausgebers des Hausarzt¬ 
kalenders Dr. Dessau er-München, der auf dem Felde der Ehre gefallen ist, 
hat Dr. Orlowski die Neubearbeitung des Kalenders übernommen und sich 
mit bestem Erfolge bemüht, diesen im Geiste seines Begründers fortzusetzen. 
Die dem Kalender beigefügten fünf Merkblätter über Zahnpflege, künstliche 
Atmung, chirurgische Nothilfe auf Beisen und Ausflügen, Maßnahmen bei 
innerlidien Erkrankungen und Frühsymptome der Lungentuberkulose sind zwar 



58 


T&gesnachrichteu. 


unverändert beibehalten, dagegen haben die übrigen, jedem Wochenblatt bei¬ 
gefügten kurzen Abhandlungen manche, den Fortschritten der Wissenschaft 
Rechnung tragende Verbesserung erhalten. Rpd. 


Deutuoher Hebammenkalender 1910; 28. Jahrgang. Berlin 1915. Verlag 
von £lwin Staude. Preis: 1 Mark. 

Die Verteuerung der gesamten Herstellungsarbeiten infolge des Krieges 
haben veranlaßt, den Umfang des Hebammenkalenders gegen früher etwas ein- 
zuschränken, um den bisherigen, allerdings sehr mäßigen Preis von 1 Mark 
beibehalten zu können. Durch die Beschränkung des Umfangs hat aber an 
sich die Brauchbarkeit des Kalenders keinen Schaden erlitten; vielleicht 
empfiehlt es sich bei späteren Ausgaben, auch das 60 Seiten umfassende Tage* 
buch im Kalender selbst fortzulassen und es als Beiheft beizugeben, wodurch 
der Kalender noch handlicher wird. An Abhandlungen bringt der Hebammen* 
kalender diesmal nur eine solche von der Herausgeberin Frau Olga Gebauer: 
über die Pflichten der Hebamme nach dem Kriege und über die Verwertung 
ihrer im Kriege für ihren Beruf gesammelten Erfahrungen. Mit Recht wird 
hier hervorgehoben, daß es eine der wichtigsten Aufgaben der Hebammen sei, 
dafür zu sorgen, daß jede Mutter ihr Kind selbst stillt, damit dieses am Leben 
erhalten bleibt und gesund groß gezogen wird. Den Hebammen erwächst aber 

g erade jetzt eine nicht minder wichtige Aufgabe, das ist die Bekämpfung des 
Geburtenrückganges, namentlich der gewollten Kinderlosigkeit; hier kann 
ihre Mitwirkung recht großen Segen stiften, vorausgesetzt, daß sie in ver¬ 
ständnisvoller und geschickter Weise geschieht. Deshalb dürfte es sich viel¬ 
leicht empfehlen, im nächsten Hebammenkalender eine Abhandlung zu bringen, 
in der diese für die Allgemeinheit so bedeutungsvolle Frage von berufener 
Hand erörtert wird. Rpd. 


Tagesnachrlchten. 

Das preußische Medizinalwesen im Staatshaushaltsetat 1916/17. Der 
neue Etat bringt ebenso wie im Vorjahre mit Rücksicht auf den Krieg fast 
gar keine Acndernngen: Eine Vermehrung der vollbesoldeten Kreis¬ 
arztstellen hat diesmal gar nicht stattgefunden. Von den sonstigen ordent¬ 
lichen Ausgaben ist der Betrag für Reisekosten wiederum niedriger ein¬ 
gestellt; eine Kürzung der Reisepauschalvergütungen der Reg.- und Med.-Räte' 
und Kreisärzte soll aber nicht stattfinden, da genügend Ersparnisse aus den 
Vorjahren vorhanden sind, um den bisherigen Betrag (865000 M.) zu decken. 

Die einmaligen und außerordentlichen Ausgaben sind in 
dem vorliegenden Etat selbstverständlich auch möglichst niedrig bemessen. Es 
fehlt z. B. wiederum ein Betrag für Fortbildungskurse der Medizinal¬ 
beamten; desgleichen sind für deren Teilnahme an der Ausbildung 
der Desinfektoren ebenfalls nur 1000 M. wie im Vorjahre vorgesehen. 
Auch die Beträge für die Granulöse- und Typhusbekämpfung sowie für 
Anstellung von Untersuchungen über den Schutzpocken-lmpfstoff sind 
geringer, da der Mehrbedarf aus Ersparnissen aus dem Vorjahre gedeckt 


werden kann. 

A. Dauernde Ausgaben. 

1. Besoldung von 39 Mitgliedern (mit 600—1200 M.) und 36 
Assessoren (mit 600—1060 M.) der Provinzialmedizinal¬ 
kollegien . 59 850,—M. 

Besoldung von 37 Regierungs- und Medizinalräten mit 

4200—7200 M. 244 800,— „ 

Außerdem für 13 Regierungs- und Medizinalräte pensions¬ 
fähige Zulagen von 600 Mark. 7 800,— „ 

Vermerk: Die Keglerungu- und Medizinalräte und die Direktoren 


der hygieniaebrn Institute in Beutben und Saarbrücken erhalten bis 
zu einem Drittel der Gesamtzahl der etatsmäßigen Stellen je 600 M. 
pen»ion»fähige Zulage. 

Besoldung von 7 vollbesoldeten Kreisärzten als ständige 
Hilfsarbeiter .bei den Regierungen in Königsberg, Potsdam, 






Tagesnachrichten. • 


59 


Breslaa, Oppeln, Arnsberg und Düsseldorf, sowie bei dem 
Polizeipräsidium in Berlin (mit 3000—7200 M.) .... 81 200,— M.‘) 

2. Besoldung von 73 vollbesoldeten Kreisärzten (3000—7200 M.), 

447 nicht vollbesoldeten Kreisärzten, darunter 18 nicht voll¬ 
besoldete Gerichtsärzte, mit mindestens 2100, höchstens 
3900 M., im Durchschnitt 8000 M., sowie für sonstige 


Besoldungen. 1789871,— ,, *) 

3. Wohnungsgeldzuschüsse. 109400,— „ 


4. Remunerierung von 36 Kreisassistenzärzten und von Hilfs¬ 

arbeitern im Bureau-, Kanzlei- und UnterJ>eamtendienst bei 
den Provinzial-Medizinalkollegien sowie zu Beihilfen für die 
Wahrnehmung der Obliegenheiten des Kreisarztes durch 
Gemeindeärzte. 77 550,— „ 

5. Stellenzulagen für nicht vollbesoldete Kreisärzte, einschlie߬ 
lich der Gerichtsärzte. 208650,— , 

5a. Entschädigungen an die vor dem 1. April 1908 angestellten 
vollbesoldeten Kreisärzte für den Fortfall der Fuhrkosten- 
entschädigung und der übrigen ihnen bisher zugeflossenen 
Gebühren für Dienstgeschäfte., . 5 000,— „ 

6. Geschäftsbedürfnisse der Provinzial - Medizinalkollegien 
(320 M.), Dienstaufwandsentschädigung für 2 Regierungs¬ 
und Medizinalräte in Berlin (je 1200 M.), für Vertretung 
von Reg.- und Medizinalräten und von als ständige Hilfs¬ 
arbeiter bei den Regierungen beschäftigten vollbesoldeten 
Kreisärzten (3000 M.), Remunerationen für die Prüfung der 
Rezepte und Rechnungen über die für Staatsanstalten ge¬ 
lieferten Arzneien (3500 M.), Dienstaufwandsentschädi¬ 
gungen für die vollbesoldeten Kreisärzte bis zu 1150 M., 
im Durchschnitt 900 M., für die nicht vollbesoldeten Kreis¬ 
ärzte einschl. der Gerichtsärzte bis zu 900 M., im Durch¬ 
schnitt 400 M. (245500 M.), nicht abgelöste Postporto- 
und Gebührenbeträge, einschtießl. Fernsprech-, Telegramm- 
und sonstige Frachtgebühren für dienstliche Sendungen 
der Kreisärzte (380 M.) sowie Reisekosten für auswärtige 
Mitglieder der Provinzial-Medizinalkollegien, Reisekosten 
und Entschädigungen für die Erstattung schriftlicher 
Gutachten und Berichte an die psychiatrischen Mit- 

f lieder der Besuchskommissionen für die Beaufsichtigung 
er Privat-Irren- usw. Anstalten und Reisekosten für die 
auswärtigen Mitglieder des Beirats für das Apotheken¬ 
wesen (14050 M.). 269160,— „ 

7. Beihilfen zum Studium medizinal - technischer wichtiger 

Einrichtungen und Vorgänge. 8000,— „ 

8. Reisekostenpauschvergütungen der Medizinalbeamten, dar¬ 
unter 465000 M. für Reisepauschvergütungen und 5000 M. 
für Gebühren der Kreismedizinalbeamten für die im dienst¬ 
lichen Interesse vorzunehmende Untersuchung und Begut¬ 
achtung des Gesundheitszustandes von Beamten, ausschlie߬ 
lich derjenigen der Königl. Polizeiverwaltungen, jedoch 
einschließlich der Bauverwaltungen, sowie 105000 M. für 
Reisekosten der Regierungs- und Medizinalräte .... 475000,— „ 3 ) 


») Mehr: 1800 M. nach Maßgabe und Dienstalter der vollbesoldeten 
Kreisärzte. 

s ) Mehr: 7800 M., weil hier jetzt noch die Besoldung für den Leiter 
und Lehrer der Hebammenlehranstalt in der Charitö und für 7 Aerzte der 
französischen Kolonien an gestellt sind. 

3 ) Weniger: 100000 M., da aus den Vorjahren so viel Ersparnisse 
vorhanden sind, daß ebenso wie in den Vorjahren 865000 M. zur Bestreitung 
der Reisekostenpauschvergütungen der Kreismedizinalbe&mten zur Verfügung 
stehen. 










•BO 


Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


die Verfasser im Blut, in den Organen geimpfter Meerschweinchen sehr zarte, 
schlanke Spirochaeten mit flachen Windungen, welche wahrscheinlich die 
Erreger sind. Sie färben sich nach Giemsa und im Schnitt nach Levaditi. 
Das Blut ist hauptsächlich in der ersten Woche infektiös; es empfiehlt sich 
daher, im Beginn der Erkrankung den Tierversuch zur Diagnose, zu verwerten. 
Außer Meerschweinchen sind auch Kaninchen empfänglich, scheinbar nicht 
Affen, Hühner, Katzen, Hunde, Ferkel, Hammel und Mäuse, über Batten sind 
die Versuche noch, nicht abgeschlossen. Die sicherste lafektionsart ist die 
intrakardiale, weniger die intraperitoneale und muskuläre, auch gehen sie 
durch die skarifizierte Haut. Die Menge soll 1—2 ccm betragen. Die 
Spirochaeten finden sich in Leber, Galle, Nieren, seltener im Blut und anderen 
Organen. Arsenikalien brachten keinen therapeutischen Erfolg. Da Rekon- 
valeszentenserum das Virus schon in kurzer Zeit abtötet, ist es zur Behandlung 
zu verwerten. Es handelt sich nun darum, von geeigneten größeren Tieren 
Immunsera für die Behandlung zu gewinnen. 

Dr. L. Q u a d f 1 i e g • Gelsenkirchen. 


Beiträge zur Aetlologle der Wellscheu Krankheit. Von Prof. Dr. 
Hüb euer und Priv.-Doz. Dr. Reiter, Berlin. Deutsche med. Wochen¬ 
schrift; 1916, Nr. 1. 

Die hauptsächlichsten Untersuchungsergebnisse der Autoren sind inzwischen 
durch Uhlenhuth und Fromme (s. vorstehendes Referat) bestätigt: Er¬ 
zeugung eines typischen KrankheitsbildeB beim Meerschweinchen, Möglichkeit 
der Uebertragung auf Kaninchen, Unempfänglichkeit der Mäuse und Batten, 
Vermehrungsfähigkeit des Virus, Virusgehalt des Urins, keine spontane direkte 
Uebertragung von Tier zu Tier, Nichtinfektiosität der Rezidive, fast keine 
Beeinuflssung des Krankheitsverlaufes durch Salvarsan und Atoxyl, Vorhanden¬ 
sein von Immunkörpern in der Rekonvaleszenz und Möglichkeit einer passiven 
Immunisierung. 

Die nach Giemsa gefärbten Präparate zeigten „Gebilde, die man am 
besten mit den feinsten Geißeln der Typanosomen vergleicht". Außerdem 
wurden noch massenhafte kleinste, schwach gefärbte Protoplasmakugelchen 
beobachtet, deren spezifische Bedeutung aber noch offen bleibt. Untersuchungen 
im hängenden Tropfen und im Dunkelfelde waren nicht befriedigend. Der 
augenfälligste Befund konnte bei Leberausstrichen von Meerschweinchen erhoben 
werden, die nach der Infektion möglichst lange gelebt hatten. Die Tiere 
zeigten den hochgradigsten Ikterus und bei der mikroskopischen Untersuchung 
in den Leberausstrichen die feinen Geißelformeü, die man vielleicht als 
Spirochäten ansprechen kann, teils einzeln liegend, teils zu wirren Bündeln 
zusammengeballt. Jede Regelmäßigkeit in Größe und Windung wird vermißt, 
oft sind die „Spirochäten“ langgestreckt wie gedehnt, oft nur an den Enden 
ein wenig umgeschlagen oder vollständig zu Oesen- und Schleifenformen, oder 
sie haben große, peitschenschlagähnliche Windungen; sie sind oft Blut¬ 
körperchen oder anderen Zellen angelagert, äußerst fein und bei Giemsa¬ 
färbung rötlich. Häufig sieht man an der „Spirochäte“ eine sich ebenfalls mit 
Giemsa rotfärbende Knötchenbildung und zwar häufiger bei weniger ikterischen 
Tieren. Im allgemeinen geht die Zahl der in der Leber gefundenen „Spirochäten“ 
dem Grade des Ikterus parallel; sie sind bei mit hochvirulentem Virus geimpften 
Tieren, die rasch ad exitnm gekommen waren, viel weniger zahlreich. 

Auch in nach Levaditi gefärbten Leberschnittpräparaten läßt sich 
die „Spirochäte“ deutlich erkennen, häufig in wirren Knäueln zusammenliegend. 
Sie erscheint natürlich wesentlich dicker als in Giemsapräparaten; die 
Knötchenbildung ist besonders schön zu sehen. 

Ferner können die „Spirochäten“ in anderen Organen, wie Lunge, 
Knochenmark und Milz nachgewiesen werden, allerdings nur ganz ver¬ 
einzelt. Häufiger sind sie im Blute der infizierten Tiere anzutreffen nnd 
zwar einzeln oder in Bündeln und Knäueln zusammenliegend, mit oder ohne 
Knötchenbildung. Immer aber gilt, daß, je stärker der Ikterus ausgesprochen 
bezw. je langsamer die Infektion vorgeschritten ist, desto leichter die be¬ 
schriebenen Mikroorganismen nachweisbar sind. Sie besitzen eine ganz besondere 
Vorliebe für das Lebergewebe, das vielleicht filterähnlich auf die Parasiten 
wirkt and den übrigen Organismus vor einer Ueberschwemmang mit dem 



Kleinere Mitteilungen and Referate aas Zeitschriften. 51 

lebenden Virns schützt. Es ist nicht anzanehmen, daß die „Spirochäten" 
Gefäße verstopfen and hierdurch den Ikteras erzeugen; wahrscheinlich wird 
letzterer durch eine längere toxische Schädigung der Leberzellen hervorgerufen. 
Darüber besteht aber für die Autoren kein Zweifel, daß es sich bei dem 
von ihnen am 1. September 1915 entdeckten Mikroorganismus 
um den Erreger der Weilschen Krankheit handelt. Seine Klassifi¬ 
zierung muß noch geklärt und' festgestellt werden, ob der äußerlich als 
Spirochäte erscheinende Mikroorganismus auch tatsächlich dieser Gruppe zuzu¬ 
sprechen ist. Vorläufig wird als Bezeichnung: Spirochaete nodosa 
(Hübener-Reiter) vorgeschlagen. Prof. Dr. R o e p k e - Melsungen. 


3. Diphtherie. V 

Die Diphtheriebekämpfung und die Schulärzte. Von Sanitätsrat 
Dr. Strelitz, Schularzt in Charlottenburg. Medizinische Reform; 1915, Nr. 24. 

Verfasser macht Bemerkungen zu dem Aufsatz von Wallenstein, 
der das gleiche Thema behandelt; er führt aus, daß in Charlottenburg schon 
längst entsprechende Einrichtungen getroffen seien, daß d,ort schon seit längerer 
Zeit Schulärzte, allerdings im Nebenamte, tätig seien und überhaupt in aus¬ 
gedehnter Weise für die Hygiene des Kindes gesorgt würde. 

Dr. ,Hof f mann-Berlin. 


4. Geschlechtskrankheiten und deren Bekämpfung. 

Jahresversammlung der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung der 
Geschlechtskrankheiten. Medizinische Reform; 1915, Nr. 25. 

Professor Blaschko weist darauf hin, daß die durch den Krieg ver¬ 
ursachte Massentrennung von Männern und Frauen notwendigerweise eine Zu¬ 
nahme des außerehelichen Geschlechtsverkehrs und damit ein Ansteigen der 
Geschlechtskrankheiten gezeitigt hat. Ein solches ist nach den früheren Er¬ 
fahrungen auch wieder mit dem Friedensschloß zu erwarten, deshalb muß be¬ 
sonders jetzt mit aller Energie der Verbreitung der Geschlechtskrankheiten zu 
Leibe gegangen werden. Dahin zielen Schließung der Animierkneipen und 
Bordelle, Abkürzung der Polizeistunde, Schaffung von alkoholfreien Soldaten¬ 
heimen, Ueberwachung der Straßenprostitution, der Winkelhotels usw. Un¬ 
zählige Menschen lassen sich nicht ausheilen und verschleppen zum Teil un¬ 
bewußt die Krankheit weiter. Es müssen Beratungsstellen da sein für der¬ 
artige Kranke. Der Ueberwachung der Prostitution muß die jetzt damit verbundene 
Entehrung genommen werden. Alle Prostituierten müßten einer regelmäßigen 
Salvarsanbehandlung unterworfen werden. Die einzuführenden Schutzmittel 
würden sicherlich den Geburtenrückgang nicht befördern. Genaue Kenntnis 
der Geschlechtskrankheiten muß Allgemeingut der Aerzte werden, deshalb 
müssen diese Krankheiten im Staatsexamen obligatorisch geprüft werden. 

Dr. Hoffmann -Berlin. 


5. Tetanus. 

Spättetanus nach frühzeitiger prophylaktischer Tetanus-Antitoxin* 
Injektion. VonDr. 0. Teutschlaender -Heidelberg. Deutsche medizinische 
Wochenschrift; 1915, Nr. 49. 

Tetanusbazillen, die durch Wunden in die Gewebe gelangt sind, können 
selbst bei lebhafter Granulationsbildung in der Tiefe eingeschlossen werden, 
besonders wenn Knochen- oder Granatsplitter oder andere Fremdkörper die 
Bildung einer Höhle begünstigen. Man kann daher zu den tetanusgünstigen 
Wunden als weiteren Typus geheilte Wunden mit Einschluß von Fremdkörpern 
oder Gewebstrümmern (Narbentetanus) rechnen. Tetanusbazillen können 
symptomlos einheilen. Abgekapselt bleiben sie viele Monate lebens- und ent¬ 
wicklungsfähig oder ihre Toxine doch wirksam; sie können dann bei günstiger 
Gelegenheit zum Ausbruch des Wundstarrkrampfes (Spättetanus) führen. 
Selbst wenn seit der Verwundung Monate verflossen sind, kann der Starrkrampf 
sehr schnell einen ungünstigen Verlauf nehmen. 

Da nur die vollständige Ausschaltung der Tetanuskeime und ihrer Toxine 
mit einiger Sicherheit den Wundstarrkrampf endgültig verhütet oder heilt, 



62 


Kleinere Mitteilangen and Referate aas Zeitschriften. 


sollte die Behandlung stets eine möglichst frühzeitige kombinierte, chirurgisch- 
antiseptisch - antitoxische, sein. Granatsplitter sind möglichst stets za entfernen, 
die Narbe bei Abkapselung auszuschneiden. Die Antitoxinbehandlung allein 
ist selbst bei sofortiger prophylaktischer Anwendung nicht imstande, Spättetanus 
oder Rezidiv sicher zu verhüten; sie wirkt nur vorübergehend gifineutralisierend. 
Solange Tetanusbazillen im Körper vermutet werden können, empfiehlt sich bei 
verdächtiger Temperatursteigerung u. a. die Einspritzung der Heildosis des 
Tetanusserums. Dr. R o e p k e - Melsungen. 


6. Sonstige Krankheiten. 

Akute Darmerkrankungen im Felde und ihre Behandlung, insbe¬ 
sondere mit Suprarenin. Von Prof. Dr. J. Strasburger, Frankfurt a. M , 
Stabsarzt der Landwehr bei einem Feldlazarett. Mediz. Klinik; 1915, Nr. 42. 

Verfasser berichtet zunächst über die akuten Darmstörungen, die ihm 
im Felde begegnet sind: Durchfälle, 1. infolge von Diätfehlern, 2. bei Typhus 
abdominalis, 8. bei Grippe, 4. bei Ruhr, 5. bei fieberhaften Störungen mit dem 
Bilde der Enteritis paratyphosa (Bazillen nicht gefunden), 6. bei Brechdurch¬ 
fall (Cholera nostras>, 7. Beschwerden in der rechten Unterbauchgegend, wobei 
es sich differentialdiagnostisch um Blinddarmkatarrh oder Appendicitis handeln 
konnte. Die Diagnose läßt sich durch Untersuchung des Stuhles erbringen, 
insofern als beim Blinddarmkatarrh Schleim darin enthalten ist. während bei 
destruktiver Appendicitis Schleimbeimengungen fehlen. Therapeutisch bewährte 
sich Bolus alba in großen Dosen (200 g in 2 Portionen hintereinander) sowohl 
bei einfach dünnen, als auch schleimigen und ruhrartigen Stühlen; zuweilen 
blieb auch der Erfolg aus. Uzara brachte die besten Resultate bei ruhrartigen 
Erkrankungen. In vielen Fällen hatte die besten Erfolge Suprarenin-Verordnung 
(8 mal 15—20 Tropfen [1 : 1000] in etwas Wasser per os in Abständen von je 
einer Stunde, manchmal am nächsten Tage wiederholt). Schädliche Wirkungen 
wurden nie beobachtet. Dagegen verlor sich sehr bald der Schleimgehalt. Auf¬ 
fallender war noch das Aufhören von Schleim- und Blutabsonderung nach Ein¬ 
läufen (1 ccm Adrenalinlösung auf */* 1 lauwarmen Wassers). Wahrscheinlich 
beeinflußt das Adrenalin bezw. Suprarenin den Sympathicus und verringert so 
die Schleimsekretion. Vielleicht bewährt sich diese Verordnung auch bei chroni¬ 
schen Darmkatarrhen und bei der Colica mucosa oder auch bei Asthma bronchiale. 
Zu prüfen wäre noch, ob die in kleinen Gaben schon kontraktionerregende 
Wirkung auf den Uterus bei innerlicher Verabreichung erhalten bleibt und 
dadurch bei Graviden zu Abort führen könnte. 

Dr. L. Quadflieg -Gelsenkirchen. 


7. Desinfektion und Bekämpfung von Ungesiefer. 

Ueber vergleichende Versuche mit Ungeziefermitteln. Von Marine¬ 
stabsapotheker Dr. F. Rabe. Deutsche militärärztliche Zeitschrift; 1915, 
Heft 15/16 und 19/20. 

Die Versuche wurden an Blattläusen angestellt und zum Teil an Kleider¬ 
läusen fortgesetzt. Lausofan-, Globol- und Pedicusol - Dämpfe haben eine 
schnellere Fernwirkung als Terpentindämpfe, jedoch ist ihr Geruch störend. 
Lysol und Kresol haben eine sehr geringe Fernwirkung. Pulver müssen locker 
und nicht zu feucht sein; geeignet ist Infusorienerde, während Bolus mit etwa 
10°/ o Magnesia carbonica oder usta aufgelockert werden muß. Eins dieser 
Pulver, mit 40—50°/o Kienöl versetzt, macht die Läuse binnen kurzer Zeit 
bewegungslos und tot. Dr. Bernstein -Mühlhausen i.Thür. 


O. Hygiene and öffentUohea Oeenndkeiteweeen. 

L Wohnungshygiene. 

Der Innenaasban der Kleinwohnungen. Von San.-Rat Dr. M. Rosen¬ 
thal-Berlin. Medizinische Reform; 1916, Nr. 1. 

Im jetzigen Kriege sind allein in Ostpreußen 88558 Gebäude zerstört 
worden; auf sämtlichen Kriegsschauplätzen werden demnach sicherlich Hundert¬ 
tausende von Wohngebäuden ruiniert worden sein, bei deren Wiederaufbau der 
Städtebauer nach Plänen arbeiten kann, die den Fragen der Verschönerung, des 



Kleinere Mitteilungen and Beferate aas Zeitschriften. 


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Verkehrs and der Hygiene Rechnung tragen. Es müssen in den einzelnen 
Kreisen Bauämter eingerichtet werden znr Beratung der einschlägigen Fragen. 
Gerade die kleinen Wohnungen bedürfen dringend der Verbesserung, denn die 
Wohnung dient ihren Inhabern doch für eine lange Zeit des Tages zum stän¬ 
digen Aufenthalte; es müsse berücksichtigt werden die Lage, der Bauplan, 
▼or allen Dingen muß auf Licht und Luft geachtet werden. Sehr wichtig sind 
für die Innenräume festgefügte oder fugenlose Fußböden, abwaschbare Wände usw., 
denn gerade die Tapete, die nicht häufig erneuert wird, ist für Krankheits¬ 
keime und Ungeziefer ein Zufluchtsort. 

Verfassor betont weiter die Lüftang, die auf Wohnungsfluren fast nie 
berücksichtigt ist, ferner die Helligkeit, die Einrichtung der Fenster usw. 

Dr. Hoff mann-Berlin. 


2. Bekämpftang der Staubplage. 

Nene Vorrichtungen znm staubfreien Absaugen der Flugasche. Rauch 
und Staub; 1916, Nr. 2. 

Der von E. vonRitterZuhony in Skrivan bei Neubiolschow (Böhmen) 
angegebene Apparat verhindert den direkten Zutritt der Flugasche aus dem 
Sammelbehälter in die in diesen mündende Saugleitung. Eine weitere Neuerung 
auf diesem Gebiete ist W. Hartmann-Offenbach a. M. patentiert worden, 
welche den Betrieb sehr erleichtert, da die früheren notwendigen Klappen und 
Deckel beim Sammelbehälter fortgefallen sind. Dr. Wolf-Hanau. 


3. Beseitigung der Abwässer. 

Die Abwässerfrage. Von Reg.- und Geheimrat Dr. N i e b 1 i n g - Wies¬ 
baden. Erwiderung. Von Prof. Dr. Ro hl and-Stuttgart. Schlußerwiderung. Von 
Reg.- und Geheimrat Dr. N i e b 1 i n g - Wiesbaden. Zentralblatt für Gewerbe¬ 
hygiene; 1916, Nr. 11. 

N. bespricht eine Abhandlung von R. 1 ) und stellt eine Reihe von Unrichtig¬ 
keiten fest, die in der Erwiderung von R. zurüokgewiesen werden. In dem 
Schlußwort betont N., daß das Wesen des von R. angegebenen Kolloidtonreinigungs- 
verfahrens noch immer nicht geklärt ist. Dr. Wolf- Hanau. 


4. Säuglings- and Klelnklnderfttrsorge. 

Wohlstand and Säuglingssterblichkeit. Von Dr. Klehmet-Kaputh. 
Zeitschrift für Säuglingsfürsorge; 1916, Nr. 10/11. 

Für das Leban des Flaschenkindes sind die Verhältnisse, unter denen 
es geboren und auferzogen wird, von großer Bedeutung, im besonderen die 
Sorgfalt und Pflege, die ihm gewidmet werden kann, die Ehelichkeit der 
Geburt, die wirtschaftliche Lage, die Bildung und Beschäftigung der Eltern, 
die Wohnuugs- und Reinlichkeitsverhältnisse usw. Es ist aber verständlich, 
daß alle diese Dinge schwer statistisch zu erkennen und zu verarbeiten sind. 

Dr. W o 1 f - Hanau. 


Die Bedeutung der Mütterberatungsstellen für Kleinkinder. Von 

Prof. Dr. Langstein. Zeitschrift für Säuglingsscbutz; 1916, Nr. 11. 

Aus der Praxis aller jener heraus, die Kleinkinderfürsorge treiben, kann 
der Verfasser erklären, daß der Erfolg, wie erwartet, ein ausgezeichneter ist. 
Daher sollte man unter den jetzigen Verhältnissen dafür sorgen, daß in der 
offenen Fürsorge der Weg von der Säuglingsfürsorge zur Kleinkinderfürsorge 
so schnell als möglich beschritten wird und daß die Säuglingsfürsorgestellen 
daß Programm der Kleinkinderfürsorge sich zu eigen machen. 

Dr. Wolf-Hanau. 


Säugllngsschutz und Belchgwochenhllfe. Von E. Blaustein-Mann 
heim. Zeitschrift für Säuglingsschutz; 1916, H. 12. 


‘) Siehe das Beferat über diese Abhandlung in Nr. 19 dieser Zeitschrift 
Jahrgang 1916, 8 . 698. 



54 


Kleinere Mitteilungen nnd Referate ans Zeitschriften. 


Der Verfasser berichtet über die seit dem 1. März geschaffene Organi¬ 
sation für die Reichswochenhille innerhalb der Abteilung für Wöchnerinnen 
und Öäuglingsfürsorge. _ Dr. Wolf-Hanau. 


Allgemeine Mutterscbafts • Versicherung. Von Qeheimrat Professor 
Dr. Meyer. Medizinische Reform; 1915, Nr. 25. 

Die Wochenhilfe für Kriegerfrauen gewährt einen Beitrag zur Entbin¬ 
dung, ein Wochengeld, eine Beihilfe für Hebammendienste pp. und endlich ein 
Stillgeld für die Wöchnerinnen, die selbst stillen. Nebenbei aber müßte auch 
eine Krankenkassen - Wochenhilfe weiter bestehen, die zur besseren Vorernährung 
Beihilfen gewährte, die das Stillgeld länger zahlte, und die auch den Schwan¬ 
geren, die nicht arbeitsfähig sind, eine Unterstützung gewährte. Oeffentliche 
Aufwendungen für die Wochenhilfe, die dem Staate die Geborenen erhalten, 
sind gewissermaßen Friedensversicherungs-Prämien. 

Dr. Hoffmann -Berlin. 


5. Jugendfürsorge. 

Zehn Jahre Fürsorgearbeit. Medizinische Reform; 1915, Nr. 24. 

Die deutsche Zentrale für Jugendfürsorge bat ihren Jahresbericht für 
1913/1914 herausgegeben. Im Jahre 1913 wurden 4994 Fälle beraten, im 
Jahre 1914 7104. Die Kriegsarbeit ist eine erheblich größere. Die Jugend¬ 
gerichtshöfe stellen fest, daß zu Anfang des Krieges ein auffallendes Sinken 
der Straffälligkeit eintrat, dem aber im weiteren Verlauf ein ebenso starkes 
Anschwellen der Kriminalität folgte. 1040 Jugendliche standen vor dem Ge¬ 
richt, von dennn nur 96 freigesprochen wurden. Die Einberufung der Väter 
und Vormünder zu den Fahnen hat doch eine größere Aufsichtslslosigkeit der 
jüngeren Kinder gezeitigt. Unter den verurteilten Jugendlichen waren 182 Halb¬ 
waisen, 23 Ganzweisen und 53 Kinder, deren Eltern getrennt leben. Der Krieg 
verlangt besondere Maßnahmen, es wurden Kriegs-Kindergärten, Kriegs- 
Mädchenheime eingerichtet, das Heilerziehungsheim für psychopatische Knaben 
mußte seinen Betrieb erweitern. Die deutsche Zentrale für Jugendfürsorge 
will allen an sie herantretenden Fragen praktisch begegnen. 

Dr. Hoffmann*Berlin. 


6. Soziale Hygiene. 

Einfluß des Krieges auf Ernährung und Gesundheit des deutschen 
Volkes. Von Prof. Dr. N. Z u n t z - Berlin. Tierpbysiol. Institut der Land¬ 
wirtschaftlichen Hochschule. Medizinische Klinik; 1915, Nr. 43 und 44. 

Die Absperrung Deutschlands machte Maßnahmen erforderlich, um den 
Ausfall der im Frieden eingeführten Nahrungs- und Futtermittel auszugleicben. 
Dazu standen zwei Wege zur Verfügung, die auch beschritten wurden: 1. Die 
direkte Einsparung, 2. die Einschränkung der Umwandlung von Nahrungsmitteln 
in tierische Produkte. Es fragt sich nun, ob die vorhandenen Zustände 
genügen, unser Volk kräftig und gesund zu erhalten. In den letzten 
50 Jahren hat sich der Fleischgenuß auf den Kopf verdoppelt, ohne daß man be¬ 
haupten kann, die Menschen seien gesunder und leistungsfähiger geworden. 
Man braucht allerdings auch nicht so weit zu gehen, daß man sagt, der 
Fleischgennß, wie er sich im Durchschnitt stellte, führe zu Schädigungen. 
Daß er bei sonst gut gewählter Nahrung gering sein kann, beweisen die 
Leistungen des Vegetariers. Eine erhebliche Beimengung tierischer Nahrung 
zu unserer Kost ist von großem Vorteil, aber keine Notwendigkeit; sie ist 
deswegen ein Vorteil, weil der Magendarmkanal dabei keine so großen Mengen 
zu verarbeiten braucht, was wieder der geringeren körperlichen Leistung ent¬ 
spricht. Auch ist eine kohlenhydratreiche Ernährung nicht so leicht schmack¬ 
haft zu gestalten; ebenso ist es vielen Menschen aus äußeren Gründen nicht 
möglich, zu Mittag zum Essen nach Hause zu gehen. Dem ist abznhelfen 
dadurch, daß in den Kantinen schmackhafte Kost zur Verfügung gehalten 
Wird. Was die Fettknappheit anbetrifft, es stehen höchstens auf den Kopf und 
Tag 40 g zu Gebote, so ist auch dies kein großer Schaden, da das Fett sich 
leicht durch Kohlenhydrate vertreten läßt; es gibt Völker, die täglich nicht 
mehr wie 6 bis 8 g Fett zu sich nehmen. 100 g Fett werden ersetzt durch 
240 g Kohlenhydrate; auch liier sind in erster Linie die Kartoffeln zum Ersatz 



Kleinere Mitteilungen and Beferate aas Zeitschriften. 55 

bestimmt. Nach den Vcrsachen von Hindkede reichen Fett and Kartoffeln 
allein ans, Arbeitsfreudigkeit and Gesundheit für lange Zeit zu erhalten. Bei 
Kartoffelnahrung ist der Eiweißbedarf ganz besonders gering. Kriegsbrot ist 
daher unbedenklich. Durch die Einschränkung des Fleischgenusses, der 
reichlicheren Benutzung von Kartoffeln und der Verwendung von Kriegsbrot 
(kleiereiches) ist eine Schädigung nicht zu erwarten. Das kleiereichere Brot 
kann bei wenigen daran nicht Gewöhnten geringe Verdauungsstörungen ver¬ 
ursachen. Dem Körper stehen 3 Mittel fttr die erfordesliche Anpassung zur 
Verfügung: 1. Eine Anpassung im Drüsenapparat des Verdauungstraktus, 
2. Reflexe auf die Darmmuskulatur, 3. die Bakterienfiora des Darmes. Wenn 
sich Beschwerden infolge Kalkmangels geltend machen, empfiehlt es sich, 
Calziumkarbonat oder an Kalk reiche Stoffe (Milch, Käse) zu verabreichen. 
Ein gutes Vorbeugemittel gegen übermäßige Gärungsprozesse ist das gründ¬ 
liche Kauen der Nahrung. Sollte sich event. bei schwer Arbeitenden Abmagern 
cinstellen, so muß der Arzt für geeignete Zuschüsse sorgen. Das auf den Kopf 
zur Verfügung stehende Mehlquantum muß nach Ermessen und Geschmack des 
einzelnen verabfolgt werden, damit die Angewöhnung an Mehlspeisen nicht 
eingeschränkt zu werden braucht. 

Im zweiten Teil der Abhandlung stellt Z. sich auf den Standpunkt, daß 
die Grundlage unserer Nahrung unbedingt im Inlande erzeugt werden muß. 
Das läßt sich erreichen durch intensiveren Betrieb der Landwirtschaft mit 
heimischen Kräften. Die Verwirklichung dieses Problems hat der Verfasser in 
seinen interessanten Ausführungen näher beschrieben. Er wünscht es so zu 
lösen, daß dabei auch ein Gewinn an Gesundheit und Kraft für unsere 
Industriebevölkerung erzielt wird. Dr. L. Q u a d f 1 i e g - Gelsenkirchen. 


7. Statistik. 

Mord and Totschlag sowie Hinrichtungen in Preußen ln den Jahren 
1909 bis 1913. Im Jahre 1918 kamen in Preußen 871 (&86 männliche und 
285 weibliche) Personen durch Mord oder Totschlag ums Leben; ferner wurden 
18 Hinrichtungen an Männern vollstreckt. In der folgenden, der „Stat. Korr.“ 
entnommenen Uebersicht wird die Zahl der in den Jahren 1909 bis 1913 durch 
Mord oder Totschlag in Preußen umgekommenen männlichen (m.) und 
weiblichen (w.) Personen auch nach dem Alter der Getöteten und nach der 
Art der Tötung nachgewiesen._ 


Gesamtzahl. 

Alter. 

Tötungsart. 

Durch 

1909 

m. w. 

Mord odei 

1910 

m. w. 

' Totschlag 
Personen 

1911 

m. w. 

r umgekom 

1912 

m. w. 

mene 

1913 

m. w. 

Gesamtzahl 1 ) 

883 

274 

548 

230 

491 

243 

518 

269 

586 

285 

Alter: 











bis 5 Jahre . 

120 

110 

112 

86 

116 

85 

89 

103 

r24 

105 

über 5 bis lö „ 

20 

18 

19 

22 

23 

17 

29 

13 

22 

25 

„ 15 Jahre . 

443 

146 

417 

122 

352 

141 

400 

153 

440 

155 

Tötungsart: 




! 





1 


erhängt ........ 

3 

2 

3 

7 

4 

5 

4 

2 

3 

2 

erwürgt. 

25 

36 

20 

24 

26 

2t 

25 

28 

25 

37 

erstickt. 

38 

33 

35 

26 

23 

27 

22 

29 

40 

26 

ertränkt. 

29 

30 

34 

24 

35 

24 

30 

31 

30 

38 

erschossen. 

75 

67 

65 

69 

61 

70 

78 

78 

79 

71 

erstochen. 

202 

23 

183 

18 

162 

26 

169 

21 

179 

23 

Schnitt in -den Hals . . 

9 

8 

17 

14 

13 

11 

11 

12 

1 23 

13 

verbrannt . 

2 

2 

1 

2 

1 2 

— 

— 

— 

4 

2 

vergiftet. 

12 

11 

10 

4 

14 

12 

14 

13 

14 

11 

Sturz von Treppen usw. 

4 

— 

3 

2 

1 

— 

5 

2 

! 7 

1 

erschlagen. 

sonstige Arten und 

154 

36 

129 

26 

i 1 ' 4 

31 

127 

37 

1 147 

39 

ohne nähere Angabe 

30 

26 

48 

24 

| 86 

16 

i 33 

16 

; 35 

22' 


l ) Ausschließlich der Hinrichtungen. 













56 


Besprechungen. 


Von der Gesamtzahl der Getöteten wurde, wie schon in den Vorjahren, 
auch in den Berichtsjahren annähernd die Hälfte erstochen oder erschlagen, 
nämlich 1913: 888 von 871, 1912 : 354 von 787, 1911: 883 Yon 784, 1910 : 856 
Yon 778, 1909 : 415 Yon 857. Diese Zahlen am nächsten kommen für 1913 
150 Tötungen durch Erschießen, 68 durch gewaltsames Ertränken, 66 durch 
Ersticken und 62 durch Erwürgen. 

Nach der sozialen Stellung der Getöteten waren, wie in den Vor¬ 
jahren, am stärksten, beteiligt die Gehilfen, Gesellen, Lehrlinge, Fabrikarbeiter 
usw. Dann folgen die Tagearbeiter, die Selbständigen im Besitz und Beruf 
und die Dienstboten. 

Am meisten erlagen dem Mord und Totschlag wiederum erwachsene 
männliche Personen. Es starben auf diese gewaltsame Weise im Jahre 1913 
Yon 100000 Lebenden des betr. Geschlechts^ 


in der Provinz 

männl. 

weibl. 

überb. 

Westfalen. 

4,40 

1,22 

2,85 

Westpreußen. 

3,40 

0,91 

2,18 

Rheinprovinz. 

3,38 

1,69 

2,49 

Pommern. 

3,28 

0,80 

2,02 

Ostpreußen .. 

3,25 

0,94 

2,07 

(im Staatsdurchschnitt 

2,94 

1,36 

2,13) 

Posen . 

2,88 

1,25 

2,04 

Brandenburg . 

2,84 

2,11 

2,47 

Hohenzollern. 

2,83 


1,88 

Schlesien. 

2,66 

1,51 

2,07 

Hessen-Nassau. 

2,50 

1,02 

1,74 

Schleswig-Holstein . . . . 

2,32 

1,22 

1,78 

Berlin, Landespolizeibezirk 

2,18 

1,24 

1,66 

Sachsen . 

2,06 

1,82 

1,68 

Hannover. 

1,96 

1,88 

1,65 


Eine Uebersicht der Hinrichtungen für die Jahre 1909 bis 1918, 
nach Provinzen geordnet, ergibt, daß in diesem Jahrfünft in Schlesien die 
meisten Hinrichtungen vollzogen worden sind, und zwar an 21 Männern und 

I Frau. Größere Zahlen zeigen noch Brandenburg mit Hinrichtungen von 

II Männern, Ostpreußen mit Hinrichtungen von 9 Männern und 2 Frauen, 
Westfalen und die Bheiaprovinz mit Hinrichtungen von je 9 Männern und 
Sachsen mit solchen von 8 Männern. Es wurden nämlich Personen hin¬ 
gerichtet 

in den Jahren 

in der Provinz 1909 1910 1911 1912 1913 zusammen 


m. m. m. w. m. 

Ostpreußen. 2 2 3 1 1 

Westpreußen.1 1 — — 1 

Brandenburg mit Berlin .2 2 4 — — 

Pommern.1 1 1 — — 

Posen.— 2 1 — 1 

Schlesien. 5 4 3 1 3 

Sachsen.2 4 2 — — 

Schleswig-Holstein ... 1 2 — — — 

Hannover.— — — — 1 

Westfalen.3 1 1 — 3 

Hessen-Nassau ... 1 — 1 — 1 

Rheinprovinz.1 3 1 — 4 

im Staate ... 19 22 17 2 15 

(Deutscher Reichs- u. Preuß. Staatsanzeiger, Nr. 308 


w. m. m. w. 

119 2 

- - 8 — 

- 3 11 - 

- 14 — 

12 6 1 

- 6 21 1 

- — 8 — 

— 25 — 

— 12 — 

— 19 — 

— 14 - 

— — 9 — 

2 18 91 4 

vom 31. Dez. 1915.) 


Besprechungen. 

Die sanitäre Kriegsrüntung Deutschlands. Vierzehn Vorträge, gehalten 
. in der Ausstellung für Verwundeten- und Krankenfürsorge im Kriege 
Berlin 1914-15. Berlin 1915. L. Oehmigkes Verlag (R. Appelius). 
8'; 266 S., mit zahlreichen Abbildungen. Preis: geb. 5 M. 






















Besprechungen. 


67 


Die in dieser Sammlung vereinigten Vorträge sind während der Monate 
Dezember 1914 nnd Januar 1916 im Hanptsitznngssaale des Beichstagsgebäudes 
in Berlin gehalten worden, nnd zwar auf Veranlassung des Arbeitsausschusses 
der im Beichstagsgebäude damals veranstalteten Ausstellung für Verwundeten- 
und Krankentürsorge im Kriege, die es sich zur Aufgabe gestellt hatte, weite 
Kreise der Bevölkerung in anschanlicher und eindringlicher Weise darüber zu 
belehren, was alles zur Versorgung unserer verwundeten und erkrankten Krieger, 
von der fechtenden Truppe bis zum Genesungsheim in der Heimat und 
darüber hinaus geschieht. Die Vortragsreihe ist vom Herrn Ministerialdirektor 
Prof. Dr. Kirchner zusammengestellt und dabei der Zusammensetzung der 
Ausstellung und ihren einzelnen Abteilungen Beehnung getragen. Die Samm¬ 
lung beginnt mit einem Vortrag über das Heeres - Sanitätswesen im Kriege 
von Generalarzt Dr. Paalzow(l); ihm folgen die Vorträge über Verwundeten¬ 
fürsorge in der Marine von Marine-Generaloberarzt Dr, Weber (2), über 
freiwillige Krankenpflege von Prof. Dr. K i m m 1 e (8), über die Genossenschaft 
freiwilliger Krankenpfleger im Kriege von Geh. Justizrat Prof. D. Dr. W. Kahl (4), 
über Mitwirkung der Frau in der Verwundeten- nnd Krankenfürsorge im Kriege 
von Frau Staatsminister von Boetticher (6), über Helferinnen von General¬ 
arzt Dr. Körting (6), über die geschichtliche Entwicklung der Verwundeten¬ 
fürsorge in Altertum, Mittelalter und neuerer Zeit von Dr.Eug. Holländer (7), 
über Ernährung des deutschen Volkes zur Kriegszeit von Geh. Med.-Bat Prof. 
Dr. M.Bubner (8), über Verhütung und Bekämpfung der Kriegsseucben von 
Wirkl. Geh. Ob.-Med.-Bat Ministerialdirektor Prof. Dr. Kirchner (9), über 
moderne Krankenpflegetechnik von Dr. P. Jacobsohn (10), über Bevölkerungs¬ 
bewegung und Krieg von Oberstabsarzt Dr. Schwiening (11), über die 
ethische und wirtschaftliche Bedeutung der Kriegskrüppelfürsorge und ihre 
Organisation im Zusammenhang mit der gesamten Kriegshilfe von Prof. Dr. 
KBiesalski (12), über die zahnärztliche Fürsorge im Kriege von Prof. 
Dr. med. W. Dieck (13) und über unsere Kriegskrankenpflege in Belgien von 
Dr. Mamlock (14). 

Sämtliche Vorträge gehen weit über ihre ursprünglich gestellte Aufgabe, 
eine Erläuterung und Ergänzung der Ausstellungsdarbietungen zu geben, hinaus 
und zeichnen sich nicht nur durch eine vollendete Form, sondern auch durch 
ihren bedeutungsvollen, den Vortragsgegenstand völlig erschöpfenden Inhalt 
aus. Man kann daher den Arbeitsausschuß nur dankbar sein, daß er durch 
ihre Drucklegung und Herausgabe diese wertvollen Zeugnisse für die Kriegs¬ 
fürsorgearbeit während des gewaltigen Bingens um des Deutschen Beicnes 
Größe und Zukunft auch weiteren Leserkreisen zugänglich gemacht hat. 

Bpd. 


Fis oh am Kalander für Mediziner nebst Bezepttascbenbuch. Heraus- 
gegeben von Dr. J. Bierbach-Heidelberg. 27. Jahrgang 1916/16. Berlin 
1916. 12°; 425 Seiten. Preis: 2 M. 

Der im vorigen Jahre des Krieges wegen nicht herausgegebene Kalender 
ist jetzt für beide Jahre 1916/16 erschienen. Die Anordnung des Stoffes hat 
gegen füher keine Aenderung erfahren, der Inhalt der einzelnen Abhandlungen, 
namentlich des für die Praxis sehr brauchbaren medizinisch - therapeutischen 
Taschenbuches, aber einer gründlichen Durchsicht unterzogen und vielfach er¬ 
gänzt. Dem Notizkalender ist in Form von 4 handlichen Beiheften für jedes 
Vierteljahr beigegeben. Bpd. 


Dr. Orlowski : Hausarstkalender. Verlag von C. Kabitzsch - Würzbuig. 

Preis: 1 M. 

An Stelle des Begründers und bisherigen Herausgebers des Hausarzt¬ 
kalenders Dr. Dessauer-München, der auf dem Felde der Ehre gefallen ist, 
hat Dr. Orlowski die Neubearbeitung des Kalenders übernommen und sich 
mit bestem Erfolge bemüht, diesen im Geiste seines Begründers fortzusetzen. 
Die dem Kalender beigefügten fünf Merkblätter über Zahnpflege, künstliche 
Atmung, chirurgische Nothilfe auf Beisen und Ausflügen, Maßnahmen bei 
innerlichen Erkrankungen und Frühsjmptome der Lungentuberkulose sind zwar 



58 


Tagesnachrichten. 


unverändert beibehalten, dagegen haben die Übrigen, jedem Wochenblatt bei- 
gefflgten kurzen Abhandlungen manche, den Fortschritten der Wissenschaft 
Rechnung tragende Verbesserung erhalten. Kpd. 


Deutaoher Hebammenkalender 1916; 28. Jahrgang. Berlin 1915. Verlag 
von Elwin Staude. Preis: 1 Mark. 

Die Verteuerung der gesamten Herstellungsarbeiten infolge des Krieges 
haben veranlaßt, den Umfang des Hebammenkalenders gegen früher etwas ein* 
zuschränken, um den bisherigen, allerdings sehr mäßigen Preis von 1 Mark 
beibehalten zu können. Durch die Beschränkung des Umfangs hat aber an 
sich die Brauchbarkeit des Kalenders keinen Schaden erlitten; vielleicht 
empfiehlt es sich bei späteren Ausgaben, auch das 60 Seiten umfassende Tage* 
buch im Kalender selbst fortzulassen und es als Beiheft beizugeben, wodurch 
der Kalender noch handlicher wird. An Abhandlungen bringt der Hebammen¬ 
kalender diesmal nur eine solche von der Herausgeberin Frau Olga Gebauer: 
über die Pflichten der Hebamme nach dem Kriege und über die Verwertung 
ihrer im Kriege für ihren Beruf gesammelten Erfahrungen. Mit Hecht wird 
hier hervorgehoben, daß es eine der wichtigsten Aufgaben der Hebammen sei, 
dafür zu sorgen, daß jede Mutter ihr Kind selbst stillt, damit dieses am Leben 
erhalten bleibt und gesund groß gezogen wird. Den Hebammen erwächst aber 

g erade jetzt eine nicht minder wichtige Aufgabe, das ist die Bekämpfung des 
-eburtenrückganges, namentlich der gewollten Kinderlosigkeit; hier kann 
ihre Mitwirkung recht großen Segen stiften, vorausgesetzt, daß sie in ver¬ 
ständnisvoller und geschickter Weise geschieht. Deshalb dürfte es sich viel¬ 
leicht empfehlen, im nächsten Hebammenkalender eine Abhandlung zu bringen, 
in der diese für die Allgemeinheit so bedeutungsvolle Frage von berufener 
Hand erörtert wird. Rpd. 


Tagesnachrichten. 

Das preußische Medizinalwesen im Staatshaushaltsetat 1916/17. Der 
neue Etat bringt ebenso wie im Vorjahre mit Rücksicht auf den Krieg fast 
gar keine Acnderungen: Eine Vermehrung der vollbesoldetcn Kreis¬ 
arztstellen hat diesmal gar nicht stattgefunden. Von den sonstigen ordent¬ 
lichen Ausgaben ist der Betrag für Reisekosten wiederum niedriger ein¬ 
gestellt; eine Kürzung der Reisepauschalvergütungen der Reg.- und Med.-Räte' 
und Kreisärzte soll aber nicht stattfinden, da genügend Ersparnisse aus den 
Vorjahren vorhanden sind, um den bisherigen Betrag (865000 M.) zu decken. 

Die einmaligen und außerordentlichen Ausgaben sind in 
dem vorliegenden Etat selbstverständlich auch möglichst niedrig bemessen. Es 
fehlt z. B. wiederum ein Betrag für Fortbildungskurse der Medizinal¬ 
beamten; desgleichen sind für deren Teilnahme an der Ausbildung 
der Desinfektoren ebenfalls nur 1000 M. wie im Vorjahre vorgesehen. 
Auch die Beträge für die Granulöse- und Typhusbekämpfung sowie für 
Anstellung von Untersuchungen über den Schutzpocken-Impfstoff sind 
geringer, da der Mehrbedarf aus Ersparnissen aus dem Vorjahre gedeckt 


werden kann. 

A. Dauernde Ausgaben. 

1. Besoldung von 39 Mitgliedern (mit 600—1200 M.) und 36 
Assessoren (mit 600—1050 M.) der Provinzialmedizinal¬ 
kollegien . 59 850,— M. 

Besoldung von 37 Regierungs- und Medizinalräten mit 

4200—7200 M. 244 800,— „ 

Außerdem für 13 Regierungs- und Medizinalräte pensions¬ 
fähige Zulagen von 600 Mark. 7 800,— „ 

Vermerk: Die Regierung*- und Medisinalräte und die Direktoren 


der hygienischen Institute in Bcuthen und Saarbrücken erhalten bis 
su einem Drittel der Gesamtzahl der etatsmäßigeo Stellen je 600 M. 
pen»ionsfähige Zulage. 

Besoldung von 7 vollbesoldeten Kreisärzten als ständige 
Hilfsarbeiter .bei den Regierungen in Königsberg, Potsdam, 






Tagesnachrichteo. - 


59 


Breslau, Oppeln, Arnsberg und Düsseldorf, sowie bei dem 
Polizeipräsidium in Berlin (mit 3000—7200 M.) .... 81 200,— M.‘) 

2. Besoldung von 73 vollbesoldeten Kreisärzten (3000—7200 M.), 

447 nicht vollbesoldeten Kreisärzten, darunter 18 nicht voll* 
besoldete Qerichtsärzte, mit mindestens 2100, höchstens 
3900 M., im Durchschnitt 8000 M., sowie für sonstige 


Besoldungen. 1789 871,— „ *) 

3. Wohnungsgeldzuschö8se. 109400,— „ 


4. Remunerierung von 36 Kreis&ssistenzärzten und von Hilfs¬ 

arbeitern im Bureau-, Kanzlei- und ünter^eamtendienst bei 
den Provinzial-Medizinalkollegien sowie zu Beihilfen für die 
Wahrnehmung der Obliegenheiten des Kreisarztes durch 
Gemeindeärzte. 77 550,— „ 

5. Stellenzulagen für nicht vollbesoldete Kreisärzte, einschlie߬ 
lich der Gerichtsärzte. 208650,— „ 

5a. Entschädigungen an die vor dem 1. April 1908 angestellten 
vollbesoldeten Kreisärzte für den Fortfall der Fuhrkosten- 
entschädigung und der übrigen ihnen bisher zugeflossenen 
Gebühren für Dienstgeschäfte., . 5000,— „ 

6. Geschäftsbedürfnisse der Provinzial - Medizinalkollegien 

(820 M.), Dienstaufwandsentschädigung für 2 Regierungs¬ 
und Medizinalräte in Berlin (je 1200 M.), für Vertretung 
von Reg.- und Medizinalräten und von als ständige Hilfs¬ 
arbeiter bei den Regierungen beschäftigten vollbesoldeten 
Kreisärzten (8000 M.), Remunerationen für die Prüfung der 
Rezepte und Rechnungen über die für Staatsanstalten ge¬ 
lieferten Arzneien (3500 M.), Dienstaufwandsentschädi¬ 
gungen für die vollbesoldeten Kreisärzte bis zu 1160 M n 
im Durchschnitt 900 M., für die nicht vollbesoldeten Kreis¬ 
ärzte einschl. der Gerichtsärzte bis zu 900 M., im Durch¬ 
schnitt 400 M. (245500 M.), nicht abgelöste Postporto- 
und Gebührenbeträge, einschließl. Fernsprech-, Telegramm- 
und sonstige Frachtgebühren für dienstliche Sendungen 
der Kreisärzte (380 M.) sowie Reisekosten für auswärtige 
Mitglieder der Provinzial-Medizinalkollegien, Reisekosten 
ubd Entschädigungen für die Erstattung schriftlicher 
Gutachten und Berichte an die psychiatrischen Mit¬ 
glieder der Besuchskommissionen für die Beaufsichtigung 
der Privat-Irren- usw. Anstalten und Reisekosten für die 
auswärtigen Mitglieder des Beirats für das Apotheken¬ 
wesen (14050 M.). 269160,— „ 

7. Beihilfen zum Studium medizinal - technischer wichtiger 

Einrichtungen und Vorgänge. 3 000,— „ 

8. Reisekostenpauschvergütungen der Mcdizinalbeamten, dar¬ 
unter 465 000 M. für Reisepauschvergütungen und 5000 M. 
für Gebühren der Kreismedizinalbeamten für die im dienst¬ 
lichen Interesse vorzunehmende Untersuchung und Begut¬ 
achtung des Gesundheitszustandes von Beamten, ausschlie߬ 
lich derjenigen der Künigl. Polizeiverwaltungen, jedoch 
einschließlich der Bau Verwaltungen, sowie 105000 M. für 
Reisekosten der Regierungs- und Medizinalräte .... 475000,— „ 3 ) 


*) Mehr: 1800 M. nach Maßgabe und Dienstalter der vollbesoldeten 
Kreisärzte. 

®) Mehr: 7800 M., weil hier jetzt noch die Besoldung für den Leiter 
und Lehrer der Hebammenlehranstalt in der Charitä und für 7 Aerzte der 
französischen Kolonien angestellt sind. 

9 ) Weniger: 100000 M., da aus den Vorjahren so viel Ersparnisse 
vorhanden sind, daß ebenso wie in den Vorjahren 865000 M. zur Bestreitung 
der Reisekostenpauschvergütungen der Kreismedizinalbeamten zur Verfügung 
stehen. 










ßD Tagesnachrkbtcn 

9. ti. iö. lie«n«.a?rioruufC der Mitglieder und • Beamten der - Koui* 
iftiesiiiwen iüf die Staatsprüfung der Amlie ( ZttlinSTzt^; ' 

Aporh^ker, Kreisärzte und JSabrungsuiiM'dekeniüu r . K'GOOtV - M. 

11. Institut für Infektionskrankheiten ...... , . 26* 211,— , '■> 

12. Versuch«' und Prtifnngsansiült für Wasserversorgung. «ml 

Ahwässe-itestfitigung in Berlin . ... . . 20&8ftör-' , *) 

J3 Bad ßetti'kb' • *; -.. . 7Ö 870,-- , *i 

14. Kjrgienbchea Institut in Bosen ..... . 77 hW,— , 7 ) 

15, Hygifetyscbes Institut in Bfcutben tObersehi.t •. 9 *.) 

Iß.■.■Institut, für Hygiene ußrl Ih^kttoßskrankheitan k 

. brückt«! . . \ . ... . . , . . . b7 070:- , 

17. Medizinal-lJntarsacJbuogsjinjter (11 voUbeooldbic- KToisartta:,; ' - y^'O^OV-;-' 

ttu Ötgohmneni Danzig* Potsdam, Stettin, B:-v: 
bürg, U-iiia.i-.tf. Stade, Münster, Koblenz and IHWeidi»ri>, 

11 Kroisfissisteozäizte als Assistenten »Bot r :lvrfAer- und 
2 KrüiisKda.istenZHrüte als heiler der UnieranehünglBltalluu:%jV r - 
in Üf.i.nberg und Sigroariogen ... . 19347t),— „ *pj 

18. Ztuchusse für einig») Krnnkenanstfilten . . . 5 510..— „ 

19. u, 20. Impfwesen (Iteüitiübriorang der Vorsteher, AstjUtenteü, 

Tierärzte, sächlich« Ausgabe«. imrfpr.unb'a' «sw.-> . ; 107 981,-- „ 

21. Kosten der anitliftlwh Apbthekenbesichtigung>:n durchdie 

hierzu BevoUmäcbtigten , . . . . «•. . , ;- v . ; 57 500,— 

22 . a-28. Untarstülzangen für aktive Mbd^uinülbeAiDtüdiüOP B 1 !» 

für attägeBchiedenb Medizinalbedm^ sowjie für Witwen unii 

Waisen vqq MfHlizüsftlbßaiaten tßOOi'iti M.i . .... 87500,— , 

.28 a. Unterstützung* n int auf Gr und da* .$ 15 des Kreis- 
arztgesetze'« auf Wurtegcid goMtillt.*» MedizniölbeAtaU-'u 
(künftig wfcgfaUend) JpÖCiO,:- , - 

24. Almosen »n kÜrflecllßh GrbreeMi ßkc zur Huckkehr in 

Heimat, sowie Jur arm»:- Kranke . .900,— .. 

25. für nu-dizin.'iljiiilizeüii'he Äweck». ‘*imH-liliefUiob Sf.HJt) 

har ,B*tstr»)itnog <ter Küsten: 4^V:':->-- 

trolle behufs AbwoItF »ittr (’holbrngeführ und. 2«5 9Ö7 M. ,f»r 

das .Lepra he in» ita Kfci-« Memel ". . .284 70u. - „ 

26. Hafen- and Sthihsüberut.«dmog. eift>efe<ietfl.icli der Qoarati* 

bi.nf'üMSi ;ilt* n . . .55280,— 

27. Aushihrnng de«- Deseuet:, bfttr, die Iiek»»U ! füWff, dh»*rt,r»4g-- 

barer KrauUiiuten .. , . 11)0000, ™ , 

28. UnterstÜtZiiug des BüÄtrkBhebüfiiineuwoefenii 5 . ,, , . 2 tC^i'OOO,-^.^/ ! \yf. 

29. Versehiodone ftüdtirr'Auägoben xZnAällnß für A«2re auf ver» 

«chtwlettün UsD und Nordseeinseln» Beihilfe xn Fortbil-‘ v " - . 
»lung>ku;rsi' für Aeme, Zahnärzte und Apotheker (28000 

Mark) iisw-, . ... 48 887 „ «t 

30. Cuaügskosten . . . -V ■ -■ - . . . . ; . . 27ÖÖ0,—„ . 

";. < -'V-- •• 7; : {',‘54$/..'AVi- v ^üfjahrü- ci 2A4 428,— 

. Danach weui g e r ? ^ 83 71H, — M. 

B. uad «naaerorcl^oiltehtf Aü»{?«-be». 

»»' H«00 i zur T«»tf *>.»1» m *• 4 •• r :M»'»i: - .i.) i b! tut», c ?in der Au ■ 
bild ft a g »li'r Dpsi,»lfrk roren: ftiit: iffOÖ 

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*) W M, 

»)) M ■■ t * CtHl M. - 

;1 ) W « • Al. 

tJ ) Der wird aus vorhandenen Ersparnissen gedeckt. 




Tagesnachrichten 


61 

b) 17000 M. zur Unterbaitang eines Laboratoriums der Versuchs« 
und Prüfungskommission für Wasserversorgung und Abwässerbeseitigung 
für die Zwecke der Mainwasseruntersnchung in Wiesbaden (wie im Vorjahre). 

c) 1000 Mark Zuschuß zwecks Anstellung von Untersuchungen über den 
Sehutzpocken-Impfstoff bei dem Institut für Infektionskrankheiten 
„Robert Koch“ in Berlin (im Vorjahre: 20000 M.). > 3 ) 

d) Bekämpfung der Granulöse 1000 M. (im Vorjahre: 30000 M.)' 3 ). 

e) Bekämpfung des Typhus im Regierungsbezirk Trier 51000 M. (im Vor¬ 
jahre 56 000 M.). 13 ) 

f) 10000 M. zu Beihilfen zur Krebsforschung. 

g) 1000 M. zu Beihilfen zur Anstellung von Weinkontrolleuren im 
Hauptberufe behufs Durchführung des Weingesetzes vom 7. April 1909 
— R.G.B1. 8. 393 (im Vorjahre: 17700 M.)») 

h) Ankauf eines Grundstückes in Bad Bertrich: 65000 M. 

Zusammen: 153 000,— M. 

Im Vorjahre: 106 000,— „ 

Demnach mehr: 47 000,— M. 


Durch Min.-Erlaß Vom 31. Dezember v. J. (s. die Beilage zur 
heutigen Nummer, 8. 10) ist in Preußen die Erstattung eines Gesundheits¬ 
berichts für die beiden vorhergehenden Jahre 1914 und 1915 angeordnet. Hierzu 
können die bisher gebräuchlichen, von der Hofbuehdruckerei von J. C. C. Bruns 
heraus gegebenen Formulare ohne weiteres benutzt werden; es ist dabei nur 
folgendes zu beachten: 

1. In den Tabellen sind die Zahlen, soweit sie für jedes der beiden Jahre 
angegeben werden, für 1914 in schwarzer, für 1915 in farbiger Tinte, unter¬ 
einander einzutragen. 

2. In den Nachweisungen über Wasserleitungen, Abwässerbeseitigung, 
Krankenanstalten usw. ist der Stand am Ende des Jahres 1915 anzngeben und, 
soweit erforderlich, mit dem von Ende 1913 zu vergleichen. 

3. Der Einfluß des Krieges auf die verschiedenen Gebiete der Ge¬ 
sundheitspflege wird bei den zutreffenden Abschnitten des Berichts darzustellen 
sein, z. B. Aenderangen der Erkrankungs- und Sterblichkeitsverhältnisse, 
Verschleppung übertragbarer Krankheiten durch aus dem Felde kommende 
Soldaten oder Kriegsgefangene, Mangel an Krankenhausbetten wegen Einrichtung 
von Barackenanstalten als Lazarette, Ernährungsverhältnisse, Aerzte- und 
Apothekenmangel usw. 

4 Da die Berichte auf die wichtigsten Mitteilungen beschränkt werden 
sollen, so können auch manche auf den Vordrucken angegebenen Tabellen, 
z. B. Zusammenstellung der an den einzelnen übertragbaren Krankheiten Er¬ 
krankten nach Altersklassen usw. unausgefüllt bleiben. 

5. Hinzugefügt sind mit Rücksicht auf die sonst während des 
Krieges gemachten Beobachtungen drei neue Blätter und zwar: 

37 a. Nahrangsmittelfürsorge während des Krieges, 

61a. Kriegsbeschädigtenfürsorge und 

62 a. Tätigkeit der Vereine vom Roten Kreuz und der Vaterländischen 
Frauenvereine. 

Denjenigen Medizinalbeamten, die bereits das Formular bezogen haben, 
werden diese neuen Blätter auf Verlangen unentgeltlich nachgeliefert. 


Nach dem Erlaß des preußischen Kriegsministeriums vom 21. Dezember v. J. 
ist den beim Feldheer vertraglich verpflichteten Zivilärzten, die nach ihrem 
Vertrag bei längerer Dienstbehinderung durch Krankheit keinen 
Anspruch auf die vertragliche Vergütung haben (§ 16 des BGB), in solchen 
Fällen vom ersten Tage der Behinderung ab für deren Dauer ein Tagegeld 
von 18 M. zu zahlen, solange der Vertrag besteht, Bei Dienstbehinderung 
durch Krankheit von verhältnismäßig kurzer Dauer, d. i. bis zu 14 Tagen, wird 
die vertragliche Vergütung weitergezahlt. 


u) Der Mehrbedarf wird aus vorhandenen Ersparnissen gedeckt. 



Tagesnachrichteil. 


62 


Eine gleiche Bestimmung ist vom bayerischen Kriegsministerinm unter 
dem 29. Dezember v. J. getroffen. 


Ein neuer bayerischer Kriegsorden. König Ludwig von Bayern 
hat zu seinem Geburtstage einen neuen Kriegsorden, das „König-Lud wig- 
Kreuz" gestiftet, der ais Zeichen ehrender und dankbarer Anerkennung fflr 
solche Personen bestimmt ist, die sich während dieses Krieges durch dienst¬ 
liche oder freiwillige Tätigkeit in der Heimat besondere Verdienste um das 
Heer oder um die allgemeine Wohlfahrt des Landes erworben haben. An Per¬ 
sonen, die aus Anlaß dieses Krieges bereits eine bayerische Kriegsauszeichnung 
erhalten haben, wird das König-Ludwig-Kreuz nicht verliehen; im Falle der 
späteren Verleihung einer bayerischen Kriegsauszeichnung ist das König-Ludwig- 
Kreuz abzulegen. Das von Prof. B1 e c k e r - München entworfene Ordenszeichen 
ist ein schwarzes Kreuz aus Bronze, dessen eirnndes Mittelstftck auf der Vorder¬ 
seite das Bildnis des Könige und auf der Bückseite in einem Bautenschild die 
Angabe des Stiftungstages trägt. 


TodesfBlle. Am 12. d. M. ist das älteste Mitglied des Deutschen und 
Preußischen Medizinalbeamtenvereins, Geh. San.-Bat Dr. J. P. W. Walltchg 
in Altona nach kurzer Krankheit im 87. Lebensjahre sanft entschlafen. Vor 
einigen Jahren war es ihm noch vergönnt, sein 60jährigea Doktorjubiläum in 
seltener körperlicher wie geistiger Frische zu feiern; unserer damaliger Wunsch, 
daß er noch recht viele Jahre seiner Familie und seinen überaus zahlreichen 
Freunden erhalten bleiben möge, ist aber leider nicht in Erfüllung gegangen, 
nur eine große Gnade ist ihm auch in seinen letzten Lebensjahren zuteil 

g eworden: die Erhaltung der geistigen Frische bis zum letzten Lebenshauche. 

[it ihm ist nicht nur das älteste Mitglied und ein Mitbegründer des Preußischen 
Medizinalbeamtenvereins, sondern auch ein langjähriges Vorstandsmitglied 
dieses Vereins aus dem Leben geschieden, das sich um dessen Entwicklung 
und Gedeihen ganz außerordentliche Verdienste erworben und auch sonst zu 
den tatkräftigsten und erfolgreichsten Vorkämpfern auf dem Gebiete des 
öffentlichen Gesundheitswesens in seinem engeren und weiteren Vaterlande 
gehört hat. Mit den Medizinalbeamten steht die ganze deutsche Aerzteschaft 
schmerzerfüllt an seiner Bahre; denn viele Jahre ist er als Mitglied des 
Geschäftsausschusses des Deutschen Aerztevereins (1876—1906) sowie als 
Schriftleiter des Aerztlichen Vereinsblattes (1887—1901) den Aerzten ein treuer 
Berater gewesen, der sich bei allen seinen Kollegen infolge seiner reichen 
Kenntnisse und Erfahrungen, seines vornehmen und liebenswürdigen Wesens 
der größten Hochachtung und Beliebtheit erfreute. Sein Andenken wird 
daher allzeit in hohen Ehren gehalten werden I 

Am 29. v. Mts. ist Geh. Med.-Bat Prof. Dr. Fränken, bis vor kurzem 
Direktor des hygienischen Instituts in Halle a. 8., im Alter von 64 Jahren 
nach langem Leiden in Hamburg gestorben. Der Verstorbene war einer der 
hervorragendsten Schüler von Bobert Koch, der es verstanden hat, die 
Forschungsergebnisse und Lehren der Wissenschaften für die praktische 
Hygiene nutzbar zu machen. Unterstützt wurde er durch eine glänzende Bedner- 

{ jabe, die ihn besonders befähigte, auch Nicbtmedizinern selbst schwierigere oder 
angweiligere Fragen leicht verständlich und fesselnd darzustellen. Außerordent¬ 
lich groß ist deshalb die Zahl derer, die als Schüler, Kursusteilnehmer usw. 
zu seinen Füßen gesessen haben, seinem Vortrage mit großer Aufmerksamkeit 
gefolgt sind und sich dieser Zeit sicher stets mit großer Dankbarkeit erinnern 
werden. Aber auch sonst hat der Verstorbene einen segensreichen Einfluß auf dem 
Gebiete der öffentlichen Gesundheitspflege ausgeübt. Sein Andenken wird des¬ 
halb namentlich bei den Medizinalbeamten unvergessen bleiben I 


Am 7. Februar d. J. findet im Plenarsitzungssaal des Beichstags in 
Berlin eine außerordentliche Tagung der Deutschen Vereinigung für 
Krüppelfürsorge E. V. statt. Beginn: vormittags 10 Uhr. VorläufigeVor- 
tragsfolge: 1. Wirkl. Geh. Ober-Med.-Bat Prof. Dr. Dietrich-Berlin: 



Tagesnachrichten 


68 

Eröffnungsansprache. 2. Prof. Dr. E. Biesalski-Berlin: Ein Jahr Kriegs- 
kröppelfürsorge mit besonderer Berücksichtigung der ärztlichen Tätigkeit. 
8. Generalarzt Dr. Schnitzen-Berlin: Die stationären und ambulanten Für- 
sorgeeinrichtnngen für Kriegsbeschädigte in Deutschland. 4. Oberstabsarzt 
Prof. Dr. Spitzy-Wien: Die Anordnung und Organisation des Wieteer ortho¬ 
pädischen Spitals und der Invalidenschule. 5. Pastor Hoppe- Nowawes: Die 
Friedenskrüppelheime als Grundlage für die gleichartige Fürsorge der Kriegs¬ 
verletzten. 6. Prof. Biedinger- Würzburg: Die Werkstätte als Heilmittel, 
Vorbereitung und Ausbildung. 7. Uebnngsschulen für Hirnverletzte. Zum 
Beferat ist aufgefordert: Prof. Goldstein-Frankfurt a. M. 8. Erziebungs- 
direktor W ü r t z - Zehlendorf: Handübungsschulen. 9. Gewerbeschallehrer 
Schl osser-Halle und Prof. Dr. Koepert-Dresden: a) Einarmer in der 
Schule, insbesondere das Schreiben mit der linken Hand. — b) Bedeutung ein¬ 
armiger Lehrmeister für Einarmigenschulen. 10. Ministerialdirektor Dr. Dönh of f- 
Berlin: Fortbildungsschule und Gewerbeschule im Dienst der Kriegskrüppel¬ 
fürsorge (Baugewerbeschule). 11. Landesökonomierat Meyer-Bode - Nürnberg: 
Die landwirtschaftliche Ausbildung. 12. Kommerzienrat K r a i s s - Stuttgart: Die 
geeignetsten Ausbilduugverfahren für die verschiedenen Erwerbsmöglichkeiten 
der einzelnen Verletzungen. 18. Zeicheninspektor M öh r in g- Nürnberg: Lazarett, 
Erwerbsschule und Berufsberatung als organisches Ganze. 14. Architekt Prof. 
Hugo Eber har dt-Offenbuch: Die Bedeutnag der Qualitätsarbeit für die 
Beschäftigung und den gewerblichen Unterricht. (Heimatkunst, Volkskunst, 
Heimarbeit.) 


Ehrentafel. Es haben weiterhin erhalten das Eiserne Kreuz I. Klasse: 

Generalarzt Dr. Jo bann es-Saarbrücken. 

Stabsarzt d. Bes. Dr. Ed. Beiß, Privatdozent in Tübingen. 

Das Eiserne Kreuz II. Klasse: 

Stabsarzt d. L. Dr. Ascher, Kreisarzt in Berlin. 

Stabsarzt d. Bes. Dr. Buchholtz, Mitglied des KaiserL Gesundheits¬ 
amtes in Berlin. 

Oberstabsarzt d. Bes. Geh. Beg.-Bat Prof. Dr. Händel, Direktor im 
Kaiser!. Gesundheitsamt in Berlin. 

Keg.-Bat Dr. Hamei, Mitglied im Kaiser!. Gesundheitsamt in Berlin, 
Delegierter des Kaiserl. Kommissars für freiwillige Krankenpflege. 

Stabsarzt d. Bes. Dr. Klok,. wissenschaftlicher Hilfsarbeiter im Kaiserl. 
Gesundheitsamts in Berlin. 

Stabsarzt d. Bes. Prof. Dr. Lange, Mitglied des Kaiserl. Gesundheits¬ 
amtes in Berlin. 

Stabsarzt d. L. Dr. Mangelsdorf, Kreisassistenzarzt des Stadt- und 
Landkreises Stolp. 

Kriegsfreiwilliger Arzt beim Kriegslazärett Abt. 131 in Bußland, San.-Bat 
Dr. Podlewski, Kreiswundarzt a. D., Berlin-Schöneberg. 

Assistenzarzt d. Bes. Dr. Boos, wissenschaftlicher Hilfsarbeiter im 
Kaiserl. Gesundheitsamte in Berlin. 

Das Eiserne Krenz am schwarz-weißen Bande: 

Geh. Med.-Bat Dr. Behrend, Kreisarzt in Kolberg. 

Außerdem haben erhalten: Das Königl. Sächische Kriegsver¬ 
dienstkreuz: Med.-Bat Dr. Petz hold t, Bezirksarzt in Pirna; — das 


') In Bezug auf die Ehrentafel muß sich die Bedaktion darauf be¬ 
schränken, nur diejenigen Auszeichnungen zu bringen, die Medizinalbeamten 
und Mitgl ieder der Medizinalbeamtenvereine betreffen. Nur die 
Verleihungen des Eisernen Kreuzes I. Klasse werden auch weiterhin vollständig 
gebracht werden, ebenso die Namen der auf dem Felde der Ehre ge¬ 
fallenen oder gestorbenen Aerzte. Die Mitteilungen werden sich 
jedoch auch ferner auf die im Felde stehenden Söhne der Medizinalbeamten usw. 
erstrecken, soweit sie der Bedaktion bekannt geworden sind; sie ist deshalb 
für die Zusendung solcher Mitteilungen sehr dankbar. 



64 


Tageanachrichten 


Königl. Wflrttembergische Wilhelmskrens mit 8chwertem: 
Generaloberarzt <L L. and sachverständiger Beirat Medizinaldirektor Dr. 
▼. Rembold in Stuttgart; — das Bitterkreas II. Klasse des 
Sachsen-Ernestineschen Hansordens: Polizeiarzt Dr. Steude- 
mann in München; — das Ritterkrenz II. Klasse des Königlich 
Sächsischen Albrechtsordens mit Schwertern: Assistenzarzt 
d. Res. Dr. Petzholdt, Sohn des Med.-Rats Dr. Petzholdt, Bezirksarzt 
in Pirna. * 


Ehren - OodiohtnlntafoL Für das Vaterland gefallen sind ferner: 
Oberarzt d. L. Dr. Frank. 

Geb. Med.-Rat Dr Prof. Dr. Fried rieh-Königsberg i. Pr. 
Abteilnng8arzt Dr. Adolf Giesebrecht-Schmolsin (Reg.-Bez. Köslin). 
Assistenzarzt d. Res. Dr. Hacker, Assistenzarzt der Provinzial-Heil- 
nnd Pflegeanstalt in Göttingen. 

Unterarzt d. Res. Hahn. 

Feldnnterarzt W. Jacoby-Berlin. 

Stabsarzt d. L. Dr. Hngo Ladenburger-Mannheim.. 

Feldnnterarzt Otto L an er- Wiesbaden (gestorben infolge von Krankheit). 
Stabsarzt d. L. Dr. Leef he im-Bremen. 

Assistenzarzt Dr. Pani Lindner-Danzig. 

Stabsarzt d. L. Dr. Otto L o o s e - Berlin. 

Stabsarzt d. L. Dr. Arthur Rosenberg-Berlin. 

Assistenzarzt d. L. Dr. K. Schloß -Frankfurt a. M. 


Cholera. Im Deutschen Reich sind Choleraerkrankungen auch 
weiterhin nicht mehr vorgekommen; in Oesterreich betrug ihre Zahl (und 
die der Todesfälle) vom 28. Nov. bis 11. Dez. v. J.: 10 (3) und 33 (9), davon 
7 (3) und 32 (9) in Galizien, in Ungarn vom 29. Nov. bis 12 Dez. v. J.: 
37 (19) und 72 (42), außerdem vom 18. Nov. bis 10. Dez. v. J. 675 (276) in einem 
Gefangenenlager im Komitat Temes unter den dort untergebrachten Gefangenen; 
»Kroatien und S1 a v o n i e n vom 20. Nov. bis 13. Dez. v. J.: 29 (11) u. 20 (18). 

An Fleckfleber ist im Deutschen Reich vom 26. Dez. v. J. bis 
1. Jan. d. J. nur eine Erkrankung gemeldet. 

Pocken'Erkrankungen sind im Deutschen Reich in der Woche vom 
26. Dez. v. J. bis 8. Jan. d. J. nur 1 (—) und 3 (—) beobachtet. 


Erkrankungen und Todesfälle an ansteckenden Krankheiten ln 
Preußen. Nach dem Ministerialblatt für Medizinal-Angelegenheiten sind in der 
Zeit vom 12. bis 2ä. Dezember 1916 erkrankt (gestorben) an Pest, Gelb¬ 
fieber, Fleckfieber, Cholera, Tollwut, Rotz, Aussatz: — (—), 
— (—); Bißverletzungen durch tollwntverdächtige Tiere: 
10 (—), 4 (—); Milzbrand: — (1), — (—); Pocken: 8(1), 8 (-); Unter¬ 
leibstyphus: 328 (27), 155 (24); Ruhr: 76 (6), 38 (4); Diphtherie: 
8717 (278), 3421 (285); 8charlach: 2752 (121), 2311 (123); Kindbett¬ 
fieber: 91 (28), 55 (16); Genickstarre: 9 (6), 5 (1); spinaler 
Kinderlähmung: 1 (1), 3 (1); Fleisch-, Fisch- und Wurstver¬ 
giftung: 9 (—), 8 (—); Körnerkrankheit (erkrankt): 38, 38; 
Tuberkulose (gestorben): 654, 660. 


Mitteilung. Das Inhaltsverzeichnis für den letzten Jahrgang dieser 
Zeitschrift wird infolge des durch den Krieg stark verminderten Setzer¬ 
personals der Druckerei erst der Nr. 3 beigefügt werden. 


tion: Prof. Dr. Rapmund, 


Geh. Med.-Rat in Minden i. W. 


Ja C. O. Bnu, HertOfl. Bachs, u. FOrstl. Sch.- L. Hofbachdruckercl in Minden. 







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3* TaeEohjr/ör, '• 

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'M? 8 otiju teffiffwl- 







29. Jahrg. 


1916 


Zeitschrift 

für 

MEDIZINALBEAMTE. 


Zcrtnlbtott 

fflr das gesamte Gebiet der gerichtlichen Medizin und Psychiatrie, 
des staatlichen und privaten Versicherungswesens, sowie fOr das 
Medizinal- und öffentliche Gesundheitswesen, einschließlich der 

Hygiene und Bakteriologie. 

Herusgegeben 

TOD 

Prot Dr. OTTO RAPMUND, 

Geh. Med -Rat (n Minden l. W. 


Offizielles Organ des Deutschen, ^reussischen, Bayerischen, Sächsischen, 
Württembergischen, Badischen, Hessischen, Mecklenburgischen, Thüringischen, 
Braunschweigischen und Eisass - Lothringischen Medizinalbeamtenvereins. 


Verla# von Fiseher’s med. Buehhandlg E Kornfeld, 

Henogl. Bayer. Hot- tl U u. JL Kammer - BTTOhMtndlar. 

Berlin W. 62, Keithstr. 5t 

Anzeigen aehmeo die VerlngflhftndlnBg sowie aHe Anieige nenn ahmest eilen dee In- 
nad AueUndes entgegen. 


Nr. 3. 


Erscheint am I. und JM. Jeden HongtiJ 5. Febr, 


Ted durch Ueberfahren mittels Autos? 

7on Kreisarzt Dr. L5er, Paderborn. 

Am 6. Januar 1914 wurde in einem kleinen Fichten¬ 
wäldchen, das unmittelbar an die von S. nach L. führende 
Landstraße grenzt, von einem Jäger die Leiche eines unbe¬ 
kannten Mannes gefunden. Die Leiche lag, 35 m abseits der 
Landstraße, auf dem Gesichte, den Kopf etwas nach der Seite 
gewandt. Das Gesicht war mit Blut besudelt, unter dem linken 
Auge nahe der Nase fand sich eine runde, tiefe Wunde mit 
einem schmalen Seitenriß, auch am Hinterkopf fanden sich 
einige Verletzungen. Bei der Leiche wurde eine leere Liter¬ 
flasche (Schnaps), ferner ein Kasten mit Kautabak, eine Streich¬ 
holzschachtel, eine Börse mit zwei 5-Pfennigstücken und die 
Fetzen eines Briefes vorgefunden, aus dessen Aufschrift die 
Leiche als die des am 1. Juni 1865 geborenen J. M. aus D. fest¬ 
gestellt wurde. M. war ein wegen Wilddieberei, Sittlichkeits- 
Verbrechen und Bedrohung mit 5 / 4 Jahren Zuchthaus vorbe¬ 
strafter Mensch, der in der letzten Zeit sich in M. mit Korb- 
macherei beschäftigt hatte. 













66 


I>r. Löer 


An der Fundstelle waren Blut- oder Fußspuren nicht zu 
sehen; auch wurden weder eine Waffe, noch ein sonstiger 
Gegenstand gefunden; auoh eine Kopfbedeckung fehlte. 

Der zur gerichtlichen Leichenschau zugezogene Arzt 
Dr. W. erhob folgenden Befund: 

ln der Umgebung des linken Nasenloches war die Haut blntig ver¬ 
färbt und z. T. fetzig zerrissen. Die Untersuchung des Nasenloches ergab 
eine Zertrümmerung des Knorpels. 4 cm hinter dem rechten Ohr, 6—6 cm 
oberhalb des Warzenfortsatzes fand sich ebenfalls eine Wunde (rundlich).“ 

Sein Gutachten lautete: 

Meiner Meinung nach handelt es sich um eine Schußverletzung. Der 
Schußkanal verläuft von der oben bezeichneten Stelle hinter dem Ohr zum 
Gesicht zum linken Nasenloch. Verbrennung der Haut oder Haare wurde 
nicht festgestellt Im übrigen wies der Körper keine Verletzungen auf. 

Die am 9. Januar 1914 vorgenommene Leichenöffnung 
ergab folgende bemerkenswerte Befunde: 

A. Aeußere Besichtigung. 

1. Die Leiche des etwa 46—50 Jahre' alten Mannes ist 162 cm lang, der 
Körperbau ist mittelkräftig, Ernährungszustand mittelmäßig, Muskulatur gut. 

3. Das Gesicht ist durch Fichtennadeln, vereinzelte Borken von 
Fichtenrinde und etwas schwärzliche Erde ziemlich gleichmäßig beschmutzt, 
besonders auf der rechten Gesichtshälfte. An der rechten Stirnhälfte 
unterhalb der Haargrenze, 4 cm oberhalb der rechten Augenbraue, befindet 
sich eine mehr bräunlich gefärbte Hautstelle von unregelmäßiger Gestalt und 
3 zu 3 cm Größe, an der die Oberhaut fehlt. Eingeschnitten zeigt sich ein 
freier Bluterguß im Gewebe. 

Am Nasenrücken, an der Nasenspitze beginnend und bis ungefähr zur 
Mitte des Nasenrückens reichend, fehlt die Haut in einer Länge von 2 cm und 
einer Breite von 1V* cm. Die Bänder des Defekts sind unregelmäßig wie 
zerfressen; das freiliegende Unterhautgewebe ist ebenfalls mit schwärzlichem 
Schmutz und einzelnen Fichtennadeln bedeckt. Die erhaltenen Hautränder 
zeigen keine blutige Durchtränkung. Links von diesem Hautdefekt fehlt die 
Haut und zum Teil das Unterbautgewebe bis auf den seitlichen Nasenknorpel 
in einer Ausdehnung von 8 cm Länge und teils 1, teils 2 cm Breite. Dieser 
Defekt ist von dem vorgenannten durch eine Hautbrücke getrennt, die im 
unteren Teile der Nase 1—2 mm, in der Mitte der Nase 2 cm breit ist. Der 
Defekt greift in einem nach oben gerichteten Bogen, fast parallel dem unteren 
Augenlid verlaufend, auf die linke Wange über und endet 2‘/t cm oberhalb 
des linken Mundwinkels. Seine Bänder und Bein Grund zeigen dieselbe Be¬ 
schaffenheit, wie bei dem ersten Hautdefekt am Nasenrücken beschrieben. 
An dem äußersten Ende des Defekts befindet sich, Vs cm von ihm entfernt, 
auf der linken Wange eine bräunliche Hautverfärbung von rundlicher Gestalt, 
mit einem Durchmesser von 0,5 cm. An dieser Stelle ist die Oberhaut entfernt, 
die Bänder sind zackig; eingeschnitten zeigt sich kein Bluterguß. 

Nach Abwaschen des Gesichts werden weitere Verletzungen nicht ge¬ 
funden. ln der rechten Ohrmuschel befindet sich eine dünne Schicht hell¬ 
roten Blutes, die auch in den äußeren Gehörgang reicht, soweit dieser zu 
übersehen ist. Am Bande der rechten Ohrmuschel ist die Baut im oberen 
Teile blaurot gefärbt, an 3 Stellen von Klein Erbsen- bis Linsen-Größe ist 
die Oberhaut abgehoben, haftet aber noch an den Bändern fest. Eingeschnitten 
findet sich unter dieser Partie ein kleiner flächenhafter Bluterguß. An der 
Bückfläche der Ohrmuschel fehlt die Oberhaut in Form eines Dreiecks, dessen 
Längsseite 8 cm lang und dessen nach dem Ohransatz gerichtete Spitze 27* cm 
von dem Bande der Ohrmuschel entfernt ist. Die Bänder sind unregelmäßig 
zackig, ähnlich den vorhin auf der Nase und der Wange beschriebenen 
Defekten. Die gleiche Beschaffenheit zeigt die freiliegende Lederhaut, auch 
hier sind die Bänder nicht blutig durchtränkt. 

Auf dem mit etwa 3—4 cm langen, ziemlich dichten dunkelblonden 
Haaren bedeckten Schädel ist die Haut in .der Gegend des rechten 8cheitel- 



Tod durch Ueberfahren mittels Autos? 


67 


höekers mit einer dttnnen Schicht eingetrockneten Blutes besudelt, die sich 
fast über die ganze rechte hintere Kopfhälfte eretreckt. Nach Abwaschen 
dieser Schicht und Entfernung der Haare zeigt sich auf dem rechten Scheitelhöcker , 
7 cm oberhalb des Ohransatzes, 8 cm von der Scheitelhöhe entfernt, eine 
schmutzig braunrot gefärbte Hautstelle von rundlicher Gestalt und einer Größe 
von 2 zu 27* cm Durchmesser. Innerhalb dieser Hautstelle findet sich eine 
von vorn oben nach hinten unten verlaufende, 27t cm lange, 1—2 mm breite 
Zusammenhangstrennung der Haut, die mit lockerem Blute verklebt ist. 
Zwischen den Wundrändern sind einzelne Hautbrttcken erhalten. 

Vom oberen Bande dieser Hautdurchtrennung zweigt sich etwas nach 
dem Ohre zu, der ersteren fast parallel verlaufend, eine kleine, 1 cm lange, 
mehr oberflächliche Durchtrennung der Haut ab. Die Bänder beider Hant- 
durchtrennungen sind unregelmäßig und blutig durchtränkt. Sonst sind am 
Schädel keine Verletzungen vorhanden. 

8. Die Brust ist gut gewölbt, Zwischenrippenräume weder verbreitert, 
noch eingesunken. Keine Verletzungen. 

9. Am Bücken sind keine Verletzungen. 

B. Innere Besichtigung. 

I. Kopfhöhle. 

14. Die weichen Kopfbedeckungen sind an ihrer Innenfläche im 
aUgemeinen blaß-gelblich. Entsprechend der an der rechten Stirnhälfte be¬ 
schriebenen Braunverfärbung der Haut ist die Kopfschwarte stark blutig 
durchtränkt. Zwischen ihr und dem Schädelknochen liegt ein flächenhafter 
Bluterguß von 2—4 cm Breite und 1—17« cm Dicke. Die vorhin be¬ 
schriebene, auf dem rechten Scheitelhöcker befindliche Hautdurchtrennung 
durchsetzt nicht die ganze Dicke der Kopfschwarte, sondern etwa derselben; 
die weichen Kopfbedeckungen sind jedoch in der ganzen rechten Schläfengegend 
mit einem flächenhaften Bluterguß von 12 zu 10 cm Größe und bis 7* cm 
Dicke durchsetzt. Auch die Knochenhaut ist an der entsprechenden Stelle 
durch einen Bluterguß durchsetzt. Unter dieser Stelle findet sich eine schwere 
Zertrümmerung des Schädelknochens und zwar ist die ganze rechte 
Schläfenbeinschuppe in drei Stücke zertrümmert, die sich leicht abheben lassen. 
Das größte Knochenstück hat eine Länge von 6 und eine Breite von 4 cm; 
die beiden kleineren, die gleich groß sind, eine Länge von 8 und eine Breite 
von 2'/* cm. Von dem vorderen Winkel des Knochendefekts zieht bis zur 
Mitte des Vorderhauptbeines ein linienförmiger Knochensprung von 4 1 /« cm 
Länge. Unter dem Knochendefekt liegt auf der harten Hirnhaut ein 
Erguß geronnenen Blutes, etwa l 1 /« Eßlöffel voll. Die harte Hirnhaut selbst 
zeigt sich an dieser Stelle in einer Länge von 4 cm spaltförmig durchtrennt. 

Der Schädel sägt sich ziemlich leicht, er ist an der dicksten Stelle 
1V» cm, an der dünnsten 4 mm dick. 

16. Zwischen harter und weicherHirnhaut liegt in der Gegend des 
rechten Schläfenhirns ein flächenhafter Bluterguß von 10: 12 cm Größe. Die 
Maschen der weichen Hirnhaut sind zwischen den Gehirnwindungen überall, 
auch an der linken Seite und an der Unterfläche, mit teils leicht geronnenem 
Blute vollständig ausgefüllt. Die Gefäße der weichen Hirnhaut sind bis etwa 
'/« ihrer Bundung mit dunklem Blute gefüllt. Die weiche Hirnhaut selbst ist 
überall durchsichtig, zart und glänzend und läßt sich leicht abziehen. 

In sämtlichen Schädelgruben befinden sich Blutgerinnsel, besonders 
stark in der rechten mittleren und der linken vorderen Schädelgrube. Die 
beiden letzteren sind fast vollständig durch diese Blutgerinnsel ausgefüllt. 

17. Die beiden Hirnhalbkugeln sind gleichmäßig gewölbt, ihre 
Windnngen deutlich ausgeprägt, im rechten Schläfenhirn findet sieh ein 
Substanzverlust von 3:1 cm Größe, der bis in die rechte Seitenkammer 
hineinreicht. 

18. Beide 8eitenhöhlen sind etwas erweitert, die rechte enthält in ihrem 
Vorderhorn einen Eßlöffel voll leicht geronnenen Blutes, die linke etwa 
1*/* Teelöffel voll gleichen Gerinnsels. 

22. Von dem hinteren und unteren Bande der unter Ziffer 14 beschriebenen 
Knocbenzertrümmerung zieht sich ein schmaler Knochenspalt durch die 
rechte hintere Schädelgrube bis zum großen Hinterhauptsloch, von da durch 
die linke hintere Schädelgrnbe bis in die linke mittlere Schädelgrabe. Von 



68 


t)r. Löer. 


dem vorderen unteren Winkel der Zertrümmerung des rechten Schläfenbeins 
zieht sich ein ähnlicher Enochenspalt qner durch die mittlere Schädelgrnbe 
und das Keilbein bis in die linke Schläfenbeinschuppe. Infolge dieser Knochen¬ 
brache sind die vordere und hintere Schädelhälfte an der Basis völlig gelockert 
und gegeneinander beweglich. 

U. Hals-, Brust- und Bauchhöhle, 
a. Brusthöhle. 

25. Das Mittelfell ist im oberen Teile blaßrötlich, im unteren Teile 
ist es durch einen 6 : 4 : 0,4 cm großen flächenhaften Bluterguß durchsetzt, der 
auf die Vorderfläche des Herzbeutels reicht. 

27. An der Vorderfläche der Lungenschlagader befindet sich ein 
dünner Bluterguß von 2:2'/* cm Größe. Die Innenwand ist unverletzt. 

28. In der Gegend der linken Lungenwurzel finden sich mehrere ober¬ 
flächliche Blutergüsse von Pfennig- bis 6 Markstückgröße, die etwa */* cm weit 
in das Lungengewebe reichen. Auch an der rechten Lungenwurzel zeigen sich 
mehrere bohnengroße Blutergüsse von ähnlicher Bescbafienheit. 

80. Die Hauptschlagader der Brust zeigt an ihrer Vorderfläche 
einen dünnen flächenhaften Bluterguß von 12 cm Länge und 8-4 cm Breite. 
Ihre Innenwand nnd die Schlagader wand selbst sind unverletzt. 

81. An der Vorderfläche der Brustwirbelsäule findet sich haupt¬ 
sächlich in der rechten Hälfte ein flächenhafter Bluterguß, der auf die Innen¬ 
seite der rechten Brustwand übergreift. Dieser Bluterguß hat eine Länge von 
18, eine Breite von 8—13 cm. Innerhalb dieses Blutergusses zeigen sich die 
dritte, vierte nnd fünfte rechte B,ippe an ihrem Ansatz an die Wirbelsäule, 
ferner die fünfte, sechste und siebente rechte Bippe in ihrer Mitte gebrochen. 
Die Brnchränder sind überall zackig und blutig durchtränkt. Die Wirbel¬ 
säule selbst ist unverletzt. 

In der Bauchhöhle und an ihren Organen wurden keine Abweichungen 
oder Verletzungen festgestellt. 

Die Gerichtsärzte gaben folgendes vorläufige Gut¬ 
achten ab: 

„1. Der Tod ist hervorgerufen durch die außerordentlich schweren Ver¬ 
letzungen des Schädels und der Brnst. 

2. Diese Verletzungen sind hervorgerufen durch eine erhebliche stumpfe 
Gewalt. 

3. Ob ffemde Schuld vorliegt, geht aus der Obduktion~nicht hervor. 

4. Die Präge des Richters, ob der Tod durch eine Schußverletzung 
herbeigeführt ist, verneinen wir. 

6. Ein begründetes Gutachten behalten wir uns ausdrücklich vor. 4 

Ueberblickt man den vorstehenden Befund, so ist zunächst 
eine Schußverletzung auszuschließen. Die von dem zur 
Leichenschau zugezogenen Dr. W. offenbar als Ausschußöffnung 
angesehenen Haut- und Gewebsdefekte an der Nase sind, da 
Zeichen vitaler Reaktion vollkommen fehlten, postmortal ent¬ 
standen und zwar nach ihrem Aussehen durch Nagen von 
Mäusen. Dasselbe gilt bezüglich des Hautdefekts an der Rück- 
fläche der rechten Ohrmuschel. Die als Einschußöffnung ange¬ 
sprochene Wunde am rechten Scheitelhöcker mußte nach ihrer 
Beschaffenheit als Quetschwunde, keinesfalls aber als Schu߬ 
wunde gedeutet werden. 

Sieht man von den zweifellos postmortal durch Annagen 
von Mäusen entstandenen Verletzungen ab, so wurden nur am 
Kopfe bei der äußeren Besichtigung Zeichen von Verletzungen 
vorgefunden und auch diese waren ziemlich unbedeutend, nämlich: 

1. eine oberflächliche Quetschwunde in der Gegend des 
rechten Stirnhöckers, 



Tod durch Ueberfahren mittels Autos? 


6» 


2. eine stärkere Quetsohwunde in der Gegend des rechten 
Scheitelhöckers, 

3. drei kleine Hautabschürfungen am Rande der rechten 
Ohrmuschel und der Befund von Blut im rechten äußeren 
Gehörgang. 

Der ganze übrige Körper war frei von äußeren 
Verletzungen. Um so überraschender war der Be¬ 
fund an den inneren Organen: Am Schädel: Starke 
blutige Durchtränkung der Kopfschwarte am rechten Stirn- und 
Scheitelhöcker, starker Bluterguß zwischen ihr und dem 
Schädelknochen; völlige Zertrümmerung der rechten Schläfen¬ 
beinschuppe, spaltförmige Zerreißung der harten Hirnhaut unter¬ 
halb der Knochenzertrümmerung, großer Bluterguß zwischen 
harter und weicher Hirnhaut, Ausfüllung der Maschen der 
weichen Hirnhaut mit lockeren Blutgerinnseln auch an den 
übrigen Gehirnteilen, Zertrümmerung der Gehirnmasse im 
rechten Schläfenlappen, welche bis in die Seitenhöhle hinein¬ 
reichte, Blutergüsse in beiden Seitenhöhlen, schließlich spalt¬ 
förmige Schädelbasisbrüche, die von der Knochenzertrümmerung 
im rechten Schläfenbein ausgehend, einerseits durch die rechte 
hintere Schädelgrube bis zum großen Hinterhauptsloch, von da 
durch die linke hintere Schädelgrube bis in die linke mittlere 
Schädelgrube reichte, anderseits vom vorderen unteren Winkel 
des Schläfenbeindefektes quer durch die mittlere Schädelgrube 
und das Keilbein bis in die linke Schläfenbeinschuppe zog, 
so daß die vordere und hintere Schädelhälfte an der Basis 
völlig gelockert und gegeneinander beweglich waren. 

Noch auffälliger war der Befund an den Organen der 
Brusthöhle, weil am Brustkorb und am Rücken bei der 
äußeren Besichtigung keinerlei Zeichen einer stattgehabten 
Verletzung festgestellt werden konnten. Es fanden sich: Ein 
ziemlich großer flächenhafter Bluterguß im unteren Teile des 
Mittelfells, ein kleiner Bluterguß an der Vorderfläche der 
Lungenschlagader, kleinere Blutergüsse an der linken und 
rechten Lungenwurzel, ein langer, dünner Bluterguß an der 
ganzen Vorderfläche der großen Brustschlagader, ein flächen¬ 
hafter Bluterguß an der Vorderfläche der Brustwirbelsäule, der 
in großer Ausdehnung auf die Innenseite der rechten Brust¬ 
wand Übergriff, innerhalb dieses Blutergusses Brüche der rechten 
dritten, vierten und fünften Rippe an ihrem Ansatz an die 
Wirbelsäule, ferner der fünften, sechsten und siebenten Rippe 
in ihrer Mitte. 

Daß die außerordentlich schwere Kopfverletzung den 
augenblicklichen Tod zur Folge gehabt hat, ist wohl nicht 
zweifelhaft, dagegen dürften die Verletzungen an und in der 
Brust nicht ohne weiteres als unbedingt tödlich anzusehen sein. 

Es fragt sich nun, wodurch sind die schweren Verletzungen 
entstanden, handelt es sich um zwei getrennte Traumen, von 
denen das eine den Kopf und das andere die Brust betroffen 



70 Dr. Löer: Tod dnroh Ueberfahren mittels Autos/ 

hat oder können die gesamten Verletzungen durch ein einziges 
Trauma hervorgerufen sein? 

Die Leiche wurde in einem kleinen Fichtenwftldchen ge¬ 
funden. Es wäre denkbar, daß der Mann in eine der Fichten 
geklettert und dann abgestürzt sei und sich durch Sturz die 
Verletzungen zugezogen hätte. Diese Möglichkeit ist jedoch 
ausgeschlossen, weil die Fichten nur einige Meter hoch waren 
und der Untergrund sehr weich war, so daß unmöglich durch 
einen Fall solch schwere Verletzungen entstehen konnten. 

Viel wahrscheinlicher ist es, daß der Mann im Dunkeln 
auf der von Automobilen und sonstigen Fuhrwerken ziemlich 
viel befahrenen Landstraße überfahren und von den Insassen 
des Fuhrwerks in die anstoßenden Fichten geschleppt worden 
ist, um sich der Verfolgung zu entziehen. Dadurch würde sich 
auch das Fehlen der Kopfbedeckung ungezwungen erklären. 

Ein sicherer Schluß auf die Art des Gefährtes läßt sich 
allerdings aus dem Leichenbefunde nicht ziehen. 

Straßmann, der auf der VII. Tagung der Deutschen 
Gesellschaft für gerichtliche Medizin in Karlsruhe im Jahre 1911 
über seine in dieser Hinsicht gemachten Erfahrungen berichtet, 
erklärt: Die geringe Hautverletzung beweist kein Ueberfahren 
durch Automobil. 1 ) 

Hoff mann bemerkt in einer Arbeit, in der er über 
14 Fälle von Tod durch stumpfe Gewalt berichtet, in denen 
durchweg schweren inneren nur geringe äußere Verletzungen 
gegenüberstanden, daß nach seiner Erfahrung die mit Gummi¬ 
reifen bewehrten schweren Räder sich in ihren Wirkungen 
durch nichts unterscheiden von den schweren Rädern eines 
beladenen Sandwagens. Auch das Ueberfahren durch diesen 
verursachte nur geringe Blutunterlaufungen. *) 

Ziemke berichtöt über einen Fall, in welchem ein Mann 
von einem Lastwagen überfahren worden war, bei dem an 
der Halswirbelsäule sich eine Diastase von 6 cm fand, ohne 
daß die äußere Haut Verletzungsspuren zeigte. Man hatte hier 
zunächst an ein Auto gedacht. *) 

Ziemke hat in seinem Institute die Erfahrung gemacht, 
daß beim Ueberfahrenwerden durch Automobile fast immer der 
Kopf und die Brusthöhle (vgl. obigen Fall!) getroffen werden. 
„Radspuren waren jedenfalls immer deutlich.“ *) 

Es läßt sich demnach im vorliegenden, leider unaufgeklärt 
gebliebenen Falle aus dem Obduktionsbefunde allein kein siche¬ 
res Urteil über die Art der Gewalt, die den Tod herbeigeführt 
hat, abgeben. Am ungezwungensten finden die Verletzungen 
ihre Erklärung durch die Annahme, daß der Mann durch ein 
Automobil oder ein anderes schweres Fuhrwerk überfahren, und 
daß seine Leiche von dem oder den Tätern zwecks Verheim¬ 
lichung des Geschehnisses in das benachbarte Fichtenwäldchen 
geschleppt worden ist. 


l ) Vierteljahrsschrift für gerichtliche Medizin; 1912, II. Supplement. 



Kleinere Mitteilungen and Referate aas Zeitschriften. 


71 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 

A. Saohverständlgentätlgkeit auf mllitärärztliohem Gebiete. 

Fraktionelle Nervenstörungen bei Kriegsteilnehmern nebst Be« 
merknngen zur tranmatischen Neurose. Von Prof. E. Meyer-Königsberg. 
Deutsche med. Wochenschrift; 1916, Nr. öl. 

Unter 1126 Aufnahmen von Offizieren und Soldaten im ersten Kriegs¬ 
jahr, die Psychosen und Neurosen betreffen, befanden sich 148 Psychogenien, 
pathologische psychogene Reaktionen oder hysterische Störungen, 128 Kranke 
mit psychopathischer Veranlagung und 76 mit traumatischer Neurose, prozentual 
etwa */3 der Gesamtheit des klinischen Materials. 

Von den klinischen 76 traumatischen Neurosen waren nicht 
weniger als 47 vor dem Kriegsdienst entstanden, bei nur & von ihnen 
war eine Steigerung im Kriege anzunehmen. Bei einem sehr großen Teil waren 
die Unfälle schwerer Art gewesen und hatten speziell den Kopf betroffen. 
29 yon den 76 Kranken hatten sich die traumatische Neurose im Kriege 
zugezogen, und zwar lagen 17 mal bei ihnen Kopfverletzungen, 5 mal andere 
Verletzungen und 11 mal Unfälle im Kriege vor, also auch hier das Ueber- 
wiegen der Kopfverletzungen. Bei fast einem Drittel der im Kriege 
entstandenen traumatischen Neurosen waren Nerven- oder Geisteskrankheiten 
in Friedenszeiten vorausgegangen, mehrfach fanden sich andere mit¬ 
wirkende Momente wie chronischer Alkoholismus. Die anamnestischen 
Angaben der Kriegsteilnehmer sind auffallend gut im Gegensatz zu den 
Kranken mit traumatischer Neurose in Friedenszeiten. Das klinische Bild 
weicht nicht ab bis auf die Beobachtung psychogener Dämmer- und Erregungs¬ 
zustände, Anfälle u. dergl. m. 

Danach führen die kriegerischen Ereignisse ganz besonders oft zu 
psychisch-nervösen Störungen psychogener Art — vielfach bei 
einer gewissen Disposition. Es wäre auch unbegreiflich, wenn derartige 
seelische Erschütterungen, wie sie dieser Krieg bringt, bei den dauernden 
Anstrengungen, Eatbebrungen, körperlichen Schädigungen usw. spurlos an dem 
hoch organisierten Nervensystem zivilisierter Völker vorübergehen würden. 
Ebenso natürlich ist es, daß traumatische Neurosen durch Kriegs¬ 
verletzungen zur Entwicklung kommen. Mit dieser Feststellung und der 
Annahme einer verhältnismäßigen Häufigkeit der funktionellen Nervenstörungen 
im Kriege ist aber in keiner Weise der Beweis einer allgemeinen 
8chwäche des Nervensystems gegeben. , 

Die oft erwogene Frage, ob nicht die fortschreitende Kultur 
den Keim zur Entartung der Völker in sich trage, wird durch 
die Belastungsprobe, wie dieser Weltkrieg sie bildet, verneint. Da das Nerven¬ 
system das feinste Reagens für den Stand der Kultur ist, so würde sich in 
dessen Schädigung die Entartung offenbaren. Von einer Entartung durch die 
fortschreitende Kultur kann aber nach den Erfahrungen dieses Krieges keine 
Rede sein. Vielmehr haben die recht behalten, die überzeugt waren, daß das 
heranwacbsende Geschlecht, das ja gerade aus dieser Kultur, deren entartende 
Wirkung man fürchtet, neue Kenntnisse und Fähigkeiten in ungeahntem Maße 
auf allen Gebieten gewann, dadurch auch mit mehr Widerstands¬ 
kraft ausgestattet erfolgreich den Stürmen der modernen 
Zivilisation trotzen würde (L. Meyer). 

Dr. R o e p k e - Melsungen. 

Vorbereitende Behandlung der Beinamputierten. Von Stabsarzt 
Dr. J. L e w y - Freiburg i. B. Deutsche med. Wochenschrift; 1916, Nr. 1. 

Nach der Absetzung des Gliedes und der dem Abschluß sich nähernden 
Verheilung der Operationswunde kommt es darauf an, 1. möglichst bald end¬ 
gültige Formverhältnisse der Stumpfweichteile herbeizuführen, 2. die Haut des 
Stumpfes abzuhärten, 3. dem verbliebenen Gliedreste die volle Beweglichkeit 
zu erhalten, 4. das gesunde Bein zu kräftigen und für seine erhöhte Inan¬ 
spruchnahme leistungsfähiger zu machen, 5. suggestiv auf den Verstümmelten 
einzuwirken. Alle diese Aufgaben können und sollen in Angriff genommen 
werden, noch ehe die Amputationswunde zur vollen Heilung gelangt iflt. 

Die Versorgungsansprüche der Amputierten werden, abgesehen 



72 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 


tou den Rechten, die ihnen das Invalidenversicherungsgesetz sichert, durch die 
Milit&rpensionsgesetze sowie die Dienstanweisung zur Beurteilung der Militär- 
dienstf&higkeit usw. vom 9. Februar 1909 geregelt. Danach gestalten sich 
die Bezüge der Amputierten: a) aus feststehenden Bezügen: 1. Kriegs¬ 
zulage monatlich 15 Mark, 2. Verstümmelungszulage für je einen Fuß monatlich 
27 Mark, b) aus veränderlichen Bezügen für die Erwerbsbeeintrfichtjgung: 
für je 10°/o Im Monat beim Gemeinen 4,60 Mark, Unteroffizier 6 Mark, 
8ergeant 7,50 Mark und Feldwebel 9 Mark. 

Die Erwerbsbeeinträchtigung beträgt bei Verlust eines Unter¬ 
schenkels bei genügender Länge des Stumpfes zur Anbringung eines künst¬ 
lichen Gliedes und bei guter Beweglichkeit im Kniegelenk 60°/«, bei Verlust 
eines Oberschenkels bis zur Mitte 75°/o, bei Verlust eines Oberschenkels über 
die Mitte hinaus und bei Exartikulationen 80—85°/». Ein Sergeant, der den 
Unterschenkel unterhalb des oberen Drittels eingebüßt hat, würde demnach 
zu beanspruchen haben: 15 -f- 27 •+■ 6 X 7,60 = 87 M. im Monat. Nur der 
Satz für die Erwerbsbeeinträchtigung kann nach späteren Prüfungen durch die 
Inralidenprüfungskommission geändert werden, wenn sich die Erwerbsverhält¬ 
nisse geändert haben oder eine gewisse Gewöhnung an das Tragen des künst¬ 
lichen Gliedes anzunehmen ist. 

Neben den Geldbezügen hat der Amputierte Anspruch auf ein künstliches 
Bein und ein Stelzbein; statt des letzteren kann auch ein einfaches zweites 
künstliches Bein bewilligt werden. Außerdem übernimmt die Militärverwaltung 
einmalig die Kosten für ein Paar geeigneter Stiefel. 

_ Dr. Roepke-Melsungen. 

yfinterkuren und Verwundetenfürsorge. Von San.-Rat Dr. Lilien- 
thal-Berlin. Medizinische Reform; 1916, Nr. 1. 

Die klimatische Behandlung muß auch im Winter für die Kriegs- 
Rekonvaleszenten nutzbar gemacht werden; natürlich muß genau individualisiert 
werden, denn so vorteilhaft die Winterkuren viele Krankheiten beeinflussen, so 
schädlich und verschlimmernd können sie auf andere Krankheiten wirken. 

Dr. Hoffmann -Berlin. 


B. Bakteriologie «ad Bektmpfang der Abertragbaren Krankheiten. 

L Bakteriologie. 

Erfahrungen mit dem Büchsenagar von Uhlenhuth und Messerschmidt 
In China. Von Priv.-Doz. Dr. H. Dold, Leiter des hygienischen Instituts 
der deutschen Medizinschule in Schanghai. Deutsche med. Wochenschrift; 
1916, Nr. 1. 

Von der Firma Ungemach A. G. in Straßburg-Schiltigheim wurden 
am 14. Mai folgende Büchsennährböden: 8°/o Nähragar, Gelatine, Lackmus¬ 
laktoseagar nach Drigalski-Conradi, Fuchsinsulfitagar nach Endo, 
Pepton-Glyzerin-Galle, Aszites in */«• Dosen abgeschickt und am 19. September 
in Schanghai untersucht. Die Nährböden hatten einen annähernd dem Umfang 
der Erde entsprechenden Weg zurückgelegt und waren auf dieser langen Reise 
mancher Unbill und Temperaturen von 80 bis 40° und mehr ausgesetzt. 

Mit Ausnahme der Gelatine waren sie in tadellosem Zustande angekommen 
und erwiesen sich bei den Untersuchungen in jeder Beziehung als gleichwertig 
dem im eigenen Laboratorium hergesteilten Nährbodenmaterial. Die Büchsen- 
Nährböden haben daher mit Ausnahme der Büchsen-Gelatine ihre Versendbar- 
keit in die entferntesten Gegenden der Erde einschließlich der Tropen und 
ihre lange Haltbarkeit bewiesen. Ihre Handhabung ist denkbar einfach, eine 
Schwierigkeit in der sterilen Gewinnnng besteht nicht. Die Versendung der 
Büchsengelatine nach heißen Ländern oder durch heiße Zonen empfiehlt sich nicht; 
die übrigen Büchsennährböden übertreffen wegen ihrer größeren Bequemlichkeit 
noch die Trockennährböden von Doerr. Sie gehören in Zukunft zur Aus¬ 
rüstung der fliegenden Laboratorien, entlasten die bakteriologischen Laboratorien 
im Felde und bieten unter normalen Verhältnissen den großen Vorteil der 
Zentralisierung der Nährbödenherstellung. Auch arbeitsökonomische 
Gründe empfehlen die Einführung der Büchsennährböden von Uhlenhnth 
and Messerschmidt. Dr. Roepke-Melsungen. 



Kleinere Mitteilungen und Referate aas Zeitschriften. 


78 


Wiederholte Benutzung tob Bakterlennährbflden and Em&ti ron 
Fleischextrakt durch Pflanzenextrakte. Die Terwertbarkeit der konser- 
Tlerten Nährböden für den Feldgebranch. Von G. F. Gnth, Abteilungs- 
rorsteher am kgl. hygienischen Institut Saarbrücken. Deutsche med. Wochen¬ 
schrift; 1915, Nr. 62. 

Gewöhnlicher Nähr-Agar (1°/* Fleischextrakt, l°/o Pepton, 0,5 °/* Koch¬ 
salz und 3°/o Agar enthaltend) läßt sich zur wiederholten Verwendung her- 
richten, indem man ihn in der für den Endoschen Nährboden angegebenen 
Weise klärt, mit Salzsäure neutralisiert und darauf mit Sodalösung wieder 
alkalisch macht. Der dem Agar in manchen Fällen, ganz besonders nach dem 
Besäen mit Cholerabazillen, anhaftende unangenehm ammoniakalische Geruch 
bleibt meistens unvermindert bestehen, auch nach dem Erhitzen und Neutra¬ 
lisieren. Die ihn bedingenden Eiweißzersetzungsprodukte verursachen jedoch 
keine wesentliche Beeinflussung des Bakterienwachstums. Ob sich der so 
regenerierte Agar auch zur Bakterienzüchtung zwecks Impfstoffbereitung 
eignet, ist noch nicht festgestellt. 

Die Verwendung von Pflanzenauszügen bezw. Pflanzenextrakten statt 
Fleiscbextrakt bedeutet eine große Verbilligung in der Herstellung der Nähr¬ 
böden. Es wurden Versuche mit allen im Großhandel vorkommenden Getreide- 
und Leguminosearten, ferner mit Nähr-ähnlichen Präparaten, Ochsena aus¬ 
geführt und die günstigsten Ergebnisse mit Auszügen von 
Bohnen und Sojabohnen erzielt. Herstellung: 100 g Bohnen mit 
600 ccm Wasser 2 X 2t Stunden bei Zimmertemperatur stehen lassen, dann 
1 Stande im Dampftopf erhitzen, überstehende Flüssigkeit abseihen und Rück¬ 
stand nochmals mit 500 ccm Wasser 1 Stunde erhitzen, abseihen und leicht 
auspressen; die vereinigten Auszüge auf 1 Liter auffüllen und zur Herstellung 
von Nähr-Agar 1°/# Pepton, 0,5% Kochsalz und 3—4% Agar zusetzen. 
8ojabohnen werden ohne vorherige Extraktion mit kaltem Wasser direkt im 
Dampftopf erhitzt. Aus 1 kg Bohnen erhält man etwa 200 g eines dunkel¬ 
braunen, angenehm aromatisch riechenden Extraktes von der Konsistenz des 
Liebig sehen. Sojabohnen liefern etwa 10°/o mehr Extrakt, der geruchlos 
ist. Augenfällige Unterschiede im Wachstum der einzelnen Bakterienstämme 
waren nicht wahrzunehmen, nur die Farbstoffbildnng von Bac. pyocyaneus und 
Bac. prodigiosus weniger gut entwickelt als auf dem Fleischextrakt-Agar. 
Typhus-, Paratyphus- und Dysenteriebazillen wuchsen in gleicher Anzahl und 
Größe. Die Kolonien erschienen manchmal weniger zart als auf den Fleisch¬ 
extraktnährböden und zeigten am Rande der Platten bisweilen einen rötlichen 
Schimmer. Für die Praxis sind alle diese Erscheinungen keine Beeinträchtigung. 
Eine ungünstige Beeinflussung der Agglutinierbarkeit war nicht festzustellen. 
Somit sind die Bohnen- und Sojabohnenn&hrböden, wie ver¬ 
gleichende 8tuhlnntersuchangen gezeigt haben, mit gleichem Erfolge 
verwendbar wie die mit Fleischextrakt bergestellten. Ihre Herstellung ist aber 
zurzeit wegen der schwierigen Beschaffung von Bohnen und besonders Soja¬ 
bohnen nicht durchführbar. Vielleicht bieten die in den Handel kommenden 
geschroteten und entfetteten Sojabohnen ein billiges Ausgangsmaterial. Die 
Fabrik E. Merck-Darmstadt bringt als Ersatz von Fleischextrakt zur Her¬ 
stellung von Nährböden ein Präparat unter dem geschützten Namen „Legumin- 
Pflanzenextrakt“ in den Handel. 

Die Prüfung der nach Angabe von Uhlenhuth und Messerschmid t 
von dem Laboratorium Ungemach -Schiltigheim i. Eis. hergestellten Nähr- 
bouillon, Nährgelatine, Nähragar, Endo-Agar und Drigalski-Agar ergab 
ihre Gleichwertigkeit mit den im Institut frisch hergestellten Nährböden. Sie 
waren nach der Entnahme aus den Blechbüchsen stets steril und von gleicher 
äußerer Beschaffenheit. Typhus-, Paratyphus- und Ruhrkolonien zeigten gleiche 
Entwicklung und gleich charakteristisches Aussehen; ebenso hatten die mit 
der Nährgeiatine ausgeführten vergleichenden Wasseruntersuchungen im 
wesentlichen dasselbe Ergebnis. Für den Gebrauch im Laboratorium beein¬ 
trächtigt eine Verdünnung der Uhlenhuth -Messerschmid t sehen Nähr¬ 
böden mit 20 */o steriler Kochsalzlösung das Bakterienwachstum nicht merklich. 
Sie können für Laboratorien, die auf gebrauchsfertig gelieferte Nähr¬ 
böden angewiesen werden, sehr empfohlen werden. 

_ Dr. Roepke-Melsungen. 



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Kleinere Mitteilungen and Referate aus Zeitschriften. 


2. Bekämpfung übertragbarer Krankheiten im allgemeinen. 

Bakteriologische Erfahrungen Uber Kriegsseuchen. Von Oberstabsarzt 
Dr. Hans Aronson, Hygieniker beim stellvertretenden Sanitätsamt IV. Armee¬ 
korps. Medizinische Klinik; 1915, Nr. 47 und 48. 

Der Verfasser berichtet über seine an mehr als 10000 Einzelunter¬ 
suchungen infektionsverdächtigen Materials gemachten Erfahrungen über die 
sogenannten Kriegsseuchen: 

Typhus abdominalis. Die Diagnose des Typhus im Laboratorium zer¬ 
fällt in die serologische und bakteriologische. Die Widalsche Reaktion ist 
fast völlig wertlos geworden, da die geimpften Soldaten ebenfalls positiv 
Widal aufweisen. Die Typhusbazillen gelangen zum Nachweis in den 
Ezkreten oder im Blut. Die Züchtung der Typhusbazillen aus dem Stuhl ist 
erschwert durch ihre Aehnlichkeit mit den Colibazillen. Differentialdiagnostisch 
kommt in Betracht: 1. Die Unfähigkeit der Typhusbazillen, Milchzucker zu 
zersetzen, 2. die andersartige Einwirkung der beiden Bakterien arten auf den 
Traubenzucker. Der Typhusbacillus vergärt niemals Milchzucker, gelegentlich 
allerdings auch der Coli nicht; dagegen wird Traubenzucker von den Coli¬ 
bazillen stark gespalten, wobei organische Säuren und stets auch Kohlensäure 
entstehen; der Typhusbacillus bildet in traubenzuckerbaltigen Nährböden nie 
Gas. Die Colibazillen wachsen auf dem milchzuckerhaltigen Drigalski- 
Conradi-Agar rötlich, die Typhuskolonien sind schwach bläulich. Zusatz 
von Kristall violett hemmt das Wachstum der Coli-, aber auch der Typhus- 
und Ruhrbazillen, ebenso der von Löffler empfohlene Zusatz von Malachit¬ 
grün. Andere Farbstoffe als Lakmus, wie Cbinablau und Kongorot, als 
Indikatoren bieten keine Vorteile. Besonders hat sich dem Verfasser der 
Endo-Nährboden bewährt, auf dem die Colibazillen als rote, metallisch 

f länzende Kolonien wachsen, während die Typhusbazillen farblose, zarte 
Kolonien bilden. Die Deutung der Rotfärbung des Nährbodens ist von Endo 
selbst falsch gegeben worden, sie kommt zustande durch Bildung von Aldehyden. 
Die nicht Milchzucker spaltenden Colirassen wachsen auf Endo ebenfalls 
weiß, sind jedoch leicht von Typhus zu unterschmden. Die typhusverdäebtigen 
Kolonien werden weiter identifiziert durch die Probeagglutination; bei positivem 
Ausfall ist die Diagnose schon sehr wahrscheinlich; ihre weitere Identifizierung 
erfolgt durch Ueberimpfen auf die Barsiekowsehen Nährlösungen (Lakmus- 
Nutrose-Traabenzucker- und -Milchzuckerlösung) sowie auf Rothbergersehen 
Neutralrot-Traubenzuckeragar. Die Ansicht, daß Traubenzucker durch Typhus¬ 
bazillen nicht angegriffen wird, fand A. nicht bestätigt. In der Bar sie ko w- 
schen Traubenzuckerlösung sind alle Uebergänge von Rötung bis Opaleszenz 
und Gerinnung zu beobachten. Dagegen rötet der Typbusbacillus nie die 
Nutrose-Milchzuckerlösung. Der Rothberger sehe Neutralrot-Agar ist ein 
sehr wichtiges Differenzierungsmittel, denn alle Coliarten bilden darin Gas und 
färben ihn gelblich, während der Typhus ihn unverändert läßt. Endlich kann 
man noch die quantitative Auswertung der Agglutination vornehmen. Die 
Stahluntersuchungen auf Typhus befriedigen noch nicht, da noch keine genügend 
elektiven Nährböden zur Verfügung stehen. Die Versuche, die Colibazillen 
durch polyvalentes Serum auszufällen, hatten noch keinen Erfolg. Doch behält 
die Stuhluntersuchung ihren Wert zur Feststellung von Bazillenträgern. Für 
die Diagnose frischer Fälle ist die Gallenanreicherung das Mittel der Wahl 
(in ca. 6 ccm steriler Rindergalle läßt man 2—3 ccm Blut einlanfen). Bei diesen 
Mengen genügt meist schon eine 8—lOstündige Bebrütung der Gallenblut¬ 
kultur, um die Typhusbazillen genügend anzureichern. Dann bringt man 
daraus einige Tropfen auf E n d o - Platten und kann so nach weiteren 12—14 
Stunden die Keime nachweisen, somit in 24 Standen die Diagnose stellen. Bei 
1045 Einzel-Untersuchungen von Rekonvaleszenten, die 8—14 Tage fieberfrei 
waren, fanden sich 40 mal im Stuhl Typhnsbazillen, 26 mal im Urin, 9 mal in 
beiden. Nur von einigen Leuten wurden dauernd Typhusbazillen ausgeschieden ; 
sie sind als felddienstunfähig zu betrachten. Die Dauerausscheider (im Stuhl) 
von ihren Typhusbazillen zu befreien, besitzen wir noch keine Mittel, weder 
Chemikalien noch Immunisierung hatten Erfolg. Die Wirkung des Urotropins 
auf den Bazillengehalt des Urins ist nur scheinbar günstig, da nur Entwicklungs¬ 
hemmung, aber keine Abtötung der Herde in den Nieren stattfindet. 



Kleinere Mitteilungen and Beiernte aas Zeitschriften. 


76 


Die Schutzimpfung hat auf die Typhusfrequenz guten Einfluß gehabt, 
wenn auch ein völliger Schatz bei allen nicht erreicht wird. Der Impfschutz 
scheint nicht über 5 Monate zu dauern. Vielleicht wird ein besserer Schutz 
erreicht, wenn man in ihrem biologischen Verhalten verschiedene Typhusstämme 
als Vakzine benutzt» Der Vorschlag, Typhus-Rekonvaleszenten zum Schutz 
gegen Rezidive mit Typhus-Vakzine zu impfen, entbehrt jeder theoretischen 
und praktischen Begründung. 

Buhr. Die serologische Diagnose (Widal) ist bei der Ruhr von 
geringer Bedeutung. Da die Ruhrbazillen nie ins Blut gehen, ist man auf die 
Isolierung derselben aus dem Stuhl angewiesen. Auch hierfür eignet sich der 
Nährboden von Endo recht gut. Verwendet man den Drigalski-Conradi- 
Agar, so darf ihm kein Cristalviolett zugegeben werden. Die große Empfind¬ 
lichkeit der Ruhrbazillen läßt ihren Nachweis schon oft in einige Tage alten 
Stühlen mißlingen. Auf den oben unter Typhus genannten Differentialnähr¬ 
böden unterscheiden sich die Ruhrerreger nur wenig von Typhusbazillen. Im 
Gegensatz zum Typhusbacillus besitzen sie nur geringe (Molekular-) Bewegung. 
Das wichtigste Unterscheidungsmittel ist ihr agglutinatorisches Verhalten 
gegen spezifische Sera. Wir unterscheiden die giftarme Gruppe (Typus 
Flexner, -Y, -Strong, -V) von den stark giftbildenden Shiga-Kruse- 
Baziilen leicht durch die Agglutination. Zu dem Zwecke benutzt man ein 
Shiga-Kruse und ein mit einem beliebigen giftarmen Stamm hergestelltes 
Immunserum. Zur Klassifizierung der einzelnen Angehörigen der giftarmen 
Gruppe dienen die Kohlehydrate: Mannit, Maltose und Rohrzucker. Der vom 
Verfasser neu isolierte Typus V spaltet alle 8 Kohlehydrate. Einmal wurde 
er aus dem Dickdarm eines an Ruhr Verstorbenen gezüchtet, ein Beweis, daß 
diese Infektion nicht immer gutartig verläuft. Im Dickdarm fanden sich 
intensive Schwellung und Rötung der gesamten Schleimhaut und follikuläre 
Geschwüre. Der bisher in Deutschland noch nicht beobachtete Typus8trong 
zeigte die Eigentümlichkeit, nach einigen Tagen auf gewöhnlichem Agar einen 
gelblichen Farbstoff zu bilden. Die Trennung des Shiga-Kruse von den 
giftarmen Ruhrbazillen ist auch für die Praxis wichtig. Einmal ist die 
Prognose bei Shiga-Kruse-Ruhr erheblich schlechter, dann ist auch nur 
bei Shiga-Kruse-Ruhr die Serumtherapie indiziert. Shiga-Kruse- 
Bazillen wurden fast niemals nach der klinischen Genesung mehr ausgeschieden, 
dagegen öfter noch längere Zeit Y-Bazillen. 

Cholera asiatica. Sie wurde im Herbst vorigen Jahres durch russische 
Gefangene in verschiedene Lager eingeschleppt. Dank den energischen Ma߬ 
nahmen ist weder nnter den Bewachungsmannschaften noch in der Zivil¬ 
bevölkerung eine Infektion vorgekommen. Auch für die Choleradiagnose ist 
der Endo-Nährboden gut brauchbar. Die Cholera Vibrionen wachsen rosa bis 
rot, aber ohne den Metallglanz der Colikolonien. Dem Verfasser ist es ge¬ 
lungen, einen neuen Elektiv-Nährboden für Choleravibrionen zu finden (gewöhn¬ 
licher Nähragar, dem l°/o Rohrzucker, l°/o Dextrin, 0,56°/« Natr. carb. sicc. 
zugesetzt wird; dann wird 10 Minuten in strömendem Dampf gekocht, dann 
0,25 ccm einer alkoholgesättigten Fuchsinlösung und 2,5 ccm I0°/oige Natrium¬ 
sulfitlösung zugefügt, die Reagentien sind auch in Tablettenform bei Merck 
zu haben und werden 100 ccm verflüssigtem Agar zugesetzt). Die Cholera¬ 
vibrionen bilden auf diesem Nährboden intensiv rote, die Colibazillen weiße 
Kolonien. Außerdem wirkt der Sodagehalt stark hemmend auf Coli. Infektionen 
mit Dysenterie oder Paratyphus können in ihren klinischen Symptomen Cholera 
Vortäuschen. Bei 53 Cholerafällen konnten in der Rekonvaleszenz Cholera¬ 
vibrionen nicht mehr nachgewiesen werden. 

-Typhus exanthematicus. Die Erkrankung ist von Typhus abdominalis 
oft sehr schwer zu unterscheiden. Der Nachweis von Typhusbazillen sichert 
die Differentialdiagnose. Von größter Wichtigkeit zur Verhütung weiterer 
Infektionen ist eine gründliche Entlausung. 

Epidemische Genickstarre. Diese Krankheit tritt nicht eigentlich als 
Kriegsseuche auf. Von Januar bis Juni kamen in dem Arbeitsbereich 44 bakterio¬ 
logisch sichergestellte Fälle zur Beobachtung. Die bakteriologische Diagnose 
wurde durch mikroskopische und kulturelle Untersuchung des Lumbalp unktates 



76 


Kleinere Mitteilungen nnd Referate ans Zeitschriften. 


gestellt. Für die Färbung bewährte sich die von Pappenheim für die Dar¬ 
stellung der Gonokokken angegebene Farblösung von Pyronin und Methyl- 
grün. Die roten Doppelkokken heben sich von den blau-grünen Kernen der 
Leukozyten gnt ab. Im Bratschrank vermehren sich die Meningokokken in 
der Lumbalflussigkeit gut, auch innerhalb der Leukozyten, ein Zeichen, daß es 
sich um echte Phagocytose handelt. Für die Züchtung ist natives Eiweiß im 
Nährboden erforderlich, dem man außerdem mit gutem Erfolg 1'/« Maltose 
zufügen kann. Mit der Agglutination hat Verfasser keine guten Erfolge ge¬ 
habt. Klinisch kamen mehrfach multiple Gelenkschmerzen und ausgebreitete 
Exantheme vor, so daß zuerst die Diagnose: Typhus exanthematicus gestellt 
wurde. Neben dem fleckfieberartigen Exanthem traten starke Diarrhoen und 
Benommenheit auf, während Nackensteifigkeit nicht ausgeprägt war. Unter 
dem Bilde des Fleckfiebers verliefen mehrere Fälle, einer unter dem Bilde einer 
chronischen Sepsis mit Hodenschwellung. Die bakteriologische Untersuchung 
des Lumbalpunktate8 ist in allen zweifelhaften Fällen von ausschlaggebender 
Bedeutung. Dr. L. Q u a d f 1 i e g - Gelsenkirchen. 


Experimentelle Untersuchungen über die Wirksamkeit der Typhus- 
nnd Choleraschutzimpfung. Von A. v. Wassermann und P. Sommerfeld. 
Aus dem Kaiser Wilhelm-Institut für experimentelle Therapie, Berlin-Dahlem. 
Medizinische Klinik; 1915, Nr. 48. 

Für das Studium der Frage ist zu berücksichtigen, daß der erste Schritt 
zum Infektionsprozeß beim Menschen im Darmepithel, unser Schutzimpfungs¬ 
prozeß im Kreislauf sich abspielt. Praktisch kommt es also auf den Nach¬ 
weis an, ob eine Erhöhung der Blutimmunität auch gleichzeitig eine Erhöhung 
der Resistenz des Darmgewebes, besonders des Darmepithels, bedingt. Durch 
stomacbale Einführung von Typhus- und Cholerabakterien ist bei unsern ge¬ 
bräuchlichen Laboratoriumstieren keine der menschlichen ähnliche Erkrankung 
auszniösen. Nur Gibbons und Schimpansen sollen bei Verfütterung von typhus¬ 
haltigem Material an einer dem menschlichen Typhus klinisch analogen In¬ 
fektion erkranken. Jedoch erhielten Metschnikoff und Besredka auch 
damit keine einheitlichen Versncbsergebnisse. Wassermann und Sommer¬ 
feld benutzten bei ihren Versuchen Mäuse, die bekanntlich über hohe bakteri¬ 
zide Schntzkräfte im Blut gegen Typhus und Cholera verfügen und die spontan 
bei stomachaler Einverleibung dieser Bakterien nicht krank zu machen sind. 
Daran ist nicht etwa die Magensäure schuld. Das Darmepithel bildet dem¬ 
nach eine Schranke gegen die Invasion. Die Autoren gingen so vor, daß sie 
die natürlichen Schutzkräfte des Blutes durch Einverleiben künstlicher Aggressine 
banden, gleichzeitig die Regenerationskraft der Tiere durch Hungernlassen 
herabsetzten und dann mit der Schlundsonde die Bakterien in den Magen 
brachten. Es gelang ihnen so, sechsmal unter 13 Versuchen die Tiere zu infi¬ 
zieren und Typhusbazillen im Blut und den Organen nachzuweisen Den Ueber- 
tritt von Choleravibrionen durch das Darmepithel erreichten sie dadurch, daß 
sie die Schutzwirkuug durch eine vorherige Infektion der Tiere mit Bacillus 
Dany bz aufhoben. Kadaveröse Veränderungen des Darmes sind nicht der 
Grund des Durchdringens der Bakterien. Aus den Versuchen muß man schließen, 
daß ein Zusammenhang zwischen dem Gehalt des Blutes an bakteriziden Sub¬ 
stanzen und Invadierbarkeit des Darmgewebes seitens Typhus- und Cholera¬ 
bakterien besteht, daß somit die Schutzimpfung auch beim Menschen Stoffe 
erzeugt, welche die natürliche Ansteckung hintanzuhalten vermögen. 
Schädigende Einflüsse und andersartige Infektionen setzen aber die Resistenz 
herab. Dr. L. Q u a d flieg- Gelsenkirchcn. 


3. Tuberkulose. 

Ein Beitrag zur Frage vom Vorkommen der Tuberkelbazillen in 
den Fäzes. Eine neue Methode zum Nachweis. Von B. Engleson- 
Stockholm. Beiträge zur Klinik der Tuberkulose; Bd. XXXV, Heft 1. 

Von den Untersuchungsmethoden, die für den Nachweis von Tuberkel- 
bazillen in den Fäzes zur Anwendung gekommen sind, scheint die Schöne- 



Kleinere Mitteilungen and Beiernte aus Zeitsehrilten. 77 

Weißenfelssche Aethermethode die bisher beste za sein: Bin Fäzesklumpen 
von Bohnengröße wird mittels eines Glasstabes in einem dickwandigen 
Beagenzglas mit so viel frisch destilliertem Wasser yerrtthrt, daß eine fest¬ 
weiche, fast halbflüssige Konsistenz sich ergibt. Nach Zusatz von Aetber wird 
der Inhalt geschüttelt, darauf die Aetberscbicht in eine Zentrifugenröhre über¬ 
führt und kurze Zeit zentrifugiert. Der erhaltene Bodensatz wird dann in 
einer geringen Menge Aether aufgelöst, auf das Objektglas gegossen, leicht 
fixiert und nach Z i e h 1 gefärbt. Das Präparat besteht fast zum größten Teil 
aus Bakterien. 

E. hat sich bei seinen Untersuchungen noch einer neuen Methode, die 
er 8chabemethode nennt, bedient. Sie besteht in einer Schabung der Bektal- 
schleimhäute mit einer gewöhnlichen Hohlsonde, die an einem Ende mit einer 
löffelartigen Aushöhlung versehen ist. 

Eine vergleichende Gegenüberstellung der Ergebnisse beider Methoden 
zeigt, daß von den untersuchten, zum größten Teile dem III. Stadium der 
Lungentuberkulose zugehörenden Fällen mit der Aetherextraktionsmethode 
Tuberkelbazillen in 44 Fällen, d. h. in 7S°/o, und mit der Schabemethode in 
67 Fällen, d. h. in 95°/o des Materials nacbgewiesen werden konnten. 

Dr. B o e p k e - Melsungen. 


Abderhalden«Verfahren bei Lungentuberkulose. Von Dr. F. Oeri- 
Davos. Beiträge zur Klinik der Tuberkulose; Bd. XXXV, Heft 1. 

Von 40 Fällen sicherer Tuberkulose bauten 88 eines oder mehrere der 
vorgelegten Lungenpräparate ab. In dem einen der beiden negativen Fälle 
erklärt sich das Fehlen der Reaktion aus dem Mangel an Abwehrfermenten; 
für den anderen Fall fehlt eine Erklärung. 

Von 11 Fällen mit unsicherem oder negativem klinischen Befand bauten 
4 eines oder mehrere der Lungenpräparate ab, während die 7 anderen nur das 
Bronchialdrüsenpräparat oder gar nichts abbauten. 

In der Auswahl der Präparate und in der Stärke der Reaktionen läßt 
sich im allgemeinen keine Gesetzmäßigkeit feststellen. Ein Präparat aus 
bindegewebigen Schrumpfungsmassen in der Umgebung von Kavernen wurde 
von Kranken des II. und III. Stadiums wesentlidi häufiger abgebaut als von 
den des I. Stadiums. Ferner entsprach der Abbau des Präparates einer 
tuberkulösen Bronchitis und Peribronchitis in 8 von 5 Fällen einer ausge¬ 
sprochenen Hilustuberkulose. 

Es ist wahrscheinlich, daß das Abderhalden-Verfahren Fest¬ 
stellungen erlaubt, die mit keiner anderen Methode möglich sind, 
vorausgesetzt, daß man die Vorsicht gebraucht, dem Serum immer verschiedene 
Präparate von Lungentuberkulose oder eine Mischung von solchen vorzulegen. 

Es fehlt noch der strikte Beweis dafür, daß bei gesunder Lunge nie 
Lunge abgebaut wird, und ob nicht jede — auch nichttuberkulöse — entzünd¬ 
liche Erkrankung eines Organs zur Bildung von unspezifischen Fermenten im 
Serum führt, die auch in tuberkulösem Material ein Abbauobjekt finden. 
Oeri hält sich nach seinen Resultaten trotzdem für berechtigt, das Abder¬ 
halden- Verfahren auch in Zukunft zurDifferenzierung von Lungen¬ 
tuberkulose und reiner Bronchialdrüsentuberkulose und zur 
Feststellung heranzuziehen, ob überhaupt eine Lungentuberkulose 
besteht. Dr. R o e p k e - Melsungen. 


Ergebnisse der Krankenhausbehandlung der Lungentuberkulose. 
Von C. Moewes. Zeitschrift für Tuberkulose; Bd. 24, Heft 8. 

Bei einem nach Form und Grad der Erkrankungen vielseitigen Tuber¬ 
kulosekrankenmaterial des allgemeinen Krankenhauses — es bandelt sich um 
1000 überwiegend schwerkranke Patienten, die im Laufe der Jahre 1908—1914 
in das Kreiskrankenbaus Berlin-Lichterfelde aufgenommen waren — sind die 
verschiedenen Behandlungsmethoden zur Anwendung gekommen mit folgendem 



78 


Kleinere Mitteilungen and Referate aas Zeitschriften. 


Ergebnis: Geheilt wurden 8,8°/o, gebessert 49,1 ®/o, angeheilt blieben 10,9°/o, 
gestorben sind 81,7 °/o. 

Unter der allgemein-symptomatischen Therapie warde etwa 
die Hälfte für längere oder kürzere Zeit gebessert, ein gates Drittel stirbt, 
der Best wird geheilt oder entzieht sich der Behandlung. 

Unter der Taberknlinbehandlang mit Alttuberkulin, Endotin 
and perkataner Alttnberkalin - Einverleibung worden geheilt 14,5, gebessert 
78,2°/o = 92,7°/o positiver Erfolge, angeheilt blieben nur 1,8°/o, es starben 6,5°/o. 

Durch die Behandlung mit dem Friedmann sehen Mittel ließen sich 
7°/o Heilungen, 82,9 °/o Besserungen erzielen;; 27,2 °/o ungeheilt, 82,9°/® 
gestorben. 

Von 18 mit Lezithin-Kupferinjektionen Behandelten sind 
je 6 gebessert, ungeheilt und gestorben. 

Ebenfalls 18 Patienten bekamen Stickstoff-Luftinsufflationen, 
davon wurden 15 gebessert und 8 starben. 

Das praktische Ergebnis der Zusammenstellung faßt Moewes dahin 
zusammen, daß selbst bei einem verhältnismäßig ungünstigen Material, wie es 
die KrankeDhausprazis bedingt, bei der Lungentuberkulose vor allen 
anderen Behandlungsmethoden die Tuberkulintherapie bisher 
die meiste Berechtigung hat, allerdings auch sie nur in dem bekannten 
begrenzten Bahmen. Bei strenger Auswahl geeigneter Fälle, besonders bei 
komplizierender Pleuritis exsudativa verdient auch die Insufflations- 
behandlung als Methode der Wahl empfohlen zu werden. 

Dr. R o e p k e - Melsungen. 


4. Geschlechtskrankheiten und deren Bekämpfung. 

Wie soll der Geschlechtsverkehr Venerischer bestraft werden! Von 
A. Blaschko-Berlin. Deutsche med. Wochenschrift; 1916, Nr. 1. 

Blaschko will den geschlechtlichen Verkehr Venerischer nicht mit 
den üblichen Geld- und Freiheitsstrafen, sondern mit sichernden Maßnahmen 
bestraft wissen, nämlich mit strenger ärztlicher Ueberwachung und, wenn 
nötig, Zwangsbehandlung in einem Krankenhaus. Er hat zu diesem Zwecke 
bereits vor 2 Jahren auf dem 13. internationalen medizinischen Kongreß in 
London vorgeschlagen: Venerische, die wissend Andere der Gefahr einer An¬ 
steckung aussetzen, durch die Gesundheitsbehörde anzuhalten, daß sie bis zur 
erfolgten Heilung amtsärztliche Bescheinigungen über den Gesundheitszustand 
beibringen und bei fehlender ärztlicher Behandlung einer zwangsweisen Be¬ 
handlung in einem öffentlichen Krankenhause unterworfen werden. Ist aber 
durch einen Geschlechtskranken wissentlich eine Ansteckung erfolgt, so soll er 
verurteilt werden können, dem Geschädigten Schadenersatz zu leisten; die 
Festsetzung der Schadenhöhe erfolgt im Verlauf des Strafprozesses. 

Eine solche Gesundheitsbehörde ist in Deutschland nicht vorhanden, 
bildet aber als Gesundheitsamt, wie es in Norwegen bereits seit Jahren besteht 
und zu allgemeiner Zufriedenheit arbeitet, eine ganz unerläßliche Einrichtung 
in dem Kampfe gegen die Geschlechtskrankheiten. Es wäre dann zu fordern: 

1. Individuen beiderlei Geschlechts, die verdächtig sind, eine venerische 
Infektion zu verursachen, werden angehalten, dem kommunalen Gesundheitsamt 
ein Gesundheitsattest eines öffentlich hierzu autorisierten Arztes beizubringen. 
(Verdächtig im Sinne dieser Bestimmung wären Individuen, über die beim 
Gesundheitsamt eine Anzeige einläuft, daß sie eine venerische Infektion ver¬ 
ursacht haben, oder wenn sic auf der Straße oder an einem öffentlichen Orte 
durch schamloses Benehmen, z. B. durch öffentliche Provokation zum 
Geschlechtsverkehr u. dergl., öffentlichen Anstoß erregt haben). 

2. Können die verdächtigen Personen ein solches Attest nicht beibringen, 
so ist zu verlangen, daß sie sich bis zum Nachweis erfolgter Heilung in ärzt¬ 
liche Behandlung begeben- und dem Gesundheitsamt regelmäßig einen Nachweis 
dieser Behandlung bringen. 



Kleinere Mit teilen gen und Eeferete «ne Zeitschriften. 79 

8. Eine Zwangsbehandlung würde nur eintreten, wo die Anordnungen 
des Gesundheitsamtes nicht befolgt werden. 

Prostituierte werden häufig kein Gesundheitsattest beibringen können, 
weil sie eben krank sind, oder es nicht tan, weil sie moralisch verkommen 
sind. Wenn dann das Gesundheitsamt schnell genug arbeitet, kann binnen 
2 Tagen eine Feststellung des Gesundheitszustandes und evtl, die obligatorische 
Behandlung durchgesetzt werden. Mittels eines solchen Gesundheitsamtes 
würde auch die ganze Ueberwachung der Prostitution viel wirksamer zu 
bewerkstelligen sein als auf dem heute üblichen Wege der Reglementierung. 

Ebermayer, Reichsgerichtsrat in Leipzig, hält in der gleichen Nummer 
der Wochenschrift die Vorschläge Blaschkos für überaus beachtenswert, 
nur erscheint ihm die Verquickung der sichernden Maßnahmen mit der Strafe 
bedenklich. Solche Maßregeln zu treffen, ist auch nicht Sache des Straf¬ 
richters, sondern der Polizei, die erforderlichenfalls die nötige unmittelbare 
Zwangsgewalt besitzt, ihren Maßnahmen Beachtung zu verschaffen. Soweit 
sie solche aber nicht besitzen sollte, könnte dadurch geholfen werden, daß 
dem, der sich solchen Polizeimaßregeln widersetzt oder ihnen nicht nacbkommt, 
gerichtliche 8trafe angedroht wird. Die sichernden Maßnahmen aber in ihrer 
Mannigfaltigkeit durch den an die Vorschriften der Strafprozeßordnung ge- 
bundenen Richter im ordentlichen gerichtlichen Verfahren als Strafe erkennen 
zu lassen, daran wird wohl nicht gedacht werden können. 

Schließlich weist E. auf den Widerspruch hin zwischen dem nicht koch 
genug zu schätzenden Bestreben Blaschkos, 4er Gefahr geschlechtlicher 
Ansteckung mit allen Mitteln zu begegnen, und den Anstrengungen weiter 
Kreise, im Wege der Gesetzgebung am liebsten eine völlige Unterbindung des 
Verkehrs mit Schutzmitteln herbeizuführen. Dr. R o e p k e - Melsungen. 


Der diagnostische Wert der Gonokokkenvakzine. Von Prof. Asch 
und stud. med. Adler. Münchener Med. Wochenschrift; 1916, Nr. 8. 

Die Feststellung noch bestehender Gonorrhöe ist sehr wichtig für das 
kranke Individuum, für die Gesellschaft, den Staat Klinische Beobachtung 
und selbst öfters wiederholte mikroskopische Untersuchung des Urethralaus- 
flusses oder im Urin enthaltener Flocken sowie des Prostatasekretes führen oft 
nicht zu unzweideutigen Resultaten. Die diagnostische Injektion von Gono¬ 
kokken nach Asch hat sich in Feldlazaretten gut bewährt. Namentlich bei 
Massenandrang. Während sich zu therapeutischen Zwecken kleine Mengen 
(1—25 Millionen abgetöteter Keime) als zweckmäßig erwiesen, hat sich zu 
diagnostischen Zwecken die intramuskuläre Injektion von größeren Mengen 
(50—100 Millionen abgetöteter Gonokokken) besser bewährt. Asch verwendet 
die Glutualmuskulatur als Beschickungsort. Einige Tage vor deT Entlassung 
wird regelmäßig durch eine solche Injektion eine provokatorische Vakzine- 
injektion gemacht und dann 2—3 Tage darauf Ausflnß, Flocken, auch Prostata¬ 
sekret untersucht. Sehr wichtig zur Beurteilung der Frage ist die Kenntnis 
der degenerierten Gonokokken, die größtenteils extrazellulär, selten intrazellulär 
sich befinden. Manchmal genügt eine Vakzineinjektion nicht, so daß bei nega¬ 
tivem Befund die Wiederholung mit größeren Dosen (bis' 125 Millionen) 
nötig wird. Dr. Graß 1-Kempten. 


O. Hygiene und öffentliches Gesundheitswesen, 

1. Wasserversorgung. 

Ein neuer Sandflltertyp. Von Heller. Gesundheit; 1916, Nr. 1. 

Der Verfasser beschreibt ein Filter, bei dem der Uebelstand, den Be¬ 
trieb wegen der Entfernung der ßchmutzschicht zu unterbrechen, beseitigt ist. 
Die bakteriologische Untersuchung des Rohwassers ergab durchschnittlich 
1366 Keime in 1 ccm, diejenige des filtrierten Wassers 13 Keime in 1 ccm. 

Dr. Wolf-Hanau. 



so 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 


2. Nahrungsmittelhygiene. 

DOrfltche and kleinstädtische Schlachthausanlagen. Von Gemeinde- 
banmeister Schmidt-Betzdorf. Gesundheit; 1916, Nr. 1. 

Der Verfasser stellt die Mindestforderungen auf, die an ein den kleinen 
Verhältnissen angepaßtes Privatschlachthaus zu stellen sind, und erläutert sie 
an 2 Grundrissen. Dr. Wolf -Hanau. 


3. Schulhygiene. 

Heber Verbreitung des Schularztwesens In Oesterreich. Von Begs.- 
Bat Dr. Bur gerstein-Wien. Das österreichische Sanitätswesen; 1916, 
Nr. 47/60. 

Zusammenstellung der Erhebungen der österreichischen Gesellschaft für 
Schulhygiene über die Verbreitung des Schularztwesens in den verschiedenen 
Schulgattungen an der Hand eines Fragebogens. Dr. Wolf-Hanau. 


Der Einfluß von Krankheiten, insbesondere der Tuberkulose, auf das 
Wachstum und den Ernährungszustand der Schulkinder. Von Dr.Thiele. 
Berliner klinische Wochenschrift; 1916, Nr. 36. 

Thiele weist statistisch nach, daß Knaben und Mädchen gleich groß 
und gleich schwer zur Schale kommen und bis zur Mitte der Schulzeit es 
bleiben, daß aber am Ende der Schulzeit die Knaben den Mädchen an Größe 
voraus, aber an Gewicht unterlegen sind. 

Anders liegen die Verhältnisse bei tuberkulösen Kindern: sie kommen 
mit geringerem Körpergewicht und kleiner zur Schule. Die Knaben bleiben 
dann gegenüber den gesunden Schulkindern die ganze Schulzeit hindurch an 
Größe und Gewicht zurück. Die Mädchen bleiben nur bis zur Mitte der Schul¬ 
zeit zurück, dann nimmt ihre Größe schnell zu ohne entsprechende Zunahme 
des Gewichtes. Das entspricht der Ausbildung des phthisischen Habitus und 
bezeichnet den schädigenden Einfluß der Tuberkulose auf den kindlichen 
Organismus. Dr. Boepke-Melsungen. 


4. Kriogabeschädigtonfttnorge. 

Merkblatt für Kriegsverstümmelte. Herausgegeben vom Königlich 
Preußischen Kriegsministerium, Berufsfürsorge für Kriegsbeschädigte. 

1. Der durch Kriegsverwundung Verstümmelte oder am freien Gebrauch 
seiner Gliedmassen Behinderte kann wieder arbeiten lernen, wenn er selbst den 
festen Willen zur Arbeit hat. 

2. Es soll daher keiner den Mut sinken lassen und an seiner Zukunft 
verzweifeln; er muß sich nur ernstlich bemühen, den ärztlichen Vorschriften 
voll nachzukommon und die notwendigen Uebungen mit Eifer und Ausdauer 
betreiben. 

8. Öelbst derjenige, dem ein oder mehrere Gliedmaßen fehlen, kann mit 
geeigneten künstlichen Gliedern, die ihm die Heeresverwaltung liefert, häufig, 
ja meistens in seinem alten Beruf wieder tätig sein, wenn er sich genügende 
Mühe gibt, das ihm Verbliebene in richtiger Weise auszunutzen und den Ge¬ 
brauch der künstlichen Glieder zu lernen. 

4. Und wer in seinem früheren Beruf nicbt wieder tätig sein kann, kann 
sicher in einem anderen Beruf noch etwas leisten, nur muß er es sich nicht 
verdrießen lassen, mit Tatkraft und Fleiß sich in die neue Beschäftigung ein¬ 
zuleben. 

5. Jeder, der es bedarf, wird sachverständigen Bat für die Wahl seines 
Berufes schon im Lazarett finden und nach seiner Entlassung Gelegenheit haben, 
sich in geeigneten Fachschulen usw. für einen neuen Beruf vorzubereiten oder 
in seinen alten Beruf wieder einzuarbeiten. 

6. Jeder hüte sich darum, sich als ein unnützes Glied der Gesellschaft 
zu betrachten; er setze von Anbeginn seinen 8tolz darin, trotz der für das 



Kleinere Mitteilungen und fteferate aua Zeitschriften. 


81 


Vaterland erlittenen Verluste so bald wie möglich wieder ein schaffendes und 
erwerbendes Glied seiner Familie zu werden. 

7. Es vermeide jeder, sei er verwandt oder befreundet, einen Ver¬ 
stümmelten in falschbetätigtem Mitleid nur immer zu bedauern und seine Hilf¬ 
losigkeit zu beklagen. Bei aller herzlichen Teilnahme richte er ihn vielmehr 
auf, stärke er ihm das Vertrauen auf eine bessere Zukunft, die Hoffnung auf 
ein selbständiges Erwerbsleben, wie es dank der heutigen ärztlichen Kunst, 
dank der heutigen Technik und dank dem sozialen vaterländischen Sinn unseres 
Volkes, der Arbeitgeber wie der Arbeitnehmer für fast alle, auch die Schwerst- 
betroffenen, erreichbar ist. 


Die Beschäftigungsaussichten der Kriegsbeschädigten. Von W. 
Schlüter. Zeitschrift fttr Krüppelfürsorge; 1915, H. 6. 

Der Berufsberater muß sich ein allgemeines Bild von den Beschäftigungs¬ 
möglichkeiten machen, welche die verschiedenen Berufe gewähren Als Berater 
von Arbeitsnachweisen für Kriegsverletzte sind die Gewerbeaufsichtsbeamten 
besonders geeignet. Dr. Wolf-Hanau. 


5. Eisenbahnhygiene. 

Periodische gesundheitliche Untersuchungen des Eisenbahnpersonals. 
Von Med.-Bat Dr. Gilbert-Dresden. Zeitschrift für Bahnärzte; 1916, Nr. 1. 

Der Verfasser tritt für derartige Untersuchungen im Interesse der Ver¬ 
waltung wie auch des Personals ein, und zwar alle 3 Jahre, legt ein Unter¬ 
suchungsschema vor unf bittet um Nachprüfung seiner Vorschläge. 

Dr. Wolf-Hanau. 


Ueber Siedelungsreform. Von Prof. Dr. Max v. Gr über. Zeitschrift 
für Wohnungswesen in Bayern; 1916, Nr. 10/12. 

Der Traum des demokratischen Friedens unter den Völkern ist ausge¬ 
träumt Die Völker müssen entweder auf das Leben verzichten oder um das 
Leben miteinander ringen. Wenn Rußland durch seine Agrarpolitik und durch 
das Schnapsverbot innerlich gestärkt sein wird, wird es abermals die Mittel¬ 
mächte bedrängen. Der gegenwärtige Krieg ist lediglich die Einleitung zum 

J roßen Ringen zwischen Deutschen und Slaven. Die Zahl und Güte des 
eutschen Volkes wird auch in Zukunft den Ausschlag geben. Wir müssen 
Rassenhygiene in großem Stile treiben. Die Nationalisierung der Lebens¬ 
verhältnisse hat auch auf das Geschlechtsleben übergegriffen. Ein völker¬ 
schwächender Individualismus macht sich geltend. Weniger Individual-, mehr 
Völkerbygiene ist notwendig. Die Beseitigung der Wohnart ist Vorbedingung 
zu einem guten und starken Volk. Der wirtschaftliche Unterschied zwischen 
einer kinderreichen und einer Zwergfamilie ist anszugleichen. Die Auswahl 
der ländlichen Siedelungen, die Höhe des Bodenzinses, das Kündigungsrecht, 
das Vererbungsrecht und die Verkaufsfreiheit sind nach dem Gesichtspunkte 
der zahlreichen Familie zu bemessen. Da Einzelfamilienhäuser nicht durch¬ 
führbar sind, sind Wohnhäuser mit 3 Stockwerken für höchstens 6 Wohn¬ 
gemeinschaften zu errichten. 60 qm Wohnfläche und 100 qm Garteofläche sind 
für jede Familie notwendig. Die Bauerngüter sind in der Größe zu staffeln. 
Mittlere Bauerngüter mit 8—16 ha, Gärtnerstellen mit 0,6—1,0 ha, ländliche 
Handwerkerstätten mit 1—2 ha, Wohnstellen mit 600—1260 qm sind je nach 
Bedarf zu errichten. 

Bei der Auswahl der Vergebung: ist auf geistige und körperliche Tüchtig¬ 
keit zu sehen; kinderreiche Familien müssen bevorzugt werden; kranke 
Familien sind auszumerzen; jeder Bewerber hat 10°/o der Kosten anzuzahlen. 
Bleibt die Familie unfruchtbar, so ist sie durch eine fruchtbare zu ersetzen. 
Das Vererbungsrecht in der kinderreichen Familie ist zu sichern. Die Anerben 
sind zu schützen. _ Dr. G r a ß 1 • Kempten. 





Besprechungen. 


Leitsätze für Wduug»- und SiedelufwrfwrB. Vom Vorstandsrat 

des Bayr. Landesvereins für Förderung des Wohnungswesens (c. V.). Zeitr 
schrift für Wohnungswesen in Bayern; 1915, Kr. 10,12. 

Die Wehrhaftigkeit ist eine Wohnungsfrage. Die wirtschaftliche Enge 
der gemeinnützigen Bauvereipigungen fordert eine staatliche Be ihilf e nach dem 
Kriege. Nach zwei .Richtungen wird sich die Wohnungsfürsorge betätigen 
müssen: 1. Fürsorge für die städtische industrielle Bevölkerung und den Mittel¬ 
stand, 2. Heimstätten - Beschaffung für die Kriegsteilnehmer. — Die private 
Bautätigkeit muß in erster Linie die kinderreichen Familien berücksichtigen. 
Die Baulinien sind festzusetzen; die Bebauungsart durch Cebereinkommen der 
Großstädte mit den umliegenden Gemeinden zu regeln. Die oft übermäßigen 
Anforderungen an Kanalisation, Wasserleitung und ßtraßenberstellung sind 
einzuschränken. Die Gartenstadtbewegung ist zu fördern. Bei ßiedelungen 
mit mehr als 600 qm ist auf die Kanalisation überhaupt zu verzichten und der 
Aborliubalt zu Dungzwecken zu verwenden. Das Enteinungsrecht der Ge¬ 
meinde ist zu erhöben. Um der Btadt mäßige Siedelung zu erleichtern, ist 
Hingabe von Baugelände nötig. Bauerleichterung ist einzuführen, der Verkehr 
zu verbilligen und ungeteilte Arbeitszeit anzustreben. — Bei der Heimstätte 
sind die kinderreichen Familien zu bevorzugen. Die Voraussetzungen der Ge¬ 
währung einer Kriegerheimstätte sind: körperliche und wirtschaftliche Eignung 
und Leistungsfähigkeit, reicbsgesetzliche Regelung der Heimstättenfrage, 
Tilgungszwang._Dr. Graß 1-Kempten. 


Besprechungen. 

8, Baoh-Bad Elster: Anleitung und Indikationen für die Bestrahlungen 
mit der Quarzlampe (Künstliche Höhensonne). Zweite ergänzte Auf¬ 
lage. WUrzburg 1916. Verlag von C. Kabitzsch. Brosch. 1,60 M. 

Die vom Verfasser angegebene und von der Quarzlampengesellschaft in 
Hanau vertriebene „Künstliche Höhensonne“ hat seit dem Jahre 1911 zahlreiche 
Freunde in der Aerzleschaft gefunden. Der hohe Gehalt des Quarzlichtes an 
chemisch wirksamen ultravioletten Htrablen setzt den Arzt in die Lage, auch 
in der Heimat ein Verfahren einzuschlagen, wie es früher nur im strahlenden 
Lichte des Hochgebirges möglich war. Die Lampe besitzt eine Kerzenstärke 
vuu 12—16000 H K. und ist überall anzubringon, wo elektrische Lichtleitung 
zur Verfügung steht. Nach eingehender theoretischer Erklärung der Wirkungs¬ 
weise seiner Lampe gibt der Verfasser in übersichtlicher Darstellung die große 
lteihe der Indikationen, auf deren Gebieten die Bestrahlungen sich mit Erfolg 
anwenden lassen. Dr. Gumprecht -Bad Lippspringe. 

Tagunachrlchton. 

Zu der Bekämpfung des tieheliunilttelunwesens, der Kurpfuscherei usw. 

haben bekuuuilich fast alle stellvertretenden Generalkommandos 
mehr oder weniger scharfe Verordnungen erlassen; die weitestgehende Verord¬ 
nung dürfte iu dieser Hinsicht die vom stellvertretenden Generalkommando des 
XIII. (Württeiubergischen) Armeekorps unter dem 8. Dezember v. J. erlassene 
Hekannttuachuug sein, die folgenden Wortlaut hat: 

„1. Auf Grund der §§ 4 und 9 b des Gesetzes über den Belagerungs¬ 
zustand vom 4. Juni lSöl verbiete ich: 

1. Anzeigen in der Fresse, durch die Personen, die sich gewerbs¬ 
mäßig mit der Behandlung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden an 
Menschen befassen, ohne die entsprechende staatliche Aner¬ 
kennung tApprobation) zu besitzen, ihren Gewerbebetrieb an¬ 
kündigen. 

L>ieses Verbot Hodet auf Zahntechniker keine Anwendung. 

2. Die öffentliche Ankündigung oder Anpreisung von 
Kaden und Mitteln, die zur Verhütung der Empfängnis oder zur 

r ^Igu ng der Schwangerschaft oder von Menstruations- 

| e n bestimmt sind. 

Die Ankündigung oder Anpreisung von Arzneien. 
>ten und anderen Gegenständen, die zur Verhütung, 



Tageenachrichten. 


83 


Linderung oder Heilung'von Krankheiten, Leiden oder Körper¬ 
schäden bei Menschen dienen sollen, durch die Presse ohne zuvor ein¬ 
geholte Zustimmung des Medizialkollegiums. 

Auf die erteilte Zustimmung darf in der Anzeige nicht hingewiesen 
werden. 

Die Bestimmungen unter Ziffer 2 und 3 finden keine Anwendung, soweit 
die Ankündigung oder Anpreisung in wissenschaftlichen Fachkreisen auf dem 
Gebiete der Medizin oder Pharmazie erfolgt. 

11. Den unter 1 Ziffer 1 genannten Personen wird auf Grund von Artikel 82 
Nr. 5 des Württ. Polizeistrafgesetzes verboten: 

1. eine Behandlung, die nicht auf Grund eigener Wahrnehmungen an 
dem zu Behandelnden erfolgt (Fernbehandlung), 

2. die Behandlung mittelst mystischer Verfahren, 

3. die Behandlung von gemeingefährlichen Krankheiten (Aussatz, 
Cholera, Flecktyphus, Gelbfieber, Pest und Pocken) sowie von sonstigen über¬ 
tragbaren Krankheiten, 

4. die Behandlung aller Krankheiten oder Leiden der Ge¬ 
schlechtsorgane, von Syphilis, Schanker und Tripper, auch wenn sie an 
anderen Körperstellen auftreten, 

6. die Behandlung von Krebskrankheiten, 

6. die Behandlung mittelst Hypnose, 

7. die Behandlung unter Anwendung von Betäubungsmitteln, mit 
Ausnahme solcher, die nicht über den Ort der Anwendung hinauswirken, 

8. die Behandlung unter Anwendung von Einspritzungen unter 
die Haut oder in die Blutbabn, soweit es sich nicht um eine nach Nr. 7 ge¬ 
stattete Anwendung von Betäubungsmitteln handelt 

Die K. Oberämter werden ersucht, die Veröffentlichung dieser Bekannt¬ 
machung in den Amtsblättern zu veranlassen. 

Daß auch Zivilbehörden derartige weitgehende und demzufolge auch 
wirksame Verordnungen treffen können, zeigt eine Verordnung des Königl. 
Sächsischen Ministeriums des Innern vom 27. November 1915, nur ist diese 
leider nicht gegen die Verhütung und Heilung von Menschenkrankheiten, 
sondern von Pflanzenkrankheiten bestimmt. Nach dieser Verordnung dürfen 
Mittel gegen derartige Krankheiten nur öffentlich angepriesen werden, wenn 
ihre Zusammensetzung bekannt gegeben wird oder wenn sie vorher von der 
, Haupts teile für Pflanzenschutzdienst im Königreich Sachsen" in Dresden 
untersucht, geprüft und zugelassen sind. 


In Bayern wird nach einer Bekanntmachung des dortigen Staats¬ 
ministers für Verkebrsangelegenheiten vom 14. Dezember jetzt auch den 
FBrsorgeschwestern für Lungenkranke die Fahrpreisermäßigung auf den 
Eisenbahnen gewährt, die das Pflegepersonal bei Reisen zur Ausübung der 
öffentlichen Krankenpflege genießt (in der II. und III. Klasse halber Eilzugs- 
preis, in Schnellzügen außerdem tarifmäßiger Zuschlag). Voraussetzung ist, 
daß die Fürsorgeschwestern an Fürsorgevereinen für Lungenkranke ange¬ 
stellt sind. 


Ehrentafel. ') Es haben weiterhin erhalten das 
Eiserne Kreuz II. Kasse: 

Med.-Rat Dr. Becker, Chefarzt des Vereinslazarettes vom Roten Kreuz 
und beratender Chiiurg für das Reservelazarett Hildesheim. 

*) In Bezug auf die Ehrentafel muß sich die Redaktion darauf be¬ 
schränken, nur diejenigen Auszeichnungen zu bringen, die Medizinalbeamte 
und Mitglieder der Medizinalbeamtenvereine betreffen. Nur die 
Verleihungen des Eisernen Kreuzes I. Klasse werden auch weiterhin vollständig 

G ebracht werden, ebenso die Namen der auf dem Felde der Ehre ge- 
allenen oder gestorbenen Aerzte. Die Mitteilungen werden sich 
jedoch auch ferner auf die im Felde stehenden Söhne der Medizinalbeamten usw. 
erstrecken, soweit sie der Redaktion bekannt geworden sind; sie ist deshalb 
für die Zusendung solcher Mitteilungen sehr dankbar. 



Biserae Kress IL Klasse am Mkwars» weißen Bastei 

Oberstabsarzt d. L. Med.-Bat Dr. Brandt, Oeriebtsarzt in Hannover. 


Ehren-OedAohtnistafeL Für das Vaterland gefallen sind ferner: 
Assistenzarzt Dr. Lndolf Diesing. 

Stabsarzt Dr. L. Friedemana ans Berlin (gestorben infolge von 
Krankheit!. 

Cand. mea. Friedrich Harmey er. 

Stabsarzt Dr. H. ^adenburger-Mannheim. 

Dr. P Lindner-Danzig. ' 

Stabsarzt d. Bes. Dr. Hugo Hüller, Kreisarzt in Berent (Westpr.). 
Stad. med. Werner Schulze. 

Unterarzt Dr. Töringer. 


Anssatz. Im Deutschen Reich (Preußen) ist in der Woehe 
vom 6.—12. Januar in einem Gefangenenlager bei einem Kriegsgefangenen 
Aussatz festgestellt worden. 

Cholera. Im Deutsehea Beich sind Ckoleraerkrankungen auch 
weiterhin nicht vorgekommen; in OeBterreich betrug ihre Zahl (and die 
der Todesfälle) vom 12. bis 25. Dezember v. Js. 10 (7) und 86 (15). Außerdem 
wurden in Kroatien und Slavonien vom 29. November bis 20. Dezember 
29 (27), 20 (18) und 24 (4) Fälle, meistens bei Kriegsgefangenen, festgestellt. 
In Ungarn betrugen die Zahlen in den 4 Wochen vom 6. Dezember bis 
2. Januar 72 (42), 122 (76), 58 (25) und 21 (16), davon kamen 49 (24), P (0, 
22 (11) und 11 (10) Fälle unter Kriegsgefangenen vor. 

An Fleckfieber sind .im Deutschen Beiche in der Zeit vom 
6. bis 26. Jan. wieder einige Erkrankungen bei Kriegsgefangenen ln Gefangenen¬ 
lagern sowie bei vom Östlichen Kriegsschauplätze heimkehrenden Soldaten fest¬ 
gestellt worden. 

Poeken-Erkrankungen sind imDeutschen Beiche in jeder der drei 
Wochen vom 6. bis 26. Januar je 1 beobachtet und zwar 2 an aus Russisch-Polen 
zugewanderten Arbeitern und der dritte an einem vom östlichen Kriegsschau¬ 
plätze heimkehrenden Soldaten. Im General-Gouvernement Warschau wurden 
in der Zeit vom 5. bis 11. Dezember 144 Erkrankungen und 15 Todesfälle 
gemeldet. 


Erkrankungen und Todesfälle an ansteckenden Krankheiten in 
Preußen. Nach dem Ministerialblatt für Medizinal-Angelegenheiten sind in der 
Zeit vom 26. Dezember 1915 bis 15. Januar 1916 erkrankt (gestorben) an 
Pest, Gelbfieber, Fleckfieber, Cholera, Botz, Aussatz: — (—), 
Trichinose: — (—), — (—), — (—), 10 (—); Tollwut: 1 (—), — (—), 
— (—), — (—); Bißverletzungen durch tollwutverdächtige 
Tiere: 9 (—), 3 (—), 8 (—), 16 (—); Milzbrand: 1 (1), — (—), — (—), 

1 (—); Pocken: — (—), — (—), 1 (—), (—) (—); Unterleibstyphus: 
164 (20), 9 (—), 184 (18), 197 (14); Buhr: 28 (ß), 1 (2), 26 (4), 83 (7); 
Diphtherie: 8858 (270), 25t (i5), 3768 (807), 8560 (263); Scharlach: 
2096 (127), 142 (7), 2534 (132), 2389 (130); Kindbettfieber: 68 (25), 

2 (2), 57 (15), 70 (23); Genickstarre: 8 (8), — (—), 18 (5), 20 (6); 
Fleisch-, Fisch -und Wurstvergiftung: 2(—), — (—), 1 (t), —(1); 
Körnerkrankheit (erkrankt): 32, 3, 27, 88; Tuberkulose (gestorben): 
676, 40, 676, 808. 


Redakteur: Prot Dr. Rapmund, Geh. Med.-Bat in lfmdw i.W. 
2 . C. 0.8mm, UerMfl. SUa a. V. 8*k.-L. HefbMHnctaNi ta MUh. 
















































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Tuberkulose und Schwangerschaft. 

Von Prof. Dr. Roepke • Melsungen. 

In einem klinischen Vorträge des Direktors der Universitäts- 
Frauenklinik Halle a. S., Geh. Med.-Rat Prof. Dr. J. Veit, über 
„Appendizitis und Schwangerschaft“ 1 ) heißt es: „Die Kombi¬ 
nation von Schwangerschaft mit Appendizitis führt in heutiger 
Zeit immer noch einzelne Aerzte dazu, daß sie meinen, des¬ 
wegen müsse eine Schwangerschaft unterbrochen werden. Sie 
wissen, daß ich in bezug auf Erhaltung der Schwangerschaft 
sehr ernste Grundsätze habe, so ernst, daß das Publikum 
schon weiß, daß nicht jeder Fall von Tuberkulose 
bei Schwangerschaft von mir mit der künstlichen 
Fehlgeburt behandelt wird, und so sehe ich die 
Kombination von Tuberkulose und Schwangerschaft 
jetzt viel seltener als andere Aerzte. Wenn Aerzte 
einmal wegen dieser Komplikation die Schwanger¬ 
schaft unterbrochen haben, so gibt es oft schon 


*) Medizinische Klinik; 1916, Nr. 4. 











86 


Dr. Boepke. 


kein Halten mehr. 8 ) Ich bin überzeugt, daßTdie Bewegung 
gegen die weitere Ausdehnung der Indikation der 
Unterbrechung der Schwangerschaft wegen Tuber¬ 
kulose, welche unter dem Einflüsse des Krieges 
eingesetzt hat, nirgends nützlicher wirken wird 
wie auf diesem Gebiete. 8 )“ 

Ich gebe diese Sätze hier im Wortlaut wieder, weil man 
so zwischeh den Zeilen besser den Vorwurf heraus lesen kann, 
den Veit, jedenfalls mit gutem Grunde, gegen „einzelne Aerzte“ 
erheben zu müssen glaubt. Die Lage, in der sich unser Volk 
nach den ungeheuren Verlusten an Menschenleben durch den 
Weltkrieg befindet, berechtigt m. E. einen klinischen Universi¬ 
tätslehrer in allererster Linie, so deutlich und schonungslos vor 
seinen klinischen Hörern den Finger in eine Wunde zu legen, die 
zu schließen die gegenwärtige Zeit wie keine mahnt und zwingt. 

Nach den meisten Rechtslehrern ist die Anwendung der 
§§ 219—220 des Strafgesetzbuches auf die nur aus medizi¬ 
nischen Gründen vorgenommene Fruchtabtreibung zwar 
ausgeschlossen, weil, wie Rapmund-Dietrich in der „Aerzt- 
lichen Rechts- und Gesetzeskunde“ 8 ) ausführen, diese Gesetzes¬ 
paragraphen nur die in rechtswidriger Absicht die Tötung 
der Frucht bezweckende Abtreibung ahnden, keineswegs 
jedoch den zur Rettung der Mutter dienenden operativen Ein¬ 
griff. „Voraussetzung der Straflosigkeit ist allerdings nicht 
bloß die Einwilligung der Mutter oder ihres Vertreters, sondern 
vor allem auch die sorgfältige Abwägung aller Um¬ 
stände, die den beabsichtigten Eingriff nach den 
Grundsätzen der medizinischen Wissenschaft recht- 
fertigen und notwendig machen. Die Besorgnis einer 
drohenden und besonderen Lebensgefahr für die Mutter 
muß jedenfalls begründet sein; liegt aber ein solcher Not¬ 
stand vor, dann ist der Arzt sogar verpflichtet, den er¬ 
forderlichen Eingriff entweder selbst zu machen oder die 
Zuziehung eines zweiten Arztes 8 ) deshalb zu veranlassen.“ 
Der Entwurf eines deutschen Strafgesetzbuchs wird voraussicht¬ 
lich pflichtgemäßes ärztliches Handeln in dieser Frage 
in gleicher Weise decken. 

Was die Schwangerschaftsunterbrechung selbst anbetrifft, 
so raten Rapmund-Dietrich in Uebereinstimmung mit Ahl- 
feld 4 ) dringend jedem Arzt, der sich zu einem solchen Ein¬ 
griff genötigt sieht, stets einen erfahrenen Kollegen heran¬ 
zuziehen, die Indikationen im Verein mit diesem 
sorgfältig abzuwägen 8 ) und sich der zuvorigen Genehmi¬ 
gung der Beteiligten zu versichern, um bei etwa erfolgenden 
Angriffen in jeder Weise gedeckt zu sein. 

Der gleiche Vorschlag, daß jedesmal zwei Aerzte über 


*) Im Original nicht gesperrt. 

<M Erster Band; 8.160—158. Verlag von Georg T h i e m e - Leipzig. 

*) Lehrbuch der Geburtshilfe; III. Aufl., S 563. Verlag von Wilhelm 
Orunow- Leipzig. 



Tuberkulose und Schwangerschaft 


87 


die künstliche Unterbrechung einer Schwangerschaft ent¬ 
scheiden sollen, ist von v. Franque 8 ) gemacht. Br bildet 
auch den Antrag der Aerztekammer der Rheinprovinz, fol¬ 
genden Zusatz zur ärztlichen Standesordnung zu be¬ 
schließen: „Es ist standesunwürdig, einen künst¬ 
lichen Abortus ohne vorhergehende gewissenhafte 
Indikationsstellung in Beratung mit einem zweiten 
Arzte auszuführen. Die Indikationsgründe sind proto¬ 
kollarisch kurz festzulegen, mit den Unterschriften zu versehen 
und 5 Jahre lang von dem operierenden Arzte aufzubewahren.“ 
Von den Vertretern der Aerztekammer der Provinz Hessen- 
Nassau sind in der Sitzung vom 5. Dezember 1915 gegen den 
Antrag „vielfache formale und rechtliche Bedenken“ geäußert; 
seine weitere Beratung ist auf die nächste Sitzung verschobep. 6 ) 

Die gleiche Forderung erhebt neuerdings Cred^-Hoerder 7 ) 
in einer sehr lesenswerten Schrift, die die Beziehungen der 
Tuberkulose zu Schwangerschaft, Ehe, Wochenbett qnd-Stillr 
geschäft vom Standpunkte des Geburtshelfers bespricht. Pqi 
allen Eingriffen, abgesehen von ganz dringenden Fällen, auf 
dem Lande usw., soll über die Indikation zur Unterbrechung 
der Schwangerschaft bei einer tuberkulösen Frau „stets von 
zwei Aerzten“ entschieden werden. „Dem gewissenhaften 
Arzt, speziell dem Gynäkologen, dem Praktiker, der die Unter¬ 
brechung der Schwangerschaft nachher ausführt, muß es ja 
auch nur erwünscht sein, wenn seine Entscheidung, von der 
hier nicht nur das Leben seiner ihm anvertrauten Patientin, 
sondern auch das entstehende neue Leben abhängt, noch 
einmal gewissenhaft von einem tüchtigen Arzt und 
Kollegen nachgeprüft wird.“*) Crede-Hoerder be¬ 
gründet die Forderung mit dem anerkennenswerten Geständnis, 
daß der nur gynäkologisch tätige Arzt meist nicht so geschult 
in den Feinheiten der Lungenuntersuchung und nicht so er¬ 
fahren in Tuberkulosefragen ist, wie der Internist und der 
Arzt mit reicher Erfahrung auf diesem Gebiete. Ferner 
wünscht Cred^-Hoerder ebenfalls, daß derjenige, der die 
Unterbrechung der Schwangerschaft übernimmt, unbedingt 
ein schriftliches Gutachten über den Lungenbefund 
durch den Internisten oder praktischen Arzt fordern soll. „Es 
ist für diesen ein großer Unterschied, ob er die mündliche Er¬ 
klärung' in irgendeiner Form abgibt: Hier muß unterbrochen 
werden I oder ob er seine Ansicht und seinen Befund schriftlich 
bekräftigt. Das Wort vergeht, die Schrift besteht, das gilt 
hier in verstärktem Maße.“ Und »wer aus der Praxis weiß, 
welch großes Entgegenkommen auf derartige Wünsche das 
Publikum oft fordert, wer weiß, wie außerordentlich stimulie¬ 
rend auf manche Aerzte die Reflexion wirken kann: Tue ich 
es nicht, so tut es ja doch ein anderer —“, der wird den Vor- 

6 ) Juristisch-psychiatrische Grenzfragen; 1910, Bd. 7, H. 4. 

*) Korrespondenzblatt der Aerztekammer; Bd. VI, H. 22, S. 891. 

7 ) Tuberkulose und Mutterschaft; Verlag von J. Karger-Berlin. 



88 


Dr. Roepke. 


Schlägen zustimmen, da sie „letzten Endes doch nur darauf hin 
abzielen, daß die Indikationen zur Unterbrechung der Schwanger¬ 
schaft einer tuberkulösen Frau auf das allergewissenhafteste 
nach allen Richtungen hinüberlegt und abgewogen 
werden müssen.“ Döderlein möchte hierbei den Gynä¬ 
kologen gewissermaßen nur als den Ausführenden der Indi¬ 
kationsstellung des Internisten betrachtet wissen. 

Es ist zuzugeben, daß die Zuziehung des zweiten Arztes, 
wenn sie allseitig befolgt und bindend werden würde, die 
Einleitung künstlicher Aborte bzw. Frühgeburten aus unzu¬ 
reichenden Gründen erschweren, wenn auch wohl nicht auf die 
notwendigen Schwangerschaftsfälle tuberkulöser Frauen be¬ 
schränken würde. Auch F. Straßmann 8 ) erblickt in dem 
Zusammenwirken zweier Aerzte nicht immer die notwendige 
Gewähr dafür, daß die Indikation so streng gefaßt wird, wie 
man es verlangen muß. Besonders scheinen ihm „leichte 
tuberkulöse Affektionen oder auch nur verdächtige Be¬ 
funde als willkommene Indikation für eine Unterbrechung der 
Schwangerschaft angenommen“ zu werden. Die Zuziehung 
eines xbeliebigen zweiten Arztes oder das schriftliche Gut¬ 
achten eines praktischen Arztes über den Lungenbefund bieten 
aber auch keine irgendwie ausreichende Gewähr dafür, daß 
selbst eine „gewissenhafte Indikationsstellung“ objektiv zu¬ 
treffend ist und medizinisch berechtigt, die Schwangerschaft im 
Interesse der Mutter zu unterbrechen, oder sie ohne deren 
Gefährdung und Gesundheitsschädigung bestehen zu lassen. Es 
würden Fehlgriffe im Unterbrechen und Erhalten der Schwanger¬ 
schaft Vorkommen, wenn auch bona oder sogar optima fide. 
Auch in diesem Zusammenhänge liegt nämlich die Beurteilung für 
die Tuberkulose in ihrer weitaus häufigsten und praktisch 
wichtigsten Erscheinungsform, der Lungentuberkulose, ganz 
besonders schwierig. 

In einem Vortrage 9 ) über die „Fürsorge für die aus Lungen¬ 
heilstätten Entlassenen“, habe ich vom prophylaktischen Stand¬ 
punkt ausgeführt, daß das tuberkulosegefährdete und tuberkulöse 
weibliche Geschlecht besonderer aufklärender Beratung, 
Fürsorge und Schonung bedarf. Der Tuberkulosearzt kann 
daher auch der Erhöhung der Geburtenziffer um jeden Preis 
nicht zustimmen, so berechtigt und notwendig alje Be¬ 
strebungen sind, dem Geburtenrückgang in Deutschland ent¬ 
gegenzutreten. Wir wissen zwar, daß die Vererbung der Tuber¬ 
kulose von den Eltern auf die Frucht praktisch so gut wie keine 
Rolle spielt; aber die Vererblichkeit der Disposition zur Tuber¬ 
kulose ist wohl nicht zu bestreiten und zwingt aus rasse- 
hygienischen Gründen, die Quantität des Nachwuchses 


8 ) Die Behandlung der Abtreibung im künftigen Strafgesetzbuch. Viertel- 
jahrschrift für gerichtliche Medizin; 49. Bd., 2. H. 

9 ) Verhandlungen des Deutscheu Zentralkomitees zur Bekämpfung der 
Tuberkulose; 1914. 



Tuberkulose und Schwangerschaft. 


89 


nicht auf Kosten der Qualität zu überschätzen. Dieser Auf¬ 
fassung hat erst jüngst eine Bestätigung durch den Geh. Ober- 
Med.-Rat v. Gr über auf der Tagung für „Erhaltung und 
Mehrung der deutschen Volkskraft“ gefunden, v. Gruber 
führte in seinem Vortrage über „die Hebung der Rasse“ u. a. 
aus: Die Entwicklung des Individuums hänge von den 
Entwicklungsbedingungen und den der Geburt voraus¬ 
gehenden Vorgängen ab; durch gewerbliches Gift, durch 
das Gift der Syphilis oder Tuberkulose komme es zuweilen 
zu einer Vergiftung des Kindes im Mutterleibe und zu nicht 
mehr ausgleichbaren Veränderungen. Ungünstige Uraweltver- 
hältnisse spielen bei der Keimbildung eine Rolle; am meisten 
wirke jedoch die im Keimplasma liegende sog. Erbmasse 
auf die Eigenschaften des Nachwuchses ein. Die Gemeinschaft 
itiüsse danach trachten, die Fortpflanzung der Plus-Varianten 
zu fördern und die Minus-Varianten von der Fort¬ 
pflanzung auszuschließen. Die Fortpflanzung minder¬ 
wertiger Geschöpfe — und ein großer Prozentsatz der Tuber¬ 
kulosekranken ist zweifellos somatisch minderwertig — 
müsse eingeschränkt werden. Umfassende Bekämpfung des 
Alkoholismus, der Tuberkulose und der Geschlechtskrank¬ 
heiten werden zur Hebung der Rasse beitragen. 

Diese Lehren und Forderungen gewinnen angesichts der 
kontraselektorischen Auslese des Krieges eine erhöhte Be¬ 
deutung. Auch in der Zukunft kann an Nachkommenschaften 
tuberkulöser Mütter, bei denen eine Vererbung der Anlagen 
nach der Minusseite stattflndet und an den Kindern in 
Schwäche und Prädisposition für die tuberkulöse Erkrankung 
zum Ausdruck kommt, der Nation nicht so viel gelegen 
sein, daß darüber das Leben der Mutter gegen das der 
Frucht zurücktritt. Daher habe ich auch in meinem Vor¬ 
trage 9 ) des weiteren empfohlen, daß tuberkulöse Mädchen über¬ 
haupt nicht und klinisch geheilte Mädchen nicht innerhalb der 
nächsten zwei Jahre nach einer Heilstättenkur eine Ehe ein- 
gehen. Für die gleiche Zeit sei klinisch geheilten Frauen der 
Eintritt der Schwangerschaft zu widerraten; letztere bedeute 
für nicht geheilte Frauen meist sogar eine Herabsetzung der 
Lebensaussichten und Gefahren, die für Mehrgebärende größer 
zu sein pflegen, als für Erstgebärende. 

Mit solchen prophylaktischen Ratschlägen wird aber er¬ 
fahrungsgemäß nicht viel erreicht, zumal die Lungentuberkulose 
an sich kein Hinderungsgrund für die Konzeption ist, außer in 
ihrem vorgeschrittenen Stadium. Tritt Konzeption ein, dann soll 
der Arzt raten oder ein selbst unerlaubtes Mittel helfen. Das Ver¬ 
trauen in die medizinisch begründete und approbierte Hilfs¬ 
bereitschaft soll bei graviden Tuberkulösen auch nicht erschüttert 
werden, selbst wenn der stille Wunsch, die Schwangerschaft 
los zu werden, nicht immer berechtigtem Selbsterhaltungstrieb 
oder schweren tuberkulösen Organveränderungen entsprungen ist. 
Man vergesse als Arzt nicht, daß diese Patienten oft hereditär 



90 


Dr. Boepke. 


belastet und überängstlich, tuberkulosefürchtende oder sonst aus 
ihrem seelischen Gleichgewicht herausgefallene Naturen sind, die 
beruhigt und beobachtet, jedenfalls fest in ärztlicher Hand be¬ 
halten werden müssen, bis eine eindeutige Indikationsstellung 
nach der einen oder anderen Richtung hin möglich ist. Dadurch 
wird man am ehesten der voreiligen heimlichen Frucht¬ 
abtreiberei den Zufluß abgraben, manche Schwangerschaft er¬ 
halten und normal ablaufen sehen, manche kunstgerecht unter¬ 
brechen und dädurch aus dem erhöhten Gefahrenbereich heraus¬ 
bringen. 

Jedenfalls ist aber — und damit wiederhole ich meine 
erste und grundsätzliche Forderung — in allen Fällen von 
Tuberkulose und Tuberkulose verdacht die Frage mit fach- 
ärztlicher Gründlichkeit und Sicherheit zu prüfen, ob eine 
eingetretene Schwangerschaft bestehen bleiben darf. Indiziert ist 
ihre künstliche Unterbrechung ohne weiteres bei einer offenen, 
ulzerösen, kavernösen, diffusen oder über einen ganzen Lungen¬ 
lappen ausgedehnten, also vorgeschrittenen Tuberkulose. 
Ebenso bei sichergestellter Komplikation der Tuberkulose durch 
Hyperemesis, Nephritis, schwere Chlorose, pleuritisches Exsudat 
und bei tuberkulöser Mitbeteiligung des Kehlkopfes; letztere ist 
die wichtigste und schlimmste Komplikation der Schwangerschaft. 
Dagegen ist bei den initialen, geschlossenen, torpiden, fibrösen 
Formen, namentlich beim Fehlen von Komplikationen, nicht 
schon der Nachweis tuberkulöser Veränderungen in der Lunge, 
sondern erst der Nachweis ihres Fortschreitens oder 
Fortgeschrittenseins im Lungengewebe unter dem 
Einflüsse der Schwangerschaft entscheidend. Es soll 
damit der Standpunkt des Tuberkulose-Facharztes zum Aus¬ 
druck kommen, der die von Maragliano, Queirel, Ham¬ 
burger, Heimann, Pradella, Schauta u. a. erhobene 
Forderung, bei jeder Tuberkulose den künstlichen Abort ein¬ 
zuleiten, unbedingt ablehnt. 

In der Notwendigkeit der verschiedenen Behand¬ 
lung tuberkulöser Schwangerschaftsfälle liegt zugleich die große 
Schwierigkeit. Es ist die Schwierigkeit der ganzen Frage, 
sie ist diagnostischer und prognostischer Natur und 
wird allgemein unterschätzt. Oft steht für die Beobachtung 
des Lungenbefundes auch nur kurze Zeit zur Verfügung. Im 
Falle der Notwendigkeit der Schwangerschaftsunterbrechung soll 
nämlich die für den künstlichen Abort geltende Zeit der ersten 
zwei bis drei Schwangersohaftsmonate möglichst innegehalten 
werden, während die künstliche Frühgeburt gegenüber der 
normalen Entbindung weniger Vorteile bietet, immerhin aber 
die Prognose mancher tuberkulösen Frauen noch zu verbessern 
vermag. Ich verweise hier hinsichtlich der Einzelheiten auf 
Cred^-Hoerder, der 3 Gruppen unterscheidet für die ver¬ 
schiedenen Indikationsstellungen und Eingriffe, die bei schwan¬ 
geren Tuberkulösen erforderlich sein können: 1. Fälle, in denen 
die Einleitung eines künstlichen Abortes erforderlich ist; 



Tuberkulose und Schwangerschaft. 


91 


2. Fälle, in denen die Einleitung einer künstlichen Frühgeburt 
sich notwendig macht; 3. Fälle, in denen die Schwangerschaft 
ihr normales Ende erreichen darf. Die Unterscheidung und 
Abgrenzung wird, abgesehen von dem leicht feststellbaren 
Stadium der Schwangerschaft, von dem Allgemeinzustand, dem 
Lungenbefund und den durch die Gravidität gesteigerten 
Wechselwirkungen abhängen. 

Es besteht Uebereinstimmung darüber, daß die Schwanger¬ 
schaft 1. das Haften der tuberkulösen Infektion erleichtern 
kann (Tuberkuloseentstehung), 2. abgekapselte Tuberkulose¬ 
herde zum Aufflackern bringen kann (Tuberkuloseaktivierung), 

3. bestehende Tuberkulose der Lunge örtlich oder allgemein 
verschlimmern kann (Tuberkuloseausbreitung). Und zwar sind 
es dann allgemeine und örtliche Einflüsse, die die ungünstigen 
Veränderungen in der feinen Struktur der Lungen bedingen, 
loh nenne hier nur die Verminderung der thorakalen und 
diaphragmatischen Atmung während der Gravidität, die Arbeits¬ 
überlastung der am meisten gefährdeten Lungenspitzen, die 
Aenderung des physiologischen Körperhaushaltes, anatomische 
und histologische Gewebsveränderungen und solche in der Blut- 
und Lymphbewegung, Auflockerung der Gewebe, mangelhafte 
Aatikörperbildung und Phagozytose, Anreicherung des Blutes 
mit Cholestearin und Fett. Manches hiervon ist noch hypo¬ 
thetisch. Sicher ist, daß die Statistik die Häufigkeit der 
Entstehung der Lungentuberkulose unter dem Einflüsse der 
Schwangerschaft mit 32 °/ 0 überschätzt, daß aber in der Praxis 
und auch in Entbindungsanstalten und Frauenkliniken ein 
großes Kontingent von tatsächlich tuberkulösen Schwangeren 
unerkannt und unbeobachtet entbunden wird. Die 
tuberkulöse Frau ist nicht nur in der Geburtshilfe und 
Gynäkologie, wie Crede-Hoerder sagt, mehr oder weniger ein 
„Stiefkind“ geblieben, sondern in der medizinischen Diagnostik 
überhaupt und in der Praxis erst recht. Deshalb ist es auch 
nicht auffallend, wenn als Anzeichen für Entstehen, Aufflackern 
bzw. Verschlimmern der Lungentuberkulose infolge oder im 
Verlaufe der Schwangerschaft angesehen, im Einzelfall fest¬ 
gestellt und prognostisch gewertet wird, was von den Befunden 
und Erfahrungen der Tuberkuloseärzte sehr, oft allzuweit 
abweicht. 

Nur einige wichtige Punkte. Ich habe wiederholt bei 
tuberkuloseverdächtigen oder noch initialen Tuberkulosefällen 
beobachtet, daß nach anfänglich gutem Verlauf und bei gleich¬ 
bleibendem Lungenbefund eine akute Verschlimmerung ein¬ 
setzt, daß solche Verschlechterungen ganz unerwartet erst 
in der zweiten Hälfte der Schwangerschaft eintreten können, 
ohne daß sich Fieber und Gewichtsabnahme als 
ungünstige Vorboten warnend bemerkbar machen. 
Das ist praktisch sehr wichtig. 

Ferner ist nach meinen Erfahrungen der Ausfall der 
lokalen Tuberkulinreaktionen für die Indikationsstellung 



92 


Dr. Boepke. 


nicht zu verwerten, auch nicht im Sinne von E. Martin, der 
bei positivem Ausfall das Vorhandensein ausreichender Resistenz¬ 
kräfte des tuberkulösen Organismus annimmt, im negativen 
Falle aber den Abort für angezeigt hält. Die Reaktionsfähigkeit 
sinkt oder erlischt gegen das Schwangerschaftsende, um im 
Wochenbett wieder anzusteigen. Wenn Zweifel bestehen, ob 
bei einer Gravida überhaupt Tuberkulose vorliegt, dann ist das 
einzige, was eine Tuberkulose mit Sicherheit ausschließen läßt, 
der negative Ausfall der subkutanen Tuberkulindiagnostik; 
das Verfahren ist bei richtiger Methodik ungefährlich, auch für 
die Frucht. Dagegen kann die Konjunktivalreaktion überhaupt 
nicht mehr mit gutem Gewissen als unbedenklich empfohlen 
werden; und der Wert der kutanen Tuberkulinreaktion nach 
v. Pirquet ist bei Erwachsenen zu diagnostischen und 
prognostischen Zwecken ganz unsicher und bei Schwangeren 
noch zweifelhafter als bei Nichtschwangeren. Ihr negativer 
Ausfall trotz vorhandener Tuberkulose ist nicht mit irgend¬ 
welcher Sicherheit als ein ungünstiges Zeichen zu deuten. 

Wollte man also in diagnostisch oder prognostisch 
unklaren Tuberkulosefällen die Entscheidung, ob eine Schwanger¬ 
schaft zu unterbrechen ist oder nicht, von dem Ausfall der 
lokalen Tuberkulinreaktionen abhängig machen oder auch nur 
mitbestimmend beeinflussen lassen, — es gäbe ein Opfern von 
Föten oder Müttern, das der Kurpfuscherei nicht nachstände. 
Das behaupte ich auf Grund besonders umfangreicher Einblicke 
in das Wesen der Tuberkulinproben! 

Auch die Zuhilfenahme der von Credd-Hoerder hoch 
eingeschätzten Röntgenuntersuchung läßt regelmäßig 
dann im Stich, wenn die Frage zu entscheiden ist, ob 
physikalisch nachweisbare Lungenveränderungen tuberku¬ 
lösen Ursprungs oder aktiven Charakters sind. Ueberhaupt 
kommt es hier weniger auf die Frage der klinischen Früh¬ 
diagnose der Lungentuberkulose an als auf die Differential¬ 
diagnose und noch mehr auf die Unterscheidung aktiver Lungen- 
herae von inaktiven, weiter auf die ärztliche Fähigkeit, durch 
die physikalische Untersuchung den Tuberkuloseherd möglichst 
zutreffend abzugrenzen und zu beobachten, ob sich die 
Grenze des Pathologischen nach dem gesunden Lungengewebe 
hin verschiebt, ob Infiltrationen oder katarrhalische Erschei¬ 
nungen sich ausbreiten oder als Metastasen in bisher 
freien Abschnitten feststellbar werden. Das ist aber nur dem 
geübten Untersucher möglich, der auch feine Unterschiede und 
geringe Abweichungen der Perkussions- bzw. Auskultations¬ 
ergebnisse richtig erkennt und deutet. 

Deshalb halte ich als zweiten Arzt, der über die Unter¬ 
brechung einer Schwangerschaft bei tuberkuloseverdächtigen 
und tuberkulösen Schwangeren mit entscheiden soll, den 
Tuberkulose-Facharzt für den berufensten und möchte 
ihm für die Indikationsstellung den Vorzug eingeräumt wissen 
vor dem praktischen Arzt, vor dem Frauenarzt und selbst vor 



Tuberkulose und Schwangerschaft. 93 

den Vertretern der inneren Medizin. Diagnostische Fähigkeiten 
einzelner Kollegen sollen nicht in Zweifel gezogen werden. Es 
gibt unter den Praktikern und in allen Disziplinen gute Unter¬ 
sucher der Atmungswege, ich kenne aber auch andere, selbst 
Internisten von gutem Rufe, und kein Arzt wird bestreiten 
können, daß er, wenn er Perkutieren und Auskultieren nicht 
sehr sicher beherrschen gelernt hat und dauernd und 
kritisch übt, Feinheiten überhört und unsicher wird, zumal 
wenn das Gehör durch endo- oder exogene Vorgänge schwächer 
oder mit höherem Alter weniger reizempfindlich wird. 

Ist der zweite Arzt bei Entscheidung der Schwanger¬ 
schaftsunterbrechung wegen Tuberkulose tunlichst ein Tuber¬ 
kulose-Facharzt oder wenigstens ein Internist, dann kann der 
andere Arzt, der den Eingriff zur Frage stellt oder ihn aus¬ 
führt, der behandelnde Arzt oder — für die meisten Fälle 
besser — ein Gynäkologe sein. In der Praxis hat sich schon 
vielfach der Gebrauch ausgebildet, daß der Gynäkologe für 
die Feststellung des Lungenbefundes und der Indikation einen 
Tuberkulosearzt oder Internisten heranzieht, während diese mit 
der als notwendig erkannten Ausführung des Eingriffes in der 
Regel den Frauenarzt zu betrauen pflegen. 

Der praktische Arzt tritt dabei allerdings in den Hinter¬ 
grund, und man könnte im Zweifel sein, ob solche Einengung 
der ärztlichen Allgemeinpraxis bei der ohnehin zunehmenden 
Spezialisierung der Heilkunde erlaubt und wünschenswert 
ist. Aus jahrelanger fachärztlicher Praxis weiß ich, daß 
viele praktische Aerzte nicht ungern darauf verzichten, bei 
tuberkulösen Schwangeren im Sinne der künstlichen Unter¬ 
brechung aktiv beteiligt zu werden. Es ist das auch ver¬ 
ständlich, weil die Vornahme der jeweilig indizierten Ein¬ 
griffe in der Sprechstunde untunlich, im Hause der Graviden 
recht zeitraubend ist und nicht die sichere und kunstgerechte 
Ausführung, Nachbehandlung usw. verbürgt wie in einer 
allgemeinen oder Spezial-Krankenanstalt. Dazu kommt, daß 
der künstliche Abort nicht in allen Fällen die Verschlimmerung 
der Tuberkulose aufzuhalten vermag und diese dann dem 
Praktiker, wenn auch völlig unberechtigt, zum Vorwurf gemacht 
werden kann. Das gilt in noch weit höherem Maße für die 
künstliche Frühgeburt, die selbst in Frauenkliniken und bei 
Fällen des I. Tuberkulosestadiums 40°/ 0 Mortalität aufweist und 
jenseits des fünften Monats so umstritten ist, daß eigentlich 
nur der gynäkologisch tätige Arzt die Verantwortung über¬ 
nehmen kann. Dann kommen auch eingreifendere Operationen 
wie Totalexstirpation, gleichzeitige Sterilisierung in Frage, die 
unbedingt in der Hand des Gynäkologen verbleiben müssen. 
Die Frage der gleichzeitigen Sterilisierung wird nach meinen 
Erfahrungen auch schon häufig vor der Einleitung des künst¬ 
lichen Abortes auftauchen und erheischt immer eine ganz 
besonders kritische Prüfung der Notwendigkeit bzw. Zweck¬ 
mäßigkeit; sie ist so schwerwiegend, daß sie, von einem 



94 Kleinere Mitteilungen and Referate aas Zeitschriften. 

Arzte beschlossen und ausgeführt, geradezu einen sträflichen 
Leichtsinn bedeuten würde. 

Für die Indikationsstellungen sind außer dem Stadium der 
Schwangerschaft und dem Verlauf der Tuberkulose die sozialen 
Verhältnisse zwar nicht entscheidend, aber doch von 
Wichtigkeit. Man mag sie in der Theorie außer acht lassen 
wollen, in der Praxis wird man sie berücksichtigen müssen, 
wenn man die tuberkulöse Frau im Ruhestadium ihrer Er¬ 
krankung erhalten, die Zahl der künstlichen Fehl- und Früh¬ 
geburten auf das unbedingt notwendige Maß zurückdrängen 
und vor allem das Uebel des kriminellen Abortes wegen vor¬ 
handener oder vermeintlicher oder fehlender Tuberkulose ein¬ 
dämmen will. Die verschiedenen Mittel und Wege zu diesem 
Ziele, das im Volksinteresse sehr dringlich ist und auch in dem 
Arbeitsfelde der Medizinalbeamten liegt, sollen einer späteren 
Veröffentlichung Vorbehalten bleiben. Die tuberkulöse Frau 
darf jedenfalls in der sozialen Medizin nicht weiter das Stiefkind 
bleiben und gerade dann nicht, wenn für sie im Zustande der 
Schwangerschaft der Arzt „zum Herrn über Leben und Tod“ 
wird. 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 

A. Geriohtliohe Medizin. 

Ueber Vergiftung mit Azetylengas. Von Dr. NicoL Münchener 
mod. Wochenschrift; 1916, Nr. 6. 

Die toxische Wir kan g des Azetylens ist sehr gering; erst in hoher 
Konzentration wirkt es betänbend. — ln zwei beobachteten Fällen ergab sich 
folgendes Krankheitsbild: Tief komatöser Zustand, tiefe, langsame Atmung, 
Brechreiz, Zyanose des Gesichtes. Puls klein, frequent, unregelmäßig. Pupillen 
erweitert, starr. Bauchdecken und KremasterreHexe nicht auslösbar; kein 
Patellar- und Fußklonus. Auf Anruf o^er sonstige Reize keine Reaktion. — 
Unter dem Einflüsse von O-Inhalationen und Exzitantien schnelle Besserang. 
Nach 1 Stunde rauschartige Erregungszustände. Der Kranke schlägt um sieb, 
wirft sich herum, ist nur mit Mühe zu halten; Gesichts- und Gehörs¬ 
halluzinationen treten auf; plötzlich lacht er laut; gibt verwirrte Antwort. 
Nach 2 Stunden fester Schlaf. (Also ein Krankheitsbild, wie wir es in der 
Narkose sehen). Der Nachweis von Kohlenoxyd im Blute ist nicht gelangen. 

_ Dr. Gr aß 1-Kempten. 


B. SaohverntAndlgent&tlgkelt in Unfall- and Invalidität»- and 
KrudtsaverslohsrangMaohsn. 

Schlaganfall. Kein ursächlicher Zusammenhang mit einer 3 Standen 
vorher verrichteten schweren Arbeit (Wagenschieben). Urteil des 
ltoichsversicherungsamts vom 13. Oktober 1915. 

Der Hauer Franz B. in Altwasser war am 27. Juli 1913 gegen 9 1 /* Uhr 
zur Nachtschicht ungefähren und hatte zunächst zwei volle Förderwagen vom 
Fördergestell wegzuschieben und an deren Stelle zwei leere Wagen aufzu¬ 
rücken. Diese Arbeit mag dem B. schwer gefallen sein, zumal die ersten 
beiden Wagen durch Geröll hindurch, das auf den Schienen lag, geschoben 
werden mußten. Er hatte zwar über „die Schinderei" geschimpft, dann aber 
doch einige Stunden weitergearbeitet. Gegen 1 Uhr nachts in der Eßpause 
erwähnte er dem Kameraden gegenüber ein merkwürdiges Müdigkeitsgefühl, 
konnte aber auch danach wieder noch zirka 3 Stunden Weiterarbeiten, ohne 
daß sein Arbeitskamerad etwas Auffälliges an ihm bemerkte. Gegen vier Uhr 
morgens fiel er plötzlich bei der Arbeit um und mußte bewußtlos ins Lazarett 




Kleinere Mitteilungen and Referate aas Zeitschriften. 


95 


geschafft werden, wo er bald nach der Ginlieferong starb. Er war, wie die 
Leichenöffnung ergab, einem Gehirnschlage erlegen, der durch eine Verkalkung 
der kleinen Gehirngefäße verursacht worden war. Wenn solche Gehirnblutungen 
auch durch schweres Arbeiten ausgelöst werden können und auch nicht in 
jedem Falle sofortige deutliche Erscheinungen zu verursachen brauchen, so 
erschien dem befragten Arzte in diesem Fall der Zeitraum von mehreren 
Standen zwischen der schweren Arbeit des Wagenschiebens und dem ersten 
Auftreten der Krankheitssymptome doch zu lang, als daß mit Wahrscheinlich¬ 
keit auf einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Tod und Arbeitsleistung 
geschlossen werden könnte. Die von den Hinterbliebenen erhobenen Ent¬ 
schädigungsansprüche wurden daher abgewiesen, weil ein Unfall für das Bersten 
des erkrankten Gehirngefäßes nicht verantwortlich gemacht werden könne. 
Das R.-V.-A. bestätigte die ablehnenden Vorentscheidungen aus folgenden 
Gründen: 

Wenn man auch die Abschiebung zweier Bergewagen durch Geröll 
hindurch als eine besonders anstrengende Arbeit ansehen kann, die eine Gehirn¬ 
blutung hätte auslösen können, so kann man doch nach dem Gutachten des 
Knappschaftsoberarztes, der auch bei der Leichenöffnung mitgewirkt hat, mehr 
als die bloße Möglichkeit eines Zusammenhanges zwischen der zum Tode 
führenden Gehirnblutung und dieser Betriebstätigkeit nicht annehmen. Der 
Tod ist zweifellos infolge einer Gehirnblutung eingetreten. Aber die Zeit bis 
ein Uhr morgens ist nach den Hergangsermittelungen ohne besondere Vorboten 
eines ächlaganfalles, wie Schwindelanfälle und dergleichen, vergangen. Erst 
um ein Uhr bei der Eßpause hat B. die Bemerkung über Müdigkeit gemacht. 
Bei dieser Sachlage ist es nach dem Gutachten des Dr. M. wahrscheinlicher, 
daß der Beginn der Blutung erst um diese Zeit eingesetzt hat, als schon im 
Anschlüsse an die Arbeit des Wegschiebens der Förderwagen. Zwischen dieser 
Tätigkeit und den ersten Anzeichen einer Blutung liegt somit ein Zeitraum 
von etwa drei Stunden. Der Gutachter bezeichnet daher den Zusammenhang 
zwischen dieser Betriebstätigkeit und der zum Tode führenden Gehirnblutung 
als nur möglich, für wahrscheinlicher da6 erst spätere Einsetzen der dann 
auch auf die Tätigkeit nicht ursächlich zurückführbaren Blutung. Die Vor¬ 
instanzen haben daher mangels auch nur einigermaßen sicheren Nachweises des 
ursächlichen Zusammenhanges zwischen dem Tode und einer Betriebstätigkeit 
den Anspruch der Hinterbliebenen auf Rente mit Recht verneint. 

(Kompaß; 1916, Nr. 3.) 


Die Uebertragung des Krebserregers scheint nur auf dem Blutwege 
denkbar. Das bloße Zusammensein eines Unfallverletzten mit einem 
Krebskranken im Krankenzimmer genügt nicht zur Ansteckung. Urteil 
des Reichsversicherungsamts vom 14. Oktober 1915. 

Der Wagemeister W. U. in R. hatte am 24. März 1906 im Bergwerks¬ 
betriebe einen Bruch des rechten Unterschenkels erlitten, für dessen Folgen 
U. zuletzt eine Teilrente von 50°/o bezog. Nachdem U. am 2. Juli 1912 an 
Kehlkopfkrebs verstorben war, behaupteten die Hinterbliebenen, l T . habe sich 
infolge der öfters angewandten Narkose ein tuberkulöses Halsleiden zngezogen. 
Wenn er an Kehlkopfkrebs gestorben sei, so wäre das auf eine Ansteckung 
zurückzuführen, der er während seiner Behandlung an den Unfallfolgen im 
Knappschaftslazarett ausgesetzt gewesen sei. Er habe damals mit einem an 
Zungenkrebs leidenden »Steiger einige Zeit in demselben Krankenzimmer 
zusammen gelegen. Einen solchen indirekten Zusammenhang des Todes mit 
dem Unfall hielten die Aerzte jedoch für sehr wenig wahrscheinlich. Nach 
dem vom R.-V.-A. eingeholten Obergutachten ist eine Krebsiioertragung nur 
auf dem Blutwege denkbar und ein bloßes Zusammensein mit einem Krebs¬ 
kranken in demselben Raum genügt nicht zur Uebertragung der Krankheit. 
Die Hinterbliebenen wurden daher vom R.-V.-A. aus folgenden Gründen mit 
ihren Ansprüchen abgewiesen: 

Die Leichenöffnung hat einwandfrei ergeben, daß U. an Kehlkopfkrebs 
gestorben ist. Daß diese Krankheit mit dem Unfall vom 24. März 1906 und 
insbesondere mit seinem bis zum 23. November 1907 währenden Lazarett.- 
aufenthalt in ursächlichem Zusammenhang gebracht werden kann, hat die 
Universitätsklinik in Breslau für ausgeschlossen, zum mindestens aber für 
durchaus unwahrscheinlich gehalten. Das R.-V.-A. hat sich ihrem eingehend 



96 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 


begründeten und überzeugenden Gutachten unbedenklich angeschloesen und 
vor allem auch einen Zusammenhang zwischen dem Krebsleiden des Ver¬ 
storbenen und seinem Lazarettaufenthalt insofern für unwahrscheinlich erachtet, 
als U. sich dort ein tuberkulöses Halsleiden zugezogen haben könnte, auf 
dessen Grundlage sich dann später der Kehlkopfkrebs entwickelt hätte; gegen 
einen solchen Zusammenhang spricht vor allem die Länge der zwischen dem 
Lazarettaufenthalt und dem Tode des U. verflossenen Zeit. Dem Rekurse 
mußte daher der Erfolg versagt werden, ohne daß es noch auf die Erhebung 
weiterer Beweise ankommea konnte. (Kompaß; 1916, Nr. 8.) 

Selbstmord eines Unfallverletzten im Anschluß an einen Streit mit 
der Ehefrau. — Entschädigungspflicht der Berufsgenossenschaft, well 
ungünstige Einwirkung des Unfalles auf die Gemütsverfassung des Ver¬ 
letzten anzunehmen. Urteil des Reichsversicherungsamts vom 
19. Oktober 1915. 

Der Bergmann W. in R. hatte am 2. April 1910 einen ziemlich schweren 
Unfall erlitten, welcher jedoch mit Hirnstörungen nicht verbunden gewesen 
war. Seit dem 1. Juli 1912 bezog er für die Folgen dieses Unfalles noch eine 
Rente von 50°/o der Vollrente. W. scheint ein jähzorniger, leicht erregbarer 
Mensch gewesen zu sein, denn er hatte seine Ehefrau öfters mißhandelt. Er 
war auch schon früher mehrmals mit dem Strafrichter in Konflikt gekommen 
und wegen Körperverletzungen bestraft worden. Im Dezember 1912 entstand 
zwischen den Eheleuten wieder Streit, weil W. den Wohnort wechseln 
wollte, womit die Frau nicht einverstanden war, und weil er die Arbeit nieder¬ 
gelegt hatte. Schon am 13. Dezember 1912 teilte er seiner Frau mit, daß er 
die Absicht habe, sich das Leben zu nehmen. Nach 2 Tagen griff W. bei 
einem neuen Streit zum Revolver, schoß seiner Frau eine Kugel in die linke 
Seite und sich selbst in den Kopf, woran er am nächsten Tage verstarb. Die 
Witwe erhob Entschädigungsansprüche. Ihr Mann habe in geistiger Um¬ 
nachtung die Tat begangen und die Geistesstörung sei auf den Unfall zurück¬ 
zuführen. Sie wurde mit ihren Ansprüchen von der Knappschafts-Berufs¬ 
genossenschaft und vom Oberversicherungsamt ab^ewiesen. Die gehörten 
ärztlichen Sachverständigen waren sich zwar darin einig, daß W. den Selbst¬ 
mord im Zustande geistiger Umnachtung begangen habe, nicht aber darin, daß 
der Unfall auch als wesentlich mitwirkende Ursache für die geistige Um¬ 
nachtung und damit für den Selbstmord anzusehen sei. Während die Vor¬ 
instanzen eine Mitwirkung des Unfalles und seiner Folgen für das Zustande¬ 
kommen der Tat nur als möglich erachteten, hielt das R.-V.-A. trotz der 
Zweifelhaftigkeit es doch für wahrscheinlich, daß der Unfall verschlimmernd 
auf den Gemütszustand des W. eingewirkt habe und verurteilte daher die 
Berufsgenossenschaft aus folgenden Gründen zur Entschädigungsleistung: 

Das R.-V.-A. hat auf Grund der Gutachten des Dr. W. in Dortmund 
vom 25. März 1915 und des Prof. Dr. H. in Bonn vom 6. Oktober 1914 ange¬ 
nommen, daß der Vater der Kläger den Selbstmord im Zustande geistiger 
Umnachtung verübt hat. Der Senat hält ferner durch die Beweisaufnahme, 
insbesondere durch die Erklärung des Dr. J. in Recklinghausen vom 11. Februar 
1918, für erwiesen, daß der Verstorbene seit dem Unfall ein scheues und 
eigentümliches, gegen die Zeit vor dem Unfall verändertes Wesen gezeigt hat, 
und hat deshalb in Uebcreinstimmung mit Dr. W. die Ueberzeugung erlangt, 
daß der Unfall auf die Gemütsverfassung des Verstorbenen eine verschlimmernde 
Wirkung ausgeübt hat. Hiernach erscheint die Annahme begründet, daß der 
Unfall für die Verübung des Selbstmordes eine wesentlich mitwirkende Ursache 
gewesen ist. _ (Kompaß; 1916, Nr. 8.) 

Die Angestelltenversicliernngspflicht der Bademeister in Sanatorien. 

Beschluß des Rentenausschusses Berlin der Reichsvcr- 
sicbcrungsanstalt für Angestellte vom 6. Mai 1915. 

Die Angestellten gehören nicht zu den Selbständigen, sind aber auch 
nicht der handarbeitenden Bevölkerungsklassc zuzurechnen. Sie verabfolgen 
sämtliche Arten von Bädern. Dabei liegt ihnen die Bedienung des Publikums, 
das Reinigen der Zellen und der Badegeräte ob. Außerdem üben die Ange¬ 
stellten Massage aus und verabfolgen Moor- und Lichtbäder. Die Bäder und 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


97 


die schwierige Massage verabreichen sie nur auf ärztliche Anweisung und 
unter ärztlicher Aufsicht. Die Verabfolgung von Wasserbädern und die dienst¬ 
botenähnliche Beschäftigung nehmen den größeren Teil der täglichen Arbeits¬ 
leit der Angestellten in Anspruch. Irgendwelche Personen unterstehen ihnen 
bei ihren Verrichtungen nicht. Die Angestellten haben sich ihre Sachkunde 
durch den Besuch eines Lehrkursus angeeignet und eine Fachprüfung be¬ 
standen. Nach dem vorstehenden Sachverhalt sind die Angestellten nicht mehr 
der handarbeitenden Bevölkerungsklasse zuzurechnen. Wenn ihnen auch 
keinerlei Leitungs- und Anordnungsbefugnisse zustehen, so ist ihre Arbeit doch 
höher zu bewerten als gewöhnliche Handarbeit. Die Ausübung der Massage, 
die Verabreichung von Licht-, Moor- und Kohlensäurebädern ist eine Tätigkeit, 
durch die ärztlich angeordnete Heilbehandlung ausgeführt wird. Sie setzt 
nmfangreiche Kenntnisse, insbesondere über den Bau des menschlichen Körpers 
voraus und erfordert weitgehende Sorgfalt und Aufmerksamkeit, insbesondere 
kann bei der Verabfolgung der medikamentösen Bäder das kleinste Versehen 
schwere Nachteile für die Gesundheit des Patienten im Gefolge haben. Die 
Verantwortung, die die Angestellten insoweit tragen, ist daher eine große und 
überschreitet das Maß der Verantwortlichkeit, das einen gewöhnlichen Hand¬ 
arbeiter trifft. Desgleichen sind die Vorkenntnisse, die die Angestellten zur 
Ausübung ihrer Tätigkeit befähigen, erheblich größere, als sie von einem 
gewöhnlichen Handarbeiter verlangt werden. Die Tatsache, daß zurzeit die 
Verabreichung von Wasserbädern und die dienstbotenähnliche Beschäftigung 
den größten Teil der täglichen Arbeitszeit der Angestellten in Anspruch 
nehmen, kann für die Beurteilung der Stellung der Angestellten nicht ent¬ 
scheidend ins Gewicht fallen. Die Angestellten sind hiernach in die Gruppe 
der gehobenen Angestellten einzureihen und deshalb versicherongspflichtig. 

(Sächsische Korrespondenz.) 


0. laktorlologlo und BokimpAuf dar übertragbaren Krankheiten. 

1. Bekämpfung übertragbarer Krankheiten im allgemeinen. 

Die Erzeugung der Impfstoffe und Massenimpfungen in Krakau 
gegen Cholera und Typhus in der Zeit des Krieges 1914/15. Von Prof. 
Dr. Otto Buj wid, k. und k. Oberstabsarzt 1. Kl. Aus dem Gr. mob. Epidemie¬ 
laboratorium Nr. 9 der k. und k. Landwehr und dem Serotherapeutischen In¬ 
stitut Krakau. Medizinische Klinik; 1915, Nr. 62. 

Verfasser schildert zunächst die von ihm geübte Methode der Bestimmung 
des Bazillengehaltes der Vakzine, die in kürzester Zeit ein ziemlich genaues 
Resultat liefert. In 1 ccm Vakzine sind 2 mg Cholera- bezw. Typhusbazillen 
enthalten. Das Abtöten der Bakterien erfolgt nicht durch Erwärmen, sondern 
durch Zusatz von 0,6 # /o Phenol. Die Typhusvakzine wird außerdem zwecks 
Verminderung der Reaktion mit Antityphus-Pferdeserum (1:24000) sensibili¬ 
siert. In der Zeit vom Kriegsbeginn bis 1. Oktober 1915 wurden dort geimpft 
gegen Cholera zweimal 85345, einmal 34741, gegen Typhus zweimal 50027, 
einmal 7739 Personen. Die erste Impfdosis betrug 1 ccm, die 2. nach 5 Tagen 
2 ccm Choleravakzine. Die Impfung hat die Epidemie überall zum Stillstand 
gebracht. Die Cholera-Mortalität betrug bei den Nichtgeimpften 40—50 # /o, 
bei den Geimpften im ganzen 6,8 °/o, wobei noch zu erwäünen ist, daß die ein¬ 
mal Geimpften sehr leicht erkrankten und von den zweimal Geimpften keiner 
starb. Der Impfung ist es zu verdanken, daß sich die Cholera im Heere nicht 
verbreitet hat und nicht in die Zivilbevölkerung eingedrungen ist, ebenso ver¬ 
hält es sich mit dem Abdominaltyphus. Nach der Impfung fällt die Erkran- 
kungsziffer rasch ab, während sie in der nichtgeimpften Zivilbevölkerung zu¬ 
nimmt. Die Reaktion ist nach der Choleraimpfang im allgemeinen unbedeutend. 
In 3—5°/o trat Erbrechen und Durchfall ein; kurz dauernde Temperatur- 
Steigerungen auf 38—39° kamen öfter zur Beobachtung. Die Reaktion nach 
der Typhusimpfung ist im allgemeinen stärker; besonders macht sich lokale 
Anschwellung und Schmerzhaftigkeit geltend, bei unvorsichtigem Verhalten und 
Deberanstrengung fanden sich auch sterile Abszesse. Die 2. Typhusimpfung 
erfolgte deshalb erst nach 8 Tagen. 

Dr. L. Quadflieg -Gelsenkirchen. 



98 


Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


Die künstliche petechiale Umwandlung der Boseoien als ein 
diagnostsiches Hilfsmittel. Von Dr. Ernst Mayerhofer. Münchener med. 
Wochenschrift; 1916, Nr. 5. 

Jede Roseola kann durch Druck leicht in eine Petechie umgewandelt 
werden und dadurch die Diagnose Typhus, Paratyphus und Fleckfieber gefördert 
werden. Man nimmt die zu prüfende Hautstelle zwischen vier Finger (Daumen 
und Zeigefinger), hebt sie etwas auf, so daß der zu prüfende Fleck an die 
Spitze der kegelförmigen Hautfalte zu liegen kommt und übt nun rasch einen 
mäßig starken, konzentrischen Druck auf die Roseola aus. Sofort entsteht 
an der Stelle der fraglichen Roseola eine subkutane Blutung, die viel besser 
zu sehen ist als die zartgefärbte, vorher kaum elevierte Roseola. Reste nach 
Akne, verschiedene Pigmentationen und andere Stellen, die mit Roseolen ver¬ 
wechselt werden könnten, werden nicht petechial umgewandelt. 

Dr. G r a ß 1 - Kempten. 


2. Fleckfieber. 

Ueber Serumreaktioneu bei Fleckfleber. Yon Prof. Dr. E. Got- 
schlich, damaligen stellvertretenden Leiter des Hygienischen Instituts Halle, 
Priv.-Doz. Dr. W. Schür mann, I. Assistent am Hygienischen Institut Halle, 
Unterarzt Dr. Block, kommandiert zum Gefangenenlager Wittenberg. Aus 
dem Königl. Hygienischen Institut der Universität Halle und aus dem Lazarett 
des Gefangenenlagers Wittenberg Medizinische Klinik; 1915, Nr. 48. 

Die Schwierigkeit der Fleckfieberdiagnose hat verschiedene Forscher zu 
Versuchen veranlaßt, die Krankheit auf serologischem Wege sicher zu stellen. 
Diese Versuche hatten zu keinem sicheren Erfolg und zu widersprechenden 
Resultaten geführt. Delta fand, daß der Ausfall der Sero-Reaktion bei 
Fleckfieber erst wenige Tage vor der Entfieberung pder kurz vorher positiv 
wird. Dadurch erklärt es sich, daß man je nach dem Stadium der Erkrankung 
verschiedene Resultate fand. G., Sch. und Bl. stellten non zunächst aaclb 
Versuche an, um mit der Komplementbindungsreaktion in der Diagnose des 
Fleckfiebers weiter zu kommen. Sie prüften Krankensera mit Extrakten aus 
Fleckfieber-, luetischen und normalen Organen und bedienten sich sowohl der 
Original - Wassermann - Methode als auch der Stern sehen Modifikation 
(aktives Serum). Der Eriolg mit spezifischem (Fleckfieber-) Extrakt war ganz 
unbefriedigend, mit Normal-Extrakten fast stets negativ; mit luetischem Leber¬ 
extrakt erhielten sie positive Resultate und zwar mehr mit der 8ternschen 
Modifikation, woran allerdings auch unspezifische Hemmungen beteiligt sein 
konnten. Bezüglich der Krankheitsperiode, in der positive Reaktion sich fand, 
machten sie dieselben Erfahrungen wie Delta. Ihre weiteren Komplement- 
bindungsversuche unter Benutzung von fleckfieberantikörperhaltigem Rekon- 
valeszentenserum und Krankenblut aus dem Frühstadium des Fleckfiebers 
ergaben, daß bei Anwendung von inaktivem Serum kaum oder nur spurweise 
Hemmungen auftraten, daß dagegen bei Verwendung aktiven Serums (Stern) 
stets deutliche Hemmungen beobachtet wurden; bei diesen ist jedoch stark 
mit unspezifischen Bindungen zu rechnen. Mit, der Praezipitin- und der 
Thermopraezipitin-Reaktion wurden keine positiven Resultate erzielt. Ueber 
die Technik der einzelnen Versuchsreihen gibt die Originalarbeit Auskunft. 

Dr. L. Qn adf Ti eg-Gelsenkirchen. 

3. Typhus. 

Die Brauchbarkeit des Kongorotsemm- und Drigalskiserumagars zur 
bakteriologischen Typhusdiagnose. Von Privatdozent Dr. W. Schürmann. 
Aus dem Hygienischen Institut der Universität Halle. Med. Klinik; 1916, Nr. 49. 

Die Schwierigkeit des Typhusbazillennachweises, namentlich bei verein¬ 
zeltem Vorkommen in Fäzes, hat nach Methoden suchen lassen, die eine elek- 
tivere Züchtung ermöglichen sollen. Neuerdings hat Schmitz empfohlen, die 
Drigalski-Conradi- und Kongorot-Nährböden mit Serumzusatz zu ver¬ 
wenden. Schürmnnn fand bei seinen Versuchen, daß sich eine Verringerung 
des Kongorotzusatzes empfiehlt, um eine Ermüdung der Augen zu verhüten; 
(etwa 100 ccm Serumagar, 5 ccm einer 1 proz. Lösung von Kongorot und 1,5 g 
Milchzucker). Unter 226 Fäzesproben, die nach den Verfahren: Züchtung auf 



Kleiner« Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


99 


Malachitgrünnährhoden nach Lentz-Tietz, Drigalski-Conradi and 
Bado-Nährboden ein negatives Ergebnis hatten, konnten dnreh Verarbeitung 
tof Kongorotserum und Drigalskiserumagar noch in 26 = 12,1 °/ 0 Fällen 
Typhus- bezw. Paratyphusbazillen gefunden werden. Dieser Erfolg empfiehlt 
aeben der Abschwemmung nach Lentz-Tietz die Anwendung der beiden 
8emmnährböden. Es scheint ferner, daß der D rigalski-Serumagar sich zum 
Nachweis der Ruhrbazillen besser eignet, als der Kongorotserumagar. Weitere 
Versuche sind noch im Gange über die Leistung der beiden Serum - Nährböden 
mit Koffe'inzusatz, sowie Uber Endoagar mit Serumzusatz. 

Dr. L. Quafiflieg-Gelsenkirchen. 

4. Wells che Krankheit. 

Experimentelle Grundlagen für eine spezifische Behandlung der 
Weilschen Krankheit (ansteckende Gelbsucht). 111. Mitteilung. Von Ober¬ 
stabsarzt Prof. Dr. Uhlenhuth, Beratendem Hygieniker, und Stabsarzt 
Dr. Fromme, Korpshygieniker. Medizinische Klinik 1915; Nr. 50. 

Die Anwendung von Chemikalien: Neosalvarsan, Argentum colloidale, 
Kollargol, Stibium coli., Hydrargyrum atoxyl., Argentum atoxyl., Atoxyl, 
Optochin hatte bei den infizierten Tieren keinen Erfolg. Infolgedessen gingen 
die Autoren zur spezifischen Immunisierungstherapie Uber. Nach Ueberstehen 
der Krankheit kommt es zu einer aktiven Immunität. Für das Zustandekommen 
der aktiven Immunität scheint die Impfung mit lebendem Virus erforderlich 
zu sein. Es gelang jedenfalls nicht durch einmalige Behandlung mit abge¬ 
tötetem oder geschädigtem Virus eine aktive Immunität zu erzielen. 1 ccm 
Rekonvaleszentenserum ist im allgemeinen imstande, gegen die sonst tödliche 
Dosis von 1 ccm Virusblut einen Schutz zu verleihen; auch noch 3 Tage nach 
der Infektion gegeben, konnte das Immunserum vor der Erkrankung schützen. 
Die im Serum von Rekonvaleszenten vorhandenen Schutzstoffe lassen sich im 
Tierexperiment nachweisen, so daß es möglich ist, Fälle, die ohne Ikterus 
verlaufen, im Tierversuch als Weil sehe Krankheit zu diagnostizieren, indem 
mau auf Vorhandensein von Schutzstoffen fahndet. Injektionen von Rekon- 
valeszentenserum haben mehrfach in der Behandlung von Weil scher Krank¬ 
heit gute Dienste geleistet. Kaninchen, Hammel und Esel eignen sich zur 
Gewinnung von Immunserum, das bei frühzeitiger Anwendung bei Menschen 
therapeutische Erfolge verspricht. 

Nachtrag aus der Medizinischen Klinik, Nr. 47. 

Inzwischen gelang es, durch Levaditifärbung in menschlicher Leber 
Spirochaeten nachzuweisen. Danach ist die von den beiden Autoren beschriebene 
Spbrofchaete als Erreger der Weilschen Krankheit anzusehen. 

Dr. L. Quadflieg-Gelsenkirchen. 

5. Genickstarre. 

Die Übertragbare Genickstarre. Von Med.-Rat J)r. Spaet, künigl. 
Berirksarat in Fürth in Bayern. Deutsche Vierteljahrsschrift für öffentliche 
Gesundheitspflege; 1915, 47. Bd., 4. H. 

Verfasser bespricht zunächst die Genickstarre, die nach den bisherigen 
Erfahrungen noch niemals alsKriegsseuche aufgetreten ist, hinsichtlich 
ihrer Aetiologie (Diplococcus intercellularis Weichselbaum). Die Frage, 
wie der Diplococcus in den menschlichen Organismus gelangt, ist noch nicht 
entschieden, spielt auch in praktischer Beziehung keine besondere Rolle. Die 
Zahl der Kokkenträger pflegt 5 bis 10 bis 20 mal größer zu sein als die Zahl 
der wirklich an Genickstarre Erkrankten; sie wird unter den Erwachsenen 
größer gefunden als unter den Kindern. Dm die Frage bezüglich der Ubiquität 
des Diplococcus endgültig zu lösen, wären ausgedehntere Untersuchungen in 
abgrenzbaren Gebieten nötig, in denen seit längerer Zeit tatsächlich keine 
Genickstarrefälle vorgekommen sind. Für das Auftreten, Zustandekommen und 
den Verlauf der Infektion sind zwei Möglichkeiten gegeben, einmal, daß die 
Virulenz des Erregers eine wechselnde, und dann daß die Disposition der 
einzelnes Personen für die Krankheit eine verschiedene ist. Ersteres wird 
vielfach angenommen und auch zutreffen. Ueber die Verschiedenheit der 
individuellen Disposition bestehen nur Vermutungen; im Alter unter 10 Jahren 



100 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 


erfolgen 70°/o der Erkrankungen, jenseits des 80. Lebensjahres nur sehr selten. 
FOr den kindlichen Organismus gelten als disponierend: lymphatische Konsti¬ 
tution, sowie auch Erkältung&n infolge meteorologischer Einflüsse, ferner starke 
körperliche Anstrengung, Insolation, Trauma, Alkoholismus und die bekannten 
Schädlichkeiten der Armut und des Elends. 

Bezüglich der Verbreitung der Genickstarre ist besonders beachtenswert: 

1- Daß die wirklich an Genickstarre erkrankten Personen hauptsächlich 
im Inkubationsstadinm und während der ersten Krankheitstage die Diplokokken 
in ihren Rachenorganen beherbergen und nach außen abgeben, daß dagegen 
vom fünften bis sechsten Krankheitstage ab, Ton einzelnen Ausnahmen abgesehen, 
diese Krankheitserreger in den Rachenorganen nicht mehr nachgewiesen werden 
können. Diese Kranken haben meist auch trockene Rachenorgane, sie husten 
wenig oder gar nicht. 

2. Daß im Gegensätze hierzu bei den Kokkenträgern, sowohl bei den 
an Pharyngitis erkrankten wie auch bei den Yöllig gesunden, noch in der Regel 
zwei bis drei Wochen Kokken in den Rachenorganen in vollvirulentem Zustande 
sich finden nnd von da nach außen abgegeben werden. In einzelnen Fällen 
wurden sogar noch längere Zeit Kokken in den Rachenorganen nachgewiesen, 
bisher bis zur längsten Dauer von sieben Monaten und bei periodischem Vor¬ 
handensein der Kokken sogar über diese Zeit hinaus. 

Bei der Verschleppung der Genickstarre spielen also die Kokkenträger 
die wichtigste Rolle. Das ersieht man auch aus dem epidemiologischen 
Verhalten der Krankheit: Bei Genickstarren bleiben die meisten Erkrankungen 
isoliert, und weitere Krankheitsfälle treten häufig entfernt von den vorher¬ 
gehenden auf, so daß es vielfach den Anschein hat, als handle es sich über¬ 
haupt um keine übertragbare Krankheit. Auch wechseln die, zeitlichen Intervalle 
zwischen den einzelnen Erkrankungen einer Gruppe von Genickstarrefällen 
sehr, nach manchen Beobachtungen von 1 Tag bis zu 47 Tagen. 

Unter diesen Verhältnissen ist es begreiflich, daß die Bekämpfung der 
Krankheit auf große Schwierigkeiten stoßen muß. Jedenfalls haben die Versuche, 
den Epidemien in der Weise entgegenzutreten, wie es namentlich in Deutsch¬ 
land mit so großem Erfolge beim Typhus und bei der Cholera gelang, bei 
der Genickstarrebekämpfung versagt. Halten doch namhafte Hygieniker die 
Feststellung und Isolierung aller Kokkenträger bei Auftreten von Meningitis 
epidemica selbst innerhalb von Kasernen und anderen geschlossenen Anstalten 
für praktisch undurchführbar und unnötig. 

Sind deshalb auch Bekämpfnngsmaßnahmen von recht zweifelhaftem 
Erfolge, so wird doch fast allgemein empfohlen: 

1. Absonderung der Kranken während der Dauer des akuten 
Stadiums der Krankheit. 

2. Desinfektion der Absonderungen der Kranken sowie aller damit 
in Berührung gekommenen Gegenstände — also fortlaufende Desinfek¬ 
tion am Krankenbett. 

Weniger Wert wird 

8. auf die Desinfektion nach Ablauf der Krankheit, die Hchluß- 
desinfektion, gelegt, weil die Meningokokken durch Austrocknung nnd 
unter dem Einflüsse des Lichtes, namentlich des Sonnenlichtes, von selbst bald 
zugrunde gehen. Immerhin wird sich eine möglichst einfache, nicht kost¬ 
spielige Desinfektion — gründliche Reinigung mit chemischen Desinfektions¬ 
mitteln und allenfalls noch Formaldehydgasdesinfektion — empfehlen, ohne 
Anwendung der Desinfektion im Dampfdesinfektionsapparate. 

4. Belehrung der Bevölkerung über Ursache, Wesen, Verbreitung 
und Bekämpfung der Genickstarre durch Merkblätter oder Veröffent¬ 
lichungen in der Tagespresse. 

Recht fraglich erscheint es, ob nach den bisherigen Erfahrungen es sich 
empfiehlt: 5. Umgebungsuntersuchungen auf Kokkenträger, namentlich 
solche in größerem Umfange, vorzunehmen. 

6. Die Frage, ob zur Eindämmung der Genickstarreverbreitung 
■Schließung der Schule angezeigt ist, muß natürlich von Fall zu Fall 
entschieden werden. Zeigt sich eine Häufung der Genickstarre in den Winter¬ 
monaten, wo nach den epidemiologischen Erfahrungen ein Ansteigen der Epidemie 
zu befürchten ist, so wird man zum Bchulschlusse raten müssen, zumal dann, 



Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 101 

trenn und so lange man nicht durch Aufsuchen und Ausschließung der 
Kokkenträger eine sichere Handhabe zur Einschränkung einer Verbreitung 
der Genickstarre bekommt. 

Da die Einzelmaßnahmen wenig befriedigende Ergebnisse liefern, so 
werden von verschiedenen Seiten 

7. mehr gesundheitliche Maßnahmen allgemeiner Natur empfohlen 
(Hebung der körperlichen Widerstandsfähigkeit gegen Krankheitseinflüsse, gute 
Bmährung, gute Wohnungsverhältnisse, Ortswechsel, Klimawechsel. Für das 
Militär: weniger dichte Belegung der Schlaf räume, Reinlichkeit, reichlicher 
Aufenthalt im Freien, Entlastung der Soldaten hinsichtlich der von ihnen 
geforderten Arbeitsleistungen beim Auftreten von Genickstarre). 

Als ganz selbstverständliche Maßnahme wäre schließlich noch zu er¬ 
wähnen : 8. gewissenhafte Erfüllung der Anzeigepflicht, die ja die 
Grundlage aller Bekämpfungsmaßn ahmen bei übertragbaren Krankheiten bildet. 

Om eine baldige sichere Diagnose zu ermöglichen, ist frühzeitig 
Zerebrospinalflüssigkeit zur bakteriologischen Untersuchung unter den nötigen 
Vorsichtsmaßnahmen zu übermitteln, da diese den sicheren Nachweis der 
Meningokokken eher ermöglicht, als Nasen- und Rachenabstriche. Nach dem 
fünften Krankheitstage wird eine Diagnose aus Nasen- und Rachenabstrichen 
überhaupt nicht mehr zu stellen sein, da erfahrungsgemäß nach dieser Zeit 
Diplokokken in der Regel dort sich nicht mehr befinden. 

Für die Therapie der Genickstarre ist von verschiedenen Seiten die An¬ 
wendung des Meningokokkenserums empfohlen; recht frühzeitige Anwendung 
ist erforderlich, auch hängt der Erfolg noch ab von der Menge des verwendeten 
Serums. Weniger befriedigend lauten die Berichte über die Behandlung der 
Kokkenträger mit Pyocyanase, Wasserstoffsuperoxyd, Formaminttabletten usw. 

Dr. R o e p k e - Melsungen. 


6. Tuberkulös*. 

Tuberkulosebekämpfung der deutschen Heeresverwaltung. Von Ober¬ 
stabsarzt Dr. Helm. Zeitschrift für Tuberkulose; 1916, Bd. 24, H. 1. 

Die deutsche Heeresverwaltung hat sich auf den Standpunkt gestellt, 
daß allen Unteroffizieren und Mannschaften, die im Kriege an Tuberkulose 
erkranken, ohne Rücksicht auf den Grad ihrer Erkrankung zunächst ein Heil¬ 
verfahren in einer Lungenheilstätte oder dergleichen zu gewähren und über ihre 
Entlassung erst später zu entscheiden ist. Zur besseren Ausnutzung der vor¬ 
handenen Sonderanstalten und zweckmäßigen Verteilung der Kranken auf die 
einzelnen Lazarette und Lazarettabteilungen wurden eigene Anweisungen erteilt. 

Am 1. März 1916 betrug die Gesamtzahl der einem Heilverfahren in einer 
Heilstätte oder einer Sonderabteilung eines Lazaretts unterzogenen lungen¬ 
kranken Soldaten bereits mehr als 35ü0. 

Für die nach der Behandlung mit verminderter Erwerbsfähigkeit Ent¬ 
lassenen hört die Fürsorge mit dem Ausscheiden aus dem Militärdienst nicht 
auf. Sie treten nach Maßgabe des Versorgungsgesetzes in den Genuß einer 
Rente und werden teilhaftig der Fürsorge der bürgerlichen Verwaltungs¬ 
behörden, Fürsorgeauaschüsse und dergl, welche die weitere Ueberwachung 
des Gesundheitszustandes, Beschaffung von Arbeitsgelegenheit, Wiederholungs¬ 
kuren, gesundheitliche Maßnahmen in den Wohnungen, besonders zum Schutze 
der Familienmitglieder usw., übernehmen. Dr. R o e p k e - Melsungen. 


Die Arbeitsbeschaffung für erwerbsbeschränkte Tuberkulöse. Von 
Prof. Dr. A. Kays erlin g. Taberklose-Fürsorge-Blatt; 3. Jahrg., Nr. 1. 

Die Arbeitsbeschaffung für Tuberkulöse hat sich nur auf die durch 
Tuberkulose in ihrer Erwerbsfähigkeit wesentlich Beschränkten und 
unter diesen in erster Linie auf die mit offener Tuberkulose Behafteten zu er¬ 
strecken. Eine derartige Beschränkung liegt im Interesse der Tuberkulose¬ 
bekämpfung und erscheint aus zwei Gründen gerechtfertigt: Erstens trifft sie 
im wesentlichen diejenigen Kranken, die einer öffentlichen Fürsorge besonders 
bedürftig sind und bei denen es im volkswirtschaftlichen Interesse liegt, daß 
eine durch kostspielige Heilverfahren erlangte Arbeitskraft, auch wenn sie 
keine vollständige ist, erhalten wird. Zweitens sind wir durch die Unter- 



Kleinere Mitteilungen and Beferate .aas Zeitschriften. 


102 

bripguqgin geeigneten Berufen imstande, die Ansteckungsgefahr, die von offen 
Tuberkulösen für ihre Arbeitsgenossen aasgeht, za vermindern. In ähnlicher, 
Weise ist man in der Wohnangspflege für Tuberkulöse vorgegangen; d. h. 
man hat von vornherein daraaf verzichtet, allen Tuberkuloseinfizierten oder 
Taberkulo8eerkrankten eine gesundheitsgemäße Wohnung za schaffen, hat sich 
vielmehr auf die vorgeschrittenen Tuberkulösen und unter diesen wieder auf 
die offen Tuberkulösen beschränkt. 

Trotzdem bleibt die Arbeitsbeschaffung für erwerbsbeschränkte Tuber 
kulöse schwierig. In großzügiger Weise arbeitet in dieser Hinsicht der unter 
dem Vorsitz von Freund- Berlin stehende Verband Märkischer Arbeitsnachweise. 
Nach dem Bericht von Dr. Bernhard wurden in den Geschäftsjahren 1913/14 
und 1914/15 488 Fälle an den Verband überwiesen und davon 102 Fälle ver¬ 
mittelt (96 männliche und 6 weibliche Erwerbsbeschränkte). Von den 96 männ¬ 
lichen nahmen 41 eine Stelle als Arbeiter, 34 als Hausdiener, 7 als Metall¬ 
arbeiter, je 2 als Packer, Tischler und Gartenarbeiter, die übrigen als Kutscher, 
Handwerker, Schreiber, Zettel Verteiler an, zumeist mit einem Woehenlohn von 
20—24 M. Der Mehrzahl war nach beendigter Kur eine Erwerbsfähigkeit von 
75 */o ärztlich bescheinigt. Auch die Versicherungsanstalten haben die Arbeits 
Vermittlung für aus Heilstätten entlassene Versicherte erfolgreich aufgenommen 
wie aus den „Monatsblättern für Arbeiterversicherung“ 1913, Nr. 10 zu ersehen 
ist. Ferner ist eine Reihe von Gemeinden damit vorgegangen, z. B. Charlotten- 
bürg, wo bestimmte Berufe, wie Parkwächter, für Tnberkulöse Vorbehalten bleiben. 

Ganz allgemein gesagt kann die Arbeitsbeschaffung für erwerbsbeschränkte 
Tuberkulöse in zweierlei Form erfolgen: entweder durch Unterbringung .in 
gesundheitsgemäßen Berufen oder durch Beschaffung besonderer Arbeitsstätten 
(hygienischer Arbeitsheime) für Tuberkulöse, insbesondere im Zusammenhang 
mit den neueren Ansiedlungsbestrebungen. Außerdem werden dort, wo der 
Arbeitsverdienst in der gesundheitsgemäßen Beschäftigung zu gering ist, seitens 
der Fttrsorgeorgane — analog den Mietszuschüssen für die Wohnung — 
Arbeitszuschüsse zu zahlen sein. Jedenfalls muß „das gegenwärtig 
wichtigste Problem der Tuberkulosefürsorge“ einer Lösung entgegengeführt 
werden. Dr. R o e p k e - Melsungen. 

Der Wert der Intrakutan •Tuberkulinreaktion bei Meerschweinchen- 
tuberkulöse. Von Prof. Dr. H. 8 e 11 e r. Deutsche med. Wochenschrift; 1916, Nr.' 8. 

Die Beschleunigung des Meerschweinchenversuches zum Nachweis von 
Tuberkelbazillen in Eiter, Urin, Punktionsflüssigkeiten usw. hat große prak¬ 
tische Bedeutung. Roemer hat für diesen Zweck die intrakutane Tuberkulin¬ 
reaktion empfohlen: es wird dem Meerschweinchen mit einer dünnen Kanüle in 
die Bauohhaut, die auf Fünfmarkstüekgröße enthaart ist, 0,1 ccm einer 
20°/«igen Tuberkulinverdünnung eingespritzt, so daß die Haut quaddelförmig 
aufgetrieben wird. Bei tuberkulösen Tieren bildet eich daun nach 24 8tu«den 
eine Verfärbung und Schwellung der Haut, die zwischen zwei Fingern leicht 
zu 'fühlen ist. 

Das Ergebnis der Seite rachen Untersuchungen im Hygienischen Institut 
der Universität Leipzig ist, daß eine positive Intrakutanreaktion entscheidend 
ist für das Vorhandensein einer beim Versuchstier angegangenen Tuberkulose- 
infektion, während eine negative Reaktion nicht das Gegenteil beweist. Der 
negative Ausfall erlaubt selbst nach 3—5 Monaten noä nicht den Schluß 
daß das verimpfte Material keine Tnberkelbazillen enthielt und daß keine 
Tuberkulose im Tierkörper vorhanden ist. Das Meerschweinchen ist auf jeden 
Fall zu töten nnd zu sezieren, und hierbei ist das Gewicht des ganzen Tieres 
und der Milz zu bestimmen. Das Verhältnis dieser beiden zueinander ist viel¬ 
leicht das sicherste Kriterium für eine Tuberkulose. 

Dr. R o e p k e - Melsungen. 

D. Hygiene und Mtaatliohaa Q aaun flhultuwoaan. 

1. Bekämpfung der Staubplage. 

Zur Staubbekämpfung mit Lösungen. Von Dr.-Ing. Scbeuermann- 
Wiesbaden. Die ßtädtereinigung; 1916, Nr. 1—2. 

Nur diejenigen Staubbindemittel können hinsichtlich der Wirtschaftlich¬ 
keit Aassicht auf dauernde Verwendung haben, die in jeder Stadt leicht and 



Kleinere Mitteilungen und Referat* aur Zeitschriften. 


108 


billig in beliebigen Mengen zu haben sind', die in einfacher und wemöglldi 
wteserffeier Bereitung heifl : zur Verwendung kommen; sind sie einmal 1 fest 
geworden, so sollfen sie es auch weiter gegenüber Nässe, Wärme und' Wind 
Meibee. Derartige Eigenschaften hat nur der Teer. Die seitherigen Mißerfolge 
können als abgetan gelten, nachdem erkannt ist, daß doppelt vorgekochter und 
alsdann mehrere Monate in Kesseln oder Behältern abgelagerter Ortsteer 
(JeberzSge und Durchtränkungen liefert, die mehrere Jahre Vorhalten; Lösungen 
werden als Staubbekämpfungsmittel nnr in Betraeht kommen' für* die-ganze 
Deekenfläche’ aus Asphalt und Hblz, für’Fugenfüllungen in Groß- und Klein- 
pflanter, auf Decken' beliebiger Art, aber allgemein bei Frost. 

Dr. Wolf-Hknaut 


2. Wasserversorgung. 

Prüföng tragbarer Wasserfflter auf Keiindichtlgkeit. Das Militär- 
Filter MbdeI11914 und' dhs Reise* und Armee-Filter A. F. I. der Berkeffelfr 
Filter - Gesellschaft. Von Reg.-Rat Prof. Dr. Spitt a. Arbeiten aus dem 
Kaiserlichen Gesundheitsamte; 1915, Rd. 50, H. 2. 

Verfasser gibt eine Uebersicht über die bisherigen Untersuchungen dfer 
Berkefeld-Filter und berichtet dann über eigene Versuche mit dem von 
der Berkefeld-Filter-Gesellschaft dem Gesundheitsamt zur Prüfung 
eingesandten Militärfilter Modell 1914, Armee- oder Taschenfilter A FI und 
Armee- oder Taschenfilter A.F II. 

Der Ausdruck „Taschenfilter“ bezeichnet nicht etwa nur Filter, 
die man in der Rocktasche bei sich tragen kann, sondern auch größere Filter, 
die in einer besonderen Umhängetasche getragen werden. Im Gesundheitsamt 
untersucht wurden nur die beiden kleinsten der übersandten Apparate (Nr. 1 
und 2), weil es gerade darauf ankam, Filter zu prüfen, die für den einzelnen 
Mann oder doch wenigstens für kleinere Gruppen von Mannschaften im Felde 
in Frage kommen. 

Däs Berkefeld-Militärfilter Modell 1914 ist ein kleiner Apparat 
ohne Pümpvorrichtung, der entweder als Tropf Alter oder als Saugfilter benutzt 
werden kann. Der Apparat' besteht ans einer ovalen Zinkblechhülse, in die ein 
Filterzylinder von 13 cm Höhe und 41/z cm Durchmesser wasserdicht eingesetzt 
wird. Am Auslaufrohr des Filters außerhalb der Zinkblechhülse kann ent¬ 
weder der dem Filter beigegebene 1 m lange Gummischlauch mit Mundstück 
angeschlossen werden. Das Filter wird dann, mit dem zu filtrierenden Wasser 
gefüllt, an einem Baum, an einer Wand oder dergl. in Kopfhöhe aufgehängt 
and als 8augfilter benutzt. Oder das Filter wird ohne Schlauch auf ein Glas, 
eine Flasche oder dergl. gestellt und arbeitet dann als einfaches Tropffilter. 
Beläßt man den Schlauch an dem Filter und hängt das Mundstück in das für 
die Aufsammlung des Filtrats bestimmte tief stehende Gefäß, ho kann man 
dadurch die Saugkraft naturgemäß steigern. 

Das Reise- und Armee-Filter A. F. I. besteht dagegen aus Pumpe 
and Filter. Beim Hochziehen des Pampenkolbens tritt das za filtrierende 
Wasser durch einen Saugstutzen and ein Kugelventil in den Pumpenzylinder; 
durch Hinabdrücken des Kolbens drängt man das Wasser in das Filtergehäuse 
und durch die poröse Wandung des Filterzylinders, den es durch ein am oberen 
Ende des Filtergeh&uses angebrachtes gebogenes Abflußrohr in filtriertem Zu¬ 
stand verläßt; Der Filterkörper ist 14‘f* cm lang und hat einen Darohmesser 
vw nur 3 cm. 

Mit den beiden beschriebenen Filtern können verschiedene Arten der 
Filtration vor sich gehen: bei dem Militärfilter Modell 1914 kann das Wasser 
entweder ununterbrochen oder intermittierend durch das Filter gesaugt werden; 
während das Reise- und Armee-Filter A. F. I. nur den intermittierenden Betrieb 
zutkßt. 

Da bei der Prüfung der beiden Berkefeld-Filtermodelle zu erwarten 
war, daß die Ergebnisse günstiger bei gleichmäßiger ununterbrochener Bean¬ 
spruchung der Filter ausfallen würden, als bei der intermittierenden, wurde 
den 1 Versuchen auf diesen Punkt Rücksicht genommen. 

Für die Filterprüfungen wurde das Bacterium prodigiosum als Probe- 
Bakterium- angewandt. Die benutzte Kultur bestand aus Stäbchen von durch¬ 
schnittlich 0,4 fi Breite, eignete sich demnach seiner Größenordnung nach’ gut 



104 


Kleinere Mitteilungen and Referate aas Zeitschriften. 


für die Versuche, die nach dem neuen, von Dr. A.'M.üller im Gesundheitsamt 
aasgearbeiteten Verfahren der „Gipsplattenkultur“ angestellt worden; and 
zwar wurden stets die kleineren Gipsplatten von 8-cm Durchmesser verwendet, 
die bequem in Petrischalen eingelegt werden können. Jede Platte saugt mit 
Leichtigkeit 25 ccm des zu untersuchenden Wassers auf. Es genügt dann, 
nach vollzogener Aufsaugung, noch 8 ccm neutraler 4 fach konzentrierter 
Bouillon zuzugeben und die Platte bei 20° C. aufzubewahren. Die aufschießenden 
leuchtend roten Prodigiosuskolonien sind dann nach 48 Stunden, mit der Lupe, 
später auch mit bloßem Auge gut zu erkennen und zu zählen. Vor Gebrauch 
werden die Gipsplatten in den Petrischalen l 1 /* Stunde lang bei 100° C. im 
Trockenschrank erhitzt. 

Die Untersuchung wurde im übrigen auf die wenigen dem Gesundheits¬ 
amt übersandten Filterkerzen beschränkt, da es nur darauf ankam, die prak¬ 
tische Frage zu beantworten, ob und unter welchen Bedingungen die„vor- 

S eiegten Filter ein bakterienfreies Filtrat liefern, und wie lange gegebenenfalls 
ie Lieferung eines solchen Filtrats vorhält. Aus dem gleichen Grunde wurde 
gewöhnlich auch darauf verzichtet, die Anzahl der im Filtrat auftretenden 
Prodigiosusbakterien in Beziehung zu setzen zu der Anzahl der jeweils im 
Rohwasser vorhandenen. Im vorliegenden Fall kam es mehr auf die Beant¬ 
wortung der Frage an: „Sind die Berkefeld-Filter überhaupt undurchlässig 
oder nicht?* als auf die Beantwortung der Frage: „Wie viel Prozent der 
Rohwasserkeime treten in das Filtrat über?“ 

Die Versuche mit dem Berkefeld-Militär-Filter (Modell 
1914) betrafen 1. Durchsaugen des infizier,ten Wassers mittels 
der Wasserstrahlluftlumpe durch das Filter; 2.„einen Dauer¬ 
tropfversuch von 6 Tagen; 8. einen Versuch unter Nach¬ 
ahmung des Saugeaktes. 

Der Versuch mit dem Reise- und Armee-Filter A. F., 
nur stoßweise, d. h. intermittierend betrieben, erstreckte sich mit Unter¬ 
brechungen auf im ganzen 50 Liter Wasser, die teils langsam ohne besonders 
starken Druck, teils rascher unter stärkerer Kraftentfaltung gepumpt wurden. 

Als Ergebnis konnte in Uebereinstimmung mit den Erfahrungen der 
meisten früheren Untersucher festgestellt werden, daß 

1. das untersuchte Berkefeld-Militär-Filter Modell 1914 eine 
gewisse Zeit hindurch Keime von der Größe der Prodigiosusbakterien, selbst 
wenn sie in sehr großer Anzahl im Rohwasser vorhanden waren, sicher zurück¬ 
hielt. Die Bakteriendichtigkeit hielt um so länger an, je gleichmäßiger 
das Filter beansprucht wurde. Bei ruckweisem Saugen traten bald größere 
Mengen von Keimen hindurch. Es empfiehlt sich daher, das Militär-Filter 
Modell 1914 nicht durch unmittelbares!Ansaugen mit dem 
Munde benutzen zu lassen, sondern entweder als einfaches Tropffilter 
oder als kontinuierlich wirkendes Saugfilter mit angesetztem Gummischlauch. 
In letzterem Falle entspricht die Ergiebigkeit etwa derjenigen, die man erhält, 
wenn man mit der Wasserstrahlluftpampe bei einem negativen Druck von 
6—7 cm Quecksilber saugen läßt. 

Ob die schließlich im Filtrat auftretenden Keime „ durchgewachsene“ oder 
„durchgespülte“ sind, möge dahin gestellt bleiben. Da das Bacterium prodi- 
giosum sich im Wasser nicht vermehrt hat, ist das letztere aber wahrscheinlicher. 

2. Das Berkefeld-Reise- und Armee-Filter A. F. I. ließ da¬ 
gegen bei Inbetriebsetzung sofort Keime durchtreten, allerdings in sehr spär¬ 
licher Zahl, nämlich weniger als 1 Keim im Kubikzentimeter Filtrat. Ob diese 
Durchlässigkeit für Bakterien nur eine Eigenschaft der einen zum Versuch 
benutzten Filterkerze gewesen ist, oder allen zu diesem Modell gehörenden 
Kerzen anhaftet, möge offen bleiben. Bei der sehr großen Ergiebigkeit des 
Reise- und Armee - Filters A. F. I. wird man aber wohl bei ihm immer mit einer 
gewissen Durchlässigkeit für Bakterien rechnen müssen. 

8. Beim Vergleich der Wirkung der Berkefeld-Filter mit einem im 
Handel befindlichen „Taschen“-Filter trat ihre vorzügliche Leistungsfähigkeit 
deutlich zutage. Trotzdem wird man, vom streng hygienischen Standpunkt aus, 
auch das Berkefeld-Filter nur als einen Notbehelf ansehen können, das nicht 
in Wettbewerb zu treten vermag mit den Verfahren, bei welchen dem Wasser 
durch Erhitzen sicher alle Infektionserreger entzogen werden. 



Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


106 


Die Berkefeld-Filter bedürfen einer sorgfältigen Wartung und müssen 
in gewissen Zwischenräumen gereinigt und sterilisiert (ausgekocht) werden. 
Diese Unbequemlichkeit ist seit jeher von allen Gutachtern als ein besonderer 
Uebelstand des Systems bezeichnet worden. Nur bei besonders vorgebildeten 
Hannsohaften (Sanitätspersonal) wird man mit einer Einhaltung dieser Vor¬ 
schriften rechnen dürfen. Aus diesem Grunde ist' der Zweifel berechtigt, ob 
die Schaffung eines Filtertypus für den einzelnen Soldaten überhaupt ein glück¬ 
licher Gedanke gewesen ist. 

Für die Tuberkulose hat die Flüggesche Schule (Köhlisch) fest- 
steilen können, daß vereinzelte Krankheitserreger noch nicht zu einer Infektion 
führen; für die durch Wasser übertragbaren Infektionskrankheiten steht ein 
sicherer experimenteller Beweis noch aus, aber es ist nicht unwahrscheinlich, 
daß es sich hier ähnlich wie bei der Tuberkulose verhalten wird. Ehe diese 
Frage aber nicht entschieden ist, wird man vorsichtigerweise die For¬ 
derung vertreten müssen, daß auch einzelne infektionstüch- 
tige Keime nicht in das Trinkwasser gelangen. 

Dr. R o e p k e - Melsungen. 


3. Nahrungsmittelhygiene. 

Die Schlackthofanlage der Kleinstadt. Von Stadtbaumeister Morgen- 
stern-Kirn. Gesundheit; 1916, Nr. 3. 

Der Verfasser geht zunächst auf die Wahl des Bauplatzes, Größe (nicht 
unter 0,86 qm pro Einwohner) und Bauplan ein und empfiehlt das Pavillon¬ 
system. Dann bespricht er die Größenbemessung und Einrichtung der einzelnen 
Räume. Die Wände sind bis 2 m mit Plattenbelag zu versehen und die Fu߬ 
böden aus Zementbeton mit geriffelter Oberfläche herzustellen. Jedes Schlacht¬ 
haus wird eine Kläranlage erhalten müssen. Zum Schluß geht der Verfasser 
auch auf die Heizung und Beleuchtung ein. Dr. Wolf- Hanau. 


4. AbfaUstoffe und Abwässer. 

Ueber Bedürfnisanstalten. Von Prof. Dr. Rohland-Stuttgart. Gesund¬ 
heit ; 1916, Nr. 2. 

Zur Verwendung für Bedürfnisanstalten empfiehlt der Verfasser Sanitol, 
das ein dünnflüssiges Desinfektionsmittel aufzusaugen vermag. Die Reinigung 
erfolgt mit warmem Wasser, dann werden die Platten trocken gerieben und 
wieder mit 8anitolöl getränkt. Es werden Oelgerucbverschlüsse (Amento) in 
die Abflußrinne eingebaut. _ Dr. Wolf-Hanau. 


Gutachten betreffend Beseitigung der in der Stadt N. anfaUenden 
Gerbereiabwässer. Von Geh. Ober-Med.-Rat Prof. Dr. Abel, Direktor des 
Hygienischen Instituts zu Jena. Zentralblatt für Gewerbebygiene; 1916, H. 1. 

Der Magistrat zu N. ersuchte über einen Vorentwurf zur Beseitigung 
der Gerbereiabwässer um ein Gutachten. Bei der Schwierigkeit, die in die 
Gerbereiabwässer übergehenden Milzbrandsporen durch ein Desinfektionsverfahren 
abzutöten, bleibt die Abscheidung dieser Keime durch Filtration allein 
brauchbar. A. kommt zu folgenden Schlußsätzen: 

1. Das von den Herren Projektverfassern geplante Verfahren der Be¬ 
handlung des Gerbereiabwassers von N. durch intermittierende Bodentiltration 
mit nachfolgender seitlicher Filtration im natürlichen Boden ist nach dem 
heutigen 8tande von Wissenschaft und Praxis als durchaus zweckentsprechende 
und nach Lage der Dinge beste Lösung anzusehen. 

Statt der intermittierenden Bodenfiltration Rieselung vorzunehmen, muß 
widerraten werden, weil die Rieselung keine Zurückhaltung der Milzbrandkeime 
im Boden sichert, teurer wird und bei dem Charakter des Abwassers auch die 
sonst vorhandenen Vorteile der Rieselung (landwirtschaftliche Ausnutzbarkeit 
des Bodens) nicht oder nur in sehr beschränktem Maße liefert. 

Rieselung mit nachfolgender Keimfiltration im natürlichen Boden hat 
ebenfalls den Nachteil der höheren Kosten und der mangelhaften landwirtschaft¬ 
lichen Ausnutzbarkeit gegen sich, ohne irgendwelche Vorteile zu bieten. 



106 


Kleinere ■ Mitteilungen and) Betonte «u Zaltsohriftong 


2. Der Ausführung des Projektes hat eine genaue Untersuchung des 
Bodens auf seine filtrierenden Eigenschaften vorauszngehen. QegebenenfaUn 
wäre ein anderes geeignetes Gelände auszuwählen. Das Verhältnis zwischen 
zu reinigender Abwässermenge und filtrierender Bodenfläche soll mindestens 
zunächst nicht über 100 cbm Abwässer täglich zu 1 ha Land hinausgekeni 
Für die Beseitigung der Sperrstoffe aus dem Sammolbrunnen und des Schlammes 
aus den Absitzbrunnen sowie für die Einteilung in Beete und das Umbrechen 
der Filteroberfläche sind die im einzelnen gegebenen Hinweise zu berück* 
aiohtigen. Die Leistung der Anlagen ist dauernd unter sachverständiger 
Beratung zu überwachen. 

Zum Schlüsse bemerkt A., daß es sich empfehlen wird« mit der weiteren 
Ausarbeitung und vielleicht zunächst teil weisen Ausführung, des- Projekten 
möglichst bald vorzugehen. Bei der augenblicklichen Lage, die emn Einfuhr 
ausländischer Häute in größerem Maße jedenfalls nicht gestattet, wird man; 
sofern die Gerbereien überhanpt im Betrieb sind, mit der Ver&rbeitUBg 
inländischer, d. b. milzbrandkeimfreier Häute überwiegend zu rechnen haben, 
daher Abwässer erhalten, die wohl chemisch den sonst anfallenden gleich oder 
ähnlich, dagegen bezüglich des Keimgehaltes ungefährlich sind. Man wird 
daher Erfahrungen über die Reinigungsweise der Abwässer durch die Land¬ 
behandlung sammeln können, ohne zugleich schon auf die Milzbrandgefahr 
Rücksicht nehmen zu müssen. Dr. Roepke- Mettungen:. 


5. Gewerbehygiene. 

Die gesundheitlichen Verhältnisse in den Vergoldereien.. Zentralbiatt 

für Gewerbehygiene; 1915, Nr. 12. 

Die Abhandlung bespricht die einzelnen Teilverrichtungen des Arbeits¬ 
prozesses vom gewerbehygienischen Standpunkt aus gesondert: Grundieren, 
Belegen, Schleifen, Farbigmachen, Lackieren, Polieren, Bimsen, Anlegen, Ver¬ 
golden. _ Dr. W o 1 f - Hanau. 


Ueber die Lunganerkrankungen der Steinhauer. Von Reg.- und 
Med.-£at Dr. Ko el sch-München. Zentralblatt für Gewerbehygiene; 1915, 
Nr. 11—12. 

Der Verfasser bespricht in eingehender Weise die verschiedenen Krank¬ 
heitsbilder, die Diagnose, Prognose und Prophylaxe. Die Ergebnisse der 
Abhandlung zeigen, wie sehr die strikte Durchführung der bestehenden Be* 
Stimmungen künftig erforderlich ist. Eine Ergänzung wäre dahin nötig, daß 
die Arbeiterauslese durch amtliche Eintritts- und periodische Zwischen Unter¬ 
suchung vorgeschrieben würde. Besondere Beachtung maß der Arbeitsamts* 
Schluß lungenkranker Arbeiter erfahren. Der vorgebundene Schwamm wird 
immer noch den Respiratoren vorgezogen. Dr; Wolf-Hanau. 


Hirnerweiehung bei Lokomotivführern selbst nach voraufgegangeuor 
Syphilis als Unfallfolge. Von Dr. W. Sternberg-Berlin. Zentralbiatt für 
Gewerbehygiene; 1915, Nr. 11 und 12. 

Der Verfasser teilt 3 Fälle mit, in denen trotz voraufgegangener BypkiliB 
das Trauma als auslösender Faktor des Gehirnleidens angesehen wurde; 

Dr. Wolf-Hanau. 


Klinische und soalalmedizinische Arbeiten der Aente de» Verbanden 
der Genossenschaftskrankenkassen Wiens und Niederöeterreichs. Herans- 

gegeben von Priv.-Doz. Dr. S c h i f f. Beilage zur Zeitschrift „Das österreichisch© 
Sanitätswesen“; 1915, Nr. 47/60. 

Da diese 23 Arbeiten infolge des Ausfalles des 111. Internationalen 
Kongresses für Gewerbekrankheiten, der September 1914 in Wien tagen sollte, 
in der geplanten Festschrift nicht erscheinen konnten, so hat man sie jetnt 
als besondere Beilage heraasgegeben, deren Anschaffung nur empfohlen werden 
kann. Besondere Hervorhebung verdienen an dieser Stelle folgende Arbeiten: 

1. Chronische Wirbelsäulenversteifung. Von Dr. A. Schiff. 

2. Trauma und Tuberkulose. Von Dr. Löwenstein: 

3. Charakteristische Bentfsverletzungen. Von Dr. Chas-se. 



Kleinere Mitteilungen und Heferste aus Zeitschriften. 107 

4. Jlie'Mobilisierung in der UnfaUtherapie und GeweJbohygieue. Von 
Priv.-Doz. Dr. Bum. 

5. Die Begutachtung des varikösen Symptomenkomplexes. Von Dr. 
Gvttnf-old. 

6. Die beruflichen Hautkrankheiten. Von Prof. Dr. M. Oppenheim. 

7. Deber 2 typische Verbrennungsformen. Von Prof. Dr. Weidenfeld. 

8. Ermüdungsprobleme bei Neurasthenie. Von Prof. Erben. 

9. Hoher 'Bleivergiftung bei Glasbläsern. Von Prof. Dr. 8. Frankel 

und Dr. Teleky. _ Dr. Wolf-Hanau. 


6. Eisenbahnkygiene. 

•Periodischegesundheitliche Untersuchungen des Eisenbahnpersonals l 
Von Geh. San.-Rat Dr. Rheins-Neuß und Med.-Bat Dr. Gilber t- Dresden. 
Zeitschrift für Bahnärzte; 1916, Nr. 2. 

Der erste Verfasser ist der Ansicht, daß die periodischen Untersuchungen 
weder wünschenswert noch notwendig sind. — G. widerlegt die in der vorigen 
Abhandlung geäußerten Bedenken. Dr. Wolf-Hanau. 


7. Kriegsbeschädigtenfürsorge. 

Kriegsbeschädigtenfürsorge und DIenstlauglichkeit. Von Geh. San.- 
Rat Dr. Herzfeld-Halle. Zeitschrift für Bahnärzte; 1916, Nr. 2. 

Der Verfasser bespricht von den Kriegsbeschädigungen die, welche für 
die Bahnärzte von besonderer Bedeutung sind, and zwar besonders eingehend 
die inneren Kriegsschäden. _ Dr. Wolf- Hanau. 


Acnilieke Füiuorgesprechstanden für Kriegsbeschädigte. Von Dr. 
F. Cursokmann- Wolfen. Zentralblatt für Gewerbehygiene; 1916, Nr. 1. 

Sowohl die ärztliche Berufsberatung vor Aufnahme der Arbeit als auch 
die Überwachung 'des Gesundheitszustandes nach auf genommener Arbeit ist 
nicht in den Städten allein, sondern möglichst da vorzunehmen, wo der Be¬ 
schädigte seine Arbeit finden soll und später austtbt, es sind also möglichst 
viele Beratungsstellen zu gründen. Die Aerzte der einzelnen Eireise müssen 
sich zu einer solchen Fürsorgestelle zusammenschließen, die auch die Behand¬ 
lung überwachen muß. Dr. Wolf-Hanau. 


•Uebangsachulen <fiir Hirnvevletste. Von Prof. Goldotein-Frank¬ 
furt a.üf. Zeitschrift für Krüppelfürsorge; 1916, Nr. 1. 

.An Jedem Orte, an dem sich eine Anzahl von Lazaretten befindet, muß 
eine Schule für Hirnverletate eingerichtet werden, an der ein Nervenarzt und 
ein Pädagoge Zusammenwirken müssen. Dr. W o 1 f - Hanau. 


8. Soziale Hygiene. 

Die)gesundheitlichen Aufgaben nach dem Kriege. Von Dr. A. Fiscber- 
Kadsmhe. Archiv für soziale Hygiene; Bd. 11, H. 2. 

Die wichtigsten Forderangen der Sozialpolitik decken sich mit denen der 
sozialen Hygiene. Die Lösung der bedeutungsvollsten Aufgaben auf dem 
Gebiete der Sozialpolitik würde im wesentlichen schon durch eine tiefgreifende 
Hygienegesetzgebung erfolgen. Ein Hygienegesetz würde aber nicht nur 
soziale und hygienische Fortschritte erzielen, sondern cs würde auch von hohem 
nationalen Wert sein. Dr. W o 1 f - Hanau. 


9. Statistik. 

Die Todosnrsaohenstatistlk im Deutschen Reiche für das Jahr. 1912. 
Von Sam-Rat .Dr. Prirnzing-Ulm. Archiv für soziale Hygiene; Bd. 11, H. 2. 

Die deutsche Todesursachenstatistik krankt an mancherlei Fehlern; der 
Hauptfehler ist, .daß jeder gesetzliche Hintergrund fehlt, nämlich die ärztliche 
Leichenschau. Die ganze Todesursachenstatistik müßte zentralisiert werden. 

Dr. Wolf-Haunu. 



108 


Besprechungen. 


Die Bevölkerungsregister in den Niederlanden. Von Br. J. Beitsma- 
Amsterdam. Archiv für soziale Hygiene; Bd. 11, H. 2. 

Die Bevölkernngsregister, die gleichsam die Register für die demo¬ 
graphische Buchführung sind, haben sich in den Niederlanden zn einer Ein¬ 
richtung entwickelt, die einen unentbehrlichen Faktor im sozialen Leben bildet 

Dr. Wolf-Hanau. 


Die Entwicklung der Bevölkerung in Oesterreich-Ungarn in dem 
1. Jahrzehnt dieses Jahrhunderts. Von Beg.-B.at Br. Boesle- Berlin. 
Archiv für soziale Hygiene; Bd. 11, H. 2. 

Die Wege, welche die Bevölkerungspolitik in Oesterreich und Ungarn 
in Zukunft zu wandeln hat, sind durch das Ergebnis der letzten Volkszählung 
deutlicher denn je vorgezeichnet: Nicht eine phantastische Geburtenvermehrungs- 
politik, sondern nur die Schaffung hinreichender Erwerbmöglichkeiten dürfte die 
Aufgabe sein, um die sich immer noch kräftig entwickelnde natürliche Volks¬ 
vermehrung in diesen Ländern zn sichern. Dr. Wolf-Hanau. 


Besprechungen. 

Kreisarzt Dr. Wolf-Witzenhausen (jetzt in Hanau): Die Improvisationen 
von Dampf-Desinfektionsapparaten. Deutscher Verlag tür Volkswohl¬ 
fahrt. Dresden-N. 6. Kl. 8 4 , 31 S. Preis 50 Pfe. 

Da im Felde nicht überall stationäre oder fahrbare Dampfdesinfektions¬ 
apparate zur Seuchenbekämpfung und zur Entlausung von Uniformen zur Ver¬ 
fügung stehen, muß zu Behelfs Vorrichtungen gegriffen werden. Der Verfasser 
hat sich der dankenswerten Aufgabe unterzogen, die in Betracht kommenden 
Verfahren und die in der Literatur zerstreut beschriebenen Apparate zusammen¬ 
zustellen. Da er sich hierbei auf solche Behelfsvorrichtungen beschränkt, die 
schon an vielen Orten mit Erfolg angewendet sind, eignet sich die kleine 
Schrift als Nachschlagewerk besonders für Militär- und Gefangenenlagerärzte. 

_ Dr. Roepke-Melsungen. 


Med.-Bat Dr. Sohrakamp- Düsseldorf: Fürsorge- und Versorgungs- 
ansprüche der kriegsbescb&digten Heeresangehörigen. Verlag von 
L. Schwann-Düsseldorf. Kl. 8°, 47 S. 

Aus dem großen Umfang der die Kriegsbeschädigtenfürsorge betreffenden 
Maßnahmen werden die neueren und wichtigeren besprochen, die auf Gesetzen 
oder gleichwertigen Verordnungen beruhen. Den Lazarettärzten wird die Ver¬ 
mittelung dieser für die Erledigung ihrer Aufgaben notwendigen Kenntnisse 
um so willkommener sein, als sie ihnen das Studium der Gesetze erspart und 
die wichtigsten Punkte aller jener Vorschriften genauer darlegt. Im besonders 
finden wir die Fragen beantwortet, wer Anspruch auf freie ärztliche Behand¬ 
lung hat, wie lange und wie behandelt werden soll, ferner betr. Verlegung 
von einem Lazarett in das andere, Beschäftigung der Verwundeten und Kranken 
in Lazaretten zum Zweck schnellerer Wiederherstellung, Beschaffung künst¬ 
licher Glieder, Begutachtung militärischer Dienstbeschädigungen und krlegs- 
beschädigter Heeresangehöriger, Nachprüfung ihrer Versorgungsansprüche, die 
Hinterbliebenenversorgung und Abgrenzung der militärischen und bürgerlichen 
Fürsorgemaßnahmen. Am Schlüsse des Schriftchens werden die Verordnungen 
nach Datum, Aktenzeichen und Inhalt kurz aufgezählt. Vielleicht wäre es möglich, 
sie durch einen Nachtrag zu ergänzen. Dr. Boepke-Melsungen. 


Tagesnachrichten. 

Der Bundesrat hat laut Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 
27. Januar 1916 die Mitglieder des Reichsgesnndheltsratsrats für die Jahre 
1916—1920 neugewählt. Es sind nur wenige Aenderungen gegenüber der 
bisherigen Zusammensetzung eingetreten. Neu gewählt sind: a.-o. Prof, der 
Agrikultnrchemie Dr. Ehren be rg-Göttingen, o. Prof, der pharmazeutischen 
Chemie Dr. Oadamer-Breslau, Reg.-Rat Dr. Gas teiger-München, a.-o. Prof, 
der Botanik Dr. Gilg- Berlin, Direktor im Gesundheitsamt Geh. Reg.-Rat 
Prof. Dr. Händel-Berlin, Geh. Ober-Reg.-Rat Dr. Hel lieh-Berlin (Land- 



Tagesnachrichten. 


109 


Wirtschafts-Ministerium), Geh. Ober-Reg.-Rat Dr. Isenbart -Berlin (Reichsamt 
des Innern), Reg.-Rat Prof. Dr. Juckenack*Berlin, Reg.* und Geh. Med.-Rat 
Prot Dr. Leub us c h e r - Meiningen, Geh. Med.-Rat Dr. M e r c k - Darmstadt, 
Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Neisser-Breslau, Prot der Veterinärheilkunde 
Dr. Olt-Gießen, Generalarzt Dr. Schmidt-Berlin (Direktor der Charitö), 
Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Th oms- Berlin, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. v. Wasser¬ 
mann-Berlin. Vorsitzender des Reichsgesundheitsrats ist wieder der Präsident 
des Gesundheitsamtes Dr. Bumm, sein Stellvertreter der Geh. Med.-Rat Prof. 
Dr. Rubner-Berlin. Ausgeschieden sind: Ober-Med.-Rat Dr. Philipp- 
Gotha und Ober-Reg.-Rat P r ö 1 s - München. Unter den 101 Mitgliedern gehören 
47, also nicht ganz die Hälfte, dem ärztlichen Stande an (insbesondere 
Hygieniker und höhere Medizinalbeamte), 19 sind Apotheker, Botaniker, 
Chemiker, chemische Großindustrielle, 13 Juristen und Verwaltungsbeamte, 
11 Vertreter der Tierheilkunde, 4 Vertreter der Landwirtschaft, 8 Vertreter 
des Bau- und Ingenieurfaches, 2 Gewerbeaufsichtsbeamte, 1 Geologe und 
1 Mitglied der Seeberufsgenossenschaft. 


Durch Bekanntmachung des Reichskanzlers ist die gewerbsmäßige Her¬ 
stellung von Konserven aus Fleisch oder unter Zusatz von Fleisch, die durch 
Erhitzen haltbar gemacht sind, verboten. Als Fleisch gelten Rind-, Kalb-, 
Schaf-, Schweinefleisch sowie Fleisch von Geflügel und WUd aller Art, Wurst¬ 
waren und Speck. Zur gewerbsmäßigen Herstellung von Wurstwaren darf 
nicht mehr als ein Drittel des Gewichts ausgeschlachteter Rinder, Schweine 
und Schafe verarbeitet werden. Die Verarbeitung der inneren Teile und des 
Blutes wird durch diese Beschränkung nicht getroffen. Die Vorschriften 

S elten nicht für die Herstellung von Fleischkonserven und Wurstwaren zur 
rfüllung von Verträgen, die unmittelbar mit den Heeresverwaltungen und 
der Marineverwaltung abgeschlossen sind. 


Im Sitzungssaal des Reichstags trat am 7. Februar vormittags die 
Deutsche Vereinigung für Krüppelfürsorge mit der Deutschen orthopädischen 
Gesellschaft zu einer außerordentlichen Tagung zusammen, an der auf 
Anordnung des Kriegsministeriums auch sämtliche stellv. Korpsärzte teils ahmen, 
um sich über die wichtigsten Fragen in diesem Teile der Kriegsbescschädigten- 
fürsorge zu unterrichten. Die Eröffnungsrede, die auf die großen Aufgaben der 
Vereingung hinwies, hielt der Vorsitzende Wirkl. Geh. Ober-Med.-Rat Prof. 
Dr. Dietrich. Sodann sprach Prof. Dr. Bi es als ki-Berlin über das Thema: 
„Ein Jahr Kriegskrüppelfürsorge mit besonderer Berück¬ 
sichtigung der ärztlichen Tätigkeit“. Nach ihm erörterte der 
Generalarzt Dr. Schultzen-Berlin die stationären und ambulanten 
Fürsorgeeinrichtungen für Kriegsbeschädigte in Deutsch¬ 
land. Berichte von Oberstabsarzt Prof. Dr. Spitzy-Wien über Anlage 
und Organisation von Invalidenschulen, von Generalarzt Piof. 
Dr. Dollinger-Budapest über die Organisation des ungarischen 
Kriegsinvalidenamtes, von Pastor Hoppe-Nowawes über Friedens¬ 
krüppelheime und von Landesrat H o r i o n - Düsseldorf über Lazarett- 
schulen schlossen sich an. In der Nachmittagssitzung wurde eine Reihe von 
Spezialfxagen erörtert. 

Im Anschluß daran fanden auf Anregung der Medizinalabteilung 
des Kriegsministeriums am 8. und 9. Februar in der Kaiser Wilhelms-Akademie 
unter dem Vorsitz des Feldsanitätschefs Beratungen über verschiedene Fragen 
des Sanitätsdienstes im Heimatgebiete statt, an denen sämtliche Kriegssanitäts¬ 
inspekteure, stellvertr. Korpsärzte, Sanitäts- Transportkommissare und die 
Garnisonärzte der größeren Festungen teilnahmen. 


Prüfstelle für Ersatzglieder. Um die zahlreichen auf den Markt 
kommenden Ersatzglieder für die Angehörigen der verschiedensten Berufe auf 
Bauart und Ausführung zu prüfen, um ihre Eignung unter Berücksichtigung 
der vorliegenden Verletzungen festzustellen und je nachj[deip Ausfall der 
Prüfung eine Auswahl des Guten und Brauchbaren zu treffen, ist eine Prüf¬ 
stelle für Ersatzglieder ins Leben gerufen worden, deren Träger in 
Hinsicht auf die Beschaffung und Verwaltung von Mitteln vorläufig der V e r e i n 
deutscher Ingenieure ist Die Prüfstelle ist der Ständigen Aus- 




Tajteanftchricfeien 


ftelltjng für Arbeiterwohliiihrf in Gh&rlöltenkurg, Fraunhofer- 
AAr&Öe 11, &&gegliedert. Dadurch sind «sofern günstige Verhält¬ 
nisse geschaffen, als dort das Reichsamt d«a Innern eine umfassende Aus- 
stelJuog von Etsatzgiiedwrii verführen wird, die also Material für die 
Prttfasgö» bereitatfstelle» wanf: Dero Arbeifcsausschoß der Prftf- 
stel iö gehören antey dem Vorajitz des ßeuaisjrtisfiäeoten im Ueicbsversiche- 
rongsaSH, Oehenmn Itegierongerats Pr.*Iagv'&,•«. Eoarad HartisAis n felgende 
Mitglieder ant ran Ae?*t*n: Profess« llr. ioed.. Bor«baydt yw» fiadeU 
VIrckQVP-Kraakenhause in Berlin, Dr. sned, E a dige , leitender A«t dos Iteserve* 
Lazaretts Cit’Srd^a'Brandeninrg; und UbersinlHiSiat Prof/Dr. mal Bet»wieslng, 
Mitglied der Mediefnälabteiluag des KnegsmäasteriiUDS; von Ingenienrea: 
Dr. Beckmann, Oberingenieur der Akktmalatorenfabrifc A,*Ö. V 0. Meyer, 
Uirejktor des Vereioij deutscher !»gtmienre, I>r.-Iag, 0. Schlesinger, Pro¬ 
fessor an der l'ecboiscfcfe» Hocfecialc Berlin, and Tßgenieur Volk, Direktor 
der Beaib* Schale in Berlin. ... 

Die Tätigkeit der; J'rüfateUe soll zunächst nur auf äio ßntersrochuag 
der typische» JBfsategliede? gerichtet werden, nicht auf das Anlemen von 
Mensch-HI; eeibstverstAndUcb mtwsen zur Erprobung der Ersatzglieder Kriegs- 
Ve.rffig#ög sthheG, welche die mehr oder urenigt» «{jäjwwnn 


beschädigt« zur 


typiscKe« VerluÄte oder Verletzungen an Armen nnd Beinen asfweisea. 

l>f« PrSlsteJle wird die Leitungen dsr Lazarette hftfBik, wüiige* ge¬ 
schickte end i«teliigentG. Kriegsbes«:hä4igte der bezddtoeten Art jsnr V «-. 
fttgttmg zu stelle«. Diese sind dünn, ttüfc de» Ersaugifedera. stwger&siei, 
innerhalb der Prüfstelle mit Band- and MascbiiwJnvewhShtttrigen -tu beschäf¬ 
tigen. Angestrebr wird, daß sich »ui diese W eise eine lä«;lüraTei Ster schal« 
von Männern bildet, die von der DurehlährbarkeD der ihnen gestellten Auf-' 
gaben von vornherein pierÄeügi sind und so auf di« später vo» ilurcn Aoiü- 
lernenden anfeuernd wirken kc'nnfjh, Von der durch 

geregelten Wechselwirkung zwischen einem willigen Mefisehen, der da» KtmsD 
glied gebrauche» Söll, und dem auf die Verbessernug bedachte» Hersteller ii(is 
Kiinstgliedes d»rf man sich ferner Fortschritte im Kunstgliederbau Tewpmib**, 
die sich auf andere Waise nicht erreichen lassen. Endlich tyird V'eriäfla Ä Aiti.-' 

1 1 cbang und Normalisierung von Einzelteilen der Ersatzglieder durch 
die Tätigkeit einer solcheu Pfiifsteile gefördert werden, eia Erfolg, dar t*it; 
Rücksicht auf vSchoBlligkcit aaif Billigkeit derAnfertigung sowie auf %dueiKi.lj«i&- 
Jreit des Ersatzes und der Auswechslung nicht boeh~ genug aöOTscfeiAisräift '•tr&i*.. 

Di« Prttfatelle wird fortlaufend MerkbiÄtt'ei hemtisgeheo, tr« denen 
die Fort schritt* im Kanstgliederha u und 4hifi«;gdbU;lAe« in den 
verstehiedenon Rerrnfnn verzeichnet werden, 


Verleumdungen denlecher Lazarettiirzlb s« der eugUacheu Presse. 

IVje »Daily M.-üP vom 7. nntl 9 September 1Ö15 bringt zwei ÄttfeiitZe. ftbet 
angeblich an würdige und grausame Behandlung von {i‘cfangöiat?n in den 
retten iu Mülheim s. d. Duhr and in Paderborn. Ein 


retten in Mülheim a. d, Duhr and in Paderborn. Em uu*. Wiirnijpeg 
stammender Kanadier soll b» dem Lranrett in MAI h eim gelegen and beriditet 
haben* Schwerkranke hatten Im strengen Winter kalte Bäder im Frclrm nehme» 
müssen, Verbände seien am Körper gplaasou worden, bis sie ffhlc l'haste vesr- 
bretteten, und dergl mehr. Die Von der döuischcn liccresrcrwftlDing etn- 
geleiteten Erniittcjnngoo balte» nm'-h der .Nordd Allg. Ztg.'" das Ergebntv 
gebubt, d.itJ sich in MQlhCin* n- d. Fuhr niemals cip Mann aus Winnipeg und 
überhaupt kein Kanadier in EftZATeittlbiphAndlung befanden but. 

V» 8«ptembef berichtete die »Daily Mu4 v »och deu angeh- 
Ivchea Mit,!.«längen gii^dhten H,. 1,?.* * rioi'* Wrüzfo .jfMAaibsft?. dts^fij^.' 

L.i.:ov*rit ha Pädarborn die ,i • • 

ohne Be.tätibang unertert hiiben, ■f-Kun t.»..Vvi>»f«g Utr-,;- 

dttrgt'na.wtfnen w-otde», fUe .hfebohllbche-’f Sjt rf'*&Wc\ 'Wp. by| 

'Einijcfe.nmg ävs rnv r •• 

'li^tmdwclchc t'lpuraiioo' ist-an d«nt Msät'rsxi^ii. : '•fte.tv.lwipt.*wlyV^Ü*t^ 

genot»tf«*u- wmlv-tt. Sämtlich«- iu (b ■ 

AAi^tA• habt»» ■ 0sprr>:\Uh BchuTiptUng, • • •. .. •■•.,*>. ■ ' • ■: ,. : ,v■, 

irgendwclchv' (tjivraifunca■.ohan iM'faubi.v, ■ : 

drücklichste Verwahrung «nogelcgt. 






Tageenachrfehten 


111 


Der diesjährige dw te ci w Kongreß (Br hmere I«4Mn wird am 1. nnd 
2. Mai in Warschau stattfinden. 


Die Deutsche Orthopädische Gesellschaft ernannte den Erzherzog 
Karl 8tephan von Oesterreich and den Chef des Feldsanitätswesens, Exzellenz 
T- 8chj erning zu Ehrenmitgliedern. 


Am 1. Januar d. Js. ist die Jubflfiumsstlftung des Deutschen Lehrer- 
rerelns mit einem Kapital von 225680 Mark ins Leben getreten, die den 
Zweck hat, Mitgliedern des Vereins, die an Tuberkulose erkrankt sind, 
Unterstützungen zu gewähren. Für den Stiftungszweck können vorläufig 
jährlich 30000 Mark verwendet werden. 


Prof. Frh. v. Eiseisberg-Wien hat das Honorar von 60000 Francs, 
das er von König Konstantin von Griechenland für dessen Behandlung erhalten 
hat, dem Bulgarischen Boten Kreuz überwiesen. 

Sven Hedin hat den Oesamterlös seines Baches „Ein Volk inW&ffen“ 
in Höhe von 76880,80 M. dem deutschen und dem österreichisch- 
ungarischen Boten Kreuz zur Verfügung gestellt. 

Medlalnlioh-Blologiaohe Gesellschaft. Die bisherigen zwanglosen 
Mitteilungen der Gesellschaft erscheinen vom 1. Januar d. Js. ab unter dem 
Namen: „Blätter für Biologische Medizin, Beiträge zumUmbau 
der Heilkunde und Gesundheitspflege auf konstitutioneller 
Grundlage* als Halbmonatsschrift. Die Schriftleitung führt wie bisher der 
Kreisarzt Med.-Rat Dr. Bach mann in Harburg (Elbe). 


Todesfall. Wohl der älteste Medizinalbeamte, der am 1. Oktober 1000 
m den Buhestand getretene Begiernngs- und Geheime Mediziaalrat Dr. Gustav 
Adolf Philipp ist in Liegnitz am 20. Januar d. J. im 90 Lebensjahre gestorben. 

In Zeitz 1827 geboren wurde er 1850 als Arzt approbiert und bestand 
1855 die Prüfung als „forensischer Arzt*. 1856 zum Kreisphysikus in Lieben¬ 
werda ernannt, siedelte er bald darauf als solcher nach Mühlberg a. E. über, 
wo er gleichzeitig als vielbeschäftigter Arzt tätig war. Am 1. Mai 1873 kam 
er als Nachfolger des Geb. Bat Kerandt in das Begiernngs - Kollegium nach 
Königsberg i. Pr. und wurde am 1. Dezember 1882 nach Liegnitz versetzt. 
Mehr praktisch als wissenschaftlich tätig, war er ein äußerst zuverlässiger, 
geschäftsgewandter Staatsbeamter mit unermüdlichem Diensteifer und ein be¬ 
liebter Arzt. Längere Zeit, bis 1908, Postvertrauensarzt, war er später noch 
Anstaltsarzt am Königl. Lehrerseminar, welche Stelle er bis kurz vor seinem 
Tode innehatte. Gelegentlich seiner Verabschiedung wurde er mit dem Kronen¬ 
orden II. Kl. und beim 60jährigen Doktor-Jubiläum im 82. Lebensjahre durch 
Verleihung des Boten Adlerordens II. Kl. mit Eichenlaub ausgezeichnet. 


BhrontafoL Es haben weiterhin erhalten das 

Eiserne Kreuz I. Klasse: 

Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Goldscheider, Direktor des Poliklinischen 
Instituts für innere Medizin der Universität Berlin, Generalarzt und 
konsultierender Internist beim Oberkommando einer Armee. 
Generalarzt Dr. Johannes -Saarbrücken. 

Kreisarzt Dr. Knos pe, Stabsarzt d. B. und Chefarzt einer Sanitäts-Komp. 
Stabsarzt d. B. Dr. Beiss, Privatdozent in Tübingen. 

Eiserne Kreuz II. Kasse: 

Dr. G e r 1 a c h, Kreisarzt in Osnabrück. 

Reg.- u. Geh. Med.-Bat Dr. Müller-Herrings -Colmar i. Eis , leitender 
Arzt des Seuchenlazaretts Colmar. 

Med.-Bat Dr. Müller, Kreisarzt in Geestemünde. 

Außerdem: Assistenzarzt Dr. Georg Hafemann, dritter Sohn des 
Med.-Bats Dr. Hafemann-Luckau (N.-L.). 



118 


Tageanaehrtahten. 


Ehren - Oodäohtxilstafel. Für das Tater Und gefallen sind ferner: 
Feldarzt Dr. G. Bertofsky -Prenzlaa. 

Assistenzarzt d. L. Dr. F. Davidsohn-Berlin. 

Assistenzarzt d. Bes. Dr. Ernst Dobroschke-Ratibor. 

Dr. G. Funke- Spandan. 

Stabsarzt Dr. Rudolf Gieseler, Assistenzarzt am Institut für gericht¬ 
liche Medizin, Leipzig. 

Mariiieassistenzarzt Dr. H. Grimm-Schwerin. 

Stabsarzt Dr. Theodor Klein (infolge Krankheit gestorben). 
Marinestabsarzt Dr. Ary Körte- Kiel. 

Dr. K. Neidhöf er-Hahnstätten. 

Marinestabsarzt Dr. Victor N o h 1 - Ratibor. 

Stabsarzt d. R. Dr. H. Nöthen-Köln. 

Stabsarzt Dr. Rabert-Löwenberg. 

Dr. Georg Rho d o v i - Hannover. 

San.-Rat Dr. Albert Scheele- Schwelm (infolge Krankheit gestorben). 
Dr. Max Schmidt-Hochweitzschen. 

Dr. Franz Schulze-Weimar (infolge Krankheit gestorben). 

Stud. med. Einj.-Gefreiter Gottfr. Schumann-Leipzig. 
Marineoberstabsarzt F. Steinbrück-Kolberg. 

Marinestabsarzt Dr. W.Strassner -Ruhland. 

Dr. F. Stresemann-Berlin-Dahlem. 

Generaloberarzt Dr. Adolf Wieber-Berlin. 


Cholera. In Oesterreich wurden vom 26. Dez. 1916 bis 8. Jan. 1916 
26 (17) und 66 (14) Erkrankungen (Todesfälle), in Kroatien und Slavonien 
vom 27. Dez. 1916 bis 8. Jan. 1916:129 (116), in Ungarn vom 3.—16. Jan. 1916: 
1 (3), 2 (2) festgestellt 

An Fleckfieber sind im Deutschen Reich in der Zeit vom 27 Jan. 
bis 9. Febr. 1916 wiederum einige Kriegsgefangene in Gefangenenlagern, sowie 
einige vom östlichen Kriegsschauplätze heimgekehrte deutsche 8oldaten erkrankt 
Als an Pocken erkrankt gemeldet wurde im Deutschen Reiche ein 
vom östlichen Kriegsschauplatz heimgekehrter Soldat in Buch, Kreis Nieder» 
Barnim, Reg.-Bez. Potsdam. 


Erkrankungen und Todesfälle an ansteckenden Krankheiten ln 
Preußen. Nach dem Ministerialblatt für Medizinal-Angelegenheiten sind in der 
Zeit vom 16. bis 29. Januar 1916 erkrankt (gestorben) an Pest, Gelb¬ 
fieber, Fleckfieber, Cholera, Rotz, Aussatz, Trichinose: — (—), 
— (—); Tollwut: — (—), 1 (1); Bißverletzungen durch tollwut- 
verdächtige Tiere: 8 (—), 11 (—); Milzbrand: 1 (—), — (—),; 
Pocken: 1 (—), — (—); Unterleibstyphus: 498 (13), 269(16); Ruhr: 
90(8), 16(6); Diphtherie: 3624 (266), 3604 (241); 8charlach: 2188 (106), 
2022 (103); Kindbettfieber: 79 (29), 69 (18); Genickstarre: 19 (8), 
26 (13); spinaler Kinderlähmung: — (1), 1 (—); Fleisch-, Fisch- 
und Wurstvergiftung: — (—), — (1); Körnerkrankheit (erkrankt): 
66, 41; Tuberkulose (gestorben): 736, 748. 


Die vorliegende Nummer ist von mir im Aufträge meines erkrankten 
Schwiegervaters zusammengestellt. Erfreulicherweise befindet er sich bereits 
auf dem Wege zur Genesung, so daß das weitere rechtzeitige Erscheinen der 
Zeitschrift sichergestellt ist. 

Prof. Dr. R o e p k e • Melsungen. 


Redakteur: Prof. Dr. Rapmund, Geh. Med.-Rat in Minden i.W. 

3,0. C. Braaa, Herxofl. Steh*, a. F. Seh.-L. HtAitUrnkml In MM». 

















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Dr. Kahlbaum, Q8ritte:|Sf 

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Lfii^ut ivi(furtst«lf fi)i , \^'ii»'Yenjjr«nKe« ^ ■ 

Chßs Pädagogium MÄäyisr 


Dr- Erlen»« ey er'sehe Anstalt 
lür Gemüts- u. Nervenkranke 
« zu Bendori bei fcobleniz; 

VtUwubftttfcfeu Zetiur^lfiQinvjaß, elekfcr. ILlhht. BbsohÄiUsruajsr 
.i*»’ Blrsakea in 'W&fteit&ttiaÄ'.. $$ra»tl^ vüv 

G^ani&ela&a, QqgGinüikör, Tröibbkd||i^. T^nmaplatc. 

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U&heftet: 4.| totl^ggggffr daj^ iMga^feÜ J 





29. Jahrg. 


Zeitschrift 


1916. 


für 


MEDIZINALBEAMTE. 


Zentralblatt 

für das gesamte Gebiet der gerichtlichen Medizin und Psychiatrie, 
des staatlichen und privaten Versicherungswesens, sowie für das 
Medizinal- und öffentliche Gesundheitswesen, einschließlich der 

Hygiene und Bakteriologie. 

Heraasgegeben 

von 

Prot Dr. OTTO RAPMÜND, 

Geh. Med.-Rat In Minden I. W. 


Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, Sächsischen, 
WGrttembergischen, Badischen, Hessischen, Mecklenburgischen, Thüringischen, 
Braunschweigischen und Eisass - Lothringischen Medizinalbeamtenvereins. 


Verlag von Fiseher’s med. Buehhandlg E Kornfeld, 

Henogl. Bayer. Hot- n. K. u. K. Kammar-Btictüitodler 

Berlin W. 62, Keithstr. 5. 

Anzeigen nehmen 41« Yeriagthandlang sowie alle Anzeigen Annahmestellen des In* 

und Auslandes entgegen. 


Nr. 5. 


Erscheint an 5. und HO. Jeden Monats. 


5. März. 


Die diesjährigen Verhandlungen des preussischen 
Abgeordnetenhauses Uber den Medizinaletat. 

Vom Herausgeber. 

Trotzdem sich das Abgeordnetenhaus infolge des Krieges 
bei seinen Verhandlungen möglichster Kürze befleißigte, hat es 
dem Medizinaletat nicht nur in der Staatshaushaltskommission, 
sondern auch im Plenum fast einen vollen Sitzungstag gewid¬ 
met. Den Hauptgegenstand der Verhandlungen bildete in beiden 
Sitzungen die so überaus wichtige Frage des Geburtenrückganges; 
man war allseitig der Ansicht, daß dieser mit allen Mitteln be¬ 
seitigt werden müsse und die in der Kommission wie im Hause ge¬ 
stellten und von diesem angenommenen Anträge (s. nachstehend) 
beweisen, daß man sich nicht mehr mit theoretischen Er¬ 
wägungen aufhalten, sondern den für unser ganzes Volk so 
äußerst gefährlichen Mißstand in wirksamer Weise bekämpfen 
will. Hoffentlich finden die Anträge die Zustimmung der Staats¬ 
regierung und kommen zur Durchführung; diese wird allerdings 
recht erhebliche Kosten verursachen, aber Geld darf, wie der 
Abg. Dr. Mugdan sehr richtig sagte, gerade hier keine Rolle 












114' 


Die diesjährigen Verhandlungen des preußischen 


spielen, da es tausendfach Zinsen einbringen wird. Besonders 
erfreulich ist bei den diesjährigen Verhandlungen die Ueber- 
einstiramung aller Parteien in bezug auf die Notwendigkeit 
der zu ergreifenden Maßnahmen; der Medizinalverwaltung und 
den Medizinalbeamten wird es dabei zur besonderen Genugtuung 
gereichen, daß jetzt von verschiedenen Seiten Maßnahmen ge¬ 
fordert werden, die von ihnen schon längst als notwendig aner¬ 
kannt, aber s. Z. vom Abgeordnetenhauses abgelehnt sind, z. B. 
die Anzeigepflicht bei offener Tuberkulose, Be¬ 
strafung grobfahrlässiger Uebertragung einer Ge¬ 
schlechtskrankheit, Besserstellung der Bezirks¬ 
hebammen usw.; von einer Seite (Abg. Faßbender) wurde 
sogar ein amtsärztliches Zeugnis bei der Eheschließung 
verlangt. 

Nicht minder erfreulich ist aber die allseitige Anerkennung, 
die diesmal nicht bloß die deutsche Aerzteschaft mit Rücksicht 
auf jhre vorzügliche Tätigkeit im Kriege und die dadurch er¬ 
zielten großen Heilerfolge, sondern auch die preußische Medi* 
linalverwaltung gefunden hat ob ihrer hervorragenden Lei¬ 
stungen auf dem ganzen Gebiete des öffentlichen Gesundheits¬ 
wesens, insbesondere auf dem Gebiete der Seuchenbekämpfung. 
Eine derartige uneingeschränkte Anerkennung ist der Medizinal¬ 
verwaltung bisher im Abgeordnetenhause noch nie zuteil 
geworden; sie hat diese aber auch, namentlich der Leiter 
der Abteilung, in vollem Umfange verdient. Mit Stolz und 
berechtigter Genugtuung wird sie diese Anerkennung erfüllt 
haben, ist sie doch auch der beste Beweis, daß sich auch die 
früheren Gegner einer ärztlichen Leitung der Abteilung 
damit ausgesöhnt haben und diese der Entwicklung unseres 
öffentlichen Gesundheitswesens nur zum Segen gereicht hat. 

Wir lassen nun nachstehend die Verhandlungen in der 
Staatshaushaltskommission (nach einem Bericht in Nr. 8 der 
Deutschen medizinischen Wochenschrift) und des Abgeordneten¬ 
hauses selbst (nach dem stenographischen Bericht) folgen: 

1. Verhandlung der verstärkten Staatshaastaaltskommlssion Aber den 
Medizinaletat In Ihrer Sitzung vom 17. Februar d. J. 

Ministerialdirektor Prof. Dr. Kirchner hob hervor, daß ein guter Volks¬ 
wirt, am sein Vermögen in Ordnang za bringen, entweder die Einnahmen 
steigert oder die Ausgaben vermindert. Wir wollen durch eine energische 
BekSmpfnng des Geburtenrückganges sozusagen die Einnahmen unseres Volkes 
erhöhen. Unerläßlich aber ist es, und dies ist bisher ja mit Erfolg geschehen, 
daß auch die Ausgaben des Volkskörpers, das heißt die Sterblichkeit, ver¬ 
mindert werden. Unter dem Einfluß der öffentlichen Gesundheitspflege and 
der bakteriologischen Forschungen von RobertKoch und seinen Schülern ist 
die Sterblichkeit in Preußen und in Deutschland in den letzten dreißig Jahren 
fast am die Hälfte zurückgegangen. Dieser Rückgang ist besonders 
groß bei den sogenannten übertragbaren Krankheiten, besonders bei Diphtherie, 
Typhus, Rohr, aber sie tritt auch bei den nicht übertragbaren Krankheiten 
zutage. Infolgedessen werden in Preußen jährlich durchschnittlich über 
400000 Menschen mehr am Leben erhalten, als es in früheren Jahren der Fall 
war. Das durchschnittliche Lebensalter ist bei den Männern um sechs, bei 
den Frauen um mehr als sieben Jahre gestiegen. Es kann aber anch auf diesem 



Abgeordnetenhauses über den Medizinaletat. 


116 


Gebiete noch mehr geschehen, als bisher. Dies geht schon daraus hervor, daß 
die Sterblichkeit in gewissen großen Städten, z. B. Wilmersdorf, Neukölln, 
ßchöneberg, Charlottenburg, Berlin, geringer ist, als im Durchschnitt des 
Staates. Mehr geschehen kann namentlich auf dem Qebiete der Säuglings¬ 
sterblichkeit und der Tuberkulose. Früher starben von je vier Kindern im 
ersten Lebensjahre eins. Eine energische Bekämpfung der Kindersterblichkeit 
bat erst vor etwa 13 Jahren begonnen, erfreulicherweise hat sie schon jetzt zu 
merklichen Ergebnissen geführt. Man sieht hieran, wie an vielen anderen 
Dingen, daß hygienische Aufgaben, die mit Energie in Angriff genommen 
werden, verhältnismäßig bald der Lösung entgegengeführt werden können. 
Bedenklich ist, daß die Kindersterblichkeit auf dem Lande früher 
geringer, jetzt aber größer ist, als in den Städten, und daß die Kindersterblich¬ 
keit unter den unehelichen Kindern noch immer sehr viel größer ist als unter 
den ehelichen. Daraus ergibt sich, daß namentlich auf dem Lande und gegen¬ 
über den unehelichen Kindern noch mehr geschehen muß als bisher. 

Gegenüber dem aus dem Ausschuß geäußerten Wunsche, es möchten 
mehr Staatsmittel zur Bekämpfung der Tuberkulose aufgewendet werden, 
erklärte der Ministerialdirektor: Der Minister hat in den letzten Jahren 
für mehrere Kreise, namentlich für den Kreis Hümling (Reg.-Bez. Osnabrück) 
Jahr für Jahr größere Summen aufgewendet, die schon jetzt zu einem 
Rückgang der Tuberkulose geführt haben. Allerdings ist der Titel 25 des 
Kapitels 97 a zu gering, um in größerer Ausdehnung hier Hilfe schaffen zu 
können, aber von privater Seite geschieht sehr viel. Ich erinnere nur an die 
Leistungen des Deutschen Zentralkomitees zur Bekämpfung der Tuberkulose 
und der Landesversicherungsanstalten. Wenn wir jetzt schon einen Rückgang 
von 51 v. H. bei den Todesfällen an Tuberkulose zu verzeichnen haben, so ist 
das hauptsäthlich diesen Leistungen zu verdanken. Es kann aber keinem 
Zweifel unterliegen, daß nach dem Kriege auf diesem Gebiete noch mehr ge¬ 
schehen muß; denn das Wort Friedrich Wilhelm I., daß der wertvollste Besitz 
eines Volkes die Menschen sind, besteht zu Recht und wird sich besonders 
nach dem Kriege bewahrheiten. 

Nach Beendigung der Erörterung über den Geburtenrückgang dankte 
der Minister für die Bereitwilligkeit, die allseitig aus der Kommission her¬ 
vorgetreten sei, zur Unterstützung der Staatsregierung bei ihrer schwierigen 
Aufgabe der Bekämpfung des Geburtenrückgangs. 


Auf eine weitere Anfrage aus dem Ausschuß erklärte der Minister 
des Innern folgendes: Bei Ausbruch des Krieges stellten sich viele Aerxte, 
die bereits aus dem Militärverhältnis heraus waren, zur Ver¬ 
fügung mit der Maßgabe, daß sie in ihrem Wohnsitz oder in der Nähe blieben. 
Von diesen Herren ist aber im weiteren Verlauf ein Teil mit ihrem Einver¬ 
ständnis reaktiviert. Von da ab standen sie allen übrigen Militärärzten gleich. 
Ihr Vorbehalt hinsichtlich des Ortes ihrer Verwendung war hinfällig. Der 
Minister erklärte seine Bereitwilligkeit, bei der Militärbehörde vorstellig zu 
werden dahin, daß die betreffenden Aerzte, wenn möglich, neben dem Militär¬ 
dienst ihre Zivilpraxis ausüben können. Hierin würde ein Entgegenkommen 
der Militärbehörde liegen. Rechtlich seien die Maßnahmen der Militärbehörde 
in dieser Angelegenheit unanfechtbar. 


Auf Anfrage aus dem Ausschuß, wie der Minister Über die Ver¬ 
billigung der Krankenhäuser namentlich in großen Städten denke, erwiderte 
der Ministerialdirektor: Im November 1913 ist ein Erlaß herausgegeben, 
in dem die nachgeordneten Behörden auf die Möglichkeit hingewiesen werden, 
gegenwärtig Krankenhäuser viel billiger zu errichten. Erhebungen, die der 
Minister bei aUen Regierungspräsidenten angestellt und die Geheim rat K r ohne 
in einer Arbeit veröffentlicht hat, haben ergeben, daß man jetzt schon je nach 
Größe der Stadt für 2000 bis 4000 M. für das Bett hygienisch durchaus ein¬ 
wandfreie Krankenhäuser errichten kann. Angriffe, die von gewisser Seite 
gegen den Erlaß des Ministers und die Arbeit des Geheimrats K r o h n e erhoben 
worden sind, haben sich als nichtberechtigt herausgestellt, und es ist nach wie 
vor der Standpunkt des Ministers des Innern, daß unbeschadet der zweck¬ 
mäßigen hygienischen Einrichtungen so viel als möglich auf Verbillignng der 
Krankenhausbauten hingestrebt werden sollte. 



116 


Die diesjährigen Verhandlungen des preußischen 


Bei der allgemeinen Besprechung des Medizinalwesens wurden 
aus dem Ausschuß ferner folgende Anfragen gestellt: 

1. Wie gestaltet sich die Zukunft der jungen Mediziner, die sich im 
Kriegsdienst befinden, hinsichtlich ihrer weiteren wissenschaftlichen Vorbereitung, 
und zwar sowohl derjenigen, die das Physikum, als auch derjenigen, die die 
große Staatsprüfung noch nicht gemacht haben? 

2. Ist es richtig, daß diejenigen, welche das Physikum, aber noch nicht 
die große Staatsprüfung bestanden haben, unter gewissen Voraussetzungen zu 
Militärärzten befördert werden? 

3. Könnte nicht für die jungen Leute, die sich nun bald zwei Jahre im 
Sanitätsdienst des Heeres bewährt, aber das Physikum noch nicht bestanden 
haben, Urlaub in Aussicht genommen werden, wie bei den Regierungs- 
referendaren, damit sie unter Kürzung der sonst vorgeschriebenen Vorbereitungs¬ 
zeit sich auf das Physikum vorbereiten? 

Hierauf antwortete der Ministerialdirektor Prof. Dr. Kirchner: 
Sofort nach Ausbruch des Krieges hat der Reichskanzler im Einvernehmen mit dem 
Minister des Innern und dem Kultusminister weitgehende Erleichterungen für die 
Prüfungen derMediziner eingeführt. Zunächst wurde schon am 2. August 
die sogen, ärztliche Notprüfung eingeführt, die wesentlich vereinfacht und lediglich 
mündlich war und nicht länger als zwei Tage dauern sollte. Auch wurde sämt¬ 
lichen Medizinern, die die ärztliche Prüfung bestanden hatten, das praktische 
Jahr erlassen. Auf diese Weise ist es gelungen, der Armee und dem Lande eine 
erhebliche Anzahl von frischgeprüften Aerzten zuzuführen. Mitte Februar 1915 
wurde die ärztliche Notprüfung abgeschafft und an ihre Stelle eine abgekürzte, 
im übrigen den Bestimmungen der ärztlichen Prüfungsordnung entsprechende 
sogen. Kriegsprüfung eingeführt, die jedoch nur bis zum 31. März 1915 abgelegt 
werden konnte. Seit dieser Zeit müssen die jungen Mediziner wieder die volle 
ärztliche Prüfung ablegen. An Erleichterungen sind jetzt nur noch folgende 
in Geltung: einmal wird denjenigen Medizinern, die vor Eintritt in das Heer 
noch nicht ihrer Heerespflicht genügt haben, ein Semester Kriegsdienst auf das 
Studium angerechnet, weiter wird die übrige Kriegsdienstzeit unter bestimmten 
Voraussetzungen auf das praktische Jahr angerechnet. 

Einer Beförderung von Medizinern, die zwar die Vorprüfung, 
nicht aber die ärztliche Prüfung bestanden haben, zu Militärärzten findet aller¬ 
dings statt, jedoch mit der Einschränkung, daß alle Mediziner vom 7. Semester 
ab Feldunterärzte werden und in etatsmäßigen Assistenzarztstellen verwendet 
werden können. Ihre Stellung zur Wahl und ihre Beförderung zum Sanitäts¬ 
offizier findet «dagegen nur nach Ablegung der ärztlichen Prüfung statt. 

Eine Beurlaubung von jungen Leuten, die im Sanitätsdienst des 
Heeres tätig sind, zwecks Ableistung der Vorprüfung, wird vom Kgl. Kriegs¬ 
ministerium abgelehnt mit Rücksicht auf die Beschwerden, die von anderen 
Berufsständen dagegen erhoben werden könnten. Auch wird es weder vom 
Kriegsminister noch von den Zivilstellen als zulässig erachtet, daß junge Leute, 
die im Felde stehen, sich auf einige Tage nach einer Universitätsstadt beur¬ 
lauben lassen, dort ein Kolleg belegen, ohne es zu hören, und dann den An¬ 
spruch erheben, daß dieses Semester ihnen auf das Studium angerechnet werde. 

Aus dem Ausschuß wurde von einem Mitglied geltend gemacht, daß für 
die Unterstützung des Hebammenwesens (Titel 28) größere Geld¬ 
aufwendungen gemacht werden müßten. Der Ministerialdirektor er¬ 
widerte : Die Mehrzahl der Hebammen hat eine jährliche Einnahme von wenige 
als 300 M. Dies ist mit ein Grund dafür, daß Frauen aus höheren Stände 11 
für den Beruf sich nicht zur Verfügung stellen, aber auch dafür, daß leider 
manche Hebammen der Versuchung, durch Fruchtabtreibung Geld zu verdienen 
unterliegen. Deswegen hat der Minister schon seit einer Reihe von Jahren ver-’ 
sucht, womöglich alle Kreise zu statutarischer Regelung des Hebammenwesens 
zu veranlassen. Das ist bis jetzt bei 220 Kreisen geschehen. Außerdem wird 
aber anzustreben sein, daß die Niederlassungsfreiheit der Hebammen beschränkt 
wird, damit jede einen Bezirk bekommen kann, der sie auch zu ernähren ver¬ 
mag. Die Verhandlungen hierüber schweben zurzeit zwischen den Ressorts. 

Schließlich wurden folgende Anträge angenommen: 

1. das Abgeordnetenhaus zu ersuchen, einen Beschluß 
dahingehend zu fassen: die Kgl. Staatsregierung zu ersuchen, 



Abgeordnetenhauses über den Medizinaletat 


117 


bei dem Bundesrat dahin zu wirken, daß derselbe dem Bei ehe 
tage möglichst bald einen Gesetzentwurf vorlegen mOge, 
durch welchen der Bundesrat ermächtigt wird, nicht allein 
jedes unaufgefordert an das Publikum sich herandrängende 
InMeten nnd Anpreisen durch Kataloge, Drucksachen, Hausieren 
usw., sondern auch das Feilhalten und den Vertrieb von Gegen» 
ständen, die zur Beseitigung der Schwangerschaft oder zur Verhütung 
der Empfängnis geeignet sind, zu beschränken oder zu unter* 
sauen, wie auch alle nur für das Laienpublikum bestimmten 
Schriften und Bücher, in welchen sich Beschreibungen und 
Besprechungen der antikonzeptionellen und zur Unterbrechung 
der Schwangerschaft geeigneten Methoden und Mittel finden, 
zu verbieten;" 

„2. die Kgl. Staatsregierunu zu ersuchen, für das Etats¬ 
jahr 1917 eine wesentliche Erhöhung des Titels28 in Kap.97a 
der dauernden Ausgaben (Unterstützung des Bezirks*Hebanunen* 
Wesens) vorzunehmen.“ 

Beim Extraordinarium erklärte der Ministerialdirektor bei 
Titel 28 (Krebsforschung), daß leider die Krebsforschung, wie auch andere große 
Aufgaben, durch den Krieg in Stillstand geraten sei, da der größte TeU der 
Forscher sich bei der Armee befinde. 

Die Forderungen für das Medizinalwesen wurden im Ordinarium und 
Extraordinarium genehmigt. 

B. Verhandlungen des Abgeordnetenhauses Ober den Medizinaletat in seinen 
Sitzungen vom 24, und 25. Februar d. J. 

Abg. v. der Osten*Warnitz, Berichterstatter (kons.), betont zunächst, 
daß in der Kommission von allen Seiten der Königlichen Staatsregierung bzw. 
der Medizinalrerwaltung die wärmste Anerkennung ausgesprochen sei, 
namentlich mit Bücksicht darauf, daß sie es verstanden habe, im Verein 
mit der Kriegsverwaltung, die unsere Grenzen zum Teil sehr ernstlich be¬ 
drohenden Seuchen, Cholera, Fleckfieber, Ruhr und andere bis auf einzelne 
sporadische Fälle fernzuhalten. Es sei dieses ein Ruhmestitel für unsere 
preußische Medizinalverwaltung; die Kommission habe sich veranlaßt gesehen, 
ihr hierfür ihren wärmsten Dank und ihre lebhafteste Anerkennung aus- 
znsprechen. 

Betreffs der mangelhaften ärztlichen Versorgung der Zivilbevölkerung 
sei die Kommission zwar einstimmig der Meinung, daß unter allen Umständen 
die Militärverwaltung hier ein Vorrecht haben müsse; andernfalls scheine es 
aber doch eine Reihe von Aerzten in Militärkreisen zu geben, die nicht voll, 
vielfach nur sehr ungenügend beschäftigt seien. Die Kommission habe deshalb 
die Königliche Staatsregierung gebeten, durch Verhandlungen mit der Militär¬ 
verwaltung diesen Notständen in geeigneter Weise entgegenzuwirken. Der 
Herr Minister habe zugesagt, diesen Wünschen nachzukommen. 

In der Kommission sei auch die Frage des Geburtenrückganges gestreift, 
der sich mehr oder weniger in allen Kulturstaaten bemerkbar mache, auf allen 
möglichen Ursachen beruhe und geradezu als eine Kulturkrankheit bezeichnet 
werden müsse. Es wurde auch auf eine Anzahl von den verschiedensten Mitteln 
hillgewiesen, die zur Bekämpfung des Uebels geeignet sein sollen, z. B. eine 
8onderbesteuerung Lediger, Beschränkung der Testierfreiheit, geringere Be¬ 
soldung kinderarmer oder kinderloser Beamter, größere Unterstützung kinder¬ 
reicher Familien, sittliche und geistliche Einwirkung der Kirche und Belehrung 
der Frauen, Ermöglichung eines früheren Eingangs der Ehe durch die Beseiti¬ 
gung von Ehehindernissen, Unterbringung von kinderreichen Familien in Ein¬ 
oder Zweifamilienhäusern, Förderung der inneren Kolonisation sowie Verbot 
der Anwendung von Präventivmitteln, Unterdrückung von Veröffentlichungen 
aus dem Personenstandsregister, Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten, bessere 
8änglings- und Kinderfürsorge. 

Die Kommission sei einhellig der Ansicht, daß allen diesen Mitteln ge¬ 
wisse Bedenken gegenüberstehen, und daß jedes Mittel einzeln kaum geeignet 
sein würde, eine ernste Einwirkung auf diesem schwierigen Gebiet hervorzu- 



118 Die diesjährigen Verhandlungen des preußischen 

rufen. Anderseits glaubte man aber doch, daß die Summe dieser Mittel bzw. 
ein System, das aus ihnen heraus erzeugt und angewendet würde, wenn es auch 
vielleicht erst nach Jahren voll zur Wirksamkeit komme, doch geeignet sein 
würde, dieser ernstesten Oefahr, die unser Volk zurzeit bedrohe, mit Erfolg 
entgegenzuarbeiten. Schließlich sei aus der Kommission der dem Hanse vor* 
liegende Antrag (s. vorher S. 116 und 117) gestellt und mit großer Mehrheit 
zur Annahme gelangt. 

Redner hebt zum Schluß nochmals hervor, daß die Kommission ein* 
stimmig den Geburtenrückgang als eine ungemein wichtige innere Frage 
ansehe, die ein außerordentlich schwieriges Gebiet berühre, anderseits habe 
sie aber auch mit Dank anerkannt, daß man sowohl seitens der Wissen¬ 
schaft draußen im Lande, wie namentlich auch durch eine intensive Vorarbeit 
in unserer preußischen Medizinalabteilung auf dem besten Wege sei, mit aller 
Energie diesem gefährlichen Uebel zu Leibe zu gehen. Man sei deshalb auch 
einhellig der Hoffnung, daß es der lebendigen Kraft, die in unserm deutschen 
Volke liege und die dies auch in dieser schweren Zeit wieder bewiesen habe, 
gelingen werde, das Uebel endgültig und siegreich zu bekämpfen und damit 
unser deutsches Volk auch wieder innerlich zu erneuern. (Bravo!) 

Abg. Dr. Mugdan (fortschr. V.-P.) begrüßt mit Stolz die im jetzigen 
Kriege erzielten Heilerfolge bei unseren Verwundeten, die im Gegensatz zu 
unseren feindlichen Mächten, insbesondere za Rußland, so groß seien, 
daß von 100 Lazarettinsassen höchstens zehn nicht voll wieder dienstfähig 
würden, und auch von diesen zehn im Laufe der Zeit ein großer Teil ihre volle 
Arbeitsfähigkeit wieder erhalten werde. Dieser Erfolg erklärt sich daraus, 
daß es unsere Aerzteschaft verstanden habe, alles, was sie vor dem Kriege 
gelernt habe, in dem Kriege zum besten unserer Verwundeten und Kranken 
zu verwenden. Weiterhin erstrecke sich die Arbeit unserer Aerzte nicht nur 
auf die Heilung der Verwundeten und Kranken, sondern vor allem auch auf 
die vorbeugende Behandlung der Krankheiten, die bei der Tätigkeit des 
Arztes fast dieselbe große Rolle spiele wie die üeilung. Auch da können wir 
mit großem Stolz auf unsere Erfolge zurückblicken. Früher waren bei jedem 
Kriege die trübste Begleiterscheinung die Seuchen; im Jahre 1870 sei der 
Verlust an Menschen durch ansteckende Krankheiten größer, als durch die 
feindlichen Geschosse gewesen. Daß es jetzt geglückt sei, uns dieser Krank¬ 
heiten vollständig zu erwehren, das verdanken wir der Schalung der Aerzte 
und den Anstrengungen, die das Feldsanitätswesen gemeinsam mit unserer 
preußischen Medizinalverwaltung ergriffen hat, und zwar nicht nur ihrer Arbeit 
während des Krieges, sondern einer Arbeit, die auf eine weit längere Zeit, 
über ein Jahrzehnt, zurückgeht, und die ihre Krönung in den Seuchengesetzen, 
die wir in Deutschland und Preußen besitzen, findet. Der Krieg hat auf das 
glänzendste die Richtigkeit dieser Gesetzgebung bewiesen. Redner bittet den 
Vertreter der Medizinalverwaltung um nähere Mitteilung, in welcher Weise 
im vorigen Jahre die epidemischen Krankheiten, Flecktyphus, Cholera, Ruhr, 
Typhus, Pocken in unser Heimatgebiet gekommen sind, und auf welche Weise 
es gelungen ist, sie vollständig zu vereinzeln und zu verhindern, daß aus den 
Einzelteilen eine Epidemie in Deutschland entstand. Er frage das nicht aus 
einer gewissen Neugierde, sondern habe dabei den Wunsch, unseren Feinden 
auch die Hoffnung zu nehmen, daß sie wirklich eine Unterstützung in den 
Seuchen, die sonst die Begleiterscheinungen des Krieges Bind, finden könnten. 
Vielleicht verstummen dann auch die Stimmen derjenigen, die die wissenschaft¬ 
liche Medizin als größte Gefahr bezeichnen, die in ihrer durch Sachkenntnis 
nicht getrübten Ueberhebung die Zwangsimpfnng einen Kindermord nennen, 
und die die großen wissenschaftlichen Forschungen eines Virchow, Koch, 
Behring und Ehrlich nicht genug bespötteln könnten und der Welt ein* 
reden wollten — nnd dabei unter sonst ganz vernünftigen Leuten sogar auf¬ 
merksame Zuhörer fanden —, daß die Ergebnisse aller dieser Forschungen zu 
einer Entkräftigung und Vergiftung unseres Volkes führen würden. Wenn 
auch der einzelne Arzt für das, was er, wie jeder in diesem Kriege draußen 
und in der Heimat geleistet hat, nicht irgendwelchen Dank verdient, da er 
nur seine Pflicht getan hat, so darf nach den Erfahrungen dieses Krieges der 
ärztliche Stand auch etwas mehr wirkliche Anerkennung verlangen, als ihm 
zuteil wird. Gewiß, man spricht jetzt vonjden Aerzten ganz gut, aber in allen 



Abgeordnetenhauses Uber den Medizinaletpt. 


119 


demjenigen FUlen, in deoen der ärztliche Stand um Erfüllung der Wünsche, 
die er Tür dringend, nicht nur in seinem, sondern auch im allgemeinen Interesse, 
hält, kämpfen muß, sieht er leider auf der Seite seiner Gegner die bunt¬ 
scheckigsten Verbindungen auB sonst einander feindlichen Kreisen; man nimmt 
keinen Anstand über die Wünsche des ärztlichen Standes hinwegzu- 

f ehen, und das tut man sogar in dieser Zeit, in der Tausende yon Aerzten 
maßen im Felde stehen. Das ist schmerzlich, feststellen zu müssen. (Sehr 
richtig! bei der fortschrittl. Volksp.) 

Das, was die Aerzte im Kriege erreicht haben, würden sie aber ohne 
die Unterstützung der ärztlichen Hüfspersonen nicht haben möglich machen 
können. In diesem Kriege hat sich auch die Krankenpflege^ die wir in Deutsch¬ 
land haben, mag sie religiöser Natur sein oder mag sie die Krankenpflege nur 
aus wirtschaftlichen Gründen treiben, aufs allergroßartigste bewährt. (Sehr 
richtig! bei der fortschrittl. Volksp.) Wer Gelegenheit gehabt hat, die Kranken¬ 
pflegepersonen hier in der Heimat und auch draußen im Felde bei der Arbeit 
zu sehen, wer beobachten konnte, wie sie sich unterstützen, yie sie nichts 
anderes kennen, als das Wohl der ihnen anvertrauten Kranken, der kann des 
Lobes über unsere Krankenpflege, und besonders über unsere Krankenschwestern, 
nicht genug sein. (Sehr richtig!) Ebenso wie so vielen anderen Ständen, die 
im Kriege ihre Pflicht getan haben, sollte deshalb in diesem Hause auch den 
Personen unserer Krankenpflege warmer Dank und volle Anerkennung aus¬ 
gesprochen werden. (Bravo!) Leider wird die Versagung des Koalitionsrechts den 
Krankenpflegepersonen gegenüber — und das ist tief bedauerlich — selbst 
während der Kriegszeit ausgeübt, nicht von Stellen, über die der Herr Minister 
des Innern eine Gewalt hat, sondern von den Organen der Selbstverwaltung 
der Provinzen, die mehrfach den von ihnen angestellten Krankenpflegern zu 
deren großen Betrübnis, obwohl es sich nicht um sogenannte freie Gewerk¬ 
schaften, sondern um christliche Gewerkschaften handelt, das Koalitionsrecht 
rundweg abgeschlagen haben. (Hört, hört! bei der fortschrittl. Volksp.) Man 
sollte doch schließlich in diesem Kriege gelernt haben, daß in der freien Be¬ 
tätigung unserer Vereinigungen zum Teil das Geheimnis unserer Erfolge beruht. 
Um was beneiden uns denn alle unsere Feinde? Um die Schulung und Disziplin, 
die diese Vereinigungen und Organisationen verbreiten. Wo würde denn dieses 
Zusammenwirken aller Kräfte möglich sein, wenn wir nicht diese Organisationen 
gehabt hätten, auch die Organisationen der Arbeitgeber. Aber gerade dieser 
Krieg hat ja gelehrt, daß solche freie Vereinigung von Menschen zu einem 
bestimmten Zweck auch für die Wohlfahrt des Staates sehr wichtig ist. Von 
einer Organisation der Krankenpflegepersonen können gewiß auch ihre Vor¬ 
gesetzten lernen. Es ist eine Ueberhebung zu glauben, daß derjenige, der 
dient, der beamtet ist, nur zu gehorchen hat. (Sehr richtig! bei der fortschrittl. 
Volksp.) Deswegen sollte man endlich den Krankenpflegepersonen das Hecht 
der Koalition in vollem Umfange einräumen; ihre bisherige Verweigerung ist 
ein doppeltes Unrecht, weil sie in diesem Kriege gezeigt haben, daß sie das 
höchste Vertrauen auch derjenigen verdienen, die Ihre Vorgesetzten sind. (Bravo! 
bei der fortschrittl. Volksp.) 

Noch ein anderer Stand ist es, der in diesem Kriege Hervorragendes ge¬ 
leistet hat, das sind die Zahnärzte. Die Zahnheilkunde hat in diesem Kriege 
Triumphe gefeiert wie nie zuvor, während sie im Jahre 1870 kaum eine Bolle 
gespielt hat. Ein großer Teil der vorübergehenden Dienstunfähigkeit wird 
durch Zahnkrankheiten hervorgerufen; man findet deshalb überall hinter der 
Front gut eingerichtete Institute zur Behandlung der Zahnkrankheiten, in denen 
Sprechstunden mit 100—200 Zahnkranken nicht zu den Seltenheiten gehören. 
Der gegenwärtige Leiter der Medizinalabteilung hat ja gerade in der Aus¬ 
bildung der Zahnärzte sich außerordentlich große Verdienste erworben. Er ist 
es, der seit Jahren immer darauf hinweist, daß die Zahnpflege bei dem Menschen 
schon sehr früh anfangen muß; er ist es, der die Gründung der Schulzahn¬ 
kliniken angeregt hat, und er ist jederzeit bereit gewesen, alles das zu fördern, 
was irgendwie zur Förderung der Zahnheilkundo notwendig ist. Ich glaube 
auch, daß der Krieg uns in dieser Beziehung Lehren an die Hand gibt. Er 
zeigt, daß für die Wehrhaftigkeit eines Heeres ein gut ausgebildeter Zahn- 
arztatand unbedingt notwendig ist, und deswegen bedauere ich es, daß — nicht 
von dem Herrn Minister des Innern, aber von seinem Kollegen, dem Herrn 



Die diesjährigen Verhandlungen des preußischen 


120 

Minister für Handel und Gewerbe — die Zahnärzte gewissermaßen gleichgestellt 
werden mit den Zahntechnikern. Ich will kein Wort gegen diejenigen Zahn¬ 
techniker sagen, die mit großer Mühe and mit großem Fleiß sich eine Kenntnis 
in der Zahntechnik and vielleicht auch in einigen Zahnkrankheiten angeeignet 
haben; ich leugne auch keinen Augenblick, daß zurzeit in Deutschland die 
Zahntechniker an einigen Orten gar nicht entbehrt werden können, weil Zahn¬ 
ärzte nicht da sind. (Sehr richtig!) Aber ebenso wie früher bei den Aerzten, 
so muß doch das Streben darauf hingehen, allmählich die zahnärztliche Be¬ 
handlung der Bevölkerung durch Zahnärzte ausführen zu lassen. Es ist ganz 
falsch, wenn Krankenkassen aus finanziellen Gründen die Behandlung durch 
Zahntechniker vorziehen und alles mögliche tun, um die Behandlung durch 
Zahnärzte zu erschweren, und wenn der Herr Minister für Handel und Ge¬ 
werbe sie darin sogar noch unterstützt. Die Tätigkeit der Aerzte und aUer 
der Personen, die für die Sicherheit der öffentlichen Gesundheitspflege not¬ 
wendig sind, wird in Zukunft weit größer sein, als sie bisher gewesen ist. 

Die Frage des Geburtenrückganges kann nur einigermaßen gelöst 
werden, wenn man sie im Rahmen der gesamten öffentlichen Gesundheitspflege 
behandelt. (Sehr richtig! links.) Die Verluste des Krieges sind sicher groß; 
außerdem werden sicherlich Hunderttausende von unseren Kämpfern mit einer 
offenen oder mit einer schleichenden Krankheit zurückkommen. Wir werden 
deswegen aUes aufbieten müssen, um unser Volk gesund zu erhalten, werden 
aUes aufbieten müssen, um zu verhindern, daß die Volkskraft sinkt und auch 
die Zahl unserer Volksgenossen. Deswegen stimmen sämtliche Parteigenossen 
des Redners mit dem Herrn Berichterstatter durchaus überein, daß die Frage 
des Geburtenrückganges eine der wichtigsten ist, die uns gegenwärtig über¬ 
haupt beschäftigt, und daß wir alles tun müssen, um nach Möglichkeit den 
Schaden, der dadurch unserem Vaterlande entstehen kann, wieder wettzumachen. 
(Sehr richtig!) 

Der Herr Berichterstatter hat die vielen Ursachen angeführt, die man 
im allgemeinen für den Geburtenrückgang anzuführen pflegt. Die Aerzte 
pflegen zu sagen, wenn man gegen eine Krankheit sehr viele Mittel zur Ver¬ 
fügung hat, dies im allgemeinen der Beweis sei, daß keines dieser Mittel sehr 
gut wirke. So ist es auch hier: keine der Ursachen ist, für sich allein be¬ 
trachtet, die Ursache für den Geburtenrückgang; es gibt für ihn Gründe der 
materiellen Natur, es gibt Gründe, die mehr auf idealem Gebiete liegen. Nur 
eins kann man sagen, daß es nach den Erfahrungen und nach den überein¬ 
stimmenden Zeugnissen sachverständiger Aerzte nicht richtig ist, den Geburten¬ 
rückgang etwa auf eine Entkräftigung unseres Volkes zurückzuführen. Es ist 
auch nicht etwa eine Herabsetzung der Gebärfähigkeit unserer Frauen, die 
zum Geburtenrückgang geführt nat. Daß der von der Kommission an¬ 
genommene Antrag allzuviel nutzen wird, glaubt Redner nicht. Das Verbot 
dieser Dinge hat, das lehrt die Erfahrung, nicht allzuviel Wort; ein solcher 
Gesetzentwurf ist anch schon dem Reichstage vorgelegt, hier abef nicht zur 
Verabschiedung gelangt. Die Absichten dieses Antrages werden von der Gesamt¬ 
heit der fortschrittlichen Volkspartei voll anerkannt und voll unterstützt. Es 
ist auch ihre Ansicht, daß mit dem Hausieren, mit dem Feilbieten, mit dem 
Anbieten dieser Gegenstände ein ungeheurer Unfug heute getrieben wird. (8ehr 
richig!) Wir würden uns alle außerordentlich freuen, wenn mit Hilfe der 
Gesetzgebung diesem Unfug gesteuert werden könnte. (Sehr richtig!) Wir 
wissen auch genau, daß tatsächlich Bücher und Schriften erscheinen, die unter 
einer wissenschaftlichen oder volksfreundlichen Maske, nur darauf berechnet 
sind, in dieser Beziehung recht schlechte Lehren zu geben. (Sehr wahr!) Aus 
diesem Grunde hat die Partei des Redners versucht, die größten Fehler des 
Antrages der Kommission etwas zu verbessern und hat einen Antrag vorgelegt, 
der im Sinne ziemlich dasselbe will, wie der Antrag der Kommission, der aber 
unserer Ueberzeugung nach sicherer und besser ist als dieser. 

Zur Bekämpfung des Geburtenrückgangs ist vor allem eine Ver¬ 
besserung unserer allgemeinen Volksbedingungen notwendig; 
aber selbst wenn diese Bedingungen erfüllt sind, erscheint es noch immer 
zweifelhaft, ob wir in den nächsten Jahren nach dem Kriege in der Zahl 
der Geburten einen so großen Fortschritt erwarten dürfen, wie wir alle wünschen. 
Es liegen da auch Verhältnisse vor, über die man vieUeicht am aUerbesten 



Abgeordnetenbaases Über den Medizinaletat. 121 

nach jetzt nicht spricht, die mit den Verlosten Zusammenhängen, die wir in 
diesem Kriege erlitten haben. Redner gehört nicht za denjenigen Leuten, 
die in der Frage des Geburtenrückgangs vollständig schwarz sehen; er hat 
auch die Hoffnung, daß hier etwas erreicht werde, aber nicht die Sicherheit, 
daß dies geschieht. Da es in erster Linie darauf ankommt, unsere Volks* 
kraft zu erhalten und zu verhindern, daß unser Volk abnimmt und 
schwächer wird, deswegen glauben seine Parteigenossen, daß es an der Zeit ist, 
alles das zu tun, was nach Möglichkeit unsere Sterblichkeitsziffer 
herabsetzt und vor allem unsere Säuglingssterblichkeit beschränkt, (sehr 
richtig!) weil, wenn es uns gelingt, nur die Säuglingssterblichkeit sehr herab- 
zudrttcken, ein Geburtenrückgang für unser Vaterland nicht mehr die schweren 
Folgen hat, die er gegenwärtig hat, wo wir in der Säuglingssterblichkeit leider 
mit an einem der ersten Plätze rangieren. 

Aus dieser Ueberlegung sind die Anträge der Partei des Redners entstanden, 
die sich auf die Frage des Haltekinderwesens und auf die Sänglingsfürsorge 
beziehen. Nach dem Kriege ist der Wert des einzelnen Menschen für unser 
Volk ungleich höher als vorher. Wir müssen wegen der Verluste, die der 
Krieg uns gebracht hat, jeden, also auch den allerschwächsten Menschen, 
pflegen und versuchen, ihn zu einem vollkräftigen Bürger heranzuziehen. Die 
Säuglingssterblichkeit ist doch zu einem sehr großen Teil eine Folge schlechter 
sozialer Verhältnisse, man muß es eingestehen, daß die Säuglinge dor reichen 
und wohlhabenden Familien sicher nicht in großer Zahl daningerafit werden, 
wie die Kinder des Proletariers; deswegen ist es unbedingt notwendig, daß 
man denjenigen Personen, die eben nicht die Mittel dazu haben, um auch 
kranke Säuglinge durch das Leben zu bringen, durch Veranstaltungen die 
Möglichkeit dazu bietet. (Sehr richtig!) Dies scheint durch die Errichtung 
von Säugllngsfttrsorgestellen zu geschehen, in denen die Mütter nicht nur eine 
Behandlung der 8äuglinge erhalten, in denen sie auch Ratschläge für eine 
bessere Versorgung der Säuglinge bekommen, in denen — das ist in vielen 
Städten der Fall — eine Verbindung mit Milchstellen hergestellt wird, wo 
man der Mutter auch gleich Milch und andere für den Säugling, wenn er älter 
ist, passende Nahrung verabreichen kann. Redner glaubt, daß die Errichtung von 
Säuglingsfürsorgestellen nach dem Kriege bei unseren Gemeinden, sowohl den 
städtischen als auch den ländlichen, allgemein werden wird und allgemein 
werden muß. Und da — das haben wir ja aach in diesen Debatten kennen 
gelernt — die Finanzkraft unserer Gemeinden nach dem Kriege höchst an¬ 
gespannt sein wird, so ist es Pflicht des Staates, hier einzuspringen. (Sehr 
richtig! bei der fortschrittl. Volksp.) Mit Worten werden Sie weder die Säug¬ 
lingssterblichkeit herunterdrücken, noch werden Sie den Geburtenrückgang be¬ 
seitigen. Trotz der finanziellen Schwierigkeiten, in die vielleicht unser Staat 
durcb diesen Krieg kommen wird, sei seine Partei einstimmig der Ansicht, 
daß die Mittel, die der Medizinalverwaltung zum Nutzen 
des allgemeinen Volkswohles bereitgestellt werden sollen, 
weit größer sein müssen, als es gegenwärtig der Fall ist. 
(8ehr richtig! bei der fortschrittl. Volksp.) Hier kommt es in der Tat auf 
Millionen nicht an; diese Millionen verzinsen sich wirklich! Und da wir doch 
alle wissen, daß uns auch in Zukunft kein ruhiger Frieden beschert sein 
wird, sondern daß der Frieden, den wir alle ersehnen, in den nächsten Jahren 
leider ein bewaffneter Frieden sein wird, so müssen wir auch schon mit Rück¬ 
sicht auf unsere Wehrkraft alles tun, was geeignet ist, unsere Jugend zu 
ertüchtigen und wehrhaft zu machen. (Sehr richtig! bei der fortschr. Volksp.) 
Dazu dient eine bessere Versorgung der Säuglinge, dazu dient auch der 
Antrag, den wir in bezug auf das Haltekinderwesen gestellt haben. 
Denn wenn schon die Kinder der Armen und Aermsten als Säuglinge großen 
Gefahren ausgesetzt sind, so weiß jeder, daß uneheliche Kinder, die 
irgendeiner Ziehmutter übergeben sind, sehr häufig damit einfach dem Tode 
geweiht werden. (Rufe: Leider!) Das Haltekinderwesen ist in Deutschland 
außerordentlich verbesserungsbedürftig. Das Gewerbe der Ziehmütter ist ja 
ausdrücklich aus der Gewerbeordnung herausgenommen; das Haltekinder¬ 
wesen wird durch Polizeiverordnungen geregelt, die mehr oder weniger 
gut sind. Das, was wir brauchen, ist eine reichsgesetzliche Re¬ 
gelung, die es den einzelnen Regierungen erlaubt, die Ziehmütter auf 



122 


Die diesjährigen Verhandlungen des preußischen 


das sorgsamste za Überwachen and za verhindern, daß Personen, die dieses 
Gewerbe betreiben, es nar betreiben wollen, am, wie m&n sagt, möglichst viel 
Engel za machen. (Sehr richtig! bei der fortschrittlichen Volkspartei and bei 
den Freikonservativen). Der Staat maß darauf sehen, daß auch diese unehe¬ 
lichen Kinder ans erhalten bleiben; denn wir brauchen jetzt alle Menschen, 
and jeder Volksgenosse ist für anseren Staat sehr viel wert. (Sehr richtig! 
bei der fortschrittlichen Volkspartei.) ln der ausgezeichneten Denkschrift, die 
von einem Herrn der Medizinalabteilang über den Geburtenrückgang geschrieben 
worden ist, ist ja auch darauf hingewiesen worden, daß nicht allein mit einer 
Verbesserung des Haltekinderwesens alles getan ist, sondern daß überhaupt 
die Lage der anehelichen Kinder verbessert werden maß. 

Das Wichtigste scheint dem Redner and seinen politischen Freunden 
ein ständiger Matter* and S&aglingsschatz. Die Säuglingsfürsorgestellen 
allein genügen in der Beziehung noch nicht. Die Vorschriften der Reichsver- 
sicherungsordnung, die den Matter* and Säuglingsschatz betreffen, sind leider 
keine Maßbestimmangen, sondern nar fakultativ gestaltet; deshalb wollten 
wir and aach die Sozialdemokraten bei der Beratung der Reichsver- 
sicherungsordnnng eine Aenderang in dem Sinne, daß Matter* and Säuglings- 
schatz durch die Reichsversicherangsordnang sicher gestellt worden wäre. 
Die Mehrheitsparteien des Reichstags haben das abgelehnt, selbstverständ¬ 
lich nicht etwa, weil sie weniger warm für die Mütter and die Kinder 
empfinden als wir, sondern immer aas den alten Gründen finanzieller 
Natar. Aach die Herren der Regierang sagten ans: das kostet zaviel 
Geld! M. H., im Kriege sollen wir ja alle amlernen. Wir wollen nicht 
nar unsere Politik nea orientieren — darüber haben wir ja erst vorhin aus¬ 
führlich gesprochen —, sondern wir müssen auch in dem Begriff amlernen, was 
finanziell notwendig ist and was finanziell verworfen werden maß. Es ist 
anmöglich, daß wir jahraas jahrein diese Debatten bei der 
Modizinalabteilang führen, wenn wir nicht bereit sind, für 
diesen Krieg, wie schon gesagt, das Geld bereitzustellen, 
das wir brauchen. (Sehr richtig! bei der fortschrittlichen Volkspartei). 
Ich glaube, daß man die Einwände, die man uns bei der Reichsversichernngs* 
Ordnung im Jahre 1911 gemacht hat, voraussichtlich jetzt nicht mehr machen 
wird. Damals ist es aas finanziellen Gründen durchgesetzt, daß bei den 
Landkrankenkassen die Wochenanterstützang nicht einmal auf dieselbe Zeit 
gegeben wird, wie bei den übrigen Kassen, and daß anf diese Weise für die 
Wöchnerinnen der ländlichen Bevölkerung nun weit schlechter gesorgt ist als 
für die Wöchnerinnen uns dem städtischen Arbeiterstande. (Sehr richtig! bei 
der fortschrittlichen Volkspartei.) Erfreulicherweise hat jetzt der Krieg mit 
einem Schlage unsere Wünsche erfüllt. In drei Verordnungen des Bandesrats 
ist alles das in der Belchswochenhllfe geschenkt, wa6 wir so lange Jahre 
erstrebt haben. Genau so, wie der Krieg uns, ich möchte sagen, in einer 
Nacht von der Nachtarbeit in den Bäckereien befreit hat, genau so, wie er 
uns in einem Tage von der Anwendung des Bleiweißes bei den Malern and 
der anderen Gewerbe befreit hat, so hat er uns auch den Matter- and 
ääaglingsschatz geschenkt, und es ist unmöglich, uns das, was uns der 
Krieg in dieser Beziehung gegeben hat, nach dem Kriege wiederzanehmen. 
(Sehr richtig! bei der fortschrittlichen Volkspartei.) Wir werden die Reichs¬ 
wochenhilfe nach dem Kriege unbedingt erhalten müssen; es erscheint dazu 
am allerbesten, die Vorschriften der Reichswochenhilfe in die Reichsver- 
sicherangsordnung hineinzuarbeiten und alle die Leistungen, — von ihnen 
haben wir jetzt schon das Wochengeld — den Entbindungsbeitrag, die Kosten 
für die Behandlung der Schwangeren durch Arzt und Hebamme und das StiU- 
geld —, als Regelleistungen in die Keichsversicherungs- 
Ordnung aufzunehmen. Das kostet natürlich sehr viel Geld, and 
wahrscheinlich werden auch viele sagen, daß das die Krankenkassen, die 
ja möglicherweise nach dem Kriege auch kein sehr leichtes Leben haben 
werden, gar nicht ertragen können. Redner ist auch der Ueberzeugung, daß die 
Aasgaben für den Mutter* und 8äuglingsschutz den Krankenkassen allein 
nicht aufgebürdet werden können; denn es sind Ausgaben für die Allgemein¬ 
heit, und dieser liegt die Verpflichtung auf, die Mittel für diese Ausgaben 
bereitzustellen. Er hegt auch nicht die geringste Schea davor, hier za ver- 



Abgeordnetenhauses über den Medizinaletat. 183 

langen, daß nach Beendigung des Krieges das Reich für die Reichswochenhilfe 
dea Krankenkassen einen Zuschuß gewährt, genau so wie bei der Invaliden- 
Versicherung. Da niemand zweifelt, daß dieser Mutter- und Säuglingsschutz in 
der heutigen Zeit eine unbedingte Notwendigkeit ist, so stehe zu hoffen, daß 
Reichstag und Bundesrat sich zu diesen Unterstützungen verstehen werden. 

Wir dürfen auch nicht länger warten, um im Interesse unserer 
Volksgesundheit unser Wohnungswesen zu verbessern, was am besten 
durch ein Reichsgesetz geschieht. Wenn wir aber ein solches nicht 
bekommen können, müssen wir auch mit einem Landesgesetz zufrieden 
sein. Aber auch hier darf man nicht länger warten; denn es ist kein 
Zweifel, daß in manchen Städten recht ungesunde Wohnungen Vorkommen, die 
jeder Hygiene widersprechen. Man wird sogar weiter gehen müssen und sich 
nicht damit begnügen, Gesetze zu machen, in denen der Bevölkerung gesunde 
Wohnungen gesichert werden, sondern man muß auch nach Mitteln und Wegen 
suchen, daß die unbemittelten Personen in der Lage sind, gesunde Wohnungen 
mieten zu können. Gewiß, in diesem Zusammenhänge spielt auch die Frage 
der inneren Kolonisation eine gewisse Rolle. Alles das, was unsere 
Bevölkerung in die Lage versetzt, gut, d. h. gesundheitlich zu wohnen, ver¬ 
stärkt unsere Volkskraft, und deshalb müssen wir alles das unterstützen. 

Der Krieg hat gezeigt, daß unsere sozialpolitischen Anstalten 
es sind, die am allermeisten zur Kräftigung unseres Volkes beigetragen haben, 
daß gerade unsere Kranken-, Unfall- und Invalidenversicherung in diesem 
Kriege glänzend ihre Feuerproben bestanden haben (Sehr richtig! links) und 
uns vor vielen Uebeln bewahrt haben, die wir sonst sicher gehabt hätten. 
(Sehr richtig.) Aber neben dieser sozialpolitischen Versicherung brauchen wir 
auch einen gründlichen Ausbau unserer Arbeiterschutzgesetzgebnng. Es 
ist keine Frage, daß z. B. unter Umständen die große Beschäftigung, die in 
diesem Kriege den Frauen obliegt, ungünstig wirken kann; es ist sehr leicht 
möglich, daß gerade die Beschäftigung unserer Frauenwelt eine Ursache sein 
kann, daß na<m dem Kriege die Geburten nicht zunehmen. Wir müssen in 
Zukunft jede Frage unter dem Gesichtspunkt der Gesundheitspflege beurteilen. 
Bei der Frage der Frauenarbeit, bei der Frage der Kinderarbeit, bei 
der Frage des Wohnungswesens und bei allen Fragen der Arbeiterschutz¬ 
bestimmungen müssen wir uns fragen: wie wirkt es auf die Gesundheit des 
einzelnen und auf die Kraft unseres gesamten Volkes ein? Es gab eine Zeit, 
in der die Geschäfte der Völker ausschließlich von gelehrten Theologen geführt 
wurden; dann kam die Zeit, wo die Juristen maßgebend waren, und in dieser 
Zeit leben wir noch heute. Ich glaube, in der Zukunft werden die Herren 
Juristen einen großen Teil ihrer Funktionen an Techniker und Aerzte abgeben 
müssen. (Sehr richtig!) Die Zukunft wird uns große Aufgaben bringen; aber 
unser deutsches Volk wird diese Aufgabe auch erfüllen. Aus den Millionen 
von Opfern, die dieser Krieg uns gebracht hat, aus dem Tode, der uns überall 
entgegenstarrt, wird neues Leben erblühen, ein Leben, das die Zukunft 
unseres Vaterlandes so glänzend erstrahlen lassen wird, wie wir alle es 
wünschen. Seien Sie überzeugt, daß die Aerzte und ihre Helfer alles tun 
werden, um die Volkskraft unseres Vaterlandes zu heben und zu stärken. 
(Lebhafter Beifall.) 

Abg. Frhr. Schenk zu Schweinsberg (kons.) schließt sich den Worten 
des Lobes, die der Herr Vorredner für das Sanitätskorps ausgesprochen bat, 
im Namen seiner politischen Freunde vollständig an. Auch wir sprechen un¬ 
seren Aerzten draußen im Felde und denen, die in der Heimat zurückgeblieben 
sind, den Dank aus für alles das, was sie im Dienste des Vaterlandes geleistet 
haben. Dieser Dank sollte aber seitens der Militärverwaltung anerkannt wer¬ 
den und insbesondere durch eine entsprechende äußere Anerkennung 
der Unterärzte, die sich in den Dienst des Vaterlandes unter Hintan¬ 
setzen ihrer Studien und ihres persönlichen Interesses gestellt haben, zum Aus¬ 
druck kommen. Es mag dies gewiß ein recht schwieriges Gebiet sein, aber 
hoffentlich findet diese Bitte bei dem Herrn Minister eine wohlwollende Aufnahme. 

Ein sehr schweres Kapitel sei auch die richtige Verteilung der Aerzte 
im Heimatlande. Jetzt, wo fast der größte Teil unserer Aerzte zur Front 
einberufen sei, mache sich der Mangel an Aerzten im Heimatlande mitunter recht 
bedenklich geltend, deshalb solle unsere Staatsverwaltung Hand in Hand mit 



124 


Die diesjährigen Verhandlungen des preußischen 


unserer Heeresverwaltung versnohen, diesem Mangel abzuhelfen. Namentlich 
sollte man den.Krankenanstalten gegenüber in bezug auf die Einberufung 
ihrer leitenden Aerzte etwas mehr entgegenkommen, da sie doch nicht bloß 
dazu berufen sind, den Zivilkranken Bettung und Heilung zu bringen, sondern 
sich auch voll und ganz in den Dienst des Heeres gestellt haben. Bedner bittet 
weiter, den Wünschen der Vorstände unserer Mutterhäuser in 
bezug auf ihre Verbindung mit den in der Front und den hinter der Front 
stehenden Schwestern mehr entgegenzukommen. Er kommt dann zu den von 
der Kommission und von anderer Seite gestellten Anträgen zu sprechen und 
erklärt namens seiner Partei deren Zustimmung zu dem Antrag der Kommission 
betreffs Bekämpfung des Geburtenrückganges, während sie die 
von der fortschrittlichen Volkspartei dafür beantragte Fassung ablehne. Auch 
mit einer gesetzlichen Begelung des Haltekinderwesens sei sie einver¬ 
standen, jedoch bleibe diese besser der Landesgesetzgebung überlassen, während 
sie der reichsgesetzlichen Begelung des Wohnungswesens zustimme. 
Der Antrag auf Einstellung einer ausreichenden Summe zur Errichtung von 
Säuglingsfürsorgestellen,um den Gemeinden daraus nach ihrer Leistungs¬ 
fähigkeit Beihilfen zu gewähren, bittet er, dem Staatshaushaltsausschuß zu 
überweisen, ebenso wie den Antrag auf Abänderung der BeichsversicherungB- 
ordnung zur Erzielung eines ständigen Mutter- und Säuglings¬ 
schutzes. 

Die lange Zeit des Friedens und der Wohlstand, dessen sich unser Volk 
erfreut hat, haben dazu beigetragen, im Volke eine gewisse Erschlaffung der 
sittlichen Grundsätze zu bewirken, die im Interesse des Vaterlandes aufs höchste 
bedauert werden muß. Wenn wir hören, daß in einzelnen Städten, z. B. Char¬ 
lottenburg und in anderen Städten gleicher Größe, die Zustände derartig ge¬ 
worden sind, daß sie, was den Geburtenrückgang anbetrifft, sich kaum 
noch von den Großstädten des französischen Nachbarlandes unterscheiden, so 
gibt uns dies zu denken, es muß deshalb die Aufgabe der Staatsregierung wie 
aller Vaterlandsfreunde sein, dem sehr bedenklichen Geburtenrückgang nach 
Möglichkeit entgegenzutreten; denn unsere Volkswirte haben klar erkennen 
lassen, daß in dem Geburtsüberschuß die Wurzeln unserer Kraft liegen. Die 
bedauerlichste Ursache des Geburtenrückganges sei jedenfalls die große Zu¬ 
nahme der Abtreibungen, die nach der Mitteilung des Beferenten in der 
Kommission in einem Jahre die Bekordziffer von mehreren hunderttausend 
erreicht habe. Die Kommission sei darüber mit Becht entsetzt gewesen und 
habe darin deutlich den Stempel des Niederganges gesehen. Hoffentlich werde 
sich infolge des Krieges unser Volk auf sich selbst und auf seinen Gott be¬ 
sinnen, (Bravo!) um diesen Unwesen entgegenzutreten; denn, wenn eine solche 
gewaltige Zahl zur Kenntnis der Behörden gekommen ist, wie groß muß dann 
die Zahl der nicht erfaßten heimlichen Sünden gewesen sein, die auch auf 
diesem Gebiete liegen. M. H., damit opfern wir, opfert unser Volk dem 
Moloch viele Blüten seiner Jugendkraft. Wenn ein Volk nicht imstande 
ist, das keimende Leben zu schützen, sondern das keimende Leben in solcher 
gewaltigen Zahl der Vernichtung preisgibt, dann kann es die Bolle unter den 
Staaten der Welt auf die Dauer nicht mehr behaupten, die wir für Deutsch¬ 
land in Anspruch nehmen und in Anspruch nehmen müssen. (Sehr richtig!) 
Wenn der Todesengel durch die Reihen unserer Krieger geht, wenn Gott von 
uns das Opfer einer halben Million junger Söhne unseres Vaterlandes fordert, 
dann steht dies in gar keinem Verhältnis zu den Opfern, die das deutsche 
Vaterland seiner Lust oder vielleicht richtiger der Unlust seiner Frauen bringt, 
die nicht den Mut oder die Kraft haben, die Folgen einer Schwangerschaft auf 
sich zu nehmen, nicht austragen wollen, was Gott in ihrem Schoße werden 
läßt, nicht zu voller Erscheinung ausreifen lassen, was ihren Segen und den 
Segen des Vaterlandes darstellt (Bravo! rechts). 

Der Geburtenrückgang ist nach Ansicht des liedners nicht als eine 
Kulturkrankheit, oder als Begleiterscheinung alternder Nationen aufzufassen, 
die nun einmal mit einem ausgebildoten Völkerleben verbunden sei und bei 
einer Weltwirtschaft nicht anders erwartet werden könne. Mit solchen An¬ 
schauungen wird die Heilung der Sünden unseres Volkes nicht gefördert. Dazu 
bedarf es vielmehr einer sittlichen Erneuerung unseres Volkes; nicht in 
leichtsinnigem Weiterleben, sondern in Erkenntnis des Segens, der schon im alten 



Abgeordnetenhauseses Ober den Medizinaletat. 


125 


Bonde als Gottes Segen erkannt worden ist, können die Verloste wieder ersetzt 
werden; denn ein kinderreiches Hans sei ein besonders gesegnetes. In der 
onaosgesetzten Arbeit and Tätigkeit liegt das große Heilmittel, an dem onser 
Volk gesunden kann and gesunden wird, es mag Lasten aaf sich nehmen, die 
so schwer sein mögen, wie sie wollen. Mit der Arbeit allein ist es aber nicht 
getan. Will unser Volk gesunden, dann muß es sich klar machen, daß sechs 
Tage zur Arbeit da sind, aber der siebente Tag zum Verkehr mit seinem Gott. 
(Sehr richtig! rechts.) Mit Geld heilen wir die Sünden des Vaterlandes nicht. 
(Sehr wahr! rechts.) Nur in der Hingabe an die Arbeit an seiner Seele und 
in der Hingabe der Körperkräfte zu treuer Arbeit, zu treuer Pflichterfüllung 
liegt das Bad der Wiedergeburt! In das muß unser Volk hinein, und dann 
kann es den großen Aufgaben gerecht werden, die die Zukunft für es auf- 

G ehoben haben. (Bravo! rechts). Der deutschgesinnte Engländer Houston 
tewartChamberlainsagt in der „TäglichenRundschau* : „Wenn Deutsch¬ 
land sich nicht bewußt ist, von Gott eine Weltmission überkommen zu haben, 
wenn Deutschland so wenig Vertrauen auf die unüberwindliche Macht seiner 
Organisations- und Leistungsfähigkeit setzt, wenn es sich nicht getraut, mehr 
und anders zu leisten, als das kleine, weltbeherrschende Inselvölkchen geleistet 
hat, .... da freilich ist nichts zu wollen, nichts zu hoffen, und es war eine 
verbrecherische Torheit, den Krieg aufzunebmen, anstatt sich von vornherein 
den ,Weltmächten* England und Rußland gehorsam unterzuordnen.“ In diesen 
Worten steckt eine große und tiefe Weisheit. Aber wir haben die Kraft, wir 
haben das Gottvertrauen, und wir haben das feste Vertrauen in die Organi¬ 
sation unseres ganzen Volkes, das Vertrauen, daß es nicht nur die Folgen 
dieses Krieges, daß es nicht nur unsere äußere Feinde überwinden, sondern 
in Kraft seiner sittlichen Stärke auch den furchtbaren Feind, der in seinem 
Innern wütet, niederringen wird, und zwar dann, wenn es scharf und klar 
der Sünde ins Gesicht sieht und die Sünde als Sünde bezeichnet und ihr kein 
Mäntelchen umhängt. Deswegen sind meine politischen Freunde auch gern 
damit einverstanden, daß der Mutter- und Kinderschutz im Rahmen der be¬ 
stehenden Ordnung noch weiter ausgebaut werden muß. Deswegen möchte ich 
damit schließen: solange unser Volk bei seinem Gott bleibt, so lange wird es 
auch von ihm nicht verlassen werden; er wird ihm die Kräfte verleihen, die 
notwendig sind, um alle äußeren und inneren Feinde niederzuringen! (Leb¬ 
hafter Beifall rechts). 

Minister des Innern v. Loebell: Meine Herren! Der Herr Vorredner hat 
im Eingänge seiner Ausführungen einige Wünsche in bezug auf das Sanitäts¬ 
wesen ausgesprochen. Hieran! im einzelnen zu antworten, wird der Herr 
Ministerialdirektor übernehmen. Ich möchte aus diesen Wünschen nur einen 
herausgreifen. Er hat sich darüber beklagt, daß hinsichtlich der Aerzte keine 
richtige Verteilung im Lande stattfinde. Ich kann ihm vollständig recht darin 
geben, daß die ärztliche Versorgung jetzt bei uns im Inlande vielfach recht 
zu wünschen übrig läßt. Es liegt das natürlich einmal begründet in unseren 
Verhältnissen, dem großen Bedarf' der Heeresverwaltung. Aber, meine Herren, 
ich glaube, daß doch in vieler Beziehung noch Abhilfe geschafft werden kann. 
Ich bin überzeugt, daß auch die Militärverwaltung die volle Absicht hat, uns 
zu helfen. Ich habe mich immer in Fühlung mit der Militärverwaltung ge¬ 
halten, und wo berechtigte Klagen an mich herangekommen sind, habe ich 
versucht, ihnen abzuhelfen. Ich werde darin auch weiter bemüht sein und 
hoffe, daß es uns jetzt gelingen wird, wenigstens die größten Notstände auf 
diesem Gebiete zu beseitigen. 

Der Herr Abg. Dr. Mugdan hat gestern im Eingänge seiner Aus¬ 
führungen mit Stolz darauf hingewiesen, daß selbst nach ausländischen 
Zeitungen der Prozentsatz, in dem unsere verwundeten Soldaten wieder voll¬ 
kommene Dienstfähigkeit erlangen, sehr hoch ist. Er hat nach einer russischen 
Zeitschrift mitgeteilt, daß es uns gelingt, 80% der verwundeten Soldaten 
vollständig zu heilen. Mit Recht hat er, glaube ich, hervorgehoben, daß dieser 
Prozentsatz keinesfalls zu hoch, wahrscheinlich noch zu niedrig angegeben ist. 
Dabei hat Herr Dr. Mugdan ebenso wie der Herr Berichterstatter und der 
Herr Vorredner volle Anerkennung den Leistungen der Militärmedizinalver¬ 
waltung und der Medizinalverwaltung des Innern gezollt; er hat der gesamten 
Aerzteschaft volles Lob gespendet. Ich kann mich diesem Lob nur von ganzem 



i26 Die diesjährigen Verhandlungen des preußischen 

Herzen anschließen: es ist wohl verdient. Ich kann aber anch die Anerkennung, 
die der Medizinalverwaltong meines Ministeriums gezollt ist, hier annehmen; 
denn sie gilt meinen Mitarbeitern, die sie nach meiner Ueberzeugung auch voll 
verdient haben. 

Dann ist von Herrn Dr. Mugdan auch auf die großen Erfolge in der 
Seuchenbekämpfung während dieses Krieges hingewiesen worden. Hierüber 
wird Ihnen auch der Herr Ministerialdirektor noch nähere Angaben machen; 
Sie werden Zahlen hören, die uns alle mit Freude erfüllen können. Hier ist 
vor dem Kriege schon sehr eifrig und planmäßig vorgearbeitet worden, und 
die Ausführung der Bekämpfungsmaßregeln ist sofort nach Ausbruch des 
Krieges tatkräftig in die Hand genommen worden, und zwar mit sehr erfreu¬ 
lichem Erfolge. 

Auch den Dank für das Krankenpflegepersonal, dem Herr Dr. M ugdan 
Ausdruck gegeben hat, schließe ich mich vollständig an, auch er ist wohl 
verdient. 

M. H., ich wende mich, ich kann wohl sagen, der Frage des Tages zu» 
die von dem Herrn Vorredner mit tiefem sittlichen Ernst behandelt worden 
ist, mit einer so warmen Ueberzeugungstreue, daß es jeden, glaube ich, der 
es gehört hat, mit Bewunderung, ja mit einer gewissen Begeisterung erfüllt 
hat. Sie haben von dem Herrn Berichterstatter gehört, daß die Frage des 
Geburtenrückgangs auch in der Kommission eine eingehende Würdigung 
gefunden hat, und diese Würdigung verdient sie in vollstem Maße. Es ist 
eine der wichtigsten und für unser Vaterland bedeutungsvollsten Fragen, es 
ist, wie auch in der Kommission richtig gesagt worden ist, die Frage der 
Zukunft. DieZeichen sind ernst, die Zahlen sprechen für sich. Wir können 
an diesen Zahlen nicht Vorbeigehen, und jeder, der sein Vaterland liebt, muß 
die Frage schwer ernst nehmen. Ich will Ihnen absichtlich auch hier kein 
großes Zahlenmaterial mitteilen; auf Einzelheiten wird der Herr Beferent 
meiner Medizinalabteilung noch näher eingehen. Hinweisen will ich nur darauf, 
daß wir im Jahre 1876 den Höchstand der Geburtenziffer erreicht hatten, und 
zwar 40,9 °/o Lebendgeburten auf 1000 Einwohner. Dieser Prozentsatz ist bis 
zum Jahre 1912 auf 28,2 herabgegangen, und vom Jahre 1901 an finden wir 
tatsächlich ein beinahe rapides Sinken der Geburtenziffer. 

Um aber unsern Feinden nicht zu ermöglichen, hieraus etwa Schlüsse 
zu ziehen auf ein Sinken unserer Volkskraft im allgemeinen, auf ein Sinken 
unserer Schlagfertigkeit, möchte ich gleich darauf hinweisen, daß in Frankreich 
schon im Jahre 1910 nur 19,6, in Belgien 23,8, in Großbritannien 25 Geburten 
auf 1000 Einwohner entfielen, während Deutschland damals noch 80,7 Geburten 
auf 1000 Einwohner aufwies. Es ist weiter ein sehr erfreulicher Umstand, 
daß die Sterblichkeitsziffer in Deutschland immer günstiger geworden ist, und 
daß wir hinsichtlich des Überschusses der Geburten über die Sterbefälle immer 
noch sehr günstig dastehen. Auch in dieser Beziehung nur einige Zahlen! 
Im Jahre 1910 betrug der Ueberschuß der Geburten über die Sterbefälle auf 
1000 Einwohner in Frankreich 1,6, in Spanien 5,6, in Belgien 9,4, in der 
Schweiz 10, in Oesterreich 11,3, in Großbritannien 11,6, in Norwegen 12,6, in 
Italien 13,3, in Rußland 13,4, in Rumänien 13,6, in Deutschland 13,6 una in 
den Niederlanden 15,1. Unter 12 Staaten steht also Deutschland hier an elfter 
Stelle. Gleich günstig ist der Ueberschuß der Geburten über die Sterbefälle 
nur in Rumänien, und allein die Niederlande zeigen eine günstigere Ziffer. 

M. H., in diesem Kriege wird uns also — auch das möchte ich unseren 
Feinden zurufen — der Rückgang der Geburten noch nicht schaden, und bis 
zum nächsten Kriege, den Gott hoffentlich uns lange fernhalten wird, werden 
wir auch diesen gefahrdrohenden Rückgang der Geburten sicher überwinden, 
wenn nur alle Faktoren, die dazu berufen sind, mithelfen, mit der Regierung 
Hand in Hand sich an dem Kampfe beteiligen. 

Die Staatsregierung hat diesen wichtigen Problemen selbstverständlich 
schon seit längerer Zeit volle Beachtung gezollt. Auf Grund eines umfassenden 
Gutachtens der wissenschaftlichen Deputation für das Medizinalwesen sind 
1912 die Oberpräsidenten, die Regierungspräsidenten, die Aerztekammern, die 
Provinzial-Medizinalkollegicn zu eingehenden Ermittelungen und Berichten über 
die Ursachen des Geburtenrückganges aufgefordert worden. Diese Berichte 
haben ein reiches Material ergeben, das in meinem Ministerium von Geb. Ober- 



Abgeordnetenhauses über den Medizinaletat. 


127 


medizinalrat Dr. Kr oh ne verarbeitet and mit allen Unterlagen zusammen- 

S »teilt worden ist, die wir sonst noch reichhaltig zar Verfügang hatten. In 
eser Denkschrift sind alle Mittel erörtert, die in Wissenschaft and Praxis 
bisher zar Bekämpfang des Gebartenrückganges vorgeschlagen worden sind. 
Auf Grand der Denkschrift finden seit Monaten in meinem Ministeriam ein¬ 
gehende Beratungen statt, an denen die Vertreter aller preußischen Ressorts 
and eine große Anzahl sachverständiger Männer der Wissenschaft, der 
Praxis, des öffentlichen Lebens, aach Reichstags- und Landtagsabgeordnete 
teilnehmen. 


In diesen Verhandlungen ist es klar geworden, daß sehr ernste Schwierig¬ 
keiten einer vollständigen Lösang des Problems sicherlich entgegenstehen, aber 
die Staatsregierang sieht ein, daß es sich hier für anser Volk am eine Lebens¬ 
frage ersten Ranges handelt, eine Frage, die auch in diesem erschütternden 
Weltkriege, in dem wir Tausende blühender, kräftiger Männer verlieren, eine 
ganz besondere Bedeutung für die Zakanft unseres Vaterlandes behält. In 
den Beratangen in meinem Ministeriam werden alle wirtschaftlichen and sozialen 
Maßnahmen erörtert werden, die in Frage kommen, am dem Hebel zu steaern. 
Es werden die Maßnahmen besprochen gegen den bedenklichen Vertrieb empfäng¬ 
nisverhütender Mittel, ge^en die gefährliche Zunahme der Abtreibungen, auf 
die der Herr Vorredner mit Recht so eindringlich hingewiesen hat, alle gesund¬ 
heitshygienischen Maßnahmen, Maßnahmen gegen die Bekämpfung der Ge¬ 
schlechtskrankheiten, zur Verbesserung des Säuglings- und Mutterschatzes, des 
Hebammenwesens, kurz, alle Fragen, d^e hier hinein gehören. 


Auf diesem Boden bewegen sich auch die vorliegenden Anträge. Ein¬ 
mal der Antrag der verstärkten Staatshaushaltskommission auf Drucksache Nr. 89, 
der auf Vorschlag des Herrn Abg. Dr. Faßbender in der Kommission be¬ 
schlossen worden ist. Dieser Antrag entspricht einem Initiativanträge, der 
den Reichstag in der Session 1912 beschäftigte und dort schon zu eingehenden 
Verhandlungen geführt hat. Der Antrag soll durch den von den Herren Abgg. 
Aronsohn und Genossen auf Drucksache Nr. 114 gestellten Antrag abge¬ 
ändert werden. Ich nehme an, daß nachher eine Beschlußfassung über diese 
Anträge herbeigeführt werden wird. Sie können versichert sein, m. H., daß 
diese Anträge, ebenso wie die Anträge Nr. 106/09, eingehende Würdigung bei 
der Staatsregierang finden werden. Die Anträge auf Drucksache Nr. 106/09 
werden ja wohl zum größten Teile der Kommission überwiesen werden und 
dort eine eingehende Erörterung erfahren. Ich möchte erklären, daß ich in 
erster Linie die Regelung des Haltekinderwesens und ebenso die Regelung des 
Wohnungswesens durch Landesgesetzgebung für erforderlich halte. 
Einer reichsgesetzlichen Regelung des Wohnungswesens hat mein Ministerium 
and aach die Königliche Staatsregierung widersprochen; wir haben Ihnen schon 
vor längerer Zeit eine Vorlage für Preußen zugehen lassen. Hoffentlich wird 
Ihnen eine entsprechende Vorlage alsbald nach dem Kriege wiederum zu¬ 
gehen können. 

Die Beratungen in meinem Ministerium, von denen ich vorhin sprach, 
werden, so hoffe ich, in absehbarer Zeit zu einem gewissen Abschluß kommen, 
und wir werden das Ergebnis dann der breiteren Oeffentlichkeit zugängig 
machen können. Wir werden dann auch die gesetzgeberischen Maßnahmen, die 
sich als möglich und notwendig erwiesen haben, schleunigst in die Wege leiten. 


Aber, m. H., mit vollem Recht hat der Herr Vorredner hervorgehoben, 
and mit vollem Recht ist aach in der Kommission bereits daranf hingewiesen 
worden, daß 8taat, Gesetzgebung and Polizei hier nicht helfen können. Noch 
sollen wir die Frage, glaube ich, wenn auch mit vollem Ernste, aber nicht zu 
pessimistisch auffassen. Noch handelt es sich — Gott sei Dank! — nicht um 
eine Entartung unseres Volkes, und wir wollen uns gerade in diesen großen 
Zeiten, in diesen Tagen, wo unser Herz wieder so hoch schlägt in Anbetracht 
der herrlichen Erfolge unserer Armee dort im Westen, die Freude und den 
8tolz auf unser Volk nicht durch zu pessimistische Auffassungen auch dieser 
Frage trüben lassen. Aber dos ist richtig: es handelt sich doch am eine 
ernste Verkennung der sittlichen Aufgaben unseres Volkes bei Männern und 
Frauen, und zwar in allen Schichten, und nicht zum wenigsten in den ersten 
Schichten unseres Volkes. (Sehr richtig!) M. H., das ist das Tiefbedauerliche: 
gerade die Schichten, die uns vorangehen sollten auf dem Wege zum sittlichen 



128 


Die diesjährigen Verhandlungen des preußischen 


Aufstieg, die haben es hier Tollstindig an sittlichem Ernst fehlen lassen, haben 
versagt und haben ein schlechtes Beispiel gegeben. iSefar richtig!) 

Die Frage ist nicht nnr eine soziale, nicht nur eine wirtscha f tli ch e, 
sondern sie ist eine Frage tiefsittlicher Natur. Deshalb ist sie auch nur zu 
löten, wenn alle sittlichen Faktoren des öffentlichen Lebens hier mitbelfen. 
Iteshalb muß der Appell an unser ganzes Volk gehen, das Volk muß auf* 
gerüttelt, muß aufgeklärt und muß auf den rechten Weg zuröckgeffthrt werden. 
Dazu müssen helfen wie an einem heiligen Werke alle Faktoren, die dazu 
berufen sind, in erster Linie Kirche und Schule, Elternhaus, Arbeitgeber, alle 
Genossenschaften, alle Berufe, die Frauen vereine, alle sozialen Vereine, kurz, 
alle Faktoren des öffentlichen Lebens, denen unser Vaterland am Herzen liegt, 
und denen die Liebe zum Vaterlande tief im Herzen wurzelt. Erst dann, 
wenn wir diese Hilfe geweckt haben und dieser Hilfe sicher sind, können wir 
den Kampf auf breiter Grundlage entnehmen, und, m. H., auch die Verhand¬ 
lungen in der Kommission, die Verhandlungen des heutigen und des gestrigen 
Tages haben mir die volle, felsenfeste Ueberzeugung gebracht: auch in diesem 
Kampfe werden wir siegen. (Lebhafter Beifall.) 

Geh. ob.-Med.-Rat Dr. Krohne: M. H.! Die Frage des Geburtenrick¬ 
ganges hat weite Kreise des deutschen Volkes und uns schon einige Jahre 
vor dem Kriege eingehend beschäftigt und uns allen ernste Sorge gemacht. 
Die ganze Frage aber, deren Lösung vielleicht noch einmal, so oder so, darüber 
entscheiden wird, welche Stellung Deutschland im Rate der Völker in Zukunft 
einzunehmen haben wird, ist durch den gegenwärtigen Krieg in ganz be¬ 
sonderem Maße in den Vordergrund des Interesses gerückt worden. 

Gestatten Hie mir, daß ich Ihnen, ohne Sie ermüden zu wollen, nur einige 
wenige statistische Zahlen und Tatsachen mitteile, deren Wucht kein Eu- 
sicbtiger sich wird verschließen können. Im vorigen Jahrhundert schwankte 
die Geburtenziffer Deutschlands im allgemeinen zwischen 40 und 35 Lebend- 

f eburten auf 1000. Wie bereits erwähnt wurde, erreichten wir den Höchststand 
er Geburten kurz nach dem französischen Kriege mit 40,9 auf 1000 Einwohner 
im Jahre 1876. Seit jener Zeit setzte — zunächst ganz langsam — ein deut¬ 
licher Geburtenrückgang ein, so daß wir am Beginn dieses Jahrhunderts, in 
den Jahren 1900 und 1901, wieder eine Geburtenziffer von rund 35 hatten. 
Heit jener Zeit aber haben wir einen Geburtenabsturz erlebt, der ganz unerhört 
ist, der uns in 12 bis 13 Jahren von 35 Lebendgeburten auf 1000 zunächst 
auf 28 und nach den neuesten Ziffern sogar auf 27 Geburten in Deutschland 
zurückgebracbt hat! 

Diese Tatsache ist ganz besonders bedauerlich mit Rücksicht auf gewisse 
Begleiterscheinungen, auf die ich später zu sprechen komme. Zunächst ist 
bervorzu heben, daß in den Jahren seit Beginn dieses Jahrhunderts der Geburten¬ 
absturz bei uns dreimal so stark gewesen bezw. dreimal so rasch verlaufen 
ist, wie in den vorangegangenen 25 Jahren, also seit dem Jahre 1876, und daß 
kein Kulturvolk bis jetzt in einer so kurzen Zeit einen solchen Absturz erlebt 
hat. Für diese Ziffer einer Abnahme von 8 Geburten auf 1000, für ein so 
rasches Tempo des Absinkens der Geburtenziffer hat Frankreich, das ja an sich 
eine viel geringere Gcburtlichkeit hat, über 70 Jahre gebraucht, wir nur 12. 

Nun müssen wir uns folgendes klar machen: Wir haben heute schon 
jährlich 660000 Geburten weniger, als wir haben müßten, wenn wir noch die 
Ziffer von 1900 behalten hätten; das bedeutet, daß wir, wenn wir die Geburten¬ 
ziffer von 1900 wenigstens behalten hätten, heute — nach Abrechnung der¬ 
jenigen Kinder, die voraussichtlich durch Tod inzwischen wieder ausgeschieden 
wären —, 2'/* Millionen mehr Bevölkerung hätten, als wir tatsächlich jetzt 
haben. Wir würden also, hätten wir jene Geburtenziffer von 1900 behalten, 
beute anstatt rund 68 Millionen 70 bis 71 Millionen Bevölkerung in Deutsch¬ 
land haben, — ein Vorteil, der angesichts der ungeheuren Opfer dieses Krieges 
gar nicht hoch genug bewertet werden kann. (Sehr richtig 1) 

Nun wird immer von vielen Seiten eingewandt, daß wir zurzeit noch 
keine Angst zu haben brauchen, weil ja unsere Sterblichkeit so überaus günstig 
ist, und daß wir uns deshalb keine Sorge für die Zukunft zu machen brauchen. 
M. H., wie liegen die Dinge ? Es ist richtig, daß unsere Sterblichkeit in den 
letzten 30 Jahren dank der überaus günstigen wirtschaftlichen Entwicklung 
Deutschlands, der Besserung aller Lebens Verhältnisse, dank namentlich der 



Abgeordnetenhauses über den Medizinaletat. 


129 


großartigen gesundheitlichen Fortschritte in hocherfreulichem Maße zurück¬ 
gegangen ist Während wir vor 30 Jahren noch eine Sterblichkeit von rund 
26 auf Tausend hatten, haben wir heute eine solche von etwa 14, d. h., es 
sterben heute rund 700 000 Menschen in Deutschland weniger, als noch sterben 
würden, wenn wir die Verhältnisziffer der Sterblichkeit noch vom Jahre 1886 
hätten. 

Aber, m. H., täuschen wir uns nicht: auch das bedeutet keine Beseiti¬ 
gung, sondern nur ein Hinausschieben der Gefahr, die uns bedroht. Denn wir 
müssen die bedauerliche Tatsache feststellen, daß wiederum in den letzten 
13, 14 Jahren — ich spreche immer von den Feststellungen, die im Jahre 1914 
vor dem Kriege erhoben sind —, daß gerade seit Anfang dieses Jahrhunderts 
die Sterblichkeit zwar immerwährend abnimmt, daß aber die Abnahme der 
Geburtenziffer in einem viel rascheren Tempo verläuft Seit 1900 hat unsere 
Sterblichkeit um 4,4 auf Tausend abgenommen, die Geburtenziffer aber um 
7,7, d. h. die Geburtenziffer ist um 75°/o stärker bezw. rascher gesunken als 
unsere Sterblichkeit. Angesichts dieser statistisch feststehenden Tatsachen 
müssen wir uns doch vor Augen halten, daß die Abnahme der Ster blich- 
keit ihre natürliche Grenze hat, die Abnahme der Gcburten- 
ziffernicht. Die Gefahr, daß die Geburten immer weiter abf allen und schlie߬ 
lich unter die Sterblichkeitsziffer herabsinken können, ist also nicht von der Hand zu 
weisen. M. H., Frankreich ist bereits an diesem Standpunkt angelangt. Frank¬ 
reich hat zum ersten Male im Jahre 1911 ein Manko von 35000 Geburten weniger 
als Todesfälle gehabt, und es wird Sie interessieren, daß im ersten Halbjahr des 
Kriegsjahres 1914 bereits bis zum Juli Frankreich ein Weniger von 25000Geburten 
hatte. M. H., wenn ich das bemerken darf: vielleicht schon allein aus diesem 
Grunde ist es ja eine so wahnwitzige Politik der Lenker der französischen 
St&atsinteressen, daß sie ihr Volk, bei dem gewissermaßen der Absterbungs- 
prozeß der Natur bereits begonnen hat, in diesen vermeidbaren Krieg hinein¬ 
gehetzt haben, bei dem Frankreich nach glaubwürdigen Mitteilungen, bereits 
einen Verlust von 700000 Menschen erlitten hat — ein Aderlaß, von dem sich 
Frankreich nach menschlichem Ermessen niemals wieder erholen wird! 

M. H., die Geschichte zeigt uns ganz ähnliche tieftragische Beobach¬ 
tungen. Ihnen allen sind die Gründe bekannt, die zu dem Niedergang des 
alten Hellas und von Born geführt haben. Ich will nur die eine Tatsache er¬ 
wähnen, daß Born in der Kaiserzeit, d. h. auf der Höhe seiner Macht, infolge 
des Sittenverfalls, der Genußsucht seiner Bewohner und anderer Erscheinungen, 
die auch ihre Schatten in unsere Zeit hineinwerfen, damals bereits an Kinder¬ 
zahl derart abgenommen hatte, daß es zur Zeit der Kaiser nur noch den 
vierten Teil an wehrfähigen Mannschaften ins Feld führen konnte, die es zur 
Zeit der Punischen Kriege aufgebracht hatte. Damals, znr Zeit der Panischen 
Kriege und hundert Jahre später, als die germanischen Völker zum ersten 
Male an die Tore Borns pochten, konnte Born vermöge seiner ungebrochenen 
Volkskraft noch Herr seiner Feinde werden. Später, zur Kaiserzeit, konnte es 
sich, ähnlich wie ein modernes Volk, mit dem wir kämpfen, den Luxus leisten, 
fremde Völker für sich kämpfen zu lassen, weil die eigene Volkskraft nicht 
mehr ausreichte. Wir alle wissen, daß das nur eine Zeitlang dauerte, daß cs 
aber schließlich daran zugrunde ging, daß die lebendige Kraft des Volkes 
durch eigene Schuld getötet wurde. Jedenfalls war Born hauptsächlich wegen 
Abnahme seiner Bevölkerung nicht imstande, dem Ansturm seiner Feinde in 
den späteren Jahrhunderten Widerstand zu leisten. 

Das, was ioh hier gesagt habe, soll keine Schwarzmalerei mit Bezug auf 
unsere gegenwärtigen Verhältnisse bedeuten. Aber darüber müssen wir uns 
doch klar sein, daß wir, wenn wir eine solche Gefahr erkannt haben, wie sie 
uns droht, die heilige Pflicht haben, rechtzeitig vorzubeugen, und daß wir nicht 
warten dürfen, bis wir solche Zustände haben, wie sie Born den Untergang 
gebracht haben, wie sie seit lange in Frankreich herrschen. (Sehr richtig! 
rechts.) Gott sei Dank hat unser deutsches Volk noch eine ungebrochene 
Lebenskraft, es wird in der Lage sein, sich aus dieser Gefahr, die doch schon 
in greifbare Nähe gerückt ist, zu retten. 

Gestatten 8ie mir nun einige Worte über die Ursachen der uner¬ 
freulichen Erscheinung. Die Ansichten darüber, welche Momente wir 
als Ursachen des Geburtenrückganges anzusehen haben, sind unendlich ycr- 



130 


Die diesjährigen Verhandlungen des preußischen 


schieden; es ist viel darüber geschrieben worden in den letzten Jahren, was 
wir alles haben prüfen müssen; je nach der religiösen, der wirtschaftlichen, 
der parteipolitischen oder sonstigen Auffassung des Untersuchenden sind die 
Deutungen der Ursachen verschieden. 

Die zuerst auftauohende Frage, die schon gestreift worden ist, daß die 
Abnahme der Geburtsziffer, woran man ja auch denken könnte, in einer 
Rassen verBchlechterang ihre Ursache haben könne, ist ohne weiteres von 
der Hand zu weisen. Allein schon der Umstand, daß wir seit Jahren eine 
außerordentliche Abnahme unserer Sterblichkeit haben, spricht gegen eine 
Rassenverschlechterung; denn es ist bekannt, daß die Rassenverschlechterung 
eines Volkes ihren Ausdruck in der Zunahme der Sterblichkeit findet. Aber 
selbst wenn bis jetzt hierüber noch ein Zweifel bestanden hätte, so hat unser 
deutsches Volk in diesem Kriege doch hinreichend bewiesen durch die un¬ 
geheuren Leistungen in körperlicher, sittlicher oder sonstiger Hinsicht, daß 
von irgendwelcher, die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigenden Entartung 
gar keine Rede sein kann. (Sehr richtig 1) M. H., das, was unser Volk jetzt 
geleistet hat, ist so groß und erhaben, daß es — ich bitte, mir zu gestatten, 
das zu sagen — vielleicht noch hinausgeht über das, was wir vor hundert 
Jahren bei der wunderbaren Erhebung Preußens erlebt haben! 

Weiter haben manche der Auffassung Ausdruck gegeben, daß eine 
Abnahme der Eheschließungen bei uns bestände, und daß infolgedessen als 
natürliche Wirkung eine Verringerung der Geburten festzustellen wäre. Auch 
das trifft nicht za. Daß unsere Eheschließungen prozentual um einen geringen 
Bruchteil abgenommen haben, ist richtig; absolut haben aber die Ehen fort¬ 
dauernd zugenommen. Wir haben im Jahre 1900 476000 Eheschließungen ge¬ 
habt, im Jahre 1913 dagegen 510000, also eine beträchtliche Zunahme. Trotz¬ 
dem war im Jahre 1913 die Zahl der geborenen Kinder um 166000 geringer 
als im Jahre 1900! (Hört, hört!) 

Auch der Alkoholismus kann — trotzdem wir ja alle zugeben müssen, 
daß bei uns noch zu viel getrunken wird — nicht ernstlich in Frage kommen 
im Sinne einer angeblichen Herabsetzung der Gebär- und Zeugungsfähigkeit. 
Denn darüber müssen wir uns doch klar sein, daß im Laufe der letzten 
30 Jahre auch hinsichtlich des Alkoholismus manches besser und keinesfalls 
schlechter geworden ist. (Sehr richtig!) 

Nun ist vielfach die Frage aufgetaucht, ob die Zunahme der Geschlechts¬ 
krankheiten an dem Geburtenrückgang schuld sei. Auch diese Frage hält 
ernstlicher Prüfung nicht Stand. Richtig ist, daß wir bereits vor 30 Jahren 
einen großen Geburtenausfall durch die Geschlechtskrankheiten hatten. Fach¬ 
ärzte haben schon vor etwa 20 Jahren den jährlichen Ausfall durch Geschlechts¬ 
krankheiten auf 200000 Geburten geschätzt. Nun wird aber gerade in neuester 
Zeit, und zwar gerade von solchen Fachärzten, die früher viel pessimistischer 
waren, die Auffassung vertreten, daß wir seit dem Jahre 1900, also gerade 
zu der Zeit, wo der außerordentliche Geburtenabsturz bei uns besteht, keine 
Zunahme der Geschlechtskrankheiten zu verzeichnen haben. Infolge der gro߬ 
zügigen Maßnahmen, die von allen Seiten getroffen sind, ist sogar anscheinend 
eine gewisse Abnahme der Geschlechtskrankheiten festzustellen. Diese Fest¬ 
stellung gründet sich ganz besonders auf die Rekrutenuntersuchungen der aus 
großen Städten stammenden Militärpflichtigen; es ist ja bekannt, daß es 
namentlich die großen Städte sind, die auf dem Gebiete der Geschlechtskrank¬ 
heiten das Hauptmaterial liefern, während wir auf dem Lande wenig oder gar 
keine Geschlechtskrankheiten haben. Bei diesen Rekrutenuntersuchungen nun 
ist in den letzten Jahren eine deutliche Abnahme der Geschlechtskrankheiten 
festgestellt worden. Also können wir die Schuld an dem Geburtenrückgang 
kaum diesen Krankheiten zuschieben. 

Nun steht im Vordergrund der Erörterungen immer die Frage, inwieweit 
wirtschaftliche Interessen für die offenbar gewollte Einschränkung der 
Kinderzeugung maßgebend sind. Nun kann es keinem Zweifel unterliegen, daß 
auch die wirtschaftlichen Interessen mitsprechen. Es kann ohne weiteres zugegeben 
werden, daß sicherlich eine nicht geringe Anzahl von Ehepaaren die Kinder¬ 
erzeugung einschränken, weil sie sich in wirtschaftlicher Notlage befinden, daß 
namentlich auch die Wohnnngstenerung, die wir in großen Städten haben, hier 
eine Rolle spielt. Es ist ja bekannt, daß wir jetzt schon die bedauerliche 



Abgeordnetenhauses über den Medizinaletat 


181 


Erscheinung haben, daß manche Hausbesitzer grundsätzlich keine Leute mit 
Kindern anfnehmen, so daß wir beispielsweise vor mehreren Jahren dien 
traurigen Fall gehabt haben, daß im rheinisch-westfälischen Gebiet ein Arbeiter 
mit 7 Kindern überall vergeblich eine Wohnung gesucht und schließlich aus 
Verzweiflung darüber, daß er wegen seiner Kinder überall abgewiesen wurde, 
Selbstmord verübt hat. Das sind Sachen, die auch ihr Teil mitsprechen. Aber 
wenn wir nun die Frage so stellen wollen, wie sie immer von gewisser Seite 
gestellt wird, ob es nur wirtschaftliche Ursachen sind, ob man von Massenelend 
spricht, so muß man diese Frage doch entschieden verneinen. Es ist richtig, 
die ganzen Lebensverhältnisse haben sich in den letzten 30 Jahren erheblich 
verteuert: die Lebensmittel sind zum Teil um 30°/o teurer geworden. Aber 
darüber kann doch kein Zweifel bestehen, daß in allen Volksschichten auch 
die Einkommen, Gehälter und Löhne erheblich mehr, zum Teil um 50°/o in den 
letzten 80 Jahren gestiegen sind. Der wachsende Wohlstand unseres Volkes, der 
uns jetzt zu den großartigen wirtschaftlichen Leistungen befähigt hat, hat 
jedenfalls in den letzten 30 Jahren in allen Volksschichten sehr zugenommen, 
so daß wir doch nicht im Ernst behaupten können, das Volk wäre heute — ich 
spreche von der Zeit vor dem Kriege — wirtschaftlich nicht mehr in der 
Lage, eine so große Zahl von Bändern aufzuziehen wie vor 80 Jahren. 

M. H., wer mit Aufmerksamkeit die Erscheinungen unseres Volkslebens 
im Laufe der letzten Jahre und Jahrzehnte beobachtet hat, der kann sich 
doch nicht der Ueberzeugung verschließen, daß bei uns eine gewisse Summe 
von höchst unerfreulichen Erscheinungen entstanden ist, die wir überall in der 
Geschichte fast immer entstehen sehen, wenn Kulturvölker sehr rasch zu 
großem Wohlstände gelangt sind. (Sehr richtig!) M. H., daran kann doch 
gar kein Zweifel sein, daß bei uns als Folgeerscheinung des Wohlstandes, des 
Luxus in gewissen Kreisen, der vielfachen Genüsse, die sich viele Leute leisten 
und die doch zum großen Teil entbehrlich sind — wir sehen ja im Kriege, 
daß wir auch ohne sie auskommen können — ich sage, es kann gar kein 
Zweifel sein, daß eine gewisse Weltanschauung sich leider auch bei uns in 
weiten Kreisen geltend gemacht hat, die ihren Ausdruck darin findet, daß einmal 
die Begriffe von Ehe und Kindersegen eine bedenkliche Umwertung 
erfahren haben, (sehr richtig!) und zweitens, daß vielfach die Anschauung sich 

? eltend macht, daß Kindersegen nur eine Last sei, die allerlei unerfreuliche 
erantwortung mit sich brachte, und der man sich deshalb nach Möglichkeit 
entziehen dürfe. M. H., ich kann es doch nicht unausgesprochen lassen; denn 
es spricht zu viel dafür, und nur wenn man das offen ausspricht, kann es 
vielleicht Eindruck in weiteren Kreisen machen, das ist nämlich die Tatsache, 
daß diese Anschauung namentlich in der Frauenwelt Boden gewonnen hat, und 
daß es bedauerlicherweise heute manche Frauen gibt, die am liebsten wenig 
oder gar keine Kinder haben wollen. (Sehr richtig!) M. H., solche Frauen 
ziehen meines Erachtens das Höchste, was es für ein Weib geben sollte, die 
Mutterschaft, in den Staub (sehr gut!); sie verkennen die höchste sittliche 
Bestimmung der Ehe: Fortpflanzung unseres Geschlechts, Aufzucht von 
tüchtigen, braven Kindern, die wir dem Vaterlande geben sollen und die vor 
allen Dingen, wenn wir nicht mehr da sind, die Arbeiten, die wir begonnen 
haben, in unserem Sinne weiter führen sollen. (Sehr richtig!) Wenn ich hier 
etwas einfügen darf, dann ist es die Hoffnung, m. H., daß der wunder¬ 
bare, erhebende vaterländische Geist, der Geist der Opferwilligkeit und Ein¬ 
mütigkeit, den unser Volk seit Ausbruch des Krieges und auch heute noch 
fortwährend betätigt, und den wir vielleicht als wertvollsten Gewinn des 
Krieges für die Dauer buchen können, die Hoffnung, daß dieser Geist für alle 
Zeiten, auch nach dem Kriege, uns erhalten bleiben und alle die unerfreulichen 
Erscheinungen in unserem Volke hinwegwehen möge, die an der Kraft unseres 
Volkes zehren. (Sehr richtig!) 

In diesem Zusammenhang muß ich noch einige andere Ursachen erwähnen, 
die hier schon zur Sprache gebracht worden sind. Das ist die Frage der • 
empfängnisverhütenden Mittel. Ja, m. H., es muß offen ausgesprochen 
werden, daß der Vertrieb dieser häßlichen Sachen bei uns sich bereits zu einem 
öffentlichen Skandal ausgewachsen hat. (Sehr richtig I) Die Berichte, die dem 
Ministerium hierüber vorliegen, sprechen eine sehr, sehr ernste Sprache. Heute 
ist es ja nicht so, wie es leider schon vor längerer Zeit war, daß man alle diese 



182 


Oie diesjährigen Verhandlungen" des preußischen 


Bachen nur in verschiedenen kleinen Geschäften — bekommen kann, und daß 
eie dort sehr oft jungen, unreifen Mädchen, Dienstmädchen, jungen Burschen, 
die an so etwas vielleicht gar nicht denken, aufgedrängt werden. Nein, m. H., 
wir sind schon so weit, daß in die entferntesten Gegenden unseres Vater¬ 
landes, in die einsamsten Dörfer Geschäftsreisende solcher Firmen kommen und 
den Leuten die Mittel aufdrängen; ja, in einzelnen Fällen haben wir sogar 
festgestellt, daß weibliche Geschäftsreisende solcher Firmen den Frauen die 
praktische Anwendung der Mittel vordemonstrieren und nach einem Vierteljahr 
nachfragen, ob vielleicht wieder Bedarf wäre. 

M. H., die hier schon gestreifte Frage der Vernichtung des 

keimenden Lehens ist auch eine Frage, die uns ernste Sorge machen muß; 
denn diese Fälle haben in so erschreckendem Maße zugenommen, daß es hohe 
Zeit ist, daß hier Wandel eintritt. Sichere statistische Schätzungen über die 
Zunahme der Abtreibungen — das möchte ich hier bemerken — liegen selbst¬ 
verständlich nicht vor; das liegt in der Natur der Sache, aber die Ziffern, die 
als wahrscheinlich genannt werden, sind doch so erschreckend hoch, daß es, 
wie gesagt, höchste Zeit ist, hier einzugreifen. 

M. H., über die Mittel znr Bekämpfung des Geburtenrück¬ 
ganges hier ausführlich zu sprechen, will ich mir versagen. Mein 

H. Chef, Seine Exzellenz der H. Minister des Innern, hat schon darauf 
hingewiesen, daß eingehende Beratungen über diese Frage innerhalb des 
Ministeriums des Innern bezw. innerhalb des Staatsministeriums unter der 
Beteiligung sämtlicher Ressorts stattfinden. Es ist ganz selbstverständlich, 
daß in diesen Beratungen alle die Vorschläge geprüft werden, die bisher 

gemacht worden sind; sie sind alle gesammelt, und sie werden auf das ein¬ 
gehendste erörtert werden. Nur einige der Maßnahmen, die uns speziell vom 
Standpunkte der Medizinalverwaltung aus als besonders notwendig erscheinen, 
will ich hier kurz erwähnen. 

M. H., es ist natürlich eine Frage, die wir heute nicht beantworten 
können, ob es uns überhaupt gelingen wird, die Geburtenziffer zu 
steigern, dem Geburtenabsturz Einhalt zu tun. Schon wenn uns das letztere 
gelingt, zu verhüten, daß ein weiterer Absturz erfolgt, haben wir gewonnenes 
Spiel. Aber selbstverständlich muß es vom Standpunkte positiven Handelns 
auch in erster Linie unsere Aufgabe sein, in noch höherem Grade, als e^> bisher 
möglich war, die Geborenen am Leben zu erhalten. (Sehr richtig!) 
Aus diesem Grunde steht der H. Minister des Innern auf dem Standpunkt, daß 
es notwendig sei, in weiterem Umfange, als es bisher gelingen konnte, für 
Säuglings- und Mutterschutz zu sorgen. Ich möchte hierbei bemerken: auf 
diesem Gebiete ist insbesondere auf Veranlassung vieler edler Frauen und 
Männer im öffentlichen Leben, namentlich auch auf Anregung Ihrer Majestät 
der Kaiserin seit Jahren bereits viel geschehen. Infolgedessen ist unsere 
Säuglingssterblichkeit bereits wesentlich geringer, als sie noch vor 
14 bis 15 Jahren war. Aber wir können doch nicht an der Tatsache vorüber¬ 
gehen, daß sie in einer Reihe von Kulturstaaten noch viel geringer ist als bei 
uns. So hat Frankreich zwar eine an sich weit ungünstigere Gesamtsterblich¬ 
keit als Deutschland, aber eine viel niedrigere Säuglingssterblichkeit als wir. 
In Frankreich sterben im Durchschnitt 50°/o Säuglinge weniger als bei uns. 
Aehnlich liegen die Verhältnisse in Belgien, England, Italien, namentlich aber 
in den nordischen, skandinavischen Ländern. 

Nun meine ich, unser Volk hat doch in diesem Kriege durch seine ganze 
Organisationsfähigkeit gezeigt, welcher Leistungen wir auf allen Gebieten 
f&mg sind, und ich zweifle nicht daran, daß es unseren Maßnahmen gelingen 
wird und gelingen muß, das zu erreichen, was Frankreich schon erreicht hat. 
Dann wird es uns möglich sein, eine ganz außerordentlich höhere Ziffer von 
Kindern in Zukunft am Leben zu erhalten als bisher. 

Ebenso müssen wir dafür sorgen, daß ein genügender Mutterschutz 
in weiterem Umfange als bisher ermöglicht wird. Noch sterben bei uns in 
Deutschland jedes Jahr weit über 6000 Mütter an den Folgen einer Ent¬ 
bindung. Die Ziffer mag angesichts der Zahl von 1900000 Geburten gering 
erscheinen. Wenn ich Ihnen aber sage, daß diese Ziffer bedeutet, daß täglich 
in Deutschland 18 Frauen die Mutterschaft mit dem Tode bezahlen müssen, 
so werden Sie mir zngeben, daß das eine sehr bedauerliche Ziffer ist 



Abgeordnetenhauses über den Medizinaletat 


188 


Weiter ist ans den gleichen Gründen dringend notwendig, daß wir das 
Hebammen wesen reformieren. (Sehr richtig l) Aach in dieser Hinsicht ist der 
H. Minister bereits in Verhandlungen mit den anderen Ressorts eingetreten. 
Wir stehen aaf dem Standpunkt, daß angesichts der ernsten Gefahren, die uns 
beim Geburtenrückgang bedrohen, die Hebammenreform, die aus den ver¬ 
schiedensten Gründen einwandfrei zu lösen bisher nicht möglich war, jetzt 
dnrchgeführt werden muß, daß einmal ganze Arbeit auf diesem Gebiete getan 
werden muß, und wir hoffen, einen Weg gefunden zu haben bzw. zu finden, 
der uns nach dieser Richtung einwandfreie Zustände bringen und geeignet sein 
wird, das soziale Niveau unserer Hebammen, die bedauerlicherweise vielfach 
als eine Art komischer Figuren betrachtet werden, alsjminderwertige Personen, 
denen aber doch jedes Jahr das Leben von fast 2 Millionen deutscher Mütter 
and Kinder anvertraut ist, zu heben. Wir hoffen, daß wir das erreichen 
werden. (Bravo!) 

M. H., nach dem Gesagten kann wohl kein Zweifel darüber bestehen, 
daß wir alles tun müssen — nicht nur die Regierung, auch aUe Kreise des 
Volkes —, um der durch die Geburtenabnahme drohenden Gefahr Herr 
zu werden. Tacitus hat berichtet, daß bei den alten kinderfrohen Germanen 
schon die Beschränkung der Kinderzeugung als ein großer Frevel angesehen 
war, der mit der Verachtung des Betreffenden von den übrigen Volksgenossen 
bestraft wurde. Ich hoffe, daß diese Zeit, die in jeder Hinsicht dazu angetan 
ist, uns das schöne Beispiel unserer Altvorderen vor Augen zu führen, uns in 
dieser Beziehung auch eine Wiedergeburt bringen wird. 

M. H., nun lassen Sie mich noch auf folgendes hinweisen: Diejgroßen 
Verluste dieses Krieges sind zweifellos so außerordentlich, daß die Hoffnung, 
die unbegreiilicherweise noch jetzt immer von manchen Leuten ausgesprochen 
wird, daß ja die Erfahrung immer gezeigt hätte, daß nach jedem Kriege die 
Geburtenziffer in die Höhe gehe, und daß ja damit das Problem des 
Geburtenrückganges für uns sehr einfach gelöst wäre, weil auch nach diesem 
Kriege diese Erscheinung würde eintreten, nur auf einer ganz kurzsichtigen 
Auffassung beruhen kann (Sehr richtig!); denn die Zahl der Verluste, die 
dieser Weltkrieg — der ja Verhältnisse bringt, wie sie die Geschichte noch 
nicht erlebt hat — auch unserem Volke gebracht hat und wohl noch bringen 
bringen wird, ist so außerordentlich, daß von einer Vermehrung der Geburten¬ 
ziffer infolge der erwähnten Erscheinungen nach dem Kriege gar keine Rede 
sein kann. Wir brauchen uns doch nur vor Augen zu halten, daß viele, viele 
Tausende von blühenden, im zeugungsfähigen Alter stehenden Männer für die 
nächsten Jahre bei der Kinderzeugung ausscheiden. Es kann daher kein 
Zweifel sein, daß wir im Laufe der nächsten Jahre ein weiteres Absinken 
unserer Geburtenziffer allein aus dieser Erscheinung heraus haben werden.., , 

Aber, m. H., wir werden diese Verluste ausgleichen, wenn wir — und 
ich hoffe, wir sind auf dem Wege dazu — mit festem Wollen der Gefahr 
begegnen, die uns bedroht. Mehr als je, m. H., braucht unser deutsches Vater¬ 
land einen Zuwachs an Menschen! Wir brauchen Menschen erstens, um die 
schrecklichen Verluste des Krieges auszugleichen, dann aber vor allen Hingen, 
am gerüstet zu sein, wenn es wieder einmal in Zuksnft neidischen und rach¬ 
gierigen Feinden in Ost und West einfallen sollte, das deutsche Volk mitten 
in friedlicher Arbeit hinterlistig zu überfallen! Aber, m. H., wir brauchen vor 
allen Menschen, um, nach dem schönen Wort Friedrichs desAroßen, der 
beluinntlich „Menschen vor den größten Reichtum eines Staates erachtete“, all 
den kulturellen Aufgaben gerecht zu werden, deren Erfüllung, davon bin ich 
felsenfest überzeugt, die Vorsehung dem deutschen Volke noch Vorbehalten 
hat M. H., allein schon unsere wirtschaftliche Entwicklung ist ja in ihrer 
ganzen Berechnung eingestellt auf das Moment der fortdauernden Vermehrung 
des Volkes. Her ganze Unternehmungsgeist im wirtschaftlichen Leben, die 
Gütererzeugung, die Beschaffung von Arbeitskräften, das Baugewerbe und 
anendlich viele andere Hinge sind ja überhaupt nur möglich bzw. 
existenzfähig, wenn als Grundbedingung eine fortlaufende Vermehrung des 
Volkes gegeben ist, während allein schon der Stillstand der Volkszonahme 
— von Abnahme gar nicht zu sprechen — gleichbedeutend ist mit Erschlaffung 
and Herabsetzung der Leistungsfähigkeit des Volkes. Deshalb, m. H., dürfen 
wir jüchts versäumen, um allen Kreisen des Volkes den Ernst der Sache, den 



184 


Die diesjährigen Verhandlungen des preußischen 


Brnst der Stunde klar zu machen, der uns hier eine zielbewußte Stellungnahme 
gebietet (Sehr richtig!) Dann, aber auch nur dann wird das deutsche Volk die 
glänzende Zukunft nach diesem Kriege erleben, die wir alle als Preis der 
unerhörten Opfer dieses Krieges erhoffen! (Lebhafter Beifall!) 

Abg. Dr. Faßbender (Zentr.): Die Hebung der Bevülkerungszlffer 
muß in einer doppelten Richtung erstrebt werden: einmal durch Herabminderung 
der Sterblichkeitszifier und anderseits durch Erhöhung der Geburtenziffer. Für 
die Herabminderung der Sterblichkeitsziffer kommen zwei Maßnahmen in erster 
Linie in Betracht: das ist der Kampf gegen die Seuchen und der Kampf gegen 
die Säuglingssterblichkeit. Die moderne Hygiene und die freiwillige Liebes¬ 
tätigkeit, das sind die beiden Gebiete, die in diesem Kriege große Triumphe 
gefeiert haben. Nächst Gottes gnädigem Schutz ist es unzweifelhaft den 
amfassenden und ausgezeichneten Maßnahmen hygienischer Art zu verdanken, 
daß unsere Truppen von größeren Seuchen verschont geblieben sind, von den 
Seuchen, die in früheren Kriegen, auch noch in dem l«70er Kriege, unzählige 
Opfer gefordert haben. (Bravo!) Umfassende Maßnahmen der Hygiene werden 
aber auch in der Friedenszeit die unausgesetzte Sorge der Königlichen Staats¬ 
regierung bilden müssen. Vor allem wird die ländliche Bevölkerung einer 
gesteigerten Fürsorge behufs Ausgestaltung der Hygiene auf dem 
Lande bedürfen. Das erkennt man schon ans dem Umstande, daß die Herab* 
mlnderung der Sterblicbkeltsziffer trotz der an sich viel besseren Lebens¬ 
bedingungen auf dem Lande doch hier nicht in dem Maße bisher gelungen ist 
wie in der Stadt. In 8tadt und Land aber werden wir uns erhöhte Sorge für 
die Herabminderung der Sterblichkeit bei den 8äuglingen und in den ersten 
kindlichen Lebensjahren angelegen sein lassen müssen, zumal wir in dieser 
Beziehung anderen Ländern gegenüber leider noch bedenklich zurückstehen. 
(Sehr richtig!) Zu den Maßnahmen gehört auch die gesetzliche Regelung des 
Haltekinderwesens mit Beaufsichtigung der Ziehmütter. Wenn auch die 
sogenannte Engelmacherei in Deutscmand nicht so verbreitet sei, wie z. B. in 
Belgien, so unterliegt es doch keinem Zweifel, daß auch bei uns auf dem 
Gebiete des Haltekinderwesens ganz bedeutende Mißstände zu beseitigen sind. 
Deshalb wird meine Fraktion für den Antrag behufs gesetzlicher Regelung 
des Haltekinderwesens stimmen. (Bravo!) 

Bezüglich des Kampfes gegen die Seuchen vftrd nach dem Kriege 
zweifellos der Tuberkulosebekämpfung eine erhöhte Aufmerksamkeit zuzu¬ 
wenden sein. Es unterliegt keinem Zweifel, daß durch die ausgedehnte Ein¬ 
ziehung der männlichen Bevölkerung zu den Waffen, dadurch, daß viele Leute, 
die früher wegen schwächlicher Gesundheit vom Militärdienst befreit wurden, 
jetzt aber eingestellt werden, ein Anwachsen der Erkrankungen an offener 
Tuberkulose für die Zukunft zu befürchten ist. Wenn man sieht, daß bei 
den anzeigepflichtigen ansteckenden Krankheiten eine stete Abnahme eingetreten 
ist, dann müßte man zu der Ansicht kommen, daß die Anzeigepflicht auoh 
bei Tuberkulose eine gesetzliche Regelung finden sollte, denn die 
jetzige Anzeigepflicht, die sich nur auf Todesfälle und Wohnungswechsel be¬ 
schränkt, genügt zweifellos nicht. Die Tuberkulose ist, besonders auch auf dem 
Lande, in den meisten Fällen als „Wohnungskrankheit* zu betrachten (Sehr 
richtig! im Zentrum); Bauart, Inneneinrichtung, Beschaffenheit der Schlaf- 
kammern, Mißstände auf dem Gebiete der Ventilation, der Heizung und besonders 
der Reinlichkeit sind hier vielfach die Quelle der Seuchenverbreitnng. Das Ver¬ 
ständnis für HautpAege und Zahnpflege bedarf zweifellos auf dem Lande 
erhöhter Fürsorge, worauf besonders H. Ministerialdirektor Prof. Dr. Kirchner 
schon so oft hingewiesen hat. 

Dem, was der Kollege Mugdan über die Koalitionsfreiheit der 
krankenpflegenden Orden gesagt hat, kann ich nicht in vollem Umfange, 
sondern nur insoweit zustimmen, als, wenn man in der Form der Gewerkschaft 
einen Zusammenschluß den krankenpffegenden Personen gestatten will, dann 
aber Fürsorge getroffen werden muß, daß die katholischen Orden, die im Falle 
eines Streikes die durch den Ordenszweck vorgeschriebene Pflicht tun würden, 
nicht gewissermaßen als „Streikbrecher* kompromittiert werden dürften. Was 
aber die Niederlassung von krankenpflegenden Orden angeht, so steht diese 
Frage in engem Zusammenhang mit der Tuberkulosebekämpfung insofern, als 
so unzweifelhaft möglich wäre, auch in kleineren Krankenhäusern auf dem 



Abgeordnetenhauses über den Medizinaletat. 


186 


Lande Abteilungen für Tuberkulosekranke zu schaffen, die eine außerordentliche 
Bedeutung für die Bekämpfung der Tuberkulose auf dem Lande gewinnen könnten, 
da solche Tuberkulosenheime für eine umfangreiche Bekämpfung der 
Tuberkulose in vielen Fällen viel wirkungsvoller sich erweisen dürften, als 
die Tuberkuloseheilstätten. (Sehr richtig! im Zentrum.) Die Organisation der 
Krankenhäuser, wonach, wie z. B. in den katholischen Teilen von Westfalen 
für fast alle Amtsbezirke eigene Krankenhäuser bestehen, ist höchst segens¬ 
reich. Ihre Einrichtung sollte möglichst auch vom Standpunkt der Hygiene 
und der Tuberkulosebekämpfung gefördert werden. Insbesondere ist auch 
dafür zu sorgen, daß eine Ueberanstrengung der Schwestern vermieden wird, 
und diese, wie es namentlich in kleineren Krankenhäusern sehr leicht vor¬ 
kommt, nicht mit niederen Dienstleistungen beschäftigt werden, die auch von 
ungelernten Dienstboten usw. verrichtet werden können. 

Redner wünscht weiter erhöhte Fürsorge für die Erforschung der 
Krebskrankheit^ die auch in Deutschland ständig zunefame. Jedenfalls müsse 
das Institut bei der Charitö zur Erforschung der Krebskrankheit erhalten 
bleiben und weiter ausgebaut werden. 

Nicht minder wichtig sei der Kampf gegen die (Geschlechtskrankheiten. 
Um eine Verseuchung der Bevölkerung zu verhüten, sollte niemand jetzt 
während des Krieges beurlaubt und niemand nach dem Kriege aus dem 
Heere entlassen werden, der nicht vorher daraufhin untersucht worden sei, daß 
er an keiner Geschlechtskrankheit leidet. (Sehr richtig! im Zentrum.) Jeder 
Krieg hat aus ganz einleuchtenden Ursachen eine Steigerung der Geschlechtskrank¬ 
heiten im Gefolge gehabt, und bei dem gegenwärtigen Kriege kommt besonders 
in Betracht, daß er sich in Gegenden und Ländern abspielt, in denen von 
altersher die Geschlechtskrankheiten sehr verbreitet waren. Ihre Heilung ist 
trotz der Salvarsan-Behandlung unsicher, und deshalb vom Standpunkte der 
Bevölkerungspolitik aus die Prophylaxe, d. h. die Verhütung der Ansteckung 
um so wichtiger. Man sollte deshalb durch gesetzliche Vorschrift von 
jedem Ehekandidaten ein amtsärztliches Gesundheitszeugnis ver¬ 
langen und die bürgerliche Eheschließung von der Abwesenheit einer 
übertragbaren Geschlechtskrankheit abhängig machen. Ebenso empfiehlt 
sich die Einführung einer gesetzlichen Bestrafung leichtsinniger oder 
grobfahrlässiger Ansteckung mit einer Geschlechtskrankheit; eine solche 
ist besonders als Jugendschutzmaßregel zu befürworten. 

Sehr zu begrüßen ist die jetzt in Aussicht genommene, unter der Leitung 
des Reichsversicherungsamts, in Verbindung mit den Krankenkassen und der 
Militärverwaltung in die Wege geleitete Einrichtung von Fürsorgestellen für 
Geschlechtskranke, die den FUrsorgestellen für Lungenkranke und für Säug¬ 
linge nachgebildet werden sollen. Diese Fürsorgestellen müßten aber der 
gesamten Bevölkerung dienstbar gemacht werden. 

Bei dem Geburtenrückgänge haben wir es in vielen Fällen der End¬ 
losigkeit mit einer verschuldeten Endlosigkeit und in anderen Fällen mit 
einer gewollten Endlosigkeit zu tun. Für die erstere bildet meist Sterilität 
infolge von Syphilis und Tripper die Ursache. Dieser verschuldeten Endlosig¬ 
keit muß mit allen Mitteln entgegen gewirkt werden; man kann deshalb dem 
H. Minister den allerwärmsten Dank dafür aussprechen, daß er dieser 
Frage die hohe Wichtigkeit beimißt, wie sie aus seinen Worten hervorgeht, und 
daß er mit so großem Ernste und so herrlichem Eifer unter Mithilfe der Herren 
von der Medizinalverwaltung an die Behandlung dieses Problems 
herangeht. (Bravo!) Ein Erfolg ihrer Bestrebungen ist aber nur zu erwarten, 
wenn die Staatsregierung auch auf dem Gebiete des Beamtenwesens wichtige 
Reformen eintreten und bei Besetzung höherer Stellen das Vermögen nicht 
allein ausschlaggebend sein läßt (Sehr richtig! — Bravo! — auf ver¬ 
schiedenen Seiten des Hauses) und bei gleicher beruflicher Tüchtigkeit nicht 
der Beamte mit weniger Kindern vorgezogen wird, weil er einen größeren 
Betrag zu Repräsentationszwecken frei behält. (Hört, hört!) Man sollte über¬ 
haupt nach dem Kriege mit dem unglücklichen Repräsentationszwang 
einmal aufräumen (Sehr richtig!) und zur alten preußischen Einfachheit zurück¬ 
kehren. (Bravo!) Deshalb habe Redner in Verbindung mit seinen Fraktions- 
genozsen einen Antrag eingebracht, worin die Königliche Staatsregierung 
ersucht wird, dahin zu wirken, daß für eine Anstellung oder Be- 



186 Die diesjährigen Verhandlungen des preußischen 

för,derung von Beamten bei der Auswahl unter den dafür ge¬ 
eigneten Personen solche mit einer größeren Einderzahl in 
besonderem Maße berücksichtigt werden. (Bravot im Zentrum.) 

Bei dem Geburtenrückgänge handelt es sich weder um eine einzige 
Ursache noch um ein einziges Mittel der Abhilfe. Als Grund der 
Geburtenbeschränkung in allen Ehen sind nicht nur grobsinnige 
oder an sich unethische Beweggründe zu suchen, sondern es können 
auch sehr sittliche Gründe dafür vorliegen, ln solchen Fällen soll 
aber nach der Lehre der katholischen Moral Enthaltsamkeit geübt und 
die Anwendung künstlicher Mittel vermieden werden. 

Die Regelung des Wohnungswesens wird am besten der Landesgesetz¬ 
gebung zu überlassen sein; wichtig ist auch die Ausgestaltung des Verkehrs¬ 
wesens, damit die Leute außerhalb des Weichbildes der Stadt wohnen können, 
und die Siedelungsfrage auf dem Lande, um eine Landflucht zu ver¬ 
hüten. Ebenso wird auch bei der direkten Steuer die K i n d e r z a h 1 mehr als 
bisher zu berücksichtigen sein; noch mehr Aussicht auf Erfolg dürfte die Ge¬ 
währung von Erziehungsbeihilfen aus öffentlichen Mitteln bieten. 

Weiterhin ist auf die Erleichterung der Eheschließung Bedacht zu 
nehmen. Es ist keinem Zweifel unterworfen, daß mit dem verspäteten Eintritt 
in die Ehe die sogenannten „Junggesellenverhältnisse“ Zusammenhängen. Eine 
ganze Menge von Leuten aus den akademischen Kreisen, Offlzierkreisen usw. 
nehmen die Kenntnis der Präventivmittel aus ihren sogenannten „festen Ver¬ 
hältnissen“ später mit in die Ehe hinein. Die ganze Psychologie ist eingestellt 
auf Beschränkung bezw. Verhütung der Konzeption, derartige Ehen werden 
ganz nahe an die Prostitution herangerttckt; es besteht da nur der 
Begattungstrieb ohne den in der ehelichen Liebe wurzelnden Fortpflanzungs- 
Willen. 

Die Errichtung von Säugliugsfürsorgestellen, bei denen es sich handelt 
um Beschaffung von gesunder Kindermilch, um Beratung, um Unterstützung 
der armen Mütter aus öffentlichen Mitteln, kann Bedner namens seiner Partei 
nur befürworten. (Bravo!) Ebenso wichtig sei aber auch die erziehliche 
Einwirkung auf die Mütter, um sie zum Selbststillen zu veranlassen; die 
Frauen müßten es wieder als Ehre ansehen, ihre Kinder selbst zu stillen. Ob 
es möglich sein wird, wie im „Neuen Deutschland“ Medizinalrat Dr. Graßl 
vorschlägt, einen Stillzwang einzuführen, will Bedner dahingestellt sein 
lassen. Er kommt dann auf die Hebammenfrage zu sprechen und verlangt 
eine tüchtige Ausbildung derselben sowie die Anstellung sämtlicher Hebammen 
als Bezirkshebammen und Gewährung eines auskömmlichen Gehaltes. Mit der 
Bekämpfung des Geburtenrückganges steht auch der Kampf gegen die öffent¬ 
liche Unsittlichkeit, namentlich in den Großstädten, wo die sexuelle Sinn¬ 
lichkeit der Jugend erregt wird, in engem Zusammenhänge. Dasselbe gilt 
betreffs der mangelhaften Ausbildung zahlreicher Frauen in der Führung 
des Haushaltes, namentlich im Kochen, die naturgemäß eine außerordentliche 
Verteuerung der Lebenshaltung und den Wunsch nach Beschränkung der Kinder¬ 
zahl zur Folge hat. Ebenso bedingt der in den sogenannten besseren Ständen 
vielfach herrschende Bildungsfanatismus der verheirateten Frauen, daß eine 
Abneigung gegen eine größere Kinderzahl entsteht, die außerdem durch unsere 
Bepräsentationswut vermehrt wird. Die Erziehung zur Mütterlichkeit ist so¬ 
mit ein Kernpunkt der ganzen Angelegenheit, eine Aufgabe, die an Bedeutung 
für die militärische, wirtschaftliche, kulturelle und sittlich-religiöse Zukunft 
unseres Volkes keiner andern nachsteht. 

Auch die Alkoholfirage steht mit der ganzen Frage des Geburtenrück¬ 
ganges in einem gewissen Zusammenhang, weil nämlich nichts so sehr die 
Geschlechtskrankheiten fördert, wie die Verbreitung des Alkoholgenusses. Wie 
mancher junge Mensch wird unter dem Einfluß des Alkohols verdorben, wie 
mancher Student oder sonstige junge Mann verfällt in der Trunkenheit bei 
einem einzigen Fehltritt dem Verderben der Geschlechtskrankheit. 

Nur mit einer völligen Lebengreform kann die Beseitigung des Ge¬ 
burtenrückganges einhergehen. Die großen Ansprüche an das Lebon stehen 
vielfach im Wege. Deshalb fürchtet man sich vor einer größeren Kinderzahl, 
weil man nicht bloß repräsentieren, sondern auch nicht auf alles das, was sonst 
zum sogenannten „guten Leben“ gehört, verzichten will. Dazu gehört 



Abgeordnetenhauses über den Medizinaletat. 


187 


anch, daß in dem Jahresetat eine Somme für eine Sommerreise stehen maß, 
denn mit einer großen Kinderzahl kann man nicht got reisen. 

Endlich wird darüber kein Zweifel sein können, daß ohne eine reli¬ 
giöse Erneuerung des Tolkes die sämtlichen vorerwähnten Mittel 
allein versagen müssen and versagen werden. Aber es würde 
ebenso verfehlt sein, wenn man es bei der seelsorgerischen Be¬ 
einflussung der Bevölkerung allein bewenden lassen wollte. 

Meine politischen Freunde stehen zwar auf dem Boden, daß sie von 
der freien Entfaltung der religiös-sittlichen Lebenskräfte 
des deutschen Volkes auch in der Frage der Bekämpfung des Geburten¬ 
rückganges das meiste erwarten; sie wollen aber auch die anderen Mittel ge¬ 
sunder Bevölkerungspolitik ebenfalls in Betracht gezogen wissen, und deshalb 
werden sie für die Annahme der Staatshaushaltskommission und nicht für den 
Antrag der fortschrittlichen Volkspartei stimmen. 

Redner schließt mit den Worten: Nur eine auf dem Grunde auf¬ 
richtiger und inniger Religion sich aufbauende umfassende 
Lebensreform mit einer Rückkehr zu einfacherer Lebenshaltung 
kann nach Ansicht meiner politischen Freunde die bedauerliche Erscheinung 
gewollter Kinderlosigkeit oder künstlicher Kinderbescbränkung als das Symptom 
einer entarteten Kultur beseitigen. (Sehr richtig!) Mit dieser Lebens- 
reform muß aber eine umfassende Gesetzgebung auf den verschiedenen 
mit einer gesunden Bevölkerungspolitik in Beziehung stehenden Gebieten Hand 
in Hand gehen. Das deutsche Volk hat in diesem Kriege gezeigt, daß es 
einen Rücklagebestand von nicht entnervter Volkskraft noch besitzt. Es ist 
also noch nicht zu spät, aber es ist, wie der H. Regieruugsvertreter mit 
Recht sagte, hohe Zeit, Fürsorge zu treffen, daß uns nicht die Verhältnisse 
über den Kopf wachsen. Meine Fraktion wird auf allen Gebieten gesetz¬ 
geberischer Maßnahmen, die das Uebel zu bekämpfen imstande zu sein scheinen, 
freudig mitwirken und mitarbeiten. (Lebhafter Beifall.) 

Abg. Dr. Lohmann (natl.) schließt sich uneingeschränkt dem Lobe an 
das von allen Seiten den Aerzten und den Krankenpflegerinnen für ihre 
großen Leistungen in diesem Kriege gezollt ist. Den Antrag auf Gewährung 
voller Koalitionsfreiheit des Krankenpflegepersonals wird seine Partei einer 
wohlwollenden Nachprüfung unterziehen. In bezug auf den Geburtenrückgang 
ist es ein gar nicht hoch genug zu schätzendes Verdienst der maßgebenden 
Männer unserer Medizinalabteilang, daß sie das öffentliche allgemeine Interesse 
anf diesen Gegenstand gelenkt haben. Alle Parteien sind jetzt sämtlich davon 
überzeugt, daß dieser Geburten- und Volksrückgang eine der wichtigsten und 
schwersten Fragen ist, die unser deutsches Volk bewegen. Mehr als die ab¬ 
solute Abnahme ist ja die Tatsache geeignet, uns ernste Gedanken zu machen, 
daß dieser Absturz gerade in den wenigen Jahren des neuen Jahrhunderts so 
ungemein stark, ja rapide gewesen ist. Diese Tatsache beweist anderseits 
schlagend die Behauptung, daß die Frage keine vorwiegend wirtschaftliche ist, 
denn in den Jahren des neuen Jahrhunderts haben wir einen 
wirtschaftlichen Aufschwung gehabt und nicht einen wirtschaft¬ 
lichen Abstieg. Wenn wir anch jetzt noch infolge der Abnahme der Sterb¬ 
lichkeit eine starke Zunahme der Bevölkerung aufzuweisen haben, so nähern 
wir uns doch immer mehr den Zuständen, die zum Teil England und in der 
Vollendung Frankreich haben. Aul.diese,Kulturhöhe“ dürfen wir 
aber nicht herabsinken. Daß die Ursache des Geburtenrückganges 
nicht in einer starken Verminderung der Eheschließungsziffer liegt, 
hat Geheimrat Dr. Kr oh ne nachgewiesen, denn diese ist von 1871 bis 1911 
nur um 0,1 °/## (von 8 auf 7,9 °/oo) gesunken. Ungünstig ist in dieser Hinsicht 
nur, daß das Ehescbließungsalter heraufgerückt ist. Als Hauptursachen 
siod vielmehr Eingriffe in die Schwangerschaft oder bewußte 
Vorbeugung der Empfängnis anzusehen. Leider grassiert nach den 
Beobachtungen des Redners in seiner Heimat (Nassau) die Abtreibung auch 
auf dem Lande und in kleinen Orten außerhalb viel mehr, als allgemein 
angenommen wird; auch darf nicht verschwiegen werden, daß die Wider¬ 
standsfähigkeit der Aerzte gegen die Zumutungen, die aus Frauen¬ 
kreisen aller Stände an sie herautreten, die bestehende Schwangerschaft zu 
unterbrechen, im Abnehmen begriffen ist. Redner hat aus seiner ärztlichen 



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Die diesjährigen Verhandlungen des preußischen 


Verwandtschaft and Bekanntschaft, die sich gerade in Kreise sehr beschäftigter 
and hervorragender Aerzte erstreckt, doch mehrfach gehört, daß, wenn Frauen 
aas gänzlich nichtigen Qründen der Genaßsacht, der Eitelkeit oder anbeacht¬ 
licher Schwäche die Zamntong an sie stellen, es mOge eine Schwangerschaft 
unterbrochen werden, and diese Zamatang anter ernstem Zasprach abgewiesen 
wird, ganz regelmäßig diese Frauen — nach kurzer Zeit mit der Erklärung 
wieder erscheinen: wir haben einen anderen gefanden, der unserem 
Wunsch entsprochen hat Vielleicht läßt sich darch einen gewissen Uelde¬ 
zwang auch auf die Aerzte ein Einfluß dahin za üben, daß sie etwas zurück¬ 
haltender in der Anwendung des Aborts ans allgemein-hygienischen Gründen 
sein möchten. — Der Geburtenrückgang stellt sich als ein schwerer nationaler 
Notstand aus sittlich bedenklichen Beweggründen dar, denn wenn auch 
die bewußte Beschränkung der Kinderzahl keineswegs durchweg 
zu verdammen ist und die Sorge für Leben und Gesundheit der 
Mütter und damit die Einschränkung der Kinderzahl eine gewisse Berechti¬ 
gung hat, so bleibt doch nicht zu bestreiten, daß die starke Abnahme 
unserer Geburten wesentlich auf Ursachen zurückzuführen ist, die 
moralisch zu verurteilen sind, weil sie verwerflich sind. Dafür spricht nament¬ 
lich die Tatsache, daß wir die niedrigen Geburtsziffern ganz besonders und 
zuerst, bei uns in Deutschland wenigstens, in den wohlhabenden, sehr gut 
situierten Familien haben, wo mit dem besten Willen für diese Beschrän¬ 
kung der Kinderzahl keine andere Ursache gefunden werden kann als der 

f emeinschaftüche Wunsch von Mann und Frau ungestört von Kindersorgen 
as Leben zu genießen. (Sehr richtig!) Dafür ist ferner die Tatsache be¬ 
weisend, daß wir das sprunghafte Fortschreiten der Abnahme 
unserer Geburten in den Großstädten in Jahren gehabt haben, die einen 
außerordentlichen Aufschwung mit sich brachten. Das Sinken 
der Geburtenziffer, auch wenn es so rapide eintritt wie augenblicklich, 
kann zwar nicht gleichzeitig auf eine sittliche Entartung unseres 
Volkes schließen lassen, aber wohl auf eine gewisse Schwäche des 
Willens. Man darf auch nicht übersehen, daß früher die ungeheure 
Versuchung, wie sie jetzt gerade an die Frauenwelt heran¬ 
tritt, nicht vorhanden war. Man kannte die Technik des antikonzeptionellen 
Betriebes gar nicht, und was infolge Unkenntnis solcher Technik unterblieb, 
war eben nicht Tugend, sondern Mangel an Gelegenheit zur Sünde. Seit¬ 
dem die Frau gelernt hat, aktiv in die Geburtenpolitik ein¬ 
zugreifen, seitdem haben wir diese betrüben Zustände. 

Wass nun den Einfluß der Religion, insbesondere der evanglischen 
und katholischen, auf den Geburtenrückgang betrifft, so haben wir in den 
Jahren ltiOl bis 1911 eine Vermehrung der evangelischen Volksschul¬ 
kinder von 8,6 Milionen auf 8,86 Millionen, also um 360000 gehabt, 
währen sich die katholischen Volksschulkinder von 2,067 auf 
2,667, also um 610000 vermehrt haben. (Hört! hört!) Mit anderen 
Worten: wenn diese Bewegung und diese Tendenz anhält, 
werden wir in höchstens 20 Jahren ein Gleichziehen der katho¬ 
lischen und der evangelischen Volksschulkinderziffern haben. 
(Sehr richtig! bei den Nationalliberalen.) Das sollte doch jeden bewußten An¬ 
hänger und Freund der evangelischen Kirche mit der größten Sorge erfüllen 
und anspornen, alle seine Kräfte in den Dienst einer Bewegung zu stellen, die 
dieser verderblichen Erscheinung Einhalt tun kann. 

Was nun die Abwehrmittel betrifft, so müssen wir zweifellos alles tun, 
um die Kindersterblichkeit einzudämmen. Dazn gehört auch eine 
bessere finanzielle und soziale Stellung der Hebammen, eine Begelung des 
Ziehkinderwesens, die Beibehaltung der Reichswochenhilfe, sowie 
die wirksamen staatlichen Maßnahmen auf dem Gebiete der Steuerpolitik 
und der Wohnungspolitik. Die Steuererleichterungen müssen 
viel erheblichere sein auch für Steuerzahler mit größerem Einkommen, 
um auch die mittleren und höheren Beamten zu schützen, wenn sie gewillt 
sind, unter eigenen Entsagungen und Opfern mehr Kinder für dem Staat zu 
erziehen. (Sehr richtig!) Der Wohnungsgeldzuschuß muß für Beamte 
mit Familie weit höher sein als für unverheiratete Beamte. 

Nachdem Redner dann erklärt hat, daß seine Partei mit dem Antrag 



Abgeordnetenhauses aber den Mediaineletat. 


180 


der Haushaltskommission einverstanden sei, desgleichen mit der Ueberweisang 
der anderen Anträge an die betreffenden Kommissionen, schließt er mit dem 
Wunsche, daß es gelingen möge, und zwar nach der Richtung, daß die Ehe 
dazu da sei, unter eigener Entsagung eine künftige Generation heranzuziehen, 
und daß die Frau selbst es als ihre vornehmste Aufgabe und 
als ihre höchste Ehre betrachtet, wenn sie zahlreiche Kinder 
um sich versammeln und erziehen kann. Eine große und wichtige Auf¬ 
gabe ist dabei die Erhaltung des Kinderschatzes, die sieh nicht nur 
auf die Erhaltung der Säuglinge, sondern auch auf die körperliche 
Entwicklung der älteren Kinder zu erstrecken hat. 

Ministerialdirektor Prof. Dr. Kirchner: M. H., es ist von verschiedenen 
Seiten des Hauses ein Wort der Anerkennung für die Medizinalverwaltung ge¬ 
fallen. Der Herr Minister hat schon die Güte gehabt, dafür zu danken. Ich 
halte es aber für meine Pflicht, darauf hinzuweisen, daß nicht nur an der 
Spitze der Medizinalverwaltung, sondern von allen ihren Gliedern bis in das 
entfernteste Dorf mit Eifer alles getan worden ist, was erforderlich war, um 
die Gesundheit zu schützen und Krankheiten vorzubengen. Ich möchte darauf 
hin weisen, daß von den Kreisärzten über 200 ins Feld gezogen sind, deren 
Dienst die Zurückgebliebenen mit versehen müssen, und daß sich gegenwärtig 
von praktischen Aerzten über 14600 bei der Armee befinden. Das ist ein Be¬ 
weis dafür, wieviele von ihnen, ohne dienstpflichtig zu sein, sich in den Dienst 
des Vaterlandes gestellt haben. Die Folge davon ist aber leider die gewesen, 
worauf schon hingewiesen worden ist, daß die Versorgung der Bevölkerung 
mit Aerzten vielfach auf Schwierigkeiten gestoßen ist. Gleich nach Ausbruch 
des Krieges hat der Herr Minister im Verein mit dem Herrn Reichskanzler in 
Voraussicht dieser Verhältnisse dafür gesorgt, daß durch Abkürzung und Ver¬ 
einfachung der ärztlichen Prüfung und Erlaß des praktischen Jahres eine große 
Zahl von jungen Medizinern, die dicht vor der Vollendung ihrer Studien standen, 
ihre ärztliche Approbation bekommen haben, so daß auf diese Weise die Zahl 
der Aerzte im Lande vermehrt worden ist. Diese Erleichterungen haben je¬ 
doch mit dem 31. März 1914 aufgebört. Jedoch besteht noch eine gewisse 
Erleichterung darin, daß der Kriegsdienst auf das praktische Jahr ange¬ 
rechnet wird. 

Eine Reihe von Klagen aus ärztlichen Kreisen, welche hier Widerhall 
gefunden haben, veranlassen mich, darauf hinzuweisen, daß es für den Herrn 
minister und die Medizinalverwaltung überaus schwierig ist, sich in die Ver¬ 
hältnisse der Militärärzte einzumischen, da für sie das Kriegsministerium zu¬ 
ständig ist. Unter den jungen Medizinern, die ins Feld hinausgezogen sind, 
war eine ganze Menge von solchen, die dicht vor der Vollendung ihres Stu¬ 
diums standen und die nun ihrer Dienstpflicht obliegen müssen, ohne in der¬ 
selben Zeit wie ihre nicht dienstpflichtigen Kameraden die ärztliche Approbation 
bekommen zu können. Es geschieht alles, um die darin zweifellos liegende 
Härte soweit wie möglich zu mildern; das ist in der Beziehung geschehen, 
indem den jungen Leuten, die bei dem Eintritt in das Heer noch nicht gedient 
haben, ein Semester ihrer Kriegsdienstzeit auf das Studium angerechnet wird, 
und daß ihnen eine weitere Kriegszeit auf das praktische Jahr angerechnet 
wird, wenn sie während des Feldzuges erfolgreich an der Krankenpflege teil¬ 
genommen haben. Der Wunsch, der hier geäußert worden ist, daß im Felde 
stehende Unterärzte, ohne die ärztliche Prüfung abgelegt zu haben, zu Sani¬ 
tätsoffizieren befördert werden sollten, ist nicht erfüllbar; das würde zu be¬ 
denklichen Berufungen bei den übrigen Berufssiänden Veranlassung geben. 

Es ist seitens des H. Abg. Mugdan der Wunsch geäußert worden, es 
möchte eine Mitteilung erfolgen über die Gründe, die dahin geführt haben, daß 
wir in diesem Kriege in einer Weise wie noch niemals vorher von Seuchen 
verschont geblieben sind. Ich will mit einigen Worten darauf eingehen, und 
da ist es mir ein Bedürfnis zu betonen, daß wir heute mit einem tiefen Gefühl 
des Dankes und des berechtigten Stolzes auf eine fünfzehnjährige Arbeit zurück¬ 
schauen, welche die Medizinalverwaltung auf diesem Gebiete hat leisten dürfen. 
Wir freuen uns über diese Gelegenheit, unseren Dank gegenüber der Finanz¬ 
verwaltung und gegenüber diesem Hohen Hause Ausdruck verleihen zu können, 
welche die vielen Wünsche, die wir in der Zeit haben äußern müssen, in einer 
Weise erfüllt haben, die uns und auch die Militärmedizinalverwaltung in den 



140 


Die diesjährigen Verhandlungen des preußischen 


Stand gesetzt hat, das zu erreichen, was geschehen ist Ich erinnere daran, 
daß wir in dieser Zeit das Reichsseuchengesetz vom 80. Juni 1900 und das 
preußische Seuchengesetz vom 28. August 1906 verabschiedet haben. Ich er* 
innere weiter daran, daß die Finanzverwaltung und das Hohe Haus uns die 
Mittel gegeben haben, um ein ganzes Netz von großartigen Instituten ins 
Leben zu rufen, welche uns kein Volk nachmachen kann, ln diesen Tagen 
wird das Institut fttr Infektionskrankheiten, welches die Arbeitsstätte von 
Robert Koch gewesen ist, sein 25jähriges Bestehen feiern. Es war lange 
Zeit das einzige Institut derart, welches in Preußen bestand; aber seit An¬ 
fang des Jahrhunderts haben wir eine stattliche Reihe ähnlicher Institute eins 
nach dem andern eröffnen können. Ich erinnere an die Hygienischen Institute 
der Universitäten, welche durchaus neu gebaut und vorzüglich ausgestaltet 
worden sind, an die Hygienischen Institute in Posen, Beuthen (Oberschlesien), 
Gelsenkirchen und Saarbrücken. Ich erinnere weiter an die Medizinalunter¬ 
suchungsämter und Medizinaluntersuchungstellen, von welchen wir im ganzen 
13 in verschiedenen Teilen des Landes naben. Mit Hilfe dieser Institute ist 
es möglich geworden, alle Fälle von übertragbaren Krankheiten in jedem 
Teile des Landes in kürzester Frist festzustellen. Wir sind in der Lage ge¬ 
wesen, sämtliche Apotheken des Landes mit Entnahmegefäßen auszustatten, 
mit deren Hilfe jeder Arzt im Lande in der Lage ist, das Material von über¬ 
tragbaren Krankheiten einer Untersuchnngsanstalt zu senden und dort sicher 
untersuchen zu lassen. Auf diese Weise sind wir dahin gekommen, über jeden 
Fall einer übertragbaren Krankheit, vor allen Dingen über Fälle einer gemein- 

f efährlichen Krankheit, wie Aussatz, Cholera, Fleckfieber, binnen kürzester 
rist zuverlässige Auskunft zu erteilen. Wir werden davon telegraphisch be¬ 
nachrichtigt und können unverzüglich die notwendigen Maßregeln ergreifen. 

Ich möchte weiter daran erinnern, daß es durch diese Institute möglich 
geworden ist, einen großen Stab von Aerzten, namentlich von beamteten Aerzten 
in der Stellung der bakteriologischen Diagnose zu unterrichten. Die Mehrzahl 
dieser Aerzte ist bei Ausbruch des Krieges in den Dienst des Heeres einge¬ 
treten. Die Armee ist infolgedessen in der Lage gewesen, ihre Korps- und 
Armeekommandos mit Personal zur Feststellung der ersten Fälle und erst¬ 
klassigen Hygienikern auszurüsten. So ist es möglich, daß auch auf den ent¬ 
ferntesten Kriegsschauplätzen jeder Fall von Cholera, Fleckfieber, Pocken usw. 
festgestellt und unschädlich gemacht werden konnte. 

Ein weiteres Geheimnis des Erfolges, welcher erreicht worden ist, ist 
das innige Zusammenarbeiten zwischen der Militär- und der Zivilmedizinal¬ 
verwaltung, das schon im Frieden seit einer ganzen Reihe von Jahren bestan¬ 
den hat, und das während des Krieges in einer ersprießlichen Weise durch¬ 
gehalten hat. Wir werden fortwährend von der Armee mit Nachrichten über 
sämtliche Erkrankungen und Todesfälle von gemeingefährlichen Krankheiten 
unterrichtet und sind unsererseits gehalten, die Armee von den Fällen, die in 
der Zivilbevölkerung Vorkommen, zu unterrichten. Durch dieses Handinhand¬ 
arbeiten ist es unmöglich, daß sich an irgend einem Punkte eine schwere 
Seuche festsetzt. Ich darf daran erinnern, daß bei Ausbruch des Krieges zwei 
schwere Seuchen im Osten vorhanden waren, die Cholera und das Flockfieber. 
Die Cholera hat bekanntlich in früheren Kriegen kolossale Verheerungen ange¬ 
richtet; im Jahre 1866 ist das auch in unserer Armee der Fall gewesen. In 
diesem Kriege haben wir in der ganzen Armee nicht mehr als 800 Todesfälle 
an Cholera gehabt, und aus der Armee hat ein so verschwindend geringer Ab¬ 
fluß von Cholera in die Zivilbevölkerung stattgefunden, daß wir im ganzen 

S reußischen Staat nicht mehr als 41 Choleraerkrankungen gehabt haben. Jeder 
ieser Fälle konnte durch sofortige Anordnung der erforderlichen Maßnahmen 
unschädlich gemacht werden. 

Was das Fleckfieber betrifft — der Abgeordnete Dr. Mugdan hatte 
schon die Güte auszuführen, welch kolossale Verheerungen es in früheren Krie- 

f en angerichtet hat; ich erinnere z. B. an den Krimkrieg von 1868/65 —, so 
at dieser Krieg in der Bekämpfung dieser Krankheit einen außerordentlichen 
Fortschritt gezeitigt. Das Fleckfieber gehört noch zu denjenigen Krankheiten, 
deren Erreger wir nicht kennen. Wir wußten zwar, daß es übertragbar ist, 
aber nicht, in welcher Weise die l’ebertragung zustande kommt. Jetzt sind 
wir dem Erreger der Krankheit auf die Spur gekommen, und vor allem haben 



Abgeordnetenhauses über den Medizinaletat. 


141 


wir mit Sicherheit feststellen können, daß die Uebertragnng nur von Person 
zu Person durch Ungeziefer, und zwar durch Kleiderläuse stattfindet. Schon 
früher war es aufgefallen, daß in Gegenden, wo eine große Reinlichkeit 
herrschte, eingeschleppte Fälle von Fleckfieber überhaupt nicht Fuß fassen 
konnten. Die neuere Erkenntnis hat dazu geführt, daß überall dort, wo das 
Fleckfieber in größerer Ausdehnung eingeschleppt worden war, namentlich in 
den Gefangenenlagern, Einrichtungen getroffen worden sind, um die ganze Be¬ 
legung eines solchen Lagers in wenigen Tagen von den Läusen befreien zu 
können. Seitdem das energisch durebgeführt worden ist, ist das Fleckfieber 
vollkommen erloschen. Unsere Ostgrenze ist seitens der Armee mit einer Kette 
großartiger Sanierungsanstalten besetzt worden, in denen die Entlausung ganzer 
Armeekorps in kürzester Frist durchgeführt werden kann. 

Ich möchte noch auf einen weiteren großen Fortschritt hinweisen, welcher 
in der letzten Zeit gemacht worden ist. Sie haben wohl gehört, daß schon 
vor einer Reihe von Jahren der Versuch gemacht worden ist, Schutzimpfungen 
einzuführen, gegenüber den für die Heere besonders gefährlichen Krankheiten 
Cholera und Typhus. Daß es gelungen ist, der Pocken Herr zu werden durch 
die Durchführung der Schutzpockenimpfung, ist ja seit langem bekannt. Es 
ist aber zuerst im Feldzuge in Deutsch-Süd west-Afrika der Versuch gemacht 
worden, unsere Truppen durch systematische Durchführung von Schutzimpfungen 
vor Typhus zu bewahren. Damals war der Erfolg noch nicht so glänzend. In 
diesem Kriege aber haben wir sofort nach Ausbruch des Krieges sämtliche 
bakteriologische Institute zur Verfügung gestellt, um in ihnen die enormen 
Mengen von Schutzstoffen herzustellen, die erforderlich waren, um unsere 
Millionenheere gegen Typhus und Cholera zu impfen. Was das bedeutet, 
mögen Sie daraus entnehmen, daß die Armee zu diesem Zwecke während des 
letzten Feldzuges mehr als 26 Kubikmeter Typhusimpfstoff und 29 Kubikmeter 
Choleraimpfstoff zur Verwendung gebracht hat. Sämtliche Mannschaften sind 
dreimal gegen Typhus und zweimal gegen Cholera geimpft worden. Die Folge 
davon ist gewesen, daß die Cholera, wie ich schon sagte, im Heere so gut wie 

§ ar nicht hat haften können, und daß die Typhuserkrankungen, welche im 
[erbst 1914 namentlich im Westen in unserer Armee in ziemlicher Ausdehnung 
aufgetreten waren, sehr bald wie abgeschnitten waren. Gegenwärtig spielt der 
Typhus im Heere gar keine Rolle mehr. Das wird uns dahin führen müssen, 
zur Verhütung von Epidemien'im Lande künftig, soweit erforderlich, auch die 
Zivilbevölkerung derartigen Impfungen zuzuführen; namentlich kommt in Be¬ 
tracht — worauf von uns schon amtlich hingewiesen worden ist —, das Aerzte- 
und Pflegepersonal in Krankenhäusern gegen diese Krankheiten zu immunisieren. 
Sehon bei Ausbruch des Krieges hat der Herr Chef des Feldsanitätswesens 
angeordnet, daß sämtliche Aerzte und Krankenpflegerinnen, welche auf den 
Kriegsschauplatz gehen, gegen Cholera, Pocken und Typhus geimpft worden 
sind, und das ist mit ausgezeichnetem Erfolge geschehen. 

Uebrigens haben unsere Institute der Armee auch den erforderlichen 
Impfstoff zur Durchführung der Schutzpockenimpfung liefern können, nachdem 
sie in den letzten 10 Jahren vor Ausbruch des Krieges dazu eingerichtet 
worden waren. 

Wenn wir auf diese schönen Erfolge zurückblicken, dürfen wir überzeugt 
sein, daß wir, wie lange der Krieg auch dauern möge, auch in Zukunft vor 
Seuchen bewahrt bleiben werden, wenn in derselben Weise wie bisher Zivil- 
und Militärverwaltung Hand in Hand weiter arbeiten und die notwendigen 
Maßregeln durchführen. 

* Es ist eine weitere Reihe von Fragen an uns gerichtet worden, auf die 
ich mit wenigen Worten eingehen möchte. Es ist seitens der Herrn Abgeord¬ 
neten Faßbender hervorgehoben worden, daß die Tuberkulose noch immer 
eine große Ausdehnung im Lande hat. Das ist leider der Eall. Obwohl die 
Tuberkulose in den letzten 30 Jahren wesentlich zurückgegangen ist, sterben 
in Preußen noch immer jährlich etwa 51000 Menschen an Tuberkulose. Wenn 
wir uns vorstellen, daß wir gegenwärtig in der Zeit eines so schweren Ge¬ 
burtenrückganges sind, wenn wir uns weiter vorstellen, welche Schädigungen 
an Gesundheit, Arbeitskraft und Lebensglück die so eminent chronisch ver¬ 
laufende Tuberkulose nicht nur für die Kranken, sondern für ihre ganze Familie 
mit sich führt, so liegt es auf der Hand, daß es die Pflicht der Medizinal- 



142 Die diesjährigen Verhandlungen des preußischen 

Verwaltung and aller derjenigen ist, die für die Oesandheit des Volkes 
verantwortlich sind, schon jetzt, besonders aber nach dem Kriege mit noch 
größerer Energie als bisher gegen die Tnberknlose vorzngehen. Es ist darauf 
hingewiesen worden, daß die Taberknlose eine Wohnangskrankheit ist. Sie ist 
vor allem eine Familienkrankheit. Es kommt darauf an, so bald wie möglich 
diejenigen, die man als tuberkulös erkannt hat, aus dem Schoße der Familie 
herauszuschaffen und in Verhältnisse zn bringen, in denen sie ihre Gesundheit 
wiedererlangen können. Es kommt aber fast mehr noch darauf an, ihre Um¬ 
gebung vor Erkrankung zu bewahren. Ich darf darauf hinweisen, daß sofort 
nach Ausbruch des Krieges Ihre Majestät die Kaiserin und Königin 
auf unsere Bitte die Gnade gehabt hat, das Deutsche Komitee zur Bekämpfung 
der Tnberknlose aufzurufen, den Kampf gegen die Tuberkulose während des 
Krieges nicht zu unterbrechen. Alle Beteiligten haben sich angelegen sein 
lassen, dieser Allerhöchsten Willensmeinung nachdrücklich Folge zu geben. 
Ich darf hinzufügen, daß mit auf unsere Veranlassung hin die im Lande vor¬ 
handenen Lungenheilstätten, Auskunfts- und Fürsorgestellen ihre Einrichtungen 
in vollem Betriebe aufrechterhalten nnd ihre segensreiche Tätigkeit fortgesetzt 
haben trotz aller Unruhe des Krieges. (Bravo!) Ich darf besonders hervor¬ 
heben, daß das Rote Kreuz, das ja so vieles Gute gestiftet hat, auch hierfür 
namhafte. Mittel zur Verfügung gestellt hat. 

Denselben Aufruf hat Ihre Majestät die Kaiserin und Königin 
auch ergehen lassen bezüglich der Säuglingssterblichkeit. Die Bekämpfung der 
Säuglingssterblichkeit wird für uns künftig noch eine viel grössere Bedeutung 
bekommen, als sie bisher schon gehabt hat. Wenn früher von je vier Kindern, 
die geboren wurden, eins im ersten Lebensjahre starb, so ist das erfreulicher¬ 
weise nicht mehr der Fall. Die Säuglingssterblichkeit ist in Preußen jetzt 
weit geringer, als sie noch vor 14 Jahren gewesen ist. Immerhin ist sie auch 
jetzt noch viel zu hoch, namentlich auf dem Lande und unter den unehelichen 
Kindern. Auf diesem Gebiete muß noch viel mehr geschehen. Aber die Er¬ 
folge, die schon erzielt worden sind, geben eine gute Verheißung für die Zu¬ 
kunft, wenn wir nur mit Umsicht und Energie zugreifen. Ich möchte hier 
noch auf eins hinweisen, was die Bedeutung gerade dieser Frage besonders zu 
unterstreichen geeignet ist: 

M. H., unter den Kindern, die im ersten Lebensjahre, meist schon 
wenige Wochen nach ihrer Geburt, sterben, befinden sich in Preußen nicht 
weniger als 40000, die an sogenannter angeborener Lebensschwäche zu- 

S runde gehen. (Abg. Adolph Hoffmann: Hört, hört!) M. H., für jeden 
enner der Verhältnisse ist es zweifellos, daß die Mehrzahl dieser Kinder an 
angeborener Syphilis zugrunde geht. Deshalb ist es die Pflicht der Medizinal¬ 
verwaltung — und wir sind uns dieser Pflicht vollanf bewußt — gegenwärtig 
in einen verzweifelten Kampf gegen die übertragbaren Geschlechtskrank¬ 
heiten einzutreten. (Bravo !) Die übertragbaren Geschlechtskrankheiten sind 
einer der drei apokalyptischen Reiter, die Tod und Verzweiflung um sich 
verbreitend durch die Welt ziehen. Vielfach werden die übertragbaren Ge¬ 
schlechtskrankheiten in gewissen Kreisen spöttisch behandelt, als wäre das 
nichts. Allein nichts ist verderblicher für das Volksleben und Volksglück, als 
die übertragbaren Geschlechtskrankheiten. Das gilt namentlich von der Syphilis, 
weil die meisten Menschen, die von dieser Krankheit befallen werden, sich 
ihrer Schwere gar nicht bewußt werden, und weil die davon Betroffenen sie 
häufig als eine quantitö negligeable betrachten, nicht rechtzeitig das Erforder¬ 
liche dagegen tun. Sie ist aber das Furchtbarste, was man sich für einen 
Menschen vorstellen kann, weil sie nicht nnr ihn selbst, sondern seine ganze 
Familie gefährdet, und es ist im Interesse des ganzen Volkes notwendig, alles 
zu ton, was möglich ist, um diese furchtbare Krankheit zu bekämpfen. Es 
ist mit Dank anzuerkennen, daß nach der Okkupation von Belgien der Herr 
Generalgouverneur diejenigen Herren, die sich mit diesen Dingen amtlich zu 
beschäftigen haben, die Herren Präsidenten des Kaiserlichen Gesundheitsamts, 
des Reichsversicherungsamts, der Versicherungsanstalt für Angestellte und auch 
mich nach Belgien gebeten hat, um diese Frage eingehend zu erörtern. Wir 
haben schon seit Jahren in Preußen die Hände nicht in den Schoß gelegt. 
Schon durch Erlaß vom 11. Dezember 1907 ist die Bekämpfung der Prostitution 
neu geregelt worden. Aber der Herr Minister bat uns beauftragt, die Sache 



Abgeordnetenhauses über den Medlzinaletat. 143 

jetzt mit erneuter Energie in Angriff zu nehmen, den Quellen der über¬ 
tragbaren Geschlechtskrankheiten nachzugehen und sie womöglich zu ver- 
stopfen. Die Hauptquelle der übertragbaren Geschlechtskrankheiten ist die 
Prostitution, namentlich diejenige, die im geheimen schleicht, ln allen größeren 
Städten gibt es leider viele, viele Tansende von Mädchen, die sich der Prosti¬ 
tution ergeben. Sie in Verhältnisse zu bringen, daß sie gesund werden und 
weder moralisch noch wirtschaftlich zugrunde gehen, vor allem aber sie in 
Verhältnisse bringen, die sie davor bewahren, andere Leute anzustecken, ist 
unsere Aufgabe. Wie das zu geschehen hat, darüber finden gegenwärtig ein¬ 
gehende Verhandlungen statt. 

H. Abg. Faßbender hat hervorgehoben, daß von den Landesversiche¬ 
rungsanstalten Beratungsstellen eingerichtet werden, um die aus dem Felde 
Heimkehrenden über übertragbare Geschlechtskrankheiten zu belehren. Dieser 
Weg ist außerordentlich glücklich. Auch die Medizinalverwaltung wird sich 
mit den großen Kommunen in Verbindung setzen und sehen, daß sie womöglich 
an allen Orten, wo eine Prostitution besteht, derartige Einrichtungen schaffen. 
Auch werden wir versuchen, die ganze Ueberwachung der Prostitution vom 
polizeilichen auf den ärztlichen Boden hinüberzuleiten. 

Es gibt viele sozialmedizinische Aufgaben, deren Lösung vielleicht neue 
Wege erfordert. Wir werden vielleicht den Weg gehen können, für den bereits 
Anfänge vorliegen. Wir haben in diesem gewaltigen Kriege nicht nur so viele 
Männer freudig hinausgehen und für das Vaterland kämpfen sehen, wir haben auch 
gesehen, daß unsere weibliche Jugend mit Hingebung und Freude hinaus¬ 
gegangen ist, um sich in den Dienst der Verwundeten und Kranken zu stellen. 
Wenn der Friede kommt, sind viele von ihnen nicht mehr in der Lage, in dieser 
schönen Weise helfen zu können. Es wird möglich sein, dafür zu sorgen, daß 
dann für diese jungen Damen andere schöne und große Aufgaben erwachsen. Sie 
können in den Dienst der sozialen Medizin eintreten. Es ist ihnen vielleicht 
bekannt, daß die Stadt Cöln eine Schule errichtet hat, in der junge Mädchen 
einen längeren Kursus durchmachen in der Säuglingspflege, der Tuberkulose¬ 
behandlung und der gesamten sozialen Fürsorge. Wir werden sehen müssen, 
daß auch in anderen Orten ähnliche Einrichtungen getroffen werden, um so 
die Kraft und Hingebung unserer Jugend für Aufgaben der Allgemeinheit 
nntzbar zu machen. Denn es ist zweifellos, daß auf diesem Gebiete noch viel 
mehr geschehen kann als bisher. Jede Stadt, jede Landgemeinde muß auf 
diesem Gebiete tatkräftig Vorgehen, wenn unsere Volkskraft erhalten werden soll. 

Ob wir nicht bald dahin kommen müssen, das Seuchengesetz einer Ee- 
Vision zu unterziehen, will ich nur kurz streifen. H. Abg. Faßbender hat 
angeregt, die Anzeigepflicht für die Tuberkulose einzuführen. Diejenigen 
von Ihnen, die die Beratung des preußischen Seuchengesetzes mitgemacht haben, 
werden sich entsinnen, daß damals in dem Gesetzentwurf die Anzeigepflicht 
für Tuberkulose gestanden hat; damals hat sich der Landtag nicht auf diesen 
Boden stellen können. Vielleicht geschieht es in der Folgezeit, es wäre in der 
Tat dringend zu wünschen. Die Gefahr der Tuberkulose ist ja zu groß, als 
daß wir ihr weiter mit verschränkten Armen gegenüberstehen dürfen. Dagegen 
glaube ich mit H. Abg. Faßbender es ablehnen zu müssen, eine Anzeige¬ 
pflicht für übertragbare Geschlechtskrankheiten einzuführen; denn das würde 
zur Verheimlichung und damit zur Vermehrung dieser Krankheiten führen; 
auch würde dann Denunziationen und Erpressungen aller Art Tür und Tor 
geöffnet werden. Das müssen wir meines Erachtens verhindern. 

Was den Antrag 89 anbetrifft, der sich auf das Verbot der Empfängnis 
rer hütenden Mittel bezieht, so glaube ich, daß man diesen Weg wird be- 
schreiten müssen, vorausgesetzt — und darauf muß Wert gelegt werden —, 
daß dabei nicht diejenigen Mittel getoffen werden, die die Verbreitung der 
übertragbaren Geschlechtskrankheiten verhindern sollen. In dieser Beziehung 
wird der Antrag in der Kommission, der er ja überwiesen werden muß, ein¬ 
gehend beraten werden müssen. 

Damit möchte ich schließen. Wie H. Abg. Dr. Mugdan ausgeführt 
hat: Es unterliegt gar keinem Zweifel, daß schon jetzt, jedenfalls aber nach 
dem Frieden, für die Medizinalverwaltung eine große Anzahl von großen Auf¬ 
gaben erwachsen wird, die dazu beitragen sollen, die Gesundheit unseres 
Volkes zu erhalten und zu fördern. In dieser Beziehung wird vieles zn tun 



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Die diesjährigen Verhandlungen des preußischen 


sein. Sie dürfen überzeugt sein, daß wir es nicht an uns fehlen lassen werden. 
Nur an eins will ich noch erinnern: Wir werden in allernächster Zeit eine 
Frage prüfen, deren Lösung unsere Jugend besonders stärken und fördern soll, 
nämlich die Frage, ob und inwieweit es möglich sein wird, in allen Schulen 
' eine schulärztliche Ueberwachung durchzuführen. Hierüber sind schon Ver¬ 
handlungen mit den beteiligten Ressorts eingeleitet. Aber auch darüber hinaus 
muß alles geschehen, um für unsere Jugend, unser kostbarstes Besitztum, zu 
sorgen. (Lebhafter Beifall.) 

Abg. Hirsch-Berlin (Soz.): Bei der Förderung aller Maßnahmen zur 
Hebung der Volksgesnndheit handelt es sich nach der Ueberzeugung meiner 
politischen Freunde um eine Angelegenheit, an der alle Kreise des Volkes in 
gleicher Weise interessiert sind, nm eine Frage, an deren Lösung mitzuwirken 
eine wirklich vaterländische Pflicht im ureigensten Sinne des Wortes ist. Wir 
sind mit dem H. Minister der Ansicht, daß diese Frage gerade jetzt besonders 
dringlich ist, gerade jetzt, wo tausende und abertausende der kräftigsten 
Elemente in der Blüte der Jahre dahingerafft werden, wo andere tausende 
zurückkehren■'>on schwerem Siechtum befallen. Gerade jetzt müssen wir uns 
mit doppeltem Ernst und mit doppeltem Eifer der Lösung einer so ernsten 
Aufgabe widmen. (Sehr wahrl) 

Wenn wir Erfolge erringen wollen, dann ist es notwendig, den Kampf 
gegen die Volksseuchen planmäßig zu führen, sowohl den Kampf gegen die 
Säuglingssterblichkeit, als auch den gegen die Tuberkulose, gegen die 
Geschlechtskrankheiten und gegen den Alkoholismus. 

Ganz besonders ernst ist die Frage des Geburtenrückganges, bei dessen 
Ursachen man die sozialen Momente nicht unterschätzen darf. Die Ursachen 
des Geburtenrückganges wurzeln tief in unseren wirtschaftlichen und sozialen 
Verhältnissen. Zweifellos ist das Einkommen der Masse der Bevölkerung seit 
30 Jahren gestiegen, anderseits sind aber auch die Kosten der Lebenshaltung 
gewachsen. Dazu kommt nicht nur bei den Arbeitern, sondern auch bei den 
gering besoldeten Beamten noch ein anderes Moment. Die Leute sagen sich 
nicht mit Unrecht: wir sind wohl in der Lage, zwei oder drei Kinder anständig 
zu ernähren und sie so aufzuziehen, daß es ihnen einmal leichter möglich ist, 
durchs Leben zu kommen, als uns, aber wir sind nicht in der Lage, sechs oder 
noch mehr Kinder aufzuziehen, da sie dann sicher ins Proletariat hinabsinken. 
(Sehr wahrt bei den Sozialdemokraten.) Um den Kindern also den Kampf ums 
Dasein zu erleichtern, wird die Kindererzeugung künstlich eingeschränkt Für 
die Einschränkung der Kindererzeugung in gewissen besitzenden Kreisen bilden 
dagegen Bequemlichkeit, Eitelkeit der Frau tatsächlich die Hanptursache 
dieser betrüblichen Erscheinung. (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Da¬ 
gegen werden wir schwerlich etwas ausrichten können. Bei den Arbeiterfrauen 
spielt auch die Notwendigkeit, zu arbeiten und mitzuverdienen eine Haupt¬ 
rolle. Hiergegen gibt es ein sehr einfaches Mittel zur Abhilfe: man sorge 
dafür, daß der Verdienst der Männer sich hebt. (Sehr wahr! bei den Sozial¬ 
demokraten.) Durch den Antrag der Haushaltskommission wird eine 
Besserung auf diesem Gebiete nicht erzielt werden; deshalb werde die Partei 
des Redners ebenso dagegen stimmen, wie gegen den Antrag der fortschritt¬ 
lichen Volkspartei. Nach dem Kriege wird man voraussichtlich sowohl mit 
einer Zunahme der Frauenarbeit als mit einer Steigerung der 
Lebensmittelpreise und der Wohnungsnot, namentlich in den Gro߬ 
städten, zu rechnen haben; deshalb muß mehr Sozialpolitik getrieben 
werden, und zwar nicht erst nach dem Kriege, sondern schon jetzt während 
des Krieges. Hierher gehört auch die Frage der Gewährung des Koalitions¬ 
rechts an das Krankenpflegepersonal, die auch die Partei des Redners 
fordere. Desgleichen sei sie mit dem Antrag der Kommission betreffs Unter¬ 
stützung des Bezlrkshebammenwesens ebenso einverstanden, wie mit der 
Forderung einer reichsgesetzlichen Regelung des Haltekinderwesens, dessen 
Ueberwachung aber nicht Polizeibeamten, sondern erfahrenen Frauen übertragen 
werden müsse. 

Auch betreffs der Wohnungsfrage sei eine reichsgesetzliche Regelung 
vorznziehen, bei der namentlich die Wohnungsinspektion anders und 
besser geregelt werde, als in dem preußischen Entwurf. Gegen den Antrag, 
daß Gemeinden, die Säuglings ffirsoiige« teilen errichtet haben, nach Maßgabe 



Abgeordnetenhauses über den Medizinaletat. 


145 


ihrer Leiasangen hierzu eine Beihilfe zu gewähren, wird wohl von keiner Seite 
Bedenken erhoben werden. Die Kostenfrage kann hier auch nicht ins Gewicht 
fallen, zumal sich die Säuglingsfürsorgestellen, die bereits in einer großen 
Beihe von Gemeinden seit Jahren bestehen, durchweg bewährt haben. Auch 
gegen die Forderung, daß die jetzt durch die Reichswochenhilfe gewährten 
Leistungen Regelleistungen der Krankenversicherung werden, kann jemand, der 
ernsthalt Sozialpolitik treiben will, um so weniger Einwendungen erheben, als 
sich tatsächlich die Reichswochenhilfe gut bewährt hat und sehr wesentlich 
dazu beigetragen hat, die Stillfähigkeit der Frauen zu fördern. Man sollte 
aber nicht die ganze Last der dadurch entstehenden Kosten den Krankenkassen 
auflegen, sonden von seiten des Reiches eine Beihilfe gewähren. 

Durch den Krieg scheint leider eine Zunahme der Säuglingssterblich* 
heit eingetreten zu sein (nach Ansicht des H. Dr. Bott in Preußen im dritten 
Quartal 1914, also im ersten Kriegsvierteljahr, gegenüber dem Vorjahre von 
170,58 auf 242,52 °/oo, also um 71,96, und zwar in den Städten um 78,31 °/oo, 
auf dem platten Lande um 67,32°/oo) (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten); 
es ist deshalb dringend nötig, die wirtschaftliche Lage der Frauen zu bessern, 
um sie in den Stand zu setzen, selbst ihre Kinder zu stillen. Dazu bedarf es 
aber eines größeren Schutzes sowohl der Schwangeren als der 
Wöchnerinnen und Stillenden. Auch hierzu muß der Staat den 
Gemeinden Beihilfen gewähren. Man darf sich ferner nicht mit der Fürsorge 
für die Säuglinge begnügen, sondern muß auch für die Kinder, die im vorschul* 
pflichtigen Alter stehen, sorgen. Für die Kinder im schulpflichtigen Alter 
haben wir in einem großen Teile Preußens erfreulicherweise Schulärzte. Es 
würde einen sehr erheblichen Fortschritt bedeuten, wenn das überall geschehe 
und den Schulärzten auch die Befugnisse eingeräumt würden, da, wo die Eltern 
keinen Arzt nehmen können, die Kinder zu behandeln. (Sehr richtig! bei den 
Sozialdemokraten.) Leider hat der Krieg vielfach eine Schwächung des 
Gesundheitszustandes der Schulkinder herbeigeführt; sie sind sowohl im 
Wachstum, als auch in der Gewichtszunahme zurückgeblieben. Wir werden 
abzuwarten haben, ob weitere Schädigungen zu verzeichnen sind; jedenfalls 
sollte man den Kindern nicht eines falschen Patriotismus, der Brotersparnis 
wegen das zweite Frühstück enthalten. 

In Uebereinstimmung mit der Regierung und allen anderen Parteien 
fordert Redner weiter, daß der Kampf gegen die Tuberkulose nach dem 
Kriege mit frischen Kräften aufgenommen werden muß und selbstverständlich 
auch während des Krieges nicht eingestellt werden darf. 

Das Gleiche gilt für den Kampf gegen die Geschlechtskrankheiten, 
bei denen die Gefahr einer erheblichen Zunahme zu erwarten steht. Die von 
den Landesversicherungsanstalten beabsichtigte Errichtung von Beratnngs- 
stellen für Geschlechtskranke wird sicherlich viel Gutes schaffen 


können; es bedarf jedoch, damit diese Beratungsstellen von den Kranken auf* 
gesucht werden, noch einer großen Aufklärung über die Bedeutung der 
Geschlechtskrankheiten und eines zielbewußten Handinhandarbeitens mit allen 


den Organisationen, die den Kampf gegen die Geschlechtskrankheiten auf ihre 
Fahne geschrieben haben. 


Eine wirksame Bekämpfung des Alkoholismus ist nur von einer Hebung 
der sozialen Lage des Volkes zu erwarten. Die Erfahrung lehrt, daß da, wo 
die Arbeitszeit verkürzt ist, und da, wo für gute Wohnungen gesorgt ist, der 
Konsum alkoholischer Getränke ganz gewaltig abgenommen hat. Auch sollten 
die höheren Schichten den unteren mit einem guten Beispiel vorangehen. (Sehr 
wahr! bei den Sozialdemokraten.) Die erzieherische Arbeit der Arbeiter¬ 
organisationen hat hier schon große Erfolge erzielt und wird auch in Zukunft 
ihre Tätigkeit auf diesem Gebiete weiter entfalten. Genau so, wie die 
Arbeiterorganisationen während des Krieges tätig gewesen sind, um das wirt¬ 
schaftliche Leben aufrecht zu erhalten, genau so, wie sie nach dem Kriege 
bereit sein werden, an der Beseitigung der wirtschaftlichen Schäden mitzu¬ 
arbeiten, genau so werden sie bereit sein, an der Gesundung des Volkes mit¬ 
zuarbeiten. Sie werden das ihrige dazu beitragen, daß die kommende 
Generation, hoffentlich ungestört von äußeren elementaren Ereignissen, sich 
friedlicher Kulturarbeit widmen kann, zum Segen des eigenen Volkes und der 
gesamten Menschheit. (Beifall bei den Sozialdemokraten.) 



146 


Die diesjährigen Verhandlungen des preußischen 


Abg. Dr. Wagner-Breslau (freikons.) erklärt zunächst, daß seine Partei 
mit den Anträgen betreffs reichsgesetzlicher Regelung des Haltekinderwesens 
und des Wohnungswesens einverstanden sei. 

Auch der Forderung betreffs Unterstützung leistungsschwacher Ge¬ 
meinden, um die Säuglingsfürsorge zweckmäßig auf der Hohe ihrer Leistungen 
zu erhalten, stimme seine Partei bei, sie sei jedoch der Ansicht, daß dazu aus 
dem sogenannten Zweihundert-Millionen-Fonds wohl auch ohne einen Nachtrags¬ 
etat Mittel flüssig gemacht werden könnten. 

Eine besondere Berücksichtigung verdient der Antrag, die Reichs- 
woehenhilfe zu einer dauernden Institution zu machen. Durch den Antrag 
soll jetzt das erreicht werden, was bei der Verabschiedung der Reichs-Ver- 
sicherungsordnung zu erreichen nicht möglich war, nämlich eine bessere Aus¬ 
gestaltung der Säuglingsfürsorge und ein ausgedehnter Mutterschutz. Zweifellos 
soll man alle Bestrebungen, durch Verbesserung der Lage der Mütter dis 
Bevölkerungszunahme wieder zu fördern, wirksam unterstützen; es ist des¬ 
halb nur zu wünschen, daß sich der Reichstag und die Reichsregierung ent¬ 
schließen, dieser während des Krieges getroffenen Ausdehnung dauernd zuzu¬ 
stimmen; damit würde ein großer Teil der Bestrebungen zur Herbeiführung 
einer reichsgesetzlichen Schaffung der Mutterschaftsversicherung im großen 
Umfange gedeckt sein. 

Der Geburtenrückgang ist eine höchst bedauerliche Erscheinung. Nach 
einer Mitteilung im Reichstage beträgt die durchschnittliche Kinderzahl in den 
Familien der Postnnterbeamten nur 1,82, noch viel ungünstiger stellte sich dies 
Verhältnis für die Beamten eines großen industriellen Unternehmens, zu denen 
nicht nur kaufmännische und technische Beamten, sondern auch Werkmeister, 
also sogenannte gehobene Arbeiter gehören. Hier beträgt die Kinderzahl nach 
den angestellten Erhebungen nur 1,12, also nicht vielmehr als ein Kind! Und 
das sind alles Leute, von denen nicht gesagt werden kann, daß sie mit der 
Not des Lebens im vollen Umfange kämpfen. Das sind Zahlen, die beweis¬ 
kräftig genug sind, um jede Bestrebung zu unterstützen und zu fördern, die 
dem drohenden Geburtenrückgang entgegenzuwirken strebt. In dieser Beziehung 
verdient der Hirtenb rief der deutschen Bischöfe von 1913, der 
sich dieser Frage mit großem Ernst angenommen hat, eine besondere An¬ 
erkennung, seinem Inhalt können auch Angehörige anderer Konfessionen zu¬ 
stimmen. (Sehr richtig! rechts.) Ob nach dem Kriege eine erhebliche Zunahme 
der Kinderzahl stattflnden wird, wie nach dem Kriege von 1870/71 erscheint sehr 
zweifelhaft, jedenfalls wird es nicht ausreichen, um die großen Verluste von 
Menschen im Kriege zu decken. Vielleicht werden wir uns auch entschließen 
müssen, das Recht der unehelichen Kinder einer Revision zu unterziehen, um 
dadurch ihre wesentlich höhere Sterblichkeit zu beseitigen. Jedenfalls könnten 
wir nach dem Vorgang Friedrichs des Großen auch für die unehelichen 
Kinder etwas mehr tun als bisher geschehen ist. 

Nachdem Redner sodann noch die Ausführungen in der Politisch-Anthro¬ 
pologischen Monatsschrift (Februarheft d. J.) von Frau v. Rosen-Fabri eins 
Uber die Ursachen des Geburtenrückganges als zutreffend erwähnt und 
einige markante Sätze daraus mitgeteilt hat, erklärte er, daß seine Partei für 
den Antrag der fortschrittlichen Volkspartei stimmen werde, da dieser bestimmter 

J efaßt sei, als der der Kommission; sie wünsche hier nur einen Zusatz, wonach 
as Anbieten usw. der zur Verhütung der Empfängnis bestimmten Gegenstände 
nicht bloß zu beschränken, sondern auch zu untersagen ist. 

Den Bestrebungen, im Rahmen der Reichsversicherungsordnung die 
Verhütung der Geschlechtskrankheiten durch die Schaffung von Be¬ 
ratungsstellen und vor allem durch die Uebernahme des Heilverfahrens zu 
fördern, kann man nur zustimmen. In dieser Hinsicht verdient ein Aufsatz des 
Präsidenten des Reichsversicherungsamtes: „Neue Wege zur Bekämpfung der 
Geschlechtskrankheiten“ die weiteste Verbreitung, denn er eröffnet uns die 
Möglichkeit, sehr wirksam in den weitesten Volkskreisen diesen traurigen Er¬ 
scheinungen entgegenzuarbeiten, um auch auf diese Weise der Bekämpfung 
des Geburtenrückganges zu dienen. 

Betreffs der Frage, ob mit dem Geburtenrückgang eine Verschlechte¬ 
rung der Rasse verbunden sein könnte, dürfte auch jetzt noch die Ansicht 
des Anatomen nnd Zoologen Karl Vogt, der in seinen Reisebriefen „Ozean 
und Mittelmeer“ 1848 Bd.II 8. 203 geäußert hat, zutreffend sein: „Es aind die 



Abgeordnetenhauses über den Medizinaletat. 


147 


Weiber, welche die Basso erhalten, die in Körper und Geist den Typus des 
Volksstammes am längsten bewahren und darum gleichsam den Spiegel der 
Zukunft und der Vergangenheit bilden, die einem Volke beschieden sind. 
Findest Du einen Volksstamm, der schöne Weiber, aber im Durchschnitt hä߬ 
liche, schlechtgebildete Männer hat, so kannst Du mit Sicherheit behaupten, 
daß derselbe schon längst seinen Kulminationspunkt überschritten hat und 
dem Untergange entgegengeht.“ Wir sind ja alle gleichmäßig sachver¬ 
ständig, diesen Merkmalen des bekannten Anatomen und Zoologen nach¬ 
zugehen (Heiterkeit) und werden auf Grund ihrer Forschungen sicher zu dem 
Schluß kommen, daß wir diesen Kulminationspunkt längst nicht erreicht haben, 
und daß die gesetzlichen Maßnahmen, zu denen wir uns in Behandlung dieser 
Fragen entschließen wollen, auch von der allerwohltätigsten Wirkung begleitet 
sein werden fiir die Vermehrung und Ertüchtigung unseres gesamten deutschen 
Volkes! (Lebhafter Beifall.) 

Es folgte hierauf die Abstimmung über die vorliegenden Anträge. 
Dabei wurde zunächst der Antrag der fortschrittlichen Volkspartei 1 ) und 
hierauf die Anträge Nr. 1 und 2 der verstärkten Staatshaushalts-Kommission 
(8. S. 116 und 117) angenommen. 

Ohne Widerspruch wurde dann der Antrag der Abgg. Aronsohn und 
Genossen betreffend das Haltekinderwesen: 

„die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, auf eine 
reichsgesetzliche Regelung des Haltekinderwesens ein¬ 
zuwirken, durch welche eine einwandsfreie Pflege der 
Haltekinder und eine Beaufsichtigung der Ziehmutter ge¬ 
währleistet wird,“ 

sodann der Antrag betreffend die Vorlegung eines Wohnungsgesetzes: 

„die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, sofern 
nicht alsbald eine reichsgesetzliche Regelung des Woh¬ 
nungswesens erfolgt, dem Landtage einen Entwurf des 
Wohnungsgesetzes zur Beschlußfassung vorzulegen,“ 
einstimmig angenommen und der Antrag Aronsohn und Genossen betr. die 
Sängllngsfürsorge: 

„die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, noch in 
dieser Session einen Nachtragsetat vorzulegen, in dem eine 
ausreichende Summe bereitgestellt wird, aus der Ge¬ 
meinden, die Säuglingsfürsorgestellen errichtet haben, 
nach Maßgabe ihrer Leistungen hierfür und ihrer Lei¬ 
stungsfähigkeit, eine Beihilfe erhalten,“ 
ebenso wie der weitere Antrag betr. die Reichswochenhilfe der verstärkten 
Staatshaushalts-Kommission überwiesen: 

„die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, zur Er¬ 
zielung eines ständigen Mutter- und Säuglingschutzes 
beim Bundesrate zu beantragen, eine Abänderung der 
Reichsversicherungsordnung dem Reichstage zur Be¬ 
schlußfassung vorzulegen, wodurch alle Leistungen der 
für die Kriegszeit eingerichteten Reichswochenhilfe 
Regelleistungen der Krankenversicherung werden.“ 

Dagegen wurde der Antrag der Abgg. Faßbender und Gen. der Staats¬ 
haushalts-Kommission überwiesen. 

Schließlich wurde eine Petition der Deutschen Gesellschaft 
fürBevölkerungspolitik durch Beschluß des Hauses über die Resolution 
der Staatshaushalts-Kommission für erledigt erklärt. 

>) Er lautet: „Die Königliche Staatsregierung ist zu ersuchen, beim 
Bundesrat dahin zu wirken, daß er dem Reichstage möglichst bald einen Gesetz¬ 
entwurf vorlegen möge, durch den der Bundesrat ermächtigt wird, das An¬ 
bieten, Feilhalten und Verkaufen von Gegenständen, die zur Beseitigung der 
Schwangerschaft oder zur Verhütung der Empfängnis bestimmt sind, zu be¬ 
schränken sowie Schriften und Bücher, in denen sich ohne Verfolgung eines 
wissenschaftlichen Zweckes Beschreibungen und Besprechungen der antikonzep¬ 
tionellen und zur Unterbrechung der Schwangerschaft geeigneten Methoden und 
Kittel finden, zu verbieten.“ 



148 


Kleinere Mitteilungen und Referate ans Z eitsch ri ften. 


Kleinere Mitteihingen und Referate tue Zeitschriften. 

Kyfin« ul flffratllek« Ck«i nihettew—a 

Schulhygiene. 

Heber den Ernihrnngsznstnnd der Schnlanflnger im Kriegtjjihr 1915. 

Von Dr. Gertrud HepDer-Mannheim. Zeitschrift für Schulgesundheitspflege, 
der Schularzt; 1915, Nr. 12. 

Das Ergebnis der Untersuchungen Ton 500 Kindern, die Ostern 1915 
eingeschult wurden, verglichen mit den Untersuchungen Ton 600 Kindern, die 
Ostern 1914 eingeschult waren und deren Untersuchungsbefund in den Personal* 
bogen festlagen, war ein ziemlich günstiges: Das Durchschnittsgewicht bei 
den Mädchen war in beiden Jahren das gleiche, nämlich 19,7 kg, und höher 
als im Jahre 1911 (19,3 kg); die durchschnittliche Größe der Mädchen hat 
sogar im Kriegsjabr etwas zugenommen, nämlich von 111,6 cm auf 112,12 cm. 
Nicht ganz so günstig liegen die Verhältnisse bei den Knaben; das durch¬ 
schnittliche Gewicht ging von 20,68 kg auf 19,93 herunter, die durchschnittliche 
Größe ist fast gleich geblieben (112,6 cm), der Prozentsatz der Knaben mit 
schlechtem Ernährungsznstand ging von 12 auf 16 Proz. herauf. Die Gründe 
für den etwas schlechteren Ernährungszustand der Knaben sind wohl in der 
größeren Bewegungsfreiheit infolge Abwesenheit der Väter zu finden. 

Dr. Solbrig -Königsberg L Pr. 


Ueber das Sehen mit einem Auge. Von Max Lobsien-Kiel. Zeit¬ 
schrift für 8chulgesundheitspflege; 1915, Nr. 10—12. 

Die Untersuchungen beziehen sich darauf, festzustellen, inwiefern das 
einäugige Sehen sich von dem gewöhnlichen unterscheidet, und zwar gegenüber 
den einfachsten Vorgängen beim Zeichnen und Schreiben. Diese Frage ist 
Tielleicht für die Schüler in unseren Lehranstalten von nicht allzugroßer 
Wichtigkeit, da die Anzahl derer, die nur auf die Benutzung eines Auges 
angewiesen sind, in den Schulen sehr gering ist. Von um so größere Bedeutung 
ist jedenfalls die Angelegenheit in der jetzigen Zeit mit Bezug auf die nicht 
geringe Zahl derjenigen Krieger, die das Augenlicht auf einer Seite ein* 
gebüßt haben. 

Die Ergebnisse der sorgfältigen Untersuchungen lassen sich folgender¬ 
maßen zusammenziehen. 

Hinsichtlich des Zeichnens ist festzustellen, daß 

1. das Augenmaß unter Beobachtung mit beiden Augen dem einseitigen 
Sehen gegenüber weit überlegen ist, 

2. das Winkelschätzen bei einäugigem Sehen kn allgemeinen unter einem 
größeren Fehlerwert geschieht, obwohl die Winkel von 30, 40 und 60° 
bei einäugigem Schätzen jeweils besser gelingen, 

3. das perspektivische Sehen als solches durch das einäugige Sehen 
in keiner Weise gefährdet wird, 

4. die Tiefenschätzung unter Benutzung beider Augen mit tadelloser 
Sicherheit und Genauigkeit gelingt, mit dem linken, besonders aber mit 
dem rechten Auge allein mit einem ziemlich großen Fehlerwert be¬ 
haftet ist. 

Was das Schreiben anlangt, so ist zu beobachten, daß 

1. die Zeit, die zur Ausführung der Schreibarbeit benötigt wird, bei ein¬ 
äugigem Sehen zumeist länger ist, als bei der gewöhnlichen Art zu 
schreiben, 

2. die Zeilenlage bei einäugigem Sehen unverändert ist, 

3. die Buchstaben bei nicht beidäugigem Sehen meist steiler stehen und 

4. bei gewöhnlicher Schreibweise kleiner sind, 

5. der Bachstabenabstand bei einäugigem Sehen kleiner ist, 

6. der Schreibdruck bei einäugigem Schreiben stärker ist, 

7. die Schrift daher zumeist besser ausfällt, als wenn mit beiden Augen 
gesehen wird, 

8. Bechtschrcibefehler häutiger Vorkommen bei einäugigem Sehen und erheblich 
steigern bei beiderseits geschlossenen Augen. 

Dr. Solbrig-Königsberg i. Pr. 



Tagesnachrichten 


149 


ttetprecfiongm. 

luititir&t Dr. Otto Dornblüth-W iesbaden: Gesunde Nerven in Frieden 
und Krieg. 5. Auflage. Würzburg 1916. Verlag von Curt Kabitzsch. 
KI 8”, 144 S. Preis 3 M. 

Als Erscheinungen der Nervenschwäche werden die einfache Nervo 
sität (Neurasthenie), die Hysterie und die Zwangszustände be¬ 
sprochen, dann in besonderen Abschnitten das Wesen, die wirklichen und ver¬ 
meintlichen Ursachen, die Verhütung, die Behandlung der Nervenschwäche. 
Die Verhütung der Nervosität bei Erwachsenen soll sich zum Grundsatz 
machen: 1. vernünftig leben und richtig arbeiten; 2. das Gemüt richtig leiten. 
Der letzte Abschnitt »Krieg und Nerven" umfaßt nur 7 Seiten und. erfüllt 
jedenfalls nicht die Erwartungen, die der Titel des Buches erweckt. 

Prof. Dr. R o e p k e - Melsungen. 


Tagesnachrichten. 

Ana dom protass. Landtage. Dem Abgeordnetenhause ist ein 
Gesetzentwurf vorgelegt, durch den 100 Millionen Mark zur Erleich¬ 
terung der Ansiedlung von Steingütern, zumal von heimkebrenden 
Kriegern (Kriegeransiedelung) gefordert werden. In der Begründung heißt es, 
daß vor allem die Ansiedlung von Kriegsinvaliden erleichtert werden 
müsse; denn deren Ansiedlung, sei es in rein landwirtschaftlichen Verhältnissen, 
sei es in gartenmäßigen Betrieben in der nächsten Umgebung der Städte, sei 
eine der geeignetsten Maßnahmen, um ihre verminderte Arbeitsfähigkeit 
für sie selbst und die Allgemeinheit nutzbringend zu ver¬ 
werten. Der Gesetzentwurf hat inzwischen die Genehmigung des Abgeord¬ 
netenhauses gefunden. ■ 


In einer von den Professoren Dr. v. Lißt und Geh. Med.-B.at Dr. Stra߬ 
mann in Gemeinschaft mit Reg.-Bat Dr. Lindenau abgefaßten Und den zu¬ 
ständigen Ministerien überreichten Denkschrift wird die Errichtung eines 
kriminalistischen Instituts in Berlin befürwortet. Die Verfasser schlagen 
vor, das kriminalistische Universitäts-Seminar, den Erkennungsdienst des 
Polizeipräsidiums und die mit dem Leichenschauhause räumlich verbundene 
Unterrichtsanstalt für Staatsarzneikunde zusammenzufassen und so mit ver¬ 
hältnismäßig geringen Geldaufwendungen eine Arbeitsstätte für wissenschaft¬ 
liche Kriminalistik und zugleich eine moderne Bildungsstätte für strafrecht¬ 
liche Praktiker zu schaffen, wie sie der jüngst verstorbene Prof. Groß in 
Gratz begründet hatte und leitete. Hoffentlich findet dieser ebenso beachtungs- 
wie empfehlenswerte Vorschlag die Zustimmung der zuständigen Behörden, da¬ 
mit in Friedenszeiten alsbald an seine Verwirklichung herangetreten werden kann. 


Stillgeld hei Mehrgeburten. Das Beichsversicherungsamt hat sich 
nunmehr grundsätzlich dahin ausgesprochen, daß bei Zwillings- und anderen 
Vehrgeburten das Stillgeld mehrfach — entsprechend der Zahl der lebenden 
8äugunge zu gewähren ist. _ 

Am 1. März d. J. hat das langjährige Mitglied des Preußischen Medizinal¬ 
beamtenvereins, Geh. Med.-Rat Dr. E. Pfeiffer in Wiesbaden, seinen 70. Geburts¬ 
tag gefeiert. Wir beglückwünschen ihn, daß seine Gesundheit, die ihm vor 
mir Reihe von Jahren zur Niederlegung seines Amtes als Reg.- u. Med.-Rat 
bei der Königlichen Regierung in Wiesbaden zwang, sich wieder recht gut 
gebessert und ihm infolgedessen gestattet hat, auch weiterhin eine reiche lite¬ 
rarische Tätigkeit, namentlich als Herausgeber des vorzüglichen Jahresberichts 
über die Fortschritte und Leistungen auf dem Gebiete der Hygiene, zu entfalten. 
Möge er sich dieser geistigen und körperlichen Frische noch recht lange erfreuen! 


Todesfall. Am 27. Februar d. J. ist der Referent des Medizinalwesens des 
Herzogt. Meiningen, Geh. Reg.- u. Med.-Rat Prof. Dr. Leubuscher in Meiningen, 
MHglM des Reichsgesundheitsrats, gestorben. Er hat sich große Verdienste um 
das Geraadheitawesen seiner engeren Heimat erworben und namentlich die 



160 


Tageanachrichten. 


Schalarztfrage geradezu in vorbildlicher Weise itn Herzogtum, auch für andere 
Bundesstaaten, geregelt. Der Verstorbene war auch Mitbegründer und eifriges 
Mitglied des Deutschen Medizinalbeamtenvereins und erfreute sich in weiten Kreisen 
infolge seiner fachmännischen Tüchtigkeit und persönlichen Liebenswürdigkeit 
einer außerordentlich großer Achtung und Beliebtheit. Ehre seinem Andenken! 

Eine ärztlich geleitete Beratungsstelle für Geschlechtskranke ist jetzt 
auch von der Landesversicherungsanstalt der Hansestädte in 
Bremen im Einvernehmen mit der Aerzteschaft und den Krankenkassen eröffnet 
worden. _ 

Badische Gesellschaft für soziale Hygiene, ln Karlsruhe ist eine 
Badische Gesellschaft für soziale Hygiene unter dem Vorsitze des Geh. Ober-Med.- 
Bat Dr. Hauser gegründet worden. 

Am 1. und 2. Mai 1916 findet in Warschau eine außerordentliche 
Tagung des Deutschen Kongresses für innere Medizin statt. Zur Verhand¬ 
lung kommen die Krankheiten, die im Kriege besondere Wichtigkeit erlangt 
haben; in Aussicht genommen ist die Besprechung von Abdominaltyphus, 
Buhr, Fleckfieber, Cholera, Herzkrankheiten und Nephritis. 
Es werden nur Beferate mit anschließender Besprechung gehalten; freie Vorträge 
sind ausgeschlossen. Zur Tagung werden zugelassen die Militär- und Zivil- 
ärzte, die dem Deutschen Beiche und den verbündeten Staaten angeboren; 
Angehörigen neutraler und feindlicher Staaten kann der Zutritt nicht gestattet 
werden. Da die Tagung im besetzten Gebiete stattfindet, muß jeder Teil¬ 
nehmer mit einem vorschriftsmäßigen Passe versehen sein; die dabei zu er¬ 
füllenden Bedingungen, sowie die Bestimmungen für die Anmeldung zur Teil¬ 
nahme werden in der Fachpresse noch bekannt gegeben werden. 

Preisausschreiben der Berliner Gesellschaft für Bassenhygiene. 
Der Einlieferungstermin für das Preisausschreiben: „Bringt materielles 
und soziales Aufsteigen den Familien Gefahren in rassen¬ 
hygienischer Beziehung:’“ ist nunmehr auf den 31. Juni 1916 fest¬ 
gelegt. Es sind zwei Preise von 800 Mark und 400 Mark ausgesetzt. Die 
Bedingungen sind von der Geschäftsstelle der Gesellschaft (Ulrich-Platz in 
Schlachtensee-Berlin, Albrechtstraße 19/26) zu beziehen, an die auch die Ein¬ 
sendung der Arbeiten zu erfolgen hat. 

Gegen die Zersplitterung der Kriegswohlfahrtspflege. Die Zentral¬ 
stelle für Volkswohlfahrt und die Zentrale für private Fürsorge in Berlin weisen 
mit Becht im Verein mit den von alters her bestehenden großen Wohlfahrts¬ 
organisationen darauf hin, daß sich allmählich auf vielen Gebieten der Wohl¬ 
fahrtspflege ein Uebereifer, ein Dilettantismus breit gemacht habe, der zu 
den ernstesten Besorgnissen Anlaß gebe. Während der Kriegszeit sind in Groß- 
Berlin allein 276 neue Kriegsorganisationen ins Leben gerufen. Auf dem 
Gebiete der Fürsorge für in Not geratene Künstler entstanden z. B. allein 22, 
für gebildete Frauen fünf neue Vereine. Geradezu bedenklich erscheint die große 
Zahl der zugunsten der Kriegsinvalideu sowie der Kriegsblinden 
gegründeten Einrichtungen, deren Gesamtzahl 28 beträgt. Es ist zu befürchten, 
daß auf diese Weise eine planmäßige und vor allem ökonomische Arbeit nicht 
mehr geleistet werden kann, und daß die Kriegswohlfahrtspflege selbst dadurch 
empfindlichen Schaden leidet. 

Invalidenversicherungspflicht freiwilliger Kriegsschwestern. Das 
Beichsversicherungsamt hat nach eingehenden Verhandlungen mit dem Kriegs¬ 
ministerium und Vertretern von Versorgungsanstalten bestimmt, daß die im 
Dienste der freiwilligen Krankenpflege während des Krieges tätigen Schwestern 
der Invalidenversicherungspflicht unterliegen. 

Vertrieb der Broschüre eines Kurpfuschers durch das Zentralkomitee 
vom Boten Kreuz in Preußen, Der Bericht über die Sitzung der Berlin- 



Tagesnachrichten. 


151 


Brandenburger Aerztekammer vom 22. Januar d. J. (s. „Halbmonatsschrift für 
Soziale Hygiene und praktische Medizin“ Nr. 8/1916) enthält folgenden Wort¬ 
laut: „Aus dem Berichte des Ausschusses zur Bekämpfung des Kurpfuscher¬ 
tums geht hervor, daß das Zentralkomitee vom Boten Kreuz die Broschüre 
eines Kurpfuschers vertreibt, ,die versteckte und giftige Angriffe auf einige 
Aerzte in den angeführten Krankengeschichten bringt 1 . Hierauf aufmerksam 
gemacht, habe das Zentralkomitee es nicht einmal der Mühe für wert gehalten, 
zu antworten.“ Das Sächsische Korrespondenz-Blatt vom 15. Februar 1916 sagt 
hierzu mit Recht: „Diese kurze Mitteilung spricht Bände. Das Bote Kreuz, das 
nur durch die hingebende, aufopferungsvolle und selbstlose Mitarbeit der deutschen 
Aerzte in den Stand gesetzt ist, seine Aufgabe zu erfüllen, vertreibt die Bro¬ 
schüre eines Kurpfuschers, die „versteckte und giftige Angriffe“ gegen Aerzte 
enthält, und antwortet nicht einmal auf dieBbetreffende Vorstellungen von ärzt¬ 
licher Seite! Das muß man schwarz auf weiß vor sich haben — das muß man 
mehrere Male lesen, um es überhaupt fassen zu können.“ 


Ehrentafel. Es haben weiterhin erhalten das 

Eiserne Kreuz I. Klasse: 

Stabsarzt d. Bes. und Bat.-Arzt Dr. Aub-München. 

Marineoberstabsarzt d. B. Dr. Bilfinger-Stuttgart. 

Stabsarzt d. B. Dr. B r ü h a n n - Osterburg. 

Oberstabsarzt d. B. Dr. v. C r i e g e r n - Hildesheim. 

Generaloberarzt d. L. Prof. Dr. H a b s - Magdeburg. 

Generaloberarzt Geh. Med.-Bat Prof. Dr. His-Berlin. 

Oberstabsarzt Josef Langheld. 

Generaloberarzt W i e m u t h. 

Eiserne Kreuz II. Kasse: 

Oberstabsarzt d. L. Dr. Conrad Alt-Uchtspringe. 

Oberstabsarzt d. B. Ober-Med.-Rat Dr. Hertzsch-Leipzig. 

Oberstabsarzt d. L. Geh. Med.-Bat Dr. Horn, Kreisarzt in Tondern. 

Anstaltsarzt a. D. Geh. Med.-Bat Dr. Knopf, Landgerichts- und Bezirks¬ 
arzt in Weimar. 

Geh. Rat Prof. Dr. v. Leube-Stuttgart. 

Oberstabsarzt d. R. Geh.' Med.-Bat Dr. L u f f t - Dresden. 

Geh. Med.-Bat Prof. Dr. Moritz-Cöln. 

Stabsarzt d. B. Med.-Bat Dr. Ocker, Kreisarzt in Verden. 

Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Part sch-Breslau. 

Geh. Med.-Bat Dr. Schulze, Direktor der Landesanstalt in Arnsdorf. 

Oberstabsarrt Med.-Bat Dr. Steen ken-Elsfleth. 

Oberstabsarzt d. B. Ober-Med.-Rat Dr. Streit-Dresden. 

Eiserne Kreuz II. Klasse am weiß-schwarzen Bande: 

Prof. Dr. Aschaffenburg, berat. Nervenarzt für den Bereich der 
Festung Cöln. 

Med.-Rat Dr. Seyffert, Kreisarzt in Stettin. 

Ferner haben Angehörige von Medizlnalbeamten erhalten das Eiserne 
Kreuz II. Klasse: Die Assistenzärzte d. B. Dr. Adolf Mayer und 
Dr. Wilhelm Mayer, Söhne des Geh. Med.-Bats Dr. Meyer, Kreisarzt in 
St. Evarshausenj Feldunterarzt Dr. Seyffert, Sohn des Med.-Bats Dr. 
Seyffert, Kreisarzt in Stettin. 

Außerdem haben erhalten: Der Bayerische Militär-Verdienst- 
orden IV. Klasse mit Schwertern: Reg.- und Geh. Med.-Rat Dr. 
Müller-Herrings in Kolmar i. Eis.; — das Königlich Sächsische 
Kriegsverdienstkreuz: Oberstabsarzt <L B. a. D. Ober-Med.-Bat Dr. 
Hertsch, Med.-Bef. bei der Kreishauptmannschaft in Leipzig; Oberstabsarzt 
d. B. Geh. Med.-Bat Dr. Lufft, Medizinischer Referent im Ministerium des 
Innern in Dresden; Geh. Med.-Bat Dr. Menschei, med. Beirat bei der Kreis¬ 
hauptmannschaft in Bautzen; Oberstabsarzt d. L. a. D. Med.-li&t Dr. Thiersch, 
Bezirksarzt in Leipzig; Oberstabsarzt d. R. Med.-Rat Dr. Thümmler, 
Gerichtsarzt in Leipzig; Geh. Med.-Bat Dr. Schulze, Direktor der Landes¬ 
anstalt in Arnsdorf; — das Bremer Hanseaten-Kreuz: Stabsarzt d. R. 
Dr. E w a 1 d - Stadtarzt in Bremerhaven. 



162 


Tagosnachrichten. 


Dum - CkUohtnlitafel. Für das Vaterland gefallen sind ferner: 
Stabsarzt d. L. Dr. Franz Arendt- Poelitz [Reg-Bez. Stettin] (infolge 
Krankheit gestorben). 

Feldarzt Dr. Paul Bendig, Polizeiarzt in Stuttgart. 

Marineassistenz&rzt d. R. Dr. W. Bergbahn-Kiel-Gaarden. 
Feldunterarzt Dr. Alban Carle-Frankfurt a. M. 

Assistenzarzt d. E. Dr. Walter Frankfurter-Berlin (infolge Krank¬ 
heit gestorben). 

Stabsarzt d. E. Dr. E. Grunow-Berlin (infolge Krankheit gestorben). 
Assistenzarzt d. R. Dr. Herzfeld. 

Dr. F. Hotzen-Barmstedt (Holstein), Chefarzt eines Feldlazaretts. 

Dr. Max Leyy-Berlin. 

Stabsarzt d. E. Dr. Hans Liebold-Leipzig (infolge Krankheit gest.). 
Marineoberarzt Dr. J. Mar henke-Würzburg. 

Dr, K. M e d e m e i e r - Regensburg. 

Assistenzarzt d. E. Dr. Wolfgang M e i n c k - Liegnitz (inf. Krankh. gest.). 
Kreisarzt a. D. Geh. Med.-Rat Dr. E. Müller-Könitz (inf. Krankh. gest). 
Dr. Heinrich Müller- Wiesbaden. 

Stabsarzt d. E. Dr. Heinrich Prothen -Köln a. Eh. 

Stabsarzt d. R. Dr. Raulint-Eberswalde (Mitglied des Preuß. M.-B.-V.). 
Stabsarzt Dr. Albert Scholz- Seifhennersdorf b. Zittau. 

Dr. F. S t r e s e m a n n - Berlin-Dahlem. 

Oberarzt Dr. Aug. T i 1 p - Straßburg (infolge Krankheit gestorben). 

Stud. med. Gerhard W o 11 m a n n - Magdeburg. 

Außerdem: Egon Gaste rs, Diplom - Kaufmann H. H. B., Fähnrich im 
Inf.-Regt 159, Sohn des Medizinalrats Dr. Gasters, Oberstabs- und Chefarzt 
des Vereinslazarettzuges M. 2, Kreisarzt in Mülheim a. d. Ruhr, der bereits 
einen Sohn und einen Schwiegersohn im Kriege verloren hat 


Cholera. In Oesterreich worden vom 9. bis 22. Januar 1916 
61 (25) und 20 (6) Erkrankungen (Todesfälle), inKroatien undSlavonien 
vom 8. bis 17. Januar 78 (79) und 80 (84) Erkrankungen festgestellt 

An Fleckfleber sind im Deutschen Reich in der Zeit vom 10. bis 
28. Februar einige Kriegsgefangene in Gefangenenlagern erkrankt und gestorben. 

Pocken. Vom 10.—16. Februar kam in einem Kriegsgefangenenlager 
1 Pockenfall bei einem Kriegsgefangenen vor. 


Erkrankungen und Todesfllle an ansteckenden Krankkelten ln 
Preuflen. Nach dem Ministerialblatt für Medizinal-Angelegenheiten sind in der 
Zeit vom 80. Januar bis 19. Februar 1916 erkrankt (gestorben) an Pest, 
Gelbfieber, Fleckfieber, Cholera, Anssatz: — (—); Rotz: — (—), 
— (—), 1 (—); Trichinose: — (—), — (—), 8 (1); Tollwut: — (—), 
3 (—), — (—); Bißverletznngen durch tollwutverdächtige 
Tiere: 18 (—), 14 (—), 11 (—); Milzbrand: — (—), — (—), — (1); 
Focken: — (—), 1 (—), —(—1; Unterleibstyphus: 166 (17), 145 (17), 
151 (24); Ruhr: 32(2), 19(1), 20 (2); Diphtherie: 3685 (236), 8477 (282), 
3299(268); Scharlach: 2055 (95), 2031 (70), 1907 (91); Kindbett lieber: 
65 (24), 82(22), 84(19); Genickstarre: 23 (10), 31 (6), 20(8); spinaler 
Kinderlähmung: l (—), — (—), 1 (—); Körnerkrankheit (erkrankt): 
65, 30, 40; Tuberkulose (gestorben): 860, 878, 881. 


Vermerk für die Leser. Die heutige Nummer der Zeitschrift ist 
einige Tage später zur Ausgabe gelangt, um den vollständigen Bericht über 
die Verhandlungen des preußischen Abgeordnetenhauses über den Kedizinaletat 
bringen zu können. 

Der Herausgeber. 


Redakteur: Prof. Dr. Bapmund, Geh. Med.-Rat in Minden i.W. 

J, o. O. Brona, Hersofl. Siek«, n. F. Sftk.-L. Hofbichdnckere! Io Winden. 





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Dr. Erlenmey er'Seite 
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29. Jahrg. 


1916 


Zeitschrift 

für 

MEDIZINALBEAMTE. 


Zentnlblatt 

für das gesamte Gebiet der gerichtlichen Medizin und Psychiatrie, 
des staatlichen und privaten Versicherungswesens, sowie für das 
Medizinal- und öffentliche Gesundheitswesen, einschließlich der 

Hygiene und Bakteriologie. 

Hcrausgegeben 

von 

Prot Dr. OTTO RAPMOND, 

Geh Med.-Rat In Minden l. W. 


Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, Sächsischen, 
Württembergischen, Badischen, Hessischen, Mecklenburgischen, Thüringischen, 
Braunschweigischen und Eisass-Lothringischen Medizinalbeamtenvereins. 


Verlag von Fiseher’s med. Buehhandlg H. Kornfeld, 

HtrsogL Bayer. Hof- u. BL u. K. Kamniftr-BnoliliftiuUer. 

Berlin W. 62, Keithstr. 5. 

Ani eigen nehmen die Verlagshandlang sowie alle Anseigenannahmestellcn des In- 

nnd Auslandes entgegen. 


Nr. 6. 


Bneheint am 5. und SO. Jedem Moaata. 


20. März. 


Aus dem Institut für Hygiene und Bakteriologie in Gelsenkirohen 
(Direktor: Prof. Dr. Hayo Bruns). 

Ueber eine Paratyphus-A-Epidemie. 

Von Dr. L. Qnadflteg, Abteilnngsvorateher. 

In dem Erlaß des Chefs des Feldsanitätswesens vom 
10. November 1915 werden die bakteriologischen Untersuchungs¬ 
anstalten darauf verwiesen, bei allen typhusähnlichen Er¬ 
krankungen die bakteriologischen und serologischen Unter¬ 
suchungen auch auf das Vorkommen von Paratyphus¬ 
bazillen des Typus A und ihrer Agglutinine auszudehnen. Es 
müßte damit gerechnet werden, daß auch in der Heimat Para- 
typhus-A-Erkrankungen zur Beobachtung gelangen könnten, 
nachdem bei einer Armee an der Westfront eine kleine Anzahl 
von Paratyphus-A-Fällen bakteriologisch sicher gestellt war. 
Es ist aus der Literatur bekannt, daß in Frankreich, den 
französischen Kolonien Nordafrikas und ferner in den englischen 
Kolonien Indiens Paratvphus-A-Infektionen häufiger auftreten, 
daß dagegen in Deutschland Paratyphus-A-Erkrankungen bisher 












Dr. Quadfiieg. 


154 

eine Seltenheit gewesen sind. Man kann sich demnach des 
Eindruckes nicht erwehren, daß die unter den deutschen 
Mannschaften an der Westfront aufgetretenen Paratyphus-A- 
Erkrankungen auf Infektion an Ort und Stelle zurückzuführen 
sind, um so mehr, als dort ja unsere Soldaten mit Franzosen, 
Engländern und deren Kolonialtruppen häufig in Berührung 
gekommen sind. 

Daß in Frankreich bezw. unter französischen Soldaten 
schon vor dem Erlaß Paratyphus-A- Infektionen auf getreten sind, 
das beweist auch eine Epidemie, die wir bei einem französischen 
Arbeitskommando einer hiesigen Zeche schon im Juni 1915 
beobachten konnten. Die Erreger, Paratyphusbazillen des 
Typhus A, konnten bei einer Anzahl der Erkrankungen durch 
die bakteriologische Untersuchung aufgefunden werden. 

In der Zeit vom 9. Juni bis 11. August erkrankten in 
dem hiesigen Lager im ganzen 29 französische Soldaten und 
zwar fast ausschließlich des 70. und 80. Infanterie-Regiments, 
deren Garnisonen Ille et Villaine bezw. Toulouse sind. Während 
das 70. Regiment seine Mannschaften aus den östlichen Pro¬ 
vinzen Frankreichs nimmt, rekrutiert sich das 80. in Toulouse 
aus den Pyrenäen. Die Mannschaften des hiesigen Arbeits¬ 
kommandos wurden am 9. Mai bei Arras gefangen genommen; 
ihre Ankunft im Gefangenenlager in Münster erfolgte am 18. Mai 
1915. Sämtliche nachher Erkrankten waren bereits am 2. Juni 
auf der Arbeitsstelle eingetroffen. Angeblich war den Leuten 
von typhösen Erkrankungen in ihren Heimatsgebieten und 
Garnisonen oder im Gefangenenlager in Münster nichts bekannt. 
Ueber den Gesundheitszustand unter den französischen Truppen 
vor Arras lauteten die Aussagen verschieden. Während einige 
Soldaten angaben, es habe in den beiden Regimentern vor 
Arras Typhus geherrscht, wurde die Richtigkeit dieser Be¬ 
hauptung von einem Unteroffizier ganz energisch bestritten. 
Ob er aber tatsächlich nichts von Typhus-Erkrankungen in 
seinem Regiment wußte, oder ob er aus Patriotismus leugnete, 
mag dahingestellt bleiben. Da nach Ermittlungen von deutscher 
Seite zu der Zeit unter den französischen Truppen vor Arras 
Typhu3 in größerem Umfange herrschte, verdienen die Angaben 
der Soldaten mehr Glauben, als die des Unteroffiziers. Es sei 
nooh erwähnt, daß sämtliche Kriegsgefangenen angaben, vor 
dem Ausrücken viermal gegen Typhus geimpft worden zu sein. 

Fragt man nach der Infektionsquelle, so könnte man 
unter Berücksichtigung des Umstandes, daß die ersten Fälle 
etwa 8—14 Tage nach der Ankunft auf der hiesigen Arbeitsstelle 
auftraten, versucht sein anzunehmen, daß die Ansteckung hier 
erfolgte. Gegen diese Annahme spricht aber, daß in unserem 
Bezirk vorher bei Zehntausenden von Fäzes- und Urinunter¬ 
suchungen vop Kranken oder deren gesunder Umgebung niemals 
Paratyphus-A-Bazillen gefunden wurden, trotzdem stets auch auf 
deren Vorkommen geachtet wurde. Eine Infektion durch die 



Ueber eine Par&typhos - A- Epidemie. 


165 


Küche erscheint ebenfalls ausgeschlossen; man hätte in diesem 
Falle wohl einen mehr explosionsartigen Ausbruch erwarten 
dürfen, während die Erkrankungen tatsächlich nacheinander 
folgten. Die ersten 3 Fälle wurden am 9. Juni gemeldet; bis 
zum 30, Juni folgten noch 11 weitere, im Juli 14 und die letzte 
Erkrankung am 11. August. Die Fleisch- und Wurstproben, 
die uns während der Epidemie aus der betreffenden Kantine 
zur Untersuchung zugingen, enthielten keine pathogenen 
Bakterien. Allerdings ist damit die Möglichkeit, daß die früher 
zur Verwendung gelangten Nahrungsmittel infiziert gewesen 
sein könnten, nicht ausgeschlossen. Doch wird auoh dieses 
unwahrscheinlich, wenn man berücksichtigt, daß von den 
deutschen Bewachungsmannschaften niemand erkrankte, obwohl 
sie aus derselben Küche verpflegt wurden. Auch sind stets 
Kostproben vorgenommen und weder eine schlechte Be¬ 
schaffenheit der Speisen, noch darauf zurückzuführende Er¬ 
krankungen beobachtet worden. Eine andere Infektionsquelle, die 
nicht ganz von der Hand zu weisen ist, dürfte in Bazillen¬ 
trägern unter den Gefangenen selbst zu suchen sein, vielleicht 
auch in Nahrungsmitteln, die den französischen Soldaten aus 
der Heimat gesandt worden waren. Sie hatten nachweislich 
kurz vor Ausbruch der Epidemie aus Frankreich Weißbrot in 
verschimmeltem Zustande und Fleischkonserven erhalten und 
gegessen. Die Möglichkeit, daß darin die Krankheitserreger 
enthalten waren, ist zuzugeben, wenn auch die Annahme nicht 
bewiesen werden kann, da Beste der fraglichen Speisen für die 
bakteriologische Untersuchung nicht mehr vorhanden waren. 

Wenn die Epidemie bei den sonst günstigen Verbreitungs¬ 
möglichkeiten nur eine genüge Ausdehnung annehmen konnte, 
so ist dies den von der zuständigen Militärbehörde getroffenen 
Maßnahmen zu danken, die hauptsächlich darin bestanden, 
daß zunächst alle verdächtig Erkrankten sofort abgesondert 
wurden, daß die Latrinenverhältnisse gut überwacht und hin¬ 
reichend Desinfektionsmittel, vor allem auch zur Desinfektiop 
der Hände nach der Benutzung des Abortes, bereit gestellt 
wurden. Weiter wurde eine zweimalige bakteriologische Unter¬ 
suchung aller Gefangenen und der deutschen Wachmannschaft 
auf etwaige Bazillenträger verfügt. Es sei gleich hier gesagt, 
daß die Wachmannschaft frei von Bakterien der Typhus-Para¬ 
typhus-Gruppe befunden wurde, daß dagegen unter den 
Franzosen 7 Mann festgestellt wurden, deren Fäzes Paratyphus¬ 
bazillen des Typus A enthielten. Diese Zahl erscheint zu hoch, 
als daß man an eigentliche Bazillenträger denken möchte, wenn 
die Leute auch zur Zeit der Untersuchung keine Krankheits¬ 
symptome zeigten. Es ist wohl richtiger, anzunehmen, daß 
ein Teil dieser Leute, ohne es zu wissen oder zu sagen, eine 
ganz leichte Infektion durchmachte. Daß auch diese abgesondert 
wurden, braucht nicht erst besonders betont zu werden. 

Da die klinischen Beobachtungen über Para- 
typhus-A in Deutschland nicht sehr häufig waren, dürfte es 



156 


Dr. Qaadfiieg. 


nicht ohne Interesse sein, über den Verlauf der hiesigen Er¬ 
krankungen kurz zu berichten: 1 ) 

Ueber die Dauer der Inkubation konnten keine sicheren 
Angaben festgestellt werden; wohl gaben die Kranken an, daß 
sie schon mehrere Tage vorher sich matt und krank gefühlt 
und an Kopfschmerzen und Reißen in den Gliedern gelitten 
hätten. Bei der Aufnahme hatten die meisten erhöhte Tem¬ 
peratur, 38—39°, andere Fälle, obwohl sicher Paratyphus-A, 
verliefen wieder vollkommen fieberfrei. Die Patienten machten 
einen kranken und schlaffen Eindruck, der Appetit war schlecht, 
die Zunge geschwollen und stark weiß belegt, der Leib weich 
und aufgetrieben; Roseolen und Milztumor waren in keinem 
Falle festzustellen. Puls und Herz zeigten keine Besonder¬ 
heiten. Nach einigen Tagen war die rechte Lendengegend auf 
Druck schmerzempfindlich; bei allen fand sich Ileocoecalgurren; 
der Stuhl war unregelmäßig, in den meisten Fällen angehalten. 
Daneben blieben die Kopfschmerzen als schwerstes Symptom 
während der Krankheitsdauer bestehen. Nach 6—8 Krankheits¬ 
tagen stellten sich erbsenbreiartige Durchfälle ein; nie fand sich 
im Urin Eiweiß. Appetit und Allgemeinbefinden verschlechterten 
sich; in 2 schweren Fällen kamen bronchitische Erscheinungen, 
in keinem Falle Delirien und Somnolenz zur Beobachtung. 
Im allgemeinen ging das Fieber Ende der zweiten bis Anfang 
der dritten Woche zurück; gleichzeitig reinigte sioh die Zunge 
und hob sich der Appetit wieder. Nur einige schwerere Fälle 
dauerten etwas länger, alle gingen in Genesung aus. Kompli¬ 
kationen und Rezidive traten nicht auf. 

Der Verlauf der Temperaturkurve erinnerte an einen 
leichten Paratyphus. 

Die Therapie war symptomatisch und diätetisch. 

Die Krankheit wurde als Paratyphus-A-Infektion durch 
die bakteriologische Diagnose sicher gestellt. Das ein¬ 
gesandte Material — Blut, Fäzes und Urin — gelangte nach 
den im hiesigen Institut gebräuchlichen Methoden zur Ver¬ 
arbeitung. Da klinisch Typhusverdacht ausgesprochen war, 
wurde zunächst auf Typhus bezw. Paratyphus-B gefahndet. 
Deshalb wurde auch die Grub er-Widalsche Reaktion vorerst 
nicht mit Paratyphus-A-Bazillen angestellt, sondern nur mit 
Typhus- und Paratyphus-B-Bazillen. Der Rest-Blutkuchen der 
eingesandten Blutproben wurde in sterilisierte Rindergalle ge¬ 
bracht und nach 1—3—6 Tagen Bebrütung bei 37° C. hieraus 
jedesmal 1 Oese auf Drigalski- oder Endoplatten ausge¬ 
strichen. Die Fäzesproben wurden auf je 2 Malachitgrün- 

E latten, weiter auf je 3 Drigalski- und Endoplatten ausgesät. 

>ie Malachitgrünplatten wurden nach ca. 18 stündiger Bebrütung 
(37°) nach dem Verfahren von Lentz-Tietz abgeschwemmt 


*) Wir verdanken die klinischen Angaben der Liebenswürdigkeit des 
Herrn Kollegen von der Hagen in Wattenscheid, wofür ihm hiermit bestens 
gedankt sei. 



Ueber eine Paratyphus-A-Epidemie. 


157 


uud wieder auf je 3Drigalski- oder Endoplatten weiter ver¬ 
arbeitet. Diese Abschwemmungsmethode hat uns bei der Para¬ 
typhus-Diagnose stets gute Dienste geleistet. Die Urinproben 
bringen wir nur auf eine Serie von 3 Drigalski- und 3 Endo¬ 
platten; eine Anreicherung auf Malachitgrün erscheint uns bei 
diesem Material nicht erforderlich, da die Typhus- und Para¬ 
typhusbazillen im Urin entweder gar nicht oder ziemlich reichlich 
vorhanden sind, so daß sie sich dem Nachweis auf der Drigalski- 
Endo-Serie kaum entziehen dürften. 

Die ersten Paratyphus A-Bazillen züchteten wir aus einer 
Gallen - Blutkultur. Es fanden sich auf den mit Gallenkultur 
beimpften Drigalski- bezw. Endoplatten Kolonien von dem 
Aussehen der Typhusbazillen, die aber nicht mit Typhus- bezw. 
Paratyphus - B - Serum agglutinierten. Dagegen zeigten die mit 
den fraglichen Kolonien beimpften Traubenzuckerbouillonkul¬ 
turen Gasbildung, der Rothbergersche Neutralrotagar wurde 
gesprengt, ließ aber keine deutliche Fluoreszenz erkennen; in 
der Lakmusmolke war das für Paratyphus - A - Bazillen typische 
Verhalten festzustellen, ein ganz leichter Umschlag der Farbe 
nach Rot, aber keine Trübung. Dieses Aussehen veränderte sich 
auch nicht während der 14tägigen Beobachtungszeit; vor allem 
trat keine Bläuung ein, wie sie bei den Bakterien der Para¬ 
typhus - B - Gruppe die Regel ist. Das Verhalten der fraglichen 
Kolonien auf den Differentialnährböden, besonders in Lakmus¬ 
molke, legte den Verdacht auf Paratyphus A nahe, der sich 
dann bei der serologischen Prüfung des verdächtigen Stammes 
vollends bestätigte. Im Paratyphus-A-Serum erfolgte inner¬ 
halb von 4 Stunden (bei 37°) mit unbewaffnetem Auge deutlich 
sichtbare Agglutination bis zur Verdünnung von 1 : 10000 
(Titergrenze). 

So gelang es, aus den eingesandten Proben 11 Para¬ 
typ hus-A-Stämme herauszuzüchten; alle Urinkulturen hatten 
ein negatives Ergebnis. Wie schon erwähnt, war zunächst die 
Gr über- Wi dal sehe Reaktion nur gegen Typhus- und Para¬ 
typhusbazillen des Typus B geprüft worden. Später wiederholte 
Prüfungen, auch gegen Paratyphus-A-Bazillen ergaben nur 
in einem Falle Agglutination mit Paratyphus- A in der Ver¬ 
dünnung 1 : 100. Wahrscheinlich ist dieser geringe Erfolg 
damit zu erklären, daß diese Blutproben erst in der Rekon¬ 
valeszenz untersucht wurden. Dieser Befund scheint anderseits 
die in der Literatur niedergelegten Beobachtungen zu bestätigen, 
wonach der Agglutinationstiter bei Paratyphus-A nach sehr 
schnellem Anstieg (hierüber besitzen wir nach dem oben Ge¬ 
sagten keine Beobachtung) rasch wieder abfällt. Häufig fanden 
wir einen für Typhus positiven Widal, bis zur Verdünnung 
1:200, dagegen in keinem Falle Agglutination mit Paratyphus-B. 
Da die Kranken sämtlich viermal gegen Typhus geimpft waren, 
mag die Entscheidung dahingestellt bleiben, ob die Aggluti¬ 
nation mit Typhusbazillen auf die voraufgegangenen Impfungen 



168 


Dr. Hansen: Fleckfiebererkennung. 


oder auf eine Verwandtschaft des Rezeptorenapparates der 
Typhus- und der Paratyphus-A-Bazillen zurückzuführen ist. 

Obwohl wir seit der Feststellung der Paratyphus-A- 
Bazillen bei der Epidemie unter dem französischen Arbeits¬ 
kommando bei unsern folgenden zahlreichen Untersuchungen 
verdächtigen Materials von Kriegsgefangenen sowie deutschem 
Militär und Zivil natürlich stets ganz besonders unser Augen¬ 
merk auf das Vorkommen von Paratyphus A gerichtet haben, 
ist uns der Nachweis bisher nicht mehr gelungen. Es ist daher 
wohl der Schluß berechtigt, daß einmal diese Epidemie auf 
Bazillenträger unter der französischen Mannschaft oder durch 
die von Frankreich gesandten Nahrungsmittel hervorgerufen 
worden ist, daß anderseits die bei einer Armee der Westfront 
beobachteten Paratyphus- A-Infektionen mit ziemlicher Sicher¬ 
heit dort erworben sind. 


Fleckliebererkennung. 

Von Geh. Med.-Rat Dr. Hansen, Kreisarzt in Hadersleben (Schleswig). 

Als Polizeiarzt lasse ich eine erkrankte 55jährige Schlaf¬ 
stellen - Inhaberin ins städtische Krankenhaus bringen. Der 
leitende Arzt, Sanitätsrat Dr. Magaard, telephoniert mir: 
Fleckfieber-Verdacht. Wir stellen fest: roten, kleinfleckigen 
Ausschlag, dicht gestellt auf Brust und Oberbauch und ver¬ 
einzelt auf dem Rücken, 2 Tage alt; Fieber 39 0 ; Kopfschmerz, 
Benommenheit, kleinen Puls, Bronchitis, Milzvergrößerung 
(14:10 cm). Als einziges Zeichen, das nicht zum Fleckfieber 
paßt, bestanden seit 4 Tagen starke Durchfälle nach vorheriger 
Verstopfung. Die Kranke starb an demselben Abend. 

Ich traf sofort alle Maßregeln für Desinfektion und Ab¬ 
sonderung. Die Wirtin der Kranken, die auch Durchfall hatte, 
kam ebenfalls ins Krankenhaus. Anzeige erstattete ich zunächst 
nicht, weil ich an eine verschleppte Colitis dachte. 

Im Hygienischen Institut in Kiel ergab die Blutunter¬ 
suchung Colibazillen in Reinkultur. Also hatte ein ver¬ 
schleppter Dickdarmkatarrh durch Ueberschweramung und 
Zersetzung des Blutes mittelst Colibazillen ziemlich dieselben 
Hautveränderungen verursacht, wie man sie bei Sepsis, Krank- 
heits- und Arzneiexanthemen und beim Fleckfieber beobachtet. 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 

A. Saohveretindlgentätigkelt auf milltir&rxtliohem Gebiet«. 

Die Gefahr der Vergiftung durch ganze oder zersplitterte, im Körper 
lagernde Geschosse. Von L. Lewin. Medizinische Klinik; 1916, Nr. 2. 

Die landläufige chirurgische Ansicht, daß einmal im Qewebe eingeheilte 
Bleistöcke harmlos sind, und daß von ihnen eine Bleigcfabr für den Körper 
nicht mehr zu befärchten ist, kann nicht als zutreffend anerkannt werden. 
Gegen die Richtigkeit dieser Ansicht sprechen chemische und biologische Ge¬ 
setzmäßigkeiten. 

1. Chemische, für eine Lösung des Bleies im Körper in Frage kommende 
Bedingungen: Es ist eine chemische Notwendigkeit, daß im lebenden Gewebe 



Kleber« Mitteilungen and Bef ernte nas Zeitschriften. 


169 


liegendes Blei soviel in Lösung oder znr Salzbildung abgibt, als nach chemi¬ 
schen Gesetzen gefordert wird. Es ist bekannt, daß der Magensaft metallisches 
Blei löst; bo sind durch Verschlacken von Bleikugeln oder -schroten tödliche 
Vergiftungen zustande gekommen. Das gilt auch für Bleisilikat-Flintglas, 
ln den Geweben liegendes metallisches Blei kann in Lösung gebracht werden: 
1. durch die Einwirkung von Feuchtigkeit und Gewebssauerstoff; es entsteht 
Bleihydrooxyd, das durch Hydrokarbonat genügend gelöst wird. 2. Gewebs¬ 
flüssigkeit greift durch ihren Salzgehalt Blei an. So fanden sich in der Lqnge 
um ein Projektil weiße Inkrustationen von Bleichlorid, das schon in 106 Teilen 
Wasser von 16,6° löslich ist. 3.- Fette und fettartige Stoffe, Lipoide, Eiter 
lösen bei längerer Berührung metallisches Blei erheblich (Oel in Sardinen¬ 
büchsen). 4. Die lebende Zelle verfügt über chemische Energie zur Lösung 
scheinbar unlöslicher Stoffe, z. B. von Bleisalfat. Die Löslichkeit wächst mit 
der Oberfläche der Blcistücke. 

2. Biologische Verhältnisse,die den Uebertritt von Blei aus Geschossen 
in die Säftebahnen bedingen: Die Lösung von Blei vollzieht sich am stärksten 
an Körperstellen, die Fette oder fettartige Stoffe, Eiter etc. enthalten, z. B. 
Knochenmark, Gehirn, Rückenmark, Unterhautgewebe; aber auch in Narben¬ 
gewebe eingekapselte Bleistücke lösen sich, wenn auch langsamer. Das Schicksal 
des gelösten Bleies unterliegt den Gesetzen der Ausscheidung oder Bindung. 
Erscheint Blei im Hirn eines Menschen, der ein Stück Blei in sich trägt, so ist 
das einmal ein Zeichen der Regulation, dann aber auch der Löslichkeit Damit 
muß auch mit der Möglichkeit einer Bleivergiftung gerechnet werden. Die 
Symptome der Bleivergiftung sind nicht immer klar als solche zu erkennen; 
es gibt eine ganze Menge, hinter denen man eine Bleivergiftung nicht ohne 
weiteres verdratet. Das Fehlen der basophilen Kömelung der Erythrozyten 
spricht nicht» gegen Bleiintoxikation. Neuerdings ist in vielen Fällen Bleilös¬ 
lichkeit bezw. Salzbildung in den Geweben beobachtet worden, was die Auf¬ 
fassung, daß Blei in Lösung geht und schwere Krankheitssymptome verursachen 
kann, bis ätigt 

Von wissenschaftlichen und praktischen Ueberlegungen aus müssen 
daher Bleiprojektile entfernt werden. Die Richtigkeit der Ansicht, daß 
viele Menschen jahrelang ohne Bleivergiftung in ikrem Körpergewebe Blei be¬ 
herbergt haben, ist nicht erwiesen und beruht wahrscheinlich auf ungenügende 
Beobachtung. Da das Auf finden von Bleistücken durch die Röntgen - Photo¬ 
graphie erleichtert ist, wäre es ganz unberechtigt, wenn man chirurgisch zu¬ 
gängliche Bleistücke nicht operativ entfernen wollte. Innerliche Darreichung 
von Jodkalium kann solcher Bleivergiftung nicht begegnen. Eine einfache 
Methode des Bleinachweises besteht darin, daß Harn, Speichel, Fäzes mit Eier¬ 
eiweißlösung und Natronlauge versetzt und gekocht werden; es entsteht Dunkel- 
färbung mit Abscheidung von Schwefelblei. Auf diese Weise sind noch sehr 
klei&e Teile von Milligrammen Blei nachweisbar. 

Dr. L. Q u a d f 1 i e g • Gelsenkirchen. 


Einheitliche Längenmessnng der Amputationsstümpfe. Von F. B ä h r - 
Hannover. Deutsche med. Wochenschrift; 1916, Nr. 8. 

Für die Messung der Amputationsstümpfe, die nie von Weichteilen aus 
erfolgen und immer in Zentimetern angegeben werden soll, sind einheitliche 
Grundsätze durchzuführen. En den Tabellen von Vierordt ist bei einer 
Durcbschnittslänge des ganzen Skelettes von 162 bis 172, also 167 cm im 
Dnrchschnitt, die Länge des Oberarmbeines mit 82, des Speichenbeines mit 24, 
des Oberschenkelknochens mit 47, des Schienbeines mit 39 cm angegeben. 

Für die Messung selbst empfiehlt sich folgendes: Der Oberarm ist 
von der oboren Kante des Schultcrgrätenfortsatzes (Akromion) zu messen; das 
ergibt eine kleine Differenz von 1 — 1'/* cm zugunsten der Länge. Für die 
Länge des Vorderarmes ist im wesentlichen das Speichenbein ausschlag¬ 
gebend ; man mißt von dem leicht fühlbaren Gelenkspalt zwischen Oberarmbein 
und Speichenbein (Radiohumeralgelenk). Der Oberschenkel wird von dem 
vorderen oboren Darmbeinstachel gemessen, der normal etwa 3—4 cm oberhalb 
des oberen Kopfpoles steht. Vom großen Rollhügel aus zu messen, empfiehlt 
sich nicht, obwohl dessen Spitze annähernd mit der Höhe des Kopfpoles über¬ 
einstimmt, weil sich die Spitze nicht so genau dnrchfühlen läßt. Der Unter- 



160 


Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


Schenkel ist immer Tom inneren Kniegelenksspalt za messen. Die Ver- 
wechslang des Kniespaltes mit der Vertiefung über dem Rollenrande iBt aus* 
zuschließen, wenn man den 8chienbeinrand von vorn her nach dem Gelenkspalt 
zu verfolgt oder sich durch einige Beagebewegungen über die Lage des Knie¬ 
spaltes unterrichtet. Ist der Kniespalt infolge Veränderungen am Kniegelenk 
selbst nicht genau durchzufühlen, so ergibt sich die Stumpflänge aus der Ent¬ 
fernung Spina anterior superior bis Stumpfhöhe abzüglich der Entfernung Spina 
ant. sup. bis Kniespalt am gesunden Bein. Den Unterschenkel von der Knie¬ 
scheibe ab zu messen, ist unpraktisch, da sie bald etwas höher, bald etwas 
tiefer steht. Dr. R o e p k e - Melsungen. 

B. BaohvoratAndlgentütigkelt ln Unfall- and Invalidität»- und 
Krankenversioherungtsaohen. 

Eine erzwingbare Verpflichtung [der Berufhgenossenschaft zur Ge¬ 
währung von Heilanstaltspflege liegt anch nach § 697 R.V.O. nicht vor. 
Rekurs-Entscheid'ung des Reichd-Versicherungsamts vom 
O. November 1916. 

Nach § 697 Abs. 1 der R.V.O. ist die Gewährung von Heilanstaltspflege 
in das freie Ermessen der Berufsgenossenschaft gestellt. Nach Abs. 6 daselbst 
soll allerdings die Berufsgenossenschaft in gewissen Fällen möglichst Heil¬ 
anstaltspflege gewähren. Hieraus ist aber nicht zu folgern, daß in diesen 
Fällen dem Verletzten ein durch Anrufung der höheren Spruchbehörde erzwing¬ 
barer Rechtsanspruch gegeben sein soll. Auch nach früherem Rechte ist über¬ 
wiegend angenommen, daß dem Versicherten ein Rechtsanspruch auf Kranken¬ 
hauspflege nicht zusteht. An dieser Rechtslage hat, wie dft Entstehungs¬ 
geschichte des § 697 und der verwandten Vorschrift des § ifi der R.V.O. 
(Krankenversicherung) ergibt, nichts geändert werden sollen. Der Kommissions¬ 
bericht zu dem jetzigen § 184 der R.V.O. läßt besonders erkennen, daß ledig¬ 
lich an ein Eingreifen der Aufsichtsbehörde gedacht wurde. Und was von der 
Krankenversicherung gilt, in der die Heilbehandlung eine wesentlich größere 
Rolle spielt, als in der Unfallversicherung, mnß hier um so mehr von der 
letzten gelten, also eine Anrufung der Spruchbehörden um so eher ausgeschlossen 
sein. Ob und inwieweit der Verletzte wirklich in solchen Fällen eine Ent¬ 
scheidung im Aufsichtswege herbeiführen kann, ist im Spruchverfahren nicht 
zu erörtern. _ (Kompaß; 1916, Nr. 4.) 


Rentenminderung bei Besserung der Unfallfolgen (Hornhaut¬ 
trübungen)) trotz Aufhebung dieser Besserung durch ein unabhingig vom 
Unfall anfgetretenes Sehnervenleiden. Rekurs-Entsc[heidung des 
Reichs-Versicherungsamts vom 9.Dezember 1915. ( 

Das R. V. A. hat durch die in ihren wesentlichen Feststellungen überein¬ 
stimmenden Gutachten des Dr. L. und der Universität« - Augenklinik in Breslau 
das abweichende Gutachten des Sanitätsrats Dr. W. für widerlegt angesehen. 
Dieser hat sein Gutachten auf eine lediglich einmalige Untersuchung des Klägers 
gestützt, während das der Universitätsklinik auf einer wiederholten Beobachtung 
in der Klinik beruht. Das R. V. A. hat danach für erwiesen angesehen, daß 
das beiderseitige Sehnervenleiden durch die Unfälle nicht verursacht, auch nicht 
wesentlich verschlimmert worden ist, und daß eine wesentliche Besserung der 
Unfallfolgen insofern eingetreten ist, als die Hornhauttrübungen sich verringert 
haben. Wenn sich trotzdem die Sehschärfe und dementsprechend die Erwerbs- 
fäbigkeit des Klägers nicht wesentlich gehoben hat, so ist dies nicht auf die 
Unfallfolgen zurückzuführen, sondern auf das Sehnervenleiden. Wäre dieses 
Leiden 'nicht hinzugekommen, so hätte sich beim Zurückgehen der Hornhaub- 
trübungen die Sehschärfe zweifellos wesentlich gebessert, wodurch auch die 
Erwerbsfähigkeit des Klägers eine größere geworden wäre. Die Unfallfolgen 
stehen deutlich abgegrenzt selbständig neben den Krankheitserscheinungen und 
die Beklagte hat nur für den schädigenden Einfluß der Unfallfolgen auf die 
Erwerbsfähigkeit aufzukommen. Die Herabsetzung der bisherigen Teilrenten 
ist daher berechtigt, weshalb der Rekurs zurückgewiesen worden ist. 

(Kompaß; 1916, Nr.6.) 



Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 


161 


Kein Zusammenhang zwischen tödlicher Lungenentzündung und 
Unfall. Rekurs-Entscheidung des Reichs-Versicherungsamts 
rom 3. Dezember 1915. 

Die ärztliche Wissenschaft steht im allgemeinen auf den Standpunkt, 
daß die Entstehung einer Lungenentzündung durch Unfall verhältnismäßig 
selten ist. Deshalb muß, wo ihre Entstehung durch Unfall behauptet wird, 
vor allem der Unfall unbedingt sicher bewiesen sein. Im vorliegenden Falle 
ist nnn zwar erwiesen, daß bei der Betriebsarbeit des Verstorbenen vom 3. Mai 
1918 ein außergewöhnliches Ereignis insofern eingetreten ist, als eine Anzahl 
von Wagen plötzlich auf dem Geleise ins Rollen kam und die in der Nähe 
befindlichen Arbeiter, darunter auch den Verstorbenen, nötigte, sich durch 
schleuniges seitliches Ausweichen in Sicherheit zu bringen. Dagegen fehlt es 
an hinreichendem Beweise dafür, daß der Verstorbene sich hierbei, sei es durch 
Stoß, Erschütterung oder Quetschung eine Verletzung des Brustkorbes zuge¬ 
zogen hat. Das rein äußerliche zeitliche Zusammentreffen dieses Betriebs¬ 
ereignisses mit der Entstehung der Erkrankung bringt es naturgemäß mit sieb, 
daß der Verstorbene in Erinnerung an die ausgestandene Gefahr und den 
Schreck des guten Glaubens war, daß seine Krankheit eine Folge jenes Ereig¬ 
nisses gewesen sei. Daraus erklären sich zwanglos seine in diesem Sinne ge¬ 
tanen Aeußerungen za . den Zeugen, ohne daß diesen Aeußerungen der Nachweis 
eines tatsächlich bestehenden ursächlichen Zusammenhanges entnommen werden 
kann. Auf der anderen Seite spricht aber die Tatsache, daß der Verstorbene 
seinen Mitarbeitern gegenüber mit keinem Wort einer Verletzung Erwähnung 
getan und keiner dieser Mitarbeiter von einer Verletzung etwas bemerkt bat, 
in hohem Grade gegen die Annahme, daß der Verstorbene damals eine Ver¬ 
letzung irgendwelcher Art erlitten hat. Mit dieser Beurteilung stehen auch 
die Gutachten der Aerzte der Universitätsklinik in Halle vom 17. Juli 1913, 
des Kreisarztes Dr. B. ebenda vom 29. April 1914 und des Geh. San.-Rats 
Prof. A. F. in Berlin rom 29. Oktober 1915 im Einklang. Bei dieser Sachlage 
war dem Ansprache der Kläger auf Hinterbliebenenrente der Erfolg zu versagen. 

_ (Kompaß; 1916, Nr. 6.) 


Zusammenhang zwischen Tod an Blutvergiftung und dem einige 
Wochen zurückliegenden Unfall nur möglich, jedoch nicht wahrscheinlich. 
Rekurs - Entscheidung des Reichs-Versicherungsamts vom 
19.November 1915. 

Der Anspruch der Kläger auf Bewilligung einer Hinterbliebenenrente 
hängt von der Feststellung ab, ob die Blutvergiftung, an welcher F. -am 
27. September 1913 verstorben ist, mit dem Unfälle vom 11. August 1913 in 
ursächlichen Zusammenhang gebracht werden kann. Diese Frage hat das Ober¬ 
versicherungsamt auf Grund der übereinstimmenden Gutachten der Sachver¬ 
ständigen Dr. A. und Dr. K. mit Recht verneint. Es würde an sich nabeliegen, 
zu vermuten, daß der Verstorbene, der bei dem Unfall auf dem Rücken durch 
Erdmassen getroffen sein kann, auf diesem Körperteil Hauttrennungen erlitten 
hat, welche die Eingangspforte für die zur Blutvergiftung führenden Giftkeime 
gebildet haben. Einer solchen Annahme steht aber das Ergebnis der Leichen¬ 
öffnung entgegen, bei der am Rnmpfe des Verstorbenen keinerlei Verletzungs¬ 
spuren festgestellt worden sind. Die damals auf dem Rücken Vorgefundenen 
Sparen von Furunkeln weisen auf Entzündungen anderer Art hin, zu denen 
dos gewöhnliche Leben mannigfache Gelegenheit bietet; sie sind daher vou den 
Sachverständigen mit Recht nicht als mögliche Unfallfolgen in den Kreis der 
Erörterungen gezogen worden. Den Sachverständigen ist ferner darin zu folgen, 
daß auch nicht angenommen werden kann, der Verstorbene, habe bei dem Unfall 
eine Hauttrennung am rechten Unterschenkel davongetragen, in welche die 
Giftkeime eingedrungen sein könnten. Denn bei der Aufnahme des F. in das 
Krankenhaus sind Verletzungen am rechten Unterschenkel überhaupt nicht 
festgestellt worden; solche hätten dem mit der Untersuchung beauftragten 
Arzte nicht entgehen können. Die später aufgetretene und aufgebrochene 
eiternde Wunde am rechten Unterschenkel muß nach Lage der Sache als eine 
Folgeerscheinung einer allgemeinen Blutvergiftung, nicht als ihre Ursache an¬ 
gesehen werden. Tatsächlich ist F. nach der Auskunft der Aufsichtsbehörde 
vom 28. Januar 1914 zwar am 14., 18., 19. und 20. August 1913 von der Arbeit 



162 


Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


fortgeblieben, hat aber demnächst bis za seiner Einlieferung in das Kranken- 
haas noch einen vollen Monat Weiterarbeiten and sich innerhalb dieses Zeit¬ 
raums die Blutvergiftung in einem, dem Ausbruch der Krankheit näher liegenden 
Zeitpunkt außerhalb jeder Betriebsarbeit zuziehen können. Auf die bloße 
Möglichkeit hin, daß sich der Verstorbene bei dem Unfall vom 11. August 1913 
eine von den Acrzten nicht bemerkte Hauttrennung zugezogen hat, in welche 
die Qiftkeime bei dem Unfall oder später eingedrungen sind, kann eine Fest¬ 
stellung zugunsten der Kläger nicht getroffen werden. Ist hiernach mit dem 
Vorderrichter der ursächliche Zusammenhang der tödlichen Blutvergiftung mit 
dem Unfall vom 11. August 1918 zu verneinen, so mnß auch dem Rekurse der 
Erfolg versagt werden. (Kompaß; 1916, Nr. 4.) 


Tödliche von einem Nackenfarankel ausgehende Blntrerglftung. 
Betriebsunfall nicht erwiesen. Rekurs-Entscheidung des Reichs - 
Versicherungsamts vom 20. November 1916. 

Das Rekursgericht hat auf Grund der ärztlichen Gutachten und des 
Ergebnisses der sonstigen Beweisaufnahme nicht die Ueberzeugung gewonnen, 
daß die Blutvergiftung, die den am 10. Januar 1914 eingetretenen Tod des 
Assistenten Qu. zur Folge hatte, durch einen Stoß auf den Furunkel im Nacken 
verursacht worden ist. Zunächst liegt ein ausreichender Beweis dafür, daß 
der Verstorbene sich tatsächlich im Betrieb an dem Furunkel gestoßen hat, 
nicht vor. Augenzeugen des von Qu. gegenüber dem Heildiener behaupteten 
Vorfalles sind nicht vorhanden. Gegen die Richtigkeit der Angaben Qu.s 
spricht die Tatsache, daß er nicht nur seiner Frau, sondern auch dem Koks¬ 
meister G., mit dem er sich in der Nacht vom 27. zum 28. Dezember nach 
dem Verbinden des Furunkels durch H. ungefähr eine Stunde über den Betrieb 
unterhielt, und dem Oberassistenten P., bei dem er am 4. Januar 1914 wegen 
seiner Erkrankung um Urlaub nachsuchte, von einem Betriebsunfall keine Mit¬ 
teilung machte. Ganz besonders aber muß es auffallen, daß Qu. gegenüber 
den beiden Aerzten, die ihn im Januar 1914 behandelten, von einem Stoß gegen 
das Geschwür nichts erwähnte. Ausschlaggebend für die Entscheidung des 
Senats waren die Gutachten der Prof. Dr. D. und Dr. F , sowie des Gerichtsarztes 
Dr. G. Diese Sachverständigen haben eingehend und überzeugend dargelegt, 
daß nach den Bekundungen des Heildiencrs H. über den Zustand des Geschwürs, 
nach dem Befund bei der Leichenöffnung und insbesondere bei dem Fehlen stärkerer 
Reaktionserscheinungen in der Umgebung des Furunkels eine äußere Gewalt¬ 
einwirkung überhaupt nicht angenommen werden kann. Nach den Gutachten 
dieser Aerzte besteht vielmehr die überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, daß 
die Einschwemmung der Eitererreger durch die Wege des Blut- und Lymph- 
kreislaufes aus dem Furunkelherde allmählich und unabhängig von einer äußeren 
Verletzung des Furunkels erfolgt ist. Aber selbst wenn als richtig unterstellt 
wird, daß der Furunkel gestoßen worden ist, kann nach der ganzen Sachlage 
doch nur die Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen Stoß 
und Blutvergiftung angenommen werden. Die Möglichkeit allein reicht aber 
nicht aus, um die Beklagte verurteilen zu können. (Kompaß; 1916, Nr. 4.) 


Die Genossenschaften haben beim Obsiegen des Klägers nur die 
Kosten des nach | 1596 der R.V.O. eingeholten Gutachtens, aber nicht 
etwaige Reisekosten usw. zur ärztlichen Untersuchung zu erstatten. Ent¬ 
scheidung des Oberversicherungsamts Dortmund vom 21. De¬ 
zember 1916. 

Die Kosten für ein auf Antrag und Kosten des Verletzten eingeboltes 
Gutachten sind nach § 1696 Absatz 2 zu erstatten, „soweit es angemessen ist", 
wenn auf Grund des Gutachtens eine Rente, die im Bescheide abgewiesen, ge¬ 
währt oder die im Bescheide festgesetzte Teilrente erhöbt worden ist. Der 
Zusatz „soweit es angemessen ist", würde überflüssig sein, wenn schon bei 
einem Teilerfolge des Einspruchs die Kosten in voller Höhe zu erstatten wären. 
Im Gegenteil muß nach dieser Vorschrift auch geprüft werden, in welcher Höhe 
die Kosten bei einem Teilerfolg des Einspruchs zu erstatten sind. 

Unter den Kosten für ein ärztliches Gutachten kann aber nach dem 
Sprachgebrauch nur diejenige Summe verstanden werden, die der Arzt für 
seine Mühewaltung gefordert bat, nicht aber etwa die Kosten, die 



Kleinere Mitteilungen und Referate -ans Zeitschriften. 


163 


durch die Reise zum Arzte, Verdienstausfall and dergleichen entstanden sind. 
Hätte der Gesetzgeber auch die letzterwähnten Kosten als erstattungspflichtig 
angesehen, dann hätte er dies zum Ausdruck gebracht. Für die engere Aus* 
legung des Begriffs der Kosten des ärztlichen Gutachtens spricht auch, daß 
andernfalls die Gefahr bestände, daß die Verletzten die Kosten 67. zu Lasten 
des Sektionsvorstandes ins Ungemessene steigern könnten, wenn sie nicht selbst 
dabei interessiert wären, die Kosten durch Inanspruchnahme eines Arztes nach 
Möglichkeit zu verringern. FQr die Erstattungspiiicht des SektionsvQrstandes 
kam daher zunächst nur die Summe in Frage, die der Arzt für das Gutachten 
gefordert hat. 

Da Verletzter nur einen teil weisen Erfolg gehabt hat, den der Sektions* 
, Vorstand mit Recht auf */s veranschlagte, so entspricht es der Sachlage, daß 
der Sektionsvorstand nicht den vollen Kostenbetrag von 15 M. für das ärzt¬ 
liche Gutachten, sondern nur den Betrag von 10 M. erstattete. Der erhobene 
weitere Anspruch kann aus den angeführten Gründen als berechtigt nicht an¬ 
erkannt werden. _ (Kompaß; 1916, Nr. 5.) 


C. Bakteriologie and Bekämpfung der Abertragbaron Krankboiton. 

1. Cholera. 

Lentzsches Blutalkalitrockenpulver zur Bereitung von Choleranähr- 
boden ln Feldlaboratorien. Von Stabsarzt Dr. Th. Fürst, zurzeit Leiter 
des bakteriologischen Feldlaboratoriums der 8. Armee. Deutsche medizinische 
Wochenschrift; 1916, Nr. 8. 

Der für die Choleradiagnose bedeutungsvoll gewordene Dieudonnasche 
Blutalkalinährboden darf nicht unmittelbar nach der Bereitung verwendet 
werden; die Platten sollen vor 24 ständigem Stehen und 8 Tage nach der Her¬ 
stellung nicht gebraucht werden. Demgegenüber bietet das von Lentz 
empfohlene Blutalkalitrockenpulver für die Verhältnisse im Feldlaboratorium 
den Vorteil der kompendiösen Form und der sofort gebrauchsfähigen Nähr¬ 
bodenherstellung für plötzliche Cholerafälle. 

Bei der Prüfung des aus dem Kaiserl. Gesundheitsamte übersandten Blut- 
alkalipulvers und der von der Firma Lautenschläger fabrikmäßig her¬ 
gestellten Trockenpulverproben stellte Fürst fest, daß das Wachstum von 
Coli nicht vollständig unterdrückt wurde. Das gelang erst, wenn man ent¬ 
gegen der von Lentz gegebenen Vorschrift eine schwache Sodalösung anstatt 
destillierten Wassers zum Auflösen des Pulvers benutzt. Der zur Unter¬ 
drückung des Coliwachstums austitrierte Sodazusatz beträgt 0,2—0,3%. 

Weiter zeigte sich, daß man die Wirksamkeit des aus Lentzschem 
Trockenpulver hergestellten Nährbodens durch Zusatz von Rohrzucker (2%) 
erheblich steigern kann, und zwar wird dadurch das Aufgehen vereinzelter 
Kolonien bei der Beimpfung mit Cholera - Coligcmischen begünstigt. Ferner 
wachsen die auf dem Zuckernährboden aufgegangenen einzelnen Cholerakolonien 
durchweg üppiger und erhabener und auch zahlreicher. Endlich fällt die 
Probeagglutination, die von den Blutalkalinährbödcn ohne Zuckerzusatz oft nur 
sehr langsam eintritt, sofort und außerordentlich deutlich aus. Danach empfiehlt 
sich also für die Bereitung der Choleranährböden aus Lentz schem Blutalkali¬ 
trockenpulver einmal ein Zusatz von 0,3 °/ 0 kristallisierter Soda, sodann von 
2 °/o igein Rohrzuckeragar. Dr. R o e p k e - Melsungen. 


2. Typhus. 

Typhus - Schutzimpftang und -Infektion im Tierversuch. Von Prosektor 
Dr. Emmerich und Dr. Gerhard Wagner, Assistent am hygienischen Institut. 
Aus dem Pathologischen Institut der städt. Krankenanstalt und dem Hygieni¬ 
schen Institut der Universität Kiel. Mediz. Klinik; 1915, Nr. 3. 

Zum Stadium der Frage der Typhusschutzimpfung wurden 10 Kaninchen 
mit 3 verschiedenen (poly- und monovalenten) Impfstoffen immunisiert, dann 
durch Injektion von Typhusbazillen in die Gallenblase infiziert. 9 Tiere wurden 
zu Bazillenträgern. In den ersten Tagen nach der Infektion schieden fast alle 
Tiere Typhusbazillen im Kot aus, dann folgte eine 3 Wochen lange Pause, 
während der keine Typhusbazillen im Kot nachweisbar waren. Nach dieser 
Pause fanden sich die Typhusbazillen wieder im Kot. Von 3 nicht schütz- 



164 


Kleinore Mitteilungen and Beferate ans Zeitschriften. 


geimpften, aber infizierten Tieren schieden 2 ununterbrochen Typhuskeime aus. 
Vielleicht läßt sich die 3 Wochen lange „Ausscheidungapause“ dadurch erklären, 
daß die ßchutzstoffe zunächst die in den Darm übertretenden Typhusbazillen 
töten; wenn dann die Schutzkraft erlahmt (nach etwa 3 Wochen), kommen die 
Typhusbazillen wieder zum Nachweis. 1 Kaninchen ging 10 Wochen nach der 
Iniektion an einer Typbussepsis ein. Von 6 infizierten und am Leben gelassenen 
Tieren schieden nach längerem freien Intervall nunmehr nach 9 Monaten wieder 
2 erneut Typhuskeime aus. Bei der Beurteilung der event. Heilung muß man 
berücksichtigen, daß Typhusinfektionen beim Kaninchen auch spontan ausheilen. 
Die Schutzimpfung konnte die Entwicklung zu Bazillenträgern bei Kaninchen 
nicht verhindern. Aehnlich wie bei menschlichen Bazillenträgern kommt es 
beim Kaninchen zur Ausbildung einer chronischen Cholecystitis. 

Dr. L. Q u a d f 1 i e g - Gelsenkirchen. 

Zur Vakzinetherapie des Typhus abdominalis bei den prophylaktisch 
Geimpften. Von Dr. Karl Mayer, Assistent der med. Universitätsklinik in 
Krakau, derzeit k. und k. Ldst. - Oberarzt. Aus der Infektionsabteilung eines 
Festungsspitals. Med. Klinik; 1916, Nr. 1. 

Durch die Schutzimpfung wird die Bildung von Heilstoffen gegen die 
Krankheitserreger und ihre Stoffwechselprodukte angeregt. Infolgedessen ver¬ 
laufen die Typhuserkrankungen bei prophylaktisch Geimpften im allgemeinen 
loicbter: von 98 beobachteten Fällen verliefen 51 leicht, 26 mittelschwer, 14 
schwer; 7 starben. Für die Beurteilung des Wertes der therapeutischen 
Vakzination ist es nötig zu unterscheiden, ob sie zur Anwendung gelangt bei 
prophylaktisch geimpften oder nicht geimpften Kranken. 16 Typhusfälle, die 
1—4 Monate vor der Erkrankung prophylaktisch geimpft worden waren, wurden 
gleich in den ersten Krankheitstagen mit Vakzinetherapie behandelt. Sie er¬ 
hielten in Zwischenräumen von 2 Tagen drei bis fünf Injektionen von 0,5 bis 
1,5 ccm Bujovidscher Vakzine. Alle diese Fälle verliefen günstig; es kamen 
keine Rezidive, keine schweren Komplikationen und Nachkrankheiten zur Be¬ 
obachtung. Die Fieber- und Krankheitsdauer wurde auf 2*/*—8 Wochen redu¬ 
ziert Auf anderen Abteilungen sollen die Typhusfälle, die gleichzeitig mit 
dieser prophylaktisch geimpft worden waren, aber ohne Vakzinetherapie be¬ 
handelt wurden, schwerer verlaufen sein; hierbei dauerte die Fieberperiode 
3—5 Wochen. Ein Urteil über den Wert der Vakzine kann nur gewonnen 
werden, wenn große Zahlenreihen zur Verfügung stehen mit genauen Angaben 
über den Verlauf der einzelnen Epidemien, über vorhergegangene Schutz¬ 
impfungen bezw. deren Fehlen. Dr. L. Q u a d f 1 i e g - Gelsenkirchen. 

3. Paratyphus. 

Paratypböse Erkrankungen. Von Prof. Dr. L. B. v. Korczynski. 
Aus der internen Abteilung des Landesspitals Sarajevo. Medizinische Klinik; 
1916, Nr. 2 und 3. 

Dio Paratyphusbazillen' verursachen Erkrankungen mit verschiedenem 
Symptomenkomplex; einmal verläuft die Infektion unter dem Bilde eines 
Abdominaltyphus, dann der Gastroenteritis, schließlich der Cholera; außerdem 
können die Bakterien sich in fast allen anderen Organen lokalisieren. Unter 
den Paratyphusbazillen gibt es verschiedene Abarten, auch bilden einige hitze¬ 
beständige Toxine; daher spricht man am besten von paratyphösen Erkrankungen 
mit näherer Bezeichnung der Lokalisation. Im Vordergründe steht die Infektion 
des Verdauungstraktus. Die Krankheitserreger gelangen im allgemeinen 
am häufigsten mit Fleischspeisen in den Organismus, besonders mit Hackfleisch 
und Wurst, dann auch mit anderen Fleisch- und Fischsorten, weiter durch 
Milch und Kontakt. Gefährlich sind natürlich Bazillenträgen im Nahrungs- 
mittelgewerbe. In Sarajevo wurden in der Zeit von Januar 1914 bis Ende 
Juni 1915 50 paratyphöse Erkrankungen beobachtet und sichergestellt. Für 
die Verbreitung erschienen ganz besonders Wurste und Selcbfleisch verdächtig. 
Inwieweit das Trinkwasser mitbeteiligt ist, läßt sich nicht genau feststellen; 
nach den Mitteilungen des bakteriologischen Laboratoriums des k. und k. 
Featungsspitals sind jedoch im Leitungswasser vielmals Paratyphusbazillen 
gefunden worden. Im Verhältnis sehr stark beteiligt waren die in einer Straße 



Kleinere Mitteünngen and Referate non Zeitschriften. 


165 


wohnenden Prostituierten, die ihre Eßwaren wahrscheinlich ans einem nicht 
einwandfreien Geschäft bezogen. 18 Fälle boten das Bild des Bauchtyphus mit 
z. T. sehr kurzem Inknbationsstadinm und ohne deutliche Prodrome. Von den 
ausführlich geschilderten Symptomen dieser Fälle sind besonders zu erwähnen: 
Roseola in 88,3 °/o, Magenstörungen waren sehr selten, Darmstörungen 

i Diarrhöen und Obstipation) häufiger. Fast konstant fand sich Milzschwellung, 
teukopenie kann fehlen, dagegen wurde fast stets Zunahme der Lymphozyten 

f efunden. Die Diagnose wurde bakteriologisch sichergestellt durch die 

ickersche Modifikation der Widalschen Reaktion. Unter den 18 Proben 
fand sich positive Agglutination: 10mal mit Paratyphus A, 3mal mit Para¬ 
typhus B, lmal mit beiden, 4mal war sie negativ; 2mal fanden sich Para- 
typhusbazillen (Typhus?) im Stuhl. Die übrigen 32 Fälle boten das Bild der 
Gastroenteritis: Das erste akute Stadium mit Diarrhöen war meist in 1—3 
Tagen vorüber; im weiteren Verlauf stellte sich dann öfter Obstipation ein; verein¬ 
zelte Roseolen wurden in 12,5 °/o gesehen. Der Bauch war druckempfindlich, be¬ 
sonders die Gegend des absteigenden Colons; Hyperaesthesie der flaut fand sich 
über dem Kreuzbein und seitlich davon = He ad sehe Strahlungszone der „Ein¬ 
geweideschmerzen“. In 59,3°/o ließ sich die Milz deutlich fühlen; in den 
anderen Fällen durch die Perkussion als vergrößert nachweisen. Die Agglu¬ 
tinationsprüfung ergab in 13 Fällen ein positives Resultat. Konstante klinische 
Merkmale für die Erkennung der Paratyphus A- bezw. B-Infektion waren nicht 
vorhanden. In den 2 zur Sektion gekommenen Fällen fand sich neben enteritischen 
Erscheinungen Geschwürsbildung im Darm. Die Therapie war dieselbe wie bei 
Bauchtyphus. 

Die Prophylaxe der Paratyphusinfektionen erfordert u. a. eine gute 
Nahrungsmittelkontrolle; dazu gehört eine bakteriologische Untersuchung der 
«in der Nahrungsmittelbranche beschäftigten Personen. 

Weiter fanden sich gehäuft Fälle — im ganzen 43 — von Pyelitiden 
bzw. Zystopyelitiden auf paratyphöser Basis, zu denen die Prostituierten 
den weitaus größten Prozentsatz stellten. Die Häufigkeit dieser Infektion legt 
die Annahme einer wirklichen epidemischen Verbreitung nahe. Alle diese Fälle 
betrafen weibliche Erkrankte. Die Symptome waren die der Pyelitis, mit Harn¬ 
drang und Schmerzen beim Urinieren. Die meisten hatten vorher Bauch para- 
typhus, vielleicht auch ambulant, durchgemacht oder an Gastroenteritis para- 
typhosa gelitten. Möglicherweise sind mehrere davon Bazillenträger geblieben. 
Für die Infektion der Harnwege kommt Autoinfektion and manuelle Ueber- 
tragung der Paratyphusbazillen auf die Urethra, dann fortschreitend auf Blase 
und Nierenbecken, in Frage; die letztere Annahme trifft hauptsächlich auf die 
Prostituierten zu. Sie pflegen, um bei der Gesundheitsvisitation gonorrhöfrei 
zu erscheinen oder aus dem Krankenhause als gesund entlassen zu werden, 
kurz vor der Untersuchung das event. Sekret der Harnröhre durch Auspressen 
mit den Fingern zu entfernen. Sind die Finger, z. B. bei Bazillenträgern, mit 
Paratyphusbazillen infiziert, so ist diese Art der Infektion leicht möglich. Natür¬ 
lich kommen auch noch andere Uebertragungen in Frage. Diese Patienten sind 
nicht eher zu entlassen als bis der Urin steril ist, besonders wenn es sich um 
Prostituierte handelt. Dr. L. Quadflieg -Gelsenkirchen. 


4. Ruhr. 

Zur Aetiologie der Ruhr. Von Prof. Dr. U. Friedemann und Dr. 
Steinbock. (Aus der Infektionsabteilung des Rudolf Virchow-Kranken¬ 
hauses in Berlin.) Deutsche med. Wochenschrift; 1916, Nr. 8. 

Der Nachweis der spezifischen Erreger bei der Kriegsruhr stößt auf 
besondere Schwierigkeiten. In einem Etappenlaboratorium des Ostens ist im 
Laufe von 8 Monaten bei der Untersuchung vieler hunderte von Fällen der 
Nachweis von Dysenteriebazillen nur 15mal geglückt (Seligmann). Die 
Autoren konnten unter 335 Patienten, deren Faezes wegen Ruhrverdachts 
untersucht wurden, nur bei 29 einen positiven Bazillenbefund erheben. Das 
erklärt sich daraus, daß die Ruhrbazillen durch die Konkurrenz der Darm¬ 
bakterien sehr leicht unterdrückt werden können, auch meist nur in ganz 
bestimmten Stadien der Krankheit auffindbar und, wenn die Faezes den Darm 
verlassen haben, sehr schnell dem bakteriologischen Nachweis entzogen sind. 
Erst reeht gilt das für die Kriegsruhr, weil die Erkrankung gerade im Beginn 



166 


Kleinere Mitteilungen und Referate aas Zettschriften. 


dem Bakteriologen gar nicht zugänglich ist. Bei Verlegung des Laboratoriums 
näher an die Front stieg die Zahl der positiven Bazillenbefunde Seligmanns 
auf 38°/o, bei den in der ersten Krankheitswoche Untersuchten auf 70 °/«- 
Auch Aronson konnte bei Untersuchung möglichst frischer Stuhlproben 
bei 299 von 1133 Fällen Dysenteriebazillen finden. In der Leiche konnten die 
Verfasser niemals Ruhrbazillen auffinden, weder im Darm noch in Mesenterial¬ 
drüsen, Milz, Herzblut trotz typischen anatomischen Ruhrbildes. Die Ruhr ist 
eben im wesentlichen eine Intoxikation, deren Wirkungen noch andauern, wenn 
die spezifischen Erreger bereits geschwunden sind; und die Darmbakterien 
erschweren das Aasheilen der Dickdarmgeschwüre und unterhalten auch nach 
dem Verschwinden der Ruhrbazillen den entzündlichen Zustand der Darm¬ 
schleimhaut. 

Dos Versagen der bakteriologischen Diagnose hat den Glauben an eine 
einheitliche Aetiologie der epidemischen Ruhr erschüttert. Man beschuldigte 
Paratyphasbazillen, Streptokokkeninfektionen nach Angina und hielt die häufig 
unzweckmäßige Ernährung im Felde auch ohne Mitwirkung pathogener Keime 
für geeignet, das klinische Bild der hämorrhagischen Colitis zu erzeugen. Zur 
Klärung der Frage haben die Verfasser die Agglutinationsreaktion Shiga 
herangezogen, die nie eine ähnliche Bedeutung erlangt hat wie die W i d a 1 sehe 
beim Typbus, weil sie erst in der dritten bis vierten Woche aufzutreten pflegt. 
Andererseits bleiben die spezifischen Serumveränderungen beim Rekonvaleszenten 
sehr lange bestehen, so daß sie noch nachträglich die ätiologische Natur der 
Erkrankung bestimmen lassen. 

Im allgemeinen gelten für den Shiga-Kruse-Bacillus positive 
Reaktionen von der Verdünnung 1:60 ab, für die ungiftigen Ruhrstämme 
solche von 1:100 ab als beweisend. Sera von Shi ga-Dysenterien agglutinieren 
häufig auch die andern Stämme, während das Umgekehrte weit seltener der 
Fall ist. Zu bemerken ist ferner, daß die Agglutination des Typhusbacillus 
mit der Bildung eines feinkörnigen Niederschlags verglichen werden kann, daß 
aber bei der spezifischen Agglutination des Ruhrbacillus grobeKlumpen 
entstehen, die rasch zu Boden sinken. Nur diese Form der Reaktion 
ist bei derRuhr diagnostisch verwertbar, während die feinkörnige 
Agglutination auch durch unspezifisebe Nebenagglutination hervorgerufen werden 
kann. Ruhrstämme, die die klumpige Aufflockung nicht in charakteristischer 
Weise zeigen, sind für diagnostische Zwecke nicht zu brauchen. 

Die Ergebnisse der Kontrolluntersuchungen waren, daß von 44 ruhr¬ 
freien Patienten (19 gewöhnliche Durchfälle, 16 Typhusfälle, 10 Typhus¬ 
schutzgeimpfte) in keinem Fall Shi ga-Bazillen in der charakteristischen 
Weise agglutiniert wurden. Hingegen wurden die atoxischen Flexner- und 
Y-Bazillen von einigen 8era noch in der Verdünnung 1 : 40 in typischer Weise 
zusammen ge klumpt, und war die feinkörnige Agglutination im Serum 
von Typhus-Rekonvaleszenten und -Schutzgeimpften auch dem S higa- Bacillus 
gegenüber bisweilen anzutreffen. 

In der 2. Versuchsweise zeigten von 44 fällen klinischer Ruhr, 
die von der Ostfront stammten, 84 typische, grobklumpige Agglutination; in 
8 Fällen war überhaupt keine Ruhragglutination festzustellen, und zweimal 
wurde Y-Agglutination ohne Shiga-Agglutination beobachtet. 

Angesichts der vielen negativen Ergebnisse der bakteriologischen Stuhl- 
untersuchungen ist die Zahl der positiven Serum re&ktionen erstaunlich und 
unerwartet hoch: von den klinischen Ruhrfällen erwiesen sich 
nicht weniger als 81,8°/o serologisch als echte bazilläreRuhr, 
davon 77,3°,o der schweren Form der Shiga-Kruse-Dysenterie zugehörig, 
und nur bei 18,2 °/o ließ sich die Aetiologie auf serologischem Wege nicht 
stellen. Von den obigen 34 positiv reagierenden Fällen konnten bakterio¬ 
logisch nur 6 = 14,7 °/o als Ruhr diagnostiziert werden. Die Agglutinations¬ 
reaktion gegenüber dem Shiga-Kruse-Bacillas ist also spezifisch und 
diagnostisch verwertbar, wenn nur die grobklumpige Form der 
Agglutination berücksichtigt wird. 

Das Resultat der Beobachtungen, die fast ausschließlich Ruhrfälle aus 
dem Osten betreffen, ist prophylaktisch und therapeutisch wichtig. In 
prophylak tischer Hinsicht mahnt es, jede an der Ostfront vorkommende 
hämorrhagische Colitis auch bei negativem Bazillenbefund als Bazillenruhr zu 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


167 


betrachten; nnd in therapeutischer Hinsicht dürfte es nicht erforderlich 
sein, die Anwendung des spezifischen 8 h i g a - Dysenterieserams von der 
bakteriologischen Diagnose abhängig za machen. 

_ Dr. R o e p k e - Melsungen. 

Zar Epidemiologie nnd Bekämpfung der Rnhrerkranknngen Im Felde. 
Von 8tabsarzt d. B. Prof. Dr. Jos. Koch, Mitglied des Kgl. Instituts für 
Infektionskrankheiten „Robert Koch“, Berlin. Deutsche med. Wochen¬ 
schrift; 1916, Nr. 7. 

In der Epidemiologie der Rahrerkrankangen spielt die „zeitliche und 
örtliche Disposition" eine gewaltige Rolle. Die Bedeutung der Ruhr als 
Heeresseuche geht aus den Zahlen des Krieges 1870/71 hervor. Noch 
Schuster erkrankten an Ruhr in der Armee 88652 Mann « 4,9°/o mit 
2380 Todesfällen = 6 */• der Kranken. Offiziere, Aerzte, Beamte eingerechnet, 
erhöhen sich diese Zahlen auf 88975 und 2405. Wie im Jahre 1870/71 kam 
es auch im jetzigen Kriege in den Monaten September und Oktober zu einer 
epidemischen Ausbreitung der Rohr, die im September ihren Höhepunkt mit 
16,7 •/•• der Kopfstärke erreichte. 

Qewisse Bedingungen und begünstigende Momente müssen vorhanden 
sein, wenn es zu einer epidemischen Ausbreitung der Ruhr kommen soll. Daß 
der ruhrkranke Mensch die Hauptinfektionsquelle ist, ist in diesem Kriege aufs 
neue bestätigt worden. Das schnelle seuchenhafte Umsichgreifen der 
Ruhr in den Ortschaften beruht aber auf anderen Ursachen: auf der Ver¬ 
unreinigung der Ortschaften mit Ruhrstühlen, die eine gewaltige Verbreitung 
von infektiösen Keimen ermöglichen, auf der Verseuchung des Wassers und 
Inhaltes der Brunnen und der längeren Konservierung der Ruhrbazillen in 
diesem während der heißen Monate, endlich auf der Verschleppung durch 
Fliegen. Wo diese Bedingungen zutreffen, da schaffen sie die sog. „örtliche 
Disposition" oder den „sieghaften" Boden im Sinne Pettenkofers. 

Beobachtungen von Ruhrepidemien auf Truppenübungsplätzen haben 
gelehrt, daß bei einer Rahrepidemie der größte Teil der Mannschaft eines ver¬ 
seuchten Gebietes sich mit den Erregern der Ruhr infiziert, ohne ernstlich zu 
erkranken. Es bedarf noch einer Gelegenheitsursache, eines auslösenden 
Momentes. Die „persönliche Disposition", die den Boden für die Ansiedelupg 
der Ruhrbazillen vorbereitet, ist in der Mehrzahl der Fälle in Katarrhen des 
Magendarmtraktus zu suchen, für welche die heißen Monate (Juli bis September) 
die günstigste Zeit sind. Es kann daher der Einfluß einer guten Kost und 
einer regelmäßigen Ernährung durch die Feldküche auf die Widerstandsfähig¬ 
keit der Truppe gegen Infektionskrankheiten gar nicht hoch genug bewertet 
werden. Ebenso ist die gute Trinkwasserversorgung im Felde beim Biwakieren 
nsw. eines der wertvollsten Mitteln im Kampfe gegen die Seuchen. So wirken 
verschiedene Umstände zusammen, um neben der örtlichen auch die „zeit¬ 
liche" Häufung der Ruhrfälle in den heißen Monaten und die Steigerung zur 
Epidemie unter den Truppen zu bedingen. Im übrigen ist aber schwer, den 
Anteil der einzelnen Faktoren bei einer Rahrepidemie auch nur einigermaßen 
richtig abzuschätzen. 

Bei der Bekämpfung kommt alles darauf an, den Stuhl des Ruhr¬ 
kranken sobald als möglich zu vernichten oder wenigstens unschädlich zu 
machen. Im Felde kann das am einfachsten geschehen, daß jeder Mann sofort 
noch der Defäkation seine Exkremente vergräbt und zwar so tief, daß der Kot 
bei Regenwetter nicht fortgespttlt werden kann. Damit wird zugleich die 
Fliegenplage wesentlich eingeschränkt und gleichzeitig Cholera- und Typhus- 
Propbylaxe geübt. Weiter hat in den heißen Monaten eine besonders gewissen¬ 
hafte Ueberwachung des Trinkwassers und der Ernährung durch die Truppen¬ 
ärzte stattzufinden (Verhinderung des Trinkens von kaltem Wasser in größeren 
Mengen in erhitztem Zustande, Fernhaltung infizierten Wassers, Beschaffung 
von Tee und Kaffee in genügenden Mengen, Aufstellung der Jahreszeit ent¬ 
sprechender Speisezettel für die Feldküche). 

Hat die Ruhr ihren Eingang in eine Truppe gefunden, dann wird sich 
im Bewegungskriege die Absonderung der Ruhrkranken nur schwer, die 
bakteriologische Untersuchung überhaupt nicht durchführen lassen. Letztere 



168 Kleinere Mitteilungen und'Referate au* Zeitschriften. 

fällt auch verhältnismäßig häufig negativ ans, so daß die Entscheidung in der 
Bnhrdiagnose zunächst dem Kliniker überlassen bleiben maß. 

Eine gewisse Trennung zwischen Gesunden und Leichtkranken ist 
durchzuführen, indem man alle an Darmstörungen leidenden Mannschaften in 
der Trappe feststellt, sie gesondert von der übrigen Truppe hält, ihnen nach 
Möglichkeit besondere Quartiere zuweist, ihre Ernährung dem Darmleiden 
entsprechend regelt, ihnen möglichst weitgehende körperliche Schonung vor¬ 
schreibt und die Latrinenhygiene mit besonderer Sorgfalt durchführen läßt 
Die Verlegung aus den alten verseuchten Quartieren in neue einer anderen 
Gegend ist unbedenklich. • _ Dr. R o e p k e - Melsungen. 

5. Diphtherie. 

lieber primäre Nasendiphtherie. Von E. Bergh. Monatsschrift für 
Ohrenheilkunde und Laryngo-Rhinologie; Bd. 49, Nr. 10. 

Verfasser hat die primäre Nasendiphtherie vorzugsweise bei Kindern im 
Alter von 1—10 Jahren und während der kälteren Jahreszeit beobachtet Als 
besondere Komplikationen sind in den 36 beobachteten Fällen Albuminurie, 
Herzlähmung, purulente Mittelohraffektionen aufgetreten. Die Prognose ist 
bei Serumbehandlung günstig, jede lokale Therapie nach der Serumeinspritzung 
überflüssig, ln den mit Seram behandelten Fällen verbleiben die Diphtherie¬ 
bazillen anf der Nasenschleimhaut im Durchschnitt nicht länger als bei Diph¬ 
therie auf anderen Schleimhäuten. Die hauptsächlichste Bedeutung der primären 
Nasendiphtberie liegt darin, daß sie Bazillenträger erzeugt 

_ Dr. R o e p k e - Melsungen. 


6. Tetanus. 

lieber die „Fibrillentheorie“ und andere Fragen der Toxin- und 
Antitoxinwanderung beim Tetanus. (Aus dem Pathologischen Institut der 
Universität Freiburg i. Br.). VonL. Aschof f-Freiburg und H. E.Robertson- 
Minneapolis. Medizinische Klinik; 1916, Nr. 26 und 27. 

Die bisherigen Kriegserfahrungen über die Anwendung des Tetanustoxins 
sind ausschließlich empirisch gewonnene Tatsachen, die nur das bestätigen, 
was die Behringsche Schule bezüglich der Verwendung des Antitoxins 
experimentell festgelegt hat. Diese Ergebnisse haben aber zum Teil nooh bis 
heute keine volle Berücksichtigung erfahren und veranlaßten die Autoren zu 
weiteren tierexperimentellen Nachprüfungen über das Schicksal des Toxins und 
Antitoxins im Tierkörper nnd daraus zu ziehenden Schlüssen hinsichtlich der 
Anwendung des Antitoxins beim Menschen. 

Zahlreiche Autoren haben aus ihren Versuchen geschlossen, daß das 
Tetanusgift von den Muskelnervenenden absorbiert wird und sich zentripetal 
zum Rückenmarke fortpflanzen muß, den Achsenzylindern entlang, oder wie 
Meyer und Ransom es ausdrückcn: „Das Gift muß im Fibrillenplasma 
strömen.“ Gegen diese heute allgemein gültige Vorstellung der „Fibrillen¬ 
theorie“, der Leitung des Giftes in den fibrillären Strukturen bis 
zum RUckenmarke und auch im Rückenmarke selbst, werden theoretische 
Bedenken und die Ergebnisse der Tierversuche angeführt. Es wird gezeigt, 
daß alle Resultate vollkommen nur mit der Theorie von der Leitung des Giftes 
in den Nerven ly mph bahnen übereinstimmen, und daß diese „Lymph- 
bahnentheorie“ auch die anerkannte Wirkung des Antitoxins auf das 
Toxin im Tierexperiment am besten zu erklären vermag. Für die Lymphbahnen- 
theorie sprechen weiterhin alle Versuche, die von Behring an bis heute über 
die prophylaktische Anwendung des Antitoxins ausgeführt worden sind. 

Die Klärung der Frage ist prophylaktisch und therapeutisch 
von großer praktischer Bedeutung. Denn wenn Tetanusgift in den Achsen¬ 
zylindern wandert und sie erst einmal erreicht hat, ist keine Hoffnung mehr 
vorhanden, seinen Lauf durch die Injektion von Antitoxin aufzuhalten. Tat¬ 
sächlich wandert aber das Tetanusgift schnell und vorwiegend in den Lympb- 
bahnen der peripheren Nerven, wird dann zum Zentralnervensystem geleitet 
und kann durch Antitoxin in jedem Stadium der Wanderung 
neutralisiert werden bis zn der Zeit, wo es sich endgiltig zu einer 
irreversiblen Verbindung mit den Elementen des Nervensystems vereinigt, für 



Kleinere Mitteilungen 111111 Beferate ans Zeitschriften. 1Ä0 

die es besondere Affinit&t besitzt Voraussetzung für die Wirkung ist aliefi- 
dings, daß das Antitoxin in genügender Konzentration an die 
betreffenden Steilen gebracht werden kann. Deshalb ist Behrings Bemühen 
dnrehans berechtigt, ein so stark konzentriertes Antitoxin zu 
erhalten, daß es, wenn auch mit allen Gewebsflüssigkeiten des Körpers ver¬ 
dünnt doch noch genug Neutralisationskraft besitzt nm das Gift wo es nur 
irgend erreichbar ist unschädlich zu machen, ehe es die lebenswichtigen 
Zentren erreicht. 

Wenn aber beim Menschen die ersten Symptome aufgetreten sind, 
befinden sich in der Begel die wichtigsten Lebenszentren bereits in großer 
Gefahr; und in einem großen Prozentsatz der Fälle, besonders bei solchen mit 
einer Inkubationsdauer von weniger als 6 Tagen, ist es dann sehr zweifelhaft, 
ob irgendwelche Mittel überhaupt noch diese Zentren vor der endgültigen Ver¬ 
giftung zu schützen imstande sind. Unsere ärztlichen Bemühungen müssen daher 
hauptsächlich gerichtet sein 1. auf die Neutralisation desjenigen Giftes, das 
noch weiterhin in der Wunde gebildet und in das Blut geleitet werden kann; 
2. auf die Erhaltung der Kräfte und der Widerstandsfähigkeit des Patienten 
durch geeignete symptomatische und lokale Behandlung. Das beste, was man 
also tun kann, ist: das Gift, das im Blute frei zirkuliert, im erstmöglichen 
Augenblick unschädlich zu machen. 

Für diesen Zweck ist die intravenöse Injektion von Antitoxin 
ein fast vollkommenes Mittel, zumal es dann nicht in ungeheuren oder auch 
nur in großen Dosen gegeben zu werden braucht. Dagegen ist die wegen 
ihrer Einfachheit bevorzugte subkutane Anwendung für therapeutische 
Zwecke, wenn die Symptome erst einmal aufgetreten sind, eine nutzlose Zeit¬ 
verschwendung. Die Autoren empfehlen daher, jeden Fall, bei dem sich Tetanus¬ 
symptome zeigen, sofort ohne Aufschub mit einer intravenösen 
Einspritzung von 20 A.-E. Tetanusantitoxin zu behandeln. Diese 
eine Einspritzung von 20 A.-E. genügt reichlich, um das Gift zu neutralisieren: 
es hat daher auch nur geringen oder gar keinen Wert, die Dosis zweimal 
täglich oder jeden zweiten Tag zu wiederholen. 

Neben der intravenösen Injektion kann noch die subaraefanoideale 
Einspritzung des Antitoxins (20 bis höchstens 100 A.-B.) in Frage kommen, 
vorausgesetzt, daß der Zustand des Patienten eine länger dauernde Tiefen¬ 
lagerung des Kopfes bei Beckenhochlage gestattet oder der behandelnde Arzt 
die zervikale subarachnoideale Injektionsmethode genügend beherrscht. Aber 
auch diese Eingriffe müssen sofort nach Auftreten der Symptome ausgeführt 
werden, wenn sie überhaupt noch Hilfe bringen sollen. Jedenfalls ist und 
bleibt die sofortige intravenöse Injektion von 20 A.-E. für Heilzweke 
die Hauptbehandlung. 

Groß und viel verheißend ist nach Ansicht der Verfasser die prophy¬ 
laktische Wirkung des Antitoxins, wenn auch die Kliniker darin noch nicht 
übereinstimmen. Trotz prophylaktischer Injektion sind Tetanusfälle vorge¬ 
kommen, nach den Literaturangaben vom jetzigen Kriege in 66 Fällen, bei 
denen Angaben über Zeit, Einspritzung, Dosis, Art des Antitoxins, Inkubations¬ 
zeit vorliegen; 86 Fälle verliefen sogar tödlich. Hier ist in erster Linie der 
Zeitinterwall zwischen Verletzung und Injektion des Heilserums entscheidend. 
Die Schutzseruminjektion (subkutan oder intravenös) soll ebenfalls so früh wie 
möglich, falls durchführbar noch innerhalb der ersten 24 Stunden nach der 
Verletzung gemacht werden; das geschah unter den oben angegebenen Fällen 
nur bei 18, von denen 60% durchkamen. Das französische Antitoxin hat sich 
weniger zuverlässig in der Wirkung gezeigt. 

Anstelle der Injektion des flüssigen Antitoxins können im Kriege, zumal 
im Bewegungskampf,’ trockene Antitoxintampons Verwendung Anden. 
Sie haben die Vorzüge des Antitoxinpulvers von Calmette und die des 
frischen Antitoxintampons, vermeiden deren Nachteile und besitzen eine 
Wirkungsdauer von 6 Wochen und mehr. Die Anwendung der Antitoxin¬ 
tampons empfiehlt sich auch, wenn eine Wiederholung der Serumanwendung 
wünschenswert erscheint und die Gefahr einer Anaphylaxie durch die 
erneute 8erumeinspritzong vermieden werden soll. 

•*' Das Versagen der prophylaktischen Antitoxininjektion kann auch durch 
lange Inkubationsdauer — 15 bis 25 Tage — bei Tetanus (verzögertem Tetanus) 



170 


KMuhaw Mitteilungen Uäfl Bef erste ans Zeitschriften. 


bedingt sein. Ü solchen Fällen wird das Tetanusgift erst gebildet-oder 
'absorbiert; > wenn von dem zuerst gegebenen Antitoxin, dessen Wirkung 
praktisch eine Woche anhält, nur wenig oder gar kein Schutz mehr (20 Tage 
nach >der Injektion) zu erwarten ist Hier würde die Benutzung von Anti» 
toxinwatte zum Verbinden etwa jeden fünften Tag vorteilhaft sein. 

>» 'Die Wiederholung der subkutanen Injektion von 20 A.-E. ist aus 
.prophylaktischen Gründen immer geboten, wenn etwa ein späterer chirurgischer 
Eingriff an der verletzten Extremität geplant wird; sie geht am besten 21 bis 
48 Stunden* der Operation voraus. Dr. B o e p k e - Melsungen. 

Sur Tetanusfrage. Von Oberstabsarzt Prof. Dr. Menz er »Bochum, 
sehe,medizinische Wochenschrift; 1916, Nr. 8. 

Auf der .Kriegschirurgentagung in Brüssel ist mit fast allgemeiner Zpr 
Stimmung der Ansicht Ausdruck gegeben worden, daß, die Behandlung des 
jfrjttnzeitig nach der Verletzung ausgebrochenen Tetanus auch mit großen 
Dosen Antitoxin einen Erfolg nicht zeitigt, und daß es deshalb unbedingt 
ratsam, ist, die unnötige Serum Verschwendung bei ausgebrochenem Tetanus auf¬ 
zugeben und dafür die fast allgemein als nützlich angesehene prophylak¬ 
tische Antitoxinbehandlung in weitgehendem Maße anzuwenden. In 
der theoretischen Frage, weshalb.das Tetanusantitoxin bei dem irisch aus¬ 
gebrochenen Tetanus so vollständig versagt, spricht manches dafür, daß der 
menschliche Tetanus, insbesondere der Kriegstetanus, zu einer generalisierten 
Infektion mit septischen Bakterien und vielleicht auch mit Tetanusbazillen 
oft führt Das Tetanusantitoxin hat wahrscheinlich neben der antitoxischeu 
noch eine bakteriolytische Komponente; seine Anwendung bei ausgebrochenem 
Tetanus ist daher nutzlos, wenn nicht sogar in manchen Fällen direkt nachteilig; 

Die Behandlung des Tetanuskranken muß neben der zweckentsprechenden 
Versprgtmg der Eingangswunde eine allgemeine sein und von dem Grundsatz 
ausgehen, daß die für den Kranken dringend gebotene Buhe nicht durch allzu¬ 
geschäftige Polypragmasie gestört werden darf. Dr. B o e p k e - Melsungen. 

7. Geschlechtskrankheiten und deren Bekämpfung. 

Heber den Ausfall der Wa. B. bei Verwendung größerer Serum- 
mengen. Aus der Universitäts - Hautklinik in Bostock. Von Dr. B. Fischer, 
Deutsche med. Wochenschrift; 1916, Nr.5. 

Die von Kromayer angegebene Methode der Verwendung größerer 
Serummengen bei der Wa. B. läßt sich, neben der ursprünglichen angewandt, 
allgemein zu diagnostischen und zu therapeutischen Zwecken verwerten. Sie 
hilft die Fälle aufklären, die wohl auf Lues verdächtig, aber klinisch nicht 
einwandsfrei sind und eben in geringen Serummengen erst oder zurzeit nur sehr 
weqig spezifische Stoffe enthalten. Gerade bei zweifelhaften, kurz bestehenden 
Liberationen des Primärstadiums, bei denen der Spirochätennachweis nicht mehr 
gelingt infolge bereits erfolgter äußerlicher Behandlung, ist die Kromayer¬ 
sehe Methode äußerst wertvoll; sie ist da imstande, in vielen Fällen bei vor¬ 
handener Lues eine negative Wa. B. bei 0,1 ccm in eine komplett positive bei 
Q,4 ccm umzuwandeln und dadurch die Behandlung viel früher einzuleiten. 
lUi vielen anderen Fällen wird sie eine minimale Hemmung durch Verstärkung 
zur totalen oder partieU stärkeren Hemmung als spezifisch oder nicht spezifisch 
erkennen zu lassen. 

Die Kr omay er sehe Modifikation ist auch ein wesentlicher Indikator 
für die Behandlung; man soll die Kur, namentlich bei frischen Fällen möglichst 
erst dann beenden, wenn die Wa. E. auch bei 0,4 ccm pegativ geworden ist. 
Anderseits darf aber ein sehr rasches Negativwerden auch bei 0,4 com nicht 
verleiten, die Therapie weniger energisch und ausgedehnt dnrehzuführen. Alle 
bei Verwendung von 0,4 ccm Serum zur Wa. B. erzielten Hemmungen waren 
als spezifische zu betrachten. Dr. Roepke-Melsungen. 

Die Fortbewegung der Geschlechtskrankheiten in der Festung Breslau 
Während des ersten Kriegsjahres. Von Dr. Martin Chotzeo. Münchener 
Medizinische Wochenschrift; 1916, Nr. 9. 

Die Zahl der in den städtischen Krankenhäusern Breslaus behandelten, 
.erkrankten, überwachten Prostituierten betrug vom 1. August bis 
81. Juli: 



Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. -171 

1911/12 1912/13 1918/14 Durchschnittl. 1914/16 

Erankenzahl 460 349 833 380 679 

Verpflegungstage 11822 8969 8559 9783 17586 

Die Zunahme der kranken Prostituierten während des ersten Kriegsjahres 
ist also fast eine Verdoppelung. Die Gründe der Zunahme sind verschieden. 
Einer der Grunde ist die Zunahme der Besatzung. 

Die relative Erkrankungshäufigkeit der Besatzung war auf 
je 1000 der Kopfstärke: 1911/12: 8,37#, 1912/18: 2,67#, 1913/14: 2,9 7o, 
1914/16: 3,1 7 o. 

Eine relative Zunahme der Geschlechtshäufigkeit der Besatzung BreslauB 
ist also nicht nachweisbar; dagegen eine starke absolute, die dann in der 
Zivilbevölkerung sich auswirkt. — Entgegen den bestimmten Vorschriften zur 
Bekämpfung ansteckender Krankheiten fehlt uns bei den Geschlechtskrank¬ 
heiten jede Handhabe zum wirksamen Schutz der Bevölkerung. Notwendig ist 
eine zwangsweise Behandlung. Auf Anregung Chotzens hat der Gesund¬ 
heitsausschuß der armierten Festung Breslau beschlossen, den Herrn Stadt¬ 
kommandanten zu ersuchen, bei der zuständigen Behörde anzuregen, daß An¬ 
gehörige der Armee und Marine, die während des Kriegsdienstes mit euer 
sichtbaren oder schlummernden Geschlechtskrankheit behaftet waren — besonders 
nach Friedensschluß — zum Schutze der Heimatsbevölkerung erst dann Voti 
der Truppe entlassen werden, wenn eine Uebertragung der Krankheit auf Grund 
der neuzeitigen Untersuchungsverfahren nicht mehr zu befürchten ist 

(Referent möchte auf die wenigstens im Allgäu starke Zunahme der 
Behandlung an Geschlechtskrankheiten aller Art, namentlich auch der 
ansteckenden Geschlechtskrankheiten, von seiten der nicht geprüften Kranken¬ 
pfleger besonders auch hier hinweisen.) Dr. Graol-Kempten. 


8. Sonstige Krankheiten. 

Die Thermopr&zlpitlnreaktion als Diagnostlkum bei Pneumokokken* 
Infektionen. (Aus dem Hygienischen Institut der Universität Halle). Von 
Priv.-Doz. Dr. W. Schürmann. Med.-Klinik; 1915, Nr. 27. 

Die meisten Immunsera erzeugen in Filtraten der Bakterienkulturea 
spezifische Niederschläge, Präzipitine. Diese Niederschläge treten aber nur 
dann auf, wenn ein Immunserum mit Filtraten der zugehörigen Bakterienkultur 
zusammengebracht wird (Kraus). Ascoli und Valenti gaben 1911 eilt 
neues Verfahren an, das „Thermopräzipitinreaktion“ genannt wurde, 
weil die zur Anstellung der Reaktion benötigten Organextrakte im kochenden 
Wasserbade erhitzt wurden. 

Die für die Milzbranddiagnose bedeutungsvoll gewordene Thermopräzipitin- 
reaktion wurde nun von Schürmann bei Pneumokokkeninfektionen 
versucht, und zwar erstreckten sich die Versuche auf mit Pneumokokken 
infizierte Laboratoriumstiere, ferner auf Exsudat und Leichenteile von an 
Pneumonie zugrunde gegangenen Menschen und auf Sera von Pneumonie- 
kranken. 

Zur Anstellung der Reaktion werden die Organteile, Exsudate oder 
Sera mit der fünffachen Menge physiologischer Kochsalzlösung vermischt, im 
Wasserbade 5 Minuten gekocht und bis zur vollkommenen Klarheit filtriert. 
Dann werden die gewonnenen klaren Extrakte auf ein hochwertiges, gut 
präzipitierendes Pneumokokkenserum in kleinen Präzipitationsröhrchen ge¬ 
schichtet. Bei positiver Reaktion entsteht an der Berührangsstelle der Beiden 
Schichten ein weißer Ring und zwar innerhalb von 15 Minuten. 

Nach dem Ausfall der Versuche ist die Thermopräzipitinreaktion bei 
Pneumokokkeninfektionen streng spezifisch. Es gelingt durch sie der Nachweis 
von Pneumokokkeninfektionen mit den Organextrakten frisch verendeter und 
auch in Verwesung übergegangener Tiere und Menschen da, wo das bakterio¬ 
logische Kulturverfahren im Stiche läßt. 8ie gibt anch eindeutige Resultate 
mit Körperflüssigkeiten, die durch Pneumokokken hervorgerufen sind, und kann 
bei Verwendung von Krankenserum zur Unterstützung der klinischen Diagnose 
bei Pneumonie nerangezogen werden. Ihr Ausfall ist beweisend vom siebenten 
Tage. Letzteres beeinträchtigt allerdings ihren klinischen Wert am Krankenbett. 

Dr. Roepke-Melsungen. 



Kleinere Mitteilungen und Referate ane Zeitschriften. 


*72 

D. HyglM» und öffentliche* Gesundheitswesen. 

1. Wasserversorgung. 

Die Desinfektion kleinerer Trlnkwassermengen durch chemische 
Mittel. Von Prof. Dr. Spitta-Berlin. Medizinische Klinik; 1915, Nr. 46. 

In der Arbeit wird kurz die Entwicklung der Trinkwassersterilisation 
durch Chemik&liea, besonders Chlor in Form von Chlorkalk besprochen. Von dem 
Chlor ist auch Gebrauch, gemacht in der Packung, die von den Farbenfabriken 
Friedir. Bayer & C o. für Heereszwecke hergestellt wurde. Zur Desinfektion 
dienen 0,2 g Calciumhypochlorit pro 1 = etwa 140 mg aktives Chlor. 
Diese Menge erscheint sehr hoch, man muß jedoch bedenken, daß damit auch ein 
sehr stark verunreinigtes Wasser in kurzer Zeit sterilisiert werden soll. Zur 
Entfernung des Chlorgeschmackes dient Wasserstoffsuperoxyd in der Form von 
0,4 g Ortizon (= ein haltbares Wasserstoffsuperoxydkarbonat mit etwa 30 °/ 0 
HsOi). Das Verfahren ist einfach und zuverlässig, wenn keine gröberen Partikel¬ 
chen in dem fraglichen Wasser enthalten sind. In solche eingeschlossene Bakterien 
würde das Desinfiziens nicht abtöten. Daher müssen vor Anwendung größere 
Partikel abgeseit werden. 

Ein anderes auf den Markt gebrachtes Mittel sind die Mikrozid- 
tabletten; sie genügten den Anforderungen nicht. Das gleiche kann 
man von den Katazidtabletten behaupten; bei der Nachprüfung wurden 
Typhusbazillen nach 45 Minuten langer Einwirkung noch nicht sicher abgetötet. 
Infolge der ungenügenden Zersetzung des Wasserstoffsuperoxyds — es blieben 
nach Ablauf der Einwirkungsdauer noch 1100—1400 mg HiOi auf 11 Wasser 
zurück — war das Wasser völlig ungenießbar. 

Dr. L. Quadflieg-Gelsenkirchen. 

üeber Katacldtabletten. Von Prof. Dr. W. We i c h a r d t, zurzeit fach¬ 
ärztlicher Beirat für Hygiene beim Sanitätsamt des III. B. A.-K. und Dr. 
Maximilian Wolff. (Aus dem Hygienischen Institut der Universität Erlangen.) 
Medizinische Klinik; 1916, Nr. 4. 

In dem Streben, dem einzelnen Mann im Felde die Möglichkeit zu geben, 
sich jederzeit infektionsfreies Trinkwasser zu verschaffen, sind verschiedene 
Mittel in den Handel gebracht worden, so auch von der Firma Dr. Henning- 
Berlin die Dr. Strauß Katacidtabletten (20 Stück 1,50 M.). 1 Tablette soll 
bei 15 Minuten langer Einwirkung */« 1 Wasser desinfizieren, resp. darin ent¬ 
haltene pathogene Keine abtöten. Die Katacidtabletten bestehen aus einer 
86®/o igen Wasserstoffsuperoxyd-Carbamid-Verbindung, tierischer Katalase (zur 
Spaltung des Wasserstoffsuperoxyds) und Zitronensäure als Geschmacks- 
korrigens. Bei der Nachprüfung des Mittels kommen die Verfasser zu dem 
Ergebnis, daß das Resultat bei 15 Minuten langer Einwirkung höchst unsicher 
ist, daß auch bei noch längerer Einwirkung nicht alle pathogenen Bakterien 
abgetötet werden. Das Mittel ist daher zur Verwendung ungeeignet, wenn 
nicht gefährlich. Auch der Geschmack läßt viel zu wttnsohen übrig. 

Dr. L. Q u a d f 1 i e g - Gelsenkirchen. 

2. Nahrungsmittelhygiene. 

Die Frlscherhaltung von Lebensmitteln. Von R. Stetef eld, Deut¬ 
sche Vierteljahrsschrift für öffentliche Gesundheitspflege; 1916, Bd. 47. 

Die Aufbewahrung von Lebensmitteln in gekühlten Räumen, die immer 
mehr Anwendung gefunden, läßt sich desto länger ausdehnen, eine je kältere 
Temperatur die betreffenden Nahrungsmittel vertragen. Die Kälte hemmt die 
Verdunstung, schränkt die Eintrocknung ein und verhindert die Tätigkeit der 
Gährungs- und Fäulnispilze. Die Luft in den Lagerräumen muß kühl, relativ 
trocken und bakterienfrei sein und gut zirkulieren. 

Gekühltes, nicht gefrorenes Fleisch ist höchstens 6 Wochen haltbar, 
durchgefrorenes und bei —6° bis — 6° aufbewahrtes dagegen monate- und 
jahrelang, ohne daß Nährwert und Verdaulichkeit darunter leiden. Die Er¬ 
fahrungen sind an Rindfleisch äus Südamerika und Australien und an Hammeln 
gemacht; dies gilt auch für Wild und Geflügel. Gefrorene Tierkörper sollen 
vor der Zubereitung sorgfältig aufgetaut werden. 

Ausgeweidete Fische können durch Kälte lange konserviert werden; sie 



Kleinere Mitteilungen and Referate aas Zeitschriften. 


178 


sind, wenn sie niohtgleich nach dem Töten genossen werden, immer zumindest 
in Eis verpackt aufzubewahren. Für langes Aufbewahren ist Einfrieren nötig. 
Aach Fischkonserven, sind kühl aufznbewahren, ebenso Milch und Käse. 

Gekühlte Butter soll möglichst in dunklen Lagerräumen aufbewahrt 
werden, da sie sonst, selbst bei kühler Temperatur des Baumes, zum Ranzig- 
werden neigt. 

Eier, in Eierkisten von 1400—1600 Stück, werden zweckmäßig in ge¬ 
kohlte Räume mit starker Luftbewegung eingebracht und in möglichst kurzer 
Zeit auf nahezu 0 ( gekühlt. Danach vertragen sie eine Lagerung von'Mai 
bis zunr Anfang des folgenden Jahres bei Raumtemperaturen von -f-1 bis 
+ 0° und relativer Feuchtigkeit der Luft im Raume von 76— 80°/o. Das 
Kühlhausei bewährt sich besser als die in Wasserglas, Schmalz- oder Kalt¬ 
lagerung auf bewahrten Eier. Bei der Kaltlagerung ist das Verpacken in 
Weizen- und Roggenstroh oder Holzwolle zweckmäßig. 

Auch bei Obst und Gemüse wird Kaltlagerung angewendet, während sie 
bei Kartoffeln noch umstritten ist. 

Die Einlagerung von Wurst, Schinken, Speckseiten, Pökelfleisch usw. 
ist in gut betriebenen Kühlräumen mit Temperaturen von 4—6° über Hüll und 
Feuchtigkeitsgehalten von 80—76°/ 0 als einwandsfrei zu betrachten. Diese 
Dauerware erleidet bei dem üblichen Aufhängen in gewöhnlichen Räumen 
während 4—6 Monaten Lagerzeit etwa 24—25°/ 0 Gewichtsverluste, bei Lage¬ 
rung in Schmalz 16— 16 #/ 0 , dagegen bei Kühlung nur 6—6°/ 0 . Die Herstellung 
von Dauerware aus gefrorenem Fleisch ist ebenfalls möglich. 

Roggen, Hafer, Erbsen werden durch elfmonatige Lagerung in Kälte in 
ihrem Keimungsprozeß und Nährwert nicht beeinflußt. 

In kalten Räumen gelagerte Nahrungsmittel müssen vor dem Gebrauche 
mit Vorsicht nach und nach in warme Umgebung gebracht werden. 

Dr. R o e p k e - Melsungen. 


Entspricht die jetzige Broterzeugung den modernen biochemischen 
Forschungen der menschlichen Ernährung? Von Hofrat Prof. Dr. J. 8 tokl asa- 
Prag. Deutsche med. Wochenschrift; 1916, Nr. 8. 

Ueber die derzeitige Brotfrage stimmen die breitesten Schichten des 
Volkes, Physiologen und Aerzte in ihren Anschauungen nicht überein. . Die 
einen halten nur Vollkornbrot, d. h. ein durch Ausmahlen des ganzen Getreide- 
korns hergestelltes .Brot, wegen der Erhaltung aller im Korn geborgenen, auch 
anorganischen Nährstoffe für ein einwandfreies Gesundheitsbrot; die anderen 
wünschen für die Brotherstellung den Weizen bis zu 76°/o, den Roggen bis zu 
66 */o aasgemahlen. Jetzt zu Kriegszeiten werden beide Brotirüchte auf 
80—86°/o ausgemahlen, aber infolge gründlicher Abscheidung der Kleie von 
dem übrigen Mehl ist dessen Zusammensetzung keine solche, daß neben den 
wichtigen Eiweißstoffen, Fett und Kohlehydraten auch die anorganischen Bestand¬ 
teile und hochwichtigen organischen Verbindungen (Phosphor, Kalium, Kalzium, 
Magensäure, Eisen, Nukleoalbumin, Phytine, Lezithine, Hämatogene usw.) zu¬ 
gegen sind; das Embryo des Korns mit den Aleuronschichten gelangt eben in 
die Kleie. 

Die Erkenntnis von der großen Wichtigkeit der in der Kleie vorhandenen 
Stoffe für die menschliche Ernährung führte Finkler-Bonn zu dem Naßver¬ 
fahren in der Behandlung des Mehlgutes, durch das eine feine Zerkleinerung 
der Kleie stattfindet, das ganze Getreidekorn durch Aufschließen der Aleuron- 
zellen für die Ernährung des Menschen gewonnen und jegliche Erhitzung des 
Mehles vermieden wird.. Die Kleie wird mit einer lproz. Kochsalzlösung in 
kalkkaltigem Wasser versetzt und auf besonders gebauten Raffineuren ge¬ 
mahlen. Das so dargestellte Mehl, das sog. Finalmehl, wird leicht resor¬ 
biert, ist sehr reich an verdaulichen Stickstoffsubstanzen, enthält Phosphorsäure 
(Nukleoalbumin) und die Enzyme, die bei der Teigbereitung und Teiggährung 
zur Wirkung kommen. 

Es wurden Backversuche vorgenommen und die Ergebnisse der chemischen 
Analysen gegenübergestellt 1. von einem Roggenbrot, 2. von Brot aus 80°/<> 
Roggenmehl und 20 °/ 0 Finalmehl, 3. von Brot aus 70 °/ 0 Roggenmehl und 30 */ 9 
Finaimehl. Es ergab sich, daß das Finalmehl vom ernährungsphysiologischen 
Standpunkte eine sehr günstige Beurteilung verdient, weil es sehr reich an 



174 


Kleinere Mitteilungen and Referate aü* Zeitschriften. 


Eiweißstoffen Ist. Bin Zasntz von SO*/« Finalmehl wies das Finalbrot bei 34*/ 0 
Wassergehalt 10,59 °/o, die Trockensubstanz 15,91*/, Eiweißstoffe anf. Ochse n- 
ond Kalbfleisch enthält 18-20°/,, Schweinefleisch 15—20*/ 0 Eiweißstoffe; ee 
kann daher das Finalbrot als teilweiser Ersatz des Fleisches fttr die Volks¬ 
ernährung dienen. Der Fettgehalt stieg bei Zufügung von 30*/, Finalmeht 
bis anf 1,1 •/„. Beinasche (and damit Phosphor, Kaliam, Kalzium, Magnesiom, 
Eisen) war bei Zasatz von 20*/, Finalmehl 2,68 «/„ bei Zugabe von 30°/o 
8,88*/, zagegen. Endlich ttbt das Finalbrot einen günstigen Einfluß aal die 
Verdauungsprozesse aus. 

Das Finalmehl ist bei der Ernährung der Kinder sehr zu empfehlen; 
5—10°/, können sehr gut zur Bereitung von Grieß und dergl. zu den ttblichen 
Mehlen zugesetzt werden. Zu Mehlspeisen lassen sich 3—5°/o Finalmehl mit 
Vorteil zusetzen. 

Der Verfasser erblickt auf Grund seiner Untersuchungen in dem Fitaal¬ 
mehl ein Produkt, das für die Volksernährung von ungeheurer Bedeutung ist. 
Es ist dies eigentlich der erste Fortschritt in der Reform unserer Getreide¬ 
verwertung bezw. Broterzeugung für die breitesten Schichten des Volkes Zum 
Schluß wird der Wunsch nach Begründung einer Zentralstelle für Volks¬ 
ernährung in Oesterreich ausgesprochen und im besonderen die schon von ver¬ 
schiedenen Seiten angeregte Schaffung eines Instituts für Nahrungsmittelgewerbe 
begründet. _ Dr. Roepke-Melsungen. 


Die sanitfltspollzelllche Beurteilung der Därme bei Tuberkulose der 
zugehörigen Gekrßslymphdrftsen und die hierauf bezügliche sächsische 
Ministerlaiverordnung vom 17. Mai 1915. Von J. Bongert, Professor an 
der Kgl. tierärztlichen Hochschule in Berlin. Zeitschrift für Tuberkulose; 
Bd. 25, Heft 2. 

Nach § 35, 4 der Aasführungsbestimmungen A zum Reichs - Fleisch¬ 
beschaugesetz sind alle tuberkulösen Organe als untauglich zum Genüsse für 
Menschen zu behandeln, weil sie die menschliche Gesundheit zu schädigen 
geeignet sind. Und zwar ist ein Organ auch dann als tuberkulös anzusehen, 
wenn nur die zugehörigen Lymphdrüsen tuberkulöse Veränderungen aufweisen. 
Das gleiche gilt von Fleischstücken, sofern sie sich bei genauer Untersuchung 
nicht als frei von Tuberkulose erweisen. Diese strenge Maßnahme ist wissen¬ 
schaftlich voll und ganz berechtigt und zwingt die im Dienste der Sanitätn- 
polizei stehende Fleischbeschau, die tuberkulösen Organe mit allen ihren Ad¬ 
nexen sorgfältig zu entfernen und Organe oder Schlachttiere auch dann un¬ 
schädlich zu beseitigen, wenn nur die zugehörigen Lymphdrüsen tuberkulös 
verändert sind. Widrigenfalls macht sich der Fleischbeschausachverständige 
nicht nur einer Zuwiderhandlung gegen das Fleischbeschaugesetz (§§ 9 und 26), 
sondern auoh eines Vergehens gegen § 12 des Nahrungsmittelgesetzes schuldig. 

Neuere Feststellungen naben ergeben, daß bei der tuberkulösen Hera- 
erkrankung der Fleisch- (quergestreifte Muskulatur) Lymphdrüsen die als Wurzel- 

S ebiet geltende Muskulatur — zum Unterschied von den inneren Organen — in 
er Regel nicht erkrankt. Dagegen ist bei anscheinend isolierter Tuberkulose 
von Organlymphdrüsen eine tuberkulöse Erkrankung des Organparencbyms 
stet8 vorhanden. 

Eine vom Deutschen Fleischerverband an das Reichsamt des Innern ge¬ 
richtete Eingabe, solche Därme freizugeben, die nicht selbst mit 
Krankheitserscheinungen behaftet sind, wurde abschlägig be- 
schieden. Um so befremdlicher erscheint B onger t die Anordnung des Sächsi¬ 
schen Ministeriums des Innern vom 17. Mai 1915, die die für die Fleisch¬ 
beschau verpflichteten Tierärzte und die nichttierärztlicben Fleischbeschauer 
mit Genehmigung des Reichskanzlers anweist, während der 
Dauer des Krieges folgende Milderungen bei Ausübung der Fleischbeschau 
eintreten zu lassen: „1. Die Vorschrift in § 85 Nr. 4 der Ausführungs¬ 
bestimmungen A zum Fleischbeschaugesetze, nach der ein Organ auch dann 
als tuberkulös anzusehen ist, wenn nur die zugehörigen Lymphdrüsen tuber¬ 
kulöse Veränderungen aufweisen, hat auf solche Därme keine Anwendung 
zu finden, in deren zugehörigen Gekrösdrüsen nur ältere, verkäste oder 
verkalkte Tuberkelherde gefunden worden sind; in den gedachten 
Fällen sind die tuberkulös veränderten Gekrösdrüsen nach sorgfältigem Aus- 



Kleinere Mitteilungen and Referate an* Zeitschriften. 


176 


schneiden ans dem sie umgebenden Qevtebe unschädlich zu beseitigen.“ (Die 
zweite Milderung betrifft die Freigabe von Sehlund, Magen uad Darm solcher 
Schlachttiere, die mit Maul- und Klauenseuche behaftet oder Seuche verdächtig 
sind; sie wird von B. als berechtigt angesehen und kommt hier nicht in Betracht). 

Beide Milderungen bei Ausübung der Fleischbeschau sind nun in der 
Folgezeit auch vom Reichsamt des Innern nicht nnr als durchführbar, sondern 
sogar als empfehlenswert bezeichnet worden und inzwischen.durch Min.- 
Verfügung. vom 27. Mai 1915 auch für Preußen, Württemberg! mid 
Mocklenbnrg-Strelitz angeordnet in dem gleichen Wortlaut und ebenfalls 
für die Kriegsdauer. . . ; k.. 

Gegen die Milderang in der Beurteilung der D&rme bei Tuber- 
knlose der mesenterialen Lymphknoten werden schwerwiegende Be¬ 
denken geltend gemacht. Bongert weist nachdrücklichst darauf hin, daß die 
Tuberkulose der mesenterialen Lymphdrüsen sowohl bei Schweinen, als auch 
bei Rindern recht häufig, wenn auch beim Schweine tuberkulöse Verände¬ 
rungen in. der Darmwand, also wirkliche Darmtuberkulöse, bisher noch nicht 
zur sicheren Feststellung gelangt sind. Jedenfalls ist Über die Ansicht, 
daß bei Rindern die Darmtuberkulose nicht oft, bei älteren Tieren sogar sehr 
selten vorkommt, nioht zutreffend, sondern das Gegenteil ist richtig: Ale 
Darmtuberkulose wird gerade bei alten Rindern verhältnis¬ 
mäßig häufig festgestellt. ' 

Auch gegen die bedingungslose Inverkehrgabe dös Gekrösfettes „nach 
Ausschneiden der tnberknlös veränderten -GekrösdrüseU aus dem sie umgebenden 
Gewebe“ sind die schwersten hygienischen Bedenken zu erbeben. Der durch 
die Inlandsschlachtungen gewonnene Rindertalg wird während des Krieges bei 
den unerschwinglichen Preisen für Streichfett (Schmalz und Butter) fast aus¬ 
schließlich zur Herstellung von Margarine verwendet und somit keines¬ 
wegs Hitzegraden aasgesetzt, durch die die Tuberkelbazillen nnschädlich gemacht 
werden; diese behalten vielmehr bei der in der Margarinefabrikation übliehen 
Schmelztemperatur von etwa 45 ° ihre volle Lebensfähigkeit und Virulenz. Es 
ist somit die Gefahr der Infektion der Margarine mit Tuberkelbazillen besonders 

g roß und gerade im Interesse der Volksgesundheit gegen die Freigabe des 
armfettes bei Gekrösdrüsentnberkulose im rohen Zustände Einspruch za 
erheben. „Daß eine Margarine, die ans Rohfett hergestellt wird, das Tuberkel 
enthält oder zngestaodenermaßen enthalten kann, alle Tatbestandmerkmale des 
§ 12 des Nahrangsmittelgesetzes aalweist, darüber kann kein Zweifel bestehen.“ 
Endlich bestreitet Bongert, daß ein großer Mangel an Därmen, die 
zur Herstellung von Dauerwürsten erforderlich sind, bestanden bat oder zurzeit 
noch besteht. „Jetzt besteht ein Ueberfloß an Därmen. Das Angebot über¬ 
steigt die Nachfrage.“ (B. hätte noch hinzufögen können, daß jetzt behörd¬ 
liche Maßnahmen notwendig geworden sind, die ver hindern sollen, daß alles 
Fleisch, der der übereilten Massenabschlachtung entgangenen Schweine ans 
Profitsucht in die Därme gestopft wird. Ref.) Ein an einem öffentliche® 
Schlachthause angestellter Dichttierärztlicher Beschauer hat auch bereits unter 
Hinweis auf die erörterte Ministerial-Verfügung den Vorschlag gemacht, tuber¬ 
kulöse Eingeweide, bei denen nur die zugehörigen Lymphdrüsen verkalkte 
Tuberkel enthalten, beim genaueren Betasten und Zerschneiden aber keine 
tuberkulösen Herde aufgefunden worden, mit minderwertigem Fleisch zur Warst 
za verarbeiten nnd als Nahrangsmittel für Menschen anf der Freibank zn 
verwerten! 

Man sieht, wohin das Beiseiteschieben eines markanten Grundsatzes der 
Fleischbeschau, dem Gesetzeskraft gegeben war“, führt und wird der Stellung¬ 
nahme Bongerts nur beipflichten können: „Der bisher in der Fleischbeschau 
als unverrückbar allgemein angesehene Grundsatz für die sanitätspolizeiliche 
Beurteilung der tuberkulösen Organe, dem auch der § 35,4 entspricht, ist 
durch die Sächsische Ministerial-Verordnung für Därme beim Vorhandensein ver¬ 
käster oder verkalkter Tuberkelherde in den Mesenterialdrüsen während der 
Kriegsdauer außer Geltung gesetzt. Das bedeutet ein Interregnum in der 
wissenschaftlichen Fleischbeschau, geeignet, bei den nichttierärztlichen Be¬ 
schauern verwirrend zu wirken und die Fleischbeschau zom Schaden für 
die VolkBgesundheit auf den empirischen Standpunkt vor 30 Jahren 
xorückzuwerfen. Diese nachteiligen Folgen, die >mehl nur zu befürchten sind 



176 


Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


sondern bei längerer Wirkungsdauer dieser verfehlten Maßnahme not« 
wendigerweise eintreten werden, sollten für die Regierung Anlaß sein, .die 
Verordnung sobald wie möglich wieder aufzuheben, da ein Not¬ 
stand, durch den man glaubte, ihn begründen zu können, nicht besteht.“ 

_ Dr. Roepke-Melsungen. 

Einiges über Fleischhygiene in Nordamerika* VonProf.Dr.Poz- 
tolka-Wien. Zeitschrift für Öffentliche Gesundheitspflege; 1915, Nr. 4—5. 

Der Verfasser schildert die zum Teil ungünstigen Verhältnisse, die in 
Nordamerika in bezug auf Fleischhygiene angetroffen werden. 

Dr. Wolf-Hanau. 


3. Säuglings- und Kleinkinderfdrsorge. 

Zur Praxis der Kriegsfürsorge für Mutter und Säugling. Zeitschrift 
für ßäuglingsfürsorge; 1915, Nr. 12. 

Der Verein für Säuglingsfürsorge im Reg.-Bez. Düsseldorf berichtet über 
seine Tätigkeit in bezug auf 1. Reichswoohenhilfe und 2. Ueberwachung der 
Kinder. Dr. Wo 1 f -Hanau. 


Bericht der Städtischen Säuglingsfflrsorgestelle in Weißenfels für 
1914. Von Stadtarzt Dr. Os chm an n-Weißenfels. Zeitschrift für Säuglings¬ 
schuh; 1915, Nr. 12 und 1916, Nr. 1. 

Aus der vorwiegend statistischen Abhandlung sei hervorgehoben, daß 
die Sterblichkeit unter den dauernd in Beaufsichtigung der Säuglingsfürsorge- 
.stellen sich befindenden Kindern bei den ehelichen fast nur */• der Mortalität 
der übrigen Säuglinge und bei den unehelichen nnr */& der sonstigen Mortalität 
derselben gleichkommt. Die Beaufsichtigung der Fürsorgestefien und eine 
eigene das rechte Maß findende Sorge und Fürsorge für das Kind sind also 
geeignet, die Mortalität wesentlich herabzusetzen. 

Dr. W o 1 f - Hanau. 


Zehn Jahre Säuglingsfürsorge in Charlottenburg. Von Prof. Dr. 
B. Bendix. Zeitschrift für Säuglingsfttrsorge; 1915, Nr. 11—12. 

Da die Arbeit eine Fülle von Material bringt, das sich in einem kurzen 
Referate nicht zusammenfassen läßt, wird auf die Abhandlung verwiesen. 

Dr. Wolf-Hanau. 


Säuglingssterblichkeit und Volksernährung in Deutschland. Der 
Eindämmung der Säuglingssterblichkeit haben sich seit Jahren die besten, 
hierzu berufenen Kräfte gewidmet. Der Prozentsatz ist infolgedessen auch 
dauernd zurückgegangen, wie die folgende Tabelle beweist. Es starben in 
Deutschland 


im Jahre 1901 

TOD 

100 Lebendgeborenen 20,7 

tt n 

1902 

tf 

ff 

91 

18,8 

i» n 

1903 

ff 

f) 

V 

20,4 

n ft 

1904 

n 

n 

ff 

19,6 

ff n 

1905 

p 

ti 

ff 

20,5 

f> n 

1906 

n 

rt 

99 

18,5 

n ft 

1907 

n 

ff 

ff 

17,6 

17,8 

ff i> 

1908 

n 

ft 

n 

ff ff 

1909 

ff 

* 

ff 

17,0 

ff ff 

1910 

jf 

9 

D 

16,2 

ff ff 

1911 

n 

ff 

ff 

19,2 

ff ji 

1912 

ff 

ff 

ff 

14,7 

ff ff 

1918 

ft 

9 

ff 

15,1. 


An diesen für das Deutsche Reich feststehenden Durchschnittszahlen 
waren die einzelnen Gliedstaaten und preußischen Provinzen ganz verschieden 
beteiligt. Während für das Jahr 1918 das Fürstentum Waldeck mit 6,9 Pros, 
am günstigsten abschneidet, weist Westpreußen mit 19,1 Prozent den 
höchsten Prozentsatz auf. 

Nun ergibt die Statistik gleichzeitig, daß der Prozentsatz der Sterblich- 



Kleinere Mitteilungen Und Bef ernte aal Zeitschriften. 


177 


keit ehelicher Säuglinge wesentlich geringer ist, als der der anehelichen, wie 
aas folgender Tabelle ersichtlich ist. Es starben in Deutschland. von je 
100 Lebendgeborenen 

eheliche’ aneheliche 

im Jahre 1901 . 19,4 88,9 

„ „ 1902 17,8 29,8 

„ „ 1906 19,8 82,7 

„ „ 1904 ..... 18,6 ' 81,4 

„ * 1906 19,4 82,6 

„ w 1906 . 17,5 29,4 

„ „ 1907 16,6 28,0 

„ „ 1908 16,8 28,5 

„ , 1909 16,0 26,8 

„ * 1910 15,2 26,7 

„ „ 1911 18,2 29,9 

„ 1912 . 13,9 28,2 

* * 1918 14,2 28,T. 


Diese Zahlen beweisen, daß die im Interesse der deutschen Volkswirt¬ 
schaft liegende Aufgabe, die Säuglingssterblichkeit herabzudrücken, Bchon.in 
Friedenszeiten schwer zu erfüllen ist, und daß, wie der Unterschied zwischen 
den Zahlen der ehelichen und der unehelichen Säuglinge beweist, an den 
immer noch hohen Prozentziffern die privatwirtschaftlichen Verhältnisse 
große Schuld tragen. 

Im Interesse der Gesundheit kommender Generationen maß unter allen 
Umständen trotz der Knappheit und Teuerung der Lebensmittel Unterernährung 
bei Säuglingen verhütet werden. Die Gefahr einer solchen ist durch die 
Milchknappheit und durch die ungleichmäßige Versorgung der Bevölkerung 
mit Milch sowie durch die bestehenden Teuerungsverhältnisse gegeben. Viele 
Väter stehen im Felde. Den Müttern fehlt es zuweilen an Bat und Hilfe, 
vielleicht auch oft an den Mitteln, ihre Kinder hinreichend zu ernähren. Behörd¬ 
liche Hilfe kann nicht überall und sofort einsetzen, aber privates Entgegen¬ 
kommen und private Hilfe kann schnell zur Stelle sein und vielleicht manchen 
8äugling dem Leben erhalten. Es ist nur ein geringes Entgelt, wenn hilfs¬ 
bereite Männer und Frauen den Kindern der draußen im Felde Stehenden, die 
sie und ihre eigenen Kinder gegen feindliche Willkür und Brutalität schützen, 
einen Teil des Dankes abtragen, den sie unseren opfermutigen, tapferen Leuten 
im Felde draußen schuldig sind. Diese direkte Unterstützung möge daher in 
weitestgehendem Umfange Platz greifen. Aber auch indirekt kann den Säug¬ 
lingen geholfen werden. Die Knappheit an Milch muß jede Neigung, den 
eigenen Hausstand über den Bedarf der kleinen Kinder hinaus zu versorgen, 
zurücktreten lassen. Weiter muß durch Organisation der Ziegenzucht für eine 
Vermehrung der Milchproduktion Sorge getragen werden. Mancher leerstehende 
Pferdestall bietet hierzu vorzügliche Gelegenheit. Es gibt der Wege gar viele, 
dem heranwachsenden Geschlecht zu helfen, besonders denjenigen, denen die 
fürsorgende Hand des Vaters völlig oder während der Kriegszeit fehlt. Es 
handelt sich hier um eine Ehrenpflicht der Zurückgebliebenen, deren Erfüllung 
zum Segen des deutschen Volkes ist. 


4. Soziale Hygiene. 

Unsere Aufgaben in der Bevülkerungspolitik. Von G. Winter- 
Königsberg. Zentralblatt für Gynäkologie; 1916, Nr. 5. 

Winter geht mit seinen Vorschlägen als Geburtshelfer und Gynäkologe 
von den Tatsachen aus, daß die Zahl der Geburten auf 1000 Einwohner von 
37,9 im Jahre 1860 auf 28,1 im Jahre 1913 heruntergegangen ist, und daß die 
Säuglingssterblichkeit noch immer etwa 15°/« beträgt. Hiergegen ist zu 
wirken: 1. Durch Beförderung der Konzeption; Gonorrhoe und Syphilis bilden 
den Hauptgrund der ehelichen Sterilität; noch mehr ist die absichtlich herbei¬ 
geführte Kinderlosigkeit zu bekämpfen. 2. Durch Erhaltung der Leibesfrucht 
während der Schwangerschaft, die am häufigsten durch spontane, künstliche 
und kriminelle Aborte gefährdet bzw. vernichtet wird. 3. Durch den 













178 KleineieMibteilungennnd Referate aas Zeitschriften. 

Schutz das kindlichen Lebens während der Geburt.. Die Hanptgefahren für 
das »Kind süd die protrahierte Austreibungspenöde und das enge Decken. Ea 
maß nicht mehr heißen in der Geburtshilfe Matter oder Kind, sondern Matter 
and Kind. Beim engen Becken sollen Symphyseotomie and Kaiserschnitt mit 
ihrer geringen Sterblichkeit (1—2°/«) anstelle von Perforation, künstlicher 
Frühgeburt, hoher Zange and prophylaktischer Wendung treten. 4. Durch 
Einleitung zweckmäßiger Ernährung im Wochenbett. Eier gilt es in erster 
Linie, die Matter zum Selbststillen za. bringen; es gehört' zam Wochenbett 
wie die Wehen zur Gebart. \ • . . . Dr. B o ep k e - Melsungen. 


Zar Gebartenbewegung Tor and während des Krieges in Wien. Von 
J. Bichter. Med. Klinik; 1916, Nr. 6. 

In der geburtshilflich-gynäkologischen Gesellschaft gibt B. einen Ueber- 
blick über die Geburtenbewegung vor- dem Kriege an den 8 Gebärkliniken 
Wiens and außerhalb dieser Anstalten in Wien selbst and weist an Kurven 
nach, daß die Geburtenzahl'- an den drei Gebärkliniken von Aagust 1914 bis 
April 1916, gegenüber dem Vorjahre zugenommen hat. Dieses Pias an Ge¬ 
burten ist. durch Aufnahme von Frauen, die sonst zu Hause entbanden hätten, 
und durch Aufnahme von Flüchtlingsfrauen zu erklären. Vom April 1915. bis 
Ende Juni 1915 sinkt sowohl an den drei Gebärkliniken als anch in Wien die 
Geburtenziffer plötzlich stark ab: an den Kliniken von 289 unter 190 and in 
Wien von 2725 aaf 1734. Dieser steile Abfall fällt in eine Zeit, in welcher 
die Frauen zur Entbindung kamen, die in den Monaten Jnli, August, September 
des Jahres 1914 die letzte Menstruation gehabt haben, also zu einer Zeit, in 
Welcher der Krieg bereits ausgebrochen war. Durch die Einstellung einer 
großen Menge zeugungsfähiger Männer in das Heer ging für viele Frauen die 
Möglichkeit einer Schwängerung vorüber. Auch in den folgenden Monaten er¬ 
reichten wegen der weiteren Einberufungen die Geburtenzahlen weder an den 
Gebärkliniken n6ch in Wien annähernd die Höhe des Vorjahres. 

Neben der Mobilisierung als Hauptursache der Geburtenverminderung 
kommt noch die Zahl der aus verschiedenen Gründen frühzeitig unterbrochenen 
Schwangerschaften in Betracht. Der Beginn des Geburtenrückganges läßt sich 
also mit dem Beginn des Krieges in engen Zusammenhang bringen. 

Dr, B o e p k e - Melsungen. 


5. Statistik. 

•' Heber die Bewegung der Bevölkerung In Preußen ln den Jahren 
1918 und 1914. 

. Für das Jahr 1913 sind im preußischen Staate 1209600 Geburten, 
656490 Sterbefälle (einschließlich der 35970 Totgeburten) und 923709 
Eheschließungen ermittelt worden, der Geburtenüberschuß hat somit 
553010 oder 13,2 auf das Tausend der mittleren Bevölkerung betragen. Im 
Jahre 1914 sind 1202528 Kinder geboren (einschließlich der 35948 Tot¬ 
geborenen) und 802776 Personen gestorben (mit Totgeburten), sowie 286197 
Eheschließungen gezählt worden. Es ist also 1914 die Geburtenzahl 
gegen das Vorjahr um 6972 gesunken, dagegen die Zahl der Todesfälle um 
146286 gestiegen, der Geburtenüberschuß dementsprechend um 153258, 
und zwar von 553010 auf 399752 zurückgegangen. Eine bemerkenswerte, in 
•fast allen europäischen Staaten wiederkehrende Erscheinung der Jahre 1909 bis 
1912 war die abnehmende Geburtenzahl bei steigender Zahl der 
Eheschließungen. Während sich nämlich im Darchschnitt des Jahrzehnts 
1904—1918 die Geburtenzahl auf 1270253, die Zahl der 8terbefälle auf 
711629, der Geburtenüberschuß somit auf 558624 belief, betrug die Geburten¬ 
zahl im Jahre 1913 bereits 60753 unter dem zehnjährigen Durchschnitt, 1914 
aber sogar 67 725. Die Zahl der Todesfälle stand 1918 um 55139 unter, 
-dagegen 1914 um 91147 über dem zehnjährigen Durchschnitt. Die Zahl der 
Eheschließungen stellte sich 1913 auf 11676 über, im Jahre 1914 dagegen 
auf 25 836 unter dem zehnjährigen Durchschnitt 1904—1913. Es ist also kiaY, 
-daß die eheliche Fruchtbarkeit ia einer nicht unerheblichen Abnahme begriffen 



Klefctere< Mitteilungen lind Referate ads Zeitschriften. 


179 


ist. Der besseren Vergleichungdienen die folgenden lM>ersichten;d«mnaeh 
sind beurkundet: ? 

.- _ _ _ » * r * *• * ? * ’ * • r - r i 



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Geburten f Sterbefälle 
einschließl. der Totgeborenen 

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Geburten- ’ 
Überschuß * 

Ebe- r 

Schließungen 

1904 .. . . . . 

' 1804936 

742428 

562608 - 

294732 

1906 ...... 

1280288 

765250 

516027 

299988 ' 

1900 . 

1809140 

718088 

590057 

809922 

1907 ........ 

1298 508 

719786 

678772 

313089 . 

1908 . . . . 

1808504 

783047 

575457 

811181 ‘ 

1909 . . . . . . 

1287 284 

705877 

581857 

807 904 

1910 

1256794 

075 287 

- 581567 

810416 

1911 ...... 

1225 300 

732826 

492474 

821161 !. 

1912 . . . . 

1222)838 

672 306 

550.027 

828840 

1913. . . . . 

1209500 

656 490 

558010 

828709 

1914. ,....• . 

1202528 

802 776 

899752 ' 

286197 


Auf 1000 der mittleren Bevölkerung betrug also : 



die Geburts¬ 
ziffer 

die Sterbe¬ 
ziffer 

der Geburten¬ 
überschuß 

die Heirats¬ 
ziffer 

1904 ....... 

35,8 

20,3 

16,5 

16,2 

1906 . 

84,5 

20,7 

18,8 

16,2 

1906 . 

34,8 

19,0 

15,8 

16,5 

1907 . 

34,0 

18,8 

16,2 

16,4 f 

1908 .• . 

33,7 

18,9 

14,8 

16,0 

1909 . 

32,7 

17,9 

14,8 

16,6 

1910. 

81,5 

16,9 

14,6 

15,5 

1911 . . 

80,3 

18,1 

12,2 

15,9 

1912. 

29,8 

16,4 

18,4 

16,0 ’ 

1918. 

29,0 

15,8 

13,2 

15,5 

1914 ....... 

28,6 

19,0 

0,5 

18,6 


Hiernach hat sich die Geburtenziffer um 20 und die Sterbeziffer um 0 v, H. 
Ton 1904 bis 1914 yerringert. Die Heiratsziffer für 1914 liegt um 16 t. H« unter 
dem 10jährigen Durchschnitt 1904/1913. 

(Statistische Korrespondenz des Königl. Statistischen Landesamts.) 


6. Medizinalverwaltung. 

Das Gesundheitswesen im Verwaltung«gebiete des Kaiserlich deutschen 
Generalgouvernements Warschau. Aus einem vom Kaiserlichen Gesundheits¬ 
amt erstatteten Bericht bringt der Beichsanzeiger vom 24. Februar d. J. folgende 
interessante Mitteilungen: 

Nach dem Uebergang russischer Landesteile in deutsche Verwaltung er¬ 
wuchs dieser die wichtige Aufgabe, auch für die gesundheitlichen Verhältnisse 
der dortigen Bevölkerung zu sorgen. Die in dem besetzten Gebiete ein¬ 
gerichtete Gesundheitsverwaltnng untersteht dem Verwaltungschef 
beim Generalgouvernement Warschau, dem ein Medizinalreferent zugeteilt ist. 
Mit den Aufgaben der örtlichen Gesundheitspflege sind Kreisärzte betraut. 
Von den 49 vormals russischen Kreisen des Verwaltungsgebiets sind nunmehr 
41 mit Kreisärzten besetzt. Es ist jedoch in Aussicht genommen, für jeden 
Kreis einen besonderen Kreisarzt zu bestellen. 

Besondere Maßnahmen erforderte die Versorgung des Landes mit prak¬ 
tischen Aerzten. Da, wo Aerzte fehlten, wurden solche aus der Nach¬ 
barschaft veranlaßt, regelmäßige Sprechstunden abzuhalten. Im Bedarsfalle 
beteiligen sich sowohl die Kreisärzte, als auch die Truppenärzte an der ärzt¬ 
lichen Versorgung der Zivilbevölkerung. Auch haben mehrere gefangene 
polnische Aerzte in ihre Heimat zurückkehren dürfen, um ihre Praxis Wieder 
aufzunehmen. Die Verteilung derjenigen polnischen Aerzte, welche nach 























180 


Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


Warschau geflohen waren, aal Bezirke, in denen zurzeit kein Arzt eich be¬ 
findet, ist im Gange. 

Auch sonst ließ sich die Verwaltung die Fürsorge für Kranke angelegen 
sein. Im Ban befindliche Krankenhäuser wurden vollendet, beschädigte 
instand gesetzt. Die Irrenanstalten haben ihren Betrieb wieder aufgenommen. 

Da Russisch-Polen von jeher durch ansteckende Krankheiten aller 
Art schwer beimgesucht wurde, betrieb die deutsche Verwaltung die Be¬ 
kämpfung dieser Krankheiten init besonderem Nachdruck. Zur Sicherung des 
Nachrichtendienstes wurde, vor allem die Anzeigepflicht bei.Infektions¬ 
krankheiten eingeführt. Es sind zu. melden außer den sogenannten gemein- 

S gefährlichen Krankheiten — Cholera, Pocken und Fleckfieber — auch Unter¬ 
eibstyphus, Ruhr, übertragbare Genickstarre, Scharlach und Diphtherie. . Auch 
Verdachtsfälle dieser Krankheiten müssen der Behörde angezeigt werden. Der 
frühzeitigen Ermittlung übertragbarer Krankheiten dient die Leichenschau 
durch Aerzte oder Feldscherer, die in einer Reihe von größeren Städten ein¬ 
geführt worden ist. Sie ermöglichte vielfach den Nachweis von Krankheits¬ 
herden,. die auf dem vorgeschriebenen Wege nicht gemeldet worden waren. 

Zur bakteriologischen Feststellung der Infektionskrankheiten 
hat die Zivilverwaltung eine eigene bakteriologische Untersuchungs¬ 
anstalt in Lodz eingerichtet. Außerdem beteiligen sich an der Untersuchung 
eingesandter Proben die bakteriologischen Institute der Heeresverwaltung in 
Warschau, Thorn und Bialystok, sowie die preußischen Anstalten in Beuthen, 
Breslau und Posen. Bei der Ermittlung von Krankheiten leisten die Feld¬ 
scherer gute Dienste. Nachdem sie von den Kreisärzten ausgebildet waren, 
haben sie sich auch an der Vornahme der Impfungen beteiligt. 

Zur Absonderung ein.es jeden Falles einer anzeigepflichtigen Krankheit 
sind im Verwaltungsgebiete, abgesehen von den bestehenden Krankenhäusern, 
260 Absonderungshäuser eingerichtet worden. Auch dem Desinfek¬ 
tionswesen wurde die gebührende Aufmerksamkeit zugewendet. Deutsche 
Kreisärzte und Desinfektoren bildeten einheimische Kräfte in den üblichen 
Desinfektionsverfahren aus. Ihre Lehrtätigkeit wurde durch Herausgabe eines 
Leitfadens für Desinfektoren in polnischer Sprache erleichtert. In Lodz wurde 
eine Desinfektorenschule errichtet, in die Desinfektoren zu Wiederholungskursen 
entsandt werden sollen. Desinfektionsapparate für Dampfbetrieb oder Formal- 
debyd wurden behelfsweise hergerichtet oder aus Deutschland bezogen. 

Was die einzelnen Infektionskrankheiten anbelangt, so haben die P o c k e n, 
die in Friedenszeiten in den russischen Weichselgebieten alljährlich etwa 
11000 Erkrankungen hervorgerufen haben, auch unter der deutschen Verwal¬ 
tung sich gezeigt. Von den gegen diese Krankheit ergriffenen Maßnahmen ist 
an erster Stelle zu nennen die I m p f u n g. Die regelmäßigen Impfungen wurden 
in der Weise durchgeführt, daß ebenso wie zur Zeit der russischen Herrschaft 
wöchentlich öffentliche Impftermine abgehalten wurden. Außerdem erging die 
Anordnung, daß. sämtliche Schulkinder vor Ablauf des Jahres 1915 geimpft 
werden müßten, soweit sie nicht in demselben Jahre bereits mit Erfolg ge¬ 
impft waren oder die natürlichen Pocken überstanden hatten. Beim Auftreten 
von Pockenfällen wurde von Notimpfungen in der Umgebung des Erkrankten 
ausgedehnter Gebrauch gemacht. Es sind bisher etwa 600000 Impfungen voll¬ 
zogen worden, die einen Rückgang der Pocken um fast 60 ®/o zur Folgo hatten. 
Die Ausführung der Impfungen lag teils in den Händen von Aerzten, teils, 
wie erwähnt, in denen von Feldscherern, die von den Kreisärzten in der Impf¬ 
technik unterrichtet worden waren. 

Das Fleckfieber ist neuerdings nur in Alexandrow (Landkreis Lodz) 
-und in Warschau in einer gewissen Häufung der Fälle aufgetreten. Unter 
den Maßnahmen zu seiner Bekämpfung hat sich, abgesehen von der strengsten 
Absonderung der Kranken, Krankheitsverdächtigen und Ansteckungsverdäch¬ 
tigen, die Befreiung dieser Personen von Kleiderläusen sowie die Abwehr der 
Läuseplage im allgemeinen als wirksam erwiesen. Diesem Vorgehen ist es zu 
danken, daß, sobald einmal der Krankheitsherd entdeckt worden war, kaum 
noch weitere Uebertragungen zustande kamen. Die Vertilgung von Kleider¬ 
läusen dienten anßcr den 6 großen militärischen Sanierungsanstalten, die auch 
der Zivilbevölkerung zur Verfügung stehen, 20 kleinere derartige Anstalten. 
Eine auf der Weichsel schwimmende Entlausungsanstalt wird von der Be- 



Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 


381 


völkerung am Flußlauf in Anspruch genommen. Zur Verhütung einer Ein¬ 
schleppung des Fleckfiebers nach dem Deutschen Reich, werden angeworbene 
polnische Arbeiter vor dem Ueberschreiten der Grenze von Ungeziefer befreit, 
falls in ihrem Herkunftsgebiet Fleckfieber herrscht. 

Zur Zeit der Uebernahme der russischen Gebietsteile durch die deutsche 
Verwaltung waren in der dortigen Zivilbevölkerung zahlreiche Cholerafälle 
vorhanden. Zur Verhütung einer Ausbreitung der Seuche im Stromgebiet der 
Weichsel wurde während des Sommers 1915 auf der Strecke abwärts von Plock 
die gesundheitliche Ueberwachung des Schiffahrts- und Flößereiverkehrs ein¬ 
gerichtet Zu diesem Zweck wurden in Plock. und Wloclawek Ueberwachungs- 
stellen in Betrieb gesetzt. Hier untersuchten Aerzte alle auf Schiffen und 
Flößen die Weichsel hinauf oder herunter fahrenden Personen.. Im Verein mit 
weiteren Choleraüberwachungsstellen, die seitens der preußischen Regierung in 
Schilno und Thorn eingerichtet waren, gelang es, die Verschleppung der Cholera 
durch die Weichselschiffahrt von dem preußischen Gebiet fernzuhalten. In 
derselben Absicht 'war bereits im Jahre 1907 zwischen dem Deutschen Reiche 
und Rußland ein Grenzabkommen getroffen worden, das u. a. einen unmittel¬ 
baren Nachrichtenaustausch über Choleraerkrankungen zwischen den Behörden 
der beiderseitigen Grenzbezirke vorsieht. Die Gesundheitsverwaltung des 
Generalgouvernements ist in diesen Vertrag, der eine sachliche Erweiterung 
hinsiobtSch der Benachrichtigung übpr die Feststellung von Bazillenträgern er¬ 
fuhr, eingetreten. 

Zu den vorbeugenden Maßnahmen gegenüber den Infektions¬ 
krankheiten gehört auch die Fürsorge.für die öffentliche Reinlichkeit. 
Daher wurde der regelmäßigen Reinigung der Straßen, der Plätze, der Rinn¬ 
steine sowie dem Zustand der Aborte, Düngergruben und aller Sammelstellen 
für schmutzige Abgänge ernste Aufmerksamkeit zugewendet. In Lodz, wo der 
Unterleibstyphus dauernd herrscht, fand man* mehrere hundert unzweckmäßige 
Hauskläranlagen vor, aus denen das zwar geklärte, aber noch Bazillen ent¬ 
haltende Abwasser in die Rinnsteine floß. Durch Desinfektion mittels Chlor¬ 
kalks wird nun die Gefahr der Verschleppung von Krankheitskeimen beseitigt. 
In Lodz wurde auch zur Ueberwachung der Reinhaltung der Höfe ein besonderer 
Aufsichtsbeamter angestellt. 

Auch die Wasserversorgung, die im Verwaltungsgebiet vielfach 
im argen liegt, wurde besonders beaufsichtigt. In Lodz sind von 10000 
Brunnen bisher 7000 auf ihre gesundheitliche Beschaffenheit genau untersucht 
worden. Die Vorgefundenen Mängel sollen gründlich abgestellt werden. In 
einer Anzahl von Ortschaften .werden Bohrungen auf brauchbares Trinkwasser 
durch einen von der Verwaltung angestellten Bohringenieur vorgenommen. 

Die Knappheit an Arznei- und Desinfektionsmitteln sowie an 
Verbandstoffen ist durch eine dem Kriegsbedarf entsprechende Einfuhr 
aus Deutschland beseitigt worden. 

Um eine Versorgung der Bevölkerung mit einwandfreien Nahrunga- 
u’nd Genußmitteln sicherzustellen, werden die auf Märkten und in Hand¬ 
lungen feilgebotenen Lebensmitteln häufig polizeilich besichtigt. Die Unter¬ 
suchung von Proben wurde in den Nahrungsmitteluntersuchungsämtern in Posen, 
Beuthen und Bromberg vorgenommen. Neuerdings ist aber für das gesamte 
Verwaltungsgebiet links der Weichsel ein großes Nahrungsmittelünter- 
auchungsamt in Lodz eingerichtet worden. Die beiden dort angestellten 
Chemiker sollen neben ihrer Tätigkeit in der Anstalt selbst das Gebiet links 
der Weichsel bereisen, Nahrungsmittel, insbesondere Milch, dort untersuchen 
und die Polizeibeamten in der Entnahme von Proben ausbilden. Ein besonderes 
Augenmerk wurde auch der Untersuchung und Beschaffenheit des Fleisches 
zugewandt Auf diesem Gebiete sind neben den deutschen Kreisärzten 
anch deutsche Kreistierärzte an der Arbeit 

Allem Anschein nach bringt die einheimische Bevölkerung den Be¬ 
strebungen der deutschen Gesundheitspflege ein mit der Zeit wachsendes Ver¬ 
ständnis entgegen. ,Die von der deutschen Verwaltung getroffenen Einrich¬ 
tungen versprechen gute dauernde Erfolge. 



182 


Tageaaäohrtchten. . 

Tagemctarichttir. 

' DieR ei c h sr eg i e r u n g hat dem vom Reichstage am 15. Januar d.J. ein¬ 
stimmig gefaßten Beschlüsse betreffs Herabsetzung der Altersgrenze bei der 
Invalidenversicherung Rechnung getragen und dem Bnndesrat einen Gesetz¬ 
entwurf zngehen lassen, dnrch den die Altersgrenze für den Bezog der Alters¬ 
rente vom 70. auf das 66. Lebensjahr herabgesetzt wird. Der Reichstag wird 
"also voraussichtlich noch in der jetzigen Tagung diese Gesetzesvorlage zu be¬ 
schließen haben. - 

», - _:_i. - - 

- * ' i . , t i • . • > 

Au« dem Setohatage. Ebenso wie bei der letzten Tagung des 
Reichstags (s. diese Zeitschrift; Jahrg* 1915, Nr. 23, 8.727) ist ihm auch bei 
Seinem jetzigen Zusammentritt wiederum eine Denkschrift Aber Wirtschaft* 
liehe Maßnahmen ans Anlaß des Krieges angegangen, die einen Ueberblick 
Aber die wichtigeren, von Mitte November 1916 bis in den Anfang März 1916 
getroffenen gesetzgeberischen- Verwaltungs- und anderen Maßnahmen geben. 
In der Denkschrift ist auch diesmal die Nahrnngsmittelversorgnng an erster 
Stelle behandelt. Der Zeitraum der jttnsten drei Monate bedeutet einen Zeit¬ 
abschnitt angespannter organisatorischer Arbeit aller zuständigen Stellen auf 
dem Gebiete der Nahrangsmittelfürsorge. Eine dankenswerte Bereicherung hat 
diese Tätigkeit dnrch die Mitarbeit des neu geschaffenen Beirats ffir 
Volksernährung erfahren« der aus fünfzehn Mitgliedern des Reichstags 
gebildet und seit Beginn des Jahres 1916 allwöchentlich zu einer Sitzung zu- 
sammengotreten ist. Beachtenswerte Anregungen ans dem Kreise der Beirats- 
mitglieder sind bereits teils unmittelbar für die gesetzgeberischen Arbeiten 
verwertet, teils an die Bundesregierungen weitergegeben und dort zur ferneren 
Verfolgung aufgenommen worden. Daneben hat die Reichsprüf ungsstelle 
für Lebensmittelpreise im Verein mit den Landes- and örtlichen Preis¬ 
prüf ungsstellen ihre Arbeiten fortgesetzt. 

Das System der Höchstpreise ist in zahlreichen neuen Verordnungen 
planmäßig weiter ausgebaut, zugleich aber ist versucht worden, die Härten, 
die dieses System nicht nur für Erzenger und Händler, sondern auch für die 
Verbraucher leicht im Gefolge haben kann, durch die Zulassung geeigneter 
Ausnahmebestimmungen zu mildern. Weiterhin haben die Erfahrungen der 
Praxis, immer deutlicher gezeigt, daß eine wirksame Höchstpreispolitik nur 
entweder in Verbindung mit einer öffentlichen Bewirtschaftung der 
beschlagnahmten und enteigneten Nahrungsmittel oder aber mit einer plan¬ 
mäßigen Organisation ganzer Berufsgruppen von Erzeugern 
und Händlern durchführbar ist. Aus diesem Gesichtspunkte heraus sind 
in der Berichtszeit neben nenen gesetzgeberischen Bestimmungen auch um¬ 
fassende Maßnahmen z.ur Organisation einzelner Wirtschaftszweige in Angriff 
genommen worden. 

So sind in Verwirklichung der früher erlassenen Bestimmungen über die 
Versorgungsregelung umfassende Versuche auf dem Gebiete der Fleisch- 
Versorgung gemacht. Zunächst sind in Preußen die Viehhändler pro¬ 
vinzweise zu Zwangsverbänden und diese wiederum zu einem Zentralverband 
zusammengeschlossen, denen unter obrigkeitlicher Einwirkung die Regelung 
der Preise und die zweckmäßige Verteilung der aufgekauften Viehbestände 
zur gleichmäßigen Befriedigung des Verbrauchs der verschiedenen Bezirke 
übertragen sind. In den anderen Bundesstaaten sind auf dem Gebiete der 
Viehversorgung organisatorische Maßnahmen zum Teil auf der gleichen, zum Teil 
attf einer im Endzweck ähnlichen Grundlage getroffen worden oder in Vorbereitung^ 

Die vollständige Regelung des Verkehrs von der Erzeugung 
öder Einfuhr bis zu ihrem Uebergang m die Hände des Verbrauchers unter 

S leichzeitiger Festsetzung von Höchstpreisen ist bei einigen 
et wichtigsten Nahrungsmittel eingeleitct. Ein Beispiel für die Durchführung 
einer solchen Regelung bietet in der Berichtsperiode der Verkehr mit aus¬ 
ländischer Butter, deren Einfahr in der Hand der Zentral-Einkaufsgesellschaft 
zusammengefaßt ist und deren planmäßige Verteilung bis zum Verbraucher 
unter Feststellung eines einheitlichen Verteil ungsplanes für das ganze Reichs¬ 
gebiet erfolgt. Für den Verkehr mit inländischer Butter ist der gleiche Weg 
insofern beschritten worden, als die Zentral-Einkanfsgesellschaft den Anspruch 
auf Lieferung eines bestimmten Teiles der Buttererzeugung aller deutschen 



Tagesuzchrichtm. 


188 

Großmolkereien erhalten hat . und diesen Anteil ‘nach dem gedachten Ver- 
teilongsplane verteilt. In beiden Fällen ist den Batter beziehenden Gemeinden 
die Verpflichtung aaferlegt, den weiteren Vertrieb an die Verbraucher durch 
Butterkarten zu regeln. 

Aul diesem Wege einer planmäßigen Verteilung der v-orhan- 
denenen und anfallenden Vorräte unter genauer Begrenzung 
des Anteils jedes einzelnen Verbrauchers wird sich, dem Bedürft 
aisse und den Möglichkeiten folgend, auch bei anderen wichtigen Lebensmitteln 
der yolkswirtschaftlich und sozialpolitisch wünschenswerte und gerechte Aus¬ 
gleich zwischen den Ansprüchen aller Kreise der Verbraucher erzielen lassen, 
wie er bereits bei der Versorgung mit Mehl und Brot mit Erfolg durch¬ 
geführt ist. 

Die Fragen der Nahrungsmittelversorgung zeigen außerordentliche Viel¬ 
gestaltigkeit und lassen eben deshalb sich nicht in ihrer Gesamtheit von 
einer zentralen Stelle aus lösen. Den Landesregierungen und den örtlichen 
Verwaltungen, insbesondere den Gemeinden, bleiben mannigfache Aufgaben 
yon starker Wichtigkeit yorbehalten. Wie bereits in der Bede des Stellver- 
■treter8 des Reichskanzlers im Reichstag vom 11. Januar 1916 nachdrücklich 
hervorgehoben worden ist, gibt schon die bestehende Gesetzgebung, namentlich 
durch die Verordnungen über die Versorgungsregelung, den Gemeinden überaus 
weitgehende Befugnisse, zu deren umfassender Ausübung sich diese in allen 
den Fällen entschließen müssen, in denen die Verschiedenartigkeit der örtlichen 
Produktionsbedingungen, die Mannigfaltigkeit der Formen des Handels und 
der Versorgung des betreffenden Marktes, sei es aus dem Inland, .sei es aus 
dem Ausland, einer zentralen Regelung durch den Bundesrat oder die Reichs- 
leitung entgegenstehen. 8ind erst einmal örtliche Regelungen durchgeführt, 
so wird sich viel leichter die Möglichkeit eines > weiteren. Zusammenschlusses 
oder eine, allgemeinen Zentralisation finden. . 

Aber über die Tätigkeit aller amtlichen Stellen des Reichs wie der 
Bundesstaaten und der Gemeinden weit hinaus muß — wie gleichfalls in der 
soeben angeführten Rede mit Nachdruck betont worden ist — in immer um¬ 
fassenderem Maße eine bewußte Mitarbeit der großen Kreise der 
Bevölkerung, der Erzeuger und Händler ebensowohl wie der Verbraucher, 
bei der planvollen Regelung unserer Nahrungsmittelversorgung Platz greifen. 
-Bei einem solchen Zusammenarbeiten wird sich das Ziel der gesamten nationalen 
Ernährungspolitik, das unbedingte Durchhalten bis zürn sieg¬ 
reichen Frieden, mit Sicherheit erreichen lassen. 


Tagesordnung der In Warschau am 1. und 2. Mai d. J. stattfindenden 
außerordentlichen Tagung des Deutschen Kongresses für innere Medizin 

(s. Nr. 5 dieser Zeitschrift, 8.160). 

Montag, den 1. Mai, vormittags 9'/i Dhr: Eröffnungssitzung. 
1. Abdominaltyphus. Referenten: Generaloberarzt Geheimrat v. Krehl; 
Generalarzt Hünermann. — 2.-Paratyphus. Referent: Generalarzt Geheim- 
rat Stintzing. — 8. Herzkrankheiten bei Kriegsteilnehmern. Referent: 
IVof. Wenckebach. — 4. Nierenentzündungen im Felde. Referent: General¬ 
oberarzt Geheimrat Hirsch. — Zur Diskussion eingeladen: Stabsarzt d. R. 
Prof. Bruns; Oberarzt Dr. Jungmann. 

Abends Kameradschaftliches Beisammensein. 

Dienstag, den 2, Mai, vormittags 9 Uhr: 1. Fleckfieber. 
Referent: Generaloberarzt Prof. Brauer. — 2. Biologie der Laus. Referent: 
Prof. Haee. — Zur Diskussion eingeladen: Dr. Munck. — 8. Schutz des 
Heeres gegen Cholera. Referent: Oberstabsarzt Prof. Hof mann. — 4. Ruhr. 
Referenten: Generaloberarzt Geheimrat M a 11 h e s; Geheimrat Prof. Kruse. 

Anschließend an die Sitzungen und, wenn erforderlich, am 3. Mai werden 
Führungen durch die ständigen und kriegsmäßigen medizinischen und sani¬ 
tären Einrichtungen und Anstalten Warschaus veranstaltet. 

Der Preis der Eintrittskarte beträgt für alle Teilnehmer 10 Mark. Zur 
Teilnahme an der Tagung sind berechtigt die Militär- und Zivilirzte, welche 
dem Deutschen Reiche und den verbündeten Staaten angehören. ..Angehörige 
neutraler Staaten werden ebensowenig zugelassen wie Damen (abgesehen von 
approbierten Aerztinnen) und sonstige Familienangehörige. 



<184 


Tagesnachrichten. 


Zivilärzte müssen bis spätestens 1. April ihre Teilnahme beim Sekretär 
des Kongresses, Prof. Dr. Weintrand in Wiesbaden, anmelden unter Angabe 
Von Namen, Staatsangehörigkeit, Wohnort nnd Adresse; sie erhalten dann von 
der Paßzentrale des Generalgouvernements den Passierschein zugesandt. 
Außerdem bedürfen sie eines Passes, den sie bei der Polizeibehörde ihres 
Wohnortes zu beantragen haben. Da die Beschaffung von Wohnungen mit 
Schwierigkeiten verbunden ist, müssen etwaige Wünsche bis spätestens 
15. April dem Sekretär des Kongresses mitgeteilt werden. 


Ehrentafel. Es haben weiterhin erhalten das 
Biserne Krenz II. Kasse: 

Generaloberarzt Prof. Dr. Hahn* Straßburg i. Eis. 

Oberstabsarzt d. L. Geh. Med.*Rat Dr. Otto, Kreisarzt a. D. in Neu¬ 
rode (Schlesien). 


Ehren - Ged&ohtnlatafel. für das Vaterland gefallen sind ferner: 

Oberarzt d. Bes. Dr. Josef Deßloch- Würzburg. 

Assistenzarzt d. Bes. Dr. Karl Fähndrich-Lahr (Baden) (Infolge von 
Krankheit gestorben). 

Landsturmarzt Dr. Franz Konrad-Landsberg (Oberbayern). 

Assistenzarzt d. Bes. Dr. Franz Bo 11, Landwehr-Inf.-Regt. 126. 

Oberarzt d. L. Dr. Otto Seidler-Essen a. Ruhr. 

Stabsarzt d. Bes. Dr. Siebert, Oberarzt an der Provinzialheilanstalt in 
Niedermarsberg (Westf.) (in Bußland an Flecktyphus gestorben). 

Oberarzt Dr. Kurt Sorge-Dresden (gestorben an Flecktyphus, im 
Blaukasus). 

Feldarzt Dr. Paul Zimmer mann-Freiburg L Breisgau (gestorben 
infolge von Krankheit). _ 

Cholera: In Oesterreich sind Choleraerkrankungen (Todesfälle) vom 
80. Januar bis 20. Februar: 2 (—), 1 (—), — (—) festgestellt; in Ungarn 
vom 14.—20. Februar: 1 (1); in Kroatien und Slavonien vom 24. Januar 
bis 14. Februar 16 (11), 8 (2) und 1 (1) (sämtlich bei Kriegsgefangenen); in 
Bosnien und Herzegowina: vom 6.—19. Februar: 1 (—) und 1 (1). 

Fleckfleber: Im Deutschen Reich sind vom 20. Februar bis 11. März: 
89 (2), 4 (1) und 1 (—) Erkrankungen (Todesfälle) unter den in Gefangenen¬ 
lagern untergebrachten Kriegsgefangenen vorgekommen; in Ungarn vom 
24. Januar bis 18. Februar: 27 (1), 13 (3) und 84 (9). 

Pocken: In den Wochen vom 20. Februar bis 11. März sind im 
Deutschen Reich 1, 1 und 8 Erkrankungen angemeldet. 


Erkrankungen nnd Todesfälle an ansteckenden Krankheiten ln 
Preußen. Nach dem Ministerialblatt für Medizinal-Angelegenheiten sind in der 
Zeit vom 20. bis 26. Februar 1916 erkrankt (gestorben) an Pest, Gelb¬ 
fieber, Fleckfieber, Cholera, Aussatz, Trichinose, Rots, 
Pocken, Tollwut: — (—); Bißverletzungen durch tollwutver¬ 
dächtige Tiere: 3 (—); Milzbrand: 1(1); Unterleibstyphus: 
170 (11); Ruhr: 22(6); Diphtherie: 2960(212); Scharlach: 1828(74); 
Kindbettfieber: 72(28); Genickstarre: 24(6); Fleisch-, Fisch- 
und Wurstvergiftung: 5(—); Körnerkrankheit (erkrankt): 49; 
Tuberkulose (gestorben): 883. 


Berichtigung. Bei der Noüz in Nr. 5 der Zeitschrift (S. 149) über den 
70. Geburtstag von Geh. Med -Bat Dr. Pfeiffer, Reg - und Med.-Rat in Wies¬ 
baden hat insofern eine Verwechselung stattgefunden, als nicht dieser, sondern 
sein älterer Bruder, Geh. San.-Rat I»r. E. Pfeiffer, der langjährige Sekretär 
des Deutschen Vereins für innere Medizin, seinen 70. Geburtstag gefeiert hat. 
Die für den jüngeren Bruder bestimmten Glückwünsche sind somit ante festum 
gekommen; mögen sie für ihn ein gutes Omen sein! 


Redaktion: Prof. Dr. Rapmund, Geh. Med.-Rat in Minden LW. 

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1916. 


29. Jahrg. 


Zeitschrift 


für 


MEDIZINALBEAMTE. 


Zentralblatt 

für das gesamte Gebiet der gerichtlichen Medizin und Psychiatrie, 
des staatlichen und privaten Versicherungswesens, sowie för das 
Medizinal- und Öffentliche Gesundheitswesen, einschließlich der 

Hygiene und Bakteriologie. 

Her&nsgegebcn 

von 

Prof. Dr. OTTO RAPMÜND, 

Geh. Med -Rat In Minden I. W. 


Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, Sächsischen, 
Wörttembergisohen, Badischen, Hessischen, Mecklenburgischen, Thüringischen, 
Braunschweigischen und Eisass • Lothringischen Medizinalbeamtenvereins. 


Verlag von Fiseher’s med. Buehhandlg E Kornfeld, 

Herzog!. Bayer. Hof- o. K. u. K. Kammar-BnobhlniUer. 

Berlin W. 62, Keithstr. 5. 

AuelfeB nihHM 41« Teriifihiadluf toirie alle AnzeifenannnhmettelUn des Io« 

ud laiUadei entfefizi. 


Nr. 7. 


Enehelat 


S. ud SO. Jedes ■esst*. 


5. April. 


Aus dem Kgl. Institut für Hygiene und Infektionskrankheiten in 
Saarbrücken (Stellvertr. Direktor: Prof. Dr. E. Go t sch lieh). 

Praktische Typhusbekämpfung und epidemiologische Beob¬ 
achtungen gelegentlich einer dörflichen Typhusepidemie. 

Von Dr. Richard Steinebach. 

Die Frage nach der Epidemiologie des Typhus abdominalis 
ist durch die systematische Typhusbekämpfung im Süd westen 
des Reiches in den Hauptpunkten beantwortet worden: Hin¬ 
sichtlich der Infektionsquelle wissen wir heute, daß nur die 
Ausscheidungen des typhusinfizierten Menschen in 
Betracht kommen; zu diesen rechnen wir auch die „Daueraus¬ 
scheider“ und „Bazillenträger“. 1 ) 

Weiter hat sich im Laufe der Jahre immer deutlicher 
gezeigt, daß die Terbreitnngsweise vornehmlich durch 
unmittelbaren oder mittelbaren Kontakt erfolgt; die indirekte 


l ) Eine Unterscheidung dieser beiden Arten ist praktisch häufig schwierig 
nnd von geringer Bedeutung; die praktische Typhusbekämpfung im Südwesten des 
Reiches bezeichnet daher beide mit dem gemeinsamen Namen „Bazillenträger". 














186 I ft. Steinebach: Praktische Typhusbekimpfon^ and epidemiologische 

Uebertragung durch infiziertes Wasser oder durch Nahrungs¬ 
mittel aller Art tritt gegenüber der Kontaktinfektion stark in 
den Hintergrund. Diese Tatsache wird in weiteren ärztlichen 
Kreisen nicht immer genügend gewürdigt; nicht selten ist man 
geneigt, das Trinkwasser, die Milch und andere Nahrungsmittel 
für die Verbreitung des Typhus verantwortlich zu machen. 
Die zu einer solchen Auffassung berechtigenden Voraussetzungen 
fehlen aber nur zu häufig: Da der Nachweis von Typhusbazillen 
im Trinkwasser oder in den beschuldigten Nahrungsmitteln nur 
sehr selten gelingt, sieht man gern in dem „explosions¬ 
artigen Charakter“ einer Epidemie einen Bew'eis für 
eine indirekte Uebertragungsweise. Als explosionsartig wird 
eine Epidemie dann angesehen, wenn um die gleiche Zeit ge¬ 
häufte Erkrankungen, die dazu vielleicht noch räumlich sich 
ziemlich weit verteilen, unvermittelt, d. h. ohne vorhergegangene 
gleichartige Krankheitsfälle auftreten. In solchen Fällen ist die 
Schlußfolgerung naheliegend, daß infiziertes Wasser oder infizierte 
Nahrungsmittel, von denen viele Personen, die untereinander 
gar nicht in Berührung zu kommen brauchen, genossen haben; 
die Seuche hervorriefen. Wohl ist eine derartige Schlu߬ 
folgerung naheliegend, aber deshalb noch keineswegs immer 
richtig. Man nehme nur beispielsweise an, daß eine 
Person mit einem ganz leicht verlaufenden Typhus 
(Typhus „levissimus“, unbewußt und unbemerkt durch 
direkten Kontakt eine ganze Reihe von Personen 
infiziert; diese können dann ihrerseits eine.solch 
große Anzahl von Kontaktmöglichkeiten bieten, 
daß gehäufte Erkrankungen um die gleiche Zeit 
auch an räumlich weit ausein anderliegenden Ort¬ 
schaf tsteilen scheinbar unvermittelt, d. h. also 
explosionsartig erfolgen. Würde man sich in diesen 
Fällen mit der Annahme einer indirekten Uebertragung und mit 
demefitsprechenden Maßnahmen, z. B. mit einer Sterilisierung 
der als infiziert angesehenen Genußmittel begnügen, so bliebe 
die eigentliche Infektionsquelle unverstopft, und die Möglichkeit 
zu weiteren Erkrankungen wäre gegeben. 

In voller Würdigung dieser Erwägungen hat die Typhus¬ 
bekämpfung im Südwesten des Reiches es sich zur Aufgabe 
gemacht, in jedem Falle von Typhus hinsichtlich der Verbrei¬ 
tungswege zunächst alle Möglichkeiten einer Kontaktinfektion 
zu berücksichtigen und in der Umgebung des Kranken die 
Personen zu ermitteln, die als Träger von Typhusbazillen die 
Infektionsquelle bilden können. 

Daß es unter Beachtung dieser Grundsätze gelingt, bereits 
ausgebrochene Epidemien von mittlerem Umfange 
epidemiologisch fast restlos aufzuklären und dadurch 
auch vollständig zum Stillstand zu bringen, dafür 
geben nachstehende Ausführungen, die sich im wesentlichen 
an den von mir über die Typhusepidemie in X. erstatteten 
amtlichen Bericht halten, ein Beispiel: 



Beobachtungen gelegentlich einer dörflichen Typhusepidemie. 


187 


I. Teil: Feststellung des Umfanges der Seuche 
und ihre Eindämmung. 

Am 16. September 1915 wurde dem Kgl. Kreisärzte 
Dr. T. gemeldet, daß in X. (einem Dorfe von etwa 2700 Ein¬ 
wohnern), Haus Nr. 351, die 70jährige Mag. Elis. Re. (Tabelle I 
Nr. 3) an Typhus erkrankt sei. Bei der tags darauf vorge¬ 
nommenen örtlichen Ermittlung zeigte sich, daß noch drei 
weitere Personen in X. an Typhus krank waren, nämlich die 
ungefähr gleichaltrigen Schüler Berthold La., August Re. und 
Heinrich Str. (Tabelle I Nr. 2, 5 und 6). 

Bei einer weiteren Ortsbesichtigung am 20. September 
erschienen wiederum drei Fälle dringend typhusverdächtig, 
nämlich das dreijährige Kind Wilhelm Sa. (in den Tabellen 
nicht aufgeführt, da der Verdacht sich später nicht bestätigte; 
vergl. weiter unten!); dann Frau Marg. Br. (Nr. 1) und endlich 
der bereits am 18. September verstorbene 9jährige Schüler 
Emil Le (Nr. 7). Obwohl im letzten Falle eine Sektion wegen 
äußerer Umstände (der Verstorbene war bereits eingesargt) 
unterbleiben mußte, war auf Grund der klinisohen Erscheinungen 
Typhus abdominalis als Todesursache höchst wahrscheinlich; 
der Fall wurde deshalb vom Kreisärzte gemeldet und in das 
Typhusregister aufgenommen. 

Am 27. September schloß ich mich einer dritten Orts¬ 
besichtigung an; an diesem Tage wurden drei neue typhus¬ 
kranke Personen in X. festgestellt und zwar Frau Friedr. Schn. 
(Nr. 4), Katharina Br. (Nr. 8) und Reinhold Ba. (Nr. 9). 

Die bis dahin ermittelten 10 Fälle ließen sich bereits zum 
großen Teil auf direkten Kontakt mit der zuerst erkrankten 
Person, Frau Marg. Br. (Nr. 1) zurückführen. Der Ursprung 
der ersten Fälle (Nr. 1 und 3) blieb jedoch zunächst noch 
zweifelhaft. Dieser Umstand und weiter die bedauerliche 
Tatsache, daß von allen Fällen nur einer (Marg. Elis. Re., 
Nr. 3) — und dieser auch erst 26 Tage nach Beginn der 
Erkrankung— in ärztlicher Behandlung gestanden hatte, 
so daß die Gefahr einer weiteren Verbreitung der 
Seuche bedeutend war, machten eine weitere systematische 
Durchsuchung des Ortes nach Personen, die typhuskrank waren 
oder verdächtig erschienen, vor kurzem erst durchseucht worden 
zu sein, dringend notwendig. 

Die genaue Ortsdurchsnchang wurde von mir in zwei Terminen 
an insgesamt 6 Tagen vorgenommen. Während meines ersten Aufenthaltes, 
vom 4. bis 6. Oktober, ermittelte ich 8 sichere Typhusfälle (Nr 10, 18, 14, 17, 
18, 19, 20 und 21). Den zweiten Aufenthalt, vom 14. bis 16. Oktober, benutzte 
ich zu Umgebungsuntersuchungen von weiteren 5 Fällen, die inzwischen vom 
Kreisärzte und dem behandelnden Arzt, Herrn San.-Rat Dr. R. zur Anzeige 
gebracht waren (Nr. 11, 12, lö, 16 und Maria Le., llaus Nr. 194); auch stellte 
ich 5 neue Typhusverdachtsfälle fest (Nr. 22, 28 und die in den Tabellen nicht 
geführten Anna Ku., Haus Nr. 152, Elise Le, Haus Nr. 194 und Frau Peter Re., 
Haus Nr. 67). 

In den beiden ersten Wochen nach meiner Rückkehr wurden noch 5 Fälle 
gemeldet (Nr. 24, 25, 26, 27 und der in die Tabellen nicht auf genommene 
Friedr. Be., Haus Nr. 184). 



188 Dr. Steinebach: Praktische Typhusbekämpfaog und epidemiologische 

Von den vorstehend angeführten 88 Personen, die an Typhus litten 
oder ans epidemiologischen Gründen zunächst typhusverdächtig waren, sind 
6 (Wilhelm Sa., Haus Nr. 134, Maria und Elise Le., Haus Nr. 194, Anna Kn., 
Haus Nr. 162, Frau Peter Be., Haus Nr. 67 und Friedrich Be., Haus Nr. 184) 
in den Tabellen nicht geführt. Bei all diesen hat nämlich die klinische Beob¬ 
achtung wie auch die mehrfach wiederholte bakteriologisch-serologische Unter¬ 
suchung keine Stütze für die Diagnose Typhus erbracht. 

Außer den vorgenannten Personen ermittelte ich bei der systematischen 
Ortsdurchsuchung noch 6 Kranke, die an Magen-Darmstörungen litten. Die 
klinischen Erscheinungen waren völlig unverdächtig; jedoch wurde vorsichts¬ 
halber eine Blutprobe entnommen, wie auch Stuhl und Urin zur Untersuchung 
eingeschickt. Nachdem die klinische Beobachtung keine Verdachtsmomente 
ergeben hatte und nachdem ferner alle bakteriologisch-serologischen Unter¬ 
suchungen negativ ausgefallen waren, wurde von einer Meldung dieser Personen 
Abstand genommen. 

Die dringendste Aufgabe, die bei der Ortsdurch¬ 
suchung zu erledigen war, nämlich die Feststellung aller 
verdächtigen Krankheitsfälle und deren schleunige 
Isolierung, durfte damit wohl als gelöst betrachtet werden. 
Dafür spricht auch der Umstand, daß die nach meiner Rückkehr 
gemeldeten Fälle ausschließlich solche Personen betreffen,, bei 
denen ein direkter Kontakt mit den früheren Fällen sicher ist 
(Fall Nr. 24 im infizierten Hause Nr. 130 und zwar 10 Tage 
nach dem vorausgehenden Fall 23; ferner die drei Fälle 26, 
26, 27 im infizierten Hause Nr. 167 und zwar 15 Tage nach 
der Isolierung der früheren Fälle). Diese Personen hatten wahr¬ 
scheinlich schon zur Zeit meines Aufenthaltes in X. die Krank¬ 
heitskeime aufgenommen; jedoch befanden sie sich alle noch 
im Zustande der Inkubation und boten daher noch keine 
Krankheitserscheinungen dar. Der weiteren Verbreitung 
der Epidemie war also durch eine systematische 
Ortsdurchsuchung an sechs Tagen ein Ziel gesetzt 
worden; eine Seuche, die bereits mehrere Wochen 
bestanden hatte und die schon eine ziemlich aus¬ 
gedehnte örtliche Verbreitung gewonnen hatte, 
war zum Stillstand gebracht worden durch reine 
hygienische Maßnahmen. Dieser Umstand verdient besondere 
Beachtung; lag doch angesichts der drohenden Qefahr einer 
großen Epidemie der Gedanke nahe, der Seuche mit noch 
anderen Mitteln entgegenzuarbeiten, beispielsweise durch eine 
Schutzimpfung der Bevölkerung. Ganz abgesehen davon, daß 
man über den prophylaktischen Wert der Typhusschutzimpfung 
ein abschließendes Urteil zurzeit nicht fällen kann, hätte diese 
Maßnahme praktische Nachteile zur Folge haben können: So 
wäre die für die schnelle Erkennung einer Typhuserkrankung 
so überaus wichtige Wi da Ische Reaktion bedeutungslos ge¬ 
worden, was die weitere Feststellung typhuskranker Personen 
unter Umständen sehr erschweren konnte. Wäre es aber doch 
im Verein mit den amtlich vorgeschriebenen Maßnahmen ge¬ 
lungen, die Epidemie ebenso schnell und vollständig zu ersticken, 
so wäre dem Trugschluß Raum gegeben worden, den ganzen 
Erfolg der Typhusschutzimpfung gut zu schreiben. 



Beobachtungen gelegentlich einer dörflichen Typhusepidemie. 


189 


II. Teil: Epidemiologie. 

Soweit die äußeren Verhältnisse es erlaubten (nämlich 
einmal die Anwesenheit der in Frage kommenden Personen 
und dann deren Einwilligung hinsichtlich der Entnahme einer 
Blutprobe), wurden ausgedehnte Umgebungsuntersuchun^en 
angestellt. Außer zur Ermittlung von Kranken dienten diese 
Umgebungsuntersuchungen zur Lösung einer zweiten ebenso 
wichtigen Aufgabe, nämlich der Ermittlung des epidemio¬ 
logischen Ursprunges und Zusammenhanges. 

Das Ergebnis der dahin zielenden Bemühungen ist aus 
den Tabellen und dem Ortsplan ersichtlich. Dieselben enthalten 
alle als positiv in das Typhusregister aufgenommenen Fälle 
und daher auch solche, bei denen die bakteriologisch-serologische 
Untersuchung zunächst Zweifel an der Diagnose TypJjus zuläßt. 
Diese zweifelhaften Fälle sind in den Tabellen eingeklammert 
und in Tabelle 1 außerdem durch Hinweis auf erläuternde Fu߬ 
noten kenntlich gemacht. 

Tabelle I (s. folgende Seite) führt die Typhusfälle auf, chrono¬ 
logisch geordnet nach dem mutmaßlichen Beginn der Erkrankung. 

Die mit Fußnote 1 versehenen Fälle (Nr. 4, 8 und 9) 
ergaben eine für Paratyphus B positive Grub er-WidaIsche 
Reaktion; die stets mit Typhusbazillen angestellte Parallel¬ 
reaktion war negativ. Bei einer zweiten Untersuchung des 
Falles Nr. 8 am 1. Oktober wurden Typhus- und Paratyphus¬ 
bazillen gleich stark agglutiniert; bei einer zuletzt am 30. No¬ 
vember 1915 wiederholten Reaktion war in den Fällen 8 und 9 
überhaupt kein positives Resultat mehr ablesbar und im Falle 4 
die Agglutination für Typhusbazillen bedeutend schwächer als 
für Paratyphusbazillen. Wenngleich nun derartige Fälle in der 
Regel als Paratyphusinfektion aufgefaßt werden, so sind doch 
eine ganze Reihe von Fällen bekannt, in denen sichere Typhus¬ 
fälle einen für Paratyphus gleich hohen oder höheren Aggluti¬ 
nationswert als für Typhusbazillen ergaben. Allerdings waren 
Typhusfälle, in denen eine Agglutination für Typhusbazillen 
völlig vermißt wurde, während die Reaktion für Paratyphus- 
bazillen positiv ausfiel, in der mir zugänglichen Literatur nicht 
bekannt. Diese Lücke konnte ich durch eine Reihe von 
Beobachtungen ergänzen, die am hiesigen Institut besonders in 
letzter Zeit erhoben und die an anderer Stelle mitgeteilt sind. Diese 
Arbeit erbrachte den Nachweis, daß das Serum von— auch 
bakteriologisch — sicheren Typhuskranken keine Agglu¬ 
tinationskraft für Typhusbazillen aufzuweisen braucht 
und trotzdem Paratyphusbazillen agglutinieren 
kann. Demgemäß ist es also wohl möglich, daß die Fälle 4, 8 
und 9 echte Typhen sind; die Fälle 4 und 8 um so mehr, als 
bei ihnen zuletzt auch Typhusbazillen mitagglutiniert wurden. 
Diese Möglichkeit gewinnt eine gewisse Wahrscheinlichkeit 
dadurch, daß das klinische Bild in allen drelFällen mehr dem 
des Typhus entsprach, und weiter deswegen, weil der epidemio- 



TystöusSüß ic I«ftranologiituii geordnet nach dem mutmaseiicisen Tag der Erkrankung. 






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Beobachtungen gelegentlich einer dörflichen Typhoaepidemie. ' 191 

logische Zusammenhang mit den anderen sicheren Typhusfällen 
in X. fast evident erscheint (vgl. umstehende Tabelle II). 

Ebenso ist bei Fall Nr. 22 (Fußnote 21) die Berechtigung 
zur Auffassung als Typhuserkrankung gegeben, da das dauernde 
Fehlen des Widalsehen Phänomens während der ganzen 
Erkrankungsdauer häufig beschrieben worden ist. Der Fall 
wurde auf Grund des klinischen Befundes und des epidemio¬ 
logischen Zusammenhanges als Typhus gemeldet. 

Bei Fall 27 endlich (Fußnote3!) erfolgte der Tod, bevor 
Untersuchungsmaterial eingesandt worden war; der klinische 
Befund erwies sich aber so eindeutig, und die epidemiologischen 
Gründe waren so schwerwiegend (4 sichere Fälle in derselben 
Familie I), daß an der Berechtigung, diesen Fall als Typhus zy 
führen, kaum ein Zweifel entstehen kann. Aus diesen Gründen 
hatte auch der Kreisarzt von der Leichenöffnung Abstand 
genommen. 

Im übrigen, ergibt sich aus Tabelle I noch mancherlei 
Bemerkenswertes: In Spalte f ist die Zeitdifferenz ange¬ 
geben, die vom Beginn der Erkrankung (Spalte .d) bis 
zum Tage der Meldung (Spalte e) liegt. Es zeigt sich 
deutlich, wie diese Zeitspanne, deren Größe zur Ausbreitungs¬ 
möglichkeit der Seuche in direktem Verhältnis steht, bei 
den später erkrankten Personen ziemlich progressiv 
abnimmt. 

Das in der Spalte b der Tabelle I angegebene Alter der 
Erkrankten läßt bereits Rückschlüsse zu', die für die Annahme 
sprechen, daß sich die Seuche vornehmlich durch Kontakt ver¬ 
breitete. Es sind nämlich vorwiegend zwei Altersklassen 
betroffen: Erstens schulpflichtige oder eben erst schulentlassene 
Kinder im Alter von 9 bis 15 Jahren (Nr. 2, 5, 6, 7, 9, 15, 
16, 20, 22, 23 und 26 = 11 Fälle) und zweitens jugendliche 
Personen (und zwar überwiegend weibliche!) im Alter von 
16 bis 28 Jahren (Nr. 1, 4, 8, 10, 12, 13, 14, 17, 18, 19, 21 
= 11 weibliche und 25, 27 = 2 männliche; zusammen 13 Fälle). 
Die Personen innerhalb der einzelnen Gruppen sind durch viele 
gleichartige Interessen und gleiche Beschäftigung 
auf regen wechselseitigen Verkehr hingewiesen. Es 
ist einleuchtend, daß für die Verbreitung einer Seuche eine 
derartige Alters- und Interessengemeinschaft von der 
größten Bedeutung sein kann. Die weitere Untersuchung ergab 
dann auch in der Tat, daß zahlreiche Kontakte durch 
diesen Umstand zu erklären sind. 

Weitere Kontaktmöglichkeiten ergeben sich aus 
der örtlichen Verteilung, wie sie aus dem Ortsplane (s. fol¬ 
gende Seite) ersichtlich wird. Die Häuser 179 (Fall 1 u. 2) und 130 
(Fall 23 und 24) wurden von je 2 Erkrankungsfällen, das Haus 167 
gar von 5 Fällen (11, 13, 25, 26 und 27) heimgesucht. Da diese 
Fälle in den betroffenen Haushaltungen nicht gleichzeitig auf¬ 
traten, sondern vielmehr in Zeitabständen einander folgten, die 
durchaus der Inkubationszeit des Typhus entsprachen, muß für 




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Tabelle II. Dibrtklt Usr dln TnrhrnitnnpsvtlM dar Tnbuipldnli In X. 

i Kontaktketten in Form yon Stammbäumen). 

Margarete Od., 70 Jahre, Kr. 181, 
TjrphMbaalUaotrSgertnvTor 8 Jahren typhaekrank. 


Beobachtangen gelegentlich einer dörflichen Typhasepidemie. j!93 




194 De. Steinem&nn: Praktisch? Typhasbek&mpfang and epidemiologische 


die später erkrankten Personen eine Kontaktinfektion 
vom jeweils ersten Falle her angenommen werden. Alle 
übrigen Fälle betrafen verschiedene Häuser (insgesamt 21), die 
sich auf fast alle T^eile der Ortschaft verteilen. Bei 
Fall Nr. 3 sind in Tabelle I, Spalte c zwei Hausnummern 
angegeben; die eingeklammerte Zahl 134 (die auf dem Ortsplane 
ebenso eingezeichnet ist) bezieht sioh nämlich auf das Haus, in 
dem die betreffende Person gegen Tagelohn beschäftigt war; 
in diesem Hause erfolgte — wie sich bald herausstellte — ihre 
Infektion, und von hier aus fanden Kontakte in derNach- 
barschaft statt, nämlich die Fälle 17, 19, 22 und 23 in den 
Häusern 138, 128 und 130. Ueberhaupt mußte der nachbar¬ 
liche Verkehr ziemlich oft für Kontaktübermittlung 
verantwortlich gemacht werden: So geht der Fall 12 im 
Hause Nr. 109 auf Fall 5 im Hause Nr. 106 zurück; ebenso 
gehören die Fälle 6 und 10 in den Nachbarhäusern 169 und 162 
zusammen; desgleichen die Fälle 8 und 9 in den Häusern 196 
und 199. Weitere Aufschlüsse über Entstehung und Verbreitung 
der Epidemie gab die örtliche Verteilung nicht. Erwähnt sei 
noch die besondere Häufung der Erkrankungen in der dicht¬ 
bewohnten Ortsmitte, in der alle Häuser aus einem gemeinsamen 
Laufbrunnen das Wasser beziehen; jedoch wird die Annahme 
einer Wasserinfektion durch die zeitliche Aufein¬ 
anderfolge hinfällig. 

Wie im einzelnen die Ausbreitung der Epidemie statt¬ 
gefunden haben mag, lehrt Tabelle II (s. vorstehende Seite). In 
ihr sind die Kontaktketten mit ihren Verzweigungen in Form 
eines Stammbaumes aufgezeichnet. Beinahe alle 27 Fälle 
gliedern sich zwanglos durch fortlaufenden Kontakt den zuerst 
erkrankten Personen an: 

A. Die am 20. August 1915 erkrankte Marg. Elis Re. (Nr. 3) 
hat 6 weitere Fälle infiziert. 

B. Auf die am 10. August 1915 erkrankte Frau Marg. Br. 
(Nr. 1) lassen sich 14 Fälle zurückführen. Die große Ausdehnung 
dieses Stammbaumes erklärt sich durch die zahlreiche Ver¬ 
wandtschaft der Urheberin, ihren Wohnsitz im dicht bevölkerten 
Ortsteil und durch die frühzeitige Ansteckung ihres schulpflich¬ 
tigen Bruders Berthold La. (Fall Nr. 2), der seinerseits dann 
5 Schulkameraden infizierte. 

C. Der am 10. September 1915 erkrankte Peter Dö. (Nr. 11) 
setzte 4 Kontakte in seiner Familie. 

Es ergeben sich somit 3 verschiedene Kontakt¬ 
stammbäume (in Tabelle II mit A., B. und C. bezeichnet), für 
die ein direkter Zusammenhang untereinander nur schwer kon¬ 
struierbar ist. Demnach war noch die Herkunft der Er¬ 
krankung bei den Urhebern der Kontaktstamm¬ 
bäume festzustellen, d. h. also für die Fälle Nr. 3, 1 und 11. 
Es lag nahe, für diese Fälle Beziehungen zu früheren 
Typhuserkrankungen in X. anzunehmen. 

Aus den Ortslisten, die seit 1906 geführt sind, ergab sich 



Beobachtungen gelegentlich einer dörflichen Typbneepidemie. .195 

zunächst, daß von allen bei der heurigen Epidemie infizierten 
Häusern nur in Nr. 832 Typhus vorgekommen war und zwar 
im Jahre 1910, in dem X. ebenfalls von einer Epidemie heim¬ 
gesucht worden war. Die bei der damaligen Epidemie im 
Hause 332 erkrankte Person starb infolge ihrer Erkrankung; sie 
ist daher für die Entstehung der Epidemie von 1915 bedeutungs¬ 
los, zumal der im Hause 332 jetzt vorgekommene Fall (Nr. 16) sich 
einwandfrei auf andere Erkrankungen zurückführen läßt, — , Ein 
anderes Haus, das im Jahre 1910 infiziert war, erschien bedeutungs¬ 
voller, nämlich das Haus Nr. 349; dieses liegt in nächster 
Nähe des Hauses Nr. 351, des Wohnhauses der Marg. 
Elis. Re. (Fall Nr. 3), die im Beginn der Epidemie er¬ 
krankte und als die Urheberin des Kontaktstamm¬ 
baumes A gelten muß. Die örtliche Zusammengehörigkeit 
dieser beiden Häuser ist um so höher zu bewerten, da beide 
von nahen Verwandten bewohnt werden, die fast ein gemein¬ 
sames Familienleben führen. Die mehrfache Untersuchung der 
Hausbewohner förderte jedoch keinen positiven Befund zu tage; 
speziell wurde bei den früher typhuskranken Personen, die als 
Dauerausscheider in Betracht kommen konnten, der Nachweis 
von Typhusbazillen in den Abgängen nicht erbracht. 

Die Ermittlung des Falles Nr. 3, Marg. Elis. Re., ergab 
jedoch noch mehrere Möglichkeiten für eine Infektionsquelle. 
Diese Person hatte'nämlich bis zur Höhe ihrer Erkrankung bei 
Familie Sa. im Hause 134 gearbeitet. Es lag nahe anzu¬ 
nehmen, daß die Infektion dort erfolgt war, um §o mehr 
als auch das Kind Sa. um die gleiche Zeit Krankheits¬ 
erscheinungen dargeboten hatte. Der im Hause 134 wohnende 
Michel Sa. hatte vor mehr als 20 Jahren Typhus gehabt, und ein 
in demselben Hause beschäftigtes Dienstmädchen war ebenfalls 
verdächtig, Typhus überstanden zu haben. Von den verdächtigen 
Personen wurde mehrfach Stuhl und Urin untersucht; jedesmal 
mit negativem Ergebnis. 

Trotz so vieler ergebnisloser Nachforschungen mußte an 
der Ueberzeugung festgehalten werden, daß in der Umgebung 
der Marg. Elis. Re. die Infektionsquelle zu suchen war. Da 
lenkte sich der Verdacht auf eine in der nächsten 
Nachbarschaft des Hauses 134 wohnende Person, die 
ebenfalls 1910 Typhus gehabt hatte und die an 
Gallensteinkoliken litt. In der Tat wurden bereits bei 
der ersten Untersuchung im Stuhlgange dieser Person, der im 
Hause 131 wohnenden, 71jährigen Margarete Od., Typhus¬ 
bazillen festgestellt. Da auch die Nachuntersuchung diesen 
Befund bestätigte, hat die Margarete Od. als Typhusbazillen¬ 
trägerin zu gelten. Sie infizierte die Urheberin des 
Stammbaumes A. durch direkten Kontakt, der durch 
die enge Nachbarschaft und die Gleichaltrigkeit 
beider Personen ohne weiteres verständlich wird. 

Schwieriger waren Beziehungen der Bazillenträgerin zu 
den beiden anderen Kontakturhebern aufzufinden. 



196 Dr. Steinem&nn: Pr&ktiBche Typhusbekämpfung and epidemiologische 


Die zuerst erwogene Möglichkeit, dafi Frau Magarete Br., 
die Kontakturheberin zu Stammbaum B., bei einem Besuche 
ihres in Weißenburg beschäftigten Mannes sich infiziert habe, 
konnte nach den angestellten Erkundigungen nicht in Betracht 
kommen. Auf dieser Reise wurde Frau Br. von Frau Sa., bei der 
die Marg. Elis. Re. in Stellung war, begleitet. Daß auf diese 
Art zwischen Frau Br. und Marg. Elis. Re., d. h. also zwischen 
den Urhebern der Stammbäume B. und A., ein Kontakt über¬ 
mittelt wurde, erscheint deswegen sehr unwahrscheinlich, weil 
die Mittelsperson, Frau Sa., gesund blieb. Zwar 
erkrankte zu Beginn der Typhusepidemie auch das Kind der 
Frau Sa.; die klinische Beobachtung und die mehrfach mit 
negativem Ausfall wiederholte bakteriologische und serologische 
Untersuchung ergab aber mit größter Wahrscheinlichkeit, daß 
die Erkrankung des Kindes kein Typhus war. Un> so mehr 
muß der indirekte Kontakt durch eine gesund ge¬ 
bliebene Mittelsperson fraglich erscheinen. Die Kontakt¬ 
stammbäume dürften somit untereinander unabhängig sein. 

Immerhin ist auch bei den Stammbäumen B. undC. 
eine indirekte Beziehung zur Bazillenträgerin Od. 
möglich. Die Wäsche der Bazillenträgerin wird nämlich im 
Hause 165 gewaschen, das in naher Nachbarschaft der Häuser 179 
(Frau Marg. Br. Nr. 1) und 167 (Peter Dö. Nr. 11) gelegen ist. 
Die Wäsche aus den genannten drei Häusern wird an einem 
Brunnen gewaschen, und zwar ist es üblich, die Wäsche vor 
dem Kochen in kaltem Wasser „einzuweichen“ und zu verreiben. 
Eine Infektion durch Schmutzwäsche ist daher wohl 
möglich. Diese Möglichkeit ist in Tabelle II für die Stamm¬ 
bäume B. und C. als Ursprung angenommen. 

Natürlich bestehen bei zahlreichen Personen eine ganze 
Reihe von Möglichkeiten für Kontaktinfektionen; die¬ 
selben sind nur soweit eingetragen, als die Uebersichtlichkeit 
nicht darunter leidet; der Grad von Wahrscheinlichkeit ist aus 
der Tabelle ersichtlich. 

Jedenfalls ergibt sich das Bemerkenswerte, daß eine 
ziemlich ausgedehnte Epidemie sich vollständig 
durch Kontaktverbreitung erklärt und daß letzten 
Endes eine Bazillenträgerin als Infektionsquelle 
ermittelt wird. 1 ) 

Die Ursachen für die Ausdehnung der Epidemie 
decken sich zum Teil mit den Bedingungen, die für die Kontakt¬ 
möglichkeiten erörtert worden sind; z.T. aber erklärt sich das 
zunächst ungestörte und unbemerkte Umsichgreifen 
der Seuche durch den klinischen Charakter: Die meisten 
Fälle verliefen nämlich ziemlich mild; nur wenige wiesen 
bedrohliche Symptome auf; von den 4 Todesfällen fiel nur 


') Dieser Auffassung schloß sich auch der Medizinalreferent der Kgl. 
Regierung in Trier, Herr Qeh. Med.-Rat Dr. Schlecht, bei einer Orts¬ 
besichtigung an. 



Beobachtungen gelegentlich einer dörflichen Typhusepidemie. 197 


einer (Nr. 3) in den Beginn der Epidemie. Demgemäß wurde 
nur bei vereinzelten Fällen (Nr. 3, 11, 15, 16 und 26) zum 
Arzt geschickt; bei allen übrigen Personen wurde von den 
Angehörigen die Diagnose „Erkältung“ gestellt. Da eine ganze 
Reihe der Kranken nur wenige Tage oder überhaupt nicht 
bettlägerig gewesen war, stieß die Ermittlung z. T. auf große 
Schwierigkeiten, die nur durch die systematische Durchsuchung 
aller Häuser und durch recht zahlreiche bakteriologische und 
serologische Untersuchungen bewältigt wurden. Mehrfach 
zeigte sich ein Ansatz zu anscheinend explosions¬ 
artiger Verbreitung; so fielen 4 Erkrankungen auf den 

1. und 2. September, und in den Tagen vom 20. bis 24. Sep¬ 
tember — also ziemlich zu gleicher Zeit! — breitete sich die 
Epidemie auf 6 neue Personen aus! Wären die Vorläufer und 
Zwischenglieder zu diesen Fällen verborgen geblieben — was 
bei dem leichten klinischen Verlauf sehr wohl möglich war, so 
wäre den Vermutungen über eine indirekte Verbreitungsweise 
weitester Spielraum geboten worden. Es zeigt dieses Beispiel, 
wie sehr die Methodik der Typhusbekämpfung im Südwesten 
des Reiches zu Recht besteht, nämlich bei jedem Falle von 
Typhus, gleichgültig, ob er sporadisch oder im Rahmen einer 
größeren Epidemie auftritt, allen nur denkbaren Kontakt¬ 
möglichkeiten nachzugehen und möglichst den oder die typhus¬ 
infizierten Menschen ausfindig zu machen, von denen die Infektion 
ausgegangen sein könnte. 

Ergebnis. 

1. Eine Typhusepidemie mittleren Umfanges wird 
durch rein hygienische Maßnahmen — nämlich 
schleunige Isolierung der Kranken und Krank¬ 
heitsverdächtigen — in kurzer Zeit völlig zum 
Stillstand gebracht. 

2. Die Seuche erweist sich trotz einiger Ansätze 
zu explosionsartiger Verbreitung als ausschlie߬ 
liche Kontaktepideraie. 

3. Als Infektionsquelle wird eine Bazillenträgerin 
festgestellt. 

Dem Herrn Reichskommissar für die Typhusbekärapfung, 
Geh. Med.-Rat Dr. Wodtke, spreche ich für manchen wertvollen 
Wink bezüglich der epidemiologischen Auffassung meinen ver¬ 
bindlichsten Dank aus. 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 

A. Oeriohtliohe Payohiatrie. 

Militär-Psychiatrische Beobachtangen and Erfahrungen. Von Stabs¬ 
arzt Dr. W e y e r t in Posen. Sammlung zwangloser Abhandlungen ans dem 
Gebiete der Nerven- und Geisteskrankheiten; XI. Bd , H. 2—4. Halle 1916. 
Carl Marholds Verlagsbuchhandlung. 8°, 146 S. Preis: 3,60. 

Das 8treben der Militärverwaltung ist ein zweifaches: 1. Verhinderung 
der Einstellung von psychisch kranken oder defekten jungen Leuten in die 



198 Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften* 

Armee, und 2. möglichst frühzeitige Erkennung aller geistig für den Heeres¬ 
dienst nicht geeigneten Elemente. Die erste Forderung wird kaum ganz erfüllt 
werden können, wenn in dieser Hinsicht auch durch verständnisvolles Zusammen¬ 
arbeiten mit Zivil- und Militärbehörden (besonders durch Mitwirkung der Irren¬ 
anstalten, Hilfsschulen, Fürsorgestellen usw.) schon viel erreicht ist und viel¬ 
leicht noch mehr erreicht werden kann. Um so mehr muß die Militärverwaltung 
Wert darauf legen, möglichst bald nach der Einstellung die Mannschaften mit 
regelwidrigen Geisteszuständen herauszufinden; dafür ist auch jetzt nament¬ 
lich durch Errichtung psychiatrischer Stationen bei jedem Armeekorps, die 
unter Leitung eines spezialistisch ausgebildeten Militärarztes stehen, insofern 
ausreichende Fürsorge getroffen, als nunmehr ein geistig kranker oder auf¬ 
fälliger Soldat sofort einem Fachmann zur Beobachtung oder Behandlung über¬ 
wiesen werden kann. Verfasser ist Leiter einer solchen größeren psychiatrischen 
Station in Rosen gewesen und berichtet in der vorstehenden, höchst interessanten 
Abhandlung über seine dortige Tätigkeit während der Zeit vom 1. Oktober 1911 
bis 30. September 1912. Von den 106 behandelten Kranken gehörten 7 dem 
Offizierstande, 16 dem Unteroffizier- und 83 dem Mannschaftsstande an Unter 
den behandelten Mannschaften wurden am häufigsten Dementia praecox (20), 
psychopathische Konstitution (22), Imbezillität (20) und Epilepsie (11) beob¬ 
achtet; bei den Angehörigen des Unteroffizierstandes: alkoholische Geisteskrank¬ 
heiten (4) und Dementia praecox (3). Bei den Mannschaften wurde die be¬ 
treffende Geisteskrankheit in fast zwei Drittel der Fälle schon im ersten Dienst¬ 
jahre fcstgestellt. Das beobachtete Material wird nach den Geisteskrankheiten 
(Dementia praecox, angeborener Schwachsinn, Epilepsie, psychopathische Kon¬ 
stitution, endogene Nervosität und erworbene Neurasthenie, Hysterie, organi¬ 
sche Gehirnerkrankungen, depressives Irresein, akute halluzinatorische Ver¬ 
rücktheit) geordnet und unter Einfügung bemerkenswerter Krankheitsgeschichten, 
sowie mit Rücksicht auf Fürsorgeerziehung und Kriminalität besprochen. Von 
den 83 Mannschaften hatten sicü 12 = 14,4°/ 0 in Fürsorgeerziehung befunden; 
26 = 31‘Vo waren bestraft, 41 — 49,4 °/ 0 wegen einer gerichtlich zu ahndenden 
Straftat bezw. auf Anordnung des Gerichts der Beobachtung überwiesen, 
darunter nicht weniger als 26, also fast zwei Drittel, wegen unerlaubter Ent¬ 
fernung bezw. Fahnenflucht; sonst bildeten Achtungsverletzung und Gehorsams¬ 
verweigerung (je 4 mal) die häufigsten Delikte. Von den Fahnenflüchtigen litt 
je ein Drittel an Imbezillität und an einer degenerativen psychopathischen 
Konstitution; es wird also die auch von anderen Psychiatern gemachte Er¬ 
fahrung bestätigt, daß Fahnenflucht gerade von Schwachsinnigen nicht selten 
begangen wird. Betreffs der strafrechtlichen Verantwortlichkeit 
der Imbezillen ist Verfasser der Ansicht, daß man ihnen gegenüber die 
Grenzen der Zurechnungsfähigkeit möglichst weit stellen und sich ihnen gegen¬ 
über aus sozialen Gründen vor einer weichherzigen Sentimentalität hüten sollte. 
Affekthandlungen und Straftaten Imbeziller unter Alkoholeinfluß seien jedoch 
besonders eingehend zu würdigen. 

Aus den Ausführungen des Verfassers geht jedenfalls erfreulicherweise 
hervor, daß es heutigentags viel schneller und vollkommener als früher ge¬ 
lingt, geistig kranke oder abnorme Mannschaften zu erkennen und aus dem 
Heere auszuschließen, dank der getroffenen Maßnahmen und nicht zum wenigsten 
dank der vertieften psychiatrischen Kenntnisse und Fähigkeiten der Truppenärzte, 
Militärrichter und Offiziere Wünschenswert für die Zukunft ist nach Verf. Ansicht 
Ergänzung der geltenden Bestimmungen nach der Richtung hin, daß ein Mann 
wegen verbrecherischer Taten nicht bloß wie bisher bei Zuchthausstrafe zwangs¬ 
weise aus dem Heere entfernt werden kann, sondern dem Gerichte die Befugnis 
eingeräumt wird, auch bei leichteren wiederholten Verbrechen oder längeren 
Gefängnisstrafen gleichzeitig auf Entfernung aus dem Heere zu erkennen; ein 
Vorschlag, der bereits von Stier gemacht ist. Mit Rücksicht auf die Frage, ob 
eine Kriminalität schon vor dem Diensteintritt als Folge einer krankhaften 
oder abnormefi Psyche bestanden hat, ist es weiterhin erwünscht, daß etwaige 
Freisprechungen oder Einstellungen des Verfahrens aus $ 51 Str. G. B. in die 
Straflisten eingetragen werden. Bei häufigen oder längeren Gefängnisstrafen 
könnten auch Zählkarten bezw. Fragebogen von den Gefiingnisärzten angelegt 
werden, die eine wertvolle Unterlage für die Beurteilung vorbestrafter Mann¬ 
schaften bilden würden. Man kann dem Verfasser nur bestimmen, wenn er 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften.- 1'99 

sich am Schloß seiner Ausführungen dahin äußert, „daß die erhöhte Beachtung 
des Kapitels: Kriminalität und geistige Gesundheit sowie die Verarbeitung eines 
großen Beobachtuagsmaturials durch die Militärpsychiater doch allmählich- 
praktische Ergebnisse zeitigt, die schließlich dazu führen, nnser Heer in 
größerem Maße als bisher von geistig kranken oder ungeeigneten Elementen 
säubern zu können." Bpd. 


B. laohTerst&ndlgent&tigkelt in Unfall- and Invalidität*- and 
KrankenTsniohenmgnaehsn. 

Zur Frage der traumatischen Neurose. Von Prof. Dr. Zangger- 
Ziirich. Zentralblatt für Gewerbehygiene; 1916, Nr. 1 u. 2. 

Der versicherungs-medizinische Begriff der traumatischen Neurose be¬ 
deutet in der Mehrzahl der Fälle auch ein in bezug auf das Erwerbsleben gute 
Prognose; die Aerzte müssen sich aber bewußt bleiben, daß ein momentanes 
Hymptomenbild, das der traumatischen Neurose entspricht, nicht immer diese 
gute Prognose hat Wesentlich schlechter scheint die Prognose, wenn das be¬ 
dingende Trauma dadurch charakterisiert ist, daß seine Wirkung infolge der 
physikalischen Eigenart des ganzen Körpers spezifisch durchdringt (elektrische 
Wirkung, chemische Wirkungen). Es gibt aber auch Fälle, bei denen ein¬ 
fach unsere Methodik nicht ausreicht, die bleibenden Störungen festzustellen, 
wenn sie sich auch unter etwas atypischen Bildern verstecken, die immer noch 
dem ja nicht scharf abgegrenzten Bild der traumatischen Neurosen entsprechen, 
die aber unter sukzessiver Verschlimmerung in Krankheitsbildern übergehen, 
die z. B. Störungen in den Meningen, der inneren Sekretion entsprechen und 
zum Tode führen können. Es kann aber auch indirekt eine kausal mit dem 
Trauma zusammenhängende Störung eine Situation bedingen, durch die der 
Tod erfolgte, wo also ein Kausalzusammenhang in dem rechtlichen Sinne be¬ 
steht, daß mit größter Wahrscheinlichkeit der Tod ohne die Traumafolge nicht 
eingetreten wäre. Dr. Wolf- Hanau. 

Nur 25°/ 0 Erwerbseinbuße bei Verlust des Sehvermögens auf einem 
Auge^ auch wenn der Augapfel entfernt ist. Rekurs-Entscheidung des 
Beichs-Versicherungsamts vom 5. Januar 1916. 

Es handelt sich nur noch um den glatten Verlust des Sehvermögens auf 
dem rechten Auge, an den Gewöhnung eingetreten ist. Die Ansicht des Klägers, 
ihm stehe als Gesteinshauer für diesen Verlust unter allen Umständen eine 
Teilrente von 33*/»°/.» zu, ist irrig. Vielmehr ist nach der Rechtsprechung des 
R. V. A. bei jedem Verletzten der Grad der Beeinträchtigung von Fall zu Fall 
zu prüfen. Mit Rücksicht auf den vom Kläger verdienten normalen Lohn ist 
in diesem Falle eine Teilrente von 2ß g / 0 aber ausreichend, so daß dem Rekurse 
des Verletzten gegen das Urteil des Oberversicberungsamts vom 14. März 1913 
der Erfolg zu versagen war. 

Ebenso unbegründet ist der Rekurs gegen das Urteil vom 15. Junii914. 
Dieses setzt die Rente aus dem Unfall vom 80. August 1901 nach erfolgter 
operativer Entfernung des rechten Auges von neuem fest. Nach den 
Gutachten des Dr. K. und des Dr. M. hat sich die Einbuße an Erwerbsfähigkeit 
durch die Entfernung des rechten Auges nicht gemindert. Nach wie vor handelt 
es sich nm den glatten Verlust dieses Auges und hierfür ist, wie oben aus- 
geführt, eine Teilrente von 25®/ 0 angemessen und ausreichend. 

(Kompaß; 1916, Nr. 6.) 


Die ärztlichen Berater der Landesversicherungsanstalten (die soge¬ 
nannten Vertrauensärzte) können vor dem Oberversichernngsamt als 
Parteivertreter erscheinen und als solche gehört werden. Es ist auch 
zulässig, daß sie in einzelnen Fällen ans besonderen Gründen vom Ober- 
versichernngsamt als Zeugen und in Verbiudnng mit der Auskunft über 
ihre eigenen früheren Wahrnehmungen gutachtlich (als sachverständige 
Zeugen) vernommen werden. Doch dürfen die Oberversichernngsämter 
zur Vermeidung einer Umgehung (Verletzung) des § 16H6 der Reichster- 
sichernngsordnung hieraus keine Regel machen. Revisions-Ent¬ 
scheidung des Reicbsversicherungsamts vom 15.Mai 1915. 

(Amtliche Nachrichten des Reichs-Versicherungsamts; 1916, Nr. 8.) 



900 


Kleinere Mitteilungen and Befernte ans Zeitschriften. 


Der Hinweis darauf, daß für die Schätzung der Erwerbsunfähigkeit 
des Verletzten ein (näher bezelchnetes) ärztliches Gutachten die Unterlage 
bilde, genügt nicht als Begründung des Bescheid (§ 1589 der Reichsver¬ 
sicherungsordnung). Es bedarf vielmehr der Mitteilung wenigstens des 
wesentlichen Inhalts des Gutachtens. Rekurs-Entscheidung des 
Reichsversicherungsamts vom 27.Februar 1915. 

(Amtliche Nachrichten des Reichs-Versicherungsamts; 1915, Nr.7.) 


Die Kosten ärztlicher Gutachten, die das Versicherungsamt im Ein¬ 
spruchsverfahren im Rahmen seiner Befugnisse aus §| 1595 und 1598 der 
Reichsversicherungsordnung einholt, gehören zu den von den Ver¬ 
sicherungsträgern zu erstattenden Barauslagen. Für die Frage der 
Erstattungspflicht eines im Einspruchsverfahren von Amts wegen einge¬ 
holten ärztlichen Gutachtens kommt es nicht darauf an, ob das Gutachten 
zur Beurteilung des Falles erforderlich war. Rekurs-Entscheidung 
des Reichsversicherungsamts vom 7. September 1914. 

Der Anspruch auf Kostenerstattung ist aus § 1600 in Verbindung mit 
§ 1598 der Reichsversicherungsordnung gerechtfertigt, da sich das Ver¬ 
sicherungsamt nach mündlicher Verhandlung zur Sache gutachtlich geäußert 
hat. Die Berufsgenossenschaft bezweifelt zu Unrecht, daß die Kosten ärztlicher 
Gutachten zu den von den Versicherungsträgern zu erstattenden Barauslagen 
des Einspruchsverfahrens gehören. Im § 59 Abs. 2 a. a. 0. ist durch den 
Hinweis in der Klammer klargestellt, daß auch der Einspruch im Sinne dieser 
Vorschrift als Spruchsache zu behandeln ist. Die im Einspruchsverfahren ent¬ 
stehenden Kosten sind daher von den Versicherungsträgern zu erstatten, soweit 
es sich um Barauslagen des Verfahrens handelt. Hierzu gehören unbestritten 
auch die Gebühren für Sachverständige, weil sie sofort ausscheidbar und nicht 
den gewöhnlichen Kosten der Organisation zuzurechnen sind. Nach der Rechts¬ 
übung des Reichsversicherungsamts sind demnach die Kosten ärztlicher Gut¬ 
achten, die das Versicherungsamt im Einspruchsverfahren im Rahmen seiner 
Befugnisse aus §§ 1595 und 1598 a. a. 0. einholt, von'den Vejpicherungsträgern 
zu erstatten. 

Die Berufsgenossenschaft nimmt ferner irrig an, das Versicherungsamt 
dürfe in der Regel kein so umfangreiches und kostspieliges Gutachten wie im 
vorliegenden Falle einholen. Das Reichsversicherungsamt hat schon in der 
erwähnten Entscheidung 2735 ausgesprochen, daß das Versicherungsamt auch 
eingehend begründete Gutachten einzuziehen berechtigt ist. Die den Kom¬ 
missionsberichten 6. Teil 8.102 entnommenen Ausführungen der Berufsgenossen¬ 
schaft können diese Ansicht nicht widerlegen. Die Erklärungen eines Ver¬ 
treters der verbündeten Regierungen in der Kommission über die Ausdehnung 
der Ermittlungen im Einspruchsverfahren sind von der Berufsgenossenschaft 
nicht vollständig wiedergegeben worden. Sie lauten nämlich dahin, daß größere 
Erhebungen der Berufsgenossenschaft überlassen bleiben müßten. Wenn sie 
geboten sein sollten, habe sich das Gutachten des Versicherungsamts darauf 
zu beschränken, wünschenswert erscheinende Anregungen zu geben. Unter 
größeren Erhebungen in diesem Sinne sind aber in der erwähnten Entscheidung 
nur umständliche, mit einer Beobachtung im Krankenhause verbundene Begut¬ 
achtungen und sogenannten Obergutachten zu verstehen. 

Unrichtig ist schließlich die Ansicht der Berufsgenossenschaft, die Kosten 
für ein von Amts wegen eingeholtes ärztliches Gutachten habe der Versicherungs- 
träger nur dann zu erstatten, wenn es zur Beurteilung des Falles noch 
erforderlich gewesen sei. Schon unter der Herrschaft des früheren Rechtes hat 
das Reichsversicherungsamt in ständiger Rechtsübung anerkannt, daß die von 
den Schiedsgerichten für Arbeiterversicherung eingeholten Gutachten ohne 
Rücksicht auf ihre Notwendigkeit von den Berufsgenossenschaften zu erstatten 
sind. Ebenso gilt in Gerichtskostengesetze der Grundsatz, daß die Belastung 
der Staatskasse mit Auslagen des Verfahrens unzulässig ist, auch wenn diese 
Auslagen durch ein Verschulden der im Verfahren tätig gewesenen Beamten 
oder sonstwie durch eine unrichtige Behandlung der Sache ohne Schuld der 
Beteiligten entstanden sind. Hat im Einspruchsverf&hren ein Versicherungsamt, 
das sich gutachtlich zur Sache geäußert hat, von Amts wegen Ermittlungen 
angestellt, so haben, wenn der beteiligte Versicherungstrager sich weigert, die 



Kleinere Mitteilungen jnd Referate ans Zeitschriften. 


201 


hierdurch entstandenen Kosten za tragen, die Instanzen nur zu prüfen, ob die 
Beweismittel bereit oder leicht za beschaffen and erhebliche Kosten nicht 
entstanden sind (§ 1598 a. a. 0.). Darüber, ob eine Beweiserhebung erforderlich 
ist, bat der Vorsitzende des Versicherangsamts allein pflichtgemäß za befinden. 
Die Erheblichkeit des Beweises ist ohne Bedeutung für die Kostenerstattungs¬ 
pflicht. Sonst würde im Kostenbeschwerdeverfahren die Grundlage des ganzen 
Rentenstreits nachzuprüfen und damit zu Fragen Stellung zu nehmen sein, die 
dem Spruchverfahren Vorbehalten sind. Die Gefahr, daß die Spruch- und 
Beschlußinstanz über die Bedeutung von Ermittlungen des Versicherungsamts 
verschiedener Meinung sind, muß vermieden werden. Auch würde das freie 
Ermessen der Versicherungsämter bedenklich beeinflußt werden, wenn für 
Ermittlungen, die in der Beschwerdeinstanz für nicht erforderlich angesehen 
werden, keine Kosten erstattet würden. Das Einspruchsverfahren könnte 
dadurch seine Bedeutung zum großen Teile verlieren. Das Reichsversicherungs¬ 
amt geht aber bei dieser Entscheidung von der Voraussetzung aus, daß die 
Versicherungsämter bei ihren Beweiserhebungen sachgemäß verfahren und dabei 
bemüht sein werden, eine Belastung der Berufsgenossenschaften durch unnötige 
Kosten zu vermeiden. 

(Amtliche Nachrichten des Reichs-Versicherungsamts; 1915, Nr. 7.) 


IIeberträgt die Berufsgenossenschaft der Krankenkasse gemäß § 1514 
der Reichsversichernngsordnnng das Heilverfahren Uber die dreizehnte 
Woche nach dem Unfall hinaus, so tritt hierdurch die Berufsgenossen¬ 
schaft nur zu der Krankenkasse, nicht auch zu den Personen, deren sich 
die Krankenkasse zur Ausführung des ihr erteilten Auftrages bedient 
(Aerzte, Apotheker usw.) in Rechtsbeziehnngen. Revisions-Entschei¬ 
dung des Reichs-Versicherungsamts vom 19. Juni 1915. 

Der Beklagten ist darin beizutreten, daß sie aus dem der Klägerin 
erteilten Aaftrag nur zu dieser in Rechtsbeziehungen getreten ist. Sie hat der 
Klägerin in dieser aus der Ausführung des Auftrags erwachsenen Kosten zu 
ersetzen. Zu diesen gehören ohne weiteres die Kosten der über die dreizehnte 

Woche nach dem Unfall hinaus fortgesetzten ärztlichen Behandlung. 

Nur solche Kosten hat die Berufsgenossenschaft zu ersetzen, die die Kranken¬ 
kasse für die zur Ausführung des ihr erteilten Auftrags notwendigen Leistungen 
nachweislich angemessen aufgewandt hat oder noch zahlen muß. Dabei sind 
Streitigkeiten mit dem Arzte über die Höhe seines Honorars nicht von der 
Berufsgenossenschaft, sondern von der Krankenkasse als der Auftraggeberin 
des Arztes mit diesem zum Austrag zu bringen. 

Der Auftrag der Beklagten an die Klägerin ging dahin, „die Leistungen 
für Rechnung der Beklagten im Rahmen der Kassenleistungen forzusetzen“. 
Die Beklagte durfte danach erwarten, daß die Klägerin die Heilbehandlung 
des verletzten W. in demselben Umfang und in der gleichen Weise wie während 
der ersten 13 Wochen fortsetzen würde, und daß ihr, der Beklagten, daraus 
nicht mehr Kosten entstehen würden, als die Klägerin selbst aufznwenden 
gehabt haben würde, wenn sie die weiteren Leistungen ohne Auftrag der Be¬ 
klagten im Rahmen der Kassenleistungen gewährt hätte. Die Leistungen, die 
die Klägerin dem W. im Auftrag der Beklagten gewährt hat, gehen über den 
Rahmen der Kassenleistungen nicht hinaus, die Notwendigkeit der ärztlichen 
Leistungen des Dr. Fr. wird von der Beklagten im allgemeinen nicht bestritten. 
Als angemessene, von der Beklagten zu ersetzende Vergütung kann daher 
vorbehaltlich des Nachweises der Notwendigkeit höherer Aufwendungen nur der 
Betrag gelten, den die Krankenkasse aufzuwenden gehabt haben würde, wenn 
sie die Leistungen für eigene Rechnung als Kassenleistungen gewährt hätte, 
d. i. der Betrag, den die Klägerin dem Arzte nach den mit ihm für 
Kassenleistungen getroffenen Vereinbarungen zu zahlen hätte. 
Glaubt der Arzt, der Klägerin höhere Gebührensätze in Rechnung stellen zu 
dürfen, weil die Klägerin Ersatz ihrer Aufwendungen von der Beklagten zu ver¬ 
langen berechtigt ist, so wird ein Streit hierüber zwischen der Klägerin und dem 
Arzte auszutragen sein, und die Beklagte gemäß §1514 Abs. 2 der R.V.O. der 
Klägerin alsdann auch den Betrag zu ersetzen haben, den diese nachweisbar über 
den Betrag des für Kassenleistungen vereinbarten Honorars hinaus möglicherweise 
an Dr. Fr. wird zahlen müssen. Zur Zeit fehlt es an diesem Nachweis. Die ganze 
Sachlage und der Akteninhalt geben nicht den geringsten Anhalt für die Annahme, 




202 Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 

daß Dr. Fr. berechtigt ist, für die im Auftrag der Klägerin fortgesetzte Be¬ 
handlung des verletzten W. der Klägerin höhere als die für Kassenleistungen 
vereinbarten und auch für die ersten dreizehn Wochen berechneten Honorarsätze 
in Rechnung zu stellen. Der Umstand, daß die Klägerin einen Ersatzanspruch 
gegen die Beklagte bat, ist für das Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin 
und dem Arzte hinsichtlich der von diesem im Auftrag der Klägerin fort¬ 
gesetzten Heilbehandlung, soweit erkennbar, ohne Bedeutung. Die Akten er¬ 
geben insbesondere nicht, daß etwa zwischen der Klägerin und Dr. Fr. für Fälle 
der vorliegenden Art besondere Honorarvereinbarungen bestanden. 

Hiernach beruht das angefochtene Urteil des Oberveraicherungsamts, 
durch das die Beklagte zum Ersätze des gesamten von Dr. Fr. berechneten, 
die mit der Klägerin für Kassenleistungen vereinbarten Sätze unstreitig über¬ 
steigenden Honorars von 280,75 M. verurteilt worden ist, auf der unrichtigen 
Anwendung des bestehenden Rechtes (§ 1697 der Reicbsversicherungsordnung). 
Das Urteil war daher auf die Revision der Beklagten aufzuheben und zugleich 
die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz 
zurückzuverweisen. Nach den dargelegten Grundsätzen ist der Ersatzanspruch 
der Klägerin zur Zeit nur insoweit begründet, als der Honoraranspruch des 
Dr. Fr. die Sätze nicht überschreitet, die die Klägerin zu zahlen haben würde, 
wenn die Behandlung des W. ohne den Auftrag der Beklagten an die Klägerin 
Von Dr. Fr. für Rechnung der Klägerin im Rahmen der dieser obliegenden 
Kassenleistungen fortgesetzt worden wäre. Das Oberversicherungsamt wird 
die Höhe dieses Betrags festznstellen und diesen seiner neuen Entscheidung 
zugrunde zu legen haben, sofern nicht die im § 1503 der R.V.O. bezeichneten 
Beträge höher sind, oder aber die Klägerin in dem neuen Verfahren nachweist, 
daß sie zur Bezahlung eines die für die Behandlung von Kassenmitgliedern 
vereinbarten Sätze übersteigenden Honorars an Dr. Fr. verpflichtet ist 

(Amtliche Nachrichten des Reichs-Vereicherungsamts; 1915, Nr. 9.) 


Eine vom Arzte angeordnete nnd überwachte medlko-mechanische 
Behandlung stellt eine ärztliche Behandlung und nicht ein Heilmittel im 
Sinne des § 182 Nr. 1 der Reichsversicherungsordnung dar. Revisions- 
Entscheidung des Reichsversicherungsamts vom 31. Mai 1915. 

Die Annahme des Oberversicherungsamts, daß die beklagte Krankenkasse 
im vorliegenden Falle zur Gewährung der mediko-mechanischen Behandlung 
verpflichtet sei, läßt keinen Rechtsirrtum erkennen. Der Auffassung des Vor¬ 
standes der beklagten Kasse, daß eine mediko-mechanische Behandlung ein 
Heilmittel darstelle, zu dessen Gewährung sie nur nach Maßgabe ihrer Satzung 
(§ 20 Abs. 1 Ziffer lb) verpflichtet sei (zu vergleichen § 182 Nr. 1, § 193 der 
Reichsversicherungsordnung), kann nicht beigetreteu werden. Allerdings war 
die Frage unter der Herrschaft des Krankenversicherungsgesetzes zweifelhaft. 
Die überwiegende Meinung in Literatur und Rechtsprechung rechnete die 
mediko-mechanische Behandlung den Heilmitteln zu, weil die persönliche 
Tätigkeit des Arztes dabei fast ganz in den Hintergrund trete; diese Auffassung 
kann aber nach der Reicbsversicherungsordnung nicht mehr aufrecht erhalten 
werden. Nach § 122 der Reicbsversicherungsordnung umfaßt die ärztliche Behand¬ 
lung auch die „HilfeMeistungen anderer Personen, wie Bader — Heilgehilfen — 
Masseure und dergleichen dann, wenn der Arzt sie anordnet. Im vorliegenden 
Falle hat der Arzt die Anwendung der mediko-mechanischen Behandlung 
angeordnet, auch hat er ihren Erfolg fortlaufend überwacht und sogar bei der 
Einlegung des verletzten Gliedes in den Apparat persönlich mitgewirkt. Es 
liegt hier also jedenfalls eine auf Grund ärztlicher Anordnung erfolgte und 
auch vom Arzt dauernd überwachte Hilfeleistung vor, die nach § 12i a. a. 0. 
als ärztliche Behandlung anzusehen ist und zu deren Gewährung auf die Dauer 
von 26 Wochen die beklagte Kasse nach § 182 Nr. 1 der Reichsversicherungs¬ 
ordnung verpflichtet ist. Daß im übrigen durch die Verpflichtung der Kranken¬ 
kassen, eine mediko-mechanische Behandlung, falls sie vom Arzte angeordnet 
und ihr Ergebnis vom Arzte überwacht wird, als ärztliche Behandlung und 
nicht mehr als Heilmittel zu gewähren, die Volksgesundheit wesentlich gefördert 
wird, kann bei der steigenden Bedeutung dieser Heilungsart wohl nicht be¬ 
zweifelt werden. 

(Amtliche Nachrichten des Reichs-Versicherungsamts: 1916, Nr. 8.) 



Kleinere Mitteilangen und Referate ans Zeitschriften. 208 

Berechtigung der Krankenkassen zur Bezahlung der zwecks Ein¬ 
leitung eines Heilverfahrens ansgestellten ärztlichen Zeugnisse. Beschluß 
des Beichs-Versicherangsamts (großen Senats) vom 5. Juni 1815. 

Die Mittel der Kasse dürfen nach § 368 der Reicks-Versicherungsordnung 
znr Tragang der Kosten ärztlicher Zeugnisse verwendet werden, die Kassen* 
mitglieder für ein von der Versicherungsanstalt nach § 1269 ff. der R.V.O. ein- 
zuleitcndes Heilverfahren aufgewendet haben. 

ln der Beschwerdesache der Allgemeinen Ortskrankenkasse des Stadt¬ 
kreises Guben gegen die Entscheidung des Königl. Oberversicherungsamts in 
Frankfurt a. 0. vom 10. Februar 1916 wegen Tragung von Kosten für ärztliche 
Atteste von Kassenmitgliedern, die einen Antrag auf Heilanstaltsbehandlung 
bei der Landes Versicherungsanstalt stellen, hat das R.V.A. wie folgt entschieden: 

Die Entscheidung des Königl. Oberversicherungsamts Frankfurt a. 0. 
vom 10. Februar 1915 und die Anordnung des städtischen Versicherungs¬ 
amts in Guben vom 7. Dezember 1914 werden aufgehoben. 

Gründe: Nach dem Vertrage zwischen der Allgemeinen Ortskrankenkasse 
des Stadtkreises Guben und der dortigen Aerztevereinigung sollen die Kosten 
der ärztlichen Zeugnisse für diejenigen Kassenmitglieder, die lungenkrank sind 
nnd einen Antrag auf Heilanstaltsbehandlung bei der Landesversicherungsanstalt 
stellen wollen, im Betrage von je 6 M. von der Kasse bezahlt werden. Das 
Städtische Versicherungsamt Guben hat die Zulässigkeit der Uebernahme dieser 
Kosten durch die Kasse beanstandet, weil es sich um Ausgaben haudele, zu 
denen die Kasse weder nach dem Gesetz (§ 363 der R.V.O.), noch nach der 
Satzung ermächtigt sei. Es hat daher mit Verfügung vom 7. Dezember 1914 
die Bezahlung dieser Kosten durch die Kasse untersagt. Die Beschwerde gegen 
diese Anordnung hat die Beschlaßkammer des Königl. Ober versicherungsamte 
Frankfurt a. O. mit Entscheidung vom 10. Februar 1915 als unbegründet zu¬ 
rückgewiesen. Auch nach Ansicht des Oberversicherungsamts ist die Ver¬ 
wendung von Kas8emnitteln für den angegebenen Zweck unzulässig, weil der¬ 
artige Aufwendungen weder zu den satzungsmäßigen Leistungen noch zu den 
allgemeinen Zwecken der Krankheitsverhütung im Sinne des § 363 Abs. 1 der 
R.V.O. gehörten. Gegen diese Entscheidung hat der Kassenvorstaud rechtzeitig 
weitere Beschwerde beim ReicbsversicheruDgsamt eingelegt. Es handelt sich 
nach Ansicht der Kasse bei Uebernahme der fraglichen Kosten nicht um eine 
Vorbeugungsmaßregel zugunsten eines einzelnen Kassenmitgliedes, sondern um 
eine Fürsorge, die für einen größeren Teil erkrankter Kassenmitglieder und 
deren Familien von Bedeutung sei. Wegen der dadurch erleichterten Ein¬ 
leitung eines alsbaldigen Heilverfahrens mit größeren Heilungsaussichten für 
die Erkrankten trage diese Maßnahme, auch dazu bei, die allgemeinen Auf¬ 
wendungen der Kasse für Krankenhilfe zu verringern. Auf die Ausführungen 
in den Beschwerdeschriften der Kasse und die Entscheidungen des Versiehe- 
rangsamts und des Oberversicherungsamts wird im übrigen Bezug genommen. 

Die weitere Beschwerde ist zulässig (§ 1797 der R.V.O.) und auch begründet. 

Nach § 363 Abs. 1 der R.V.O. dürfen die Mittel der Kasse insbesondere 
verwendet werden zu den satzungsmäßigen Leistungen und für allgemeine 
Zecke der Krankheitsverhütung. Um eine satzungsmäßige Leistung handelt 
es sich bei Uebernahme der Kosten für die in Rede stehenden ärztlichen Zeug¬ 
nisse nicht. Denn wenn diese Aufwendungen auch erkrankten Kassenmitgliedern 
zugute kommen sollen, so fallen sie doch nicht unter die im Zweiten Buche der 
R.V.O vorgeschriebenen Leistungen oder die dort für zulässig erklärten Mehr¬ 
leistungen der Krankenkassen an Krankenhilfe (zu vergleichen § 179 der R.V.O.). 
Fraglich kann aber sein, ob die hierfür verwendeten Mittel zu den „allgemeinen 
Zwecken der Krankheitsverhütung“ zu rechnen sind. Der Senat hat dies an¬ 
genommen. 

Dem § 29 Abs. 2 des Krankversicherungsgesetzes, an den sich § 363 
der R.V.O. anlehnt, war eine Verwendung der Kassenmittel für Zwecke der 
Krankheitsverhütung fremd. Der Entwurf der R.V.O. wollte die Zwecke, für 
welche die Mittel der Kassen aufgewendet werden dürfen, erweitern, insbesondere 
Maßnahmen allgemeiner Art für die Gesamtheit der Kassenmitglieder, die das 
Entstehen oder Ausbreiten von Krankheiten unter ihnen verhüten könnten, für 
zulässig erklären (Begründung Seite 211). § 372 des Entwurfs (§ 363 der R.V.O.) 
ließ demgemäß die Verwendung der Mittel der Kasse auch für „allgemeine 
Schutzmaßregeln gegen Erkrankung der Mitglieder“ zu. An die .Stelle dieser 



204 


Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


Worte ist zufolge des in der Kommissionsberatang gestellten Antrags Nr. 224 
die jetzige Fassang des § 863 a. a. 0. getreten, wonach die Kassenmittel „für 
allgemeine Zwecke der Krankheitsverhütung“ verwendet werden dürfen. Die 
Erörterungen za diesem Antrag (zu vergleichen Seite 263, 264 des Kommissions- 
berichts 2. Teil) lassen erkennen, daß der Antrag keine Einschränkung, sondern 
eine Erweiterung des Verwendungszwecks der Kassenmittel verfolgte. Es sollte 
den Kassen die Befugnis gegeben werden, über die durch Qesetz oder Satzung 
vorgeschriebenen Leistungen für den einzelnen Erkrankten hinaus vorbeugende 
Maßnahmen zugunsten der Gesamtheit oder eines größeren Teiles der Kassen¬ 
mitglieder zu treffen. Den Gegensatz zu den „allgemeinen“ Maßnahmen bilden 
also „besondere“ Maßnahmen, die lediglich einem einzelnen Kassenmitglied, 
nicht auch einem größeren Kreise der Mitglieder förderlich sind (zu vergleichen 
auch Ilahn, Handbuch der Krankenversicherung, Anmerkung 1 d am Ende zu 
§ 868 der R.V.O). Als eine solche Maßnahme war die von der Kasse vor¬ 
gesehene Fürsorge gedacht. Die Kosten der ärztlichen Zeugnisse sollen nicht 
bloß in einem bestimmten Einzelfalle, sondern grundsätzlich bei allen erkrankten 
Versicherten übernommen werden, die nach ärztlicher Untersuchung Heilanstalts¬ 
pflege wegen Lungentuberkulose beantragen. Eine allgemeine Wirkung in 
diesem Sinne wird auch tatsächlich von dieser Maßnahme erzielt werden. Denn 
die den lungenkranken Mitgliedern gewährte Vergünstigung käme bei der 
weiten Verbreitung von Lungenkrankbeiten in den Kreisen der Versicherten 
erfahrungsgemäß einem größeren Kreise der Kassenmitgliedcr zugute. 

Derartige allgemeine Maßnahmen sollen nach § 363 a. a. 0. zulässig sein, 
wenn sie der „Krankheitsverhütung“ dienen. Begrifflich fallen 
hierunter alle Maßregeln, die geeignet sind, die Gesundheit der Kasscnmitglicder 
mittelbar oder unmittelbar zu fördern. Indessen soll die Zulässigkeit der Ver¬ 
wendung von Mitteln der Kasse, nach den Ausführungen der Begründung auf 
Seite 211 und eines Regierungsvertreters bei der Kommissionsberatung (Kom¬ 
missionsbericht 2. Teil Seite 264), in einer bestimmten Richtung beschränkt 
bleiben. Die Kassen sollen nämlich vorbeugende Maßnahmen, die nur die mög¬ 
liche Entstehung künftiger Krankheiten bei noch nicht erkrankten Personen 
verhindern sollen, nicht übernehmen. Denn sie würden dadurch in eine Sphäre 
übergreifen, die nach dem Gesetze (zu vergleichen § 1269 ff. der ll.V.O.) den 
Versicherungsanstalten Vorbehalten ist. Dagegen sollte die Fürsorge 
der Krankenkassen für den einzelnen erkrankten Versicherten 
(z. B. bei Unterbringung in einer Lungenheilanstalt), wie bis¬ 
her, auch nach der R.V.O. nicht beschränkt werden. Hiernach 
ist die Kasse unbedenklich berechtigt, die Kosten der ärzt¬ 
lichen Zeugnisse für Kassenmitglieder, die den Antrag auf 
Heilanstaltspflege bei einer Versichernngsanstalt stellen 
wollen, zu übernehmen. Denn ein solches Zeugnis gibt der Kranken¬ 
kasse erst Aufschluß darüber, ob und wie weit bereits Krankbeitszustände be¬ 
stehen, die die Einleitung eines Heilverfahrens geboten erscheinen lassen. Das 
ärztliche Zeugnis ermöglicht also der Krankenkasse erst diejenigen Fälle zu 
ermitteln, in denen sie selbst ein Interesse an alsbaldiger Einleitung eines 
Heilverfahrens durch die Landesvcrsicherungsanstalt hat, weil eine Krankheits¬ 
anlage, die sich möglicherweise später zu einer von der Kasse zu entschädigenden 
Krankheit entwickelt, bereits vorhanden ist. Insofern dient die Uebernahme 
der Kosten der ärztlichen Zeugnisse auch dem allgemeinen Zwecke der Krank¬ 
heitsverhütung im Sinne des § 363 Absatz 1 der R.V.O., ohne daß die Kranken¬ 
kasse dabei in das Tätigkeitsgebiet der Versicherungsanstalten übergreift. In 
vielen Fällen werden sich namentlich minderbemittelte Versicherte wegen der 
Kosten für die Ausstellung eines ärztlichen Zeugnisses scheuen, einen Heil- 
Verfahrensantrag überhaupt oder doch möglichst zeitig zu stellen. Eine Be¬ 
seitigung derartiger Hemmungen durch die Kasse liegt zweifellos im Interesse 
vieler Kassenmitglieder und im Endergebnis auch im geldlichen Interesse der 
Kasse selbst. Demgemäß ist die von der Kasse in dem Arztvertrage über¬ 
nommene Kostentragang nach S 363 der K.V.O. nicht zu beanstanden, und war der 
Beschwerde unter Aufhebung der Vorentscheidungen, wie geschehen, stattzugeben. 

Den Krankenkassen eröffnet sich hiernach die Möglich¬ 
keit, in weiterem Umfange als bisher auch ihrerseits bei der 
Bekämpfung der Tuberkulose mitzuwirken. 

(Amtliche Nachrichten des Rcichsversicherungsamts; 1915, Nr. 9.) 



Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 


205 


Eine Satzung8bestimmuiig, wonach die Mehrleistungen nur dann 
und so lange gewährt werden, als das Kassenmitglied und seine Ange¬ 
hörigen den Anordnungen des Arztes oder des Kassenvorstandes Folge 
leisten und den Arzt nicht ohne genügende Veranlassung in Anspruch 
nehmen, ist unznlässlg. Entscheidung des Reichs-Versicherun gs - 
amts vom 17. April 1916. 

Die Satzung der ßetriebskrankenkasse des Wasserbauamts St. enthielt 
im § 7 Ziffer 6 folgende Bestimmung: „Der Vorstand kann gegen Mitglieder, 
die der Kranken Ordnung oder den Anordnungen des Arztes zuwiderhandeln, 
eine 8trafe bis zum dreifachen Betrage des täglichen Krankengeldes fttr jeden 
einzelnen Uebertretungsfall festsetzen und außerdem die Kassenleistungen bis 
auf die Regelleistungen entziehen." Nachdem bei einer anderen Kasse eine 
gleichlautende Satzungsbestimmung hinsichtlich ihres letzten Teiles durch Ent¬ 
scheidung des Beschlußsenats des ReichsverBicherungsamts, Abteilung für 
Kranken-, Hinterbliebenen- und Invalidenversicherung, vom 20. Dezember 1913 
für ungültig erklärt worden war, beschloß die Kasse, in der Satzung an der 
bezeichneten Stelle die Worte „und außerdem die Kassenleistungen bis auf die 
Regelleistungen entziehen“ zu streichen und in die Satzung als § 14a folgende 
Bestimmung aufzunehmen: „Die über die gesetzlichen Regelleistungen hinaus- 
gehenden freiwilligen Leistungen werden in dem einzelnen Krankheitsfalle nur 
dann und so lange gewährt, als das Kassenmitglied und seine Angehörigen 
der Krankenordnung, den Anordnungen des Arztes oder des Kassenvorstanaes 
Folge leisten und den Arzt nicht wiederholt ohne genügende Veranlassung in 
Anspruch nehmen." Die Beschlnßkammer des Oberversicherungsamts hat im 
wesentlichen im Hinblick auf die vorbezeichnete Entscheidung des Reichsver¬ 
sicherungsamts die Genehmigung des § 14 a der Satzung versagt. Gegen diese 
Entscheidung hat der Vorstand der Kasse Beschwerde beim Reicnsversicherungs- 
amt eingelegt. Er glaubt, daß die Genehmigung der Satzungsbestimmung zu 
Unrecht versagt sei, weil die Kasse die Voraussetzungen, unter denen sio 
Mehrleistungen gewähren wolle, selbständig regeln dürfe. 

Die Kasse will nicht mehr durch die Satzung gewisse Verfehlungen der 
Kassenmitglieder sowohl durch Bestrafung wie durch Verlust der Mehrleistungen 
ahnden. Die Mehrleistungen will sie aber nur so lange gewähren, als die im 
§ 14 a der Satzung aufgestellten Voraussetzungen gegeben sind. Richtig ist, 
daß die Kassen bei Einführung von Mehrleistungen im allgemeinen nach freiem 
Ermessen verfahren können. Aber nicht unbeschränkt. Ihr Ermessen findet 
seine Grenze in den Vorschriften des Gesetzes. Gegen die vorliegend beab¬ 
sichtigte Regelung der Mehrleistungen ergeben sich Bedenken aus der Vor¬ 
schrift des § 529 der Reichsversicherungsordnung. Soweit durch die Satzungs¬ 
bestimmung Rechtsnachteile für den Fall vorgesehen sind, daß das Kassen¬ 
mitglied und seine Angehörigen der Krankenordnung oder den Anordnungen 
des Arztes zuwiderhandeln, ist ein Tatbestand gegeben, der in den Rahmen 
der bezeichneten Vorschrift der Reichsversicherungsordnung fällt. Das Reichs¬ 
versicherungsamt hat bereits ausgesprochen, daß es der Kasse nicht gestattet 
ist, im Wege des Ordnungsstrafrechts noch andere Rechtsnachteile für die im 
§ 629 der Reichsversicherungsordnung mit Strafe bedrohten Verfehlungen ein- 
treten zu lassen. Die Rechtsnachteile sind dort erschöpfend geregelt. Eine 
Verfehlung gegen die bezeichnete Vorschrift kann daher den Verlust von 
Kassenleistungen nicht zur Folge haben. Daraus ergibt sich die Unzulässig¬ 
keit der hier streitigen Satzungsbestimmung, soweit sie in der Versagung der 
Mehrleistungen an den Tatbestand des § 529 der Reichsversicherungsordnung 
anknüpft. Hiervon würde auch ein etwaiges Zuwiderhandeln der Angehörigen 
des Kassenmitglieds gegen die Krankenordnung betroffen, das an sich in den 
Rahmen des § 529 der Reichsversicherungsordnung fallen würde, aber straffrei 
gelassen ist. Die weiteren Voraussetzungen, von denen § 14 a der Satzung die 
Gewährung der Mehrleistungen abhängig macht, sind ebenfalls unzulässig. 
Schon unter der Herrschaft des Krankenversicherungsgesetzes wurde ange¬ 
nommen, daß sich der Anspruch auf die Mehrleistung als ein festbestimmter 
Rechtsanspruch darstellen müsse, für dessen Bestand nur zuverlässig feststell¬ 
bare (objektive) Voraussetzungen aufgestellt werden durften (zu vergleichen 
Entscheidung des Königlich Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 4. Mai 
1908). Damit sollte jeder ungleichmäßigen Behandlung der Kassenmitglieder 



206 


Kleinere Mitteilangen and Referate aas Zeitschriften. 


vorgebeugt werden. Aas diesem Grande warde es aach für anzal&ssig erachtet, 
die Gewährung der Mehrleistungen dem Ermessen der Kassenorgane im Einzel¬ 
falle vorzuhehalten (Entscheidung des Königlich Bayerischen Verwaltungs¬ 
gerichtshofs vom 30. Mai 1904). An diesen Grundsätzen maß für das Recht 
der Reichs Versicherungsordnung festgehalten werden. An der genügenden 
Bestimmtheit der Voraussetzungen fehlt es auch vorliegend. Die Fassung des 
§ 14a ist in ihrem letzten Teile zu unbestimmt, am ein festes, dem freien 
Ermessen der KassenleituDg entzogenes Erfordernis für den^Wegfall der 
Leistung zu schaffen. Das Oberversicherangsamt hat daher die Genehmigung 
der Satzungsbestimmung zu Recht versagt. Hiernach war die Beschwerde 
zarückznweiscn. 

(Amtliche Nachrichten des Reichs-Versicherungsamts ; 1915, Nr. 7.) 


Eine Satzungsbestimmnng, wonach die Kasse Zahnplomben nnr dann 
bezahlt, wenn vorher der Yorstand die Zustimmung erteilt hat, ist 
unzulässig. Revisions-Entscheidung des Reichs-Versicherungs¬ 
amts vom 30. April 1915. 

Die allgemeine Ortskrankenkasse für den LandkreisJ'St. hatte dem 
zuständigen Oberversicherangsamt einen Satzangsantrag eingereiebt, in dem 
unter anderen die Bestimmung vorgesehen war: 

„Künstliche Gebisse und Einzelzahnersatz werden nicht 
gewährt. Es bleibt den Vorstand überlassen, innerhalb der Grenzen des § 19 
Abs. 1 einen Zuschuß za gewähren. Zahnplomben bezahlt die Kasse nnr 
dann, wenn vorher der Vorstand die Zustimmung erteilt bat.^j Diese ist abhängig 
von einer ärztlichen Bescheinigung, daß das Plombieren zur Beseitigung einer 
Störung des Gesundheitszustandes und nicht bloß zur Abstellung^eines Schön¬ 
heitsfehlers erforderlich ist.“ 

Diesen Zusatz hat das Oberversicherungsamt die Genehmigung mit Recht 
versagt. Wenn auch hin und wieder Plomben gewünscht werden, um Schön¬ 
heitsfehler zu beseitigen, so erscheint die Ergänzung der Satzung doch nicht 
zulässig. Die Kasse will offenbar selbst nicht bestreiten,f daß minderen Fällen 
auch Plomben lediglich zur Beseitigung eines krankhaften Zustandes benötigt 
werden; es handelt sich dann aber um ärztliche Hilfe. Als Heilmittel können 
solche Plomben um deswillen nicht angesehen werden, weil dos Wesentliche beim 
Legen von Plomben die persönliche Tätigkeit des Arztes ist, gegen welche 
das sächliche Mittel der Plomben zurücktritt. Aerztlicbe Behandlung hat aber 
die Kasse ohne Einschränkung zu gewähren ; sie darf.'nicht von der Zustimmung 
des Kassenvorstandes abhängig gemacht werden. Diese Auffassung wider¬ 
spricht auch nicht des in der Beschwerde herangezogenen Königl. Preußischen 
Min.-Erl. vom 14. April 1915, da dort wohl nur an die'Stellungnahme des 
Vorstandes zu der Gewährung von Plomben in Einzelfällen, nicht aber an eine 
allgemeine Regelung dieser Frage durch die Satzung gedacht ist. Hiernach 
war die Satzungsänderung in dieser allgemeinen Form unzulässig, unbedenklich 
würde dagegen eine Bestimmung sein, die nur die Gewährung solcher Plomben, 
die lediglich zur Behebung von Schönheitsfehlern dienen,von der vorherigen 
Zustimmung des Vorstandes abhängig macht. 

(Amtliche Nachrichten des Reichs-Versicherungsamts; 1915, Nr. 7.) 


Zur „Familie“ im Sinne des § 1260 der Reichs-Versicberungsord- 
nung gehören außer dem Ehemanne nur die Kinder unter 15 Jahren. 

ltevi sions - En tscheidu ng des Reichs-Versicherungsamts vom 
13. Februar 1915. 

(Amtliche Nachrichten des Reichs-Versicherungsamts; 1915, Nr. 9.) 


1>ie Unterbringung in Familienpflege steht der Unterbringung in 
einer Anstalt im Sinne des § 1506 der Reichsversicherungsordnung nicht 
gleich. Revisions-Entscheidung des Reichs-Versicherungs¬ 
amts vom 20. März 1915. 

(Amtliche Nachrichten des Reichs-Versicherungsamts; 1915, Nr. 9.) 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


207 


Der Paaschbetrag für Krankenpflege nach § 1606 der Reicherer» 
sicherangsordnnng kann in jedem Falle auch für Sonn* und Feiertage 
rerlangt werden, ohne Rücksicht darauf, ob bei Festsetzung des Grand¬ 
lohns die Sonn* und Feiertage als Arbeitstage in Betracht kommen. 
Revisions-Entscheidung des Reichs-Versichernngsamts vom 
31. Mai 1915. 

(Amtliche Nachrichten des Reichs-Versicherungsamts; 1915, Nr. 9.) 


Das Wochengeld auf Grand des § 8 Nr. 2 der Bekanntmachung, be¬ 
treffend Wochenhilfe während des Krieges, vom 8. Dezember 19,14 ist wie 
das Wochengeld der Relchsversicherungsordnnng (§ 196 Abs. 1 der Reichs* 
Verslcherung8ordnung) für 57 Tage zu gewähren. Entscheidung des 
Reichs-Veraicherungsamts vom 20.8eptember 1915. 

(Amtliche Nachrichten des Reichs-Versicherungsamts; 1915, Nr. 11.) 


Sterbegeld nach § 205 Nr. 3 der Reichsversichernngsordnnng Ist 
auch bei Totgebarten za zahlen, wenn die Satzung nichts Gegenteiliges 
bestimmt. Revisions-Entscheidung des Reichs-Versicherungs- 
amts vom 16. August 1915. 

(Amtliche Nachrichten des Reichs-Versicherungsamts; 1915, Nr. 9.) 


0. Baktarlologte and Bekämpfung der übertragbaren Krankheiten 

1. Pocken. 

lieber die Differentlaldiagnose zwischen Variola und Ihr ähnlichen 
Bläschenerkrankungen mittels des Kornealversuches. Von Dr. Hammer- 
schmidt, Stellvertreter des Direktors der k. k. Impfstoffgewinnungsanstalt in 
Wien. Oesterreichisches Sanitäts wesen; 1916, Nr. 5—8, S. 117—121. 

Nachdem durch G-uarnieri die Tatsache fe3tgestellt war, daß das 
Virus der Variola ebenso wie das der Vakzine auf der Hornhaut des Kaninchens 
spezifische Veränderungen hervorruft, hat man in jüngster Zeit Untersuchungen 
angestellt, um diese Tatsache zu differentialdiagnostischen Zwecken zu ver¬ 
werten. Insbesondere hat sich der Direktor der Wiener Impfanstalt, Reg.-Rat 
Dr. Paul, um die Klarstellung dieser Frage große Verdienste erworben; 
denn es ist ihm durch seine Untersuchungen gelangen, ein nicht sehr umständ¬ 
liches Verfahren zu entdecken, das eine sichere Diagnosestellung oft schon 
nach 36 Stunden, sicher aber nach 48 Stunden ermöglicht. Bei dem Verfahren 
wird das geimpfte Auge des Kaninchens nach dessen Tötung und 36 Stunden 
nach der Impfung enukleiert und mit Sublimatalkohol behandelt; es treten 
dann die durch Variola oder Vakzine verursachten und für diese eigentümlichen 
Herderkrankungen als scharf umschriebene, hellweiße Flecken oder Punkte auf 
der gleichmäßig grauen Hornhautoberfläche hervor, während alle anderen 
Hornhautinfektionen nur verschwommene graue Trübungen verursachen, die sich 
von den ersteren ohne Schwierigkeiten unterscheiden lassen. Diese Versuche 
sind besonders während der Wiener Pockenepidemie 1914/15 fortgesetzt und 
haben nach dem Bericht des Verfassers, abgesehen von ganz wenigen Fehl¬ 
diagnosen im Anfänge der Untersuchungen, wo noch die genügende Erfahrung 
in der Beurteilung des auf der Hornhaut des Kaninchens hervorgerufenen 
Krankheitsbildes fehlte, fast immer ein richtiges und sich mit der klinischen 
Diagnose deckendes Ergebnis gezeigt. Besonders bemerkenswert ist, daß sich 
das Verfahren auch in solchen Fällen bewährt hat, bei denen wegen der spär¬ 
lichen und wenig ausgeprägten Efilorenszenzen klinisch nur der Verdacht auf 
eine leichte Form von Blattern oder ein solcher Verdacht überhaupt nicht 
angenommen war. Nach dem Ergebnis der Untersuchungen scheinen gerade 
die leichtesten Fälle von Blattern, also solche mit geringem Ausschlag, ver¬ 
hältnismäßig schwerere Veränderungen der Hornhaut hervorzurufen, die sich 
außerdem durch besonders reichliches Auftreten von Gu a r n i e ri scher Körperchen 
aaszeichnen. Jedenfalls ist die sachgemäß ausgeführte Hornbautreaktion 
berufen, bei der Entscheidung über unklare, blatternverdächtige Krankheits¬ 
fälle eine wichtige Rolle zu spielen. In Preußen ist das Verfahren für 
diesen Zweck bereits durch den Min.-Erl. vom 22. Februar d. J. (s. Beilage zu 
Nr. 6 dieser Zeitschrift, S. 28) nutzbar gemacht; bei Gelegenheit einer jetzt im 



208 


Kleinere Mitteilungen und Befer&te aus Zeitschriften. 


Bezirk des Beferenten (Kreis Herford) ausgebrochenen Pockenepidemie hat es 
sich auch durchaus als wertvolles diagnostisches Hilfsmittel bewährt. Bpd. 


Die Bedeutung des Impfgesetzes für den gegenwärtigen Krieg. Von 
Geh. Beg.-Bat Dr. B r e y e r - Berlin. Mediz. Klinik; 1915, Nr. 49. 

Gegenüber der großen Verbreitung der Pocken in dem von unseren 
Trnppen besetzten Russisch - Polen (im Jahre 1911 betrug z. B. die Zahl der 
Erkrankungen 12202 mit 8538 Todesfällen) 1 ) ist es erfreulich, daß trotzdem 
das Deutsche Reich im Gegensatz zu Oesterreich, wo bekanntlich kein Impf¬ 
zwang besteht, von den Pocken ebenso wie in den Friedensjahren verschont 
geblieben ist. Es sind in Deutschland in der Zeit vom 2. Aug. 1914 bis 81. Juli 1915 
nur 140 Pockenfälle, darunter 17 bei Soldaten, festgestellt (also fast nur die Hälfte 
der Durchschnittsziffer in den Jahren 1909—1913, die 277 beträgt), gegenüber 
9111 während des gleichen Zeitraums in Oesterreich (davon 1613 in Wien). 
Diese außerordentlich geringe Zahl der Pockenerkrankungen im Deutschen Reiche 
verdanken wir zweifellos dem Impfgesetz und der dadurch gesicherten all¬ 
gemeinen Durchimpfung der Bevölkerung; es ist damit wieder ein schlagender 
Beweis für den großen Segen dieses so heftig von den Impfgegnern ange¬ 
griffenen und bekämpften Gesetzes gegeben, der hoffentlich dazu beitragen wird, 
künftighin alle derartige Bestrebungen hinfällig zu machen. Rpd. 


2. Typhus. 

Mundtyphusbazillenträger. Von Dr. Eggebrecht. Feldärztliche 
Beilage Nr. II zur Münchener med. Wochenschrift; 1916, Nr. 11. 

Die systematische Untersuchung der Sekrete des Mundes auf Typhus 
ergab folgendes überraschende Resultat: In 200 untersuchten Fällen fanden 
•ich 9 mal Bazillen = 4,5 °/o, darunter solche, in deren Kot Bazillen nicht 
nachzuweisen waren. In einer Irrenanstalt ergaben sich unter 174 Personen 
4,2 °/ n als Typhus-Rachenbazillenträger. Vorbedingung ist, daß Mandel-, Rachen- 
und Zungenabstrich etwas energisch aufdrückend gemacht werden. (Referent 
schickte vor 10 Jahren den Abstrich eines an Angina erkrankten Russen zur 
Untersuchung an die bakteriologische Anstalt München und erhielt die Mit¬ 
teilung: Typhusbazillen. Da der Mann alsbald gesundete, dachte Referent 
an einer Fehldiagnose der Untersuchungsarbeit, bekennt aber jetzt reuig seinen 
Irrtum.) Dr. G raß 1-Kempten. 


3. Ruhr. 

Ueber die Serumbehandlung der Ruhr. Von k. u. k. Stabsarzt Dr 
8. Scharf, Spitalskommandant, Dr. Helene Sokolowska, freiwillige Aerztin, 
und Dr. Marian Gieszezykiewicz, Assistenzarzt d. Res. Aus dem k. u. k. 
Epidemiespital Nr. 2 Krakau - Lobzow. Med. Klinik; 1916, Nr. 6. 

Die Ausführungen schließen sich an frühere Mitteilungen (Med. Klinik; 
1916, Nr. 43) über Erfolge bei der Serotherapie der Ruhr an. Von den im 
Jahre 1915 im Spital behandelten 305 Kranken sind nur 6 (1,96 °/ 0 ) gestorben, 
davon 3 mit Serum behandelte. Diese hatten Komplikationen, die durch das 
Ruhrserum nicht zu beeinflussen sind, so 1. Lungengangrän, 2. Mischinfektion 
von Ruhr mit Typhus, 3. Lungenentzündung. Daß die weitere Entfernung des 
Kriegsschauplatzes oder der „Genius epidemicus*' die Ursache des günstigen 
Krankheitsverlaufes waren, kann nicht behauptet werden; denn dann hätten 
auch andere Spitäler so günstige Erfahrungen machen müssen, was aber nicht 
der Fall war. Es bleibt also wohl nur der Einfluß des Serums. Außer Wiener 
Serum, das monovalent (gegen Shiga-Kruse) ist und keine Vorteile gegen 
das polyvalente von Bujwid besitzt, kam meist das von Bujwid zur An¬ 
wendung. Der im Jahre 1915 erzielte bessere Erfolg muß der erhöhten Dosie¬ 
rung zugeschrieben werden. Es wurden 202 Fälle mit Serum behandelt, die 
Dosis betrug 20—200 ccm, durchschnittlich 50 ccm bei jedem Kranken. Die 
Heilung esfolgte durchschnittlich in 2 Wochen. Unter diesen Fällen waren 


l ) Siehe auch die Abhandlung von Dr. Hillenberg in dieser Zeitschrift 
(Jahrg. 1915. Nr. 14): Hygienische Betrachtungen bei der Sanierung von L. usw., 
der in einem Dorfe 40 Pockenfälle unter der betreffenden Bevölkerung ermittelte. 



Kleinere Mitteilungen und Referate aas Zeitschriften. 


209 


84 Shiga-Kruse-Infektionen, 60 Flexner und Y - Fälle, 2 atypische 
Stämme, 6 wurden nicht näher identifiziert; in 68 klinischen Ruhrfällen verlief 
die bakteriologische Untersuchung negativ. Die Dosierung ist bei verschiedenen 
Autoren verschieden: 8 h i g a wendet Dosen von 10—100 ccm in einzelnen 
Fällen an, Kraus 20—40, Kr use 10—20 (mit geringem Erfolg), Rosenthal 
20—60, Vaillard und Dopter 20 bei leichten und 40—60 bei schweren 
Fällen, Jochmann 80—100, Raffer and Willmore, je nach der Schwere 
der Infektion 40—820 ccm. Zu kleine Dosen helfen nicht, man muß stärkere 
Dosen und diese erforderlichenfalls wiederholt anwenden. Die toxischen Er¬ 
scheinungen, meist in Form eines Serumexanthems (geringes Jucken) sind bei 
kleinen und großen Dosen gleich. Seltener sind Gelenkschwellungen; Ana¬ 
phylaxie kam nicht zur Beobachtung. Wiederholte Serumgaben können nur 
nach längeren Zeitintervallen gefährlich werden. 

Dr. L. Q u a d f 1 i e g • Gelsenkirchen. 


4. Diphtherie. 

Bemerkungen zur Serumtherapie der Diphtherie. Von Prof. Dr- 
F. Bei che-Hamburg, Oberarzt am Allgemeinen Krankenhaus Hamburg- 
Barmbeck. Med. Klinik; 1916, Nr. 7. 

Seit 1909 hat die Diphtherie in Hamburg wieder stark zugenommen; in 
dem voraufgegangenen 1 */» Jahrzehnt stellte sich die Erkrankungsziffer durch¬ 
schnittlich auf 1403 Fälle, 1909—14 im Durchschnitt auf 4384, 1911 allein auf 
5839. Mit der numerischen Zunahme ging auch eine Steigerung der Intensität 
der Erkrankungen einher. Unter etwa 1000 Sektionen (von 1909—13) zeigte 
sich 28 mal der Magen mitergriffen, 11 mal fanden sich im Oesophagus mehr 
weniger ausgedehnte pseudomembranöse Veränderungen mit L ö f f 1 e r - Bazillen, 
je 2 mal waren Duodenum und Dünndarm, viermal das Rectum befallen. Unter 
7314 Erkrankungsfällen der Jahre 1909—13 war 1421 mal (= 19,4 # / 0 ) die Nase 
und 863mal (= 11,8 # / 0 ) der Kehlkopf infiziert; 96mal (= 1,3°/ 0 ) waren Pseudo- 
membranen auf Zunge und Lippen; 51 mal (= 0,7°/ 0 ) gelangte diphtherische 
Conjunctivitis zur Beobachtung. Unter 886 Verstorbenen fand sich 176mal 
(= 19,8 °/ 0 ), davon bei 802 Fällen unter 15 Jahren, 173 mal (= 21,6 °/ 0 ) hämor¬ 
rhagische Diathese; 2 Kranke mit dieser Komplikation kamen zur Genesung. 
Auch die Sterblichkeit stieg in den genannten Jahren von 8,8 auf 10,3 °/ n . Der 
Rückgang der Sterblichkeit seit 1896 kann nicht mehr ausschließlich der Serum¬ 
behandlung zugeschrieben werden. Hier ergibt sich die Frage nach der Serum- 
Wirkung überhaupt; zur Beurteilung eignet sich besonders das Diphtherie- 
material der Erwachsenen, das keineswegs sehr gering ist; denn 26,3°/ 0 aller 
Gemeldeten betrafen Personen über 15 Jahre. Es wird betont, daß nahezu die 
Hälfte aller gemeldeten Diphtherieerkrankungen dem Krankenhaus zugeführt 
wurde, darunter befanden sich 55,4° „ frühe Fälle. Dies ist für die Bewertung 
der Serumbehandlung von großer Bedeutung; man weiß, und das wurde auch 
hier wieder festgestellt, daß die frühen Fälle eine sehr erheblich günstigere 
Sterblichkeit aufweisen, als die später Injizierten, bei denen die Sterblichkeit 
mit jedem weiteren Erkrankungstage schnell zunimmt. Das beruht aber nicht auf 
der Serumwirkung, sondern vielmehr darauf, daß die Mischung der Erkrankten 
nach der Seite der schweren und komplizierten Verlaufsbilder und damit die 
Sterblichkeit eine dauernd mit jedem neuen Tag unglücklichere wird. Die 
Kritik über die Bedeutung der Serumbehandlung muß bei der Beurteilung der 
klinischen Erfolge geschärft werden. Dr. L. Quadf lieg-Gelsenkirchen. 


5. Geschlechtskrankheiten und deren Bekämpfung. 

Vorübergehende positive Wassermannreaktion bei Leistendrüsen- 
entzttndungen nnd nicht syphilitischen Uizeratlonen. Von Dr. G. Stttmpke. 
Aus dem Dermatologischen Krankenhause II, Hannover - Linden (dir. Arzt 
Dr. med. G. Stümpke). Med. Klinik; 1916, Nr. 6. 

In der Literatur sind wiederholt Fälle von Geschwüren nicht syphilitischer 
Natur an den Genitalien niedergelegt, bei denen vorübergehend die Wasser¬ 
mannreaktion positiv befunden worden war. Zu dieser Frage bringt non 
St. zwei neue Beobachtungen. Im ersten Fall handelt es sich um einen 
24jährigen Arbeiter, der mit Gonorrhoe und einem Bubo in der Leistengegend 



210 Kleinere Mitteilungen and Beferate aas Zeitschriften. 

in Behandlung kam. Oie Gonorrhoe heilte bald aas, der Babo wurde größer 
and maßte gespalten werden. Im Inhalt fanden sich mikroskopisch and kul- 
tarell keine Bakterien. Bel der Aufnahme war die Wassermann -Beaktion 
negativ, wurde dann in 8 Wochen positiv, am später wieder ein negatives 
Ergebnis za liefern. Es sei noch bemerkt, daß sich kein Ulcns an den Geni¬ 
talien feststellen ließ, daß auch die Angaben des Kranken nach dieser Bich¬ 
tang verneinend waren. Oer zweite Fall betraf eine 20 jährige Arbeiterin mit 
Gonorrhoe; bei dieser bildete sich im Verlaufe der Krankheit an den großen 
Labien je ein fingernagelgroßes Geschwür, in dessen Sekret sich keine Gono¬ 
kokken, keine Spirochaeta pallida, keine Ducrey sehen Bazillen, sondern 
massenhaft Spiroch. refringens fanden. In der Leiste geringe Orüsenschwellong. 
Bei der Aufnahme war die Wassermann-Beaktion negativ, nach dem Auf¬ 
treten der Geschwüre wiederholt positiv and nach einiger Zeit absolut negativ. 
Oie Ulcera heilten in 14 Tagen unter indifferenter Behandlung, ebenso die 
Orttsenschwellung. Oas Auftreten der positiven Wassermann-Beaktion ist 
noch nicht eindeutig geklärt. Für die Praxis folgt ans diesen Befanden, daß 
man in solchen Fällen aus einer mehr weniger stark positiven Beaktion keine 
Syphilis diagnostizieren darf. Oaß dabei über dem Zuwarten event. einige Zeit 
vergeht, ist nicht zu schwer zu nehmen, jedenfalls noch erträglicher als einem 
nicht syphilitischen Kranken für sein späteres Leben eine Syphilis mit anf den 
Weg zu geben. Or. L. Qu ad flieg-Gelsenkirchen. 


6. Kropf. 

Weitere Unternehmungen über den endemischen Kropf mit besonderer 
Berücksichtigung des Vorkommens im Königreich Bayern. Von Or. 
W. Weichardt und Or. M. Wolff. Münchener medizinische Wochenschrift; 
1916, Nr. 9. 

Schlittenhelm und Weichardt haben vor einigen Jahren Unter¬ 
suchungen über endemischen Kropf in Bayern vorgenommen (Berlin, Julius 
Springer 1912 und Münchener med. Wochenschrift 1912, Nr. 48). Es stellte 
Bich heraus, daß das Vorkommen des Kropfes durchaus nicht an eine besondere 
geologische Formation gebunden war; im Gegenteil, es zeigte sich, daß der 
endemische Kropf in Gegenden, die über ausgesprochenes Urgestein, wie den 
bayerischen Wald, liegen, außerordentlich verbreitet ist, während andere 
Gebiete, deren geologische Formation Kropfvorkommen begünstigen sollte, auf¬ 
fallend kropfarm waren. Es zeigte sich ferner, daß in Kropfgegenden eine ganz 
besondere Durchseuchung der Jugend und der Kinder beobachtet wird (auch 
vom Beferenten im Allgäu beobachtet), daß der Prozentsatz der kropfigen Schul¬ 
kinder größer ist als der der Erwachsenen. Die Verfasser wiesen auf die 
gleiche Erscheinung bei Malaria hin, bei der die Durchseuchung der Jugend 
ein Schutz für die Erwachsenen ist. — Als Ursache des Kropfes nehmen die 
beiden Verfasser einen Erreger an (auch v. Kutschern in Innsbruck nimmt 
eine Ansteckung an. Bef.). — Die Untersuchungen des Wassers aus Kropf¬ 
gegenden, die die beiden Verfasser Vornahmen, ließ nichts auftinden, was auf 
eine chemische Ursache des Kropfes schließen ließe. Die Bodentheorie ist 
also zu verlassen. (Ich benutze diese Gelegenheit, um auf einen inneren 
Zusammenhang zwischen Kropf und Stillhäufigkeit im reziproken Sinne auch 
hier hinzuweisen). Dr. G r a ß 1 - Kempten. 


7. Sonstige Krankheiten. 

Durch Bakterium coli commune verseuchte Trinkwasserbrunuen als 
Ursache von Broneho-Pneumonien. Von Dr. F. Windrath, Chefarzt. 
(Aus der Auguste-Viktoria-Knappschaftsheilstätte Beringhausen bei Meschede.) 
Medizinische Klinik; 1916, Nr. 4.) 

In der Zeit von Ende Mai bis Mitte Juni 1915 erkrankten von 13 Be¬ 
wohnern einer Ortschaft 8 an Broncho-Pneumonie. 10—14 Tage vor Ausbruch 
dieser Erkrankung hatten die Erkrankten an Magen-Darmstörungen, Durchfällen, 
Abgeschlagenheit und Appetitlosigkeit gelitten. Ihr Trinkwasser entnahmen 
diese Leute Flach- und Kesselbrunnen, die hygienisch schlecht beschaffen 
waren; das Wasser war um so schlechter, als 5 Wochen lang kein Begen 
gefallen war und schon öfter zu Zeiten der Dürre das Wasser eine schlechte 



Kleinere Mitteilungen and Beicrate aas Zeitschriften. 


211 


Beschaffenheit gezeigt and Magendarmstörungen veranlaßt hatte. In dem 
Answarf der Kranken fanden sich neben Pneumokokken Stäbchen von dem 
Aassehen and dem färberischen Verhalten der Colibazillen; als solcho erwiesen 
sie sich auch auf dem Differential-Nährböden; ebenso fanden sich sehr reichlich 
Colibazillen in dem Brunnenwasser. Der Chlorgehalt usw. deutete ebenfalls 
auf Verunreinigung des Trinkwassers von den nahegelegenen Dilngestätten 
her; die Bestandteile gelangten bei der grobporigen Beschaffenheit des Bodens 
ziemlich ungehindert in die Brunnen. Nach Schließung der Brunnen hörten 
die Erkrankungen auf. Die aus dem Sputum und dem Trinkwasser gezüchteten 
Colistämme erwiesen sich als tierpathogen und zwar die ersteren stärker. Die 
Pathogenität der letzteren ließ sich durch Züchtung auf Jaucheagar steigern. 
Es ist anzunehmen, daß die Colibazillen bei den längere Zeit bestehenden 
Darmerkrankungen auf dem Lymph- und Blutwege in die Lungen gelangt 
sind; jedoch ist es nicht wahrscheinlich, daß der Coli allein der Erreger der 
Lungenentzündung gewesen ist, da ja auch Pneumokokken im Sputum enthalten 
waren. Es handelt sich wahrscheinlich hier um eine Mischinfektion. Die 
Literatur über Coliinfektfon vom Darm aus ist in der Originalarbeit nach¬ 
zulesen. Dr. L. Qu ad flieg-Gelsenkirchen. 

Zu den Infektionen mit fusiformen Bakterien. Von Prof. A. Ghon 
und Assistent B. Roman. (Aus dem pathologisch-anatomischen Institut der 
Deutschen Universität in Prag.) Medizinische Klinik; 1916, Nr. 7. 

Die fusiformen Bakterien, die von dem Krankheitsbilde der Angina 
Vincenti her bekannt sind, finden sich auch sonst, vor allem bei gangränösen 
Prozessen. Da sie aber meist in Mischinfektionen Vorkommen und schwer 
züchtbar sind, ist die Kenntnis ihrer Bedeutung noch gering. Jedenfalls gibt 
es verschiedene Arten. In der Literatur der letzten Jahre ist ihr Vorkommen 
bei pyaemischcn Prozessen und zwar auch als alleiniger Bakterienbefund be¬ 
schrieben. Die Verfasser hatten 1914 in 2 Fällen Gelegenheit, bestimmte 
fusiformc Bakterien und zwar in Reinkultur nachzuweisen. Der Ausgang der 
Infektion ist in beiden Fällen im Darm zu suchen; daran hatten sich zahlreiche 
Leberabzesse angeschlossen. Es fanden sich nur die Gramnegativen faden¬ 
förmigen Bakterien in ihrer unverkennbaren Peitschen- und Kravattenform. 
Sie konnten auch auf serumhaltigen Nährböden unter anaeroben Be¬ 
dingungen gezüchtet werden. Es erscheint gerechtfertigt, den aufgefundenen 
Bakterien die ursächliche Rolle zuzusebreiben. Damit wäre dann auch, trotz 
des negativen Ausfalles der bisherigen Tierversuche, der Beweis der Patho¬ 
genität dieser Bakterien für den Menschen erbracht. Das im ersten Falle 
isolierte Bakterium konnte in 43 Generationen fortgezüchtet werden. Gas¬ 
bildung wurde nicht beobachtet. Um die Kulturen lebensfähig zu erhalten, 
mußten sie besonders anfangs häufig übergeimpft werden. Klinisch ist von 
Bedeutung, daß in erster Linie der Darmtrakt die Eintrittspforte darstellt und 
daß es im Anschluß daran zu pylephlebitischen Abzessen in der Leber kommt. 

Dr. L. Q n a d f 1 i e g - Gelsenkirchen. 


D. Hygiene und öffentllohes Gesundheitswesen. 

1. Strassenhygiene. 

Das Teerzementpflaster. Von F. Absolon-Oldenburg i. Gr. Städte- 
Zeitung; 1916, Nr. 16. 

Der Verfasser bespricht die verschiedenen Arten der Straßenbefestigung 
in Städten, deren Wahl abhängig ist von der Lage, dem Untergrund, deren 
Längengefälle, der Verkehrsstärke usw. der betr. Straße und von den zur 
Verfügung stehenden Geldmitteln ; ferner ist Rücksicht zu nehmen auf Gesund¬ 
heit and Annehmlichkeit der Anwohner. Es kommen in Betracht: eingebaute 
Steinschlagbahnen, Kleinpflaster, Diagonalreihen-, Querreibenpflaster, Holz¬ 
pflaster, Stampfasphaltbahnen, Betonbabnen und das Absolonscne Teerzement¬ 
pflaster; letzteres empfiehlt sich für Straßen mit geringem und mittlerem 
Verkehr, für Höfe, für Fälle, wo geräuschloses Pflaster erwünscht ist, zur 
Ueberdeckung stärker befahrener alter städtischer Steinschlagbahnen, für Fu߬ 
böden in Schlacht- und Viebhöfen etc., sowie in sehr engen Straßen mit hohen 
Häusern. « Dr. Wolf-Hanau. 



212 


Besprechen gen, 


2. Säuglingsfflrsorge. 

Die offene Säuglings fürsorge im Krieg und Frieden. Von Dr. Kettner- 
Charlottenburg. Zeitschrift für Säuglingsschutz; 1916, H. 1—2. 

Ein bedeutender und anhaltender Einfluß der im Sommer 1911 herrschenden 
großen Hitze auf die Erkrankung der Säuglinge an Magendarmerkrankungen 
kann nicht geleugnet werden. Die von den Fiirsorgestellen dagegen ergriffenen 
Maßnahmen waren von durchschlagendem Erfolg und berechtigen zu den besten 
Hoffnungen für die Zukunft, der es hoffentlich vergönnt ist, noch vorhandene 
Lücken dieses stattlichen Baues auszufiillen. Auch im Jahre 1914 haben die 
Säuglingsfürsorgebestrebungen erneut ihre Probe bestanden. Im 3. Teil zeigt 
der Verfasser den Einflnß, den der Weltkrieg auf die Säuglinge ausgeübt hat, 
und die Maßnahmen, um die Schädigungen zu beheben. Die wichtigste Tat¬ 
sache ist die Zunahme der Brusternährung. Dr. Wolf- Hanau. 


3. Verkehr mit Arzneimitteln. 

Pharmazeutische Rundschau. Von Dr. Max Win ekel-München. 
Münchener med. Wochenschrift; 1915, Nr. 24. 

Um die Unabhängigkeit des deutschen pharmazeutisch-chemischen Marktes 
vom feindlichen Ausland weitgehendst durchzusetzen, hat der Ausschuß der 
Spezialitäten- und Warenzeichenunternehmer des deutschen Apotheker¬ 
vereins einen Aufruf erlassen, der sich in erster Linie an die Aerzte richtet, 
nur Heilmittel deutscher Herkunft zu verordnen. Eine Liste 
zählt die deutschen Ersatzpräparate für ausländische Original¬ 
präparate auf: 


Benguc Balsam du Dr. Benguö 
Bromidia Battle 
Cascarine Leprince 

Extrait de Quinquiana Wattelet 

Fellows Sirup of Hypophosphites 

Fer dialysä Bravais 
Hömoglobine Deschiens granal 

Laxarine Ferrial 

Liquer du D. Laville 

Menthosol 
Morisons Pills 
Pastilles Laxatif Miraton 
Peptonate de Fer du Dr. Jaillet 
Peptonate de Fer Bobin 
Pilulae Clin ä la Lecithine 
Quina Laroche 
Scotts Emulsion 

Sirup de Chloral bromure du Dr. Dnbois 
Sirup de Chloral de Follet 
Sirup de phosphate de fer Leras 

Sirup Rami 
Vasogene 


Balsam. Menthol, comp. 

Liq. Chlorali bromat. 

Pilulae Cascar. sagr. 

\ Extr. Chinae liquid, odor 
f Extr. Chinae fluid. 

\ Liq. Hypophosphit comp, sacch. 

/ Sirup. Hypophosphit comp. 

Tinct. Ferri aromat. 

Pilulae Haemoglobini. 

S Essent. Frangulae oder 
Elixir Frangulae. 

Pil. Colchicin. comp, oder- 
Liquor Colchicini. 

Vasoliment. Mentholi. 

Pilulae laxantes. 

Pastilli Phenolphthaleini. 

Liq. Ferri peptonati. 

Pilul. Haemoglob. c. Lecithino. 

Vinum Chinae oder Elixir Chinae. 
Emuls. 01. Jecoris Aselli comp. 

Liq. Chlorali bromat. 

Liq. Calc. lactophosphor. c. Ferro et 
Mang, sacch. 

Liq. Bromoform comp, sacch. 
Vasolimenta. 

Dr. Boepke-Melsungen. 


Besprechungen. 

Prof. Dr. Aug. OArtner-Jena: Die Hygiene des Wassers. Gesundheit¬ 
liche Bewertung, Schutz, Verbesserung und Untersuchung des Wassers. Ein 
Handbuch für Ingenieure, Wasserwerksleiter, Chemiker» Bakteriologen und 
Medizinalbeamte. Mit 93 Abbildungen und 11 Tafeln. Braunschweig 1916. 



Besprechungen. 213 

Verlag von Friedrich Vieweg u. Sohn. Gr. 8°; 962 8. Preis: 86 M., 

geh. 38 M. 

Die Untersuchung des Wassers in chemischer und bakteriologischer 
Hinsicht ist, wie Verfasser in seinem Vorwort mit Hecht betont, in den letzten 
Jahren vorzüglich durchgebildet, dagegen ist die Berücksichtigung der 
geologischen, örtlichen und sonstigen Verhältnisse und damit die richtige 
Bewertung des Wassers nach dieser Richtung hin zurückgeblieben. „Hier galt 
es demnach den Hebel anzusetzen“. Wohl niemand war aber hierzu in aller¬ 
erster Linie befähigt, als gerade der Verfasser; stand ihm doch eine fast 
dreißigjährige Erfahrung zur Seite, die sich nicht nur über das durch seine 
geologischen Verhältnisse so wechselvoll geartete Thüringen — sein engeres 
Heimatland — erstreckte, sondern weit über dessen Grenzen hinausging. Das 
großzügig angelegte Werk trägt demzufolge nicht nur den neuesten Forschungen 
der Wissenschaft auf diesem Gebiete Rechnung, Bondern jeder einzelne Abschnitt 
läßt den erfahrenen Praktiker erkennen, dem ein außerordentlich großes und 
von ihm in kritischer Weise gesichtetes Material zur Verfügung stand. Aus 
der Praxis heraus und für die Praxis geschrieben, das ist das Leitmotiv, das 
sich Verfasser bei Abfassung seines Handbuchs zugrunde gelegt hat und dem 
er in wirklich hervorragender Weise gerecht geworden ist. Er beginnt mit 
einer eingehenden Besprechung der Anforderungen an ein Trink- und Haus¬ 
gebrauchswasser im allgemeinen und behandelt dann in gleicher erschöpfender 
Weise das Regenwasser und Eis, das Grund-, Quell-, Oberflächen-, See- und 
Stauseewasser. Es folgen hierauf die namentlich für die Medizinalbeamten 
sehr wichtigen Abschnitte über die Beurteilung der Wässer nach ihren ört¬ 
lichen und sonstigen Verhältnissen, sowie nach ihrer physikalischen, chemischen 
und bakteriologischen Beschaffenheit, die sich durch eine besonders klare und 
alle Gesichtspunkte berücksichtigende DarsteUung auszeichnen. Dasselbe gilt 
von den nächsten Abschnitten über die örtlichen Schutzmaßnahmen für die 
Wasserentnahmestellen, Schutzzonen, Fassungen, Wasserbehälter, Rohrleitungen, 
über Desinfektion von Brunnen und Wasserleitungen sowie über Filtration und 
Sterilisation; an die sich in zweckmäßiger Weise eine Zusammenstellung der 
geltenden einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen und Vorschriften sowie 
der richterlichen Entscheidungen anschließt. Die letzten Abschnitte sind der 
Untersuchung des Wassers auf Mikroorganismen, dem Nachweis spezifischer 
Bakterien im Wasser und der chemischen Untersuchung gewidmet. Mit Recht 
sind hier nur die bewährtesten Verfahren aufgeführt; besonderer Wert 
muß auf die bei der Probeentnahme zu beachtenden Vorsichtsmaßregeln gelegt 
werden, deren erfahrungsgemäß sehr häufige Nichtbeachtung oft zu den größten 
Irrtümern Veranlassung gibt. * 

Verfasser will mit seinem Werke Techniker und Medizinalbeamte von 
der toten Zahl freimachen, sie zu einer klaren Beurteilung anregen und ihnen 
vor allem in weitem Maße zeigen, wie das Wasser vor Infektionen und Ver¬ 
schmutzungen, vor Beeinträchtigungen seiner wirtschaftlichen Brauchbarkeit 
behütet und ihm dadurch eine in gesundheitlicher und wirtschaftlicher Hinsicht 
einwandfreie bezw. brauchbare Beschaffenheit gegeben werden kann. Er hat 
diese Aufgabe in wirklich vorzüglicher Weise gelöst, wofür ihm die beteiligten 
Kreise zu großem Danke verpflichtet sind. Sein Werk wird sicherlich allseitige 
Anerkennung und hoffentlich auch recht weite Verbreitung finden; dann wird 
es nicht bloß „einigen“, sondern recht viel Nutzen für die Hygiene des Wassers 
bringen. 

Dem Dank des Verfassers an die Verlagsbuchhandlung für die vorzüg¬ 
liche Ausstattung des Werkes, bei der weder Mühe und Kosten gescheut sind, 
kann'sich Referent nur anschließen. Rpd. 


Dr. Hartwig Klut, Mitglied der Kgl. Landesanstalt für Wasserhygiene zu 
Berlin-Dahlem: Untersuchung des Wassers an Ort und Stelle. Dritte 
umgearbeitete Auflage. Berlin 1916. Verlag von Julius Springer. 
Kl. 8°; 135 S. Preis geb. 4,60 M. 

Ein uns seit langem lieb und unentbehrlich gewordenes Buch haben wir 
in dritter wesentlich erweiterter Auflage vor uns. Die den früheren Auflagen 
nachgerühmten guten Eigenschaften allgemeiner Art, die deutliche und klare 
Sprache, die leicht verständliche Darlegung chemischer Vorgänge und vor 



214 


Tagcsuachrichluu 


allem die erschöpfenden Literatu rangaben bis auf die neueste Zeit, sind auch 
bei dieser Auflage vorhanden. Bekanntlich bietet uns daa Buch bei weitem 
mehr, als sein Titel besagt: Auch die Beurteilung der Wässer für die ver¬ 
schiedensten Zwecke wird neben den Untersuchungsmethoden klar, kurz und 
die neuesten Erfahrungen berücksichtigend vorgetragen. Diese neuen Er¬ 
fahrungen haben nun eine Reihe von Aenderungcn und Erweiterungen be¬ 
dingt: Die Lehre von den Ionen hat eine praktische Anwendung bei der 
Wasscruntersuchung gefunden (vergl. das Kapitel über elektrische Leitfähig¬ 
keit). Die Lehre vom chemischen Gleichgewicht in ihrer neueren Form hat 
dazu geführt, eine „aggressive“, d. h. Metalle und Mörtel zersetzende von 
einer nicht aggressiven Kohlensäure zu unterscheiden. — Auch die Methodik 
der Untersuchung hat sich etwas geändert. Die Anwendung flüssiger Rea¬ 
genzien scheint sich für Untersuchung an Ort und Stelle gegenüber der Be¬ 
nutzung von Rcagentien in Tablettenform siegreich behauptet zu haben. Ver¬ 
fasser selbst hat jetzt einen „Wasserkasten“ für chemische und physikalische 
Wasseruntersuchungen an Ort und Stelle angegeben, der bei P. A11 m a n n, 
Berlin N.W. erhältlich ist und an Handlichkeit nichts zu wünschen übrig läßt. 
(Preis 40 M.) — Es hat sich ferner, um nur das wesentlichste hervorzuheben, 
aas Verfahren bei der Kohlensäure-Bestimmung geändert. — Die Herstellung 
der Rcagentien hat Verfasser schon früher große Aufmerksamkeiten zugewendet 
und bringt uns auch jetzt darin die neuesten Erfahrungen. Tch erwähne nur 
die Darstellung der Jodzinkstärkelösung und ihre Anwendung sowie den Ein¬ 
fluß von Kochsalzgehalt des Wassers auf die Diphenylamin-Probe. — Ganz 
neu und höchst wichtig ist das Kapitel über „Metalle und Mörtelmaterial an¬ 
greifende Wässer“. 

Die dritte Auflage von H. Kluts Buch kann zum Studium und zum 
täglichen Gebrauch warm empfohlen werden, zumal sie alles Wissenswerte so¬ 
zusagen in nnce bringt. Dr. Schultz-Schultzenstein-Eberswalde. 


Tagesnachrichten. 

Ans dem preuasiaohen Herrenhaus«. Behufs Bekämpfung der 

Geschlechtskrankheiten hat der zeitige Gcneralgouverneur von Belgien, 
General Freiherr von Bissing, im preußischen Herrenhause den Antrag ge¬ 
stellt, die Staatsregierung möge einen bestimmten Betrag in den Haushalt zu 
m nachfolgenden Zwecken einstellen: 

1. Zur Einführung der Geschlechtskunde in den Seminaren und 
Hochschulen für die Geistlichen und Lehrpersonen an allen Schulen. 

2. Zur Aufnahme der Haut- und Geschlechtskrankheiten als Prüfungs¬ 
arbeit bei der ärztlichen Staatsprüfung. 

8. Zur Abhaltung planmäßiger Belehrung der Schüler und 
Schülerinnen vor der Entlassung über Geschlechtskrankheiten durch Schul- 
und Amtsärzte. 

4. Zu einem Preisausschreiben über den Einfluß der Geschlechtskrank¬ 
heiten auf die Bevölkerungsbewegung. 

5. Zur Unterstützung der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung der 
Geschlechtskrankheiten. 

Der Antrag befürwortet ferner, daß jede wissentlich geschlechtskranke 
Person, die trotzdem geschlechtlich verkehrt, bestraft werden könne. Der 
Antrag, der von einer Reihe von Herrcnbausmitgliedern unterstützt wird, ist 
mit einer eingehenden Begründung versehen. 


Eine von der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechts¬ 
krankheiten zusammenberufene Sachverständigenkonferenz, zu der auch das 
Rcichsjustizamt, das Kaiserl. Gesundheitsamt und das preußische Ministerium 
des Innern Vertreter entsandt hatten, hat sich vor kurzem in zweitägigen Be¬ 
ratungen mit den schweren Mißständen befaßt, welche auf dem Gebiete des 
Prostitutionswesens und der Geschlechtskrankheiten herrschen und die an- 



Tagesnachrichten. 


215 


gesichts der durch den Krieg geschaffenen Lage dringend Abhilfe erheischen. 
Um eine bessere Ueberwachung der Prostitution zu ermöglichen und den Ver¬ 
waltungsbehörden freie Bahn für die dringlichsten Aufgaben zu schaffen, ver¬ 
langt die Konferenz in einer Petition an den Reichstag, daß dieser durch ein 
Notgesetz schon jetzt die erst für die Reform des St. G. B. in Aussicht ge¬ 
nommene Aenderung des § 180 vornehme, auf Grund dessen heute schon aas 
bloße Vermieten an Prostituierte als Kuppelei bestraft wird. Gegen Bordelle, 
die ja immer zu schamloser Ausbeutung der Prostituierten führen, hat die 
Konferenz ausdrücklich Stellung genommen, hingegen sich zugunsten des so¬ 
genannten Bremer Systems ausgesprochen, bei dem die Prostituierten in 
besonderen Straßen als unabhängige Mieterinnen eigene Wirtschaft führen. 
Mit Recht verlangt die Konferenz in ihrer Petition eine Bestrafung derjenigen 
Personen, die, obwohl sie von dem ansteckenden Charakter ihrer Krankheit 
Kenntnis haben, dennoch andere den Gefahren einer venerischen An¬ 
steckung aussetzen. Schließlich fordert sie die Freigabe der Ankündigung 
und des Verkaufes der sogenannten Schutzmittel, insofern diese nicht 
gesundheitsgefährlich sind, in ärgerniserregender Weise öffentlich angekündigt 
und ausgestellt oder im Umherziehen vertrieben werden. 

(Deutsche medizinische Wochenschrift; 1916, Nr. 13.) 


Aenderung der Kreisarztbezirke im Stadt- und Landkreise Kdln. 
Vom 1. April ab sind die Bezirke Köln-Nippes und Köln-Ehrenfeld vom Kreis¬ 
arztbezirk Köln-Nord abgetrennt und mit dem Landkreis Köln zu einem 
Kreisarztbezirk vereinigt, der dem bisherigen Kreisarzt des Landkreises Köln 
Dr. Stoffels übertragen ist. _ 


50jührlges Doktorjubilfium. Am 17. März d. J. hat der Geh. Med.-Rat 
Dr. Erich Richter, Reg.- u. Med.-Rat bei der fürstlichen Regierung in Dessau, 
sein 50jähriges Doktorjubiläum gefeiert. Er ist geborener Anhaltiner und ist, 
seitdem' er im Jahre 1867 die ärztliche Prüfung bestanden hatte, in seiner 
Vaterstadt Dessau als praktischer Arzt tätig gewesen. Im Jahre 1881 wurde 
er hier zum Kreisarzt ernannt und im Jahre 1903 zum Regierungs-Medizinalrat 
und Vorsitzenden des Landes-Medizinalkollegiums. Um die Entwicklung und 
Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens seines engeren Vaterlandes hat 
sich Richter, namentlich in seiner jetzigen amtlichen Stellung, große Verdienste 
erworben. Bei seinen Kollegen, insbesondere bei den Medizinalbeamten, erfreute 
er sich nicht nur des Rufes eines tüchtigen Fachmannes, sondern auch infolge 
seiner großen Liebenswürdigkeit einer allgemeinen Beliebtheit. Er gehört mit 
zu den Begründern des Deutschen Medizinalbeamtenvereins und ist seit dessen 
Bestehen Mitglied des Vorstandes, der nicht verfehlt hat, ihm zu seinem 
Jubiläum die herzlichsten Glückwünsche zu übersenden. Mögen ihm noch 
recht viele Jahre in derselben geistigen und körperlichen Frische wie bisher 
vergönnt sein! _ 


Nachruf. Am 21. März d. Js. ist der Kreisarzt des Kreises Bceskow- 
Storkow, Dr. Arthur Doebert, in Warschau an Fleckfieber gestorben, das er 
sich bei Ausübung seines Dienstes als Kaiserlicher Kreisarzt des Landkreises 
Warschau zugezogen hatte. Seit Kriegsbeginn hatte er den Feldzug als 
Stabsarzt d. Res. beim 3. Garde-Ersatz-Bataillon mitgemacht und als solcher 
das Eiserne Kreuz II. Klasse erhalten. Ira September v. Js. erfolgte dann 
seine Berufung in den Dienst der Zivilverwaltung des Gouvernements Warschau. 
Hier hat sich der ebenso tüchtige wie pflichttreue Kollege eine Ansteckung 
mit Flecktyphus zugezogen, der er leider in voller Manneskraft erlegen ist. 
Ehre seinem Andenken! 


Ehrentafel. Es haben weiterhin erhalten das 
Eiserne Kreuz I. Klasse: 

Generaloberarzt Prof. Dr. Hahn-Straßburg i. Eis. 

Eiserne Krenz II. Klasse am schwarz-weißen Bande: 

Oberstabsarzt d. L Geh. Med.-Rat Dr. Wodtke, Reservclazarett- 
Direktor in Saarbrücken. 



216 


Tagesnachrichten. 


Ehren-OeUohtniitafel. Für das Taterland gefallen sind ferner: 

Chefarzt San.-Bat Dr. Pani Berner- Fürstenberg (Mecklenburg-Strelitz). 

Generalarzt z. D. Dr. A. Böttcher, stellvertretender Korpsarzt in 
Danzig (infolge von Krankheit gestorben). 

Stabsarzt d. Bes. Dr- D o e b e r t, Kreisarzt in Beeskow (zuletzt Kreisarzt 
des Landkreises Warschau (an Flecktyphus gestorben). 

Unterarzt Dr. Erich Fackenheim-Eisenach. 

Dr. Karl Gail, Arzt an einem Bes.-Lazarett (an Typhus gestorben). 

Stabsarzt d. L. Dr. Karl Haeffner-Wiesbaden. 

Stabsarzt d. L. Dr. Friedrich Kahler- Bühl (Baden) (infolge von Krank¬ 
heit gestorben). 

Assistenzarzt d. Bes. Dr. Fritz Krobitzsch-Gera. 

Oberstabsarzt Dr. A. Martin-Metz (infolge von Krankheit gestorben). 

Stabsarzt d. Bes. Dr. Ober ndörff er-Berlin (in Bagdad an Fleck¬ 
typhus gestorben). 

Stabsarzt d. L. Dr. Plathner-Harzburg i. H. (infolge von Krankheit 
gestorben). 

Stabsarzt d. L. Dr. F. Schmidt-Bochum (infolge von Krankheit 
gestorben). 

Stabsarzt d. Bes. Dr. W. Schradcr-Stettin. 

Generaloberarzt a. D. Dr. Solbrig, Chefarzt eines Bes-Lazaretts in 
München (infolge von Krankheit gestorben). 

Oberstabsarzt Dr. Eduard Wadsack-Potsdam. 


Cholera: In Oesterreich ist die Seuche erloschen; auch in den 
übrigen zu Oesterreich gehörenden Staaten scheint dies der Fall zu sein, denn 
in Ungarn sind vom 21. bis 27. Februar: 4 (2), in Bosnien und Herze- 

? ;owina vom 30 Januar bis 5. Februar nur noch 4 (1) Erkrankungen (Todes- 
älle) angemeldet. 

Fleckfteber: Im Deutchen lleich sind vom 12.—25. März nur 5 Er¬ 
krankungen und 1 Todesfall unter Kriegsgefangenen in einem Gefangenenlager 
vorgekommen; in Oesterreich vom 16. Januar bis 26. Februar: 244, 354, 
349, 398, 484 und 361, davon in Galizien und der Bukowina: 240, 846, 
810, 283, 378 und 273; in Ungarn vom 14. Februar bis 5. März: 3 (—), 
16 (2) und 19 (5). 

Pocken: Im Deutschen Beich sind in den Wochen vom 12. bis 
25. März 26 (davon 15 im Kreise Herford,* Beg.-Bez. Minden) festgestellt; in 
Oesterreich vom 30. Januar bis 19. Februar: 1693, 1723 und 1536 (davon 
1621, 1652 und 1438) in Galizien. 


Berichtigung. Von zuständiger Stelle erhalten wir eine Bichtig- 
stellung zu der von uns in Nr. 5 der Zeitschrift, S. 150/151 gebrachten Mitteilung 
über den Vertrieb der Broschüre eines Kurpfuschers durch das Zentral« 
komitee des Landesvereins vom Roten Kreuz. Danach hat es sich nur um 
Verbreitung von etwa 1000 Stück einer von einem gewissen Sch. verfaßten, 
dem Sanitätskorps gewidmeten und dem Landesverein zur Verfügung gestellten 
Schrift über die Behandlung der Wundnarben gebandelt, die dieser dann an die 
Lazarette und an die Front geschickt hat mit dem ausdrücklichen Vermerk, 
daß die Schrift nur für Aerzte und Lazarette bestimmt sei. Jede Absicht, einem 
Kurpfuscher Vorschub zu leisten, hat bei Versendung der völlig harmlosen 
Schrift selbstverständlich ferngelegen; von einem „Vertriebe“ der Schrift kann 
überhaupt nicht gesprochen werden. Ihre Versendung ist auch sofort ein¬ 
gestellt, als sich Bedenken gegen die Persönlichkeit des Verfassers erhoben. 
Auch die in dem Jahresbericht der Kommission der Aerztekammer zur Auf¬ 
klärung des Kurpfuschertums befindliche Bemerkung, daß das Zentralkomitee 
eine Anfrage der Kommission vom 11. Juli 1915 unbeantwortet gelassen habe, 
ist durchaus unberechtigt; denn schon am 17. Juli 1915 ist eine Antwort erfolgt. 


Redaktion: Prof. Dr. Bapm und, Geh. Med .-Bat in Minden i. W. 

J. C. C. Braut, Henofl. Biehn, u. F. 8ch.~L. Hofbucbdruckerei In Minden. 






Zeniralöp^^r^V' ,/^ : 

lör das psdnite Gebiet der fferiöht/iaben Mediito u.r4 

.staatlichen und privaten Versw:Wnäi»f{»W« 8 ^na;.’*. 2 iaVi 1 ö ■■4jfc: d** 
#pdijmiai und äftenttishe Gesun^twtJ^I^^ 4^ 

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1916. 


**** Zeitschrift 

für 

MEDIZINALBEAMTE. 


Zentralblatt 

fOr das gesamte Gebiet der gerichtlichen Medizin und Psychiatrie, 
des staatlichen und privaten Versicherungswesens, sowie für das 
Medizinal- und öffentliche Gesundheitswesen, einschließlich der 

Hygiene und Bakteriologie. 

Her&asgegeben 

TOD 

Prot Dr. OTTO RAPMÜND, 

Geh. Med -Rat In Minden I.W. 


Offizielles Organ des Deutschen, Preusstschen, Bayerischen, Sächsischen, 
Wörttembergischen, Badischen, Hessischen, Mecklenburgischen, Thüringischen, 
Braunschweigischen und Eisass-Lothringischen Medizinalbeamtenvereins. 


Verlag von Fiseher’s med. Bnehhandlg E Kornfeld, 

HanoffL Bayer. Hof- u. iE. «. K. Kammer -BucbhAndler. 

Berlin W. 62, Keithstr. 5. 

iMelfei oekmen Me TarUfshmndlmnf sowie eile Amelyenennehmeetellcn des In¬ 
an d Auslandes entfefen. 


Nr. 8. 


Erscheint 


5. and SO. Jeden Konnte. 


20. April. 


Gesundheitliche Kriegslehren. 

Von Med.-Bat Dr. Berger, Kreisarzt in Crefeld. 

Der große Mahner und Erzieher Krieg hat in alle Ecken 
des äußeren und inneren Lebens hineingeleuchtet; er drang 
durch das Flittergold der Modernität auf den Grund der 
deutschen Seele, wo ihm noch das reine deutsche Wesen 
ent^egenspiegelte; er drang durch das Unkraut des Luxus in 
Kleidung, Ernährung usw. auf den Kern des Bedürfnisses; dort 
gern gesehen, nicht als solcher, nein, das wäre wieder undeutsch, 
aber als notwendiges Uebel, dem man, wenn auch schrecklich 
wie des Himmels Plagen, doch das Geschenk des Himmels 
abgewinnen muß, hier von allen verwünscht, den einen hier, 
den ; anderen da beengend, ja ganz aus dem Geleise werfend. 
Der Krieg schob die Menschen, die bis dahin die schiebenden 
gewesen waren. Es dürfte jetzt an der Zeit sein, daß die 
Rollen allmählich wieder getausoht werden; noch nicht ist es 
soweit, aber es wird ja wohl, nachdem er 20 Monate regiert 
hat, bald soweit sein. Jedenfalls gilt es, schon jetzt .die Er- 













218 


-Df. Bergei 


fahrungen im Kriege zu verwerten und aus ihnen Lehren für 
die Zukunft, d. h. für den Frieden, aufzubauen. 

Diese Kriegslehren werden sich auf unser ganzes Leben 
zu beziehen haben, sie erfordern aber eine besondere Beachtung, 
soweit das gesundheitliche Gebiet in Frage kommt, hängt doch 
alle Betätigung, und damit alle anderen Fragen, letzten Endes 
von der Gesundheit des einzelnen ab;. vielleicht, wird, io allen 
wirtschaftlichen Sorgen das gesundheitliche in weiterem Sinne 
nicht genügend beaöhtet. 

Der Krieg hat die Augen besonders auf das'herahwachsende 
Geschlecht gelenkt, und die so viel neuerdings erörterte Frage 
des Geburtenrückgangs, die ja keineswegs eine rein ärzt¬ 
liche ist, kann nicht übergangen werden; denn was nützt uns 
die schönste Ausstellung „das Kind“, wenn wir keine Kinder 
haben; die Sorge für das heranwachsende Geschlecht hat zur 
Voraussetzung, daß es vorhanden ist. 

Das Kind muß aber nicht nur vorhanden sein,,sopder^ es 
muß reichlich vorhanden sein, reichlicher, als es in der jäh 
gleitenden Bahn der letzten Jahre geworden ist. 

Die Frage des Geburtenrückganges ist soviel erörtert 
worden, daß einem bei diesen vielen Erörterungen eigentlich 
um die Lösung der Frage, d. h. die Vermehrung der Geburten, 
etwas bange werden kann. 

Es muß weniger von der Sache geredet und mehr gehandelt 
werden. Die Lösung solcher Fragen läßt sich nicht durch 
diese oder jene einzelne Maßnahme erzwingen oder auoh nur 
fördern, sie müssen sich von selbst lösen, indem man ohne viele 
Erörterungen die Vorbedingungen, die eben ungünstig geworden 
sind, abzuändern sucht. Man kommt da um gewisse Er¬ 
örterungen gewiß nicht ganz herum, aber man kann das erörtern, 
ohne immer die Steigerung der Kinderzahl im Munde zu haben; 
diese muß eine selbstverständliche sein. 

Eine Vorbedingung für „volle Wiegen“ ist eine Vermehrung 
der Ehen. „Die Junggesellen und der Krieg“ sind mancherorts 
erörtert. Für Junggesellensteuern erwärmen sich alle, die es 
nicht selbst sind, mancher vielleicht mit der stillen Hoffnung, 
daß dann die anderen Steuern geringer ausfallen. Ich halte 
eine Junggesellensteuer für berechtigt aus verschiedenen 
Gründen: 

Der vielbesprochene Ueberschuß der Frauen ist zur Zeit 
des Heiratsalters gar nicht da, das ist ein großer Irrtum; wenn 
man den weiblichen Heiratskandidaten von 18 bis 30 Jahren 
die männlichen von 21 bis 40 gegenüberstellt, so ist kein 
Frauenüberschuß da. 1907 waren von den über 16 Jahre alten 
Personen im Deutschen Reich ledig 7 321808 Männer und 
6624909 Frauen. Der Mangel lag also in der Heiratswilligkeit 
der Männer. 

Dieses Zahlenverhältnis verschiebt sich durch den Krieg, 
alier doch nicht wesentlich. Am 10. Dezember 1910 hatten 
wir rund 13 Millionen Männer im Alter von 18 bis 45 Jahren, 



Gesundheitliche Kriegslehren. 


219 


von denen nur 7 Millionen verheiratet waren. Wenn also 
6 Millionen fehlten, braucht ziffernmäßig noch keine Ehe weniger 
geschlossen zu werden, sagen manche, und solche Verluste 
kommen nicht im entferntesten in Frage. Ganz so liegt es ja 
nun nicht, aber das ist richtig, die Kriegs Verluste sind nicht 
schuld, wenn eine Hero weniger ihren Leander findet. Bei 
einer Geburtsziffer und Sterblichkeit der deutschen Bevölkerung 
wie im Jahre 1912 würde der Krieg nur eine Herabsetzung der 
Volks Vermehrung innerhalb 20 Jahren von 16,8 Millionen auf 
14 Millionen zur Folge haben; das ließe sich durch geringe 
Steigerung der ehelichen Fruchtbarkeit etwa zu dem Durch¬ 
schnitt der Jahre 1901—1910 vollständig ausgleichen.‘) 

Die Eheschließungen müssen zunehmen; sie werden 
wesentlich bedingt durch die wirtschaftliche Lage. Die heim¬ 
kehrenden Krieger werden reichlich Arbeit finden, die Mädchen 
haben im Kriege besser gelernt zu wirtschaften, die weiblichen 
Lückenbüßer werden aus der Arbeit zurückgedrängt werden 
von den Zurückkehrenden, das ist nur gut, das Mädchen soll 
heiraten, der Mann soll arbeiten. Sorge ist schon heute zu 
treffen, daß sich das ohne Härten vollzieht; es kann uns dann 
gar nicht fehlen, ich will ganz schweigen von dem Sehnen des 
Feldgrauen nach einem traulichen Heim, von dem Suchen des 
Mädchens nach dem Helden. Der Krieg wird beleben, wie 
1870. Es kommt nur auch hier auf das Durchhalten und den 
selbstverständlichen Sieg an. Wie sagt unser einziger Hinden- 
burg? „Hoffentlich dauert der Krieg so lange, bis alles sich 
unserem Willen fügt.“ Dann greifen die Männer wieder in die 
Speichen des Wirtschaftsrades. Ebbt die weibliche Arbeit 
wieder zurück, so wird auch die Mutterschaft günstiger ver¬ 
laufen. Vielleicht sorgt man schon jetzt, daß der weibliche 
Körper durch die vermehrte Arbeit nicht geschädigt wird; 
Stärkungen und sachgemäße Erholungen können viel bewirken, 
und das ist alles ausführbar. 

■_ Die höheren Kreise sind in der gewollten Beschränkung 
der Geburten vorangegangen, das Volk ist gefolgt; es mußte 
doch auch für das Volk gut sein, was jene für sich für gut 
Hielten. In den höheren Ständen bleiben auch mehr ledig als in den 
unteren. Unter den Postbeamten waren ledig 15,7 °/ 0 bei höheren 
Beamten, 12,8 bei mittleren und 3,6 bei Unterbeamten; Familien 
mit mehr als 6 Kindern kamen auf 100 Ehen bei höheren Beamten 
1,3 mal, bei mittleren 2,5, bei Unterbeamten 8,1. Der Beamte 
kommt zu .spät zu einem auskömmlichen Gehalt, und die Familie 
wird nicht im Alter gegründet und soll es nicht. Weniger Be¬ 
amte, mehr Arbeit, gute Besoldung 1 Erziehungsbeihilfen, Gehalts- 
staffelungen, Steuerbegünstigungen dürfen nicht unterschätzt, 
aber vor allen Dingen nicht überschätzt werden. 

Für das Land ist die Hauptsache Landbesitz, für die 


0 Christian: Tagung fttr Erhaltung und Mehrung der deutschen 
Volkskraft. Berlin, 26.-28. Oktober 1916. 



220 


Dr. Berger. 


Stadt ausreichende Wohnung. Warum brachte Serbien 
im Balkankrieg 400000 Soldaten ins Feld? Weil der Serbe 
niemals ganz von Grund und Boden entfernt werden darf. 1 ) 

Ich erinnere an den Geburtenreichtum der bodenständigen 
französischen Bevölkerung Kanadas. In dem Zusammenhänge 
sei auch der Kosaken Sibiriens gedacht.*) 

Dringend der Lösung bedarf die Wohnungsfrage für 
kinderreiche Familien, ich halte sie für eine der wichtigsten. 
Mit Gewährung von Kindergeldern für die Schicht und das 
Kind, wie es neuerdings der Eschweiler und der Mülheimer 
Bergwerksverein und andere industrielle Unternehmungen getan 
haben, so schön und nachahmenswert das auch ist, löst man 
nicht die Wohnungsfrage, die gerade jetzt schon in Angriff 
genommen werden muß, vor dem Frieden. 

Der übertriebene Luxus, die gesteigerten Lebensansprüche 
bedingten mit die Einschränkung der Kinderzahl; dazu hat sich 
die Lebensmittelteuerung gesellt. Die beiden ersten gehen 
täglich zurück, die letztere steigt täglich. Sie wird mit dem 
Frieden nachlassen; es kommt darauf an, die Verminderung 
der beiden ersteren in den Frieden hinüberzunehmen. Dazu 
beitragen werden die neuen Steuern. 

Die gestiegenen Löhne der Arbeiter ermöglichen ihm jetzt 
mehr Ausgaben als dem Beamten sein gleichgebliebenes Gehalt. 
Soll er ein Beispiel geben, soll er heiraten und eine Anzahl 
Kinder erziehen, so wird man dessen gedenken müssen. 

Die rein gesundheitliche Seite der Frage der Geburten¬ 
beschränkung würde eine umfangreiche Darstellung für sich 
erfordern. Zahllose Störungen der Gesundheit, von den tödlichen 
Fällen ganz zu schweigen, haben in der gewollten Geburten¬ 
beschränkung ihren Grund bei Mann und Frau. 

Man sündigt nicht ungestraft gegen die Moral. Geburten¬ 
beschränkung ist Pessimismus, ist Zeichen des Rückgangs. Wir 
sind ein auf steigendes Volk; ein verantwortungsvolles Leben 
ist wert gelebt zu werden, nicht ein bequemes. Das Leben 
muß jeder nicht für sich leben, sondern für andere, für die 
Allgemeinheit, so predigt es unser tapferer Soldat, so muß es 
bei uns daheim werden und bleiben. Sittliche Erneuerung, 
religiöse Erneuerung, bringe auch sie uns der Krieg! Wenn 
man in dem statistischen Jahrbuch für den preußischen Staat 

1913 liest, daß die Ehescheidungen um so mehr zusammen¬ 
schrumpfen, je ländlicher und je katholischer die Bevölkerung 
ist (z. B. 40,6 auf 100000 Einwohner in Sachsen, in Bayern 16,4), 
so läßt das ohne weiteres an den ähnlichen Unterschied der 
Geburtenzahl denken. Die soeben veröffentlichten Zahlen für 

1914 lassen den konfessionellen Unterschied allerdings weniger 
hervortreten. 

Die Erziehung des Mädchens zur Mutter bietet keine 

M 25. Bundestag deutscher Bodenreformer in Straßburg. 

') W i e d e n f e 1 d : Sibirien in Kultur und Wirtschaft. 



Gesundheitliche Kriegslehren. 


221 


Schwierigkeiten, man sollte aber sich mehr der Erziehung des 
Knaben zum Vater annehmen. Kürzlich hatte ein Lehrer in 
der Oberklasse der Knaben Niederschriften veranlaßt „Wie ich mir 
meine Zukunft denke“. Einer schrieb: „Ich werde nicht heiraten, 
denn dann muß man für Frau und Kinder sorgen, und c^as ist 
jetzt so teuer“. Ein anderer „Ich will nicht heiraten, dann 
brauche ich mich auch nicht über meine Frau zu ärgern.“ 

. Das gibt zu denken! 

Das Glück mit Kindern und durch Kinder muß praktisch 
gezeigt werden durch Heraushebung der kinderreichen Familien 
im Leben. 

Wenn dann noch unsere großen Geister sich der Frage 
annehmen und sie dem großen Volk in ihren Werken nahe 
bringen — mir schrieb kürzlich unser bedeutendster zeit¬ 
genössischer Dichter, er werde es tun —, so werden die Wunden 
.des Krieges für das deutsche Volk bald verharschen. 

Die Säuglingspflege ist bereits erheblich verbessert 
worden. Was dann geschehen kann und geschehen muß, das 
mag man daraus ermessen, wenn man den Verlust von 
16 Millionen Säuglingen, die in den 48 Friedensjahren im 
zartesten Alter gestorben sind, den Kriegsverlusten gegen¬ 
überstellt. 

Die Reichswochenhilfe war von außerordentlich segens¬ 
reichem Einfluß, sie wird ja wohl in den Frieden mit hinüber- 

S enommen werden, das ist der Wunsch aller Kreise, denen das 
redeihen der Säuglinge am Herzen liegt. Notwendig ist aber 
ihre Verbindung mit den allenthalben einzurichtenden Mütter¬ 
beratungsstellen. Die Reichswochenhilfe allein tut es nicht, 
es gehört dazu praktische Arbeit; der Besuch der Mütter¬ 
beratungsstellen darf nicht leiden, wenn die Mütter von anderer 
Seite Hufe bekommen. Es muß eben beides vereinigt werden. 
Wenn nun, wie Dietrich mit Recht sagt, „das gute Befinden 
der Mutter ein sehr wichtiger Faktor im Leben des Säuglings 
isti, w i r< l doch mit der Mutter zugleich die beste Pflegerin und 
Nahrungsquelle des Kindes geschützt“, so wäre das erstrebens¬ 
werteste, den Mutterschutz auch mit an die Mütterberatungs¬ 
stelle anzugliedern; ich halte den Weg durchaus für gangbar, 
und werde meine Erfahrungen in der Richtung demnächst 
bekannt geben. Für gefährdete Säuglinge müssen Säuglings¬ 
heime in viel größerer Zahl geschaffen werden; wer den Segen 
der neuen Heime in Köln und Crefeld gesehen hat, der wird 
sie in größter Zahl für ein Bedürfnis halten. 

Die Sterblichkeit der Säuglinge zeigt in dem Kriegsjahr 
1915 eine erfreuliche Senkung. Die Gründe dafür sind leicht 
zu finden. Die Ernährung der Säuglinge erfuhr keine Ver¬ 
änderung, keine Verschlechterung. Die Mütter konnten bei der 
Abwesepheit der Männer vielfach auf ihre Kleinsten besondere 
Sorgfalt verwenden. Man wird aus dieser leider notwendigen 
Abwesenheit der Männer den Schluß ziehen dürfen, daß in der 
Fürsorge für die Kleinsten noch viel geschehen kann. Wenn 



222 


Dr. Berger. 


auch der heimgekehrte Krieger wieder einen berechtigten'An¬ 
spruch auf Sorge für sich erheben darf, so wird doch manches 
jetzt Gelernte bleiben; das muß durch praktische Säuglings¬ 
fürsorge gepflegt werden, es darf kein Rückfall eintreten. Hier 
liegt ein großes Feld für weibliche Betätigung. Wenn die 
Vermutung ausgesprochen ist, daß mit der Abnahme der Zahl 
der Lebendgeborenen sich eine zunehmende Fürsorgetätigkeit 
entwickeln oder besser wirken konnte, so ist das ein' Trug¬ 
schluß, aus dem etwa einen Rückschluß zu ziehen nur dringend 
gewarnt werden kann. 

Erheblich größer als die Sterblichkeit der ehelichen Säug¬ 
linge ist die der unehelichen. Es muß noch mehr geschehen, 
und da winken Lorbeeren. Das uneheliche Kind erfordert 
unsere Sorge ebenso wie das eheliche; seine Entstehung darf 
für uns keine Rolle spielen. Eine besondere Art von Kriegs¬ 
neugeborenen, dieKettner 1 ) gesehen haben will, habe ich in 
meinem gutbelegten Säuglingsheim nicht gesehen. 

Hat das Kind das Säuglingsalter verlassen, so entbehrt 
es einer besonderen Fürsorge, denn gerade in dem Alter drohen 
dem Kind allerhand Gefahren; die Kleinkinderschulen' können 
aber nicht als ausreichend für diese Fürsorge gelten. Die Klein¬ 
kinderfürsorge hat deshalb auch schon zu mehrfachen Vor¬ 
schlägen geführt, u. a. zur Angliederung an die Säuglingsfürsorge. 

Gerade der Krieg hat gezeigt, daß die kleinen Kinder oft 
zu kurz kamen, sei es, daß die Mutter durch Arbeit in Anspruch 
genommen war, sei es, daß sie durch den Säugling mehr Sorgen 
hatte oder anderes. Erstaunlich blühten solche kleinen Kinder 
in anderen sicheren Verhältnissen auf, wohin sie verpflanzt 
wurden durch Vermittlung der Deutschen Zentrale für Jugend¬ 
fürsorge. Die neuen Pflegeeltern, oft kinderlose Eltern, wurden 
aber reichlich belohnt durch das Gedeihen der Kleinen und 
durch ihre Unterhaltung. 

Nicht Vernachlässigung seitens der Mutter war es, was 
die Verbringung in andere Verhältnisse wünschenswert erscheinen 
ließ, im Gegenteil, glaube ich, daß wir der größeren Sorge der 
Mütter mit das Heruntergehen der Säuglingssterblichkeit zu 
verdanken haben, es war Nichtkönnqn nach jeder Richtung. 

Diese kleinen Kinder leiden still, sie klagen nicht, aber 
es wird der Grund gelegt zum Verderben. Wie sollen sie später 
zu kräftigen Menschen werden, wenn der Aufbau sich nur 
mangelhaft vollziehen kann? Eine Unterernährung in diesem 
Alter rächt sich schwer. 

Während die Säuglinge im Kriege nicht schlecht ab¬ 
schneiden, ist das allem Anschein nach bei den kleinen Kindern 
und, wie wir später sehen werden, bei den Sohulkindern zu 
befürchten. 

Die Mütterberatungsstellen müssen zu Kleinkinder- 

') Langstein: Bemerkungen über die Kriegsneugeborenen. Zeitschrift 
für Süuglingsschutz; VIII, 3. 



Gesundheitlipbo Kriegslehren. 


223 


beratungssteilen ausgebaut werden, denen Mittel und Wege 
zur Verfügung stehen, die Kinder in geordnete und gesund¬ 
heitsförderliche Verhältnisse zu bringen. 

Auf einen Mangel hat der Krieg mit Fingern gezeigt, das 
ist die geringe Zahl von Kinderhorten, wo die Kleinen 
Kühe und Pflege Anden, und wo sie auch erziehlich beeinflußt 
■ weiden; Auch viele Schulkinder brauchen außerhalb der Schul¬ 
zeit Arbeits- und sanfte Erziehungsstätten, das trifft besonders 
zu auf die Schwachbegabten Kinder. Wir wissen, daß der 
Beginn der. Schulzeit auf die Gesundheit des Kindes nicht ohne 
Einfluß ist, wie soll das. nicht geradezu verhängnisvoll sein 
können für. ein Kind, das vorher schon gelitten hat? 

Da kann denn auch die schulärztliche Fürsorge oft 
nicht mehr helfen. Die Notwendigkeit einer schulärztlichen 
Fürsorge ist ja wohl meistenteils anerkannt, nur sind die 
Meinungen noch über die Gestaltung nicht einig; vor allen 
Dingen ist erforderlich, daß die schulärztliche Tätigkeit sich 
nicht bescheidet mit der Feststellung der Abweichungen und 
Krankheiten, die Gesundheit der Schulkinder muß vielmehr 
auch wirklich praktisch durch ärztliche Behandlung, durch 
Kuren usw. gefördert werden. Ohne diese Folgerung ist 
die schulärztliche Tätigkeit eine halbe. Durch eine Schul¬ 
schwester, die den einzelnen kranken Kindern in die Familie 
nachgeht, wird schon manches gebessert, aber nicht alles 
erreicht. Es muß eine Form gefunden werden, die die ärztliche 
Behandlung aller kranken Schulkinder ermöglicht; das dürfte 
leicht möglich sein durch eine Form der Krankenversicherung. 
Was in der Zahnfürsorge möglich ist durch die notwendigen 
und. segensreichen Schulzahnkliniken, das ist auch für die 
Krankheiten des ganzen Körpers möglich. 

Unsere Schulkinder mit den kleinen Kindern sind unser 
zukünftiges Geschlecht, das das wahren und mehren soll, was 
jetzt die Väter kraftvoll erstreiten. 

' Ich stimme u. a. den Kölner Feststellungen zu, daß im 
Jahre 1915 von einer wesentlichen Unterernährung noch nichts 
wahrzunehmen war, ich fürchte aber, — und ioh habe dafür 
deutliche Anzeichen — daß die Unterernährung mit ihren 
Folgeerscheinungen jetzt droht. Wenn irgendwo, dann heißt 
es hier arbeiten mit allen Kräften, ehe es zu spät ist. 

Die Schulkinder erfordern jetzt unsere ganze Aufmerk¬ 
samkeit, und nicht nur in diesem Jahre, sondern in der Zukunft. 
Es wird darauf ankommen, eine allgemein durchführbare Schul¬ 
arzteinrichtung zu schaffen. *) 

Die Schularzteinrichtung hat sich selbstverständlich nicht 
allein auf die Volksschulen und auf die höheren Schulen zu 
beschränken, sie muß sich auch auf die Fortbildungsschule 
ausdehnen; Ich würde es überhaupt für zweckmäßig halten, 

') ; Vergl. die Rede des Ministerialdirektors Prof. Dr. Kirchner im Ab- 
geordnetenhause am 25; Februar 1916. 



224 


Dr. Berger. 


wenn die allgemeine Zwangs-Fortbildungsschule mehr in den 
Vordergrund der Fürsorge ftir unsere Jugend gerückt würde. 

Die Einwendungen, die wohl von seiten der höheren 
Schulen gemacht werden, daß für ihre Zöglinge vermöge der 
Lage der Eltern ausreichend ärztlich gesorgt sei, müssen 
unberücksichtigt bleiben; nur eine mit starker Hand geschaffene 
allgemein durchführbare Schularzteinrichtung erreicht das Ziel. 

In die Tätigkeit des Schularztes ist einbegriffen seine 
Beteiligung an der Beratung bei der Berufswahl. Die Kriegs¬ 
zeit hat uns da manche Lehre gebracht; jetzt will alles Dreher, 
Schlosser werden, es gelingt nicht, soviel Stellen zu finden, 
nicht jeder schwache Körper ist geeignet; zahlreiche Mädchen 
wollen jetzt Dienstmädchen werden, während früher die Freiheit 
und der Lohn der Fabrikarbeiterin lockte. Sollen wir tuber¬ 
kulöse oder zur Tuberkulose veranlagte Mädchen in den Haus¬ 
halt gehen lassen zu kleinen Kindern? 

Unsere ganze Berufsberatung muß ausgestaltet werden 
schon jetzt und besonders nach dem Kriege; wir wollen unsere 
deutschen Kinder bestmöglichst verwenden und so verwenden, 
wie es ihr Gesundheitszustand für sie und für die Allgemeinheit 
erfordert. 

Die Fürsorge für die heranwachsende Jugend nach dem 
Verlassen der Volksschule hat, was den männlichen Teil der 
Bevölkerung anlangt, schöne Erfolge gezeitigt; nicht alle Hoff¬ 
nungen sind erfüllt, es bedarf weiterer Arbeit, namentlich eines 
besseren Zusammenfassens. 

Für den weiblichen Teil ist noch nicht viel geschehen. Die 
Erziehung zur Mutter und Hausfrau liegt sozusagen in 
der Luft. Das „Freiwillige Jahr“ muß in dieser oder jener Form 
zur Tat werden, und in ihm wird man auch des Arztes nicht 
entraten dürfen. Hier muß über Säuglingspflege, über zweck¬ 
mäßige Ernährung usw. gesprochen werden, dann lernt die 
Mutter ihr Kind sachgemäß behandeln und ernähren, dann ist 
sie nicht ratlos, wie man es zur Kriegszeit sah, dann lernt sie 
gesundheitsgemäß wirtschaften und hält nicht den Mangel von 
Semmeln für eine schwere Gesundheitsbeeinträchtigung. 

Die gesundheitlichen Kriegslehren beschränken sich nicht 
bloß auf das heranwachsende Geschlecht. 

Wir haben im Jahre 1915, wie während des ganzen Kriegs, 
einen sehr guten Gesundheitszustand im allgemeinen gehabt, 
die Ende 1915 stärker auf tretende Grippe kann füglich^ außer 
Betracht bleiben. Wir blieben frei von Seuchen. Das ist der 
Beweis, daß die Maßnahmen gegen Seuchen den Anforde¬ 
rungen entsprechen; wir werden uns schon im Frieden erinnern 
müssen, daß Absonderung und Desinfektion mit Strenge durchzu¬ 
führen sind, wir werden dafür sorgen müssen, daß beide möglichst 
lückenlos arbeiten. Um gar keine Lücken zu lassen, wird noch 
ein ständiges Handinhandarbeiten von Zivil- und Militärbehörden 
notwendig sein, und ein lückenloses Arbeiten der verschiedenen 
Einrichtungen für Kranke untereinander: Gegenseitige Benach- 



Gesundheitliche Kriegslehren. 


225 


richtigung von Krankenhäusern, Irrenanstalten und Amtsärzten 
und Polizeiverwaltungen, namentlich wird das auch zu gelten 
haben bezüglich der sogenannten Bazillenträger, die für die 
Verbreitung ansteckender Krankheiten vielleicht eine ungeahnte 
Rolle spielen. 

Unter den Gründen für den guten allgemeinen Gesund¬ 
heitszustand möchte ich einen erwähnen: die Bevölkerung hielt 
sich mehr im Freien auf als sonst, der Raumgehalt gerade der 
kleinen Wohnungen war infolge Abwesenheit eines Erwachsenen 
vielfach ein günstiger geworden. Das dürfte u. a. auch auf die 
Notwendigkeit des Baus ausreichend großer Wohnungen für 
kinderreiche Familien hin weisen. 

Manche Erkrankungen zeigen eine geradezu in die Augen 
fallende Abnahme. Daß unsere ausgezogenen Krieger einen 
ausgezeichneten Gesundheitszustand boten, ist bekannt. Das 
ist aber auch für uns daheim eine Kriegslehre geworden. Wir 
sahen nicht wenige von den Ausgezogenen früher über Lunge 
und besonders Magen und Nerven klagen. Ja, wir wissen un¬ 
gezählte Fälle sicher, daß unsere früheren Kranken im Felde 
genesen sind. Wodurch, das kann sich jeder selbst beantworten. 
Ich hatte vor Jahren einmal über ein englisches Buch zu be¬ 
richten, dessen Ueberschrift lautete: „Luft, Nahrung, Körper¬ 
bewegung.“ Diese drei gibt es im Felde in Reinheit und Regel¬ 
mäßigkeit und Nr. 2 in Mäßigkeit. Reinheit, Mäßigkeit 
und Regelmäßigkeit, die uns durch die wirtschaftlichen 
Verhältnisse auch zum Teil näher gebracht worden sind, sie 
sind das A und O zum Gesundbleiben. Daß der Frieden keine 
Rückfälle bringt, das sei unsere Sorge. 

Dies gilt besonders bezüglich der Trinker; bei denen 
keine Kur half, ihnen hat vielfach der Krieg die Heilung ge¬ 
bracht; es heißt aber schon jetzt Vorsorge treffen, daß die 
Siegesfeier nicht den Rückfall kräftig einleitet. 

Offenbar haben wir mit einer Zunahme der Geschlechts¬ 
krankheiten zu rechnen. Das war bekanntlich nach allen 
Kriegen zu beobachten seit 1490 und nach gewaltsamen Vermitt¬ 
lungen sogenannter Kultur. Und nach diesem Krieg aller Kriege ? 
Wir müssen offen darüber reden, wie es unsere Heeresleitung in 
jedem Tagesbericht tut. Es ist nicht zu leugnen, daß der wilde 
Geschlechtsverkehr zugenommen hat, die Folgen sind klar. Daß 
heimkehrende Soldaten nicht die Krankheiten daheim verbreiten, 
muß mit allen Mitteln erstrebt werden. Wir sind in dieser Ge¬ 
fahr bereits mitten drin, wie ich leicht durch Beispiele erhärten 
könnte. Die Anzeigepflicht für ansteckende Krankheiten wird 
von den meisten nicht gut geheißen; Hauptgrund, weil das zu 
einer Verheimlichung führen würde. Zu empfehlen sind die neuer¬ 
dings erörterten Beratungsstellen; sie müssen möglichst 
überall eingerichtet werden. Die Geschlechtskrankheiten dürfen 
jedoch nicht nur als Aushängeschild gelten, es tritt sonst 
leicht wieder die gefürchtete Verheimlichung ein. Aber 
geschehen muß hier nicht nur etwas, sondern viel, wenn viel 



226 


Bf. Bergen 


•Unheil rvörhütet,,werden soll. Geschlechtskrankheiten machen 
nicht nur krank, sie machen auch zeugungsunfähig. In. Deutsch¬ 
land sollen 350000 Ehen, also 4 °/ 0 , infolge Geschlechtskrankheit 
des Mannes kinderlos sein. Dazu. kommt dann noch die Un¬ 
fruchtbarkeit nach dem ersten Kinde infolge und im Anschluß 
an Geschlechtskrankheit des Mannes. 

Wir dürfen; nicht immer die größere Schuld am Geburten¬ 
rückgang bei der Frau suchen, ja, wenn man zwei Haupt¬ 
gründe betrachtet, die Heiratsscheu der Männer und die Un¬ 
fruchtbarkeit. der Ehen durch Geschlechtskrankheiten, so kann 
man Gertrud Bäum er und Anna Papp ritz nicht Unrecht 
geben. Mit Nachdruck muß aber doch betont werden, daß 
man nun nicht, wie- das neuerdings zu sein scheint, die Be¬ 
kämpfung der Geschlechtskrankheiten für die Hauptsache hält 
bei der Verhinderung des Geburtenrückgangs. Dazu ist ihr 
Anteil zu gering;* meiner Meinung laufen wir da Gefahr, in ein 
falsches Fahrwasser zu geraten. 

Eine große Umwälzung brachte der Krieg in der Er¬ 
nährung. Er bewies zunächst, daß wir zu viel aßen und 
besonders zu viel Fleisch. Damit soll nicht gesagt sein, daß 
die unzweifelhaft ungenügende Ernährung mancher gesundheits¬ 
gemäß ist. Hätte man allmählich schon früher aus dem Zuviel¬ 
verbrauch eingelenkt, so hätte man jetzt die Einschränkungen 
größtenteils gar nicht gespürt, sie kamen aber plötzlich, wider 
Willen und wohl auch stellenweise zu schnell, deshalb wurden 
sie empfunden. Das Ernährungsproblem war kein Nahrungs¬ 
mittelproblem,, sondern ein Verteilungsproblem. 

Eine Aufmachung über die Abnahme von Magenerkran¬ 
kungen wäre lehrreich. Das steht fest und läßt sich beweisen, 
daß die Kriegsdiät den Gesundheitszustand nioht 
verschlechtert, sondern geradezu gebessert hat, 
Einzelheiten aufzuführen, ist an dieser Stelle nicht angezeigt. 
Vielleicht läßt sich u. a. in Zukunft eine Abnahme des Krebses 
feststellen aus naheliegenden Gründen. Für jetzt glaubt Boas 
eine überraschende Zunahme der Karzinome der Verdauungs- 
. organe namentlich im jugendlichen Alter feststellen zu können, 
er hält aber eine Vortäuschung vorläufig für möglich. Gewichts¬ 
abnahme bei erhaltener Kraft ist in der Kriegszeit eine häufige 
Beobachtung, das ist nichts Krankes; wir waren überernährt. 
Wir werden uns freuen, wenn dieser oder jener Zufluß wieder 
etwas reichlicher fließt, aber das sind im großen ganzen 
Ueberflüsse; jedenfalls hat der Krieg gelehrt, daß wir mit 
weniger auskommen können. Glaubten nicht manche ver¬ 
hungern zu müssen, als sie zum ersten male keine frischen 

Semmeln bekamen? Unsere Ernährung war eben vor dem 

Kriege nicht immer richtig. Wer war zu überzeugen von 

dem Nutzen des dunklen Vollkornbrots, wo er doch seinen 
Schweinen Kleie fütterte, um sie fett zu machen ? Alles wollte 
Grahambrot haben, und wußte gar nicht, was es war. Der 
Arzt Graham hatte ein Vollkornbrot, allerdings aus Weizen, 



GesundBeStliche Kriegslehren. 


227 


bäoken lassen, um die äußere 'wertvolle Schale des Kofris mit 
zu verwenden, weiter nichts. 

"Die Ernährungsfrage erfordert viel Arbeit, anhaltend, es 
wird das durch den Krieg Erzwungene sorgfältig zu verfolgen 
und darauf weiter zu bauen sein, namentlich in den Schulen. 
Nicht alles wollen wir in den Frieden mitnehmen, aber das 
Gesundheitsgemäße wollen wir retten. 

Daß bei dem Ausrücken vieler Aerzte ins Feld die Kur¬ 
pfuscherei blüht, ist nicht zu verwundern. Ich weiß viele 
Fälle, in denen die Frauen über alle möglichen Einschränkungen 
klagten und — die Kriegsünterstützungen zu Kurpfuschern 
trugen, während sie ; ärztliche Hilfe umsonst haben konnten. 
Und wie ließen sich die Kurpfuscher bezahlen, wahrhafte 
Kriegspreise. 

Die Schäden, die angestiftet worden sind, sind leider immer 
schwer ■ zu verfolgen, niemand will seine Dummheit öffentlich 
eingestehen. Hoffentlich sind sie nicht ernster Natur. Aber 
eins tut not, das ist das Verbot der Kurpfuscherei. 
Selbstlos. sind die Aerzte ins Feld gezogen, viele erleiden er¬ 
hebliche Geldeinbußen, sie tun es gern. Gebe man ihnen eins 
dafür, das Verbot , der Kurpfuscherei, nicht als Belohnung für 
etwas Selbstverständliches, wie es für jeden Deutschen war, 
nein, zum Wohle der Gesamtheit, für das sie auch vor dem 
Kriege schon immer gegen die Kurpfuscherei gehandelt haben. 
Warum trägt man nicht dem Hange einzelner Soldaten zur 
Kurpfuscherei auch im Heere Rechnung, und stellt Kurpfuscher 
im Felde.an? 

: Die Behandlung der Geschlechtskranken durch Kurpfuscher 
'soll gerade im-Kriege stark zugenoramen haben. Das bedeutet 
eine große Gefahr auf diesem Gebiete, jetzt und auch nach dem 
Kriege. 1 Hat man daran auch genügend gedacht bei der viel 
erörterten und mehr denn je notwendigen Bekämpfung der 
Geschlechtskrankheiten? 

Gefrade vor dem Kriege sprach man viel von der Z e n t r a 1 i - 
Nation der gesundheitlichen Fürsorge. Nun, wenn 
etWäß geeignet war, auch den Widerstrebenden die Augen zu 
öffnen über'diese Notwendigkeit, dann war es der Krieg. Wäre 
die gesamte Wohlfahrtspflege zentralisiert gewesen, es hätte 
ganz* anders gearbeitet werden können. Manche Frau, die zu 
latifen wußte, erhielt mehrfach, manche litt bittere Not. Die 
Hilfsbereitschaft war allenthalben groß, und wenn alle Unter¬ 
stützungseinrichtungen sich zusammen getan hätten, dann wäre 
viel möglich gewesen. Es gab ja auoh so keinen, der vergeb¬ 
lich Hilfe suchte, aber auch langes Suchen ist für Kinder nicht 
nützlich. 

Als ich 1897' zuerst Wohlfahrtsämter vorschlug, hatte 
ioh-zunächst die Zusammenfassung der Wohlfahrtsgesetzgebung 
hauptsächlich im Auge, ich habe den Gedanken dann erweitert, 
und an einigen Orten sind bereits Wohlfahrtsämter, diu die 



228 


Dr. AL Mayor. 


gesamt« Gesundheit»- und Wohlfahrtspflege umfassen, eingß- 
richtot. lfehßr ihre Gliederung habe ich in den Veröflent- 
hohungm» aus dem Gebiete der Medizinalverwaltung (Hl, 12) 
berichtet. Mögen sie nach dem Kriege allenthalben entstehen, 
in jedem StadG und in jedem Landkreis, sie werden dann rnit- 
bancn »n dem großen neuen Deutschland. 

„Wir sehen 4 , wie H. St. Ghamber iain sagt, „ein Deutsch¬ 
land im Werden — ja schon im Werke —, das die meisten 
gar nicht kennen''; sorgen wir !ür die Gesundheit des kraftvoll 
sich regenden Kindes. 

Zur Sotryomykose beim Menschen. 

Wm 8on.-fiot Ör. M* May^^fflWörö; 

Am 17. .Juni 1 cH5 steJHe sidh mir ein Öi^&hirtger Ackerer 
und Stierpfloger mit einer mk.chtlgeft Gesch wütet der rechten 
Unterkiefergegend veir. Der 

lieh einsytzende Magenbeschwerders stet* gösund gewesen war 
und nur die Üblichen Alterserscheimingen der Hurnsrücker Be* 
völkerung auf wies, gab an, er habe vor etwa 4 Wochen 
Schmerzen ira Mund und am Gaumen empfunden, es seien 
Schl uckbesehwerden aufgetreten, das Zahnfleisch sei empfindlich 
geworden. Plötzlich sei die rechte Mandel angeschwollen und 
darauf sei die Geschwulst an der ruhten llnterkieferseiie auf¬ 
getreten. Einige hohle Zähne fanden sich im rechten Unter¬ 
kiefer, 

Bei der nächsten Vorstellung am 23. Juni maß die Ge¬ 
schwulst 5 : b cm. Ich dachte an Aktinomykose, verordnete 
Jodk&Ji Und spaltete mit Herrn Kollegen Dr. Bickenbach 
die Geschwulst im hiesigen Ev. Kranketihause. Der Inhalt wich 
von dein bei AXtinoraykose gefundenen weseotlieh ah; es fanden 
sich keine Körner, mir dünne fadenziehende, gallertige Masseo, 
kein Eiter. 

Die Behandlung war indessen die von mir bei Aktinomykose 
öfter angewandte: Tamponade mit Perubälsam. um Eiterung 
zu erregen bei gleichzeitiger innerlicher Anwendung von Jod¬ 
kalt. Der Mann »st uni 20, Juli aus dem Krankenhause gebessert 
entlassen worden. Er stellte sich mir später wiederholt vor. 
Die Narbe war bald glatt, die Geschwulst geschwunden, nach 
einmaligen» vorübergobemb-u Wiederaufbrechen ist die Narbe 
bisher fest geblieben. 

Von dum Inhalt Vl»n Gqsahw iihi war enm Probe an das 


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k, l)ub;i . dum :tdh• Dauk sage; 

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> raaseeu- 

‘ ' '^yhmy-kose 


•* 



Zw Botryomykose beim Menschen. 


289 


Die Verwechslung mit Aktinoraykose erscheint erklärlich, 
wenn man die üblichen Befunde bei klinischer Betrachtung ins 
Auge faßt. 

Pseudofluktuation, sulzige Gewebsdurchtränkung bei gleich¬ 
zeitigem Vorkommen von ergebnislosen Zahnextraktionen hatte 
ich als solche Symptome in einem Vortrage angenommen, den 
ich 190Ö 1 ) in einer Versammlung der Medizinalbeamten des 
Reg.-Bet. Coblenz über die bis dahin von mir auf dem Hunsrück 
beobachteten Fälle gehalten hatte. Die maßgebenden Autoren, 
Poncet und Börard,*) schildern aber auch neuerdings das 
Bild ähnlich: 

Die, gewöhnliche Art der Halsaktinoraykose bildet einen 
diffusen, livid verfärbten Herd, wobei brettharte mit fluktuierenden 
Stellen abwechseln und Fisteln neben alten vernarbten Stellen 
vorhanden sind. 

In unserem Falle fehlten allerdings Fisteln bei der ersten 
Untersuchung, dobh war das äußere Aussehen und die Kon¬ 
sistenz der der Aktinomykose ähnlich. 

Die bei Botry omy kose des Menschen gewöhnlich ange¬ 
troffenen Geschwülste sind gestielte Hautgescn Wülste. 

L. Frdd^ric 3 ) schildert die sog. menschliche Botryomykose 
als gestielte Geschwülste, die auf der Oberfläche häung schwer 
erodiert sind, prominent, elastisch, in der Regel solitär an der 
Hand, auch im Gesicht auftreten, deren Verwechslung mit 
Sarkom manchmal nahe liegt. 

Dr. M. B. Hartzell-Philadelphia 4 ) nennt die Affektion 
Granuloma pyogenicum (Botryomykose der französischen 
Autoren). Er hatte sie in 4 Fällen zu beobachten Gelegenheit: 
Geschwülste aus Granulationsgewebe, die den gelben Eiter- 
staphylococcus beherbergen. 

H. Küttner 6 ) hält für die Erkrankung den peripherischen 
Sitz, die pilzförmige Stielung, die rundliche Form und die 
Neigung zu Blutungen für charakteristisch. Die Absonderung 
der ulzerierten Tumoren ist lästig. Die Erkrankung ist klinisch 
und histologisch als typisches Krankheitsbild festzuhalten und 
als teleangiektalisches Granulom anzusprechen. 

Beneke und Küttner haben sich gegen die Annahme 
von Poncet und Dor gewandt, daß diese Granulome beim 
Menschen mit der Tierbotryomykose identisch seien, wie sie 
von Bollinger im Perimysium, in der Subkutis, im Samen¬ 
strang nach Kastration und im retroperitonealen Bindegewebe 
des Pferdes nachgewiesen ist. 

Alle die erwähnten Granulome, auch die Fälle von 


«) Diese Zeitschrift; 1901, S. 287. 

*) Bef. Mttnchener medizinische Wochenschrift; 1911, 8. 778. 

*) Bef. Mttnchener med. Wochenschrift; 1904, 8. 766. 

*) Bef. Berliner klinische Wochenschrift; 1904, Literatnrbeilage S. 40. 
6 ) Bef. Mttnchener med. Wochenschrift; 1906, 8. 2466. 



290 Bericht über die 29. .ordentliche Versapmlung 

B. V; Bäracz, 1 ) N. Bardescu,*) G.E.Köfljetzn,y 8 )-haben 
mit unserem Falle klinisch keine Aehnlichkeit.. 

Dabei ist es aber von Interesse, daß immer wieder auf 
die Möglichkeit hingewiesen wird, daß die menschliche Botryo- 
mykose eine Berufskrankheit sei. 

Polizeitierarzt G läge-Hamburg 4 ) sagt in einem in 4er 
biologischen Abteilung des Aerztlichen Vereins Hamburg 1905 
gehaltenen Vortrage: 

Botryomykose wird durch Botryokokken erzeugt, die 
vielleicht mit Staph. pyog. aur. identisch sind; 

Sie ist öfter von Pferden auf den Menschen übertragen 
worden, besonders bei Pferdewärtern und Landleüten. Dabei 
bilden sich an der Infektionsstelle typische Granulations¬ 
geschwülste, die aber stets durch Operation erfolgreich beseitigt 
werden konnten. , 

Bernstein 5 ) weist darauf hin, daß Küttners 4 Fälle 
nur Landleute betrafen. „Ob irgend eine berufliche Schädigung 
durch die Landwirtschaft die Entstehung dieser Geschwülste 
veranlaßt oder gefördert hat .... muß dahin gestellt bleiben. 
Unter der Voraussetzung, daß die Krankheit vbn den Pferden 
auf den Menschen übertragen werden könne, würde sie zu den 
Berufskrankheiten der Landarbeiter zählen.“ 

Wenn es auch noch nicht gelungen ist, die Art der Ueber- 
tragung in meinem Falle festzustellen, scheint mir dooh wesent¬ 
lich, daß der von mir behandelte Mann viele Jahre Stier- 
pfleger ist und eine Entzündung von Mubd- und Gaumen¬ 
schleimhaut sowie der Mandel mit Schwellung vorausgegangen 
war. Die Gutartigkeit des Verlaufes, die Beeinflussung-durch 
Jodkali dürfte auch differentiell diagnostisch gegenüber« anderen 
Kiefergesohwülsten von Bedeutung sein. , 


Aus Versammlungen undVereinem 

Bericht Aber die 28. ordentliche Veraamutlatag de« 
Mecklenburgischen Hediiinslbeamten - Verdm-zii« 

#6. November 1915 ln Rostock. 

' Anwesend die Mitglieder: U n r u h - Wismar, Wilhelmi-{Schwerin; 
D a n n i e n - Malchin, Stein- Neu-Strelitz, Stephan -Qttstrow, M u 1 ert'-Wareb, 
Viereck-Ludwigslust, Dugge-Rostock. 

Der Vorsitzende, Med.-Rat Dr. Unruh-Wismar, gibt zunächst dqn 
verstorbenen Mitgliedern Roggen bau- Neu-Strelitz, Bartsch'- Parchim, 
Jenz-Schwerin einen warm empfundenen Nachruf. 

i . 

*) B. v. Baracz-Lemberg: Zur Frage eines speziellen> Krankheits¬ 
erregers bei der sog. Botryomykose des Menschen. Ref. Mttnchener mOd. Wochen¬ 
schrift; 1901, S. 646. t 

*) N. Bardescu: Die Botryomykose beim Menschen;'Mttnchener med. 
Wochenschrift; 1906, S. 1457. 

8 ) O. E. Konjetzny: Zur Pathologie und Axiologie der . sog. tele- 
angiektatischen Qranulome. Münchener med. Wochenschrift; 19)2,8. SW19. 

*) Münchener med Wochenschrift; 1905, S. 2343.. 

5 ) R. Bernstein: Die Berufskrankheiten der Land- und fkurstar beiter. 
Stuttgart 1910. 



• des Mecklenburgischen'Medizifafbeamten 1 -Vereins. 1 201" 

Im Felde stehen noch immer: G ü n th e r - Hagenow, Buschmann- 
Parchim, Peeck-Gnöien. D u g g e-Rostock steht als Stabs- and Chefarzt 
der Hecklenhnrg-Strelitzer Lazarette in Neustrelitz. 

I. Gefängnispsychosen. Med.-Rat Dr. Stephan, Kreisarzt in Güstrow: 

Gefängnispsychosen sni generis gibt es nicht. Das ätiologische Moment 
der Entziehung der Freiheit ist aber von fundamentaler Bedeutung für Ent¬ 
wicklung geistiger Störungen, besonders für Disponierte. Zu unterscheiden ist 
Internierung für lange Dauer (Strafanstalten und Zuchthäuser) und für kürze 
Dauer (Untersuchungshaft). Dort abgeschlossenes Verfahren, hier ewige 
Störungen mit Vernehmungen, Vorbereitungen zum Termin etc. etc.; auch die 
plötzliche Einsperrang selbst kommt erheblich in Betracht. 

Ueber die Anstalten für langfristige Strafen hat Vortragender weniger 
eingehende Erfahrungen, da er an solchen nicht angestellt ist und sie 
nur als Kreisarzt gelegentlich sieht. Er streift aber den „ Begnadigungswahn", 
meist wohl ein Zeichen präseniler Demenz; es fehlt solchen Kranken durchweg 
die Schärfe, die Impulsivität sonstiger Wahne; darin liegt eben das Präsenile. 

Das Untersuchungsgefängnis bietet andere Bedingungen. Die ganze 
Schwere der‘neuen Umgebung • lastet auf den plötzlich der Freiheit Beraubten. 
Leute, die ex ovo geistig labil und nicht völlig fest sind, brechen leicht zu¬ 
sammen. 

Verschiedene Gruppen von Kranken reagieren verschieden, je auf ihreWeise. 

Neurastheniker, ohnehin ja leicht erschöpft in ihrer nervösen Kraft, klagen 
über allerlei Beschwerden, Druck vor dem Magen, vor dem Kopf, können nicht 
schlafen usw. 

Degenerative, Defektmenschen, Erregbare, Verschrobene^ Streitsüchtige, 
Haltlose etc. bieten einen leider vorzüglichen Boden für einen geistigen Zu¬ 
sammenbruch. Hierher gehören auch die Hysteriker, sowie : manche Luetiker. 

Für alle diese Gruppen kommt als Gefängnispsychose der sog; „Zucht¬ 
hausknall“ in Betracht: Aus verhältnismäßig guter geistiger. Gesundheit 
heraus plötzlich starke Erregung, mit halluzinatorischer Verwirrtheit, unsinn¬ 
licher Zerstörungswut, sich äußernd. In den vom Vortragenden beobachteten 
Fällen war die Erregtheit meist in 2—8 Tagen abgeklungen, nach Bädern 
und Beruhigungsmitteln, ohne daß UeberfÜhrung in eine Irrenanstalt notwendig 
geworden wäre. 

Den Zuständen ähnlich, zu ihnen überleitend, sind die hysterischen 
Störungen. Es ist dabei zu denken an die funktionellen Störungen bekannter 
Art, weniger an die (durchaus nicht stets erforderlichen) Stigmata. Solche 
Kranken bieten im Gefängnis häufig Dämmerzustände, wollen plötzlich eine 
Reise machen u. dgl. mehr. Vortragender hat solche Zustande bis zu 8 Tagen 
beobachtet. Ein zunächst vielleicht vorliegender Vortäuschungs-Verdacht' 
erweist sich fast stets als unbegründet. . 

Hierher gehören auch (als haltlos Degenerative) die Alkoholiker, auch 
die Prostituierten, vornehmlich die höherer Stände. Vereinzelt fand Vor¬ 
tragender das sog. Gansersehe Symptom, krankhaftes Vorbeireden: „Das 
Pferd hat 5 Beine“; „die (auf dem Bilde weiße I) Ziege ist schwarz“ n. dgl. 
mehr. Dies Symptom hält sich oft viel länger, wochen- ja monatelang; man 
hat oft das Gefühl der Täuschung, muß sich'aber bei Defektmensohen doch 
von der Wirklichkeit des Zustandes überzeugen. 

Eigentliche Paranoia, echte Wahnbildung zu festem, unverrückbarem 
System, findet man in Gefängnissen relativ selten-; es währt meistens nicht 
lange bis diese Kranken, oft gefährlicher Form, in die 1 Irrenanstalten abge* 
schoben werden. 

Die Gefängnispsychosen bieten noch viel unaufgeklärte Punkte und ver¬ 
langen weiteres, sorgfältiges Studium. 

Diskussion. ' 

Dr. Wilhelmi bestätigt, daß die Anfälle von . „Zuchthausknall“ ge¬ 
legentlich so schnell abklingen, daß sie nicht erst in die Irrenanstalt überführt 
zu werden brauchen. Er betont aber ausdrücklich, daß er einen Fall von 
echter, rückhaltslos eingestandener Simulation erlebt hat. 

Dr. Viereck macht aufmerksam, daß an den kleinen Amtsgerichts- 
gefängnissen die Verhältnisse anders liegen. Echte Simulation hat er dort 



282 Ber. über die 28. ord. Versammlung des Meekl. Med .-Beamten * V ereins. 


nie erlebt. Unter den vielen Bettlern and Landstreichern befinden sich zahl¬ 
reiche alte. Psychotiker, Dementia praecox, Alkoholismas, Präsenile usw. 

Dr. Unruh möchte doch vor der Möglichkeit einer Vortäuschung des 
Gans er sehen Symptoms ausdrücklich gewarnt haben. 

II. Vertretung der zum Heeresdienst eingezogenen Aerzte durch 
Kandidaten der Medizin. Med.-Bat Dr. Unruh, Kreisarzt in Wismar. 

In einem Orte des Bezirks Wismar waren beide Aerzte eingezogen. Sie 
hatten zunächst einen gemeinsamen Vertreter; seitdem auch dieser eingezogen 
war, vertrat ein 8 3emestriger Mediziner die beiden Aerzte. Er meldete sich 
beim Kreisarzt U. an; hatte schon früher in Sachsen vertreten; brachte das 
Zeugnis des kgl. sächsischen Bezirksarztes in 0., daß „bei seinen Kenntnissen 
der Vertretung eines praktischen Arztes nichts entgegenstehe“. Auf Anfrage 
bei dem Bezirksarzt bekam U. die Antwort, daß inzwischen laut Ministeriad- 
verfügung solche Vertretung nicht mehr zulässig sei. (Vgl. Beilage Recht¬ 
sprechung und Medizinalgesetzgebung dieser Zeitschrift; 1916, Nr. 2.) U. be¬ 
richtete an die Medizinalkommission und erhielt die Antwort, daß besondere Ver¬ 
fügungen bei uns nicht bestehen; jedoch dürfe der Vertreter solche Verrich¬ 
tungen, die durch Gesetz ausdrücklich Aerzten Vorbehalten sind (Impfungen!), 
nicht vornehmen. Ü. hat aber auch andere wichtige Bedenken; so hat er sich ver¬ 
anlaßt gesehen, den Vertreter ausdrücklich anzuweisen, über anzeigepflichtige 
Krankheiten ihm Anzeige zu erstatten; hat ihm auch Verhaltungsmaßregeln 
über den Verkehr mit stark wirkenden Arzneimitteln gegeben, den Apotheker 
des Ortes angewiesen, verordnete Arzneimittel zwar abzugeben, sich aber in 
allen auch nur einigermaßen zweifelhaften Fällen an ihn, den Kreisarzt, zu 
wenden. Besonders und ausdrücklich hat er den Vertreter ermahnt, vorsichtig 
in seinen Ordinationen zu sein. U. ist sich bewußt, formell nicht vorschrifts¬ 
mäßig, sachlich jedoch, der Not der Zeit entsprechend, richtig gehandelt 
zu haben. 

In der 

Diskussion 

wird diese letztere Ansicht allgemein gutgeheißen. 

Dr. Wi 1 h e 1 m i ist bereits vom Ministerium mit dieser Sache befaßt und 
soll über die hier zutage tretenden Anschauungen Bericht erstatten. Er weist 
auf die Delbrück sehe Verlautbarung aus den ersten Tagen der Mobilmachung 
(siehe Aerztliche Mitteilungen, August 1914) hin, durch die den Medizinern 
„für dringende Fälle“ nach zwei klinischen Semestern gestattet wird, als ärzt¬ 
liche Hilfspersonen auch bei Krankenkassen zu wirken. In einem Schreiben 
desselben Ministers an das Schweriner Ministerium heißt es aber nicht „außer 
den Aerzten“, sondern „neben ihnen“; das kann als schwerwiegender Unter¬ 
schied gedeutet werden. 

Sicherlich ist in dieser heiklen Frage schon in Friedenszeiten stets, wohl 
überall in deutschen Landen, mehr oder weniger ein Aoge zugedrückt worden: 
heute aber handelt es sich um eine Notlage. Um Härten auszugleichen, wird 
es augenblicklich, zumal in unsern dünnbevölkerten Landgegenden, nicht immer 
möglich sein, dem Wortlaut des Gesetzes zu genügen. 

Dr. Dugge würde im vorliegenden Falle genau so gehandelt haben, 
wenn auch, rein offiziell, contra ordinem. Es ist eben ein Notstand, und es 
darf in diesen Zeiten ehrlich anerkannt werden, daß Vertretung durch ältere 
Mediziner seit Jahrzehnten eben ein oft stillgelittenes Uebel war und ist. 
Dadurch, daß Dr. Unruh den Vertreter ausdrücklich zu vorsichtigem Handeln 
ermahnte und den Apotheker anwies, sich in allen Fällen des Zweifels an ihn, 
den Kreisarzt, zu wenden, gestaltete er obendrein die Sachlage viel günstiger, 
als sie sonst gemeinhin gewesen sein mag; er nahm einen großen Teil der 
Verantwortung auf sich selbst. Schwierigkeiten könnten einzelne Behörden 
(Gefängnisarzt!) oder Gutsbesitzer machen, soweit sic schriftlich „ärztliche“ 
Behandlung ausbedangen haben; doch ist das rein privatrechtlicher Art und 
mag eigener Vereinbarung überlassen bleiben. Interessant ist übrigens, daß 
nach zahlreichen Erfahrungen, nicht nur die Frauen der ins Feld gerückten 
Aerzte, sondern auch das Publikum übereinstimmend meist sich sehr wohl¬ 
wollend und dankbar über die älteren, nicht approbierten Mediziner ausge¬ 
sprochen haben, im eigenartigen Gegensatz zu manchem harten Urteil, daß 



Klebet« Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 283 

Uber rein ärztliche Vertreter bemerkbar wurde. Wo so viele ansässige Aerzte 
aus guter, alter Praxis im Felde sind, und wo alle richtig leistungsfähigen 
Aerzte an ihrem Wohnorte doppelt und dreifach für die Abwesenden mitarbeiten 
müssen, also unentbehrlich und an die Scholle gebunden sind, ist es kein 
Wunder, daß an richtig guten und wahrhaft vertrauenswerten approbierten Ver¬ 
tretern ein Mangel ist, und daß anderseits unter den zur Verfügung sich stellenden, 
zum Ortswechsel bereiten Approbierten immerhin ein erheblicher Prozentsatz 
von solchen ist, die mit Vorsicht zu genießen sbd, oder die irgendwie und 
irgendwo ein großes Fragezeichen aufweisen. 

Dr. Mulert, Dr. Stephan, Dr. Dannien, Dr. Stein sprechen sich 
durchweg in zustimmenden Sinne aus. Generelle Regelung durch eine Zentral¬ 
instanz ist zur Zeit schwierig, wenn nicht unmöglich. 

III. Bemerkungen zur Bekanntmachung vom 3. Dezember 1914 Uber 
Wochenhilfe. Med.-Itat Dr. Wilhelm!, Kreisarzt in Schwerin. 

Der Vortragende berichtet über einen Fall von Weigerung einer Kranken¬ 
kasse, für Hebammendienste bei einer Fehlgeburt Kosten zu übernehmen, weil 
dies keine „Entbindung“ sei. Das Großherzogliche Versicherungsamt hat 
entschieden, daß zwar allerdings eine Fehlgeburt keine Entbindung im Sinne 
der Bekanntmachung sei, daß aber gleichwohl die Kasse die Hebammendienste 
zahlen müsse auf Grund des § 3, Ziffer 3 der Bekanntmachung; denn eine 
Fehlgeburt falle unter den Begriff der „Schwangerschaftsbeschwerden“, und 
steUe den höchsten Grad solcher Beschwerden dar. Dr. Wilhelmi behält 
sich vor, das in dieser Angelegenheit von ihm erstattete Gutachten und die 
Entscheidungsgründe des Versicherungsamts gelegentlich anderweit zu ver¬ 
öffentlichen. 

IV. Anforderungen, die man an die bei den Krankenkassen zuge¬ 
lassenen Zahntechniker stellen soll. Med.-Rat Dr. Wilhelmi, Kreisarzt in 
Schwerin. 

Dr. W. hat wiederholt Gelegenheit gehabt, im Aufträge des Großherzog¬ 
lichen Versicherungsamts an Ort und Stelle den Betrieb von Zahntechnikern 
zu besichtigen. Er fordert: Sauberkeit in erster Linie, dann aber, bei be¬ 
scheidenen Ansprüchen, immerhin ausreichendes Instrumentarium, ferner aus¬ 
reichende Kenntnisse nnd Möglichkeit zur Desinfektion der Instrumente, auch 
ordnungsmäßige Aufbewahrung der Geräte. Wie entsetzlich ist oft allein die 
Watte aufbewahrt! Zu achten ist auch auf die differenten Einspritzungen, 
die seitens der zur Kassenpraxis zugelassenen Zahntechniker in Mecklen¬ 
burg (Bekanntmachung vom 19. Dezember 1913, § 5, Ziffer 2) nicht angewandt 
werden dürfen. Nach neueren preußischen Entscheidungen dürfen allerdings den 
Zahntechnikern Gifte zu ihren „gewerblichen“ Zwecken, sofern sie „zuverlässige“ 
Personen sind, verabfolgt werden. 

V. Geschäftliches. Die Vorstandswahl ergibt Wiederwahl der 
bisherigen Mitglieder. 

Deber eine Frühjahrsversammlung soll der Vorstand nach eigenem besten 
Ermessen entscheiden. Erwünscht wird eine Besichtigung auf dem Gebiet der 
Kriegsbeschädigten-Fürsorge. 

Ein Jahresbeitrag soll diesmal nicht erhoben werden. 

Dr. Dugge-Rostock. 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 

A. Gerichtliche Medizin. 

Die Schädigung des Auges bei Vergütung durch Methylalkohol. 
Von Prof. Dt. Birch-Hirschfeld-Königsberg i. Pr. Medizinische Klinik; 
1916, Nr. 9. 

Die Methylalkoholvergiftung hat in Deutschland durch die Massenver¬ 
giftung im Berliner städtischen Asyl für Obdachlose die allgemeine Aufmerk¬ 
samkeit auf sich gelenkt, während die Erkrankung hier vorher ziemlich selten 
war. Diese Vergiftung führt oft zu schweren und dauernden Sehstörungen. 
Den in der Literatur bereits niedergelegten Erblindungsfällen werden 2 eigene 
Beobachtungen über Schädigung des Sehvermögens bei Soldaten, die an Methyl- 



234 


Kleinere Mitteilungen and Referate aas Zeitschriften. 


alkoholvergiftang erkrankt waren, angereiht. Die ersten Symptome bei Methyl- 
allroholvergiftung treten nach mehreren Stunden bis za einem Tag latent aöf 
and betreffen den Verdaaangstraktas; sie bestehen in Uebelkeit, Kopfschmerzen, 
Schwindel. Erbrechen; in ungünstigen Fällen treten auch Delirien, Krämpfe 
and Bewußtseinsstörungen auf. Die schädigenden Dosen unterliegen weite» 
Schwankungen. Die Sehstörung setzt meist schon vor Ansbruch der schweren 
Allgemeinerkrankungen ein. Weite, starre Pupillen, Reaktionslosigkeit deuten 
auf die Schädigung des Sehorgans; es findet sich Neuritis optica, Lähmung der 
Konvergenz und Auftreten von Nystagmus sind selten, ebenso Netzhautblutungen. 
Bei Metbylalkoholamaurose erstreckt sich die Netzhauttrttbung nicht 
auf den ganzen hinteren Pol, wie es häufig bei der Chininamauroee, 
selten bei der Filixamaurose vorkommt. In leichteren Fällen kann das 
Bild mit den Symptomen der chronischen Alkohol-Tabakamblyopie überein¬ 
stimmen, unterscheidet sich aber hiervon schon durch das plötzliche Einsetzen. 
Tritt plötzlich eine schwere Sehstörung mit zentralem absoluten Skotom and 
Einengung des peripheren Gesichtsfeldes mit Neuritis optica auf und liegen 
gastrointestinale Vergiftungserscheinungen vor, so ist in erster Linie an Methyl¬ 
alkoholvergiftung zu denken. Der Methylalkohol ruft degenerative Veränderungen 
in den Nervenfasern und den Ganglienzellen der Netzhaut hervor ohne ent¬ 
zündliche Infiltration. Bei der Methylalkoholvergiftung sind die Veränderungen 
am Auge nicht auf das papillomakuläre Bündel beschränkt. Die Therapie Ist 
ziemlich machtlos, daher ist die Prophylaxe (Ueberwachung des Schnapsver¬ 
kaufes, evtl, strenge Bestrafung etc.) von größter Bedeutung. 

Dr. L. Quadflieg -Gelsenkirchen. 


Optochin-Amaurose. VonSan.-Rat Dr. W. Feilchenf eld, Augenarzt 
in Charlottenbarg. Deutsche med. Wochenschrift; 1913, Nr. 11. 

Die Behandlung von Pneumokokkeninfektion mit Optochin ist 
sehr warm empfohlen. Doch ist das Präparat darchaus nicht ungefährlich. 
F. hat beobachtet, daß durch stündliche Dosen von je 0,2 g, in Gesamtmenge 
von 6 g, eine dauernde Schädigung der Augen bedingt wurde. Die gegebene 
Menge entspricht vielfachen Vorschriften, bleibt sogar noch unter der von ein¬ 
zelnen geforderten Grenze. Wenn auch Optochin ebenso wie Chinin nur zu¬ 
weilen so stark auf den Sehnerven einwirkt, so erscheint doch Vorsicht and 
Prüfung der Toleranz geboten. Da Gebörstörungen anscheinend zuerst be¬ 
merkbar werden, empfiehlt es sich bei deren Auftreten sofort das Mittel aus- 
zusetzen. Dr. R o e p k e - Melsungen. 


Die Ablehnung des Arztes als Sachverständigen. Von Ob'erlandes- 
geriebtsrat A. Freymuth. Aerztliches Vereinsblatt; 1916, Nr. 1068. 

Da in vielen, namentlich Unfallprozesscn das Outachten des Arztes als 
Sachverständigen die tatsächlich entscheidende Rolle spielt, wird oft um die 
Auswahl des Gutachters hartnäckig gekämpft. Ob im Einzelfall die Ablehnung 
berechtigt ist, entscheidet das Gericht. Nach der Zivilprozeßordnung (§§ 406, 
42) ist die Ablehnung statthaft, „wenn ein Grund vorliegt, welcher geeignet ist, 
Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen“. 
Der in einer Reihe von neueren gerichtlichen Entscheidungen in der AblehUungs- 
frage vertretene Standpunkt wird vom Verfasser dahin zusammengefaßt: 

„1. Die Tatsache allein, daß der Arzt eine Partei — natürlich gegen 
Entgelt — behandelt hat, sei es auch wegen des in dem Prozesse erhebuohen 
Leidens, rechtfertigt die Ablehnung des Arztes als Sachverständigen nicht. — 
Vgl. aber Nr. 4. 

2. Wohl aber ist die Ablehnung dann gerechtfertigt, wenn zwischen dem 
Arzt und der behandelten Partei sich ein besonderes Vertrauensverhältnis 
herausgebildet hat, wie es namentlich vorliegt: 

a) bei der Tätigkeit als langjähriger Hausarzt, 

b) bei der Behandlung des Kranken in der Privatklinik des Arztes. 

3. Auch dann ist dio Ablehnung gerechtfertigt, wenn zwar ein besonderes 
Vertrauensverhältnis (vgl. 2) nicht vorliegt, es in dem Prozeß sich aber gerade¬ 
tim eine AnorJnung handelt, die durch den betreffenden Arzt veranlaßt worden 
ist. (Hinweisung der Partei in eine Irrenanstalt.) 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. ' 230 

4. Ferner ist dann die Ablehnung auch ohne das Vorliegen eines be¬ 
sonderen Vertrauensverhältnisses (vgl. 2) gerechtfertigt, wenn der Arzt den 
Kranken wegen des im Prozesse erheblichen Leidens nicht nur behandelt (vgl. 1), 
sondern ihm anch private Gutachten darüber gegen Entgelt erstattet hat." 

Dr. R o e p k e - Melsungen. 

Die Haftung des Arztes wegen Pflichtverletzung in der Recht¬ 
sprechung des Reichsgerichts. Von Dr. W. Stein. Halbmonatsschrift für 
soziale Hygiene und praktische Medizin. Jahrg. 24, Nr. 6, 16. März 1916. 

Die Frage nach der Haftung des Arztes wegen Pflichtverletzung ist 
noch lange nicht geklärt. Eine Operatinn ist nicht widerrechtlich, wenn der 
Kranke oder sein gesetzlicher Vertreter eingewilligt hat, aber dies ist nicht 
immer möglich. Von dem verwundeten, bewußtlosen Soldaten kann weder die 
eigene noch die Einwilligung der Eltern gefordert werden; deshalb muß bei 
derartigen Eingriffen von Fall zu Fall entschieden werden. Die Verweigerung 
der Einwilligung der Eltern kann auch einen Mißbrauch der elterlichen Gewalt 
darstellen. Vor allen Dingen muß der Arzt sich gegen den Vorwurf der Fahr¬ 
lässigkeit schützen; er muß auch in der Wahl seiner Gehülfen vorsichtig sein, 
denn das Reichsgericht hat entschieden, daß der Arzt für deren Verschulden 
haftet. Anderseits hat das Reichsgericht zugunsten des Arztes angenommen, 
daß die Unmöglichkeit, die Ursache einer Verletzung sicher festzustellen, nicht 
zu Lasten des Arztes gehen darf. Dr. Hoffmann- Berlin. 

B. 8&ohverztämdlgent&tigkeit auf militärJLrztllokem Gebiete. 

Zur Erkennung von Spätfolgen nach Schädelschüssen. Von Prof. 
Dr. Tilmann-Cöln. Deutsche med. Wochenschrift; 1916, 20.2. 

T. hält es für möglich, durch die Lumbalpunktion festzustellen, ob die 
Reaktionserscheinungen des Gehirns auf eine Verletzung abgelaufen sind oder 
nicht. Erhöhter Druck mit normalem Eiweißgehalt der Hirnflüssigkeit scheint 
auf eine einfache arachnoidale Retentionszyste infolge Narbenbildung hinzu¬ 
weisen. Besteht hei hohem Druck geringer Eiweißgehalt, dann handelt es sich 
oft um eine entzündliche Zyste; ist der Eiweißgehalt hoch, so daß es in Flocken 
auafällt, dann liegt bei gleichzeitig hohem Druck meist ein Abszeß vor. Ei¬ 
weißgehalt bei normalem Druck deutet auf rein meningeale Vorgänge. Die 
klinischen Ausfallserscheinungen haben für die angeregten Fragen keine große 
Bedeutung. _ Dr. R o e p k e - Melsungen. 

UebuagMChule für Gehirnkrüppel. Von Dr. Fritz Hartmann. 
Münchener med. Wochenschrift; 1916, Nr. 12. 

Auf Grund praktischer Erfahrungen stellt Verfasser folgende Sätze auf: 
Jeder Gehirnkrüppel (Schädelverletzte) ist einer von einem Arzte und von einem 
Pädagogen geleiteten Anstalt zuzuführen und dort eingehend zu untersuchen. 
Am besten in heimatliche Anstalten. Da fast jeder Gehirnkrüppel Ausfall 
der Merkfähigkeit, Aufmerksamkeit und Assoziationsleistung aufweist, ist der 
Wiederaufbau nicht an den bestehenden Rest der Leistungen des Gehirns 
anzuknüpfen, sondern hat, bei allen ernstlichen Verletzungen, bei der ersten 
Stufe des elementaren Unterrichts zu beginnen. Auch bei Erschöpfungsneurosen 
empfiehlt sich das gleiche Verfahren. Dr. G r a ß 1 - Kempten. 

Weitere Beiträge zur Kenntnis der akzidentellen Herzgeräusche. 
Von Prof. Dr. Ehret. Münchener med. Wochenschrift; 1916, Nr. 14. 

Ehret bat bei 90°/ o der Gemusterten Herzgeräusche festgestcllt. Die 
Entstehungsart der Geräusche ist nach seiner Auffassung in der Mehrzahl der 
Fälle in der Beeinflussung der das Herz umschließenden Lungenteile durch 
aufgeregten Herzschlag zu suchen, ln diesen Lungenteilen findet infolge der mit 
dem Herzschlag verbundenen Konturveränderungen, an die sich die Lungen an¬ 
passen müssen, eine mehr oder weniger gewaltsame Verschiebung des Luftein¬ 
falles der Lungen statt. „Diese in Sekundenbruchteilen erfolgende Ver¬ 
schiebungen des Lufteinfalls werden bei intensivem Herzschlag und geeig¬ 
neter Luagenbeschaffenheit hörbar; daher die akzidentellen Geräusche in 



Ö36 Kleinere Mitteilungen und Referate ans ZeitschriitMU 

der Herzgegend". Geräusche, die bei dem Preßakte sofort verschwinden oder 
a tempo viel leiser werdenj dürften somit als akzidentelle, pneumokordialen 
Ursprungs und als für Herzdiagnose bedeutungslos angesprochen werden. 

_ Dr. G r a ß 1 - Kempten. 


O. SaohverztAndigentAtlgkelt in Unfall- und Invalidität»- und 
KrankenverzioherungMaohen. 

Ist Flecktyphus ein entschädigrungspflichtiger Unfall? Von Geh. 
San.-Rat Prof. Dr. C. Rüge. Aerztliche Sachverständigen-Zeitung; 1916, Nr.8. 

Der 45jährige Prof. Dr. L. hatte am 15. Mai 1914 die Insassen einer 
Flecktyphusbaracke zu untersuchen; er erkrankte am 31. Mai unter prodromalen 
Allgemeinerscheinungen, nach 24 Stunden mit starkem Schüttelfrost. Am (. Juni 
Aufnahme ins Krankenhaus; leichte Rötung im Rachen, Fieber, hyaline und 
granulierte Zylinder; 3 Tage später Flecktyphusausschlag, am 8. Juni unter 
Benommenheit und Herzlähmungserscheinungen Tod. 

Erkrankung und Tod wurden von der Familie als Unfallereignis ange¬ 
sehen und bei der Unfall-Versicherungsgesellschaft Ansprüche geltend gemacht, 
weil „ohne Zweifel eine äußere Verletzung durch Läusebiß“ stattgehabt hätte, 
die plötzlich, unfreiwillig, mechanisch von außen auf den Körper einwirkte. 

Nach der jetzt gebräuchlichen Infektionsklausel sind in die Versicherung 
eingeschlossen alle Infektionen, bei denen durch Ausübung des ärztlichen Be¬ 
rufes der Ansteckungsstoff nachweislich durch äußere Verle tzungen 
oder durch Einspritzen infektiöser Massen in Auge, Mund oder Nase in den 
Körper gelangt ist. 

R. führt des weiteren aus, daß im vorliegenden Falle nicht erwiesen ist, 
daß die Infektion durch äußere Verletzung auch durch Läusebiß entstanden 
ist, daß es eine nicht bemerkte, nicht wahrgenommene Unfallsverletzung nicht 
gibt, daß bei Flecktyphus neben der Uebertragbarkeit durch Blut eine Tröpf¬ 
cheninfektion nicht ausgeschlossen ist, daß für die Entschädigungspflicht bei 
einer Infektionskrankheit der nachweisbare Lokalherd entscheidend ist, von 
dem aus die Infektion erfolgt. Es wird an der Hand der Literatur geprüft, 
wie die Infektionsträger in den Körper gelangt sind, ob typisch, wie bei 
der Infektionskrankheit überhaupt — dann liegt kein Unfallsereignis vor — 
oder infolge wirklicher Verletzung — dann ist die Entscbädigungspflicht 
klar — oder atypisch durch Einatmung — dann liegt ebenfalls kein Un» 
fallsereignis vor. Nach allem wird die Frage: Ist Flecktyphus ein entschädi¬ 
gungspflichtiger Unfall? verneint, da Infektionskrankheiten nicht entschädigt 
werden, hier auch keine Unfall Verletzung vorlag. 

_ Dr. Roepke-Melsungen. 


Die Unfallbegutachtung durch den erstbehandelnden Arzt. Von 

D. F. Curschmann -Greppinwerke. Zentralbl.f. Gewerbebygiene; 1916,Nr.8. 

Eine eingehende Untersuchung und eine genaue Aufzeichnung der Anam¬ 
nese ist bei allen Unfallverletzten durch erstbehandelnden Arzt von größter 
Bedeutung. Der Verfasser empfiehlt ein Formular, das die Möglichkeit bietet, 
die in jedem einzelnen Falle verschiedenartigen wichtigen Umstände darin unter¬ 
zubringen; es müßte aber von allen oder der Mehrzahl der Berufsgenossen¬ 
schaften eingeführt werden. Dr. Wolf-Hanau. 


D. Baktsrlologia andBsk&mpfluf der übertragbaren Krankheiten. 

1. Bekämpfung übertragbarer Krankheiten im allgemeinen. 

Zum Eiweißnachweis im Urin. Von Stabsarzt Dr. Siebert. Deutsche 

med. Wochenschrift; 1916, Nr. 11. 

Eine einfache, wenig bekannte Probe des Eiweißnaclrweises im Urin, die 
bei der serologischen Liquordiagnostik schon seit einigen Jahren gute Dienste 
leistet, ist die Pandysehe Reaktion; sie gilt als feinstes Reagens für Eiweiß 
und spez. Globulinnachwcis bei pathologisch verändertem Liquor cerebrospinalis 
(bei Tabes und Dementia paralytiea). 

Man stellt die Probe folgendermaßen an: Man füllt ein Uhrglasschälchen 
zu dreiviertel voll mit einer verdünnten Karbolsäurelösung (Acid. carbol. liquef. 



Kleinere Mitteilangen And Referate aas Zeitschriften. 


237 


10,0 Aq. dest. ad 100,0) and läßt 1—2 Tropfen Urin in die Lösung fallen. 
Sofort bildet sich bei Eiweißgehalt eine weißliche Trübung oder ein weißer, 
wolkiger Niederschlag je nach der Menge des vorhandenen Albaniens. Die 
Probe kann auch angewendet werden wie die Heller sehe Ringprobe. Der 
gebildete Niederschlag läßt 6ich durch Na OH* und NH 3-Lösung wieder auf- 
lösen, ein Beweis für seine Eiweißnatur. Die Trübung läßt sich, gegen einen 
schwarzen Untergrund betrachtet, sehr gut bei täglichen Untersuchungen 
abschätzen. Dr. R o e p k e • Melsungen. 

2. Rückfallfleber. 

Ueber eine neue dem Rückfallfleber ähnliche Kriegskrankheit. Von 
Oberarzt Dr. Kombach. Deutsche med. Wochenschrift; 1916, Nr. 12. 

Im April 1915 wurden bei drei verschiedenen Regimentern rekurrierende 
Fieberanfälle beobachtet, die sich im Jnli verloren und erneut im November 
bei denselben Truppenteilen auftraten. Sie boten folgendes klinische Bild: 
Plötzliche Erkrankung mit leichten Kopf- und Kreuzschmerzen und nächtlichem 
Schweißausbruch. Am 5. Tage neuer, schwerer Anfall von Kopfschmerzen, 
außerdem Blutwallungen nach dem Kopf, Augendrücken, ziehende Schmerzen 
in den Schienbeinen und oft Durchfall. Der 3. Anfall ist meist recht schwer, 
hat drei Fiebertage und führt in der Regel den Kranken zum Arzt. 

Während der ganzen Dauer der Erkrankung weiß-grau belegte Zunge, 
Rachenschleimhaut entzündlich gerötet, Skleren leicht iktorisch, Lippen livid, 
oft leichtes Oedem der Knöchelgegend; Milz immer, oft erheblich, ver¬ 
größert, Leber druckempfindlich, Bauchdecken gespannt, Sehnenreflexe lebhaft; 
fast immer während eines Anfalles, öfters 2—3 mal, Herpes labialis. Urin 
ergibt stark positive Urochromogenprobe und enthält meist Eiweiß. Leichte 
Hyperleukozytose und mäßige Vermehrung der Lymphozyten. Hämoglobin¬ 
gehalt immer niedrig (50—60°/o). Die Widalsche Reaktion ist — bei den 
Geimpften — anfänglich erhöht (1: 800), sinkt zumeist innerhalb von 14 Tagen 
auf 1 : 100 ab. Die heftigen Schmerzen in den langen Röhrenknochen sind 
während des Fieberanstieges oft unerträglich und können in unbehandelten 
Fällen bis zu 2 Monaten anhalten. 

Herzstörungen sind häufig; Verbreiterung nach links, Töne dumpf und 
leiset, oft kurzes hystologiscbes Fauchen an der Herzspitze; Puls meist regel¬ 
mäßig. Die Temperaturkurve ist in der Mehrzahl der Fälle typisch. 

Die rekurrierenden Fieberanfälle, die drei Tage dauern und mit Durchfall 
einhergehen, legten den Gedanken an afrikanisches Rückfallfieber nahe. Durch 
Arsen (Neosalvarsan und Solatio Fowleri) wurde sehr günstige Wirkung erzielt. 
In den Tagen des Fieberanstieges sind im Blatausstrichpräparate gestreckte 
und gewundene Fädchen (Spirillen?) beobachtet. 

Da als erste Ueberträgerin des afrikanischen Rückfallfiebers die Kleider¬ 
laus festgestellt, erscheint die gründliche Entlausung der Truppenteile bei der 
Bekämpfung dieser Krankheit geboten. Alle eingelieferten Kranken waren 
stark von Läusen befallen; nach Entlausung wurde eine direkte Uebertragung 
im Lazarett nie beobachtet. Dr. Roepke-Melsungen. 


3. Typhus. 

Tetragenussepsis nach Typhus abdominalis. Von Dr. A. Welz und 
Dr. E.,Kalle. Deutsche med. Wochenschrift; 1916, Nr. 9. 

Die Tetragenuskokken haben als saprophytische Begleitbakterien anderer, 
meist chronisch-infektiöser Erkrankungen, besonders der offenen Tuberkulose, 
oder als harmlose Mund- und Rachen bewohner in der Pathologie eine mehr 
untergeordnete Bedeutung. Sie sind bisher nur sehr selten im strömenden 
Blute nachgewiesen und als Erreger septischer Allgemeininfektionen erkannt 
worden. 

Die Verfasser haben innerhalb kurzer Zeit und an verschiedenen Orten 
3 Fälle beobachtet, bei denen das Gemeinsame der Uebergang von 
Tetragenuskokken insBlut in der Rekonvaleszenz vom Typhus 
unter plötzlich anfallsweise auftretendem Fieber war. Die mit Schüttelfrost 
einhergehenden, stark remittierenden Temperaturschwankungen erweckten den 
Verdacht der Sepsis. Die kulturellen Blutuntersuchungen ergaben nicht 



238 


Kleinere Mitteilungen and Betonte nas Zeitschriften. 


die beim Typhus häufigeren Mischinfektionen mit Staphylokokken, Strepto¬ 
kokken, Pneumokokken, Bakterium coli oder der Paratyphusgruppe, sonders 
das rezidivierende schubweise Auftreten des Micrococcus tetragenas. 

In einem Falle war das Vorhandensein von reichlich Tetragenus auch 
im Sputum des Kranken gleichzeitig mit dem Befunde der Kokken im Blute 
bemerkenswert; dabei fehlten tuberkulöse Veränderungen im Blute. Als Ein¬ 
gangspforte kommt wahrscheinlich die ulzerös veränderte Dannschleimhaut 
nach der Typhoserkrankung in Betracht. 

Der aus Blut-BoniUon und -Peptonwasser nach 24 Standen Bebrütung 
angelegte Ausstrich zeigt gefärbt die in charakteristischen Verbänden gelagerten 
Kokken, vielfach mit einer breiten Kapsel umschlossen. Uebereinstimmend 
zeigen sie die leichte Färbbarkeit mit allen gebräuchlichen Anilinfarbstoffen, 
am besten mit Metbylenbau, das positive Verhalten nach Gram und ihre 
Unbeweglichkeit. In flüssigen Medien wachsen die Kokken meist in Tetraden, 
auf festen Nährböden meist in Staphylokokken-Verbänden, lassen Milch und 
Lakmnsmolke unverändert nnd vermögen Tranben-, Milch- und Rohrzucker in 
Bouillon in Agar nicht zn vergären. Indol- nnd Schwefelwasserstoffbildnng 
wnrde nicht beobachtet. Tierversuche fielen nicht immer positiv ans; bei 
letaler Infektion waren die Kokken in den Organen der geimpften Mäuse 
überall wieder nachweisbar. 

Zeitlich fiel mit der Schüttelfrost- nnd Sepsisperiode eine eigentümliche 
Bronzefärbnng umschriebener Haut- und Schleimhantpartien auf. Die voran¬ 
gehende Typhnserkrankung war in den 3 Fällen verschieden schwer. Die 

3 ;glntinierenden Typhus-Antikörper waren im Blutserum noch nachweisbar, 
s die nene Infektion einsetzte nnd — wie in einem Falle naebgewiesen — 
zur Bildung von spezifischen, gegen die Tetragenusinfektion gerichteten 
Agglntininen führte. Therapeutische Versuche mit intravenösen Kollargol- 
infusionen hatten anf den au sich gutartigen Verlauf keinen deutlich sichtbaren 
Einfluß. __ Dr. Roepke-Melsungen. 

4. Keuchhusten. 

Eine neue Behandlungsmethode des Keuchhustens. Von Prof. 
U. Kraus-Buenos Aires. Deutsche med. Wochenschrift; 1516, Kr. 10. 

Die Kontagiosität nnd das epidemische Auftreten des Keuchhustens 
stützen die Anffassnng der Mehrzahl der Kliniker, daß der Keuchhusten eine 
Infektionskrankheit und keine Nenrose ist. Eine Reihe von Autoren schreibt 
anf Grund kultureller Untersuchungen dem Bacillus Bordet-Gengon eine 
ätiologische Rolle za, während andere die einheitliche Aetiologie ablebnen. 
Möglicherweise kommt dem Bacillns Bordet-Gengon nur eine sekundäre 
Bedeutung zn. 

Da nach Krans Eiweißkörper verschiedener nicht spezifischer Art 
einen Einflnß anf den Verlauf von Infektionskrankheiten haben, suchte er 
an Stelle des nicht züchtbaren Virus im Sputnm selbst das Mittel zur Be¬ 
handlung des Keuchhustens; er nimmt an, daß im Spntum der hypothetische 
Erreger sein müsse nnd zugleich die Eiweißkörper, die die Krankheit beeinflassen. 

Sputum von Kenchhustenkindern, das tuberkelbazillenfrei befunden, wird 
möglichst steril gesammelt, gewaschen, mit Aether versetzt nnd in Flaschen 
3—4 Tage lang auf der Schüttelmaschine geschüttelt. Nachher wird der Aether 
verdampft und das homogenisierte Spntnm, auf Sterilität in Nährböden und 
Tierkörpern geprüft, in Fläschchen zn 1 ccm gefüllt. Dieses Präparat wird 
Kindern subkutan in Abständen von 2—3 Tagen in Mengen von 1—3 ccm 
injiziert. 

Nach dem Urteil der Kliniker, die das Präparat in 3 Spitälern angewandt 
haben, ist das Mittel absolut unschädlich nnd setzt die Zahl nnd Dauer der 
Anfälle herab. Der Charakter der Krankheit ändert sich insofern, als das 
Erbrechen aufhört, der Auswnrf gering, schleimig, der Hnsten katarrhalisch 
wird und in sehr vielen Fällen nach 10—14 Tagen aufhört, so daß die Krank¬ 
heit wesentlich abgekürzt wird. Jedenfalls bessert dus Mittel den Keuchhnsten 
in einer Weise, wie es mit keinem anderen medikamentösen Mittel bis heute 
möglich ist. _ Dr R o c p k c - Melsungen. 



Kleines« Mitteilungen und Referate »ns Zeitschriften. 


289 


5. Tuberkulose. 

Ueber den diagnostischen and prognostischen Wert der Wieder« 
heloog lokaler Tnberknlinreaktlonen nebst Beiträgen zur Frage nach der 
Taberkalin&bereinpAndllflhkelt. Von G. Bes sau and J. Sch wenke. Jahr¬ 
buch für Kinderheilkunde; 1914, Bd. 79, H. 2. 

Die Verfasser haben an 163 Kindern im Alter von 9 Monaten bis 
14 Jahren wiederholte intrakutane Injektionen von Koch sehen Alttuber- 
knlin in den 8 verschiedenen Verdünnungen 1: 10000, 1 :1000, 1 :100 vor- 
genommen, um die Steigerung der lokalen Tuberkulinempfindlichkeit zu 
beobachten. Nach ihren Ergebnissen bedeutet im Kindesalter eine starke 
lokale Tuberkulinempfindlichkeit (intensive Reaktion bei intrakutaner Ver¬ 
abreichung von 0,1 ccm Tuberkulin 1 : 10000) meist einen aktiven Prozeß. 
Bei sehr starker Reaktionsfähigkeit ist der Prozeß meist als klinisch günstig 
za beurteilen entsprechend der Auffassung, daß die lokale Reaktionsfähigkeit 
eine Abwehrmaßregel des Organismus (des tuberkulösen R.) bedeutet. 
Schwache Lokalreaktionen können entweder auf einen progredienten 
oder anderseits auf einen abgeklungenen Prozeß hindeuten. Hier erweist 
sich die Wiederholung der Tuberkulinreaktion als besonders wertvoll: 
Starke Steigerung der lokalen Empfindlichkeit schließt einen aktiv 
progredienten Prozeß mit sehr großer Wahrscheinlichkeit aus. 

Die Frage, ob die Erscheinungsformen der Steigerung der lokalen 
Tuberkulinempfindlichkeit mit denen der lokalen Serumüberempfindlichkeit eine 
gemeinschaftliche Qenese aufweisen, wird verneint; ebenso die weitere 
klinisch geprüfte Frage, ob bei der TuberkülinUberempfindlichkeit die Stärke 
der intrakutanen lokalen und der durch subkutane Injektion ausgelösten 
Allgemeinreaktion parallel geht. Dr. R o e p k e - Melsungen. 


Vergleichende Tuberkulinuntersnchungen an Kindern ans tuber- 
kntösen und nichttuberkulösen Familien. Von E. Dethloff-Bergen. Zeit¬ 
schrift für Tuberkulose; Bd. 25, Heft 2, 8.130. 

Nach dem Ausfall der Pirquetschen Tuberküloseprüfungen, die in 
Bergen an Kindern aus tuberkulösen und nichttuberkulösen Familien vorge¬ 
nommen wurden, geht die wesentlichste Ansteckung im Kindesalter innerhalb 
der vier Wände des eigenen Heims vor sich. Die Reinlichkeit im Hause spielt 
dabei eine sehr große Rolle, denn sämtliche Kinder aus den unreinlichen Häus¬ 
lichkeiten waren infiziert, während es -vorkam, daß keine oder nur die großen 
Kinder aus den reinlichen Häuslichkeiten angesteckt waren. 

Die Milch ist für die Ansteckung ohne Bedeutung: von 60 Kindern 
unter 4 Jahren aus nichttuberkulösen Familien war keines infiziert, «von 
67 Kindern aus tuberkulösen Familien 81. 73 Kinder hatten eine tuberkulöse 
Mutter und 77 einen tuberkulösen Vater; von den Müttern reagierten 60 °/o positiv, 
von den Vätern 76°/». Danach scheint die Tuberkulose des Vaters gefährlicher 
als die der Mutter; das achtlose Spacken der Väter erklärt das vielleicht. 

In den Häuslichkeiten mit an offener Tuberkulose leidenden Kindern waren 
alle anderen Kinder infiziert. Die infizierten Kinder unter 5 Jahren boten 
sämtlich eine starke Neigung zu Katarrhen im Respirations- und Darmtraktus. 
Je jünger die Kinder, desto schlechter der Allgemeinzustand. Eine der 
wichtigsten Forderungen im Kampfe gegen die Tuberkulose ist, die Kinder 
und besonders die kleinen Kinder aus den tuberkulösen Häuslichkeiten zu 
entfernen, um sie entweder in gesunden privaten Familien oder in Kinderheimen 
bis aum 6.—6. Lebensjahr unterzubringen. Dr. R o e p k e - Melsungen. 


Auftreten von Tuberkulose in einem Tale, in welchem bisher ein 
sicherer Todesfall an Tuberkulose nicht bekannt war. Von BirgcrOVor¬ 
land. Zeitschrift für Tuberkulose; Bd. 25, Heft 2, S. 130. 

In eiuem isolierten Gebirgstale Norwegens, in dem kein Todesfall an 
Tuberkulose beobachtet war, wurden sämtliche 100 Einwohner mit der 
Pirquetschen Tuberkulinprobe geprüft: es reagierten 54 %> positiv. Klinische 
Tuberkulose wurde nachgewiesen 1. bei einem 26jährigen Mädchen, das seit 
der Kindheit an Lupus litt; 2. bei einem 30jährigen Mann mit Ankylose nach 
Cexitrn; 3. bei'einem 33jährigen Mann, dem ein Finger wegen Tuberkulose 



240 


Kleinere Mitteilungen and Beferato aas Zeitschriften. 


amputiert war. Wahrscheinlich waren außerdem tuberkulöser Natur 2 Fälle 
von Abszessen und 1 Fall mit phlyktänulärer Augenkrankbeit. 

Als Träger und Ueberträger der tuberkulösen Infektion müssen zwei 
tuberkulöse Lehrer angeschuldigt werden, die ^Umgangsschule“ in diesem 
Kreise gehalten hatten. 

Bemerkenswert ist, daß sämtliche Kühe mit Tuberkulin geprüft waren 
und sämtlich eine negative Beaktion gezeigt hatten. Eine Infektion mit 
bovinen Bazillen war also bei den positiv reagierenden Bewohnern auszu¬ 
schließen. Dr. Boepke- Melsungen. 


Experimentelle Grundlagen für die Behandlung der Lungentuber¬ 
kulose mit Röntgenstrahlen. (Aus der Med. Klinik Freiburg i. Br.) Von 
Priv.-Doz. Dr. Kiipferle und Priv.-Doz. Dr. Bacmeister. Deutsche med. 
Wochenschrift; 1916, Nr. 4. 

Die Verfasser haben die Wirkung der Böntgenstrahlen auf die hämatogen 
und inhalatorisch erzeugte Lungentuberkulose in Tierserien zu erforschen 
gesucht und über die grundsätzliche Bedeutung und Möglichkeit einer günstigen 
Einwirkung, über die Art der Technik und die Vermeidung von Schädlichkeiten 
Erfahrungen gesammelt, die es ermöglichten, diese Therapie mit Erfolg auch 
beim Menschen anzuwenden. Sie stellten zunächst fest, daß durch Anwendung 
harter, filtrierter Böntgenstrahlen eine beginnende, experimentell bei Kaninchen 
gesetzte Lungentuberkulose zu unterdrücken, eine bereits entstandene zu heilen 
ist. Getroffen wird durch die Böntgenstrahlen das relativ schnell wachsende 
tuberkulöse Granulationsgewebe, das in Narbengewebe umgewandelt wird, 
während eine Einwirkung der Böntgenstrahlen auf die Tuberkelbazillen Selbst 
nicht stattfindet. 

Zur Erzielung der Heilung ist eine Strahlen-Optimaldosis notwendig. 
Zu kleine Dosen in langen Pausen haben keinen Einfluß. Sehr große Dosen 
in schneller Folge ohne genügend große Beaktionspausen schädigen das normale 
Lungengewebe und rufen Bronchitiden und Bronchopneumonien hervor. Im 
Tierexperiment sind 20—23 X Oberflächenenergie mit Einschaltung von 
3—6 tägigen Beaktionspausen zur Anregung und Beschleunigung des Heilungs¬ 
vorganges bei experimentell gesetzter hämatogener und Aspirationstuberkulose 
notwendig. Durch Quarzlampenlicht wurde ein direkter Einfluß auf die 
experimentelle Lungentuberkulose nicht erzielt. 

Dr. Boepke-Melsungen. 


Die Erfolge der kombinierten Quarzlicht-Böntgentiefentherapie bei 
der menschlichen Lungentuberkulose. Von Priv.-Doz. Dr. Bacmeister- 
St. Blasien. Deutsche med. Wochenschrift; 1916, Nr. 4. 

Es wurden stationäre, zur Latenz neigonde Phthisen ohne Fieber, dann 
fieberhafte, chronisch progrediente Fälle und endlich Kranke mit schwer 
destruierenden und käsig-exsudativen Formen (Kavernenbildung) der Böntgen- 
tiefenbestrahlung unterworfen; Ergebnis: Die Bestrahlung ist auch kein Allheil¬ 
mittel für alle Formen der menschlichen Lungentuberkulose. Getroffen wird nur 
das relativ schnell wachsende tuberkulöse Granulationsgewebe, nicht der Bacillus 
selbst. Günstig beeinflußt wird also nur die stationäre und die sich 
chronisch entwickelnde Phthise mit relativ langsamer Aus¬ 
breitungstendenz. (Das sind die prognostisch günstigen Fälle, die 
erfahrungsgemäß auch ohne Böntgenstrahlen zur Heilang kommen! Bef.) 

Der kranke Lungenherd wird felderweise (12 :8, 8:8, 5:8 cm) bei 
völliger Abdeckung der Umgebung je zweimal abwechselnd von vorn und von 
hinten bestrahlt. Die Filterung geschieht durch 3 mm Aluminiumplatten; Dosis 
10-15 X , so daß jeder Herd in 4 aufeinanderfolgenden Sitzungen (abwechselnd 
von vorn und von hinten) 40—60 X erhält. Wöchentlich 2, höchstens 
3 Sitzungen. 

Besser sind die Erfolge der kombinierten Quarzlampen- und Röntgen- 
tiefenbestrahlungen. B. beginnt mit wenigstens 6 Quarzlampenbestrahlungen 
(wöchentlich 3), dann folgt die Röntgenbestrahlung, wie oben angegeben, und 
schließlich wird die Behandlung mit 6 Sitzungen unter der künstlichen Höhen¬ 
sonne abgeschlossen. 

Die Böntgenbestrahlung ist keine indifferente Methode; falsche Technik, 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


241 


vor allem Ueberdosierung ist zn vermeiden. Häufig beobachtet man V* Tag 
nach der Bestrahlung Unlust, leichte Unruhe, Kopfschmerz, kleine Temperatur- 
Steigerungen (Röntgenjammer). Eine Allgemeinkur und Dosierung der Be¬ 
wegung ist gleichzeitig immer am Platze. Die Strahlenbehandlung der Lungen¬ 
tuberkulose läßt sich nur im Rahmen einer klinisch-diätetischen Allgemein¬ 
behandlung durchführen; sie wird daher weniger Sache der Röntgenolegeu und 
Krankenhäuser als der Sanatorien und Heilstätten sein. 

_ Dr. R o e p k e - Melsungen. 

Zur Frage nach den Beziehungen des AlkohoHsatas zur Tuberkulose. 

Mitteilungen von Prof. J. Orth in der 8itzung der Kgl. Preuß. Akademie der 
Wissenschaften. Besprochen von C. Hart. Zeitschrift für Tuberkulose; 
Bd. 26, Nr. 8. 

Der Alkoholismus schafft sicher disponierende Mißstände (Wohnungs¬ 
elend, schlechte Ernährung) für die Tuberkulose, insbesondere die Lungen¬ 
schwindsucht. Er fördert also indirekt auf dem Umwege durch soziales Elend 
die Tuberkuloseerkrankungen. Orth legt auch kein Wort zugunsten des 
Alkohols ein; er will vielmehr nur den Kampf gegen den Alkohol auf feste 
wissenschaftliche Grundlage gestellt wissen. Denn die wissenschaftliche 
Forschung muß feststellen, ob und inwieweit der Alkohol als solcher wirkt 
oder — nicht wirkt. 

Orth beweist im Gegensatz zu Bertillons Kartenskizzen, daß die 
Häufigkeit der Tuberkulosetodesfälle nicht parallel verläuft der Höhe des 
Alkohol-, insbesondere des Branntweinverbrauches, auf den Kopf der Bevölke¬ 
rung berechnet. Auch die stärkere Beteiligung des männlichen Geschlechts 
an der Tuberkulose beweist nicht, daß der Alkohol die Ursache dafür ist. Daß 
unter den Tuberkulosetodesfällen eines Jahres bei Personen von 8—40 Jahren 
die weiblichen Personen überwiegen, spricht dagegen. Endlich hat die' ex¬ 
perimentelle Forschung keinen direkten Zusammenhang zwischen Alkohol und 
Tuberkulose einwandsfrei nachweisen können. 

Gegen diese erste Mitteilung Orths sind Vorwürfe allgemeiner Art und 
Einwände erhoben, die von Ortn in der zweiten Mitteilung zurückgewiesen 
werden durch Gegenüberstellung von statistisch gewonnenen Zahlen der patho¬ 
logischen Anatomie. Er weist nach, daß in den Alkoholgewerben die Tuber- 
kulosesterblichkeit eine durchweg niedrigere ist, als aus den meisten anderen 
Ursachen. Es ergibt sich ferner, daß die Zahl der Tuberkulösen bei den Säufern 
mit der bei der Gesamtheit übereinstimmt, daß aber ein wesentlicher Unter¬ 
schied in der Schwere der Erkrankung zugunsten der Alkoholiker besteht, 
indem bei diesen nur 13,4 °/o (gegen 22*/ 0 der Allgemeinheit) eine fortschreitende, 
dagegen 16,1 */• (gegen 8°/o der Allgemeinheit) eine ruhende nnd geringfügige 
Erkrankung darboten. Und noch günstiger als bei der Gesamtheit der Alkoholiker 
stellen sich die Tuberkuloseverhältnisse bei den an Säuferwahnsinn Gestorbenen; 
von 78 Deliranten zeigten 60 (d. s. rund 77°/o) völlig tuberkulosefreie At¬ 
mungsorgane (gegen 70°/o der Allgemeinheit), und von den 18 überhaupt mit 
Tuberkulose Behafteten nur 6 = 7,3 °/o (gegen 22 °/o) eine fortschreitende und 
12 = 15,6 °/ 0 (gegen 8®/®) eine geringfügige und ruhende Tuberkulose. 

Ferner: Jenseits des 40. Lebensjahres standen 144 Alkoholiker (gegen 74); 
die Mehrzahl der Tuberkulösen unter ihnen (38 = rund 3 /s) gehörte dem höheren 
Lebensalter an. Von den im Alkoholgewerbe beschäftigten Männern 
waren 83'/*°/o (gegen 70°/o der Gesamtheit) völlig frei von Tuberkulose, 16 */ a °/o 
(gegen 30®/o) boten überhaupt nur tuberkulöse Veränderungen und nur 8 l / s (gegen 
22®fa) eine fortschreitende Tuberkulose. Danach waren die in der Charitö in 
Berlin verstorbenen Gastwirte, die nachweislich Trunkenbolde waren, in bezug 
auf die Lungentuberkulose weit besser gestellt, als die Gesamtheit der in 
demselben Krankenhaus verstorbenen Männer über 15 Jahre. 

Endlich weist Orth aus Zusammenstellungen nach, daß die Tuberkulose¬ 
todesfälle in den letzten 20 Jahren ganz erheblich zurückgegangen sind, bei 
den Männern im stärkeren Maße als bei den Frauen und ganz besonders stark 
im 7. Lebensjahrzent, während die Todesfälle an Säuferwahnsinn nicht ent¬ 
fernt eine gleiche Abnahme und gerade für das 7. Lebensjahrzent eine recht 
beträchüiche Steigerung erfahren haben. Nach allem kommt Orth zu dem 
8ohluß: „Es bleibt also dabei, daß der Nachweis, daß beim Menschen der 



242 Kleinere Mitteilungen and Befer&te aas Zeitschriften. 

Alkoholismus eine große Menge von Männern der Tuberkulose in die ine 
führe, in keiner Weise erbracht ist, daß im Gqjenteil vieles dafür spricht, daß 
der Alkohol in bezog auf die Schwindsucht nioht nur nichts schadet, sondern 
daß die Alkoholiker der Tuberkulose gegenüber günstiger gestellt sind als 
die Nüchternen.“ 

Eine weitere Mitteilung über die experimentelle Seite der Frage stellt 
Orth in Aussicht. Dr. Boepfee-Melsungen. 


6. Lupus. 

Tätigkeit der Lupnskonimlssion des Deutschen Eentra&oaritees zur 
Bekämpfung der Tuberkulose im Kriegsjahr 1914. Zeitschrift für Tuber¬ 
kulose: Bd. 25, H 3. 

Obwohl viele Aerzte und Leiter der Sonderanstalten für Lup.nskratfke 
zurzeit im Felde oder im militärischen Dienste stehen, ist die Zahl der von 
der Lupuskommission vermittelten Heilverfahren für heilungs- und besserungs¬ 
fähige Lnpuskranke gegenüber dem Jahre 1918 nur unerheblich znrüoc- 
gegangen. Auf Veranlassung der unter Vorsitz des Ministerialdirektors Prof. Dr. 
Kirchner arbeitenden Kommission wurden 1909: 10, 1911: 163, 1912 : 816, 
1913 : 395 und 1914 : 337 Kranke behandelt und größtenteils geheilt entlassen. 
Die hierfür von der Kommission aufgewandten Kosten sind in der gleichen 
Zeit von 2300 M. auf 17—20000 M. gestiegen. Dem Zweck, die Lupus¬ 
erkrankungen in allen Fällen so früh als möglich zu erkennen und der Be¬ 
handlung zu unterwerfen, dienen 48 Lnpusheilanstalten, die über das ganze 
Beich verstreut sind, ferner eine 1912 begonnene Zählkartenforschung, durch 
die bisher 6000 Lupuskranke im Deutschen Beiche ermittelt sind, und die alle 
2—3 Jahre stattfindenden Lupus-Ausschußsitzungen, in denen über neue Mittel 
upd Wege der Lupuserkennung und Lupusbehandlung verhandelt wird. 

Dr. Boepke-Melsnngen. 


E. Hygiene and öffentliohee Oesandbelteweeen. 

1. Wohnungshygiene. 

Wohnungsnot. Von Dr. Wilhelm Fei 1 chenfeld-Berlin*Charlotten¬ 
burg. Halbmonatsschrift für soziale Hygiene und praktische Medizin. Jahr¬ 
gang 24, Nr. 5, 2. März 1916. 

Verfasser wünscht, daß für die Arbeiterbevölkerung bessere und billigere 
Wohnungen beschafft werden; es müßten von den Stadtverwaltungen Häuser 
mit kleinen Wohnungen gebaut und die Verkehrsmittel nach den Vororten ver¬ 
mehrt werden, ln einem Umkreis von mindestens 25—30 km um Groß-Berlin 
herum müßten Verkehrsverbindungen vorhanden sein, die ermöglichten, in dem 
genannten Umkreise Wohnungen zu bauen und bequem zu benützen. 

Dr. Hoffmann -Berlin. 


2. Abwässer beseitig ung. 

Besehreibung der Abwässer-Kläranlage der Tuch* und FlaneUfabrlk 
W. Lewin In Güttingen. Von Gewerbeinspektor Bannert und Ingenieur 
Spanner. Zentralblatt für Gewerbehygiene; 1916, Nr. 2—3. 

Das im Abwasser noch enthaltene unverseiftc Fett wird in eine schaumige 
Masse verwandelt, die auf den Abwässern schwimmt. Da dieser Schaum, der 
also einen Teil der Seife und des Fettes enthält, auf mechanischem Wege von 
der Oberfläche des Abwassers entfernt werden kann, vermeidet man die Aus¬ 
fällung dieses Fettes und dieser Seife. Der Best muß natürlich gefällt werden. 
Das Verhältnis, in dem die Scbaumbildnng einerseits und die Ausfällung 
mit Kalk anderseits zur Beseitigung des Fettes und der Seife mit beigetragen 
bat, konnte nicht genau ermittelt werden. Man wird aber nicht fern gehen, 
wenn man annimmt, daß in dem Schaum 2 ,s des gesamten Fettes und der Seife 
enthalten sind und daß nur s mit Kalk zur Ausfüllung gelangt. 

Dr. Wolf-Hanau. 



Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 


248 


Abwässerpflege und Milzbrand. Von Prof. Dr. P. R o h 1 a n d - Stuttgart. 
Halbmonatschrift für soziale Hygiene und praktische Medisin; Jahrgang 24, 
Nr. 2, 20. Januar 1916. 

Bei der Abwässerklärung und -reinigung ist mechanische, chemische und 
biologische Klärung und Reinigung zu unterscheiden. Klärung und Reinigung 
-sind streng auseinander zu halten. Verfasser bespricht sodann 2 Fälle, in 
denen Lederfabriken dadurch geschädigt wurden, daß in ihren Abwässern Milz- 
brandsporen und Bazillen enthalten sein sollten. In dem einen Fall sollte der 
Röhrenstrang, der zum Durchleiten des Abwassers diente, undicht sein und so 
.eine Milzbrand Verseuchung entstehen können. In dem anderen Falle war das 
im Vorfluter verdünnte Abwasser als Düngemittel für Wiesen verwandt werden 
und nun sollte evtl, das Heu Milzbrandsporen enthalten. Es gibt jedoch noch so 
unzählige Fälle, wie die Milzbrandsporen auf jene Aecker gelangt sein können, 
daß beim Entstehen einer Milzbrandverseuchung keineswegs dem Abgang der 
Lederfabriken die Schuld- ohne weiteres beizumessen sei. Hier können erst 
gründliche Untersuchungen zum Ziele führen. Im übrigen sei im Chlorkalk 
und in anderen Substanzen ein leicht anzuwepdendes und billiges Mittel vor¬ 
handen, um 4 eine Milzbrandverseuchung im Keime zu ersticken. 

Dr. Hoffmann -Berlin. 


3. Gewerbehygiene. 

Zur Frage der Ausscheidung gewerblicher Gifte durch die Atmung. 
Von Prof. Dr. Ram b ou se k - Prag. Zentralblatt für Gewerbehygiene; 
1916, Nr- 3. 

Es zeigte sich, daß Anilin selbst oder auch als Salz (Sulfat), sei es 
intravenös oder subkutan oder auch per os gegeben, nngefähr im gleichen Ver¬ 
hältnis und Zwar etwa zu l°/o von der gegebenen Menge ausgeatmet wird, 
wobei die Anilinausscheidung durch die Atmung mehr wie 24 Stunden nach 
der Darreichung andauert und die ausgeatmete Anilinmenge allmählich 
abnimmt. Phen.ol, Blausäure, Schwefelwasserstoff konnten in der Exhalations- 
luft nicht festgestellt werden, dagegen Phosphor. 

Dr. Wolf-Hanan. 


Sind die elektrischen Zweizellenbäder ein therapeutischer Heilfaktor 
bei Bietkranken2 Von San.-Ral Dr. Böttrich-Hagen i. W. Zentralblatt 
für Gewerbebygiene; 1916, Nr. 2—3. 

1. Die elektrischen Bäder auch in Form der Zweizellenbäder sind seit 
langem im Gebrauch. 

2. Es ist ein Verdienst Olivers, die elektrischen Zweizellenbäder in 
leicht herstellbare Formen gebracht und zu experimentellen Untersuchungen 
auf Bleiausscheidung mit denselben angeregt zu naben. 

3. Durch die Zweizellenbäder scheint die Ausscheidung von Blei aus 
dem Organismus gefördert zu werden. 

4. Die Zweizellenbäder scheinen keinen nachteiligen Einfluß auf den 
Organismus oder einzelne Teile desselben auszpüben. 

5. Die Anwendung der elektrolytischen Zweizellenbäder empfiehlt sich 
in allen Fällen, wo Bleierkrankungen oder wo Verdacht auf diese vorliegt, 
oder bei denen eine Aufnahme von Bleiprodukten nachweisbar ist (Prophylaxe). 

Dr. Wulf-Hanau. 


4. Schulhygiene. 

Aerztliche Erfahrungen an den Schulkindergarten der Städtischen 
Volksschule zu Dortmund. Von Stadtschularzt Dr. Steinhaus Der 
8chularzt; 1916, Nr 3. 

Die Einrichtung eines Schulkindergartens ist in Dortmund auf Anregung 
des Verfassers nach dem Vorbild und den günstigen Erfahrungen in Charlotten¬ 
burg getroffen. Die Kinder werden aus zwei Volksschulen genommen, und 
zwar aus solchen Lernanfängern ausgewählt, die wegen allgemeiner Körper¬ 
schwäche noch nicht für schulbesuchsfähig anzusehen sind. Verfasser berichtet 
über die Erfahrungen, die mit einem solchen Schulkindergarten mit 22 Kindern 
gemacht wurden. Die Erfolge können als durchaus befriedigend bezeichnet 



244 Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 

werden; das Körpergewicht und die Körpergröße zeigten nach Ende des'Schul¬ 
jahres eine erfreuliche Zunahme. 

Im Schulkindergarten, der als eine obligatorische Einrichtung gelten 
soll, werden die Kinder einem Unterricht an leichten Stoffen unterzogen, im 
übrigen im Freien mit Spielen und dergl. beschäftigt. Mit Rücksicht darauf, 
daß alljährlich rund 6 Proz. aller schulpflichtig werdenden Kinder noch nicht 
für schulbesuchsfähig anzusehen sind und für den Schulkindergarten in Betracht 
kommen, verdient die Einrichtung der Schulkindergärten allgemein eingeführt 
zu werden. Die Einriohtungskosten betragen etwa 8000 bis 13000 Mark pro 
Garten und 70 bis 80 Kinder. Gerade in der Jetztzeit, wo es auf die Auf¬ 
zucht eines gesunden und körperlich kräftigen Nachwuchses ankommt, sollten 
alle Mittel, die verfügbar sind, angewendet werden. 

Dr. Solbrig-KOnigsberg L Pr. 


Erhebungen über die Terbreitung des Scbnlarztwesens ln Oester¬ 
reich. Von Leo'Burger stein-Wien. Der Schularzt; 1916, Nr. 2. 

Diese Erhebungen wurden von Verfasser auf Anregung der Oester- 
reichischen Gesellschaft für Schulhygiene durch ausgesandte Fragebogen ver¬ 
anstaltet. Der Krieg mit seinen Folgen beeinträchtigt die Vollständigkeit der 
Ergebnisse. Immerhin ist die Arbeit nicht erfolglos gewesen. Im ganzen 
wurden die Erwartungen des Verfassers über die Ausbreitung der Schularzt¬ 
einrichtung in Oesterreich übertroffen. Es werden nur solche Einrichtungen 
berücksichtigt, bei denen zum mindesten jeder. Schüler während seines Schul¬ 
besuches einmal allgemein ärztlich untersucht wird, denn Burgerstein legt 
mit Reoht bei der Schularztfrage den größten Wert auf die Schülerunter¬ 
suchung mit ihren Folgen wie Raterteilung. — Im Juli 1914 waren in Oester¬ 
reich über 27000 Schulen mit über 6 Millionen Schüler vorhanden; den bei 
weiten größten Teil machen natürlich die niederen Schulen aus (über 24000 
Schulen mit über 4 l /* Millionen Schüler). Von den einzelnen Kronländern steht 
Schlesien obenan, da hier 14 Proz. der Volksschulen .bereits mit Schulärzten 
versehen sind. Die niedrigsten Ziffern (2 Prozent und darunter) Anden sich in 
Tirol, Niederösterreich, Salzburg u. a. Bei den Mittelschulen ist Nieder¬ 
österreich an der Spitze. In den Lehrerbildungsanstalten ist wenigstens der 
Anfang mit der Schularzteinrichtung gemacht. Dagegen ist diese Einrichtung 
in den Anstalten für gewerbliche Bildung noch recht wenig entwickelt. Ver¬ 
fasser verspricht sich von literarischen Verbreitungen über die Schularztein¬ 
richtungen mancherlei Nutzen und erhofft für sein Heimatland eine weitere 
Ausbreitung der segensreiehen Schularzteinrichtung. 

Dr. 8 o 1 b r i g - Königsberg i. Pr. 


Mitteleuropäische Gemeinschaft für Schulgesundheltspflegfe. Von 
Fr. Lore nt z. Zeitschrift für Schulgesundheitspflege; 1916, Nr. 3. 

Die Bestrebungen von deutscher Seite und den mit Deutschland jetzt im 
Kriege verbundenen Mächten zur Begründung eines engeren politischen und 
wirtschaftlichen Zusammenschiasses haben Lorentz angeregt, eine „mittel¬ 
europäische Gemeinschaft für Schulgesundheitspflege“ ins Leben zu rufen. Die 
„Internationale Gesellschaft für Schulhygiene“ hat, wie er wohl mit Recht be¬ 
merkt, für unsere deutsche Schulgesundheitspflege nicht befruchtend gewirkt, 
dazu kommen die politischen Verhältnisse, Rassenunterschiede usw., die hier 
hinderlich wirken. Dagegen wird die dauernde Interessengemeinschaft der 
mitteleuropäischen Bundesstaaten auch für die Erziehung des jugendlichen 
Nachwuchses manche gleichartige Ziele und Anforderungen stellen, besonders 
auch in bezug auf die militärische Jugenderziehung. 

Wenn es auch noch zu früh ist, die Aufgaben solcher Arbeitsgemein¬ 
schaft im einzelnen zu bestimmen, so ist es nach Lorentz sicher schon Zeit, 
eine Sammlung aller schulhygienisch interessierter Kreise der verbündeten Länder 
zu gemeinsamer Arbeit anzubahnen. Dr. Solbrig-Königsberg i. Pr. 


5. Soziale Hygiene. 

Die ßevölkerungsfrage. Von Med.-Rat Dr. R i c h t e r - Königsberg i. Pr. 
Deutsche med. Wochenschrift ; 1916, Nr. 9. 

Billige, gesunde Wohnungen, billige, gesunde Nahrung, Schutz der 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. $>4b 

Matterschaft und des Nachwuchses sind die Hauptforderungen in der. Be- 
völkerungsfrage, aus denen sich alles andere von selbst entwickeln wird. 
Verfasser kommt daher zu der Forderung eines Reichs-Bevölkerungs- 
amts mit Abteilungen fttr Wohnungspflege (Reichs-Siedlungsamt), 
f&r Marktaufsicht (Reichs-Marktamt) und für Pflege des Nachwuchses 
im weitesten Sinne vom Kinde im Mutterleibe bis zum jugendlichen Arbeiter 
(Reichs-Jugendamt). Das so fttr die Volksgesundheit angelegte Kapital 
ist auch finanztechnisch richtig angelegt und befriedigt ethisch voll; auf ihm 
liegt keine öde Gleichmacherei. Dr. Roepke-Melsungen. 

Der Geschlechtsbruch In der Bevölkerungsstatistik. Von Dr< v. E y k - 
Huisen (Holland). Archiv fttr soziale Hygiene; Bd. 11, H. 3. 

Unter Gesehlechtsbruch versteht Verfasser das Zahlenverhältnis zwischen 
der lebenden männlichen und weiblichen Bevölkerung. Die Ursache des Größer¬ 
werdens des Geschlechtsverhältnisses bei der Bevölkerung liegt in diesem 
Jahrhundert in den Fürsorgemaßnahmen, die im Hinblick auf die männliche 
Bevölkerung genommen worden sind. Dr. Wolf- Hanau. 

■j .» .. 

Ueber den Einfluß der kriegsmäßig veränderten Ernährung. Von 

F. Sommel-Jena. Deutsche med. Wochenschrift; 1916, Nr. 12. 

Nach.Eltzbacher hat der Kalorienverbrauch des deutschen Volkes 
um 59°/o, der Eiweißverbranch um 44°/o dem physiologischen Bedarf über¬ 
stiegen. Wie nun der praktische Erfolg der kriegsmäßig veränderten Er¬ 
nährungsweise ist, sucht L. an bestimmten Menschengruppen festzustellen, und 
zwar wählte er Dir die Untersuchungen die Altersklassen, in denen das stärkste 
Wachstum des Körpers erfolgt, die Säuglingszeit und die Ent¬ 
wicklungszeit. 

Es wurden aus den Gewichtszahlen der der Jenenser Poliklinik ange¬ 
gliederten 9äuglingsfttrsorgestelle Durchschnittwerte berechnet durch Zusammen- 
rassen und Gegenüberstellen der jeweils im 1., 2. bis 12. Monat befindlichen 
Säuglinge einesteils der Jfhre 1913 und 1914, andernteils des Jahres 1915. 
Die einzelnen Gruppen waren hinreichend groß, um zuverlässige Mittelwerte 
zu ergeben. Es zeigte sich bei Brustkindern und bei unnatürlich Ernährten 
im Jahre 1915 nicht die geringste Veränderung im Wachstum. Mit Normal¬ 
kurven Camerers verglichen, ergaben die Kurven vor und während des 
Krieges eine fast vollkommene Uebereinstimmung. 

Als Beobachtungsmaterial des Pubertätsalters dienten die jugeadlichen 
Arbeiter und Lehrlinge der Firma Carl Zeiss in Jena, die seit Jahren halb 
jährlich untersucht werden. Die jungen Leute wurden in Gruppen von 18*/s- 
14, 14*/a bis 18 Jahren eingeteilt, ihr Gewicht und die Körperlänge festgestell, 
und die Zahlen zu Ende 1915 in Vergleich gesetzt mit den aus den voraust 
gegangenen Wägungen berechneten Durchschnittswerten. Es zeigte sich dabei- 
aaß die Gruppe der 15 1 /»jährigen den früheren Durchschnitt an Körpergewicht, 
überragte, während alle anderen Gruppen etwas dahinter zurückblieben. Der 
Unterschied ist aber bei den 16, 16'/» und 17jährigen so gering, daß er ver¬ 
nachlässigt werden kann. Nur die 14'/» und l&jährigen waren erheblicher 
zurückgeblieben; sie gehörten aber von vornherein einem stark untergewichtigen 
Jahrgang an und hatten im Laufe des 2. Halbjahres 1915 einen recht günstigen 
Zuwachs erzielt. 

Alle jungen Leute hatten eine um 25°/o verlängerte Arbeitzeit, teilweise 
Nachtschichten. Wenn trotz dieser erhöhten Leistung wesentliche Gewichts¬ 
unterschiede fehlen und der allgemeine Eindruck der Untersuchten keine An¬ 
zeichen einer Verchlechterung gegen früher erkennen läßt, so kann der Schluß' 
gesogen werden, daß die veränderte Ernährung bis jetzt (Ende 
1915) zu keiner Schädigung der untersuchten Bevölkerungs¬ 
klasse geführt hat. Dr. Roepke-Melsungen. 

-. . . i 

Die Ernährung der Kopfarbeiter. Von Dr. Hindhede, Direktor des 
Laboratoriums für Ernährungsuntersuchungen in Kopenhagen. Berechtigte 
Uebersetzung von Gertrud Bauer. Halbmonatsschrift für soziale Hygiene 
und praktische Medizin; Jahrg. 24, Nr. 2, 20. Januar 1916. 

Verfasser meint, daß die Forderung von Cohnheim als Eiweißminimum 



246 


Kleinere Mitteilungen and Ijtoferate am Zeitschriften. 


für den Kopfarbeiter 100 g za rechnen, veraltet sei, er rechnet die Hälfte, also 
50 g. Die Versuche haben gezeigt, daß sogar mit noch erheblich weniger aus- 
zukommen ist. Bei diesen Versuchen bestand die Nahrang hauptsächlich aus 
Kartoffeln. H. betont ausdrücklich, daß Fleisch-, Kartoffel* und Brot »Eiweiß 
ganz denselben Nährwert haben; Brot und Kartoffeln seien deshalb von emi¬ 
nenter Bedeutung, und es sei gefährlich, die Menge dieser Nahrungsmittel 
berabzusetzen, viel eher könne die Fleischnabrung, speziell Schweinefleisch, ver¬ 
mindert werden. Wenn in schwerer Zeit nicht Nahrung genug vorhanden sei, 
dann müsse für die Mästung eines Schweines 1,7 Mann hungern; der Schweine¬ 
bestand müsse daher herabgesetzt und darauf gedrungen werden, mehr Brot 
und Kartoffeln zu essen. Dieses müsse zur Ueberzeugung des Volkes werden, 
das bis jetzt verbleudet sei durch ein Menschenalter des Irrtums. Deutschland 
sei sich klar darüber, daß es gegen viele Großmächte zu kämpfen habe, aber 
es sei sich noch lange nicht klar genug darüber, daß es auch noch mit einer 
anderen Großmacht kämpfe, die vielleicht gefährlicher sei als alle anderen, 
nämlich — gegen das deutsche Schwein. — Ob wirklich unsere Ernährung so 
unzweckmäßig gewesen ist ?! Dr. H o f f m a n n - Berlin. 


Tagesnachrichten. 

An* dem Belohn tage. Der dem Reichstage vorgelcgte neue Haus¬ 
halt für das Jahr 1916 bringt auf dem Gebiete des öffentlichen Gesundheits¬ 
wesens gegenüber dem Vorjahre wenig Aendernngen. Dies gilt insbesondere 
vom Gesundheitsamt«, dessen ordentliche Ausgaben sich nur durch den Mehr¬ 
bedarf an Gehältern (infolge höheren Dienstalters) etwas höher stellen: 934606 
gegen 926158 Mark im Jahre 1915. Erfreulicherweise sind jedoch wiederum 
unter den einzelnen Ausgaben des Reichsamts des Innern 
166000 M. für die Bekämpfung des Typhus, 10000 M. für Versuche 
zur weiteren Erforschung der Pocken, 100000 M. zu den Unterhaltungs¬ 
kosten einer Anstalt für die Bekämpfung der Säuglingssterblich¬ 
keit im Deutschen Reich sowie 160000 M. für die Förderung der Er¬ 
forschung und Bekämpfung der Tuberkulose vorgesehen; des¬ 
gleichen 6 Mill. M. für die Förderung der Herstellung geeigneter 
Kleinwohnungen für Arbeiter und gering besoldete Beamte. 
Hierzu hat der Wohnungsaussehuß des Reichstages beschlossen, die verbündeten 
Regierungen zu ersuchen, im nächsten Reichshaushalt diesen Betrag zur 
Förderung des Klein Wohnungsbaus („Reichswohnungsfürsorgefonds*) 
auf 10 Millionen Mark zu erhöhen und außerdem als regelmäßige Ausgabe 
einen Betrag von 300U0 M. einzusetzen zur Unterstützung derjenigen Ver¬ 
einigungen, die die allgemeine Förderung des Kleinwobnungswesens bezwecken. 
Endlich wird von dem Wohnungsausschuß noch eine Ergänzung des Gesetzes 
vom 10. Juni 1914, betr. Bürgschaften des Reiches zur Förderung 
des Baues von Kleinwohnungen, angestrebt, wodurch die Wirkungen 
-dieses Gesetzes vor allem auch den Kriegsteilnehmern udü deren Hinterbliebenen 
zugute kommen sollen. Danach soll der Reichskanzler die Ermächtigung er¬ 
halten, zur Förderung der Herstellung von geeigneten Kleinwohnungen für 
Darlehen an Gemeinden, Kommunalverbände und gemeinnützige Unternehmungen 
Bürgschaften bis zum Gesamtbetrag von 250 Millionen Mark 
zu übernehmen. — Es ist jedoch fraglich, ob der Reichstag und später der 
Bundesrat diesem Vorschläge seine Zustimmung erteilen wird. 

Dem Reichstag ist jetzt auch der Gesetzentwurf, betreffend Herabsetzung 
der Altersgrenze für die Leistung der Altersrente vom 70. auf das 66. Lebens¬ 
jahr vorgelegt. Die wichtigsten Bestimmungen des Entwurfes lauten: 

Artikel 1. 

Die §§ 1267, 1292, 1392, 1397 der Reichsversicberungsordnung erhalten 
die folgende Fassung: 

§ 1267. Altersrente erhält der Versicherte vom vollendeten fünfund- 
sechzigsten Lebensjahr an, auch wenn er noch nicht invalide ist, 

§ 1292. Der Anteil der Versicherungsanstalt beträgt 
bei Witwen- und Witwerrenten drei Zehntel, 

bei Waisenrenten für eine Waise drei Zwanzigstel, für jede weitere ein 
Zwanzigstel 



Kleinere Mitteilungen und Referate am Zeitschriften. 


247 


db» Grandbetrages nnd der Steigerungssätze der Invalidenrente, die der Er¬ 
nährer zur Zeit seines Todes bezog oder bei Invalidität bezogen hätte. 

§ 1892. Bis auf weiteres wird als Wochen hei trag erhoben 
in Lohnklasse I: 18, II: 26, ID: 84, IV: 42, V: 60 Pfennig.') 

Artikel 4. 

Die Vorschriften dieses Qesetzes treten bezüglich der §§ 1892, 1397 mit 
dem 1. Januar 1916 in Kraft. 


Ueber die Steuerpflicht der der Heeresverwaltung vertraglich ver¬ 
pflichteten Zivilfinte ist auf den Antrag des Reichstages vom 26. August 1916, 
in dem um Steuerfreiheit dieser Aerzte ersucht wird, jetzt folgender Bescheid 
des Bundesrats ergangen: 

„Die Zugehörigkeit zum aktiven Heere (§ 38 Reichsmilitärgesetz) hat 
ein öffentlich-rechtliches Verhältnis der betreffenden Personen zum Heere zur 
Voraussetzung. Das ist bei den auf Grund eines privatrechtlichen Dienst¬ 
vertrages angenommenen Zivilärzten nicht der Fall. Aus den Materialien zum 
Reichsmilitärgesetz und aus der Betrachtung des § 38 A 1 und B1 des Reichs¬ 
militärgesetzes ergibt sich, daß mit den Aerzten unter B Ziffer 2 a. a. 0. in¬ 
aktive, für Kriegsdauer wieder angestellte Sanitätsoffiziere gemeint sind. 

Wegen der Rückwirkung auf andere von der Heeresverwaltung privat¬ 
rechtlich angenommene Personen ist eine Aenderung des Reichsmilitärgesetzes 
zugunsten der vertraglich verpflichteten Zivilärzte nicht angängig. Da die 
Steuerfreiheit vom Militäreinkommen im Falle einer Mobilmachung nach § 46 
Abs. 2 des Reichsmilitärgesetzes nur den aktiven Heeresangehörigen (§ 38) zu¬ 
steht, kommt sie auf den Grund eines privatrechtlichen Vertrages von der 
Heeresverwaltung angenommenen Aerzten nicht zu. In diesem Sinne hat der 
Preußische Finanzminister bereits am 19. April 1916 einen Erlaß an die Steuer¬ 
behörden ergehen lassen. Den bei der fechtenden Truppe einschließlich Sanitäts¬ 
kompagnien tätigen Vertragsärzten ist eine zweite Ausrüstungsent- 
schadigung entsprechend dem zweiten Mobilmachungsgelde gewährt worden." 


Um eine möglichst gleichmäßige Ernährung der BevQlkerung mit 
Fleisch sicherzustellen, ist man jetzt vielerorts zur Ausgabe von Fleischkarten 
übergegangen. In den süddeutschen Staaten ist diese fast überall für den 
ganzen betreffenden Bundesstaat eingeführt, in Württemberg seit dem 
17. April. Danach erhält jede Person (mit Ausnahme der Kinder, bis zu 
6 Jahren, die nur die Hälfte erhalten) Karten für 160 g Fleisch (mit ange¬ 
wachsenen Knochen), auch Wild und Geflügel, Wurst usw. für den Tag unter 
Ausschluß der beiden fleischlosen Tage. Bis zum 17. April dürfen Dauer- 
ftdachwaren, Schinken und Dauerwurstwaren nur noch im Aufschnitt verabfolgt 
werden; der Verkauf von Fleischkonserven ist in dieser Zeit überhaupt ver¬ 
boten. Außerdem ist auch bestimmt, daß bei der Zumessung von Fleischkarten 
die vorhandenen Vorräte zu berücksichtigen sind. In den anderen süddeutschen 
Bundesstaaten ist die Tagesportion meist auf 160 g festgesetzt. 


Me Gesundbeterei und christliche Wissenschaft vor dem Reichs¬ 
gericht. Der bekannte Prozeß gegen die Gesundbeterinnen Hüsgen und 
Ahrens, der im November v. Js. in der Strafkammer des Landgerichts III 
in Berlin spielte und zu ihrer Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung der 
Schauspielerinnen Butze und v. A r n o 1 d führte, *) hat jetzt vor dem Reichs¬ 
gericht seinen Abschluß gefunden. Der höchste Gerichtshof hat sich der 
Entscheidung des Landgerichts angeschlossen und die dagegen erhobene 
Revision durch Urteil vom 14. d. M. verworfen (s. die Beilage Rechtsprechung 
und Mediiiaalgesetzgebung zur heutigen Nummer der Zeitschrift, 8. 41). 


Nachruf. Leider ist Wieder einer unserer jüngeren Medizinalbeamten, 
Kreisarzt Dr. Fohrs -Czarnikau, infolge einer im Felde zugezogenen Infektion 
mit Flecktyphus gestorben. Er hatte den ganzen Feldzug bisher als Stabs- 


') Die Erhöhung des Wochenbeitrages beträgt gegen früher 2 Pfg. 

*) S. Bericht darüber in Nr. 16 dieser Zeitschrift, Jahrg.1916, S. 726/726. 



24& 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 


arzt d. Res. mitgemacht, sich das Eiserne Kreuz U. Klasse erworben and 
zaletzt die ebenso ehren- wie verantwortungsvolle Stellung eines beratenden 
Hygienikers bei einem Reserve-Korps eingenommen. Hier ist er in Ausübung 
seines Berufes am 29. v. M. an Flecktyphus erkrankt und schon am 2. d. M. 
der tückischen Krankheit zam Opfer gefallen. Ehre seinem Andenken! . 


Ehrentafel. Es haben weiterhin erhalten das 
Ritterkreuz des Ordens der Württembergischen Krone mit Schwertern: 
Oberstabsarzt d. L. Ob.-Med.-Rat Dr. K o h 1 h a a s - Stuttgart. 

Das Großherzogi. Oldenburgische Friedrich August-Kreuz I. Klasse: 
Stabsarzt d. Res. und Reg.-Arzt Dr. W i 11 m s - Kirchweihe bei Bremen. 


Ehren - Oed&ohtnistafeL Für das Taterland gefallen sind ferner: 

Oberarzt d. Res. Dr. Ellern-Frankfurt a. M. 

Stabsarzt d. Res. Kreisarzt Dr. Fehrs • Czarnikau, beratender Korps- 
Hygieniker (gestorben infolge von Flecktyphus). 

Oberstabsarzt d. L. Dr. E. Fi 8 c h e r - Euskirchen (infolge von Krankheit 
gestorben). 

Feldunterarzt Hans Heck-Neckarsulm (Württemberg). 

Oberstabsarzt d. L. Dr. Richard Jeremias-Bresden. 

Feldarzt Dr. Paul Kruschewsky-Sellin (Rügen). 

Assistenzarzt Dr. Friedrich Masling-Münster i. W. 

Feldarzt E. Müll er-Marburg. 

Feldunterarzt W. P o 1 a n d - Ebergötzen. 

Stabsarzt Prof. Dr. P. Roemer-Halle a. 8., Korpshygieniker im Osten 
(infolge von Fleckfieber gestorben). 

Feldarzt Dr. Karl 8 c h i n k - Gleiwitz i. Oberschles. 

Stabsarzt d. Res. Dr. Waldow-Laage (Mecklenburg-Schwerin) infolge 
von Krankheit gestorben). 


Cholera. In Oesterreich sind vom 6. bis 18. März in Dalmatien 
3 (3) Erkrankungen (Todesfälle) vorgekommen; in U ng ar n vom 20. bis 26.März: 
1 (—); in Bosnien undHerzegowina vom 6. bis 18. März: — (—), 1 (—). 

Fleckfieber. ImDeutschenReich sind in den Wochen vom 26. März 
bis 8. April 6 (—) und 3 (3) Erkrankungen (Todesfälle) unter Kriegsgefangenen 
amtlich gemeldet; in Ungarn vom 6. bis 12. März: 12 (6). 

Pocken. Im Deutschen Reich sind vom 26. März bis 8. April 16 (1) 
und 5 (1) gemeldet, davon 14 (1) im Reg.-Bez. Minden und 4 (1) im Reg.- 
Bezirk Bromberg. 


Erkrankungen und Todesfälle an ansteokenden Krankheiten In 
Preußen. Nach dem Ministerialblatt für Medizinal-Angelegenheiten sind 4n der 
Zeit vom 27. Februar bis 26. März 1916 erkrankt (gestorben) an Pest, Gelb¬ 
fieber, Fleckfieber, Cholera, Aussatz, Trichinose: — (—), —(—); 
Botz: 1 (-), - (-), - (-), - (-); Pocken: 6 (-), 16 (-), 37 (4), 26 (1);, 
Tollwut: 4 (2), 1 (1), — (—), — (—); Bißverletzungen durch 
tollwutverddehtige Tiere: 8 (—), 11 (—), 17 (—), 31 (—); Milz¬ 
brand: 2 (1), —(—), — (—), 1 (—); Unterleibstyphus: 133 (20), 
118 (20), 156 (18), 205 (13); Ruhr: 34(4), 27 (1), 68 (3), 55 (-); Diph¬ 
therie: 2637 (251), 2691 (225), 2744 (181), 2522 (182); Scharlach: 1775(86), 
1753 (85), 1885 (76), 1609 (95); Kindbettfieber: 72 (23), 65(21), 77(21), 
89 (29); Genickstarre: 25 (11), 32 (9), 24 (12), 36 (10);|jspi'naler 
Kinderlähmung: 3 (1), — (—), — (—), — (—); Fleisch-, Fisch- 
und Wurstvergiftung: 2 (—), 4 (1), 1 (—), 3(1); Körnerkrankheit 
(erkrankt): 56, 30, 210, 55; Tuberkulose (gestorben): 937, 951, 1084,884. 


Redaktion: Prof. Dr. Rapmund, Geh. Med.-Rat in Minden i.W. 

J. 0. 0. Brmns, Hermofl. Blak«, n. F. 8ch.-L. Hofbodidniokml In Minden. 




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von Fischer s medicin. Buchhandlung It, Kornfeld, 

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29. Jahrg. 


1916. 


Zeitschrift 

für 

MEDIZINALBEAMTE. 


Zentralblatt 

fOr das gesamte Gebiet der gerichtlichen Medizin und Psychiatrie, 
des staatlichen und privaten Versicherungswesens, sowie für das 
Medizinal* und öffentliche Gesundheitswesen, einschließlich der 

Hygiene und Bakteriologie. 

Heraasgegeben 

von 

Prot Dr. OTTO RAPMÜND, 

Geh. Med.-Rat In Minden I.W. 


Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, Sächsischen, 
Wörttembergischen, Badischen, Hessischen, Mecklenburgischen, Thüringischen, 
Braunschweigischen und Eisass-Lothringischen Medizinalbeamtenvereins. 


Verlag von Fiseher’s med. Buehhandlg E Kornfeld, 

HenogL Bayer. Hof- tl K. u. K. Kommwr-Bnohhinrttor. 

Berlin W. 62, Keithstr. 5. 

Abs elfen nehmen ilt TerUfshendlonf sowie alle Anxelfenennehmestellen des In* 

tnd Auslandes entgegen. 


Nr. 9. 


Kneheimt am ff. und SO. jedem Kommt*. 


5. Mai. 


Ein eigenartiger Unglücksfall eines Säuglings 
in einer Anstalt. 

Von Prof. Dr. Leo Langstein, Direktor des Kaiserin Auguste Victoria-IIauses 

in Charlottenbnrg. 

Ein eigenartiger Unfall, der infolge der Verkettung unglück¬ 
licher Umstände einem 8 Monate alten Kinde durch Strangulation 
das Leben kostete, ereignete sich auf einer unserer Stationen 
am 23. Dezember 1915. Da die Schuld an diesem Unglück in 
letzter Linie allein auf die ungeeignete Konstruktion eines 
nicht nur bei uns vielfach verwendeten Kinderbettes zurück¬ 
geführt werden muß, erscheint es uns im Interesse des Säug¬ 
lingsschutzes in geschlossenen Anstalten notwendig, den Sach¬ 
verhalt einem weiteren Aerztekreise vorzulegen. 

Im Kaiserin Auguste Victoria-Hause sind verschiedene 
Systeme von Säuglingsbetten in Anwendung. Das in Betracht 
kommende Bett gehört zu den alten Modellen, die bei der 
Gründung der Anstalt angeschafft wurden. — Die aus Ab¬ 
bildung 1 ersichtliche Vorrichtung mit dem herunterklappbaren 
Seitengitter Schien den Forderungen: dem Kinde sicheren Schutz 












Br. Längstem. 


250 , 

zu gewähren und Arbeitsleistung, Zeitverlust, sowie Raum¬ 
behinderung bei der Wartung auf ein Mindestmaß zy beschränken, 
vollauf Genüge zu leisten. Die beweglichen Seitengitter sind 
oben an 2 Ringen zu beiden Enden des Bettes in einer Führung 
aufgehängt, unten stützen sie sich auf zwei breite Haken, die 
sie an das Bett fixieren. — Will man das Bettchen aufmachen, 
so hebt man das Gitter nach außen und oben, bis die Rin^e 
an der höchsten Steile der Führung sich befinden und die 
untere Stange aus den Haken herausgetreten ist; bei leichtem 
Zug nach außen gleitet nun das Gitter der Führung entlang 
herunter. Beim Schließen des Bettchens muß das Gitter wieder 
in die Haken gestellt werden. Wird das nicht beachtet, so 
hängt es frei und kann vom Kinde jederzeit mit Leichtigkeit 
beiseite geschoben werden (s. Abbildung 2) Aus Abbildung 3 
ist ohne weiteres zu ersehen, daß es bei nur flüchtigem Blick 
dem Personal leicht entgehen kann, ob das Seitengitter richtig 
in den Haken sitzt, oder ob es außerhalb derselben hängt. 

Das Kind B. war im Spätsommer wegen „Bronchitis und 
Nichtgedeihens“ in unsere Anstalt eingewiesen worden und 
hatte sich Ende Dezember soweit erholt, daß es auf die Ab¬ 
teilung für gesunde Pflegekinder verlegt werden konnte. Es 
befand sich auf jener Station seit einigen Tagen, als das Unglück 
sich'ereignete. Es war damals 8 Monate alt und wog 6150 g. 
Der besonders lebhafte Knabe strampelte sich mehrmals täglich 
los, so daß er öfters von allen Windeln befreit, nur im Bett¬ 
jäckchen quer auf seiner Decke liegend, gefunden wurde. 

Ich lasse nun einen Auszug aus der Kranken¬ 
geschichte folgen: 

Abends 6 Uhr wurde das Kind von einer Mutter ge¬ 
füttert; zum Schlafen vorbereitet wurde es dann von Schwester 
H. G. gegen 7 Uhr. Das Kind lag vorschriftsmäßig unter 
seinefn Bettgürtel. Um 8 Uhr wurde das Kind noch von 
Schwester H. G. ruhig schlafend im Bett vorgefunden. Zwischen 
9 und 9 1 /* Uhr kam dann die Nachtschwester M. U. in das 
Zimmer, um einem anderen Kinde, dessen Bettchen in der 
gleichen Reihe mit dem des Kindes B., aber am anderen Ende 
stand, die Flasche zu geben. Die Schwester überblickte während 
der Fütterung die Bettreihe und sah, daß .B’s Bett leer war. 
Sie ging gleich an das Bett. Die obere Bettdecke war in ih?er 
richtigen Lage. Nach Hochheben derselben zeigte sich, daß 
die untere Bettdecke zwar etwas verschoben war, aber noch 
unter dem Bettgürtel steckte und von ihm festgehalten wurde. 
Unter dem Bettgürtel sahen Windelzipfel heraus. Das Kind lag 
nicht im Bett. Als die Sohwester die gegen Zugluft vorgestellte 
Boxenwand beiseite schob, fand sie das Kind am Jackenbändchen 
aufgehängt tot jenseits des Gitters hängend vor. Die sogleich 
nach Abnahme des Kindes vorgenommenen Widerbelebungs- 
versuche, die vom diensthabenden Arzt fortgesetzt wurden, 
blieben leider erfolglos. Es muß dem kräftigen Kinde gelungen 
sein, den Mechanismus des dem Fenster zugekehrten Bett- 




Bin eigenartiger Unglücks fall eines Säuglings in einer Anstalt. 


















262 Dr. Langstein: Ein eigenartiger Unglücksfall eines Säuglings. 


gitters zu lösen, so daß es herausfallen konnte. Dabei blieb 
es unglücklicherweise mit der Zugschnur seines Nachtjäckchens 
an einem Haken hängen, auf dem sich das Bettgitter stützen 
soll, und strangulierte sich. Schwester M. P. fand das Kind, 
das Gesicht nach unten gekehrt, den Rücken dem Bettchen 
zugewendet. Arme und Beine hingen schlaff herab; die Beine 
berührten den Boden nicht (Abbildung 4 gibt die Stellung wieder, 
in der das Kind aufgefunden wurde). 

Der Hergang des Unfalls läßt sich etwa folgendermaßen 
rekonstruieren: Der Knabe machte sich durch das Strampeln 
los und wand sich, wie schon öfter, aus seinen Windeln, Bett¬ 
gürtel und Decken heraus. Die wichtige Frage, ob er aus dem 
Bette fiel, weil das Gitter aus dem Haken herausging, oder ob 
er es selbst heraushob, glauben wir nach eingehender Prüfung 
des Sachverhalts und Prüfung verschiedener Betten dahin 
beantworten zu müssen, daß das Kind das Gitter selbsttätig 
heraushob. Der dazu nötige Kraftaufwand ist nicht immer der 
gleiche, da es auf Richtung und Ansatzstelle der stemmenden 
Kraft ankommt. Es läßt sich beispielsweise leicht vorstellen, 
daß der Knabe; nahe dem Bettrande'auf dem Rücken liegend, 
mit den Füßchen wiederholt stoßende Bewegungen gegen die 
Stangen des Gitters ausführte und dieses dabei aus den Haken 
heraushob; oder er stieß mit dem Rücken mehrmals gegen das 
Gitter und stemmte es auf diese Weise heraus. — Die Aus¬ 
lösung dieses Mechanismus durch ein kräftiges Kind ist nach 
unserer Feststellung bei sämtlichen Betten dieses Systems 
möglich. — Die Annahme, daß das Gitter vom Personal nicht 
richtig eingehängt gewesen wäre, wird unter anderem auch 
schon durcn die bestimmte Annahme der Schwester H. G. 
widerlegt, daß sie beim Zurechtstreichen der Bettdecke, unmittel¬ 
bar vor dem Verlassen des Saales, unbedingt hätte fühlen 
müssen, wenn das Gitter locker gehängt wäre. 

Der Knabe kam auf dem Rücken liegend bis an den Rand 
des Bettes. Sein Nacken muß sich gerade über dem Gitter¬ 
haken befunden haben. Bei einer weiteren Bewegung kippte 
das Kind aus dem Bett heraus, indem es das freihängende Gitter 
beiseite schob und wäre auf den Boden gefallen, wenn es nicht 
mit der Zugschnur seines Jäckchens am Gitterhaken hängen 

g eblieben wäre. Nachdem es das Kind durchgelassen, fiel das 
fitter gegen das Bett zurück, so daß der Kopf des hängenden 
Kindes, wie aus Abbildung 4 hervorgeht, außerhalb desselben 
war. — Ein unglücklicher Zufall wollte es, daß einige Tage vorher 
auf der ganzen Station für die Jäckchen versuchsweise neue Zug¬ 
schnüre aus festerem Bandmaterial eingeführt worden waren; 
ein gewöhnliches Bändchen wäre sicher zerrissen worden. 

Wenn auch zugegeben werden muß, daß der eben be¬ 
schriebene Fall erst durch das Zusammenwirken von besonders 
unglücklichen Umständen, wie es unter tausenden von Fällen 
kaum je einmal Vorkommen wird, zustande kam, so muß doch 
anderseits festgestellt werden, daß er ohne die ungünstige 



Dr. Racine: Eine Vergiftung mit übermangansaurem Kali. 253 

Konstruktion des Bettes vermieden worden wäre. — Für die 
in unserer Anstalt noch in Gebrauch stehenden Betten ist 
sogleich eine Abänderung, die das leichte Aushängen der Seiten¬ 
gitter unmöglich macht, angeordnet worden. — Wir haben 
außerdem der Firma, die die Betten hergestellt hat, von dem 
Fall Mitteilung gemacht, damit das betreffende Modell die 
nötigen Abänderungen erfahre, die das Vorkommen eines weiteren 
derartigen Unglücksfalles unmöglich machen. 


Eine Vergiftung mit übermangansaurem Kali. 

Von Geh. Med.-Rat Dr. Racine, Kreisarzt in Essen -Ruhr. 

So vielfach das übermangansaure Kali in der Technik und 
in der Medizin auch angewendet wird, so selten hört man von 
Vergiftungen, die es hervorruft, so daß man fast völlig vergißt, 
es mit einem Gifte zu tun zu haben. In der Literatur des 
letzten Jahrzehnts sind nach Kobert 1 ) nur zwei Fälle von 
schwerer Vergiftung durch Kaliumpermanganat verzeichnet. Der 
eine Fall wird aus Dorpat von Thomson berichtet und be¬ 
trifft einen jungen Mann, der 15—20 ccm einer offenbar ge¬ 
sättigten und mit Kristallen vermischten Lösung des Mittels 
getrunken hatte und nach 6 Stunden starb; der andere von 
Box in England beobachtete Fall betraf eine Trinkerin, die 
eine handvoll Kaliumpermanganat in Bier aufgelöst getrunken 
hatte und schon 35 Minuten darauf starb. Ueber einen dritten, 
glücklicherweise nicht so tragisch verlaufenen Fall erlaube ich 
mir im folgenden zu berichten. 

Am 31. Oktober 1915 wurde das 1 3 / 4 Jahr alte Kind 
Georg H. abends 7 3 / 4 h. in das hiesige evangelische Kranken¬ 
haus „Huyssens-Stiftung“ eingelieiert. Die Mutter gab an, 
das Kind sei um 7 Uhr zu Bett gebracht worden. Unmittelbar 
darauf wurde man durch das Schreien des Kindes aufmerksam; 
man fand es mit geschwärztem Gesicht, in den Händen ein 
Fläschchen haltend, in dem früher Formaraint-Tabletten ge¬ 
wesen waren und das jetzt, mit Kaliumpermanganat-Kristallen 
gefüllt, in unmittelbarer Nähe des Kindes auf dem Nachttisch 
gestanden hatte. Das Kindchen hatte das Fläschchen ergriffen, 
den festsitzenden Stopfen mit den Zähnchen entfernt und die 
Kristalle in den Mund gesteckt. Die Menge des genossenen 
Kalium ließ sich nicht genau bestimmen, da der liest ver¬ 
schüttet war. 

Das Kind bot einen höchst auffallenden Anblick dar: 
Zunge und Lippen waren tiefschwarz gefärbt und stark ge¬ 
schwollen, so daß die braungefärbten Zähnchen sichtbar waren. 
Kinn, beide Backen und Nase gebräunt. (Das Kind hatte offen¬ 
bar, als es Schmerzen an der Zunge und den Lippen bekam, 
die Mundflüssigkeit mit den Händchen im Gesicht herumgewischt, 
da auch die Händchen braun gefärbt waren.) Auch an der 


*) Lehrbuch der Intoxikationen; II. Bd., S. 415. 



264 


Dr. Racine. 


linken Skleral-Bindehaut nasenwärts eine bräunliche Verfärbung. 
Aus der Nase reichlicher Flufi des braunrot gefärbten Sekrete. 
Atmung frei, keine Stenose-Erscheinungen. Lungen und Hers 
ohne Befund. Leib weich, nirgends Bauchdeckenspannung. 

Es gelang noch, eine dQnne Schlundsonde durch den ver- 
schwollenen Mund zu bringen und den Magen auszuspülen. Es 
entleerten sich reichlich Luft und Reste einer Milch-Halergrütze- 
Mahlzeit, die leicht braun verfärbt waren und reichliche ver¬ 
färbte Kristalle von übermangansaurem Kalium enthielten. Aus 
der Menge der Kristalle ließ sich die aufgenommene Menge auf 
etwa 10 g schätzen. 

Krankheitsverlauf nach der Krankengeschichte: 

1. November: Die Schwellung des Mundes und Rachens hat noch 
zugenommen. In der Nacht Atembeschwerden, die auch heute morgen anhalten. 
Das Kind sitzt aufrecht und atmet schwer, aber kein eigentliches Stenose- 
Geräusch. Kein Schlaf. Verhalten im allgemeinen stark apathisch. Innere 
Organe ohne Befund. Temperatur (rektal) morgens: S9,0; Puls: 172 in der 
Minute. Ernährungsaufnahme verweigert. Urin sehr hoch gestellt; spez. Ge¬ 
wicht 1036, kein Eiweiß, kein Zucker, sehr große Mengen Sediment, lateritium. 
Mikroskopisch nur harnsaure Kristalle und harnsaure Salze, keine Zylinder, 
keine Epithelien. Abendtemperatur: 88,7, Puls: 160. Urin: Tagesmenge 
nur a 180 ccm. 

2. November: Die Atemnot hat abgenommen, im übrigen unveränderter 
Befund. Das Kind liegt meist apathisch im Bett, nur wenn man ihm Milch 
oder Haferschleim anbietet, wehrt es energisch und laut weinend alles ab. 
Temperatur morgens: 88,2, Puls: 160; abends: 88,8; Puls: 140. Stuhlgang 
bisher nicht erfolgt. 60 ccm reine dünne Seifenlosung als Beinigungsklistier. 
Nährklistier: 160 g Milch, 6 g Mehl, 1 g Salz, 1 Teelöffel Rotwein, 1 Ei. 

Die Händchen und das Gesicht (nicht die Schleimhäute) werden mit 
schwefliger Säure in wässeriger Lösung vorsichtig abgewaschen; bis auf einige 
tiefer verätzter Stellen geht die Verfärbung durch einmalige Abwaschung ab. 
Urin-Tagesmenge: 160 ccm; Stuhl breiig, dunkelbraun. 

8. November: Zustand unverändert. Temperatur: morgens 88,8, abends: 
38,9; Puls morgens und abends: 140. Das Kind trinkt heute 800 ccm dünnen 
Haferschleim mit Himbeersaft. Urin-Tagesmenge: 200 ccm; Stuhl breiig, braun. 

4. November: Das Kind wird etwas lebhafter, es schreit häufiger. Die 
Verfärbung der linken Sklera ist verschwunden, ohne eine Wunde zu hinter¬ 
lassen. Die Zunge beginnt sich durch Abstoßen der Schleimhaut zn reinigen; 
sie ist ziemlich abgeschwollen. Das beständig fließende Nasensekret ist nur 
noch wenig bräunlich verfärbt. Innere Organe ohne Befund; Stuhl braun, 
breiig. Per os 600 ccm Milch. Temperatur: morgens: 87,9, abends: 88,2; 
PuIb: morgens: 180, abends: 140. 

6. November: Das Kind wird recht ungebärdig; es schreit, sobald man 
es anfaßt. Die Znnge ist vollkommen abgeschwollen und fast sauber, auch 
die Lippen beginnen sich zn reinigen. Per os 1000 g Milch. Sträuben gegen 
feste Speisen (Brei, Gemüse, Kompott etc.). Temperatur: morgens: 87,9, 
abends: 38,5. Puls: morgens: 125, abends: 110. Drin-Tagesmenge: 200 ocm, 
ohne Eiweiß und Zocker, fast klar. Stuhl braun, breiig. 

6. November: Die Haut des Gesichtes ist ziemlich sprOde und zeigt 
stellenweise kleine Risse der Hornschicht; die Lippen haben sich gereinirt. 
Per os 750 ccm Milch- Temperatur: morgens: 37,8, abends: 87,6. Puls: 
morgens: 128, abends: 130. Atmung ruhig, am Herzen kein Geräusch, Urin- 
Tagesmenge: 250 ccm, Stuhl breiig, dunkelgelb. 

7. November: Die Haut der Backen ist noch rissiger und spröder als 
gestern, aber vollkommen gereinigt. Sonst keine Besonderheiten. Einfetten 
mit Vaselin. Temperatur: morgens: 87,5, abends: 37,7. 

8. November: Puls abends beschleunigt: 140. Temperatur: morgens: 
37,4, abends: 37,6. 



Eine Vergiftung mit übermangansaurem Kali. 


266 


9. November: Heute zum erstenmal etwas'Griesbrei und Apfelmus.. 
Temperatur: morgens: 87,9, abends: 37,6; Puls : morgens: 140,abends: 136. Urin, 
klar, Menge 400 ccm. 

10. November: Puls: 130; Temperatur: 37,8. Keine Besonderheiten. 
Benehmen etwas launenhaft. Urinmenge: 660 ccm, klar. 

In den nächsten Tagen fortschreitendes Wohlbefinden, so 
daß das Kind am 13. November entlassen werden konnte. 
Bei der Entlassung war der Urin klar, ohne fremde Bestandteile; 
die inneren Organe waren ohne Befund. DieSchleirahaut-Wunden 
der Nase, des Mundes und des Rachens waren vollkommen 
verheilt; ebenso war der Rachenkatarrh geheilt. Die Haut des 
Gesichts war weich und elastisch; Puls: 110 in der Minute, 
Temperatur: 37,3. Das Verhalten des Kindes war wieder normal. 

Die Wirkung des übermangansauren Kalium ist eine 
zweifache, eine lokale und eine allgemeine resorptive. Die 
lokale ist eine typisch ätzende mit starker gleichzeitiger 
Oxydation, die resorptive besteht in Lähmung des Zentral¬ 
nervensystems, Sinken der Atmung, des Blutdrucks und der 
Herzkraft, parallel mit der Erregbarkeit des Gehirns und Rücken¬ 
marks ; *) Nahrungsverweigerung, Erbrechen treten ein. Das 
Metall wird durch die Galle und die Drüsen des Darmkanals aus-’ 
geschieden; die Niere beteiligt sich nur bei toxischen Dosen an 
der Ausscheidung und erkrankt dabei unter parenchymatöser 
Entzündung. Bei der Sektion fanden sich in dem Dorpater 
Falle Verfärbungen und Verschorfungen an Lippen, Zunge, 
Mund-, Pharynx- und Larynx-Schleimhaut; Trachea, Bronchien 
und Oesophagus waren aber frei. Magen und Därme sollen 
normal gewesen sein. Thomson behauptet, daß eine 
Resorption des Giftes nicht stattgefunden habe und daß das 
Ganze keine spezifische Mangan-Vergiftung, sondern lediglich 
eineAetzung der Halsorgane vorstelle. In dem Falle von 
Box fanden sich ebenfalls tief schwarze Verfärbung und 
Schwellung von Mund und Zunge, sowie Oedem der Glottis. 
Der Magen enthielt reichlich Flüssigkeit, Speisereste und durch 
Reduktion entstandenes Manganhydroxyd; die Magenschleim¬ 
haut war aber nicht verätzt, sondern nur hyperämisch. 

Auch in dem von mir beobachteten Falle tritt am meisten 
die lokale Wirkung in den Vordergrund: die Verfärbung und 
Verätzung der Lippen und der Zunge. Dabei fällt aber die 
starke Apathie des Kindes in den ersten Tagen auf, die ent¬ 
schieden auf eine Läsion des Zentralnervensystems hinweist 
und nicht durch die lokalen Aetzungserscheinungen zu erklären 
ist. Sie bot einen ganz auffallenden Gegensatz zu dem späteren 
normalen — stark eigensinnigen — und „verzogenen“ Ver¬ 
halten des Kindes. Es handelte sich hierbei offenbar um 
eine resorptive Wirkung des Giftes. Dagegen schiebe ich die 
Nahrungsverweigerung hauptsächlich auf das Schmerz¬ 
gefühl, das die Einwirkung der Speisen auf die wunden Stellen 


‘) K o b e r t; 1. c., S. 416. 



256 


Dr. Rätin«. 


der Schleimhaut der Zunge Und des Mundes hervorrufen mußte. 
Da die Aetzungen glücklicherweise nicht tief gingen, so verlor 
sich die Nahrungsverweigerung schnell. Erbrechen und Durch¬ 
fall sind nicht aufgetreten: der Stuhl war stets von guter, 
breiiger Beschaffenheit, in den ersten Tagen bräunlich, später 
von dunkelgelber Farbe. Magen und Darmkanal können also 
von der Aetzwirkung des Giftes nicht ergriffen worden sein, 
wobei ich nochmals auf die Tatsache hinweisen möchte, daß 
auch in den beiden anderen erwähnten Fällen keine wesentlichen 
Veränderungen am Magen gefunden sind. 

Wir waren natürlich von vornherein darauf gefaßt, daß 
Glottis- Oedem ein treten könnte, allein es kam nicht dazu. 
Wohl stellte sich am zweiten Tage stärkere Atemnot ein, 
doch war sie nicht so groß, daß eine Tracheotomie nötig ge¬ 
worden wäre; auch verlor sie sich am nächsten Tage. Offenbar 
aber ist die Atemnot, die bei dem sonst so apathischen Kinde 
höchst auffallend war, auf eine Anschwellung der Larynx- 
schleimhaut zurückzuführen. 

Während es sich hierbei wieder um eine lokale Wirkung 
des Giftes handelte, beruhte die enorme Beschleunigung 
der Herztätigkeit in den ersten Tagen und auch noch 
später auf resorptiver Wirkung des Giftes, ebenso wie die 
Temperatursteigerung, die ich nicht auf Rechnung der 
Verätzung der Schleimhäute setzen möchte. Die Verätzungen 
waren, wie erwähnt, wenig tiefgehend, betrafen nur die oberen 
Schichten und reinigten sich sehr bald. 

Von seiten der Nieren fiel die anfangs beobachtete 
starke Ausscheidung an Harnsäurekristallen und harnsauren 
Salzen bei hohem spezifischem Gewicht auf, sowie die später 
einsetzende Verminderung der Urinmenge. Wenn diese zum Teil 
auch auf die verminderte Flüssigkeits- und Nahrungszufuhr zu 
setzen ist, so ist sie doch anderseits zu bedeutend, um hier¬ 
durch allein erklärt werden zu können. Auffallend ist dabei, 
daß niemals Zeichen einer parenchymatösen Erkrankung der 
Nieren sich bemerkbar machten. Es wurde niemals Eiweiß ge¬ 
funden ; ebenso wenig fanden sich Zylinder oder Epithelien. Die 
Urinmenge kehrte ohne weiteres zur Norm zurück. 

Während uns Aerzte naturgemäß die Erscheinungen an 
den inneren Organen beschäftigten, war es für die Angehörigen 
am schrecklichsten, die schwarzen Verfärbungen an 
Zunge und Lippenschleimhaut, sowie die braunen 
Flecken im Gesicht und an den Händen sehen zu müssen, ln 
der Tat war dieses Bild ein so eigenartiges, wie man es bei 
keiner anderen Vergiftung zu sehen bekommt. Diese Ver¬ 
färbung der Haut und der Zähne ließ sich durch Abwaschen 
und Betupfen mit einer wässerigen Lösung von schwefliger 
Säure leicht beseitigen; es bildet sich hierbei aus Mangansuper- 
oxyd farbloses dithionsaures Manganoxyd. 1 ) 


l ) Liebreich: Enzyklopädie der Therapie, S. 744. 



Eine Vergiftung mit übermangansaurem Kali. 


257 


Wie kommt es nun, daß trotz der verhältnismäßig großen 
Menge von übermangansaurem Kalium, die in den Magen des 
Kindes gelangt ist, die Vergiftung so verhältnismäßig schnell 
und günstig ablief? Dafür ist in erster Linie wohl die schnell 
erfolgte Entfernung des Giftes aus dem Magen verantwortlich 
zu machen; ferner der Umstand, daß keine Lösung, sondern 
Kaliumpermanganat in Substanz (Kristallen) verschluckt war. 
Sodann muß aber darauf hingewiesen werden, daß der größte 
Teil des Kaliumpermanganat im Magen zerlegt und nur wenig 
resorbiert wird. Bekanntlich wird Kaliumpermanganat beim 
Erhitzen auf 240° unter Abspaltung von Sauerstoff in 
Kaliummanganat und Braunstein (Mangansuperoxyd) zerlegt. 
Diese Abspaltung von Sauerstoff tritt ebenfalls ein bei Gegen¬ 
wart von Säuren unter Bildung von Manganoxydul, das sich 
mit der Säure zu einem Manganosalz vereinigt.*) 3 ) Daher waren 
auch bei der Ausspülung des Magens die entleerten Kristalle 
bereits entfärbt, ein Zeichen, daß sie ihren Sauerstoff abgegeben 
hatten, selbst aber dabei reduziert und entfärbt waren. Diese 
Entfärbung der Kristalle sieht man schon bei dem gewöhnlichen 
käuflichen übermangansaurem Kalium, besonders wenn es längere 
Zeit in ungeeigneten Gefäßen aufbewahrt ist. Die Kristalle 
sind dann mit einer Schicht von Manganoxydul bzw. Mangan¬ 
superoxyd überzogen und mißfarbig, so daß die ursprünglich 
vorhandene metallisch glänzende schwarzviolette Farbe i der 
Kristallprismen einem dunklen Braungrau weicht. Auch dieser 
Umstand mag dazu beigetragen haben, daß es zu einer so 
leichten Intoxikation kam. 

Die verhältnismäßig schnelle Zerlegung des Salzes erklärt 
auch die auffallende Tatsache, daß Magen- und Darm¬ 
schleimhaut in allen Fällen so wenig oder gar nicht verätzt 
waren. Das bei der Reduktion sich nebenbei bildende Kalium¬ 
oxyd (K,0) entzieht natürlich den Geweben Wasser, indem es 
zu Aetzkali (K O H) wird — worauf offenbar die ätzende 
Wirkung des Kaliumpermanganat beruht. — Dieses Kalium¬ 
hydroxyd wird aber durch die Salzsäure des Magens sofort 
weiter umgewandelt in Kaliumchlorid. Das gebildete Aetzkali 
kann also keine ätzende Wirkungen mehr entfalten, so daß es 
höchstens wie im Falle von Box zu einer Hyperämie der 
Magen - Schleimhaut kommt. 

Wenn man bedenkt, wie einfach und wie sorglos das über¬ 
mangansaure Kali verordnet und angewandt wird, so muß man 
sich eigentlich wundern, daß es nicht öfter zu Vergiftungen 
damit kommt. Hauptsächlich ist dies wohl dem Umstande 
zuzuschreiben, daß seine Giftigkeit dem Publikum nicht bekannt 
ist, und daß es schon in geringen Mengen eine prachtvoll ge¬ 
färbte Flüssigkeit (wässrige Lösungen von 0,1—1,0 : 100 sind 


*) Liebreich: Enzyklopädie der Therapie, S. 743. 

*) Nach der Formel: 2 K Mn 0< = 2 Mn O -|- K«0 -f- 5 0 (Kalium¬ 
permanganat = Manganoxydul -\- Kaliumoxyd -)- Sauerstoff). 



258 


Kleinere Mitteilungen and Beferate ans Zeitschriften. 


meist in Gebrauch) darstellt, die in dieser Verdünnung innerlich 
wohl kaum eine schwere Vergiftung hervorzurufen geeignet 
ist. Daher kommt es, daß es zu Selbstmordzwecken nicht 
benutzt wird und daß man trotz seines alltäglichen Gebrauchs* 
auch in der medizinischen Literatur, von Unglücksfällen, die 
durch das übermangansaure Kali hervorgerufen sind, kaum 
etwas hört. 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 

A. Oerlohtllohe Medizin. 

Das diagnostische Experiment am Menschen* Von Stabs- u. Bataillons¬ 
arzt Dr. Richard Bernstein -Mülhansen in Thüringen. Vierteljahrsschrift für 
gerichtliche Medizin und öffentliches Sanitätswesen. Dritte Folge; 61. Bd., 1. fl.; 
Jahrg. 1916, 1. H. 

Verfasser versteht unter diagnostischem Experiment am Menschen eine 
besondere Form des diagnostischen Eingriffes, durch den die Integrität des 
Körpers des Untersuchten oder auch seines geistigen oder seelischen Zustandes 
gestört wird. Er unterscheidet dann weiter den diagnostischen Eingriff behufs 
Beobachtung der durch ihn bei dem Untersuchten ausgelösten Reaktion; es 
kann sich hierbei um physiologische, pathologische und therapeutische Experi¬ 
mente an kranken oder gesunden Versuchspersonen handeln um noch unbe¬ 
kannte physiologische, pathologische oder therapeutische Tatsachen durch 
Versuche festzustellen, oder um ein Experiment am Tiere, in vitro usw. Das 
diagnostische Experiment kann am Menschen angestellt werden, indem man 
Stoffe (Nahrungsstoflfe, Genußmittel, Arzneimittel und Gifte, Sera usw.) von 
bestimmter Menge oder von bestimmter Beschaffenheit in den Körper des 
Untersuchten einführt, oder indem man physikalische Kräfte (mechani¬ 
sche, elektrische, Wärme- und Kälteeinwirkungen, akustische und optische 
Reize) in bestimmter Art auf den Körper des Untersuchten einwirken läßt, 
oder indem man dessen Willen zum Zwecke der Auslösung bestimmter 
Funktionen beeinflußt Da alle diese Experimente nicht wissenschaftlichen, 
sondern ärztlichen Zwecken dienen, so müssen für itire Beurteilung auch rein 
ärztliche Gesichtspunkte angewendet werden. Für diese Beurteilung kommt 
einmal der Wert des Experiments an sich in Betracht, sodann die Frage seiner 
Zweckmäßigkeit (ob notwendig, wünschenswert, entbehrlich oder überflüssig) 
und die etwa zu befürchtende Schädigung oder Gefährdung des Untersuchten, 
sowie endlich seine Beurteilung vom Standpunkte des Sachverständigen und 
im Verhältnis zu anderen Untersuchungsmethoden. Alle diese Gesichtspunkte 
werden von dem Verfasser in seiner wertvollen Abhandlung eingehend berück¬ 
sichtigt; am Schluß faßt er dann seine Ausführungen in nachfolgende 8ätze 
zusammen i 

„1 Das Experiment am Kranken ist ein berechtigtes Mittel zur Stellung 
der Diagnose. 

2. Der Arzt, der von diesem Mittel Gebrauch machen will, muß erstens 
Technik, Leistungsfähigkeit und Fehlerquellen des Experiments kennen, 

zweitens die gebotene Rücksicht auf den Untersuchten nehmen, 
drittens den Zweck der Untersuchung im Auge behalten. 

3. Ob im einzelnen Falle ein diagnostisches Experiment am Menschen 
einzustellen ist oder nicht, muß ebenso wie bei jedem anderen diagnostischen 
oder therapeutischen Eingriff dem pflichtmäßigen Ermessen des Arztes Über¬ 
assen bleiben. 

4. Furcht vor Verantwortung darf nicht dazu führen, eine zuverlässige, 

aber nicht ganz indifferente Untersucbungsmethode auf Kosten der Genauigkeit 
des ärztlichen Urteils durch eine weniger wertvolle Methode zu ersetzen, viel¬ 
mehr sind diese Methoden nach den Rehringschen Worten anzuwenden: mit 
aller Vorsicht, aber auch mit aller Energie und Konsequenz.“ Rpd. 



Kleiner« Mitteilungen und Beferate aus Zeitschriften. 


269 


Ueber die Bestimmung des Lebensalters an Kindesleichen auf Grund 
der Histologie der Nebennieren. Von Dr. Basileios Photakis (Athen). 
Aus der Dnterrichtsanstalt für Staatsarzneikunde in Berlin (Direktor Geh. Med.- 
|tat Prof. Dr. Strassman n). Vierteljahrsschrift für gerichtliche Medizin und 
öffentliches Sanitätswesen. Dritte Folge; 61. Bd., 1. H.; Jahrg. 1916, 1. H. 

Die Nebennieren sind bekanntlich vor den Nieren vorhanden und wachsen 
anfänglich rascher als diese, erst von der Mitte der Fötalzeit treten sie an 
Größe hinter den Nieren zurück und werden später von diesen bedeutend über¬ 
holt. Das Größenverhältnis zu den Nieren ist im 6. Monat etwa wie 1 : 2, bei 
Neugeborenen wie 1 : 8, bei Erwachsenen wie 1 : 28. Bei Neugeborenen ver¬ 
hält sich Länge, Breite und Dicke wie 2,70-: 2,40: 0,41, bei Frühgeborenen wie 
3,05 : 2,20 : 0,40; das Gewicht beträgt bei den ersteren 2,66—4,76 g, bei den 
letzteren 3,08—5,8 g. Die vom Verfasser ausgeführten Untersuchungen 
über die Beschaffenheit der Nebennieren bei Neugeborenen, die sich auf 24 Fälle 
erstreckten, haben vom gerichtsärztlichen Standpunkte aus ergeben, daß 
— entsprechend dem verschiedenen makroskopischen Aussehen der Neben¬ 
nieren — ein durch mikroskopische Untersuchung festgestelltes Fehlen 
der Hauptmassen des chrombraunen Pigments in der Marksubstanz für den 
neugeborenen Znstand, sein vollständiges Vorhandensein gegen diesen spricht. 
Wenn daher, wie es oft vorkommt, zerstückelte Kindeslcichen, bei denen die 
sonstigen Zeichen des neugeborenen Zustandes nicht festzustellen sind, in bezug 
auf das Lebensalter zu begutachten sind, so kann die histologische Prüfung 
der Nebennieren wichtige Aufschlüsse liefern und sollte nicht unterlassen werden. 

Bpd. 


Ueber den Wert zweier neuer Kennzeichen des Todes durch Kälte- 
Wirkung. Von Dr. Felix Dyrenfurth, Assistent an der Unterrichtsanstalt 
für Staatsarzneikunde in Berlin. Vierteljahrschrift für gerichtliche Medizin und 
Öffentliches Sanitätswesen. Dritte Folge; öl. Bd., 2. H.; Jahrg. 1916, 2. H. 

Krjukoff hat im Jahre 1914 als Kennzeichen für den Tod durch 
Kältewirkung das Fehlen des Glykogens in der Leber und die durch Blutungen 
in oder aus der Schleimhaut des Magens hervorgerufenen sogenannten 
Wischnewskischen Flecken bezeichnet. Diese Flecken sollen sich als 
Erosionen in der Magenschleimhaut zeigen, von der Größe eines Hirsekorns bis 
zu der einer Erbse, rund oder länglich geformt, manchmal punktförmig, nur 
2—4,6 cm auseinander entfernt und über der Schleimhaut etwas vorspriogend. 
Ihre Menge soll 5—100 betragen. Dyrenfurth hat diese Untersuchungs¬ 
ergebnisse von Krjukoff einer Nachprüfung unterzogen; als Untersuchungs¬ 
material wurden Kaninchen, Meerschweinchen, Mäuse und Frösche sowie Hunde 
und Katzen benutzt, da infolge Kältewirkung gestorbene Menschen nicht zur 
Verfügung standen. Auf Grund dieser Untersuchungen kommt er zu dem 
Ergebnis, daß sich nur in ganz seltenen Fällen unbedeutende Blutungen in der 
Magenschleimhaut fanden und daß die sog. Wischnewskischen Flecken 
wahrscheinlich eine Leichenerscheinung sind, die mit dem Tode durch Erfrieren 
nicht das mindeste zu tun haben. Ebenso konnte Verfasser in jedem Falle 
Glykogen in der Leber nachweisen, oft allerdings nur in geringen Mengen. 
Das Fehlen von Glykogen in der Leber kann also auch nicht als charakteristisch 
für den Erfrierungstod angesehen werden, ganz abgesehen von den starken 
Schwankungen des Glykogengehaltes der Leber je nach Alter, Ernährung usw. 
und der Unbeständigkeit des Glykogens bei Fäulnis. Es wird demnach bei 
der in deutschen Lehrbüchern allgemein niedergelegten gerichtsärztlichen Er¬ 
fahrung verbleiben müssen, daß es ein diagnostisch sicheres Merkmal für den 
Tod durch Kältewirkung bis jetzt nicht gibt. Bpd. 


Die Bestimmung der Todeszeit durch die muskeimechanischen Erschei¬ 
nungen. Von Dr. Stefan Zsakö, Primarius der psychiatrischen Abteilung in 
St. Martin. Münchener med. Wochenschrift; 1916, Nr. 3. 

Verfasser hat schon früher auf gewisse, auch bei Leichen zu beobachtende 
mUBkelmechanische Erscheinungen aufmerksam gemacht, die es ermöglichen, 
mit annähernder Genauigkeit zu bestimmen, wann der Tod eingetreten ist, und 
deshalb in vielen Fällen von großem Nutzen sein können, in denen es darauf 
ankommt, die nach dem Todeseintritt verstrichene Zeit feBtzustellen. Der 



260 


Kleinere 'Mitteilungen and Referate aas Zeitschriften. 


gegenwärtige Krieg hat ihm reichlich Gelegenheit za Leichenantersuchangen 
and damit zu weiterer Anstellung seiner früher in dieser Hinsicht gemachten 
Versuche gegeben, wodurch seine bisherigen Beobachtungen von neuem bestätigt 
sind. Die Erscheinungen, die sehr leicht mit Hilfe des Klopfhammers, aud} 
von dem Krankenpersonal, ausgelöst werden können, sind folgende: 

1. Schlägt man mit dem Klopfhammer am Radius entlang, vom Ellen¬ 
bogengelenk gerechnet auf 3—4 Finger breit quer Distal leicht an der 
Spannungsoberfläche auf den Unterarm, so tritt eine gut bemerkbare Streckang 
der Hand ein. 

2. Klopft man an der Beugungsoberfläche des Unterarms längs des 
Radius auf 4—6 Finger breit oberhalb des Handgelenks, so erfolgt eine Beugang 
des Daumens. 

8. Die Reizang der interossealen Gebiete ruft eine gegenseitige An* 
näherang der entsprechenden zwei Finger hervor. 

4. Klopfen am Faßrücken 8—4 Finger breit vom äußeren Knöchel nach 
vorn ruft Streckung der Zehen hervor. 

5. Klopfen am Unterschenkel an der Spannseite 3 Finger breit von der 
Spitze der Tibia und 3 — 4 Finger abwärts davon bewirkt eine Adduktion 
des Fußes. 

6. Auf Klopfen am Unterschenkel in der Suralisgegend im mittleren 
Drittel und 1 Finger breit von der Tibia entfernt erfolgt eine Streckung 
des Fußes. 

7. Klopfen im unteren Drittel des Oberschenkels, 4—6 Finger breit 
oberhalb der Kniescheibe bewirkt eine bis zur inguinalen Region reichende 
Muskelbewegung. 

8. Klopfen auf dem Rücken zwischen Schulterblatt und Wirbcläule ruft 
eine Annäherung des Schulterblattes zur Wirbelsäule hervor. 

Die unter 1—8 beschriebenen Erscheinungen sind durchschnittlich 90 
bis 120 Minuten lang nach Eintritt des Todes auslösbar; in 
manchen Fällen dauert die Reizbarkeit der Muskeln bis 4 Stunden; sie sind 
bei toten Personen deutlicher als bei lebenden, da sie bei diesen durch den 
Muskeltonus abgeschwächt werden. Auch durch Chloroform oder Aether be¬ 
täubte, durch Medikamente alterierte Personen sowie solche, bei denen durch 
Novokain oder Kokain Lumbalästhesie angewendet ist, zeigen diese Erschei* 
nungen, die in jedem Falle der Leichenstarre vorangehen. Nur 
Oedeme können bei der Ausübung der Erscheinungen störend wirken. Ihr 
Fehlen gestattet ein Rückschluß auf den Eintritt des Todes und die Zeit des 
Todeseintritts; Verfasser konnte z. B. aus dem Fehlen der Erscheinungen bei 
einem Selbstmordfall bestimmen, daß der Tod schon 3 Stunden eingetreten war. 
Notwendig ist bei der Untersuchung gute Beleuchtung und Entkleidung der 
Leichen. Rpd. 


A. Qerlohtliohe Psyohlatris. 

Erinnern und Vergessen. Eine Studie über die traumatische Amnesie- 
Von Gerichtsarzt Dr. M a r x - Berlin. Vierteljahrschrift für gerichtliche Medizin 
und Sanitätswesen. Dritte Folge; 51. Band, 2. H.; 1916, 2. H. 

Von allen Formen des Vergessens, die den Gerichtsarzt interessieren, 
erscheint keine so sehr von dem Schleier des Rätselhaften, vom Charakter des 
Auffälligen und Widerspruchsvollen umkleidet, wie die retrograde 
Amnesie. Gerade diese Form des Vergessens erscheint aber, wie keine 
andere, geeignet, Lichter auf das Verstehen jenes Vermögens zu werfen, das 
wir als Gedächtnis bezeichnen, und uns somit zu zeigen, wie Erinnern und 
Vergessen möglich werden. Verfasser bespricht die bisherigen Untersuchungen 
über das Gedächtnis, namentlich die Verworn in dieser Hinsicht aufgestellte 
Lehre, die wegen ihrer Bedeutung an die Spitze einer Betrachtung über die 
Störungen des Qedächtnisses gestellt zu werden verdient. Er betont dann, 
daß auf „Erinnern“ die ganze Rechtspflege beruht; mit dem Vergessen fällt 
sie. Darum sind die beiden Fragen: Wie ist Erinnern möglich, wie geht 
Erinnern verloren ? Fundamentalfragen, um die sich der Gerichtsarzt sonderlich 
zu mühen hat. Eindrucksvolle Geschehnisse des Alltages werden trotzdem 
von der großen Mehrheit wieder vergessen, während sie andere mit großer 
Treue in der Erinnerung bewahren und wieder andere nur in schattenhafter 



Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 26 t 

Wesenheit festhalten. Manche Erlebnisse haften aber in der Regel mehr 
oder weniger bei allen Beteiligten fest, z. B. geschlechtliche Erlebnisse, be¬ 
sonders bei Erstlingen auf diesem Gebiete, und Unfälle. Um so auffallender 
sind Erinnerungsdefekte, die sich gerade auf Erlebnisse wie Unfälle, Trauma 
beziehen, deren gedächtnismäßiges Festhalten vor allen anderen erwartet 
werden sollte. Bei der Beurteilung der Fälle müssen allerdings alle diejenigen 
ausgeschieden werden, bei denen der Verdacht der Hysterie, der absichtlichen 
oder hemmungsmäßigen Unterdrückung des Gedächtnisses vorliegt. Verfasser 
hat deshalb auch für seine Studie aus seiner gerichtsärztlichen Praxis nur 
solche Fälle — im ganzen fünf — herangezogen, in denen ein engumschriebenes 
Ereignis, ein Trauma, bei vorher gesunden oder jedenfalls nicht nachweislich 
kranken Personen einen rückläufigen Erinnerungsdefekt hervorgerufen hat und 
bei denen es sich zweifellos um echte Erinnerungsdefekte handelte. Durch 
ihre Mitteilung und Schilderang will er die bedeutsamen Vorgänge des Erinnerns 
und Vergessens in das Licht der Physiologie und Pathologie rücken. Daß ein 
zellularphysiologisches Verständnis des Gedächtnisses möglich ist, haben die 
Forschungen von Ve r w o r n und seiner Schule ergeben; die Ve r w o r n sehe Lehre, 
wonach die durch Sinneserregungen im Gehirn hervorgerufenen Eindrücke in 
eine Substanzzunahme der Ganglienzellen bestehen, also das „Wachstum" der 
Zelle die Grundlage des Gedächtnisstoffes bildet, paßt sich in den Rahmen der 
allgemeinen Lehre von der Aktivitätshypertrophie ein und findet ihre Bestätigung 
in der Pathologie des Gedächtnisses. Das Erwerben von Gedächtnissen, das 
Lernen, stellt eine Zentrenbildung im Kleinen dar. Erinnern und Vergessen 
bedeuten Reizung und Lähmung dieser kleinsten Zentren. Für die erste 
Bildung eines Einzelgedächtnisses ist die Reizaufnahme von größter Bedeutung; 
die Treue eines Erinnerungsbildes wird damit abhängig von der Funktion des 
den ersten Reiz empfangenden Sinnesorgans. Das ist auch für die gerichtliche 
Medizin, für die Psychologie der Zeugenaussage, von Bedeutung. Kein klares 
Erinnern ohne Zuverlässigkeit des Auges, des Ohrs, kurz der peripheren Sinnes¬ 
organe, kein klares Erinnern ohne normale Blutversorgung des Gehirns. Das 
Gehirn kann aber niemals die Aufgabe haben, die Außenwelt restlos abzu¬ 
bilden; denn wir würden sonst an der Fülle der Gedächtnisse ersticken. Hier 
setzt eine teils automatische, teils bewußte Auslese ein, so daß das Gedächtnis, 
wie Ribot zutreffend bemerkt, vom Vergessen lebt. Von jedem Erinnerungs¬ 
bild bleiben nur Zeichen, gewissermaßen nur Skizzen zurück, so daß unser 
gesamtes Gedächtnis schließlich eine Sammlung von Zeichen darstellt, in der 
fortwährend Stücke verloren gehen und andere neu erworben werden. Diese 
Zeichen werden von einer Mehrheit von Neuronen aufbewahrt, die alle unter¬ 
einander verbunden sind; gerade diese Auflösung der Bilder in Zeichen macht 
unsere Erinnerungsfähigkeit und die Aufnahmemöglichkeit für Bilder unbe¬ 
grenzt. Im letzten Grunde geht die Auflösung unserer Eindrücke in Zeichen 
auf den Aufbau unseres Zentralorgans aus einzelnen Zellen zurück; deshalb 
kann auch nur eine Zellularphysiologie berufen sein, das Problem des Gedächt¬ 
nisses zu lösen. _ Rpd. 

B. Bakteriologie and Bok&mpfang der übertragbaren Krankheiten. 

1. Bekämpfung übertragbarer Krankheiten im allgemeinen. 

Das Anaphylaxieproblem in der Dermatologie. Von Privatdozent 
Dr. E. Klausner. (Aus der k. und k. dermatol. Klinik. Prof. C. Kreibisch 
in Prag.) Mediz. Klinik; 1916, Nr. 7. 

Unter Anaphylaxie versteht man einen erworbenen Zustand von Ueber- 
empfindlichkeit des menschlichen oder tierischen [Körpers gegen parenterale 
Zufuhr von Eiweißkörpern. Hierhin gehört die Serumkrankheit mit den Er¬ 
scheinungen von Urticaria, Fieber, Oedem und Gelenkschmerzen, sowie die 
Urticaria nach Bluttransfusion, v. Pirquet bezeichnete diese Ueberempfind- 
lichkeit nach Seruminjektion als Allergie. Seinen Studien verdanken wir die 
Einführung der Kutanreaktion in die Diagnostik der Tuberkulose. Nogucki 
gelang es, mit Spirochäten-Extrakt Luetin, Fischer mit Pallidin, einem 
Pseumonia alba Lungenextrakt, eine Reaktion auf Syphilis, besonders im 
Tertiärstadium, zu entdecken. Mit der Allergie erklärt Jadassohn den 
Pseudoschanker bei Tertiär-Luetikern, wonach bei einer Spirochäteninfektion 



262 


Kleinere Mitteilangen and Referate aas Zeitschriften. 


während dieser Periode kein Primäraffekt, sondern ein Gamma ähnliches Ge¬ 
schwür auf tritt. Allergische Haatreaktionen worden auch bei Infektionskrank¬ 
heiten, wie Typhus, Rotz, Lepra etc., ferner Buchweizenvergiftung und Gravidität 
studiert. Wolff-Eisner deutet die Urticaria als anaphylaktisches Symptom. 
In das Gebiet der Ueberempfindlichkeitserkrankungen gehören auch die heftigen 
Erscheinungen infolge Eindringens tierischer oder pflanzlicher Gifte, Insekten¬ 
stiche, Primula abconica-, Satinholz-Dermatitis. Die Ueberempfindlichkeit gegen 
gewisse Arzneistoffe, Idiosynkrasie, ist bis heute noch nicht geklärt. Bloch 
nimmt an, daß es sich bei dieser Abnormität um zelluläre Allergie der Haut- 
zellen handelt. Dr. L Quadf lieg -Gelsenkirchen. 


2. Meningitis. 

Pneumokokken- and Meningokokken-Meningitis nach Schädelbasis¬ 
fraktur. Aas dem Hygienischen Institut der Universität in Gießen. Von 
Prof. Dr. P.Schmidt. Deutsche med. Wochenschrift; 1916, Nr. 6. 

Der in der medizinischen Universitätsklinik beobachtete Fall stellt eine 
Doppelinfektion der weichen Hirnhäute durch Pneumokokken and Meningo¬ 
kokken dar. Ein 19 jähriger Arbeiter hatte durch Sturz auf der Treppe eine 
Basisfraktnr erlitten. Danach trat sofort Bewußtlosigkeit und nach vorüber¬ 
gehender Besserung große Unruhe, Fieber, Nackensteifigkeit, Strabismus diver- 
gens, große Schmerzempflndung auf. Am 7. Tage nach dem Unfall kam der 
Mann in die Klinik, am 8. Tage erfolgte der Tod. 

Die bakteriologische Untersuchung des Liquor cerebrospinalis ergab 
Pneumokokken und Meningokokken etwa in gleicher Menge. Die 
Diagnose wurde kulturell, bei den Meningokokken auch mit Hilfe der Lingels- 
he im sehen Zackernährböden und serologisch gestellt. Auf den Blutagar- 
Pl atten fanden sich nur Pneumokokken in ziemlich reichlicher Menge. 

Nach dem Sektionsergebnis ist anzunehmen, daß die Infektion der weichen 
Hirnhäute in diesem Falle ganz direkt von der entzündeten oberen Nasenhöhle 
aus, sei es durch Vermittlung der Fissur im Siebbein, sei es durch die Fraktur 
im Keilbein erfolgt, d. h. also auf dem Lymphwege, nicht durch das Blut. Daß 
es hämatogen entstehende Meningokokken - Meningitiden gibt, ist sicher er¬ 
wiesen. Schmidt hält es jedoch für durchaus unentschieden, daß dieser Weg 
die Regel darstelien soll. Nach den Untersuchungen von G. Mayer, Wald¬ 
mann, Fürst und Gr über u. a. sind die Meningokokken auch außerhalb 
von Epidemiezeiten auf der völlig gesunden Pharynxschleimhaut gar kein 
ungewöhnliches Vorkommnis, wenn auch die Annahme einer „Ubiquität“ für die 
Rachenscbleimhaut zu weit geht. 

Die Beobachtung mahnt im übrigen, künftig bei Meningitisfällen besonders 
der Kinder öfter an Kopfverletzungen zu denken, als es bisher zu geschehen 
pflegte. _ Dr. Roepke -Melsungen. 


3. Weilsehe Krankheit. 

Zur Aetlologle der Wellschen Krankheit. 1. Von A. Weil, 2. Von 
Prof. Dr. Hü bene r und Privatdozent Dr. Reiter in Berlin. III. Mitteilung. 
Deutsche med. Wochenschrift; 1916, Nr. 5. 

In der gleichen Nummer der Deutschen med. Wochenschrift unterzieht 
A. Weil-Wiesbaden, einem Wunsche der Schriftleitung entsprechend, die 
bisherigen Mitteilungen und Beiträge von Hüben er und Reiter einer sach¬ 
lichen und kritischen Besprechung, lieber die Arbeiten ist an dieser Stelle in 
früheren Nummern berichtet. Weil verlangt in dem offenen Brief, daß der 
Name „Weilsehe Krankheit“ nur für solche Erkrankungen zu benutzen ist, 
die dem von ihm gegebenen einheitlichen charakteristischen Bilde entsprechen 
oder wenigstens seine wesentlichen Züge enthalten. Das ist eine „mit Milz¬ 
tumor, Ikterus und Nephritis einhergehende akute Infektionskrank¬ 
heit“. Der Behauptung von Hüben er und Reiter, daß die pathologischen 
Befunde der verendeten Meerschweinchen denjenigen der an W e i 1 scher Krank¬ 
heit Verstorbenen gleichen, kann er keine Beweiskraft beimessen und hält es 
daher für verfrüht und nicht zum Nutzen der endgültigen Feststellung der 



Kleinere Mitteilungen und Referate aas Zeitschriften. 


26S 


Wahrheit, die Frage nach der Aetiologie der Weil sehen Krankheit jetzt schon 
für positiv gelöst zu erklären. 

Dem gegenüber suchen Hiibener und Reiter nachzuweisen, daß die 
Vorstellung, die Weil vor 30 Jahren von der Oenese der nach ihm benannten 
Krankheit gehabt hat, sich in allen Punkten mit ihrer Auffassung von der 
Pathogenese der Weil sehen Krankheit deckt Sie ist gewonnen aus tier- 
experimentellen Versuchen, klinischen Beobachtungen, eigenen Sektionsbefunden 
und epidemiologischen Erfahrungen und lautet: Die Weil sehe Krankheit ist 
eine akute, nicht kontagiöse Infektionskrankheit, deren Erreger 
ein zur Oruppe der Spirochäten gehöriger Mikroorganismus ist, der durch 
Insektenstich auf Menschen übertragen und in die Blutbahn eingeimpft 
wird und durch gleichzeitiges Befallen der inneren Organe und Gewebe sowie 
durch Produktion spezifischer Giftstoffe eine Allgemeinerkrankung mit 
typischem Fieber und vorzugsweiser Schädigung der Nieren und Leber 
hervorruft. _ Dr.Roepke - Melsungen. 


4. Geschlechtskrankheiten und deren Bekämpfung. 

a. Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten und b. Beratungsstelle 
fOr Geschlechtskranke. Von Sanitätsrat Dr. Lilienthal. 

c. Syphilis, Krieg und Geschlechtskrankheit. Von Dr. Paul Richter. 
Halbmonatsschrift für soziale Hygiene und praktische Medizin; Jahrgang 24, 
Nr. 4 (a) und Nr. 5 (b und c). 

Der Weltkrieg hat neue Gefahren heranfbesebworen, die in einer Durch¬ 
seuchung mit Geschlechtskrankheiten bestehen. Glücklicherweise ist die Zahl 
der Geschlechtskranken im Heere geringer als man befürchtet hat; sie betrug 
während der ersten 15 Kriegsmonate nur 6,1 °/oo der Kopfstärke, während sie 
sich in dem Friedensjahre 191111912 auf ll u /oo belaufen hatte Die Militär¬ 
verwaltung arbeitet mit der Landesversicherungsanstalt Hand in Hand, es sollen 
Beratungsstellen errichtet werden, deren Tätigkeit natürlich für die Beratenen 
kostenlos ist und selbstverständlich mit der nötigen Verschwiegenheit durch¬ 
geführt wird. Auch die Honorierung der Aerzte muß nach Ansicht des Ver¬ 
fassers eine entsprechende sein; Sparsamkeit wäre hier unangebracht 

Die Beratungsstelle für Geschlechtskranke beleuchtet Dr. 
Lilien thal in Nummer 5 obengenannter Zeitschrift und betont auch hier, daß 
der großzügige Kampf gegen die Geschlechtskrankheiten eine Hebung der 
Volksgesundheit beabsichtigt; dieser Plan ist aber nur durchzuführen unter 
freudiger Mitarbeit der gesamten Aerzteschaft. 

Charlottenburg hat bereits eine Beratungsstelle eingerichtet, sie wird 
von Dr. Richter in dem Aufsatz „Syphilis, Krieg und Geschlechts¬ 
krankheiten“ in derselben Nummer der obengenannten Zeitschrift ge¬ 
schildert. Er verlangt vor allen Dingen, daß Einrichtungen getroffen werden, 
wo sich Personen, die früher an Syphilis erkrankt waren, auch später, wenn 
sie scheinbar genesen sind, einer regelmäßigen Blutuntersuchung unterziehen 
können. Dr. Hoffmann -Berlin. 


Znr Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten hat das Reichs- 
versicherungsamt unter dem 16. April d. J. folgendes Rundschreiben 
ergehen lassen: 

Die Verhandlungen über die Einrichtung der Beratungsstellen sind am 
23. Februar und 10. März 1916 unter Zuziehung von Vertretern der Ver¬ 
sicherungsanstalten und Sonderanstalten sowie von ärztlichen Sachverständigen 
im Reichsversicherungsamt fortgesetzt worden. Als ihr Ergebnis werden die 
anliegenden „Gesichtspunkte bei der Einrichtung von Beratungsstellen“ er¬ 
gebenst übersandt. Wie sich aus den „Gesichtspunkten“ und dem gleichfalls 
beigefügten Vordruck für Meldungen der Aerzte an die Beratungsstellen er¬ 
gibt, ist auf Wahrung der Rechte der behandelnden Aerzte, deren freudige 
Mitarbeit von besonderem Wert sein wird, gebührend Bedacht genommen 
worden. Die Einrichtung von Beratungsstellen ist nunmehr allerwärts im 
Gange und werden hoffentlich die neuen Beratungsstellen den gestellten Er¬ 
wartungen entsprechen. Die Veröffentlichung der „Gesichtspunkte“ in der 
Vereinszeitschrift würde mit Dank begrüßt werden. 



264 


Kleinere Mitteilungen and Referate aus Zeitschriften. 


Gesichtspunkte bei der Einrichtung von Beratungsstellen. 

1. Zweck der Beratungsstellen ist eine kostenlose und streng ver¬ 
schwiegene Beratung von Personen, die an Geschlechtskrankheiten oder deren 
Nachkrankheiten leiden oder daran zu leiden besorgen. Die Beratungsstelle 
erstreckt sich auf alle in ihrem Bezirke wohnenden oder dauernd beschäftigten 
Personen, die dem Kreise der nach der Reichsversicherungsordnung (und dem 
VersicherungBgesetz für Angestellte) versicherten Bevölkerung angehören oder 
ihr in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht nahe stehen. Gegebenenfalls ist 
die Beratung auf Familienangehörige auszudehnen. 

2. Der Leiter der Beratungsstelle muß neben den erforderlichen all¬ 
gemein ärztlichen und fachwissenschaftlichen Kenntnissen das Vertrauen der 
Aerzte des Bezirks besitzen. 1 ) Auch soll er die Kranken menschlich zu be¬ 
raten wissen und dabei der verschiedenen sittlich-religiösen Auffassung der 
beteiligten Kreise Rechnung tragen. 

8. Die Sprechstunden bei den Beratungsstellen sind tunlichst auf 
arbeitsfreie Zeiten zu verlegen. Wie die neue Einrichtung und ihre Zwecke mög¬ 
lichst weitgehend bekannt zu machen sind und ob es auch in Tageszeitungen 
geschehen soll, hängt von den örtlichen Verhältnissen ab. Namentlich. sind die 
Pfleglinge der Krankenhäuser auf die Beratungsstellen hinzuweisen. 

4. Als Besucher der Beratungsstellen kommen in Betracht: 

a) die vom Militär, von Aerzten, Krankenkassen, Sonderanstalten, Kranken¬ 
häusern, der Armenpflege usw. überwiesenen Personen, 

b) freiwillig sich Meldende. 

Es ist anzustreben, daß die Aerzte des Bezirks die aus ihrer Behand¬ 
lung Ausscheidenden, soweit sie dem in Ziffer 1 umschriebenen Personenkreis 
angehören, der Beratungsstelle zur weiteren Ueberwachung melden. Wenn 
dies allgemein noch nicht erreicht werden kann, ist jedenfalls darauf Bedacht 
zu nehmen, daß den Krankenkassen von den Kassenärzten entsprechende Mit¬ 
teilungen zngehen, die dann von den Krankenkassen an die Beratungsstellen 
weitergeleitet werden. Falls bisher arbeitsfähige Kranke der Krankenkasse 
nicht gemeldet werden, ist, soweit es sich um Geschlechtskranke handelt, eine 
Aenderung herbeizuführen. 

ö. Eine Verweisung des sich bei der Beratungsstelle Meldenden an die 
Armenpflege zur weiteren Behandlung wird im allgemeinen nur in Frage 
kommen, wenn der Kranke sich schon vorher in Armenpflege befunden hat. 

6. Es empfiehlt sich, den Arzt der Beratungsstelle zu ermächtigen, bei 
Gefahr im Verzug darüber zu entscheiden, ob der Kranke vorläufig auf Kosten 
der Versicherungsanstalt in Behandlung zu nehmen ist. Die Versicherungs¬ 
anstalt, die alsbald von der vorläufigen Anordnung zu benachrichtigen ist, 
kann die Gebernahme der weiteren Behandlung auf ihre Kosten ablehnen. 

Bei der Behandlung sind Wünsche der Kranken hinsichtlich der Persön¬ 
lichkeit des Arztes oder der Auswahl des Krankenhauses tunlichst zu berück¬ 
sichtigen. 

Der Beratungsstelle werden Mittel zur Verfügung zu stellen sein, aus 
denen Reisekosten und Verdienstausfall den Besuchern der Beratungsstelle 
alsbald erstattet werden können. 

7. Die Beratung eines noch in Behandlung stehenden Kranken soll nur 
im Benehmen mit dem behandelnden Arzt erfolgen. 

Von einer Beratung der Kranken ist solange und soweit abzusehen, als 
der behandelnde Arzt der Beratungsstelle gegenüber erklärt, daß er den Kranken 
überwachen werde, und die Beratungsstelle von dem Stande der Sache unter¬ 
richtet (vgl. Ziff. 8). 

8. Die Beratungsstelle ist über den Erfolg der Behandlung zu unter¬ 
richten. Am besten geschieht dies durch unmittelbare Anzeige des behandelnden 
Arztes über Beginn, Ende und Erfolg der Behandlung. Im übrigen gilt das 
in Ziffer 4 Abs. 2 Gesagte. 

') Siehe auch den in der Beilage zur heutigen Nnmmer der Zeitschrift, 
S. 50 abgedruckten Erlaß des preußischen Ministers des Innern vom 16. April 
d. Js., in dem den Kreisärzten die Ilebernahme einer solchen Stellung zur 
Pflicht gemacht wird. 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


265 


9. Kranke, die anf die erste Einladung nicht erscheinen, sind auf die 
Folgen des § 1272 der Keichsversicherungsordnung und anf die gemäß § 629 
a. a. 0. durch die Krankenordnnng vorgesehenen Strafbestimmungen hinzuweisen. 
Die Krankenkassen können ihren Mitgliedern die Meldung bei der Beratungs¬ 
stelle durch die Krankenordnung zur Pflicht machen. 

10. Bei Ueberwachung der an Gonorrhoe erkrankt Gewesenen kommen 
in erster Linie die Fälle in Betracht, in denen Kranke ungeheilt ans der Be¬ 
handlung eines Arztes entlassen sind oder sich ohne Grundangabe der weiteren 
Behandlung entzogen*haben. 

11. Verzieht der Kranke aus dem Bezirk der Beratungsstelle, so ist eine 
Abschrift der Aufzeichnungen der Beratungsstelle (Krankenblatt) an die nun¬ 
mehr zuständige Beratungsstelle zu senden. Die Urschrift verbleibt bei der 
ersten Beratungsstelle. Solange die Einrichtung der Beratungsstellen nicht 
abgeschlossen ist, empfiehlt sich die Versendung der Krankenblätter von Ver¬ 
sicherungsanstalt zu Versicherungsanstalt. 


Vornamen: 
Beruf: . 


Meldung des behandelnden Arztes. 

.Zunahme: .... 

am.zu 


geb. 


(Kreis:.) 

Wohnort und Wohnung:. 

Mitglied der.Kasse; Bnch Nr.ist von mir 

vom.bis.an.behandelt worden und 

* geheilt entlassen 

* am.| einem Krankenhaus Überwiesen 

\ Herrn Dr.zur Behandlung / 

* genesen entlassen und bedarf einer Nachuntersuchung 


nach 


Wochen. 

Monaten. 


(Wünscht unter meiner persönlichen Ueberwachung zu bleiben.) 

(Ich werde der Beratungsstelle weiter Bericht erstatten.) 

* ist nngeheilt seit.aus meiner Behandlung fortgeblieben. 

Der behandelnde Arzt Dr. 


5. Krebs. 

Heilnngsvorgänge lm Karzinom nebst einer Anregung zu seiner 
Behandlung. Von Prof. Dr. H. Bibbert-Bonn. Deutsche med. Wochen¬ 
schrift; 1916, Nr. 10. 

R. geht von der Untersuchung eines metastatischen, halbwalnusgroßen 
Krebsknotens aus, der sich am Halse nach primärem Lippenkrebs wahrscheinlich 
in einer Lymphdrüse entwickelt hatte, und in dem weitaus der größte Teil des 
Karzinoms zurückgezogen war. Es handelt sich um ein Eindringen des zeitigen 
Gewebes in das lebende Epithel und um den damit verbundenen Untergang 
des Epithels und zwar der jungen, am Rande der Krebshaufen befindlichen 
und sonst die Ausbreitung des Tumors besorgenden Zellen. Ribbert nimmt 
nun an, daß die Vernichtung des Epithels auf den Einfluß der 
Rundzellen zu beziehen ist und durch die toxischen Einflüsse bedingt wird, 
die aus den zerfallenden Lymphozyten frei werden. Daraus folgert er den 
Vorschlag, Lymphozyten und ihre Zerfallsprodukte dem zu behandelnden Krebs 
künstlich zuzuführen. Man sollte in primäre oder auch in leicht zugängliche 
metastatische Karzinome zerriebenes Lymphdrüsengewebe oder 
aus ihm hergestellte Extrakte so reichlich einspritzen, daß eine 
möglichst weitgehende Durchtränkung erzielt und alles Epithel mit den Zell- 

S rodukten in ausreichende Berührung gebracht wird. Führt das zum Erfolg, 
ann könnten weiterhin die Flüssigkeiten auch intravaskulär eingespritzt 
werden, so daß sie vom Blute aus auf die nicht direkt erreichbaren Karzinome 
einwirkeu können. Dr. R o e p k e - Melsungen. 


* Das Zutreffende ist zu unterstreichen. 


















266 Kleinere .Mitteilungen and Beforate aas Zeitschriften. 

Krebsepldemiologlsche Untersuchungen. Von Kreisarzt Dr. Hillen* 
berg-Zeitz. Veröffentlichungen aus dem Gebiete der Medizinalverwaltung. 
V. Bd., 4. H., Gr. 8°, 50 8. Preis: 2,80 M. 

Verfasser gibt zunächst eine erschöpfende und deshalb wertvolle Ueber- 
sicht über den derzeitigen Stand der Krebsätiologie und berichtet dann über die 
von ihm in seinem Stadt- und Landkreis Zeitz sowie im benachbarten Stadtkreis 
Weißenfels vornehmlich in ätiologischer Richtung hin angestellten epidemio¬ 
logischen Ermittelungen über das Vorkommen von Krebs. Er hat zu diesem 
Zweck einen Fragebogen entworfen und nicht weniger alB 15000 Stück 
an sämtliche Kinder aller im Stadt- und Landkreis Zeitz vorhandenen Schulen 
sowie an die Schüler der Bürgerschulen in Weißenfels und durch Vermittlung 
der Lehrer auch an alle diejenigen Familien verbreiten lassen, die keine schul¬ 
pflichtigen Kinder haben. Vor der Verteilung hatte er die Lehrer besonders 
auf die Wichtigkeit ordentlicher Beantwortung der Fragebogen hingewiesen und 
sie ersucht, diese nach Rückgabe durchzuseheu und auf Grund eigener Kennt¬ 
nisse sowie durch Nachfragen zu ergänzen. Diese Mitarbeit war von den Lehrern 
bereitwilligst geleistet. Wo es erforderlich, hat dann Verfasser später noch 
nähere Erkundigungen schriftlich oder persönlich eingezogen. Es wurden 
377 Krebsfälle festgestellt, 196 beim männlichen, 181 beim weiblichen Geschieht; 
davon entfielen auf die einzelnen Organe: 57,6°/o auf den Magen, 9,2°/o auf 
die Gebärmutter, 8,4 °/o auf den Darm,. 6,6 °/o auf die Brust, 5,04 °/o auf die 
Leber, l,8°/o auf die Speiseröhre, lß°lo auf das Gesicht, 1,5 # /o auf den Kehl¬ 
kopf, 1,8 */o auf den Hals und 1,01 °/o auf die Zunge. Von. den . einzelnen 
Altersklassen waren am meisten bei der Krebssterblicbkeit die Alters¬ 
klassen von'51—60 Jahre (30°/o), 61—70 Jahre (20 °/o>, 41— 50 Jahre (17,8°/o) 
und 71—80 Jahre (11,4 °/o) beteiligt, während die übrigen Altersklassen erheblich 
geringere Zahlen aufwiesen: von 31 — 40 Jahre: 7,2%>, 21—30 Jahre:2,6°/o, über 
80 Jahre: 0,64°/#, von 15—20 Jahre: 0,26°/o; unbekannten Alters waren 5,3 °/o. 
Der Verwandtschaft nach trat der Krebs 34mal = 9,09°/o bei Eltern 
und Kindern, 20 mal = 5,3 ®/o bei Ehegatten, 10 mal = 2,6°/« bei Geschwistern 
und 7 mal = 1,8 °/o bei direkten Verwandten auf. ln 71 Familien war mehrfach 
Krebs zu verzeichnen. Unter den Ursachen spielt nach Angabe der Be¬ 
fragten Trauma eine nicht unwesentliche Rolle (7,14°/o der Fälle); ob über¬ 
mäßiger Alkoholgenuß die Entstehung des Krebses begünstigt, dafür bieten 
die Ermittlungen ebensowenig einen sicheren Anhalt wie für einen ursächlichen 
Zusammenhang zwischen Krebs und Beruf; nur soviel geht aus ihnen hervor, 
daß die Beschäftigung in der Landwirtschaft und in verwandten Berufen 
anscheinend keine erhöhte Krebssterblichkeit zeitigt. Auch die Beschaffenheit 
der Wohnung und ihrer Umgebung, insbesondere die Feuchtigkeit kommt nach 
dem Ergebnis der Ermittlungen als Krebsursache nicht wesentlich in Betracht, 
desgleichen wird durch das Ergebnis die Ansicht des Krebsforschers Werner- 
Heidelberg bestätigt, „daß weder oreographische, geologische, hydrographische 
oder klimatische Eigentümlichkeit der Orte, noch die Bauart ihrer Wohnhäuser eine 
Beziehung zur Häufigkeit oder Seltenheit des Krebses besitzen.“ Zum Schluß 
betont Verfasser, daß die Ergebnisse seiner durch fast zwei fortgesetzten, zum 
Teil sehr mühevollen Ermittlungen keinen besonderen Anhalt für die endogene 
Krebsentstehung gezeitigt haben; auffallend seien nur die festgestellten aus¬ 
geprägten zeitlichen und örtlichen Differenzen im Auftreten des 
Krebses: in einem Orte (Kayna) z. B. in den Jahren 1901 — 1905 26,20°/o auf 
10000 Lebende, 1906—1910 dagegen 0,00 °/o !, ferner in einzelnen Orten des 
Kreises gar keine Krebstodesfälle, in anderen dagegen 15 und noch mehr auf 
10000 Lebende (Brockau: 16,34 °/uo«, Dragsdorf: 23,92 %>oo). Dies an einzelnen 
mehr oder weniger engbegrenzten Wohngebieten beobachtete gehäufte Auftreten 
der Krebserkrankungen lasse zum mindesten für einen Teil derselben äußere, 
d. h. von außen in den Körper gelangende Schädlichkeiten, die sehr 
wahrscheinlich unter dem Kleinlebewesen zu suchen seien, als Ursache ver¬ 
muten. Ueber ihre Art und Zugehörigkeit schwebe allerdings z. Z. noch 
ebensolches Dunkel, wie über den Weg ihrer Uebertragung; vieles spreche 
jedoch dafür, daß diese auf die Menschen durch Vermittlung eines Zwischen¬ 
wirtes stattfinde und zwar durch Nahrungsmittel, da erfahrungsgemäß Ver¬ 
dauungsorgane, in der Hauptsache der Magen, vornehmlich Sitz des Krebses 
sind. Für einen anderen Teil der Krebserkrankungen dürften dagegen andere 



Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 267 

Ursachen in Frage kommen, die mit lebenden Agentien nichts weiter gemein 
haben, als die Fähigkeit, in der disponierten Zelle eine tiefgreifende biologische 
Alteration hervorzurufen. Durch weitere epidemiologische Forschnngen sowie 
biologisch-experimentelle Untersuchungen sei eine Lösung der Krebsätiologie 
za erwarten; sie sollten insbesondere an solchen Orten vorgenommen werden, 
die einzelne Krebshäuser mit zahlreichen Fällen aufweisen. Man kann deshalb der 
Ansicht Czernys nur zustimmen: „Wir können in den Fragen der Häufigkeits¬ 
zunahme, Kontagiosität der Erblichkeit und Aetiologie bloß dann sichere 
Schlüsse ziehen, wenn sich die Forschung bis in die Verhältnisse der Gemeinden, 
Häaser and der Familien vertieft.“ Rpd. 


C. Hygiene und öffentliches Gesundheitswesen. 

1. Abwässerbeseitigung. 

Die Abwasserfrage IV. Von Prof. Dr. Rohland-Stuttgart. Zentral¬ 
blatt für Gewerbehygiene; 1916, Nr. 4. * 

Aus der Theorie der Klärung und Reinigung der Abwässer und auch 
aas der bisherigen Praxis ergibt sich, daß das „Kolloidtonreinigungsverfahren“ 
sich vortrefflich eignet zur Klärung und Reinigung der Abwässer der Textil¬ 
werke, der Farbwerke, Papier- und Pappenfabriken, der Brauereien, Brennereien, 
Molkereien, Preßhefefabriken, Rohrzuckerfabriken und Raffinerien usw. and 
zur Nachklärung und Nachreinigung der städtischen Abwässer, daß es aber 
da nicht anwendbar ist, wo es sich darum handelt, anorganische Salze, die in 
größerer Konzentration vorhanden sind, aus dem Abwasser zu entfernen, z. B. 
aas den Endlaagen der Kaliwerke. Dr. Wolf-Hanau. 


2. Gewerbehygiene. 

(Jeher Rasierstubenhygiene. Von Dr. R. Oxenius-Frankfurt a. M. 
Vierteljahrsschrift für gerichtliche Medizin and öffentliches Sanitätswesen. 
Dritte Folge; 51. Bd., 1. H.; Jabrg. 1916, 1. H. 

ln der vorstehenden Abhandlung werden die Gefahren, die dem Publikum 
and dem Geschäftspersonal durch die Barbier-, Frisier- und Haarschneidegewerbe 
droben, sowie die Vorschriften zu ihrer Bekämpfung eingehend besprochen und 
am Schluß Vorschläge zu weiteren Maßnahmen gemacht. Nach Erwähnung 
der bisherigen Literatur über diese Frage und der darin mitgeteilten Einzel¬ 
beobachtungen werden die in Preußen erlassenen sanitätspolizeilichen Vorschriften 
sowie die dazu ergangenen gerichtlichen Urteile angeführt und betont, daß dem¬ 
nach alle polizeilichen Vorschriften, die sich lediglich mit der Verhütung über¬ 
tragbarer Krankheiten durch die Barbierstuben befassen, ebenso ungültig sind, 
wie diejenigen die zu allgemein gehaltene Bestimmungen über Reinhaltung usw. 
enthalten und das Aufhäugen der Verordnung in den Geschäftslokalen fordern. 
'Es frägt sich daher, ob nicht doch rechtsgültige Verordnungen erlassen werden 
können, die im wesentlichen den an die Barbierstuben zu stellenden hygieni¬ 
schen Anforderungen, auch mit Rücksicht auf die Gefahr der Uebertragung 
ansteckender Krankheiten, genügen. Die Frage, daß die heutigen Einrichtungen 
der Barbierstuben diesen Anforderungen im allgemeinen nicht genügen, ist nach 
Ansicht des Verfassers unbedingt zu bejahen. Um eine Besserung in dieser 
Hinsicht zu erzielen, genügen aber nicht allgemeine Belehrungen; eine solche ist 
vielmehr nur durch den Erlaß zweckmäßiger polizeilicher Vorschriften zu erwarten, 
die am besten in Form einer für den ganzen Staat allgemein gülti¬ 
gen Verordnung erlassen werde, da die Verhältnisse in den einzelnen 
Landesteilen keineswegs so verschieden sind, daß lokale Verordnungen den 
Vorzug verdienen. Eine solche allgemeine Verordnung hat vor allem den 
Vorteil, daß den Ort ihrer Tätigkeit wechselnde Barbiergehilfen sich nicht erst 
an andere Vorschriften zu gewöhnen brauchen, sondern sich immer nach den¬ 
selben Bestimmungen zu richten haben. Notwendig ist es allerdings, daß man 
sich bei Abfassung einer solchen allgemeinen Verordnung auf die „Mindest¬ 
maßnahmen“ beschränkt, die auch in kleinen Bezirken und Orten durchführ¬ 
bar sind. Die Verordnung muß sich auf die Geschäftsräume, das Personal, das 
die Geschäfte besuchende Publikum, sämtliche im Betrieb verwandte Gegen¬ 
stände- and «uf die Ueberwachung erstrecken. Die in dieser Beziehung zu 
steUenden Anforderungen werden von dem Verfasser ausführlich erörtert und 



263 


Kleinere Mitteilungen and Referate aas Zeitschriften. 


dann am Schloß in Form einer Polizeiverordnung zusammen gefaßt, die auch 
der Rechtsprechung auf diesem Gebiete Rechnung trägt. Das Aushängen der 
Verordnung in den Geschäftsräumen wird deshalb nicht gefordert; statt dessen 
vorgeschlagen, jedem Geschäftsinhaber genügend Exemplare zur Verfügung zu 
8teilen, damit er nicht bloß jedem antretenden Gehilfen, sondern auch jedem 
Kunden ein solches anshändigen kann. Der Entwurf der Polizeiverordnung 
enthält auch eine Bestimmung, wonach die Durchführung der Maßnahmen in 
bestimmten Zwischenräumen (2 Jahren) durch besonders hierzu geeignete 
Organe (der Polizei) überwacht werden soll. Eine solche Bestimmung gehört 
aber nicht in eine Polizeiverordnung, sondern in die Ausführungsbestimmungen, 
statt dessen ist aber eine Bestimmung erforderlich, daß der Geschäftsinhaber 
und dessen Vertreter den mit der Ueberwachung der Ausführung der Polizei¬ 
verordnung beauftragten Beamten die Besichtigung ihrer Geschäftsräume zu 
gestatten und ihnen die von ihnen geforderte Auskunft zu geben haben. Rpd. 


Zar Toxikologie des Tetrachlormethans and des Tetrachlorftthans. 
Von Reg.- und Med.-Rat Dr. Koelsch-München. Zentralblatt für Gewerbe¬ 
hygiene; 1916, Nr. 4. 

Der Verfasser berichtet über einen Fall einer chronischen Tetrachlor¬ 
methan-Vergiftung. Die Erfahrung lehrt, daß bei der offenen industriellen 
Verarbeitung das Tetrachlormethan ein äußerst bedenklicher Körper ist, 
der schon nach relativ kurzer Bescbäftigungsdauer schwere, selbst töd¬ 
liche Erkrankungen hervorzurufen imstande ist. Die Folgerungen ergeben 
sich von selbst: Vom gewerblich - hygienischen Standpunkte aus ist .die 
Verwendung Tetrachloräthans, soweit durchführbar, ganz zu verbieten oder 
nur unter ganz scharfen Schutzmaßnahmen zu gestatten. Für alle Fälle besteht 
begründeter Anlaß, bei der Verwendung der gechlorten Wasserstoffe der 
aliphatischen Reihe die Gesundheitsverhältnisse der Arbeiter stets im Auge zu 
haben. Eine längere Beschäftigung mit den Substanzen ist für den Ausbruch 
der Vergiftung nicht erforderlich; denn es werden selbst bei relativ kurzer 
Beschäftigungsdauer tödliche Erkrankungen beobachtet. Als disponierend 
dürften Alkoholismus, Fettsucht und Anämie anzusprechen sein. Selbstredend 
ist jeder Arbeiter, der auch nur eine Andeutung von Ikterus zeigt, sofort 
von der Arbeit zu entfernen. Unterstützt wird diese Maßnahme durch den 
chemischen und besonders spektroskopischen Nachweis von Gallenfarbstoff in 
Harn, bezw. im Blutserum, wo er in manchen Fällen noch vor der Gelbfärbung 
der Haut auftritt Von den sonstigen Symptomen verdienen die Klagen über 
Uebelkeit, Brechreiz, Magenbeschwerden, nervöse Reizerscheinungen, Fehlen 
oder Herabsetzen der Kniereflexe unsere Beachtung. Dr. Wolf-Hanau. 


Ueber ein neues Aeschereiverfahren für Gerbereien. Von Gewerbe¬ 
inspektor Dr. Naske-Wien. Zentralblatt für Gewerbehygienc; 1916, Nr. 4. 

Die Vorteile der Aescheranlage nach dem System Gustav Pollak lassen 
sich gegenüber dem alten Aescherverfahren und den Rühr- bezw. Drehäscbern 
in folgenden Punkten zusammenfassen: 

1. Die manuelle und für die Arbeiter außerordentlich anstrengende Arbeit 
des Aufschlagens der zu weichenden und zu äschernden Häute fällt bis auf 
das Einhängen und Abnehmen der Häute nach beendigtem Prozesse voll¬ 
ständig weg. 

2. Hierdurch ist die Möglichkeit der Verätzung an Händen und Augen 
durch verspritzende Kalkmilch auf ein Mindestmaß eingeschränkt. 

3. Die Bildung von Bodensatz in den Geschirren ist ausgeschlossen. 
Das Einsteigen in die Geschirre ist überflüssig und die Gefahr einer Gasver¬ 
giftung daher ausgeschaltet. 

4. Durch die zirkulierende Brühe wird eine vollkommen gleichmäßige 
Aescherung der Häute und eine rationelle Ausnützung der Aescherbrühe bewirkt. 

5. Der Weich- und Aescherprozeß wird ohne Zugabe irgendwelcher 

Chemikalien bei sonst gleichen Voraussetzungen hinsichtlich der Beschaffenheit 
des Rohmaterials und des zur Verwendung kommenden Wassers auf halbe Zeit 
eingeschränkt. Dr. W o 1 f - Hanau. 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


269 


3. B&uglisgzfttnorge. 

Bemerkungen Aber die „Kriegsneugeborenen“. Von Prof. Dr. Lang¬ 
st ein -Berlin. Zeitschrift für Säuglingsschutz; 1916, Nr. 8. 

Der Verfasser wendet sich gegen die Anschauung von Kettner 1 ), der 
„eine ganz neue Art von Säuglingen", die sog. Kriegsneugeborenen, gesehen 
zu haben angibt und ist der Ansicht, daß man höchstens annehmen kann, daß 
die weitere Kreise umfassende Aufregung der Mütter auch zu einer Ver¬ 
mehrung unruhiger Säuglinge geführt hat, eine Folge vermehrter Fehler in der 
Pflege und Ernährung der Kinder. Dr. Wolf-Hanau. 


Zum Milchbedarf des Kindes und zur Aetlologie und Behandlung 
der Rachitis. Von Prof. Dr. E. Feer. (Aus der Universitäts-Kinderklinik 
in Zürich). Mediz. Klinik; 1916, Nr. 8. 

Mit Bezugnahme auf den Bundesratserlaß, wonach Kinder, soweit sie 
nicht gestillt werden, bis zum vollendeten 2. Lebensjahr 1 1 Milch, ältere 
Kinder */* 1 erhalten sollen, wird die Frage erörtert, ob diese Mengen ge¬ 
nügen? Die Ansichten über den Milchbedarf des Säuglings gehen weit aus¬ 
einander. Die Erscheinung des Milchnährschadens bei Flaschenkindern hat in 
den letzten Jahren zu Einschränkungen der verabreichten Milchmengen ge¬ 
führt. Czerny-Keller empfehlen am Ende des 1. Jahres für ein Kind von 
10 kg 1 1, für kleinere Kinder 100 g für das kg Körpergewicht. Verfasser 
gibt seit Jahren höchstens 600 g Milch im Tag am Ende des 1. Lebensjahres. 
Diese Menge wird im 2. Jahre stark beschränkt. In einer Anzahl von Fällen 
wurden im 1. Jahre 600 g Milch nicht überschritten. Diese Menge 
genügt vollauf zum guten Gedeihen der Kinder; dabei ist jedoch die früh¬ 
zeitige Zugabe von Kohlehydraten, Gemüse und Obst sehr wichtig; das 
Nahrungsvolumen wird durch Wasserzusatz auf das physiologische Maß ge¬ 
bracht. Mit der Zuckerzugabe beginnt man sofort nach der Geburt und steigt 
auf 20—30 g, die im 2. Halbjahr durch Mehle ersetzt wird. Mit Mehl beginnt 
man am Ende des 1. oder anfangs des 2. Monats, auf den Tag 6 g. 
Vom 6. Monat an bekommt das Kind eine Griessuppe, steigend von 15 bis 
25 g Gries in dünner Fleischbrühe, weiter grünes Gemüse in feinster Breiform, 
Obstsäfte und rohgeschabte Aepfel, Beerenfrüchte. Im 2. Jahre vermehrt man 
Kohlehydrate, Obst und Gemüse und vermindert die Milch. Fleisch und Eier 
sind ganz überflüssig. Größere Kuhmilchmengen fördern das Gedeihen des 
Kindes keineswegs, beeinflussen es wohl oft ungünstig. Theoretische Bedenken 
gegen die kleineren Milchmengen bestehen nicht, die allgemeinen biologischen 
Ueberlegungen sprechen für eine starke Milchverminderung im 2. Jahre. Die 
Milchmengen, die der deutsche Bundesrat in seiner Bestimmung den Kindern 
sichpr stellen will, sind für gesunde Individuen mehr als ausreichend. 

Manche Aerzte erblicken in der geringen Milchzufuhr infolge unge¬ 
nügenden Kalkgehaltes die Ursachen der Rachitis. Unsere Kenntnis über die 
Aetiologie der Rachitis widersprechen dieser Annahme. Neben andern Ursachen 
sind es in erster Linie die „respiratorische Noxe" (Mangel an frischer Luft 
und 8onne) und die unzweckmäßige Ernährung, vielleicht auch infektiöse Fak¬ 
toren, die den Ausbruch der Rachitis begünstigen, daneben Heredität, die aber 
nicht überschätzt werden darf. Der Einfluß der Mehlfütterung ist stark über¬ 
trieben worden. Unter den Ernährungsfehlern ist es zunächst die einseitige 
und übermäßige Milchnahrung, die Rachitis auslöst. Die schwersten Fälle 
können sich gerade bei Milchfütterung einstellen. Stoffwechseluntersuchungen 
über Rachitis sprechen zugunsten knapper Milchernährung. Einseitige und 
übermäßige Milchnahrung beeinflussen den Kalkstoffwechsel ungünstig. Die 
beste Prophylaxe der Rachitis bietet die Ernährung mit wenig Milch unter 
Zugabe von Kohlehydraten, Gemüse und Obst. Noch wichtiger ist diese Er¬ 
nährungsweise bei manifester Rachitis. Sie ist auch wirksamer als die aus¬ 
schließlich medikamentöse Therapie. Daneben muß die respiratorische Noxe 
bekämpft werden, d. h. die Kinder soUen möglichst viel ins Freie gebracht 
werden. Außerdem leisten Lebertran und Phosphorlebertran gute Dienste. 


*) Siehe Referat darüber in Nr. 7 dieser Zeitschrift; Jahrg. 1916, S. 212. 



270 


Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


Die Kalk - Retention wird verstärkt bei gleichzeitiger Verabreichnng von Kalk- 
Präparaten. Die Abhandlung enthält auch einige ausführliche Kostzettel. 

Dr. L. Qnadflieg -Gelsenkirchen. 


4. Eisenbahnhygiene. 

Periodische gesundheitliche Untersuchungen des Eisenbahnpersonal?. 
Von Dr. Placzek-ßerlin. Zeitschrift für Bahnärzte; 1915, Nr. 3. 

Der Verfasser tritt dem Vorschläge Gilberts 1 ) betr. periodischer Voll- 
untersuchungen bei und fügt noch hinzu: „vermehrt durch die psychische 
Untersuchung". Dr. W o 1 f - Hanau. 


5. Krankenanstalten. 

Zentrale Kränkenhausbelüftung und Luftabsaugung. Von Dr. Hasser. 
Die Heilanstalt; 1916, Nr. 7/8. 

Der Verfasser bespricht die Einrichtungen, die eine reine, 18—20° C. 
warme, 60—60°/o relativ feuchte und stets leicht bewegte Luft in den Kranken¬ 
zimmern verschaffen. Dr. Wo 1 f - Hanau. 


Verringerung der Krankenhausbaukosten unter besonderer Berück¬ 
sichtigung der Knappschaftslazarette. Vortrag des Stadtbaurats a. D. 
S p i n n e r - Tarnowitz (Oberschles.), gehalten auf der Mitgliederversammlung 
des Allgemeinen deutschen Knappschaftsverbandes am 28. September 1915. 

Spinner weist mit Hecht darauf hin, daß die Berechnung der Kranken¬ 
hausbaukosten „für ein Bett" keinen richtigen Maßstab für die Frage abgebe, 
ob die Kosten angemessen oder zu hoch seien, da die dabei in Betracht 
kommenden Verhältnisse bei den einzelnen Krankenanstalten zu verschieden¬ 
artige seien. Der Oberschlesische Bauverein baue auch heute noch seine 
Lazarette mit besonderen Verwaltuugs- und Wirtschaftsgebäuden, Wohnungen 
für leitenden Arzt und Wartepersonal einschließlich innerer Einrichtung und 
Ausstattung sowie aller Außen- und Nebenanlagen für 4000—4500 Mark für 
das Bett, ohne Rücksicht darauf, ob 80 oder 3—400 Betten darin Platz linden. 
Das Wichtigste und Entschiedenste für die Höhe der Baukosten sei die 
Gestaltung des Bauprogrammes; durch die Vereinigung einer großen 
Anzahl Betten in einem Gebäude werde eine große Kostenersparnis erzielt, 
besonders in industriellen Gegenden, wo der Grund und Boden sehr teuer sei. 
Gegen solche Einheitsbauten bis zu 400 Betten liegen auch ebensowenig 
hygienische Bedenken vor, wie gegen die Verteilung der Krankenbetten in 
drei Geschossen. Weiterhin lasse sich durch Einrichtung größerer Säle 
eine Verminderung der Flurflächen und damit auch der Baukosten bewirken. 
Nebengebäude seien tunlichst zu vermeiden, statt dessen Unter- und 
Dachgeschosse möglichst zu Wirtschafts- und anderen Zwecken auszunutzen. 
Nicht minder wichtig sei die richtige Bemessung der Anzahl und Größen der 
Nebenräume (Tageräume, Aborte, Bade- und Waschräume, Schwestern-und 
Wärterzimmer, Anrichten usw.); dasselbe gelte betreffs der Koch- und Wasch¬ 
küchen sowie betreffs der wissenschaftlichen Zwecken dienenden Anlagen, 
soweit die Krankenanstalten nicht zugleich als Lehranstalten dienen. Bei einer 
zweckmäßigen Grundrißlösung kommt es vor allem darauf an, unter strenger 
Beachtung aller hygienischen Grundsätze, der Betriebsrücksichten und der 
baupolizeilichen Bestimmungen die Krankenrnumc, Treppen und Nebenräume 
so zu gruppieren, daß die Anzahl der Treppen, die Flächen der Flure, Gänge 
und Nebenräume auf das möglichste Mindestmaß beschränkt werden. Die 
Kosten einer besseren baulichen Ausstattung der Außenseiten werden vielfach 
überschätzt; eine Ueberladung mit ornamentalem Schmuck, mit reichen Vor- 
und Aufbauten sei unbedingt zu vermeiden; denn auch ohnedem lasse sich 
dem Krankenhause architektonisch ein freundliches, vornehmes und gefälliges 
Aeußere geben. Viel Kosten lassen sich bei der Ausführung sparen, wenn 
auch der Grundsatz gelten muß, daß an Materialien und Konstruktion das 
Zweckmäßigste und Preiswürdigste auszuwählen ist. Einmalige Mehrausgaben, 
durch die die späteren Betriebskosten herabgesetzt werden (z. B. Wandfliesen 


') Siehe Referat darüber in Nr. 3 dieser Zeitschrift; Jahrg. 1916, S. 81. 



Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 271 

in Baderaumen usw.), sind nicht zu scheuen, im übrigen ist aber, auch bei der 
inneren Ausstattung, jeder überflüssige Aufwand zu vermeiden. Mit Recht 
betont der Verfasser, daß man den Beginn der Arbeiten nicht überstürzen und 
dem Architekten hinreichend Zeit zu sorgfältiger Durcharbeitung des Entwurfes 
lassen soll, damit sich späteren Aenderungen, Stemmarbeiten usw., die meist 
sehr kostspielig sind, nicht als notwendig erweisen. Auch durch Vereinigung 
mehrerer Knappschaftsvereine, Gemeinden usw. zu Zweck verbänden, um durch 
umfangreiche Lieferungsabschlüsse billigere Einkaufspreise zu erzielen, lasse 
sich eine nicht unerhebliche Kostenersparnis erreichen. Jedenfalls könne 
nicht behauptet werden, daß die behördlichen Vorschriften zu weit gingen und 
den Bau der Krankenhäuser unnötig verteuerten; diese Verteuerung sei vielmehr 
auf andere Ursachen zurückzuführen und müsse um so mehr vermieden werden, 
als eine zu teuere Anlage nicht nur durch die Verzinsung der größeren Bau¬ 
summe, sondern auch durch die teuere Unterhaltung, Vermehrung des Personals 
eine wesentliche Erhöhung der -Betriebskosten nach sich ziehe. Rpd. 


Luxus in Krankenhausbauten. Von Architekt Fritz Voggen- 
berger. Frankfurter Zeitung vom 16. Februar d. J. 

• Auch dieser Verfasser ist der Ansicht, daß sich ein zutreffendes Urteil 
über die Angemessenheit der Krankenhausbaukosten nicht aus einem Vergleich 
der Kosten für das einzelne Bett bilden läßt, da die dabei in Betracht 
kommenden Verhältnisse zu verschiedenartig sind; denn die Kosten des Baues 
und der Einrichtung richten sich besonders nach den ortsüblichen Lohnsätzen, die 
bekanntlich außerordentlich verschieden sind. Ferner weicht die notwendige 
maschinelle und technische Einrichtung der einzelnen Anstalten je nach ihrer 
Bettenzahl sehr voneinander ab, so daß eine Statistik unmöglich einwandfrei 
sein kann, wenn man die Kosten für Krankenhäuser mit SO und 1200 Betten 
gegenüberstellt. Von Luxus im Krankenbausbau kann nach Voggenberger 
nur gesprochen werden bei Verschwendung in den Raumabmessungen, oder bei 
Anwendung von Materialien, die nicht im Verhältnis zu den an sie gestellten 
Forderungen stehen, oder bei Einrichtungen, die mit Rücksicht auf den Zweck 
des Krankenhauses nicht als notwendig anzusehen sind. Selbst in den neueren 
Krankenhäusern dürften aber in bezug auf die Raumabmessungen kaum 
die in dieser Hinsicht gegebenen, reichliche Maße vorsehenden ministeriellen 
Vorschriften überschritten sein, eine Ansicht, die jedoch nicht zutrifft, da es 
eine große Anzahl von Krankenanstalten gibt, wo dies doch der Fall ist, z. B. 
durch übermäßig breite Fluren usw. Daß durch das im Bau selbst verwendete 
Material im Gegensatz gegen früher mehr Aufwand notwendig macht, wird 
vom Verfasser zugegeben; diese Mehrkosten werden jedoch hauptsächlich durch 
Forderung der Bauhygiene (Ausrundung an Wänden und Decken, glatte Profi¬ 
lierungen usw.) bedingt und nicht durch luxuriöse architektonische Ausstattung; 
denn die jetzigen Krankenhäuser seien mit wenigen Ausnahmen schlichte An¬ 
lagen, die nur durch die Anordnung und durch die Größe monumental 
wirken. Vielmehr werde der Krankenhausbau durch die medizinischen und 
hygienischen Einrichtungen verteuert, die bei dem modernen Krankenhaus eine 
ganz gewaltige Rolle in bezug auf die Kosten spielen, da nicht nur die erforder¬ 
lichen Apparate, und Instrumente usw. sehr erhebliche Kosten verursachen, 
sondern noch mehr die zu ihrem Betrieb notwendigen baulichen und sonstigen 
Verkehrungen. Zur Verbilligung der Krankenhausbauten und ihrer Einrichtung 
macht Verfasser am Schluß folgende Vorschläge: 

„1. Die Vorschriften der Preußischen Staatsregierung über Anlage, 
Bau und Einrichtung der Krankenhäuser, Heil- und Pflegeanstalten sollten ent¬ 
sprechend geändert werden. 

2. Durch Herstellung von Leicht-Krankenhäusern (Anstalten für 
Leichtkranke, Erholungsheime und dergleichen) sollten die eigentlichen Kranken¬ 
häuser entlastet werden. 

3. Bei der Entwurfsbearbeitung und Einteilung des Baues muß auf die 
soziale Zusammensetzung des Bezirks oder der Stadt'Rücksicht ge¬ 
nommen werden. 

4. Die gesamten Einrichtungen müssen durch Industrialisierung und durch 
Aufstellen von Typen verbilligt werden. 

6. Bei der Projektierung sind Sachverständige beizuziehen, die ins- 



272 


Kleinere Mitteilungen und Beferate aus Zeitschriften. 


besondere darüber zu entscheiden haben, in welchem System gebaut werden 
soll, ob ein Einheitsbau (Korridorsystem) zu wählen oder, wo es speziell 
notwendig ist, das Projekt in verschiedene Qebäude aufzulösen ist, ob weiterhin 
die Trennung (horizontal oder vertikal) der Geschlechter durchgeführt werden 
oder ob eine Einteilung nach Krankheitsgattungen stattfinden soll." 

Bei der Beachtung dieser Punkte sei es sehr leicht möglich, die Kosten 
des Baues und der Einrichtung in normalen Grenzen zu halten. Man dürfe 
aber nicht außer Acht lassen, daß das heutige Krankenhaus eine Gesundheits¬ 
stätte für Lebensschwache ist und nicht mit den früheren Anstalten, die 
lediglich Unterkunftsräume für Leidende darstellten, verglichen werden kann. 
Jedes Krankenhaus, selbst das kleinste, muß, abgesehen von den medizinischen 
Einrichtungen, so beschaffen sein, daß es auf die Seele des Kranken einen 
wohltuenden Eindruck macht. _ Bpd. 


6. Krankenpflegepersonen. 

Die Ausbildung des Pflegepersonals für Krankenanstalten und die 
private Krankenpflege. Von Dr. Franz Patschke, Arzt in der Heilanstalt 
«Waldhaus" in Nikolassee. Vierteljahresschrift für gerichtliche Medizin und 
öffentliches Sanitätswesen. Dritte Folge; 51. Bd., 1. H. ; Jhrg. 1916, 1. H. 

Patschke gibt zunächst eine eingehende Schilderung der zurzeit in 
Deutschland bestehende Ausbildung des Pflegepersonals, unter dem er alle 
männlichen und weiblichen Pflegepersonen versteht, die „Hilfspersonen des 
Arztes in der gesamten Krankenfürsorge und als solcher ein wichtiger Heil¬ 
faktor bei der Krankenbehandlung und Krankenversorgung sind". Es folgt 
dann eine Besprechung dieser Ausbildung in England und Amerika und im 
Anschluß hieran eine kritische Betrachtung der einschlägigen Verhältnisse in 
diesen drei Staaten. Verfasser verlangt ein zweites Lehrjahr für das Pflege¬ 
personal in Deutschland, da das jetzt in einem Jahre zu bewältigende Pensum 
überaus groß sei und dem amerikanischen und englischen, wo die Lehrzeit 
2—3 Jahre dauere, nicht viel nachstehe. Die Hauptsache für die Ausbildung 
sei, daß den Pflegepersonen die grundlegenden Lehren in der allgemeinen Kranken¬ 
pflege beigebracht werden; die Spezialausbildung müßte nach bestandener Prüfung 
in einem zweiten Lehrkursus mit nochmaliger Prüfung erfolgen. Patschke 
empfiehlt daher in seinen Sclußsätzen einen zweijährigen Lehrkursus in zwei 
Abschnitten mit je einem Schlußexamen, wobei dem zweiten Jahre die Speziali¬ 
sierung Vorbehalten bleiben könnte. Auch das Pflegepersonal in den Irren¬ 
anstalten müßte zunächt in der allgemeinen Krankenpflege ausgebildet werden, 
die Ausbildung nur an Irrenanstalten sei zu einseitig. Die Privatkrankenpflege 
erfordere außer erhöhten Kenntnissen in der eigentlichen Krankenpflege noch die 
Beherrschung der wirtschaftlichen Gegenstände und besondere persönliche Eigen¬ 
schaften ; leider haben sich aber gerade in diese zahlreiche unausgebildete und 
ungeeignete Elemente hineingedrängt, deren Ausschaltung durch größere Ausbrei¬ 
tung und Zentralisation der Fachverbände anzustreben sei. Für die Privatpflege- 

E ersonen müßte außerdem besondere Gelegenheit zu Wiederbolungs- und Fort- 
ildungskursen gegeben werden, damit sie sich stets auf dem Laufenden erhalten 
können. Jedenfalls ist nach Ansicht des Verfassers eine gründliche Abhilfe 
aller auf diesem Gebiete noch vorhandenen Mißstände nur durch eine obligato¬ 
rische staatliche Prüfung nach genügend langer Ausbildungszeit für, alle Pflege¬ 
personen zu erreichen. Bpd. 


7. Soziale Hygiene. 

Das heutige Zahnelend nnd der einzige Weg zu seiner Besserung. 
Von Kunert, Zahnarzt in Breslau. Deutsche zahnärztliche Wochenschrift; 
Jahrg. 18, Nr. 14. 

Weder beim Menschen noch beim Tier tritt Karies auf, solange die 
Zähne durch harte, am besten rohe Nahrungsmittel mechanisch genügend 
beansprucht werden. Erst der Uebergang zu weicher Kost läßt die Zahnfäule 
entstehen. Das Ziel aller zahnhygienischen Bestrebungen, wenn sie sich nicht 
mit Schein- und Augenblickserfolgen zufrieden geben wollen, kann nur in der 
Bückleitung unseres Volkes zu gröberer Kost, vor allem zu einem richtigen, 
energisches Kauen erfordernden Vollkornbrot, und in der Einschränkung des 



Kleinere Mitteilungen und Referate ade Zeitschriften. 


273 


Zlickergennsses, besonders der Zacker-Feinm&hlgemische liegen. Alle anderen 
Maßnahmen, wie die Förderung der Zahnpflege durch Bürste und Zahnputz- 
mittel, sogar die zahnärztliche Behandlung haben dieser wichtigsten Aufgabe 
gegenüber eine mehr nebensächliche Behauptung. 

Wir verzehren heute fast unser gesamtes Getreide, von der Kleie befreit 
und das Innere des Korns zu allerfeinstem Mehl vermahlen, als Weißbrot, 
Weizenfeingebäck, Kuchen und Gebäckarten, die den Kiefern so gut wie keine 
Arbeitsleistung Zutrauen, dagegen durch ihre klebrige Beschaffenheit, durch 
das Hängenbleiben von säurebildenden Besten an und zwischen den Zähnen 
und in den Grübchen der Kauflächen ebenso wie die gekochte Nahrung ihr Teil 
zur raschen Zerstörung der Zähne beitragen. Die Entwicklung der Mühlen* 
industrie, die WalzmüUentechnik, die Einschränkung der Eigenbäckerei unter 
Bevorzugung hellen und frischen Gebäcks und der sehr gestiegene Zucker¬ 
verbrauch Bind hauptsächlich für das Zahnelend verantwortlich zu machen. 

Ein richtiges Mehl soll grob vermahlen, scharf zerrissen, aber 
nicht breitgequetscht sein, wie es durch die Walzmühlen geschieht. Die 
Mühlenindustrie maß wieder Mühlensteine oder ähnliche Einrichtungen einführen, 
die das Getreide „schroten“. Durch die Excelsior-Mühlen der Firma Krupp 
in Magdeburg-Buckau ist das Problem gelöst. Ferner müssen wir zum Back¬ 
steinofen zurück, weil er allein im langsamen Backprozeß das Brot richtig 
durchzubacken und eine genügend dicke Binde zu schaffen vermag. 

_ Dr. E o e p k e - Melsungen. 


Wohnrenten für Kinderreiche durch Sparplllcbt vor der Heirat. 
Von Dr. jur. Schmittmann, Hochschul-Professor in Köln a. Bh. Sonder¬ 
abdruck aus der Monatsschrift für die Bestrebungen der christlich-nationalen 
Arbeiterschaft „Deutsche Arbeit“, Nr. 3, vom 1. März 1916. 

Der Verfasser betritt mit dieser Abhandlung einen neuen, und wie es 
dem Beferenten scheint, sehr praktischen Weg, um das Wobnungselend der 
Familien mit zahlreichen Kindern abzuhelfen. Er geht von dem wohl richtigen 
Gedanken aus, daß die Wohnungsfrage des Proletariates eine Lohnfrage ist. 
Die Kleinwohnungen sind unrentabel, mit starkem Bisiko verbunden. Die 
Abnutzung der Wohnungen durch Familien mit starker Kinderzahl, die 
Unsicherheit des Einganges des Mietzinses hindert an der Bereitstellung von 
Kleinwohnungen. Die hohe Aufgabe, die aber gerade gegenwärtig den Familien 
mit großer Kinderzahl im Erhalt der Nation znfällt, finden eine durchgreifende 
Maßregel. Als solche empfiehlt der Verfasser die Sparpflicht der Ledigen, die 
in engster Verbindung mit der Invalidenversicherung durch Markenkleben 
durchzuführen ist. Ledige Personen haben in der ersten Lohnklasse 16 Pfg., 
in der zweiten 24 Pfg., in der dritten 32 Pfg., in der vierten 40 Pfg. wöchentlich 
zu kleben, was die Lebensverhältnisse der Ledigen gegenüber denjenigen der 
Familien in keiner Weise beeinträchtigt. Dadurch kommen alljährlich 174 Millionen 
zusammen, von denen nach Abzug einer allgemeinen Kapitalisierung alljährlich 
131 Millionen direkt zur Erhaltung von Arbeiterwohnungen verwendet werden 
können. Die Frage der Beitragspflicht der Arbeitgeber beantwortet Verfasser 
nicht bestimmt, empfiehlt aber den Zwang. 

Der Arbeiter hat ein Becht an der von der Allgemeinheit angesammelten 
Gesamtsumme. (Beferent möchte noch eine Ergänzung hinzu Vorschlägen. 
Neben der durch den Krieg erzwungenen Sozialisierung der Lebensmittel könnte 
auch eine solche der Wohnungen Platz greifen. Jeder Staatsbürger, dessen 
Wohnräume die von dem Staat aufzustellende Norm für das Wohnbedürfnis 
wesentlich übersteigen, sollte zugunsten der Wohnungen des Proletariates 
besteuert werden. Dr. Graßl-Kempten. 


Geburtenrückgang ln der Provinz Posen. Von Kreisarzt Dr. La ras s- 
Koachmin. Veröffentlichungen aus dem Gebiete der Medizinalverwaltung. 
V. Bd., 5. H. Berlin 1916. Verlag von Bichard Schütz. Groß 8°, 30 S. 
Preis: 1 Mark. 

Verfasser kommt auf Grund seiner eingehenden Ausführungen und der 
diesen beigefügten zahlreichen tabellarischen Uebersichten zu folgenden Schlu߬ 
ergebnissen : 

„1. In der Landbevölkerung der Provinz Posen ist zwar eine Abnahme 



274 


Kleinere'Mitteilangen and Beferate aas Zeitschriften. 


der Geburtenziffern festzustellen, doch ist sie weder anf eine Verminderung 
der Fruchtbarkeit, noch auf eine gewollte Beschränkung der Kinderzahl zurück- 
zufiihren, sondern die Folge einer unter dem Einfluß der Abwanderung ver¬ 
minderten Zusammensetzung des Volkskörpers. 

2. Neben den herrschenden religiös-sittlichen Anschauungen hat besonders 
wirtschaftliche Wertigkeit des Kindesalters hier noch nicht den Wunsch nach 
einer Beschränkung der Kinderzahl allgemeiner werden lassen. 

3. Als wirksamstes Mittel zur Sicherung und Hebung des Volksbestandes 

ist die Vermehrung des bäuerlichen Besitzstandes durch Aufteilung und Be¬ 
siedlung anzusehen, wobei auf Erhaltung der wirtschaftlichen Wertigkeit des 
Kindesalters unter möglichster Ausschaltung zurzeit bestehender Mißstände zu 
achten ist.“ Bpd. 


Rflckbllck anf die Literatur des Geburtenrückganges. Von Geh. 
Beg.-Bat Dr. E. Würzburger-Dresden. Soziale PraxU; Nr. 21. 

Verfasser weist darauf hin, daß in der bisherigen überreichen 
Literatur über den Geburtenrückgang sich verschiedene Irrtümer befinden. So 
wird allgemein behauptet, daß die Geburtenziffer im Deutschen Reiche schon 
seit 40 Jahren in beständigem Sinken begriffen sei; tatsächlich ist aber dieses 
Sinken, wenn man von der Hochflat der Geburtenziffer in der Mitte der 70 er 
Jahre, bedingt durch die Hochflat der Eheschließungen nach dem Feldzuge 
1870/71, absieht, erst in dem Jahrfünft 1901/1905 eingetreten; denn die Ziffer 
der lebendgeborenen Kinder war im Jabre 1901 auch fast ebenso hoch wie 
1892 und 1866 (37,0—38,0 auf 1000 Einwohner). Falsch ist auch die Be¬ 
hauptung, daß die Sterblichkeitsminderung die mit dem Geburtenrückgang ent¬ 
standene Bevölkerungsabnahme ungefähr ausgeglichen habe; der Sterblichkeits¬ 
rückgang ist vielmehr bis zur Jahrhundertswende ungeschmälert der Bevölke- 
rungszunahme zugute gekommen und hat demzufolge eine beispielose Zunahme 
der Bevölkerung bewirkt. Während nun vor der Jahrhundertswende der Sterb¬ 
lichkeitsrückgang fast ausschließlich die Erwachsenen oder richtiger gesagt 
die jenseits des Säuglingsalters stehenden Personen betroffen hat, ist er später 
vorzugsweise bei Kindern unter einem Jabre eingetreten; die volle Zahl der 
Sterbefälle betrug z. B. 1901 bei den letzteren 420223, bei den übrigen Personen 
754166 im Jahre 1912 dagegen 276671 (also 144652 weniger) bezw. 754178 
(also nur 88 weniger). Jedenfalls steht das Deutsche Reich in bezug auf die 
Volksvermehrung an der Spitze der europäischen Großmächte; denn 
zwischen den beiden letzten Volkszählungen betrug diese jährliche Vermehrung 
hier 13,6 # /oo, dagegen in Rußland nur 11,4 %>o, in Oesterreich-Ungarn un Gro߬ 
britannien 8,7 °/ 00 , in Italien 6,3°/ 00 und in Frankreich nur 1,8%». Die Er¬ 
folge der im Deutschen Reiche besonders seit dem Jahrhundertbeginn ein¬ 
gesetzten Bestrebungen zur Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit werden 
vielfach zu gering eingeschätzt, obwohl sie phänomenal genannt werden müssen 
(im Deutschen Reich von 20,7% auf 14,7%, im Königreich Sachsen von 
25,73 ®/ 0 auf 15,65°/«). Ebenso ist die Gleichzeitigkeit des Eintritts von Ge¬ 
burten- und Sänglingssterblichkeits- Rückgang meist ganz unbeachtet geblieben 
und dadurch die Erforschung der Ursachen für die Geburtenabnahme auf 
andere, zu irrtümliche Schlußfolgerungen führenden Wege gelenkt. Für die 
Bevölkerungsentwicklung ist nicht die Geburts-, sondern die Aufwuchs¬ 
ziffer maßgebend. Die jährliche Aufwuchsziffer, für deren Feststellung etwa 
der Eintritt ins siebente Lebensjahr zur Grundlage dienen kann, gibt in Ver¬ 
bindung mit der Ziffer der über diesem Alter jährlich Sterbenden die Ver¬ 
änderung des ganzen Volksbestandes an, der praktisch für die Zukunft allein 
in Betracht kommt. Die Aufwnchsziffer hat sich aber in der Zeit des Ge¬ 
burtenrückganges nicht vermindert, sondern sogar vermehrt. Wird durch die 
angepriesenen Abhilfemittel tatsächlich eine Wiedererhöhung der Geburtsziffer 
erreicht, so wird diese durch eine dann einsetzende erhöhte Säuglingssterb¬ 
lichkeit bald wieder ganz eitel gemacht werden, ganz abgesehen davon, daß 
sich die meisten der empfohlenen Abhilfemittel, z. B. in Frankreich, als un¬ 
wirksam erwiesen haben. Verfasser will mit dieser Ansicht jedoch nicht den 
Standpunkt vertreten, als ob eine noch stärkere Volksmehrung als die gegen¬ 
wärtige nicht anzustreben sei; eine solche erweise sich schon mit Rücksicht 
auf die großen Menschenverluste des jetzigen Krieges notwendig und sei auch 



Kleinere Mitteilungen and Referate aas Zeitschriften. 


275 


mit Rücksicht darauf geboten, daß ein von übelwollenden Nachbarn umgebener 
Staat an Volkszahl gar nicht stark genug sein könne. Diese Volkszunahme 
muß aber, um keine Uebervölkerung des alten Bodens herbeiznfiihren, durch 
Kolonisation, also durch die Form erfolgen, in der sich die Völker erfahrungs¬ 
gemäß verjüngen. Bei dieser Kolonisation müssen „wir jedoch unseren Blick 
nicht anf fernere Erdteile richten, wo die Qefahr der Entfremdung zwischen 
Kolonisten und Mutterland neben anderen Gefahren droht, sondern dorthin, 
wo in unseren jetzigen Ostprovinzen das vor Jahrhunderten begonnene Werk 
deutschen Unternehmungsgeistes des erlösenden Wortes harrt." Rpd. 

8. Statistik. 

Der wöchentliche Verlauf der Geburtenhänflgkett und Säuglings¬ 
sterblichkeit in den Großstädten mit mehr als 200000 Einwohnern während 
der Zeit vom 1 . Angnst bis 30. Oktober 1915. Veröffentlichungen des Kaiser¬ 
lichen Gesundheitsamtes; 1916, Nr. 5. 

Um im Anschluß an die erstmalige statistische Bearbeitung der Wochen¬ 
nachweise über die Bevölkerungsvorgänge in. den deutschen Großstädten mit 
mehr als 200000 Einwohnern, die sich auf die Zeit vom 4. April bis 31. Juli 
1915 erstreckte, den weiteren Einfluß des Krieges auf die Geburten¬ 
häufigkeit und Säuglingssterblichkeit in diesen Städten verfolgen 
zu können, ist vom Kaiserlichen Gesundheitsamte in der die wöchentliche Zu¬ 
oder Abnahme der absoluten Zahlen der Lebendgeborenen und der Sterbefälle 
im 1. Lebensjahre während der Zeit vom 1. August bis 30. Oktober 1915 gegen¬ 
über der entsprechenden Zeit des Vorjahrs 1 ) zusammengestellt. Zur Erzielung 
einer Vergleicbsmöglichkeit der Ergebnisse dieser mit denen des früheren, 
17 Wochen umfassenden Beobachtungszeitraums wurde außerdem der wöchent¬ 
liche Durchschnitt der Zu- oder Abnahme der absoluten Zahlen der 
Lebendgeborenen und der Sterbefälle im. 1. Lebensjahre während der einzelnen 
Beobacbtungszeitränme beider Vergleichsjahre berechnet und miteinander in 
Vergleich gestellt. 

Wie der Vergleich des wöchentlichen Durchschnitts der absoluten 
Zu- oder Abnahme der Zahl der Lebendgeborenen zeigt, war in 
der Mehrzahl der aufgeführten Großstädte die Abnahme der Zahl der 
Lebendgeborenen während der Zeit vom 1. August bis 80. Oktober 1915 
gegenüber der entsprechenden Zeit des Vorjahrs größer als in dem voran¬ 
gegangenen Beobachtungszeitraum. Hierbei ist allerdings zu bedenken, daß 
sich der letztere auch auf die Zeit vom 4. April bis 1. Mai 1915 erstreckte, in 
der ein Einfluß des Krieges auf die Geburtenhäufigkeit sich noch gar nicht 
geltend machen konnte. Es muß daher schon aus diesem Grunde die wöchent¬ 
liche Durchschnittszahl der Geburtenabnahme während des zweiten, ganz unter 
dem Kriegseinfluß stehenden Beobachtungszeitraums größer sein als die des 
vorausgegangenen. Dennoch war die wöchentliche durchschnittliche Abnahme 
während des zweiten Beobachtungszeitraums in den meisten Städten nur wenig 
größer als die des ersten. Ein bedeutsamer Anstieg der wöchentlichen durch¬ 
schnittlichen Geburtenabnahme hatte sich nur in Hamburg (von 99,5 
während des ersten Beobachtungszeitraums auf 148,4 während des zweiten), in 
Leipzig (von 39,5 auf 64,9), in Cöln (von 16,5 auf 65,2) und in Königsberg 
(von 23,9 auf 66,2) ergeben. Dagegen zeigte sich eine verminderte Ab¬ 
nahme in Berlin (von-141,4 auf 137,4), in Frankfurt a. M. (von 46,2 auf 32,8), 
in Stuttgart (von 30,4 auf 28,8), in Neukölln (von 29,0 auf 26.4) und in Kiel 
(von 13,1 auf 8,8), während in Breslau überhaupt keine Veränderung hierin 
<52,5 bezw. 52,9) eingetreten ist. Die einzige Stadt, welche eine Zunahme der 
absoluten Zahl der Lebendgeborenen während des zweiten Beobachtungszeit- 
raums zu verzeichnen hatte, war wiederum Essen, doch war die Zunahme 
während des zweiten Beobachtungszeitraums geringer als während des ersten. 
Trotz des starben Anwachsens der Bevölkerung infolge Einverleibung um mehr 
als 100000 im Jahre 1915 war die wöchentliche Zunahme der Zahl der Ge¬ 
borenen während der Zeit vom 1. August bis 30. Oktober 1915 in dieser Stadt 
nur um 13 größer als die Geburtenzahl während der entsprechenden Zeit des 
Vorjahrs. 


l ) Siehe diese Zeitschrift, Jhrg. 1915; Nr. 23, S. 721. 



276 


Kleinere Mitteilungen and Beferate atu Zeitschriften. 


Wie verschieden die Abnahme der wöchentlichen Durchschnittszahl der 
Lebendgeborenen in einzelnen Städten in dem ganzen, 30 Wochen umfassenden 
Beobacntungszeitraum vom 4. April bis 80. Oktober 1915 gegenüber der ent¬ 
sprechenden Zeit des Vorjahrs sich gestaltete, kann man ersehen, wenn man 
die Grenzwerte dieser Abnahme in den einzelnen Ortsgrößenklassen 
einander gegenüberstellt. So war die durchschnittliche wöchentliche Abnahme 
in den beiden Städten der Ortsgrößenklasse mit mehr als 1 Million Einwohnern, 
nämlich in Berlin mit 139,7 und in Hamburg mit 120,7 nur wenig verschieden, 
obgleich die Einwohnerzahl Hamburgs nur etwas mehr als die Hälfte derjenigen 
Berlins zurzeit beträgt. In der Ortsgrößenklasse von mehr als 500000 bis 
1000 000 Einwohnern bewegten sich diese Grenzwerte zwischen 37,6 (Cöln) und 
58,8 (Dresden), in der Ortsgrößenklasse von 400 000 bis 500000 Einwohnern 
zwischen 40,4 (Frankfurt a. K.) und 44,8 (Düsseldorf), in der Ortsgrößenklasse 
von 300000 bis 400000 Einwohnern zwischen 24,0 (Charlottenburg) und 52,9 
(Nürnberg) und in der Ortsgrößenklasse von 200000 bis 300000 Einwohnern 
zwischen 6,4 (Berlin-Schöneberg) und 46,2 (Duisburg). 

Vergleicht man nun die Zahl der Lebendgeborenen während der Zeit 
yom 1. August bis 30. Oktober 1915 mit derjenigen während der entsprechenden 
Zeit des Vorjahrs für sich, so zeigt sich, daß sie in der Gesamtheit der 25 Städte, 
von denen vollständige Nachweise vorliegen, um 15 457 oder 26,2 °/o abge¬ 
nommen hat. Die Abnahme war in den einzelnen Städten sehr verschieden 
groß; diese Verschiedenheit tritt besonders deutlich zutage, wenn für die 
Werte der absoluten Abnahme Indexziffern berehnet werden. Das Ergebnis 
dieser Berechnung ist im Vergleiche mit dem der gleichen Berechnung für die 
erste Vergleichsperiode folgendes: 


Zahl der Lebendgeborenen 
in der Zeit 


Städte 


1. Essen 

2. Cöln . . , 

3. Kiel . . 

4. Berlin-Schöneb 

5. Leipzig . , 

6. Dortmund , 

7. Chemnitz , 

8. Hannover . 

9. Königsberg 

10. München 

11. Charloitenburg 

12. Stettin . . 

13. Breslau . . 

14. Berlin . . 

16. Düsseldorf. 

16. Danzig . . 

17. Bremen . . 

18. Stuttgart . 

19. Hamburg . 

20. Duisburg . 

21. Dresden 

22. Frankfurt a. M 

23. Magdeburg 

24. Neukölln 

25. Nürnberg 


erg 


vom 4. April bis vom 1. Aug. bis 
31. Juli 1916 30. Oktober 1915 ünter8chied 

gegenüber dem entsprechenden Zeit¬ 
raum des Vorjahrs, wenn die Angaben 
für den letzteren = 100 festgesetzt 
werden 


120,2 

107,6 

- 12,6 

94,2 

77,3 

- 16,9 

87,9 

90,9 

+ 8,0 

86,9 

82,0 

- 4,9 

84,1 

72,3 

- 11,8 

83,8 

74,3 

— 9,5 

8b,4 

62,6 

- 20,8 

82,4 

74,2 

— 8,2 

81,8 

59,2 

— 22,6 

81,2 

74,4 

- 6,8 

81,1 

69,4 

- 11,7 

80,9 

68,7 

— 12,2 

80,4 

78,8 

- 1,6 

80,2 

78,9 

- 1,3 

79,8 

71,9 

- 7,9 

79,6 

70,5 

- 9,1 

78,7 

68,8 

— 9,9 

78,2 

77,0 

- 1,2 

76,2 

63,9 

- 12,3 

74,4 

65,0 

- 9,4 

74,3 

69,2 

- 5,1 

73,5 

77,9 

+ 4,4 

73,1 

72,7 

- 0,4 

72,2 

71,2 

- 1,0 

68,8 

63,4 

- 5,4 


Wie dieser Vergleich zeigt, hat das Maximum der relativen Ge¬ 
burtenabnahme, das während der ersten Vergleichsperiode von Nürnberg 








Kleinere Mitteilungen und Beiernte aus Zeitschriften. 


277 


mit 68,8 erreicht worden war, während der zweiten Vergleichsperiode weiterhin 
angenommen, indem die Indexziffer von Königsberg von 81,6 anf 69,2 sank. 
Biese auffallende Erscheinung findet ihre Erklärung dadurch, daß die Zahl 
der Lebendgeborenen in Königsberg im Oktober 1914 eine außergewöhnliche 
Zunahme wohl infolge der Aufnahme vieler Flüchtlinge erfahren hatte, wo¬ 
durch die Abnahme in der entsprechenden Zeit des Jahres 1916 viel zu groß 
erscheint. Es kann daher eigentlich nur die Indexziffer der Stadt Chemnitz 
mit 62,6 als Maximum der relativen Abnahme der Zahl der Lebendgeborenen 
während der zweiten Vergleichsperiode angesehen werden. Außer in diesen 
beiden Städten trat nur noch in Cöln, Essen, Hamburg, Stettin, Leipzig und 
Charlottenburg eine bedeutsame weitere Abnahme der Indexziffer für die zweite 
Vergleichsperiode in Erscheinung. In den übrigen Städten war die Verände¬ 
rung der Indexziffer der Geburtenabnahme von geringerer Bedeutung, in zwei 
Städten (Kiel und Frankfurt a. M.) war die relative Geburtenabnahme während 
der zweiten Vergleichsperiode sogar geringer als während der ersten. Wenn¬ 
gleich die Indexziffer von Frankfurt a. M. nur von 73,6 auf 77,9 anstieg, so 
wurde durch diese Zunahme erreicht, daß diese Stadt in der Reihenfolge der 
Städte nach der Größe ihrer Geburtenabnahme von der 22. Stelle während der 
ersten Vergleichsperiode auf die 6 günstigste Stelle während der zweiten 
Periode rückte. Ebenso hat sich auch die Stellung der Stadt Berlin in dieser 
Beihenfolge bedeutend gebessert, indem sie von der 14. auf die 4. günstigste 
Stellung auf rückte, da die Veränderung der Indexziffer ihrer Geburtenabnahme 
während der zweiten Periode nur geringfügig gewesen war und sich sogar, 
wie schon erwähnt, dort eine Verminderung der wöchentlichen Durchschnitts¬ 
zahl der absoluten Abnahme der Lebendgeborenen ergeben hatte. Die gleichen 
Verhältnisse lassen sich auch in Neukölln beobachten, wo sich die Indexziffer 
der Geburtenabnahme ebenfalls nur wenig verändert bat, nämlich von 72,2 
während des ersten auf 71,2 während der zweiten Periode, ferner in Magdeburg 
und in Stuttgart, wo sich die Indexziffer während der gleichen Zeit von 78,1 
auf 72,7 bezw. von 78,2 auf 77,0, also nur um 0,4 bezw. um 1,2 verminderte. 

Vergleicht man nun die Geburtenabnahme während des Beobachtungs¬ 
zeitraums vom 1. August bis 80. Oktober 1916 gegenüber dem entsprechenden 
Zeitraum des Vorjahrs mit der Veränderung der Zahl der Sterbefälle 
im 1. Lebensjahre während derselben Vergleichszeit, so ersieht man, 
daß der Abnahme der Zahl der Lebendgeborenen in der Gesamtheit 
der 26 Großstädte um 16467 eine solche der Säuglingssterbefälle um 
6864 gegenübersteht Der Ausfall der Geburten wurde also 
nahezu bis zur Hälfte durch die Verminderung der Säug¬ 
lingssterblichkeit ausgeglichen. Die Geburtenabnahme erscheint 
hierdurch in einem viel milderem Lichte, da aus diesem Erfolge schon jetzt 
geschlossen werden kann, daß die Zahl der das 1. Lebensjahr Ueber¬ 
lebenden im Jahre 1915 sich viel weniger verringern dürfte als die der 
Lebendgeborenen. Für die Volksvermehrung ist jedoch die Zahl der das 
1. Lebensjahr Ueberlebenden von maßgebender Bedeutung. 

Es fragt sich nun, auf welche Ursachen die bedeutungsvolle Ab¬ 
nahme der Säuglingssterblichkeit in den Monaten August bis Oktober 1915 
gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahrs zurückzuführen ist. Da bereits 
während der ersten Vergleichsperiode in allen hier aufgeführten Städten mit 
Ausnahme von Essen die absolute Zahl der Lebendgeborenen sich zu ver¬ 
mindern begann, so ist klar, daß infolge der Verminderung der Zahl der dem 
Sterben ausgesetzten Säuglinge sich auch deren Sterbefälle vermindern mußten. 
Aus der Berechnung der prozentualen Abnahme der absoluten Zahl der 
Lebendgeborenen und der Sterbefälle im 1. Lebensjahre während dieses Beob¬ 
achtungszeitraums gegenüber dem entsprechenden Zeitraum des Vorjahrs läßt sich 
jedoch ersehen, daß die Abnahme derZahlderSäuglingssterbefälle 
während dieser Vergleichszeit in allen Städten prozentual viel größer war 
als die der GeburtenzahL Die Abnahme betrug nämlich für die Gesamtheit der auf¬ 
geführten Städte bei den Sterbefällen im 1. Lebensjahre 62,9°/o, während sie 
bei den Lebendgeborenen, wie schon erwähnt, nur 26,2°/o erreichte. Die 
prozentuale Abnahme der Zahl der Sterbefälle im 1. Lebens¬ 
jahre war also gerade noch einmal so groß als die der Lebend¬ 
geborenen während der gleichen Zeit. 



278 


Tagosnachrichten. 


Wie es scheint, ist die Größe der prozentualen Abnahme der Lebend¬ 
geborenen nicht ohne Einfluß auf die prozentuale Abnahme der Sterbefälle im 
1. Lebensjahre gewesen; denn von den 11 Städten, welche eine unterdurch¬ 
schnittliche prozentuale Abnahme der Zahl der Lebendgeborenen auf¬ 
weisen, zeichnen sich nur 4 durch eine überdurchschnittliche Abnahme 
der Säuglingssterblichkeit aus, nämlich Berlin mit 53,3 °/ö, Stuttgart mit 
53,8°/o, Berlin - Schöneberg mit 58,3% und Hannover mit 63,l°/o; dagegen be¬ 
finden sich unter den 14 Städten mit einer überdurchschnittlichen 
prozentualen Abnahme der Sterbefälle im 1. Lebensjahre 9 Städte mit einer 
ebenfalls überdurchschnittlichen prozentualen Abnahme der Zahl 
der Sterbefälle im 1. Lebensjahre, nämlich Dresden mit 52,7°/o, Königsberg mit 
53,7°/o, Neukölln mit 54,5°/o, Nürnberg mit 67,4 °/o, Duisburg mit 60,4%, 
Leipzig mit 61,7%, Düsseldorf und Hamburg mit je 63,9 % und Chemnitz 
mit 70,6%. Am geringsten ist die prozentuale Abnahme der Sterbefälle im 
1. Lebensjahr in Kiel mit 22,1%, wo auch die prozentuale Abnahme der Zahl 
der Lebend geborenen mit 9,1 % am geringsten ist; dagegen ist, wie schon 
erwähnt, die prozentuale Abnahme der Zahl der Lebendgeborenen am höchsten 
in Chemnitz mit 37,4%, wenn man von der nicht vergleichbaren Ziffer für 
Königsberg absieht, und dementsprechend auch die prozentuale Abnahme der 
Zahl der Sterbeiälle im 1. Lebensjahre mit 70,6% am größten.. 

Diese Beziehungen lassen vermuten, daß im allgemeinen mit dem Grade 
der Abnahme der Zahl der Lebendgeborenen sich eine zunehmende Für¬ 
sorgetätigkeit > für die Säuglinge in einzelnen Städten entwickelte oder 
daß diese Tätigkeit jetzt besser zur Wirkung kommen konnte, da sie den 
hilfsbedürftigen Säugling mehr erreichte als bei der früheren größeren Säug¬ 
lingszahl. Dazu kamen freilich die günstigen Temperaturverhält¬ 
nisse in den Sommermonaten des Jahres 1915 als begünstigender Umstand 
hinzu; denn der Einfluß der Temperaturverhältnisse in den Sommermonaten 
auf die Säuglingssterblichkeit macht sich bekanntlich gerade in den Grofr- 
städteu am meisten geltend. Hätten sich die Temperaturverhältnisse in den 
.Sommermonaten des Jahres 1915 ungünstig gestaltet, so wäre der durch den 
Krieg bedingten Geburtenabnahme infolge eines gleichzeitigen Anstiegs der 
Säuglingssterblichkeit vermutlich eine viel größere Bedeutung zugefallen, als 
ihr nach den bisher vorliegenden Nachweisen über die gleichzeitig einher- 
gehende starke Verminderung der Säuglingssterblichkeit zuzukommen scbeint. 


Tagesnachrichten. 

Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 1. Mai einen Nachtrag zur 
deutschen Arzneitaxe 1916 beschlossen. Dieser Nachtrag enthält Aenderungen 
der Preise für einzelne Gefäße unter Abschnitt All! Ziffer 12b der deut¬ 
schen Arzneitaxe 1916 und der Preisliste der Arzneimittel unter Abschnitt E 
daselbst als Nachtrag zu der durch den Bundesratsbeschluß vom 16. Dezember 
1915 festgestellten deutschen Arzneitaxe für 1916. Weitere Aenderungen in 
der Preisliste der Arzneimittel Abschnitt E der deutschen Arzneitaxe, die 
während der Dauer des Krieges infolge des Steigens der Großhandelspreise für 
die Arzneistoffe notwendig werden, wird der Reichskanzler feststellen. 


Am 29. April d. J. ist das Kaiser Wilhelm*Institut für Biologie, das 
vierte Forschungsinstitut der im Jahre 1910 gegründeten Kaiser Wilhelms* 
Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, eröffnet worden. Es liegt 
ebenfalls auf dem Gebiet der ehemaligen Domäne Dahlem bei Berlin, südlich 
von den beiden im Jahre 1912 eröffneten Kaiser Wilhelm-Institute für Chemie, 
physikalische Chemie und Elektrochemie, und östlich von dem im Jahre 1913 
eröffneten Kaiser Wilhelm - Institut für experimentelle Therapie. Zum ersten 
Leiter des neuen Instituts ist Prof. Dr. C. Cor reus-Münster i. W., zum 
zweiten Direktor Prof. Dr. II. Spemann -Rostock ernannt. Außerdem sind 
noch Prof. Dr. M. Hart mann vom Institut für Infektionskrankheiten „Robert 
Koch“ als Leiter der Abteilung für Protistenkunde, Dr. 0. Warburg als 
Leiter der Abteilung für Physiologie berufen. 



Tagesnachrichten. 


279 


Erste Anssnußsitzung einer nenznbildonden Deutschen Gesellschaft 
für soziale Hygiene. Infolge der im vorigen Jahre von San.-Bat 
Dr. Hanauer-Frankfurt a. M. gegebenen Anregung (s. diese Zeitschrift, 
Jahrgang 1916, Nr. 18, S. 666), hat sich behnfs Gründung einer 
Deutschen Gesellschaft für soziale Hygiene ein Ausschuß 
gebildet, in den folgende Herren eingetreten sind: Kreisarzt Dr. Ascher- 
Berlin, Hofrat Dörnberger-München, Dr. Effler-Danzig, Dr. A. Fischer- 
Karlsruhe, Dr. Fürst -Hamburg, Stadtarzt Prof. Gastpar -Stuttgart, San.-Rat 
Dr. Hatfaner-Frankfurt a. M , Hof rat Prof. Dr. Hüppe- Dresden, Prof. 
Dr. Kisskalt -Königsberg, Stadtarzt Dr König-Frankfurt a.M., Dr. Kolb- 
München, Landesgewerbearzt Med.-Rat Dr. Kölsch-München, Beigeordneten 
Prof. Dr. Kr aut wi g-Köln, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. K r u s e - Leipzig, Dr. 
M o s e s - Mannheim, San.-Rat Dr. Prinzing-Ulm, Reg.-Rat Dr. Rößle- 
Berlin, Prof. Dr. S a 1 g e - Straßburg, Hof rat Prof. Dr. Schottelius - Freibnrg, 
Prof. Dr. Schloßmann-Düsseldorf, Stadtschularzt Dr. T h i e 1 e - Chemnitz, 
Obermedizinalrat Prof. Dr. Tjaden-Bremen, San.-Rat Dr. Weinberg- 
Stuttgart. Am 25. April d. J. hat die erste Sitzung dieses Ausschusses im Hygieni¬ 
schen Institut zu Leipzig unter Vorsitz von Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Kruse 
stattgefunden. Erschienen waren vom Ausschuß die Herren Dr. Ascher, Dr. 
Fischer, Dr. Hanauer, Dr.Hüppe, Dr. Kisskalt, Dr. Kölsch, Dr. 
KiruBe, Dr. Rößle und Dr. Thiele. Auf Einladung nahmen noch Stadtrat 
Dr. Gottstein-Charlottenburg, Geh. Ob.-Med.-Rat Prof. Dr. Abel-Jena, Geh. 
Med.-Rat Prof. Dr. R o t h - Potsdam, Prof. Dr. Rille und Prof. Thiemich und 
Stadtarzt Dr. Pötter-Leipzig an der Sitzung teil. Die Versammlung war 
sich einig, daß eine große Organisation, eine umfassende sozial-hygieni¬ 
sche Zentrale geschafft werden müsse. Es sollen hier besonders gepflegt werden: 
Medizinalstatistik und Bevölkerungspolitik, Wohnugs- und 
Ortschaftshygiene, die Jugendfürsorge, Frauen- und Mutter¬ 
schutz, Krankenfürsorge, Berufshygiene und soziales Versicherungswesen, 
Bekämpfung der Volkssenchen, Volksernährung und Alkoholismus, Medi¬ 
zinalverwaltung und Gesetzgebung, populäre Aufklärung über Hygiene. 
Die Festsetzung der endgültigen Form der neuen Organisation bleibt einer 
späteren Sitzung des Ausschusses Vorbehalten. 


Die diesjährige XX. General -Versammlung des Deutschen Zentral- 
Komitees zur Bekämpfung der Tuberkulose findet am Freitag, den 
19. Mai 1916, vormittags 10 Uhr in Berlin im Reichstagsgebäude (Saal 12, 
Obergeschoß); Eingang V (Reichstagsufer) statt. 

Tagesordnung: 

1. Geschäftsbericht. 2. Rechnungslegung für 1916 und Voranschlag für 
1916. 8. Wahl zweier Rechnungsprüfer und zweier Stellvertreter derselben. 
4. Vortrag: „Aufgaben der Tuberkulosebekämpfung während des Krieges“. 
Berichterstatter: Ministerialdirektor Prof. Dr. Kirchner. 5. Anträge und 
Mitteilungen. 

Unmittelbar an diese Sitzung schließt sich eine Sitzung des Ausschusses 
mit der Tagesordnung: 1. Wahl eines Präsidialmitgliedes. 2. Anträge und 
Mitteilungen. _ 


Ehrentafel. Es haben weiterhin erhalten das 
Eiserne Kreuz I. Kasse: 

Oberarzt d. Res. Dr. Joh. Ollrich-Neudorf (Oberschles.). 

Stabsarzt d. Res. Dr. S c h e n k e - Flensburg. 

Stabsarzt d. L. Dr. Schirmer-Grünberg i. Schles. 

Oberstabsarzt Dr. Ludwig Schmidt-Berlin (Wilmersdorf). 
Oberstabsarzt Prof. Dr. Paul 8 i c k - Leipzig. 

Stabs- und Bataillonsarzt Dr. Zürn-Brieg. 

Das Königlich Sächsische Kriegsverdienstkreuz: Geh. 
Med.-Rat Dr. E r a s, Bezirksarzt a. D. in Pirna, Medizialamtmann Dr. Franke 
in Dresden, ständiger Hilfsarbeiter beim Landesgesundheitsamt. 

Das Großherzogi. Mecklenburgische Militär-Verdienst- 



280 


Tagesnachrichteil 


kreuz am roten Bande: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Körner, Prof. Dr. 
Bnmke, Prof. Dr. Fr ob oes-Rostock. 

Der Oesterreichische Franz Josef-Orden: Obermedizinalrat 
Dr. Ilberg, Direktor der Heil- nnd Pflegeanstalt Sonnenberg (Königr. Sachsen). 


Ehren-Ged&ohtnistafel. Für das Vaterland gefallen sind ferner: 

Marinestabsarzt Dr. Fritz Baumann-Pas^au. 

Stabsarzt d. Res. Dr. Danielsen-Benthcn (Oberschles.). 4 

Assistenzarzt d. Res. Dr. Fnnke. 

Oberstabsarzt d. L. nnd Chefarzt eines Reserve-Lazaretts Geh. Med.-Rat 
Dr. Otto Horn-Tondern (gestorben infolge einer Operation). 

Stabsarzt d. Res. a. D. Dr. Emil K ruse- Wangelin (Mecklenburg) (infolge 
Krankheit gestorben). 

Marinestabsarzt d. Res. Dr. Leonhard, Kreisarzt in Dann (an Fleck¬ 
typhus gestorben). 

Feldnnterarzt Dr. Waldemar Meyer-Celle. 

Feld Unterarzt H. Neuff er-Weimar. 

Stabsarzt a. D. Dr. Fritz Räber t-Loewenberg in der Mark (an Typhus 
gestorben). 

Obergeneralarzt Dr. Max Rudelo ff-Neuhaldensleben (infolge von 
Krankheit gestorben). 

Oberstabsarzt d. L. Dr. Rudolphsohn-Frohnau (Reg.-Bez. Potsdam) 
(infolge von Blutvergiftung gestorben). 

Stabsarzt d. L. Dr. A. Schlottmann-Buchholz (Reg.-Bez. Lüneburg). 

Bataillons- und Chefarzt Dr. Hilmar Schttnemann-Oberfrohna bei 
Chemnitz. 

Generalarzt a. D. Dr. Artur Schuster-Vetschau (infolge von Krank¬ 
heit gestorben). 

Assistenzarzt Dr. Walter S c h w e i t z e r - Berlin-Schöneberg (infolge von 
Krankheit gestorben). 

Assistenzarzt d. Res. Dr. Friedrich Stein buch-Tübingen. 

Stabsarzt d. Res. Dr. Richard Timm ermann-Stade (infolge von 
Krankheit gestorben). 

Truppenarzt Hermann Ufer-Karlsruhe. 


Cholera: In Oestereich sind vom 19. März bis 2. April 4 Erkran¬ 
kungen (8 Todesfälle) und 1(—), in Bosnien und der Herzegowina vom 
19. März bis 2. April 2 (1), — (—) und 93 (27) [unter Kriegsgefangenen in 
Doboj) vorgekommen. 

Fleckfleber. Im Deutschen Reich sind in den Wochen vom 9. bis 
22. April (11) — (davon 7 unter Kriegsgefangenen und 4 bei Zivilpersonen) und 
3 (1) (nur unter Kriegsgefangenen) festgestellt; in Ungarn vom 13.—29. März: 
7 mit 11 Erkrankungen. 

Pocken. Im Deutschen Reich sind in den beiden Wochen vom 
9.-22. April: 15 (—) (für die Vorwoche noch nachträglich 5) und 14 (2) Er¬ 
krankungen (Todesfälle) ermittelt. 


Berichtigung, ln Nr. 6 dieser Zeitschrift findet sich 8eite 172 
ein von mir erstattetes Referat: Ueber Katacidtabletten. Darin ist 
irrtümlich angegeben, daß die „Dr. Strauß' Katacidtabletten“ von 
der Firma Dr. Henning-Berlin in Handel gebracht werden. Ich be¬ 
richtige diese Angabe dahin, daß nicht die Firma Dr. Georg Henning- 
Berlin, sondern die Firma Chemische Industrie Pütt-Berlin die Katacid¬ 
tabletten in Handel gebracht hat. Dr. L. Quadflieg-Gelsenkirchen. 


Redakteur: Prof. Dr. Rapmund, Geh. Med.-Rat in Minden LW. 

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Itir Gemüts* u« Nervenkranke 

/ zu Bendorl bei Coblenz. ® 

Viileti baufc^ü, ‘Zh n tr a lb«i a ungt*r, Jj&ht. Bs^haftitf»«nU£ 
Aöt. Krö-ja Icöp;3fc W br J?6 tättifcüv tiiid .ari* dev- ^ürtaerpv *üiii 
O^üsebrtü,Tretbhf»jii»ßrn«- ‘l^jtmispJal^:.". 

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Sanatorium 


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ü\»ßix*xpK H%)ktvi*c 


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1916 



Zeatralblitt 

für das gesamte Gebiet der gerichtlichen Medizin und Psychiatrie, 
des staatlichen und privaten Versicherungswesens, sowie für das 
Medizinal- und dffentliche Gesundheitswesen, einschließlich der 

Hygiene und Bakteriologie. 

Heraosgegeben 

von 

Prot Dr. OTTO RAPMÜND, 

Qah. Med.-Rat In Minden ». W. 

Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, Sächsischen, 
Wörttembergischen, Badischen, Hessischen, Mecklenburgischen, Thüringischen, 
Braunschweigischen und Eisass-Lothringischen Medizinalbeamtenvereins. 

Verlag von Fiseher’s med. Buehhandlg E Kornfeld, 

HmogL Bayer. Hol- u. u. K. jüunmar-Buchliiadlt^ 

Berlin W. 62, Keitlistr. 5. 


Ans#Ifta nekmen 41# Tect*gsk*sdlamg sowie alle AnseigenaniiahmeeteHefi d#i Im- 

and Auslandes entgegen. 












282 Dr. Boepke: Kriminelle Fruchtabtreibong, künstliche Unterbrechung 

die Religion und die Lehre der Moraltheologie heranziehen 
will, mag es tun. Die zunehmende Zahl der kriminellen Aborte 
und der Verurteilungen aus diesem Anlaß in Deutschland würde 
es rechtfertigen. Als Wegweiser kann dabei dienen, daß in 
allen Ständen und von Verheirateten fast doppelt so 
häufig abgetrieben wird, wie von ledigen Personen. Nach 
Be n t h i n s Berechnungen wird die Fruchtabtreibung sogar 
auffallend häufig von den Frauen selbst vorgenömmett (über 
50%), während in Ostpreußen in 30% der Fälle eine Hebamme 
ihre Hand im Spiel hatte. Als Gründe füf die. Fruchtabtreibung 
herrschen schlechte soziale Verhältnisse vor, in Städten vor¬ 
nehmlich die Wohnungsfrage und der Kinderreichtum; beide 
sollen im annähernd gleichen Prozentsatz (30%) beteiligt sein. Ein 
Viertel der Frauen aber treibe aus „Bequemlichkeitsgründen“ ab. 

Den meisten Aerzten wird die Betonung des Religiösen 
im Kampfe gegen die kriminelle Fruchtabtreibung 
nicht liegen. Der Arzt mag seine Hilfe über die körperliche 
Sphäre hinaus ausdehnen Und seiner Klientel zum Seelenärzt 
werden; er kann und soll aber niiöht den Priester vertreten, 
ebenso wenig wie der Seelsorger' sich als Arzt betätigen soll. 
Und wenn die Aerzte ihrerseits die Grenze in allem streng be¬ 
achten, können sie das gleiche von der Gegenseite in, der Seel¬ 
sorge und am Krankenbett verlangen. 

Für die ärztlich gebotene Unterbrechung der 
Schwangerschaft müssen allein anatomisch-physiologische 
Tatsachen und pathologisch - therapeutische Ueberlegungen ma߬ 
gebend bleiben. Religiös - dogmatische Grundsätze, die auch 
in der vorliegenden Frage das ärztliche Handeln in der rechten 
Sicherheit und Sittlichkeit erhalten sollen, sind abzulehnen. 
Nach der „Pastoral-Medizin“ von Capellmann*) war es zwar der 
christlichenKultur Vorbehalten, den künstlichen Abort als 
Heilmittel zu verbieten und fast gänzlich auszurotten, 
bis gegen Ende des vorigen Jahrhunderts zuerst die Engländer, 
dann die Franzosen ufid zuletzt in Deutschland fast alle Lehrer 
der Geburtshilfe wenigstens die eine oder andere, oft recht viele 
Indikationen für den künstlichen Abort angaben. Aber das 
Dogma, daß der künstliche Abort eine Tötung des Eies ist, 
daß jedes menschliche Individuum, also auch das befruchtete 
menschliche Ei, als erstes Recht das Recht auf das Leben hat, 
daß der künstliche Abort also als eine widerrechtliche Tötung 
zu betrachten ist, die durch jede göttliche ünd menschliche 
Gesetzgebung verboten" ist, dieses Dogma muß auch ferner halt 
machen vor dem gleichen oder noch größeren Recht der 
Schwangeren, das ihr bei streng begrenzter Indikation ohne 
Gefährdung nur den heilenden Segen des ärztlichen Eingriffs 
zugute kommen läßt. Das Dogma mag bei Laien eigenen 
Bedenken eine konservative Richtung geben, die trotz Gefähr- 

*) Medizinische Klinik; 1916, Nr. 11, 8. 301. 

*) Herausgegeben von Dr. W. Bergmann; Aachen 1907. 



der Schwangerschaft und Fürsorge für tuberkulöse Schwangere. 288 

düng des Fruchtträgers die Schwangerschaft zu erhalten be¬ 
strebt ist. Den ärztlichen Praktiker darf es nicht einmal 
dann zu dem Standpunkt der Moralisten „nunquam licet direote 
procurare abortum“ herüberziehen. Selbst in den Fällen, in 
denen der Arzt Schwangere, die die Beseitigung der Frucht 
aus nicht stichhaltigen Gründen wünschen, umstiramen möchte, 
soll er sich nicht auf jene Lehre stützen; denn diese Stütze 
erklärt sich vielleicht sohon wenige Wochen später und bei dem 
gleichen Fall gegen ihn, gegen sein berufs- und pflicht¬ 
gemäßes Raten und Handeln.' Je weniger• überhaupt die 
Allgemeinheit der Aerzte Religiöses und Medizinisches direkt 
oder indirekt verquicken würde, um so mehr würde sie dem 
Unglauben entgegen wirken, der zu reichlichen oder ausbleiben¬ 
den Kindersegen je nach Wunsch durch Wallfahrten, Wunder 
usw. beeinflussen zu können glaubt. 

In juristischer Hinsicht bin ich auf die Beurteilung 
des Verbrechens gegen das keimende Leben in einer neuen 
Entscheidung des Reichsgerichts (IV. Str.-S.) vom 
21. Dezember 1916 hingewiesen worden. Durch das Urteil 
werden in der Tat einige recht unklare und dehnbare Begriffe 
in die Rechtsprechung eingeführt, die geeignet sind, den § 218 
des Strafgesetzbuches wesentlich einzuschränken und auch bei 
Aerzten die scharfen Grenzen der Indikation zum künstlichen 
Abort je nach den subjektiven Ansichten und Autosuggestionen 
der Geschwängerten zu verwischen. Der der Entscheidung 
zugrunde liegende Fall ist folgender; 

„Eine Frau L. Sehr, ist vom Landgericht Baatzen am 18. Oktober 1915 
wegen versuchter Abtreibung za 6 Wochen Gefängnis verurteilt worden. Die 
Angeklagte, bereits Mutter von zwei ehelichen Kindern, hatte beim zweiten 
Male eine sehr schwere Geburt gehabt und befürchtete bei einer dritten Ent¬ 
bindung äußerste Lebensgefahr. Als sie sich daher zum dritten Male — 
übrigens irrtümlich — schwanger fühlte, ließ sie sich von einer „weisen Frau“ 
in der üblichen Weise durch Einspritzungen helfen. Es blieb aber, strafrecht¬ 
lich betrachtet, nur beim Abtreibungsversuch, da ja gar keine wirkliche 
Schwangerschaft bestanden hat. Die Angeklagte berief sich zu ihrer Ver¬ 
teidigung auf den Strafbefreiungsgrund des Notstandes (§ 54 St.G.B.), weil sie 
nur durch eine Fruchtbeseitigung die ihrem Leben von einer dritten Entbindung 
drohende vermeintliche Gefahr habe abwenden können. Die Strafkammer wies 
jedoch diesen Einwand zurück, denn einerseits sei die „Gefahr für Leib und 
Leben“ keineswegs eine „unmittelbare“ gewesen, sondern habe noch in weiter 
Ferne gestanden, anderseits hätte die Angeklagte in gesetzlich erlaubter Weise 
durch einen operativen Eingriff seitens eines Arztes gerettet werden können. 
Selbsthilfe durch Abtreibung sei mithin nicht notwendig gewesen. Auf die 
Bevision der Angeklagten hob jedoch das Reichsgericht die Verurteilung auf 
und verwies die Sache an die Vorinstanz zurück: Der „Notstand“ ist nicht 
einwandfrei widerlegt. Es fehlt jede nähere Feststellung, auf welchem Wege 
die Angeklagte die in solchen Fällen sehr schwer zu erlangende 
ärztliche Hilfe erreichen sollte, und welches gesetzliche Mittel ihr über¬ 
haupt blieb, um die scheinbar unvermeidliche Lebensgefahr abzuwenden. Einer 
hilflosen Schwangeren, die von einer neuen Entbindung den Tod be¬ 
fürchtet, wird der Strafausschließungsgrund des Notstandes nur dann zu 
versagen sein, wenn ihr nachweisbar ein gesetzlich zulässiger Ausweg aus ihrer 
Notlage geboten und auch bekannt war.“ 

Mit Recht wird in der Münchener med. Wochenschrift 
(1916, Nr. 62) zu dem Urteil bemerkt, daß es viele „hilflose“ 



284 Dr. Roepke: Kriminelle Fruchtabtreibung, künstliche Unterbrechung 


Schwangere gibt, die „von einer neuen Entbindung den Tod 
befürchten“. Ob solche Todesfurcht tatsächlich vorhanden 
ist oder nur vorgespiegelt wird, läßt sich nicht entscheiden. 
„Hilflos“ ist schließlich jede Schwangere, der der Arzt den von 
ihr begehrten „lebensrettenden“ Eingriff als nicht indiziert ab¬ 
lehnt. Es ist aber wohl denkbar, daß recht bewegliche Klagen 
und Bitten von Schwangeren, wie sie nicht selten sind von 
solchen, die ohne Gefährdung ihrer Gesundheit die Frucht los¬ 
werden wollen, den Arzt an diese Entscheidung erinnern und 
einen „Notstand“ als gegeben ansehen lassen. 

Weiter bin ich auf die Veröffentlichung von F. S tr a߬ 
mann 4 )„Die Behandlung der Abtreibung im künftigen Straf¬ 
gesetzbuch“ hingewiesen. Der vortrefflichen, zeitgemäßen Ab¬ 
handlung habe ich bereits für meine erste Arbeit die sich mit 
meiner Erfahrung deckende Feststellung entnommen, daß haupt¬ 
sächlich „leichte tuberkulöse Affektionen oder auch nur 
verdächtige Befunde, ohne daß etwa irgendein Fortschreiten 
des Prozesses in der Schwangerschaft festgestellt ist, alsbald 
als vollkommene Indikation für eine Unterbrechung der 
Schwangerschaft angenommen werden“. 

Nun denke man sich eine Schwangere, die weiß oder sich 
einbildet oder vorgibt, daß sie tuberkulös lungenkrank oder 
kehlkopfkrank war oder noch ist, und die beim Fortbestehen 
der Schwangerschaft äußerste Lebensgefahr befürchtet. Wird 
da nicht durch die neue Entscheidung des Reichsgerichts vom 
21. Dezember 1915 der Strafbefreiungsgrund des „Notstandes“ 
(§ 54 des St. G. B.) und dem Arzt die Leistung der aus dem 
Notstand sich ergebenden „Nothilfe“ nahegelegt? Wer die 
Verhältnisse des Lebens kennt, wird in der Einführung des Be¬ 
griffes der hilflosen Schwangeren, die von der Schwanger¬ 
schaft eine Lebensgefahr befürchtet, in die Recht¬ 
sprechung eine Erschwerung der strafgesetzlichen Regelung der 
Abtreibung erblicken müssen. 

Welche Bestimmungen im übrigen das künftige Strafge¬ 
setzbuch bringen wird, bleibt abzuwarten. Mit Straßmann 4 ) 
werden es alle Aerzte begrüßen, daß man die willkürliche 
Fruchtabtreibung einerseits nicht straflos lassen, anderseits 
nicht ausnahmslos hart bestrafen will. Die Strafrechts¬ 
kommission hat sich für einfache Gefängnisstrafe bei nach¬ 
gewiesener krimineller Fruchtabtreibung entschieden und nur 
in besonders schweren Fällen Bestrafung mit Zuchthaus bis zu 
5 Jahren verlangt. Strenger soll jedoch der, der „gegen Entgelt“, 
aus Gewinnsucht oder Gewerbsmäßigkeit die Abtreibung vor¬ 
nimmt, bestraft werden, nach dem Vorentwurf mit Zuchthaus 
bis zu 15 Jahren oder mit Gefängnis nicht unter 6 Monaten. 
Auch für die vorsätzliche Abtreibung ohne Wissen oder Willen 
der Schwangeren wird Zuchthausstrafe nicht unter 2 Jahren 

*) Vierteljahrsschrift für gerichtliche Medizin und öffentliches Sanitäts¬ 
wesen; 3. Folge, ßd. XL1X, H. 2. 



der Schwangerschaft and Fürsorge für tnberkalöse Schwangere. 285 


vorgeschlagen. Endlich ist schon der Versuch der Abtreibung 
strafbar; ob auch der mit untauglichen Mitteln und am un¬ 
tauglichen Objekt, steht noch aus. 

Vom allgemein- und gerichtsärztlichen Standpunkt darf 
man diese im Entwurf vorgesehenen Strafbestimmungen gegen 
die Abtreibung als zweckmäßig und auch wirksam ansehen, 
zumal sie in folgendem Zusatz (§217a) eine gegen die Kur¬ 
pfuscherei gerichtete Erweiterung erfahren: 

„Mit Gefängnis bis za einem Jahre oder Geldstrafe wird bestraft, wer 
Öffentlich oder durch Verbreitang von Schriften, Abbildangen oder Darstellungen, 
wenn aach in verschleierter Form, Mittel oder Gegenstände zur Ab¬ 
treibung ankündigt oder anpreist oder in gleicher Weise seine eigenen oder 
fremden Dienste zur Vornahme oder Förderung der Abtreibung 
anbietet.“ ( 

Diese Strafbestimmung wird für die Bekämpfung der Ab¬ 
treibung nicht das leisten, was von der Durchführung des Kur¬ 
pfuschereiverbots zu erwarten wäre; immerhin ist sie ein 
gutes Mittel, um der willkürlichen Beschränkung der Geburten¬ 
zahl entgegen zu wirken. 

In der gleichen Richtung bewegt sich ein Antrag des 
verstärkten Ausschusses des preußischen Abgeordnetenhauses 
vom 18. Februar d. J., der die Königl. Staatsregierung ersucht: 

„Bei dem Bandesrat dahin zu wirken, daß derselbe dem Beichstage mög¬ 
lichst bald einen Gesetzentwurf vorlegen möge, durch welchen der Bandesrat 
ermächtigt wird, nicht allein jedes unaufgefordert an das Publikum sich heran¬ 
drängende Anbieten und Anpreisen durch Kataloge, Drucksachen, Hausieren usw., 
besonders auch das Feilbalten und den Vertrieb von Gegenständen, die zur 
Beseitigung der Schwangerschaft oder zur Verhütung der Empfäng¬ 
nis geeignet sind, zu beschränken oder zu untersagen, wie auch alle nur für 
das Laienpublikum bestimmten Schriften und Bücher, in welchen sich Be¬ 
schreibungen und Besprechungen der antikonzeptionellen und zur Unter¬ 
brechung der Schwangerschaft geeigneten Methoden und Mittel finden, 
zu verbieten.“ 

Hier wird also die Bekämpfung der Fruchtabtreibung mit 
der der Empfängnisverhütung vereinigt. Von letzterer soll man 
sich nicht zu viel versprechen, zumal Kirchner 5 ) mit Recht 
fordert, daß dabei nicht diejenigen Mittel getroffen werden, die 
die Verbreitung der übertragbaren Geschlechtskrankheiten ver¬ 
hindern sollen. Wie dem aber auch sei oder werde, der kom¬ 
binierte Antrag in der Abgeordnetenkammer wird die durch 
den Krieg noch dringlicher gewordene Bekämpfung der krimi¬ 
nellen Fruchtabtreibung beschleunigen und durch reichsgesetz¬ 
liche Regelung dem gemeingefährlichen Kurpfuschertum das 
Handwerk legen auf einem Gebiete, auf dem es sich seit langem 
breit machte und zurzeit auch durch die Kriegsverordnungen der 
obersten Militärbehörden nicht recht gefaßt werden konnte. 

Die Frage, in welcher Weise für die ärztlich gebotene 
künstliche Unterbrechung der Schwangerschaft ein ge¬ 
nügender Schutz gewährt werden soll, ist noch umstritten. Während 
von medizinischer Seite eine gesonderte Ausnahmebestimmung 
bei dem § 217 Str.G.B. (Abtreibung) vorgeschlagen ist, hat die 

*) Bede im Preußischen Abgeordnetenhaus am 25. Februar 1916. 



286 Dr. Roepkfl: Kriminelle Fracht&btreibnng, künstliche Unterbrechung 


Strafrechtskommission zunächst einen allgemeinen Zusatz zum 
§ 67 (Notstand) gewählt. Der Wortlaut der Bestimmung steht 
noch nicht fest, sie soll aber pflichtgemäßes ärztliches 
Handeln als „Nothilfe“ dadurch decken, daß sie als nicht 
strafbar den erklärt, der eine Handlung zur Rettung der Person 
aus einer gegenwärtigen, auf andere Weise nicht zu beseitigen* 
den Gefahr vornimmt, falls er nicht wider den Willen des an¬ 
deren handelt. Uns will scheinen, daß der kriminellen licht¬ 
scheuen Abtreiberei mit ihren Verwüstungen ein noch besserer 
Riegel vorgeschoben würde, wenn das Gesetz neben der Be¬ 
strafung dieser ausdrücklich die Straflosigkeit für den — 
und zwar einzigen — Pall bestimmt, daß 1. begründete Ge¬ 
fahren für das Leben odpr dauernde Schädigungen für die Ge¬ 
sundheit durch die Portdauer der Schwangerschaft bestehen, 
und 2. die Unterbrechung durch den Arzt, abgesehen von ganz 
dringenden Fällen, erst nach Beratung und im Einver¬ 
ständnis mit einem zweiten Arzte, erfolgt. DieForderung 
der Zweizahl braucht vom Aerztestande nicht als kränkend 
empfunden werden. Sie wird zwar, selbst wenn die Uebertretung im 
Str.G.B. mit Geldstrafe belegt wird, nicht den Zusammenschluß 
unlauterer, geschäftskundiger Elemente zu weniger strengen 
Indikationsstellungen verhindern. Immerhin würde dadurch die 
Aerzteschaft in dem Verantwortlichkeitsgefühl bestärkt und in 
der Forderung auch rechtlich unterstützt werden, den künst¬ 
lichen Abort auf die unbedingt nötigen Schwangerschaftsfälle 
zu beschränken. 

Soweit die Eugenik, die Züchtungskunst und Lehre von 
der Erzielung hervorragender Menschen, rassenhygienische Auf- 

g aben hat, ist ihr in meinem ersten Aufsatz Rechnung getragen. 

>ie dort für die Tuberkulose vertretene Ansicht ließe sich 
dahin erweitern, daß dem Volksganzen auoh an den Nachkommen¬ 
schaften solcher Mütter, die an schweren Konstitutionskrank¬ 
heiten, perniziöser Anämie, hochgradiger Osteomalacie, aus¬ 
gesprochener Hämophilie, an oganischen Nerven- oder Geistes¬ 
störungen leiden, nicht überragend viel gelegen sein kann, 
jedenfalls nicht soviel, daß darüber das Leben der Mütter gegen 
das der Früchte zurücktreten dürfte. 

Schacht 6 ) meint allerdings in einem Aufsatz über die 
„Fruchtabtreibung“, daß die Natur überall das Bestreben 
habe, sich zu regenerieren und aufwärts zu entwickeln. 
Man solle daher bei dem tiefen Stande unserer Geburtszahlen 
Kinder entstehen lassen, wo es nur immer möglich ist, und 
sie dann unter Bedingungen bringen, unter denen sie gedeihen. 
„Nicht dem künstlichen Abortus ist das Wort zu reden, 
sondern einer hygienischen Kinderpflege und Erziehung“. 
Ersteres geschieht ja nicht, aber auch letztere unterbleibt 
leider noch immer in vielen an sich notwendigen Fällen, weil 
es nicht überall gelingt, die geborenen Kinder aus einer 

ß ) Archiv für Frauenkunde und Eugenik; 2. Band, Heft 1/2. 



der Schwangerschaft und Fürsorge iür tuberkulöse Schwangere, 287 

hygienisoh ungünstigen Umwelt herauszuheben. Von 8 Kindern 
sterben bekanntlich noch 4 vor Eintritt der Pubertät» 
wahrlich kein Qrund, die Fortpflanzung und das Gedeihen 
von MinusVarianten im Sinne Grub er s nunmehr besonders 
zu kultivieren, ln den Fällen, in denen eine schwere Krank¬ 
heit der Schwangeren Grund zur Abtreibung geben darf, würde 
das Kinderelend zum großen Teil mit und in den Kindern 
selbst auf die Welt kommen, wenn auch die Wirkung ungün¬ 
stiger volkswirtschaftlicher und -gesundheitlicher Verhältnisse 
auf die Kindersterblichkeit keineswegs unterschätzt werden 
soll. Ich möchte also die Forderung, Kinder entstehen zu 
lassen, wo es nur immer möglich ist, nicht unterschreiben. 

Außerdem ist der Stand unserer Geburtszahlen nicht so 
tief, wie es allgemein behauptet wird. Ein Geburten-Rück¬ 
gang hat mit Beginn des neuen Jahrhunderts unverkennbar 
eingesetzt, aber gleichzeitig mit ihm ist ein hocherfreulicher 
Säuglingssterblichkeits-Rückgang eingetreten, sodaß 
die Zunahme der Reichsbevölkerung von 10 Millionen 
in den zwanzig Jahren 1875/1895 sich auf 16 Millionen in den 
folgenden zwanzig Jahren heben konnte. Selbst in den IS Jahren 
scharfen Geburtenrückgangs 1901 bis 1914 ist die Bevölkerung 
noch um 11 Millionen gewachsen! Wenn man sich diese Zahlen, 
die Würzburgers 7 ) „Rückblick auf die Literatur des Geburten¬ 
rückgangs“ entnommen sind, gegenwärtig hält, dann wird man 
der Geburtenvermehrung um jeden Preis erst recht nicht 
das Wort reden. 

Die gleiche Forderung, ausgedrückt im Sinne des späteren 
römischen Rechtes durch den Gedankengang „der Staat braucht 
Kinder — das Weib muß sie austragen, gleichviel unter welohen 
Bedingungen“ — liegt auch nicht im Interesse einer gesunden 
Bevölkerungspolitik. Man muß Helene Simon 6 ) darin 
beistimmen, daß die antiken Staaten nicht an Uebervölkerung 
zugrunde gingen und sich nicht aufaßen, vielmehr mitsamt ihrer 
Kultur aufgegessen wurden von jugendfrischen, „gebär¬ 
tüchtigen“ Barbaren, deren Abwehr ihre Greisenhaftigkeit 
nicht mehr gewachsen war. Oder wie es Brentano,;[aus¬ 
drückt : „Das, was die europäischen Kulturvölker heute be¬ 
droht, ist das, woran die Kulturvölker der antiken Welt zu¬ 
grunde gegangen sind.“ Wenn der Unterschied zwischen der 
bisher erreichten Höchstzahl der Geburten, die das Jahr 1901 
mit 2032818 Lebendgeborenen geliefert hat, und derjenigen 
des letzten Friedensjahres nahe an 200000 beträgt, dann wird 
allerdings eine geburtenfördernde Bevölkerungspolitik für 
das Deutschland des 20. Jahrhunderts zur Notwendigkeit. Die 
geburtenfördernde Bevölkerungspolitik darf jedoch der rassen- 
hygienischen Grundsätze nicht entraten. Hier gelten viel¬ 
mehr die Forderungen der Eugenik nach der negativen 
Seite hin, d. h. die Fortpflanzung derjenigen zu beschränken, 


7 ) Soziale Praxis; 1916, Nr. 21. 



288 Dr. Boepke: Kriminelle Frachtabtreibung, künstliche Unterbrechung 

deren Nachkommenschaft nicht nur keinen Wertzuwachs, sondern 
eine Vermehrung der gemeinschädlichen Elemente bedeutet. 

Es entsteht die Frage, wie bei dieser Sachlage ein ge¬ 
sunder Ausgleich zu schaffen ist. Der Schwerpunkt liegt in 
der Prophylaxe. Zunächst, wie es Schacht 6 ) mit allem Nach¬ 
druck fordert, schärfste Ablehnung des Neumalthusianismus und 
seines Grundsatzes, daß die Bestrafung der willkürlichen Frucht¬ 
abtreibung unzulässig sei, weil die Person über sich und das 
Ihre frei verfügen könne. Innerhalb eines politischen Staats¬ 
gebildes gibt es keine völlig unbegrenzte Freiheit über die 
eigene Person; es ist auch nicht erwünscht, sie zu schaffen. 
Sodann ist die Frucht schon ein zweites Individuum und nicht 
nur ein Teil der Mutter; darin findet aber die persönliche 
Freiheit der Mutter eine Schranke. Vor allem muß aber der 
Staat das Recht haben, seinen Fortbestand durch den Staats¬ 
bürger zu sichern; deshalb bestraft er ja die willkürliche 
Fruchtabtreibung. Die schrankenlose, unbegrenzte 
Freiheit der Schwangeren, über ihre Frucht zu 
verfügen, kann also nicht die Forderung des Tages 
sein oder werden. Das wären negative Leistungen, während 
das Volksganze und das Volksbeste positive Werte von 
ihr fordern. 

Johann Barsony 8 ) schreibt sehr treffend in einer Abhand¬ 
lung über die „Eugenik nach dem Kriege“: 

„Wir lassen im großen and ganzen nicht genug Sorge dem weiblichen 
Körper angedeihen. Begehren wir von demselben, daß er viel und gutes 
Menschenmaterial hervorbringe, so müssen wir mit Recht verlangen, daß wir 
denselben schonen, pflegen und hegen und ihn zu der von ihm erwarteten 
Aufgabe verbessern. Der schon während der Entwicklung mit Arbeit 
überlastete Körper des Weibes wird ebenso verkümmern wie der eines Tieres, 
das vorzeitig in das Joch gespannt wird, obwohl doch letzteres stärker ist. 
Die das schwangere Weib anstrengende Arbeit ist eine Bürde gegen die Frau 
und das Kind. Eine für die tägliche Notdurft des Daseins zu arbeiten be¬ 
müßigte Frau, die nicht säugen kann, ist keine Frau, weü keine 
wahre Mutter.* 

Also Frauenschutz! Mehr Schutz für das weibliche 
Geschlecht schon während der Entwicklungsjahre, mehr gesund¬ 
heitsfördernde Jugendfürsorge, und während der Schwanger¬ 
schaft besondere Schonung des Körpers. Dann werden nicht 
nur dank besserer Widerstandsfähigkeit die konstitutionellen 
und infektiösen Krankheiten bei den Schwangeren abnehmen, 
sondern auch sog. Schwangerschaftsbeschwerden organischer 
und funktioneller Art seltener und geringer auftreten. Folge¬ 
richtig müssen damit die pathologischen Zustände, die den 
Abort indizieren können, nach Zahl und Art zurückgehen und 
noch mehr die Ansinnen, aus „Bequemlichkeitsgründen“ von 
der Frucht befreit zu werden. Mit dem Zurücktreten solcher 
Wünsche, denen der Arzt die Berechtigung abspricht, schränkt 
sich dann auch die kriminelle Fruchtabtreibung durch eigene 
Hand oder durch Kurpfuscher ein. Gebärtüchtige, gebär- 


8 ) Archiv für Fr&uenkunde und Eugenik; 2. Bd., Heft 1/2. 



der Schwangerschaft and Fürsorge für tuberkulöse Schwangere. 289 


freudige und stillfähige Frauen bilden die beste 
Gewähr für Abnahme der Fruchtabtreibung und 
Zunahme der Geburtenziffern! Das mag optimistisch 
klingen, aber ohne Optimismus kommt man über diese tief¬ 
ernsten, unheilschwangeren Fragen nicht hinaus zu der taten¬ 
frohen Mitarbeit, der sich kein Arzt entziehen darf. Es ist ein 
Teil unserer Kriegsarbeit für den Frieden! 

Barsony 8 ) gibt noch ein zweites Mittel an, das nach 
seiner Ansicht der in allen Volksschichten auch im ehelichen 
Verkehr weitverbreiteten Verhütung der Konzeption und zu¬ 
gleich der kriminellen Fruchtabtreibung entgegenwirken würde: 
daa staatliche Findelhaus. Jeder verheirateten oder un¬ 
verheirateten Frau soll von vornherein Sicherheit geboten 
werden, ihre Kinder, wieviel sie auch immer zur Welt bringt, 
ohne Schwierigkeit vom Tage der Geburt an, auch für das 
ganze Leben, dem Staate in einer mustergiltigen Einrichtung 
zur Erziehung überlassen zu dürfen, sofern die Mütter aus 
materiellen oder sozialen Gründen zur Erhaltung der Kinder 
unfähig sind. 

Bekannt ist, daß Findelhäuser weder in Frankreich noch 
in Belgien den Geburtenrückgang aufgehalten haben. Außer¬ 
dem sind sie in Deutschland anrüchig; und damit muß gerechnet 
werden. Was uns aber fehlt, sind zahlreiche Gebärasyle als 
Entbindungsstätten, die nicht mit Hebammenunterrichtsanstalten 
verbunden sind. Die Aufnahme in die Gebärasyle muß in jeder 
Hinsicht erleichtert werden, möglichst kostenlos, z. B. auf An¬ 
trag von Vereinen usw. erfolgen. Sie sollen die Schwangeren 
zeitig genug aufnehmen, ohne sie als Unterrichtsmaterial zu 
verwenden, und für die spätere Unterkunft der Kinder sorgen, 
soweit die Mütter unverheiratet sind. Solche Gebärasyle, die 
in Schweden vorzüglich eingerichtet sind, wirken den Beweg¬ 
gründen entgegen, die erfahrungsgemäß so häufig die Verhütung 
der Konzeption oder die willkürliche Fruchtabtreibung veran¬ 
lassen. Sie würden Hekatomben von Früchten, ungeborenen 
und geborenen Kindern, Leben geben bzw. erhalten und dem 
Staate den Ersatz bieten für Säuglinge, die — in Preußen 
allein nicht weniger als 40000 jährlich — an sog. Lebensschwäche 
infolge angeborener Syphilis zugrunde gehen. 

Auf die Einwände, die gegen solche Gebärasyle ge¬ 
macht werden können, soll nicht eingegangen werden. Nur 
eins: die Sittlichkeit, die durch ihre Errichtung gefährdet 
wird, verdient möglichst schnell zugrunde zu gehen, um 
Sittlicherem Platz zu machen. Für die Aerzte im all¬ 
gemeinen und die im besonderen, die sich mit diesen „Kultur¬ 
fragen“ beruflich häufiger beschäftigen müssen, überwiegen an¬ 
gesichts des Umfanges der kriminellen und approbierten Frucht¬ 
abtreibung die Vorteile. Ob die gegenwärtige große Zeit, 
die in so viele Hirne und Herzen Licht und Sonne hinein¬ 
getragen und veraltete Ueberlieferungen mit samt vielem 
Splitterrichtertum abgetötet hat, auch gesund und willensstark 



890 Dr. Boepke: Kriminelle Fracbtabtreibong, künstliche Unterbrechung 


genug sein wird, um nach E. M. Arndts Mahnung „mit Liebe 
zu empfangen, was Liebe gab“, auch wenn es nicht begehrt 
oder außerehelichen Ursprungs ist? Vielleicht wird man zu¬ 
nächst noch ab warten wollen, ob und wie sich die Verhältnisse 
nach dem Kriege gestalten, und beeinflussen lassen durch die 
neugebildete deutsche Gesellschaft für Bevölkerungspolitik, durch 
die Vereinigung für Familien wohl im Reg.-Bez. Düsseldorf und 
durch alle die Maßnahmen, die unter Beteiligung der deutschen 
Aerzteschaft am Werke sind, um die vielen, dem deutschen 
Volk aus den Lücken im Nachwuchs entstehenden Gefahren 
zu bekämpfen. 

Jedenfalls wird das Gebärasyl die Bedeutung einer .er¬ 
strebenswerten sozialen Einrichtung behalten. Es ist als 
Prophylaktikum gegen die willkürliche Fruchtabtreibung gerade¬ 
zu notwendig für ledige Personen, für unbemittelte Frauen und 
auch für tuberkulöse und tuberkulöseverdächtige Schwangere. 
Wer die soziale Indikation zur Unterbrechung der 
Schwangerschaft ablehnt, um nicht der Willkür Tür und Tor 
zu öffnen, muß das Gebärasyl als Ausgleich wünschen, 
wenn nicht aus staatlicher, dann aus kommunaler oder privater 
Initiative. Die kriminelle Fruchtabtreibung wird heute in den 
mit zu- und ab ziehenden Truppen überfüllten Städten in einem 
Umfange bewirkt, von dem keine Statistik spricht. Der Vater 
ist im Kriege, die Mutter ohne Anspruch, hilflos, bemitleidens¬ 
wert zurückgeblieben. Wie viele Schwangere würden aber 
trotzdem aus Sittlichkeit oder aus Furcht vor verbrecherischen 
lebensgefährlichen Eingriffen die Bürde austragen und ein Ge¬ 
bärasyl aufsuchen, wenn sie nur das geborene Kind ohne 
Schwierigkeit abgeben und damit die Sorge um seine Aufzucht 
los werden könnten! Der letzte Grund zur willkürlichen 
Fruchtabtreibung ist doch bei den weitaus meisten ledigen 
Schwangeren nicht eine kriminelle Neigung, sondern er 
entspringt der Ueberlegung, den Schwangerschaftszustand zu 
verwischen und aufzuheben, bevor er zur Geburt eines lebens¬ 
fähigen Kindes geführt hat und dann dessen Beseitigung nicht 
nur schwieriger, sondern auch viel unmoralischer und krimi¬ 
neller macht. Wenn auch viele verheiratete Frauen aus den 
nichtigsten Gründen abtreiben, genug von ihnen und noch mehr 
von den Unverheirateten abortieren, um nioht für ein lebendes 
Kind sorgen zu müssen. 

So erschweren soziale Begleitumstände den Kampf gegen 
die Abtreibung und lassen über die Zweckmäßigkeit weiter zu 
ergreifender Schutz- und Abwehrmaßregeln streiten. Um den 
sozialen Notstand für Verheiratete abzuschwächen, sind 
empfohlen: Unterstützung kinderreicher Familien durch Kinder¬ 
zuwachsprämien, großzügige Wohnungsfürsorge mit besonderer 
Berücksichtigung der großen Familien, Steuernachlaß bis zum 
völligen Steuererlaß, Bevorzugung verheirateter Beamte, Koloni¬ 
sation an unseren jetzigen Ostgrenzen und dergl. 

Als Prohibitivmaßnahmen, die im besonderen die 



der Schwangerschaft und Fürsorge für tuberkulöse Schwangere. 291 

beamteten Aerzte beteiligen, kämen noch in Frage die Anzeige* 
pflicht aller fieberhaften und septischen Aborte, die Besser¬ 
stellung des Hebammenstandes, eine schärfere Aufsicht über 
Privatentbindungsanstalten, das Verbot der Herstellung von 
Mutterspritzen. 

Die Meldepflicht für alle septischen Aborte 
durch. Arzt oder Hebamme ist ebenso berechtigt wie die An¬ 
zeigepflicht des Wochenbettfiebers; denn sie würde ein besseres 
Bild von dem Umfang der Fruchtabtreibung in bestimmten 
Gegenden, Bezirken, Volksschichten usw. geben und auch besser 
auf die Spur der gewerbsmäßigen und kurpfuschenden Abtreiber 
bringen. B ent hin empfiehlt außerdem, in den tödlich endenden 
Fällen die Ausstellung des Totenscheines zu verweigern 
und dadurch die Sektion und gerichtsärztliche Feststellung mit 
anschließender Strafverfolgung zu erzwingen. Das ist ein 
etwas umständliches, aber zweifellos auf Oeffentlichkeit und 
Heimlichkeit außerordentlich abschreckend wirkendes Verfahren! 

Die Besserstellung der Bezirkshebammen ist in 
den diesjährigen Verhandlungen des preußischen Abgeordneten¬ 
hauses über den Medizinaletat erneut allseitig gefordert und 
auch als notwendig anerkannt. Sie erfolgt nun hoffentlich in 
einer Weise, daß die Hebammen nicht mehr durch die Not zu 
Verbrechen gegen das keimende Leben sich verleiten lassen, 
vielmehr durch Ablehnen, Warnen oder Anzeigen in ihrem 
Bezirk den Ast erhalten, an dem ihre berufliche Tätigkeit hängt. 

Darüber daß gewisse Privatentbindungsanstalten, 
mögen sie unter diesem Aushängeschild wirken oder namenlos 
sein, einer viel schärferen Kontrolle hinsichtlich der Zu- und 
Abgänge und der Art des Entbindungsmaterials bedürfen, 
braucht hier kein weiteres Wort verloren zu werden. Da müßte 
jede Rücksicht aufhören 1 

Ebenso rücksichtslos ist die Mutt er spritze zu beschlag¬ 
nahmen und zu vernichten, wo immer man sie findet, bis ihre 
Herstellung überhaupt verboten ist. Nach Puppe dient 
die Mutterspritze ausschließlich kriminellen Zwecken und wird 
am häufigsten als instrumentelles Mittel zur Fruchtabtreibung 
angewandt, in 20°/ o aller Fälle mit Sicherheit erfolgreich. 

Zu der ärztlich-medizinischen Frage des künstlichen 
Abortes zurückkehrend, gebe ich zunächst eine kurze Ueber- 
sicht über die Krankheitszustände, die überhaupt den 
künstlichen Abort indizieren können; sie wird für die 
Praxis das Vorherrschen der Tuberkulose als berechtigte 
und unberechtigte Indikation dartun. 

Da in allen Schwangerschaftsfällen die Möglichkeit besteht, 
daß sich der Arzt über die Größe und Nähe der Gefahren für 
die Schwangere täuschen kann, dürfen allein die objektiv 
feststellbaren Beobachtungen des Arztes über Krank¬ 
heitszeichen seiner Entscheidung zugrunde gelegt werden. Das 
klingt selbstverständlich; gleichwohl wird jeder Arzt Fälle mit 



292 Dr. Boepke: Kriminelle Frachtabtreibung, künstliche Unterbrechung 


folgendem Urteil kennen: Da die Patientin glaubhaft angibt, 
daß sie an „unstillbaren“ Erbrechen leidet, ist die Indikation 
zum Abortus artificiaüs gegeben. Da aber das unstillbare 
Erbrechen der Schwangeren oft oder meist bei geeigneter Be¬ 
handlung stillbar ist, kann nur längere positive Eigenbeobachtung 
unter Zuhilfenahme der Wage oder das Zeichen des bedenk¬ 
lichen Hungerzustandes den Eingriff unbedingt indizieren. Das 
„unstillbare“ Erbrechen der Schwangeren mit „Lungenspitzen¬ 
katarrh“ ist besonders gründlich nachzuprüfen. 

Die Einklemmung des retroflektierten oder vorgefallenen 
oder in einer Hernie liegenden schwangeren Uterus wird 
fachärztlich zu behandeln sein und erst bei negativem «Be¬ 
handlungsergebnis zur Unterbrechung der Schwangerschaft 
berechtigen. Nach den Erfahrungen in den Frauenkliniken 
sollen die Erfolge erstaunlich gut sein, so daß aus dieser Ver¬ 
anlassung der künstliche Abortus nur äußerst selten nötig wird. 

Myome des Uterus geben an sich keine Anzeige zur 
Unterbrechung, während der Uteruskrebs, der noch Aus¬ 
sicht auf Dauerheilung bietet, bei nicht lebensfähiger Frucht 
die Totalexstirpation der schwangeren Gebärmutter, bei Lebens¬ 
fähigkeit des Kindes Kaiserschnitt mit anschließender Total¬ 
exstirpation indiziert. 

Die Indikationsstellung zur Unterbrechung der Schwanger¬ 
schaft bei Beckenenge beträchtlichen Grades und bei 
absoluter Beckenenge hängt in der Hauptsache von der Wahl 
des richtigen Zeitpunktes ab und ist Sache der Geburtshelfer. 

Bei Nieren-, Herz-, Leber-, Darm-Erkrankungen, 
bei akuten Strumen, auch bei Diabetes, Nerven- und 
Geisteskrankheiten und anderen akuten und chronischen 
pathologischen Zuständen entscheidet allein der Grad der 
Krankheit, ihr fortschreitender Verlauf und die Rück¬ 
wirkung auf den Allgemeinzustand der Schwangeren. 
Es werden also z. B. Orthopnoe mit Zyanose bei Struma, bei 
Herzkranken die nicht kompensierten Fehler mit Zyanose, 
Dyspnoe, Albuminurie, bei den verschiedenen Formen der 
Nephritis dauernder Eiweiß- und Zylindergehalt des Urins, 
Hydrops und Herzstörungen, bei Diabetes höhere Grade der 
Zuckerausscheidung mit schlechter oder stark schwankender 
Toleranz, bei Nervenfällen die schweren Formen der Chorea und 
Polyneuritis, bei Geisteskranken ausgesprochene Melancholien 
und Erregungszustände die unbedingte Indikation zur künst¬ 
lichen Schwangerschaftsunterbrechung abgeben. Häufig wird 
übrigens in solchen Fällen der Abort oder die Frühgeburt von 
selbst eintreten; oder es werden nach vergeblicher therapeuti¬ 
scher Beeinflussung die Anzeichen so eindeutig sein, daß wirk¬ 
liche Zweifel über Eingreifen, Zuwarten oder Ablehnen des 
Eingriffs nicht gut bestehen können. 

Anders bei der Komplikation der Schwangerschaft mit 
Lungenerkrankungen, insbesondere mit Tuberkulose 



der Schwangerschaft und Fürsorge für tuberkulöse Schwangere. 293 

der Atmungswege. Die bis zur ausgesprochenen Lungen¬ 
schwindsucht vorgeschrittenen und die durch eine sichere 
tuberkulöse Kehlkopferkrankung erschwerten Fälle werden für 
die Entschließung zur künstlichen Schwangerschaftsunter¬ 
brechung keine Schwierigkeiten machen. Diese sind aber 'in 
allen beginnenden und stationären, inaktiven und 
tuberkuloseverdächtigen Fällen gegeben, da nicht schon, 
wie hier nochmals betont sein soll, der Nachweis der tuber¬ 
kulösen Veränderungen in der Lunge an sich, sondern erst der 
Nachweis ihres Fortschreitens bzw. Fortgeschritten¬ 
seins im Lungengewebe unter dem Einflüsse der 
Schwangerschaft entscheidend ist, gar nicht zu reden 
von den Fällen eingebildeter oder absichtlich vorgetäuschter 
Tuberkulose und von der Differentialdiagnose zwischen Chlorose, 
Anämie, Neurasthenie und latenter Tuberkulose. Das ist ja 
auch der Grund, weshalb ich die Mitwirkung des Tuberkulose¬ 
facharztes für notwendig halte. 

Zu den sachlichen Schwierigkeiten kommen persönliche. 
Der verderbliche Einfluß, den die Schwangerschaft auf eine 
bestehende Lungentuberkulose haben kann, ist in den weitesten 
Volksschichten bekannt. Ebenso bekannt ist der viel nach¬ 
gesprochene törichte Satz „ein bißchen tuberkulös ist jeder 
Mensch“. Kein Wunder, wenn Frauen und Mädchen, die ihre 
Schwangerschaft los werden wollen, sich ad hoc tuberkulose¬ 
krank Fühlen, wenn Aerzte propter hoc „tuberkuloseüber- 
erapfindlich“ sind oder es werden. Subjektive Beschwerden 
und objektive Befunde, beide mehr oder weniger schwankend, 
stimmen schließlich überein und führen zum künstlichen Abort. 
Ich will damit sagen, daß bei keinem tatsächlichen oder ver¬ 
meintlichen Krankheitszustand die Gelegenheit so häufig und 
die Gefahr so groß ist, „approbierte“ Fruchtabtreibung zu üben 
wie auf dem Tuberkulosegebiet, zumal jeder Arzt von sich 
annehmen kann, die diagnostischen Mittel der Perkussion und 
Auskultation genügend sicher zu beherrschen. 

Was kann geschehen, um den künstlichen Abort wegen 
Lungentuberkulose oder Tuberkulosegefahr auf das Notwendige 
zu beschränken? Was kann geschehen zu dem Zweck, tuber¬ 
kulöse Schwangere ohne Gesundheitsschädigung aus dem 
erhöhten Gefahrenbereich heraus- oder durch ihn durchzu¬ 
bringen ? 

Wenn auch der Antrag, durch die ärztliche Standes¬ 
ordnung die Beratung zweier Aerzte für die Indikationsstellung 
des künstlichen Aborts vorzuschreiben, kaum Aussicht auf 
Annahme hat, zumal die Berlin-Brandenburger Aerztekamraer 
eine Beschränkung der künstlichen Schwangerschaftsunter¬ 
brechung auch ohne ehrengerichtliche Sonderbe¬ 
stimmungen für erreichbar hält, so muß doch an dieser 
Forderung festgehalten werden. Es muß eben versucht werden, 
die Zweizahl der Aerzte durch eine gesetzliche Bestim- 



294 Dt. Roepke: Kriminelle Fruchtabtreibnng, künstliche Unterbrechung 


mung, wie oben ausgeführt, zu erreichen, wenn dies auch 
vielleicht zunächst noch auf Schwierigkeiten stoßen wird. 

Ein anderer Weg zu dem gleichen Ziele wäre der, daß 
die hauptsächlich beteiligten Fachärzte, das sind die Ver¬ 
treter der inneren Medizin, der Frauenheilkunde und die Tuber¬ 
kuloseärzte, in ihren großen Fachvereinigungen als Entschließung 
zum Ausdruck brächten und für sich bindend erklärten, 
was v. Franqud als Zusatz zu einem Abtreibungsparagraphen 
vorgeschlagen hat: „Vor Ausführung eines Eingriffes zur Ent¬ 
fernung des Schwangerschaftsprodukts ist der Arzt verpflichtet, 
einen zweiten Arzt zuzuziehen, sofern der Zustand 
der Mutter die dadurch etwa nötige Verzögerung 
gestattet“. Kein Facharzt, der die Mißstände kennt, und 
dem es nur auf die Sache ankommt, kann eine solche Erklärung 
nicht gutheißen oder für sich nicht abgeben oder gar durch 
ihre Forderung sich gekränkt fühlen. Die Autoritäten, Univer¬ 
sitätslehrer, Professoren, Krankenhausleiter dürften sich nicht 
ausschließen, auch die Besitzer von Privatentbindungsanstalten 
nicht. Die nächste Wirkung würde dann die 1 sein, daß der 
Allgemeinpraktiker sich sagt: Was die zuständigsten Fach¬ 
kollegen und Autoritäten als ungeeignet oder zu verantwortungs¬ 
voll für die Entschließung eines einzelnen Arztes ansehen, das 
darf auch der praktische Arzt nicht allein entscheiden und 
verantworten wollen! Wer sich das aber nicht sagt und nicht 
danach handelt, wird sich nicht wundern dürfen, wenn sein 
souveränes Handeln genauer, kritischer beobachtet wird. Seien 
wir doch offen: Wegen Personen, die nicht gut oder sehr gut 
zahlen können, wird sich kaum jemand der Gefahr aussetzen, 
etwas zu tun, was die Berufskollegen nicht zu tim pflegen, und 
dadurch bei ihnen in eine schiefe Stellung zu kommen. Und 
diejenigen „schönen Seelen“, die sich trotzdem zusammen¬ 
finden — in der Regel wohl nur in Großstädten — um zu zweit 
Schwangerschaften ohne strikte Indikation zu unterbrechen, 
werden auf die Dauer nicht unbekannt bleiben. Bleibt der 
Einwand, daß die Aerzte, die berufen sind, lege artis Schwanger¬ 
schaften ohne gesundheitliche Nachteile zu unterbrechen, gerade 
die besonders gefährdeten Tuberkulösen in die Netze der heim¬ 
lichen, kurpfuschenden oder berufsmäßigen Abtreibung zwingen, 
wo ihnen mit einem hohen Grad von Wahrscheinlichkeit direkte 
Gefahren für Leben und Gesundheit drohen. Das ist wieder 
die soziale Seite der Frage, besonders wichtig und schwierig 
durch die Komplikation der Schwangerschaft mit der Volks¬ 
krankheit Tuberkulose. Die Schwierigkeiten der Lösung sind 
die der Tuberkulosebehandlung bei Unbemittelten, sofern nicht 
Träger der sozialen Versicherung für die Kosten des Heilver¬ 
fahrens eintreten. 

Bei Schwangeren aus bemittelten und wohlhabenden 
Kreisen ist die Behandlung im Falle einer Tuberkulose unbe¬ 
schadet strengen Individualisierens nach folgenden Richtlinien 
möglich: Bei Tuberkulose verdacht werden Vorschriften gegeben, 



der Schwangerschaft und Fürsorge für tuberkulöse Schwangere* 295 

die das Kurleben der Patienten im Hause dem in einer Lungen- 
heilanstalt ähnlich gestalten: Regelung der Ernährung, Liege- 
und Bewegungskur, vorsichtige Wasserbehandlung, Teraperatur- 
und Gewichtskontrolle, Lungen- und Kehlkopfuntersuchungen 
in 2—3 wöchigen Abständen. Auch diagnostische Tuberkulin¬ 
einspritzungen können gemacht werden, wenn die Entscheidung 
drängt oder nicht anders möglich ist. Nichttuberkulöse oder 
tuberkuloseverdächtige Schwangere in eine Lungenheilanstalt 
zu schicken, wo sie als Prophylaktikerinnen unter Tuberkulösen 
behalten werden, ist ein Kunstfehler. Nur wenn das Vor¬ 
handensein einer beginnenden aktiven oder einer stationären 
Tuberkulose sich er gestellt ist, empfiehlt sich die Unter¬ 
bringung in einer Lungenheilanstalt und zwar möglichst schon 
für die erste Hälfte der Schwangerschaft, um durch die 
hygienisch-diätetisch-spezifischen Heilmittel die tuberkulöse Er¬ 
krankung zum sicheren Stillstand oder zur klinischen Rück¬ 
bildung zu bringen. Eine große Anzahl von Frauen kommt 
so ohne Verschlimmerung zum normalen Ende der Schwanger¬ 
schaft und zu gesundem Kinde. Den zweiten Teil der 
Schwangerschaft kann die in der Heilanstalt gesundheitlich 
erzogene Frau wieder zu Hause zubringen, vorausgesetzt, daß 
sich die Umwelt günstig gestalten und die Kontrolle durch 
einen Lungenarzt ermöglichen läßt. Die Leitung der Geburt 
und die Ueberwachung des Wochenbetts übernimmt der Haus¬ 
arzt oder ein Frauenarzt, falls nicht die Niederkunft in einer 
Fachklinik vorgezogen wird. In der Erlaubnis des Stillens 
wird man auch bei anscheinend klinisch Geheilten zurückhaltend 
sein müssen. Läßt sich trotz des Aufenthaltes in einer Heil¬ 
anstalt oder schon während der häuslichen Beobachtungszeit 
der Fortschritt des Tuberkuloseprozesses mit ungünstiger Rück¬ 
wirkung auf den Allgemeinzustand feststellen, dann wird die 
Schwangerschaft nach Beratung mit einem zweiten Arzt künst¬ 
lich unterbrochen und danach die Kur in der Lungenheilanstalt 
aufgenommen bzw. fortgesetzt. Bei vorgeschrittener Tuberkulose 
oder Komplikation mit Kehlkopferscheinungen empfiehlt sich 
vom humanen und praktischen Standpunkte aus die Aus¬ 
schaltung der Frau aus der ganzen Geburtstätigkeit mit mög¬ 
lichster Beschleunigung und unter Beobachtung der bewährten 
geburtshilflichen Grundsätze. Schließt sich daran die Anstalts¬ 
behandlung oder eine klimatische- oder ambulante-spezifische 
Kur, so kann es gelingen, die Mutter auf Jahre hinaus zu 
retten, vielleicht sogar zu heilen und für einen späteren Zeit¬ 
punkt konzeptions- und gebärfähig zu erhalten. Erscheint 
nach Ausbreitung oder Schwere der Erkrankung dieses Ziel von 
vornherein nicht erreichbar, so bleibt die Frage der Sterilisierung 
zu prüfen und gegebenenfalls zugleich mit dem künstlichen 
Abort auszuführen. 

Nicht anders sollten die tuberkulösen Schwangeren aus 
den unteren und weniger bemittelten Kreisen be¬ 
handelt werden und zwar ohne Unterschied, ob sie verheiratet 



296 Dr. Roepke: Kriminelle Prnchtabtreibung, künstliche Unterbrechung 

oder ledig sind. In Wirklichkeit liegen aber ihnen gegenüber 
die Verhältnisse noch so, daß für sie eine häusliche Beobachtung 
und Behandlung als unmöglich ausscheidet oder unzureichend 
bleibt und die Heilstättenbehandlung nicht immer erreichbar ist. 
Nach zwei Richtungen ist Abhilfe nötig, wenn wir in diesen Fällen 
der kriminellen Fruchtabtreibung aus sozialer Not Vorbeugen 
und soziale Indikationen zum künstlichen Abort nicht auf- 
kommen lassen wollen. 

Erstens: Die deutschen Volksheilstätten müssen genügend 
Betten für tuberkulöse Schwangere zur Verfügung halten und 
sie aufnehmen ohne Rücksicht auf Allgemein- und Schwanger¬ 
schaftszustand. Die Forderung ist schon wiederholt im Laufe 
des letzten Jahrzehnts erhoben, ohne der Lösung näher 
gekommen zu sein. Noch ist es so, daß tuberkulöse 
Schwangere überhaupt nicht oder nur für die 
ersten Schwangerschaftsmonate in die Heilstätte aufge¬ 
nommen und aus ihr entlassen werden, sobald gynäko¬ 
logische Hilfe nötig zu werden scheint. Darin liegt vielleicht 
eine Erklärung und zugleich der Wink, den unhaltbaren Zu¬ 
stand zu ändern. Wenn die deutsche Heilstätte, wie wohl 
heute feststeht, das wirksamste therapeutische Mittel 
im Kampfe gegen die Volkskrankheit Tuberkulose ist, dann 
muß sie auch denen zugute kommen, bei denen die Tuber¬ 
kulose meist gleichzeitig zwei Leben gefährdet. Es wird 
nur notwendig sein, daß die deutsche Frauenheilstätte mit Ein¬ 
richtungen, Räumen, Personal und ärztlicher Hilfe auf die 
gynäkologische Behandlung der tuberkulösen Frauen 
während Schwangerschaf t ? künstlicher oder normaler 
Entbindung und Wochenbett eingestellt wird. 

Zweitens: Die Ausnutzung der Lungenheilstätte für unbe¬ 
mittelte schwangere Tuberkulöse darf nicht an der Kosten¬ 
frage scheitern. Das ist aber der Fall bei den vielen ver¬ 
heirateten Frauen, die mittellos und nicht selbst ver¬ 
sichert sind. Es fehlt da der Träger der Kosten des Heil¬ 
verfahrens. Sofern die schwangeren Frauen selbst oder ihre 
Ehemänner Mitglieder von Krankenkassen sind, reichen deren 
Leistungen auch nicht aus, um die Kosten für Anstaltskuren 
bei lebensbedrohlichen Zuständen während der Schwangerschaft 
zu decken. 

Auch bei den reichsgesetzlich versicherten 
Frauen machen die Versicherüngsträger von der Bestimmung 
im § 1269 der Reichsversicherungsordnung, daß das Heilver¬ 
fahren für sie keine Pflicht darstellt, Gebrauch, wenn bei der 
Antragstellerin die Tuberkulose durch eine Schwangerschaft 
kompliziert ist. Es ist vom rein versicherungstechnischen 
Standpunkt zuzugeben, daß die Schwangerschaft die Aussichten 
des vorbeugenden wie des wiederherstellenden Heilverfahrens 
verschlechtert. Heute sollte aber das Gebot der sozialen 
Gerechtigkeit solche Kleinrechnerei überwinden, insbesondere 



der Schwangerschaft and Fürsorge für tuberkulöse Schwangere. 297 

auch dann und gerade dann, wenn die tuberkulöse Schwangere 
ledig ist. 

Es bleibt abzuwarten, ob unsere jetzt gesteigerten Be¬ 
strebungen gegen Fruchtabtreibung und für Geburtenvermehrung 
den Ausbau der Frauenheilstätten für tuberkulöse 
Schwangere der unbemittelten V olksschichten bringen, die Hilfs¬ 
mittel oder Zuschüsse zu den Kuren bereitstellen und für Versicherte 
die liberalste Gewährung des Heilverfahrens vor, während und nach 
der Schwangerschaft sichern werden. Der Wunsch nach durch¬ 
greifenden Maßnahmen ist um so berechtigter, als in der Regel 
ein wirklicher Erfolg zu erreichen sein wird: entweder eine 
Besserung bei der Tuberkulösen und die Stärkung ihrer Abwehr¬ 
stoffe gegen die Tuberkulose für Jahre hinaus oder ein lebens¬ 
fähiges und nach Absonderung gesund bleibendes neues 
Individuum oder gar beides, während ohne die Heilstättenkur 
die Frucht, meist sogar auf kriminellen Wege, verloren geht 
und die Kur für die Mutter später doch, nur mit inzwischen 
verschlechterten Aussichten notwendig wird. 

Es wäre eine neue Aufgabe für das Deutsche Zentral¬ 
komitee zur Bekämpfung der Tuberkulose, nach dem Kriege den 
Kampf gegen die Tuberkulose der schwangeren Frau zu organi¬ 
sieren und einzupassen in den Rahmen der großzügigen Bestre¬ 
bungen gegen einen weiteren Geburtenrückgang. M. E. würde es 
sich unschwer ermöglichen lassen, wenigstens in jeder Provinz 
eine Frauenheilstätte durch eineAbteilung auszubauen, die 
die heilstätten- und f rauen ärztliche Behandlung tuberkulöser 
Schwangerer übernimmt und durchführt. Es kämen für die 
Aufnahme in Frage: erstens die Schwangeren, bei denen be¬ 
gründeter Verdacht auf Tuberkulose vorliegt, damit die Diagnose 
sichergestellt und das Verhalten zur Schwangerschaft festgelegt 
wird; zweitens die Schwangeren mit beginnender Tuberkulose, 
um sie so günstig zu beeinflussen, daß die Schwangerschaft 
ohne Nachteil ausgetragen werden kann. Drittens würden hierher 
gehören solche Schwangere, bei denen der Lungenbefund den 
künstlichen Abort im Interesse der Mutter oder die künstliche 
Frühgeburt im Interesse des Kindes indiziert, sowie viertens die 
tuberkulösen Frauen, die über die besonderen Gefahren der Ent¬ 
bindung und des Wochenbetts hinweggebracht werden sollen und 
ihre Kinder in gesunder Umgebung aufziehen lassen wollen. 

Bei der Auswahl würden Flauen- oder auch Kinder¬ 
heilanstalten zu bevorzugen sein, deren leitenden Aerzte 
fähig und bereit sind, sich in der geburtshilflichen Technik 
durchzubilden. Die Anstalten müßten außerdem so gelegen 
sein, daß frauenärztliche Fachhilfe in regelmäßigen 
Zeitabständen und bei besonderen Gelegenheiten ohne Verzug 
möglich ist. So erscheint mir, um nur ein paar Beispiele anzu¬ 
führen, für die Provinz Westfalen die Frauenheilstätte Auguste 
Viktoria-Stift in Lippspringe für die Angliederung einer 
Schwangeren-Abteilung besonders geeignet, sowohl wegen ihrer 
Anlage, als auch wegen der leichten Erreichbarkeit des Fach- 



298 Dr. Boepke: Kriminelle Fruchtabtreibang, kfinstL Unterbrechung nsw. 

arztes der Hebammenlehranstalt in Paderborn. In der Provinz 
Hessen-Nassau würde die Frauenabteilung der Heilstätte in 
Oberkaufungen wegen der Nähe von Cassel in Frage kommen, 
für die Provinz Posen die Frauenheilstfttte in Mühlthal wegen 
der Nähe von Bromberg usf. 

Der Gedanke, besondere Heilstätten für tuberkulöse 
Schwangere neu zu errichten, verbietet sich schon mit Rück¬ 
sicht auf die dringlicheren Aufgaben, die nach dem Kriege zu 
lösen sein werden. Außerdem reichen in den Frauenheilstätten 
die Räume und Lagestellen für die oben angegebenen Zwecke 
aus, wenn jene Anstalten sich endlich nnd grundsätzlich ihrer 
nicht-tuberkulösen Klientel nach Sicherstellung der Diagnose 
entledigen wollten. Es kann noch immer der Vorwurf gegen 
Versicherungsträger und Heilstättenärzte erhoben werden, aafl 
gerade in den Frauenheilstätten ein erheblicher Prozentsatz 
— ich wage ihn auf 25 °/ 0 zu schätzen — überhaupt nicht 
tuberkulös, überhaupt nicht lungenkrank, überhaupt nicht 
anstaltsbehandlungsbedürftig istl Han muß als Kenner dieser 
Zustände Credd-HOrder unbedingt zustimmen, wenn er recht 
scharfe Worte findet darüber, daß soviele Nichttuberkulose 
grund- und zwecklos teure Heilstättenkuren monatelang genießen, 
während tuberkulöse Schwangere, gleichviel aus welchen Gründen, 
draußen bleiben müssen. Auch allgemein-hygienische und 
prophylaktische Gesichtspunkte, wie vor allem die Ausschaltung 
der Ansteckungsquelle für die Familie und die Kleinkinderwelt 
sollten eine Aenderung herbeiführen. 

Wahrscheinlich bringt der Weltkrieg ein solches An¬ 
schwellen behandlungsbedürftiger Tuberkulosefälle, daß die 
Lungenheilstätten sich auf ihre eigentliche Bestimmung, Mittel¬ 
punkte der therapeutischen Tuberkulosebekämpfung zu sein, 
besinnen müssen. Es wäre ein Segen, von dem in den Frauen¬ 
heilstätten die tuberkulösen Sohwangeren den Nutzen haben 
sollten. 

Bei der Beseitigung von Mißständen, die sich wie die 
Fruchtabtreibung im Volke festgesetzt haben, ist mit Ver- und 
Geboten allein nichts getan. Werden aber Heilstättenbetten 
für tuberkulöse Schwangere ohne Einschränkung durch das 
Stadium der Erkrankung und der Schwangerschaft bereitgestellt 
und solche Heilstättenkuren für Versicherte und Nichtver- 
sicherte, Ledige und Verheiratete ermöglicht, dann haben wir 
das Mittel, die durch Tuberkulose bedingte Fruchtabtreibung, 
soweit sie kriminell ist, zu bekämpfen und in die gesundheitlich 
richtigen engen Bahnen zu lenken, soweit sie ärztlich geboten 
ist. Die Zusammenhänge dieser Aufgaben mit den Macht- und. 
Kulturproblemen unseres Volkes sind durch den Weltkrieg nur 
offenbarer geworden. Die deutschen Aerzte werden auch an 
dieser Friedensarbeit hervorragenden Anteil nehmen, jeder an 
seinem Platze und nach seinen Kräften! 



Bericht über die Tagung der Deutschen Vereinigung für Krttppelfürsorge. 299 


Aus Versammlungen und Vereinen. 

Bericht über die ausserordentliche Tagung der Deutschen 
Yerelnigung für Krüppel!firsorge in Berlin (Beiehstags- 
gebftude) am 7. Februar 1916. 

(Ergänzungsheft der Zeitschrift für Erüppelfürsorge; Nr. 1. Leipzig 1916. 
Verlag von Leopold Voss. 8 # , 198 S. Preis: 3,20 M., für Mitglieder der 

Vereinigung: 2,60 M.) 

a. Vormlttagssitzung. 

Die außerordentlich zahlreich besuchte Versammlung, an der in Vertretung 
Ihrer Majestät der Kaiserin Ihre Kaiserliche und Königliche Hoheit die 
Frau Kronprinzessin Cecilie, sowie als Mitglied des österreichischen 
Kaiserhofes Seine Kaiserliche und Königliche Hoheit der Erzherzog Karl 
Steph an teiln&hmen, wurde von dem Vorsitzenden der Vereinigung, Wirkl. Geh. 
Ober-Med.- Bat Dr. Dietrich - Berlin, eröffnet. In seiner Begrüßungsansprache 

S tb er einen kurzen Ueberblick über die bisherige KriegsinvalidenfUrsorge, 
re Organisation in den einzelnen Bundesstaaten und ihre Leistungen. Danach sind 
in allen Bundesstaaten Landesausschüsse gebildet, in den größeren außerdem 
Provinzial-, Bezirks- und Kreisausschüsse; die Landesausschüsse haben sich 
wieder in einem Beichsausschuß vereinigt, der die Verbindung zwischen ihnen 
aufrecht erhält und die vielen gemeinsamen Fragen grundsätzlicher Art ver¬ 
handelt. Einen wichtigen Faktor bei der Kriegsinvalidenfürsorge bilden L a z a - 
rettberatung und Lazarettunterricht; sie sind gleichsam die Grund¬ 
lage der Fürsorge, die weiterhin in Berufsberatung, Berufsausbildung und Arbeits¬ 
vermittlung, wenn erforderlich auch in der Herbeiführung einer weiteren Heil¬ 
behandlung bestehen soll. Wenn sich seit der vor Jahresfrist abgehaltenen 
außerordentlichen Tagung der Vereinigung die Einrichtungen und Organisationen 
der bürgerlichen Kriegsinvalidenfürsorge so schnell und erfolgreich entwickelt 
hätten, so sei dies vor allem dem verständnisvollen Zusammenwirken aller 
amtlichen staatlichen und kommunalen Behörden, Berufs- und Wohlfahrts- 
Vereinigungen usw. zu verdanken. Bedner spricht diesen dafür den wärmsten 
Dank aus, heißt die erschienenen Vertreter der Beichsverwaltung und Bundes¬ 
regierung, des Heeres und der Marine, der einzelnen Landesregierungen, Beichs- 
und Landesversicherungsanstalten, Gemeindebehörden, Beruisverbände, Wohl¬ 
tätigkeitsvereine usw. herzlich willkommen mit dem Wunsche, daß Ihr zahl¬ 
reiches Erscheinen eine gute Vorbedeutung für den Verlauf und Erfolg der 
Verhandlungen sein möge. 

Es wird dann sofort in die Tagesordnung eingetreten: 

1. Ein Jahr Krttppelfürsorge mit besonderer Berücksichtigung der 
ärztlichen Tätigkeit. Berichterstatter Prof. Dr. Biesalski - Berlin: Im letzten 
Jahre hat sich ein vollständiges Umlernen in der Beratung der Kriegsbeschädig¬ 
ten bis in die breitesten Volksschichten vollzogen. Die frühere sentimentale 
Auffassung, der Schwerverletzte sei nur ein Gegenstand des Mitleides und 
müsse infolgedessen befreit von aller Arbeit und Beschäftigung nur mit Liebe 
und Pflege umgeben werden, ist erfreulicherweise von Grund aus beseitigt und 
an ihre Stelle eine andere zeitgemäßere und erfreuliche Auffassung eingetreten, 
in der aber sehr viel mehr tatsächliche Fürsorge und Liebe steckt, als in jener 
alten. Niemand spricht jetzt mehr von dem einäugigen Leierkastenmann oder 
dem einbeinigen Hausierer, niemand verlangt Versorgungsheime für Verstümmelte, 
sondern ein jeder weiß jetzt, daß auch ein schwerverletzter Krieger nicht 
immer nötig hat, seinen Beruf zu wechseln, sondern daß er auch weiter in 
diesem tätig sein kann und daß namentlich aus dem landwirtschaftlichen kaum 
ein einziger Mann fortzubleiben braucht. Deshalb sind auch die überall in großem 
Umfange eingesetzten Siedlungsbestrebungen für die weitere Versorgung 
der Kriegsbeschädigten von großer Wichtigkeit; sie bilden ein äußerst wert¬ 
volles Mittel gegen die Landflucht und werden dazu beitragen, daß wieder 
größere Teile unseres Volkes zu ruhigerer Lebensweise und einfacheren Sitten 
zurückkehren. Wichtig ist ferner die Erkenntnis, daß Krüppeltum nicht zur Arbeit 
unfähig macht, sondern daß auch der Schwerverletzte zu arbeiten 
vermag, wenn er nur den „Willen“ dazu hat Er gehört nicht mehr ins 
Feierabendhaus oder in den Sorgenstuhl, sondern muß es als Beine Ehrenpflicht 



300 


Bericht ober die anfierordentliche Tagung 


betrachten, daß er für sich, seine Angehörigen and das ganze Volk arbeitet. 
Daß dazu aber fast alle Kriegsbeschädigten mit ganz wenigen Aasnahmen fähig 
sind, verdanken wir den vorzüglichen Heilerfolgen der ärztlichen 
Kan st wie den großen Fortschritten aaf dem Gebiete der Prothesen, wo 
Aerzte, Bandagisten and Techniker einmütig Zusammenarbeiten. Die Vor¬ 
bedingung für die Erfolge der Kriegsbeschädigtenfürsorge ist eine den wechseln¬ 
den Anforderungen der Arbeit lebendig angepaßte organische Einheit¬ 
lichkeit in der Zusammenfassung aller mitarbeitenden 
Kräfte; gerade die deutsche Kriegsbeschädigtenfürsorge ist aber im Gegen¬ 
satz zu derjenigen im feindlichen Ausland einheitlich und folgerichtig auf 
Grund bewährter Erfahrungen aufgebaut und erstreckt sich mit der gleichen 
Liebe und Sorgfalt auf alle Kriegsbeschädigten ohne Unterschied, ob ge¬ 
meiner Soldat oder Offizier, ob einfacher Mann oder Akademiker usw. Alle 
Teile unseres Volkes wirken gemeinsam auf das eine Ziel hin, für die wirt- 
scbaftliche Sicherstellung der Kriegsbeschädigten alle erforder¬ 
lichen Grundlagen zu schaffen, um sie wieder voll erwerbsfähig za machen and 
sie wenn irgend möglich wieder an ihre alte Arbeitsstelle za bringen. Ist dieses 
Ziel erreicht, dann wird unser Volk den letzten Sieg erfochten and sich freie 
Bahn für die angehemmte Weiterentwicklung auf geistigem wie wirtschaft¬ 
lichem Gebiete errangen haben. 

2. Die stationären and ambulanten Fürsorgeeinrichtangen für Kriegs¬ 
beschädigte in Deutschland. Berichterstatter: GeneralarztDr.Schultxen-BerUn: 
Erhaltung und Förderung der Schlagfertigkeit unseres Heeres 
durch Fernhaltung von Krankheiten und Seuchen, durch schnellste Wieder¬ 
herstellung Verwundeter und Kranker, sowie Erhaltung und Förderung 
der Opfer des Krieges, die Sorge für ihre körperliche, seelische and 
soziale Heilung und Gesundung bilden die berechtigsten und vornehmsten Auf¬ 
gaben des Militärsanitätsdienstes. Dauernde Schädigungen durch Krankheiten 
treten in diesem Kriege vollkommen zurück hinter denjenigen durch Verwun¬ 
dungen und Verletzungen mit ihren Folgen. Die rein körperliche Heilung 
der Verletzten ist lediglich Sache der Aerzte und ihres Hilfspersonals, denen 
dazu in den Lazaretten und Heilanstalten alle Mittel der modernen Wissen¬ 
schaft zu Gebote stehen. Aber aach ihre seelische Heilung ist in die Hand 
des Arztes gelegt; denn nur er kennt die seelischen Folgewirkungen der Ver¬ 
letzung. Sehr wertvoll ist jedoch hierbei eine verständnisvolle Untersützung 
durch ein gut angeleitetes Pflegepersonal, durch die Angehörigen und sonstige 
Personen, die sich der Kriegsbeschädigtenfürsorge widmen. Diese ganze ärzt¬ 
liche Betätigung erfordert außerordentlich viel Geschick, Ausdauer, Langmut und 
Hingabe; sie muß vor allem das Ziel im Auge haben, neben der körperlichen und 
seelischen Gesundung auch eine soziale ETstarkung und Gesundung 
des Verletzten zu erreichen. Jeder Verwundete muß die Ueberzeugung haben, 
daß ärztliche Wissenschaft und Kunst sowie Technik und Nächstenliebe das 
Möglichste tun, um ihn wieder hoch zu bringen; er soll aber davon durch¬ 
drungen sein, daß er selbst den festen Willen zur Arbeit, Gesundung und 
Erwerbsbetätigung haben muß. Deshalb muß ihm von vornherein klar gemacht 
werden, daß Arbeite- und Erwerbsfähigkeit ein viel höheres Gut für ihn 
sind als eine Rente; dadurch wird auch die sich sonst leicht und epidemisch ein¬ 
stellende Rentensacht vermieden. Am sichersten erreichen wir die soziale 
Gesundung durch frühzeitige Bcschäftigungund frühzeitige Gewöhnung 
an die Arbeit; Langeweile und Müßiggang sind die größten Feinde dieser Ge¬ 
sundung. Wenn sich auch in jedem Lazarett und Krankenhause genügend 
Gelegenheit zu ernster Arbeit findet, so ist doch erforderlich, über diese Gelegen¬ 
heit hinaus Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen, die aber nicht in das 
Belieben der Kriegsbeschädigten gestellt, sondern nach Verordnung Und 
unter Leitung der Aerzte in straffer Zucht ausgeübt werden müssen. 
50 Lazarette sind deshalb bereits mit großen Werkstätten für die verschie¬ 
densten Handwerke, 80 mit kleineren Werkstätten versehen und bei 30 Lazaretten 
besondero Möglichkeiten zu landwirtschaftlicher Arbeit und Betätigung ge¬ 
schaffen; weiterhin ist der Militärverwaltung in dieser Hinsicht die Unter¬ 
stützung der Behörden, Gemeinden, Fachschulen, Industrie usw. in reichem 
Maße zuteil geworden. Große Erfolge sind auch bei verschiedenen Armeekorps 
dadurch erzielt, daß Verletzte im Industriebetriebe zur Ausbildung abgeordnet 



der Deutschen Vereinigung für Krüppelfürsorge in Berlin. 301 

sind. Nach den bisherigen Erfahrungen ist für eine derartige Arbeits- 
fürsorge und Arbeitserziehung ein dezentralisierendes Verfahren zu empfehlen, 
da es eine weitgehende Anpassung je nach den Örtlichen Verhältnissen ge¬ 
stattet. Jedenfalls ist die Arbeitstherapie ein außerordentlich wichtiger un¬ 
entbehrlicher Heilfaktor für die Verwundetenfürsorge; sie muß deshalb immer 
mehr ausgedehnt und ausgebaut werden, damit sie jedem Willigen teilhaftig 
werden kann. 

3. Anlage und Organisation von Inralldensohvlen. Oberstabsarzt Prof. 
Dr. Spitzj -Wien berichtet über das im Januar 1915 in Wien errichtete ortho¬ 
pädische Spital, das jetzt 3000 Betten in 42 Baracken umfaßt, mit allen 
medizinischen und orthopädischen Einrichtungen ausgerüstet und vorbildlich für 
das ganze Land ist. Dieser medizinischen Zentrale ist eine pädagogische ange¬ 
gliedert, in der Werkstätten für 35 gewerbliche Betriebe, vorzugsweise für den 
kleinen Mann geeignet, angereiht sind. Die hier ausgebildeten Kriegsverletzten 
werden später von den verschiedenen Betrieben, die ein Auskommen gewähren, 
übernommen. So wird die Arbeitsleistung und Arbeitsausbildung bis ins einzelne 
durchgeführt. Zur Lösung der einzelnen Fürsorgeanfgaben ist die Invaliden¬ 
schule in eine ärztliche, technische, Verwaltungs- und Arbeits¬ 
vermittlung-Abteilung ausgebaut, die alle vier von einem Zentralbureau 
geleitet werden, während für jede Abteilung ein besonderer fachmännischer Leiter 
vorgesehen ist. Die Invalidenschule ist noch mit einer Prothesenfabrik, in 
der 300 Mann beschäftigt werden, verbunden, an die wieder eine Lehr¬ 
werkstätte angegliedert ist Hier wird an der Normalisierung von Prothesen¬ 
teilen gearbeitet; außerdem soll hier jeder Invalide die Ausbesserung seiner 
Prothese lernen. In der Invalidenschule ist somit ein weitverzweigter Schul- 
und Arbeitsbetrieb ausgebildet, der alle Bedürfnisse der Ausbildung und des 
Erwerbs berücksichtigt. Die Invalidenschule soll auch im Frieden ihre Tätig¬ 
keit fortsetzen, um ihre reichen Erfahrungen und zweckmäßigen Einrichtungen 
für Unfallverletzte und verkrüppelte Kinder nutzbar zu machen. 

4. Organisation der Institution des Künigl. Ungarischen Kriegs- 
invalidenamtes. Generalstabsarzt Prof. Dr. Dillinger-Budapest: In Ungarn 
sind bis jetzt 42642 Kriegsinvaliden festgestellt, für die eine staatliche Für¬ 
sorge einzutreten hat. Um diese in wirksamer Weise durchzuführen, ist eine 
Zentral-Landesinvalidenamtstelle eingerichtet, der die Militärbehörden sämt¬ 
liche Kriegsinvaliden mitzuteilen haben nnd die diese wiederum nach ihren 
verschiedenen Leiden den entsprechenden Spezialanstalten zuweist. Die Für¬ 
sorge umfaßt auch hier drei Hauptgruppen: ärztliche Behandlung, Ausbildung 
und Schulung sowie Arbeitsvermittlung. Für die ärztliche Nachbehandlung 
stehen in verschiedenen Landesteilen 10960 Betten (4600 für innere und 6860 
für äußere Kranke) zur Verfügung. Eine eigene Prothesenfabrik mit 130 Arbeitern, 
die an ein für 500 Ausgebildete bestimmtes Sammelspital angegliedert ist, 
stellt die Ersatzglieder her; sie liefert wöchentlich 100 Prothesen. Außerdem 
sind besondere Fachschulenv orgesehen; in der größten davon können 700 Invalide 
ausgebildet werden. Für die Unheilbaren und diejenigen, die wegen ihrer 
schweren Gebrechen dauernde ärztliche Behandlung fordern, sollen eigene 
Invalidenhäuser errichtet werden. Invalide, die jede Ausbildung ablehnen, 
unterliegen der Beurteilung durch eine besondere Prüfungskommission, die sie 
auf Grund des festgestellten Untersuchungsergebnisses im Falle der Aus¬ 
bildungsfähigkeit einer Invalidenschule oder Nachbehandlungsanstalt überweist 
oder bei weiterem ablehnenden Verhalten Entziehung der Rente beantragt. 

5. Die FriedenskrUppelhelme als Grundlage für die gleichartige 
Fürsorge der Kriegsverletzten. Der Berichterstatter Pastor Hoppe-Nowawes 
gibt zunächst einen kurzen geschichtlichen Ueberblick über die Entwicklung 
der Krüppelfürsorge im Frieden, die besonders von der inneren Mission der 
evangelischen Kreise gefördert ist. Im Deutschen Reiche sind jetzt 53 Krüppel¬ 
heime mit 5239 Betten und 215 Werkstätten für 51 verschiedene Berufe vor¬ 
handen. Für die kriegsbeschädigten Soldaten könne gar nicht besser gesorgt 
werden, als es in diesen schon bestehenden Anstalten möglich ist, die mit 
Klinik, Schule, Handwerksstätten verbunden, sowie mit allen erforderlichen 
Einrichtungen ausgestattet sind und außerdem auch für Unterbringung in 
einem geeigneten Berufe sorgen, kurz und gut, alles das leisten, was auch von 



802 Bericht über die Tagung der Deutschen Vereinigung für Krüppel!ttrsorge. 


der Kriegsbeschädlgtenfürsorpe angestrebt wird. Auffallender Weise werden 
aber bisher diese Krüppelheime weder von der Militärverwaltung, noch vom 
Beichsausschuß, noch vom Boten Kreuz im wünschenswerten Maße ausgenutzt; 
hoffentlich trete in dieser Beziehung recht bald ein im Interesse unser Kriegs¬ 
beschädigten wünschenswerter Wandel ein. 

6. Lazarettschule und bürgerliche Kriegsbesch&dfgtenfürsorge. Bericht¬ 
erstatter Landesrat Dr. Horlon: Eine außerordentliche Unterstützung findet die 
bürgerliche Kriegsbeschädigtenfürsorge durch die Lazarettschulen und Lazarett¬ 
werkstätten ; sie hat an diese jedoch drei Forderungen zu stellen: Die Tätigkeit 
der darf keine spielende, lediglich die Langeweile tütende Beschäftigung mit 
kleinen Handfertigkeiten darstellen, sondern es muß, soweit es der Gesundheits¬ 
zustand des Verletzten gestattet, anstrengende, praktische Arbeit, womöglich 
in dessen Beruf geleistet werden. Es muß weiterhin den Kriegsbeschädigten 
der möglichst vollkommene Gebrauch seiner beschädigten Glieder oder seiner 
Ersatzglieder gelehrt und dieser endlich auf den von ihm mit Rücksicht auf 
seine Beschädigung künftighin zu ergreifenden Beruf vorbereitet und ihm eine 
etwaige Umbildung oder Neuausbildung verschafft werden. Sobald der Ver¬ 
letzte geheilt und den Gebrauch der verstümmelten Glieder erlernt hat, empfiehlt 
es sich aber, ihn nach Hanse zu entlassen; denn bei den in die Heimat ent¬ 
lassenen Kriegsbeschädigten ist die Arbeitsfähigkeit und Arbeitslust viel größer 
und die Rentensucht viel geringer als bei den im Lazarett verbleibenden. 
Nach dem Ergebnis einer Umfrage bei sämtlichen Ortsausschüssen für Kriegs¬ 
beschädigtenfürsorge in der Rheinprovinz, die sich auf 17 000 Kriegsbeschädigte 
erstreckt, ist z. B. die in den Lazaretten so gefürchtete Rentensucht im 
praktischen Leben bei den äußerlich Verstümmelten und Beschädigten fast 
unbekannt. Anderseits darf man aber auch die Arbeitsfähigkeit der Kriegs¬ 
beschädigten nicht überschätzen; desgleichen muß man sich hüten, sie für 
einen Beruf auszubilden, der späterhin keinen lohnenden Erwerb gibt; was 
z. B. häufig bei Stenographie und Maschinenschreiben der Fall ist. Etwaige 
Mißgriffe in dieser Hinsicht werden am besten durch Zusammenarbeiten der 
Lazarettschulen mit der bürgerlichen Fürsorgetätigkeit vermieden; dieses 
Zusammenarbeiten wird auch zur Klärung mancher noch zweifelhaften Fragen 
auf diesem Gebiete führen, die im Interesse der Kriegsbeschädigten selbst sehr 
erwünscht ist. 

Aussprache: 

Freifrau von Blsslng. Exzellenz, tritt warm für die Mitarbeit der Frauen 
bei der Kriegsbeschädigtenfürsorge ein und bittet, daß die Chefärzte diesen 
bei ihrer Arbeit mehr als bisher entgegenkommen. Ohne ihre Unterstützung 
sei auch keine richtige und zweckmäßige Fürsorge in der Familie nach der 
Entlassung der Verletzten möglich. Die Arbeit der Lazarettfürsorge und 
Familienfürsorge müsse Hand in Hand gehen. 

Prof. Dr. Wullsteln-Bochum: Neben den Krüppelheilanstalten sind auch 
die großen Unfallkrankenhäuser berufen, bei der Kriegsbeschädigtenfürsorge mit¬ 
zuwirken. Die Schwierigkeiten der Arbeitsausbildung sind ebenso wie der Ersatz 
durch künstliche Glieder bei den ungelernten landwirtschaftlichen Arbeitern 
nicht so schwierig wie bei den ungelernten Industriearbeitern; außerdem ist 
bei der Arbeitsausbildung die provinzielle Eigenart zu berücksichtigen. Vor 
allem müssen die Ausbildungsschulen und -Anstalten eine große Zahl von 
Berufsausbildungsmöglichkeiten bieten, damit der Verletzte möglichst freie 
Wahl für seinen künftigen Beruf hat; deshalb ist auch Ausbildungsmöglichkeit 
für sitzende oder halbsitzende Berufe zu schaffen, die sich namentlich für 
Beinamputierte empfehlen. 

Stabsarzt Dr. Silberstein-Nürnberg betont, daß sich die Sorge um die 
Kriegsbeschädigten nicht von der um die im Berufsleben Geschädigten trennen 
läßt; das geschieht aber am besten in Anstalten,, deren Betrieb und Unter¬ 
haltung unabhängig vom Zeitpunkt des Friedensschlusses ist. Krüppelfürsorge 
und Kriegsbeschädigtenfürsorge lassen sich nach einheitlichen Gesichtspunkten 
regeln; deshalb können auch Krüppel und Kriegsbeschädigte in entsprechend 
eingerichteten gemeinsamen Anstalten behandelt werden. Damit diese Anstalten, 
die einen nicht unerheblichen Kostenaufwand fordern, allen Anforderungen 
genügen, sollten alle beteiligten; Kreise (Deutsche Vereinigung für Krüppel- 



Kleinere Mitteilungen and Referate atu Zeitschriften. 


808 


fürsorge, Venricherungsanstaiten, staatliche und freiwillige Organe der Kriegs- 
beeohädigtenfürsorge) die Lasten nach Maßgabe der jeweiligen Inanspruchnahme 
gemeinsam tragen. 

Assistenzarzt Dr. Hecht*Wien spricht über die Errichtung und 
Organisation von typischen, mechanotherapeutischen Stationen für 
chirurgische SpitUer und empfiehlt die Errichtung zahlreicher kleinerer und 
mittelgroßer derartiger Stationen in Verbindung mit bestehenden Heilanstalten, 
damit hier gleich die physikalisch-therapeutische Nachbehandlung in unmittel¬ 
baren Anschluß an die Wundheilung beginnen kann. Die dadurch entstehenden 
Kosten seien geringer als bei großen Zentralanstalten, da die kleinen Anstalten 
einfacher ausgestattet sein konnten; an Apparaten genüge z. B. im allgemeinen 
der Universal-Handelapparat. 

Stabsarzt Dr. W. Hartwich •Paderborn, beauftragt mit der Geschäfts¬ 
führung des Ausschusses der Kriegsinvalidenffirsorge im Kreise Paderborn, 
berichtet über seine dort gemachten Erfahrungen auf dem Gebiete der Arbeits¬ 
heilbehandlung und ist der Ansicht, daß sich eine solche mit Leichtigkeit auch 
in den kleinen Lazaretten durchführen läßt. 

L. Gernegroß-Frankfurt hat einen längeren schriftlichen Bericht über 
die Tätigkeit des Vereins für Krüppelfürsorge in Frankfurt a. M. eingesandt, 
aus dem hervorgeht, daß neben dem Heilverfahren in Verbindung mit dem 
Arzte eine frühzeitige und sachverständige Beratung der Kriegsbeschädigten 
durch geeignete Berater eingerichtet ist; dadurch wird eine alsbaldige Heran¬ 
ziehung der Invaliden zur Arbeit und eine sorgfältige, nicht schablonenhafte 
Berufsausbildung ermöglicht. (Schluß der Vormittagssitzung.) 

(Schluß folgt.) Bpd. 

Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 

A. Geriohtliohe Medizin. 

Die Fluoreszenz der Hftmogloblnderivate und ihre Bedeutung für 
den forensischen Blutnachweis. Von Robert Heller. Aus dem gerichtlich¬ 
medizinischen Institut der Universität Zürich; Direktor: Prof. Dr. Zangger. 
Vierteljahmchrift für gerichtliche Medizin und öffentliches Sanitätswesen. 
Dritte Folge, 51. Bd., 2. H.; Jahrg. 1916, 2. Heft. 

Um die Fluoreszenz der gerichtlich-medizinischen Methodik des Blut- 
naehweises nutzbar zu machen, hat Verfasser versucht, Blut durch verschiedene 
Mittel zur Lichtaussendang anzuregen. Er kam bei Versuchen bald zu dem 
Ergebnis, daß dazu nur die Hämoglobinderivate und zwar hauptsächlich das 
Hfanatoporphyrin geeignet seien. Bekanntlich hat sich die durch Struwe, 
Kratter und Hammerl in die gerichtlich-medizinische Technik des Blut¬ 
nachweises eingesetzte spektrale Hämatoporphyrinprobe sehr gut bewährt; die 
kombinierte Hämochromogen-Hämatoprophyrinprobe wird allgemein als sicherstes 
Verfahren für den Blutnachweis angesehen. Eine praktische Verwertung der 
Fluoreszenz dieses Blutderivats ist dagegen bisher noch nicht erfolgt; sie wird 
auch nur bei Verwendung von ultraviolettem Lichte hervorgerufen, unter dessen 
Einwirkung das Hämatoporphyrin sichtbares Licht aussendet. Verfasser hat 
diese von mm entdeckte neue optische Methode des forensischen Blutnachweises 
weiter ausgfebaut und festgestellt, daß sie außerordentlich empfindlich und 
deshalb in gerichtlich-medizinischer Hinsicht von großem Wert ist. Bei ihrer 
Verwertung sind folgende Gesichtspunkte zu beachten: 

Der mikroskopische Nachweis der Fluoreszenz des Hämotoporphyrins bei 
Benutzung des Tageslichts ist beschränkt auf Lösungen des Farbstoffes. 

Blut leuchtet im ultravioletten Lichte nicht; erst wenn durch Einwirkung 
geeigneter Reagentien Hämatoporphyrin gebildet ist, beginnt es intensiv zu 
fluoreszieren. Da auch die gewöhnlichen Eisenverbindungen nicht fluoreszieren, 
so liegt in dieser Reaktion nicht nur ein zuverlässiges Erkennungsmittel für 
Blutflecken, sondern auch ein scharfes Unterschiedsmerkmal zwischen diese 
und Rostflecken. Das alkalische Hämatoporphyrin zeigt bei Bestrahlung mit 
ultraviolettem Lichte eine karmoisinrote, das saure Hämatoporphyrin eine 
orangerote Fluoreszenz von großer Stärke. Die Methode hat weiterhin den 
großen Vorzug, daß sie selbst bei ganz unbedeutenden, nur der mikroskopischen 



804 


Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


Betrachtung zugänglichen Spuren verwendbar ist. Sie kann außerdem an dem 
gleichen Materiale wie die spektrale Hämatoprophyrinprobe vongen ornmea 
werden, besitzt aber dieser gegenüber den Vorzug, daß sie auch.im auffallenden 
Lichte, also bei undurchsichtigen Proben stattfinden kann, während die 
spektroskopische Untersuchung durchfallendes Licht erfordert. Dieser Vorzag 
befähigt die Methode der Fluoreszenz mittels ultravioletten Lichtes in hervor* 
ragender Weise zum Nachweis von Hämatoprophyrin in Organproben; auch 
kann sie dazu dienen, das Alter von Blutteilen und Blutaustritten sowohl-an 
Leichen, wie am Lebenden festzustellen. Bei der technischen Ausführung der 
neuen Methode bedient man sich mit Vorteil der Einschaltung geeigneter 
Strahlenfilter, die die sichtbaren Strahlen absondern, dagegen die ultravioletten 
in genügendem Maße durchlassen wie z. B. das Wood sehe Filter in der 
Lehmannschen Anordnung („U.V.-Filter lampe). Bpd. 

B. Baohvernt&ndigent&tlgkeit in Unfall- and Invalidität»- and 
Krankenverslohernngasaohen. 

Ein Rechtsanspruch des Versicherten auf Gewährung eines Kranken- 
kassenznschnsses für größere Heilmittel besteht nicht. Urteil des 
Beichsversicherungsamtes vom 11. Januar 1915. 

Nach § 193 B.V.O. kann eine Krankenkassensatzung mit Zustimmung 
des Oberversicberangsamts für kleinere Heilmittel einen Höchstbetrag festsetzen, 
auch bestimmen, daß die Kasse bis zu dieser Höhe einen Zuschuß für größere 
Heilmittel gewähren darf. Anf diese Bestimmung stützte sich die Klage eines 
Krankenkassenmitgliedes, das sich einen Oberkieferzahnersatz beschafft 
hatte, gegen seine Kasse unter Hinweis auf deren Satzung, nach der sie ihren 
Mitgliedern für größere Heilmittel einen Zuschuß bis zur Höhe von 15 M. 
gewähren dürfe. Die in Anspruch genommene Kasse verweigerte den Zuschuß 
mit Bücksicht auf ihre ungünstige Vermögenslage. DaB Reichsversiche¬ 
rungsamt entschied dabin, daß ein klagbarer Anspruch auf eine solche Zu- 
buße nicht bestehe und führte dazu folgendes aus: 

Bichtig ist, daß die Qewährung eines Zuschusses i. S. des § 26 Nr. 1 
Satz 2 der Kassensatzung eine Mehrleistung ist; denn sie gehört nicht zft 
den im § 179 Abs. 1 B.V.O. vorgeschriebenen Begelleistungen und anch nicht 
za den Ersatzleistungen, da sie nicht an die Stelle einer in erster Linie zu 
gewährenden Leistung tritt. Daraus folgt jedoch nicht, daß die Klägerin einen 
Rechtsanspruch auf Zahlung des Zuschusses hat. Allerdings darf die GBe¬ 
währung der satzungsmäßig bestimmten Mehrleistungen grundsätzlich nicht 
dem Ermessen des Kassenvoratandes überlassen werden; die Versicherten haben 
vielmehr regelmäßig einen Anspruch anf diese Leistungen, wenn die gesetz¬ 
lichen and satzungsmäßigen Voraussetzungen vorliegen. Indessen läßt das 
Gesetz Ausnahmen zu. So schreibt § 187 Nr. 2 R.V.O. vor, daß die Kassen- 
satzung eine gewisse Fürsorge für Genesende „gestatten“ kann. - Die Ge¬ 
währung dieser Fürsorge ist somit, falls sie in der Satzung vorgesehen ist, 
dem Ermessen des Vorstandes überlassen. Eine weitere Ausnahme enthält dife 
Vorschrift des § 193 Abs. 1 a. a. 0., soweit sie die Gewährung eines Zuschusses 
für größere Heilmittel betrifft. Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut der 
Vorschrift, wonach die Satzung bestimmen kann, daß die Kasse dÄ» Zuschuß 
gewähren „d a r f“. Hätte der Gesetzgeber denVersicherten einen Rechts¬ 
anspruch auf die Gewährung des Zuschusses einräumen wollen,'so hätte-er 
wohl eine andere and deutlichere Fassung gewählt. Insbesondere hätte ee 
nahe gelegen, ebenso wie in § 193 Abs. 2 und 3 a. a. 0. sowie in sonstigen Vor¬ 
schriften die Wendung „die Satzung kann zubilligen“ zu • gebrauchen. Anch 
die Begründung zum Entwürfe der R.V.O. spricht nicht gegen die. hier ver¬ 
tretene Ansicht. Dort ist ausgeführt, es sei für den Versicherten oft hart, daß 
er deshalb überhaupt keine Beihilfe für ein Heilmittel erhalte, weil deaeen 
Kosten über die eines „kleineren“ Heilmittels hinausgingen. Ihm werde unter 
Umständen sehr wesentlich damit gedient sein, wenn die Kasse ihm für das 
teuere Heilmittel so viel zuschieße, als sie für ein billigeres selbst hätte anft- 
geben dürfen. Diese Bemerkungen bieten keinen Anhalt für die.Annahme, daß 
dem Versicherten ein Rechtsanspruch auf die Gewährung des Zuschusses ein- 
geräumt werden sollte. . • 

(Sächsische Korrespondenz; Nachdruck nur mit deren Genehmigung gestattet.) 



Kleinere Mitteilungen und Bef ernte ans Zeitschriften. 805 

Die Ergebnisse der reichsgesetzltchen Unfallversicherung. Amtliche 
Nachrichten des Reichs-Versicherungsamts; 1916, Nr. 2. 

Nach dem vom Reichsversicherungsamt angestellten Nachweis der ge¬ 
samten Rechnungsergebnisse für das Jahr 1914 amfaßte die Unfallver¬ 
sicherung 117 Berufsgenossenschaften (68 gewerbliche und 49 landwirtschaft¬ 
liche), 663 Ausführungsbehörden (191 staatliche und 372 gemeindliche) und 
14 • Zweiganstalten, eine Tiefbau-Berufsgenossenschaft und eine ßee-Berufs- 
genossenschaft. Die Zahl der Versicherten betrug 27964684 Personen; davon 
entfielen 10236331 auf die gewerblichen, 17686987 auf die landwirtschaft¬ 
lichen Berufsgenossenschaften und 96206. auf die See-Berofsgenossenschaft. 

An Entschädig.ungsbetragen (ohne die Kosten der Fürsorge für 
Verletzte innerhalb der gesetzlichen Wartezeit) haben die Verletzten und 
deren Angehörige im Jahre 1914 von den Berufsgeüossenschaften 161476 266,36 M. 
(gegen 159019132,93 M. im Vorjahre), von den Ausführungsbehörden 14633074,60 
Mark (gegen 14414376,74 M..im Vorjahr), von den Zweiganstalten der Baa- 
gewerks-Berafsgenossenschaften, der. Tiefbau- und der See-Berufsgenossenschaft 
1779 432,68 M. (gegen 1917 256,43 M. im Vorjahr) zusammenl77 788 763,68 X. 
(gegen 176360766,10 M. im Vorjahr) erhalten. Von der Vorschrift, nach der 
Verletzte, deren Rente ein Fünftel der Vollrente oder weniger beträgt, mit 
ihrer Zustimmung durch. Kap ita lz ah lu ng en abgefunden werden können, 
haben die Genossenschaften usw. in 8198 Fällen Gebrauch gemacht. ■ Der hierfür 
aufgewendete Betrag stellt sich, auf 6408275,23 M. 2892 Verletzte (gegen 
3098 im Vorjahr) haben.im Geschäftsjahr wegen Hilflosigkeit eine höhere 
Rente als 66*/s vom Hundert ihres Jahresarbeitsverdienstes (gesetzliche Voll¬ 
rente) bezogen.. 

Die Anzahl der. gemeldeten Unfälle betrug 704973, davon waren 
entschädigungspflichtig: 124086 (gegen 139633 im Vorjahre).; hiervon 
hatten 9401 den Tod und 793 eine mutmaßlich dauernd völlige Erwerbsunfähig¬ 
keit der Verletzten zur Folge. 

Die Unfallgefahr in den einzelnen Gewerbegruppen stellt 
sich nach den im Geschäftsjahr vorgekommenen entschädigungspfiichtigen Un¬ 
fällen wie folgt: Es entfallen auf 

1000 Vollarbeiter 


Unfälle 
1914 1918 

bei der. Gewerbe-, Bau- und See-Unfallversicherung — jedoch 
— ohne die Zweiganstalten der Baugewerks-Berufsgenossen- 
Bchaften, der Tiefbau- und der 8ee-Berufsgenossenschaft — 7,80 7,77 

und in der Gruppe bezw. Berufsgenossenschaft: 

Knappschafts-Berufsgenossenscnaft.. 15,05 14,94 

Steinbruchs-Berufsgenossenschaft . . ... . . . . . 16,54 13,95 

Berufsgenossenschaft der Feinmechanik und Elektrotechnik . 5,70 4,98 

Eisen und Stahl. 9,75 9,97 

Metall. 7,56 7,02 

Berufsgenossenschaft der Musikinstrumentenindustrie . . . 7,22 5,33 

Glas-Berufsgenossenschaft .. 4,53 8,77 

Töpferei-Berufsgenossenschaft . . .. 3,30 3,06 

Ziegelei-Berufsgenossenscbaft ..9,11 8,72 

Berufgsgenossenschaft der chemischen Industrie. 7,24 7,09 

Berufsgenossenschaft der Gas- und Wasserwerke ..... 5,36 5,25 

Textilindustrie. 2,52 2,70 

Papiermacher-Berufsgenossenschaft.' 8,95 8,98 

Papierverarbeitung8-Berufsgenosfienschaft.. 3,96 3,28 

Lederindustrie-BerufBgenossenschaft. 5,49 5,38 

Heiz. 10,94 9,69 

Mttllerei-Berufsgenossenschaft. . 12,19 13,76 

Nahrungsmittelindustrie-Berufsgenossenschaft. 2,93 3,61 

Zuckerindustrie-Berufsgenossenschaft-. 7,78 8,15 

Berufsgenossenschaft der Molkerei-, Brennerei- und Stärke- 


Brauerei- und Mälzereiberufs-Genossenschaft. 8,83 8,27 

Tabak-Berufsgenossenschaft. 0,49 0,56 




















806 


Kleinere Mitteilungen und Beferate ans Zeitschriften. 


1000 Vollarbeiter 
Unfälle 
1914 1918 


Bekleidungsindustrie-BenifBjgenossengchaft . . . . * . . 
Bernfegenosseaschaft der Schorns teinfegermeUter des Deateehen 

Reichs. 

Bauwesen.. . 

Deutsche Buchdrucker-Berufsgenossenschaft. 

PriTatbahn-Berufsgenossenschaft. 

Straßen- und Elleinbahn-Berufsgenossenschaft. 

Lagerei-Berufsgenossenschaft.. 

Fuhrwerks-Berufsgenossenschaft. 

Binnenschiffahrt . .. 

See-Berufsgenossenschaft. 

Tiefbau-Berufsgenossenschaft. 

Fleischerei-Berufsgenossenscbaft. 

DetaUhandels-Berufsgenossenschaft. 

Versicherungsgeaossenschaft der Privat-Fahrzeug- und Beittier- 

besitaer. 

Ausführungsbehörden: 

Marine- und Heeresverwaltung . .. 

Oeffentliche Baubetriebe (staatliche und gemeindliche Bau- 

Verwaltungen) . 

Staatseisenbahnen, Post und Telegraphen. 

Staatsbetriebe für Schiffahrt, Baggerei, Flößerei usw. . . . 


1,86 

6,88 

10,60 

2,68 

4,81 

7,66 

9,28 

1838 

16,16 

7,01 

16,06 

6,40 

131 

6,12 


6,74 

6,86 

836 


1,98 

6,42 

9,91 

2,76 

4,94, 

6,7(1 

9,00 

1737 

1438 

6,06 

18,07 

6,47 

0,76 

4,72 


6,12 

638 

6,67 


Die laufenden Verwaltungskosten stellen sich bei den gewerblichen 
Berufsgenossenschaften auf 14082838,46 M. = 1,48 M. auf den Versicherten 
(gegen 14208128,84 M. oder 1,84 M. im Vorjahr), bei den landwirtschaftlichen 
Berufsgenossenschaften auf 4780680 M. = 0,27 M. auf den Versicherten (gegen 
4640166,12 M. oder 0,27 M. im Vorjahr). Die Verwaltungskosten sind somit 
bei den gewerblichen Berufsgenossenschaften erheblich höher. 

Die Bestände der bis zum Schlüsse des Geschäftsjahres angesammelten 
R&cklage der Berufsgenossenschaften einschließlich Zweiganstalten betrugen 
zusammen 868668664,60 M.; an sonstigem Vermögen war ein Betrag 
von 287 666 996,18 M. vorhanden. Bpd. 


O. Hygiene und ßffentliohee Oennndheitawenea. 

KriegsbeschädlgtenfOrsorge. 

Fachtechnische und gewerbehygienische Berufsberatung für Kriegs¬ 
verletzte. Von Beg.- und Gewerberat Fis eher-Potsdam. Zentralblatt für 
Gewerbehygiene; 1916, Nr. 8. 

Die rein fachtechnische Beratung des Kriegsbeschädigten allein genügt 
oft nicht, sie muß vielmehr in einer gewerbehygienischen Beratung ihre Er¬ 
gänzung finden. Ist der Berufsberater in dieser Hinsicht nicht bewandert, 
so ist es seine Pflicht, einen gewerbehygienischen Berater in der Person eines 
gewerbehygienisch genügend geschulten Arztes oder eines Gewerbeaufsichts¬ 
beamten heranzuzienen. denen dann die besonders wichtige Aufgabe zuteil 
wird, die Unterbringung und Beschäftigung der Kriegsverletzten in den 
gewerblichen Betrieben fortdauernd zu überwachen, damit sie gebotenenfaüs 
von den ihnen nicht zuträglichen Beschäftigungsarten fern gehalten werden. 
Bei solchen Bemühungen werden die Gewerbeaufsichtsbeamten aber auf den 
Widerstand der Kriegsverletzten stoßen, wenn der rein fachtechnische Berufe¬ 
berater ihnen die aus gewerbehygienischen Gründen zu beanstandende Tätig¬ 
keit empfohlen hat Auch die technischen Aufsichtsbeamten der Berufsgenossen¬ 
schaften werden den jetzt teilweise erweiterten Aufgaben des Unfallschutzes 
im Hinblick auf die Kriegsverletztenbeschäftigung ihre besondere Aufmerksam¬ 
keit zu widmen haben. Dr. Wolf-Hanau. 



















Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


807 


Krlegsblindenfünorge. Von Bau. -Rat Dr. W. Feilchenfeld-Char- 
lottenbarg. Deutsche medizinische Wochenschrift; 1916, Nr. 18. 

Krttckm&nn nennt als Berufe, die für Kriegsblinde za empfehlen sind, 
an erster Stelle Seilerei, Stahlflechterei, Bürsten« and Besenbinderei, Korb¬ 
macherei, die eine Ausbildungszeit von 2 1 /*—4 Jahren erfordern. Aach Matten¬ 
flechten, Stahlbeziehen und Netzestricken gehören za den Erwerbsquellen, die 
aber sämtlich nur einen notdürftigen Unterhalt gewähren. Silex hat den 
Wochenverdienst der Blinden durch Stuhlflechten anf 6 M, Korbmachen auf 
9—11 M., Bürstenbinderei auf 8—12 M., durch Seilerei auf 12 M. festgestellt. 
Vor Betätigung der Blinden auf musikalischem Gebiete ist im allgemeinen zu 
warnen; nur besonders Begabte sollen sich als Organisten und ansübende 
Künstler ansbilden lassen, sonst wird der Beruf als Bettel betrieben. Für 
Klavierstimmer ist eine gründliche Lehrzeit von mindestens 2 Jahren er¬ 
forderlich; sie müssen auch Reparaturen vorzunehmen gelernt haben. Der 
Rat an Blinde, Schreibmaschine zu erlernen, ist nnr in seltenen Fällen be¬ 
rechtigt, da der Blinde an der Schreibmaschine meist wesentlich hinter dem 
Sehenden Zurückbleiben wird; der Verdienst ist außerdem gering nnd lohnt 
sich nur in größerem Betriebe. Akademiker und frühere Kanfleute, die als 
Korrespondenten Beschäftigung zu finden Aussicht haben, mögen Schreib¬ 
maschine lernen; aber zu Stenotypisten und Schreibern sollte man Kriegsblinde 
besser nicht ausbilden. 

Silex fand in den Königl. Munitionsfabriken, im Feuerwerkslabora¬ 
torium und Militärbekleidungsamt eine große Anzahl von Arbeiten, die sich 
lür Blinde sehr gut eigen, z. B. Einziehen von Patronen in Patronenrahmen 
oder Lederstreifen, Revidieren der Patronen auf festen Sitz der Geschosse, 
Einstecken von Patronen in die Taschen eines Patronengurtes. Auch für 
Schuhmacher, Tischler, Schneider fand sich regelmäßige geeignete Arbeit, die 
bereits nach wenigen Stunden erlernt war und einen Tagesverdienst von 8,68 
bis 4,40 M. brachte. Bei solcher gewinnbringenden Beschäftigung neben der Rente 
von etwa 1400 M. für den einfachen Soldaten gehen die Blinden einer materiell 
sorglosen Zukunft entgegen. Die Arbeitsstellen in den Königl. Militärinstituten 
werden, wenn die bisherige Zahl der Blinden (etwa 800) nicht mehr erheblich 
steigt, zur Versorgung der Kriegsblinden aus Arbeiter- und Handwerkerkreisen 
voraussichtlich genügen. 

Es sollte eine Untersuchungskommission aus einem Fabriktechniker, 
einem intelligenten Blinden und einem Blindenlehrer die großen Industrie¬ 
betriebe nach Arbeit absuchen, die von Blinden ebenso wie von anderen Arbeitern 
geleistet werden kann. Auch Packen, Wickeln, Sortieren, Bedienen einfacher 
Maschinen usw. kommt da in Frage. Wenn besonders Betriebe außerhalb der 
Großstädte zunächst ausgewählt werden, können die in der Nähe der Fabriken 
angesiedelten Blinden auch ohne fremde Hilfe die Arbeitsstätte aufsuchen und 
so durchaus selbständig in ihrem Erwerbe sein. Dr. R o e p k e - Melsungen. 


Die Rentensucht der Kriegsbeschädigten. 1 ) Von Landesrat Horion- 
Düsseldorf. Zeitschrift für Kriegsfttrsorge; 1916, Heft 4. 

Die Rentensucht ist wenigstens bei den körperlich Beschädigten, solange 
sie noch im Lazarett sind, größer, als wenn sie nach Hause entlassen sind; 
die üblen Erfahrungen, die vielfach mit der Beschäftigung und der Aus¬ 
bildung der Kriegsbeschädigten während des Lazarettaufentbaltes gemacht 
werden, dürfen daher nicht verallgemeinert und nicht auf die Kriegsbeschädigten 
allgemein auch nach ihrer Entlassung aus dem Militärverbanae ausgedehnt 
werden. Wenn auch die Rentensucht nicht so sehr im Mittelpunkt der Kriegs¬ 
beschädigtenfürsorge steht, daß von ihrer Beseitigung der ganze Erfolg der 
Arbeit abhängt, so wird aber doch wohl zu erwägen sein, ob nicht gesetz¬ 
geberische oder Verwaltnngsanordnungen sich treffen lassen, durch die die 
Schäden, die diese Rentensucht jetzt für die Wiedererwerbsfäbigmachung 
der Kriegsbeschädigten bringt und noch bringen wird, nach Möglichkeit be¬ 
seitigt werden. Dr. Wolf- Hanau. 


*) Vergl. auch den Bericht über den Vortrag desselben Verfassers auf 
der diesjährigen Tagung der Deutschen Vereinigung für Krüppelfürsorge, 
Seite 302 dieser Nummer. 



308 Kleinere Mitteilungen and Befer&te aas Zeitschriften. 

" Staatliche Invalldenfürsorgeln Ungarn.*) Von Dr.Ferenczi-Budapest» 
Zeitschrift für Krüppelfürsorge; 1916, Heit 4. 

Ladt einer Verordnung des königL ungarischen Ministerpräsidenten über 
die Organisation der staatlichen Invalidenfürsorge erstreckt sich der Wirkungs¬ 
kreis des königl. ungarischen Invalidenamtes auf die Heilinstitute zur Nach¬ 
behandlung der gelähmten, verstümmelten und innerlich kranken Soldaten, auf 
die Invalidenschulen, Prothesenwerkstätten und auf die landwirtschaftlichen 
und gewerblichen Erwerbsanlagen, und zwar sowohl betreffs der Aufstellung, als 
betreffs der Erhaltung und Leitung der bezeichneten Institute. Das Invalidenamt 
hat als Invalidenberater bis heute überhaupt nur heilpädagogische und Volksschult 
lehrer, und zwar nur in den Lazaretten, und in den Invalidenschulen angestellt. 
Eine örtliche Dezentralisation, unter Einbeziehung der Ortsbehörden und von 
gesellschaftlichen Kräften wurde bei dieser Aufgabe vermieden; die Fürsorge 
besteht somit derzeit noch in der ausschließlich staatlich bureaukratischen 
Zentralisation aller sozialer Aufgaben. Dieser Mangel der lokalen und be¬ 
ruflichen Dezentralisation, zu der auch in Ungarn manche Kräfte sich schon 
spontan aufgeboten haben (landwirtschaftliche Vereine, Buchdruckergewerbe 
usw.), hat zu einer Beschränkung der intensiven Fürsorge auf jene schwersten 
Fälle der in ihrer Existenz bedrohten Invaliden grfübrt, die in neu eingerichte¬ 
ten und noch zu errichtenden Unterrichtsanstalten aufgenommen werden können. 

Dr. Wolf-Hanau. 


Ueber die Kapitalisierung von Krlegsrenten. Von Oberarzt Dr. 
P. Horn -Bonn. Deutsche med. Wochenschrift; 1916, Nr. 13. 

Dem Reichstage soll eine Vorlage über die Kapitalisierung eines Teiles 
der Kriegsbeschädigtenrente zugehen (ist inzwischen geschehen), in der ihre 
Festlegung in Heimstätten geplant ist, um einer unzweckmäßigen Verwendung 
des Abfindungskapitals vorzubeugen. Nach den bisherigen Erfahrungen 
erscheint die Uebertragung des Abfindungsverfahrens auch auf nervöse Kriegs- 
beschädigte durchaus am Platze. Ueber die Höbe der Abfindung der 
Kriegsrenten sind feste Normen aufzustellen; H. empfiehlt den 4—6fachen 
Betrag der Jahresrente einer Abfindung zugrunde zu legen. Dabei müßte die 
Abfindung aller Neurosen bis zu 80°/o an und für sich zulässig und in Grund¬ 
besitz festzulegen sein; nur bei Beträgen unter 1000 Mark dürfte auch Bar¬ 
geldauszahlung in zwei Raten möglich sein. Im übrigen ist gerade bei 
nervösen Kranken eine ländliche Kolonisierung im gesundheitlichem Interesse 
empfehlenswert. Besonders kommen hierfür in Frage solche, die vom Lande 
stammen, oder Neigung und Geschick zu landwirtschaftlichen Arbeiten haben 
und ihren früheren Beruf aus gesundheitlichen oder anderen Rücksichten nicht 
wieder aufnehmen dürfen. Auch bei Personen aus dem Mittelstände wird die 
Möglichkeit, durch Ablösung der Kriegsrente die wirtschaftliche Kraft zu 
steigern, angenehm empfunden werden. Am schwierigsten liegt die Frage der 
Abfindung, sozial betrachtet, bei den höheren und akademisch gebildeten 
Ständen; doch ist auch hier bet nervösen Kriegsbeschädigten vom ärztlichen 
Standpunkte aus eine Abfindung durchaus erwünscht. 

Der Plan, nur einen Teil des Rentenanspruchs zu kapitalisieren, ist bei 
Nervösen nicht zu empfehlen, dagegen bei solchen, die voraussichtlich 
dauernde Kriegsschäden behalten, wie bei Gelenkversteifung, stationär ge¬ 
bliebenen peripherischen Nervenlähmungen oder bei Gefahr späterer Ver¬ 
schlimmerung der Verletzungsfolgen. Bei Nervösen liegt nach den Friedens¬ 
erfahrungen einzig und allein vollkommene Erledigung der gesamten Ent¬ 
schädigungsansprüche sowohl im Staatsinteresse, als vor allem auch im gesund¬ 
heitlichen und sozialen Interesse der Kranken. 

Ueberhaupt nicht für eine Abfindung in Betracht zu ziehen sind Geistes¬ 
kranke, Manisch-Depressive, Schwachsinnige, Epileptiker, rezidivierende Dämmer¬ 
zustände hysterischer Natur, Psychosen im engeren Sinne, Kranke mit Morbus 
Basedowii, völlig erwerbsunfähige Neurotiker. Dagegen ist bei nervös¬ 
hysterischen Störungen nach Granatkontusion, bei Schreckneurosen, bei Neurosen 

*) Siehe auch den von Prof. Dr. Dillinger auf der diesjährigen Tagung 
der Deutschen Vereinigung für Krüppelfürsorge erstatteten Bericht, S. 301 
dieser Nummer. 



Besprechungen 


809 


infolge körperlicher und geistiger Ueberanstrengung, infolge Hitzschlsges und 
sonstiger Unfälle, sofern überhaupt Kriegsbescbfidigung mit" Erwerbs¬ 
beschränkung angenommen werden muß, Abfindung die beste Methode, den 
schädlichen Folgen eines späteren Rentenkampfes vorzubeugen. Die Gewährung 
von „fixen“ Dauerrenten, wie Elumker vorschlägt, hält Verfasser bei 
nernösen Kriegsbeschädigten nicht am Platze. 

Kriegsbeschädigte mit peripherischen NerveUlähmungen, mit 
Gelenkveränderungen, Versteifung, Deformierung oder Ver¬ 
kürzung von Extremitäten, sofern 'sie nicht höher als 60°/o Erwerbs¬ 
einbuße erlitten haben und spätere Verschlimmerung auszuschließen ist, sollen 
ebenfalls bei geeigneten wirtschaftlichen und beruflichen Verhältnissen abge¬ 
funden werden, natürlich erheblich höher als Neurotiker, d. h. mit dem 
8—12fachen Betrag der Jahresrente als Abfindungsbasis. Nicht zur Ab¬ 
findung eignen sich außer den oben genannten Geisteskranken übw. 
organische Herzaffektionen, Lungenleiden, schwere Magendarm¬ 
erkrankungen, Stoffwechselstörungen (besonders Diabetes mellitus), 
Nierenleiden, ferner Verletzungen der nervösen Zentralorgane bei Schädel¬ 
schüssen, Schädeldach- und Schädelbasisbrüchen, dann organische Leiden 
des Zentralnervensystems (multiple Sklerose, Tabes, Syringomyelie, 
Lues cerebri, progressive Paralyse), ebensowenig Blinde. In allen diesen 
Fällen kann die Prognose fast niemals sicher gestellt werden und besteht die 
Gefahr der Verschlimmerung. 

Danach ist eine Abfindung angezeigt, wenn 1. ein wichtiges thera¬ 
peutisches Interesse verliegt, oder wenn 2. eine gewisse Anpassung und 
Gewöhnung an die Verletzungsfolgen im Laufe der Jahre zu erwarten und 
eine Verschlimmerung ausgeschlossen ist; beide Male ist vorauszusetzen, daß ein 
gewisses Maß von Erwerbsfähigkeit noeh besteht. 

Als Zeitpunkt der Abfindung empfiehlt sich für die reinen Neurosen 
ein möglichst baldiger ‘Abschluß des Entschädigungsverfahrens nach Kriegs¬ 
beendigung, bei den übrigen in Frage kommenden. Kriegsbeschädigten eine 
Zwischenzeit von mindestens einem Jahre vom Erkrankungstag bis zur 
etwaigen Rentenkapitalisierung. 

Die Kapitalabfindung stellt kein Allheilmittel dar und kann nur in 
einem begrenzten Umfange vorgenommen werden. Die Prüfung der ab¬ 
zufindenden Fälle hat durch Aerztekommissionen zu erfolgen, die Hand in 
Hand gehen mit der großzügig organisierten Kriegsbeschädigtenfürsorge. 
Durch Kräftigung der wirtschaftlichen Existenz vieler Kriegsbeschädigten 
würde auch der Allgemeinheit genutzt werden. Dr. R o e p k e - Melsungen. 


Besprechungen. 

Dr. Bitdolf Abel, Geh. Ober-Med.-Rat und a. o. Professor de; Hygiene an 
der Universität Jena: Bakteriologisches Taschenbuch. .Neunzehnte Auf¬ 
lage. Würzburg 1916. Verlag von Curt Kabitzsch. Taschenbuchformat. 
189 S.; Preis: geb. und durchschossen 2,50 M. 

Ungeachtet des Krieges ist die vorhergehende Auflage 'dieses vorzüg¬ 
lichen Taschenbuches binnen Jahresfrist vergriffen gewesen, der beste Beweis 
für seine überaus große Verbreitung und Beliebtheit. Auch der neuen Auflage 
wird diese allseitige und wohlverdiente Anerkennung zuteil werden, denn die 
in dem Taschenbuch gegebenen technischen Vorschriften zur bakteriologischen 
L&boratöriumsarbeit haben eine den Forschungen der Wissenschaft entsprechende 
Umänderung und Ergänzung erfahren, wobei der Verfasser mit Recht an dem 
bewährten Grundsatz festgehalten hat, von neuen Untersuchungsverfahren nnr 
solche aufzunehmen, die sich bei der Nachprüfung bewährt haben, in den 
Unterrichtskursen gelehrt werden und keine besonders' reich ausgestattete 
Laboratorien erfordern. Rpd. 


Erster Jahresbericht des Königlichen Landes-Gesundheitsamtes über 
das Medizinal- und Veterinärwesen im Königreich Sachsen für das 

Jahr 1912. Leipzig 1916. Verlag von F. C. W. Vogel. 

Der Bericht bildet die Fortsetzung der früher von dem Königl. Landes- 
Medizinal-Kollegium erstatteten Jahresberichte, an dessen Stelle jetzt durch 



810 


Besprechungen. 


die Verordnung vom 20. Mai 1912 das Landesgesundheitsamt getreten ist. 
Er bringt zunächst als Einleitung einen interessanten Ueberblick über die 
EntwicUung dieser Zentralinstanz des sächsischen Gesundheitswesens aus der 
Feder des Obermedizinalrats Dr. Oppelt, in dem gleichzeitig ihre Aufgaben, 
ihr Geschäftskreis, ihre Zusammensetzung usw. von dem im Jahre 1710 
errichteten Collegium medicum universale an bis zur Jetztzeit geschildert 
werden und dem die Verordnungen über die Errichtung des Landesgesundheits¬ 
amtes beigefügt sind. Im übrigen ist die Einteilung und Bearbeitung des 
Stoffes, soweit er das Medizinal wesen betrifft, im allgemeinen die gleiche 
wie in den früheren Jahresberichten des Landesmedizinalkollegiums geblieben. 
Die ersten Abschnitte behandeln die ärztlichen und pharmazeutischen 
Organe der Medizinalverwaltung (I), Aerzte und Zahnärzte (II), 
Apothekenwesen, Arzneimittel, Heil- und Mineralwasser¬ 
fabriken (III), Hebammen (IV), Zahntechniker, Krankenpflege- 

S ersonal und Desinfektoren (V) und Ortsgesundheitsaus¬ 
chüsse (VI). Es folgt dann ein umfangreicher Abschnitt (VH) „0öffent¬ 
liche GesundheitsVerhältnisse“, in dem nicht bloß die Geburts- und 
Sterblichkeitsverhältnisse während des Berichtsjahres, sondern auch das Auf¬ 
treten und die Bekämpfung der einzelnen übertragbaren Krankheiten geschildert 
werden. Die Fruchtbarkeit weist wiederum einen Rückgang (08 °/m) auf (von 
26,8°/oo auf 25,6 °/<«), der aber geringer als im Vorjahre (l,2°/oo) ist; die 
Sterblichkeit ist dagegen auf 14,3°/oo, also um 2,2°/oo gesunken, so daß 
die Bevölkerungszunahme 11,2 °/o© (1,7 °/oo) mehr als im Vorjahre beträgt. 
Abgesehen von Keuchhusten und Tuberkulose, die eine geringe Zunahme der 
Sterblichkeit aufweisen (von 0,9 auf l,2°/ooo und von 11,9 auf 12,0 °/ooo) zeigen 
alle anderen übertragbaren Krankheiten eine Abnahme der Sterblich¬ 
keit, die besonders bei Masern (von 0,9 auf 0,5 °/m>«) und Typhus (von 0,2 auf 


0,l # /ooo) recht erheblich ist. Von großen Epidemien ist das Königreich im 
allgemeinen verschont geblieben. 

Die folgenden Abschnitte betreffen Nahrungs- und Genußmittel 
(VIH) einschließlich Fleischvergiftungen, Fleischverbrauch, der sich gegen das 
Vorjahr etwas verringert hat (64,83 kg gegen 66,88 im Jahre 1911), Milch¬ 
versorgung usw., Wasserversorgung (IX), Bau- und Wohnungs- 
sulagen (X), bei der die Mitwirkung der Bezirksärzte eine erhebliche Zu¬ 
nahme erfahren hat, Reinhaltung von Boden, Wasser und Luft (XI), 


Gewerbepolizei (XII) — auch hier ist die Zuziehung der Bezirksärzte 
eine häufigere gewesen—, Schulhygiene (XIH), Fürsorge für Kranke, 
Schwache und Gebrechliche (XIV) — besonders eingehend ist hier die 
Fürsorge für Geisteskranke und Epileptische behandelt —, Bäder (XV), 
Armenhäuser (XVI), Gefängnisse (XVII), Giftpolizei (XVHI), 
Begräbniswesen (XIX) — die Zahl der Leichenverbrennungen ist von 
2282 auf 2812 gestiegen — und Kurpfuscherei (XX). Daß diese im 
Königreich Sachsen außerordentlich verbreitet ist, ist ja bekannt; die Zahl der 
Kurpfuscher hat auch während des Berichtsjahres eine Zunahme erfahren und 
ist von 1651 auf 1738 gestiegen gegenüber 2205 Aerzten; in den Reg.-Bezirken 
Bautzen und Chemnitz gibt es überhaupt mehr Kurpfuscher (169 und 315) als 


Aerzte (148 und 805). 

Der zweite Teil des Buches, Veterinärwesen, ist in gleicherweise 
abgefaßt; auf seine Einzelheiten einzugehen erübrigt sich. Rpd. 


Prof. Dr. B. Salge-ätraßburg i. Eis.: Therapeutisches Taschenbuch für 
die Kinderpraxis. Siebente verbesserte Auflage. Berlin 1916. Verlag 
von Fischers medizinische Buchhandlung (H. Kornfeld). 12°, 182 S.; 
Preis: geb. und durchschossen 4 M. 

In der vorliegenden neuen Auflage des bekannten Taschenbuches sind, 
abgesehen von dem Hinzufügen einiger neuerer Mittel und Methoden, nur 
wenige Aenderungen des bisheriges Inhalts vorgenommen, da dieser dem 
heutigen Standpunkt der Wissenschaft noch völlig entspricht. Das Taschen¬ 
buch hat sich in den beteiligten Kreisen gut eingebürgert und wird sicherlich 
auch in seiner neuen Auflage eine freundliche Aufnanme finden, die es auch 
mit vollem Recht verdient. _ Rpd. 



Tagesnachrichten. 


811 


Tagesnachrlchten. 

Der 12. Ausschuß des Reichstages zur Beratung der Ge¬ 
setzes? orlage znr Reichsversicherungsordnong hat in seiner 
8itznng vom 18. d. M. der Vorlage entsprechend die Grenze für die Bezugs- 
Berechtigung der Altersgrenze einstimmig auf das vollendete 66. Lebensjahr 
festgesetzt. Außerdem wurde nach Ablehnung sozialdemokratischer Anträge 
ein Antrag des Zentrums ebenfalls einstimmig angenommen, wonach für jede 
Waise */m des Geldbetrages und der Steigerungssätze der Invalidenrente des 
verstorbenen Ernährers gewährt werden soll. 


Der Bayerische Obermedizinalausschuß hat in seiner Sitzung 
vom 27. April 1916 im Hinblick auf die bevorstehende Einführung der Fleisch¬ 
karten über die Fleischversorgung der Kranken beraten, Er ist dabei zu 
dem Beschlüsse gelangt, daß eine Erhöhung der nach den Fleischkarten vor¬ 
gesehenen Fleischmengen für Kranke nicht notwendig ist. Bei diesem Be¬ 
schlüsse wurde in Betracht gezogen, daß auf Grund der Fleischkarte das 
Fleisch ohne Knochenzuwage abgegeben werden muß und daß ferner nach den 
bestehenden Vorschriften Knochen zur Herstellung von Suppen zum Preise von 
40 Pf. für das Pfund im freien Verkehr abgegeben werden müssen. Eine Er¬ 
höhung der nach den Fleischkarten zulässigen Fleischmengen auf Grund ärzt¬ 
lichen Zeugnisses und dergl. erscheint schon deshalb nicht zulässig, weil diese 
Mengen, die im Interesse einer nachhaltigen Sicherstellung der Volksernährung 
zulässige äußerste Grenze darstellen. Der Uebergang zu der etwas veränderten 
Kost wird zwar bei einzelnen empfindlichen Menschen zeitweise Unbequemlich¬ 
keiten hervorrufen, auch vorübergehend eine Gewichtsabnahme mit sich bringen, 
dauernde gesundheitliche Nachteile können daraus aber für Kranke aller Art, 
insbesondere auch für Zuckerkranke, nicht erwachsen. Nach der Ueberzeugung 
des Obermedizinalausschusses kann die für manche Zuckerkranke notwendige 
Biweißmenge durch Zugabe von Fischen, Eiern, dann von Käse aller Art, ins¬ 
besondere auch von Topfen erreicht werden. Dabei kann der Käse auch durch 
Beigabe zu Saucen und Suppen sowie in Form von Aufläufen in eine allen 
Anforderungen der Verdaulichkeit und Bekömmlichkeit entsprechende Form 

S bracht werden. Der Obermedizinalausschuß war endlich der Anschauung, 
ß in ärztlicherseits ausreichend begründeten Bedarfsfällen von den Kommunal¬ 
verbänden auch durch eine Mehrbewilligung von Milch und Butter allen Be¬ 
dürfnissen Rechnung getragen werden könne. Das Kgl. Staatsministerium des 
Innern ist diesem Gutachten des Obermedizinalausschnsses beigetreten. Unter 
diesen Umständen ist der Bevölkerung anzuraten, von der Stellung völlig zweck¬ 
end aussichtsloser Eingaben auf Erhöhung der Fleischkarten bei 'den Behörden 
abzusehen. (Münchener med. Wochenschrift; 1916, Nr. 18.) 


Der Aerzte-Ausschuß von Groß-Berlin hat sich in seiner letzten 
Sitzung mit N ahrungsmittelfr agen Groß-Berlins vom ärztlichen Standpunkt 
aas beschäftigt. Er hat hierbei folgende Entschließung angenommen: 
„Der Aerzte-Ausschuß von Groß-BerUn hält im Interesse der Lebensmittel¬ 
versorgung der ganzen Reichsbevölkerung für notwendig, alle Absperrungs¬ 
versuche und Ausfuhrverbote einzelner Landesteile, Distrikte und Orte müssen 
im Interesse einer gleichmäßigen und gerechten Versorgung aufgehoben werden. 
In diesem Sinne begrüßt der Ausschuß die beabsichtigte Schaffung einer Reichs- 
behörde für Volkseznährung als den ersten hoffnungsvollen Schritt auf dem 
erstrebten Wege." Außerdem hat er beschlossen, eine begründete Eingabe an 
den Reichskanzler zu richten. 


Das im Königreich Sachsen durch Urkunde vom 16. März 1871 ge¬ 
stiftete Brinnerungskreuz für freiwillige Krankenpflege hat 
durch Urkunde vom 81. März 1916 den Namen Ebrenkrenz für freiwillige 
Wohlfahrtspflege erhalten mit der Bestimmung, daß es auch zur Anerkennung 
verdienstvoller Leistungen auf dem Gebiete der Wohlfahrtspflege im weitesten 
3inne verliehen werden kann. 


Der vom Bundesrat genehmigte und jetzt von allen Bundesstaaten (in 
Preußen durch Bekanntmachung des Ministers des Innern vom 6. d. Mts.) 



Tageenachrichten 


m 

eingeführte neue Nachtrag rar Deutschen Araeitaxe 1916 umfaßt Preis- 
änderungen bei 402 Arzneimitteln. Mit ganz geringen Ausnahmen hat er 
entsprechend der Preissteigerung auf dem Arzneimittelmarkte Preiserhöhungen 
gebracht, die z. T. recht erheblich sind; auch der Preis für Gläser mit ein¬ 
geriebenem Glasstöpsel ist erhöht. Dagegen hat eine Erhöhung der Arbeits¬ 
preise nicht stattgefunden, obwohl auf dem ganzen Arbeitsmarkte eine solche mit 
Rücksicht auf die außerordentliche Steigerung des Lebensunterhaltes erfolgt ist 

Die Enthüllung des von Touaillon geschaffenen Denkmals für 
Robert Koch auf dem Luisenplatz (Ostseite) in Berlin wird am Sonnabend, 
den 27. Mai d. J., mittags 12 Uhr, dem Todestage Kochs, stattfinden. 
Die Gedächtnisrede hat Herr Wirkl. Geh. Ob.-Med.-Rat Dr. Gaffky über¬ 
nommen ; der Vorsitzende des Denkmalkomitees, Ministerialdirektor Professor 
Dr. Kirchner, wird das Denkmal der Obhut der Stadt übergeben. 


Ehrentafel. Es haben weiterhin erhalten das 
Eiserne Kreuz I. Kasse: 

Stabsarzt d. Bes. Dr. Wolf-Pudewitz (Landkreis Posen). 

Oberstabsarzt Dr. Villaret-Demmin (Pommern). 

Das Eiserne Kreuz II. Klasse: 

Oberstabsarzt d. Bes. San.-Rat Dr. Flügge, Direktor der Provinzial- 
Heil- und Pflegeanstalt Bedburg (Rheinland). 

Marinestabsarzt d. Bes. Dr. Harms, Bezirksarzt in Annaberg i. Sachs. 
Truppenarzt Dr. Julias Heilmann und Cand. med. Josef Heilmann, 
Söhne des Geh. Med.-Rats Dr. Heilmann. 

Stabsarzt d. Res. Dr. Heinicke, Oberarzt an der Heil- und PflegeanBtalt 
Großschweidnitz (Königr. Sachsen). 

Ferner den Bayerischen Militär-Verdienstorden 4. Kl. mit 
Schwertern: Stabsarzt d. R. Dr. Pallikan, Polizeiarzt in München. 


Ehren-QedAohtniatafoL Für das Vaterland gefallen sind ferner: 
Feldunterarzt M. Dorenkamp -Godesberg bei Bonn (infolge von Krank¬ 
heit gestorben). 

Stabsarzt d. L. Dr. H. F e y e r h e i m - Schneidemühl (Reg.-Bez. Posen). 
Cand. med. Friedrich Geßler-Kordeshagen in Pommern. 

Feldunterarzt S. Haufe-Ocker im Harz (infolge von Krankheit gestorben). 
Assistenzarzt d. Bes. Dr. A. H e n s e 1 - Hirzenhain (Oberhessen). 
Feldunterarzt H. Kurth-Pösneck (Sachsen-Meiningen). 

Stabsarzt d. L. Dr. Bich. Mierendorf-Stralsund. 

Assistenzarzt d. Bes. Dr. 0. Neuber-Kiel. 

Marineoberstabsarzt z. D. Dr. Siegfried N u e s s e - Malchow (Reg.-Bezirk 
Potsdam) (infolge von Krankheit gestorben). 

Stabsarzt d. L. Dr. Max Oppenheimer-Hamburg. 

Feldarzt Dr. 0. Stamm-Sobotka (Kreisarzt im (Gouvernement Warschau; 

infolge von Krankheit gestorben). 

Feldunterarzt A. Werner-Reichelsheim (Großhersogtum Hessen). 


Erkrankungen und Todesfälle an ansteckenden Krankheiten In 
Preußen. Nach dem Ministerialblatt für Medizinal-Angelegenheiten sind in der 
Zeit vom 26. März bis 22. April 1916 erkrankt (geBtorben) an Pest, Gelb¬ 
fieber, Fleckfieber, Cholera, Trichinose, Botz, Tollwut, 
Milzbrand: Aussatz: — (—), — (—), 1 (—>, 

— (—); Pocken: 22 (1), 12 (2), 19(6), 6 (—); Bißverletzungen durch 
tollwutverdächtige Tiere: 7 (—), 12(—), 14 (—),9(—); Unterleibs¬ 
typhus: 127 (6), 127 (17), 130 (8), 100 (16); Ruhr: 61 (1), 29 (7), 29 (8), 
66 (7); Diphtherie: 2347 (167), 2332 (146), 2406 (176), 1716 (128); 
Scharlach: 1517 (71), 1559 (72), 1461 (88), 1182 (78); Kindbettfieber: 
68 (18), 75 (27), 67 (22), 64 (12); G e n i c k s t a r r e: 31 (16), 14 (13), 28 (8), 22 (11); 
spinaler Kinderlähmung: 1 (1), 2 (1), 2 (1), — (—); Körnerkrank¬ 
heit (erkrankt): 62, 94, 67, 60; T n b e r k u 1 o s e (gestorben): 922, 929,918,822. 


Redaktion: Prof. Dr. Rapmund, Geh. Med.-Bat in mnd—» L W. 

J. C. C. Brau, Hermofl. Sich «, a. F. 8ch.-L. Hofbmofcdraekarai 1 b WaSaa. 







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29. Jahrg. 


1916 


Zeitschrift 

fttr 

MEDIZINALBEAMTE. 


Zentralblatt 

für das gesamte Gebiet der gerichtlichen Medizin und Psychiatrie, 
des staatlichen und privaten Versicherungswesens, sowie für das 
Medizinal* und öffentliche Gesundheitswesen, einschließlich der 

Hygiene und Bakteriologie. 

fler&osgegeben 

i von 

Prol Dr. OTTO RAPMUND, 

Geh. Med.-Rat In Minden I. W. 


Offizielles Organ des Deutschen, Preusstschen, Bayerischen, Sächsischen, 
Württembergischen, Badischen, Hessischen, Mecklenburgischen, Thüringischen, 
Braunschweigischen und Eisass • Lothringischen Medizinalbeamtenvereins. 


Verlag von Fiseher's med Buehbandlg H. Kornfeld, 

HtnogL Bayer. Hol- il K. jl K. Kammftr-BuchhAndler. 

Berlin W.62, Keithstr. 5. 

Ajuetfen nehman die ▼•riagihmndlang sowie eile Ajueigeo Annahmestellen des ln- 

and Auslandes entgegen. 


Nr. 11. 


Erscheint am S. and ÄO. Jeden Monats. 


5. Juni. 


Beitrag zur Bekämpfung der Diphtheritte. 

Von Med.-Rat Dr. Lembke, Kreisarzt in Daisbnrg. 

Auf Veranlassung des Vorstandes des Vereins zur Be¬ 
kämpfung der Volkskrankheiten im Ruhrgebiet fand am 24. Februar 
1916 eine Besprechung über die Bekämpfung von Scharlach und 
Diphtheritis statt. Aus dem mir vorliegenden Auszug aus dem 
Protokoll ersehe ich, daß man dort von der Voraussetzung 
ausgegangen zu sein scheint, daß es im Industriegebiet der 
Ruhr an Krankenhäusern mit genügenden Isolierräumen fehlt; 
wenigstens sprach der Vorsitzende davon, daß „für die Möglich¬ 
keit der Isolierung mehr als es zurzeit der Fall sei, Vorsorge 
zu treffen sei.“ Außerdem sprachen sich mehrere Redner für 
den Bau besonderer Scharlach- und Diphtheritishäuser aus. 
Nun trifft aber die Voraussetzung der Nicht-Isolierungsmöglich¬ 
keit in einem solchen Maße sicherlich nicht zu. In meinen 
3 Kreisen (Duisburg, Hamborn und Dinslaken) haben z. B. sämtliche 
18 Krankenhäuser genügend große Isolierstationen oder besondere 
Isolierhäuser. Nur ganz ausnahmsweise sind die Isolierräume 
voll oder fast voll belegt, obwohl die Ueherweisung der an 











314 


Dr. Lembke. 


ansteckenden Krankheiten Erkrankten in die Krankenhäuser 
eine recht gute ist. Die nachstehende Tabelle gibt eine Ueber- 
sicht über die in den Krankenhäusern der 3 Kreise isolierten 
Scharlach- und Diphtheritiskranken während der Zeit, in der ich 
im Kreise als Kreisarzt tätig bin. 

Es wurden in Krankenhäusern isoliert bei: 



Duisburg 

Diphtheritis 

in 

Hamborn *) Dinslaken 

Duisburg 

Scharlach 

in 

Hamborn *) Dinslaken 

1909 

46 % 

40% 


S5% 

35% 

1910 

66 # /o 

61 % 


47% 

45% 

1911 

76% 

70% 

72% 

87 % 

88% 

89% 

1912 

78 •/» 

76% 

84% 

88% 

82% 

76% 

1918 

86°/. 

71% 

72% 

91% 

65% 

64% 

1914 

84°/o 

88% 

58% 

86% 

89 % 

81% 

1916 

82% 

88% 

79% 

88% 

86% 

81% 


Die Ueberiührung in so hoher Zahl von Diphtheritis- und 
Scharlachkranken in Krankenhäuser muß als ein recht gutes 
Ergebnis bezeichnet werden, zumal wenn man bedenkt, daß 
eine zwangsweise Ueberiührung doch nur unter gewissen Ein¬ 
schränkungen möglich ist. Ich vermute, daß in den meisten 
Kreisen des Ruhrgebiets die Verhältnisse nicht viel anders 
liegen werden: ausreichende Zahl an Krankenhäusern mit 
Isolierräuraen und recht häufige Ueberiührung von Diphtheritis- 
und Scharlachkranken in die Krankenhäuser. Für einen großen 
Teil des Industriegebiets der Ruhr dürfte daher die Erstellung 
besonderer Diphtheritis- und Scharlachhäuser wohl kaum in 
Frage kommen, besonders wenn man bedenkt, welche erheb¬ 
lichen Kosten durch Bau und Betrieb solcher Anstalten für die 
Gemeinden erwachsen. 

Gewundert hat mich dann noch, daß in dieser Versamm¬ 
lung gar nicht auf die Bedeutung der Bazillenträger für 
die Verbreitung der Diphtheritis hingewiesen und die Aus¬ 
schaltung dieser Bazillenträger aus dem Verkehr in Erwägung 
gezogen worden ist. Gerade für die großen Industriestädte mit 
ihrem intensiven Verkehr, mit dem Durcheinanderwirbeln der 
Bevölkerung an Arbeitsstätte, Schule und dergleichen scheint 
mir dieser Weg der Diphtheritisbekämpfung vor allem einzu¬ 
schlagen zu sein, zum mindesten darf er nicht vernachlässigt 
werden. Ich habe im Jahre 1914 einen Versuch nach dieser 
Richtung hin unternommen. Ich wollte durch diesen Versuoh, 
der sich vorläufig nur auf die beiden Kreise Duisburg und 
Hamborn erstrecken sollte, feststellen, ob es in der Praxis sich 
durchführen ließe, einmal die Bazillenträger bei jedem einzelnen 
Krankheitsfalle ausfindig zu machen und anderseits diese 
Bazillenträger von der Schule fern zu halten. 

Der Kreis Duisburg zählt nach der letzten Volkszählung 
fast 248000 Einwohner, der Kreis Hamborn 110000 Einwohner. 


') llamboro gehörte bis 1911 zam Kreise Dinslaken, seitdem bildet es 
einen selbständigen Kreis. 



Beitrag zur Bekämpfung der Diphtberitis. 


815 


Diphtheritiserkrankungen treten in beiden Stadtkreisen be¬ 
ständig auf. Es sind Diphtheritisfälle vorgekommen in: 


1910 

Duisburg 

413 mit 18 Todesfällen 

Hamborn 

201 mit 33 Todesfällen 

1911 

416 „ 28 

J* 

211 

„ 18 

1912 

390 „ 24 

r 

239 

„ 23 

1913 

602 „ 48 

n 

459 

n 81 

1914 

584 „ 48 

n 

672 

„ 79 

1915 

620 „ 42 

n 

916 

„ 108 


In beiden Orten verteilten sich im großen und ganzen die 
Diphtheritiserkrankungen ziemlich gleichmäßig über das ganze 
Jahr und über die gesamten Stadtgebiete; weder einzelne 
Schulen noch einzelne Stadtgebiete waren besonders heim- 
gesucht. Von einer eigentlichen Epidemie in einem Stadtteil 
oder in einer Schule konnte keine Rede sein, jedoch habe ich 
beobachten können, daß, wenn einmal in einer Schule oder in 
einer bestimmten Straße eine Diphtheritiserkrankung aufgetreten 
war, einige Wochen später aus dieser Schule oder dieser Straße 
ein zweiter und dritter Fall und einige Wochen später wieder 
einige Einzelfälle zur Anzeige kamen. Auch war mir wiederholt 
aufgefallen, daß, wenn in einer Familie ein Kind an Diphtheritis 
erkrankt und ins Krankenhaus überführt war, in dieser Familie 
bald nach der Rückkehr des genesenen Kindes in das Eltern¬ 
haus ein anderes Kind von Diphtheritis ergriffen wurde. Ich 
glaubte hier zunächst an mangelhafte Wohnungsdesinfektion. 
Allein unsere Wohnungsdesinfektoren sind alte, erprobte, zuver¬ 
lässige Beamte, die, da sie Tag für Tag Desinfektionen vor^ 
nehmen, durchaus ihr Gebiet beherrschen; wiederholte, unver¬ 
mutete Revisionen überzeugten mich außerdem davon, daß sie 
zuverlässig und richtig arbeiteten. In den Krankenhäusern 
wurden und werden die Kleider, die die diphtheritiskrankeri 
Kinder mitbringen, ebenfalls vorschriftsmäßig desinfiziert; auch 
baden die genesenen Kinder, bevor sie mit ihren desinfizierten 
Kleidern aus dem Krankenhaus entlassen werden. Schließlich 
vermutete ich, daß diese eigentümliche Weiterverbreitung der 
Diphtheritis darauf zurückzuführen sei, daß Bazillenträger eine 
Rolle spielen könnten. Es konnteil die genesenen Kinder aus 
den Krankenhäusern zu früh, d. h. während sie noch in ihrer 
Mund- und Rachenschleimhaut Diphtheriekeime führten, ent¬ 
lassen worden sein; ebenso konnten die in der Wohnung der 
Eltern behandelten Kinder nach ihrer Genesung noch als 
Bazillenträger zum Schulunterricht zugelassen worden sein. 
Schließlich konnten auch gesunde Kinder aus der Umgebung 
eines diphtheritiskranken Kindes Bazillenträger sein und nach 
erfolgter Ueberführung der erkrankten Familienmitglieder ins 
Krankenhaus und erfolgter Schlußdesinfektion als Bazillenträger 
Ursache weiterer Uebertragungen in Schule, auf der Straße 
oder Spielplatz sein. 

Ich beschloß daher, angeregt durch eine Mitteilung aus 
Halle a. S. über systematisch durchgeführte Schlußunter¬ 
suchungen bei Diphtheritis, in gleicher Weise, wie wir es den 



816 


Dr. Lembke. 


Bazillenträgern bei Typhus gegenüber machen, gegen die Diph- 
theritisbazillenträger vorzugehen. 

Die bakteriologischen Untersuchungen zwangsweise herbei¬ 
zuführen, dazu fehlte es an der gesetzlichen Unterlage; es 
konnte daher die Vornahme der Untersuchungen nur dadurch 
erreicht werden, dafi sich die Krankenhausärzte und Privatärzte 
freiwillig dazu verstanden. Daß die Entnahme von Unter¬ 
suchungsmaterial bei der großen Zahl Diphtheritiskranker eine 
große Mehrarbeit für die Aerzte bedeutet, war nicht zu ver¬ 
kennen. In den Krankenhäusern ließen sich die Schlußunter¬ 
suchungen noch am leichtesten durchführen; außerdem war 
hier die Durchführung der Maßnahmen am ehesten zu erwarten, 
da ja die weitaus meisten diphtheritiskranken Kinder in Kranken¬ 
häuser übergeführt werden. Hier entstand nur die große 
Schwierigkeit, daß, wenn auf Grund mehrfacher Untersuchungen 
mit positivem Ergebnis der Krankenhausaufenthalt übermäßig 
verlängert wurde, die Angehörigen der erheblichen Kosten 
wegen Einspruch gegen den verlängerten Krankenhausaufenthalt 
erheben würden. Tatsächlich mußten denn auch schließlich 
solche Bazillenträger aus dem Krankenhause entlassen werden, 
da die Eltern nicht gezwungen werden konnten, ihre „gesunden 
Kinder“ im Krankenhaus zu belassen. In solchen übrigens 
reoht seltenen Fällen wurden die Eltern auf die Gefahr der 
Uebertragung aufmerksam gemacht und erhielten Anweisung, 
ihre Kinder gurgeln und Mundspülungen machen zu lassen. 
Zur Schule aber wurden diese nicht eher wieder zugelassen, 
bis der Nachweis des Bazillenfreiseins erbracht worden war. 

In der Privatpraxis der Aerzte lag die größere Schwierig¬ 
keit der'Durchführung; denn einmal sollten die Aerzte bei den 
Geschwistern des diphtheritiskranken Kindes Schleimhaut¬ 
abstriche machen, das kostet Zeit und Mühe und bedeutet, 
wenn das kranke Kind in ein Krankenhaus überführt ist, unter 
Umständen einen oder mehrere Extrabesuche; anderseits wurde 
die Zahl der Krankenbesuche bei den Schlußuntersuchungen 
unter Umständen vermehrt. Etwas entlastet wurden die Aerzte, 
vorwiegend allerdings nur in Duisburg, dadurch, daß sioh der 
Leiter des hiesigen bakteriologischen Instituts, Herr Dr. Spring¬ 
feld, in liebenswürdigster Weise bereit erklärte, bei den ge¬ 
sunden Geschwistern Diphtheritiskranker in seinem Laboratorium 
kostenlos Untersuchungsmaterial zu entnehmen (gedacht war 
auch daran, dies ev. von den Schul- und Armenärzten machen 
zu lassen). Ohne dieses Entgegenkommen seitens des Leiters 
des bakteriologischen Instituts wäre wohl die Durchführung in 
solchem Umfang, wie es geschehen ist, nicht möglich gewesen. 

Eine weitere zu überwindende Schwierigkeit erwuchs durch 
die allzulange Schulausschließung, gegen die sich die 
Schulbehörden sträubten. Nach § 8 des Gesetzes betreffend 
Bekämpfung übertragbarer Krankheiten sind sämtliche Ma߬ 
nahmen nach erfolgter Schlußdesinfektion aufzuheben; es 



Beitrag zur Bekämpfung der Diphtheritis. 


317 


erschien daher fraglich, ob bei Diphtheritiserkrankung nach 
erfolgter Schlufldesinfektion die Bazillenträger vom Schulbesuch 
ausgeschlossen werden konnten; mit der Wohnungsdesinfektion 
am Schluß der Erkrankung oder bei Ueberführung ins Kranken¬ 
haus aber solange zu warten, bis der Bazillenträger aufgehört 
hatte, Bazillenträger zu sein, war schon gar nicht angängig. 
Allein hier half der Ministerialerlaß vom 9. Juli 1907 zur Ver¬ 
hütung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten durch die 
Schulen. * Gemäß § 5 dieser Anweisung dürfen gesunde Lehrer 
und Schüler aus Behausungen,*}^ denen Erkrankungen an 
Diphtheritis vorgekommen sind, die Schulräume nicht betreten, 
so weit und solange eine Weiterverbreitung der Krankheit aus 
diesen Behausungen durch sie zu „befürchten“ ist. Gemäß §6 
derselben Anweisung darf weiterhin die Wiederzulassung Diph- 
theritiskranker zur Schule erst erfolgen, wenn eine Weiter¬ 
verbreitung der Krankheit durch sie nach ärztlicher Bescheini¬ 
gung nicht mehr zu befürchten ist. Somit war die Zulässig¬ 
keit, Bazillenträger vom Schulbesuch auszuschließen, gegeben. 
Nachdem im Dezember 1913 mit den Dezernenten des Gesund¬ 
heitswesens in beiden Städten und mit den Schulverwaltungen 
Rückspraohe genommen worden war, und die Gesundheits¬ 
kommissionen sowie die Schuldeputation in Duisburg sich zu¬ 
stimmend geäußert hatten, wurde an sämtliche Krankenhaus¬ 
ärzte und Privatärzte beider Städte ein Rundschreiben geschickt. 
In diesem Rundschreiben wurde den Aerzten ein Bild über die 
Verbreitung und die bisherige Bekämpfung der Diphtheritis 
gegeben, die Bedeutung der Bazillenträger für die Weiter Ver¬ 
breitung der Diphtheritis auseinandergesetzt, das beabsichtigte 
Vorgeben bzgl. der schulpflichtigen Bazillenträger geschildert und 
deren beabsichtigte Ausschließung vom Schulbesuch mitgeteilt. 
Ferner wurden darin die Aerzte gebeten, bei Diphtheritis- 
kranken in der Rekonvaleszenz eine zweimalige Probeentnahme 
des Rachenschleimes an das bakteriologische Laboratorium in 
Duisburg zur Untersuchung einzusenden, und ebenso von den 
gesunden schulpflichtigen Geschwistern. Die Probeentnahme 
sollte in Zwischenräumen von 2—3 Tagen stattfinden und bei 
positivem Ausfall fortgesetzt werden, bis die Untersuchung 
zweimal hintereiander negativ ausfallen würde. 

Ebenso waren die Rektoren und Schullehrer von dem 
Vorgehen unterrichtet und angewiesen worden, Schulkinder 
nach überstandener Diphtheritis sowie die gesunden, schul¬ 
pflichtigen Kinder aus einer Familie, von der Diphtheritis 
gemeldet war, nicht eher wieder zur Schule zulassen, 
als bis ihnen mitgeteilt worden war, daß das betreffende 
Kind „schulzulässig“ sei. Damit unnötige Schulversäumnisse 
vermieden würden, wurden die Untersuchungsergebnisse vom 
Untersuchungsamt dem Kreisarztamt telephonisch mitgeteilt; 
dieses teilte dann der Gesundheitspolizei ebenfalls telephonisch 
mit, ob und wann ein Kind wieder „schulzulässig sei. Die 
Gesundheitspolizei benachrichtigte hierauf gleichfalls auf schnell- 



318 


Dr. Lembke. 


stem Wege Eltern und Schule, daß das betreffende Kind wieder 
die Schule besuchen könne. 

Am 1. Januar 1914 setzte das Vorgehen gegen die Bazillen¬ 
träger ein. Natürlich ging nicht alles von Anfang an glatt. 
Einige Aerzte versagten, namentlich war in Hamborn bei ein¬ 
zelnen Aerzten ein grundsätzlicher Widerstand entstanden, der 
erst langsam und erst nach wiederholter Rücksprache mit 
ihnen überwunden wurde. Im allgemeinen ging aber die Sache 
besser, als ich erwartet hatte; schon nach kurzer Zeit hatte 
sich das Verfahren allgemein eingebürgert. Leider machte der 
Kriegsausbruch dem Versuche, der ursprünglich zunächst für 
ein Jahr geplant war, bis zu einem gewissen Grade ein Ende. 
Nachstehend berichte ich daher nur über die Zeit vom 1. Januar 
1914 bis Ende Juli 1914 also über die Zeit von 7 Monaten. 

Während dieser Zeit waren in Duisburg 486 Diphtheritis- 
erkrankungen vorgekomraen; gestorben waren lß, von denen 
also Schiaßuntersuchungen wegfielen. Von den verbleibenden 
419 Diphtheritiskranken waren Schlußuntersuchungen gemacht 
worden bei 344, also bei 82,1 °/ 0 . 

ln Hamborn war das Ergebnis nicht so gut. Es waren 
hier 339 Diphtheritiserkrankungen vorgekommen; die Zahl der 
Todesfälle betrug 31. Von den 308 verbleibenden Diphtheritis- 
rekonvaleszenten sind bei 126 Schlußuntersuchungen gemacht 
worden, also bei 37,6 °/ 0 . 

Die Zahl der Familien, in denen Diphtheritis aufgetreten 
war und in denen außer dem Kranken noch gesunde, schul¬ 
pflichtige Kinder vorhanden waren, betrug in Duisburg 168, m 
Hamborn 120. ln Duisburg fand bei 123 Familien eine Durch¬ 
suchung der gesunden schulpflichtigen Kinder statt, also bei 
73,2 °/ 0 , in Hamborn bei 76 Familien also nur bei 63,3 °/ 0 . 

Diese Ergebnisse zeigen, daß solche Schlußuntersuchungen 
bei Diphtheritiskranken und Durchsuchungen der Familien nach 
Bazillen tragenden Schulkindern praktisch durchgeführt werden 
können. Die entgegenstehenden Schwierigkeiten lassen sich 
überwinden. 

Was nun die Ergebnisse der bakteriologischen 
Untersuchungen selbst betrifft, so ergab sich folgendes: 

In Duisburg sind 344 Diphtheritisrekonvaleszenten 
untersucht und davon bei den Schlußuntersuchungen 221 frei 
von Bakterien gefunden worden (hiervon hatte eine zweimalige 
Untersuchung stattgefunden bei 180; bei 41 war nur einmal 
untersucht worden). Ein positiver Befund wurde bei 123, 
also bei 35,7 °/ 0 erhoben. 

In Hamborn sind 126 Diphtheritisrekonvaleszenten unter¬ 
sucht und davon bei den Schlußuntersuchungen 94 frei von 
Bakterien gefunden; hiervon waren 2 mal untersucht worden 
47 und nur 1 mal ebenfalls 47. Positiven Befund hatten 32, 
also 25,4°/ 0 . Daß in Hamborn die Zahl der Bazillenträger geringer 
gefunden wurde, dürfte sich vielleicht daraus erklären, daß hier 
die Sterblichkeit eine recht erhebliche gewesen und infolge- 



Beitrag zur Bekämpfung der Diphtheritis. 


319 


dessen eine große Zahl schwerer Diphtheritisfälle nicht zur 
Schlußuntersuchung gekommen ist. 

Diese Bazillenträger (123 in Duisburg und 32 in Hamborn) 
sind dann weiter untersucht worden. Danach zeigten einen 
positiven Befund bei der 

zweiten Untersuchung: in Duisburg: 10, in Hamborn: 3, 
dritten „ „3, „1, 

vierten „ „1, » 0, 

fünften „ „0, „ 0. 

Die längste Zeit d^s Bazillenträgerseins war einmal 
16 Tage, einmal 20 Tage und einmal 34 Tage. 

Diese Schlußuntersuchungen mit ihren Ergebnissen er¬ 
weisen die Notwendigkeit solcher Untersuchungen; ohne sie 
wären sicherlich eine große Zahl von Diphtheritisbazillenträgern 
zu früh aus den Krankenhäusern entlassen, zu früh wieder zur 
Schule zugelassen worden und hätten dort sicherlich zu weiteren 
Infektionen geführt. Anderseits verliert die große Mehrzahl 
der Diphtheritisrekonvaleszenten doch wieder schon nach kurzer 
Zeit die Bazillen, so daß eine übermäßige Verlängerung des 
Krankenhausaufenthaltes, eine allzulange Ausschließung vom 
Schulbesuch nicht zu befürchten ist. 

Aus Familien, in denen Diphtheritis aufgetreten war 
und in denen noch gesunde schulpflichtige Kinder vor¬ 
handen waren, ist eine Durchsuchung nach Bazillenträgern in 
Duisburg bei 123 vorgenommen worden. In diesen 123 Familien 
sind 35 Bazillenträger gefunden worden. In einer Familie 
waren 2 gesunde schulpflichtige Kinder Bazillenträger und in 
einer anderen Familie sogar 3 schulpflichtige Kinder Bazillen¬ 
träger. Aus der Umgebung von 100 Diphtheritiskranken kommen, 
wenn schulpflichtige gesunde Kinder in der Familie überhaupt 
vorhanden sind, 29,3 °/ 0 Bazillenträger. 

In Hamborn sind in 76 Familien mit schulpflichtigen 
Kindern Durchsuchungen nach Bazillenträgern vorgenommen. 
Hier ist sogar bei 39 Schulkindern (d. s. 51,3 °/ 0 ) ein positiver 
Befund erhoben worden, darunter in 6 Familien je 2 gesunde 
Kinder mit Bazillen und eine Familie mit 3 Bazillenträgern. 

Diese Bazillenträger (35 in Duisburg, 39 in Hamborn) sind 
dann weiter untersucht worden. Danach zeigten einen posi¬ 
tiven Befund bei der 

zweiten Untersuchung: in Duisburg: 10, in Hamborn: 9, 
dritten „ „ 3, * 2, 

vierten „ „ 1, * 0, 

fünften „ „ 0, „ 0. 

Diese Bazillenträger aus der Umgebung eines Diphtheritis¬ 
kranken bilden naturgemäß eine ungemein günstige Quelle der 
W eiter Verbreitung. 

Das Vorgehen bei der Anzeige eines Diphtheritisfalles war 
bisher folgendes: Sowie der Arzt Diphtheritis festgestellt hatte, 
erfolgte in der Regel noch am gleichen, spätestens am folgenden 



320 


Dr Baptnnnd: Inwieweit sind die von Medizinalbeamten als 


Tage, Ueberfübrung in das Krankenhaus. Unmittelbar nach 
der Ueberführung wurde die Wohnung desinfiziert und dann 
durften die gesunden Geschwister die Schule wieder besuchen. 
Daß bei solchem Verfahren durch die Bazillenträger die Diph- 
theritis weiterverbreitet wird, daß in einer Großstadt und ip 
den Schulen der Großstädte Diphtheritis immer herrscht, kann 
nicht Wunder nehmen. Ich halte es daher für unbedingt not¬ 
wendig, auch die Umgebung von Diphtheritiskranken 
zu durchsuchen, die Bazillenträger vom Schul¬ 
besuch fernzuhalten und mit Anweisungen zu versehen, 
damit sie möglichst bald aufhören, Bazillenträger zu sein. 
Die Durchsuchung der Umgebung der Diphtheritiskranken 
ist praktisch durchführbar; ebenso wird auch die Schulaus- 
schließung der Bazillenträger nicht auf Schwierigkeiten stoßen, 
da auch diese Gruppe der Bazillenträger bald aufhört, Bazillen¬ 
träger zu sein, zumal wenn Mundspülungen und Rachenspülungen 
vorgenommen werden, wie wir es in den beiden Kreisen in jedem 
Falle angeraten haben. 

Der Ausbruch des Krieges beendete den Versuch; aber 
das, was ich durch ihn habe *feststellen wollen, ist erreicht 
worden. Nach dem Kriege hoffe ich, wird das Verfahren gegen 
die Bazillenträger in vollem Umfange wieder aufgenommen werden. 
Es wird dies um so leichter sein, als sämtliche Krankenhäuser 
bis heute hin die Schlußuntersuchungen beibehalten haben. 


Inwieweit sind nach dem Angestellten-Versicherungsgesetz 
die von den Medizinalbeamten als Schreibhilfe beschäftigten 
Personen nach dem Versicherungsgesetz für Angestellte 

versicherungspflichtig ? 

Vom Herausgeber. 

Die Frage der Versicherungspflicht der von den Medizinal¬ 
beamten als Schreibhilfe beschäftigten Personen ist, soweit diese 
nicht als vollbeschäftigte Bürobeamte — also im Hauptamte — 
angestellt sind und ein entsprechendes Gehalt beziehen, eine 
strittige. In der Regel kann bei ihnen weder vom Hauptberuf 
noch von einem Angestellten im Sinne einer höheren oder 
gehobenen Stellung die Rede sein, sondern es handelt sich 
meist umr eine einige Stunden dauernde Nebentätigkeit, 
bei der die Betreffenden fast ausschließlich mit Abschreiben, 
Diktatschreiben, Schreiben auf der Schreibmaschine, Akten¬ 
heften, Botengängen und ähnlichen niederen und mechanischen 
Arbeiten beschäftigt werden. Daß sie in diesem Falle nach 
dem Versicherungsgesetz für Angestellte nicht versicherungs¬ 
pflichtig sind, unterliegt keinem Zweifel;*) strittig wird dagegen 

') In der vom Direktorium der Keichs Versicherungsanstalt 
für Angestellte unter dem 2 0. Juni 1912 heransgegebenen Anleitung, 
betr. den Kreis der nach dem Versicherungsgesetze für Angestellte yom 
20. Dezember 1911 versicherten Personen heißt es unter Ziffer 14: 



Schreibhilfe beschäftigten Personen versicherungspflichtig ? 821 

die Frage, wenn sie außerdem noch mit dem Ausfüllen von 
Listen, Formularen mit Vordruck usw. beschäftigt werden. 
Auch diese Tätigkeit dürfte wohl bisher von den meisten 
Medizinalbeamten als eine rein mechanische angesehen und 
deshalb eine Versicherungspflicht für ihre Schreibhilfen nicht 
anerkannt sein. Der nachstehende Fall zeigt jedoch, daß diese 
Ansicht eine irrige ist, da das Ausfüllen von Listen nicht als 
mechanische Arbeit gilt und die V^rsicherungspflicht auch 
dann eintritt, wenn diese Tätigkeit nur eine geringfügige ist 
im Verhältnis zu der sonstigen mechanischen Arbeit. 

\ Der Kreisarzt Dr. Schultz-Schulzenstein in Freien¬ 
walde, der mir das erforderliche Material in liebenswürdiger 
Weise zur Verfügung gestellt hat, wurde vom Direktorium der 
Reichsversicherungsanstalt in Berlin durch Schreiben vom 
22. Juli 1915 aufgefordert, den von ihm als Schreiber und Bote 
beschäftigten B. zur Angestellten-Versicherung anzumelden. Er 
erhob hiergegen bei dem zuständigen Rentausschuß in Berlin 
Beschwerde mit folgender Begründung: 

B., früher Maschinenschreiber beim hiesigen Landrat, dann eine Zeitlang 
ohne Stell an g, ist von mir als Privatgehilfe zar Verrichtung der sich durch 
meinen Dienst im Büro ergebenden niederen und mechanischen Dienstleistungen 


„Büroangestellte, soweit sie nicht mit niederen oder lediglich 
mechanischen Dienstleistungen beschäftigt werden. Danach sind die lediglich 
mit körperlichen Arbeiten, z. B. mit dem Reinigen der Zimmer oder 
mit Botendiensten beschäftigten Personen, von der Versicherung ausgeschlossen. 
Aber auch die in einem Büro mit schriftlichen Arbeiten beschäftigten 
Personen sind nicht sämtlich versicherungspflichtig. Vielmehr sind Personen, 
die lediglich abschreiben, gleichviel ob mit der Hand oder 
mit der Maschine, versicherungsfrei. Versichert sind dagegen 
Expedienten, Registratoren, Kalkulatoren, Kassenbeamte, Gemeindeschreiber, 
Gemeinderechner, Kirchenrechner, Personen, die in Rechtsanwaltsbüros Schrift¬ 
sätze anfertigen oder Kostenrechnungen und Buchhalter der Gutsverwaltungen, 
Stenographen. 

Büroangestellte sind nur versicherungspflichtig, wenn diese Beschäfti¬ 
gung ihren Hauptberuf bildet.“ 

Was unter „Hauptberuf“ zu verstehen ist, erläutert Ziffer 10 der 
Anleitung wie folgt: 

„Das Erfordernis, daß die Beschäftigung als Angestellter den Haupt¬ 
beruf der Beschäftigten bilden müssen, schließt die Anwendung des Gesetzes 
für vorübergehend Beschäftigte sowie für solche Angestellte aus, die ihre 
Stellung nur nebenamtlich anseben (z. B Gewerbetreibende, die nebenbei 
die Geschäfte eines Gemeindeschreibers, eines Postagenten, des Rendanten 
einer Darlehnskasse wahrnehmen). Der Hauptberuf bestimmt sich bei mehreren 
Erwerbstätigkeiten nach dem Verhältnisse der auf sie verwandten 
Arbeitszeit und des dafür gewährten Entgeldes. Wenn neben 
einer hierher gehörigen Tätigkeit keine Erwerbstätigkeit aasgeübt, vielmehr 
der Lebensunterhalt im übrigen aus Vermögen bestritten wird, so bildet sie 
darum nicht notwendig den Hauptberuf. Es kommt«» noch darauf an, ob die 
Beschäftigung, sei es, weil sie die Arbeitskraft hauptsächlich in Anspruch 
nimmt, sei es, weil sie den Beschäftigten einem bestimmten Gesellschaftskreise 
zuweist, für die Lebensstellung tatsächlich oder nach seiner Ansicht maßgebend 
ist; dabei wird auch auf die Höhe und Sicherheit des Arbeitsentgeltes Wert 
zu legen sein. Werden mehrere Tätigkeiten ausgeübt, deren jede den 
Beschäftigten zum Angestellten macht, so kommt es darauf an, ob die 
Gesamtheit dieser Beschäftigungen gegenüber der sonstigen nicht 
versicherungspflichtigen Tätigkeit den Hauptberuf bildet.“ 



322 Dr. Rapmund: Inwieweit sind die von Medizinalbeamten als 

angenommen und erhält dafür monatlich eine Entschädigung von 60 Mark. 
Hierfür hat er täglich während einiger Standen von 9—12 Ohr vormittags — 
in meinem Geschäftszimmer Reinschriften der von mir selbst ange- 
fertigten Schriftsätze herzustellen, nach meiner Anweisung in jedem Falle 
Adressen der abgehenden Schriftstücke za schreiben, die Daten in Vor¬ 
ladungen und zwar auch nur nach meiner jedesmaligen Angabe einzutragen, 
die eingehenden Schriftstücke, die zu den Akten zu nehmen sind, in 
die von mir auf jedem Schriftstück vermerkten Akten zu legen, die Akten 
zu heften und sonstige unselbständige Büroarbeiten, z. B. Arbeiten 
mit der Kopiermaschine, sowie die erforderlichen Botengänge zu verrichten. 
Eintragungen in das Bürotagebuch hat er nur unter meiner Anleitung gemacht. 
Irgendwelche selbständige Arbeiten hat er nicht verrichtet, war dazu auch 
gar nicht befähigt und vorgebildet. Jede schriftliche Sache, die er nach meinem 
Entwarf abschrieb, war mir vor Abgang vorzulegen, wurde von mir durch¬ 
gesehen und unterschrieben. 

Die ganze Tätigkeit des B. auf meinem Büro ist eine vorüber¬ 
gehende und daher nicht als Hauptberuf anzusehen; dazu ist 
auch der Umfang der Beschäftigung und des Bürobetriebes zu gering, was 
schon daraus hervorgebt, daß mir vom Staat nur ein Dienstaufwand von 
480 Mark gewährt wird, wofür ich eine im Hauptberuf Angestellte Schreibhilfe 
nicht halten kann, znmal aus diesem Betrage auch alle sonstigen Büroauslagen, 
Mieto und Heizung für das Bürozimmer usw. zu decken sind. B. war übrigens 
gleichzeitig auch bei dem hiesigen Kreistierarzt als SchreibhUfe tätig. 

Ein schriftlicher Vertrag ist von mir mit dem B. nicht abge¬ 
schlossen; für die Kündigung des Arbeitsverbältnisses gelten die gesetzlichen 
Bestimmungen. 

Durch die vorstehenden Ausführungen erscheint mir erwiesen, daß die 
Voraussetzungen bei der Beschäftigung des B. in meinem Büro für ein ver- 
sicherungspltichtigcs Arbeitsverhältnis nicht erfüllt sind. 

Diese Beschwerde wurde von dem Rentenausschuß 
der Angestelltenversicherung in Berlin durch Beschluß vom 
15. Februar 1916 als unbegründet abgewiesen und 
der Angestellte B. für versicherungspflichtig nach dem Ver¬ 
sicherungsgesetz für Angestellte mit folgenden Gründen aner¬ 
kannt : 

. „Der Angestellte B. war in der Zeit vom 1. Februar 1913 bis zum 
25. Juli 1914 in dem Geschäftszimmer des Königl. Kreisarztes Dr. Sch. mit 
schriftlichen Arbeiten beschäftigt und gehörte sonach nach Art seiner Tätig¬ 
keit zu den Bttroangestellten. Als solcher unterlag er nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 
des Versicherungsgcsetzes für Angestellte der Versiehe rungspflicht, falls seine 
Tätigkeit nicht als niedere oder lediglich mechanische Dienstleistung anzusehen 
war und diese Beschäftigung seinen Hauptberuf bildete. 

Zu den mit niederen Büroarbeiten betrauten Büro&ngestellten gehört 
er zweifellos nicht, denn hierunter fallen Botendienste, Reinigungs- und Auf- 
räumungsarbeiten, keinesfalls aber Schreibarbeiten. Der Angestellte war zwar 
auch mit Botengängen zur Post und zu Behörden beschäftigt, aber in so ge¬ 
ringem Umfange, daß diese Tätigkeit für die Beurteilung seiner Versicherungs¬ 
pflicht nicht als ausschlaggebend in Betracht kommt. Fraglich könne nur sein, 
ob er etwa zu den Büroangestellten gerechnet werden müßte, die „mit ledig¬ 
lich mechanischer Dienstleistung“ befaßt sind. 

„Mechanisch“ in diesem Sinne ist nach den von den Spruchorganen 
der Angestellten Versicherung in ständiger Rechtsprechung entwickelten Grund¬ 
sätzen die mit der bei der Beratung des Gesetzes im Reichstag zum Ausdruck 
gebrachten Auffassung übereinstimmen, nur die Tätigkeit eines Abschreibers, 
der Wort für Wort nach Vorlage abschreibt. Und auch eine derartige Tätig¬ 
keit befreit nur dann von der Versicherungsptlicht, wenn der Angestellte 
ausschließlich damit beschäftigt ist. 

Nach den tatsächlichen Feststellungen hatte B. Reinschriften nach Diktat 
und nach schriftlicher Vorlage anzufertigen, Adressen nach Anweisung des 
Arbeitgebers zn schreiben, die Daten der Vorladungen nach jedesmaliger An¬ 
gabe des Arbeitgebers in ein Buch zu schreiben, Eingänge in die vom Arbeit- 




Schreibhilie beschäftigten Personen versicherungspflichtig? 


828 


geber genau bezeichneten Akten einzolegen and za heften, Eintragungen in 
aas Brieftagebuch nach Angabe des Arbeitgebers za machen, Abdrucke mit 
der Kopiermascbine herzasteilen, ferner die angemeldeten Krankheitsfälle ans 
den Heldangen za statistischen Zwecken in eine Liste einzatragen and auf 
Grand von Listen Impfscheine einzaschreiben. Seine Dienstzeit dauerte yon 
9—12 Uhr vormittags; er erhielt für seine Dienstleistungen ein monatliches 
Gehalt von 45 Mk., später 50 Mark and außerdem 30 Mark für das Schreiben 
der Impfscheine. In der Zeit vom 1. April bis 1. Oktober war B. noch bei dem 
Amtsvorsteher in W. tätig and zwar bei dem Btiroftibrer.- Während seiner Be¬ 
schäftigung beim Königl. Kreisarzt Dr. Scb. wandte er für seinen Lebensunter¬ 
halt etwa 800 M. jährlich aaf. 

Strittig ist nar die Versicherangspflicht während der Beschäftigung beim 
Königl. Kreisarzt Dr. Sch. Nach dem oben geschilderten Sachverhalt war der 
Angestellte bei diesem allerdings zweifellos mit einer Beihe mechanischer 
Tätigkeiten befaßt. Die Eintragung der Krankheitsfälle in eine Liste aaf 
Grand der Anmeldescheine, sowie das Atusschreiben der Impf¬ 
scheine ans Listen können aber nicht als mechanische Dienstleistungen be¬ 
zeichnet werden. Es handelt sich hierbei nicht um ein unter Ausschluß der 
Denktätigkeit stattfindendes Vervielfältigen einer Vorlage ihrem gesamten 
Umfang und Inhalt nach; vielmehr erforderten diese Arbeiten Aufmerksamkeit 
and Gewissenhaftigkeit, sie können daher mit einer Abschreibertätigkeit nicht 
auf eine Stufe gestellt werden. (Beschluß des Oberschiedsgerichts zu P. 11/18; 
Amtl. Nachrichten der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte; 1914, S. 102). 
Der Angestellte war also auch mit nicht mechanischen Dienstleistungen befaßt. 
Auf den Umfang der nicht mechanischen Dienstleistungen kommt es bei der 
Beurteilung der Versicherungspflicht nicht an, da das Gesetz nur die mit 
„lediglich“ mechanischen Dienstleistungen beschäftigten Büroangestellten für 
nicht versicherungspflichtig erklärt. Es kann daher dahingestellt bleiben, in¬ 
wieweit die übrigen Arbeiten der Angestellten als mechanische Dienstleistungen 
im Sinne des Gesetzes anzusehen waren. Auch dem weiteren gesetzlichen 
Erfordernis für die Bestehung der Versicherungspflicht, der Ausübung der Be¬ 
schäftigung im Hauptberuf ist genügt; denn der Angestellte übte seine Be¬ 
schäftigung bei dem Königl. Kreisarzt in der Regel von 9—12 Uhr vormittags 
aus. Daneben war er allerdings in der Zeit vom 14. April bis 30. Sept. 1918 
auch noch bei dem Amtsvorsteher in W. beschäftigt, jedoch wurde diese Be¬ 
schäftigung nur zweimal wöchentlich ausgeübt; sie tritt deshalb so erheblich 
hinter die Tätigkeit des Angestellten bei dem Königl. Kreisarzt zurück, daß 
man in dieser letzteren den Hauptberuf des Angestellten erblicken muß. 
Außerdem bildete das von dem Arbeitgeber bezogene Einkommen von jährlich 
600 Mark auch die Grundlage für das Bestehen des Angestellten, der für seine 
Lebensbedürfnisse etwa 800 Mark jährlich gebraucht hat. 

Die Versicherangspflicht des Angestellten bei seiner Tätigkeit bei dem 
Königl. Kreisarzt Dr. Sch. war daher nach § 1, Abs. 1, Nr. 2 des Versicherungs¬ 
gesetzes für Angestellte zu bejahen.“ 


Gegen diesen Beschluß legte der Kreisarzt Dr. Sch. unter 
dem 9. März d. J. Beschwerde beim Schiedsgericht für die 
Angestelltenversicherung ein mit dem Anträge, den Beschluß 
des Rentenausschusses aulzuheben bezw. die Sache gemäß § 210 
Abs. 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes an das Oberschieds¬ 
gericht abzugeben. Seine Beschwerde begründete er wie folgt: 

.... In dem Beschluß des Rentenausschusses wird einerseits anerkannt’ 
daß B. mit einer Reihe von mechanischen Arbeiten befaßt war, dann aber 
gesagt, daß „die Eintragung der Krankheitsfälle in eine Liste auf 
Grund der Anmeldescheine“ nicht als mechanische Dienstleistung an¬ 
gesehen werden könne. Zum Beweise des Gegenteils dieser Auffassung füge 
ich ein aasgefülltes Formular über eine Erkrankung und das Formular für die 
zu machende Eintragung bei. In der Anzeige stellt der Ort der Erkrankung; 
ihre Art ist jedesmal oben unterstrichen. Die ganze Schreib- und Denkarbeit 
des B. bestand also darin, in die Liste den Ort der Erkrankung einzutragen 
und in der Spalte für die betreffende Krankheit einen Strich zu machen. Diese 



324 


Dr. Rapmund: Inwieweit sind die von Medizinalbeamten als 


Liste wird mir wöchentlich am Sonnabend mit den betreifenden roten Melde¬ 
zetteln vorgelegt, von mir kontrolliert und gegebenenfalls berichtigt, sowie 
eine Abschrift davon mit meiner Unterschrift an den Herrn Regierungsprisi- 
denten ein gereicht. Ich vermag mir nicht vorznstellen, wie man bei genafuer 
Kenntnis dieses Sachverhalts in der genannten Tätigkeit des B. etwas anderes 
als eine mechanische Abschreibearbeit sehen kann. Die Tatsache, daß er 
statt des Wortes (Scharlach) nur einen Strich zu machen hatte, kann doch seine 
Denktätigkeit wahrlich nicht auf eine Höhe heben, die die eines ganz gewöhn¬ 
lichen Abschreibens überragt. Zum Ueberfluß füge ich noch hinzu, daß täglich 
1, höchstens 2 solcher Spalten im Formular aaszufüllen sind, sehr oft gar keine. 

Ganz der gleiche Sachverhalt liegt bei dem Ausschreiben der 
Impfscheine ans den Listen vor: Aus der Liste ist der Name, das Geburts¬ 
datum und der Tag der Aushändigung des Scheins rein mechanisch abzu- 
schreibcn (eigentlich nur Name und Geburtstag, da das andere meist mittels 
Stein peldrucks gemacht wird). Der Impfschein erhält seine Gültigkeit durch 
meine Unterschrift und wird von mir im Nacbschautermin nachgeprüft; falls 
ein Verschreiben oder ein Irrtum des B. vorlag (was oft genug vorkam), wird 
der Impfschein zerrissen und von mir neu geschrieben. Die Tätigkeit des B. 
erforderte daher auch nicht eine außerordentliche Sorgfalt, da jeder Fehler sich 
ebenso wie beim Krankheitsverzeichnis sehr bald herausstellte; sie kann 
deshalb nur als rein mechanische Abschreibetätigkeit bezeichnet werden, die 
in keiner Weise mehr Aufmerksamkeit und Gewissenhaftigkeit erfordert, als 
sie bei rein mechanischem Abschreiben in Frage kommt, m. E. sogar noch 
weniger, weil nicht einmal Aufmerksamkeit auf Satzbau und Interpunktion 
nötig ist, geschweige denn an Denkfähigkeit irgendwelche Anforderungen ge¬ 
stellt werden. 

Der Beschluß des Rentenausschusses nimmt nun Bezug auf den Beschluß 
des Schiedsgerichts zu P. 11/13; in diesem heißt es jedoch im Absatz 6: „Der 
weitaus überragende Teil der ihm übertragenen Arbeiten gehöre auch nicht zu 
den rein mechanischen, da sie immerhin gewisse Anforderungen an eine „selbst¬ 
ständige Denkarbeit“ stellen. Lediglich.die Abschriften nach 

schriftlichen Vorlagen erscheinen als Beschäftigungen, die die Ver- 
sicberungspflicht nicht begründen würde.“ Ich glaube, daß man mir nach 
Einsicht der beigefügten Formulare ohne weiteres zugestehen muß, daß eine 
selbständige Denkarbeit und geistige Tätigkeit oder ein¬ 
gehende Kenntnis des Betriebes bei B. sicherlich nicht in Frage kommt. 
Auch nach den Beratungen der 16. Reichstags-Kommission sind unter Ab- 
schreibearbeiten wie sie von jedem gewöhnlichen Schreiber ver¬ 
richtet zu werden pflegen, als niedere, rein mechanische zu verstehen. Um 
solche Arbeiten handelt es sich hier aber doch lediglich. 

Es ist dann ferner gesagt worden, daß die Führung von Büchern, Be¬ 
rechnung von Unkosten eine eingehende Kenntnis des Betriebes usw., 
sowie eine selbständige Denkarbeit und geistige Tätigkeit 
erfordern. Eine Kenntnis des Betriebes kommt aber bei den von B. besorgten 
Formalttrabschriften sicher nicht in Betracht. Das rein mechanische Abschreiben 
aus einer Liste erscheint vielmehr als das Geringste von dem, was man von 
einem ganz gewöhnlichen Schreiber oder Kanzlisten erwarten muß. 

B. war bei mir uach weder als Expedient noch als Registrator, Kalkulator 
usw. tätig (vergl. Anleitung vom 20. Juni 1912),') sondern nur als mechanischer 
Abschreiber and Bote. Ich nehme ferner Bezog auf die grundsätzliche Ent¬ 
scheidung des Oberschiedsgerichts vom 24. September 1914, in der ebenfalls 
ausgefiihrt ist, daß unter mechanischen Dienstleistungen mechanische Kopier¬ 
oder Abschreibearbeiten, wie sie von jedem gewöhnlichen Schreiber 
oder Kanzlisten verrichtet zu werden pflegen, zu verstehen sind. „Vollzug 
von Ersuchungsschreiben mit Bearbeitung der Karthothek“ gehören aber nicht 
dahin, weil eine solche Arbeit einen Aufwand von peinlichster 
Genauigkeit und von Denkvermögen erfordern.“ Arbeiten dieser oder 
ähnlicher Art kommen aber bei mir gar nicht vor 1 Die Listen über ansteckende 
Krankheiten und die Impfscheine füllt wohl jeder Schreiber eines Kreisarztes 
aus; es müßten deshalb auch alle bei einem Kreisarzt beschäftigten Schreiber 

*) Siehe vorher Anmerkung auf S. 320 und 321. 




Schreibhilfe beschäftigten Perosnen versichcrnngspflichtig i 


825 


versicherungspflichtig werden, wenn sie zufällig einmal keinen anderen Beruf 
haben, und man das Ansschreiben 7on Impfscheinen nsw. als eine so hohe 
geistige Leistung bewerten will, wie es der Rentenausschuß tut. Die Sache 
hat deshalb auch eine grundsätzliche Bedeutung." 

In einem nachträglichen Zusatz zu seiner Beschwerde 
nahm dann der Kreisarzt Dr. Sch. auf den Beschluß des Ober¬ 
schiedsgerichts in Berlin vom 11. September 1915 1 ) Bezug, in 
dem nicht einmal ein Gehalt von 90 M. monatlich als ein solches 
für eine „gehobene Stellung“ anzusehen sei; um so weniger 
dürfe die von ihm dem B. gewährte Entschädigung, die in 
Wirklichkeit jährlich nur 570 M. betragen habe, für eine der¬ 
artige Stellung sprechen. In diesem Beschluß sei außerdem 
das Aussqhreiben von Rechnungen als eine die Ver¬ 
sicherungspflicht nicht bedingende Tätigkeit angenommen, ob¬ 
wohl sie eine Arbeit darstelle, die sehr viel mehr Aufmerksam¬ 
keit erfordere, als im vorliegenden Falle das Ausschreiben von 
Impfscheinen und die Ausfüllung von Listen. 

Durch Beschluß des Schiedsgerichts für Ange¬ 
stelltenversicherung in Berlin vom 3. April 1916 
wurde diese Beschwerde jedoch abgewiesen und auch der An¬ 
trag auf Abgabe an das Öberschiedsgericht abgelehnt, da hier¬ 
zu die Voraussetzungen des § 210 Abs. 2 des Angestellten- 
Versicherungs-Gesetzes nicht Vorlagen. Der Beschluß wurde 
wie folgt begründet: 

„Die Versicherungspflicht ist begründet, wenn ein Büroangestellter 
nicht nur ganz vorübergehend, sondern mit einer gewissen Regelmäßig¬ 
keit eine nicht mechanische Tätigkeit ansübt, ohne daß es auf 
dep Umfang der letzteren ankommt, auf ihr Verhältnis zu der 
mechanischen Arbeit (Entscheidungen des Oberscbiedsgerichts vom 29. April 
und 16. Juni 1914; Angestellten-Versicherung 1914, S 212 und 233, vom 18. Juni, 
24. September und 28. November 1916; ebenda 1915, S. 187 und 1916, S. 9 
und 49). 


*) In dem oben angeftthrten Beschluß des Oberschiedsgerichts heißt es: 
FxL P.8 Tätigkeit bei dem Zahnarzt N. hat zum Teil in Diensten niederer Art 
bestanden. Dazu gehört zweifellos das Staubwischen, das Hereinlassen, Hinaus¬ 
führen und Bedienen der Patienten beim Ablegen der Garderobe, das Bedienen 
des Fernsprechers, das Säubern der Instrumente, des Instrumenten- und des 
Arzneischrankes und die üblichen Handreichungen während der ärztlichen Be¬ 
handlung der Patienten. Nach einer Auskunft der Preußischen Zahnärzte¬ 
kammer vom 28. Dezember 1914 fällt unter die üblichen Dienstleistungen 
niederer Art auch das Hämmern von Goldfüllungen. Auch diese Leistung 
bildet nach der Auskunft nicht etwa einen Teil der Behandlung. Sie kann 
von jeder unvorgebildeten Person ausgeübt werden. Es kommt daher nur 
noch darauf an, ob Fräulein P. wegen der ihr obliegenden schriftlichen Arbeiten 
als Angestellte im Sinne des Versicherungsgesetzes für Angestellte zu be¬ 
trachten war. In dieser Richtung steht fest, daß Fräulein P. in das Bestell¬ 
buch, das der Arzt meist selbst führte, nach dessen Anweisungen Einträge 
machte, daß sie Rechnungen ausschrieb, nachdem der Arzt zuvor die 
Honorarsätze ausgerechnet hatte und daß sie nach Diktat Briefe schrieb. 
Häufig hatte sie tagelang keine schriftlichen Arbeiten. Anderseits soll sie 
auch an Sonntagen mit schriftlichen Arbeiten, und zwar auch mit solchen, 
welche mit der zahnärztlichen Praxis nichts zu tun hatten, beschäftigt gewesen 
sein. Diese Tätigkeit hat das Oberschiedsgericht nicht als eine Dienstleistung 
höherer Art bewerten können, da ihr jede selbständige Ent¬ 
schließung und eigene Verantwortlichkeit fehlte. Auch das 
monatliche Gehalt von 90 Mark spricht nicht für eine gehobene Stellung. 



326 


Verhandlungen des Reichstags über den Hanahalt 


Das Ausfällen von Formularen und Listen ist eine-nicht 
mechanische Tätigkeit (Entscheidungen des Oberschiedsgerkhts vom 
18. Juni und 23. November 1915 (s. vorher), sowie vom 3. und 18. Dezember 1915 k 
I o der Entscheidung vom 8. Dezember 1915 sogt das Oberschiedsgericht, es 
habe in zahlreichen Entscheidungen angenommen, daß jede Register- und 
Listenführung sowie das Ausfüllen von Vordrucke selbst einfacher Art nicht 
unter dem Begriff der mechanischen Dienstleistungen gebracht werden kann, 
auch wenn die Zahl der verwendeten Vordrucke klein sei und sich ihre Aus¬ 
füllung in gleicher Weise vollziehe. 

Im vorliegenden Falle handelt es sich um die Ausfüllung von Listen 
und Formularen, denn die Eintragungen des B. in die Krankheits¬ 
listen und Impfscheine waren nicht wortgetreue Abschriften der Vor¬ 
lage. In den Krankheitslisten war anstatt des Namens der in der An¬ 
zeige erwähnten Krankheit in der betreffenden Spalte der Liste ein Strich zu 
machen; wurde die falsche Spalte ausgefüllt, so war das Ergebnis der Liste 
unrichtig. In dem Impfschein waren Angaben aus der wesentlich anders 
gearbeiteten Liste zu entnehmen und zum Teil durch andere Worte zu ersetzen. 

Der Umstand, daß B. nicht unter eigener Verantwortlichkeit 
arbeitete, schließt die Versicherungspflicht nicht aus (Entschei¬ 
dung des Ober-Schiedsgerichts vom 10. Februar 1914; Angestellten-Versiche- 
rung 1914, S. 602). 

Die Berufung auf die Entscheidung des O.Sch.G. vom 11. 8eptember 1915 
(Angestellten-Versicherung, 1915, S. 228) trifft nicht zu, denn es handelt sich 
nicht um die Frage, ob B. Angestellter im Sinne einer höheren oder gehobenen 
Stellung war.“ 

Leider, ist die Sache nicht mehr zur Entscheidung des 
Oberschiedsgerichts gekommen, das vielleicht doch in bezug 
auf die Ausfüllung von Impfscheinen usw., um die es sich hier 
hauptsächlich handelte, zu einer anderen Ansicht gekommen 
wäre, als der Rentenausschuß und das Schiedsgericht. Jeden¬ 
falls werden aber die Medizinalbeamten bis dahin gut tun, die 
Tätigkeit der von ihnen beschäftigten Schreiber, soweit diese 
nicht einen anderen versicherungspflichtigen Hauptberuf haben, 
auf die in dem Schiedsgericht gezogenen Grenzen zu be¬ 
schränken. Die betreffenden Personen sind dann aber nach 
§ 1226 Abs. 1 Ziffer 1 der Reichs Versicherungsordnung (Inva¬ 
liden- und Hinterbliebenenversicherung) als „Gehilfen“ ver¬ 
sicherungspflichtig. 


Verhandlungen des Reichstages Ober den Haushalt des 
Reichsamts des Innern, insbesondere des Reichsgesund- 

heitsamtes. 

Vom Herausgeber. 

Die Beratung über den Haushalt des Reichsamts des 
Innern und des darin enthaltenen Haushalts für das Reichs¬ 
gesundheitsamts hat dem Reichstag in den Sitzungen vom 
21. und 23. Mai Veranlassung gegeben, sich nicht nur mit einer 
Reihe sozialpolitischer Fragen, sondern auch mit ver¬ 
schiedenen Fragen aus dem Gebiete der öffentlichen Gesund¬ 
heitspflege, wie Geburtenrückgang, Säuglingssterb¬ 
lichkeit, Mutter- und Säuglingsschutz, Reform des 
Hebammenwesens, Bekämpfung der Geschlechts¬ 
krankheiten usw. zu beschäftigen. Die Hauptrolle spielten 



des Reicbsamts des Innern, insbesondere des Reichsgesundheitsamtcs. 327 

dabei ebenso, wie bei den Verhandlungen des Medizinaletats im 
preußischen Abgeordnetenhause, die Bekämpfung des Geburten¬ 
rückganges sowie der Mutter- u. Säuglingschutz. Man kann gerade 
nicht behaupten, daß die Beratung viel Neues zutage gefördert 
hätte; ob der vom Reichstag beschlossene besondere Aus¬ 
schuß zur Vorberatung alle hierher gehörigen Gegenstände in 
dieser Beziehung zu wirklich praktischen und Erfolg ver¬ 
sprechenden Vorschlägen kommen wird, muß die Zukunft 
lehren. Jedenfalls befinden sich Reichstag und preußischer 
Landtag im edlen Wettkampf auf diesem Gebiete; hoffentlich 
trägt dieser dazu bei, daß es nicht wie bisher bloß bei einem 
solchen mit Worten und theoretischen Erörterungen bleibt, 
sondern es zu erfolgreichen Taten kommt. Es heißt aber auch 
hier: „Tue Geld in deinen Beutel“, wenn man auch nicht so 
weit gehen will, wie der Vertreter der neuen sozialdemo¬ 
kratischen Arbeits-Gemeinschaft, der bei jeder Geburt wo¬ 
möglich ärztlichen Beistand verlangt, während die Heb¬ 
ammen nur Beihilfe leisten sollen, und deshalb alle Entbin¬ 
dungen in heiraartig ausgestattete Gebärasyle verlegen möchte. 

Die Einzelheiten der Verhandlungen ergeben sich aus dem 
nachstehenden Auszug des stenographischen Berichts: 

Abg. Hamm (Deutsche Fraktion): Ein Kolonisationsvolk ist kinderreich, 
ein Mietskasernenvolk dagegen aassterbend; die Mietskaserne führt zum Zwei¬ 
kindersystem, die innere Kolonisation znm Zwölfkindersystem. Trotz der großen 
Kriegsverluste ist das deutsche Volk zurzeit noch dank der Arbeiterversicherung 
and der Wochenhilfe und der dadurch bedingten steigenden Untersterblichkeit 
und Abnahme der Säuglingssterblichkeit ein wachsendes Volk; gleichwohl 
dürfen die nachteiligen Folgen des in den letzten 12 Jahren cingetretenen 
Gebartensturzes in bezug auf die Erhaltung unserer Wehrkraft nicht unter¬ 
schätzt worden. Nirgends ist dieser Geburtenrückgang ärger als inner¬ 
halb der Beamtenschaft aller Grade; statt Gewährung von Alterszulagen sollte 
man deshalb an die Gewährung von ausreichenden Kinder Zulagen denken. 
Weiterhin ist die Reichswochenhilfe leizubehalten und für eine Hebung 
des Hebammenstandes zu sorgen. 

Abg. Hitze (Zentr): Wenn heute auch schon in den arbeitenden Klassen 
ein Geburtenrückgang zu verzeichnen ist, so ist einer der Hauptgründe 
dafür der, daß die Kinder, sobald sie flügge werden, das Elternhaus verlassen und 
den Eltern jede Unterstützung versagen. Die in dem Antrag Bernstein'j 
geforderte reichsgesetzliche Regelung des Mutter- und Säug- 
lingsschutzes hält Redner nicht für durchführbar, so sehr sicherlich alle 
Mitglieder des Hauses volle Sympathie für das Ziel einer ausreichenden Mutter- 
und Säuglingsfürsorge haben. Die Wöchnerinnenfürsorge ist bereits 
durch die Reichsversicherungsordnung geregelt und bedarf deshalb keines 
neuen Gesetzes; die Errichtung von 8äuglingsfürsorgestellen, die 
Beaufsichtigung der Ziehkinder, die Fürsorge für Kinder¬ 
milch usw. sind aber Bache der Landesverwaltung, ebenso wie die Ver¬ 
besserung des Hebammenwesens. Die Frage der Bekämpfung des 
Geburtenrückganges ist aber mit Rücksicht auf die Zukunft des 
deutschen Volkes, auf die Erhaltung unserer Wehrkraft und wirtschaftlichen 
Weltstellung eine so wichtige, daß sich die Bildung einer von seiner Partei 
vor^escblagenen besonderen Kommission empfiehlt, die in ähnlicher 
Weise wie die Wohnungskommission die Aufgabe hat, alle Anträge, Wünsche und 

*) Der AntragBernstein (sozialdem. Arb.-Gem.) und Genossen lautet: 
»Die verbündeten Regierungen zu ersuchen, einen Gesetzentwurf vorzulegen, 
wodurch Muttermund Säuglingsschutz sowie die Geburtshilfe all¬ 
gemein reiohsgesetzlich geregelt werden." 



828 


Verhandlungen des Reichstages über den Haushalt 


Vorschläge durch sorgfältige Beratung für das Plenum Torzuberaten, um mit 
wirkungsvollen und möglichst von allen Parteien unterstützten Anträgen an 
die verbündeten Regierungen herantreten zu können. In dieser Kommission 
wird man dann den Hebel dort ansetzen, wo die Not am dringendsten ist und 
sich deshalb auf wenige Anträge beschränken, diese aber vertiefen, mit sorg¬ 
fältigen Berichten begründen und erläutern. 

Abg. Bassermann (natl.) begründet" zunächst kurz den von seiner Partei 
gestellten Antrag: 

„Den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, einen Gesetzentwurf dem 
Reichstag zur Beschlußfassung vorzulegen, durch den die Leistungen der 
für die Kriegszeit eingerichteten Reichswdchenhilfe zu Regel¬ 
leistungen der Krankenversicherung gemacht werden.“ 

Die von dem Abg. Bernstein geforderte reichsgesetzliche Regelung des 
Mutter- und Säuglingsschutzes und der Geburtshilfe erkennt 
Redner an sich als berechtigt an, unter Vorbehalt der von dem Vorredner 
dagegen erhobenen Bedenken. Ebenso hält er die von dem Zentrum vorge- 
schlagene Bildung eines besonderen Ausschusses zur Beratung aller 
Fragen der Bevölkerungspolitik für richtig; besonders dringlich ist in 
dieser Beziehung die Frage des Geburtenrückganges, die durch den 
Krieg noch wichtiger als vorher geworden ist Wenn auch im Kriege die 
Qualität der Soldaten für die endgültige Entscheidung schwer ins Gewicht 
fällt so bilden immerhin die stärkeren Bataillone einen nicht minder wichtigen 
Faktor für diese Entscheidung; Rußland mit seinem jährlichen Bevölkerungs¬ 
zuwachs von 2 Millionen ist demzufolge eine von Jahr zu Jahr wachsende Ge¬ 
fahr für Deutschland, das eine jährliche Zunahme von nur 7—800000 Einwohnern 
aufweist. Eine wichtige Rolle bei dem Geburtenrückgang spielen ferner die 
Geschlechtskrankheiten; sie sind eine große Gefahr für die Gesundheit 
der Frauen und damit auch für deren Gebährfähigkeit. Ebenso wirken der 
stetig wachsende Eintritt der Frauen in das Erwerbsleben und die damit zu¬ 
sammenhängende Eheverminderung nachteilig auf die Geburtenzahl. Eins der 
wirksamsten Mittel, um dieser verminderten Bevölkerungsvermehrung nicht blos 
zum Stillstand zu bringen, sondern sie wieder zu heben, ist vor allem die 
Säuglingsfürsorge, durch die es uns gelingt, die Kindersterblichkeit 
herabzusetzen, die im Deutschen Reiche noch immer höher ist, als in den 
nordischen Staaten, in den Niederlanden, selbst in Frankreich. Es ist aus¬ 
gerechnet, daß sich durch eine wirksame Säuglingspflege 200000 Säuglinge 
mehr als bisher am Leben erhalten lassen. Behufs Bekämpfung der Ge¬ 
schlechtskrankheiten empfiehlt sich besonders eine umfassendere Be¬ 
lehrung der heranwachsenden Jugend, aus der nach den bisherigen Erfahrungen 
keineswegs die von mancher Seite für die Jugend befürchteten Nachteile er¬ 
wachsen. Desgleichen muß die schwierige Frage der empfängnisverhütenden 
Mittel endlich auf gesetzlichem Wege zu einem wirksamen Abschluß ge¬ 
bracht werden. Der Einsetzung eines besonderen Ausschusses zur Regelung 
aller mit dem Problem der Bevölkerungspolitik zusammenhängenden Fragen 
stimmt Redner zu und bittet sowohl den von seiner Partei gestellten Antrag, 
als den Antrag Bernstein dem aus 28 Mitgliedern zu bildenden Ausschuß 
zu überweisen. 

Abg. Kunert (Sozialdemokr. Arb.-Gemeinschaft) bemängelt zunächst 
den geringen Betrag (900 000 M.), der für das Gesundheitsamt in den 
Haushalt eingestellt sei; jedenfalls habe eine Steigerung der Seuchen während 
der Kriegszeit infolge der Unterernährung stattgefunden. Er begründet dann 
den von seinem Parteigenossen Bernstein gestellten Antrag, in dem 
eine reichsgesetzliche Regelung des Mutter- und Säuglings¬ 
schutzes, sowie der einer reformbedürftigen Geburtshilfe, ver¬ 
langt wird. Der Antrag sei in erster Linie zum Schutz und zur Er¬ 
haltung des vorhandenen Lebens gestellt, die Bekämpfung des Ge¬ 
burtenrückganges und die Hebung der Volksvermehrung komme 
erst in zweiter Linie. Gerade in einer Zeit, die so ungeheure Opfer am Leben 
der Besten, Jüngsten und Kräftigsten forderte, sei es angezeigt, lebenserhaltend 
und lebenschützend zu wirken. Eine reichsgesetzliche Regelung wird 
verlangt, um die Angelegenheit auf eine möglichst breite Grundlage zu stellen. 



des Reiehsümt. de» Innern, insbesondere des Reicbsgesnndbeitsamtes. 325 


M-u t ter»«h«tz ist der besteSäuglingaschutz; er ist deshalb auf allblahn- 
arbeitenden Frauen nnd Mädchen auszndehnen, desgleichen auf alle 
.weiblichen Personen, deren Einkommen unter 5000 M. beträgt. Unter diesem 
.Schatz Ist nicht nur die obligatorische Gewährung von Schwangeren- lind 
Wöchnerinnenunterstützang sowie des Stillgeldes, die freie Gewährung > der 
Hebeimmendienste, Hilfeleistungen der Haus- und Wochenpilegerinnen Sowie der 
ärztlichen Behandlung zu verstehen, sondern auch der ausreichende S chu tz der 
Arbeiterinnen sowohl in bezug auf die Arbeitszeit — täglich höchstens 
8 Standen und Verbot der Beschäftigung 8 Wochen vor und nach der Ent¬ 
bindung — als in bezug auf die Art der Arbeit — Verbot der Beschäftigung 
in allen für das weibliche Geschlecht ungeeigneten Betrieben. Eine Reform 
des Hebammenwesens ist von der Partei des Redners sehon in den 
Jahren 1913 und 1914 gefordert; der von ihr gestellte Antrag auf reiche- 
gesetzliche Regelung des Hebammenwesens ist auch vom Plenum des Reichs¬ 
tages angenommen, eine Entschließung des Bundesrats zu diesem Antrag liegt 
aber noch immer nicht vor. Die Klagen der Hebammen aus allen Teilen des 
Reichs beweisen schonungslos, wie wenig befriedigend und verbesserungs¬ 
bedürftig die Verhältnisse der Hebammen sind. Die zu ihrer Aufbesserung in 
einzelnen Bundesstaaten bereitgcstellten Summen sind Bettelsummen gegenüber 
den Millionen, die für andere Zwecke z. B. für Gestüte ausgegeben werden. 
Wir haben jetzt noch 4000 der Mehrzahl nach vermeidbare To tge bürten und 
8000 im Wochenbett verstorbene Mütter, von denen der größte 
Teil durch Kindbettfieber verursacht wird, also vermeidbar ist. Wir habeh 
ferner Jahr für Jahr 35000 sieche Frauen infolge von Erkrankungen im 
Wochenbett; die Zahl der Hebammen ist aber in vielen Bezirken so gering, 
daß über 100000 Frauen im Deutschen Reich ohne Sachgemäße Hilfe cntbnnden 
werden. Nicht weniger schlimm steht es mit der 8 äuglin gssterblichkei t, 
wenn sie auch in der letzten Zeit zurückgegangcn ist und nur,noch 15—16% 
statt früher 30% beträgt. Gerade die Säuglingssterblichkeit läßt sich aber 
noch sehr stark durch bessere Fürsorge, größeren Mutterschutz herabsetzen; 
stellt sic sich doch bei den Kindern höherer Beamten nur auf 4% und .bei 
den unteren Beamten auf 14—15%, während sie bei den Kindern gewerblicher 
Arbeiter auf 18—19 % und bei denen ungelernter Arbeiter auf 24—25% steigt. 
Dieso große Säuglingsterblichkeit hat Schmoller mit Recht als Schandmal 
des deutschen Volkes bezeichnet; sie bildet eine unnatürlich große Vergeudung 
<tes edelsten Materials, das wir besitzen. Deshalb muß eine reichsgesetzliche 
Regelung des Matterschafts- und Säuglingssehutzes sowie der Geburtshilfe das 
nächste zu erstrebende Ziel sein. Bei jeder Geburt handelt es sich um 
Tod und Leben von Mutter und Kind; sie sollte daher auch stets von 
einem Arzt oder einer Aerztin geleitet werden und die 
Hebamme nur als Gehilfin dabei tätig sein. Man müßte überhaupt von 
der Grandanschauung ausgehen, daß die Entbindung aus der 
PrIvatWohnung . in eine Anstalt verlegt wird, die aber keine 
Kaserne, sondern ein Heim im besten Sinne des Wortes sein müßte,, damit 
nach der ärmsten ProLetarierfran die gleichen Erleichterungen and die 
gleiche Pflege in ihrer schweren Zeit zuteil werden könnte, wie der reichen 
Frau. Die Durchführung dieser Forderung wird allerdings erheblich ins Geld 
laufen und'.ihre Kosten nach Milliarden zu berechnen sein, denn auf 1 Million 
Einwohner würden etwa 1000 Betten erforderlich sein; aber das dafür aus¬ 
gegebene Geld würde auch die allerhöchsten Zinsen einbringen. Bei einer 
.solchen Anstaltsbehandlung können auch Entbindungen im sogenannten 
Dämmerzustände vorgenommen und den Frauen die sonst dabei währenden 
.Schmerzen sehr gemildert oder völlig beseitigt werden. Diese Methode bat 
sicll nach den von sachverständiger Seite gemachten Mitteilungen sowohl im 
In lande, als im Auslande bewährt. Redner bittet um Auskunft, welche Stellung 
inan im maßgebenden Regierungskreise gegenüber dieser Methode annehme; 
er kommt dann noch auf die Frage des Stillgeldcs zu sprechen und 
erwähnt dabei einen, nach seiner Ansicht nicht scharf genug zu verurteilenden 
FaH, wo ein Berliner Arzt einer seit Jahren stark schwindsüchtigen Frau die 
Fähigkeit, ihr Kind selbst za stillen, bescheinigt hat. Er wünscht weiter 
J einaF , e 6 t 9 tellang der Kciegerfranen, die während des Krieges Stillgeld erhalten 
Und- ihre Kinder selbst gestillt haben, sowie eine Beantwortung der Frage, ob 



330 Verhandlungen des Reichstages Ober den Haushalt 

die Zahl der stillenden MGtter angenommen hat und welche Erfahrungen sonst 
in dieser Hinsicht gemacht sind. 

Wirkl. Gehi Ober-Reg.-R.at Dr. Bnmm, Präsident des Reichsgesund- 
heitsamts, bestreitet zunächst mit aller Entschiedenheit die Ansicht des Vor¬ 
redners, daß im Deutschen Reiche eine Zunahme von Seuchen und 
Krankheiten während des Krieges erfolgt sei; denn es sei noch nie ein 
Krieg geführt worden, bei dem die Zivilbevölkerung Deutschlands so wenig 
von Seuchen und Krankheiten heimgesucht worden ist, wie im gegenwärtigen 
Weltkampf. Namentlich sind die Pocken, die noch im Jahre 1870/71 
162000 Menschen dahingerafft haben, in diesem Kriege nur ganz vereinzelt 
aufgetreten; auch die Cholera hat sich nur zweimal gezeigt, wobei es sich 
um Einschleppung aus dem Ausland handelte, von der die inländische Be¬ 
völkerung in ganz geringem Maße berührt worden ist. Ebenso ist der Typhus 
nur in geringem Umfange aufgetreten. Wir dürfen der medizinischen 
Wissenschaft und unseren Aerzten sowie allen, die bei der Gesundheits¬ 
pflege im Deutschen Reich mitwirken, wirklich nur von Herzen dankbar sein, 
daß die gesundheitlichen Verhälinisse in dieser tiefernsten Zeit bis jetzt so 
befriedigend geblieben sind. (Bravo!) Diphtherie und Scharlach haben 
ja an einzelnen Stellen zeitweilig eine etwas größere Ausdehnung angenommen; 
solche örtliche Epidemien sind aber mit dem Kriege nicht im Zusammenhang zn 
bringen, denn sie kommen auch in Friedenszeiten vor. 

Redner betont dann weiter, daß alles getan werden muß, um die noch 
beklagenswert hohe Kindersterblichkeit herabzumindern; erfreulicher 
Weise ist es den Bemühungen der beteiligten Kreise bereits gelungen, im 
Laufe der Jahre in recht anerkennenswerter Weise eine solche Abnahme herbei- 
zuführen. Im Jahre 1901 sind durchschnittlich im Deutschen Reich von 
100 Lebendgeborenen noch 20,7 °/o gestorben, im Jahre 1918 ist dagegen diese 
Zahl auf 16,1 °/o gesunken. Die Ziffern aus dem Jahre 1914, 1916, 1916 liegen 
dem Kaiserlichen Gesundheitsamt noch nicht vor, nach Mitteilungen aus den 
deutschen Großstädten im letzten Halbjahre scheint sich allerdings eine geringe 
Steigerung der Säuglingssterblichkeit bemerklich zu machen. Die Sterblichkeit 
der ehelichen Kinder im ersten Lebensjahr, die im Jahre 1901 noch 19,4 •/• 
betragen hat, war im Jahre 1913 auf 14°/o gesunken; die Sterblichkeit der 
unehelichen Kinder im ersten Lebensjahr, die von jeher recht hoch war und 
noch im Jahre 1901 33 4 /o betragen hat, ist im Jahre 1913 auf 23*/« herab¬ 
gesunken; während also im Jahre 1901 noch ein Drittel dieser Kinder starb, 
betrug im Jahre 1913 die Sterblichkeit der unehelichen Kinder nur ein Fünftel. 
Die Zahlen müssen jedoch noch weiter herabgedrückt werden. (8ehr richtig!) 

Die Zahl der im Wochenbett sterbenden Frauen (38 von 10000) 
ist leider in den letzten 10 Jahren eigentlich unverändert geblieben, im Jahre 
1906 war sie sogar etwas geringer (30 °/o<*). Interessant ist aber, daß nach 
einer Hamburger, in den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheitsamts 
1915 auszugsweise veröffentlichten Statistik die Zahl der Frauen, die infolge 
Kindbettfiebers nach normaler Geburt sterben, im allgemeinen gesunken 
ist, die Zahl derjenigen dagegen, die an Kindbettfieber nacn einer anormalen 
Entbindung, nach Fehlgeburt sterben, stetig gestiegen ist. Es wird in 
sachverständigen Kreisen dieses Anwachsen der Sterblichkeit der Frauen infolge 
Fehlgeburt darauf zurückgefübrt, daß bei den Fehlgeburten Hände von Nicht¬ 
sachverständigen eine Rolle spielen, und daß leider die Zahl derjenigen Frauen 
steigt, bei denen künstlich und absichtlich die Leibesfrucht be¬ 
seitigt wird. Es ist deshalb nicht unwahrscheinlich, daß die auffallende 
Zunahme der Todesfälle nach Kindbettfieber infolge Fehlgeburt zusammenhängt 
mit den Vorgängen, die die Fehlgeburt herbeigeführt haben. Es ist ohne 
weiteres zuzugeben, daß die Sterblichkeit der Frauen nach Kindbettfieber noch 
mit allen Kräften vermindert werden muß, und daß hier eine Besserung anzu¬ 
streben sein wird. 

Betreffs einer Besserung der Verhältnisse der Hebammen 
hat schon im Jahre 1918 der Herr Staatssektär des Innern erklärt, daß er 
einer reichsgesetzlichen Regelung des Hebammenwesens nicht zuslimmen 
könne. Eine Umfrage bei den Bundesregierungen habe ergeben, daß ein 
Bedürfnis hierfür nicht vorliege und daß sich auch eine reichsgesetzliche 
Regelung infolge der Verschiedenheit der einschlägigen Verhältnisse in den 



des Beichsamt des Innern, insbesondere des Reichsgesundheitsamtes. 831 

einzelnen Bundesstaaten nicht empfehle. Es hat der Herr Beichskanzler 
daraufhin dem Bundesrat eine Vorlage im April 1914 unterbreitet, die auf 
Qrund einer yorherigen Beratung der ganzen Angelegenheit im Reichsgesund- 
heitsrat vorschlägt, Grundsätze für eine gleichmäßige landes¬ 
rechtliche Begelung des Hebammenwesens in den einzelnen Bundesstaaten 
zu vereinbaren. Diese Grundsätze liegen dem Bundesrat im Entwürfe vor; 
sie beziehen sich au! die Erfordernisse für die Zulassung zur Ausbildung für 
den Hebammenberuf, auf die Art und Dauer des Hebammenunterrichts, auf die 
Prüfung, auf Nachprüfungen, Fortbildungslehrgänge, Anmeldung der Berufs¬ 
ausübung, Verbot der standesunwürdigen Anpreisung vpn Hebammen, auf das 
Verhalten der Hebammen gegen Behörden und Aerzte, auf die Pflicht der- 
Hebammen zur Hilfeleistung, auf ihre Tagebuchführung und auf das Verhalten 
der Hebammen bei Todesfällen und gewissen Krankheiten, ferner auf däs 
Verbot unbefugter Behandlung, auf die Entbindungen in Wohnungen der Heb¬ 
ammen, Nebenbeschäftigungen und auf die Beaufsichtigung der Hebammen. Der 
erwähnte Bundesratsvorlage hat infolge des Kriegsausbruches nicht mehr zur 
Beratung gebracht werden können und harrt noch ihrer Erledigung. 

Bedner weist im Anschluß hieran die scharfen Angriffe des Vorredners 
gegen Preußen Bowie dessen Vermutung, daß Preußen der Verbesserung 
der Hebammenverhältnisse im Wege stehe, als völlig unbegründet zurück; 
denn gerade der preußische Minister des Innern ist es gewesen, der vor 
einiger Zeit dem Staatssekretär des Innern erklärt hat, als dieser wegen 
eines von der Deutschen Vereinigung für Säuglingsschutz gewünschten Ammen¬ 
gesetzes eine Anfrage hielt, er befasse sich gegenwärtig mit der Einleitung 
einer großzügigen, systematischen Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit uhd 
beabsichtige grundlegende Maßnahmen auf allen, nach der gedachten Richtung 
in Betracht kommenden Gebieten zu ergreifen. Er hat deshalb gebeten, die 
Frage des Erlasses eines Ammengesetzes noch aufzuschicben, bis die im Gange 
befindlichen Verhandluügen über weitere Maßregeln zur Bekämpfung der 
Säuglingssterblichkeit und Hebung der Geburtenhäufigkeit abgeschlossen sind. 
Es finden zurzeit fortgesetzt Beratungen über die verschiedensten Materien, 
die eine Verminderung der Säuglingssterblichkeit und Mehrung der Geburten 
bezwecken, im preußischen Ministerium des Innern unter Beteiligung der 
Reichsressorts und von hervorragenden Sachverständigen auf dem besagten 
Gebiete statt. Die Ergebnisse der Beratungen sollen nach Kriegschluß ver¬ 
wertet werden, um den Kampf gegen die Säuglingssterblichkeit und die 
Förderung der Bevölkerungszunahme mit verstärkten Kräften aufzunehmen. 
Die Verhältnisse, die da beraten werden, beziehen sich auch auf die Frage, 
wie die innere Kolonisation bei der Bevölkerungsmehrung nutzbar ge¬ 
macht werden kann, wie wirtschaftliche Vergünstigungen verheirateter Per¬ 
sonen und kinderreicher Familien sich ermöglichen lassen, wie das Wohnungs¬ 
wesen im Interesse größeren Kinderreichtums der Familien verbessert werden 
kann, wie sanitäre Maßnahmen gegen Mißstände auf dem Gebiete der Empfängnis¬ 
verhütung und der Schwangerschaftsverhütung zu ergreifen sind, wie strafrecht¬ 
liche Einschreitungen gegen Verfehlungen auf diesem Gebiete geschaffen werden 
können, wie die Bekämp-fung der Geschlechtskrankheiten sich noch 
verschärfen läßt, wie eine Verminderung in der Säuglingssterblichkeit und der 
Wöchnerinnensterblichkeit herbeigeführt werden kann und auf welche Weise 
schließlich eine wirksame Aufklärung des Volkes über die Bedeutung des 
Geburtenrückganges nnd über seine Folgen für die Zukunft der deutschen 
Nation ausführbar ist. Preußen hat also in diesem Punkte sich tatsächlich 
mit allem Nachdruck für eine Besserung des gegenwärtigen Zustandes ein¬ 
gesetzt. 

Heber die von dem Vorredner erwähnte empfehlenswerte Methode, 
den Frauen die Entbindung möglichst schmerzlos zu machen, sind die 
Sachverständigen noch verschiedener Meinung. Von Beichs wegen oder sonst 
behördlicherseits in der Anwendung dieser Methode eine Einwirkung auszuüben, 
etwa gar Aerzte oder Anstalten zu zwingen, das in Frage stehende Verfahren 
anzuwenden, würde verfehlt sein. Solche Fragen müssen die Wissenschaft wie 
Praxis selbst lösen und entscheiden, welche Methoden richtig und empfehlens¬ 
wert und welche verfehlt und verwerflich sind. Das Gute wird sich schon 
Bahn brechen und zur Geltung bringen. 



332 Verhandlungen des Reichstags über den Hanshalt' dei Beichsaint detf Innern. 

!: ■! • Nachdem Bedner noch kurz die Fortseh ritte hervorgtehobea hat, die die 
Fürsorge für schwangere Frauen und Wöchnerinnen durch dis während den 
Krieges erfolgte obligatorische Einführung der Wochenhilfe und de» Still* 
ge 1 des sowie durch deren Ausdehnung auf die unehelichen Mütter gemacht 
hat, gibt er am Schluß- nochmals, offen zu, daß auf dem Gebiete der Mutter* 
und Säuglingsfürsorgo weiter gearbeitet werden muß. Es ist'ein Gebot der 
Staatsklugheit, ein Gebot verständiger Sozialpolitik und ein Gebot einfacher 
Menschlichkeit, die Säuglingssterblichkeit und die Sterblichkeit der Frauen im 
Wochenbett herunterzudrücken, soweit es nur immer möglich ist. Mit der 
Tendenz des Antrages, insoweit er Vervollkommnungen auf diesem Gebiete herbei* 
führen will, erhöhten Schutz für die gebärenden Frauen anstrebt, kann man 
sich zweifellos einverstanden erklären, ln der Kommission wird sich Gelegen¬ 
heit bieten, alles Einschlägige noch eingehend und gründlich zu erörtern. 

Äbg. Kuhnert (Soz. Arb.- Gern.) bemerkt, daß zwischen ihm und dem 
Vorredner in bezug auf die Seuchenfrage ein Mißverständnis vorliege; er 
habe nicht die Behauptung aufgestellt, daß die Seuchen durch den Krieg so 
übermäßig zugenommen- haben, -wie man das in früheren Kriegszeiten beob¬ 
achten konnte, sondern nur betont, daß zweifellos Seuchen in Heer und Volk 
vorhanden sind, und gefragt, ob darüber eine Auskunft gegeben werden könne. 
Unterernährung und Hungersnot fördern jedenfalls die Entwicklung und 
Ausbreitung aller dieser. Krankheiten, auch der Magenkrankheiten usw. aufs 
äußerste; in diesem Sinne wird man den Boden für eine Zunahme der Seuchen 
nicht wegleugnen können. Bezüglich der Herabsetzung der Kindersterb¬ 
lichkeit soll man nicht eher ruhen, als bis sie im Durchschnitt so gering 
ist, wie in den Fürstenhäusern, also 3 °/ 0 , Bedner liest dann ein Schreiben 
der Fraueoärztin Dr. Adams-Lehmann in München vor, in dem die 
Methode des Dämmerschlafs behufs schmerzloser Entbindung 
als völlig ungefährlich und als einen Segen für die Frauen bezeichnet wird. Ihre 
Angaben werden durch den Frauenarzt Dr. Anton Heugge-München rückhalt¬ 
los bestätigt. 

Abg. Fischer «Hannover (Sozialdemokrat) ist ebenfalls der Ansicht, daß 
auf dem Gebiete des Mutterschutzes und der Bekämpfung derSäug- 
lingsstcrblichkeit noch recht viel getan werden muß. Die Frauentätig¬ 
keit hat während der Kriegszeit einen so gewaltigen Umfang angenommen, 
daß Tansende und aber Tansende von Frauen in der Schwerindustrie der Be¬ 
schäftigung nachgehen müssen, wodurch ein verheerender Einilaß auf die Ge¬ 
burten eintreten maß. Deshalb ist es notwendig, schon jetzt Vorkehrungen 
zu treffen, damit diese unangenehme Erscheinung nicht weiter um sich greift, 
sondern Verbesserungen auf diesem Gebiete herbeigeführt werden, und die 
Säuglingssterblichkeit ebenso gering wird wie in Dänemark, England, in den 
Niederlanden, in Schweden and Norwegen, wo sie im Jahre 1911 bezw. 1912 
nur 10,6, 9,6, 8,7, 7,4 und 6,5 betrug. Wir waren in Deutschland und zwar 
mit Hilfe der Ortskrankenkassen anf dem besten Wege, etwas Ersprie߬ 
liches zu leisten, aber durch den Krieg sind weitere Fortschritte verhindert 
werden. Nun bat bei Ausbruch des Krieges die Begierung selbst einseben 
müssen, daß auf dem Gebiete des Mutter- and Säuglingsschatzes etwas ge¬ 
schehen müsse, und deshalb durch Bnndesratsverordnnng vom 4. August 1914 
den gesetzlichen Schutz für Frauen und Wöchnerinnen weiter ausgedehnt. Man 
hat auch eingesehen, daß damit viel Gutes geleistet worden ist, und infolgedessen 
diese Bnndesratsverordnnng noch auf die Frauen ansgedehnt, die nicht ver- 
sicherungzpfiichtig sind, auf Gewerbetreibende, Kleinbauern usw., eine Ein¬ 
richtung, die anßerordentlich gut zu nennen ist und die auch nach Beendigung 
des Krieges nicht bloß aufrecht erhalten, sondern sogar noch ansgebaut werden 
muß. Wir haben alle Ursache, die Wunden, die der Krieg schlägt, dadurch 
abzuhelfen, daß wir die Säuglingssterblichkeit vermindern; das kann aber nur 
geschehen, wenn wir den Mutterschutz fördern. 

Abg. Dr. MiUler-Meiniogen (frais. Volksp.) schlägt vor, die einzelnes An¬ 
träge. der Kommission za überweisen, am sie dort alle zu prüfen; denn wir 
sind alle einig, daß die Bekämpfung des Geburtenrückganges eines der wich¬ 
tigsten Probleme unserer Zeit ist, and daß der Mutterschutz und der jSÄBg- 
lingsscbutz die wichtigsten Etappen auf diesem Gebiete sind. 

Die wichtigste Frage aber — die vor allen anderen im ZofamüMShMgü 



Bericht über die Tagung der Deutschen Vereinigung für Krüppelfürsorge. BBS 


mit dem Kriege steht — ist unzweifelhaft die Bekämpfung der Ge» 
schlechtskrankheiten. Wir müssen nach hier alle möglichen positiven 
Maßnahmen der Behörden unterstützen and vor allem die gesetzliche Basis 
für ein solches Vorgehen der Behörden schaffen. Es wird unbedingt notwendig 
sein, daß Beratungsstellen nicht bloß für Prostituierte, sondern auch für An¬ 
gesteckte errichtet werden. Daß die Fragen sehr schwierig zu lösen sind, be¬ 
weisen die Verhandlungen der Brüsseler Konferenz, besonders die Verhand¬ 
lungen über die eventuelle Mitteilung an die Versicherungsanstalten. Das 
Hauptziel in der Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten aber , muß auch für 
Deutschland sein, die Prostitution von der übrigen Bevölkerung möglichst 
zu trennen. Dazu gehören nicht bloße Beden, sondern man muß so bald wie 
möglich zu positiven Maßregeln nicht bloß der Strafgesetzgebung, sondern vor 
allem adch der medizinischen, hygienischen Verwaltung übergehen. 

Bedner ersucht deshalb die Beichsregierung, sich zu überlegen, ob nicht 
in einem Notgesetz eine Aenderung des Strafgesetzbuchs eingeführt werden 
könnte, daß gerade anf diesem, zu einer akuten Lösung drängenden Gebiete 
so rasch wie möglich gesetzgeberisch und verwaltungstechnisch .die nötigen 
Schritte getan werden, um die Verseuchung weiter Kreise des deutschen Volkes 
mit aller Energie zu verhindern. 

Bei der in der Sitzung vom 24. Mai erfolgten Ab¬ 
stimmung wurden die Anträge Bass erm ann (s. S. 828) und 
Bernstein (s. Anm.auf S. 327) angenommen und dem .An¬ 
träge Hitze gemäß einem besonderen Ausschuß für Be¬ 
völkerungspolitik von 28 Mitgliedern zur weiteren Beratung 
überwiesen. In : derselben Sitzung wurde auch der vom 
Wohnungsausschuß gefaßte Beschluß betreffend die För¬ 
derung von Kleinwohnungen (s. Nr, 8 dieser Zeitschrift, 
S. 246) angenommen. _ ■ 

Aus Versammlungen und Vereinen. 

Bericht über die ausserordentliche Tagung; der Deutschen 
Vereinigung für Kruppelt ft rsorge in Berlin (Reichstags- 
gebftnde) am 7. Februar 1916. 

(Ergänzungsheft der Zeitschrift für Krüppelfürsorge; Nr. 1. Leipzig 1916. 
Verlag von Leopold Voss. 8°, 198 S. Preis: 3,20 M., für Mitglieder der 

Vereinigung: 2,50 M.) 

(Schluß.) 

b. Ea ch m 111agasltzu ng; 

7. Die Werkstätte .als Heilmittel, Vorbereitung und Ausbildung. 
Berichterstatter Prof. Dr. ßiedlnger: Um den großen Ausfall von Arbeits¬ 
kräften nach dem Kriege vorzubeugen, ist nicht nur eine möglichst gute 
körperliche, sondern auch soziale Heilung der Verwundeten erforderlich; es 
muß daher nach der ersteren jedem Mann der richtige Platz auf dem Arbeits¬ 
markt angewiesen werden. Möglichste Wiederherstellung der Er¬ 
werbsfähigkeit ist für alle Geschädigte wertvoller als die Gewährung von 
Benten; um diese Erwerbsfähigkeit aber ausnutzen zu können, bedarf es auch 
der Beschaffung von Arbeitsgelegenheit nach dem Maße ihrer 
Kräfte. Zur Herstellung der Erwerbsfähigkeit gehört zunächst Uebungs- 
arbeit, die den Zweck hat. den Willen zu stärken sowie durch Anpassung 
und Kräftigung körperliche Zustände zu bessern. Im Anschluß daran hat die 
Berufsarbeit in früherer Tätigkeit oder in einer neuanfgenommenen zu 
erfolgen. Dazu sind Uebungswerkstätten für die verschiedenen Berufe 
erforderlich, die ausgiebige und dabpi verhältnismäßig schmerzlose Bewegungen 
gestatten und, ärztlich geleitet, den Heiinngsprozeß auf das wirksamste unter¬ 
stützen. Aeltere Leute nehmen ihren bisherigen Beruf lieber wieder anf als 
jüngere, die durch den Eintritt in einen neuen Beruf eine Bessernng ihrer 
sozialen Lage erhoffen. Die größte Schwierigkeit verursacht die Unterbringung 
ungelernter Arbeiter, die jedoch durch einfache mechanische Uebungen schlie߬ 
lich zu dauernder und sicherer Beschäftigung geführt werden können. Am 



834 


Bericht über die außerordentliche Tagung 


besten vollzieht sich die berufliche Ausbildung sowie die Beschaffung geeig¬ 
neter Arbeitsmöglichkeit in möglichst enger Fühlung mit der heimischen In¬ 
dustrie und Landwirtschaft; eine befriedigende Lösung von Aufgaben der Aus- 
bildunga- und Arbeitsfürsorge erscheint deshalb nur möglich durch Zusammen¬ 
schluß aller beteiligten Kreise zu gemeinsamer Arbeit. 

Im Anschluß an diesen Vortrag berichtet Dr. B. Badicke-Berlin über 
die Erwerbsmöglichkeiten Schwerverletzter auf Grund seiner im 
Beservelazarett Görden gemachten Beobachtungen. Auch nach ihm lagen die 
Verhältnisse für die .ungelernten Arbeiter am ungünstigsten, während Kopf¬ 
arbeiter, Angestellte und landwirtschaftliche Arbeiter am günstigsten stehen. 
Durch Anlernung der Schwerverletzten in eigene Anlernwerkstätten läßt sich 
aber auch bei den ungelernten Arbeitern ein besserer Erfolg erzielen; die für 
ihr Fortkommen unbedingt notwendige innere Sicherheit erhalten alle diese 
Geschädigten aber erst durch die wiederaufgenommene Arbeitstätigkeit im 
regelrechten Betriebe. Mit dieser Sicherheit kehrt der Wille zur Arbeit und 
die Arbeitsfreudigkeit zurück, durch die sie wieder als vollwertige Arbeiter 
dem bürgerlichen Leben zurückgegeben werden. 

Begimentsarzt Dr. Jos. Pokorny ■ Wien, ärztlicher Leiter der Invaliden¬ 
schule in Wien (s. Bericht Uber den Vortrag von Prof. Spitzy; Nr. 10 dieser 
Zeitschrift, S. 801), schildert die Gesichtspunkte, die dort für die Zuteilung der 
Invaliden zu bestimmten gewerblichen Arbeiten maßgebend sind. Die Invaliden¬ 
schule wird täglich von 1000—1400 Invaliden besucht, deren Zuteilung nach der 
Art ihrer Verletzung unter Berücksichtigung ihres Zivilberufs und der heimat¬ 
lichen Arbeitsverhältnisse erfolgt. Die in den einzelnen Gewerben beschäftigten 
Invaliden sind dann wiederum in drei Gruppen eingeteilt: in Invalidenschüler, 
die in dem betreffenden Berufe vollständig ausgebildet werden sollen, sowie in 
solche, die Arbeitstherapie betreiben oder in solche, die nur beschäftigt werden 
sollen. Durch die Reichhaltigkeit der verschiedenen Gewerbe in der InvaUdeii- 
schule ist auch dafür gesorgt, daß ein Invalide auch einen Nebenberuf erlernen 
kann, wenn er für seinen früheren Beruf nicht mehr vollwertig wird. Zum 
Schluß warnt Bedner vor einer zu zahlreichen Ausbildung in den sogenannten 
Intelligenzberuftn; dadurch würde nur zu leicht ein geistiges Proletariat groß 
gezogen. 

8. Vebungsschulen für Hirnverletzte. Prof. Dr. Goldstein - Frank¬ 
furt a. M.: Bei den Kopfverletzungen spielen oft der Defekt des Schädels, also 
der körperliche Defekt, keine oder nur eine geringe Rolle; viel wichtiger ist 
vielmehr der psychische Defekt, den die Verletzten dabei häufig'erleiden. 
Die außerordentlich große Durchschlagskraft der jetzigen Geschosse läßt diese 
häufig durch den Schädel und das Gehirn hindurchgehen und ganz verschiedene 
Zerstörungen erzeugen, als deren Folge dann auch nur umschriebene 
seelische Ausfälle auftreten, z. B. Störungen der Sprache, des Tastsinns, der 
Merksicherheit usw., durch die der Betreffende in seinem Berufe wesentlich 
beeinträchtigt oder zum seelischen Krüppel werden kann. Diese Gefahr läßt 
sich aber durch eine besondere Uebungsbehandlung beseitigen, die darauf hinzielt, 
dem Verletzten zum Wiedererwerb der verlorenen Leistungen zu verhelfen. Die 
Möglichkeit dazu liegt in Fähigkeit des Gehirns, verlorene Leistungen wieder 
zu erwerben; diese Fähigkeit ist besonders bei jugendlichen Personen und bei 
möglichster Unversehrtheit des nicht gestörten Gehirns vorhanden, Vorbe¬ 
dingungen, die bei derartigen Kriegsverletzten meist vorhanden sind. Der 
Verletzte muß wie ein Kind neu lernen; die systematische Unterrichtstherapie 
muß sich auf eine eingehende psychologische Analyse des Defekts wie der 
erhaltenen Funktionen und des allgemein psychischen Zustandes sowie auf eine 
genaue Untersuchung des körperlichen Zustandes der Kranken stützen; deshalb 
ist zu ihrer Durchführung auch nur der sachkundige, spezialistisch ausgebildete 
Neurologe berufen. Mit der Behandlung muß frühzeitig, womöglich schon 
vor Abschluß der chirurgischen Behandlung begonnen und dabei auf das 
Gesamtbefinden die größte Rücksicht genommen werden. Ein solche Uebungs- 
schule, die am besten in Verbindung mit dem Lazarett steht, sollte in jeder 
größeren Garnison eingerichtet werden. Die bisher in diesen Uebungsschulen 
für Hirnverletzte erzielten Erfolge sind darchaus ermutigend; wenn es auch 
nicht immer gelingt, die Hirnverletzten wieder voU erwerbsfähig zu machen, 



der Deutschen Vereinigung für Krttppelfürsorge in Berlin. 886 

so kOnnen sie doch dem Gemeinschaftsleben in den meisten Fällen wieder 
angeführt werden. 

Aussprache. 

Dr. phil. u. med. W. Poppelreuter, beim Festungslazarett I in Cöln 
berichtet über die von ihm eingerichtete Nervenstation für die aus der 
chirurgischen Behandlung entlassenen Kopfverletzten. Die Station verfügt über 
160 Betten und enthält außer den Krankenräumen noch Untersuchungs-, Unter¬ 
richts-, Arbeite- und Werkstättenräume. Die berufliche Ausbildung der Kopf- 
schußinvaliden kommt zeitlich erst in zweiter Linie; voran steht die Behand¬ 
lung der Storungen, von denen nicht nur solche der Sprache, des Lesens, 
, Schreibens und Rechnens, sondern auch die häufig vorkommende allgemeine 
Herabsetzung des früheren Wissenstandes, - die Merkfähigkeitsschwäche, die 
geistige Trägheit usw. in Betracht kommen. Es sind beiden Uebungs- 
seh ulen verschiedene Klassen und Ausbildungskurse vorgesehen, denen die 
Himverletzten je nach der Art ihrer Störung zugewiesen werden. Die unter- 
richtliche Behandlung erfordert eine verhältnismäßig lange Dauer und viel 
Lehrpersonal (12 Lehrer auf 62 Schüler); Mühe und Kosten werden aber reich¬ 
lich belohnt durch erfreuliche Erfolge. Ebenso wichtig wie die Unterrichts¬ 
schulen sind' auch die mit der Station verbundenen Werkstätten für die 
Behandlung der Hirnverletzten. Im allgemeinen ist bei diesen die Arbeits¬ 
fähigkeit viel größer, als es der rein ärztliche Befund erwarten läßt; die stets 
vorhandene Einbuße der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit bedingt 
aber stets eine Abnahme der Konkurrenzfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt, da 
der Hirnverletzte meist 8—4 mal mehr Zeit zu einer Arbeit braucht als ein 
Normaler. Diese Abnahme oder Ausschaltung der Konkurrenzfähigkeit ist 
deshalb besonders bei Abschätzung der Arbeitsfähigkeit zu beachten; gerade 
die Hirnverletzten verlangen die weitgehendste Berücksichtigung in bezug auf 
die Arbeitsbedingungen. Die Aufgabe der Versorgung der Hirnverletzten ist 
daher eine ungemein schwierige; sie erfordert das Zusammenarbeiten von 
Wissenschaft, Praxis und sozialer Für s orge. 

Prof. Dr. Gutzmann-Zehlendorl hat- bis jetzt 200 derartige Kriegs¬ 
beschädigte mit Stimm- und Sprachstörungen behandelt. Auf Grund 
der hierbei gemachten Beobachtungen warnt er im Gegensatz von dem Bericht¬ 
erstatter davor, mit der Behandlung psychischer Störungen möglichst früh zu 
beginnen;' erst nach dem völligen Verschwinden der Ausfalls- und Beiz¬ 
erscheinungen sei mit der Uebungstherapie zu beginnen. Umgekehrt dürfe aber 
auch nicht zu spät damit begonnen werden. Die Wiederherstellung der Sprache 
sei nicht so aussichtslos, als vielfach angenommen werde, durch geeignete 
Uebungsbehandlung kann, unterstützt durch mechanisch-physikalische Ein¬ 
wirkungen, selbst bei anscheinend hoffnungslosen Fällen die Stimme sogar bis 
zur vollen Felddienstfähigkeit wieder hergestellt worden. 

Prof. Dr. K ö n ig- Marburg ist der Ansicht,- daß namentlich bei den 
leichteren Hirndefekten bessere Erfolge erzielt wurden, wie dies von dem 
Berichterstatter angenommen wurde. Schwierig sei es, die Zeit zu bestimmen, 
wenn bei diesen meist noch recht lange labilen Menschen mit einer Beschäfti¬ 
gung begonnen werden kann. 

Prof. Dr. Goldstein-Frankfurt a. M. erklärt, daß er unter einer früh¬ 
zeitigen Behandlung auch erst eine solche verstehe, bei der eine Schädigung 
der Verletzten durch Ermüdung usw. ausgeschlossen und die sonstigen Folgen 
der Hirnverletzung völlig abgelaufen sind. Er bestreitet ferner, sich betreffs 
der Erfolge der Behandlung pessimistisch geäußert zu haben; er sei in dieser Hin¬ 
sicht vielmehr sehr optimistisch gesinnt und von dem Vorredner wohl nur 
mißverstanden. 

Die Aussprache wird hiermit geschlossen. 

Prof. Dr. Fritz Hartmann hat zu dem vorstehenden Gegenstand seine 
Ansicht in Form einer längeren Abhandlung schriftlich niedergelegt, und an deren 
Schluß bestimmte Richtlinien für vorläufige Uebungsbehand¬ 
lung von Gehirnkrüppeln aufgestellt. 

10. Das Elsenbahner-Genesungsheim ln Wien — ein Beispiel der 
Standesfürsorge für Kriegsverletzte. Ministerialsekretär Dr. G. Huber- Wien: 
Eine möglichst individualisierende Behandlung ist am besten auf dem Wege 



336 BerichtÜb« dlfr aaßferofdentüche Tagung* 

der StA nd eB f ttr so r ge zu erreichen, wonach diedasMässsenproblem dee 
Inyalidenschatzea durch Auflösung iu Standesprobleme förmticK abgebatit 
und die Nachbehandlung wie Schulung der Verletzten von der Stelle besorgt 
yfird, die anch seine spätere Wiederanstellung durchführen kann. Diesem 
Zwecke dient in Oesterreich das auf Veranlassung des Eiseubahnminisbers er- 
richtete Genesungsheim für kriegsverletzte Eisenbahner, dessen Einrichtung und 
.Betrieb vom Redner geschildert werden. Bis 1. Januar 1916 sind hier 211 ver¬ 
letzte Eisenbahner aufgenommen und behandelt, davon sind bis jetzt 136 als 
geheilt, und dienstfähig entlassen, uudr zwar 117 zur Verwendung in ihrem 
.bisherigen und zwar nur 19 = 7 °/* zur Verwendung in einem anderen Dienst!; 
als solcher eignete sich besonders der Statiens- und Werkstättendienst., Durch 
Einsetzung eigener Fürsorgebeamten bei den Staatsbahn- - und Privatbahn¬ 
verwaltungen ist dafür gesorgt, daß möglichst alle. kriegsverletzten Eisen¬ 
bahner wieder in den Bahndienst gestellt- werden. Oboe den Wert .edler son¬ 
stigen Fürsorgeeinrichtungen schmälern zu wollen, ist Redner doch der An¬ 
sicht, daß eine Dezentralisation des Invalidenschutzes durch die Standesfürsorge 
nur befürwortet werden kann; in Deutschland würde sie sich anch in Ver¬ 
bindung mit der staatlichen Unfallversicherung leicht durchführen lassen. Die 
Stimmen für eine derartige Dezentralisation haben sich auch immer stärker 
vermehrt; denn den Kriegsbeschädigten wird dadurch am besten ein ehikömm- 
licher Erwerb sorgenloser Arbeit und Beschäftigung gesichert* 

11. Die Handiibuhgsklasse als Teil der Erwerbsschule. Erziehungs¬ 
direktor Hans Würtz-Zehlendorf: Die Handübungschulen, die in erster. Linie 
orthopädischen Zwecken dienen und daher eine beständige ärztliche Auf¬ 
sicht fordern, sind eines der lehrreichsten Eigengebilde auf dem Gebiete der 
Kriegskrüppelfürsorge; denn hier wirken Orthopädie, Psychologie, Ethik und 
Pädagogik einheitlich zusammen. Bei ihr muß die Eigenart jedes einzelnen Kriegs¬ 
beschädigten verständnisvoll erfaßt, auch müssen die ersten Versuche der Uebenden 
mit besonderer Nachsicht bewertet werden; ÜDgeduld und Ucbe.reiltheit können 
alle Erfolge in Frage stellen. Jedes „Ich kann nicht“ muß der taktvolle Er¬ 
zieher in eia freudiges „Ich will“ za verwandeln suchen; es geschieht dies am 
besten durch möglichste Berücksichtigung aller etwaigen besonderen Neigungen 
und Interessen der Ilandkriippel, durch vielseitige Abwechselung auch bei 
einfacheren Arbeiten, durch Verwendung der besten Mittel bei den .Uebungen, 
Pflege der guten Volks- und fleimatkunst, sowie durch eine geschickte und 
den vorhandenen körperlichen Bedingungen angepaßte Reihenfolge. der . ein¬ 
zelnen Uebungen. 

12. Das Streben nach Qualität nnd nach Geschmack bei den Berufs- 
Übungen Kriegsbeschädigter und der Lazarettbesch&ftlgnng. Prof. Dr. Higo 
Eberhardt, Architekt in Offenbach a. M.: Im Großherzogtum Hessen ist man 
bemüht gewesen, zwischen der Uazarettboschäftigung Verwundeter wie Er¬ 
krankter und der Berufsübung Kriegsbeschädigter zu einer reinlichen, aber un¬ 
bedingt notwendigen Scheidung zu gelangen. Die „Lazarettbe.schäfti- 
gung“ soll eine solide Liebhaberkunst sein, die namentlich die llerstelluQg 
geschmackvoller Gegenstände zum Ziele hat und bei der Schönheitssinn, Heimat 
und Volkskunst volle Berücksichtigung linden. Schlechte Vorlagen sind daher 
auszuschalten. Die im Lazarett erlernte Kunstfertigkeit muß nicht nur die 
Arbeit so freudig als möglich gestalten, sondern zur Linderung unseres Ge¬ 
schmackes beitragen und die künstlerische Entwicklung unseres Volkes- im 
geistigen Sinne beeinflussen. Auch bei der späteren Erwerbsausbildung 
ist auf Geschmack und Qualität zu sehen; besonders ist das Zeichnen au 
fördern, weil es nicht nur die Iland übt, sondern auch das richtige Sehen und 
Beobachten lehrt, das die Betreffenden befähigt, rasch und sicher das Charakte¬ 
ristische und Wesentliche zu erkennen. Ein auf diesen Grundsätzen geleitetes 
Berufsübungslazarett wird die Kriegsbeschädigten ihrem Beruf als 
brauchbare Arbeiter wiedergeben, die das Gefühl für gewissenhafte Arbeit, 
gutes Material und Farbenwahl, sowie einen durch Zeichnen und Mustef- 
anfertigen geschulten Sinn für zweckmäßige und geschmackvolle Formen 
aufweisen. Sic werden sich dann als freie Männer fühlen, die nach erfüllter 
Pflicht in des Königs Rock auch im Arbeitskittel ihren gestellten wirtschaft¬ 
lichen Arbeiten wieder voll gerecht werden können. 



der Deutschen Vereinigungfür Krüppelfürsorge in Berlin. 887 


' 18. De* Einhänder In der Schule, insbesondere des Schreiben mit 
der linken Und. Zeichenlehrer Karl Schlesser-Halle a. 8.: Die Schönheit 
der Schrift hängt ab von der Gleichmäßigkeit der Muskelbewegungen und 
zwar nicht nur der Hand- und Fingermuskeln, sondern auch von den Unter¬ 
armmuskeln. Bei dem einarmigen Linkshänder müssen die Muskeln so 
umgebildet und geübt werden, daß ihm die feinen Scbreibbewegungen leicht 
und sicher möglich sind, was durch Grund- und Beihenübungen durch¬ 
aus möglich ist. Je länger diese Uebungen durchgeführt werden, desto besser 
jst ihr Erfolg; 40 Unterrichtstunden genügen im allgemeinen, vorausgesetzt, 
daß der Unterricht nicht durch häufiges Neueintreten und Wegbleibcn der 
Xeuto. beeinträchtigt wird. Das für den Bechtsbänder übliche Schreibgerät 
eignet sich auch für den Linkshänder; als Federhalter hat sich am besten ein 
einfacher mittelstarker Korkhalter bewährt. Seine Forderungen faßt Bedner 
in folgenden Sätzen zusammen: 

. „1. Zusammenfassen aller Einhänder eines größeren Bezirks zu einer Schule. 

2. Als besonderes Unterrichtsfach: Handfertigkeit, d. h. die planmäßige 
Durchbildung der Arm- und Handmuskulatur. 

3. Durchführung fester, geschlossener Kreise ohne Wechsel. 

4 Alle Unterrichtsarbeit muß im Dienste praktischer Berufsverordnung 
stehen." 

14. Ueber die Bedeutung einarmiger Lehrmeister in der Einarmigen* 
schule. Prof. Dr. Koepert-Dresden: Aufgabe der Emarmigenschule ist, den 
Krieguverletzten zu zeigen, daß sie auch als Einarmige imstande sind, zu 
arbeiten und sich ihr Brot zu verdienen, gleichgültig, ob sie Bechts- oder 
Linkshänder sind, denn auch der Linkshänder holt den Vorsprung, den der 
Rechtshänder ursprünglich vor ihm hat, bei der Ausbildung sehr bald ein. Ob 
besondere Elnarmigenschulen, wie sie bereits in verschiedenen Orten (Heidel¬ 
berg, Dresden, Hamburg, Nürnberg, Halle a. 8. usw.) eingerichtet sind, zweck¬ 
mäßig sei, ist eine strittige Frage; jedenfalls muß ihr Ziel sein: die möglichst 
vollkommene Ausbildung und Kräftigung der verbliebenen Hand wie die mög¬ 
lichste Erziehung zur Selbständigkeit des Einarmigen. Gerade in bezug auf 
den letzten Punkt ist der einarmige Lehrer von nicht zu unterschätzender Be¬ 
deutung; vorausgesetzt, daß er durch eiserne Willenskraft wieder volle Arbeits¬ 
fähigkeit erlangt hat, seinen Platz voll ausfüllt und infolgedessen ans gewisser 
Lebenserfahrung dem jungen Kriegsbeschädigten gute Ratschläge aus eigener 
Erfahrung erteilen kann. Solche Männer sind im Deutschen Reiche reichlich 
vorhanden. Namentlich ist der einarmige Lehrer für den Werkstätten- 
Unterricht geeignet; als treuer Freund der Einarmigen bei dieser Arbeit 
bat sich besonders der Schraubstock bewährt, dessen Wert durch Ausführung 
verschiedener Arbeiten durch einen einarmigen Lehrer sichtbar gemacht wird 

Aussprache zu den Vorträgen Nr. 0—13. 

San.-Bat Dr. Schanz-Dresden: Man darf die Arbeitsfähigkeit der 
.Einarmigen nicht überschätzen; in der Landwirtschaft werden sie voraussicht¬ 
lich dauernd lohnende Arbeit finden, in der Industrie laufen sie dagegen Gefahr, 
ihre Arbeitsplätze zu verlieren, wenn genügend gesunde Arbeiter vorhanden sind. 
Sie eignen sich hier besonders zur Bedienung von Spczialarbeitsmaschinen. Die 
Einarmigonfürsorge muß sich deshalb mit der Industrie in Verbindung setzen, 
damit hier die für Einarmige geeignete Arbeiten diesen auch Vorbehalten 
.bleiben. 

Dr. J. Freiherr von K ü n ß b e r g - Heidelberg warnt ebenfalls vor 
einer Ueberschätzung der Arbeitsfähigkeit der Einarmigen; denn es gibt viele 
Arbeiten, die ein Einarmiger auch mit Zuhilfenahme eines Kunstarmes nicht 
ausführen kann. Er betont dann weiterhin die Unrichtigkeit der in weiten 
Kreisen bestehenden Ansicht, daß ein Linkser dem Rechtser nahestehe; dieses 
durchaus falsche Vorurteil müsse aufs Schärfste bekämpft werden, da es eine 
-Schädigung der Linkser auf dem Arbeitsmarkt bedinge. 

Mittelschullehrer A. Buchholz-Posen weist auf die Vorteile des 
rhythmischen Taktschreibens hin, das er gleichsam militärisch nach 
Befehl (Zählen) ausführen läßt; nach seinen Erfahrungen belebt es den Unter¬ 
richt, beseitigt schnell die Unsicherheit und das anfängliche Zittern der linken 
Hand und ermöglicht eine geläufige sichere und flotte Handschrift. 



338 Bericht über die Tagung der Deutschen Vereinigung für Krüppelfürsorge. 


14. Die Bedeutung der Fortbildung»- und Fachschulen für die Krlegs- 
beschSdlgtenfflrsorge. Reg.- und Gewerbeschulrat Prof. Dipl.-In£. Beehnt- 
Potsdam faßt seine Ausführungen dahin zusammen, daß für die Kriegs¬ 
beschädigten Gelegenheit zu fachlichem Wissen und Können geboten werden 
muß. Infolgedessen sind zur Unter rieh tserteiinng die bestehenden Fach- und 
Fortbildungsschulen nach Möglichkeit nutzbar zu machen und deren Lehrer 
in weitestgehendem Maße zur Mitwirkung bei der Beschulung Kriegsbeschädigter 
heranzuziehen. 

15. Ausbildung der vom Lande stammenden Kriegskrüppel ln der 
Landwirtschaft* Berichterstatter Landesökonomierat Maler • Bode • Nürn¬ 
berg: Die Aufgabe der Krüppel muß es sein, jede Abwendung vom Lande 
durch geeignete Maßnahmen entgegenzuwirken. Deshalb sind die Kriegs¬ 
beschädigten schon während der Läzarettbehandlung über die Vorzüge aes 
Landaufenthaltes und der ländlichen Beschäftigungsmöglichkeit im Gegensatz 
zu dem Aufenthalt in den Städten zu belehren und darch fachliche Berufsberater 
(Lehrer an den landwirtschaftlichen Lehranstalten) aufzuklären. Zu ihrer Aus¬ 
bildung sind landwirtschaftliche Invalidenschulen nach Art der landwirtschaftlichen 
Winter- und Ackerbauschulen einzurichten, in denen neben dem theoretischen 
Unterricht auch Gelegenheit zu praktischer landwirtschaftlicher Betätigung 
gegeben ist. Die in dieser Weise ausgebildeten ländlichen Kriegsbeschädigten 
sollten in ihrem Wunsche nach eigenem Besitztum mit allen nur möglichen 
Mitteln unterstützt werden; es sei deshalb auch Pflicht der Landwirte, bei der 
Seßhaftmachung der Invaliden auf dem Lande tatkräftig mitzuwirken und 
sie nach besten Kräften zu fördern. 

16. Die geeignetsten Auabildungsverfabren für die verschiedenen 
Erwerbsmöglichkeiten. der einzelnen Verletzungen. Kommerzienrat Krals- 
Stuttgart spricht über die Erwerbsmöglichkeiten bei den typischen Verletzungen; 
bei ihrer Auswahl für den Einzelnen bedarf es sorgfältiger Erwägungen und 
eines Eindringens in die kleinsten Einzelheiten der Arbeitsweisen. Deshalb ist 
ein wirklicher Erfolg nur bei einmütiger Zusammenarbeit berufener Vertreter 
der gesamten deutschen Industrie zu erwarten. Redner nimmt auf ein von 
ihm verfaßtes, in Kürze erscheinendes Handbuch: „Die Verwendungsmöglich¬ 
keiten der Kriegsbeschädigten in der Industrie, im Gewerbe, Handwerk, Land¬ 
wirtschaft und in den Staatsbetrieben“ Bezug, das die umfassendste Uebersicht 
über alle Arbeits- und Verwendungsmöglichkeiten gibt. Danach stehen ihnen 
Millionen von derartigen Gelegenheiten offen, so daß ein jeder Kriegsverletzter 
die frohe Zuversicht haben kann, eine für ihn geeignete lohnende Arbeit 
zu finden. 

17. Lazarett, Erwerbsschule und Berufsberatung als organisches 
Ganze. Inspektor Möhring-Nürnberg. 

Vor allem gilt es, das Vertrauen der Kriegsverletzten durch richtige 
Beratung zu gewinnen. Bei dieser Berufsberatung sollten nicht bloß Arbeit¬ 
geber, sondern auch Arbeitnehmer vertreten sein, damit der Invalide nicht ein¬ 
seitig über die für ihn in Betracht kommenden Verhältnisse aufgeklärt wird. Sein 
gebrochenes Selbstvertrauen muß wieder entfacht und gekrättigt werden, was 
am besten dadurch geschieht, daß in den Beschäftigungskursen auf seine per¬ 
sönliche Neigung eingegangen wird. Diese Ausbildung kann nur in Erwerbs¬ 
schulen stattfinden; Lazarett, Erwerbsschule und Berufsberatung müssen aber 
ein organisches Ganze bilden, da sie nur dann die gefundene Berufsneigung so ge¬ 
stalten kann, daß die wirtschaftliche Zukunft des Kriegsverletzten gesichert ist. 

Aussprache. 

Stabsarzt Dr. Christian-Berlin: Der Berufsberater mnß nicht nur einen 
genauen Ueberblick über die wirtschaftlichen Aussichten der verschiedenen 
Rerufe, sondern auch ein Urteil über die Berufseignung des Verletzten 
besitzen. Als Grundlage seiner Tätigkeit haben die Erfahrungen der 
Arbeitspsychologen (Rubner, Taylor ubw.) zu dienen. Die Er¬ 
müdbarkeit, Eigenart des Gedächtnisses, Geistesgegenwart, Aufmerksamkeit und 
Kombinationskraft nsw. des einzelnen Kriegsbeschädigten sind bei der Auswahl 
eines für ihn geeigneten Berufes umsichtig in Betracht zu ziehen. Alle diese 
Fragen bedürfen noch einer wissenschaftlichen Klärung, die möglichst rasch 



Besprechungen. > 


889 


erfolg«! sollte, da ihre Ergebnisse sowohl für Arbeitnehmer und Arbeitgeber 
als rar unsere ganze Volkswirtschaft von großer Bedeutung sind. 

Schluß der Sitzung Nachmittags 4 Uhr. 

Der Vorsitzende dankt allen Vortragenden und sonstigen Bednern 
für ihre Mitwirkung sowie allen Teilnehmern für ihr Aushalten bis zum Schluß; 
er schließt dann die Sitzung mit dem Wunsche, daß die Verhandlungen der 
Kriegsinvalidenfürsorge zum Nutzen und den Kriegsbeschädigten zum Segen 
gereichen mögen. _ Epd. 


Besprechungen. 

Prof. D'r. Erloh Harnaok, Geh. Med.-Bat in Halle a. 8 . : Die gerichtliche 
Medizin mit Einschluss der gerichtlichen Psychiatrie und der 
gerichtlichen Beurteilung von Versicherungs- und Unfallsachen. Für 
Mediziner und Juristen, ln Gemeinschaft mit Prof. Dr. Haasler und 
Prof. Dr. E. Siefert, Privatdozenten in Halle a. 8. Leipzig 1914. Verlag 
der Akademischen Verlagsgesellschaft m. b. H. 8°; 448 S. Preis; 12 M., 
geb. 13,60 M. 

Der inzwischen leider verstorbene Verfasser ist bei Herausgabe des vor¬ 
liegenden Buches von dem Wunsche geleitet gewesen, es so zu gestalten, daß 
es sowohl von Medizinern, als von Juristen benutzt werden konnte, von den 
ersteren namentlich zur Einführung in den gesamten Stoff und zur Unterrichtung 
über die einschlägigen juristischen Fragen, von den letzteren zu ihrer Unter¬ 
weisung in gerichtlich-medizinischen Dingen. Er hat dabei das Ziel verfolgt, 
du gegenseitige Verständnis, das oft keineswegs leichte, aber namentlich für 
die Bechtsprechung und damit auch für das allgemeine Wohl so unbedingt not¬ 
wendige Zusammenarbeiten beider Teile zu fördern und zu erleichtern. Verfasser 
hat es deshalb auch vermieden, allzusehr in die medizinischen Einzelheiten zu 
gehen, desgleichen sind die medizinischen Kunstausdrücke möglichst durch 
gemeinverständliche Bezeichnungen ersetzt oder erläutert. Die Darstellung ist 
knapp gehalten, die Kasuistik unberücksichtigt gelassen und durchweg nur das 
Wichtigste hervorgehoben, um den Umfang des Werkes nicht über eine gewisse 
Grenze auszudehnen. Es hat deshalb mehr den Charakter eines Kompendiums, 
als den eines ausführlichen Lehr- und Handbuches, und eignet sich gerade in 
dieser Form für den Zweck, für den es Verfasser geschrieben hat; denn es 
genügt trotzdem völlig, um einerseits den Arzt in das Studium der gerichtlichen 
Medizin einzuführen und anderseits dem Juristen einen ausreichenden und für 
ihn auch verständlichen Ueberblick über diese zu geben. 

Nur der erste, aber hauptsächlichste Teil des Buches, die eigentliche 
gerichtliche Medizin, ist vom Verfasser in fünf Abschnitten: I. Begattungs¬ 
und Zeugungsfähigkeit, II. gesetzwidrige Befriedigung des Geschlechtstriebes, 
HL fragliche Schwangerschaft und Geburt, IV. die gewaltsamen Gesundheits¬ 
beschädigungen und der gewaltsame Tod (durch Verletzungen, Erstickungen 
und durch Druck auf den Hals, durch Verbrennen, Verbrühen und Elektrizität, 
durch Erfrieren, Verhungern, Vergiftung und psychische Insulte), Kindesmord 
und Selbstmord sowie V. Zeichen des Todes, Leichenveränderungen und 
Identifizierung von Leichen und Lebenden bearbeitet; während Abschnitt VI: 
Gerichtliche Beurteilung von öffentlichen Versicherungs- und Unfallsachen (die 
sozialen Gesetze: Kranken-, Unfall-, Invaliden-, Alters- und Angestellten¬ 
versicherung) von Prof. Dr. Haasler, und Abschnitt VII: Gerichtliche 
Psychiatrie und Dispositionsfähigkeit (die klinischen Grundlagen der gericht¬ 
lichen Psychiatrie und ihre rechtlichen Grundlagen nach Strafrecht und bürger¬ 
lichem Becht) von Prof. Dr. E. Siefert unter Berücksichtigung der für den 
ersten Teil maßgebenden Gesichtspunkten verfaßt sind. 

Hoffentlich findet das Buch in den beteiligten Kreisen die freundliche 
Aufnahme und weite Verbreitung, die es verdient, namentlich unter den Aerzten, 
für deren Gebrauch es sich mit Bücksicht auf seinen Inhalt doch in erster 
Linie eignet. Aber auch den Juristen wird ein eingehendes Studium des Werkes 
von Nutzen sein und den Wünschen des Verfassers gemäß wesentlich dazu 
beitragen, daß sich ihr Zusammenwirken mit dem Mediziner auf diesem so 
wichtigen Gebiete immer verständnisvoller für die gegenseitigen Aufgaben und 
damit auch segensreicher für die Allgemeinheit gestaltet. Bpd. 



Besprechungen. 


810 

Dr. O. Kauftnunn, Dozent an der Universität Zürich: Handbuch dar 
Unfallmedixin. III. neubearbeitete Auflage des Handbuchs der Unfall* 
medizin. Band II: Unfallerkrankungen und Unfalltodesfälle. 
Stuttgart 1915. Verlag von Ferdinand Enke. Gr. 8®, 613 S. Preis: 
geh. 18,40 M., gebd. 20 M. 

Während im ersten, bereits im Jahre 1907 erschienenen Bande außer 
dem allgemeinen Teil die Unfallverletzungen behandelt sind, ist der jetzt 
vorliegende zweite Band den Unfallerkrankungen und Unfalltodesfällen ge¬ 
widmet. Die Besprechung der Unfallerkrankungen nimmt den größten 
Teil des Bandes ein. Sie beginnt mit einer Abhandlung über die Voraus¬ 
setzungen der Entschädigungen im allgemeinen und geht dann zur Erörterung 
der einzelnen Erkrankungen, unter besonderer Berücksichtigung ihrer Ent¬ 
stehung oder Verschlimmerung durch Unfall über. Akute Infektionskrankheiten, 
tierische Infektionskrankheiten, Osteomyelitis und Gelenkrheumatismus, tuber¬ 
kulöse Erkrankungen, Beziehung der Syphilis zu Unfällen, gewerbliche Ver¬ 
giftungen, Stoffwechsel-, Blut- und Lymphkrankheiten, Geschwülste, Gehirn- 
und Geisteskrankheiten, Neurosen, Bückenmarkskrankheiten, Erkrankungen der 
Atmungsorgane, des Herzens und der Gefäße, der Verdauungsorgane (Magen, 
Darm, Leber, Pankreas und Bauchfell) und der Milz, die Unterleibsbrüche, 
Erkrankungen der Nieren, der männlichen und weiblichen Geschlechtsorgane, 
Erkrankungen der Bewegungsorgane und der Haut sowie Erkrankungen aus 
physikalischen Ursachen haben hier eine sachgemäße, klare, alle in Betracht 
kommenden Gesichtspunkte voll beachtende Darstellung gefunden, der überall 
eine reichhaltige Kasuistik beigegeben ist und bei der vor allem auch die 
Gesetzgebung der deutschen, österreichischen und schweizerischen Arbeiter¬ 
und der privaten Unfallversicherung sowie die einschlägige Rechtsprechung 
eingehend berücksichtigt ist. — Im zweiten Teil des Bandes sind in gleicher 
Weise die Unfalltodesfälle behandelt. — Ein Anhang bringt Er¬ 
gänzungen und Zusätze zum ersten Bande, die sich hauptsächlich auf die 
inzwischen erfolgten Aenderungen der Unfallgesetzgebung, namentlich im 
Deutschen Reiche, beziehen. Den Schluß bildet ein ausführliches, beide Binde 
umfassendes Sachregister. 

Ebenso wie der erste Band der dritten Auflage des Kaufmannschen 
Handbuches stellt auch die des zweiten Bandes eine völlige Neubearbeitung 
dar, die sicherlich von allen denen, die mit Ungeduld auf die Vollendung des 
Handbuches gewartet haben, um so freudiger begrüßt werden wird, als sie 
durch die Vorzüglichkeit ihres Inhaltes in reichem Maße entschädigt werden. 

_ Rpd. 


Prot Dr. Brauor-Hamburg-Eppendorf, Generaloberarzt und beratender innerer 
Kliniker: Die Erkennung und Verhütung des Fleckfiebers und Bfick- 
fallfiebers nebst Vorschriften zur Bekämpfung derLäuseplage. 
Von Regimentsarzt Dr. Julius Moreson. Mit 4 farbigen, 2 schwarzen und 
1 Kurventafel sowie 12 Abbildungen im Text. Zweite ergänzte Auflage. 
Würzburg 1916. Verlag von Kurt Kalitzsch. Gr. 8°; 43 8. Preis: 
1,50 Mark. 

Die neue Auflage der vorstehenden Abhandlungen, über die bei ihrem 
ersten Erscheinen bereits an dieser Stelle berichtet ist (s. Nr. 14, Jahrg. 1915 
dieser Zeitschrift, 8. 425), enthält manche wertvolle Ergänzungen, die sie als 
Wegweiser für die Erkennung und Verhütung des Fleckfiebesr und Rückfall¬ 
fiebers sowie für die Bekämpfung der Läuseplage noch geeigneter als bisher 
machen. Rpd. 


Geh. Ober-Reg.-Rat Profi Dr. K. von Bnohka- Berlin, Ooh. Bog.-Bat 
Dr. W. Kerp- Berlin und Ooh. Bog.-Bat Dr. Th. Paul -München: 
Nahrungsmittelchemie. Leipzig 1914. Verlag der Akademischen Verlags- 
gescllschaft m. b. H. Gr. 8 0 ; 579 S. 

Das vorliegende Werk stellt eine Sammlung von Vorträgen dar, die von 
den Verfassern auf dem von ihnen im März 1912 in Berlin veranstalteten ersten 
Fortbildungskurse für Nahrungsmittelchemiker gehalten sind. Ihre Herausgabe, 
die von Dr. W. Kerp bewirkt ist, wird sicherlich in Fachkreisen sehr freudig 
begrüßt werden, und zwar nicht nur von den Kursusteünebmern, sondern vor 



Besprechungen. 


m 


«llem tob denjenigen Fachgenossen, die an dem Kursus nicht teilgenomineo 
haben; denn die Vorträge behandeln in umfassenden Ueberblicken sorgsam aas- 
gewählte Fragen and Gebiete der Nahrangsmittelchemie and ihrer Grenz* 
gebiete, die für die nahrangsmittelchemische Forschung and Praxis besonders 
aktuell and wichtig sind. Ihr Inhalt bietet aber auch vielfach sowohl für den 
ärztlichen Sachverständigen, als für den Medizinalbeamten sehr viel Wissens* 
wertes; namentlich gilt dies betreffs der Vorträge über Lebensmittelgesetzgebung 
and Lebensmittelbetriebe im Deutschen Reich (Geh Reg.-Rat Dr. P. Kerp- 
Berlin); über biologische Eiweißdifferenzierang unter besonderer Berück¬ 
sichtigung der forensischen Blut- und Fleischuntersuchung (Geh. Reg.-Rat 
Prof. Dr. Uhlenhuth -Straßburg i. Eis.), über nahrungsmittelchemische Tages¬ 
fragen (Geh. Reg.-Rat Dr. Kerp*Berlin) und neuere Erfahrungen aus der 
nahrungsmittelchemischen Gerichtspraxis (von Reg.-Rat Prof. Dr. Juckenack- 
Berlin), über Ueberwachung des Verkehrs mit Milch (Prof. Dr. H. Weigmann- 
Kiel), über neue Gesetzgebung und Rechtsprechung betr. den Verkehr mit 
Wein (Reg.-Rat Dr. Adolf Günther-Berlin), über Untersuchung und Begut¬ 
achtung von Wasser und Abwässer (Dr. L. Grauhat-Wiesbaden) sowie über 
Fortschritte der gerichtlichen Chemie (Dr. G. Popp- Frankfurt a. M.). Um 
denjenigen Kreisen, für die nur einzelne Vorträge Interesse bieten, diese Vor¬ 
träge zugänglich zu machen, hat die Verlagsbuchhandlung in entgegen¬ 
kommender Weise Sonderausgaben davon in Einzelheiten veranstaltet, wofür 
ihr ein besonderer Dank gebührt Rpd. 


Prof. Dr. mod. und phil. H. Orienbaoh: Die Physiologie und Hygiene 
der Ernährung in populär-wissenschaftlicher Darstellung und die 
Beschaffung von Nährwerten im Weltkriege. Dresden 1915. Verlag 
von Holze und Pahl. 12°; 110 S. Preis: geh. 1,80 M., geh. 2,40 M. 

Die Ernährungsfrage wird in dem vorliegenden Schriftchen in sechs 
Abschnitten: Wesen der Ernährung, die für die Ernährung in Betracht 
kommenden Stoffe, ihre Eigenschaften und ihre Verwendung, Einführung der 
Nahrungsstoffe in den Körper, ihre Verarbeitung und Verwendung, Ernährungs¬ 
bedarf und. Ernährungskosten, Ausnutzung, Verdaulichkeit, Aufbewahrung und 
Zubereitung der Nahrungsmittel sowie Beschaffung von Nährwerten im Kriege 
allgemein verständlich, aber doch auf durchaus wissenschaftlicher Grundlage 
unter voller Berücksichtigung der bei der Ernährung in Betracht kommenden 
physiologischen und chemischen Vorgänge behandelt. Das Schriftchen verdient 

S erade deshalb den Vorzug gegenüber vielen anderen, in denen der gleiche 
egenstand allein oder hauptsächlich von der wirtschaftlichen Seite behandelt 
ist. Mit Recht betont Verfasser am Schluß, daß wir kaum Ernährungssorgen 
während des Krieges zu befürchten haben, wenn jeder Einzelne sich vornimmt, 
an den Sparsamkeitsbestrebungen auf dem Gebiete der Ernährung teilzunehmen 
und wenn namentlich die wohlhabenden Volksschichten diesem Grundsatz zu¬ 
gunsten der Nichtbemittelten huldigen. Rpd. 


Dr. J. TUIumum, Privatdozent und Vorsteher des Nahrungsmitteluntersuchungs¬ 
amts und der chemischen Abteilung des städtischen hygienischen Instituts 
in Frankfurt a. M.: Di» chemische Untersuchung von Wasser und 
Abwasser. Mit 19 Abbildungen im Text. Halle a. S. 1915. Verlag von 
Wilhelm Knapp. Gr. 8°; 259 S. Preis: 11,20 M., geb. 11,95 M. 

Das Werk bildet den XVII. Band der von Patentanwalt L. M. Wehl- 
gemuth-Berlin unter Mitwirkung zahlreicher Fachgenossen herausgegebenen 
Laboratoriumsbüeher für die chemische und verwandte Industrie; es behandelt 
einen Stoff, der auch für beamtete und nicht beamtete Aerzte, Bygieniker usw. 
von großer Bedeutung ist, denn die Fragen der Wasserversorgung und 
Abwässerbeseitigung haben sich immer mehr zu einem der wichtigsten Kapitel 
der öffentlichen Gesundheitspflege entwickelt. ' Eine der Grundlagen für die 
Beurteilung der Wasser und Abwasser bildet aber das Ergebnis ihrer chemischen 
Untersuchung, deren Methodik Verfasser in klar und erschöpfender Weise auf 
Grund jahrelanger eigener Erfahrungen sowie unter Berücksichtigung der 
neuesten Forschungen schildert und im Anschluß daran jedesmal die Gesichts¬ 
punkte hervorhebt, die für die Beurteilung der festgestellten Befunde ma߬ 
gebend sind. In dem ersten Abschnitt Wasseruntersuchung wird, die Unter- 



34a 


Besprechungen. 


Buchung auf die hygienische Beschaffenheit getrennt Ton der auf aggressive 
und störende Stoffe (Sauerstoff, Kohlensäure, gelöste Metalle, Eisen, Mangaa 
und Härtegrade) behandelt; den beamteten Arzt interessieren in diesem Teil 
besonders die sachgemäßen Ausführungen über die Untersuchung des Wassers 
an Ort und Stelle (Ortsbesichtigung, Probeentnahme, physikalische und quali¬ 
tative chemische Untersuchung). In dem zweiten der Darstellung der Abwasser¬ 
untersuchung gewidmeten Hauptabschnitt hat Verfasser auch die in gewerb¬ 
lichen Abwässern vorkommenden Stoße und Verunreinigungen in ausgiebiger 
Weise berücksichtigt, entsprechend der hohen Bedeutung, die die Beseitigung 
dieser Abwässer heute gewonnen hat. Im Anschluß daran werden die Unter¬ 
suchung und Bewertung des Schlammes, die Kontrolle von Kläranlagen sowie 
die Reinigungsmöglichkeit gewerblicher Abwässer behandelt. Das aus der 
Erfahrung geschriebene Buch eignet sich so recht zum praktischen Ratgeber 
auf diesem wichtigen Gebiete und kann deshalb warm empfohlen werden. 

Rpd. 


Schriften des Vereins für Kommunalwirtschaft und Kommunalpolitik. 

E. V. Herausgegeben von Generalsekretär Erwin Stein. Heft 1—6. Berlin- 
Friedenau. Deutscher Kommunal-Verlag G. m. b. H. 1915 und 1916. Preis 
für das Heft: 1,50 M., geb. 2,25 M. 

Von dem Verein für Kommunalwirtschaft und Kommunalpolitik werden 
seit vorigem Jahre Einzelschriften in Heften von 2—8 Bogen herausgegeben, 
in denen wichtige Tagesfragen von hervorragenden Fachmännern behandelt 
sind. Das Heft 1 bringt eine Denkschrift über die Arbeiten des Vereins; 
in Heft 2 wird der öffentliche Betrieb und die Konzessionswirtschaft von 
Emil Schifi-Berlin-Grunewald und Hans Ludewig -Spandau besprochen, 
während Heft 3: „Oberschlesien heute und morgen" eine Schilderung 
der Kommunalverhältnisse von Urbaneck, Amts- und Gemeindevorsteher in 
Beuthen-Roßberg enthält. In den beiden folgenden Heften sind die Vorträge 
wiedergegeben, die von dem Oberbürgermeister Koch-Kassel und Dr. Wilms- 
Posen über die Kriegsmaßnahmen der Städte auf dem Gebiete 
der Lebensmittelversorgung (Heft 4) sowie Landesrat Dr. Horion- 
Düsseldorf und Bürgermeister Luppe-Frankfurt a. M. über Kriegs¬ 
beschädigtenfürsorge (Heft 5) auf der IV. Tagung des Vereins für 
Kommunalwirtschaft und Kommunalpolitik gehalten haben und deren Inhalt 
auch die Leser dieser Zeitschrift in hohem Grade interessieren dürfte. Heft 6 
bringt eine Abhandlung von Reg.-Rat L. Buck-Düsseldorf über „Direkte 
Reichssteuern oder direkte Reichskriegssteuern. Rpd. 


Profi Dr. L. Langsteln, Privatdozent und Direktor des Kaiserin Auguste 
Victoria-Hauses zur Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit in Charlotten¬ 
burg : Gesunde Kinder in den Spiel-, Schul- und Entwicklungsj&hren. 
Leipzig 1916. Verlag von Max Hesse. 12°, 103 S. Preis: geb. 1,35 M. 

Das Büchlein bildet den 22. Band der Hess eschen Bücherei des moder¬ 
nen Wissens; es ist seinem Zwecke entsprechend in einer für Laien verständ¬ 
lichen Weise geschrieben und gibt eine kurzgefaßte Zusammenstellung der nur 
zweckmäßigen Ernährung und Pflege der über ein Jahr alten Kinder not¬ 
wendigen Maßnahmen. Verfasser betont mit Recht, daß bisher die schriftliche 
Belehrung über diese Altersklassen im Vergleich mit der über das Säuglinga- 
alter zu kurz gekommen ist, namentlich diejenige Uber das Spielalter der 
Kinder; deshalb hat er diesem auch eingehendere Erörterungen gewidmet, als 
dem Schulalter, da in dem ersteren die Pflege und Erziehung der Kinder aus¬ 
schließlich in den Händen der Eltern liegt, für die diese Abhandlung in erster 
Linie bestimmt ist. Außerdem ist eine rationelle Pflege und Erziehung im 
Kleinkinderalter besonders wichtig, denn Verstöße dagegen machen nicht nur 
günstige Ergebnisse einer rationellen Säuglingspflege hinfällig, sondern be¬ 
wirken auch einen schlechten Gesundheitszustand der Schulrekruten, der sich 
während der Schulzeit bitter rächt. Da das Büchlein lediglich dazu dienen 
soll, gesunde Kinder gesund zu erhalten, so ist alles fortgeblieben, was dem 
Laien einen Anhalt geben könnte, selbständig Krankheiten zu erkennen und su 
behandeln. Es ist dies nicht als Mangel, sondern als großer Vorzug der Ab¬ 
handlung ansusehen, die ihrer klaren, kurzen.und sachgemäßen Darstellung 



Tagesnachrichten. 


843 


wegen die größte Verbreitung in Familien und in allen denjenigen Kreisen ver¬ 
dient, denen die Fürsorge für die Entwicklung der über ein J,ahr alten Kinder 
bis zur Beendigung des Schulalters obliegt. Bpd. 


Tagesnachrichten. 

Kriegsernährnngsamt. Die mannigfachen Mißstände, die sich leider in 
den letzten Monaten immer mehr anf dem Qebiete der Ernährung unserer 
Bevölkerung bemerkbar gemacht haben und die z. T. auf der Zersplitterung 
der hier tätigen Kräfte beruhen, haben dazu geführt, daß der Bundesrat den 
Beichskanzler ermächtigt, eine eigene, neue, ihm unmittelbar unterstellte 
Behörde, das „Kriegsernährungsamt“ hat,-zu errichten. Der Präsident 
dieser Behörde erhält das Verfügungsrecht über alle im Deutschen Beiche 
vorhandenen Lebensmittel, Bohstoffe und andere Gegenstände, die zur Lebens¬ 
mittelversorgung notwendig sind, ferner über die Futtermittel und die zur 
Viehversorgung nötigen Bohstoffe und Gegenstände. Das Verfügungsrecht 
schließt die gesamte Verkehrs- und Verbrauchsregelung, damit erforderlichen¬ 
falls natürlich auch die Enteignung, die Begelung der Ein-, Aus- und Durch¬ 
fuhr, sowie der Preise ein. Der Präsident kann auch in dringenden Fällen die 
Landesbehörden'unmittelbar mit Anweisungen versehen. 

Ueber die Einrichtung und die Aufgaben der neuen Einrichtung 
schreibt die Nordd. Allg. Ztg.“ folgendes: 

„Die ausreichende Ernährung unserer Bevölkerung ist völlig 
gesichert und wird, solange der Krieg auch dauern möge, durch keine noch 
so rücksichtslosen Sperrmaßnahmen der feindlichen Staaten in Frage gestellt. 
Die Notwendigkeit aber, unseren Verbrauch bei wesentlich verminderter Einfuhr 
aus der schwachen Ernte des Jahres 1915 zu decken, hat bekanntlich im 
einzelnen zu teilweise recht fühlbaren Knappheitserscheinungen 
geführt. Seit Monaten ist die Beichsleitung im Verein mit den bundesstaat¬ 
lichen Begierungen und den Organen der Selbstverwaltung bemüht, die auf 
den verschiedensten Gebieten entstehenden Schwierigkeiten zu bekämpfen und 
die fortlaufende ausreichende und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung 
zu sichern. Mehr und mehr hat sich indes gezeigt, daß das System unserer 
bundesstaatlichen Behördenorganisationen dem vollen Gelingen jener Bemühungen 
bindernd im Wege steht. Beim Erlaß der die Versorgung grundsätzlich 
regelnden Verordnungen, bei der Errichtung der mit Teilen der Ernährungs- 
rerwaltung betrauten besonderen Organisationen, noch mehr aber bei der 
Ueberwachung der Durchführung allgemeiner Vorschriften war bisher eine 
größere Zahl von amtlichen Stellen beteiligt, die keiner zentralen Oberleitung 
unterstanden und deren Zusammenwirken deshalb von gegenseitigen Verhand¬ 
lungen, Auseinandersetzungen und Zugeständnissen bedjpgt war. Dies tat der 
notwendigen Einheitlichkeit und Schnelligkeit Abbruch. Der Bundesrat hat deshalb 
in seiner Sitzung vom 22. Mai den Reichskanzler ermächtigt, eine eigene, neue, ihm 
unmittelbar unterstellte Behörde, das „Kriegsernährungsamt“ zu errichten. Der 
Präsident dieser Behörde erhält das Verfügungsrecht über alle im 
Deutschen Beiche vorhandenen Lebensmittel, Bohstoffe und 
andere Gegenstände, die zur Lebensmittelversorgung not¬ 
wendig sind, ferner über die Futtermittel und die zur Viehver- 
sorgung nötigen Bohstoffe und Gegenstände. Das Verfügungs¬ 
recht schließt die gesamte Verkehrs- und Verbrauchsregelung (damit erforder¬ 
lichenfalls natürlich auch die Enteignung), die Begelung der Ein-, Aus- und 
Durchfuhr sowie der Preise ein; zur Sicherung der Durchführung können 
Zuwiderhandlungen mit Gefängnisstrafe bis zu einem Jahre und mit Geldstrafe 
bis zu 10000 M. bedroht werden. Der Präsident kann in dringenden Fällen 
die Landesbehörden unmittelbar mit Anweisungen versehen. Die Verordnungen 
des Bundesrats bleiben unberührt; in dringenden Fällen können aber — unter 
unverzüglicher Vorlage an den Bundesrat — abweichende Bestimmungen ge¬ 
troffen werden. Im Kriegsernährungsamte werden bewährte Männer aus 
den wichtigsten wirtschaftlichen Interessentehgruppen— der 
Landwirtschaft, des Gewerbes und Handels, der Heeresverwaltung und der 
Verbraucher — mitarbeiten; die Beschlußfassung wird aber aus¬ 
schließlich dem Vorsitzenden zustehen. In einem Beirat werden 
Vertreter der Bundesregierungen, der behördlichen Kriegsstellen und der Kriegs- 



844 


Tagesnachrichten. 


gesellsohaften Sitz and Stimme haben. Die Anordnungen der militärischen 
Befehlshaber werden den Maßnahmen der zentralen Eraährungsbehörde ange¬ 
paßt. Der aas der Mitte des Reichstags berufene. Beirat für Volksern&hrang 
bleibt neben der neugeschaffeaen Einrichtung bestehen. Bei dieser neuen, 
straff organisierten Regelung wird es möglich sein, die imReiche 
greif baren Nahrungs Vorräte vollständig zu erfassen und ihre 
Verwertung und Verteilung ohne jede Verzögerung in der 
z weckmäßigsten Weise durchzaführen. Einschränkungen, Anpassung 
des Bedarfs, Verständnis für die Notwendigkeiten und Schwierigkeiten unserer 
wirtschaftlichen Lage werden selbstverständlich auch weiter vonnöten sein. 
Die Organisation kann nnr gewährleisten, daß innerhalb der Grenzen des 
Möglichen das Aeußerste für die Befriedigung der Ansprüche des Bedarfs 
geschieht. Die Vorarbeiten zur Einrichtung der neuen Behörde sind im vollen 
Gange; der Zeitpunkt, an dem sie ihre Tätigkeit anfnimmt, wird durch den 
Reichsanzeiger bekanntgegeben. Seine Majestät der Kaiser, der dop Fragen 
der Volksernährung ganz besonderes Interesse entgegenbringt, bat sieh über 
die neue Organisation vom Reichskanzler wiederholt ausführlichen Vortrag 
halten lassen und Allerhöchst genehmigt, daß zum Präsidenten des Kriegs- 
ernährungsamtes der Oberpräsident der Provinz Ostpreußen von Batocki 
berufen wird. • .» 


In einer Eingabe an den Reichskanzler (Reichsamt des Indern) 
hatte der Verband der Aerzte Deutschlands gebeten, dio Aasführungs¬ 
bestimmungen der Verordnung vom 18. April 1916 über den Verkehr mit 
Seife usw. (s. Beilage zu dieser Zeitschrift zu Nr. 10, S. 66) dahin abzuäudern; 

„1. daß Aerzten, die mit infektiösen Kranken zu tun haben, auf begrün¬ 
deten Antrag hin, ein Ausweis erteilt wird, wonach Feinseife bis zu 800 g 
monatlich gegen Vorlegung des Ausweises an sie abgegeben werden soll; 

2. daß Aerzte auf Antrag einen weiteren Ausweis erhalten, wonach ihnen 
über die in § 1, I vorgesehene Menge von 600 g anderer Seife oder Seifen- 
pulver hinaus weitere 600 g monatlich für Berufszwecke verabfolgt werden 
können; 

8. daß auf Grund eines den Verwaltungen der Krankenanstalten 
erteilten Ausweises der Bezug der ausschließlich für Anstaltszwecke nötigen 
Mengen von Seife und anderen Waschmitteln ohne Begrenzung gestattet wird, 
über deren Verbrauch von Seife und anderen Waschmitteln vierteljährlich der 
zuständigen Behörde zu berichten ist; 

4. daß nach der Bestandaufnahme eine Beschlagnahme von Seifen¬ 
vorräten der Krankenanstalten und Aerzte nicht stattfindet, daß aber die 
größte Sparsamkeit im Verbrauch von Seife nnd anderen Waschmitteln sowohl 
Aerzten wie Krankenanstalten zur Pflicht zu machen ist." 

Darauf hat der Reichskanzler unter dem 14. Mai d. J. folgende Ant¬ 
wort erteilt: 

„Die Annahme, daß den Aerzten nach den Ausführungsbestimmungen 
zur Verordnung über den Verkehr mit Seife pp. nur ein Bezugsrecht auf 200 g 
Feinseife zustehe, beruht auf einem Mißverständnis. Der Arzt ist iu der Lage, 
auf die Brotkarte 100 g Feinseife und 600 g andere Seife zu beziehen. Darüber 
hinaus kann die Ortsbehörde ihm durch Ausweis gestatten, weitere 200 g Fein¬ 
seife zu beziehen. Insgesamt kann also der Arzt 3G0 g Feinseife im Monat 
sich verschaffen. Für Privatkrankenhäuser, die die Wäsche durch 
eigene Angestellte in einer zu dem Krankenhaus gehörigen Waschanstalt 
waschen lassen, besteht auf Grund der jetzigen Bestimmungen die Möglichkeit, 
durch Bescheinigung der zuständigen Behörde die nötigen Waschmittel ztt 
erhalten, da diese Waschanstalten den übrigen gleichzustcllen sind. Zu deo 
anderen Reiniguugszwecken (Scheuerzwecken) wird auch der Arzt in der Haupt¬ 
sache zu fettlosen Scheuermitteln greifen müssen. Die herrschende Fettknäpp- 
heit gestattet hier die weitere besondere Zuteilung von Waschmitteln nicht. 
Ueber das Vorgehen bei einer etwaigen Bestandsaufnahme und Beschlagnahmt 
vermag ich zurzeit keinerlei Zusagen zu machen. ’) ' , 

*) Nach einem vom Kriegsausschuß für pfanzlich.e uud tieri¬ 
sche Fette usw. herausgegebenen Merkblatt regelt sich der Sti'fe&Ttr- 



Tagesnachrichten. 


346 


Am 21 . J o n i d. J. wird eine außerordentliche Sitzung der I. Ab¬ 
teilung des Königlich Sächsischen Landesgesnndheitsamtes unter Hinzu» 
ziebung der außerordentlichen Mitglieder des Landesausschusses und je eines 
weiteren Vertreters der Aerztekammern stattfinden. Als einziger Beratungs- 
gegenstand ist »Die Regelung der Säuglings- und Kleinkinder- 
fttrsorge im Königreich Sachsen" auf die Tagesordnung gestellt; 
Berichterstatter sind Med.-Rat Prof. Dr. Kehrer-Dresden, Mitberichterstatter 
San.-Rat Dr. Dippe-Leipzig. Als Grundlage für die Beratung ist im Ministerium 
des Innern eine Denkschrift, die die Grundzüge für die zu beratende Regelung 
enthält, ausgearbeitet und den ärztlichen Bezirksvereinen und Aerztekammern 
zur Vorberatung zugestellt. 


Im Großherzogtum Luxemburg ist durch Großherzoglichen Beschluß 
vom 7. April 1916 die Impfung und Wiederimpfung neu geregelt. Sämtliche 
Kinder sind im ersten Lebensjahr zu impfen und innerhalb des 11. Lebensjahres 
wieder zu impfen. Die öffentlichen Impfungen erfolgen unter Aufsicht der 
Sanitätsinspektoren durch Aerzte, die von der zuständigen Regierung auf den 
Vorschlag des Medizinalkollegiums bestellt sind, sich genau an die gegebene 
Anweisung zu halten haben und bei Vernachlässigung oder Vergehen im Dienste 
nach Anhörung des Medizinalkollegiums ihres Amtes entsetzt werden können. 
In jeder Gemeinde sind öffentliche Impftermine und in der Zeit vom 8. bis 
11. Tage nach der Impfung Nachschautermine abzuhalten. Die Kosten haben 
die Gemeinden zu tragen; für jede Impfung erhält der Arzt 0,76 Fr., noch¬ 
malige Impfungen im Nachschautermin bei erfolgloser Impfung sind kostenlos 
auszuführen. Außerdem wird eine Reisevergiltung von 1 Fr. pro Kilometer bei 
auswärtigen Impfterminen gewährt. 


brauch der Aerzte, Hebammen und Pflegepersonen, Kranken* 
anstalten usw. wie folgt: a) Seifenverbrauch der Aerztei 
Hebammen und Pflegepersonen: Der Seifenbezug für den persön¬ 
lichen Verbrauch der obengenannten Personen auf Bezugsschein ist nicht 
zulässig. Die genannten Personen haben ihren Seifenbedarf selbst zu beschaffen, 
und zwar gegen Vorlegung der Brotkarte. Gegen entsprechenden Ausweis der 
zuständigen Behörde wird denselben auf Brotkarte das gesetzlich vorgesehene 
Znsatzquantum an Feinseife verabfolgt, b) Seifenbezug der Kranken: 
Diese sind mit Seife ebenfalls nur auf Grund der Brotkarto zu versorgen. 
Falls die Betreffenden nicht über Brotkarten verfügen, ist der Bezug auf Grund 
des nach § 2 der Bandesratsverordnung von der zuständigen Ortsbehörde zu 
erteilenden Ausweises zu bewirken. Es wird erforderlich sein, daß auch die¬ 
jenigen Seifenmengen, die zu therapeutischer Verwendung dienen, von dem 
auf Brotkarten zu erhaltendenQaantum entnommen werden, c) Wäscherei¬ 
betriebe der Krankenanstalten: Der Wäschercibetrieb der Kranken¬ 
anstalten ist als technischer Betrieb zu betrachteu und wird durch Erteilung 
von Ausweisen in die Lage versetzt, Seife einzukaufen. Sofern im Wäscberei- 
betrieb weniger als 10 Personen beschäftigt sind, ist der Ausweis von der zu¬ 
ständigen Ortsbehörde zu beschaffen. Sind im Wäschereibetrieb mehr als 
10 Personen beschäftigt, so ist ein monatlich zu stellender Antrag an den 
Kriegsausschuß für pflanzliche und tierische Oele und Fette, Abteilung Seifen- 
kontrolle, Berlin NW. 7, Unter den Linden 68 a, zu richten, der für das monatlich 
zu beziehende 8eifenquantum einen Seifenbezugsschein ausstellt. Zu Scheuer¬ 
zwecken ist der Verbrauch von Seife und seifenhaltigen Waschmitteln aus¬ 
geschlossen. d) Seifenverbrauch für spezielle Zwecke: Sofern ein 
Seifenverbrauch für spezielle Zwecke stattfindet, z. B. zur Reinigung empfind¬ 
licher Gegenstände, die dem ärztlichen Gebrauch dienen, kann auf besonders 
begründeten Antrag an den Kriegsausschuß, Abteilung Seifenkontrolle, der 
Bezug der hierfür erforderlichen Seifenmenge auf Bezugsschein vom Kriegs- 
ausschuß gestattet werden. Es ist darauf zu achten, daß die äußerste Spar¬ 
samkeit im Gebrauche von Seife beobachtet wird, und daß in jedem Fall, in 
welchem Seife durch ein fettfreies Ersatzmittel ersetzt werden kann, ein solches 
zur Anwendung kommt. _ 



346 


Tagesnachrichteii. 


Die am 27. Mai d. J. erfolgte Enthttllang des Robert Koch-Denkmals 
auf dem Laisenplatz in Berlin bat sich za einer ebenso ehrenden wie warmen 
Huldigung des verstorbenen Meisters gestaltet. Als Vertreterin Ihrer 
Majestät der Kaiserin war Ihre Königl. Hoheit die Frau Kron¬ 
prinzessin erschienen; desgleichen hatten sich der Reichskanzler sowie 
die Spitzen der Staats- und städtischen Behörden, zahlreiche Vertreter der 
medizinischen Wissenschaft usw. zur Enthüllung des Denkmals, das zu seinen 
Füßen mit einer Fülle von dargebrachten Blumen und Kränzen bedeckt war, 
eingefunden. Im Aufträge des Denkmalkomitees ergriff zunächst Herr Mini¬ 
sterialdirektor Prof. Dr. Kirchner das Wort und dankte allen denen, die in 
so reichem Maße dazu beigetragen haben, dem Manen unseres großen Forschers 
auf dem Gebiete der Seuchenbekämpfung ein würdiges, von der Hand eines 
unserer ersten Künstler ausgeführtes Denkmal zu setzen. Die eigentliche 
Gedächtnisrede wurde dann von dem Nachfolger Wirk]. Geh. Öb.-Med.-Rat Prof. 
Dr. Gaffky gehalten, der als ältester Schüler und Nachfolger von Robert 
Koch, wie kein anderer berufen war, ein treues Lebensbild von dem großen 
Forscher zu geben. Mit Recht hob er in diesem hervor, daß man gerade jetzt, 
wo Deutschland nach fast zweijährigem Kriege einer Welt von Feinden gegen¬ 
überstehe, mit besonderer Dankbarkeit die unsterblichen Verdienste Robert 
Kochs gedenken müsse, denn nur ihm und seinen lehrreichen Forschungen 
sei es zu danken, daß nicht bloß unsere Millionenheere, sondern auch unser 
ganzes Volk von diesen schrecklichen Senchen verschont geblieben seien, die 
sonst die unausbleiblichen Begleiter eines Krieges gewesen wären. Oberbürger¬ 
meister Wermuth übernahm dann mit warmen Worten des Dankes das 
Denkmal in die Obhut der Stadt, die es ebenso stets in Ehren halten werde, 
eingedenk der außerordentlichen Verdienste, die sich Robert Koch auch 
durch Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens der Stadt erworben habe, 
zu deren hervorragendsten Ehrenbürgern er gehört habe. 

Touaillon hat RobertKochin einer talarartigen Gewandung sitzend 
in einem ideal gestalteten Sessel dargestellt; vorzüglich ist ihm der Kopf ge¬ 
langen, der die charakterischen Züge des Forschers in treuer Aehnlicbkeit 
wiedergibt. 

Der am 1. und 2. Mai d. J. in Warschau abgehaltene Kongreß für 
innere Medizin hat eine außerordentlich zahlreiche Beteiligung (1800TeUnehmer) 
gefunden und ist nach jeder Richtung hin befriedigend verlaufen. General¬ 
stabsarzt und Feldsanitätschef Dr. v. Schjerning machte in seiner Ansprache 
auch nähere Mitteilung über die Beteiligung der Aerzte usw. am 
Kriege. Er sagte: 

Mehr als 24000 Aerzte stehen in dem Dienste des Heeres, davon 
*/s im Felde und */ 8 in der Heimat beschäftigt. 8000 Aerzte widmen sich 
der Tätigkeit des Roten Kreuzes; daneben dienen 400 Aerzte der Zahn¬ 
heilkunde und 1800 Apotheker, ferner 92000 Sanitätsmannschaften und Militär¬ 
krankenwärter. Außerdem wird die Heeresverwaltung unterstützt in der Heimat 
von 72000 Personen der freiwilligen Krankenpflege und von 22000 im 
Etappengebiet, unter denen besonders rühmend 6800 Krankenschwestern hervor¬ 
zuheben sind. Tausende von Autos und Krankenwagen befördern die Verwundeten 
und Kranken von der Trappe in die Kriegsiazarette, von wo sie 238 Lazarettzüge 
in die Heimat bringen. Tausende von Einrichtungen zur Sterilisierung des 
Wassers, zur Desinfektion und zum Röntgen sind bei unseren Truppen in 
Gebrauch. 26 große Felddampfwäschereien dienen in der Etappe zur Reini¬ 
gung der Wäsche für unsere Feldlazarette. Hunderte von Einrichtungen zur 
Bekämpfung der Seuchen sind getroffen, unter anderem auch an der Grenze 
18 große Desinfektionsanstalten errichtet, von denen täglich 100000 Mann 
mit ihren sämtlichen Sachen gereinigt und desinfiziert werden können. Täglich 
gehen waggonweise von dem Hauptsanitätsdepot Verbandmittel und ärztliche 
Utensilien an die Front, um das Verbrauchte zu ersetzen. Alle diese Einrich¬ 
tungen würden nichts nützen, wenn nicht der Geist der Vaterlandsliebe 
Und treuester A u f Opferung, der Geist echter Wissenschaft¬ 
lichkeit und das Bewußtsein, daß es um die Existenz unseres Vaterlandes 
geht, in den Herzen aller unserer Aerzte walten würde. Es ist 
bezeichnend für unsere ärztliche Wissenschaft, daß wir und die Vertretung 



T&gesnachrichten. 


347 


aller befreundeten Nationen and Heere sich hier versammelt haben, nm ihre 
Erfahrungen anszataaschen and das Neueste and Beste ihren Heeren zuführen 
za können. So werden sich neae Erfolge den alten anreihen zum Besten 
unserer Völker and zum Wohle unserer Heere. 


Am 13. and 14. Jani d. J. findet im Landhause der Provinz Branden¬ 
barg in Berlin die 8 . Konferenz für Trinkerfürsorge statt, für die folgende 
Gegenstände auf die Tagesordnung gestellt sind: 1. Erfahrungen aus der 
Praxis mit dem § 120 der Reicbsversicherungsordnung, insbesondere im Hinblick 
aaf die gleiche Fürsorge für alkoholkranke Kriegsteilnehmer; Berichterstatter: 
Landesrat Or. Schellmann-Düsseldorf. — 2. Einwirkung der Kriegszeit auf 
die Trinkerfürsorge; Berichterstatter: Pfarrer S t ö r ui e r - Lüdenscheid. — 
3. Fürsorge für Trinkerkranke; Berichterstatterin: Frau Liska Gerken-Leit- 
gebel in Berlin.— 4. Erfahrungen mit der vorläufigen Berufsvormundschaft; 
Dr. Polligkeit-Frankfart a.M. — 5. Die Normalfragebogen; Berichterstatter: 
Direktor Dr. Hartwig-Lübeck. — 6. Stand der Trinkerfürsorge in der 
Schweiz; Berichterstatter: Dr. Hercod-Lausanne.— 7. Welche alkoholgegne¬ 
rischen Maßnahmen der Behörden in der Kriegszeit haben sich bewährt und 
in welchem Dmfange lassen sich diese in die Zeit nach dem Kriege übertragen ? 
Berichterstatter: Prof. Dr. Trommershausen -Marburg a. L. 


Auch in diesem Jahre wird eine Versammlung des Deutschen Vereins 
für öffentliche Gesundheitspflege nicht stattfinden. 


Zum Vorsitzenden der Kommission für die Tuberkulosefürsorge 
im Mittelstände ist Staatsminister Dr. Graf von Posadowsky-Wehner, 
z. Z. Elbing, Kreishaus, und gleichzeitig durch Präsidialbeschluß in das Prä¬ 
sidium des Deutschen Zentral-Komitee zur Bekämpfung der Tuberkulose gewählt. 


Der Bericht Uber die Verhandlungen der 8. Konferenz der Zentral¬ 
stelle für Volkswohlfahrt in Berlin vom 26. bis 28. Oktober 1916 über die 
Erhaltung und Mehrung der deutschen Volkskraft ist jetzt als 
Heft der Schriften der Zentralstelle für Arbeits-Wohlfahrts- Einrichtungen 
erschienen. Es umfaßt 291 Seiten und kann von Carl Heymanns Verlag 
in Berlin zum Preise von 2,50 M. bezogen werden. Eine Besprechung der Ver¬ 
handlungen erübrigt sich, da über diese schon in Nr. 21 und 22 dieser Zeit¬ 
schrift, Jahrg. 1915, S. 643 und 673 eingehend berichtet ist. 


Ehrentafel. Es haben weiterhin erhalten das 
Eiserne Kreuz I.'Kasse: 

Generalarzt Dr. Albrecht-Hannover. 

Generalarzt Geh. Bat und Ober-Med.-Rat Prof. Dr. Ritter von Angerer- 
Mttnchen. 

Oberstabsarzt d. Res. Dr. Emil Lenz-Hamburg. 

Unterarzt Kurt Tlfomalla, Sohn des Kreisarztes Med.-Rat Dr. 
Thomalla -Ohlau (Schlesien). 

Das Eiserne Kreuz II. Klasse: 

Dr. Bosse, prakt. Arzt in Kosten, jetzt Kreisarzt in Konin (Russ. Polen). 

Dr. Steffenhagen, prakt. Arzt in Berlin, jetzt Kreisarzt in Czenstochau 
(Russ. Polen). 

Ober-Med.-Rat Dr. Willemer in Lugwigslust (Mecklenb.-Schw.). 

Außerdem haben erhalten: Das Kais er 1. 0 österreichische Ehren¬ 
zeichen I.K1. vom Roten Kreuz mit der Kriegsdekoration: Wirkl. 
Geh. Ob.-Med.- und Ministerialdirektor Prof. Dr. Kirchner-Berlin in Anerken¬ 
nung besonderer Verdienste um die militärische Sanitätspflege im Kriege; — das 
Ritterkreuz I. Klasse mit Schwertern des Großherzoglich 
Badischen Zähringer Ordens: der Oberstabsarzt d. Res. Med.-Rat Dr. 
Thomalla, Kreisarzt in Ohlau (Schlesien); das Großherzogi. Mecklen¬ 
burgische Militär-Verdienstkreuz am roten Bande: Med.-Rat 
Dr. Stephan-Güstrow, OberMed.-Rat Dr. Wille me r - Ludwigslust, Med.- 



818 


Tagesnach richten. 


Rat Dr. Wilhelmi, Kreisarzt in Schwerin, Prof. Gr. Franke, Prof. Dr. 
Ehrlich and Geh. Med.-Rat Gr. Martins in Rostock. 


Ehren-GedäohtnintafeL Für das Tater!and gefallen sind ferner: 
Gr. Bertofsky-Prenzlau. 

Oberarzt Gr. Robert Bidgenb ach -Heddersdorf bei Nenwied a. Rhein. 
Assistenzarzt Gr. H. Fe Iber. 

Stabsarzt d.Res. Gr. Franz Hoffmann -Mettlach (Rheinprovinz) (infolge 
von Krankheit gestorben). 

Marine-Generalarzt Gr. Hoffmann -Berlin. 

Stabsarzt d. L. Gr. Hermann H e y e r - Darmstadt (infolge von Krankheit 
gestorben). 

Stabsarzt d. Res. Gr. Arthur Käppis-Hagen i. Westf. (gestorben 
infolge von Blutvergiftung). 

Assistenzarzt d. Res. Gr. Max Koppel- Gdsseldorf. 

Gr. Anton Krinner ans Waldmünchen, Kreisarzt in Lenzypa (Russisch- 
Polen). 

Unterarzt Gr. Felix Leiser-Bonn. 

Feldarzt .Prof. Gr. L tt h e - Königsberg i. Pr. (an Fleckfieber gestorben). 
Oberstabsarzt d. Res. San.-Rat Gr. Eugen Mann- Liegnitz (infolge von 
Krankheit gestorben). 

Bataillonsarzt Gr. Fritz Mette-Berlin. 

Stabsarzt Gr. Ernst Pöhn- Cassel. 

Oberarzt d. Res. Gr. Rud. Praetorius-Herzfelde (Reg.-Bez. Potsdam). 
Stabsarzt Gr. Emil Schulz. 

Ober-General- nnd Korpsarzt Gr. Albert Schulze-Stettin. 
Oberstabsarzt d. Res. ür. Ernst Winkler-Bremen. 

Oberstabsarzt Gr. Georg Wolf. 

Außerdem: Hanptmann Heimat Barnick, einziger Sohn des Geh. Med.- 
Rats Gr. Barnick in Frankfurt a. Oder. 


Cholera. In Oesterreich sind vom 2.-8. April 2 (1) und vom 9.—22. 
April keine Erkrankungen (Todesfälle) amtlich gemeldet, in Bosnien und 
der Herzegowina vom 9. bis 29. April: 322 (134), sämtlich in Gefangenen¬ 
lagern. 

Fleckfleber. Im Geutschen Reich sind in den vier Wochen vom 
23. April bis 20. Mai 1, 2, 0 und 23 Erkrankungen vorgekommen (24 unter 
Kriegs- und 2 unter Zivilgefangenen); in Oesterreich vom 27. April bis 
18. Mai: 583, 993 und 792, davon in Galizien und in der Bukowina: 
455, 396 und 330; in Ungarn sind vom 8. bis 23. April; 27 Erkrankungen und 
1 Todesfall ermittelt. 

Pocken. Gie Zahl der Erkrankungen betrug im GeutBchen Reich 
vom 23. April bis 20. Mai: 22, 16, 10 und 5; in Oesterreich vom 20. Fe¬ 
bruar bis 18. März: 1598, 1905, 1626 und 1407, davon in Galizien und in 
der Bukowina 1482, 1789, 1517 und 1278. 


Erkrankungen nnd Todesflllle an ansteckenden Krankheiten ln 
Preußen. Nach dem Ministerialblatt für Medizinal.Angelegenheiten sind in der 
Zeit vom 23. April bis 6. Mai 1916 erkrankt (gestorben) an Pest, Gelb¬ 
fieber, Fleckfieber, Cholera, Trichinose, Rotz, Aussatz: 
— (—), — (—); Tollwut: — (—), 2 (—); Bifiverletzungen durch 
toll wutverdäohtige Tiere: 8 (—), 7(— ); Milzbrand: 1 (—), 2 ( —); 
Pocken: 17 (—),(—) (—); Unterleibstyphus: 136 (19), 243(14); Ruhr: 
20(3), 20(4); Giphtherie: 1845 (153), 2039(139); Scharlach: 1285 (65), 
1884 (56); Kindbettfieber: 65 (18), 57 (16); Genickstarre: 20 (12), 
83 (6>; spinaler Kinderlähmung: — (—), 1 (—); Fleisch-, Fiscb- 
Wurst- und Pilzvergiftung: 14 (—), 29 (—); Körnerkrankheit 
(erkrankt): 47, 64; Tuberkulose(gestorben): 953, 1044. 


Redakteur: Prof. Gr. Rapmund, Geh. Med.-Bat in Minden LW. 

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1916 


29. Jahrg. 


Zeitschrift 


für 


MEDIZINALBEAMTE. 


ZentralMatt 

fflr das gesamte Gebiet der gerichtlichen Medizin und Psychiatrie, 
des staatlichen und privaten Versicherungswesens, sowie für das 
Medizinal- und öffentliche Gesundheitswesen, einschließlich der 

Hygiene und Bakteriologie. 

Heraasgegeben 

▼OB 

Prof. Dr. OTTO RAPMUND, 

Geh Med.-Rat In Minden I.W. 


Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, Sächsischen, 
Württembergischen, Badischen, Hessischen, Mecklenburgischen, Thüringischen, 
Braunschweigischen und Eisass • Lothringischen Medizinalbeamtenvereins. 


Verlag von Fiseher’s med. Buehhandlg E Kornfeld, 

Hcrxogl. Bayer. Hof- n. K. n. K. Kammar-BnchMLndlar. 

Berlin W. 62, Keithstr. 5. 

Anzeigen nehmen 41a Teriafflhandlnng sowie »De AnseifenonnahmeitoHen des. In« 

and Auslandes entgegen. 


Nr. 12. 


Erochelnt am 5. and SO. Jeden Monat«. 


20. Juni. 


Vermeidbare Typhusfälle. 

Von Dr. E. Richter, Reg.- and Geh. Med.-Rat in Dessau. 

Wenn wir die Notwendigkeit vor uns sehen, nach dem 
Kriege die Arbeits- und Erwerbsffthigkeit unseres Volkes zur 
höchsten Leistung zu bringen, so liegt das Bestreben nahe, 
auch auf dem Gebiete der Gesundheitspflege und Krankheits¬ 
verhütung bei gemeingefährlichen und übertragbaren Krank¬ 
heiten das Möglichste, was überhaupt erreichbar ist, zu leisten, 
um die jetzt bestehenden gesetzlichen Bestimmungen und Vor¬ 
schriften daraufhin nachzuprüfen, ob sie noch nach den Er¬ 
fahrungen des Friedens und des Krieges in allen Punkten dem 
genannten Ziele entsprechen, oder ob in der Art der Anord¬ 
nung oder der Ausführung der bestehenden Vorschriften Aende- 
rungen oder Verbesserungen notwendig erscheinen. 

Nachstehend soll diese Frage bezüglich des Unterleibstyphus 
und des Paratyphus näher besprochen werden. 

Der Typhus gehört nicht zu den gemeingefährlichen 
Krankheiten des Reichsgesetzes vom 30. Juni 1900, sondern zu 
den übertragbaren Krankheiten, deren Anzeigepflicht in 











350 


Br. E. Richter. 


Preußen durch das Gesetz vom 28. August 1905 und in sämtlichen 
anderen deutschen' Staaten entweder schon vorher oder später 
durch Gesetze oder landespolizeiliche Verordnungen geregelt ist, 
die alle bei fast gleichem Wortlaut mindestens denselben Inhalt 
haben. Die Anzeigepflicht des Typhusverdachtes besteht 
nicht allgemein, sie liegt in den meisten Bundesstaaten nur der 
Polizeibehörde ob> sobald sie vom Ausbruch oder dem Verdachte 
des Auftretens des Typhus Nachricht erhält; dann hat sie den 
beamteten Arzt zu benachrichtigen. Beim Verdacht auf Typhus 
hat die betreffende Polizeibehörde auch das Recht, eine Leichen¬ 
öffnung vornehmen zu lassen, wenn eine solche der beamtete 
Arzt für erforderlich hält; sie soll jedoch nur stattfinden, wenn 
die bakteriologische Untersuchung der Absonderungen und des 
Blutes zur Feststellung nicht ausreicht oder nach Lage des Falles 
nicht ausführbar ist. 

Es ist nun den Kennern der Sache bekannt, daß meist 
gerade die nicht erkannten Typhusfälle, deren Verlauf 
den Verdacht dieser Krankheit beim Publikum nicht erweckt, die 
Ursache verbreiteter weiterer Erkrankungen sind; es wäre da¬ 
her sehr wünschenswert, wenn wenigstens ein großer Teil der¬ 
selben zur Kenntnis der beamteten Aerzte käme und zu vor¬ 
beugenden Schritten Veranlassung gäbe. Die unerkannten 
Veraachtsfälle verlaufen jedoch meist in folgender Weise: Es 
hat jemand einen Wandeltyphus. Er hat leichte Durchfälle, 
fröstelt, schleicht umher, ist appetitlos, schlummerig, unlustig 
zur Arbeit; vom 11. oder 12. Tage an wird es langsam besser, 
nach 3—4 Wochen fühlt sich der Kranke wieder gesund; es 
ist ihm eben nach seiner und der Angehörigen Ansicht eine 
Zeitlang nicht ganz recht gewesen; das ist nun wieder in 
Ordnung. 

Ja, welcher Laie soll denn in solchem Falle, wenn nicht 

g erade typhöse Erkrankungen in der Familie oder sonst im 
»rte vorgekommen sind oder nicht ein Hinweis auf die leicht¬ 
verlaufenden Typhen seitens eines Arztes oder sonstwie erfolgt 
ist, überhaupt daran denken, einen Typhus vor sich zu haben, 
und einen Arzt zu holen, falls es.sich nicht um einen Kassen¬ 
kranken handelt, der bekanntlich viel leichter den Arzt holt, 
schon des Krankengeldes wegen? Ist dann aber auch der Arzt, 
der bei fehlendem Typhus in der Umgegend nieht gleich an 
diese Krankheit denken wird, sondern sich häufig mit der Bezeich¬ 
nung des gastrischen Fiebers begnügen wird, das leider oft noch 
als besondere Krankheit eine Rolle spielt, gleich bereit und in 
der Lage, die bakteriologische oder serologische Untersuchung 
zur Bestätigung etwa auftauchenden Typhusverdachtes oder bei 
scheinbar leichter Erkrankung die Ueberführung der Kranken 
in ein Krankenhaus durchzusetzen? 

Man sieht, es müssen schon eine ganze Reihe Umstände 
Zusammenkommen, ehe der Arzt überhaupt einen verdächtigen 
Typhus, der vereinzelt auftritt und vielleicht eine Massen- 
erkrankung einleitet, erfährt. Zur Verhütung gehäufter Er* 



Vermeidbare Typhusfälle. 


361 


krankungen kommt es aber hauptsächlich auf die Erkennung 
der ersten Verdachtsfälle an. Gesteigert wird außerdem 
die Gefahr für die Allgemeinheit, wenn sich Personen mit leichten 
Typhuserkrankungen auf Reisen begeben und dadurch die auch 
bei den leichtesten Fällen immer vorhandenen spezifischen Krank.- 
heitskeime verschleppen, wie dies erfahrungsgemäß durch aus¬ 
ländische Wanderarbeiter geschieht, die eine stete wandelnde 
Ansteckungsquelle bilden. 

In seiner Eröffnungsrede bei der Versammlung der Leiter 
der bakteriologischen Untersuchungsanstalten am 24. Januar 
1914 im Königlichen Institut für Hygiene und Infektionskrank¬ 
heiten in Saarbrücken sagte Geheimrat Dr. Wodke über den 
Typhus im dortigen Bekämpfüngsgebiet: 

„Sofern es jetzt noch irgendwo za einer größeren Ansdchnang dos 
Typhus durch Kontaktketten kommt, kann man ohne weiteres behaupten, daß 
dort mindestens eine der Komponenten der Bekämpfungstechnik, Anzeigepflicht, 
Absonderung, Desinfektion sich nicht auf der Höhe befindet. Eine weitere 
Vervollkommnung nach dieser Richtung wird im Bekämpfungsgebiete immer¬ 
hin noch möglich sein, und gewährt die Aussicht, daß der Typhus zwar keines¬ 
wegs zum Verschwinden gebracht werden, aber doch noch etwas zurttck- 
gedämmt werden kann, und daß seine Erkrankungs- und Sterbeziffer auf diesem 
Wege noch um ein Weniges herunter zu drücken ist" 

Das wird von einem Bezirk gesagt, in dem die Vor¬ 
kehrungen zur Bekämpfung des Typhus auf der Höhe stehen 
und, was wissenschaftliches Aerztepersonal, Untersuchungs¬ 
anstalten und den Geldpunkt betrifft, auf das eingehendste und 
sorgsamste geregelt sind; für uns andere, die wir außerhalb des 
Bekämpfungsgebietes stehen, gilt aber dasselbe Ziel: Vervoll¬ 
kommnung in der Handhabung der bestehenden gesetzlichen 
Bestimmungen und Bekämpfung der ersten Krankheitsfälle, auch 
der bloßen Verdachtsfälle, sowie das ernsteste Bestreben, das 
Schmerzenskind der Typhusbekämpfung, die seit ungefähr 
15 Jahren in ihrer wahren Bedeutung erkannten Bazillen¬ 
träger, namentlich diejenigen, die eine allgemeine Gefahr 
bilden, endlich durch feste allgemein gütige, vom Gesetz streng 
geregelte Maßnahmen, soweit es möglich ist, unschädlich zu 
machen. 

Aus der vorher angeführten Niederschrift ist zu ersehen, daß 
im Bekämpfungsgebiet im Südwesten Deutschlands 10,84 Proz. 
der dortigen Typhuserkrankungen auf unmittelbaren Kontakt 
mit Bazillenträgern zurückgeführt werden konnten; mit Recht 
wird dort aber bemerkt, daß der Anteil der Bazillenträger an den 
Typhuserkrankungen wesentlich steigt, wenn man, wie recht 
und billig, die mittelbaren Berührungs-Ansteckungen zweiten, 
dritten und weiteren Grades hinzurechnet, die doch alle auf 
den ersten Fall zurückzuführen sind. 

Sind wir denn nun in der Lage, die erfahrungsgemäß nur 
in geringer Zahl zur Anzeige gekommenen Verdachtsfälle von 
Typhus zur häufigeren Anzeige, wie bisher, gelangen zu lassen? 
M. E. ist dies möglich und ausführbar durch die Vermittelung 
der Vorstände der Krankenkassen, indem man ihnen klar 



862 


Dr. E. Richter. 


macht, daß durch Ueberführung sämtlicher Verdachtsfftlle in 
ein Krankenhaus, also durch sofortige Absonderung eines Krank¬ 
heitsverdächtigen, die Wahrscheinlichkeit fernerer Ausbreitung 
und neuer Typhuserkrankungen beseitigt wird. Sie müssen 
davon überzeugt werden, daß mit dieser Maßregel auch eine große 
Ersparnis von Kranken- und Pflegegeld verbunden ist, selbst 
wenn sich einmal der Verdacht auf Typhus nicht bestätigen 
sollte; dann kommt doch nur das Kranken- und Pflege¬ 
geld für eine kurze Zeit, vielleicht für 10—12 Tage, in Betracht, 
während bei Ausbreitung des Typhus durch einen unbeachteten 
Krankheitsverdächtigen, selbst wenn sie nur auf eine bis zwei 
Neuerkrankungen beschränkt bleibt, viel höhere Kosten ent¬ 
stehen. Man braucht ja nur 'zu bedenken, daß ein rich¬ 
tiger Typhus die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit des von 
ihm Befallenen auf ungefähr drei Monate lahm legt, und 
die Kosten zu vergleichen, die bei einem Typhusver¬ 
dächtigen, bei dem es sich meist nur um leichte kürzer 
dauernde Zustände handelt, verursacht werden, gegenüber denen, 
die bei einem richtigen Typhus zu zahlen sind, der vielleicht 
auch noch mit hinzutretenden anderen Erscheinungen, wie 
Lungenentzündung oder Darmblutung oder Durchliegen verläuft. 
Bei der jetzt auch im großen Publikum abnehmenden Scheu 
vor Uebergang in die Krankenhäuser und bei der gesetzlich 
den Krankenkassen zustehenden Befugnis, Kranke in die 
Krankenhäuser zu bringen, wenn es nötig erscheint, dürften der 
Ausführung des vorstehenden Vorschlages wesentliche Bedenken 
nicht entgegenstehen. Selbstverständlich müßte der Kassenvor¬ 
stand nur im Einverständnis mit den Kassenärzten handeln, 
entweder direkt durch gemeinschaftliche Besprechung des ent¬ 
sprechenden Verhaltens bei typhusverdächtigen Personen, oder 
durch Vermittelung der Oberversicherungsämter für größere 
Bezirke. Die Kassenkranken, auch leichterer Art, kommen 
schon des Krankengeldes wegen eher zum Kassenarzt, wie nicht 
versicherte Leichtkranke; da aber ungefähr zwei Drittel der 
Bewohner Deutschlands gegen Krankheit versichert sind, dürfte 
die vorgeschlagene Maßregel eines gewissen Erfolges sicher sein. 

Freilich bleibt bei dieser Handhabung der Behandlung 
Typhusverdächtiger immer noch der Bruchteil unberücksichtigt, 
der keiner Krankenkasse angehört; aber auch bei diesem dürfte 
das Beispiel der Kassenmitglieder nicht ohne Wirkung sein, 
obgleich leider noch immer die Teilnahmlosigkeit des Publikums 
der Erkenntnis hindernd im Wege steht, daß die Behandlung eines 
ansteckenden Typhuskranken oder auch nur eines Typhusver¬ 
dächtigen in einem Krankenhause mit geschultem und speziell auf 
die Desinfektion am Krankenbett eingeübten Pflegepersonal ent¬ 
schieden sicherer die Hausgenossen vor Ansteckung schützt, als 
die häusliche Pflege, zumal wenn sie nicht von Personen ausgeübt 
wird, die mit der Desinfektion der Abgänge vertraut sind. Die 
Liebe und verwandtschaftliche Teilnahme und Hilfsbereitschaft 
kann die Ausbildung eines Desinfektors nicht ersetzen. Es kommt 
hinzu, daß durch die Ausbildung der Desinfektoren auch den 



Vermeidbare Typhusfälle. 


363 


Aerzten eine gewisse Verantwortung für Anordnung der Des¬ 
infektion abgenommen ist. Jedenfalls ist im allgemeinen an¬ 
zunehmen, daß in Fällen, wo die Pflege von Hausgenossen aus¬ 
geübt wird, die Desinfektion der Abgänge im Krankenzimmer 
nicht mit der Sorgfalt ausgeübt wird, wie von einem ausgebil¬ 
deten gewissenhaften Desinfektor bezw. Pfleger oder Pflegerin. 

Nun zu den Bazillenträgern: Im allgemeinen kann 
man da sagen, daß leider die jetzige Gesetzgebung bezüglich 
ihrer gesundheitspolizeilichen Behandlung etwas im Rückstände 
ist, weil die großen Erfahrungen der letzten 10 Jahre in diesem 
Punkte zur Zeit des Erlasses des Gesetzes zur Bekämpfung 
übertragbarer Krankheiten noch nicht gemacht waren und des¬ 
halb nicht verwertet werden konnten. Die letzten energischeren 
Verordnungen gegen die Bazillenträger in den Reichslanden, 
die später genauer besprochen werden, sind endlich aus dem 
Stadium der Ueberredung der Bazillenträger zur Handhabung 
der Desinfektion ihres Körpers zum Schutz der Allgemeinheit 
herausgetreten und bieten positive Vorschläge, die allerdings 
vom bloß gesundheitlichen Standpunkte betrachtet, noch weit¬ 
gehender hätten sein können. 

Die Frage, ob ein Typhusbazillenträger als krank anzu¬ 
sehen ist, kann nicht zweifelhaft sein. Nach Prigge behält 
ein Teil der an Typhus Erkrankten typhöse Veränderungen 
am Gallensystem über die scheinbare Genesung hinaus und wird 
durch den Üebergang der Entzündung in ein chronisches Stadium 
zu Dauerausscheidern. Es ist also eine Erkrankung der 
Gallenwege als Rückstand vorheriger Typhuserkrankung vor¬ 
handen. Eine Zusammenstellung von Sektionsergebnissen von 
Bindseil bei Dauerausscheidern ergab in den meisten Fällen 
die Gallenblase als Wachstumsort der Bazillen. Meyer hat 
1909 *) bei seinen Untersuchungen des Inhaltes operierter Gallen¬ 
blasen gefunden, daß bei einem großen Teil der Dauerausscheider 
als Folge der Entzündung der Gallenblase ein schwerer lebens¬ 
gefährlicher Zustand, nämlich das Empyem oder ein solcher 
Grad von akuter Gallenblasenentzündung entsteht, daß eine 
Operation die einzige Aussicht auf Lebensrettung bietet. 

Also ich wiederhole nochmals: Vom Standpunkt der 
Aerzte und Medizinalbeamten sind die Dauerausscheider 
als Personen mit kranker Gallenblase anzusehen, 
die auf ihreUmgebung unter Umständen den Typhus 
übertragen können. 

Ich bin mir dabei wohl bewußt, daß die juristische Auf¬ 
fassung in diesem Punkte bei zu erlassenden gesetzlichen Be¬ 
stimmungen eine wesentlich andere sein kann. 

Die arzneiliche Behandlung der Bazillenträger 
ist, wie bekannt, bis jetzt sehr unbefriedigend gewesen, indem sie 
höchstens zeitweilig ein Schwinden der Bazillen zur Folge gehabt 
haben soll. Dabei bleibt immer noch der Zweifel, ob die Arznei 


*) Siehe Klin. Jahrbuch; Bd. 22. 



864 


Dr. E. Richter. 


gewirkt hat, oder ob man nicht gerade bei deren Anwendung, 
den Zeitpunkt eines der bekannten Ausscheidungszeiten ge¬ 
troffen hat. 

Wenn man aber die durch einen überstandenen Typhus 
verbliebene katarrhalische entzündliche Störung der Gallenblase 
und ihrer Ausführungswege als geeigneten Nährboden für das 
Fortwuchern und Bleiben der Typhusbazillen ansieht, so liegt 
es doch eigentlich nahe, dahin zu streben, den Nährboden so 
zu verändern, daß die Bazillen auf ihm schlechter, oder gär 
nicht mehr gedeihen, oder daß sie ihre ansteckenden Eigen¬ 
schaften ganz oder zum Teil verlieren. Der Versuch dazu 
könnte mindestens gemacht werden durch systematische Be¬ 
handlung und Beobachtung einer Anzahl dahin gesendeter 
Bazillenträger in Badeorten, die erfahrungsgemäß den Stoff¬ 
wechsel günstig beeinflussen. Es ist doch nicht unlogisch ge¬ 
dacht, durch Heilung und Herstellung der kranken Gallenwege 
die Bazillen zum Schwinden zu bringen. Versuche sind meines 
Wissens in dieser Richtung noch nicht gemacht, wenigstens 
nicht mit der Absicht des Vertreibens der Bazillen. 

Ich habe aus diesen Gründen entsprechende Anfragen an 
sechs Kollegen in Badeorten, die großen Ruf für Heilung von 
Stoffwechselkranken haben, geschrieben, auch nach einem be¬ 
rühmten Badeorte in Oesterreich. Die Antworten lauteten über¬ 
einstimmend dahin, daß zur ausgesprochenen Heilung von 
Dauerausscheidern der Typhusbazillen überhaupt noch keine 
Versuche gemacht seien. Aus einem der Antwortbriefe glaube 
ioh sogar eine leise Abwehr gegen etwaige Uebersendung von 
Dauerausscheidern in die Badeorte zwischen den Zeilen gelesen 
zu haben. 

Jedenfalls erscheint ein Versuch nach der genannten 
Richtung hin doch wert, zur Ausführung zu kommen. Natürlich 
wird er ziemlich kostspielig sein, indem die Bazillenträger für Zeit¬ 
verlust und etwaige Geschäftseinbuße, sowie für den Aufenthalt 
im entsprechenden Badeorte entschädigt werden müßten. So¬ 
dann kommen noch die Kosten der ärztlichen Beobachtung, 
und der bakteriologischen Untersuchungen sowie die Reise¬ 
kosten und dergl. hinzu. 

Wenn ein praktischer Erfolg dabei herauskäme, d. h. die 
Bazillenträger durch eine spezifische Kur geheilt werden könnten, 
so kämen die Kosten überhaupt nicht in Frage gegenüber dem 
Gewinne, den die Allgemeinheit davon hätte. Nach dem Be¬ 
richte von Uffelmann über die Fortschritte und Leistungen 
der Hygiene im Jahre 1912 sind Erkrankungsfälle an Typhus 
gesundheitspolizeilich gemeldet 12624, von denen 1889, also 
14,9 °/ 0 verstorben sind. Die hohe Sterbezahl wird im genannten 
Bericht durch die ausgedehntere Auffassung des Krankheits¬ 
begriffes „Typhus“ erklärt. Nun wird durchschnittlich die Zahl 
der sich aus Typhusfällen entwickelnden Dauerausscheider auf 
4—7 vom Hundert angegeben; es kämen also, wenn man auch 
nicht die Höchstzahl rechnet, doch immerhin jährlich etwa 



Vermeidbare Typhusfälle. 


- 856 


sechshundert heraus. Denkt man sich diese 10 Jahre lang 
vermehrt, und nimmt als Absterbezahl ein Drittel an, so gibt 
es in Deutschland immerhin einige tausend Dauerausscheider, 
die ihre verhängnisvolle Wirkung in der Stille ausüben können, 
wenn nicht Einhalt geboten wird. Es muß ja zugegeben werden, 
daß die Gefahr der Dauerausscheider für das Publikum nach 
Geschlecht, Lebensalter, Bildung, Gewöhnung an Reinlichkeit; 
Berufstätigkeit und sonstiger Beschäftigung von fast gefahr¬ 
losem Dasein bis zu steter Gefahr sehr verschieden ist; gleich¬ 
wohl ist es nach Kenntnis der Sachlage endlich Zeit, aus der 
bisherigen Bekämpfungsmethode der Dauerausscheider, die sich 
— abgesehen von gewissen Maßregeln in Krankenanstalten. 
eigentlich nur auf dem Gebiete der gütlichen Ueberredung 
und Aufklärung bewegt, zu einer wirklich wirksamen Be¬ 
kämpfungsart zu gelangen, trotz aller nicht wegzuleugnenden 
Bedenken, die auf juristischem und gesellschaftlichem Gebiete 
liegen. 

Im Jahrgang 1914 dieser Zeitschrift, Beilage zu Heft 23 
sind die letzten Verordnungen des Königreiches Sachsen und 
als damals der Zeit nach letzte die Waldeckschen Vorschriften 
angeführt, die man an dieser Stelle nachlesen wolle. Seitdem 
ist eine Verordnung des Bezirkspräsidenten in Lo¬ 
thringen vom 5. Oktober 1915 erlassen, die dem erstrebens¬ 
werten Ziele der Bekämpfung der Dauerbazillenträger einen 
Schritt näher kommt. Sie findet sich Beilage zu Nr. 8 dieser 
Zeitschrift, Jahrg. 1916, S. 23/24 und lautet : 

„&) Die Anzeigepflicht der Typhusbazillenträger. 

Auf Grund des Artikels 2 Ziffer 9 des Dekretes vom 22. Dezember 1789 
sowie des Artikels 3 Ziffer 5 des Gesetzes vom 16./24. August 1790 verordne 
ich was folgt: 

§ 1. Jeder Wechsel der Wohnung und jeder Wechsel der Arbeitsstelle 
sowie jeder Ersteintritt in eine solche seitens eines Typhusbazillenträgers ist 
binnen drei Togen dem zuständigen Kreisärzte des Wohnortes oder der Arbeits¬ 
stelle anzuzeigen. Die Anzeige hat schriftlich nach nachstehendem Muster zu 
geschehen, und muß die genaue Angabe von Wohnort, Straße, Hausnummer 
oder die sonst übliche Bezeichnung der Wohnung enthalten, ln gleicher Weise 
ist die Arbeitsstelle zu beschreiben. 

§ 2. Die Anzeigeptlicht beginnt mit dem Tage der behördlichen Zu¬ 
stellung der Mitteilung an den Betreffenden, daß er auf die Liste der Typhus¬ 
träger gesetzt ist und erlischt mit dem Tage der Mitteilung über die erfolgte 
Streichung. 

§ 3. Zur Erstattung der Anzeige sind verpflichtet: 

a) Die erwachsenen und in selbständigem Arbeitsveihältnisse befindlichen 
Bazillenträger persönlich. Eheleute können sich vertreten, bei Behinderung 
des einen Teils ist der andere zur Anzeige verpflichtet. 

b) Die Eltern, Pflegeeltern, Vormünder oder der Haushaltungsvorstand für 
Kinder und sonst unselbständige Mitglieder eines Haushaltes. 

c) Die mit Führung der Aufnahmebücher betraute Person, für Insassen eines 
Krankenhauses oder einer anderen Anstalt. 

§ 4. Zuwiderhandlungen werden, sofern nicht nach den sonst bestehenden 
Gesetzen eine höhere Strafe verwirkt ist, auf Grund des Artikels 471 Ziffer 15 
des französischen Strafgesetzbuches bestraft. 

§ 5. Die Verordnung tritt am 1. November 1915 in Kraft. 



866 


Dr. B. Richter. 


Postkarte. 

An den Herrn Kreisarzt za. 

., den.1916. 


1. Wohnung. 

Name.Ort.Wohnung 

verzogen nach 

Ort.Wohnung.am 

2. Arbeitsstelle. 

arbeitet \ .. . • 

ist in Stelle / 8611 . bei . 

Name.Ort.Wohnung 

früher bei 

Name.Ort.Wobnung 


Art des Geschlechts. 

Unterschrift. 


b) Vorschriften für Typhusbazillenträger. 

1. Soweit es irgend möglich, soll stets derselbe Abort in der Wohnung 
benutzt werden, weil der Ansteckungsstoff sich im Stuhl oder Urin befindet. 

2. Der Abort ist stets peinlich sanber zu halten. 

8. Auf dem Abort soll sich stets Papier befinden. 

4. Nach jeder Stuhlentleerung, nach jeder Harnentleerung und vor jeder 
Mahlzeit sind die Hände sorgfältig mit Wasser und Seife zu waschen. Es 
empfiehlt sich, die Fingernägel kurz zu schneiden. 

6. Der Bazillenträger soll ein Bett für sich allein und ein eigenes Hand¬ 
tuch benutzen. 

6. Die gebrauchte Bett- und Leibwäsche ist gesondert von der Wäsche 
der übrigen Wohnungsgenossen aufzubewabren und in Seifenwasser gut zu 
kochen, bevor sie zusammen mit der übrigen Wäsche gewaschen wird. 

7. Der Bazillenträger soll die Aufbereitung seinoe Bettes und das 
hantieren mit der Wäsche nach Möglichkeit selbst besorgen. Wenn dies aus¬ 
nahmsweise durch eine andere Person geschieht, ist gewissenhaft darauf zu 
achten, daß diese Person sich jedesmal nachher die Hände mit Wasser und 
Seife wäscht. 

8. Der Bazillenträger soll sich von der Herstellung und vom Verkauf 
von Nahrungsmitteln unbedingt fern halten. Er soll auch die Speisebereitung 
für seine Hausgenossen unterlassen. 

9. Der bakteriologischen Anstalt iu Metz ist auf deren Ersuchen Stuhl 
und Urin zur Untersuchung einzusenden. 

10. Dem Kreisärzte ist Meldung zu machen 

1. bei jedem Wohnungswechsel; 

2. bei jedem Wechsel der Arbeitsstelle gemäß Bezirkspolizeiverordnung vom 
6. Oktober 1916; 

3. wenn die Abortgrube bis zu drei Vierteln gefüllt ist; rechtzeitige und 
kostenlose Desinfektion wird veranlaßt werden/ 

In eine Kritik der Verordnung hier einzutreten, beab¬ 
sichtige ich nicht, obwohl auch sie die bei jetziger Lage der 
Gesetzgebung unvermeidlichen schwachen Punkte hat. Der 
hauptsächlichste davon ist, daß eine gesetzliche Bestimmung 
nicht besteht, wonach nicht nur sämtliche anzeigepflichtige 
Krankheitsfälle, sondern auch sämtliche Genesungsfälle in der 
Form anzeigepflichtig gemacht werden, damit die Polizeibehörde 
bezw. der Kreisarzt von allen Fällen, auch von den in der 
privaten Praxis behandelten Fällen, Kenntnis erhält. Nur auf 
dieser Grundlage läßt sieh die Angelegenheit der Bazillenträger 






















Vermeidbare Typbusfälle. 


357 


weiter ausbauen. Zum Schluß dieser Abhandlung werde ich 
entsprechende Vorschläge machen und bemerke nur noch, daß 
neuerdings auch von der Militärverwaltung sehr zweck¬ 
mäßige Vorschriften zur Behandlung von Typhusbazillenträgern 
nach ihrer Genesung und Entlassung in die Heimat gegeben 
sind, deren Beachtung den Zivilbehörden in den einzelnen 
Bundesstaaten aufgegeben ist (siehe die Verordnung des Kriegs¬ 
ministers vom 6. April 1916 und die des preußischen Ministers 
des Innern vom 21. Februar 1916; Beilage Rechtsprechung und 
Medizinalgesetzgebung zu Nr. 6 und 10 dieser Zeitschrift, 
Seite 27 und 57). 

Daß neuerdings die Entdeckung gemacht ist, wonach es 
Bazillenträger gibt, die nicht nur im Kot und Urin, sondern 
im Munde Typhusbazillen beherbergen, soll nur der Vollständig¬ 
keit wegen erwähnt werden. 

Ob die Typhusschutzimpfung, deren Nutzen in den 
entsprechenden Berichten, namentlich in der Berliner klinischen 
Wochenschrift in den Arbeiten von Goldächeider und Hüppe 
als zweifellos wirksam für die ins Feld ziehenden Soldaten dar¬ 
gestellt wird, in Friedensverhältnissen stark in Anspruch ge¬ 
nommen werden wird, steht dahin. Wer vorsichtig ist, kann 
den Typhuskranken daheim im Frieden aus dem Wege gehen, 
was der Feldsoldat durchaus nicht immer kann, zumal er doch 
fast niemals weiß, ob in den Quartieren, die er bezieht, nicht 
vorher Typhuskranke gelegen haben. Gleichwohl verlangt 
Hüppe auch im Felde als Voraussetzung für die Wirksamkeit 
der Schutzimpfung hygienische Maßnahmen in bezug auf die 
Umgebung des Lagers, Entwässerung, Entfernung der Abfall¬ 
stoffe und entsprechende Ernährung bis in die Schützengräben 
hinein. In Friedenszeiten müßten entschieden auch die nötigen 
Versuche und Untersuchungen von geeigneter Stelle gemacht 
werden, ob die Typhusschutzimpfung etwa einen Einfluß auf 
die Bazillenträger hat, insofern, als festgestellt wird, ob nach 
der Impfung etwa die Bazillen schwinden, und wie lange sie 
wegbleiben. Es müßte auch noch genauer festgestellt werden, 
ob die verschiedenen Typhusstämme mehr oder weniger 
empfindsam gegen die Schutzimpfung sich zeigen. 

Alles in allem, der Kampf gegen die Wirksamkeit der 
Typhusbazillenträger befindet sich bei der jetzigen Lage der 
Gesetzgebung doch nur in den ersten Anfängen; er muß auf 
eine feste gesetzliche Grundlage gestellt werden. Als solche 
empfiehlt sich m. E. folgende: 

1. Da Unterleibstyphus und Paratyphus zurzeit zu den 
übertragbaren Krankheiten gezählt werden, deren Bekämpfung 
und Verhütung den einzelnen Bundesstaaten obliegt, deren 
Geneigtheit zu Geldopfern, die dabei unbedingt gefordert werden 
müssen, doch nicht immer eine gleichmäßige sein wird, so 
müßte zur Erzielung der Einheitlichkeit der Bekämpfung der 
Typhus in die Reihe der Krankheiten versetzt werden, deren 



868 


Dr. E. Richter. 


Bekämpfung und Abwendung vom Reich geordnet und ge¬ 
regelt wird. 

Weiterhin müßte die Anzeigepflicht für alle Ge¬ 
nesungsfälle an Typhus eingeführt werden und zwar in der 
Weise, daß jeder Arzt, der einen Typhuskranken privatim oder 
in einem Krankenhause behandelt, verpflichtet wird, dessen 
Genesung und Entlassung aus der Behandlung derselben 
Stelle, wie die Erkrankung zu melden. Unter „Genesung“ ist 
der Zeitpunkt zu verstehen, an dem der bisherige Typhuskranke 
in seinen Beruf und seihe frühere Tätigkeit zurücktritt. Ob er 
wirklich genesen, d. h. bazillenfrei ist, soll erst noch festgestellt 
werden. 

Jeder geheilte Typhuskranke wird in eine Liste einge¬ 
tragen und ihm ein Merkblatt für das Verhalten von 
Bazillenträgern ausgehändigt. Es wird ihm außerdem die, 
wenn nötig, polizeilich zwangsweise durchzuführende Verpflich¬ 
tung auferlegt, jeden Monat des ersten Vierteljahres nach seiner 
Entlassung aus der Behandlung in festzustellenden Zwischen¬ 
räumen einmal Kot und Urin zur bakteriologischen 
Untersuchung auf Typhusbazillen bereit zu stellen. Die 
Abholung der zu untersuchenden Stoffe und deren Vorbe¬ 
reitung zur Verschickung an das nächste hygienische Unter¬ 
suchungsamt erfolgt durch einen dazu ausgebildeten Desin¬ 
fektor. Die Gefäße zur Versendung liefert durch Vermittelung 
der Apotheke das Untersuchungsamt, mit dem entsprechende 
Verträge abzuschließen sind. Natürlich müssen die schon be¬ 
kannten Typhusbazillenträger ebenso behandelt werden. 

Ergibt die nach drei Monaten erfolgte dritte Untersuchung 
der Abgänge, daß keine Bazillen mehr ausgeschieden werden, 
so bekommt der Betreffende die Auflage, noch zweimal je nach 
Ablauf von sechs Monaten Material zur bakteriologischen Unter¬ 
suchung in derselben Weise, wie früher, abzugeben. Er ist 
jedoch zu verpflichten, etwaigen Wohnungswechsel der zu¬ 
ständigen Polizeiverwaltung anzuzeigen, die solche sodann dem 
Kreisärzte des bisherigen Wohnsitzes, sowie auch dem für den 
neuen Wohnsitz zuständigen Kreisärzte mitzuteilen hat, mög¬ 
lichst mit einem kurzen Bericht über Zeit der Erkrankung, 
Beruf und das Ergebnis der bisherigen Untersuchungen. 

Selbstverständlich sind diese Maßregeln mit dem nötigen 
Takte und ohne jede unnötige Bloßstellung des Betreffenden 
auszuführen. 

Ergibt die also fünfte Untersuchung nach Ablauf von 
15 Monaten Bazillenfreiheit, so ist der Betreffende nicht mehr 
als Bazillenträger zu betrachten und sowohl aus der Beobach¬ 
tung zu entlassen, als von der Verpflichtung zu entbinden, 
Kot und Urin zur Untersuchung einzusenden. 

Die vorsichtige Benutzung der Abtritte, die Reinlichkeit, 
die Waschungen der Hände nach jeder Stuhl- bezw. Urin¬ 
entleerung müssen gefordert werden; m. E. aber nicht in all¬ 
gemeinen Formen, die die Verhältnisse nicht genügend berück- 



Vermeidbare Typhusf&lle. 


359 


sichtigen können. Hier muß vielmehr die Wirksamkeit des 
Kreisarztes, der die Insassen seines Kreises in ihren Gewohn¬ 
heiten genau kennt, in Berücksichtigung ihrer Eigenart ein- 
treten. Was nützen Vorschriften, die Benutzung des Wasser¬ 
spülklosetts und sonstiger Vorrichtungen im Auge haben und 
auf den Groß- und MittelstäÜter zugeschnitten sind, dem bäuer¬ 
lichen Einwohner eines ost- oder westpreußischen Dorfes oder 
einer Kleinstadt, die derartige Einrichtungen kaum dem Namen 
nach kennen, ja, die vielleicht gewohnt sind, in der freien 
Natur auf dem Felde oder in einer Hof- oder Gartenecke ihren 
Kot und Urin abzusetzen? Hier hat also der Kreisarzt, dem 
Begriffs-und Kenntnisvermögen der Kreisbewohner entsprechend, 
die nötigen Maßregeln zu besprechen und anzuordnen. 

Wo bei dauerndem Bestehen der Typhusbazillen-Absonde- 
rung Berufswechsel in Frage kommt, muß dem Betreffenden 
möglichste Erleichterung dazu von amtlicher Stelle gewährt 
werden. Es braucht dies vielleicht nicht immer in einer Geld¬ 
leistung oder Unterstützung zu geschehen, sondern kann auch 
in anderer Weise durch eine Anstellung oder dergl. ins Werk 
gesetzt werden. 

Die gefährlichen Berufe sind zunächst die, in denen 
Bazillenträger mit Eß- und Trinkwaren, Milch, Back- und 
und Konditoreiwaren, Gemüse jeder Art in Berührung kommen, 
d. h. diese mit den Händen berühren müssen, also Bäcker, 
Konditoren, Kellner und Kellnerinnen, Küchenarbeiterinnen und 
Köchinnen, Gärtner und Gartenarbeiter, Brauknechte, Bedienstete 
in Weinhandlungen, in zweiter Linie Menschen, die mit Dingen 
handeln, die man an den Mund bringt, wie Kinderspielzeug, 
Zigarrenspitzen und Pfeifen usw. Wer suchen will, wird leicht 
noch die Reihen der angeführten Berufe vermehren können. 

Die Berufe bieten verschiedene Gefahrenklassen. Während 
z. B. ein reinlicher Kaufmann, ein Bankier oder ein Büroarbeiter, 
falls er Typhusbazillenträger ist, höchstens einmal z. B. bei 
Durchfall oder wenn er sonst durch Zufall sein Bett oder seine 
Wäsche beschmutzt, seiner Waschfrau schädlich werden kann, 
wenn sie die an der Wäsche klebenden Kotteile verstäubt und 
einatmet, ist eine Kellnerin, die mit Typhusbazillen ver¬ 
unreinigten Händen ihren Gästen Bier, Wein oder Speisen 
zuträgt, eine stete Gefahr für ihre Gäste, wenn diese nachher 
zufälllig mit den Händen oder Lippen die Stellen des Geschirrs 
berühren, wo sie angefaßt hat. Die Gäste brauchen sich dann 
bloß mit der Hand Lippen und Mund zu wischen, oder Brot 
anzufassen, das sie nachher verzehren, um sich bei einiger¬ 
maßen ungünstigem Zusammentreffen der Umstände auch einen 
Typhus mit nach Haus nehmen. Nachforschung, woher? Er¬ 
folglos 1 

Kommen wir einmal dahin, wie vorstehend angedeutet ist, 
dann sind wir auch in der Lage, Typhusträger von gewissen 
Stellungen, wenn nötig, zu entfernen, oder überhaupt gar nicht 
in diese einrücken zu lassen. 



860 


Dr. E. Richter: Vermeidbare Typhosfälle. 


Ich habe in einer früheren Arbeit erwähnt, daß eine 
Schwester von der Tätigkeit in einem Feldlazarett zurück¬ 
gewiesen wurde, weil sie einmal Typhus gehabt hatte und den 
Nachweis nicht erbringen konnte, daß sie bazillenfrei war. Die 
logische Folge davon ist doch die, wenn wir die Zurückweisung 
für richtig halten, daß in Zukunft Lazarette, Kranken¬ 
häuser jeder Art, Ausbildungsstätten für Pflegerinnen, Kran¬ 
kenpflegeschulen usw. von ihren Aerzten, Schwestern 
und sonstigem Personal vor deren Eintritt die Beibringung eines 
amtlichen Zeugnisses verlangen müßten, daß sie bazillenfrei 
sind, damit sie für ihre Schutz- und Pflegebefohlenen nicht 
eine stetige Gefahr bilden. 

Außerdem müßte jeder neueingetretene Kranke auf seine 
Eigenschaft als Typhusbazillenträger untersucht werden. 

2. Wenn wir wissen, daß mit der Eigenschaft als Typhus¬ 
bazillenträger auch die Tatsache verbunden ist, daß die Gallen¬ 
wege der Betreffenden mehr oder weniger krank sind und 
bleiben, so ist es notwendig, daß systematische Versuche 
angestellt werden in den Bädern, die zur Heilung des Stoff¬ 
wechsels dienen, ob es nicht möglich ist, durch Aenderung des 
Nährbodens der Typhusbazillen ihnen die Wachstums- und 
Gedeihungsmöglichkeit zu entziehen. Es ist doch eigentlich 
anzunehmen, daß mit der Heilung eines vom Typhus zurück¬ 
gebliebenen Krankheitszustandes auch die Bazillen schwinden 
werden. Natürlich entstehen hier ziemliche Kosten 1. durch Ent¬ 
schädigung des Typhusträgers für entgangenen Geschäfts ver¬ 
dienst, 2. durch die Kosten des Aufenthaltes und der Kur in 
einem Kurorte; aber wenn der Erfolg eintreten sollte, was 
keineswegs ausgeschlossen ist, so kommen die Kosten dem 
Nutzen der Kur für die Allgemeinheit gegenüber gar nicht in 
Betracht. 

Als Kurorte schweben mir vor: Karlsbad, Wiesbaden, 
Homburg, Neuenahr und die ganze Zahl der Bäder, die jährlich 
in ihren Anzeigen sich der Erfolge bei Stoffwechselerkrankungen 
rühmen. 

3. Es müssen auch systematische zahlreiche Untersuchungen 
nach der Richtung hin angestellt werden, ob nicht die Typhus- 
Schutzimpfung eine Einwirkung günstiger Art auf die Bazillen¬ 
träger ausübt, und das Schwinden bezw. Absterben der Bazillen 
zur Folge hat. Bei der angenommenen Unschädlichkeit der 
Schutzimpfung für die meisten Menschen und bei ihrem Zweck, 
als Schutz zur Abwehr bzw. Ueberwindung der in den Körper 
gelangenden typhösen Krankheitskeime, können ausgedehnte 
Untersuchungen über die Wirkung der Schutzimpfung auf 
bekannte Bazillenträger der Sache nur dienen. Die Versuche 
müssen auch dahin ausgedehnt werden, ob der Schutz der 
Impfung oder ihre Wirkung auf das Weiterbestehen der Bazillen 
nur ungefähr sechs Monate dauert, wie es bei Gesunden jetzt 
angenommen wird, oder ob sich die Wirkung, falls sie eintritt, 
auf längere Zeiträume erstreckt. 



Kleinere Mitteilungen and Referate aas Zeitschriften. 


361 


4. Der Hinweis auf die Vorteile für die Krankenkassen, 
die eine schnelle Ueberführung der typhusverdächtigen Kässen- 
rnitglieder in Krankenhäuser für die Kassen selbst in Beziehung 
auf den Geldpunkt und für die Allgemeinheit durch Ver¬ 
minderung der Ansteckungsgelegenheit bietet, könnte durch die 
Oberversicherungsämter ganz allgemein geschehen, ebenso der 
Hinweis an die Vorstände der Krankenkassen über entsprechende 
Vereinbarungen mit den behandelnden Kassenärzten. 

Wir haben es in den letzten Jahrzehnten erlebt, daß 
Dinge, die erst als unausführbar galten, jetzt alltäglich sind, 
Als z. B. in den Jahren kurz nach Erlaß des Impfgesetzes von 
einem Kollegen in München der Vorschlag gemacht wurde, die 
allgemeine Impfung mit Tierlymphe einzuführen, wurde ihm 
unzweideutig dargelegt, daß er wohl eigentlich ins Irrenhaus 
gehöre, und als die ersten tastenden Versuche für die jetzigen 
Seuchengesetze gemacht, und in den Vereinen für öffentliche 
Gesundheitspflege besprochen wurden — wer von den Aelteren 
unter uns erinnert sich nicht der Entrüstung über den Eingriff 
in die persönliche Freiheit der Kranken und Aerzte, den 
die — Anzeigepflicht — bedeuten sollte 1 Wir haben im jetzigen 
Kriege gesehen, was ein festes energisches Zugreifen ohne 
Rücksicht auf den Geldpunkt in der Seuchenbekämpfung 
zum Glück für uns bedeutet hat; — es ist keine schwere 
Seuche im Lande zu größerer Ausdehnung gekommen. Die 
im Kriege gewonnenen Erfahrungen sollten im Rahmen der 
Friedensverhältnisse auch für uns maßgebend sein. 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 

A. Gerlohtliohe Medizin. 

Neuere Erfahrungen über Kindesmord. Von Geh. Med.-Bat Prof. Dr. 
Straß mann-Berlin. Zeitschrift für ärztliche Fortbildung; 1915, Nr. 24. 

Beim Kindesmord handelt es sich fast immer um Personen, die bis dahin 
gänzlich anbestraft sind and auch sonst, abgesehen von ihrem geschlechtlichen 
Fehltritte, ein tadelloses Leben geführt haben, so daß sie in ihrer unglücklichen 
Lage meist der Teilnahme wert erscheinen. Aerzte wie Gerichtsärzte nehmen 
dagegen nicht selten von vornherein eine der Beschuldigten nicht günstige 
Stellung ein, die zur unrichtigen Begutachtung des Falles führt, weil die Er¬ 
fahrungen an ärztlich geleiteten Geburten ohne weiteres auf die heimlich, ohne 
sachverständigen Beistand erfolgenden übertragen werden. Man wird z. B. bei 
heimlichen Geburten in hohem Grade mit der Möglichkeit einer Sturzgeburt, 
einer Ohnmacht der Gebärenden, krankhaften Bewußtseinsstörungen, die zu 
etwaigen Gewalttaten führen, rechnen müssen. Desgleichen sind manche 
scheinbare Spuren äußerer Gewalt am Körper des Neugeborenen auf Wirkungen 
des Geburtsvorganges zurückzufübren, z. B. Blutungen in die Nebennieren und 
an anderen Stellen des Körpers, selbst Strangnarben durch Umschlingung der 
Nabelschnur, natürliche Verknöcherungslücken und Spalten am Schädeldache 
U8W., Erscheinungen, die auch bei ärztlich geleiteten Geburten beobachtet 
werden. Zur auf klärenden Erläuterung werden von dem Verfasser 12 Fälle 
aus seiner gerichtsärztlichen Tätigkeit mitgeteilt, darunter 2 Eimer- und 
2 Klosettgeburten. Fünfmal war Schwächezustand nach der Geburt als Ursache 
der Nichtversorgang der Neugeborenen angegeben, ln zwei Fällen hatten die 
Beschuldigten Fremdkörper in den Mund des Kindes gesteckt; trotzdem erfolgte 
ihre Freisprechung, weil die Geschworenen annahmen, daß dieses Hineinstecken 
nicht eigentlich in der Absicht der Tötung, sondern nur in der Absicht geschehen 



362 


Kleinere Mitteilungen und Beferate aus Zeitschriften. 


sei, das Schreien der heimlichen Geborenen und die Entdeckung der Geburt 
zu verhindern. Bei einem Fall bot besonderes Interesse die Frage der Lebens¬ 
fähigkeit; es handelte sich hier um einen angeborenen Zwerchfellbruch, bei 
dem sich Därme und Milz in der linken Brusthöhle befanden, die linke Lunge 
ganz klein und apiastisch, die rechte luftleer war. Bpd. 


Kriminelle Fruchtabtreibung mit besonderer Berücksichtigung der 
Verhältnisse in Ostpreußen. Von Privatdozent Dr. Benthin. Deutsche 
med. Wochenschrift; 1916, Nr. 18. 

B. verfügt über ein Material von 7786 Aborten. Die Zahl der Ver¬ 
urteilungen wegen Abtreibung hat im ganzen Deutschen Reich von 1902 bis 1911 
zugenommen; die absolute Zahl ist von 450 auf 800 gestiegen; ebenso offen¬ 
sichtlich ist der Anstieg bei Berechnung auf 100 000 Personen. Die Häufig¬ 
keit der kriminellen Aborte wird in Klinik und Praxis auf 12—13 # /o, iür 
Halle auf 90°/o, für Moskau und Wilna auf 75°/o aller Aborte geschätzt. In 
den großen Städten kommen artifizielle Aborte doppelt so häufig vor wie auf 
dem Lande. In allen Ständen wird abgetrieben, von den Verheirateten nach B.’s 
Feststellungen sogar mehr als von ledigen Personen. In mehr als der Hälfte 
aller Fälle (61,7°/ 0 ) wurde die Abtreibung angeblich eigenhändig vorgenommen, 
in 30,4 °/o (bezogen auf alle kriminellen Aborte in 14,8 °/o) hatte eine Hebamme 
ihre Hand im Spiele, in 3 Fällen eine Pfuscherin, in 2 Fällen ein Arzt, in 
3 Fällen der Bräutigam oder Ehemann. In Wirklichkeit ist der Prozentsatz, 
in dem dritte Personen beteiligt sind, höher. 

Morbidität und Mortalität der kriminellen Aborte sind recht hoch; 
erstere beträgt 50°/o, letztere ll,4°/o. Jedenfalls sterben an den Folgen krimineller 
Eingriffe viel mehr Frauen als im Kindbett bezw. am Kindbettfieber. Nach 
komplizierten febrilen Aborten, die häufig kriminellen Ursprungs sind, bleiben 
nur */* der Frauen beschwerdefrei. Nicht weniger als 22°/o von 60°/o 
aller Frauen, die einen septischen Abort durchgemacht hatten und wieder 
gesund geworden waren, abortierten! Physiologischerweise kommt für gewöhn¬ 
lich auf 8— 10 Geburten 1 Abort; hier ist das Verhältnis wie 5 zu 1 bezw. 2. 

Interne Abtreibungsmittel oder äußerlich angewandte, wie Bäder, sind 
an sich unschuldiger. Die größere Zahl der Schwercrkrankungen uud Todesfälle 
ist instrumentcll bedingt; von 27 Todesfällen waren 8 mit Sicherheit auf die 
Anwendung der Mutterspritze zurückzuführen. Die Abtreibungsmanöver sind 
wegen der Infektions- und Verletzungsgefahr viel gefährlicher als innere 
Abtreibungsmittel. Am ungünstigsten verlaufen die mit hämolytischen 
Streptokokken infizierten Fälle; 80—90°/o dieser Aborte sind artifiziell erzengt. 
An größeren Verletzungen sind nachgewiesen: Blasenverletzungcn (lmal durch 
Mutterspritze), Perforation des Uterus und hinteren Scheidengewölbes, Ver¬ 
letzungen der Zervix, der Portio, der Arteria uterina. Die Gefahr der Ver¬ 
blutung tritt zurück; nur in 8—10°/o der Aborte sind lebensbedrohliche 
Blutungen beobachtet 

Ueber die Gründe der Fruchtabtreibung liegen B. in 503 Fällen 
bestimmte Angaben vor. Es wurden beim Ansinnen, den Abort einzuleiten, geltend 
gemacht in 30,4 °/o schlechte soziale Verhältnisse, in 28,8 # /o Kinderreichtum, 
in 25,4 °/o Bequemlichkeitsgründe, in 4,9 °/o eigene Krankheit oder Krankheit 
in der Familie, in 13,7 # /o Furcht vor Schande, in 1,3 °/« Furcht vor der Geburt 
in 0,4 °/o Furcht vor kranker Nachkommenschaft. 

Der Kampf gegen die Fruchtubtreibung kann nach B. nicht eher erfolg¬ 
versprechend geführt werden, als bis das Kurpfuscherverbot durch¬ 
geführt ist. Außerdem wird empfohlen: Die Anzeigcpfiicht für fieberhafte 
„septische“ Aborte, das Verbot des Verkaufs auch zur Fruchtabtreibnng 
geeigneter konzeptionsverhindernder Mittel (Mutterspritze, Intrauterinpessare), 
die Beaufsichtigung des Hausierhandels und Inseratverbot ferner Hebung des 
Hebammenstandes und Kontrolle der Privatentbindungsanstalten. „Auch hier 
gilt cs zu handeln!“ Dr. B o e p k e - Melsungen. 


Zur Kenntnis der Sektionsbefunde bei Pilzvergiftungen. Von Ass.- 
Arzt I)r. Ernst Lyon- Berlin. Aus dem Pathol. Institut (Prof. Dr. L. P1 c k) und 
der I. inneren Abteilung (Prof. Dr. Stadelmann) des städt Krankenhauses 
im Friedricbshain (Berlin). Medizinische Klinik; 1916, Nr.9 und 10. 



Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 


363 


Die Sektionsbefunde bei den Vergiftungen durch die einzelnen Pilzarten 
stimmen keineswegs überein. Beider Fliegenpilz- (Amanita muscaria) Ver¬ 
giftung finden sich keinerlei Veränderungen, die auf Blutdissolution durch das 
Pilzgift hinweisen, nur geringer Magen-Darmkatarrh und Verfettung der Organe. 
Bei der Vergiftung mit dem Knollen blätterschwamm (Amanita phalloides 
seu bulbosa) findet sich nach einigen Autoren ausgesprochene Haemolyse, nach 
anderen nicht. Das Fehlen von Ikterus und Haemoglobinurie ist kein Beweis 
für das Fehlen von Blutzerstörungen. Neben dem hämolytisch wirkenden 
Phallin kommen wohl noch andere Alkaloide in Betracht. Es finden sich eine 
Leberverfettung wie bei der Phosphorvergiftung, fettige Degeneration der 
Nieren, des Herzmuskels und der Skelettmuskulatur, Ekchymosen in den serösen 
Häuten und zahlreichen Organen, Schwellung der Pey er sehen Plaques, soli¬ 
tären Follikel und Mesenterialdrüsen. Die pathologisch - anatomischen Befunde 
bei einer Kombination von Vergiftung mit Amanita phalloides und Russula 
emetica (Speiteufel) und bei Intoxikation mit Russula emetica allein 
stimmen ziemlich mit den bei Knollenblätterschwamm beschriebenen Verände¬ 
rungen überein. Ueber Vergiftungen aus der Gruppo Lactarius und von 
Agaricus torminosus (Giftreizker) ist nichts Typisches bekannt. 
Die durch die Morchel (Helvella exulenta) hervorgerufenen Vergiftungen 
zeigen die Wirkung eines Blutgiftes. Die hämolytische Wirkung kommt der 
Helvellasäure zu; daneben kommt noch ein Gift mit Wirkung auf das Zentral¬ 
nervensystem in Betracht. Nach Bostroem ist nur die Schwellung und 
Hyperämie der Milz und Nieren besonders bemerkenswert, außerdem bestehen 
Fettleber und geringer Ikterus. Ausführliche Befunde erhob durch histologi¬ 
sche Untersuchung Lövegren; n. a. fanden sich Symptome des Blutzerfalls, 
während Haemoglobinurie fehlte. Nach Tierversuchen entsteht eine Haemo- 
siderosis der Niere. Bei der Morchelvergiftung ist daher die Hämolyse mit 
ihren klinischen und anatomischen Folgen sicher. 

Verfasser berichtet über einen Fall von Pilzvergiftung, der erst durch 
die Sektion aufgeklärt wurde. Es handelte sich um einen klinisch und patho¬ 
logisch genau beschriebenen Fall, der protrahiert mit starker Haemolyse ein¬ 
herging. Wie sich durch die Anamnese nachher feststellen ließ, hatten sich die 
Erscheinungen akut an den Genuß von Pf eff erlin gen (Cantharellus cibarius) 
angeschlossen. Es ergab sich bei der Sektion folgendes: Kolossale Haemoside- 
rosis der Nieren, ausgedehnte Pigmentierung der Leber und Milz, Thrombose 
der intrahepatischen Aeste der Lebervenen, des Milzvenenstammes, des Sinus 
sagittalis sup. und der Pialvenen über der linken Großhirnkonvexität (mit aus¬ 
gedehnter Erweichung im 1. Hinterhauptlappen. Die Pigmentierung der Nieren 
(Haemosiderosis), Leber und Milz und die Thrombosierung der Venen sind 
Folgen der durch das Pilzgift bewirkten Haemolyse. Unter den bekannten 
Pilzgiften dürfte wohl am ehesten das Morchelgift in Frage kommen. 

Dr. L. Q u a d f 1 i e g - Gelsenkirchen. 

Denkschrift über die Errichtung kriminalistischer Institute. Deutsche 
Strafrechts -Zeitung; 1916, Sonderbeilage zu Nr. 1/2. 

Die in Nr. 5 dieser Zeitschrift 8. 149 kurz erwähnte Denkschrift über 
die Errichtung kriminalistischer Institute, die von Regierungsrat Dr. Lindenau, 
Geh. Justizrat Prof. Dr. v. Liszt und Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Strassmann 
vor kurzem dem preußischen Unterrichtsministerium eingereicht ist, liegt jetzt 
im Wortlaute vor. Nach einem kurzen Ueberblick über die bisherige Ent¬ 
wicklung der Strafrechtswissenschaft und ihre Hilfswissenschaften: Ge¬ 
richtliche Chemie und Medizin, Kriminalpsychologie als Verhörlehre und Krimi¬ 
nalistik, wird die große Bedeutung dieser Nebenwissenschaften für die Beweis¬ 
lehre hervorgehoben und erwähnt, daß schon verschiedene Kulturstaaten (die 
Schweiz, Oesterreich, Frankreich, Rußland und Italien, in neuester Zeit auch 
Ungarn) dieser Forderung durch Errichtung kriminalistischer Institute, die 
eine der Neuzeit entsprechende Reform des strafrechtlichen Unterrichts er¬ 
möglichen, Rechnung getragen haben. Sollen die Ergebnisse der Kriminalogie 
und K riminali stik Gemeingut der Rechtspflege werden, so müssen die Grund¬ 
lagen bereits der studierenden Jugend übermittelt werden und die Universität 
die Trägerin dieses Unterrichts sein. Eine unerträgliche Ueberlastung des 
Studienganges ist davon nicht zu befürchten, der aus dem fesselndsten Lebens- 



364 


Kleinere Mitteilungen un Referate ans Zeitschriften. 


g ebiete geschöpfte rein praktische Unterrichtsstoff wird vielmehr fttr die 
tudenten eine willkommene Zukost zu den trockenen Rechtsdisziplinen bilden. 
Der Wert der strafrechtlichen Hilfswissenschaften darf weiterhin nicht für den 
zukünftigen angehenden Verwaltungsbeamten, für den Mediziner, besonders fÜT 
den beamteten Arzt und Gerichtsarzt nicht unterschätzt werden. Aber auch 
Uber das Universitätsstudium hinaus muß boi allen an der Strafrechtspflege 
beteiligten Rechts- und Verwaltungsbehörden volles Verständnis für die Lehren 
der Kriminalogie und Kriminalistik verlangt werden. Die Uebermittlung dieser 
Kenntnis ist nur durch die Errichtung von Spezialanstalten möglich, deren 
Lehrkörper zweckmäßigerweise jedoch nicht ausschließlich aus Universitäts¬ 
lehrern, sondern auch aus geeigneten Kräften der Staatsverwaltung, besonders 
der Polizeiverwaltung, oder sonstigen Vertretern der Praxis zusammengesetzt 
wird. Für den Anfang würde sich die Einrichtung von Spezialknrsen in solchen 
Großstädten empfehlen, die in den Einrichtungen einer modern ausgestatteten 
Kriminalpolizei und den Lehrkräften wie Lehrinstituten einer Universität alle 
Elemente enthalten, aus denen sich die Kriminalkursc zusammensetzen. Als 
Beispiel für die Art der Durchführung der geforderten Einrichtung werden der 
Eingabe dann die Berliner Verhältnisse zugrunde gelegt; hier verfügt die 
Kriminalpolizei in der Abteilung für den Erkennungsdienst über ein vorzüg¬ 
liches Lehrmaterial (Kriminalmuseum, Handschriftensammlung, kriminalisti¬ 
sche Bibliothek, Kriminalarchiv, Hilfsmittel der Personenidentifikation); auch 
ein chemisches Laboratorium ist vorhanden. Weiterhin kommen in Berlin 
das kriminalistische Institut der dortigen Universität und vor allem die Unter¬ 
richtsanstalt für Staatsarzneikunde mit dem damit räumlich verbundenen Leiohen- 
schauhause mit ihrem außerordentlich reichen Material als heranzuziehende 
Lehrinstitute in Betracht. Eine räumliche Vereinigung aller dieser Institute 
sei vorläufig gar nicht erforderlich; es lasse sich auch ohnedem ein Kriminal¬ 
institut schaffen, und zwar zweckmäßig in Verbindung mit einer Universität, 
da es vorwiegend Unterrichts- und Forschungszwecken dienen soll. Abgesehen 
von seiner Aufgabe als Unterrichtsanstalt für Studierende ist das Institut 
namentlich zur Abhaltung von Fortbildungskursen für Staatsanwälte, Richter, 
Polizeibeamte, Gerichtsärzte usw. nutzbar zu machen. Die Unkosten würden 
jährlich keineswegs sehr erheblich und auf nicht mehr als 20000 Mark zu 
schätzen sein. Rpd. 


B. Qerlohtllohe Psyohiatrie. 

Neuere Erfahrungen Uber Familienmord in gerichtlich-psychiatrischer 
Beziehung. Von F. Straßmann. Vierteljahrschrift für gerichtliche Medizin 
und öffentliches Sanitätswesen; 3. Folge, I. Bd., 1. H., 1916. 

Verfasser teilt zunächst einen Fall von einem sogenannten „Familien¬ 
mörder" mit, der durch eine Anzahl von Schüssen seine 75jährige Großmutter 
und deren Schwester getötet sowie seinen ebenfalls 76jährigen Großvater 
schwer verwundet hatte. Es handelte sich hier um einen 32 Jahre alten Haus¬ 
eigentümer, der von Mutter und Vater her erblich schwer belastet war, schon 
immer Zeichen von krankhafter psychopathischer Anlage (Unstetheit, Berufs- 
losigkeit, absonderliche Lebensweise, abnorme Entwicklung) gezeigt hatte, auf 
deren Boden sich dann im Verlauf der letzten Jahre allmählich eine ausge¬ 
sprochene Geisteskrankheit (Paranoia) entwickelt hatte. Sie bildete die Ursache 
seiner teils einen hypochondrischen, teils persekutorischen Charakter zeigenden 
Wahnideen; namentlich wurde er von Verfolgungsideen beherrscht, die ihn 
schließlich zu seiner verhängnisvollen Tat führten. Str. erklärte ihn daher 
als zurechnungs- und verhandlungsunfähig; infolgedessen wurde das Strafver¬ 
fahren gegen den Angeklagten eingestellt und seine Unterbringung in eine 
Irrenanstalt wegen gemeingefährlicher Geisteskrankheit veranlaßt; hier 
wurde Dementia paranoides festgestellt. — Die beiden anderen mitgeteilten 
Fälle betreffen sogenannten „erweiterten Selbstmord“, in dem das 
ursprüngliche Motiv der Selbstmord bildet und die Tötung der anderen — in 
der Regel kindlicher — Familienmitglieder durch Vater oder Mutter geschieht, 
um sie nicht hilflos und allein zurückzulassen. In dem einen Fall handelte es 
sich um eine zarte, geistig debile, in unglücklicher Ehe lebende Frau, der ihr 
Ehemann am Tage der Tat Schläge mit einem Stuhl auf den Kopf und Körper 
versetzt hatte, und die danach in ihrer Verzweiflung beschlossen hatte, Ult 



Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 


865 


ihrem Kinde (durch Oeffnung der Gasbähne) aus dem Leben zu scheiden, was 
ihr jedoch nicht gelang. Bei dem anderen derartigen Fall waren die Ver¬ 
hältnisse fast die gleichen, nur war hier der mitvergiftete V/* Jahre alte Knabe 
gestorben. Dem Verfasser wnrde infolgedessen die Frage vorgelegt, ob und 
eventuell in wieviel Zeit nach dem Anfdrehen der Gashänne in der Küche der 
Knabe an Gasvergiftung gestorben sei? In beiden Fällen ist es nicht zu einer 
Verurteilung der Angeklagten gekommen. Bpd. 


Zur Prophylaxe der Roheltsverbrechen und militärischen Vergehen 
unter besonderer Berücksichtigung der Kriegszelt. Von Sanitätsrat Dr. 
Bonne- Hamburg, Oberstabsarzt d. Bes. 

Nach den Erfahrungen, die Heusch gemacht hat, sind am Kriegsgericht 
47—67°/«, beim Standgericht 38—100°/«, bei den disziplinarisch erledigten 
50—62°/o aller Fälle unter dem Einflüsse des Alkohols zustande gekommen; 
davon entfallen 55—70 °/o, 50—80 °/o bzw. 60—81% auf Sonn- und Feiertage. Ver¬ 
fasser hat ebenfalls untersucht, inwieweit diese Roheits verbrechen und Widersetz¬ 
lichkeiten gegen die Staatsgewalt durch den Alkoholgenuß bedingt sind. Er hat 
dabei wieder die von allen Psychiatern festgestellte Beobachtung gemacht, daß 
sie viel öfter auf akute Alkoholvergiftung als auf chronischen Alkoholismus 
zurttckzufflhren sind, und außerdem hauptsächlich zwei Umstände in Betracht 
kommen: Die durch die alkoholische Vergiftung bewirkte Lähmung der durch 
Erziehung, Elternhaus, Disziplin usw. erworbenen Hemmungen und die erhöhte 
Suggestibilität, die durch Lähmung der Peripherie des Bewußtseins herboi- 
geführt wird. Empflndungsreize wirken als auslösende Momente für die erhöhte 
Aktivität; auch Erinnerungsbilder und sonstige Beize lösen im Zustaode be¬ 
ginnender Gehirnlähmung Tätlichkeiten, Abwehrakte usw. aus. Solche Ab¬ 
wehrakte scheinen zwar, namentlich für den Laien, in bewußtem Zustande und 
in zweckmäßiger Weise vor sich zu gehen, in Wirklichkeit sind sie aber den 
automatisch mit Schimpfen, Fluchen usw. einhergehenden Abwehrbewegungen 
der Chloroformierten gleichzustellen. 

Gleiche Mengen Alkohol wirken bekanntlich zu verschiedenen Zeiten 
sehr ungleich auf denselben Menschen; um so gewissenhafter sind deshalb 
Rauschzustände bei diesen Leuten, die jetzt für unser Vaterland gekämpft 
und gedarbt haben und deren Nerven aufs schwerste erschüttert sind, zu be¬ 
urteilen: Eine auffallende Widerstandslosigkeit gegen Alkohol und jedes an¬ 
dere Narkotikum haben Verwundete. 

Das beste Vorbeugungsmittel gegen militärische Vergehen, Widersetz¬ 
lichkeiten und Roheitsverbrechen wurde von der obersten Heeresleitung durch 
das Alkoholverbot zur Zeit der Mobilmachung getroffen; leider ist dies in der 
Folgezeit nicht in vollem Umfange aufrechterhalten. Ebenso wie wir gegen 
die Infektionskrankheiten eine wirksame Prophylaxe treiben, ist nach Ansicht 
des Verfassers auch eine solche gegen dje Boheitsverbrechen usw. weiterhin er¬ 
forderlich. Als Vorbeugungsmaßr egeln schlägt er vor: 

1. Verbot des Branntweinverkaofs und Branntweinauschankes. 

2. Verbot des Brauens oder eine wesentliche Erhöhung der Biersteuer 
der über 1—1 ‘/» # /« Alkohol enthaltenden Biere. 

3. Eine staatlich durebgeführte Polizeistunde. 

4. Durchführung der Schließung der Animierkneipen und des unnach- 
sichtlichen Verbotes des Ausschanks berauschender Getränke in den Bordellen. 

5. Verkauf von Obst und alkoholfreien Getränken in sämtlichen Wirt¬ 
schaften und Hinweis darauf durch entsprechenden Anschlag. 

6. Hohe Geldstrafe und im Wiederholungsfälle Gefängnisstrafe und 
Konzessionsentziehung sind demjenigen Wirte aufzuerlegen, in dessen Lokale 
eine Rauferei stattfand oder der Täter sich in den Zustand hineintrank, in 
dem er im Wirtshause oder nach dessen Verlassen die Tat beging. 

7. Aufklärung sämtlicher Soldaten vor ihrer Entlassung in die Heimat. 

8. Systematische Belehrung der Schüler und Schülerinnen aller Schulen 
über die Schädlichkeit der berauschenden Getränke. 

Diese Vorbeugungsmaßregeln sind besonders erforderlich mit Rücksicht 
auf die nach Beendigung des Krieges mit erschöpften und überreizten Nerven 
ans dem Felde zurückkehrenden Krieger; werden sie schrankenlos wie bisher 



366 


Kleinere Mitteilungen and Referate atu Zeitschriften, 


dem Genüsse der geistigen Getränke ansgesetzt, so iBt eine erschreckende Zu¬ 
nahme der Roheitsverbrechen and schwerer Körperverletzungen voranszusehen. 

Aufklärungen und Warnungen sind zur wirksamen Bekämpfung des 
Alkoholismus nicht ausreichend; hier müssen wirksamere Mittel getroffen und 
die zu diesem Zwecke erlassenen Verordnungen streng ohne Rücksicht auf Ge¬ 
wohnheiten und Vorteile oder auf die Angriffe und Eingaben der Alkoholindustrie 
mit der gleichen Schärfe und Gradheit durchgeführt werden, mit der China 
den Opiumhandel unterdrückt hat. Rpd. 


Die Anrechnung des Aufenthaltes In einer Irrenanstalt auf die 
Strafzeit. Von Reichsgerichtsrat W. Rosen b e r g - Leipzig. Deutsche Straf¬ 
rechts-Zeitung; 1916, Heft 1/2. 

Dem z. Z. für die Anrechnung des Aufenthaltes in einer Irrenanstalt 
auf die Strafzeit maßgebende § 493 der Str.P. 0. hat trotz seiner klaren 
Fassung zu manchen Zweifeln und Streitfragen Anlaß gegeben. Er schreibt 
bekanntlich vor, daß diese Anrechnung erfolgen soll, wenn-ein Verurteilter, 
nach Beginn der. Strafvollstreckung wegen Krankheit in eine von der Straf¬ 
anstalt abgetrennte Krankenanstalt gebracht ist. Die herrschende Ansicht 
nimmt nun an, daß keine Anrechnung stattzutindeu hat, sobald der Straf¬ 
vollzug von der zuständigen Behörde unterbrochen wird. Rosenberg hält 
diese Ansicht weder für berechtigt, noch im Einklang stehend mit dem Stand¬ 
punkt des Reichstagsabgeordneten Dr. Zinn, auf dessen Veranlassung seiner 
Zeit die Vorschrift des § 493 der Straßprozeßordnung eingefügt ist. Er wollte 
dadurch ein bisher im Deutschen Reiche nicht vorhandenes einheitliches Ver¬ 
fahren in diesen Fällen erreichen und zwar in der Richtung, daß eine An¬ 
rechnung des in der Anstalt zugebrachten Aufenthaltts auf die Strafzeit statt- 
znfinden habe, da durch die (Jeberführung des Verurteilten in diese der 
„Zustand der tatsächlichen Freiheitsentziehung“ fortbestehe. 
Das jetzt übliche Verfahren der Nichtanrechnung entspricht auch nicht der 
Billigkeit, weil sie von ganz zufälligen Umständen (z. B. von dem Vor¬ 
handensein einer besonderen Abteilung für Geisteskranke in einer Strafanstalt) 
abhängig ist. Rosenberg ist deshalb für die Anrechnung, die bekanntlich 
auch von dem Deutschen Medizinalbeamtenverein bei Beratung des Strafgesetz¬ 
entwurfs auf den Hauptversammlungen in Danzig und Heidelberg (1904 und 
1906) als billig und notwendig befürwortet ist. Rpd. 


O. S&ohveratändlgentätlgkelt ln Unfall- und Invalidität!- und 
Krankenveralohernngsaaohen. 

Badeunfall von Arbeitern Innerhalb des Betriebes können nicht 
ohne weiteres als Betriebsunfälle angesehen werden. Entscheidung 
des Reichsversicherungsamtes vom 11. Dezember 1915. • 

Ein Arbeiter B. war beim Baden im Kondensationsbassin der Fabrik 
verunglückt. Das Reichsversicherungsamt hat den Unfall mit folgenden 
Gründen nicht als Betriebsunfall anerkannt: 

Unfälle, von denen Arbeiter beim Baden betroffen werden, können als 
Betriebsunfälle unter der Voraussetzung anerkannt werden, daß sich die Not¬ 
wendigkeit der körperlichen Reinigung aus der Natur des Betriebes ergibt und 
daß die Reinigung in örtlichem und zeitlichem Zusammenhang mit dem Betrieb 
unter Benutzung einer Betriebseinrichtung erfolgt. Zu diesen Voraussetzungen 
tritt aber die weitere, daß die Reinigung in angemessener Weise erfolgt. Der 
Arbeiter, der ein von vornherein mit besonderer Gefahr verbundenes Vollbad 
nimmt, wo eine teilweise KörperreiniguDg vom Betriebsschinutz genügt hätte, 
tritt aus dem versicherten Betriebe heraus. Dieser Fall ist hier gegeben, wo 
ein zum Betriebe gehöriges Kondensationsbassin vom Arbeiter B. benutzt 
worden ist. Daß die Benutzung eines solchen Bassins den Beteiligten als 
gefährlich erscheinen mußte, kann keinem Zweifel unterliegen. Ein Zeuge hat 
seine Mitarbeiter noch ausdrücklich vor der tieferen Stelle der Bassins gewarnt 
und geraten, sich nur an der Stelle des Bassins abzuspülen, wo sie in dieses 
hinuntergestiegen waren; er hat den Verunglückten und die beiden anderen 
on neuem gewarnt, als sie plötzlich in dem Bassin — das ungefähr 15 Meter 
lang ist — za schwimmen antingen. Wenn also wirklich, wie die Kläger be- 



Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 


367 


haupten, eine Reinigung zu jener Zeit unbedingt erforderlich gewesen wäre — 
nach Angabe eines Zeugen war der Zweck des Badens nur auf Abkühlung 
gerichtet — so wäre doch die Art der Reinigung weit über das gebotene Maß 
hinausgegangen. Da der Arbeiter mithin bei einer eigenwirtschaftlichen Tätig¬ 
keit verunglückt ist, so konnte das Vorliegen eines Betriebsunfalles nicht 
anerkannt werden. 

(Sächsische Korrespondenz; Nachdruck nur mit deren Genehmignng gestattet.) 


Unbefugtes Offenbaren der Krankheit eines Versicherten nnd ihrer 
Ursachen fm Sinne des § 141 R.V.O. liegt durch die Mitteilung einer 
Krankenkasse hierüber an die Landesversicherungsanstalt nicht vor. 
Verfügung des Reichs Versicherungsamts vom 8.März 1916 an 
den Vorstand der Landesversicberungsanstalt Oldenburg und den Vorständen 
sämtlicher Landesversicherungsanstalten zur Kenntnisnahme mitgeteilt. 

Das Reichsversichcrungsamt tritt dem Vorstand in der Auffassung bei, 
daß es als ein unbefugtes Offenbaren der Krankheit eines Versicherten nnd 
ihrer Ursachen im Sinne des § 141 der R.V. 0. nicht zu erachten ist, wenn 
eine Krankenkasse einer Landesversicberungsanstalt hierüber eino Mitteilung 
zugehen läßt. Wenngleich im Binzelfalle die ordentlichen Qerichte zu ent¬ 
scheiden haben, glaubt das R. V. A. gleichwohl im Hinblick auf die Bedeutung 
dieser Rechtsfrage seine Ansicht hierzu äußern zu müssen. 

Der den bisherigen Versicherungsgesetzen fremde § 141 ist dem § 300- 
des Strafgesetzbuchs nacbgcbildet und bezweckt wie dieser den Schutz von 
Privatgeheimnissen. Er soll, wie die Begründung zu § 164 des Entwurfs der 
R. V. 0. ergibt, eine Lücke ausfülien, die sich in der Praxis mehrfach unliebsam 
fühlbar gemacht hat. In der Tat kann eine Verbreitung von Mitteilungen 
über den Gesundheitszustand eines Versicherten gegenüber nn berufenen dritten 
Personen nachteilig werden, mag auch die Absicht einer Schädigung bei dem 
Verbreiter der Nachricht fohlen. Anderseits ergeben die Verhandlungen der 
Reichstagskommission über die Beratung der Reichsversicherungsordnung (Teil I 
Seite 241 ff.), daß dem Gesetzgeber eine mißbräuchliche Ausdehnung der 
Schweigepflicht ferngelegen bat. Die Grenze soll durch das Wort „unbefugt" 
gezogen werden, das zwar nach den bei der Kommissionsberatung zutage 
getretenen Ansichten verschiedener Deutung fähig, durch einen schärferen Ans- 
drack aber kaum zu ersetzen ist. Von einem unbefugten Offenbaren kann hiernach 
keinesfalls die Rede sein, wenn der Versicherte der Mitteilung zuge¬ 
stimmt hat, wie dies häufig der Fall ist, wenn eine Krankenkasse im Aufträge 
des Versicherten bei der Landesversicberungsanstalt die Uebernahme eines 
Heilverfahrens, z. B. die Unterbringung in einer Lungenheilstätte, anregt. Ein 
unbefugtes Offenbaren ist aber aucn dann nicht gegeben, wenn entweder eine 
gesetzliche Vorschrift von der Schweigepflicht entbindet (§ 1674 Abs. 1 Satz 2 
der R.V.O.) oder sogar eine Anzeigepflicht festsetzt, wie dies durch das 
Reichsgesetz, betreffend die Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten vom 
30. Juni 1900 und durch das preußische Gesetz vom 28. August 1906, betreffend 
die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten geschehen ist. Berühren auch 
diese seuchenpolizeilichen Gesetze die Träger der Arbeiterversicherung nicht 
unmittelbar, so verdient doch hervorgehoben zu werden, daß der im Jahre 19 <9 
erschienene Vorentwurf zu einem deutschen Strafgesetzbuch (Seite 730) über 
den Rahmen jener Gesetze hinaus greifend ein unbefugtes Handeln auch dann 
verneint, wenn das Schweigen im allgemeinen Staatsinteresse — etwa zur 
Verhütung der sonst drohenden Verbreitung von ansteckenden Krankheiten — 
gebrochen wird. Endlich gilt nach der von der Kommission ohne Widerspruch 
entgegengenommenen Erklärung des Staatssekretärs des Innern (Kommissions¬ 
bericht Seite 244) eine Mitteilung auch dann als befugt, wenn sie unmittelbar 
für die Zwecke des Gesetzes, insbesondere also in Ausführung amt¬ 
licher Aufgaben erfolgt. 

Diese Voraussetzungen sind unbedenklich gegeben, soweit es sich um 
Mitteilungen von Krankheitsfällen seitens der Krankenkassen an die 
von den Landesversicherungsanstalten zu errichtenden Beratungsstellen 
für Geschlechtskranke handelt. Denn der Zweck dieser Einrichtung, die fort¬ 
laufende Ueberwachung solcher Personen und die Herbeiführung ihrer recht- 



368 


Kleinere Mitteilungen and Beferate ans Zeitschriften. 


zeitigen and gründlichen Heilung liegt gleichmäßig im Interesse der Träger der 
Kranken- and der Invaliden- and Hinterbliebenenversicherang and dient somit 
den Zwecken des Gesetzes. Aach geschieht.die Mitteilung in Erfüllung 
amtlicher Aafgaben, da § 116 der B.V.O. die Organe der Versicherangsträgor 
verpflichtet, einander Rechtshilfe nach Maßgabe des § 115 a. a. 0. za leisten. Unter 
den Begriff der Rechtshilfe fallen aber auch Auskünfte über die persönlichen Ver¬ 
hütnisse der Versicherten, soweit sie dem ersuchten Versicherungsträger amtlich 
bekannt geworden sind, also auch über Krankheiten and ihre Ursachen. Die 
Versicherungsträger bedürfen dieser Mitteilung zur Durchführung ihrer Aufgaben 
(za vergleichen der Kommentar von Hanow zum Ersten Buch der R. V.O., 
3. Auflage Anmerkung 3 zu § 141). Eines Ersuchens der Landesversicherungs¬ 
anstalt im Sinne des § 115 a. a. 0. im einzelnen Falle bedarf es nicht. Diesem 
Erfordernis könnte auch in der Praxis nicht genügt werden, da ja die Namen 
der Beteiligten der Landesversicherungsanstalt erst bekannt werden sollen. Die 
Ermächtigung der Krankenkassen zur Auskunfterteilung über die vorkommenden 
Erkrankungsfälle kann vielmehr auch auf einer allgemeinen Vereinbarung der 
beteiligten Versicherongsträger beruhen. Infolgedessen kann dahingestellt 
bleiben, ob die Krankenkassen auch befugt wären, den Landesversicherungs¬ 
anstalten unaufgefordert derartige Mitteilungen zukommen zu lassen. Aus 
der Tatsache, daß eine entsprechende Vorschrift des Entwurfs der R. V. 0. (§ 128 
Abs. 2), die sich an das frühere Recht (§ 144 des Gewerbe-Unfall-Versicherungs- 
Gesetzes, § 172 des Invalidenversicherungsgesetzes) anlehnte, von der Kom¬ 
mission gestrichen worden ist, könnte die Unzulässigkeit freiwilliger Mitteilungen 
nicht gefolgert werden. Denn die Vorschrift ist, wie der Kommissionsbericht 
a. a. 0. Seite 211 ergibt, nur deshalb gestrichen worden, weil man den öffent¬ 
lichen Behörden eine so weitgehende Verpflichtung nicht auferlegen wollte, 
während die Interessengemeinschaft der Versicherongsträger es erheischt, auch 
unaufgefordert für die Gescbäfsführung wichtige Tatsachen sich gegenseitig 
mitzuteilen. _ (Kompaß; 1916, Nr. 8.) 


Unfall- und Invalidenversicherung tm Jahre 1915. Amtliche Nach¬ 
richten des Reichs-Versicherungsamts; 1916, Nr. 2. 

Nach dem Geschäftsbericht des ReichsVersicherungsamts für das Jahr 
1915 bestanden auf dem Gebiete der Unfallversicherung 117 Berufs- 
genossenschaften und 563 Ausführungsbehörden mit insgesamt 6821789 
Betrieben und rund 28 Millionen versicherten Personen. Nach einer 
vorläufigen Ermittlung belief sich die Zahl aller im Jahre 1915 bei den Trägern 
der Unfallversicherung angemeldeten Unfälle auf 599360, die der erstmalig 
Entschädigten auf 106 527. Die im Jahre 1915 gezahlten Entschä¬ 
digungen (Renten usw.) betrugen nach einer vorläufigen Ermittlung 
178818705 M., die an 1108825 Personen gezahlt wurden. 

Die Frühbehandlung Unfallverletzter bildet nach wie vor den 
Gegenstand besonderer Aufmerksamkeit des R. V. A. Auch im Berichtsjahre 
haben die Träger der Unfallversicherung in zahlreichen Fällen das Heilver¬ 
fahren innerhalb der Wartezeit übernommen. 

Nach eingehenden Beratungen mit Mitgliedern der Deutschen Gesellschaft 
zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten, Vertretern der ärztlichen Organi¬ 
sationen und der Krankenkassen wurden zur Durchführung der Bekämpfung 
der Geschlechtskrankheiten in einer Versammlung von Vertretern der 
Versicherungsanstalten und Sonderanstalten im Reichsversicherungsamt am 
14. Dezember 1915 bestimmte Leitsätze angenommen. 

Invaliden- nnd Hlnterbliebenenversicherung: 

Die Gesamtzahl der bis zum 31. Dezember 1915 festgesetzten Renten 
beträgt nach den vierteljährlichen Nachweisungen der Versicherungsträger 
3416001. An Entschädigungen aus der Invaliden- und Hinterbliebenenver- 
sicberung wurden im Jahre 1914 234004843 M. gezahlt. Der Gesamtbetrag 
der bis Ende 1914 überhaupt gezahlten Entschädigungen belief sich auf 
2929 827 753 M. 

Die Einnahme aus dem Verkaufe von Beitragsmarken ist unter 
dem Einflüsse des Krieges weiter zurückgegangen; sie betrug bei den 31 Ver¬ 
sicherungsanstalten 203558040 M. gegen 241904380 M. im Jahre 1914. 

Nach der für das Jahr 1914 jetzt vorliegenden Statistik der Heil- 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


369 


behandlung ist im Berichtsjahre von den Trägern der Invaliden* and 
Hinterbliebenenversichernng von insgesamt 139098 Versicherten mit einem 
Gesamtaufwand von 30273255 M. ein Heilverfahren gewährt worden. Seit 
dem Jahre 1897, also in einem Zeitraum von 18 Jahren, wurden im ganzen 
1 285 124 Versicherte, darunter 520894 wegen Lungen- oder Kehlkopf tuberkulöse 
mit einem Gesamtaufwands von rund 300 Millionen Mark in Heilbehandlung 
genommen. 

Für allgemeine Maßnahmen zur Verhütung vorzeitiger 
Invalidität sind von den Versicherungsträgern im Jahre 1914 9 352120 M. 
ausgegeben, wovon 7 887 764 M. auf die durch den Krieg veranlaßten besonderen 
Ausgaben entfallen. 

Der Bau von privaten Lungenheilanstalten wurde von den Ver¬ 
sicherungsträgern durch Hergabe von Darlehen unterstützt, die sich Ende 1914 
auf 16,4 Millionen Mark beliefen. 

Eine Anzahl von Versicherungsanstalten hat damit begonnen, krebs- 
kranke Versicherte mit radioaktiven Stoffen und Röntgenstrahlen behandeln 
zu lassen. 

In Invalidenheimen usw. sind im Berichtsjahre von 28 Versiche¬ 
rungsträgern insgesamt 5396 Versicherte untergebracht worden; 10 Ver¬ 
sichern ngsträger besaßen eigene Invalidenhäuser, in denen 542 Betten zur 
Verfügung standen. 2 Häuser mit 180 Betten waren für Zwecke der Invaliden¬ 
hauspliege gemietet. Die Granderwerbs-, Bau- und Einrichtungskosten der 
im Besitz der Versicherungsträger befindlichen 15 Invalidenheime betrugen bis 
zum Schlüsse des Berichtsjahres 1313233 M. Zur Errichtung verschiedener 
neuer Heilstätten wurde vom Reichsversicherungsamt beziehungsweise den zu¬ 
ständigen Landesversicherungsämtern die Genehmigung erteilt. 

Der Gesamtbetrag der von den Versicherungsträgern bis Ende 1915 
für gemeinnützige Zwecke (Bau von Familienwohnungen für Arbeiter, 
Ledigenheimen, Kranken- und Invalidenhäusern usw ) aufgewendeten Mittel 
beläuft sich auf 1412068252 M. Rpd. 


D. Bakteriologie and Bekämpfung der übertragbaren Krankheiten. 

1. Pocken. 

Echte Blattern und Varizellen. Von Dr. J. Friedberg, Oberbezirks¬ 
arzt in Brody. Eine differentialdiagnostische Studie auf Grund 
einer längeren amtsärztlichen Kasuistik. Der Amtsarzt; 1916, 
Nr. 1-8. 

Nach Mitteilungen über das Vorkommen von Blattern und Windpocken 
in seinem bis zur rassischen Grenze reichenden Amtsbezirke in Ostgalizien be¬ 
spricht Verfasser die Unterscheidungsmerkmale zwischen beiden Krankheiten. 
Betreffs der Blattern ist bemerkenswert, daß der in Bevölkerung durch die Erst¬ 
und die Wiederimpfung der Zehnjährigen geschaffene Blatternschutz in den 
Jahren 1900 bis 1914 nur 276 Blatternfälle, und zwar meist modifizierter Art, 
auftreten ließ, „wenn man auch eine größere Zahl der Fälle annehmen muß, 
da sich ein großer Teil leichter Krankheitsformen fast immer der Evidenz 
entzieht." Verfasser sieht das Vorkommen der Blattern in Galizien wie in 
ganz Oesterreich als so sporadisch an, daß heute die Generation der jüngeren 
und sogar auch etwas älteren Aerzte Blattern nur aus den Handbüchern, 
vielleicht Atlanten und Modellen kennt, da sie ihnen in der Praxis nie be¬ 
gegnen.— Zur Unterscheidung der beiden Krankheiten wird nichts Neues 
beigebracht; das Heranziehen der Impfung der Kaninchenhornhaut mit dem 
Inhalte der fraglichen Blattern scheint sogar noch kaum versucht worden zu 
sein. Wohl aber wird mit Recht hervorgehoben, daß das erste Erscheinen der 
Blattern in Form von Knötchen, der Windpocken dagegen von Flecken erfolgt, 
sowie daß bei den Blattern der Ausschlag stets in gleichem Maße ausgebildet 
an allen Teilen des Körpers sich findet, während bei den Windpocken aus¬ 
nahmslos verschiedene Stufen seiner Entwicklung angetroffen werden. — An¬ 
gesichts des neuerdings bei Flecktyphus angewandten Kunstgriffes, dessen 
Ausschlag durch Stauung frühzeitiger und deutlicher hervortreten zu lassen, 
empfiehlt Berichterstatter, auf Grund bereits vor Jahren an den Impfpockcn 
bei Kälbern angestcllten Versuchen, dringend, dieses Verfahren in den ersten 



870 


Kleinere Mitteilungen and Befernte aas Zeitschriften. 


Tagen einer blatternverdächtigen Erkrankung anzuwenden. Die yon den 
Blatternknötchen zuerst befallene Haut der Stirn wie der Rückenfläche von 
Vorderarm und Hand läßt sich durch Saugwirkung leicht in ausgiebige Stauung 
versetzen. Am Kalbe machte diese bei 5 Minuten langer Dauer die Impf¬ 
pocken schon nach 8 mal 24 Stunden deutlich erkennbar. Dr. Bi sei-Halle. 


Ueber Blattern und die Blatternepidemie in Neu-Sandec. Von 
Beg.-A. Dr. Pilzer, Kommandant des Epidemie-Spitolcs Neu-Sandcc. Wiener 
klinische Wochenschrift; 1916, Nr. 16 und 17. 

In Tarnow bestand während der Invasion 1914/15 ein Blatternspital mit 
über 500 Kranken. Nach dem Maidurchbruch wurden die Pocken auf dem 
Wege Tarnow-Gorlice-Grybow nach Neu-Sandec verschleppt, wo die Epidemie 
immer weiter um sich griff. Bis Ende 1915 waren 880 Kranke, 87 Todesfälle 
gemeldet worden; die wirklichen Zahlen waren aber bedeutend größer. Die Stadt 
hatte vorher nicht für Bereitstellung eines ausreichenden Isolierkrankenhauses 
und für hygienische Zustände in den ärmeren Stadtteilen gesorgt; die Vernach¬ 
lässigung rächte sich. Ende Februar 1916 waren in der Woche noch 
1500 Erkrankungen zur Anzeige gelangt. Es war daher von großer Wichtig¬ 
keit, daß die medizinische Fakultät der Universität Krakau die Vorträge auf 
6 Wochen einstellte und nachdem den Medizinern die Impftechnik beigebracht 
war, mit ihnen Impfkolonnen 6chuf, die in die weitesten Gegenden des Landes 
zogen, um die noch nicht geimpfte Bevölkerung, die nach Millionen zählte, 
zu impfen. 

Der Erfolg ist nicht ausgeblieben; denn die Zahl der frisch erkrankten 
Fälle nahm allmählich ab. Impfen, Isolieren, Beobachtung der Krankheits¬ 
und Ansteckungsverdächtigen und Desinfizieren werden nun mit großer Energie 
durchgeführt. _ Dr. Mayer-8immern. 


2. Aussatz. 

Verbreitung des Aussatzes im Deutschen Reiche im Jahre 1915. 
Veröffentlichungen dos Kaiserlichen Gesundheitsamts; 1916, Nr. 18. 

Die Zahl der Aussatzkranken im Deutschen Reiche betrug am Schlüsse 
des Jahres 1915: 31 (gegen 83 am Ende des Vorjahres); davon entfielen 26 (28) 
auf Preußen und 5 (4) auf Hamburg. In Preußen sind im Jahre 1915 
2 Kranke durch Tod in Abgang gekommen. Von den im Lepraheim im 
Kreise Memel untergebrachten Aussätzigen wurde 1 widerruflich entlassen 
und ein anderer bisher beurlaubter Kranker dort wieder aufgenommen. Zu er¬ 
wähnen ist ferner, daß in der oben mitgeteilten Krankenzahl 1 kriegsgefangener 
Inder, bei dem im Gefangenenlager Zossen Lepra festgestellt wurde, nicht mit¬ 
enthalten ist. Eine zu Beginn des Jahres 1915 in Lübeck noch in Behand¬ 
lung gewesene Kranke ist Ende Januar in ihre Heimat nach Rußland ent¬ 
lassen worden. In Hamburg sind zu den 4 bei Beginn des Jahres 1915 
vorhandenen Kranken 2 hinzugekommen, nämlich ein nach Hamburg zur Behand¬ 
lung zugereister Ausländer, der die Krankheit angeblich im März 1909 in 
Sumatra erworben hatte, das Reichsgebiet aber noch im Laufe des Berichts¬ 
jahres wieder verließ, und ein seit 1909 in Hamburg wohnhafter Kaufmann, 
der sich die Krankheit angeblich zuvor in Argentinien zugezogen hatte. 


3. Cholera. 

Zur Stahluntersuchung auf Cholera- und Typhusbazillen. Von Privat¬ 
dozent Dr. F. Verzar und cand. med. 0. Weszeczky. Deutsche med. 
Wochenschrift; 1916, Nr. 16. 

Im dem Laboratorium der Militärbeobachtungsstation in Debreczen 
erwies es sich als ein sehr nützlicher Kunstgriff, den zu untersuchenden Stuhl 
zuerst in Kochsalzlösung aufzuschwemmen und dann erst auf die Platte zu 
impfen. Weitere Untersuchungen ergaben, daß es nicht erlaubt ist, nur jene 
Peptonwässer nach Anreicherung auf Agar zu überimpfen, die im hängenden 
Tropfen Choleravibrionen nachweisen lassen. Selbst bei Massenuntersuchungen 
ist, wenn nur irgend möglich, eine Ueberimpfung auch nicht verdächtiger 
Peptonwässer auf Agar angezeigt. Dr. Roepke-Melsungen. 



371 


Kleinere Mitteilungen and Beißrate aas Zeitschriften. 

Blutnntersncliattgen bei' Cholera. Von Dr. Jobst-Heinrich ;Be n z l o r. 
Beiträge zur Klinik der InfektionskrankhAitea-und zurlmmunitätsforschang. 
Würzburg 1916. Verlag von C. Kabitzsch. IV. Bd., 2. H. Or.8°; 74 8. 
Preis: 4M. 

Nach den Untersuchungen des Verfassers zeigt das Blut im Prodromal¬ 
stadium im allgemeinen keine wesentlichen Aenderungen, beim KFank- 
heitsausbruch stärkere Vermehrung der einkörnigen Zellen, Lymphozyten¬ 
sturz (Mononukleose) und leichte Dyperieukozytose; im Stadium algidum 
Degenerationserscheinungen auch der regenerativen Formen, äußerst starke 
Lymphopenie (richtiger Lymphozytopenie), zuweilen fast aplastiacber- Art, 
hohe Mononukleose; im Reaktionsstadium: gleichzeitige Umkehr der 
Lymphozyt- und Mononukleären-Kurve; in der Rekonvaleszenz: starke 
Lymphozytose, Wiedererscheinen der Reizzellen und Ansteigen der Eosinophilen, 
Rückgang der atypischen großen Mononukleären. Diagnostisch liegt das 
Hauptgewicht auf der außerordentlich starken Lymphopenie während der 
eigentlichen Krankheitsperiode. Rpd. 


Beiträge zur Schutzimpfung gegen Cholera und Typhus. Von Dr. 
W. Gaehtgeüs und Dr. E. B e c k e r - Hamburg. Ebenda. 

Nach den Untersuchungen und Beobachtungen der Verfasser ist die 
Schutzimpfung mit abgetöteten Cho 1 eraVibrionen ein durchaus ungefähr¬ 
licher Eingriff, der nur fn seltenen Fällen das Auftreten von Reiz¬ 
erscheinungen zur Folge hat. Dasselbe gilt von der Schutzimpfung mit vor¬ 
sichtig (bei 59° C.) abgetöteten T y p h u s bakterien. — Die Bildung von 
Agglutininen erfolgt bei der Cho 1 eraVakzination scheinbar weniger 
regelmäßig und ausgesprochen wie bei der Typhusschutzimpfung, bei der sie 
nahezu regelmäßig und ausgiebig auftritt, aber ebenso wie die ausgiebige 
Bildung von bakteriziden Antikörpern großen Schwankungen unter¬ 
liegt. Bakterizide Antikörper werden bei Cholera stets reichlich produziert. 
Das Gehalt des Serums an Typhusantikörpern, die sich im Anschluß an die 
Typhusimpfung gebildet haben, wird durch eine nachfolgende Cholera- 
immunisierung nicht wesentlich beeinflußt. Der Grad der klinischen Reaktion 
und der Antikörpererzengung ist bei beiden Schutzimpfungen abhängig von 
der Individualität der geimpften Personen. Rpd. 


Der heutige Stand der Schutzimpfungen gegen Cholera mit besonderer 
Berücksichtigung der Erfahrungen aus den letzten Balkanfeldzügen. Von 
Dr. Walter PIange-Dresden. Oeffentliche Gesundheitspflege; Jahrg. 1916, 
Heft 4. 

Auf Grund seiner Untersuchungen und Beobachtungen kommt Plan ge 
zu folgenden Schlußsätzen: 

,1. Als das in erster Linie wirksame Prinzip der Choleravibrionen müssen 
nach unseren augenblicklichen Kenntnissen die Endotoxine angesehen werden; 
eine aktive Schutzimpfung ist also theoretisch berechtigt. 

2. Echt antiendotoxische Seren im strengsten Sinne der Toxin-Antitoxin¬ 
wirkung kennen wir nicht; die Frage einer passiven Immunisierung ist demnach 
nicht spruchreif. 

3. Die Epidemiologie der Cholera läßt ebenfalls eine aktive Schutzimpfung 
angebracht erscheinen. 

4. Der Beweis für das Vorhandensein einer negativen Phase hat im 
Tierexperiment nicht einwandfrei erbracht werden können. Auf alle Fälle ist 
jedoch bei der Schutzimpfung Vorsicht am Platze. 

6. Durch die Praxis ist bewiesen worden, daß eine rechtzeitig im großen 
Stile ausgeftthrte Choleraschutzimpfung Erfolg hat. 

6. Als beste Methode ist zweimalige Impfung nach Ko Ile anzusehen. 

7. Die Balkanfeldzüge, insbesondere die Erfahrungen der Griechen und 
Rumänen, haben gezeigt, daß eine allgemeine Vakzination während und nach 
einem Feldzuge in choleraverseuchten Ländern unbedingt anzuraten ist.“ 

Rpd. 



872 


Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


Pemphigoides' Exanthem als Folgeerscheinung der Choleraschutc- 
Impfung. Von Dr. Josef Simecek. Aus dem Epidemiespital in Troppau. 
Wiener klinische Wochenschrift; 1916, Nr. 20. 

Ein 47jähriger Kutscher, Potator, hatte die Schutzimpfung gegen Pocken, 
gegen Typhus und die erste Schutzimpfung gegen Cholera ohne Beschwerden 
vertragen; nach der zweiten Impfung gegen Cholera traten jedoch Schüttelfrost, 
Fieber, Kopfschmerzen auf. Am Morgen nach unruhig verbrachter Nacht bekam er 
auf Stirn und Nase einen Bläschenausschlag, außerdem wurde die Injektionsstelle 
schmerzhaft; die Haut in ihrer Umgebung entzündete sich und bedeckte sich 
mit kleinen Bläschen. Im Verlaufe desselben Tages verbreitete sich der Aus¬ 
schlag über den 8tamm. Die Blasen nahmen die Größe von Linsen- bis 
Zwanzighellerstücken an; platzten zum Teil oder bedeckten sich mit bräun¬ 
lichen. Borken. Dr. Mayer- Simmern. 

4. Typhus. 

Der Einfluß der Typhus-Schutzimpfung auf das weiße Blutbild. Von 

Dr. Franz 8ikert, z. Z. Vorstand der bakteriologischen Untersuchungsstelle 
in Lüttich. Beiträge zur Klinik der Infektionskrankheiten* und zur Immunitäts¬ 
forschung. Würzburg; Verlag von Karl Kabitzsoh. IV. Bd., 2. Heft, 1916. 
Eingebunden: 6 M. 

Nach den Untersuchungsergebnissen des Verfassers ändert Bich das weiße 
Blutbild durch die Typhus-Schutzimpfung in derselben Weise wie durch eine 
echte Typhuserkrankung. Die Immunkörperbildung erfolgt nach anderen Ge¬ 
setzen als die Regeneration der weißen Blntzellen. Die Typhusschutzimpfung 
ist in ihren Ergebnissen daher auch als experimentell für die Typhusforschung 
zu verwerten. Rpd. 

Urobllinurie bei Typhus abdominalis und ihre klinische Bedentnng. 
Von Prof. Dr. Wilhelm Hildebrandt -Freiburgi.B. Münchener medizinische 
Wochenschrift; 1916, Nr. 19. 

Was für die Niere die Menge, das spezifische Gewicht und der Eiwei߬ 
gebalt bedeutet, ist für die Leber der Urobilingebalt des Urins. Systematische 
Urobilinuntersuchungen durch den Verfasser haben ergeben, daß mit der Ent¬ 
fieberung die Urobilinurie sinkt; treten Rezidive auf, so steigt gegen das Ende 
des Rezidives die Urobilinurie wieder auf den früheren Wert und sinkt erst 
spät wieder langsam ab. Als Ursache der Urobilinurie bei Ileotyphus kommen 
in Betracht: Gesteigerter Blutzerfall, Gallenstauung infolge Cholangitis, Blut¬ 
stauung (Stauungsleber infolge Komplikationen seitens des Herzens), paren¬ 
chymatöse Hepatitis. — Das Ende der Urobilinurie ist im Bette abzuwarten. 
Urobilinurie als Symptom der parenchymatösen Hepatitis bildet eine Kontraindi¬ 
kation gegen die Anwendung von Chloroform; auch der Einfluß des Alkohols 
ist besonders zu fürchten. _ Dr. Graß 1-Kempten. 

Die Behandlung von Typhusbnzillenträgern mit Tierkohle. Von 
Prof. Dr. K u h n, Leiter der bakteriologischen Untersuchungsanstalt in Stra߬ 
burg i. E. Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamt; 1916, Bd. I, H. 3. 

Die von Kalberlach, Gdronne und W. Lenz empfohlenen Behand¬ 
lung von Typhusbazillenträgern mit Tierkohle in Verbindung mit Jodtinktur 
oder Thymol (3 X tägl. nach dem Essen einen Kaffeelöffel Merck sehe Tier¬ 
kohle und nach jeder Mahlzeit 7 - 16 Tropfen Jodtinktur in Wasser oder je 
1 g Thymol in Oblate) hat Verfasser bei 29 Dauerausscheidern nachgeprüft und 
dabei die Nutzlosigkeit dieser Behandlung festgestellt. Die Erfolge der vor¬ 
genannten Autoren führt er darauf zurück, daß sie ihre Versuche nicht an 
„Dauerausscheidern“, sondern an „Spätausscheidern“ angestellt haben, 
die voraussichtlich auch ohne die Behandlung bazillenfrei geworden wären. 

Rpd. 

5. Paratyphus. 

Zur Verbreitungsweise und bakteriologischen Diagnosik des Para- 
typlius II- Bacillus. Aus dem Seuchenlaboratorium einer Armee (Leiter Prof. 



Kleinere Mitteilungen und Beforate aus Zeitschriften. 373 

Dt. Co n radi). Von Ass.-Arzt d. R. Dr. R. Bielin g. Deutsche med. Wochen¬ 
schrift; 1916, Nr. 18. 

Der von Schottmüller zuerst beschriebene Paratypbas - A - Bacillus 
war bisher nnr als Erreger sporadischer Dyphusfälle bekannt. Neuere Beob¬ 
achtungen lehren aber, daß ihm eine erhöhte Bedeutung für die Typhusepide¬ 
miologie und hinsichtlich seiner Verbreitungsweise zukommt. Zu diesem Zweck 
ist. die biologische Differenzierung des Paratypbus A-Bacillus notwendig, um 
ihn rascher und sicherer als bisher auffinden und identifizieren zu können. 

B. empfiehlt die Beinzüchtung und Differenzierung von Paratyphus -A- 
Bazillen unter Verwendung von Galaktose-Endo-Agar, weil damit die 
Unterscheidung von den übrigen pathogenen Darmkeimen und Kolibakterien auf 
einer Platte gelingt. 16 Standen nach der Beimpfung unterscheiden sich die 
blassen bis zartrosa gefärbten Paratyphus-A-Kolonien deutlich von den tiefroten 
Typhus-, Paratyphus B-, Ruhr- und Cholerakolonien. Erst nach mehr als 
24 ständiger Bebrütung nimmt der Farbenunterschied mit der zunehmenden 
Rötung der Paratyphus A-Kolonien ab, bleibt jedoch auch dann noch gut 
erkennbar. Gegebenenfalls kann auch Xylose-Agar nach Art des Drigalski- 
Conra di sehen Nährbodens Verwendung finden; Paratyphus A-Bazillen 
wachsen als blaue Kolonien und unterscheiden sich hierdurch schon innerhalb 
16 Stunden von den tiefroten Paratyphus B- und etwas schwächer roten 
Typhuskolonien. 

Zur weiteren Charakterisierung und Abgrenzung der Reinkultur gegen¬ 
über Paratyphus B- und Typhusbazillen empfiehlt es sich, neben der makro¬ 
skopischen Agglutination Kulturen in Galaktosemilch sowie in Neutralrötgelatine 
und Neutralrotagar anzulegen. Das praktische Galaktosemileh-Verfahren 
ist folgendes: Mischt man einen Teil mehrfach im Dampftopf sterilisierter* 
Magermilch mit 1—2 Teilen steriler Nährbouillon, die 2—3"/« Galaktose ent¬ 
halt, und stellt dann schwach sauer ein, so tritt 18—24 Standen nach der 
Beimpfung mit Typhus oder Paratyphus B- Bazillen Gerinnung ein, während 
Paratyphus A-Stämme auch nach 40stündiger Bebrütung die Milch unver¬ 
ändert lassen. 

Nach Beimpfung des Dextrose-Neutralrotagar mit Paratyphus A 
kommt es, im Gegensatz zu Typhuskulturen, zur stark ausgesprochenen Gas¬ 
bildung, niemals aber zur Fluoreszenz und Entfärbung des Agars selbst wie 
bei Paratyphus ß. Die 1 proz. Dextrose - Gelatine mit 0,5 % Zusatz alkoholisch 
gesättigter Neutralrotlösung (Neutralrotgelatine) wird nach 24ständiger 
Bebrütung bei 37* von Typhus infolge der Säuerung tiefrot gefärbt; Para¬ 
typhus A bildet außerdem Gas und einen fluoreszenten Kulturniederschlag in 
der Reagensglaskuppe; Paratyphus B. reduziert und entfärbt dagegen die nur 
vorübergehend tiefrote Gelatine oft schon innerhalb 24 Stunden bei starker 
Fluoreszenz. Diese Methode kann allerdings nur gemeinsam mit den übrigen 
Verwendung finden zur Charakterisierung innerhalb der Typhusgruppen. 

Dr. R o e p k e - Melsungen. 


6. Ruhr. 

Ein Interessanter Fall von Dick- und Dünndarrndysenterle. Von 
Dr. Wanda Chowaniec. Mitteilungen aus dem Militärbeobachtungsspital in 
Beszter czebänya. Chefarzt Dr. Böla von Kozmutza). Wiener klinische 
Wochenschrift; 1916, Nr. 19. 

Der 26 Jahre alte Infanterist war am 15. August an Shiga-Ruhr erkrankt 
und am 14. September der Krankheit erlegen. Bei der Obduktion fanden sich 
außer Milzschwellung im ganzen D i c k d a r m, hauptsächlich aber im S. Roma- 
num, dysenterische, schmutziggelbliche Geschwüre, teilweise hämorrhagisch ge¬ 
fleckt. Während im C o e c u m die Geschwüre spärlicher vorhanden waren und die 
Appendix mit kleienförmigen Belägen bedeckt war, erstreckten sich die 
Geschwüre in großer Intensität h°ch in den Dünndarm hinauf, und 
zwar bis zur Höhe von 94 cm in das Ileum hinein, ln weiterer Ausdehnung 
von 1 m zeigten Ileum und Jejunum gerötete und geschwollene Schleimhaut, 
die mit kleienförmigen, schwer abwischbaren Belägen bedeckt war. Der Fall 
ist deswegen selten, weil bisher Dysenterie im Dünndarm nur im 1., höchstens 
im 2. Stadium der Ruhr beschrieben ist (Jochmann, Aschoff, Schmaus). 

Dr. M a y e r - Siminern. 



374 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 


7. Diphtherie. 

Ein sparsamer Blutsernmnührboden für die Diphtheriediagnose. 

(Aus dem städtischen Untersuchungsamt in Charlottenburg). Von Dr.. Hans 
Langer. Deutsche med. Wochenschrift; 1916, Nr. 17. 

Für die bakteriologische Diphtheriediagnose ist der Löfflersche Blut- 
serumnährboden nach wie vor unübertroffen. Es ist aber eine verhältnismäßig 
hohe Nährbodenschicht zur Erzielung einwandfreier Löfflerplatten erforder¬ 
lich ; bei Glasschalen mit 8 cm Durchmesser werden etwa 15 ccm Scrumgemisch 
(*/» Dammelserum -f- */* Bouillon) verbraucht. Um eine möglichst große Aus¬ 
nutzung der hervorragenden Löfflerplatten zu erreichen, wird folgende Modi¬ 
fikation in der Herstellung der Platten empfohlen: Die Petrischalen (8 cm 
Durchmesser) werden mit etwa 10 ccm eines 2°/oigen Wasseragars (mit 
0,5 Na CI, ohne Fleischwasser, ohne Pepton) gefüllt. Auf diese Agarplatte 
wird nach Festwerden die Löfflersche Serummischung in dünner Schicht 
aufgegossen, wozu etwa 5 ccm erforderlich sind. Die Platte wird nunmehr 
in den Erstarrungsapparat eingesetzt und bei von 70 auf 90° steigender 
Temperatur zum Erstarren gebracht. Die Erstarrung ist nach 3 Stunden 
erreicht gegen 6 Stunden bei den üblichen L ö f f 1 e r platten. Nach dem 
Erstarren muß wegen der Verflüssigung des Agars die Platte vorsichtig heraus¬ 
genommen werden; mit der Abkühlung wird der Agar wieder fest. So erhält 
man eine Kulturplatte, deren Oberfläche eine einwandfreie Blutserumplatte 
darstellt und die als Nährboden nicht nur eine völlige Gleichwertigkeit, sondern 
bisweilen so^ar eine Ueberlegenheit in der Ueppigkeit des Wachstums zeigt. 
Jedenfalls wird eine große Ersparnis und Streckung des Blutserumgemisches 
erzielt. Als Vorteile der Modifikation ergeben sich also: eine schnellere Er¬ 
starrung und größere Unabhängigkeit von äußeren Schwankungen während der 
Erstarrung, ferner eine gesteigerte Festigkeit und Elastizität sowie eine größere 
Wirtschaftlichkeit und weitgehendere Ausnutzung des Blutserums bei wenigstens 
gleichwertiger Nährbodenqualität. Dr. R o e p k e - Melsungen. 


Klinische Erfahrungen Ober die Abtötung von Diphtheriebazillen 
mit Jod-Spray. Von Dr. Martha Rüben, z. Z. Aerztin an einem Reserve¬ 
lazarett. Aus der Infektionsabteilung des Allgemeinen Krankenhauses Hamburg- 
Barmbeck (Direktor: Prof. Dr. Rumpel). Zeitschrift für Hygiene und In¬ 
fektionskrankheiten ; Bd. 80, H. 2. 

Verfasser versuchte nach dem Vorgang von Abel-Bergen, bei Diph¬ 
therie-Rekonvaleszenten den Hals und die Nasenhöhle mit Joddämpfen gleich¬ 
sam auszuräuchern, um die Diphtheriebazillen abzutöten. Die Technik besteht 
darin, daß man aus Jodoform durch Erhitzen Joddämpfe frei macht und in die 
Nasenlöcher einleitet (Näheres sieho Original). Von den behandelten 21 Fällen 
wurden so 45o/ 0 bazillenfrei. Als frei galten die Patienten, bei denen die an 
zwei aufeinander folgenden Tagen vorgenommene Abimpfung keine Diphtherie¬ 
bazillen mehr ergab. In 4 der behandelten Fälle fanden sich Nekrosen mit 
Nebenerscheinungen: Rötung, Schwellung und Schmerzen der Schleimhaut. 
Fast ausnahmslos trat ein heftiger Jodschnupfen auf mit starkem Tränen¬ 
träufeln. Meist klagten die Patienten auch über Appetitlosigkeit Die Ein¬ 
blasung der Joddämpfe erweckte den Eindruck einer schmerzhaften Erstickungs¬ 
und üebelkeit auslösenden Manipulation. Das Allgemeinbefinden war während 
der Behandlung herabgesetzt. Auch ergaben sich technische Unannehmlich¬ 
keiten. Im Hinblick auf den verhältnismäßig geringen Erfolg nnd die unan¬ 
genehmen Nebenerscheinungen wird sich die Methodo für die Allgemeinein¬ 
führung kaum empfehlen. Dr. L. Quadflicg-Gclsenkirchen. 

Diphtherie-Verbreitung durch das Kriegsgeld? Von G. Wollenberg- 
Berlin. Der prakt. Desinfektor; 1916, Nr. 5. 

Nach den Untersuchungen des Verfassers besteht kein Grund für die 
Annahme, daß bei den jetzigen Diphtherie - Erkrankungen neue Infektionsquellen, 
wie z. B. das Papiergeld, in besonderem Umfange beteiligt sind. Aber die 
Möglichkeit, daß hier und da auch durch das Papiergeld eine Verbreitung der 
Krankheit erfolgt, ist ohne weiteres zuzugeben. Dr. Wolf-Hanau. 



Kleinere Mitteilangen and Bef ernte aas Zeitschriften. 


375 


E. Hygiene und öffentliohee Gesundheitswesen. 

1. Trinkwasserversorgung. 

Ueber einige handliche chemische Verfahren, kleine Mengen Trink« 
wasser schnell za entkeimen. Von Prof. Dr. Weichardt and Dr. Wolff. 
Aas der König!, bakteriologischen Untersachangsanstalt Erlangen. Oeffentlicbe 
Gesundheitspflege; 1916, Heft 3 and 4. 

Die Verfasser haben einige neuerdings angegebene Wassersterilisations¬ 
verfahren, die namentlich zur schnellen Sterilisation kleiner Mengen Wasser 
empfohlen sind, nachgepriift und zwar das Verfahren mit Desazon, einen 
von den Farbenfabriken vorm. Friedrich Bayer in Elberfeld hergestellten 
hochwertigen Chlorkalkpräparate, 1 ) das Permanganatverfahren von 
Triibsbach,*) das Huminverf ahren von Strell*) und das Tier kohle¬ 
verfahren von Kraus und Barborä.®) Nach dem Ergebnis ihrer Unter¬ 
suchungen hat sich das D e s a z o n verfahren als sehr beqaem and bakteriologisch 
als zuverlässig erwiesen, ohne daß sich ein nennenswerter Einfluß aal Geschmack 
und Aussehen des damit behandelten Wassers bemerkbar macht. Dagegen 
waren die mit dem Permanganat verfahren erzielten Erfolge nicht be¬ 
friedigend; noch weniger befriedigend waren die Ergebnisse bei dem Tier¬ 
kohle verfahren. Diese beiden Verfahren bedürfen daher noch weiterer 
Verbesserung, ehe ihre allgemeine Verwendung zur Trinkwassersterilisation 
empfohlen werden kann; eine solche ist mit Bücksicht auf ihre Billigkeit 
(7 Pfennig für einen Kubikmeter) sehr erwünscht, da das D e s a z o n verfahren 
verhältnismäßig teuer ist (15 Pfennig für das Liter!). Bpd. 


2. Abwässerbeseitigung. 

Gutachten des Reichsgesnndbeitsamtes über das duldbare Maß der 
Verunreinigung des Weserwassers durch Kali - Abwässer, ohne seine Ver¬ 
wendung zur Trinkwasserversorgung von Brunnen unmöglich zu machen. 
Berichterstatter Geh. Ob.-Med.-Rat Prof. Dr. Abel-Jena. Arbeiten aus dem 
Kaiserlichen Gesundheitsamte; 1916, Bd. L, H. 3. 

Die Wasserversorgung der Stadt Bremen erfolgt durch filtriertes Weser¬ 
wasser und wird unter den obwaltenden Verhältnissen auch noch lange Zeit 
in dieser Weise erfolgen müssen, da einer Grundwasserversorgung großo 
Schwierigkeiten entgegenstehen. Das Wasser der Weser wird aber bekanntlich 
durch die Abwässer der in den Flußgebieten ihrer Nebenflüsse Aller und Leine, 
Fulda und Werra liegenden Schächte der Kaliindustrie verunreinigt, so daß sich der 
Senat der Stadt Bremen veranlaßt sab, durch den Reichskanzler dem Reichsgesund- 


’) Die von der Firma unter dem Namen Desazon in den Handel ge¬ 
brachten Päckchen enthalten je 10 weiße Röhrchen mit hochprozentigem Chlor¬ 
kalk und 10 braune mit hochprozentigem Wasserstoffhyperoxyd, dem sog. 
„Ortizon“; der Inhalt von je ein Paar solcher Fläschchen genügt zur 
Sterilisation von 1 Liter Wasser innerhalb 10—16 Minuten. 

*) Bei dem Permanganat verfahren nach Triibsbach genügen 5 g 
Kaliumpermanganat, dem 18,99 g Weinsäure oder 12,91 g Kaliumbisulfat und 
11,87 g Weinsäure zugesetzt werden, um 100 Liter Wasser in 10—15 Minuten 
zu sterilisieren; zur Entfernung des überschüssigen Kaliumpermanganats ist 
nach dieser Zeitdauer ein Zusatz von 9,97 g schwefelsaurem Natrium 
erforderlich. 

*) Das H u m i n verfahren stellt ebenso wie das Tierkohle verfahren 
eine Kombination der chemischen und mechanischen Methoden der Trinkwasser¬ 
sterilisation dar. Das dazu benutzte, von der Firma Wellensiek in Hannover 
hergestellte „Humin“ wird aus Braunkohle durch Behandlung mit heißer 
Natronlauge als schwarze, teigförmige Masse gewonnen, die im heißen Wasser 
löslich ist und als kolloidale Lösung angesprochen werden muß. Zur Sterili¬ 
sation von 1 Liter Rohwasser genügen 6 ccm einer 10 °/o tigen Lösung, die mit 
dem Wasser gründlich durchmischt werden müssen; der Mischung sind dann 
2,5 ccm einer 14°/oprozcntigen Aluminiumsulfatlösung zuzusetzen. Bei dem 
Tier ko hieverfahren wird ein Trichter, dessen Spitze mit Watte ausgestopft 
Ist, ungefähr 1 cm hoch mit Tierkohle angefüllt und durch diesen so herge¬ 
stellten Filter das Wasser filtriert. 



376 


Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


heitsamt die Frage zur Beantwortung vorznlegen, „inwieweit das "Weserwasser 
mit Kali-Abwasser bereichert werden darf, ohne seine Verwendung zur Trink¬ 
wasserversorgung unmöglich za machen. Infolgedessen sind an bestimmten 
Entnahmestellen durch Sachverständige Wasserproben aus der Weser ent¬ 
nommen (vom Juni 1913—1914 monatlich je zweimal) und namentlich auf ihren 
Chlorgehalt und auf ihren Härtegrad untersucht. Auf Qrund dieser Unter- 
suchungsergcbnisse und unter Würdigung der durch Kaliabwasser bedingten 
Veränderungen der Trink- und Nutzwässer im allgemeinen, kommt der Bericht¬ 
erstatter zu dem Schluß, daß, solange der jetzige Zustand andauert, die Wasser¬ 
versorgung Bremens insofern gefährdet erscheint, als das Wasser der Weser 
infolge der zunehmenden Zuleitung von Kaliabwässern in ihre Vorfluter un¬ 
brauchbar zu werden droht. Es muß deshalb der Gehalt des Weserwassers an 
Kaliabwässer an der Entnahmestelle für die Wasserversorgung von Bremen so 
niedrig gehalten werden, daß es selbst bei Niederwasser keinen aufdringlichen 
Geschmack oder Nachgeschmack der Endlaugen zeigt, und daß seine Härte 
nicht die Bereitung von Speisen, die Körperreinigung und das Waschen von 
Bekleidungsgegenständen beeinträchtigt. Als Höchstgrenze, über die hinaus 
das Weserwasser an der Entnahmestelle im Hinblick auf seine Verwendung 
als Trinkwasser nicht mit Kaliabwasser angereichert sein darf, ist eine Gesamt¬ 
härte von 20 Härtegraden und ein Chlorgehalt von 250 mg im Liter anzusehen. 
Bisher ist es zwar selbst beim niedrigsten Wasserstande unter dieser Höchstgrenze 
geblieben, hat diese aber fast erreicht (20 Härtegrade und 235 mg bei 1,45 
Pegelstand), während sie bei mittlerem Wasserstand darunter bleibt (12,5 und 
113 mg*bei 2,9 Pegelstand). _ Rpd. 


Die Ergebnisse von Rheinwasseruntersuchungen aus den Jahren 
1907 bis 1913 auf der Strecke von Mannheim bis Worms. Aus dem Städti¬ 
schen Untersuchungsamt Mannheim. Von Direktor Dr. A. Cantzier, Vor¬ 
stand, und Dr. A. Splittgerber, Chemiker am Städtischen Untersuchungs- 
amte. 1. Heft der Schriften des Vereins für Wasser- und Gaswirtscbaft E. V., 
herausgegeben von Generalsekretär Erwin Stein. Berlin 1916. Deutscher 
Kommunal-Verlag; 8°, 55 S. Preis: geh. M. 2,—, geb. 2,80 Mk. 

Nach einer ausführlichen Schilderung der Ergebnisse früherer ander¬ 
weitiger Untersuchungen des Rhein- und Neckarwassers besprechen die beiden 
Verfasser in dieser Schrift unter Beifügung von erläuternden Karten und 
Tabellen die Ergebnisse, die durch die regelmäßig seit dem Jahre 1907 fort¬ 
gesetzte Untersuchungen des Rheinwassers auf der Strecke von Remershof 
oberhalb Mannheim bis nach Worms und des Neckarwassers kurz oberhalb 
seiner Mündung in den Rhein erhalten worden sind, beleuchten sie wissen¬ 
schaftlich kritisch und zeigen in anschaulich gehaltener umfassender Dar¬ 
stellung, daß die Zusammensetzung des Rheinwassers seit langen Jahren sich 
nicht geändert hat und daß die Abwässer, die in immerhin beträchtlichen 
Mengen dem Rhein auf der Strecke von Mannheim bis Worms von beiden Ufer¬ 
seiten aus zugeführt werden, nur eine höchstens örtliche, keineswegs aber eine 
dauernde Verschlechterung des Wassers mit sich gebracht haben. Eine solche 
Verschlechterung ist auch für die Zukunft nicht zu befürchten, da gerade im 
Laufe der letzten Jahre zahlreiche neue Verfahren zur Reinigung von Ab¬ 
wässern, besonders von solchen industrieller Herkunft bekannt geworden sind 
und große Betriebe bestrebt sein werden, diese Verfahren auszunutzen. Not¬ 
wendig ist aber, daß die städtischen wie industriellen Abwässer möglichst weit 
unterhalb bewohnter Stadtgebiete in die Vorfluter eingeleitet werden. Rpd. 


3. Nahrungsmittelhygiene. 

Verwendung von Phosphorsäuren bei der Herstellung von Brause¬ 
limonaden oder von Grundstoffen fiir die Zubereitung von Limonaden. 
Gutachten der Königl. Wissenschaftlichen Deputation für das Medizinal wesen; 
Berichterstatter: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Heffter, Reg. -Rat Prof. Dr. 
Jackenack, Geh. Ober-Med.-Rat Dr. Finger. 

Bisher haben in der Regel die organischen Säuren Wein- oder Zitronen¬ 
säure dazu als Zusatz gedient, um den mangelnden Gebalt An natürlichen 
Fruchtsäften in Brauselimonaden zu ersetzen. Ein solcher Zusatz ist auch als 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


377 


zulässig anerkannt; die freie Vereinigung deutscher Nahrungsmittel hat z. B. 
für die Bearbeitung von Brauselimonaden den Grundsatz aufgestellt, daß darunter 
Mischungen zu verstehen seien, die „neben oder ohne Zusatz von natürlichen 
Frachtsäften, Zucker und kohlensäurehaltigern Wasser noch organische 
Säuren oder Farbstoffe oder natürliche Aromastoffe enthalten." Da die Be¬ 
schaffung von Weinsäure und Zitronensäure zur Zeit schwierig und kostspielig 
ist, entsteht die Frage, ob diese durch die billige Phosphorsäure ersetzt werden 
dürfen oder ob dagegen gesundheitspolizeiliche Bedenken zu erheben sind. Die 
Wissenschaftliche Deputation hat sich entschieden gegen eine derartige Ver¬ 
wendung der Phosphorsäure ausgesprochen. Ihre ätzende Wirkung komme 
allerdings mit Rücksicht auf die große Verdünnung (’ 1 /io—*/■* Ä /o) nicht in 
Betracht, wohl aber ihr Verhalten im Stoffwechsel. Während Wein- und 
Zitronensäure vollständig oder bis auf geringe Spuren im Körper verbrennen, 
wird die Phosphorsäure neutralisiert, so daß phosphorsaure Salze entstehen, 
die in Form von sauren Salzen durch die Nieren ausgeschieden werden, so daß der 
Harn eine stärkere saure Reaktion erhält und sein Ammoniakgehalt auf Kosten 
des Harnstoffs zunimmt. Ob außerdem auch der Eiweißstoffwechsel nachteilig 
beeinflußt wird, ist zwar noch nicht sicher entschieden, aber nicht unwahr¬ 
scheinlich; dagegen ist die Annahme einer besonderen Wirkung der Phosphor- 
säure auf die Herztätigkeit nicht erwiesen. Jedenfalls bewirken aber die 
Phosphorsäure und andere Mineralsänren infolge ihrer Unverbrennlichkeit im 
Körper Veränderungen in den Ausscheidungsorganen, deren Tragweite nicht 
übersehen werden kann. Die Verwendung von anorganischen Säuren wider¬ 
spricht überhaupt dem Begriff der normalen Beschaffenheit der künstlichen 
Limonaden und ihrer Grundstoffe; sie darf deshalb nicht geduldet werden. 
Dagegen würde der Verwendung von Gärungsmilchsäure,- die durch ihre leichte 
Verbrennlichkeit den Fruchtsäften sehr nahe steht, nichts entgegenstehen; sie 
ist ein einwandfreies Ersatzmittel und zu denselben billigen Preisen wie in 
Friedenszeiten erhältlich. 

Auf Grund dieser Gutachten hat der preuß. Minister des Innern die Ver¬ 
wendung von Phosphorsäuren und anderen Mineralsäuren zu Limonaden durch 
Erlaß vom 16. April 1916 (s. Beilage zu Nr. 11, S. 68) als unzulässig erklärt. 

_ Rpd. 


Pilzvergiftungen im Deutschen Reiche im Jahre 1915. 

Nach einer auf Zeitungsnachrichten und eigenen Ermittelungen beruhenden 
Zusammenstellung, die der Gymnasialoberlehrer Dr. G. Di tt rieh -Breslau in 
den Berichten der Deutschen botanischen Gesellschaft (Band XXXIII S. 608) 
veröffentlicht, sind im Deutschen Reiche im Jahre 1916 248 Personen infolge 
des Genusses schädlicher Pilze erkrankt und 85 von ihnen (darunter 52 Kinder) 
verstorben. Bei der Zusammenstellung nicht berücksichtigt sind solche Fälle, 
in denen verdorbene Pilze als Anlaß der Gesundheitsstörung angegeben 
wurden, und ebenso Erkrankungen, bei denen Nachforschungen ergaben, daß 
Pilze nicht mit Sicherheit als die Ursache der Erkrankung nachgewiesen 
waren. In weitaus den meisten Fällen waren die Todesfälle auf den Genuß 
des gefährlichsten aller Giftpilze, des Knollenblätterschwamms 
(Amanita phalloides) zurückzuführen, der — worauf ganz besonders zu achten 
ist — in einer grünen Spielart vorkommt und oft mit dem Grün¬ 
ling (Grünreizker, Tricholoma equestre) verwechselt wird. Nächst 
dem Knollenblätterschwamm wurde der Giftreizker (Lactaria torminosa) 
als Ursache der Vergiftungen angegeben. Für die Häufung der Vergiftungs¬ 
fälle im Jahre 1915 wird neben der Unkenntnis der wenigen dabei in Betracht 
kommenden Pilzarten in erster Linie das günstige, ertragreiche Pilzjahr ver¬ 
antwortlich gemacht. Wo sich Angaben über die Herkunft der giftigen Pilze 
fanden, war fast stets gesagt, sie seien von den Erkrankten selbst gesammelt 
worden; einige Male hatte man die giftigen Pilze auf der Straße oder unter¬ 
wegs von unbekannten Leuten gekauft, und nur in einem Falle waren sie auf 
dem öffentlichen Markte gehandelt worden. Nach wie vor sind die alten Behaup¬ 
tungen von allgemein gültigen Erkennungszeichen für eßbare oder giftige 
(Vorhandensein von Milchsaft, klebrige Beschaffenheit des Hutes) und Prüfungs¬ 
mitteln (Braunfärbung eines silbernen Löffels, Verfärbung einer Ziebel) vielen 
zum Verhängnis geworden. Entgegen dieser noch weit verbreiteten Anschauung 



37S 


Besprechungen. 


muß immer wieder darauf bingewiesen werden, daß vor schädlichen Folgen 
allein die genaue Kenntnis der besonderen Merkmale der einzelnen Giftpilze 
schützt. Diese sind außer in den gebräuchlichen Pilzbüchern von Michael, 
Gramberg u. a. auch in dem vom Kaiserlichen Gesundheitsamt heraus¬ 
gegebenen, 1 farbige Tafel enthaltenden Pilzmerkblatt (Ausgabe 1913, 
Verlag von Julius Springer in Berlin W., Preis 15 Pfg.) aufgeführt. 

(Veröffentlichungen des Beichsgesundfaeitsamtes; 1916, Nr. 16.) 


4. Hebammenwesen. 

Ein paar alte Wünsche für das Hcbamiucnwesen. Von Direktor 
Dr. Bissmann, Direktor der Hebammcnscbule in Osnabrück. Gynäkologische 
Bundschau; 1916, H. 1 und 2. 

Verfasser macht mit Becbt auf die Unbilligkeit der Prüfungsvorschriften 
für Hebammen aufmerksam, wonach bei Hebammenschülerinnen, die die Prüfung 
nicht bestehen, eine Wiederholung der Prüfung ausgeschlossen ist. Er 
schlägt vor, eine solche nach einer weiteren Lehrzeit von 3 oder 4‘/t Monaten 
zu gestatten, und befürwortet auch für schwach begabte, langsam denkende, 
aber sonst pflichteifrige und zuverlässige Uebammenschülcrinnen eine solche 
Verlängerung. Er betont weiterhin die Notwendigkeit eines Beicbsgesetzes für 
Wochenbettpflegcrinnen, indem er auf die große Kindersterblichkeit 
und höhere Erkrankungsziffer der Mütter hinweist bei den Geburten, die von 
Aerzteu geleitet und bei denen unter Ausschaltung der Hebammen die Wochen- 
bettpflego in den Händen von Wochenbettpflegerinnen rnht. Nach seiner An¬ 
sicht sollten diese weder zu Hebammendiensten noch zu Diensten einer Säng- 
lingspflegerin verwendet werden dürfen. Bpd. 


Besprechungen. 

Dr. M. T. Sohnirer-Wien, Herausgeber der klinisch-therapeutischen Wochen¬ 
schrift: Taschenbuch der Therapie mit besonderer Berücksichtigung der 
Therapie in den Berliner, Wiener und anderen deutschen Kliniken. Zwölfte 
Ausgabe. Würzburg 1916. Verlag von Curt Kabitzseb. Taschenbuchform. 
476 S.; Preis: geb. 2,50 M. 

Mit Rücksicht auf den jetzigen Krieg sind in der neuen Auflage des 
Schnirersehen Taschenbuches besonders die wichtigsten feldärztlichen 
Erfahrungen berücksichtigt und die Abschnitte über Cholera, Dysenterie, 
Erfrierungen, Pediculosis, Tetanus, Typhus einer gründlichen Umarbeitung 
unterzogen. Auch die wichtige Methode der perkutanen Tuberkulinanwendung 
ist ausführlich geschildert und im therapeutischen Jahresbericht über 120 neue 
therapeutische Anregungen und Vorschläge berichtet. Verfasser ist es dadurch 
gelungen, das Taschenbuch auf der Höhe der Zeit zu erhalten und ihm infolge¬ 
dessen die bisherige weite Verbreitung zu sichern. Bpd. 


Tagesnachrichten. 

Aus dem Beiohetage. In seiner letzten Sitzung am 8. d. Mts. hat 
der Reichstag das Gesetz betreffend Herabsetzung der Altersgrenze für die 
Bezngsberechtigung der Altersrente vom 70. auf das 65. Lebensjahr in 
der von dem Ausschuß vorgeschlagenen Fassung (s. Nr. 10 dieser Zeitschrift, 
S. 811)') angenommen. 


Im preusiliohen Herrenhaus« gelangte in der Sitzung vom 8. d. M. 
der Antrag des Generaloberst Dr. Freiherrn v. Bissing, betr. eine stlrkere 
Berücksichtigung der Sexualpädagogik an den Lehrerseminaren und Hoch¬ 
schulen, Aufnahme der Haut* und Geschlechtskrankheiten als Prüfung*- 
gegenständ bei der ärztlichen Staatsprüfung, planmäßige Belehrung der Schüler 
und Schülerinnen vor ihrer Entlassung aus der Schule über Geschlechtskrank¬ 
heiten usw. (s. Nr. 7 d. Zeitschrift, S. 2141, zur Beratung. Der Antrag wurde 
von dem Berichterstatter, Generaloberarzt Prof. Dr. Neuber- Kiel, unter Hinweis 


') Es ist hier irrtümlich Bezugsberechtigung der „Altersgrenze* statt 
„Altersrente“ gedruckt. 



Tagesnachrichten. 


379 


auf die darcb den Krieg bedingten Zunahme der Geschlechtskrankheiten warm 
befürwortet Die nationalökonomische Bedeutung dieser Krankheiten werde 
durch die Tatsache erörtert, daß in Preußen durch Geschlechtskrankheiten 
jährlich das Volksvermögen um 150 Millionen Mark geschädigt wird, durch 
den Typhus dagegen nur um 8 Millionen Mark. Aus den Lebensversicherungs¬ 
akten gehe hervor, daß von den sich Meldenden etwa 20 Prozent nn 
Geschlehtskrankheiten gelitten haben. Ihre Prozentziffer sinkt mit der Größe 
der Städte; von 1000 ausgehobenen Rekruten sind z. B. in Berlin etwa 41 
geschlechtlich erkrankt befunden, in Bremen nur 10 und auf dem Lande liegen 
die Verhältnisse noch viel günstiger. Von den Arten der Geschlechtskrank¬ 
heiten: die Gonorrhöe, die Syphilis und das weiche Geschwür kommt nur den 
beiden erstgenannten eine wesentliche Bedeutung zn; sie können, recht¬ 
zeitig und richtig behandelt, geheilt werden, und zwar endgültig geheilt 
werden. Daran fehlt es aber oft, weil häufig in falsch angebrachtem Scham¬ 
gefühl die Erkrankten sich nicht an einen tüchtigen Arzt wenden, sondern auf 
Reklame oder Kurpfuscher hereinfallcn, um sodann, nicht allzu selten nach 
längerem Kranksein, dauerndem Siechtum zu verfallen. So kann die 
Gonorrhöe in einen chronischen und sehr schwer zu heilenden Zustand über¬ 
gehen, zu weiterer Erkrankung benachbarter Organe und schließlich zur 
Sterilität führen. Dazu kommt, daß viele junge Männer, die erkrankt waren, 
sich für gesund halten, es aber nicht sind, bona fide heiraten und ihre Frauen 
infizieren, die dann an Unterleibsleiden erkranken, die Siechtum und gleichfalls 
Sterilität zur Folge haben können. 11 Prozent aller Ehen in Deutschland sind 
kinderlos; in der Hälfte davon muß diese Kinderlosigkeit auf die Rechnung 
der Geschlechtskrankheiten geschrieben werden. Bei 30—40° ( o der vorhandenen 
Blinden ist die Blindheit durch gonorrhoische Infektion bei der Geburt bedingt. 
Die Syphilis ist eine womöglich noch schlimmere Krankheit als die Gonorrhöe. 
Hier können sich nach jahrelanger scheinbarer Gesundheit schwere Spätfolgen 
einstellen, die durch Herz-, Gefäß-, Gehirn-, Rückenmarkkrankheiten usw. 
eventuell noch nach 20 bis 30 Jahren zum Tode führen; durch die Infektion 
der Frauen werden ferner Frühgeburten, Totgeburten und alle möglichen 
Frauenkrankheiten hervorgerufen. Gonorrhöe und Syphilis zusammen bedingen 
für Deutschland eine jährliche Schädigung der Geburtenziffer um etwa 300000 
Kinder und bilden somit die hauptsächlichsten Ursachen des Geburten¬ 
rückganges. 

Die sexuelle Frage ist aber nicht nur eine Frage der Volksgesundheit, 
sondern auch eine Volkserziebungsfrage. Der Sexualpädagogik fällt die 
Aufgabe zu, die jungen Menschen zu einem gesunden und natürlichen Geschlechts¬ 
leben zu erziehen. Der Geschlechtstrieb ist ja durchaus nichts Gemeines und 
Niedriges, im Gegenteil, er ist eine normale, gesunde, natürliche Betätigung, 
freilich ein Gut, das nicht besuldelt und vergeudet werden darf. Das 
aber geschieht in einer mit der Industrialisierung und Landflucht, mit dem 
Wachstum der Städte zunehmenden, Moral und Gesundheit schädigenden Weise. 
Die Ursachen der sexuellen Verwilderung liegen in dem allgemeinen 
Genußtaumel und in dem dadurch bedingten Niedergang der Charakterbildung. 
Die beste sexuelle Erziehung ist eine vernünftige allgemeine Erziehung auf 
ethisch-religiöser Grundlage. Daran fehlt es in vielen Volkskreisen leider ganz 
außerordentlich, nnd in der Richtung Anleitung zu geben, ist ein Hauptzweck 
des Antrags Bissing. Die Sexualpädagogik soll eine Erziehung zur Kon¬ 
zentration des Willens und zur Beherrschung des Willens sein, zur Stärkung 
des Geistes gegenüber den Naturtrieben. Der naturwissenschaftliche Unter¬ 
richt in den Volks-, Mittel- und Hochschulen bietet ebenso wie der Religions-, 
Gescbichts- und Literaturunterricht genügend Gelegenheit, sexuelle Fragen zu 
streifen und das Verständnis für den hohen Wert der Keuschheit und der 
Selbstbeherrschung sinnlichen Trieben gegenüber zu fördern. Hinter dieser 
sittlichen Pflege darf natürlich die körperliche Stählung in keiner Weise Zu¬ 
rückbleiben, sie ist vielmehr durch Turnen, Wandern, Bäder, Reinlichkeit, durch 
jeden vernünftigen Sport, besonders auch im Anschluß an die deutschen Jugend¬ 
vereine . zu fördern, und zwar bei vernünftiger nicht zu opulenten Ernährung 
und Verbot jeden Alkohol- und Tabakgenusses vor einem gewissen Lebensalter; 
Kura vor der Entlassung aus den höheren und mittleren Schulen sowie für 
Fortbildungsschüler und auch für Volksschüler sollten nach dem Vorgang der 
Handelsschulen hygienische Belehrungen stattflnden; damit aber auch 



380 


Tagesnachrichten. 


den Eltern das Verständnis für eine derartige Erziehnng nicht abgeht, 
empfiehlt sich die Einrichtung von Elternabenden, um. den Eitern 
durch Aerzte, Geistliche, Lehrer die Verpflichtung, Notwendigkeit und 
Durchführbarkeit einer sexualpädagogischen Erziehung zum Bewußtsein zu 
bringen. Deshalb muß auch die Sexualpädagogik baldigst in die staatliche 
Ausbildung der seminaristischen und akademischen Lehramtskandidaten eingefftgt 
werden, um in nicht allzu langer Zeit das erforderliche Lehrpersonal zur 
Verfügung zu haben. 

Für eine grundlegende Besserung der Verhältnisse sind allerdings 
auch vorbeugende Maßnahmen auf anderen Gebieten erforderlich: gro߬ 
zügige Boden- und Heimpolitik, Förderung der Gartenstadtbewegung, innere 
Kolonisation und damit Einschränkung der Landflucht, vor allem aber Ein¬ 
schränkung des Nachtlebens in den Großstädten. Der Kern unseres Volkes 
ist gut; das haben die großen Taten, die unsere herrlichen Truppen während 
des Krieges vollbrachten, bewiesen und gezeigt. Um so mehr haben Wir Ver¬ 
anlassung, unserer Jugend zu helfen und sie zu der Erkenntnis bringen, daß 
die wahren Lebenswerte nicht im Sicbgehenlassen, nicht im Ausleben, nicht im 
Genußleben liegen, sondern in der durch Erziehung und Stählung des Körpers 
und Geistes zu erreichenden höchsten Pflichterfüllung gegen Gott and unsere 
Mitmenschen. 

Generaloberst Dr. Freiherr von Bissing betonte zunächst, daß er sich als 
verantwortlicher Verwalter eines von uns eroberten Landes und durch die Be¬ 
ziehungen zu den an der Westfront kämpfenden Heeresteilen über die so be¬ 
dauerlichen und verheerenden Wirkungen der Geschlechtskrankheiten und deren 
so notwendige Bekämpfung ein praktisches Urteil bilden konnte. Mit Rück¬ 
sicht auf ihre durch den Krieg und infolge des Krieges geförderten Verbreitung 
und ihre unheilrolle Wirkung auch auf die Schlagfertigkeit des über alles 
Lob erhabenen Heeres, mit Rücksicht auf ihre gefährliche einschleichende 
Verseuchung der Familien in der Heimat sowie im Interesse der Einschränkung 
des Geburtenrückganges darf man nicht einen Augenblick mehr zögern, an 
die Lösung eines Problems heranzutreten, das der Krieg aufs neue aufgerollt 
hat und das für die Kraftentfaltung und Krafterhaltung unseres Volkes so be¬ 
deutungsvoll ist. Durch den Antrag soll nicht allein der Kampf gegen die 
Geschlechtskrankheiten kräftig gefördert, sondern auch die Erziehungsfrage, 
die Aufklärung und Beeinflussung der Jugend zur Lösung gebracht werden. 
Die bisherige Heimlichtuerei, die Schule und Haus gegenüber dem heran- 
wachsenden Kinde mit allem Geschlechtlichen getrieben haben, hat sicherlich 
das große sexuelle Elend mitverschuldet; deshalb muß mit ihr gebrochen 
werden, aber nicht durch rückhaltlose offene Darlegung aller hier in Betracht 
kommenden Verhältnisse, sondern durch vorsichtige Aufklärung und Belehrung, 
die von besonders dazu ausgebildeten Lehrern erteilt werden muß, 
damit das Einhalten richtiger Wege in der sexuellen Erziehung der Jugend 
gewährleistet ist. Vor tiefeiogreifenden Maßregeln soll man nicht zurück¬ 
schrecken, um die an der Wurzel unserer Lebenskraft nagende Eirankheit in 
ihren Ursachen zu bekämpfen. Der Seuchenherd liegt nicht etwa in dem 
Okkupation- und Etappengebiet, sondern in der Heimat, was vielfache Be¬ 
obachtungen bei den aus dem Urlaub geschlechtskrank zurückgekehrten Sol¬ 
daten bestätigt haben. Deshalb gibt es kein Mäkeln und kein Zaudern, um 
alles zu versuchen, diese verheerende Volkskrankheit und ihre Seuchenherd« 
in unserm Heimatgebiete ebenso systematisch zu bekämpfen, wie dies bei den 
anderen übertragbaren Krankheiten durch die Kunst der Aerzte und die Sorg¬ 
samkeit der deutschen Verwaltung bereits geschehen ist. Das Problem der 
Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten ist jedoch nicht zu lösen ohne die 
religiös-sittliche Einwirkung. Die medizinische Wissenschaft, die 
soziale Versicherung und die Volksgesundheitspflege arbeiten auf diesem Ge¬ 
biete zwar einander in die Hände, aber doch nur mit begrenzten Möglich¬ 
keiten. Alle ihre segensreichen Bemühungen sind mehr oder weniger macht¬ 
los, jedenfalls unzureichend ohne die Volkserziehung zur Volksgesundung. 
Hier muß die religiös-sittliche Einwirkung ihre Schuldigkeit tun, aber nicht 
allein oder für sich, sondern auf allen drei Gebieten muß ein Zusammenwirken 
stattdnden und insbesondere vor der Ueberschätzung der Kräfte der einzelnen 
Faktoren muß unbedingt gewarnt werden. Die Gesundheit der nach »»■« 
folgenden Generation zu erhalten und zu festigen, ist eine Aufgabe, der wir 



Tagesnachrichten. 


381 


uns, gerade in Rücksicht auf die schweren Blutopfer, die Deutschland gebracht 
hat, unterziehen müssen. Zur Durchführung und Erfüllung dieser Aufgaben 
soll der Antrag beitragen. 

D. t. Trott zu Solz, Minister der geistlichen und Unterrichtsangelegen- 
heiten, erklärt sich zunächst mit dem Wunsche, daß eine weitgehende Unter¬ 
stützung der Bestrebungen zur Bekämpfang der Geschlechtskrankheiten 
erfolgen möge, einverstanden; das sei jedoch schon bisher geschehen und werde 
auch künftig durch das Ministerium des Innern, zu dessen Geschäftsbereich 
derartige. Unterstützungen gehören, erfolgen, wenn diese Gesellschaften wert¬ 
volle Dienste in dem Kampfe gegen die Geschlechtskrankheiten leisten und die 
Behörden bei dieser Aufgabe unterstützen. Auch den Wunsch betreffs Auf¬ 
nahme der Haut-und Geschlechtskrankheiten als besonderes Prüfungsfach 
bei der ärztlichen Staatsprüfung hält der Minister für berechtigt und 
erklärt sich bereit, ihn bei den darüber zurzeit schwebenden Verhandlungen 
zur Geltung zu bringen. Desgleichen wird er der von ihm ebenfalls als be¬ 
rechtigt anerkannten Forderung, daß bei der Lehrerausbildung auf die 
Sexualpädagogik die gebührende Rücksicht genommen werde, im Rahmen 
der hier ausgesprochenen Wünsche Folge geben nnd für eine stärkere Berück¬ 
sichtigung der Sexualpädagogik bei der Ausbildung und Prülung für das Lehr¬ 
amt Sorge tragen. Die Lehrer müssen immer mehr zu Erziehern der 
Jugend gemacht werden, damit sie auch Einblick in deren körperliche Ent¬ 
wicklung haben, and mehr Einsicht erhalten von dem Einfluß, den diese Ent¬ 
wicklung auf Seele und Gemüt der Jugend ausübt. Sie sollen Verständnis 
haben für die Freuden, für die Bedürfnisse der Jugend, aber auch für ihre Nöte 
und die Gefahren, die ihre Entwicklung zur Reife begleiten. Dazu hat die 
Schule die Mittel auf ethischem Gebiete. Ihr ist von jeher die sittlich-ethische 
Einwirkung auf die ihr anvertraute Jugend oberster Grundsatz der Erziehung 
gewesen, und auf diesem Wege wird sie beharren müssen. Je mehr der Wille 
gestärkt, der Charakter gefestigt wird, um so mehr wird die Jugend vor Ver¬ 
irrungen auch in geschlechtlicher Hinsicht bewahrt werden. Nach, diesem 
Ziele, nach der Festigung des Charakters und des Willens, strebt die Schul¬ 
verwaltung planmäßig hin. 8ie tut es auch durch eine stärkere Anspannung 
des jugendlichen Körpers, indem sie ganz bewußt unter dem Gesichts¬ 
punkt, vor geschlechtlichen Verirrungen zu bewahren, Turnen, Bewegung im 
Freien, Spiel und Sport fördert. Sie tut es vor allem aber in dem Unterricht 
selbst, wozu dieser in den verschiedenen Lehrfächern, besonders im Religions-, 
Geschichte- und naturwissenschaftlichen Unterricht mannigfache Gelegenheit 
gibt. Darauf, daß diese Aufgabe von den Lehrern immer besser erfüllt wird, 
wird das eifrige Bemühen der Schulverwaltung sein. Nicht Aufgabe der 
8chule ist es dagegen, in dem Unterricht direkte sexuelleBelehrungen 
zu geben; das könnte verhängnisvolle Folgen für das Erziehungswerk bringen. 
.Anders liegt die Sache, wenn den Schülern der höheren Lehranstalten nach 
Ablegung der Reifeprüfung vor ihrer Entlassung von berufener Seite eine Be¬ 
lehrung gegeben wird, in der sie vor den ihnen drohenden sittlichen Gefahren 
gewarnt werden. Dabei ist aber die Zustimmung der Eltern nicht zu ent¬ 
behren; auch muß die Gewähr gegeben sein, daß der Belehrende mit Takt 
zu verfahren und seine Hörer mit ethischer Ueberzeugungskraft zu belehren 
vermag. Solche Versuche sind schon wiederholt mit gutem Erfolge gemacht 
worden. Man soll sich jedoch von diesen Aufklärungen nicht zu viel ver¬ 
sprechen, denn auch unter den völlig Aufgeklärten, z. B. unter den Studenten 
der Medizin, grassiert die Seuche nicht weniger als unter den Studenten der 
anderen Fakultäten. Wollen wir eine wirkliche Besserung auf diesem Ge¬ 
biete, dann müssen Ethik, Moral und Religion mitwirken; ohne sie 
geht es nicht. Gewiß muß von den berufenen Stellen alles Geeignete auf 
polizeilichem, strafrechtlichem, hygienischem und sanitärem Gebiete geschehen; 
aber damit allein ist es nicht getan. Wenn allgemein im Leben des Volkes, 
namentlich auch in seinen gebildeten Kreisen, nicht auf eine größere Sitt¬ 
lichkeit hingestrebt wird, wenn es nicht gelingt, die in Religion.und Moral 
beruhenden Kräfte zu beleben, das Verantwortungsgefühl des einzelnen gegen 
sich selbst und gegen die Allgemeinheit zu stäzken und ihn von der Laxheit 
der Auffassung in geschlechtlichen Dingen zu befreien, dann wird es nicht 
möglich sein, dem Uebel, das an der Wurzel des Volkes nagt, wirklich Ab¬ 
bruch zu tun. 



382 


Tagesnachrichten. 


Fürstbischof Dr. Bertram-Bres)an schließt sich im großen and ganzen den 
Ausführungen der Vorredner an. Alle Faktoren, die zur Erziehung des Menschen 
mitzuwirken haben, müssen hier Hand in Hand arbeiten, neben den Eltern die 
Schule, die Kirche und auch die Vereine, die sich für Jugendliche besonders 
eignen. Insbesondere hat die Kirche als Hüterin des christlichen Sitten¬ 
gesetzes die Menschheit zu sittlich-religiösem Denken und Handeln zu erziehen. 
Mit Aufklärungen und mit Warnungen vor den Üblen Folgen allein ist oft 
recht wenig getan. Aufklärung kann nützen, wenn sie zur rechten Zeit und 
in recht diskreter Form dargeboten wird; Aufklärungen müssen schaden, wenn 
sie zur Unzeit dargeboten werden, und ohne zarte Diskretion erfolgen. llednCr 
befürwortet dann den von ihm gestellten Verbesserungsantrag, wonach dCr 
Abs. lc (in dem ursprünglichen Antrag Ziffer 3) die Fassuug erhalten soll: 
„eine zur Verhütung geschlechtlicher Verirrungen geeignete 
sittlich festigende Beeinflussung der Schüler und Schülerinnen 
aller Schulgattungen“. Außerdem bittet er in Abs. 1 d (früher Nr. 6) die 
Erwähnung bestimmter Organisationen, die unterstützt werden sollen, zu 
streichen. 

Nach einem Schiaßworte des Berichterstatters Prof. Dr. Neubet - , in dem 
er noch besonders hervorbebt, daß bei der Sexualpädagogik die Medizin 
nicht vernachlässigt werden darf und sich für die Erteilung des betreffendeü 
Unterrichts an höheren Schulen besonders der Arzt eigne, wird der Antrag 
v. Bissing mit den vom Fürstbischof Dr, Bertram vorgeschlagenen 
Aenderungen angenommen. 


60jähriges Doktorjubiläum. Am 15. d. Mts. hat der Geh. Med.-Eat 
Dr. Max Hirsch in Magdeburg sein 50jähriges Doktorjubiläum gefeiert. Er 
ist, seit dem er im Jahre 1867 die ärztliche Prüfung in Halle a. S. bestanden hat, 
stets ia seiner Heimatstadt als praktischer Arzt tätig gewesen. Im Jahre 1874 
wurde er Mitglied des Medizinalkollegiums für die Provinz Sachsen und im 
Jahre 1895 zum Regierungs- und Mcdizinalrat bei der Regierung in Magdeburg 
ernannt. Gesundheitliche Verhältnisse zwangen ihn, aus dieser Stellung im 
Jahre 1906 aaszuscheiden. Erfreulicherweise hat sich aber seitdem sein Ge¬ 
sundheitszustand so gebessert, daß er sein Jubiläum in voller körperlicher und 
geistiger Frische feiern konnte. Möge ihm diese Frische noch viele Jahre 
erhalten bleiben! 


Die Vereinigung fllr Familien wohl im Regierungsbezirk Düsseldorf 

hat vor kurzem unter dem Vorsitz des Regierungspräsidenten Dr. Kruse eine 
Versammlung der Vorsitzenden aller Ausschüsse abgehalten. Nack 
den Berichten über die bisherigen Arbeiten sind in den Ausschüssen mehr als 
200 Mitglieder aus allen Berufsständen vereinigt, die an der großen Frage, 
wie dem Geburtenrückgang im deutschen Volk entgegenzutreten sei, eifrig und 
mit großem Sachverständnis arbeiten. Die Zuerkennung von Ehrengaben an 
kinderreiche Mütter hat bei den bedachten Müttern das Bewußtsein geweckt 
und gestärkt, daß sie durch die Pflege und Erziehung so zahlreicher Kinder 
dem Vaterlande einen großen Dienst geleistet haben, und daß dieses Verdienst 
anerkannt wird. Jedenfalls steht die erfreuliche Tatsache fest, daß es auch 
in den minderbemittelten Schichten des Volkes und in einem großen indu¬ 
striellen Bezirk noch sehr zahlreiche Mütter gibt, die eine große Zahl von 
Kindern erfolgreich groß ziehen. Die Vereinigung schöpft aus dieser Tatsache 
die Gewißheit, daß eine befriedigende Lösung dieser wichtigen Lebensfrage des 
deutschen Volkes keine Unmöglichkeit sei. Man war in der Versammlung der 
Meinung, daß das Problem zwar im Grande ein sittliches und ethisches sei, 
daß es aber praktisch nicht durch sittliche und religiöse Einflüsse allein ge¬ 
löst werden könne, sondern daß durchgreifende wirtschaftliche und soziale 
Hilfe für die kinderreichen Familien notwendig sei. Die Wohnungsfrage, die 
Lohn- und Gehaltsfrage und auch die Steuerfrage sind von den Ausschüssen 
eingehend untersucht worden. Vorschläge und Gedanken werden demnächst in 
Berichten und Anträgen greifbare Gestalt erhalten. Mit Befriedigung wurde 
festgestellt, daß sich die Ueffentlichkeit, namentlich Presse, Parlament und 
Regierung fortgesetzt mit der Frage der Erhaltung der Volkskraft durch Be¬ 
kämpfung des Geburtenrückgangs befassen. Besonders wurde noch betont, daß 



Tagesnachrichten. 


383 


bei Torbandenen Stiftungen und bei Einrichtungen von Kinderheimen, Ferien¬ 
kolonien usw. schon heute Wert darauf gelegt werden sollte, kinderreiche 
Familien regelmäßig vorznziehen. (Kölnische Zeitung vom 14. Juli 1916.) 


In Gegenwart der hohen Protektorin Ihrer Königlichen Hoheit 
der Herzogin Viktoria Luise zu Braunschweig und Lüneburg 
findet am Mittwoch, den 21. Juni 1916, vormittags 11 Uhr in Berlin 
im Sitzungssaal des Herrenhauses die Griindungs-Versammlung von „Deutsch¬ 
lands Spende für Säuglings- nnd Kleinkinderschutz“ statt. Auf die Tages¬ 
ordnung sind gestellt: 1. Begrüßungsansprache des Vorsitzenden, Kabinets- 
rat a. D. Dr. Dr. v. Behr-Pinnow; 2. Vortrag von Prof. Dr. Langstein: 
„Die Aufgaben des Säuglings- und Kleinkinderschutzes im Deutschen Reiche;“ 
ö. Geschäftsbericht erstattet von Hof rat Meier. 


Preisausschreiben fiiz künstliche Beine. Die Gesellschaft für Chirurgie- 
Mechanik in Berlin hat auf der am 27. April im Kaiserin Friedrich-Haus zu 
Berlin stattgehabten Hauptversammlung einstimmig beschlossen, 10000 Mark 
als Preise für neue und beste Konstruktionen von künstlichen Beinen aus¬ 
zusetzen. 


Ehrentafel. Es haben weiterhin erhalten das 

Eiserne Kreuz I. Kasse: 

Oberarzt d. Res. Dr. A g e r 1 e y - Augustenburg (Holstein). 
Generaloberarzt Dr. Do ebb elin-Düsseldorf, Korpsarzt des IX. Armee¬ 
korps. 

Generalarzt Dr. Haeckel -Stuttgart. 

Stabsarzt d. Res. Dr. Benno Hailauer-Charlottenburg. 

Oberarzt d. Res. Dr. Bruno H ä u s e r - Hohenstein (Ostpreußen). 
Stabsarzt d. Res. Dr. Willers Jessen-Celle. 

Assistenzarzt d. Res. Dr. Fritz L a q u e r - Frankfurt a. M. 

Stabsarzt d. Res. Dr. Emil Löwisohn-Breslau. 

Obergeneralarzt Dr. Reh-München. 

Stabsarzt d. L. und Reg.-Arzt Dr. W. Relpen-Siegen. 

Generalober- und Divisionsarzt Dr. Reischauer-Jauer (Schlesien). 
Stabsarzt d. L. San.-Rat Ernst Rothschuh-Aachen. 

Oberstabs- und Korpsarzt Dr. Schulz- Mühlheim a. Ruhr. 

Stabsarzt d. L. Dr. Stolper-Schweidnitz. 

General- und Korpsarzt Dr. Würdinger-München. 

Das Eiserne Kreuz II. Klasse: 

Stabs- und Reg.-Arzt Dr. Eduard Schmitt-Edesheim, staatsärztlich 
geprüft. 

Oberarzt d. Res. Dr. Stölting, Kreisassistenzarzt in Stade. 

Stabs- und Bataillonsarzt d. Res. Dr. Ludwig Z o r n - Frankenthal (Pfalz) 
staatsärztlich geprüft. 

Außerdem haben erhalten: Den Bayerische Militär-Vedienst- 
Orden IV. Klasse: die staatsärztl. geprüften Aerzte Stabs- u. Regimentsarzt 
Dr. Eduard Schmitt-Edesheim (Pfalz) und Stabs- und Bataillonsarzt Dr. 
Ludwig Zorn-Frankentbal (Pfalz); das König 1. Sächsische Kriegs¬ 
verdienstkreuz: Prof. Dr. Kruse-Leipzig; das Großherzoglich 
Hessische Sanitätskreuz am Bande der Tapferkeitsmedaille: 
Generaloberarzt und Reservelazarettdirektor Dr. Siegert, Stabs- und Chefarzt 
Med.-Rat Prof. Dr. Walther, Oberstabsarzt San.-Rat Dr. Zinsser, sämt¬ 
lich in Gießen; das Bremische Hanseatenkreuz: Oberarzt d. Res. 
Stölting, Kreisassistenzarzt in Stade. 


Ehren-Ctod&ehtniatafiel. Für das Vaterland gefallen sind ferner: 
Oberarzt d. Res. Dr. Paul Bert-Miltenberg (Unterfranken). 

Dr. Erich Bosse-Kosten (Posen), Kreisarzt in Konin (Russ.-Polen;., an 
Flecktyphus gestorben. 

Oberarzt d. Res. Dr. G. Breitning-Lankwitz bei Berlin (an Fleck¬ 
typhus gestorben). 



364 


Tagesnachrichten. 


Oberarzt d. Res. Dr. Wilh. B u 1 a c h -■Tübingen. 

Oberstabsarzt Dr. Otto Barkhardt-Dresden. 

Assistenzarzt d. L. und Bataillonsarzt Dr. Paul Eichwald-Hannover 
Stabsarzt d. L. Dr. Rudolf Goering-Friedrichroda (Thüringen) (an 
Herzschlag gestorben). 

Oberarzt d. Res. Dr. Marian Gorski-Jaroslawitz (Posen). 

Feld Unterarzt Erich Grahlmann-Esens (Ostfriesland). 

Vertragsarzt Dr. Granau- Ktlhlow bei Neubrandenburg (infolge von 
Krankheit gestorben). 

Feldunterarzt W. Henrard. 

Feldunterarzt Hans Hensel-Scblawa (Schlesien). 

Oberstabsarzt d. L. San.-Rat Dr. Hiddemann-Hückeswagen (Reg.-Bez. 
Düsseldorf). 

Stabsarzt d. Res. Dr. Franz Hoffmann• Görlitz. 

Stabsarzt d. Res. Dr. Walter K allem berge r - Klostcrreichenbach 
(Württemberg). 

Assistenzarzt Dr. H. Küstin. 

Assistenzarzt d. Res. Dr. Lehmann, 74. Inf.-Regt. 

Vertragsarzt Dr. Ludwig Lis sauer-Berlin-Neukölln. 

Oberstabsarzt Dr. Arthur M a r t i n - Longeville bei Metz. 
Marineassistenzarzt d. Res. Dr. Ludwig S c h a 11 e r - Stuttgart. 
Marineunterarzt Dr. H. E. Schönitz-Berlin. 

Oberarzt d. L. Dr. Emil Sch reib er-Darmstadt (in russischer Gefangen¬ 
schaft gestorben). 

Stabsarzt d. Res. Dr. Paul Schulz-Bremen. 

Feldunterarzt P. Wertheim. 

Generaloberarzt Dr. Wichmann-Branitz (Oberschlesien) (infolge von 
Krankheit gestorben). 

Marineoberstabsarzt d. L. Dr. Ernst Win ekler- Bremen. 


Cholera. Im Deutschen Reiche sind ebenso wie in Oesterreich 
und Ungarn keine Erkrankungen an Cholera mehr vorgekommen und in 
Bosnien und der Herzegowina nur eine Erkrankung in der Woche vom 
14. bis 20. Mai. 

Fleckfleber. Im Deutschen Reiche sind vom 21. Mai bis 3. Juni 
3 und 4 Erkrankungen unter Kriegsgefangenen ermittelt, in Oesterreich vom 
19. März bis 22. April: 731, 672, 677, 610 und 677 (davon in Galizien und 
in der Bukowina: 440, 489, 431, 532 und 688), in Ungarn vom 24. April 
bis 7. Mai 13 bezw. 15 Erkrankungen. 

Pocken. In den drei Wochen vom 21. Mai bis 10. Juni sind im 
Deutschen Reiche 6, 8 und 6 Erkrankungen festgestellt, in Oesterreich 
in den Wochen vom 19. März bis 22. April: 1171, 934, 822, 600 und 408 Er* 
krankungen (dsvon in Galizien und in der Bukowina: 1095, 846, 754, 
521 und 332). _ 


Erkrankungen und Todesf&lle an ansteckenden Krankheiten in 
Preuften. Nach dem Ministerialblatt für Medizinal-Angelegenheiten sind in der 
Zeit vom 7. bis 27. Mai 1916 erkrankt (gestorben) an Pest, Gelbfieber,. 
Fleckfieber, Cholera, Trichinose, Rotz, Aussatz, Tollwut, 
Milzbrand: — (—), — (—), — (—); Bißverletzungen durch toll¬ 
wutverdächtige Tiere: 8 (—), 6 (—), 9 (—); Pocken: 13 (—), 4 (2), 

3 (—); Unterleibstyphus: 124 (11), 147 (15), 132 (8); Ruhr: 18 (2), 
26 (3), 29 (2); Diphtherie: 1960 (110), 1962(92), 2007 (125); Scharlach: 
1349 (62), 1212(58), 1378 ( 56 ); Kindbe11fieber: 57 (13), 57 (19), 45(10);. 
Genickstarre: 24 (8), 18 (7), 19 (9); Fleisch-, Fisch- undWurst,- 
vergiftung: 1 (—), 66 <—), 11 (—); Körnerkrankheit (erkrankt): 
79, 91, 127; Tuberkulose (gestorben): 894, 958, 900. 


Redakteur: Prof. Dr. Rapmund, Geh. Med.-Rat in Minden i.W. 

J. O. O. Brnna, Herxogl. Biehn, o. F. Sch.- L. Hofbnchdrmekxrel 1 b Miodev. 





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für da« gesamte öebfcl <f«f guHchtitetw !$&$£&; ii$ä PsycHmhUv 
des steafHßhen und private« Vsrsickerumis.^«seös; sowie Wr des 
Nted^oal und öiffentiloiie Gesundheiten«^ dinsehlieUilol« de*- 
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29. Jahrg. 


Zeitschrift 


1916. 


für 


MEDIZINALBEAMTE. 


Zentralblatt 

fflr das gesamte Gebiet der gerichtlichen Medizin und Psychiatrie, 
des staatlichen und privaten Versicherungswesens, sowie für das 
Medizinal- und öffentliche Gesundheitswesen, einschließlich der 

Hygiene und Bakteriologie. 

Herausgegeben 

TOD 

Prof. Dr. OTTO RAPMUND, 

Geh. Med.-Rat ln Minden I.W. 


Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, Sächsischen, 
Wörttembergisohen, Badischen, Hessischen, Mecklenburgischen, Thüringischen, 
Braunschweigischen und Eisass-Lothringischen Medizinalbeamtenvereins. 


Verlag von PiSeher’s med. Buehhandlg H. Kornfeld, 

Hwsogi. Bayer. Hol- n. K. u. K. Kamnmr-Bnohlitartler. 

Berlin W. 62, Keithstr. 5. 

inislfoa nehmen 4h V eri»gehendlung sowie eile Anseifenemnehmesteilen des In- 

nnd Ausland«! entgegen. 


Nr. 13. 


Erscheint am 5. und feO. Jeden Monate. 


5. Juli. 


Aus dem Hygienischen Institut der Universität Halle 
(stellvertretender Direktor: Privatdozent Dr. W. Schürmann). 

Ein Fall von Meningitis, herbeigeführt durch einen 
milzbrandähnlichen Bacillus. 

Von Privatdozent Dr. W. SchUrmann. 

Am 20. Januar ds. Js. wurde aus Erfurt dem Untersuchungs¬ 
amt für ansteckende Krankheiten ein Lumbalpunktat zur Unter¬ 
suchung auf Meningokokken zugesandt. Das Ergebnis der 
bakteriologischen Untersuchung ergab einen in die Gruppe des 
Milzbranderregers gehörenden Bacillus, über den ich später ge¬ 
nauer berichten werde. 

In der Literatur sind von verschiedenen Autoren dem Milzbrand sehr 
nahe verwandte Bazillen beschrieben worden, so von H a r 11 e b und 81 n t z e r 1 ), 
die einen Bacillus pseudanthracis (Burri)*) im amerikanischen Fleischmcbl 
feststellten, der Eigenbewegung hatte, die hauptsächlich bei Züchtung in 
Bouillon auftrat. In der Bouillon beobachteten sie diffuse Trübung mit späterer 
Klärung und Häutohenbildung. Die Virulenz für Mäuse und Meerschweinchen 


') Zentralblatt für Bakteriologie; 2. Abt, Bd. 23, 8. 81. 
*) Hygienische Rundschau; 1904, H. 8. 











386 


Dr. W. Schürmann: Ein Fall von Meningitis, 


war gering. Bei Brnttemperatnr zeigte sich ausgiebige Sporenbildung; im 
übrigen waren alle Merkmale dem Milzbrandbacillus täuschend ähnlich. 

Von H-neppe und Wood wurden aus dem Boden (Wasser und Erde) 
Bazillen gezüchtet, die den Milzbrandbazillen zum Verwechseln gleichen. Sie 
sind unbeweglich; mikroskopisch sind sie dem Bacillus subtilis ähnlicher. 
Hueppe nennt seinen Bacillus „anthracoides“. — Weiter wurde von Mc. Far- 
land 8 ) ein vollkommen apathogener Milzbrandbacillus auf einer Laboratoriums¬ 
platte nachgewiesen, den er als Bacillus anthracis similis bezeichnet. — 
Zikes 4 ) züchtete aus Wasser einen milzbrandähnlichen Mikroorganismus, der 
sich vom Milzbrandbacillus nur durch Apathogenität und Beweglichkeit unter¬ 
scheidet. Weiter hat Baumann 6 ) einen beweglichen milzbrandähnlichen 
Bacillus aus dem Brunnenwasser gezüchtet, der auf Bouillon Häutchen bildete, 
Gelatine verflüssigte und Milch koagulierte. Dieses Bakterium war nur für 
Mäuse pathogen. — Ferner sind von Klein im Blut einer Kuh, die an Milz¬ 
brand gestorben sein sollte, milzbrandähnliche Bazillen gefunden, „Baz. sessilis“ 
genannt. — Von Kaesewurm*) ist ein Pseudomilzbrandbacillus beschrieben 
worden, den er in Substraten tierischen Ursprungs, Blut, Milzsaft, Milch, auf 
Heu, Fließpapierstückchen, Wollfäden usw. fand. Dieser Pseudo-Milzbrand- 
b&cillus unterscheidet sich von dem echten Milzbrandbacillus durch den Mangel 
an Pathogenität, durch Eigenbewegung, ferner durch Trübung der Bouillon, 
Häutchenbildung und bandförmiges Wachstum in Nährgelatine unter energi¬ 
scher Verflüssigung derselben. Von dem Bacillus anthracoides Hueppe 
und dem Bacillus Wahrlich unterscheidet er sich ebenfalls durch Eigen¬ 
bewegung, und von dem enteren noch dadurch, daß er nicht wie dieser end¬ 
ständige Sporen bildet. Er scheint dagegen mit dem von Burri 7 ) und Baas 8 ) 
beschriebenen Bacillus pseudanthracis identisch zu sein. — Der Vollständigkeit 
halber sei noch an die Untersuchungen von Ottolenghi 9 ) erinnert, der in 
3 Fällen milzbrandähnliche Stäbchen nachweisen konnte, die aber eher in die 
Gruppe des Bacillus subtilis gehören. Von Canestrini wurden in kranken 
Bienen und ihren Larven langsam bewegliche, Gelatine verflüssigende, für Meer¬ 
schweinchen und Mäuse nicht pathogene Bazillen festgestellt. Sie gehören 
wahrscheinlich, wie der Bacillus der Aalseuche, in die Gruppe der Heubazillen. 
Hierher gehört auch der von Klein beschriebene Bacillus leptosporus. 

Bevor ich auf den bakteriologischen Teil eingehe, möchte 
ich kurt die Krankengeschichte mitteilen: 

Es handelt sich um das Kind Walter Bornberg, das 
wegen starken Erbrechens in das Erfurter Krankenhaus ge¬ 
bracht war. Aus der Vorgeschichte ist zu erwähnen, daß es 
im Sommer vorigen Jahres Krupp mit Tracheotomie im Kranken¬ 
haus durchgemacht hatte. Seit Anfang August 1914 hatte 
das Kind in dem Erfurter Auguste Victoria-Stift gelebt. Es 
ist dies eine sehr gut eingerichtete Erziehungs- und Pflege- 
Anstalt, in der etwa 50 schulpflichtige und 40 nicht schul¬ 
pflichtige Kinder untergebracht sind. In den Monaten vor und 
nach dem Tode des Kindes Bornberg war nur noch ein ein¬ 
ziger weiterer Fall von Meningitis mit tödlichem Ausgang unter 
diesen Kindern vorgekommen, bei dem aber im Lumbalpunktat 
echte Meningokokken nachgewiesen wurden. — Die Mutter 
des Knaben Bornberg ist vor etwa vier Jahren an Lungen¬ 
tuberkulose gestorben. Der Vater ist Ziramermann und arbeitet 

*) Zentralblatt für Bakteriologie; Orig.-Bd. 24, S. 566. 

4 ) Zentralblatt für Bakteriologie; Bef, 1. Abt., Bd. 32, S. 389. 

•) Hygienische Rundschau; 1905, S. 7. 

6 ) Zeitschr. f. Fleisch- und Milchhygiene; 1904, 14. Jahrg., IL 5. 

7 ) 1. c. 

") Baas: Inauguraldissertation; Straßburg 1903. 

•) Zentralblatt für Bakteriologie; Ref.-Bd. 34, S. 380. 



herbeigeführt durch einen milzbrand&hnlichen Bacillus. 887 

schon seit langer Zeit auf der Werft in Wilhelmshaven. Br 
war zu Weihnachten beurlaubt und hatte seine beiden Kinder 
vorübergehend in seine alte Wohnung genommen. Aber weder 
hier noch in 2 Wohnungen, wo sich die Kinder sonst während 
dieser Zeit vorübergehend aufgehalten haben, war Gelegenheit 
zu einer Milzbrandübertragung. Der Ausbruch der Erkrankung 
ist am 16. Januar d. J. plötzlich erfolgt. Das Kind hatte mit 
den andern Kindern gespielt, war die letzten Tage munter und 
bei Appetit gewesen. Fieber hatte es nicht gehabt, auch sonst 
wurde nichts Auffälliges an dem Kinde bemerkt. Mitten im 
Kreise seiner Gespielen hatte das Kind plötzlich aufgeschrieen, 
war blaß geworden und hatte sich in Krämpfen gewälzt. Bald 
trat heftiges Erbrechen dazu, worauf das Kind ins Krankenhaus 
gebracht wurde. Hier wurde folgender Befund festgestellt: 

Mittelkräftiges, 4'/* Jahre altes Kind von blasser Gesichtsfarbe, schwer¬ 
krankem Gesichtsausdrnck. 

Bewußtsein völlig getrübt; das Kind zeigt für nichts Interesse; ist 
auch völlig teilnahmlos bei Berührung und läßt bei schmerzhaften Berührungen 
keine Aeußerungen hören. 

Lebhafte Unruhe, Hin- und Herwälzen im Bett. 

Körpertemperatur stark erhöht. 

Kopf: Zuckungen im Facialisgebiet, auch Reizung des Trigeminus 
(Knirschen der Zähne). 

Die Pupillen sind verengt und die Augen stehen nach außen. 

Zunge etwas belegt; Ohren starke Eiterung und übler Geruch. 

Hals: Der Kopf ist tief ins Bett hineingewühlt, es besteht absolute 
Nackensteifigkeit; versucht man dennoch den Kopf nach vorn au beugen, 
so wird der ganze Körper mitgehoben und dabei die Beine im Knie gebeugt. 
Ebenso Drehen des Kopfes unmöglich. 

Wirbelsäule: Bei Druck auf die Proc. spin. nehmen Unruhe und 
Jaktation zu. 

Lunge: o. B., Respiration beschleunigt. 

Herz: Aktion sehr beschleunigt, Spitzenstoß kräftig fühlbar. 

P u 18: sehr frequent, klein. 

Abdomen: etwas eingesunken, jedoch nicht sehr stark. 

Die Harnentleerung geht unwillkürlich vor sieb, fast dauernd liegt das 
Kind naß. 

Extremitäten: Beine immer leicht im Knie gebeugt; 

Sensibilität bei Berührung nicht erhöht, fast vermindert. 

Reflexe: sehr gesteigert; schon bei Betupfen mit dem Finger ist der 
Patellarreflex auslösbar. 

Temperaturkurve siehe nachstehend. 

Therapie: Lumbalpunktion. Von dem unter hohem Druck 
(etwa 280 mm Wassersäule) stehenden Lumbalpunktat, das 
bei seinem Austritt sehr intensiv trüb und fast eitrig aussah, 
wurden etwa 40 ccm Flüssigkeit langsam abgelassen, bis der 
Druok auf etwa 120 mm Wassersäule gesunken ist. 

Weitere Verordnung: Eisbeutel auf den Kopf. 

Nach der Lumbalpunktion war das Allgemeinbefinden 
etwas gebessert; die Jaktationen ließen nach und traten nur 
noch selten auf. Temperatur sank, Puls blieb jedoch hoch. 

Am 18. Januar nachts war das Kind wieder unruhiger, 
schrie viel, wälzte sich hin und her; dazu trat starkes Durst¬ 
gefühl, es trank sehr oft, brach aber die genossene Flüssigkeit 
bald wieder aus. 



388 


Dr. W. Schürmann: Ein Fall von Meningitis, 


In der Frühe war wieder ein 
Höhersteigen der Temperatur zu 
verzeichnen. Die Unruhe legte 
sich bald, ebenso hörte das Er¬ 
brechen trotz reichlicher Flüssig¬ 
keitszufuhr auf. Der Puls war 
immer noch frequent und kräftig. 

Abends trat mit zunehmender 
Temperatur abermals eine Ver¬ 
schlimmerung ein: Erbrechen, 
hoher, kaum fühlbarer Puls, dazu 
häufiges Aufschreien und stän¬ 
dige Jaktationen. 

19. Januar 1916: Auch in 
dieser Nacht wieder ständige Un¬ 
ruhe des Kindes, das sehr viel 
trank, die Flüssigkeit aber wieder 
erbrach. Gegen Mittag zeigte 
sich Cheyne-Stokesches At- 
mungsph änomen. 

Um 3*/j Uhr nachmittags starb 
das Kind. 

Wie aus der Krankengeschichte hervorgeht, ist das Kind 
unter ausgesprochenen Symptomen einer Genickstarre zugrunde 
gegangen. Leider ist die Sektion verweigert worden. Das 
von uns in Halle untersuchte Lumbalpunatat dieses Falles 
hat folgendes ergeben: 

Tuberkelbazillen konnten nicht nachgewiesen werden; 
ebenso brachte das Kulturverfahren für Meningokokken ein 
negatives Ergebnis. Dagegen fanden sich plumpe, ziemlich 
lange Stäbchen, die schwache Eigenbewegung zeigten. 

Auf den mit dem Material beschickten Agarplatten waren 
Kolonien gewachsen, die sich von Milzbrandkolonien äußerlich 
nicht unterschieden. Die typische Form des Medusenhauptes 
mit lockigen aufgefaserten Randpartien war deutlich ausgebildet. 
Eine weitere Prüfung der Einzelkolonie wurde in flüssigen 
Nährböden vorgenommen. Bouillon wurde gleichmäßig ge¬ 
trübt. Es bildete sich nach dem Aufschütteln und weiterer 
Bebrütung bei 37 0 C. auf der Oberfläche ein Häutchen. Mittel¬ 
ständige Sporen wurden gebildet. Milch wurde zur Gerinnung 
gebracht, das Koagulum aber später nicht wieder aufgelöst. 
Gasbildung fehlte. 

Die in Bouillon gewachsenen Bazillen zeigten schwache 
Eigenbewegung. 

Die mit der Reinkultur geimpften Mäuse sind nach 
48 Stunden gestorben; in ihrem Blute ließen sich die gleichen 
Bazillen nachweisen. 

Auf Grund unserer Untersuchung (siehe auoh die neben¬ 
stehende Uebersicht) wurde die Diagnose abgegeben: 


Temperatur - Kurve. 



*) 3X Erbrechen. *) Einlauf. 8 ) Lumbalpunktion. 4 ) Kampfer 4 X 1,0 g- 











390 


Dr. W. Schürmann: Ein Fall von Meningitis, 


Tuberkelbazillen negativ. 

Meningokokken negativ; dagegen milzbrand- 
ähnliche Stäbchen. 

Die Ermittelungen des zuständigen Kreisarztes konnten 
nicht den geringsten Anhalt für die Möglichkeit einer Milz¬ 
brandinfektion bei dem Kinde Bornberg finden. Daß es sich 
aber mit Sicherheit um eine durch einen milzbrandähnlichen 
Bacillus herbeigeführte Meningitis hier handelte, . ergab ein¬ 
deutig die bakteriologische Diagnose. 

Im übrigen sind in der Literatur Fälle von Meningitis 
durch Infektion mit Milzbrandbazillen herbeigeführt bekannt. 
Curschmann fand bei einer Milzbrandsepsis ohne nachweis¬ 
bare Eingangspforte als Ursache stark hervortretender Gehirn¬ 
erscheinungen massenhafte Blutungen in der Hirnrinde. Ein 
weiterer Fall von Milzbrandmeningitis ist von Councilman W. T., 
Mallory F. B. und Wright J. H. beschrieben. 

Weiter möchte ich einen bisher noch unveröffentlichten 
Fall von Meningitis anthracis kurz mitteilen, den ich während 
meiner Tätigkeit als Leiter des Untersuchungsamtes am Institut 
zur Erforschung der Infektionskrankheiten in Bern Gelegenheit 
hatte, bakteriologisch festzustellen. Es handelte sich um einen 
Arbeiter einer Bürstenfabrik der Westschweiz, der sich beim 
Hantieren mit Borsten am Finger ein Milzbrandkarbunkel zu¬ 
gezogen hatte. Durch Kratzen mit seinem infizierten Finger 
setzte er sich zwei neue Milzbrandkarbunkel im Nacken, die 
er weiter gar nicht beachtete. Nach 3 weiteren Tagen wurde 
der Mann während der Arbeit plötzlich schwindelig, erholte 
sich aber nach einigen Minuten. . Erst aitt nächsten Tage setzte 
ein erneuter Schwindelanfall ein; es traten meningitische 
Symptome hinzu. Das entnommene Lumbalpunktat fiel bei 
der Entnahme durch seine dunkelrote (rostfarbene) Färbung 
auf. Bakteriologisch wurden von uns morphologisch und 
kulturell typische Milzbrandbazillen in Reinkultur nachgewiesen, 
die sich auch für Mäuse und Meerschweinchen als pathogen 
erwiesen. Der Kranke ist bald gestorben. 

Was den Fall Bornberg weiter betrifft, so haben spätere 
Ermittelungen des zuständigen Kreisarztes ergeben, daß der 
Knabe kurz vor seiner Erkrankung sich mit Spielsachen 
beschäftigt hatte, die vielleicht zu seiner Erkrankung bei¬ 
getragen haben konnten, z. B. mit 2 hölzernen Pferdchen (einem 
braunen und einem weißen) mit Mähne und Schwanz aus 
Borsten und Roßhaaren, die er Weihnachten 1915 erhalten 
hatte, ferner mit einem mit Fell bekleideten kleinen Ziegen¬ 
bock und mit einer Kuh. Beim Spielen trug der Knabe ge¬ 
wöhnlich eine Lederschürze. Auf eine Anfrage des Kreis¬ 
arztes hin wurden diese Gegenstände dem Untersuchungs¬ 
amt für ansteckende Krankheiten hier zur Untersuchung auf 
Milzbranderreger überwiesen; die Sachen waren noch nicht 
desinfiziert. Es wurden mit sterilen Instrumenten aus den 
beiden übersandten Lederschürzen, dann aus dem Ziegenfell 



herbeigeftthrt durch eines tnilzbrand&hnlichen BacillnB. 891 

und Kuhfell kleine Teile aus verschiedenen Stellen für die 
Untersuchung herausgeschnitten. Außerdem wurde Schweif 
und Mähne der Pferdchen abgeschnitten Und kulturell ver¬ 
arbeitet. Wir gingen bei unsern Untersuchungen so vor, daß 
wir einen Teil der zu verwendenden Stückchen bezw. Borsten 
(Schweif) für kurze Zeit in sterile Bouillon eintauchten, dann 
aus dieser Bouillon, die vollkommen getrübt war, Agarplatten 
und Bouillonkölbchen anlegten. Ein anderer Teil der Borsten 
wurde im Erlenmeyer-Kölbchen längere Zeit (‘/ 8 Stunde) einer 
Temperatur von 65° ausgesetzt, um die ßegleitbakterien, die 
reichlich in den Schürzen und Pellen bezw. Borsten vorhanden 
waren, abzutöten und möglichst bald eine Reinkultur der ge¬ 
suchten Erreger zu erhalten. 

Unsere bakteriologische Untersuchung ergab folgendes: 

In einer Schürze, im Kuhfell, im Schweif des weißen 
Pferdes, im Schweif des braunen Pferdes (hier sehr reichlich) 
wurden Bazillen nachgewiesen, die kulturell und mikroskopisch 
dem echten Milzbrandbacillus außerordentlich ähnlich waren. 

Lockenbildung war vorhanden, Sporen wurden gebildet. 
Milch wurde koaguliert, das Koagulum aber nicht wieder auf¬ 
gelöst. 

Die gezüchteten Bazillen unterschieden sich vom echten 
Milzbrand dadurch, daß sie die Bouillun trübten; Häutchen¬ 
bildung wurde beobachtet. Auch zeigten die gezüchteten 
Bazillen leichte Eigenbewegung. Gasbildung fehlte. 

Auf Blutagarplatten wurde im. Gegensatz zu den mit 
echtem Milzbrand beschickten Platten übereinstimmend bereits 
nach 7 ständigem Wachstum Hämolysebildung beobachtet. 

Die aus den verschiedenen Gegenständen gezüchteten 
Bazillen verhielten sich gleichmäßig. 

Von 8 subkutan mit dem Material geimpften Mäusen sind 3, 
und zwar 2 nach Impfung mit Material aus der Lederschürze 
und eine nach der Impfung mit dem Kuhstamm, verendet. Aus 
einer mit Lederschürzen-Kultur geimpften Maus haben wir das 
Ausgangsmaterial in Reinkultur gewonnen und mit den Organ¬ 
extrakten Präzipitationsversuche, jedoch mit für Milzbrand 
negativem Ergebnis angestellt. Die Organe der übrigen Mäuse 
waren steril. Auch an den Impfstellen (Maus) waren keine 
milzbrandverdächtigen Erreger nachzuweisen. 

Auf Grund unserer Untersuchungen komme ich zu dem 
Schlüsse, daß es sich bei den gefundenen Bazillen nicht um 
echten Milzbrand handelt, sondern um einen dem Milzbrand 
außerordentlich nahestehenden Bacillus, der für weiße Mäuse, 
nicht für Meerschweinchen virulent ist. 

Die jetzige Untersuchung stimmt mit dem damals 
erhobenen Befunde aus der Lumbalflüssigkeit „milzbrandähn¬ 
liches Stäbchen“ durchaus überein. 

Da mich die aus diesem Palle gezüchteten Bazillen be¬ 
sonders interessierten, habe ich mich noch eingehend mit ihren 
verschiedenen Wuchsformen beschäftigt. 



892 Dr. W. Schümann: Bin Fall Ton Meningitis durch milzbrandähnl. Bacillus. 


Die oberflächlich gewachsenen Kolonien des gezüchteten 
Bacillus mit seiner haarlockenähnlichen Ausbreitung sind inner¬ 
halb der ersten 24 Stunden vom echten Milzbrandbacillus nicht 
zu unterscheiden. Erst später, nach 48 ständigem Wachstum, 
geht die für Milzbrand charakteristische Zeichnung des Kultur¬ 
randes mehr oder weniger verloren. Neben diesen Formen 
waren aber auch Oberflächenkolonien zum Wachstum gelangt, 
denen die heraldischen Formen fehlten, die als runde kompakte 
Kolonien erschienen. Die Tiefenkolonien, die beim Milzbrand 
als „wurzelähnlich“ beschrieben sind, werden beim Pseudomilz¬ 
brandbacillus am besten als strauchähnlich benannt. Hier 
geht das dunklere Zentrum der tiefen Kolonie ohne ausge¬ 
sprochene Uebergänge in die Ausläufer über, die sich im Gegen¬ 
satz zu den knollenartigen Verdickungen, wie sie beim Milz¬ 
brandbacillus in den Ausläufern auftreten, astartig verzweigen 
und sich zentrifugal zuspitzen. 

ln den mit verdünnten Anilinfarben gefärbten Klatsch¬ 
präparaten waren zwei verschiedene Formen von Oberflächen¬ 
kolonien zu erkennen, 

1. solche mit haarlockenähnlicher Struktur wie sie der Milz¬ 
brandbacillus aufweist, 

2. solche mit unregelmäßiger Anordnung der Stäbchenreihen, 
wie sie Kaesewurm 10 ) auch beim Pseudomilzbrand beob¬ 
achtet hat. 

Diese Beobachtung mußte ich wiederholt machen. Es 
mußte unbedingt auffallen, daß dieser gefundene Bacillus in 
den Oberflächenkolonien typische Merkmale aufweist, wie sie 
der echte Milzbrandbacillus besitzt, daß aber daneben auch 
Kolonien vom Typus des Pseudomilzbrandbacillus Vorkommen. 
Es wäre aus diesem Verhalten wohl der Schluß berechtigt, 
daß es sich bei dem gefundenen Pseudomilzbrandbacillus um 
einen umgeformten Milzbrandbacillus handelt. 

ln Traubenzuckerbouillon wird kein Gas gebildet, ebenso 
fehlt Indol und Farbstoffbildung; Lakmusraolke bleibt unver¬ 
ändert. Blutserum, ebenso Gelatine werden verflüssigt. Bouillon 
wird unter Häutchenbildung gleichmäßig getrübt, im Gegen¬ 
satz zum Milzbrandbacillus, der nach Sobernheim“) die 
Bouillon nicht gleichmäßig trübt, aber Flockenbildung erkennen 
läßt, die „gewöhnlich von den tieferen Teilen der Flüssigkeit, 
wobei die ausgesäten Bakterien infolge ihres Mangels an Eigen¬ 
bewegung niedersinken, ihren Ausgang nimmt.“ Die über¬ 
stehende Bouillon bleibt klar. Ebenso fehlt die Häutchen¬ 
bildung (Lehmann). 12 ) 

Wie die Infektion bei dem Kinde Bornberg zustande 
gekommen ist, läßt sich nicht mit Sicherheit feststellen. Ver¬ 
mutlich sind die Bazillen durch die Nase oder den Mund, sei 


,0 ) 1. c. 

") Handbuch der pathogenen Mikroorganismen. Kolle und Wasser¬ 
mann; 1913, Bd. 3. 

Lehmann u Neumann; Bakteriologische Diagnostik; 1907, Bd.II. 



Dr. Sorge: Aufgaben fttr den Kreisarzt während des Krieges. 893 

es durch Verstaubung und Einatmung, sei es durch Ueber- 
tragung mittels der Finger, in den Körper eingedrungen. 

Gerade die Wohltätigkeitsanstalten, wie hier das Auguste 
Viktoria-Stift, erhalten nicht selten allerlei Gegenstände ge¬ 
schenkt, die recht zweifelhafter Herkunft sind und die zuweilen 
von Personen stammen, die nachweislich an übertragbaren 
Krankheiten gestorben sind. Es werden auch neue Sachen 
gespendet, die aus billigen Bezugsquellen stammen und daher 
aus minderwertigen Stoffen zusammengesetzt sind. 

Aus dem mitgeteilten Fall ist aufs neue die Lehre zu 
ziehen, daß sich alle Wohltätigkeitsanstalten, Krankenhäuser, 
Kinderbewahranstalten usw. allen Geschenken gegenüber sehr 
mißtrauisch verhalten sollen, und daß sie unbedingt, das 
heißt ausnahmslos eine gründliche Desinfektion der 
geschenktenSpielsachen veranlassen sollen, wo es irgend 
möglich erscheint. 

Bei den in Gewerbebetrieben verarbeiteten tierischen Roh¬ 
materialien (Tierfelle, Roßhaare, Lumpen), auch bei Häuten und 
Fellen, mit denen Spielsachen überzogen werden, müssen die¬ 
selben Desinfektionsmaßnahmen, wie sie bei milzbrandver¬ 
dächtigem Material in Frage kommen, ergriffen werden. 

Zum Schluß erlaube ich mir noch Herrn Geh. Med.-Rat 
Dr. Heydloff in Erfurt für seine freundliche Unterstützung, 
sowie Herrn Medizinalpraktikanten Sinngrün für die Zusen¬ 
dung der Krankengeschichte meinen verbindlichsten Dank aus¬ 
zusprechen. 

Literatur. 

Außer der bereits erwähnten Literatur sind noch benutzt: 

Bongert: Zeitschrift für Fleisch- und Milchhygiene; 1902, S. 193. 

Friedberger u. Ungermann: Handbuch der Hygiene von Rubner, 
v. G ruber und Ficker; 1913, Bd. 3, 2. Abt. 

Kolle u. Hetsch: Die experimentelle Bakteriologie und die Infektions¬ 
krankheiten ; 1911, I. Bd. 


Aufgaben für den Kreisarzt während des Krieges. 

Von Kreiarzt Dr. Sorge in Lüchow. 

Während der Dauer des jetzigen Krieges hat sich die 
Tätigkeit des Kreisarztes Friedenszeiten gegenüber immer mehr 
geändert. Die sonst die Haupttätigkeit des Gesundheitsbeamten 
im Kreis bildenden Besichtigungen von Ortschaften und Schulen 
sind in den Hintergrund und andere Aufgaben an ihre Stelle 
getreten, von denen mir gegenwärtig besonders eine Erörte¬ 
rung der Frage, welche Aufgaben dem beamteten Arzt in dem 
jetzt geführten Kampf um die zweckmäßigste Volksernährung 
zufallen, nützlich und notwendig erscheint. Es ist mir auf- 
gefalien, wie verhältnismäßig wenig bisher Aerzte und besonders 
beamtete Aerzte in dieser Frage um die Erhaltung unserer 
Volkskraft hervorgetreten sind. Je länger der Krieg dauert, 
je schwerer die Opfer an Gut und Blut werden, desto mehr 
erwächst für jeden der Daheimgebliebenen die Pflicht, dahin 



394 


Dr. Sorge. 


zu wirken, Mittel und Wege zu suchen, daß unser Vaterland 
durch den Krieg möglichst wenig geschwächt wird und sich 
nach dem Krieg bald möglichst wieder erholen kann. In dieser 
Hinsicht steht doch wohl zweifellos an erster Stelle die Sorge 
um die körperliche und geistige Gesunderhaltung unseres gegen¬ 
wärtigen Menschenmateriales und die Sorge um einen gesunden, 
kräftigen Nachwuchs. Daß in diesen Fragen auch die Stimme 
des Arztes, des Kreisarztes als Gesundheitsbeamten zu Gehör 
und Geltung kommen muß, wird um so mehr notwendig, je 
mehr Nahrungsmittel vom Staat und von Behörden in Ver¬ 
waltung genommen werden. 

Schon bei der Verteilung der einem Kreis zur Ver¬ 
fügung stehenden oder ihm zugewiesenen Nahrungsmittel 
sollte die Ansicht des Kreisarztes eingeholt werden; denn es 
darf, sollen die vorhandenen Lebensmittel sachgemäß unter 
die Einwohner verteilt werden, die Aufteilung nicht schematisch 
nach Kopfzahl erfolgen, sondern es sind dieser physiologisch¬ 
hygienische Gesichtspunkte zugrunde zu legen. Es ist doch 
ohne weiteres einleuchtend, daß der körperlich schwer Arbeitende 
eine andere Kostform beansprucht und ein anderes Nahrungs¬ 
bedürfnis hat, als eine Frau oder ein Mädchen, und diese wieder 
ein anderes, als ein Kind oder gar der Säugling. Ebenso wie 
in einzelnen Gegenden und Kreisen unseres Vaterlandes die 
Lebens- und Ernährungsbedingungen ganz verschieden sind, 
ebenso verschieden sind auch die Nahrungsmittelbedürfnisse 
für einzelne Bevölkerungs-, Berufs- und Altersklassen. Nur 
wenn wir diese Verschiedenheiten auch bei der Zuteilung von 
Nahrungsmitteln berücksichtigen, wenn wir individualisieren, 
werden wir einen möglichst zweckmäßigen Verbrauch der zur 
Verfügung stehenden Mittel erwarten dürfen, werden wir den 
größtmöglichsten Nutzwert erzielen können. 

Im allgemeinen wird man bei der Verteilung mit drei 
großen Gruppen auskommen, wenn man 1. körperlich schwer 
Arbeitende, 2. Säuglinge und Kinder bis etwa zum 6. Lebens¬ 
jahre und 3. alle übrigen unterscheidet und jeder dieser drei 
Gruppen eine bestimmte Menge der zur Verfügung stehenden 
Nahrungsmittel zuteilt. Der ersten Gruppe würde z. B. eine 
größere Menge Kohlehydrate und auch Fleisch zuzubilligen 
sein, wie der dritten, während der zweiten Gruppe ein Vorzug 
bei Bezug von Milch und Butter zuzugestehen wäre, während 
Fleisch, wenn nötig, ganz wegfallen könnte und Kohlehydrate 
in Form von Brot und Kartoffeln in mäßigen Mengen er¬ 
forderlich wären. Auf Einzelheiten möchte ich hier nicht ein- 
gehen, hervorheben möchte ich aber, daß ich auch den Brust¬ 
kindern ihr Milchquantum zugewiesen wissen möchte in der 
Erwägung, daß diese Milch die stillenden Mütter für sich ge¬ 
brauchen. 

Dem zu erwartenden Eimvand gegenüber, daß eine der¬ 
artige Differenzierung zu umständlich, schwierig und zeitraubend 
sei, halte ich entgegen, daß die Mehrarbeit nur einmal, bei der 



Aufgaben für den Kreisarzt während des Krieges. 


396 


ersten Ausgabe der betr. Nahrungsmittelbücher, zu leisten ist 
und daß diese Mehrarbeit gegenüber den dadurch zu gewinnenden 
Vorteilen nicht ins Gewicht fällt; außerdem werden sich in 
jedem Kreis sicher reichlich Hilfskräfte finden lassen, wenn 
die. vorhandenen Bürokräfte nicht ausreichen. Wo ein Wille, 
da ist auch ein Weg! 

Die Bevölkerung würde zweckmäßig durch mündliche 
Vorträge oder auch Aufsätze in der Zeitung über Sinn 
und Zweck der behördlichen Anordnungen aufgeklärt. Greift 
ein größeres Verständnis über die Lage unseres Nahrungs- 
raittelmarktes Platz, dann wird auch ein ehrlicheres Befolgen 
der Anordnungen zu beobachten sein. 

Um zu sehen, ob mit der Versorgung der Bevölkerung 
mit Nahrungsmitteln der richtige Weg eingeschlagen ist, werden 
von dem Kreisarzt ferner Untersuchungen über den Er- 
nährungs- und Gesundheitszustand der Kreis¬ 
einwohner vorzunehmen sein. Naturgemäß wird zuerst bei 
den Kindern sich ein Mangel in der Ernährung bemerkbar 
machen; es werden deshalb am wichtigsten Untersuchungen 
(Wägungen) der Kinder in Bewahranstalten (Spielschulen) und 
Volksschulen sein. 

In etwas loserem Zusammenhang mit der Kriegsernährung 
stehen zwei weitere Dinge, die aber m. E. während des Krieges 
und auch nach demselben eine ganz besondere Aufmerksamkeit 
vom Kreisarzt verlangen, ich meine die Fürsorge für die 
Säuglinge und die Haltekinder. 

Nach den Verlusten dieses Krieges ist es unsere ernsteste 
Pflicht, dafür zu sorgen, daß die gezeugten Kinder lebend zur 
Welt kommen, daß sie am Leben erhalten und unter möglichst 
günstigen Bedingungen aufgezogen werden. In dieser Hinsicht 
wird auch in rein ländlichen Kreisen viel und jedenfalls mehr, 
als im allgemeinen angenommen wird, gefehlt. Gerade in länd¬ 
lichen Kreisen liegt die Wöchnerinnen- und Säuglings¬ 
pflege noch sehr im argen. Dankbar wird der große Segen 
der Reichswochenhilfe anerkannt, ein Zeichen, wie nötig Hilfe 
in dieser Hinsicht getan hat. Aber die vermehrte Arbeitslast, 
die auf den Frauen liegt, läßt nur zu häufig die nötige Sorg¬ 
falt in der Pflege des Neugeborenen fast unmöglich werden; 
dazu kommt, daß durch den Mangel an Aerzten oder auch 
durch Mangel an Zeit sachgemäße Hilfe bei Erkrankungen nicht 
zur rechten Zeit in Anspruch genommen wird. Hier sollten 
m. E. Krankenhäuser sich der kranken kleinen Kinder besonders 
annehmen; der Kreis sollte außerdem Mittel bereitstellen, um 
kranken Säuglingen, wenn nötig, unentgeltlich Aufnahme in 
Krankenanstalten zu verschaffen. Der Arzt weiß, wie schwer es 
ist, beim Darmkatarrh der Säuglinge im Hause die zweckmäßige 
Ernährung durchzusetzen; er weiß, daß alles auf die Ernährung 
und sorgfältigste Pflege und Beobachtung ankommt; er steht oft 
vor unüberwindlichen Schwierigkeiten, zumal, wenn er nicht 
häufig nach dem Rechten sehen kann. In solchen Fällen wird 



396 


Bericht über die Generalversammlung des Deutschen 


häufig die Behandlung und Pflege im Krankenhaus durch 
zweckmäßige Ernährung und Pflege lebensrettend wirken. Hier 
muß der Kreisarzt mit seinem Rat und durch seinen Einfluß helfend 
eingreifen; dann wird es ihm auch gelingen, manches Menschen¬ 
leben dem Staat zu erhalten. 

Ganz besonders gefährdet unter diesen kleinen Kindern 
sind von alters her die sog. Halte- und Ziehkinder, 
meist uneheliche Kinder, die von den Eltern der Mutter oder 
von ganz fremden Frauen gegen Entgelt aufgenommen und 
nur zu häufig nicht mit der nötigen Sorgfalt behandelt werden. 
Es handelt sich hier vielfach auch um schon ältere Kinder, 
deren Ernährung jetzt in den teueren Zeiten, in denen womöglich 
auch das „Pflegegeld“ noch ausbleibt, so mangelhaft wird, daß 
der Körper dabei nicht nur nichts zu seiner Weiterentwicklung 
ansetzen kann, sondern langsam und dauernd in seinem Kräfte¬ 
zustand zurückgeht. Ich halte es für eine dringende Aufgabe 
des Kreisarztes, jetzt im Kriege derartige Pflegestellen regel¬ 
mäßig zu besuchen und auf bessere Unterbringung des Pflege¬ 
kindes zu dringen, wenn sich gröbere Mängel finden. Wohl 
geschieht in dieser Hinsicht in größeren städtischen Gemeinden 
und in Industriegegenden schon viel, auch ruht die Arbeit 
im Kriege nicht; auf dem Lande haben diese Fragen aber 
bisher häufig nicht die Beachtung gefunden, die sie auch hier 
durchaus verdienen und die wir in der Jetztzeit mit vermehrtem 
Nachdruck fordern müssen. Ich bin mir wohl bewußt, daß von 
der Theorie zur Praxis ein weiter, schwerer Schritt ist, auf der 
anderen Seite glaube ich aber auch, daß die jetzige Zeit günstig 
dafür ist, das Verständnis für derartige soziale Bestrebungen 
in weiteren Kreisen zu wecken, und daß jetzt manche Hinder¬ 
nisse, die im Frieden praktischer sozialer Arbeit entgegenstehen, 
leichter zu überwinden sein werden. 


Aus Versammlungen und Vereinen. 

Bericht über die Generalversammlung des Deutschen 
Zentral-Komitees zur Bekämpfung der Tuberkulose, über 
die Sitzung des Ausschusses und über die Versammlung 
der Tuberkulose-Aorzte in Berlin am 19. Mal 191®. 

A. Generalversammlung. 

1. Eröffnung. Der stellvertretende Vorsitzende Exz. von Lerchenfeld 
eröffnet die Sitznng und läßt sich ermächtigen, dem erkrankten Vorsitzenden, 
Staatsminister Dr. Delbrück, die besten Wünsche der Versammlung zur 
Genesung auszusprechen. Der Begrüßung der aus allen Gegenden Deutschlands 
besonders zahlreich erschienenen Mitglieder folgt ein kurzer Ueberblick über 
den Fortgang der Tuberkulosebekämpfung während des Krieges. 
Es sei gelungen, die bisher bestehenden Tuberkuloseeinrichtungen, soweit sie durch 
den Kriegsausbruch gestört waren, im Laute des letzten Jahres sämtlich wieder 
in Betrieb zu setzen. In der langen Dauer des Krieges und in den dadurch 
bedingten ungünstigen Wirkungen auf den allgemeinen Gesundheitszustand 
liegt auch ein besonderer Anlaß, das Rüstzeug gegen die Tuberkulose dauernd 
kampfbereit zu halten. Wie in dem Kampfe draußen die zähe Ausdauer der 
Truppen, unterstützt durch die Ueberlegenheit unserer Technik, langsam aber 
sicher von Erfolg zu Erfolg schreitet, so darf auch in dem Kampfe, den unsere 



Zentral-Komitees zur Bekämpfung der Tuberkulose usw. 


397 


Vereinigung seit nunmehr zwanzig Jahren zielbewußt und mit sicht¬ 
barem Erfolge gegen die Tuberkulose führt, kein Nachlassen eintreten und 
kein Mittel oder Weg unversucht bleiben, der uns dem endgültigen Siege näher 
bringen kann. Der Erhaltung und Vermehrung unserer Volkskraft wird in der 
Tuberkulosefürsorge durch vermehrte Bemühungen um die heranwachsende 
Jugend Rechnung getragen. Die Tuberkulosefürsorge für den nicht ver¬ 
sicherten Mittelstand hat dank des besonderen Zuschusses, der seit 
1914 durch den Beichshaushalt bewilligt wird, einen erfreulichen Aufschwung 
genommen. Auch der Verband deutscher Beamtenvereine, der deutsche Lehrer¬ 
verein, der Verband mittlerer Post- und Telegraphenbeamten haben Organi¬ 
sationen für die Tuberkulosefürsorge in ihren Kreisen geschagen. Die Reichs- 
Versicherungsanstalt für Angestellte gewährt in weitherzigster 
Weise Heilverfahren in Fällen von Tuberkulose. Es bleibt zu wünschen, daß 
auch die Lebensversicherungsgesellschaften im Interesse ihrer 
zumeist dem Mittelstände angehörenden Versicherten tätigen Anteil nehmen. 
Dringend erwünscht ist auch der weitere Ausbau der Fürsorge¬ 
stellen für Lungenkranke, zumal in ländlichen Bezirken, ferner eine 
möglichst praktische Fürsorge für die lungenkranken Kriegsbeschä¬ 
digten in bezug auf Arbeitsvermittelung, Wohnungsfürsorge, Familien¬ 
fürsorge, gesundheitliche Ueberwachung, rechtzeitige Vermittelung von Heil- 
stättenkuren und dergl. mehr. (Beifall). 

Des Heimganges des Präsidialmitgliedes Staatsministers v. Podbielski 
wird unter Betonung seiner Verdienste ehrend gedacht. Der Verstorbene hat 
insbesondere seit 1915 als Vorsitzender der Mittelstandskommission die Tuber¬ 
kulosefürsorge für den Mittelstand warmherzig und erfolgreich gefördert. 

2. Geschäftsbericht, erstattet vom Generalsekretär, Oberstabsarzt 
Dr. Helm : Die Mitgliederzahl betrug am 1 . Januar 1915: 1466; während 
des Berichtsjahres sind 52 Mitglieder ausgeschieden, 62 neu beigetreten, so daß 
am Jahresende 1476 Mitglieder dem Zentralkomitee angehörten. 

In der Zahl der Lungenheilstätten für Erwachsene und Kinder, 
der Walderholungsstätten und Waldschulen, der Genesungs¬ 
heime und Pflegestätten sind wesentliche Veränderungen während des 
letzten Jahres nicht eingetreten. Immerhin sind trotz des Krieges einige Neu¬ 
bauten und Erweiterungsbauten fertiggestellt und in Betrieb genommen worden; 
z. B. das Tuberkulosekrankenhaus der Stadt Stettin, der Erweiterungsbau der 
Heilstätte Holsterhausen für Lungenkranke des Mittelstandes, die zweite Kinder- 
heilanstalt des Viktoriastiftes in Kreuznach mit 240 Betten für Sommer- und 
Winterbetrieb, die Kinderheiistätte bei Scheidegg im bayrischen Allgäu für 
Kinder beiderlei Geschlechts im Alter von 6—14 Jahren und eine neue Ab¬ 
teilung mit 70 Betten im St. Vincenz-Waisenhaus in Neunkirchen. Weitere 
Anstalten sind im Bau befindlich und beweisen, daß trotz Krieg auf dem Ge¬ 
biete der Tuberkulosebekämpfung die im Frieden verfolgten Wege und Ziele 
weiter ausgebaut und gefördert werden. Das Verzeichnis aller dieser Einrich¬ 
tungen ist nicht neu gedruckt, dafür aber dem Geschäftsbericht ein Verzeichnis 
der an der Tuberkulosebekämpfung beteiligten Vereine angeschlossen. — Eine 
große Anzahl von Heilstätten, Pflegeheimen und Walderholungsstätten sind 
zurzeit für militärische Zwecke und zwar zur Unterbringung lungenkranker 
Soldaten ganz oder teilweise in Anspruch genommen. Das wird verständlich, 
wenn man berücksichtigt, ein wie großer Teil der männlichen Bevölkerung 
jetzt unter den Waffen steht und in wie großzügiger Weise die Heeresver¬ 
waltung den während des Dienstes im Felde Erkrankten oder Krankbefundenen 
Heilverfahren gewährt. Anderseits ist die Zahl der von Landesversicherungs¬ 
anstalten, Krankenkassen, Pensionskassen usw. gewährten Heilverfahren in 
Lungenheilstätten entsprechend zurückgegangen, 3 p daß die Heilstätten für 
militärische Zwecke bereitgestellt werden konnten. 

Auch in den Fürsorgestellen gewinnt neben der Beratung der 
Familienangehörigen von Kriegsteilnehmern die Fürsorge für die als lungen¬ 
krank vom Militär wieder Entlassenen ständig an Umfang und Bedeutung. In 
der Tätigkeit, einer Verschlechterung der Gesundheitsverhältnisse unter den 
Frauen und Kindern der zum Heeresdienst Eingezogenen und in den Familien 
der vom Militär entlassenen Lungenkranken vorzubeugen, werden die Fürsorge- 
steilen durch die Gemeindebehörden, die am Orte befindlichen Woblfahrtsvereine 



398 


Bericht über die Generalversammlung des Deutschen 


und durch die Freigiebigkeit von besonderen Gönnern, nicht zuletzt aus den 
Kreisen der Industrie und des Handels unterstützt. In weitgehendster Weise 
helfen auch hier die Landesversichernngsanstalten mit. 

Der Tuberkulose -Ausschuß der Abteilung Kriegswoh 1 fahrts¬ 
pflege des Zentralkomitees vom Roten Kreuz hat unter Aufwendung sehr 
erheblicher Geldmittel lungenkranke Frauen und Kinder der zum Heeresdienst 
Eingezogenen mit Kurbeihilfen und Freistellen in Heilstätten bedacht. Ferner 
hat er durch Gewährung von Betriebsbeihilfen für Tuberkuloseeinrichtungen 
und durch Vermittlung geeigneten Personals überall da zu helfen versucht, 
wo der Betrieb ins Stocken zu kommen drohte. Der Tuberkulose - Ausschuß 
erhielt zu diesen Aufgaben vom Deutschen Zentralkomitee zur Bekämpfung 
der Tuberkulose auch im Jahre 1915 den Betrag von 30000 Hark, weitere 
Mittel vom Zentralkomitee vom Roten Kreuz und den Landesversicherungs¬ 
anstalten Berlin und Brandenburg zur Verfügung gestellt. — Bei dem Reichs- 
ausschnß für die Kriegsbeschädigten in Berlin ist ein Sonderaus¬ 
schuß für Lungenkranke gebildet; Vorsitzender dieser Gruppe ist Mi¬ 
nisterialdirektor Prof. Dr. Kirohner, Schriftführer Generalsekretär Dr. Helm. 
Seine Aufgabe ist die Erörterung aller Fürsorgemaßnahmen für die wegen 
Lungentuberkulose als Kriegsbeschädigte zur Entlassung kommenden Heeres¬ 
angehörigen, die Sorge für ihre Unterbringung in geeigneten Anstalten (Heil¬ 
stätten, Krankenhäusern oder Pflegeheimen), endlich die Maßnahmen zur Ver¬ 
hütung der Weiterverbreitung der Tuberkulose in den Familien der kriegs- 
beschädigten Lungenkranken und dergl. mehr. 

3. Kassenbericht. Die Einnahmen des Zentralkomitees, die sich aus 
den Mitgliederbeiträgen, freiwilligen Spenden und Schenkungen, dem Reichs- 
zuschnß und dem Lotterieerlös zusammensetzen, haben 631168,24 Mark be¬ 
tragen; darunter 47240 Mark Mitgliederbeiträge und Schenkungen, 110000 M. 
Reichszuschuß einschließlich der für Zwecke der Tuberkulosefürsorge im Mittel¬ 
stand bewilligten 50 000 M., 20000 M. Zuschuß vom Reichsamt des Innern zur 
besonderen Verwendung für die Kriegszeit und 125000 M. Ertrag aus der durch 
AUerhösten Erlaß vom 17. Februar 1915 bewilligten Geldlotterie. Der Ein¬ 
nahme steht eine Gesamtausgabe von 544007,74 M. gegenüber. Für den Bau 
oder die erstmalige Einrichtung von Heilstätten und anderen Tuberkulose¬ 
einrichtungen sind 82550 M. neu bewilligt worden. — Das Vermögen des 
Deutschen Zentralkomitees betrug am 1. Januar 1916 434310,50 M. Der Vor¬ 
anschlag für das Jahr 1916 schließt in Einnahmen mit rund 370000 M., in 
Ausgaben mit 321600 M. ab. Auf Grund der Rechnungslegung, die von den 
Rechnungsprüfern für richtig befunden ist, wird Entlastung erteilt. Der Vor¬ 
anschlag für 1916 wird ohne Einspruch angenommen. 

4. Aufgaben der Tuberkulosebekämpfung während des Krieges. 
Berichterstatter: Ministerialdirektor Prof. Dr. Kirchner-Berlin: 

Die heutige Versammlung soll erstens eine Kundgebung der Zentralstelle 
der Deutschen Tuberkulosebekämpfung über das im Kriege auf diesem Gebiete 
Geleistete sein. Zweitens sollen ihre Verhandlungen das Interesse der Oeffent- 
lichkeit für die weiteren großen Aufgaben gegen den Erbfeind, die verheerendste 
aller Volksseuchen, wachrufen. Vor dem Kriege war der Stand der Tuberkulose¬ 
bekämpfung geradezu glänzend; sie hat ein regelmäßiges Absinken der Sterb¬ 
lichkeit an dieser Krankheit zur Folge gehabt, in Preußen in den 30 Jahren 
um mehr als die Hälfte. 

Sehr zeitgemäß ist ein Blick auf die Tuberkulose in den einzelnen 
Heeren. Für das deutsche Heer ist dies Bild recht günstig: denn dem 
Heere sind die gewaltigen Fortschritte Deutschlands in der Seuchen- und 
Tuberkulosebekämpfung, insbesondere der Aufschwung der Bakteriologie und 
die Entdeckung des Krankheitserregers durch Robert Koch, die frühzeitige 
Diagnosenstellung, die Erkenntnis der Heilbarkeit, die planmäßige Fürsorge 
für die Lungenkranken durch Heilstätten, Walderholungsstätten und das Netz 
der Fürsorgestellen und in allem der .Segen der einzig dastehenden deutschen 
sozialen Versicherungsgesetzgebung zugute gekommen. Aeußerst ungünstig 
lauten dagegen die Tuberkulosezahlen für die französische Armee, die im 
Vergleich zur deutschen mehr als 6 mal so schwer von der Tuberkulose hehn- 
gesucht wird. Wir merken das an den vielen lungenkranken französischen 



Zentral - Komitees zur Bekämpfung der Tnberknlose usw. 399 

Gefangenen in nnseren Gefangenenlagern; auch berichten unsere Feldgrauen, 
daß in den französischen Schützengräben ein dauerndes Husten herrsche. In 
den englischen Armeen steht es ebenfalls nicht gut, jedenfalls schlechter 
als bei uns. Von der Tuberkulose in der russischen Armee weiß man nichts 
Genaues, denn wie auch sonst lügt di% russische Statistik. Erfreulich ist für 
uns, daß die österreichische Armee gleich die Stelle hinter der günstigen 
deutschen Tuberkulosezahl einnimmt. Aber das alles darf nns nicht beruhigen 
oder in Sicherheit wiegen. Wir dürfen auch während des Krieges in dem 
Kampfe gegen die Tuberkulose nicht nachlassen, da uns sonst schwere Ge¬ 
fahren drohen; denn wir haben immer noch 1 Million Tuberkulöser in Deutsch¬ 
land. Erfreulicherweise sind wir in der Lage, in den deutschen Heilstätten 
mehr als 10°/ 0 aller Tuberkulösen der Heilbehandlung zu unterziehen; es ist 
dies eine ungeheure und von keinem Volke der Erde erreichte Leistung! Ferner 
bestehen jetzt in Deutschland 1100 Fürsorge- und Auskunftsstellen, durch die 
ein sehr erheblicher Prozentsatz der tuberkulösen Bevölkerung überwacht wird. 

Beim Ausbruch des Krieges drohte allen diesen Einrichtungen eine große 
Gefahr, die um so bedenklicher war, als eine Zunahme der Tuberkulose¬ 
erkrankungen durch den Krieg befürchtet werden mußte. Im Beginn des 
Krieges mußten Lungenheilstätten und Auskunftsstellen geschlossen werden, 
weil die Aerzte ins Feld zogen, die Kranken die Anstalten verließen und zum 
Teil selbst in den Heeresdienst eintraten. Die Störungen in der Tuberkulose¬ 
bekämpfung, die der Kriegsausbruch mit sich brachte, waren indes nur vorüber¬ 
gehend. Schon im August 1914 wurde auf Anregung Ihrer Majestät der 
Kaiserin anf die Wichtigkeit, die Tuberkulosefürsorgebestrebungen fortzu¬ 
führen, hingewiesen; es wurde ein Tuberkulose-Ausschuß begründet, der in 
Zusammenwirken mit der Heeresverwaltung und dem Roten Kreuz die Tätig¬ 
keit der Heilstätten und der anderen Einrichtungen wieder in die alten be¬ 
währten Bahnen lenkte, eine großzügige Tuberkulosefürsorge für die Erkrankten 
im Heere einrichtete usw. So ist es gelungen, die schädlichen Einwirkungen 
des Krieges auf ein Mindestmaß zu beschränken. Immerhin ist im Jahre 1914, 
seit vielen Jahren zum ersten Male, eine Zunahme der Tuberkulosesterblichkeit 
festgestellt; sie ist aber nur gering, nämlich 13,87 auf 10000 Einwohner gegen 
18,66 im Jahre 1913. Vergleicht man die Tuberkulose-Todesfälle in den ersten 
Vierteljahren 1914, 1916 und 1916, so fällt auf, daß diese Zahl 1914 klein, 
1916 etwas, aber wenig größer war, dagegen 1916 recht merklich ge¬ 
stiegen ist. 

Neuerdings tauchen wieder Befürchtungen nach der Richtung anf, daß 
infolge der durch die lange Dauer des Krieges verschlechterten Lebens- 
bedingungen eines großen Teiles der Bevölkerung die Tuberkulose zunehmen 
würde. Tatsächlich kann man nicht ohne einige Besorgnis den Folgen der 
Milch- und Butterknappheit in den Großstädten und den sonstigen Ernährungs¬ 
schwierigkeiten entgegensehen. Sie können die Gesundheitsverhältnisse und 
damit die Disposition für die Tuberkulose ungünstig beeinflussen, und sie 
werden die Behandlung der Lungenkranken in den Heilstätten und Kranken¬ 
häusern zweifellos erschweren. Da gilt es, mit Ernst in die Zukunft zu blicken 
und den Kampf gegen die Tuberkulose mit aller Kraft wieder aufzunehmen I 
Ein Zufluß größerer Mittel ist daher auch dringend erwünscht. 

Die Mittel zur Abhilfe liegen in erster Linie bei den Heilstätten 
und den Auskunfts- bzw. Fürsorgestellen. Eine Vermehrung der Heilstätten 
ist nicht erforderlich; es gehört aber zu ihren künftigen Aufgaben, die 
klimatischen Faktoren, namentlich die Sonnenbehandlung, ausgiebiger auszu¬ 
nutzen und dabei auch die künstliche Höhensonne als Ersatz heranzuziehen. 
Unbedingt notwendig ist, daß die Zahl der Auskunfts- und Fürsorge¬ 
stellen noch wesentlich weiter vermehrt wird. Jede Stadt, jeder Kreis muß 
eine solche bekommen; Gemeinden und Kreise müssen in diesem Punkte noch 
viel mehr leisten. Die nötigen Hilfskräfte für die Fürsorgestellen sollten in 
Wohlfahrtsschulen nach dem Muster der in Cöln bestehenden ausge¬ 
bildet werden. Die Fürsorgerinnen hätten dann in Fürsorgeämtern mit¬ 
zuarbeiten und erziehlich auf die Bevölkerung einzuwirken. Seitens des 
Preußischen Ministeriums des Innern steht nach dieser Richtung insofern eine 
wesentliche Hilfe in Aussicht, als die Einrichtung von besonderen Schulen 
zur Ausbildung von Fürsorgerinnen geplant ist. 



400 Bcr. über die Gen.-Vers, des D. Zentralkomitees z. Bek. d. Tuberkulose. 


Endlich fällt der Landwirtschaft die wichtige Aufgabe und Pflicht zn, 
die Stadtbevölkerung reichlicher mit Milch zu versorgen. (Lebhafter Beifall.) 

Generalarzt Dr. Schnitzen bestätigt die Ausführungen des Vortragenden 
hinsichtlich der günstigen Tnberknlosezahlen bei der Armee. Die graphisch 
dargestellte Tuberkulosekurve zeigt inf Oktober des ersten Kriegsjahres eine 
Erhebung, die bedingt ist durch die neue Einstellung. Bei der Feldarmee ist 
der Prozentsatz an Tuberkulose etwas höher als im fünfjährigen Friedens¬ 
durchschnitt. Das erklärt sich dadurch, daß das Feldheer größer ist and 
höhere Altersklassen umgreift. Die noch höhere Tuberkuloseziffer beim 
Besatzungsheer ist darauf zurückzuführen, daß es alle Eingestellten einbegreift, 
auch die, die nach der Einstellung als tuberkulös erkannt'und wieder ausge¬ 
mustert wurden. Im Felde halten sich Leute, die erfolgreiche Heilstättenknren 
durchgemacht haben, gut. 

Der Vorsitzende dankt dem Vortragenden besonders dafür, daß er den 
Dingen fest ins Auge gesehen und die Lage geschildert habe, wie sie 
wirklich ist. 

Im Anschluß hieran wird der Versammlung folgender von Kreisarzt 
Dr. Dohrn-Hannover and Prof. Dr. Pannwitz-Hohenlychen gestellter Antrag 
unterbreitet: 

„Weitere Fortschritte in der Tuberkulosebekämpfung sind davon zu 
erwarten, daß der Schwerpunkt der Tuberkulose-Ermittlung und Bekämpfung 
noch mehr als bisher in das schulpflichtige Alter verlegt wird. Das 
läßt sich aber nur dadurch ermöglichen, daß durch schulärztliche Unter¬ 
suchungen der Gesundheitszustand der Schuljugend überwacht und hierbei alle 
Maßnahmen getroffen werden, welche der Bekämpfung der Tuberkulose dienen 
können. Ein Schularztgesetz ist deshalb dringend erforderlich. Es 
genügt nicht, wenn nur in den größeren Städten Schulärzte tätig sind. Die 
Erfahrung hat gezeigt, daß auch das flache Land dringend eines geregelten 
schulärztlichen Dienstes bedarf." 

Zu dem Anträge wird bemerkt, daß die Begelung der Schularztirage 
nicht durch Gesetz erfolgen kann, sondern auf dem Verordnungswege geschieht. 
Einer einheitlichen Begelung stellen sich große Schwierigkeiten entgegen. Im 
übrigen wurde die Anregung als dankenswert begrüßt. 

B. Ausschuß-Sitzung. 

1. Wahl. Für den verstorbenen Staatsminister v. Podbielski wird 
der Staatsminister Dr. Graf von Posadowsky-Wehner in das Präsidium 
des Zentralkomitees gewählt. Der Gewählte, Ehrenmitglied des Präsidiums, 
hat den Vorsitz in der Kommission für die Tuberkulosefürsorge im Mittelstand 
übernommen. 

2. Anträge. Der satzungsgemäß dem Ausschuß vorgelegte Antrag auf 
eineBeihilfe von 40000 Mark für die Prinzregent Luitpold-Kinder¬ 
heilstätte zu Scheidegg i. Allgäu wird einstimmig angenommen. Hof rat 
Dr. May-München dankt im Namen des Bayerischen Landesverbandes zur 
Bekämpfung der Tuberkulose und betont, daß die neue Heilstätte, die während 
des Krieges als Lazarett belebt sei, besonders auch der Behandlung der 
chirurgischen Tuberkulose des kindlichen Alters dienen und durch seine Lage 
im Allgäu die Heliotherapie im vollsten Maße ermöglichen würde. 

C. Versammlung der Tuberkulose-Aerzte. 

Als fachwissenschaftliche Fortsetzung der Generalversammlung fand 
nachmittags im Kaiserin-Friedrich-Hause unter dem Vorsitz des Ministerial¬ 
direktors Prof. Dr. Kirchner eine Aussprache der Tuberkulose-Aerzte über 
die „Kriegsernährung der Lungenkranken in Heilstätten“ statt. 

Ministerialdirektor Kirchner bezeichnet einleitend die Frage, wie bei 
der gegenwärtigen Knappheit verschiedener Nahrungsmittel eine Schädigung 
des Heilverlanfs bei Tuberkulose-Erkrankungen vermieden werden könne, als 
sehr wichtig. Es steht fest, daß die Sterblichkeit an Tuberkulose im ersten 
Kriegsjahre nicht zurückgegangen ist, sondern im Gegenteil um ein geringes 
zugenommen bat. Diese Erscheinung verlangt um des Steigerungsbestrebens 
willen ernsthafteste Aufmerksamkeit. Zu fürchten ist, daß im Jahre 1915 
ebenfalls kein Stillstand eingetreten sein wird, sondern vielleicht ein weiteres 



Kleinere Mitteilangen and Referate aas Zeitschriften. 


40t 


geringes Ansteigen. Ministerialdirektor Kirchner begründet diese Befürchtung 
besonders mit der Milchknappheit. Abgesehen von der Sterblichkeit läge aber 
aach für den Heilangsverlanf die Befürchtung nahe, daß infolge der Knapp¬ 
heit verschiedener Lebensmittel Hemmungen eintreten könnten. 

Berichterstatter sind Dr. Schröder - Schömberg und- Dr. Libawsky- 
Landeshat. Früher hat man bei der Behandlung von Tuberkulösen ganz 
besonderen Wert auf Mästung des Kranken gelegt. Davon ist man mit der 
Zeit mehr zurückgekommen und hat die Ueberernährung durch eine gute 
Ernährung ersetzt. Jetzt müssen auch die Heilstätten die fett- und fleisch¬ 
losen Tage einhalten. Wie sich die Wirkungen dieser Schmälerung bei den 
Kranken zeigen bzw. zeigen können, darüber wird eingehend berichtet. Ein 
Qrund zu einer wirklichen Beunruhigung liegt nicht vor. Zunächst bat sich 
gezeigt, daß die Einstellung der Ueberernährung, wo sie üblich war, keinerlei 
Schädigungen im Gefolge hatte. Es ist daher sehr wohl möglich, daß diese 
Methode der rücksichtslosesten Mästung überhaupt jetzt ihren Todesstoß 
erhält. Die Gewichtszunahme ist in den Heilstätten im Jahre 1915 fast die 
gleiche gewesen trotz der eingeschränkten Nahrungsmenge; allerdings war sie 
geringer in den ersten Monaten von 1916. Entscheidend ist aber, daß dabei 
die Heilungserfolge nicht ungünstiger geworden sind. 

Für die nächste Zukunft verlangen die beiden Berichterstatter einen 
gewissen Mindestsatz von Fett, Eiweiß uod Kohlehydraten für Tuberkulöse; 
auch wird gewünscht, daß für die Heilstätten keine fleisch- und fettlosen Tage 
gelten sollten. Diese Wünsche werden den zuständigen Stellen vorgelegt 
werden. Es ist zu hoffen, daß es gelingen wird, die Heilungen tuberkulöser 
Lungenkranker auch weiter ohne Schädigung durchzuführen. 

Prof. Dr. B o e p k e - Melsungen. 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 

A. Bakteriologie and Bekämpfung der Abertragbaren Krankheiten. 

1. Flecklieber. 

Haut veränderungen bei Meerschweinchen - Flecktyphus. Aus dem 
serotherapeuthischen Institut in Wien (Hofrat R. Paltauf). Von Otto Löwy. 
Wiener klinische Wochenschrift; 1916, Nr. 18. Mit 3 Abbildungen. 

Injiziert man einem Meerschweinchen intraperitoneal 3—6 ccm Blut eines 
fiebernden Flecktyphuskranken, so tritt gewöhnlich nach einer Inkubation von 
7 bis 20 Tagen ein Fieberanstieg oft bis über 40° auf. Das Fieber hält einige 
Tage an, um dann zur Norm herabzusinken. Das Virus ist von Tier zu Tier 
übertragbar. 

Der bis jetzt unbekannte Erreger macht oft in verschiedenen Organen 
Veränderungen in Form von Schwellung der Milz und der Lymphdrttsen; er 
erzeugt Blutungen (Lunge, Harnblase), wie sie auch bei der menschlichen Er¬ 
krankung Vorkommen können. Unter 25 genau auf die makroskopischen Ver¬ 
änderungen untersuchten Tiere fanden sich 6mal mit Sicherheit Flecke von 
verschiedener Größe, die erst nach Abpräparieren der Haut sichtbar wurden 
und im wesentlichen den menschlichen Fleckfieberroseolen gleichen. 

Dr. Mayer-Simmern. 


Klinische und mikroskopische Untersuchungen über Fleckfleber. 
Aus dem Epidemiespital des Alig. Landeskrankenhauses in Lemberg (Vorsteher: 
Prim. Dr. Arnold). Von Reg.-Arzt Privatdozent Dr. Lipschütz. Wiener 
klin. Wochenschrift; 1916, Nr. 18. 

Auf Grund seiner in Przemysl und Lemberg gemachten Beobachtungen 
bezeichnet Verfasser die Fieberkurven bei Flecktyphus als eine hohe Continua, 
der ein mehrtägiges, oft hohes Initialfieber vorangeht; beide sind dnreh eine 
charakteristische Senkungszacke getrennt. — Dem Auftreten des 
eigentlichen Exanthems können Hautveränderungen vorausgehen, die sich 
entweder als spärliche, zerstreut angeordnete, an Abdominalisroseolen erinnernde, 
papulöse Effloreszenzen oder als hellrote, ziemlich scharf begrenzte, bis über 
linsengroße in der Haut gelegene Flecke darstellen. 

Lipschütz rechnet das Fleckfieber zu den akuten Exanthemen, 
die durch Virusarten erzeugt werden, die entweder bakteriendichte Filler 



402 


Kleinere Mitteilungen and Beferateaus Zeitschriften. 


passieren oder doch za diesen Erregern nahe Beziehungen aufweisen. In Ueber- 
einstimmang mit v. Prowazek fand er bei einem Bruchteil der Leukozyten 
im Blate Fleckfieberkranker Körperchen von etwa 0,3 jx Größe, die zahlreich, 
zierlich, distinkt auf traten, eine prägnante Färbung ermöglichten und auf der 
Höhe der Infektion am leichtesten nachweisbar waren. 

_ Dr. Mayer -Simmern. 


2. Epidemische Genickstarre. 

Atypische und abortive Formen der epidemischen Meningitis beim 
Erwachsenen. Von Prof. Dr. H. Schlesinger - Wien. Deutsche med. Wochen¬ 
schrift; 1916, Nr. 18. 

Atypische Formen der epidemischen Meningitis sind beim Erwachsenen 
relativ häufig. Die Kenntnis der sehr abwechslungsreichen klinischen Bilder 
ist aus prophylaktisch-therapeutischen Gründen wichtig. Beachtenswert sigd 
die Formen mit vorwiegend gastro-intestinalen Erscheinungen, mit initialer 
Harnretention und mit schweren psychischen Störungen. Abortive leichteste 
Fälle mit kurzdauerndem Fieber können sich gelegentlich durch ausgedehnten 
Herpes, besonders der Schleimhäute verraten. 

Bei der Infektion spielt die individuelle Prädisposition eine bedeutende 
Bolle, desgleichen bei Entstehung der Alters-Meningitis. Die Tachykardie ist 
bei der epidemischen Genickstarre eine sehr häufige Erscheinung, die oft 
wochenlang das Fieber überdauert und erst mit dem Abklingen der meningealen 
Erscheinungen verschwindet. Dr. B o e p k e - Melsungen. 


Ueber eine unter dem Bilde des Meningismus verlaufende Allgemein¬ 
infektion mit Gramnegative Diplokokken. Von Bichard Stephan. Münchener 
med. Wochenschrift; 1916, Nr. 19. 

Akuter Beginn mit heftigem Kopfschmerz, hochgradige Empfindlichkeit 
gegen Berührung und passive Bewegung, Herpes labialis, Schüttelfrost; 
hämorrhagische Nephritis und als Zeichen des erhöhten Gehirndruckes und 
der hinteren Wurzel reizung Nackensteifigkeit, relative und absolute Bradykardie. 
In negativer Hinsicht: Fehlender Nachweis einer Typhus- und Meningokokken¬ 
infektion durch Kulturen und Beobachtung der Agglutinationskurve. 

Als Ausgangsort der Bakteriämie wird die Schleimhaut der oberen Luft¬ 
wege bezeichnet. Therapeutisch wurde Urotropin mit großem Vorteil gegeben. 

_ Dr. G r a ß 1 - Kempten. 


3. Wochenbettfieber und Wochenbettfürsorge. 

Die Behandlung der Placenta praevia durch den praktischen Arzt. 
Von Dr. B i ß m a n n, Direktor der Hebammenschule in Osnabrück. Medizinische 
Klinik; 1915, Nr. 25. 

Auf Grund seiner langjährigen Erfahrungen kommt B. zu folgenden 
Grundsätzen für die Behandlung der Placenta praevia: Die kombinierte Wen¬ 
dung nach Braxton Hicks gibt für die Mutter sehr gute Besultate und 
kann bei abgestorbenen oder lebensunfähigen Kindern, ferner bei Placenta 

E raevia centr., wenn es sich um invalide oder sehr ausgeblntete Patientinnen 
andelt, in erster Linie empfohlen werden. Dem Kaiserschnitt fällt somit nur 
ein sehr beschränktes Gebiet bei der Behandlung der Placenta praevia zu. 

Die extraovuläre Metreuryse mit großem Ballon vermag aber, in ge¬ 
eigneten Fällen angewandt, wesentlich mehr Kinder zu retten als die kombi¬ 
nierte Wendung, und annähernd soviel wie der Kaiserschnitt. Diese Methode 
kann deshalb warm empfohlen werden. 

In der Nachgeburtperiode ist sofort das Aortenkompressorium anzu¬ 
wenden. Heiße Spülungen sind gänzlich zu verwerfen. 


Neue Wege der Eklampstebehandlung. Von Dr. Paul Bißmann, 
Direktor der Hebammenscbnle in Osnabrück. Zeitschrift für Geburtshilfe und 
Gynäkologie; LXXVIII Bd. 

Der Gebrauch von Morphium, von Chloral und von Kochsalzinfusionen 
bei der Eklampsie empfiehlt sich nach Verfassers Ansicht durchaus nicht, da¬ 
gegen haben wir im Luminalnatrium ein Schlafmittel, das allen Ansprüchen 



Kleinere Mitteilungen and Befernte aus Zeitschriften. 


403 


gerecht za werden scheint. Außer Lamin&l scheint in schwereren Fällen von 
Eklampsie die sabkut&ne resp. intramuskuläre oder die rektale Anwendung 
von Magnesiumsalzen günstig zu wirken; auch ein Aderlaß ist in gewissen 
Fällen empfehlenswert Außerdem ist, wenigstens bei Geburtseklampsien, stets 
eine möglichst schnelle Entbindung anzustreben. 

4. Tuberkulose. 

Vergleichende Tuberkulosesputumuntersuchungen vermittels der 
Ziehl'Neelsenschen und der Kronbergerseben Tuberkelbazillenflrbnng. 

(Aus der deutschen Heilstätte in Davos.) Von AssistenzarztDr. F. Lichtweiß. 
Zeitschrift für Tuberkulose; Bd. 25, Heft 2. 

Bei 200 Sputamuntersuchungen wurde die Karbolfuchsin-Jodmethode 
nach Kronberger angewandt und mit der Ziehl-Neelsenschen Färbung 
verglichen: in 17 % aller Z i e h 1 negativen Sputa wurden noch deutlich Bazillen 
nach der Jodmethode nachgewiesen, außerdem noch in 8,5% mit Sicherheit 
Sporen; bei 32% sind nach Kronberger auffallend viel mehr Bazillen zu 
finden wie nach Ziehl. Danach steht die Ziehl-Nee Isen sehe Tuberkel¬ 
bazillenfärbung quantitativ und qualitativ hinter der Kronberger sehen 
Karbolfuchsin- Jodmethode zurück. Die Einführung der letzteren empfiehlt sich 
um so mehr, als sie einfach, streng spezifisch ist und als echte Struktur¬ 
färbung alle morphologischen Bestandteile zeigt, die für die pathogenen Säure¬ 
festen bezeichnend sind. 

Die Technik der Kroqbergerschen Färbung ist folgende: 

1 . Fixierung der beliebig dicken Sputumschicht auf dem Objektträge r 
durch Lufttrocknung und nachfolgende vorsichtige Flammenerwärmung. 

2 . Aufgießen der gebräuchlichen Karbolfuchsinlösung; gelindes Erwärmen 
bis zur schwachen Dampfbildung. Präparat erkalten lassen. 

3. Entfärben durch 15% Salpetersäure. 

4. Abspülen mit 60°/» Alkohol. 

&. Aufgießen von offizieller Jodtinktur, die mit dem vierfachen Volumen 
60%igen Aikohols verdünnt ist. Wirkung: wenige Sekunden. 

6 . Abspülen der Jodlösung mit starkem Wasserstrahl (sichere 
Vermeidung von Niederschlägen durch Jodausfüllung), Trocknen über der 
Flamme. _ Dr. R o e p k e - Melsungen. 

Reinfektion und Immunität bei Tuberkulose. Von Prof. Dr. H. Selter- 
Leipzig. Deutsche med. Wochenschrift; 1916, Nr. 10. 

ln dem hygienischen Institut der Universität in Leipzig wurden zahl¬ 
reiche Untersuchungen über Reinfektion angestellt und als Infektions- und 
Reinfektionswege bei Meerschweinchen die subkutane, intravenöse und 
inhalatorische Einbringung von Tuberkelbazillen gewählt. Bei subkutaner 
Reinfektion bestätigten sich die Beobachtungen von R ö m e r: Meerschweinchen, 
die mit einer tödlichen Dosis von Tuberkelbazillen infiziert sind, zeigen nach 
einiger Zeit eine veränderte Reaktionsfähigkeit der Haut, indem die später in 
oder unter die Haut gebrachten Tuberkelbazillen je nach der Menge entweder 
nicht zur Geltung kommen oder nach Entstehung einer Entzündung nach außen 
geschafit werden, wonach der Entzündungsprozeß ausheilt; die zugehörigen Lymph* 
drttsen bleiben meist unbeteiligt. Dagegen verhielten sich Meerschweinchen, 
die so schwach mit älteren Bazillen infiziert waren, daß es zu einer sehr 
langsam verlaufenden und anscheinend nicht tödlichen Tuberkulose kam, vier 
Wochen nach der ersten Injektion r('‘infiziert fast wie nicht infizierte Tiere. 
Die tuberkulösen Veränderungen an Drüsen und Organen waren bei ihnen 
genau so stark wie bei den Kontrollieren; nur bei der subkutanen Reinfektion 
machte sich an der Injektionsstelle eine gewisse Immunität bemerkbar. 

Diese Beobachtungen berechtigen nicht dazu, die Rcinfektionsergebnisse 
im Sinne von Römer und Much für die Menschen geltend zu machen. Man 
könnte annehmen, daß die erste Infektion nur in einem geschwächten Organismus 
Krankheitserscheinungen setzt, einen kräftigen aber nur umstimmt, ohne daß 
es zu einer Entzündung (Tuberkelbildung) kommt. Wahrscheinlich dringen 
die ersten Bazillen durch die Schleimhäute der Atmungswege ein, ohne an der 
Durchgangsstelle Merkmale zu hinterlassen. Nachfolgende Infektionen führen 



404 


Kleinere Mitteilangen und Referate ans Zeitschriften. 


dann in dem ongestimmten Körper zu lokalen Reaktionen an der Eintrittsstelle 
(in Lnnge oder Bronchialdrüsen). Der kräftige Körper überwindet anch diese 
örtlichen Enlzündnngserscheinnngen, indem er sie begrenzt nnd znr Latenz 
bringt; allmählich kommt es dann zn einer Immunität, die die weiter vor* 
dringenden Tuberkelbazillen spnrlos überwinden läßt. Von den in den Ent¬ 
zündungsherden (Lunge, Drüsen nsw.) lebend zurückbleibenden Tuberkelbazillen 
können im disponierten (durch Masern, Keuchhusten usw. geschwächten) Körper 
wahrscheinlich Autoinfektionen entstehen; manche Fälle tödlich verlaufender 
Tuberkulose im Kindesalter, z. B. tuberkulöse Meningitis, sprechen dafür. Es 
scheint aber nicht begründet, daß die im Mannesalter auftretende 
Phthise vornehmlich Folge einer metastasierenden Auto¬ 
infektion sei und nur ausnahmsweise einer von außen kommenden An¬ 
steckung, wie Römer und Much behaupten. 

Daß die Phthisis gewöhnlich erst im Uebergangsalter oder bei Er¬ 
wachsenen beobachtet wird, kann auf verschiedene Weise erklärt werden 
(Nachlassen der in der Kindheit erworbenen Immunität, erhöhte Ansteckungs¬ 
möglichkeit verbunden mit Schädigung der Atmungsorgane im Berufsleben, 
häufigere und andere Qelegenheit, Tuberkelbazillen aufzunehmen). Jedenfalls 
ist eine wiederholte Reinfektion eher die Ursache für das 
Zustandekommen der Phthise als eine Autoinfektion aus 
alten tuberkulösen Herden des Körpers, die von der jugendlichen 
Infektion zurückgeblieben sind. 

Nach den Versuchen von Selter ist es möglich, auch bei Meer¬ 
schweinchen durch sehr kleine Bazillenmengen oder abgeschwächte Kulturen 
eine heilbare Tuberkulose zu erzeugen. Es kann also beiMeerschweinchen 
Ueberstehen und Ausheilung einer Tuberkuloseinfektion 
beobachtet werden. Damit eröffnet sich der Weg für weitere Untersuchungen. 

Dr. Roepke-Melsungen. 


Zur Frage der Mobilisierung der Tuberkelbazillen durch Tuberkulin. 

Von 8tabsarzt Prof. Dr. Möllers und Dr. A. Oehler. Deutsche med. Wochen¬ 
schrift; 1916, Nr. 15. 

Im Tuberkulose-Laboratorium des Instituts „Robert Koch“ wurden die 
einschlägigen Untersuchungen bei insgesamt 54 Patienten vorgenommen, von 
denen 10 dem I., 5 dem II. und 7 dem III. Stadium der Lungentuberkulose 
angehörten. Danach wird das Auftreten von Tuberkelbazillen im strömenden 
Blut bei Phthisikern durch Einspritzung von Tuberkulin mit nachfolgender 
Fieberreaktion weder verhindert noch begünstigt. 

Die Annahme, daß das Tuberkulin die Eigenschaft habe, die im tuberku¬ 
lösen Menschen befindlichen Tuberkelbazillen „mobil“ zu machen und ihre Ver¬ 
breitung im Körper auf dem Wege der Blutbahn zu begünstigen, wird durch 
die vorgenommenen Verimpfungen des Blutes auf Meerschweinchen nicht ge¬ 
stützt. Der Prozentsatz der positiven Blutbefunde ist im Gegenteil während 
der Tuberkulinreaktion geringer gewesen als bei Blutentnahme zu reaktions¬ 
freier Zeit. Damit wird auch die Behauptung, daß durch Tuberkulincinspritzungen 
virulente Tuberkolbazillen aus den erkrankten Organen in die Blutbahn ge¬ 
bracht werden und dadurch eine bedenkliche Schädigung der Patienten eintrilt, 
als falsch erwiesen. 

Für den Arzt, der mit Tuberkulin arbeitet, eriibriglon sich diese tier- 
experimentellen Beweise tvergl. die Schiaßbetrachtungen im Baudelier- 
Roepke sehen Lehrbuch der spezifischen Diagnostik und Therapie der Tuber¬ 
kulose). Es ist nunmehr zu erwarten, daß das „Märchen vom mobil gemachten 
Tuberkelbacillus“, wie sich Robert Koch ausdrückte, nicht weitererzäblt wird. 

_ Dr. Roepke- Melsnngen. 


Mobilisation der Luugen als Grundlage der Tnberknlose-Hehandlung. 

Von Stabsarzt Dr. E. Kuhn. Zeitschrift für Tuberkulose; Bd. 25, HeftS. 

Die Mobilisationsbchandlnng in den Anfangsstadien ist auf Grund der 
pathologischen Physiologie die unbedingt zu erstrebende, aussichtsreichste 
Methode zur Behandlung der Lungentuberkulose. Am zweckmäßigsten erfolgt 
sie durch die Anwendung der Sauginaske. Durch die dosierbar gesteigerte 
Atemgymnastik vermittelst der Saugmaske ist zugleich eine Autoinokulations- 



I 


Kleiner« Mitteilungen and Beferate «u Zeitschriften. 405 

tberapie (Ausschwemmung von Toxinen aas dem Krankheitsherd in den 
allgemeinen Kreislauf) der Langentaberknlose möglich. Zar Beobachtung and 
richtigen Dosierang der Aatoinokulation hat die Saogmaskenbehandlong be¬ 
sonders im Anfang anter Kontrolle der Temperatur au erfolgen. 

Dr. Boepke-Melsangen. 


Die Sanatorientnberkulosefrage. Von Dr. M. H o 1 m b o e - Kristiania, 
Direktor des zivilen Medizinalwesens Norwegens. Zeitschrift für Tuberkulose; 
Bd. 25, H. 3. 

Verfasser gibt eine Uebersicht über die Entwicklung der Frage von der 
Hospitalisierang der unbemittelten Schwindsüchtigen in Deutschland und den 
skandinavischen Ländern. Anfangs wurden Heilstätten für die Kranken im 
Anfangsstadium errichtet; es zeigte sich aber bald, daß auch etwas für die 
mehr vorgeschrittenen, anheilbaren Fälle im eigenen Interesse und in dem der 
Umgebung geschehen mußte. Hierbei machten sich zwei Richtungen geltend, 
die eine, die Heilstätten für die Behandlung der heilbaren Fälle und Anstalten 
für die Verpflegung von Unheilbaren getrennt voneinander verlangte, während 
die andere Richtung das Aufgeben solcher Absonderung betrieb, ln Schweden 
ist zum Teil die letztgenannte Richtung bestimmend geworden, in Deutschland, 
Dänemark und Norwegen hat man im großen und ganzen an der Errichtung 
gesonderter Heil- und Pflegeanstalten festgehalten, und zwar nach Verfassers 
Ansicht mit Recht. 

Eine wirkliche Heilanstalt für Lungentuberkulöse muß über alle Hilfs¬ 
mittel unserer Zeit verfügen, insbesondere über ein recht großes Gelände, eine 
nach mehreren Richtungen kostspielige Ausstattung und einen durchgebildeten 
Facharzt, der sich ganz der Tätigkeit innerhalb der Anstalt widmen kann; 
dies ist auch aus disziplinären Gründen notwendig. Bei der Wahl des 
Bauplatzes müssen auch die klimatischen Verhältnisse in Betracht gezogen 
werden. Da die Heilstätten deshalb außerhalb der Städte angelegt werden 
müssen, wird es fast immer notwendig, für das Personal Wohnungen zu bauen. 
Alles das verteuert die Heilstätten, so daß jedes Krankenbett durch¬ 
schnittlich teurer ist als in einem Krankenhaus. Es ist daher schon aus 
ökonomischen Gründen unzweckmäßig, einen Teil der teuren Heilstättenbetten 
für Unheilbare zu verwenden. Ferner wird die Schwierigkeit hervorgehoben, 
vorgeschrittene Kranke weit von ihrer Heimat weg zu bringen, und der depri¬ 
mierende Einfluß, dem das stete Zusammensein mit weit vorgeschrittenen und 
sterbenden Kranken unvermeidlich verbunden ist. Alles dies spricht gegen 
die Kombination von Heil- und Pflegeanstalten und für die Einrichtung von 
gesonderten Heilstätten und Pflege- oder Invalidenheimen. Letztere dürfen 
aber nicht den Eindruck von Verfallen des Todes machen; das läßt sich auch 
nach den Erfahrungen mit den 50 norwegischen Pflegeheimen für Tuberkulöse 
vermeiden. 

Als Normalzahl der Betten einer Volksheilstätte hat die internationale 
Tuberkulose-Vereinigung 100, als Maximum 200 und als Minimum 60 vor¬ 
geschlagen. Eine Heilstätte soll nicht so groß sein, daß der leitende Arzt 
den Ueberblick über den Zustand jedes Kranken verliert, und anderseits nicht 
so klein, daß die Arbeitskraft des Arztes nicht ausgenutzt wird. Bei Anstalten 
von mehr als 50—60 Betten ist die Anstellung eines Hilfsarztes erforderlich. 

Dr. R o e p k e - Melsungen. 

Tuberkulose* und Heilmittelschwindel. Von Oberarzt Dr. Klare- 
Walhof Elgershausen. Zeitschrift für Tuberkulose; Bd. 25, Heft 2. 

K. gibt einen kleinen Ueberblick über die sog. „Heilmittel“, die den 
Lungenkranken in gutbezahlten Anzeigen unserer leider vielfach feilen Tages¬ 
presse angeboten werden: 

Tuberkulozyme (kupferhaltiges Salz) wird von P. Yonkermann & Co. 
iu London angepriesen; die Kur kostet 50 M. 

Dr. Richard Jeschke & Co. in Kötzschenbroda (früher Spiro-Spero 
alias Weidhaas) empfehlen, ihre „verbesserte Methode“ mittels Inhalations¬ 
apparat, Atmungsstuhl und Tees. 

Magalia ist die Medizin des Johann Wilhelm Krähe, die angeblich 
Schwindsucht, Knochentuberkulose, Asthma u. u. vollständig heilt. 



406 


Kleinere Mitteilungen und Referate atu Zeitschriften. 


Für Biomalz in der Taberkulosebeh&ndlung schreibt ein Dr. Camp¬ 
hausen, dessen Eigenart es ist, mehr als zweifelhafte Mittel zu empfehlen. 

Von Tees werden unter marktschreierischer Reklame als Heilmittel 
gegen Lungenkrankheiten in den Handel gebracht der Puhlmantee von der 
Firma Puhlman & Co. in Berlin, der Johannis-Tee der Firma Brock¬ 
haus & Co., der Peuleke-Tee von Peuleke & Co. in Halle a. S., der 
Samum-Tee von Mr. Leo Hauser in Tetscben a.!L, der Brustheiltee 
und Dta-Balsam der Deutschen Gesellschaft für Pflanzenheilkunde in Berlin, 
der Lieber sehe Brusttee (Lieber sehe Kräuter, Blankenheimer Tee, Aus¬ 
zehrungskräuter). 

K. Haders Lungenheilmittel (Ha-Gerin) ist ein Geheimmittel, 
das in unsachgemäßer Weise zusammengesetzt ist und leicht in Zersetzung 
übergeht. 

Antiterror kommt als „absolut sicheres“ Heilmittel gegen Tuberku¬ 
lose von Kaiserslautern aus durch die Antiterror-Werke in den Handel. Es 
soll aus Gerbsäure, Tonerde, Aether, Chlorophil, Harz, Tannin, Kalium, Eisen 
und Albumin bestehen. Zar Kur gehört außerdem noch ein Paket Tee. 

K a 1 z i o 1 ist das Lungenmittel von Theo Thommen in Neu - Allschwill, 
der die günstigen Urteile über den Gebrauch von Kalksalzen bei Tuberkulose 
zur Reklame für sein Präparat verwendet. 200 Tabletten kosten ll,50 M, 
100 Tabletten 6,50 M. Dr. R o e p k e - Melsungen. 

B. Hygiene und. öffentlloheu Gesundheitswesen. 

1. Nahrungsmittelhygiene. 

Die polizeiliche Ueberwachung des Verkehrs mit Milch in großen 
Städten Deutschlands. Von Dr. N ied erst ad t- Hamburg. Oeffontlicho 
Gesundheitspflege; 1916, Nr. 4. 

Verfasser bespricht zunächst die durch die Milch zu befürchtenden 
Gesundheitsschädigungen sowie die zu ihrer Verhütung erforderlichen Ma߬ 
nahmen und die Notwendigkeit einer Ueberwachung des Milchverkehrs nament¬ 
lich in den Städten. Eine solche ist um so mehr geboten, als die Milch unser 
wichtigstes Nahrungsmittel ist; denn der Wert des Milchverbranchs in Deutsch¬ 
land erreichte schon im Jahre 19( 6 die Höhe von 26,4 Milliarden Mark, gegen 
eine Ausgabe von 22,5 Milliarden M. für Brotgetreide, 0,8 Milliarden für Kartoffeln 
und 0,4 Milliarden für Zucker. Er schildert dann die zur Ueberwachung des Milch- 
verkehrs bereits bestehenden landes- und ortspolizeilichen Verordnungen, die sich 
durch große Mannigfaltigkeit und Verschiedenheit der Einzelvorschriften aus¬ 
zeichnen. Eine roichsgesetzlicheRegelung des Milchverkehrs sei deshalb 
unbedingt erforderlich; es genüge dazu aber schon eine gesetzliche Festlegung der 
Grundzüge, so daß den landes- und ortspolizeilichen Vorschriften noch genügend 
Raum zur Betätigung verbleiben, um das Gesetz den einzelnen Gegenden mehr 
anzupassen. Die polizeilichen Verordnungen von Darmstadt und Danzig sowie 
den preußischen Runderlaß von 1912 hält Verfusser für geeignet, als Grund¬ 
lage für ein solches Gesetz zu dienen, da sie wohl am meisten den neuzeit¬ 
lichen hygienischen Anforderungen entsprechen. Rpd. 

Ueber die Leistungsfähigkeit des Lobeck sehen Milchsterillslerungs- 
verfahrens (ßiorisation). Von K. E. F. 8 chmitz, z. Z. Stellv. Direktor des 
Hygienischen Instituts Aus dem Hygienischen Institut der Universität Greifs¬ 
wald (Direktor: Prof. Dr. P. H. Röme r). Zeitschrift für Hygiene und Infektions¬ 
krankheiten ; Bd. 80, H. 2. 

Das von Lo beck in Leipzig 1912 angegebene Bterilisierungs-(Biorisator-) 
Verfahren besteht im wesentlichen darin, daß die fein versprühte Milch einer 
plötzlichen Erhitzung auf etwa 75° und einer ebenso plötzlichen Abkühlung 
unterworfen wird. Die genaue Apparatur und deren Handhabung sind im 
Original nachzulesen. Als wesentliche Vorteile dieser Methode wurde an¬ 
gegeben, daß mit Ausnahme der widerstandsfähigen Sporen sämtliche Keime 
abgetötet werden, ohne daß der Rohmilchcbarakter leidet. Die Prüfung des 
Verfahrens ergab, daß die Milch nach der Biorisicrung durch Geruch und Ge¬ 
schmack keineswegs von der rohen Milch zu unterscheiden war. Mit den 
Fermentreaktionen konnte ebenfalls in keinem Fülle ein Unterschied zwischen 
roher und biorisiertcr Milch festgcstellt werden; auch das genuine Molken- 



Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


407 


eiweiß war unverändert. Dagegen war das Labgerinnungsvermögen der biori- 
sierten Milch etwas herabgesetzt, aber noch immer bedeutend besser als das 
der gekochten Milch. Die bakterizide Kraft der rohen und biorisierten Milch 
wurde nahezu gleich befanden; auch hatte die Höhe des antitoxischen Titers 
eines zugesetzten Diphtherieantitoxins durch die Biorisation keine Abnahme 
erlitten. Die gewöhnlichen Milchkeime wurden bis auf die Sporen vernichtet, 
ebenso Krankheitserreger, einschließlich Tuberkelbazillen des bovinen Typus, 
die in großen Mengen zugesetzt worden waren. Da die Sporen nicht abgetötet 
werden, besteht die Gefahr der Peptonisierung. Will man dieser begegnen, so 
kann man sie durch Einsaat von Milchsäure-Bakterien oder durch Kombination 
mit dem Per hyd rose -Verfahren von Muck und Römer verhindern. Auch zur 
Abtötung von Keimen in Impfstoffen (Cholera etc.) erwies sich das Verfahren 
brauchbar; zur Sterilisierung von Serum ist der Apparat in seiner vorliegenden 
Form noch nicht geeignet. Versuche zur Entkeimung von Trinkwasser haben 
Aussicht auf Erfolg. Das Verfahren wird sich in erster Linie dazu eignen, 
eine tuberkulöse Infektion durch die Milch bei Kälbern zu verhüten. 

Dr. L. Quadflieg -Gelsenkirchen. 


2. Blindenfürsorge. 

Blindenwesen und Kriegsblindenfürsorge. Vortrag von Prof. Dr. 
A. Bielschowsky, Direktor der Königl. Universitäts-Augenklinik in Marburg. 
Berlin 1916. Verlag von Julius Springer. Kl. 8 °; 31 S. Preis: geb. 1 M. 

Verfasser gibt zunächst einen kurzen Abriß des Blindenwesens und seiner 
Entwicklung, die durch den Krieg zweifellos gefördert wird, da er die 
Fachmänner vor einer Reihe neuer Aufgaben und Fragen gestellt und die 
Mitwirkung weiter Kreise der Bevölkerung an dem großen Lebenswerke der 
Blindenfürsorge geführt hat. Die Erblindungsgefahr ist im jetzigen Kriege 
infolge der modernen Kriegsführung eine viel größere wie vor 100 Jahren. Die 
Blindheit trifft hier junge, kräftige und bis dahin ganz gesunde Menschen völlig 
unerwartet und bedingt deshalb bei allen eine schwere Gemütsdepression, die 
erst beseitigt werden muß, ehe an eine Ausbildung herangegangen werden 
kann. Das wirksamste Mittel gegen diese geistige Depression ist die Arbeit, 
wie denn überhaupt die berufliche Ausbildung mit der allgemeinen Blinden¬ 
ausbildung Hand in Hand gehen muß. Der Unterricht muß aber von geschulten 
Lehrkräften erteilt werden; auch sollte erst nach der vollendeten Ausbildung 
der Kriegsblinde als Soldat entlassen werden. Für die Ausbildung empfiehlt 
sich keine Zentralisation, da gerade bei Kriegsblinden eine weitgehende Indi¬ 
vidualisierung geboten ist. Je mehr ihre Eigenart berücksichtigt wird, je 
mehr es der Lehrer versteht, sich ihr Vertrauen und ihre Zuneigung zu 
gewinnen, desto sicherer und gedeihlicher wird sich ihre Berufserziehung 
gestalten. Deshalb sollte die Ausbildung aueh nur in kleinen Gruppen 
(4—5) von einigermaßen gleichartigen Leuten erfolgen. Die sogenannten eigent¬ 
lichen Blindenberufe kommen nur für einen kleinen Teil der Kriegsblinden 
in Betracht, da sie einen zu langen Aufenthalt in der Anstalt erfordern. Viele 
können mit gewissen Einschränkungen ihren früheren Beruf wieder aufnehmen, 
andere einer ihren Neigungen und Fähigkeiten entsprechenden Tätigkeit 
zugeführt werden. Wie Versuche ergeben haben, eignen sich die Blinden auch 
zum Telefondienst; ein Blinder brachte es z. B. auf die Herstellung von 
240 Gesprächsverbindungen, gegenüber durchschnittlich 150 bei den auf der 
Post angestellten Telefonisten. Die Verwertbarkeit des sogenannten Optophons, 
die den fehlenden Gesichtssinn durch das Gehör ersetzen soll, ist nach den auf 
Anlaß des Verfassers angestellten Versuchen vorläufig noch höchst zweifelhaft. 
Der für die Kriegsblindenfürsorge gesammelte, mehrere Millionen betragende 
Betrag soll, abgesehen von Fällen wirklicher und unverschuldeter Not, namentlich 
zur Unterstützung aller Bestrebungen, die die Ausbildung der Blinden sowie 
die Erlangung von geeigneten Arbeitsstellen im Auge haben, benutzt werden. 
Gerade die Erweiterung der Erwerbsmöglichkeiten für Blinde stellt den Beginn 
einer neuen Epoche des gesamten Blindenwesens dar. Rpd. 


Blindenanstalten und Blindenfürsorge in Preußen mit Berück¬ 
sichtigung der Kriegsbllnden-Fürsorge. Von Dr. R. Behla, Reg.- und 



408 


Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


Geh. Med.-Rat, Berlin. Sonderabdrnck ans der Zeitschrift des Königl. Prenß. 
Statistischen Landesamts; Jahrg. 1915. 

Von sämtlichen am Volkszählangstage in Preußen ermittelten 20953 
Blinden (10956 m. and 9497 w.) befanden sich 3891 (1949 m. and 1942 w.) 
= 18,57°/o (17,79°/o m. und 19,43°/o w.) in Anstalten. Diese Verhältnis¬ 
ziffer ist je nach den einzelnen Provinzen verschieden; sie beträgt in Berlin 
z. B. nur 10°/», in Schleswig-Holstein dagegen 20°/o. Aach in bezug auf die 
Altersklassen macht sich ein großer Unterschied bei den in Anstalten 
nntergebrachten Blinden bemerkbar; den höchsten Prozentsatz stellen die 
schulpflichtigen Kinder von 5—10 (46,05°/#) und 10—15 Jahren (69,69 °/u), 
nach die Altersklasse von 15—20 Jahren zeigt noch eine Verhältnisziffer 
von 63,02°/«; dann fällt diese schnell aaf 30,45°/« (20.—25. Lebens¬ 
jahr) und hierauf allmählich bis auf 7,22°/o (über 80 Jahre) herab; diese 
Ziffer ist aber immer noch höher als die für die Altersklassen von 
0—5 Jahren, wo sie nur 5,46*/o beträgt. Zurzeit sind in Preußen 16 Blinden¬ 
anstalten vorhanden; die Zahl der darin untergebrachten schal pflichtigen 
Kinder ist von Jahr zu Jahr gestiegen, von 1013 im Jahre 1912 auf 1198 im 
Jahre 1914. Der Unterricht hat sich in diesen Anstalten immer mehr vervoll¬ 
kommnet; dasselbe gilt betreffs der Lehrmittel. Die meisten Anstalten ver¬ 
fügen auch über eine umfangreiche Bibliothek mit zahlreichen Büchern, die 
Blinde lesen können. In den Anstalten bildet außer dem Schulunterricht der 
Blinden im Lesen, Schreiben und Rechnen der Berufsunterricht eine 
wichtige Rolle. In letzter Zeit hat man auch Blinde als Masseure ausgebildet. 
Die Erwerbsaussichten sind aber keine günstigen für die in einem Berufe aus¬ 
gebildeten Blinden; ihr Verdienst bleibt sehr erheblich gegen die gesunden 
gleichartigen Arbeiter zurück, so daß es nicht immer zum Lebensunterhalt 
genügt. Deshalb bildet auch die Blindenfürsorge ein großes Arbeits¬ 
feld für die Nächstenliebe. Erfreulicherweise hat diese stets ein warmes 
Herz für die Blinden gehabt, um deren Los nach jeder Richtung hin zu 
lindern. Neben den Blindenanstalten sind fast in allen Bundesstaaten auch 
Blindenheime sowie Vereine vorhanden, die sich die Blindenfürsorge zur Auf¬ 
gabe gemacht haben. In jüngster Zeit sind dazu noch die menschenfreundlichen 
Bemühungen der Kriegsblindenfürsorge hinzugetreten. Die Zahl der 
Kriegsblinden ist noch nicht bekannt; sie wird aber keine geringe sein; um so 
erfreulicher ist es, daß die im März 1915 durch öffentlichen Aufruf veranlaßte 
Sammlung eines Kapitals znr Unterstützung erblindeter Krieger fast 
5 Millionen Mark eingebracht hat. Außer der mit diesem Kapital gebildeten 
Kriegsblindenstiftung für Heer und Flotte, der noch l /aMill. M. von der 
mit ihr vereinigten bisherigen Kriegsblindenstiftung der deutschen Gesellschaft 
für künstlerische Volkserziehung zugeflossen sind, besteht noch ein Deutscher 
Blindenverband. Daß ärztlicherseits das Beste zur Heilung der Kriegsblinden 
geschieht, dafür bürgt der durch die Einrichtung der beratenden Hygieniker 
und Spezialärzte verbesserte Stand unseres Militärsanitätswesens. Wo möglich 
beginne man schon in den Lazaretten mit dem Unterricht im Lesen und 
Schreiben der Brailleschen Punktschrift und mit leichten Handarbeiten. 
Weiterhin empfiehlt sich die Unterbringung der Kriegsblinden in Blinden¬ 
anstalten oder wenigstens in Orten, wo solche vorhanden sind. Zu empfehlen 
ist auch die Herausgabe eines amtlichen Merkblatts in Schwarz- und Punkt¬ 
druck, das über die für Kriegsblinde in Betracht kommenden Fragen über 
Bentenansprüche usw. Auskunft gibt. Heeres- und Zivil Verwaltung sowie Fach¬ 
blindenlehrer müssen Hand in Hand gehen und für eine geregelte Blinden¬ 
fürsorge eintreten, die dem früheren Berufe der Kriegsblinden und der indi¬ 
viduellen Veranlagung eines jeden möglichst Rechnung trägt. 

Die Frage, ob sich die Blindenzahl in Zukunft noch verringern lassen 
wird, bejaht Verfasser, da die Blindheit zu den Uebeln gehört, die zum großen 
Teil vermeidbar sind. Die genaue Erforschung der Ursachen der Blindheit ist 
im Wachsen und damit auch die Möglichkeit ihrer Vermeidung. Allerdings 
wird sich die angeborene Blindheit, die etwa 25°/o aller Fälle beträgt, kaum 
aus der Welt schaffen lassen, wohl aber die durch Augenentzündung der 
Neugeborenen, durch Granulöse, durch Infektionskrankheiten und Berufsver- 
letzungen hervorgerufene. Rpd.' 



Besprechungen. 


409 


Besprechungen. 

Dr. Heinrich Jo&ohim, Sanitätsrat und Dr. Alfr. Korn, Justtzrat, 
Berlin: Die prenssische Gebühren-Ordnung für approbierte Aerzte 
und Zahnärzte vom 15. Mai 1896. Dritte gänzlich umgearbeitete Auf¬ 
lage. Berlin 1916. Verlag von Oscar Coblentz. Gr. 8°, 286 S. Preis: 
geh. 10 M., gebd. 11 U. 

Mit Recht bezeichnen die Verfasser die neue Auflage ihres Kommentars 
der preußischen Gebührenordnung als eine gänzlich umgearbeitete; denn sie 
stellt sich gegenüber der vorhergehenden als ein völlig neues Werk dar, bei 
dem namentlich die inzwischen stark angewachsene Rechtsprechung nicht nur 
eingehend berücksichtigt, sondern auch durch Abdruck des wesentlichen Teiles 
der Urteile wiedergegeben ist. Außerdem ist der Inhalt der Gebührenordnung 
durch zahlreiche Beispiele erläutert, um dem Arzte die Aufstellung seiner 
Rechnungen zu erleichtern. Besonders wertvoll ist ein der Erläuterung der 
Gebührenordnung vorangestellter rechtswissenschaftlicher Teil, in dem die ein¬ 
schlägigen Fragen (Honorarrechnung des Arztes, [Zahlungspflicht der Eltern, 
des Ehemannes, der Ehefrau, der Krankenkassen und Armenverbände, des 
Dienstherrn], die Höhe des ärztlichen Honorars und die Geltendmachung des 
Honoraranspruches) vom juristischen Standpunkte aus klar und für den Arzt 
berechnet besprochen sind. Außer der ärztlichen Gebührenordnung haben 
auch die gesetzlichen Bestimmungen über die Gebühren für die Besorgung 
amts- und gerichtsärztlicher Geschäfte in einem besonderen Abschnitt Berück¬ 
sichtigung und Erläuterung gefunden. — Eine nach dem Inhalt alphabetisch 
geordnete Zusammenstellung der benutzten Gerichtsentscheidungen sowie ein 
sorgfältiges Sachregister werden die Benutzung des selbst allen Ansprüchen 
entsprechenden und deshalb warm zu empfehlenden Kommentars wesentlich 
erleichtern. Rpd. 


T&aohenbuoh des Feldarztuz IV. (a) und V. (b) Teil. München 1916. 

J. F. Lehmanns Verlag. 

m. Dr. H. Llpp, z. Z. Assistent im Reservelazarett in Hohenheim: Empfind¬ 
liche, einfache und rasch ausführbare Untersuchungsmethoden für 
Lazarette, Laboratorien und prakt. Aerzte. 12°; 70 S. Preis: geb. 2 M. 

Verfasser hat sich bemüht, unter Verwertung der alt bewährten Unter¬ 
suchungsmethoden auch die neuen, zum Teil noch wenig bekannten, soweit sie 
sich als eindeutig bewährt haben, zur Darstellung zu bringen und dem Prak¬ 
tiker einen Fingerzeig zu geben, wie man mit möglichst einfachen Mitteln und 
ebenso vortrefflichen wie billigen Apparaten sicher, zuverlässig und rasch 
analysieren kann. Unter Einhaltung dieses Grundsatzes sind in sieben Ab¬ 
schnitten die Untersuchung von Harn, Sperma, Punktionsflüssigkeit, Sputum, 
Mageninhalt, Stuhl und Blut kurz und sachgemäß behandelt; überall sind die 
hauptsächlichsten und namentlich für den praktischen Arzt brauchbauten Unter- 
Buchungsmethoden in klarer Weise geschildert, so daß sich das Büchlein schnell 
in den beteiligten Kreisen ein bürgern wird. 

b. Dr. Erioh Plath, Oberarzt und Dr. Avg. Dethleffken, Assistenzarzt 
am Allgemeinen Krankenhaus Hamburg - Barmbeck: Die physikalische 
Therapie im Feld- und Heimatlazarett. Mit 90 Abbildungen. München 
1916. 12®; Preis: geb. 4 M. 

Obwohl die physikalische Therapie bei der ärztlichen Behandlung der 
verwundeten und erkrankten Krieger nach den bisherigen Erfahrungen sehr 
wertvolle Dienste leisten kann, findet sie noch nicht in dem Maße Anwendung, 
wie sie es verdient. Der Grund darin liegt zum Teil in der unzureichenden Aus¬ 
bildung der Aerzte auf diesem wichtigen Gebiete, zum Teil auch darin, daß 
die zu ihrer Durchführung vielfach erforderlichen komplizierten Einrichtungen 
zu kostspielig sind und daher ihre Anschaffung unterbleibt. Auf Grund ihrer 
reichen Erfahrungen zeigen die Verfasser nun in dem vorliegenden, aus Vor¬ 
trägen, die sie im Barmbecker Krankenhaus gehalten haben, entstandenen 
Taschenbuch, daß sich die physikalische Heilbehandlung auch in einfachen 
Verhältnissen und ohne große Apparate durchführen läßt; das Taschenbuch 
entspricht demzufolge so recht dem Bedürfnisse des praktischen Arztes und 
zwar nicht nur in Kriegs-, sondern auch in Friedenszeiten. Sein Inhalt 
zeichnet sich durch Ucbersichtlichkeit und Klarheit aus und ist vielfuch durch 



Tagesn achrich ten. 


410 

zahlreiche vorzüglich ausgeführte Abbildungen erläutert; namentlich gilt dies 
betreffs der verschiedenen, von den Verfassern benntzten kleineren Behandlunga- 
apparaten, die hier zum Teil zuerst beschrieben sind und von der orthopädischen 
Lehrwerkstätte des Landesausschusses für Kriegsbeschädigte in Hamburg- 
Barmbeck bezogen werden können. Bpd. 


Tagesnachrichten. 

Auf dem Gebiete der Volksernährung sind vom Bundesrat in den letzten 
Wochen eine erhebliche Anzahl von Bestimmungen nicht blos zur Sicherung 
einer ausreichenden Ernährung, sondern auch behufs Beseitigung der bei dem 
Lebensmittelverkchr in Erscheinung getretenen Mißstände getroffen. Abgesehen 
von der bereits in der Nr. 11 dieser Zeitschrift (s. S. 343) erwähnten und in der 
Beilage zur heutigen Nummer (S. 89 u. 90) abgedruckten Bekanntmachungen 
über die Kriegsmaßnahmen zur Sicherung der Volksernährung 
und über Errichtung eines Kriegsernährungsamtes vom 22. Mai d. J., 
ist der Verkehr mit Fleischwaren durch Bekanntmachung vom 22. Mai 
1916 (s. Beilage S. 92) und die Bereitung von Backwaren durch Be¬ 
kanntmachung vom 26. Mai 1916 neu geregelt; dasselbe gilt betreffs des Ver¬ 
kehrs mit Brotgetreide und Menl aus der Ernte 1916, mit Hülsen¬ 
früchten, Buchweizen und Hirse (Verordnungen vom 29. Juni 1916), 
betreffs des Verkehrs mit Verbrauchszucker (Verordnung vom 10. April 
1916 nebst AusfQhrungsbestimmungen vom 24. Juni 1916), betreffs der Ver¬ 
wertung von Speiseresten und Küchenabfällen (Bekanntmachung 
vom 26. Juni 1916) und der Verwertung von Tierkörpern und 
Schlachtabfällen (Bekanntmachung vom 29. Juni 1916). Weiterhin hat 
die Kartoffelversorgung für das kommende Jahr durch Bekanntmachung 
vom 26. Juni 1916 eine Neuregelung erfahren: anstelle der bisherigen Reichs¬ 
stelle für Kartoffelversorgung ist die Reichskartoffelstelle getreten 
(Bekanntmachung vom 22. Mai 1916) und eine Reichsstelle für Gemüse 
und Obst durch Bekanntmachung vom 18. Mai 1916 eingerichtet, deren Auf¬ 
gabe es ist, die Erzeugung, Verwertung und Haltbarmachung von Gemüse und 
Obst zu fördern. Vor allem ist man jetzt endlich dazu übergegangen, auch 
gegen den Unfug des sogenannten Kettenhandels bei dem Verkehr 
mit Nahrungs- und Futtermitteln sowie mit sogenannten Er¬ 
satzmitteln in energischer Weise zu bekämpfen. Durch Verordnung 
vom 24. Juni 1916 über den Handel mit Lebens- und Futter¬ 
mitteln sowie zur Bekämpfung des Kettenhandels (siehe 
Beilage zur heutigen Nummer dieser Zeitschrift, 8. 90) bedarf es einer be¬ 
sonderen behördlichen Enlaubnis zum Handel mit diesen Mitteln, die 
zeitlich, örtlich und sachlich begrenzt sowie versagt und entzogen werden 
kann, wenn Bedenken volkswirtschaftlicher Art oder persönliche oder sonstige 
Gründe dafür vorliegen. Unlautere Machenschaften, insbesondere 
Kettenhandel, durch den der Preis für Lebensmittel gesteigert wird, wird 
mit Gefängnis bis zu einem Jahre und Geldstrafe bis 10000 Mark bestraft; 
desgleichen sind öffentliche Aufforderungen zur Abgabe von Preis¬ 
angeboten auf Lebensmittel nur mit Genehmigung der zuständigen 
Polizeibehörde zulässig und öffentliche Ankündigungen über Erwerb 
oder Veräußerung von Lebensmitteln usw. verboten, soweit diese geeignet 
sind, einen Irrtum über die geschäftlichen Verhältnisse der Anzeigenden usw. 
zu erwecken. Das durch Verordnung vom 26. Juni 1916 erlassene Verbot 
der Herstellung oder Feilhaltens und Verkaufs von fett¬ 
haltigen Zubereitungen sog. Ersatzstoffen für Butter oder 
Schweineschmalz betrifft zwar nur einen kleinen Teil der sogenannten 
Ersatzstoffe, erfreulicherweise ist es aber auf diesen nicht beschränkt, sondern 
durch Bekanntmachung vom 26. Juni 1916') über irreführende Bezeich¬ 
nung von Nahrungs- und Genußmitteln wird auch das Anbieten, 
Feilhalten und Verkaufen von Nahrungs- und Genußmitteln unter einer zur 
Täuschung geeigneten Bezeichnung mit Gefängnis bis zu 6 Monaten und mit 
Geldstrafe bis zu 1500 Mark bestraft. 


*) Der Abdruck dieser Bekanntmachung wird in der Beilage zur nächsten 
Nummer dieser Zeitschrift erfolgen. 



Tagesnachrichten 


411 


Auszeichnung. Bei Gelegenheit des Leibniztages am 29. Jnni d. J. 
hat die Königlich preußische Akademie der Wissenschaften den 
Generalstabsarzt Prof. Dr. y. Scbjernlng die goldene Leibniz-Medaille 
verliehen und damit zugleich seine Anerkennung für das gesamte militärische 
8 anitätskorps ausgedrückt. _ 


Preisausschreiben. Die Adolf-Schwabacher Stiftung hat aus 
ihren Mitteln einen Preis von 20000 Mark für eine medizinische 
Leistung au s dem Gebiete der Volksernäh rung in Kriegszeiten 
ausgeschrieben. Bewerbungen sind bis zum 1. Juli 1918 an das preußische 
Kultusministerium zu richten. 


ln Brüssel findet unter dem Ehrenvorsitze des Generalgouverneurs 
in Belgien General v. Bissing vom 15. Juli bis 15. Oktober d. J. eine 
Ausstellung für soziale Fürsorge statt, an der sich das Reichsversicherungsamt, 
die Reichsversicherungsanstalt für Angestellte, das Deutsche Zentralkomitee zur 
Bekämpfung der Tuberkulose und die Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung 
der Geschlechtskrankheiten beteiligen werden. Die Ausstellung, deren Leitung 
die Abteilung „Soziale Fürsorge“ des Belgischen Roten Kreuzes übernommen 
hat, umfaßt folgende vier Gruppen: Organisierung und Ergebnisse der Reichs¬ 
versicherung, Arbeiterwohnungswesen, Volksseuchen (Tuberkulose, Geschlechts¬ 
krankheiten, Alkoholmißbrauch) und Unfall-(Kriegsbeschädigten-) Fürsorge. Das 
Zentralbüro der Ausstellung befindet sich in Brüssel, Avenue Galilöe Nr. 14. 


Am 8. und 4. d. Mts. hat in B e r 1 i n (großer Sitzungssaal des Reichstages) 
eine außerordentliche Tagung der Zentralstelle für Yolkswohlfahrt in 
Gemeinschaft mit dem Zentralverein für das Wohl der arbeitenden Klassen 
stattgefunden, auf der die praktische Durchführung von Massenspeisungen 
zur Verhandlung gekommen ist. Auf der Tagesordnung standen: 

1 . Das Problem der Massenspeisung; Stadtrat a. D. Dr. Luther, 
Geschäftsführer des Deutschen und Preußischen Städtetages, Berlin. 2. Zen¬ 
tralisation, Dezentralisation und die Beteiligung privater Vereine; Stadtrat 
Prof. Dr. Philipp Stein, Berlin-Frankfurt a. M. 3. Einrichtung der Küchen; 
Theodor Thomas, Frankfurt a. M. 4. Die Wirtschaftsführung; Baronin 
Horn, München. 5. Die Abgrenzung des Besucherkreises; Oberbürgermeister 
Koch, Cassel. 6. Die Anrechnung der Lebensmittelkarten; Dr. Cohn, Direktor 
des Lebensmittelamtes, Straßburg i. E. 

Die Tagung soll eine Aussprache über die für die praktische Durch¬ 
führung in Betracht kommenden Gesichtspunkte bringen, um den an der Er¬ 
richtung von Volksküchen beteiligten Kreisen Anregungen zu geben. 


EhrentafeL Es haben weiterhin erhalten das 
Eiserne Kreuz I. Kasse: 

Stabsarzt d. Res. Prof. Dr. Hermann C o e n e n - Breslau. 

Assistenzarzt d. Res. Dr. Hans Doering-Breslau. 

Obergeneral- und Korpsarzt Dr. Georg Ey er ich-Würzburg. 
Oberstabsarzt Dr. Hans Henning-Graudenz. 

Generaloberarzt a. D. San.-Rat Dr. Hesselbach -Hamm i. W. 
Generaloberarzt Prof. Dr. C. Hirsch-Göttingen. 

Oberstabsarzt Dr. Gotthard Key 1-Berlin-Wilmersdorf. 

Stabsarzt d. Res. Dr. Kittel-Ruß (Reg.-Bez. Gumbinnen). 

Stabsarzt Dr. Ernst Köhn-Hamburg (inzwischen gefallen). 

Stabsarzt d. Res. Dr. Georg Liersch-Kottbus. 

Prof. Dr. Schiitenheim, beratender Arzt, Königsberg i. Pr. 

Stabsarzt Dr. 8 chloßhauer -Hannover. 

Generaloberarzt Dr. Wagner. 

Das Eiserne Kreuz II. Klasse: 

Stabsarzt d. L. Dr. Boy6, Bahnarzt in Kirchheimbolanden (Pfalz), 
staatsärztlich geprüft. 

Stabsarzt d. Res. Dr. Kurpjuweit, Kreisarzt in Swinemünde. Derselbe 
hat auch das Ritterkreuz des Kaiserl. Oesterreichischcn 
Franz Josef-Ordens am Kriegsbande erhalten. 



412 


Tagesnachrichten 


Ehren- Oed&ohtnistafol. Für das Vaterland gefallen sind ferner: 
Feldanterarzt Walter Ambrosius-Königsberg i. Pr. (in der Gefangen¬ 
schaft gestorben). 

Assistenztarzt d. Bes. Dr. Bi 11 er-Dortmund. 

Stabsarzt d. Bes. Beg.-Bat Dr. Wilhelm Buchholz-Berlin-Charlottenbnrg 
(infolge von Krankheit gestorben), Mitglied d. Kaiserl. Gesundheitsamts. 
Assistenzarzt d. Bes. Dr. Ludwig Cohn-Berlin. 

Stabsarzt d. Bes. Prof. Dr. Walter D i p p e 1 1 - Greifswald. 
Marine-Feldunterarzt Ferd. Droege-Wilhelmshaven. 

Marinestabsarzt Florenz Gelhaar-Wilhelmshaven. 

Feldarzt Dr. S. Grosser-Prenzlau (gestorben infolge von Krankheit). 
Assistenzarzt Dr. v. K o c h - München. 

Stabsarzt d. Bes. Dr. Ernst Köhn-Hamburg. 

Oberarzt d. B. Dr. Budolf Kost-Bernhausen (Württemberg). 

Stabsarzt d. Bes. Dr. Franz Kleiminger, Oberarzt an der Provinzial¬ 
irrenanstalt in Neustadt (Holstein). 

Stabsarzt Dr. H. M ü 11 e r - Dresden. 

Marineassistenzarzt Dr. Hellmut Müller. 

Feldunterarzt Bichard Bemky- Allenstein (Ostpreußen). 

Feldunterarzt Werner Bitter-Eschwege (Beg.-Bez. Cassel). 

Oberarzt d. Bes. Dr. Theodor B i v e - Erlangen. 

Feldunterarzt Walter Sand-Düsseldorf. 

Med.-Bat Dr. Schmidt, Kreisarzt in Warendorf (Westfalen). 
Marinestabsarzt d. Bes. Dr. Paul Schnitze-Neusalz a. 0. (Beg.-Bez. 

Liegnitz) (auf S. M. 8 . Pommern). 

Marineassistenzarzt d. Bes. Dr. F. Sturmhövel. 

Feldarzt Dr. Arthur Schwarz-Berlin-Zehlendorf (in russischer Ge¬ 
fangenschaft gestorben). 

Generaloberarzt Dr. Johannes Volkmann-Graudenz. 

Assistenzarzt d. Bes. Dr. A. V o 1 p - Dresden. 

Marineassistenzarzt d. Bes. Dr. Kurt W e i ß k o p;f. 

Feldunterarzt Paul Wertheim-Gelnhausen. 

Ferner haben den Heldentod gelitten: Oberleutnant z. S.• 
Wilhelm P1 i n k e, Sohn des Med.-Bats Dr. P1 i n k e, Kreisarzt in Hannover. 

Berichtigung: Dr. Erich Bosse aus Kosten (Posen), Kreisarzt in 
Konin (Buss. Polen), ist nicht an Flecktyphus (wie in Nr. 12, 8 . 383 angegeben 
ist) gestorben, sondern infolge eines Herzleidens. 


Cholera-Erkrankungen sind in den letzten Wochen weder im Deutschen 
Beich noch in Oesterreich gemeldet. 

Fleckfleber-Erkrankungen sind imDeutschenBeich in den Wochen 
vom 11. bis 24. Juni nur 1 und 4 (sämtlich unter Kriegsgefangenen in Ge¬ 
fangenenlagern), in Ungarn vom 8 . bis 24. Mai 4, 6 (2) und 13 ( 1 ) Er¬ 
krankungen (Todesfälle) gemeldet. 

Pocken. Im Deutschen Beiche sind in den Wochen vom 11. bis 
24. Juni 7 und 16 Pockenerkrankungen vorgekommen. 


Erkrankungen und Todesfälle an ansteckenden Krankheiten ln 
Preußen. Nach dem Ministerialblatt für Medizinal-Angelegenhaiten sind in der 
Zeit vom 28. Mai bis 10. Juni 1916 erkrankt (gestorben) an Pest, Gelb¬ 
fieber, Fleckfieber, Cholera, Trichinose, Botz, Aussatz, Toll¬ 
wut: — (—), — (—); Bißverletzungen durch tollwutver¬ 
dächtige Tiere: 3 (—), 9 (—); Milzbrand: — (—), — ( 1 ); Pocken: 
— (—), 2 (—); Unterleibstyphus: 146 ( 8 ), 159 (17); Buhr: 44 ( 2 ), 
41 (10); Diphtherie: 1789 ( 86 ), 1921 (128); Scharlach: 1214 (51), 
1611 (64); Kindbettfieber: 38 (15), 54 (10); Genickstarre: 22 (9), 
17 (4); spinaler Kinderlähmung: 1 (—), 2(1); Fleisch-, Fisch- 
und Wurstvergiftung: 12 (—), 12 (3); Körnerkrankhoit (erkrankt): 
60, 108; Tuberkulose (gestorben): 806, 880. 


Bedaktion: Prof. Dr. Bapmund, Geh. Med.-Bat in Minden i. W. 

J. 0. 0. Brno«, Hersoffl. 8&chs. n. Füntl. Sch. - L. Hofbnchdrnckcrel ln Minden. 






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H. Kftrnfeid 

Vertag van PiscHer's medicm Suchhacdtuni 

SSUÖertln TS^* 0*2.'ittr.b wtr$xia<**' ß 










29. Jahrg. 


1916 


Zeitschrift 

für 

MEDIZINALBEAMTE. 


Zentralblatt 

fQr das gesamte Gebiet der gerichtlichen Medizin und Psychiatrie, 
des staatlichen und privaten Versicherungswesens, sowie für das 
Medizinal- und öffentliche Gesundheitswesen, einschließlich der 

Hygiene und Bakteriologie. 

Heraoagegeben 

von 

Prot Dr. OTTO RAPMUND, 

Geh. Med.-Rat In Minden i. W. 


Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, Sächsischen, 
WQrttembergischen, Badischen, Hessischen, Mecklenburgischen, Thüringischen, 
Braunschweigischen und Eisass-Lothringischen Medizinalbeamtenvereins. 


Verlag von Fiseher’s med. Bnehhandlg E Kornfeld, 

Herxogl. Bayer. Hof- o. K. «. K. Kammer -BnchbftinlUr. 

Berlin W. 62, Keithstr. 5. 

Anzeigen nehmen 41a Yarlngahandlnng aowla alle Anielfextannabni erteilen daa la- 

nd luludea entgegen. 


Nf. 14 . I. u 4 IlMUa. 


20. Juli. 


Eine umschriebene Typhusepidemie infolge Milchinfektion 
und Kontaktansteckung. 

Von Medizin&Irat Dr. Grafil, Bezirksarzt in Kempten. 

Am 13. Juli 1915 wurde der Gymnasiast B., Sohn eines 
Badebesitzers, in das z. Z. von mir geleitete Distriktskranken¬ 
haus Kempten in stark benommenen Zustand und fast taub 
verbracht. Am 16. Juli konnte Unterleibstyphus klinisch fest- 

g esetzt werden. Die Erhebungen durch mich ergaben, daß der 
rymnasiast B. bereits 3 Wochen schwer krank und angeb¬ 
lich ohne ärztliche Behandlung gewesen war. Weiter ergab 
die Nachforschung, daß zu Frohnleichnara 1915 — ungefähr 
also Juni 1915 — dessen Mutter Fieber, Kopfschmerzen, Schluck¬ 
beschwerden gehabt und in Behandlung eines Kurpfuschers 
Ra. in Kempten gestanden hatte, der angeblich den Urin wieder¬ 
holt chemisch und mikroskopisch untersucht habe, ohne etwas 
gefunden zu haben. 

Die im bakteriologischen Institut München vorgenomraenen 
Untersuchungen der Ausscheidungen fielen anfangs negativ aus 
und erst in der 6. Woche positiv. 











414 Dr. Graßl: Eine umschriebene Typhusepidemie 

Am 31. Juli 1915 wurde durch Dr. R. Typhus-Verdacht 
bei dem 4 Jahre alten Kind Vi. und dessen Mutter gemeldet. — 
Die Untersuchung durch mich ergab das Schulbild des Unter¬ 
leibstyphus. 

Die Familie B. und Vi. wohnen im K.-Viertel, einige 
Straßen von einander entfernt. Es lag daher der Verdacht nahe, 
daß eine gemeinsame Quelle für beide Familienerkrankungen 
bestand. Die sorgfältige Aufnahme aller Verhältnisse ergab, 
daß lediglich die Milch als beiden Familien gemeinsam zu 
betrachten war. Beide erkrankte Familien bezogen ihre Milch 
aus der Milchhandlung R. im K.-Viertel und haben die Ge¬ 
wohnheit, die Milch ungekocht zu sich zu nehmen. 

Ara 26. Oktober 1915 nachts wurde ich zu Ki., wohnhaft 
K.-Viertel, gerufen, deren Untersuchung Unterleibstyphus in 
der 3. Woche ergab. Sie wurde in das städtische Krankenhaus 
überführt. — Exitus. — Auch sie war Milchgast der Milch¬ 
handlung R. 

Am 13. November 1915 meldete Dr. M. Typhusverdacht 
bei dem Studenten Sch., wohnhaft K.-Viertel, an. — Die Er¬ 
hebung durch mich ergab, daß noch ein zweiter Student Wn. 
in der gleichen Wohnung an Typhus erkrankt war. Die Haus¬ 
frau Ko. war Milchgast der Milchhandlung R. — Ueberführung 
beider Kranken in aas Distriktskrankenhaus. 

Die bisherigen Untersuchungen der Ausscheidungen der 
Personen, die bei der Milchgewinnung und Milchverteilung in 
Betracht kommen, ergaben keinen positiven Befund. Auf Grund 
der epidemiologischen Ergebnisse wurde aber jetzt schon begut¬ 
achtet, daß mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlich¬ 
keit, die Infektion durch die Milch weiterverbreitet war, die 
im Hause der Milchhandlung R. mit Bazillen infiziert war. 
Die Milchgewinnungsstelle konnte nämlich deshalb als Ursprung 
der Infektion ausfallen, weil der anfänglich liefernde Bauer 
wegen der Belästigung durch die Kot- und Urinuntersuchung 
die Lieferung aufgab und ein anderer Bauer sie übernahm, die 
Infektion aber trotzdem weiterging. 

Am 26. November 1916 meldete Dr. W. Typhus der 
Wilhelmine Gr. im E.-Viertel und bemerkte hierzu: „Die 
Schwester Josefine, die an Diphtherie erkrankt war, zeigte 
nach Abklingen der diphtheritischen Erscheinungen noch fieber¬ 
hafte Gehirnerscheinungen, die bisher ärztlicherseits auf Septi- 
kämie durch Mischinfektion zurückgeführt wurden, da für Typhus 
trotz genauester Beobachtung keine Anhaltspunkte zu finden 
waren. Plötzlicher Beginn mit Diphtherie, keine Roseolen, 
keine abdominale Erscheinungen; nur zerebrale Erscheinungen 
(Gehirntyphus?). Es erscheint wahrscheinlich, daß die Schwester 
Josefine an larviertem Typhus, durch die Diphtherie verdeckt, 
erkrankt war und die Infektionsquelle abgab.“ — Die Erkundi¬ 
gungen des Bezirksarztes ergaben das Resultat, daß Josefine Gr. 
als Dienstmagd bei einem Kaufmann im K.-Viertel zur Zeit der 
Infektion bedienstet gewesen war. Der Dienstherr gab an, daß 



infolge UilcbhrfektiOd und KoataktanateckuBg. 415 

er alle Sonntag Schlagsahne aus der Milch bereite, die man aus 
der Rachen Milchhandlung beziehe. Josefine Gr. habe auoh 
hiervon genossen, außerdem noch die Kinder, von denen jedoch 
keines bisher erkrankt sei. 

Die Erkrankung verlief bei Wilhelmine Gr. letal, ebenso 
wie bei ihrer Mutter, die beide Töchter gepflegt hatte und eben¬ 
falls an Typhus erkrankt war. 

Die systematischen Untersuchungen der Ausscheidungen 
der Familienmitglieder des Dienstherrn der Wilhelme Gr. ergab 
wochenlang keinen Befund; dann wurden im Urin des Lehr¬ 
lings A. Bazillen gefunden. A. hatte ebenfalls Sahne allsonn¬ 
täglich zu sich genommen; er wurde ins Distriktskrankenhaus 
überführt und nach 7 Wochen nach Behandlung mit Urotropin 
bazillenfrei entlassen. 

Am 30. November 1915 kam der Kaufmann J., der mit 
den beiden Studenten W. und Sch. die gleiche Wohnung hatte, 
wegen Typhus ins Distriktskrankenhaus. Am 19. Dezember 
1916 erkrankte die Wäscherin C. W. im Distriktskrankenhaus, 
die nachweislich die Wäsche von W. und Sch. und J. gewaschen 
hatte. 

Am 1. Februar 1916 meldete Dr. M. Typhusverdacht bei 
der Hausfrau Ko. Die Ko. ist die Schwiegertochter der Haus¬ 
frau der beiden Studenten W. und Sch. und des Kauf¬ 
manns J. In ihrer Wohnung verkehrten, wie ich mich persönlich 
überzeugte, die Enkelkinder auch dann noch, als die Sperre 
über die Wohnung verhängt war. Die Erkundigung bei der 
erkrankten Frau Ko. ergab, daß ihr 4 Jahre altes Kind Marie 
Ko. seit 3 Wochen an Gehirnhautentzündung krank war, starke 
Diarrhoen und Fieber hatte, sehr unruhig und teilnahmslos war. 
Der von mir sofort ausgesprochene Verdacht, daß das Kind 
Typhus habe, wurde später bakteriologisch bestätigt; ebenso 
war der Befund bei der Mutter positiv. 

Das an „Gehirnhautentzündung" erkrankte Kind war von 
der Berufsschwester L. Gr. gepflegt worden, die ahnungslos 
keinerlei Vorkehrungen gegen die Infektion getroffen hatte und 
infolgedessen später ebenso an Typhus erkrankte, wie die 
gleichfalls pflegende Mutter E. der erkrankten Frau Ko. 

Trotzdem wöchentlich 2 mal Kot und Urin der Angehörigen 
der Milchlieferungsstelle R. eingeschickt worden waren, war es 
bisher nicht gelungen, den epidemiologischen Verdacht, daß 
dort die Infektionsquelle sein müsse, bakteriologisch zu be¬ 
stätigen, weshalb der Antrag des Bezirksarztes auf Schließung 
des Milchgeschäftes von der politischen Behörde abgelehnt 
wurde. Die Entnahme von Blut war verweigert worden. 
Erst als auf Anraten der bakteriologischen Untersuchungsanstalt 
München eine tägliche Einsendung stattfand, wurde auch der 
bakteriologische Nachweis des Verdachts möglich und zwar 

g leich bei 2 Mitgliedern der Familie R., worauf die Sperrung 
es Milchgeschäftes erfolgte. 

Am 2 t. Februar 1916 wurde von dem Hausarzt des 



116 Dr. Graßl: Eine umschriebene Typhusepidemie 

städtischen Krankenhauses ein Typhusfall gemeldet. Die Frau Bo. 
befand sich bereits 4 Wocheix im städtischen Krankenhause, 
ohne daß die Diagnose gestellt werden konnte; erst die 
Darmblutung klärte das Bild. Ein Zusammenhang mit den 
übrigen Fällen konnte nicht gefunden werden. Vielmehr wurde 
angenommen, daß die Frau von ihrem aus der Front auf 
Erholungsurlaub heimgekehrten Sohn, der längere Zeit an hef¬ 
tigen Verdauungsstörungen gelitten hatte, wahrscheinlich in¬ 
fiziert war. 

Genetisch ergibt sich demnach folgendes Bild: 



Klinisch war bemerkenswert, daß bei 2 Personen groß- 
lappige Abschuppungen in der 5. und 6. Woche auftraten, 
ähnlich wie es bei Scharlach der Fall ist. Ein Fall, der unter 
dem ausgesprochenen Bilde des Morbus Werlofii in Beobachtung 
des Berichterstatters kam, erregte den diagnostischen Zweifel 
meiner Mitarbeiter lange und schwer; der Verlauf bestätigte 
aber meine Diagnose. — Zu jener Zeit wurde von dem Arzte 
des städtischen Krankenhauses ein Leichenschauschein aus¬ 
gestellt, dem gemäß ein junger, an Skorbut erkrankter Mann 
an Darmblutungen gestorben war. Ich hege den Verdacht, daß 
es sich auch bei ihm um larvierten Typhus gehandelt hat. 

Für den Verwaltungsarzt ist die Schwierigkeit der 
Diagnose in der Praxis sehr beachtenswert. Daß der Kur¬ 
pfuscher Ra. und ein wegen des Ohrleidens zugezogener Ohr¬ 
spezialist nicht zur Diagnose kamen, darf nicht wundernehmen. 
Daß aber 3 tüchtige praktische Aerzte, obwohl sie Kenntnis von 
dem Auftreten von Typhusfällen in Kempten hatten, nicht die 
Diagnose stellen konnten, darunter einer nicht einmal nach 
mehrwöchentlicher Beobachtung in einer Krankenanstalt, ist 
prophylaktisch beachtenswert. Ein Arzt nahm Septikäiüie nach 
Diphtherie an, ein anderer Gehirnhautentzündung und der 
Krankenhausarzt kam überhaupt nicht zur exakten Diagnose. 
Daraus geht wohl zweifellos hervor, daß die Unterdrückung 
einer drohenden Typhusepidemie von manchen Zufälligkeiten 



infolge Milchinfektion und Kontaktansteckung. 


417 


abhängig ist. — Später mußten wiederholt Fälle von Typhus¬ 
diagnose als anderweitige Krankheit von mir bezeiohnet werden. 

In den von mir beobachteten Fällen eilte die klinische 
Diagnose der bakteriologischen stets um Wochen voraus. 
Gruber-Widal war einmal negativ, in den übrigen Fällen 
mehr oder minder positiv. Der Bakteriennachweis gelang nie 
vor der 3. Woche. 

Das Gutachten, in dem ich auf die Quelle der An¬ 
steckung, nämlich die R.sche Milchhandlung hinwies, führte 
die Gründe für diese epidemiologische Annahme auf. Das Auf¬ 
treten sämtlicher Primärinfektionen im K.-Viertel ließ auf eine 
Quelle im K.-Viertel schließen. 

Der Umstand, daß bei den Infizierten lediglich die Milch 
gemeinsam war, deutete auf diese als Infektionsträger hin. 
Die Art und Weise des Milchbetriebes erklärte auch das verlang¬ 
samte, verbröckelte Auftreten. Die Frau R. nahm die Milch von 
Milchbauern am Ende der Stadt in einem geschlossenen Gefäß 
entgegen und verhausierte sie sofort in den verschiedenen Haus¬ 
haltungen. Selbst wenn ein Bazillenträger mit ständiger Aus¬ 
scheidung angenommen wird, könnte es nur zufällig geschehen, 
daß infolge der Milch Verteilung durch die Frau R. Keime in die 
Milch gerieten; außerdem hatten sie, wenn sie hineingerieten, 
nicht genügend Zeit, sich dort massenhaft zu entwickeln. Nur an 
wenigen Tagen nahm die Frau R. den Rest der Milch mit in ihr 
Geschäft hin und stellte sie dort auf. Dazu kommt die bekannte 
Erfahrung, daß die Bazillenträger nur periodisch ausscheiden; 
eine Erfahrung die auch hier wieder gemacht wurde und viele 
Arbeit bis zum Nachweis verursachte. 

In bezug auf die Wirksamkeit der medizinalpolizeilichen 
Vorkehrungen glaube ich auch in dieser kleinen Epidemie die 
alte Erfahrung wieder bestätigt zu finden, daß die Abschließung 
i n der Familie in der Regel von wenig Erfolg begleitet ist, und 
daß zu mindestens eine geschulte Berufskrankenpflegerin die 
Voraussetzung des Gelingens ist. Dagegen glaube ich hier 
wiederum der Abschließung der Familien von dem Vekehr 
nach außen den Hauptanteil an den mit Erfolg begleiteten 
Maßregeln zuschreiben zu dürfen. Das Betreten der infizierten 
Wohnung bringt bei der mangelhaften Einsicht der Bevölke¬ 
rung die größte Gefahr. Um nicht mißverstanden zu werden, 
füge ich an, daß ich unter Abschließung der Familie nicht die 
Ausschließung gesunder Familienmitglieder von dem Erwerb 
verstehe, wenn dieser Erwerb nichts mit Nahrungsmitteln zu 
tun hat. 

Was ich in einem früheren Artikel (s. Nr. 1 dieser Zeit¬ 
schrift', Jahrg. 1916) in bezug auf die Gefährlichkeit der Ver¬ 
bindung von Pflegerin und Köchin erwähnte, scheint mir auch 
hier wieder zuzutreffen. In sämtlichen Familien mit Farailien- 
kontaktepidemien, also bei Vi., bei Ko. Mutter und Großmutter, 
bei Gr., also von 5 Familienepidemien 4 mal, war die Mutter 
Köchin und Pflegerin zugleich. 



418 


Cr. Vollmer: Was wird ans dem weiblichen 


Gerade solche engumschriebenen Epidemien lassen den 
Zusammenhang in der Regel klarer erkennen als gröfiere; 
aus diesem Grunde glaubte ich die Veröffentlichung wagen 
zu dürfen. 


Was wird aus dem weiblichen Lazarett-Pflege-Personal 

nach dem Kriege? 

Von Kreisarzt Dr. Vollmer, z. Z. Beserve-Lazarett-Delegierter der freiwilligen 

Krankenpflege, Bad Krenznach. 

Im Kreise Kreuznach sind bislang von ca. 150 Helferinnen 
von dem Roten Kreuze 75 so eifrig gewesen, daß sie das 
staatliche Examen als Krankenpflegerinnen haben ablegen 
können; im benachbarten Fürstentum Birkenfeld sind eben¬ 
falls über 60 Helferinnen ausgebildet und nun bald imstande, 
die staatliche Prüfung, die auch das Kriegsministerium 
wünscht, zu bestellen; in anderen Bezirken wird die Zahl 
ähnlich groß sein. Da erhebt sich wie von selbst die Frage: 
Was wird aus allen diesen weiblichen Pflegekräften nach dem 
Kriege? Kann nicht jetzt schon etwas geschehen, um sie später 
nutzbringend und segensreich zu verwenden? 

Diese Frage ist mir verschiedentlich gekommen; ich bin 
ihr deshalb etwas nachgegangen. Es wird eine große Ver¬ 
suchung für die intelligenteren dieser Krankenpflegerinnen sein, 
später, wenn ihr Vertrags Verhältnis mit den Lazaretten durch 
deren Auflösung zu Ende ist, sich auf Grund ihres Zeugnisses 
auf eigene Faust hin niederzulassen und nun ihren Beruf ausüben, 
so gut es geht. Wenn sie mit Hilfe der Aerzte ihr Brot finden, 
ist dies auch in der Ordnung. Wenn dies aber nicht der Fall 
sein sollte, so könnte eine Schar von Kurpfuscherinnen er¬ 
wachsen, die den selbst nicht mit geringen Schwierigkeiten 
kämpfenden, in ihre so lange verwaiste Praxis zurückkehrenden 
Aerzten bedrohlich, zum mindesten lästig werden könnte, be¬ 
sonders, da bekanntlich auch das männliche Sanitätspersonal 
nach dem Kriege zur Ausübung der Heilkunde und zur Kur¬ 
pfuscherei neigen wird. 

In welchen zweckmäßigen Bahnen wird nun der ätrom der 
Krankenpflegerinnen am besten geleitet? Ohne Frage ist die 
Ausbildung der Hilfsschwestern und Helferinnen vom Roten 
Kreuz, die die Prüfung als staatlich anerkannte Kranken¬ 
pflegerinnen bestanden haben, stellenweise eine recht gute 
gewesen, sowohl wissenschaftlich an der Hand des vom 
Ministerium des Innern herausgegebenen Lehrbuches für^staat¬ 
liche Krankenpflege (Berlin, Verlag von Hirschwald), als auch 
praktisch an dem großen Krankenmaterial der vielen Lazarette 
und Krankenhäuser während des Krieges; — sie ist derart, daß es 
zweifelsfrei ein direkter Verlust und eine Vergeudung wäre, wenn 
dieser Schatz von Kenntnissen und Erfahrungen unverwertet 
bliebe. Er soll aber nicht gegen die Aerzteschaft sich kehren, 



Ltzarett-PJIege»Peraonal nach dem Kriege i 419 


bezw. gegen die staatlich geordnete Fürsorge für die Kranken, 
sondern deren Zwecken und dem Wohle der Allgemeinheit' 
dienen. Ein. Teil dieser im Kriege ausgebildeten Pflegerinhen 
wird wohl nach dem Kriege heiraten; ein Teil in den ver¬ 
schiedenen Krankenpflegerorden und in den Roten Kreuz¬ 
organisationen sich betätigen können; ein Teil wird in anderer 
Privatpflege Verwendung finden; einige werden sich als 
'Massösen ausbilden lassen. Viele werden aber unbeschäftigt 
bleiben. Was wird aus diesen? 

In der Aerzteweit wird immer und immer wieder darüber 
geklagt, daß der Hebammenstand der gebildeteren und ge¬ 
diegeneren Elemente vielfach entbehrt., ernster Menschen, denen 
die Bedeutung der einzelnen und der vielen Geburten für das 
Wohl des Vaterlandes klar ist. Ich will hier nicht eine im 
allgemeinen vielleicht unberechtigte Klage gegen den Hebammen¬ 
stand erheben; ich kenne viele zuverlässige und auch treue 
Hebammen in Stadt und Land, aber eine Hebung dieses Standes 
auf eine höhere Stufe erscheint mir unbedingt erforderlich. — 
Durch die Not der Zeit sind nun viele Mädchen und junge 
Frauen, auch aus gebildeten Kreisen, Krankenpflegerinnen 
geworden, die sonst nicht daran zu denken brauchten; das 
Material zur Aufbesserung des Hebammenstandes im großen 
Stile ist also jetzt vorhanden. Auf der breiten Unterlage ihrer 
in der Kriegskrankenpflege erworbenen Kenntnisse von dem 
Wesen der Krankheiten und Wunden, von dem Bau und der 
Einrichtung des menschlichen Körpers würde auch ihre Aus¬ 
bildung zu Hebammeh verhältnismäßig leicht sein; in 6 Monaten 
würde man eine Dame, die die Prüfung als staatliche Kranken¬ 
pflegerin bestanden hat, zu einer tüchtigen Hebamme ausbilden 
können. Man sollte hier zugreifen. Man braucht den Zwang 
ja nicht so weit auszudehnen, daß man etwa in Zukunft die 
Annahme als Hebammenschülerin in eine Provinz-Hebammen- 
Lehranstalt abhängig machte von der bestandenen Prüfung als 
Krankenpflegerin, aber in größeren Städten wie Düsseldorf, 
Elberfeld, Köln, Halle würde der Kursus als Hebammenschülerin 
sich unmittelbar an die Lazarettpflege anschließen lassen nach 
vorheriger Verständigung der ausbildenden Aerzte, so daß ganz 
ausgezeichnete Kräfte an die Hebammenlehranstalten abgegeben 
werden könnten. Jedenfalls sollte die Regierung 
gerade jetzt, wo jede gut verlaufende Geburt ein 
Gewinn für die Nation ist, die Gelegenheit, sich 
hygienisch einwandfreie und gut vorgebildete 
Hebammen sichern zu können, nicht vorübergehen 
lassen. Es wäre dem Wohle der Mütter, der Kinder, des 
Staates und der vielen Krankenpflegerinnen in gleicher Weise 
gedient. 

Für die besten so neugewonnenen Hebammen könnten 
vielleicht auch gehobene Stellen neu beschafft werden. Die 
Säuglingsfürsorge und die Fürsorge für den möglichst normalen 
Verlauf einer jeden Geburt wird im Hinblick auf die notwendige 



420 Dr. Vollmer: Was wird aas dem weibl. Lazarett-Personal nach dem Kriege. 

und schnelle Erneuerung des durch den Krieg so gelichteten 
Volkes ganz besondere Bedeutung gewinnen. Wie viele Kinder 
sind sohon allein, infolge des Krieges weniger geboren; in 
meinem Kreise ist z. B. die Geburtenzahl im Jahre 1915 um 
400 geringer gewesen als im Jahre 1914, wo der Krieg erst 
anfing. Wie nele Mütter und Kinder gehen leider immer noch 
durch anormale Wochenbetten zugrunde 1 Die Tätigkeit des 
Kreisarztes auf diesem Gebiete bleibt naturgemäß vorwiegend' 
die des Statistikers und des die Aufsicht führenden Beamten; 
eine Frau an seiner Seite, die hier besonders mitarbeiten könnte, 
mit allen Aerzten und Hebammen in dauernder Fühlung bliebe, 
könnte nach meiner Meinung nicht nur in dem Sinne einer 
Führung von genauen Listen nach dem Westerburger System 
wirken, sondern auch eine öftere Kontrolle über die Hebammen 
durchsetzen. Sie könnte immer wieder die lässigen auf Rein¬ 
haltung ihrer selbst und der Utensilien hinweisen; sie könnte 
da unter der Aufsicht des Kreisarztes großen Segen stiften, 
dem zu einer wirksameren Beaufsichtigung der Hebammen, 
abgesehen von der vorgeschriebenen regelmäßigen Ueber- 
wachung, vielfach die Zeit fehlt. Es wären also derartige 
gehobene Stellen für Kreishebammen oder wie man sie 
nennen will, zu schaffen. Auf diese Weise könnte aus den 
staatlich ausgebildeten Krankenschwestern eine wertvolle Schutz¬ 
truppe gegen den Geburtenrückgang gewonnen werden. 

Es gibt aber noch andere Gebiete, auf denen ihre Tätig¬ 
keit sehr nutzbringend verwendet werden könnte, ln mancher 
Gemeinde fehlt z. B. noch eine ausgebildete Gemeinde¬ 
schwester, die die zuverlässige Stütze für den Landarzt ist. 
Das flache Land hat jetzt seine volle Bedeutung für die Er¬ 
haltung unser Volks- und Wehrkraft bewiesen, um so mehr ist 
eine größere Fürsorge für die ländliche Bevölkerung angezeigt. 
Die „Kreiskrankenpfl egerin“, die „Tuberkulose- 
sohwester“, die „Wochenbettpflegerin“ ist in vielen 
Ortschaften, wo sie dringend nötig war, noch ein frommer 
Wunsch des Kreisarztes geblieben. 

Die Säuglingsfürsorge wird ebenfalls einer wissen¬ 
schaftlich und praktischen Krankenpflegerin ein sehr weites und 
dankbares Feld der Tätigkeit, besonders in dicht bewohnter 
Industriegegend geben können. Für alle diese wichtigen Zweige 
sozialer Hilfe würden wir somit das brauchbarste Personal 
aus den zahlreichen Kriegspflegerinnen herleiten können. 

Auf diese Weise würde den deutschen Frauen und Mädchen, 
die in edler patriotischer Begeisterung sich am Anfänge des 
Krieges zur Verfügung gestellt haben, und da der Krieg eine 
ganz andere Dauer angenommen hat, in der Krankenpflege 
gründlich ausgebildet und in den Geist der modernen Medizin 
weiter eingeführt sind, wie dies bei nur kurzer Dauer des 
Krieges möglich gewesen wäre, aus ihren erworbenen Kennt¬ 
nissen und Erfahrungen ein befriedigender Lebensberuf erwachsen 
können. Die Pflegetätigkeit, die sich besonders für die Frau 



Bericht über die Konferenz für Trinkerfürsorge. 421 

eignet und die vielen während des Krieges lieb geworden ist, 
könnten sie dann auch nach dem Frieden weiter ausüben und 
an ihrem Teile dann mithelfen an dem Wiederaufbau der 
deutschen Volksgesundheit. — Die Armee der Kaiserin, wie 
man die Kriegspnegerinnen mit Recht genannt hat, wird dann 
auch nach dem Kriege ihre Bedeutung behalten. 


Aus Versammlungen und Vereinen. 

Bericht Uber die in Berlin am 13. und 14. Juni abgehaltene 
Konferenz ittr Trinkerfürsorge. 

Die Konferenz, die im Landeshaose der Provinz Brandenburg stattfand, 
war außerordentlich stark besucht; aus allen Teilen Deutschlands waren zahl¬ 
reiche Vertreter der Staats-, Kirchen- und Gemeindebehörden, Versicherungs¬ 
anstalten, Krankenkassen, Trinkerfürsorgestellen, Trinkerheilanstalten, Wohl¬ 
fahrtsvereinen usw. erschienen. Der Vorsitzende, Senatspräsident D. Dr. 
von Strauß und Tourney gab in seiner Eröffnungs- und Begrüßungs¬ 
ansprache einen kurzen Deberblick über die bisherige Tätigkeit der Zentral¬ 
stelle für Trinkerfürsorge. In mehr als 200 deutschen Städten seien Tr in ker- 
ffirsorgestellen errichtet und von diesen eine zum Teil umfangreiche and 
erfolgreiche Arbeit geleistet. Der Krieg habe neue Arbeiten nötig gemacht 
und nach dem Kriege werden sich weitere neue Aufgaben heraussteilen. Der 
Wirkungskreis der schon bestehenden Trinkerfürsorgestellen müsse erweitert 
und durch Gründung von weiteren Stellen allmähiig ein Netz über ganz 
Deutschland gezogen werden. Diese Erfolge der Trinkerfürsorge seien 
besonders durch das Zusammenwirken mit den Behörden, Versicherungsträgern 
und sozialen Arbeitsgemeinschaften erreicht worden; auch die diesjährige 
Konferenz gebe in ihrer Zusammensetzung ein Bild dieses Zusammenwirkens, 
das für die weitere Entwicklung und Ausgestaltung der Arbeit die schönsten 
Aussichten eröffne. 

Es wurde hierauf in die Tagesordnung eingetreten. 

1. Erfahrungen ans der Praxis mit dem § 120 der Reichsver¬ 
sicherungsordnung, insbesondere im Hinblick anf die gleiche Fürsorge 
für alkoholkranke Kriegsteilnehmer. Der Berichterstatter, Landesrat Dr. 
Schellmann- Düsseldorf, besprach zunächst kurz den Inhalt des betreffenden 
Paragraphen, der bekanntlich sein Dasein den Bemühungen des Deutschen 
Vereins gegen den Mißbrauch geistiger Getränke verdankt und an Stelle 
von Barleistungen die Gewährung von Sachleistungen an Trank¬ 
süchtige zaläßt. Er zeigte dann an dem Ergebnis einer von ihm ver¬ 
anstalteten Bandfrage bei den Landesversicherangsanstalten und Krankenkassen, 
daß die Zahl der Anwendungsfälle des Paragraphen im Verhältnis zu den großen 
Zahlen der nach der B. V. 0. bewilligten Invaliden-, Alters- und Unfallrenten 
sowie der Bezüge von Krankengeld verhältnismäßig noch gering ist. Dies sei 
allerdings zum Teil auf die Kürze der Zeit zurückzuführen. Leider hätten aber 
auch die Trinkerfürsorgestellen bisher zu wenig Anträge bei den Versiche- 
rungsträgern gestellt; desgleichen seien die Armenvcrwaltungen in Verkennung 
der Wichtigkeit der Frage wenig geneigt, diesen Weg zu beschreiten, und die 
Versicherangsämter zu nachgiebig gegen die ausweichenden Wünsche der Trank- 
süchtigen. Geklagt werde ferner über die Weitschweifigkeit des vorgeschriebenen 
Verfahrens, wodurch häufig die ganze Maßnahme zwecklos gemacht werde. 
Einstimmig werde dagegen die Befugnis za Sachleistungen an Trunksüchtige 
statt Barleistungen günstig beurteilt. Vielfach werde die Sachleistung 
durch Vermittlung der Trinkerfürsorgestelle ausgezahlt, eine für den Trinker, 
seine Familie und das Volkswohl scgensvolle Maßnahme, die jedoch die volle 
Hingabe des Fürsorgers erfordere. Da mit Sicherheit mit einer ganzen Beihe 
von Trunksüchtigen unter den Kriegsteilnehmern gerechnet werden 
müsse, sei dafür zu sorgen, daß für diese die gleichen Bestimmungen wie im 
§ 120 der B. V. 0. und im § 45 des Privatangestellten-Versicherungsgesetzes 
in das Mannschaftsversorgungsgesetz aufgenommen werden. Im Anschluß an 




42* 


Bericht über die Konferenz für Trinkerfürsorge. 


die vorjährige Konferenz habe sich der Deutsche Verein gegen den Mißbrauch 
geistiger Getränke za diesem Zwecke sowohl an den Reichskanzler als an den 
Reichsausschuß für Kriegsbeschädigte gewandt und von beiden znstimmende 
Aeußerungen erhalten. Jedenfalls habe sich im ganzen Deutschen Reiche mehr 
oder weniger die Ueberzeugung Bahn gebrochen, daß auf diesem Wege zum 
Vorteil der Kriegsbeschädigten vorgegangen werden müsse. 

2. Einwirkung der Kriegszelt auf die Trinkerfürsorge. Bericht¬ 
erstatter: Pfarrer Stürmer - Lüdenscheid: Durch den Krieg ist die Trinker¬ 
fürsorge immer stärker in das Licht sozialpolitischen und nationalen Denkens 
gerückt und zu einem besonders wichtigen Teil der großen Volksfürsorge ge¬ 
macht; sie darf deshalb nicht bloß Sache der christlichen Nächstenliebe sein, 
sondern muß auch als eine unabweisliche Staatsangelegenheit erkannt werden. 
Das Kriegsleben mit seiner straffen militärischen Disziplin hat auf die ein- 
berufenen Trinker sehr verschieden eingewirkt; viele mußten als unbrauchbar 
bald wieder entlassen werden, nicht wenige haben aber auch durch die An¬ 
forderungen des Krieges ihre Willenskraft wiedergefunden. Im Felde spielt 
jedoch der Alkoholgenuß im großen und ganzen eine verhältnismäßig geringe 
Rolle; weit ungünstiger hat dagegen in dieser Hinsicht der Krieg in der Heimat 
gewirkt infolge Abwesenheit der Männer und Erzieher, des reichlichen Geldver¬ 
dienstes, namentlich der männlichen und weiblichen Jagend usw. und zwar be¬ 
sonders in den Industriebezirken. Infolge des großen Geldverdienstes und der 
größeren Selbstständigkeit erliegen auch viele Frauen den Alkoholversuchungen. 
Die seitens der Behörden und der Militärverwaltungen gegen den übermäßigen 
Alkoholgenuß ergriffenen Maßnahmen haben viel Gutes gewirkt. Man hat weit 
mehr als früher einsehen gelernt, daß es auch ohne Alkohol, und zwar viel 
besser geht; demzufolge hat sich der Schnaps verbrauch erheblich verringert. 
Redner wünscht deshalb für die Zeit des Uebergangs in den Friedenszustand: 
Völliges Branntweinverbot, Beibehaltung der für die Jagend erlassenen Be¬ 
stimmungen, Einführung bezw. Beibehaltung einer frühen Polizeistunde und 
andere zweckmäßige Maßnahmen. 

8. Erfahrungen mit der vorläufigen Bernfsvormundschaft 1 b der 
Trinkerfürsorge. Der Berichterstatter, Dr. Polllgkeit- Frankfurt a. M., stützt 
seine Ausführungen namentlich auf das statistische Material der Frankfurter 
„Trinkerhilfe“ seit 1909. Nach den hier gemachten Erfahrungen hat sich von 
den Mitteln zur Heilung oder Unschädlichmachung von Gewohnheitstrinkern 
die Bernfsvormundschaft einen festen Platz gesichert; ebenso habe sich die 
Bestellung eines vorläufigen Vormundes in Verbindung mit der Aus¬ 
setzung des Entmündigungsverfahrens bewährt, jedoch nur in solchen Fällen, in 
denen nicht schwerere, geistige Erkrankung Ursache oder Folge der Trunk¬ 
sucht ist. Für diese Fälle bietet nach erfolgter Entmündigung die Berufsvor¬ 
mundschaft die Handhabe zu einer Schutzaufsicht oder zur Unschädlichmachung 
des Trinkers durch Unterbringung in einer Anstalt Die geisteskranken Trinker 
bedürfen einer Sonderbehandlung, für die im freien Leben wie in der Anstalts¬ 
pflege noch neue Formen gesucht werden müssen. 

4. Normalfragebogen. Direktor Dr. Hartwig-Lübeck berichtet über 
die Erfahrungen die mit einem vielfach schon in Gebrauch befindlichen Normal¬ 
fragebogen für Trinkerfürsorgestellen gemacht sind; er schlägt verschiedene 
Abänderungen zu diesem Fragebogen und seiner Verwendung vor. 

5. Ueber die zwangsweise Unterbringung arbeitsscheuer Gewöhn* 
heitstrinker in Westfalen während des Krieges berichtet Landesrat Krafi- 
Münster i.W.: Das sog. Arbeitsscheuengesetz vom 23. Juli 1912 hat uns die Mög¬ 
lichkeit der Unterbringung arbeitsscheuer Leute unter Anwendung des Arbeits¬ 
zwanges gebracht; seine Bestimmungen reichen aber nicht aus, um alle Land¬ 
streicher zu fassen. Deshalb ist in Westfalen im Einvernehmen mit dem 
stellvertretenden Generalkommando des VII. Armeekorps im Jahre 1915 die 
Anordnung getroffen, daß alle auf der Landstraße, in Herbergen, Asylen oder 
sonstigen Unterkunftsräumen betroffenen offenkundig arbeitsscheuen Personen 
in polizeiliche Sicherheitshaft zu nehmen sind. Dasselbe gilt betreffs der in 
den Städten befindlichen Arbeitsscheuen. Infolge dieser Anordnung sind über 
200 arbeitsscheue Landstreicher und Stadtbummler der provinzialständisches 
Arbeitskolonne zugeführt, wo sie nicht nur nutzbringende Arbeit leisten, 



Bericht über die Konferenz für Trinkerfürsorge. 


498 


sondern anch an eine solche wieder gewohnt werden. Die als Kriegsmaßnahme 
getroffene Anordnung hat sich vorzüglich bewährt nnd bildet namentlich ein 
außerordentlich wirksames und wertvolles Mittel auf dem Gebiete der Trinker* 
fürsorge. Es ist deshalb nur zu wünschen, daß sie auch nach dem Kriege in 
irgendeiner Form dauernd beibehalten wird. 

6. Welche alkoholgegnerischen Maßnahmen der Behörden in der 
Kriegszelt haben sich bewährt, und in welchem Umfange lassen sich diese 
ln die Zeit nach dem Kriege übertragen! Nach Ansicht des Bericht* 
erstatte», Prof. Dr. Trommershausen-Marburg, haben sich von den seitens 
der Behörden während des Krieges getroffenen alkoholgegnerischen Maßnahmen 
das Alkoholverbot bei der Mobilmachung und die Beschränkung des 
Wirtshausbesuches für Militärpersonen unbedingt bewährt und sind 
deshalb auch nach dem Kriege beizubehalten. Ebenso ist die Ausdehnung des 
Alkoholverbots in den Bahnhofswirtschaften auch auf die Zivilbevölkerung 
für die Kriegszeit zu erstreben und die Beseitigung der Animierkneipen 
auch für die Zeit nach dem Kriege streng durchzuführen. Für die weib¬ 
liche Bedienung in Wirtschaften sind einheitliche Vorschriften zu erlassen 
und unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse allgemein und streng 
durchzuführen. Personen, die in betrunkenem oder angetrunkenem Zustand an 
öffentlichen Orten Aergernis erregen, sollten in Polizeihaft genommen, Trunken¬ 
bolde unter Schutzaufsicht gestellt und Trunksüchtige in eine Trinkerheilanstalt 
gebracht werden. Trunkenheit sollte auch bei Zivilpersonen, die sich straf¬ 
bar gemacht haben, nicht als Milderungsgrund gelten. Das Verbot des 
Alkoholausschanks an Militärpersonen und Militärpflichtige an Tagen 
der Aushebung, Musterung, Kontrollversammlungen usw. ist ebenso beizu- 
behalten, wie das Verbot des Alkoholausschanks, des Wirtshausbesuchs und 
des Rauchens für Jugendliche; desgleichen ist der Alkoholansschank 
bei öffentlichen Volksfesten, Tanzlustbarkeiten usw. einzuschränken. Weiterhin 
empfiehlt sich eine planmäßig durchgeführte Belehrung der Jugend 
und der Mannschaften in Heer und Marine über die Alkoholgefahren, 
die durch die Errichtung möglichst alkoholfreier Soldatenheime, durch die 
Darbietung billiger Ersatzgetränke usw. zu fördern ist. Anderseits ist die Her¬ 
stellung von alkoholischen Süßwaren, zum mindestens ihre Verab¬ 
reichung an Jugendliche, sowie der Verkauf von Alkoholika durch Automaten 
auch in der Friedenszeit zu verbieten. Die während des Krieges durchgeführten 
Beschränkungen der Branntweinerzeugung und damit auch des 
Branntweingenusses sind im Interesse der Volksgesundheit nnd Volkswohlfahrt 
auch nach dem Kriege in geeigneter Form beiznbehalten; der Reichsbranntwein¬ 
stelle und ihrem Beirat sollten deshalb auch Mitglieder angehören, die an der 
Erzeugung, dem Handel und Verbrauch des Branntweins selbst nicht finanziell 
beteiligt sind und sich nur von der Rücksicht auf das Allgemeinwohl 
leiten lassen. Auch eine erhebliche Einschränkung bezüglich des Bieres 
ist für die Zeit nach dem Kriege dringend notwendig und wünschenswert; 
als wirksame Maßnahmen hierfür empfiehlt Vortragender: Erhöhung der Brau¬ 
steuer, Beschränkung der Zahl der Schankstätton und des Bierausschanks 
(frühe Polizeistunde), Konzessionspflicht des Flaschenbierhandels, Verbot des 
Flaschenbierverkaufs in Kolonialwarenhandlungen, Milchgeschäften usw. Zum 
Schluß betont er das Bedürfnis und die Notwendigkeit einer Umgestaltung der 
gesamten Alkoholgesetzgebung, die auf reichsgesetzlichem Wege vor¬ 
zunehmen sei. 

Für die Teilnehmer der Konferenz hatte der Berliner Zentralverband zur 
Bekämpfung des Alkoholismus an beiden Sitzungstagen Vortragsabende ver¬ 
anstaltet. Von den hier gehaltenen Vorträgen interessiert besonders der des 
Geh. Med.-Rats Prof. Dr. Tuczeck-Marburg a. L. über „Erhaltung und 
Mehrung unserer Volkskraft“. Zur Erhaltung unserer Volks- und Wehr¬ 
kraft bedürfen wir dauernd viele gesunde Menschen mit vielen gesunden 
Kindern. Die Volksernährung hat sich dem Kriege soweit als möglich angepaßt, 
auch für zweckmäßigen Mutter- und Säuglingsschutz ist Fürsorge getroffen. 
Dasselbe gilt betreffs der Jugendwehr, die eine gleichmäßige Ausbildung aller 
Anlagen sichert; dagegen bedürfen das Fortbildungswesen und die Tätigkeit 
der Schulärzte noch eines weiteren Ausbaus. Auch für Volksnervenheilstätten, 
Heilerziehungsanstalten und Fürsorge für jugendliche Schwachsinnige sollte 



424 


Kleinere Mitteilungen and Referate an* Zeitschriften. 


noch mehr als bisher geschehen, ebenso wie fttr die Vorbeugung und Be¬ 
kämpfung der Volksseuchen, insbesondere der Tuberkulose und der Geschlechts¬ 
krankheiten, deren Bekämpfung jetzt nach einem einheitlichen und erfolg¬ 
versprechenden Feldzugsplan durchgeführt werden soll. Nicht minder wichtig 
und bedeutungsvoll ist die Bekämpfung des Alkoholmißbrauches; Vermeidung 
des regelmäßigen täglichen Alkoholgenusses, insbesondere Vermeidung geistiger 
Getränke bei der Arbeit sowie alkoholfreie Jugenderziehung müsse gefordert 
werden. Redner betont zum Schluß, daß die Ursachen des Geburtenrückgangs 
teils psychologischer, teils wirtschaftlicher Natur sind. Zu seiner Bekämpfung 
sind daher, soweit wirtschaftliche Ursachen in Frage kommen, auch soziale 
Maßnahmen, insbesondere eine großzügige Wohnungsreform erforderlich. 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 

A. Oariohtliohe Mediain. 

Ueber Schußverletzungen von Eingeweiden. Von Frof. Br. C. Ipsen. 
Wissenschaftliche Aerztegesellschaft in Innsbruck. Sitzung vom 11. Februar 1916. 
Wiener klin. Wochenschrift; 1916, Nr. 26. 

Herz- und Lun gen schösse können gelegentlich schlitz- und rinnenförmige 
Durchtrennungen erzeugen und Schnitt- und Stichwunden Vortäuschen, andere 
Male infolge der Bewegungen der Organe umfängliche Zerstörungen mit weit 
greifender Gewebszerreißung bedingen. Streifschüsse der Aorta und der Pul- 
monalis erzeugen öfters eng aneinander gedrängte oberflächliche Risse, selbst 
bei völliger Unversehrtheit der äußeren Schichten der Gefäßwandung. Bei 
Schußverletzungen der Carotis und derSubelavia kann durch Ueberdehnung 
der Gefäßwand infolge der Wirkung der Blutwelle von innen unter gleich¬ 
zeitigem Anspannen der Gefäßwandung durch das Geschoß eine quere Gafä߬ 
durchtrennung erzeugt werden, als ob ein scharfschneidendes Werkzeug das 
Gefäßrohr durchtrennt hätte. 

Am Magen und Darm kann die große Zahl schlitzförmiger Durch- 
trennungen der Wandung auf eogem Raume zu irrtümlicher Deutung der Zahl 
der etwa in Betracht kommenden Geschosse Anlaß geben. Es handelt sich hier 
um Geschoßwirkung bei Längsfaltung des Darmrohrs im erschlafften oder halb- 
leeren Zustande des Organs. 

Für die Gestalt und das Aussehen der .Schußverletzungen der Leber ist 
der Spannungszustand des Gewebes mit verantwortlich. 

Von den Selbstbeschädigungen, die Ipsen besprach, ist der Fall 
eines 23jährigen Mädchens besonders erwähnenswert, das im Herbete 1914 in 
Nachahmung der Verlctzungsweise, der die Herzogin von Hohenberg am 
28. Juni 1914 in Serajevo erlag, mit einer Flobertpistole von 5,6 mm Geschoß- 
querschnitt sich einen Schuß in der rechten seitlichen Unterleibsgegend ober¬ 
halb des Hüftbeinkamms beibrachte und infolge Verblutung aus einem Durch¬ 
schuß der unteren Hohlvene in einer Viertelstunde starb. 

Der Vortrag enthält auch über die Schußverletzungen des Gehirns, und 
über die Handlungsfähigkeit von Schwerverletzten sehr interessante Angaben. 

Dr. Mayor -Simmern. 


B. Oerlohtllohe Payohiatrle 

Der Krieg und die Reservekräfte des Nervensystems. Von Prof. Dr. 
A. Pick-Prag. Sammlung zwangsloser Abhandlungen aus dem Gebiete der 
Nerven- und Geisteskrankheiten. Halle a. Saale 1916. Verlag von C. Mar hold. 
XI. Bd., 5. H. 8°; 27 S. Preis: 1 M. 

Die Frage der Reserven des Nervenstystems hat jetzt durch den Krieg 
wieder größere Bedeutung erhalten; Verfasser hat sich deshalb in der vorstehenden 
Abhandlung die Aufgabe gestellt, die tieferen Grundlagen dieser Frage zu 
prüfen und insbesondere nachzuforschen, ob auch hinsichtlich der Einzelfrage, 
woher die ungeahnten und verborgenen Kräfte stammen und wie sie zur 
Wirkung kommen, die Fortschritte der normalen und pathologischen Physiologie 
und Psychologie eine ebenso befriedigende Deutung wie für manche andere 
Fragen an der Hand zu geben vermögen. Daß der Affekt zu weit über 



Kleinere Mitteilungen und Referate aas Zeitschriften. 


425 


das Maß des Normalen hinausgehenden Leistangen befähigt, ist eine ebenso 
altbekannte Tatsache wie diejenige, daß namentlich die im Kriege fördernden 
Affekte eine derartige Wirkung hervorrnfen. Mit Recht ist schon früher darauf 
hingewiesen, daß für die Erzeugung des Mutes alles darauf ankommt, daß der 
Organismus eine größere Kraftmenge (Arbeite Vorrat) auf bringt, als für seine 
unmittelbaren Bedürfnisse erforderlich ist; der Mut kann somit als Ausdruck 
von organischen Reservekräften gelten. Bei ihrer Aktivierung spielt auch der 
bei großen Affekten eintretende Fortfall der in normalen Verhältnissen tätigen 
Hemmungen eine bedeutsame Rolle. Psychische wie körperliche Momente 
sind in gleicher Weise bei der gesteigerten Arbeit der Organe wirksam. Ein 
kräftiges Nervensystem mit entsprechend geübten Organen hat jedenfalls im 
gegebenen Momente mehr Reserven zur Verfügung alB ein von Haus aus 
schwächlich veranlagtes, wenn sich auch nicht leugnen läßt, daß auch aus 
einem defekten Nervensystem infolge der Labilität seiner Leistungsfähigkeit 
und der Mangelhaftigkeit seiner Hemmungen gelegentlich, ja selbst für die 
Dauer größere Reserven hervorgeholt werden können. Von weittragender 
Bedeutung für die ganze Frage ist die von den allerverschiedensten Ursachen 
abhängige Reizempfindlichkeit der Nervenzellen. Ein robustes Nerven¬ 
system reagiert weniger und schwächer auf feinere Reize, als ein schwächlicheres 
und deshalb empfindlicheres. Alles, was die Konstitution erhält und hebt, wird 
mittelbar auch die Reservekräfte des Nervensystems günstig beeinflussen. 
Rhythmische Arbeit in mäßigem Tempo steigert den Affekt ohne wesentliche 
Zunahme der Anstrengung (z. B. tonisierende Wirkung des musikalischen 
Rhythmus). Auch das Bewußtsein der gemeinschaftlichen Arbeit ist eine 
Quelle der psycho-physischen Kraftsteigerung; hierauf beruht der Kollektiv¬ 
mat, ebenso wie die Kollektivbegeisterung durch den dem Einzelnen aus 
der allgemeinen Begeisterung zuströmenden Zufluß an Nervenenergie und Zuwachs 
an Nervenspannkraft hervorgerufen wird. Intensive Affekte (Furcht, Wut, 
Schmerz) sind nach C an non von einer verstärkten Adrenalinzufuhr ins Blut 
und dem Freiwerden des in der Leber aufgespeicherten Glykogens begleitet. 
Zucker und Zufuhr von Adrenalin erhöhen deshalb die Muskelleistung, während 
Entfernung der Nebennieren und damit Aufhören der Adrenalinzufuhr eine 
hochgradig schwächende Wirkung haben. Erhöhtes Lebensgefühl, ge¬ 
hobener Gefühlston haben einen günstigen Einfluß auf das vegetative Leben 
des Organismus und bewirken ebenso wie sonstige Affekte und Reize ein 
Freimachen der Reservekräfte des Nervensystems, eine Steigerung der Willens¬ 
kraft, Leistungsfähigkeit und des Mutes; Unglück, Mißerfolge, Panik 
usw. rufen die gegenseitigen Wirkungen hervor. Rpd. 


O. Bakteriologie und Bekämpfung der übertragbaren Krankheiten. 

1. Typhus. 

Ein Fall von Meningitis typhosa. Von Assist. Dr. G. Umeck. Aus 
dem Magdalenenspital in Triest (Dir.: Dr. M a r c o v i c h). Medizinische Klinik; 
1916, Nr. 13. 

Verfasser beschreibt die Krankheit eines dreijährigen Knaben, die unter 
dem Bilde einer Basilarmeningitis verlief. Die richtige Diagnose konnte intra 
vitam nur gestellt werden durch die serologisch-bakteriologische Untersuchung 
des Blutserums und der Lumbalflüssigkeit. Das Serum ergab Agglutination 
mit Typhusbazillen; in der eitrigen Lumbalflüssigkeit fanden sich Typhusbazillen 
in Reinkultur. Die Autopsie zeigte: Eitrige Meningitis, leicht vergrößerte 
Milz, Infiltration der Pey er sehen Plaques und der Follikel ohne Bildung von 
Typhusgeschwüren und starke Infiltration der Mesenterialdrüsen. Dieser Fall 
unterscheidet sich von anderen Fällen eitriger typhöser Meningitis insofern, als 
der klinische Symptomenkomplex tatsächlich der einer basilaren Meningitis war, 
ein äußerst seltenes Bild. Dr. L. Quadflieg-Gelsenkirchen. 


Pathologische Reaktionen bei Typhnsgelmpften. Von R. Koch, 
Sekundärarzt Aus der medizinischen Poliklinik der Universität Frankfurt a. M. 
(Dir.: Prof. Dr. Strasburger [im Felde]). Mediz. Klinik; 1916, Nr. 14. 

Es gelangten 2 Fälle pathologischer Reaktionen nach Typhus-Vakzination 
zur Beobachtung. Der erste Fall betraf einen Arzt, der 1909 eine Diphtherie 



496 


Kleinere Mitteilungen and Referate aas Zeitschriften. 


mit postdiphtherisoher Gaumensegel- and Akkomodationslähmung, ferner — 
Herzstörang darchgemacht hatte; 1916 bestanden die £rscheinangen einer 
Herznearose. Die ersten zwei Typhös- and zwei Choleraschatzimpfangen ver¬ 
liefen ohne besondere Erscheinungen. Die dritte Typhasimpfang löste schwere 
Symptome aas: Heftige Glieder and Kopfschmerzen, Schweißaasbrüche, 
Temperaturerhöhungen etc.; eine Blatuntersuchang ergab daB Fehlen aller 
Leukozyten. Nach 2 Tagen trat Besserung ein, die Leukozytenzahl war wieder 
normal. Im Gegensatz za den voraufgegangenen Impfangen zeigte sich diesmal 
keine Reaktion an der Einstichstelle. Der zweite Fall betraf einen Heizer mit 
neurotischer Konstitution, der vor vier Jahren eine Blinddarmoperation darch¬ 
gemacht hatte und an einer kleinen epigastrischen Hernie litt. Die erste 
Typhusimpfung vertrug er gut; kurz nach der zweiten stellten sich Erbrechen 
(6 in einer Stande) und Darchfälle (7 in einer Stunde) ein, ferner gab er unan- 

f enehmes Empfinden von Gefühllosigkeit in allen Gliedern an. Körpertemperatur: 
9,5 Trotz des ev. Bestehens organischer Veränderungen im Abdomen infolge der 
Hernie oder der Blinddarmoperation dürften die nach der Impfung aufgetretenen 
Symptome kaum zufällig gewesen sein. Bei den beiden Patienten scheint es 
sich um Ueberempfindlichkeit zu handeln. Die pathologischen Typhusimpfungs- 
Beaktionen sind in 2 Gruppen za trennen: 1. Die wahrscheinlich nicht 
spezifische Ueberempfindlicbkeitsreaktion, 2. die spezifische Infektionsreaktion. 

Dr. L. Qu ad flieg- Gelsenkirchen. . 


2. Bahr. 

Die Rohr der Kinder ln Russisch-Polen. Von k. k. Assist.-Arzt Dr. 
Emil Flasser, Abschnitts-Chefarzt, vorher Sekundärarzt der Prager Findel¬ 
anstalt, Abt. Prof. Alois Epstein. (Aas dem Marodenhaase des Abschnittes 8 
der k. und k. Befestigungs-Baudirektion Iwangorod.) Medizinische Klinik; 
1916, Nr. 18. 

Im ganzen kamen 28 Ruhrfälle zur Beobachtung, davon nicht weniger 
als 21 bei Kindern in den ersten 6 Lebensjahren. Die Vorliebe der Rahr für 
das Kindesalter ist entweder darin begründet, daß der Darm des Kindes der 
Infektion durch Ruhrbazillen besonders zugänglich ist, oder die Rohr verhält 
sich in Russisch-Polen wie bei uns die Masern. Die Mütter haben vielfach 
auch die Ansicht, daß jedes Kind die Ruhr durchmachen muß (daher absolut 
keine Isolierung), am später davon verschont za bleiben (Immunität!), und 
daß die Rahr in der Jagend leichter verläuft als im späten Alter, was 
nach den gemachten Beobachtungen richtig za sein scheint. Bemerkenswert 
aas dem Verlauf dieser Fälle ist, daß öfter ein ausgesprochenes Prodromal¬ 
stadium vorausging mit Erscheinungen seitens des Verdaaungstraktus oder des 
Gehirns. Das Stadium der blutigen Stühle war dem bei Erwachsenen gleich, 
aber meist von kurzer Dauer und milder. Oft boten die Darchfälle das Aas¬ 
sehen des typhösen Erbsensappenstahles, der dann daroh eine olivgrüne Farbe 
ausgezeichnet war. Mit dem Aufhören der blutigen Stühle beginnt bei Säug¬ 
lingen und kleinen Kindern ein Stadium der postdysenterischen Ernährungs¬ 
störungen mit dem Symptomen des Magendarmkatarrhs, die za einem der 
Dekomposition gleichenden Zastand führen können. In einem Falle schloß sich 
an die Rahr eine Nephritis an, die za Tode führte; es scheint die Anschauung 
berechtigt, daß die Kriegsnephritis oft eine Folgekrankbeit einer schweren 
Darmerkrankung ist. Die Rahrbehandlang war diätetisch and medikamentös 
(Opium). Besonders bemerkenswert ist die Indolenz der fast durchweg 
analphabetischen Bevölkerung. Für die ärztliche Tätigkeit besteht nicht das 
mindeste Verständnis; im allgemeinen behandeln Kurpfuscher nach mittelalter¬ 
lichen Methoden. Von einer öffentlichen Gesundheitspflege ist nirgends eine 
Spur vorhanden; in dem ganzen Abschnitt gab es kein Haus, das auch nur 
die primitivste Abortanlage aufzuweisen gehabt hätte. 

Dr. L. Quadf 1 i e g • Gelsenkirchen. 


3. Diphtherie. 

Die Gramfestigkeit der DIphtheriebasHlen und der Pseudodiphtherie- 
baxlllen als dUfereatlaldlaguostlsehes Merkmal. (Aus dem städtischen 



Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 


427 


Uatenucbung8amt Charlottenburg.) Von, H. Langer und H. Krüger. 
Deutsche med. Wochenschrift; 1916, Nr. 24J 

Die Gramfestigkeit der Pseudodiphtheriebazillen ist wesentlich stärker 
als die der Diphtheriebazillen. Pseudodiphtheriebazillen setzen der Entfärbung 
durch Alkohol einen außerordentlich (bis zu 2 Stunden) großen Widerstand 
entgegen, während Diphtheriebazillen bereits nach 10 Minuten durch Alkohol 
entfärbt werden. Hierin liegt ein spezifisches Unterscheidungsmerkmal. Es 
gilt für jedes Wachstumsstadium der Bazillenkulturen, bedeutet daher eine 
Erweiterung der färberischen Differenzierungsmöglichkeit. Folgende 
Färbezeiten werden empfohlen: Anilinwasser• Gentianaviolett 2 Minuten, 
Lugolsche Lösung 6 Minuten, absoluter Alkohol 16 Minuten, verdünntes 
Fuchsin 1 Sekunde. Dr. B o e p k e - Melsungen, 

Beitrag zur Behandlung der Diphtherie. Von Dr. F. Berg, Assistenz¬ 
arzt. (Aus der inneren Abteilung des Krankenhauses der Stadt Berlin-Lichten- 
berg. Dir.: Prof. Dr. F. Blumenthal.) Medizinische Klinik; 1916, Nr. 12. 

Die Bindung zwischen Toxin und einer gleichgroßen Menge Antitoxin 
dauert 24 Stunden; daher muß das Antitoxin auch möglichst lange im Blute 
kreisen. Um dieses zu erreichen, ist die gleichzeitige kombinierte Anwendung 
d>er intravenösen und intramuskulären Seruminjektion zu empfehlen; erstere 

S ewährleistet eine schnelle, letztere eine nachhaltige Wirkung. Diese Methode 
at den Vorteil, daß Traeheotomieen jedenfalls selten — in 200 so behandelten 
Fällen keine — notwendig werden. Ebenso hat Jochmann bei 5000 kombiniert 
behandelten Fällen kein Weiterschreiten des diphtherischen Prozesses gesehen. 
Natürlich muß dabei das Herz unter Kontrolle gehalten werden, was ev. nur 
bei Krankenhausbehandlung möglich ist. Verfasser gab je 3000 I.-E. bei 
leichten, bis zu je 10000 I -E. bei schweren toxischen Fällen intravenös und 
muskulär. Um Kollaps zu vermeiden, wurde mit dem Serum gleichzeitig als 
Stimulans Disotrin intravenös verabreicht. Es ist zu unterscheiden zwischen 
einer frühzeitigen und späten Herzlähmung. Die Patienten erhielten 3 Tage 
lang 3 X täglich soviel Tropfen Digalen per os als die Kinder Jahre zählten, 
die Erwachsenen 3 X lö Tropfen täglich, bei bedrohlichen Herzerscheinungen 
Digalen und Koffein subkutan, ferner bei Blutdrucksenkung Suprarenin Hoechst. 
Seitdem ist kein Kind an frühzeitigem Herztod gestorben. Lokal wurde der 
diphtherische Prozeß mit guter Wirkung mit Seruminhalationen (1000 I.-E. 
auf 20ccm steril, physiol. Na CI-Lösung) behandelt; Kinder inhalierten diese 
Lösung 10, Erwachsene 15 Minuten. Mit der Tracheotomie darf nicht zu lange 
gewartet werden. Unter 207 Diphtheriefällen (Beobachtung 8—5 Wochen) 
traten nur 2 postdiphtherische Lähmungen auf. Selbst wenn nach der Ent¬ 
lassung noch der eine oder andere Fall vorgekommen sein mag, ist die Zahl 
der Lähmungen klein. Dr. L. Quadflieg-Gelsenkirchen. 

D. Hygiene and öffentliohee Gesundheitswesen. 

1. Säuglings- und Kleinkinderfürsorge. 

Larosan und Säuglingsfürsorgestellen. Von Stadtarzt Dr. Oschmann- 
Weißenfels. Zeitschrift für Säuglingsschutz; 1916, Nr. 5. 

Die Domäne des Larosans ist jede Form der Ernährungsstörung, die 
mit Durchfällen einhergeht und eignet sich daher zur Verwendung in vielen 
Fällen, wo die Säuglingsfürsorgestellen therapeutisch eingreifen müssen. 

__ Dr. Wolf-Hanau. 

Säuglings* und Kleinkinderpflege lm Unterricht der weiblichen 
Jagend. Von Dr. Lief mann-Freiburg i. B. Zeitschrift für Säuglingsschutz; 
1916, Nr. 6. 

1. Jedes heranwachsende deutsche Mädchen sollte Unterricht in Säug¬ 
lings- und Kinderpflege empfangen. Dieser Unterricht könnte, verbunden mit 
einem hauswirtschaftlichen Lehrgang, als Fortbildungsschule für alle schul* 
entlassenen Volksschülerinnen, als Frauenschule für die Absolventinnen der 
höheren Mädchenschule (Studienanstalt) obligatorisch gemacht werden. 

2. Der Unterricht soll sich in theoretischer Belehrung und praktische 
Arbeit gliedern. Die praktischen Uebungen hätten sich über den ganzen Tag 



428 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 


2a erstrecken and wären in den Schulen anzugliedernden Krippen und Kinder¬ 
gärten abzahalten. Krankenanstalten sind nicht als Unterrichtsanstalten zu 
verwenden. 

3. Als Lehrer kommen für diesen Unterricht in Betracht: ein in der 
Pädiatrie aasgebildeter und erfahrener Arzt (Aerztin), der möglichst zugleich 
auch Schalarzt sein sollte and Krippe und Kindergarten ärztlich überwacht, 
eine ansgebildete Säuglingspflegerin und eine Kindergärtnerin. Eine Besetzung 
des Lehrkörpers durch Frauen erscheint wünschenswert. 

4. Ziel des Unterrichts ist keine Berafsansbildnng in Säuglings- und 

Kinderpflege, sondern nur solche Tatsachen und solche Fertigkeiten zu ver¬ 
mitteln, die jedes deutsche, in die Ehe tretende Mädchen als festen Bestand 
ihres Wissens und Könnens mitbringen soll. Dr. Wolf-Hanau. 


Anträge für das Einschreiten des Staats und des Reichs auf dem 
Heblet der Säuglings- und MatterfOrsorge. Von Dr. von Behr-Pinnow. 
Zeitschrift für Säuglingsschutz; 1916, Nr. 6. 

Der Verfasser verlangt den Erlaß eines Kreisfürsorgegesetzes mit dem 
Kreisfürsorgeamt unter einer Kreisfürsorgekommission und gibt 

? genaue Richtlinien für die Tätigkeit dieses Amtes. Um einem solchen Kreis- 
ürsorgeamt jedoch die nötige Kraft und Wirkung za verleihen, sind noch 
einige weitere Gesetze za fordern und zwar für Preußen ein Gesetz betr. 
die Einführung der Generalvormundschaft and ein Gesetz betr. die Haltekinder; 
außerdem muß die in Stadt und Land schleunigst allgemein einzuführende pflicht¬ 
mäßige Fortbildungsschule vollenden und erweitern, was in der Volksschule 
begonnen ist. Selbstverständlich ist der Unterricht in Haushaltkunde und 
Kinderpflege auch in den höheren Mädchenschulen und Lyzeen aufzunehmen. 
Des Unterrichts bedürfen auch diejenigen, die des Kindes Mutter in gesunden 
und kranken Tagen vertreten müssen, die Kinderpflegerinnen, für Familie und 
Anstalt. Hier muß natürlich eine längere Fachausbildung einsetzen. — Für 
das ganze Reich sind zu fordern: Neuregelung der Bestimmungen über die 
vom außerehelichen Erzeuger zu leistenden Unterhaltungsbeiträge; Reichs- 
ammengesetz und Erweiterung der in Frage kommenden sozialpolitischen Gesetze 
in bezug auf Wochengeld und Stillgeld, eventuell in Verbindung mit einer 
allgemeinen Mutterschaftsversicherang. Dr. W o 1 f - Hanau. 


Hrandzflge einer Neuregelung der Säuglings- und Klelnkinderfüraorge 
im Königreiche Sachsen. 

Zar Regelung der Säuglings- und Kleinkinderfürsorge im Königreiche 
Sachsen ist vom König!. Ministerium des Innern eine Denkschrift ausge¬ 
arbeitet worden, die als Grundlage für die Beratungen in der diesjährigen 
außerordentlichen Sitzung der I. Abteilung des Landes-Gesundheitsamtes zu 
dienen bestimmt ist und nachstehende Grundzüge enthält: 

Es ist eine unbestreitbare Tatsache, daß die Säuglingssterblichkeit in 
den letzten Jahrzehnten bei uns wie in allen Kulturstaaten erheblich zurück¬ 
gegangen ist. Damit ist der Beweis erbracht, daß die zu diesem Zweck 
ergriffenen Maßregeln von Erfolg begleitet waren und daß wir in der Be¬ 
kämpfung des Uebels auf dem richtigen Wege gewesen sind. Aber ebenso 
liegt zutage, daß wir in Sachsen noch eine weitere Vervollkommnung der 
bestehenden Zustände anstreben können und müssen. Denn die Ziffer der 
Säuglingssterblichkeit beträgt noch immer 15,7 °/o und ist immer noch höher 
als die Durcbschnittsziffer — 15,1 # /o — im Deutschen Reiche, während sie 
außerhalb Deutschland zum Teil sogar weniger als die Hälfte beträgt. Und 
wenn die skandinavischen Länder mit ihrer ganz besonders niedrigen Ziffer 
von 6,8 *7© in Norwegen und 7,2 n /o in Schweden vielleicht wegen der klimatischen 
Verhältnisse und der geringen Revölkerungsdichtigkeit nicht ohne weiteres 
zum Vergleiche herangezogen werden können, so sind doch z. B. in Frankreich 
(Ortschaften über 5000 Einwohner 1909: H,7°/o), Italien (1912: 12,8°/o) und 
den Niederlanden (1912: 8,7°/o) die natürlichen Lebensbedingungen sicher nicht 
günstiger als bei uns. Es ist deshalb auch von wissenschaftlicher Seite 
wiederholt die Zuversicht ausgesprochen worden, daß wir bei zweckmäßigen 
Einrichtungen und folgerichtiger Durchführung weitere erhebliche Erfolge 
erwarten dürfen. 



Kleinere Mitteilungen und Referate aas Zeitschriften. 


429 


Auch bei den neuerdings durch die Kreishauptmannschaften vorge¬ 
nommenen Erhebungen ist fast allenthalben der Wunsch nach Verbesserungen 
und deren Notwendigkeit festgestellt worden, und zwar bezeichnenderweise am 
lautesten und entschiedensten in denjenigen Orten und Bezirken, die auf dem 
Gebiete der Säuglingspflege schon bisher mehr als anderwärts geleistet haben. 
So wird z. B. auch bemerkt, daß gerade die Gemeinden, die bisher der Ein¬ 
führung Ton Stillprämien abgeneigt waren, nach der während des Krieges 
erfolgten Einführung der Wochenhilfe vielfach anderen Sinnes geworden seien. 

Die guten Erfolge, die in vielen Gemeinden erzielt worden sind, sind 
zweifellos der Erkenntnis zu verdanken, daß es nicht genügt, kranke Kinder 
zu heilen, sondern daß es darauf ankommt, gesunde Kinder gesund zu erhalten 
und gegen Krankheiten widerstandsfähig zu machen. Wenn nun auch dieser 
Gedanke Gemeingut aller derjenigen ist, die sich mit der Kinderfürsorge ein¬ 
gehend beschäftigt haben, so wird es doch darauf ankommen, die jungen Mütter 
für diesen Gedanken zu gewinnen und die Gemeinden an die Pflicht zu 
erinnern, sich der vorbeugenden Aufgabe der Kinderpflege noch mehr zu widmen 
als bisher. 

Unter den geäußerten Wünschen kommt zunächst die Schaffung einer 
Landes-Zentralstelle in Frage, die die örtlichen Bestrebungen zusammenfaßt, 
regelt und beeinflußt und die gegenwärtig zwar in den süddeutschen Staaten, 
aber in Sachsen noch nicht besteht. 

Allgemein wird das Verlangen nach einer stärkeren Beteili¬ 
gung des Staates an den Kosten der Säuglings- und Kleinkinder¬ 
fürsorge zur Geltung gebracht, wie es auch schon in den Verhandlungen 
der Ersten Kammer vom 12. März 1914 von den drei Oberbürgermeistern 
von Plauen, Chemnitz und Leipzig sehr nachdrücklich ausgesprochen 
wurde. Tatsächlich ist bis jetzt mit staatlichen Unterstützungen nur ein 
Anfang gemacht worden, indem außer den hierher zu rechnenden, in Kap. 58, 
Tit. 3 h bisher mit 16000 Mark, neuerdings mit 18000 Mark eingestellten 
Unterstützungen für Kinderhorte in den Jahren 1914 und 1915 aus Kap. 58, 
Tit. 3 k des Staatshaushalts-Etats insgesamt je 9800 Mark Beihilfen zu Still¬ 
prämien bewilligt worden sind. 

Die dauernde Festsetzung der jetzt nur für die Kriegszeit eingeführten 
Reichswochenhilfe, die überall die günstigste Aufnahme und Wirkung 
gehabt hat, wird allgemein gewünscht und wird daher auzuatreben sein, gehört 
aber nicht zur Zuständigkeit der Landesgesetzgebung. 

Ferner ist die Notwendigkeit einer größeren Einheitlichkeit und 
Gleichmäßigkeit der Einrichtungen im ganzen Lande betont worden. 

Um aber eine solche durchgreifende, über das ganze Land verbreitete 
Fürsorge zu erzielen, wird es nötig sein, unter Weiterverwendung der zahl¬ 
reichen freiwilligen Kräfte namentlich aus den örtlichen Frauenvereinen, die 
schon bisher in hingehender Arbeit vielfach Anerkennenswertes geleistet haben, 
die Gesamtheit der Einrichtungen auf die feste und dauernde Grundlage des 
Kommunalverbandes mit seinen berufsmäßigen und ehrenamtlichen 
Organen zu stellen und ihn zum Träger der Fürsorge zu bestimmen, ln den 
größeren Gemeinden können diese die Aufgabe übernehmen, die bei den vielen 
kleineren und kleinsten Gemeinden deren Kräfte weitaus überschreiten würde. 
Hier müssen, da wir auf die freiwillige Bildung von Gemeindeverbänden nicht 
warten können, die Bezirks verbände eintreten, die sich auch schon bisher hier 
und da freiwillig an der Fürsorge beteiligt haben. Da es zur Uebertragung 
der Aufgabe an die Bezirks verbände eines Gesetzes bedarf, wird es sieb 
empfehlen, die ganze Angelegenheit, namentlich auch das mit in Betracht 
kommende Pflege (Zieh-) kinderwesen und die Berufsvormundschaft gesetzlich 
zu regeln. Hierfür sowie für die Ausführungsverordnung werden folgende 

Grundzfige 

zur Besprechung gestellt: 

1. Die Säuglings- und Kleinkinderfürsorge wird der Selbstver¬ 
waltung der Bezirksverbände und der bezirksfreien (exemten) 
Städte übertragen, von denen jeder Bezirksverband und jede bezirksfreie 
Stadt einen Fürsorgebezirk bilden. 

Da größere Gemeinden, die hierzu in der Lage sind und zum Teil auch 
schon Ersprießliches auf dem Gebiete der Fürsorge geleistet, unter Umständen 



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Kleinere Mitteilungen and Referate aas Zeitschriften. 


den Wunsch haben werden, auch künftig einen eigenen Fürsorgebezirk zu 
bilden, wird man dies den Städten mit Revidierter Städteordnung allgemein, 
sowie anderen Gemeinden mit mehr als 10000 Einwohnern gestatten können, 
wenn und solange sie die gesetzlich vorgeschriebenen Leistangen aas eigenen 
Mitteln übernehmen. Sie haben ihre Absicht vor dem Inkrafttreten des Gesetzes 
«der spätestens ein Vierteljahr vor Beginn des Geschäftsjahres, mit welchem 
sie aasscheiden wollen, dem Bezirksverbande anzazeigen. ln diesem Falle 
findet § 23 des Bezirksverbandsgesetzes vom 21. April 1873 in dem Sinne auf 
sie Anwendung, daß sie von den Bezirksanlagen, welche für diese Fürsorge 
erhoben werden, befreit bleiben. 

Mehrere Fürsorgebezirke können sich zar gemeinsamen Unterhaltung 
einzelner oder sämtlicher Einrichtungen vereinigen. 

2. Gegenstand der Fürsorge sind: 

a) Säuglinge, 

b) uneheliche Kinder und gegen Entgeld in Pflege gegebene Kinder (Pflege* 
kinder) bis znm 6. Lebensjahre. 

Die Fürsorge kann mit anderen verwandten Tätigkeiten, z. B. Schwangeren* 
und Mutterschutz, Krüppelfürsorge, Tuberkulosebekämpfung und vor allem 
auch mit der Wohnungsaufsicht und Wohnungspflege verbanden werden, da 
die Beschaffenheit und Instandhaltung der Wohnung für das Gedeihen der 
Kinder von allergrößter Bedeutung ist. 

8. Die Aufgaben der Fürsorge sind: 

a) die Belehrung und Beratung der Mütter, namentlich über die Notwendig¬ 
keit und die Voraussetzung der natürlichen Brusternährung, 

b) die Beaufsichtigung der Kinder und 

c) die wirtschaftliche Unterstützung von Matter und Kind. 

Eine polizeiliche Mitwirkung findet nur bei der Regelung und Beauf¬ 
sichtigung des Pflegekinderwesens statt. 

4. Für die Zwecke unter Ziffer 8a, b und c müssen in jedem Für* 
sorgebezirke vorgenommen werden: 

a) die Anstellung von Bezirkspflegerinnen, 

b) die Errichtung und Unterhaltung von Mütterberatungsstellen, 

c) die Verteilung von Merkblättern an Schwangere und Mütter, 

d) die Gewährung von Stillbeihilfen, 

e) die Beaufsichtigung der Pflegekinder, 

f) die Einführung der Berufsvormundschaft. 

Weitere Einrichtungen sind freigestellt. Insbesondere können 

g) Vorträge und belehrende Unterweisungen für Hebammen, freiwillige 
Helferinnen, 8chwangere, Mütter, Pflegemütter usw. über die Pflege und 
Ernährung von Säuglingen und Kleinkindern veranstaltet, 

h) Belohnungen für Hebammen, welche mit Erfolg die von ihnen entbundenen 
Mütter zum Stillen bringen, gewährt, 

i) Krippen, in denen die auf Arbeit gehenden Mütter ihre Kinder bis zum 
dritten Lebensjahre unterbringen, Stillräume in größeren Betrieben, in 
denen stillende Mütter arbeiten, endlich Säuglingsheime und Säuglings¬ 
krankenhäuser errichtet, 

k) Wanderkörbe für Wöchnerinnen dargeliehen und 

l) Milchküchen für stillende Mütter eingerichtet werden. 

5. Für jeden Bezirk ist mindestens eine Bezirkspflegerin als 
berufsmäßige Beamtin des Kommunalverbandes gegen angemessene Entschädi¬ 
gung anzustellen. Die Pflegerinnen haben die persönliche Aufsicht über die 
im Fürsorgebezirke vorhandenen Säuglinge, sowie die unehelichen und Pflege¬ 
kinder unter sechs Jahren insbesondere durch Hausbesuche zu führen, hierbei 
die Mütter und Pflegemütter, aber auch Schwangere zu verständigen und znm 
Besuche der Mütterberatungsstellen anzuhalten. Sie können, soweit ihre Zeit 
reicht, auch zu den Geschäften der Wohnungsaufsicht und Wohnungspflege, 
der Krüppelfürsorge und der Tuberkulosebekämpfung verwendet werden. 

Ueber ihre Vorbildung, wegen deren zufolge eines Berichts des 
Landes-Gesundheitsamtes vom 11. Juli 1915, 220 1 L.G. A., die Ansichten zur 
Zeit noch nicht völlig geklärt sind, trifft das Ministerium des Innern nach Ge¬ 
hör des Lfindesausscbusses (Ziffer 11) die nötigen Bestimmungen. Dabei wird 



Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 481 

eine Lehr- und Uebungszeit in der praktischen Krankenpflege, wie sie die jetzt 
zar Militärkrankenpflege herangezogenen and nach dem Kriege jedenfalls in 
großer Zahl frei werdenden Pflegerinnen durchgemacht haben, jedenfalls als 
eine vorteilhafte Grundlage anzusehen, außerdem aber auch noch eine mehr¬ 
monatige Dienstleistung in einem Säuglingsheim, einer Entbindungsanstalt oder 
einem Säuglingskrankenhause, zu fordern sein. Za erwägen ist, ob den in einer 
Fraaenschule oder in sozialen Frauenkursen vorgebildeten Bewerberinnen ge¬ 
wisse Vergünstigungen eingeräumt werden könnten. 

6. Mütterberatungsstellen sind in der erforderlichen Anzahl 
zu errichten und können auch zwischen verschiedenen Orten wechseln. Sie 
sind ausnahmslos unter die Leitang eines Arztes oder einer Aerztin za 
stellen, die von dem Kommunalverbande angemessen zu entschädigen sind, da 
man ihnen nicht zumuten kann, daß sie eine Berufstätigkeit, die sie des Le¬ 
benserwerbes halber betreiben, in dem für die Säuglings- und Kleinkinderfür¬ 
sorge erforderlichen Umfange unentgeltlich leisten. 

Im allgemeinen wird sich empfehlen, daß, wie z. B. in Hessen, sAmt¬ 
liche Aerzte, die sich innerhalb des Fürsorgebezirks hierzu bereit finden, 
der Beihe nach in vielleicht einjährigem Wechsel zur Leitung der Beratungs¬ 
stellen herangezogen werden. Hierdurch wird am besten jede einseitige Beein¬ 
trächtigung der freien Praxis vermieden und werden Kenntnisse und Interesse 
für die Sache in die weitesten Kreise hinausgetragen. Doch wird bei denjenigen 
Beratungsstellen, wo bereits feste Anstellungsverhältnisse bestehen, eine ent¬ 
sprechende Umwandlung selbstverständlich nur mit aller Schonung vorgenommen 
oder verlangt werden dürfen. 

Am Dienste in den Beratungsstellen kann sich die Bezirkspflegerin be¬ 
teiligen und es können hierzu auch freiwillige Helferinnen herangezogen werden. 

7. Stillbeihilfen sollen, sofern eine Reichswochenhilfe nicht auch 
nach dem Kriege bestehen bleibt oder soweit sie Lücken auf weist, denjenigen 
stillenden Müttern gegeben werden, die wegen des Stillens Einbuße an Arbeits¬ 
verdienst erleiden oder einer Unterstützung in Geld oder Lebensmitteln (Milch), 
z. B. wegen Blutarmung, Schwächlichkeit, besonders bedürftig sind. 

Dabei ist das Wort „Stillprämien" künftig ganz zu vermeiden. 
Einmal als unnötiges Fremdwort, dann aber auch, weil die allgemeine An¬ 
schauung angestrebt werden muß, daß für jede Mutter, die dazu körperlich im¬ 
stande ist, das Stillen eine heilige Pflicht und nicht etwas ist, wofür sie noch 
eine besondere Belohnung erwarten darf. 

8. Was die Auf sicht über das Pflegekinde rwesen anlangt, wird 
zu erwägen sein, ob eine polizeiliche Erlaubnis zum Halten von Pflegekindern 
gegen Entgelt oder nur eine Meldepflicht gefordert werden soll mit der Be¬ 
fugnis der Polizeibehörde, unzuverlässigen oder hinsichtlich ihrer Person oder 
ihrer WohnungsVerhältnisse ungeeigneten Personen die Annahme von Pflege¬ 
kindern zu verbieten. Beides würde, ohne gegen die Reichsgewerbeordnung 
zu verstoßen, zulässig sein, da das Pflegekinderwesen zu den nach § 5 der 
Gewerbeordnung der Landesgesetzgebung vorbehaltenen Gegenständen gehört 
(vgl. Landmann, Gewerbeordnung, Anm. 5 zu § 6). 

Die Wahrnehmung der polizeilichen Befugnisse wird in den Bezirksrer- 
bänden dem Bezirksausschüsse, in Gemeinden, die eigene Fürsorgebezirke bilden, 
der Gemeindebehörde (Stadtrat, Stadtgemeinderat, Gemeinderat) übertragen. 

Vor der zu fassenden Entschließung werden in allen Fällen der Fttr- 
sorgeausschuß und die Bezirkspflegerin zu hören sein. 

Gegenüber dem Erziehungsberechtigten ist die Polizeibehörde nur befugt 
einer übelen Behandlung der Kinder durch einstweilige Maßnahmen abzuhelfen 
und hat im übrigen sich auf eine Anzeige an das Vormundschaftsgericht zu 
beschränken und diesem die weitere Entschließung zu überlassen (vgl. Urteil 
des Oberverwaltungsgerichtes vom 19. Oktober 1904, Jahrb. 6, S. 236). 

9. Die gesetzliche (Berufs-) Vormundschaft ist für alle un¬ 
ehelichen, sowie für die in Pflege gegebenen oder einer besonderen Pflege be¬ 
dürftigen Kinder einzurichten. Der Vormund hat im Einvernehmen mit der 
Bezirkspflegerin und dem Fürsorgeausschusse alle für das Wohl des bevor¬ 
mundeten Kindes erforderlichen Maßnahmen zu treffen und vor allem zu sorgen, 
daß die nötigen Unterhaltsbeiträge der Unterhaltspflichtigen ausreichend 
und rechtzeitig geleistet werden. Sehr erwünscht wäre es, wenn der Vormund 



482 


Kleber« Mitteilungen and Referate aas Zeitschriften. 


in der Lage wäre, schon vor der Gebart des Kbdes über die hier nötigen 
Festsetzungen herbeizuführen, wie dies b Dänemark and Norwegen allgemeb 
Rechtens ist (vgl. Bericht über den 111. Internationalen Kongreß für Säuglings- 
schatz, Berlin 1912, 8. 801 flg.). Dies würde zar Sicherung von Matter and 
Kbd ganz wesentlich beitragen and in wirksamer Wsise verhbdern, daß der 
außereheliche Vater sich gerade im kritischen Zeitpunkte seben Verpflichtungen 
entzieht. 

Za der Bestellung des Vormandes wird der Fürsorgeaasschaß za 
hören sein. 

10. Zar Erledigung der Fürsorgegeschäfte ist für jeden Fürsorgebezirk 
eb Fürsorgeausschuß za bilden, dem anzagehören haben 

ein oder mehrere Aerzte, welche die Mütterberatungsstellen leiten, 

ebe oder mehrere Bezirkspflegerinnen, 

ein Vormundschaftsrichter, 

ein oder mehrere Berufsvormünder, 

ebe oder mehrere Hebammen, 

ein oder mehrere Krankenkassenvertreter, 

sonstige Personen (Geistliche, Lehrer, Mitglieder von Fraaenvereinen 
a. dgl.), welche für das Fürsorgegeschäft Erfahrung oder Interesse 
besitzen. 

Die Mitglieder des Ausschusses werden jedesmal auf die Daner von 
zwei Jahren vom Bezirksaasschasse, in den Gemeinden, welche einen eigenen 
Fürsorgebezirk bilden, von der Gemeindebehörde gewählt, die anch den Vor¬ 
sitzenden des FürsorgeauBschusses and seine Stellvertreter za bestimmen haben. 
Doch soll der Vorsitzende oder sein Stellvertreter in der Regel ein Arzt seb. 

Der Fürsorgeaasschuß hat 

a) die nötigen Einrichtungen ins Leben zu rufen and in Gang za halten; 

b) sich über die dem Bezirksausschüsse oder der Gemeindebehörde znstehende 
Anstellung der Bezirkspflegerinnen sowie über die Bestellung der die 
Matterberatungsstellen leitenden Aerzte gutachtlich za äußern; 

c) Stillbeihilfen für Mütter and Belohnungen für Hebammen (Ziffer 4 unter g) 
festzusetzen und za bewilligen; 

d) die gesamte Fürsorge für Säuglinge und Kleinkinder zu leiten und zu 
beaufsichtigen. 

Der Ausschuß hat vor Beginn des Geschäftsjahres einen Haushaltsplan 
aafzustellen, welcher der Genehmigung der Bezirks- oder Gemeindevertretung 
unterliegt. Ueber die genehmigten Mittel verfügt der Ausschuss selbstständig 
hat jedoch der Bezirks- oder Gemeindevertretung hierüber Rechnung abzulegen. 

11. Als Zentralstelle wird ein Landesaasschuss für Säuglings¬ 
and Kleinkinderfürsorge gebildet, welcher unter dem Vorsitze des 
Ministers des Innern oder seines Stellvertreters und unter Teilnahme von 
Räten und Hilfsarbeitern der beteiligten Ministerien (Ministerium des Innern 
allgemein — der Finanzen, soweit es sich um Staatsbeihilfe handelt, des Kultus 
and öffentlichen Unterrichtes bei Fragen, welche die Hochschulen betreffen, der 
Justiz bei Vormundschaftsangelegenheiten) nach Bedarf zusammen berufen wird. 

Dem Landesaasschusse gehören an: 
der Präsident des Landes-Gesnndheitsamtes, 

die Direktoren der Universitäts-Frauenklinik nnd der Frauenkliniken in 
Dresden und Chemnitz, 

die Direktoren der Universitäts-Kinderklinik in Leipzig und des städtischen 
Säuglingsheims in Dresden, 

ein vom Justizministerium bestimmter Vormundscbaftsrichter, 

Vertreter der in Sachsen bestehenden Krankenkassenverbände, 

15 Vertreter der Fürsorgeausschüsse, von denen die Kreisausschüsse auf 
jedesmal 3 Jahre je 3 in der Weise wählen, daß hierunter je ein 
Arzt und eine Bezirkspßegerin sein soll, 
sonstige Personen beiderlei Geschlechtes, die von dem Ministerium des 
Innern berufen werden, weil ihnen besondere Erfahrungen oder Leistun- 

f en auf dem Gebiete der Säuglings- und Kleinkinderfürsorge zur 
eite stehen. 

Der LandesausBchuß ist ein beratendes Organ der Staatsregierung. Ins¬ 
besondere gehören zu seinen Aufgaben: 



Kleinere Mitteilung«! and Referate aas Zeitschriften. 


488 


a) Ueberw&chnng der Säuglings- and Kleinkinderfürsorge im ganzen Lande, 

b) Anregung and Begutachtung allgemeiner Anordnungen, 

c) Verteilung der Staatsbehilfen und sonstigen Zuwendungen (z. B. aus 
„Deutschlands Spende für Säuglings- und Kleinkinderschutz “ an die ein¬ 
zelnen Fürsorgebezirke, 

d) Veranstaltung von Wanderlehrkursen und andere, sich auf das ganze 
Land erstreckende Einrichtungen. 

Die Teilnehmer an den Landesausschußsitzungen erhalten, soweit sie 
nicht in Dresden wohnen, aus der Staatskasse eine Reiseentschädigung von 
20 Mark. 

12. Die durch die Einrichtungen im Fürsorgebezirke entstehenden 
Kosten sind von diesem zu tragen. Doch qoll hierzu unter weiterer Aus¬ 
gestaltung der Einstellung in Kap. 68 Tit. 3 h und k des Staatshaushalts-Etats 
eine Staatsbeihilfe gewährt werden, über deren Bemessung jedoch zunächst 
noch mit dem Finanzministerium zu verhandeln sein wird. 

(Sonderbeilage des Korrespondenzblattes der ärztlichen Kreis- und 
Bezirksvereine im Königreich Sachsen; 1916, Nr. 10.) 

Die Bewertung der Säuglingssterbllchkeltsziffern. Von Dr. Alexander 
S z a n a, Chefarzt des staatlichen Kinderasyls in Budapest. Deutsche med. 
Wochenschrift; 1916, Nr. 14. 

Säuglingssterblichkeitsziffern können nur mit Heranziehung der Geburten¬ 
ziffer verwertet und bewertet werden. Will man die Säuglingssterblichkeits¬ 
verhältnisse verschiedener einzelner Epochen geographischer Einheiten ver¬ 
gleichen, so ist es notwendig, die Säuglingssterblichkeitsziffern solcher Epochen 
zu vergleichen, wo noch die Geburtenziffer die gleiche war. 

Ein Vergleichen und Bewerten der Säuglingssterblichkeitsziffern einzelner 
Epochen oder verschiedener geographischer Einheiten mit gleichzeitiger Berück¬ 
sichtigung der Geburtenziffer ist möglich durch Betrachtung und Vergleichung 
der Zahl derjenigen Säuglinge, die das erste Lebensjahr überleben, also in das 
zweite Lebensjahr eingetreten sind. 

Einen weiteren Einblick in die Bewertung der Verhältnisse, die durch 
Geburten- und Sterbeziffern bedingt sind, gewinnt man, wenn man die sozial¬ 
biologische Oekonomie der Vermehrung betrachtet, also feststellt, wieviele Ge¬ 
burten und Todesfälle in der geographischen Einheit (Stadt oder Staat) statt¬ 
gefunden haben, bis in der geographischen Einheit die Zahl der Lebenden sich 
um hundert vermehrte. Nach einer tabularischen Uebersicht ereigneten sich 
im Durchschnitt der Jahre 1906—1910 in Dänemark 282 Geburten und Todes¬ 
fälle, bis die Nation sich um 100 Seelen vermehrte, in Deutschland 346, in 
England 354, in Rußland 460, in Italien 468, in Oesterreich 492, in Ungarn 
528, in Irland 694 und in Frankreich 5686. Auch danach ist Frankreich 
das Land, das sich am meisten unökonomisch vermehrt und ausstirbt. In 
Deutschland ereigneten sich Todes- und Geburtsfälle zusammen, bis sich 
die Zahl der Einwohner um 100 vermehrte, in den Jahren 1901—1906: 374, 1909: 
346, 1910 : 338, 1911: 406 (heißer Sommer), 1912: 341. 

Dr. Roepke -Melsungen. 

Die Kindersterblichkeit in Oesterreich und ihr Verhältnis znr 
Säuglingssterblichkeit. Von Dr. Siegfried Rosenfeld-Wien. Oesterreichi- 
sches Sanitätswesen; 1916, Nr. 9/12. Beiheft: Säuglingsschutz und Jugend¬ 
hygiene, Heft VII, X. 

In der sehr fleißigen, 142 Seiten umfassenden Arbeit bespricht Verfasser 
zunächst die Säuglingssterblichkeit als Auslcseerscheinnng sowie ihre Berech¬ 
nung und die dabei häufig gemachten Fehler; er hebt dabei mit Recht hervor, 
daß eine richtige Berechnung der Säuglings- und Kindersterblichkeit von den 
Geburtsjahren und nicht von den Kalenderjahren ausgehen sollte. In Oester¬ 
reich war eine solche Berechnung nach Geburtsjahren jedoch erst vom Jahre 
1898 möglich ; deshalb hat Verfasser auch nur statistische Ergebnisse der Jahre 
1898—1909 für seine Untersuchungen benutzt. Bei beiden Berechnungsarten 
ergibt sich, daß sowohl bei den ehelichen als bei den unehelichen Kindern der 
Anteil des weiblichen Geschlechts geringer ist, als der des männlichen 
(am 1,26 bezw. 2,49 und 1,27 bezw. 1,56 °/ 0 ) und der Anteil der unehelichen 



484 Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 

Kinder großer als der der ehelichen (S,44 bezw. 3,21 and 8,05 bezw. 2,78*/,). 
Weiterhin ergibt sich, daß die Sterblichkeit des Qebartsjahrganges von der des 
Kalenderjahres in allen Kronländern erhebliche Unterschiede aafweist, die mit¬ 
unter so erheblich sind, daß die Berechnung der Sterblichkeit nach dem Kalender¬ 
jahr za falschen Ergebnissen führt and die daranf aafgebaute Untersuchung 
des Verhältnisses von Säuglings- und Kindersterblichkeit wertlos macht. Die 
Mehrsterblichkeit der männlichen Kinder in den ersten Lebensjahren hält 
bei den ehelichen bis Ende des dritten, bei den unehelichen bis Ende des vierten 
Lebensjahres an, erst dann macht sich eine Mehrsterblicbkeit beim weiblichen 
Geschlecht bemerkbar. In den meisten Kronländern mit höherer Sterblichkeit 
der Geburtsjahrgänge im ersten Lebensjahre folgt eine niedrigere im zweiten 
Lebensjahre; während sich eine solche Abnahme im dritten bis fünften Lebens¬ 
jahr nicht mehr bemerkbar macht. Die Sterblichkeit der ein-undzwei- 
jährigen Kinder geht also der der Säuglingssterblichkeit parallel. Daraus 
ergibt sich, daß die Ursachen für die Erhöhung der Säuglingssterblichkeit auch 
für die Sterblichkeit der ein- und zweijährigen Kinder fortwirken, während sie 
bei den 8 — 5jährigen Kindern nicht mehr zur Geltung kommen. Das 
parallele Verhalten der Sterblichkeit bei den Säuglingen und Einjährigen findet 
sich überall, gleichgültig ob ob sich um industrielle oder am landwirtschaftliche 
Bezirke handelt; dagegen finden sich in dieser Beziehung bei den drei- bis 
fünfjährigen Kindern erhebliche Unterschiede. Geographisch ist die 
Säuglingssterblichkeit nicht nur zwischen den einzelnen Kronländern, 
sondern auch innerhalb dieser Gebiete eine sehr verschiedene; erhebliche 
Unterschiede zeigen sich auch bei der Sterblichkeit der Einjährigen, and 
zwar je nach der Nationalität and Beschäftigung der Bevölke¬ 
rung. Die Einjährigensterblichkeit der Deutschen ist z. B. überall geringer 
als die der anderen Nationalitäten, die der Ruthenen größer als die der 
Polen. Bei allen Kronländern ist sie ferner größer als die Sterblichkeit der 
Kinder im Alter über zwei bis fünf Jahre, die in Ländern mit höherer Einjährigen¬ 
sterblichkeit, z. B. Galizien, Bukowina und Dalmatien, ebenfalls größer ist 
Im allgemeinen ist die Sterblichkeit der Kinder über zwei bis fünf Jahre in 
den Bezirken mit 50—70°/o landwirtschaftlicher Bevölkerung am 
günstigsten, während sich die Einjährigensterblichkeit in Bezirken mit 70 bis 
90°/o landwirtschaftlicher Bevölkerung fast immer höher stellt als in den 
Bezirken mit mehr industrieller Bevölkerung. Weiterhin läßt sich feststellen, 
daß die Kronländer in der Mitte des Staates, die eine verhältnismäßig geringe 
Kindersterblichkeit haben, in den letzten Jahren nur eine geringe, die Kron¬ 
länder mit früher hoher Kindersterblichkeit dagegen eine höhere Abnahme 
dieser Sterblichkeit aufweisen. Von den Todesursachen spielen die 
Infektionskrankheiten, insbesondere Diphtherie, Keuchhusten, Blattern, 
Scharlach und Masern bei den Kindern über 2—5 Jahre eine viel größere Rolle 
als bei denen über 1— 2 Jahre. Allgemein gültige Regeln über Höhe und 
Ursachen der Kindersterblichkeit lassen sich nicht aufstellen, insbesondere darf 
man auf sie keine Schlüsse aus der Säuglingssterblichkeit ziehen, für die es 
auch keine einheitliche Formel gibt Jedenfalls trifft die Annahme, daß die 
erhaltene Brustnährung für die Sterblichkeit der Kinder im dritten bis fünften 
Jahre von großer herabfolgender Bedeutung ist, in dieser Allgemeinheit keines¬ 
wegs überall zu. Dagegen erscheint die Annahme begründet, daß die Höhe 
der Kindersterblichkeit wesentlich von der sozialen Lage der Bevölkerung, den 
Ernährnngs- und hygienischen Verhältnissen abhängig ist. Auch die angeborene 
Konstitution (Vorkommen von Tuberkulose ist von Einfluß; deshalb kann 
die Kindersterblichkeit nur dann anf das möglichst geringste Maß gebracht 
werden, wenn außer unmittelbar darauf hinzielenden Maßnahmen — wie 
rationelle Erniihruug im Säuglings- und Kindesalter, Prophylaxe der Infektions¬ 
krankheiten usw. — auch solche allgemein hygienischer Natur getroffen werden. 

Rpd. 


Statistik des Kleinkinderalters. Von Dr. Hans Guradze, wissen¬ 
schaftlichen Assistenten am Statistischen Amt der Stadt Berlin. Stuttgart 1916. 
Verlag von Ferd. Enke. Gr. 8®, 28 Seiten. Preis: 1 Mark. 

Die vorstehende Abhandlung bildet einen Auszng aus einem in Aus¬ 
führung begriffenen, von Dr. Tugend reich -Berlin verfaßten Handbache der 




Kleiaare Mitteilungen und Befer&te aus Zeitschriften. 


486 


Kleinkinderfürsorge, dessen Vollendung und Ausgabe sich durch den Krieg 
verzögert hat. Bei der Bedeutung, die gerade die Fürsorge für das Klein¬ 
kinderalter infolge des Krieges gewonnen hat, und bei der Notwendigkeit ihres 
weiteren Ausbaues, der sich besonders auf die Ergebnisse der Statistik stützen 
muß, ist es deshalb nur dankbar zu begrüßen, daß diese umfassende 
Statistik schon jetzt veröffentlicht ist. Die Abhandlung bringt zunächst 
im ersten Abschnitt einen Ueberblick über den Bestand der Klein¬ 
kinder (Altersklassen über ein Jahr bis zum 6. Lebensjahr) auf 
Qrund der preußischen Statistik und für die Volkszählungsjahre von 
1890—1910. Danach hat sich die Zahl der Kleinkinder in Berlin uml5,71°/o 
verringert (bei den männlichen um 15,23, bei den weiblichen um 16,06%), 
während die Verminderung der Säuglinge 32°/o (31,68 bezw. 32,07%) beträgt. 
In Charlottenburg stellt sich die Abnahme der Kleinkinder-und Säuglings- 
zahl auf 28,8 und 41,3%, in Neukölln auf 18,17 und 36,21 °/o, in ganz 
Preußen dagegen nur auf 5,36 und 12,08%; dieser Rückgang macht sich 
aber besonders erst im letzten Jahrzehnt (1900—1910) bemerkbar. Dasselbe gilt 
vom Deutschen Reich, wo er 4,63 °/o and 11,07 beträgt, bei dem männlichen 
Geschlecht: 4,47 und 11,74°/o, bei dem weiblichen: 4,09 und 11,03°/„. Im zweiten 
Abschnitt behandelt Verf. die Sterblichkeit der Kleinkinder und zwar 
zunächst wiederum nach der Statistik für Berlin. Für ganz Preußen ist diese 
während der Jahre 1901—1912 bei den männlichen hezw. weiblichen Alters¬ 
klassen von über 1—2 Jahren (auf 1000 Lebende der Altersklassen berechnet) 
von 53,6 und 50,1 auf 30,2 und 28,8, Uber 2—3 Jahren von 20,7 und 20,0 auf 
11,6 und 11,3, über 3—5 Jahre von 11,3 und 11,2 auf 6,5 und 6,4 gesunken. 
Die Unterschiede zwischen der Sterblichkeit der ehelichen und unehelichen 
Kinder werden von Jahr zu Jahr geringer; desgleichen macht sich die bei 
den Säuglingen stetig beobachtete höhere Sommersterblichkeit jetzt nicht mehr 
bemerkbar. Dagegen sind die Unterschiede der Sterblichkeit bei den Kleinkindern 
nach sozialen Klassen berechnet außerordentlich hoch; sie betrugen z. B. in 
Berlin bei dem Mittelstand 2—4 mal und bei den Minderbemittelten 9—10 mal 
so viel als bei den Wohlhabenden. Auffallend hoch ist die Sterblichkeit bei 
den Kleinkindern der Minderbemittelten an Masern, Keuchhusten und Tuberkulose. 

_ Rpd. 

2. Jugendfürsorge. 

Jugendfürsorge und Lehrerschaft. Von Dr. Tb. Altschul, K. K. 
Obersanitätsrat, und H. H e 11 e r, Erziehungsrat der deutschen Landeskommission 
für Kinderschutz und Jugendfürsorge in Böhmen. Zeitschrift für Schulgesund¬ 
heitspflege; 1916, Nr. 1—4. 

Die vorliegende Abhandlung stellt eine erweiterte Wiedergabe von Vor¬ 
trägen dar, die in der Lehrer- und Lehrerinnenbildungsanstalt in Prag gehalten 
wurden, und zwar beziehen sich die hier besprochenen Aufsätze auf die „Jugend¬ 
fürsorge vom ärztlichen Standpunkt“, deren Verfasser der erste der oben ge¬ 
nannten beiden Autoren ist. Daß es sich um etwas Besonderes, Gediegenes 
und Wertvolles handelt, können wir von vornherein erwarten. Geleitet wird 
Verfasser von folgendem Gedanken, den er, wie er am Schlüsse bemerkt, auch 
bereits in einer Arbeit über die geistige Ermüdung der Schuljugend aus¬ 
gesprochen hat: „Die moderne Zeit braucht Kraftmenschen an Körper und 
Geist, wir müssen daher die Jugend in strammer Arbeit erziehen und nicht aus 
lauter Furcht vor Ermüdung ihr gar keine Kraftproben zumuten. Ein gesunder 
Körper, ein gesunder Geist kann arbeiten und soll arbeiten, und wenn wir 
unsere Jugend zu Arbeitsmenschen erziehen, dann nützen wir dem Vaterlande, 
dann nützen wir dem Volke und der Jugend auch.“ 

Alt sc hui will die Lehrer als Bundesgenossen des Arztes; sie sind be¬ 
rufen, nicht nur Jugendbildner, sondern auch Volkserzieher zu werden, für die alle 
Fragen der Jugendfürsorge bedeutungsvoll sind. Da die Schulkrankheiten zumeist 
nicht durch die Schule entstehen, sondern ihr Grund vorwiegend in der vorschul¬ 
pflichtigen Zeit und oft genug schon bei der Geburt des Kindes gelegt wird, so 
beginnt Verfasser mit dem „Mutterschutz" und der Säuglingsfürsorge. 
Damit das Schulkind aus gutem Holze sei, soll der Lehrer alle Bestrebungen 
zu fördern suchen, die auf Mutterschaftsfürsorge, Säuglingsfürsorge, Mütter¬ 
beratungsstellen usw. gerichtet sind. Die Wichtigkeit dieses Gegenstandes sucht 



486 


Kleinere Mitteilungen nnd Referate ans Zeitschriften. 


Verfasser dnrch einige statistische Angaben über Säuglingssterblichkeit (bei 
Flaschen* und Brustlandern) hervorzuheben. Die Gemeindepflege nach deut¬ 
schem Vorbilde erfährt eine besondere Wertschätzung und wird für Oesterreich 
zur Nachahmung empfohlen. 

Das zweite Gebiet ist die Fürsorge für das Torschulpflichtige 
Kind. Die Sterblichkeit für diese Altersperiode ist zwar geringer als für das 
Säuglingsalter, in besonderer Gefahr der Erkrankung an Rachitis, Skrofulöse, 
Tuberkulose stehen aber die schlecht gehaltenen Proletarierkinder. Es gilt 
durch Kinderkrippen und Kindergärten Besserung zu schaffen; in den 
Kindergärten sollte aber auch wirklich ein Garten mit Gelegenheit zum Aufenthalt 
im Freien vorhanden sein. Vernünftige Abhärtung ist anzubahnen. Leichte Leibes¬ 
übungen sind am Platze. Auf richtiges Atmen soll geachtet werden, überhaupt ist 
mit der richtigen Stimmausbildung und Stimmhygiene im Kindergarten zu beginnen. 
Die Schulkindergärten für die noch nicht „schulreifen" 6jährigen Kinder werden 
als treffliche Einrichtungen erwähnt. Die Ernährung der Kinder im vorschul- 
pfliebtigen Alter wird besprochen. Auf das Gebiß der Kinder, auch der Milch¬ 
zähne, ist Acht zu geben. Hinweise auf die Bedeutung und Erkennung der 
Masern und des Keuchhustens für die Kindergärtnerin bei der Häufigkeit dieser 
Erkrankungen in dieser Altersgruppe werden gegeben. 

Das „Schulalter“ beansprucht nur die besondere Obsorge der Lehrer, 
die dem Schularzt, als den berufenen Förderer der Schulhygiene, zur Seite 
stehen sollen. Der Lehrer muß der psychopathisch - minderwertigen Kinder 
sich besonders annehmen, muß die Ueberbürdungsfrage verstehen, mit den Hilfs¬ 
klassen Bescheid wissen, die Schulspeisungen fördern helfen und besonders der 
Verwahrlosung der Jugend helfen entgegenzuarbeiten. 

Das Entwicklungsalter, die Pubertät und die Fürsorge 
für die schulentlassene Jugend erfordere die besondere Aufmerksam¬ 
keit. Berufswahl, Jugendheime und ähnliche Einrichtungen, Bekämpfung des 
Alkoholismus, sexuelle Aufklärung, Bekämpfung des Kino • Unwesens und der 
Schundliteratur sind es besonders, die Beachtung verdienen. 

Einer besonderen Besprechung unterzieht dann Altschul noch die 
körperliche Erziehung der Jugend, wobei neben Turnen und Jugend¬ 
spiel die Jugendwehr, das Wandervogel wesen wohlwollende Berücksichtigung 
finden; zum Schluß kommt er noch auf das wichtige Gebiet der Tuberkulose 
und Schule zu sprechen. _ Dr. S o 1 b r i g - Königsberg. 

3. Sozial« Hygiene. 

Die kommende Wohnungsnot. Von Dr. Buetz. Die Grenzboten; 1915, 
IV. Quartal, S. 113. 

Darüber, wie es mit den Wohnungsverbältnissen nach dem Krieg be¬ 
schaffen sein wird, sind die Meinungen, geteilt. Während die einen die Ansicht 
vertreten, daß infolge des Bevölkerangsverlustes eine Wohnungsnot nicht zu 
befürchten sei, sind andere pessimistisch gestimmt. Zu ihnen gehört Buetz, 
der seinen Standpunkt bereits in der Fassung seines Themas zu erkennen gibt. 
Er erinnert zunächst an den fast völligen Stillstand des Baumarktes während 
des Krieges, wie sich aus den Nachweisen der Baustatistik ergibt. Dazu kommt, 
daß bereits vor dem Kriege die Wohnungsverhältnisse mißliche waren. Nach 
der Reichsstatistik war der Zugang an Kleinwohnungen mit 1 —3 Wohnräumen 
io 17 von 39 Städten größer, dagegen in 22 Städten kleiner als im Jahre 1913. 
Diese Zahlen erlangen nach den infolge des Krieges entstandenen Verhältnissen 
eine geradezu erschreckende Bedeutung. Eine Nachfrage nach kleinen Woh¬ 
nungen macht sich heute schon mehr und mehr bemerkbar. Viele Familien 
können die bisherigen teuren Wohnungen nicht mehr behalten; dazu kommen 
die Flüchtlinge, die Ausländsdeutschen, die nicht mehr in ihre Heimat zurttck- 
kebren wollen oder können. Was soll erst werden, wenn unsere Krieger zu¬ 
rückkehren y Die Kriegstrauuugen und die zu erwartende erhöhte Heirats¬ 
ziffer nach dem Krieg werden den Bedarf an kleinen Wohnungen steigern. 
Erfreulicherweise beginnt man bereits mancherorts, die Frage des Klein Wohnungs¬ 
baues in den Bereich der Kriegsfürsorge aufzunehmen. So richtete der Gro߬ 
berliner Verein für Kleinwohnungswesen ein Kriegswohnungsnachweis für Be¬ 
dürftige ein und richtete eine Rundfrage an die Baugenossenschaften zwecks 
Feststellung ihrer Leistungsfähigkeit. Leipzig bat die Errichtung von 727 Häusern 



Tagesnachrichteil. 


487 


mit Kleinwohnungen beschlossen. Aktives Eingreifen in die Kleinwohnungs- 
frage wird ferner ans Nürnberg, München, Lichtenberg, Hannover, Frankfurt 
und Magdeburg berichtet. Die durch den Kriegszustand hervorgerufene Not¬ 
lage wird auch durch das preußische Wohnungsgesetz nicht mehr behoben 
werden, selbst wenn sich die Parteien über dasselbe geeinigt haben, was so 
rasch nicht zu erwarten ist. Außerdem bringt es überhaupt für das Kleinbau¬ 
wesen keine nennenswerten Vorteile. Eine durchgreifende Wohnungsreform 
kann ohne eine Bodengrundreform und Regelung des Immobilarkredits (2. Hypo¬ 
thek) nicht durchgefttnrt werden. In der Regelung des Bebauungsplanes, sowie 
in einer Fluchtliniengesetzgebung liegt ein wesentliches Moment zur Bekämpfung 
der Bodenspekulation. Selbst wenn uns das Wohnungsgesetz sichtbare Besse¬ 
rungen bringen sollte, haben wir eine solche erst m Preußen und keine 
Reichswohnungsreform. Verfasser zählt nun die einzelnen Landeswohnungs¬ 
gesetze auf und meint, keinem sei es gelungen, eine nennenswerte Besserung 
herbeizuführen. Er irrt hier aber, wenn er auch das Großherzogtum Hessen 
hinzurechnet. Es ist nicht richtig, daß hier das Gesetz von 1883 in Geltung 
bleibt, es ist vielmehr ein neues Gesetz erlassen worden, das sehr segensreich 
wirkt, weil hier Wohnungsaufsicht und Neuerrichtung von kleinen Wohnungen 
Hand in Hand gehen. Geld wird nach dem Kriege für den Wohnungsbau um 
so schwerer zur Verfügung stehen, weil die Industrien das mobile Kapital in 
erster Linie an sich ziehen wird. Die Vorschläge zur Hebung der Wohnungs¬ 
not sind mannigfach. Vor allem kommt in Frage sofortige Erschließung Öffent¬ 
lichen Geländes für Bau und Verkehr zu billigen Preisen, Unterstützung der 
Bauverbände und privater Bauherren, Gründung entsprechender Gesellschaften. 
Was die gemeinnützige Bautätigkeit leisten kann, tritt besonders klar in 
Frankfurt zutage; 1870 gab es hier 161 durch gemeinnützige Bautätigkeit 
hergestellte Wohnungen, 1916 : 6809 Wohnungen (nicht Gebäude, wie Ver¬ 
fasser schreibt). Durch eine staatliche und städtische günstige Verkehrs¬ 
politik konnte erreicht werden, daß ein erweitertes „Außenwohnen“ der 
Arbeiterfamilie zur Entlastung der Großstädte ermöglicht wird; auch auf den 
Erbbau sollte mehr Rücksicht genommen werden. 

Dr. W. H a n a u e r - Frankfurt a. M. 


Tagesnachrichten. 

Nach einem Beschluß des Reichsmilitärgerichts vom 18. April d. J. gehört 
ein auf Grund vertraglicher Verpflichtung im Etappendienst tätiger Arzt 
zwar zu den' im § 166 Mil. Str. G. B. verzeichneten Personen, ist aber trotz des 
Tragens der Uniform nichtMilitärperson. Er kann sich daher gegenüber 
einem Offizier, dem er dienstlich nicht unterstellt ist, der Beleidigung 
eines Vorgesetzten (§ 91 Mil.Str.G.B.) nicht schuldig machen. 
Ebensowenig kann Beleidigung „eines im Dienstrange höheren“ in dieser Vor¬ 
schrift in Frage kommen, da ein solcher Arzt keinen militärischen Dienstrang 
hat (siehe auch den in der heutigen Beilage Rechtsprechung und Medizinal¬ 
gesetzgebung S. 104 abgedruckten Erlaß des Preußischen Kriegsministeriums 
vom 4. Juni d. J. betr. die Stellung der vertraglich verpflichteten 
Zivilärzte). 


Das vom Reichstage angenommene Gesetz über die Kapitalabfindung 
an Stelle von Kriegsversorgungen — Kapitalabfindungsgesetz — ist unter dem 
3. Juni d. J. erlassen und in Nr. 164 des Reichsgesetzblattes mit den dazu ge¬ 
troffenen Ausführungsbestimmungen vom 8. Juli d. J. veröffentlicht. 
Nach diesem Gesetze können Personen, die aus Anlaß des gegenwärtigen Krieges 
auf Grund des Mannschaftsversorgungsgesetzes oder des Militärhinterbliebenen¬ 
gesetzes Anspruch auf Kriegsversorgung haben, auf ihren Antrag zum Erwerb 
oder zur wirtschaftlichen Stärkung eigenen Grundbesitzes durch Zahlung eines 
Kapitals abgefunden werden. Ueber den Antrag entscheidet die oberste 
Militärverwaltungsbehörde (§ 1). Voraussetzung für die Kapitalabfindungen 
sind nach § 2 des Gesetzes, daß 1. der Versorgungsberechtigte das 21. Lebens¬ 
jahr vollendet und das 66. Lebensjahr noch nicht zurückgelegt hat (nach dessen 
Vollendung ist nur ausnahmsweise eine Abfindung zulässig), 2. der Versorgungs¬ 
anspruch anerkannt ist, 8. nach Art des Versorgungsgrades ein späterer 
Wegfall der Kriegsversorgung nicht zu erwarten ist und 4. für eine 



488 


Tagenach richten 


nützliche Verwendung de« Geldes Gewähr besteht Für die Berechnung der 
Abflndung8summe wird das Lebensjahr zugrunde gelegt das der Antragsteller 
in demjenigen Jahre vollendet, das auf den Tag der Antragstellung folgt (§ 4). 
Die Abfindungssumme beträgt bei dem 21. Lebensjahre das 18 1 /» fache der Ver¬ 
sorgungsgebührnisse und ermäßigt bei jedem weiteren Lebensjahre um je */«» 
so daß es beim 55. Lebensjahre nur noch das 8*/<fache beträgt Das Kapital¬ 
abfindungsgesetz ist für die Medizinal beamten insofern von Bedeutung, 
als nach Ziffer 2 Abs. 1 der Ausführungen das Bezirkskommando, bei dem 
der Antrag einzureichen ist und das diesen zunächst zu prüfen hat ob die 
oben mitgeteilten Voraussetzungen des § 2 Nr. 1—3 des Gesetzes gegeben sind, 
die Untersuchung des Antragstellers durch einen beamteten 
Arzt zu veranlassen hat, der sich auch dahin zu äußern hat, ob vom 
ärztlichen Standpunkte aus Bedenken gegen die Gewährung 
der Kapitalabfindung bestehen, ob also nuch dem Gesundheitszustand 
des Versorgungsberechtigten, insbesondere nach Art der Versorgungsgründe 
(Kriegsbeschädigung) ein späterer Wegfall der Kriegsversorgung nicht zu 
erwarten steht. Bestehen nach dem amtsärztlichen Zeugnisse Bedenken hin¬ 
sichtlich des Gesundheitszustandes des Antragstellers, die eine Ablehnung des 
Antrages begründen, so hat dies das entscheidende Generalkommando aus Ziff. 2 
Abs. 8 der Ausführungsbestimmungen dem Antragsteller mitzuteilen. 


Dem Herausgeber der Deutschen medizinischen Wochenschrift ist auf ein 
an das Reichsamt des Innern unter dem 29. Mai d. J. gerichtetes Schreiben, 
in dem die Zuwahl von ärztlichen Sachverständigen ln den Beirat des 
Kriegsernährungsamtes als dringend erwünscht befürwortet wurde, durch 
Schreiben vom 27. Juni d. J. mitgeteilt worden, daß die Berufung von drei 
ärztlichen Sachverständigen in den nächsten Tagen erfolgen werde. Dies ist in¬ 
zwischen geschehen; es sind die Herren Geh. Ob.-Med.-Rat Prof. Dr. Abel-Jena, 
Geh. San.-Rat Dr. Stöter-Berlin, Vorsitzender des Ausschusses der Preußi¬ 
schen Aerztekammer, und Med.-Rat Dr. Alter, Direktor der Fürstl. Lippiscben 
Heil- und Pflegeanstalt Lindenhaus bei Lemgo, berufen. 


Von dem Kriegsernährungsamt ist die Einführung einer Reichsliefsch- 
karte für den Monat September beschlossen. Bis dahin soll durch Uebergangs- 
vorschrifteu auf eine einigermaßen gleichmäßige Deckung des Fleischbedarfs 
aaeh Möglichkeit hingewirkt werden. 


Die für den 21. Juni d. J. anberaumte Sitzung der I. Abteilung des 
KOnlgl. Sächsischen Landesgesundheitsamtes, deren Tagesordnung in Nr. 11 
dieser Zeitschrift S. 345 mitgeteilt ist, ist auf Sonnabend, den 6. Septem¬ 
ber d. J. verlegt _ 


Erhöhung der Post- und Telegraphengebtthren. Das neue Gesetz, betr. 
eine mit den Post- und Telegraphengebühren zu erhebende 
außerordentliche Reichsabgahe, vom 21. Juni 1916 tritt nach 
Kaiserl. Verordnung an demselben Tage am 1. August d. J. in Kraft Da¬ 
nach beträgt die Reichsabgabe bei 

1. Briefen im Ortsverkehr: 2*/* Pf-, im sonstigen Verkehr 5 Pf., 

2. Postkarten: 2'/« Pf-, 

8. Paketen: bis zum Gewicht von 6 kg auf Entfernungen bis 76 Kilometer 
einschl. 5 Pt, auf weitere Entfernungen 10 PL, beim Gewicht über 6 kg 
10 bezw. 20 Pf., 

4. Briefen mit Wertangabe: auf Entfernungen bis 76 Kilometer einschl. 
6 Pt, auf weitere Entfernungen 10 Pf., 

6. Postauftragsbriefen: 6 Pt. 

6. Telegramme: für jedes Wort 2 Pf., aber mindestens 10 Pf. für jedes 
Telegramm, 

7. Rohrpostbriefen und Rohrpostkarten: 6 Pf., 

8. Anschlüsse an Orts-, Vororts- oder Bezirksfernsprech¬ 
netz: 10% der Pansch- oder Grundgebühr, 

9. Ortsgesprächen von Teilnehmeranschlüssen gegen Grund- 



Tagesnachrlchtai. 


489 


gebühr: Gesprächen in Vororte-, Bezirks- und Fernverkehr: 10 °/o von der 
GebQhr für jedes Gespräch, anch wenn es dringend ist, 

10. Fern-Sprechnehmeranschlttsse^ 10% der Gebühr für jeden 
Nebenanschluß. 

Befreit von der Beichsabgabe sind: Sendungen von Angehörigen des 
Heeres und der Marine, Sendungen ins Ausland, soweit Verträge mit anderen 
Staaten entgegenstehen, gewöhnliche Pakete, die nur Zeitungen oder Zeitschriften 
enthalten, wie überhanpt alle Drucksachen, sowie Pressetelegramme. 

Um den Geburtenrückgang in Frankreich wirksam zu bekämpfen, ist 
jetzt der französischen Kammer ein Gesetzesvorschlag von den Abg. Bönazet 
vorgelegt, nach dem der Staat jeder Mutter für jedes ihrer ersten beiden lebenden 
Kinder je 600 Fr., für das dritte 1000, für das vierte 2000 und für jedes fol- 
gebde Kind weitere 1000 Fr. zahlen und dieses Geld ausschließliches Eigen¬ 
tum der Mutter bleiben soll, gleichgültig ob sie verheiratet ist oder nicht. 
Damit die Mütter ihren Kindern die notwendige Sorgfalt zuteil werden lasse, 
soll ihnen daß Geld erst ein Jahr nach der betreffenden Entbindung ausgefolgt 
werden. Auch für den Vater ist in dem Gesetzentwurf eine Prämie und zwar 
in der Höhe von 2C00 Fr. vorgesehen, deren Auszahlung jedoch erst dann er¬ 
folgt, wenn er mindestens 4 lebende Kinder aufweisen kann, für deren Unter¬ 
halt er ununterbrochen seit ihrer Geburt gesorgt hat. Die zur Durchführung 
des Vorschlages erforderlichen Geldmittel sollen durch Besteuerung der kinder¬ 
los gebliebenen Personen beiderlei Geschlechts und der Familien, die nur ein 
Kind besitzen, beschafft werden. Bönazet glaubt, wenn die Kinder Eltern 
einen Gewinn bringen, diese auch ein Interesse daran haben, mehrere Kinder 
zu besitzen. Für aie Erhaltung der -Basse sei aber die Geburt von vier Kin¬ 
dern in jeder Familie erforderlich. 

Preisausschreiben der Erich «Bathenau-Stiftung. Für medizinische, 
auf eigenen Forschungen und Erfahrungen beruhende Arbeiten, durch welche 
die Behandlung und insbesondere die Heilung der als Folgeerscheinungen des 
akuten Gelenkrheumatismus auftretenden Herzkrankheiten gefördert wird, 
ist aus den Erträgnissen der Stiftung ein Preis von 10 000 Mark verfügbar, 
der ganz oder zur Hälfte zugesprochen werden kann. Sollte ein Mittel oder 
ein Verfahren gefunden werden, das die Entstehung konsekutiver Herzkrank¬ 
heiten im Verlauf des akuten Gelenkrheumatismus völlig ausschließt oder die 
Heilbarkeit solcher Herzkrankheiten sicher verbürgt, so kann dem Entdecker 
eines derartigen Mittels oder Verfahrens nach eingehender, drei Jahre dauern¬ 
der Prüfung desselben an Stelle des ausgeschriebenen Preises der ganze Kapital¬ 
bestand der Stiftung im Betrage von 200000 Mark ausgeantwortet werden. 
Die Zuwendung der Preise oder des Stiftungskapitals kann nur an deutsche 
Beichsangehörige erfolgen. Bewerbungen sind bis 1. August 1917 an den 
Dekan der Medizinischen Fakultät der Fried rieh-Wilhelms- 
Universität, Berlin 0 2, zu richten. 

Todesfall. Wie dem Herausgeber erst nachträglich bekannt wurde, ist 
am 1. Juni d. J. der Geh. Med.-Bat Dr. Wledner-Kottbus nach kurzer Krank¬ 
heit an Blinddarmentzündung gestorben, nachdem ihm kurz vorher noch ver¬ 
gönnt war, am 16. Mai d. J., seinen 80. Geburtstag in geistiger und körper¬ 
licher Frische zu feiern. Mit ihm hat der Preußische Medizinalbeamtenverein 
nicht nur einen Mitbegründer des Vereins, sondern auch dasjenige Mit¬ 
glied verloren, das an keiner seiner Hauptversammlungen gefehlt 
hat. W. war deshalb eine der bekanntesten Persönlichkeiten de9 Vereins, der 
sich bei seinen Kollegen infolge seiner mit Humor gepaarten Liebenswürdigkeit 
einer außerordentlichen Beliebtheit erfreute. Er genoß aber auch das Ansehen 
eines tüchtigen Arztes und Medizinalbeamten. Fast 40 Jahre ist er als solcher 
im Staatsdienste gewesen, erst als Kreisphysikus der Kreise Hoyerswerda (1872 bis 
1874), Creuzburg O.-Sch. (1879—1880), Königsberg i. d. Neumark (1880—1888) nnd 
zuletzt als Kreisarzt des 8tadt- und Landkreises Kottbus (1888—1911), wo er 
vom 1. April 1911 unter Verleihung des Boten Adlerordens IIL Klasse mit 
der Schleife in den wohlverdienten Buhestand trat Am 28. März 1918 feierte 
er sein öQjähriges Doktor-Jubiläum. Unsere damaligen Wünsche auf ein recht 



440 


Tagesnachrichtee. 


langes Otiam com dignitate sind leider nicht in Erfüllong gegangen; tief be¬ 
trübt stehen wir an seinem Grabe und werden den Verstorbenen noch recht oft 
und recht schmerzlich bei unseren künftigen Hauptversammlungen ver missen. 
Sein Andenken wird allzeit in Ehren gehalten werden! 


Ehrentafel. Es haben weiterhin erhalten das 
Eiserne Kreuz I. Kasse: 

Oberstabs- und Divisionsarzt Dr. W. Bock-Berlin. 

Oberarzt d. Bes. Dr. Emil aus dem Bruch-Marl (Beg.-Bez. Münster). 
Stabsarzt Dr. Goldammer-Berlin, z. Z. Sofia. 

Stabsarzt d. Bes. Dr. Gustav Gundert-Stuttgart. 

Stabsarzt Dr. Has, Kadettenhaus Oranienstein. 

Oberstabsarzt Dr. P. Hocheisen-Ulm. 

Geh. Med.-Bat Prof. Dr. Hoffmann-Düsseldorf. 

Assistenzarzt d. Bes. Dr. Jarecki-Breslau. 

Assistenzarzt d. Bes. Dr. August König-Charlottenburg. 

Oberstabsarzt Dr. Mauersberg-Gnesen. 

Stabsarzt Dr. P a u 1 i n - Germresheim (Pfalz). 

Stabsarzt d. Bes. Dr. Peter mann-Bielefeld. 

Stabsarzt d. Bes. Prof. Dr. Stursberg-Bonn. 

Oberstabs- und Divisionsarzt Dr. Zernke. 

Eiserne Kreuz 11. Klasse am weiß-schwarzen Bande: Prof. Dr. Hilde¬ 
brand, Kreisarzt und Chefarzt des Beservelazaretts in Marburg. 
Eiserne Kreuz II. Klasse am schwarz-weißen Bande: Marine-Assistenz¬ 
arzt Herbert Spancken, auf S. M. S. Posen, Sohn des Geh. Med.-Bats Dr. 
Spancken, Kreisarzt in Meschede (Beg.-Bez. Arnsberg). 


Ehren - OedkohtnlatafeL Für das Vaterland gefallen oder gestorben 

sind ferner: 

Marinestabsarzt Dr. Ludwig B a a d e - München. 

Oberstabsarzt d. Bes. Dr. Otto Burckhardt-Dresden (infolge von 
Krankheit gestorben). 

General- und Korpsarzt Dr. v. II borg-Berlin (infolge von Krankheit 
gestorben). 

Assistenzarzt d. Bes. Dr. Budolf K auf mann- Kastell (Unterfranken). 
Assistenzarzt d. Bes. Dr. v. K o c h - Gottmannsgrün. » 

Feldunterarzt V. Kruszka. 

Stabsarzt d. Bes. Dr. Wilhelm Löhe- Bühlerthal (Baden). 

Oberarzt Dr. Bolf Lutz-München. 

Assistenzarzt d. Bes. Dr. D. N i c o 1 - Dietenhofen bei Nürnberg. 
Stabsarzt d. Bes. Dr. Hugo Wilhelm Beye-Hamburg. 

Assistenzarzt d. Bes. Dr. Bud. Bosenfeld-Breslau. 

Generalarzt a. D. Dr. Bothamel, Garnisonarzt in Metz (infolge von 
Krankheit gestorben). 

Stabsarzt d. Bes. Dr. Philipp Schick-Bürbach (Beg.-Bez. Arnsberg). 
Stabsarzt d. Bes. Dr. Scho tt-Karlsruhe. 

Stabsarzt d. B. Dr. G. Steinmann-Niederschreiberhau (Bgbz. Liegnitz). 
Marinestabsarzt d. Bes. Dr. 0. Voretzsch, Polizeiarzt in Hamburg. 


Erkrankungen und Todesfälle an ansteckenden Krankheiten In 
Preußen. Nach dem Ministerialblatt für Medizinal-Angelegenheiten sind in der 
Zeit vom 11. bis 24. Juni 1916 erkrankt (gestorben) an Pest, Gelbfieber, 
Fleckfieber, Cholera, Trichinose, Botz, Aussatz, Tollwut, 
Milzbrand: — (—), — (—); Bißverletzungen durch tollwut- 
verdächtige Tiere: 4 (—), 15 (—); Pocken: 4 (—), 24 (6); Unter¬ 
leibstyphus: 141 (9), 188 (15); Buhr: 80 (5), 41 (8); Diphtherie: 
1640(108), 1687 (96); Scharlach: 1155 (54), 1199(54); Kindbettfieber: 
58 (17), 56 (24); Genickstarre: 18 (8), 5 (6); spinaler Kinder¬ 
lähmung: — (—), 1 (—); Körnerkrankheit (erkrankt): 85, 78; 
Tuberkulose (gestorben): 877, 800. 

Bedaktion: Prof. Dr. Bapmund, Geh. Med.-Bat in Minden i. W. 

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Zentralblatt 

fOr das gesamte Gebiet der gerichtlichen Medizin und Psychiatrie, 
des staatlichen und privaten Versicherungswesens, sowie lür das 
Medizinal- und Öffentliche Gesundheitswesen, einschließlich det 

Hygiene und Bakteriologie. 

Her&usgegeben 
‘ von 

Prol Dr. OTTO RAPMÜND, 

Geh. Med.-Rat In Minden l. W. 

Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, Sächsischen, 
WOrttembergischen, Badischen, Hessischen, Mecklenburgischen, Thüringischen, 
Braunschweigischen und Eisass - Lothringischen Medizinalbeamtenvereins. 

Verlag von Fiseher’s med. Buehhandlg E Kornfeld, 

HtnogL Bayer. Hof- n. K- vl K. g^mvniir.iiwfthhaiwiinr. 

Berlin W. 62, Keithstr. 5. 

ImiftB 4U »oyrie all«, Anselftnaon Ahmeatellea d«i Im- 

mad Ausland«« *ntff«r«n. 



Nr. 15. 

Erscheint an 5. und SO. jeden Monats. 

5. Äug. 


Zur Ueberwachung des Nahrungsmittelverkehrs. 

Von Kreisarzt Dr. 0 . Kurpjnweit-Swinemünde, z. Zt. als Stabsarzt im Felde. 

Die Schwierigkeiten der Nahrungsmittelversorgung während 
des gegenwärtigen Weltkrieges werden auch nach dem Kriege 
noch eine gewisse Zeit bestehen, bis die Zufuhr aus dem Aus¬ 
lande wieder einsetzt und langsam den Bedarf deckt. Die 
Nahrungsmittelindustrie muß daher noch weiter bemüht bleiben, 
Ersatzstoffe für die menschliche Nahrung nutzbar zu machen. 
Damit wird natürlicherweise auch die Nahrungsmittel Ver¬ 
fälschung, die ja bekanntlich alle Fortschritte der chemischen 
Industrie mitmacht, weiter üppig wuchern. 

Wie ein Blick in die Tageszeitungen lehrt, häufen sich 
schon jetzt während des Krieges die gerichtlichen Verhand¬ 
lungen und Bestrafungen wegen Nahrungsmittelverfälschung. 
Im Anzeigenteil aller Zeitungen werden täglich neue Ersatz¬ 
mittel angepriesen, die gewöhnlich nichts anderes, als grobe 
Nahrungsmittelverfälschungen sind. Im Interesse des allgemeinen 
Volkswohls ist daher eine noch strengere und wirksamere 
Ueberwachung des Nahrungsmittelverkehrs und eine stärkere 













442 I)r. 0. Korpjnweit. 

Beteiligung der Kreisärzte geboten. Die Bevölkerung muß 
unter allen Umständen nicht bloß gegen finanzielle, sondern 
auch gegen gesundheitliche Schädigungen geschützt werden. 

Das Arbeitsfeld des Kreisarztes auf dem Gebiet der 
Nahrungsmittelhygiene ist bekanntlich in grundlegender Form 
durch das Kreisarztgesetz 1 ) festgelegt. Danach hat er die für 
die Ueberwachung des Verkehrs mit Nahrungsmitteln, Genu߬ 
mitteln und Gebrauchsgegenständen zuständigen Behörden zu 
unterstützen, sowie Mißbräuche, Gesundheitsschädigungen zur 
Anzeige zu bringen. Revisionen von Herstellungs- und Ver¬ 
kaufsräumen für Nahrungs- und Genußmittel soll der Kreisarzt 
allerdings nicht aus eigener Initiative, sondern unter Mitwirkung 
der Polizei vornehmen. Er muß sich jedoch vergewissern, ob die 
vorgeschriebenen regelmäßigen Untersuchungen von Nahrungs¬ 
mitteln, Genußmitteln und Gebrauchsgegenständen erfolgen, 
und die dazu erforderlichen Proben in zweckmäßiger Weise 
entnommen werden. Auch hat er den Verkehr mit Milch und 
den Betrieb der Mineralwasserfabriken zu beaufsichtigen. 

Durch diese Bestimmungen wurde dem Kreisarzt ein weites 
Arbeitsfeld zugeteilt. Aber nur langsam haben sich die ersten 
Bemühungen und Bestrebungen der Kreisärzte auf diesem 
Gebiet bemerkbar gemacht, wie man aus den Berichten über 
das Gesundheitswesen des Preußischen Staates schließen kann. 

Zunächst nahmen die Kreisärzte nur gelegentlich Be¬ 
sichtigungen der Nahrungsmittelbetriebe vor.*) Gewöhnlich 
überließ man diese Arbeit und die Probeentnahme der Polizei 
und den vorhandenen Nahrungsmitteluntersuchungsämtern. 
Regelmäßige Untersuchungen wurden aus Furcht vor den 
Unlersuchungskosten gescheut und unterlassen. Allmählich 
machte sich jedoch das Bestreben bemerkbar, die Nahrungs¬ 
mittelbetriebe hygienisch einwandsfreier und ihre Beaufsichtigung 
wirksamer zu gestalten. Es erschienen an einzelnen Orten 
Polizeiverordnungen, die das Betasten von Lebensmitteln in den 
Verkaufsräumen, sowie die Benutzung der Verkaufsräume als 
Schlafräume verboten. Dank der gründlichen Untersuchungen 
in einzelnen Regierungsbezirken 5 ) erkannte man ferner, daß 
die Fleischereien und Molkereien recht häufig der Ort der 
Nahrungsmittelverfälschungen waren. Infolgedessen wurden 
gerade diese Betriebe bei den alle fünf Jahre wiederkehrenden 
hygienischen Ortsbesichtigungen von den Kreisärzten besonders 
eingehend gemustert. Auch auf die Ueberwachung der Wochen¬ 
märkte richtete die Polizei vielfach ihr Augenmerk. 

Im Reg.-Bez. Münster stellte man fest, daß gerade das 
Hackfleisch und die Würste von den Fleischern durch chemische 
Zusätze verfälscht wurden, um eine frische Beschaffenheit der 
Wurst und des Hackfleisches vorzutäuschen. 


*) § 77—81 der Dienstanweisung vom 1. September 1909. 
*) Das Gesundheitswesen des Preußischen Staates 1901. 

*) Das Gesundheitswesen des Preußischen Staates 1903. 



Zur Üeberwachang des Nahrangsmittelverkehrs. 448 

In anderen Regierungsbezirken wie Potsdam, Frankfurt, 
Schleswig, Düsseldorf wurde schärfer auf dem Qebiete der 
Nahrungsmittelkontrolle vorgegangen, so daß in diesen 4 Be¬ 
zirken jährlich 13000 Proben mehr untersucht wurden als in 
den gesamten übrigen Regierungsbezirken. . 

Auch die Zahl der Untersuchungsanstalten nahm 
zu; sie betrug im Jahre 1004 insgesamt 41, davon entfielen 
auf den östlich der Elbe lieg'enden Teil der Monarchie 8, auf 
den westlichen Teil dagegen 33. 

Die Notwendigkeit eines weiteren Ausbaues der Nahrung»* 
mitteikontrolle wurde somit immer mehr anerkannt und führte 
zur Erweiterung der bisherigen polizeilichen Bestimmungen und 
Polizeiverordnungen über den Verkehr mit Milch, über die 
Beschaffenheit der Bierdruckapparate, über den Verkehr mit 
Selterwasser usw. 

Einen wesentlichen Fortschritt auf diesem Gebiete 
brachte der Ministerial-Erlaß vom 20. September 1905, 
durch den eine regelmäßige Nahrungsmittelüberwachung 
für alle städtischen und ländliohen Gemeinden angeordnet 
wurde. Die Polizeibehörden hatten jährlich eine bestimmte 
Zahl von Proben zur Untersuchung einzusenden. Wo zuver¬ 
lässige Untersuchungsanstalten nicht vorhanden waren, sollten 
sie geschaffen werden; bereits bestehende Anstalten sollten weiter 
ausgebaut werden. Die Entnahme von Proben sollte tunlichst 
durch geschulte Polizeiorgane stattfinden. 

. Infolge dieses Erlasses erfuhr die Zahl der von Kommunal¬ 
verwaltungen und Landwirtschaftskammern errichteten Unter¬ 
suchungsämter einen erfreulichen Zuwachs und stieg im Jahre 
1906 auf insgesamt 47, davon im Osten 11, im Westen 36. 
Ihre Wirksamkeit sowie eine straffere Handhabung der Vor¬ 
schriften machte sich auch gleich insofern bemerkbar, als die 
Zahl der Beanstandungen wesentlich zunahm ; im Regierungs¬ 
bezirk Frankfurt*) stieg sie auf 8,6°/ 0 bei der Entnahme 
der Proben durch die Polizei und auf 18,4 °/ 0 bei der Entnahme 
durch die Untersuchungsanstalt. 

Bei diesen Beanstandungen hielt man es zunächst nicht 
für empfehlenswert, gleich mit gerichtlichen Strafen gegen die 
Nahrungsmittel Verfälscher vorzugehen, sondern man begnügte 
sich vorläufig mit Verwarnungen. Im Wiederholungsfälle ging 
man aber gegen die Nahrungsmittelfälscher recht energisch 
vor, indem man ihre Bestrafung herbeiführte und Verur¬ 
teilungen in der Zeitung veröffentlichte. In Berlin wurden 
sie an den Anschlagsäulen in dem Bezirk bekannt gemacht, in 
dem der Betreffende wohnte. 

Die Arbeit der Untersuchungsämter wuchs rasch, besonders 
in den Industriegegenden, da gerade hier eine häufigere Ein¬ 
sendung von Nahrungsmittelproben sich, als notwendig erwies. 
Ihre Unterhaltungskosten wurden dadurch etwas verringert, daß 


4 ) Das Gesundheitswesen des Preußischen Staates 1906. 



444 


Dr. O. Kurpjuweit. 


die) gerichtlich verhängten Geldstrafen nach dem Nahrungs¬ 
mittelgesetz vom 15. Mai 1879 dem Untersuchungsamt zufallen, 
das die Untersuchung vorgenommen hat. 

Je umfangreicher sich nun die Nahrungsmittelkontrolle ge¬ 
staltete, desto mehr stellte sich heraus, daß die Probeentnahme 
durch Nahrungsmittelchemiker weit häufiger zu Beanstandungen 
führte, als die durch Polizeibeamte. In Insterburg 6 ) ergaben 
die Untersuchungen in Stadt und Land bei Entnahme der 
Proben durch Polizeibeamte 16,9 bis 17,3 u / 0 , durch Chemiker 
dagegen 33,9 bis 61,7 °/ 0 Beanstandungen. Man empfand 
daher bald, daß die Polizeibeamten ohne eine besondere An¬ 
leitung nicht imstande waren, die Proben bei der Entnahme in 
der richtigen Weise auszuwählen. Um diesem Mangel abzu- 
helfen, richteten verschiedentlich Vorsteher von Untersuchungs¬ 
anstalten, z. B. in Reichenbach, Kottbus, Hannover und Kassel, 
kurzfristige Kurse für Polizeibeamte ein. Außerdem beteiligten 
sich die Vorsteher der Untersuchungsämter immer mehr 
nicht nur an der Kontrolle der eigentlichen Nahrungsmittel¬ 
handlungen, sondern auch der Wochenmärkte, der Kolonial¬ 
warenhandlungen usw. Ferner wurden die Fleischerläden, 
Fleischmärkte nach dem Ministerialerlaß vom 17. August 1907 
durch die Polizeibehörden und die beamteten Tierärzte einer 
regelmäßigen Revision unterzogen. Wo beamtete Tierärzte 
nicht vorhanden waren, nahmen tierärztliche Fleischbeschauer 
oder Laien-Fleischbeschauer diese Besichtigungen vor. 

Weitere Fortschritte brachten auf dem Gebiete der 
Nahrungsmittelhygiene Polizeiverordnungen, durch die z. B. die 
gleichzeitige Benutzung von Schlafzimmern und Krankenzimmern 
zur Aufbewahrung von Nahrungsmitteln, das Betasten und 
unbeschützte Ausstellen von Nahrungsmitteln, das Mitbringen 
von Hunden in Nahrungsmittelgeschäfte, die Verwendung be¬ 
schriebenen und bedruckten Papiers zum Einwickeln, das 
Kneten von Brotteig mit den Füßen verboten, sowie die Be¬ 
förderung von Fleisch in zweckentsprechender Weise geregelt 
wurde. 

Die strenge Durchführung aller dieser Bestrebungen und 
Vorschriften wurde leider durch die hohen Untersuchungskosten 
etwas behindert; dasselbe galt auch betreffs der Probeentnahme 
durch Chemiker der Untersuchungsämter, obwohl diese, um die 
Kosten zu verringern, ihre Reisen als Weinkontrolleure, als 
Revisoren von Drogenhandlungen, Selterwasserfabriken auch zur 
Entnahme von Nahrungsmittelproben benutzten. 6 ) Blieb die 
Entnahme der Proben lediglich Polizeibeamten überlassen, so 
wurden von verschiedenen Untersuchungsämtern wenigstens 
gedruckte Belehrungen über die hierbei zu beachtenden Vor¬ 
schriften verteilt. 

Trotz aller dieser Belehrungen, trotz der Unterweisungs- 

*) Das Gesundheitswesen des Preußischen Staates 1907. 

Das Gesundheitswesen des Preußischen Staates 1908. 



Zur Ueberwachung des N&hrangsmittelrerkehrs. 


446 


kurse für Poli^eibeamte und Gendarme maohte man aber immer 
wieder die Beobachtung, daß die Probeentnahme durch Chemiker 
am wirksamsten war. So wurden im Regierungsbezirk Frank* 
furt bei der Probeentnahme durch Chemiker 14,2 °/ 0 , durch Polizei 
dagegen nur 7°/ 0 der Proben beanstandet. 

’ Bei den Besichtigungen, die in manchen Bezirken auch 
auf Gast* und Schankwirtschaften ausgedehnt wurden, hörte man 
nun oft die Ausrede, daß die Vorgefundenen schlechten oder 
verfälschten Nahrungsmittel nur zum eigenen Gebrauoh dienen 
oder nicht mehr verkauft werden sollten. Um diesem Ein wand zu 
begegnen, wurde in verschiedenen Städten des Regierungsbezirks 
Düsseldorf durch Polizeiverordnung bestimmt, daß in Verkaufs¬ 
räumen nur verkäufliche Waren vorrätig gehalten werden sollten. 
Als recht wirksam gegen derartige Ausreden haben sich auch 
Geheimankäufe durch Polizeibeamte in Zivil erwiesen, die natur¬ 
gemäß nur in größeren Städten vorgenommen werden können. 

Da die Verkäufer nicht selten lediglich aus völliger Un¬ 
kenntnis der gesetzlichen Bestimmungen verfälschte Nahrungs¬ 
mittel feilbieten, hat man an einzelnen Orten, z. B. in Halber¬ 
stadt 7 ), bei den Untersuchungsämtern Sprechstunden zur Be¬ 
ratung von Gewerbetreibenden eingerichtet, oder, wie im 
Reg.-Bezirk Minden 8 ), Merkblätter an diese verteilt. 

Im Jahre 1910 konnte erfreulicherweise in dem Bericht 
über das Gesundheitswesen in Preußen berichtet werden, daß 
eine geregelte Nahrungsmittelkontrolle nunmehr über das 
gesamte Staatsgebiet durchgeführt ist. Um diese einheitlicher 
zu gestalten, wurden dann durch den Ministerial- Erlaß vom 
2. März 1910 allgemeine Grundsätze aufgestellt und gleichzeitig 
die Beaufsichtigung der Untersuchungsanstalten geregelt. 

Eine Mitwirkung der Kreisärzte bei der Ueber* 
wachung des Nahrungsmittelverkehrs hat sich bis jetzt allgemein 
nur auf Besichtigungen von Nahrungsmittelhandlungen usw. 
erstreckt, die gelegentlich von Ortsbesichtigungen, Gesundheits¬ 
kommissionssitzungen, bei Ermittlung übertragbarer Krankheiten 
vorgenommenen wurden. Der Wunsch einzelner Kreisärzte, 
sich noch weitgehender an der Ueberwachung des Nahrungs¬ 
mittelverkehrs zu beteiligen, ist nur an einigen Orten insofern 
erfüllt worden, als z. B. im Reg.-Bez. Posen 9 ) in zwei Städten 
der Kreisarzt sämtliche Nabrungs- und Genußmittelhandlungen 
besichtigte. Mehrfach haben auch die Kreisärzte, z. B. im Reg.- 
Bezirk Köslin, den Antrag gestellt, daß die Nahrungsmittel¬ 
untersuchungsanstalten ihnen alle Beanstandungen zwecks Be¬ 
sichtigung der Betriebe mitteilen sollten. 

Die weitere und wirksamere Entwicklung der Ueberwachung 
des Nahrungsmittelverkehrs hat naturgemäß auch eine Ver¬ 
mehrung der Untersuchungsanstalten zur Folge gehabt, 


Dm Gesundheitswesen des Preußischen Staates 1909. 
Dm Gesundheitswesen des Preußischen Staates 1910. 
Dm Gesundheitswesen de» Preußische» Staates 1911. 



446 


Dr. 0. Kurpjuweit. 


deren Gesamtzahl bis zum Jahre 1912 10 ) auf 86 gestiegen ist, 
davon 21 im Osten und 65 im Westen der Monarchie. Weiterhin 
sind gemäß dem bereits erwähnten Ministerial-Erlaß vom 3. März 
1910 in vielen Reg.-Bezirken Polizeibeamte für die Probe¬ 
entnahme ausgebildet und auch praktische Untersuchungskurse 
wiederholt in den Polizeischulen in Kottbus, Halberstadt, ferner 
in den Untersuchungsämtern in Magdeburg, Kiel, Arnsberg, 
Kassel abgehalten worden. Auch auf den Dienstversammlungen 
der Gendarme im Regierungsbezirk Lüneburg hat der Vor¬ 
steher des Untersuchungsamts Vorträge über die einschlägigen 
Gesetze, die zweckmäßige Auswahl, der Proben usw. gehalten. 

Nach zwölfjähriger Wirksamkeit des Kreisarztgesetzes, 
nach siebenjährigem Bestehen des wichtigen Ministerialerlasses 
vom 20. September 1905 betr. Ueberwachung des Nahrungs¬ 
mittelverkehrs kann somit überall ein außerordentlicher Erfolg 
der Bemühungen aller beteiligten Behörden festgestellt werden. 
Immerhin besteht auch heute noch zwischen dem Osten mit 
seinen mehr ländlichen Bezirken und zwischen dem industrie¬ 
reichen Westen ein wesentlicher Unterschied. 

Die Zahl der Untersuchungsanstalten ist im Westen eine 
wesentlich höhere und damit die Kontrolle eine wirksamere. Die 
Untersuchungsanstalten liegen auch viel näher beieinander; ihre 
Vorsteher und Assistenten können daher häufiger zur Probeent¬ 
nahme reisen, da die entstehenden Kosten bei den kürzeren Ent¬ 
fernungen keine so erheblichen, wie im Osten sind, wo mitunter 
eine Provinz nur eine Untersuchungsanstalt hat. Desgleichen 
werden von ihnen hier häufiger Vorträge zur Unterweisung 
der Polizeiorgane über Nahrungsmittelverfälschüng und eine 
zweckmäßige Probeentnahme gehalten. Außerdem besteht 
im Westen weniger Scheu vor den Kosten für häufigere 
Nahrungsmitteluntersuchungen in der Erkenntnis, daß eine Ver¬ 
sorgung mit unverfälschten Nahrungsmitteln für die volksreichen 
Industriegegenden von größter Wichtigkeit ist. Wie für alle 
sonstigen hygienischen Bestrebungen wird deshalb hier auch 
für die Nahrungsraittelhygiene das erforderliche Geld leichter 
aufgebracht. 

Im Osten mußten sich dagegen größere Bezirke vereinen, 
um Nahrungsraitteluntersuchungsämter zu ' gründen und zu 
unterhalten; auch die Kostenfrage spielt eine sehr wichtige 
Rolle, so daß es nicht zu verwundern ist, wenn hier eine 
wirksame Ausgestaltung der Nahrungsmittel-Kontrolle viel später 
als im Westen eingesetzt hat. 

Im Regierungsbezirk Stettin wurden erst vom 1. Oktober 
1908 ab regelmäßige Untersuchungen von Nahrungs- und Ge¬ 
nußmitteln durch die Auslandfleischbeschaustelle in Stettin 
eingeführt. Zunächst war das Interesse für diese Einrichtung 
ein recht erfreuliches; später war das Interesse ein geringeres, 


,0 ) Das Gesund hdtaweaen des Preußisches Staates 1912. 



Zur Ueberwachung des NahnugBmittelrerkehra. 447 

wie auch die nachstehende Uebersicht für den Kreis Usedora- 
Wollin ergibt: 


Eingesandte Proben Bean- 


Berichts¬ 


Nahrungs¬ 

mittel 

Genu߬ 

Gebrauchs- 

Stundungen 

Bestra¬ 

jahr 

insgesamt 

mittel 

gegenstände 


0/o 

fungen 

1909 

1169 

1053 

99 

17 

53 

4,5 

18 

1910 

768 

705 

47 

16 

16 

2,0 

8 

1911 

684 

494 

135 

5 

28 

4,4 

2 

1912 

679 

608 

64 

19 

47 

6,» 

24 

1918 

688 

583 

49 

6 

14 


8 


Bei den aus dem Kreis eingesandten Nahrungsmitteln hat 
es sioh hauptsächlich um Milch gehandelt. Unter dem ersten 
Einfluß der verschärften Nahrungsmittelkontrolle waren die 
Milchverfälschungen für kurze Zeit zurückgegangen. Gerade 
die Milch Versorgung spielt aber im Sommer auf den 
Inseln Usedom-Wollin eine wichtige Rolle, denn die 14 
Badeorte wurden vor dem Kriege jährlich von rund 140000 
Badegästen, darunter sehr viele Kinder, besucht. Da nun 
die häufigen Besichtigungen der Milchhandlungen neben groben 
hygienischen Mißständen die Tatsache ergaben, daß die Miloh- 
pantscherei noch weiter flott blühte, erschien es notwendig, 
eine gründlichere Ueberwachung und eine zweckmäßigere Probe¬ 
entnahme in die Wege zu leiten. Ein Versuch, die Polizei¬ 
beamten zu einem Unterweisungskursus an das Untersuchungs¬ 
amt in Stettin zu senden, scheiterte an den Kosten. Dagegen 
waren die Polizeibehörden bereit, je einen älteren Polizei¬ 
beamten, der ständig mit der Probeentnahme beauftragt war, 
zu einer Unterweisung nach der Kreisstadt zu entsenden. 
Infolgedessen habe ich im Frühjahr 1912 für Polizeibeamte und 
Gend&rme einen kurzen Unterweisungskursus abgehalten. 
Es wurden hierbei die gesetzlichen Bestimmungen, die wichtigsten 
Nahrungsmittel Verfälschungen und die Art der Probeentnahme 
besprochen. Einige Schwierigkeiten machte dabei die Be¬ 
schaffung geeigneter Proben von verfälschten Nahrungsmitteln 
und gebräuchlicher Verfälschungsmittel zur Demonstration. 

Der Erfolg dieser Unterweisung war jedoch unverkennbar; 
denn die Zahl der Beanstandungen von entnommenen Nahrungs- 
mittelproben stieg von 4,4 °/ 0 im Jahre 1911 auf 6,9 °/ 0 im Jahre 
1912, und die Zahl der Bestrafungen von 2 auf 24. 19 Milch¬ 

händler wurden wegen Milchpantscherei gerichtlich bestraft, 
ferner drei Fleischer, weil sie Präservesalz — Hydrinsalz — das 
schweflige Säure enthält, zu Hackfleisch hinzugesetzt hatten. 

Aul die Nahrungsmittelhändler machten diese zahlreichen 
Bestrafungen einen großen Eindruck. Ebenso wie nach der 
ersten Durchführung der Nahrungsmitteluntersuchungen im 
Jahre 1909 sank im Jahre 1913 die Zahl der Beanstandungen 
auf 2,1 °/ 0 und die Zahl der Bestrafungen auf 3. 

Im Frühjahr 1914 wurde der Belehrungskursus wiederholt; 
das Interesse der Polizeibeamten war auch hier wieder ein 
recht reges. Der Einfluß dieser wiederholten Belehrung konnte 
infolge des Kriegsausbruchs nicht mehr festgestellt werden. 



448 


Dr. 0. Kurpjuweit. 


Immerhin kann aber schon nach dieser geringen Erfahrung 
gesagt werden, daß für derartige Belehrungen ein dringendes 
Bedürfnis vorliegt. 

Wo die Abhaltung solcher Unterrichtskurse durch Chemiker 
Schwierigkeiten maoht, sollten die Medizinalbeamten sich die 
Mühe nicht verdrießen lassen und die Kurse abhalten. Sie 
bekommen dadurch einen größeren Einfluß auf das so wichtige 
Gebiet der Nahrungsmittelhygiene und erfahren dabei manches 
über Nahrungsmittelverfälschung im Kreise, was ihnen sonst 
unbekannt bleibt. 

Auch bei dieser Unterweisung empfand ich es wieder nur 
von neuem, daß es für den Medizinalbeamten sehr schwierig 
ist, sioh über die gebräuchlichen Nahrungsmittel Verfälschungen 
zu unterrichten und auf dem Laufenden zu halten. Die 
ihnen zur Verfügung stehenden Zeitschriften bringen über 
Nahrungsmittelverfälschungen sehr wenig. Es wäre daher 
dringend erwünscht, daß bei den Fortbildungskursen für 
Medizinalbeamte dieses Kapitel eingehender behandelt 
wird. Ferner wäre es zweckmäßig, wenn von berufener Seite 
jährlich ein Bericht über neue Nahrungsmittel Verfälschungen den 
Medizinalbearaten zugänglich gemacht würde. 

Es empfehlen sich ferner öffentliche Warnungen durch 
die Zeitungen, wie sie so häufig auf Veranlassung des Polizei* 
Präsidiums in Berlin über den Schwindel mit Geheimmitteln 
erscheinen, zur Belehrung weiterer Kreise angebracht. 

Neben dieser Erweiterung der belehrenden Tätigkeit der 
Kreisärzte, die aus bereits erwähnten Gründen wohl nur für 
den Osten in Betracht kommt, scheint mir aber auch sonst 
eine stärkere Betätigung der Kreisärzte im gesamten 
Staate bei der Ueberwacnung des Nahrungsmittelverkehrs sehr 
erwünscht. 

Ebenso wie für die Beurteilung eines Trinkwassers nicht 
allein das Ergebnis der chemischen Untersuchung, sondern auch 
das der örtlichen Besichtigung maßgebend ist, sollte man auch 
bei der Nahrungsmittelkontrolle nicht ausschließlich Gewicht auf 
die chemische Untersuchung der Probe, sondern auch auf die 
örtliche Besichtigung der Nahrungsmittelbetriebe legen. 
Zu diesem Zwecke müßte ein engerer Zusammenhang, ein 
gedeihlicheres Zusammenarbeiten zwischen den Nahrungsmittel¬ 
untersuchungsämtern und den Kreisärzten eingeleitet werden. 
Jede Beanstandung einer Probe wäre umgehend dem betreffenden 
Kreisarzt mitzuteilen, damit dieser sofort eine Untersuchung 
des betreffenden Nahrungsmittelbetriebes vornimmt. Nur auf 
diese Weise kann eine wirksame Ueberwachung erreicht werden. 
Ferner müßte ein jährlicher Bericht der zuständigen Nahrungs¬ 
mitteluntersuchungsanstalten über die im Bezirk festgestellten 
Nahrungsmittelverfälschungen sämtlichen beteiligten Kreisärzten 
zugänglich gemacht werden, damit diese über das, was ihren 
Kreis auf diesem Gebiete angeht, das Erforderliche erfahren. 

Der Kreisarzt müßte aber auoh selbst viel stärker als 



Zur Ueberwachang des Nahrangsmittelverkehrs. 


449 


bisher an der Beaufsichtigung des Nahrungsmittelverkehrs be¬ 
teiligt werden. Die alle fünf Jahre wiederkehrende Besichtigung 
von Fleischereien, Bäckereien bei den Ortsbesichtigungen genügt 
nicht, um diese Betriebe wirksam zu überwachen. Bei den 
Badeorten hat man allerdings gelegentlich der jährlichen Be¬ 
sichtigungen häufiger Gelegenheit, derartige Betriebe zu be¬ 
sichtigen; auch gelegentlich der Sitzungen der Gesundheits¬ 
kommissionen können Nahrungsmittelbetriebe besichtigt werden; 
dies ist jedoch nicht immer ausreichend« Jedenfalls bedürfen 
verdächtige Betriebe einer häufigeren Besichtigung, um zu ver¬ 
hüten, daß der alte Schlendrian nicht wieder eingerissen ist, 
was besonders sehr häufig bei Fleischereien der Fall ist. Es 
erscheint daher dringend erwünscht, daß die jährliche Be¬ 
sichtigungspflicht ebenso wie auf die Drogenhandlungen, Selter¬ 
wasserfabriken, Molkereien, auch auf alle Nahrungsmittelbetriebe 
ausgedehnt wird. Das Arbeitsfeld des Kreisarztes würde dadurch 
in vielen Kreisen eine oft wünschenswerte Erweiterung erfahren, 
durch die er außerdem einen maßgebenden und nur im Interesse 
des Allgemeinwohles liegenden Einfluß auf diesem Gebiete 
erhalten würde. 

In den Bezirken, in denen zahlreichere Untersuchungs¬ 
ämter vorhanden sind und die Arbeitslast der Kreisärzte an 
und für sich sehr groß ist, könnte den NahrungBmittelchemikern 
die Kontrolle allein überlassen werden, jedoch müßte dem 
Kreisarzt auch hier der nötige Einfluß durch gelegentliche 
Beteiligung bei derartigen Besichtigungen gewahrt bleiben. 
Bei den Besichtigungen sind die begleitenden Polizeibeamten 
zur Entnahme der erforderlichen Proben unter Aufsicht der 
Kreisärzte oder Nahrungsmittelchemiker mit heranzuziehen; auf 
diese Weise würde sich auch die Probeentnahme durch diese 
Beamte wirksamer gestalten lassen. 

Die Kosten der Besichtigungen fallen ebenso wie die für 
Besichtigungen von Drogenhandlungen, Selterwasserfabriken 
usw. der Polizei zur Last; sie werden nicht sehr erheblich sein, 
wenn die Besichtigungen nach Möglichkeit gelegentlich oder 
in Form von Rundreisen durch mehrere Polizeibezirke (Amts¬ 
bezirke) ausgeführt werden. Jedenfalls dürfte der zu erwartende 
Fortschritt in der Verbesserung der Nahrungsmittel Versorgung 
die aufgewandten Kosten durchaus lohnen. 

Neben diesen Bestrebungen, den Käufer vor Schaden zu 
schützen, sollte man sich aber auch bemühen, den Kaufmann 
selbst vor Uebertretungen des Gesetzes zu bewahren. Nicht 
selten werden Nahrungsmittel oder Genußmittel beanstandet, 
die der betreffende Kaufmann als einwandsfrei vom Großhändler 
oder von der Fabrik bezogen hat. Durch Belehrungen in 
der Tagespresse über derartige Verfälschungen sowie durch 
Merkblätter über die wichtigsten gesetzlichen und polizei¬ 
lichen Bestimmungen könnte dieser unter den Nahrungsmittel¬ 
händlern oft vorhandenen Unkenntnis entgegen getreten werden. 

Kurz zusammengefaßt erscheinen mir daher folgende Maß- 



450 Dr. med. Karl Opitz. 

nahmen zur Verbesserung der Nahrungsmittelüberwachung 
empfehlenswert: 

1. Fortlaufende Unterrichtung der Kreisärzte über Nahrungs¬ 
mittelverfälschungen durch Kurse und Veröffentlichungen. 

2. Engere Zusammenarbeit zwischen Nahrungsmittelunter¬ 
suchungsäratern und Kreisärzten. 

8. Unterweisung der Polizeibeamten in der Probeentnahme 
durch Nahrungsmittelchemiker oder, wenn das nicht möglich 
ist, durch Kreisärzte. 

4 . Häufigere Besichtigung aller Nahrungsmittelbetriebe 
durch die Kreisärzte. 

5. Aufklärung der Verkäufer und Käufer durch die Tages¬ 
presse über Nahrungsmittel Verfälschungen sowie Verteilung von 
Merkblättern über die wichtigsten gesetzlichen Bestimmungen 
an die Nahrungsmittelhändler. 


Schädigung der Atmungsorgane durch gewerblichen Staub. 

Von Dr. med. Karl Opitz, Kreisarzt in Peine. 

Wie schädlich der in gewissen Gewerbebetrieben erzeugte 
Staub auf die Atmungsorgane der dem Staub ausgesetzten 
Arbeiter einwirkt, ist bekannt; dagegen ist die Frage, inwieweit 
eine ungewöhnliche Staubentwicklung über die engere Arbeits¬ 
stätte hinaus die Gesundheit der Einwohner industrieller Ort¬ 
schaften schädigen kann, noch sehr umstritten. Es ist ja auf¬ 
fallend, daß nach den Angaben der Medizinalstatistischen 
Nachrichten im Jahre 1912 die Todesfälle an nichttuberkulösen 
Erkrankungen der Atmungsorgane einschließlich Lungenent¬ 
zündung in den beiden industriellen Regierungsbezirken Oppeln 
und Arnsberg mit 2,9 und 2,6 auf je 1000 Einwohner berechnet, 
besonders hoch und in dem landwirtschaftlichen Regierungs¬ 
bezirke Aurich mit 1,5 besonders niedrig waren; dagegen 
erreichten sie auch in den vorwiegend ländlichen Bezirken 
Gumbinnen und Hildesheim die Zahl 2,5 und standen in dem 
ausschließlich großstädtischen Landespolizeibezirk Berlin nur 
auf 1,8. Die zahlreichen, die Sterblichkeit an den genannten 
Krankheiten beeinflussenden Faktoren, besonders die Witterungs¬ 
einflüsse, sind so unübersehbar, daß ein Vergleich verschiedener 
Gegenden fast ausgeschlossen ist. 

Wollte man den Beweis liefern, daß industrielle Staub¬ 
entwicklung auch größere Kreise der Bevölkerung schädigen 
kann, so müßte man einen Versuch im großen machen, indem 
man einen bestimmten, abgegrenzten Bezirk für eine gewisse 
Zeit der Einwirkung ungewöhnlich großer Staubmengen aus¬ 
setzte; wenn sich dann zeigte, daß während der Versuchsdauer 
die Sterblichkeit an nicht-tuberkulösen Erkrankungen der 
Atmungsorgane höher wäre, als vor und nach dem Versuche, 
so würde man die vorübergehende ungewöhnlich starke Staub¬ 
einwirkung als Ursache dieser Steigerung ansprechen können. 
Indessen könnte immer noch der Einwand geltend gemacht 



Schädigung der Atmungsorgane durch gewerblichen Staub. 401 

werden, daß vielleicht zufällig während der Versuchszeit be¬ 
sonders ungünstige Witterungsverhältnisse geherrscht hätten; 
dieser Einwand ließe sich aber entkräften, wenn gezeigt wird, 
daß in den dem Versuche nicht unterworfenen Nachbarbezirken 
solche ungewöhnliche Witterungseinflüsse nicht zur Geltung 
gekommen sind. 

Einen derartigen Versuch absichtlich anzustellen, ist 
natürlich ausgeschlossen; der Zufall hat jedoch in der Stadt 
Peine ein solches Experiment mit so klaren Verhältnissen ge¬ 
schaffen, wie sie wohl nur ganz ausnahmsweise wieder zu 
beobachten sein würden. 

Das frühere, kleine Landstädtchen Peine ist im Laufe 
einiger Jahrzehnte durch das Wachsen seines Eisen Walzwerkes 
zu einer lediglich von diesem abhängigen Industriestadt von 
17 000 Einwohnern geworden. Das Walzwerk bezieht sein 
Eisen aus der 7 km entfernten Ilseder Hütte. Im Jahre 1911 
trat im Betriebe des Werks insofern eine umwälzende Aenderung 
ein, als seitdem das Eisen nicht mehr in fester Form, sondern 
flüssig in großen Behältern angeliefert wird. Mit diesem Wechsel 
änderte sich auch die weitere Eisenverarbeitung wesentlich; 
alsbald wurden die dem Werke benachbarten Teile der Stadt, 
die natürlich auch vorher schon durch Rauch und Staub des 
Werkes bis zu einem gewissen Grade belästigt worden waren, 
zeitweise mit wahren Regenschauern feiner Staubkörnchen von 
vorwiegend phosphor- und kohlensaurem Kalk überschüttet. 
Es konnte nicht ausbleiben, daß zahlreiche Beschwerden über 
diese erhebliche Belästigung einliefen. Daraufhin hat sich das 
Walzwerk in anerkennenswerter Weise bemüht, die Unzuträg¬ 
lichkeiten möglichst zu verringern, und zwar durch Verbesserung 
der Verarbeitungsmethoden und durch Errichtung sehr umfang¬ 
reicher und kostspieliger Entstaubungsanlagen. Immerhin ver¬ 
ging annähernd ein Jahr, bis die Versuche zur Abstellung der 
Mißstände Erfolg hatten. Seitdem überschreitet die Staub¬ 
belästigung durch das Walzwerk die früheren Grenzen nicht mehr. 

Wie verhielt sich nun der Gesundheitszustand der Stadt 
Peine besonders bezüglich der Schädigung der Atmungsorgane 
gegenüber dieser kurzdauernden außerordentlichen Staub¬ 
belästigung? Da eine Morbiditätsstatistik hier ebenso wenig 
möglich ist, wie anderwärts, können nur die Sterbefälle an 
nicht-tuberkulösen Erkrankungen der Atraungsorgane einschlie߬ 
lich der Lungenentzündung berücksichtigt werden; ihre Zahl 
ist aus der Kurve I zu ersehen; es ist ersichtlich, daß in den der 
Betriebsänderung folgenden vier Vierteljahren erheblich mehr 
Personen an den fraglichen Krankheiten gestorben sind, als 
je vorher oder nachher, nämlich 50 gegenüber 24—31 in 
gleichen sonstigen Zeiträumen. 

Um den oben bereits angeführten Einwand, daß nämlich 
in der Zeit höherer Sterblichkeit vielleicht besonders ungünstige 
Witterungseinflüsse im Spiele gewesen sein könnten, zu wider¬ 
legen, sind die Sterbefälle an den fraglichen Krankheiten in 




Dr.Opit*: Schädigung der Atmtwgaorg**« durch gewerblichen Staub 


Em« I. 


Jahr: 1909 5910 1911 

Quartal m, UIIV i n UI IV I II III JV 


Zahl der Sterbefäüe an nicbt-tuberkulosen Erkrankungen Ser Atnumgsorgane 
eiBschlieSiicfe der Luageneot 2 fiiuJnag In der Stadt Feine in absoluten Zahlen. 
-......... JEintritt der ungewöhnlichen StaubbeiäsUgUftg. 


Kurve II 


Jahr: 1909 1910 

Quartal: II III IV I II IÖ IV 


Zahl der SterbefäUe an nicht-tuberkulösen Erkrankungen der Atmungsorgane 
einschließlich dar Lnngeneutzfuidung in der Stadt Peine (—and in der 

Stadt Büdesheim (-—), berechnet aal je 1000 Einwohner.---Eintritt 

der ungewöhnlichen Staubbelästigung in Peine. 


Karre irr 


Zahl der Ster befalle an nicht-tuberkulfaen Erkrankungen der Athtangsörgaoe 

eiöschlieölich der LmigsmectzÜndung in der Stadt. Peine {--—5 uni in den 

sämtliche!» StSdteu dea Begieruogabezirks Hildes beim rtisuumen 
berechnet aal je 1000 Einwohner. ——- - Eintritt der ungewöhnlichen 3taub- 


beläaügung in Peine 


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Kleiner« Mttteüuagea und Referate an« Zeitschriften. 


458 


der Stadt Peine mit denen der nftchstbenaohbarten Mittelstadt 
Hildesheim und mit denen aus sämtlichen Städten des Re¬ 
gierungsbezirks Hildesheim verglichen worden; man kann wohl 
annehmen, daß die Witterungs Verhältnisse in (Uesen Vergleichs¬ 
orten im allgemeinen nicht wesentlich von denen der Stadt 
Peine abweichen; die Sterbefälle sind zur leichteren Ver¬ 
gleichung in den Kurven 11 und III nicht als absolute Zahlen, 
sondern auf je 1000 Einwohner berechnet wiedergegeben. Aus 
diesen beiden Kurven geht hervor, daß zwar im allgemeinen 
die Sterblicheit an nicht-tuberkulösen Erkrankungen der 
Atmungsorgane einschließlich der Lungenentzündung in der 
Stadt Peine etwas niedriger ist als in der Stadt Hildesheim 
oder in allen Städten des Regierungsbezirks Hildesheim zusammen¬ 
genommen, daß sie aber die genannten Vergleichsstädte eine 

{ gewisse Zeit hindurch nicht unwesentlich übertrifft, und zwar 
ediglich in dem Zeiträume, der der ganz imgewöhnlich starken 
Staubbelästigung folgt. 

Natürlich sind die Zahlen einer kleinen Stadt viel zu 
gering, als daß sie in einer so schwierigen Frage unbedingte 
Beweiskraft beanspruchen könnten; auch wird nicht verkannt, 
daß sich wohl in mancher Richtung gewisse Einwände geltend 
machen ließen; immerhin kann das m Peine unter ungewöhnlich 
einfachen Verhältnissen gemachte unbeabsichtigte Experiment 
zur Stütze ähnlicher Forschungsergebnisse dienen. 


Kleinere Mitteilungen und Referate tue Zeitschriften. 

A. Saohversft&ndigeatätlgkett auf mllltärüntliokem Gebiete. 

Die Simulation tob Ohrenkrankheiten. Von Oberstabsarzt Prof. 
Dr. O. A1 e z a n d e r, Chefarzt der VL Abteilung des Garnisonspitales 2. Wiener 
klinische Wochenschrift; 1916, Nr. 18 und 19. 

Herdweises Auftreten höherer Grade von Simulation hat Verfasser ein¬ 
mal bei 20 Rekruten ein- und desselben Regiments beobachtet. Sie stammten 
sämtlich ans benachbart liegenden Dörfern in einem von Wien abgelegenen 
Teile der österreichischen Monarchie and waren durch äußere Einflüsse gut 
vorbereitete, verstockte Simulanten, die in einer anderen Anstalt mit größtem 
Erfolge ihrer Simulation Glauben verschafft hatten. Die Leute wurden in 
kleinen Gruppen in die einzelnen Zimmer der Abteilung verstreut und durch 
das Pflegepersonal sorgfältig beobachtet Nachdem ermittelt war, daß de 
flüsternd miteinander verkehrten und die Ueberführung eines der Simulanten 
gelungen war, hatte Dr. A. mit den übrigen gewonnenes Spiel. 

Auf die spezialärztliche Untersuchung bei jeder frischen Ver¬ 
letzung ist besonderes Gewicht zu legen; dies lehren auch die Erfahrungen 
bei Eisenbahnunfällen. Manchmal war bei fehlendem ersten Befund eine 
traumatische Ursache in Fällen angenommen, die nie von einer Verletzung 
betroffen waren. Kriegsverletzte Invalide müssen möglichst bald spezialärzt- 
licher Untersuchung zugeführt werden, sonst ist zu befürchten, daß gegen 
Ende des Krieges therapeutische Institute eröffnet werden, die sich mit Inva¬ 
liden füllen, ohne daß vorher der Strom der Insassen im frischen Zustand der 
Verletzung durch ein möglichst diagnostisches Filter gegangen ist, und die 
unnötige Geldaufwendungen zur Folge haben. 

Wertvolle Anhaltspunkte für die Annahme der Simulation oder Aggra¬ 
vation bietet oft schon die genaue Aufnahme der Anamnese. Ueberaus 
komplizierte, in überflüssige Details aicn verlierende, weitschweifige an am¬ 
nestische Angaben, durch die der zu Untersuchende gewissermaßen eine aus- 



Kleinere Mitteilungen and ftefereieaas Zeitschriften, 


reichende Erklärung für sein Leiden rorzubringen sacht, werden den Verdacht 
anf Vortäuschung wachrufen. 

Manche Simulanten verweigern anamnestische Angäben. — Zu den 
plumpsten Formen der ‘Simulation gehört das Vortäuschen von Eiterfluß ‘in der 
Anamnese; fast unerklärlich ist es, daß die Aerzte in einem splehen Felle 
Monate hindurch getäuscht werden konnten. Die Ursache liegt in der Uner¬ 
fahrenheit der Untersucher. 

Der Gang der Untersuchung eines Simulanten soll sich in nichts 
von dem wirklich Kranker unterscheiden. Der Arzt muß eine ausreichende 
Kenntnis des normalen und pathologischen Trommelfellbildes besitzen; er 
muß alle Einzelheiten der Fonktionsprtuung und zwar sowohl des, Kochlear-, 
als des Vestibularapparates vollkommen beherrschen. Der Bestimmung der 
Hörschärfe für Spracne kommt besondere Bedeutung zu. Bei der Funktions- 
Prüfung mit Stimmgabeln ergänzen sich die Einzelbefunde bei wirklich Ohr¬ 
kranken einander logisch; bei Simulation widerspricht ein Befund dem anderen. 
Auch bei größter Erfahrung trete der Untersucher unvoreingenommen 
an die Prüfung heran. Nur bei Bewahrung völliger Buhe und kühler Ueber- 
legnng ist man imstande, die Zeichen der Simulation richtig zu erfassen. Ver¬ 
hängnisvollen Irrtümern kann auch der Erfahrenste unterliegen, 'wenn er sich 
durmi irgendwelche Umstände in Aflekt bringen läßt. Unbedingt au verwerfen 
ist jede rohe oder brutale Behandlung des zu Untersuchenden. 

Verfasser gibt eine, Reihe interessanter Photographien von Simu¬ 
lanten und Simulationsverdächtigen sowie viele außerordentlich bemerkenswerte 
Krankengeschichten. ' Dr. Mayer-6imtnern. 


Die militärärztlicbe Beurteilung leichter Uerzsttfrungen. Von Ober¬ 
stabsarzt Prof. Da, Determann-St,Blasien, Deutsche med. Wochenschrift; 
1916, Nr. 23. 

Zur militärärztlichen, diagnostischen und prognostischen Beurteilung 
leichter Herzkrankheiten ist die Herausschälnng eines „objektiven Kernes* 
sehr wichtig. Einzelne diagnostische Ermittelungen bedeuten aber nicht soviel 
wie die Zusammenlegung aller, wie die sorgfältige Prüfung der Konstitution, 
die Kenntnis der Vorgeschichte und Erlebnisse der Patienten, wie die Berück¬ 
sichtigung des Berufes und des Trainings. Durch eine längere Beobachtung, 
gegebenenfalls, „mit awieohengesehalteten Kuren,, gelingt meist die richtige 
Entscheidung. 

, Die B.emessung der Di.enstf ähigkeit kann oft nicht so sehr von der Fest¬ 
stellung der Abwesenheit einer organischen Herzerkranknng abhängig gemacht 
worden, als vom Allgemeinzustande nnd von der Herzleistnngsfähigkcit. Zürn 
Beispiel wird einschwächliches, ungeübtes Herz durch den Kriegsdienst oft mehr 
gefährdet, als eph kräftiges mit leichter Mitralinsuffizienz. Unbedingt nötig ist 
znr Erreichung der Felddienstfähigkeit genügendes Training des schwachen 
Herzens, besonders bei Jagendlichen. Za warnen ist vor Kriegsver'wendung 
der Arteriosklerotiker mit Herzstörungen, der Herzhypertrophien auch ohne 
Herzfehler, der Hypertoniker und der Mitralstenosen. 

, Als Ursachen der Herzerkrankungen sind außer den Infektionskrank¬ 
heiten, Nierenerkrankungen und thyreotoxischen Einflüssen mehr als bisher die 
allgemeine Arteriosklerose, schwere nervöse Erregungen, traumatische Einflüsse 
(Vorschüttungen) und besonders Tabakmißbrauch in Betracht zu ziehen. Die 
Ueberanstrengnog an sich scheint von gesunden Herzen bis zu einem hoben 
Grade ohne Schaden ertragen za werden. 


zam Teil beschränkt erklärt und 22% als dienstunfähig. Bei 32 waren Karen 
vorgenommep. Die Zahl der Knegsverwendungsfähigcn wäre viel größer ge¬ 
wesen« wenn picht Nieren-, Blut-, Gefäßerkrankungen, Tuberkulose, Schwäch¬ 
lichkeit oft eine geringere Bewertung veranlaßt hätten. 

,_ Dr. R o e p k e - Melsungen. 


Meine bisherigen Erfahrungen über die Verwendung von Riesen- 
magnetea behufs Extraktion von Geschoßsplittern. Von Prof. G. Sn 1 tan, 
beratender Chirurg im Felde. Deutsche med. Wochenschrift; 1916, Nr..24. 



Kleinere Mitteilungen und fieforaie »tu Zeitschriften. 


466 


Die Extraktion mit dem Magneten stellt sich als die schonendste Art 
der ßplitterentfernnng dar. Die Eigenart des magnetischen Zuges bringt es 
mit sich, daß der Splitter sich sofort stets in Längsrichtung von selbst ein* 
stellt und daß deshalb die nicht za vermeidende Läsion, insbesondere der 
Gehirnmasse, aaf das mindest mögliche Maß beschränkt and jedenfalls sehr 
viel weniger Gewebe zerstört wird, als wenn man mit der Pinzette oder mit 
dem Finger eingeht. 

Der Elektromagnet mnß zweckentsprechend konstrniert sein (mit ver- 
schiedenen den Wanden sich anpassenden Ansätzen: Sterilisierbarkeit der Teile, 
die mit der Wände in Berührung kommen, leicht transportables Gestell, be- 
qaeme Verstellung des Magneten in alle erforderliche Lagen, Abdeckung mit 
sterilisiertem Leinentach asw.) and genügend stark sein. Der von der Firma 
Schumann in Düsseldorf gebaute Magnet hebt eine Stahlkugel von 4 mm 
Durchmesser aus einer Tiefe von 113 mm hoch; wird die Stahlkugel durch 
ein Bleigewicht, das 60 mal so schwer ist als die Kugel selbst, beschwert, 
dann wird sie von dem Magneten noch aus einer Tiefe von 26 mm angezogen. 
Diese Leistung genügt für chirurgische Zwecke, wie es S. zunächst durch 
Versuche am frischen Leichengehirn und dann in mehr als 30 Krankheitsfällen 
mit bestem Erfolge festgestellt hat. Allerdings zieht der Magnet nur Eisen¬ 
teile an; es ist deshalb die Feststellung mittels Sideroskops nötig, ob der 
Splitter aus Eisen besteht oder nicht. S. gibt einige Beispiele für die ge¬ 
lungene Extraktion von Splittern aus dem lebenden Gehirn und versichert, daß 
mit dem Magneten niemals auch nur der geringste Schaden entstanden ist. 

_ Dr. Roepke-Melsungen. 


Behelfsprothesen. Von Oberstabsarzt Prof. Dr. H. Spitzy. Deutsche 
med. Wochenschrift; 1916, Nr. 24. 

Um in den Spitälern die Amputierten möglichst schnell auf die Beine 
zu bringen, erhalten sie sofort nach Eintreffen und etwaiger Stumpfbehandlung 
Gipsbehelfsprothesen oder ähnliche Behelfe aus Blech - Filzhülsen, Pappe 
usw. Diese ermöglichen sofortiges, möglichst normales Gehen und erlösen von 
den Krücken. Sie sind aber lediglich als Spitalsbehelf zu betrachten und werden 
nach endgültiger Stumpfgestaltung mit einer Lederprothese vertauscht; 
außerdem bekommt jeder Patient ein Kunstbein. 

Die Lederbehelfsprothese ist absichtlich einfach gehalten, damit jeder 
die Instandhaltung und Wiederherstellung wenigstens dieser einen Prothese 
selbst besorgen kann. Er verläßt das Spital nicht früher, als bis er kleine 
Ausbesserungen in Leder und Metall herstellen kann; er muß sie selbst im 
Spital durchführen und kann sie dann auch zu Hause in jeder Schlosser- und 
Schubmacherwerkstätte vornehmen. Alle Behelfs- und Dauerprothesen tragen 
zur besseren Adaptierung einen Innenriemen der zur Festigung des Ganges 
beiträgt 

Die Behelfsprothesen haben normalisierte Teile, die fabrikmäßig her¬ 
gestellt werden und durch ihre Auswechselbarkeit die Herstellung und In¬ 
standhaltung wesentlich erleichtern. Die normalisierten Bestandteile werden 
aus Bessemer Stahl gepreßt; das ganze Metallskelett für eine Oberschenkel¬ 
behelfsprothese kostet etwa 8 Mark. Statt des Fußplättchens kann auch ein 
Holzfaß angepaßt werden. Der Patient trägt dann für Arbeiten, die er sonst 
barfuß verrichten würde, die Prothese mit dem Fußplättchen und zu Re¬ 
präsentationszwecken Holzfaß mit Zellaloseumkleidung. 

Die Befestigung der Behelfsprothese am Stampfe geschieht entweder 
durch einen Beckengort mit Lederschlingen im Sinne der Marxschen Befesti¬ 
gung oder auch mittels eines Schultergurtes; letzteren haben sich die Verletzten 
von selbst zurecht gemacht, wenn er nicht angebracht war. 

Dr. Roepke- Melsungen. 


B. Saohverst&ndigUntätigkeit ln Unfall- and Inwalldit&ta- and 
Krankenversloherungssaohen. 

Nach der Angewöhnungszelt ist der Verlust eines Auges, auch bei 
einem Schmied mit 26 Proz. ausreichend entschädigt. Rekurs-Ent-' 
Scheidung des Reichsversicherungsamts vom 16. Januar 1916. 




466 


Kleinere Mitteilangen and Referate aas Zeitschriften. 


Wie das B.V.A., besonders in neuerer Zeit, mehrfach aasgesprochen hat, 
kann auch bei Augenverletzungen and dadurch bedingtem teilweisen Verlast 
des Sehvermögens die mit einer derartigen Körperschäaigung zusammenhängende 
Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit immer nar von Fall za Fall geschätzt 
werden. Der Kläger kann deshalb nicht znm Beweise dafür, daß ihm eine 
Teilrente von für die Dauer zastände, auf ein in anderer Sache er¬ 

gangenes Urteil des R.V.A., in dem auch nach Erreichung des Dauerzustandes 
beim Verlust eines Auges eine Teilrente von 33*/s °/o, für eine angemessene 
Entschädigung erklärt worden ist, Bezug nehmen. Der erkennende 8- nat hatte, 
unabhängig von Feststellungen und Entschädigungen in ähnlich liegenden 
Fällen, zu prüfen, welche Beute dem Kläger aus Anlaß seines Unfalls vom 
24. Dezember 1904 gebührt, nachdem unzweifelhaft der Dauerzustand ein¬ 
getreten ist. Insbesondere unter Berücksichtigung der sehr günstigen Arbeits¬ 
und Verdienstverhältnisse des Klägers hat der erkennende Senat keinen Anlaß 
gehabt, im vorliegenden Falle eine Teilrente von 26% als eine nicht aus¬ 
reichende Entschädigung für die Zeit nach dem 81. Oktober 1918 anzusehen. 

_ Kompaß; 1916, Nr. 11. 

Dellriim tremens als Unfallfolge. Rekurs-Entscheidung des 
ReichsversicherungsamtB vom 17. April 1914. 

Am 9. November 1910 verunglückte der Kesselschmied R. dadurch, daß 
ihm ein Kupfersplitter ins Auge flog und dieses an Star erkrankte. R. begab 
sich in die Klinik des Dr. C., der ihn operierte. Zwei Tage nach der Operation 
brach bei dem Verletzten Delirium tremens aus; er Btürzte sich in diesem An¬ 
fall aus einem Fenster der Klinik auf den Hol und zog sich tödliche Ver¬ 
letzungen zu. Die in Anspruch genommene Berufsgenossenschaft verneinte 
ihre Entschädigungsverpflichtung, da der Tod R.s mit dem Betriebsunfall nicht 
in ursächlichem Zusammenhang stehe. Das Reichsversicherungsamt vertrat da¬ 
gegen den gegenteiligen Standpunkt und ordnete die Entscbädigungsverpflich- 
tung mit folgender Begründung an: 

Der erkennende Senat hat kein Bedenken, dem von einer ersten Autorität 
auf dem Gebiete der Augenheilkunde erstatteten in sich schlüssigen Gutachten 
zu folgen und anzunehmen, daß der bei dem verstorbenen R. operierte Star 
eine Unfallfolge gewesen ist. Nach diesem Gutachten bat die ärztliche Be¬ 
handlung anläßlich der Starbildung insofern an dem Ausbruch des Delirium 
tremens und dadurch bei dem Tode mitgewirkt, als dem Verstorbenen 
mit dem Eintritt in die Klinik der Alkoholgenuß völlig ent¬ 
zogen ist unddurch diese Entziehung in Verbindung vielleicht 
mit den Nachwirkungen der Operation der Ausbruch des De¬ 
lirium tremens be gttn stigt, wenn nicht in dem Sinne allein 
verursacht worden ist, daß der Verstorbene ohne die 
Alkoholentziehung und Operation trotz des Alkoholmi߬ 
brauchs dem Delirium tremens überhaupt nicht verfallen 
wäre. Diese Auffassung findet in vielfachen Erfahrungen über die Zu¬ 
sammenhänge und den Verlauf ähnlicher Fälle eine wesentliche Stütze, so 
daß sie an sich gerechtfertigt erscheint. Immerhin würde dieser die Berufs- 
genossenschaft zur Entschädigung verpflichtende Zusammenhang dann nicht 
Festgestellt werden können, wenn anzunehmen wäre, daß dauernder Alkohol- 
mißbrauch in dem Körper des Verletzten bereits derartige Veränderungen 
hervorgerufen hatte, daß auch ohne die Alkoholentziehung oder die Operation 
das Delirium tremens ungefähr zu derselben Zeit bei R. ausgebrochen wäre; 
weil dann Alkoholentziehung und Operation in ihrer Bedeutung als mitwirkende 
Bedingungen bei dem Verlauf der Dinge gegenüber der vorherrschenden Be¬ 
deutung des Alkoholmißbrauchs soweit zurück treten würden, daß sie nicht 
mehr als wesentlich mitwirkende Ursachen im Rechtssinn angesehen werden 
könnten. Für einen derartigen Grad des Alkoholmißbrauchs oder seiner 
Wirkungen im Körper des Verstorbenen fehlt es indessen an jedem sicheren 
Anhalt. Nach alledem war die beklagte Bernfsgenossenschaft bei gegebenem 
Zusammenhang zwischen Tod und Unfall zur Zahlung der Hinterbliebenen¬ 
rente zu verurteilen. 

(Sächsische Korrespondenz; Nachdruck nur mit deren Genehmigung gestattet.) 



Kleiner« Mitteilung«* Und lieferet« ua Zeitschriften 


467 


Erstattung der Arztkostea seiten* der Krankenknssen an Freiwillige 

Mitglieder. Entscheidung des Oberversicherungsamts Gröl* 
Berlin vom 6. Norember 1916. 

Der Kläger war unbestritten als freiwilliges Mitglied der beklagten 
Ortskrankenkasse berechtigt, sich in die Behandlung des Arstes Dr. M. in 
Berlin N. zu begeben, da es sich um einen dringenden Fall (Armbruch) im 
Sinne des Gesetzes handelte (§ 868 R.V.O.). Auch hinsichtlich der Weiter« 
behandlnng der am 9. September 1918 stattgehabten Verletzung durch den ge¬ 
nannten Arzt oder seinen Vertreter durfte der Kläger das Einverständnis der 
Krankenkasse voraussetzen, da er — was die Kasse im Berufungsverfahren 
auf seine ausdrückliche Angabe hin nicht mehr bestreitet — am zweiten oder 
dritten Tage nach dem Unfall der Kasse von seiner Behandlung durch Dr. M. 
Mitteilung machte und die Kasse ihn daraufhin nicht an einen anderen Amt 
wies. Die Weiterbehandlung durch denselben Arnt lag auch im Interesse des 
Behandlungsbedürftigen. Bei dieser Sachlage kann die Krankenkasse nach 
§ 368 R.V.O. die Bezahlung des in Anspruch genommenen Arstes nicht ab« 
lehnen, vielmehr hat sie das vom Erkrankten etwa schon verauslagte Amt« 
honorar zu erstatten oder, soweit es noch nicht bezahlt ist, ihn von seiner 
Verbindlichkeit dem Arzte gegenüber zu befreien, und zwar hinsichtlich aller 
aus Anlaß der Krankenbehandlung notwendig gewordenen Kosten. Der Arzt 
erwirbt auch unmittelbar gegen die Kasse einen Uonoraranspruch aus dem 
Reehtsgrund auftragloser Geschäftsführung (vergl. Hahn, Kommentar zu 
§ 268' R.V.O. Anmerkung e). 

Hiernach ist von der Vorinstanz die Befreiung von der Verbindlichkeit 
des Klägers zur Zahlung des Resthonorars von 42 M. zu Recht ausgesprochen 
worden. Der Betrag wird der Höhe nach für angemessen erklärt. Ob dies 
der Fall ist, kann aber hier dahingestellt bleiben, da es der Krankenkasse un¬ 
benommen ist, sich hierüber noch mit dem Arzte auseinaaderzusetzen, dem 
gegenüber sie verbindlich ist. 1 ) __ 


Die Polizei Ist nicht befugt, die Befolgung von Unfallverhütungs- 
Vorschriften einer Berufisgenesseasehaft zu erzwingen. UrteildesPreuß. 
Oberverwaltungsgerichts (VIII. S.) vom 17.Dezember 1914. 

Der Genossenschaftsvorstand ist befugt, für den Fall der Zuwiderhand¬ 
lung gegen die Vorschriften zur Verhütung von Unfällen Geldstrafen bis zu 
1000 M. festzusetzen. Dagegen ist den Berufsgenossenschaften im Gesetze 
nicht die Befugnis gegeben, die Befolgung der Unfallverhütungsvorschriften 
und die Herstellung der darin geforderten Sicherheitseinrichtungen unmittelbar 
zu erzwingen. Ebensowenig ist durch eine gesetzliche Bestimmung der Polizei¬ 
behörde die Befugnis oder Aufgabe zugewiesen, die Befolgung der Unfail- 
verhütungsvorschriften dem Betriebsunternuhmer gegenüber durch ihre Zwangs¬ 
mittel durchzusetzen, noch den Borufsgenossenscbaften die Ermächtigung er¬ 
teilt, die Mitwirkung der Polizeibehörde zur Ausübung eines Zwanges auf die 
Betriebsunternehmer in diesem Sinne zu fordern. Allerdings verpflichtet § 154 
a. a. 0. die öffentlichen Behörden, „den im Vollzüge des Gesetzes ergehenden 
Ersuchen der Genossenschafts- und Sektionsvorstände zu entsprechen," und 
unter diesen Ersuchen sind nicht nur diejenigen zu verstehen, welche in den 
Unfallversicherungsgesetzen und den zu ihnen erlassenen Verordnungen, Aus- 
führungsbestimmuDgen usw. ausdrücklich vorgesehen sind, sondern jede In¬ 
anspruchnahme einer Behörde, die zur Durchführung der Unfallversicherungs¬ 
gesetze irgendwie erforderlich ist. Immer aber muß cs sich um eine vom 
Gesetze selbst vorgesehene Art der Durchführung seiner Vorschriften handeln. 
Das Gesetz sieht aber die Durchführung der Unfallverhütungsvorsehriften 
mittels polizeilichen Zwanges nicht vor. 

(Sächsische Korrespondenz; Nachdruck nur mit deren Genehmigung gestattet.) 


*) Das Versicherungsamt hatte in seiner Vorentscheidung vom 7. No¬ 
vember 1914 den geforderten Gesamtbetrag von 69 M. als angemessen an¬ 
erkannt und gleichzeitig dahin entschieden, daß der Arzt bei seiner Kosten¬ 
rechnung nicht an die Mindestsätze der preußischen Gebührenordnung gebunden 
sei, da er den Kranken nicht als Kassenkranken, sondern als Privatbanken 
behandelt habe. 



458 


Kleinere Mitteilungen ul Beiernt« nun Zeitschriften. 


• ■ Bericht 4er AngesteHtenversicherung Bber die Gesell lfli»jab re 1918. 
1914 und 1915. 

Die Reichsversicberungsanstalt für Angestellte (R. (. A.) ist am 22. März 
1912 errichtet worden and hat am 1. Januar 1918 inren eigentlichen Geschäfts¬ 
betrieb in vollem Umfange anfgenommen. Bis Ende 1916 gehörten außer den 
Mitgliedern des Diruktonnms der R. f. A. 18 eiatsmäßige höhere Beamte, 
57 kommissarische Hilfsarbeiter, 2 beratende Aerzte nnd 2 Hilfsärzte an. 

Bis znm Schlüsse des Jahres 1918 waren bei der R. f. A. 1685097 Auf- 
nnhmekarten eingereicht. Im Jahre 1914 kamen 228628 and im Jahre 
1916 weitere 216035 Aafnahmekarten hinzu. 

Ruhegeld ist im Jahre 1918 nicht gewährt worden, Hinter* 
bliebenenrente in 8 Fällen, Ruhegeld und Hinterbliebenenrente im Jahre 
1914 in einigen Fällen; im Jahre 1916 wurden Ruhegeld 4mal, Hinterbliebenen¬ 
renten 10mal bewilligt. Mit derHeilfürBorge wurde im April 1913 begonnen. 

Von den im März 1913 bestellten Vertrauensärzten hatten bis zum 
Schlosse dieses Jahres 1177 die vertrauensärztliche Tätigkeit ausgettbt. Die 
Zahl der bis zum 81. Dezember 1918 eingegangenen Anträge au? Einleitung 
von Heilverfahren belief sich auf 10464, von denen bis zum Schlüsse des 
Jahres 6892, d. i. 76,63 Ä /o, der erledigten Fälle genehmigt wurden. Von den 
ia Jahre 1914 eingegangenen 20 187 Anträgen solcher Art wurden 11021, d. i. 
78,7 °/», der erledigten Fälle bewilligt und von den 15079 im Jahre 1915 ein¬ 
gegangenen 7482, d. i. 60,63 */o der erledigten Fälle. Von diesen 7482 znletzt 
genehmigten Heilverfahren betrafen 867 Fälle von Zahnheilverfabren, 82 die 
Gewährung anderer Heilmittel and 6683 ständige Heilverfahren, daronter 2175, 
d. i. 88,29 */o, solche in Lungenheilstätten. 

Durch die Kaiserliche Verordnung vom 16. November 1912 wurde gemäft 
§ 168 V. G. f. A. ein Schiedsgericht in Berlin für das gesamte Reichsgebiet 
und nach der Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 7. Juli 1918 das Ober¬ 
schiedsgericht für die Angestelltenversicherung errichtet. 

Die Gesamteinnahme an Beiträgen belief sich im Jahre 1918 auf 
138128831,77 M., im Jahre 1914 auf 180724 834,32 M. und im Jahre 1916 auf 
108909869,99 M. Für Heilverfahren wurden in den drei Berichtsjahren 
11380260,26 M., 20818 330,41 M. und 24416518,82 M. verwandt. Für Ruhe¬ 
geld und- Renten betrug die Gesamtausgabe im Jahre 1916 6682,79 M. 

(Veröffentlichung des Gesundheitsamtes; 1916, Nr. 26). 


0. Itktsrlologii nd Bsklapftang dar Abertragbaron Krukliltsa. 

1. Fleckfieber. 

Zur Therapie des Fleckflebers. Von C. Hirsch-Göttingen. Deutsche 
med. Wochenschrift; 1916, Nr. 20. 

H. behandelt die Fleckfieberkranken mit häufigen kleinen Chinindonen 
(0,2—0,20 Chinin, mar. 5 6 mal in 24 Std.); ferner erhält der Kranke anfangs 
Digitalis oder ein Digitalispräparat (Digipuratnm), bis er etwa 1,0 g Fol. 
digit. titrat. eingenommen hat. Dann werden auch bei guter Herztätigkeit täg¬ 
lich 2 mal 2 Spritzen 01. campbor. fort, intramuskulär gleichzeitig mit der 
Qhiniudarreichnng gegeben, bei Herzschwäche Kompher und Koffein. Wenn 
es die Witterang erlaubt, kommen die Kranken im Bett ins Freie; bei der 
Freiluftbehandlung erscheint gerade die Lnftwirkung von Bedeutung. Die 
Ergebnisse dieser Therapie sind befriedigend. Dr. R o e p k e • Melsungen. 


2. Genickstarre. 

Zur Lehre von Wesen, Verbreitung nnd Bekämpfung der Meningo¬ 
kokken - Meningitis. Von Privatdoz. Dr. Oeorg B. G r ud e r - Straßburg 1. B., 
Oberarzt der Res. und Abteilungsarzt im 12. bayer. Feldart.-Regt. Aus der 
Königl. bayer. militärärztl. Akademie in Mttnchen. Zeitschrift für Hygiene and 
Infektionskrankheiten ; Bd. 80, il. 2. 

Die Meningitis epidemica oder, wie Verfasser vorschlägt, Mening. meningo- 
coccica ist eine Infektionskrankheit; die Infektion erfolgt vom Rachen aus. 
Kitt gewisser Bruchteil der gesunden Menschen trägt den Meningococcus ge¬ 
wissermaßen als Saprophyten im Schleime des Rachens; jedoch ist zuzugeben, 
daß zu den Zeiten, in denen gehäufte Meningitisfälle anftreten, dieser Bruchteil 



Kleinere Mitteilung« und Referate aus Zeitschrift«. 


4M 


höher sein mag. Auf Grmad der Untersuchungen von 10000 nicht erkrankten 
Soldaten hat G. Mayer den Satz aufgestellt, daß „dor Mcetogoeeccas in der 
Racbenschleimhaat ubiquitär" sei Die Meningitisfälle treten mit geringen 
Ausnahmen im frühesten Frühjahr, späten Herbst und Winter auf, eine 
nur Zeit der Racheakatarrfae; zu diesen Zeiten werden die Meoingokokken 
virulent im Gegensatz zur wärmeren Jahreszeit. Auch Traumen steigern 
gelegentlich die Virulenz bczw. geben die Veranlassung zum Auabrueh 
einer Meningitis epid. Die Meningokokkenträger sind nicht anders aal» 
zufassen und zu behandeln wie die Träger von Pneumokokken. Dafür spricht 
nach die Zeit und Periodizität der Erkrankungen an Pneumonie and Meningitis, 
ferner die Bevorzugung der jüngeren Altersklassen. Die kruppöse Pncwnonio 
Inh wohl z weckmäßig als fort geleitete Entzündung aufzufnasen, v#n der an«, 
dann auf metaatalischem Wege die übrigen Pnenmokokkenhcrde im Organismus 
also nach Pneumokokkenmeningitiden, entstehen. Die Meningokokken-Menin- 
gitis ist schon von vornherein eine Metastase. Die Meningococqaemiß spielt 
eine größere Bolle als man früher nun ahm. Zu erwähnen Ist auch aas Vor* 
kommen der Meningokokken in den Metastasenorten. Der Meningocoqcus lüf 
ein Giftbildner, wodurch sich verschiedene pathologische Befunde erklären; er 
Ist ein obligater Parasit des B&chenschleimes vieler Menschen. Für das Zu* 
standekommen der Krankheit müssen verschiedene Faktoren zusammen wirken; 
z. B. körperliche Disposition uod Schädigung durch das Arbaitsmiliea, du 
die Tröpfcheninfektion befördert. Die Meningitis kann nicht ohne weiteres zu 
den kontagiösen Erkrankungen gerechnet werden. Die Maßnahmen gegen die 
Verbreitung der Meningokokken-Meningitis bestehen darin, daß man der Ver* 
breituDg der Keime dnreh Husten, Spucken, Schnäuzen, Nießen und Pneten ! und 
damit der Entstehung von Hals*, Bachen* und Nasenentsündusgen vorbengt. 
Daraus ergibt sich besonders für Kasernen: 

1. Allzu enge Belegung ist zn vermeidon; die Mannschaften sind so zu 
legen, daß sie sich nicht anhuston müssen. Gute Lüftung, vernünftige Heizung, 
peinliche Sauberkeit der Bäume, Vermeidung aller staub» und rauchentwieketadee 
Tätigkeiten (Verbot des trockenen Kehrensl) sind'in selchen Blumen selbst» 
verständlich. 1 

i. Man sorge für gute persönliche Hygiene der Insassen, Pflege dfes 
Körpers und Mundes etc., Schonung der Stimme, Bekämpfung des Tabak» 
Schnupfens, Vermeidung allzuvielen Nikotin* und Alkoholgenasses. Bei stark« 
Anstrengungen muß anderseits auf genügend Zeit zur körperlichen Buhe ge» 
sehen werden, die aber nicht in engen, rauchigen Lokalen gesucht werden darf. 

Die Aufspürung von Meningokokkenträgern und ihre Isolierung sind 
sehr wenig zweckentsprechend, ebensowenig große Desinfektionsmaßnahm«, 
Absperrung von Kasernen und WohnungBkomplexen. Verfasser will die 
Meningokokken-Meningitis nicht epidemica auch nicht übertragbar nennen, 
wenigstens nicht in dem Sinne, daß sie besonders kontagiös sei und daß jeder 
Meningokokkenträger eine Meningitisgefabr für jeden Nebenmenschen bedeute 
oder daß ein Meningitiskranker eine Gefahr sowohl für die ihn behandelnde und 
pflegende, als ihn sonst umgebende Menschheit darstelle. Genickstarre bezeichnet 
nur wieder ein Symptom, der beste Name ist Meningitis meniogococcicb. 

(Die Ausführungen dürft« auf Grund der Erfahrungen bei den groß« 
Bpidemi« kaum allgemeine Annahme finden. Bef.) 

Dr. L. Quadflieg-Gebenkirohen. 


3. Geschlechtskrankheiten und Bekämpfung der Prostitution. 

Zar Reform der Prostituierteniiberwachung. Von Prof. Dr. Blaschko- 
Berlin. Deutsche Strafrechts-Zeitung; 1916, Heft 1/2. , 

Verfasser befürwortet seinen schon früher gemachten Vorschlag, den 
Kuppeleiparagraphen (§ 180) folgende Fassung zu geben: „Wer eine weibliche 
Person zur Ausübung käuflicher Unzucht verleitet, anwirbt oder anhält, wer 
sich zur Vermittlung käuflicher Unzucht anbietet, wird wegen Kuppelei mit 
Gefängnb nicht unter .... bestraft. Desgleichen stimmt er der von Beg.-Rat 
Dr. Linden au statt § 861 Nr. 6 des Str.G.B. vorgeschlagenen Straf¬ 
bestimmung zu, wonach mit Gefängnis bestraft wird, wer öffentlich in eintfr 
Weise, die geeignet ist, das Sittlichkeitsgefühl zu verletz«, zur Unzucht auf¬ 
fordert oder sich anbietet." Mit Hilfe dieser Bestimmungen sei die Polizei ip 



460 


Kleinere Mitteilungen and Referate am Zeitschriften. 


der Lege, gegen die Gesamtheit der sieh prostituierenden Dirnen voran gehen, 
also nach gegen die sogenannten geheimen Prostituierten, die, weil unkontrollier¬ 
bar, in benag auf die Verbreitung der Geschlechtskrankheiten die Hauptgefahr 
bilden. Die von Linden au als Nebenstrafe empfohlene Dauerüberwachung 
der Prostituierten läßt sieh nach 61.8 Ansicht auch auf anderem Wege erreichen 
and zwar darch strenge ärztliche Ueberwachung und sofortige Zwangsbehand¬ 
lung ineinem Krankenhanse. Von den üblichen Geld- und Freiheitsstrafen wegen 
gewerbsmäßiger Unzucht sollte man möglichst absehen und nur sichernde Ma߬ 
nahmen (ärztliche Ueberwachung, Zwangsbehandlung, Schadenersatzleistung bei 
Ansteckung) fest setzen, za deren Durchführung allerdings in jedem Orte ein 
Gesundheitsamt erforderlich sei. Nur für jugendliche Prostituierte sei Zwangs- 
fdrsorge angezeigt, die hier als Daaermaßnahme die grüßte Aussicht auf 
Erfolg hat. » _ Rpd. 


Prostitutionspolitik nach dem Kriege. Von Dr. Güth, Kommunal- 
inspektor und Leiter der Berliner Sittenpolizei. Oeffentliche Gesundheitspflege; 
1916, Heft B. 

G. bespricht die zurzeit in bezug auf die Bekämpfung der Kuppelei und 
dos Prostitutionswesen geltenden Bestimmungen, sowie die in dem Entwurf zu 
einer neuen Strafgesetzgebung getroffenen Strafbestimmungen und erörtert dann 
in eingehender Weise die Vorzüge und Nachteile der Kasernierung und der 
8traßenprostitution, wobei als Beispiel für das Kasernierungssystem namentlich 
auf die Bremer Verhältnisse und alB Beispiel für die Straßenprostitution auf 
die Erfolge der Berliner Prostitutionsüberwachung Bezug genommen wird. Das 
Bremer System eignet sich nooh Ansicht des Verfassers wohl in ordnungs-, 
anstands- und gesundheitspolizeilicher Hinsicht für kleine und mittlere, aber 
nicht für große Städte. Jedenfalls bedarf die Prostitutionspolitik einer Um¬ 
gestaltung nach folgenden Richtungen: Der bisherige § 361 6 des Str. G. B. ist 
un Sinne des § 805 4 des Vorentwurfes zu ändern und damit die Straflosigkeit 
der Gewerbsunzucht an und für sich einzuführen. Iu gleicher Weise iBt durch 
Ersatz der bisherigen Kuppelei-Paragraphen (180 Str. G.) im Sinne des § 251 
den Vorentwurfes Straflosigkeit der einfachen Wohnungskuppelei vor- 
Zusehen. Weiterhin sind reichsseitig allgemeine, für alle Bundesstaaten ma߬ 
gebende und landesrechtlich einzuführende Vorschriften zu erlassen, nach denen 
die Sittenpolizei überall die gesundheitspolizeiliche Seite ihrer Tätigkeit in den 
Vordergrund zu stellen und gleichzeitig sich zu einer Zentralstelle für das 
seelische Rettungswerk Gefallener zu machen hat, der die Bekämpfung der 
durch die Dirnen hervorgerufenen Störungen der öffentlichen Ordnung und 
Sittlichkeit zwar daneben, — wenn auch nicht weniger nachdrücklich — obliegt. 
Diese Vorschriften müßten den Polizeibehörden freie Hand lassen in der Wohl 
des Reglementierungssystems zwischen Straßenprostitution uud Kasernierung 
oder aber in der Anwendung beider Formen nebeneinander. Im übrigen müßten 
sie bindende Anweisungen enthalten üben ambulatorische Außenbehandlung 
geeigneter geschlechtskranker Mädchen und Einrichtung öffentlicher ärztlicher 
Sprechstunden hierzu, Nachbehandlung im Anschluß an voraufgegangene 
klinische Behandlung, hygienische Aufklärung der Prostituierten - der nicht 
eingeschriebenen wie der eingeschriebenen — durch gemeinverständliche Merk¬ 
blätter usw., mikroskopische Gonorrboekontrolle, Spirocbätennachweis in nötigen 
Fällen, Einstellung venerologischer Spezialärzte in der Reihe der Sittenpolizei¬ 
ärzte, ferner über Sonderverfahren mit minderjährigen Prostituierten, unter 
AngliederuDg einer durch Schwestern oder sonstige geeignete weibliche 
Personen verkörperte Hilfsstelle für Frauen an die Sittenpolizei mit werk¬ 
tätigem Anschluß an die vorhandenen retterischen Körperschaften. Rpd. 


4. Tetanus. 

lieber Tetanus • Schutzimpfung. Von Reg.-Arzt Priratdozent Dr. 
E. Löwenstein-Wien, Leiter des Feldlaboratoriums Nr. 12. Wiener klin. 
Wochenschrift; 1916, Nr. 17. 

Die Frage, ob eine einzige prophylaktische Injektion von Tetanustoxfn 
genügt, den Verletzten vor Tetanuserkrankung zu schützen, wird vom Ver- 


Kleinere Mitteilungen und Referate aas Zeitschriften. 461 

fasser verneint. Jeder Verletzte sollte zweimal mit Tetanassernm gespritet 
werden nnd zwar am 8. und am 8. Tage nach der. Verletzung. 

Oie Inkubationszeiten bei 96 Tetaausfällen betragen: in 6 Fallen bis 
zu 5 Tage, in 43 Fällen 5—10 Tage, in 25 Fällen 10—16 Tage,» in, 14 Fällen 
16—20 Tage, in 6 Fällen über 20 Tage. 

Oer durch die prophylaktische Seraminjektion erreichte Schatz beträgt 
höchstens 5—6 Tage. Um den Organismus während der ganzen Inkubations¬ 
zeit bis za 18 Tagen lückenlos mit Antitoxin za versorgen, empfiehlt daher 
der Verfasser die erste Seraminjektion erst am 8., die zweite 4 Tage später 
Torzunehmen. _ Dr. M a y e r - Simmera. 


5. Milzbrand. 

Beitrag zu der Lehre von der Milrhraddmeningltls. Von Dr. Ernst 
von Czyhlarz, Primararzt nnd Privatdozent. Aas der III. med. Abteilang 
des Kaiser Franz Joseph-Spitals in Wien. Wiener klinische Wochenschrift; 
1916, Nr. 25. 

In dem von ihm bearbeiteten Teile des Handbaches der ärztlichen 8ach : 
▼erständigentätigkeit von Di tt rieh sagt Kolisko: „Es gibt Milzbrandfälle, 
welche ungewöhnlich Tasch und unerwartet, ja selbst ohne daß der Betreffende 
oder seine Umgebung eine Ahnung von der schweren Infektion gehabt batten, 
znm Tode führen und erst durch die Obduktion die eigentliche Ursache des 
Todes als eine Milzbrandinfektion nachgewiesen wird. In solchen rapid ver¬ 
laufenden Fällen findet man als die Ursache des plötzlichen Todes eine 
Intrameningealhaemorrhagie.“ Dem Autor gelang es nicht, in der Literatur 
einen Fall von Milzbrandmeningitis ohne tödlichen Ausgang ausfindig^ za 
machen. Er selbst batte dagegen Gelegenheit, eine rasch in Heilung aas¬ 
gehende Form der Milzbrandmeningitis zu beobachten und zwei andere 
wurden ihm mitgeteilt. In dem einen Falle handelte es sich um einen 
Pferdewärter, der unter schwersten meningitisartigen Erscheinungen — vor 
allem anter überaus heftigen Kopfschmerzen — erkrankte. Eine auffallend rasche 
Besserung und Heilung trat nach der Lumbalpunktion ein, wobei in.der 
blutig gefärbten Flüssigkeit Milzbrandbazillen nachgewiesen wurden. 

In dem Falle des Verfassers handelte es sich um eine 24jährige Hilf s- 
arbeiterin, die vor 3 Tagen unter Erbrechen, heftigem Kopfschmerz und 
Schüttelfrost erkrankt war. Bei der Aufnahme war sie tief benommen. Es 
bestand Nackenstarre, Lähmung der linken oberen Extremität, des linken Mund- 
facialis und der linken unteren Extremität. Die Lumbalpunktion ergab eine 
hämorrhagische Flüssigkeit, die große, G r a m - positive mildbrandartige Stäbchen 
enthielt; bei der Züchtung wurde eine Reinkultur von Milzbrandbazillen ge¬ 
wonnen. Die Wasscrmannsche Reaktion mit dem Venenblute der Patientin 
war negativ, die mit dem Liquor ebsp. stark positiv. Am dritten Tage nach 
der Punktion war das Sensorium frei, der Kopfschmerz geschwunden. Die 
Wassermannsche Reaktion blieb dauernd negativ, eine hubseitige Lähmung 
blieb auch nach Wiedereintritt guten Befindens zurück. 

(Ueber die Infektionsquelle enthält leider der Aufsatz keine Angaben.) 

Dr. Mayer-Simmern. 


D. Hygiene and 6ffentUohez Oeeandhelteweeen. 

1. Gewerbehygiene. 

Hautschädigungen durch Kalkstickstoff.' Von Reg.- und Med.-Rat 
Dr. K o e 1 s c h - München. Zentralblatt für Gewerbehygiene; 1916, Nr. 5. 

Der relativ hohe Kalziumgehalt des Kalkstickstoffes legt von vornherein die 
Vermutung nahe, daß dieser Verätzungen zu erzeugen vermag. Mehr noch als bei 
den pflanzlichen Lebewesen macht sich die Aetzwirkung am Menschen geltend, 
der mit dem feinpulverigen, daher leicht verstaubbarea Kalkstickstoff bei der 
Herstellung oder Verwendung zu arbeiten hat. 

Schutzvorschriften für die landwirtschaftlichen Verbraucher hat die 
Verkaufsveroiuigung für Stickstoffdünger, G. m. b. H. in Form eines Merkblattes 
zosammengestellt. Es sind recht weitgehende Maßregeln, die die Verkaufsyer- 
einigung empfiehlt; im Hinblick aaf manche ländliche bezw. kleinbäuerliche 
Verhältnisse mag ihre Durchführbarkeit and Durchführung mit Recht an- 



468 Kleinere HRteilnngen ud Beiente aas Zeitschriften. 

gemreüelt werden. Immerhin sind aic geeignet, die Aufmerksamkeit der Ver¬ 
braucher za erregen ud diese zur Vorsicht na ermahnen; dadurch werden 
sicher manche Verätzungen vermieden werden, die sonst eine Wochen- and 
monatelange Brwerbsbescaräaking zur Folge gehabt hätten. 

Dr. Wo 1 f - Haaan. 


Einiges über di« Beschäftigung von Arbeiterinnen und jugendlichen 
Arbeitern während des Krieges. Von Gewerbeassessor Kö rner-Potsdam. 
Zentralblatt für Gewerbebygiene; 1916, Nr. 5. 

Aach bei den außergewöhnlichen Verhältnissen der Kriegszeit scheinen 
die Forderungen unserer Arbeiterechutzgesetzgebung so weit durebgefflhrt 
zu sein, als es mit den Interessen der Landesverteidigung vereinbar ist. Gewiß 
sind bei der Beschäftigung von Frauen und jugendlichen Arbeitern auch manche 
Uuznträglichkeiten vorgekommen; im allgemeinen werden aber dank der lang* 
jährigen Hebung und der offensichtlichen Erfolge unseres Arbeiterscbutzes durch 
Schaffung hoher, luftiger und möglichst staubfreier Arbeitsräume, durch weit* 
gebende Verwendung maschineller Einrichtungen, durch Schutz gegen Unfall- 
gefafar nnd giftige 8toffe nsw. schwere Nachteile für die Gesundheit 
der besonders schatzbedürftigen Arbcitcrartcn verhindert. Trotzdem maß 
etwaigen Bestrebungen, die Branchbarkeit der weiblichen Arbeit auch nach 
Friedensschi aß als billige Arbeitskraft zu verwenden, cntgcgcngchalten werden, 
daß der jetzige Umfang der Frauenarbeit vom volkswirtschaftlichen Standpunkt 
aus durchaus nicht zu billigen ist. Falls es notwendig werden sollte, wird 
man sogar eine Verschärfung unserer Arbeiterschutzgesetzgebung nicht scheuen 
dürfen, um die große Zahl der Frauen, die die Not der Kriegszeit zur Fabrik¬ 
arbeit gezwungen bat, ihren wichtigen Aufgaben in Haus and Familie wieder 
zuzofünren. Dr. W o 1 f - Hanau. 


2. Nahrungnxaittelhygiene. 

Me Resorbierbarkeit der Nährhefe. Von Max Rubner. Münchener 
med. Wochenschrift; 1916, Nr. 18. 

Die grüne Pflanze ist die eigentliche Maschine zur Gewinnung von 
Nahrung und Energie, alle anderen Bestrebungen sind vorläufig aussichtslos. 
Auch die Nährhefe hat eine Vermehrung der Nahrungsmittel nicht gebracht. 
Die Von der Nährhefe zum Aufbau verwendeten Nährstoffe werden auf dem 
Acker viel zweckmäßiger verwendet als durch den Umsatz mittels Hefe. 
Praktische Ernährung ist nicht nnr im Stoffwecbselproblem, sondern im Problem 
der Nahrungsmittel, ein diätetisches Problem. Wir sind noch lange nicht so 
weit, um mit der Lösung des Stoffwechselproblemes zufrieden zu sein. Die 
Hefe zeichnet sich durch erheblichen N-Gcbalt ans, der wesentlich auf Eiweiß- 
stoffen und Nnkleinverbindungen za beziehen ist. Die Zellcnmembran ist sehr 
dünn; man nimmt an, daß sie aus Zellulose besteht. Versuche mit Hefen* 
verfütterung au Hunden, die noch dazu die nötige Menge Fleisch erhielten, 
ergaben schon am zweiten Tage einen dünnen, gasigen Kot; die Fleischver- 
fütteruDg hat gewissermaßen die Resorption der Hefe mit besorgt. Das Ge* 
Samtresultat der Resorption der Hefe ist aber nicht ungünstig; trotzdem sind 
die in den Reklameschriften enthaltenen Urteile mit Mißtrauen anfznnebmen, 
da sie stets eine Verwechslung des Nährstoffwertes mit der diätetischen Be¬ 
deutung enthalten. Die Hefe kann nie die Bolle des Fleisches übernehmen; 
sie iat weder Fleisch noch Pflanzenfleiscb, denn letzteres gibt cs bis jetzt 
überhanpt nicht. _ Dr. G r a ß 1 - Kempten. 


3. Schulhygiene. 

Frellufkerzlehuug. Voa Margarete Weinberg. Halbmonatsschrift 
für soziale Hygieae und praktische Medizin; 1916, Jahrgang 84, Nr. 10. 

Den Ursprung der Freiluftschule bildet das Sanatorium; schon vor 
12 Jahren wandte die Stadt Charlottenburg diese Erziehungsmethoden an. 
Verfasserin schildert den Stundenplan einer englischen Schule, wo die Kinder 
fast den gesamten Unterricht im Freien genießen. Sie erwähnt dann die 
Freiinftklasse, wo der Unterricht in einer Klasse gegeben wird, die an einer 
L ä ngn a ei te ganz edfan ist. Ein weitem Typus für Frailuftersiehang ist die 



Besprechungen. 


4M 

Spielplatzklasse, wo die Kinder bei günstiger Witterung auf dem SpMplats 
unterrichtet werden. Die Kinder sollen an gute Lnft gewohnt and ihnen 
gegen verdorbene Lnft Widerwillen eingeflößt werden; außerdem sollen sie nr 
Reintiehkeit and zar Körperpflege angehalten werden. 

Dr. Hof f mann-Berlin. 


4. Jugendfürsorge. 

Die Erziehung der Jagend zar Wehrtiichtlgkelt. Von Schularzt Dr. 
Wimmenaaer-Mannheim. Zeitschrift für Schulgeeundheitspflege; 1916, Nr.6. 

Verfasser kritisiert den Aufsatz von Thiele über „Aerztliche Beob¬ 
achtungen an Teilnehmern eines Armeegepäckmarsches“, in dem dieser der- 

S leieben Unternehmungen fär unbedenklich hält, obwohl nach dem Ergebnis 
er Untersuchungen eine große Anzahl der Teilnehmer allerlei Stoffwechsel* 
Veränderungen aufzuweisen hatte. Wimmenauer warnt davor, solche Ex¬ 
perimente mit unserer Jugend zu wiederholen. Er will überhaupt nicht 
dergleichen militärisch gerichtete Leibesübungen bei unserer Schuljugend ein¬ 
geführt wissen, wendet sich aber vor allem entschieden dagegen, den Turn¬ 
unterricht etwa auf Kosten eines halbtheorctischen militärischen Dienstunterrichts 
zu beeinträchtigen. Die Entfaltung der jugendlichen Kräfte soll man nach 
ihm sich in den Formen auswirken lassen, die ihr angemessen und natürlich sind. 

Wie die Sachen jetzt liegen, glaubt Referent, wird eine irgenwie ge¬ 
artete körperliche Ausbildung unserer Schuljugend im Sinne einer gewissen 
Vorbereitung zum Militärdienst künftig eingeführt werden. Ernstliebe Bedenken 
dagegen dürften auch seitens der Schulhygiene kaum za erheben sein, sofern 
dem Sebalarzt die nötige Mitwirkung zuteil wird. 

_Dr. Selbrig-Königsberg. 

fl. Krankenftlnwrge. 

Ledigenheim Charlottenburg. Halbmonatsschrift fflr soziale Hygiene 
und praktische Medizin; 1916, Jahrg. 24, Nr. 10. 

Aus dem Bericht über das Geschäftsjahr des Ledigenheims Charlotten* 
bürg interessiert, daß von den Ledigen, die das Heim benutzten, 877 im- Älter 
uater 20 Jahren, 693 im Alter von 21 — 40 Jahren, 316 im Alter von 41. bis 
50 Jahren, 99 im Alter von 51—60 Jahren, 48 im Alter von 61—70 Jahren und 
24 im Alter von über 70 Jahren .standen. Dr. Hof f mann-Berlin. 


Besprechungen. 

Prüf. Sr. X. v. Buebka, Geh. Ober-Reg.-Rat und Vorstand der Kaiserlichen 
Technischen Prüfnngsstelle in Berlin: Das Lebensmittelgewerbe. Eia 
Handbuch für Nahrungsmittelchemiker, Vertreter voa Gewerbe and Handel, 
Apotheker, Aerzte, Tierärzte, Verwaltuegsbeamte und Richter. 1. Band. 
Leipzig 1913/15. Lex. 8“; 891 8. Preis: 38 M., geb. 40 M. 

In dem unter Mitwirkung zahlreicher Mitarbeiter verfaßten Handbaeh 
haben sich der Herausgeber und die Bearbeiter der einzelnes Abschnitte die 
Aufgabe gestellt, die zur Erzeugong unserer Lebensmittel dienenden Rohstoffe, 
deren Menge und technische Verarbeitung, auch die Bin- und Ausfuhr dor 
Rohstoffe und der fertigen Erzeugnisse eingehend zu berücksichtigen. Gleich- 
neitig sind aber auch alle für die Feststellung der stofflichen Bcschaflenheit 
der Lebensmittel in Betracht kommenden Fragen, ferner die auf die Ueber- 
wachung des Verkehrs mit Lebensmitteln bezüglichen gesetzlichen Bestim¬ 
mungen, nach die des Auslandes, soweit dies für den Inlands«erkefar von 
Wichtigkeit ist, sowie endlich die Rechtsprechung in Lebensmittelfragen eia* 
gehend in die Darstellung cinbezogen worden. Es sollte aof diese Weise ein 
möglichst vollständiges Bild des gesamten LebensmittelgeweTbes und aDev 
darauf bezüglichen, die Erzeugung und den Vertrieb der Lebensmittel 
betreffenden Fragen vom Standpunkte der Lebensmittelgesetzgebnng ans ge* 
geben werden. Diese Anfgabe ist, soweit sich nach dem bisher vollständig 
erschienenen ersten Bande beurteilen läßt, in vorzüglicher Weise gelöst. Gerade 
jetzt, wo infolge des Krieges die Nahrungsmittelfälschang und die Herstellung 
minderwertiger Ersatznährstoffe einen ganz außerordentlichen Umfang ge- 



464 


Besprechungen. 


nommea hat,' hat ‘ein derartiges Werk einen doppelten- Wert und wird 
deshalb auch Ton den in Betracht kommenden Kreisen mit großer Freude 
begrüßt werden. Der erste Band bringt zunächst als Einleitung zwei Ab¬ 
handlungen über menschliche Nahrang (Prof. Dr. Kreutz, Privatdozent in 
Straßbarg L Eis.) and über Nahrangsmittelverkehr im allgemeinen (Prof. Dr. 
v. B n c h k a), von denen namentlich die letztere, in der auch die Gesetzgebung 
eingehend berücksichtigt ist, die Leser dieser Zeitschrift interessieren dürfte. 
Es folgen dann die Abschnitte Uber alkaloidhaltige Nabrungs* and 
Genaßmittel — Kaffee und Kafffee-Ersatzstoffe sowie Tee (Dr. A. Haster- 
1 ik• München), Kakao und Schokolade (Prof. Dr. A. Kreutz) und Tabak 
(Dr. H. W i 11 e - Merseburg) (Abschnitt I) —, über Essig (Dr. H. Witte-Merse¬ 
burg) (Abschnitt II), über Proteinhaltige Nahrungsmittel. — Fleisch 
and Fleischwaren sowie Eier (Prof. Dr. A. Re in sch-Altona) (Abschnitt III), 
über Speisefette and Oele (Dr. K. Fis eher-Bentheim) (Abschnitt IV) and 
über Trinkbranntweine and Liköre (Dr. W. Bremer) (Abschnitt V). In allen 
diesen Abschnitten wird überall zunächst eine Schilderung der betreffenden 
Lebensmittel, ihr Vorkommen and ihre Herstellung sowie die Beaufsichtigung 
des Verkehrs damit gegeben; es folgt dann eine Darstellung ihre chemische 
Zusammensetzung, an die sich noch solche der Untersuchungsmethoden (Probe¬ 
entnahme, Sinnenprüfnng, mikroskopische und chemische Untersuchung) an- 
schließt. Hierauf folgen Anhaltspunkte für ihre Beurteilung unter Berück¬ 
sichtigung der Rechtsprechung sowie eine Besprechung der Verfälschungen 
und der Ersatzstoffe. Die sachgemäße, klare und alle einschlägigen Punkte 
berücksichtigende Darstellung der einzelnen Abschnitte zeigt, daß ihre 
Verfasser, die sowohl durch ihre bisherige wissenschaftliche Tätigkeit, und 
vor allem durch ihre berufliche Erfahrung die eingehendste Vertrautheit 
mit den von ihnen bearbeiteten Sondergebieten besitzen, ein Werk geschaffen 
haben, das als zuverlässiger Ratgeber niemals im Stich lassen und sich als 
solches nicht nur bei chemischen, sondern auch bei wirtschaftlichen und 

S oaetzliehea Fragen auf dem Gebiete des Lebensmittelgewerbes bewähren wird. 
[Qge es deshalb eine recht weitgehende Verbreitung finden. Rpd.. 


Zwsitsi und dritten Jah roa-gupplomoat 1910/1611 (Baad XXHI) 
«ad 1911/19 (Band XXIV) zu Bayern Grossem Koawarnatloan- 
1 Lexikon, sechste, gänzlich neubearbeitete und vermehrte Auflage. 1006 bezw. 
1020 Seiten Text mit 994 bezw. 1160 Abbildungen, Karten nnd Plänen im 
Text und auf 90 bezw. 110 Bildertafeln (darunter 9 bezw. 7 Farbendrucktafeln 
und 7 bezw. 14 selbständige Kartenbeilagen) sowie 3 bezw. 8 Textbeilagen. 
In Halbleder gebunden je 10 Mark oder in Prachtband je 12 Mark. Ver¬ 
lag des Bibliographischen Instituts in Leipzig nnd Wien. 1914 u. 1916. 

Das Bestreben des Verlags von Meyers Großem Konversations-Lexikon, 
diesee bedeutende Werk auch weiter mit der unaufhaltsam vorwärts drängenden 
Zeit Schritt halten zu lassen, kommt durch die Herausgabe von zwei neuen 
Bänden, des zweiten und dritten Jahres-Snpplements (Band XXILI), zum 
Ausdruck, dessen vielseitiger Inhalt einmal vieles inzwischen Veraltete ergänzt, 
richtigstellt und fortführt, sodann aber auch durch eine beträchtliche Reihe 
völlig neuer Artikel überrascht. Im zweiten Jahres-Supplement finden wir 
z. B. höchst lehrreiche Beiträge znr Fortführung der Staatengeschichte und 
ihrer wirtschaftlichen Beziehungen, gehaltvolle Uebersichtsartikel über die Er¬ 
forschung der fremden Erdteile, Einzelartikel über die Besitzveränderungen der 
M&ohte und ihren Kolonien,- über die Entwicklung der Großstädte Berlin, 
London, Neuyork, Paris, Wien, ferner die trefflichen Berichte über die Literatur 
der verschiedenen, Länder, desgleichen solche über die Fortschritte der Chemie, 
der chemischen Technologie und Metallurgie, der Physik und Technik, der 
Medizin und Bakteriologie usw. In dem ebenso vortrefflich bearbeiteten 
dritten Jahres-Supplement (Band XXIV) interessieren die Leser dieser Zeit¬ 
schrift die zahlreichen, sich mit der Arbeiterfrage befassenden Abhandlungen 
über: „Arbeiterversicherung“, „Arbeitsmarkt“, „Arbeitsnachweis“, „Minimal¬ 
lohn“, „Reichsarbeitsblatt“, „Sehieds- und Einignngsämter“, „Versicherung im 
Deutschen Reich“, „Sozialpolitische Gesetzgebung“ u. a. und vor allem die Ab¬ 
handlungen über die sozialen Fragen: „Mittelstandsbewegung“, „Kriegs¬ 
wirtschaft“ (Krieg und Volkswohlfahrt), „Moralstatistik“, „Alkohol!tmus und 



Tagten ächrichten. 


4M 


8chule“, -Schulspeisungen 14 , „KfalderheÖÄt&tten‘, ^Kinderleseh&llen 44 , „Kinder* 
Volksküchen 44 , „Sterblichkeit im Beruf“*' „Bevölkerungsbewegung“ ^Geburten- 
rttckgang!), „Einfamilienhaus* u. a. Kein Besitzer des Leilkonö sollte sieh 
die Anschaffung der Bände entgehen lassen, die übrigens auch- als selbständige 
Werke Von großem Nützen und praktischer Bedeutung sind. 

Dr; Boepke-Melsungen. ' 


Tagesnachrichten. 

Der Vorstand des Kriegsernährungsamtes hat im Verein mit den 
Vorständen zahlreicher großer wirtschaftlicher Verbände Unter dem 1. d. Mts. 
folgenden Aufruf au die Verteidiger des Vaterlandes im Inlande 
erlassen, der hoffentlich' überall volle Zustimmung und Beachtung linden wird: 

„Zwei volle Kriegsjahre mit all ihren Schrecken und Nöten haben die 
Deutschen nunmehr ertragen müssen.' Ungeheure Opfer sind ihm aufgelegt 
Worden. Sie wurden dargebracht, weil die Abwehr des Angriffes einer Ueber¬ 
zahl von Feinden auf den Bestand des Beiches und die Freiheit der nationalen 
und wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands sie forderten. Der unvergleich¬ 
liche Todesmut unseres Meeres hat sich als unüberwindlich erwiesen. 

Von wichtigen Zufuhrstraßen des Weltverkehrs abgeschnitten und auf 
den Ertrag der eigenen Scholle angewiesen, hat das deutsche Volk das 
zweite schwere Kriegsjahr zu überstehen vermocht, indem es tapfer und 
entsagungsvoll seine Friedensgewohnheiten änderte und durch .Einschränkungen, 
ja durch Entbehrungen die schwere Mißernte des letzten Jahres auszugleichen 
wußte. 'Der Höhepunkt der an die Entsagungsfähigkeit des Volkes gestellten 
Anforderungen traf zusammen mit den gewaltigsten militärischen Anstren¬ 
gungen, die je ein Volk bei der Abwehr einer Unzahl von Feinden zu 
leisten hatte. 

Neben dem wütenden Kampf gegen die lebendige Wehr, die Heimat und 
Herd des deutschen Volkes schützt, führt der Feind einen schmählichen 
Krieg gegen Frauen Und Kinder. Was die Waffengewalt auf dem 
Schlachtfelde nicht vermag, das soll der Hunger erzwingen. Wir sollen mürbe 
gemacht, der zähe Widerstand unserer Heere in der Heimat gebrochen 
werden. 

Das wird ihnen nicht gelingen. Auf den heimischen Fluren reift 
uns eine Ernte entgegen, die reicheren Ertrag verspricht, als die vorjährige. 
.Sie wird uns die Sicherheit bieten, daß bei richtiger, die Mängel der bisherigen 
Regelung .vermeidender Verteilung die Hingabe der Opferwilligkeit unseres 
Volkes keine seine Kräfte übersteigende Belastungsprobe erfahren wird. 

Das Kriegsernährungsamt wird alles daran setzen, - daß die 
Nahrungsmittel gerecht und gleichmäßig verteilt werden und daß die Preise 
nicht über die durch die Kriegsverhältnisse gebotene. Grenze hinausgehen. 
Soweit sich ohne Gefährdung der Bedarfssicherung eine Senkung des Preis? 
Standes der Nahrungsmittel ermöglichen läßt, wird darauf hingewirkt werden. 
Auch bei Durchführung dieser Grundsätze muß sich das deutsche Volk Be¬ 
schränkungen auferlegen. Sie sind aber gering -anzuschlageu gegenüber dep 
Entbehrungen und Opfern, die unser Heer seit zwei Jahren willig trägt. 

Unermeßlichen Dank schulden wir in der Heimat den Tapferen da 
draußen, die .unsere Grenzen, schützen, Ihr. Vorbild soll uns leiten bei der 
Anpassung an die Kriegsernährungsverhältnisse. So erfüllen wir einen Teil 
unserer Dankespflichten und bekunden den unerschütterlichen Siegeswillen des 
deutschen Volkes durch die Tat. 

Errichtung eines Kriegswucheramtes. Der preußische Minister des 
Innern hat die Errichtung einer besonderen Zentrale zur Bekämpfung des 
Wuchers und sonstiger unlauterer Gebahrungen im Verkehr mit Gegenständen 
des täglichen Bedarfs verfügt, die dem Königlichen. Polizeipräsic 
dium in Berlin angegliedert wird und die Bezeichnung „Kriegs- 
wucheramt“ führt. Das Amt wird seine Tätigkeit am 15. August auf¬ 
nehmen. Es soll mit den Polizeibehörden und den Behörden der Staatsanwalt- 



4M IigMMUfihtili 

schalt im gaüida Lude in Verbindung treten und nametttlich auf ein enges 
Zusammenarbeiten zwischen Polizei, Staatsanwaltsehait und Gericht hin wirken. 
Deshalb sind ihm sowohl Verwaltungsbeamte, wie Beamte der Staatsanwalt* 
Schaft zugeteilt. Die oberste Leitung des Kriegawucheramtes liegt-in 
der Hand des Polizeipräsidenten Ton Berlin; als Beamte werden auch Sach* 
verständige aus den. verschiedenen Wirtschaftszweigen vom Minister des 
des Innern zu ständigen Mitgliedern des Kriegswucheramtes bestellt werden, 
damit in der wichtigen Tätigkeit des Amtes die praktischen Erfahrungen an* 
erkannter Sachverständiger gebührend zum Ausdruck kommen. Außerdem 
wird dem Kriegswucheramte, um eine ständige Fühlung mit den verschiedenen 
Erwerbszweigen und mit der Oeffentlichkeit zu erhalten, ein beratender 
Ausschuß beigegeben, in den Vertreter der Landwirtschaft, der Industrie, 
des Bandwerks und der Verbraucher, sowie im öffentlichen Leben stehende 
Männer durch den Minister des Innern berufen werden. 

Das Kriegswacheramt soll die Bekämpfung des Kriegswuchers 
und ähnlicher Unlauterkeiten einheitlich leiten und möglichst wirksam 
gestalten; namentlich hat es seine Aufmerksamkeit anf die Verfolgung von 
Ueberschreitungen der Höchstpreise und übermäßigen Preissteigerungen, Zurück* 
haltung von Waren, Kettenhandel, den Schwindel mit Ersatzmitteln 
und weiteren derartigen Mißständen zu lenken. Seine Zuständigkeit erstreckt 
sich jedoch nur auf Gegenstände des täglichen Bedarfs, besonders auf 
Lebens- und Futtermittel aller Art, rohe Naturerzeugnisse, Heiz* und 
Leuchtstoffe, Waschmittel, Kleidungs- und Schuhwaren. Der Minister des 
Innern hat dem Kriegswucheramt umfassende Befugnis gegenüber den Polizei¬ 
behörden und andern Preisprüfungsstellen beigelegt. Eine größere Zahl eigener 
Exekutivbeamten ermöglicht es dem Kriegswncheramt, in wichtigeren Wncher- 
fällen ohne Zeitverlust Ermittelungen im ganzen Lande mit Unterstützung 
der Polizei anzustellen. Ueber das Zusammenwirken zwischen den Behörden 
der Staatsanwaltschaft und dem Kriegswucheramt hat der Justizminister nähere 
Anordnungen erlassen. 

Man kann die Errichtung des Kriegswucheramtes nur mit Freuden be- 

f 'rüßen; sie entspricht den vielfach auch aus den Kreisen der Medizinalbeamtea 
aut gewordenen Wünschen. 


Im Medizinalamt der Stadt Berlin ist eine Zentralhilfhstelle 
für Krankenernlhrnng unter Leitung des Stadtmedizinalrats Dr. Weber er¬ 
richtet. Hier sollen alle Sonderbewilligungen von Nahrungsmitteln, die von 
den Aerzten auf besonderen, im Medizinalamt zur Verfügung gestellten Attest¬ 
formularen für ihre Kranken beantragt werden, nach vorangehender vertrauens¬ 
ärztlicher Begutachtung bearbeitet werden. Ein besonderes Merkblatt für 
Aerzte, das jedem Attestformular beigegeben wird, unterrichtet diese über alle 
Einzelheiten. Statt Bewilligung von Sonaerzulagen auf ärztliche Bescheinigung 
kann auch die Gewährung von Mittagessen beantragt werden, das von der Küche 
eines städtischen Krankenhauses in drei verschiedenen Formen gegen Erstattung 
der Selbstkosten verabfolgt wird. In erster Linie würde hierbei die Bewilli¬ 
gung von Milch, Mehl statt Brot, Hafergries, Reis, Gries und ähnlichen Roh¬ 
stoffen in Betracht kommen; es können aber auch Bntterzulagen, insbesondere 
für Zuckerkranke, und in begrenzten Fällen Bier und Fleischzulagen gewährt 
werden. 

Weiterhin hat der Berliner Kriegsausschuß für Volksernflhrung in seiner 
Sitzung am 21. v. M. unter Vorsitz von Ministerialdirektor Dr. Kirchner 
beschlossen, neben den städtischen Krankenhäusern Berlins auch die übrigen 
Groß - Berliner Krankenanstalten zur Verabfolgung von Krankenkost her- 
anzuziehen. Mit Rücksicht auf deren zum Teil ungünstige Lage sollen aber 
noch andere Diätabgabestellen eingerichtet werden. Außerdem soll die Schaffung 
ähnlicher Organisationen in anderen Städten in die Wege geleitet werden. Die 
vorbereitenden Schritte dazu haben Ministerialdirektor Dr. Kirchner, Stadt¬ 
medizinalrat Dr. Webir, Prof. Dr. L. Kuttner und San.-Rat Dr, Moll über- 
nommen. 



Die JnbUftMMwtlftuff 4 n PniUukmt Medlzlnalbs— teuTsreins ist 

tm dem Ter zwei Jahren verstorbenen Geh. MecL-RatDr. Finger in Münster* 
borg (Schlesien) in seinem Testament mit einem VermSchtnis von 8000 Mark 
bedacht worden, zn dessen Auszahlung sich seine Witwe in hochherziger Weise 
schon jetzt mit Rücksicht aal den edlen und segensreichen Zweck der Stiftung 
bereit erklärt hat, obwohl ihr die Nutznießung des Kapitals bis zn ihrem 
Tode zustaad. Der verstorbene Kollege hat seinerzeit die Grundnag der Stif¬ 
tung mit großer Freude begrüßt und diese sieht nur damals, sondern auch 
später wiederholt durch namhafte Beiträge unterstützt. Die vorzeitige Aus¬ 
zahlung des Vermächtnisses ist der beste Beweis, daß auch seine hochverehrte 
Frau Gemahlin der Stiftung ein gleiches warmherziges Interesse entgegen¬ 
bringt, wofür wir ihr um so dankbarer sein müssen, als es der Stiftung da- 
durcn ermöglicht wird, die infolge des .Krieges in erhöhtem. Maße an sie heran¬ 
tretenden Unterstützungsgesuche noch mär als bisher berücksichtigen zu 
können. Ihr sowohl, als vor allem dem Stifter selbst der herzlichste und tief¬ 
gefühlteste Dank! Sein Andenken wird von den Mitgliedern der preußischen 
Medizinalbeamten und namentlich ven den Mitgliedern der Jubiläumtiftung 
allezeit in hoben Ehren gehalten werden! 


Der Deutsche Verein für PsycMntrie wird am 21. und 28. Sep¬ 
tember d. J. eine Kriegetagung in München abbaltea. Zn Verhandlungen 
kamen: 1. Erfahrungen aus dem Kriege über die Aetiologie psychopathologi- 
scher Zustände, Berichterstatter: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Bonhoeffer-Berlin. 
2. Dienstbrauchbarkeit der Psychopathen; Berichterstatter: Privatdozent Dr. 
Wilmanns -Heidelberg. 8. Frage der Dienstbeschädigung bei den Psychosen; 
Berichterstatter: Geh. Med.-Bat Prof. Dr. Meyer-Königsberg i. Pr. Am 
22. September wird eine gemeinschaftliche Sitzung mit der Gesell¬ 
schaft Deutscher Nervenärzte stattfinden, auf der die Professoren 
Dr. Oppenheim-Berlin, Dr. Nonne-Hamburg und Dr. Gaupp-Brlangen 
ttbor Neurosen nach Kriegsverletzungen berichten werden. Es wird gebeten, 
eigene Erfahrungen nicht in Form von Vorträgen, sondern in der Besprechung 
der erstatteten Berichte mitzuteilen. 


Ehrentafel. Es haben weiterhin erhalten das 
Biserae Kreuz LKasse: 

Oberarzt d. Bes. Dr. Boerst-Seden (Werra) (Reg.-Bez. Kassel). 
Oberstabsarzt d. L. San.-Rat Dr. Karl Frank-Berlin. 

Generalober- und Korpsarzt Dr. Hahn-Freiburg i. Breisgau. 
Generalarzt d. L. Prof. Dr. Hofmeister-Stuttgart. 

Generalober- und Armeearzt Dr. Merkel-Köln a. Bh. 

Stabsarzt d. Bes. Dr. Neddersen -Aurich (Ostfriesland). 

Oberstabsarzt Dr. Bosenbaum) Kreisarzt in Strelno (Posen). 
Assistenzarzt d. Bes. Dr. Berthold 81ah r-Lübeck. 

Oberstabs- und Divisionsarzt Dr. v. Zander-Perleberg (Reg.-Bez. 
Potsdam). 

Ferner haben erhalten: 

Den Bayerischen Militär-Verdienstorden IV.Klasse mit 
Krone und Schwertern: Oberttabsarzt d. Bes. Dr. Bauh, Bezirksarzt 
in Erding. _ 

Ehre« - OodlohtnlztafoL Für das Vaterland gefallen oder gestorben 
sind ferner: 

Feldunteravzt Fr. Bob rer-Erlangen. 

. Stabsarzt Dr. Emden-Darmstadt. 

Stabsarzt d. Bes. Dr. Hnbert Er misch, Oberarzt an der Provinzial- 
Heil ans t&lt Treptow (Reg.-Bez. 8tettin). 

Stabsarzt d. L. San.-Rat Dr. Fichtel-Hannover (infolge von Krankheit 
gestorben). 

Assistenzarzt d. Bes. Dr. Furtmayr. 

Oberarzt d. L. Dr. Paul Germ er-Magdeburg. 

Oberarzt Dr. Ludwig Hagenau-Straßburg l Eis. 



468 


Ti) }giiw bikh t M. 


'Oberstabsarzt Dr.Hochefseh-Mätbach (Württemberg). 

Oberarzt d. Res. Dr. Pani H ö n s c h - Ostrowo (Reg.-Bez. Posen) (infolge 
▼on Krankheit gestorben). 

Feldunterarzt Felix Leyser-Mühlhausen (Thüringen). ' 

Stabsarzt d. L. Dr. Max Liebers, Oberarzt an der Heilanstalt Dösen 
. bei Leipzig und Gerichtsassistenzarzt. 

Stabsarzt d. Res. Dr. Anton Lurz•Geroldshausen (Untorfranken). 
Feldarzt Dr. Wilh. Emil Nickstaedt-Dortmund. 

Truppenarzt Dr. Paul Hermann Paetzold- Dresden. 

Feldunterarzt E. Priemer. 

Felduntorarzt B. Rem Ley. 

Stabsarzt d. Bes. Dr. Gottfried B o t h • Bad Reichenhall. 

Reg.-Arzt d. L. Dr. Sailer, Stadtarzt in Murrhardt (Württemberg). 
Unterarzt C. ▼. Scheidt-Elsdorf (Rheinland). 

Stabsarzt d. Bes. Prof. Dr. Friedrich Schenk-Marburg (infolge von 
Krankheit gestorben). 

8tabsarzt Dr. 0. Schräder -Düsseldorf. 

Generaloberarzt z. D. Dr. Karl Wilh. Trenkler-Dresden. 
Generaloberarzt a. D. Dr. Bernhard Wende, Lagerarzt am Kriegs¬ 
gefangenenlager bei Zerbst (infolge von Krankheit gestorben). 
Assistenzarzt Dr. Alfred Zahn-Genf (infolge von Krankheit gestorben). 

Weiterhin ist auf dem Felde der Ehre gefallen: Einj.-GefreiterStüd. med. 
Hermann Schmidt, Sohn des Bezirksarztes Dr. Schmidt in Oelsnitz 
(Königr. Sachsen). 


In den letzten vier Wochen ist in Deutschland keine und in 
Oesterreich nur eine Cholera-Erkrankung vorgekommen. 

Fleckfieber-Erkrankungen. Im Deutschen-Reich ist in den Wochen 
vom 25. Juni bis 8. Juli und 9.—15. Juli je 1 Fall unter Kriegsgefangenen'vor¬ 
gekommen; in Oesterreich sind in den 4 Wochen vom 27. April bis 24. Mal 
419, 366, 366 und 440 Erkrankungen gemeldet, davon 294, 310, 297 und 410 
in Galizien; in Ungarn betrug ihre Zahl vom 29. Mai bis 11. Juni: 9, vom 
12.—18. Juni: 6 und vom 26. Juni bis 2. Juli: 1. 

Pocken. Im Deutschenßeich sind in den fünf Wochen vom 26. Juni 
bis 29. Juli 6, 3, 7, 2 und 5 Erkrankungen gemeldet; außerdem sind 53 bzw. 26 
Erkrankungen unter den wolhynischen Rückwanderern in Heilsberg (Reg.-Bez. 
Königsberg) festgestellt; in Oesterreich betrug die Zahl der Cholerafälle 
in den 4 Wochen vom 28. April bis 20. Mai: 187, 274, 287, und 284, davon 
116, 198, 202 und 146 in Galizien. 


Erkrankungen und Todesfälle. an ansteckenden Krankkelten ln 
Preuften* Nach dem Ministerialblatt für Medizinal-Angelegenheiten sind in der 
Zeit vom 25. Juni bis 15. Juli 1916 erkrankt (gestorben) an Pest, Gelb¬ 
fieber, Cholera, Trichinose, Botz, Tollwut: — (—G, — (—), — (—); 
Bißverletzungen durch tollwutverdächtige Tiere: 12 (—), 
6(—), 12(1); Fleisch-, Fisch-und Wurstvergiftung: 4(—), 20(9), 
71 (—); Aussatz: —(1), — (—), — (-); Malaria: — (—), - (—),!<-); 
Milzbrand: 2 (-), 1J (-), — (—); Pocken: 12 (—), 7 (1), 10 (1); 
Fleckfieber: — (—), 2 (—), — (—); Bückfallfieber: — (—), 1 (—), 
— (—); Paratyphus: — (—),' 6 (—), 13 (—); Unterleibstyphus: 
149 (14), 198 (18), 199 (14); Ruhr: 49 (9), 49 (4), 65 (11); Diphtherie: 
1596 (94), 1741 (128), 1694(96); Scharlach: 1309 (48), 1889(67), 1201 (61); 
Kindbettfieber: 53(12), 47 (10), 44(16); Genickstarre: 20(8), 6(2), 
10 (5); spinaler Kinderlähmung: — (—), 1 (—) 1 (—); Körner¬ 
krankheit (erkrankt): 65, 75,124; Tuberkulose (gest): 690, 784, 701. 


Redaktion: Prof. Dx. Rapmund, Geh. Med.-Rat in Minden i. W. 
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29 . Jahrg. 


Zeitschrift — 

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MEDIZINALBEAMTE. 


Zentralblatt 

für das gesamte Gebiet der gerichtlichen Medizin und Psychiatrie, 
des staatlichen und privaten Versicherungswesens, sowie für das 
Medizinal- und öffentliche Gesundheitswesen, einschließlich der 

Hygiene und Bakteriologie. 

Her&usgegeben 

Ton 

Prot Dr. OTTO RAPMUND, 

Geh. Med.-Rat In Minden t.W. 


Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, Sächsischen, 
Wörttembergischen, Badischen, Hessischen, Mecklenburgischen, Thüringischen, 
Braunschweigischen und Eisass-Lothringischen Medizinalbeamtenvereins. 


Verlag von Fiseher’s med. Bnehhandlg R Kornfeld« 

HeraogL Bayer. Hof* jl K. tu K. >- 

Berlin W. 62, Keithstr. 5. 

Audfsi mthmtn Ale Tttiefflhandlunf »otrie alle Anseifenatm ahmtet eilen da« Iv 

and luU&dei «atfefea, 


Nr. 16. 


Bneheint 


S. ud HO. Jeden Mannte. 


20. Aug. 


Beitrag zum Auftreten der Pocken. 

Von Bezirksarzt Dr. Kindler aas Flöha (Königreich Sachsen). 

Nach einem Berichte des Reichsgesundheitsarates an den 
Reichskanzler sind in einigen Gebieten des Reichs Pocken in einer 
gewissen Häufung aufgetreten und infolgedessen die Verwaltung 
und Medizinalbehörden auf besondere Wachsamkeit gegenüber 
dieser Krankheit hingewiesen worden. Die Ausbreitung der 
Krankheit soll darauf zurückzuführen sein, daß die ersten Er¬ 
krankungen von den Aerzten nicht richtig erkannt und deshalb 
nicht zur Anzeige gebracht sind. Hierzu vermag ich selbst 
einen lehrreichen Beitrag zu liefern, der diese Annahme voll 
bestätigt. 

In Z. erkrankte ein noch nicht geimpftes Kind von 
1‘/* Jahren, dessen Vater im Felde stand, auf Urlaub nach 
Hause gekommen war und vorher ungewaschene Strümpfe nach 
Hause geschickt haben soll, an einem Hautausschlag, der zu¬ 
nächst nur den Eindruck von Spitzpocken machte. Dem be¬ 
handelnden Arzte fiel aber auf, daß das Kind stark fieberte 
und daß sich im Gesicht ein besonders starker, zusammen- 












470 


l)r. Klndler. 


fließender Aussohlag bemerkbar machte. Er schöpfte deshalb 
Verdacht auf echte Focken und erstattete pflichtgemäß Anzeige. 
Das sich bei der hierauf vorgenommenen amtlichen Untersuchung 
bietende Bild konnte an dem Vorliegen von echten Pocken 
kaum einen Zweifel lassen. Deshalb wurden sofort die nötigen 
Anordnungen, wie Ueberführung in das Krankenhaus, Impfung 
der Umgegend, Ueberwachung usw., durchgeführt. Das Kind 
starb im Krankenhause. In der Stadt kam hierauf eine weitere 
Erkrankung nicht mehr vor. Der Vater des Kindes konnte 
persönlich nicht als Ueberträger des Pockengiftes in Frage 
kommen, da er erst wenige Tage vor der Erkrankung des 
Kindes aus dem Felde zurückgekommen war. Es blieb höch¬ 
stens die Annahme übrig, daß mit der schmutzigen Wäsche 
allenfalls Pockengift in das Haus gelangt sein könnte. 

Nach etwa 3 Wochen erkrankte in dem der Stadt Z. benach¬ 
barten K. eine hochschwangere 30 jährige Frau unter Erschei¬ 
nungen, die auf die schwerste Form der Pocken (hämorrha¬ 
gische) hindeuteten. Derselbe behandelnde Arzt, durch die 
vorhergegangene Pockenerkrankung aufmerksam geworden, er¬ 
kannte sofort den Ernst der Sachlage, erstattete ebenso schnell 
Anzeige, konnte aber nicht verhindern, daß die Kranke schon 
am nächsten Tage nach eingetretener Frühgeburt unter dem 
typischen Bilde von hämorrhagischen Pocken, noch ehe es 
überhaupt zur Ausbildung von Pusteln gekommen war, ver¬ 
starb. Die vorgenommene Leichenöffnung ergab keinen Anhalt 
für Annahme einer anderen Todesart als Pocken. Der Weg 
der Ansteckung war hier klar nachzuweisen, indem eine Frau, 
die das vorher in Z. gestorbene Kind gepflegt hatte, ohne 
selbst zu erkranken, die Schwägerin und Hausgenossin der 
jetzt Gestorbenen war; sie scheint die Pockenerreger an ihren 
Kleidern in das Haus gebracht zu haben. Nach Durchführung 
der entsprechenden Maßnahmen kam auch in diesem Orte kein 
weiterer Pockenfall vor. 

Wesentlich ungünstiger gestaltete sich dagegen ein Pocken- 
äusbruch in dem Orte W., der zwar auch der Stadt Z. benach¬ 
bart, aber nach einer anderen Richtung liegt. Hier erkrankten, 
wie sich erst nachträglich herausgestellt hat, fast zu gleicher 
Zeit wie in Z. nacheinander 9 Personen, die alle miteinander 
mehr oder weniger verwandt und verschwägert waren und 
engeren Verkehr gepflogen hatten. Die Erkrankungen verliefen 
unter Erscheinungen, die dem behandelnden Arzte, diesmal 
jedoch einem anderen, nur als Spitzpocken imponierten, weil 
der Verlauf meist ein sehr leichter und kurz dauernder war. 
Auffällig war jedoch, daß nur Erwachsene erkrankten, daß sich 
auch bei ihnen höheres Fieber bemerkbar machte und daß eine 
der Personen starb, ohne daß sich der Arzt über die eigent¬ 
liche Todesursache recht klar war. Erst bei dem B. Erkran¬ 
kungsfalle, einem 54jährigen Manne, erschien der Ausschlag so 
stark, daß ihm nunmehr der Verdacht auf echte Pocken auf- 
stieg. Demgemäß kamen die Pockenerkrankungen erst jetzt, 



Beitrag znm Auftreten der bocken. 4^1 

ungefähr 6 Wochen nach dem Auftreten des ersten Falles zue 
amtlichen Kenntnis. Die Untersuchung des betreffenden Kranken 
ergab das Vorliegen eines schweren Pockenfalles, der bald naoh 
Ueberführuug des Kranken in das Krankenhaus tödlich endete. 
Ein kurz darauf ganz bestimmt nur als Spitzpocken bezeichneter 
Fall hatte sich bis zur amtlichen Untersuchung ebenfalls zum 
mittelschweren Pockenfall ausgewachsen. Zwei weitere Per¬ 
sonen, die nach Feststellung des ersten Pockenfalles frisch 
geimpft worden waren, aber die Ansteckungskeime sicher schon 
in sich aufgenommen hatten, erkrankten wieder nur sehr leicht. 

Ueber den Ursprung der Erkrankungen in W. ist ziem* 1 
liehe Klarheit geschaffen worden. Es sind nämlich von einem 
in Rußland Gefallenen Kleider und Wäsche an die Angehörigen 
in W. geschickt worden, die vielleicht vorher nicht desinfiziert 
worden sind. Kurze Zeit darauf erkrankte der Schwiegervater 
des Gefallenen, der das Paket geöffnet und sich weiter mit ihm 
beschäftigt hatte, als erster, und an ihn reihten sich dann 
die übrigen Erkrankungsfälle zeitlich in genauer Folge an. 
Wegen der sehr späten Erkennung des Ernstes der Lage und 
der daraus sich ergebenden Unterlassung der Anzeige konnten 
die nötigen Abwehrmaßnahmen erst sehr spät einsetzen; trotz¬ 
dem kann die kleine Epidemie, «nachdem nunmehr 5 Wochen 
lang kein neuer Fall aufgetreten ist, schon als erloschen be*: 
trachtet werden. 

Aus dieser Epidemie ergeben sich einige beherzigenswerte 
Lehren. Zunächst besteht die Schwierigkeit des Erkennens 
der Krankheit. Es soll nicht verkannt werden, daß der zuerst 
genannte Arzt insofern leichteres Spiel hatte, als schon der 
erste Fall ein annähernd typisches Bild von echten Pocken bei 
einem noch nicht geimpften Kinde bot. Schwieriger war es 
für den zweiten Arzt, die Lage zu erkennen, weil zunächst ein 
Schulfall von Pocken nicht vorlag. Weitaus die größte Zahl 
der jetzt lebenden Aerzte hat wohl überhaupt echte Pocken 
kaum je gesehen, so daß sie beim Auftreten ganz leichter 
Pockenfälle meist nicht sofort auf den Ernst der Sache auf¬ 
merksam werden und nur Spitzpocken anzunehmen geneigt 
sind. Sie müßten aber wohl stutzig werden, wenn solche bei 
erwachsenen Personen unter Erscheinungen, die den Spitz¬ 
pocken nicht eigentümlich zu sein pflegen, auftreten. Es be¬ 
steht ferner die sehr große Gefahr, daß ein recht erheblicbei: 
Teil der ganz leichten Pockenfälle gar nicht in ärztliche Be¬ 
handlung und damit auch kaum zur Anzeige kommt. Wenn 
sich nun selbst für die Aerzte die Unterscheidung zwischen 
Spitzpocken und echten Pocken bei leichten Fällen schwierig 
gestalten kann, so braucht man sich nicht zu wundern, daß 
sich ganze Epidemien auch unter der durch die allgemeine 
Impfung geschützten Bevölkerung Deutschlands entwickeln 
können. Um diesem Mißstand zu steuern, ergibt sich die Not¬ 
wendigkeit, die Anzeigepflicht auch auf die Spitz¬ 
pocken mindestens während der Kriegszeit auszn- 



t)r. E. Richter. 


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dehnen. Diese Maßregel ist auf meine Anregung hin von der 
Verwaltungsbehörde auch sofort für den in Frage stehenden 
Medizinalbezirk angeordnet worden. 

* Die Epidemie lehrt weiter, daß der Impfschutz der Be¬ 
völkerung Zwar ein guter, aber kein vollständiger ist. Es er¬ 
wies sich, daß abgesehen von dem ersten Fall, der ein noch 
nicht geimpftes Kind betraf, von der Krankheit nur ältere Per¬ 
sonen betroffen worden sind, deren Impfschutz weit, in 5 Fällen 
Sogar sehr weit zurücklag; Der Verlauf ist bei 3 von diesen 
sehr schwer und tödlich gewesen, bei den übrigen sehr leicht 
bis mittelschwer je nach der Länge des zurückliegenden Impf¬ 
schutzes. Es ist deshalb dringend erwünscht, daß bei dem 
Auftreten von Pocken die Bevölkerung über die drohende Ge¬ 
fahr aufgeklärt und sofort für allgemeine öffentliche Impfungen 
Sorge getragen wird, um jedermann Gelegenheit zu geben, 
Seinen Impfschutz zu erneuern. In dem Orte W. haben sich 
zu den angesetzten Impfterminen 370 Personen, d. i. 1 Fünftel 
der ganzen Bewohnerschaft, eingefunden. 

Endlich scheint mir die Epidemie den Wert der Abwehr- 
tnaßnahmen klar erwiesen zu haben; denn trotzdem daß in den 
beiden ersten Orten je 1 schwerer und schwerster Fall vor¬ 
gekommen war, ist ihnen doch kein weiterer gefolgt, weil so¬ 
fort Anzeige erstattet und deshalb sofort mit den Abwehr¬ 
maßnahmen eingesetzt werden konnte. Umgekehrt konnte sich 
in W. die Epidemie leicht ausbreiten, weil wegen Verkennens 
der Sachlage keine Anzeige erstattet wurde und deshalb die 
Abwehrmaßnahmen zu spät kamen. Geichwohl ist nicht zu 
verkennen, daß auch hier ihre Wirksamkeit sofort nach An¬ 
ordnung und Durchführung eingesetzt hat, so daß die Epidemie 
recht rasch erlosch. 


Zum Geburtenrückgang in Deutschland. 

Von Dr. E. Richter, Reg.- and Geh. Med.-Rat in Dessau. 

Die Sorgen und Bedenken über den Geburtenrückgang in 
Deutschland wollen mit Recht nicht verstummen und ebenso¬ 
wenig die daraus gefolgerten trüben Voraussetzungen für die 
Wehrkraft und Stärke unseres Vaterlandes. Wenn wir aber 
an eine göttliche Vorsehung glauben, kann uns doch, wie wir 
alle fest annehmen, der Sieg wahrlich nicht zufallen, damit wir 
nach dem Kriege durch dauernden langsameren oder schnelleren 
Geburtenrückgang dem Völkertode, wie unser französischer 
Nachbar, verfallen, der sich im Rückgänge seiner Volksbedeutung 
seit den Freiheitskriegen, also seit hundert Jahren befindet, 
trotz der künstlichen Glanzperiode unter Louis Napoleon. 

Die Frage des Geburtenrückganges hat wohl zuerst, aller¬ 
dings nur theoretisch, der englische Kaplan Thomas Malthus 
schon im Jahre 1798 mit seinen Veröffentlichungen ins Leben 

g erufen, in denen er die Zunahme der Bevölkerung als eine 
Gefahr betrachtete, da nach seiner Annahme die Erde mit ihren 



Zorn Geburtenrückgang in Deutschland. 


473 


Erträgen nicht mehr imstande sein würde, eine vermehrte 
Bevölkerung zu ernähren, und deshalb eine Uebervölkerung zu 
erwarten sei. Die Zeit und die Erfahrung hat seinen Anschau* 
ungen nicht Hecht gegeben, denn durch geeignete und verbesserte 
Kultur ist die Fruchtbarkeit der Erde gegen Irüher vielfach erheb¬ 
lich gesteigert worden. Dagegen hat sich die Neigung zur 
absichtlichen Beschränkung der Kinderzahl oft fälschlich 
der Malthusschen Theorie zu ihrer Rechtfertigung bedient 
Jedenfalls sehen wir jetzt aus eigener Anschauung, daß trotz der 
seit 1798 unendlich vermehrten Einwohnerzahl Europas und 
trotz der ungeheuren Menge von Nahrungsmitteln, die durch 
die kriegführenden Mächte gegenseitig vernichtet wird, zwar 
notwendige Sparsamkeit im Verbrauche der Nahrungsmittel 
und genaue Regelung ihrer Verwendung geübt werden muß, aber, 
abgesehen von einigen außerdeutschen Ländern, in denen nach 
Zeitungsnachrichten Hungersnot herrschen soll, die Zahl der Be¬ 
völkerung wenigstens in Deutschland der malthusianischen Ansicht 
nicht Recht gegeben hat. Wohl aber sehen wir die den Volkswirten 
bekannte Erscheinung, daß mit Zunahme des Reichtums und der 
Mittel, sich ein bequemeres, sogenanntes angenehmeres Leben zu 
schaffen, statt der Zunahme der sehr wohl zu ernährenden Familie 
die Zahl der Ehen sich mindert, und die weniger guten Eigen¬ 
schaften der Menschen, Geiz, Genußsucht, Eigensucht, Neigung 
zur Bequemlichkeit, und wie wir jetzt zu unserem tiefsten Be¬ 
dauern sehen müssen, Wucher, unredliches Geschäftsgebahren 
sich in einem Teile der Bevölkerung gesteigert haben; wir sehen, 
wie mit der gesteigerten Genußsucht und der überstiegenen 
Wertschätzung der äußerlichen Dinge die bewußte Absicht der 
Förderung des Geburtenrückganges in unserem Volke besteht, 
und die Leute, die viele Kinder mit gutem Willen ernähren 
könnten, um äußerer Dinge willen sich auf eine möglichst kleine 
Zahl beschränken. Man konnte nur den Kopf schütteln und 
sich wundern, wenn z. B. ehrbare Familienväter und Mütter 
vor dem Kriege es für notwendig hielten, mit heißem Bemühen 
im Schweiße ihres Angesichtes als gebildete Menschen Tango 
tanzen zu lernen. Wie mögen sich jetzt dieselben Personen, 
die Männer vielleicht teilweis im Schützengraben, wohl in Er¬ 
innerung ihrer Tanzstudien Vorkommen? — 

Wir sehen ferner, daß eine Anzahl Männer, die wohl in 
der Lage und im Alter wären, eine Familie zu gründen, sich 
vor den damit verbundenen Lasten und Ausgaben fürchten, 
damit nur genug für sie übrig bleibt, abgesehen von denen, 
denen ihre „Verhältnisse“ nicht gestatten, in ein eheliches 
Verhältnis einzutreten. Natürlich sind dies bei weitem nicht 
alle, denn es gibt außer den angeführten Gründen noch ehren¬ 
hafte Gründe genug, die dem Manne eine Eheschließung nicht 
wünschenswert erscheinen lassen. 

Die Gründe des Geburtenrückganges liegen also nicht in 
einer Verminderung der Kraft und Gesundheit der im fort¬ 
pflanzungsfähigem Alter stehenden männlichen Personen, von 



m 


Dr. B. Siebter. 


denen doch meist der Anstoß zu einer Ehescheidung ausgeht. 
Die Untersuchungen des Generalstabsarztes v. Schjerning 
und des Generalarztes Nagel beweisen sogar, daß die Kraft 
und Gesundheit, sowie die durchschnittliche Körpergröße der 
Militärtauglichen in den letzten Jahrzehnten zugenommen hat. 

Die Mittel, die von der Gesetzgebung bis jetzt gegen den 
Rückgang der Geburten vorgeschlagen und ausgeführt sind, 
wie Unterdrückung der entsprechenden Anzeigen zur Er¬ 
leichterung der Abtreibung und Bestrafung der Schuldigen bei 
deren Ausübung, sowie Bekämpfung des Alkoholismus, der 
Geschlechtskrankheiten, ebenso der au! sittlichem und religiösem 
Gebiete geführte Kampf dagegen haben leider einen sichtbaren 
und nachweisbaren Erfolg noch nicht aufzuweisen. 

Der Ueberschuß von Lebenden gegen die Sterbezahl 
beträgt zur Zeit allerdings in Deutschland jährlich immer noch 
800000 Menschen. Er beruht aber weniger auf dem Ueberschuß 
an Neugeborenen, sondern darauf, daß die allgemeine Lebens¬ 
dauer infolge der Wirkung der Gesundheitspflege bedeutend 
— mindestens 5—7 Jahre — zugenommen hat. Dies Verhältnis 
wird sich noch bessern, wenn erst die Maßregeln zur Schonung 
der Mütter und die Säuglingspflege aus den Anfangsstadien, in 
denen sie sich noch befinden, heraus sind, und die Wohnungs¬ 
frage befriedigend gelöst ist. Nach einem Vortrage des Kammer- 
herm Dr. von Behr-Pinnow bei der Eröffnung der Deutschen 
Gesellschaft für Säuglingspflege und Kleinkinderschutz am 
21. Juni d. J. sterben jährlich noch 250000 Kinder infolge 
ungeeigneter Pflege, die bei sachgemäßem Verhalten der Mütter 
und Pflegerinnen hätten am Leben bleiben können. 

Die Erscheinung des Geburtenrückganges beschränkt sich 
aber nicht nur auf Deutschland, wo die Geburtenzahl, auf 
1000 Einwohner berechnet, von 42,6 im Jahre 1876 auf 
29,5 Kinder im Jahre 1911 gesunken ist, sondern betrifft alle 
europäischen Völker und Nordamerika mit Ausnahme Rußlands. 
Am größten ist der Rückgang der Geburtenziffer in Frankreich. 

Es ist der steigenden Kultur und den gesteigerten An¬ 
sprüchen an die Lebensführung zu verdanken, daß wir uns 
zurzeit noch sehr weit von dem idealen Standpunkt befinden, 
daß im Staate die Nahrungs- und Erwerbsverhältnisse sich so 
stellen, daß jeder, der erwachsen und arbeitsfähig ist, bei Fleiß 
und Mäßigkeit in der Lage ist, eine Ehe zu schließen und eine 
Familie zu gründen, wie es im Altertum im jüdischen Volke 

§ esetzliche Vorschrift war. Jedenfalls sollte das Streben jeder 
taatsVerwaltung dahin gerichtet sein, diese eigentlich natür¬ 
lichen Verhältnisse herbeizuführen. 

Wie sich aber in früheren Zeiten starker Geburten¬ 
abnahme und starker Abnahme der Bevölkerungszahl die dem 
deutschen Volke inne wohnende Lebenskraft und natürliche 
Stärke selbst geholfen hat, wird diese auch bei der jetzigen 
Geburtenabnahme und den Kriegsverlusten ihre wohltätige 
völkervermehrende Wirkung entfalten. Wenn wir an der Hand 



Zum Geburtenrückgang in Deutschland. 


476 


dar Geschichte die Zeiten betrachten, m denen das deutsche 
Volk durch die verheerenden Pestzüge des Mittelalters* durch 
die inneren Volksfehden, durch den langwierigen dreißigjährigen 
und den siebenjährigen Krieg, in den letzten hundert Jahren 
durch die Freiheitskriege und die Kriege von 1866 und 1870/71 
außerordentlich vermindert war, also naturgemäß auch weniger 
Geburten erfolgten, wenn wir ferner bedenken, in welchen 
Nahrungs- und Wohnungsnöten wenigstens nach dem 30jährigen 
und siebenjährigen Kriege, sowie in und nach dem Freiheits¬ 
kriege die Bevölkerung Deutschlands lebte, so muß man 
erstaunen über die unerschöpfliche Lebens- und Volkskraft, aus 
der nach diesen volksvermindernden Vorgängen in kurzer Zeit 
eine riesige Vermehrung von Menschen stattfand, eine Ver¬ 
mehrung, die Deutschland seinerzeit die Bezeichnung der 
„Kinderstube Europas“ eintrug. Wer alte Urkunden und 
Kirchenbücher aus der Zeit des dreißigjährigen Krieges und 
kurz nach demselben durchliest, wird erstaunt sein über die 
Zunahme neuer Namen besonders in den Dorfgemeinden, wo 
die ausgestorbenen Bauerngüter und kleineren Wirtschaften 
durch ausgediente Soldaten vom Lande, die mit ihren sogenanten 
„Ersparnissen“ — wohl teilweis auch durch Plünderung er¬ 
worben — sich ankauften, heirateten und eine Familie 

g ründeten, in der der Kindersegen als wohltätige HHfe bei 
ewirtschaftung des Eigentums betrachtet wurde. 

Meist blieben damals auch die Kinder auf dem Lande, 
denn die Abwanderung in die Städte war den Söhnen der freien 
Bauern durch das Zunftwesen sehr erschwert, und die Hörigen 
bedurften der oft verweigerten Erlaubnis der Burgherrn zum 
Wechsel des Wohnortes. So kam es, daß, wie auch jetzt noch, 
die ländliche Bevölkerung die der Städte an Zahl übertraf, 
und zwar nicht bloß an Zahl, sondern auch meist an körperlicher 
Kraft gegenüber den in den engen Straßen des Mittelalters 
erwachsenen Städtern. _ : 

Die älteren unter uns kennen aus eigener Anschauung 
die Zunahme der Bevölkerung nach dem Kriege 187Ö/71. 
Nachdem die Gründung des Deutschen Reiches so viele .be¬ 
stehende unnötige und kleinliche Schranken des politischen 
Lebens beseitigt hatte, betrug sie beispielsweise in den Jahren 
1885—1896 elf Millionen. " 

Man kann die nach jedem volksvermindemden Ereignis, 
wie Pest und lange Kriegsnot eintretende Volks vermehrurig, 
die ohne besondere Hilfen, wie die Geschichte lehrt, jedesmal 
eingesetzt hat, als eine Art Selbsthilfe betrachten, die sich 
aus der unverwüstlichen Lebenskraft des deutschen Volkes 
entwickelte. 

Wenn wir nun diese Selbsthilfe durch Maßnahmen unter¬ 
stützen, die sie wirksamer machen, so wird auch der Erfolg 
nicht ausbleiben. Diese Unterstützung ist in hohem Maße durch 
die Beschlüsse des Reichstages gegeben. Insbesondere kommt 
hier das von ihm angenommene Ansiedelungsgesetz der 



476 Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 

Kriegsbeschädigten in Betracht, bei dessen Beratung ara 
10. April d. J. der Abgeordnete Dr. P aas che folgendes 
sagte: 

.Wir sehen in dem Gesetz einen hochbedeutenden Schritt sozialer Für¬ 
sorge für unsere Kriegsinvaliden und Kriegswitwen. Wir begrüßen darin auch 
den Anfang einer allgemeinen sozialen Bewegung, die darauf hinarbeitet, 
diejenigen, die nicht mehr imstande sind, aus eigener Kraft voll das zu 
erwerben, was sie für sich und die Ihrigen brauchen, aus den engen Wohn¬ 
stätten der Großstadt möglichst hinauszuführen in die gesunde Luft des 
Landes, und sie in den Stand zu setzen, sich dort auf kleinem Besitz, auf 
eigener Scholle einen Teil des Lebensunterhaltes zu erarbeiten. Dort werden 
sie das Bewußtsein haben, nicht als müssige und mürrische Rentenempfänger 
in den Großstädten ein nutzloses Dasein zu fristen, sondern könnten immer 
noch mit eigenen Händen auf eigener Scholle geringe Arbeit verrichten und 
mit Hilfe der Frau eine gesunde Nachkommenschaft großziehen." 

Soll durch dieses Gesetz auch zunächst nur den Kriegs¬ 
beschädigten geholfen werden, so eröffnet doch der Schlußsatz 
eine glänzende Aussicht für die Volks Vermehrung. Die kriegs- 
beschädigten Ansiedler befinden sich alle im zeugungsfähigen 
Alter, ohne Hilfe der Frau können sie ihre Scholle nicht be¬ 
bauen, etwaige Kinder sind ihnen eine willkommene Hilfe bei 
der Arbeit. Also auch für spätere Zeiten ist der Plan der 
Siedelung der ehemaligen Krieger einer der großartigsten, und 
in seiner späteren Wirkung hoffnungsvoll und erfreulich. 

Machen weiterhin in dem zu erhoffenden größeren 
Deutschland ländliche Siedler deutscher Nation, die jetzt im 
Auslande sich befinden, sich neu ansässig, so haben wir alle 
Hoffnung, daß das Land, wie es früher gewesen ist, das Sammel¬ 
becken für nationale Volkskraft bleibt und immer mehr sich 
dazu entwickelt, seinen Ueberschuß in die Städte und Kolonien 
abzugeben. Die Sage des Altertums vom Riesen Antäus, der 
durch Berührung der Mutter Erde im Kampfe immer neue Kraft 
schöpfte, gilt auch für uns Deutsche; denn durch immer ein¬ 
dringlichere Berührung und Beziehung zur Mutter Erde und 
ihre Bebauung gewinnt der einzelne und somit das ganze Volk 
neue Kraft, Mut und Selbstbewußtsein. 

Mit diesen Eigenschaften ausgerüstet, wird in Deutschland 
eine fromme, kräftige und kampftüchtige, zahlreiche, schollen¬ 
treue Nachkommenschaft heran wachsen, die imstande ist, das 
jetzt so schwer Errungene fest in der Hand zu behalten und 
weiter auszubauen, sowie den Geburtenrückgang aufzuhalten und 
auszugleichen. 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 

A. Oeriohtllche Medizin. 

Die Mitwirkung des Zyanaiulds. Von Reg.- und Med.-Rat Dr.Koe lach- 
München. Zentralblatt für Gewerbehygiene; 1916, Nr. 6. 

1. Das Zyanamid wirkte im Tierversuch giftig, und zwar subkutan in 
Mengen von etwa 10 mg nuf 50 g Körpergewicht keim Frosch; 1 g auf 1000 g 
Körpergewicht beim Kaninchen tödlich; bei innerlicher Verabreichung wirkten 
beim Kaninchen 0,75—1 g pro 1000 g Körpergewicht tödlich nach etwa 
10 Stunden und mehr, 1,5 g nach etwa 4—5 Stunden. Die Vergiftung*- 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


477 


ersoheinungen bestehen hauptsächlich in Atmungs- und Zirkulationsstörungen 
(vergl. Ziff. 4). 

2. Mengen von etwa 0,2 g auf 1000 g Körpergewicht per os machten 
beim Kaninchen keinerlei bemerkbare Veränderungen. Auch beim Menschen 
machen die bei der industriellen oder landwirtschaftlichen Tätigkeit (Arbeit 
mit Kalkstickstoff mit ca. 67 °/o Zyanamidgehalt) aufgenommenen Zyanamid¬ 
mengen keine krankmachenden Erscheinungen. Eine kumulierende Wirkung ist 
nicht beobachtet. 

3. Deutliche Vergiftungserscheinungen treten jedoch beim Warmblüter 
bezw. Menschen sofort auf, wenn bei oder nach Aufnahme selbst kleiner 
Zyanamidmengen auch nur kleine Alkoholmengen einverleibt werden. 

4. Unter den hier auf tretenden Symptomen erscheint besonders auffällig 
der Blutandrang zum Kopf bezw. zur oberen Körperhälfte, der auf euer 
spezifischen vasomotorischen Wirkung beruht. Inwieweit außerdem eine direkte 
Beeinflussung des Atemzentrums oder des respiratorischen Gaswechsels eintritt, 
bleibt offen. Eine gewisse Aehnlichkeit des Symptombildes mit der Zyan- 
Vergiftung besteht. 

6. Die Zyanamidwirkung charakterisiert sich jedoch als eine Vergiftung 
eigener Art; sie ist nicht etwa auf die im Körper aus dem Z. sich all¬ 
mählich bildenden und nach und nach zur Wirkung kommenden Zyanide 
zur&ckzuführen, sondern auf das eingeführte Zyanamid selbst, wie dies auch 
Coester und Stritt bereits früher betont haben. Dr. Wolf-Hanau. 


Ein Fall von Bromoformvergiftung. Von Dr. B. Rattner-Wildau. 
Deutsche medizinische Wochenschrift; 1916, Nr. 28. 

Ein 4jähriger Knabe hatte aus einer Flasche mit Bromoform getrunken, 
das ihm zwecks Bekämpfung des Keuchhustens verordnet war. Die Menge des 
genossenen Bromoforms betrug etwa 1 ccm, das ist die doppelte Höchst¬ 
gabe für Erwachsene und ungefähr die sechsfache Höchstgabe für vierjährige 
Kinder. 

Kurz nach dem Genuß fiel das Kind um und wurde beinahe bewußtlos, 
zyanotisch; Puls kaum fühlbar, beschleunigt. Nach Kampferspritze und kalter 
Uebergießung Aufwachen, Verwirrtheit. Nach einer zweiten Kampferspritze 
und starkem Kaffee Rückkehr des Bewußtseins und voller, langsamer Puls. 
Nach */* Stunde war der Knabe orientiert, jedoch nicht imstande, das Gleich¬ 
gewicht zu halten. Nach einiger Zeit starkes Erbrechen und 8 Stunden später 
vollständige Genesung. Dr. Roepke-Melsungen. 


B. Gerlohtllohe Pnyohlatrio. 

Vom Inzest. Von Dr. Max Marcuse-Berlin. Juristisch-psychiatrische 
Grenzfragen. Verlag von Carl Marhold-Halle a. S. X. Bd., Heft 3 und 4. 
8°, 84 Seiten. Preis 2 M. 

Nach wie vor besteht nach den soziologischen und prähistorischen 
Forschungen die Ansicht, daß die ursprüngliche Form der Sexualbeziehungen 
inzestuöser Natur gewesen ist; geschlechliche Verbindungen unter Bluts¬ 
verwandten waren im Altertum nicht nur nicht verboten, sondern wurden 
geradezu gern eingegangen, ja mit Hinblick auf göttliche Vorbilder direkt 
geboten. Die Inzestabneigung ist auf jeden Fall ein Kulturprodukt; 
die vielfach verbreitete Ansicht, daß sie durch gesundheitliche Rücksichten, 
durch die Schädlichkeit der Blutsverwandtenehe für die Nachkommenschaft, 
hervorgerufen sei, aber keineswegs zutreffend. Wenn es auch feststeht, daß 
Blutsverwandtschaft der Eltern in Wirklichkeit oft Entartung und Krankheit 
der Kinder und Kindeskinder zur Folge hat, so liegt die Ursache dafür doch 
hauptsächlich in der psychopathischen Veranlagung der betreffenden Bluts¬ 
verwandten ; eine Heirat zwischen ihnen ist deshalb weniger der Grund für die 
Minderwertigkeit der Nachkommen, als ein Zeichen für die Minderwertigkeit 
der Zeugenden. Die Inzestscheu hat sich infolge der sexuellen Abneigung 
zwischen Nächstverwandten entwickelt, die durch die Gewohnheit des dauern¬ 
den Zusammenlebens itt der Kindheit und Jugend bedingt wird. Das beständige 
Beieinandersein von Kindheit an läßt eben sexuelle Reize und Wünsche zuein- 



478 Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


ander nicht anfkommen. Auch der Gedanke der „Familienreinheit“ spielt dabei 
eine Rolle. 

Der Begriff and die Vorstellung der sog. Blutschande ist erst relativ 
jungen Datums, die Abscheu vor ihr hat sich allmählich durch Sitte, Wirt* 
Schafts- und Gesellschaftsformen durch Erziehung und Vernunft herausgebildet 
und su ihrem Verbot wie zu ihrer strafrechtlichen Ahndung geführt. Aus der 
Genese der Inzestscheu ergeben sich auch die meisten Hinweise für die Ur¬ 
sachen des Inzestes selbst, soweit dieser nicht auf krankhafter Anlage 
beruht. Inzestuöse Handlangen zwischen Kindern werden meist nur bei un¬ 
beaufsichtigten Kindern beobachtet; sie stellen sich in der Regel als mehr 
oder weniger harmlose Symptome dar, in der Minderzahl der Fälle sind sie 
Zeichen einer groben Vernachlässigung, einer psychopathischen Veranlagung 
öder einer psychischen Erkrankung. Begünstigt werden derartige FäUe 
durch schlechte Wohnungsverhältnisse, die überhaupt für die große 
Mehrzahl der Fälle von Blutschande auch zwischen Erwachsenen ausschlag¬ 
gebend sind. Wohnungselend ruft außerordentlich häufig blutschänderische 
Beziehungen zwischen Vater und Tochter sowie zwischen den Geschwistern 
hervor; auch die Fälle, wo die Mutter ihren Sohn zum blutschänderischen 
Geschlechtsverkehr veranlaßt, sind nicht selten; auffallend ist überhaupt, 
daß der aktive Anteil des weiblichen Geschlechtes bei der Blut¬ 
schande verhältnismäßig groß ist. Bei den dem Verfasser bekannten, nur 
zum kleinsten Teil forensisch gewordenen Fällen war z. B. in annährend der 
Hälfte die weibliche Partei der schuldige Teil. Außer Wohnungselend 
treiben auch andere ungünstige wirtschaftliche Nöte häufiger zum 
Inzest. Bei verhältnismäßig vielen Blutschändern besteht ferner eine mora¬ 
lische Anästhesie, d. h. eine völlige Verständnislosigkeit für das Un¬ 
natürliche und Verbrecherische ihrer Handlungsweise, bedingt durch die 
Naivität weiter Volkskreise unserem Sittlichkeitskodex gegenüber. Auch 
sexuelle Not kommt als Ursache der nicht auf pathologischer Anlage be¬ 
ruhenden Fälle in Betracht, seltener das Abwechselungsbedürfnis — 
bei Perversen und Uebersättigung am Normalen — und gelegentlich auch der 
Aberglaube. 


Unter den pathologischen Ursachen der Blutschande spielen die 

S sychischen Störungen die Hauptrolle und zwar an erster Stelle die 
urch den A1 koho 1 hervorgerufenen, ferner geistige Schwäche, krank¬ 
hafte Steigerung des Geschlechtstriebes, Eifersucht (des 
Vaters auf den Bräutigam, der Mutter auf die Braut des Sohnes, der Schwieger¬ 
mutter auf die Schwiegertochter usw.). Bisweilen liegt der inzestuösen Liebe 
der Eltern zu den Kindern eine Art Autoerotik zu Grunde; in anderen 
Fällen entsteht der Inzest aus der Lust am Verbotenen, vereinzelt 
herrscht anscheinend ein sadistisches Motiv vor (bei Wüstlingen, die in 
der Blutschande das Nonplusultra der sexuellen Genüsse erblicken). Homo¬ 
sexuelle inzestartige Handlungen sind besonders zwischen gleich geschlecht¬ 
lichen Geschwistern weiblichen Geschlechts in besser gestellten Familien nicht 
selten. — Für die in der Psychiatrie allgemein vorherrschenden Ansicht, wo¬ 
nach die sexuelle Hinneigung zu nahen Blutsverwandten als Zeichen psycho¬ 
pathischer Konstitution anzusehen ist, spricht die scheinbare Erfahrung, daß der 
Inzest in einer großen Zahl der forensisch werdenden Fälle von oder an 
psychisch oder abnorm befundenen Personen begangen sind. Nach Ansicht 
des Verfassers kann jedoch nicht jede inzestuöse Neigung als eine psycho¬ 


pathische angesehen werden; denn in den meisten zur Kenntnis gelang 
Fällen von Blutschande handelt es sich um sexuelle Perversitäten und 


enden 

nicht 


um sexueUe, durch pathologische Störungen bedingte Perversionen. 


Was das Vorkommen und die Verbreitung des Inzestes betrifft, 
so sind im Deutschen Reich von 1895—1906 jährlich 381—534 Per¬ 
sonen = 1,0 bezw. 1,3 auf 100000 strafmündige Zivilpersonen verurteilt; 
davon entfielen nach dem Beruf 33°/o auf Land- und Forstwirtschaft 
und 38*/« auf Handel und Industrie. Am häufigsten wurde Blutschande in 
Baden und einzelnen Teilen von Bayern beobachtet, selten dagegen in den 
Provinzen Pommern, Schleswig und Hannover, in Mecklenburg-Schwerin, Olden¬ 
burg, Lübeck und Hamburg. Auffallend ist der sehr geringe Anteil der 
Juden an dem lnzeetdelikt; in der Kriminalstatistik ist nicht ein einziger 



Kleinere Mitteilungen und Referate aui Zeitschriften. 


17» 


Jude als Blutschänder aufgeführt. Die Kriminalstatistik ist allerdings nicht 
maßgebend für die Häufigkeit des Deliktes, da die Tielen Fälle eben nicht 
forensisch werden. 

Die strafrechtliche Behandlung der Blutschande ist in den modernen 
8taaten sehr verschieden. In Belgien und Portugal wird z. B. der Inzest 
Überhaupt nicht, in Italien nur bei öffentlichem Skandal und in Frankreich 
nur eine solche der Aszedenten gegen ihre minderjährigen Deszedenten bestraft. 
In Holland ist die Unzucht der Eltern mit ihren unmündigen Kindern verboten, 
in Rußland wird nicht nur die Blutschande zwischen Verwandten in auf* und 
absteigender Linie (mit 10jährigem Gefängnis und Verbannung nach Sibirien), 
Bondern auch diejenige zwischen Seitenverwandten, Verschwägerten zweiten und 
dritten Grades (mit 6- bezw. 3 jährigem Gefängnis und Verbannung nach Sibirien 
bezw. Tomsk) geahndet. China belegt die Blutschande mit der höchsten Strafe, 
der Todesstrafe. Zivilrechtlich ist die Ehe zwischen Verwandten soweit 
verboten, als der Sezualverkehr zwischen diesen strafrechtlich als Blutschande 
angesehen wird. Im Deutschen Reich ist der § 1810 des B.G.B. maß- 

f ebend, der die Ehe zwischen Verwandten in grader Linie, zwischen voll- und 
albbörtigen Geschwistern, sowie zwischen Verschwägerten in grader Linie 
verbietet. Strafrechtlich wird nach § 173 Str.G.B. der Beischlaf zwischen 
Verwandten auf- und absteigender Linie (bei den ersteren mit Zuchthaus bis 
zu 6 Jahren, bei den letzteren mit Gefängnis bis zu 2 Jahren), zwischen Ver¬ 
schwägerten auf- und absteigender Linie sowie zwischen Geschwistern (mit 
Gefängnis bis zu 2 Jahren) bestraft; außerdem kann auf Verlust der bürger¬ 
lichen Ehrenrechte erkannt werden. 

Bei Beurteilung der Frage, ob denn der sogenannte Inzest überhaupt 
und insbesondere im Sinne des § 173 Str.G.B. als strafwürdig betrachtet 
werden darf und seine Sonderbehandlung im Strafgesetzbuch berechtigt 
ist, kommt es nach dem Verfasser allein darauf an, ob es sich bei dem 
Inzest wirklich nur um Unmoral handelt, wie von verschiedener Seite an¬ 
genommen wird, oder ob nicht dabei auch fremde Interessen, vor allem die des 
Staates verletzt werden. Nach seiner Ansicht sind die nachteiligen Folgen des 
Inzests in bezug auf die Gefährdung der Nachkommenschaft und damit der 
Volksgesandbeit und des Volksvermögens nicht größer, sondern eher geringer, als 
die durch den Geschlechtsverkehr von Tuberkulösen, Syphilitischen, Alkoholikern 
und Geisteskranken bedingten Gefahren für die Nachkommenschaft; es liegt 
somit kein dringender Grund vor, gegen jene strafrechtlich einzuschreiten, 
wenn man einen solchen Schutz gegen diese nicht für nötig hält. Auch in 
dem Verlangen nach Schutz des Familienlebens kann Verfasser keine berech¬ 
tigte Begründung einer strafrechtlichen Ahndung des Inzestes erblicken; denn 
ganz abgesehen davon, daß diese Strafverfolgungen den Familienfrieden zer¬ 
stören und das Familienleben vergiften, sei es auch ein erfolgloses und un¬ 
vernünftiges Beginnen, die Familienreinheit durch Strafe aufrechterhalten zu 
wollen. Der Gesetzgeber habe vielmehr in erster Linie zum Schutze der ver¬ 
meintlich bedrohten Sittlichkeit die Bestrafung des Inzestes für nötig erachtet; 
tatsächlich sei auch die geschlechtliche Sittlichkeit als eine der Bedingungen 
für die soziale Ordnung rechtsschutzbedürftig und rechtsschutzwürdig; aber 
doch nur insoweit, als sie und damit das besondere Interesse der Gesamtheit 
bedroht sei. M. verneint jedoch eine derartige Bedrohung; er weist außer¬ 
dem darauf hin, daß nach den bisherigen Erfahrungen die Strafverfolgung 
des Inzestes nur in einem verschwindenden Prozentsatz der Fälle eintreten 
kann und daß die im Vor- und Hauptverfahren notwendigen abscheulichen 
Nachforschungen und Erhebungen um so mehr eine Ausmerzung des § 173 
rechtfertigen, als dieser bekanntlich auch nicht selten zu den widerlichsten 
Denunziationen Anlaß gibt. Da es beim Inzest sich regelmäßig um unmorali¬ 
sche Unreife, jugendliche Verwahrlosung, Alkoholismus, Geisteskrankheit, Not 
und Elend handele, sei nicht strafrechtliche Ahndung, sondern soziale Für¬ 
sorge angezeigt, also Ausbau unseres sozialen Für- und Vorsorgesystems und 
der sonstigen sichernden Maßnahmen statt strafrechtlicher Maßnahmen; ist der 
Inzest mit Notzucht, Mißbrauch eines Treuverhältnisses, Verführung usw. 
verbunden, dann bietet das Strafgesetzbuch eine hinreichende Handhabe für 
seine angemessene Ahndung. Rpd. 



480 


Kleinere Mitteilungen and Belerate aas Zeitschriften. 


O. Bakteriologie and Bekimpfang dortbortragbuon Krankkoitoa 

1. Oholera. 

Weitere Erfahrungen und Stadien über den Wert nnd die Wirkungs¬ 
dauer der Choleraschntsimpfang. Von Stabsarzt Prof. Dr. J. K a up - München, 
z. Z. Hygienereferent beim k. and k. Armeeoberkommando, und Pharmazeut- 
kadett Josef Kretschmer. Münchener medizinische Wochenschrift; 1916. 
Feldärztliche Beilage za Nr. 30. 

Aaf Grund der von den Verfassern festgestellten Ergebnisse ihrer bei der 
österreichisch-ungarischen Armee gemachten statistisch-epidemiologischen Be¬ 
obachtangen sowie ihrer serologischen Untersuchungen kommen sie za folgenden 
Schiaßsätzen: 

1. Als Folge der Choleraschatzimpfang wird auffallend rasch ein ver¬ 
hältnismäßig hoher Grad von Immunität erreicht Bei schnell ansteigenden 
Erkrankangsziffern in einem Trappenteil oder Kriegsgefangenentransport waren 
wenige Tage (5—8) nach der letzten Impfung die Erkrankungen wie ab¬ 
geschnitten. Die serologische Untersuchung (Bakterizidie und Agglutination) 
geimpfter Personen bestätigt das schnelle Auftreten von Antikörpern wenige 
Tage nach der Impfung. Das Maximum an Bakterizidie scheint bereits etwa 
10 Tage nach vollzogener 2 maliger Impfung erreicht za sein (Unterschied 
gegenüber Ko Ile und namentlich Ungerman n). 

2. 2—3 Wochen bis etwa 2‘/* Monate nach der Impfung kamen anch 
bei starker Verseachungsgefahr nach einer Reihe von Erfahrungen Erkrankungen 
nur bei etwa 1—5 Proz. der gefährdeten Personen vor. Bei einzelnen Individuen 
erfolgt die Bildung von Immunkörpern entweder überhaupt nicht oder tritt 
nar in unzureichendem Maße ein oder hört bald wieder auf. Durch die sero¬ 
logischen Untersuchungen sind beträchtliche individuelle Schwankungen nach¬ 
weisbar. 

3. Der Krankheitsverlaaf ist bei den schutzgeimpften Erkrankten ein 
auffallend milder; die Mortalität schwankte zwischen 0 und 24 Proz., während 
die Mortalität bei ungeimpften Personen eine Höhe von 22—60 Proz. erreichte. 

4. Die Dauer der Schutzimpfnng ist geringer, als bisher angenommen 
wurde — statt 1 Jahr und darüber nur etwa 3 bis 4 Monate. Wiederholte 
Wahrnehmungen bestätigen immer wieder diese praktische Erfahrung. Gefähr¬ 
dete Truppenaörper werden nach diesen Erfahrungen bei den österreichisch¬ 
ungarischen Armeen bereits nach 3 Monaten wiedergeimpft. Serologische 
Untersuchungen an wenigen, normal ernährten und körperlich wenig bean¬ 
spruchten Sanitätssoldaten ließen zumeist länger als 3 Monate nach der 
Impfung einen anscheinend genügenden Immunstoffgehalt bei Geimpften er¬ 
kennen. Nur ausgedehnte Untersuchungen bei Front- und Etappensoldaten 
könnten die Zusammenhänge zwischen praktischer Erfahrung und serologischem 
Befund klären, namentlich auch] feststellen, inwiefern ungenügende Ernährung, 
Strapazen, leichtere Erkrankungen (namentlich Magendarmkatarrhe) auf die 
Dauer der Antikörpererzeugung einen Einfluß ausüben. 

5. Zur Wiederimpfung scheint eine einmalige Impfung zu genügen. 
Die Verwendung von 2 ccm Impfstoff dürfte ratsamer sein, als die von 1 ccm. 
Die einmalige Wiederimpfung mit einer größeren Impfstoffmenge bedeutet 
einen wesentlichen Zeitgewinn. 

6. Die von den Verfassern gemachten praktischen Erfahrungen und sero¬ 
logischen Untersuchungen können als Bestätigung der Ansicht Wasser¬ 
manns und Sommerfelds angesehen werden, daß die Choleraschutzimpfung 
die natürliche Ansteckungsmöglichkeit durch Erhöhung der spezifisch bakteri¬ 
ziden Kräfte des Blutes vermindert. 

7. Bei den österreichisch-ungarischen Armeen kam es nur zu Kriegs¬ 
beginn zu einer stärkeren Verbreitung der Cholera. Im Jahre 1915 erkrankten 
kaum 0,2 Proz. des gesamten Verpflegsstandes. Die Mehrerkrankungen während 
des Sommers waren trotz des Vormarsches in völlig verseuchte Gegenden (Ost¬ 
galizien, Podolien, Wolhynien und später Serbien) nur unbedeutend, während 
unter der Zivilbevölkerung dieser Gebiete zahlreiche Erkrankungen mit hoher 
Mortalität (im Mittel 60 Proz.) vorkamen. Zurzeit sind die Armeen auf dem 
russischen und italienischen Kriegsschauplätze seit Herbst 1915 cholerafrei; 
es treten nur im verseuchten Albanien vereinzelte Erkrankungen auf. Bpd. 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 481 

2. Fleckfieber. 

Beiträge znr Frage ron der Beteiligung der Kopflaus an der Fleck* 
fieberverbreitung. Von Prof. Dr. Bruno Hey mann, Abteilungsvorsteher am 
Institut. (Aus dem Hygienischen Institut der Königl. Universität Berlin. 
Dir.: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. C. Flügge.) Medizinische Klinik; 1916, Nr. 18 
und 19. 

An der Uebertragung des Fleckfiebers durch Kleiderläuse kann kein 
Zweifel mehr bestehen; von Manchen werden auch die Kopfläuse als Ueber- 
träger angesprochen. Die Richtigkeit dieser Annahme vorausgesetzt, würde 
sich die Folgerung ergeben, ihre Bekämpfung weit energischer zu handhaben 
als bisher. Die Kopf- und Kleiderläuse sind nahe Verwandte, ohne aber 
identisch zu sein, wie ihr genaueres Studium einwandfrei ergeben hat. Aller¬ 
dings können sich bei sehr starker Verlausung die Unterschiede gelegentlich 
verwischen; auch ist an die Möglichkeit der Bastardbildung zwischen Kopf- 
und Kleiderlaus zu denken (Hase). Versuche über die Infektiosität aer 
Faeces von Kopfläusen liegen anscheinend nicht vor, dagegen wohl solche, die 
mit Darminhalt von Läusen bezw. mit zerriebenen Kopfläusen und Eiern 
angestellt wurden. Zwar hat sich die Möglichkeit der Infektion ergeben, 
während anderseits die negativen Versuche dafür sprechen, daß diesem 
Infektionsweg kaum eine Bedeutung bei der Verbreitung des Fleckfiebers zu¬ 
kommt. Auch über die Infektiosität des Stiches von Kopfläusen, die an Fleck¬ 
fieberkranken Blut gesogen, liegen Versuche vor. Die daraus gezogene positive 
Schlußfolgung ist aber nicht ganz stichhaltig. Der eine von Anderson und 
Goldberger als positiv gedeutete Versuch ist dann als sichere Tatsache in die 
Literatur übergegangen. Wenn die Beteiligung der Kopflaus an der Ver¬ 
breitung des Fleckfiebers die gleiche wäre wie die der Kleiderlaus, so müßte 
sich die Erkrankung unterschiedslos über die Verbreitungsgebiete beider 
Parasiten erstrecken; das ist aber nicht der Fall. Die Krankheit verschont 
die tropischen Gebiete, auch pflegt das Fleckfieber da zu fehlen, wo die Be¬ 
völkerung auf höherer Kulturstufe steht; höchstens beschränkt sie sich hier 
auf engbegrenzte Gebiete und bestimmte Bevölkerungskategorien, die der 
Reinlichkeit und Körperpflege nur wenig Beachtung schenken. Ferner lehrt 
die Erfahrung, daß das Fleckfieber überall eng an das Vorkommen der Kleider¬ 
läuse gebunden ist, während die epidemiologischen Tatsachen nicht für eine 
Abhängigkeit des Fleckfiebers von der Verbreitung der Kopfläuse sprechen. 
Hey mann faßt daher seine Ergebnisse im folgenden Satz zusammen: 
»Experimentelle Beweise für die Beteiligung der Kopfläuse 
an der Fleckfiebererkrankung liegen bisher nicht vor; die 
epidemiologischen Erfahrungen sprechen dagegen. Trotzdem 
ist natürlich der Bekämpfung der Kopfläuse völlige Beachtung zu schenken. 

Dr. L. Quadflieg-Gelsenkirchen. 


3. Ruhr. 

Vier weitere Fälle von natürlich erworbener bazillärer Dysenterie 
beim Hunde nebst Beobachtungen über Bazlllenträgertum. (Aus dem 
deutschen Institut für Hygiene für Bakteriologie in Schanghai). Von Privat* 
dozent H. Dold. Deutsche med. Wochenschrift; 1916, Nr. 17. 

Dold hat gemeinsam mit Fischer den ersten bekannt gewordenen 
Fall von natürlich erworbener echter bazillärer Dysenterie des Hundes klinisch, 
bakteriologisch und pathologisch-anatomisch untersucht. Jetzt berichtet er, 
daß von 7 an Diarrhöen leidenden Hunden 4 eine Infektion mit Dysenterie¬ 
bazillen aufwiesen und zwar 2mal mit Typus Flexner, lmal mit Typus Y 
und 1 mal mit Typus Shiga-Kruse. In allen 4 Fällen bot auch das Eigen¬ 
serum der Hunde deutliche Agglutination noch in Verdünnungen von 1:300 
bis 1: 100. Danach scheint in Schanghai die bazilläre Dysenterie des Hundes 
keine Seltenheit zu sein. 

Verfasser macht ferner Beobachtungen, die das Vorkommen eines 
Dysenteriebazillenträgertums beim Hunde beweisen. Ein gesunder Hund erhielt 
eine Kultur Dysenteriebazillen mit dem üblichen Futter vermischt, erkrankte 
nicht, schied aber seitdem (seit 3 Monaten) Dysenteriebazillen in den festen 
Faeces aus. Außerdem ließen die frischen Endoplatten, die von dem Hunde 



488 Kleinere Mitteilungen und feeierate aus Zeitschriften. 

beleckt waren, dreizehn Tage Dysenteriebazillen nachweisen. Während dieset 
ganzen Zeit konnte der Hund also durch einfaches Lecken, die häufigste 
Betätigungsart des Hundes, den Menschen und seine Umgebung infizieren. 
Diese von der Mundhöhle und der Zunge ausgehende Infektionsgefahr bean¬ 
sprucht unsere volle Beachtung. Dr. R o e p k e - Melsungen. 

4. Tuberkulose. 

Infektionsversuche mit kleinen Tnberkelbazillenmengen mit beson- 
sonderer Berücksichtigung des Inhalatlonsweges. Von Prof. Dr. H. 8 e 11 e r - 
Leipzig. Deutsche mediz. Wochenschrift; 1916, Nr. 20. 

Für die experimentelle Tuberkuloseforschung ist quantitatives Arbeiten 
die erste Vorbedingung, zumal wenn als Versuchstier das so Oberaus empfind* 
liehe Meerschweinchon benutzt wird. S. hat zu den Inhalationsversuchen bei 
Meerschweinchen etwa 100 Bazillen von 4 Wochen alten Agarkulturen benutzt 
und ist dabei zu folgenden Schlüssen gekommen: 

Vereinzelte Bazillen können von der Haut oder Lunge aus gelegentlich 
schwere fortschreitende Tuberkulose erzeugen. Gewöhnlich tun sie es aber 
nicht, sondern erzeugen nur örtliche Herde, aber nicht immer an den Ein* 
gangspforten, die anscheinend ausheilen. Frühzeitig und regelmäßig bemerkt 
man eine Milzschwellung, ein Zeichen, daß zuerst das Blut infiziert wird; von 
hier aus erfolgt vielleicht die Infektion der Lunge. Die Lymphdrüsen können 
dabei anscheinend übergangen werden. Es ist möglich, daß die Bazillen gleich 
nach der Infektion von den Leukozyten aufgenommen werden und nun entweder 
unmittelbar oder durch die Lymphdrüsen hindurch ins Blut gelangen. 

Die Infektion durch die Einatmung ist fast genau so empfindlich wie 
die von der Haut aus. Aeltere Kulturen wirken wie wenige Bazillen oder 
noch schwächer. Es kommt auch hier zu keiner allgemeinen Infektion, sondern 
nur zu örtlichen Herden in Lunge und Milz, die vielleicht ausheilen. 

Auf Grund dieser Inhalationsversuche bekennt sich Selter zu der 
Theorie der sekundären Infektion der Lungen vom Blutweg aus. Weitere 
Untersuchungen müssen Klarheit bringen. Dr. Roepke*Melsungen. 


Zur Frage der Einteilung der Lungentuberkuloseformen. Von 
D. 0. Kuthy*Budapest. Vortrag im Kgl. Aerzteverein in Budapest. Tuber* 
kulose; 1916, Nr. 1. 

Eine Klassifikation der Lungentuberkulose auf ätiologischer Grundlage 
(humane und bovine, reine und Misch-Infektion) stößt noch auf manche 
Schwierigkeiten und ist dem Praktiker, zum Teil aus technischen Gründen, un¬ 
möglich. Der Einteilungsversuch auf pathologisch-anatomisch-histologischer 
Grundlage bietet manches praktisch Verwertbare. Dabei sind die „topischen" 
Eigenschaften der Erkrankung (Lokalisation und Ausbreitung) für die Prog¬ 
nose des Einzelfalles weniger wichtig als die „qualitativen" Eigenschaften 
des Leidens (exsudative und produktive Entzündung, Schnelligkeit der Aus¬ 
breitung, toxische Einflüsse) und der Grad der defensiven Kraft des Körpers, 
der rechtzeitigen heilsamen Fibrose. Die bisherigen klinischen Einteilungen 
lösen die Frage nur in großen Umrissen. Kuthy versucht deshalb eine 
Klassifikation auf kombiniert pathologisch-anatomisch-klinischer Grundlage mit 
steter Rücksicht auf die Prognose und unterscheidet fünf prognostische Typen 
mit Unterabteilungen je nach dem physikalischen Befand. 

_ Dr. Roepke- Melsungen. 

Alkohol and Tuberkulose. Von Sanitätsrat Dr. LilienthaL Halb¬ 
monatsschrift für soziale Hygiene und praktische Medizin; 1916, Jahrgang 24, 
Nr. 18. 

Der Kampf gegen die Tuberkulose hat erhebliche Fortschritte gemacht, 
auch der Kampf gegen den Alkohol ist nicht ohne Erfolg geführt worden. 
Der Ansicht, daß der Alkoholismus eine der llauptursachen der Tuberkulose 
sei, tritt Orth entgegen, auch auf Grund von Tierexperimenten. Wenn jetzt 
im Kriege der Soldat vor Alkoholmißbrauch gewarnt werde, so geschehe dies 
mit Recht; aber der Soldat habe so viele und triftige Gründe, den Alkohol zu 
meideu, daß man nicht nötig habe, ihm mit unsicheren und unbewiesenes 



kleinere Mitteilungen and Dekrete non Sjetootriftan. 


488 


Grfinden zu kommen. Auch die Angabe, daß der Alkoholismus durch Herab¬ 
setzung des Körperwiderstandee für Tuberkulose empfänglich mache, bestreitet 
Orth. Ja, er meint, viel eher könne man den Alkohol als Schutzmittel gegen 
die Tuberkulose ansehen, eine Behanptung, die wiederum vom statistischen 
Amte als nicht gerechtfertigt angesehen wird. 

Statistiken — so führt Orth an — zeigen, daß ein wesentlicher Unter¬ 
schied in der Schwere der Tuberkulose-Erkrankung zugunsten der Alkoholiker 
bestehe. Die Tuberkulosesterblichkeit habe sich von Jahr zu Jahr vermindert, 
während der Alkoholverbrauch nicht wesentlich abgenommen habe. In bezug 
auf die Schwindsucht schade der Alkohol nichts; die Alkoholiker seien sogar 
der Tuberkulose gegenüber günstiger gestellt als die Nüchternen. 

Dr. Hoff mann-Berlin. 


Tuberkulose und Prostitution. Von Prof. Dr. F. Köhler. Tuberku- 
losis; 1916, Vol. 1B, Nr. 1. 

Die Beziehungen zwischen Tuberkulose und Prostitution und die Fragen 
der Prophylaxe und Behandlung tuberkulöser Prostituierter sind noch uner- 
erörtert; Statistiken fehlen ganz. Zweifellos ist das grundsätzlich unsolide, 
ungeordnete, körperlich und geistig zerrüttende Leben der Prostituierten eine 
gedeihliche Grundlage für das Einnisten der Tuberkelbazillen in dem weib¬ 
lichen Organismus. Die Prostituierte wird auch selbst kaum mit irgendeinem 
nennenswerten Erfolg zu einer Abwehr der Tuberkulosegefahr aufgerufen 
werden können. Anderseits bedeutet die tuberkulöse Prostituierte eine gesell¬ 
schaftliche Gefahr. 

Um dem Uebel zu steuern, wird die Bordellüberwachung auf die Hygiene 
der Wohnung zu achten haben. Die Polizeiärzte werden nicht nur auf bo* 

S innende Lungentuberkulose bei Bordellmädchen, sondern auch auf tuberkulöse 
enitalaffektionen fahnden müssen. Würden mit den Genitaluntersuchungen 
der Prostituierten Lungenuntersuchungen verbunden, so würde bald ein brauch¬ 
bares Material über die Verbreitung der Tuberkulose unter ihnen, besonders 
aus den Großstädten, Zusammenkommen. 

Tuberkulöse Prostitnierte sind unverzüglich der Erankenhausbehandlung 
zuzuführen. Im Anschluß an die Station für geschlechtskranke Prostituierte 
wäre eine solche für Tuberkulöse einzurichten mit Gelegenheit zu Liegekuren 
und internistischer Behandlung. Sind Tuberkulosekrankenhäuser weitab von 
der Stadt vorhanden, so empfiehlt sich, in diesen eine Sonderabteilung einzu¬ 
richten. Tuberkulöse Prostituierte in Lungenheilstätten unterzubringen, be¬ 
gegnet ebenso großen Bedenken, wie die Einrichtung von Sonderheilstätten. 

Die Fürsorge für geheilte tuberkulöse Prostituierte sollte Gegenstand 
der gemeinsamen Arbeit von Fürsorgestelle und Sittenpolizei sein. Auch Sitt- 
lichkeits- und Erziehungsvereinen könnte eine angemessene Beteiligung auf 
diesem Gebiete erzieherischer Fürsorge eingeräumt werden. 

_ Dr. Boepke-Melsungen. 


Ueber Lungentuberkulose vom mllitärärztllchen Standpunkt am. 
Von Prof. Dr. Albert Fränkel. Münchener Med. Wochenschrift; 1916, Nr. 81.' 

Die Klagen über die unrichtige Auswahl der Heilstättenpatienten wollen 
nicht verstummen; die Diagnose „Tuberkulose“ wird viel zu häufig gestellt. Von 
den unter Fränkels Leitung stehenden, als tuberkulös eingewiesenen Soldaten 
erwiesen sich nur 40°/o als wirklich tuberkulös; 20°/o fehlte überhaupt nichts. 
Das Tuberkulin hat auch als Diagnostikum versagt. Zur objektiven Diagnose 
trägt außer dem physikalischen Lokalbefund am meisten die Röntgenuntersuchung 
bei, besonders bei geschlossener Tuberkulose. Bei der Bewertung der Ver¬ 
schattung bedarf es großer Vorsicht. Als pathognomisch gilt, wenn von der 
Lungenwurzel aus derbe Schattenkörper in die Lunge ziehen und wenn sich 
in der Lunge die für Tuberkulose charakteristischen klein- nnd großfleckigen 
Trübungen und homogenen Verschattungen finden. Die Prognosestellung ist 
bisher eine ärztliche Kunst gewesen, die durch Uebung zu erwerben war, dio 
aber nicht gelehrt werden konnte. Fränkel sucht diese Kunst zu objektivieren 
und dadurch als Lehrgegenstand erkennbar zu machen. Er stellt 8 Formen 



4§4 Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 

der Tuberkulose auf: zirrhotische, knotische und pneumonische. Die Art 
des Prozesses ist maßgebender für die Einweisung in eine Heilanstalt als die 
Ausdehnung. Die zirrnotischen und zirrhotisch-knotigen Formen sind thera¬ 
peutisch beeinflußbar und heilbar, selbst wenn sie lappenförmig und doppelseitig 
auftreten. Die knotig-mehrlappigen und die darüber hinausgehenden Prozesse 
sind ungünstig und rechtfertigen die Einweisung nicht mehr. Fieber, Blut¬ 
husten, starker lokaler Katarrh, Abmagerung sind starke Begleiterscheinungen 
der bösartigen Form; bei der gutartigen Form kommen sie nur zeitweilig vor; 
sie sind Zeichen der Aktivierung. Das Auftreten auch nur eines Symptomes 
macht den Kranken anstaltsbedürftig. Wie bei den Lupuserkrankungen ist 
auch bei Tuberkulöse die Funktionsprüfung vorzunebmen. Fiebernde Kranke 
der Liegekur zu unterwerfen, hat uns Dettweiler gelehrt. Die Ausdehnung 
der Liegekur auf alle Tuberkulöse ist ein schwerer Irrtum. Die Erfahrung 
lehrt, daß Tuberkulose ohne Schaden Arbeiten verrichten können; besonders 
die Kriegserfahrungen sprechen hierfür. Unter bestimmten Voraussetzungen 
sind sie sogar felddiensttauglich. 

Fränkel empfiehlt zur Begutachtung der Tuberkulösen in den Heil¬ 
stätten die Beurteilung durch eine Aerztekommission. 

Dr. G r a ß 1 - Kempten. 


Die Bedeutung der psychischen Momente für den Verlauf der 
Lungentuberkulose. Von Dr. Strandgaard-Kopenhagen. Zeitschrift für 
Tuberkulose; Bd. 26, Heft 6. 

Psychische Momente spielen für den Verlauf der Lungentuberkulose 
eine ziemlich große Bolle; besonders können Liebeskummer, eheliche Sorgen 
und ähnliche drückende Gemütsbewegungen den Gesundheitszustand ernstlich 
verschlimmern. Mit dem Wegfall der deprimierenden Ursache hat sich, wie 
durch Krankengeschichten bewiesen wird, der Zustand gebessert. 

Dr. Roepke-Melsungen. 


Zur Behandlung der Lungentuberkulose mit ultraviolettem Lieht. 
Von Dr. M. Gutstein-Berlin. Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. 
Bd. 86, H. 8. 

Nach den Erfahrungen in der Friedrichstadt-Klinik für Lungenkranke 
in Berlin — es werden 28 Krankengeschichten veröffentlicht — ist das Quarz- 
lampenlicht imstande, die Lungentuberkulose in günstiger Weise zu beeinflussen. 
Verfasser glaubt bei kritischer Betrachtung seiner zum Teil recht guten 
Erfolge, „dem ultravioletten Licht eine günstige Einwirkung auf manche 
Fälle von Lungentuberkulose nicht absprechen zu können.“ Die von Krüger 
angegebenen äußerst günstigen Erfolge werden abgelehnt. Nachteile sind in 
keinem Falle beobachtet worden. 

Hinsichtlich des Verhaltens des Blutes bei bestrahlten Lungentuberkulosen 
und Nichtlungenkranken ist eine Veränderung des Blutbildes nach der 
Richtung zu bemerken, daß in der größeren Zahl der Fälle eine Vermehrung 
der Lymphozyten, in einem kleineren Teil nach anfänglicher Zunahme eine 
Verminderung der Lymphozyten eintritt; der Grund hierfür war nicht 
erkennbar. 

U. E. berechtigen die Erfolge nicht, die Bestrahlung mit Quarzlampen¬ 
licht zu einer „Behandlungsmethode der Lungentuberkulose* zu machen. 

Dr. Boepke-Melsungen. 


Ueber die Bedeutung des Klimas für die Behandlung der Tuberka* 
lose. Von Dr. G. Schröder-Schömberg. Tuberculosis; Vol. 16, Nr. 2. 

In der Bewertung des Klimas für die Tuberkulosebehandlung standen 
sich 2 Gruppen scharf gegenüber; die eine sah alles Heil in einem besonderen 
Klima, in erster Linie in dem Klima hoher Lagen, während die andere jede 
Beeinflussung durch ein Klima leugnete. Beide Gruppen irren; auch hier führt 
die mittlere Linie zum wahren Endziel. In der Folgezeit ist die Klimatologie 
in bezug auf die Tuberkulosetherapie nicht wesentlich durch neue Forschungs¬ 
ergebnisse bereichert. Es ist daher nötig, für die Fortentwicklung der Forschung 
auf diesem Gebiete Richtlinien zu geben; als solche kommen in Betracht: 



Kleinere Mitteilungen and Referate aus Zeitschriften. 485 

Erstens: Sind die Ergebnisse der Wetterkunde noch mehr für die Tuber¬ 
kulosetherapie zu verwerten. Der Einfluß der Witterungselemente auf Tuber¬ 
kulosekranke und die Erscheinungen des Leidens ist eingehender als bisher zu 
erforschen. Darum sollte mit jeder Tuberkulosestation eine meteorologische 
verbunden sein und hygienische Meteorologie getrieben werden. 

Zweitens: Von großer Bedeutung ist die Erforschung des Lichtklimas 
in den verschiedensten llühenlagen, an der See usw. in der Form, wie es 
Domo für Davos durchführte, ln Deutschland sind solche Stationen an der 
Seeküste und in Potsdam in Betrieb. Es wäre zweckmäßig, wenn die licht¬ 
klimatischen Stationen an Orten errichtet würden, an denen Tuberkulosekranke 
behandelt werden. 

Drittens: Die Klimaphysiologie ist weiter auszubauen; ihre Ergeb¬ 
nisse sind für die Pathologie der Tuberkulose nutzbar zu machen. 

Viertens: Die Durchführung solcher Beobachtungen hat nach einheit¬ 
lichem Plane in verschiedenen Ländern und an Plätzen mit den verschieden¬ 
artigsten Klimaformen zu erfolgen. Nur dadurch kann die Klimaforschung in 
ihrer Bedeutung für die Tuberkuloselehre nutzbringend gestaltet werden. 

_ Dr. R o e p k e - Melsungen. 


Genügt die heutige Fürsorge für unsere unbemittelten Lungenkranken 
den an sie gestellten Anforderungen. Von Dr. E. Hartmann-Waldbreit* 
bach. Zeitschrift für Tuberkulose; Bd. 25, Heft 6. 

Nichttuberkulöse und Fälle von inaktiver Tuberkulose, die einer Heil¬ 
stättenkur nicht bedürfen, sind baldigst aus den Lungenheilstätten zu entfernen 
und, falls ihre Behandlung wegen andere Beschwerden nötig ist, in geeignete 
Anstalten (Erholungsheime, Nervenheilstätten u. dergl.) zu überweisen, die für 
solche Kranke freizugeben sind. Dagegen sind auch vorgeschrittene Fälle von 
Tuberkulose in Lungenheilstätten aufzunchmen unter Verlängerung der Kur¬ 
zeit, wenn dadurch Aussicht auf Wiedererlangung der Arbeitszeit besteht* 
Weitvorgeschritteue Fälle, die in absehbarer Zeit nicht wieder arbeitsfähig 
werden, oder bei denen das Ableben bald zu erwarten ist, sind in Kranken¬ 
häusern oder Invalidenheimen unterzubringen, bei offener Tuberkulose nötigenfalls 
unter Anwendung von Zwangsmaßnahmen. 

Letzteres ist leichter gesagt als getan; im übrigen sind die Vorschläge 
recht alt. Durch ihre Wiederholung wird das Heilstättenwesen kaum befähigt 
werden, der Tuberkulosenot im erforderlichen Maße zu steuern. Dies um so 
weniger, als Verfasser das wertvollste Mittel, um die Heilstättenbehandlung 
auf die unbedingt notwendigen Fälle zu beschränken, d. h. die methodische 
Tuberkulinprüfung nicht anerkennt. Dr. Roepke-Melsungen. 


5. Geschlechtskrankheiten und Bekämpfung der Prostitution. 

Die Heranziehung der Wasscrmannschen Reaktion, Spinalpunklion 
und Kutanreaktion für die Behandlung der Spätsyphilis. Von Prof. 
C. Bruhns. (Aus der dermatologischen Abteilung des Charlottenburger 
städtischen Krankenhauses). Medizinische Klinik; 1916, Nr. 11. 

Die Kutanreaktion ist in viel höherem Grade eine rein diagnostische 
Probe als die Wassermannsche Reaktion und die Untersuchung des Spinal- 
punktates. Sie ist nur verwendbar zar Sicherung der Diagnose bei manifesten 
Erscheinungen, nicht aber, um bei sonst latenter Lues an sich Aufschluß über 
die Notwendigkeit einer weiteren Behandlung zu geben. Sie wird auch nicht 
durch die Therapie aus dem positiven in den negativen Befund übergeführt. 
Bei Fällen mit manifesten Erscheinungen kann kein Zweifel bestehen, ob man 
therapeutisch Vorgehen soll; auch nur ein sicher syphilitisches Symptom 
bedingt Behandlung. Bei zweifelhaften klinischen Erscheinungen muß fest¬ 
gestellt werden, ob Lues vorliegt oder nicht. Hierher gehören unklare Haut-, 
Schleimhaut- und Nerven-Ersclieinungen, aber auch Symptome von seiten innerer 
Organe. Ist die Wassermannsche Reaktion positiv, so muß behandelt 
werden, ist sie in solchen Fällen negativ, so kann die Kutanreaktion (Luetin- 
und Pallidin-Reaktion) noch Aufschluß geben. Sie stützt wesentlich die 
Diagnosenstellung bei tertiären Hauterscheinungen, Schleimhaut- und Knochen¬ 
syphilis, vielleicht auch manchmal bei syphilitischen inneren Organerkrankungen. 



4 §6 


Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


Es zeigte sich in ttber 200 Fällen, daß bei tertiärer Syphilis fast immer, bei 
primärer und sekundärer verhältnismäßig selten, bei Nichtsyphilitischen in 
ganz seltenen Ansnahmen die Kntanreaktion positiv ansfiel. Die Pallidin- 
Reaktion kann im Tertiärstadiom auch bei negativem Wassermann positiven 
Ansfall geben. Für die Anzeige einer ev. Behandlung bei latenter Syphilis 
ist sie ohne Bedeutung, da sie einerseits öfter nicht angeht, wenn die Wasser¬ 
mann sehe Reaktion positiv ist, und anderseits in Fällen von manifester 
tertiäror Lues auch nach der Kur und trotz Verschwindens der Erscheinungen 
positiv bleibt. Häufig findet sich im Spätstadium Pnpillenstarre, die fast immer 
ein syphilitisches Symptom ist; man muß aber berücksichtigen, daß Pupillen¬ 
starre gelegentlich als Vorläufer von Syringomyelie auf tritt und vorübergehend 
auch bei chronischem Alkoholismus und Schädeltraumen vorkommt. Sie be¬ 
deutet bei Syphilis aber nicht immer einen frischen oder der Behandlung 
bedürftigen Prozeß, sondern kann auch das Residuum eines schon abgelaufenen 
Vorganges sein. Findet man bei Pupillenstarre positive Wasser mann sehe 
ReaJrtion, so wird natürlich die Behandlung eingeleitet; manchmal ist sie 
dabei aber negativ, dann muß die Spinalpunktion zur Entscheidung benutzt 
werden. Diese kann zur diagnostischen Aufklärung und zur Indikationsstellung 
für eine ev. einzuleitende Therapie herangezogen werden. Sehr oft wird die 
Spinalpunktion bei isolierter Pupillenstarre notwendig sein. Ist eine der 
8 Reaktionen (ausgesprochene Lymphozytose, deutlich positiv Nonne-Apelt, 
positive Wassermann sehe Reaktion) oder mehrere zugleich positiv, so wird 
man therapeutisch Vorgehen. In etwa 83°/o solcher Fälle von Pupillenstarre 
bei Syphilitischen wurde das Spinalpunktat gesund befunden, dann braucht 
man nicht zu behandeln. Es scheint aber, daß die Reaktion manchmal positiv 
bleiben kann, trotzdem der klinische Prozeß des Zentralnervensystems 
nicht fortzuschreiten braucht. Hier gibt weitere Kontrolle des Kranken die 
Richtschnur des Handelns. Bestehen Zweifel, ob es sich um eine Neurasthenie 
oder eine beginnende Erkrankung des Zentralnervensystems handelt, so kann 
die Spinalpunktion ebenfalls gute Dienste leisten. Im Spätstadium der Syphilis 
ohne klinische Erscheinungen kommt der Kutanreaktion die geringste Bedeutung 
zU; hier ist die Wassermann sehe Reaktion unser wesentlichstes 
diagnostisches Hilfsmittel. Findet man sie bei der ersten Untersuchung positiv, 
so ist Behandlung angezeigt. Es gibt aber Fälle, die nach wiederholten gründ¬ 
lichen Kuren immer wieder positive Wassermann sehe Reaktion geben. Ist 
man in der Lage, dann eine Spinalpunktion vorzunehmen und fällt die Unter¬ 
suchung negativ aus, so kann man von einer weiteren Behandlung absehen, 
muß aber den Patienten weiter beobachten. Ist die Wassermann sehe 
Reaktion im 8pätstadinm negativ, so liegt kein Qrund zu neuen Kuren vor. 
Man sollte jedoch bei einer sicheren Späterscheinung der ersten Kur in einem 
Abstande von ca. 3—4 Monaten immer eine zweite nachschicken, auch wenn 
Wassermann dann negativ ausfällt. Oft wird die Wasser mann sehe 
Reaktion bei Spätlues erst wieder nach einer Reihe von Jahren positiv. Mit 
den Differenzen im Ausfall der Reaktion verschiedener Extrakte müssen wir 
uns abfinden; sie sind jedenfalls durch Vervollkommnung der Technik geringer 
geworden. Auch soll in keinem Laboratorium auf die Anstellung der Original¬ 
methode verzichtet, die Modifikationen nur daneben angewandt werden. Die 
schwach positiven Reaktionen sind zwar für den Kliniker wichtig; sie genügen 
aber nicht, um einem Gesunden beim Fehlen klinischer Symptome eine Lues 
zu vindizieren. Ist die Wassermann sehe Reaktion im Blut negativ, so soll 
die Spinalreaktion ausgeführt werden 1. zur Entscheidung der Frage, ob man 
nach vorangegangener reichlicher Behandlung beim Fehlen weiterer Symptome 
und auch bei negativ gewordener Wasser mann scher Reaktion des Blutes 
mit der Fortsetzung der allgemeinen Behandlung aufhören kann, also zum 
Schlüsse der zunächst für nötig befundenen Behandlungsperiode, sowie 2. bei 
andauernder positiver Wassermannscher Reaktion in der Spätlatenz. Bei 
negativem Liquorbefund kann man dann eine Erkrankung des Zentralnerven¬ 
systems mit größter Wahrscheinlichkeit ausschließcn und die Behandlung aus¬ 
setzen. Bei der Behandlung der metasyphilitischen Erscheinungen, der Tabes, 
der Paralyse und der Gefäßerkrankungen sind die klinischen Symptome schon 
für die Behandlung maßgebend. Dr. L. Quad flieg-Qelsenkirchen. 



Kleinere Mitteilungen und Keleräte ans Zeitschriften. 487 

Harnröhrensekret- nnd Flockenuntersuchung im Anschluß an Intra* 
venöse Arthigoniniektion znr' Feststellung der Oonorrboebellung. (Ans 

der Abteilung für Haut- and Geschlechtskranke des Reservelazaretts Bruchsal.) 
Von leitenden Arzt Dr. 0. Gans. Deutsche med. Wochenschrift; 1916, Nr. 16. 

Bruck und Sommer haben intravenöse Arthigon-lnjektionen empfohlen, 
um aus dem danach auftretenden Fieber Schlüsse fiir die Frage der Gonorrboo- 
heilung und des Ehekonsenses zu ziehen. Verfasser hat das Verfahren an 
200 Fällen von akuter und chronischer Gonorrhoe mit und ohne Komplikationen 
nachgepriift und zwischen Fällen unterschieden, die nach intravenöser 
diagnostischer Arthigoninjektion 1. keine Reaktion und keine Gonokokken mehr 
zeigten (geheilte Fälle), 2. Reaktion, aber keine Gonokokken, 8. Reaktion und 
Gonokokken und endlich 4. keine Reaktion, aber doch Gonokokken hatten. 

Von den 200 untersuchten Fällen blieben 94 = 47°/o nach einer durch¬ 
schnittlich 14 tägigen Beobachtung negativen Gonokokkenbefundes auch nach 
Arthigoninjektion ohne Temperaturerhöhung und dauernd gonokokkenfrei, bo 
daß sie entlassen werden konnten. Temperatursteigerungen Uber 1,5° ohne 
Gonokokkenbefund zeigten 8°/o der Fälle; auch diese wurden entlassen. 
Gonokokken und Temperatursteigerangen fanden sich in 18,5 °/o, Gonokokken 
ohne Temperatursteigerungen hingegen bei 26,5 °/o der Fälle. Mit anderen 
Worten: Während nach der diagnostischen Arthigoninjektion der Gonokokken¬ 
nachweis in 100 °/o der noch nicht geheilten Fälle gelang, zeigten nur 41,1 °/o 
die nach Brack und Sommer zu erwartende Temperatursteigerun^. 

Das Verfahren war folgendes: Wenn die wöchentlich 2—3malige Unter¬ 
suchung des Äusflasses bezw. der Flocken auf Gonokokken etwa 2 Wochen 
negativ geblieben ist, wird die Therapie ausgesetzt, dagegen werden die 
täglichen turnerischen Uebungen mit verstärkten Anforderungen fbrtgesetzt. 
Nach 2—3 Tagen erhält der Patient 0,06 ccm Arthigon intravenös, wonach bei 
noch nicht geheilten Fällen manchmal schon am nächsten Tage im Ausfluß 
oder in den Flocken Gonokokken sich vorfinden. Ist ein positives Ergebnis 
nicht erzielt, wird die intravenöse Injektion mit 0,1 ccm Arthigon wiederholt 
und meist gleichzeitig zur lokalen Reizung eine Einspritzung einer Lösung 
(Argentum nitricum 0,6, Perbydrol 2,0, Aqua dest. ad 100,0) in die Harnröhre 
gemacht und dort 10 Minuten belassen. Die Sekret- oder Flockenuntersuchung 
wird bei negativem Befund 3 Tage fortlaufend durchgeführt. So ausgefübrt 
bilden die intravenösen Arthigoninjektionen von 0,05—0,1 ccm eine zuver¬ 
lässige Methode zur Fortsetzung der Heilung von Tripperkranken, auch 
dann, wenn es sich bei Komplikationen um die Untersuchung des Prostata- und 
Samenblasensekrets auf Gonokokken handelt. Dr. Roepke-Melsungen. 


Ueber die Ausscheidung des Salvarsans nach intravenöser Injektion 
konzentrierter Lösungen. (Aus der Akademischen Klinik der Hautkrankheiten 
in Düsseldorf.) Von Prof. Dr. Karl Stern. Deutsche Med. Wochenschrift; 
1916, Nr. 14. 

Die Ausscheidung des Salvarsans nach Anwendung der konzentrierten 
Lösungen in Form der Injektionen ist erheblich langsamer als nach der 
Infusion verdünnter Lösungen. Da die Meinung erfahrener Autoren dahin 
geht, daß nicht so sehr die Dauer der Arsenrestausscheidung für den Heilerfolg 
in Betracht komme, als vielmehr der Umstand, wie lange das Salvarsan als 
Ganzes im Blute bezw. in den Gewebssäften vorhanden sei, bo zeigen die 
SternBchen Untersuchungsergebnisse die Ueberlegenheit der konzentrierten 
Lösungen gegenüber den verdünnten. Die Anwendung der Injektion ist be¬ 
sonders für den praktischen Arzt wesentlich leichter als die Infusion; sie 
erfordert nicht das umständliche Instrumentarium wie die Infusion, ist ohne 
Assistenz auszuführen, eignet sich für die Klinik wie für die Sprechstunde, 
für Neosalvarsan wie für Salvarsannatrium. Grund genug, um den Injek¬ 
tionen konzentrierter Lösungen in den Kreisen der für die Bekämpfung 
der Syphilis unentbehrlichen praktischen Aerzte Freunde zu erwerben. 

Der Umstand, daß zur Lösung des Salvarsans nur 2—5 g abgekochten 
Leitangswassers benötigt werden, scheidet auch den „Wasserfehler“ völlig aus. 
Ein Reagenzglas zum Auf kochen des Wassers, ein weiteres zum Auskochen der 
Kanüle stellten mit der Spritze, in der die gebrauchsfertige Lösung hergestellt 
wird, das ganze Instrumentarium dar. Die Vereinfachung durch die Salvarsan- 



488 Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 

-Injektion ist fttr die wirksame Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten in 
und nach dem Kriege besonders wertvoll. Dr. Roepke-Melsungen. 


Wirkt die gleichzeitige Anwendung ron Salrarsan und Quecksilber 
summierend. Von Dr. W. Treupel, 1. Assistent der Universitäts-Hautklinik 
in Jena. Deutsche medizinische Wochenschrift; 1916, Nr. 29. 

Eine summierende Wirkung bei gleichzeitiger Salvarsan - Qaecksilbcr- 
Behanälung findet nicht statt. Das bedeutet aber nicht den Verzicht auf Hg 
bei der Durchschnittsbehandlung, sondern weist nur auf eine andere Kur¬ 
anordnung hin. Der sicherste Weg zur Vermeidung schwerer Nebenwirkungen 
des Salvarsans ist, abgesehen von der strengen Beobachtung schon feststehender 
Gegenanzeigen, die Verwendung kleiner Anfangsgaben und die allmähliche 
Steigerung der Gaben bei Frauen bis Dosis 4, bei Männern bis Dosis 6. Durch¬ 
schnittsgaben bis zu Dosis 8 sind ungenügend wirksam und, allein verabreicht, 
nicht unbedenklich. Dr. Boepke- Melsungen. 


6. Desinfektion. 

Ueber die Desinfektion phthisisclien Auswurfsmittels der Phenol- 
dirivate Phobrol, Grotan und Sagrotan, insbesondere bei gleichzeitiger 
Anwendung von Antiformin. Von Dr. Fritz Kirstein, Vorsteher des Königl. 
*Medizinaluntersuchungsamtes in Stettin. Veröffentlichungen aus dem Gebiete 
der Medizinal Verwaltung. Verlag von Richard Schötz. Berlin 1916. Jahr¬ 
gang 1916, V. Bd, 7. H. Preis: 1,80 M. 

K. teilt zunächst die Ergebnisse der bisherigen Versuche mit den oben¬ 
genannten Mitteln mit und berichtet dann über seine eigenen damit gemachten 
Versuche, bei denen ihm vor allem der Gedanke geleitet hat, ihre Wirksam¬ 
keit durch gleichzeitige Verwendung schleimlösender Mittel noch zu erhöhen 
und dadurch auch eine Abkürzung der Desinfektionsdaucr zu erreichen. Er 
ist auf Grund dieser Versuche zu folgendem Schlußergebnis gekommen: 

8—8°/«ige Phobrol- und 5—10°/uige Grotanlösungen mit40°/oigen 
Antiformin lösungen hergestellt, vermögen selbst nach 12 stiind. Einwirkungs¬ 
zeit tuberkulöses Sputum nicht zu desinfizieren; ebenso erwiesen sich 2°/oige 
Grotan- und 5—10 u /oige Sagrotanlösungen ohne Antiformin auch nach 
128tündiger Einwirkung ohne jegliche desinfizierende Wirkung. Beide Mittel 
sind also ungeeignet für die Sputumdesinfektion. Dagegen sind 5°/oige 
Phobrol lösungen im stände, nach I2stündiger Einwirkungszeit 
tuberkulöses Sputum sicher zu sterilisieren, vielfach erwiesen 
sich schon 3°/oige als wirksam. Dabei hat das Phobrol 1 ) den Vorzug der 
fast völligen Geruchlosigkeit und sehr geringen Giftigkeit; sein einziger Nach¬ 
teil ist nur der etwas hohe Preis, der sich aber für Krankenanstalten und Be¬ 
hörden bei Abnahme von wenigstens 5—10 kg auf 6 M. fttr 1 kg ermäßigt. 
Das Mittel empfiehlt sich besonders fttr die Desinfektion des Sputums der in 
ihrer Familie lebenden Tuberkulösen; seine Verteilung an diese geschieht am 
besten durch die Fttrsorgestellen in fertiger Lösung (3 Literflaschen mit 6°/o iger 
Lösung). Da eine 12stündige Einwirkung erforderlich ist, muß der Kranke 
entweder 2 Speiflaschen besitzen, die er abwechselnd benutzt, oder neben einer 
Speiflasche (für Benutzung am Tage) noch einen Speibecher (fttr Benutzung 
bei Nacht). 200 ccm-Lösung genügen für den Tag. Wäsche wird am besten 
24 Stunden in 2—3°/« Phobrollösung eingesteckt. Jedenfalls ist nach Ansicht 
des Verfassers Phobrol das beste der bis jetzt bekannten chemi¬ 
schen Mittel zur Desinfektion des phthisischen Auswurfs. 

__ Rpd. 


D. Hygiene and öffentliches Gesundheitswesen. 

1. Nahrungsmittelhygiene. 

Gemüsenahrnng nnd Gemüsekiiche (Kriegsküche). Von Dr. Wilhelm 
Sternberg-Berlin. Berliner Klinik. Berlin 1916. Verlag von Fischers 
medizinische Buchhandlung. XXVII. Jahrg., Heft 81. 8°;32S. Preis: 0,60 M. 


*) Der wirksame Bestandteil des von der Firma Hoffmann-La Roche 
in Grenzach (Baden) bezogenen Phobrol ist Chlor-m-Kresol. 



Kleinere Mitteillingen and Referate aas Zeitschriften. 489 

Für den Natzwert der Nahrang kommen der Preis(Markt- and Geldwert), 
der Gesandheits- (Heil* and Nähr-) wert and schließlich der Genaßwert in 
Betracht, von denen der letztere meist unterschätzt, von manchen sogar ganz 
übersehen wird, obwohl der Wert einer Nahrung in erster Linie von ihrem 
Genußwert abhängig ist, denn im Falle ihrer Ekclhaftigkeit wird eben die 
Aufnahme verweigert. Das Merkmal der jetzigen Kriegskttche ist Einschränkung 
der teueren animalischen Nahrungsmitteln (Fett- und Eiweiß) und Bevorzugung 
der wesentlich billigeren vegetabilischen (Kohlenhydraten); der Verbrauch von 
Zacker muß also gesteigert, der Zucker nicht nur Genuß-, sondern auch Volks¬ 
ernährungsmittel werden; desgleichen müssen Gemüse reichlicher genossen 
werden. Die Gemüsenahrung hat aber außer den Vorzug der großen Billig¬ 
keit auch den Vorzug des Heilwertes, namentlich bei solchen Krankheiten, 
die darch übertriebene Fleischkost hervorgerufen oder begünstigt werden, 
z. B. manche Magen-, Herz- und Nervenkrankheiten, auch Stoffwechselkrank¬ 
heiten wie Gicht, Steinkrankheit und Diabetes. Dazu kommt, daß sowohl der 
Nutz- und Nährwert als der Genuß wert der Gemüsenahrung ein recht 
erheblicher ist. Auch die Verdaulichkeit der Gemüsenahrung ist, abge¬ 
sehen von den Hülsenfrüchten, im allgemeinen eine leichtere als die der Fleisch¬ 
nahrung und vor allem als die des Fettes. Die Gemüsenahrung erfordert 
jedoch in bezug auf die praktische Technik der Küche erhöhte Anforderungen, 
damit den berechtigten Ansprüchen in bezug auf alle Speisen: Schmackhaftig¬ 
keit, Appetitlichkeit, Abwechselung usw., nach Möglichkeit genügt wird. Daß 
dies bei der Gemüsenahrung im vollen Umfange erreicht werden kann, und 
daß sich auch aus Gemüse und Obst schmackhafte, abwechselnsreiche und 
nahrhafte Speisen herstellen lassen, wird vom Verfasser in überzeugender Weise 
ansgeführt. Die Gemüseküche ist jedenfalls in mancher Beziehung eine recht 
dankbare Küche, die während der Kriegszeit mehr Anerkennung als früher 
gefunden hat. In volkswirtschaftlicher wie in gesundheitlicher Hinsicht kann 
nur gewünscht werden, daß sie auch nach dem Kriege diese Anerkennung 
behält and die Fleischküche nicht wieder in dem Maße wie früher bevor¬ 
zugt wird. _ Rpd. 


2. Gewerbehygiene. 

Veber eine Zelluloidexplosion und deren Ursachen und Folgen sowie 
die Aufgaben der Aerzte bei Katastrophen im allgemeinen. Von Professor 
Dr. Zangger-Zürich. Zeutralblatt für Gewerbehygiene; 1916, Nr. 5—6. 

Der Verfasser gibt nach der Beschreibung der Explosion die Schutz¬ 
maßnahmen und die Aufgaben der Aerzte, die er in 3 Gruppen teilt: 

1. Die Maßnahmen bei der Rettung der Bedrohten und Gefährdeten unter 
möglichst geringen Schädigungen, wie die Rettung der Eingeklemmten, Ver¬ 
schütteten usw. 

2. Die Beurteilung der noch bestehenden Gefahren (wie z. B. nach 
Explosion die Gasvergiftung), in engem Zusammenhang damit die Gefahren 
für die Rettungsmannschaft und die Schutzmaßnahmen gegenüber Verun¬ 
glückungen unter der Rettungsmannschaft. 

3. Die Mithilfe bei den Feststellungen: Feststellung der naturwissen¬ 

schaftlichen Kausalzusammenhänge, die zur Vermeidung der Gefahren be¬ 
sondere Anhaltspunkte geben, Feststellung der rechtlich-kausal wichtigen 
Zusammenhänge in bezug auf Verschuldung und Haftung, sowie Feststellung 
des Kausalzusammenhanges zwischen dem unglücklichen Erfolg, z. B. den 
Tötungen, den Verletzungen, mit bestimmten Entschlüssen und Maßnahmen 
einzelner verantwortlicher Individuen; ebenso wichtig und eigenartig ist die 
Festlegung des Kausalzusammenhanges für die Versicherungen und im Hinne 
der sozialen Gesetzgebung. Dr. Wolf-Hanau. 


Die Gewerbeinspektion im Felde. Von Dr. A. Bender. Zentralblatt 
für Gewerbehygiene; 1916, Nr. 6. 

Der Verfasser gibt ein Bild davon, in welcher Weise sich die Tätigkeit 
der Gewerbeaufsichtsbeamten im Kriege gestaltet hat. 

Von besonderem Werte wird sich eine regere Fühlung mit den Ver¬ 
tretungen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer erweisen, damit mehr als bisher 



490 Kleinere Mitteilungen and Befer&te aas Zeitschriften. 

das Wesen der Gewerbeaufsicht weiteren Kreisen bekannt nnd hierdurch 
manche Verkennung der Beamten und ihrer Arbeitsziele bei der Durchführung 
der Kinder* und Heimarbeit vermieden wird, da hier eine Einwirkung auf die 
wirtschaftliche Lage und die gesamte Lebenshaltung der Schutzbedürftigen 
geboten ist. Dr. Wolf* Hanau. 


3. Säuglingsfürsorge. 

Zur Frage der „Kriegsneugeborenen“. Von Dr. A. G. Kettner- 
Charlottenburg, von Prof. Dr. L. Langstein, von Prof. Dr. B. Bendix* 
Berlin, von Dr. Misch*Charlottenburg und von E. Dietrich-Berlin. Zeit¬ 
schrift für Säuglingsschutz; 1916, Nr. 6. 

Kettner ist der Ansicht, daß er nachgewiesen hat, daß und warum es 
sich hier um eine neue Abart von Säuglingen handelt, die wir vor dem Kriege 
nicht gekannt haben (Kriegsneugeborene). 

Langstein lehnt diese neue Art ab; auch die Erfahrungen von 
Bendix und Misch widersprechen den Ergebnissen Kettners. 

Zum Schluß gibt Dietrich das übereinstimmende Urteil zahlreicher 
Kinderärzte, Fürsorgeärzte und Medizinalbeamte wieder, die ebenfalls eine be¬ 
sondere Art von Kriegsnengeborenen nicht gesehen haben. Dr. Wolf- Hanau. 


4. Schulgesundheitspflege. 

Die Körperkonstitution der ostpreußischen Stadt- und Landschul¬ 
kinder. Ein Beitrag zur sozialen Anthropologie. Von Prof. Dr.K.Kiss- 
k a 11 - Königsberg. Deutsche med. Wochenschrift; 1916, Nr. 25. 

Messungen in zahlreichen Städten haben ergeben, daß in Schulen, die 
von Kindern bemittelter Stände besucht werden, Körperlänge und Gewicht 
wesentlich größer waren, als in Volksschulen. Verfasser hat solche Unter¬ 
suchungen in Königsberg vorgenommen und bestätigt gefunden, daß die 
aus bemittelten Familien stammenden Gymnasiasten im gleichen Alter 
größer und schwerer sind als die Volksschüler. Er hat weiterhin auch 
Messungen der Landbevölkerung machen lassen mit dem Ergebnis, daß die 
gut ernährten Landkinder nicht die gleichen Maße aufweisen wie die Stadt¬ 
kinder aus wohlhabenden Kreisen, sondern durchweg geringere Größe und 
geringeres Gewicht. Man kann deshalb annehmen, daß zwischen den Gym¬ 
nasiasten und den Landkindern Bassenunterschiede maßgebend sind. 

Ferner sind noch Unterarmumfang und Druckkraft (rechts gemessen 
mit dem C o 11 i n sehen Dynamometer) bei Gymnasiasten, Stadtvolksschülern 
Und Landschulkindern bestimmt worden. Die Zahlenwerte ergeben, daß die 
größte Druckkraft die Gymnasiasten besitzen, ihnen folgen die Landschulkinder, 
wie es nach der übrigen körperlichen Entwicklung zu erwarten war; erst 
in einem deutlichen Abstand folgen die Stadtvolksschulkinder, so daß sich nach 
dieser Methode ihre Unterlegenheit unter den gleich großen und gleich schweren 
Landschulkindern ergibt. Man darf daraus schließen, daß die Stadtvolksschul¬ 
kinder in ihrer körperlichen Entwicklung zurückgeblieben sind, und daß diese 
ihre Minderwertigkeit auf schlechtere soziale Verhältnisse zurückzuführen ist. 

Im übrigen ist gerade das Klima Ostpreußens wegen seines großen 
Einflusses auf den Nahrungsbedarf geeignet, ein kräftiges Geschlecht zu schäften. 
Die relativ niedrige Tuberkulosesterblichkeit Königsbergs, im Gegen¬ 
satz zu den Binnenstädten, dürfte durch die Abhärtung infolge der ständigen 
wehenden Winde bedingt sein; allerdings hat sie nicht in dem Maße abge¬ 
nommen, wie in den reicheren deutschen Städten. Ueber die Gründe der auf¬ 
fallend hohen Säuglingssterblichkeit Ostpreußens sind wir durch 
wissenschaftliche Arbeiten sehr wenig unterrichtet. Bemerkenswert ist aber, 
daß sie in dem heißen Sommer 1911 keine derartige Steigerung zeigte wie im 
übrigen Deutschland, da die Temperatur in Ostpreußen nicht besonders hoch war. 

_ Dr. It o e p k e - Melsungen. 

5. Krankenfürsorge. 

Die Krankenhauspflege als Leistung der sozialen Krankenver¬ 
sicherung. Von Dr. Wille, stellvertretender Vorsitzender der städtischen 



Kleinere Mitteilungen and Beieinte aas Zeitschriften. 491 

Versicherungsabteilung, München. Halbmonatsschrift für soziale Hygiene and 
praktische Medizin; 1916, Jahrg. 24, Nr. 14 and 15. 

Unter den Leistungen der sozialen Versicherung hat die Krankenhaus- 
pflege sehr an Bedeutung gewonnen. Das Krankenyersicherungsgesetz erkannte 
den Krankenkassen das Recht zu, an Stelle der ärztlichen Behandlung usw. 
den Versicherten Kur und Verpflegung in einem Krankenhaase zu gewähren. 
Die Wahl zwischen diesen beiden Leistungsarten blieb den Krankenkassen 
überlassen. Einen anderen Standpunkt vertrat der oberste Verwaltungsgerichts¬ 
hof, der die Gewährung der Krankenhauspflege als eine Verpflichtung der 
Krankenkassen ansah, sobald die Art der Krankheit diese Pflege erfordert. 
Die Reichsversicherungsordnung hat dagegen die Anträge abgelehnt, welche 
bezweckten, die Krankenhausplege zur pflichtmäßigen Leistung der Kranken¬ 
kassen zu erheben. Die Einführung der Krankenhauspflege als Pflichtleistung 
würde allerdings eine starke Mehrbelastung der Kassen nicht bedeuten, wenn 
sie auf die Fälle beschränkt würde, wo nach ärztlichem Gutachten die 
Krankenhauspflege notwendig ist. Wird Krankenhauspflege durch die Kassen 
abgelehnt, so kann indessen die Krankenkasse durch die Aufsichtsbehörde zur 
Gewährung der Krankenhauspflege angehalten werden, natürlich nur unter 
bestimmten Voraussetzungen. Auf diese Weise ist der Rechtsanspruch auf 
Krankenhausbehandlung, wenn er auch juristisch nicht besteht, für den Ver¬ 
sicherten doch erreichbar, wo diese Behandlung notwendig ist. 

Dr. Hoffmann-Berlin. 


Kriegslazarette ehemals und heute. Von Architekt Fritz Doggen¬ 
berger. Halbmonatsschrift für soziale Hygiene und praktische Medizin; 
Jahrgang 24, Nr. 7 und 8. 

St.-Lazarus-Häuser hießen die Hospitäler, in denen die Aussätzigen 
untergebracht wurden; hieraus ist das Wort „ Lazarett“ geworden, besonders 
im Gebrauch für Soldaten-Hospitäler; auch die Cbaritö ist zunächst als mili¬ 
tärisches Lazarett errichtet. Im dreißigjährigen Kriege waren die sogenannten 
Feldscherer tätig; es kamen aber schon Pflegerinnen vor. Die Verminderung 
der Bevölkerung Deutschlands während des dreißigjährigen Krieges war 
hauptsächlich auf die Seuchen zurückzuführen. Durch die 1724 gegründete 
Aerzte-Schule erwarb sich Friedrich Wilhelm II. von Preußen ein großes Ver¬ 
dienst um die Ausbildung des Heilpersonals. Schon 1787 wurden Grundsätze 
für den Bau von Krankenhäusern aufgestellt, die jetzt noch maßgebend sind: 
w Danach sollen die Krankenhäuser womöglich frei und erhaben liegen, mit reiner 
Luft umgeben und nicht weit vom fließenden Wasser entfernt sein.“ — Bekannt¬ 
lich haben die Epidemien oft die größten Erfolge einer siegreichen Armee zunichte 
gemacht. Larrey, der Kriegschirurg Napoleons I., war schon von der Not¬ 
wendigkeit durchdrungen, Verwundete und Kranke möglichst schnell vom Kriegs¬ 
schauplatz zu entfernen; da man damals feste Verbände noch nicht kannte, wurden 
meistens die Amputationen am Fundorte natürlich ohne Narkose vorgenommen, 
und es kam nicht selten vor, daß die Amputierten geheilt zu Hause ankamen. 
1814 und 1815 ging man dazu Uber, die Kranken und Verwundeten in eine 
Gruppe kleiner Häuser zu verteilen (Pavillonsystem); jetzt sank die Sterb¬ 
lichkeitsziffer beträchtlich, auf etwa 40 Verwundete und Kranke kam ein 
Todesfall, während in früheren Kriegen von 9 Verwundeten einer, und von 18 
bis 20 Kranken einer starb. Aus diesen Erfahrungen heraus errichteten die 
Amerikaner im Bürgerkriege 1861 bis 1865 Barackenlazarette; auch 1870/71 
zeigte sich, daß kleine luftige Baracken oder Zelte manchmal geräumigen 
8chlössern mit weiten Sälen vorzuziehen sind. 1870/71 war der erste Krieg, 
in dem die Verluste durch Krankheiten bei dem deutschen Heere geringer 
waren, als die Verluste an Verwundeten. Jetzt hat man auf diesen Erfahrungen 
weiter gebaut; die Feldlazarette benutzen meist vorhandene Gebäude, auf den 
Truppen - Hauptverbandplätzen spielen jedoch Zelt# eine große Rolle. Vor 
allen Dingen muß aber der Transport in die Heimat beschleunigt werden. Die 
Verwundetensterblicbkeit beträgt jetzt im deutschen Feldheere weniger als 
1 */ 2 °/o. Dr. Hoffmann -Berlin. 



492 


Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


6. KriegsbeschädigtenfOrsorge. 

Krlegsbeschädigtenftirsorge. Aerztliche Mitteilangen aas and für Baden; 
1916, Nr. 18. 

Der Landesaasschaß der Kriegsbeschädigten!Qrsorge im 
Großherzogtom Baden hat an die dortigen ärztlichen Vereine deB Landes ein 
von ihm aasgearbeitetes Merkblatt nebst ärztlichesZeagnis zar Ver¬ 
breitung an die Vereinsmitglieder zageschickt, die sich aach für weitere Kreise 
empfiehlt and deshalb an dieser Stelle zam Abdrack gebracht ist. 

Merkblatt. 

Die Kriegsteilnehmer, die den Arzt am Ausstellung eines Zeugnisses 
zwecks Einleitang eines Heilverfahrens angehen werden, setzen sich aas vier 
Grappen zusammen: 

1. aas Rentenempfängern, die wegen unheilbaren schweren Leidens aas dem 
Heeresverbande entlassen wurden; 

2. ans Rentenempfängern, bei denen das Heilverfahren während der Lazarett- 
behandlnng aas irgendwelchen Ursachen nicht zam Abschluß gekommen ist; 

8. aus Rentenempfängern, bei denen das Heilverfahren während der Dienst¬ 
zeit zwar abgeschlossen wurde, sich jedoch eine Verschlimmerung des 
Leidens nach ihrer Entlassung aus dem Militärdienst einstellte; 

4. aus Kriegsteilnehmern, die ohne Versorgung entlassen wurden und erst 
nach ihrer Entlassung offensichtlich erkrankten und die ihr Leiden zu 
Recht oder zu Unrecht auf die Schädigung des Feldzuges zurückführen. 

1. Die erste Gruppe wird nicht groß sein. Sie besteht vorwiegend aus 
Kranken mit schweren Rückenmarks- und Schädelschüssen, mit Lungentuberku¬ 
lose asw. ohne Aussicht auf Besserung. 

Der Landesausschuß der Kriegsbcschädigtenfürsorge bringt ihrer sach¬ 
gemäßen Versorgung das wärmste Interesse entgegen und ist für ärztliche 
Vorschläge in dieser Richtung dankbar. Er ist bereit, alleinstehende Sieche 
auf seine Kosten im Bedarfsfälle in Krankenanstalten unterzubringen oder, 
falls sie Angehörige besitzen, diese durch Gewährung von Unterstützungen 
und ärztlichen Hilfsmitteln in den Stand zu setzen, den Kranken in der 
Familie zu verpflegen. Der Landestuberkuloseausschuß ist bereit, sich der 
Lungenkranken anzunehmen und die Gefahr der Ansteckung ihrer Angehörigen 
darch entsprechende Maßnahmen wirksam zu bekämpfen. 

2. Auch die zweite Gruppe wird vermutlich ebenfalls nicht groß sein. 

Durch Verfügung des Kriegsministeriums vom 4. April 1915 darf eine 

Entlassung als dienstunbrauchbar nicht statt finden, bevor nicht durch geeignete 
Behandlung versucht wird, den höchstmöglichen Grad der Wiederherstellung 
der Gebrauchsfähigkeit der verstümmelten oder sonst beschädigten Glieder 
oder der Leistungsfähigkeit des Kranken zu erreichen. Immerhin ist infolge 
der besonderen Verhältnisse der ärztlichen Versorgung während des Feldzuges 
anzunchmcn, daß Fälle Vorkommen werden, wo diese kriegsministerielle Be¬ 
stimmung nicht streng eingehaltcn worden ist. 

Es wird - sich dabei vorwiegend um folgende Kranke handeln: 

a) Verletzte, bei denen durch fachärztlich vorzunehmende blutige Eingriffe, 
besonders durch plastische Operationen an Sehnen und Nerven die Ge- 
brauchsfähigkeit der Glieder wesentlich gesteigert werden kann; 

b) innerlich Kranke, besonders Tuberkulöse, die durch ein Heilverfahren in 
ihrem subjektiven und objektiven Befinden wesentlich gehoben werden 
können; 

c) Kranke mit hysterischen Störungen (z. B. beiderseitige Ertaubung, Stumm¬ 
heit, allgemeines Muskelzittern, Lähmungen usw.i, die durch zweck¬ 
entsprechende Behandlung von ihren Leiden befreit werden können. 

In diesen Fällen trägt grundsätzlich die Militärverwaltung die Kosten 
des Heilverfahrens. 

3. Die dritte Grippe von Rentenempfängern wird umfangreicher sein 
und im Laufe der Jahre noch erheblich wachsen, da es im Wesen vieler Kriegs¬ 
schädigungen begründet liegt, daß nach anfänglichen Besserungen Rückfälle 
und Verschlimmerungen eintreten. 

Sie wird sich voraussichtlich hauptsächlich aus folgenden Kranken 
zusammensetzen: 



Kleinere Mitteilungen and Referate aus Zeitschriften. 


498 


a) Verletzte, bei denen nach anfänglicher Heilung Fisteln zum Durchbruch 
kommen, Amputierte mit wunden und scbmerzhalten Stümpfen, Verwundete, 
die von nicht entfernten Gescboßsplittern Schmerzen verspüren, Scbädel- 
verletzte, bei denen sich als Folge von Karbenbildung usw. Gehirn¬ 
störungen (epileptische Anfälle, Kopfschmerzen, Benommenheit) einstellen; 

b) innerlich Kranke, die an einem Rückfall in ihr früheres Leiden (z. B. 
akuter Gelenkrheumatismus, Ischias, Herz- und Nierenleiden, Tuberkulose 
der Lunge) erkranken und eines Heilverfahrens bedürftig werden. 

In diesen Fällen trägt die Militärverwaltung die Kosten des Heil¬ 
verfahrens, falls die Krankheit eine Folge der im Kriege erlittenen DienBt- 
beschädigung ist und nur durch angemessene Behandlung in einem Lazarett, 
einer Lungenheilstätte oder durch Badekur eine Heilung oder erhebliche Besse¬ 
rang zu erhoffen ist. 

4. Die vierte Gruppe endlich wird sich aus Kriegsteilnehmern zusammen¬ 
setzen, die ohne Versorgung entlassen sind und an den verschiedensten Be¬ 
schwerden erkrankten, die sie zum Teil mit Recht, häufiger auch mit Unrecht 
mit den Schädigungen des Feldzuges in Verbindung bringen. Es ist zu er¬ 
warten, daß bei der in Laienkreisen weitverbreiteten Neigung, die verschieden¬ 
artigsten Störungen mit irgendwelchen, zum Teil fernliegenden Schädigungen 
in ursprüngliche Beziehung zu setzen, die Zahl dieser Kranken gleichfalls 
nicht gering sein wird. 

Die Behandlung dieser Fälle gehört nicht zu den eigentlichen Aufgaben 
des Landesausschusses der Kriegsbeschädigten-Fürsorge. Er muß sich daher 
Vorbehalten, die Ansprüche des Erkrankten auf ein Heilverfahren zu prüfen, 
und falls ein innerer Zusammenhang zwischen den Kriegsschädigungen und den 
bestehenden Leiden angenommen werden darf, ein Heilverfahren auf seine 
Kosten durcbznführen oder den Kranken mit seinen Ansprüchen an die Militär¬ 
verwaltung oder andere Stellen zu verweisen. 

Der Landesausschuß der Kriegsbeschädigtenfürsorge ist bestrebt, allen 
Ansprüchen der Kriegsbeschädigten auf ein Heilverfahren nachzukommen, so¬ 
weit sie gerecht sind und das Heilverfahren zu einer Heilung oder Besserung 
der Beschwerden wirklich erforderlich ist. 

Auf der anderen Seite ist jedoch der Landesausschuß mit Rücksicht auf 
die große Zahl der voraussichtlich notwendig werdenden Heilverfahren und die 
dafür verfügbaren Mittel genötigt, alle überflüssigen und vermeidbaren Kuren 
abzulehnen. 

Um die anspruchsberechtigten Kriegsteilnehmer von den übrigen zu 
sondern und den Behandlungsbedürftigen das erforderliche Heilverfahren im 
vollen Umfange zukommen zu lassen, ist der Landesausschuß auf die opfer¬ 
willige Mitarbeit derAerzte angewiesen. Diese werden in richtiger Würdi¬ 
gung der Aufgaben der Kriegsbeschädigtenfürsorge und der zur Verfügung stehen¬ 
den Mittel gewiß bereit sein, in jedem einzelnen Falle durch Ausstellung eines 
klaren, kurzen und doch erschöpfenden Zeugnisses über den Gesundheitszustand 
des Antragstellers den Landesausschuß in die Lage zu.setzen, die Berechtigung 
des Gesuches einer Nachprüfung zu unterziehen. 

Der Landesausscbuß sieht davon ab, das Zeugnis derAerzte an einen 
bestimmten, vorgedruckten Fragebogen zu binden, da die auftauchenden Fragen 
so mannigfaltig sein werden, daß ein Fragebogen, der ihnen gerecht werden 
wollte, sehr umfangreich und umständlich sein müßte. Es kann jedoch erwartet 
werden, daß der Arzt auch ohne nähere Anweisung alle Punkte, die für die 
Beurteilung des Leidens des Kriegsbeschädigten und der ärztlichen Heil¬ 
vorschläge erforderlich sind, aus eigenem Ermessen berührt, sich dadurch weitere 
Rückfragen erspart und das Heilverfahren für den Kriegsbeschädigten nicht 
unnötig verzögert. 

Obwohl der Landesausschuß den Aerzten soweit völlige Freiheit in der 
Form des Zeugnisses läßt, so legt er doch den^Wert darauf, daß sein 
Inhalt lückenlos ist. Das Zeugnis muß berücksichtigen 

a) die Vorgeschichte des Leidens. Wann und wie äußerte sich das Leiden 
vor, während und nach dem Feldzuge Y Wann, wo und wie wurden bisher 
Heilverfahren durchgeführt, auf wessen Kosten und mit welchem Erfolge 'i 

b) den gegenwärtigen Befand. Bei örtlichen Leiden ist eine genaue Schilde- 



494 


Kleinere Mitteilungen und Beferate aus Zeitschriften. 


rang der krankhaften Veränderung notwendig, bei allgemeinen Leiden 
eine eingehende Darstellung der ärztlichen Untersuchung (Perkussion, 
Auskultation, Sputnmuntersnchnng, Urinuntersuchung, Temperatur- 
Messnngen nsw.), 

c) die Beurteilung des Zustandes. Was für ein Leiden liegt vor? In welcher 
Beziehung steht es zu den Kriegsschädigungen (vergl. Ziffer 1—4)? 

Ist eine etwaige Lungenerkrankung tuberkulöser Natur? 

d) die Wirkung des Leidens auf die Erwerbsfähigkeit. Steht der Kranke in 
Arbeit und mit welchem Erfolge? 

e) Vorschläge zur Behandlung. Ist von einem Heilverfahren zu erwarten 
völlige Heilung, oder wesentliche Besserung, oder wenigstens Linderung 
der Schmerzen? 

Welche Kranken- oder Heilanstalt, welches Bad, welcher Erholungs¬ 
aufenthalt oder Luftkurort kommt in Frage ? Bei voraussichtlich gleichem 
Erfolge sind die dem Wohnorte des Kranken am nächsten gelegenen Orte 
zu bevorzugen; 

f) voraussichtliche Dauer des Heilverfahrens; 

g) ist der Kranke mit der Durchführung des vorgeschlagenen Heilverfahrens 
einverstanden ? 

h) verpflichtet sich der Kranke solange in der Heilanstalt, dem Badeort usw. 
zu bleiben, als es der Arzt für nötig hält? 

i) ist nach ärztlichem Gutachten eine Reisebegleitung erforderlich? 

k) leidet der Kranke oder seine Familie an ansteckenden Krankheiten? 
Oder an Zuständen, welche für andere im Verkehr schwer erträglich sind 
(starker Husten, Auswurf, Ausdünstungen und dergleichen)? 

l) sind die Zähne in Ordung, d. h. genügend Zähne zum Kauen vorhanden 
und keine Eiterungen oder Schmerzen zu befürchten'? 

Von dem Inhalt des Zeugnisses und den gemachten Behandlungs¬ 
vorschlägen wird gebeten, dem Kranken keine Mitteilung zu machen, 
sondern es in einem verschlossenen Umschlag dem Landesausschuß der 
Kriegsbeschädigtenfürsorge, Abteilung Heilfürsorge in Karlsruhe, — Kaiser- 
alleo 8 — einzusenden. 


a. Fragen zur Ansiedlung Kriegsbeschädigter. Von Hans Würtz- 
Zehlendorf. b. Kriegsinvaliden als Siedler. Von Hans Ostwald-Zehlendorf. 
Zeitschrift für Krüppelfürsorge; 1916, Nr. 9. 

a. W. beschäftigt sich eingehend mit der Siedlungsfrage und will nament¬ 
lich die Stellungnahme zu folgenden Fragen anregen: 

1. Was versteht man unter einem siedlungsberechtigten Kriegsbeschä¬ 
digten? 

2. Unter Siedlungen für Kriegsbeschädigte? 

b. 0. hält es für das Richtigste, Kriegsinvaliden anzusiedeln im Interesse 
ihrer Gesundheit, ihrer wiedererwachenden Arbeitsfähigkeit, ihrer moralischen 
und wirtschaftlichen Wiederaufrichtung; dasselbe gilt auch für die Kriegerwitwen. 

Dr. Wolf- Hanau. 


Ein Vorschlag snr Lösung des Problems der „willkürlich beweg¬ 
lichen künstlichen Hand“. Von Oberstabsarzt Dr. Pochhammer-Berlin. 
Deutsche med. Wochenschrift; 1916, Nr. 19. 

Es wird vorgeschlagen, durch Kreuzung eines Teiles der Muskel- 
und Sehnenenden bei der Stumpfplastik an Stelle „beweglicher Kraftwülste* 
(SAuerbruch) bewegliche Tast- und Greifwülste am Stumpfende bei 
Armampntierten zu bilden. Diese ermöglichen eine „spontane Greiffähigkeit* 
des Armstumpfes und lassen sich zur Herstellung einer „willkürlich beweg¬ 
lichen künstlichen Hand* nutzbar machen. Dr. R o e p k e - Melsungen. 


7. Soziale Hygiene. 

Die Erhaltung der Volkskraft. Von Geh. Sanitätsrat Dr. W. Lublinski. 
Halbmonatschrift für soziale Hygiene und praktische Medizin; 1916, Jahr¬ 
gang 24, Nr. 9. 

Es soll nicht nur auf die Volksvermehrung Wert gelegt werdern, sondern 



Besprechungen. 


495 


auch auf die Erhaltung der Volkskraft. Wenn nach dieser Richtung hin auch 
schon durch Mutterschutz, Säuglingspflege, Krippen usw. viel getan ist, so 
bleibt doch noch ein reiches Arbeitsfeld. Im Gewerbe gibt es einen Kinder¬ 
schutz, aber nicht in der Landwirtschaft. Die Kinder, die mit Erwachsenen 
Zusammenarbeiten, leiden oft Einbuße an ihrer Moral; Beweis: die Zunahme 
der verurteilten Jugendlichen. Gerade jetzt, wo in vielen Familien <der Vater 
fehlt, sollte die Erhaltung der Volkskraft eine große Rolle spielen. 

Dr. Hoffmann-Berlin. 


Krieg und Geburtenrückgang. Von Obersanitätsrat Dr. Alt schul* 
Prag. Das Oesterreichische Sanitätswesen; 1916, Nr. 9—12. 

Als Gesamtergebnis konnte die höchst wichtige Tatsache festgestellt 
werden, daß das Gedeihen der Kinder um so besser und die Gewichtszunahme 
um so konstanter und größer waren, je jünger das Kind beim Eintritt in die 
Kriegspatenschaft war, je früher also Mutterberatung, ärztliche Aufsicht 
und Ordination eingesetzt hatten. Eines steht und geht wohl aus den Darstellungen 
hervor, nämlich, daß die Kriegspatenschaft nicht eine einfache Armenunter¬ 
stützung ist, sondern eine systematisch betriebene hygienische Institution, die 
hoffentlich nicht nur die Kriegszeit überdauern, sondern sich zu einer bleibenden 
und sich immer erweiternden Einrichtung gestalten wird. Wenn man schon in 
nächster Zeit darangehen wird und man wird darangehen müssen, Institute 
der Säuglingsfürsorge, namentlich der offenen Säuglingsfürsorge, ins Leben zu 
rufen, dann kann man auch auf die bei kriegspatenschaftlicher Fürsorge 
gemachten Erfahrungen, auf ihre Einrichtung und Methodik zurückgreifen. 
Und der größte Erfolg der Kriegspatenschaft wird es sein, wenn zur Gründung 
gleicher und ähnlicher Einrichtungen in anderen Stadt- und Landbezirken 
Oesterreichs Anlaß gegeben wird. Dr. Wolf-Hanau. 


Besprechungen. 

Dr. Hans Salomon ■ Weimar: Taschenbuch mit Anleitung für die 

klinisch-chemischen und bakteriologischen Untersuchungen 
von Harn, Auswurf, Mageninhalt, Erbrochenem, Darment¬ 
leerungen, Blut. Für Studierende, Krankenschwestern, Laboratoriums¬ 
gehilfinnen, Sanitätsmannschaften. Weimar 1916. P ans es Verlag G. m. b. H. 
Gr. 12°, S. 79, Preis: geb. 1 Mk. 

Das Büchlein behandelt in gedrängter Form die wichtigsten klinisch- 
chemischen Untersuchungsmethoden, wie sie heute in jedem Krankenhause und 
von jedem Arzte vorgenommen werden. Neben den neueren Untersuchungs¬ 
methoden haben auch die alten erprobten volle Berücksichtigung gefunden. Die 
Darstellung ist mit Rücksicht auf den Kreis für den die Beschreibung be¬ 
stimmt ist, gemeinverständlich gehalten, der wissenschaftliche Standpunkt dabei 
jedoch streng gewahrt. Um den Preis möglichst billig zu stellen, ist leider auf 
Abbildungen verzichtet; es ist dies ein Mangel, der sich gerade gegenüber 
Krankenschwestern, Helferinnen, Laboratoriumsgehilfen usw., denen das Hand¬ 
buch in erster Linie als Berater dienen soll, recht fühlbar machen wird, ganz 
abgesehen davon, daß es uns überhaupt bedenklich erscheint, nicht völlig als 
Laboratoriumsgehilfen ausgebildete Krankenpflegern, Sanitätsmannscbaften usw. 
mit derartigen Untersuchungen zu betrauen. Rpd. 


Dr. Raimund dränier: Lehrbuch für Heilgehilfen und Masseure, 
Krankenpfleger und Bademeister. Achte Auflage; bearbeitet von 
Generaloberarzt Dr. HAttig, Kreisarzt in Berlin. Mit 90 Abbildungen. 
Berlin 1916. Verlagsbuchhandlung von Richard Schoetz. Gr. 8°; 242 S. 
Preis: geb. 6,50 M. 

Das von dem verstorbenen Geh. Med.-Rat Dr. Granier, Kreiserzt in 
Berlin, im amtlichen Aufträge verfaßte Lehrbuch für Heilgehilfen usw. liegt 
jetzt in neuer Auflage vor, die von dem Kreisarzt Dr. Hüttig bearbeitet 
ist. Die bewährte Anordnung des Stoffes ist unverändert geblieben, auch der 
Inhalt hat keine erheblichen Aenderungen erfahren, nur bei dem Abschnitt 
„Desinfizieren und Sterilisieren" ist eine Beschreibung des für die Fleckfieber- 



496 


Besprechungen. 


bek&mpfung so wichtigen Entlausungsyerfahren beigefügt worden. Das Lehr¬ 
buch braucht den Wettbewerb mit den in neuerer Zeit zahlreich erschienenen 
ähnlichen Lehrbüchern nicht za scheuen und wird sich sicherlich ebenso wie 
bisher in seiner neuen Ausgabe einer großen Beliebtheit in den beteiligten 
Kreisen erfreuen. Seine Verbreitung dürfte jedoch voraussichtlich eine noch 
größere sein, wenn es künftigbin nach Titel und Inhalt nicht mehr in erster 
Linie für „Heilgehilfen und Masseure“, sondern für „Krankenpfleger“ be¬ 
stimmt wird. ßpd. 


Prot Dr. Pool Friedrioh Blohter-Berlin: Gesundheitspflege der Nieren 
und Harnorgane. Mit 11 Abbildungen. Leipzig 1916. Max Hesses 
Verlag. Kl. 8®, 111 8. Preis: geb. 1,86 M. 

Die vorliegende Schrift bildet den 16. Bd. der in Max Hesses Verlag 
erscheinenden und im Aufträge des Verbandes der Aerzte Deutschlands zur 
Wahrung ihrer wirtschaftlichen Interessen herausgegebenen Sammlung gemein¬ 
verständlicher Darstellungen aus dem Qebietc der Gesundheitspflege. Erhaltung 
der Volk8gesundheit durch Verhütung der Krankheit ist der Zweck dieser 
Bücherei modernen Wissens; die Bücher haben den Charakter von Hausbüchern und 
sind deshalb in einer für das Laienpublikum geeigneten Form geschrieben, das 
auf diese Weise eine einwandfreie und maßgebende Schilderung der wissen¬ 
schaftlichen Forschungsergebnisse erhält. Das Riehtersehe Büchlein bringt 
zunächst kurze, klar gehaltene anatomische und physiologische Vorbemerkungen 
über die Harnorgane (I), dann folgen zwei Abschnitte über allgemeine Gesund¬ 
heitspflege der Nieren (II) und der harnabführenden Organe — Harnblase und 
Harnröhre — (III); die sich hieran anschließenden Vorschriften zur Verhütung 
der wichtigsten Krankheiten der Harnorgane (IV) und Harnröhrenkrankheiten (V) 
bilden den größeren, wichtigsten und wertvollsten Teil des für seinen Zweck 
vorzüglich geeigneten Handbuches. Rpd. 


Dr. mod. Eiaonotadt-Berlin: Beiträge zu den Krankheiten der Post¬ 
beamten. Fünfter TeiL Berlin 1916. Verlag: Deutscher Postverband, 
Berlin Nr. 18. 4«, 168 8. 

Die vorliegende Arbeit bringt nicht nur die statistischen Ergebnisse der 
8terbekarten des Verbandes mittlerer Reichs-Post- und Telcgraphen-Reamten 
aus den Jahren 1909—1913 und führt damit die wissenschaftliche Ausnutzung 
der Sterbekarten von 1903—1908 weiter, sondern sie erhält auch sonst wertvolle 
Abhandlungen über die zeitgemäße Frage „Kinderarmut und Beamtenstand“, 
über die Tuberkulosesterblichkeit der Lehrer, der mittleren Postbeamten 
und der Post- und Telegraphenbeamten, sowie über die steigende Sterb¬ 
lichkeit der mittleren Postbeamten hervorzuheben, die um so auffallender 
ist, als ihr ein sichtlicher Rückgang der Tuberkulose gegenübersteht. Dies 
zeigt auch, welchen Wert für die wirtschaftliche Lage der Beamten wahrheits¬ 
gemäße Aufzeichnungen bositzen; denn die genaue Ausfüllung der Sterbekarten 
ermöglicht, den Krankheitsursachen nachzuforschen und Wege zur Krankheits¬ 
verhütung za linden. Die schon früher vom Verfasser nachdrücklich betonte 
Forderung der Frühe he wird auch diesmal von ihm auf Grund des Materials 
aus dem Zeitabschnitt 1909—1913 aufrecht erhalten. Für Aerzte und Be¬ 
völkerungspolitiker, für Versicherungsmedizin und soziale Hygiene bringt die 
Arbeit zahlreiche Lehren und Anregungen. Rpd. 


Prof. Dr. mod. O. Baohem in Bonn: Deutsche Enatzpräparate fflr 
pharmazeutische Spezialitäten des feindlichen Auslandes. Bonn 1916. 
Verlag von A. Marcus & E. Webers Verlag (Dr. jur. Albert Ahn). 
12®, 28 Seiten; Preis: 0,60 M. 

In dem Schriftchen wird an der Hand zahlreicher Beispiele gezeigt, 
daß wir für die meisten vor dem Kriege aus dem Aaslande, besonders 
aus Frankreich und England, bezogenen pharmazeutischen Spezialitäten im 
lnlande hinreichenden Ersatz besitzen. Es wird ferner die Zusammensetzung 
der wichtigsten Präparate mitgcteilt, bezw. ein der Originalvoracbrift nahe¬ 
kommendes Rezept genannt. Der Arzt kann hiernach also mit Leichtigkeit 
die Verordnung einer ausländischen Spezialität umgehen. Das kleine handliche 



Tagesnachrichten. 4/9? 

Format erleichtert die bequeme Einlage in jedes Rezeptbuch oder jeden ärzt> 
liehen Kalender. Rpd. * 


F. Sauerbruoh, ord. Professor der Chirurgie in Zürich: Die willkürlich 
bewegliche künstliche Hand. Eine Anleitung für Chirurgien und Techniker. 
Mit 104 Textfiguren. Berlin 1916. Verlag von Julius Springer. Gr. 8°; 
143 S. Preis: 7 M., gebunden 8,40 M. 

Die vorliegenden unter Mitwirkung von den Oberarzt d. L. A. Stadler, 
Chefarzt des Vereinslazaretts Siegen, verfaßte und mit anatomischen Beiträgen 
von Prof. G. R u g e und W. F e 1 i x in Zürich versehene Arbeit bringt den Beweis, 
daß die Muskelkraft eines Amputationsstumpfes erfolgreich für nahezu gleich¬ 
wertige Leistung der physiologischen Tätigkeit des Armes herangezogen werden 
kann. Das gesteckte Ziel: die Herstellung einer willkürlich bewegbaren, 
künstlichen Hand, ist allerdings bisher infolge technischer Schwierigkeiten noch 
nicht erreicht, seine Erreichung aber durch die dem Buche in ihren Hauptzügen 
sichergestellten anatomischen-physiologischen und klinischen Grundlagen wesent¬ 
lich näher gerückt, sowie dank der unter Leitung des Direktors der Diplomwerke 
bei der Firma Siemens-Schuckert, Prof. Reichel, nach gründlichen 
Vorstudien und mit großem Eifer betriebenen Arbeiten erheblich gefördert. 
Die ebenso vorzüglichen wie sachgemäßen Ausführungen des Verfassers sind 
so recht geeignet, um Anregung zu neuen und weiteren Arbeiten zu geben; 
deshalb wird auch seine Schrift sowohl dem Chirurgen, als dem Techniker in 
hohem Grade willkommen sein. Rpd. 


Verelnsiohriften de« Verein« für Wa««er- und Gaswirtsohaft. 

Herausgegeben von Generalsekretretär Erwin Stein. 

Von den jetzt im Deutschen Kommunal-Verlag, Berlin-Friedenau, 
erschienenen Schriften des Vereins für Wasser- und Gaswirtschaft: 

Denkschrift über die Arbeiten des Vereins; Heft 2, Kl. 8°, 30 S. 
Preis: geh. 0,75, geb. 1,50 M.; 

Die Schwefelmengung des Leuchtgases von Dr. Otto Pfeiffer, 
Chemiker des städtischen Gas- und Wasserwerkes in Magdeburg; Heft 3, 
Kl. 8°, 32 S. Preis: geh. 1,50, geb. 2,25 M.; 

Die Haftung der Gemeinden für die Betriebsleiter und sonstigen 
Angestellten an den Gemeindeanstalten ; von Amtsgerichtsrat 
Meene in Bad Oeynhausen, Heft 4, Kl. 8°, 19 8. Preis: geh. 1 M., 
geb. 1,50 M. 

interessiert die Leser dieser Zeitschrift namentlich die zuletzt genannte Schrift, 
die eine vortreffliche verwaltungsrechtliche Betrachtung der Frage zur Recht¬ 
sprechung des Reichsgerichts darstellt und demzufolge auch für Aerzte, soweit 
sie an kommunalen Anstalten als Aerzte angestellt sind, von großem 
Wert ist. _ Bpd. • 


Tagesnachrichten. 

Zur Sicherung der Volksernährung sind in letzter Zeit wieder ver¬ 
schiedene Verordnungen erlassen; durch die die Verarbeitung von Obst und 
Gemüse (Verordnungen vom 5. August d. J.), die Sicherstellung der Kar¬ 
toffelversorgung (Verordnung vom 2. August d. J.) und der Verkehr 
mit Eiern (Verordnung vom 12. August d. J.) geregelt ist. Ebenso haben die 
Verordnungen über Oelfrüchte und daraus gewonnene Produkte (unter dem 
26. Juni d. J.) über Hülsenfrüchte und Brotgetreide (unter dem 29. Juni 
d. J.) eine Neufassung erhalten. Ferner ist durch Verordnung vom 3. August 
d. J. die Vornahme einer allgemeinen Bestandsaufnahme der wich¬ 
tigsten Lebensmittel angeordnet, die sich bei Haushaltungen von weniger 
als 30 Mitgliedern nur auf Fleischdauerwaren, Fleischkonserven und Eier, bei 
solchen mit mehr zu verpflegenden Personen (darunter auch Anstalten aller 
Art, Krankenanstalten, Irrenanstalten, Erholungsheime usw.), dagegen auch auf 
alle anderen Lebensmittel (Reis, Hülsenfrüchte, Gemüsekonserven, Zucker, Dörr¬ 
gemüse, Marmelade, Kaffee, Tee, Butter, Schmalz usw.) erstreckt (s. S. 127 der 
heutigen Beilage). Außerdem ist eine Verordnung (vom 3. August d. J.) über 
den Verkehr mit Gummisauger erlassen (s. S. 129 der heutigen Beilage). 



498 


* i * t * 

Tagosnacbrlchten. 


Das Deutsche Zentralkomitee für ärztliche Studienreisen 
veraBstaltet im Anschluß an die Tagung der Zentralstelle für 
Balneologie, die im September d. Js. in Rostock stattfindet, eine 
Studienreise nach den Bädern in Mecklenburg und Fürstentum Lübeck sowie 
nach Lübeck, Travemünde und der Holsteinischen Schweiz. Die Reise soll am 
2. September in Warnemünde beginnen und am 7. September in Plön 
enden. Preis für die ganze Reise einschließlich Eisenbahn- und Dampferfahrten, 
Nachtquartier und Verpflegung (mit Ausnahme der Getränke und Trink- 

? ;elder): 100 M. Anfragen und Meldungen sind an das Deutsche Zentralkomitee 
ür ärztliche Studienreisen Berlin W. 9, Potsdamerstraße 184 b, zu richten. 


Der IV. Deutsche Kongreß für Krflppelfürsorge findet am 21. August 
d. J. in Küln im Gürzenichsaale statt. 

Tagesordnung: 

Sonntag, den 20. August, 8 ühr abends: Zwanglose Zusammen¬ 
kunft im Gürzenich-Restaurant (Martinstr.). 

Montag, den 21. August, 9 Uhr vormittags: Sitzung des ge- 
schäftsftthrenden Vorstandes und Kongreßausschusses im Isabellensaal des 
Gürzenichs. 9*/• Uhr vormittags: Sitzung des Ausschusses im Isabellen¬ 
saal des Gürzenichs. 

10 Ubr vormittags: Kongreß Sitzung im großen Saale des Gür¬ 
zenich: Begrüßungsansprache des Vorsitzenden Prof. Dr. Krautwig. — 
1. Die vaterländische und sittliche Bedeutung der Krüppelfürsorge: Wirkl. 
Geh. Ober-Med.-Kat. Prof. Dr. Dietrich-Berlin; — 2. Der Arzt in der 
KrüMielfürsorge: Prof. Dr. Biesalski-Berlin; — 3. Die soziale Bedeutung 
der Krüppelfürsorge und ihr Einfluß auf die Rasse: Dr. Peter Bade-Han¬ 
nover; — 4. Körperliche Mängel am Seelenleben: Prof. D. Aschaffenburg- 
Cöln; — 5. Die erzieherische Bedeutung der Arbeit in der Krüppelfürsorge: 
Rektor Schlüter-Bigge; — 6. Die Krüppelfürsorge im Lichte der Kultur. 
(Mit Lichtbildern und Filmvorführung): Erziehungsdirektor Hans Würtz- 
Berlin-Zehlendorf. — Wahl des nächsten Kongreßortes und des Vorsitzenden. 

Nachmittags 4 Uhr: Besichtigung des städtischen Krüppelheims, 
Stiftung Dr. Dormagen und des Guffanti-Hauses ln Cöln-Merheim, Lachemer- 
weg. — 1. Praktische Lebrprobe: Schreibunterricht der Krüppelkinder: Lehrer 
Thomö-Cöln; — 2. Angliederung landwirtschaftlicher Betriebe an Krüppel¬ 
heime und ähnliche Anstalten: Dr. von Kahlden-Cöln (Generalsekretär des 
Rheinischen Bauernvereins). 

Abends 8 Uhr: Zwanglose Zusammenkunft auf der Garten-Terrasse 
des Opernhauses Rudolphplatz. (Zu erreichen mit Straßenbahnlinie 18 ab Dom.) 

Da Auswärtige, wenn es gewünscht wird, sich über ihre Person aus- 
weisen müssen, so empfiehlt es sich, einen Paß oder Unverdächtigkeitsbescbei- 
nigung der Polizeibehörde des Wohnortes nebst Bild und Namensunterschrift 
mitzuführen. Der Verkehrs-Verein (Bischofsgartenstr. 16) vermittelt den Kon¬ 
greßteilnehmern auf Wunsch geeignete Wohnungen. Weitere Auskünfte 
werden durch das Büro Cöln, Stadthaus, Zimmer 111, erteilt. 

Im unmittelbaren Anschluß an den vorstehenden Kongreß finden noch 
folgende Tagungen statt: 

a. Aerstltche Tagung. 

Tagesordnung: 

Dienstag, den 22. August 1916, 9 Uhr: 1. Ansprache des Vor¬ 
sitzenden; Geheimrat Prof. Dr. Hering. — 2. Begrüßung durch Herrn Ober¬ 
bürgermeister Wallraf. — 3. Eröffnungsrede; Generalarzt Dr. Schnitzen. — 
4. Diabetes; Berichterstatter: k. k. Hof rat Prof. Dr. vonNoorden - Frankfurt. — 
6. Magen-Darmerkrankungen; Berichterstatter: Stabsarzt Geheimrat Prof. Dr. 
Schmidt-Halle. — 6. Epilepsie; Berichterstatter: Generalarzt Geheimrat 
Prof. Dr. T i 1 m a n n, Geheimrat Prof. Dr. Sommer- Gießen. 

b. Tagung für Kriegsbeschädigtenfürsorge. 

Tagesordnung: 

Dienstag, den 22. Augustl916, abends 8 1 /* Uhr: BegrüSungs- 
abend im großen Saale des Gürzenich. 

Mittwoch,d e n 2 8. Augustl916,vormittags9Uhr:l. Organi¬ 
sation und bisherige Arbeit der bürgerlichen Kriegsbeschädigtenfürsorge; 



Tagesnachrichten. 


496 

Landesdirektor von Winterfeldt, Vorsitzender des Reichsamsschussee der 
Kriegsbeschädigtenfürsorge in Berlin. — 2. Die bürgerliche Kriegbeschädigten- 
fürsorge and die Gesetzgebung; Dr. Schwerer, Ob.-Reg.-Bat im Staatsmini- 
steriam des Innern in München. — 8. Landwirtschaft and Kriegsbeschädigten* 
fttrsorge; Direktor a. D. Prof. y. Strebei in Stuttgart. — 4. Ländliche Sied¬ 
lang ; Regierungspräsident yon Schwerin in Frankfurt a. 0. — 5. Städtische 
Siedlung; Wirklicher Geheimer Rat Dr. Dernburg in Berlin. 

Donnerstag, den 24. August 1916, yormittags 9 Uhr: 1. Die 
ärztliche Fürsorge für die Kriegsyerstümmelten; Med.-Rat Oberstabsarzt Dr. 
Rebentisch in Ofienbach a. M. — 2. Die ärztliche Fürsorge für die Kriegs¬ 
kranken; Wirkl. Geh. Ob.-Med.-Rat Dr. Dietrich in Berlin. — 3. Die Hinter¬ 
bliebenenfürsorge; Bürgermeister yon Holländer in Mannheim. — 4. und 
5. Die Kriegsbeschädigtenfürsorge in der Industrie; Httttendirektor Probst 
in Düsseldorf und Generalkommissionsyorsitzender Legion, M. d. R., in Berlin. 

Nachmittags 6 Uhr: Für den engeren Kreis der Interessenten: 
Aussprache über die Erfahrungen, die in der Praxis mit den Prothesen ge¬ 
macht worden sind, im Anschluß an die Berichte der Herren Prof. Dr. Biesalski 
in Berlin, k. k. Generalstabsarzt Prof. Dr. Dollinger in Budapest, Senats¬ 
präsident im Reichsversicherungsamt Dr.-Ing. h. c. Hartmann in Berlin, 
Landesrat Dr. Horion in Düsseldorf und k. k. Oberstabsarzt Prof. Dr. Spitzy 
in Wien. 

Freitag, den 26. August 1916, yormittags 9 Uhr: 1. Die 
Unterbringung der Kriegsbeschädigten im öffentlichen Dienst; Bürgermeister 
Dr. Luppe in Frankfurt a. M. — 2. Die Verwendungsmöglichkeit der Kriegs¬ 
beschädigten im Handel (Redner noch unbestimmt). — 3. Die Verwendungs¬ 
möglichkeit der Kriegsbeschädigten im Handwerk (Redner noch unbestimmt). — 
4. Der Arbeitsnachweis für Kriegsbeschädigte; Rechtsrat Dr. Fischer in 
Nürnberg. — 5. Die Mitarbeit der Frau in der Kriegsbeschädigtenfürsorge; 
Freifrau yon Bissing in Berlin. — 6. Die Fürsorge für die Familien der 
Kriegsbeschädigten; Pastor Kießling in Hamburg. 

Alle Sitzungen finden im Gürzenich statt. Ein im Gürzenich 
eingerichtetes Kongreßbüro erteilt in allen die Tagung betreffenden Fragen 
Auskunft und stellt Ausweiskarten aus, die zum freien Eintritt in die öffent¬ 
lichen Sammlungen berechtigen. Der Cölner Verkehrsyerein (Bischofsearten 19 
am Domhof) yermittelt auf Wunsch Wohnungen und gibt empfehlenswerte 
Gasthöfe an. 


EhrentafeL Es haben weiterhin erhalten das 

Eiserne Kreuz I. Kasse: 

Stabsarzt Dr. Aumann-Coblenz. 

Assistenzarzt d. Res. Dr. Felix C o h n - Hamburg. 

Stabsarzt d. L. Dr. Mölleney-Altendorf (Reg.-Bez. Arnsberg). 
Stabsarzt d. Res. Dr. Moltricht, Schularzt in Hamburg. 

Feldarzt Dr. Hermann St öl ting- Santiago (Chile). 

Stabsarzt d. Res. und Reg.-Arzt Dr. Max T r a p p e - Breslau. 

Stabsarzt d. Res. Dr. Trenkner, kommiss. Physikus in Schlotheim 
(Schwarzburg-Rudolstadt). 

Generaloberarzt Dr. Wendel-Ludwigsburg (Württemberg). 
Großherzogi. Hessisches Militärsanitätskreuz am Bande 
der Tapferkeitsmedaille: Prof. Dr. Jesioneck, Med.-Rat Dr. 
Oswald, Direktor der Landes-Irrenanstalt, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Poppert, 
Prof. Dr. Soetbeer, Prof. Dr. V oit, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Vossius 
und Med.-Rat Kreisarzt Dr. Walger, sämtlich in Gießen. 


Ehren-Gedkohtnlntafel. 1 ) Für das Vaterland gefaUen oder gestorben 

sind ferner: 

Stabsarzt d. Res. Dr. Johann Dickert, Chefarzt an der Provinzial- 
Heil- und Pflegeanstalt in Schleswig. 

Assistenzarzt d. Res. Dr. Josef Ehrenwall-Frankfurt a. M. 

Stabsarzt d. L. Dr. Hans Erhardt-Breslau. 

Oberstabsarzt d. L. Dr. E. H ä h n 1 e - Reutlingen (infolge yon Krankheit 
gestorben). 



500 


. Sprechsaal. 


Oberarzt d. Res. Dr. Günther von Halfern-Heidelberg (gestorben 
infolge von Krankheit). 

Oberarzt Dr. Johannes Heinze (gestorben in Tscheplau (Kreis Glogan) 
infolge von Krankheit). 

Assistenzarzt d. Res. Dr. Hillmann-Heiligenstadt (Reg.-Bez. Erfurt) 
(gestorben infolge von Blutvergiftung). 

Stabsarzt d. Res. Dr. Hohnfeldt (infolge von Krankheit gestorben). 

Assistenzarzt Dr. Hans Kirsch ne r-Nürnberg. 

Feldarzt San.-Rat Dr. Karl K o 1 b e - Bommern a. Ruhr (Reg.-Bez. Arns¬ 
berg). 

Assistenzarzt d. L. Dr. Ernst Maas-Stettin (gestorben infolge von 
Krankheit). 

Assistenzarzt d. Res. Dr. Neddersen. 

Stabsarzt d. L. Dr. V. Olszewski-Rosdzin (Oberschlesien) (gestorben 
infolge von Krankheit). 

Oberarzt d. Res. Dr. Paul Przewodnik, Oberarzt an der Provinzial- 
Heil- und Pflegeanstalt in Lüben (Reg.-Bez. Liegnitz). 

Assistenzarzt Dr. Gerhard Rocholl. 

Bataillonsarzt Dr. M. W e y 1. 

Außerdem ist auf dem Felde der Ehre gefallen: Stud. med. 
Georg Riedel, Leutnant d. Res. im Inf.-Reg. Nr. 180, Inhaber des Eisernen 
Kreuzes I. und II. Klasse und des Ritterkreuzes des Württembergischen 
Militärverdienstordens, Sohn des Med.-Rats Dr. Riedel, Physikus in Lübeck. 

Berichtigung: Der in Nr. 15 gemeldete Tod des Oberstabsarztes 
Dr. Hoch eisen-Marbach hat sich erfreulicherweise nicht bewahrheitet; der 
Kollege ist von einem Hals- und Lungenschuß wieder geheilt und bereits wieder 
ins Feld zurückgekehrt. _ 


Cholera: In Ungarn ist vom 8. bis 15. Juli 1 (1) Fall festgestellt. 

Fleckfleber: Im- Deutschen Reich ist nur in der Woche vom 
80. Juli bis 8. August eine Erkrankung bei einem Kriegsgefangenenlager vor¬ 
gekommen; in Ungarn sind vom 3. bis 9. Juli 4 Erkrankungen amtlich 
gemeldet. 

Pocken: Die Zahl der Pockenerkrankungen im Deutschen Reich 
betrug vom 80. Juli bis 6. August: 5 (außer 18 Erkrankungen unter den wol- 
hynischen Rückwanderern in Heilsberg (Reg.-Bez. Königsberg). 


Erkrankungen und Todesfälle an ansteckenden Krankheiten In 
Preußen. Nach dem Ministerialblatt für Medizinal-Angelegenheiten sind in der 
Zeit vom 16. bis 22. Juli 1916 erkrankt (gestorben) an Pest, Gelbfieber, 
Cholera, Trichinose, Aussatz, Malaria, Fleckfieber, Rückfall¬ 
fieber, Paratyphus: — (—); Bißverletznngen durch tollwut¬ 
verdächtige Tiere: 4 (—); Tollwut: 2 (—); Rotz: 1 (—); Milz¬ 
brand: 1 (1); Pocken: 28 (—); Unterleibstyphus: 222 (19); Ruhr: 
65 (5); Diphtherie: 1480(80); Scharlach: 1126(47); Kindbettfieber: 
46 (18); Genickstarre: 6 (—); spinaler Kinderlähmung: 1 (—); 
Fleisch-, Fisch- und Wurstvergiftung: 137 (—); Körner¬ 
krankheit (erkrankt): 52; Tuberkulose (gest.): 658. 


Spreohnanl. 

Anfrage des Med.-Rats Dr. G. in M.: Sind die von Angehörigen 
von Kriegsteilnehmern verlangten kreisärztlichen Krankheits¬ 
atteste, die zur Begründung eines Antrages auf Beurlaubung des 
betreffenden Kriegsteilnehmers dienen sollen, bezüglich der Stempelpflicht ebenso 
zu behandeln wie Militärdienstreklamationsatteste, also stcmpelfreiV 

Antwort: Ja, da es sich um eine auf die Heeresergäuzung und die 
Befreiung von dem Heeresdienst usw. bezügliche amtliche Urkunde handelt, 
die nach § 4c des Stempelgesetzes stempelfrei ist. 


Redaktion: Prof. Dr. R a p m u n d, Geh. Med.-Rat in Minden i. W. 

J. C. C. Urans» Heraofl. Sicht, n. V. 8oh.*L. Hofbnchdrackerei ln Minden. 





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29. Jahrg. 


Zeitschrift 


1916. 


für 


MEDIZINALBEAMTE. 


Zentralblatt 

für das gesamte Gebiet der gerichtlichen Medizin und Psychiatrie, 
des staatlichen und privaten Versicherungswesens, sowie für das 
Medizinal- und öffentliche Gesundheitswesen, einschließlich der 

Hygiene und Bakteriologie. 

Heraasgegeben 

von 

Prot Dr. OTTO RAPMÜND, 

Geh. Med.-Rat In Minden I.W. 


Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, Sächsischen, 
Württembergischen, Badischen, Hessischen, Mecklenburgischen, Thüringischen, 
Braunschweigischen und Eisass-Lothringischen Medizinalbeamtenvereins. 


Verlag von Fiseher’s med. Bnehhandlg R Kornfeld, 

Htraogl. Bayir. Hof* u. Ke u. K. Kammfff-BnohftliHllGf* 

Berlin W.62, Keithstr. 6. 

AanlfiB «thmtn 4U Tnlf 1 handhuif xnrle alle inidfena|inabDe«telleB de« Ia* 

«Ad AoaUndaa eatfegen. 


Nr. 17. 


Br« eh eint 


S. ul SO. Jeden Monate. 


5. Sept. 


Neue Aufgaben für die deutschen Aerzte. 

Von Dr. DSllner, Kreisassistenzarzt in Marburg und Bataillonsarzt 
beim Landsturm • Bataillon Gotha XI./24. 

An keinem Gebiet unseres öffentlichen Lebens geht die 
eiserne Zeit vorbei, ohne ihm neue Aufgaben zu stellen. Auch die 
Heilkunde ist mächtig ins Treiben der Zeit hineingezogen, nicht 
nur als Helferin in und nach dem Kampfe gegen den Feind 
und gegen die unvermeidlichen Seuchen, sondern vor allem 
auch im Heimatgebiet als die Wahrerin unserer Volksgesund¬ 
heit und als Hüterin und Stärkerin der zukünftigen Volkskraft. 
Keiner dieser Aufgaben hätte sie aber gerecht werden können, 
weder der Unterstützung des Heeres noch der Wacht über 
Gegenwart und Zukunft unseres Volkes, wenn sie als Wissen¬ 
schaft in den Fehler verfallen wäre, dem leider eine stets 
zunehmende Zahl ihrer Schüler in den letzten 2 Jahrzehnten 
erlegen ist: der Zerspezialisierung. Mit Recht ertönte schon 
die berufenste Stimme, die als eine der zukünftigen Aufgaben 
der Medizin das Beherrschen des Gesamtgebietes durch alle 
Aerzte im Interesse des Vaterlandes forderte. Es war der 










(02 


Dr. Döllner. 


preußische Ministerialdirektor Prof. Dr. Kirchner, der endlich 
einmal mit herzerfrischender Deutlichkeit der Medizinerwelt — 
und auch der Spezialitäten lüsternen Laienöffentlichkeit —diese 
eigentlich so natürliche Mahnung zurief: Zurück zum Arzt, der 
gesamten Heilkunde Doktor I — 

Es soll hier nicht untersucht werden, welches Maß von 
Schuld dem Publikum und welches den Aerzten an den 
bisherigen unbestreitbaren Auswüchsen des Spezialisierens Und 
Zerspezialisierens zufällt; auch sollen nicht die Schäden, die 
schon im Frieden daraus erwachsen, durch Einzelfälle beleuchtet 
werden. Die Kriegszeit aber gebietet, auf den unhaltbaren 
Zustand hinzuweisen, daß z. B. ein Anatom, der 20 Jahre nur 
Laboratoriumsarbeiten gemacht und während dieser Zeit nie 
einen Kranken untersucht und behandelt, nie geimpft hat, 
plötzlich als Stabsarzt mit einem Bataillon ins Feld rücken 
muß, oder ein Gynäkologe oder Pharmokologe 11 Oder gar ein 
Spezialist für Kinderkrankheiten, für Stoffwechselkrankheiten! 
Man wende nicht ein, daß jeder auch im Kriege in seiner 
Spezialität zu beschäftigen sei; denn erstens beruft das Heer 
seine Militärärzte nicht als Gynäkologen oder Kinderärzte, 
zweitens wird auch nicht der andere Wehrpflichtige nach seiner 
Spezialität im Zivilleben beschäftigt und selbst wenn das Militär 
(und es geschieht ja auch) spezialistische Stationen einrichtet, 
so kann es doch nicht alle Spezialisten unterbringen, während 
anderseits besonders Truppenärzte nötig sind. Der militärpflichtige 
Arzt hat einfach auf die Stelle zu gehen, die ihm zugewiesen 
der durchschnittlichen Ge samt höhe derMedizin zu halten, 
wird; damit erwächst ihm aber auch die Pflicht, sich beständig auf 
so. daß er jede ihm zufallende Stelle gewissenhaft und ganz aus¬ 
füllen kann. Greift demnach nicht im Frieden schon die Zivil¬ 
verwaltung zu Maßnahmen, welche ihr die Sicherheit bieten, 
daß im Falle öffentlichen Notstandes auch jeder nächste Spezial¬ 
arzt mit Erfolg zur Hilfeleistung herangezogen werden kann, 
so wird um so sicherer die Militärbehörde aus diesem 
Kriege ihre Nutzanwendungen ziehen. Sie wird jedenfalls schon 
im Frieden die Aerzte viel öfter zu Uebungen bezw. ärztlichen 
Dienstleistungen heranziehen und hierbei an erster Stelle darauf 
Bedacht nehmen, daß die Spezialisten gerade zu den allgemeinen 
medizinischen Funktionen verwendet werden: also als Truppen¬ 
ärzte und auf Stationen, die ihrem Spezialfach nicht angehören. 

Bei den weiten Perspektiven, die dieser Weltkrieg hin¬ 
sichtlich der Zukunft unseres Volkes und Reiches eröffnet hat, 
insbesondere bei der Wichtigkeit der Vermehrung, Erhaltung 
und Verbesserung des Menschenraateriales, kann aber kein 
Zweifel obwalten, daß angesichts dieser gewaltigen Auf¬ 
gaben auch die Zivilverwaltung das Recht hat, an die 
Aerztewelt andere und größere Anforderungen im 
Interesse der Gesamtheit zu stellen, wie bisher. 
Sie muß und wird zunächst verlangen, daß jeder Arzt alle 
Disziplinen der Medizin, über deren Kenntnis er sich im Staats- 



Nene Aufgaben für die deutschen Aerzte. 


508 


exaraen ausweisen mußte, auch dauernd wirklich be¬ 
herrscht; denn verliert er diese Kenntnisse, so ist er eben 
nicht mehr die seiner Zeit approbierte Person und läuft somit 
Gefahr, die ihm unter anderen Verhältnissen verliehene Appro¬ 
bation zu verlieren. Einen Vorgang ähnlicher Art haben wir 
bereits in einer Entscheidung des preußischen Oberverwaltungs¬ 
gerichts hinsichtlich der Hebammen. Es wird also bei der 
nicht zu umgehenden Neuordnung des Aerzte wesens der Staat 
wohl den Aerztekammem die Pflicht auferlegen, die Aerzte in 
einem bestimmten Umlauf zu regelmäßigen Wiederholungs¬ 
kursen (natürlich unter entsprechenden Entschädigungen) ein¬ 
zuberufen. Es wird dies ja Geld kosten, aber diese Summen 
werden nach dem Kriege, als ein Teilbeitrag der Friedens¬ 
und Kriegsrüstung, bewilligt werden. Da der Wert des Menschen¬ 
materiales jetzt voll erkannt ist, werden die Summen für dessen 
Leistungsfähigkeit gewiß in Zukunft mindestens ebenso bereit¬ 
gestellt werden, wie dies bisher für Beschaffung des toten 
Materiales der Fall war. Ich denke dabei nicht nur an das 
lebende Material für Kriegszwecke, sondern viel, viel mehr an das 
lebende Material für die Zwecke einer hoffentlich nie mehr 
gestörten glücklichen Friedensarbeit. 

Für die gewaltigen Aufgaben, die in der Zukunft des 
deutschen Volkes harren, wird es jedoch nicht genügen, daß 
seine Aerzte mit dem ganzen Rüstzeug zum Heilen bereits 
ausgebrochener Krankheitsfälle dauernd und gleich gut ver¬ 
traut sind. Es wird auch nicht genügen, daß einzelne und 
zwar nur die beamteten Aerzte, auch den Kampf gegen ganze 
Krankheitskomplexe führen und in Gemeinschaft mit staatlichen 
und städtischen Behörden die Vorbeugung organisieren. Außer 
der Hygiene muß vielmehr auch die Rassenzucht im Sinne 
der Eugenese, die Pflege des zu erwartenden, des werdenden, 
des fertigen und wirkenden Staatsbürgers zu den Aufgaben des 
einzelnen Arztes hinzutreten. Es muß also. sowohl die Aus¬ 
bildung, wie der Kreis öffentlicher Pflichten, aber auch der 
Kreis öffentlicher Rechte des deutschen Arztes auf eine gane 
andere Grundlage gestellt werden als bisher. 

Um die Erweiterung der ärztlichen Pflichten und 
Rechte vorneweg zu nehmen, möchte ich uur andeuten, daß 
Schwangerschafts-, Wochen-, Säuglings- und Schulpflege in den 
Pflichtenkreis der Aerzte aufzunenmen sind, daß anderseits ein 
bestimmtes Mindesteinkommen und eine bestimmte Mindest¬ 
versorgung für Alter und Arbeitsunfähigkeit seitens des Staates 
zu gewährleisten sind und daß dem Arztestand endlich das 
Recht erteilt wird, ethisch minderwertige Subjekte dauernd 
von sich zu stoßen. Ersteres ließe sich in Form einer bei 
der Aerztekamraer zu errichtenden, staatlich unterstützten, 
Pensionskasse erreichen, letzteres ist den Rechtsanwälten bereits 
zuerkannt und durch entsprechende Ergänzung der bisherigen 
gesetzlichen Bestimmungen über ärztliche Standespflichten usw. 
unschwer durchführbar. 



604 


Dr. Döllner. 


Was nun die Ausbildung für den neuen, weit über den 
bisherigen Krankenbehandler hinausgehenden Wirkungskreis 
angeht, so läßt sich ein gut Teil schon innerhalb der zweifellos 
zu Recht bestehenden Sonderfächer wie: Geburtshilfe und 
Frauenheilkunde, Kinderheilkunde, Hygiene etc. unterbringen, 
wenn sie nur etwas weitherziger gefaßt werden als bisher. 

Ein Fach ist aber vor allen anderen berufen, sich selbst 
zu erweitern und die zerspezialisierten Hilfsmittel der anderen 
Sonderzweige wieder zu sammeln und somit dieser Verzettelung 
entgegenzuwirken. Es ist jenes Fach, das unter dem Titel der 
„Versicherungskunde“ ein viel zu engiimgrenztes Feld des 
öffentlichen Für- und Vorsorgewesens bearbeitet. 

Wie gemäß meinen Ausführungen der Zerspezialisierung 
in der Krankenbehandlung entgegengearbeitet werden muß, so 
muß auch diesem Auseinanderfallen in den hygienischen, eugeni- 
schen und charitativen Bestrebungen und Organisationen ent¬ 
gegengearbeitet werden. Deshalb sollte schon dem werdenden 
Arzt, als dem berufensten Träger und Vorkämpfer dieser Be¬ 
strebungen, im Unterricht gezeigt werden, welche Mittel 
und Organisationen ihm späterhin für die Bestrebungen der 
Erhaltung und Stärkung des Volkskörpers als Ganzes zur Ver¬ 
fügung stehen — nicht nur wie bisher, die staatlichen Ver¬ 
sicherungen für die erwerbstätigen Stände! Wie viele Studenten 
verlassen jetzt die Hochschule ohne jede Kenntnis über den 
Hochstand der deutschen Tuberkulosebekämpfung, oder über 
die Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten, 
die Organisationen zur Bekämpfung des Alkoholmißbrauches 
oder über Kurpfuschereibekämpfung, oder über die Existenz 
der Gesundheitskommissionen oder über Schularztwesen! Wie 
bald stellt ihnen dann die Praxis Aufgaben aus diesen Gebieten, 
über die sie sich dann erst mühsam Selbstunterrichten undzureoht- 
finden müssen — oder auch nie zurechtfinden. Aus den letzteren 
entstehen dann nicht selten Aerzte, die sich ständig zurück¬ 
gesetzt fühlen und unbequem für ihre Kollegen wie für die 
Behörden werden. 

Es muß also ein neuer Aerztestand auf breiterer und 
freierer Grundlage erzogen werden, dem auch die Geheimnisse 
der öffentlichen gesundheitlichen Maßregeln und den hieran 
mitarbeitenden Behörden und freiwilligen Organisationen, jene 
Geheimnisse, mit denen sich bis jetzt vielfach nur der beamtete 
Arzt beschäftigt, schon im akademischen Unterricht erschlossen 
werden. Aus diesem Grunde muß auch jenes Fach, das — 
wie gesagt — sich bis jetzt auf die Versicherungskunde be¬ 
schränkt, ausgebaut werden zur Staatsarzneikunde. 

Diese „Staatsarzneikunde“ darf aber nicht zu innig mit 
der „Gerichtlichen Medizin“ verquickt werden: denn letztere 
ist nur ein Teil, wenn auch ein sehr wichtiger von dem, was 
man wortgemäß unter „Staatsarzneikunde“ verstehen müßte. 
Der zweite gleichwichtige Teil läßt sich etwa als „Verwaltungs¬ 
medizin“ bezeichnen; bis jetzt war es aber gebräuchlich, den 



Neue Aufgaben für die deutschen Aerxte. 


606 


1. Teil als „ Staatsarzneikünde“ zu betiteln. Man muß sich nur 
immer gegenwärtig halten, daß — wie auch das soziale Ver¬ 
sicherungswesen der Verwaltung angegliedert ist — die ärzt¬ 
liche Gutachtertätigkeit bei den sozialen Versicherungsgerichts¬ 
höfen zum Gebiete dieser engeren Staatsarzneikunde gezogen 
wird, während sie streng genommen ins Gebiet der gericht¬ 
lichen Medizin gehört, die sich doch nicht allein mit strafrecht¬ 
lichen Fragen zu befassen hat. 1 ) 

Die Aufgabe der Staatsarzneikunde.bezw. Ver¬ 
waltungsmedizin (in Gegenüberstellung zur gerichtlichen 
Medizin) besteht in der Darstellung: 

1. der Interessen, die der Staat im Krieg und Frieden an 
seinem Menschenmaterial hat, 

2. der Gefahren, die diesem wertvollsten Material des Staates 
seitens der gesamten Umwelt drohen, 

3. der vorhandenen, zu beschaffenden Mittel zur Erhaltung, 
Vermehrung und Verbesserung des Menschenmateriäls im 
Kampfe gegen die Gefahren der Umwelt und der An¬ 
wendungsweise dieser Mittel, 

4. im Aufsuchen neuer Wege und Mittel zu 3. 

Aus dieser Aufgabe erhellt dreierlei: Einmal, daß der 
Student der Medizin, dem dieses Fach vorgetragen werden soll, 
bereits die Reife seiner Fachwissenschaft besitzen muß (also im 
letzten Semester oder im Praktikantenjahre steht), daß der 
fertige Arzt dauernd auf der Höhe dieses Wissenszweiges — 
also in den obenbewegten Wiederholungkursen — gehalten 
werden muß, sowie endlich, daß diese angewandte öffentliche 
Medizin — wenn auch wohl in abgekürzter Form — den zu¬ 
künftigen Verwaltungsbeamten, Geistlichen, Lehrern vertraut 
gemacht werden muß. 

Wie im praktischen Leben an der Lösung aller hier in 
Betracht kommenden Fragen der Mediziner allein nichts er¬ 
reichen kann, so können auch die berufenen ausführenden 
Organe der Behörden den neuen gewaltigen Aufgaben nur ge¬ 
recht werden, wenn sie schon während des vorbereitenden 
Studiums sich in den Gegenstand vertieft und eine gründliche 
Kenntnis von Ziel und Mitteln erworben haben. In dieser Vor¬ 
bereitungszeit muß der Mediziner der Lehrer sein und bei der 
Ausführung muß er der Berater und Mitarbeiter sein. 

Wird so der deutsche Arzt der Zukunft, der über alle 
Zweige der Krankenbehandlung wenigstens auf dem Laufenden 
ist, über den Krankenbehandler hinausgehoben zum öffentlichen 
Fürsorger der Volkskraft und Volksgesundheit und wird er 


*) Es besteht bis jetzt ein Institut für Staatsarzneikunde, und zwar in 
Berlin, das die gerichtliche Medizin pflegt. Es wird aber leider wohl nur yon 
beamteten Aerzten und solchen, die es werden wollen, besucht. In Marburg 
wurden bis zum Kriegsausbruch Vorlesungen aus dem Gebiete der Staatsarznei- 
künde im engeren Sinne gehalten, gemeinsam für Mediziner und Juristen. 



506 Außerordentliche Tagung des Deutschen Kongresses 

nicht als Berater, sondern als stinhnberechtigter Mitwirker 
hineingestellt in einen Kreis gut vorgebildeter Organe für 
öffentliche und private Fürsorge, so eröffnet sich ihm die 
herrlichste Perspektive, ein Haupttrttger der Zukunft unseres 
Volkes au werden. 

Aus Versammlungen und Vereinen. 

Ausserordentliche Tagung des Deutschen Kongresses für 
Innere Medizin in Warschau am 1. und ft. Mal 1916. 

Berichterstatter: Kreisarzt Dr. Rehberg, z. Zk in Warschau. 

Erste Sitzung am l.Mai d. J., vormittags. 

Nach den Begrüßungsansprachen Sr. Exzellenz des General-Gouverneurs 
von Warschau, Gen. d. Inf. v. Beseler, und Sr. Exzellenz des Generalstabs¬ 
arztes der Armee, Chef des Feld-Sanitätswesens Prof. Dr. v. Schjerning 
(Vgl. Nr. 11 dieser Zeitschrift vom 5. Juni 1916) begrüßte der Vorsitzende, 
Geh. Med.-Rat Prof. Dr. His-Berlin die erschienenen Vertreter des'Sanitäts¬ 
wesens der verbündeten Armeen und eröffnete dann die Beratung. 

I. Schutz des Heeres gegen Cholera. Berichterstatter: Oberstabsarzt 
Prof. Dr. Hoffmann (Berlin): 

Im Jahre 1904 trat die Cholera in Rußland am Schwarzen Meer in 
stärkerer Ausdehnung auf und verbreitete sich von hier besonders über Baku 
nach der unteren Wolga hin. Seitdem ist sie in Rußland nie mehr völlig 
erloschen und bedrohte wiederholt die deutschen Grenzen. Kurz vor Ausbruch 
des Krieges herrschte sie namentlich in den an Oesterreich grenzenden Gouver¬ 
nements Wolhynien und Podolien; aber auch auf dem Balkan, in Konstantinopel 
und Adrianopel, waren Fälle vorgekommen. Während der ersten Kriegsmonate 
breitete sich die Seuche schnell aus; im August 1914 trat sie in Warschau 
auf und im September 1914 zählte das serbische Heer bereits 12000 Cholera¬ 
fälle. Auch in Oesterreich kam es schon im ersten Kriegsjahr infolge von 
Einschleppung, in Galizien durch russische Truppen, in vielen anderen Kron- 
ländern durch russische Gefangene zu sehr zahlreichen Erkrankungen auch 
unter der einheimischen Bevölkerung. 

Anders in Deutschland. Nach den günstigen Erfahrungen, die während 
des Balkankrieges namentlich Griechenland mit der Schutzimpfung gemacht 
hatte (die Krankenziffer hatte trotz drohender Seuchengefahr in der griechischen 
Armee nur 1,9 °/o betragen), war bei den meisten deutschen Truppenteilen des 
Ostheeres die Cholera-Schutzimpfung bereits im Oktober 1914 durchgeführt und 
beendet, als im November 1914 hier die ersten Fälle auftraten. Diesem Um¬ 
stände ist es in erster Linie zu verdanken, daß bei den Truppen, die im 
nächsten Sommer in stark cholcraverseuchten Gebieten vorrückten, die Gesamt¬ 
morbidität unter 0,52 "/o blieb und die Mortalität anstatt 50'/« wie früher nur 
10—20 °/o, bei vorschriftsmäßiger Impfung 10,2 °/o betrug. Ebenso günstig 
wirkte die Dnrchimpfung in den verseuchten Ortschaften Galiziens, Russisch-Polens 
und Wolhyniens, wo sie von besonderen Truppenärzten durchgeführt wurde. 
Aber auch unter der Zivilbevölkerung Deutschlands traten nur 78 Fälle auf, 
während im Kriege 1866 allein über 1ÖOOOO Menschen an der vom Heere ein¬ 
geschleppten Cholera starben. Der Impfschutz hält etwa # /4 Jahr an, die 
Impfungen wurden nach etwa 6 Monaten wiederholt; die nach den neueren 
Verfahren hergcstellten Impfstoffe verursachten auch bei der Wiederholung 
keine Reaktion. Neben der Schutzimpfung wurden allgemeine Vorbeugungs¬ 
maßnahmen, namentlich hinsichtlich der Trinkwasserversorgung, der Beseitigung 
der Entleerungen, der Fliegenbekämpfung strenge durchgefübrt. Dm die Ein¬ 
schleppung ins Heimatgebiet zu verhüten, wurden ferner alle von der Front 
kommenden Kranken, Deutsche wie Russen, einer Desinfektion und Quarantäne 
unterworfen. Von diesen gingen weitere Ansteckungen nicht aus, sondern die 
wenigen Fälle unter der Zivilbevölkerung Deutschlands sind auf dem Wasser¬ 
wege eingeschleppt worden. Eine besondere Beachtung verdienen gesunde 
Bazillenträger, von denen unter 600 gesunden Insassen eines Kriegsgefangenen¬ 
lagers 5 gefunden wurden. 



für innere Medien in Warschau. 


007 


Anssprache. 

Schemensky (Frankfurt a. M.) betont die günstigen Erfolge der Bptt- 
behandlnng gegenüber der Lagerung auf der Erde. 

Marcovici (Prag) machte gute Erfahrungen mit Darreichung von 
Alphen (Salol-Knoblauch). 

Adler (Prag) empfiehlt Magenwaschungen mit Tierkohleaufschwem¬ 
mungen. 

Nach Pal tauf (Wien) schwanken die Angaben über die Sterblichkeits- 
zifter bei Cholera erheblich, namentlich deshalb, weil entweder nur die klinisch 
sicheren Fälle oder auch alle abortiv verlaufenden Erkrankungen der Berechnung 
zugrunde gelegt werden. 

Ungermann (Gr. Lichterfelde) konnte Meerschweinchen durch Impf- 
stoffverfütterung so immunisieren, daß sie noch 3 Wochen nach der letzten 
Impfstoffgabe gegen peritoneale Infektion geschützt waren; er glaubt, daß 
vielleicht auch beim Menschen auf diesem bequemeren Wege sich ein Impf¬ 
schutz erzielen lassen wird. Die Höhe der Bakteriolysine wird beim Menschen 
etwa 3 Monate nach stattgehabter Impfung erreicht; jedoch scheint die 
Sensibilisierung vielfach an eine sichtbare Bakterizidie des Blutes nicht ge¬ 
bunden zu sein: es erwiesen sich z. B. Meerschweinchen nach der Impfung 
gegen tödliche Bakteriendosen auch dann geschützt, wenn Bakteriolysine im 
Blut nicht gefunden wurden. 

Eaup (München), Medizinal-Beferent der k. und k. österr.-ung. Armee, 
berichtet über die sehr günstigen Erfahrungen, die in der österr.-ungarischen 
Armee mit der Choleraimpfung gemacht worden sind. Die Morbidität betrug 
bei durchgeimpften Truppen im choleradurchseuchten Operationsgebiet nur 
1—5°/o bei einer Mortalität von 0—207», während diese bei Ungeimpften 
40—60 # /o erreichte. Nach K. hält der Impfschutz nur 3—4 Monnte vor; die 
Impfung ist also bereits nach 3 Monaten zu wiederholen. Es genügt jedoch 
dann die einmalige Injektion von 2 ccm Impfstoff. 

II. Herzkrankheiten bei Kriegsteilnehmern. Prof. Dr. Wenkebach 

(Wien): 

Sehr häufig sind im Felde Fälle von reiner Hypertrophie des linken 
Ventrikels, die auf körperliche Ueberanstrengungen zurückzuführen sind. 
Endocarditis ist selten. Arteriosklerose, namentlich der Aorta, wurde oft 
gefunden; ihre Häufigkeit erklärt sich aus den Kriegsstrapazen, dann aber 
durch den im Felde oft übermäßig gesteigerten Kaffee- und Tabakgenuß. 
Erhebliche Herzerweiterungen fanden sich besonders nach Infektionskrankheiten, 
vor allem nach Typhus. Klappenfehler ertrugen die Anforderungen des Feld¬ 
dienstes oft auffallend gut, teilweise verschlechterten sie sich aber auch. Ein 
großer Teil der von der Front Zurückkehrenden klagte über zweifelhafte Herz¬ 
beschwerden, denen eine wirkliche Erkrankung aber nicht zugrunde lag; es 
handelte sich um Leute, die nach unzweckmäßiger sitzender Lebensweise im 
Frieden, infolge von Nervosität, schwächlichem Körperbau oder ungeeigneter 
Herzanlage (sog. Pendelherz: ungünstige Lagerung bei Tiefstand des Zwerg¬ 
fells) den Strapazen des Felddienstes nicht gewachsen waren und sich allmäh¬ 
lich erst daran gewöhnen mußten. Um den unnötigen Abschub brauchbarer 
Leute nach der Heimat zu verhindern, ist die Errichtung von besonderen Herz¬ 
stationen im Etappengebiet erforderlich. Im allgemeinen unterscheiden sich 
Entstehung, Verlauf und Behandlung der Herzkrankheiten im Felde nicht von 
dem, was in Friedenszeiten darüber bekannt ist. 

Aussprache. 

▼. Romberg (München) weist auf die nachteiligen Folgen hin, die die 
Diagnose eines Herzleidens für den Untersuchten oft insofern hat, als er dann 
dauernd den Begriff eines unheilbaren Leidens damit verbindet. Er betont, 
daß sehr weitgehende Ueberanstrengungen zwar eine hochgradige Herzerweite¬ 
rung zur Folge haben können, daß sie zu dauernden Herzstörungen aber nnr 
dann führen, wenn sie ein organisch oder funktionell nicht mehr gesundes Herz 
treffen. Die Diagnose ist schwierig, weil die physikalischen Untersuchungs¬ 
methoden oft nicht ausreichen und auch die Röntgenuntersuchung keine zu 
Vergleichen verwertbaren absoluten Maße ergibt. 



608 


Außerordentliche Tagung des Deutschen Kongresses 


Hoffmann (Düsseldorf) betont die Schwierigkeit der Diagnose besonders 
bei den funktionellen Herzerkrankungen; selbst die Tachykardie ist kein 
sicheres Symptom derselben, da sie auch bei Störungen, die nicht vom Herzen 
ausgehen, gefunden wird. Vier Fünftel der Fftlle von funktionellen Störungen 
hält H. für heilbar; auch er erörtert die Nachteile, die die fälschlich gestellte 
Diagnose eines Herzfehlers für den Verlauf der Heilung hat. 

Meyer (Straßburg i. E.) fand namentlich im Beginn des Krieges bei 
hochgradig Erschöpften oft Pulsverlangsamungen von 30—40 Schlägen mit 
niedrigen Blutdruckwerten. Sehr selten war krankhafte Herzvergrößerung. 
Die Angaben darüber lauten je nach den verschiedenen Untersuchungsmethoden 
so verschieden, weil einheitliche Maße für die Bezeichnung der Herzgröße noch 
nicht aufgesteilt werden können. 

Oerhardt (Würzburg): Neben den physikalischen Untersuchungsmethoden 
darf die Funktionsprüfung des Herzens sowie die Untersuchung des ganzen 
Körpers im Buhezustand und nach anschließender Uebung nicht vernachlässigt 
werden. Er unterstreicht die nachteiligen Folgen einer übereilten Diagnose und 
weist auf die Beziehungen vieler Herzbeschwerden zur Hyperthyreoidie hin. 

B. Kaufmann (Wien) stellte vergleichende Untersuchungen an bei 
1000 Soldaten, die noch nicht im Felde waren, und 860, die schon von dort 
zurück kamen. Das Böntgenbild ergab in der niedrigsten Altersklasse eine 
Herzdiagonale von über 12 cm unter den ersten bei 37 °/ 0 , unter den letzteren bei 
67°/«. Ueber 13 cm Herzdiagonale fand sich bei 8% der einrückenden und 
21% der zurückkehrenden Mannschaften. Die weitere Beobachtung dieser 
Herzvergrößerungen, die mehr auf Infektionskrankheiten (Typhus und Buhr) 
als auf körperliche Anstrengungen zurückzuführen waren, ergab, daß sie bei 
geeigneter Behandlung in wenigen Wochen ganz oder teilweise zurückgingen. 

D i e 11 e n (Straßburg i. Eis.) will die im Felde auftretenden Herzvergröße¬ 
rungen z. T. als eine Art Herzerstarkung infolge dauernder Uebung auffassen; 
aucn bei Soldaten des 2. Dienstjahres haben schon im Frieden die Untersuchungen 
etwas größere Herzmaße ergeben, als der Norm entsprechen. 

Steyrer (Insbruck): Die in Tirol so häufigen Kröpfe haben bei Kriegs¬ 
teilnehmern selten zu Kreislaufstörungen geführt. Er sieht als eine sehr häufige 
Ursache derselben im Felde den übermäßigen und z. T. ungewohnten Tabak¬ 
genuß an. Bei allen funktionellen Herzstörungen spielt der Wille, gesund zu 
werden, für den Erfolg der Behandlung eine ausschlaggebende Bolle. 

Zondek (Berlin) fand in Gemeinschaft mit Kam in er nach Lungen¬ 
schüssen häufig Atemnot, Herzklopfen und Stiche in der Herzgegend, Beschwerden, 
die auf Verwachsungen des Herzbeutels mit dem Zwerchfell zurückzuführen 
waren. 

Len hoff (Berlin) hat bei funktionellen Herzstörungen günstige Erfolge 
mit der Behandlung in Lazaretten dicht hinter der Front gehabt und empfiehlt 
diese allgemein, weil dadurch Aufregungen durch die häuslichen Verhältnisse 
in der Heimat ausgeschaltet werden. 

Goldscheider (Berlin) befürwortet gleichfalls die Behandlung in den 
Etappen-Lazaretten und rät, den Untersuchten die Diagnose nie mitzuteilen. 
Er schreibt der nervösen Disposition bei der Entstehung der mit Tachykardie 
verbundenen Herzstörungen eine wesentliche Bolle zu. 

Schütze (Bad Kosen) berichtet über seine Erfahrungen bei der Be¬ 
handlung herzkranker Kriegsteilnehmer. 

Lichtwitz (Göttingen) hat auf seiner Herzkranken-Abteilung unter 
Leitung von Offizieren und Akademikern Uebungskurse eingeführt, die mit den 
Leichtlranken Märsche, Turnspiele und Schwimmübungen unternehmen und 
auch eine geeignete psychische Behandlung bei ihnen durchführen. 

Schulzen (Berlin), Gen.-Arzt, Chef der Med.-Abt. des Kriegsmini¬ 
steriums: Ein für die spätere Versorgung Herzkranker wichtiges Ergebnis 
hatten Untersuchungen der beratenden inneren Mediziner in den Heimatlazaretten, 
die dort bis 25% der angeblich Herzkranken als dienstfähig bezeichnen 
konnten. Von der Errichtung besonderer, nur für Herzkranke bestimmter 
Lazarette ist abgesehen worden, um nicht in dem nach dort überwiesenen 
Kranken von vornherein die Meinung anfkommen zu lassen, daß er an einem 
Herzfehler leide. 



für innere Medizin in Warschau. 


509 


Zweite Sitzung am 1. Mai d. J. nachmittags. 

III. Fleokfleber. 

a. Generaloberst Prof. Dr. Brauer (Hamburg), erster Berichterstatter: 
Das Fleckfieber ist eine epidemisch und endemisch auftretende* Infektions¬ 
krankheit mit scharf umschriebenem, selbständigem Krankheitsbild. Nach einer 
Inkubation von 10—12tägiger, selten ßwöchiger Dauer folgt meist ohne 
Prodromalerscheinungen, in der Hälfte der Fälle mit Schüttelfrost ein influenza- 
artiges Krankheitsstadium, dem sich der eigentliche Status typhosus 
mit einem sehr charakteristischen Exanthem und besonders schwerer Einwirkung 
auf Herz und Nervensystem anschließt. Während selten ganz leichte Erkran¬ 
kungen mit nur 1—3tägiger Fieberdauer ablaufen können, kommt es gewöhnlich 
durch Schädigung des Herzmuskels zu Bradykardie und Arythmie besonders in 
der Bekonvaleszenz; die Nervenstörungen bestehen in Schlaflosigkeit, geistiger 
Stumpfheit oder feinschlägigem Schüttelkrampf, ähnlich den Zitterzuständen 
bei multipler Sklerose und Paralysis agitans. Das Blutbild zeigt keine 
typischen Veränderungen. Dem Exanthem liegt als anatomischer Prozeß zu¬ 
grunde, die von Fraenkel an den Kapillaren gefundene Periarteriitis nodosa, 
bestehend in knötchenförmiger umschriebener Wucherung der Bindegewebs- 
elemente. Durch Stenosierung oder Thrombenbildung in den Gefäßen führen 
diese oft gehäuft sitzenden Knötchen zu Blutungen in den Roseolen (Petechien 
bei schwerem Verlauf) und zu Zirkulationsstörungen; auf diese Weise be¬ 
dingen sie auch eine der häufigsten Nachkrankheiten des Fleckfiebers, 
die besonders an den Füßen auftretende Gangrän. Nach Ablassen des Exanthems 
kommt es zu einer kleienförmigen Schuppung der Haut, die besonders aln 
sog. Radiergummi-Phänomen in auffälliger Weise in Erscheinung tritt. Misch¬ 
infektionen mit Typhus, Rekurrens und Influenza kommen vor. 

Die üebertragung erfolgt allein durch die Kleiderläuse. Die 
Epidemien treten meist sehr schnell, explosionsartig auf. In Serbien war die 
Durchseuchung bereits abgeklungen; als die verbündeten Truppen einrückten, 
bestand nur noch eine milae Epidemie in den abgelegenen Gebirgsdörfern und 
Tälern, namentlich unter den Kindern. Von dort fanden nur vereinzelt Ein¬ 
schleppungen in die Armeen teils durch Heeresangehörige, teils durch Pelz¬ 
werk statt. 

b. Oberstabsarzt Prof. Dr. Jürgens (Berlin), zweiter Berichterstatter: 
Während früher das Fleckfieber furchtbare Opfer unerbittlich forderte, be¬ 
herrschen wir heute diese unheimliche Seuche; auf Grund der Erkenntnis, daß 
allein durch die Laus die Üebertragung des Fleckfiebers ver¬ 
mittelt wird und eine solche unmittelbar von Mensch zu 
Mensch nicht stattfindet. Die Entwicklung des Erregers und dieser 
selbst ist uns noch unbekannt; man weiß aber, daß nur der fieberhaft kranke 
Mensch, nicht der im Inkubationsstadium oder in der Rekonvaleszenz befind¬ 
liche, die Laus infizieren kann. Wahrscheinlich muß also im menschlichen 
Blut nach der Infektion durch die Laus bis zum Ausbruch der Erkrankung 
der Erreger eine gewisse Entwicklung durchmachen; seine Weiterentwicklung 
kann er aber dann nur in der Laus, und zwar auch erst wieder in 
einigen Tagen, vollenden; denn auch die Laus wird erst einige Tage nach dem 
infizierenden Biß am kranken Menschen ansteckungsfähig, und verliert diese 
Infektiosität ebenfalls wieder in einigen Tagen. Nur von der Laus aus 
kann der Krankheitskeim, auf einem gewissen Reifestadium angelangt, das 
menschliche Blut infizieren. 

Die gewöhnliche Form der Üebertragung ist derLäusebiß; fraglich 
ist, ob auch die Infektion von der Laus aus in anderer Weise, z. B. durch 
Verreiben der infektiösen Laus am menschlichen Körper erfolgen kann. Sicher 
ist, daß auch Eier von Läusen, deren Infektion von den Muttertieren aus er¬ 
folgt ist, die Ansteckung vermitteln können. Jederlnfektionsweg aber 
führt nur über die Laus; Fleckfieber gibt es nur da, wo es 
Fleckfieberläuse gibt. Fleckfieberkranke und Gesunde, läusefrei in 
einer Baracke untergebracht, setzten keine Infektionen untereinander, während 
draußen die Epidemie weiter wütete. Auch die Häufung der Epidemien im 
Winter und Vorfrühling hängt mit den Lebensbedingungen der Läuse zusammen. 

Das Krankheitsbild ist sehr eintönig. Der Ausschlag fehlt sehr 
selten, Fieber nie. Einmaliges Ueberstehen der Krankheit hinterläßt'einen sehr 



510 Außerordentlich* Tagung den Deutschen Kongressen für innere Medisin. 

sicheren Impfschutz. Das Fleckfieber befällt den Menschen ohne Bficksicht 
auf das Alter in gleicher Weise. Die Bösartigkeit der einzelnen 
Epidemien weist jedoch große Schwankungen auf, die nicht auf verschiedene 
Giftigkeit der Erreger, sondern auf besondere äußere Verhältnisse, z. B. in 
Serbien auf Entkräftung der Bevölkerung, in einem anderen Falle auf Kom¬ 
plikation durch eine Diphtherie - Epidemie zurückzuführen ist. 

c. Der dritte Berichterstatter, Prof. Dr. Hase (Jena), berichtet über die 
Biologie der Kleiderlaus: Die Laus lebt von warmem, strömendem Blut. 
Der Saugakt dauert oft stundenlang; während dieser Zeit sind die Tiere gegen 
Abschneiden der Fühler und Beine unempfindlich. Ist die Laus hungrig, so 
sucht sie den Menschen; da sie, namentlich im Jugendzustande, sehr beweglich 
ist, vermag sie verhältnismäßig weite Entfernungen zurückzulegen. Vor Gegen¬ 
ständen, die sich ihr dabei in den Weg stellen, macht sie nicht Umwege, 
sondern klettert an ihnen hoch. Diese Eigentümlichkeiten in ihrer Lebensweise 
sowie ihre außerordentliche Vermehrungsfähigkeit sind ihrer Uebertragung auf 
den Menschen sehr förderlich. 

Zur Vertilgung der Läuse und ihrer Eier ist Hitze am wirk¬ 
samsten. Kälte ertragen sie bis zu — 6 0 3 bis 4 Tage lang. In 5 proz. 
Formol werden Nissen selbst in 24 Stunden nicht abgetötet. Um Läuse sicher 
zu vernichten, müssen heiße Formalindämpfe mindestens 1 Stunde lang 
einwirken; ebenso lange ist die Einwirkung von 3—5proz. Kreso 1 seifen- 
lösung erforderlich. Ihre Stiche werden nicht immer gespürt, besonders tritt 
bei längerem Behaftetsein mit Läusen eine weitgehende Gewöhnung an Läuse- 
bisse ein. Als höchste Zahl wurden bei einem gefangenen Bussen 3800 Läuse 
bei einer Reinigung abgelesen. 

Aussprache. 

Munk (Berlin) verneint das Vorkommen sog. abortiver Formen von 
Fleckfieber. Bei einem sehr großen Material fand er immer eine Fieberperiode 
von annähernd gleicher Dauer, selbst bei Kindern, wenn auch das Fieber selbst 
niedrig und der Krankheitsverlauf dementsprechend ein leichter war. Die von 
Fränkel beschriebenen periarteriitischcn Wandveranderungen 
der Gefäße finden sich in allen Organen; sie bedingen lokale Zirkulations¬ 
störungen, während die allgemeine Blutdrucksenkung zu der charakteristischen 
Zyanose führt. Krampfzustände in den Muskeln führen zuweilen zu 
eigenartigen Sprachstörungen, Trismus und Kontrakturen anderer Muskelgruppen. 

Töpfer fand unabhängig von R o c h a - Lima in Läusen, die er durch 
tagelanges Saugenlassen an Kranken unter einem festgeklebten Uhrschälchen 
infizirt hatte, vom 4. Tage ab vereinzelt, vom 7.-8. Tage ab fast allgemein 
bakterienähnliche Körperchen, die in mehr als 600 gesunden Länsea 
niemals vorhanden waren. Mit solchen infizierten Läusen konnte bei Meer¬ 
schweinchen eine fieberhafte Infektion hervorgerufen werden, wie sie sonst 
nach Verimpfung von Fleckiieberkrankenblut eintritt. 

Rocha (Lima) berichtet über seine Versuche und die in der Deutschen 
Pathologischen Gesellschaft bereits vorgetragenen Ergebnisse; sie hatten zur 
Entdeckung von bestimmten Mikroorganismen in infizierten Läusen ge¬ 
führt, die mit der Fleckfieberätiologie in engster Beziehung stehen. 

Stempel (Münster) konnte nach guter Konservierung in nach Giemsa 
gefärbten Serienschnitten braun gefärbte, spindelförmige 2 |i große Ge¬ 
bilde, die kernähnliche Einschlüsse zeigten, in dem Darminnalt einiger Fieck- 
fieberläuse und intrazellular in Vakuolen von Fleckfieberleukozythen nachwetsen. 
Er hält sie für Protozoen und nicht für Zerfallsprodukte von Blut¬ 
körperchen. 

Matthes (Königsberg) berichtet über therapeutische Versuche mit 
Optochin und Rekonvaleszentenserum; sie hatten beide ein negatives Ergebnis. 

Nordt (Bialystok) warnt gleichfalls vor Optochin, hat jedoch von 
Urotropin in großen Dosen und Rekonvaleszentenserum (60—80 ccm intra¬ 
venöse) günstige Erfolge gesehen, ebenso wie 

Rösler (Troppan), der 5—10 ccm des auf der Fieberhöhe entnommenen 
Serums demselben Kranken täglich intravenös injiziert. 

Bezüglich der Diagnose berichten über günstige Erfahrungen mit der 
Weil-Felixschen Reaktion Elias (Wien) und Besserer (München); 
nach Paneth erreichte sie ebenso wie die Gruber-Widalsche Reaktion 



Außerordentliche Tagung für prakt.Durchführung tot» Massenspeisungen. 511 


ihren Höhepunkt 10—12 Tage nach Beginn der Erkrankung während der 
Entfieberung, die Plotz-Olitzky-Baehrsehe Reaktion dagegen ent in 
der dritten Woche nach der Entfieberung. 

Mein icke (Worms) spricht über das Verhalten der G ruber- Widal- 
schen Reaktion bei Fleckfieber. 

Rostoski (Dresden) fand besonders wertvoll für die Diagnose die 
Blutstauung nach Dietsch, namentlich auch bei abgelaufenen Fällen, 
da Pigmentflecken unter der Staubinde wieder ihre bläuliche Farbe annebmen. 
Er beobachtete ferner Par- und Anaesthesien an den Händen noch monate¬ 
lang nach Ueberstehen der Krankheit. 

Luksch (Prag) empfahl bereits vor 10 Jahren die Leukozyten¬ 
zählung zur Sicherung der Differentialdiagnose gegen Typhus. 

Kyrie (Wien) und Morawitz (Wien) haben eine diagnostische 
Methode auf Grund derFränkelsehen Befunde an den Kapillaren 
ausgearbeitet: Die Roseola wird unter An heben einer leichten Hautfalte mittels 
eines Scherenschlages exzidiert; binnen 48 Stunden werden Schnitte hergestellt, 
die die herdförmigen Wandläsionen der Kapillaren und Präkapillaren der Haut 
mit perivaskulären Anhäufungen von großen, plasmareichen Zellen mit großem, 
meist rundem Kern und halbmondförmigen, wandständigen hyalinen Thromben 
zeigen. 

v. Jaksch (Prag) hebt besonders die Fälle mit Zirkulations¬ 
störungen an der Nase und die ohne Exanthem hervor. 

Grober (Jena) fand am 2.—3. Tage nach dem plötzlichen Fieberanstieg 
oft ein mehrtägiges Sinken der Temperatur und vom 10. Tage ab Atem¬ 
pausen, während deren im Urin Zucker auf trat; G. schließt bei diesen Fällen 
auf lokale Veränderungen am Boden des IV. Ventrikels. 

Z ü 1 z e r (Berlin) beobachtete auch bei anscheinend Gesunden in der nächsten 
Umgebung Fleckfieberkranker eine Vergrößerung von Milz und Leber, 
bei denen später, ohne daß sie manifest erkrankten, ein Exanthem ohne Fieber 
auftrat, ln Läusen, die von diesen Kranken stammten, wurden abnorme Ein¬ 
schlüsse gefunden. Unter Chinin verkleinerten sich Milz- und Leber¬ 
schwellung, auch trat das Exanthem schneller in Erscheinung. Vielleicht 
handelt es sich hier um Zwischenträger, die die Krankheit weiter verbreiten. 

Schittenhelm (Kiel) fand das Blutbild bei Fleckfieber in folgender 
Weise verändert: Normale oder erhöhte Gesamtzahl der Leukozyten; Eosinophile 
sind anfangs vermindert, dann vermehrt. Die Zahl der Polymorphkernigen 
steigt anfangs und sinkt dann langsam, während zugleich die Zahl der 
Lymphozyten in die Höhe geht. Epidemien umfassen in der Zivilbevölkerung 
bis zu 60 # /o Kranke im Alter von 12—20 Jahren. 

Hel ly (Würzburg) hält das sog. Bosnische Fieber, das nur bei 
Männern vorkommt und mit hochgradiger Bronchitis bezw. Bronchopneumonie 
einhergeht, nicht für identisch mit Fleckfieber. 

Pal tauf (Wien) spricht über Mischinfektionen; Detre (Pest) 
über Uebertragungsweise des Fleckfiebers und Bekämpfungsmaßnahmen 
in Ungarn. 

Knack (Hamburg) zeigt einen Schutzmantel für Aerzte, der so 
geschlossen wird, daß auf ihm nach dem Körper zu kriechende Läuse stets 
auf einem Filzstreifen festgehalten und getötet werden. 

(Schluß folgt.) 


Bericht über die am 3. und 4. Juli d* J. in Berlin 
abgehaltene ausserordentliche Tagnng für praktische 
Durchführung von JHassenspeisungen. 

Die von der Zentralstelle für Volkswohlfahrt in Gemeinschaft 
mit dem Zentralverein für dasWohl der arbeitenden Klassen 
imReichstagssitzungssaal abgehaltenen Tagung über praktische Durch¬ 
führung von Massenspeisungen war außerordentlich stark besucht; fast alle 
Reichsämter sowie die Staatsregierungen der einzelnen Bundesstaaten hatten 
Vertreter entsandt. Den Vorsitz führte der Staatsminister a. D. v. Möller, 
als Vorsitzender der Zentralstelle für Volkswohlfahrt, die am Schluß der Tagung 



512 


Bericht über die außerordentliche Tagung für praktische 


mit der Bekanntgabe der Verhandlungen und der weiteren Verbreitung von 
Erfahrungen beauftragt wurde. Diesem Aufträge entsprechend hat sie die 
Drucklegung der Verhandlungen in anerkennenswerter Weise sehr beschleunigt, 
so daß dieser Bericht 1 ) den nachstehenden Ausführungen zugrunde gelegt 
werden konnte. 

Erster Sitzungstag, Montag den 3. Juli. 

1. Das Problem der Massenspeisungen. Berichterstatter Stadtrat a. D. 
Dr. Luther, Geschäftsführer des Deutschen und Preußischen Städtetages in 
Berlin: Man unterscheidet drei Arten von Massenspeisungen: die des Groß* 
Verbrauchers (Krankenanstalten, Kasernen usw.), die privatwirtschaftliche (Volks¬ 
küchen, Mittelstandskttchen usw.) und die gemeinwirtschaftliche. Von diesen 
drei Arten kommt hier hauptsächlich die gemeinwirtschaftliche in Be¬ 
tracht; sie bildet ebenso wie nnsere jetzige ganze Nabrungsmittelversorgung 
durch Brot-, Fleisch-, Butter- usw. Karten eine Gemeinwirtschaft, die den 
Charakter des Staatssozialismus trägt und bei der es nicht so sehr auf den 
Geldwert, sondern auf die Vorratswirtschaft ankommt. Den Cal wer sehen 
Gedanken, sämtliche Klassen der Bevölkerung durch Massenspeisung (nach 
drei.verschiedenen Klassen) zu ernähren, hält Redner für unrichtig, ebenso wie 
die Annahme, daß sich in Zusammenhang mit der Massenspeispng die Erzeugung 
von Nahrungsmitteln steigern würde. Massenspeisungen können nach seiner 
Richtung nur Hilfseinrichtungen sein, die neben der sonstigen Art der 
Volksernährung eintreten und durch die eine bessere Ausnutzung der 
Nahrungsmittel, also eine Einschränkung ihres Verbrauchs erreicht wird. 
Eine solche wird aber nur dann bei den Massenspeisungen erzielt werden, 
wenn für die Teilnehmer eine Anrechnung der Nahrungsmittelkarte 
erfolgt, damit sie den Nichtteilnehmern die Nahrungsmittel nicht wegkaufen 
können; wenn ferner möglichst einfach und sparsam (Verwendung von Abfällen) 
gekocht wird (Eintopfgericht), und endlich auch die Gewähr besteht, daß alle 
in der Massenspeisung fertiggestellten Speisemengen auch wirklich abgesetzt 
werden. Jedenfalls paßt sich die Massenspeisung als Hilfsmaßregel durchaus 
unserem jetzigen Nahrungsmittelsystem an; seine Wirkung im Sinne der 
Vorratsstreckung und Nabrungsmittelersparnis ist aber nicht so groß, wie von 
vielen Seiten angenommen wird. Dagegen hat sie den Vorzug, daß sie den 
unteren und mittleren Volksschichten den Bedarf ihrer augenblicklich sehr 
schwer und nur mit sehr gesteigerten Kosten zu beschaffenden Nahrung 
wesentlich erleichtert, ein Vorzug, der die durch die Massenspeisung drohenden 
Gefahr einer Auflösung des Familienlebens mehr als aufwiegt, besonders dann, 
wenn sie sich in den naturgegebenen Grenzen hält und nicht über das natür¬ 
liche Maß in der Ausgestaltung hinausgeht. Sic muß eben eine sozial- und 
kriegspolitische Hilfsmaßregel bleiben und demzufolge auch nicht nach dem all¬ 
gemeinen Schema, sondern nach den örtlichen Bedürfnissen aufgebaut werden, 
ihre Einrichtungen müssen so beschaffen sein, daß sie eine beruhigende Wirkung 
auf die Bevölkerung ausüben; sie dürfen also niemals versagen; gerade deshalb 
müssen sie tunlichst schlicht gehalten werden, weil immer mit der Möglichkeit 
gerechnet werden muß, daß die Massenspeisung nicht annähernd in dem Umfange 
benutzt wird, als man ursprünglich erwartet hat. Eine Volksküche in der Friedens¬ 
zeit ist nicht zu vergleichen mit einer Massenspeisung in Kriegszeiten, durch die 
ein ungemein großer Teil der Bevölkerung gespeist werden soll; nach dieser 
Richtung hin stellt die Massenspeisung eine ganz neue Aufgabe dar, bei deren 
Lösung man sich am besten unter Verwertung kluger Anregungen und guter 
Erfahrungen den besonderen Erfordernissen des Einzclfalles so viel als möglich 
anpaßt. 

2. Einrichtung und Rechnungsführung. Der Berichterstatter Theodor 
Thomas-Frankfurt a. M. stützt seine Ausführungen auf die reichen Er¬ 
fahrungen, die die gut geleitete Wohlfahrtsgesellschaft in seinem Heimats¬ 
orte auf dem Gebiete der Massenspeisung gemacht hat. Er legt be¬ 
sonderen Wert auf die ehrenamtliche Bedienung in den Volks¬ 
speiseanstalten, die von einem wohltuenden Einfluß sowohl in bezug auf das 

M Der Bericht ist in (,'arl Hey man ns Verlag in Berlin erschienen; 
Preis: 3 Mark. 



Durchführung ton Masseuspeisungen. 


61$ 

Benehmen der Gäste, als in bezug auf die Kontrolle sei; er ist weiterhin der 
Ansicht, daß die Massenspeisungseinrichtungen auch im Frieden nicht so leicht 
Terschwinden würden und daß man deshalb bei ihrer Herstellung und Organi¬ 
sation darauf von vornherein Bedacht nehmen müsse. Vor allem müsse man 
dafür sorgen, daß der Uebergang von dem Familientisch zur öffentlichen Speisung 
dem einzelnen möglichst leicht wird, und daß die Lebensmittel unter Ausschaltung 
von Provinzial- und Kommunalverbänden unmittelbar von einer staatlichen 
Zentralstelle bezogen werden können. Küchen und Eßsäle sind schlicht, aber 
freundlich einzurichten, damit sie einen ebenso wohltuenden als erzieherischen 
Einfluß, auf die Gäste ausüben; ihre Einrichtung muß auch solid und dauerhaft 
sein, damit ihr wenigstens vorläufiges Weiterbestehen nach dem Kriege ge¬ 
sichert ist. Kochwagen sind nach Ansicht des Berichterstatters nicht 
empfehlenswert, sondern Bezirksküchen mit Ausnutzung von Hilfsmaschinen 
vorzuziehen; ihre Höchstleistung soll jedoch 2000 Portionen nicht übersteigen; die 
Verwendung von Kochwagen kommt nur für abgelegene Kolonien, Kinderspiel¬ 
plätzen, Walderholungsstätten usw. in Frage. Als Vorteile der Bezirks¬ 
küche werden von Th. bezeichnet: Bessere Ausnutzung der Lebens- und Ersatz¬ 
mittel, große Betriebssicherheit, geringere Unkosten, Abgabe jed^s Gerichts für 
sich und familiäre Behandlung der Gäste in Speisesälen durch ehrenamtliche 
Bedienung, kein Anschein öffentlicher Wohltätigkeit. Voraussetzung ist ehren¬ 
amtliche Leitung 'der Küche, Zahlung- der wirklichen Herstellungskosten durch 
Außenstehende, Ermäßigung für Kriegerfamilien, Einheitsküche, Ausgabe von 
Wochenabonnements, keine Beschränkung für den Bezug von Essen nach dem 
Grade des Einkommens; teilweise Anrechnung der Lebensmittelscheine. Be¬ 
sonderer Wert ist außerdem auf die Errichtung geeigneter Abteilungen 
für unterernährte Kinder zu legen. Die Art der Einrichtung darf nicht 
den kaufmännischen, sondern den hygienischen Standpunkt vertreten; 
der Arzt, die erfahrene Köchin und der erfahrene Kaufmann müsse an der 
Spitze jeder Organisation für Massenspeisung stehen, dann bietet diese die beste 
Gewähr, daß in dem Betrieb alles am Schnürchen geht. ' 

• 8. Geber Wirtschaftsführung bei Massenspeisung berichtet FraH 

Baronin Horn-München auf Grund ihrer bei den Volkskreisen in München 
gemachten Erfahrungen. Auch bei Massenbetrieb ist die Gefahr des Vergeudens 
vorhanden und deshalb eine rationelle Wirtschaftsführung in bezog auf 
Einkauf, Berechnung der Kosten für die einzelnen Gerichte und sparsamer 
Verbrauch der Nahrungsmittel durch ihre möglichst vollständige Ausnutzung 
erforderlich. Die Kost muß schmackhaft, nahrhaft und preiswert sein; sie 
darf auch einer gewissen Abwechselung nicht ermangeln. Sie soll nicht nur 
eine augenblickliche Sättigung vermitteln, sondern als Hauptmahlzeit zugleich 
einen Teil derjenigen Nährwerte erhalten, die erforderlich sind, um einer Unter¬ 
ernährung möglichst vorzubeugen. In München werden ®/4—1 Liter verabreicht, 
die im Durchschnitt 40 g Eiweis und 10—12 g Fett = 300 Kalorien sowie 
700 Kalorien an Kohlenhydraten (Kartoffeln, Hülsenfrüchten usw.), also zu¬ 
sammen 1000 Kalorien enthalten; der sonstige Nahrungsbedarf muß durch Brot 
und die übrigen Mahlzeiten gedeckt werden. Die von der jeweiligen Marktlage 
abhängige Kostordnung hat den Ernährungsgewohnheiten der Bevölkerung 
Bechnung zu tragen und ist am besten für sämtliche Abgabestellen einheitlich 
zu gestalten. Seefische, Polenta und zusammengekochte Gerichte werden z. B. 
in den Münchener Volksküchen mit geradezu unparlamentarischen Ausdrücken 
belegt; hier werden der süddeutschen Sitte gemäß Suppe und ein Gericht ver¬ 
abfolgt, während in Norddeutschland das Eintopfgericht bevorzugt wird. Da 
aber die gesonderte Verabreichung von zwei Gerichten selbstverständlich viel 
kostspieliger ist, muß sowohl im Hinblick auf die Vereinfachung in der Zu¬ 
bereitung und die bessere Ausnutzung des Bohmaterials, als in bezug auf die 
raschere Erledigung der Abgabe das Eintopfgericht als die zweckmäßigste 
Art der Beköstigung erachtet werden. Unerläßlich ist die Zentralisierung 
des Einkaufs und die Verteilung des Bohmaterials an die einzelnen Küchen; 
der Zentralstelle muß auch die Einstellung des erforderlichen Personals obliegen, 
ebenso wie für die Wirtschaftsführung sämtlicher Küchen eine Oberleitung 
erforderlich ist. Die Zentralleitnng kann ehrenamtlich sein, für die Küchen ist 
im allgemeinen die Anstellung bezahlter Kräfte vorzuziehen, da nur solche ihre 
ganze Kraft einsetzen und alle Arbeiten verrichten werden. 



614 Außerordentliche Tagung für prakt. Durchführung von Massenspeisungen. 


ln der sich anschließenden, gemeinsam über alle drei Vorträge statt- 
flndenden 

Anssprache 

berichtet zunächst Stadtrat Dofleln-Berlin über die Massenspeisungen in Berlin. 
Küchen für weniger als 15—20000 Personen haben sich hier nicht als praktisch 
erwiesen; es werden hier solche bis za 40000 Portionen vorgesehen, jedoch 
mit verschiedenen Ausgabestellen für 8000—4000 Personen. Es wird außerdem 
hauptsächlich auf das Abholen des Essens gerechnet, um den Grundsatz der 
Familienspeisung mit der Massenversorgung nach Möglichkeit zu vereinigen. 
Auf die ehrenamtliche Mitarbeit der Frauen und Mädchen legt 
Redner besonderen Wert; sie hat sich in Berlin so außerordentlich bewährt, 
daß er sie nicht missen möchte. 

Prof. Dr. Franke-Berlin betont die Notwendigkeit der praktischen 
und theoretischen Ausbildung der Leiterinnen für Massen¬ 
speisungen; mit Hilfe der Hamburger Kriegshilfe sei ein derartiger dreimonatiger 
Kursus eingerichtet, zu der allerdings nur solche Frauen und junge Mädchen 
aufgefordert und zugelassen werden, die bereits praktische Erfahrungen in 
Küche und Haushalt gesammelt haben. Der Wert und die große Bedeutung 
der ehrenamtlichen Mitwirkung von Frauen usw. wird auch von diesem 
Redner besonders hervorgehoben. 

Dr. Polllgkeit-Frankfurt a. M. lehnt ebenso wie Stadtrat Luther die 
von Calver für alle Städte über 5000 Einwohner geforderte obligatorische 
Massenspeisung als undurchführbar ab. Die Massenspeisung gestaltet sich 
überhaupt in den einzelnen Orten sehr verschieden, in Hamburg macht z. B. 
, /e der Bevölkerung davon Gebrauch, in Frankfurt a. M. dagegen nur >/so; sie 
kann deshalb nur als ein Teil der Lebensmittelversorgung angesehen werden, 
für die aber in gleicher Weise wie bei der sonstigen Ernährung die Frage 
der Sicherung der Lebensmittel den Hauptschwerpunkt bildet, ln 
Qebereinstimmung mit dem Berichterstatter Thomas fordert daher auch 
Polligkeit, daß von öffentlicher Stelle aus die Bereitstellung der haupt¬ 
sächlich für die Massenspeisung in Betracht kommenden Lebensmittel 
sichergestellt wird. Außerdem müsse für ausreichende Speisung der 
Kinder gesorgt werden, da bei ihnen die Gefahr der Unterernährung am 
größten ist. 

Stadtschulrat August Müller-Nürnberg: In Fürth bildet die Massen¬ 
speisung (9000 Personen täglich) einen Teil der allgemeinen Fürsorge 
für Kriegerfamilien, Familien der Arbeitslosen, Armen usw. Das Essen wird 
aus den Volksküchen abgeholt; es war leider in der ersten Zeit zu wenig 
abwechselungsreich und zu flüssig, ein Mißstand, der jetzt gehoben ist unter 
gleichzeitiger Berücksichtigung der heimischen Gewohnheit und Geschmacks¬ 
richtung. Die Speisemenge beträgt nur 5 /s Liter, der Preis dafür 20 Pfg. 
Kranke erhalten auf ärztliche Bescheinigung Anweisung auf Naturalien: 
Reis, Zucker, Milch, Brot usw. 

Oberbürgermeister Cnno-Hagen i. W. berichtet über die Massenspeisung 
in Hagen i. W., wo die neueingerichteten Kriegsküchen ebenfalls einen Bestand¬ 
teil der allgemeinen Kriegsfürsorge bilden. Er ist ein Gegner der Massenein¬ 
nahmen von Speisen in den Küchen selbst und gibt der Abholung unbedingt 
den Vorzug. Für die Leitung der Küchen haben sich die hauswirtschaftlich 
geschulten technischen Lehrerinnen außerordentlich bewährt. 

Bürgermeister Günther-Forst berichtet über die in dieser Mittelstadt 
(87000 Einwohner) mit den Massenspeisungen gemachten Erfahrungen. Es 
werden hier bis zu 6000 Portionen täglich ausgegeben, also fast */ 7 der Be¬ 
völkerung auf diese Weise ernährt. Die Herstellung einer Portion (ungefähr 
>/« Liter) kostet nur 12—14 Pfg., ein so billiger Preis, der nur durch die 
ehrenamtliche Tätigkeit aller Mitwirkenden und durch die frühzeitige reichliche 
Versorgung mit Lebensmitteln möglich ist. 

Stadtrat Dr. Boldt-Dortmund: Die Zahl der Kriegsküchen ist in Dort¬ 
mund allmählich auf 16 vermehrt, die jetzt täglich 20000 Personen mit Mittag¬ 
essen versorgen, das abgeholt wird. Abgesehen von groben Arbeiten werden 
alle sonstigen Arbeiten, auch die Kartenausgabe usw., von etwa 200 Damen 
ehrenamtlich verrichtet; die Leitung liegt auch hier in den Händen der technischen 
Hauptlehrerinnen der Haushaltsschulen. Gerade diese ehrenamtliche Mit- 



Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 


615 


Wirkung der Frauen ist in psychologischer wie sozialer Hinsicht nicht zu 
unterschätzen; sie wird von den Familien der Krieger usw. sehr dankbar 
anerkannt und sollte deshalb überall so weit als möglich ausgedehnt werden. 

Stadtrat ,Dr. Proske-Katibor warnt vor einer Vorwegberück¬ 
sichtigung deV Gemeinden mit Massenspeisungen seitens der staatlichen 
Zentralstelle, da sie leicht zu einer ungerechten Verteilung der Lebensmittel 
führen könne. — Frau Meißner-Berlin sieht in der von verschiedenen Rednern 
warm empfohlenen Bevorzugung ehrenamtlicher Kräfte eine schwere Benach¬ 
teiligung für den weiblichen Arbeitsmarkt, der sich sowieso von Monat zu 
Monat verschlechtere. 

Nach einer Mitteilung des Bürgermeisters Dr. Frommholdt-Stade machen 
dort nicht weniger als 26°/o der Bevölkerung von der Massenspeisung Gebrauch. 
Diese starke Inanspruchnahme erklärt sich einmal daraus, daß nur ein ein¬ 
heitliches Essen für alle Schichten der Bevölkerung hergestellt wird, daß 
dieses verhältnismäßig billig ist (10 Pfg. für Bedürftige und 26 Pfg. für alle 
anderen) und daß sowohl für die Leitung, als für die sonstigen Arbeiten 
ehrenamtliche Kräfte tätig sind. Jeder Deutsche hat Recht auf ein 
warmes Mittagessen; dieser Anspruch kann aber nur durch 
die Massenspeisungsanstalt befriedigt werden; die Massen¬ 
speisung ist deshalb nach Ansicht des Redners nicht nur ein Hilfsmittel, sondern 
es liegt in ihr auch ein Teil der Lösung der Ernährungsfrage überhaupt. Eine 
Bevorzugung der Massenspeiseanstalten seitens der Reichszentralanstalten bei 
Verteilung der Nahrungsmittel hält er nicht für nötig; es genügt völlig, wenn 
die betreffende Gemeinde das Recht hat, von den ihr zugeteilten Nahrungs¬ 
mitteln den für diese Anstalten erforderlichen Teil vorwegznnehmen. 

Nachdem Frau Wolf-Frankfurt a. M. noch die Errichtung von Kranken¬ 
küchen warm empfohlen hat, wird die Besprechung und damit die erste 
Sitzung geschlossen. Rpd. 

(Schluß folgt.) 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 

A. Baohverstindlgent&tigkelt auf mlllt&r&rztllohem Gebiete. 

Die Objektivierung nervöser Beschwerden im Kriege. Von Dr. Kurt 
Singer-Berlin. Würzburger Abhandlungen aus dem Gesamtgebiet der prak¬ 
tischen Medizin; XVI. Bd., 1. Heft. Würzburg 1916. Verlag von KurtK a b i tzs c h. 
Preis: 0,86 M. 

Uebertreibungen nervöser Störungen sind nach dem Verfasser etwas sehr 
häufiges; sie werden sowohl unter dem Drucke bestimmt gerichteter Wunschvorr * 
Stellungen, als auch durch Hinausschraubung wirklich vorhandener Beschwerden 
über das übliche Maß hervorgerufen. Uebergänge zwischen Uebertreibung und 
Vortäuschung sind etwas sehr Gewöhnliches; ihre Grenzen lassen sich nicht 
immer genau bestimmen. Neben der Betrachtung des ganzen psychischen Ich, der 
ganzen Persönlichkeit mit allen ihren Wünschen und Neigungen, ihrem Vorleben 
und der Art ihrer Krankheitsschilderung stehen uns jedoch Methoden zur Ver¬ 
fügung, um die nervösen Beschwerden auch objektiv als vorhanden oder nicht 
vorhanden nachzuweisen. Diese Methoden beziehen sich zum Teil auf die 
genaue Untersuchung an dem angeblich erkrankten Organe selbst, wobei selbst¬ 
verständlich durch vorherige genaueste spezialistische Untersuchung (Augen¬ 
spiegel, Kehlkopf, Ohr, Röntgen usw.) das Bestehen oder Nichtbestehen son¬ 
stiger organischer Veränderungen fcstzustellen ist. Sensibilitäts-Untersuchung, 
Intelligenz-Prüfung, Romberg, Elektrizität usw. werden Vortäuschung nicht 
selten erkennen oder mindestens die Neigung der Betreffenden zum bewußte^ 
Uebertreiben klarstellen lassen; sie sind auch häufig therapeutisch angewandt 
von gutem Erfolg, namentlich wenn es gelingt, dem Kranken auf diesem Wege 
klar zu machen, was krank und was kopiert ist. Schreck, Angst, Erschütterung 
beim Anblick zerrissener oder verletzter Kameraden sind nach Verfassers Be¬ 
obachtung meist der unmittelbare Anlaß der neuropsychischen Erkrankung; 
mitunter hatten körperliche Traumen, Wegschleudern durch den Druck von 
Granaten oder Verschüttung mitgewirkt. Die Art des Unfalls oder der son¬ 
stigen auslösenden Ursache gibt dem Bild oft eine ganz bestimmte Färbung 



616 


Kleinere Mitteilungen und Referate atu Zeitschriften. 


nnd, kann ebenfalls bei der Frage der Uebertreibnng mit verwertet werden. 
So konnten Uebertreibnngen oder Falschangaben bei angeblich Herz-, Ischias-, 
Lumbago-Kranken, bei Gelähmten nnd über Kopfschmerz Klagenden viel¬ 
fach beqnem nachgewiesen werden. 8. betont jedoch, daß die plötzliche Ver¬ 
sagung eines Mannes in bezog auf die Nerven, der bis dahin scheinbar ganz 
gesund gewesen ist and auch seinen Bienst tadellos versehen hat, keineswegs 
immer zn dem Schloß auf Uebertreibnng oder Vortäuschung berechtigen; 
denn viele Soldaten unterdrücken tatsächlich manche Beschwerden und ver¬ 
schweigen auch krankhafte Erscheinungen, um ihren Dienstpflichten nach- 
kommen zu können. Manche Degenerierte und Schwachsinnige, die im Eifer der 
ersten Kriegsleidenschaft ihre Kräfte besonders anspannten und überschätzten, 
sind z. B. später, namentlich seit Einsetzen des Stellungskrieges kläglich mit 
ihren Nerven znsammengebrochen. Die Zähl der Dissimulanten ist nach Ver¬ 
fassers Ansicht auf diesem Gebiete mindestens ebenso groß wie die der schwer 
Aggravierenden. Psychologische Uebertreibnngen können durch Behandlung 
gebessert und durch Ignorieren oft am besten geheilt werden; bewußte Ueber- 
treibung muß auf gedeckt und ebenso wie wirkliche Vortäuschung, die übrigens 
sehr selten beobachtet war, bestraft werden. Bpd. 


Ueber akute Nierenerkrankungen bei Kriegsteilnehmern. Von Ober¬ 
arzt d. B. Dr. P. Jungmann. Deutsche med. Wochenschrift; 1916, Nr. 32. 

Das Auftreten akuter Nierenerkrankungen bei Kriegsteilnehmern erregt 
das besondere ärztliche Interesse wegen der großen Zahl der Nephritiden, die 
in den Berichten aus früheren Kriegen nirgends erwähnt sind. Man hat vor 
allem die Schädlichkeiten des Schützengrabenlebens, die häufigen Durch¬ 
nässungen, den dauernden Aufenthalt in feuchten Unterständen und starke 
Abkühlungen für ihre Entstehung verantwortlich gemacht und schlechtweg 
von „Schützengrabennephritis“ gesprochen. Auch die Ernährung, die zur Läuse- 
bekämpfung angewandten Naphthalin- und Kresolpräparate, die Schutzimpfungen 
gegen Typhus und Cholera, sowie die Ruhr wurden angeschuldigt; daneben 
besteht immer der Gedanke, die Kriegsnephritis in Beziehung zu einer Infektions¬ 
krankheit zu setzen. 

Die Beobachtungen, über die J. im einzelnen berichtet, sind in einem 
Kriegslazarett des Ostheeres vom Aujgust 1916 bis Januar 1916 gemacht. 8ie 
lehren, daß es sich um eine einheitliche Erkrankung handelt; denn trotz 
wechselnder Schwere sind Beginn und Symptome während des Verlaufs im 
wesentlichen stets die gleichen. Anderseits bieten Entstehungsweise und Ver> 
lauf Besonderheiten, die bei anderen akuten hämorrhagischea Nephritiden ver- 
* mißt werden. Charakteristisch sind für die Kriegsnephritis der plötzliche Be- 

S inn des Fiebers, die Milzschwellung, die anfängliche Blutdrucksenkung und 
ie anderen Zeichen der universellen Kapillarschädigungen; sie deuten darauf 
hin, daß nicht die Niere allein der Sitz der Krankheit ist, sondern daß von 
Anfang an der ganze Körper betroffen wird. Die Auffassung, daß letzten 
Endes eine Infektion die Ursache der Kriegsnephritis ist, wird ferner ge¬ 
stützt durch ihre Verbreitungsweise (das Auftreten nach etwa 8 Kriegsmonaten 
zuerst allein auf dem östlichen Kriegsschauplatz, erst später im Westen) und 
die pathologisch-anatomischen Befunde. 

Ueber die Art der Infektion ist bisher noch nichts Bestimmtes zu sagen. 
Die bakteriologische und mikroskopische Blutuntersuchung während der Fieber¬ 
tage und bei fieberfreien Fällen ist stets ergebnislos gewesen. Solange dieser 
Nachweis aber nicht erbracht und durch den Tierversuch die Uebertragbarkeit 
der Krankheit nicht erwiesen ist, fehlt der wichtigste unter den angeführten 
Gründen. 

Die Kriegsnephritis ist trotz Beseitigung mancher Ursachen, die für ihre 
Entstehung verantwortlich gemacht sind, nicht erloschen. Die Erkältung wird 
sich allerdings unter den Kriegsbedingangen nie ausschalten lassen; sie kann 
jedoch höchstens ein Ililfsfaktor sein. Erst wenn die Annahme einer infektiösen 
Ursache sich bestätigt, werden sichere Grundlagen zu ihrer Bekämpfung ge¬ 
funden werden. _ Dr. R o e p k e - Melsungen. 



Kleinere Mitteilungen und Referate aas Zeitschriften. 


517 


Uober das pathologisch • anatomische Bild der „Kriegsnephritis“. 
Von Stabsarzt Dr. G. Herxheimer. Deutsche med. Wochenschrift; 1916, 
Nr. 31 and 32. 

Die „Kriegsnephritis" ist eine Nieren- and besonders Glomeruluserkrankung 
von einfacher Glomeralas-Kapillarschädigang bis za schwerer Glomerulo- 
Nephritis. Aetiologisch sind wahrscheinlich Toxine von Kokken anzaschuldigen, 
die wohl darch die oberen Luftwege — Bronchitis, Tracheitis, Laryngitis — 
aufgenommen werden. Hierbei kommt disponierenden Momenten, in erster 
Linie Durchnässung and Erkältung, sodann auch individuellen Verhältnissen 
der Nierendurchblatang, evtl, aaf Grand früherer Erkrankungen, große Be¬ 
deutung zu. Dr. R o e p k e - Melsungen. 


B. Hygiene und öffentliches Gesundheitswesen. 

1. Säuglingsfürsorge. 

Das ABC der Mutter, heraasgegeben von der Gesellschaft für Gemein¬ 
wohl in Kassel. Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. L. Brauer. Würzburg 
1916. Verlag von Curt Kabitzsch. Gr. 8°; 20 Seiten. Preis: 30 Pfg. 

Das Schriftchen enthält in knapper, übersichtlicher Form alles, was 
über praktische Säuglingsfürsorge zu sagen ist; auch die Preise der zur Pflege 
nötigen Gebrauchsgegenstände sind angegeben, damit selbst die Frauen aus 
dem Volke sehen können, daß mit geringen Mitteln manches angeschafft werden 
kann, was das Gedeihen ihrer Säuglinge gewährleistet. Die Einrichtung des 
Inhalts ist so getroffen, daß jeder sofort, gleichsam mit einem Griff die ge¬ 
wünschte Belehrung finden kann und nicht erst viele Seiten nachzuschlagen 
braucht. Gerade mit Rücksicht darauf verdient die Schrift die weiteste Ver¬ 
breitung, die durch die Verlagsbuchhandlung in entgegenkommender Weise 
dadurch erleichtert wird, daß sich der Preis bei Abnahme einer größeren An¬ 
zahl die Schrift nicht unerheblich ermäßigt. Rpd. 


2. Schulhygiene. 

Schulorganisatorischer Vorschlag zur Minderung der Kindersterb¬ 
lichkeit an akuten Infektionskrankheiten. Von Dr. M. Pfandler -München. 
Münchener med. Wochenschrift; 1916, Nr. 82. 

Pfandler faßt seine Gedanken also zusammen: Masern und Keuch¬ 
husten sind fast nur (Diphtherie und Scharlach hauptsächlich) im vor schul¬ 
pflichtigen Alter lebensgefährlich. Gelänge es aber bei gleibleibender Gesamt¬ 
häufigkeit dieser Krankheiten den Ansteckungstermin nur bis in das 6. Lebens¬ 
jahr aufzuschieben, so würde die Masern- und die Keuchhustensterblichkeit 
je um rund 60 Prozent und beispielsweise in München jährlich allein 
die Zahl der an Masern- und Keuchbustentodesfällen etwa um 860 ver¬ 
mindert werden. Der überwiegende Teil der Masern- und Keuchhustensterbe¬ 
fälle geht darauf zurück, daß Kinder, die die Krankheit in der Schule oder 
Spielschule erworben haben und selbst ohne Gefährdung überstehen, ihre 
jüngeren Geschwister (Wohnungsgenossen) infizieren. Rigoroseste Vorkehrungen 
zur Verhütung von Masern- und Keuchhustenverbreitung in der Schale sind in 
größeren Gemeinden nicht ohne schwere Störung des Unterrichtsbetriebes und 
Beeinträchtigung des Lehrerfolges allgemein durchführbar; sie bringen über¬ 
dies den Schulkindern selbst kaum Nutzen. Es empfiehlt sich aber dort, wo 
Parallelklassen entstehen, die Scheidung der Gesamtjahrgänge nach dem Vor¬ 
handensein oder . Fehlen gefährdeter (jüngerer) Geschwister und Wobnungs- 
genossen vorzunehmen und Vorkehrungen gegen die Verbreitung von Masern 
und Keuchhusten in der einen Kategorie von Klassen zu unterlassen, in der 
andern mit erhöhter Schärfe zu treffen. Als Schutzmaßnahmen kommen 
namentlich das System der kurzfristigen Schulschließungen und die Kontrolle 
vor Unterrichtsbeginn in Betracht. 

(Referent möchte auf die Gefahr der Deklassierung der Kinder aus 
großen Familien hinweisen, die durch die Verwirklichung dieses Gedankens ein- 
treten würde.) Dr. G r a ß 1 - Kempten. 



518 Kleben Mitteilungen and Referate atu Zeitschriften. 

3. Soziale Hygiene. 

Gründe and Bedeutung des Geburtenrückganges Vom Standpunkte 
der öffentlichen Gesundheitspflege. Was kann der Arzt und die Medizinal* 
Verwaltung tan, um diesem Uebel zu begegnen 1 Von Kreisassistenzarst 
Dr. H. v. H5vell-Berlin. Vierteljahrsschrift für gerichtliche Medizb und 
Öffentliches Sanitätswesen. Dritte Folge. 51. Bd., H. 2. Jahrg. 1916. 

Die Abnahme der Geburten ist im Deutschen Beich und in Preußen 
nicht in dem „Nichtkönnen", d. h. in einer Abnahme der Fortpflanznngs- 
fähigkeit beider Geschlechter begründet, sondern fast ausschließlich in dem 
„Nichtwollen", also in der Abnahme des Zeugungswillens, die 
ohne Zweifel auch in allen anderen Kulturstaaten die Hauptrolle bei dem 
rapiden Sturz der Geburtenziffer bildet. Die Gründe für diese Minderung des 
Zeugungswillens sind nicht allem egoistischer, sondern auch materialistischer 
und wirtschaftlicher Art; sie sind Folgeerscheinungen unserer Kultur und 
unseres Wirtschaftslebens. Die legalen und illegalen Mittel, die zum Hintan¬ 
halten des unerwünschten Kindersegens benutzt werden, sind freiwillige Ent¬ 
haltsamkeit vom Geschlechtsverkehr (in der Ehe sehr unwahrscheinlich), 
Präventiwerkehr (am häufigsten), künstliche Unterbrechung der Schwanger¬ 
schaft (in ständiger Zunahme begriffen) und operative Unbrauchbarmachung 
(kommt für den Geburtenrückgang kaum in Betracht). Die Frage, ob die Be¬ 
schränkung der Geburtenzahl eine Verbesserung der Qualität des Menschen¬ 
materials mit sich bringt und der Verlust an Zahl durch die Zunahme an 
Wertigkeit erhöht wird, verneint Verfasser; hohe Säuglingssterblichkeit geht 
auch nicht immer mit hoher Geburtenziffer Hand in Hand, jedenfalls kann sie 
bei dieser durch entsprechende Säuglingsfürsorge herabgesetzt werden, während 
anderseits die letztere nicht allein imstande ist, die Schäden des Geburten¬ 
rückgangs illusorisch zu machen. Das Ein- und Zweikindersystem ist auch an 
sich vom Standpunkt der öffentlichen Gesundheitspflege ebenso unerwünscht, 
wie die gewaltsame Zurückdrängung der Fortpflanzungstätigkeit, die gewohn¬ 
heitsmäßige Ausübung des Präventivverkehrs eine gesundheitliche Schädigung 
unseres Volkskörpers bedeutet. Abhilfe ist deshalb dringend nötig. Zu den 
hierfür in Betracht kommenden Mitteln gehören: Strengere Beaufsichtigung 
der Personen, die das Heilgewerbe ohne staatliche Anerkennung ausüben, sowie 
der staatlich geprüften Heilgehilfen, Massöre. Krankenpfleger usw., Unter¬ 
drückung bezw. Erschwerung des Handels mit empfängnisverhütenden Mitteln, 
Neuordnung des Hebammenwesens, Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten 
und des Prostitutionswesens, Ausdehnung der Säuglingsfürsorge, gesetzliche 
Regelung des Ammenwesens, sorgfältige Ueberwachung des Haltekinderwesens, 
der Privatkrankenanstalten und des Badewesens. Rpd. 


Staatliche MUtterfürsorge und der Krieg. Von Dr. med. Alf. Fischer- 
Karlsruhe. Berlin 1915. Verlag von Julius Springer. 8°; 24 8. Preis: 0,40M. 

Die Fürsorge für Schwangere und Gebärende ist leider in der neuen 
Reichsversicherungsordnung nicht genügend berücksichtigt; nach den von dem 
Verfasser angestellten Umfragen haben nur verhältnismäßig wenige Kassen die 
fakultative Wochenbettunterstützung der nicht versicherungspflichtigen Ehe¬ 
frauen satzungsgemäß eingeführt, so daß für diese riesige Schar von Frauen 
aus den minderbemittelten Kreisen im Falle der Schwangerschaft viel zu wenig 
gesorgt ist. Durch die Agitationsarbeit der Propagandagesellschaft für Mutter¬ 
versicherung (Sitz Karlsruhe) hat sich erfreulicherweise eine Reihe von 
Krankenkassen anregen lassen, die Mütterfürsorge auch auf die versicherungsfreien 
Ehefrauen ihrer Mitglieder auszudehnen; einen allgemeinen großen Fortschritt 
bedeutet weiterhin die durch Beschluß des Bundesrats erlassene Verordnung 
vom 3. Dezember 1914 Uber die Wöchnerinnenunterstützungen während des 
Krieges, besonders nachdem sie durch Bekanntmachung vom 23. April 1915 
eine erhebliche Erweiterung erfahren hat. F. fordert, daß diese vortreffliche 
Einrichtung auch nach dem Friedensschlnß nicht nur erhalten bleiben, sondern 
zu einer gesetzlichen Mutterschaftsversicherung ausgebaut werden muß. Rpd. 


Die Massenspeisnngen der Hambnrglschen KrtegskSchen. Von 

Oberstabsarzt Dr. Moritz Fürst - Hamburg, z. Zt. Chefarzt in Güstrow. Deutsche 
med. Wochenschrift; 1916, Nr. 24. 



Kleben Mitteilungen und Referate ane Zeitschriften. 


619 


In Hamburg wird jetzt in 79 Küchen für ungefähr 116 000' Menschen 
täglich gekocht. Alle Küchen haben naeh allwöchentlich bestimmten Küchen- 
zetteln (mit genauer Angabe der Zutaten für je 60 Personen) zu kochen und 
die Speisen in gleicher Menge (für Erwachsene 1 Liter), zu gleicher Zeit und 
zum gleichen Preise abzugeben. Das Essen wird meist abgeholt, kann aber 
auch an Ort und Stelle verzehrt werden. Die Abgabe erfolgt an jeden ohne 
Prüfung der Bedürftigkeit. Seit Eintritt der Fleischknappheit wird nur zwei¬ 
mal wöchentlich frisches Fleisch, einmal Fleischkonserven gegeben, die Fleisch¬ 
menge beträgt 60 g auf den Liter. Die fleischfreien Tage dürfen nach der 
Möglich keit der Fleischbeschaffung verlegt werden. Die Marken werden schon 
am vorhergehenden Tage ausgegeben. Der Preis beträgt 20 Pfg. für die 
Portion, der Zuschuß von der Hamburger Kriegshilfe z. Zt. 18 Pfg. und 
2 Pfg. für Unkosten. 

Ein solcher Zuschuß, monatlich etwa 160000 M. in Hamburg, ist nötig, 
um einen großzügigen Betrieb in den Kriegsküchen zu sichern. Weitere Vor¬ 
bedingungen dafür sind: Zusammenarbeiten ehrenamtlicher Organe mit den 
Vertrauensleuten der Arbeitervereinigangen und Gewerkschaften, ehrenamtliche 
Beteiligung von Männern und Frauen in allen Küchen, einheitliche Leitung 
und straffe Zentralisation, fast tägliche genaue Kontrolle der Küche durch die 
Zentralleitung, unbedingtes Vertrauen zu den ehrenamtlichen Leitern, richtige 
Verteilung der Kriegsküchen über die Stadt, Möglichkeit den Betrieb zu er¬ 
weitern. Die allerwichtigste Aufgabe aber ist es, daß in allen Küchen wirklich 
gut gekocht wird und jede Küche bestrebt ist, dem Geschmacke ihrer Bezieher 
und Besucher nach Möglichkeit entgegenzukommen. Dr. Boepke -Melsungen. 


4. Statistik. 

Die Bewegung der Bevölkerung ln Preußen ln den Jahren 1918 
und 1914. Statistische Korrespondenz. 

Im Jahre 1913 sind in Preußen 1 209600 Geburten (einschl. 86970Tot¬ 
geburten), 666 490 Sterbefälle und 328 709 Eheschließungen erfolgt; der Ge¬ 
burtenüberschuß betrug sonach 563 010 oder 13,3 auf das Tausend der mittleren 
Bevölkerung. Im Jahre 1914 stellen sich diese Ziffern auf 1 202 528 Geburten, 
802 776 Sterbefälle (mit 35 948 Totgeburten) und 286 197 Eheschließungen; die 
Geburtenzahl ist demnach gegen das Vorjahr um 6972 zurückgegangen, die 
Zahl der Todesfälle um 146 286 gestiegen und der Geburtenüberschuß dem¬ 
entsprechend um 163 258, und zwar von 553 010 auf 399 752 gesunken. 
Eine bemerkenswerte, in fast allen europäischen Staaten wiederkehrende Er¬ 
scheinung der Jahre 1909 bis 1912 ist die abnehmende Geburtenzahl 
bei steigender Ehefrequenz. Während sich nämlich im Durchschnitt des Jahr¬ 
zehnts 1904—1913 die Geburtenzahl auf 1 270253, die Zahl der Sterbefälle 
auf 711 629, der Geburtenüberschuß sonach auf 558 624 belief, betrug die Ge¬ 
burtenzahl im Jahre 1918 bereits 60 753 unter dem zehnjährigen Durchschnitt, 
1914 aber sogar 67725. Die Zahl der Todesfälle stand 1913 um 55139 unter, 
dagegen 1914 um 91147 über dem zehnjährigen Durchschnitt. Die Zahl der 
Eheschließungen stellte sich 1913 auf 11676 überund im Jahre 1914 auf 
25 836 unter dem zehnjährigen Durchschnitt 1904 bis 1913. Es ist also klar, 
daß die eheliche Fruchtbarkeit in einer nicht unerheblichen Abnahme begriffen 
ist, wie sich aus den nachstehenden Uebersichten ergibt: 



Geburten 

Sterbefälle 

Geburten¬ 

Ehe¬ 


einschl. Totgeborene 

überschuß 

schließungen 

1904 .... 

1 304 936 

742 420 

562 508 

294 732 

1905 .... 

1280283 

765 256 

615 027 

299 988 

1906 .... 

1 309 140 

713 083 

596 057 

309 922 

1907 .... 

1 298 508 

719 736 

578772 

313039 

1908 .... 

1308 504 

733 047 

575 457 

311181 

1909 .... 

1 287 234 

705 877 

581357 

807 904 

1910 .... 

1256794 

675 237 

581 557 

310415 

1911 .... 

1225 300 

732 826 

492 474 

321151 

1912. 

1 222 333 

672 306 

550 027 

328 340 

1913 .... 

1209 600 

656 490 

553 010 

323 709 

1914 .... 

1 202 528 

802 776 

399 752 

286 197 







520 


Kleinere Mitteilungen and Referate aas Zeitschriften. 


oder auf 1000 der mittleren Bevölkerung berechnet: 

Geburten Sterbefälle Gebarten¬ 
einschi. Totgeborene Oberschaß 

1904 .... 35,8 20,3 15,5 

1905 .... 34,5 20,7 13,8 

1906 .... 84,8 19,0 15,8 

1907 .... 34,0 18,8 15,2 

1908 .... 33,7 18,9 14,8 

1909 .... 32,7 17,9 14,8 

1910 .... 31,5 16,9 14,6 

1911 .... 30,3 18,1 12,2 

1912 .... 29,8 16,4 13,4 

1913 .... 29,0 15,8 13,2 

1914 .... 28,5 19,0 9,5 

Die Geburtenziffer hat sich somit 


Ehe¬ 

schließungen 

16,2 . 
16,2 

16.5 

16.4 
16,0.- 

15.6 
15,6 
15,9 
16,0 . 

15.5 

18 , 6 , 


von 


Sterbezifer aber nur um 6°/o verringert, 


Geburtenüberschusses fast 39,0 # /o beträgt. 


1904-1914 um 20*/#, die 
während die Verringerung des 


Rpd. 


Bericht Ober die medizinische Statistik des Uamburgischeu Staates 
für das Jahr 1914. Mit fünf Abbildungen im Text und sechs Tafeln. Ham¬ 
burg 1916. Verlag von Leopold Voß. 4°; 90 S. . , 

Der die Geburten, Sterbefälle, Erkrankungen an übertragbaren Krank¬ 
heiten, die Krankenbewegung in den Armenkreisen, die Heilanstalten und die 
Hedizinalpersonen umfassende Bericht bringt wieder manche auch außerhalb Ham¬ 
burgs interessierende Angaben. Dabin dürfte z. B. gehören, daß sich das durch¬ 
schnittliche jährliche Einkommen in Hamburg in den 10 Jahren von 1903 bis 
1912 um nicht weniger als 30 •/« gehoben hat (von 732,08 auf 950,16 M.), die Ge¬ 
samtzahl der Geburten dagegen von 26,80 auf 21,52 °/<x> gesunken ist. Von den 
geborenen Kindern waren 3,6°/o totgebor^n und zwar bei Kopflagen 2,5 */o, 
bei den Gesichtslagen 19,0, bei den Beckenendlagen 24,0 und bei den Querlagen 
41,4 °/o. Bei 6,3 °/o der Geburten waren geburtshilfliche Operationen erforder¬ 
lich; von den betreffenden Müttern Bind 3,2 */# gestorben, von den Kindern 
19,0°/« totgeboren.. Die Sterblichkeit ist im Jahre 1914 (12,9 •/ oo) etwas 
höher als im Vorjahre (12,6°/«o) und im Stadtgebiet höher als im übrigen 
Gebiet (13,1 gegen 10,8 °/oo) sowie im Monat Oktober am niedrigsten (0,9 °/*°), 
in den Monaten Januar—April am höchsten (l,2°/«o). Die Säuglingssterb¬ 
lichkeit (12,7 */•) ist ebenfalls etwas höher als im Vorjahre (12, 0®/o), als 
wesentlich niedriger als in den Jahren 1910 und 1911 (15,6 und 15,7 °/o). Von 
den einzelnen Stadtgebieten hatten die wohlhabenden (Rotberbaum und Harves- 
hude mit 3004 und 4563 M. Einkommensteuer auf den Kopf) die niedrigsten 
Geburts-Sterbeziffern (8,6 und 11,1 °/oo) bezw. 9,9 und 8,4 °/*o) und die ärmsten 
(Bill war der Ausschlag und Barmbeck mit 446 und 495 M. auf den Kopf) die 
höchsten (25,8 und 29,2 bezw. 19,1 und 16,6 4 /«o)* Die Tuberkulosesterb¬ 
lichkeit ist von 21,0 u /ooo im Jahre 1895 auf ll,l°/ooo im Jahre 1914 gesunken; 
(in den beiden vorgenannten wohlhabendsten Bezirken auf 3,9 und 4,9°/o«o gegen 
22,9 °/ ono in dem engbebauten und weniger wohlhabenden Bezirk Altstadt-Nord). 
Nach den Einkommensteuer Verhältnissen stellt sich die Tuherkulosesterblichkeit 
wie folgt: bei den Einwohnern mit einem Einkommen von 900—1200 M. : 28,4, 
1200—2000 M.: 25,0, 2000-3500 M.: 19,0, 3500—5000: 13,3, 5000—10 000 M.: 
13,2, 10 000—25 000 M.: 3,3 und über 25 000 M.: 4,8 auf 10 000 Lebende. Es ergibt 
sich daraus, daß in den reichsten Familien 6 mal weniger Personen an Tuberkulose 
sterben als in den ärmsten. Von den Infektionskrankheiten sind Pocken 
nur vereinzelt (11) aufgetreten, auch die Typhuserkrankungen sind verhältnis¬ 
mäßig selten gewesen (223 mit 26 = 11,2 "/o Todesfällen) oder 1,8 bezw. 0,2 
auf 10000 Einwohner; stärker verbreitet waren dagegen S cha r 1 a c h (2615 Er¬ 
krankungen mit 117 s 4,5 °/o Todesfällen), Masern (2431 mit 104 = 4,3 % 
Todesfällen), Diphtherie (4444 mit 368 = 8,3°/» Todesfällen). Rpd. 


Geburtenhäufigkeit und Säuglingssterblichkeit in den deutschen 
Großstädten mit mehr als 200 000 Einwohnern In den Jahren 1914 nnd 1915. 
Veröffentlichungen des Reichsgesundheitsamts; 1916, Nr. 24. 

Zur Ergänzung der Bearbeitung der Wochenausweise über die Bevölke- 






Kleinere Mitteilungen and Beferate ans Zeitschriften. 


68t 


rungsvorgänge in den deutschen Großstädten mit mehr als 200000 Bin* 
wohnern während der Zeit Tom 4. April 1915 bis 1. Januar 1916 (s. diese Zeit¬ 
schrift J&hrg. 1915, Nr. 23, S. 721 nnd Jahrg. 1916, Nr. 9, S. 245) sind jetzt 
im Beichsernährungsamt die vorläufigen und endgültigen Angaben über die 
Zahl der Lebendgeborenen und der Sterbefälle im 1. Lebensjahr in diesen 
Städten für das Jahr 1915 denen für das vorausgegangene Jahr gegenübergestellt. 
Danach hat sich nach den Monatsergebnissen die Zahl der Lebendge¬ 
borenen in der Gesamtheit der 26 größten deutschen Städte von 66 032 im 
1. Viertel des Jahres 1914 auf 42723 im letzten Viertel des Jahres 1915 ver¬ 
mindert. Diese Verminderung war in den einzelnen Vierteln des Jahres 1914 
nur unbedeutend; im 1. Viertel des Jahres 1915 folgte, entsprechend den regel¬ 
mäßigen monatlichen Schwankungen der Geburtenhäufigkeit im Deutschen Beiche, 
wiederum ein Anstieg der Zahl der Lebendgeborenen, nämlich von 61259 im 
letzten Vierteljahre 1914 auf 65 399 im 1. Vierteljahre 1915, so daß nahezu 
die Höhe derjenigen für das 1. Vierteljahr 1914 erreicht wurde. Die Ein¬ 
wirkung des Krieges auf die Geburtenhäufigkeit, die aus natür¬ 
lichen Gründen erst vom Monat Mai 1915 in Erscheinung treten konnte, machte 
sich bereits in bedeutendem Maße im 2. Vierteljahre 1915 geltend, in welchem 
nur noch 52899 Lebendgeborene in der Gesamtheit der untersuchten Gro߬ 
städte aufgezeichnet worden sind, ln den beiden nachfolgenden Vierteljahren 
hielt zwar der Geburtenrückgang weiter an, doch machte sich darin eine Ver¬ 
langsamung deutlich bemerkbar. An dieser Verminderung nahmen alle 
Städte, wenn auch in verschiedenem Grade, teil, doch läßt die Betrachtung 
der örtlichen Unterschiede zwischen den Vierteljahrsangaben 
der beiden Vergleiohsjahre erkennen, daß die Zahl der Lebendgeborenen in 
einigen Städten in dem 1. Vierteljahre 1915 noch größer war als in dem ent¬ 
sprechenden Zeiträume des Vorjahrs. 

Infolge der bedeutsamen Abnahme der Zahl der Lebendgeborenen in den 
letzten drei Vierteljahren des Jahres 1915 mußte sich auch die Zahl der 
Sterbefälle im 1. Lebensjahre vermindern. Der Vergleich der Viertel¬ 
jahrsangaben über die letztere Zahl für das Jahr 1914 mit denen für das Jahr 
1915 zeigt auch, daß die Zahl der Sterbefälle im 1. Lebensjahr in der Gesamt¬ 
heit der 26 größten Städte im Jahre 1915 von Vierteljahr zu Vierteljahr be¬ 
ständig abgenommen hat, und zwar von 8761 im 1. Vierteljahr auf 5568 im 
letzten Vierteljahre. Dieser Verlauf wich in auffallender Weise von dem jahres¬ 
zeitlichen Verlauf der gleichen Angaben für das Vorjahr ab, in welchem der 
Sommergipfel der Säuglingssterblichkeit im 3. Vierteljahre mit 14074 Sterbe¬ 
fällen im 1. Lebensjahre sich deutlich von den Angaben für die übrigen Viertel¬ 
jahre, die sich nur zwischen 8000 und 8600 bewegten, abhob. Da der üb¬ 
liche Sommergipfel der Säuglingssterblichkeit im Jahre 1915 
überhaupt nicht in Erscheinung getreten ist, so ist es erklärlich 
daß bei dem angestellten zeitlichen Vergleiche das Maximum der Abnahme 
der Zahl der Sterbefälle im 1. Lebensjahr auf das 3. Vierteljahr entfallen mußte. 
Der Umstand, daß von der Abnahme der Gesamtzahl der Sterbefälle im 1. Lebens¬ 
jahr im Jahre 1915 gegenüber 1914 um 10 493 allein 7137 auf das 3. Viertel¬ 
jahr entfielen, läßt erkennen, daß die Abnahme der Zahl dieser Sterbefälle im 
Jahre 1915 nicht nur auf die Verminderung der dem Sterben ausgesetzten 
Säuglinge, sondern auch auf das Ausbleiben des Sommergipfels der Säuglings¬ 
sterblichkeit in diesem Jahre zurückzuführen ist. Da das Ausbleiben des 
Sommergipfels im Jahre 1915 durch die günstigen Temperaturver¬ 
hältnisse in den Sommermonaten bedingt war, so kann man hieraus folgern, 
daß dieser Umstand von entscheidendem Einfluß auf die Gestaltung der Säuglings¬ 
sterblichkeit überhaupt im Deutschen Beiche im Jahre 1915 gewesen ist. Für 
die Bichtigkeit dieser Schlußfolgerung spricht die Tatsache, daß die starke 
Abnahme der Zahl der Sterbefälle im 1. Lebensjahr im 3. Vierteljahre 1915 

f egenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahrs sich für alle untersuchten 
tädte nachweisen läßt, so daß nur ein gemeinsamer Umstand, nämlich die 
günstigen Temperaturverhältnisse in den Sommermonaten des Jahres 1915, als 
Ursache hierfür angesehen werden kann. Dagegen sind die Verschieden¬ 
heiten dieser Abnahme in den einzelnen Städten auf örtliche Ein¬ 
flüsse in erster Linie wohl auf die verschiedene Abnahme der Geburtenhäufig¬ 
keit und den verschiedenen Stand der Säuglingsfürsorge, zurückzuführen. 



522 


Kleinere Mitteilungen and Bef erste aas Zeitschriften. 


Aas dem Vergleich der Jahresergebnisse der Statistik der Lebend- 
geborenen und der Sterbefälle im 1. Lebensjahre ist zu ersehen, daß die Zahl 
der Lebendgeborenen in der Gesamtheit der 26 Großstädte im Jahre 1916 
um 49 749 niedriger als im Vorjahre war, also um 19,8V» oder nahezu ein 
Fünftel. 

Am größten war diese prozentuale Abnahme in Chemnitz mit 27,2°/«, 
in Nürnberg mit 27,1, in Neukölln mit 24,8, in Duisburg mit 28,7 und in 
Hamburg mit 28,6°/o- Weit unter dem Durchschnitt verblieb dagegen 
diese Abnahme in Dortmund mit 14,4 V», in Mannheim mit 14,2, in Berlin- 
Schöneberg mit 13,1 und in Kiel mit 7,6 %. 

Dieser Abnahme der Zahl der Lebendgeborenen stand eine solche der 
Sterbefälle im 1. Lebensjahr um 10351 gegenüber, der es hauptsächlich 
zu verdanken ist, daß die Zahl der das 1. Lebensjahr überlebenden 
Kinder im Jahre 1916 nur um etwas mehr als ein Fünftel weniger 
ab genommen hat alB die Zahl der Lebendgeborenen. 

Um die Abnahme der Zahl der Sterbefälle im 1. Lebensjahr im Jahre 1916 
gegenüber 1914 mit der Abnahme der Zahl der Lebendgeborenen vergleichen za 
können, ist die prozentuale Abnahme der absoluten Zahl der 
Sterbefälle im 1. Lebensjahre berechnet, die für die Gesamtheit der 
26 Großstädte im Jahre 1916 nicht unbeträchtlich größer war als die der 
Zahl der Lebend geborenen und 26,8 °/o beträgt. Die Grenzwerte bewegen 
sioh zwischen 27,2 und 7,6 °/o; es zeigt sich außerdem dabei, daß die. Stadt 
mit der größten prozentualen Abnahme der Zahl der Lebendgeborenen (Chem¬ 
nitz) mit 42,1% auch die größte prozentuale Abnahme der Sterbefälle im 
1. Lebensjahr und die Stadt mit der geringsten prozentualen Abnahme der 
Zahl der Lebendgeborenen auch die geringste prozentuale Abnahme der Zahl 
der Sterbefälle im 1. Lebensjahr aufzuweisen hat (Kiel mit 12,7%). Dieser 
Parallelismus läßt sich auch in anderen Städten verfolgen. Wird die Zahl der 
Sterbefälle im 1. Lebensjahr auf je 100 Lebendgeborene einer vergleichenden 
Berechnung zugrunde gelegt, so hat sich die eigentliche Säuglings¬ 
sterbeziffer von 15,3 im Jahre 1916 auf 14,0 im Jahre 1916, d. h. um 
1,3 auf je 100 Lebendgeborene, vermindert. Eine derartig niedrige 
Säuglingssterbeziffer, wie die des Kriegsjahres 1916, wurde 
bisher noch in keinem Jahr im Deutschen Beiche beobachtet. 
Nur einige wenige kleine Gebietsteile hatten in den letzten vorausgegangenen 
Jahren eine noch niedrigere Säuglingssterbeziffer aufzuweisen. Die räum- 
lichen Unterschiede der Säuglingssterbeziffer im Jahre 1916 lassen jedoch 
erkennen, daß in einigen Städten die Säuglingssterblichkeit auch in diesem 
Jahre beträchtlich hoebgewesen ist und sich gegenüber dem Vorjahr nur wenig 
verändert hat. Dies war der Fall in Königsberg, wo die höchste Säuglings¬ 
sterbeziffer mit 19,6 verzeichnet wurde, ferner in Magdeburg und Danzig, wo 
die Säuglingssterbeziffer■ im Jahre 1916 19,2 betrug. Dagegen ist die Zahl 
der Städte mit einer Säuglingssterbeziffer unter 12,0 von 2 (Frankfurt a. M. 
und Bremen) im Jahre 1914 auf 7 (Hamburg, Dresden, Frankfurt a. M., Düssel¬ 
dorf, Hannover, Stuttgart und Bremen) im Jahre 1916 gestiegen. Nur in einer 
einzigen Stadt, nämlich in München, war die Säuglingssterbeziffer im Jahre 1915 
etwas größer als im Vorjahre. Da diese Stadt die einzige ist, in welcher auch 
im Jahre 1914 der Sommergipfel der Säuglingssterblichkeit nicht in Erscheinung 
trat, so haben dort die günstigen Temperaturverhältnisse in den Sommermonaten 
des Jahres 1916 auch keinen Rückgang der Säuglingssterblichkeit bewirken 
können. Auch diese Tatsache beweist, daß der Rückgang der Säuglings¬ 
sterblichkeit in den übrigen Städten im Jahre 1915 in erster Linie den gün¬ 
stigen Temperaturverhältnissen in den Sommermonaten dieses Jahres zu ver¬ 
danken ist. _ Bpd. 


5. Oeffeutliches Gesundheitswesen im allgemeinen. 

Gegen die Zersplitterung der Gesundheitsfürsorge. Von Kreisarzt 
Dr. Louis Ascher in Berlin, z. Z. im Felde. Deutsche med. Wochenschrift; 
1916, Nr. 24. 

Die durch die Entwicklung bedingte Zersplitterung in Tuberkulose-, 
Säuglings- usw. bis zur Wohnungsfürsorge ist eine ungeheuerliche Verschwen¬ 
dung. von Kraft und Zeit. Alle diese Zweige der Gesunhheitsfürsorge haben 



Kleinere Mitteilungen and Referate atu Zeitschriften. 


633 

das Gemeinsame, daß sie in der Wohnung des Fürsorgebedürftigen su beginnen 
'Und zu enden hat, daß die Kreise der Schutzbedürftigen <ue der Minder¬ 
bemittelten sind, daß die ganze Familie erfaßt und mit den einfachen Regeln 
-der Gesundheitspflege aller Zweige vertraut gemacht werden muß. 

In den rheinischen Kreisen führen die Säuglingsfürsorgerinnen auch die 
-Tuberkulosefürsorge aus. Im Kreise Hamm i. W. wird die gesamte Gesund¬ 
heitsfürsorge von einem Amte (Fürsorgeamt) und mit denselben Kräften aus- 
geübt. Zu solcher Zusammenlegung drängt die jetzige Zeit. Es sollten schon 
jetzt Fürsorgerinnen oder Fürsorger mit den einfachen Gesundheitsregeln aller 
Zweige vertraut gemacht werden und einen umschriebenen Bezirk zur Bearbei¬ 
tung (Bezirksschwestern, Bezirkspfleger) übernehmen mit voll oder teilweis 
besoldeten oder unbesoldeten Hilfskräften. Voraussetzung ist entsprechende 
Unterweisung und Beaufsichtigung auch hinsichtlich der Erfolge, Besuch der 
ärztlichen Beratungsstunden mit den Pflegebefohlenen. Ferner wäre es ange¬ 
bracht, die Beamten der Krankenkasse in näherer Fühlung zur Gesundheits¬ 
fürsorge zu bringen und Vertreter der Krankenkassen ebenso wie die der 
Alters- und Invaliditäts- und Angestelltenversicherung in die Fürsorgeaasschüsse 
und städtischen Gesundheitskommissionen aufzunehmen. „Die Zeit drängt zu 
Taten und zur besten Ausnutzung der Kräfte.“ Dr. E o e p k e - Melsungen. 


6. Apothekenwesen und Arzneiversorgung. 

Die Kriegspreise der Arzneimittel. (Aus dem Pharmakologischen 
Institut der Universität in Königsberg). Von Hermann Fühner. Deutsche 
med. Wochenschrift; 1916, Nr. 25. 

In Deutschland haben wir bisher kein wichtiges Arzneimittel zu ent¬ 
behren; für jedes zur Neige gehende ausländische Produkt sind Ersatzmittel 
schon vorhanden oder zu schaffen. Die Preise der aus dem Ausland bezogenen 
Arzneimittel sind gegenüber Friedenszeiten gestiegen; immerhin sind die 
deutschen Kriegs-Arzneipreise gegenüber denen des Auslandes außerordentlich 
mäßig. Einer Zusammenstellung ist zu entnehmen, daß im April 1916 in 
Deutschland (England), auf 1 Kilogramm und Mark berechnet, kosteten: 
Acid. acetylosalicyl. 7,20 (117), Acid. salicyl. 3,95 (51,80), Atropin, sulfur. 2700 

S , Chinin, hydrochlor. 94 (180), Cocain, hydrochlor. 210 (1025), 
col. carbon. 20 (190), Kal. bromat 3,30 (57,50), 'Kal. permangan. 1,70 
(19,70), Phenacetin 8,30 (163), Phenolphthalein 20 (139) usw. 

Es ist ratsam, die Verordnung ausländischer Arzneistoffe einzuschränken 
und für sie inländische natürliche oder — oft besser — künstliche zu ver¬ 
wenden. Sparsamkeit ist in erster Linie in Salben anzuempfehlen, wie über¬ 
haupt sparsames Verschreiben aller Arzneimittel am Platze ist. Die Kranken¬ 
kassen sollten ein Verzeichnis der zu vermeidenden Arzneimittel zugleich mit 
Vorschlägen von Ersatzmitteln bekanntgeben. Dagegen ist das Bestreben der 
Kassen, „arzneilose Tage“ einzuführen, durchaus zu verwerfen und von den 
Aerzten als ein unsinniges Verlangen aufs entschiedenste abzulehnen. 

Dr. Roepke-Melsungen. 


Verfälschung von Medikamenten in Rußland. Halbmonatsschrift für 
soziale Hygiene und praktische Medizin; 1916, 24. Jahrg., Nr. 10. 

Bei der rassischen Armee sollen Medikamente nicht nur ungenügend 
vorhanden, sondern auch schlecht und unerhört teuer sein; außerdem sollen 
sehr viel Verfälschungen vorgekommen sein. In Chinin ist z. B. bis zu 45 °/o Mehl 
gefunden worden, in Jodoform war bis 35°/o Gips und im Salol 75 # /o Wasser 
enthalten. Dem Aussprach eines russischen Generals, daß „einen verwundeten 
Krieger mit schlechten und gefährlichen Medikamenten zu versorgen schamlos und 
gemein sei,“ können wir ohne weiteres beistimmen. Dr. Hof f mann-Berlin. 


Parglyzerln und Perkaglyzerln als Ersatzmittel des Glyzerins in 
der Dermatologie. Von Prof. Dr. Wechselmann-Berlin. Deutsche mediz. 
Wochenschrift; 1916, Nr. 17. 

Als vortrefflicher Ersatz für Glyzerin ist von Prof. Neuberg in der 
Chemischen Abteilung des Kaiser Wilhelm-Instituts für experimentelle Therapie 
in Dahlem das Parglyzerin und Perkaglyzerin dargestellt. Die organischen 
Substanzen werden von der Chemischen Fabrik Winkel a. Rh. in den Handel 



Tageenaofamhten. 


m 

« 

gebracht.' In den chemischen und physikalischen Eigenschaften dem Glyzerin 
sehr nahe stehend, sind sie äußerlich kaum vom Glycerinum verum zu unter¬ 
scheiden und besitzen neutralen Charakter, typische Schlüpfrigkeit und starke 
wasserentziehende Kraft. Die Präparate sind wasserklar und farblos bezw. 
gelb, völlig ungiftig und besitzen gesüßt einen angenehmen limonadenartigen 
Geschmack. Für dermatologische Zwecke kann das Perkaglyzerin die mannig¬ 
fachste Anwendung finden, so als Zusatz zum Waschwasser, als Schüttelmixtur, 
Unnascher Zinkleim, ferner mit Lanolin oder Vaselin oder Eucerin zu hervor¬ 
ragenden Salbengrundlagen. Perkaglyzerin ist auch vorzüglich brauchbar 
als Gleitmittel für Katheter, Bougies und Zystoskope. Bougies und Weich¬ 
gummikatheter lassen sich in einer Mischung von Parglyzerin mit Wasser sehr 
gut kochen; sie bleiben dabei weich und glatt. Die Präparate bewähren sich mit 
und ohne Wasser sehr gut anstelle der Glyzerinklistfere. 

_ Dr. Boepke-Melsungen. 

Seifenersatz. Oppenheimer-München .empfiehlt bei der Säuglings¬ 
pflege statt Seifen Bolussalbe. Die Köpfe der Kinder werden mit einer Gallerte 
gewaschen, die jeweils am Abend zuvor in der Weise hergestellt wird, daß 
10 g Soda und 10 g feingeschnittene Seife mit 1 1 Wasser aufgekocht wird. 
Für ein Kind braucht man täglich 15 g von dem Bolus-Sodapulver, was eine 
Ausgabe von 0,3 Pfg. gleich kommt. Das Pulver wie Seife auf einen Wasch¬ 
lappen genommen. Dr. Graß 1-Kempten. 

Tagesnachrichten. 

Erreger des Flecktyphus. Nach einer von der Wiener klinischen 
Wochenschrift gebrachten Abhandlung hat der Bakteriologe Dr. Eugen Csernel- 
Budapest den lange gesuchten Erreger des Flecktyphus nach langwierigen 
Versuchen gefunden. Es gelang ihm, auf geeignetem Nährboden in Form von 
mit Menschenblut vermischtem Glyzerinagar den Erreger nachzuweisen; er läßt 
sich mit Karbolfuchsin leicht färben und wird dadurch im Mikroskop deut¬ 
lich sichtbar. 


Todesfälle. Am 28. August d. J. ist in Obersalzberg bei Berchtes¬ 
gaden der Reg.- und Geh. Med.-Rat Dr. Erich Richter in Dessau im Alter 
von 74 Jahren infolge eines Schlaganfalls plötzlich verschieden. Noch vor 
wenigen Monaten war es ihm vergönnt, in voller körperlicher und geistiger 
Frische sein ßOjähriges Doktorjubiläum zu feiern (s. Nr. 7 dieser Zeischrift, 
S. 215); unser damals geäußerter Wunsch, es möchten im noch viele Jahre in 
gleicher Frische vergönnt sein, ist leider nicht in Erfüllung gegangen. In 
dem Verstorbenen hat der Deutsche Mcdizinalbeamtenverein eines 
seiner ältesten und treuesten Mitglieder verloren; seit Gründung des Ver¬ 
eins hat er dessen Vorstande angehört und auf keiner der Vereins Versammlungen 
wie Vorstandssitzungen gefehlt. Infolge seines umfassenden Wirkens wie in¬ 
folge seines außerordentlich liebenswürdigen, mit frischem Humor gepaarten 
Wesens erfreute er sich der größten Achtung und Beliebtheit nicht bloß bei 
seinen ärztlichen Kollegen, insbesondere bei den beamteten, sondern auch in 
weitesten Kreisen der Bevölkerung seines engeren Heimatstaates, in dem er 
35 Jahre lang als Medizinalbeamter — erst als Kreisarzt (1881—1904) und 
dann als Regierungs- und Medizinalrat bei der herzoglichen Regierung in 
Dessau — tätig gewesen ist. Gerade in der letzten Stellung hat er äußerst 
segensreich gewirkt und sich um die Entwicklung und Förderung des öffent¬ 
lichen Gesundheitswesens in Anhalt hervorragende und bleibende Verdienste 
erworben. Dem Herausgeber war der Dahingeschiedene seit der Studienzeit 
ein alter lieber Freund und Mitarbeiter dieser Zeitschrift, die noch vor kurzem 
zwei Abhandlungen aus seiner Feder gebracht hat. Sein Andenken wird dauernd 
in Ehren gehalten werden! 

Am 24. August d. J. ist der Geh. Med.-Rat Dr. Dütschke, Reg.- und 
Med.-Ilat in Stettin infolge eines Schlaganfalls plötzlich verstorben. Mit ihm 
ist ein Modizinalbeamter im tatkräftigsten Mannesalter (57 Jahre) aus dem 
Leben geschieden, der sich in allen seinen verschiedenen amtlichen Stellungen 
— 1889—1901 Kreisarzt in Aurich, 1901—1903 ständiger Hilfsarbeiter bei aer 



Todesnachrichten ■ 


685 


Königl. Regie rang in Arnsberg, 1908 Reg.* und Medizinalrat in Erfurt and 
von 1911' ab in der gleichen Stellung bei der Königl. Regierung in Stettib — 
den Ruf eines sehr bofähigten, tüchtigen nnd tatkräftigen Medizinalbeamten 
erworben and sich auch vielfach litterarisch betätigt hat. Der Preußische 
Medizinalbeamtenverein hat in ihm ein langjähriges und anf seinen Verhand¬ 
lungen nur selten fehlendes Mitglied, die Zeitschrift für Medizinalbeamten einen 
treuen Mitarbeiter verloren. Seit Beginn des Krieges hat der Verstorbene als 
Provinzialinspekteur des Roten Kreuzes und Führer eines Lazarettzuges 
für die Provinz Pommern eine außerordentlich segensreiche Tätigkeit entfaltet; 
den damit verbundenen Ueberanstrengungen ist er nunmehr zum Opfer gefallen, 
nachdem er den großen Schmerz gehabt hat, zwei von seinen drei Söhnen auf 
dem Felde der Ehre zu verlieren. Friede seiner Asche, Ehre seinem Andenken 1 


Ehrentafel. Es haben weiterhin erhalten: 

Das Eiserne Kreuz I. Kasse: 

Stabsarzt d. L. Dr. Martin Baltzer* Stettin. 

Stabsarzt d. Res. Dr. H. Boedicker-Berlin. 

Stabsarzt Dr. Otto Haist-Ulm. 

Oberstabsarzt d. Res. Dr. Kocb-Wiesbaden. 

General- und Korpsarzt Dr. Sönning-Nürnberg. 

Stabsarzt d. Res. Dr. Stalling-Oldenburg (Großherzogtum). 

Oberarzt Prof. Dr. Stieda-Halle a. Saale. 

Das Eiserne Kreuz II. Klasse am schwarz-weißen Bande: 

Stabsarzt d. L. Med.-Rat Dr. Floeck, Kreisarzt in Montabaur, z. Z. 

Chefarzt des Reservelazaretts in Wetzlar. 

Das Eiserne Kreuz II. Klasse am weiß-schwarzen Bande: 

Geh. Med.-Rat Dr. Nie per, Kreisarzt in Goslar. 

Außerdem haben erhalten: 

Die Krone zum Ritterkreuz I. Klasse des Königlich 
Sächsischen Albrechtsordens: Oberstabsarzt d. Res. Dr. Holz, Be¬ 
zirksarzt in Leipzig. 

Berichtigung: Das Großherzoglich Hessische Militär¬ 
sanitätskreuz ist nicht dem Kreisarzt Med.-Rat Dr. Wal ger in Gießen 
(8. Nr. 16, S. 499 dieser Zeitschrift), sondern dem Med.-Rat Dr. Wagner, Ober¬ 
arzt an der Landesirrenanstalt in Gießen verlieben. 


Ehren - OedAohtnlat&feL Für das Vaterland gefallen oder gestorben 
sind ferner: 

Oberstabsarzt d. Res. Dr. Kurt Berneaud-Frankfurt a. M. 
Feldhilfsarzt Dr. Bieber. 

Zivilarzt A. Dietsch-Thüngersheim (Unterfranken). 

Assistenzarzt d. Res. Dr. Ernst Dobroschke-Ratibor (Oberschlesien). 
Oberstabsarzt d. Res. Dr. Dütschke, Reg.- und Med.-Rat in Stettin 
(gestorben infolge von Krankheit). 

Assistenzarzt d. Res. Dr. Ernst Hauschild-Crimmitschau (Sachsen). 
Stabsarzt Dr. Bernhard v. Kamptz -Marburg a. L. 

Generaloberarzt Dr. Langheld-Darmstadt. 

Stabsarzt a. Dr. Walter M a 11 h e s - Blankenburg i. Harz. 

Stabsarzt d. L. Dr. Gustav Rosenfeldt-Marienwerder. 

Oberstabs- und Divisionsarzt Dr. M. Rosenthal-Münster i. W. 
Feldunterarzt G. Schneid er-Breslau. 

Generaloberarzt Dr. 0. Stobaeus, Chefarzt des Reservelazaretts in 
Kissingen (gestorben infolge von Krankheit). 

Feldarzt Dr. F. Schulze-Weimar. 

Vertragsarzt Dr. Julius Wolff, leitender Arzt des Reservelazaretts in 
Birkenwerder bei Berlin (infolge von Krankheit gestorben). 
Assistenzarzt Dr. F. Wolff-Lüdenscheid.(Westfalen). 

Berichtigung: Feldunterarzt Richard Remkj-Allenstein (s. Ehren¬ 
gedächtnistafel la Nr. 13 der Zeitschrift) ist nicht gefallen, sondern in 
Gefangenschaft gewesen, aus der er inzwischen zurückgekehrt ist. 



MB 


BpreohnaaV 


t. Natih Muer Ton der Berliner AerztetKorrespondemz. gebrachten 
Zusammenstellung der Verlust*. an Aerzten im deutschen Heere einschl. der 
Marine sind nach den bisherigen 600 amtlichen Verlustlisten 842 Aerzte ge¬ 
fallen, 186 ah Krankheiten gestorben, also zusammen 528 Aerzte; außerdem 
Sind 653 leicht verwundet, 166 in Gefangenschaft geraten und 87 Termißt 
Das- Zahl der Gefallenen und- infolge des Feldzuges an Krankheiten verstorbenen 
Aerzte' ist jedoch nach der in der Zeitschrift für Medizinalbeamte fortlaufend 
gegebenen Mitteilungen erheblich höher und beträgt zurzeit bereits 747. 


Cholera: In Ungarn sind in den beiden Wochen vom 17. bis 30. Juli 
nur je ein Cholerafall, in Bosnien und der Herzegowina Tom 1. bis 
22;Jiili: 4 (1) Erkrankungen (Todesfälle) gemeldet. 

Fleckfleber: Im Deutschen Eeich sind nur in den Wochen vom 
6. bis 12. und 20. bis 26. August je 2 Erkrankungen (darunter je 1 bei einem 
Kriegsgefangenen), in Ungarn vom 10. bis 16. Juli 16, vom 17. bis 28. Juli 

2 Erkrankungen amtlich festgestellt. 

Pocken: Im Deutschen Reich sind in den drei Wochen vom 6. bis 
26. August 1, 5 und — Erkrankungen vorgekommen; außerdem 4 unter den 
wolhynischen Rückwanderern in Ostpreußen. I» Oesterreich betrug die 
Zahl der Pockenerkrankungen in den fünf Wochen vom 21. Mai bis 24. Juni 
210, 187, 135, 88 und 76, davon 160, 137, 109, 38 und 39 in Galizien, in 
Bosnien und der Herzegowina vom 7. Mai bis 17. Juni 8, 6, 6, 2, 2 und 

3 Pockenerkrankungen. 


Erkrankungen und Todesfälle an ansteckenden Krankheiten In 
Preußen. Nach dem Ministerialblatt für Medizinal*Angelegenheiten sind in der 
Zeit vom 23. Juli bis 12. Angust 1916 erkrankt (gestorben) an Pest, Gelb* 
lieber, Cholera, Trichinose, Aussatz, Malaria, Fleckfieber, 
Rückfallfieber, Paratyphus, Rotz: — (—), — (—), — (—); Biß- 
Terletzungen durch tollwutverdächtige Tiere: 6 (—), 6 (—), 
14 (—); Tollwut: — (—), 1 (—), 1 (—); Milzbrand: 1 (—), — (—), 
1 (—); Pocken: 10 (2), 6 (1), 8 (—); Unterleibstyphus: 821 (21), 
280 (24), 816 (14); Ruhr: 99 (18), 142 (10), 240 (16); Diphtherie: 
1449 (83), 1390 (72), 1609 (83); 8charlach: 1084 (43), 978 (66), 1044 (48); 
Kindbettfieber: 66 (14), 64 (18), 48 (11); Genickstarre: 8 (1), 4 (3), 
6 (2); spinaler Kinderlähmung: 1 (—), — (—), 2 (—); Fleisch-, 
Fisch* und Wurstvergiftung: 7 (—), 196 (1), 5 (—); Körner¬ 
krankheit (erkrankt): 89, 87, 60; Tuberkulose (gest.): 682, 671, 665 . 


Spreohnaal. 

Anfrage des Bezirksamtes Br. E. B. in V.: Darf 5proz. weiße 
Präzipitätsalbe in Drogerien als Ungeziefermittel oder als kosmetisches 
Mittel verkauft werden? 

Antwort: Da die Verwendung von weißer Präzipitätsalbe als kosmeti- 
sches Mittel nach den §§ 1 und 3 des Gesetzes vom 6. Juli 1887, betr. die Ver¬ 
wendung gesundheitsschädlicher Farben bei der Herstellung von Nahrungsmitteln, 
Genußmitteln und Gebranchsgegenständen, verboten ist, ist auch ihr Feilhalten 
und Verkauf als solches unzulässig (s. auch Urteil des preuß. Kammergerichts 
[Str.-S.] vom 8. Juni 1916, in dem der Verkauf von quecksilberhaltigen .Cream 
für Sommersprossen" als unstatthaft bezeichnet wird). Dagegen ist ihr Feilhalten 
und Verkauf als „Ungeziefermittel" ebenso freigegeben, wie derjenige 
von grauer Quecksilbersalbe; sie fällt leider auch nicht unter die gesetzlichen 
Bestimmungen über den Giftverkehr, weil in dem der Giftpolizeiverordnung (in 
Preußen vom 22. Februar 1906, in Bayern vom 13. Februar 1906) beigegebenea 
und nach § 1 dieser Verordnung für den Begriff „Gift" maßgebenden Ver¬ 
zeichnis in Abteilung 1 nur die „Quecksilberpräparate", aber keine „Quecksilber¬ 
zubereitungen" aufgeführt sind. Die Verwendung der weißen Präzipitätsalbe 
als „Ungeziefermittel" dürfte jedoch zu bezweifeln und deshalb von dem 
Drogenhändler der Nachweis einer derartigen Verwendung zu erbringen sein. 




Geschäfts* and Kassenbericht de» Deutschen Medizinalbeamtenvereins. 627 

ßeschäfls- und Kassenbericht des Deutschen Medizinal¬ 
beamtenvereins für die Jahre 1913, 1914 und 1915: 

Mit Rücksicht darauf, daß infolge des Krieges leider auch 
in dem laufenden Jahre eine Hauptversammlung des Deutschen 
Medizinalbeamtenvereins nicht abgehalten werden kann, hat der 
Vorstand beschlossen, wenigstens den für die Jahre 1913 
bis 1915 fälligen Geschäfts- und Kassenbericht zu veröffent¬ 
lichen. Danach ist die Mitgliederzahl von 1608 im Sep¬ 
tember 1913 auf 1603 im Jahre 1914 und auf 1552 im Jahre 
1915 gesunken. Diese Abnahme hat sich leider auch im laufen¬ 
den Jahre fortgesetzt, so daß die Zahl der Mitglieder zurzeit 
(1. August d. J.) nur noch 1470 beträgt. Ausgetreten sind 
in den Berichtsjahren: 16 (1914), 19 (1915) und 59 (1916), zu¬ 
sammen 94 Mitglieder; verstorben sind: 43 (1913 u. 1914), 
39 (1915) und 25 (1916), zusammen 106 Mitglieder; neu einge¬ 
treten sind dagegen nur: 54 (1913 u. 1914), 7 (1915) u. 4 (1916), 
zusammen 65 Mitglieder. Von den Verstorbenen sind 16 auf dem 
Felde der Ehre gefallen oder während ihrer Tätigkeit 
im Militärdienst verstorben (die Namen dieser Mitglieder 
sind nachstehend fett gedrückt); darunter leider auch der 
langjährige Schrift- und Kassenführer des Vereins, Med.-Rat 
Dr. Flinzer, Bezirksarzt in Döbeln. Sein Andenken wird 
ebenso wie das Andenken der übrigen Verstorbenen, stets in 
Ehren gehalten werden 1 Die Namen der verstorbenen Mit¬ 
glieder sind: 

1. Dr. Adler, Geh. Med.-Bat, Kreisarzt a. D. in Brieg i. Schlesien (1914). 

2. - An er, Med.-Rat, Bezirksarzt a. D. in München (1916). 

3. - Bartels, Med.-Rat, Kreisarzt in Hasnm i. Holstein (1915). 

4. - Behrendt, Med.-Rat, Kreisarzt in Tilsit i. Ostpreußen (1916). 

5. - Beinhaner, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Höchst a. Main (1915). 

6. - Bergmann, Bezirksarzt in Zusmarshansen i. Bayern (1914). 

7. - Böhm, Med.-Rat, Bszirksarzt a. D. in Angsbnrg (1914). 

8. • Bosse, prakt. Arzt in Kosten (Posen); während seiner Tätigkeit als 

Kreisarzt in Rassisch-Polen gestorben (1916). 

9. - Brink, Med.-Rat, Bezirksarzt in Frankenbergi. Kgr. Sachsen (1914). 

10. - Br ahn, Med.-Rat, Kreisarzt in Segeberg i. Holstein (1916). 

11. • Brümmer, Geh. Med.-Rat und Mitglied des Medizinal-Kollegioms 

in Münster i. W. (1915). 

12. - Cold, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Meldorf i. Holstein (1915). 

13. - Derbe, Kreisarzt in Allenstein (1913). 

14. - Dietz, Med.-Rat, Kreisarzt in Barr i. Eis.-Lothringen (1915). 

15. - Doebert, Kreisarzt in Beeskow (Brandenburg); gefallen (1916). 

16. - Eder, Bezirksarzt a. D. in Grafenau i. Niederbayern (1915). 

17. - Erdner, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt a. D. in Görlitz (1915). 

18. - Esch-Waltrup, Geh.Med -Rat, Kreisarzt a.D. in CÖln a. Rh. (1915). 

19. - Dr. v. Esmarch, Prof., Geb. Med.-Rat, Direktor des Hygienischen 

Instituts in Göttingen (1915). 

20. • Falkenbach, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt a. D. in Mayen (Rhein¬ 

land) (1914). 

21. - Fehrs, Kreisarzt in Czarnikau (Posen) ; als Kreisarzt in Russisch- 

Polen an Flecktyphus gestorben (1916). 

22. - Felgenträger, Kreisarzt in Heiligenstadt (Reg.-Bez. Erfurt); infolge . 

einer während seines Militärdienstes zugezogenen Krankheit 

(Flecktyphus) gestorben (1915). 

23. - Finger, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Münsterberg i.SchL (1914). 



528 


' v -Geschäfte- and Kafcsenbericht 


24; IW. Flemming, Med.-Bat, Bezirksamt in Aamai, Sachsen-Weimar (4015). 
• 25. - Fllnzer, Med.-Bat, Bezirksarzt in Döbeln in Sachsen; infolge einer 
im Felde ’zugezogenen Krankheit gestorben (1915). 

26. • Franken, Geh. Med.-Bat und Professor, Halle a. 8. (1916). 

27. - Franz, Kais erl. Bog.- Rat bei der Reichsversicherungsanstalt für 

Angestellte in Charlottenbnrg (1914). 

28. - Frey er, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt a.D. und Mitglied des Provinzial- 

■ Medizinalkollegiums in Stettin. > 

29. • Fritzsch, Prof., Geh. Ob.-Med.-Rat in Hamburg, früh, in Bonn (1915). 

30. •- Fromm, Kreisarzt in Frankfurt; infolge einer Sn Felde zugezogenen 

Krankheit gestorben (1915). 

81. • Fuchs, Bezirksarzt a. D. in Dingolfingen i. Niederbayern (1915). 

82. - Gros, Bezirksarzt in Schwabmünchen i. Schwaben (1915). 

v' 88. - Gr ttb, Bezirksarzt a.D. u. Bahnarzt in Freising i.Oberbayern (1915). 

84. • Gerlach, Kreisarzt in Hfeld i. Hannover (1914). 

85. • Gleitsmann, Geh.Med.-Rat u. Kreisarzt a. D. in Wiesbaden (1914). 
36. - v. Grashey, Geh. Rat, Min.-Rat a. D. in München (1914). 

87. - Haberkorn, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt a. D. in Gießen (1915). 

38. • Halling, Geh. Med.,Rat, Kreisarzt in Glückstadt i. Holstein (1915). 

39. • Hartwig, San.-Rat, Kreisarzt a. D. in Corbach i. Waldeck (1914). 

40. - Hassenstein, Med.-Rat, Kreisarzt a. D. in Kreuznach (1914). 

41. - Heiß, Adolf, Krankenhausarzt in Starnberg (Oberbayern), staats¬ 

ärztlich approbiert (1915). 

42. • Horn, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Tondern, während seiner Tätig- 

• keit im Militärdienst gestorben (1916). 

43. - Hüpeden, Geh. Med.-Rat, Mitglied des Provinzial - Medizinal- 
* Kollegiums in Hannover (1914). 

44. - Kämm, Med.-Rat, Bezirksarzt a.D. in Bruchsal i. Baden (1914). 

45. • Karrer, Med.- Rat, Direktor der Kreisirrenanstalt in Klingenmünster 

i. Pfalz (1916). 

46. - Kern, Med.-Rat, Oberamtsarzt in Künzelsau i. Württemberg (1915). 

47. - Ketterl, Peter, in Cham (Oberpfalz), staatsärztl. approb. (1915). 

48. - K1 e h e, Geh. Med.-Rat, Bezirksarzt a. D. in Freiburg i. Breisg. (1915). 

49. • Klöppel, San.-Rat, Physikus in Blankenburg a. Harz (1914). 

50. - v. Kobylecki, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt a.D. in Berlin (1914). 

51. • Krlnner, prakt. Arzt in Waldmünchen (Oberpfalz), während seiner 

Tätigkeit als Kreisarzt in Rassisch - Polen gestorben (1916). 

52. - Lacher, Hofrat, prakt. Arzt in Berchtesgaden (Bayern), staats¬ 

ärztlich approbiert (1914). 

58. - Lamber t, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt a. D. in Melsungen (Reg.-Bez. 
Kassel) (1914). 

54. • Leere, Gerichtsarzt in Essen a. Ruhr (1915). 

55. - Leonhard, Kreisarzt in Daun (Rheinland); in Feindesland an Fleck¬ 

typhus gestorben (1916). 

56. - Leubuscher, Prof., Reg.- u. Geh. Med.-Rat in Meiningen (1916). 

57. * Lesenberg, Obermedizinalrat, Physikus a. D. in Rostock (1916). 

58. • Lim per, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt a. D. in Gelsenkirchen (1918). 

59. • Loeffler, Geh. Ob.-Med.-Rat, Direktor des Instituts für Infektions¬ 

krankheiten Robert Koch in Berlin; infolge einer im Felde 
zugezogenen Krankheit gestorben (1915). 

60. - Löscher, Physikns in Remptendorf i. Reuß ä. L. (1916). 

61. • Longard, San.-Rat, Gerichtsarzt a D. und Direktor des Ffirstl. 

Carl - Landeshospital in Sigmaringen (1914). 

62. - Maire, prakt. Arzt in Fürstenberg a. Oder, (Brandenburg), staats¬ 

ärztlich approbiert (1916). 

63. - Martini, Med.-Rat, Gerichtsarzt in Breslau (1914). 

64. • Matt he s, Geb. Med.-Rat, Kreisarzt in Breslau (1916). 

65. - Mayer, Oberamtsarzt in Tettnang i. Württemberg (1916). 

66. - Mayer, Wilh., prakt. Arzt in München, staatsärztl. approb. (1914). 

67. - Müller, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt a. D. in Könitz (Westpreußen»; 

während seiner Tätigkeit im Militärdienst gestorben (1916). 

68. - Müller, Hngo, Kreisarzt in Strasburg i. Westpr.; gefallen (1914). 

69. - Müller, Hngo, Kreisarzt in Berent (Ostpreußen), gefallen (1915). 




dea Dentsohen Medizinal beamten Vereins. 


629 


70; Dr. Müller, Med.-Rat, Kreisarzt dea X. Bezirks in Berlin (19141; 

71. • Müller, Med.-Rat, Kreiaarzt in Gehren i. Schwarzborg-Sondera¬ 

hausen (1914). 

72. - 'Neumann, Med.-Bat, Kreisarzt in Leobschütz L Schlesien (1916). 

78. - Nitka, Bezirkaarzt in Mannheim (1914). ■ 

74. - Nothaas, Bezirksarzt in Günzbnrg i. Schwaben (1915). 

76. - Philipp, Geh. Med.-Rat, Reg.-u. Med.-Rat a. D. in Liegnitz (1916). 

76. • Rank, Obermedizinalrat in Friedrichshafen (Württemberg), früher 

Direktor der Landesirrenanstalt in Weissenan (1916). 

77. - Ranch, Bezirksarzt in Allstedt i.Sachsen-Weimar (1916). 

78. - Ranhat, prakt. Arzt in Eberswalde (Reg.-Bez. Potsdam), staatsärzt¬ 

lich approbiert, gefallen (1916). 

79. - Reinkober, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt a.D. in Trebnitz i. Schl. (1916). 

80. - Rheinen, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Herford; im militärischen 

Heimatsdienst gestorben (1916). 

81. - Ritter, Geh. Ob.-Med.-Rat,Landphysikus a.D. in Oldenburg (Groß- 

herzogtnm) (1914). 

82. - Rittmayer, Bezirksarzt in Mainburg i. Niederbayem (1914). 

83. - Roehler, Med.-Rat, Bezirksamt in Apolda i.Thüringen (1914). 

84. - Roggen b a u ,• Ob.-Med.-Rat in Strelitz (1916). 

85. - Roller, Med.-Rat, Kreisarzt i. Trier (1914). 

86. - Schmidt, Med.-Rat, Kreisarzt in Warendorf (Westfalen), als Kreis¬ 

arzt in Russisch - Polen gestorben (1916). 

87. - Schmidt, Kreisarzt in Pieschen i. Posen (1915). 

88. - Schmitt, Josef, Bezirksarzt in Füssen i. Schwaben (1914). 

89. • Schnelle, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt a. D. in Hildesheim (1914). 

90. - Schöppner, Bezirksarzt in Friedberg i. Oberbayern (1914). 

91. • Schucbhardt, Prof., Geh. Med.-Rat, Mitglied der Medizinal- 

Kommission und Direktor der Staatsirrenanstalt in Gelsheim bei 
Rostock (1914). 

92. - Schulz, Matthias, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt und Direktor der 

Königl. Impfanstalt in Berlin (1916). 

93. - Schweitzer, Kreisarzt in Kattowitz i. Schlesien (1914). 

94. - Springfeld, Geh. Med.-Rat, Reg.- u. Med.-Rat in Osnabrück (1915). 

96. - Stof er, Med .-Rat, Bezirksarzt in Kehl i. Baden (1914); 

96. - Süßkind, Med.-Rat, Oberamtsarzt in Schwäb.-Hall i. Württ. (1915). 

97. - Tenholt, Geh. Med.-Rat, Reg.- u. Med.-Rat a! D. in Münster i. W., 

früher in Arnsberg (1915). 

98. • Thiele, Med.-Rat, Kreisarzt a. D. in Cochem i. Rheinland (1914). 

99. - To ebben, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Recklinghausen (1914). 

100. - ütz, Reg.- u. Med.-Rat in Augsburg (1914). 

101. - Walcher, Geh. Med.-Rat, Kreisarzt in Erstein i. Els.-Lothr. (1915). 

102. <- Wallichs, Geh. Sän.-Rat, Kreisphysikus &. D;-in Altona (1916). 

103. - Wege, Med.-Rat, Kreisarzt in Gummersbach (1916). 

104. - Werner, Bez.-Arzt in Gerolshofen (1916). 

105. - Wiedner, Geh.-Med.-Rat, Kreisarzt a. D. in Kottbus (1916). 

106. - Wilcke, Kreisarzt in Könitz i. Westpreußen (1915). 


Die Einnahmen stellen sich wie folgt: 


Bestand. 

Mitgliederbeiträge .... 
Zinsen u. sonstige Einnahmen 

1913 

4733,64 M. 
10316,00 . 
238,62 „ 

1914 

2676,57 M. 
10306,00 „ 
231,27 „ 

1915 

4077,94 M. 
10158,00 „ 
262,66 „ 

Zusammen: 

15288,26 M. 

13218,84 M. 

14498,59 M. 

Die Ausgaben betragen für 
Zeitschrift und Drucksachen 9551,05 M. 

7709,80 M. 

7170,00 M. 

Versammlung. 

1009,26 „ 

— 

— 

Reisekosten, Bureauaufwand 
und sonstige Ausgaben . 

2061,38 „ 

1426,10 „ 

484,30 ff 

Zusammen: 

12611,69 M. 

9136,90 M. 

7654,80 M. 




Mö Geschäfts- and Kassenbericht des Preuß. Medizinalbeamtenvereins. 


* Das- Vermögen des Vereins betrug demnach am Jahres¬ 
schluß 1913: 2676,57 M., 1914: 4077,94 und 1915: 6844,29 M. 
Von diesem Betrage sind 3950 M. (Nennwert 4000 M.) in Kriegs¬ 
anleihe belegt, der Rest bar oder als Bankguthaben vorhanden. 
Das$u kommen noch 240 M. rückständige Beiträge von Mit¬ 
gliedern, die im Felde stehen. 

Die Rechnungen und Belege sind ebenso wie die 
Kasse von zwei Vereinsmitgliedern geprüft und richtig 
befunden. 

Minden i. W., den 15. August 1916. 

Der Vorstand des Deutschen Medizinalbeamtenvereins. 

I. A.: 

Prof. Dr. Rapmund, Geh. Med.-Rat, 

Vorsitzender. 


Geschäfts- und Kassenbericht des PreuBischen Medizinal- 
beamtenVereins für das Jahr 1915. *) 

Die Mitgllederzahl betrug am Ende des Jahres 1914 864; 
davon sind im Laufe des Jahres 20 gestorben, 19 end¬ 
gültig oder einstweilen (während des Krieges) ausgetreten; 
neuaufgenommen sind infolge des Krieges nur wenige Mit¬ 
glieder (6), so daß die Zahl der Mitglieder am Schluß des 
Jahres auf 831 gesunken war. Sie hat seitdem durch Tod (15) 
und Austritt (18) eine weitere Abnahme, dagegen nur 2 Zu¬ 
gänge erfahren und beträgt daher zurzeit (1. August 1916) nur 
noch 800. 

Die Namen der Verstorbenen sind aus dem vor¬ 
stehenden Geschäftsbericht des Deutschen Medizinalbearaten- 
vereins ersichtlich. 

Die Einnahmen stellen sich wie folgt: 

Mitgliederbeiträge für 1916 bezahlt: 11340 M. 

aasstehend: 1360 „ 

Beste aas 1914: 30 „ 

12720,00 M. 

Zinsen and sonstige Einnahmen . . 481,04 , 

Zusammen: 18 201,04 M. 

Die Ausgaben betragen. . 11498,33 » 

Bleibt ein Ueberschuß von 1707,71 M. 

Durch diesen Ueberschuß erhöht sich das bisherige 
YereinsTermögen (5796 M. nach Abzug von 46 Mark nieder¬ 
geschlagener Reste) auf 7003,71 Mark; davon sind 4385 Mark 


’) Da auch in diesem Jahre wegen des Krieges eine Versammlung nicht 
abgehalten werden kann, hat der Vorstand beschlossen, den für 1916 fälligen 
Geschäfts- and Kassenbericht in der Zeitschrift für Medizinal beamte za ver¬ 
öffentlichen, nachdem die Abrechnung von zwei Mitgliedern des Verein» geprüft ist. 





Geschäftsbericht über die jubiläumsstif tnng d. Preuß: MecUBeateieneereins 581 

(Nennwert 4500 M.) in Kriegsanleihe angelegt, 1507,50 Mark 
noch ausstehende Beträge (darunter 157,60 M. aus dem Jahre 
1914) und 1111,21 Mark bei der Sparkasse bezw. ' frei der 
Bank zinsbar belegt 

Die Abrechnung nebst allen Rechnungen und Belegen 
ist ebenso wie die Kasse von zwei Vereinsmitgliedem ge prüf 
und richtig befunden. 

Minden i. W., den 15. August 1916. , 

Oer Vorstand des Preußischen Medizinalbeamtenvereins. 

1 . 1 : 

Prof. Dr. R a p m u n d, Geh. Med. - Rat, 

Vorsitzender. 


Geschäftsbericht über die Jubiläumsstiftung des PretiSischen 
Medizinalbeamtenvereins für das Jahr 1915. 

Ebenso wie bisher haben auch im Berichtsjahre die Herren 
Regierungs- und Medizinalräte der Stiftung ein reges Interesse 
zugewandt, wofür ihnen der Vorstand seinen herzlichsten Dank 
ausspricht mit der Bitte, auch fernerhin der Stiftung ihr Wohl¬ 
wollen zu widmen. Durch ihre treue Mitarbeit hat sich die 
Mitgliederzahl um 22 erhöht und beträgt jetzt 331 gegen 
309 im Vorjahre. 

Am 7. Mai 1915 hatte sich der Vorsitzende der Stiftung 
im Aufträge des Vorstandes an die Medizinalbeamten gewandt 
mit der herzlichen Bitte, durch Gewährung eines einmaligen 
außerordentlichen Beitrages die Mittel der Stiftung zu 
erhöhen, damit sie ihrer Aufgabe einer Unterstützung bedürf¬ 
tiger Kollegen und ihrer Hinterbliebenen mehr als bisher ge¬ 
wachsen bliebe. Sein Aufruf an die Opferwilligkeit der Kollegen 
hat, obwohl diese von vielen Seiten in der Kriegszeit in An¬ 
spruch genommen ist, das sehr erfreuliche Ergebnis gehabt,! 
daß neben den Jahresbeiträgen von rund 2987 M. an 
außerordentlichen Beiträgen rund 3542 M. der Stiftung zu-' 
geflossen sind. Für diese große Opferwilligkeit spricht der 
Vorstand allen Spendern seinen wärmsten Dank aus. 

Die Jahresrechnung 1 ) schließt ab, wie folgt: 

a. Einnahme. 


Bestand aas dem Vorjahre. 1661,24 M. 

Jahresbeiträge für 1915 . 2987,15 „ 

Einmalige Beiträge. 3542,05 ' „ 

Zinseneinnahme. 1352,46 „ 


Zusammen 9542,90 M. 


*) Die Jahresrechnnng ist inzwischen yon den Mitgliedern Geh. 
Med.-Rat Dr. Nünninghoff, Kreisarzt in Bielefeld, and Kreisarzt Dr. L o e r 
in Paderborn geprüft and als richtig befanden worden. 








582 Geschäftsbericht Uber die Jubiläumsstiftung 4. Preuß. Med.-Beamtenvereins. 


- ' b. Ausgabe. 

Gewährte Unterstützungen. 900,00 M. 

Kapitalanlage .. 7716,00 „ 

Porto, Schreibgebtthren, Drucksachen nsw. . . 54,05 „ 

Zusammen 8670,05 M. 

Bleibt Kassenbestand . 872,85 M. 


Das Vermögen der Stiftung betrug am 31. De¬ 
zember 1915: 

1. Zinstragende Wertpapiere: 

a. aus dem Vorjahre übernommen: 

3‘/*°/o Preußische Staatsanleihe .... 10000,00 M. 

4°/o „ „ .... 14000,00 „ 

4 # / # Deutsche Reichsanleihe. 2000,00 „ 

5% „ „ . ..... 1000,00 * 

4°/o Westfälische Provinzialanleihe . . 4000,00 „ 

4% Pommersche Provinzialanleihe . . . 1000,00 „ 

b. im Berichtsjahre beschafft und angekauft: 


5°/o Deutsche Reichsanleihe. 8000,00 „ 

2. Kassenbestand. 872,85 „ 


Zusammen 40872,85 M. 

Vermögensbestand am 31. Dezem ber 1914: 88,661,24 M. 

Mithin mehr: 7211,61 M. 

24000 M. 3V* bezw. 4°/ 0 Preußische Staatsanleihe sind auf 
den Namen des Preußischen Medizinalbeamtenyereins in das 
Staatsschuldbuch, 2000 M. 4 °/ 0 und 1000 M. 6 p / 0 Deutsche Reichs¬ 
anleihe desgleichen in das Reichsschuldbuch eingetragen. 
5000 M. 4 °/ 0 Provinzialanleihe sind bei der Rheinisch-Westfäli¬ 
schen Diskonto-Gesellschaft in Gütersloh hinterlegt. Der Zins¬ 
ertrag der Wertpapiere, von denen bei 7000 M. 6°/ 0 Reichs¬ 
anleihe der Zinsgenuß erst am 1. Oktober 1916 beginnt, beträgt 
1640 Mark gegen 1240 Mark im Vorjahre. 

Unterstützungen sind ebenso wie im Vorjahre im 
Betrage von 900 M. gewährt, und zwar an 3 Witwen von Medi¬ 
zinalbeamten mit je 300 M. Für das laufende Jahr ist aber 
bereits im ersten Vierteljahr eine Ausgabe in der gleichen Höhe 
entstanden; desgleichen sind seit dem noch verschiedene be¬ 
gründete Anträge auf Unterstützung eingegangen, so daß sich 
m dem neuen Geschäftsjahre die Ausgaben für Unter¬ 
stützungen sehr erheblich steigern werden. 

Minden i. W., den 1. September 1916. 

Der Vorstand der Jubiläumsstiftung. 

I. A.: 

Geh. Med.-Rat Geh. Med.-Rat 

Prof. Dr. Rapmund- Minden i.W., Kreisarzt Dr. Schifiter* 

Vorsitzender. Gütersloh, 

Schrift- u. Kassenführer. 

Redakteur: Prof. Dr. Rapmund, Geh. Med.-Rat in Minden i.W. 

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1916 


29. Jahrg. 


Zeitschrift 


für 


MEDIZINALBEAMTE. 


Zentralblatt 

für das gesamte Gebiet der gerichtlichen Medizin und Psychiatrie, 
des staatlichen und privaten Versicherungswesens, sowie für das 
Medizinal- und Öffentliche Gesundheitswesen, einschließlich der 

Hygiene und Bakteriologie. 

fler&nsgegeben 

TOB 

Prot Dr. OTTO RAPMÜND, 

Geh Med.-Rat ln Minden l. W. 


Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, Sächsischen, 
Württembergischen, Badischen, Hessischen, Mecklenburgischen, Thüringischen, 
Braunschweigischen und Eisass • Lothringischen Medizinalbeamtenvereins. 


Verlag von Fischer’s med. Buehhandlg E Kornleld, 

HtrmogL Bayer. Hot- tl &• u. K. Kammer-Buchhändler. 

Berlin W. 02, Keithstr. 5. 

A» teigen BihBAB 41« ▼orUffsbondluiif »owle alle Anieifen Annahmestellen des 1b- 
ud iaiUadAi A&tfefso. 


Nr. 18. 


Erscheint mm 5. und 80. Jeden Monat«. 


20. Sept. 


Unzureichende Gesetzgebung. 

Von Geb. Med.-Rat Dr. M. Räuber, Regierungs- nnd Medizinalrat in Erfurt. 

Ein altes Sprichtwort sagt: „Die Gesetze sind dazu da, 
um umgangen zu werden.“ So widersinnig dies klingt, so kann 
man in bezug auf unseren Arzneimittelverkehr nur sagen, daß 
es eine Klasse von Personen gibt, die sich die Umgehung der 
gesetzlichen Bestimmungen zu nutze machen und Spezialisten 
darin geworden sind. Täglich kommen neue Arzneimittel auf 
den Markt und werden anstandslos angekündigt, gleichviel, ob 
sie starkwirkende Mittel enthalten oder nicht, ln unserer 
Geheimmittelliste stehen sie nicht, aber diese ist jetzt ma߬ 
gebend, während früher nach den Polizeiverordnungen von 
1888 die Ankündigung von Heilmitteln, deren Zusammensetzung 
nicht bekannt gegeben und ersichtlich war, verboten war. 
Das war eine ganz gute Bestimmung. Freilich hatte sie auch 
Nachteile, da die Zusammensetzung in ganz kleiner Schrift 
abgedruckt wurde und das Publikum darüber hinweglas, auch 
eine ganze Anzahl Mittel, die man treffen wollte, nicht ge¬ 
troffen wurde. 










534 


Dr. H. Räuber. 


Jetzt kann man Ankündigungen nur beanstanden auf 
Grund prahlerischer, über den wahren Wert hinausgehender 
Reklame, auf Grund des Betrugsparagraphen und des Gesetzes 
über den unlauteren Wettbewerb. 

Wie schwierig dies ist, habe ich 1914 in Heft 12 dieser 
Zeitschrift auseinandergesetzt. Nachträglich sei hier noch be¬ 
richtet, daß meinem Antrag auf Bestrafung des Redakteurs wegen 
Anpreisens von Boraniumbeeren von der Staatsanwaltschaft 
keine Folge gegeben, vielmehr das Verfahren eingestellt wurde, 
weil ursprünglich das Vorverfahren gegen einen nicht in Be¬ 
tracht kommenden Redakteur gerichtet und gegen den verant¬ 
wortlichen Redakteur die Sache verjährt war. 

Daß die Kaiserliche Verordnung vom 22. Oktober 1901 
sich häufig umgehen läßt, ist ja bekannt. Sie bringt uns eine 
Liste der den Apotheken vorbehaltenen Mittel, also eine negative 
Liste, statt einer positiven der dem freien Verkehr überlassenen 
Mittel; die in der jetzigen Verordnung aufgeführten Ausnahmen 
sind nur verschwindend klein. 

Werden die Mittel nicht als Heilmittel, sondern als Vor¬ 
beugungsmittel, Stärkungsmittel, Desinfektionsmittel, kosmetische 
Mittel feilgehalten und verkauft, so sind sie im allgemeinen 
frei; gewisse kosmetische Mittel sind sogar gemäß § 1 der 
Verordnung als Heilmittel freigegeben. Das erscheint wider¬ 
sinnig; man kann es daher verstehen, wenn die Gerichte eine 
ganz unsichere und schwankende Rechtsprechung einnehmen. 
Freilich erkennen diese mitunter ganz klar, daß eine Umgehung 
des Gesetzes beabsichtigt ist und vorliegt und daß das Mittel 
seiner ganzen Beschaffenheit und Wirkung nach nichts anderes 
als ein Heilmittel ist, nur als solches angesehen werden kann 
und daß seine Abgabe unter allen Umständen strafbar ist. 

Um über die einzelnen Mittel hinsichtlich ihrer Frei Ver¬ 
käuflichkeit und Nichtfrei Verkäuflichkeit entscheiden zu können, 
muß man die ganzen Gerichtsentscheidungen studieren und 
Listen der freigegebenen und nicht freigegebenen Arzneimittel 
aufstellen. Ich habe mich bemüht, solche Aufstellungen in 
meinem Buch „Medizinalwesen in Preußen“ zu machen und 
durch Nachträge auf dem Laufenden zu erhalten; die Mühlen 
der Gerichte mahlen aber langsam und ehe gerichtliche Ent¬ 
scheidungen ergehen, hat der Fabrikant sein Geschäft gemacht. 
Dieser Uebelstand ist ja bekannt; es liegt deshalb ein dringendes 
Bedürfnis vor, die Kaiserliche Verordnung zu ändern. 

Im Nachstehenden möchte ich ein Beispiel bringen, das 
für eine Uebervorteilung des Publikums und eine im großen 
Maßstabe versuchte und betriebene Umgehung des Gesetzes 
charakteristisch ist und das deshalb besondere Beachtung ver¬ 
dient, weil bei der Strafanzeige die Polizei- und Gerichts¬ 
behörden nicht, wie erwartet, eingriffen, und sich nur sehr 
ungern mit diesem heiklen und zum Teil nicht genügend be¬ 
kannten Teile der Gesetzgebung befaßten. 



Unzureichende Gesetzgebung. 


685 


In einem kleinen Orte N. des Regierungsbezirks Erfurt, 
der mit einer konzessionierten Apotheke versehen ist, kam der 
eine dort ansässige Arzt darauf, der Apotheke eine Konkurrenz 
zu schaffen, indem er seinen Schwager im Jahre 1912 veran- 
laflte, in diesem Ort eine Drogerie zu errichten, angeblich, weil 
der Apothekenbesitzer nicht sehr entgegenkommend gegen ihn 
gewesen war und seine Patienten öfters hatte warten lassen, 
nach einer anderen Lesart, weil der Apothekenbesitzer seine 
Apotheke dem späteren Drogisten nicht hatte verkaufen wollen. 
Jedenfalls war die Absicht einer Konkurrenz unverkennbar und 
wurde auch vor Gericht zugegeben; es wurde auch erreicht, 
daß der Apothekenbesitzer seine Apotheke verkaufte und den 
Ort verließ. 

Der Plan war ganz gut ausgedacht, nun galt es, dem 
Gesetz ein Schnippchen zu schlagen. Der Arzt, mehrfacher 
Kassenarzt, verschrieb für mindestens 5 Krankenkassen Rezepte 
und schickte die Kranken in die Drogerie zur Anfertigung der 
Rezepte, während die Apotheke so gut wie boykottiert wurde. 
Da der Drogist geprüfter Apotheker war, so wußte er, daß er 
nur solche Arzneimittel verabfolgen durfte, die dem freien 
Verkehr überlassen sind. Nun wurden massenweise verordnet 
stets auf Rezept mit Aufdruck „ärztliche Verordnung“ mit 
Datum, Namen des Kranken und der Krankenkasse, Gebrauchs¬ 
anweisung, Unterschrift des Arztes: Pepsinwein, 01. Ricini, 
Spir. aromaticus, Sir. Ribi nigri, Unguentum leniens, Sir. simplex, 
Tr. Episcopalis, Mel foeniculi, Mel rosatum, Sanguis uvarura, 
Aqua foeniculi, Linimentum ammoniatum u. a. m. Die Kaiser¬ 
liche Verordnung läßt ja eine ganze Anzahl von Mitteln frei 
und von diesem Umstande wurde Gebrauch gemacht. Diese 
Mittel wurden aber nicht etwa als Handverkaufsartikel, sondern 
weil auf Rezept verschrieben, genau als Rezept nach der Arzneitaxe 
berechnet, genau nach Einzelpreisen, mit dem Namen des 
Rezeptars und der Gesamtsumme auf dem Rezept versehen. 
Es kam auch nicht darauf an, daß die Taxe überschritten 
wurde, denn diese ist ja nur für Apotheker da, nicht aber für 
einen Drogisten, auch wenn er als Apotheker geprüft ist und 
mit der Taxierung Bescheid weiß. So wurde u. a Linimentum 
ammoniatum 150,0, das im Handverkauf des Apothekenbesitzers 
0,60 M. kostet, wiederholt mit 1,55 M. berechnet und die Arzneitaxe 
um 0,65 M. überschritten. Aqua foeniculi 200,0 Augenwasser, das 
im Handverkauf für 0,35 M. abgegeben wird, wurde mit 1,60 M. 
berechnet und hierbei die Taxe um 1,05 M. überschritten. So 
kommen, wenn man die für solche Rezepte berechneten Summen 
zusammenzählt, erheblich höhere Zahlen heraus als bei Bezug 
aus einer Apotheke, in der auch die auf Rezept verschriebenen 
Handverkaufsartikel für Kassenmitglieder nach der billigen 
Handverkaufsliste berechnet werden. 

Aber man ging noch weiter: Mittel, von denen es zweifel¬ 
haft war, ob sie auf Rezept abgegeben werden durften, wurden 
mit einem kleinen Vermerk versehen, um nicht als Heilmittel 



636 


Dr. H. Räuber. 


angesehen zu werden. So wurde der Zusatz „tonic.“ bei 
Tr. ferri aromatica und bei Emulsio Jecoris aselli 200,0, 3 mal 
täglich 1 Kaffeelöffel, gemacht, „zur Desinfektion“ bei Karbol¬ 
glyzerin 3 °/ 0 , „Ohrtropfen“ bei Sol. Natr. carbon. 1 : 60, „Des¬ 
infektionsmittel“ bei Unguentum Amyloformii und bei Pasta 
aseptica F. M., „Destilliert“ bei Choleratropfenoder Tr. anti- 
diatrhoica F. M., „zur Erfrischung“ bei Mentholschnupfpulver. 

Man ging sogar noch einen Schritt weiter: Rezepte, die 
ganz offenbar nur den Apotheken vorbehaltene Arzneien ent¬ 
hielten, wurden einfach abgeändert und zwar meist in so ver¬ 
steckbar und vorsichtiger Weise durch Veränderung der Buch¬ 
staben mit Bleifederschrift oder Tinte, daß es mitunter sehr 
schwer hielt, das ursprünglich verschriebene Mittel zu erkennen 
und herauszubringen. Trotzdem gelang dies doch in vielen 
Fällen. So wurde gemacht aus: 

Natr. salicyl: Acid. salicyl. 

V&solimentom jodati: 01. olivar. viridi. 

Sir. Rhei: Sir. Rib. nigr. 

Pil. contra tussim F. M.: Droginalpastillen. 

Brusttee: Herba Galeopsidis. 

Unguentum boricum und U. Plumbi: Unguentum leniens. 

Mixtura Pepsini F. M. d. I. 2stdl. 1 Eßlöffel (1,0 > M.): Vini Pepsini 

(2,05 M ). 

Infus, lax&ns F. M. d. I 2stdl. 1 Eßlöffel: Ol. Ricini 200,0. 

Mixtura vinosa F. M. d. I (0,95 M.): Vini Pepsini (2,05 M.). 

Unleserlich: Bismuth subnitr., 12 Pulver (1,35 M). 

Mixtura acidi hydr. F. M. wurde einfach gestrichen. 

Linimentum Chloroformii F. M. d. I.: Liuim. ammoniat. 

Decoct. cort. Chalisayae F. M. d. I (0,84 M.): Vini Pepsini 200 (2,05 M ) 

Sol. Kali chlorici *°/ 60 o zum Qurgeln: Kali chlor. 50,0. 

Unguentum Kalii jodati: Unguentum Adipis lanae. 

Mixt stib. solv. F. M. d. I (0,90 M.): Mel foeniculi (2,05 M.). 

Decot. cort. Condurango (0,95 M.): Vini Pepsini (2,05 M.). 

Emulsio Ricinosa F. M. d. I \ . Ol. Ricini 200,0 und 

Tr. Opii 2,0 / : Tr. Opii einfach gestrichen. 

Coffeini 0,5 t. d. N. VIII: Novaspirin. 

Vini ferri comp sacch.: Tr. aromatica. 

Collemplastrum Capsici: Collcmpl. Picis Burgund 

Mixtura acid. bydr. F. M. d. I (0,70 M.): Vini Pepsini (2,05 M.). 

Liquor pectoralis F. M. d. I (0,85 M.): Mel foeniculi (1,60 M ). 

Unleserliche Lösung 0,5, 200 Augentr.: Aqua foeniculi. 

Ol. Chloroformii: Spir. aromaticus. 

Sol. Alcoli 1 /*°/o, 500,0: Liqu. Aluminis acetici 500,0. 

Aber auch andere Mittel wurden abgegeben, so Bioglobin 
in großer Menge, Novaspirin und Bismuth subDitr. in Pulvern, 
Laxinkonfekt und Laxinfruchtbonbons, Vinum Rhei, Stoman- 
tabletten, Mentholdragues, Lichen island., Unguentum Wolff, 
Kali chlor, Liquor Plumbi subacetici, Sol. Hydrargyri oxycyanati 
1 : 600, Nural. 

Die Namen einer Reihe von Mitteln blieben anfangs im 
dunkeln gehüllt. Später habe ich ermittelt, daß von diesem 
Bisanna, ein Gallensteimittel, aus Rhiz. Rhei, Tub. Jalap., Natr. 
carbon. äa 4,0 Sacch. alb. 80,0 Essentia aromatica q. s. ut.. f. 
mod. special. Sirup 145 besteht. 



Unzureichende Gesetzgebung. 


637 


Sicherlich war das Geschäft ein einträgliches und wohl 
geeignet, der Apotheke eine empfindliche Konkurrenz zu machen 
und ihre Lebensfähigkeit in Frage zu stellen, einträglich auch 
insofern, als bei der Preisberechnung die für Apotheken billigeren 
Taxvorschriften nicht beachtet wurden. 

Das Einschreiten der Behörden. Am 1. August 
1913 machte der Apothekenbesitzer in N. Anzeige bei der 
Staatsanwaltschaft, daß der Drogist D. in N. fortgesetzt Rezepte 
nach Verordnung seines Schwagers anfertige, die er auch 
wie ein Apotheker mit Signatur versehe, und zwar auch 
Mischungen, die auf der Signatur anders bezeichnet seien als 
in der Flasche vorhanden. Diese bis dahin nicht erwiesene 
Annahme erklärte sich nach dem Vorstehenden unschwer wohl 
aus dem Umstande, daß die Rezepte abgeändert und ganz 
andere Arzneien als verschrieben abgegeben wurden. Der 
Apotheker beantragte Haussuchung und Beschlagnahme der 
Rechnungen und Rezepte. 

In der Tat, aus einer solchen Maßregel hätte sich sofort 
und vollständig das ganze Beweismaterial gegen den Drogisten 
und seine Handlungsweise ergeben. Aber hiervon geschah nichts. 
Der Staatsanwalt gab die Sache an den Amtsanwalt, dieser 
dem Amtsvorsteher zur Vernehmung des angeschuldigten 
Drogisten ab, und diese Vernehmung geschah noch, ehe der 
Regierungspräsident von der Anzeige Kenntnis erhielt. Die 
beim Regierungspräsidenten ein gelaufene Anzeige hatte zur 
Folge, daß der Kreisarzt auf schleunige Revision und Haus¬ 
suchung hingewiesen wurde, die er beim Amtsanwalt beantragen 
und mit Hilfe eines pharmazeutischen Revisors baldmöglichst 
vornehmen sollte. Der Kreisarzt aber, der den Drogisten aus 
der Drogerie her wohl nicht genügend kannte, nahm die 
Revision erst am 10. Oktober 1913 vor und zwar unter Zu¬ 
ziehung eines für diesen Zweck ungeeigneten Apothekers, 
nachdem ein pharmazeutischer Revisor seine Beteiligung wegen 
Bekanntschaft mit dem Drogisten abgelehnt hatte. Die Revision 
brachte nichts Wesentliches zutage, von einer Haussuchung 
usw. wurde überhaupt Abstand genommen und auf die An¬ 
fertigung von Rezepten legte die Revisionskommission im Gegen¬ 
satz zu Ziff. 8 Abs. 5 der Anweisung zur Besichtigung der 
Drogenhandlungen vom 22. Dezember 1902 keinen besonderen 
Wert. Nur ein paar Rezepte führte sie in ihrem Protokoll 
an sowie einige Arzneimittel und Gifte. In der vorhergegangenen 
Vernehmung hatte der Drogist geäußert, daß alle für die Kassen 
an gefertigten Rezepte nur freigegebene Mittel enthielten. 

Somit wäre das ganze Verfahren gegen den Drogisten aus¬ 
sichtslos gewesen, ja der Kreisarzt hatte die feste Ueberzeugung 
geäußert, daß gegen den Drogisten nichts zu machen sei, wenn 
sich nicht mehr Material gefunden hätte. Dies fand sich jedoch, 
so daß der Regierungs- und Medizinalrat nach Anfrage des Amts¬ 
anwalts ein Gutachten an das ersuchende Amtsgericht erstatten 
konnte, nachdem unter großen Schwierigkeiten mehr Material, 



688 


Dr. H. Räuber. 


insbesondere die für die Kassen angefertigten Rezepte nach 
und nach zusammengeholt waren. 

In einem ausführlichen Gutachten wurde auf Grund der 
Einsicht von vielen hunderten Rezepten unter ausführlicher 
Begründung und Belegung zahlreicher Reichsgerichtsentschei¬ 
dungen dargelegt, daß es sich um verschiedene Verfehlungen 
handelte: 

1. gegen die Polizei Verordnung vom 22. Februar 1906 
über den Handel mit Giften; 

2. gegen die Kaiserliche Verordnung vom 22. Oktober 1901; 

3. gegen § 147,1 G.0. in Verbindung mit § 466 Ilb 
Allg. Landrechts betr. Führung einer Apotheke ohne Konzession 
hierzu; 

4. gegen die §§ 263, 267 und 268 Str.G.B. und § 49 
Str. G. B. Betrug und Urkundenfälschung. 

Auch das Gewerbsmäßige in der Handlungsweise und die 
gewinnbringende Absicht wurden näher dargelegt, auch daß 
alle Mittel, weil auf Rezept für Kranke verordnet, nach der 
Art ihrer Verschreibung als Heilmittel anzusehen seien. 

Bezüglich des Punktes 3 wurde auf das Urteil des Land¬ 
gerichts Lyck vom 30. Juli 1901 (Zeitschrift für Medizinalbeamte; 
1901, Nr. 22, S. 724) und das Erkenntnis des Oberlandesgerichts 
Hamburg vom 27. Februar 1911 (ebenda; 1911, Beilage Recht¬ 
sprechung usw. zu Nr. 11, S. 71) hingewiesen und betont, daß 
die ganze Tätigkeit des Drogisten als eine Ausübung des Apo¬ 
thekengewerbes angesehen werden müßte, weil er die Rezepte 
aufgelöst, die Mengen der Bestandteile festgestellt und abge¬ 
wogen, Salben, Lösungen zubereitet, abgeteilte Pulver dispensiert 
und nach der Arzneitaxe den Preis des Mittels, die Dispensations¬ 
gebühr, die Zubereitung einer Mehrheit von Pulvern, den Preis 
des Glases oder der Schachtel vermerkt und die Arzneibehälter 
mit Gebrauchsanweisung versehen hätte. 

Betreffs des Punktes 4 nahm ich bezug auf die Reichs¬ 
gerichtsentscheidungen vom 12. Oktober 1888 und 3. Nov. 1913 
(Zeitschrift f. Med.-Beamte; 1890, S. 12 und 1913, Beilage Recht¬ 
sprechung usw. zu Nr. 24, S. 279). 

Aber was geschah hierauf? 

Der Erste Staatsanwalt konnte den Tatbestand des 
Betruges und der Urkundenfälschung nicht erkennen und 
stellte das Verfahren dieserhalb ein. Urkundenfälschung liege 
nicht vor. ln der Begründung heißt es: 

„Der Arzt Q. bat behauptet, daß die Aenderungen auf den Rezepten 
größtenteils von ihm eigenhändig vorgenommen sind. Bei einigen anderen 
Rezepten hat der beschuldigte P. mit ausdrücklicher Zustimmung G.s die 
Aendernng vorgenommen. Nur bei einem Rezept steht fest, daß der Zusatz 
„zur Desinfektion“ ohne G.s ausdrückliche Genehmigung gemacht ist. Der 
Zusatz entsprach aber G.s Absichten, sollte gar nicht die Verschreibung G_s 
ändern und war nach dessen Ansicht selbstverständlich. Zu diesem Falle bat 
also dem Beschuldigten die rechtswidrige Absicht gefehlt. Bei den übrigen 
Aenderungen war er entweder nicht der Täter oder er war zur Aendernng 
befugt.“ 



Unzureichende Gesetzgebung. 


539 


Gegen diesen Bescheid des Ersten Staatsanwalts wurde 
gemäß § 170 Str.Pr.O. Beschwerde bei dem Oberstaats¬ 
anwalt eingelegt. Es wurde hierbei außerdem darauf hin¬ 
gewiesen, daß bei Abgabe der abgeänderten Mittel erheblich 
höhere Preise erzielt wurden, als bei Abgabe der ursprünglich 
verschriebenen Mittel. Auch erschien es ausgeschlossen, daß 
der Beschuldigte ein für allemal Vollmacht gehabt habe, jedes 
Rezept nach seinem Belieben in wesentlicher Form zu ändern. 
Im übrigen würde aber mindestens — eine solche Vollmacht 
vorausgesetzt — ein Betrug gegenüber dem jeweiligen Kranken 
in Frage kommen. 

Der Oberstaatsanwalt wies die Beschwerde als unbegründet 
zurück. Es heißt in dem Schreiben: 

„Zum Tatbestände der Urkundenfälschung wird eine rechtswidrige Ab¬ 
sicht erfordert. Eine solche ist aber nicht nachzuweisen, da die Aenderungen 
auf den Rezepten entweder von dem Aussteller, nämlich dem Arzt G. selbst, 
oder von dem Beschuldigten, jedoch in ausdrücklichem oder vermutendem 
Einverständnis mit G. erfolgt sind. Auch der Tatbestand des Betruges kann 
nicht in Frage kommen, da kein Irrtum aber das gelieferte Mittel oder die 
Höhe des Preises erregt worden ist.“ 

Hiergegen wurde eine neue Eingabe an das Oberlandes¬ 
gericht gemacht und die Angelegenheit ausführlich dargelegt 
und begründet. Insbesondere wurde auch darauf hingewiesen, 
daß das Vermögen der Kranken bezw. der Krankenkassen da¬ 
durch geschädigt wurde, daß sie in vielen Fällen höhere Preise 
zahlen mußten, als wenn ihnen das vom Arzt ursprünglich ver- 
ordnete Mittel verabreicht worden wäre. In dem Kranken bzw. 
bei den Krankenkassen wurde dadurch, daß die Rezepte später 
heimlich abgeändert wurden und ihnen damit vorgespiegelt 
wurde, sie erhielten wirklich das ihnen in ihrer Gegenwart 
verordnete Mittel, eine irrige Vorstellung von Tatumständen 
erregt bezw. unterhalten, denn sie sind über die vorzunehraen- 
den Aenderungen offenbar niemals befragt worden. Auf Ein¬ 
sichtnahme der Rezepte und einzuholende Gutachten von 
Schreibsachverständigen wurde ebenfalls hingewiesen. 

Die öffentliche Anklage wegen Betrugs und Urkunden¬ 
fälschung wurde aber nicht erhoben. Der Antrag wurde vom 
Oberlandesgericht am 27. Mai 1914 aus folgenden Gründen 
als unzulässig verworfen: 

„Die Königliche Regierung in Erfurt ist im vorliegenden Falle nicht 
als Verletzter im Sinne des § 170 Str. P.O. anzusehen. Als Verletzter kann 
nur der gelten, dessen Rechtssphäre verletzt ist; eine bloße Interessenverletzung 
genügt nicht. Das Delikt muß eine individuelle Beziehung zu der Person des 
Antragstellers haben. Dies ist aber bei den dem Angeklagten zur Last ge¬ 
legten Betrugsfällen und Urkundenfälschungen gegenüber der Person des An¬ 
tragstellers nicht der Fall." 

Die Behauptungen des Drogisten und des Arztes, daß die 
Aenderungen im Einverständnis und im Aufträge des Arztes 
vorgenommen seien, muß sehr auffallend erscheinen; denn es 
hat» doch keinen Sinn, so viele Rezepte über nicht freigegebene 
Arzneien zu verschreiben, um sie nachträglich in harmlose, 
ganz anders wirkende, aber teuere Mittel umzuändern; ander- 



640 


Dr. H. Räuber. 


seits bekamen die Kunden nicht die ihnen verschriebene 
Arznei, au! die sie Anspruch hatten, sondern ganz etwas anderes. 
Die Kranken wurden also getäuscht. Daß der Drogist an die 
Arzneitaxe nicht gebunden sei, sondern Preise nehmen könne, 
wie er wolle, hat dieser selbst zugegeben, und zwar mit einer 
gewissen Berechtigung, denn die Arzneitaxe ist bekanntlich nur 
für Inhaber einer Apotheke maßgebend. 

Auffallend mußte es bei dieser Sachlage erscheinen, daß 
unsere Justizbehörden einen Verstoß gegen § 147, 1 G.O.: 
Führung einer Apotheke ohne Konzession, nicht annahmen; 
wenn ferner eine Anklage wegen Urkundenfälschung und Betrug 
abgelehnt wurde, so blieb nur noch die Hoffnung, daß wenigstens 
die Uebertretungen der Giftpolizeiverordnung und 
der Kaiserlichen Verordnung geahndet werden 
würden. 

Wie weit dem Amtsanwalt die Durcharbeitung des 
ausführlich begründeten Gutachtens, das mit 11 Paketen von 
über 700 geordneten Rezepten versehen war, möglich war, kann 
hier nicht beurteilt werden, der Erfolg war jedenfalls der, daß 
er eines Tages (6. März 1914) das Verfahren einstellte und ohne 
weiteres abzuwarten, die Rezepte den Krankenkassen zurückgab. 
Gegen diese Einstellung wurde seitens des Regierungspräsidenten 
Beschwerde erhoben mit dem Erfolge, daß das Verfahren wieder 
aufgenommen wurde. 

Aber Monat auf Monat verging und bei dem Nichtein¬ 
greifen der Gerichtsbehörden sah sich der Regierungspräsident 
veranlaßt, auf dem Verwaltungswege einzuschreiten und die 
Untersagung des Handels mit Drogen und chemi¬ 
schen Präparaten, die zu Heilzwecken dienen, auf Grund 
des § 35 G. 0. und des Handels mit Giften anzuordnen. 

Dies traf den Drogisten Nun verlegte er sich aufs Bitten 
und gab Irrtümer zu, beschwerte sich aber über die Anordnung 
des Regierungspräsidenten beim Oberpräsidenten ohne Erfolg. 
Er stellte jetzt den Verkauf von Giften ein; die Drogerie mit 
dem Handel mit Arzneimitteln übernahm nun seine Frau. 

Inzwischen hatte jedoch der Staatsanwalt auf Veranlassung 
des Regierungspräsidenten das Verfahren wegen Uebertretung 
der Kaiserlichen Verordnung und der Giftpolizeiverordnung 
wieder aufnehmen lassen, nachdem der mittlerweile in den 
Krieg gezogene Amtsanwalt durch einen anderen ersetzt war, 
der mit der Durchsicht der außer Ordnung gekommenen Re¬ 
zepten zweifelsohne wohl seine Schwierigkeiten gehabt haben 
mag. In der Schöffengerichtssitzung vom 27. Nov. 1914 
waren nur 10 Punkte zur Anklage gestellt, die übrigen wegen 
Verjährung und aus anderen Gründen abgesetzt. 

Die Uebertretungen bezogen sich auf die Abgabe von 
1. Kali chloricum, 2. Bleiessig, 3. Bioglobin, 4. Nural, 5. Liq. 
ferri mangan sacch., 0. Collemplastrum Picis Burgund., 7. Cholera¬ 
tropfen, 8. Sol. Natr. carbon. (Ohrtropfen), 9. Blutreinigungstee, 
10. Brusttee. 



Unzureichende Gesetzgebung. 


541 


Das Schöffengericht sprach den Angeklagten wegen 6., 7., 
9., 10. frei und verurteilte ihn wegen der übrigen 6 Punkte zu 
je 20 M. = 120 M. und die anteiligen Kosten. 

Bei der Gerichtsverhandlung hatte der Verteidiger zunächst 
versucht, mich als „befangen“, weil Beamter des Regierungs¬ 
präsidenten abzulehnen. Bei der Freisprechung nahm das Ge¬ 
richt die Aussage des Angeklagten, daß statt Collemplastrura 
P. B. tatsächlich nur Heftpflaster ohne Kautschuk, statt Blut¬ 
reinigungstee nur Faulbaumrinde, statt Brusttee nur Herba 
Galeopsidis, statt der gebräuchlichen Choleratropfen ein Destillat 
aus verschiedenen Tinkturen, wofür auch eine entsprechende 
gedruckte Ankündigung vorgezeigt wurde, abgegeben sei, als 
richtig an und ebenso, daß der verschwägerte Arzt bei dem 
Verhältnis, das zwischen den beiden bestand, wohl auch nichts 
anderes bei seiner Verschreibung hätte verstanden wissen wollen. 
Deshalb hatte es auch von dessen Vernehmung Abstand ge¬ 
nommen. 

Gegen das schöffengerichtliche Urteil legte der Angeklagte 
Berufung ein. Die Strafkammersitzung des Landgerichts am 
12. März 1915 wurde vertagt, weil das Gericht den schon seit 
längerer Zeit im Felde befindlichen Arzt vernehmen wollte; 
zwei später anberaumte Termine wurden aus unbekannten 
Gründen aufgehoben, bis der Drogist etwa im August 1915 
ebenfalls zu den Fahnen einberufen wurde. 

Der Wunsch des Regierungspräsidenten einen Antrag auf 
Unterbrechung der Verjährung zu stellen, wurde anfangs vom 
Ersten Staatsanwalt abgelehnt, sodann aber einer noch¬ 
maligen Vorstellung des Regierungspräsidenten mit Hinweis 
auf den Justizministerial-Erlaß vom 27. Dezember 1911 (Justiz- 
Min.-Bl. S. 452 — Folge gegeben und ein Termin zur Haupt¬ 
verhandlung auf den 17. Dezember 1915 angesetzt. Aber die 
Sache mußte nochmals vertagt werden, weil der Angeklagte 
dem Vernehmen nach von der Truppe keinen Urlaub erhalten 
hatte. 

Schließlich erschien der Allerhöchste Gnadenerlaß vom 
27. Januar 1916, so daß nunmehr auf Unterbrechung der Ver¬ 
jährung nicht mehr bestanden werden konnte und das Ver¬ 
fahren am 3. März 1916 eingestellt wurde. 

Nebenbei sei noch bemerkt, daß bei einer anfangs Januar 
1914 auf Veranlassung des Amtsrichters abgehaltenen Haus¬ 
suchung in der Drogenhandlung zwar allerlei beanstandet und 
gefunden, daß aber der Drogist nur wegen Feilhaltens und 
Verkaufs von Capsicumpflaster in den Monaten Oktober, No¬ 
vember und Dezember zu 5 M. Geldstrafe und die Kosten ver¬ 
urteilt wurde. 

Das Verfahren auf Untersagung des Handels 
mit Drogen und chemischen Präparaten, die zu Heil¬ 
zwecken dienen, hatte ebenfalls nicht ganz den gewünschten 
Erfolg. 

Auf eine Verfügung des Amts Vorstehers vom 10. Juni 



542 


Außerordentliche Tagung dee Deutschen Kongresses 


1914 in diesem Sinne, sowie auf Entziehung der Giftkonzession 
legte der Drogist Beschwerde beim Oberprftsidenten und später 
beim Minister ein. Zunächst übertrug er das Geschäft seiner 
Ehefrau, gegen die nun ebenfalls die Aufforderung zur Ein¬ 
stellung dieses Handels erging. Gegen die polizeilichen An¬ 
ordnungen wurde Widersprach erhoben. Da eine Revision am 
25. Januar 1915 ergab, daß eine Einstellung des Betriebes 
nicht stattgefunden hatte, sollte nunmehr Klage auf Untersagung 
des Betriebes beim Kreisausschuß erhoben werden; hierzu ist 
es aber nicht gekommen. Der Kreisausschuß wollte erst den 
Ausgang des gerichtlichen Verfahrens ab warten, und schlie߬ 
lich hatte nach Fortgang des Drogisten die Ehefrau den Handel 
mit allen Drogen und chemischen Präparaten, die zu Heil¬ 
zwecken dienen, eingestellt. 

Nach der Revision am 25. Januar 1915, bei welcher nooh 
allerlei Arzneimittel und Gifte gefunden wurden, wurde aller¬ 
dings beim Amtsgericht Strafantrag wegen Feilhaltens von 
Giften gestellt, aber eine weitere Verfolgung der Angelegenheit 
war nicht möglich. Die Giftkonzession hatte der Drogist an¬ 
geblich verbrannt. 

Aus dem Vorstehenden ergibt sich zur Genüge, wie schwer 
es mitunter hält, einer Handlungsweise, wie geschildert, recht¬ 
zeitig zu begegnen und die zweifellos strafbaren Handlungen 
genügend zu ahnden. Bedauerlich ist es, daß bei der ge¬ 
schilderten Handlungsweise recht große Kreise von Kranken¬ 
kassen geschädigt wurden. Diese, die mit Vorliebe möglichst 
niedrige Arzneipreise erstreben und sich infolgedessen gerne 
den Drogisten zuwenden, hatten in diesem Falle bei dem 
Drogisten ihren Mann gefunden, der ihnen gehörige Preise 
machte; sie haben sich aber, obwohl geschädigt, nicht gemeldet. 
Meines Wissens hat nur eine Kasse die Bezahlung von Rech¬ 
nungen abgelehnt, weil sie mit dem am Ort wohnenden 
Apotheker Abmachungen getroffen hatte und ihr die wunder¬ 
lichen Rezepte aufgefallen waren. 


Aus Versammlungen und Vereinen. 

AmsMerordentliche Tagung des Deutschen Kongresses für 
innere Medizin in Warschau am I. und ft, Mai 1916. 

Berichterstatter: Kreisarzt Dr. Rehberg, z. Zt. in Warschau. 

(Schluß.) 

Dritte Sitzung am 2.Mai d. J., vormittags. 

IV. Bauchtjphus Im Kriege. 

a. Da der erste Berichterstatter, Generalarzt Geheimrat Prof. Dr. 
v. Krehl* Heidelberg, am Erscheinen verhindert war, wird sein Referat vor¬ 
gelesen. Es behandelt im wesentlichen die klinische Verlaufsweise 
des Tjphns im Felde. Durch die schweren nervösen nnd seelischen Erschütte¬ 
rungen des Menschen, durch körperliche Ueberanstrengnngen, Verletzungen, 
durch die von Grund auf veränderte Lebens- und Ernährungsweise wird trotz 
der weitgehenden Ausgleicbungsfähigkeit der Körpcrzellen die Reaktion des 
menschlichen Körpers auf äußere Einflüsse im Kriege ganz allgemein in hohem 
Maße beeinflußt. Alle Infektionskrankheiten bieten daher eine solche Fülle 



für innere Medizin in Warschau. 


643 


von verschiedenen Verlaufsarten dar, wie sie im Frieden nicht bekannt waren. 
Besonders scheint bei fieberhaften Erkrankungen die Beteiligung der Milz viel 
häufiger zu sein, als im Frieden. Auch beim Typhus ist ihre Schwellung 
erheblicher, als man es früher zu sehen gewohnt war, während dem Härtegrad 
eine wesentliche Bedeutung für die Diagnose nicht zukommt. Eine mäßige 
Milzschwellung findet sich oft schon bei mehrfach Schutzgeimpften, auch der 
Agglutinationstiter ist bei diesen vielfach erhöht, so daß die Diagnose des 
Typhus im Felde, wo er jetzt nur bei Geimpften vorkommt, sehr erschwert 
und oft nur dadurch ermöglicht ist, daß die besten Diagnostiker dort zur Ver¬ 
fügung stehen. Bazillen im Blut wurden bei schwer Erkrankten von An¬ 
fang an bis weit in die Krankheit hinein gefunden, einerlei, ob es sich um 
Geimpfte oder Nichtgeimpfte handelte. Agglutination fehlt selten und nur bei 
leichten Fällen. Die Dauer der Erkrankung beträgt 4—8 Tage bis zuvielen 
Monaten, so daß man bei letzteren von chronischem Verlauf sprechen muß. 
Rezidive waren häutiger als im Frieden. Es blieb nicht selten auch nach 
der klinischen Heilung eine Milzschwellung zurück. Eine häutige N a c h - 
krankheit waren Schädigungen des Herzmuskels. Die Diät soll darauf 
hinstreben, starke Gewichtsverluste zu vermeiden, und deshalb aus Milch, Eiern, 
Mehlspeisen, Butter, Zucker und Wein bestehen. Ueber spezifische Heilmittel 
(Impfung mit abgeschwächten oder abgetöteten Bazillen, mit Rekonvaleszenten¬ 
serum, Behandlung mit Albamosen) läßt sich ein abschließendes Urteil noch 
nicht abgeben. 

b. Generalarzt Dr. H ü n e r m a n n, Armeearzt einer Armee, zweiter 
Berichterstatter, behandelt besonders den Einfluß der Schutzimpfung auf 
Verhütung und Verlaufsweise des Unterleibstyphus auf Grund des riesigen 
Materials, das durch die Durchimpfung zuerst der von Typhus bedrohten oder 
bereits befallenen Truppen, später des gesamten Feldheeres, der Besatzungs¬ 
truppen, Ersatzmannscbaften in der Heimat und des Sanitätspersonals ge¬ 
wonnen wurde. Die Schutzimpfung wurde durcbgefübrt mit dem Kolle- 
Pfeiffersehen Impfstoff und nach 6 Monaten wiederholt. Bei vielen Millionen 
von Impfungen wurden sehr selten Schädigungen, nie ein Todesfall beobachtet. 
Die Wirkung äußert sich im Anstieg des Agglutinationstiters, in einer mikro¬ 
skopischen Veränderung des Blutbildes und in häutigem Auftreten einer mehrere 
Wochen anhaltenden Milzschwellnng ähnlich wie bei der Typhuserkrankung 
selbst. Die Gruber-Widalsche Reaktion verliert daher bei Geimpften für 
die Diagnose ihre Bedeutung; ebenso gelingt die Züchtung von Bazillen auB 
dem Blut bei diesen schwerer. — Der Erfolg der Schutzimpfung war 
offensichtlich; dafür sprechen folgende Tatsachen: Die Zahl der Erkrankungen 
sank sofort nach Durchführung der Schutzimpfung; der stärkste Zugang an 
Typhus (Dezember 1914) war immer noch 14 mal kleiner, als der von Oktober 
1870. Im Dezember 1915 hatten Armeen von der Kopfstärke einer Großstadt 
bereits keinen einzigen Typhusfall mehr. — Gut durchgeimpfte Truppenteile 
blieben beim Beziehen verseuchter Frontabschnitte frei von Typhus. Vom 
Sanitätspersonal erkrankten bei 1000 Typhuserkrankungen nicht halb so viel 
Menschen als im Frieden Im Sommer 1915 blieben trotz Auftreten von Ruhr 
die Truppen frei von Typhus. Ganz leichte Typhusfälle waren die Regel, 
namentlich bei Truppenteilen, die einer Wiederimpfung unterworfen waren, 
auch wenn am gleichen Orte unter der Zivilbevölkerung die schwersten Epi¬ 
demien herrschten. — Die Sterblichkeit sank von 9,6% bei sicher Nicht¬ 
geimpften auf 6,6% bei Kranken mit 2 Injektionen (einmalige Impfung) und 
auf V5,6 % bei Wiedergeimpften. Günstig scheint die Impfung auf den Verlauf 
auch dann noch einzuwirken, wenn sie erst im Vorstadium der Erkrankung 
ausgeführt wird. Die Dauer des Impfschutzes wird auf etwa V* Jahr 
angenommen. 

c. Generalarzt Geh. Rat Prof. Dr. Stintsing (Jena), dritter Bericht¬ 
erstatter, bespricht dann die Klinik der Paratyphuserkrankungen, die 
meist durch den Par.-Bac. B, seltener Par.-Bac. A hervorgerufen werden. 
Klinisch war die Diagnose sehr erschwert; oft gingen die Fälle unter der 
Bezeichnung Typhus, Ruhr, Darmkatarrh, Influenza und dergl. zu. Meist ver¬ 
laufen die Erkrankungen unter dem Bilde eines mittelscbweren Typhus; nur 
gelangen die Paratyphusbazillen schneller ins Blut, die Inkubation ist deshalb 
kürzer, Beginn und Verlauf akuter als beim Typhus. Epidemien kamen nicht 



644 


Außerordentliche Tagung des Deutschen Kongresses 


vor, nur vereinzelne Fälle, die meist nicht von infizierten Nahrungsmitteln, 
sondern in der Hegel von Bazillen ausacheidenden Personen ausgingen; das 
Küchen personal wird daher immer in erster Linie auf Ausscheidung von Bazillen 
untersucht. Eine Häufung der Erkrankungen brachten die heißen Sommer* 
monate Juni bis August 1915. Der Ausgang ist günstiger als beim Typhus; 
die Mortalität betrug bei Paratyphus B-Baz. 1,2 °/ 0 , bei Paratyphus A- Bazillen 
etwas mehr. St. befürwortet auch die allgemeine Durchimpfung gegen Para- 
typbus A und B. 

Aussprache. 

Dr. Schnitzen, Gen.-Arzt, Chef der Med.-Abt. des Kriegsministeriums 
teilt mit, daß man von der allgemeinen Aussonderung der Dauerausscheider 
von Par. Bac. B Abstand genommen habe, weil sie wegen ihrer großen Anzahl 
praktisch nicht durchführbar sei. 

Oberstabsarzt Dr. Kaup (Wien): Die Schutzimpfung gegen Typhus 
hatte auch in der österr.-ung. Armee günstige Erfolge, jedoch nicht in dem 
Maße, wie die gegen Cholera. Die Erkrankungsziffer wurde herabgesetzt, vor 
allem aber war der klinische Verlauf milder. So wurde eine schwere Er¬ 
krankung festgestellt bei 44°/,. von Nichtgeimpften, 20®/ 0 bei einmal und 11"/, 
bei 2mal Geimpften. Ueberhaupt betrug bei allen Armeen die Sterblichkeit 
vor der Durchimpfung 13—16 # / 0 , nach derselben 6 — 6 °/ 0 , bei einzelnen Armeen 
2—8 °/ Q . Auch die Impfung schon Erkrankter scheint den Verlauf noch günstig 
zu beeinflussen. Der Impfschutz erreicht einige Wochen nach der Impfung 
seinen Höhepunkt und erlischt 7 8 Monate danach. Dio Wiederimpfung wird 
in der k. u. k. Armee nach 7 Monaten vorgenommen. Die Erkranknngszifler 
ist unter dem Einfluß der Schutzimpfung erheblich zurückgegangen und betrug 
im letzten Vierteljahr 0,25 °/ 0 des Verpflegungsstandes. 

Prof. Dr. Krause (Bonn): Dauernde Bazillen-Ausscheidung 
fand sich bei 4,1 °/ 0 der abgelaufenen Typhusfälle und zwar im Stuhl besonders 
dann, wenn die Erkrankten gleichzeitig an Gallenblasenlciden, chronischen 
Darmgeschwüren oder Blinddarmentzündung litten, im Urin oft bei Nieren¬ 
beckenentzündung. Von Nachkrankheiten sind besonders zu erwähnen 
Herzstörungen, die auf Schädigungen des Herzmuskels beruhten, meist mit 
Tachycardie einhergingen und bei geeigneter Behandlung eine günstige Pro¬ 
gnose boten — ferner durch Typhusbazillen hervorgerufene Knochenmarkent¬ 
zündungen, bei deren Diagnose sich die Röntgenuntersuchung als wertvolles 
Hilfsmittel bewährte. 

Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Goldscheider (Berlin): Die Sterblichkeit 
ist seit der Impfung von 12®/o bei 2—3 mal Geimpften auf 2,8 °,o bei wieder¬ 
holt Geimpften gesunken. Wichtig ist die Kenntnis der noch sehr häufigen 
leichten Fälle, die ähnlich der Influenza verlaufen; letztere zeigt aber 
höchstens schnell verlaufende Milzschwellungen, bei Typhus sind diese dagegen 
hochgradiger und von längerer Dauer. Freilich scheint die Milz bei mehrfach 
Geimpften die Fähigkeit zu erlangen, bei verschiedenen anderen Infektions¬ 
krankheiten schneller anzuschwellen. 

Dr. Luk sch (Tcschen): Besonders günstig wirkt die Impfung bei 
Bazillenträgern; so wurden von 42 Bazillenträgern bei Typhus und Ruhr da¬ 
durch 36 geheilt. Nach seinen Untersuchungen ist der Impfschutz bereits 
6 Monate nach der Typhus-Scliutzimpfung wieder geschwunden. 

Prof. Dr. Jürgens (Berlin): Paratyphus ist klinisch von Typhus 
nicht zu unterscheiden; nur die perakute Form der paratyphösen Darmerkran- 
kung bildet ein selbständiges Krankheitsbild. 

Dr. Munk (Berlin): Die Schutzimpfung gestaltet den Verlauf des 
Typhus milder; bei Nichtgeimpften waren 67 °/o schwere und 12 "/o leichte, bei 
Geimpften 24°/« schwere und 38"/o leichte Fälle. Eine Folge der Schutz¬ 
impfung ist ferner der Belten positive Befund von Typhusbazillen im Blut. 

Dr. Friedberger (Greifswald) betont als wichtiges diagnostisches 
Merkmal, daß bei Geimpften die frühere Impfstelle sich rötet und druck- 
emlindlich wird, wenn sie an Typhus erkranken. Dieses Symptom ist jetzt 
um so wertvoller, als die serologische und z. T. auch die klinische Diagnose 
(Milzvergrößerung, Leukozytenzabl) nach der Schutzimpfung oft im Stich läßt. 

Prof. Dr. v. Drigalski (z. Zt. Brüssel) empfiehlt, die Daueraas¬ 
scheider einer Diät mit reichlicher Mehl- und Fettzufuhr zu unterstehe!. 



für innere Medizin in Warschau. 


546 


Diese Nährungsmittel geben einen Stuhl, der sich für Typhusbazillen als Nähr¬ 
boden nicht eignet und ihr Wachstum im Darm behindert. 

Prof. Dr. Schittenheim (Kiel): Bei einem Armeekorps, von dem die 
eine Division gegen Typhus gut durchgeimpft war, die andere nicht, stammten 
fast alle Typhuszugänge von der schlecht geimpften Division. S. wiederrät 
bei Typhus die intravenöse Serumbehandlung mit hohen Dosen bei frischen, 
hochfieberhaften Fällen; dagegen scheinen kleine, um je */ioo ccm steigende 
Dosen (0,01, 0,03 u. s. f.) nach 3—4 wöchiger Fieberdauer gegeben, die Ent¬ 
fieberung zu begünstigen. 

Prof. Dr. Benario (Frankfurt a. M.) betont demgegenüber, daß große 
Dosen Typhus-Impfstoff vielfach zweifellos günstig wirken. 

Dr. Li pp mann (Frankfurt a. M): Im Inkubatiousstadium aus¬ 
geführt beschleunigt die Typhusimpfung den Ausbruch der Erkrankung, ohne 
auf den Verlauf ungünstig einzuwirken. Gegen die Impfung auch solcher 
Personen bestehen also keine Bedenken. 

Prof. Dr. Conradi (Dresden) konnte mit Hilfe seiner Galle-Anreiche¬ 
rungsmethode aus den Boseoien noch Typhusbazillen züchten, wenn der Nach¬ 
weis im Blut versagte. 

Prof. Dr. Singer (Wien) erinnert daran, daß er bereits 1896 die Züch¬ 
tung der Bazillen aus dem Roseoleninhalt empfohlen habe. 

Dr. Unterberg (Pest) beobachtete Fälle mit Milz- und Leberschwellung, 
Entzündungserscheinungen in der Gallenblasengegend und Roseolen, häufig auch 
noch andere Typhussymptome. Das Krankheitsbild konnte aber durch Bazillen¬ 
nachweis nicht geklärt werden. 

Y. Ruhr (Dysenterie). 

a. Erster Berichterstatter Prof. Dr. Matthes (Königsberg): Die 
Aetiologie der Ruhr im Felde ist keine einheitliche; anfangs wurden über¬ 
haupt keine Bazillen gefunden, dann Pseudodysenteriebazillen und zuletzt auch 
echte Ruhrstämme. Die Hauptschuld an dem Versagen der bakteriologischen 
Diagnose trug die weite Entfernung der Untersuchungsstationen; das Material 
enthielt infolge der langen Versanddauer keine kultivierbaren Ruhrbazillen 
mehr. Das klinische Bild war gleichfalls ein recht verschiedenes. Anfangs 
verliefen die Erkrankungen als leichte Diarrhoen, die meist auf Erkältungen, 
Diätfehler, Uebermüdung und dgl. zorückgeführt wurden. Die Kranken blieben 
meist bei der Truppe. Nichtsdestoweniger kann die infektiöse Natur auch bei 
diesem leichten Verlauf nicht zweifelhaft sein, da es sich meist um Massen¬ 
erkrankungen handelte und in den Lazaretten diese auch auf Schwestern und 
andere Krankenpflegepersonen übertragen wurden; außerdem hatte Verlegung 
durchseuchter Truppenteile oft dieselbe günstige Wirkung wie im Frieden, 
wenn Uebungsplätze gewechselt werden, weil dadurch Brutstätten der Seuchen, 
besonders infektiöse Lagerstätten von Abfallstoffen, ausgeschaltet wurden. 
Später, namentlich bei direkter Züchtung vom Krankenbett, wurden öfter 
positive Bazillenbefnnde erhoben, jedoch ohne direkte Beziehung zur Schwere 
des KrankheitsVerlaufes. Fieber ist bei leichten Fällen meist nur anfangs 
vorhanden; die länger dauernden zeigen eine sehr wechselnde Temperaturkurve 
mit unregelmäßigen Anstieg und Abfall. Der erkrankte Dickdarm ist spastisch 
kontrahiert und als solcher auch vielfach zu tasten. Von ihm geht der 
charakteristische Schmerz in der Magengrube aus, der auch noch in der 
Rekonvaleszenz durch Druck an dieser Stelle bervorgerufen werden kann. 
Direkt sichtbar ist rektoskopisch die Mastdarmscbleimhaut, die anfangs glasig 
geschwollen, wie mit Flüssigkeit durchtränkt erscheint, später blutrot gefärbt 
und mit blutigem Schleim bedeckt ist. Vom 8. Tage ab treten auf ihr 
Geschwüre auf; diese heilen von oben nach unten fortschreitend ab; ihre 
Beobachtung ergibt, wio schon Singer (Wien) betonte, für die Feststellung 
der Heilung sicherere Anhaltspunkte als die bakteriologische Untersuchung. Die 
Stühle sind anfangs Gährungsstüble oder grün gefärbt wie bei Dünndarm¬ 
katarrhen. Milzschwellung ist selten; Diazoreaksion ist stets positiv. Rück¬ 
fälle sind häufig, namentlich bei Diätfehlern oder Kälteeinflüssen. Als Be¬ 
handlung genügt in leichten Fällen Bettruhe und Diät. Gut vertragen 
wurden u. a. Weißkäse, Yogkurtmilch, Bananenmehl, Molke, Hafergrütze und 
dergl. Von Medikamenten bewährten sich zur Reinigang des Darmes Rizinusöl, 
als Adstringentlon und zur Bindung der Gifte Tierkohle, Bolusal, Ratanhia. 



646 


Außerordentliche Tagung des Deutschen Kongresses 


und Catecbu«Abkochungen, Calciumtannin, Dermatol, Jodtinktur (20 Tropfen 
auf 200 ccm Wasser), auch zusammen mit Papaverin; am wirksamsten waren 
Darmausspülnngen, auch Bleibeeinläufe mit 10°/o Dermatolaasschüttelungen. 
Es erwies sich als zweckmäßig, mit den Mitteln öfter zu wechseln, da die 
verschiedenen Krankheitszustände auf die einzelnen Mittel ungleich reagieren. 
Die Serumbehandlung hatte Erfolge, wenn mindestens 100 ccm 8erum intravenös 
injiziert wurden; auch Injektionen von einfachem Pferdeserum hatten gleich 
gute Erfolge. 

b. Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Kruse (Leipzig) besprach als zweiter 
Berichterstatter besonders das bakteriologische und epidemiologisehe 
Verhalten der Ruhr im Felde. Der Verlauf der Ruhr war in diesem Kriege 
milder als in früheren Kriegen, weil sehr häufig Pseudodysenteriebazillen die 
Erreger waren. Bakteriologisch konnte der Nachweis oft nicht geführt 
werden, weil die Bazillen sehr schnell durch andere Keime überwuchert werden 
und daher nur Untersuchung der frischen Entleerungen zum Ziel führt. 
Trotzdem kann an der infektiösen Natur der Erkrankungen kein Zweifel sein. 
Bei fehlendem Bazillennachweis ist Pseudoruhr nur dann auszuschließen und 
echte Ruhr anzunehmen, wenn Ruhrbazillen bei mindestens ßOfacher Verdünnung 
vom Blutserum agglutiniert werden. Die Annahme, daß auch Kolibazillen 
und Streptokokken Ruhr verursachen können, ist unbegründet. Die einzelnen 
Gruppen der echten Ruhrstämme von einander zu unterscheiden ist oft deshalb 
schwer, weil sie eine gewisse Veränderlichkeit zeigen. 

Epidemiologisch spielt die Hauptrolle die Uebertragung von 
Person zu Person oder die Berührung mit infektiösen Abfallstoffen, seltener 
die Aufnahme der Keime mit dem Wasser oder der Nahrung; auch die Bazillen¬ 
träger haben nicht die Bedeutung wie beim Typhus. Sehr begünstigt wird 
das Auftreten der Ruhr, namentlich wenn Pseudodysenteriebazillen die Erreger 
sind, durch Hitze. Von der Serumbehandlung hat K. weniger günstige Erfolge 
gesehen. 

Aussprache. 

Prof. Dr. Schittenhelm (Kiel) beobachtete bei einer Armee eine 
Sterblichkeit von 4,47 "/o; besonders bemerkenswert waren Fälle von Spättod. 
Bei der Behandlung bewährten sich Seruminjektionen von 80—100 ccm. 

Oberarzt Dr. Ziem an n (Berlin) empfiehlt Karlsbader Salz zusammen 
mit Wismut, Dr. Rah ns (Salzburg) Einläufe mit salpetersaurem Silber. 

Prof. Dr. Schüller (Wien) weist auf die nach Ueberstehen der Krank¬ 
heit oft noch lange bleibenden Schmerzen in den Tibien bin, für die sich ein 
lokaler Befund nie erheben ließ. Sie finden sich oft bei Erkrankungen, die mit 
Nierenentzündung oder Milzschwellung einhergehen. 

Geb. Med.-Rat Prof. Dr. His (Berlin) ließ in der 2. Masurenschlacht 
eine infizierte Truppe, von der eine Anzahl von Mannschaffen erkrankte und 
zu 8,8 "/o Ruhrbazillen auf wies, in dem Kampfraum und sorgte nur für 
Isolierung der Erkrankten in einem abgesonderten Dorfe; nach 8 Tagen war 
die Epidemie vorüber. 

Dr. Go tschl ich (Saarbrücken) beobachtete mit Bör ns tein eine Ruhr- 
epidemio mit 10 "/o Sterblichkeit. Die gefundenen Ruhrbazillen wurden von 
I'seudodysenterie-Serum (Flexner) in hohem Maße mitagglutiniert, ebenso 
zeigte das Patientenserum eine hohe Mitagglutination für F1 ex n er baxillen. 
Es handelte sich um eine Variationserscheinung, die nach mehrmonatiger Fort¬ 
züchtung der Stämme schwand. 

Prof. Dr. F. Pick (Prag) hatte bei einer Gruppe ruhrkranker Soldaten 
10—25°/o positive Bazillenbefunde. Als die Krankheit durch Brotverkauf in 
die Zivilbevölkerung verschleppt war, fanden sich hier in 7ö # /o der Fälle der 
K r u 8 e -, in 4"/» der Flexner bacillus, und zwar zuweilen beide Stämme in 
einer Familie. 

Dr. M. Kaufmann (Halle a. S.) berichtet, daß nach Beobachtungen 
von Ohrt. Schmidt (Halle) die Ruhr in 6*/o der Fälle chronisch wird. Die 
chronischen Formen gehen mit hochgradiger Erschöpfung einher und lassen 
sich klinisch einteilen in eine chronisch-katarrhalische, oft rezidivierende Dick¬ 
darmerkrankung, eine dyspaptisebe mit fehlendem Magensaft und vorwiegender 
Beteiligung des Dünndarms und eine spastische Form; bei letzterer fehlen die 



für innere Medium in Warschau. 


547 


Durchfälle; im Röntgenbild sieht man Aussparungen, Defekte, ja bis handbreite 
Unterbrechungen des Darmschattens. 

Prof. Dr. Kruse (Bonn) betont im Schlußwort, daß die Angaben 
yon Schmidt Ober 5 # /o chronischer Rnhrfälle hoch sind, da ihre Häufigkeit 
sonst nur auf 3°/« geschätzt wird; seine Mitteilungen verdienen daher um so 
mehr Beachtung. 

Vierte Sitzung am 2. Mai d. J. nachmittags. 

TI. Nierenentzündungen im Felde. 

Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Hirsch (Göttingen): Im gegenwärtigen Kriege 
ist nach Berichten deutscher, österreichisch-ungarischer und englischer Aerzte 
die Nierenentzündung sehr häufig, relativ häufiger als z. B. 1870/71, wenngleich 
eine Anzahl der jetzt beobachteten Erkrankungen auch schon bei der Einstellung 
in den Kriegsdienst in latenter Form bestand. Besonders beteiligt sind die 
älteren Jahrgänge von 35—40 Jahren, ferner ist die Krankheit an der Ostfront 
häufiger als an der Westfront und überall am meisten verbreitet unter der 
fechtenden Truppe, also bei der Infanterie, weniger z. B. bei den Pionieren 
oder der Artillerie. Ursächlich kommen für die meisten Fälle Erkältungen 
und Durchnässungen in Betracht; so häufen sich die Erkrankungen namentlich 
in den nassen und kalten Monaten Oktober bis Dezember, und März und April. 
Ferner wirken im Bewegungskrieg große Marschleistungen und Schlafen auf 
kalter Erde, im Stellungskrieg Feuchtigkeit der Schützengräben, Schlafen in 
nassen Unterständen schädigend auf die Nieren ein. Eine weitere Ursache 
bilden Infektionen: Angina, Furunkel, Streptokokkenerkrankungen, Typhus und 
Ruhr. Dagegen scheinen Schutzimpfungen, Einwirkung chemischer Läusemittel, 
rheumatische Erkrankungen nicht in Frage zu kommen. Wichtiger ist lange 
fortgesetzte einseitige Ernährung, z. B. auch zu lange durchgeführte Schleim¬ 
diät bei Ruhrerkrankungen. 

Klinisch zeigt der Verlauf der Krankheit oft Fiebersteigerungen, be¬ 
sonders bei Beginn und Steigerung der Nierensymptome. Sehr oft und schnell 
treten Oedeme im Unterhautzellgewebe, in der Bauch- und Brusthöhle auf. 
Die Harnmenge ist anfangs vermindert und enthält in 50°/o der Fälle Blut¬ 
beimengungen; der EiweiSgehalt ist hoch und übersteigt oft 6 — 8°/oo. Mehr¬ 
fach wurde auch Milzschwellung gefunden. Der Blutdruck war erhöht, betrug 
140 — 180 mm Quecksilber; war er von vornherein höher als 200 oder blieb er 
nach Rückgang der anderen Krankheitserscheinungen hoch, so bandelte es sich 
in der Regel um ältere Nierenerkrankungen, die ein akutes Rezidiv durch¬ 
machten. Augenhintergrundsveränderungen im Sinne der bekannten Retinitis- 
albuminurica fanden sich nie. Typisch für die Kriegsnephritis sind: Hochgradige 
Oedementwickelung und die Neigung zu Rezidiven; es handelt sich um eine 
Erkrankung der Glomeruli mit Epitheldesquamation auch der Tabuli, anatomisch 
demnach um einen Prozeß, der keine Besonderheiten bietet. Er führt zu einer 
Zurückhaltung von Stickstoff, weniger von Salz und Flüssigkeiten im Körper. 
Die Diät hat demnach Fleisch, Salz und zuviel Flüssigkeit zu vermeiden, 
anderseits ist sie auch nicht schematisch monatelang auf Milch oder Schleim¬ 
suppen zu beschränken. Ebenso zwecklos ist es demnach, Heilwässer in großer 
Menge zu verordnen oder die Kranken in sog. Nierenheilbäder zu schicken; 
Bettruhe ist bei Eiweiß- und ßlutbeimenguog im Urin die Hauptforderung der 
Behandlung. Der weitere Verlauf und Endausgang sind günstig; die Sterb¬ 
lichkeit beträgt noch nicht l°/o. 

Aussprache. 

Prof. Dr. Bruns (Marburg) fand im Stadium der Oedeme bei etwa der 
Hälfte der Fälle Erhöhung des Reststickstoffs von 150—187 mg auf 100 ccm 
Blut; die Kochsalzaussrheidung war im ganzen leidlich: von 5 g des Nahrungs¬ 
kochsalzes wurden ca. 2,7 g wieder ausgeschieden. Es fanden sich demnach 
dieselben Werte wie bei der im Frieden beobachteten Glomerulonephritis. 

Dr. Jungmann (Berlin) faßt das Leiden gleichfalls als Glomerulo¬ 
nephritis auf; er schreibt infektiösen Ursachen eine wesentliche Bedeutung 
zn, weil das Leiden oft gehäuft auftritt, häufig mit Fieber und Iufektionsmilz 
(Follikelschwellung) verläuft und Herzmuskeldegeneration zur Folge hat. 

Geh. Rat Prof. Dr. S t i n t z i n g (Jena) hebt die Häufung derErkrankungen 



548 Außerordentliche Tagung des Deutschen Kongresses für innere Medizin. 


in den Monaten November bis März und ihren Zusammenhang mit Erkältungen 
hervor; diese im Verein mit Infektionen bilden die Ursache der Kriegsnephritis. 

Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Gold scheid er (Berlin) konnte in 25°/» der 
beobachteten Fälle eine Erkältung nicht als Ursache nachweisen; bei ge¬ 
häuftem Auftreten ist als solche eine Infektion anzunehmen. Zar Ver¬ 
hütung der Erkrankungen empfiehlt er Hygiene der Schützengräben, warme 
Unterstände, warme Kleidung, unter Umständen Totalexstirpation der Gaumen¬ 
mandeln. Er befürwortet Vermeidung von Transport im akuten Stadium und 
Behandlung in der Etappe. Die Sterblichkeit hat er auf 1,3 v /o berechnet 

Prof. Dr. Alfr. Müller (Tübingen) berichtet über eine neue Methode, 
durch die er die Haut des lebenden Menschen durchsichtig machen kann und 
die Kapillaren derselben direkt untersuchen kann; diese wiesen bei chronischer 
Nephritis starke Schlängelung und Anastomosenbildung auf Er empfiehlt, in 
dieser Weise auch bei akuter Nephritis Untersuchungen anzustellen. 

Prof. Dr. Matth es (Königsberg i. Pr.) bestätigt die auch von anderer 
Seite gemachte Beobachtung, daß Offiziere nur selten an akuter Nephritis 
erkranken. 

Prof. Dr. Rumpel (Hamburg) stellte nach einem Armeegepäckmarsch 
bei 24°/o der Teilnehmer Eiweiß im Urin fest, in 80®/» hyaline und granulierte 
Zylinder und bei */< der letzten Fälle auch rote Blutkörperchen. Die Benzidin¬ 
probe auf Blutgehalt war in 85®/o der Gesamtzahl positiv. Die körperliche 
Ueberanstrengung führt durch Zerfall roter Blutkörperchen zum Freiwerden 
von Hämoglobin (Hätnoglobinaemie), das durch die Nieren ausgeschieden wird 
(Hämoglobinurie). Nach dem Marsch enthielt der Urin bei 20 ®/» der Fälle 
auch Aceton und Acetessigsäure 

Prof. Dr. N e i 8 s e r und Dr. W. R e i m a n n (Stettin) schildern eingehend 
das klinische Bild der Kriegsnephritis von den leichten bis zu den schwersten 
hämorrhagischen Formen. Sie fanden bei allen eine Retention von Chlor und 
Wasser, nicht des Stickstoffs im Körper. In der Niere scheint es im Beginn 
der Erkrankung durch Kontraktion der Gefäße zu einer Ischaemie, danach 
durch Lähmung der Gefäße zur Stauung und Hyperaemie zu kommen. 

Prof. Dr Straßburger (Frankfurt a. M.) sieht in toxischer Schädigung 
der Hautgefäße und Nieren die Hauptursacbe; deshalb tritt die Kriegsnephritis 
auch so häufig im Gefolge infektiöser Darmerkrankungen auf. 

Prof. Dr. Rostoski (Dresden) fand bei 50°/» der Erkrankungen Typhus¬ 
bazillen im Urin. 

Prof. Dr. J. Ci tron (Berlin) betont gleichfalls die infektiös eNatur 
der Kriegs-Nierenentzündung. Er konnte bei den meisten Erkrankungen nach¬ 
weisen, daß sie 5—14 Tage vorher eine fieberhafte Erkrankung durchgemacht 
hatten und fand bei 89,3 °/o der Fälle eine Streptokokkentonsillitis. Durch 
Herausnahme derMandcln ließ sich in sehr vielen Fällen eine auffallende 
Besserung erzielen. Auch Läuseekzeme und daran anschließende Furunkel 
scheinen ätiologisch in Betracht zu kommen. Auffallend war der günstige 
Verlauf auch bei schweren Fällen. 

Dr. F. Munk (Berlin) führt als di ff er entialdiagnos tisch wichtig 
den Befund von doppeltbrechenden Lipoiden im Urin von Kriegs-Nephritikern 
an, der sich bei der großen weißen Niere, die klinisch ein ähnliches Krankheits¬ 
bild bietet, nie findet. 

Prof. Dr. Volhard (Mannheim): Bei der akuten Erkrankung kommt 
es durch Schwellung des Parenchyms zu einer Kompression der Nierengefäße 
und dadurch zu eiuer allgemeinen Blatdrucksteigerung. Der Blutamlauf in 
den Glomeruli kann so behindert werden, daß sie völlig blutleer werden. Die 
Heilung besteht in Wiederherstellung des normalen Blutumlaufes in den Glo¬ 
meruli. Das Leiden ist sehr leicht heilbar, solange die Veränderungen in den 
Nieren noch rückbildungsfäbig sind. Die Bebandung muß daher so schnell 
als möglich und zwar am zweckmäßigsten in Sonderlazaretten für Nieren¬ 
kranke eingeleitet werden. 

l)r. Knack (Hamburg) konnte Unterschiede hinsichtlich der Truppen¬ 
gattung. des Alters und der Jahreszeit nicht festslellen. Er fand den Rest¬ 
stickstoff mäßig erhöht, ebenso die Retention von Kochsalz wenig gesteigert, 
erheblich dagegen die Wasserausscheidung gestört. Die endgültige Heilung 
erfolgte nach 6—7 Monaten. 



Außerordentliche Tagung für prakt. Durchführung von Massenspeisungen. 549 


Dr. C. Kays er (Berlin) beobachtete 50 Fälle, die ganz unter dem Bilde 
einer Scharlachnephritis verliefen; als Infektionsvermittler kamen vielleicht 
Läuse in Frage. Die Kranken zeigten in der S. Beobachtungswoche eine 
kleienartige Schuppung auf Stirn- und Kopfhaut und in der 7. Woche auch 
eine lamellöse Schuppung an den Händen, die der bei Scharlach sehr ähnelte. 

Dr. Porges (Wien) züchtete aus dem steril gewonnenen Drin durch 
Uebergießen mit Bouillon häufig Streptokokken. Die Behandlung bestand 
in 2—3 Wochen fortgesetzter salz- und sticksoffarmer Diät (täglich: 500 g 
Kartoffel, 200 g Brot, 60 g Reis oder Gries, 80 g Fett, Tee, Fruchtsäftfe). 
Zwei Wochen danach waren die Oedeme, nach 6—8 Wochen die anderen 
Krankheitserscheinungen bis auf Spuren von Eiweiß zurückgegangen. 

Prof. Dr. Schittenhelm (Kiel) faßt als Besonderheiten der 
Kriegsnephritis folgende Befunde zusammen: Milzschwellnng in 6°/o der Fälle, 
Eosinophilie bei etwa 10%>, Lipoide im Drin bei ungefähr V, der Fälle. — 
Die Sterblichkeit betrug 0,7 °/u, zu völliger Heilung kamen 80 # /o. Vom 
35. Lebensjahr ab tritt die Krankheit häufiger auf; relativ am stärksten be¬ 
troffen ist das 41. Lebensjahr. 

Bericht über die am 3. and 4. Jali d. J. in Berlin 
abgehaltene ausserordentliche Tagung für praktische 
Durchführung von Jüassenspeisungen. 

(Schluß.) 

Zweiter Sitzungstag, Dienstag, den 4. Juli d. J. 

4. Die praktische Durchführung der Massenspeisung in Hamburg. 
Dr. O. Lohse- Hamburg betont zunächst, daß man in seiner Heimatstadt auf 
dem Standpunkt stehe, die Bedeutung der Massenspeisung dürfe sich nicht auf 
das wirtschaftliche Gebiet beschränken, sondern müsse sich in sehr starkem 
Maße auch auf das volkshygienische Gebiet erstrecken. Es handele sich 
also nicht nur darum, die vorhandenen Lebensmittel sparsam auszunutzen, 
sondern vor allem darum, der Masse der Bevölkerung trotz der starken Preis¬ 
steigerung der notwendigen Lebensmittel und der Lebensmittelknappheit eine 
einigermaßen ausreichende Ernährung zu sichern. In Hamburg, wo 
Kriegsküchen seit den ersten Tagen des Krieges bestehen und deren Zahl 
allmählich auf 80 gestiegen ist, haben sie sich durchaus bewährt; es werden 
dort einschließlich der Schulkinder in Schulküchen täglich etwa 165000 Personen 
gespeist; das Essen wird in Mengen von 1 Liter für 20 Pfg. und */e Liter für 
10 Pfg. abgegeben; die Selbstkosten betragen aber 40 Pfg., so daß die Ham- 
burgische Staatskriegshilfe 20 Pfg. für jedes Liter Essen zuschießen muß (bis 
jetzt etwa 650000 M.). Die Abgabe erfolgt zurzeit an jeden ohne Prüfung 
der Bedürftigkeit. Das Essen wird abgeholt; nur unverheiratete Personen 
können es an Ort und Stelle einnehmen. Auf Grand fast zweijähriger Er¬ 
fahrungen bei den Hamburger Küchen haben sich nach Ansicht des Redners 
folgende Punkte als wünschenswert herausgestellt: 

„1. Die Leitung der Küchen muß zentralisiert, der Betrieb einheitlich 
geregelt sein. Die einzelnen Küchen sind dauernd zu überwachen. 

2. Die Küchen sind über die Stadt derart zu verteilen, daß von jedem 
Punkte aus eine Küche leicht zu erreichen ist. Fahrbare Küchen sind nicht 
zu empfehlen. 

8. Die Küchen müssen unter eigener Verwaltung stehen, unter voll¬ 
ständigem Ausschuß unterstützungsbedürftiger Wirtschaften und Mittagstische, 
möglichst auch solcher Anstalten, die gewohnt sind, mit selbst kleinem Vor¬ 
teile zu arbeiten. 

4. Es ist nahrhaftes und schmackhaftes Essen unter Berücksichtigung 
der örtlichen Gewohnheiten zu verabreichen. Während der Essenausgabe hat 
strenge Ordnung zu herrschen (Markenausgabe am vorhergehenden Tage). An 
Sonntagen ist nicht zu kochen. 

5. Der gemeinsame Mittagstisch ist nur für alleinstehende Personen und 
Arbeiter mit kurzer Mittagspause bestimmt Familien müssen das Essen abholen. 

6. Bei der Teuerung können die Küchen ein nahrhaftes Essen zu einem 
erschwingbaren Preise nicht ohne größeren Zuschuß der Gemeinde liefern. 

7. Die Lebensmittelzentrale der Küchen muß rein kaufmännisch ver¬ 
waltet werden und über große Mittel frei verfügen können. 



56C 


Bericht über die außerordentliche Tagung für praktische 


8. Die Stadtgemeinde muß die Massenküchen bei der Verteilung der 
Vorräte und beschlagnahmten Lebensmittel bevorzugen. Dagegen sind die 
Warenbezugskarten der Eüchenbesucher entsprechend zu entwerten." 

5. Die Abgrenzung des Besucherkreises bei den Hassenspefsungbn 
wurde von Stadtrat Matthes-Dresden besprochen. Er hatte dabei anschließlich 
die Verhältnisse der Großstädte im Auge, für die überhaupt die Massenspeisung 
hauptsächlich in Betracht kommt. Ihre Durchführung alsZwangsspeisnng 
ist als undurchführbar, ungerecht und unzweckmäßig allseitig anerkannt; das¬ 
selbe gilt auch für die Zwangsspeisen einzelner Schichten der Bevölkerung 
oder einzelner Stadtteile. Dagegen ist ihre zwangslose Durchführung für 
möglichst große Kreise anzustreben, die jedoch ohne Abgrenzung des Besucber- 
kreises nicht möglich ist. Schon die Beschaffung der Hauptnahrungsmittel wie 
die Beschaffung der übrigen Kocheinrichtungen nötigt zur möglichsten Be¬ 
schränkung; durch die Selbstbeköstigung der Familien mit höherem Einkommen 
werden außerdem die teueren und nur in geringer Menge vorhandenen Nahrungs¬ 
mittel besser ausgenutzt, als bei ihrer Verwendung zur Massenspeisung. Für 
die Abgrenzung des Besucherkreises kann aber weder die Höhe des Einkommens 
noch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsklasse maßgebend sein; 
denn bei der Knappheit der Hauptnahrungsmittel und bei der Schwierigkeit 
ihrer Beschaffenheit finden sich in allen Ständen und Kreisen Familien, die 
schließlich mit Becht Anspruch auf die Massenspeisungseinrichtungen haben. 
Die öffentliche Speisung soll daher an sich jedermann zugänglich sein; 
einem Mißbrauch ist nur vorzubeugen durch gewisse Bedingungen bei der An¬ 
meldung: teilweise Anrechnung der Nahrungsmittelkarten, vorherige Lösung der 
Speisekarte auf mehrere Tage usw., möglichst scharfe Beaufsichtigung unter 
Mitwirkung der vorhandenen Wohltätigkeitsvereine, bei denen die wirklich be¬ 
dürftigen Familien am besten bekannt sind. 

6. Die Frage betreffs der Anrechnung von Lebensmittelkarten wird 
von dem Berichterstatter, Oberbürgermeister Dr. Dehne-Plauen, unbedingt be¬ 
jaht, da sonst einer der Hauptzwecke der Massenspeisungen und Sparsamkeit im 
Verbrauch von Nahrungsmittel durch deren Dehnung und Streckung fast 
völlig verloren gehen würde. Insbesondere ist eine solche Anrechnung bei Fleisch, 
Kartoffeln, Fett, Butter, Gries, Reis, Graupen und Teigwaren erforderlich, 
während sie sich bei Brot und Mehl erübrigt, weil Mehl nur verhältnismäßig 
wenig verbraucht wird und den Gemeindeverbänden meist genügend zur Ver¬ 
fügung steht, um damit auch die Kriegsküchen zu versorgen. Schwierig ist 
allerdings die Frage zu beantworten, in welche Höbe und in welcher Welse 
soll die Anrechnung erfolgen ? Redner ist nicht in der Lage, eine bestimmte 
Antwort über die beste Form dieser Anrechnung zu geben, dazu hätte es einer 
zuvorigen Umfrage durch Deutschland bedurft. Jedenfalls sei aber bei allen 
Verfahren darauf zu achten, daß man stets zugunsten des Karteninhabers nach 
unten abrunden solle und die Abtrennung oder Entwertung der Karten nicht bei 
der Speiseausgabe erfolgen dürfe. 

7. Zentralisation, Dezentralisation und Beteiligung privater Ter* 
eine bei der Massenspeisnng. Berichterstatter: Stadrat Prof. Dr. Stein* 
Frankfurt a. M.: Die Massenspeisung bildet ein untrennbares Glied unserer ge¬ 
samten Lebensmittelversorgung, sie trägt jetzt nicht mehr den Charakter einer 
Wohlfabrtseinrichtung, sondern gehört zu den Pflichtaufgaben der Gemein¬ 
den. Sie soll nicht nur der Bevölkerung ausreichende Nahrung in besserer Zu¬ 
bereitung liefern, sondern auch zur Streckung der Lebensmittelvorräte und zur 
Schonung des Lebensmittelmarktes beitragen, der sowohl durch die Angstkäufe 
der einzelnen, als durch die Massenankäufe der Heeresverwaltung übermäßig 
verteuert wird. Das erste Gebot für die Organisation der Massenspeisungen 
ist Zentralisierung der Leitung, die vor allem die Vorratsbeschafiung 
in der Hand haben und beim Einkauf darauf Bedacht nehmen muß, daß sie 
dadurch nicht die Lebensmittelbeschaffang anderer erschwert und verteuert; 
sie darf also nur dann kaufen, wenn die kleinen Käufer nicht kaufen oder 
noch nicht kaufen. Die Einrichtung von Massenspeisungen soll außerdem nicht 
unter dem bestehenden Einfluß der Mode und des Schlagwortes „Massen- 
Speisungen 14 erfolgen, sondern nur dann, wenn die örtlichen, sachlichen und 
persönlichen Voraussetzungen und Bedingungen dafür gegeben sind; sie ist 



Durchführung von Massenspeisungen. 


551 


also lediglich eine Frage des Ortes, die yon den örtlichen verantwortlichen 
Stellen zu entscheiden ist. Durch die Massenspeisungen darf weiterhin den 
von ihnen Qebrauch machenden Bevölkerungsschichten nicht ein Mehr an 
Nahrungsmitteln zugeführt werden, deshalb Anrechnung der dabei ver¬ 
brauchten Nahrungsmittel, soweit diese kontingentiert sind, auf die Lebens¬ 
mittelkarte, jedoch nicht in kleinlicher Weise. Im Gegensatz zu der 
straffen Zentralisierung von Leitung und Einkauf, muß selbstverständlich der 
Ausgabedienst möglichst dezentralisiert sein. Bei dem verabfolgten 
Essen kommt es nicht nur auf den Nährwert, sondern vor allem auch auf die 
Schmackhaftigkeit an; deshalb sind dezentralisierte Küchen mit Ab¬ 
gabestellen vorzuziehen, da in ihnen dem Geschmack der Bevölkerung mehr 
Kechnung getragen wird und auch der Schaden nicht so groß ist, wenn einmal 
eine Speise mißglückt. Das System der Zentralküche mit örtlich verteilten 
festen Abgabestellen oder unter Benutzung von fahrbaren Küchen ist deshalb 
nur als Notbehelf zu empfehlen. —• Die Frage, ob Gemeinde- oder Ver¬ 
einsbetrieb den Vorzug verdient, ist keine grundsätzliche, sondern eine 
Tatfrage. Von grundsätzlicher Bedeutung ist dagegen, daß die Leitung selbst¬ 
ständig und rasch entscheiden kann, sowie von bureaukratiscben Hemmungen und 
Rücksichten frei ist. Die Geschäftsführung muß jedenfalls, auch wenn die 
Speisen unter Verlust abgegeben werden, nach kaufmännischen Hegeln 
buchhaltungsmäßig genau erfolgen. Desgleichen darf die Speisung, einerlei 
von wem sie ausgeht, ob sie mit oder ohne Zuschüsse erfolgt, keinerlei 
Wohltätigkeitscharakter tragen. Liegt die Massenspeisung in der 
Hand privater Vereine, so ist ein Zusammenarbeiten mit der Gemeindebehörde 
notwendig. 

Aussprache. 

Der Vorsitzende eröffnet die nunmehr beginnende Besprechung der 
Vorträge des zweiten Sitzungstages mit einigen einleitenden Worten, in denen 
er aus den bisherigen Verhandlungen den Schluß zieht, daß die Frage über die 
Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit noch keineswegs entschieden sein dürfte. 
Namentlich scheine es den weitesten Kreisen an Erfahrungen zu fehlen, wie 
es gemacht werden solle. Er bittet deshalb um Mitteilungen in dieser 
Hinsicht und ersucht, alle derartigen beachtenswerten Erfahrungen auch später 
der Zentralstelle für Volks Wohlfahrt zur Verfügung zu stellen, damit diese für 
ihr weiteres Bekanntwerden durch Veröffentlichung in ihren Organen: „Con- 
cordia“ oder „Korrespondenz für Kriegswohlfahrtspflege“ sorgen könne. 
Gleichzeitig bittet er, sich in der Aussprache auch über diesen Vorschlag zu 
äußern. 

Stadtrat Paul • Magdeburg betont, daß die Frage, ob und in welchem 
Umfange die Massenspeisung einzurichten ist, nach den örtlichen Verhält¬ 
nissen in den einzelnen Gemeinden entschieden werden muß. Jedenfalls ist 
sie aber auf das unbedingt notwendige Maß und die Hauptmahl¬ 
zeit zu beschränken; die Beschaffung der übrigen Mahlzeiten muß Sache der 
einzelnen Haushaltungen bleiben. Sie hat ferner besonders dann einznsetzen, 
wenn die wichtigsten Nahrungsmittel knapp werden und eine Unterernährung 
droht; desgleichen ist sie nicht nur auf Arme und Kriegerfamilien zu be¬ 
schränken, sondern auch dem wenig bemittelten Mittelstand, dem großen 
Heer der Festbesoldeten das Recht der Speiseentnahme zum Selbstkostenpreis 
einzuräumen. Die Lebensmittelkarten müssen zum Teil angorechnet 
werden, ohne Rücksicht darauf, ob die Massenspeisung dadurch unpopulär wird 
oder nicht. Die Forderung, daß aus den den Kommunalverbänden zu¬ 
gewiesenen Lebensmitteln in Zeiten ordnungsmäßiger Versorgung die nötige 
Reserve an Kartoffeln, Mehl, Qülscnfrüchten usw. für die Massenspeisung zu¬ 
rückgestellt wird, ist nach Ansicht des Redners ebenso richtig als berechtigt; 
dagegen teilt er nicht das absprechende Urteil über die fahrbaren Küchen, 
die bei ungünstiger Lage der Zentralküche sehr wohl ausgleichend wirken können. 

Frau Baronin Horn - München weist auf die Notwendigkeit hin, aach für 
zweckmäßige Abfallverwertung der organisierten Massenspeisungen zu 
sorgen; in Cöln habe man z. B. zweckmäßig eine Trockenanstalt für Abfälle 
eingerichtet, um diese dadurch zu Futterzwecken nutzbar zu machen. Sie hält 
weiterhin die Sonntagsspeisung für ein zurzeit nicht zu vermeidendes Uebel 
und spricht sich nochmals gegen die ausschließliche oder fast ausschließliche 



552 


Bericht über die außerordentliche Tagung für praktische 


Verwendung von ehrenamtlichen Kräften aus, namentlich in leitenden 
und verantwortlichen Stellen. In diese dürften nur dafür befähigte Personen 
gesetzt werden unter Ausschaltung von jedem Dilettantismus; ihr Gehalt spiele 
bei den enormen Snmmen, die der Betrieb verlange, keine Rollo. Der richtige 
Mensch an die richtige Stelle, gleichgültig, ob ehrenamtlich oder ob bezahlt. 

Dr. med. Bornstein - Leipzig berichtet über die Leipziger Massenspeisungen, 
die teils durch bereits vorhandene oder neu eingerichtete Speiseanstalten (Volks* 
küchen), teils durch Gastwirtschaften erfolgt, mit denen entsprechende Verträge 
abgeschlossen sind. Die ersteren liefern täglich bis 20 000, die letzteren bis 
6000 Portionen, die für 25 Pf., an Fleischtagen für 30 Pf. abgegeben werden. 
Das Verfahren hat sich bewährt; seine Einrichtung kann schnell und ohne 
Schwierigkeit bewirkt werden. Redner wendet sich dann sehr scharf gegen 
die innerhalb der einzelnen Bundesstaaten und Kreise überlassenen Ausfuhr* 
Verbote, die nach Ansicht der Mitglieder des Reichsgerichts keine gesetzliche 
Grundlage hätten, so daß etwaige Uebertretungen nicht bestraft werden könnten. 
Innerhalb des eigenen Vaterlandes dürfe es derartige Drahtverhaue nicht geben! 
Schließlich spricht er sich noch warm für Krankenküchen und bessere 
Fürsorge für die Ernährung der Schwangeren aus. 

Bürgermeister Winter-Könnern beklagt sich ebenfalls über die vieler¬ 
orts getroffenen Absperrungsmaßregeln und berichtet dann über die von ihm 
als Vertreter einer kleinen Stadt und eines großen ländlichen Kommunalver* 
bandes gemachten Erfahrungen. Hier hat sich die Bildung eines Zweck¬ 
verbandes als praktisch erwiesen namentlich mit Rücksicht auf den un¬ 
mittelbaren Bezug der Lebensmittel von der Zentral-Einkaufsgenossenschaft. 
Er betont, daß zu der schwerarbeitenden Bevölkerung auch die Land¬ 
arbeiter gehörten; im übrigen betrachtet er die Massenspeisung nur als ein 
Kriegshilfsmittel, von dem nur aus wirtschaftlichen und sozialen Gründen 
und nicht aus Bequemlichkeitsgründen Gebrauch gemacht werden dürfte. 

Stadtrat Marek-Breslau berichtet über die Breslauer Massenspeisungen, 
die nicht von der Gemeinde, sondern durch den nationalen Frauendienst 
besorgt werden. Es sind hier die vorhandenen Speisungsanstalten mit Vorteil 
benutzt; abgesehen von den Speisungen für Schulkinder werden Speisen nur 
gegen Entgelt abgegeben und zwar in den großen Küchen für die breitesten 
Volksschichten '/2 Liter zu 5 Pfg., in den diesen angegliederten Küchen für 
besser gestellte Arbeiter Portionen zu 30 Pfg. Außerdem gibt es noch eine 
sogenannte Mittelstandsküche, von der für 50 Pfg. ein recht schmack¬ 
haftes Essen geliefert wird, und eine sogenannte 70 Pfg.-Kttche, in der außer 
Suppe eine gute kräftige Mahlzeit an Jedermann ohne Prüfung seiner finanziellen 
Verhältnisse abgegeben wird. Bei den beiden lezteren Küchen wird nichts 
zugesetzt, während die übrigen einen Zuschuß von 100®/« auf die Portion 
erfordern. Für kranke Personen ist eine aus privaten Mitteln errichtete und von 
der Stadt unterstützte Krankenküche vorgesehen, die jedoch Essen nur 
gegen ärztliche Bescheinigung abgibt. Eine Anrechnung der Leben's- 
mittelkarten wird von dem Redner ebenfalls als gerecht und notwendig 
gefordert. 

Frau Peltzer-Stolberg (Rheinland) teilt die von ihr als Mitleiterin einer 
Volksküche in ihrer Heimatstadt gemachten Erfahrungen mit. Die Küche ist 
vom vaterländischen Frauenverein eingerichtet, gibt jetzt etwa 
1000 Portionen zu 10 Pfg. ab, deren Selbstkostenpreis je 16—17 Pfg. beträgt; 
die Mehrkosten werden durch wohltätige Zuwendungen gedeckt. Rednerin 
betrachtet die Einrichtung auch nur für ein vorübergehendes Aushilfsmittel, 
das nach dem Kriege wegfallen muß; daher sei der Haushaltungsunter¬ 
richt besser und obligatorisch zu gestalten, denn gerade die jetzt gemachten 
Erfahrungen haben gelehrt, daß die Volksküchen besonders von solchen Frauen 
benutzt werden, die keinen ordnungsmäßigen Ilausbalt führen können. 

Frau Herrmann-Hamburg: Die Leistung der Küchen kann im Bedarfs¬ 
fälle durch eine Abendausgabe oder durch eine doppelte Mittagsausgabe 
verdoppelt werden. Die Ansicht, daß die Dezentralisierung der Küchen 
zu große Kosten verursache, habe sich in Hamburg als unzutreffend erwiesen. 
Notwendig sei eine Kontrolle, daß an Familien nicht mehr Eßportionen gegeben 
werden, als Personen dazu gehörten, da sonst die Gefahr bestehe, daß das 
Essen an Hunde, Schweine usw. verfüttert werde. An der Spitze jeder Küche 



Durchführung von Massenspeisungen. 


553 


müsse nicht nur eine tüchtige, sondern auch gebildete Dame stehen, gleich- 
giltig, ob bezahlt oder ehrenamtlich; denn der Verkehr mit dem Publikum 
erfordere Herzensgüte und Bildung. 

Herr Thomas-Frankfurt a. M. spricht sich für Einführung von Wochen¬ 
abonnements aus; dann sei auch die Anrechnung der Lebensmittelkarten 
leicht durchführbar. Er warnt vor zu großer Benutzung von Trocken* 
gemüse; frisches Gemüse verdiene den Vorzug und lasse sich auch bis zum 
Frühjahr aufbewahren. Wünschenswert sei die regelmäßige Uebersicht 
über den Lebensmittelmarkt im Beich. Die Versorgung der Kranken 
werde am besten wie in Berlin durch die Küchen der überall vorhandenen 
Krankenstellen besorgt. 

Bürgermeister Dr. Frommhold-Stade widerspricht der Ansicht, daß die 
Massenspeisung nur ein Problem der Großstadt sei; sie könne vielmehr für alle 
Gemeinden in Betracht kommen, denn die Ansicht, daß die Ernährungsverhält¬ 
nisse in den kleinen Städten günstiger als in den Großstädten sind, sei durch¬ 
aus unzutreffend. 

Frau Bürgermeister Stosberg-Lennep berichtet über die dortigen Ver¬ 
hältnisse, die ähnlich sind, wie die von Frau Peltzer aus Stolberg mitgeteilten. 
Der Frauenverein bat hier nur noch insofern eine neue Einrichtung getroffen: 
die Verabfolgung einer Abendsuppe für kleine Kinder (*/* Liter Milch 
mit guter Einlage für 10 Pfg.), die sich sehr gut bewährt hat. Die Einführung 
von Wochenkarten hat sich ebenfalls als sehr praktisch erwiesen; sie er¬ 
leichtert sehr die notwendige teilweise Anrechnung der Lebensmittelkarten. 
Sonntags wird nicht gekocht, damit die Frauen gezwungen sind, wenigstens 
einmal in der Woche für ihre Familie selbst zu kochen 

Dr. jur. W. Grube-Berlin, Vertreter des Verbandes Deutscher Kauf¬ 
männischer Genossenschaften, insbesondere der Lebensmittelkleinhändler, bittet 
diese mehr als bisher beim Bezug der Waren für die Massenspeisnngen zu 
beteiligen, da sie schon an und für sich durch Krieg sehr geschädigt seien. 
Eine solche Beteiligung wird sich besonders dann ermöglichen lassen, wenn 
sich die Kleinhändler zu Einkaufs-Genossenschaften vereinigt haben. 

Frau v. Stark-Potsdam empfiehlt Schulspeisungen unter Verab¬ 
folgung von ganzen Portionen, da die Kinder mit Rücksicht auf ihr Wachs¬ 
tum mehr Nahrung bedürfen, als vielfach angenommen wird. Statt maschineller 
Einrichtungen sollte bei den Massenspeisungen mehr Frauenarbeit herangezogen 
werden. 

Direktor Adolphs-Köln: Maßgebend muß bei den Massenspeisungen die 
rationelle Ausnutzung der Lebensmittel sein. Ob fahrbare Küchen, Zentral¬ 
küchen, Zentralisation oder Dezentralisation hängt lediglich von den jeweiligen ört¬ 
lichen Verhältnissen ab. Vor allem muß man bei der Einrichtung der Massen¬ 
speisungen außerordentlich vorsichtig zu Werke gehen und dafür sorgen, daß 
sie niemals versagen. Ein reichlicher Vorrat von Lebensmitteln muß unbedingt 
vorhanden sein; bei Ueberschwemmung des Marktes mit Gemüse und Obst 
sind Dörranstalten von großem Nutzen. 

Frau Goldstein• Darmstadt: Ein Abzug VQn Lebensmittelkarten ist bei 
Wochenabonnements leicht durchführbar, bei einmaligen schwierig, aber auch 
durchführbar und berechtigt. Angemessen erscheint die Hälfte der Tages- 
bezw. Wochenrationen. 

Nachdem dann noch Stadtrat Licht-Schöneberg ebenfalls die Anrechnung 
der Lebensmittelkarte als eine unbedingte Forderung der Gerechtigkeit be¬ 
zeichnet und vor der Einführung des Wochenabonnements gewarnt bat, wird 
die Ansprache beendet. 

Der Vorsitzende schließt hierauf die Verhandlungen mit dem Aus¬ 
druck der Genugtuung über die wertvollen Anregungen, die sie für die Frage 
der Massenspeisung gebracht haben. Er spricht den Wunsch aus, daß manche 
der Kriegseinrichtnngen, die sich jetzt so glänzend bewährt haben, mit in die 
Friedenszeit hinübergenommen werden möchten, daß vor allem die Ge¬ 
wohnheit zur Genügsamkeit, zu der wir jetzt alle gekommen seien, uns auch 
nach dem Kriege erhalten bleiben möge und daß mit dem abscheulichen 
Protzentum, das wir in Deutschland mit dem Genuß von Fleisch und Fett be¬ 
trieben haben, für alle Zeiten aufgeräumt werden möchte. Rpd. 



554 


Kleinere Mitteilungen and Referate aas Zeitschriften. 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus. Zeitschriften. 

Ae B&o hver ständig ent&tigk eit in Unfall- und Invalidität»- und 
Kr&nkenversioherungssaohen. 

Unfälle durch Vergiftung mit Dinitrobenzol. Von Prof. Dr. Fritz 
Reuter, Landgerichtsarzt in Wien. Vierteljahrsschrift für gerichtliche 
Medizin und öffentliches Sanitätswesen. Dritte Folge. Jahrg. 1916, 62. Bd., 1. H. 

Verfasser berichtet über drei von ihm beobachteten Betriebsunfälle durch 
Vergiftung mit Dinitrobenzol; sie betrafen eine Arbeiterin und einen Arbeiter, 
die beim Brechen und Mahlen von Dinitrobenzol in einer Leimfabrik beschäftigt 
waren, und einen Arbeiter, dem die Reinigung der Mühle oblag. £iner von 
den Arbeitern erlag der Vergiftung. Die bei den Vergifteten beobachteten Krank* 
beitserscheinungen waren: Zyanose des Gesichts, Kopfschmerzen, Mattigkeit, 
Brechreiz und leichter Ikterus. Während diese Erscheinungen in den beiden günstig 
verlaufenden Fällen nach mehreren Wochen zurückgingen, verschlimmerte sich 
der Zustand des verstorbenen Arbeiters in kürzester Zeit; es trat heftiges 
Erbrechen und Benommenheit auf, der Puls wurde klein und frequent; schon 
18 Stunden nach dem Aussetzen der Betriebsarbeit trat der Tod im tiefen Koma 
ein. An der Leiche wurden festgestellt: Leichte ikterische Verfärbung der 
Haut, grauviolette Totenflecke, gelbgrünliche Verfärbung der Fingernägel (durch 
Berührung mit Dinitrobenzol), auffallend dunkles, leicht ins bräunliche ver¬ 
färbtes, größtenteils flüssiges Blut, hämorrhagische Anschoppung der beiden 
unteren Lungenlappen, aspirierter Mageninhalt in den Bronchien, postmortale 
Erweichung des unteren Anteiles der Speiseröhre, fettig entartetes Herz, hämorrha¬ 
gischer Inhalt im Magen, blutreiche und von Blutungen durchsetzte Magen¬ 
schleimhaut, leichte katarrhalische Erscheinungen im Darm, besonders am oberen 
Dünndarm, bei hyperämischen und von kleinen Blutungen durchsetzter Schleim¬ 
haut in den oberen Darmabschnitten; keine entzündlichen Erscheinungen in 
den Nieren; im Mageninhalt nur geringe Mengen von Dinitrobenzol, im Hirn über¬ 
haupt kein Dinitrobenzol nachweisbar. Die Vergiftungen waren zweifellos ent¬ 
standen durch Einatmung des giftigen Staubes, durch Gelangen der im Mund und 
Rachen sich festsetzenden Dinitrobenzolteilchen bei der Einnahme von Nahrungs¬ 
mitteln in den Magen sowie durch die Haut. Die klinischen Erscheinungen 
und der Obduktionsbefund bestätigen die von anderer Seite gemachten Beob¬ 
achtungen und festgestellten Versuchsergebnisse (Straßmann, Schroeder 
und Strecker), daß bei der Einwirkung des Dinitrobenzols das Blut, ähnlich 
wie bei einer Nitrobenzolvergiftung, seine Fähigkeit verliert, Sauerstoff aufzu¬ 
nehmen und sein O-Gehalt daher verringert wird. Die Folge davon sind: 
Zyanose des Gesichts, Blutfärbung der Lungen- und anderer Schleimhäute 
sowie Ikterus. Daneben kommt auch eine lähmende Wirkung auf das Zentral¬ 
nervensystem in Betracht. Rpd. 


Ueber diagnostische Bedeutung des Blutdrucks bei Unfallneurosen. 

Von Oberarzt Dr. P. Horn-Bonn. Deutsche medizinische Wochenschrift; 
1916, Nr. 24 und 25. 

Bei Unfallneurosen kommen auffallend oft Steigerungen des 
systolischen Blutdrucks vor, abnorme arterielle Senkungen nur aus¬ 
nahmsweise. Vor allem zeigen die Schreckneurosen und die Neurosen nach 
lokaler Verletzung, letztere besonders im Stadium der Rentenkampfneurose, 
erhöhte arterielle Werte; bei Kommotionsncurosen zerebralen und spinalen 
Typs ist ihre Häufigkeit erheblich geringer. 

Auch Steigerungen des diastolischen Blutdrucks und 
erhöhte Pulsdruckamplituden sind bei Unfallneurosen, insbesondere bei Schreck¬ 
neurosen festzustellen. Dagegen kommt den Blutdruckqnotionten eine differential- 
diagnostische Bedeutung hei den Unfallneurosen nicht zu. Die arteriellen 
Blutdruckwerte zeigen starke Abhängigkeit von seelischen und körperlichen 
Einwirkungen (Blutdrucklahilität), während der diastolische Blutdruck im 
allgemeinen konstanter bleibt. 

Diagnostische Bedeutung können aber abnorme Blutdruckwerte nur dann 
beanspruchen, wenn die „normalen“ Grenzen nicht zu eng gezogen sind. Werte 
von 60—90 mm Hg nach Riva-Rocci für den diastolischen Blntdruck, von 
110-140 mm Hg (bei Leuten über 40 Jahren bis zu 160 mm) für den 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


66 5 


systolischen Blutdruck und von 26—60 mm Hg für die Pulsdruckamplitude 
können im allgemeinen als pathologisch nicht bezeichnet werden. 

Abnorme Blut- und Pulsdruckwerte können bei unkomplizierten 
Fällen als wichtiges, der willkürlichen Beeinflussung durch den Kranken meist 
entzogenes „objektives" Symptom der Unfallneurosen bewertet und diagnostisch 
verwertet werden. 

Bei Komplikationen von Unfallneurosen mit Arteriosklerose, Nierenleiden 
und Herzfehlern müssen die jeweiligen Begleiterscheinungen (sonstige 
kardiovaskuläre Störungen, ihre Labilität und Abhängigkeit von nervösen 
Einflüssen) den Ausschlag geben, ob die Blutdruckanomalie als nervöse Er¬ 
scheinung oder als Symptom der organischen Veränderung anzusehen ist. 

Steigerungen des Blutdrucks können in der Aetiologie der 
Arteriosklerose im allgemeinen nicht als ursächlicher, sondern nur als 
disponierender oder begünstigender Umstand betrachtet werden. Jedenfalls 
führen Unfallneurosen trotz des häufigen Vorkommens von 
Blutdruckanomalien nur in Ausnahmefällen zu arteriosklero¬ 
tische Veränderungen; für diese sind in der Regel toxisch-infektiöse 
Ursachen sowie Ernährungsstörungen verantwortlich zu. machen. 

Dr. R o e p k e - Melsungen. 


Tabes und Unfall. Von Dr. Friedrich L epp mann -Berlin. Viertel¬ 
jahrsschrift für gerichtliche Medizin und öffentliches Sanitätswesen. Dritte 
Folge. Jahrg. 1916, 62. Bd., 1. H. 

Dem Verfasser stand für seine Ausführungen ein verhältnismäßig reiches 
Material zur Verfügung: 41 Fälle und zwar 15 aus eigener Sachverständigentätig¬ 
keit, 13 als Mitgutachter und 13 aus den Akten der Landesversicherungsanstalt 
Berlin. Sie werden von ihm zum größten Teil ausführlich mitgeteilt, soweit sie 
für die Beantwortung der von ihm behandelten Fragen über die Entstehung von 
Tabes infolge Unfalls bei vorhandener Syphilis, über den Einfluß des Unfalls auf 
den Verlauf bestehender Tabes, über die Verwechselung von Tabes und Paralyse 
als Fehlerquelle von Unfallgutachten sowie über perverse Unfallfolgen neben 
Tabes von besonderen Wert erscheinen. Die Frage, ob es beim Menschen eine 
nicht syphilitische Tabes, also auch eine „rein" traumatische Tabes gibt, ist 
bekanntlich noch immer unentschieden; Verfasser will die Möglichkeit einer 
solchen Unfallfolge, z. B. nach Wirbelverletzung mit nachfolgender eitriger 
Wirbelosteomyelitis und Sepsis, nicht völlig verneinen; er selbst hat aber keinen 
derartigen Fall beobachtet. In keinem seiner Fälle von Tabes und Unfall 
konnte Syphilis ausgeschlossen oder unbedenklich behauptet werden, daß das 
Rückenmark erst durch den Unfall dem Syphilisgifte zugänglich gemacht wäre. 
Je sorgfältiger die einzelnen Fälle aufgeklärt werden konnten, um so regel¬ 
mäßiger ergaben sich Bedenken gegen die Annahme nicht nur der rein 
traumatischen, sondern auch der traumatisch-syphilitischen Tabes; nur in 
einem Falle traumatisch-syphilitischer Tabes überwogen die positiven Beweise 
für einen ursächlichen Zusammenhang gegenüber den negativen. Jedenfalls ist 
aber eine durch körperliche Verletzung mit verursachte Tabes eine so seltene 
Ausnahme, daß sie nur auf Grund besonders zwingender Beweise im Einzel¬ 
falle angenommen werden darf. Auch die Annahme der Verschlimmerung 
einer vorhandenen Tabes durch Unfall ist nur dann gerechtfertigt, wenn 
eine solche Verschlimmerung nach Zeit oder Art dem regelmäßigen Verlaufe 
der Tabes nicht entspricht und sich dem Unfall unmittelbar angeschlossen 
hat; also plötzliche Zunahme der Ataxie (z. B. infolge längerer durch die 
Unfallverletzung bedingten Bettruhe), Entwicklung von Krankheitserscheinungen, 
die mit der Art des Unfalls in Beziehung stehen und nicht zum Bilde der 
Tabes gehören (z. B. Sehnervenschwund nach Kopfverletzung), Entstehung von 
Knochenbrüchen und Gelenkerkrankungen im Anschluß an oft geringe Ver¬ 
letzungen. Erfahrungsgemäß besteht auch die Möglichkeit, der Entwicklung 
von progressiver Paralyse bei Tabes nach Verletzungen oder Erschütterungen 
des Kopfes; nur soll man sich hüten, jede seelische Störung oder gar jede 
nervöse Erregung bei Tabikern für eine Paralyse anzusehen und darüber 
womöglich die Tabes selbst zu übersehen. Gerade diese Fehldiagnose ist bei 
der Unfallbegutacbtung der Tabes die häufigste und folgenschwerste. Der 
gegenwärtige Stand der Nervenheilkunde schützt uns vor derartigen Fehl- 



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^oxtiven Aijh;*i!>j/iifjkfe ent sprechend zu *. erwerten, wie dies von dem Verfasser 
iu d< r/i von ihm mitt'" teilten fall ge-cheLen i-'t. Ka hardelte sich hier um den 
*•« Ih^tmord <'irje« *dilo>»herh, den er - 3 Jahr nach einen Unfall (Bruch des linken 
1 < ff'-n- und '-prijngbejfji? «owje Bruch und Verschiebung des horizontalen Astes 
d<'« n-< ht>'n rchienbeineh infolge -rurze^ von einer Leiter; begangen hatte. Die 
HmU'rUb bencn führten den IhnTmord auf die geistige Depression zurück, 
die «ich nach der schweren Verletzung bei dem Betreffenden eingestellt habe 
und beanspruchten lliriterbli^benenrente. Verfasser konnte auf Grund gering- 
fiigiger, aber tatsächlicher Anhaltspunkte, die ihm die Zeugenaussagen, nament¬ 
lich die der Khefrau, boten, sein Gutachten dahin abgeben, daß die bei dem 
.G’lbatrnordcr vorhandene psychische Eigenart und die dadurch bewirkten 



Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 


557 


Störungen depressiver Art schon vor dem Unfall bestanden hätten und deshalb 
nicht mit Gewißheit oder einigermaßen hoher Wahrscheinlichkeit ein ursäch¬ 
licher Zusammenhang des Selbstmordes mit dem Unfall angenommen werden 
könnte. _. Rpd. 

Unmöglichkeit einer genauen Abschätzung der Beschleunigung des 
Todes bei der Verschlimmerung eines Krebsleidens durch Unfall. Rekurs- 
Entscheidung des Reichsversicherungsamts vom 29. April 1916. 

Der Arbeiter G. R. hatte sich bis znm 4. Juli 1918 ganz gesund und 
arbeitsfähig gefühlt. An diesem Tage hatte er mit einem Stempel einen Stoß 
gegen die Magengegend erhalten, der ihn wegen furchtbarer Schmerzen zu 
einer 20—30 Minuten dauernden Arbeitsnnterbrechung nötigte. R. konnte noch 
bis zum 23. August 1918 Weiterarbeiten; dann mußte er jedoch wegen Appetit¬ 
losigkeit, Abmagerung usw. den Arzt aufsuchen, der ihn am 22. September 1913 
in das Knappschaftslazarett überwies, wo er am 3. Oktober operiert wurde. 
Am 21. Oktober konnte er als gebessert entlassen werden, starb aber schon 
am 7. November 1913 an einem Krebs der Bauchspeicheldrüse. Der Anspruch 
seiner Hinterbliebenen auf Unfallentschädigung wurde in den beiden ersten 
Instanzen abgewiesen, weil die befragten Aerzte aus dem Ergebnis der Leichen¬ 
öffnung den Schluß zogen, daß der Krebs nur sehr langsam gewachsen und 
wahrscheinlich schon bei der Verletzung vorhanden war. Der Unfall könne 
allerdings möglicherweise das Wachstum der Krebsgeschwulst etwas gefördert 
haben, ln der Regel rechne man bei den Krebsen der Bauchspeicheldrüsen 
mit einer Lebensdauer des Patienten von 6—8 Monaten nach dem Auftreten 
der ersten Symptome. Der Unfall habe im Falle des R. vielleicht komplizierend 
gewirkt und eine Verkürzung der Lebensdauer um 2—4 Monate verursacht. 
Bei dem durch das Krebsleiden sowieso dem Tod verfallenen R. könne die 
durch den Unfall möglicherweise bedingte Verkürzung der Lebensdauer um nur 
2—4 Monate nicht einer wesentlichen Verschlimmerung gleich erachtet werden. 

Zur Beurteilung des von den Hinterbliebenen dagegen eingelegten 
Rekurses befragte das Reichsversicherungsamt den als Autorität auf dem 
Gebiete der Krebsforschung allseits anerkannten Professor Dr. von Cz., um 
welchen Zeitraum nach seiner Ansicht der Tod des R. durch den Unfall wahr¬ 
scheinlich beschleunigt worden ist. Der Sachverständige erklärte, man sei 
vollkommen auf willkürliche Schätzungen angewiesen. Es sei wohl richtig, daß 
die durchschnittliche Lebensdauer nach dem ersten Auftreten der Erscheinungen 
bei Krebs der Bauchspeicheldrüsen 6—8 Monate betragen möge, aber die 
Krebsfälle seien so verschieden in ihrem zeitlichen Verlauf, daß kein Mensch 
sagen könne, wie lauge R. ohne den Unfall noch gelebt hätte; er glaube, daß 
1 Jahr möglicher Lebensdauer nach Beginn der ersten Symptome hoch gerechnet 
ist und komme somit auf etwa 8 Monate, um die vielleicht das Leben des R. 
durch den Unfall verkürzt wurde. Das Reichsversicherungsamt schloß 
sich diesem Obergutachten an. Wenn der Senat auch die Möglichkeit als 
gegeben erachtet hätte, daß der Tod des R. durch den Unfall im gewissen 
Grade beschleunigt worden sei, so sei doch keine ausreichende Unterlage für 
die Annahme gegeben, daß es sich hierbei um einen längeren Zeitraum handelte. 
Nach dem ärztlichen Gutachten lasse sich die Zeitspanne, auf deren Durchleben 
R. ohne den Stoß gegen den Leib noch hätte rechnen können, keineswegs mit 
auch nur einiger Sicherheit bestimmen. Nach allem sei eine hinreichende 
Wahrscheinlichkeit dafür, daß der Unfall den tödlichen Ausgang der Krankheit 
wesentlich beschleunigt habe, nicht begründet. Der Rekurs wurde daher 
zurückgewiesen. (Kompaß; 1916, Nr. 14.) 

B. Bakteriologie and Bekämpfung der flbertragbaren Krankheiten. 

1. Cholera. 

Cholera nnd Paratyphus B. (Aus der Med. Universitäts- Poliklinik 
Halle a. 8 ) Von Dr. H. Jastro wi tz. Deutsche medizinische Wochenschrift; 
1916, Nr. 32. 

Da die Gastroenteritis paratyphosa sehr häufig unter dem Bilde der 
Cholera nostras auftritt, die von der Cholera asiatica klinisch nicht zu differen¬ 
zieren ist, vermag nur die bakteriologische Untersuchung ätiologisch aufzu- 



558 Kleinere Mitteilungen und Beferate aus Zeitschriften. 

klären. Aber auch dafür liegen gelegentlich komplizierte Verhältnisse vor, so 
daß die Klärnng des Krankheitsbildes in der Richtung des Paratyphus oder 
das Vorhandensein der epidemiologisch viel wichtigeren Choleravibrionen nicht 
gelingt oder daß nach Sicherstellung der letzteren ein gleichzeitiges Besteben 
einer typhösen Erkrankung als „Choleratyphoid“ anzunehmen ist. J. gibt einen 
Fall bekannt, der lediglich als schwere, durch Paratyphus B hervorgerufene 
Gastroenteritis mit nachfolgendem typhösen Stadium erschien, während die 
bakteriologische Untersuchung Choleravibrionen ergab. Nach den Einzelheiten 
des Falles handelte es sich um eine primäre Cholera und um keinen Bazillen¬ 
träger, auch nicht um eine nachträgliche Paratyphusinfektion. 

Das Zusammentreffen von Paratyphus und Cholera ist bisher nur einmal 
beschrieben von Macini, der am 16. Tage das Einsetzen der Cholera beob¬ 
achtete. Im vorliegenden Falle ist das gleichzeitige Einsetzen beider Er¬ 
krankungen besonders bemerkenswert. 

Die richtige und schnelle Diagnose solcher Fälle ist nur möglich, wenn 
in choleraverseuchten bezw. -bedrohten Ortschaften der Stuhl jedes unter 
akuten Gastrointestinalerscheinungen Erkrankten auf das Vorhandensein von 
Choleravibrionen untersucht wird. Die Cboleradiarrhoe ist an sich, namentlich 
aber bei Vakzinierten, eine häufige Form des Morbus asiaticus; ferner können 
Mischinfektionen und dysenterieähnliche Formen andere Krankheitsbilder Vor¬ 
täuschen. Es ist daher nur durch systematische bakteriologische Kontrolle 
der Neuaufgenommenen Fehldiagnosen und einer Verbreitung der Cholera 
wirksam vorzubeugen. Dr. Roepke-Melsungen. 


Zur Behandlung der Cholera. Von Stabsarzt Prof. Dr. Arneth in 
Münster, z. Z. im Felde. Deutsche medizinische Wochenschrift; 1916, Nr. 31. 

Bei der Prüfung von Behandlungsmethoden der Cholera ist zuvor zu 
prüfen, wie der Epidemiecharakter hinsichtlich seiner Schwere und 
in welchem Zeitpunkte der Epidemie der behaudelte Fall gelegen war. Da 
die Behandlung so früh wie nur irgend möglich beginnen soll, ist die Ver¬ 
schiebung des Schwerpunktes der Cholerabehandlung in das allererste 
Stadium zur Prophylaxe oder Milderung des schweren Choleraanfalles das 
Hauptziel der Behandlung. 

Im Bolus alba und in der Tierkohle besitzen wir zwei Mittel, die, ohne 
selbst in größten Mengen schädlich zu wirken, durch Fixations- bezw. Absorp¬ 
tionswirkung sowohl eine Entwicklungshemmung der Cholerabazillen, als auch 
eine Unschädlichmachung der Endotoxine im Darme bewerkstelligen. Diese 
Wirkung, die den wichtigsten kausalen Indikationen bei der Cholera genügt, 
kann sich aber nur zu Beginn der Erkrankung als segensreich entwickeln; 
deshalb ist der geeignetste und aussichtsreichste Zeitpunkt für die Behand¬ 
lung der Aufenthalt des Kranken bei der Truppe unmittelbar nach Eintritt 
der ersten Symptome. Es ist dringend zu raten, in Cholera- (und rühr-) ver¬ 
seuchten Gegenden jeden heftigeren verdächtigen Durchfall so¬ 
fort mit großen Dosen Bolus alba zu behandeln und, falls anstelle der vor¬ 
geschriebenen Behandlung in Isolierkrankenstuben ein Transport notwendig 
wird, auch noch in der Feldflasche eine genügende Menge Bolus alba in Tee 
aufgeschwemmt (vor dem Trinken Schütteln!) mitzugeben. Zweimal 400 g 
ist als tägliche Grenzgabe nach oben anzusehen. Mit Abführmitteln ist die 
Entfernung der Cholerabazillen und ihrer Gifte aus dem Darm nicht zu erzielen. 

Zur Beseitigung der Giftwirkung der bereits resorbierten Endotoxine 
stehen besondere Mittel nicht zur Verfügung außer der Schutzwirkung einer 
vorausgegangenen Choleraimpfung. 

Als weitere Maßnahmen kommen in Betracht die Kochsalz-Infusionen 
(subkutan und intravenös 2—4 Liter täglich, mehrere Tage lang) zur Be¬ 
kämpfung des Wasserverlustes. Verfasser empfiehlt, zur 0,6°/oigen Na Cl- 
Lösung zurückzukehren, von dieser subkutan einen Liter unter den Schlüssel¬ 
beinen oder am Oberschenkel zu injizieren, dies häutiger zu wiederholen und bei 
darniederlicgender Resorption mit leichter Massage nachzuhelfen. Die In¬ 
jektion der 4 > /s"/ v igen chemisch reinen sterilen Traubenzuckerlösung bietet 
keinen Vorzug; sie sollte nur intravenös einverleibt werden, da ihre subkutane 
Injektion heftige Schmerzen und lokale Reizerscheinungen macht. 



Kleinere Mitteilungen and Referate aas Zeitschriften. 


B59 


Sehr wichtig ist die Zafährang von Wärme durch heiße Umschläge 
(keine heißen Bäder), heiße Krüge and Flaschen, Einleiten heißer Loft unter 
die Bettdecke, Einreiben mit Flüssigkeiten (Kölnisch Wasser, Bum, Kognak, 
Alkohol, Essigwasser asw.), sowie in der Darreichang von medikamentösen 
Analeptiicis wie Koffein, Digipurat, Digifolin, Strophantin, Kampferöl subkutan 
und intravenös, Suprarenineinspritzungen, Kampferäthermischungen usw.; in 
extremen Fällen sind auch intrakardiale Injektionen angezeigt, um über die 
schwersten Zustände von Herzschwäche hinüberzukommen. 

_ Dr. R o e p k e - Melsungen. 


2. Fleckfieber. 

Züchtung des Bacterinm typhi • exanthematici nach Plotz, Olitzky 
und Baehr. Von Assistenzarzt Dr. L. Paareth, derz. Kommandant eines 
bakteriolog. Laboratoriums im Felde. Medizinische Klinik; 1916, Nr. 24. 

Verfasser beschreibt das von Plotz, Olitzky und Baehr ausge¬ 
arbeitete Kulturverfahren bei Fleckfieber, ohne näher auf die Aetiologie der 
Erkrankung einzugehen. Die Nährbodenbereitung, die Anlegung der Blut¬ 
kulturen und die Anstellung der Agglutinationsproben werden in der Arbeit 
klar und ausführlich angegeben. P. hat im ganzen bei 5 Fleckfieberfällen 
Blutkulturen angelegt und zweimal Bakterienkolonien erhalten. Die anaeroben 
Kolonien werden nach 5—21 Tagen sichtbar, haben die Gestalt eines scharf¬ 
kantigen Triangels oder Ypsilons und zeigen wie das umgebende Praezipitat 
bräunliche Färbung; die Bakterien sind kleine polymorphe Kurzstäbchen und 
färben sich nach Gram. Zur völligen Sicherung der Bakteriendiagnosc muß 
positive Agglutination mit Tierimmun- oder Rekonvaleszentenserum gefordert 
werden. Für die praktische Diagnostik ist das Verfahren zu umständlich und 
langwierig, wohl aber dürfte sich die Agglutinationsprobe mit den Plotz, 
Olitzky und Baehr sehen Bakterien nützlich erweisen besonders für die 
Diagnose abgelaufener Fälle. Die damit gemachten Erfahrungen stimmen mit 
denen der amerikanischen Forscher darin überein, daß die Fleckfieber-Rekon¬ 
valeszenten in ihrer großen Majorität monatelang positive Agglutination zeigen. 

Dr. L. Quadflieg -Gelsenkirchen. 


AetiologischeUntersuchungen bei Fleckfleber. VonDr. Eugen Csernel. 
Ministerial - Bakteriologe. Vorläufige Mitteilung aus der Zentral-Untersuchungs- 
Station des kgl. ung. Ministeriums des Innern (Vorstand: Privatdozent Dr. 
Karl Kaiser). Wiener klinische Wochenschrift; 1916, Nr. 35. 

Die Untersuchungen beruhen auf der bakteriologischen Blutuntersuchnng 
von 60 Flecktyphusfällen, die in den letzten 2 Jahren auf der Abteilung des 
Dr. Furka im St Geliert Spital in Budapest behandelt wurden. 

Die meisten früheren Untersacher hatten Kokken gesehen, die oft den 
Eindruck eines Diplobacillus machten Bei der Prüfung der von Fuerth 
gegebenen Photogramme sieht man aber, daß die als kleine Diplobazillen be¬ 
schriebenen Stäbchen oft als große, plumpe Bazillen Vorkommen können, sogar 
auch als lange Fäden, wie sie Thoinot und Calmette schon 1892 ge¬ 
sehen haben. 

Plotz schildert die Krankheitserreger als kleine, plumpe Bazillen mit 
bipolarer Färbung, die anfangs alle obligat anaerob sind. 

Die Erscheinungsformen des von dem Verfasser aus dem durch Aderlaß 
gewonnenen Blute gezüchteten Bacillus vereinigen nun die von den meisten 
Untersuchern gefundenen morphologischen Eigentümlichkeiten. Die Variabilität 
des Bacillus erklärt das Rätsel, der sich widersprechenden Befunde; die ver¬ 
schiedenen Formen treffen in einem Bacillus zusammen. Durch die Anaphylaxie, 
durch die Agglutinationsproben (1 : 60 bis 1500), durch Komplementablenkungs¬ 
proben und in Tierversuchen bat sich der Bacillus als der Erreger des Fleck¬ 
typhus bestätigt. 

Die Tierversuche wurden nur an Meerschweinchen ausgeführt. Das 
Impfen mit Bazillen ergab insofern ein ähnliches Resultat, wie das mit Exan- 
thematikusblut, als die Hälfte der Tiere refraktär blieb, die andere eine einige 
Tage lang anhaltende Temperatursteigerung auf 88,5 bis 89,2° zeigte. Znm 
Diagnostizieren zweifelhafter Fälle ist die anaphylaktische Probe sehr geeignet. 


r< 



560 


Kleinere Mitteilungen and Relerate aas Zeitschriften. 


Zam Auffinden in Sekreten scheint sich die Eigenschaft des Bacillus zu eignen, 
daß er auf einem mit Natriumsulfit entfärbten Fnchsinagar in roten Kolonien 
wächst. Dr. Mayer- Simmern. 


3. Diphtherie. 

Die Verbreitung und Bekämpfung der Diphtherie. Von W. Kruse 
Münchener medizinische Wochenschrift; 1916, Nr. 35. 

Das Jahr 1895 bedeutet einen ähnlichen Wendepunkt in der Diphtherie 
wie das Jahr 1800 bei der Pockenerkrankung. Die Diphtherie wird noch viel 
zu sehr unterschätzt; 12000 Diphtherietodesfälle hat Deutschland alljährlich. 
Die Hauptsache ist eine möglichst frühzeitige Seruminjektion. Die Bazillenträger 
außerhalb der Anstalt zu isolieren, ist praktisch undurchführbar. Der Schulschluß 
ist nicht einmal zweckmäßig. Manche Epidemie, die angeblich durch Behand¬ 
lung der Bazillenträger erloschen ist, wäre auch ohne diese zu Ende gekommen 
(besonders bei Beginn des Sommers gehen die Diptherieepidemien erfahrungs¬ 
gemäß von selbst oft zurück. Ref.). Dr. G r a ß 1 - Kempten. 


4. Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten und der Prostitution. 
Die Prostitution jugendlicher Mädchen in München im Kriegsjahr 

1915. Von Landgerichtsrat Rupprecht. Münchener med. Wochenschrift; 

1916, Nr. 32. 

Die befürchtete Zunahme der Prostitution durch den Krieg ist nicht 
eingetreten, namentlich nicht die der Jugendlichen. Die Einrede, daß der Krieg 
die Ursache der Prostitution gewesen sei, findet man überraschend selten, ge¬ 
wöhnlich werden die bekannten Ursachen angegeben. Dr. G r a ß 1 - Kempten. 


5. Tetanus. 

Zur Frage des Blutbefundes bei Tetanus. (Aus der medizinischen 
Universitätsklinik in Halle a. S.) Von Dr. Grote, Assistenzarzt. Deutsche 
med. Wochenschrift; 1916, Nr. 81. 

Wir finden beim Tetanus im allgemeinen eine Leukozytose von 
vorwiegend neutrophilem Charakter. Schon zu Beginn der Krank¬ 
heit werden Leukozyten werte von 10 000 und darüber nicht selten gefunden. 
Die neutrophilen Leukozyten vermehren sich bis zu 80% der Gesamtzahl und 
zwar unter gleichzeitiger Verminderung der Lymphzellcn des Blutes. Die 
übrigen Kategorien der weißen Blutkörperchen zeigen kein charakteristisches 
Verhalten. Die Vermehrung der Neutrophilen ist im wesentlichen abhängig 
von dem gleichzeitigen Krampfzustand der Muskulatur. Je heftiger die Krämpfe 
waren, um so höhere Werte erreichte die Leukozytose. Sie hält während 
der titanischen Erscheinungen an und überdauert diese in der Regel um 
einige Zeit. 

Bei intralumbaler Injektion des Heilserums kann die Leukozytenzahl im 
Blute absinken unter gleichzeitiger Ansammlung der weißen Blutkörperchen 
im Liquor cerebrospinalis. Während der Muskelkrämpfe läßt sich weniger 
Glykogen in den Leukozyten nachweisen als in der Rekonvaleszenz. Parallel 
gehend hierzu rufen die Muskelkräfte eine Hypoglykämie hervor. 

Dr. Roepke-Melsungen. 

Der gegenwärtige Stand der Tetannstherapie. Von Dr. Fr. 8. Kaiser, 
z. Z. ordinierender Arzt am Reservelazarett zu Blankenburg a. H. Würzburger 
Abhandlungen aus dem Gesamtgebiet der praktischen Medizin XVI. B., 2. H. 
Wttrzburg 1916. Verlag von Curt Kabitzsch. Preis: 0,85 M. 

Prophylaktisch ist bei allen auf Tetanusinfektion verdächtigen 
Wunden für eine energische Wundrevision mit Freilegung aller Buchten und 
Winkel, für Entfernung aller Fremdkörper und nekrotischer Gewebsfetzen sowie 
für guten Abfluß der Wundsekrete zu sorgen. Frakturen sind gut zu fixieren, 
Amputationen nur im Notfälle auszufübren. Ausspülung der Wunde mit 
Wasserstoffsuperoxyd und täglicher Verbandwechsel; außerdem so frühzeitig 
als möglich Einspritzung von mindestens 20 A. E. Tetanusserum. Beim Ausbruch 
der Tetanuserkrankung ist eine „Ueberschwemmung“ des Körpers mit großen 



Besprechungen. 


561 


Serumdosen angezeigt (bis zu 12 Tagen hintereinander täglich 600—700 A. E. 
entweder intralumbal je 100—200, oder intravenös zu 200—300 A. E.). Als 
Schlaf-Beruhigungsmittel kommen in Betracht Morphium (bis 6 X 0,02 g täg¬ 
lich), Chlorbydrat (bis zu 10 g täglich); recht gut wirken auch 4,0—6,0 g Chloral- 
hydrat mit 0,05—0,06 g Morphium täglich, Lnminal oder Luminalnatrium 
He 0,2—0,4 g, bis 1,6 g täglich), heiße Bäder (40—42° C.) von 20—25 Minuten 
Dauer, ln Bezug auf die Pflege sind erforderlich dauernde Bewachung der 
Kranken, Fernhaltung jeglicher äußerer Beize, Sorge für ausreichende Ernährung, 
reichliche Flüssigkeitszufuhr sowie Entleerung von Blase und Darm. Rpd. 


6. Weilsche Krankheit. 

Beiträge zur Frage der sogenannten Weilschen Krankheit (an¬ 
steckende Gelbsucht). Von Stabsarzt Dr. Goebel, kommandiert zum be¬ 
ratenden Hygieniker. Aus dem Laboratorium des beratenden Hygienikers der 
. . . Armee (Oberstabsarzt Prof. Dr. Uhlenhuth). Medizinische Klinik; 
1916, Nr. 15. 

Es werden die Erkrankungen zweier Laboratoriumsdiener beschrieben, 
die ohne Ikterus verliefen, durch den Tierversuch aber als Weil sehe Krank¬ 
heit sichergestellt wurden. Die geimpften Meerschweinchen wurden gelb, in 
ihrer Leber fanden sich zahlreiche Spirochäten. Der eine Fall ist auch noch in¬ 
sofern interessant, als im Beginn der 3. Woche eine Iritis anftrat. Inzwischen 
sind derartige Iritiden mehrfach zur Beobachtung gekommen; sie treten beider¬ 
seits auf, bilden sich meist jedoch schnell zurück. Die Infektion der beiden 
Kranken ist bei der Arbeit im Laboratorium mit Virus-Material erfolgt, ohne 
daß der genaue Infektionsweg mit Sicherheit naebgewiesen werden konnte. Es 
steht jedoch fest, daß spirochätenhaltiges Meerschweinchen-Virus eine Infektion 
des Menschen hervorrufen kann; ob durch Hautschrunden, blutsaugende Insekten 
oder von der Schleimhaut des Rachens aus durch verschmutzte Nahrungsmittel 
die Infektion zustande kommt, muß erst aufgeklärt werden. Es sei noch erwähnt, 
daß 2 Meerschweinchen im Seuchenstall ebenfalls spontan an typischem Ikterus 
infektiosus erkrankt waren. In allen zweifelhaften Fällen empfiehlt sich der 
Tierversuch (defibriniertes Blut) zur Sicherung der Diagnose. Auch ohne daß 
bei den erkrankten Menschen Ikterus auf trat, ergab die Verimpfung des Blutes 
auf Meerschweinchen bei diesen Ikterus mit Spirochätenbefnnd in der Leber. 

Dr. L. Quadflieg -Gelsenkirchen. 


Zur Weilschen Krankheit. Von Oberstabsarzt Dr. Krumbein und 
Dr. Frieling. Deutsche med. Wochenschrift; 1916, Nr. 19. 

Während Uhlenhuth und Fromme berichteten, daß Hunde nach 
Einspritzungen größerer Mengen Meerschweinchenvirus keine Krankheits¬ 
erscheinungen gezeigt haben, kommen die Verfasser zu dem Ergebnis, daß 
Hunde unter dem Bilde des Weil sehen Icterus infectiosus erkranken können. 
Auch ist die Uebertragung der Weil sehen Krankheit von Hund auf Mensch 
möglich. In den beobachteten 2 Fällen ist die Uebertragung wahrscheinlich 
indirekt durch Hundeflöhe oder Mücken, weniger wahrscheinlich durch Blut¬ 
kontaktinfektion erfolgt; auch Ungeziefer als infizierender Zwischenträger 
kommt in Betracht. 

Die Inkubationszeit der menschlichen Weilschen Krankheit scheint 
lang (3 Wochen) zu sein. Bei der Behandlung wirkt die reichliche Zufuhr 
von Kochsalzlösungen günstig. Dr. R o e p k e - Melsungen. 


Besprechungen. 

Habs Oeith, Präparator des pathologischen Instituts in München: Kurze 
Anleitung zur Herstellung pathologisch-histologischer Präparate 
und Zusammenstellung der gebräuchlichsten Färbemethoden. München 

1916. J. F. Lehmanns Verlag. Kl. 8°; 48 8 Preis: geb. 1,50 M. 

Verfasser gibt eine kurze, die gebräuchlichsten Methoden berücksich¬ 
tigende Anweisung zur Herstellung pathologisch-histologischer Präparate, zur 
Färbung dieser Präparate und zur Färbung von Bakterien usw., sowie zur 




562 


Tageenacbrichten 


Herstellung: der erforderlichen Farblösungen. 8ie eignet sich zum praktischen 
Gebranch nicht nur für Anfänger, für die sie in erster Linie bestimmt ist, sondern 
wird anch sonst bei derartigen Laboratorinmsarbeiten von Nutzen sein. Rpd. 


Dr. M. Vaerting : Mutterpflichten gegen die Ungeborenen. Eine Mahnnng 
zur Bevölkerungserneuerung nach dem Kriege. Berlin 1915. Concordia, 
Deutsche Verlags-Anstalt. 12*; 74 S. Preis: 75 Pfg. 

Die vorliegende Schrift will in 7 Abschnitten (Vorbereitung des weib¬ 
lichen Körpers auf die Mutterschaft — Gute Väter — Wert der Liebe für 
die Kindererzeugung — Bestes Altersverbältnis der Eltern — Vor der Ver¬ 
einigung — Verhaltungsmaßregeln während der Schwangerschaft — Zwischen 
den Gebarten) den Eltern die Wege weisen, körperlich und geistig möglichst 
tüchtige and leistungsfähige Kinder za erzeugen. Sie richtet sich vor allem 
au die Mütter, weil diesen von der Natur die Haupttätigkeit bei der Erschaffung 
des Kindes zugeteilt ist und sie deshalb das größte natürliche Interesse daran 
haben, daß ihr im Kinde das mütterliche Meisterwerk gelingt. Ein körperlich 
und geistig tüchtiges Kind ist für sie der schönste Lohn für die schweren und 
mühseligen Mutterschaflsleistungen. Die aus den neuesten biologischen 
Forschungen des Verfassers geschöpften Ratschläge verdienen daher um so mehr 
die größte Beachtung und weiteste Verbreitung, als die Sorge für einen tüch¬ 
tigen Nachwus gerade jetzt eine der wichtigsten Lebensfragen für das deutsche 
Volk bildet. Rpd. 


Tagesnachrichten. 

Nach dem Ministerialblatt für Medizinalangelegenheiten (Nr. 87 d. J., 
S. 814) haben in Preußen die für Kreisärzte vorgeschrlebene Prüfung in 
den Jahren 1910—1915 bestanden mit dem Ergebnis: 



sehr gut 

gut 

genügend 

zusammen 

1910 . . 

8 

20 

15 

88 

1911 . . 

2 

16 

7 

25 

1912 . . 

1 

15 

8 

24 

1918 . . 

. 2 

24 

11 

87 

1914 . . 

— 

16 

4 

19 

1915 . . 

1 

6 

2 

9 

Summa 

: 9 

96 

47 

152 

Durchschnittlich jährlich 

: 1,5 

16 

7,8 

25,8 


= 6,0 o/ 0 

68,0% 

81,0% 

100% 


Es geht daraus hervor, daß die Zahl der Aerzte, die sich der kreisärzt¬ 
lichen Prüfung unterzogen und diese bestanden haben, infolge des Krieges eine 
sehr erhebliche Abnahme erfahren hat, und zwar gegenüber dem letzten 
Friedensjahre (1913) um 50«/ t bezw. um 75°/ 0 (1915). 


Auf der am 27. August d. J. in Leipzig abgehaltenen Sitzung des 
Geschäftsausschusses des Deutschen Aerstevereinsbundes gelangte die Mit¬ 
wirkung des Aerztevereinsbundes an der Ergänzungsansbildnng der not- 
geprüften Aerzte zur Erörterung. Die Besprechung dieses Gegenstandes 
der Tagesordnung, an der auch Vertreter der Preußischen Staatsregierung 
(die Herren Ministerialdirektor Prof. Dr. Kirchner, Wirkl. Geh. Ob.-Med.-Rat 
Prof. Dr. Dietrich und Prof. Dr. A d a m - Berlin) teilnahmen, führte zu der 
einstimmigen Ansicht, daß den notapprobierten Aerzten nach Beendigung des 
Krieges Gelegenheit zur Fortbildung gegeben werden müsse. Am geeignetstes 
werden hierzu seminaristische Kurse von einer dreimonatigen Dauer 
angesehen. Die Kurse sollen nur an solchen Orten stattfinden, in denen die 
verschiedensten Fächer ausreichend vertreten sind und das genügende Lehr¬ 
material vorhanden ist, wie in Akademien für praktische Medizin in den Haupt¬ 
stellen der ärztlichen Fortbildung und in Universitäten. Den Lehrern ist eia 
angemessenes Honorar zu gewähren. Die Kurse sollen für die Teilnehmer un- 





Tagesnachrichteii. 


563 


entgeltlich sein, und da es im Interesse der Allgemeinheit liegt, daß mög- 
licht viele notapprobierte Aerzte von der ihnen gebotenen Gelegenheit Gebrancb 
machen, so ist zu wünschen, daß die Teilnehmer dieser Kurse ein Stipendium 
erhalten, aus dem sie den Lebensunterhalt der Fortbildungszeit bestreiten 
können. Die Teilnehmer der Kurse dürfen während der Fortbildungszeit sich 
nicht als Arzt niederlassen. Es soll versucht werden, daß Reich und Einzel¬ 
staaten sich bei der Aufbringung der Kosten beteiligen. Der Geschäftsaus¬ 
schuß hält es für wünschenswert, daß der Aerztevereinsbund und andere ärzt¬ 
liche Körperschaften einen Beitrag zu diesen Kosten gewähren. In den zur 
weiteren Ausarbeitung der Angelegenheit beabsichtigten Ausschuß sollen zwei 
Vertreter des Geschäftsausschusses entsandt werden. Der Gescbäftsausschuß 
hält es für notwendig, daß auch ein Vertreter des Leipziger Verbandes in 
diesen Ausschuß zugezogen wird. 

Betreffs der Beteiligung der Aerzte an den FBrsorgebestrebungeu wurde 
weiterhin folgender Beschluß gefaßt: 

„Der Geschäftsausschuß bittet alle dem Bunde angeschlossenen Vereine, 
die bereits eingeleiteten oder erst noch geplanten Fürsorgebestrebungen auf¬ 
merksam im Auge zu behalten und an ihrer Durchführung tatkräftig mitzu¬ 
arbeiten. Im besonderen sollen die zuständigen Aerztevereine sich allenthalben 
einen maßgebenden Einfluß auf die Einrichtung und den Betrieb der Fürsorge¬ 
rn^ Beratungsstellen sichern, sollen die leitenden Aerzte dazu erwählen, und 
sollen bei der Anstellung und Ueberwachung aller Hilfskräfte (Fürsorge¬ 
schwestern, Bezirksfürsorgerin, -pflegerin usw.) maßgebend mitwirken. 

Es muß immer und immer wieder mit allem Nachdruck betont werden, 
daß die Fürsorgebestrebungen nur dann einen Erfolg haben und ihren Zweck 
erreichen können, wenn sie ohne jede Schädigung der Aerzte an Ansehen und 
Erwerb durchgefübrt werden, und wenn es gelingt, auf dieser Grundlage alle 
Aerzte zur Mitarbeit zu gewinnen.“ 


Ehrentafel. Es haben weiterhin erhalten: 

Das Eiserne Kreuz I. Kasse: 

Stabsarzt d. Res. Dr. Otto Braun-Weida (Thüringen). 

Stabsarzt Dr. Clausnitzer-Leipzig. 

Stabsarzt d. Res. Dr. Wilhelm Christ-Kempten (Bayern). 

Stabsarzt d. Res. Dr. Arnold F u c h s - Breslau. 

Oberstabsarzt Dr. Haugg-München. 

Oberarzt d. Res. Dr. Guido Hausknecht-Neustadt a. Aich (Mittel- 
franken). 

Stabsarzt d. L. Dr. Theodor H o 1 m - Röhlinghausen (Reg.-Bez. Arnsberg). 
Oberstabsarzt d. L. San.-Rat Dr. Richard Jahn-Wriezen (Reg.-Bez. 
Potsdam). 

Assistenzarzt Dr. E. Jantke -Glogau. 

Oberstabsarzt d. Res. Dr. Oswald Kloberg-Leipzig-Lindenau. 
Stabsarzt Dr. G. Lange (Inf.-Reg. 128). 

Stabsarzt d. Res. Dr. Fritz L o m m e 1 - Buer-Resse (Reg.-Bez. Münster). 
Generaloberarzt Dr. Anselm Mayr-Ansbach. 

Generalarzt Dr. Paalzow-Berlin. 

Feldunterarzt Alfred Peter. 

Oberarzt d. Res. Dr. Erwin S c h m i d t - Karlsruhe (inzwischen gefallen). 
Assistenzarzt d. Res. Dr. Berthold Stabr-Marienburg i. Westpr. 
Stabsarzt d. L. Med.-Rat Dr. Stengel^ Bezirksarzt in Lahr i. Baden. 
Oberstabsarzt d. L. San.-Rat Dr. Wolf-Zabem (Eis.). 

Das Eiserne Kreuz II. Klasse: 

Med.-Rat Dr. Kluge, Kreisarzt in Wolmirstädt, z. Z. Reservelazarett¬ 
direktor in Quedlinburg; hat außerdem das Herzogliche 
Anhaitinische Friedrichskreuz erhalten. 

Stabsarzt d. Res. und Bataillonsarzt a. D. Med.-Rat Dr. Peren, Kreis¬ 
arzt in Aachen. 

Dr. Max Wunsch, Kreisarzt in Litauen. 



556 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 


diagnosen, da er die Erkennung der Tabes schon in ihren Frühstadien ermög¬ 
licht (lichtstarre Popillen, R o m b e r g sches Schwanken, Fehlen der Kniereflexe, 
sowie subjektive Beschwerden wie durchschießende Schmerzen in den Gliedern, 
plötzliche Magenschmerzen mit Erbrechen, auffällige Veränderungen der 
geschlechtlichen Erregbarkeit, Doppelsehen usw.) Je früher aber die Tabes 
auf Grund sorgfältiger Beobachtungen und Untersuchungen, auch der Be- 
rührungs-, Schmerz- und Druckempfindlichkeit, des Lagegelühls an den Zehen, 
der Zielbewegungen bei geschlossenen Augen usw., festgestellt wird, desto 
gerechter und zutreffender wird die Beurteilung, namentlich in bezug auf 
Ihren ursächlichen Zusammenhang mit dem Unfall, ausfallen. Rpd. 


lieber die Frage des Zusammenhanges zwischen Unfall nnd Selbst¬ 
mord. Von Prof. Dr. W. Weygandt-Hamburg-Friedrichsberg. Vierteljahrs¬ 
schrift für gerichtliche Medizin und öffentliches Sanitätswesen. Dritte Folge; 
Jahrg. 1916, 62. Bd., 1. H. 

Die Frage des ursächlichen Zusammenhanges zwischen Unfall und 
Selbstmord ist namentlich in versicherungsrechtlicher Hinsicht von großer Be¬ 
deutung und hier wiederum verschiedentlich zu behandeln, je nachdem es sich 
um Privatversicherung oder staatliche Unfallversicherung bandelt. Im ersteren 
Falle muß der Nachweis des willensfreien Zustandes mit überzeugender Schärfe 
geführt sein, während bei der letzteren das Bestreben besteht, in zweifelhaften 
Fällen zugunsten des Versicherten zu entscheiden, und schon eine Herabsetzung 
der psychisch normalen Verfassung als ausreichend erachtet wird. Der ärzt¬ 
liche Sachverständige darf sich aber auch in diesen Fällen nicht verleiten 
lassen, die Grenzen zwischen schwerer geistiger Störung und einer leichteren 
Abweichung von der Norm oder zwischen Unzurechnungsfähigkeit und Willens¬ 
unfreiheit einerseits und verminderter Zurechnungsfähigkeit oder auch be¬ 
schränkter Geschäftsfähigkeit anderseits völlig zu verwischen und in dubio pro 
aegroto sive mortuo einzutreten. Wenn auch erfahrungsgemäß in der über¬ 
wiegenden Mehrzahl der Fälle bei Selbstmördern ein psychisch abnormer 
Geisteszustand vor der Tat vorliegt, so ist es nach Ansicht des Verfassers 
bedenklich, einen physiologischen Selbstmord zu leugnen, zumal ein gewisses 
Maß von bestimmter geistiger und moralischer Eigenschaften wie Mangel an 
Ausdauer, Standfestigkeit und Selbstüberwindung, erhöhte Reizbarkeit, Stim¬ 
mungslabilität usw. noch als in den Bereich der physiologischen Breite gehörig 
bezeichnet werden muß. Nicht jeder Selbstmord kann ohne weiteres als eine 
psychopathologische Handlung angesehen werden. Schwierig ist allerdings die 
Beurteilung in zweifelhaften Fällen, weil die Uebergänge von dem nur leicht 
vom völlig normalen abweichenden Zustande zu dem psychisch schwer 
gestörten und völlig willensunfreien durchaus fließend und kontinuierlich ist 
Am einfachsten wäre es deshalb, wenn der ärztliche Sachverständige schätzungs¬ 
weise den Grad der Abweichung von der Norm abgeben könnte; geringfügige 
Abweichungen von 5—10 "/o werden dann ebenso unbeachtlich behandelt werden 
können, wie sie bei der prozentualen Einschätzung der Erwerbsfäbigkeit unbe¬ 
rücksichtigt bleiben. Die ärztliche Prüfung der ursächlichen Beziehungen 
zwischen Unfall und Selbstmord stößt außerdem insofern noch besonders auf 
Schwierigkeiten, als die Beweisaufnahme gewöhnlich sehr lückenhaft ist und 
Vor allem über das psychische Vorleben des Selbstmörders vor dem Unfall im 
Stich läßt, so daß der Gutachter daraus meist nur ein schwaches Abbild des 
Tatsächlichen erhalten kann. In solchen Fällen ist es eine besondere Aufgabe 
des Gutachters, die aus der Beweisaufnahme sich ergebenden, oft geringfügigen 
positiven Anhaltspunkte entsprechend zu verwerten, wie dies von dem Verfasser 
in dem von ihm mitgeteilten Fall geschehen ist. Es handelte sich hier um den 
Selbstmord eines Schlossers, den er 2 /s Jahr nach einen Unfall (Bruch des linken 
Fersen- nnd Sprungbeins sowie Bruch nnd Verschiebung des horizontalen Astes 
des rechten Schienbeines infolge Sturzes von einer Leiter) begangen batte. Die 
Hinterbliebenen führten den Selbstmord auf die geistige Depression zurück, 
die sich nach der schweren Verletzung bei dem Betreffenden eingestellt habe 
und beanspruchten Hinterbliebenenrente. Verfasser konnte auf Grund gering* 
fügiger, aber tatsächlicher Anhaltspunkte, die ihm die Zeugenaussagen, nament¬ 
lich die der Ehefrau, boten, sein Gutachten dabin abgeben, daß die bei dem 
Selbstmörder vorhandene psychische Eigenart und die dadurch bewirkten 



Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 


557 


Störungen depressiver Art schon vor dem Unfall bestanden hätten und deshalb 
nicht mit Gewißheit oder einigermaßen hoher Wahrscheinlichkeit ein ursäch¬ 
licher Zusammenhang des Selbstmordes mit dem Unfall angenommen werden 
könnte. _ Rpd. 

Unmöglichkeit einer genauen Abschätzung der Beschleunigung des 
Todes bei der Verschlimmerung eines Krebsleidens durch Unfall, Rekurs- 
Entscheidung des Reichs Versicherungsamts vom 29. April 1916. 

Der Arbeiter G. R. hatte sich bis zum 4. Juli 1918 ganz gesund und 
arbeitsfähig gefühlt. An diesem Tage batte er mit einem Stempel einen Stoß 
gegen die Magengegend erhalten, der ihn wegen furchtbarer Schmerzen zu 
einer 20—30 Minuten dauernden Arbeitsnnterbrechung nötigte. R. konnte noch 
bis zum 23. August 1913 Weiterarbeiten; dann mußte er jedoch wegen Appetit¬ 
losigkeit, Abmagerung usw. den Arzt aufsuchen, der ihn am 22. September 1913 
in das Knappschaftslazarett überwies, wo er am 3. Oktoter operiert wurde. 
Am 21. Oktober konnte er als gebessert entlassen werden, starb aber schon 
am 7. November 1913 an einem Krebs der Bauchspeicheldrüse. Der Anspruch 
seiner Hinterbliebenen auf Unfallentschädigung wurde in den beiden ersten 
Instanzen abgewiesen, weil die befragten Aerzte aus dem Ergebnis der Leichen¬ 
öffnung den Schluß zogen, daß der Krebs nur sehr langsam gewachsen und 
wahrscheinlich schon bei der Verletzung vorhanden war. Der Unfall könne 
allerdings möglicherweise das Wachstum der Krebsgeschwulst etwas gefördert 
haben. In der Regel rechne man bei den Krebsen der Bauchspeicheldrüsen 
mit einer Lebensdauer des Patienten von 6—8 Monaten nach dem Auftreten 
der ersten Symptome. Der Unfall habe im Falle des R. vielleicht komplizierend 
gewirkt und eine Verkürzung der Lebensdauer um 2—4 Monate verursacht. 
Bei dem dnreh das Krebsleiden sowieso dem Tod verfallenen R. könne die 
durch den Unfall möglicherweise bedingte Verkürzung der Lebensdauer um nur 
2—4 Monate nicht einer wesentlichen Verschlimmerung gleich erachtet werden. 

Zur Beurteilung des von den Hinterbliebenen dagegen eingelegten 
Rekurses befragte das Reichsversicherungsamt. den als Autorität auf dem 
Gebiete der Krebsforschung allseits anerkannten Professor Dr. von Cz., um 
welchen Zeitraum nach seiner Ansicht der Tod des R. durch den Unfall wahr¬ 
scheinlich beschleunigt worden ist. Der Sachverständige erklärte, man sei 
vollkommen auf willkürliche Schätzungen angewiesen. Es sei wohl richtig, daß 
die durchschnittliche Lebensdauer nach dem ersten Auftreten der Erscheinungen 
bei Krebs der Bauchspeicheldrüsen 6—8 Monate betragen möge, aber die 
Krebsfälle seien so verschieden in ihrem zeitlichen Verlauf, daß kein Mensch 
sagen könne, wie lauge R. ohne den Unfall noch gelebt hätte; er glaube, daß 
1 Jahr möglicher Lebensdauer nach Beginn der ersten Symptome hoch gerechnet 
ist und komme somit auf etwa 8 Monate, um die vielleicht das Leben des R. 
dnreh den Unfall verkürzt wurde. Das Reichsversicherungsamt schloß 
sich diesem Obergntachten an. Wenn der Senat auch die Möglichkeit als 
gegeben erachtet hätte, daß der Tod des R. durch den Unfall im gewissen 
Grade beschleunigt worden sei, so sei doch keine ausreichende Unterlage für 
die Annahme gegeben, daß es sich hierbei um einen längeren Zeitraum handelte. 
Nach dem ärztlichen Gutachten lasse sich die Zeitspanne, auf deren Durchleben 
R. ohne den Stoß gegen den Leib noch hätte rechnen können, keineswegs mit 
auch nur einiger Sicherheit bestimmen. Nach allem sei eine hinreichende 
Wahrscheinlichkeit dafür, daß der Unfall den tödlichen Ausgang der Krankheit 
wesentlich beschleunigt habe, nicht begründet. Der Rekurs wurde daher 
zurückgewiesen. (Kompaß; 1916, Nr. 14.) 

B. Bakteriologie and Bekämpfung der übertragbaren Krankheiten. 

1. Cholera. 

Cholera und Paratyphus B. (Ans der Med. Universität» - Poliklinik 
Halle a. 8 ) Von Dr. H. Jastro witz. Deutsche medizinische Wochenschrift; 
1916, Nr. 32. 

Da die Gastroenteritis paratyphosa sehr häufig unter dem Bilde der 
Cholera nostras auftritt, die von der Cholera asiatica klinisch nicht zu differen¬ 
zieren ist, vermag nur die bakteriologische Untersuchung ätiologisch aufzu- 



564 


Tagesnachrichten. 


Außerdem haben erhalten: 

Bas Großherzoglich Hessische Militär-Sanitätskreuz 
am Kriegesbande: Geh Ober-Med.-Rat Dr. Ra 1 ser- Darmstadt und 
Med.-Rat Dr. Schwan, Kreisarzt in Dieburg. 


Ehren-Oed&ohtniatafel. Für das Vaterland gefallen oder gestorben 

sind ferner: 

Stabsarzt d. Res. und Reg.-Arzt Dr. Hans Butter-Dresden (infolge 
von Krankheit gestorben). 

Feldarzt Dr. R. C oh n - Charlottenburg (infolge von Krankheit gestorben). 
Feldunterarzt R D e m m e - Hamburg. 

Stabsarzt d. Res. Dr. Maximilian Frey-Saarbrücken. 

Feldunterarzt H. H i 11 - Kulkwitz. 

Oberarzt Dr. Adolf Kühn- Hirschberg i. Schles. 

Oberarzt d. L. Dr. Guido Müll er-Jückelberg (infolge von Krankheit 
gestorben). 

Assistenzarzt d. Res. Dr. G. Rörig (infolge von Krankheit gestorben. 
Assistenzarzt d. Res Dr. H. Sal ich -Berlin. 

Oberarzt d. Res. Dr. Schmidt-Karlsruhe. 

Stabsarzt d. Res. Dr. Otto Sehr ad er-Loslau (Oberschlesien) (infolge 
von Krankkheit gestorben). 

Assistenzarzt Dr. Schroeder. 

Feldunterarzt W. Stroof-Lindenthal bei Cöln a Rh. 

Feldarzt Dr. Karl T1 a c h - Ratibor. 

Stabsarzt d. Res. und Bataillonsarzt Dr. Martin Weyl- Berlin. 

Außerdem ist gefallen: Leutnant Fritz Thümmler, Sohn des Med.-Rats 
Dr. Thümmler, Üerichtsarzt in Leipzig. 


Cholera. In Bosnien und in der Herzegowina sind vom 23. bis 
31. Juli: 12 Erkrankungen (mit 5 Todesfällen), in der Türkei vom 14. Mai 
bis 7. Juli: &147 (2698) vorgekommen, darunter 145 (76) in KonBtantinopel. 

Fleckfieber. Im Deutschen Reiche ist in der Woche vom 3. bis 
9. September: 1 Erkrankung (bei einem Kriegsgefangenen) amtlich gemeldet; in 
Oesterreich vom 21. Mai bis 27. Juni: 627, 418, 440, 274 und 131, davon 
in Galizien 507, 397, 438, 238 und 126; in Ungarn vom 24. Juli bis 
13. August: 3, 2 und 3, in Bosnien und in der Herzegowina vom 7. Mai 
bis 17. Juni: 46, 20, 7, 9, 16 und 4. 

Pocken. Im Deutschen Reiche sind in der Woche vom 3. bis 
9. September 5 Erkrankungen festgestellt, außerdem nachträglich 21 abgelaufene 
pockenverdächtige Fälle. 


Erkrankungen und Todesfälle an ansteckenden Krankheiten in 
Preußen. Nach dem Ministerialblatt für Medizinal-Angelegenheiten sind in der 
Zeit vom 18. bis 26. August 1916 erkrankt (gestorben) an Pest, Gelb¬ 
fieber, Cholera, Trichinose, Aussatz, Malaria, Fleckfieber, 
Rückfallfieber, Paratyphus, Rotz: — (—), — (—); Bißver¬ 
letzungen durch tollwutverdächtige Tiere: 12 (—), 15 (—); 
Tollwut: — (—), — (1); Milzbrand: 1 (—), — (—); Pocken: 9 (—), 
10 (—); Unterleibstyphus: 222 (28), 303 (22); Ruhr: 329 (26), 691 (16); 
Diphtherie: 1501 (77), 1869 (99); Scharlach: 966 (58), 1204 (57); 
Kindbettfieber: 54 (18), 48 (16); Genickstarre: 18 (5), 2 (5); 
spinaler Kinderlähmung: 7 (—), 3 (—); Fleisch-, Fisch- und 
Wurstvergiftung: 13(2), 17 (—); Körnerkrankheit (erkrankt): 
32, 114; Tuberkulose (gest.): 676, 682. 


Redaktion: Prof. Dr. Rapmnnd, Geh. Med.-Rat in Minden i.W. 

J. 0. C. Bronn, Herzogi. flieht, u. Fürst!. Seh.-L. Hofbachdnickerei ln Minden. 

















































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Mit ^ AbbiTdug^F 1 ’ auf 30 Tafeln 


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29. Jahrg. 


1916. 


Zeitschrift 

für 

MEDIZINALBEAMTE. 


Zentralblatt 

ffflr das gesamte Gebiet der gerichtlichen Medizin und Psychiatrie, 
des staatlichen und privaten Versicherungswesens, sowie für das 
Medizinal- und öffentliche Gesundheitswesen, einschließlich der 

Hygiene und Bakteriologie. 

Herausgegeben 

▼on 

Prot Dr. OTTO RAPMUND, 

Geh. Med.-Rat In Minden I. W. 


Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, Sächsischen, 
Württembergischen, Badischen, Hessischen, Mecklenburgischen, Thüringischen, 
Braunschweigischen und Eisass-Lothringischen Medizinalbeamtenvereins. 


Verlag von Fiseher’s med. Bttehhandlg R Kornfeld, 

HarsogL Bayer. Hoi- n. K. xl JL Kammer-Buchhtadler. 

Berlin W. 62, Keithstr. 5. 

Aiielfea othmin die VafUgshandlung «owie eile AnxelfeneiiDehmeatellen des Ia» 

«ad Aaalende« eatgefeiu 


Nr. 19. 


Ersehelnt 


5. und SO. Jedem Monate. 


5. Okt. 


Mitteilung. 

Der für diese Nummer der Zeitschrift bestimmte Original¬ 
artikel ist von dem zuständigen Sanitätsamte beanstandet; um 
die dadurch bewirkte verspätete Herausgabe der Nummer nicht 
noch länger zu verzögern, erscheint diese deshalb ausnahmsweise 
ohne einen Originalartikel und in etwas geringerem Umfange. 

Der Herausgeber. 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 

A. Qeriohtlioh# Medizin. 

Der Tod durch Elektrizität. Von Fritz Lesser. Zentralblatt für 
Gewerbehygiene; 1916, Nr. 8. 

Backy faßt den menschlichen Körper als Leitungsnetz auf; offenbar 
ist diese Ansicht richtig; es wäre deshalb zu wünschen, daß sich ein Experimen¬ 
tator fände, der sie aufnähme. Er würde zunächst zu ergründen haben, 
welchen Weg unter bestimmten Voraussetzungen der Strom und seine stärkeren 
Verzweigungen nehmen werden und wo auf diesen Rahmen stärkere Widerstände 
sich finden. Dort wird man dann die Todesursache zu suchen haben, da an diesen 
Stellen die Umsetzung der Stromarbeit hauptsächlich statttinden wird. Eine 
Erschwerung liegt in der Berücksichtigung des Wechselstromes, weil bei diesem 













566 


Kleinere Mitteilungen Und Referate ans Zeitschriften. 


nicht; wie beim Gleichstrom, der Widerstand allein, sondern die Impedanz 
(Widerstand und Selbstinduktion) in die Betrachtung einzubeziehen sein wird. 
Gerade die Ermittelung der Einwirkung des Wechselstromes, und zwar des 
zurzeit hauptsächlich verwendeten Ein- oder Dreiphasenstromes, von hoher 
Spannung und der Frequenz 50, bei dem die meisten Unfälle Vorkommen, wurde 
praktisch von der größten Bedeutung sein. Dr. Wolf-Hanau. 


B. Saohverttindlgent&tigkelt auf mllit&rirztlichem Gebiete. 

Zur Frage der Wundbehandlung, insbesondere der Ueberbfiutung 
großer Wundflüchen. Von Oberarzt Dr. Spiegel. Aus der Chirurgischen 
Abteilung des Städtischen Krankenhauses Berlin-Lichtenberg. (Leitender Arzt: 
i. V. Prof. Dr. Köhler.) Medizinische Klinik; 1916, Nr. 16. 

Der auf allen Fronten entstandene Schützengrabenkrieg bringt es mit 
sich, daß Verwundungen durch Minen- und Granatsplitter weit häufiger Vor¬ 
kommen, als Schußverletzungen durch Infanteriegeschosse. Bei solchen Granat¬ 
splitterverletzungen kommt es fast immer zu größeren Zerstörungen und 
Substanzverlusten, deren Ausheilung äußerst langwierig und undankbar ist; 
namentlich macht die Ueberhäutung der dabei meist vorhandenen größeren Wund¬ 
flächen Schwierigkeiten, besonders wenn'diese, wie in der Mehrzahl der Fälle, 
nicht auf operativem Wege zu erreichen ist. Der Chirurg ist dann auf nicht 
operative Verfahren, insbesondere auf die Salbenbehandlung angewiesen. Ver¬ 
fasser hat mit den hauptsächlich hierfür in Betracht kommenden Mitteln 
(Höllensteinstift, Jodoform, Leukozon, 8 u /oige Scharlachrotsalbe, 2°/oige Pelli¬ 
dolsalbe, Granugenol und Winters Kombustinsalbe) Versuche angestellt und 
die besten Erfolge mit der W i n te r sehen Ko m b u s t i n salb e erzielt, 
die infolge ihrer Zusammensetzung *) gegenüber den sonst gebräuchlichen Mitteln 
große Vorteile bietet und die mit jenen verbundenen Nachteile vermeidet 
Durch ihre pastenartige Konsistenz ist sie sehr sparsam sowohl im Verbrauch 
der Salbenmenge, als auch der Verbandstoffe, die sie nicht durchfettet und da¬ 
durch auch eine Verklebung mit der Wundfläche unmöglich macht. Ihre stark 
8ekretionsbesehränkende Eigenschaft ermöglicht es, den Verband drei bis vier 
Tage und länger liegen zu lassen. Reizerscheinungen werden selbst bei 
wochenlang fortgesetztem Gebrauch weder auf der Wundfläche noch der ge¬ 
sunden Haut beobachtet. Die Ueberhäutung geht bei sachgemäßer Anwendung 
auffällig rasch vonstatten und zeichnet sich gegenüber dem Gebrauch anderer 
Salben dadurch aus, daß nicht nur vom Rande aus sich Epithelhalbinseln auf die 
Wundfläche schieben, sondern bei oberflächlichen Verletzungen, besonders Aetz- 
oder Brandwunden ersten bis zweiten Grades, auch in der Mitte der Wundfläche 
schnell fortschreitende Epithelinseln entstehen. Die Salbe besitzt außerdem den 
Vorzug, daß sie verhältnismäßig billig ist. Verfasser ist es bei einer großen 
Anzahl verwundeter Soldaten und anderer Personen gelungen, durchweg gute Er¬ 
folge, besonders bei Verbrennungen, zu erzielen und selbst riesige Wundflächen, 
z. B. eine Granatsplitterverletzung, die den Verlust der Haut der Rückseite des 
Oberschenkels von den Glutäen bis dicht unterhalb der Kniekehle zur Folge 
batte, ohne Hinterlassung von Bewegungsstörungen zu überhäuten. Unterstützt 
wurde diese Behandlung in besonders schweren Fällen noch durch Verbindung mit 
Teilbädern (Dauer-, Seifen- und Salzbädern) Lichtbügel und Heißluft (Fön). 

_ Rpd. 


O. laktirlologl# ondBik&apftmf dar übertragbaren Krankheiten. 

1. Bekämpfung übertragbarer Krankheiten im aUgemeinen. 

Bericht über die Tätigkeit der öffentlichen bakteriologisch- 
diagnostischen Untersiicliungsanstalt am pathologisch anatomischen Institut 
in Prag. Von Obersanitätsrat Prof. Dr. Ghon und Dr. Roman. Das 
österreichische Sanitätswesen; 1916, Nr. 13—17. 


*) Die Salbe besteht aus Alaun-, Wismut- und Zinkverbindungen 24 °f 0 , 
Perubalsam 0,9 %, Borsäure 0,1%, Aniylum 25%, gewachste gelbe Vaseline 
50% und wird von F. Winter jr., rheinische Fabrik, Fäbrbriike i. 8., her- 
gestellt. Der Preis der Salbe beträgt 6 Mark für eine 300 g-Büchse, die sich 
besonders für Krankenhäuser usw. eignet. 



Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 667 

Der Bericht umfaßt die Tätigkeit wahrend der Zeit vom 1. Juli 1914 
bis 30. Juni 1916 (6764 Eingänge) und enthält: 1. eine Zusammenstellung der 
Untersuchungen nach ihrer Herkunft und nach ihren wichtigsten Ergebnissen, 
sowie 2. allgemeine und besonders wissenschaftliche Erörterungen über 
a) Mikrococcus meningitis cerebrospinalis, b) die Dysenteriegruppe, c) die 
Typhus-Koligruppe, d) den Choleravibrio, e) Fleckfieberinfektionen und f) einige 
Infektionen anderer Aetiologie. Dr. Wolf- Witzenhausen. 


2. Typhus. 

Ueber die diagnostische Bedeutung der Widalschen Reaktion und 
des Nachweises der Typhusbazillen im Blute und Kote. Bekannt¬ 
machung des Königlichen Landes-Qesundheitsamtes. Korre¬ 
spondenzblatt der ärztlichen Kreis- und Bezirks-Vereine im Königreiche Sachsen; 
1916, Nr. 16. 

Da die Erfahrungen der letzten Monate gezeigt haben, daß, über die 
Bedeutung und den Wert der Wi dal sehen Probe bei Unterleibstyphus wider¬ 
sprechende Meinungen verbreitet sind, hält es das Königliche Landes-Gesund- 
heitsamt für angezeigt, den Aerzten des Landes folgende Gesichtspunkte 
bekanntzugeben und zur Berücksichtigung zu empfehlen: 

1. Die Widalsche Reaktion ist nicht das Typhusdiagnosti- 
kum schlechthin, das mit Sicherheit das Bestehen oder das Nichtvorhanden¬ 
sein einer typhösen Erkrankung anzeigt. Sie ist nur ein Hilfsmittel für die 
Sicherstellung der Typhusdiagnose; ihr Ausfall darf für die Diagnose nur unter 
Berücksichtigung der Höhe des Agglutinationstiters, der Vorgeschichte des 
Krankheitsfalles, seiner Dauer und der klinischen Erscheinungen verwertet 
werden. 

2. Sie läßt beim Typhuskranken erst dann ein positives Ergebnis er¬ 
warten, wenn er sich in der zweiten Krankheitswoche befindet. 

3. Ein negativer Ausfall der Reaktion spricht bei vorhandenem 
Typhusverdachte nicht gegen das Bestehen eines Typhus. Es empfiehlt sich 
die Reaktion zu wiederholen. 

4. Ein positiver Ausfall ist, wenn er bei einer Serumverdünnung von 
mindestens 1:80 erzielt wurde, für die Sicherstellung der Typhusdiagnose von 
großer Bedeutung. Es ist dabei aber immer zu berücksichtigen, daß der be¬ 
treffende Kranke frühes eine typhöse Erkrankung durchgemacht haben kann 
und daß infolgedessen sein Blut eine positive Reaktion gibt. Ferner ist nicht 
außer acht zu lassen, daß in seltenen Fällen auch bei anderen Erkrankungen, 
so besonders bei Fällen von Gelbsucht, die Reaktion positiv ausfallen kann. 

5. Bei Personen, bei denen eine regelrechte Schutzimpfung gegen Typhus 
vorgenommen ist, pflegt die Reaktion in der Regel noch längere Zeit — 
mindestens 3 bis 5 Monate lang — positiv auszuf&llen. 

6. Das Bestehen eines Typhus wird sicher durch den 
Nachweis der Typhusbazillen im Blute erwiesen, der bei Per¬ 
sonen, die nicht gegen Typhus schutzgeimpft worden sind, bereits in der ersten 
Krankheitswoche, bei schutzgeimpften Personen etwas später erbracht werden 
kann. Zu diesem Nachweise ist es nötig, 6 bis 10 ccm Blut in sterilisierter 
Rindergalle an eine der im Lande bestehenden bakteriologischen Untersuchungs¬ 
stellen einzusenden. Galleröhrchen werden von den erwähnten Anstalten auf 
Wunsch abgegeben. 

7. Der Nachweis von Typhusbazillen im Stuhle gelingt meist 
erst, wenn Geschwüre im Darme sich gebildet haben, also frühestens am Ende 
der zweiten Krankheitswoche. Er ist mit Vorsicht zu bewerten, da Typhus¬ 
bazillen im Stuhle ohne das Bestehen einer Typhuserkrankung bei Bazillen¬ 
trägern gefunden werden. 


Zur Diagnostik des Abdominaltyphus bei Geimpften. Von Oberarzt 
Dr. Rob. Löwy. Aus dem k. und k. Epidemiespital der Quartiermeister- 
Abteilung Nr. 9. Wiener klinische Wochenschrift: 1916, Nr. 31. 

Der Verlauf des Typhus hat sich unter dem Einfluß der Schutzimpfungen 
der zweiten Hälfte des Jahres 1915 wesentlich geändert. Bei den abortiven 
Formen, die jetzt beobachtet werden, treten nach einer vorübergehenden 



568 Kleinere Mitteilungen and Referate aus Zeitschriften. 

Temperatursteigerung von 4—8 Tagen und mit späterhin noch auftretenden 
abendlichen Steigerungen wieder normale Temperaturen auf. Es gibt sogar 
nach wiederholter Impfung nicht selten Typhen mit ganz kurzem Fieberverlauf, 
mit charakteristischer Zunge und Milztumor mit negativem bakteriolo¬ 
gischem und serologischem Befund. Das meist konstante Symptom 
ist immer noch der Milztumor; der Wert dieses Symptoms sinkt nur durch den 
Umstand, daß noch 10 Wochen nach der letzten Impfung in 7°/o der Fälle 
Milzvergrößerung beobachtet worden ist (Qoldscheider, Kemmerer, 
Woltering), und daß man ziemlich häufig bei Soldaten mit ausgebreiteten 
Exkoriationen nach starker Verlausung eine deutliche Milzvergrößerung findet. 

Da in jenen leichten Fällen sowohl die bakteriologische, als die sero¬ 
logische Untersnchnng versagt, muß man annehmen, daß hier der Abdominal¬ 
typhus nur eine lokale Darmerkrankung darstellt. 

Unter gewissen Einschränkungen kann sonst die Gruber-Widalsche 
Reaktion auch bei Geimpften als diagnostisches Behelf bewertet werden. 
Unmittelbar nach der Impfung ist auch das Ansteigen des Agglutinationstiters 
nicht beweisend; selbst in der 3. und 4. Woche muß die Reaktion wegen 
der leichten Beeinflußbarkeit durch biologische Vorgänge mit Vorsicht be¬ 
wertet werden. 

Fällt der Erkrankungstag innerhalb der ersten 8 Monate der letzten 
Impfung, so ist von besonderer diagnostischer Bedeutung für eine typhöse 
Erkrankung das meist steile, und hohe Ansteigen der Aggluti- 
nationskurve. * _ Dr. Mayer-Simmern. 


Ein Fall von Kombination eines Bauchtyphns mit Fleckflfeber. Von 
Dr. S. Feig, Arzt der I. medizinischen Abteilung (Prof. M. Sternberg) im 
k. und k. Krankenhause Wieden, z. Zt Landsturm-Arzt im Isolierspital des 
k. und k. Kriegsgefangenenlagers Kleinmüncben bei Linz. Medizinische Klinik; 
1916, Nr. 21. 

Es wird ein Fall von Bauchtyphus, kombiniert mit Fleckfieber, be¬ 
schrieben. Am 4. Beobachtungstage war der ganze Körper mit einem Exanthem 
übersät, an Brust und Bauch stand die Roseola besonders dicht. Das ganze Bild 
sprach für Fleckfieber. Die Stnhluntersuchung ergab dagegen Typhusbazillen; 
auch die Agglutination fiel positiv aus. Der Kranke war nicht gegen Typhus 
geimpft und hatte vorher auch keinen Typhus durchgerpacht. Das Exanthem 
wurde am 9. Tage haemorrhagisch. Nach dem ganzen Aussehen und Verlauf 
war Abdominaltyphus mit haemorrhagischer Diathese nicht anzunehmen. Der 
Temperaturabfall erfolgte kritisch. Das ist dadurch zu erklären, daß das 
Fleckfieber wahrscheinlich etwas später als der Paratyphus auftrat, diesen 
überdauerte und so dessen Sepsis maskierte. 

Dr L. Quadflieg-Gelsenkirchen. 


3. Paratyphus. 

Zur Kenntnis des Paratyphus A. Von Dr. F. L'oewenthal. (Ans 
der Direktorialabteilnng des Allgemein städtischen Krankenhauses Nürnberg, 
Prof. Dr. J. Müller.) Medizinische Klinik; 1916, Nr. 20. 

Nach einem kurzen Ueberblick über die Paratyphus A- Literatur wird 
eine Paratyphus A-Infektion beschrieben, die bei einem Soldaten von der 
Ostfront zur Beobachtung gelangte, der mit der Diagnose: „lungenkrank“ ein- 
goliefert war. Das Krankheitsbild war wochenlang beherrscht von einer 
Bronchitis diflusa. Die klinischen Erscheinungen der Paratyphus A-Infektion 
sind die bekannten. Bemerkenswert ist das Aussehen der Roseolen, die im 
Zentrum kleine bis stecknadelkopfgroße weißliche Herde und Bläschen auf¬ 
weisen, so daß die Roseola gleichsam eine Spitze erhält, ferner der Meningismus 
und die Rigidität der Muskeln. Aus der Blutgalle-Kultur wurden Paratypbus- 
bazillcn des Typhus A gezüchtet. Dr. L. Q u a d f 1 i e g - Gelsenkirchen. 


Atypischer Parntyphus A mit letalem Ausgang. Von Dr. R. Frenzel, 

Assistenzarzt d. Res. Deutsche med. Wochenschrift; 1916, Nr. 82. 

Der ira Januar d. J. beobachtete Fall von Paratyphus A endete letal 
und bot sowuhl klinisch, wie pathologisch-anatomisch Besonderheiten. Klinisch 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 569 

beherrschte eine aknte hämorrhagische Nephritis das schwere Krankheitsbild. 
In beiden Nieren lagen zwei verschiedenartige Prozesse vor: eine embolische 
Nephritis entstanden dnrch Bazillenembolien und eine Glomerulonephritis älteren 
und frischeren Stadiums. F. sieht den Fall als einen „Nephroparatyphus A“ 
an, entsprechend dem sog, „Nephrotyphus“, dem analogen klinischen Krank¬ 
heitsbild beim Typhus abdominalis. Da der Paratyphus A dem Typhus sehr 
nahe verwandt ist und erheblich näher stebt, als dem Paratyphus B, so ist sein 
Auftreten in einer dem Nephrotyphus entsprechenden Variation durchaus nicht 
überraschend. 

Im weiteren Verlauf standen Blutungen in die Haut, aus dem Zahnfleisch 
und aus der Nase, mithin die Erscheinungen einer hämorrhagischen Diathese 
im Vordergründe; in den letzten Tagen vor dem Tode machten s^ch 
auch psychische Störungen bemerkbar. Obwohl man bisher noch keinen 
hämorrhagischen Paratypbus A beobachtet hat, so sind doch im Bilde des 
Paratyphus B, besonders der gastroenteritischen Verlaufsform, Hämorrhagien 
keine Neuigkeit. 

Bei Züchtung der Paratyphus A-Stämme trat die Koagulation der Lack- 
musmannitunutroselösung (Barsiekow) durchweg erst im Laufe des zweiten 
Tages nach Beginn der Bebrütung ein im Gegensatz zu Paratyphus B-Stämmen, 
wo sie schon nach 15 Minuten Brutschrank vollständig ist. Sämtliche mit 
Paratyphus A - Bazillen beschickten Nährböden dieser Art waren nach 24 Stunden 
zwar gerötet, aber noch vollständig klar. Die gleiche Beobachtung ist bei 
einem sicheren Paratyphus A-Herd in Wolhynien gemacht. 

Dr. Roepke-Melsungen. 

4. Fleischvergiftung. 

Kasuistischer Beitrag zu Botulismuserkrankungen. Von Stabsarzt 
Dozent Dr. Josef Novotny und Karl Ringel. Aus dem k. und k. Reserve¬ 
spital Valgevo. Wiener klin. Wochenschrift; 1916, Nr. 36. 

Die -bisher im Verlaufe des K r ieges aus verschiedenen Kriegsschau¬ 
plätzen veröffentlichten Berichte erhalten wenig von Fleischvergiftungs- 
erkraqkungen. 

Am 15. Mai 1916 wurde unter Choleraverdacht in das Krankenhaus 
Valjevo ein Infanterist eingeliefert, der vor 2 Tagen an Diarrhoen, Erbrechen, 
Krämpfen und Schwindel erkrankt war. Boi der Einlieferung bestanden 
Blepharopton, beiderseits Sehstörungen mit Doppeitschen, leichter Strabismus 
convergens, Pupillencrweiterung, starkes Ileozoekalgurren; Blaufärbung und 
Kälte der Hände und unteren Gliedmaßen, krampfhafte Kontraktionen der 
Muskeln, so daß Finger und Zehen überstreckt gehalten werden, wellenförmige 
Kontraktionen der Wadenmuskeln, choleraähnliche Stühle und unstillbarer 
Brechreiz. Die bakteriologische Untersuchung deä^Blutes, sowie die Blutproben 
auf Widal und Agglutination gegen Paratyphus B fielen negativ aus. Der 
Stuhl enthielt weder Cholera-, noch Ruhr-, noch Paratyphus B-Bazillen. Trotz 
der Aehnlichkeit mit dem Bilde der Cholera halten die Verfasser die Diagnose 
Botulismus für gesichert. Heilung unter Digalen-Na-Cl.-Injektionen und An¬ 
wendung eines inneren Mittels (welches? ist nicht angegeben). 

v Dr. M a y e r - Simmern. 

5. Malignes Oedem. 

lieber malignes Oedem. Von Prof. Dr. Eugen Fr ä n k e 1 - Hamburg- 
Eppendorf. Beiträge zur Klinik der Infektionskrankheiten und zur Immunitäts¬ 
forschung. Würzburg 1916. Verlag von Curt Kabitzsch. IV. Bd., 2. Heft. 
Preis des Einzelheftes (Gr. 8 0 ; 80 S.): 6 Mark. 

Unter den durch Anaerobien beim Menschen verursachten Wundinfektions¬ 
krankheiten nimmt bei Friedens- wie Kriegsverletzungen der Tetanus unzweifel¬ 
haft die bei weitem erste Stelle ein; in zweiter Linie dürfte nach den im 
jetzigen Krieg gesammelten Erfahrungen die als Gasbrand, Gasphlegmone 
bekannte Krankheit kommen, während das sog. maligne Oedem zu den seltensten 
Wundinfektionskrankheiten gehört, die ebenfalls durch einen von Koch mit dem 
Namen „Bacillus des malignen Oedems“ bezeichneten Bazill hervorgerufen 
wird. Verfasser hat Gelegenheit gehabt zur Untersuchung eines derartigen, 



670 


Kleinere Mitteilungen and Beferate ans Zeitschriften. 


tödlich verlaufenen Falles, der ihn za weiteren eingehenden bakteriologischen 
Untersuchungen veranlaßt hat. Danach ist als Charakteristikum des Oedem- 
bacillus anzusehen seine Befähigung, bei Mensch und Tier die Ausschwitzung 
eines meist rötlich gefärbten, bisweilen aber auch vollkommen wasser¬ 
klaren, rein serösen, stets geruchlosen Serams im Unterhaut- bezw. Zwischen - 
muskelgewebe zu erzeugen. Bei den durch ihn hervorgerufenen Veränderungen 
handelt es sich um eine wässerige Transsudation eines serös-sanguinulenten 
Flüssigkeit in die Gewebe, während eigentlich entzündliche Prozesse, ebenso 
wie bei der Gasgangraen, durchaus in den Hintergrund treten. Ob als Ursache 
des malignen Oedems lediglich der von Koch als Erreger der Krankheit fest¬ 
gestellte Bazill zu gelten hat, ist noch nicht einwandsfrei erwiesen; vielleicht 
haben auch andere Anaerobien die Fähigkeit, malignes Oedem zu erzeugen. 
Soviel steht aber fest, daß weder eine Immunität gegen die Krankheit besteht, 
wie sie Brieger und Ehrlich angenommen haben, noch die weitere Annahme 
zutrifft, daß zur Ansiedlung des Erregers im menschlichen Körper erst dessen 
Befallenwerden von gewissen Infektionskrankheiten wie Typhus oder Diphtherie 
erforderlich ist. Besonders günstig für das Eindringen des Oedembazills sind 
jedenfalls Schußvcrletzungen, wie denn überhaupt die Haut in der Mehzahl 
der Fälle die Eintrittspforte für den Bazill bildet. In selteneren Fällen kann 
er auch von inneren Organen (z. B. vom Uterus, von der Mundhöhle oder 
vom Darm aus) in den Körper gelangen. Eine spezifische Therapie der Krank¬ 
heit gibt es bis jetzt noch nicht; ihre Prognose ist schlecht und viel ungünstiger 
als bei der Gasphlegmone. _ Bpd. 


6. Gasödem. 

Zur Aetlologic, Pathogenese und Prophylaxe des Gasödeius. Von 
Dr. Ernst Fränkel, Dr. Ludwig Frankenthal und DK Harry Koenigs- 
feld. Medizinische Klinik; 1916, Nr. 26 und 27. 

Seit Winter 1914/16 traten eine Reihe von putriden Wundinfektionen 
auf, die z. T. mit Gas-, z. T. mit Oedembildung einhergingen. Etwa 40 Fälle 
wurden pathologisch-anatomisch durchuntersucht, desgleichen einige verwundete 
und unter ähnlichen Erscheinungen verendete Pferde. Der erhobene Befund 
war der gleiche. Der Krankheitsprozeß ging meist aus von einer Granat¬ 
oder Minensprengung und blieb fast immer auf einen bestimmten Körperabschnitt 
beschränkt. Im Unterbautgewebe und in der Muskulatur fanden sich mehr 
weniger Gas und Oedembildung; die Gasbildung nahm zu mit der Zeit, 
die zwischen Tod und Sektion verstrich. Das Oedem war teils rein gelb, teils 
haemorrhagisch und fand sich vorwiegend im Unterhautgewebe in der näheren 
und weiteren Umgebung der Wunde. Die Muskulatur zeigte mehr weniger 
zundrige Beschaffenheit und seröse fibrinöse Exsudation im Zwischenmuskel¬ 
gewebe. Fast stets war allgemeine Anaemic vorhanden, oft ein leichter 
haematogener Ikterus, einmal Haemoglobinurie, häufig subepikardiale und 
subpleurale Haemorrhagien. Die inneren Organe zeigten meist nichts be¬ 
sonderes. 

In 78 Fällen von Gasphlegmone (Gasödem) wurden auch bakteriologische 
Untersuchungen angestellt, die die Einheitlichkeit der Veränderungen bewiesen. 
Den gleichen Befund lieferten 2 Untersuchungen von durch Granatverlctzung 
erkrankten Pferden. 

1. In der Wunde selbst fanden sich neben Staphylokokken, Streptokokken, 
Bacterium coli, Proteus, Pyocyaneus oder tetanusähnlichen Stäbchen konstant 
ziemlich kurze, plumpe, an den Enden leicht abgerundete Stäbchen, die sich 
teils in Diploform, teils in kurzen Ketten von 4—6 Gliedern lagerten, gelegent¬ 
lich Fadenbildung zeigten. 

2. Im Oedem waren in einiger Entfernung von der Wunde nur die 
Stäbchen in spärlicher Menge nachweisbar. Je weiter das Oedem von der 
Wunde entfernt war, desto weniger Bazillen darin. 

3. In der Muskulatur fanden sich die Stäbchen in weit größeren Mengen, 
auch noch in makroskopisch und biologisch gesunden Partien und recht weit 
von der Wnnde entfernt. 

4. In den inneren Organen ließen sich bei frischen Sektionen die Stäbchen 
nur in seltenen Fällen finden. 

Gegenüber der Gramfärbung zeigten die Stäbchen ein wechselndes Verhalten, 



Kleinere Mitteilungen and Referate aas Zeitschriften. 


B71 


grampositiv mit allen Uebergängen bis za gramnegativ. Aach die Sporen* 
Bildung war wechselnd. Die Sporen waren oval, mittel- bis endständig, einige¬ 
mal anch 2 Sporen in einem Bacillus. Die Beweglichkeit im hängenden Tropfen 
fehlte in der großen Mehrzahl. In anaeroben Agar- und Traubenzucker-Agar¬ 
kulturen erfolgte die Gasbildung schnell and sehr reichlich; in Bouillonkulturen 
trat rasch Trübung und Schaumbildung ein; war bei der Verimpfung Blut¬ 
beimengung vorhanden, so trat Haemolyse und Reduktion des gelösten Blut¬ 
farbstoffs auf. In Gelatine fand sich bei längerer Beobachtung meist Ver¬ 
flüssigung. Aerobe Aussaat blieb in der Regel steril. 

Venenpanktionen ergaben beim Lebenden im allgemeinen ein negatives 
Resultat, nur eine Kultur lieferte ein positives Ergebnis ohne Ausbildung. In 
geringer Menge brauchen die Bazillen auch in Traubenzuckeragar kein Gas zu 
Bilden. Der Transport der Bazillen scheint also nur sehr selten auf dem 
Blutwege stattzufinden. Die Befunde in den inneren Organen berechtigen zu 
dom ScBluß, daß erst unter den Bedingungen der Agonie und post mortem die 
Verbreitung der Bazillen aus der Umgebung der Wunde (auf dem Blutwege etc.) 
in die inneren Organe stnttfindet. Auch im Wundsekret von Leuten, die nicht 
an Oasphlegmone erkrankt waren, fanden sich neben anderen Keimen die Gas¬ 
bazillen. Es ist daher anzunehmen, daß das ausschlaggebende Moment für das 
Zustandekommen der Infektion die Herstellung anaerober Wachstumsbedin- 
gongen für die Bazillen ist. Aus Granatsplittern und Tucbfetzen, die sich in 
Wanden fanden, ebenso aus Erdproben des Kampfgebietes ließen sich die Gas¬ 
bazillen kulturell züchten; sie sind ßäarebildner und gehören wohl zur Gruppe 
der Battersäurebazillen. 

Auch der Tierversuch wurde zu bakteriologischen und serologischen 
Untersuchangen herangezogen. Die Agglutination ist zur Diagnose der Er¬ 
krankung wegen des schnellen Verlaufes und der mangelhaften Agglutinin- 
bildung ungeeignet. Kulturen auf dem von v. üibler angegebenen Gehirn¬ 
nährboden ergaBen übereinstimmend, daß der Hirnbrei nicht geschwärzt wurde. 
Milch wurde stets zur Gerinnung gebracht. In beiden Nährböden wurde 
Schaum (Gas-) bildung beobachtet. Die Stämme waren für sämtliche Versuchs¬ 
tiere (Pferd, Rind, Kaninchen, Meerschweinchen, Ratten, Mäuse) pathogen. Die 
Gasbildung zeigte sich im Tierversuch verschieden; sie war um so 
stärker, je schwächer die verwandten Kulturen waren (Behandlung bei 50°). 
Durch aktive Immunisierung eines Pferdes gelang es, ein Schutzserum herzu¬ 
stellen, daß Meerschweinchen gegen die 10- und 50fache tödliche Dosis 
schützte. Es sind Versuche im Gange, ein Pferd gleichzeitig gegen Tetanus 
und Gasphlegmone zu immunisieren, so daß Verwundete vielleicht mit einer 
einzigen Serum-Einspritzung gegen Tetanus und Gasphlegmone geschützt 
werden können. Dr. Quadflieg-Gelsenkirchen. 

Zar Frage der Aetlologie und Prophylaxe der Gasödeme. (Auf 
Grund gemeinsamer Untersuchangen mit Dr. E. Frankel, Dr. Koenigs- 
feld und Dr. Frankenthal). Von L. Aschoff. Deutsche med. Wochen¬ 
schrift; 1916, Nr. 17. 

Unabhängig voneinander durchgeführte Untersuchungen ergeben, daß in 
allen genau genug geprüften Fällen weder der Welch -Fraenkelsehe Gas¬ 
bacillus, nocB der Fraenkelsche Oedembacillus vorlag, sondern der Gas¬ 
ödembacillus folgende kulturellen und sonstigen Eigenschaften zeigte: 

Morphologisch: plumpe Stäbchen, z. T. Diplokokkenformen, z. T. 
Ketten, gelegentlich Fadenbildung. 

Gram-Färbung: positiv, wechselnd bis negativ. 

Beweglichkeit: meist nur vereinzelte Exemplare, gelegentlich aber 
lebhaft. 

Geißeln: vorhanden. Sporenbildung: wechselnd in ihren Be¬ 
dingungen, aber immer vorhanden. 

Kulturell: anaerobes Wachstum, Gasbildung in Agar, Vergährung des 
Traubenzuckeragars, Milchgerinnung von wechselnder Stärke; Hirnnährböden 
werden nicht geschwärzt; Gelatine wird meist verflüssigt; Kulturen sind meist 
geballt und aufgefasert, bei Wachstum in Agar scharf abgegrenzt, wenn 
"Gasbildung. 

Geruch: beim Tier geruchlos im Oedem, auf Zackernährböden saurer 
Geruch (Buttersäure), sonst fader (fäulnisartiger) Geruch in Kulturen. 



672 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 


Tierversuch: pathogen für Mensch, Pferd, Rind, Kaninchen, Meer¬ 
schweinchen, Ratte, Maus. 

Nach diesen Eigenschaften ist der Gasödembacillus am nächsten 
dem Ghon-Sachsschen Oedembacillus verwandt. Jedenfalls spielt 
er (echter Kochseber Bacillus des malignen Oedems?) eine ausschlaggebende 
Rolle bei der Entstehung von menschlichen Wundinfektionen, die pathologisch- 
anatomisch alle CJebergänge von Gasphlegmono zum malignen Oedem erkennen 
lassen. Ein nahezn identischer Bacillus wurde bei spontan verletzten und an 
gashaltigem Oedem erkrankten Pferden gefunden. 

Der beim Menschen gefundene Erreger vermag das Bild des gashaltigen 
Oedems bei Pferd und Rind in gleicher Weise zu erzeugen, steht also in bezug 
auf die Pathogenität zwischen dem Bacillus des malignen Oedems beim 
Pferde und dem des Rauschbrandes des Rindes. Der Grad der Verwandt¬ 
schaft zwischen dem „echten“ Oedembacillus und dem Rauschbrand¬ 
bacillus bezw. ihre Variationsbreiten und ihre etwaigen Uebergänge bedürfen 
noch weiterer Untersuchungen, besonders in Rücksicht auf die Gewinnung 
einheitlich wirksamer Schutzsera. Gegen die Infektion mit dem oben be¬ 
schriebenen Gasödembacillus wurde durch Behandlung eines Pferdes und eines 
Rindes mit Tarrozzibonillonkulturen ein beim Tierexperiment relativ gut wirk¬ 
sames Schutzserum gewonnen. Dr. R o e p k e - Melsungen. 


Experimentell-therapeutische Studien aus .der Gruppe der Gasbrand¬ 
erreger. Von A. v. Wassermann. Aus dem Kaiser-Wilhelm-Institut für 
experimentelle Terapie, Berlin-Dahlem). Medizinische Klinik; 1916, Nr. 17. 

Die Erreger des Gasbrandes beim Menschen und des Rauschbrandes bei 
den Tieren sind wahrscheinlich so nahe verwandt wie Menschen- und 
Rindertuberkelbazillen. Sie finden sich in seit langem gedüngter Erde, 
sind strenge Anaerobier und im eigentlichen Sinne keine Parasiten, sondern 
Sapropbyten, Fäulniskeime. Die Saprophyten sind im Darm von Mensch und 
Tier weit verbreitet und gelangen mit den Abgängen in die Außenwelt. In 
gesundem, gut durchblutetem Gewebe können sie nicht Fuß fassen; je mehr 
das Wundgewebe zerstört ist und der Nekrose zugeführt wird, um so größer 
die Erkrankungsmöglichkeit (Granatverletzungen!). Der Krankheitsprozeß be¬ 
schränkt sich dann aber nicht auf das geschädigte Gewebe, sondern erfaßt 
auch rapid die gesunde Umgebung. Der Ursache des Fortschreitens auf das 
gesunde Gewebe ist Verfasser in interessanten Experimenten, die er mit Rausch¬ 
brand an Meerschweinchen vornahm, naebgegangen. Dabei hat sich die Tat¬ 
sache ergeben, daß die Oedemilüssigkeit den Bakterien den Boden vorbereitet; 
sie enthält Fermente, die unbedingt zum Zustandekommen der Krankheit 
erforderlich sind. Lebensfähige Sporen können allein noch nicht die Krankheit 
erzeugen. Anderseits hat auch sterile Oedemilüssigkeit allein auf Meer¬ 
schweinchen keine pathogene Wirkung. Werden dagegen sterile Oedemflüssig- 
keit und Sporen zusammen verimpft, so entsteht die typische Erkrankung. 
Beim Trauma bilden nun zunächst die Gashranderreger in dem geschädigten 
Gewebe die Stoffe, die dann das Fortschreiten auf das gesnnde Gewebe 
bedingen. Aus den Experimenten ergiebt sich weiter, daß es bei den Tieren 
gar nicht zum Rauschbrand kommt bezw. daß er lokal bleibt, wenn man in die 
Wunde Carboveul (adsorbierende Kohle) bringt und dann mit virulenter 
Oedemflüssigkeit impft. Die Wirkung des Carboveuls ist nicht spezifisch, 
auch andere adsorbierende Substanzen (kolloidale Kieselsäure etc.) wirken im 
gleichen Sinne, doch hat sich das Carboveul (Chemische Fabrik zu Aussig a. E.) 
erheblich überlegen gezeigt. Jodzusatz zum Carboveul bietet keine bessere 
Wirkung. Demnach ist bei den Gasbrandinfektionen der Adsorptionstherapie 
ein klassisches Feld der Betätigung gegeben. 

Therapeutisch könnte man zunächst an die Anwendung spezifischen 
Serums denken, eines Antiaggressins im Sinne Bails, was wohl am besten 
lokal in die Wunde gebracht würde. Weniger in Frage käme die subkutane 
oder intravenöse Anwendung. Die Herstellung genügender Mengen dürfte auf 
Schwierigkeiten stoßen, für die meisten Fälle Serum auch kaum nötig* 
sein. Für die Prophylaxe des Gasbrandes scheint es gerechtfertigt, stark zer¬ 
setzte und verunreinigte Wunden möglichst sofort und sorgfältigst mit sterilen 



Kleinere Mitteilungen and Referate aas Zeitschriften. 573 


adsorbierenden Mitteln aaszafüllen. Dazu eignen sich sowohl Carbovenl als 
andere indifferente Kolloide, Bolas etc. Es kommt auf die adsorbierende Kraft 
des Mittels and besonders aaf die sorgfältige Errichtung einer adsorbierenden 
Grenzschicht, einer richtigen „Brandmauer“ gegen das gesunde Gewebe an. 
Jede Lücke muß aasgefüllt werden. Für die Therapie des bereits aus- 

S esprocbenen progredienten Gasbrandes ist oberster Grundsatz, daß gesundes 
ewebe von den Gasbranderregern allein nicht angegriffen werden kann, und 
daß in der Oedemflüssigkeit des Herdes die chemischen Stoße enthalten sind, 
die zunächst auf das gesunde Gewebe einwirken müssen. Jeder Eingriff, 
der die Einwirkung des Oedems verhindert, ist angezeigt; Entfernung der Oedem¬ 
flüssigkeit durch Inzisionen, Bi er sehe Stauung etc. Es muß den Chirurgen 
überlassen bleiben, diese Forschungsergebnisse in der Praxis nutzbringend zu 
verwerten. Dr. L. Quadflieg -Gelsenkirchen. 


Ueber Gasphlegmone. Von Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Payr -Leipzig, 
Generalarzt ä la suite, beratender Chirurg. Med. Klinik; 1916, Nr. 17. 

Die Arbeit ist eine Erwiderung auf die vorstehenden Ausführungen 
Biers. Payr erhebt folgende Einwände: 1. Gasphlegmonen gehen auch von 
Wunden aus, die den Muskel überhaupt nicht betroffen haben; 2. es gibt Fälle, 
in denen trotz tiefer Muskelwanden, ja komplizierter Frakturen die Gas¬ 
phlegmone auf Haut- und Snbkutangcwebe beschränkt bleiben kann und sich 
nicht nach der Tiefe ausbreitet; 3. das Röntgenbild zeigt in einer ganzen 
Anzahl von Fällen trotz des Vorhandenseins von Granatsplittern in der Tiefe 
der Muskulatur nur epifascial gelegene Gasbildung; 4. es gibt zweifellos eine 
Gasinfektion der großen Gelenke, ohne daß die Granatsplitter beim Eindringen 
Mnskelsubstanz verletzt hätten. Ein Beweis dafür sind Infektionen des Knie-, 
Sprunggelenks und der Bursa praepatellaris. Sicher ist der Muskel für die 
Gasinfektion ganz besonders praedestiniert. Klinisch besteht eine Scheidung 
von epi- und subfascialer Form. Allerdings können die Zahlverhältnisse sehr 
wechseln; einmal überwiegen die bösartigen subfascialen, einmal die epifascialen 
Formen; es scheint dies mit den Jahreszeiten und Witterungsverhältnissen 
zusammenzuhängen. Auch die Bodenbeschaffenheit des Kampfgeländes scheint 
von besonderer Bedeutung, so daß man nicht überall die gleichen Formen 
sieht. Es gilt wohl nahezu bei allen Chirurgen als unumstößlicher Grundsatz, 
daß bei Gasphlegmonen sobald als möglich operativ eingegrifien werden soll. 
Das noch unveröflentlichte Hyperaemieverfahren Biers kann Gutes leisten; es 
steht aber wegen.seiner technischen Erfordernisse einstweilen nur Bier zur 
Verfügung. Für alle andern, die nicht über diese Mittel verfügen, bleibt das 
souveräne Mittel das Messer: Freilegen des Krankheitsherdes, Entfernung der 
eiogedrungenen Fremdkörper verhüten am sichersten die Allgemeininfektion. 
Es ist interessant, daß eine durch anaerobe Bakterien bedingte Wundinfektion 
geheilt werden kann ohne freie Zufuhr des atmosphaerischen Sauerstoffs. 

Dr. L. Q u a d f 1 i e g - Gelsenkirchen. 


Die Gasphlegmone im wesentlichen eine Muskelerkrankung. Von 
Geh. Med.-Rat Prof. Dr. August Bier, Marinegeneralarzt 4 la suite, z. Z. im 
Felde. Medizinische Klinik; 1916, Nr. 14. 

Payr unterscheidet eine gutartige oberflächliche (epifasciale) von einer 
bösartigen tiefen Form, die sich in den Muskelzwischenräumen ausbreiten soll. 
Nach Bier ist diese Ansicht nicht richtig und die Qasphlegmone fast stets 
eine Muskclerkrankung (nicht der Scheiden und Zwischenräume) und zwar eine 
faulige Gärung des Muskels. Aus dieser fauligen Gärung stammt das Gas, 
das sich dann in den Bindegcwebsräumen ausbreitet. Die sogenannten 
„Schaumorgane“ entstehen erst nach dem Tode. Die bakteriologischen Befunde 
R. Pfeiffers bestätigen die Ansicht Biers. Er fand als Erreger meist den 
Fränkelsehen Bacillus in Rein- oder fast Reinkultur im erkrankten Muskel. 
Etwas vom Schußkanal entfernt war das oedematöse und mit Gas durchsetzte 
Unterhautzellgewebe steril oder der Fränkelsche Bacillus war nur durch 
das Kulturverfahren zu züchten. Gegen diese Ansicht scheint die Gas¬ 
phlegmone anderer Gewebe zu sprechen. Diese Fälle erscheinen Verfasser 
nicht alle einwandfrei. Es ist wohl nicht denkbar, daß während des Lebens 
eine Gasphlegmone der Lunge (wegen des Sauerstoffreichtums) sich entwickelt. 



674 


Tagesnachrichten. 


Die Gaspfle^monen des Gehirns sind sehr seltene Ausnahmen. Auch der operative 
Erfolg scheint für die Ansicht Payrs zu sprechen; demgegenüber betont aber 
Bier, daß er noch nie eine Gasphlegmone ohne Erkrankung des Muskels 

f eschen hat. Auf Grund der schweren Formen und der operativen Erfolge 
errschen noch verkehrte Anschauungen über die Bösartigkeit der Erkrankung. 
Bier hat die Gasphlegmone der Glieder fast ausnahmslos ohne jede operative 
Behandlung durch ein konservatives Verfahren geheilt, worüber noch Mitteilungen 
erscheinen werden. Dr. L. Quadflieg-Gelsenkirchen. 


Zur Verhütung der Gasphlegmone und anderer Folgezustände schwerer 
Verwundungen. Von Stabsarzt Dr. Lonhard. Deutsche med. Wochenschrift; 
1916, Nr. 19. 

L. empfiehlt die grundsätzliche operative Behandlung und möglichste 
Ausschneidung jeder Granatwunde, soweit dem Verletzten Operation und Nar¬ 
kose zugemutet werden können. In Grenzfällen der Operationsfähigkeit ist die 
Herzkrait durch Herzmittel und besonders durch Sauerstoffüberdruckatmung 
für die Operation vorzubereiten und durch öftere Wiederholung in der Nach¬ 
behandlung zu erhalten. Die Grenzen der aussichtslosen Fälle können dadurch 
enger gezogen werden. 

Die offene Wundbehandlung ist grundsätzlich bei allen größeren und 
tiefgreifenden Wunden anzuwenden, bei denen die Gefahr der Nachblutung be¬ 
steht, Eiterung zu erwarten oder eingetreten ist, z. B. auch bei trepanierten 
Scbädelschüssen. 

Gelenksteckscbüsse sind stets gründlich operativ zu behandeln. Die 
primäre operative Behandlung der Handgelenk-, Knie- und Fußgelenkschttsgp 
nat sich stets auf alles irgendwie krankhaft veränderte Gewebe zu erstrecken. 
Tamponade ist, wo irgend möglich, zu vermeiden. Offene Wundbehandlung, 
möglichst im gefensterten Gypsverband, ist von anfang an durebzuführen. 

Bei schweren Schultcrgelenk-, Oberarm- und Oberschenkelschußbrüchen 
ist die offene Wundbehandlung stets, bei Unterschenkelschußbrüchen tunlichst 
mit Suspension des Gliedes und Gewichtszugstreckverband anzuwenden. Bei 
den Schultergelenkschußbrüchen soll in vertikaler oder horizontaler Richtung 
ein Gewichtszugverband angelegt werden, selbst bei den zunächst konservativ 
zu behandelnden Gewehrschußbrüchen, weil infolge Aufhebung des intrakapsu- 
lären Druckes Nekrose der Knochensplitter und Vereiterung des Gelenks ver¬ 
mieden werden kann. _ Dr. Bo epke-Melsungen. 


7. Tuberkulose. 

Ueber das Fränkel • Albrechtsche Schema zur Einteilung der 
chronischen Lungentuberkulose. Von Dr. W. Büttner-Wobst -Heidelberg. 
Münchener medizinische Wochenschrift; 1916, Nr. 32. 

Albrecht unterschied: 

1. die indurierenden, zirrhotischen, abhcilenden Prozesse; 

2. die knotigen, bronchial nnd peribronchial fortschreitenden Prozesse, 
bei denen im Vordergrund des Bildes neben der käsigen Bronchiolitis die 
echte tuberkulöse Granulombildung, das überwiegend interstitielle Knötchen¬ 
wachstum steht, während die Flächenexsudation im Alveolarraum sich eng auf 
die nächste Umgebung der Knötchen beschränkt; 

3. die käsigen, pneumonischen Prozesse, bei denen das verkäsende 
Exsudat auf die freie Oberfläche von Bronchiolen und Lungonalveolen voll¬ 
kommen das Bild beherrscht. 

Die Zirrhose ist ein altes Leiden und hat das charakteristische Bild 
des Aspekts: Nachschleppen und Einziehung, für sich. Länger dauerndes Fieber 
fehlt. Die physikalischen Erscheinungen über die erkrankten Lungenpartien sind: 
Verschärftes Vesikularatmen, verkürzter Klopfschall, tieferstehende obere Lungen¬ 
grenzen und höher stehende, schlecht verschiebliche untere Lungengrenzen, 
abgeschwächter Stimmfremitus und fehlende oder fein- und mittelblosige Rassel¬ 
geräusche, nie klingenden Charakters. Die knotige Form hat akuten oder 
subakuten Beginn. Die Einziehung fehlt. Die physikalischen Erscheinungen 
sind Schallkürzung bis Dämpfung, verstärkter Stimmfrernitus, meist abge¬ 
schwächtes Atmungsgeräusch mit bronchialem Beiklang bis Rronchialatmen, 



Kleinere Mitteilungen nnd Referate aas Zeitschriften. 675 

Rasselgeräusche verschieden, anch klingenden Charakters. Meist Snbfebrilität. 
Die pneumonische Form ist das schwerere Krankheitsbild: rascher 
Kräfteverfall unter hohem Fieber, ausgedehntere Dämpfungsbezirke mit meist 
vielem eitrigem Sputum. 

Die zirrhotische Form charakterisiert sich im Röntgenbild durch Ein¬ 
gesunkensein der erkrankten Partien, d. h. durch enge Interkostalräume, steil 
stehende Rippen, oder durch Verziehung der Weichteile bei wenig nach¬ 
giebigem Thorax, beides Kompensationserscheinungen der Lunge, ebenso wie 
das in älteren Fällen selten fehlende Emphysem. Die Lungenzeichnung weist 
meist strangförmige Schattengebnngen auf, die sich häufig direkt vom Hilus 
aus strahlenförmig nach der kranken Spitze zu ziehen. — Das Schattenbild der 
knotigen Form zeigt herdförmige Schattengebungen, die die mehr flächenartige 
Verschattung größerer Partien als Uebergang zur dritten Form meist er¬ 
kennen lassen. 

Ausschlaggebend für die Prognose ist die Art des Prozesses, erst in 
zweiter Linie die Ausdehnung. Anstaltsfähig sind die zirrhotische Form und die 
zirrhotisch-knotige Form. Die zirrhotische Form ist abfer nur dann anstalts¬ 
bedürftig, wenn Zeichen der „Aktivierung“ (Katarrh, Gewichtsabnahme, Blut¬ 
husten usw.) bestehen. Knotige Prozesse gestatten nur in Ausnahmefällen die 
Heilstättenbehandlung; die pneumonischen gehören ins Krankenhaus. 

Die Beurteilung der Einweisung in eine Heilanstalt soll erst nach 
Beobachtung in einem Krankenhaus nach einigen Tagen stattfinden. 

. _ Dr. G r a ß 1 - Kempten. 


Temperaturmessung und Lungentuberkulose. Von Dr. Hermann 
T a c h a u - Heidelberg. Münchener medizinische Wochenschrift; 1916, Nr. 32. 

Lediglich die Schnelligkeit und Vollständigkeit des Temperaturabfalles 
kann als maßgebend herangezogen werden. Kehrt die Temperatur nach 
‘/i ständiger Ruhe wieder zum Ausgangspunkt vor den Spaziergang zurück, so 
ist diese normal, im anderen Fall pathologisch. Der Einfluß, den eine tuber¬ 
kulöse Lungenerkrankung auf das Temperaturzentrum ausübt, entspricht keines¬ 
wegs der Ausdehnung und der Schwere des Prozesses. Als diagnostische 
Methode ist die Bewegungsreaktion nicht brauchbar. Dr. G r a ß 1 - Kempten. 


Lnngenschüsse und [Lungentuberkulose. Von Dr. G. Frischbier, 
ärztlicher Direktor der Lungenheilstätte Beelitz, Militärabteilung. Zeitschrift 
für Tuberkulose; Bd. 26, Heft 1. 

Die Ansichten über die Prognose der Lungenschüsse sind geteilt* jedoch 
mehren sich die Stimmen derer, die vor einer allzu günstigen Prognose warnen, 
da, abgesehen von einer relativ großen Zahl der auf dem Schlachtfelde 
ihrer Verwudung erliegenden Fälle, im weiteren Verlaufe häufig genug Kom¬ 
plikationen eintreten, die auch noch längere Zeit nach der Verwundung unter 
Umständen zum Tode führen können oder den Heilungsverlauf erschweren und 
verzögern. 

Das Zusammentreffen von Lungenschuß und Lungentuberkulose sowie 
die Aktivierung eines abgelaufenen, tuberkulösen Lungenprozesses durch die 
Schußverletzung ist selten. Obwohl F. bei 31 Lungenschüssen in 12 Fällen 
tuberkulöse Veränderungen nachweisen konnte, war nur in 5 Fällen das tuber¬ 
kulöse Lungenleiden wieder aktiv geworden. 

Das Auftreten einer ersten, primären Lungentuberkulose im Anschluß 
an einon Lungenschuß ist bei völlig Gesunden nicht erwiesen; wohl aber kann 
dadurch eine bis dahin völlig latente Lungentüberkulose aktiv werden. 

Dr. Roepke-Melsungen. 


Ueber Heilnng vorgeschrittener Lungentuberkulose und posttuber¬ 
kulöse Bronchiektasie. Von K. Turban. Zeitschrift für Tuberkulose; 
Bd. 26, Heft 1. 

Beim Zustandekommen der Heilung vorgeschrittener Lungentuberkulose 
spielt neben der Abstoßung verkästen und erweichten Gewebes und neben der 
mit starken Schrumpfungserscheinungen einhergehenden Bindegewebsbildung die 
Resorption eine wichtigere Rolle, als im allgemeinen angenommen wird. Für 



676 Kleinere Mitteilungen iind Referate ans Zeitschriften. 

die Resorption kommen besonders die peripher an die spezifischen Gebilde 
angelagerten „paratuberkulösen“ Schichten in Betracht, die einen mehr oder 
weniger erheblichen Bestandteil der pathologischen Veränderung bilden, ln 
diesen kann es zu einer Restitutio ad integrum kommen, die die Aufhellung 
mancher Dämpfungen und Röntgenschatten sowie die Wiederkehr annähernd 
normaler Atmungsgeräusche über tuberkulösen Lungenberden erklärt. 

Da die Literatur über Heilung vorgeschrittener Lungentuberkulose 
bis jetzt nur sehr spärlich und in bezug auf die Beobachtungen am Lebenden 
unvollständig ist, gibt Turban eine Reihe von Fällen mit sehr langdauernder 
Beobachtung bekannt. Besonderes Interesse beansprucht dabei die Heilung von 
Kavernen ohne Anwendung der heutigentags geübten chirurgischen Methoden. 
Man spricht von Ausheilung einer Kaverne, wenn sie zwar bestehen bleibt, 
aber ihren tuberkulösen Charakter verliert, indem sich in ihrer Wand alles 
tuberkulöse Gewebe in Bindegewebe umwandelt, sich eine mehr oder weniger 
derbe Kapsel mit glatter, glänzender Innenwand bildet und die Tuberkelbazillen 
verschwinden. Man findet solche Höhlen, die harmlos und symptomlos bleiben, 
in fibröses, fibrös durchsetztes oder emphysematoses Lungengewebe eingebettet. 
Auch läßt sich die vollständige Umwandlung kleiner Kavernen in Bindegewebs- 
oder Kalkknoten unter günstigen Umständen, so bei kleinem, grazilem Thorax, 
im Röntgenbilde verfolgen. Selbst größere Ilöhlen, etwa bis zum Volumen 
einer Haselnuß und darüber, heilen nicht selten vollkommen aus. 

Einen regelmäßigen Bestandteil der Sektionsbilder von geheilter vor¬ 
geschrittener Lungentuberkulose stellt die Erweiterung der Bronchen 
dar. Sie lokalisiert sich hauptsächlich in den oberen Lungenparticn, betrifft 
mehr die mittleren und feinen Bronchen bis in die Bronchiolen hinein. Die 
meist zylindrischen „posttuberkulösen“ Bronchiektasien durchziehen das Gebiet 
der Narben und seiner Umgebung; ihre Wände sind teils verdickt, teils 
atrophisch, die Schleimhaut glatt oder gewulstet, ohne Ulzerationen, manchmal 
im Zustande des Katarrhs; im letzteren Fall kann Sekret vorhanden sein, das 
sich nicht dreifach schichtet. Elastische Fasern und Tuberkelbazillen fehlen, 
Mischbakterien sind vorübergehend oder dauernd angesiedelt; Husten fehlt 
oder ist sehr gering. Jedenfalls ist bei chronischer Lungentuberkulose die 
Bronchialerweiterung eine natürliche und notwendige Folge 
von Heilungsvorgängen, eine Feststellung von L. v. Schrötter, die 
in den Lehrbüchern fehlt. Anderseits kann die posttuberkulöse Bronchiektasic 
in ihren schweren Formen unter quälender Dyspnoe, starkem Husten und reich¬ 
lichem Auswurf zum Tode führen; eine ernste Krankheit hat die andere abgelöst. 

Bei differentialdiagnostischen Zweifeln, ob nur Bronchiektasie oder ein 
aktiver tuberkulöser Prozeß vorliegt, soll letzterer nur auf Grund sorgfältigster 
Beobachtungen ausgeschlossen werden. Das Verschwinden der Rasselgeräusche 
ist nicht, wie vielfach angenommen wird, ein Hauptkriterium für die Aus¬ 
heilung einer Lungentuberkulose anzusehen. Für posttuberkulöse Bronchiektasie 
spricht die Ermittelung der vorausgegangenen Tuberkulose, die vorwiegende 
Lokalisation in den oberen und obersten Lungenteilen, das fehlende oder 
geringe, nur bei interkurrenten Katarrhen reichlichere, aber nicht dreifach sich 
schichtende Sekret, die Gutartigkeit des Verlaufs und die Konstanz des aus¬ 
kultatorischen Befundes; sie gibt mehr physikalische und perkussorische 
Veränderungen und weniger Krankheitserscheinungen als die gewöhnliche 
Bronchiektasie. 

Eine weitere pathologische Veränderung bei der Heilung vorgeschrittener 
Lungentuberkulose ist das Emphysem, cs bildet sich mit der Bronchiektasie 
in verschiedener In- und Extensität in der Umgebung der Narbe aus. 

Eine weitere Folgeerscheinung, die sich bei vorgeschrittenen Tuberkulose¬ 
fällen im Heilungszustand unangenehm bemerkbar machen kann, ist die 
Neurasthenie. Durch die Toxine der Tuberkulose werden Disponierte und 
Belastete stärker betroffen. Muskelermüdbarkeit, Morgenmüdigkeit, Willens¬ 
schwäche, hypochondrische Ueberängstlichkeit sind die Zeichen. 

Nach dem Zuruhekommen einer vorgeschrittenen Erkrankung kann man 
erst dann von Heilung sprechen, wenn der Rekonvaleszent mehrere Jahre 
hindurch gesund geblieben ist, keine auf die Lunge zu beziehende Zwischen¬ 
fälle — außer harmlosen Katarrhen der Luftwege — mehr durchgemacbt hat, 
keine Tuberkelbazillen und keine elastischen Fasern, auch nicht bei inter- 



Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 


577 


kurrenten Katarrhen, mehr absondert, im physikalischen und im Röntgenbefunde 
Heilungssymptome darbietet und beim Vergleich mit den Befunden am Ende 
seiner Krankheit nirgends neue Herde erkennen läßt. Das Vorhandensein yon 
Aktivitätszeichen, ebenso eine positive Uerdreaktion nach subkutaner Tuber* 
kulininjektion sprechen gegen Heilung; Kutan- und Ophthalmoreaktion können 
für die Diagnose der Heilung nicht verwendet werden. Das Vorhandensein 
von Bronchiektasie und Emphysem darf nicht hindern, die Heilung der 
„ Tuberkulose anzuerkennen. Prognostisch haben diese Folgezustände bei mäßiger 
Ausdehnung keine oder nur geringe Bedeutung; bei erheblicher Ausdehnung 
schaffen sie eine Disposition zu posttuberkulösen Mischinfektionen und gefähr¬ 
lichen Pneumonien. 

Selbst bei sehr ausgedehnten Narben und großen Organverschiebungen 
kann sich die Lungen- und Herzfunktion an die veränderten Verhältnisse 
anpassen. Trotz aller Einschränkungen werden nicht wenige, die eine vor¬ 
geschrittene Lungentuberkulose überstanden haben, wieder brauchbare Mitglieder 
der menschlichen Gesellschaft. Die nach der Heilung hervorgebrachte Nach¬ 
kommenschaft der Geheilten ist zweifellos zur Tuberkulose disponiert; aber 
wenn sie erkrankt, verläuft die Tuberkulose nach Turbans langjährigen 
Beobachtungen fast ausnahmslos günstig und leichter als bei den Eltern. 4 

' Dr. R o e p k e - Melsungen. 


Zweck und Einrichtung von Tuberkulose-Sprechstunden ln Reserve¬ 
lazaretten; Erfahrungen über Lungentuberkulose nach Kriegsdienst. Von 
Stabsarzt d. Res. Dr. H. Silber gl ei t - Ingolstadt. Zeitschrift für Tuber¬ 
kulose ; Bd. 25, Heft 4. 

Der im Reservelazarett Ingolstadt einmal wöchentlich zur festgesetzten 
Zeit eingerichteten Tuberkulösen-SprechBtunde kann jeder Truppenarzt und 
jeder Arzt einer anderen Lazarettabteilung Soldaten zwecks Klärung der 
Lungendiagnose zusenden. Die überwiesenen Kranken sollen einige Tage 
vorher die Temperaturen täglich 2—3 mal gemessen haben. In der Sprechstunde 
steht die klinische Untersuchung im Vordergründe. Das Sputum wird, wenn das 
noch nicht geschehen ist, untersucht. Röntgendurchleuchtung steht zur Ver¬ 
fügung. Klinisch geklärte Fälle und Fiebernde werden durch Lazarettaufnahme 
von der Truppe oder von- anderen Krankenstationen entfernt. Die nicht¬ 
infektiösen oder tuberkuloseverdächtigen Fälle werden so oft wie nötig wieder 
bestellt und beobachtet. Wenn die Erfahrungen auch noch nicht sehr reichliche 
sind, so läßt sich doch schon jetzt sagen, daß die Einrichtung^von Lungen¬ 
sprechstunden in größeren Garnisonen für die Entdeckung etwaiger in der 
Ausbildungszeit manifest werdender Tuberkulose sehr wichtig ist. Jede offene 
Lungentuberkulose, die herausgefunden und abgesondert wird, hätte bei der 
engen Belegung für die Nachbarn schädlich werden können. Die Lungen¬ 
sprechstunde gestattet ferner, bei Bestimmung der Dienstfähigkeit zunächst 
nicht gar zu ängstlich zu sein. Die vorübergehende Einstellung von latenten 
Lungentuberkulosen, die vom Aushebungsarzte nicht erkannt werden konnten, 
führen zu keiner Schädignng des Eingestellten. Die Beobachtung während der 
militärischen Ausbildungszeit muß unter Mitwirkung der in der Garnison ein¬ 
gerichteten Lungensprechstunde entscheiden und führt gegebenenfalls zur Ein¬ 
leitung der Lungenfürsorge. < 

Nach den Erfahrungen des Verfassers erklärt sich die häufiger beob¬ 
achtete starke Ausdehnung der Lungentuberkulose bei vorher gesunden 
Soldaten nach Kriegsdienst nicht durch den Kriegsdienst allein, sondern durch 
die Art des Beginnes der Tuberkulose mit einer akuten Lungenentzündung 
oder Lungenblutung. Die Annahme, daß die pneumonische Form der Lungen¬ 
phthise eine durch den Kriegsdienst besonders gern entstehende Form der 
Lungentuberkulose sei, ist nicht berechtigt; sie müßte sonst besonders häufig 
bei den Soldaten auftreten, die schon früher tuberkulös erkrankt waren. Dies 
ist aber nicht der Fall. Die betreffenden Krankenblätter sprechen auch von 
fibrinöser Pneumonie: Beginn mit Schüttelfrost, Bestehen bleiben der Infiltration 
nach Ablauf der akuten Lungenentzündung, Anhalten des hektischen Fiebers, 
Nachweis des Tuberkelbacillus im Sputum. 

Den Aerzten erwächst daher- die Aufgabe, Lungenentzündungen ihre 
besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden, genügende Rekonvaleszentenzeit zu 



678 Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 

gewähren, jede nicht typisch ablanfende Lungenentzündung auf Tuberkulose¬ 
verdacht hin anznsehen. Soweit aas dem Material des Verfassers ersichtlich, 
ist die Zahl der darch den Krieg entstandenen Tuberkulosen gering; sie gibt 
in keiner Weise zu Besorgnis Anlaß, zumal die Fürsorge für Lungentuberkulose 
in Deutschland gut aasgebaat ist. Dr. R o e p k e - Melsungen. 


Klinische Bemerkungen zur ambulatorischen Tuberkulintherapie. 

Von A. G ö t z L Das österreichische Sanitätswesen; XXVII. Jahrg., Nr. 45. 

Nach den Erfahrungen einer dreijährigen Fürsorgetätigkeit ist die 
ambulatorische Behandlung Tuberkulöser mit spezifisch wirkenden Mitteln nicht 
nur berechtigt, sondern sie bildet ein wichtiges und unentbehrliches Glied in 
der Reihe jener Maßnahmen, die in den Rahmen einer kassenärztlichen 
Fürsorge fallen. Die Durchführung dieser Therapie bietet unter der Voraus¬ 
setzung einer genügenden Intelligenz der Kranken und aller gebotenen Vor¬ 
sichtsmaßregeln (Beobachtung der Temperatur, gelegentlicher Reaktionen usw.) 
keine wesentlichen Schwierigkeiten; diese sind hier, wie auch sonst, vor¬ 
nehmlich in der Indikationsstellung zur Einleitung der Behandlung und in der 
Beurteilung des Enderfolges gelegen. 

G. läßt die Frage, ob durch die spezifische Behandlung Dauer- 
heilungen zu erzielen waren, für die Mehrzahl der Behandelten wegen der 
noch zu kurzen Beobachtungszeit in der Schwebe, hält aber bei einer kleinen 
Gruppe dieses Ziel für erreicht. Viel deutlicher wird der Wert der spezifischen 
Behandlung, sobald Erwerb und Erhaltung der Arbeitsfähigkeit der Kranken 
als Maßstab für das Urteil herangezogen wird. Die ambulatorische spezifische 
Behandlung bietet jedenfalls die Möglichkeit, ökonomische und soziale Werte 
zu erhalten, die sonst mehr oder weniger rasch dem Untergänge preisgegeben 
wären; sic muß schon aus diesem Grunde als ein wichtiger Faktor in der Be¬ 
kämpfung der sozialen Krankheit Tuberkulose angesehen werden. Eine 
tabellarische Zusammenstellung der Krankengeschichten der Behandelten stützt 
die Ausführungen. Dr. R o e p k e - Melsungen. 


Grundlagen und Ergebnisse ambulatorischer Tuberkulinbehandlung. 

Von M. Laub. Das österreichische Sanitätswesen; XXVII. Jahrg., Nr. 46. 

In der Fürsorgestelle wurde bei 20(1 Patienten die Behandlung 
durchgeführt mit Kochschem Alttnberkulin, das L. für das wirksamste and 
zur ambulatorischen Behandlung besonders geeignet hält. Selbst in den ver¬ 
einzelten Fällen, die eine Tuberkulinüberempfindlichkeit zeigten und subfebrile 
Temperaturen aufwiesen, hat sich die fortgesetzte Behandlung mit kleinsten 
Alttuberkulin-Dosen von 'lioot—'/ioo mg sehr bewährt, während das Tuberku- 
lomuzin von W e 1 e m i n s k i häufiger lokale Reaktionen, oft verbunden niit 
Schüttelfrost und Temperatursteigerung auf 40", auslöste. 

Von den 206 abgeschlossenen Fällen wurden 103 = 60°/o wesentlich 
gebessert; es kam zu einer erheblichen Besserung und Hebung dos Allgemein¬ 
befindens, zum Schwinden der subjektiven Beschwerden und zu einer bedeutenden 
Rückbildung der physikalischen Erscheinungen, so daß man sie auch als im 
klinischen Sinno geheilt betrachten konnte. 79 Fälle » 38,35 °/o wurden ge¬ 
bessert; die subjektiven Beschwerden, Fieber, Nachtschweiße waren beseitigt, 
Husten und Hpntum sehr wenig geworden oder fehlten ganz, das Allgemein¬ 
befinden war gut, das Körpergewicht gehoben, der physikalische Befund stationär 
oder wenig zurückgebildet. Nur 24 Tuberkulose = 11,65°/« waren trotz der 
spezifischen Behandlung im ganzen unverändert geblieben; sie verhielten sich ihr 
gegenüber ebenso refraktär wie gegenüber der hygienisch-diätetischen Behandlung. 

Zusammenfassend berichtet Raub, daß unter dem Einfluß des Tuber¬ 
kulins nicht bloß die Erwerbstätigkeit seiner unter nicht besonders günstigen 
sozialen Verhältnissen lebenden Kranken erhalten geblieben ist, sondern auch 
der Gesundheitszustand wesentlich gebessert und gekräftigt wurde. Neben 
dem .Schwinden subjektiver Beschwerden waren auch objektive Besserungen so 
einwandfrei nachzuweisen, daß in der ambulatorischen Tuberkulintherapie eine 
wichtige Maßnahme zur Bekämpfung der Tuberkulose erblickt werden mnß. 
Tabellarische Uebersichten geben über das Stadium der Tuberkulose, über 
Körpergewicht, Dauer und Erfolg der Behandlung bei den 200 Fällen ein¬ 
gehende Angaben. Dr. B o e p k c-Melsungen. 



Kleinere Mitteilungen and Beferate aoa Zeitschriften.« 679 

Geschlecht and Taberkalosesterbllchkeit. Von J. Orth. Zeitschrift 
für Tuberkulose; Bd. 25, Heft 4. 

Die Forschungen Orths über die Beziehungen des Alkoholismus zur 
Tuberkulose haben die merkwürdige Tatsache ergeben, daß die Uebersterblich- 
keit der Männer an Tuberkulose, die früher schon mit dem 3. Lebensjahrzehnt 
begann, in den letzten Jahren erst im 5. Jahrzehnt, also jenseits des 40. Lebens¬ 
jahres hervortritt. Das veranlaßt« den Verfasser, den Taberknlosesterblichkeits- 
verhältnissen der Geschlechter näher nachzugehen. 

An der seit langen Jahren in absteigender Bichtung sich bewegenden 
Taberkulosesterblichkeit sind beide Geschlechter beteiligt, aber in ungleichem 
Maße. Während der statistisch bearbeiteten 20 Jahre von 1894 bis 1913 beträgt 
nach der Berechnung auf 10000 Lebende die Abnahme der Tuberkulosetodes¬ 
fälle 10,24 = 42,86 °/o, die Abnahme bei den Männern 45,14 °/o, die bei den 
Franen 40,26 "/o. Die Verschiedenheit zwischen beiden Geschlechtern hat sich 
immer mehr verwischt, die Uebersterblichkeit der Männer ist nur noch gering 
(1911 = 1,09, 1913 = 1,12 auf 10000 Lebende). 

Aach wenn man den Anteil der Tuberkulose an der Gesamtsterblichkeit 
eines jeden Geschlechtes verfolgt, ist die Abnahme der Männersterblichkeit 
größer als die der Frauen; der Unterschied ist größer als bei der vorigen 
Berechnungsart. Bis zum Jahre 1904 ist die prozentuale Sterblichkeit aer 
Frauen geringer als die der Männer, vom Jahre 1905 aber ist sie mit Ausnahme 
des Jahres 1908 regelmäßig größer als die der Männer. Der Unterschied 
zwischen 1894 und 1913 beträgt 0,58. Als Ursache sind die günstigeren 
Arbeitsbedingungen anzusehen, die zweifellos für Männer eine überwiegende 
Bedeutung haben. Der Gewerbehygiene muß also in erster Linie die 
Besserung bei den Männern za verdanken sein. Dagegen bat sich ein regel¬ 
mäßiger, innerer Zusammenhang zwischen Influenza- and Taberkalosesterblich- 
keit nicht nachweisen lassen. 

Die Gescblechtersterblichkeit an Tuberkulose in verschiedenen Lebens¬ 
altern zeigt wesentliche Verschiedenheiten; auch in. diesen sind in letzter 
Zeit bemerkenswerte Aenderungen eingetreten. In den ersten 5 Lebensjahren 
war die Sterbeziffer der Knaben stets größer als diejenige der Mädchen; vom 
5. Lebensjahre an starben verhältnismäßig mehr Mädchen als Knaben, zweifellos 
infolge der höheren Empfindlichkeit der Mädchen während der Geschlechts- 
entwicklungszeit und der mit dieser zusammenhängenden besonderen körper¬ 
lichen Umwälzungen. Von der Geschlechtsreife aufwärts, also vom 20. Lebens¬ 
jahr an, ist die Abnahme in der Altersstufe 20—40 keine gleichmäßige. Der 
Umschwung des Verhältnisses in der Männer- und Frauensterblichkeit ist 
zum wesentlichsten Teil bedingt worden durch die verstärkte Abnahme 
der Männersterblichkeit in der Altersstufe über 25 bis 30 Jahre, während die 
prozentuale mittlere Sterblichkeit der Frauen, die in den Altersklassen 20—40 
stets größer war als die der Männer, in den Altersstufen 25—30 und 30—40 mehr 
abgenommen hat. Jenseits des 40. Lebensjahres übertrifft die Männersterblichkeit 
an Tuberkulose diejenige der Frauensterblichkeit weit und hat sich auch bis jetzt 
dauernd höher erhalten. Aber auch in diesen höheren Altersklassen ist die Ab¬ 
nahme der Tuberkulosesterblichkeit bei den Männern eine weit größere als bei den 
Frauen. Die Abnahme ist am stärksten für beide Geschlechter in dem 7. Lebens¬ 
jahrzehnt, in dem auch die Sterblichkeit überhaupt am größten ist. Für die 
prozentuale Beteiligung der Tuberkulösen an den Todesfällen ist das 6. Jahr¬ 
zehnt das durch die größte Abnahme ausgezeichnete. Für das erhebliche 
Ueberwiegen der Tuberkulose der Männer in den höheren Altersklassen hat 
man dem Alkohol die Schuld geben wollen, nach Orth mit Unrecht. Vielmehr 
laßt die Vergleichung der Sterbefälle an Delirium tremens und an Tuberkulose 
in Preußen den Schluß zu, daß die starke Abnahme der Tuberkulosesterblich¬ 
keit bei alten Männern mit der Zunahme des Alkoholismus in ursächlicher 
Beziehung steht. Da der Alkoholismus den Ablauf der Tuberkulose nach 
Orths Feststellungen günstig beeinflußt, könnte durch ihn sehr wohl auch 
eine Abnahme der Tuberkulosetodesfälle herbeigeführt werden. 

Eine recht übersichtliche Darstellung der Verhältnisse vom Jahre 1893 
und dem Jahre 1913 geben zwei Kurventafeln, von denen die erste die Sterbe¬ 
ziffern im Verhältnis zu 10000 Lebenden, die zweite diejenigen zu 100 Ge¬ 
storbenen der gleichen Altersklasse und des gleichen Geschlechtes wiedergibt. 



58Ö Kleinere Mitteilungen and Beferate aas Zeitschriften. 

Beide zeigen Uebereiastimmangen, aber auch große Verschiedenheiten, die zn 
ergründen heute noch nicht möglich ist. „Aber wenn die Tatsachen erst einmal 
festgestellt sind, wird man aach hoffen dürfen, allmählich zu einer Erklärung 
dieser Tatsachen zu gelangen. Dr. B o e p k e - Melsungen. 

Der Typus der Tuberkelbazillen bei menschlicher Tuberkulose. Von 

Stabsarzt Prof. Dr. B. Möllers. Deutsche med. Wochenschrift ; 1916, Nr. 33. 

Bis zum 1. Januar 1914 waren in den verschiedenen Weltteilen 20&1 Fälle 
menschlicher Tuberkulose auf den Tuberkelbazillentypus in einwandfreier Weise 
untersucht, davon durch den Verfasser im Institut für Infektionskrankheiten 
Bobert Koch in Berlin insgesamt 114 Fälle von Tuberkulose der Lungen und 
Bronchialdrüsen, der Knochen und Gelenke, der Hals- und Achseldrüsen, der 
Abdominal- und Urogenitalorgane, der Haut und Schleimhäute und generalisierten 
Tuberkulose einschließlich tuberkulöser Meningitis. 

Von den aus der Gesamtzahl gewonnenen Beinkulturen gehörten 1848 
dem humanen und 189 dem bovinen Typus an, während in 14 Fällen 
bei demselben Menschen humane und bovine Tuberkelbazillen nachweisbar 
waren. Im einzelnen zeigten von ♦ 

972 Fällen von Tuberk. der Lungen u. Bronchialdrüsen 966 hum., & bov., 2 gern- 


163 

ff 

ff 

„ „ Knochen und Gelenke 

159 

ff 

4 „ 

— 

yt 

306 

ff 

p 

generalisierter Tuberkulose 

270 

P 

30 „ 

6 

P 

68 

p 

p 

Meningitis tuberculosa 

54 

P 

4 . 

— 

P 

228 

ff 

ff 

Tuberkulose der Hals- u. Achseldrüsen 172 

P 

56 „ 

— 

fr 

170 

n 

p 

„ „ Abdominalorgane 

107 

P 

58 „ 

& 

H 

39 

p 

p 

„ „ Urogenitalorgane 

38 

P 

1 „ 

— 

P 

81 

* 

p 

Lupus 

66 

P 

14 „ 

1 

P 

25 

y» 

ff 

Tuberculosis verrucosa cutis 

18 

1» 

12 * 

— 

ft 

9 

_ p 

p 

Schleimhauttub. (Mund u. Conjunktiva) 4 

P 

5 * 

— 

P _ 

2051 




1848 hum., 189 bov., 14 gern. 


Bei Trennung nach dem Lebensalter der untersuchten Fälle entfaUen auf 
Kinder unter 5 Jahren 415 humane, 93 bovine Typen und 6 Mischinfektionen, 
Jugendl. von 5—16 „ 244 „ 58 „ * , 1 

Erwachsene über 16 „ 1132 „ 37 „ „ „ 7 „ 

Der Prozentsatz, der bovinen Typen fällt also bei den drei Altersklassen 
von 18,09 ®/o auf 15,84 °/o und 3,14 °/o ; er beträgt überhaupt 9,21 °/o. Es würde 
jedoch ein Trugschluß sein, anzunehmen, daß fast der zehnte Teil aller mensch¬ 
lichen Tuberkulosefälle auf einer Infektion mit Perlsuchtbazillen beruhte. Der 
verhältnismäßig hohe Prozentsatz bowiner Infektionen erklärt sich aus der Art 
des vorzugsweise untersuchten Materials und der durch den Verdauungstrakt 
infizierten Fälle. Von 817 Untersuchungen bei Kindern wurden allein 278 Fälle 
von Tuberkulose des Ernährungstraktus untersucht, die den höchsten Prozent¬ 
satz von allen bovinen Infektionen machen. Bei der tuberkulösen Erkrankung 
der Lungen und Bronchialdrüsen, der häutigsten und gefährlichsten 
Form der menschlichen Tuberkulose, fanden sich die bovinen Bazillen 
nur in 0,5 °/o, bei den viel selteneren anderen Tuberkuloseformen in 16,8 # /o aller 
untersuchten Fälle. Bei Zugrundelegung gleicher Prozentsätze würde sich 
ein boviner Anteil von etwa l,8°/o bei allen menschlichen 
Tuberkulose fällen ergeben. 

Die erdrückende Mehrheit des bovinen Anteils entfällt auf die sicheren 
oder doch höchst wahrscheinlichen Fälle sog. Fütterungstuberkulose; 
d. s. 114 Fälle von Tuberkulose der Abdominalorgane, Hals- und Achseldrüsen. 
Auch für die übrigen bovinen Infektionen ist der Verdauungsweg als Eintritts¬ 
pforte des bovinen Virus nicht ausgeschlossen. Ferner ist bemerkenswert, daß 
von 189 Perlsuchtinfektionen weitaus die meisten, nämlicb 
151, Jugendliche unter 16 Jahren betreffen; die Perlsucht¬ 
infektion ist also in erster Linie eine Erkrankung des Kindesalters. 

Das wahllose Durchuntersuchen eines großen Kinderleichenmaterials in 
Deutschland, Norwegen und Englaud wirft ein Licht auf dos verschieden 
häutige Vorkommen von Kindertuberkulose in diesen drei Ländern. 
Die Vergleichung der Zahlen ergibt, daß in England die Kinder in einem 
erheblich höheren Grade an Tuberkulose leiden als in den beiden anderen 



Kleinere Mitteilongen ond Beferate aus Zeitschriften. 


581 


Ländern ond daß in England die Tuberkulose des Kindesalters in dem hohen 
Prozentsatz von 18,1 °/o der tuberkulösen Fälle und 8,8 °/o aller untersuchten 
Fälle durch bovine Bazillen bedingt wird. 

Danach ist die Grundlehre Robert Kochs als richtig bewiesen, daß 
die Erreger der menschlichen und tierischen Tuberkulose von einander ver¬ 
schieden sind und daß im Kampfe gegen die Tuberkulose das Hauptgewicht 
auf die Verhütung der Uebertragung von Mensch zu Mensch, 
besonders in der Familie, zu legen ist. Aber auch die Rindertuberkulose 
bedeutet eine nicht zu unterschätzende Gefahr, da sie zumal im Kindesalter, 
eine zumeist unter dem Bilde der Nahrungsinfektion verlaufende, bisweilen 
auch zum Tode führende Tuberkulose hervorzurufen imstande ist. Es sind 
daher auch alle Maßnahmen zu unterstützen, die die Beschaffung einwandfreier 
Milch und die Verhütung der Uebertragung einwandfreier Bazillen durch die 
Milch perlsüchtiger Kühe bezwecken. Dr. Roepke-Melsungen. 


Ueber die ätiologischen Beziehungen des Alkoholismus zur Tuber¬ 
kulose. Sitzungsbericht der Akademie der Wissenschaften io Paris, ref. von 
Dr. L. Kathreiner. Münchener med. Wochenschrift; 1916, Nr. 35. 

A. Chanveau berichtete am 5. Juni 1916 in der Akademie der Wissen¬ 
schaften in Turin über den Zusammenhang zwischen Alkoholismus und Tuber¬ 
kulose und führte aus, daß nicht der Alkohol als solcher, sondern die Häufig¬ 
keit der Infektion in den Alkoholausschankstätten die Gefahr bedeute. Auch 
Landonzy sprach sich am 13. Juni 1916 ähnlich aus. Chanveau verlangte 
als notwendige Maßregel zur Tuberkulosebekämpfung die Einschränkung und 
hygienische Ueberwachung der Kneipen. (Referent hat vor Jahren diese An¬ 
sicht so formuliert: Es sterben ebenso viele Leute neben dem Maßkrug als im 
Maßkrug). Dr. G r a ß 1 - Kempten. 


D. Hygiene and öffentliches Gesundheitswesen. 

1. Krankenfürsorge. 

Das städtische Tuberkulose • Krankenhaus. Von Dr. H. ß r a e u n i n g - 
Stettin. Tuberculosis 1916. Vol. 15, Nr. 4. 

Das städtische Tuberkulose - Krankenhaus soll die Vorteile der allge¬ 
meinen Krankenhäuser mit denen der Heilstätten in sich vereinigen und von 
der Gemeinde, event. mit Hilfe der Landesversicherungsanstalt und privater 
Wohltäter und Vereine, errichtet werden. Sein Bau ist nicht kostspieliger, als 
der eines allgemeinen Krankenhauses. An Stelle eines notwendig werdenden 
neuen allgemeinen Krankenhauses empfiehlt sich die Errichtung des Tuber¬ 
kulose-Krankenhauses, um die übrigen Krankenhäuser zu entlasten. 

Mit den allgemeinen Krankenhäusern hat das Tuberkulosekrankenhaus 
folgendes gemeinsam: die Nähe zur Stadt, aber im Freien am besten im Nadel¬ 
wald gelegen; die vollkommene Teilung in voneinander getrennten Stationen 
für Schwerkranke und Leichtkranke, offene und geschlossene Tuberkulose, 
Beobachtungsfälle, Männer und Frauen; dabei verfügt jede Station über die 
nötigen Nebenräume wie Reinigungsbad, Tageraum, Speisesaal, Stationsküche, 
Klosetts usw.; das Vorhandensein von Untersuchungs- und Operationsräumen, 
Laboratorien, medizinischen Bädern, Sektionsraum und Leichenkammer. 

Gemeinsam mit der Heilstätte hat das Tuberkulose-Krankenhaus die 
Lage im Walde; die Liegehallen mit soviel Liegeplätzen als Kranke auf¬ 
genommen werden können; die Beschränkung der Höchstbettenzahl auf 6 in 
einem Zimmer, daneben Zimmer mit 1, 2 und 3 Betten; einen großen Garten, 
Spielplätze, behagliche Speisezimmer, Krankenbibliothek usw. 

Diese von N e i s s e r 1903 gegebenen Grundidee bedeutet eine Zentrali¬ 
sierung der Anstaltsbehandlung aller Tuberkulösen eines Gemeinwesens. 
In der Zentralisierung der Tuberkulosebekämpfung ging Stettin noch weiter, 
indem der ärztliche Leiter der Fürsorgestelle für Lungenkranke zum Chefarzt 
des Tuberkulose - Krankenhauses und der Walderholungsstätte ernannt wurde. 

Das trotz Krieg pünktlich am 1. Juli 1915 fertiggestellte Tuberkulose- 
Krankenhaus der Stadt Stettin zeigt in der Gesamtanordnung vorn das Ver¬ 
waltungsgebäude mit den ärztlichen Laboratorien, Untersuchungszimmern, 
Büros usw., dann rechts und links davon, durch Flure mit dem Verwaltungs- 



582 


Kleinere Mitteilungen and Beferate aas Zeitschriften. 


gebäade verbanden, die Räame zar Aufnahme der Kranken und hinter dem 
Verwaltungsgebäude den Wirtschaftsbetrieb. Die bebaute Fläche beträgt 
3,9 ha, weitere 18,8 ha Land im Umkreis der bebauten Fläche sind als Garten 
gepachtet und umzännt. 

Das Verwaltungsgebäude enthält im Erdgeschoß: Wartezimmer für 
Männer und Frauen, Vor- und Arbeitszimmer des Direktors, Untersuchungs-, 
Operations-, Röntgenzimmer, Dunkelkammer, Laboratorium, Aerztebibliothek, 
Apotheke, Büros; im ersten Obergeschoß: Wohnungen der Assistenzärzte, der 
Schwestern, des Verwaltungsinspektors; im zweiten Obergeschoß: Wohnungen 
für Dienstmädchen. 

Jeder Krankenhausbau besteht aus Kellern und drei Stockwerken; jedes 
Stockwerk hat zwei Stationen, jede Station 26 Betten, so daß das ganze Haus 
6 Stationen mit zusammen 156 Betten hat, außer den für Geisteskranke und 
Infektionsfälle vorgesehenen Betten. Alle Krankenzimmer liegen nach Süden, 
keine hat mehr als 6 Betten, ln drei nach Norden angebauten Flügeln liegen 
die Nebenräume (Küche, Speisesaal, Bad, Klosett usw.). Im Erdgeschoß ist 
für jede Station ein Zimmer zum Wechseln und Reinigen der Stiefeln ein¬ 
gerichtet mit verschließbarem Schubfach für jeden Kranken, das durch die 
Zentralheizung zum Trocknen der Stiefel geheizt werden kann. Im Keller¬ 
geschoß hat jede Station ein Waschzimmer, das durch einen bespülbaren Schacht 
mit der Station verbunden ist, während der Wäscheschacht in einem mit Des¬ 
infektionsflüssigkeit zu füllenden Trog mündet. Die Liegehallen sind im 
Osten und Westen an das Krankenhaus angebaut in drei Stockwerken, so daß 
sie in gleicher Höhe mit den Stationen liegen, die Aufsicht erleichtern und den 
Schwerkranken das Erreichen der Liegehallen bequem machen. Die 26 Liege¬ 
stühle stehen in zwei Reihen hintereinander, die zweite Reihe etwas höher; 
auf dem Dache der westlichen Liegehalle befindet sich ein Sonnenbad. Im 
Keller liegen ferner, durch den Personenaufzug bequem zu erreichen, Dusche¬ 
räume, Räume für Inhalatorien, künstliche Höhensonne; abgetrennter Sektions- 
raum und Leichenkammer. Die beiden Obergeschosse weichen vom Erdgeschoß 
insofern ab, als die Schuhräume zu Zimmern für Pflegerinnen, Wärter and 
Stationsmädchen eingerichtet sind. Vor der Mitte der Südfront sind Baikone 
und eine mit Glas gedeckte Liegehalle vorgesehen, hinter ihnen liegen Einzel¬ 
zimmer für Schwerkranke oder Patienten I. und II. Klasse; die Türen sind hier 
so breit, daß das Bett bequem hinausgefahren werden kann. 

Alle den Wirtschaftsbetrieb dienenden Häuser sind um einen Hof an¬ 
geordnet, dem Krankenhausbau am nächsten die Bauptkochkücbe, die Wasch¬ 
küche and das Desinfektionshaus, am entferntesten Maschinenbaus und Werk¬ 
stätten. Hier befinden sich auch die Wohnungen der verheirateten Angestellten. 
Maschinen ersetzen nach Möglichkeit Menschenkräfte. Ein Desinfektionsapparat 
desinfiziert Sputa und Speisereste. 

Das Krankenhaus ist eine geschlossene Anstalt. Die Kranken III. Klasse 
tragen Anstaltskleidung und dürfen das Grundstück nicht verlassen. Das ge¬ 
samte Anstaltsgelände beträgt 227 000 qm. 

Die Kosten betragen für Geländeerwerb 31439 M., für Baukosten mit 
Vorarbeiten 996016 M., für Inventar 184 000 M., zusammen 1211514 M. Da 
die Anstalt (mit Betten für Geistes- und ansteckende Kranke) 164 Betten hat, 
kostet das Bett einschließlich Grunderwerb und Inventar 7387 M. Nach voll¬ 
ständigem Ausbau auf 328 Betten wird sich das Bett auf rund 5500 M. stellen 
mit Grunderwerb und Inventar, also billiger als beim Bau eines allgemeinen 
Krankenhauses. Es kann daher den Städten, deren Krankenhäuser voll belegt 
sind, auch in Rücksicht auf die Kosten nur geraten werden, für die verstreut 
liegenden Tuberkulösen ein Tuberkulose - Krankenhaus zu bauen. 

_ _ Dr. R o e p k e - Melsungen. 

2. 8ozinle Hygiene. 

Die sündllcbe Ammen-Mlethe. Von J. G. Jördensen, Pfarrer zu 
Gailsdorf. Voigtland 1709. Abdruck bei Conrad Paris; Berlin N. 58, 1914. 

Aus dem kleinen Büchlein können wir manches lernen. Der Verfasser 
bringt vor, daß man schon damals die Ersatzprodukte der Muttermilch „die 
Kuhmilch und durch Feuer bereitete Tränke“ kennt; als Normalzeit der Brust¬ 
darreichung bezeichnet er zwei Jahre; er schildert die Gewohnheiten der da- 



Keinere Mitteilungen und Beterate aus Zeitschriften. 


688 


maligen Frauen der Oberstände, die fast nie mehr ihren Kindern die Brust 
reichen und geht mit diesen Frauen scharf ins Gericht. 12 Entschuldigungen 
der damaligen Franen für die Verweigerung der Brust hebt er besonders hervor 
' und widerlegt sie mit religiösen und medizinischen Gründen. Die angeblichen 
Gründe der Brustverweigerung muten uns ganz modern an; sie sind die nämlichen, 
die auch heute noch angeführt werden. Er führt Beispiele aus der Geschichte an, 
die für die Darreichung der eigenen Mutterbrust sprechen. Auch die Tatsache, 
daß manchmal die Brust versagt, kennt er und betont, daß durch Geschicklich¬ 
keit und Fleiß dieser Mangel oft gehoben werden kann. „Selig sind die Brüste, 
die du gesogen hast", gilt ihn als Höchstes. So unscheinbar das Büchlein ist, 
so belehrend ist es. Dr. G r a ß 1 - Kempten. 


Mangelhafte Ernährung als Ursache von Sexualstörungen bei Frauen. 
Von Dr. Josef von Jaworski, Frauenarzt in Warschau. Aus dem Kranken¬ 
hause zum hl. Bock in Warschau. Wiener klinische Wochenschrift; 1916, Nr. 34. 

Verfasser berichtet über Reservistenfrauen, die dem großstädtischen 
Proletariat Warschaus angehören, und unter den schwersten materiellen 
Verhältnissen in Not, psychischer Depression und in der Sorge um das Be¬ 
finden ihrer Familienmitglieder leben. Die tägliche Nahrung dieser Frauen 
bestand aus Kartoffeln, selten aus Grütze, Kohl; Schmalz, auch Zucker fehlte 
nahezu ganz. Bei diesen Frauen konnte der Autor nach weisen: 1. Gänzliches 
Aufhören der Menstruation, meist seit 4 Monaten; 2. eine bedeutende Zu¬ 
sammenziehung der Gebärmutter, die die physiologische Schrumpfung, die 
nach der Geburt oder beim Stillen eintritt, wesentlich übertrifft; 3. eine Rück¬ 
bildung der Zeugungsorgane als Zeichen des frühzeitigen Klimakteriums; 4. das 
Verschwinden des Geschlechtstriebes. 

Der Zusammenhang einer mangelhaften Ernährung mit manchen 
Sexualstörungen der Frauen wurde durch die Untersuchungen russischer Autoren 
festgestellt, ln Bezirken mit unfruchtbarem Boden und Mangel an Getreide 
erscheint die Menstruation viel später als sonst; während schwerer Arbeit 
im Felde bleiben die Menses einige Monate völlig aus (Ott, Zbankow). 

Zu der langdauernden und ungenügenden Zwangsernährung kommen 
als weitere ätiologische Momente — neben Kummer und Sorgen — noch sehr 
ungünstige Wohnungsverhältnisse hinzu. Die Wohnungen sind schmutzig, eng 
und feucht. Dr. Mayer-Simmern. 


Die Bedeutung der Konstitutionsanomalien und der Konstitutions¬ 
krankheiten für den Gynaekologen. Probevortrag, gehalten zur Erlangung 
der Venia legendi. Von Dr. Josef Novak. Wiener klinische Wochenschrift; 
1916, Nr. 34. 

Ebenso wie die in dieser Zeitschrift Nr. 17 erschienene Arbeit Döllners: 
„Neue Aufgaben für die deutschen Aerzte warnt der Verfasser vor dem Ver¬ 
fallen in einseitiges Spezialistentum. Die Kenntnis der Konstitutionsanomalien 
bietet wirksame Anhaltspunkte zu einer zielbewußten Familien- und Rassen¬ 
hygiene. Der Gynaekologe, der ebenso wie jeder andere Spezialist leicht Ge¬ 
fahr läuft, bei Vertiefung in sein Spezialfach den Blick für das Ganze zu ver¬ 
lieren, wird durch die Konstitutionslehre immer wieder auf die Tatsache hin¬ 
gewiesen, daß wir nicht Krankheiten, sondern kranke Menschen zu behandeln 
haben, von denen jeder eine konstitutionell bedingte, durch äußere Einflüsse 
modellierte Individualität besitzt. Der Autor schildert zunächst die as theni- 
8eben Individuen, bei denen die Wurzel des Uebels in der Psyche sitzt; 
die Kranken sind leicht ermüdbar, widerstandslos gegenüber den vielfachen 
Ansprüchen des Lebens, meist deprimiert und von hypochondrischen Vor¬ 
stellungen geplagt. Die völlige Verkennung der asthenischen Konstitution 
und die dadurch bedingte Polypragmasie der Gynaekologie war es, die dem 
Ansehen des Faches eine Zeitlang sehr geschadet und zu manchen scharfen 
satirischen Ausfällen besonders der Internen und Neurologen herausgefordert 
hat. Verfasser bespricht dann den Infantilismus, das Stehenbleiben auf 
einer Entwicklungsstufe, die ein normales Individuum dieses Alters bereits 
zurückgelegt hat. Die Psyche dieser Frauen kann ohne Abweichung erscheinen, 
doch kann auch hier ein kindisches Wesen, eine Unfertigkeit des Charakters, 
Neigung zu Phantastereien und hysterischen Störungen eine Entwicklungs- 



584 


Bericht über die außerordentliche Tagung fttr praktische 


hemmung der Psyche verraten. Bei Erwähnung des Status thymo- 
lymphaticus gedenkt der Verfasser der auffallend geringen Widerstands¬ 
fähigkeit gegenüber verschiedenen Schädigungen. Plötzliche, völlig unvermutete 
Todesfälle bei kurzer Narkose, geringfügigen operativen Eingriffen, bei allem 
Anschein nach nicht schweren Infektionskrankheiten sind sehr häufig auf diese 
Konstitutionsanomalie zurückzuführen. Mit einer FunktionBänderung der inner¬ 
sekretorischen Drüsen hängt auch der Eunuchoidismus zusammen, der 
vorübergehend — vor der Pubertät — oder dauernd einen Zustand schaffen 
kann, welcher mit dem Kastrationstypus eine große Aehnlichkeit hat. Wesentlich 
ist auch die Kenntnis des Mb. Basedor, des Kretinismus, des Myxoedems, der 
Akromegalie, der hypophysären Fettsucht, des hypophysären Kiesen- und 
Zwergwuchses und des Mb. Addisonii für den Spezialarzt. 

_ Dr. Mayer-Simmem. 


Ueber den Einfluß des Krieges auf die erblich-organische Höher¬ 
entwicklung in Europa. Von Dr. Vaerting-Berlin. Archiv für Soziale 
Hygiene; Bd. 11, Heft 4. 

Kein Rassenbiologe zweifelt heute wohl kaum an dem kontraselek- 
torischen Prinzip des Krieges hinsichtlich der Individualauslese; dagegen gehen 
die Meinungen auseinander bezüglich der Gruppenauslese. Der heutige Krieg 
richtet unter den biologischen Erbgütern aller beteiligten Völker solche Ver¬ 
wüstungen an, daß die Theorie von den förderlichen Wirkungen der Gruppen¬ 
auslese kaum diesen Krieg überdauern wird, der für Europa die Gefahr einer 
ganz anders gerichteten biologischen Gruppenauslese mit sich bringt. Mehr 
als Sieg oder Niederlage scheint heute über die Zukunft der Völker Krieg 
oder Frieden zu entscheiden. Dr. Wolf-Hanau. 


Aus der „Deutschen Gesellschaft für Bovölkerungspolltik“. 

Im Augast-Heft der Mitteilungen sind zwei Abhandlungen enthalten, 
die auch die Verwaltungsärzte angeht. 

Zunächst die Frage der Präventivmittel: Der verstorbene Geh. 
Med.-Rat frof. Dr. N e i s s e r erwähnt in seinem Referate, daß 50 °/o der kinder¬ 
losen Ehen durch Tripper herbeigeführt sind, daß in Deutschland jährlich 200000 
Befruchtungen infolge Tripper unmöglich werden, daß bis zu 6 °/» der Schwanger¬ 
schaften Erkrankungen bei Syphilisfamilien verkommen können. Er empfiehlt 
warm den Verkehr mit Präventivmittel und sucht die Einwendungen zu 
widerlegen. In bezug auf die Hebammen fordert er jedoch strengste Ueber- 
wachung; denn diese führten durch gewissen- und mittellose Einbringung der 
Schutzmittel nicht selten Aborten herbei, leisten dadurch Vorschub. Die Kreis¬ 
ärzte werden deshalb aufgefordert, die Hebammen strenger zu überwachen; sie 
müßten höhere Befugnisse in der Ueberwachung der Hebammen haben. „Es 
hängt wesentlich von dem energischen Wollen und der unabsichtlichen Strenge 
der Aufsichtsbehörden ab, diese eine nicht kleine Quelle der Abtreibungen zu 
verstopfen.“ 

Gegen diese dem Hebammenstande und dem Verwaltungsbeamten hier 
gemachten Vorwürfe des Verfassers muß Stellung genommen werden. Er über¬ 
treibt zweifellos die Häufigkeit der Kindsabtreibungen durch die Hebammen, 
sei es auf fahrlässigem, sei es auf absichtlichem Wege. Er generalisiert einzelne 
Vorkommnisse und beschuldigt den ganzen Stand, ohno auch nur den Schatten 
eines Beweises für seine schwere Anschuldigung zu erheben. Verfasser hätte 
gut getan, dem eigenen Stande, nämlich dem der Aerzte, die gleiche Vorschrift 
zu geben; dann könnte man auch mit seinem Vorwurf gegen die Hebammen 
sich ablinden. Dio Kreis- und Bezirksärzte brauchen jedenfalls gegen die 
Hebammen nicht scharf gemacht zu werden; sic wissen, daß der Stand im 
allgemeinen den Anforderungen genügt und kennen die reuigen Schafe darunter. 

Die Anträge der Gesellschaft selbst an den Bundesrat lauten: 

1. Es möge nicht allein jedes unaufgefordert an das Publikum sich 
herandrängende ; Anbieten und Anpreisen durch Kataloge, Drucksachen, 
Hausieren usw., sondern auch das Feilhalten und der Vertrieb von solchen 
Gegenständen, die zur Beseitigung der Schwangerschaft oder zur Verhütung 
der Empfängnis geeignet sind, beschränkt oder untersagt werden. Ebenso sind 



Kleinere Mitteilungen nnd Referate ans Zeitschriften. 


685 


auch alle für das Laienpublikum bestimmte Schriften and Bücher, in denen 
sich Beschreibungen der antikonzeptionellen nnd znr Unterbrechung der 
Schwangerschaft geeigneten Methoden und Mittel finden, zu verbieten. 

2. Es möge dem § 184 des St.G.B. ein Absatz 3 angehängt werden, 
etwa folgenden Wortlantes: Nicht als ungünstig gelten diejenigen Mittel, die, 
ohne die Empfängnis zu verhüten, zum persönlichen Schutz der Gesundheit 
dienen; es sei denn, daß ihre öffentliche Anpreisung und Ausstellung in einer 
anstößigen und den Anstand gröblich verletzenden Weise vor sich geht. 

8. Wird das Gesetz wider Körperverletzung auch auf die Ansteckung 
auszudehnen beantragt. 

Hierzu möchte ich bemerken, daß das Verbot dqr „aufklärenden" 
Schriften offenbar das wirksamste wäre, daß aber gerade dieses am wenigsten 
zu erwarten ist, da das Verbot der Schriften der Kurpfuscher ein Teil des 
Pfuscherwesens selbst ist und das Pfuschertum in Deutschland nicht verboten 
werden wird. 

Das Merkmal der „Unsittlichkeit“, das als vorhanden angenommen wird, 
wenn das Mittel zur Verhütung der Konzeption, als nicht vorhanden, wenn es 
zum außerehelichen Geschlechtsgebrauch verwendet wird, ist medizinischen und 
nicht moralischen Ursprungs. 

Ferner ist das Zölibat derLehrerinnen eingehend besprochen und 
namentlich darauf hingewiesen, daß die verheirateten Lehrerinnen die Schritt- 
macherinnen des Zwei- und Einkindersyptems auch auf dem Lande sein würden 
und dadurch der Nation mehr schaden als nützen. Dr. G r a ß 1 - Kempten. 


Die planmäßige periodische Untersuchung anscheinend Gesunder. 

Von Sanitätsrat Dr. Sonnenberger-Worms. Halbmonatsschrift für soziale 
Hygiene und praktische Medizin; 1916, Nr. 17. 

Die planmäßige periodische Untersuchung anscheinend Gesunder ist von 
sozial- und individual-hygienischer Bedeutung. Planmäßig hat sie bis jetrt 
nur die LebensversicheruDgsmedizin in Angriff genommen; jetzt kommt die 
Untersuchung der Säuglinge und Schulkinder hinzu. In Amerika hat man 
bereits ein eignes Institut errichtet, das Lebensverlängerungs-Institut; die 
Arbeiten dieses Instituts haben Florschtttz und Gottstein zu weiteren 
Publikationen angeregt. Die planmäßige Durchuntersuchung sämtlicher An¬ 
gehörigen eines bestimmten Lebensabschnittes bringt erst Licht über die Aus¬ 
dehnung von Krankheitsanlagen und deren späteren Weiterentwicklung. Diese 
jetzt empfohlene Methode wird erst über die näheren Verhältnisse der Tuber¬ 
kulose-Durchseuchung Aufschluß bringen, wird über planmäßige Vermeidung 
von Erkrankungen durch vorbeugende Kuren aufklären, wird die Volksgesund¬ 
heit stärken und kräftigen, weil sie die Möglichkeit gibt, alle Untersuchten 
bei den ersten Abweichungen vom Normalen der ärztlichen Fürsorge und evtl. 
Behandlung zu überweisen. 

Wir wissen, daß die Sterblichkeit um so geringer ist, je früher Patienten 
dem Krankenhause überwiesen werden. 

Für die Erhaltung der Volksgesundheit bedarf es der periodischen 
Massenuntersuchung der Gesunden, besonders nach dem Kriege, weil da 
vor allem es wichtig ist, Menschenleben zu schonen und zu kräftigen. 

Dr. Hoffmann -Berlin. 


3. Hebammenwesen. 

Die Aussichten der Hebammenreform nach Friedensscbluß. Von 
Dr. Rißmann, Direktor der Hebammenschule in Osnabrück. Der Frauen¬ 
arzt; 1916, Heft 6 und 8. 

Die Not des Krieges hat allen Bestrebungen, die gegen den Geburten¬ 
rückgang in Deutschland gerichtet sind, frischen und starken Zuwachs ge¬ 
bracht. Nicht selten ist dabei auch einer Reform des Hebammenwesens das 
Wort geredet. Nach den bisherigen Erfahrungen darf man aber in dieser 
Hinsicht nicht zu optimistisch sein, obwohl der Mutterschutz mindestens ebenso 
wichtig ist als der Säuglings- u. Kinderschutz, diesen sogar eigentlich vorausgehen 



686 


Tagesnachrichten. 


maß. Dnrch eine geschickte aasgedehnte Propaganda ist in den letzten Jahren 
sehr viel auf dem Qebiete des Bäuglingsschutzea erreicht worden; Verfasser 
beabsichtigt in gleicher Weise nach Friedensschiaß auch im Interesse des 
Matterschatzes and der damit eng zusammen hängenden Hebammenreform vor- 
zagehen. Er will mit Beihilfe von Kollegen eine ganz große Versammlung 
der Frauenvereine Berlins zusammenrufen, am die Wichtigkeit einer Beform 
des Hebammenwesens der deutschen Frauenwelt and damit einem breiteren 
Pablikam klar za legen. Eine solche Versammlung werde auch den Plänen 
eines Beichsgesetzes für Hebammenschwestern kräftige Unter¬ 
stützung gewähren. Erfreulicher Weise ist in den beteiligten Kreisen immer 
mehr die Notwendigkeit einer Mitwirkung der Hebammen bei der Bekämpfung 
der Säuglingssterblichkeit anerkannt; dazu ist aber nach Verfassers Ansicht 
eine bessere Vorbildung und eine längere Ausbildung (einjährige 
Lehrzeit oder Hinzufügung eines praktischen Vierteljahrs) erforderlich; 
außerdem sollten die Hebammen auch Hebammenschwestern genannt 
werden und im Berufe eine den Schwestern ähnliche Tracht zu tragen 
berechtigt sein. Auch an die Vorbildung der Heb am m en lehr er müßten 
höhere Anforderungen (mindestens eine 3—5 jähr. Arbeitszeit an einer Hebammen¬ 
schale) gestellt werden. Verfasser wünscht ferner noch 1. Vergrößerung der 
Hebammenschalen durch geburtshilfliche Polikliniken, Mütter- und Kinder- 
beratangsstellen und Säuglingsabteilung; 2. Ausbau des Bezirkshebammenwesens 
auch nach der Bichtung hin, daß die Hebamme den Kreisarzt in den „Für- 
sorgeämtern“ in weitgehender Weise unterstützen soll, und Beseitigung der 
schrankenlosen Hebammenkonkurrenz, sowie 3. Erlaß eines Gesetzes für Wochen¬ 
bettpflegerinnen. 

In einem Nachwort wendet sich Verfasser dann gegen die von Prof. 
Dr. Langstein auf der Gründerversammlung „der Spende Deutschlands für 
Säuglings- und Kinderschatz“ vertretenen Ansicht, daß auch auf dem Lande 
„durch den Besuch und den Bat ausgebildcter Fürsorgerinnen eine wirksame 
Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit möglich sei.“ Er steht mit Becht auf 
den auch von dem Beferenten und sicherlich auch von vielen beamteten und 
nicht beamteten Aerzten geteilten Standpunkt, daß dasselbe Ziel durch eine 
zeitgemäße Beform des Hebammenwesens und durch eine ausgiebige Heran¬ 
ziehung entsprechend ausgebildeter und finanziell besser gestellter Hebammen 
viel einfacher und billiger zu erreichen ist, als durch Anstellung von besonderen 
Säuglingsfürsorgerinnen. Bpd. 


Tagesnachrichten. 

Herabsetzung der Kriegsbesoldung für Offiziere usw. und Militlr- 
ärzte. Nach der im Armee-Verordnungsblatt veröffentlichten Kaiserlichen 
Kabinettsorder und dem sich darauf beziehenden Erlaß des Preußischen 
Kriegsministeriums vom 19. September 1916 sind vom 1. Oktober 1916 
ab folgende Aenderungen eingetreten: 

Die monatliche Dienstzulage wird ermäßigt: für den Kriegsminister 
und die Armee-Oberbefehlshaber um je 1000 M., für kommandierende Generale 
und Offiziere in Stellen mit gleichen Gebührnissen um je 050 M., die monatliche 
Feldbesoldung für Divisionskommandeure und Offiziere in Stellen mit 
gleichen Gebührnissen um je 150 M., jedoch bleiben die bisherigen Gebührnisse 
bei den Generalen, die vor dem 1. Oktober 1916 mit den vorbezcichneten Steiles 
bereits beliehen sind, von den vorstehenden Festsetzungen unberührt. 

Hauptleute oder Rittmeister usw. sowie Stabsärzte erhalten bei 
Formationen mit mobiler Besoldung ein monatliches Gehalt von 510 M„ bei 
Formationen mit immobiler Besoldung ein monatliches Gehalt von 450 M. 
Neben diesem Gehalt beziehen diejenigen, die die dienstgradmäßigen Gebühr¬ 
nisse bereits erhalten oder in diese bis zum 30. September 1916 einschließlich 
einrücken — gleichgültig, ob sie Anspruch auf die mobile oder immobile Be¬ 
soldung haben — den Unterschied zwischen ihrer bisherigen und der neufest¬ 
gesetzten Besoldung mit 145 M. als Monatszulage. 

Oberleutnants usw. sowie Oberärzte, Assistenzärzte, Feld¬ 
hilfsärzte erhalten bei Formationen mit mobiler Besoldung ein monat- 



Tagesnachrichten. 


587 


liches Gehalt von 250 M., bei Formationen mit immobiler Besoldung 
ein monatliches Gehalt von 220 M. Neben diesem Gehalt beziehen — gleich¬ 
gültig, ob sie Anspruch auf die mobile oder immobile Besoldung haben — alle 
diejenigen, die diesen Dienstgrad bereits besitzen oder bis zum 30. Sep¬ 
tember einschl. erlangen, sowie solche Assistenzärzte, Feld¬ 
hilfsärzte, die zwar erst vom 1. Oktober 1916 einschließlich ab hierzu be¬ 
fördert oder ernannt werden, aber verheiratet sind, eine Monatszulage 
von 60 M. 

Für den Bezug der verringerten Gebührnisse ist der Tag maßgebend’ 
an dem die die Beförderung usw. aussprechende Allerhöchste Kabinetsorder 
oder die sonst in Betracht kommende Verfügung erlassen worden ist. 

Die Monatszulagen von 145 oder 60 M. zählen mit dem Gehalt zur 
Eriegsbesoldung; sie sind nicht nach Tagen, sondern in vollen Monatssätzen 
nach den allgemeinen Bestimmungen der §§ 8, 53 und 71 der Kriegsbesoldungs¬ 
vorschrift monatlich im voraus zu zahlen. 

Nach den Grundsätzen für Verheiratete sind auch abzufinden: 

a) unverheiratete Leutnants, Assistenzärzte usw., die den Unterhalt 
bedürftiger Angehöriger, nämlich von Verwandten der ansteigenden Linie, 
Geschwistern, Geschwisterkindern oder Pflegekindern ganz oder überwiegend 
bestreiten, 

b) verheiratet gewesene Leutnants, Assistenzärzte usw. unter den Voraus¬ 
setzungen zu a) oder sofern sie eheliche oder legitimierte Abkömmlinge haben. 

Die Monatszulage von 60M. ist auch solchen Leutnants, Assi stenzärzten 
zu gewähren, die erst nach ihrer Beförderung sich verheiraten oder bedürftigen 
Angehörigen den Unterhalt gewähren. Sie wird zuständig mit dem Ersten und 
endigt mit dem Letzten des Monats, in dem die Voraussetzungen für die 
Gewährung eintreten oder wegfallen. 


Der vom Reichstag eingesetzte Sonderausschuß für Bevölkerungs¬ 
politik hat beschlossen, durch einen Unterausschuß einen Arbeitsplan ent¬ 
werfen zu lassen, ln diesen Unterausschuß wurden gewählt die Abgeordneten 
Dr. van Calker (natl.), Dr. Faßbender (Ztr.), Dr. Quarck (Soz.), 
Dr. Struve (Vp.), Dr. Werner (Deutsche Fraktion). Der Ausschuß will die 
ihm obliegende Arbeit sehr tatkräftig betreiben und dazu, wenn dies nötig 
und möglich ist, auch über die gegenwärtige Tagung des Reichstages hinaus 
versammelt bleiben. Die Beratungen sollen mit einer Prüfung darüber be¬ 
ginnen, wie die Geschlechtskrankheiten einzudämmen sind. Bericht¬ 
erstatter für das Plenum ist Abg. Dr. Struve (Vp.). 


Ehrentafel. Es haben weiterhin erhalten: 

Das Eiserne Kreuz I. Kasse: 

Stabsarzt d. Res. und Regimentsarzt Dr. Althoff-Recklinghausen. 
-Oberarzt d. Res. und Bataillonsarzt Dr. Heinrich Becker-Siegburg 
(Rheinprovinz). 

Generalober- und Divisionsarzt Dr. E b e r t z - Mörchingen (Lothringen). 
Oberstabs- und Divisionsarzt Dr. H i n t z e - Sprottau. 

Oberstabsarzt d. L. und Reg.-Arzt San.-Rat Dr. Heinr. Holtermann- 
Neustadt (Mecklenburg-Schwerin). 

Oberstabsarzt d. L. San.-Rat Dr. Richard Jahn-Wriezen (Reg.-Bez. 
Potsdam). 

Stabsarzt d. Res. und Reg.-Arzt Dr. Koebisch, Besitzer des Sanatoriums 
Friedrichshöhe in Oberniga (Reg.-Bez. Breslau). 

Assistenzarzt d. Res. und Abteilungsarzt Dr. Alfred Sartorius- 
München. 

Oberarzt d. Res. Dr. Schaef er-Ballenstedt im Harz. 

Oberstabsarzt Dr. Schloßberger-Stnttgart. 

Landsturmpfl. Arzt Dr. Ludwig Stambach-Pützchen bei Bonn. 
Generaioberarzt d. L. Prof. Dr. T i e t z e - Breslau. 

Das Eiserne Kreuz II. Klasse am schwarz-weißen Bande: 

Dr. Wollenweber in Dortmund; Führer eines Lazarettzuges. 



588 


Tagesnachrichten. 


Ehren - Oed&ohtnistafel. Für das Taterland gefallen oder gestorben: 

Oberarzt d. Bes. Or. Otto Barth- Stuttgart. 

Stabsarzt d. L. Dr. M. Braasewetter (früher in Madrid). 

Stabsarzt d. Bes. Dr. Ernst Fritsche-EHenbarg. 

Feldhilfsarzt OttoFritzsche -Oberschiemma bei Schwarzenberg (König¬ 
reich Sachsen). 

Oberarzt Dr. Alfred Henkel- Straßbnrg i. Eis. 

Assistenzarzt d. Bes. Dr. F. H o f f - Magdeburg. 

Stabsarzt d. Bes. Dr. Wilhelm Lab an n-Schenefeld (Schleswig-Holstein). 

Stabsarzt d. Bes. Dr. Sander-Schweinfurt. 

Assistenzarzt d. Bes. Dr. Schiffmann -Stralsund. 

Med.-Bat Dr. Schow, Kreisarzt in Tondern, zuletzt Kreisarzt in Bnss.-Polen. 

Leutnant d. Bes. Dr. med. Hans Schulze-Göttingen. 

Stabsarzt d. L. Dr. Martin Segal-Vitz (Beg.-Bez. Frankfurt). 

Oberstabsarzt d. L. und Beg.-Arzt Dr. Stoll, Oberamtsarzt in Tübingen. 

Stabsarzt d. Bes. Dr. Heinrich Tillmann-Crefeld. 

Landsturmpflichtiger Arzt Dr. Eduard Trautwein-Kreuznach. 

Abteilungsarzt Dr. Ludwig Wechselmann-Kattowitz (Oberschlesien) 
(gestorben infolge eines Unfalls). 

Abteilungsarzt Dr. Heinr. W i g e 1 s - Worms (infolge von Krankheit gest). 

Ferner ist auf dem Felde der Ehre gefallen: Yizefeldwebel Schlüter, 
stud. med., Sohn des Geh. Med.-Bats Dr. Schlüter, Kreisarzt in Gütersloh. 

ln der Ehrengedächtnistafel in Nr. 18 der Zeitschrift, S. 564 muß es statt 
„Dr. Maximilian Frey- Saarbrücken“ heißen: „Dr. JuliusFey“- Saarbrücken. 

Cholera: Bosnien und Herzegowina sind seit Mitte August 
ebenso cholerafrei, wie Oesterreich und Ungarn. In der Türkei ist da¬ 
gegen die Seuche in Samsun (Kleinasien) wieder heftiger aufgetreten. 

Fleckfieber: In Ungarn sind in den Wochen vom 14. August bis 
8. September 1, 8 und 1 Erkrankungen amtlich gemeldet. 

Pocken: Im Deutschen Beiche sind in den Wochen vom 10. bis 
23. September 10 und 1 sowie 6 Erkrankungen nachträglich gemeldet. 

Erkrankungen and Todesfälle an ansteckenden Krankheiten ln 
Preußen. Nach dem Ministerialblatt für Medizinal-Angelegenheiten sind in der 
Zeit vom 27. August bis 9. September 1916 erkrankt (gestorben) an Pest, 
Gelbfieber, Cholera, Trichinose, Aussatz, Malaria, Fleck¬ 
fieber, Bückfallfieber, Paratyphus, Botz: — (—), — (—); Bi߬ 
verletzungen durch tollwutverdäcbtige Tiere: 10 (—), 3 (—); 
Tollwut: 1 (—), — (—); Milzbrand: 1 (—), 1 (—); Pocken: 6 (—), 
8 (1); Unterleibstyphus: 830 (25), 827 (21); Buhr: 661 (58), 725(65); 
Diphtherie: 1732 (95), 1909 (101); Scharlach: 1188 (69), 1332 (56); 
Kindbettfieber: 53 (14), 46 (18); Genickstarre: 5 (3), 6 (2); 
spinaler Kinderlähmung: 7 (—), 3 (—); Fleisch-, Fisch- und 
Wurstvergiftung: 1 (—), 66 (—); Pilzvergiftung: 3 (—), — (—); 
Körnerkrankheit (erkrankt): 68,70; Tuberkulose (gest.): 616,617. 


Mitteilung für die Medizinalbeamten. 

Entsprechend zahlreichen Wünschen aus den Kreisen der Medizinalbeamten 
haben sich Herausgeber und Verlagsbuchhandlung entschlossen, den Kalender 
für Medizinalbeamte wieder erscheinen zu lassen. Der neae 
Jahrgang 1917 wird Mitte Dezember d. J. zur Ausgabe gelangen; die 
Unterzeichnete Verlagsbuchhandlung nimmt schon jetzt Bestellungen 
entgegen. 

Die Verlagsbuchhandlung. Der Herausgeber. 


Bedaktion: Prof. Dr. Bapmuiyl, Geh. Med.-Bat in Minden i. W. 

J. G. 0. Bruns, Herzogi. Büchs, n. F&rstl. Sch.-L. Hofbuchdrnckcrei In Minden. 





29. Jahrgang; Nr. 20. 


Ausgegeben am 20. Oktober 1916. 


ZEITSCHRIFT 


FÜR 


MEDIZINALBEAMTE. 

Zentralblatt 

für das gesamte Gebiet der gerichtlichen Medizin und Psychiatrie, 
des staatlichen und privaten Versicherungswesens, sowie für das 
Medizinal» und öffentliche Gesundheitswesen, einschließlich der 

Hygiene und Bakteriologie. 

Herausgegeben 

Von 

Prof. Dr. Otto Rapmund, 


Geh. Med.-Rat in Minden i. W. 


Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, Sächsischen, 
Württembergischen, Badischen, Hessischen, Mecklenburgischen, Thüringischen 
Braunschweigischen und Eisass-Lothringischen Medizinalbeamtenvereins. 


Eine Beilage: 

Rechtsprechung und Medizinalgesetzgebung. 

Bezugspreis für das Jahr: 15 Mark. 


Verlag von FISCHER’S MEDICIN. BUCHHANDLUNG H. KORNFELD, 

tterzofll. Bayer, itof- und K. u. K. Kammer-Buchhändler 

Berlin W. 62, Keithstr. 5. 

Geschäftsstelle u. Versand für die Mitglieder des Medizinalbeamtenvereins 
durch J C C BRUNS, Hof-Buchdruckerei, MINDEN i Westf 


Anzeigen -Annahme nnd verantwortlich für den Anzeigenteil: Gelsdorf & Co., G. m. b. H., Eberswalde (Mark.) 










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29. Jahrg. 


1916. 


Zeitschrift 

für 

MEDIZINALBEAMTE. 


Zentralblatt 

för das gesamte Gebiet der gerichtlichen Medizin und Psychiatrie, 
des staatlichen und privaten Versicherungswesens, sowie för das 
Medizinal- und öffentliche Gesundheitswesen, einschließlich der 

Hygiene und Bakteriologie. 

Heransgegeben 

▼on 

. Prot Dr. OTTO RAPMOND, 

Geh. Med.-Rat ln Minden l. W. 


Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, Sächsischen, 
WQrttembergischen, Badischen, Hessischen, Mecklenburgischen, Thüringischen, 
Braunschweigischen und Eisass-Lothringischen Medizinalbeamtenvereins. 


Verlag von Fiseher’s med. Buehhandlg E Kornfeld, 

HeraogL Beyer. Hof- a.L«.K. Kemmer-Bmaatodl» 

Berlin W. 62, Keithstr. 5. 

iueifea nah man 41a VaiUfahAndliinf sowie alla Ajiadfanannahmeatallen das I»* 

•ad ▲asUadas antfegaa. 


Nr. 20. 


Knehetat am k. ud BO. Jeden Kennte. 


20. Okt. 


Zur Kasuistik des Erhängungstodes. 

Von Med.-Bat Dr. Langermann ? Kreisarzt in Bensheim, zurzeit Ober-Stabsarzt 

bei einem Reservelazarett. 

Bekanntlich erfolgt der Selbstmord durch Erhängen meist 
in der Weise, daß der Selbstmordkandidat sich eine mit ihren 
Enden irgendwie befestigte Schlinge um den Hals legt und 
dann die Schwere des Körpers wirken läßt, wodurch der Hals 
von dem Strangwerkzeug eingeschnürt wird. Da diese Schlinge 
fast immer aus anatomischen Gründen oberhalb des Kehlkopfes 
zwischen diesem und dem Zungenbein zu liegen kommt, so 
erfolgt der Verschluß der Respirationswege an dieser Stelle 
nicht durch die Kompression des Kehlkopfes und der Trachea, 
sondern so, daß der Zungengrund und der weiche Gaumen nach 
oben gezerrt, gegen die Wirbelsäule gedrückt und so der Nasen¬ 
rachenraum verschlossen wird, wie sich dies auch experimentell 
und an Gefrierschnitten von typisch Erhängten nachweisen läßt. 
Der Luftabschluß bedingt dann durch Aufhebung des respira¬ 
torischen Gaswechsels den Erstickungstod. Daß aber auch 
durch eine solche auf diese Art bewerkstelligte Einschnürung 










590 


Dr. Langerma&o. 


des Halses die großen Halsgefäße, besonders die Karotiden und 
Jugularvenen, eine Kompression erfahren, muß schon aus 
deren anatomischen Lage geschlossen werden, aber viel 
mehr noch aus der manchmal der Strangfurche entsprechend 
zu findenden Ruptur der Intima und aus einwandfrei fest¬ 
gestelltem Selbstmord durch Erhängen bei tracheotomierten 
Personen, bei denen der Strang oberhalb der Kanüle la^. Be¬ 
weisend hierfür ist auch der Versuch, daß man bei iw typischer 
Weise suspendierten Leichen erwachsener Personen nicht im 
stände ist, Flüssigkeiten durch die Karotiden durchzutreibeti. 
Meist werden aber auch die Arteriae vertebrales komprimiert 
und zwar an der Stelle, wo sie nur von Weichteilen um¬ 
geben sind, also oberhalb des Epistropheus. Es wird somit 
die Blutzufuhr zum Vorder- und zum Nachhirn mit dem ver¬ 
längerten Mark unterbrochen. Früher nahm man nun als 
wesentlichen mitbestimmenden Faktor beim Zustandekommen 
des Erhängungstodes noch die Möglichkeit einer Kompression 
der Nervi vagi an, die mit der Carotis und Jugularis interna 
in einer Scheide liegen. Bekanntlich bewirkt ja die Durch¬ 
schneidung wie auch ein Zusammendrücken beider Nervi vagi 
neben der Herabsetzung der Atmung eine Vermehrung des 
Herzschlags mit Schwäche der Herztätigkeit. Der Herzstill¬ 
stand sollte hierdurch erklärt werden. In einzelnen Fällen, zumal 
bei Sturz aus großer Höhe in eine um den Hals angelegte 
Schlinge, kann auch eine Zerrung und Blutung in das ver¬ 
längerte Werk einsetzen und so den Tod bewirken, wie sich 
dies aus Sektionsergebnissen nachweisen läßt. 

Die Strangfurche verläuft meistens nun so, daß sie 
quer über den Vorderhals zwischen Kehlkopf und Zungenbein 
unter den Warzenfortsätzen ziemlich steil nach den Nacken zu 
aufsteigt und sich dort zum Knoten oder einer Schlinge in 
einem Winkel vereinigt. Man spricht dann vom typischen 
Erhängungstod. Ebenso häufig findet man aber auch den asyme- 
trischen Verlauf der Strangmarke, indem die Enden nicht im 
Nacken, sondern seitlich von diesem liegen, so z. B. hinter einem 
Ohr, vor dem Ohr oder unter dem Ohrläppchen, am Kinn oder 
unmittelbar unter diesem (atypischer Erhängungstod). Die Strang¬ 
furche ist entweder lederartig (pergamentartig) vertrocknet, 
braungelb bis braunrot verfärbt infolge von starker Kom¬ 
pression und Abschürfung der Oberhaut, sowie infolge von Ein¬ 
trocknen der Haut nach dem Tode, oder sie zeigt sich als 
bläulicher, vertiefter, oder als flacher, weißlicher Hautstreifen 
(weiche Strangmarke). Ein dünner, festgedrehter Strick, der tief 
einschneidet, wird natürlich die Strangmarke weit deutlicher 
markieren, wie ein dicker, weichgedrehter oder ein breites Band. 
Auch die Zeit der einwirkenden Kraft spielt mit, insofern als 
Leichen, die lange gehängt haben, die Furche besser sehen 
lassen, als solche, die nur kurz in dieser Lage verblieben. 

Es tritt nun bei typisch Erhängten Bewußtlosigkeit sofort 
oder in wenigen Augenblicken ein, wie sich dies aus den Aus- 



2ur Kasuistik des Erhängungstodes. 


591 


sagen von Geretteten und aus dem Umstand schließen läßt, 
daß es last nie vorkotnmt, daß ein Selbstmörder seinen Kopf 
noch aus der Schlinge zieht, obwohl er nach der Lage des 
Körpers (Selbstmord im Stehen, in sitzender oder liegender 
Stellung) sehr gut die Gelegenheit dazu hatte. Weiterhin 
machen sich nachgewiesenermaßen bei vom Erhängungstod zu¬ 
fällig Geretteten olt reflektorische und psychische Störungen 
mit Amnesie geltend, die nur darauf schließen lassen, daß bei 
der Suspension das Gehirn am meisten und zuerst infolge des 
durch die Kompression der Gefäße bedingten Blutabschlusses 
geschädigt wird. Daß dagegen der Luftabschluß durch die 
Tamponade des Nasenrachenraums nicht gleich tödlich wirken 
kann, wird durch die Tatsache illustriert, daß der Herzschlag 
bei Erhängten meist noch minutenlang andauert. Dagegen 
spielt die Vagusreizung durch das Strangwerkzeug beim Er¬ 
hängungstod nach den neueren Untersuchungen keine einflu߬ 
reiche Rolle. Ebenso findet man gewöhnlich bei Erhängten 
keine Verletzung der oberen Halswirbelsäule und des ver¬ 
längerten Markes mit seinen lebenswichtigen Zentren; denn 
nach dem anatomischen Bilde ist es nicht leicht möglich, daß 
etwa die festen Bänder, die den Zahn des Epistropheus an den 
Atlas binden, bei typischer Suspension, wo die Schwere des 
Körpers allein wirkt, und wo der Kopf nach vorne oder seitlich 
gesunken ist, reißen und der Zahn irgendwelche tiefe Schädi¬ 
gungen hervorrufen kann. Dazu kommt noch, daß das ver¬ 
längerte Mark, von sulzigem Gewebe umgeben, gut gepolstert 
in einem weiten Wirbelkanal liegt und so auch einem erheb¬ 
lichen Druck genügend ausweichen kann. 

Daß aber trotzdem beim Selbstmord durch Erhängen, wo 
keine abnorme Kraftwirkung fetattfand, gerade diese letztere 
Möglichkeit bei der Erörterung der Todesursachen in Betracht 
kam, soll nachfolgender Fall beweisen, den ich vor Beginn des 
Krieges gelegentlich einer gerichtlichen Leichenschau zu sehen 
bekam. Eine Sektion konnte leider aus äußeren Gründen nicht 
angeschlossen werden. 

Ich lasse zunächst das Protokoll der äußeren Be¬ 
sichtigung folgen: 

1. Die übergebene männliche Leiche des hier bekannten P. St. ist 182 cm 
lang and zeigt kräftigen Knochenbau und mäßigen Ernährungszustand. 

2. Die Farbe der Leiche ist im allgemeinen graugclb, nur der Rücken 
und die Qesäßgegend sind blaßblaurot verfärbt. Auf starkem Druck schwindet 
diese Verfärbung; Einschnitte hierin ergeben keinerlei ausgetretenes Blut. 

3. Die Totenstarre ist in den Kiefer- und Halsgelenken gelöst, während 
sie in den anderen Gelenken noch vorhanden ist. Verwesungsgeruch ist 
angedeutet. 

4 . Der Kopf ist nach hinten gebeugt. Die Stirn, beide Ohren und der 
behaarte Kopfschädcl sind bläulich verfärbt. Gesicht und Schädel sind sonst 
unverletzt. 

5. Die Augenlider sind schlitzförmig verzogen und stehen halb offen. 
Die oberen Lider sind platt gedrückt. Die Hornhäute sind getrübt, die Papillen 
mittel- and gleichweit, die Augäpfel weich und maisch. Die Blutgefäße der 
Augenbindehiiute siud gefüllt und springen stark vor. 

6. Die Oeffnungen der Nase und der Ohren sind frei von Fremdkörpern. 



592 . 


Br. Langermann. 

7. Oer Mond steht sehr weit offen, die Zange liegt znrückgesunken. 

Der Oberkiefer mit zwei schadhaften Zähnen springt stark vor, während der 
Unterkiefer znrückgesunken ist. ' 

8. Bie Strangfurche verläuft nicht regelmäßig am den Hals, sondern 
setzt in der Mitte des Nackens 2 cm anter der Haargrenze an, verläuft dann 
beiderseits unterhalb der Ohrläppchen and steigt über beide Jochbogen in die 
Höhe, um dann wagerecbt über beide oberen Augenhöhlenränder bis zur Stirn¬ 
mitte zu verlaufen, wo sich eine Unterbrechung findet. Biese Strangmarke ist 
im Nacken und zu beiden Seiten des Halses 1 cm breit, 0,5 cm tief, lederartig, 
gelblich gefärbt und zeigt auf dem Grande teilweise den Abdruck eines gut 
gedrehten Strickes, wie er aach als Strangwerkzeug in Betracht kam, während 
sie nach dem Gesicht zu ziemlich oberflächlich liegt, nor 0,6 cm breit, blaß- 
bläulich aussieht und keine sichtbaren Blatungen auf dem Grande oder an den 
Bändern aufweist. 

9. Auf der Kinnmitte, dem Unterkieferrand entsprechend, findet sich eine 
dreizipfelige, etwa markstückgroße, oberflächliche Hautabschürfung mit einzelnen 
abwischbaren Blutkrusten in der Umgebung. Der Grand dieser Hautverletzung 
ist dunkelrot gefärbt, eingetrocknet und zeigt keinerlei Bluterguß in der Tiefe. 
Bie Umgebung ist nicht gerötet; keinerlei Blutung innerhalb der Bänder. 

10. Ber Hals ist ziemlich frei beweglich, zeigt keinerlei Brüche der 
Halswirbel oder des Kehlkopfs und Zungenbeins, auch sonst keinerlei Ver¬ 
letzungen. 

11. Bie Brust ist gut gewölbt und unverletzt. 

12. Ber Bücken zeigt keine Besonderheiten. Bie Aftergegend ist leicht 
mit Kot beschmutzt. 

13. In beiden Leistengegenden findet sich ein doppelseitiger, naßgroßer, 
reponiblcr Leistcnbruch, der durch ein Bruchband gut zurückgehalten wird. 

14. An beiden Waden, die leicht blaurot gefärbt sind, finden sich einzelne 
stecknadelkopfgroße Ekcbymoscn. Auf dem linken Handrücken findet sich 
eine runde, pfennigstückgroße, rotbraun gefärbte Stelle mit Abschürfung der 
Oberbaut and eingetrocknetem Grunde. Bie Finger sind leicht zar Faust 
gekrallt, nicht beschmatzt und weisen keine Verletzungen auf. 

Das vorläufige Gutachten lautete dahin, daß der 
Tod des Mannes infolge von Selbstmord durch Erhängen ein¬ 
getreten ist. Die Vorgefundenen Hautabschürfungen dürften durch 
Widerschlagen des Körpers wider Baumstämme hervorgerufen 
worden sein. Sonst fehlten Zeichen von verbrecherischer Ein¬ 
wirkung fremder Personen. 

Durch Zeugenaussagen ließ sich folgendes feststellen: 

Der Erhängte hatte 2 Tage vorher seine Wohnung verlassen, angeblich, 
um sich in dem nahen Städtchen ein neues Bruchband zu kaufen. Von allen 
Zeugen wurde er als ein tiefsinniger, stiller Mann geschildert, dessen Schwer¬ 
mut durch den vor 1 '/* Jahren erfolgten Tod seiner Frau noch zugenommen 
batte, und dem man diesen Selbstmord getrost Zutrauen konnte. Als der 
Mann am Abend spät nicht nach Hause zuriiekkehrte, auch des andern Morgens 
nichts von sich sehen ließ, wurde von dem Sohne nach ihm gefahndet. In¬ 
zwischen hatten jedoch 2 Studenten die Leiche an einen Baum hängend, die 
Füße knapp auf den Boden reichend, im Walde in der Nähe eines Aasflngs- 
tarins autgefunden und den Turmwächter benachrichtigt, der die Leiche ab- 
schnitt und den Angehörigen übergab. Der Kopf habe dabei stark nach hinten 
gebeugt gestanden; wie der Strick dabei gelegen habe, konnte nicht fest¬ 
gestellt werden. Die Wertsachen fanden sich bei dem Verlebten unbeschädigt. 

Da für das Gericht Selbstmord durch Erhängen als Todes¬ 
ursache, zumal auch noch nach Ausweis Vorgefundener Schrift¬ 
stücke allein in Betracht kam, wurde von einer Sektion Ab¬ 
stand genommen. 



Zar Kosaiatik des Erbängangstodes. 


593 


Daß es sich im vorliegenden Palle um einen reinen 
Selbstmord bei einem Mann handelt, der sich in der Depression 
befand, Und daß eine kriminelle Handlung anderer Personen 
völlig auszuschließen war, bedarf wohl keines weiteren Beweises. 
Die Hautabschürfungen am Kinn und an der einen Hand dürften 
durch Anschlägen an harte Gegenstände infolge des Todes¬ 
kampfes entstanden sein. An dem Palle interessiert besonders, 
daß die Strangmarke nicht typisch zirkulär um den Hals 
lag, sondern vom Nacken unterhalb beider Ohrläppchen 
nach der Stimmitte verlief, um dort zu verschwinden. Die 
Luftzufuhr zu den Lungen und die Blutzirkulation nach 
dem Gehirn konnten ungehindert von statten gehen; denn die 
zurückgesunkene fyinge, die wohl erst sekundär post mortem 
sich so eingestellt haben mag, kann keinesfalls die Luftzufuhr 
so erheblich abschließen, daß Erstickung eintritt. Wenn viel¬ 
leicht auch die Arteriae vertebrales im Naken komprimiert 
wurden, so erhielt doch das Gehirn genügend Blut durch die 
Karotiden. Ein Abschluß der Blutzirkulation dorthin und eine 
sofort hierdurch einsetzende Bewußtlosigkeit sind somit nicht 
anzunehmen. Auch kommt nach der ganzen Lage des Strang¬ 
werkzeuges eine Kompression der Nervi vagi nicht in Präge. 
Shock-Wirkung, soweit man unter einer solchen eine durch 
Reizwirkung auf periphere Nerven zustande gekommene Lähmung 
der Atmung und des Herzens versteht, ist ebenfalls auszu¬ 
schließen. Alle Faktoren, die für den Mechanismus des Er- 
hängungstodes sonst in Betracht kommen, fallen also hier aus. 
Tatsächlich handelt es sich ja auch nicht um ein typisches Er¬ 
hängen, wie man es nach dem Sprachgebrauch versteht, sondern 
um eine Suspension, wobei der Strick nicht auf den Hals direkt 
einwirkt, sondern nur den Kopf nach hinten zerrt und dann 
die ganze Schwere des Körpers wirken läßt. Daß in einer 
solchen Lage des Kopfes das verlängerte Mark einer vermehrten 
Schädigung durch die obersten Halswirbel ausgesetzt ist und 
eine Reizung desselben, ja vielleicht auch Blutung in das Ge¬ 
webe eintreten kann, ist klar. Wenn man auch bei der Deutung 
der eigentlichen Todesursache nur auf Vermutungen angewiesen 
ist, da der Beweis durch die Autopsie fehlt, so kann man eine 
solche mit Ausschluß aller anderen nur in eine Läsion des ver¬ 
längerten Marks mit seinen lebenswichtigen Organen und gleich 
darauf einsetzenden Herz- und Atemstillstand erklären. Der 
Mechanismus des Selbsterhängens dürfte so zu deuten sein, daß 
der in seelischer Depression befindliche Mann, der den Vorsatz 
zum Selbstmord fest gefaßt hatte, und bei dem wohl Hemmungen 
kaum in Betracht kamen, sich den festgedrehten Strick um den 
Hals legte und zwar so, daß die Schlinge nach vorne lag. 
Beim Herunterspringen rutschte der vordere Teil der weit ge¬ 
haltenen Schlinge, die nach dem Kinn zu lag, ab und blieb, 
wobei wahrscheinlich das Gesicht nach oben gewandt war, erst 
wieder an den Augenbögen hängen. Da es sich um einen 
dünnen, einschnürenden Strick mit gut laufender Schlinge 



594 


Dr. Langermann: Zar Kasaistik des Erh&ngungstodes. 


handelte, so fand er an dieser Stelle genügend Halt. Zugleich 
wurde der Kopf durch die Schwere des Körpers weiter nach 
hinten gebeugt; der Zahn des zweiten Halswirbels löste sich 
aus der Bandumhüllung und bohrte sich in die Medulla ein. 
Bewußtlosigkeit und Tod waren die Folge. 

Ich habe nach ähnlichen Aufzeichnungen die einschlägige 
Literatur, soweit sie zur Verfügung stand, durchgesehen und 
keinen Fall gefunden, bei dem die Strangmarke so abnorm ver¬ 
lief und bei dem man bei der Deutung der Todesursche auf eine 
Verletzung der Halswirbelsäule angewiesen war. Hofmann, 
Lehrbuch der gerichtlichen Medizin 1903, ebenso das Lehrbuch 
von Kratter 1912, die gerichtsärztliche und polizeiärztliche 
Technik von Lochte 1914, Medizin und Strafrecht von Stra߬ 
mann 1911, desgleichen Puppe, Atlas und Qrundriß der 
gerichtlichen Medizin und Schmidtmann, Handbuch der 
gerichtlichen Medizin, erwähnen keine derartigen Beispiele vom 
Erhängungstod. Auch in dem reichhaltigen Material der Viertel¬ 
jahrschrift für gerichtliche Medizin fehlen hierüber kasuistische 
Beiträge. Gumprecht (Bd. 41, 1910) nimmt zwar eine Ver¬ 
letzung des verlängerten Markes durch die Quetschung bei der 
Suspension an; spätere Versuche erwiesen aber wieder die 
Haltlosigkeit einer solchen Annahme. In Casper-Liman, 
Handbuch der gerichtlichen Medizin 1882, werden allerdings einige 
Selbstmordfälle erwähnt, wo keine Strangfurche um den Hals zu 
sehen war, weil das Erhängen mittelst eines Handtuches oder durch 
einen alten weichen Strick erfolgte. Dort ist auch über einen 
Fall berichtet, wo beim Fehlen jeglicher Strangraarke der Tod 
infolge von Herabspringen in einen festgeschnallten Lederriemen 
durch Zerreißung der Halswirbelsäule entstanden war. In der 
Z. f. Med.-B., 1915 Nr. 10, teilte Kollege Keferstein ein Bei¬ 
spiel vom Erhängungstod mit, der mit dem hier besprochenen 
eine gewisse Aehnlichkeit hatte, wo der Strick durch den 
Mund um den Nacken lag und die Leiche am Bettpfosten hing. 
Bei der Leichenschau nahm man erst Selbstmord durch Er¬ 
hängen ohne nachweisbare verbrecherische Einwirkung fremder 
Personen an. Eine 3 Jahre später erfolgte Sektion rückte die 
Frage des kriminellen Einwirkens anderer Personen näher. 
Trotz der abnormen Lage des Strickes wurde aber die Mög¬ 
lichkeit des Todes durch Luftabschluß zugestanden, insofern als 
Zunge und Gaumenbögen gegen die hintere Rachenwand gepreßt 
worden seien und so die Erstickung herbeigeführt hätten. Der 
Angeklagte gestand dann auch bei der Gerichtsverhandlung, 
daß er den Toten zuerst gewürgt und dann aufgehängt hätte, 
wobei er in der Eile nicht darauf achtete, ob der Strick richtig 
um den Hals lag. — Wie gesagt, scheint der von mir be¬ 
schriebene Fall der einzige seither in der Literatur verzeichnete 
und wegen der seltenen und eigenartigen Begleitumstände de. 
Interesses aller Medizinalbeamten und Gerichtsärzte wert au sein 



Dr. mcd. et phil. K&ongicsscr: Ucbcr die Giftigkeit der Afoiisbeeren. 595 

Ueber die Giftigkeit der Aronsbeeren (Arum maculatum). 

Von Dr. med. et phil. Frlederich Kannglesser, Privatdozent der Oiftkande 

an der Universität za Neuchätel. 

Der Aronsstab (auch Zehrkraut, im holländischen u. a. 
duivelsstokje, berstebezien und doodkeers, im französischen 
neben anderen Bezeichnungen auch picetin (etym. v. piquer) 
und im neugriechischen Spaxovtfa genannt] gilt allgemein als 
eine sehr giftige Pflanze. Literarisch fand ich insbesondere 
über die Beeren nur das folgende und zwar bei Ch. Cornevin: 
des plantes veneneuses etc., Paris 1893, S. 66: „Bei kleinen 
Kindern, die Beeren gegessen hatten, sah man: Diarrhoe, 
Krämpfe, heftiges Brennen im Pharynx und Epigastrium. Pro¬ 
gnose ernst. Tod etwa 15 Stunden nach Genuß.“ Ich selbst 
aß von einem Standort am Isarbachtal des nördlichen Taunus 
bei Braunfels fünf reife mittelgroße Aronsbeeren samt den fein 
zerkauten Kernen ohne außer einem alsbald einsetzenden nur 
ein paar Stunden anhaltenden Brennen in der Mundhöhle irgend 
weitere Beschwerden zu bekommen, also ziemlich unbeschadet. 
Das wunderte mich um so mehr, als ich im Jahr zuvor eine 
dickere Aronsbeere von einem höher gelegenen Westerwald¬ 
standort oberhalb von Beilstein nicht so relativ symptomlos 
verzehrt hatte. 1 ) loh machte mich auf den Weg dorthin und 
sah an demselben Staudort das schon damals vereinsamt stehende 
Exemplar am Fuß einer Buche wieder mit seinen scharlachrot 
glänzenden Beeren von weitem die Aufmerksamkeit auf sich 
lenkend. Es war am 7. September 1916 und um 1 Uhr 50 Min. 
p. m. aß ich fünf dieser über 1 cm dicken Beeren samt den 
lad schmeckenden fein zerkauten Kernen. Der Geschmack der 
Beeren ist nicht, wie ich früher auf Grund des Experiments 
mit nur einer einzigen Beere, die vielleicht über- oder noch 
nicht ganz reif war, vermerkte, widerlich süß, sondern sehr 
angenehm süß. Wenn Vergiftungen trotzdem seltener Vor¬ 
kommen, als z. B. mit den ebenfalls sehr süß schmeckenden 
Tollkirschen, so ist dies auch darauf zurückzuführen, daß die 
Atropa' viel verbreiteter und in größeren Mengen vorkommt, 
als das mehr zerstreut auftretende Arum maculatum. Auch geht 
aus meinen Experimenten hervor, daß der Giftgehalt der Arons¬ 
beeren je nach Standort innerhalb beträchtlicher Grenzen 
schwankt. Schon etwa 1 l i Minute nach Genuß der Westerwald¬ 
beeren trat ein intensives Brennen in der Mundhöhle, auf der 
Zungenspitze und noch mehr am Rachenbogen ein, das vom 
Verzehren weiterer Beeren abschreckt. Obwohl ich den Mund 
alsbald mit Wasser ausspülte, hielt bei den Westerwaldbeeren 
dieses Brennen, das auch vorübergehend auf den Lippen be¬ 
merkbar wurde, tagelang, wenn auch an Stärke abnehmend, 
an, um schließlich ein Gefühl auf der Zunge zurückzulassen, 


p. 827. 


>) Vgl. Berichte der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft; 1915, 



596 Dr. med. et plül. Kanngiesser: Ueber die Giltigkeit der Aronsbeeren. 


wie wenn man sich an zu heißer Suppe verbrannt hat. Diese 
Parftsthesie ging jedoch im Lauf der zweiten Woche vorüber. 

Das Prickeln unter der Haut, das nach Genuß der einen 
Beere nur an einem Tag sich bemerklich machte, setzte eine 
Stunde und fünfunddreißig Minuten — so lange dauerte also 
die Inkubation bis zum Beginn der Resorptionserscheinungen — 
nach Genuß der fünf Beeren ein und dauert zurzeit, wo ich 
den Druck dieser Zeilen durchsehe, am 9. Oktober, wenn auch 
stark gemindert und nur hin und wieder auftretend, noch an. Eis 
befiel zuerst den linken Zeigefinger, die linke Hand, dann das 
linke Bein und 2 Stunden nach Genuß der Beeren auch die 
rechte Körperhälfte, auch hier zunächst an der Hand auftretend. 
Dieses Prickeln, das an das Kriebeln der Mutterkornvergiftung 
erinnert, huschte unheimlich bald da, bald dort auftretend über 
das gesamte Körpertegument und befiel mit Vorliebe Finger, 
Handrücken, Zehen, Fußsohle, Nasenspitze, Gegend der Augen¬ 
brauen und behaarte Kopfhaut. In letzterem Falle löste es ein 
Gefühl aus, als ob die Haare sich an den betroffenen Stellen 
aufrichten resp. bewegen würden, ln der Bettwärme steigerte 
sich dies Brennen oft zu Juckreiz und behinderte das Ein¬ 
schlafen. Eine Besserung zeigte sich erst am 11. September 
und (nach erneuter Verschlimmerung) seit dem 20. September. 
Das Prickeln (das sich auch in dem äußeren Gehörgang, in der 
Mundhöhle und im orificium urethrae bemerklich gemacht hatte) 
pflegt flüchtig und rasch aufzutreten, ganz kurz anzuhalten 
und rasch zu verschwinden. Diese Formikationen wurden von 
mir je nach Zeit verschieden empfunden: als ob Luftbläschen 
unter der Haut im Blut zirkulierten und nicht heraus könnten, 
als ob Ungeziefer über die Haut lief, als ob Filarien die Haut 
durchwanderten, als ob ein warmer Lufthauch über sie ströme, 
als ob mir mit Hilfe des Sonnenlichts und einer Lupe die Haut 
versengt würde, als ob die Glieder „eingeschlafen“ gewesen 
wären, als ob ich mit feinen Nädelchen gestochen würde 
resp. auf Nädelchen ginge und (besonders im Gesicht) als 
ob ich mit Federn oder Spinngewebe in Berührung käme. 
An den Zähnen hatte ich zuweilen das Empfinden als ob Kälte 
über diese hinflösse und in den Gelenken traten hin und wieder 
gichtige Beschwerden auf. So wie das Schwindligsein das 
klinische Bild der Intoxikation beherrschte, als ich zehn Toll¬ 
kirschen gegessen hatte,') so beherrschte dieses unheimliche 
„Nesseln“ diese Intoxikation nach Genuß der fünf Aronsbeeren, 
deren Gift erheblich länger im Körper wirkt oder verweilt, als 
das Tollkirschengift resp. das Atropin. 

An weiteren Symptomen beobachtete ich an mir bei dieser 
Vergiftung mit Beeren von Arum maculatum das folgende: 
Noch am Tage des Genusses der Beeren (am 7. September) 
9 07 und 9'* p. ra. nach vorausgegangenen Bauchschmerzen starke 
diarrhöische Entleerungen: d. h. etwa 7'/, Stunden nach Genuß 


*) Vgl. Münchener med. Wochenschrift; 1911, Nr. 47. 



Dr. Holacker: Fruchtabtreibnng durch Gebärmutterauskratzung. 697 


der Beeren. 1 ) Um 11 Uhr nachts Zuckungen in Fußzehen, 
Zunge und Augenlidern. Am 8. September vormittags leichtes 
„Brennen“ im Thorax und leichtes Beklemmungseefühl über 
dem Brustkasten und in der Herzgegend, das bis in den 10. Sep¬ 
tember hinein andauerte. Um 9 Uhr p. m. leichte Vertigo. Am 
9. September 2 Uhr nachts Schwindel und Uebelkeit. Später 
ein süßlicher Geschmack in der Mundhöhle (durch Elimination 
des Giftes?), Zuckungen in den unteren Extremitäten, desgl. 
kurz andauernd Wadenkrämpfe links. Am 10. September morgens 
beim Aufstehen Gefühl, als ob die mittleren rechten Zehen 
plantarwärts gekrümmt seien und als ob die Hände dick wären. 
An diesem Tag wurde die Parae 3 thesie des Hautprickelns am 
lästigsten empfunden. Ferner: Spannungsgefühl der Gesichtshaut 
(Anflug von Trismus?) und etwas Schwerfälligkeit beim Gehen. 
Nachdem am 11. Sept. scheinbar Besserung eingetreten war, ver¬ 
schlimmerte sich das Befinden im Laufe der Nacht. Die nächsten 
beiden Tage etwas Schwindel und Schwäche, Kopf eingenommen. 

Am 14. Sept. Besserung, doch hält das Kriebeln an, ist am 
16. wieder recht intensiv und läßt erst am 20. September 1916, 
also fast 2 Wochen nach Beginn, an Stärke merklich nach. Trotz¬ 
dem noch weitere Rezidive in den Nächten vom 2Ö./26. Sep¬ 
tember, vom 1./2. und vom 8./9. Oktober. Entweder scheint 
das Gift nur langsam oder schubweise den Körper zu verlassen 
oder es handelt sich um Nachklänge der Hautreizung ähnlich 
dem zurückbleibenden Juckreiz nach abgelaufener Milben- und 
Primel-Krätze. 

•Ueber weitere Selbstexperimente mit anderen Beeren vgl. 
das Verzeichnis der Arbeiten von F. Kanngiesser in den 
Universitätsbibliotheken der Schweiz. 


Fruchtabtreibung durch Gebärmutterauskratzung. 

Von Medizinalrat Dr. Hofacker, Kreisarzt in Düsseldorf. 

Ein Strafprozeß wegen Abtreibung, in dem ich als Sach¬ 
verständiger tätig war, zeigte, wie raffiniert eine Abtreibung 
ins Werk gesetzt wurde, wie Aerzte dabei unbewußt als Helfers¬ 
helfer mitwirkten und wie schnell, um nicht zu sagen, wie 
leichtfertig die Auskratzung der Gebärmutter als notwendig er¬ 
achtet wurde. 

Die Geschichte trug sich folgendermaßen zu: 

Das Dienstmädchen A. hatte geschlechtlichen Verkehr mit ihrem Dienst¬ 
herrn, dem Zahnarzt B. and teilte diesem im Januar 1915 mit, daß sie sich 
von ihm schwanger fühle. B. erklärte, das müsse unbedingt beseitigt werden 
und riet dem Mädchen, zu dem prakt. Arzte C. zu gehen, ihm über Beschwerden 
im Unterleib zu klagen, dann würde dieser etwas an ihr tun, wodurch die 
Schwangerschaft unterbrochen würde. Das Mädchen folgte dem Bäte, der 
Arzt fand aber nichts, was ihn zu einem Eingriff veranlassen könnte. Auf 
das Drängen ihres Herrn wiederholte das Mädchen ihre Besuche bei dem 


') Drastischer wirkten bei mir fünf Seidelbastbeeren, wo die profusen 
Darchfälle schon 2 Stunden nach Genuß begannen: vgl. Daphne Mezereum. 
Oesterr. Aerzte-Ztg.; 1914, Nr. 16. 



598 Dr. Hofacker: Frachtabtreibnog durch Gcbärmutteraaskratzung. 

Arzte, jedoch ohne etwas za erreichen. Nan verfiel B. aaf ein Anderes Mittel, 
er forderte die A. aaf, sich in der Apotheke Blategel za holen and diese in 
die Scheide einznftthren. Da das Mädchen in der Apotheke keine Blategel be¬ 
kommen konnte, holte B. sie selbst in einer anderen Apotheke, gab sie aber 
wohlgemerkt der A. nicht selbst, sondern forderte sie aaf, das Gefäß mit den 
Tieren aas der Tasche seines Ueberziehers za nehmen and die Blutegel so 
wie ihr gesagt, cinzaführen. Dies tat die A. am Vormittag des 16. März. 
Bald kam Blat, and jetzt schickte B. das Mädchen wieder znm Arzt C. in der 
Voraussetzung, non würde dieser eingreifen. Darin täuschte er sich nicht; 
als C. die Blatang feststellte, ging er sofort mit der A. in ein Krankenhaus 
and machte hier mit dem Krankenhaasarzt D. eine Ausschabung der Gebär¬ 
mutter. 

Wie die Sache viel später, erst nach Monaten vor den 
Strafrichter kam, braucht hier nicht erzählt zu werden. Be¬ 
schuldigt wurden das Dienstmädchen A. und der Zahnarzt B.; 
gegen diesen konnte aber das Verfahren nicht durchgeführt wer¬ 
den, weil er mittlerweile eingezogen und im Felde war. So wurde 
nur gegen die A. verhandelt. Vor der Strafkammer sagte der 
Arzt C. als Zeuge u. a. aus, er wisse sich nicht mehr zu er¬ 
innern, ob er oder der Krankenhausarzt D. die Operation ge¬ 
macht habe. Derartige Operationen seien so häufig, daß man 
sich nach so langer Zeit der Einzelheiten nicht mehr entsinnen 
könne. Auch wußte er nicht, ob bei der Operation Reste einer 
Frucht oder eines Eies entfernt worden waren, ln dem Nar¬ 
kosenbuch des Krankenhauses war nur verzeichnet: „Curettage 
wegen Abort.“ Der Krankenhausarzt war nicht vorgeladen. 
Die Angeklagte A. wurde zu 6 Monaten Gefängnis verurteilt. 

Dies in kurzem der Hergang. Die sich sofort aufdrängende 
Frage, wann, wo und wie die Frucht entfernt wurde, kann' man 
nur beantworten: am Vormittage des 6. März, im Krankenhaus 
und durch die Ausschabung des Uterus. Das Einführen eines 
Blutegels in die Scheide kann man nicht als sicheres Abtrei¬ 
bungsmittel bezeichnen; daß der Zahnarzt B. diese Meinung 
gehabt hätte, erscheint mir sehr unwahrscheinlich. Selbst wenn 
man annehmen wollte, der Blutegel habe die ihm gestellte Auf¬ 
gabe richtig erfaßt und sich genau am Muttermund festgesogen, 
so ist es doch sehr fraglich, ob dieser Reiz genügt hätte, um 
den Uterus zu so starken Kontraktionen anzuregen, daß schon 
nach kaum 2 Stunden eine heftige Blutung aus seinem Inneren 
erfolgte und damit die Ausstoßung des Eies eingeleitet wurde. 
Demgemäß erklärte ich auch vor Gericht, daß das Verfahren 
des B. nur die Absicht gehabt haben konnte, an irgendeine 
Stelle der inneren Geschlechtsteile eine Blutung hervorzurufen, 
um dadurch den Arzt zu täuschen und ihm zu einem Eingriff 
zu veranlassen, der die Schwangerschaft beseitigte. 

War in vorliegendem Falle aber ein sofortiger Eingriff 
wirklich angezeigt? Sehr stark und gefahrdrohend konnte die 
Blutung bei dem Mädchen nicht gewesen sein, sonst hätte es 
den Arzt in der Sprechstunde nicht aufsuchen können. Aber 
selbst wenn die Blutung in dem Augenblick, wo der Arzt das 
Mädchen sah, heftig war, mußte dann sofort zur Kürette ge¬ 
griffen werden? War nicht auch dann „abwarten“ die erste 



Bericht über den Kongreß der Kriegsboschädigtenfürsorge. 599 

Regel? Verlaufen doch eine Unzahl von Aborten zwar mit 
starker Blutung, aber ohne ärztliches Eingreifen und ohne 
Schaden für die Schwangere. 

Selbstverständlich konnte der Arzt nicht im geringsten 
ahnen, daß er getäuscht werden sollte, und auch nicht daran 
denken, festzustellen, ob die Blutung etwa nicht aus der Gebär¬ 
mutter stamme, zumal das Mädchen ihn vorher öfters wegen 
Unterleibsbeschwerden konsultiert hatte. Er war im guten 
Glauben, ein Abort sei im Gange; hieran zu zweifeln, hatte 
auch der Krankenhausarzt keinen Anlaß. Jedoch habe ich die 
Ueberzeugung, daß in diesem Falle eine Auskratzung nicht 
sofort nötig war und daß der Arzt nicht das Werkzeug zu 
einem kriminellen Abort geworden wäre, wenn er die Indi¬ 
kation strenger gefaßt hätte. Es scheint — unter den prak¬ 
tischen Aerzten vielleicht noch mehr als unter Frauenärzten — 
sich der Grundsatz eingebürgert zu haben: hier Gebärmutter¬ 
blutung, also Auskratzung. Leider ist dieser Grundsatz auch 
im Publikum allzusehr bekannt geworden; mancher Arzt 
wird davon zu erzählen wissen, daß, wenn er zunächst mit der 
Auskratzung zögerte, die Patientin sehr bald einen anderen fand, 
der sie ohne Bedenken vornahm. Näher auf diese Frage ein¬ 
zugehen, ist hier nicht der Ort und nicht meines Amtes. Ich 
hielt es aber für meine Pflicht, an diesem Falle zu zeigen, wie 
durch eine allzu schnell ausgeführte Auskratzung ein ge¬ 
wollter krimineller Abort zu Ende geführt und wie die Neigung 
mancher Aerzte, bei einer Blutung sofort eine Auskratzung vor¬ 
zunehmen, zum Zweck einer Fruchtabtreibung [mißbraucht 
werden kann. 


Aus Versammlungen und Vereinen. 

Bericht ttber den vom 21.-Ü6. Ansaat 1916 im Gürzenich 
zn Gttln abgehaltenen Kongreß über Kriegabeachädlgten- 

fürsorge. 

A. Deutsche Vereinigung für Krüppelfürsorge, 

I. Kongreßtag. 

1. lieber die vaterländische nnd sittliche Bedeutung der KrUppel« 
flirsorge. Berichterstatter Geh. Ob.-Med.-Rat Dr. Krohue-Berlin erinnerte daran, 
daß bis vor kurzem noch fast nichts für diese unglücklichen Menschen ge¬ 
schehen sei; dann seien einige wenige Krüppelhäuser, die anfangs lediglich 
zur Unterbringung hilfloser Krüppel bestimmt waren, geschaffen worden; in 
den letzten 25 Jahren aber habe sich mit den Fortschritten der Orthopädie 
die Zahl der Anstalten verzehnfacht, die der Betten verzwanzigfacht, so daß 
im Jahre 19t3 55 Anstalten mit 5000 Betten vorhanden waren; aber die Zahl der 
Krüppel müsse in Deutschland vor dem Kriege auf 100000 geschätzt werden, 
von denen die Hälfte anstaltsbedürftig sei; daher müsse noch viel geschehen, 
um das Ziel zu erreichen, soweit als möglich alle Krüppel so weit zu bringen, 
daß sie arbeitsfähig werden oder doch wenigstens keiner Pflege dritter Per¬ 
sonen mehr bedürfen. Die sittliche Bedeutung der Krüppelfürsorge bestehe 
darin, daß der Krüppel aus seinem freudelosen Dasein genommen wird und 
den Segen der Arbeit kennen lernt. 

2. (Jeher die Tätigkeit des Arztes in der KrüppelfUrsorge. Bericht¬ 
erstatter Prof. Dr. Biesalski-Berlin sprach davon, daß sich früher die Sorge 
für die Krüppel ausschließlich in Händen von Laien, insbesondere von Geist¬ 
lichen befunden habe, die in erster Linie um die sittliche Förderung ihrer 



600 


Bericht über den Kongreß 


Zöglinge bemüht waren; jetzt wirke in den modernen Anstalten der ortho¬ 
pädisch geschalte Arzt neben dem Seelsorger and dem Lehrer in gemeinsamer 
Arbeit. Die hauptsächlichsten Ursachen des Krüppeltums seien die englische 
Krankheit and die Knochentaberkalose, die nach modernen Grandsätzen be¬ 
kämpft werden müßten. Bei der Beschaffung von Ersatzgliedern sei in jedem 
Falle Individualisierung nötig; im übrigen hänge der Erfolg der Krüppel- 
behandlung in hohem Grade von seiner eigenen seelischen Leistungsfähigkeit ab. 

In der Besprechung dieser Vorträge wies Beigeordneter Schäfer- 
Trier an der Hand eines selbst erlebten Falles auf die Unvernunft der Eltern 
hin, die oft jede Fürsorge unmöglich macht. 

3. Die soziale Bedentung der KrBppelfürsorge und Ihr Einfluß anf 
die Basse. Berichterstatter Dr. Peter Bade • Hannover: Die ärztliche Ent- 
krüppelung macht den Krüppel für einen Beruf körperlich leistungsfähiger. 
Die Schulbildung in den Krüppelheimen sprgt’dafür, daß der Krüppel, der 
wegen seines Leidens sonst keine Ausbildung genießen kann, diese erhält. 
Durch die Ausbildung für den Beruf wird denjenigen Krüppeln, die auf keine 
andere Weise eine Berufsausbildung bekommen können, die Möglichkeit ge¬ 
geben, sich selbständig zu machen; durch Aussonderung der siechen Krüppel 
wird die Gesellschaft von einem ihre Tätigkeit störenden Element befreit und 
dieses nach Möglichkeit in den Krüppelsiechenhäusern nutzbringend verwandt. 
Die Krüppelfürsorge übt auf die Rassenbildnng keinen verschlechternden Ein- 
fluß aus. Durch die jahrelange Arbeit der Krüppelfürsorge im Frieden ist die 
Grundlage auch für die Kriegsfürsorge geschaffen. 

4. Veber den Einfluß körperlicher Mängel anf das Seelenleben. 
Berichterstatter Prof. Dr. Aschaffenburg-Cöln: Er erblickt die seelische Ab¬ 
sonderlichkeit des Krüppels in seiner dauernden Zurückstellung vor gesunden 
Kindern. Krüppel sind vielfach Gegenstand des Spottes; ihnen das seelische 
Gleichgewicht zurückzugeben, sei nur dadurch möglich, wenn in ihnen die Er¬ 
kenntnis geweckt werden könne, daß sie brauchbare Menschen seien. In der 
Leistung vollwertiger Arbeit finde der Krüppel die innere Sicherheit wieder, die 
ihm seine Umgebung geraubt habe. Wer aber für sein Vaterland seine Gesundheit 
geopfert habe, brauche nicht des Mitleides, sondern der Hilfe, nicht des Ge¬ 
fühles, sondern der Taten. Nur wenn die Kriegsbeschädigten den Weg ins 
Leben gebahnt bekommen, können sie sich mit uns wieder des Lebens freuen. 

5. Die erzieherische Bedeutung der Arbeit bei der Kriippelfürsorge. 
Berichterstatter Rektor Schlüter«Bigge: An der Hand von gutgewählten Bei¬ 
spielen schildert er, daß durch die Arbeit die körperliche Entwicklung und 
damit auch die Verstandesbildung gefördert wird, wobei sich die Begriffe von 
Form, Größe und Zahl spielend vermitteln. Auch der Wille wird durch die 
Arbeit gestärkt, was bei dem Willensschwächen Krüppel von größter Be¬ 
deutung ist. 

6. Die Krüppelfürsorge im Lichte der Kultur. Berichterstatter Br- 
Ziehungsdirektor Hans Würtz- Berlin -Zehlendorf schilderte an der Hand von 
Lichtbildern den Werdegang der Krüppelfürsorge. Im Gegensatz zur Kriegs¬ 
invalidenfürsorge, die im Altertum hervorragend entwickelt war, kannte man 
eine Krüppelfürsorge früher kaum. Erst unter Friedrich dem Großen und 
Friedrich Wilhelm 1., der durch Gründung eines Invalidenheimes den Grund¬ 
stock zu der heutigen modernen Invalidenfürsorge bildete, wurden die Krüppel 
menschlicher behandelt. Unserer Zeit sei es Vorbehalten, in vorbildlicher 
Weise für Friedens- und Kriegskrüppel zu sorgen. 

Am Nachmittage fand eine Besichtigung des Cölner Krüppelheims, 
Stiftung Dr. Dormagen in Cöln-Merheim,statt. Hierbei sprach Dr. v.Kahlden- 
Cöln über die Angliederung landwirtschaftlicher Betriebe an Krüppelheime und 
ähnliche Anstalten. Er betonte dabei, daß die Vielseitigkeit der Landwirt¬ 
schaft zu einer solchen Angliederung außerordentlich passend sei; der zum 
Handwerker ausgebildcte Krüppel könne auf dem Lande unter wesentlich ver¬ 
einfachten Lebensbedingungen seinen Beruf selbständig ausüben. 

Hieran schloß sich eine Lehrprobe in der Krüppelschule an, bei der ins¬ 
besondere die systematische Durcharbeit des Schreibenlernens durch Lehrer 
Thomö gezeigt wurde. 



über Kriegsbeschädigtenfürsorge. 


eoi 


B. Tagung dar Akademie ffir praktische Medizin. 

II. Kongreßtag. 

Zar Verhandlung kamen die durch den Krieg beeinflußten Krankheiten, 
die bisher noch nicht Gegenstand ausführlicher Besprechungen waren. 

1. Ueber die Beziehungen zwischen Krieg und Zuckerkrankheit. 
Berichterstatter k. k. Hofrat Professor Dr. von Noorden-Frankfurt: Ueber diese 
Beziehungen war bislang nichts bekannt. Bedner unterscheidet nach seinen Er¬ 
fahrungen mehrere Gruppen von Zuckerkranken: 1. solche, die bereits bei Ausbruch 
des Krieges an leichter Zuckerkrankheit litten, die durch die Strapazen des Feld¬ 
zuges in die schwere Form überging; 2. solche, die an leichtester Zuckerkrank¬ 
heit litten, bei denen es zwar auch zu einer gesteigerten Zuckerausscheidung 
kam, die aber bei geeigneter Diät sofort wieder zurückging; 3. solche, die zucker¬ 
krank waren, die aber durch andere mit der Krankheit in Beziehung stehende 
Leiden (Herzschwäche usw.) dienstunfähig wurden; 4. solche, die angeblich erst 
im Felde zuckerkrank wurden. Man wird das Vorliegen von Dienstbeschädi¬ 
gung annehmen müssen in den Fällen, die nachweisbar völlig gesund aus¬ 
gerückt sind, und bei denen die schwere Form der Erkrankung festgestellt 
wird. Meist handelt es sich dabei um Menschen, bei denen eine angeborene 
Anlage zur Krankheit vorlag. Die Zuckerkrankheit schließt sich zeitlich 
häutig an eine überstandene Influenza, Mandelentzündung oder an eine mit Aus¬ 
schlag verbundene Infektionskrankheit an. Von allgemeinerem Interesse sind 
die von der Stadt Frankfurt auf Prof, von Noordens Anregung hin ge¬ 
troffenen Erleichterungen der Lebensmittelversorgung für Diabetiker. Diese 
erhalten dort wöchentlich auf ärztliche Verordnung bis zu 10 Eiern, bis zu 
600 g Butter, bis zu 250 g frisches Fleisch und täglich bis zu 800 g Rahm. 

An der Aussprache beteiligten sich besonders Prof. Dr. Hochhaus - Cöln 
und Prof. Dr. M o r i t z - Cöln. Beide halten die Zuckerkrankheit für eine seltene 
Erscheinung im Feldzuge; sie sahen gute Erfolge bei der Kartoffelkur, bei 
der getrocknete Kartoffeln in Verbindung mit Fett und Eiern gegeben werden. 

2. Ueber die Magen- und Darmkrankheiten der Kriegsteilnehmer. 
Berichterstatter Stabsarzt Geheimrat Prof. Dr. Schmidt-Halle: Von den In¬ 
fektionen der Verdauungswege führt die Ruhr am häufigsten zu lange dau¬ 
ernden Schädigungen, 5 Prozent der Ruhrfälle treten in ein chronisches Stadium. 
Während des Bewegungskrieges, wo die Verpflegung Schwierigkeiten bot, 
wurden häufig Fälle von Störung der Magensaftabsonderung beobachtet. Auf¬ 
fällig gering ist die Zahl von Blinddarmentzündungen; ebenso selten sind 
Erkältungen und Lungenentzündungen im Felde. In vielen Fällen von Ver¬ 
dauungsstörungen hat Redner eine Erkrankung der Bauchdecken nachzuweisen 
vermocht. Zur Feststellung, daß die Beschwerden auf Störungen in der Bauch¬ 
decke zurückzuführen sind, kann die Untersuchung im Stehen beitragen, wobei 
die Bauchdecken besonders angespannt werden. Der Zivilbevölkerung hat 
bislang die veränderte' Ernährung nichts geschadet. Von besonderer Wichtig¬ 
keit ist hier die Tatsache, daß bei der überwiegenden Mehrzahl der Menschen 
eine vollständige Anpaßung des Darmes an das Kriegsbrot eingetreten ist, 
über dessen schwere Verdaulichkeit anfangs viel geklagt wurde; Viele Fälle 
von Darmträgheit sind sogar durch den Genuß des gröberen Brotes gehoben. 
Die Frage, ob die Einschränkung in der Lebensmittelversorgung zu einer Unter¬ 
ernährung der Bevölkerung geführt hat, kann verneint werden, wie dies bei 
jugendlichen Personen durch vergleichende Gewichtsbestimmungen bewiesen 
ist; auch die Ergebnisse der letzten Musterung haben dies gezeigt. Nur bei 
älteren Personen mit reichlichem Fettansatz ist öfter ein Rückgang des Körper¬ 
gewichts beobachtet, der völlig unbedenklich und nicht als Folge von Unter¬ 
ernährung anzusehen ist. 

3. Die Epilepsie. Berichterstatter Geheimrat Prof. Dr. Sommer-Gießen 
und Generalarzt Prof. Dr. Tilmann-Cöln: Ersterer beschrieb an der Hand von 
Beispielen vom Standpunkte des Nervenarztes die verschiedenen Arten der 
Epileptiker und Epileptoiden, deren Zustand durch gelegentliche Ohnmächten, 
Schwindelaniälle usw. gekennzeichnet ist. Bei der Entscheidung der Frage, ob 
eine Epilepsie im Felde erworben ist, leistet neben sorgfältiger Anamnese die 
Schädeluntersachung und die Untersuchung auf überstandene Kinderlähmung 



C02 Bericht über den Kongreß 

gute Dienste. Häufig trifft Epilepsie mit Hysterie zusammen, wobei schwer 
zu deutende Mischformen auftreten. Bei der Entscheidung, ob eine Epilepsie 
bei fehlender Kopfverletzung auf den Krieg ursächlich znr&ckzuführen ist, 
muß man auf epilepsieähnliche Erscheinungen schon vor dem Kriege fahnden, 
die dem Kranken selbst völlig entgangen sein können. Die häufigste Form 
der Kricgsepilepsio sei durch Schädelschüsse bedingt; sie könne oft erst lange 
Zeit nach erfolgter Heilung der Verletzung in die Erscheinung treten. Nach 
dem zweiten Berichterstatter ist diese Form der Epilepsie auf Reizung 
der Gehirnrinde zurückzuführen, die von den Knochen, von den Hirnhäuten 
oder vom Oehirn selbst ausgehen kann. Oft ist die Reizung Folge eines Blut* 
ergusses, olt auch die Folge abnormen Druckes eines Fremdkörpers; wodurch 
der einzelne Fall hervorgerufen wird, ist noch nicht bekannt. Redner tritt 
warm für operative Behandlung ein, die um so aussichtsreicher sei, je frischer 
die Epilepsie ist. Jeder Kranke, bei dem noch ein erhöhter Hirndruck bestehe, 
sei in Gefahr, epileptisch zu werden; deshalb soll man mit den plastischen 
Deckungen von Schädeldefekten nicht zu früh bei der Hand sein. Die Epilepsie 
trete gewöhnlich innerhalb eines Zeitraumes von 16 Monaten nach der Ver¬ 
letzung auf, oft aber auch erst später. Dr. Poppel reute r habe bei 14 bis 
17 Prozent Schädelverletzter schwerere epileptische Erscheinungen, leichtere 
und leichteste bei der Mehrzahl von Schädelschüssen beobachtet. Es sei daher 
unbedingt nötig, die Kranken lange Zeit unter ärztlicher Beobachtung zu belassen. 

4. Bazillenträger und Dauerausscheider. Berichterstatter Prof. Dr. 
Küster -Cöln: Nachdem zunächst, der bekannte Unterschied zwischen diesen 
beiden Gruppen erörtert wurde, bezeichnete der Berichterstatter als für unsere 
Gegend in Betracht kommende Bakterien arten die Typhusbazillen, die Para- 
typhuskeime, die Diphtheriebazillen und die Erreger der epidemischen Genick¬ 
starre, die im Munde, im Nasenrachenraum oder in den tieferen Verdaunngs- 
wegen (Gallenblase) haften können. Beim Typhus betrage die Zahl der Dauer¬ 
ausscheider 2—5 Proz., in der gesunden Umgebung von Diphihcriekranken 
finde man bis zu 80. Proz. Bazillenträger; die Gefahr, die sie für ihre Mit¬ 
menschen ausmachten, rechtfertige ein energisches Vorgehen. Prof. Küster 
hat vier Behandlungsarten mit größerem oder geringerem Erfolg eingcschlagen: 
eine serologische, die sich auf die Möglichkeit gründet, Antikörper bis an den 
Sitz der Erkrankung heranzubringen, eine biologische durch Yoghurt, eine 
chemotherapeutische durch verschiedene Medikamente und endlich die chirurgi¬ 
sche (Dränage oder Entfernung der Gallenblase). Es müsse noch weiteren 
Untersuchungen Vorbehalten sein, ob es nicht noch möglich sei, auf einem ein¬ 
facheren oder sichereren Wege zum Ziele zu gelangen. 

C. Sitzung des Relcbsausschusses der KrlegsbeschädlotenfDrsorge 
vom 24. bis 26. August. 

HI. Kongreßtag. 

1. Organisation und bisherige Arbeit der bürgerlichen Kriegs- 
beschfidigtenfürsorge. Berichterstatter Landesdirektor v. Wintcrfeldt- Berlin: 
Die zunächst nach Kriegsausbruch überall in Deutschland tatkräftig ein¬ 
setzende Hilfstätigkeit für Kriegsbeschädigte war anfangs uicht einheitlich ge¬ 
regelt. Zuerst brachte die Provinz Westfalen Ordnung in die Fürsorge, ihr 
folgte Brandenburg; dann nahmen die Ministerien des Innern in den Einzel¬ 
staaten die Grundregelung in die Hand. Infolgedessen wurde das gesamte Vater¬ 
land mit einem Netz von Fürsorge stellen überzogen, die in engem Zusammen¬ 
hang mit der Heeresverwaltung und den Gesundheitsämtern ihre Tätigkeit 
ausüben. Während die militärische Fürsorge sich auf die körperliche Wieder¬ 
herstellung und gegebenenfalls auf die Lieferung von Ersatzgliedern erstreckt, 
liegt der bürgerlichen Fürsorge die Berufsberatung der Kriegsbeschädigten ob, 
ihre Unterbringung in geeignete Arbeitsstellen und die Regelung aller damit 
zusammenhängender Fragen. Der Zusammenschluß sämtlicher Fürsorgeorgani¬ 
sationen erfolgte am 16. September 1915 in Berlin durch Gründung des Reichs- 
aussebusses der Kriegsbesthädigtenfiirsorge, in dem alle Bundesstaaten ver¬ 
treten sind. Ihm sind 10 Sonderausschüsse nachgeordnet, in denen Vertreter 
aller in Frage kommender Organisationen mitwirken. Die jetzige Organisation 
ist imstande, alle sie bet redenden Fragen sachgemäß zu erledigen. 



der Kriegsbescbädigtenfürsorge. 


603 


2. Die bürgerliche Kriegsbescbädigtenfürsorge and die Gesetz¬ 
gebung. Berichterstatter Ob.- Reg.- Bat Dr. Schweyer - München: Aufgabe der 
bürgerlichen Kriegsbeschädigtenfürsorge sei es, die Erkenntnis der gesetzlichen 
Fürsorge zu pflegen. Nach einer Besprechung der geltenden gesetzlichen Vor¬ 
schriften betont der Redner insbesondere, daß die Verstümmelungszulago unter 
leichteren Voraussetzungen als bisher gewährt werden müsse, insbesondere auch 
bei groben Verunstaltungen des Gesichtes, bei schweren Scbadelverletzungen, 
überhaupt in allen Fällen schwere! Gesundheitsstörungen. Das Rechtsmittel- 
verfahren bedürfe einer grundsätzlichen Aenderung; zur Zeit entscheiden die 
Gerichte nur über die Höbe der Rente, nicht über ihre Voraussetzung. Der 
ursächliche Zusammenhang zwischen Beschädigung und Kriegsdienst dürfe 
nicht vor dem Militärverwaltungsgericht, sondern müsse von Spruchbehörden 
entschieden werden, die an die Ober Versicherungsämter angegliedert wären; 
dann könnten die Gerichte ganz ausscheiden. Die Ansprüche der durch Flieger¬ 
angriffe zu Schaden gekommenen bürgerlichen Bevölkerung harren noch der 
gesetzlichen Regelung, für die allerdings alle Grundlagen fehlen. 

In der Besprechung über beide Vorträge wünscht Reichstagsabgeordneter 
Wels- Berlin besonders in den Fürsorgestellen eine stärkere Heranziehung 
der Arbeitervertreter, die namentlich in Berufsberatungen unentbehrlich sind. 
Generalarzt Schulzen-Berlin sprach die Anerkennung der Heeressanitäls- 
Verwaltung für die allenthalben bestehende förderliche Zusammenarbeit der 
Kriegsbeschädigtenfürsorge mit der Militärbehörde aus. Beide strebten dem 
gleichen Ziele zu, den Kriegsbeschädigten wieder für die werktätige Arbeit 
zu gewinnen. Reicbstagsabgeordneter M e y e r - Herford bezeichnete es als 
wünschenswert, den Wirkungskreis des Reichsausschusses auch auf die Hinter¬ 
bliebenenfürsorge auszudehnen. 

3. Landwirtschaft und Kriegsbeschädigtenfürsorge. Berichterstatter 
Direktor a. D. Prof. Dr. Strobel -Stuttgart: Die beträchtliche Abwanderung 
vom Lande in die Stadt macht es der Landwirtschaft zur doppelten Pflicht, 
für die Kriegsbeschädigten nach Kräften zu sorgen, um ihnen die Möglichkeit 
zu bieten, auch künftig in der Landwirtschaft tätig sein zu können. Die Ver¬ 
wendungsmöglichkeiten gestalten sich verschieden bei Gutsbesitzern, Pächtern, 
Bauern, Beamten, Knechten und Tagelöhnern, je nach Art ihrer Schädigung, 
Vorbildung und Familienverhältnisse. Leuten in dienender Stellung soll Er¬ 
leichterung bei der Arbeit verschafft, oder ein kleines Anwesen gegeben werden. 
Auch der Gemeindedienst, die Tätigkeit im Vereins- oder Genossenschaftswesen 
oder in Handelsunternehmen kommen in Frage. 

4. Ländliche Siedelung. Berichterstatter Reg.-Präsident r. Schwerin- 
Frankfurt a. 0.: Vom Reicbsausschuß sind die Bestrebungen, den heimkebrenden , 
Kriegern ein besseres Heim zu schaffen, lebhaft unterstützt worden. Die Mög¬ 
lichkeit der Schaffung eines eigenen Heimes und einer eigenen Existenz bietet 
dem Kriegsbeschädigten das Kapitalabfindungsgesetz, das im einzelnen be¬ 
sprochen wird. Dieses Gesetz fördert die ländliche Siedelung, kann für die 
gesamte Lage der Landwirtschaft von großer Bedeutung werden und der Ab¬ 
wanderung vom Lande, dem Geburtenrückgang und dem Sinken der Militär¬ 
tauglichkeit entgegenwirken. Auch im Interesse der vermehrten Erzeugung 
von Nahrungsmitteln ist ein weiteres Anwachsen der ländlichen Ansiedelung 
von Kriegsbeschädigten zu begrüßen, die dann mit dazu beitragen, unser Vater¬ 
land noch in weiterem Umfange als bisher von der Einfuhr von Lebensmitteln 
aus dem Auslande unabhängig zu machen. 

5. Städtische Siedelung. Berichterstatter Wirklicher Geh. Rat Dr. 
Dernburg- Berlin: Die städtische Siedelung muß sich den Vorgefundenen Wohn- 
formen und vorhandenen Gelegenheiten anpassen; die Forderungen einer die 
Volkskraft fördernden Wobnungsreform müssen aber mit Rücksicht auf die 
Ansiedelung der Kriegsbeschädigten wiederholt werden; weiträumige Bebau¬ 
ungspläne, strengere Bauordnung im Sinne von Licht und Luft, Kinderspiel¬ 
plätze und vor allem eine Wohnungsinspektion durch die Selbstverwaltungs- 
organe sind dringend erforderlich; die gemeinnützigen Wohnungsbauvereine 
müssen gefördert werden. Zur städtischen Siedelung gehören auch die vor¬ 
städtischen, sofern der Erwerbsschwerpunkt ihrer Bewohner in der Stadt liegt. 
Auch nach dieser Richtung hin hat der Reichsausschuß Leitsätze aufgestellt 



Bericht ftber den Kongreß 


604 

über wünschenswerte gesetzliche Maßnahmen, wie Reichswohnungsgesetz, Be¬ 
schaffung von Bauland, verminderte Anforderung an die Ausbildung von Straßen. 
Die Zusammensetzung von Kriegsbeschädigten in besonderen Kolonien ist un¬ 
zweckmäßig. Dem Kriegsbeschädigten müsse alles, was Kleinhaus und Vor¬ 
stadtlage und technische Fortschritte bieten, zugute kommen. 

In der Besprechung trat Geheim rat Ermann-Münster für die Krieger¬ 
heimstättenbewegung ein; Präsident von der Borgh-Berlin wies daraufhin, 
daß auf dem Gebiete der Kriegsbeschädigtenfürsorge in Ansiedelungsfragea 
nur tatsächlich erreichbare Ziele verfolgt werden sollten. Präsident Petersen- 
Fraukfurt a. 0. besprach in kurzen Zügen die Vorzüge der preußischen Renten¬ 
gesetzgebung und die bisher damit erzielten Erfolge. Oberstabsarzt Dr. Helm- 
Berlin begrüßte namens des Zentralkomitees zur Bekämpfung der Tuberkulose 
das Zusammenarbeiten mit der bürgerlichen Kriegsbeschädigtenfürsorge. 

IV. Kongreßtag. 

2. Tag der Tagung des Beichsausschusses für Kriegsbesch&digtenfürsorge. 

1. Die ärztliche Fürsorge für die Kriegsverstümmelten. Bericht¬ 
erstatter Med.-Bat Oberstabsarzt Dr. Rebentisch - Offenbach a. Main: Für diese 
Fürsorge kommen hauptsächlich in Frage die Amputierten, die Erblindeten, die 
Ertaubten, sowie diejenigen mit Sprachstörungen und hochgradig gelähmten 
und versteiften Gliedern, von ärztlichen Sonderfächern in erster Linie die Chirur¬ 
gie und Orthopädie, die Augen- und Ohrenheilkunde und die Neurologie. 
Schweres Siechtum ist nur bei schweren Kopf- und Wirbelsäulenverletzungen 
zu erwarten; leichteren Fällen kann durch operative Maßnahmen abgeholfen 
werden. Die Röntgenstrahlen haben Außerordentliches geleistet. Bei schweren 
Augenstörungen ist Ausnutzung etwa vorhandener Beste der Sehfähigkeit, bei 
Erblindung sorgsame Ausbildung der übrigen Sinne für eine spätere Tätigkeit 
erforderlich; die Zahl dieser schweren Fälle ist gering. Noch seltener ist 
völlige Ertaubung; meist verblieben Gehörreste, die benutzt werden können. 
Bei Amputierten ist die gute Herrichtung eines brauchbaren Stumpfes äußerst 
wichtig. Bei der Auswahl des Ersatzgliedes müssen Arzt und Techniker Hand 
in Hand arbeiten. Der Verletzte muß sich schon im Lazarett davon über¬ 
zeugen, daß er mit und ohne Ersatzglied manche Arbeit verrichten kann; er 
muß schon vor der Entlassung Lebens- und Arbeitsmut wieder gewonnen haben. 
Schließlich ist eine wichtige ärztliche Arbeit, die Verbindung zwischen mili¬ 
tärischer und bürgerlicher Fürsorge herzustellen. Wie bei der Durchführung 
unserer sozialen Gesetze, so ist auch für die Kriegsbeschädigtenfürsorge eine 
tatkräftige Mitarbeit des Arztes unbedingt erforderlich. 

2. Die ärztliche Fürsorge für die Kriegskranken. Berichterstatter 
Wirkl. Geh. Ob.- Med.- Bat Prof. Dr. Dietrich • Berlin: Unter Kriegskranken 
sind alle diejenigen zu verstehen, die nicht zu den äußerlich Kranken, Er¬ 
blindeten und Ertaubten gehören. Die bürgerliche Fürsorge erstreckt sich nur 
auf diejenigen Kriegsbeschädigten, die mit Anspruch auf Militärversorgung aus 
dem Heeresdienst entlassen sind; sie bat sich unmittelbar an die militärische 
Fürsorge anzuschließen. Die ärztliche Fürsorge gliedert sich in die Heilbehand¬ 
lung und in die Mitwirkung bei der sozialen Fürsorge. Die größte Gruppe 
von innerlich kranken Kriegsbeschädigten bilden diejenigen, die durch die 
Kriegsanstrengungen oder durch das Ueberstehen einer schweren Krankheit 
erschöpft sind. Von ihnen sind abzusondern diejenigen, die eine tatsächliche 
Erkrankung des Herzens zeigen; die übrigen müssen individuell mit Buhe, 
Diät, klinischen Kuren usw. behandelt werden. Sehr häufig sind Störungen 
der Verdauungsorgane, die vielfach zu Bückfällen neigen; auch die Er¬ 
krankungen der Atmungswerkzeuge, sowie die Erkrankung der Kreislaufs¬ 
organe sind nicht selten (Herzerweiterung infolge langer Märsche usw.). Der 
bürgerlichen Fürsorge liegt es ob, hier die nötigen Nachkuren in Bädern zu 
vermitteln. Auch die Erkrankungen der Harnorgane haben, je länger der 
Krieg dauert, zugenommen; noch mehr aber die Erkrankungen des Nervensystems, 
insbesondere Erschütterungen des ganzen Nervensystems und Störungen der 
Sinnesorgane und der Psyche. Auch rheumatische Erkrankungen sind sehr 
häufig. Bei der ärztlichen Fürsorge kommen in Betracht: die Fortsetzung der 
militärischen Heilbehandlung, die dauernde gesundheitliche Ueberwachnng der 
invaliden, Wiederaufnahme des Heilverfahrens, Unterbringung in einlnvalidcn- 



über Kriegsbeachädigtenfürsorge. 


605 


heim, Mitwirkung bei der Beschaffung der bürgerlichen Invalidenrente. Die 
Organe der bürgerlichen Kriegsbeschädigtenfürsorge werden gnt daran tun, 
sich bei Zeiten mit den znst&ndigen Aerztevereinen in Verbindung za setzen, 
damit es nicht an geeigneten Aerzten fehlt, wenn die große Menge der Kriegs¬ 
beschädigten der bürgerlichen Fürsorge übergeben wird. 

8. Die Hinterbliebenenfürsorge. Berichterstatter Bürgermeister 
von Hollander-Mannheim: Nach einem Deberblick über die derzeitig gesetzlichen 
Bestimmungen, die im Militärbinterbliebenengesetz vom 17. Mai 1907 und in dem 
neuen Kapitalabfindungsgesetz vom 3. Juli 1916 enthalten sind, betonte der 
Redner den Satz, daß die Verpflichtung des Reiches, für die Hinterbliebenen 
zu sorgen, nicht als Verpflichtung zum Schadenersatz aufgefaßt werden dürft. 
Sie ist vielmehr Ehrenpflicht des Volkes gegenüber den gefallenen Helden. 
Die bisherigen Bestimmungen seien ungenügend, weil die Renten nur den 
- Unterhalt einer gewöhnlichen Tagelöhnerfämilie gewähren; sie müßten jedoch 
nach der bisherigen sozialen Lage des Gefallenen entsprechend dem früheren 
Einkommen abgestuft werden, um den Kindern eine Erziehung zu gewähren, 
die den Verhältnissen des Vaters entsprechen würde. Keine Gesetzgebung wird 
aber allen Einzelfällen gerecht werden können; denn das Gesetz kann nur den 
Regelfall im Auge haben. Die ausreichende Versorgung und Beratung der 
Witwen und Waisen muß daher von privater Seite betrieben werden. Diesen 
Ausgleich will die Nationalstiftung für die Hinterbliebenen der im Kriege 
Gefallenen gewähren. Die Mittel dieser Stiftung werden den einzelnen Landes¬ 
ausschüssen nach Maßgabe der Beiträge zur Verfügung gestellt; die Haupt¬ 
fürsorge wird aber in allen Fällen durch die lokalen Fürsorgcstellen erledigt 
werden müssen. Diese werden dafür sorgen müssen, daß die Waisen in erster 
Linie der Erziehung der Matter oder anderer Familienpflege anvertraut werden, 
während die Unterbringung in Anstalten die Ausnahme bilden muß. Besondere 
Kriegs Waisenhäuser sind grundsätzlich zu verwerfen; die bisherigen Waisen¬ 
häuser genügen. 

In der Besprechung führt Landesrat Dr. H o r i o n - Düsseldorf aus, daß 
die Kriegskranken nicht nur in der öffentlichen Meinung, sondern auch nach 
den Vorschriften des Munnschaftsversorgungsgesetzes schlechter gestellt seien 
als die Verwundeten, weil die Verstümmlungszulage auf sie nicht anwend¬ 
bar ist. 

Oberstabsarzt Dr. Helm-Berlin bittet, soweit es sich um Fürsorge für 
kriegsbeschädigte Lungenkranke handelt, die Erfahrungen und die Einrichtungen 
des Zentralkomitees zur Bekämpfung der Tuberkulose auszunutzen. 

Dr. v. Gerhardt-Frankfurt a. Main besprach das Seelenleben der 
Kriegsblinden und vor allem die seelische Depression, die bei ihnen stets 
eintritt. 

Beigeordneter Dr. Borgmann-Wiesbaden bittet, die Fürsorge auch 
auf die ohne Rentenversorgung entlassenen kranken Soldaten auszudehnen. 

Regierungsrat Dr. Leidig-Berlin hält die sofortige reichsrechtliche 
Regelung der Hinterbliebenenfürsorge für notwendig, ^ährend Geh. Regierangs- 
rat Schmedding-Münster dafür eintritt, daß namentlich auf dem Lande 
Kriegsbeschädigten- und Hinterbliebenenfürsorge zusammengefaßt werden 
müßten, da sich sonst nicht die genügende Zahl geeigneter Persönlichkeiten 
finden ließe. 

4. Die Stellungnahme der Industrie zur Kriegsbeschädigtenfürsorge 
vom Standpunkte der Arbeitgeber. Berichterstatter Hüttendirektor Probst- 
Düsseldorf: Redner geht von den Richtlinien aus, die er auf der Ausstellung 
für Kriegsfürsorge für die Gruppe Industrie aufgestellt hat. Früher lag die 
Herstellung der Prothesen ausschließlich in den Händen der Orthopädie- . 
mechaniker, jetzt stellt auch die Industrie gewissermaßen fabrikmäßig künst¬ 
liche Glieder her. Die Fabrikation vergrößerte sich allmählich, neu aufge¬ 
nommen wurde die Fabrikation von Zubehörteilen, Arbeitshilfen und Hilfs¬ 
apparaten. Bahnbrechend wirkte der Verein deutscher Ingenieure. Nachdem 
bereits in Magdeburg ein Preisausschreiben für Ersatzglieder stattgefunden 
hatte, erließ er ein abermaliges Preisausschreiben, in dem bestimmte tech¬ 
nische Forderungen gestellt warden. Der Erfolg entsprach in technischer 
Beziehung nicht den gehegten Erwartungen. Im Februar 1916 wurde dann 



606 


Bericht über den Kongreß 


vom Verein deutscher Ingenieure eine allgemeine Prüfstelle für Ersatzglieder 
geschaffen. Redner schildert eingehend die Arbeit dieser Prüfstelle und die 
aus diesen Arbeiten sich praktisch ergebenden Folgerungen. Der Grund, 
weshalb die Amputierten ihre Ersatzglieder bisher noch zu wenig in der Berufs¬ 
tätigkeit gebrauchen, liegt darin, daß die Ersatzglieder zum Teil hierfür noch 
nicht dauerhaft genug sind und bei der Auswahl der Ersatzglieder oft noch 
nicht individuell genug vorgegangen wird. 

6. Die Stellungnahme der Industrie zur Kriegsbeschädigtenfiirsorge 
vom Standpunkte des Arbeitnehmers. Berichterstatter Generalkommissions- 
vttsitzender Reichstagsabgeordneter Legien-Berlin: Nicht nur aur Dankespfiicht, 
sondern auch aus volkswirtschaftlichen und ethischen Gründen ist die Kriegs¬ 
beschädigtenfürsorge geboten. Volkswirtschaftlich wegen der Verwertung der 
Arbeitskraft und Erhöhung der Kaufkraft, ethisch, weil sonst der allein auf die 
Rente angewiesene Kriegsbeschädigte der Anteilnahme am geistigen Leben des 
Volkes entzogen wird. Zur Betätigung in letzterer Hinsicht müssen die 
Kriegsbeschädigten ihren Berufsorganisationen zugeführt und ihnen aus dieser 
Zugehörigkeit Schwierigkeiten nicht gemacht werden. Keinesfalls aber darf 
eine Anrechnung der Rente auf den Arbeitsverdienst in Frage kommen; viel¬ 
mehr muß die Arbeitsleistung vollwertig bezahlt werden, damit die Kriegs¬ 
beschädigten nicht als Lohndrücker, sondern als gleichwertige Arbeitsgenossen 
im Erwerbsleben gelten. Die Berufsberatung ist außerordentlich wertvoll, um 
die Beschädigten auf den richtigen Platz zu stellen. Ihre Mitglieder müssen 
frei von den Berufsorganisationen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer gewählt 
werden. Die beste Fürsorgeorganisation bilden die Arbeitsgemeinschaften, die 
auf Verträgen beruhen, die von Unternehmern und Arbeitervereinigungen ein¬ 
gegangen sind. 

In der Besprechung gab Reichstagsabgeordneter Giesbert eine von 
sämtlichen Gewerkschaften gefaßte Entschließung bekannt, worin eine reichs¬ 
gesetzliche Regelung der Kriegsbeschädigtenorganisationen und die Ausdehnung 
der Fürsorge auf die ohne Militärversorgung Entlassenen gefordert wird. 

Fräulein Daniel-Cöln befürwortet eine besondere Ausbildung für die 
Berufsberatung an Handelsschulen und landwirtschaftlichen Schulen in der 
Form von mehrwöchentlichen Kursen. 

Am Nachmittag fand für den engeren Kreis der Interessenten noch eine 
Sitzung statt, in der die Erfahrungen, die in der Praxis mit den Prothesen 
gemacht sind, besprochen wurden. Es erstatteten Berichte: 

1. Landesrat Dr. Horion-Düsseldorf: Ueber 388 Amputierte sind in der 
Rheinprovinz Erhebungen gemacht. Von diesen sind 339 in einem Berufe 
untergebracht, in 44 Fällen schwebt das Verfahren noch, 6 waren ohne Be¬ 
schäftigung, weil sie die ihnen von der Berufsfürsorge gebotene Hilfe abgelehnt 
haben. Kein Fall brauchte als hoffnungslos angesehen werden; ein großer Teil 
der Amputierten mußte allerdings den bisherigen Beruf aufgeben und vielfach 
einen sogenannten Invalidenposten, der mit einer Hand zu versehen ist, 
annehmen. Am günstigsten ist hier das Verhältnis bei den Landwirten, von 
denen die Hälfte in dem bisherigen Berufe geblieben ist, am ungünstigsten 
bei den Handwerkern. Weiter ist bemerkenswert, daß ein großer Teil der 
gelieferten Prothesen zur praktischen Arbeit nicht benutzt werden kann, wobei 
allerdings zu bedenken ist, daß die von der Statistik erfaßten Fälle vielfach 
aus der ersten Zeit der Fürsorge stammen, und daß die modernen Fortschritte 
in der Prothesenherstellung dabei noch nicht berücksichtigt sind. Zu verlangen 
sei, daß jeder für den nach seinem früheren Berufe körperliche Arbeit über¬ 
haupt in Frage komme, nicht eher aus dem Lazarett entlassen werden dürfe, 
bis er wieder körperlich arbeiten gelernt Labe. 

2. I)le Prüfstelle für Ersatzglieder. Berichterstatter Dr. ing. Hart- 
mann-Charlottenburg: Die Prüfstelle hat es sich zur Aufgabe gemacht, die 
typischen Ersatzarmc und -Beine auf ihre Verwendbarkeit und Dauerhaftigkeit 
zu prüfen. Ferner bat sie die Normalisierung der Befestigung der Armansalz- 
stücke bearbeitet. An die Üeffentlichkeit wendet sie sich mit Merkblättern, 
von denen bisher drei erschienen sind. 

An der Aussprache beteiligten sich Oberstabsarzt Dr. Wullstein- 
Bochum, der über seine Erfahrungen in Bochum berichtete, iSan -Rat Dr. Buch- 



über Kriegsbeschädigtenfürsorge. , 60.7- 

b i n d e r - Leipzig, der die Frage besprach, in welchen Fällen den Kriegs¬ 
beschädigten die Operation nach Sanerbrnch za raten sei. San.-Bat Dr. 
Schwarz-Dresden betonte deniWert der Stampfbehandlnng and Dr. Ach- 
Aagsbarg wies darauf hin, daß eine große Zahl von Stellen vorhanden sei, 
bei denen Ampntierte einen Kunstarm nicht unbedingt nötig haben. 

V. Kbngreßtag. 

S. Verhandlungstag des Beichsausschusses der Kriegsbeschädigtenfürsorge. 

1. Unterbringung der Kriegsbeschädigten im öffentlichen Dienst. 
Berichterstatter Bürgermeister Dr. Luppe - Frankfurt a. Main: Alle Kriegs¬ 
beschädigten neigen za der Ansicht, daß Beich, Staat und Gemeinden in der 
Lage und verpflichtet seien, sie anzustellen. Vor allem geht das Drängen 
nach Unterbeamtenstellen und leichten Posten; Behörden und öffentliche Be¬ 
triebe sind aber nar beschränkt aufnahmefähig. Die Schwierigkeiten bei der 
Aufnahme sind folgende: 1. Sie haben die selbstverständliche Pflicht, alle früher 
bei ihnen beschäftigten Kriegsbeschädigten in erster Linie wieder einzastellen, 

2. sie müssen die leichteren Stellen, wie in Friedenszeiten, in erster Linie für 
ihre sonstigen invalide oder minder arbeitsfähig gewordenen Angestellten frei¬ 
halten, 3. die Zahl der zivilversorgungsberechtigten Kapitulanten, die für viele 
Stellen in erster Linie zu berücksichiigen sind, wird eine sehr große sein, für 
die Inhaber von Anstellungsscheiuen besteht daher wenig Aussicht auf dessen 
Verwendung; 4. viele Behörden und Betriebe werden nach Beendigung des 
Krieges genötigt sein, an Beamtenstellen zu sparen. 

Soweit aber Stellen frei werden, müssen natürlich Kriegsbeschädigte in 
erster Linie berücksichtigt werden, zumal viele Beschädigungen keine erheb¬ 
liche Behinderung für den öffentlichen Dienst darstellen. Soweit für den 
Beamtendienst besondere Kenntnisse erforderlich sind, wird den Kriegs¬ 
beschädigten durch allgemeine Ausbildungskurse und durch praktische Aus¬ 
bildung bei Behörden zu helfen sein; in den Anforderungen bei Prüfungen wird 
allgemein eine Erleichterung eintreten müssen. Keine Behörde darf aber einen 
Kriegsbeschädigten einstellen, ohne durch die zuständige Fürsorgestelle fest¬ 
stellen zu lassen, ob der Kriegsbeschädigte nicht besser in seinem bisherigen 
Berufe verbleibt 

2. Unterbringung der Kriegsbeschädigten im Handel. Berichterstatter 
Handelskammervorsitzender Kommerzienrat Soennecken - Bonn: Solche kriegs- 
beschädigten Kaufleute, die fachlich vorgebildet sind und vor ihrer Einberufung 
zur Fahne in Stellung waren, müssen später zweifellos wieder in ihre Stellung 
einrücken; dagegen müsse verlangt werden, daß bisher nicht kaufmännisch 
vorgebildete Kriegsbeschädigte bei ihrer Umlernung für den Handelsstand eine 
gründliche Ausbildung erfahren, damit nicht lediglich das kaufmännische 
Proletariat vermehrt wird. Für kriegsbeschädigte Nichtfachleute bietet sich 
jedoch nach gründlicher Ausbildung sowohl im Bürohilfsdienst, wie auch zur 
Erledigung der gewöhnlichen wie der höheren kaufmännischen Arbeiten 
Gelegenheit. Eine systematische Uebersicht über die Art der Kriegsbeschädi- 
gungen und die Art der Verwundungsmöglichkeiten in den verschiedenen 
Handelszweigen wird vom Vortragenden zum praktischen Gebrauch an Kriegs¬ 
beratungsstellen in Kriegsfürsorgezeitschriften veröffentlicht werden. Auch 
Taube und Stumme, selbst Blinde können im Handel Beschäftigung finden. 

3. KrlegsbeschädigtenfUrsorge vom Standpunkte der kaufmännischen 
Angestellten. Berichterstatter Kaufmann Döhring-Hamburg, Vorsitzender des 
Deutsch-Nationalen Handlungsgehilfenvereins: Nach einem Ueberbliek über die 
Lage des kaufmännischen Arbeitsmarktes während des Krieges und seine voraus¬ 
sichtliche Gestaltung nach Friedensschluß forderte auch dieser Redner eine 
durchgreifende Durchbildung der dem Kaufmannstande sich zuwendenden 
Kriegsbeschädigten, die nicht in einem kurzen Kurse erlangt werden könne. 
Gewünscht sei deshalb die Einführung eines behördlichen Genehmigungszwanges 
für kaufmännische Pressen und Fortbildungsanstalten. Bedenklich sei auch 
die Ucberflutung des kaufmännischen Arbeitsmarktes mit weiblichen, nicht 
vollausgebildeten Kräften. 



608 


Bericht über den Kongreß 


i 


4. Kriegsbeschädigten Fürsorge lm Handwerk« Berichterstatter Land¬ 
tagsabgeordneter Bäckerobenneister Biener-Chemnitz: Die Fürsorge für kriegs- 
beschädigte Handwerker hat in erster Linie eine geeignete Unterbringung in 
dem von ihnen erlernten Handwerke ins Auge zu fassen. Dazu sind erforderlich: 
Bekämpfung der Arbeitsentwöhnung, Verhütung der Zulassung zu den unge¬ 
lernten Berufen, die Mitwirkung der Presse. Innungen und ßerufsverbände 
von Meistern und Gesellen müssen prüfen, wieviele Kriegsbeschädigte wieder 
die Arbeit im Handwerk aufnehmen können. Weitgehende Mitarbeit der Für¬ 
sorgestellen, der ärztlichen Berater, sowie der Gewerbefach- und Fortbildungs¬ 
schulen ist erwünscht. Werkstättenschulen sind geeignete Arbeitsstellen, in 
denen Kriegsbeschädigte über die Anwendung von Prothesen unterrichtet und 
geübt werden können. Die Handwerks- und Gewerbekammern müssen Kriegs¬ 
beschädigten die Gesellen- und Meisterprüfung unter erleichterten gewerblichen 
Leistungen ermöglichen. 

5. Ueber den Arbeitsnachweis für Kriegsbeschädigte. Berichterstatter 
Rechtskundiger Magistratsrat Dr. Fischer-Nürnberg: Für die Arbeitsnach¬ 
weise muß erster Grundsatz sein, die Kriegsbeschädigten ihrem alten Berufe 
zurückzugeben. Dieses gelte auch gegenüber den Bestrebungen, Kriegsbe¬ 
schädigte der Landwirtschaft zuzuführen. Redner ging im einzelnen die Auf¬ 
gaben der Arbeitsnachweise durch bei ihrem Streben, Kriegsbeschädigten 
möglichst in dauernden Stellungen Arbeit zu verschaffen. 

In der Aussprache wurde mehrfach davor gewarnt, die Kriegsbeschädig¬ 
ten überfüllten Berufen (Privatangestellte) zuzufübren; das müsse zu Ent¬ 
täuschungen führen. Reichstagsabgeordneter Giebel forderte eine reichsgesetz¬ 
liche Regelung eines Rechtsanspruches der am Kriege teilnehmenden Angestellten, 
in die vor ihrer Einstellung innegehabten Stellen wieder einzutreten, unter 
Berechnung der inzwischen etwa fällig gewordenen Gehaltsaufstaffelung, wie 
dies in Oesterreichschon Tatsache geworden sei. 

6. Die Arbeit der Frauen in der Kriegsbeschädigtenfürsorge. Bericht¬ 
erstatter Freifrau von Bissing: Die Frauen dürfen nicht nur gefühlsfreundlich 
teilnehmen oder bemitleiden, sondern müssen tatkräftig eingreifen. Die wich¬ 
tigste Arbeit der Fürsorgerin wird die Belehrung der Angehörigen sein. Ein¬ 
blick in die Heilanstalt und Werkstätte ist für die Frauen notwendig, damit 
sie alles aus eigener Anschauung kennen lernen. Mit warmherzigem Emptinden 
schliderte die Rednerin die einzelnen Zweige der Frauenfürsorge gegenüber 
den Kriegsbeschädigten als Helferin, Gattin und Erzieherin der Kinder. 

7. Die Fürsorge für die Familien der Kriegsbeschädigten. Bericht¬ 
erstatter Pastor Kießling-Hamburg: Die Fürsorge entspricht im allgemeinen der 
Hinterbliebenenfürsorge; sie ist um so notwendiger, als die Versorgungsansprüche 
des Kriegsteilnehmers auf die Größe der Familie keine Rücksicht nehmen. Ihr 
Ziel müsse sein, die Familien in den Stand zu setzen, aus eigener Kraft zu 
bestehen. Die Familienfürsorge muß mit der Kriegsbescbädigtenfürsorge eng© 
Fühlung nehmen; ihre Organisation sei schon jetzt wünschenswert. Hierzu seien 
besondere Ausschüsse erforderlich; jedenfalls dürfe nach dem Kriege dieser 
Zweig der Fürsorge uicht der öffentlichen Armenpflege zugewiesen werden. 

Wortmeldungen für die Aussprache lagen nicht vor. 

D. Sondertagungen anläßlich der Ausstellung für Krlegsheschädigtenfärsorge 

in com. 

Am 19. August 1916: 

I. Tagung der deutschen Gewerhvereine. 

Der Verbandsvorsitzende Hartmann-Berlin und der Leiter des rheinisch¬ 
westfälischen Gaues Czieslick erörterten die Aufgaben des Verbandes auf dem 
Gebiete der Sozialversicherung unter besonderer Berücksichtigung der Kriegs- 
beschädigtenfürsorge. Es wurde eine Entschließung angenommen des Inhalts, 
daß der Bezirkstag den in der Kriegsbeschädigtenfürsorge wirkenden Körper¬ 
schaften und dem Tätigkeitsausschuß der Rheinprovinz Anerkennung ausspriebt 
und sich zur Mitarbeit bereit erklärt in der Erwartung, daß auch Arbeitnehmer 
überall vollberechtigt zugezogen werden. 



über Kriegsbeschädigtenfürsorge. 


609 


Am 20. August: 

11. Tagung des Kriegsansschnsses der vereinigten kaufmfinnisch- 
tecbnlschen Verbinde COlna. 

Die Krlegsbeschädigtenfürsorge und die Privatangestellten. Bericht* 
erstatter Dr. Höfle-Berlin: Die Zahl der kriegsbescbädigten Angestellten, die 
ihren Bern! nicht mehr ansüben können, wird voraussichtlich nicht übermäßig 
groß sein, weil bei ihnen die geistige Tätigkeit ausschlaggebend ist. Neben 
den auch für andere Kriegsbeschädigte geltenden Grundsätzen der Umbildung 
in gegebenen Fällen besteht die besondere Bedeutung der Kriegsbeschädigten¬ 
fürsorge für die Angestellten darin, daß eine große Zahl Kriegsbeschädigter 
anderer Berufe Unterkommen in den Stellungen der Privatangestellten suchen. 
Weiter kommt in Betracht der Ersastz der Kriegsbeschädigten durch Frauen¬ 
arbeit; sodann besteht die Gefahr der Gehaltsdrückung durch Anrechnung der 
Bente. Für eine möglichst gute Ausbildung ist Sorge zu tragen. Vertreter 
der Angestelltenorganisationen müssen in den Ortsausschüssen zur Berufs¬ 
beratung herangezogen werden. Die sogenannten Pressen und Schnellkurse 
verdienen besondere Beachtung. Die Frauenarbeit darf nicht zur Lohndrückerei 
führen. Für die Bemessung des Gehaltes darf nur die Leistungsfähigkeit 
auch bei Kriegsbeschädigten ausschlaggebend sein. Die Gefahr der Anrech¬ 
nung der Bente ist beim Angestellten größer als in anderen Berufen. 

Diese Ausführungen wurden in der Aussprache von sämtlichen Bednera 
noch unterstrichen. 

Am 22. August: 

UI. Tagung der KriegsblindenfUrsorge in der Rheinprovinz, 

veranstaltet von der Kricgsbescbädigtcnfürsorge der Provinzialverwaltung 
unter Mitwirkung des Vereines der Fürsorge für die Blinden der Rheinprovinz. 

1. Die Augenbeschädigungcn im Kriege und ihre Folgen. Bericht¬ 
erstatter Prof. Dr. Stargard-Bonn: Die Zahl der Kriegsverletzungen am Seh¬ 
vermögen ist verhältnismäßig hoch, wovon ein gut Teil der Schuld der von 
den Engländern beliebten Verwendung von Infanteriegescbossen mit Explosiv¬ 
stoffen zuzumessen ist. Redner schildert dann die ilauptfälle von Augen- 
verletzungcn und ihre Heilmittel, deren einfachstes der Magnet ist. Mit ihm 
gelingt es in Friedenszeiten nur in etwa 8 Prozent aller Fälle nicht, den ein¬ 
gedrungenen Splitter zu entfernen; infolge der größer« n Durchschlagskraft der 
Geschosse und der ausgedehnteren Zersplitterungen ist dieser Prozentsatz im 
Kriege viermal höher. Außer den Augenschüssen kommen auch sonst noch 
Beeinträchtigungen und Schädigungen des Sehvermögens vor als Nebenwirkung 
von Krankheiten und Unfällen. Bei einer sehr großen Zahl ist cs möglich, 
wenn die Sehnerven nicht gänzlich vernichtet sind, ausgezeichnete Heilerfolge 
zu erzielen, deren Steigerung noch stetig fortschreitet. 

2. Neue optische Heilmittel für die Behandlung der Angenbeschä¬ 
digten. Berichterstatter Dr. Kuflfler, Leiter der Augenklinik der allgemeinen 
städtischen Krankenanstalten in Düsseldorf: Redner behandelt unter Zuhilfe¬ 
nahme von Lichtbildern alle neuen optischen Hilfsmittel iiir die Behandlung 
der Augenbeschädigten, die es ermöglichen sollen, diese Beschädigten ihrem 
Berufe zu erhalten. 

3. Das rheinische Blindenbildnngs- und Versorgungswesen und die 
Kriegsblinden. Berichterstatter Schulrat Baldus, Direktor der Rheinischen 
Provinzialblindenanstalt in Düren: Auch bei dem Kriegsblinden spielt die Mög¬ 
lichkeit der seelischen Aufrichtung eine große Rolle; er muß mit allen Kräften 
dabin gebracht werden, seine körperlichen und geistigen Kräfte neuerdings zu 
betätigen und weiterzubilden. Wie das zu geschehen hat, wurde in Licht¬ 
bildern vorgeführt. 

4. Der ausgebildete Blinde im Erwerbsleben. Berichterstatter Augen¬ 
arzt Dr. Stutzer-Bonn: Der ausgebildete Blinde kommt jetzt auch in Frage 
als Industriearbeiter, Kaufmann, Handwerker und als Akademiker, der seinen 
Beruf praktisch ausüben soll, ln Marburg wird im nächsten Winter ein aka¬ 
demisches Blindenheim eröffnet, das auch erblindeten Akademikern die Mög¬ 
lichkeit der Fortsetzung und Vollendung ihrer Studien bieten soll. Der Verein 
der blinden Akademiker schafft dort die wichtigste Vorbedingung für das 



610 Bericht über den Kongreß 

Hochschulstudium Blinder in einer Bibliothek für wissenschaftliche Fachliteratur 
in Blindenschrift. 

An die Vorträge schloß sich eine rege Anssprache in der besonders her- 
vorgehoben wurde, daß die Kriegsblinden bei ihrer Beschäftigung zwar die ihnen 
schuldige Rücksicht verlangen, aber ganze Arbeit leisten wollen und auch können. 

IV. Tagung des Cölner Bezirksvereins deutscher Ingenieure. 

Veber die Schaffung und Benutzung von Ersatzgliedmaßen für Kriegs¬ 
beschädigte. Berichterstatter Oberingenieur Neumann - Cöln: Der Verein 
-deutscher Ingenieure hatte durch Preisausschreiben zur Schaffung solcher Ersatz¬ 
glieder Anregung gegeben, wofür ihm vom Kriegsministerium 20000 M. zur 
Verfügung gestellt waren. Bei dieser Prüfung wurde der Jagenberg- und der 
Rota-Ersatzarm mit je 2000 M., weitere Erfindungen mit Preisen von 400 bis 
1600 M. ausgezeichnet. Die Verwendungsfähigkeit dieser Ersatzglieder wird 
im Lichtbildervortrage gezeigt bei allen möglichen Arbeiten in industriellen, 
gewerblichen, landwirtschaftlichen usw. Betrieben. Auch der Träger des von 
der Gemeinnützigen Gesellschaft des Vereines deutscher Ingenieure hiergestellten 
beiderseitigen Carnes-Arms, der nur noch den rechten Armstumpf bis über das 
Ellenbogengelenk und den linken Oberarmstumpf besitzt, zeigte, wie er sich 
-mit Hilfe des doppelten Ersatzarmes selbst an- und auskleiden, rasieren, käm¬ 
men usw. und alle möglichen Arbeiten verrichten kann. 

Danach fand ein Lichtbildervortra^ über Siedlungen unter besonderer 
Berücksichtigung der Bauten von Einfamilienhäusern statt. 

Am 23. August: 

V. Tagung der Provinzialabteilung des deutschen Vereine für ländliche 
Heimats- und Wohlfahrtspflege. 

1. Ueber die Fürsorge für Kriegsbeschädigte. Berichterstatter Oeko- 
nomierat Dr. Reinhardt : Die Beschäftigung Gliederverlctzter sei in der Land¬ 
wirtschaft eine so verschiedene und vielseitige, daß ganz besondere Verhält¬ 
nisse vorliegen müßten, wenn sie hier nicht untergebracht werden könnten. 
Anders sei es bei den innerlich Kranken; hier müßten noch besondere Einrich¬ 
tungen getroffen werden und die Gesetzgebung zu Hilfe gerufen werden, um 
auch diese vor Borgen zu schützen. Der Berufsflucht müsse ebenso wie der 
Landflucht entgegengetreten werden. Das Zusammenarbeiten in einem Berufe, 
besonders im Gartenbau und in der Landwirtschaft, hätte sich geradezu als 
Heilmittel bewährt. 

2. Ueber die Beschäftigung Leicht* und Schwerverletzter. Bericht¬ 
erstatter Dr. Radicke • Görden: Redner schildert an der Hand von Vorstellung 
Verletzter und von Lichtbildern, wie auch Schwerverletzte mit dem besten Er¬ 
folge im landwirtschaftlichen Lazarett eingestellt werden, um dann bis zu 
50 Prozent ihrer früheren Arbeitsfähigkeit wieder zu erlangen. 

Die nächsten Vorträge haben kein ärztliches Interesse. 

VI. Tagung des Kartells der christlichen Gewerkschaften. 

Unser Wirken für die Kriegsbeschädigten. Berichterstatter Georg 
Streeter- Berlin, Vertreter des Gesamtverbandes der christlichen Gewerk¬ 
schaften im Hauptausschuß für Kriegsbeschädigtenfürsorge: Bei der Beurtei¬ 
lung der Rentenbezüge muß jedes parteipolitische Getriebe ausgeschalten werden. 
Es sei erfreulich, daß sich bei der Kriegsbeschädigtenfürsorge Arbeitgeber und 
-nehmer zusammengefunden hätten. Redner schildert dann eingehend die Tätig¬ 
keit des lleichsausschusses, erläutert das Kapitalabflndnngsgesetz und fordert 
eine gesetzliche Neuregelung der Rentenversorgung der Kriegsbeschädigten 
nach sozialen Gesichtspunkten. Die Fürsorge muß auch auf die ohne Ver¬ 
sorgung entlassenen Kriegsbeschädigten und im Kriege Erkrankten ausgedehnt 
werden. 

VII. Tagung des Reichsverbandes des privaten Vereine für Kriegsfürsorge. 

1. Ueber den gewerblichen Mittelstand und die Kriegsfürsorge. 
Berichterstatter Freiherr v. Steinäcker-Berlin: Für den gewerblichen Mittelstand 
kommen bei der Wiederanfrichtung des Betriebes die Kriegshilfskassen in Frage 
zur Sicherstellung der Existenz. Sie sollten auch denen, die ohne gesund¬ 
heitlich und körperlich geschädigt zu sein, wirtschaftlichen Schaden infolge 
des Krieges erlitten haben, Hilfe gewähren durch Gewährung von Darlehen 



über Kriegsbeschädigtenfürsorge. 


611 


bis za 3000 M. gegen sichere Bürgschaft and Zinsen. Da das nicht aasreicht, 
will der Beichsverband u. a. anstreben, daß statt dessen zwar noch kleinere 
Sammen, aber ohne Rückgabezwang gegeben werden sollen. 

2. lieber die Bedeutung des Beichsyerbandes für die Kriegsfürsorge 
der Arbeitgeber. Berichterstatter Herr Kaestner* Wiesbaden; Vortrag and 
Aassprache haben kein ärztliches Interesse. 

Am 26. Aagust: 

VIII. Tagung des Westdeutschen Handwerks, 

veranstaltet von den rheinischen Handwerkskammern. 

1. lieber das Handwerk and die Kriegsbeschädigtenfürsorge. Bericht¬ 
erstatter Dr. Wilden, Syndikus der Düsseldorfer Handwerkskammer: Die Zahl 
der kriegsbeschädigten Handwerker sei ungeheuer groß; sie strebten durchweg 
nach einem „Postchen“ oder „ Aemtchen“, weil sie in ihrem Berufe nur unter 
schwierigen Verhältnissen weiter beschäftigt werden könnten. Trotzdem müsse 
man hierauf in erster Linie bedacht sein und zu diesem Zwecke dahin streben, 
daß der durch den Krieg beschädigte Handwerker möglichst zur Selbstständig¬ 
keit gebracht werde, um dadurch den Schwierigkeiten der abhängigen Hand¬ 
werker entgegenzutreten. Deshalb müßten für sie Meisterkurse abgchalten und 
gewisse Erleichterungen bei der Abschlußprüfung gewährt werden. Auch die 
Verbindung von Handwerk und Landwirtschaft biete für die Beschädigten eine 
Entwicklungsmöglichkeit; deshalb müßten sie auf dem Lande angesiedelt werden. 

2. lieber die Kapitalabfindung für Kriegsrentenemfänger. Bericht¬ 
erstatter Sekretär der Cölner Handwerkskammer Sommerhäuser: Auch für die 
kriegsbeschädigten Handwerker ist diese Maßnahme geeignet, namentlich um 
zur Wiedererstarkung des Wirtschaftslebens beizutragen. 

3. Ueber die Kriegshilfskasse in der Rheinprovinz. Berichterstatter 
Geschäftsführer des Rheinischen Handwerksbundes Thomas-Essen: Der Vor¬ 
trag hat kein ärztliches Interesse. 

IX. Tagung des Verbandes der deutschen gemeinnützigen und 
unparteiischen Rechtsauskunftsstellen. 

1. Die Lehren der Krlegsverletztenfiirsorge für die Fürsorge der 
Friedens- insbesondere der Unfallverletzten. Berichterstatter Magistratsrat 
Lange • Neukölln: Fußend auf den Erfahrungen, die bei der Kriegsbeschädi^ten- 
ftlrsorge gemacht sind, müssen die Unfallversicherungen weit mehr als bisher 
ihre Aufmerksamkeit der Arbeitsfürsorge zuwenden und auch für die Friedens¬ 
verletzten die Berufsberatung, die Berufsausbildung und die Arbeitsvermittelung 
für Unfallverletzte als neue Arbeitsgebiete einführen. Zu dieser sozialen Arbeit 
müssen auch die Versicherten herangezogen werden. Gestreift wurde die Frage 
der Ansiedlung und Abfindung Unfallverletzter; auch die rechtlichen und wirt¬ 
schaftlichen Fragen dieses neuen Tätigkeitsfeldes der Berufsgenossenschaften 
wurden erörtert. 

2. Ueber die Rechtsauskunftsstelle und die soziale Fürsorge lür die 
Kriegshinterbliebenen. Berichterstatter Prof. Dr. Franke-Berlin: Die Kriegs¬ 
hinterbliebenen bedürfen der Hilfe der Rechtsauskunftstelle zur Geltendmachung 
ihrer Ansprüche, zur Erlangung von Beihilfen aus den privaten Sammlungen 
und Stiftungen, die zu diesem Zwecke zur Verfügung stehen, zur Regelung 
von Familien- und Erbschaftsangelegenheiten, zur Ordnung geschäftlicher Ver¬ 
hältnisse, zur Unterstützung bei der Schaffung neuer wirtschaftlicher Grund¬ 
lagen für den Unterhalt der Familie. Ebenso wichtig ist die Fürsorge dafür, 
daß die Geldmittel ihre richtige Verwendung finden, die Witwen geeignete 
Berufstätigkeit finden und vor ungeeigneter Beschäftigung gewarnt werden, 
und daß ihnen auch in der Heranbildung ihrer Kinder der nötige Beistand 
zuteil wird. 

3. Die Ausgestaltung der Zivilrechtspilege mit Rücksicht auf die 
Kriegsverhältnisse. Berichterstatter Assessor Dr. Hüttner-Essen n. Ruhr: 
Redner tritt dafür ein, daß die Rechtsauskunftsstellen, um den Prozesse!! vor- 
zubeugen, das Publikum in Recbtskenntnissen, staatsbürgerlichem Unterricht, 
Pflege und Stärkung des Gemeinsinnes belehren. Jedem Prozesse müsse ein 
Schlichtungs- oder Güteverfahren vorausgehen bei gemeindeamtlichen Schlich- 



612 


Kleinere Mitteilungen and Bef ernte aus Zeitschriften. 


tungsimtern mit Zwangsverfahren. Auch die Dauer der Prozesse könoe durch 
ein strafferes richterliches Prozeßleitungsrecht abgekürzt werden. Die Zeit¬ 
lage sei für solche Aenderungen des Prozeßrechtes sehr günstig. 

4. Die außergerichtlichen SQhneverfabren in Privatklagesachen. 
Berichterstatter Stadtsekretär Laube-Bielefeld: Redner empfiehlt zur Abstellung 
der beim Schiedsgerichtsverfahren hervorgetretenen Mängel die Weiterver- 
breitung der in Bielefeld getroffenen Einrichtung, daß Waisenratsmitglieder 
uneigennützig Sühnevermittlungen übernehmen; das sei ein völlig kostenloser 
Weg, der die Gerichte entlasten und den Parteien dienen würde. 

5. lieber die Kriegsarbeit der Zentralstellen znr Bekämpfung der 
Schwindelfinnen. Berichterstatter Stadtrat Dr. Link-Ltibeck: Die Verhältnisse 
der Kriegszeit haben die Tätigkeit von Schwindelfirmen begünstigt, die die 
Dnerfahrenheit der Kriegerfrauen und -Witwen ausbeuten. Die Zentralstelle 
zur Bekämpfung der Schwindelfirmen ist diesem gemeingefährlichen Unwesen 
entgegengetreten unter dankenswerter Unterstützung der stellvertretenden 
Generalkommandos. Wenn aber mit Aufhören des Kriegszustandes die Verbote 
der letzteren hinfällig werden, wenn ein gesteigerter Warenbedarf und ein 
gesteigertes Kreditbedürfnis zutage treten, dann werden sich die Schwindel¬ 
firmen wieder rühren und die wirtschaftliche Erholung erheblich erschweren, 
falls ihnen nicht mit allem Nachdruck entgegengetreten wird. Das Interesse 
einer gesunden Volkswirtschaft läßt daher eide nachdrückliche Bekämpfung 
der Scnwindelfirmen für die Zeit nach dem Kriege ganz besonders geboten 
erscheinen. Zu wünschen sei, daß die Zentralstelle in ihrer Arbeit durch 
örtliche Bezirksstellen unterstützt werde, die sich schon an manchen Orten 
bewährt haben. 

An die Vorträge schloß sich eine Aussprache, in der im wesentlichen den 
Ausführungen des Redners beigestimmt wurde. Dr. Ritter-Minden. 

Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 

A. liohvint&ndigentltlgkelt ln Unfall- und Invalldltits- und 
KrankenversiohernngMM&ohen. 

Ungefährliche nicht mit starken Schmerzen verbundene Operationen 
ohne Narkose (z. B. Iridektomie) liegen im Rahmen des Heilverfahrens 
nnd sind bei unbegründeter Verweigerung ihrer Dnldnng durch Versagen 
der Unfallrente nach § 606 R.V.O. erzwingbar. Rekurs-Entscheidung 
des Reichsversickerungsamts vom 3. Mai 1916. 

Durch die rechtskräftige Entscheidung des Überversicherungsamts vom 
10. März 1914 ist der Endbescheid vom 6. Januar 1914, durch den der Klager 
zwecks Vornahme einer Augenoperation (Iridektomie) in die städtische Augen¬ 
klinik in Essen eingewiesen ist, bestätigt worden. Bei dieser Entscheidung ist 
das Oberversicherungsamt von dem anerkannten Grundsatz, daß kein Verletzter 
zur Duldung eines Eingriffes in den Bestand oder die Unversehrtheit des 
Körpers verpflichtet ist, ansgegangen, ist aber im Anschluß an die ärztliche 
Beurteilung zu der Ueberzeugung gelangt, daß die in Bede stehende Operation 
einen diesem Grundsatz widersprechenden Eingriff nicht, dar-tclle, da sie weder 
gefährlich noch mit starken Schmerzen verbunden sei, lind der Eingriff auch 
keine allgemeine Narkose erforderlich mache. Es fragt. sich, ob die Rechts¬ 
kraft dieser Entscheidung für das gegenwärtige Verfahren, das die Benten- 
entziehung gemäß § 606 der R.V.O. zuin Gegenstände hat, als bindend anzn- 
sehen ist und eine erneute Prüfung der Frage, ob der Kläger zur Duldung der 
Operation verpflichtet ist, ausscbließt. Bei Prüfung dieser Frage kann es 
dahingestellt bleiben, ob die Wirkung der Rechtskraft auch auf eine solche 
Entscheidung ausgedehnt werden kann, die in Abweichung von jenem Grund¬ 
satz eine andere grundsätzliche Ansicht ausspricht. In einem solchen Falle 
wäre zu erwägen, ob in der Berechtigung des Verletzten, jene eigentlichen 
Operationen abzulehnen, nicht ein unantastbares persönliches Recht erblickt 
werden muß, das selbst durch rechtskräftige Entscheidung nicht beseitigt 
werden kann. Indessen eine solche grundsätzliche Abweichung ist in der vor¬ 
liegenden Entscheidung gar nicht ausgesprochen; vielmehr hat das Ober- 
versicherungBamt in Anerkennung jenes Grundsatzes aus Gründen rein tat* 



Kleinere Mitteilungen und Referate atu Zeitschriften. 


613 


sächlicher Natur angenommen, daß der hier in Frage kommende Eingriff sich 
bei seiner Geringfügigkeit im Rahmen der im Wege des Heilverfahrens zuver¬ 
lässigerweise zu erzwingenden Maßnahmen halte. Deshalb konnte dieser Ent¬ 
scheidung jedenfalls die Wirkung der Rechtskraft nicht versagt werden. 
Denn eine Nachprüfung dieser rein tatsächlichen Verhältnisse würde mit der 
Rechtskraft der bereits vorliegenden Entscheidung unvereinbar sein. Im gegen¬ 
wärtigen Verfahren war sonach zu prüfen, ob die nach § 606 der R. V. ü. zur 
Versagung der Entschädigung erforderlichen Voraussetzungen vorliegen. Diese 
Frage war zu bejahen. Der Kläger hat für die Nichtbefolgung der das Heil¬ 
verfahren betreffenden Anordnung einen gesetzlichen oder sonst triftigen Grund 
nicht beigebracht, während aus den Gutachten des Dr. H. in Essen vom 13. Sept. 
und 5. November 1913 zu entnehmen ist, daß durch das Verfahren mit Wahr¬ 
scheinlichkeit infolge Verbesserung des Sehvermögens, Vermeidung künftiger 
neuer Entzündungen und dauernder Beruhigung des Auges ein günstiger, die 
Erwerbsfähigkeit wesentlich erhöhender Erfolg herbeigeführt werden würde. 
Auch ist der Kläger auf die als Folge der Weigerung berechtigterweise ein¬ 
tretende Versagung des Schadenersatzes in dem Bescheide vom 13. November 
1913 hingewiesen worden. Die Entziehung der Rente auf die Dauer eines 
Jahres erscheint daher gerechtfertigt. (Kompaß; 1916, Nr. 17.) 


B. Bakteriologie and Bek&mpfang der übertragbaren Krankheiten. 

1. Pocken. 

Erfahrungen mit der experimentellen Pockendiagnose nach Paul. 
(Aus dem Kgl. Institut für Infektionskrankheiten „Robert Koch“.) Von 
Dr. H. A. Gins. Deutsche med. Wochenschrift; 1916, Nr. 37. 

Das von Paul-Wien 1915 mitgeteilte Verfahren zur Unterscheidung 
der echten Pocken von Windpocken beruht auf der Hückelschen Beobachtung, 
daß eigenartige Veränderungen der mit Variolavirus geimpften Kaninchen¬ 
hornhaut nach dem Einlegen in Sublimatalkohol erkennbar werden, die der 
Feststellung am lebenden Tier häufig entgehen. 

Der Tierversuch ist folgender: Das aus einer eröffneten Pockenpustel 
austretende Sekret wird auf einem Objektträger aufgefangen und angetrocknet 
(lufttrocken ohne Flamme), dann vor der Verimpfung mit 1—2 Tropfen 
50°/oigen Glyzerins gut vermischt und mit einer möglichst feinen Nadel auf 
d:e kokainisierten Hornhäute gebracht. Zu diesem Zweck wird auf der Horn¬ 
haut ein Gitterwerk von Kratzern angelegt, so daß kleine Vierecke von etwa 
1 mm Seitenlange entstehen, und der Pustelinhalt mit einem kleinen Metall¬ 
spatel auf das eröffnete Hornhautepithel eingerieben. Während die traumatischen 
Erscheinungen nach 24 Stunden an der Hornhaut verschwunden sind und die 
negative Hornhaut nach 48 Stunden wieder wie normal aussieht, lassen sich 
bei der Anwesenheit von Variolavirus mit Hilfe einer 6—8 fachen Lupenver- 
größerung Veränderungen erkennen. Diese werden deutlicher und charakteristisch, 
wenn die Hornhaut des nach Schlachten des Kaninchens herausgenommenen 
Auges in Sublimatalkohol gelegt ist. Unmittelbar nach dem Einlegen beginnt* 
die Hornhaut sich schwach milchig zu trüben, und bereits 2—5 Minuten nach 
dem Einlegen treten im Verlauf der Kratzer und zwischen ihnen runde, intensiv 
milchweiß gefärbte Partien auf, die den Ansiedelungen des Variolavirus ent¬ 
sprechen. Immer sind sie kreisrund, in der Mitte am intensivsten weiß, an 
den Rändern allmählich ins normale Gewebe übergehend; ihre Größe ('/*—2 mm 
Durchmesser) schwankt, ebenso ihre Zahl (vereinzelt bis zu einem Dutzend 
und mehr). 

Bei Verimpfung anderer Materialien sind diese Erscheinungen niemals 
beobachtet. Pustelinhalt von Varizellen läßt die Hornhaut ganz unverändert. 
Uebung im Beobachten und Deuten, namentlich bei etwas verwischtem Ausfall 
des Tierversuches, ist notwendig. 

Verfasser hat mehr als 150 Proben von Pustclinhalt verimpft, 100 davon 
mit besonders dünner und spitzer Stahlnadel und danach bei 51 Fällen von 
klinischer Pockendiagnose und 49 Fällen von Windpocken oder anderen Haut¬ 
affektionen folgende Ergebnisse erzielt: in den klinischen Pockenfällen war der 
Tierversuch 37 mal positiv, 2 mal zweifelhaft, 12 mal negativ, in den Wind¬ 
pockenfällen 48 mal negativ, drei zweifelhaft, drei positiv. Es hat also die 



614 


Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


Diagnose der Kaninchenhornhaut mit der klinischen Diagnose übereingestimmt 
in 80 °/o der Fälle, unentschieden mußte sie bleiben in 5 ü /o und war entgegen¬ 
gesetzt der klinischen Diagnose in 15°/o der Fälle. Besonders bemerkenswert 
erscheint dabei, daß kein einziger sicherer Fall von Windpocken bei Kindern 
einen positiven Tierversuch ergab. Daraus schließt Verfasser, daß die Ver¬ 
änderung der Hornhaut für Pocken spezifisch ist. Anderseits 
betont er ausdrücklich, daß gelegentlich bei einwandfreien schweren 
Pockenfällen ein negativer Tierversuch vorkommt, der bisher 
nicht aufzuklären ist. Es läßt Bich daher aus den bisherigen Ergebnissen 
entnehmen, daß 1. der positive Tierversuch nach der Panischen Methode 
für Pocken beweisend ist, 2. der negative Tierversuch den klinisch 
begründeten Pockenverdacht nicht erschüttern soll. Die Diagnose läßt sich 
in den meisten Fällen bereits nach 48 Stunden sichern. 

Mit der genannten Einschränkung ist die Methode des experimentellen 
Pockennachweises durch das Pa ul sehe Verfahren in medizinalpolizeilicher 
Hinsicht von erheblicher Bedeutung; sie erscheint berufen, eine empfindliche 
Lücke in unseren diagnostischen Hilfsmitteln, bei Pocken zu schließen. Das 
Ministerium des Innern bekundete daher auch sein Interesse durch die An¬ 
weisung an die Kreisärzte, von jedem Fall von Pocken, Pockenverdacht und 
Windpocken umgehend Pustelinhalt, auf Objektträger angetrocknet, an das 
Institut einzusenden. Dr. R o e p k e - Melsungen. 

Ein Beitrag zur Beurteilung der Bauer des Pockeninipfschutzes. 
Von Dr. H. A. Gins, Hilfsarbeiter im Ministerium des Innern. Deutsche 
med. Wochenschrift; 1916, Nr. 38. 

Der durch Impfung und Wiederimpfung bei der preußischen Bevölkerung 
erzielte Pockenschutz ist bis zum 40. Lebensjahr wirksam; er nimmt etwa 
vom 80. Lebensjahr an allmählich ab. Jenseits des 40. Lebensjahres muß bei 
etwa einem Drittel der Einwohner noch ein deutlicher, wenn auch verminderter 
Impfschutz angenommen werden. Eine Impfung der Erwachsenen um das 
40. Jahr erscheint wünschenswert und geeignet, die Mehrzahl der Pockenfälle 
bei älteren Erwachsenen zu vermeiden. 

Diese Ergebnisse, die im Oktoberheft der Vierteljahrschrift für gericht¬ 
liche Medizin ausführlich besprochen sind, sollen den Praktiker über die Frage 
der Dauer des Pockenschutzes unterrichten, zugleich aber anregen, daß anlä߬ 
lich der regelmäßigen Wiederimpfungstermine und der außerordentlichen 
Impfungen bei Pockengefahr über die Art des Impferfolges weiteres Material 
gesammelt wird, damit die obigen Ergebnisse nachgeprüft und weiter geklärt 
werden können. Dr. Roepke-Melsungen. 


2. Fleckfieber. 

Zur Aetlologie des Fleckflebers. Von Stabsarzt Dr. H. Töpfer und 
H. 8cbüßler f. Deutsche med. Wochenschrift; 1916, Nr. 88. 

In den Kleiderläusen von Fleckfi e berkranken im vorgeschrittenen Stadium 
oder von Rekonvaleszenten lassen sich regelmäßig ganz bestimmte bakterien¬ 
artige Gebilde nachweisen, deren Form, Lagerung und massenhaftes Auftreten 
so charakteristisch ist, daß eine Verwechslung mit anderen Parasiten in der 
Laus ausgeschlossen ist. 

Genau dieselben Körperchen findet man in Läusen, die Oesanden abge¬ 
nommen und für mehrere Tage an Fleckfieberkranke angesetzt wurden. Zahl¬ 
reiche Kontrolläuse blieben steril. 

An dieselben Patienten, an denen sich Liiuse während der Krankheit 
infiziert hatten, wurden andere Läuse nach der Entfieberung angesetzt. In 
diesen ließen sich die charakteristischen Flecktieberparasiten nicht nachweisen. 

Das Fleckfiebervirus kreist hauptsächlich auf der Höhe des Exanthem¬ 
stadiums im Blut. Nach der Entfieberung scheint der Mensch nach den 
bisherigen Untersuchungen nicht mehr Virusträger zu sein. 

Auf die Eier und Nachkommenschaft infizierter Läuse geht das Virus 
wahrscheinlich nicht über. 

Beim Meerschweinchen lassen sich mit dem Darminbalt infizierter Läuse 



Keinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 615 

unter Abkürzung der Inkubationszeit dieselben Fiebererscheinungen hervorrufen 
wie mit Patientenblut. 

Eine Züchtung und Anreicherung des Virus gelang bisher nur im Darm¬ 
kanal der Kleiderlaus. _ Dr. Roepke-Melsungen. 


*3. Epidemische Genickstarre. 

Histologische und histologisch - bakteriologische Befunde beim 
petechialen Exanthem der epidemischen Genickstarre. Von Prof. Dr. 
L. Pick, Stabsarzt d. Res. Deutsche mcd. Wochenschrift; 1916, Nr. 33. 

Das petechiale Exanthem bei epidemischer Genickstarre zeigt gegenüber 
dem mikroskopischen Bild der Fleckfieberroseola genügende Unterschiede. Im 
Vordergründe seiner Histologie stehen entzündlich exsudative Vorgänge: neben 
der Extravasation roter Blutkörperchen reichliche Leukozytenauswanderung; 
indes ist das Gesamtbild kein einheitliches. 

Die Petechien der inneren Organe können nach epidemischer Genickstarre 
gleichfalls Entzündungsherdchen enthalten oder sich mehr in Form reiner 
Ekchymosen darstellen. In 2 Fällen gelang dem Verfasser der färberische 
Nachweis der Meniogokokken in den Arteriolen und Kapillaren des petechialen 
Exanthems, weniger häufig und spärlicher in den zirkumvaskulären Infiltraten. 
Die Vernichtung der Meningokokken erfolgt dnreh leukozytäre Phagozytose 
und zwar schnell und zum größten Teil bereits innerhalb der Blutbahn. Dadurch 
erhält die aus den Kultnrergebnissen am Lebenden und an der Leiche bereits 
sichergestellte Meningokokken-Septikämie eine greifbare morphologische Grund¬ 
lage. Auch wird durch den intravaskulären Meningokokken-Nachweis der 
Schluß wahrscheinlich, daß das petechiale Exanthem und die Petechien der 
inneren Organe bei epidemischer Genickstarre durch die Lokalisation der 
Meningokokken entstehen. _ Dr. Roepke-Melsungen. 


4. Geschlechtskrankheiten und Bekämpfung der Prostitution. 

Die Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten und ihre Folgen. Von 
Dr. Prinz in g und Dr. Herzfeld. Zeitschrift für Bahnärzte; 1916, Nr. 9. 

P. stellt folgende Forderungen auf: 

1. Untersuchung der Eisenbahnbeamten in den besetzten Ländern vor 
der Entlassung durch Militärärzte. 

2. Ueberweisung der Geschlechtskranken in Militärlazarette. 

3. Eintrag der Untersuchung in das Anstellungsdekret. 

4. Untersuchung der Zurückgekehrten durch die Bahnärzte. 

&. Uebernahme der Kosten der bei diesen notwendig werdenden Wasser- 
mannschen Untersuchungen auf die Eisenbahnverwaltung. 

H. verlangt: An Geschlechtskrankheiten leidende Beamten sind bis zu 
ihrei vollständigen Wiederherstellung abzulehnen, erkrankte Beamte sind aus 
dem Dienste bis zu gleichem Zeitpunkte fernzuhalten. Personen, die in früheren 
Jahren syphilitisch erkrankt waren, dürfen erst dann wieder in den Dienst 
eingestellt werden, wenn nach Ablauf von 3 Jahren nach angeblicher Heilung 
der Wassermann mehrmals negativ ausgefallen ist. Dr. Wolf-Hanau. 


Ist eine Anzeigepflicht der Geschlechtskrankheiten anzustreben? 
Von Prof. A. Blaschko. Mitteilungen der D. Gesellschaft zur Bekämpfung 
der Geschlechtskrankheiten; Bd. 14, Nr. 3—4. 

Die Anzeigepflicht — wenigstens eine allgemeine Anzeigepflicht, wie sie 
jetzt von den verschiedensten Seiten gefordert wird — ist eine stumpfe Walle. 
Ob nicht unter besonderen Umständen, in ganz besonderen Fällen, eine be¬ 
schränkte Anzeigepflicht auch für die Geschlechtskrankheiten zweckmäßig sein 
kann, ist eine ganz andere Frage. Dr. Wolf- Hanau. 


5. Schwarzwasserfieber. 

Zur Theorie des Schwarzwasserflebers. Von Priv.-Doz. Dr. K. Hintze, 
Hygienisches Institut der Universität Leipzig. Deutsche med. Wochenschrift; 
1916, Nr. 39. 

Das in malariaverseuchten Ländern auftretende Krankheitsbild des 



616 


Kleinere Mitteilangen and Befer&te aas Zeitschriften. 


Schwarzwasserfiebers ist darch eine nnter Fiebererscheinungen sich entwickelnde 
Hämoglobinurie gekennzeichnet. Die Hämoglobinurie in anserm Klima hat 
verschiedene Ursachen. Auch die als Schwarzwasserfieber bezeichnete and 
meist im Anschluß an Malaria vorkommende Form hat keine einheitliche 
Aetiologie. Za ihrer Erklärung sind mehrere Theorien aufgestellt. Nach 
Verfasser ist eine der Ursachen möglicherweise in dem Einfluß der strahlenden 
Energie za suchen, wobei das in den roten Blutkörperchen vorhandene Chinin 
und die durch die Malariaplasmodien erzeugten Abbauprodukte des Hämoglobins 
als sensibilisierende Substanzen dienen. Hintze regt daher an, bei Schwarz¬ 
wasserfieberkandidaten Versuche anzustellen, ob ihr Blut gegen Bestrahlung 
empfindlicher ist als das gesunder Individuen. Dr. B o e p k e - Melsungen. 


6. Desinfektion. 

Hartmanns „Unlformal“ - Desinfektor. Von DipL-Ing. G. Kruger- 
Berlin. Der praktische Desinfektor; 1916, Nr. 9. 

Der beschriebene Apparat ermöglicht ohne Anwendung des verminderten 
Luftdruckes bei Temperaturen von 60° C. leicht empfindliche Gegenstände mit 
derselben Sicherheit und Schonung zu entkeimen, wie es bisher in V&kuum- 
apparaten mit strömenden Formalinwasserdämpfen der Fall war. Die Luft¬ 
pumpe, der Kondensator, die vielen verbindenden Bohrleitungen, die an 
Vakuumapparaten bekannt sind, fallen bei diesem Apparat weg, somit auch 
im Betriebe alle jene Betriebsschwierigkeiten und Betriebsstörungen, die jedem 
Vakuumapparate anhaften. Der Anschaffungspreis ist nahezu auf die Hälfte 
verringert, ebenso die Unkosten, die jede einzelne Desinfektion bedingt. Soll 
eine Formalin-Desinfektion vorgenommen werden, so werden die Gegenstände 
vorschriftsmäßig im herausgezogenen Wagengestell der Desinfektionskammer 
locker geschichtet bezw. aufgehängt. Der Doppelmantel der Kammer, der die 
Unveränderlichkeit der Temperatur während der Desinfektion bewirkt, wird 
bis zum Ueberlauf mit Wasser angefüllt. Dann wird das Feuer auf dem Bost 
entzündet oder die Heizung angestellt. Meistens sind aber diese Apparate mit 
Unterfeuerung ausgerüstet des ungewöhnlich geringen Verbrauchs an Heiz¬ 
material wegen. Nachdem die Kammer geschlossen ist, beginnt die Ver¬ 
trocknung der Gegenstände im Innern. Der auf Desinfektionstemperatur ge¬ 
brachte Wassermantel entzieht den Objekten soviel Feuchtigkeit, wie es die 
Temperatur von 60° C. bedingt. Die Dämpfe selbst werden abgeleitet. Auf 
diese Weise wird künstlich die Aufnahmefähigkeit der Desinfektions-Objekte für 
Feuchtigkeit vorbereitet. Währenddessen ist der neben der Desinfektionskammer 
stehende Formalinentwickler mit 4 Liter Formaldehyd von 40°/o und 4 Liter 
Wasser gefüllt. Zeigen die beiden Türthermometer an der Desinfektionskammer 
ca. 35® 0., so wird der Formalinverdampfer geheizt, und die entstehenden 
Dämpfe werden in die vorgewärmte Kammer geleitet. Sobald die im Verdampfer 
befindliche, für jede Desinfektion stets gleiche Menge Formalinflifesigkeit ver¬ 
dampft ist, wird das Ventil in der Zuleitung vomVerdampfer zur Kammer 
sowohl, wie das Entlüftungsventil des Desinfektionsapparates geschlossen. 

Die Beendigung der Verdampfung im Formalinverdampfer wird selbst¬ 
tätig durch ein Signalrohr angezeigt. Es vollzieht sich nunmehr die überaus 
wichtige Sättigung des vorgetrockneten Desinfektionsgutes mit den eingeleiteten 
nassen konzentrierten Formalindämpfen. Während der Desinfektionszeit, die 
auf etwa 2 Stunden bemessen ist, zeigt das Thermometer in der Umlaufleitung 
des Wassermantels stets 60° C. Die Regelung der Heizung geschieht selbst¬ 
tätig durch den darin eingebauten Regulator, der gleichzeitig die Luftklappe 
der Feuerung automatisch betätigt. Die eigentliche Desinfektion beginnt bei 
Abstellung des Formalin-Verdampfers. Nach Beendigung der Desinfektion, 
d. h. 2 bis 3 Stunden nach Abstellung des Formalin-Verdampfers, wird ver¬ 
fahren wie bei der Dampfdesinfektion. Die Gegenstände werden nach Heraus¬ 
nahme an der Luft kräftig geschüttelt und nusgebreitet. Die Desinfektions¬ 
kammer selbst wird nicht entlüftet wegen der geringen Kondensation der 
Dämpfe im Apparat. Die gewöhnliche Dampfdesinfektion im „Uniformal“- 
Desinfektor ist um so einfacher, als der Apparat infolge der guten Wärme¬ 
speicherung im Wassermantel einen besonderen Dampfkessel zum Betriebe, wie 
er bei fast allen Dampfdesinfektionsapparaten dieser Größe angebracht ist, 
nicht notwendig hat. Die Dampfmenge, die bei der Desinfektion verbraucht 



Kleinere Mitteilungen und Beferate aus Zeitschriften. 6lt 

wird, ist so gering, daß die Unterfeuerung des ca. 4 cbm großen Apparates 
vollständig ausreichend ist, um den Dampf zu erzeugen. Eine sinnreiche 
gesetzlich geschützte Einrichtung gestattet, daß der Wassermantel nicht nur 
als Wärmeschutz, sondern auch als Dampfentwickler benutzt wird, der die fttr 
die Desinfektion notwendige Dampfmengo liefert. 

Die Handhabung des Apparates bei der Dampfdesinfektion ist genau 
so, wie sie von den Hennebergschen Dampf-Desinfektionsapparaten bekannt 
ist, und unterscheidet sich vorteilhaft nnr dadurch, daß bedeutend weniger 
Heizmaterial aufgewendet zu werden braucht. Die Ventilation nach beendigter 
Entkeimung ist infolge der ansreichenden Wärmespeicherung besonders wirksam. 
Somit können die desinfizierten Gegenstände am Schlüsse vollständig lufttrocken 
dem Apparat entnommen werden. Dr. Wolf- Hanau. 


O. Hygiene and öffentllohee Gesundheitswesen. 

1. Gewerbehygiene. 

Die Einwirkung der gesetzlichen Schutzmaßnahmen auf die Gesund¬ 
heitsverhältnisse der Zinkhiittenarbeiter. Von Beg.- nnd Gewerberat 
Dr. Fischer -Potsdam. Zentralblatt für Gewerbehygiene; 1916, Nr. 8. 

Im Laufe der Jahre hat sich ein auffallender und erfreulicher Wandel 
zum Besseren in den Arbeitsverhältnissen der Zinkhütten vollzogen. An die 
Stelle der „Hütten“ sind mehr und mehr gewaltige, hohe und luftige Arbeits¬ 
stätten getreten, im Innern für das Auge durchdringlich bis in die fernsten 
Winkel. — Qualm, Banch und Stanb, die ehemaligen ständigen und heim¬ 
tückischen Gefährten des schwer arbeitenden Hüttenarbeiters sind aus den 
neuzeitlichen Arbeitsräumen hinausgewiesen und in Fesseln geschlagen. Aber 
auch der Zinkhüttenarbeiter selbst ist ein ganz anderer geworden, als er vor 
einem halben Jahrhundert nach den damaligen Aufzeichnungen gewesen ist. 

Unter gesetzlicher Obhut tätig und besonders geschirmt durch die un¬ 
ablässiger, systematischer, wissenschaftlicher Forschung zu verdankenden Fort¬ 
schritte der Technik und Hygiene, steht er, den Gefahren erfolgreich trotzend, 
an seinem Platze. Der schwierigste Weg in der Entwicklung der Hygiene des 
Zinkhüttenbetricbes ist überwunden; er hat gezeigt, wie wir der weiteren, 
noch zu bekämpfenden Schwierigkeiten Herr zu werden vermögen. Ohne den 
Selbstschutz der Arbeiter ist jedoch kein erfolgreicher Arbeiterschutz denkbar. 

Dr. Wolf-Hanau. 


Explosion einer Azetylenverdichtungsanlage. Von Gewerbeinspektor 
A. Bleyl-Chemnitz. Zentralblatt für Gewerbebygiene; 1916, Nr. 9. 

Um derartige Unfälle zu vermeiden, ist vorgeschlagen: 
a) tunlichst reines Karbid zu verwenden; 

• b) die auf der Gasometerglocke aufzulegenden Beschwerungsgewicbte gegen 
das Herabfallen zu sichern; 

c) die Entwickler in einem besonderen Baum aufzostellen, damit der die 
Entwicklung vornehmende Arbeiter durch den Gang des Kompressors nicht 
gestört und von seiner Arbeit nicht abgelenkt wird. 

Dr. Wolf- Hanau. 


2. Säuglings- und KleinkinderfOrsorge. 

Jugendpflege. Von E. B. Halbmonatsschrift für soziale Hygiene und 
praktische Medizin; 1916, Nr. 19. 

Verfasser bespricht den Verhandlungsbericht der deutschen Zentrale für 
Jugendfürsorge. Der Schwerpunkt wird auf Aufklärung der Mutter gelegt, 
die in der Erziehung des Kindes ihre liebste und höchste Pflicht zu sehen hat. 
Außerdem wird die Wohnungsreform betont. Bei der Lage der Kleinkinder 
ist Sicherung des Schutzes und der Entwicklung ihrer geistigen und sittlichen 
Kräfte, sowie Sicherung ihrer gesunden körperlichen Entwicklung za erstreben. 
An die Sänglingsfürsorge muß sich die Kleinkinderfürsorge anschließen. 

Dr. Hoffmann -Berlin. 



eis 


Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


3. Schulhygiene. * 

Der Keimgehalt der Schalluft mit besonderer BerBckslchtigung der 
DorfscknlverhältniBsc. Von A. Pietsch. Zeitschrift für Schulgesundheits¬ 
pflege; 1916, Nr. 6. 

Verfasser stellt die Ergebnisse früherer Untersacher eigenen Unter¬ 
suchungen in einer Dorfschulklasse gegenüber und stellt im allgemeinen fest, 
daß der Gehalt an Keimen in der Schulluft ein sehr hoher ist, daß unter den 
Keimen die indifferenten überwiegen, aber auch Krankheitserreger zu linden 
sind. Die Verhältnisse in der untersuchten Dorfschule weichen nicht wesentlich 
von anderen Untersuchungsergebnissen ab. Im besonderen zeigte sich aber, 
daß durch das Chorsprechen der Keimgehalt der Schulluft erhöht wird, die 
Art und der Grad der Reinigung, insbesondere der Subsellien und der Möbel 
den Keimgebalt beeinflußt und die Winterventilation nicht imstande ist, die 
Luft von den in der Pause aufgewirbelten Keimen schneller zu reinigen, im 
Gegenteil eher in entgegengesetzter Richtung sich bemerkbar macht. Praktisch 
folgert Verfasser, daß die Bekämpfung des Staubes die beiden Quellen, nämlich 
den Staub und den kindlichen Körper zu berücksichtigen hat. 

Dr. 8 o 1 b r i g - Königsberg i. Pr. 

Fünf Jahre ohrenärztlicher Beobachtungen ln den Volksschulen 
Augsburgs. Von Stadtarzt Dr. B a c h a u e r - Augsburg. Zeitschrift für Schul¬ 
gesundheitspflege, der Schularzt; 1916, Nr. 5 und 6. 

Das Ergebnis eines reichen Untersuchungsmaterials wird hier ausführ¬ 
licher dargetan, beziehen sich doch die Untersuchungen auf insgesamt 30559 
Schulkinder. 

Nasen-, Rachen- und Kehlkopfkrankheiten wurden in zusammen 6121 
Fällen, Ohrenerkrankungen in 1660 Fällen festgestellt. Unter den ersteren 
Erkrankungen überwogen bei weitem die Hypertrophien der Gaumenmandeln 
(3561 Fälle = 11,7 Proz.). Adenoide Wucherungen kamen in 1414 Fällen 
vor. Im übrigen kamen die verschiedensten Erkrankungsformen zur Beobachtung. 
Bei den eigentlichen Ohrerkrankungen waren besonders häufig: Chronischer 
Mittelohrkatarrh (371 Fälle), Ohrenschmalzanhäufung (336 Fälle), chronische 
Mittelohreiterungen und Residuen solcher (im ganzen 542 Fälle), Tabenkatarrh 
(235 Fälle) u. a. 

Die vorliegenden Ergebnisse beweisen recht nachdrücklich, wie wichtig 
die Untersuchung der Schulkiuder auf das Bestehen von Ohren-, Nasen- und 
Keblkopferkrankungen durch Fachärzte ist, weisen aber auch ebenso eindringlich 
darauf hin, daß bei den so häufigen Erkrankungen dieser Organe eine sach¬ 
gemäße Behandlung im Kindesalter ein dringendes Erfordernis ist. 

Dr. Solbrig-Königsberg i. Pr. 

4. Kriegsbeschädlgteufürsorge. 

Der Arzt als sozialer Helfer; Arbeitsbehandlung, Unterricht und 
soziale Förderung In Lazaretten. Von Dr. Werner Hartwig, Stabsarzt 
beim Reservelazarett in Paderborn. Fürsorge für Kriegsbeschädigte und Kriegs¬ 
teilnehmer; Heft 3. Stuttgart 1915. Verlag von J. Heß. 16 Seiten. 
Preis: 0,60 M. 

Während die rein ärztliche Arbeit in den Heiraatlazaretten die funktionelle 
Ertüchtigung der Verwundeten durch sorgfältige Nachbehandlung und Nach¬ 
operationen zum Ziele hat, sind dem Arzt durch die weitere Fürsorge für die 
aus dem Heeresdienst ausscheidenden Kriegsinvaliden neue, nicht minder 
wichtige und dankbare Aufgaben erwachsen, die auch die sozialo Heilung des 
Kriegsbeschädigten erreichen sollen. Nach dem Vorgänge im Kreise Paderborn 
befürwortet der Verfasser Erteilung von theoretischen Unterricht in rein 
gewerblichen und fachlichen Lehrgegenständen, denen zweckmäßig ein Elementar- 
kursus in allgemeiner Bildung vorausgeht, ferner praktische Ausbildung und 
Uebung in Lazarettwerkstätten und Handwerkerschulen, die in den Heilplan 
des Lazarotts aufzunehmen und genau so zwangsweise durchzuführen sind wie 
die medikornecbanischen Hebungen. Daran können sich, ärztlich verordnet, 
nuch Arbeiten gegen Verdienst anschließen, die sich in diesem Rahmen mit 
der militärischen Disziplin wohl vereinen lassen. Eine solche Kriegsinvaliden- 



Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 619 

fiirsorge&bteilung soll jedem größeren Lazarett angegliedert werden und in 
enger Fühlung mit den Fürsorgeausschüssen arbeiten. Formulare über Arbeits¬ 
nachweis, Lazarettkopftafeln mit den ausführlichen ärztlichen Verordnungen 
und eine Zusammenstellung der im Kreise Paderborn getroffenen sozialen Heil- 
eiurichtungen zeigen, wie sich im einzelnen die Durchführung der sozialen 
Fürsorge durch den Arzt zu gestalten hat. Dr. Rehberg-Herzberg a. E. 


KriegsinvalidenfUrsorge. Darstellung der in Nürnberg getroffenen 
Maßnahmen, Mit 15 Abbildungen und 6 Schriftproben. Würzburg 1915. 
Verlag von Curt K a b i tz s c h. 8 48 Seiten. Preis: 0,50 M. 

Beratungsausschüsse, in denen Vertreter der Industrie, des Handels, der 
Arbeiter- und Angestelltenverbände ehrenamtlich tätig sind, sind jedem Lazarett 
zugeteilt, beraten mit dem Arzt über die Fürsorgemaßnahmen und leiten die 
dem Orthopädischen Lazarett angegliederten Werkstätten. Durch Fragebogen, 
die frühzeitig in den Lazaretten ausgefüllt werden, wird Zahl und Art der für 
die Fürsorge in Betracht Kommenden ermittelt. Sie zerfallen in 2 Gruppen: 
solche, die früher selbständig und vermögend waren und meist nur einer ge¬ 
ringen Beihilfe zur Gründung einer Existenz bedürfen, zweitens solche, die 
durch Arbeit ihren Erwerb verdienen müssen. Bei diesen bezweckt die Fürsorge 

1. die Ausbildung tunlichst im früheren Berufe, die sich nach dem Bericht 
des leitenden Arztes fast stets erreichen läßt, unter Umständen durch 
Anlernen zu einer Spezialarbeit oder veredelte Ausbildung zu einer höheren 
Stufe des Berufes; 

2. durch Umlernen oder Neulernen eines Berufes und zwar: praktisch in 
Werkstätten, theoretisch in den Fachschulen; 

3. Arbeitsbeschaffung, tunlichst beim früheren Arbeitgeber, wenn nötig unter 
Benutzung von Sondermaschinen’ zu denen Mittel beigesteuert werden; 

4. Unterstützung auch in späteren Zeiten, namentlich bei Arbeitslosigkeit. 

Für Sonderzwecke müssen zu der vom Reich gewährten Kriegs- und 
Invalidenrente Mittel beigesteuert werden. Alle Fürsorgebestrebungen sind in 
einem Ortsausschuß zusammengefaßt, der sich in den Vollzugs-, Finanzaus¬ 
schuß, den Ausschuß für Berufsberatung, -Ausbildung und Stellenbeschaffung 
gliedert. In besonderen Kapiteln werden ferner von den betreffenden Fach¬ 
männern behandelt: die ärztliche Arbeit im orthopädischen Lazarett, Bau, Ein¬ 
richtung, geschäftliche Organisation und die ünterrichtserteilung in diesem 
sowie die Fortbildung der Kriegsbeschädigten in der Landesgewerbeanstalt. 
Abbildungen und Schriftproben illustrieren die Arbeit in den Werkstätten und 
die Fortschritte der Zöglinge. Dr. Rehberg-Herzberg a. E. 


Ueber chirurgische und allgemeine Kriegsbeschädigtenfürsorge. Von 
Prof. Dr v Fritz König, Geh. Med.-Rat Generaloberarzt, z. Z. chirurgischer und 
orthopädischer Beirat im Reservelazarett zu Marburg. Berlin 1916. Verlag 
von Julius Springer. 28 Seiten; Preis: 0,80 M. 

Der eigene Wille des Verletzten, gesund zu werden, ist der beste Bundes¬ 
genosse im Kampf gegen das Krüppelelend. Die Hemmungen, die diesen Trieb 
niederhaltcn, sind Zufriedenheit mit der gewährten Rente und Unkenntnis der 
Wege, die zur Wiedererlangung der Leistungsfähigkeit führen. Gegen sie hat 
die Kriegsbeschädigtenfürsorge einzusetzen und zwar 1. als ärztliche Behand¬ 
lung nicht nur eine Heilung der W r unde, sondern auch die Wiederherstellung 
der Funktion anzustreben. Ausgehend von den Erfahrungen des Friedens wird 
auf dieses Ziel hingearbeitet, namentlich auf dem Gebiete der Frakturbehand¬ 
lung durch frühzeitige Bewegungsübungen in abnehmbaren Schienen- oder 
Streckverbänden, unterstützt durch Bäder, Behandlung der offenen Wunden 
an freier Luft unter Bestrahlung mit Sonnen- oder künstlichem Quarzlampen¬ 
licht. Daran schließen sich schon im Bett Handfertigkeitsübungen (Flechten, 
Schnitzen, Knüpfen), spater Uebungen an Apparaten und Turnen an. Herz-, 
Lungen- und Hirnverletzungen verlangen eine längere Ruhebehandlung. Bei 
Amputation ist schon durch die Operation der späteren Funktion Rechnung 
zu tragen; später erfolgt bald eine methodische Stumpfbehandlung. Sobald 
eine gewisse Tragfähigkeit erreicht ist, beginnt die Prothesenschule: Anweisung 
im Gebrauch von Behelfsprothesen, die allmählich komplizierter werden. 

Hand in Hand damit geht 2. die allgemeine Fürsorge in Verbindung mit 



620 Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 

dem Ortsausschuß und zwar bezweckt diese, unter Wahrung der militärischen 
Disziplin, die Beschäftigung und Anregung der Verwundeten, Ausbildung durch 
Kommandierung zum Unterricht im Zeichnen, Schreiben, Rechnen und in der 
Buchführung, in landwirtschaftlichen und gewerblichen Arbeiten und schließlich 
in der Berufsberatung und Unterbringung in sicherer Berufsstellung tunlichst auf 
dem früheren Arbeitsgebiet des Beschädigten. Dr. Rehberg -Herzberg a.E. 


Die Hand und Ihr Ersatz. Von Prof. Dr. Bonnet, Vorstand der 
anatomischen Anstalt in Bonn. 26. Vaterländischer und Kriegs vortrag, gehalten 
am 10. und 20. März 1915. 18 Abbildungen, 29 Seiten. Leipzig und Hamburg 
1915. Verlag von Leopold Voß. Preis: geh. 0,60 M. 

Die menschliche Hand, in ihrem komplizierten Bau und Mechanismus das 
Werkzeug der Werkzeuge, ist schwer als solche nachzubilden; wohl aber ist 
ihr Ersatz in anderer Weise möglich. Wie sie sich allmählich in einer langen 
Entwicklungsreihe aus dem einfachen Stützorgan der Tiere herausgebildet hat, 
so lassen sich auch noch verbliebene Reste der Hände, die von der modernen 
Chirurgie soweit als möglich erhalten werden, durch Uebung noch soweit aua- 
bilden, daß sie zu ungeahnten Verrichtungen fähig werden. In eigenen Ver¬ 
suchen zeigt der Verfasser, wie man mit einzelnen Fingern und Fingergliedern 
schreiben und zeichnen kann und auch lernen kann, mit nur einer Hand alle 
gewöhnlichen Verrichtungen des täglichen Lebens und die meisten beruflichen 
Arbeiten auszufiihren. Selbst der Verlust des ganzen rechten Armes hat einen 
Willensstärken Mann (Graf Zichy) nicht gehindert, ein Sports- und Waidmann 
zu werden, und ein Arbeiter mit Verlust des rechten Armes bis zur Hälfte 
des Oberarmes und teilweisen Verlust des linken Vorderarmes ist seit 25 Jahren 
als Wegebauarbeiter angestellt (F. in Friedrichsfelde, Kr. Oppeln). Noch voll¬ 
kommener wird der Fortfall dieser Gliedabschnitte durch Prothesen ausge- 

f liehen, wie an treffenden Beispielen aus der Geschichte (Götz von Ber¬ 
ichin gen, Thomas Sch weiller aus Scbwäbisch-Hall) und der Gegenwart 
(Schmiedemeister Natius aus Godesberg, Höftmannsche Prothesen) gezeigt 
wird. In besonderen Handwerksabteilungen sollen derartig Verkrüppelte unter¬ 
wiesen werden und zwar besonders von Leidensgenossen, die bereits einge¬ 
arbeitet sind und ihre eigene Erfahrung und gutes Beispiel in den Dienst 
dieser Unglücklichen stellen. Dr. Rehberg-Herzberg a. E. 


Werkstätten für ErwerbsbescUränkte (Unfallverletzte, Invalide, 
Kriegsbeschädigte). Von Paul Lohmar, Verwaltungsdirektor, Syndikus der 
Rheinischen Vereinigung bernfsgenossenschaftlicher Verwaltungen Cöln a. Rh. 
Verlag von Richard Schotz. Berlin 1916. 32 Seiten. Preis: 0,60 M. 

Der Verfasser tritt dafür ein, die jetzt im Anschluß an die Verwundeten¬ 
lazarette vielfach errichteten Werstätten auch im Frieden als dauernde Ein¬ 
richtungen der Reichsversicherung (Unfall-, Invaliden-, Angestelltenversicherung) 
bestehen zu lassen. Dieser Endzweck soll schon bei ihrer Gründung berück¬ 
sichtigt und dabei nach folgenden Gesichtspunkten vorgegangen werden: 

1. Während oder unmittelbar anschließend an das Heilverfahren soll in 
geeigneten Fällen bei Unfallverletzten und Kranken auf Anordnung des Arztes 
unter Leitung eines Fachmannes die Beschäftigung auf gewerblichen und land¬ 
wirtschaftlichen Arbeiten (Arbeitstherapie) tunlichst anf dem Gelände des 
Krankenhauses in den Heilplan aufgenommen werden. Diese ergänzt unmittel¬ 
bar die Heilmaßnahmen, z. ß. die medikomechanischen, mittelbar aber befördert 
sie die Heilung durch Hebung des Allgemeinbefindens, Bewahrung vor Müßig¬ 
gang nsw. Sie dient so der Heilung an sich (Heilbeschäftigung) und erleichtert 
den Uebergang zur Arbeit (Arbeitsgewöhnung). Die gewerbliche Arbeit 
kann in Werkstätten für Holz- und Metallbearbeitung erfolgen. Zweckmäßig 
ist ferner die Einrichtung einer orthopädischen Werkstätte und die Bildung 
einer Sportabteilung. 

2. Ausbild ungs- und Anlernlings Werkstätten dienen zur Aus- bezw. Um¬ 
bildung für einen Beruf oder Anlernung bis dahin ungelernter Arbeiter für 
besondere Aufgaben, die sie noch leisten können. Sie sind an Fach- oder 
Fortbildungsschulen oder auch an die oben genannten Heilwerkstätten aniu- 
gliodern und beschränken sich in letztem Falle auf ein oder wenige Ficker 
so, daß in einem größeren Bezirk (z. B. Provinz) alle Berufaarten vertreten 



Kleinere Mitteilangen and Referate ans Zeitschriften. 621 

sind. Die letzte Zeit der Ausbildung bezw. Anlernang kann auch bei einem 
Handwerksmeister oder in einer Fabrik erfolgen, am den Eintritt ins praktische 
Leben zu erleichtern. 

3. Für solche Beschädigte, die im Erwerbsleben nicht mehr selbständig 
vorwärts kommen, wird die Gründung von Beschäftignngswerkstätten, am 
besten in Verbindung mit Invalidenbeimen, vorgeschlagen. Ein Teil dieser 
nicht Ganzinvaliden kann aach in den Heil* bezw. Lehrwerkstätten dauernd 
verbleiben. Dr. Rehberg-Herzberg a. E. 

Die staatliche Krlegslnvaliden-Fürsorge. Von Prof. Dr. A. K ö h 1 e r, 
Generalarzt a. D., z. Z. Reservelazarettdirektor und fach ärztlicher Beirat für 
Chirurgie beim III. Armeekorps. Leipzig 1916. Verlag von Georg Thieme. 
148 Seiten. Preis: geheftet 2,80 M. 

Nach einem kurzen Ueberblick über die geschichtliche Entwicklung der 
Veteranenfürsorge vom Altertum bis zur Jetztzeit, bespricht der Verfasser 
den Stand der Kriegswohlfahrtspflege, wie sie, verbreitet durch die Wohlfahrts¬ 
gesetze des Friedens, in Deutschland vom Staate, unterstützt durch Kommunen 
und Private, dnrcbgeführt wird. In erschöpfender Weise wird das Gebiet der 
staatlichen Fürsorge behandelt und gezeigt, daß ihr Bereich viel weiter geht, 
als vielfach bekannt ist. Solange der Kriegsbeschädigte noch Soldat und seine 
spätere Verwendung noch möglich ist, unterliegt er unbedingt der Fürsorge 
des Staates; diese bleibt aber zunächst auch dann noch in vollem Umfange 
bestehen, wenn er für den Heeresdienst nicht mehr in Frage kommt. Der 
Verfasser zeigt, wie- dann der Staat vor allem die Wiederherstellung der 
Erwerbsfähigkeit durch geeignete Nachbehandlung in Lazaretten, Arbeiten 
unter ärztlicher Aufsicht, Einrichtung von Lazarettwerkstätten, Gewährung 
von besonderen Kuren, Ersatzgliedern zu erreichen sucht, und wie dann erst 
die dauernde Versorgung einsetzt durch Gewährung der Kriegsbeschädigten¬ 
rente, von Verstiimmelnngszulagen, durch Unterbringung in öffentlichen An¬ 
stalten, Invalidenheimen usw. Daneben haben sich besondere Verwaltungs¬ 
zweige (Bisenbahnverwaltung), Kommunen und Private ebenfalls opferfreudig 
* in den Dienst der Sache gestellt. Nicht nur durch materielle Vergünstigungen 
wird die Aufnahme der Arbeit gefördert, sondern es sind auch Einrichtungen 
geschaffen, durch die Ausbildung oder Umbildung für die meisten Berufe 
erleichtert und der Eintritt in diese durch Berufsberatung und Arbeitsnachweis 
vermittelt wird. Die Organisation der Kriegsinvalidenfürsorge, die jetzt bis in 
die kleinsten Kommunalbezirke hi~einreicht, wird ausführlich erörtert und 
gezeigt, wie deren Segnungen dem einzelnen zugänglich sind. Ein besonderes 
Kapitel beschäftigt sich mit der Frage, in welcher Weise sich die Invaliden¬ 
versicherung an der Versorgung der Kriegsbeschädigten mit beteiligt. 

Die Schrift bringt außer einem ausführlichen Literaturverzeichnis die 
wichtigsten einschlägigen Bestimmungen des Kriegsministeriums und einzelner 
Generalkommandos, besonders des III. Armeekorps; die klare Umgrenzung der 
Fürsorgepflicht des Staates und die kritische Würdigung einzelner, von 
Hilfsvereinen usw. ausgehenden Fürsorgebestrebungen machen sie zu einem 
zuverlässigen Berater für alle, die sich in den Dienst der Kriegswohlfahrts¬ 
pflege stellen wollen. Dr. Rehberg-Herzberg a. E. 

Praktische Ergebnisse und Erfahrungen bei der Berufsberatung der 
Kriegsbeschädigten. Von Generalinspektor Derdock-Saarbrücken. Con- 
kordia; 1916, Nr. 16. 

Verfasser tritt für die Beratung durch ein Kollegium ein, wenn auch 
die Einzelberatung gewisse Vorzüge hat. Teilnahme an Lehrkursen und Ein¬ 
richtung von Lazarettwerkstätten sind für manchen Kriegsbeschädigten von 
größter Bedeutung, wie die Erfahrung gelehrt hat. Vor allen Dingen kommt 
es darauf an, die Beratenden durch ruhige Besprechung und sachliche Auf¬ 
klärung zu überzeugen, daß nur in Ausnahmefällen ein Berufswechsel not¬ 
wendig ist. Eine der wichtigsten Faktoren der erfolgreichen Berufsberatung 
>t der Berufsberater selbst. Aueh die Frage, ob es sich nicht empfehle, 
wenigstens für größere Bezirke einen Berufsberater (ev. Kollegium) im Haupt¬ 
amte anzustellen, verdient Beachtung. Wichtig ist ferner, daß große und 
einflußreiche Kreise der Praxis gewonnen werden, nämlich die Kreise der 



622 Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 

Betriebsleiter, Aufsichtspersonen und Werkmeister einerseits, anderseits die 
Kreise der Arbeiter als Kollegen und Genossen der Kriegsbeschädigten. Schlie߬ 
lich sei noch auf die hervorragende Bedeutung einer gut organisierten Arbeits¬ 
vermittlung bin gewiesen. Dr. W o 1 f - Hanau. 


Zur Frage der Berufsausbildung Kriegsbeschädigter. Von Prof. 
Reg.- und Gewerbeschulrat Böhm- Potsdam. Zentralblatt für Gewerbehygiene; 
1916, Nr. 7. 

Die Aufgabe der Kriegsbeschädigtenfürsorge läßt sich unschwer in vier 
auch zeitlich aufeinander folgende Abschnitte gliedern: 1. Heilbehanlung. 
2. Berufsberatung, 3. die Berufsausbildung und 4. Arbeitsvermittelung, dierzu 
tritt noch zuweilen die sogenannte „ergänzende Fürsorge“, die überall da 
einsetzt, wo aus besonderen Gründen eine weitergehende Unterstützung des 
Kriegsbeschädigten oder seine Familie notwendig wird, ln der Ausbildung 
sind im allgemeinen zwei Hauptabschnitte zu unterscheiden: die vorbereitende 
Ausbildung und die Berufsausbildung im engsten Sinne des Wortes. Neben der 
praktischen Arbeit können Wissenskurse eingerichtet werden. Eine Zusammen¬ 
fassung der Arbeitsnachweise, wie sie da und dort angestrebt wird, erscheint 
nicht wünschenswert. Dr. Wolf- Hanau. 


5. Soziale Hygiene. 

Die Einwirkung der kommunalen Kriegsfürsorge auf die Volks- 
gesundhelt. Von Stadtrat Dr. A. Gottstein-Charlottenburg. Deutsche 
med. Wochenschrift; 1916, Nr. 37. 

Die Kriegsverhältnisse veranlaßten die Gemeinden, Einrichtungen zur 
Behandlung der Angehörigen von Kriegsteilnehmern im Krankheitsfalle zu 
treffen. Es ist anzunehmen, daß der Wegfall der Sorge um die Aufbringung 
der Kosten zum frühzeitigen Aufsuchen des Arztes führt und die Widerstände 
gegen die Ueberführung ins Krankenhaus und gegen die Vornahme zweck¬ 
mäßiger operativer Eingriffe beseitigt. Es fragt sich nun, ob bezw. welche 
ursächlichen Beziehungen zwischen der Besserung der Volksgesundheit und 
der Erleichterung der Gelegenheit zu frühzeitiger sachverständiger Hilfe 
bestehen r 

Gottstein will die Aufmerksamkeit der Aerzte auf diese Zusammen¬ 
hänge hinlenken und zu gemeinsamer Arbeit anregen, da die Fragestellung 
von großem Interesse für die Einschätzung des ärztlichen Berufes und Standes 
im Dienste der Volksgesundbeit ist. Die gesammelten Erfahrungen würden 
auch Bedeutung gewinnen für die Entscheidung der Frage, ob die Ver¬ 
sicherungspflicht auf die Angehörigen der Kassenmitglieder aus sozialhygienischen 
Gründen auszudehnen ist. _ Dr. R o e p k e - Melsungen. 

Die Entwicklung der Bevölkerung ln Portugal im 1. Jahrzehnt 
dieses Jahrhunderts. Von Dr. E. Roes le-Berlin. Archiv für soziale Hygiene; 
Band 11, Heft 4. 

Die Eigenart der Bevölkerungsentwicklung kennzeichnet sich in der Zunahme 
des Geburtenüberschusses bei gleichzeitig ansteigenden Wanderungsverlustes; 
auch hier zeigt sich also, daß eine hohe Geburtenziffer nicht ohne weiteres 
eine große Bevölkerungszunahme zur Folge bat, wenn es nicht gelingt, durch 
Hebung des kulturellen Niveaus der Bevölkerung die hohe Sterblichkeit herab¬ 
zudrücken und durch Schaffung hinreichender Erwerbsmöglichkeiten die heran- 
wachsenden Generationen uogeschwächt im Lande zu erhalten. 

Dr. W o 1 f - Hanau. 


6. Oeffentliches Gesundheitswesen im allgemeinen. 

Gegen die Zersplitterung der Gesundheitsfürsorge. Von Dr.Sieve- 
k i n g, Physikus und Stadtarzt in Hamburg. Deutsche med. Wochenschrift: 
1916, Nr. 33. 

Die Zersplitterung in der Gesundheitsfürsorge läßt sich nicht so ein¬ 
fach beheben, wie Ascher meint und vorgeschlagen hat.') Daß die rer- 


') 8iehe Referat darüber in Nr. 17 dieser Zeitschrift; 1916, 8. 522. 



Tagesnacbrichten. 


623 


schiedenen Fttrsorgezweige von einem Mittelpunkte aus (Fürsorgeamt) 
geleitet werden sollen, ist richtig; aber die Leitung von denselben Kräften 
ist nur iu einem ländlichen Kreise oder in einer kleineren Stadt, nicht in einem 
größeren Gemeinwesen möglich. Eier müssen sich die einzelnen Fürsorgen 
spezialisieren. Deshalb hält es 8. auch nicht für richtig, die Kontrolleure 
der Krankenkassen damit zu betrauen. Die Krankenkassen Vorstände sollen 
selbstredend mit Sitz und Stimme in den Fürsorgestellen vertreten sein; 
Beamte der Krankenkassen haben sich z. B. in den Hamburger Tuberkulose- 
Fürsorgestellen so bewährt, daß jeder einzelnen ein solcher zugeteilt ist. 

In Hamburg sucht man der Zersplitterung dadurch vorzübeugen, daß 
etwa alle halbe Jahre ‘Säuglingspflegerinnen, Tuberkulosefürsorgeschwestern, 
Ungezieferschwestern, Trinkerfürsorgerinnen, Assistentinnen der Gewerbe¬ 
inspektion (Kleinkindt rschutz), Gemeindeschwestern zusammengeladen worden, 
damit alle Fürsorgerinnen voneinander Bescheid wissen und sich womöglich 
persönlich kennen lernen. Der Kreis kann ohne Schwierigkeit erweitert werden. 
Jeder Arzt, der kommen will, ist willkommen. Es werden kurze, zusammen¬ 
hängende Berichte über einzelne Fürsorgezweige aus der Versammlung heraus 
erstattet und in einem Sammelbericht alle Fürsorgezweige geschildert. Daran 
schließt sich eine freie Aussprache, die nicht nur Kenntnisse, sondern auch 
gegenseitiges Verstehen und Vertrauen vermittelt. Alle Spezialfürsorgeblätter 
werden sämtlichen Fürsorgeorganen möglichst vollzählig und regelmäßig zu¬ 
gestellt. Dr. R o e p k e - Melsungen. 


Tagesnachrichten. 

Die III. Preußische Landeskonferenz für Säuglingsschutz findet am 
Montag, den 30. Oktober 1916, vormittags pünktlich 10 Uhr, in 
Berlin — Plenarsitzungssaal des Herrenhauses — statt. 

Tagesordnung: Eröffnung der Konferenz und Begrüßungsansprachen. 
— I. Vorschläge für ein Kreisfürsorgegesetz. Vortragende: Kabinetsrat Dr. 
jur. et Dr. med. h. c. v. Behr-Pinnow, Berlin und Med.-Rat. Dr. Berger, 
Kreisarzt in Crefeld. — II. Die Organisation der Säuglingsfürsorge in einer Pro¬ 
vinz. Vortragende: Oberpräsidialrat Brey er, Magdeburg (Ueber die Fürsorge¬ 
organisation in der Provinz Sachsen) und Geh. Med.-Rät Dr. Den ecke, Reg- 
und Med -Rat in Magdeburg (Oeber die ärztliche und pflegerische Organisation 
in der Provinz Sachsen). 

Im Anschluß an die Tagung findet die Mitgliederversammlung der 
Preußischen Landeszentrale für Säuglingsschutz. (Tagesordnung: 1. Jahres¬ 
und Rechnungsbericht, 2. Bericht der Rechnungsrevisoren und Entlastung des 
Ausschusses, 3. Wahlen, 4. Verschiedenes), sowie eine Sitzung des großen 
Ausschusses statt. (Tagesordnung: 1. Wahlen, 2. Verschiedenes). 

Zur Teilnahme an der Tagung sind alle Persönlichkeiten, die sich mit 
der Mutter- und Säuglingsfürsorge befassen, berechtigt; der Eintritt ist kosten¬ 
los. Anträge auf Verabfolgung von Eintrittskarten sind an die Geschäftsstelle 
der Preußischen Landeszentrale für Säuglingsschutz, Charlottenburg, Mollwitz- 
Privatstraße zu richten. 

Die Teilnahme an der Ausschußsitzung und der Mitgliederversammlung 
ist nur den Mitgliedern gestattet. 


Ehrent&feL Es haben weiterhin erhalten: 

Das Eiserne Kreuz I. Klasse: 

Assistenzarzt d. Res. Dr. Max B r o m m e r - Erlangen. 

Oberstabsarzt d. L. Dr. Friedrich G ä r t n e r - Karlsruhe. 

Stabsarzt d. Res. Dr. Julius Jolowicz-Pamburg. 

Oberstabsarzt Dr. Junius-Bonn. 

Stabsarzt d. Res. Dr. Ludwig K au m heim er- München. _ 
Oberstabsarzt d. L. Dr. Erwin Sauberzweig-Balingen (Württemberg). 
Stabsarzt d. Res. und Reg.-Arzt Dr. Sinz-Waldsee (Württemberg). 
Oberstabsarzt d. Res. Dr. Wölf-Tübingen, beratender Hygieniker. 



624 


Tagesnachrichten. 


Das Eiserne Krenz II..Klasse: 

Oberarzt d. Res. a. o. Prof. Dr. Martin Nippe-Erlangen. 


Ehren- Oedäohtnlstafel. Für das Vaterland gefallen oder gestorben 

sind ferner: 

Assistenzarzt Dr. Arfken. 

Oberstabsarzt d. Res. Dr. Beyer, Reg.-Arzt des 2. Ulanen-Reg. Nr. 18 
(gestorben infolge von Krankheit). 

Stabsarzt d. Res. Dr. Karl Gebhardt - Konstanz. 

Stabsarzt d. Res Dr. Karl Gräff-Freiburg i. Breisgan. 

Assistenzarzt d. L. Dr Max Grün die r-Bichl (Oberbayern). 

Oberarzt Dr A. Hennel 

Ferner ist auf dem Felde der Ehre gefallen: Leutnant Otto Riedel, 
Sohn des Med.-Rats Dr. Riedel, Physikns in Lübeck, der damit leider einen 
zweiten Sohn im Felde verloren hat. 


Erkrankungen nnd Todesfälle an ansteckenden Krankheiten In 
Preußen. Nach dem Ministerialblatt fttr Medizinal-Angelegenheiten sind in der 
Zeit vom 10. bis 16. September 1916 erkrankt (gestorben) an Pest, Gelb¬ 
fieber, Cholera, Trichinose, Aussatz, Malaria, Fleckfiober, 
Rückfallfieber, Paratyphus, Rotz, Tollwut: — (—); Bißver¬ 
letzungen durch to 11 wu tverd äcb tige Tiere: 7 (—); Milz¬ 
brand: 8 (—); Pocken: 6 (1); Unterleibstyphus: 831 (19); Ruhr: 
632 (57); Diphtherie: 2062 (108); Scharlach: 1098 (51); Kindbett¬ 
fieber: 62 (16); Genickstarre: 3 (9); spinaler Kinderlähmung: 
3 (1); Fleisch-, Fisch - und Wurstvergiftung: 89 (—); Körner¬ 
krankheit (erkrankt): 99; Tuberkulose (gestorben): 612. 


Mitteilung für die Medizinalbenmten. 

Entsprechend zahlreichen Wünschen aus den Kreisen der Medizinalbcamten 
haben sich Herausgeber und Verlagsbuchhandlung entschlossen, den Kalender 
fttr Medizinalbeamte wieder erscheinen zu lassen. Der neue 
Jahrgang 1917 wird Mitte Dezember d. J. zur Ausgabe gelangen; die 
Unterzeichnete Verlagsbuchhandlung nimmt schon jetzt Bestellungen 
entgegen. 

Die Verlagsbuchhandlung. Der Herausgeber. 

Fischers med. Buchhandlung H. Kornfeld, 

Berlin V. 62, KelthstraDe 5. 


Für die Mitglieder der Deutschen Medizinalbeaniten und für die 
sonstigen Bezieher der Zeitschrift. 

Auf Veranlassung eines Rundscnreibens des Postzeitungsamtes werden 
die Postbezieber der Zeitschrift erneut gebeten, sich beim Ausbleiben oder 
bei verspäteter Lieferung einer Nummer stets zunächst an den Brief¬ 
träger oder die zuständige Bestell• Postanstalt und erst, wenn Nach¬ 
lieferung und Aufklärung nicht in angemessener Frist erfolgen sollte, sich 
unter Angabe der bereits unternommenen Schritte (die Mitglieder des 
Deutschen Med izi nal beam ten vereins an die Expedition der 
Zeitschrift [Hofbuchdruckerei J. C. C Br uns -Minden in Westfalen], die 
sonstigen Poslbezieher an den Verlag (Fischers medizinische Buch¬ 
handlung, H. Kornfeld, Berlin W. 62, Keithstraße 5) zu wenden. 

Verlag und Schriftleitung. 


Redaktion: Prof. Dr. R a p m u n d, Geh. Med.-Rat in Minden i. W. 

J. 0. C. Brnns, Henofl. Sieht, n. F&ntl. Sch.-L. Hofbachdrackerci In Mlodtt. 






Wertes. «lesWs fiehfei 4er ^richWchM 'tymmm 

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Hyfjienft und Bakteriologie, 




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lentöcSes Pädagogium 


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zu BenrtoFl bei Coülenz. $jg 

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29. Jahrg. 


1916 


Zeitschrift 


MEDIZIN ALBEAMTE. 

% —»4 • ■ — 

Zentralblatt 

für das gesamte Gebiet der gerichtlichen Medizin und Psychiatrie,, 
des staatlichen und privaten Versicherungswesens, sowie für das 
Medizinal- und öffentliche Gesundheitswesen, einschließlich der: 

Hygiene und Bakteriologie. 


Herausgegeben 

von 

Prot Dr. OTTO RAPMÜND, 

Geh. Med.-Rat In Minden I. W. 


Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, Sächsischen, 
Wörttembergischen, Badischen, Hessischen, Mecklenburgischen, Thüringischen, 
Braunschweigischen und Eisass • Lothringischen Medizinalbeamtenvereins. ' 


Verlag von Fiseher’s med. Buehhandlg E Kornfeld, 

HarsogL Basrar. Hof- u. K. tl K. Kammer-BiiolilUtoUac. 

Berlin W. 62, Keithstr. 5. 

Ajax elfen nehmen die TevUfihendlnnf sowie alle Anselfenennshmestellen des la^ 

nnd Anslendes «ntfefsn. 


Nr. 21. 


Erscheint am 5. und £0. jeden Monats. 


5. Nov. 


Hygienische Streiflichter aus der Rheinpfalz. 1 ) 

Von Obermedizinalrat Dr. Demuth, Reg.- und Med.-Rat in Speyer. 

Will man die hygienischen Zustände eines Landes erkennen 
und begreifen, so dürfen vor allem auch die Lage und Beschaffen¬ 
heit dieses Landes, seine Vergangenheit und Werdegang, seine 
Geschichte und der Charakter seiner Bewohner nicht ganz 
ungewürdigt bleiben. Von diesen Faktoren hängen eben die 
hygienischen Verhältnisse, die hygienischen Vor- und Nachteile 
gegenüber anderen Ländern oder Provinzen des gleichen Landes 
ganz wesentlich ab, oft fast mehr als von dem jeweiligen 
Stande der hygienischen Wissenschaften und dem Bemühen 
der Behörden und Aerzte, diesen in ihrer Anwendung auf die 
Praxis gerecht zu werden. Selbst die schönsten und voll¬ 
kommensten, auf den wissenschaftlichen Errungenschaften auf¬ 
gebauten Gesetze und Verordnungen können jenen manchmal 


') Vortrag, gehalten bei der Landesversammlung des bayerischen 
Medizinalbcamtenvereins in Neustadt a. H. am 12. Juli 1914. 











626 


Br. Denrath. 


übermächtigen Faktoren gegenüber sich nicht immer oder nur 
langsam die nötige Geltung verschaffen. 

Dies gilt besonders von einem Lanclesteile, der wie die 
Rheinpfalz, wenn auch historisch und tatsächlich schon lange 
mit dem Mutterlande verbunden, doch vielfach seinen besonderen 
Werdegang hat und räumlich von diesem getrennt ist, eingekeilt 
zwischen verschiedene und verschiedenartige Gebietsteile unseres 
großen deutschen Vaterlandes, und im Laufe der Zeit nach 
vielen Kriegsläuften durchflutet wurde von mancherlei Völker¬ 
schaften, von deren Anschauungen, Sitten und Gewohnheiten 
er nicht unberührt bleiben konnte. So wirkte, um nur eines 
anzuführen, die Jahrhunderte lang dauernde unmittelbare Nach¬ 
barschaft der französischen, jetzt eisaß - lothringischen Grenze, 
der Zusammenhang und Verkehr mit den Bewohnern dieser 
Länder und deren allbekannten Gepflogenheiten, z. B. in bezug 
auf Beseitigung der Abfallstoffe und Abwasser, auch jetzt noch 
in nicht sehr vorteilhafter Weise nach, wie wir dies besonders 
bei der gemeinsamen Bekämpfung des endemischen Typhus im 
Südwesten des Reiches zur Genüge kennen gelernt haben. 
Dazu kommt, daß das Gebiet der Rheinpfalz, wie es sich seit 
nahezu einem Jahrhundert als einheitliche Provinz Bayerns 
darstellt, vor dieser Zeit und vor der vorübergehenden fran¬ 
zösischen Herrschaft in nicht weniger als 45 kleine, zum Teil 
recht kleine Herrschaftsgebiete zerfiel, und daß somit früher 
von einer einheitlichen Verwaltung, besonders auch in medizinal¬ 
polizeilicher Hinsicht bis zum Beginn des vorigen Jahrhunderts 
nicht die Rede sein konnte. 

Landschaftlich zerfällt die Pfalz in zwei ziemlich scharf 
abgegrenzte Gebiete, die Vorderpfalz und den Westrich. Als 
Vorderpfalz wird bezeichnet das östliche Vorland des Haardt¬ 
gebirges und der Vogesen bis zum Rhein, dessen äußerste 
Niederungen noch innerhalb des Ueberschwemmungsgebietes 
des Rheines liegen, das übrigens durch die in den letzten 
Jahrzehnten vorgenommenen Korrektionen des Flußlaufes gan* 
wesentlich ganz eingeengt wurde. Das bis vor 3 Jahrzehnten 
noch hier herrschende Malariafieber meist tertianen Typus ist, 
das sei hier nebenbei bemerkt, jetzt ganz daraus verschwunden. 

Fast durchweg eben, mit nur kleinen Erhebungen, ist 
dieser Teil ein fruchtbares, leicht zu bebauendes Acker- und 
Wiesenland. Die sich anschließende Hügelkette, das vordere 
Haardtgebirge genannt, stellt das eigentliche Weinland dar; 
hier ist das Gebiet der sonnigen Pfalz. Das 1500 qkm große 
Gebiet der Vorderpfalz beträgt räumlich fast genau nur den 
vierten Teil des 5928 qkm großen Gesamtgebietes der Rhein¬ 
pfalz, ist aber dicht bevölkert und fast von der Hälfte der 
Gesamtbevölkerung bewohnt. Es kommen hier rund 300 Be¬ 
wohner auf den qkm, in der Hinterpfalz nur 100, in der Gesamt¬ 
pfalz durchschnittlich jetzt 156. 

Das Land westlich vom Haardtgebirge, allgemein der 
Westrich pder die Hinterpfalz genannt, ist in der Hauptsache 



Hygienische Streiflichter aus der ( Rheinpfalz. 6Ö7 

ein vielfach zerklüftetes und zerrissenes Sandsteingebirge, mit 
meist tief eingeschnittenen Tälern, von steilen Hängen begrenzt. 
Eine einzige breitere Ausbuchtung zwischen St. Ingbert einer¬ 
seits und Göllheim anderseits, bei Landstuhl ein ausgedehntes 
Tiefmoor bildend, scheidet das eigentliche Haardtgebirge. mit 
seinen Ausläufern von dem mehr nördlichen Donnersberggebiete 
und dem nordwestlichen Hügelande an Lauter und Glan. 

Die höchste Erhebung der Pfalz, die Porphyrgruppe des 
Donnersberg, ist 688 m t das Tiefland der Vorderpfalz geht bis 
zu 90 m herab. Der mittlere Höhenzug von der Grenze des 
Haardtgebirges und westlich von der Haardt ist spärlich bewohnt 
und stark bewaldet. An Wald ist überhaupt die Pfalz sehr- 
reich; er bedeckt fast */ 5 des Gebietes. Weiter nach Westen 
wird die Bevölkerung wieder ziemlich dicht; auch ist der Boden 
hier recht fruchtbar, aber bei der Lage, vielfach an Hängen 
und bergig, mühsam zu bebauen und weniger ertragsreich als 
das Land in der Vorderpfalz. 

Mit dem Boden wechseln natürlich auch die klimatischen 
Verhältnisse. Die Blütezeit der Pflanzen beginnt in der 
Rheinebene und am vorderen Haardtgebirge 14 Tage früher als 
in den Tälern bei Zweibrücken und hier wieder fast 8 Tage 
früher als in Kaiserslautern oder in der Nordpfalz. 

Nach 30jährigem, Durchschnitte schwankt die mittlere 
Temperatur ih der Vprderpfalz zwischen 9,5 und 9,9 (Speyer, 
Landau, Grünstadt) und im Westrich zwischen 8,7 und 8,9 
(Kusel, Kaiserslautern, Zweibrücken). Die mittleren Maxima 
steigen im wärmsten Monate Juli bis 25,3 (Speyer) und 23,8 
(Kusel); die mittleren Minima gehen bis — 3,3 (Kusel) und 
— 2,0 (Speyer). Die Niederschläge sind am niedrigsten in 
der Vorderpfalz (560,2 mm in Grünstadt, 654,2 mm in Speyer), 
am höchsten in der Hinterpfalz (912,9 mm in Zweibrücken). 

In diesem Ländchen nun, begrenzt im Osten vom Rhein, 
im Süden, Westen und Norden von Elsaß-Lothringen, Preußen, 
Hessen, siedeln zurzeit nahezu eine Million Einwohner 
(Volkszählung 1910 = 937085). Eine Zählung von 1802 hatte 
für das jetzige Gebiet der Rheinpfalz 330797 ergeben. Im 
Laufe eines Jahrhunderts hat sich also die Bevölkerung um 
das Dreifache vermehrt, trotz Krieg und damaligen bösartigen 
Seuchen und trotz ausgedehnter Auswanderungen (allein in 
den Jahren 1847—1855 = 80000; 1827—1880 nach Ausgleich 
der nicht großen Einwanderung noch ein Verlust von 234980 
Personen). In gleicher Zeit wuchs Gesamtbayernnicht ganz um 
das Doppelte. Die Siedelungsdichtigkeit ist in der Pfalz 
eine viel größere als in Bayern; hier (1905) 86 Einwohner 
auf den Quadratkilometer Landes, in der Pfalz (1910) 156 
durchschnittlich, in der Vorderpfalz sogar 300. 

Es ist von vornherein ersichtlich, daß diese Bevölkerungs¬ 
dichtigkeit nicht ohne Einfluß auf die Verbreitung ansteckender 
Krankheiten sein konnte, insbesondere auf das Vorkommen des 
früher so stark verbreiteten Typhus. 



628 




Dt. Demnth. 


Die Bevölkerung, wenn auch, so weit eingesessen, in 
Vorder- und Hinterpfalz etwas verschieden geartet, zeigt im 
ganzen eine große geistige Regsamkeit, mit wenigstens in der 
Vorderpfalz meist lebhaftem Temperament und ist bei aller 
entgegenkommenden Freundlichkeit etwas stark selbstbewußt, 
in einem großen Teil der Hinterpfalz mit einem Einschlag von 
größerer Bedächtigkeit und scheinbar oft etwas geistiger Lang¬ 
samkeit, überall aber von zähem Festhalten am Althergebrachten, 
sei es in guten oder schlechten Einrichtungen. Daß irgendwo 
etwas besser oder zweckmäßiger als bei ihnen bestellt ist, 
halten sie nicht für möglich, geben es wenigstens nicht leicht 
zu. So werden z. B. noch so schlechte Brunneneinrichtungen, 
weil althergebracht, bis aufs äußerste verteidigt. „Das Wasser“, 
geschöpft oft aus dem offenen Schalenbrunnen, so traülich in 
der Nähe vbn schlecht verwahrten Mist- und Abortgruben oder 
undichten Abwässergräben liegend, „wie könne das schädlich 
wirken; es sei vielmehr ein wahres Heilwasser; von dem habe 
der Groß- und Urgroßvater getrunkeu, und die seien immer 
gesund gewesen und alt geworden.“ 

Verbesserungsvorschlägen, besonders wenn sie von Be¬ 
hörden kommen, oder gar behördlichen Anordnungen wird somit 
oft lange und hartnäckig Widerstand geleistet. Immerhin aber 
ist die Bevölkerung Belehrungen nicht unzugänglich, besonders 
wenn man es versteht, sich in ihren Gedankengang einzuleben 
und Gewolltes und Notwendiges schließlich als von ihnen selbst 
Gedachtes zu suggerieren. 

Entsprechend der Fruchtbarkeit des Landes war die Be¬ 
völkerung lange Zeit eine vorwiegend ackerbautreibende und 
ländliche. Noch im Jahre 1840 waren mehr als */„ genau 
68,37°/ 0 der Bevölkerung ausschließlich eine landwirtschaft¬ 
liche. Die Städte waren klein und in ihrem ganzen Gepräge 
nicht viel anders als größere Landgemeinden. Mit der Zunahme 
der Bevölkerung wurde das anders; der Aufschwung der In¬ 
dustrie in den letzten 4 Dezennien hat hier große Wandlung 
vollbracht. Im Jahre 1882 war die landwirtschaftliche Be¬ 
völkerung auf unter die Hälfte (46,77 °/ 0 ) zurückgegangen, 1907 
auf weniger als V, (32,15 °/ 0 ). 

Auch das konnte nicht ohne Einfluß auf den Gang und 
die Ausbreitung der Krankheiten, wie auch auf den sanitären 
Zustand des Landes im allgemeinen bleiben. Insbesondere 
konnte die Zunahme der Bevölkerung überhaupt und vorab die 
Zunahme der industriellen Bevölkerung nicht ohne Einfluß 
bleiben auf die Höhe verschiedener Krankheitsgruppen, so' be¬ 
sonders der Tuberkulose, wie wir weiterhin sbhen werden. 

Zur Verdreifachung der Einwohnerzahl im Laufe 
eines Jahrhunderts trotz großer Auswanderung trugen im 
Wesentlichen drei Umstände bei: Verhältnismäßig große 
Geburtenzahl, geringe allgemeine Sterblichkeit 
und besonders auch geringe Kindersterblichkeit. Bis 
vor nicht langer Zeit bewegte sich die jährliche Geburten- 



Hygienische Streiflichter ans der Eheinpfalz. 


629 


zahl mit Ausnahme eines Tiefstandes um die Mitte des vorigen 
Jahrhunderts zwischen rund 37 und 45°/ 0 . Der Tiefstand um¬ 
faßte die Zeit von 1851 bis. 1856 mit Zahlen von 35,88, 32,11, 
33,43, 30,13, 33,19, 34,47 °/ 00 . Es war das die Zeit, wo Tausende 
im besten Mannesalter vom Vaterlande sich verabschiedeten 
und wo auf die Zurückgebliebenen, Mißernten, politische und 
soziale Verstimmungen in gleicherweise entmutigend eingewirkt 
hatten. Dann aber ging es rasch wieder aufwärts. Die höchsten 
Zahlen wurden in den 1870 er Jahren erreicht, in der Zeit des 
nationalen und teilweise des industriellen Aufschwunges; 1870: 
4l,52 # / 0 , 1871 begreiflicherweise nur 36,23, dann aber 1872: 
43,42, 1873: 43,27, 1874: 44,31, 1875: 44,61, 1876: 45,15. Von 
da ab kam wieder stetes, anfangs schnelleres, dann langsameres 
Pallen; 1886: 37,3, 1895: 36,9, 1906: 35,6, 1907: 34,3, 1908: 
34,0, 1909: 33,0 1910: 32,0 1911: 29,7, 1912: 29,7, 1913 : 28,6 # /oo- 

Mit einigen Schwankungen waren wenigstens die Durch¬ 
schnittszahlen von denen im jenseitigen Bayern nicht allzu 
verschieden, wie dies besonders beim Vergleich der Zahlen im 
letzten Jahrzehnt zu ersehen ist: 

1900 1901 1902 1903 1904 1905 1906 1907 1908 1909 

Pfalz . . . 37,5 37,7 87,7 37,0 36,7 85,9 35,6 84,8 34,0 33,0 

Qes&mtbayem 87,9 38,3 87,9 86,7 85,7 84,6 34,6 85,0 34,0 32,2 

1910 1911 1912 1913 
Pfalz . . . 82,0 29,7 29,7 26,6 
Ges&mtbayern 81,0 — — — 

Trotz des langsamen Herabgehens der Geburten in den' 
letzten Jahren, hatte aber die Pfalz in einzelnen Bezirken 

noch recht stattliche Geburtenzahlen, besonders in Industrie¬ 
gegenden. So war nach fünfjährigem Durchschnitte (1900—1904) 
die Zahl der Lebendgeborenen im Bezirk Ludwigshafen: 46,5 °/ 00 , 
in den Bezirken St. Ingbert: 44,0, in Pirmasens: 42,7°/ 00 , 
während in anderen Bezirken schon starker Rückgang in der 
gleichen Zeit erfolgt war (Landau: 29,5; Dürkheim: 27,5°/ 00 ). 
1912 betrugen die Zahlen auch in Ludwigshafen nurmehr 32,0, 
in Pirmasens 32,0, in St. Ingbert 35,9 °/ 00 , immerhin noch die 
höchsten im Kreise bei einem Duchschnitte von 29,7 °/ 00 , während 
sie in dem genannten Landau noch weiter auf 23,9 und Dürk¬ 
heim auf23,0°/ 00 gesunken waren. 

Was nun die allgemeine Sterblichkeit betrifft, so 
war diese durchschnittlich in der Pfalz nicht übermäßig hoch 
und anscheinend immer kleiner als in Gesamtbayern. Sie betrug 
einschließlich Totgeburten in der Zeit von 1835—1860 in der 
Pfalz durchschnittlich jährlich 26 °/ 00 , in Gesamtbayern während 
dieser Zeit 29°/ 00 , 1847—1866 in der Pfalz: 24,9°/ 00 , in Gesamt¬ 
bayern: 28,8 °/ 00 , in der Pfalz weiterhin 1857—1866: 24,3 °/ 00 , 
1867—1876: 27,8 °/ 00 * Di® höhere Zahl dieses Jahrzehnts ist 
wesentlich bedingt durch die Kriegsjahre (1870 letztes Viertel¬ 
jahr: 30,38 V und 1871: 31,47 °/ 00 ). 1877—1883 war die Sterb¬ 
lichkeitsziffer in der Pfalz: 25,4°/ 00 , 1886—1890: 22,37°/ 00 . 



630 


Dr. Demuth. 


Für die neuere Zeit hatte die Pfalz verglichen mit Bayern 
(s. auch graphische Darstellung I auf S. 631) folgende Sterbe¬ 
ziffern (ausschließlich Totgeborene): 

1890 1891 1892 1893 1894 1895 1896 1897 1898 1899 
Pfalz . . . 22,4 21,7 21,2 22,7 20,1 20,5 19,0 19,6 19,4 1 8,9 

Gesamtbayern 27,3 27,4 27,2 27,8 25,0 27,8 23,0 24,5 23,8 24,2 

1900 1901 1902 1903 1904 1905 1906 1907 1908 1909 
Pfalz . . . 19,9 18,7 19,0 18,9 18,8 18,6 18,0 17,0 17,0 16,0 

Gesamtbajern 25,3 23,2 22,6 23,6 22,5 22,5 21,3 21,0 21,0 20,0 

1910 1911 1912 1913 
Pfalz . .. . 15,0 16,5 13,5 13,4 

Gesamtbayern 19,Q 20,5 — — 

Auf das stetige Herabgehen der Sterblichkeitsziffer brauche 
ich nicht näher einzugehen; es gilt dies ja nicht nur für die 
Pfalz und für Bayern, sondern auch mehr oder minder für alle 
Kulturländer und ist die Folge der zunehmenden besseren 
Lebenshaltung, der Besserung aer Lebensbedingungen, nicht 
zum mindestens Folge des Fortschrittes der Hygiene und auch 
der Segnungen der sozialen Gesetzgebung. Wenn aber, wie 
aus den Zahlen und der Kurventafel ersichtlich ist, die Sterb¬ 
lichkeit in der Pfalz stets niederer bleibt als in Gesamtbayern 
so dürfte dies doch noch besondere im Lande selbst und den 
Gepflogenheiten seiner Bewohner liegende Ursachen haben. 
Zum Teile allerdings muß diese Erscheinung dadurch erklärt 
werden, daß, wie wir dies gleich nachher sehen werden, bei 
uns in der Pfalz die Kindersterblichkeit gegenüber Bayern stets 
eine niedrigere gewesen ist. 

Es genügt dies aber nicht» um die Differenz durchweg zu 
erklären. Die günstige allgemeine Sterbeziffer bei uns dürfte 
vielmehr weiterhin zu suchen sein in der Gunst des Landes, 
den guten klimatischen Verhältnissen mit genügenden, aber 
nicht übermäßigen Niederschlägen und geringeren Temperatur¬ 
schwankungen, in dem reichen ertragsfähigen Boden und damit 
vor allem in einer genügend reichlichen und dabei meist vor¬ 
wiegend vegetabilischen Ernährungsweise. Gerade in dem 
letzteren Punkte möchte ich ein besonderes Moment der Zäh- 
lebigkeit unserer Bevölkerung erblicken. Die Ernährung des 
pfälzischen Volkes muß in der Vorderpfalz wie im Westrich 
durchweg als eine gute und sicherlich trotz der hervorgehobenen 
vorwiegend vegetabilischen Ernährungsweise als wenigstens 
physiologisch genügend bezeichnet werden. Der Fleischgebrauch 
tritt nicht so sehr in den Vordergrund. Die Durchschnittszahlen 
des Fleischverbrauches sind niedriger als in Bayern; 1907 
kamen im Durchschnitt jährlich auf den Kopf in der Pfalz 
38,19 kg, in Bayern 47,50 kg. Wenn man, wie ich es vor 
Jahrzehnten oft genug getan habe, die Nahrung der pfälzischen 
Bevölkerung, besonders der arbeitenden, ländlichen wie 
städtischen, untersucht, so findet man fast durchweg genügenden 
Kalorienwert. Ich fand Brutto-Kalorienwerte sogar bis zu 
4006 (Netto 3712); nur selten und ausnahmsweise sanken diese 




Hygienische Streiflichter aus der RMnpfalz 


I. Allgemeine StBrbilchJcQlt in der Pfalz und ln Gesamtbayers 
Es starben auf je 1000 Einwohner: 


11. RindBrsterbilciikeitlin der Pfalz, in Gesarotbayem nnd Is Deutschland. 
Cs starben von je too Lebendoeboreneii Im ersten Lebensjahre: 







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632 


Dx. Demuth. 


Werte auf 2474 (bezw. 2293) Kalorien. Die prozentuale Be¬ 
teiligung des Eiweißes im Kaloriengehalt der Nahrung schwankte 
dabei Netto zwischen 13,1 und 18,3*70, hierbei ist der An¬ 
teil an animalischem Eiweiß, Milch und Käse ausgenommen, 
meist nicht hoch. Die Fälle mit zu geringen Eiweißmengen, 
unter 90 g brutto (netto 75) waren selten; nicht häufig auch 
die Fälle, wo die Nahrung weit über 100 g hinaus an 
Eiweiß enthielt; es dürfte diese Beobachtung, und dafür bin 
ich bereits auf der Naturforscherversammlung in Nürnberg 1893 
in einem Vortrage über den Eiweißbedarf des Menschen auf 
Grund dieser Erfahrungen eingetreten, recht wohl dafür ver¬ 
wertet werden können, daß an der früher von V o i t ange¬ 
nommenen und lange zum Teil in mißverständlicher Auffassung 
von Voits Lehren als notwendig gehaltenen Eiweißmenge von 
durchschnittlich 118 g nicht festzuhalten sei, unter der Voraus¬ 
setzung, daß der resorbierbare Gesamtkalorienwert nicht wesent¬ 
lich oder dauernd unter 3000 sinkt. Bei dieser vorwiegend 
vegetabilischen und durchschnittlich nicht allzu eiweißreichen 
Nahrung sieht man die Bevölkerung der Pfalz nicht nur gesund, 
sondern auch arbeitstüchtig und arbeitslustig; arbeitstüchtig 
und arbeitslustig ist und war aber von je die pfälzische Be¬ 
völkerung. Fröhliche Pfalz! Fröhlich nicht nur bei Festen, 
sondern auch fröhlich bei der Arbeit. 

Allzu großer Wert auf die animalische Nahrung wird 
eigentlich nur noch von einem Teil der Industriebevölkerung 
gelegt, vielfach aus mißverständlicher Wertschätzung und mi߬ 
verständlicher oft unbegreiflicher Nachahmungssucht der Lebens¬ 
weise Bessergestellter, zum Teil auch aus Mangel an Zeit für 
das Kochgeschäft, Bequemlichkeit und Unerfahrenheit mancher 
Hausfrauen, zumal die Zubereitung einer nahrhaften vorwiegend 
vegetabilischen Kost mehr Mühe, Sorgfalt und Zci\ erfordert, 
während manche Fleischnahrung schon gebrauchsfertig bezogen 
werden kann. Doch ist auch hier schon Wandlung zum Besseren 
geschehen, da die Frauen nicht mehr in gleichem Maße wie 
früher zur Arbeit und zum Verdienst außer dem Hause heran¬ 
gezogen zu werden brauchen und die in zunehmender Weise 
überall einsetzenden Kochkurse die Kenntnisse über gute Koch¬ 
weise und rationelle Ernährung zu verbreiten wissen. Ein 
Uebriges tun auch nach dieser Richtung die hohen Fleischpreise, 
während der Bezug von in der Pfalz reichlich und vorzüglich 
wachsenden vegetabilischen Nahrungsmitteln sehr erleichtert 
ist; ich darf hier nicht die billigen, vorzüglichen Pfälzer Kar- 
. toffeln vergessen, die für viele einfache Landleute tagelang ohne 
Abwechslung mit teuerem Fleisch, unter Hinzufügung von selbst¬ 
produzierter Milch oder Käse, eine ausreichende und bekömmliche 
Ernährungsweise bilden, während man anderseits beobachten 
muß, daß in Familien mit nicht hohem Einkommen, bei der 
bevorzugten vorwiegenden Fleischnahrung auf die Dauer nicht 
die genügende Kalorienmenge dem Körper zugeführt wird. 
Gerade dieser Umstand, die Tatsache des Mißverhältnisses 



Hygienische Streiflichter atu' der Bheinpfalz. 


683 


zwischen genügenden Einkommen und den hohen Pleischpreisen 
veranlaßt mich, es laut zu betonen, daß der größte Teil 
der pfälzischen Bevölkerung sich in genügender 
Weise mit vorwiegend vegetabilischer Nahrung 
ernährt und ernähren kann und dabei gesund und 
leistungsfähig bleibt. 

Dazu kommt, obgleich vielfach die entgegengesetzte An¬ 
nahme verbreitet ist, daß die pfälzische Bevölkerung im allge¬ 
meinen, was den Alkoholgenuß betrifft, eine nüchterne ist 
und Alkoholmißbrauch nicht allzu oft beobachtet wird. 
Der Durchschnitt der Bevölkerung huldigt zwar häufig genug 
einem regelmäßigen, aber nur mäßigen Alkoholgenuß im Gebrauch 
eines guten, der Gesundheit zuträglichen Weines; dies gilt 
nicht nur von der Hinterpfalz, sondern auch von der Vorder¬ 
pfalz, der Region der ausgedehnten Weingefilde. Nur ausnahms¬ 
weise sieht man hier, so vielleicht bei der reinen Winzer¬ 
bevölkerung, den Quantitäten huldigen, allerdings bei einem 
Weine, der als „Haustrunk“ für diese Zwecke besonders her¬ 
gerichtet, nicht allzu alkoholreich ist und der getrunken wird 
während anstrengender Arbeit, in Sonne, Luft und Licht. So 
kommt es, daß auch der Nachteil der hier beliebten Quantitäten 
nicht so augenfällig wird, wie dies seinerzeit .verschiedene 
Statistiken pfälzischer Aerzte (Kaufmann, Schäfer) nachzu¬ 
weisen versuchten. 

Die Ab st in enzbe wegungen finden somit auch in der 
Pfalz keinen besonderen Boden; es bedarf auch dessen nicht. 
Die Hygiene braucht nach meiner Meinung und nach meinen 
Erfahrungen bei dem normalen Menschen, normal an Geist und 
Körper, die Abstinenz nicht zu predigen, umsomehr aber die 
Temperenz; dieser huldigt der Pfälzer jedoch schon von jeher 
in der gesunden Auffassung, daß ein Gläschen guten Weines, 
auch regelmäßig getrunken, der Gesundheit keinen Abtrag 
bringe, sondern diese nur fördere. Also in der Gunst des 
Klimas, der Fruchtbarkeit des Bodens und somit einer ermög¬ 
lichten guten und im allgemeinen richtigen Ernährungsweise 
sowie in dem mäßigen, wenn auch manchmal regelmäßigen, 
dem Körper in seiner geringen Menge nicht zum schädigenden 
Ballast werdenden gesunden alkoholischen Getränkes und be¬ 
sonders auch in der Regsamkeit der Bewohner möchte ich im 
allgemeinen die Gründe einer stetig geringeren Sterblichkeit 
bei uns suchen. 

Was nun die Kindersterblichkeit betrifft, so kann 
auch diese in der Pfalz nicht als hoch bezeichnet werden; sie 
ist insbesondere wesentlich niederer als in den anderen 
bayerischen Regierungsbezirken. Die Zahl der Kinder, die, auf 
je 1000 Einwohner berechnet, das erste Lebensjahr überlebten, 
schwankte in der Pfalz in dem Zeitraum von 1835—1904 
zwischen 31 und 34. Zum Vergleich führe ich die diesbezüg¬ 
lichen Zahlen für die jenseitigen Kreise Bayerns an: 



634 


Dr. Demuth. 


Oberbayern .... 20—26- Mittelfranken . . . 22—30 

Niederbayern . . . 21—28 Unterfranken . . . 24—82 

Oberpfalz .... 28—31 Schwaben .... 22—29 

Oberfranken . . . 24—31 

Es starben von je 100 Lebendgeborenen im ersten Lebens¬ 
jahre in der Zeit von 1876—1885 in der Pfalz durchschnittlich 
17,7 mit Schwankungen von 12,8 bis 24,6, und in Gesamtbayern 
in der gleichen Zeit durchschnittlich 29,3 mit Schwankungen 
bis zu 48,4. Für die Zeit von 1886 bis 1906 betrugen die 
Schwankungen in der Pfalz zwischen 12,3 und 24,7, während 
in Qesaratbayern diese Schwankung bis 45,8 hinaufging. 

Was die neuere Zeit betrifft, so starben von je 100 Lebend¬ 
geborenen im ersten Lebensjahre (siehe auch graphische Dar¬ 
stellung II auf S. 631): 



1890 

1891 

1892 

1898 

1894 

1895 

1896 

1897 

Pfalz .... 

18,8 

17,4 

17,5 

17,9 

15,9 

18,2 

15,8 

18,0 

Gesamtbayern . 

27,4 

27,4 

27,4 

26,9 

26,6 

27,8 

23,2 

26,4 


1898 

1899 

1900 

1901 

1902 

1903 

1904 

1905 

Pfalz .... 

18,4 

16,8 

18,0 

15,9 

16,9 

16,7 

16,9 

16,6 

Gesamtbayern . 

25,9 

25,1 

27,8 

23,9 

23,3 

25,0 

23,9 

24,1 

Deutsches Beich 

— 

— 

— 

20,7 

18,3 

20,4 

19,6 

20,5 


1906 

1907 

1908 

1909 

1910 

1911 

1912 

1913 

Pfalz . . . . 

16,6 

15,6 

15,9 

14,7 

13,9 

16,9 

18,5 

13,4 

Gesamtbayern . 

22,7 

22,0 

21,7 

21,7 

20,2 

— 

,- 

— 

Deutsches Beich 

18,5 

17,6 

17,8 

17,0 

16,2 

— 

— 

— 


Die Pfalz hat also weit zurück eine verhältnismäßig 
niedrigere Sterblichkeit, so weit zurück, als dies zu verfolgen mir 
möglich war. Die Kindersterblichkeit ist hier fortgesetzt nicht 
bloß niedriger als in Gesamtbayern, sondern auch, wie wir dies 
beim Vergleich in den Jahren 1901 bis 1910 ersehen, auch 
ständig günstiger als in ganz Deutschland. Das muß seine 
besonderen Gründe haben. Der Hauptgrund ist darin 
zu erblicken, daß in der Pfalz mehr wie sonst die Uebung 
besteht, die Kinder an der Mutter Brust zu nähren. 
Wir haben mit kleinen Schwankungen fast überall über 90°/o, 
nirgends unter 84,5°/ 0 Brustkinder; in einigen Bezirken sind 
es fast alle — Kirchheimbolanden: 97,69°/ 0 , Rockenhausen 
sogar 98,4 °/ 0 . Vielfach allerdings ist solche Ernährung nur 
für kürzere Zeit möglich; als Ersatznahrung ist dann aber meist 
Kuh- oder auch Ziegenmilch üblich, die wenigstens in den länd¬ 
lichen Bezirken, mehr in der Hinter- wie in der Vorderpfalz, 
in guter Qualität leicht zu beschaffen ist. 

Die niedrigste Kindersterblicheit unter den pfälzischen Be¬ 
zirken haben wir in der Hinterpfalz, so z. B. in Kirchheimbolanden 
(1913: 10,7 °/ 0 ) und Rockenhausen (1913: 10,8°/o)> selbst in den 
Industriestädten der Hinterpfalz ist die Sterblichkeit geringer 
(St. Ingbert 1913: 12,12°/ 0 , Pirmasens: 13,8°/ 0 ) als selbst in 
ländlichen Bezirken der Vorderpfalz (Germersheim: 15,5 # / 0 ). 

In der Vorderpfalz ist die Kindersterblichkeit fast durch¬ 
weg größer, besonders in den größtenteils in oder an den Rhein- 



Hygienische Streiflichter aas der Eheinpfalz. 685 

niederungen gelegenen Bezirken Germersheim, Speyer, Ludwigs¬ 
hafen, Frankenthal. Hier summieren sich mit der wärmeren 
Lage und den im Sommer häufig genug recht schwülen Tagen 
die Nachteile der Industriestädte: erschwertere Beschaffung 
guter Milch und vielfach beengte Wohnungen. So darf es 
nicht Wunder nehmen, daß diese Bezirke fortgesetzt den 
höchsten Prozentsatz der Kindersterblichkeit in der Pfalz 
zeigen: Speyer im fünfjährigen Durchschnitt 1900—1904 noch 
den höchsten mit 25°/ 0 , auch 1912 noch den höchsten mit 
17,75 °/ 0 , und Ludwigshafen (1900—1904 noch 22,2 °/ 0 ) 1913 mit 
Frankenthal (1900 — 1904: 18,4°/ 0 ) den höchsten mit jetzt 16,3°/ 0 
und dies, obwohl man nicht sagen kann, daß hier die Still¬ 
fähigkeit der Frauen wesentlich geringer ist als durchschnittlich 
im Westrich; betrug diese doch für Ludwigshafen im Jahre 
1913: 95,0 °/ 0 . Germersheim hat zwar gleichfalls eine hohe 
Kindersterblichkeit (1900—1904: 19,3 °/ 0 , 1913: 15,5 °/ 0 ), die sich 
jedoch den vorgenannten Bezirken gegenüber etwas niedriger 
stellt; der Bezirk liegt unter ähnlichen klimatischen Verhält¬ 
nissen wie die vorgenannten Bezirke; er hat keine wesentliche 
Industrie, meist ländliche Verhältnisse mit erleichtertem Milch¬ 
bezug, Stillfähigkeit der Frauen (1913: 97 °/ 0 ). Hier kann nur 
die weniger günstige klimatische Lage und damit die leichtere 
Verderblichkeit der Milch als ein die Kindersterblichkeit un¬ 
günstig beeinflussender Faktor wirken, zumal die übrige Pflege 
der Kinder keine von den im ganzen guten Pflegegewohnheiten 
in der Pfalz abweichende ist. 

Wir sehen also, daß die Höhe der Kindersterblichkeit in 
der Pfalz im wesentlichen beeinflußt ist einmal durch die Höhe 
der Stillfähigkeit der Frauen, dann aber auch durch die er¬ 
leichterte Möglichkeit der Beschaffung und Erhaltung einer 
guten Kindermilch. Aus diesen Erfahrungen heraus erwuchs für 
uns das Bestreben in der Säuglingsfürsorge, die ja auch in 
der Pfalz recht intensiv in all ihren Formen, hier mehr, dort 
weniger ausgeübt wird, auch die Einrichtung von Milch¬ 
kühen zu betreiben zur erfolgreichen weiteren Verminderung 
der Kindersterblichkeit, hauptsächlich in der Vorderpfalz und in 
den Industriebezirken der Pfalz. Gern geben wir der bayerischen 
Zentrale für Säuglingsfürsorge zu, daß es vor allem darauf an¬ 
kommt, die Frauen zum Stillen ihrer Kinder zu erziehen; dies 
geschieht jedoch bei uns schon ausgiebig; denn höher hinauf 
als bis zu 97 und 98°/ 0 Stillfähigkeit werden wir die Frauen 
kaum bringen. Deshalb gilt es, auch für die Kinder zu sorgen, 
die nicht oder nicht lange genug an der Mutterbrust ernährt 
werden können. Das ist der Grund, warum wir in der Pfalz 
soviel Wert auf die Errichtung von Milchküchen legen; wir 
hoffen, daß dies auch in Zukunft geschehen kann und hoffen 
weiter, daß auch die bayerische Zentrale für Säuglingsfürsorge 
diese Notwendigkeit für uns in der Pfalz anerkennen möge. 

Es war mir bis jetzt möglich, einige Lichtseiten in 
den gesundheitlichen Verhältnissen und Ergebnissen der Pfalz 



636 


Dr. Demuth. 


vor Augen zu führen; allein wir haben hier nicht nur Licht, 
wir haben auch Schatten. Wenn auch die allgemeine Sterb¬ 
lichkeit und insbesondere die Kindersterblichkeit bei uns nicht 
ungünstig und fortgesetzt niederer ist als in Gesamtbayern, 
so ist dies anderseits nicht in gleicher Weise der Pall bezüg¬ 
lich der Infektionskrankheiten und insbesondere bezüglich 
zweier Infektionskrankheiten, deren Vorkommen in der Pfalz 
ich kurz vorzuführen gedenke und die vielfach als Gradmesser 
guter oder schlechter hygienischer Verhältnisse und Einrich¬ 
tungen angesehen zu werden pflegen. Ich meine die Tuber¬ 
kulose und den Typhus; beide Krankheiten sind in der 
Pfalz stark verbreitet gewesen und sind es zum Teil auch jetzt 
noch, ja das Vorkommen des Typhus mußte bei uns geradezu 
als endemisch bezeichnet werden. 

Bezüglich der Tuberkulose ist zu bemerken, daß sie 
bis in die jüngste Zeit, trotz erfreulichen Rückgangs, wie über¬ 
all so auch in der Pfalz, noch häufiger vorkommt als in 
Gesamtbayern und damit auch in Gesamtdeutschland. Das 
Jahr 1888 zeigt uns in der Pfalz eine Sterblichkeit 
von 37 und in Gesamtbayern von 33 und in Deutsch¬ 
land von 31 auf je 10000 Einwohner. Bis zum Jahre 1906 
sind diese Zahlen zurückgegangen in der Pfalz auf 29,5, in 
Gesamtbayern auf 26,6 und in ganz Deutschland auf 19. 
Zwischen Bayern und der Pfalz war also eine Spannung von 
4 bezw. 2,9 auf 10000 Einwohner, zwischen Gesamtdeutschland 
und Pfalz sogar eine Spannung von 6 bezw. 10,5. Im Jahre 
1910 betrugen die Zahlen für die Pfalz: 23,1 und für Gesamt¬ 
bayern: 22,3; die Spannung betrug also nur noch 0,8 °/ 000 . In 
der Pfalz ist die Sterblichkeit bis zum Jahre 1913 noch weiter 
zurückgegangen auf 18,8 °/ooo* 

Folgendes sind die vergleichenden Ziffern zwischen Pfalz 
und Gesamtbayern (s. auch die graphische Darstellung III auf 
S. 637): 



1888 

1889 

1890 

1891 

1892 

1893 

1894 

1896 

Pfalz . . . 

37,1 

39,9 

39,30 

86,95 

33,12 

34,87 

84,24 

35,87 

Gesamtbayern 

83,4 

31,64 

88,68 

32,91 

80,97 

81,45 

81,16 

31,18 


1896 

1897 

1898 

1899 

1900 

1901 

1902 

1903 

Pfalz . . . 

81,91 

83,28 

30,19 

29,9 

80,76 

81,24 

81,13 

30,6 

Gesamtbayern 

29,62 

80,23 

28,14 

28,4 

28,87 

28,70 

27,9 

27,8 


1904 

1905 

1906 

1907 

1908 

1909 

1910 

1911 

Pfalz . . . 

30,24 

29,78 

29,66 

26,1 

25,4 

24,4 

28,1 

22,2 

Gesamtbayern 

27,31 

28,42 

26,66 

26,0 

24,8 

23,4 

22,8 

— 


1912 1913 

Pfalz ... 20,6 18,8 
Gesamtbayern — — 

Die hauptsächliche Ursache des lange Zeit hindurch über¬ 
wiegenden Vorkommens der Tuberkulose in der Pfalz gegenüber 
Gesamtbayern ist m. E. zu suchen in der stärkeren industriellen 
Entwicklung und dem verhältnismäßig rasch erfolgten Uebe» 
gang von einem vorwiegend agrarischen zu einem Industrie- 






Hygienische Streiflichter ans der Eheinpfalr. 


Vas Je iSööö Einwohnern starben an Tuberkulose in der Pfalz und ln 
Gesamtbajern In den «Jahren 1888 bis 1813: 


IV. iTyphus - Sterblichkeit ln der Pfalz auf je lOQiOöO Einwohner 
für die Zeit von 1878 bis 1913. 




















638 . . i : - 1. £>r. Itemuth. 

YOlke, Sowie in der daraus resultierenden rasch zunehmenden 
Wohnungsdichtigkeit, da die Errichtung von Wohnungen nicht 
gleichen Schritt halten konnte mit der großen, in den Industrie¬ 
zentren sich sammelnden Arbeiterbevölkerung. Die Wohnungs¬ 
schäden mußten sich um so mehr zeigen, als zur Zeit der 
stärksten Entwicklung der Industrie in der Pfalz infolge der 
lange noch geltenden freieren französischen Gesetzgebung noch 
keine Bauordnung wie in Bayern bestand — wir erhielten eine 
solche erst im Jahre 1901 — und auch keine eigentliche 
Wohnungsauf sicht, die erst jetzt auch bei uns in segensreicher 
Weise gehandhabt wird. Solange die agrarische Bevölkerung, 
wie ich dies bereits eingangs bemerkt habe, in der Mehrzahl war, 
konnte nur ausnahmsweise von einer starken Wohnungsdichtig¬ 
keit gesprochen werden; die Wohnungsverhältnisse waren ira 
allgemeinen gut und wenigstens räumlich genügend, wenn sie 
auch sonst oft manches zu wünschen übrig ließen. Demgemäß 
ist und war das Vorkommen der Tuberkulose am stärksten in 
den größeren Industriestädten Frankenthal, Pirmasens, Ludwigs¬ 
hafen, St. Ingbert, auch in Speyer und fernerhin in ; einigen 
wenn auch mehr ländlichen Bezirken mit starker Steinhauer¬ 
industrie wie Dürkheim (Grethen, Hardenburg), Rockenhausen 
und Kusel. 

War nun auch vorher schon allgemein ein geringer Rück¬ 
gang erfolgt infolge Besserung der allgemeinen Verhältnisse 
besonders der zunehmenden Wohnungsfürsorge und als Wirkung 
der sozialen Gesetzgebung, so erfolgte doch der stärkere Rück¬ 
gang der Tuberkulose erst von der Zeit ab, als man begann, 
in zielbewußter Weise den neuzeitlichen Kampf auch gegen 
diese Krankheit allgemein aufzunehmen. Dieser Kampf ist in 
der Pfalz durch das Zusammenwirken der Aerzte, der privaten 
und der Amtsärzte, in zunehmender Weise ein allgemeiner ge¬ 
worden ; es gibt nur noch vereinzelte Teile der Pfalz, wo nicht 
in rühriger Weise die Tuberkulose-Fürsorge betrieben wird. 
Durch Vorträge der Aerzte und Aufklärung über das Wesen, 
die Natur und die Verhütung der Krankheit sowie durch 
Demonstrationen in einem Wandermuseum, bei dem die Aerzte 
bereitwillig sich zur Verfügung stellten, ist auch die Bevölke¬ 
rung zur Mitwirkung in diesem Kampfe aufgerüttelt. Es ist eine 
prächtige Lungenheilstätte entstanden; es sind Fürsorgestellen, 
eine Walderholungstätte, Isolierabteilungen in den Kranken¬ 
häusern errichtet; auch die Kinderheilstätte in Dürkheim, die 
Genesungsheime in Landstuhl und Waldhaus bei Edenkoben 
und die Ferienheime für die Volksschüler darf man mit Bezug 
auf ihre prophylaktische Wirkung hierher rechnen. Auch den 
einzelnen Wohnungen wurde nach Schaffung der Fürsorge¬ 
stellen mehr Aufmerksamkeit gewidmet. Der Einrichtungen 
sind noch lange nicht genug; aber wir dürfen wohl hoffen, daß 
schon infolge des bis jetzt Geschehenen und Möglichen die 
Sterblichkeitsziffern, die trotz ihres Rückganges noch kein Ruhmes¬ 
blatt für die Pfalz bedeuten, weiterhin stetig zurückgehen 



Hygienische Streiflichter aas der ßheinpfalz. 


669 


werden, besonders wenn der bisher entfaltete Eifer der Aerzte 
und Behörden in den Bekämpfungsmaßnahmen nicht nach- 
lassen wird. 

Die andere Infektionskrankheit, über die ich noch einige 
Worte sprechen möchte, ist der Typhus, der in der Pfalz 
von jeher sehr verbreitet gewesen zu sein scheint. Nach den 
älteren, allerdings bezüglich der Diagnose der Erkrankung nicht 
ganz einwandfreien Aufzeichnungen starben in den 1860er und 
zu Anfang der 1870er Jahre, also in der Zeit vor und nach dem 
großen Kriege jährlich 447 d. h. 72 von je 10000 Einwohnern 
in der Pfalz an Typhus, in den Jahren 1872/75 waren es 
jährlich 61,8°/ 000 . Zuverlässigere Angaben über Morbilität und 
Mortalität sind erst seit 1875 vorhanden, nachdem seit diesem 
Jahre auf Anregung des damaligen Kreismedizinalrates der 
Pfalz mit Hilfe der Bezirksärzte und dem Vereine der pfälzi¬ 
schen Aerzte soviel wie möglich — vor dem Jahre 1891 be¬ 
stand ja keine Anzeigepflicht der einzelnen Erkrankungen — 
dem Vorkommen des Typhus nachgegangen worden ist. Die 
Zahlen für die einzelnen Jahrgänge seit dieser Zeit sind in der 
nachstehenden Tabelle (s. S. 640) enthalten; siehe außerdem die 
graphische Darstellung auf S. 637. 

An Maßnahmen zur Bekämpfung dieser Krankheit 
hat es bei uns wohl nie gefehlt. Bezüglich der Art der Be¬ 
kämpfung sind aber zwei Zeiträume zu unterscheiden, die durch 
das Jahr 1903 voneinander getrennt sind. 

Die Maßregeln, die in den Jahren 1875 bis 1903 zur 
Bekämpfung des Typhus getroffen wurden, beruhten großen¬ 
teils und anfangs ausschließlich auf der herrschenden lokalisti- 
schen, durch die Pettcnkofersehe Schule vertretenen Auf¬ 
fassung über die Epidemiologie der 'Krankheit. Zwar ist in 
der Pfalz in Wort und Schrift schon frühzeitig die Ansicht ge¬ 
äußert worden, daß durch jene Anschauung allein die Ver¬ 
breitung des Typhus bei uns sich nicht erklären lasse; ins¬ 
besondere wurde an der Hand von Epidemien zu Ende der 
1880er Jahre ziemlich scharf dafür eingetreten, daß der Typhus 
in nicht wenigen Fällen auch durch Kontakt sich zu über¬ 
tragen scheine. Aber die Annahme, daß das Typhusgift nicht 
oder wenigstens nur ausnahmsweise reif und zur Ansteckung 
tüchtig den erkrankten Mensch verlasse und so zur unmittel¬ 
baren Ansteckung Anlaß gebe, daß es vielmehr eine ektogene 
Umwandlung zur virulenten Reife durchmachen müsse, war 
doch so stark verbreitet und eingewurzelt, daß sie durch¬ 
greifende Maßnahmen im jetzigen Sinne nicht aufkommen ließ. 
Die Maßnahmen waren daher auch in erster Linie auf möglichste 
Verbesserung der Wohnungen, der Abort- und Abwasserverhält- 
nisse, auf die Sorge für gutes Trink- und Nutzwasser gerichtet; 
nach dieser Richtung war in der Pfalz bereits vor dem 
Jahre 1903 so manches geschehen. Schon unter diesen all¬ 
gemeinen Assanierungsbestrebungen allein, in Verbindung mit 



640 


Dr. Denrath. 


V: TyphuS'Erkrankungeh In der Pfalz während der Jahre 1876—1913. 


Jahr 

Angezeigt bezw. 
bekannt gewordene 
Typhus-Erkrankungen 

Auf je 100000 Einwohner in der Pfalz. 

sind erkrankt 

sind gestorben 

1876 

421 

66 

88,0i 



1877 

560 

87 

36,0 



1878 

657 

103 

25,0 

• 1876/80: 

32,9 

1879 

767 

114 

38,0 


1880 

833 

122 

29,0J 



1881 

546 

80 

23,Ol 



1882 

414 

62 

23,0 



1883 

622 

92 

26,0 

•1881/85: 

22,9 

1884 

606 

89 

24,0 


1885 

510 

75 

19,0J 



1886 

736 

106 

19,0] 



1887 

761 

109 

18,5 



1888 

539 

77 

14,0 

1886/90 : 

15,6 

1889 

733 

106 

17,0 



1890 

560 

78 

10, lJ 



1891 

567 

78 

13,9] 



1892 

1017 

189 

18,5 



1893 

720 

99 

18,6 

•1891/95: 

14,9 

1894 

547 

75 

13,9 


1895 

505 

65 

11,5J 



1896 

312 

40 

9,2] 

l 


1897 

1898 

297 

572 

38 

73 

7.5 

8.6 

1896/1900 

t - O A 

1899 

363 

47 

6,5 



1900 

872 

45 

7,6J 

1 


1901 

296 

37 

7,6] 



1902 

197 

24 

7,0 



1903 

881 

46 

6,2 

• 1901/05: 

6,6 

1904 

924 

104 

6,7 


1905 

677 

65 

4,9J 



1906 

385 

45 

3,8i 



1907 

253 

28 

’ 3,2 



1908 

234 

26 

3,1 

1906/10: 

3,0 

1909 

138 

15 

1,9 



1910 

153 

16 

1,»J 



1911 

202 

21 

2,t 

| 


1912 

174 

18 

1,5 

J1911/13: 

1,8 

1913 j 

140 

15 

1,9 



dem gleichzeitigen Einfluß der Besserung aller Lebens Verhält¬ 
nisse und der gesamten Lebenshaltung während de^ letzten 
Viertels des vorigen Jahrhunderts und mit dem auch nach 
dieser Richtung nicht gering anzuschlagenden Einflüsse der 
sozialen Gesetzgebung und der Krankenfürsorge mit der er¬ 
leichterten Möglichkeit der Unterbringung der Erkrankten in 

f ut eingerichtete Krankenhäuser hatte, wie dies auch die 
ahlen der Morbilität und Mortalität in der Uebersicht zeigen, 
der Typhus in der Pfalz bereits vor dem Jahre 1903 einen, 
wenn auch nicht immer stetigen, doch schon ziemlich starken 
Rückgang erfahren, ohne besondere polizeiliche Maßnahmen ira 
engeren Sinne. Soweit derartige Maßnahmen überhaupt an- 
geordne wtaren> waren sie bei der unsicheren und noch ge- 







Hygienische Streiflichter ans der Rheinpfalz. 


641 


ringen Kenntnis von dem wirklichen Wesen des Ansteckungs¬ 
stoffes und weiterhin auch nach der Entdeckung des E b e r t h - 
sehen Bacillus mangels genaueren Einblickes in seine Biologie 
und besonders in sein Verhalten in epidemiologischer Beziehung 
keineswegs systematisch, zielbewußt und durchgreifend. So 
wagten sich lange Zeit Vorschriften über die Absonderung der 
Typhuskranken entsprechend der herrschenden Ansicht über 
die Nichtkontagiosität der Erkrankungen nur schüchtern an 
das Tageslicht. Sah man doch in damaliger Zeit nicht selten 
sogar in Krankenhäusern und Kliniken die an Typhus Er¬ 
krankten mit anderen Kranken im gleichen Raume untergebracht. 
Etwa geübte Desinfektionsmaßnahraen waren jedenfalls äußerst 
unvollkommen. Eine Vernichtung des Typhusgiftes an der 
Quelle, am Orte seiner Entstehung konnte übrigens schon 
um deswillen nicht durchgeführt werden, weil man diese 
Quellen anderswo wähnte, als wo sie allein waren: beim 
infizierten Menschen und dessen Abgängen. Immerhin waren 
die damaligen Assanierungsbestrebungen und Verbesserungen 
der gesundheitlichen Verhältnisse überhaupt größtenteils auf 
das Bestreben zurückzuführen, das Typhusgift wenigstens von 
Menschen fernzuhalten. 

Im Laufe der Zeit hatte sich übrigens auch bei unseren 
Aerzten die Erkenntnis der von Robert Koch als richtig er¬ 
kannten Tatsache durchgerungen, daß nur im Menschen das 
Typhusgift gedeihe und zwar bis zur virulenten Reife ohne 
noch weiterhin eines ektogenen Reifungsprozesses zu bedürfen, 
und daß nur vom Menschen'die Verbreitung des Typhus aus¬ 
gehe, sei es durch unmittelbaren Kontakt, sei es mittelbar erst 
auf dem Umwege durch infizierte Nahrungsmittel, Wasser, Milch, 
Gebrauchsgegenstände usw. Als daher im Jahre 1903 die 
Typhusbekämpfung in der Pfalz durch den Anschluß an 
die gemeinsame Bekämpfung im Südwesten des Reichs 
in eine Phase trat, in der nicht nur die allgemeinen Assanierungs¬ 
bestrebungen betrieben wurden, sondern vor allem auch und in 
erster Linie das Typhusgift am Orte seiner Entstehung vernichtet 
werden sollte — wesentlich nach Bestimmungen wie sie jetzt 
für das ganze Königreich gelten und auf die ich daher auch, weil 
bekannt, nicht näher hier einzugehen brauche, — gab es unter den 
Aerzten der Pfalz nur noch wenige eingefleischte Vertreter der 
älteren Pettenkofersehen Anschauungen über die Epidemio¬ 
logie der Erkrankung. Die angeordnete moderne Bekämpfungs¬ 
weise, deren Angriffspunkt also in erster Linie der infizierte 
Mensch ist, seine Umgebung und alles, wohin auf irgendeine 
Weise die nur vom Menschen herrührenden Krankheitserreger 
gelangen, fand somit, trotz einiger Schwierigkeiten in der 
Durchführung im ganzen rasch Anklang bei den Aerzten. 

Die sich ergebenden Schwierigkeiten lagen nur noch bei 
einem Teile der Bevölkerung, besonders auf dem Lande, wo 
man früher, was medizinalpolizeiliche Angelegenheiten betrifft, 
mehr an ein Gehenlassen oder wenigstens an eine sehr gelinde 



642 


Df. Denrath. 


Handhabung gewöhnt war, i .id wo man gegenüber den jetat 
durchgreifenden, manchmal recht tatkräftig betriebenen Ma߬ 
nahmen hie und da störrisch und ungehalten wurde und diese 
Maßnahmen anfänglich nur ungern über sich ergehen ließ. Es 
dauerte aber nicht lange, bis man, die Segnungen des Ver¬ 
fahrens anerkennend, willig entgegenkam. 

Schwierigkeiten, die sich anfangs durch eine nicht immer 
vorhandene Uebereinstimmung in den Ansichten des behandelnden 
Arztes, des Amtsarztes und der Aerzte der Station ergaben, 
waren bald beseitigt, hauptsächlich mit Hilfe des in der Pfalz 
sehr entwickelten ärztlichen Vereinslebens. Ohne Frage ist der 
auf solche Weise erfolgten gegenseitigen Aussprache und Auf¬ 
klärung die eifrige Mitarbeit der Aerzte und damit ein großer 
Teil der erzielten Erfolge zu danken. 

Wie sind nun in der Pfalz die Erfolge der systema¬ 
tischen gemeinsamen Typhusbekämpfung seit dem 
Jahre 1903? 

Der Hauptei folg liegt nach meiner Ansicht darin, daß die 
jetzt geübte Typhusbekämpfung ganz wesentlich dazu bei¬ 
getragen hat, das schon vorher begonnene Werk der all¬ 
gemeinen Besserung der hy gienischen Verhältnisse 
der Pfalz mit größerer Geschwindigkeit vorwärts zu bringen. 
Das nach erfolgter Anzeige der Erkrankung oder des Krank¬ 
heitsverdachtes vorgeschriebene Ermittelungsverfahren an Ort 
und Stelle brachte dem Amtsärzte vielfach Kenntnis von 
hygienischen Mißständen der verschiedensten Art, die vorher 
nicht oder vielfach erst zu spät bekannt geworden sind, deren 
Beseitigung unter dem Hochdrucke der getroffenen Anord¬ 
nungen jetzt viel leichter möglich war als früher, und zu deren 
Abstellung die maßgebenden Persönlichkeiten in den einzelnen 
Orten und Private, wenn auch vielfach nach anfänglichem 
Widerstreben, sich jetzt leichter bewegen ließen. 

So ist, was früher besonders im argen lag, allmählich, 
wenn auch noch lange nicht in genügender Weise eine Besse¬ 
rung in der Behandlung der menschlichen Abfälle und der Ab¬ 
wässer zustande gekommen; es wird zunächst jetzt mehr Sorg 
falt auf Verwahrung der Dung- und Abortgruben verwendet. 
Geht es auch noch langsam mit der Durchführung der Kanali¬ 
sation der Städte und mit der Klärung der Abwässer, so ist doch in 
dieser Zeit viel geschehen; die erste derartige städtische An¬ 
lage (Schwemmkanalisation mit Klärung durch Emscher Brunnen) 
ist in Frankenthal durchgeführt; in Ludwigshafen, Speyer, 
Neustadt sind solche Anlagen in greifbare Nähe gerückt; auch 
Kaiserslautern, Dürkheim, Zweibrücken werden folgen. Landau, 
das eine gute einheitliche Abwasserkanalisation schon seit zwei 
Dezennien hat, ist ebenfalls im Begriffe, eine Schwemmkanali¬ 
sation mit Klärung einzurichten. Allerdings, weil lauter Millionen¬ 
projekte, gedeihen diese etwas langsam, und es ist dies viel¬ 
leicht noch nicht einmal so sehr zu bedauern, zumal die Frage 
der Klärverfahren verhältnismäßig zu wenig abgeschlossen ist 



Hygienische Streiflichter ans der Rheinpfalz. 


643 


und wir uns diesbezüglich in einer Periode der Entwicklung 
befinden. Für 'einfache Abwasserkanalisation verschiedener 
kleiner Städte und Orte war von 1903 bis 1911 schon die 
Summe von 914054 M. aufgewendet worden. 

Am größten waren die Fortschritte in der Wasser¬ 
versorgung während der Zeit der Typhusbekämpfung. Die 
erste zentrale Wasserleitung in der Pfalz überhaupt wurde in 
Neustadt schon im Jahre 1869 errichtet; die übrigen folgten 
in der Zeit von 1879 ab. Im Jahre 1900 waren im ganzen 124 
vorhanden. Von da ab mehrten sie sich etwas rascher; immer¬ 
hin bestanden bis zum Jahre 1903, in dem die gemeinsame 
Typhusbekämpfung begann, im ganzen erst in 175 = 24,07 °/ 0 
der 708 Gemeinden der Pfalz zentrale Wasserversorgungen. 
Seit dieser Zeit sind bis 1. April 1914 242 weitere errichtet 
worden, so daß jetzt 417 in Tätigkeit sind; rechnen wir dazu, 
daß 69 in Vorbereitung oder Ausführung sind, so dürfen wir 
. sagen, daß in absehbarer Zeit 486 zentrale Wasserleitungen 
vorhanden und dann 68,6 °/ 0 d. h. mehr als */ s der Ort¬ 
schaften der Pfalz in dieser Weise mit Wasser versorgt sein 
werden. Der Kostenaufwand dafür betrug von 1903 bis 1. De¬ 
zember 1911 7094093 M. und dürfte bis jetzt rund 9 Millionen 
betragen. 

Ich muß es mir versagen, im einzelnen auf weitere Er¬ 
rungenschaften im Sanitätswesen als Frucht unserer Typhus¬ 
bekämpfung hier näher einzugehen. Hervorheben aber muß 
ich, daß während dieser Zeit aas Desinfektionswesen bei 
uns so ziemlich ausgebaut wurde. Schon bevor die neueren 
bayerischen Verordnungen über die Bekämpfung der übertrag¬ 
baren Krankheiten und das Desinfektionswesen gekommen 
waren, hatte sich die Bevölkerung daran gewöhnt, außer bei 
Typhus freiwillig Desinfektion auch bei solchen Krankheiten 
vornehmen zu lassen, wo bis dahin die Desinfektion noch nicht 
vorgeschrieben war. Infolgedessen war auch die Einführung 
der neuen Verordnungen bei uns eine erleichterte. 

Eine hochwichtige Errungenschaft der Typhusbekämpfung 
muß ich noch besonders erwähnen: die ursprünglich nur 
für diesen Zweck 1903 eingerichtete bakteriologische 
Untersuchungsstation in Landau. Sie brachte und bringt 
den Aerzten stets Beihilfe und Aufklärung nicht nur in der 
bakteriologischen, sondern gar oft auch in der pathologisch¬ 
anatomischen Diagnosestellung auch bei anderen Krankheiten. 
Durch dieses Entgegenkommen trug sie dazu bei, selbst die 
weniger willigen Äerzte der Pfalz nicht allein für die Ziele der 
Typhusbekämpfung, sondern auch für sanitäre Betätigung im 
allgemeinen zu gewinnen. Daß sie uns weiterhin erhalten 
blieb für die Zwecke aller übertragbaren Krankheiten, weiß die 
gesamte Aerzteschaft der Pfalz, ich kann sagen, weiß die ganze 
Pfalz der Königl. Staatsregierung großen Dank. Das brachte 
die Aerztekammer, brachte der Verein der Pfälzischen Aerzta 



644 


Dr. Denrath. 


und besonders auch der Landrat der Pf als werktätig in seiner 
letzten Tagung zum Ausdruck. ^ 

Betrachtet man die Erfolge mit Bezug auf den Rück¬ 
gang der Typhuserkrankungen in dem Zeitraum von 1903 
bezw. 1904 bis jetzt (siehe auch graphische Darstellung IV auf 
S. 637 und Tabelle V auf S. 740), so kann man diese als bedeutend 
bezeichnen. Die Zahl der Typhuserkrankungen ist von 924 im 
Jahre 1904 d. h. 104 auf je 100000 Einwohner auf 140 = 15 
im Jahre 1913 zurückgegangen. Der Rückgang erfolgte dabei 
weniger sprungweise wie früher, sondern mehr stetig und gleich¬ 
mäßig. Diese Abnahme tritt besonders deutlich bei den Todes¬ 
fällen zutage. Das Jahr 1904 hatte no'ch eine Sterblichkeit 
von 7,4 °/ 0000 ; das Jahr 1913 nur mehr eine solche von l,9°/ooo«- 
Diese Zahlen beruhen nicht mehr auf Zufall, zumal bei dem 
geübten Ermittelungsverfahren nicht so leicht wie^vor 1913 so 
manche Erkrankungsfälle unbekannt bleiben konnten. 

Der Rückgang des Typhus zeigt sich aber nicht nur in 
der Zahl der Erkrankungen und damit der Todesfälle, sondern 
auch, und das ist ganz wesentlich, in der Zahl der befallenen 
Ortschaften. Von 1875 bis 1903 waren von den 708 Ort¬ 
schaften der Pfalz nur 62 ist 8,8 °/ 0 freigeblieben, befallen also 
91,2 °/ 0 . Da konnte, da mußte man allerdings von endemischem 
Typhus in der Pfalz sprechen. Die Erfahrung hat uns jedoch 
seit dieser Zeit gelehrt und klar vor Augen geführt, daß diese 
Endemie nicht so sehr, wie früher angenommen, in der Be¬ 
schaffenheit der Gegend und der Oertlichkeit, sondern zumeist 
in dem Zustande einzelner Menschen lag, der Bazillenträger, 
deren Dasein man jetzt erst kennen lernte. Im Jahre 1904 
waren von Typhus befallen noch 185 Orte = 26,1 °/ 0 ; im Jahre 
1913 waren es nur mehr 51 = 7 °/ 0 der Ortschaften. Die Typhus- 
träger, deren wir zur Zeit (Ende Juni) in der Pfalz 106 in 
54 Ortschaften (hiervon allein 26 in den Anstalten Klingen¬ 
münster und Frankenthal) kennen und so weit wie möglich über¬ 
wachen, sind tatsächlich noch im wesentlichen die Ausgangs¬ 
punkte neuer Typhuserkrankungen und gelegentlicher Epidemien. 
Der Kampf gegen den Typhus spitzt sich bei uns jetzt zu zum 
Kampf gegen die Typhusträger; erst wenn wir dieser Herr 
werden, wird der endemische Typhus bei uns ganz verschwunden 
sein. Am besten können wir dies an unseren großen Kreis¬ 
anstalten sehen: In Frankenthal und Klingenmünster hat früher 
fortgesetzt der Typhus geherrscht; diese Anstalten hiervon 
frei zu machen und hiervon frei zu halten, ist unter der Herr¬ 
schaft der lokalistischen Anschauungen, die den Ausgangs¬ 
punkt der Erkrankungen in dem Boden, dem Untergründe des 
Gebäudes, im Gebäude selbst, in Zwischenfüllungen suchten, 
trotz oft recht kostspieliger Maßnahmen nicht gelungen. Erst 
seitdem die Ansteckungsquellen sich in den chronischen Bazillen¬ 
trägern fanden, und seitdem diese in Isolierhäusern abgesondert, 
und auch alle neuaufgenommenen Pfleglinge auf Basillenfreiheit 
bakteriologisch untersucht werden, haben wir wohl noch in 



Hygienische Streiflichter ans der Rheinpfalz. 


645 


diesen Anstalten Bazillenträger, aber keine Typhuserkrankungen 
mehr; wir hoffen bei scharfer Ueberwachung und Isolierung 
dieser Bazillenträger auch in Zukunft von Erkrankungen ver¬ 
schont zu bleiben. 

In der vorstehenden Schilderung konnte ich einige Licht¬ 
punkte in den hygienischen Verhältnissen der Pfalz zeigen; 
anderseits mußte ich aber auch auf so manchen dunklen Schatten 
hinweisen. Immerhin konnte und durfte ich zeigen, daß gerade 
unser tiefster Schatten, der endemische Typhus, als wir ihn 
nur einmal fest ins Auge fassen konnten, nicht nur sehr viel 
heller geworden ist, sondern aus ihm auch Licht für unsere 
gesamten hygienischen Verhältnisse erwachsen ist. Wir haben 
gelernt, daß, besonders wenn wir auch die Unterstützung unserer 
Aerzte haben — und ich darf wohl sagen, wir hatten diese und 
haben sie noch trotz vorübergehenden Nachlasses in der Bereit¬ 
willigkeit zur Mitwirkung infolge von außen in die vorher fest¬ 
geschlossenen Reihen der Aerzte getragenen Zwiespalts und 
hierdurch entstandener Verbitterung, — auch bei einer Be¬ 
völkerung sich viel erreichen läßt, die von Natur aus und 
gemäß ihres Werdeganges in vermeintlichem Freiheitsdrange 
von ihren nicht immer hygienischen Gepflogenheiten nicht 
gerne abläßt und noch so zweckmäßigen Anordnungen, wenn 
sie ihren überlieferten und gewohnheitsmäßigen Ansichten nicht 
entsprechen, nicht gerne nachkommen, ihnen vielmehr oft hart¬ 
näckigen Widerstand zu leisten suchen. 

Diesen Widerstand zu beseitigen, erfordert große Liebe 
zur Sache, sehr viel Geduld und fortgesetzte Belehrung und 
Aufklärung der Bevölkerung. Nicht leicht ist die Aufgabe, vor 
die sich hier unsere berufenen Amtsärzte gestellt sehen. 
Nur bei voller Konzentration können und konnten sie diese 
erfüllen. Nicht mehr, wie bisher vielfach geschehen, auch 
geschehen mußte, zur Erhöhung ihres bis vor kurzem allerdings 
kärglichen, und wie manche sagen, auch jetzt noch nicht 
entsprechenden amtlichen Einkommens konnten sie sich der 
Menschheit zur Verfügung stellen, auch zur Behandlung vor¬ 
handener Erkrankungen, sondern sie sollten und mußten sich 
bereit halten, fast einzig und allein für die übrigens viel höhere 
Aufgabe der Beseitigung und Verhütung der drohenden Gesund¬ 
heitsstörungen. Um unter den gegebenen Verhältnissen dies zu 
erreichen, war,vor allem, oft unter großem Zeitaufwand auch 
zur Belehrung und Aufklärung zu schreiten. Die Amts¬ 
ärzte müssen sich als hygienische Berater und Freunde des 
Volkes fühlen und nicht in erster Linie als unentwegte polizei¬ 
liche Vollzieher und Ueberwacher von wenn auch noch so 
guten und notwendigen hygienischen Vorschriften. Gerade die 
niemals ermüdende und mit Geduld immer wieder einsetzende 
Belehrung und Aufklärung des Volkes ist in den Vordergrund 
der Tätigkeit des modernen Amtsarztes zu stellen; auf ihr 
beruht ein gut Teil des Erfolges und damit der Gesundheit und 
Zukunft unseres Volkes, 



646 


Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


Diese Erwägung und zum Teil die Beobachtung, mit welch 
großer Begeisterung vor Jahren die Belehrung durch die Aerete 
in dem Tuberkulosewandermuseum von unserer Bevölkerung 
aufgenommen wurde, und welchen Nutzen dies für die gerade 
einsetzende moderne Bekämpfung der Tuberkulose gebracht hatte, 
zeitigte auch den Gedanken, die Errichtung einer Abteilung 
für Gesundheitspflege in dem in Dürkheim in Aussicht ge¬ 
nommenen Museumsbau der naturwissenschaftlichen Gesellschaft 
der Pfalz, der Pollichia für unsere von ähnlichen Bildungs¬ 
stätten der gemeinsamen Heimat ferne liegende Pfalz, ins Auge 
zu fassen, also eines stationären Gesundheitsmuseums, 
in dem auch zeitweise auf klärende hygienische Vorträge mit 
Demonstrationen abzuhalten wären. Für die Verwirklichung 
dieser Absicht erbitten wir daher auch an dieser Stelle das 
Wohlwollen der Königl. Staatsregierung. 

Um aber die Belehrung und Aufklärung erfolgreicher zu 
gestalten, sollte in zielbewußter Weise diese schon viel früher 
bei unserem Nachwuchse einsetzen. An sämtlichen Mittel¬ 
schulen, an den Fortbildungschulen, wenn möglich auch schon 
an den oberen Klassen der Volksschule sollten, aneegliedert 
vielleicht an die auch bei uns in zunehmender Weise ent¬ 
stehenden Schularztstellen, zur Erteilung des Unterrichts 
in der Hygiene Aerzte auf gestellt werden, in ähnlicher Weise 
wie zur Erteilung des Religionsunterrichts Religionslehrer be¬ 
stellt sind, so daß auf diese Weise auch alle diejenigen, die 
später in Staat und Gemeinde führende und lehrende Stellungen 
einnehmen, eine möglichst gute Kenntnis erhielten in hygieni¬ 
schen Dingen. Kurz, nach jeder Richtung müßte Kenntnis 
von hygienischem Wissen gebracht und unser privates und 
öffentliches Leben hiervon durchdrungen werden. Immer seltener 
würden dann auch die Fälle, wo, um in hygienischen Dingen 
etwas zu erreichen, zuvor ein mehr oder minder hartnäckiger 
Kampf gegen Unwissenheit und Vorurteil geführt werden muß. 

Erst dann werden wir zu dem Ziele kommen, das uns 
vorgesteckt bleibt und von dem wir, wenn auch in starkem 
Anmarsche begriffen, einstweilen noch weit entfernt sind; 
dieses Ziel ist die Verwirklichung des hygienischen Zeitalters, 
das kommen wird und kommen muß, und das allein erst die 
Menschheit zu der gesundheitlichen und damit zur sittlichen 
und sozialen Höhe bringen kann, zu der sie berufen ist. 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 

A. Gerlohtliohe Psyohiatrl«. 

Zar forensisch-psychiatrischen Beurteilung tob Eheangelegenheltei- 

Von Prof. Dr. Weber-Chemnitz. (Aus der Stadt. Nervenheilanstalt ChemniU - 1 
AerztLiehe Sachverständigen-Zeitung; 19)6, Nr. 14. 

An der Band eines Falles, in dem Verfasser in einer Ehescheid nngskligf 
ein Gutachten darüber abzugeben hatte, ob einer Ehefraa ohne gesundheitliche! 
Schaden die Wiederaufnahme der ehelichen Gemeinschaft zngematet werde» 



. Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


647 


könne, erörtert Weber die Aufgaben, die dem ärztlichen Sachverständigen 
hierbei znfallen. Er betont, daß dieser seine Aufgabe, wenn er wirklich 
dem Richter eine Hilfe sein soll, nicht so engherzig lediglich auf die Unter¬ 
suchung typischer Krankheitpzustände beschränken darf, sondern auch die 
Gebiete der normalen Psychologie des täglichen Lebens mit in den Kreis seiner 
Begutachtungen ziehen kann. Ziemlich einfach liegt es, wenn Geisteskrank¬ 
heit als Ehescheidungsgrnnd angegeben wird (§ 1569 B. G. B.). Es ist aber 
zu beachten, daß die Bestimmungen die Ehescheidung nur für sehr sichere 
Formen der Geistesstörung unter ganz besonderen Umständen gestatten. Eine 
besondere Zurückhaltung soll sich der psychiatrische Gutachter auferlegen, 
wenn es sich um Fälle aus § 1568 B. G. B. (Zerrüttung des ehelichen Ver¬ 
hältnisses) handelt. Namentlich spielt die Hysterie hier eine Rolle; denn der 
hysterische Geisteszustand ist hervorragend geeignet, ein Benehmen hervorzu- 
rufen, das die Ehe zerrüttet, ohne daß man den Träger eines solchen 
Geisteszustandes für diese Handlungen verantwortlich machen kann. Hier ist. 
es geboten, nur nach Prüfung der gesamten psychischen Persönlichkeit zu 
entscheiden und niemals die Handlungen selbst, die zur Zerrüttung führen, als 
ausschließlichen Beweis für die hysterische Grundlage zu betrachten. Mit der 
Zubilligung des § 51 St.G. B. soll der Sachverständige bei Hysterie recht vor¬ 
sichtig sein. Es ist somit oft geraten, die Klage auf Ehescheidung aus 
§ 156t* einzuleiten, ohne daß der Nervenarzt sein Gutachten abgibt; denn, 
wenn dieser erst einmal gehört ist, treten Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit 
auf, die ein geschickter Rechtsanwalt auf greifen wird, um eine Ehescheidung 
wegen zerrüttender Handlungen seiner Partei, also zu deren eigenen Verschulden 
möglichst zu verhindern. Im Wesen der Ehe kann es aber nicht liegen, wenn 
Gatten, die sich fortgesetzt befehden, dauernd zusammengekettet sind. 

Dr. Solbrig-Königsberg i. Pr. 


B. Saohverständigentitigkeit auf milltärärztllohem Gebiet«. 

Die Prognose und die Entschädigung der Kriegsneurosen. Von 
Sanitätsrat Dr. E. Beyer, Chefarzt des Vereinslazaretts Roderbirken. (Ans 
dem Reservelazarett Ohligs). Aerztliche Sachverständigen-Zeitung; 1916, 
Nr. 16. 

Auf Grund eines über 1000 Krankheitsfälle, die überwiegend Soldaten 
betrafen, betragenden Materials kommt Verfasser zu folgenden Folgerungen: 

1. Die Prognose der Kriegsneurosen ist im allgemeinen günstig und im 
Einzelfall davon abhängig, wie weit es möglich ist, die ungünstigen Einflüsse 
zu beseitigen und günstige Einflüsse wirksam zu machen. 

2. Bei nervenkranken Kriegsbeschädigten, die vielfach für den eigent¬ 
lichen Heeresdienst nicht mehr brauchbar sind, ist zu erstreben, sie als arbeits¬ 
verwendungsfähig oder D. U. ihrer Berufsarbeit wieder zuzuführen. 

8. Bei dienstunbrauchbaren Nervenkranken kann volle Erwerbsfähigkeit 
vorhanden sein. Kleine Renten unter 20 Prozent sind in der Regel zu ver¬ 
meiden. Bei mehr als zwei Drittel Erwerbsbeschränkung ist die Vollrente 
meistens nicht zu umgehen. 

4. Die Nachuntersuchungen der Nervenkranken sind nicht zu früh anzn- 
setzen; bei der Bestimmung des Termins ist auch auf Jahreszeit und Berufs- 
Verhältnisse Rücksicht zu nehmen. Dr. Solbrig -Königsberg i. Pr. 


C. Hygiene und öffentliches Gesundheitswesen. 

1. Gewerbehygiene. 

Verwendung von Azetylen zur Dlchteprttfung von Rohrleitungen. 
Von Gewerbeassessor Dipl-Ing. K1 e b e - Bayreuth. Zentralblatt für Gewerbe¬ 
hygiene; 1916, Nr. 10. 

Es muß als Mangel empfunden werden, daß weder die behördlichen 
Verordnungen, noch die berufsgenossenschaftlichen Unfall Verhütungsvorschriften 
ein Verbot der Verwendung von Azetylen zu oben erwähntem Zwecke ent- 



648 Kleinere Mitteilungen and Referate aas Zeitschriften. 

halten. Ein gewerbeaafsichtliohes Verbot läßt sich jedoch ohne weiteres auf 
§ 120 a der Gewerbeordnung stützen. Da im übrigen, wie . aas den im be¬ 
schriebenen Falle erwachsenen Gerichtsakten hervorging, die Berufsgenossen- 
schaft der Gas- and Wasserwerke den oben eingenommenen Standpunkt voll¬ 
kommen teilt, steht za erwarten, daß deren Unfallverhütungsvorschriften bei 
ihrer nächsten Ueberarbeitang eine Verschärfung in diesem Sinne erfahren 
werden. __ Dr. W o 1 f - Hanau. 


2. Säuglingsfürsorge. 

Gesetzlicher Säuglings« and Mutterschutz ln Norwegen. Von 
G. Herzfelder-Wien. Zeitschrift für Bevölkerungspolitik and Säaglings- 
fürsorge; Bd. 9, H. 1. 

Die am 1. Januar 1916 in Kraft getretenen Gesetze geben ein Bild 
umfassender Vorsorge für die Erhaltung and Aufzucht des kindlichen Nach¬ 
wuchses. Es verdient besonders bemerkt zu werden, daß durch sie zum 
ersten Male eine Wöchnerinnen- und StillunterBtützung unabhängig von jeder 
Krankenversicherung auf gesetzlicher Grundlage eingeführt wird. 

Dr. Wolf-Hanau. 


3. Kriegsbeschädigtanfürsorge. 

Die Ansiedlung der Kriegsbeschädigten. Beiträge zur Invaliden- 
„ fürsorge. Von Dr. Keup-Frankfurt a. 0., Ober-Reg.-Rat Alfred Mayer- 
Frankfurt a. 0. und Magistratsrat Paul W Ölbling-Berlin. Schriften zur 
Förderung der inneren Kolonisation; Heft 18. Verlag Deutsche Landbuch¬ 
handlang G. m. b. H. Berlin 1915. 58 Seiten. Preis: 1 Mark. 

Die Schrift gilt dem Kriegsinvaliden, der nach Abschluß der ärztlichen 
Behandlung dem Landwirtberuf zugefübrt werden kann, und behandelt 
ausführlich die Verwaltungsmaßnahmen, durch die sich dieses Ziel erreichen 
läßt. Es wird sich ermöglichen lassen, jeden Kriegsinvaliden, der vom Lande 
stammt, sich zur Ansiedelung bereit erklärt hat und geeignet ist, dem Lande 
wieder zuzuführen. Bewährt hat sich die Form des preußischen Rentengutes, 
deren Einführung auch den anderen Bundesstaaten anzuraten ist. Notwendig 
ist zur Aufbringung des Anzahlungs- und ersten Betriebskapitals die 
Kapitalisierung eines Teils der Invalidenrente; dieses Kapital wäre als 
„Invaliden-Ansiedelungsfonds“ von den Provinzial-Rentenbanken leicht mit zu 
verwalten. Die Gefahr, es zu verlieren, wäre durch sorgfältige Auswahl 
der Bewerber unter ganz besonderer Berücksichtigung der Familienverhältnisse 
sehr gemindert; schwieriger ist die Beschaffung von genügend Siedelungsland, 
das sich aber durch Zusammenarbeit der Verwaltungskörper — einer zu 
bildenden Kreisinvalidenkommission, Provinzialinvalidenkommission beim Ober- 
Präsidium und der Auseinandersetzungsbehörden (Generalkommissionen) — und 
geeignete gesetzliche Maßnahmen, besonders Erschwerung des gewerbsmäßigen 
Gttterbandcls zugunsten des Staates, gewinnen ließe. Die Unterbringung unserer 
verwundeten Helden wäre für sie von so großem Segen, für unsere Volkswirt¬ 
schaft, für die Erzielung eines ausreichenden gesunden Nachwuchses von so 
großer Bedeutung, daß den Bestrebungen der Gesellschaft zur Förderung der 
inneren Kolonisation ein voller Erfolg zu wünschen ist. 

Dr. Rehberg-Herzberg a. E. 


4. Sozial« Hygiene. 

Die Umwertung des BevSlkerungsproblems — ein tragender Gedanke 
Im neuen Deutschland. Von Prof. Dr. Schloßmann-Düsseldorf. Zeit¬ 
schrift für Bevölkernngspolitik und Sänglingsfürsorge; 1916, Bd. 9, Nr. 1. 

In erster Linie müssen wir den erlittenen Menschenverlust nach Möglich¬ 
keit wieder cinholen und aus uns heraus unsere Volkszahl mehren. Die gegen¬ 
wärtige Last, die durch Aufziehen zahlreicher Kinder den Familien auferlegt 
wird, muß vom Staate aus gemildert werden, da die Aufziehung von Kindern 
eine Leistung für die Allgemeinheit ist. Die Besteuerung und das Gebalt 
müssen unter Berücksichtigung der Köpfe, die mit dem Einkommen zu ernähren 
sind, festgesetzt werden. Wer durch Aufzucht von Kindern für die Zukunft 



Kleinere Mitteilungen and Referate aas Zeitschriften. 


649 


des Volkes etwas leistet, dem werden die Anslagen von der heutigen Volks¬ 
gemeinschaft ersetzt. Sehr wichtig ist die Wieder-Ansässigmachung großer 
Volksteile. Lebenserhaltung and, was noch wichtiger ist, Lebensgestaltang 
der Säuglinge ist von grundlegender Bedeutung; es müssen aber gewisse 
allgemein gültige Mindestforderungen erfüllt werden, für die natürlich das 
nötige Geld vorhanden sein maß. Dr. W o 1 f - Hanau. 


Periodische ärztliche Untersuchung und Lebensversicherung. Von 
San.-Rat Dr. Lilienthal. Halbmonatsschrift für soziale Hygiene und prak¬ 
tische Medizin; Jahrgang 24, Nr. 19, 14. September 1916. 

Rothe hat in der Zeitschrift für Versicherungswesen das obige Thema 
behandelt, er will die Frage prüfen, ob durch ärztliche Vorbeugung die Sterb¬ 
lichkeit herabgemindert und durch fortlaufende ärztliche Untersuchungen eine 
ärztliche Vorbeugung in dem Sinne gewährleistet wird, daß schon im Keime 
vorhandene Krankheiten nicht zum Ausbruch kommen. Bei rechtzeitiger 
Erkennung der Krankheiten werden viel geringere Kosten entstehen, als bei 
vorgeschrittenen Leiden, diese aber trotzdem eine unvergleichlich größere 
Aussicht auf Heilerfolg gewährleisten als große Ausgaben bei vorgeschrittenen 
Krankheitszuständen. Für die ärztliche Untersuchung würde ein 2- bis 
3jähriger Turnus ausreichend sein. Oie Ersparnis aus der zu erwartenden 
Mindersterblichkeit wird weit mehr als die Kosten der ärztlichen Untersuchung 
decken. Or. Hoffmann -Berlin. 


5. Begräbniswesen. 

Die Prinzipien des Bestattungswesens und das Schicksal der Leichen 
auf den europäischen Schlachtfeldern. Von Or. Wilhelm Müller, Ab- 
teilungs- und Konsiliararzt für Lungenkrankheiten im Militärbeobachtungs- 
hospital Nr. 1 in Troppau. Oeffentliche Gesundheitspflege; 1916, Heft 7. 

Das Be8tattungswesen der gefallenen Menschen und Tiere bildet eine 
wichtige Rolle in der Hygiene der Schlachtfelder. Mit Rücksicht auf diese ist 
eine möglichst rasche, prompte und typische Leichenzersetzung (Skelettierung) 
anzustreben unter tunlichster Vermeidung der sogenannten atypischen post¬ 
mortalen Dekomposition: völlige Konservierung, stinkende Fäulnis, Fettwachs¬ 
bildung und Mumifizierung. Für die postmortale Dekomposition, d. h. für den 
Abbau des Organismus kommen als physikalische und biologische Voraus¬ 
setzungen in erster Linie in Betracht: Anwesenheit von Sauerstoff, Wasser 
und aeroben Mikroorganismen sowie eine bestimmte Temperatur und die Mög¬ 
lichkeit unbehinderten Abgangs der Verwesungsgase. Sind diese Voraus¬ 
setzungen ausreichend gegeben, so ist auf eine typische Verwesung zu rechnen, 
fehlt die eine oder die andere oder überwiegen einzelne, so wird stinkende 
Fäulnis, Konservierung oder sonstige atypische Verwesung in Erscheinung 
treten. Sauerstoff und Wasser beherrschen den Vorgang der Zersetzung und 
bestimmen im Verein mit der Temperatur den Ablauf der postmortalen Ver¬ 
änderungen. Maßgebend für die Zersetzung ist deshalb vor allem die 
physikalische Beschaffenheit des Erdbodens, sein Porenvolumen und seine 
Durchlässigkeit; Boden aus Bodengemischen mit 0,3—4 mm Korngröße ist der 
geeignetste. Begünstigt wird die Verwesung ferner durch Baumwurzeln, 
namentlich Koniferenwurzeln, die das im Erdboden befindliche überschüssige 
Wasser aufsaugen und dadurch einen häufigen Wechsel zwischen Trocken und 
Naß hervorrufen, der die Zersetzung fördert. Lehm- und Tonboden ist dagegen zu 
vermeiden; er führt ebenso wie hoher Grundwasserstand zu stinkender Fäulnis 
und Fettwachsbildung. Ebenso stört die Bekleidung der Leichen die Zersetzung. 
Wenn es die Verhältnisse gestatten, sind deshalb nach dem Verfasser für das 
Bestattungswesen auf den Schlachtfeldern folgende Vorschriften einzuhalten: 

„t. Die Regel auf dem Schlachtfeld ist das Massengrab. Einzel¬ 
bestattungen kommen natürlich ebenfalls sehr häufig vor, namontlich im 
Stellungskrieg. 

2. Bei der Anlage der Massengräber achte man darauf, daß die obersten 
Schichten nicht höher unter das Niveau des Erdbodens zu liegen kommen als 
1,80 bis 2 m. Möglichst flächenbafte Verteilung sowie Isolierung der 



650 


' Besprechungen. 


einzelnen Leichen durch reichliche Zwischenlagen von Erde ermöglichen auch 
den zentral gelegenen Partien des Massengrabes den Prozeß der typischen 
postmortalen Dekomposition. Liegt hingegen Leiche dicht neben Leiche inner* 
halb voluminöser kompakter Massen, so sind die dem Kern nabe gelegenen 
Körper sowohl der Sauerstoffzirkulation, als auch der Möglichkeit des Ab* 
strömens der Dekompositionsgase beraubt. Die Folgen davon sind atypische 
Dekompositionsprodukte wie Adipocirebildung und stinkende Fäulnis, zum 
mindesten aber hochgradige Verzögerung der Dekomposition. 

3. Man wähle in jedem Falle Bodenarten .von genügender 
Permeabilität für Luft und Wasser, also Band* und kiesreichen 
Boden, wurzelreichen Waldboden, humushaltigen Acker-, 
Wiesen- und Feldboden, Weinberge und Heideboden. 

4. Zu vermeiden sind lehm- und tonreiche und sehr feinsandige 
(unter 0,8 mm) Böden. Auch Sumpf-, Torf- und Moorböden eignen 
sich schlecht für den Prozeß der typischen postmortalen Dekomposition. 

5. An und für sich einwandfreier Boden verliert seine guten Eigen¬ 
schaften bei hohem GrundwaBserstand, hier kann keine typische Ver¬ 
wesung erfolgen; außerdem ist dabei die Gefahr der Tfinkwasserinfektion 
gegeben. 

6. Infolge der dekompositionshemmenden Wirkung der Kleider sind 
diese bis auf die Unterkleider, wenn möglich, zu entfernen. 

7. Alle konservierenden Beimengungen sind zu unterlassen, sofern nicht 
nachweislich stark infektiöse Leichen bestattet werden. 

8. Nie sollen Gräber in der Nähe von Quellen liegen. 

9. In allen Fällen eignet sich Holzkohle als Beimischung zu den Leichen 

sehr wohl, weil sie die Dekompositionsgase absorbiert und gleichzeitig in 
hohem Maße desodoriert." Rpd. 


Tagesnachrichten. 

Des Kaisers Fürsorge für die Zukunft des Volkes. Seine Majestät 
der Kaiser hat aus Anlaß des Geburtstages Ihrer Majestät der Kaiserin an 
den Minister des Innern nachstehende Allerhöchste Erlasse gerichtet: 

a. Den Geburtstag Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin, meiner Ge¬ 
mahlin, begehe ich in diesem Jahre mit besonderer Dankbarkeit gegen Gott 
den Herrn, dessen Gnade uns durch die bisherige Bewahrung unserer im Felde 
stehenden Söhne das Glück unseres Hauses ungeschmälert erhalten hat. Ihrer 
Majestät ist es vergönnt gewesen, unter Ihrem Schutz treue Männer und 
Frauen aus allen Kreisen unseres Volkes zu opferwilliger und erfolgreicher 
Arbeit im Dienste der durch den Krieg erwachsenen Nöte zu vereinen. Es liegt 
mir am Herzen, allen diesen in der Heimat treu arbeitenden Kräften für ihr 
selbstloses Wirken mein warmes Interesse und meinen besonderen kaiserlichen 
Dank auszusprechen. Ich tue es in dem zuversichtlichen Vertrauen, daß sie 
nach dem Vorbild unserer heldenmütigen Kämpfer an der Front in ihrer treuen 
Arbeit durchhalten werden, bis nach endgültigem Siege unserer Waffen uns« 
Vaterland seine ganze Kraft der Heilung der im Kriege geschlagenen Wunden 
zuwenden kann. Mit warmer und inniger Anteilnahme gedenke ich am heutigen 
Tage auch aller derer, die nach Gottes Willen ein teueres Familienglied dem 
Vaterland haben opfern müssen und von denen viele überdies schweren wirt¬ 
schaftlichen Sorgen gegenübersteben. Die unter Ihrem Vorsitz arbeitende 
Nationalstiftung für die Hinterbliebenen der im Kriege Gefallenen hat mit den 
ihr zugeflossenen reichen Gaben schon manche Tränen trocknen dürfen, sie 
wird, wie ich hoffe, ihre Fürsorge für die Hinterbliebenen unserer Helden 
immer weiter ausdehnen können. Als Zeichen meiner persönlichen warmen 
Anteilnahme an dieser Ehren- und Herzenspflicht des deutschen Volkes habe 
ich der Nationalstiftung eine erneute Zuwendung von 100000 
Mark zugedacht und meine Schatulle mit der Zuweisung dieser Somme in 
deutscher Kriegsanleihe beauftragt. 

Großes Hauptquartier, ad.^Oktober 1916. 

Wilhelm, I. B. 



Tagesnachrichten. 


661 


b. Das unter dem Protektorat Ihrer Majestät der Kaiserin and Königin 
im Segen wirkende Kaiserin Auguste Viktoria-Hans beabsichtigt 
eine vermehrte Ausbildung von Säuglingspflegerinnen für 
Kreise, Gemeinden und Familien und eine Erweiterung der Zentral¬ 
stelle für Säuglingsschutz, um die dringend erforderliche Belehrung 
über Ernährung und Pflege des Kindes in die weitesten Kreise unseres Volkes 
zu tragen. Die Bekämpfung der noch immer hohen Säuglingssterblichkeit ge¬ 
winnt im Zusammenhänge mit dem zunehmenden Geburtenrückgang und den 
schweren Opfern des Krieges für die Zukunft des deutschen Volkes eine Be¬ 
deutung, die das warme Interesse und die tatkräftige Mitarbeit aller Vater¬ 
landsfreunde beansprucht. Es ist Mir daher eine besondere Freude, anläßlich 
des Geburtstages Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin die Durchführung 
des Planes ermöglichen und die erforderlichen Bau- und Einrichtungskosten 
sowie einen widerruflichen Jahreszuschuß von 60000 M. aus der Mir 
zur Verfügung gestellten „Kaiser Wilhelm-Spende deutscher Frauen“ bewilligen 
zu können. Wenn Ich für die Erhaltung der künftigen Träger deutscher Volks¬ 
kraft und deutschen Familienglücks gerade die Spende der deutschen Frauen 
heranziehe, so glaubo Ich damit zugleich den Wünschen der freundlichen 
Spenderinnen in besonderem Maße zu entsprechen. 

Ich ersuche Sie, im Einvernehmen mit dem Minister der öffentlichen 
Arbeiten die Pläne und Anschläge für den Neubau einer Prüfung zu unter¬ 
ziehen und Mir alsdann mit einer Begutachtung zur Genehmigung vorzulegen. 
Der Bau ist mit seiner inneren Einrichtung und Ausstattung dem Ernst der 
Zeit entsprechend, einfach zu halten. Ich behalte Mir die Ernennung eines 
Kommissars vor, welcher an den Beratungen des Kuratoriums teilnehmen und 
Mich über den Fortgang der Arbeit auf dem Laufenden halten soll. Auch 
werde Ich mit der Ueberwachung der Bauausführung einen Baubeamten betrauen. 

Dem Kuratorium wollen Sie von Meiner Entschließung zum bevor¬ 
stehenden Geburtstage Ihrer Majestät Kenntnis geben. 

Großes Hauptquartier, 20. Oktober 1916. 

Wilhelm R. 


Förderung der Volksernährung durch den König von Bayern. Seine 
Majestät der König von Bayern hat kürzlich nachstehendes Hand¬ 
schreiben an den Staatsminister Freiherrn von Soden gerichtet: „Mit 
lebhaftem Interesse verfolge Ich alle Maßnahmen und Einrichtungen auf dem 
unter den gegebenen Verhältnissen so wichtigen Gebiete der Volksernährung. 
Unter den Vorschlägen, durch die besonders in den Städten die Lage der von 
Ernährungsschwierigkeiten bedrängten Bevölkerungskreise erleichtert werden 
soll, erscheint Mir der Gedanke, in großzügiger Weise Volksküchen und 
ähnliche öffentliche Speiseanstalten einzurichten, vorzugsweise 
Berücksichtigung und nachdrücklicher Unterstützung wert. Mit Befriedigung 
höre Ich, daß eine weitere Ausgestaltung und Einführung derartiger Einrich¬ 
tungen in den Städten des Landes tatkräftig in Angriff genommen werden soll. 
Ich finde Mich deshalb bewogen, der Förderung solcher Unterneh¬ 
mungen die Summe von 200000 Mark aus den zu Meiner Verfügung stehenden 
Mitteln zuzuwenden. Möge es der zielbewnßten und unverdrossenen Arbeit 
der staatlichen und der gemeindlichen Stellen gelingen, im Volke die Erkenntnis 
zu stärken, daß für seinen Ernährungsstand ausreichend gesorgt ist. Ich ver¬ 
traue darauf, daß alle Volkskreise in ihrer während des ganzen Krieges 
bewährten Opferfreudigkeit ausharren, getragen von dem Bewußtsein, daß sie 
hierdurch zu Hause mitwirken an dem siegreichen Kampfe gegen unsere Feinde, 
und daß die in der Heimat gebrachten Opfer weit zurückstehen hinter den 
nngleich größeren Mühen und Dragsalen unserer heldenhaften Kämpfer auf den 
Kriegsschauplätzen.“ 


Ans dem Beiehetage. Seit Wiederbeginn des Reichstages hat sich 
dessen Reichshaltsausschuß nach Erledigung verschiedener Fragen der äußeren 
und inneren Politik vorwiegend mit der wichtigen Frage der Volksernährnng 
beschäftigt. Das Ergebnis seiner Beratungen sowie der Beratungen des 
Reichstages selbst kann dahin zusammengefaßt werden, daß trotz mancher 



652 


Tagesnachrichten. 


zutage getretenen Mäogcl in der Organisation and mancher sich nicht als 
praktisch and wirksam erwiesenen Anordnungen der Zentralinstanz wie der 
nachgeordneten Behörden, nnscre Ernährung infolge der guten Ernte an 
Getreide und der Hebung des Viehstandes doch als völlig gesichert anzu¬ 
sehen ist, und nur die Kartoffelversorgung insofern Schwierigkeiten 
macht, als eine für die Winterversorgung ausreichende Anlieferung infolge 
verspäteter Ernte, Mangels an Arbeitskräften und ungünstiger Witterung noch 
nicht erfolgt ist. Auch ist die Kartoffelernte scheinbar geringer ausgefallen 
als man erwartet hatte, so daß der ursprünglich für den Kopf in Aussicht 
genommene tägliche Durchschnittsverbrauch (l*/s Pfund) vorläufig auf 1 Pfund 
herabgesetzt ist und nur für die Schwerarbeiter auch fernerhin wie bisher 
2 Pfund beträgt. Da aber erfreulicherweise die Verwendung der Kartoffeln 
zur Gewinnung ron Spiritus und Stärke sehr erheblich eingeschränkt ist und aller 
Wahrscheinlichkeit noch große Mengen von Kartoffeln zurückgehalten werden, 
steht nach Abschluß der zurzeit stattfindenden Bestandsaufnahme zu erwarten, 
daß demnächst doch wieder eine Erhöhung des Durchschnittsverbrauchs ermög¬ 
licht wird, was namentlich mit Bücksicht auf die ärmere Bevölkerung dringend 
erwünscht ist. Eingehend wurden im Beichshaltsausschuß und Reichstag auch 
dieEleisch-, Milch-, Fett-, Eier-, Obst- und Zuckorversorgung, 
sowie die dabei zutage getretenen Mißstände und die Mittel zu ihrer Abstellung 
besprochen. Der Viehbestand hat seit der am 15. April d. J. erfolgten Be¬ 
standaufnahme bis zu der am 1. September d. J. stattgefundenen nicht unerheb¬ 
lich zugenommen, bei den Schweinen um 29,4% und bei dem Rindvieh um 
2,1 %, so daß namentlich mit Rücksicht auf die außerordentlich gute diesjährige 
Futterernte hoffentlich in bezug auf die Fleisch-, Milch- und Fettversorgung 
eine Besserung zu erwarten steht. Bemerkenswert ist, daß nach den vom Staats¬ 
minister Dr. Helferich am 20. Oktober im Reicbshaltsausschuß gemachten 
Mitteilungen die Sterblichkeit der Bevölkerung in Städten mit 15000 
Einwohnern und darüber nicht wesentlich zugenommen hat, denn sie betrug 
einschließlich Militärpersonen 1911: 16,3, 1912: 14,6, 1913: 14,0, 

1914: 16,1, 1916: 19,7 und 1916 (1. Halbjahr): 17,0 auf 1000 Lebende. Dabei 
hat sich namentlich der Prozentsatz der gestorbenen Säuglinge unter sämt¬ 
lichen Sterbefällen nicht unerheblich verringert: von 29,7 (1911) auf 24,6 (1912), 
24,8 (1913), 22,7 (1914), 13,4 (1915) und 11,5 (1916), so daß von einer un¬ 
günstigen Einwirkung der Ernährungsverhältnisse auf die Säuglingssterblichkeit 
nicht die Rede sein kann. 

Mit Recht wurde im Reichshaltsausschuß und im Reichstag der leider noch 
immer stark vertretene Wucher mit Lebensmitteln und der Schwindel 
mit sogenannten Ersatzmitteln verurteilt und die strengsten Maßregeln dagegen 
verlangt. Ob sie einen nennenswerten Erfolg haben werden, ist nach den bis¬ 
herigen Erfahrungen kaum zu erwarten, wenn nicht gegen diese nichtswürdigen, 
einen Schandfleck des deutschen Volkes bildenden Personen mit ganz anderen 
Maßregeln und weit härteren Strafen als bisher eingeschritten wird. 

Die Frage der Volksernäbrnng ist in jüngster Zeit auch von den Be¬ 
hörden eingehend beraten. Nachdem bereits am 11. Oktober d. J. im preaßi- 
sehen Ministerium des Innern eine dienstliche Versammlung der preußischen 
Regierungspräsidenten unter Teilnahme des Landwirtschaftsministers, des 
Handels- und Finanzministers, sowie von Vertretern des Kriegsministeriums 
pnd verschiedener Reichsämter, von mehreren Oberpräsidenten und des Präsi¬ 
denten des Kriegsernährungsamtes stattgefnnden hatte, in der besonders die 
Vcrbranchsregclung und Kartoffelversorgung einer eingehenden Beratung unter¬ 
zogen wurden, ist dann am 21. Oktober d. J. im Bundesratssaale des Reichs 
tnges unter Vorsitz des Stellvertreters des Reichskanzlers, Staatsministers 
Dr. Uelfferich, eine Konferenz der Minister der bundesstaatlichen Re¬ 
gierungen über die Frage der Volksernährung abgehalten worden. An 
der Konferenz nahmen außer den in Berlin ansässigen Bundesratsbevollmäch¬ 
tigten die für die Ernährungsfragen zuständigen Staatsminister der Bundes¬ 
staaten teil. Nach einer Besprechung des allgemeinen Standes der Ernährungs¬ 
frage wurden insbesondere erörtert: die militärischen Anforderungen 
auf dem Gebiete der Nahrungsmittel, die Maßnahmen für die ausreichesde 
Ernährung der Schwerarbeiter, die Fragen der Nahrungsmittel* 



Tagesnachrichten. 


653 


einfahr, der KartoffÖlversorgung sowie der Fett- und Milch¬ 
versorgung. Die Zusammenkunft hat in vertrauensvoller Aussprache dazu 
beigetragen, die Fühlung zwischen der Berliner Zentralinstanz für die Er- 
nährungsfragen und den maßgebenden Persönlichkeiten der einzelstaatlichen 
Regierangen zu erneuern und enger za gestalten sowie die Einheitlichkeit in der 
Durchführung der für die Volksernäbrung notwendigen Maßnahmen zu sichern. 

Das Beichsamt des Innern hat entschieden, daß die nach den Bekannt¬ 
machungen des Reichskanzlers vom 3. Dezember 1914 und 28. Januar 1915 zu 
gewährende Wochenhilfe von täglich 1 M. für den Sonntag nicht zu gewähren 
ist, wenn die Wöchnerin für die sechs Arbeitstage der Woche 7 oder mehr 
Mark von ihrer Krankenkasse erhält. 


Der vom Reichstag gebildete Ausschuß für Bevölkerungspraxis hat 
beschlossen, eine Zusammenstellung der Verhandlungen und Verordnungen des 
Kriegsministeriums und der verschiedenen Armeekommandos und stellvertreten¬ 
den Generalkommandos über Geschlechtskrankheiten von der Reichsleitung zu 
erbitten. Daraufhin wurde eine Resolution angenommen, wonach unbeschadet einer 
allgemeinen Aenderung und Ergänzang des § 800 Str.G. B. ein Bruch des ärztlichen 
Schweigens im allgemeinen Staatsinteresse und gegenüber den zur öffentlichen 
Fürsorge berufenen Behörden nicht als unbefugt zu erachten sei. Weiter soll eine 
Ergänzung des Str. G. B. verlangt werden, dahin gehend, daß jeder im Bewußt¬ 
sein eigener Krankheit vollzogene Geschlechtsverkehr bestraft wird. In das Reichs¬ 
seuchengesetz sollen wirksame Vorschriften zur Ueberwachung und Bekämpfung 
der Geschlechtskrankheiten auf genommen werden. Den Kreisen und niederen Ver¬ 
waltungsbezirken sollen Mindestleistungen auf dem Gebiete der öffentlichen Ge¬ 
sundheitsfragen vorgeschrieben, die Krankenkasseneinrichtungen zur Bekämpfung 
der geschlechtlichen Erkrankungen nachhaltig unterstützt und die Lebensver¬ 
sicherungsgesellschaften nach amerikanischem Beispiel zum Kampfe gegen die 
Geschlechtskrankheiten herangezogen werden. Baut- und Geschlechtskrankheiten 
sollen überall ein Pflichtfach bei der ärztlichen Staatsprüfung sein. Nicht- 
approbierten Personen soll die Behandlung Geschlechtskranker, approbierten 
Aerzten das fortgesetzte öffentliche Sichanbieten zur Behandlung Geschlechts¬ 
kranker und jeglicher Art von Fernbehandlung verboten werden. Die Straf¬ 
vorschriften gegen Kuppelei sollen für Zuwiderhandlungen gegen hygienische 
und Ordnungsvorschriften ergänzt und in allen Schulen Belehrungen über die 
Geschlechtskrankheiten eingeführt werden. — Nach einstimmigem Beschluß des 
Ausschusses sollen seine Beratungen auch während der Vertagung des Reichs¬ 
tages fortgesetzt werden. _ 


In der Wohnungskommission des Reichstages hat der Ab¬ 
geordnete Mumm (Deutsche Fraktion) den Antrag gestellt, den Bandesrat um 
Einstellung von 40000 M. in den Reichshaushaltsetat zur Errichtung einer 
Beratungsstelle für den Kleinwohnungs- und Kleinhausbau zu ersuchen. 
Außerdem hat derselbe Abgeordnete eine Resolution vorgeschlagen, wonach 
eine Reichswohnungsversiclierung geschaffen werden soll. Im Anschluß an 
die Invaliden- und Angestelltenversicherung sollen vom dritten Kinde ab 
Wohnrenten an die Versicherten und Zusatzrenten für jedes weitere Kind ge¬ 
währt werden, und zwar, sofern die Kinder bei den Eltern wohnen, bis zum 
vollendeten 18. Lebensjahr. An den Pflichtbeiträgen sollen gegebenenfalls auch 
die verheirateten kinderlosen Versicherten und die Arbeitsgeber beteiligt 
werden. Die angesammelten Kapitalien sollen im Interesse des Kleinwohnnngs- 
und Kleinhausbaues, sowie der Heimstättengründung verwertet werden. 


Auf eine Anfrage des Leipziger Verbandes über die Beförderung zu 
Feldhllfsärzten ist von dem preußischen Kriegsministerium (Medizinal-Abteilang) 
unter dem 14. Oktober d. J. der Bescheid erteilt, daß die für die Beförderung 
zum Feldhilfsarzt vorgeschriebene 6monatige Dienstzeit im Feldheere sowohl 
im Heeressanitätsdienst, als auch im Waffendienste abgeleistet sein darf. 

Dasselbe Ministerium hat betreffs der Besoldung der Ober* und Assistenz¬ 
ärzte ln Stabsarzt* usw. stellen (s. Nr. 19 dieser Zeitschrift S. 586) durch 



664 




Verfügung vom 16. Oktober d. J. bestimmt, daß anch die Oberärzte and 
Assistenzärzte, die mit den unter lfdr. Nr. 17 der Gebtthrnisnacbweisnag 
Nr. 1 aufgeführten Stabsarzt- usw. -stellen belieben sind, die monatliche 
Feldbesoldung von 370 M. über den 1. Oktober 1916 hinaus unverändert weiter 
beziehen. Ebenso ist seit dem 1. Oktober 1916 an der Kriegsbesoldung 
der als ordinierende Aerzte bei den Etappen- usw. Lazaretten 
verwendeten Oberärzte und Assistenzärzte nichts geändert worden. 


Die neunte Konferenz der Zentralstelle für Volkswohlfahrt findet 
am 16. nnd 17. November d. J. in Berlin im Saal A des Architekten¬ 
hauses (Wilhelmstraße 92/93) statt. Die Verhandlungen beginnen am 16. No¬ 
vember, vormittags 9‘/» Uhr. Das Thema der Hauptkonferenz lautet: „Zwang 
und Freiheit in der Jugendpflege“. 


Ehront&foL Es haben weiterhin erhalten: 

Das Eiserne Kreuz I. Klasse: 

Stabsarzt d. Bes. Dr. Hermann Aub-Mfinchen. 

Assistenzarzt d. Bes. Dr. Ernst Erlenmeyer -Bendorf a. Rhein bei 
Koblenz (inzwischen gefallen). 

Oberstabsarzt Dr. Friedrich Gärtner-Karlsruhe (inzwischen gefallen). 
Stabsarzt und Reg.-Arzt Dr. Götz-Stuttgart. 

Stabsarzt d. L. Dr. Walter Hafemann-Soldin (Reg.-Bez. Frankfurt). 
Oberstabs- und Divisionsarzt Dr. Helm- Colmar i. Eis. 

Oberstabsarzt Dr. H ö 1 k e r - Potsdam. 

Stabsarzt Dr. K o e r b e r - Stuttgart. 

Oberstabs- und Divisionsarzt Dr. La ckn er-Königsberg i. Pr. 

8tabsarzt d. Res. Dr. L a n g e • Herford. 

Oberstabsarzt d. Res. Dr. Max M u 1 z e r - Memmingen. 

Stabsarzt d. Res. Dr. Munt er-Bad Wildungen. 

Stabsarzt Dr. Ottmar R a 11 - Ravensburg (Württemberg). 

Stabsarzt d. L. Dr. A. Rothmund-Mannheim. 

Oberstabsarzt d. L. Dr. v. Stuben rauch-München. 

Oberstabsarzt Dr. Treger-Burg bei Magdeburg. 

Generalarzt Dr. C. W i 11 e - Altona. 

Das Eiserne Kreuz II. Klasse am weiß-schwarzen Bande: 

Dr. Otto Rothmaler-Gerbstedt (Reg.-Bez. Merseburg), (Mitglied des 
preuß. Medizinalbeamtenvereins). 

Ferner ist verliehen: Der Bayerische Militär-Verdienstorden 
IV. Klasse mit Schwertern: dem Stabsarzt d. L. Dr. Steudemann, 
Polizeiarzt in München. 

Außerdem hat erhalten: Das Eiserne Kreuz II. Klasse: Cand. 
math. Reinhold Straßmann, Unteroffizier bei einer Maschinengewehrabteilung, 
Sohn des Geh. Med.-Rats Dr. Straßmann in Berlin. 


Ehren - GedAohtnlntafoL Für das Vaterland gefallen oder gestorben 

sind ferner: 

Oberarzt d. Res. Dr. Walter B a a d e r - Oldenburg (Großherzogtum). 
Stabsarzt d. L. Dr. Karl Bruch-Mainz (infolge von Krankheit ge¬ 
storben). 

Oberarzt d. Res. Dr. F. W. Buddenberg-Lauenburg a. Elbe. 
Bataillonsarzt Dr. Ewald Drunpig-Gransee (Reg.-Bez. Potsdam). 
Assistenzarzt d. Res. Dr. E. Erlenmeyer -Bendorf a. Rh. bei Koblenz. 
Stabsarzt d. Res. Dr. Ernst Fischer-Altenburg (infolge von Krankheit 
gestorben). 

Oberstabsarzt Dr. Friedrich G ä r t n e r - Karlsruhe 
Feldunterarzt Dr. W. Gellhorn-München. 

Stabsarzt d. L. Dr. J. Goebel-Goeda bei Bautzen (infolge von Krank¬ 
heit gestorben). 

Stabsarzt d. Res. Dr. Karl G raeff-Waldkirch (Baden). 

Feldunterarzt A. G r a m m s - Berlin-Friedenau. 



Tagesnachrichten. 


655 


Med.-Rat Dr. Grether-Lörrach in Baden (durch Fliegerbombe schwer 
verletzt and* bald darauf gestorben). 

Marineassistenzarzt P. Heidsieck-Heepen bei Bielefeld. 
Marineassistenzarzt K. Heilig* Ostrach (Hohenzollern). 

Oberarzt d Res. Dr. Alfred Henkel-Hambarg. 

Unterarzt Dr. Albert Kaiser-Neaalm. 

Stabsarzt d. Res. Dr. Otto K e i 1 p f 1 u g - Charlottenburg. 

Oberarzt d. Res. Dr. Paal Klein Wächter -Schmölln (S.-Altenburg). 
Stabsarzt d. Res. Dr. W. K o 11 e - Blankenburg a. Harz. 

Oberarzt d. Res. Dr. P. L o r e n z - Breslau. 

Vertrags-Zivilarzt Dr. Wilhelm Ludwig-Posen (infolge von Krankheit 
gestorben). 

Feldhilfsarzt L. Mühlenbeck. 

Assistenzarzt d. Res. Dr. Rudolf M ü 11 e r - Chemnitz. 
Marineassistenzarzt H. Müller-Staßfurt (Anhalt). 

Geh. Med.-Rat Dr. Nünninghoff. Kreisarzt in Bielefeld, Chefarzt eines 
dortigen Vereinslazaretts (infolge von Krankheit gestorben). 
Stabsarzt d. Res. Prof. Dr. Piper-Berlin. 

Feldunterarzt F. Pohlmann. 

Marinestabsarzt d. Res. Dr. Paul Schultze-Drebkau (Reg.-Bez. 
Frankfurt). 

Assistenzarzt d. Res. Dr. F. Selchow-Barth bei Stralsund. 
Marineassistenzarzt d. Res. Dr. Fritz Sturmhöfel-Schwarzort bei 
Memel. 

Marineassistenzarzt Dr. W e i ß ko p f. 

Ferner ist auf dem Felde der Ehre gefallen: Primaner Ulrich Fischer, 
Kriegsfreiwilliger im Art.-Reg. Nr. 69, Sonn des Kreisarztes Dr. Fischer in 
Schrimm (Reg.-Bez. Posen). 


Nachruf. Unter den vorstehend für das Vaterland verstorbenen Aerzten 
befindet sich leider wieder ein langjähriges Mitglied dps Preußischen Medizinal¬ 
beamtenvereins, Geh. Med.-Rat Dr. Nünninghoff, Kreisarzt in Bielefeld, der 
dem Verein im Jahre 1884 (also ein Jahr nach dessen Gründung) beigetreten 
ist, nur selten auf einer Versammlung gefehlt und sehr häufig, besonders 
in den letzten Jahren, das Amt des Kassenrevisors übernommen hat Der 
Verstorbene war ein äußerst tüchtiger Medizinalbeamter, der sich während 
seiner 23jährigen amtlichen Tätigkeit am die Förderung des öffentlichen 
Gesundheitswesen in seinem großen Wirkungkreise außerordentliche Verdienste 
erworben hat. Er genoß deshalb auch die größte Achtung und das vollste 
Vertrauen sowohl bei allen Behörden, als bei seinen Berufsgenossen und der 
Bevölkerung seines Kreises. Trotz der großen Arbeitslast, die seine amtliche 
Tätigkeit mit sich brachte, hat er immer noch Zeit gefunden, auch auf anderen 
Gebieten eine segensreiche Tätigkeit zu entfalten, namentlich als langjähriger 
Vorsitzender des heimischen Kriegervereins und als Provinzialinspekteur des 
Roten Kreuzes. Seit Beginn des Krieges hat er die verantwortungs- und urteils¬ 
volle Stellung des Chefarztes bei dem großen, für fast 2000 Verwundete ein¬ 
gerichteten Provinzial-Vercinslazarett vom Roten Kreuz in Bethel bei Bielefeld 
übernommen und sich auch hier durch seine hervorragende Tätigkeit aus¬ 
gezeichnet, die noch vor kurzem durch Verleihung des Eisernen Kreuzes 
II. Klasse und der Roten Kreuz-Medaille II. Klasse die wohlverdiente An¬ 
erkennung gefunden hat. Nun ist er unter dieser Arbeitslast zusammen- 
gebrochen; vor mehreren Wochen wurde er von einem schweren Schlaganfall 
betroffen und ist an dessen Folgen am 22. Oktober d. J. im Alter von 63 Jahren 
verstorben. Tief betrübt und schmerzerfüllt stehen wir an seiner Bahre; sein 
Andenken wird in Ehren erhalten bleiben 1 


Cholera: In Oesterreich-Ungarn wurden vom 4. bis 11. September 
4 Erkrankungen (in Kroatien und Slavonien) festgestellt; in der Türkei 
vom 8. Juli bis 27. August: 8689 (4461), davon 117 (51) in Konstantinopel. 

Pocken: Im Deutschen Reiche sind vom 24. Sentember bis 21. Ok¬ 
tober 2, —, 4 und 2 Erkrankungen amtlich gemeldet; in Oesterreich vom 



656 Sprechsaal. 

25. Juni bis 22. Juli: 66, 63, 67 und 45; in Bosnien und der Herzegowina 
vom 25. bis 30. Juni: 6. 

Flccfcfleber: Im Deutschen Reiche sind in der Zeit vom 24. Sep¬ 
tember bis 21. Oktober nur 12 Fälle von Flecktieber bei einem vom Osten in 
Straßburg i. Eis. eingetroffenen Arbeitertrupp vorgekommen; in Oesterreich 
sind vom 25. Juni bis 22. Juli 169, 194, 139 und 180 Erkrankungen ermittelt 
davon 146, 180, 120 und 119 in Galizien. In Ungarn sind in der Zeit vom 
18. September bis 1. Oktober nur 4 Erkrankungen festgestellt. 


Erkrankungen nnd Todesfälle an ansteckenden Krankheiten in 
Preußen. Nach dem Ministerialblatt für Medizinal-Angelegenheiten sind in der 
Zeit vom 17. 8eptember bis 7. Oktober 1916 erkrankt (gestorben) an Pest, 
Gelbfieber, Cholera, Trichinose, Aussatz, Malaria, Fleck¬ 
fieber, Rückfallfieber, Paratyphus, Botz, Tollwut: — (—), 
— (—), — (—); Bißverletzungen durch tollwutverdächtige 
Tiere: 6 (—), 16 (—), 14 (—); Milzbrand: 1 (—), 2 (2), 1 ( —); Pocken: 
10 (—), — (—), 6 (—); Unterleibstyphus: 329 (18>, 392 (28), 346 (30); 
Buhr: 767 (90), 560 (85), 512 (60); Diphtherie: 2182 (110), 2238 (120), 
2076 (125); 8charlach: 1191 (59), 1187 (61), 1081 (46); Kindbettfieber: 
67 (16), 62 (14), 61 (12); Genickstarre: 2 (8), 7 (6), 7 (3); spinaler 
Kinderlähmung: 17 (—), 3 (—), 1 (—); Fleisch-, Fisch-und Wurst¬ 
vergiftung: 11 (1), 18 (2), 19 (1); Körnerkrankheit (erkrankt): 102, 
33, 35; Tuberkulose (gestorben): 610, 628, 601. 


Spnohsssl. 

Anfrage des Dr. B. in M.: Darf ein ärztlich verschriebenes Schnupf¬ 
pulver mit Cocain (1:10) von Apothekern ohne jedesmalige erneute 
ärztliche Verordnung beliebig oft verabfolgt werden, oder ist seine wieder¬ 
holte Abgabe nach § 4 und § 9 der Vorschriften vom 22. Juni 1896, betr. die 
Abgabe stark wirkender Arzneimittel, nur auf eine erneute schriftliche ärztliche 
Anweisung gestattet? 

Antwort: Aerztlich verordnete Schnupfpulver mit Cocain (1 : 10) sollen 
jedenfalls zu Heilzwecken dienen und dürfen deshalb nach § 1 der oben¬ 
genannten Vorschriften auch nur auf ärztliche- Verordnung abgegeben werden. 
Desgleichen ist ihre wiederholte Abgabe nach § 4 dieser Vorschriften nur auf 
erneute ärztliche Verordnung zulässig, da sie als Mittel zur „Einatmung* 
anzasehen und demzufolge nach § 11 der Vorschriften hinsichtlich der Zu¬ 
lässigkeit ihrer wiederholten Abgabe den Arzneien für den inneren Gebrauch 
gleicbzustellen sind. 


Mitteilung für die Medizinalbeamten. 

Entsprechend zahlreichen Wünschen aus den Kreisen der Medizinal beamten 
haben sich Herausgeber und Verlagsbuchhandlung entschlossen, den Kalender 
für Medizinalbeamte wieder erscheinen zu lassen. Der neue 
Jahrgang 1917 wird Mitte Dezember d. J. zur Ausgabe gelangen; die 
Unterzeichnete Verlagsbuchhandlung nimmt schon Jetzt Bestellungen 
entgegen. 

Die Verlagsbuchhandlung. Der Herausgeber. 

Fbcktr's and. Buchhandlung I. Kernlsld, 

Berlin V. 62, kaithstraßs 5. 


Redaktion: Prof. Dr. Rapmund, Geh. Med.-Rat in Minden LW. 

J. 0. 0. Bruns, Herxofl. Siebs, u. Fürst!. 8ch.-L. Hofbuchdruckerdi in lflidM. 






«iss gesamte MeHÜto; «) 

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1916 


29 . Jahrg. 


Zeitschrift 

für 


MEDIZINALBEAMTE. 


Zenlralblatt 

fflr das gesamte Gebiet der gerichtlichen Medizin und Psychiatrie, 
des staatlichen und privaten Versicherungswesens, sowie fflr das 
Medizinal- und öffentliche Gesundheitswesen, einschließlich der 

Hygiene und Gakteriologie. 

Heraasgegeben 

von 

Prot Dr. OTTO RAPMÜND, 

Geh. Med.-Rat In Minden i. W 


Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, Sächsischen, 
WGrttembergischen, Badischen, Hessischen, Mecklenburgischen, Thüringischen, 
Braunschweigischen und Eisass-Lothringischen Medizinalbeamtenvereins. 


Verlag von Fiseher’s med. Bnehhandlg H. Kornfeld, 

HenogL Bayer. Hof* n. &. o. K. Kamm<ir-B.'nht»In<ü«r. 

Berlin W. 62, Keithstr. 5. 

Aaieffii iihnin 41 « Teriafikandluf sowie nll« iaselfOOiiuiahneitdloB dos 1 b- 

ud luIaadN «tfefOB, 


Nr. 22. 


Erscheint am 5. and tO. J< 


20. No v. 


lieber die Bedeutung der Kgl. bakteriologischen Unter¬ 
suchungsstation Landau für die Bekämpfung der Infektions¬ 
krankheiten im Regierungsbezirk Pfalz. 1 ) 

Von Stabsarzt Dr. Otto Mayer, Leiter der Station. 

Die kgl. bakteriologische Untersuchungsstation Landau 
wurde im August 1903 zur Bekämpfung des Typhus im Re¬ 
gierungsbezirk Pfalz errichtet und gehört zu den der Typhus¬ 
bekämpfung im Südwesten des Reiches dienenden Untersuchungs¬ 
anstalten; die hygienische Untersuchungsstelle der kgl. 
bayerischen 3. Division ist mit ihr verbunden. Eine bis 1910 
in Kaiserslautern angegliederte Außenstation, die mit 3 Aerzten 
und 2 Dienern besetzt war, wurde infolge des Rückganges der 
Typhuserkrankungen aufgelassen. 

Der Typhusbekämpfung war in der Pfalz in früheren 
Jahren gut vorgearbeitet, da der Vorgänger des gegenwärtigen 
Kreismedizinalrates, Ober-Med.-Rat Dr. Karsch, sich seit 1875 

*) Vortrag, gehalten aaf der 11. Landesversammlang des bayerischen 
Medizinalbeamtenvereins in Neustadt a. Hardt am 12. Jali 1914. 











658 Dr. Mayer: Ueber die Bedeutung der Kgl. bakt. Untersuchungsstation 

nicht nur über die Todes-, sondern auch über die Krankheits¬ 
fälle von Typhus hatte berichten lassen. An der Hand dieser 
Berichte hatte er eine für die damaligen Verhältnisse sehr 
genaue Statistik angelegt. Auch leichte Fälle von Typhus 
waren schon in ihr auf genommen und vereinzelt für die Weiter¬ 
verbreitung des Typhus verantwortlich gemacht. 

Der jetzige Kreismedizinalrat, Ober-Med.-Rat Dr. Demuth, 
hat als Bezirksarzt in Frankenthal schon sehr frühzeitig dem 
direkten und indirekten Kontakt bei Typhus das Wort geredet 
und die Bodenverhältnisse nur als begünstigende Begleitumstände 
(Unreinlichkeit als Begünstigung des Kontaktes) gelten lassen. 
Als Kreismedizinalrat nahm er die Bestrebungen Karschs zur 
Bekämpfung des Typhus tatkräftig auf und widmete namentlich 
der Verbesserung der Wasserverhältnisse in der Pfalz sein ganz 
besonderes Augenmerk. 

In der Zeit vor der bakteriologischen Mithilfe entstanden 
aber natürlich dadurch Lücken in der Typhusbekämpfung, daß 
man bei der Ermittlung der Erkrankungen lediglich auf klinische 
Merkmale angewiesen war, die vorübergehenden und dauernden 
Typhusbazillenausscheider der Feststellung entgingen und die 
Aufhebung von Isolierungsmaßnahmen zu früh, nämlich mit 
dem Zeitpunkt der klinischen Genesung aufhörte. 

Die Vorarbeit der pfälzischen Medizinalbeamten und Aerzte 
gewährten aber der Untersuchungsstation Landau für die Be¬ 
kämpfung nach Kochschen Grundsätzen vor den übrigen 
Bekämpfungsgebieten im Süd westen des Reiches den Vorteil, 
daß man infolge der sorgfältigen Statistik gleich anfangs an 
den richtigen Stellen wirksam einsetzen konnte. 

Im einzelnen traten an die Untersuchungsstation folgende 
Aufgaben heran. 

Zunächst mußten die neuen Gesichtspunkte der Ueber- 
tragung des Typhus in Aerzte und Laienkreisen verbreitet 
werden? Bei der Errichtung der Station galt die Ansicht, daß 
das Fortkriechen des endemischen Typhus auf der Wirksamkeit 
von unerkannten, sehr leicht verlaufenden Typhusfällen, von 
vorübergehenden nichtkranken Bazillenträgern und von einer 
ziemlich lange dauernden Ausscheidung von Typhusbazillen 
bei Rekonvaleszenten beruhe. 

Bald kam aber ein neues Moment hinzu, die Feststellung 
sogenannter Dauerausscheider von Typhusbazillen. In 
dieser Frage konnte die Anstalt schon Anfang 1904 teils in 
den Heil- und Pflegeanstalten der Pfalz, teils im Öffentlichen 
Verkehr Material sammeln, indem Typhusbazillenträger fest¬ 
gestellt wurden, die die Typhusbakterien vor vielen Jahren in 
sich aufgenommen und virulent erhalten hatten. 

Die Station Landau und ihre Außenstation in Kaisers¬ 
lautern gehörten mit zu den ersten, die auf die grundlegende 
Bedeutung dieser Dauerausscheider für die Typhusverbreitung 
aufmerksam machten, anfangs nicht ohne Widerspruch aus dem 
eigenen Kreise der Bekämpfungsstationen. Georg Mayer hat 



Landau für die Bekämpfung der Infektionskrankheiten im Bgbz. Pfalz. 659 

während seiner Tätigkeit in Kaiserslautern zuerst au! die Be¬ 
deutung einer schubweise erfolgenden Ausscheidung bei Typhus- 
bazil len-Dauerträgern hingewiesen. 

Eine weitere Aufgabe der Station war eine umfassendere 
Organisierung des Desinfektionswesens: 

1903 waren in der Pfalz zwar einzelne private Desinfektions¬ 
anstalten; öffentliche Desinfektoren im Haupt- oder Nebenberuf 
kannte man jedoch noch nicht. Bei Gelegenheit einer durch 
Milchinfektion entstandenen Typhusepidemie in Kaiserslautern 
hielt ich im November 1903 die ersten Ausbildungskurse für 
Desinfektoren in der Pfalz ab und organisierte das Desinfektions¬ 
wesen in Kaiserslautern mit Hilfe des sehr rührigen jetzigen 
Führers der dortigen freiwilligen Sanitätskolonne. Im Anschlüsse 
daran wurden planmäßig Ausbildungskurse für Desinfektoren 
eingerichtet. So wurden z. B. im Jahre 1912 in neun Aus- 
bildungs- und Wiederholungskursen 24 Desinfektoren neu aus¬ 
gebildet und 54 nachgeprüft; im Jahre 1913 fanden 7 Kurse 
statt, in denen die Neuausbildung von 34 und eine Nachprüfung 
von 104 Desinfektoren erfolgte. 

Der Ausbau des Desinfektionswesens ist nunmehr so gut 
wie vollendet. Nachdem in den letzten 2 Jahren gemeinsam 
mit den Herren Bezirksärzten in den einzelnen Bezirksämtern 
die Einteilung in Desinfektionsbezirke zum Teil neu geregelt, 
zum Teil umgearbeitet worden ist, alte Desinfektionsapparate 
sogen. Pastillenapparate ausgemustert und auf Beschaffung 
vollständiger Ausrüstung für jeden einzelnen Desinfektor hin¬ 
gearbeitet wurde, bestehen jetzt in der Pfalz 189 Desinfektions¬ 
bezirke. 

Dem Gesichtspunkte der Einheitlichkeit in der Ausbildung 
wurde auch die Beschaffung der Ausrüstnng unterworfen. Des¬ 
halb sind in der Pfalz nach und nach 142 Formalinlampen nach 
System Dieudonne-Lang, 18 nach Flügge, 5 Torrens- 
und 12 Lingner-Apparate beschafft worden. 9 Aeskulap- 
und 3 Scheringlampen sind zur Ausmusterung beantragt und 
werden demnächst durch D i e ud o n n 6 -Apparate ersetzt werden. 
Ferner sind noch 34 Dampfdesinfektionsapparate und ein Vakuum- 
Formalin-Dampfdesinfektionsapparat vorhanden. 

Der Gang der Untersuchungen auf Typhus gestaltete 
sich derart, daß sich die Station an dem Ermittlungsverfahren 
in jedem einzelnen Falle beteiligte und zwar meist durch Ent¬ 
sendung eines Beamten an Ort und Stelle, der den Amtsarzt 
bei der Ermittlung durch Aktenmaterial aus der Station und 
durch Entnahme von Untersuchungsstoffen unterstützte. Dieses 
Verfahren macht es häufig möglich, die Beziehungen zwischen 
den Typhusfällen in den einzelnen Bezirksämtern oder in den 
verschiedenen Bekämpfungsgebieten im Südwesten des Reiches 
. schon bei der ersten Ermittlung festzustellen. Sehr oft leitet 
die Spur zu einem der Station bekannten Dauerausscheider 
von Typhusbazillen oder es wird ein neuer Typhusbazillen- 
Dauerträger festgestellt. 



660 Dr. Mayer: Ueber die Bedeutung der Kgl. bakt. Untereuchungsstation 

Als Ermittlungsbogen dient das Formblatt des kgl. 
bayerischen Staatsministeriums des Innern, an das, wenn es sich 
um Epidemien oder endemische Durchseuchung handelt, ein 
den besonderen Verhältnissen der Typhusbekämpfung in der 
Pfalz angepaßter Abschnitt angefügt wird (siehe Anlagen 1 u. 2). 

Die fortlaufende Untersuchung der Kranken wird 
bis zur bakteriologischen Genesung oder der Herausbildung 
zum Dauerträger von Typhusbazillen durchgeführt. 

Zur Feststellung der bakteriologischen Genesung 
beschränke ich mich, wenn es irgendwie zu erreichen ist, nicht 
auf 3 Schlußuntersuchungen im Verlaufe von 14 Tagen bis 
3 Wochen, vom 10. Tage nach der Entfieberung gerechnet, 
sondern lasse mindestens 6 mal untersuchen. Diese Vermehrung 
der Schlußuntersuchungen gründet auf der Erfahrung, daß bei 
einer Anzahl von Personen, die auf Grund von 3 Schlußunter¬ 
suchungen als bakteriologisch genesen aus der Beobachtung 
entlassen worden waren, bei gelegentlichen Nachkontrollen 
noch Typhusbazillen im Stuhl oder Urin gefunden worden sind. 
Es waren also durch eine zu kurze Untersuchungsreihe Dauer¬ 
träger von Typhusbazillen bei der ersten Ermittlung ent¬ 
gangen. 

Ein wichtiger Teil der Tätigkeit der Station ist die 
ständige Ueberwachung der Dauerausscheider von 
Typhusbazillen. Sie wird in der Pfalz auf der Grundlage 
des Artikels 67 Abs. 2 des bayerischen Polizeistrafgesetzbuches 
folgendermaßen durchgeführt: 

1. Id der Beb&usaog jedes Daaerträgers von Typhusbazillen muß eine ein¬ 
wandfrei zementierte, von der Dunggrube getrennte Abortgrube vorhanden 
sein. (Gegenwärtig wird kontrolliert, ob diese Forderung bei allen zur¬ 
zeit in Beobachtung befindlichen Typbusbazillen - Dauerträgern durch- 
geführt ist.) 

2. Im Abort muß Klosettpapier vorrätig sein. 

3. Der Typhusbazillenträger wird angewiesen, seine Hände nach jeder Stabl¬ 
und Urinentleerung mit Seife und Wasser gründlich zu reinigen. 

4. Die Wäsche muß getrennt von der anderer Personen auf bewahrt und 
gewaschen werden. 

5. Die Abortgrube ist vor jeder Entleerung durch den amtlichen Desinfektor 
zu desinfizieren. 

6. Die Beschäftigung im Nahrungsmittelbetrieben und das Vermieten von 
Zimmern ist untersagt 

7. Alle 8 Wochen ist eine Stuhl- und Urinprobe an die Untersuchungsstatioa 
einzusenden. 

8. Ein Aufenthaltswechsel unterliegt polizeilicher Kontrolle. 

Von fortlaufenden Desinfektionsmaßnahmen wird deshalb 
abgesehen, weil sie erfahrungsgemäß doch nicht dauernd durch¬ 
geführt werden, während eine Erziehung zur Reinlichkeit 
erreichbar ist und die Durchführung von Reinlichkeitsmafi- 
nahmen überwacht werden kann. 

Die achtwöchentliche Einforderung von Stuhl- und Urin¬ 
proben verfolgt nicht den Zweck, festzustellen, daß die Dauer¬ 
träger immer noch Typhusbazillen ausscheiden, sondern soll 
sie und ihre Umgebung darauf aufmerksam machen, daß die 
Infektionsgefahr fortlaufend gleichmäßig groß ist. 



Landau für die Bekämpfung der Infektionskrankheiten im Bgbz. Pfalz. 661 

Bis jetzt wurden in der Pfalz 106 Dauerausscheider von 
Typhusbazillen festgestellt. Eine Anzahl von ihnen ist erst 
ermittelt worden, als sie das zweite Mal eine Infektion in ihrer 
Umgebung veranlaßt hatten, einige noch später. 

So wurde z. B. bei zwei Typhusfällen in Ludwigshafen eine Infektions¬ 
quelle zunächst nicht ermittelt. Ein Jahr darauf wurde in Impflingen bei 
Landau ein Typhusfall bei einer Dienstmagd gemeldet. Es konnte festgestellt 
werden, daß sie bis 3 Wochen vor der Erkrankung ihre an Gallensteinen 
leidende verheiratete Schwester in Ludwigshafen gepflegt hatte, die dann durch 
die bakteriologische Untersuchung des Stuhls als chronische Typhusbazilien- 
Trägerin ermittelt wurde. Diese wohnte im gleichem Hause mit den im Jahre 
vorher an Typhus erkrankten oben genannten 2 Personen, benutzte den gleichen 
Abort wie sie und muß demnach auch für diese Fälle die Infektionsquelle 
abgegeben haben. 

Eine Zimmervermieterin in Neustadt a. H. infizierte jahrelang jeden 
Mieter. Sie wurde bei der vorletzten und letzten Infektion, die in ihrem Hause 
vorgekommen war, bakteriologisch untersucht. Erst bei der letzten Infektion 
gelang der Nachweis, daß sie Dauerausscheiderin von Typhusbazillen ist. 

In Pirmasens starb die Frau ein e s Metzgers an Typhus. Die Umgebung 
wurde bakteriologisch durchuntersuchti darunter auch die Haushälterin des 
Metzgers. Ein Bazillenträger wurde nicht gefunden. Ein Jahr später erkrankte 
im gleichen Geschäft ein 17jähriger Bursche und die Dienstmagd des Bruders 
des Metzgers. Diesmal wurde bei der Umgebungsuntersuchung die Haushälterin 
als chronische Bazillenträgerin festgestellt. Interessant ist, daß sowohl der 
Metzgerbursche wie die Dienstmagd zu Dauerausscheidern von Typhusbazillen 
wurden. Bei dem vor der Typhuserkrankung vollkommen gesunden Burschen 
entwickelte sich ein Gallensteinleiden, das nach ungefähr einem Jahre zur 
Operation führte. Es wurde mit der Gallenblase ein taubeneigroßer, an 
der Oberfläche mit Cbolestearin überzogener Gallenstein herausgenommen. Die 
Typhusbazillenausscheidung hörte kurze Zeit nach der Operation auf, stellte 
sich aber nach einigen Wochen wieder ein. 

Ein Beispiel, wie die gegenseitige Verbindung zwischen 
den einzelnen Typhusbekämpfungsstationen im Südwesten des 
Reiches zur Auffindung von Typhusbazillenträgern führt, ist 
folgender Fall: 

In Bexbach erkrankte ein schulpflichtiger Knabe an Typhus. Die Inku¬ 
bationszeit wies auf eine Infektion in Saarbrücken hin, wo der Knabe die 
Schule besucht und bei seiner Großmutter gewohnt hatte. Das Institut für 
Hygiene in Saarbrücken wurde um Untersuchung der Stuhlentleerungen dieser 
Frau gebeten und stellte fest, daß sie als chronische Typhusbazillen-Trägerin 
die Infektionsquelle gewesen war. 

Schon aus diesen wenigen Beispielen läßt sich der Wert 
ausgedehnter Ermittlungen und fortlaufender Listenführung 
ermessen. 

Daß die chronischen Bazillenträger zuweilen erst festgestellt 
werden, nachdem sie wiederholt Infektionen in ihrer Umgebung 
gesetzt haben, beruht auf der häufig nur schubweise erfolgenden 
Ausscheidung von Typhusbazillen, zwischen der Pausen von 
beträchtlicher Länge bestehen können. 

Der Schwerpunkt der Umgebungsuntersuchungen 
wird deshalb von uns jetzt auf besonders verdächtige 
Personen verlegt. Als solche betrachten wir in erster Linie 
Personen mit Lebererkrankungen und Gallensteinleiden. Werden 
derartige Kranke in der Umgebung von Typhuskranken er¬ 
mittelt, so begnüge ich mich bei ihnen nicht mit einer Unter- 



662 Dr. Mayer: Ueber die Bedeutung der Kgl. bakt Untersnchaog 89 tatioD 

Buchung von Stuhl und Urin, sondern lasse die Untersuchungen 
öfter in Zwischenräumen von 8 zu 8 Tagen wiederholen, damit 
die Feststellung eines chronischen Bazillenträgertums womöglich 
schon im ersten Ermittlungsverfahren erfolgen kann. 

Eine neue Art der Ermittlung von Typhusbazilien- 
Dauerausscheidern führte ich durch Untersuchung des bei 
Operationen in Krankenhäusern entnommenen Gallen¬ 
blaseninhalts ein. Von ungefähr 90 Fällen wurden bei 
10 °/ 0 Typhus- oder Paratyphusbazillen nachgewiesen, ein Beweis, 
wie oft in endemisch von Typhus befallenen Gegenden Typhus¬ 
oder Paratyphusinfektion bei chronischer Entzündung der 
Gallenwege gefunden werden kann. Bei einem Teil dieser Fälle 
wurden trotz Herausnahme der Gallenblase einige Zeit nach 
der Operation wieder Typhusbazillen nachgewiesen. 

Bei Krankheitsverdächtigen und sicheren Typhuskranken 
wird die fortlaufende Desinfektion am Krankenbett in der Be¬ 
hausung durchgeführt, wenn die Ueberführung in ein Kranken¬ 
haus, die in jedem Falle angestrebt wird, nicht durchführbar ist. 

Die Absonderung Typhuskranker in Krankenhäusern, 
verbunden mit einer sofortigen Ausführung der Schlußdesinfektion 
in der Wohnung und der Durchsuchung der Umgebung der 
Kranken nach Infektionsquellen, hat sich als das wirksamste 
Mittel der Einschränkung der Kontaktinfektionen von seiten 
kranker Personen ergeben. In den letzten Jahren ist die Zahl 
der in Krankenhausbehandlung überführten Typhuskranken in 
der Pfalz auf 57—63°/ 0 gestiegen. 

Kann eine Ueberführung in ein Krankenhaus aus irgend¬ 
welchen Gründen nicht erreicht werden, so wird darauf ge¬ 
drungen, daß Pflege und fortlaufende Desinfektion 
durch Berufskrankenpflegepersonal erfolgen. 

Die auch für das rechtsrheinische Bayern vorgeschriebene 
Abhaltung von Kursen zur Ausbildung von Krankenschwestern 
und Krankenwärtern in der fortlaufenden Desinfektion am 
Krankenbett hat für die Pfalz die Station Landau übernommen. 
Bis jetzt wurden drei Kurse abgehalten, in denen 35 Kranken¬ 
schwestern und 4 Krankenwärter ausgebildet wurden. 

Die Desinfektion des Abortes, der Abortgrube, Dungstätten, 
der Abwasserrinnen im Hofe und auf der Straße (20 Meter auf¬ 
wärts "und abwärts vom Typhushause) wird durch die amtlichen 
Desinfektoren durchgeführt; sie besorgen auch die Beschaffung 
von Desinfektionsmitteln. 

Die Grundsätze der fortlaufenden Desinfektion usf. sowie 
Ausführungsbestimmungen hierfür sind in die amtlichen Vor¬ 
schriften aufgenommen, die jedem Haushaltungsvorstand gegen 
Unterschrift ausgehändigt werden (siehe Anlagen 3, 4 und 5i. 

Der ganze große Ermittlungs- und Untersuchungsapparat 
könnte in Anbetracht der immer weiter herabgehenden Zahl 
der Typhuserkrankungen auf den ersten Blick als zu kostspielig 
und übertrieben erscheinen. Man muß aber dabei bedenken, 
daß der Rückgang der Typhuserkrankungen einzig und allein 



' Landau für die Bekämpfung der Infektionskrankheiten im Rgbz. Pfalz. 663 


auf dem Niederhalten der Infektionsherde, insbesondere der 
Dauerausscheider von Typhusbazillen beruht. 

Bei der geringsten Lücke entstehen auch bei uns noch 
Epidemien. Bei mehreren Typhusepidemien der letzten Jahre 
konnte eine Typhusbazillendauerträgerin als Ursache ermittelt 
werden. In einem Falle war es eine bisher unbekannte Dauer¬ 
trägerin, in einem anderen einige nicht als Typhus erkannte 
Erkrankungen, die von einer chronischen Typhusbazillenträgerin 
veranlaßt waren usf. 

Die Epidemien konnten durch energisches Eingreifen fast 
unmittelbar, nachdem die amtlichen Maßnahmen eingesetzt 
hatten, zum Stillstand gebracht werden. Meistens wurde sogar 
ein Dauererfolg erzielt, indem auch in der Hauptjahreszeit für 
Typhus, die ungefähr von der 35. Jahreswoche ab beginnt, im 
Jahre nach der Epidemie keine Typhusfälle in diesen Ortschaften 
auftraten. 

Das beste Beispiel, daß es gelingt, bei Beachtung aller 
Vorsichtsmaßnahmen den Typhus dauernd zu bannen, bietet 
die Heil- und Pflegeanstalt Frankenthal; sie ist von früherer 
starker Durchseuchung jetzt in eine völlig typhusfreie Anstalt 
umgewandelt worden. Die neue Heil- und Pflegeanstalt Hom¬ 
burg konnte bis jetzt typhusfrei erhalten werden. 

In diesen beiden Anstalten wurde außer Durchunter¬ 
suchungen und Untersuchungen bei allen Neuaufnahmen neuer¬ 
dings auch mit der Typhusschutzimpfung begonnen, von der 
man sich für geschlossene Anstalten Erfolge erwarten darf. 

Würde der ständige Wachtdienst an irgend einer Stelle 
dauernd ausgesetzt werden, so ist zu befürchten, daß auch die 
Typhusausbreitung bald wieder im Zunehmen begriffen wäre. 

Neben dieser Kleinarbeit, die sich um die Person des 
Typhuskranken und seine Umgebung dreht und die immer den 
größten Teil der Arbeit und Zeit in den Untersuchungsstationen 
in Anspruch nehmen wird, wurden aber auch die größeren 
hygienischen Gesichtspunkte nicht außer Acht gelassen. 

So wurden die großzügigen Sanierungspläne des Herrn 
Kreismedizinalrates bezüglich der Versorgung möglichst vieler 
Ortschaften mit Wasserleitungen durch Untersuchungen 
und Ermittlungen an Ort und Stelle unterstützt. Von den 
708 Ortschaften der Pfalz besitzen jetzt 417 = 58,9°/ 0 Wasser¬ 
leitungen. Seit dem Beginn der verstärkten Typhusbekämpfung v 
wurden davon gebaut 242 = 58 °/ 0 ; 4 sind noch in Ausführung 
und 64 in Vorbereitung. 

Ebenso beteiligte sich die Station an der Begutachtung 
von neuen Kanalisationsanlagen und bei der Verbesserung 
schon bestehender. 

Dem Ausbau des Dampfdesinfektionswesens wurde 
besonderes Augenmerk geschenkt. Es ist mir gelungen, einen 
neuen Typ von Desinfektionsapparaten auszuarbeiten, bei dem 
außer der Dampfdesinfektion auch noch die Desinfektion von 
Lederwaren und sonstigen empfindlichen Gegenständen durch 



664 Dr. Mayer: Ueber die Bedeutung der Kgl. bakt. Untersuchnngsatation 

• 

Einleitung von Formalindampf ohne Luftverdünnung bei 
56 0 Celsius mit gleicher Tiefenwirkung gewährleistet ist wie bei 
den viel teuereren und schwer bedienbaren Vakuum-Apparaten. 

Die Ueberwachung der Reinheit der Flußläufe und 
Bäche wird gemeinsam mit den Kulturbauämtern und dem 
Fischerei-Sachverständigen der kgl. Regierung der Pfalz durch¬ 
geführt. 

Der Verkehr mit Nahrungsmitteln wird ebenfalls, 
soweit es sich um bakteriologische Untersuchungen und 
hygienische Gutachten handelt, überwacht. 

Als Erfolg aller dieser Maßnahmen hat sich ein Rück¬ 
gang der Typhuserkrankungen seit Beginn der Stations¬ 
tätigkeit auf den 5. Teil ergeben; denn von den 708 Ortschaften 
der Pfalz werden alljährlich nur mehr ungefähr 50 von Typhus 
betroffen gegenüber ehemals 120. Die Pfalz steht mit diesem 
Bekämpfungserfolg unter den Typhusuntersuchungsstationen im 
Süd westen des Reiches an erster Stelle, da anderwärts der 
Rückgang des Typhus nur auf ein Drittel der früheren Krank¬ 
heitsfälle erfolgt ist. 

Die Tätigkeit der Station bewegte sich aber nicht aus¬ 
schließlich in der Richtung der Typhusbekämpfung. Schon 
von der Gründung an wurden ebenso wie in den anderen 
Stationen zur Typhusbekämpfung die bakteriologischen Unter¬ 
suchungen über die auf Typhus hinaus auch auf solche zur 
Feststellung anderer Infektionskrankheiten ausge¬ 
dehnt, pathologisch-anatomische Schnittpräparate 
angefertigt und Sektionen vorgenommen. 

Diese Ausdehnung der Untersuchungen ergab sich von 
selbst durch die stetige Fühlung mit den praktischen Aerzten. 
Es war Grundsatz, den Aerzten bei allen Untersuchungen, 
die mit Sicherheit nur in einem Laboratorium ausgeführt 
werden können, an die Hand zu gehen. Die Untersuchungen 
wurden deshalb von jeher kostenlos ausgeführt. 

Das große Verständnis, das die pfälzischen Aerzte der 
modernen Feststellung von Infektionskrankheiten und deren 
Bekämpfung entgegenbrachten, sowie das sich immer mehr 
steigernde Bedürfnis nach bakteriologischen Diagnosen aus dem 
inneren Drang der Aerzte nach Sicherung klinisch zweifelhafter 
Fälle, prägt sich in der folgenden Zusammenstellung über die 
Zahl der Untersuchungen auf nicht-typhusverdächtige Infek¬ 
tionskrankheiten in den einzelnen Jahren seit Bestehen der 
Station aus: 

Es wurden ausgeführt auf nicht typhöse Infektions¬ 
krankheiten folgende Zahl von Untersuchungen: 

1904 : 571. 1905 : 763. 1906 : 771. 

1907: 1442 (and 1095 bei einer Epidemie von Meningitis cerebrospinalis 
epidemica). 

1908: 1050. Wechsel in der Leitung der Aaßenstation Kaiserslautern. 

1909: 1032. Erster Wechsel in der Leitang der Station Landen. 

1910: 753. Aaflagsnng der Station Kaiserslautern. 

1911: 1285. 



Landau für die Bek&mpfang der Infektionskrankheiten im Rgbz. Pfalz. 665 

1912: 1703. Zweiter Wechsel in der Leitung der Station Landau, aber 
Besetzung mit einem Leiter, der in der Pfalz yon 4jähriger Tätigkeit als 
Hilfsarzt der Außenstation Kaiserslautern bekannt war. 

1918: 4868. 

1914: Schon im ersten Halbjahr 4466. 

Diese Uebersicht zeigt auch, daß der vielfache Wechsel 
in den inneren Verhältnissen der Station nicht ohne merkbaren 
Einfluß blieb. Die Untersuchungszahl wurde bei Leiterwechsel 
bezw. beim Auflassen der Station Kaiserslautern im allgemeinen 
ungünstig beeinflußt. Dies ist eine Naturnotwendigkeit, da es 
sich ja bei dem Verhältnis zwischen Untersuchungsstation und 
Aerzten bei allen Erkrankungen, bei denen nicht unmittelbar 
ein Untersuchungszwang besteht, um eine Vertrauenssache 
handelt. 

Nach der Uebernahme der Leitung der Station am 1. April 
1912 führte ich bis gegen Ende 1912 eine innere Neuorgani¬ 
sation durch, indem eine Hilfsarztstelle aufgelassen und für sie 
eine Präparator- und zweite Dienerstelle geschaffen wurde. 

Teils 1912, zum größten Teil aber 1913 erfolgte dann 
auch in der äußeren Tätigkeit eine Aenderung. Diese wurde 
eingeleitet durch einen Auftrag der kgl. Regierung der Pfalz 
an sämtliche Distriktspolizeibehörden, kgl. Bezirksärzte und 
Ortspolizeibehörden der Pfalz, sich im Interesse der Einheit¬ 
lichkeit der Typhusbekämpfung zur bakteriologischen Unter¬ 
suchung von Trink-und Nutzwasser, Abwasser, Jauche, Staub, 
Erde, Nahrungsmitteln usf. der bakteriologischen Untersuchungs¬ 
station Landau zu bedienen. 

Eingeschaltet maß hier werden, daß in der Zwischenzeit im Jahre 1911 
von der Untersnchangsanstalt in Wttrzburg für die Pfalz 188 Dntersnchangen 
aasgeführt warden. Die Zahl der in Würzburg im Jahre 1912 für den Kreis 
Pfalz gemachten Untersuchungen war aber nur mehr 8, hauptsächlich wohl 
wegen der weiten Entfernung von Würzburg und weil die Anstalt in Landau 
sich allen Anforderungen gewachsen zeigte. 

Weiter wurde i. J. 1913 durch die Station Landau die 
Abgabe der Versandgefäße an die Apotheken und die regel¬ 
mäßige Ergänzung des Bestandes durch Vereinbarungen geregelt. 

Auch die Neueinteilung der Pfalz in Desinfektionsbezirke 
fand im gleichen Jahre — wie eingangs schon erwähnt — statt. 

Auf Veranlassung des kgl. bayer. Staatsministeriums des 
Innern wurde durch Verfügung der kgl. Regierung der Pfalz 
vom 4. Oktober 1913 die Tätigkeit der kgl. bakteriologischen 
Untersuchungsstation Landau über die Typhusbekämpfung hin¬ 
aus auch amtlicherseits auf die Untersuchungen bei allen ande¬ 
ren im Regierungsbezirk Pfalz vorkoramenden Infektionskrank¬ 
heiten ausgedehnt und die Befugnis erteilt, dass die Beamten 
der Station in gleicher Weise wie bei Typhus Ermittlungen an 
Ort und Stelle vornehmen und Bekämpfungsvorschläge machen 
dürfen. 

Um die unmittelbare bakteriologische Mitwirkung hiebei 
zu erleichtern, wurde seitens der kgl. Regierung bestimmt, daß 
von jeder einlaufenden Anzeige einer ansteckenden Krankheit 



666 Dr. Mayer: Ueber die Bedeutung der Kgl. b&kt. Unteraacbungsstation 

mit Ausnahme von Masern und Scharlach der Untersuchungs¬ 
station in Landau unverzüglich eine Abschrift einzusenden ist. 

Die Station hat außerdem von allen hygienischen Neue¬ 
rungen auf dem Gebiete der Wasserversorgung und Abwasser¬ 
beseitigung und von den Maßnahmen zur Reinhaltung der 
öffentlichen Gewässer Kenntnis zu erhalten. Sie beteiligt sich, 
wenn irgend möglich, an den von den kgl. Kulturbauämtern 
anberaumten Terminen zur öffentlichen Wasserschau. 

Um die in den letzten Jahren so hoch an gewachsene 
Zahl der nicht auf Typhus bezüglichen Untersuchungen weiter¬ 
hin unentgeltlich durchführen zu können, wurde seitens des 
Landrates der Pfalz ein jährlicher Zuschuß von 7000 M. be¬ 
willigt. Nur für die Untersuchungen auf Wassermann sehe 
Reaktion werden 3 M., für pathologisch-anatomische Schnitt¬ 
präparate 3—6 M. berechnet. 

Es werden also jetzt die gesamten Untersuchungen auf 
Verhütung von Infektionskrankheiten im Regierungsbezirk Pfalz 
von einer in diesem Kreise gelegenen eigenen Untersuchungs¬ 
station vorgenommen, nachdem wegen der räumlichen Tren¬ 
nung vom rechtsrheinischen Bayern und aus Mangel einer 
nahegelegenen bayerischen Hochschule schon eine eigene Unter¬ 
suchungsanstalt für Nahrungs- und Genußmittel in der Kreis¬ 
hauptstadt Speyer errichtet worden war. 

Die Lebensfähigkeit einer eigenen bakteriologischen Unter¬ 
suchungsanstalt für die Pfalz ist durch die obigen Zahlen und 
namentlich durch die alljährliche Steigerung der allgemeinen 
Inanspruchnahme erwiesen (s. Anlage 6). 

Die schon berührten räumlichen Verhältnisse spielen hier¬ 
für wohl die ausschlaggebende Rolle; in ihnen ist auch der 
Zusammenschluß der pfälzischen Aerzte zu einem großen Verein 
zu suchen. Das Vereinsorgan, das Vereinsblatt der pfälzischen 
Aerzte, bietet eine wertvolle Handhabe, um, abgesehen von 
allgemeinen Zusammenkünften und Besprechungen bei Dienst¬ 
reisen (i. J. 1913/14 wurden 120 örtliche Ermittlungen aus¬ 
geführt) eine ständige Verbindung zwischen den Aerzten und 
der Station herzustellen. 

Von ärztlichen Zusammenkünften sind besonders die von 
Herrn Obermedizinalrat Dr. Demuth eingerichteten Fort¬ 
bildungsvorträge zu nennen, die stets eine große Anzahl 
der pfälzischen Aerzte vereinigt und es möglich gemacht haben, 
Fragen der Seuchenbekämpfung in persönlicher Aussprache 
zu erledigen. 

Die Mittel für Unterhaltung der Station wurden bisher 
ausschließlich vom Reiche und Staate geliefert. Für das Jahr 
1914/15 sind insgesamt 37301 M. angefordert, von denen aber 
nur 15658,83 M. für den Laboratoriumsbetrieb, die Beschaffung 
der Versandgefäße und der Außendienst in Betracht kommen, 
während der übrige Teil auf die Gehälter des Personals ent¬ 
fällt. ln Zukunft kommen noch die oben erwähnten 7000 M. 



Landau für die Bekämpfung der Infektionskrankheiten im Rgbz. Pfalz. 667 

aus Kreismitteln hinzu, von denen aber auch ein Teil für‘Be¬ 
soldung einer Laborantin verwendet werden muß. 

Der Vergleich der Landauer Anstalt mit den anderen 
größeren Untersuchungsanstalten (siehe Anlage 6) ergibt, daß 
sie schon nach der absoluten Zahl der Untersuchungen zu den 
größeren gehört; noch mehr ergibt sich dies aus der Inanspruch¬ 
nahme im Verhältnis zur Einwohnerzahl der Pfalz (rund 1 Million 
Einwohner) und der Beteiligung der Aerzte (65°/ 0 der pfälzischen 
Aerzteschaft). 

Mit diesem kurzen Ueberblick über den Werdegang und 
die gegenwärtige Organisation der kgl. bakteriologischen Unter¬ 
suchungsstation Landau glaube ich gezeigt zu haben, daß sie 
den Erwartungen entsprochen hat, die die kgl. Staatsministerien, 
die kgT. Regierung der Pfalz, der Landrat der Pfalz und die 
pfälzischen Aerzte in sie gesetzt haben. 


Anlage 1. 

Formblatt 1 

za Ziff. 2 der Regierungs-Entschließung vom 4. Oktober 1913 (Kr.-A.-Bl. 8.167) 

' für die 

Niederschrift der Ermittelungen usw. bei gemeingefährlichen Krankheiten, 
dann bei Typhus, übertragbarer Ruhr, Fleisch-, Fisch-, Wurstvergiftung 
(Paratyphus) sowie bei Verdacht einer solchen Krankheit. 

Vorbemerkung: Wenn sich das Ermittelungsverfahren anf eine Mehrzahl 
von Fällen erstreckt, ist das Ergebnis tunlichst in einem Formblatte 
niederznlegen. Soweit der Vordruck in einzelnen Ziffern nicht zutrifft, 
ist er zu durchstreichen. 

I. 

Ergebnis der Ermittelungen. 

Nr. des Ein- und Auslauf buchs 
des Bezirksarztes. 

1. Ort und Tag der Anzeigeerstattung. 

Name des Anzeigenden:.. 

Krankheit, um die es sich handelt:. 

2. Ort und Tag der Ermittelungen:. 

Anwesend waren: der behandelnde Arzt: . 

als Vertreter der Orts-, Distriktspolizeibehörde:. 

der von der K. Regierung der Pfalz entsandte besondere Sachver¬ 
ständige :. 

3. Des Krankheitsverdächtigen, Erkrankten, Gestorbenen 

Vor- und Familienname:. 

Geschlecht:. 

Alter:... 

Familienstand:. 

Beruf oder Gewerbe:. 

Stelle der Beschäftigung:. 

Wohnung (Straße, Hausnummer) 1 ): 

bei Kindern, Ehefrauen, Dienstboten Name des Haushaltungsvorstandes: 

bei Kindern ferner die von ihnen besuchte Anstalt (Schule, Schulklasse, 
Kinderbewahranstalt, Krippenanstalt u. dgl): . 

4. Beginn der Krankheit:. 

Bettlägerig seit:. 

J ) Wenn sich die Ermittelung auf eine Mehrzahljvon Fällen erstreckt, 
empfiehlt es sich für kleine Ortschaften oder für Ortsteile, eine einfache Plan¬ 
pause beizulegen, in der die betroffenen Häuser einzuzeichnen sind. 





















668 Dr. Mayer: Ueber die Bedeutung der Kgl. bokt. Untersucbungsatation 


5. Der Kranke befindet sich in der . . . Woche der Krankheft, im Bückfall 
einer voransgeg&ngenen schweren, sicheren, verdächtigen Krankheit, die er 

in der Zeit vom.bis. 

in.durchgemacht hat. 

6. Die bestehende Krankheit ist leicht, schwer, mittelschwer. 

7. Behandelnder Arzt ist:. 

seit . 

8. Der Kranke ist ortsansässig: .. 

Der Kranke ist zngezogen seit:.von (Ort, Gemeinde, 

Bezirksamt):. 

Der Kranke ist zugereist seit:.von (Ort, Gemeinde, 

Bezirksamt):. 

In seinem früheren Aufenthaltsorte befand er sich seit:. 

Er wohnte bei (Wohnung, Straße, Hausnummer):. 

und war in den letzten Wochen vor der Erkrankung beschäftigt bei: . . 

9. Wo hat der Kranke vermutlich den Ansteckungsstoff aufgenommen ? . . . 

Insbesondere: 

a) Haben schon früher Familien- oder Haushaltungsmitglieder des Kranken 
gleiche Krankheiten durchgemacht und wann?. 


Befinden sich im Haushalte bereits früher festgestellte Keimträger und 
welche P. 

b) Befinden sich im Haushalt oder bei Verwandten, Bekannten, auf der 
Arbeitsstätte, bei den Verkäufern von Nahrungs- oder Genußmitteln, im 

gleichen Orte *) kranke Personen i . 

Möglichst genaue Bezeichnung der Krankheit oder des Krankheitsver¬ 
dachts :.'. 

Ist die Krankheit bei diesen Personen bereits abgelaufen oder besteht sie 
noch fort ?. 

c) War der Kranke während der Inkubationszeit außerhalb seines Wohnorts 

und wo beschäftigt?. 

Befanden sich dort kranke oder krankheitsverdächtige Personen oder fest¬ 
gestellte Keimträger ?. 

Sind die Krankheiten dieser Personen bereits abgelaufen oder bestehen sie 
noch fort? . . . 

d) Wurden Nahrungsmittel, Wäschestücke u. dgl. in letzter Zeit von aus¬ 
wärts geschickt?.». 

Welche?. 

Woher ?. 

Sind beim Absender etwa ähnliche Erkrankungen festzustellen .f . . . . 

e) Ist das Fleisch von kranken, notgeschlachteten Tieren genossen worden? 

in rohem, gekochten Zustande ?. 

An welcher Krankheit hat das Tier gelitten?. 

Hat Fleischbeschau stattgefunden ?. 

Durch wen ?. 

Ist das Fleisch für Genußzwecke tauglich, untauglich, bedingt tauglich, 
minderwertig erklärt worden?. 

10- Lassen sich auf Grund von Krankenkassenlisten, Schullisten sichere, ver¬ 
dächtige Erkrankungen (Todesfälle) feststellen und welche ?. 

oder sind nach diesen Listen oder den Standesamtsregistern überhaupt in 
den letzten Monaten Häufungen von Erkrankungen, Todesfällen aufge¬ 
treten ?. 

Was war ihre vermutliche Ursache?.. 

11. Sind bei der Ermittelung Proben zur bakteriologischen Feststellung be¬ 
stehender oder abgelaufener, sicherer oder verdächtiger Krankheiten oder 
zur Feststellung von Keimträgern in der Umgebung des Kranken entnommen 

worden?. 

von wieviel Personen?. 


*) Kommt nur für kleine Ortschaften in Betracht. 








































Landau für die Bekämpfung der Infektionskrankheiten im Rgbz. Pfalz. 669 

Besteht Sicherheit, daß weitere Proben von dem Kranken, seiner Umgebung 
oder sonstigen Personen entnommen und zur bakteriologischen Untersuchung 

eingesendet werden ?. 

12. In der Wohnung des Kranken befinden sich außer ihm Und dem Haus- 


haltungsvorstande 

.Kinder im Alter Ton.bis.Jahren, 

.Erwachsene, darunter.Familienmitglieder, 


.Dienstboten, .... Kostgänger, . . . . Schlafgänger, 

.Besuche, 

Gesamtsumme:. 

Besuchen die Kinder eine Anstalt (Schule, Kinderbewahranstalt, Krippen¬ 
anstalt) und welche (Schulklasse) P.. 

18. Die Wohnung hat Wohnräume.Schlafräume. 

mit .... Betten. 

Eine Absonderung läßt sich durchführen, nicht durchführen. 

In der Wohnung wird betrieben (Angabe des Gewerbes u. s. w.) . . . . 
In dem gleichen Hause wohnen noch selbständige Mieter: 


Verzeichnis der Mieter. 


Nummer 

Vor- und Familiennamen des 
selbständigen Mieters 
(Haushaltungsvorstands) 

Beruf 

oder 

Gewerbe 

Personenzahl 
beim Mieter 
(einschL des 
Mieters) 

1 




2 




3 




usw. 





14. Die Wäsche des Kranken —gewaschen von:. 

15. Ort und Beschaffenheit der Wasserversorgung des Kranken:. 

16. Wie werden die Ausscheidungen (Kot, Harn), Abfallstoffe, Abwasser be¬ 
seitigt? Gelangen sie in einen Wasserlauf P 

a) in der Wohnung des Kranken:. 

b) an der vermutlichen Ansteckungsstelle. 

Wieviel Personen sind an beiden Stellen auf den gleichen Abort ange¬ 
wiesen? . 

Sind Kinderaborte vorhanden P. 

Wie sind die Aborte beschaffen P. 

17. Sonstige bemerkenswerte, in Ziff. 1—16 nicht berührte Verhältnisse: 

II. 

Nur bei epidemischem und endemischem Herrschen (Vorhandensein chronischer Keim¬ 
träger am Ort) von Typhus und übertragbarer Rohr anszufQllen. Bel wiederholten 
Untersuchungen kann auf früher ausgefüllte Formblätter Besag genommen werden und 
brauchen nur Abweichungen von früheren Ermittelungen Erwähnung su finden. 

18. In welchen Jahren (innerhalb der letzten 10 Jahre) Bind daselbst Er¬ 
krankungen der gleichen Art vorgekommen ? ZahlP. 

19. Angabe der Ortsteile und Häuser (Bezeichnung nach Straße, Hausnummer, 

oder sonst wie) in denen die Krankheit a) epidemisch, b) endemisch 
(chronische Keimträger) herrscht. Besteht in den betroffenen Häusern ein 
Nahrungsmittelgeschäft? Art desselben:. 

20. Aeußerung (Beschreibung und Urteil) über die Art der Wasserversorgung 

des Ortes; insbesondere Art und Beschaffenheit der Brunnen:. 

21. Aeußerung (Beschreibung und Urteil) über die Art der Beseitigung der 
Abfallstoffe. Schwemmkanalisation. Kanalisation. Sind die Abortgruben 
von den Dunggruben getrennt? Kläranlagen. Sind die Abortgruben ein¬ 
wandfrei zementiert? Art der Entleerung derselben, pneumatische Ent¬ 
leerung, untertags oder .während der Nacht. Sind die Dungstätten ein¬ 
wandfrei zementiert ev. wieviele P Kann Jauche in die Straßenrinnen fließen ? 
Beschaffenheit der Straßenrinnen. Art der Beseitigung des Hausmülls: . . 






















670 Dr. Mayer: Üeber die Bedeutung der Kgl. bakt. Untersuchungsstation 


22. Art der Milchversorgung des Ortes:. 

Ist eine Sammelmolkerei im Ort oder in nächster Nähe? 

Firma, Straße, Hausnummer?. 

Zahl, Narte und Wohnort der Anlieferer:. 

23. Acußerung über das Krankenbeförderungswesen des Ortes:. 

24. Beschaffenheit der Schulräume und Schulaborte:. 

26. Beschaffenheit der Aborte des Bahnhofs (Beschmutzung der Pissoirs und 

Abortsitze)?:. 

26. Beschaffenheit der Aborte in den öffentlichen Wirtschaften:. 

27. Leichenwesen (Leichenhalle, Zwang zu deren Benützung oder Aufbahrung 

im Hause):. 

Leichenschau (Name und Stand):. 

28. Sonstige allgemeine Bemerkungen:. 


HI. 

Bereits durchgefOhrte oder vom Bezirksarzte vorläufig angeordnete Schutz¬ 
maßnahmen. 

wird 

1. Der Kranke -7— in die Krankenanstalt in. 

ist 

in eine andere Wohnung zu. 

werden 

am .überführt 

wurden 

Die Ueberführungsmittel wer( | en vorschriftsmäßig desinfiziert. 

2. Die Absonderung ist im Hause des Kranken durchgeführt, angeordnet worden. 

Genaue Beschreibung der Absonderung:. 

3. Der Kranke wird gepflegt von. 

Berufsmäßiger Krankenpfleger wird eingestellt. 

4. Die laufende Desinfektion ist am.angeordnet 

worden, wird ausgeführt von dem Desinfektor. 

Krankenpfleger.. Haushaltungsvorstande. 

Familienmitglied.und überwacht von. 

5. Die ordnungsgemäße Ausführung der laufenden und der Schlußdesinfektion 

ist gesichert, unsicher weil. 

ist 

6. Der Haushaltungsvorstand, die Familienmitglieder, das Pflegepersonal 

über die Ansteckungsgefahr noch nicht belehrt worden, belehrt worden 

von ... . 

Das Typhus-, Ruhrmerkblatt ist dem Haushaltungsvorstande. 

.am.ausgehändigt worden. 

7. Sonstige Schutzmaßnahmen: 


8. Die angeordneten Schutzmaßnahmen (Absonderung, Desinfektion, Pflege . . .) 


wurden dem Haushaltungsvorstande. 

mündlich, durch Uebergabe einer Niederschrift eröffnet. 


IV. 

An das K. Bezirksamt. 

An den Stadtmagistrat. 

mit folgenden Anträgen: 


den 


19 


Der K. Bezirksarzt: 


Verfügungen des Bezirksamts 
Stadtmagistrats 


V. 




































Landau für die Bekämpfung der Infektionskrankheiten im Rgbz. Pfalz.. 671 


Vorgelegt 

dem Landeskommissar für die Typhusbekämpfung in der Pfalz zu Speyer 

(Regierungsgebäude) 

(wenn es sich um Typhus, übertragbare Ruhr, Fleisch-, Fisch- oder 
Wurstvergiftung handelt, sonst) 
der E. Regierung der Pfalz, Kammer des Innern, in Speyer. 

(Berichtliche Zusätze, soweit sie noch veranlaßt sind):. 


. ., den . . 

Bezirksamt 
Stadtmagistrat 


nähme 


An die K. bakteriologische Untersuchnngsstation in Landau zur Kenntnis- 

) . 

Speyer,.19 . . 

K. Regierung der Pfalz, Kammer des Innern: 

Der Landeskommissar für die Typhusbekämpfung in der Pfalz: 


Anlage 11. 

Formblatt II 

zu Ziff.3 der Regierungs-Entschließung vom 4. Oktober 1913 (K.-A.-Bl. S. 167 ff.) 

für die 

Berichte an die K. Regierung der Pfalz, Kammer des Innern oder den 
Landeskommissar für die Typhusbekümpfung in der Pfalz Uber den 
Verlauf von gemeingefährlichen Krankheiten, sowie von Erkrankungen 
an Typhus, übertragbarer Ruhr, Fleisch-, Fisch- und Wurstvergiftung 

(Paratyphus). 




















672 -Dr. Mayer: Deber die Bedeutung der Kgl. bakt. Untersuchungsstation 


an Kranken: 


tic 

a 

s 

5 

CD 

M 

03 

03 

6 
03 
N 
fl 

Ui 

03 

SP 


Name 

des 

znge- 

zogenen 

Arztes. 


Besondere 

Bemerkungen 

über die Quelle der An¬ 
steckung, ob, wann und 
woher der Erkrankte zu¬ 
gereist ist, über die Ver¬ 
bringung des Kranken 
in ein Krankenhaus, 
über die Lage seiner 
Wohnung zu den Woh¬ 
nungen, in denen die 
Krankheit bereits auf¬ 
getreten ist. 1 ) 


in 


Abgänge von Kranken: 
Vor- and Familienname, 
Geschlecht, Alter, 
Familienstand 


Nr. 


durch 
Ge¬ 
nesung *) 


durch 

Tod 


IV 


Sonstige 
Bemerkungen: 
über spätere 
Schutzma߬ 
nahmen, 
später festge¬ 
stellte 

Ansteckungs- 
quellen, 
Ergebnis bak¬ 
teriologischer 
Untersuchungen 
usw. 


2 

usw. 

Nr. 


Vorgelegt 

dem Landeskommissar für die Typhus- 
bekämpfung in der Pfalz 
zu Speyer (Regierungsgebäude) 

(wenn es sich um Typhus, übertragbarer Ruhr, 
Fleisch-, Fisch- oder W urstvergiftung handelt, sonst): 

der K. Regierung der Pfalz, Kammer 
des Innern, 

zu Speyer. 

.. den .... 191 . 

K. Bezirksamt. 

Stadtmagistrat. 


Nr. 

Au die 

K. Bakteriologische Untersuchungsstation 

zu Landau 

zur Kenntnisnahme und Wiedereinsendung mit der Niederschrift tiber das Er¬ 
gebnis der Ermittelungen. 

Speyer, den.191 . 

K. Regierung der Pfalz, Kammer des Innern: 

Der Landeskommissar für die Typhusbekämpfung in der Pfalz: 


') Für kleinere Ortschaften oder für Ortsteile ist, wenn sich die Krank¬ 
heit weiter verbreitet, eine einfache Planpause beizulegen, in der die betroffenen 
Häuser einzuzeichnen sind. 

*) Fälle der Genesung sind erst bei Aufhebung der Schutzmaßnahmen 
(der Absonderung) cinzutragen. 











Landau für die Bek&mpfang der Infektionskrankheiten im Rgbz. Pfalz. 673 

Anlage 8. 

Formblatt 

für Anordnung des Bezirksamtes an das Bürgermeisteramt. 

No. . . . .191 . 

K. Bezirksamt. 

An das 

Bürgermeisteramt. 

Betreff: 

Die Bek&mpfang übertragbarer Krankheiten. 

Mit 1 Formblatt. 

Der Arzt.in. 

die K. bakteriologische Dntersnchnngsstation Land an, der Haushaltungs- 

rorstand (eine sonstige Person) *).. 

machte die Anzeige, daß in der Familie des *). 

in.. 

d . . . . jährige. 

an Typhös übertragbarer Bahr anter typhas-rahr-verdächtigen Erscheinungen 1 ) 
erkrankt ist. 

Qemäß Art. 67 Abs. 2 Pol.-Str.-G.-B. n. Min.-Bek. vom 9. Mai 1911 — 
G.-V.-Bl. S. 426 ff. — wird hiermit folgende 

Anordnung 

zur Verhütung weiterer Erkrankungen erlassen: 

1. Das Bürgermeisteramt hat dafür Sorge zn tragen, daß der Kranke 
oder Kran kheitsverdächtige ohne Verzug abgesondert wird, am besten durch 
Ueberführung in ein Krankenhaus (§ 10 der Min.-Bek. vom 9. Mai 1911). 

Ist die Ueberführung in ein Krankenhaus undurchführbar, so ist die 
fortlaufende Desinfektion am Krankenbett sofort vom Bürgermeisteramt an¬ 
zuordnen, falls dies nicht schon vorläufig durch den K. Bezirksarzt bei der 
Ortsbesichtigung geschehen ist (§ 11 a. a. 0.). 

Durch Streitigkeiten über die Kostenfrage dürfen die notwendigen Des¬ 
infektionsmaßnahmen unter keinen Umständen aufgehalten werden. 

Die Kosten werden am besten von der Gemeinde übernommen, da es 
sich um Maßnahmen im Interesse des allgemeinen öffentlichen Wohles handelt. 

. 2. Die Pflege des in seiner Behausung gebliebenen Kranken ist, wenn 
irgend möglich, berufsmäßigen Krankenpflegern zu übertragen, ebenso die 
fortlaufende Desinfektion am Krankenbett. Ist berufsmäßiges Krankenpflege- 
personal nicht zu erhalten, so maß die fortlaufende Desinfektion am Kranken¬ 
bett von dem privaten Pflegepersonal gemäß der anliegenden Anweisung aus¬ 
geführt werden. Der Haushaitangsvorstand ist für richtige Ausführung ver¬ 
antwortlich. Es sei aber darauf aufmerksam gemacht, daß erfahrungsgemäß 
die fortlaufende Desinfektion am Krankenbett nur dann sichere Aussicht auf 
wirksame Durchführung hat, wenn sie durch Personal ausgeführt wird, das in 
der Desinfektion besonders geschalt ist (Krankenpfleger, Desinfektoren). Der 
Desinfektor hat jedoch mit der fortlaufenden Desinfektion am Krankenbett nur 
dann zu tun, wenn er vom behandelnden Arzt zagezogen wird. 

8. Im Falle der Ueberführung in ein Krankenhaus, der Entfernung aus 
der Wohnung oder des Ablebens ist die Schiaßdesinfektion sofort ohne weiteres 
anzaordnea. Im Falle der Genesung wird der Termin der Schlußdesinfektion 
vom K. Bezirksarzt dem Desinfektor direkt mitgeteilt (§ 20 a. a. 0.). 

4. Das Bürgermeisteramt hat sofort die zur Ausfüllung des amtlichen 
Anzeigeformalars (Formblatt zur Anzeige übertragbarer Krankheiten) nötigen 
Erhebungen za betätigen und ein ausgefüiites Anzeigeformular dem K. Be¬ 
zirksamt, ein zweites der K. bakt. Untersuchungsstation in Landau zu über¬ 
senden. 

Letzteres gilt auch für jene Fälle, in welchen die Anzeige von der K. 


') Das Nichtzutreffende durchstreichen I 











674 Dr. Mayer: Deber die Bedeutung der Kgl. bakt. Untersuchungsstation 

bakt. Untersachnngsstation Landau dem K. Bezirksamt übermittelt wurde vor 
Einlauf der Anzeige einer anderen Stolle. 

5. Dem Haushaltungsvorstand ist die anliegende bürgermeisteramtliche 
Anordnung gegen vorzulegenden Nachweis (Anhängeblatt bei letzterer!) aus¬ 
händigen zu lassen. 

6. Der Desinfektor hat in jedem Falle — also auch dann, wenn er zur 
fortlaufenden Desinfektion am Krankenbett nicht beigezogen wird, — den Abort, 
die Abort- und Dunggrube, bei Aborten, welche außerhalb des Hauses gelegen 
sind, den Weg vom Hause zum Abort, schadhafte Stellen in der Pflasterung 
des Hofes, in denen sich Wasser und Jauche ansammeln kann, Abwasserrinnea 
im Hofe und die Straßenrinnen 10 m auf- und abwärts vom Hause bei Begina 
der Erkrankung und mindestens einmal wöchentlich während der Dauer der 
Erkrankung sowie bei der Schlußdesinfektion ausgiebig mit Kalkmilch zu des¬ 
infizieren. 

Zu diesem Zwecke hat der Desinfektor aus der nächsten Apotheke 
2 Liter käufliche Kresolseifenlösung, V* Liter Formalin und 10 kg Kalk zu 
beschaffen. Was hiervon übrig bleibt, ist dem Haushaltungsvorstand für die 
Ansführung der fortlaufenden Desinfektion am Krankenbett zu übergeben. 

Anlage 4. 

Formblatt 

für Anordnung des Bürgermeisteramtes an den flaushaltsvoratand uw. 
Nr. 

Bürgermeisteramt. 

An 


in. 

Betreff: 

Die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten. 

Der Arzt.in. 

die K. bakter. Untersuchungsstation Landau, der Haushaltungsvorstand (eine 

sonstige Person) 1 ). 

machte die Anzeige, daß in der Familie des 1 ). 

in . ..d.jährige . . . 


an Typhus übertragbarer Ruhr unter typhus-ruhr-verdächtigen Erscheinungen, l ) 
erkrankt ist 

Gemäß Art. 67 Abs. 2 des Polizeistrafgesetzbuches wird hiermit folgende 

Anordnung, 
zur Verhütung weiterer Erkrankungen erlassen. 

1. Soferne nicht die sofortige Ueberführung des Kranken in ein Kranken¬ 
haus erfolgt, ist er sofort möglichst sicher von den Wohnräumen der Familie, 
insbesondere von der Küche, von den Geschäftsräumen (Wirtschaft, Laden) 
und Lebensmittelniederlagen (Milch, Butter, Gemüse, Fleisch) abgesondert 
unterzubringen. 

2. Wenn irgendmöglich, ist, soferne der Kranke im Hause bleibt, berufs¬ 
mäßiges Krankenpflegepersonal beizuziehen. 

3. Für den ersten Bedarf ist an Desinfektionsmitteln nötig: 

2 Liter Kresolseifenlösung, */> Liter Formalin, 10 kg Kalk. Diese Des¬ 
infektionsmittel sind nach dem im Verlaufe der Krankheit allmählich eintretenden 
Aufbrauch der angegebenen Menge entsprechend zu ergänzen. 

4. Vor dem Krankenzimmer ist sofort ein Eimer oder Topf mit Kalk¬ 
milch aufzustellen, aus dem alle Ausscheidungen des Kranken (ßtuhlgang. 
Urin, Auswurf, Erbrochenes) mit einer gleichen Menge Kalkmilch gemischt 
werden müssen. Die so desinfizierten Ausscheidungen müssen 2 Stunden stehen 


*) Das Nichtzutreffende durchstreichen! 












Landau für die Bekämpfang der Infektionskrankheiten im Rgbz Pfalz. 675 

t 

bleiben, ehe sie in den Abort entleert werden dürfen. Kommen Entleerungen 
des Kranken auf den Boden, so ist sofort Kalkmilch oder Kresolwasser (s. unten) 
darauf zu gießen und 2 Stunden stehen zu lassen, ehe die Ausleerungen weg¬ 
geputzt werden dürfen. 

Kalkmilch: In ein Gefäß legt man 2 kg frischgebrannten Kalk 
(Aetzkalk) und besprengt diesen solange mit Wasser, bis der Kalk nach Auf¬ 
brausen zu Kalkpul rer zerfallen ist; hierzu werden 6 Liter Wasser gegossen. 
Vor Gebrauch ist die Mischung mit einem Stock, der stets im Gefäß vorhanden 
sein muß, umzurühren. Die Kalkmilch muß stets zugedeckt sein, da sie am 
Licht bald anwirksam wird. 

Wenn frisch gebrannter Kalk nicht vorhanden ist, kann man Kalk aus 
der Tiefe (nicht Oberfläche) einer Kalkgrube verwenden. Es werden alsdann 
zu 2 kg solcher Kalkmasse 6 Liter Wasser angegossen. Vor Gebrauch um¬ 
rühren! Zudecken! 

5. Im Abort ist ein Eimer mit der gleichen Masse aufzustellen. Aus 
diesem sind nach jeder Benutzung des Abortes, gleichviel durch wen, ungefähr 
3 Schöpflöffel Kalkmilch in den Aborttrichter zu gießen; auch sind das Sitz¬ 
brett und sonstige Holzteile des Abortes öfter mit Kresolwasser zu reinigen. 

Kresolwasser: Es werden 50 ccm käufliche Kresolseifenlösung auf 
ein Liter Wasser oder (zur Herstellung größerer Mengen) */• Liter Kresol- 
seifenlösung auf 10 Liter Wasser genommen. 

6. Im Hausgang neben der Tür des Krankenzimmers ist eine Bütte mit 
Kresolwasser aufzustellen, in welche alle vom Kranken benützten oder bei 
seiner Pflege gebrauchten waschbaren Kleidungsstücke und alle Wäschestücke 
vollständig unterzutanchen und 12 Stunden zu belassen sind. 

Alsdann können sie wie unverdächtige Wäsche weiter behandelt werden. 

7. Im Krankenzimmer ist eine Waschschüssel mit Kresolwasser aufzu¬ 
stellen (50 ccm Kresolseifenlösung auf 1 Liter Wasser). In dieser hat sich 
jede Person, welche das Zimmer betreten hat, vor dem Verlassen des Zimmers 
die Hände gründlich zu reinigen. Das Pflegepersonal muß im Krankenzimmer 
waschbare Ueberkleider (Aermelschürze) anlegen. Vor dem Verlassen des 
Zimmers sind die Ueberkleider abznlegen. 

8. Vor der Türe des Krankenzimmers ist eine Fußmatte oder Aehnliches 
anzubringen, welche stets mit Kresolwasser getränkt sein muß. Jede Person, 
welche aas Zimmer verlassen hat, muß sich auf dieser Matte die Schuhe 
gründlich reinigen. 

9. Die vom Kranken benutzten Spucknäpfe müssen zur Hälfte mit Kresol¬ 
wasser gefüllt sein. 

Das vom Kranken benutzte Waschwasser ist mit 50 ccm käuflicher 
Kresolseifenlösung zu versetzen, ehe es weggegossen werden darf. Jedem Bad 
ist nach Gebrauch soviel Kalkmilch znzusetzen, daß rotes in das Wasser 

f etauchtes Lakmuspapier kräftig und dauernd blau gefärbt erscheint. Die 
[alkmilch ist in diesem Falle vorher durch ein Tuch durchzuseien, damit 
Ventile nicht verstopft werden können. Das desinfizierte Badewasser darf erst 
nach 2stündigem Stehen abgelassen werden. 

10. Eß- und Trinkgeschirre, welche im Krankenzimmer benutzt wurden, 
sind folgendermaßen zu behandeln: Auskochbare Gegenstände sind in kaltes 
Wasser, dem etwas Soda zngesetzt ist, zu legen. Das Wasser ist zum Sieden 
zu erhitzen und muß mindestens '/* Stande im Kochen erhalten werden. Auf 
dem Boden des Auskochgefäßes ist ein Lattenrost oder Aehnliches anzubringen, 
damit Gläser beim Kochen nicht zerspringen. 

Die nicht auskochbaren Messer nnd Gabeln sind eine Stunde lang in 
1 °/o tiges Formalinwasser (30 ccm käufliches Formalin auf 1 Liter Wasser) zu 
legen und dann gründlich abzureiben. 

11.. Ausleerungen eines Kranken — oder Krankheitsverdächtigen — dürfen 
nicht auf offene Dungstätten, auf die Straße, in den Stall oder in die Nähe 
eines Brunnens gelangen. Ist die Dungstätte mit der Abortgrube verbunden, 
so sind die Ausleerungen des Kranken usw. in einem tiefen Loche an einer 
abgelegenen Stelle* des Gartens, an der Gemüse nicht verunreinigt werden kann, 
zu vergraben, nachdem sie vorher nach obiger Anweisung desinfiziert worden sind. 



676 Dr. Mayer: Ueber die Bedeutung der Kgl. b&kt. Unterauchungsstation 


12. Das Betreten des Krankenzimmers ist allen Personen, die nicht 
direkt mit der Pflege, Behandlung oder Ueberwachung des Kranken zu tun 
haben, verboten. 

13. Die fortlaufende Desinfektion ist in dieser Weise bis zur Anordnung 
der Schlußdesinfektion, deren Termin, falls die Krankheit in Genesung fiber¬ 
gegangen ist, vom K. Bezirksarzt dem Desinfektor direkt bekannt gegeben 
wird, durchzuführen. 

14. Sobald dem Genesenen erlaubt ist, seine Wohnung zu Spaziergängen 
zu verlassen, bat er bis zur Feststellung seiner völligen Genesung durch amt¬ 
liche bakteriologische Untersuchung das Betreten anderer Wohnungen oder 
Gebäude insbesondere von Öffentlichen Lokalen, Verkaufsläden, Versammlungs¬ 
lokalen sowie jede Berührang mit Personen, welche nicht zu seiner Pflege, 
Behandlung oder Ueberwachung berufen sind, zu vermeiden. Auch darf er 
seine Notdurft nicht außerhalb der Wohnung verrichten. 

16. Eltern und Pflegeeltern sind gehalten, Bänder, Pflege- und Kostkinder 
gemäß Ziffer 14 zu überwachen. 

16. Von den Kranken und sämtlichen Familien, in kleineren Häusern 
Hausgenossen, ist sofort dem Desinfektor eine Stuhl- und Urinprobe in den 
vom Desinfektor überbrachten Gefäßen bereitzustellen. Die weitere Einsendung 
von Untersuchungen» terial richtet sich nach dem vom K. Bezirksarzt auf ge¬ 
stellten Ablieferungsplan. 

17. Die anhängenden Anklebezet el sind an der Krankenzimmer- und an 
der Aborttüre anzubringen. Handelt es sich nicht um Typhus, sondern um 
fibertragbare Ruhr, dann ist das Wort „Typhus“ auf dem einen Zettel zu 
durchstreichen und „Ruhr“ darüber zu schreiben. Die Zettel müssen bis zur 
Schlußdesinfektion angeheftet bleiben und werden erst dann vom amtlichen 
Desinfektor abgenommen. 

Zuwiderhandlungen gegen Vorstehendes können mit Geldstrafe bis zu 
90 Mark oder mit Haft bis zu 4 Wochen bestraft werden. 

(Unterschrift des Bürgermeisters:) 


An die Außenseite der Krankenzimmertüre kleben! 


Hier Tuphuskranker! 
Besuch verboten! 


An die Aborttüre kleben! 

Nach Jeder Benützung 
drei Schöpflöffel Kalkmilch 
nachgießen! 


Betreff: 

Die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten. 

Ich bestätige hiermit, daß mir heute die bürgermeisteramtliche 

Anordnung vom.1. J. ausgehändigt und ihrem 

wesentlichen Inhalt nach eröffnet wurde. * 

(Haushaltungsvorstand:) 


Dem K. Bezirksamt.vorgelegt. 

., den.191 . . 


Das Bürgermeisteramt: 







Landau für die Bekämpfung der Infektionskrankheiten im Rgbz. Pfalz. 677 

Anlage 5. 

Formblatt 

für Einsendung von Stuhl und Urin zur bakteriologischen Untersuchung. 

Der Kgl. Bezirksarzt in. .19 

Kgl. Bakterlol. Untersuchungsstation 
Landau. 

An den Desinfektor. 

in. 

Gemäß Anordnung des Kgl. Bezirksarztes in. 

vom.19 . . ist von folgenden Personen in den 

mitgesandten Gefäßen zu den unten bezeichneten Terminen Stuhl und 
Urin einzusenden: 



Dieses Schriftstock kann dem Bürgermeisteramt als Ausweis über die 
Tätigkeit des Desinfektors vorgelegt werden. 


Anlage 6. 

Ueberslcht 

über die Tätigkeit der Kgl. bakteriologischen Untersuchungsstation Landau. 


I. 


Zahl aller im Jahre 1911 ausgeführten Untersuchungen 

» » n n 1M2 „ * 

ff ff ff ft AvlO Jf ff 

Zahl aller in der Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 1914 


ausgeführten Untersuchungen: 


1. Vierteljahr 1914 . 7604 

2. „ 1914 .. 6626 


Voraussicht!. Gesamtzahl der Untersuchungen für 1914 


12647 

18260 

21111 


14229 
rd. 28000 


II. 

Zahl der zum Nachweise des Typhus ausgeführten 
Untersuchungen: 


1. Vierteljahr 1914.3916 

2. „ 1914 . 3477 


Anderweitige nicht zum Nachweis des Typhus aus* 
geführte Untersuchungen: 

a) Diphtherie: 1. Vierteljahr 1914 . . 782 

„ 2. „ 1914. . 666 = 1347 (237 pos. = 17,6 °/o) 

b) Geschlechtskrankheiten: 

1. Vierteljahr 1914.103 (Wassern. B.: 

36,9 °/o pos.) 

2. Vierteljahr 1914 . 127 = 280 (Gonok.: 89,6°/® 

positiv) 































678 


Dr. Rißmann. 


c) Rohr: 1. Vierteljahr 1914 .... 848 

„ 2. Vierteljahr 1914 . . . . 420 = . 768 (Gruber-Widal R.: 

7,4°/« pos.) 

d) Tuberkulose': 1. Vierteljahr 1914 . 401 

„ • 2. Vierteljahr 1914 . 521 = 922 (192 pos. = 20,8 •/*) 

e) Varia: 1. Vierteljahr 1914 .... 262 

„ 2. Vierteljahr 1914 : . . . 490 = 742 

f) Wasser (Keimzahl und chemisch): 

1. Vierteljahr 1914.162 

2. Vierteljahr 1914.!295 = 467 

g) Hygienische Untersuchungsstelle: 

1. Vierteljahr 1914.1640 

2. Vierteljahr 1914 . 730 = 2370 6 836 

14 229 


lieber die Zentralisation der gesamten Fürsorge¬ 
bestrebungen. 

Von Dr. Bifimann • Osnabrück. 

Im „Aerztlichen Vereinsblatte“ vom 16. Oktober habe ich 
in aller Kürze darauf hingewiesen, daß bei den Fürsorgeein¬ 
richtungen eine beklagenswerte Vergeudung von Menschenkraft 
und Geld schon betrieben ist und scheinbar andauernd ausgeübt 
werden soll. Ich habe daran erinnert, daß Ascher in Hamm 
Vorzügliches durch seine „Fürsorgeämter“ in Hamm geleistet 
hat, daß ich auf dem III. Internationalen Säuglingskongreß in 
Berlin den Plan einer „Zentrale für Volkswohl“ gab und daß 
neuerdings Sieveking in der „Deutschen med. Wochenschrift“ 
die scheinbar sehr guten Hamburger Einrichtungen schilderte. 
Alles geschah leider ohne durchgreifenden Erfolg! Ich halte 
es deshalb für zeitgemäß, auf einige Hauptfehler hinzuweisen 
und das gerade in dieser Zeitschrift, well Ich den Kreis- 
(Bezirks-) Arzt für'den geborenen Fürsorgearzt halte, nament¬ 
lich ln kleineren Städten und auf dem Lande. Besteht ein 
Fürsorgeausschuß, so übertrage man dem Kreisärzte den Vorsitz 
im Ausschüsse, dem natürlich auch die einzelnen Fürsorgeärzte 
angehören. Gewiß hat Langerhans (Celle) Recht, wenn er 
auf der außerordentlichen Tagung der „Vereinigung zur För¬ 
derung des Hebammenwesens“ in Hannover darauf hinwies, daß 
der schon jetzt mit Arbeit überhäufte beamtete Arzt zu diesem 
Zwecke Hilfskräfte haben müsse. Hilfskräfte betone ich, nicht 
etwa nur eine Hilfskraft, die' mit großem Gehalte neu anzu¬ 
stellen wäre und dann wieder eine Reihe von weiteren Hilfs¬ 
kräften teilweise oder ganz unter ihrem Befehle hätte. Die 
Hilfskräfte müssen unter sich koordiniert sein. Nur 
so ist es möglich, an bestehende bewährte Einrichtungen 
anzuknüpfen und sie auszubauen. Dadurch werdeu Unsummen 
zu sparen sein; es werden Reibungen und Streit vermieden und 
Arbeitsfreudigkeit nicht gehemmt, sondern durch die über¬ 
tragene Verantwortlichkeit gehoben werden. Das ist doppelt 
wichtig zu betonen, weil es sich hauptsächlich um w e i b 1 i c h e 






Ueber die Zentralisation der gesamten FUrsorgebeetrebnngen. 


679 


Hilfskräfte des Kreisarztes handeln dürfte. Schon allein aus 
diesem Grunde verwerfe ich die geplanten Fürsorgeeinrichtungen 
des Königsreiches Sachsen. Welche Hilfskräfte sind nun schon 
jetzt vorhanden und bieten sich den Augen aller dar, sofern 
sie vorurteilsfrei suchen? Es sind Krankenschwestern 
und Hebammen, die künftig zweckmäßiger Hebammen¬ 
schwestern genannt werden. Nur wenn die Kräfte dieser 
Personen nicht mehr ausreichen und das wird häufig genug 
der Fall sein — regelmäßig sicher in größeren Städten — darf 
man zur Anstellung weiterer Hilfskräfte schreiten, die aber, wie 
gesagt, der Kranken- und Hebammenschwester nicht über¬ 
geordnet werden dürfen. Wie die Arbeit zwischen Kranken¬ 
schwestern, Hebamraenschwestem und weiteren Hilfskräften 
zu verteilen sein wird, darüber maße ich mir gar kein Urteil 
an, das zu bestimmen, ist Sache des Kreisarztes, es hat rein 
lokale Bedeutung. 

Aber natürlich erscheint mir, wie ich in aller Bescheiden¬ 
heit anführen möchte, daß man der Krankenschwester die Tuber¬ 
kulosefürsorge, der Hebaramenschwester die Mutter- und Säug¬ 
lingsfürsorge und außerdem, wenn die Gemeinden klein und die 
Häuser weit auseinander liegen — noch die Alkoholfürsorge 
und die Wohnungsfürsorge überträgt. Ob das möglich ist, ent¬ 
scheidet der betreffende Kreisarzt. Ganz energisch bestreite 
ich, daß diejenigen Recht haben, die behaupten, aus Gründen 
der Infektionsgefahr dürfe man die Wohnungsfürsorge der Heb¬ 
ammenschwester nicht übertragen, während eine „ Bezirksfür¬ 
sorgerin“ sowohl Tuberkulose- wie Wohnungs-, Säuglings- und 
Kinderfürsorge ohne Bedenken soll ausüben können. Besonders 
am Herzen liegt mir, daß auch die Alkoholfürsorge endlich auf 
dem Lande und in kleinen Städten ausgeübt wird; in Hannover 
habe ich auf unserer Tagung die Hebammenschwester unter 
Umständen für geeignet dazu erklärt. Nachträglich finde ich, 
daß der Zentralausschuß für Trinkerfürsorge in Baden 1916 in 
„Neue Wege“ folgendes ausführt: 

„Die organisierte Fürsorge in kleinen Städten nnd auf dem Lande kann 
man nicht so regeln wie in größeren Städten; es wäre wohl ratsamer, (ver¬ 
schiedene andere Zweige der privaten Wohlfahrtspflege, wie Säuglingsschatz 
und derartige, mit der Trinkerfürsorge zu vereinigen, weil sie doch in einzelnen 
Fällen häufig in Frage käme." 

Man kann u. a. sogar mit Recht sagen, daß in Trinker¬ 
familien fast regelmäßig andere Zweige der Fürsorgetätigkeit 
in Frage kommen. Pastor Pfeiffer-Berlin führte auf der 
Kriegstagung Deutscher Berufsvormünder in Leipzig aus, daß 
nach dem Bürgerlichen Gesetzbuche ein Gemeindewaisenrat der 
gegebene Rahmen sei, in den sich alle Fürsorge für Säuglinge, 
Kleinkinder und - uneheliche Minderjährige einzufügen hat. Auf 
dem Lande empfiehlt Pfeiffer die Ausbildung der Hebammen 
zu dem Berufe von Pflegerinnen, die dem Waisenrat unter¬ 
stehen. Ob das möglich ist, mag der Kreisarzt entscheiden; 
mir wiirs plausibel scheinen. Hoffen wir doch nicht auf 
eine sog. Hebammenreforrn nach dem Kriege, wenn 
wir nicht die Berufstätigkeit der Hebammen- 



680 Dr. Rißmann: Ueber die Zentralisation der gesamten Fttrsorgebestrebnngen. 

Schwestern vergrößern, namentlich in kleinen 
Städten und auf dem Lande! 

Ich komme schließlich noch auf eine andere Art der Geld¬ 
vergeudung auf dem Gebiete der Fürsorgebestrebungen, das ist 
die ganz unnötig komplizierte Vor- und Ausbildung, die man 
für „Fürsorgerinnen“ in der Theorie aufgestellt hat. Ich führe 
das für ein Gebiet aus, wo ich mich als einigermaßen sachver¬ 
ständig betrachten darf. Eine tüchtige Hebammenschülerin 
braucht heutzutage nicht noch in ein Säuglingsheim oder in 
das Kaiserin Auguste Victoriahaus, um dort Säuglingsfürsorge 
betreiben zu können. Aber man scheint von den Kinderärzten 
die hohen Verdienste der deutschen Medizinalbeamten (Wegner, 
Dörfler u. v. a.) nicht zu kennen oder ganz vergessen zu 
haben. Haben diese Aerzte nicht mit schlecht vorgebil¬ 
deten Hebammen allein ganz Vorzügliches in der Säuglings¬ 
fürsorge geleistet?! Schickt man uns erst gescheitere Schüle¬ 
rinnen, verlängert man die Kurse auf ein Jahr, so mache ich 
mich anheischig, die Schülerinnen für alle Fürsorgetätigkeiten 
auszubilden, die für sie auf dem Lande oder in kleineren Städten 
überhaupt in Frage kommen können. Die Kreisärzte mögen 
das Programm dazu aufstellen! Ueberhaupt hat eine 
wirklich tüchtige Hebammenschwester das beste 
Fundament für alle Arten der Fürsorgetätigkeiten 
und nicht die Säuglingsschwester, die von Mutter¬ 
fürsorge nichts versteht. Vor einer Reihe von Jahren 
glaubte man in Preußen die Hebammenschwestern sogar in der 
Krüppelfürsorge verwenden zu können. Ich kenne keinen Grund 
dafür, daß das jetzt nicht möglich wäre, hauptsächlich deshalb 
nicht, weil doch inzwischen die Ausbildungszeit auf 9 Monate 
verlängert wurde. 

Es liegt im Interesse des Volkswohles, daß wir nach 
dem Kriege hygienische Fürsorge in größtem Stile treiben; 
es sind auch die Bestrebungen zu billigen, die man heutzutage 
gern mit dem Worte „Bevölkerungspolitik“ bezeichnet, aber 
ohne die Kreisärzte schweben alle diese Bestrebungen in der 
Luft. Die Kreisärzte mögen deshalb sorgen, daß bei diesen an 
sich anerkennenswerten Bestrebungen nicht Geld und Menschen¬ 
kraft verschleudert und eine einseitige Politik verfolgt werden. 

Nachtrag: Inzwischen hat Deneke-Magdeburg eine 
kleine Schrift veröffentlicht: „Die Aerzte, Fürsorgeschwestern etc. 
im Dienste des Säuglingsschutzes in der Provinz Sachsen.* 
Also leider „nur“ im Dienste des Säuglingsschutzes! Wenn 
damit wenigstens der Mutterschutz zu gleicher Zeit betrieben 
würde! Wir Hebammenlehrer müssen diese Pläne schon des¬ 
halb ablehnen, weil wir in Hannover die These annahmen: 
„Eine Unterstellung der Hebammen unter andere weibliche 
Fürsorgepersonen darf nicht erfolgen.“ Eine ausführliche Kritik 
der Schrift behalte ich mir für die hoffentlich am 1. Januar 191' 
erscheinende „Beilage zur Medizinal-Beamten-Zeitung“ vor. 



Bericht über die Versamml. der Vereinig, zur Förderung des Hebammenwesens. 681 

Heute will ich nur stark bezweifeln, daß es in Preußen noch 
viele Hebammenschulen gibt, die ihren Schülerinnen „nur Ge¬ 
legenheit geben, die Säuglinge in den ersten 2—3 Lebenswochen 
zu beobachten.“ 


Aus Versammlungen und Vereinen. 

Vorläufiger Bericht über die ausserordentliche 
Versammlung der Vereinigung zur Forderung des 
Hebammenwesens am 91. Oktober d. J. in Hannover. 

Die außerordentliche Tagung war gut besucht; als Vertreter der Medi¬ 
zinalabteilung des Preußischen Ministeriums des Innern war Geh. Ob.-Med.-Rat 
Dr. K r o h n e • Berlin, als Vertreter des Deutschen Medizinalbeamten Vereins 
Geh. Med.-Rat Dr. Lange rh ans -Celle und als Vertreter des Geschäftsaus¬ 
schasses des Deutschen Aerztevereinsbundes Generalsekretär He r z au erschienen. 
Der Hauptberatungsgegenstand der Sitzung bildete die Mitwirkung der Heb* 
ammen in der Säuglingsfiirsorge. Den Teilnehmern waren die Leitsätze 
der drei Berichterstatter: Kehr er-Dresden, Mann-Paderborn und Ri߬ 
mann-Osnabrück nebst Begründung schon vorher zugestellt; sie werden ebenso 
wie ein ausführlicher Bericht über die Versammlung in der voraussichtlich am 
1. Januar 1917 zu dieser Zeitschrift unter dem Titel „Hebammenwesen, Mutter¬ 
schutz und Säuglingspflege“ erscheinenden Sonderbeilage veröffentlicht werden. 
Deshalb sollen jetzt hier nur die nach längerer Erörterung neuaufgestellten 
und einstimmig angenommenen Leitsätze angeführt werden, für die auch die 
Vertreter des Deutschen Medizinalbeamtenvereins und des Deutschen Aerzte- 
vereinsbundes stimmten. Sie lauten: 

„1. Die seit Jahren erstrebte Hebammenreform ist zurzeit noch dringender 
notwendig, um nach dem Friedensschluß eine zweckmäßige Bevölkerungspolitik 
in die Wege zu leiten. 

Dazu bedarf es: 

a) einer wirtschaftlichen Besserstellung der Hebammen; 

b) einer besseren Vorbildung und sorgfältigeren Auswahl der Schülerinnen; 

c) einer längeren und gründlicheren Ausbildung in den Hebammenschulen, 
auch in der Säuglingsfürsorge durch geeignete Erweiterungen. 

2. Die Hebamme ist berufen in der Säuglingsfürsorge mitzuwirken. 

Eine Unterstellung der Hebammen unter andere weib¬ 
liche Fürsorgepersonen darf nicht erfolgen.“ 

Dr. Rißmann -Osnabrück. 


III. Preußische Landeskonferenz für Sfluglingsschutz in 
Berlin am Sonnabend, den 30. Oktober d. J. 

Dil Landeskonferenz fand im Plenarsitzungssaal des Herrenhauses in 
Berlin unter dem Vorsitz von Kabinettsrat Kammerherrn Dr. v. B e h r - Pinnow 
und unter Beteiligung der Reichs- und Staatsbehörden, der Städte, zahlreicher 
Organisationen und Einzelteilnehmer statt. 

I. Vorschläge für ein Kreisfürsorgegesetz. 

a. Der erste Berichterstatter, Kabinettsrat Dr. v. Behr-Pinnow, wies zu¬ 
nächst darauf hin, daß die Bestrebungen der sozialen Hygiene, namentlich auf dem 
Gebiete der Mutter-, Säuglings- und Kleinkinderfiirsorge sowie der Tuberkulose¬ 
bekämpfung einen erheblichen Umfang gewonnen haben dank der Tätigkeit und des 
gemeinsamen Arbeitens der Kommunen und Privaten sowie dank der Anregungen 
und Hilfen der Staatsregierung. Eine umfassende Durchführung, die besonders 
für die ländlichen Verhältnisse dringend nötig ist, läßt sich aber auf diesem 
Wege nicht erreichen. Es treten vielfach stärkere Hinderungsgründe, Mangel an 
Mitteln, weite Entfernungen u. a. in den Weg, so daß eine allgemeine Einführung 
ohne staatlichen Zwang und staatliche Unterstützung nicht zu erhoffen ist. Darum 
wird der Erlaß eines Kreisfttrsorgegesetzes vorgeschlagen, das die 
Einrichtung eines Kreisfürsorgeamtes vorschreibt. Dieses Amt soll unter 
Leitung eines Kreisfürsorgearztes stehen und nur sozialhygienische 



682 I1L Preußische Landeskonferenz für Säuglingsschntz in Berlin. 


Arbeiten betreiben, die private und sonstige Kräfte nicht ausfübren können. 
Es soll anregen, zusammenfassen, beaufsichtigen und unterstützen. Neben den 
obligatorischen Aufgaben der Säuglings- und Tuberkulosefürsorge ist noch 
unbedingt die Wohnungsfrage zu betreiben. Für die Durchführung der sozial* 
hygienischen Arbeiten ist die Ausbildung und Heranziehung von geeigneten 
weiblichen Kräften von größter Bedeutung. Wir bedürfen der Kreisfür¬ 
sorgerinnen, die nicht örtliche Krankenpflege und ähnliche Aufgaben zu 
übernehmen haben, sondern Gesundheitspflege treiben sollen, im negativen Sinne 
Abwehr von Erkrankungen und sonstigen gesundheitlichen Schädigungen, im posi¬ 
tiven Sinne Anleitung zum vernunftgemäßen Leben in Ernährung und Körper¬ 
pflege, Bekleidung und Behausung usw. Zu solchen Stellungen werden nur 
besonders geeignete Persönlichkeiten mit staatlichen Krankenpflegerinnenexamen 
in einem mindestens einjährigen Kursus ausgebildet werden können. Wenn die 
Fürsorgerinnen eine Zeitlang in der Praxis gearbeitet haben, werden besonders 
Befähigte von ihnen zu einem weiteren Kursus zugelassen werden können, in 
dem sogenannte Kreispflegerinnen ausgebildet werden, d. h. Persönlichkeiten, 
die im Kreisfürsorgeamt unter dem Fürsorgearzt organisierend und namentlich 
die Tätigkeit der Fürsorgerinnen kontrollierend und begutachtend wirken. 

b» Der zweite Berichterstatter, Kreisarzt Med.-Rat Dr. Berger -Crefdd, 
führte etwa folgendes aus: Die deutschen Säuglinge müssen als Teile des 
deutschen Volks Verbundes in synthetischer Landesarbeit behandelt werden. 
Richtige Säuglingsfürsorge wird gekennzeichnet durch Mütterberatungs¬ 
stellen und häusliche Fürsorge jeder Art. Leiter der Mütterberatungsstellen 
müssen Aerzte sein, denen Fürsorgerinnen für Hausbesuche zur Seite stehen. 
Alle weiteren Fürsorgemaßnahmen müssen sich nach Bedarf angliedern. Dahin 
gehören Förderung des Stillens, Milchküchen, Verbesserung des Hebammen¬ 
wesens, Fürsorge für Schwangere, Mütter, Wöchnerinnen. Unsere Arbeit hat 
sich.weiter auf das heranwachsende weibliche Geschlecht zu erstrecken. Die 
Fürsorge fürdiegefährdeten, Zieh - und unehelichenKinder ist 
einheitlich zu regeln. Für gesundheitlich gefährdete und kranke Kinder sind 
besonders Einrichtungen notwendig. Durch gesundheitliche Schulung wird die 
Mitarbeit des ganzen Volkes erreicht. In der Fürsorge für kleine Kinder hat 
die Säuglingsfürsorge ihre Fortsetzung zu finden. Die gesamten Bestrebungen 
sind kreisweise zusammenzufassen in einem Kreisfürsorgeamt, an dessen 
Spitze der Landrat steht. Die gesamte Fürsorge liegt am zweckmäßigsten in 
der Hand des Kreiskommunalarztes, unter dem die Fürsorgerinnen 
arbeiten; ihm muß außerdem noch die Tuberkulosebekämpfung obliegen. Die 
Anstellung eines Kreiskommunalarztes ist in jedem Kreise durchführbar. Die 
Zusammenfassung der Säuglingss- und Kleinkinderfürsorge und weiter der 
Tuberkulosenfürsorge in dem Kreisfürsorgeamt ist notwendig, weil so allein 
von einem Mittelpunkt aus ersprießlich gearbeitet werden kann. Dem Fürsorge¬ 
amt, das möglichst zu einem Wohlfahrtsamt zu erweitern ist, liegt die fort¬ 
laufende Fürsorge für alle Altersklassen ob. 

II» Die Organisation der SäuglingsfDrsorge in einer Provinz» 

a. Der erste Berichterstatter, Oberpräsidialrat Breyer- Magdeburg, 
schildert die Fürsorgeorganisation in der Provinz Sachsen. Die 
„Uauptstellc für Säuglingsschutz in Magdeburg wurde im Jahre 1910 ge¬ 
gründet; sie sollte an Stelle der bisherigen vereinzelten privaten Fürsorge eine 
allgemeine und organisierte Bekämpfung der erschreckend zunehmenden Säug¬ 
lingssterblichkeit setzen. Die llauptstelle brachte es schon im ersten Jahre 
aut annähernd 1000 Mitglieder mit über 11000 Jahresbeiträgen und erhielt 
auch sonst ansehnliche Zuwendungen. Ihre Tätigkeit erstrebte vor allem Auf¬ 
klärung über die Notwendigkeit intensiver Säuglingsfürsorge durch Veröffent¬ 
lichung von geeigneten Schriften und Flngblättern, durch Versammlungen. 
Vorträge und eine Wanderausstellung, ferner Belehrung der Mütter; Förde¬ 
rung des Selbststillens, Anregung von behördlichen Maßnahmen, Rege¬ 
lung des Verhältnisses zu den Aerzten der Provinz und Beschaffung von Pflege- 
personen. 

Nicht minder wichtig war die Organisationsarbeit der Hauptstelle : 
Einrichtung von Krcisstellcn in allen Kreisen und von Ortsstellen in allen 
Städten über lOOuO Seelen unter möglichster Eingliederung vorhandener Orga- 



Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


683 


nisationen. Träger der Organisation sind die Kreise oder Städte selbst oder 
besonders geschaffene Vereine, bezw. bereits bestehende. Den Mittelpunkt der 
Tätigkeit bilden in allen Fällen der Landrat oder Bürgermeister mit dem 
Kreisarzt, einigen anderen Aerzten, einem Geistlichen, Standesbeamten, einer 
Hebamme und geeigneten Frauen. Unter den Kreisstellen steben auf dem 
Lande und in den kleinen Städten Ortsstellen. Die Kosten tragen außer der 
Hauptstelle die Kommunen und Vereine. Von den 70 Landkreisen und Städten 
über 10000 Seelen haben bereits 66 Säuglingspflegeeinrichtungen irgendwelcher 
Art. Trotzdem muß nach dem Kriege viel schneller und kräftiger organisiert 
werden, und zwar mit gesetzlichem Zwang. Es bedarf eines amtlichen Büros, 
eines gesetzlichen Rahmens und einer festen finanziellen Grundlage. Die Stadt- 
und Landkreise sind die gegebenen Träger; die Exemtion der kreisangehörigen 
Städte über 10 000 Einwohner kommt sehr in Frage. Die Säuglingspflege muß 
künftig die erste und wichtigste Abteilung des zu gründenden Kreis- oder 
Stadt-Wohlfahrts- oder Fürsorgeamtes sein; weitere Abteilungen für andere 
Fürsorgezweige wären anzugliedern. 

b. Den gleichen Gegenstand, insbesondere »die ärztliche und 
pflegerische Organisation in der Provinz Sachsen" behandelte 
Reg.- und Geh. Med.- Rat Dr. Denecke - Magdeburg. Bei der Hauptstelle für 
Säuglingsschutz besteht satzungsgemäß eine dreigliedrige Aerztekommission, 
die die gesundheitlichen Schutzmaßregeln anregt und prüft, die in Versamm¬ 
lungen und Vereinen aufklärende Vorträge hält und bei geplanten Neueinrich¬ 
tungen sachverständigen Rat erteilt, wenn nötig nach Entsendung an Ort und 
Stelle. Im Vorstand der Kreis- und Ortsstellen ist immer der Kreisarzt 
und mindestens ein Arzt ehrenamtlich vertreten. Der Leiter der Säug¬ 
lingsfürsorgestelle ist ein vom Kreis oder von der Gemeinde vertraglich 
gegen Entgelt verpflichteter Arzt. Erkrankte Säuglinge werden von der Für¬ 
sorgestelle unmittelbar einem Arzt überwiesen. Die pflegerische Organisation 
setzt ein mit der Beratung in den Fürsorgestellen. Die Fürsorgeschwestern 
mit zweijähriger Ausbildung überwachen das Gedeihen der vorgestellten Säug- 
linge durch Hausbesuche; sie erhalten außerdem einen Fürsorgebezirk, halten 
aufklärende Wandervorträge und beaufsichtigen die Säuglingsfürsorgerinnen. 
Ein Teil der Hebammen erhält in den Gemeinden der Landkreise kleine 
Fürsorgebezirke als Säuglingsfürsorgerinnen im Nebenamt; sie erhalten dafür 
ein Entgelt, ebenso wie die übrigen Hebammen, die die Stillkontrolle in der 
bisherigen Weise durch Förderung des Selbststillens und der Verlängerung der 
Stilldauer ausüben. Für die nicht von Hebammen versorgten Bezirke werden 
gut vorgebildete Säuglingsfürsorgerinnen im Hauptamt angestellt. Nach dem 
Kriege soll die Wöcnnerinnenpflege in die Organisation eingegliedert werden. 

Dr. Rott-Berlin. 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 

A. Gerichtliche Hedisln. 

Die Frage der Zulässigkeit der Unterbrechung der Schwangerschaft 
vom Standpunkte der ärztlichen Wissenschaft nnd Berufsehre. Verhand¬ 
lungen der erweiterten Wissenschaftlichen Deputation für das Medizinalwesen 
vom 13. und 14. März d. J. Veröffentlichungon aus dem Gebiete der Medizinal¬ 
verwaltung. Verlag von Richard Schoetz in Berlin. 1916. V. B., 8. H. 
Preis: 3 Mark. 

Die Notwendigkeit, die vorstehende Frage einer eingehenden Erörterung 
in der erweiterten Wissenschaftlichen Deputation für das Medizinalwesen zu 
unterziehen, wird von der Zentralinstanz durch die nachstehende, den Einzel¬ 
berichten vorangestellte Vorbemerkung wie folgt begründet: 

„Bei Prüfung der Ursachen des zunehmenden Geburtenrückganges hat 
sich unter anderem ergeben, daß die seit Jahren zu beobachtende Häufung von 
Abtreibungen der Leibesfrucht einen nicht geringen Anteil an der bedrohlichen 
Verminderung unserer Geburtenziffern hat. Anläßlich der hierüber angestellten 
besonderen Erhebungen ist die Begleiterscheinung zutage getreten, daß die 
Zahl der von Aerzten vorgenommenen Unterbrechungen einer Schwangerschaft 
einen Umfang angenommen hat, der zu ernsten Bedenken Anlaß gibt. Ab¬ 
gesehen -von mehr vereinzelten Fällen, in denen Aerzte derartige Schwanger- 



684 Kleinere Mitteilungen and Beferate ans Zeitschriften. 

sch&ftsanterbrechnngen aas verwerflichen, unter die Bestimmungen des Straf¬ 
gesetzbaches fallenden Motiven oder infolge einer zu weitgehenden Nach¬ 
giebigkeit gegenüber dem Ansinnen unverständiger schwangerer Personen vor¬ 
nehmen, scheint hierbei in der Hauptsache der Umstand maßgebend zu sein, 
daß sich seit Jahren im Aerzte9tande eine gewisse Umwertung und Ver¬ 
schiebung der früher in der ärztlichen Wissenschaft und Praxis geltenden An¬ 
schauungen über die Zulässigkeit der Unterbrechung einer Schwangerschaft 
entwickelt hat. 

Es scheint daher vom Standpunkte des StaatswohleB, wie von dem der 
Interessen des Aerztestandes dringend notwendig, die Frage eingehend zu 
prüfen, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Arzt berechtigt ist, eine 
bestehende Schwangerschaft zu unterbrechen.“ 

Von den drei bestellten Berichterstattern führte der erste, Geh. San.-Rat 
Dr. Bar lach- Ncumünster, aus, daß die Zahl der durch Aerzte bewirkte 
Unterbrechungen zwar gegenüber den anderweitig durch Kurpfuscher, Freunde 
der Schwangeren usw. verschwindend gering sei, in den letzten Jahren aber so 
zagenommen habe, daß sie zu Bedenken Veranlassung geben müsse. Diese 
Zunahme sei auf eine wesentliche Erweiterung der medizinischen Indikation 
und der erst neuerdings hinzugetretenen sozialen Indikation, sowie auf eine 
Verbindung beider znrückzuführen. Während früher die Grenzen der medi¬ 
zinischen Indikation sehr eng gezogen waren und eine erhebliche 
gegenwärtige Gefahr für die Mutter verlangten, wird jetzt nicht bloß die 
gegenwärtige, sondern auch die kommende Gefahr als berechtigte Indicatio 
anerkannt, vorausgesetzt, daß die Gefahr eine schwere und sicher zu erwartende 
ist. Der Grundsatz, daß große Gefahr für Leben und Gesundheit der Mutter 
bestehen muß oder mit Sicherheit zu erwarten. ist, gilt zwar auch für die 
erweitertelndikation; in welchen Fällen aber eine 8chwangerschaf tsuoter- 
brechung angezeigt ist, welche Krankheiten usw. sie bedingen, darüber bestehen 
bei dem heutigen Stande der medizinischen Wissenschaft große Meinungsver¬ 
schiedenheiten und werden auch immer weiter bestehen, da sich in dieser 
Hinsicht feste Regeln nicht aufstellen lassen. Um so mehr ist bei Stellung 
der Indikation von seiten des betreffenden Arztes die größte Vorsicht nötig 
und deshalb auch sowohl vom wissenschaftlichen Standpunkte aus, als mit 
Rücksicht auf die Bernfsehre des Arztes ein Konsilium von zwei Aersten 
geboten, über dessen Ergebnis eine Verhandlung aufgenommen werden 
muß, die entweder dem Vorsitzenden der zuständigen Aerztekammer oder 
dem Kreisarzt zur Aufbewahrung einzusenden ist. Die erst neuerdings in 
Erscheinung getretene soziale Indikation der Schwangerschaftsunter¬ 
brechungen hat wesentlich dazu beigetragen, daß Fruchtabtreibungea 
milder nicht bloß in Laien-, sondern auch in juristischen und medizinischen 
Kreisen beurteilt und nicht mehr als Verbrechen, sondern höchstens als kleines 
Vergehen angesehen werden, bei dem man sich nicht abfassen lassen dürfe. Mit 
Recht betont der Berichterstatter, obwohl er selbst zu Milde geneigt ist, daß 
vom Standpunkte der ärztlichen Wissenschaft und der ärztlichen Bernfsehre 
jede derartige Indikation für ebenso unzulässig angesehen werden müsse, als 
nach dem jetzigen Rechtsstand punkte. Daselbe gilt nach seiner Ansicht von 
dem der immer mehr sich verbreitenden kombinierten medizinisch¬ 
sozialen Indikation, in der eine große Gefahr sowohl für den 8taat and 
die Familie, als für die Aerzteschaft liegt. Auch eine ougenische Indi¬ 
kation kann Berichterstatter nicht anerkennen. Die Forderung, Schwanger¬ 
schaften infolge von Notzucht künstlich unterbrechen zu dürfen, entspreche 
zwar einen schönen menschlichen Mitgefühl, habe aber mit Wissenschaft als 
Indikation nichts zu schaffen und sei auch vom Standpunkte der Bernfsehre so 
lange unzulässig, als sie der Staat nicht erlaubt habe. 

Der zweite Berichterstatter, Geh. Med.-Rat Prof. I>r. E. Bumm - Berlin, 
betonte zunächst, daß das Recht des Arztes zur Schwangerschaftsunterbrechung 
unbestritten und auch von der Rechtsprechung anerkannt sei, vorausgesetzt, 
daß eine solche zur Rettung der Matter aus Lebensgefahr oder zu ihrem 
Schutze gegen schwere Gesundheitsschädigung vorgenoramen werde. Dieses 
Recht beruhe nicht auf gesetzliche Bestimmungen, sondern auf dem Berufs¬ 
recht, das dem Arzt die Befugnis gibt, sich in seiner Berufstätigkeit aller 
wissenschaftlich anerkannten Mittel und Eingriffe zu bedienen. Die Fälle, wo 



Keinere Mitteilangen and Beler&te non Zeitschriften. 


685 


eine solche Lebensgefahr für die Mutter vorliegt, sind jedoch selten, viel 
häufiger dagegen diejenigen, wo es sich um Erkrankungen der Mutter 
handelt, die durch die Schwangerschaft veranlaßt oder von ihr ungünstig be¬ 
einflußt werden und bei denen iie Einleitung des Abortus Heilung oder Besse¬ 
rung verspricht. Die Schwangerschaftsunterbrechung ist aber nur dann be¬ 
rechtigt, wenn es zum Schutz gegen schwere Gesundheitschädigung an¬ 
gezeigt ist und nicht zur Beseitigung von Beschwerden, die mehr oder weniger 
bei jeder Schwangerschaft bestehen. Ausgeschlossen müssen die sogenannten 
sozialen und rassehygienischen Indikationen bleiben; auch die 
Bechtsprechung läßt nur eine Unterbrechung der Schwangerschaft aus medizini¬ 
schen Gründen zu. Daß im Laufe des letzten Jahrganges die Schwangerschafts¬ 
unterbrechungen eine wesentliche Zunahme erfahren haben und sich bei den 
Aerzten eine größere Neigung zu ihrer Vornahme auch bei nicht drohender 
schwerer Gesundheitsschädigung geltend gemacht hat, unterliegt nach An¬ 
sicht des Berichterstatters keinem Zweifel; in der Berliner Universitäts-Frauen¬ 
klinik hat sich z. B. die Zahl der Aborte im Vergleich zu der der Geburten 
verdoppelt und ist von 10 auf 20 °/ 0 gestiegen, so daß von & Schwangerschaften 
eine mit Abortus endigt, also auf 4 normale Geburten 1 Abortus fällt, ln 
kleineren Städten und auf dem Lande dürfte sich allerdings diese Verhältnis¬ 
ziffer günstiger stellen, immerhin wird auch hier mit einer Zunahme der Aborte 
zu rechnen und deshalb die Annahme von 15 °/o für das ganze Beich, d. h. auf jede 
6. Geburt eine Fehlgeburt, nicht zu hoch gegriffen sein; für 1918 würden sich 
danach bei 1900000 Geburten rund 30U 000 Fehlgeburten ergeben. Von diesen 
Fehlgeburten sind nach dem Ergebnis der Nachforschungen, die Berichterstatter 
bei den die Universitätsklinik wegen Abortus aufsuchenden Frauen angestellt 
hat, etwa zwei Drittel künstlich herbeigeführt (für Berlin 89%)- Inwieweit 
die Aerzte an der Vornahme von Schwangerschaftsunterbrechungen beteiligt 
sind, ist schwer festznstellen; ihre Beteiligung ist aber jedenfalls gering im Ver¬ 
hältnis zu der ungeheueren Zahl der von den Frauen selbst, von berufsmäßigen 
Abtreiberinnen und Hebammen bewirkten. Immerhin zeigen die Erfahrungen an 
der Berliner Frauenklinik, daß es manche Aerzte mit der Indikation znm Abortus 
wenig ernst nehmen, denn bei 202 von Oktober 1910 bis Ende 1915 dieser Klinik 
von Aerzten behufs Einleitung einer künstlichen Fehlgeburt zugeschickten 
Schwangeren mußte diese 143 mal, also in fast 75 */• der Fälle als nicht er¬ 
forderlich abgelehnt werden. Es ergibt sich daraus die Notwendigkeit einer 
Kontrolle über die ärztliche Vornahme des künstlichen 
Abortes, die nach Berichterstatters Ansicht am sichersten durch die gesetz¬ 
liche Einführung der Anzeigepflicht für jeden derartigen ärztlichen Ein¬ 
griff erreicht wird; für dte Anzeige müßte ein bestimmtes Formular vor¬ 
geschrieben werden. Berichterstatter verspricht sich von dieser Maßnahme 
mehr Erfolg als von der Forderung eines ärztlichen Konsiliums in jedem Einzel¬ 
falle ; denn zwei gleichgestimmte Seelen würden sich immer finden. 

Der dritte Berichterstatter, Geh. Ob.-Med.-Bat Dr. K r o h n e - Berlin, teilt 
mit, daß sich nach dem Ergebnis der von der Zentralinstanz im Jahre 1913 
veranlaßten Bandfrage über den Umfang und Ursachen des Geburtenrückganges 
und über die Zanahme der Fehlgeburten deutlich eine solche Zunahme erkennen 
läßt; danach treten nicht nur zahlreiche Frauen in steigendem Maße an Aerzte 
mit dem Ansinnen heran, eine vorzeitige Unterbrechung ihrer Schwangerschaft 
vorzunehmen, sondern auch die Neigung der Aerzte, solchen Wünschen ohne 
zwingenden Grund stattzngeben, hat in erheblichem Grade zngenommen. Die 
Ansicht der Aerzte über die Frage, unter welchen Umständen eine Schwanger¬ 
schaftsunterbrechung angezeigt sei, bat eben eine bedenkliche Wandlung 
erfahren, wie sich auch aus dem ausgedehnten Schriftwechsel ergibt, den 
Berichterstatter über diesen wichtigen Gegenstand mit zahlreichen Professoren 
der Frauenheilkunde usw. geführt hat und den er auszugsweise mitteilt. Die 
Abtreibung oder Tötung der Frucht einer Schwangeren ist in den §§ 218—220 
Str. G. B. unter schwere Strafe gestellt, die sowohl durch sittlich-religiöse 
Erwägungen, als durch die Forderung der Selbsterhaltung des Staates 
wohl begründet ist. Im öffentlichen Interesse ist es geboten, nicht allein die 
geborenen Kinder, sondern auch die gezeugten menschlichen Früchte tunlichst 
zu schützen; deshalb hat der Staat auch das Becht bei dieser Frage, die nicht 
bloß die Interessen der Schwangeren betrifft, entscheidend mitzusprechen und 



686 


Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


ihre Beurteilung weder dem Arzte, noch den Beteiligten zu überlassen. Nur 
wenn es sich um Beseitigung eines Notstandes, also um Rettung aus einer 

f egenwär tigen Gefahr für Leib und Leben handelt, ist nach § 51 
es Str.G.B. eine Ausnahme zulässig; in dieser engen Begrenzung steht 
demnach auch den Aerzten das Recht zur Unterbrechung der Schwangerschaft 
zu. Diese Lebensgefahr muß aber so beschaffen sein, daß sie überhaupt nnr 
durch das Mittel der Schwangerschaftsunterbrechung beseitigt werden kann 
und alle hier noch in Frage kommenden Behandlungsmethoden bereits erschöpft 
sind. Es muß sich auch um eine schon bestehende bezw. unvermeidliche 
Lebens- oder Gesundheitsgefahr handeln und nicht um die bloße Möglichkeit 
einer solchen. Jede andere Indikation verstößt nicht nur gegen die bisher 
geltenden Lehren der Wissenschaft und der Berufsehre, sondern auch gegen 
das Gesetz. Soziale und rassenhygienische Indikation zur 
Schwangerschaftsunterbrechung kennt weder die geltende Rechtsauffassuog noch 
die medizinische Wissenschaft; sie sind auch vom Standpunkt des Volkswohls 
aus zu verwerfen. Sie bedeuten als Beweggrund für die Einleitung von Fehl¬ 
geburten eine der schlimmsten Verirrungen in der Auffassung ärztlicher Rechte 
und Pflichten, die geeignet ist, die Kunst und die heiligen Aufgaben des 
Aerztestandes zum Handwerk des gewerbsmäßigen Abtreibers herabzuwürdigen. 
Die engen Grenzen, die die ärztliche Wissenschaft früher für die Indikation 
der Schwangerschaftsunterbrechung gezogen hatte und die leider unter dem 
Einfluß mißverstandener, moderner Humanitätsbegriffe bedenklich zu wanken 
beginnen, müssen wieder gefestigt werden. Es bedarf der Beobachtung' pein¬ 
lichster Gewissenhaftigkeit des Arztes auf diesem Gebiete, zu deren Einhaltung 
Kr oh ne ebenso wie der erste Berichterstatter ein Konsilium empfiehlt, deren 
Ergebnis in einer wenigstens 10 Jahre aufzubewahrenden Niederschrift festzu¬ 
legen sei. Als zweiter Arzt sollte grundsätzlich ein besonders vertrauens¬ 
würdiger Arzt (Direktor eines großen Krankenhauses, Universitätsprofessor, 
Mitglied der Aerztekammer, beamteter Arzt usw.) zugezogen werden. 

Auf Grund der vorstehenden Berichte und der sich anschließenden 
Aussprache einigte sich die erweiterte Wissenschaftliche Deputation für 
das Medizinal wesen auf nachstehende Leitsätze: 

„1. Der Arzt darf nur aus medizinischen Indikationen die Schwanger¬ 
schaft unterbrechen. Die Indikation darf nur dann als vorliegend erachtet 
werden, wenn bei der betreffenden Person infolge einer bereits bestehenden 
Erkrankung eine als unvermeidlich erwiesene schwerste Gefahr für Leben und 
Gesundheit vorhanden ist, die durch kein anderes Mittel als durch Unter¬ 
brechung der Schwangerschaft abgewendet werden kann. 

2. Der Arzt ist nicht berechtigt, die Unterbrechung aus sozialen oder 
rassebygienischen Gründen vorzunehmen. Er würde durch eine solche Hand¬ 
lung einen Verstoß gegen das Strafgesetzbuch begehen. 

3. Es empfiehlt sich, eine Schwangerschaftsunterbrechung nur auf Grund 
einer Beratung mehrerer Aerzte vorzunehmen. 

4. Für die durch Aerzte vorgenommenc Unterbrechung der Schwanger¬ 
schaft ist die Anzeigepflicht einzuführen. 11 


B. Saohveratändlgentätigkeit in Unfall- und InvalidltAta- and 
KrankenvsrsloberungiMohra. 

Somatische Behandlung bei Unfallnenrosen. Von Dr. Engelen, 
Leiter des psychologischen Laboratoriums am Marienhospital in Düsseldorf. 
Aerztliche Sachverständigen-Zeitung; 1916, Nr. 17. 

Die somatische Behandlung der UnfallneuroBen hält Engelen für ganz 
unbedenklich, ja zur Unterstützung der psychischen Beeinflussung für nützlich. 
Immerhin ist nur eine geringe Anzahl der an traumatischen Neurosen Er¬ 
krankten einer somatischen Behandlung bedürftig. 

Ausgeklügelte Diätvorschriften sind entbehrlich. Sehr wertvolle Dienste 
leistet die Elektrotherapie. Die Hydrotherapie verdient fast in jedem Fall 
Berücksichtigung. Auch Luftbäder sorgen wie letztere für die Abhärtung, die 
meist bei Nenrasthenikern notwendig ist. Großer Wert ist auf gymnastische 
Uebungen, namentlich Erziehung zu straffer Körperhaltung zu legen. Suggestive 
Wirkungen verbinden sich mit allen somatischen Bebandlungsmaßnabmen, oster 
denen die arzneiliche Therapie gegenüber physikalischen und diätetisches 



Kleiner« Mitteilangen and Referate aas Zeitschriften. 


687 


erheblich zariicktritt. Alkoholenthaitsamkeit fordert E n g e 1 e n nur * bei 
Intoleranz, während er sonst einen mäßigen Genuß leichter alkoholischer 
Getränke für zulässig, ja für zweckmäßig hält. 

Dr. 8 o 1 b r i g - Königsberg i. Pr. 


Psychologische Laboratorien zur Erforschung der Unfallneurosen. 
Von Dr. En ge len-Düsseldorf. Aerztliche Sachverständigen-Zeitung; 1916, 
Nr. 19. 

Am Marienhospital in Düsseldorf wurde ein psychologisches Laboratorium 
zu Forschungen über die Kriegsunfallneurosen mit Genehmigung der Militär¬ 
behörde eingerichtet. Bisher Bind bereits über S00 Fälle zur Untersuchung 
gekommen. Unter anderem werden hierbei objektive Merkmale über Atmung, 
Puls, Blutdruckveränderungen usw. durch Kurvenzeichnungen festgestellt, der 
Ablauf geistiger Vorgänge durch das Assoziationsexperiment, die Prüfang des 
Gedächtnisses und die Erprobung der Aufmerksamkeit nach bestimmten 
Methoden erforscht. 

Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß solche psychologischen 
Laboratorien für die Praxis von größter Bedeutung werden können, während 
sie zugleich der wissenschaftlichen Psychologie von Nutzen sind. 

Dr. Solbrig -Königsberg i. Pr. 


Arteriosklerose und Unfall. Von Oberarzt Dr. P. H o r n - Bonn. Aerzt¬ 
liche Sachverständigen-Zeitung; 1916, Nr. 18 und 19. 

Das für den Gutachter in Unfallsachen außerordentlich wichtige, zugleich 
aber komplizierte Thema des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Unfall 
und Arteriosklerose wird hier auf Grund einer reichen Literatur der neueren 
Zeit (am Schluß angeführt) und eigener Erfahrungen ausführlicher besprochen. 
Das Ergebnis wird folgendermaßen zusammengefaßt: 

1. Die Arteriosklerose ist die Resultante aus einem Komplex verschieden¬ 
artiger Bedingungen. Sie stellt eine mit vorschreitendem Alter zunehmende 
Abnutzungserscheinung dar, deren Entwicklung begünstigt wird in der 
Hauptsache durch trophisch-toxisch-infektiöse, in geringerem Grade auch durch 
mechanische Schädlichkeiten. Bei der Unfallbegutachtung sind Schädlichkeiten 
direkter und indirekter Natur zu unterscheiden. 

2. Unter den direkten Schädlichkeiten sind hervorzuheben: a) mechanische 
(z. B. Schädelbasisbrüche mit folgender lokalisierter Gehirnarteriosklerose, 
ßrustkorbquetschung mit Aneurysma oder Koronarsklerose, lokale Kontusion 
mit umschriebener peripherer Arteriosklerose), b) chemische, speziell toxische 
und bakterielle Einwirkungen (Gaseinatmung, schwere Verbrennung, post¬ 
traumatische Infektionen). 

3. Unter den indirekten Schädlichkeiten kommen vor allem in Be¬ 
tracht: a) Gewalteinwirkungen mit plötzlicher starker Blutdruckerhöhung 
(Heben schwerer Lasten, starke Durchnässung oder Ueberhitzung, schroffer 
Wechsel der Temperatur und Gaseinatmung), b) psychisch-nervöse Einflüsse 
mit dauernder funktioneller Gefäßüberlastung. 

4. Die Gewalteinwirkungen mit plötzlicher starker Blutdruckerhöhung 
führen meist nur zur Auslösung lokaler Folgeerscheinungen bei schon erkrankten 
Gefäßen (z. B. Apoplexie), nicht zu traumatisch bedingter progredienter Ver¬ 
schlimmerung der Arteriosklerose als solcher — ein unfallrechtlich wichtiger 
Unterschied. 

5. Indirekt, speziell durch psychisch-nervöse Einflüsse (Unfallneurosen) 
bedingte Schlagaderverhärtung kommt ebenso wie Arteriosklerose nach direkten 
Schädlichkeiten als entschädigungspflichtige Unfallfolge nur selten in Betracht. 
Für einen Unfallzusammenhang sprechen im ersteren Falle jugendliches Alter, 
rasche Entwicklung und Nachweis ständiger funktioneller Gefäßüberlastung 
bei Ausschluß sonstiger Schädlichkeiten. 

6. Zur einmaligen Kapitalabfindung geeignet erscheinen nur 
solche Fälle von traumatisch bedingter Arteriosklerose, die keine Tendenz zur 
Verschlimmerung zeigen. Bei Fällen mit zweifelhafter Prognose (Gehirn-, 
Koronar-, fortschreitender allgemeiner Arteriosklerose) ist stets Renten¬ 
gewährung am Platze. 

7. Eine nicht traumatische Arteriosklerose pflegt auf anderweitige Unfall- 



688 Kleinere Mitteilungen und Beferate aus Zeitschriften. 

folgen oft heilungshemmend za wirken, vor allem dann, wenn sie selbst mit 
schwerwiegenden Erscheinungen (starker Blutdruckerhöhung, Myodegeneratio, 
Schrumpfniere) einhergeht; insbesondere hat bei Kopftraumen komplizierende 
Arteriosklerose stärkeren Grades vielfach einen schädlichen Einfluß, kann auch 
selbst durch das Trauma ausgelöst oder verschlimmert werden. 

8. Die Erwerbsbeschränkung bei Arteriosklerose schwankt in weitesten 
Grenzen. Berücksichtigung der Arbeitsauskänfte ist zu empfehlen. 

Dr. Solbrig-Königsberg i. Pr. 


Zur ärztlichen Sachverständigentätigkeit in Krankenkassen-Ange- 
legenheiten. Von Geh. Med.-Bat Dr. L. Becker. Aerztliche Sachver- 
ständigen-Zeitung; 1916, Nr. 16. 

Verfasser macht darauf aufmerksam, daß die Krankenkassengesetzgebung 
von dem Sachverständigen die Kenntnis mancher gesetzlicher Bestimmungen 
fordere. Das gilt besonders auch von den Bestimmungen, die die Frage 
betreffen, ob es sich in einem vorliegenden Krankheitsfall um die Fortsetzung 
einer alten Krankheit oder um eine neue Krankheit, einen „neuen Versicherungs¬ 
fall" handelt. Die hier in Betracht kommenden gesetzlichen Bestimmungen 
sind in den §§ 188, 1518, 1519, 1532, 214, 176, 810, 605, 511 der Beichsver- 
sicherungsordnung enthalten; sich mit ihnen bekannt zu machen, ist für den 
als Sachverständigen zugezogenen Arzt nützlich. Die Schwierigkeiten, die sich 
ergeben, erläutert Verfasser und führt einen praktischen Fall an, bei dem die 
Wasser mannsche Beaktion den Ausschlag für das versicherungsrechtliche 
Verhältnis eines Kranken gab. Dr. Solbrig-Königsberg i. Pr. 


Angebliches Verschweigen früherer Erkrankungen bei Abschluß 
einer Lebensversicherung. Urteil des Beichsgericts (VII. Z.-S.) vom 
6. Oktober 1916. 

Der Landwirt K. war bei der Bayerischen Versicherungsbank mit 
10000 Mark für den Todesfall versichert Er starb am 10. September 1914 
an Darmverengerung. Die Bank erklärte ihren Bücktritt vom Vertrage, da 
K bei Ausfüllung des Fragebogens falsche Angaben gemacht und verschwiegen 
habe, daß er an Darmerkrankung behandelt worden sei. Die Witwe trat den 
Anspruch an einen gewissen J. ab und dieser klagte gegen die Bank auf 
Zahlung. Das Landgericht gab der Klage statt, die Berufung des Beklagten 
wurde vom Oberlandesgericht Braunschweig aus folgenden Gründen 
zurückge wiesen: 

Dem Versicherten wird zur Last gelegt, daß er die Frage 7d: „Haben 
Sie gelitten oder leiden Sie noch an Krankheiten der Verdauungsorgane, länger 
dauernden Darmstörnngen etc P" mit „nein" beantwortet habe. Allein es steht 
nicht fest, daß die Beantwortung unrichtig war. Allerdings ist K. im Dezember 
1910 von Dr. H. an Darmverschluß behandelt worden; dann hat er nach 
Aussage seiner Frau ab und zu, mit längeren Unterbrechungen, über den 
Magen geklagt und einen anderen Arzt, Dr. B., zu Bäte gezogen. Dieser 
hat ihm gesagt, es handele sich um kein gleichgültiges Leiden, da es klinische 
Behandlung erfordere. Am anderen Tage habe K. sich aber wesentlich besser 
befunden und es nicht für nötig gehalten, sich in die Klinik aufnehmen zu 
lassen. Hiernach sind also die Verdauungsstörungen nur vorübergehender 
Natur gewesen; den Beweis des Gegenteils hat die Beklagte nickt erbracht. 
Es ist weiter nicht erwiesen, daß dem Versicherten das Vorhandensein der 
Darmverengerung bekannt war, wobei von dem Sprachgebrauch des täglichen 
Lebens, nicht von dem der medizinischen Wissenschaft bei Beantwortung der 
Frage anszugehen ist, ob von dem Versicherten das Vorliegen einer solchen 
Krankheit subjektiv angenommen werden mußte. Dr. H. hat dem K. bei der 
ersten Behandlung nicht gesagt, daß ein gefährliches Leiden in Frage stehe, 
um ihn nicht zu ängstigen. Erst Dr. B. sprach von einer nicht leicht zu 
nehmenden Erkrankung. Wenn nun der Versicherte am anderen Tage sich 
wesentlich besser fühlte und der Anstaltsbehandlung entraten zu können glaubte, 
so ist ihm dies unwiderlegt geblieben, zumal er Bich in seiner Auffassung 
noch bestärkt fühlen mußte, da Dr. H., den er einige Wochen später nochmals 
konsultierte, sich dahin ausspracb, er leide nur an einer leichten Erkrankung. 
K. mag die Beschwerden, wie sie sich bei jedem erwachsenen Menschen einmal 



Besprechungen. 


689 


zeigen, für vorübergehend gehalten haben, ohne an eine schwere Erkrankung, 
die zum Tode führen könnte, zu denken. Außerdem hat der Vertrauensarzt 
der Bank bezeugt, daß, als K. sich vorstellte, dieser einen kräftigsn, gut 
ernährten Körper und gesunde Gesichtsfarbe gehabt, wie überhaupt den.Ein¬ 
druck eines gesunden Mannes gemacht habe. Demnach durfte K. auch die 
Frage 7 d so beantworten, wie er es getan hat. Dem Vertrauensarzt hat er 
die Tatsache, daß er wegen Magenbeschwerden ärztlich behandelt worden 
war — und dies fällt ins Gewicht —, nicht etwa verschwiegen. Dieser hat 
diese Angaben für so unbedeutend gehalten, daß er ihre Erwähnung in der 
Deklaration nicht für nötig hielt. Daß muß den Antragsteller entlasten, denn' 
er hat sich nur der sachkundigen Belehrung gefügt. War aber die Beantwortung 
der Frage 7 d nicht zu beanstanden, dann auch nicht die Beantwortung der 
Frage: „Ist Verdauung und Stuhlgang in Ordnung?" mit Ja" und der anderen 
Frage: „Sind irgend welche Folgen von einer Gesundheitsstörung zurück¬ 
geblieben?" mit „nein". Ebenso konnte K. die Frage: „Wie ist ihr gegen¬ 
wärtiger Gesundheitszustand?' mit „gut“ erledigen. Der Versicherte hat keine 
ihm bekannten Umstände verschwiegen, die für die Uebernahme der Gefahr 
erheblich waren; auch hat er keine falschen Angaben gemacht Die Beklagte 
kann also vom Vertrage nicht zurücktreten. Die von der Beklagten eingelegte 
Revision wurde vom Reichsgericht als unbegründet zurückgewiesen. 
(Sächsische Korrespondenz; Nachdruck nur mit deren Genehmigung gestattet.) 


Besprechungen. 

Dr. Karl Walbel: Leitfaden für die Nachprüfungen der Hebammen. 

Sechste Auflage. Mit 8 Tafeln. Wiesbuden 1916. Verlag von J. F. Berg¬ 
mann. Gr. 8°, 116 S. Preis: 2,26 M. 

Die sechste Auflage dieses trefflichen Büchleins ist erschienen. Sie zeigt 
vielfach Verbesserungen; ein reichhaltiges Register erleichtert das Aufsnchen. 
Körperlehre, Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett, Pflege des Kindes sind der 
sachliche Inhalt. Wie alle früheren Auflagen ist auch diese katechetisch ge¬ 
halten; aber nicht in Form des Frage- und Antwortspiels, sondern die Ant¬ 
wort erhebt sich vielfach zu einer gedrungenen, aber vollinbaltlichen Abhand¬ 
lung. Die innere Untersuchung ist dem Kapitel über die Geburt eingereiht 
worden, wohin sie auch gehört. — Ergänzt sind die Abschnitte der Augen¬ 
entzündungen Neugeborener und die Verhütung des Wochenbettfiebers. — Das 
Waibelsche Buch hält sich streng an die bayerischen Vorschriften; es ist 
auch als obligates Wiederholungsbuch in Bayern vorgeschrieben. Form und 
Inhalt, sowie ein dem Stande der Hebammen angemessener Preis verdienen aber, 
daß das Büchlein auch außerhalb Bayerns starke Verbreitung findet. Dem Ver¬ 
waltungsarzt gibt es Handhaben kur Abhaltung der Hebammenprüfungen. Acht 
schöne Tafeln verdeutlichen die Lehre dor äußeren Untersuchung. 

Dr. G r a ß 1- Kempten. 


Paul Lohmar, Verwaltungsgerichtsdirektor und Syndikus der Rheinischen Ver¬ 
einigung berufsgenossenscbaftlicher Verwaltungen in Cöln a. Rh.: „Schatten¬ 
seiten der Reichs-Unfallversicherung“. Berlin 1916. Carl Heymanns 
Verlag. Preis: 1,20 M. 

Der in Aerztekreisen wohlbekannte Verfasser hat sich in der vorliegenden 
Schrift „rechte Sorgen vom Herzen geschrieben", die ihm die gesundheitlich, 
sittlich und volkswirtschaftlich nachteiligen Begleiterscheinungen der R. U. V. 
gemacht haben. Alle die Aerzte, die die Einrichtung und Entwicklung unserer 
Reichs-Unfallversicherung aufmerksam verfolgt und in langer Mitarbeit genau 
kennen gelernt haben, sind wohl auf Grund eigener Erfahrungen und durch 
die Ergebnisse der beruflichen Erörterungen über Rentensucht, Aggravation 
und Simulation, traumatische Neurose und zunehmende Verweichlichung mehr 
und mehr darin einig geworden, daß kritiklose weitere Anwendung des be¬ 
stehenden Gesetzes und seine einseitig die rein geldlich-wirtschaftlichen 
Interessen der Versicherten fördernde Erweiterung die wertvollsten Charakter¬ 
eigenschaften unserer tüchtigen und im Kriege so unvergleichlich zuverlässig 
und leistungsfähig befundenen Arbeiterschaft tiefgehend und dauernd schädigen 
muß. Allen diesen begutachtenden „Praktikern der R.U.V.“ hat Lohmar 



690 


Tagesnachrichten. 


gut seinen sachlich überzengenden, ethisch packenden Ansfübrnngen, die immer 
den gründlichen Kenner nnd herzenswarmen Volks* nnd Vaterlandsfrennd er¬ 
kennen lassen, ans der Seele gesprochen. England bereitet den wirtschaft¬ 
lichen Krieg nach Friedenschluß gegen nns offen vor nnd wird ihn brntal nnd 
rücksichtslos, wie immer in seiner Qeschichte führen; diesen Kampf können 
wir siegreich nnr bestehen mit einer körperlich nnd geistig tüchtigen, sittlich 
freien nnd starken Arbeiterschaft. Videant consnles, daß gerade im Hinblick 
auf Erhaltung nnd Festigung des sittlichen Wertes unserer vielen Kriegs¬ 
beschädigten ans unseren Versichernngesetzen die als sicher gefährlich er¬ 
kannten Bestimmungen rechtzeitig nnd restlos entfernt werden. Wer den 
Aerzten das wohl erworbene Recht, unter den Führern nnd Beratern nnserer 
Volkes in den ersten Reihen zu wirken, erhalten will, findet in Lohmars 
Schrift wertvolle Waffen für den notwendigen Kampf um das Bessere. 

Dr. Qasters-Mülheim (Rohr). 


Tagesnacnrichten. 

Ans Anlaß des fünfzigjährigen Jubiläums des Vaterländischen Frauen* 
Vereins hat Se. Majestät der Kaiser an den Vaterländischen Verein 
nnter dem 10. d M. folgendes Handschreiben ans dem Hauptquartier gerichtet: 

„Dem Vaterländischen Franenverein zn seinem 50jährigen Bestehen 
meinen kaiserlichen Graß nnd meinen wärmsten Glückwunsch zu entbieten, ist 
mir ein Herzensbedürfnis. Von Deutschlands erster Kaiserin gegründet, im 
Einigungskriege von 1870/71 neu bewährt, hat der Verein unter der unermüd¬ 
lichen Leitung des Hanptvorstandes and seiner hochverdienten Vorsitzenden 
eine reiebgesegnete Friedensarbeit leisten dürfen, deren allmähliches Wachstum 
ich durch die fortlaufenden Mitteilnngen seiner erlauchten Protektorin, Ihrer 
Majestät der Kaiserin nnd Königin, meiner Gemahlin, zn meiner Freude habe 
verfolgen können. Auf Grund persönlicher Eindrücke weiß ich die Verdienste 
zn würdigen, die sich der Verein im jetzigen Kriege unter dem erhabenen 
Zeichen des Roten Kreuzes nm die Pflege der Kranken nnd Verwundeten and 
am die Fürsorge für die Angehörigen and Hinterbliebenen unserer helden¬ 
mütigen Krieger in aufopfernder und unermüdlicher Arbeit erworben hat Als 
Ausdruck meiner dankbaren Anerkennung, die jedem Einzelnen an diesem 
vaterländischen Werke Beteiligten gilt, habe ich zu meiner aufrichtigen Freude 
auf Vorschlag der hohen Protektorin zahlreiche Auszeichnungen verleihen 
können. Zur Förderung der von dem Verein so erfolgreich ausgeübten, mir 
auch für die Zukunft besonders am Herzen liegenden Kriegsfürsor^e will ich 
zugleich eine Jubelspende von 100000 M. in deutscher Kriegsanleihe 
hiermit bewilligen. Sie wird dem Hauptvorstande des Vereins durch die König¬ 
liche Seehandlung übermittelt werden. Gott der Herr schenke dem Vater¬ 
ländischen Fraugnverein und allen seinen Mitgliedern Kraft und Segen zu 
weiterer treuer Arbeit. Möchte es ihnen gelingen, im Verein mit den ver¬ 
wandten Organisationen die beklagenswerte Kriegsnot zu lindern, die die Pläne 
unserer Feinde über das deutsche Volk und Vaterland gebracht hat.* - 

Gleichzeitig hat der Kaiser an Ihre Majestät der Kaiserin und 
Königin das nachstehende Telegramm gerichtet: 

„Dem Vaterländischen Frauenverein habe ich bereits durch Handschreiben 
meinen warmen Dank für sein langjähriges treues Wirken ausgesprochen und 
mich des reichen Segens vergegenwärtigt, der in den vergangenen 50 Jahren 
von dieser Stiftung meiner lieben in Gott ruhenden Frau Großmutter aus¬ 
gegangen ist. Eurer Kaiserlichen und Königlichen Majestät als der erlauchten 
Schirm he rrin des Vereins muß ich noch ein Wort besonders innigen Dankes 
sagen. Ich habe in dieser ganzen Zeit oft daran gedacht, wie reich Gott den 
Herr unser Volk gesegnet hat, indem er den Heldenmut unserer treuen Kämpfer 
an der Front durch die stille entsagungsvolle, vielfach ebenso heldenmütige 
Arbeit unserer Frauen gestählt hat. Anch ihnen gebührt der Dank des 
deutschen Kaisers, ob ihre Kraft unseren Kranken und Verwundeten oder aber 
in knapper und schwerer Zeit dem stillen Dienst des eigenen Hauses und der 
Kinder zugute kommt. Ich weiß, wieviel der unserem Hause so nahe ver¬ 
bundene Verein unter Schutz und Förderung Eurer Majestät in helfender und 
püegender Liebe auf weiteste Kreise vorbildlich wirkend bisher geleistet bat. 



Tagesnachrichten. 


691 


Gott segne ihn und seine Protektorin anch ferner za weiterer segensreicher 
Arbeit für Volk and Vaterland.“ 

Der Kaiserlichen Jabelspende sind von Ihrer Majestät der Kaiserin 
20000 M., vom Reichskanzler 60000 M. and vom Preußischen Minister des 
Innern 26000 M. hinzagefttgt worden. 


Laat Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 2. November 1916 wird 
am 1. Dezember d. J. die im vorigen Jahre ausgefallene Volkszählung statt* 
finden, am die ortsanwesende Bevölkerung festzustellen. Die Zahlung ist 
diesmal vereinfacht und beschränkt sich auf die Ausfüllung von Haus¬ 
haltungslisten, die außer den üblichen Spalten über Vor- und Familien¬ 
name, Stellung im Haushalt, Geschlecht, Geburtstag, Familienstand und Staats¬ 
angehörigkeit nur noch solche über Art der Berufstätigkeit und Stellung im 
Beruf vor dem Kriege und zur Zeit der Zählung, das gegenwärtige Militär¬ 
verhältnis (bei allen vor dem 1. Dezember 1899 geborenen männlichen Personen) 
und über etwaigen Bezug von Militärpension oder Militärrente aus Anlaß des 
gegenwärtigen Krieges. Kriegsgefangene brauchen nur summarisch nach der 
Staatsangehörigkeit aufgeführt zu werden. 


Ehrentafel. Es haben weiterhin erhalten: 

Das Eiserne Kreuz I. Klasse: 

Oberstabsarzt Dr. Arimond -Neiße. 

Stabsarzt d. Res. Dr. Bellinger-Darmstadt. 

Stabsarzt d. L. Dr. Bräutigam-Zell a H. (Baden). 

Stabsarzt d. L. Dr. Bromse-Güstrow (Mecklenburg-Schwerin). 
Oberstabsarzt d. L. Dr. Bäntsch-Brebach (bei Saarbrücken). 
Oberstabsarzt d. L. Prof. Dr. Ludwig Burkhardt-Nürnberg. 
Stabsarzt d. Res. Dr. Dinnendahl-Kalkar (bei Cleve). 

Stabsarzt d. Res. und Reg.-Arzt Dr. Ecker t- Klein-Machnow bei Berlin. 
Dr. Otto Fried rieh-Breslau. 

Oberstabsarzt d. L. Dr. Hermann Hohn-Bad Nauheim. 

Oberstabsarzt d. L. Dr. Kay, Gerichtsassistenzarzt in Wolkepstein 
(Königreich Sachsen). 

Assistenzarzt d. L. und Bataillonsarzt Dr. Keding-Cassel. 

Stabsarzt d. Res. Dr. Rud. Kretschner-Burghaun (Reg.-Bez. Cassel). 
Stabsarzt Dr. 0. Luerssen-Breslau. 

Oberarzt Dr. Meinhof. 

Vertrags- und Bataillonsarzt Dr. Mühlstädt-Leipzig. 

Stabsarzt d. Res. Dr. Peeck, Kreisarzt in Parchim (Mecklenb.-Schwerin). 
Stabsarzt Dr. Rodenwaldt -Berlin. 

Oberstabsarzt d. L. Dr. Emil Rosner-Tost (Oberschlesien). 
Assistenzarzt d. Res. Dr. Speer-München. 

Stabsarzt d. Res I)r. Georg Weichsel-Leipzig. 

Stabsarzt d. Res. Dr. Franz Zybell-Frankfurt a. M. 

Das Eiserne Krenz II. Klasse am schwarz-weißen Bande: 

Med.-Rat Dr. Schwan, Kreisarzt in Dieburg (Großherzogtum Hessen). 

Ehren-Ged&ohtnlatafel. Für das Vaterland gefallen oder gestorben 

sind ferner: 

Feldunterarzt G. Bau mann-Hamburg. 

Oberstabsarzt d. Res Dr. Bever (gestorben infolge von Krankheit). 
Stabsarzt d. Res. Dr. Börner, Gerichtsassistenzarzt in Schandau a. d. Elbe 
(Königr. Sachsen), (gestorben infolge von Krankheit). 

Prof. Dr. Bruns- Hannover, beratender Nervenarzt (gestorben infolge 
von Krankheit). 

Feldunterarzt Burgard-Neheim (Westfalen). 

Landsturmpflichtiger Arzt Dr. F. Dürken-Berlin. 

Stabsarzt d. Res. Dr. Hans Hoffmann-Dresden. 

Hauptinann d. Res. Dr. Franz Kutscher, Arzt am Werk-Armenhaus 
in Hamburg. 

Assistenzarzt d. Res. Dr. F. Müller-Leipzig. 



692 


Tagesnachrichten. 


Missionsarzt Dr. Rudolf Oehme in Ostafrika. 

Assistenzarzt d. Res. Theodor P u r p u s - Neustadt a. D. (Niederbayern). 
Assistenzarzt d. Res. Dr. Gerhard Salomon-Berlin-Charlottenburg 
(infolge von Krankheit gestorben). 

Assistenzarzt Dr. A. Schwarz-Radebeul bei Dresden. 

Stabsarzt d. L. Dr. K. Vogel-Thale i. Harz (gestorben infolge von 
Krankheit). _ 


Erkrankungen und Todesfälle an ansteckenden Krankheiten in 
Preußen. Nach dem Ministerialblatt fttr Medizinal-Angelegenheiten sind in der 
Zeit vom 8. bis 21. Oktober 1916 erkrankt (gestorben) an Pest, Gelb* 
lieber, Cholera, Trichinose, Aassatz, Malaria, Fleckfieber, 
RQckfallfieber, Paratyphus, Rotz, Tollwut: — (—), — (—); 
Bißverletzungen durch tollwatverdächtige Tiere: 8 (—), 
14 (—); Milzbrand: — (—), 3 ( —); Pocken: 2 (—), 8 (—); Unter¬ 
leibstyphus: 300 (80), 376 (28); Ruhr: 353 (45), 465 (31); Diphtherie: 
2184 (167), 2139 (152); Scharlach: 1121 (52), 1079 (58); Kindbettfieber: 
81 (20), 65 (19); Genickstarre: 6 (4), 4 (8); spinaler Kinder¬ 
lähmung: 5 (—), 8 (—); Fleisch-, Fisch- und Wurstvergiftung: 
9 (—), 19 (—); Körnerkrankheit (erkrankt): 79, 86; Tuberkulose 
(gestorben): 599, 639. 


An der Unterrichtsanstalt für Staatsarzneikunde der kgl. Universität 
zu Berlin, Hannoversche Straße 6 (Direktor: Geheimrat Prof. Dr Straßmann), 
ist eine Röntgenabteilung unter Leitung von Dr. G. Bucky eingerichtet 
worden, die fttr gerichtlich-medizinische Untersuchungen und Begutachtungen 
bestimmt ist. Die Abteilung steht allen als gerichtliche Sachverständige tätigen 
Aerzten für die genannten Zwecke zur Verfügung. 


Mitteilung fttr die Medizinalbeamten» 

Entsprechend zahlreichen Wünschen aus den Kreisen der Medizinalbeamten 
haben sich Herausgeber und Verlagsbuchhandlung entschlossen, den Kalender 
für Medizinalbeamte wieder erscheinen zu lassen. Der neue 
Jahrgang 1917 wird Mitte Dezember d. J. zur Ausgabe gelangen; die 
Unterzeichnete Verlagsbuchhandlung nimmt schon jetzt Bestellungen 
entgegen. v 

Die Verlagsbuchhandlung. Der Herausgeber. 

Fischers aed. Buchhandlung B. Kornfeld, 

Berlin V. 62, KelthstraBe 5. 


Für die Mitglieder des Deutschen Medizinalbeamtenvereins 
nnd für die sonstigen Bezieher der Zeitschrift. 

Auf Veranlassung eines Rundscüreibens des Postzeitungsamtea werden 
die Postbezieher der Zeitschrift erneut gebeten, beim Ausbleiben oder bei 
verspäteter Lieferung einer Nummer diese stets zunächst von dem Brief¬ 
träger oder der zuständigen iiestell-Postanstait einzufordern, und sich erat, 
wenn Nachlieferung und Aufklärung nicht in angemessener Frist erfolgen 
sollte, unter Angabe der bereits unternommenen Schritte, die Mitglieder des 
Deutschen Medizinalbeamtenvereins an die Expedition der 
Zeitschrift (Hofbuchdruckerei J. C. 0 Bruns-Minden in Westfalen], die 
sonstigen Postbezieher an den Verlag (Fischers medizinische Buch* 
handlang, H. Kornfeld, Berlin W. 62, Keithslr.5] wenden. 

Verlag nnd Schriftleitung. 


Redaktion: Prof. Dr. Rapm und, Geh. Med.-Rat in Minden LW. 

J. O. 0. Brun*, Htnofl. flieh*, u. Fftrtti. Soh.-L. Hofbichdruckerol in lflnd—. 



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29. Jahrg. 


1916. 


Zeitschrift 

für 

MEDIZINALBEAMTE. 


Zenfralblatt 

fflr das gesamte Gebiet der gerichtlichen Medizin und Psychiatrie, 
des staatlichen und privaten Versicherungswesens, sowie für das 
Medizinal- und öffentliche Gesundheitswesen, einschließlich der 

Hygiene und Bakteriologie. 

fleraosgegebcn 

von 

Prot Dr. OTTO RAPMÜND, 

Geh. Med -Rat In Minden l.W. 


Offizielles Organ des Deutschen, Preussischen, Bayerischen, Sächsischen, 
WOrttembergischen, Badischen, Hessischen, Mecklenburgischen, Thüringischen, 
Braunschweigischen und Eisass • Lothringischen Medizinalbeamtenvereins. 


Verlag von Fiseher’s med. Bnchhandlg fl. Kornfeld, 

HtrsogL Bayer. Hof- tl u. K. Kammer-Bnchhtadlar. 

Berlin W. 62, Keithstr. 5. 

Amsel fen nehmen 41# TaUfihandloiif sowie alle Anzelfenannahmeetellen de» (i> 
ud Analen de« atgerao, 


Nr. 23. 


Erscheint am 5. und 20. Jeden Monats. 


5. Dez. 


Temperaturen von Schulzimmern im Winter. 1 ) 

Von Reg.-Med.-Bat Dr. Schwink - Bayreuth. 

Unser Herr Vorsitzender hat mich im April aufgefordert, 
hier in Neustadt a. H. einen wissenschaftlichen Vortrag zu halten, 
weil er annahm, daß ich als ehemaliger Amtsarzt in Rocken¬ 
hausen wieder einmal gerne in die schöne Pfalz reisen werde. 
Die Voraussetzungen unseres Herrn Vorsitzenden stimmen völlig 
überein mit der Wirklichkeit und ich bin der Aufforderung um 
so lieber nachgekommen, als die Grundlagen zu meiner Be¬ 
sprechung vorwiegend in der Pfalz gewonnen wurden. 

Trotzdem ich nun schon seit langem mein Versprechen 
für den Vortrag gab, muß ich doch um gütige Entschuldigung 
wegen dessen Kürze bitten. Ich habe nämlich infolge des 
Wechsels meines Domizils und der damit verknüpften größeren 
Arbeitsanhäufung nicht die Zeit zu einer vollständigen Verar¬ 
beitung meines Materials gefunden. 

*) Vortrag, gehalten bei der XI. Landesrersammlnng des Bayerischen 
Medizinal-Beamtenvereins in Neustadt a. H. am 12. Jali 1914. 










694 


Dr. Schwink. 


Nach der Ministerial-Bekanntmachung vom 15. April 1913 
kann die künstliche Erwärmung der Schulzimmer durch Zentral¬ 
heizung oder durch Oefen erfolgen. Es ist in dem § 8 im allge¬ 
meinen darauf hingewiesen, welches System im gegebenen Falle 
zu wählen ist. Die von mir gemachten Aufschreibungen beziehen 
sich insgesamt auf Einzelheizung durch einen oder durch 
zwei Oefen. 

Angeregt zu diesen Aufschreibungen wurde ich vor etwa 
20 Jahren gelegentlich der Bestimmung der Eohlensäuremenge 
in der Luft von drei Schulzimmern. Ich habe damals während 
eines Schuljahres an allen Schulstunden in den verschiedenen 
Monaten Luftproben aus den Schulen geholt. Da man bekanntlich 
nach der Pettenkof er’schen Methode auch die Temperatur 
in dem zu untersuchenden Raume ablesen muß, fiel es mir auf, 
daß manchmal große Verschiedenheit im Temperaturgrad sich 
zeigte, je nachdem das Thermometer in vorgeschriebener Höhe 
an der einen oder anderen Wand aufgehängt war. Eine weitere 
Verfolgung dieser Erscheinung blieb mir vorerst versagt. Sie 
wurde mir erst ermöglicht, als mich ein glücklicher Zufall in 
die Pfalz führte. In den alten Akten fand ich eine Regierungs- 
Entschließung, die zwar nicht mehr strenge gehandhabt wurde, 
aber bis dahin auch noch nicht aufgehoben worden war. Nach 
dieser Entschließung sind die Bezirksärzte gehalten, alljährlich 
mindestens zweimal während des Unterrichts die einzelnen 
Schulen ihres Bezirks zu besuchen und nach verschiedener Rich¬ 
tung zu prüfen. Auf Grund dieser Vorschrift konnte ich die 
sämtlichen Schulen des Bezirks regelmäßig besuchen. 

War also die Temperatur der Außenluft im Winter genü¬ 
gend zurückgegangen, dann ist während des Aufenthaltes im 
Schulgebäude die Temperatur in den Schulziramern festgestellt 
worden. Dies geschah manchmal nur in der Weise, daß die 
Temperaturablesung vom Schulthermometer gewissermaßen im 
Vorbeigehen erfolgte, in der Regel aber so, daß sowohl die Tem¬ 
peratur des in der Schule befindlichen Thermometers festgestellt 
wurde, als auch die Temperaturangabe von Kontrollthermome- 
tern, die in größerer Zahl mitgenommen und an verschiedenen 
Stellen des Schulzimmers aufgehängt worden waren. Mitunter 
stellten sich der Mitnahme einer größeren Anzahl (bis zu 12) 
Thermometern Hindernisse in den Weg, so daß nicht immer 
übereinstimmend viele Thermometer in den Schulzimmern verteilt 
werden konnten; weiterhin stellte es sich da und dort heraus, 
daß das vorgeschriebene Schulthermometer nicht angeschaflt oder 
zerbrochen oder anderswo verwendet war. 

Um einen durchaus genügenden Ausgleich in den eben 
aufgehängten Thermometern zu erzielen, mußte bis zum Ablesen 
mindestens */j Stunde gewartet werden. 

Die in einem einzigen Bezirksamtssprengel gesammelten 
Beobachtungen rufen naturgemäß für diesen Distrikt das nächste 
Interesse hervor. Aber auch für diesen Bezirk haben sie nicht 



Temperaturen von Schnlzimmern im Winter. 


695 


au! alle Zeit Geltung; sie wurden sogar während der darauf 
verwendeten Zeit teilweise zu einer Nachprüfung untauglich 
infolge von baulichen Verschiebungen an den Schulen; derartige 
Veränderungen sind aber in der Zwischenzeit gewiß noch zahl¬ 
reicher eingetreten. Trotzdem behalten die Beobachtungen ein 
größeres Interesse für den beobachteten Bezirk; die Ergebnisse 
aus den sämtlichen Feststellungen können aber auch wohl ein 
allgemeineres Interesse beanspruchen. 

Auf den Tafeln (s. S. 696—699) habe ich nicht alle Beobach¬ 
tungen vermerkt und z. B. die herrschende Außentemperatur, die 
Lage des Schulhauses, die Windrichtung hier nicht eingeschrieben. 
Ich habe auch auf die Tabellen nicht eingezeichnet, wo das 
Thermometer aufgehängt war; es ist einleuchtend, daß die 
Temperatur in der Nähe des Ofens eine höhere sein wird, als 
an einer entfernteren Wand. Ich habe auch manche Thermo¬ 
meterablesung überhaupt nicht eingetragen, weil sie identisch 
mit einer anderen war und weil ich die Zahlenreihen nicht 
unnötigerweise verlängern, sondern auf höchstens 4 Ablesungen 
beschränken wollte. 

Die Besprechung aller Detailangaben würde ermüden, 
langweilen und doch zu keinen allgemeinen Schlüssen führen. 
Ich will daher nur eine allgemeine Orientierung versuchen 
und bitte hierzu eine der Tabellen zu betrachten. Sie finden 
hier mit zwei Buchstaben bezeichnet die besuchte Schule, 
z. B. Al. Dann folgen meist 3, bei einigen Schulen auch 
4 senkrecht stehende Zahlenreihen. Jede dieser Zahlenreihen 
gibt die abgelesenen Temperaturen einer einzigen Beob¬ 
achtung und sagt zugleich, an wie vielen Stellen des Schul¬ 
zimmers mindestens Thermometer aufgehängt und abgelesen 
wurden. Ohne Rücksicht auf den Ort der Anbringung eines 
Thermometers wurden die festgestellten Temperaturen so 
untereinander geschrieben, daß die niederste Temperatur am 
weitesten nach oben, die höchste abgelesene Temperatur am 
weitesten nach abwärts gestellt wurde. So zeigt z. B. die Auf¬ 
zeichnung der Schule F a, daß an vier verschiedenen Tagen die 
Temperaturen abgelesen wurden. Die Zeiten der Ablesungen 
habe ich auf den Tabellen nicht angegeben. Ich kann aber 
anführen, daß ich die Schule F a am 23. Januar 1906 um 10 Uhr 
vormittags, am 20. Dezember 1906 um 9 Uhr vormittags, am 
26. Februar 1907 um 9 Uhr vormittags und endlich ein viertes Mal 
am 6. Febrnar 1908 aufgesucht habe. Bei dem Besuche am 
23. Januar 1906 hatte ich 4 Thermometer an verschiedene 
Stellen des Schulzimmers verteilt und die nach etwa einer halben 
Stunde erfolgte Ablesung zeigte, daß an der einen Ecke, der 
West-Ecke, eine Temperatur von 9°, am Schulthermometer der 
Nordwestwand eine Temperatur von 11°, in der Nähe des Ofens, 
aber geschützt durch den Ofenschirm, eine Temperatur von 14° 
und endlich in der Nähe des Ofens, aber ohne den Schutz eines 
Schirmes, eine Temperatur von 17° festzustellen war. Auch bei 
dem zweiten Besuch wurden die Temperaturen von 4 Thermo- 



696 


Dr. Schwink. 


Ueberslcht Aber die ln verschiedenen Schulen festgestellten Temperaturen. 


Schale 

Tag der 
Fest- 

Festgestellte 

Schale 

Tag der 
Fest- 

Festgestellte 

stelloog 

Temperataren 


Stellung 

i 

Temperaturen 


Al 

16. XII. 05 
23.1.07 

23.1.08 

15, 18 a. 20° 

10, 16, 17 u. 22° 
18, 14 a. 17« 

Am 

10.11. 06 

10.1. 07 

14.1. 08 

13, 15, 20 u. 22° 
16, 17, a. 21« 

10, 16, 17, 18 • 

An 

30.1. 06 1 

10.1. 07 

14 I. 08 

14, 20 u. 28* 

10, 12 a. 12° 

12, 16, 16 u. 17° 

Ap 

1. II. 06 

I 9.1. 07 

13.1. 08 

13, 15, 17 a. 26° 
12, 15, 17 a. 23° 
17, 19 u. 19° 

Aq 

1. II. 06 

9.1. 07 

1 13.1. 08 

16, 17, 19 u. 21® 
16, 16, 17 u. 19® 
15, 15, 17 u. 18° 

Ar 

1 

1. II. 06 

15.1. 07 

18.1. 08 

14, 17, 20 u. 25® 
18, 22 u. 24® 

20, 21 a. 21 ® 

As 

1. II. 06 
j 15.1. 07 

13.1. 08 

15, 17, 18 u. 23 • 
19, 20 u. 25® 

18, 18 a. 21 ® 

At 

| 

! 1. II. 06 
15. 1. 07 
13. I. 08 

17, 19 u. 25® 

18, 22 a. 23® 

18, 18 u. 21 ® 

Av 

1. II. 06 
13. I. 08 | 

21, 23, 25 a. 27® 
19 u. 21® 

Aw 

1 2i.xn.05 i 
7. I. 08 j 

8 u. 10« 

1,6, 10, u. 19,5® 

Az 

21. XII. 05 ! 
11. XII. 06 i 
7. I. 08 

8, 10, 11 a. 15® 
i 10, 11, 13 u. 14® 

1 3, 10 a. 13® 

B& 

9. II. 07 i 
9. II. 07 

15. I. 08 

10, 16 a. 16® 

11, 18 u. 22® 

18, 18 u. 22® 

Be 

7. II. 06 ; 
18. XII. 06 
25. 1. 08 

13,614,16u.l6,5® 
18, 19, 19 u. 20® 
16, 16, 17 a. 18® 

Ri 

27. I. 06 
30. I. 07 

16. I. 08 

14, 16, 21 u. 22® 
16, 18 u. 21 ® 

16, 16, 16 u. 17® 

Bo , 

25. I. 06 
24. I. 07 

3. II. 08 

12, 12,5 a. 12,5® 
11, 18 u. 26® 

17, 18 u. 19® 

Ba 

25. I. 06 
24. I. 07 

8. II. 08 

10, 12,6 u. 13® 

2, 2 n. 5® 

10, 10 a. 11® 


Br 

26. I. 06 
24. I. 07 
11. I. 08 

14,5, 15,15 u. 18,5 • 
10, 11, 13 u. 17® 

7, 10, 10 u. 12® 

Ca 

17.11.06 

4. II. 08 

12,5, 16,5 n. 19® 
16, 16 n. 16« 

Ce 

i 

7. II. 07 

4. II. 08 

16, 16 o. 16® 

17, 18, 18 u. 21 • 

Da 

I 

7. II. 06 
18. XII. 06 
6. II. 08 

14, 16 u. 19® 

11, 11 u. 16® 

9, 14, 14 u. 16® 

De ! 

7. II. 06 
18. XII. 08 
5. II. 08 

15,18,6,19 u. 23° 
15, 15 a. 17® 

14, 18, 18 u. 21® 

Dh 

20. XU. 05 
26. I. 07 
10. I. 08 

11,5,13,15 a. 17« 
10, 13 u. 20® 

6, 8 n. 8® 

Di 

20. XII. 06 
26. I. 07 
10. I. 08 

13, 17 u. 22® 

10, 12 n. 17 ® 

12, 12 u. 13® 

Dl 

27. I. 06 
26. II. 06 

I 26. II. 06 
| 19. I. 07 

14 a. 14® 

9 u. 10® 

13, 16, 18 a. 20® 
15, 16, 17 a. 20® 

Do 

| 8. II. 06 
| 6. H. 07 
12. II. 07 
| 11. II. 08 

17,5 a. 25® 

14 a. 18® 

17, 17 u. 23® 

1 14, 18 u. 22® 

Dr 

' 8. II. 06 
i 5. II. 07 
12. II. 07 
11. II. 08 

10,11,13,6 u. 21 ® 
12® 

11, 12 u. 23® 

11, 12 a. 13. 

Da 

8. II. 06 

6. II 07 
IJ1. U. 08 

11, 13 a. 17* 

17® 

16, 17 a. 17® 

Eb 

1 

_i 

21. XII. 05 
8. II. 06 
18. I. 07 
j 7. I. 08 

16,6, 16,6 u. 17® 

1 12 a. 12® 

14, 14, 18 u. 22® 
12, 18, 15 u. 19® 

En 

21. XII. 05 
8. II. 06 
18. I. 07 

7. I. 08 

12 a. 16,6® 

12, 18 u. 16® 

' 12, 16, 15 u. 21 • 
10, 11 u. 17® 

Fa 

23. 1. 06 
20. XII. 06 
26. II. 07 
6. II. 08 

9, 11, 14 u. 17® 
j 18,6,14,14 0. 24® 

! 18, 18 o. 17® 

12, 18 n. 15® 





Temperaturen von Schulzimmern im Winter. 


697 


Ueberslcbt Ober die ln verschiedenen Schalen festgestellten Temperaturen. 


Schule 

Tag der 
Fest¬ 
stellung 

Festgestellte 

Temperaturen 

Schule 

Tag der 
Fest¬ 
stellung 

Festgestellte 

Temperaturen 

Fe 

6. II. 06 

6. II. 07 

1 80 XII. 07 

12, 14, 15 u. 15° 
12, 13, 18 u. 21° 
12.5 15,19 u. 21° 

Hu 

5. II. 06 
17. XH. 06 
4. I. 08 

8, 11,5, 12 u. 24® 
7, 7 u. 8® 

4, 6, 7 u. 7 ® 

Fi 

6. II. 06 

6. II. 07 
30. XII. 07 

16, 17, 17 u. 26« 
14, 15 u. 17° 

19, 19, 20 u. 24° 

Hw 

5. II. 06 
17. XII. 06 
4. I. 08 

10, 13, 13 u. 21 

5, 5 u. 7® 

18, 14, 15 u. 18® 

Fl 

6. II. 06 

6. II. 07 
30. XII. 07 

11, 12, 18 u. 14® 
13, 15, 18 u. 23° 

12, 14, 15 u. 17® 

Ib 

23. I. 06 
29. XII. 06 
22. XI. 07 

12,5,13,5 u. 23,5® 

9, 12, 16 u. 20® 

10, 12 u. 13® 

Fo 

1 14. II. 06 
j 6. I. 07 

81. I. 08 

16, 23 u. 26® 

12, 13, 17 u. 24® 
16, 18, 18 u. 21 ® 

If 

23. I. 06 
28. II. 07 
22. XI. 07 

10,5, 12 u. 18® 

12, 15, 24, 26® 

13, 15 u. 26® 

Ga 

8. II 07 

13, 14 u. 14® 

If? 

28. I. 06 

9, 9,5 u. 20® 

Ge 

1 16. XII. 05 
! 8. II. 07 
17. XII. 07 

13,6, 16,5 u. 24® 
14, 16 u. 23 

14, 15, 18 u. 22® 

Im 

21. I. 07 
21. II. 07 
14. I. 08 

15, 17 u. 17® 

17, 18 u. 18® 

11, 12, 13 u. 14 

Gi 

: 5. II. 06 

17. xn.06 

18. XII. 07 

12,5,13,13 u. 16,6® 
14, 15,16 u. 19,5® 
10 u. 15® 

Ir 

5. I. 06 

21. I. 07 
14. I. 08 

13, 15, 16 u. 18 

16, 15 u. 18® 

10, 11, 16 u. 18 

Gl 

26. I. 06 

8. II. 07 
23. I. 08 

9,5, 10, 10 u. 17® 
11, 11 u. 16® 

15, 17, 18 u. 19® 

Ka 

9. I. 07 

17,19,23,6 u. 25® 

Ee 

11. III. 07 
3. I. 08 

16, 19 u. 28® 

13, 13,5 u. 24® 

Gn 

21. I. 08 

14, 14, 15 u. 15® 

Ki 

29. I. 06 
19. XII. 06 
16. I. 08 

13,14,5,19 u. 20® 
i4, 14, 15 u. 22® 
12, 16 u. 17® 

Go 1 26. I. 06 
23. I. 07 
23. I. 08 

9, 9, 13,5 u. 17,6® 
8, 10, 15 u. 33® 

12, 13, 14 u. 16® 

Eo 

29. I. 06 
19. xn.06 
15. I. 08 

16, 16, 18,5® 

16,6, 15,5, 18,25® 

17, 17 u. 21« 

Gr 26. I. 06 

3. I. 07 

11,11,5,12,5 u. 15® 
7, 7, 10 n. 13® 

9, 10 u. 17« 


ctb. XL 07 

La 

19. n. 06 
12. I. 07 

20, 22 u. 25® 

20, 21 u. 24® 

Gu 

21. I. 07 
21. II. 07 
18. XII. 07 

12, 14, 18 u. 25® 
16, 17 u 22. 

15, 16, 17 u. 20® 

Le 

13. II. 08 

14, 18 u. 19® 

Ha 

6. II. 06 

31. XII.06 

14, 15, 18 u. 39« 
12, 12, 13 u. 18® 

Li 

13. II. 08 

18 u. 20® 

Lo 

9. II. 06 

31. I. 07 

6. I. 08 

13, 15, 16 u. 18® 
10, 10, 11 u. 17® 

7, 8 u. 10,6® 

He 

6. II. 06 
31. xn. 06 
28. XII. 07 

13,5,15,17 u. 24® 
12, 12, 18 u. 22» 

8, 9 u. 12® 

Lu 

9. II. 06 

81. I. 07 

6. I. 08 

15, 15, 17 u. 18® 
13, 14, 14 u. 15® 

1, 2 u. 6® 

Hi | 22. I. 08 

15, 16 u. 17® 

Ho 

15. I. 06 

8. XII. 06 
22. I. 08 

12,5,16,6,20 u. 22® 
12,16,15,5 u. 18® 
12, 17 u. 21® 

Ma 

3. I. 06 

8. XII. 06 
25. I. 08 1 

10 u. 14® 

13, 13, 14 u. 14® 
13, 13, 13 u. 17® 

Hs i 

i 

i 

16. II. 06 
28. I. 07 

24. I 08 

8, 10 u. 11® 

9, 10, 10 u. 14® 

13, 13, 14 u. 16® 

~Me~ 

i 

i 

3. I. 06 ! 7, 10, 10 u. 24° 

8. XII. 06 7, 7,5, 9 u. 12® 

25. I. 08 12. 13, 13 u. 14® 

Ht 

16. II. 06 
28. I. 07 

24. I. 08 

9, 11 u. 11® 

7, 9 u. 9« 

11, 12, 12 u. 14® 

Mi | 

24. II. 06 
18. Xn. 06 ! 
2. XII. 07 | 

13, 13, 15 u. 19® 

7, 8, 9 u 11® 

16, 16 u. 18® 








698 


Dr. Schwink. 


Ueberslcht Ober die ln verschiedenen Schalen festgestellten Temperaturen. 


Schule 

Tag der 
Fest¬ 

Festges teilte 

Schule 

Tag der 
Fest¬ 

Festg es teilte 


stellung 

Temperaturen 

stellung 

Temperaturen 


Ml 

26. I. 06 

7. I. 07 

14. I. 08 

9, 10, 10 u. 86® 

7, 8, 10 u. 26° 

6, 8 u. 9° 

Mo 

80. I. 06 
| 7. I. 07 

14. I. 03 

11,14,17,6 u. 29° 
13, 13 u. 17® 

5, 8 u. 9® 

Mr 

80. I. 06 

7. I. 07 

14. I. 08 

12, 18, 15 u. 16® 
10, 11 u. 13® 

5, 6 u. 7®' 

Ms 

16. I. 06 
21. XII. 06 
3. I. 08 

15, 19, 24 u. 25® 
13, 14, 18 u. 25® 
13, 14 u. 17« 

Mu 

15. I. 06 
21. XII. 06 
8. I. 08 

12,14,6,16 u. 17® 
12, 12, 12 u. 16» 
14, 15 u. 18» 

Na 

22. II. 06 
22. XII. 06 
9. I. 08 

9 u. 11® 

5, 6 u. 10® 

4, 4 n. 4° 

Ne 

22. II. 06 
22. XII. 06 
9. I. 08 

11, 11 u. 18® 

7, 7 u. 14® 

6, 7 u. 7® 

Ni 

1 

13. II. 06 
22. I. 07 

8. I. 08 

17, 17, 21 u. 22° 
16, 17 u. 21 ® 

8, 10,5, 15 u. 17® 

No 

1. II. 06 
16. I. 07 
13. I. 08 

12, 12, 15 u. 20® 
11, 12, 15 u. 17® 
8, 11 u. 17® 

i 

1. II. 06 

7. II. 07 

13. I. 08 

14, 16, 16 u. 20® 
14, 15, 16 u. 27® 
8, 9 u. 18° 

Ob 

21. XII. 06 
8. 11. 07 

3. I. 08 

13, 14, 16 u. 19® 
11, 12 u. 13® 

7, 10 u. 11 ® 

Od 

16. III 06 
4. I. 07 

18. I. 08 

12, 18 u. 19® 

11, 13, 13 u. 16 

7, 7, 8 u. 11® 

C 

° 

16. III. 08 
4. I. 07 

13. I. 08 

13, 14 u. 17® 

14 u. 16® 

8, 14 u 17® 

Of , 

1 

16. III. 06 
4. I. 07 

13. I. 08 

12, 19 u. 20® 

13, 14 u. 20® 

8, 14, 14 u. 16® 

Og : 

1 

1 

16. III. 06 
4. I. 07 

13. I. 08 

13, 20 u. 21® 

18, 19. 19 u. 19® 
10, 11, 15 u. 17® 

ok 

3. I. 06 

8. XII. 06 i 
25. I. 08 j 

7, 11 u. 15® 

10, 11, 13 u. 17® 
14, 15, 15 u. 17® 


Om 

3. I. 06 

8. XII. 06 
25. I. 08 

10,5 u. 22« 

10,5,12,13 u 13« 
13, 14, 16 u. 160 

On 

11. XII. 05 
6. 11. 07 
11. II. 08 

15 u. 24,6® 

15, 16, 17 u. 28® 
14, 16, 18 u. 19® 

Or 

11. XII 05 
6. II. 07 

11. II. 08 

14,6, 18,5 u. 21® 

14, 16, 16 u. 19® 

15, 16, 17 u. 17® 

08 

11. XII. 05 
6. II. 07 
11. II. 08 

16 u. 21« 

18, 18 u. 19° 

18, 18 u. 2to 

ot 

11. XII. 05 
6. II. 07 
11. II. 08 

17 u. 24,6« 

16, 16 u. 28« 

14, 16, 23 u. 24o 

Pa 

9. II. 06 
14. I. 07 

4. XII. 07 

14, 16 u. 25® 

15, 17 u. 26« 

6, 10, 13 u. 20® 

Po 

9. II. 06 
14. I. 07 

8. I. 08 

9, 12 u. 12® 

7, 8 u. 9« 

— 2, 6 u. 9® 

Ra 

24. I. 06 

8. I. 07 

7. XII. 07 

14, 16 u. 17® 

12,6,17, 24 u. 26o 
14, 15, 17 u. 19® 

Bc 

15. XII. 06 
4. 11. 08 

16, 17 u. 18® 

17, 19 u. 20« 

Re 

11. XII. 05 
15. XU. 06 
4. II. 08 

13,5, 18,6 u. 180 
11, 13 u. 16® 

17, 17 u. 21® 

Bf 

11. XII. 05 
15. XU. 06 
4. II. 08 

18 u. 17« 

16, 16,6 u. 190 

19 u. 190 

Bi 

18 XII. 05 

I. III. 06 

II. I. 07 
18. I. 08 

9, 12 u. 13,5® 

12, 13 u. 18® 

13,5,14,15 u. 150 
17, 18 u. 190 

Bk 

19. XII. 05 

I. III. 06 

II. I. 07 
18. I. 03 

18, 16, 18 u. 21 o 

15, 21 u. 22® 

11, 14, 15 u. 20« 

16, 18 u. 20® 

Be 

7. III. 06 
11. I. 07 
18. I. 08 

! 11,14,17 u. 19,50 
| 10, 11, 13 u. 180 
16, 18 u. 18« 

Rn 

22. XII. 05 

I. III. 06 

II. I. 07 
18. I. 08 

17, 19, 22 u. 24® 
14, 15 u. 16® 

14, 17, 19 u. 21 o 
19, 20 u. 210 













Temperaturen von Scbulzimmern im Winter. 699 


Deberslcht Ober die ln verschiedenen Schalen festgestellten Temperaturen. 


Schule 

Tag der 
Fest¬ 
stellung 

Festgestellte 

Temperaturen 


Tag der 
Fest¬ 
stellung 

Festgestellte 

Temperaturen 

Ro 

22. XII. 05 

I. III. 06 

II. I. 07 
18. I. 08 

13, 13, 15 u. 20« 
18,5, 14 u. 16° 

16, 15, 16 u. 18» 

17, 18 u. 20» 

St 

25. I. 06 
12. XI. 06 
3. II. 08 

11, 11,12,5 u. 19° 
14, 15, 15 u. 22° 
14, 15, 16 u. 16° 

Te 

27. I. 06 
19. I. 07 

13 u. 17 0 

14, 14, 14 u. 19° 

Rp 

8. I. 06 

16. I. 07 

8. II. 08 

15,6,16,5,17 u.28o 

13, 16, 16 u. 25» 

14, 15 u. 16» 

ün 

22. I. 06 

4. I. 07 

18. I. 08 

14, 15, 16 u. 17 0 
12, 14, 15 u. 16° 
12, 13 u. 15° 

Ru 

8. I. 06 

16. I. 07 

3. II. 08 

11,6,12,14 u. 20« 
11, 14, 16 u. 24« 
10, 10 u. 11 o 

Wa 

14. II. 06 
6. I. 07 

31. I. 08 

10 u. 19 0 

13 u. 22° 

16, 15 u. 17° 

Sa 

22. I. 06 

2. n. 07 
28. XI. 07 

10,12,6,18 u. 140 

15, 17, 18 u. 23° 

16, 17 u. 180 

Wd 

16. I. 06 
14. XII. C6 
6. I. 08 

13, 13, 14 u. 14° 
8,5, 11, 11 u. 20° 
8, 8 u. 16° 

Sb 

12. I. 06 
80. I. 07 
16. I. 08 

12,5, 15 u. 210 

11, 17, 17 u. 230 
7,6, 10, 11 u. 16« 

Sc 

15. II. 06 
14. II. 07 
14. I. 08 

14, 16, 27 u. 28« 

15, 19 u. 20« 

5, 5, 6 u. 6° 

We 

10. II. 06 
31. I. 07 
15. II. 07 
14. I. 08 

13, 15, 21 u. 23° 
17, 25 u. 26° 

17 u. 22° 

13, 15, 15 u. 20° 

Sc 

29. I. 06 

14 II. 07 
14. I. 08 

5, 8, 13 u. 150 

12, 13 u. 23« 

10, 13, 15 u. 160 

Wg 

10. II. 06 
31. I. 07 
15. II. 07 
6. I. 08 

13,5,14,17 u. 17 0 
12, 12 u. 14° 

12, 13, 14 u. 17° 
8, 9 u. 12° 

Sg 

16. I. 06 
21. XII. 06 
6. I. 08 

16,17,5 V 20 u. 21« 
11, 12 u. 210 

1, 4 u. 11° 

Wi 

10. II. 06 
31. I. 07 
15. II. 07 
14. I. 08 

9, 12, 13 u. 25° 

11, 12 u. 18» 

12, 13 u. 18° 

13, 17, 17 u. 18° 

Si 

16. 1. 06 
10. XII. 06 
6. I. 08 

13,5,15, 20 u. 21® 

6.5, 7 u. 150 

1.5, 8 u. lio 

Sk 

25. I. 06 
17. I. 07 
11. I. 08 

6,5,6,5,12,5 u. 160 
13, 13,17,6 u. 21 0 
12, 13, 15 u. 18° 

Wk 

10. II. 06 
31. I. 07 
15. II. 07 
6. I. 08 

13, 14, 17 u. 20° 
16, 17, 20 u. 24" 
13 u. 17» 

4, 8 u. 12" 

Se 

25. I. 06 
17. I. 07 
11. I. 08 

15, 16 u 20,5° 

18, 19, 19 u. 21 0 
12, 13, 15 u. 19° 

Wl 

10. II. 06 
31. I. 07 

15 II. 07 
14. I. 08 

18, 18, 21 u. 23" 
17, 18, 19 u. 25" 
15 u. 20" 

10, 12, 14 u. 15" 

Sm 

17. I. 07 

11. I. 08 

15, 16, 16 u. 19° 
13, 14, 17 u. 17° 

Sn 

i 

22. I. 06 

2. II. 07 

13. II. 07 

23. XI. 07 

12,12,5,15,5 u.22° 
8, 10 u. 13° 

10, 10, 11 u. 19° 

7 u. 8° 

Wn 

13. II. 06 
23. I. 07 

3. I. 08 

14, 16 u. 20" 

11, 17 u. 25" 

6, 11, 13 u. 18" 

Wo 

19. I. 06 

22. I. 07 

23. I. 08 

13, 14, 15 u. 23" 
8, 10 u. 15® 

10, 15, 16 u. 20® 

So 

24. I. 06 

18. XI. 06 

7. XII. 07 

10, 11, 14 u. 20 0 
14, 15, 16 u. 20° 
14, 17 u. 17" 

Sp 

26. I. 06 
12. XI. 06 

3. H. 08 

9,5, 10,5 u. 14,50 
13,14,6,15 u. 20° 
11,12.13 u. 16,5" 

Wu 

19. I. 06 

22. I. 07 

23. I. 08 

14,14,5,15 u. 20" 
11, 14 u. 17® 

15, 17 u. 18" 













700 


Dr. Schwink. 


raetern, bei dem dritten und vierten Besuch jedoch nur von 3 
Thermometern abgelesen und eingetragen. 

Wenngleich jede Schule alljährlich aufgesucht wurde, finden 
sich für manche Schulen nur 2, ja manchmal nur 1 Eintrag. 
Dies läßt sich dadurch erklären, daß einzelne Schulzimmer aus 
schultechnischen Gründen nur selten oder nur zu gewissen Zeiten 
benützt wurden. So wurde gerade das Schulzimmer Ga nur 
für den Abteilungsunterricht am Nachmittag gebraucht. Da ich 
in jene Gegend am Nachmittag nicht leicht gelangen konnte, 
mußte es mir genügen, die Temperaturen am Vormittag festzu¬ 
stellen, als zwar noch kein Unterricht erteilt wurde, das Zimmer 
aber bereits für die Nachmittagsschule erwärmt worden war. 

Wollen wir nun aus diesem bunten Durcheinander von 
verschiedenen Temperaturen, das die 370 Einzelbesuche in den 
Schulen ergeben haben, einige zusammenfassende Ergeb¬ 
nisse herausgreifen, so werden wir uns zweckmäßig an die 
Temperaturen erinnern, die nach einer Regierungs-Entschließung 
für Schulen maßgebend sind und sich danach zwischen 17 bis 
20° bewegen sollen. 

Die untere Grenze von 17° ist 110 mal nicht erreicht 
worden, also an keinem der abgelesenen Thermometer, selbst 
nicht in der Nähe des Ofens. Manchmal blieb die höchste 
abgelesene Temperatur sogar sehr bedenklich unter der 
Mindestgrenze zurück: 5 Ablesungen zeigten 9°, eine Ab¬ 
lesung 8°, 4 Ablesungen 7°, 2 Ablesungen 5°, je eine Ablesung 
6° und 4° als höchste Temperatur. Trotzdem bereits 4 Stunden 
lang geheizt worden war, konnte einmal die Temperatur nicht 
über 5 Grad gehoben werden, so daß der betreffende Lehrer, 
der den Ofen als unbrauchbar bezeichnete, die Kinder nach 
Hause entlassen hatte; die Temperatur der Außenluft betrug 
damals — 14°. Auch in weiteren 6 Beobachtungsfällen mußte 
die herrschende Winterkälte (zwischen — 10° bis — 14° C) als 
Mitursache der niederen Zimmertemperaturen angesehen werden, 
während bei den anderen unzureichenden Temperaturen die herr¬ 
schende Winterkälte nicht allzu streng war. 

Die mannigfachen Ursachen der niederen Temperaturen 
sollen an dieser Stelle nicht weiter erörtert werden. Es möge 
nur noch eine einzige Beobachtung Erwähnung finden, weil trotz 
einer abgelesenen Höchsttemperatur von nur + 4 0 C doch Unter¬ 
richt erteilt wurde. Hier waren die Schüler mit dem Anschüren 
des Feuers betraut; die Kinder schürten — in Gegenwart des 
Berichterstatters — 10 Minuten vor Beginn des Unterrichts das 
Ofenfeuer an und deshalb war die geringe Erwärmung des Schul¬ 
saales durchaus begreiflich. In wohltuendem Gegensatz zu dieser 
Schule mag nochmals auf die bereits erwähnte Schule hingewiesen 
werden, in der für den erst am Nachmittag beginnenden Unterricht 
bereits am Vormittag um 10 Uhr das Feuer unterhalten w T urde. 

Während also in vielen Schulen die höchste abgelesene 
Temperatur noch weit absteht von der zu fordernden unteren 
Grenze von 17 Grad, beanspruchen die dabei festgestellten 



Temperaturen Ton Schulzimmern im Winter. 


701 


niedrigsten Zahlen gleichfalls einiges Interesse. Sie schwanken 
in großen Grenzen und fallen sogar herab unter Null, indem 
einmal das Schulthermometer minus 2 0 C. aufwies bei einer 
Freilufttemperatur von minus 14 0 C.; da die höchste Temperatur 
im- Zimmer nur + 9 Grad betrug, befanden sich die Kinder 
nicht in der angenehmsten Lage. 

So wie die untere Temperaturgrenze häufig nicht erreicht 
wurde, so wurde auch mitunter die festgelegte obere Grenze 
von +20° überschritten; solche Ueberschreitungen waren 
begreiflicherweise vornehmlich in der Nähe des Ofens zu er¬ 
warten. Die Temperaturen stiegen in einzelnen Fällen bis zu 
-f- 36 0 und 39 0 C.; die glühenden Wangen der in solcher 
Hitze weilenden Kinder machten den Lehrer wie den Arzt 
darauf aufmerksam, wie sehr die Schüler darunter litten. 

Die ungünstigen Wärmeverhältnisse treten umso schärfer 
hervor, wenn wir die gleichzeitig beobachteten niedrigsten 
Temperaturen mit berücksichtigen; sie stellten sich auf 9 0 
gegenüber 36 0 und auf 14 0 gegenüber 39 °. 

Temperaturunterschiede sind in jedem Zimmer er¬ 
klärlich. Es bewirkt bekanntlich die natürliche Ventilation, 
die neben einer künstlichen Ventilation nicht ausgeschaltet 
werden kann, außer der Lufterneuerung eine Entwärmung der 
Schulzimmer. Dabei kommen zu den gegebenen Spalten und 
Lücken die freiere Lage des Schulhauses, die Windrichtung, 
die Windstärke und andere Dinge in Betracht. Es ist so leicht 
ersichtlich, daß es sich nur unter ganz besonders günstigen 
Verhältnissen ermöglichen läßt, eine durchaus gleichmäßige 
Temperatur in einem Schulsaale zu erhalten. Es lassen sich 
selbst bei Zentralheizung in dem modernsten Schulhause an 
verschiedenen Stellen der Säle größere und kleinere Unter¬ 
schiede feststellen; es treten auch hier Unterschiede bis zu 2 
und 3 Grad Celsius zutage. Umso erklärlicher ist es dann, 
wenn bei Einzelheizung, wie sie durch Ofenheizung gegeben 
ist, die Temperaturunterschiede an verschiedenen Stellen des 
Schulzimmers noch viel beträchtlicher ausfallen. 

Die Temperaturunterschiede, die ich bei den vergleich¬ 
baren Ergebnissen feststellte, bewegten sich zwischen 0° bis 
zu 5 0 in 193 Fällen, zwischen 6 bis 10 0 in 131 Fällen, zwischen 
11 bis 14° in 35 Fällen, zwischen 16 bis 18 0 in 6 Fällen und 
glücklicherweise zeigten nur ganz vereinzelte Fälle die kaum 
glaublichen Unterschiede von 25 und von 27 Grad Celsius. 

Ein Temperaturunterschied von 5 Grad muß bei Einzel¬ 
heizung als durchaus statthaft und zufriedenstellend bezeichnet 
werden. Demnach wäre die Zahl von 193 Beobachtungen, bei 
denen nur eine Differenz bis zu 5 Grad verzeichnet ist, ganz 
erfreulich. Die Freude bedarf jedoch einer gewissen Einschrän¬ 
kung, weil bei dieser Differenz bis zu 5 Grad nur die abso¬ 
luten Temperaturangaben in Betracht gezogen wurden. Es ist 
nämlich dabei keine Rücksicht genommen darauf, ob das an¬ 
gängige Mindestmaß von Wärme erreicht worden ist. Welchen 



702 


Dr. Schwink. 


Wert hat z. B. eine Differenz von 3 Grad, wenn die höchste 
Temperatur nur 5 Grad, die niedrigste 2 Grad Celsius nach¬ 
weist? 

Wir müssen folgerichtig alle Fälle als ungenügend aus- 
scheiden, bei denen das Temperatur-Minimum von 17 Grad 
Celsius nicht erreicht ist. Nach dieser Auslese bekommen wir 
bei einer Differenz bis zu 5 0 nur 104 Beobachtungen, bei einer 
Differenz von 6 bis 10° 111 Beobachtungen. Bei den Diffe¬ 
renzen von 11 bis 27 Grad haben alle hierher gehörigen Fälle 
mit Ausnahme von zweien das Temperatur-Minimum erreicht; 
es sind dabei auch alle die unerfreulich hohen Differenzen 
vertreten. 

Das nach der nötigen Ausscheidung gewonnene Ergebnis, 
dass unter den 368 vergleichbaren Beobachtungen 104 mal 
nach Erreichung der Mindesttemperatur die Differenz zwischen 
0 bis 5 Grad lag, darf nicht als hervorragend günstig bezeichnet 
werden, weil nicht einmal ein Drittel der Untersuchungen zu¬ 
friedenstellende Verhältnisse aufdeckte. 

In manchen Schulen werden bei erheblichen Temperatur¬ 
unterschieden die Kinder versetzt, so dass eine Zeitlang die 
Hälfte der Kinder auf der kälteren, eine Zeitlang auf der wär¬ 
meren Abteilung sitzen. Höhere Temperaturunterschiede sind 
jedoch immer beklagenswert, weil dabei mitunter ein fühlbarer 
Zug und eine einseitige Abkühlung auftreten. 

Das Heizmaterial kommt bei der Beurteilung des 
Wertes einer Heizvorrichtung nur nebenbei in Betracht. Meine 
Beobachtungen belehrten mich, daß sowohl mit Holz, als mit 
Kohlen bei richtiger Konstruktion und Größe der Oefen sowie 
bei richtiger Bedienung eine genügend gleichmäßige Wärme 
erhalten werden kann. Nach meinen Erfahrungen wird über¬ 
wiegend ausschließlich mit Kohlen geheizt, in einzelnen Fällen 
mit Kohlen und Holz und nur in den Schulen einer einzigen 
Ortschaft ausschließlich mit Holz. Wie die beiden Schulen Sm 
und S1 beweisen, kann man mit dem prächtigen Buchen-Scheit- 
holz trotz uralter Oefen recht gute Erfolge erzielen. Die Luft 
in diesen nur mit Holzheizung versehenen Schulen schien regel¬ 
mäßig besser zu sein als in Schulen mit Kohlenfeuer. Recht 
störend für den Unterricht ist allerdings die Bedienung dieser 
Oefen; sie beansprucht große Aufmerksamkeit seitens des Lehrers 
und bewirkt unnötige Ablenkung seitens der Schüler. Den 
gleichen Mißstand des ständig nötigen Nachschürens bedingen 
auch jene Kohlenöfen, die nicht als Dauerbrand- oder Regulier¬ 
öfen eingerichtet sind. 

Die Lage desSchulhauses kann für die Wirkung der 
Beheizung nicht gleichgiltig sein. Es ist einleuchtend, daß 
ein freistehendes Schulgebäude größere Anforderungen an die 
Heizung stellt als ein Schulhaus, das durch Nachbargrund¬ 
stücke eingeengt ist. Für diese erklärliche Tatsache soll nur 
darauf hingewiesen werden, daß z. B. die ringsum stark ein¬ 
gebauten Schulen Hi, Jm und Jn recht behagliche Tempera- 



Temperataren von Schnlzimmern im Winter. 703 

turen bei durchaus zulässigen Temperaturdifferenzen erzielten. 
Im Gegensatz zu diesen finden wir in den Schulen Ha und He, 
bei denen das Schulhaus frei auf einer Anhöhe dem Winde preis¬ 
gegeben ist, starke Differenzen; infolgedessen zeigte sich hier ein 
Temperaturunterschied von 25 Grad, obgleich die Außenluft- 
teraperatur 0 Grad betrug. Der starke Winddruck prägt sich in 
den Zahlen deutlich aus. 

Eine gewisse Bedeutung bei der Beheizung von Schulen 
kommt der Art des Baues zu. Die alten Schulhäuser mit 
den noch keineswegs modernen Schulsälen scheinen sich im 
allgemeinen besser zu heizen, als die neuen mit den schönen 
luftigen Ausmessungen und den zahlreichen hohen Fenstern. 
In einigen neuen, modernen Schulen waren die Zimmertempe¬ 
raturen besonders bei kalten Wintertagen (— 10 Grad bis 
— 14 Grad) recht bedenklich niedrig. Das lag natürlich nicht 
an den modernen Schulbauten an sich, sondern ganz ausschlie߬ 
lich an den für solche Räume ungenügenden Oefen. Als Beweis 
hierfür mag auf die Beobachtungen in den Schulen Lo und Lu 
hingewiesen werden. Hier war in der großen wie auch in der 
kleinen Schule ein Orion IV-Ofen aufgestellt worden. Während 
bei einer Außentemperatur von — 14° C. das kleine Schulzimmer 
als Höchsttemperatur noch -f- 10° C. auf wies, konnte in dem 
darüber befindlichen großen, mehr dem Winde ausgesetzten Schul¬ 
zimmer die Temperatur nur auf -f- 5° C. gebracht werden. Auf die 
Beschwerde des Lehrers hin wurde ein anderer Ofen gesetzt, mit 
dem eine tadellose Beheizung erzielt worden sein soll. Aus 
diesem Beispiel geht hervor, daß nicht jeder, angeblich für 
eine bestimmte Anzahl von Kubikmetern berechnete Ofen auch 
für jedes Schulzimmer von dieser Größe sich eignet, sondern 
daß auch auf diesem Gebiete Erfahrungen und Beobachtungen 
fast für jeden einzelnen Fall gesammelt werden müssen. 

Eine gute und besonders eine recht gleichmäßige Durch¬ 
wärmung kann durch zwei kleinere, gleichzeitig geheizte, aber 
an verschiedenen Stellen des Schulzimmers aufgestellte Oefen 
erzielt werden, wie die Schulen Be, Rn und Ro zeigen. Größere 
Schulsäle lassen sich dadurch recht behaglich heizen, wobei 
vor allem wohltuend erscheint, daß durch die kleineren und 
nicht übermäßig geheizten Oefen eine Belästigung der dem Ofen 
zunächst sitzenden Kinder durch strahlende Wärme hintangehalten 
wird, was bei einem einzigen Ofen keineswegs immer möglich 
ist. Selbst bei den sonst recht brauchbaren Hennsehen 
Mantelöfen strahlt durch die Schüröffnung, die durch den 
Mantel nicht abgeblendet werden kann, bei ungünstiger Stel¬ 
lung des Ofens eine recht erheblich belästigende Wärmemenge 
dem in der Nähe sitzenden Kinde entgegen. 

Eine zentrale Heizanlage ist auch in Landschulen 
bereits öfters eingerichtet worden. Bei größeren Schulhäusern 
mit 4 bis 6 Lehrsälen lassen sich durch eine Niederdruck¬ 
dampfheizung die erwünschten Temperaturgrade erzielen, wäh¬ 
rend bei kleineren Schulen mit einem bis 3 Schulräumen eine 



704 


Dr. J. Olbrycht. 


Warmwasserheizung manchmal vorteilhafter ist. Die Mehr¬ 
kosten, die durch den größeren Verbrauch von Kohlen bedingt 
sind, werden reichlichst aufgewogen durch den Wegfall des 
Staubes des Brennmaterials, durch die gleichmäßigere Tem¬ 
peratur und durch den völligen Wegfall von strahlender Wärme, 
die bei Einzelheizung oft ungemein störend und schädlich ist. 

Zum Schlüsse kann ich meine Ergebnisse dahin zusammen¬ 
fassen, daß die so sehr anregende und befriedigende Tätigkeit 
eines Bezirksarztes auch bei der Beobachtung der Tempera¬ 
turen in Schulen durch Rat und Tat eine segensreiche wird. 
Das Recht und die Pflicht zu solchen Beobachtungen ist jetzt 
jedem bayerischen Bezirksarzt gegeben im zweiten Absatz des 
§ 27 seiner Dienstanweisung vom 23. Januar 1912. 

Aus dem gerichtsärztlichen Universitätsinstitut in Krakau 
(Direktor: Prof. Dr. Leo Wach holz). 

Ein Fall von Selbstvergiftung durch Ammoniak. 

Von Dr. J. Olbrycht. 

Sehr charakteristisches Bild, sowie der Umstand, daß die 
Vergiftungen durch Ammoniak zu seltenen Vorkommnissen 
gehören (nach Kobert sind in der Weltliteratur nur 48 Fälle 
beschrieben; im hiesigen Institute ist es der zweite Fall — der 
erste ist von Prof. Dr. Wachholz in Schmidtmanns Hand¬ 
buch der gerichtlichen Medizin Bd. I, S. 854 beschrieben) recht- 
fertigen die Veröffentlichung des Falles. 

Am 11. September 1911 habe ich im hiesigen Institute 
die Sektion der Leiche der am vorigen Tage früh am Haupt¬ 
friedhofe am Grabe ihres Geliebten tot gefundenen, 28 Jahre 
alten Frauensperson J. H. ausgeführt. Neben der Leiche wurde 
eine 100 g enthaltende Flasche ohne Etiquette und Inhalt 
und in der Tasche der Denata einige weißliche Pulver ohne 
charakteristischem Geruch gefunden. Die Sektion ergab: 

Aeußerlich: Eine wohlgenährte, gnt gebaute, 154 cm lange Weibes¬ 
leiche. Die Hautdecken und die sichtbaren Schleimhäute blaß. Aul den 
abhängigen Teilen des Körpers spärliche, livide Totenflecke; Toten¬ 
starre überall entwickelt. Hymen semilunaris defloratus mit alter, tiefer, 
bis zur Basis gehender Einkerbung; sonst am Körper äußerlich nichts Auf¬ 
fallendes, insbesondere keine Verletzungsspnren. 

Innerlich: Weiche Schädeldecken, Schädeldach und Schädelbasis 
unverletzt, blaß. Das Schädeldach ist symmetrisch, seine Dicke beträgt 
3,5—6 mm. Die harte Hirnhaut ist nicht mit dem Schädel verwachsen und 
ähnlich wie die weichen Hirnhäute zart, nirgends verdickt, glänzend, in hinteren 
Partien mit hypostatischer Hyperämie. Das Gehirn windungsreich von der 
gewöhnlichen Konsistenz, die Blutpunkte zahlreich, der Flüchtigkeitsgehalt ist 
ein mittlerer. Die Seitenkammern sind leer, das Ependym ist zart in sämt¬ 
lichen Kammern. Durchschnitte durch Hirnrinde, Großhirnganglien, Kleinhirn 
und verlängertes Mark ergeben keine makroskopischen Veränderungen und 
Verletzungen. Basalgefäße des Gehirns dünn, kollabiert. In den Blutleitern 
der Schädelbasis reichliches, dunkles, flüssiges Blut. 

Der Kehlkopf und die Luftröhre „in situ“ geöffnet leer; ihre 
Schleimhaut hellrot injiziert, geschwollen, mit reichlichem, glasigem Schleim 
bedeckt. Thymus teilweise erhalten; lymphatische Halsdrüsen vergrößert, 
an der Schnittfläche rötlich, saftig. 



Ein Fall von Selbstvergiftung durch Ammoniak. 


705 


Zwerchfellstand rechts 4. Rippe, links 4. Interkostalraum. Pleura¬ 
blätter glatt, dünn, spiegelnd, mit spärlichen snbplentalen Ecchymosen, ohne 
freie Flüssigkeit. Lungenparenchym überall lufthaltig, an der Schnittfläche 
glatt, blutreich, derb; beim Druck quillt reichliche, feinblasige, klare Flüssig¬ 
keit mit Blut vermischt. Die Schleimhaut der Bronchien injiziert, geschwollen, 
hie und da mit Ecchymosen bedeckt, Lungengefäße normal. Die Lymphdrüsen 
der Brusthöhle sind mäßig pigmentiert. 

Der Herzbeutel ohne Veränderungen. Herz von normaler Größe 
und Bau, postmortal kontrahiert, leer. Subepikardiales Fettgewebe gering 
entwickelt. Die sämtlichen Herzklappen schlußfähig; das Endokard zart, glatt, 
spiegelnd. Foramen ovale geschlossen. Herzmuskel von normaler Dicke, Farbe 
und Konsistenz. Aorta und Pulmonalis enthalten sehr spärliche dunkelrote 
Blutgerinnsel, ihre Intima glatt, zart. Die Kranzgefäße wegsam, elastisch, 
ohne Veränderungen. 

In der Bauchhöhle findet sich keine freie Flüssigkeit. Bauchfell 
überall glatt, blaß, dünn, glänzend. Netz mäßig fettreich. Die Baucheingeweide 
normal gelagert. Milz groß, 19 cm lang, 12 cm breit, 4 cm dick mit ge¬ 
spannter Kapsel, an der Schnittfläche livid verfärbt, blutreich, aber derb, mit 
scharf hervortretenden Trabekeln; Follikeln nicht sichtbar. 

Leber von normaler Größe und Konsistenz, an der Schnittfläche 
spärliche, meistens an der Oberfläche gelegene gelblich gefärbte Herde, sonst 
Leberparenchym rotbraun, blutreich, durchfeuchtet, normal gezeichnet. Die 
Gallenblase enthält eine geringe Menge flüssiger Galle; Gallenwege 
wegsam. Beide Nieren ziemlich groß, derb, blutreich; ihre Kapseln leicht 
abziehbar und dünn, Oberfläche glatt, an der Schnittfläche das Parenchym 
normal gezeichnet, ohne Veränderungen. Beide Harnleiter durchgängig; Harn¬ 
blase kontrahiert, leer, die Schleimhaut ist blaß. Gebärmutter von der 
Größe einer großen Pomeranze; sie enthält im Cavum einen ßmonatigen Embryo. 
Ostium uteri externum oval, ohne Einkerbungen. Im linken Eierstock corpus 
luteum verum, sonst Adnexa ohne Veränderungen. 

Die Lippen blaßbläulich; Mundhöhle und Pharynx enthalten etwas 
schaumige Flüssigkeit, ihre Schleimhaut gerötet, geschwollen. Beide plicae 
ary-epiglotticae und chordae vocales besonders stark geschwollen, injiziert, mit 
zahlreichen kleinen Ecchymosen durchsetzt. Speiseröhre länglich stark 
gefaltet, sonst normal. 

Die Außenfläche des mittelgroßen Magens ist blaß; dem eröffneten 
Magen entströmt ein starker Ammoniakgeruch, den auch der Mageninhalt 
besitzt. Dieser besteht aus ungefähr 800 g dickflüssiger, von gräulicher 
Farbe und stark alkalischer Reaktions-Flüssigkeit. Die Schleimhaut des 
Magens ist in zahlreiche Falten gelegt, gelblich-bräunlich verfärbt; außerdem 
zeigt sie an der vorderen, sowie an der hinteren Fläche des Magens bei der kleinen 
Kurvatur je eine handtellergroße, scharlachrote Verfärbung; sonst überall stark 
gelockert, geschwollen, mit reichlichem glasigblutigen Schleim bedeckt, hie und 
da mit spärlichen Ecchymosen. Erosionen fehlen. Submucosa des Magens, 
sowie die Gefäße des Netzes und des Gekröses führen viel Blut, das 
flüssig und dunkelrot ist. Dieselben Veränderungen wie der Magen zeigen 
Zwölffingerdarm und Anfangsteil (20 cm) des Leerdarmes. Die 
Rötung und Schwellung verringern sich nach unten zu allmählig so. daß der 
Rest des Dünndarms, sowie der Dickdarm keine Abweichungen von der Norm 
zeigen. Superrenaldrüsen, Bauchspeicheldrüse und Schilddrüse ohne makros¬ 
kopischen Veränderungen. Knochengerüst unverletzt. 

Die chemischeUntersuchung des Mageninhaltes, irn 
Laboratorium von Prof. Marchlewski durchgeführt, hat sonst 
kein anorganisches Gift, insbesondere Cyankalium nachgewiesen; 
die bei Denata gefundenen Pulver erwiesen sich als Reispuder. 

Das Gutachten lautete im vorliegenden Falle: J. H. 
befand sich im dritten Monate der Schwangerschaft und starb 
infolge einer akuten Aramoniakvergiftung; es widerspricht nicht 
der Annahme, daß Selbstmord in diesem Falle vorliegt. 



706 


Dr. Bleich: Ein seltener Leichenbefund. 


Ein seltener Leichenbefund. 

Mitteilung yon Med.-Rat Dr. Bleich, Kreisarzt in Hoyerswerda. 

Ara 1. August d. J. war ich von dem zuständigen Amts¬ 
gericht im benachbarten Kreise zu einer Leichenöffnung nach 
dem Dorfe D. geladen und wurde daselbst in einer Scheune 
an einer schrägstehenden Leiter etwa in Manneshöhe die nur 
mit blutig durchtränktem Hemd und Unterhosen bekleidete 
Leiche eines 168 cm großen Mannes mit gebeugten Knieen 
hängend vorgefunden. 

Der Kopf der Leiche war stark nach rückwärts gebogen 
und um ihren Hals eine starkgliedrige eiserne Kette, wie sie 
zum Festhalten von größeren Tieren gebraucht wird, zweimal 
fest geschlungen. Nach Abnahme der Kette fanden sich, da, 
wo die Kette gelegen hatte, tiefe Eindrücke, die um die hintere 
und seitliche Gegend des Halses liefen und den Kehlkopf frei 
ließen. Nach Entkleidung der Leiche fand sich weiter, daß die 
Geschlechtsteile der Leiche vollständig fehlten und an ihrer 
Stelle eine handtellergroße 2 cm tiefe Zusaromenhangstrennung 
der Haut und der darunter liegenden Gebilde mit zerfetztem 
Grunde und zerfetzten Rändern, die nicht blutig durchtränkt 
waren, vorlag. 

Zunächst konnte dafür, auf welche Weise die Geschlechts¬ 
teile entfernt waren, keine Erklärung gefunden werden, und 
erst durch die Zeugenaussage eines Mannes, der an dem Tage 
frühmorgens in die Scheune gekommen und gesehen hatte, wie 
der eigene Hund des Toten an der Leiche heraufgesprungen 
— gewiß eine seltene Anhänglichkeit eines Hundes an seinen 
Herrn — und mit blutigem Maule davongelaufen war, kam Licht 
in die Sache und konnte auch der Annahme, daß die Geschlechts¬ 
teile an der Leiche durch Hundebisse entfernt waren, zumal 
da an den Wundrändern die Zeichen einer intravitalen Ver¬ 
letzung fehlten, ärztlicher seits nicht widersprochen werden. 

Von einer Leichenöffnung wurde Abstand genommen. 

Das Gutachten lautete: 

1. Der Tod des Mannes ist in Folge Erhängens erfolgt. 

2. Spuren sonstiger äußerer Verletzungen oder Eingriffe, 
die auf eine andere Todesart hinweisen, konnten nicht fest¬ 
gestellt werden. 

3. Der sich auf Zeugenaussagen stützenden Annahme, daß 
die Geschlechtsteile an der Leiche von einem Hunde abge¬ 
fressen worden sind, widerspricht nicht der Befund. 


Aus Versammlungen und Vereinen. 

Bericht über die XI. LandesveraaBmlnng des bayerisches 
Medizinal beamten verein» am 11. and 12. Juli 1914 
ln Neustadt a. H. (Rheinpfalz). 

Die Veröffentlichung des Berichts über die kurz vor Kriegsbeginn am 
11. und 12. Juli 1914 in Neustadt a. H. abgehaltenen XI. Landes Versammlung 
des bayerischen Medizinalbeamten Vereins hat sich infolge der Kriegsereignisse 
erst jetzt ermöglichen lassen. In Rücksicht auf die durch die Verhiltoisw 



Bericht über die XI. Landesversammlung des bayer. Medizioalbeamtenvereins. 707 

gebotene Selbstbeschränkong sehen wir davon ab, wie sonst einen ausführlichen 
Versammlungsbericht dem Drnck za übergeben; wir können dies umsomehr, 
als die auf der Tagung gehaltenen Vorträge in Nr. 21, 22 und 28 der Zeit¬ 
schrift für Medizinalbeamte veröffentlicht sind. 

Die Versammlung war von über 70 Teilnehmern aus ganz Bayern be¬ 
sucht. Als Vertreter des Ministeriums wohnten der Tagung die Ministerial¬ 
räte Prot Dr. Dieudonnö und Dr. Huber bei. Von den Kreisregierungen 
waren Oberfranken, Unterfranken und Schwaben durch ihre Medizinalreferenten 
vertreten, die pfälzische Kreisregierang hatte Obermedizinalrat Dr. Demuth 
und des Landeskommissär für Typhasbekämpfang in der Pfalz, Regierangsrat 
Graf von Soden als Vertreter abgeordnet. Weiterhin waren als Vertreter 
der örtlichen Behörden Bezirksamtmann Reg.-Rat Junker und Bürgermeister 
Wandt, ferner für den deutschen Medizinalbeamtenverein Geh. Ob.-Mcd.-Rat 
Dr. Hauser von Darmstadt, für den preußischen Verein Reg.- and Geh. Med.- 
Rat Dr. Wodtke-Saarbrücken, Reichskommissar für die Typhusbekämpfang 
im Westen, für die pfälzische Aerztekammer Hofrat Dr. N e u m a y e r - Kaisers¬ 
lautern, für den pfälzischen Aerzteverein Dr. Stritter in Kaiserslautern 
sowie für die vier pfälzischen ärztlichen Bezirksvereine deren Vorsitzende 
anwesend; die k bakteriologische Untersachungsstation Landau war durch ihren 
Vorstand, Stabsarzt Dr. Otto Mayer, vertreten. 

Am Sonnabend, den 11. Jali, nachmittags fand eine Sitzung des Vereint- 
Vorstandes statt, auf der sämtliche Kreisverbände vertreten waren. Es kamen 
auf ihr Standesfragen und innere Vereinsangelegenheiten zar eingehenden Be¬ 
sprechung. 

Zunächst wurde der bisherige Landesvorsitzende, Reg.- und Med.-Rat 
Dr. Fr ick hinge r-Würzburg, ersucht, trotz seiner Ernennung zum Medizinal¬ 
referenten der unterfränkischen Kreisregierang den Vorsitz beizubehalten. 

Von dem oberfränkischen Kreisvorsitzenden, Med.-Rat Dr. Heißler, 
wurde sodann ein Antrag des Bezirksarztes Dr. Schn eil er-Bamberg vor¬ 
getragen, wonach das Ministerium ersucht werden soll, an Stelle oder neben 
den bisher üblichen allgemeinen Fortbildungskursen für die Medizinal¬ 
beamten Kurse aus dem Gebiete der sozialen Medizin von etwa 8tägiger Dauer 
abzuhalten. Der Antrag fand allgemeine Zustimmung. 

Die an demselben Tage abends 9 Uhr im Gasthaus zum Löwen 
angesetzte Mitgliederversammlung nahm den Bericht des Vorsitzenden 
über die Tätigkeit des Vereins und den Rechenschaftsbericht des 
Schrift- und Kassenführers entgegen. Danach hatte der Verein am 
1. Juli 1914 383 Mitglieder gegenüber 381 des Vorjahres. Durch den Tod hat 
er folgende Vereinsmitglieder verloren: 

Med.-Rat Dr. Friedrich Böhm, Bezirksarzt der Stadt Augsburg, 

Hofrat Dr. Lacher in Berchtesgaden, 

Dr. Wilhelm Mayer, prakt. Arzt in München, 

Bezirksarzt Dr. Rittmayer in Mainberg, 

Med.-Rat Dr. Schalkhauser, Landgerichtsarzt in Augsburg und 
Reg.- u. Med.-Rat Dr. Christian Utz in Augsburg. 

Zum ehrenden Andenken der Verstorbenen erhoben sich die Anwesenden 
von ihren Sitzen. 

Die von dem Schrift- und Kassenführer vorgelegte Rechnung 
schloß am 31. Dezember 1913 mit einem Bestand von 147,67 Mark. Auf Antrag der 
mit der Rechnungsprüfung betrauten Bezirksärzte Dr. Becker und Dr. Drey- 
fuß wurde dem Schrift- und Kassenführer, Polizeiarzt Dr. Schuster, Ent¬ 
lastung erteilt. 

Da die auf der Mitgliederversammlung in Nürnberg am 21. Juni 1913 
abgeänderten Satzungen nicht vollkommen den gesetzlichen Vorschriften 
zur Anmeldung des Vereins beim Registergericht entsprechen, wurden vom 
Vorstand verschiedene Aenderungen vorgeschlagen und von der Versammlung 
einstimmig angenommen. 

Am Sonntag, den 12. Juli begann — gleichfalls im Gasthaus zum 
Löwen — vormittags 9*/* Uhr die Hauptversammlung. Nach einleitenden 
Begrüßungsworten des Vorsitzenden, Reg.-u. Med.-Rat Dr. Frickhinger, 
übermittelte Ministerialrat Prof. Dr. Dieudonnö den Gruß de? Staats¬ 
ministers Dr. Freiherrn von Soden-Fraunhofen. Er sprach gleichzeitig den 



708 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften 


Amtsärzten und den prakt. Aerzten der Pfalz, die in so vorbildlicher und 
tatkräftiger Weise sich um die Typhusbekämpfung verdient gemacht haben, 
die wohlverdiente Anerkennung aus. 

Nach weiteren Begrüßungsansprachen ergriff der langjährige 
verdiente Medizinalreferent der pfälzischen Kreisregierung, Ober-Mcd.-Rat 
Dr. Demulh das Wort zu seinem angekündigten Vortrag: „Hygienische 
Streiflichter aus der Rheinpfalz“, um in lichtvollen Ausführungen die 
hygienischen Fürsorgeeinrichtungen der Pfalz zu schildern (s. Nr. 21 dieser 
Zeitschrift, S. 625—646). 

Zum zweiten Punkt der Tagesordnung erstattete Stabsarzt Dr. Otto 
Mayer Bericht über die Bedeutung der bakteriologischen Untersuchungs- 
statlon Landau für die Bekämpfung der Infektionskrankheiten Im 
Regierungsbezirk der Pfalz, durch dessen Tätigkeit bekanntlich der in der 
Pfalz endemische Typhus in zielbewußter Weise bekämpft und zurückgedrängt 
ist (8. Nr. 22 dieser Zeitschrift, S. 657—678). Ip der an den Vortrag sich an¬ 
schließenden Aussprache ergriffen der Reichskommissär für die Typhusbekämpfung 
Geh. Med. *Rat Dr. W o d t k e - Saarbrücken und Reg.- und Med.-Rat Dr. 
Frickhinger das Wort. 

Den dritten Vortrag hielt Reg.- u. Med.-Rat Dr. Schwink aus Bayreuth 
über die Temperatur von Schulzimmern im Winter. Er berichtete über eine 
Reihe ausführlicher eigener Beobachtungen und wußte durch Darbietung von 
Tabellen seinen Vortrag äußerst lehrreich zu gestalten (s. die heutige Nummer 
der Zeitschrift, S. 698—704). Nachdem der Vorsitzende unter der lebhaften 
Zustimmung der Versammlung den Vortragenden für ihre lehrreichen Aus¬ 
führungen gedankt hatte, schloß er kurz nach 1 Uhr die Verhandlungen. 

Ein gemeinsames Mittagessen vereinigte hierauf die Teilnehmer der 
Versammlung. 

Der Nachmittag wurde zu einem Ausflug nach Bad Dürkheim 
und zur Besichtigung der dortigen Kureinrichtungen benützt. Bad Dürkheim 
ist ein idyllisch gelegener aufstrebender Kurort, der durch seine arsenhaltige 
Quellen sicher eine Zukunft hat. 

An die Besichtigung des Bades schloß sich in echt pfälzischer Weise 
eine Weinprobe pfälzischer Edelgewächse an. 

Ein Teil der Kollegen machte tags darauf noch einen Ausflug in das 
Herz des Pfälzerwaldes, der größere Teil der rechtsrheinischen Kollegen fuhr 
über Stuttgart zur Besichtigung der dortigen Hygieneausstellung 
zurück — allen aber wird die vom pfälzischen Lokalkomitee trefflich vorbe¬ 
reitete Tagung in der schönen Pfalz unvergeßlich bleiben. 

Dr. Schuster-Augsburg. 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 

A. SaohveratAndlgent&tlgkeit In Unfall- and Invalidftt&ts- and 
Krankenvernloherungsnaohen. 

Für die Schätzung der Einbuße an Erwerbsfähigkeit ist der allge¬ 
meine Arbeitsmarkt, soweit er für den Unfallverletzten ln Betracht kommt, 
maßgebend und nicht die etwaige Behinderung auf einem einzelnen Wirt¬ 
schaftsgebiete. Rekurs-Entscheidung des lteichsversicherungs- 
amts vom 6. Mai 1916. 

Nach dieser Entscheidung ist die Rente eines Bergarbeiters, dessen 
Erwerbsfähigkeit bei bergmännischen und im allgemeinen auch bei anderen 
Arbeiten nicht mehr beeinträchtigt war, aufgehoben worden, obwohl die Folgen 
der Verletzung ihm bei der von ihm ausgeübten Schustern hinderlich waren. 


In Unfallstation angestellte Hellgehilfen unterliegen der Angestellten* 
Versicherung. Beschluß des Ober Schiedsgerichts für Ange¬ 
stelltenversicherung vom 19. Mai 1916. 

Mag auch für die spätere Wartung und Pflege des Verletzten in erster 
Linie der Arzt verantwortlich sein, so hat doch der auf der Unfallstation des 
Hüttenwerkes angestellte staatlich geprüfte Heilgehilfe J. gerade bei der 



Kleinere Mitteilungen'und Referate aus Zeitschriften. 709 

ersten, besonders wichtigen Behandlung der im Betriebe Verunglückten die 
nächsten Maßnahmen zu treffen, die oft für das Leben und die Gesundheit der 
in die Unfallstation Eingelieferten von der höchsten Bedeutung sind. Er hat 
zunächst allein und unter ausschließlicher Verantwortlichkeit selbständig Not¬ 
verbände anzulegen und erforderlichenfalls Wiederbelebungsversuche vorzu- 
nehmen. Von seiner Geschicklichkeit, Umsicht und Tatkraft wird also nicht 
selten das Leben der Verunglückten abhängen. Er bekleidet somit eine Stellung, 
die etwa der des Arztes auf einer Unfallstation verwandt ist, und das hohe 
Maß von Verantwortung kann und darf ihm auch nur mit Rücksicht auf seine 
Vorbildung auf dem Gebiete der Heilkunde zugestanden werden. Er hat sich 
nämlich nicht nur in Krankenhäusern praktische Erfahrung in ärztlichen Dingen 
erworben, sondern mußte auch seine Befähigung als Heilgehilfe durch eine 
staatliche Prüfung erweisen. 

Hinzu kommt, daß seine Tätigkeit sich nicht mit der ersten Hilfeleistung 
erschöpft. Er bat vielmehr ferner selbständig zu befinden, ob ein Verletzter 
nur einem Aerzte oder alsbald einem Krankenhause zu überweisen ist. Endlich 
hat er in leichteren Fällen sogar die Weiterbehandlung der Verletzten selbst 
zu bewirken. Mag er dabei auch unter der Oberaufsicht des Arztes stehen, 
so muß er doch naturgemäß auch bei diesen Verrichtungen ein nicht geringes 
Maß von eigener Verantwortlichkeit tragen und nicht unerhebliche fach¬ 
technische und medizinische Kenntnisse und Erfahrungen besitzen, ohne die 
er nicht mit Erfolg sich als ein sachverständiger Gehilfe des Arztes erweisen 
könnte. Hiernach bandelt es sich keineswegs, wie das Schiedsgericht meint, 
um einen gewöhnlichen, unter fortlaufender ärztlicher Kontrolle stehenden 
Heilgehilfen. 

(Sächsische Korrespondenz; Nachdruck nur mit deren Genehmigung gestattet.) 


Pflegerinnen in Kinderheilstätten unterstehen nicht der Angestellten- 
verstcherungspfllcht. Beschluß des Oberschiedsgerichts für 
Angestelltenversicherung vom 18.März 1916. 

Die Kinderpflegerinnen haben Arbeiten zu verrichten, wie sie auch von 
Kindermädchen verlangt und geleistet werden. Um Dienste höherer Art 
handelt es sich dabei nicht. Wenn die Verwaltung der Heilstätte mit Vor¬ 
liebe Mädchen aus besseren Familien verwendet, so erklärt sich dies einmal 
daraus, daß sie bei diesen infolge ihres höheren Bildungsgrades ein besonderes 
Verständnis für die Pflege erholungsbedürftiger Kinder voraussetzen kann, 
nicht zum wenigsten aber daraus, daß diese Mädchen den Aufenthalt an der 
See als ein Mittel für ihre eigene Kräftigung betrachten und deshalb nur 
geringe Gehaltsansprüche stellen. Wenn daneben von den Kinderpflegerinnen 
aus besseren Familien zugleich eine gewisse erziehliche Einwirkung auf die 
Kinder erwartet wird, die vielleicht einfache Kindermädchen nicht in diesem 
Maße zu üben vermögen, so kann doch dieser Umstand nicht als der Haupt¬ 
zweck der Tätigkeit der Kinderpflegerinnen werden. Es handelt sich hier 
nicht um eine Erziehungsanstalt, sondern um eine Heilstätte, deren vornehmster 
Zweck auf die körperliche Kräftigung der ihr überwiesenen Kinder gerichtet 
ist. Die Kinderpflegerinnen sind daher nur Gehilfinnen der Anstaltsverwaltung 
und fallen mithin nicht unter die Angestellten-, sondern unter die Reichsver¬ 
sicherung für Arbeiter, Dienstboten etc. 

(Sächsische Korrespondenz; Nachdruck nur mit deren Genehmigung gestattet). 

Verpflichtung der Krankenkassen znr Gewährung von ärztlicher 
Behandlung an Trunksüchtige oder zur Tragung der Kosten in einer 
Trinkerhellstätte. Revisions-Entscheidung des Reichs Versiche¬ 
rungsamts vom 6. Dezember 1 915. 

Trunksucht erheblichen Grades (chronischer Alkoholismus) ist eine 
Krankheit im Sinne des Krankenversicherungsgesetzes und der Reichsver¬ 
sicherungsordnung. Sie ist eine pathologische Erscheinung, mit der krankhafte 
Veränderung innerer Organe (Herz, Leber, Nieren, Magen) und eine Schwächung 
des Nervensystems und des geistigen Zustandes (Willensschwäche) verbunden 
ist. Deshalb hat der Schwer-Trunksüchtige Anspruch auf Kassenbehandlnng 
und, da diese häufig in Trinkerheilstätten Erfolg verspricht, auch auf Aufnahme 
in eine solche; die dadurch entstehenden Anstaltskosten hat die Kasse zu 



710 Kleinere Mitteilungen nnd Referate ans Zeitschriften. 

ersetzen. Die Voraussetzung der Kassenbehandlung, Erwerbsunfähigkeit, ist 
bei derartigen Kranken fast ausnahmslos anzunehmen. Die Arbeitsunfähigkeit 
besteht auch während des Aufenthalts in der Trinkerheilstätte fort, da der 
Kranke während dieser Zeit seinem Beruf nicht nachgehen kann. Die Trinker- 
heilstätte ist einem Krankenhause gleich zu achten, wenn auch die Natur der 
Krankheit, wie häufig bei den Insassen einer Lungenheilstätte, es mit sich 
bringt, daß keine Bettlägerigkeit eintritt, sondern daß die Kranken innerhalb 
der Anstalt Bewegungsfreiheit haben, weil eine geeignete Beschäftigung zum 
Heilverfahren gehört. 

(Sächsische Korrespondenz; Nachdruck nur mit deren Genehmigung gestattet.) 


Falls eine Krankenkasse durch die Satzungen auch bei Zahnkrank* 
heiten Behandlung der Kassenmitglieder durch den Kassenarzt bestimmt 
hat, ist sie, abgesehen von dringenden Fällen, nicht znr Tragung der 
Kosten für die Behandlung durch einen Zahnarzt verpflichtet. Revisions- 
Entscheidung des Reichsversicherungsamts vom 81. Jan. 1916. 

Die Kasse bat die Wahl, ob sie bei Zahnkrankheiten die ärztliche Be¬ 
handlung durch approbierte Aerzte oder durch Zahnärzte gewähren will; sie 
genügt also ihrer gesetzlichen Verpflichtung, wenn sie die ärztliche Versorgung 
ihrer Mitglieder bei Zahnkrankheiten entweder durch approbierte Aerzte oder 

durch approbierte Zahnärzte vornehmen läßt.Hieraus folgt, daß, wenn 

die Kasse die Behandlung durch approbierte Aerzte gewählt hat, die Kassen¬ 
mitglieder bei Zahnkrankheiten, von dringenden Fällen abgesehen, zunächst 
den Kassenarzt aufsuchen müssen; denn auch für Zahnkrankheiten muß an 
dem Grundsatz festgehalten werden, daß die Zuziehung eines anderen Arztes 
als des Kassenarztes für Rechnung der Krankenkasse nur dann gerechtfertigt 
erscheint, wenn der zunächst in Anspruch genommene Kassenarzt es für not¬ 
wendig erachtet, oder wenn er die Behandlung nicht übernehmen oder fort¬ 
setzen will, oder wenn seine Befähigung für die erforderliche ärztliche Behand¬ 
lung mit Grund angezweifelt wird. Danach kann es keinem Zweifel unterliegen, 
daß der Kläger, zumal er das Vorliegen eines dringenden Falles nicht behauptet 
hat, sich zunächst an den Kassenarzt zu wenden hatte. Da er dieses nicht 
getan bat, so konnte der Vorstand der beklagten Kasse die Erstattung des 
beanspruchten Betrags ablehnen. 

(Sächsische Korrespondenz; Nachdruck nur mit deren Genehmigung gestattet.) 


Satzungsbestimmungen, die allgemein die Gewährung von Zahn¬ 
plomben von der Zustimmung des Vorstandes abhängig macht, sind 
unzulässig. Revisions-Entscheidung des Reichsversicherungs- 
amts vom 80. Oktober 1915. 

Diese Entscheidung stimmt im wesentlichen mit der in Nr. 7 dieser 
Zeitschrift, Jahrg. 1916, S. 206 mitgeteilten Entscheidung überein. Nur der 
Schlußsatz hat folgende etwas abgeänderte und erweiterte Fassung: „Unbe¬ 
denklich würde dagegen eine Satzungsbestimmung sein, die nur die Gewährung 
solcher Plomben, die lediglich zur Behebung von Schönheitsfehlern dienen, 
von der vorherigen Zustimmung des Vorstandes abhängig macht. Zweifelhaft 
kann allerdings sein, ob eine solche Bestimmung allein den praktischen Be¬ 
dürfnissen der Kasse genügend Rechnung tragen würde, oder ob nicht außerdem 
eine Einwirkung auf die mit der Kasse im Vertragsverhältnisse stehendes 
Aerzte, auch ihrerseits eine solche Bestimmung zu beachten, erforderlich sein 
würde.“ 


B. Bakteriologin und BekAmpfung dar übertragbaren Krankkeltee 

1. Fleckfieber. 

Ueber den Flecktyphus als Kriegsseuche. Mit besonderer Berück¬ 
sichtigung der Prophylaxe. Von Dr. Fr. Wolter in Hamburg. Zusammen¬ 
stellung von drei Aufsätzen aus der Berliner klinischen Wochenschrift (1916, 
Nr. 81, 32, 40). Hamburg 1916, Gebr. Lüdeking. 

Wolter verficht bekanntlich mit großer Energie den lokalistischen 
Standpunkt v. Pettenkofers, indem er wiederholt beim Vorkommen von 
Cholera- und Typbusepidemien den Nachweis zu führen suchte, daß es örtliche 




Kleinere Mitteilungen and Referate aas Zeitschriften. 


711 


and zeitliche Bedingungen besonderer Art seien, die za solchen Epidemien 
fuhren. In dem vorliegenden Aufsatz beschäftigt er sich mit dem Fleckfieber, 
einer aasgesprochenen Kriegsseache, die als „neue Krankheit" im 16. Jahr* 
hundert die vorherrschende Seuche, die Pest, abgelöst habe. Aach das Fleck¬ 
fieber ist nach Wolter, wenn es epidemisch auftritt, an bestimmte Boden¬ 
bedingungen und klimatische Einflüsse gebunden. Es wird diese seine Ansicht 
besonders an der Cottbuser Epidemie im Winter 1914 dargetan. Koch selbst, 
der Gegner der Pettenkofersehen Theorie, hat nach der Ansicht des Ver¬ 
fassers über den Flecktyphus sich in einer Weise geäußert, die mehr für die 
Bodentheorie spricht, als die jetzt ziemlich allgemein verbreitete Ansicht von 
der Uebertragung der Krankheit durch Läase. Letztere läßt Wolter durch¬ 
aus nicht gelten, er erblickt vielmehr in der Bodenverbesserung, gute Venti¬ 
lation, Ortswechsel der Erkrankten die besten prophylaktischen Maßnahmen. 

Das letzte Wort scheint noch nicht über das Fleckfieber gesprochen zu 
sein: manches ist sicher noch rätselhaft in der Epidemiologie der Seuche; dies 
geht wohl auch aus der Epidemie in Cottbus nach der Beschreibung von 
Jürgens hervor. Darum soll auch die andere Partei gehört werden, wenn 
es sich auch um eine ziemlich vereinzelte Stimme gegenüber der vorherrschen¬ 
den Meinung handelt. Dr. Solbrig-Königsberg. 


Praktische Bemerkungen zur Aetiologie des Fleckflebers. Von 
Dr. E. Fuld-Berlin. Berliner klinische Wochenschrift; 1916, Nr. 43. 

Verfasser wendet sich gegen die kritischen Bemerkungen Fried¬ 
bergers, das die ätiologische Einheit beim Fleckfieber nicht anerkennt und 
die Protozoennatur des Erregers noch nicht für bewiesen, deshalb auch die 
ausschließliche oder hauptsächlichste Uebertragung der Krankheit durch Läuse 
nicht für sicher hält. Er steht auf den Standpunkt, den wir Medizinalbeamten 
jedenfalls alle für den richtigen halten, daß man praktisch daran festhalten 
solle, das Fleckfieber als eine spezifische, hochgradig infektiöse Krankheit auf¬ 
zufassen und prophylaktisch an den bewährten Vorbeugungsmaßnahmen der 
Entlausung und Isolierung nicht zu rütteln. 

Dr. Solbrig-Königsberg i. Pr. 


Ueber Fleckfieber und Entlausung. Von Stabsarzt Prof. Dr. Arneth- 
Münster i. W., zurzeit im Felde. Berliner klin. Wochenschrift; 1916, Nr. 44. 

Es ist dem Verfasser nicht zweifelhaft, daß außer durch Läusestiche 
auf andere Weise die Seuche übertragen wird. Schon die Erwägung, daß beim 
Vorhandensein von großen Mengen von Fleckfiebererregern im Läusekörper 
auch bei deren Zugrundegehen große Mengen davon frei werden müssen und 
als feinste Partikelchen sich der Außenwelt mitteilen können, deutet darauf 
hin, daß andere Uebertragungsmöglichkeiten vorliegen. Es ist lange bekannt 
und durchaus einleuchtend, daß durch Gegenstände, Kleider, Decken usw. 
der Erkrankungskeim übertragen werden kann, ebenso muß selbst der über¬ 
zeugte Anhänger der direkten Läuseübertragung auch mit einer Uebertragungs- 
möglichkeit durch die Luft rechnen. Ein Teil der Infektionen, an denen 
einige unserer besten Forscher zugrunde gingen, kann wohl nur so erklärt 
werden. Bei manchen Fleckfiebererkrankungen in unserem Heere ist es ähnlich. 
Der Besuch der fleckfieberkranken Bevölkerung in ihren Dörfern und Wohnungen 
bedingt nach den gemachten Erfahrungen vor allem eine große Gefahr. Ganz 
ungefährdet ist dagegen auch nach den Erfahrungen des Verfassers das Personal 
auf den streng geleiteten Fleckfieberstationen. Viel mehr bedroht sind aber 
die Aerzte und das Pflegepersonal auf den allgemeinen Stationen bei Ein¬ 
lieferung noch unerkannter, zumal verlauster Fleckfieberkranken. Der Wert 
der Entlausungsmaßnahmen liegt vielleicht weniger in dem Kampf gegen die 
Läuse als darin, daß am Körper des Kranken noch haftende Keime sofort 
unschädlich gemacht werden. 

Nichtsdestoweniger ist die ungemeine Wichtigkeit der Läusebekämpfung 
zur Verhütung des Fieckfiebers feststehend. Die Läuse sind und bleiben als 
die Zwischenwirte von der allergrößten Bedeutung für die Vermehrung und 
Verbreitung der Krankheitserreger. Der Läusestich kann jedoch nicht als der 
einzige Uebertragungsmodus angesehen werden. 



712 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 


Die Entlausung bei der Truppe geschieht erfolgreich durch mechanische 
Entfernung der Läuse von Körper und Kleidungsstücken. Die vielen empfohlenen 
chemischen Mittel sind in ihrer Wirkung ganz unsicher. 

Dr. Solb rig - Königsberg i. Pr. 


2. Unterleibstyphus. 

Die Leistungsfähigkeit der bakteriologischen Typhusdiagnose, ge* 
messen an den Untersiiclinngsergebnissen bei der Typbnsepidemie in Jena 
1015. Von Privatdozent Dr. K. E. F. Schmitz. (Aus dem hygienischen Io- 
stitut der Universität Jena, Direktor: Geh. Obermedizinalrat Prof. Dr. Abe 1.) 
Berliner klinische Wochenschrift; 1916, Nr. 43. 

Die Untersuchungsergebnisse waren folgende: 

1. Die Stuhluntersuchung lieferte sehr wenig befriedigende Ergebnisse; 
sie führte nur bei 11,7 Proz der Fälle während der ersten fünf Wochen der 
Krankheit zu deren Feststellung. Von den Untersuchungen während dieser 
Zeit waren nur 8,68 positiv. 

2. Die Untersuchung des Blutes auf Typhusbazillen hatte bessere Er¬ 
gebnisse; es wurden hier zu 80 Proz. der Erkrankten erkannt. 

3. Die Widal-Untersuchung ließ etwa ®/4 der Erkrankten erkennen. 

4. Wurden die Verfahren kombiniert angewandt, so war der Erfolg be¬ 
deutend größer. Es gelang hier bis zu 91 Proz. der Erkrankungen zu erkennen. 
Auch der Bazillennachweis gelang bei der Kombination bedeutend häufiger. 
Die höchsterreichte Zahl war 40 Proz. 

5. Die Ergebnisse der Typhusuntersuchungen, besonders des Bazillen¬ 
nachweises, lassen immer noch sehr zu wünschen übrig; dies ist wahrscheinlich 
darauf zurückzuführen, daß die Kulturbedingungen, die wir heute den Typhus¬ 
bazillen darbieten können, ihre Uerauazüchtung noch nicht sicher stellen. 

6. Durch die Auszählung der Ergebnisse nach Krankheitswochen zeigte 
es sich, daß auch die Stuhluntersuchung, je früher siebeiden 
Kranken ausgeführt wird, um so bessere Ergebnisse zeitigt. 
In der ersten Woche gelang bei 25 Proz. der Kranken der Nachweis der 
Bazillen im Stuhl; in den folgenden Wochen fällt der Nachweis um mehr als 
die Hälfte, um schließlich verschwindend klein zu werden. 

7. Es könnten also die Zahlen der positiven Ergebnisse sehr vermehrt 
werden, wenn die Einsendung des verdächtigen Materials möglichst früh er¬ 
folgte. Weiter könnte die Erkennung verbessert werden, wenn mehr Blut 
(mindestens 10 ccm) und dieses detibriniert eingesandt würde. Es wäre so auch 
in jedem Falle möglich, die so sehr leistungsfähige Widalprobe vorzunehmen, 
was bisher wegen der geringen Menge oft unmöglich ist. 

Dr. 8 o 1 b r i g - Königsberg i. Pr. 


lieber die Grubcr- Wldalsche Reaktion bet typhusschutxgefmpften 
Gesunden und Typhuskranken. Von Stabsarzt Prof. Dr. G. Herxheim er. 
Berliner klinische Wochenschrift; 1916, Nr. 86 und 36. 

Aus seinen eigenen Untersuchungen an einem größeren Material und den 
Beobachtungen anderer Forscher zieht Verfasser folgende Schlußfolgerungen: 

Bei Typhusschutzgeimpften treten im Blute Agglutinine gegen Typhus- 
bnzillen auf; sie brauchen einige Zeit zur Entwicklung, ja in den ersten Tagen 
gehen etwa schon vorhandene Agglutinine unter dem Einfluß der Impfung — 
ähnlich heim Typhus selbst — sogar vorübergehend zurück. Besonders schnell 
treten die Agglutinine öfters bei Personen mit starken klinischen Beaktions- 
erscheinnugen auf. In der Regel haben sich etwa 8 Tage nach den Impfungen 
Agglutinine ausgebildet, deren höchste Titerhöhe von beträchtlichen Zahlen 
etwa zwischen 14 Tagen und zwei Monaten liegt; sodann wird der Titer weit 
geringer, bleibt aber zumeist in mittlerer Höhe bis zu einem Jahr bestehen. 
Infolgedessen ist die G ru ber- Wid al sehe Reaktion an sich bei Typbus- 
iiimiunisierten diagnostisch kaum verwertbar, auch eine „Schwellenwert**- Be¬ 
stimmung versagt völlig; ebenso die Nebenagglutination auf Paratyphus - B - 
Bazillen. Hiergegen läßt sich eine mehrfach vorgenommene Agglutination mit 
ziemlich plötzlichen starken Stichen der Titerhöhe fast stets (außer in den 
zwei ersten Monaten nach der Impfung) diagnostisch im Sinne des Typbus ver- 



Kleinere Mitteilungen nnd Referate au» Zeitschriften. 


713 


werten. Zu beachten ist, daß der Eintritt der Agglutination bei Schutz¬ 
geimpften häufig verzögert ist. Typhusbazillen sind im Blute — außer in den 
jetzt seltenen schweren Fällen — bei Immunisierten nur selten zu finden, offen¬ 
bar weil die Schutzimpfung eine länger anhaltende Bakteriämie zu allermeist 
hintanhält. Dr. Solbrig -Königsberg i. Pr. 


Hauter8cheinungen nach Typhusschutzimpfungen. Von Dr. J. M a t k o. 
Aus dem Garnisonspital Nr. 1 in Wien. IV. Kr.-Abt. Leiter: Professor Dr. 
K. R. v. Stejskal). Wiener klinische Wochenschrift; 1916, Nr. 45. 

Der Autor sah in 7 Fällen nach der zehnten Typhusschutzimpfnng und 
zwar zwischen dem 1. und 6. Tage nach der Impfung roseolaartige Efflores- 
zenzen auf der Haut. Typhusbazillen konnten in der Roseola auch mit An¬ 
wendung des Anreicherungsverfahrens nicht nachgewiesen werden. 

Während es sich bei der Typhusroseola um eine Reaktion des 
Papillarkörpers und der Epidermisschicht infolge der Ansiedlung von Typhus¬ 
bazillen und der chronisch langsamen Reizung der Umgebung infolge der Ab¬ 
scheidung von Toxinen handelt, liegt bei der Typhusschutzimpfung 
der Roseola eine kurz dauernde Wirkung von Toxinen zugrunde, die sich 
hauptsächlich auf die Gefäße und deren nächste Umgebung beschränken. Der 
Prozeß ist den Arzneiexanthemen analog. 

Der Autor sah ferner 1 mal ein dem Erythema nodosum ähnliches 
Exanthem, außerdem Scharlach- und masernähnliche Exantheme in seltenen 
Fällen. 

Die häufigste Hauterscheinung, die im Anschluß an die Typhusschutz¬ 
impfung auftritt, ist die gewöhnliche Reaktionrötung mit Schwellung der Haut 
in der Umgebung der Reaktionsstelle. Sie tritt zumeist 1—2 Stunden nach 
der Einspritzung auf, nimmt rasch an Größe zu und verschwindet innerhalb 
2—3 Tagen. 

Häufiger noch treten lokale Reizerscheinungen der Haut nach der 
zweiten Injektion auf. Die Haut ist dabei gerötet, mehr oder minder stark 
infiltriert, ist ziemlich druck- und schmerzempfindlich und fühlt sich heiß an. 
Die Epidermis ist dabei intakt, selten in Bläschen abgehoben. 

Bei Personen, mit zarter wenig pigmentierter Haut tritt die lokale 
Reaktion besonders hervor, so daß bei diesen die injizierten Lymphbahnen als 
gerötete Stränge zu erkennen sind. 

Rötung der ganzen Haut, Urtikurin und Vermehrung der Aknepusteln 
nach der Typhusschutzimpfung werden in der Literatur erwähnt. 

Dr. Mayer- Simmern. 


Bemerkungen über den Typhus abdominalis vom epidemiologischen 
und klinischen Gesichtspunkte. Mitteilungen aus einem k. und k. mobilen 
Reserv**spital. Von Dr. A. Galambos, Regimentsarzt i. d. R., 1. Spital¬ 
chefarzt. Wiener klinische Wochenschrift; 1916, Nr. 68. 

Die Herabsetzung der Typhuserkrankungen an Zahl nnd Intensität ist 
nicht bloß der Typhusschutzimpfung zu verdanken. Im österreichi¬ 
schen Heere ist diese seit dem Winter 1914/15 streng durcbgefiihrt worden; trotz¬ 
dem kamen im Herbst 1915 sehr schwere Typbuserkrankungen massenhaft zur 
Beobachtung. Die Sterblichkeit einiger Krankenschübe betrug bis 5o°/o. 

Der Paratyphus B, der 1914 und 1916 kaum einige Prozente der typhus¬ 
artigen Erkrankungen ausmachte, kam im Herbst mehrere Wochen hindurch 
so gehäuft vor, daß er die Zahl des Typhus zwei- bis dreimal überschritt. Mit 
einem Schlag hörte diese Epidemie plötzlich auf — eine Schutzimpfung war 
aber nicht durchgefübrt worden. Auch die Ruhr, die im Kriegsbeginn sehr 
gehäuft und oft in schweren Formen mit großer Sterblichkeit auftrat, nahm 
an Zahl und an Schwere der Fälle in demselben Maße ab, wie der Typhus. 
Hier war ebenfalls Schutzimpfung nicht angewandt worden. Das gleicbzei'ige 
Auftreten von Typhus und Ruhr, das vom Autor im Kriegsbeginn in 100 Fällen 
etwa beobachtet wurde, von denen er über die Hälfte verlor, ist heute sozu¬ 
sagen unbekannt. 

Als Ursachen für diese Abnahme kommen außer den spontanen Schwankungen 
der Epidemien die Vervollkommnung und das Fortschreiten der kriegs- 
sanitärenKenntnisse während der letzten 2 Jahre in Betracht. Ein Teil der 



714 


Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


Soldaten wurde auf natürlichem Wege durch Ueberstehen des Typhus gegen die 
Erkrankung immun —, der Soldat erlernte aber auch die wichtigsten Regeln des 
Selbstschutzes; der Truppenarzt erkannte die Wichtigkeit and Bedeutung der 
Frühdiagnose und der Isolierung der Verdächtigen. Dazu kam die Schaffung 
von Latrinen, die Vervollkommnung ihrer Desinfektion, die bakteriologische 
Kontrolle des Trinkwassers, das Nachforschen nach Bazillenträgern, die 
bakteriologische Durchuntersuchung ganzer Truppenkörper, und die Erfüllung 
der Forderung, daß Kranke und Verdächtige erst nach einem dreimaligen 
negativen Befunde von Stuhl und Urin aus dem Krankenhause entlassen werden 
durften. Immerhin erkennt Verfasser auch die Wirkung der Schutzimpfung 
als außer Zweifel stehend an, wünscht aber experimentelle Beweise 
durch Vergleich der Typhassterblichkeit großer Truppenkörper, wenn die 
Schutzgeimpften mit den nicht Geimpften unter gleichen äußeren Verhältnissen 
standen. Dr. Mayer- Simmern. 

Beobachtungen über den Verlauf des Unterleibstyphus im Felde 
während des Winterhalbjahres 1915—1916. Von Oberstabsarzt Dr. Herz- 
bach,4Chefarzt eines Feldlazaretts. Berliner klin. Wochenschrift; 1916, Nr.36. 

Das Ergebnis seiner Erfahrungen faßt Verfasser folgendermaßen zusammen: 

1. Nach der Schwere und der Eigenart des Verlaufs des Typhus lassen 
sich die Fälle in 5 Gruppen einteilen (T. gravissimus, T. gravis, T. levis, 
T. levissimus, T. abortivus), die zum Teil dem klassischen Bilde des Typhus 
gleichen, zum Teil Abweichungen darbieten. 

2. Die Mehrzahl der Fälle ist leichter und leichtester Natur. Die 
Sterblichkeit ist gering. 

3. Die einzelnen Gruppen zeigen Unterschiede durch Abstufungen 
in der Schwere des Verlaufes und in der Art des Beginnes der Erkrankung, 
Uebereinstimmung durch die Einheitlichkeit des Krankheitsbildes. 

4. Auch bei den leichtesten Fällen sind die diagnostisch wichtigen 
Merkmale vorhanden, der milderen Form der Erkrankung entsprechend in ge¬ 
ringerer Häufigkeit. 

5. Die Zahl der bakteriologisch positiven Fälle ist gering. Die An¬ 
nahme, daß es sich auch in den bakteriologisch negativen Fällen um echten 
Typhus handelt, wird weiterhin unterstützt durch: 

a) die Feststellung, daß in einzelnen Truppenkörpern mit gehäufteren 
Erkrankungen die bakteriologisch positiven Fälle besonders zahlreich 
angetroffen werden; 

b) den Nachweis einer absoluten und relativen Leukopenie; 

c) die Beobachtung, daß der fühlbare Milztumor längere Zeit, bis wochen¬ 
lang nach der Entfieberung nachzuweisen ist; 

d) die Erfahrung, daß sich auch an leichteste Krankheitsformen des Typhus 
Rückfälle anschließen können, die teils durch das charakteristische Krank¬ 
heitsbild, teils durch den Bazillennachweis einen Rückschluß auf die echte 
Typhusnatur der ursprünglichen Krankheit gestatten. 

6. Während des Feldzuges hat das klinische Bild des Typhus eine 
wesentliche Veränderung im günstigen Sinne erfahren, das in der Hauptsache 
der Schutzimpfung zuzuschreiben ist. Die Erkennung der Krankheit ist er¬ 
schwert. Gegenüber der häufiger als früher versagenden bakteriologischen 
Methode ist der klinischen Beobachtung eine erhöhte Bedeutung beizumessen. 

Dr. Solbrig -Königsberg i. Pr. 

Typhus und Pneumonie. Von Dr. A. D ö b 1 i n, zurzeit am Reservelazarett 
Saargemünd. Berliner klinische Wochenschrift; 1916, Nr. 43. 

Die akuten Erkrankungen der Lungen als Komplikationen von Typhus — 
und von anderen Krankheiten — scheinen während der Wintermonate im Felde 
besonders häufig vorgekommen zu sein. Verfasser beobachtete bei mehr als 
der Hälfte seiner Todesfälle an Typhus im Winter 1914/15 schwere Lungen- 
ersebeinungen. Dadurch wird zugleich die Bedeutung der Lungenerkrankaog 
für die Prognose des Falles gekennzeichnet. Einige Fälle von Typhus mit 
ausgesprochenen pneumonischen Erscheinungen werden mitgeteilt. Es empfiehlt 
sich, wie Verfasser hervorhebt, Pneumonien während des Krieges und zu 
Epidemiezeiten auf ihren etwaigen Zusammenhang mit Typhus anznsehen. 

Dr. S o 1 b r i g - Königsberg i. Pr. 



Kleinere Mitteilangen and Referate aas Zeitschriften. 


715 


Veber Typhös and Ruhrmlschlnfektlon. Von Begts.-Arzt Dr. Ludwig 
Fejes, Privatdozent an der Universität in Budapest; Medizinische Klinik 
1916, Nr. 37. 

Zar Beobachtung gelangten sowohl Fälle, wo sich za einer bestehenden 
Rahrerkrankang ein Typhas gesellte als auch amgekehrt, wo sich aaf der 
Hohe des Typhas noch eine Rahr entwickelte. Die Rahrinfektionen waren 
meist darch den Flexner stamm bedingt. Es fanden sich Fälle, wo die In¬ 
fektion mit Rohr- and Typhnsbazillen gleichzeitig erfolgt war, bei denen aber 
die Rahr infolge ihrer kürzeren Inkubation früher zum Aasbrach kam, dann 
auch solche, wo nach dem zeitlichen Auftreten der Symptome die Typhus- 
infektion früher stattgefunden haben mußte. Diese Fälle verliefen vielfach 
günstig im Gegensatz za denen, wo sich der Typhas- eine Rahrinfektion 
nachgesellte, also aaf der Höhe des Typhas die Rahrerkrankang entwickelte. 
Klinisch zeigte sich dann das Bild des Kollapses: Das Fieber schwand auf 
einmal, die Temperatur wurde sogar plötzlich sabnormal, an Stelle der Brady¬ 
kardie trat eine Trachykardie, daneben war ein unaufhörlicher Stuhldrang 
vorhanden. Diese Erscheinungen waren so deutlich, daß die Diagnose schon 
klinisch sichergestellt werden konnte. In allen diesen Fällen ergab die 
bakteriologische Diagnose beiderlei Keime. Die Prognose war sehr schlecht. 
Es ist anzanehmen, daß die Wirkung des Typhasviras den Organismus für die 
sekandäre Rahrinfektion empfänglich macht. Im Blutserum ließen sich sowohl 
Typhas-, als aach Rahragglutinine nachweisen. Das Bild entsprach mehr einer 
Vergiftung als einer Infektion. Der Schiaß erscheint gerechtfertigt, daß der 
im allgemeinen als atoxisch geltende Flexner stamm in einem Typhus- 
Organismas aach giftbildende Fähigkeit erlangen kann, wie dies beim Kruse- 
bacillas im allgemeinen ausgesprochen der Fall ist. 

Dr. L. Qaadflieg -Gelsenkirchen. 


3. Paratyphns. 

Ueber verschiedene Formen des Paratyphns B. Klinischer Teil von 
Reg.-Arzt Dr. Erich Slaka, Feldspitalskommandant. Bakteriologischer Teil 
von Stabsarzt Dr. Richard Pollak, Korpshygieniker. Vortrag, gehalten an¬ 
läßlich einer Versammlung von Militärärzten an der S.-W.-Front. Wiener 
klinische Wochenschrift; 1916 Nr. 44. 

Unter 105 von den Autoren beobachteten Paratyphnsfällen endeten 5, 
denen Dysenterie voraasgegangen war, mit dem Tode. Slaka anterscheidet 
eine typhoide, eine ententische, eine rahrartige, eine septische and eine asthe¬ 
nische Form. 

Bei der enteritischen Form des Paratyphns wird oft gewöhnlicher 
Magendarmkatarrh angenommen. Erst die allgemeine Abgeschlagenheit des 
Mannes, wenn er das Bett verläßt, läßt die Wahrscheinlichkeitsdiagnose Para- 
typhus stellen. Blntige Stühle mit fieberhaftem Krankheitsverlaaf, die bei der 
rahrartigen Form Vorkommen, sind ebenfalls geeignet, Verdacht aaf Para- 
typhus zu begründen. 

Die septische Form wird dareh folgende Symptome charakterisiert: 
Verlauf eintönig, langwierig. Der Kranke liegt apathisch da; die Entfieberung 
nach 4—5 Wochen bleibt aas; es besteht hochgradige Abmagerang. 

Bei der asthenischen Form erfahren Kliniker and Bakteriologen die¬ 
selbe Enttäuschung wie bei der Rahr. Der Kliniker stellt die Diagnose Typhas, 
oder Paratyphus. Die Agglutination verläuft aber negativ. Der weitere Krank- 
heituverlauf bestätigt den Kliniker in seiner Diagnose, die Agglutination kann 
jedoch dauernd negativ bleiben oder erst spät positiv werden. 

P o 11 a k erklärt das Fehlen der Reaktion in einer Reihe klinisch sicherer 
Fälle dadurch, daß vorausgegangene Kriegsstrapazen, Entbehrungen, unregel¬ 
mäßige Lebensweise zur Folge haben, daß der kranke Körper nicht die Kraft 
aufbringt, die Stoffe zu bilden, die in einem ungeschwächten Körper sonst ent¬ 
stehen. Wenn dann durch Bettruhe, Ernährung, Pflege im Krankenhaus bessere 
Verhältnisse einsetzen, kann es zur Bildung von Agglutininen kommen. Aber 
auch die wiederholten Schutzimpfungen sind vielleicht imstande, die die Agglu- 
tinine bildenden Symptome zu erschöpfen oder aufzubrauchen, so daß es erst 



716 J Kleinere Mitteilangen und Referate aas Zeitschriften. 

nach reichlicher Vermehrung der Bakterien im Körper zur Bildung von Anti¬ 
körpern kommen würde. Zweifellos muß der Kliniker wissen, daß in einer Reihe 
von Fällen die Wi dal sehe Reaktion versagt, daß sie, einmal ausgeführt, 
öfters wertlos sein kann, daß aber Schwankungen im positiven und auch nega¬ 
tiven Sinne Bedeutung zukommt. Dr. Mayer-Simmern. 


O. Hygiene und' öffentliches Gesundheitswesen. 

1. Krüppelfürsorge. 

Krüppel. Von Oberstabsarzt a. D. Dr. Jacoby-Charlottenburg, znrzeit 
Reservelazarettdirektor in Bayreuth. Halbmonatsschrift für soziale Hygiene 
und praktische Medizin; Jahrgang 24, Nr. 22. 

Verfasser wünscht das Wort Krüppel abgeschafft, weil alles vermieden 
werden soll, was die Stiefkinder der Natur und ebenso die durch den Krieg 
Veranstalteten kränken oder verletzen könne. Er schlägt vor, statt des Wortes 
Krüppel „Verbildet“ zu sagen, wenn es sich um Personen handelt, die von 
Jugend auf ein entsprechendes Gebrechen aufweisen. Hie bei der Friedensarbeit 
durch Unfall usw. verunstaltet sind, sollen „Versehrte“, die im Kriege 
Verletzten „Kriegsinvalide oder Kriegsbeschädigte“ genannt werden; 
die Amputierten usw. könnte man auch Kriegsverstümmelte nennen; 
statt Krüppelfürsorge würde man entsprechend „Verbildetenfürsorge, Onfall- 
fürsorge“ usw. sagen. 

Ein dem Verfasser bekannter Offizier, der den rechten Arm verloren hat, 
jetzt aber wieder Garnisondienst tut, ohne Hilfe auf das Pferd steigt, reitet, 
absteigt usw., würde sich den Namen Krüppel wohl mit Recht verbitten. 

Hr. Hoffmann-Berün. 

2. Kriegsbeschädigtenfürsorge. 

Kriegsbeschädigte, Unfallverletzte und Arbeit. Von Dr. P. Ewald, 
Orthopäden in Hamburg, orthopädischem Beirat des IX. Armeekorps. Aerzt- 
liche Sachverständigen-Zeitung; 1916, Nr. 20. 

Verfasser entwickelt, wie die Berufsgenossenschaft die Kriegsbeschädigten¬ 
fürsorge übernehmen kann und welche Vorteile dadurch besonders für die 
Kriegsbeschädigten selbst entspringen. Mit den Verwundeten hat man neben 
der rein ärztlichen Behandlung zunächst eine Beschäftigung vorgenommen, die 
anfänglich den Charakter kindlicher Handarbeiten hatte, allmählich aber zu 
einer Arbeitstherapie wurde, indem Werkstuben eingerichtet wurden, in denen 
den Kriegsbeschädigten mit der Arbeit auch der Glaube und das Vertrauen zu 
sich selbst wieder erwuchs. Es ist aber notwendig, daß mit der Arbeit auch 
Werte geschaffen werden, d. h. die Arbeit entlohnt wird. Dazu bedarf es Lehrwerk¬ 
stätten mit kaufmännischer Einrichtung. Der Zweck solcher Lehrwerkstätten 
ist einmal die Leute in ihrem alten Beruf wieder zu ertüchtigen, dann aber 
auch Leute zu einem neuen Handberuf umzulchrcn. Eine frühe individuelle 
Beurteilung der Kriegsbeschädigten durch verständige Berufsberatung, an der 
viele geeignete Persönlichkeiten kollegial mitwirken, ist eine selbstverständliche 
Forderung. Am besten ist es, wenn; der Berufsberater auch Arbeitsvermittler 
sein kann. 

Die IBerufsgenossenschaft ist nun in der Lage, da sie Vertrauensärzte 
und Fachärzte besitzt, besser als die Militärbehörde die Heilbehandlung zu über¬ 
nehmen. Die Arbeitstherapie soll die Heilbehandlung ergänzen und unterstützen. 

Es kommt^hierbei sowohl auf Arbeit,'als auch auf medikomechanische Behand¬ 
lung an;’denn es ist ein großer Fehler, wenn man die Leute nur arbeiten läßt 
und das '„stumpfsinnige“ Pendeln unterläßt. Damit die Unfallverletzten die 
Rentenangst überwinden und die Arbeit nicht als Zwang empfinden, soll die 
Arbeit nach der Erwerbsfähigkeit entlohnt jund die Rente nach der vom Arzt 
festgestellten Erwerbsunfähigkeit berechnet werden. Für die Verwundeten 
besteht [nach kriegsministerieller Vcrfügungj die Möglichkeit, daß ihnen die 
Gewährung einer dauernden Rente schriftlich bescheinigt wird, nämlich dann, 
wenn feststebt, daß eine Erwerbsbeschränkung von mindestens 10 Proz. dauernd 
bestehen bleibt. Auf solche Weise wird das Vertrauen der Leute gewonnen. 

Schließlich ist daran zu erinnern, daß ja nach dem Kriege eine starke 
Nachfrage auch nach solchen Leuten vorhanden sein wird, die nur eine halbe 



Kleinere Mitteilungen and Referate aas Zeitschriften. 


717 


t>der dreiviertel Kraft sind, and daß es nar darauf ankommt, jede Kraft an 
die richtige Stelle zu bringen. Dr. Solbrig-Königsberg i. Pr. 


Das Mannheimer Schulsystem der Krlegsbesch&digten. Von Prof. 
Dr. Anton Sickinger, Stadtschalrat in Mannheim, zurzeit Hauptmann im 
Heere. Halbmonatsschrift f&r soziale Hygiene and praktische Medizin; Jahr¬ 
gang 24, Nr. 21. 

Verfasser will die Kriegsbeschädigten wieder felddienstfähig machen and 
behandelt sie in drei Abteilungen: Schonungsabteilung, Vorbereitungsabteilung 
and Exerzierabteilang. 

In der S c h o n a n g s-Abteilung sind solche, die besonderer Schonung be¬ 
dürfen and nar leichten Arbeitsdienst verrichten können, and zwar möglichst 
solche Arbeiten, die f&r die Rückkehr ins bürgerliche Leben von Vorteil 
sein können. 

In der Vorbereitangs-Abteilung befinden sich solche Kriegs¬ 
beschädigten, die mehr oder minder marschfähig sind, während die Exerzier- 
Abteilnng sich gliedert in solche, die beschränkt, and solche, die voll garnison¬ 
verwendungsfähig sind. 

In der freien Zeit werden alle Abteilangen darch belehrende Unter- 
haltangen, Vorträge nsw. psychisch nea eingestellt and abgelenkt. 

Or. Hoff mann-Berlin. 


3. Soziale Hygiene. 

Ueber die Bedeutung der wirtschaftlichen Verhältnisse ln der Frage 
der Stärkung unserer Volkskraft. Von Privatdozent Dr. Nissle. Oeflent- 
liche Gesundheitspflege. Erster Jahrgang; 1916, H. 10. 

Was Referent seit Jahrzehnten als Anforderung an die staatliche Gesund* 
heitspflege aufstellte und weshalb ich als geisteskrank oder als Dummkopf hin* 
gestellt wurde, dringt immer mehr in das Bewußtsein auch akademischer Kreise 
ein. Dr. Nissle hat in der vorliegenden Abhandlung Anforderungen zusammcn- 
gestellt, die sich mit den meinigen vollständig decken. Ich führe lediglich 
einzelne Sätze an: 

Neben der gewollten Dnterfruchtigkeit gibt es auch eine Abnahme der 
natürlichen Zeugungsfähigkeit, die besonders in den gelehrten Kreisen sich 
geltend macht. „Das städtische Leben, die Forderungen der höheren Kultur 
nehmen die geistige Energie dieser Individuen stärker in Anspruch, als es mit 
dem Durchschnitt der Fortpflanzungsfähigkeit des Menschen verträglich er¬ 
scheint.“ (Lorenz: Lehrbuch der gesamten wissenschaftlichen Generalogie). 
Um der „Verpöbelung der Kasse“ vorzubeugen, brauchen wir Führergeschlechter, 
also größere Fruchtbarkeit gerade der Kopfarbeiter. Die Vereinigung mit der 
landwirtschaftlichen Tätigkeit würde diese Möglichkeit geben. Alles, was als 
geburtenfördernde, hygienische Maßregel empfohlen wurde, insbesondere der 
Sport und die sportähnlichen Vergnügen usf. hat sich nicht bewährt. Die Sucht 
nach raffinierten leiblichen und geistigen Genüssen, die gesellschaftliche Ein¬ 
schätzung des einzelnen nach der Höhe dieser Genuß-Befriedigung bringt uns 
an den Rand des Verderbens. Die v. D. Goltz’sche Anforderug von der Ver¬ 
armung unseres Volkes zum Zwecke der Neubelebung hat gewisse Berechtigung. 
Die Gesundheitstechnik allein wird uns nicht retten. 

Dr. G r a ß 1 - Kempten. 


Kinderlosensteuer und staatliche Kinderversicherung. Von Dr. 
Walter Zahn. Sonderabdruck aus Archiv für Rassen- und Gesellschafts¬ 
hygiene ; 1914/15, Heft 6. 

Da Ehe noch nicht Kinder bedeutet, ist die Junggesellensteuer von 
vornherein wirkungslos; die Steuer muß die Kinderlosen erfassen und zur 
staatlichen Kinderversicherung ausgebaut werden. Die Kinderlosen mit ihrer 
erhöhten Möglichkeit, ihre erhöhten Ansprüche zu erfüllen, würden dadurch 



718 


Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


gezwungen, sich den Gewohnheiten ihrer kinderreichen Standesgenossen anxn- 
passen und die bisherige Schraube ohne Ende in dem Begehren immer höherer 
Ansprüche würde langsamer arbeiten. Die Steuer müßte nach dem Einkommen 
und der Zeit der Ehe abgestuft sein; so z. B. sollte von der Kinderlosenstener 
betroffen werden, wer ein Einkommen von 2400 Mark und 2 Jahre nach der 
Ehe noch kinderlos ist; wer 3600 Mark Einkommen hat und nach 5 (6) Jahren 
nur einen Nachkommen aufweist, wer bei 5000 Mark Einkommen n&ch 
8—10 Jahren nur 2 Nachkommen aufweist. Die sinngemäße Ausdehnung auf 
die ledigen, geschiedenen und verwitweten ist notwendig. Die so erlangten 
Gelder sind zu Versicherungen der Kinder in Abstufungen nach der Geschwister¬ 
zahl zu verwenden. Als technische Maßregel dieser Vorschläge empfiehlt sich 
die Kinderversicherungskarte. Dr. Graßl-Kempten. 


Ist ein Zweikindersystem in Frankreich nachweisbar? Von Dr. 
Maasche-Regensburg. Conrads Jahrbücher für Nationalökonomie und 
■Statistik; 107. Bd., S. 66. 

Aus der Zählung vom Jahre 1906 ersieht man, was die Zahl der lebenden 
Kinder anlangt, daß in Frankreich die Häufigkeit der Zweikinderehen keines¬ 
wegs eine besonders große ist, daß vielmehr die Orsache der geringen Kinder¬ 
zahl der Ehen in erster Linie auf der übergroßen Zahl von gänzlich kinderlosen 
und Einehen beruht. Etwa 17°/° aller Familien besaßen bereits um diese Zeit 
überhaupt keine lebenden Kinder, etwa 25 "/o nur ein einziges Kind, doch trifft 
man anderseits auch wiederum bei 35 1 /t°/o aller Familien mindestens 3 und 
bei 20'/* °/o sogar mindestens 4 Kinder pro Familie an. Für die Zweikinderehen 
bleibt daher nur ein sehr bescheidener Anteil übrig, 22 , /*“/o. Obwohl der 
französische Bauer als der typische Vertreter des sog. Zweikindersystems gilt, 
ist doch die Kinderzahl in Wirklichkeit auf dem flachen Lande am höchsten 
und sinkt ständig mit der Größe der Orte. Während in den Gemeinden mit 
nicht mehr als 2000 Einwohner auf eine Familie im Durchschnitt 2,35 lebende 
Kinder entfallen, sind es in Orten mit 2000—50 000 Einwohner nur 2,23, in den 
Städten mit 50000—100000 Einwohner nur 1,87, in den Großstädten, ohne 
Paris, nur 1,81 und schließlich in Paris sogar nur 1,57. Die geringe Kinderzahl 
der Städte beruht darauf, daß hier die Zahl der kinderlosen und Einkind¬ 
ehen eine außerordentliche Höhe erreicht. In Paris z. B. besitzen nicht 
weniger als 56,9 °/* sämtlicher Familien teils überhaupt keine Kinder, teils nur 
ein einziges Kind; eine anormale Häufigkeit von Zweikinderehen ist jedoch 
wedor hier noch auf dem Lande zu bemerken. Die Statistik vom Jahre 1906 
ergibt, daß im Darchschnitt von sämtlichen Familien 21,15 °/o nur eine einzige 
Geburt und 21,32 "/o nur 2 Geburten zu verzeichnen hatten; allein es ver¬ 
bleiben immerhin noch 40°/o von Ehen, in welchen mindestens 3 Kinder und 
31,04 # /o, in welchen mindestens 4 Kinder geboren wurden. Die Zahl der 
Familien mit 3 oder mehr Kindern ist also in Frankreich keineswegs so gering, 
wie man gemeinhin anzunehmen pflegt. Im Darchschnitt findet man 2,93 
geborene Kinder pro Familie. Abneigung gegen eine große Kinderzahl ist in 
Frankreich derart eingewurzelt, daß man von demjenigen, der mehr wie 2 Kinder 
besitzt, mit Geringschätzung oder Bedauern spricht. Die Zahl der Kinder ist 
noch am höchsten bei den selbständigen Personen, am geringsten bei der 
Gruppe der Angestellten. Besonderes ungünstig ist das Verhältnis bei den 
Beamten in Paris, bei denen im Darchschnitt auf eine Familie nur 1*/« Kinder 
treffen. Die Abnahme der Kinderzahl und Zunahme der kinderlosen Ehen ist 
hierbei sowohl bei den Beamten wie bei der Arbeitergruppe nachgewiesen. 

Dr. Han au er-Frankfurt a. M. 


Gesetzliche l’nterslützung kinderreicher Familien in Frankreich. 

Von Ministeriul-Iiat Prof. Dr. Z a h n - München. Zeitschrift für Bevölkerungs¬ 
politik und 8äuglingsfiirsorge; 1916, Nr. 2. 

Der Verfasser bespricht das französische Gesetz vom 14. Juli 1913, du 
regelmäßige monatliche Zulagen für kinderreiche Familien bewilligt, und zwar 
augefangen vom 4. Kinde unter 13 Jahren, bei 3 Kinder, wo die Mutter, bei 



Tagesnachrichten. 


719 


2 Kinder, wo der Vater tot oder verschwanden ist. Der Betrag bewegt sich 
zwischen 6ü und 90 Fr. pro Jahr and Kind. Dr. Wolf- Hanau. 


Tagesnachrichten. 

Vereidigung der mit Kriegsstellen beliehenen Aerzte. Nach einem 
Erlaß des Kriegsministers vom 22. Oktober d. J. müssen landsturmpflichtige, 
mit Kriegsstellen beliehene Aerzte vereidigt werden; sie werden dadurch An¬ 
gehörige des aktiven Heeres mit allen Hechten und Pflichten, die sich aus 
dieser Zugehörigkeit ergeben. Für die im Vertragsverhältnis zur Heeresver¬ 
waltung stehenden landsturmpflichtigen Aerzte kommt dagegen eine Vereidigung 
nicht in Frage. 


Dem jetzt wieder einberufenen Reichstag ist ein Gesetzentwurf, betr. 
den vaterländischen Hilfsdienst, vorgelegt, der den Zweck hat, die gesamte 
nicht zum Heeresdienst herangezogene Bevölkerung zur Kriegsarbeit in der 
Heimat heranzuziehen und sie für das große Ziel der Vaterlandsverteidigung 
zweckdienlich zu verwerten, damit die Kämpfer an der Front dauernd mit 
allem versorgt werden können, um den von unseren Feinden mit vermehrter 
Zähigkeit und beispiellosem Kräfteeinsatz weiter geführten Krieg zum sieg¬ 
reichen Ende zu bringen Der Gesetzentwurf hat durch die längeren Vorbe¬ 
ratungen in einem besonderen Ausschuß sehr wesentliche Aenderungen und Er 
gänzungen erfahren und ist in dieser Fassung von dem Reichstag in seiner 
Sitzung am 1. und 2. Dezember d. J. in zweiter und dritter Lesung fast ein¬ 
stimmig angenommen; nur die Mitglieder der soziald. Arbeits-Gern, stimmten 
dagegen. Nach § 1 dieses Gesetzes ist jeder männliche Deutsche vom 17. bis 
zum 60. Lebensjahr, so weit er nicht zum Heere einberufen ist, zum vater¬ 
ländischen Hilfsdienst während des Krieges verpflichtet. — § 2 erklärt die 
Tätigkeit bei Behörden, in der Kriegsindustrie, Landwirtschaft, Kranken- 
pflege, kriegswirtschaftliche Organisationen, Berufsorganisationen, sowie für 
Zwecke der Kriegführung oder der für Versorgung als vaterländischen Hilfs¬ 
dienst, so weit die Zahl dieser Personen das Bedürfnis nicht übersteigt. — 
§ 3 überträgt die Leitung des Hilfsdienstes dem Kriegsamt. — § 4 regelt die 
Zuständigkeit der Reichs- oder Landeszentralbehörde und der besonders zu 
bildenden Ausschüsse in bezug auf die Frage, ob die Zahl der bei einer Be¬ 
hörde beschäftigten Person bezw. in einem Betriebe usw. das Bedürfnis über¬ 
steigt. — § 5 enthält Vorschriften über die zu erlassende Aufforderung zur 
freiwilligen Meldung. Wird hier nicht ausreichend entsprochen, so er¬ 
folgt die Heranziehung durch schriftliche Aufforderung eines Ausschusses im 
Ersatzbezirk, bestehend aus einem Offizier, einem hohen Beamten, je einem 
Vertreter der Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Nach Erhalt der Aufforderung 
ist Arbeit zu suchen; so weit sie binnen zwei Wochen hiernach nicht begonnen 
hat, findet Ueberweisung zu einer Beschäftigung durch den Ausschuß 
statt. — § 6 schreibt möglichste Rücksichtnahme auf Lebensalter, Familien¬ 
verhältnisse, Wohnort, Gesundheit und bisherige Tätigkeit vor. — Die §§ 7 
bis 16 enthalten Bestimmungen über das Verhalten der Arbeitsstelle, das 
Verfahren bei den Arbeitsausschüssen und > über deren Aufgaben und Befug¬ 
nisse, sowie Strafvorschriften. § 17 überträgt dem Bundesrat die Erlassung 
der Ausführungsbestimmungen mit der Bestimmung, daß allgemeine Ver¬ 
ordnungen der Zustimmung eines lögliedrigen Reichstagsauschusses bedürfen. 
§ 18 bestimmt, daß das Gesetz mit dem Tage der Verkündigung in Kraft 
tritt und die Außerkraftetzung spätestens einen Monat nach Friedensschluß 
zu erfolgen hat. — Damit ist ein Gesetzentwurf von tiefeinschneidender und 
außerordentlicher Bedeutung für unser ganzes Volk angenommen worden. Für 
die Aerzte wird er allerdings wenig oder gar keine Aenderung bringen, 
da ihre Tätigkeit ja als eine im vaterländischen Hilfsdienst anzusehen ist, 
ganz abgesehen davon, daß wohl schon jetzt fast alle in der Heimat zurück¬ 
gebliebenen Aerzte auch militärärztlich tätig sind. 


Richtlinien zur Sicherstellung der Ernährungsfrage. Die verstärkte 
Haushaltskommission des preußischen Abgeordnetenhauses 
hat beschlossen, dem Hause verschiedene Leitsätze vorzuschlagen, die die 



720 


T&gesnachrichten. 


Sicherstellung der Ernährungsfrage regeln. Danach ist n. a. die nächstjährige 
Kartoffelversorgung zwar unter Beibehaltung der öffentlichen Bewirt¬ 
schaftung, aber unter möglichster Zuziehung des Handels und durch Abschluß 
von Lieferungsverträgen zu bewirken. Denen, die Kartoffeln, Obst und Gemüse 
zum eigenen Gebrauch gebaut haben, soll der Verbrauch an ihrem Wohnsitz 
nicht deshalb verwehrt werden dürfen, weil der Erzeugungort und der Wohnort 
verschiedenen Kreisverbänden angeboren. 

Yur Versorgung der Bevölkerung, namentlich der schwerarbeitenden, 
mit Fett, zur Versorgung der Kinder und Kranken mit Milch und als 
Fleischreserve für Zeiten dringender Not ist unser Viehbestand zwar im 
Einklang mit unseren Futtermitteln, aber mit aller Schonung zu erhalten. 
Namentlich Geflügel ist von der Verbrauchsregelung auszunehmen. Es ist eine 
ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Fischen und eine angemessene 
Herabsetzung der Fischpreise herbeizuführen. 

Da infolge des Futtermangels ein wesentliches Herabgehen der 
Schweinehaltung jetzt nicht zu vermeiden ist, ist dafür Sorge zu tragen, 
daß unter allen Umständen eine hinreichende Zahl Zuchtschweine erhalten 
wird. Den Teilhabern von Schweinemastgenossenschaften dürfen, sofern alle 
Genossen ihre Hausabfälle zur Schweinemast abführen, dieselben Bevorzugungen 
bezüglich der Anrechnung des genossenschaftlich gewonnenen Fleisches auf die 
Fleischkarte gewährt werden wie bei Hausschlacbtungen einzelner Selbstversorger. 

Die Unterschiede in der Verteilung von Fett und Fleisch an 
die versorgungsberechtigte Bevölkerung sind zu beseitigen, unbeschadet einer 
besonderen Berücksichtigung der Schwer- und Schwerst-Arbeiter. Unterschiede 
zwischen Stadt und Land in der Versorgung mit Nahrungsmitteln sind nur 
berechtigt, soweit diese durch besondere Ernährungsverhältnisse und durch 
die Rücksicht auf die Produktion geboten sind. Es ist Sorge zu tragen, daß 
das wirtschaftliche Leben weniger als bisher durch wechselnde Bestimmungen 
beunruhigt wird. 


In bezug auf die Volksernährung und Festsetzung von Höchstpreisen 
ist in jüngster Zeit der Verkehr mit folgenden Nahrungsmitteln neu geregelt: 
Ueberwachung des Verkehrs mit Seemuscheln (Bekanntmachung des Reichs¬ 
kanzlers vom 2. November d. J.), die Einfuhr von frischen Fischen (Be¬ 
kanntmachung vom 13. Nov. d. J., sowie die Beaufsichtigung der Fischver¬ 
sorgung (Bekanntmachung vom 28. Nov. d. J.), Höchstpreise für Hafer¬ 
nährmittel (Haferflocken, Hafergrütze und Hafermehl — Preis im Kleinhandel: 
44 Pfg. für das Pfund, in Packungen 66 Pfg., für Hafermehl: 32 Pfg. in 1 * Pfd.- 
Packung (Bekanntmachung vom 2. Nov. d. J.), Höchstpreise für Weizengries: 
66 Pfg. für das Kilogr. (Bekanntmachung vom 2. Nov. d. J.), Höchstpreise für 
Erzeugnisse der Kartoffeltrocknerei und Kartoffelstärke (Bekannt¬ 
machung vom 5. Nov. d. J ) und Höchstpreise für Zwiebeln: 14 Pfg. tür das 
Pfd., jeden Monat um 1 Pfg. steigend bis 20 Pfg vom 16. April 1917 ab (Be¬ 
kanntmachung vom 4. Nov. d. J.), Höchstpreise für Kunsthonig: 55—65 Pfg. 
für das Pfund, je nach der Verpackung (Bekanntmachung vom 14. Nov. d. J.), 
Ausführungsbestimmungen zur Regelung der Wild preise (prenß. Min.- 
Erlaß vom 2 Nov. d J.): Rehwild 2,50 M., Dam- und Rotwild 2,10 M., Wild¬ 
schweine 2—2,'i0 M. für das Pfund Rücken oder Keule; Hasen 6 M., wilde 
Kaninchen 1,80 M., Fasanen 4, \ib— 5,25 M. für das Stück. In Gemeinden mit 
mehr als 50000 Einwohner erhöhen sich die Preise um 10%. 

Geh. Ob.- Med - Rat Prof. Dr. Abel, Direktor des hygienischen Instituts 
in Jena, ist ans dem Beirat des Kriegsernährungsamts ausgetreten, 
um nicht für Handlungen und Unterlassungen des Kriegsernäbrungsamies auf 
dem wichtigen Gebiete der Volkscrnährung verantwortlich gemacht zu werden, 
mit denen er nicht einverstanden zu sein vermag. Er lehnt es ans vaterländischen 
Bedenken und in Anbetracht der Zensurvorscbriften ab, die Gründe für seinen Aus¬ 
tritt im einzelnen bekannt zu geben; erklärt jedoch die darüber in einem Berliner 
Blatt gebrachte Mitteilung für ganz unvollständig und in wesentlichen Punkten 
unrichtig. So habe er z. B. nie die Fleischration von 250 g allgemein als un¬ 
zureichend erklärt und auch nie die törichte Forderung erhoben, das Kriegs¬ 
ernährungsamt solle mehr Fleisch verteilen, als ihm zur Verfügung stehe, ln 



Tagesnachrichten. 


721 


ärztlichen Kreisen wird der Aastritt des Geh. Ob.- Med.- Rats Dr. Abel sehr 
bedauert werden; denn er war ob seiner reichen Erfahrungen auf diesem Ge¬ 
biete besonders geeignet für diese Stellung; hoffentlich wird recht bald ein 
gleich tüchtiger Ersatz gefunden, der es versteht, die vom ärztlichen Stand¬ 
punkte aus, insbesondere mit Rücksicht auf die Krankenernährung, zu stellende 
Forderungen zur Geltung zu bringen. 

Berufung. Dr. Pollitz, bisher Direktor der Königlichen Strafanstalt in 
Düsseldorf, ist behufs Reorganisation des türkischen Gefängnis¬ 
wesens als „Inspecteur G6u£ral des prisons“ in das türkische Ministerium be¬ 
rufen und hat bereits am 1. November d. J. sein ehrenvolles Amt übernommen. 


Vermächtnis. Der auf dem Felde der Ehre gefallene Oberamtsarzt 
Dr. Stoll, Privatdozent für gerichtliche Medizin in Tübingen, hat der dortigen 
Universität 25000 M. für wissenschaftliche Zwecke vermacht. 


Ehrentafel. Es haben weiterhin erhalten: 

Das Eiserne Kreuz I. Klasse: 

Oberstabsarzt d. L. Med. - Rat Dr. Brumniund, Kreisarzt in Magdeburg 
(auch Inhaber des Scbaumburg-Lippische n Kriegsver¬ 
di enstkzenz es). 

Generaloberarzt Dr. Diestel-Ulm. 

Stabsarzt d. Res. Dr. Doepner, Kreisarzt in Bitterfeld. 

Generalarzt ä 1. S., Geh. Rat und Prof. Dr. Enderlen-Würzburg. 

Stabsarzt d. Res. Dr. Grill-Tübingen. 

Oberstabsarzt Prof. Dr. Friedrich Kayser-Göln a. Rhein, beratender 
Chirurg eines Armeekorps. 

Oberstabsarzt d. L. Dr. Georg Kramer-Hof. 

Stabsarzt d. L. und Reg.-Arzt Dr. Karl L tt d e r s - Berlin-Steglitz. 

Oberstabsarzt d. L. und Reg.-Arzt Dr. M a n n - Stuttgart. 

Stabsarzt d. Res. Dr. Fritz Strauß-Tübingen. 

Stabsarzt d. L. Dr. Werner, Physikus in Schalkau (Sachsen-Meiningen). 

Stabsarzt d. L. und Reg.-Arzt Dr. Ernst Wittern-Eutin. 

Das Eiserne Kreuz II. Klasse am schwarz-weißen Bande (meist erst 
jetzt zur Kenntnis des Herausgebers gelangt) die Kreisärzte: Med.-Rat 
Dr. Aust-Nauen (auch Inhaber des Bayerischen Militär-Verdienstorden 
IV. Klasse mit Schwertern), Dr. Besserer, Vorsteher des Medizinalunter¬ 
suchungsamtes, Münster i. W., Dr. Budd ee-Neutomischel (Posen), Geh. Med.- 
Rat Dr. Carp-Wesel, Dr. Clauß-Posen, Dr. David-Husum (Holstein), 
Dr. Ekke- Adelnau (Posen), Dr. Ernst-Namslau (Schlesien), Geh. Med.-Rat 
Dr. Forstreuter-Königsberg i. Pr., Dr. Fricke-Bublitz (Schlesien), Dr. 
Gallien in Rössel (Ostpreußen), Dr. Gu11wein-Schwersenz (Posen), Geh. 
Med.-Rat Dr. Hens gen-Siegen, Dr. Herbst-Kempen (Rheinland), Med.-Rat 
Dr. Herlitzius-Erkelenz (Rheinland), Prof. Dr. Hilgermann, Vorsteher 
des Medizinaluntersuchungsamtes in Koblenz, Dr. Howe- Dramburg (Pommern), 
Dr. Hübner-Zabikow bei Posen, Dr. Hülsmeyer-Bütow (Pommern), Dr. 
Hu tt-Neurode (Schlesien), Med.-Rat Dr. Janßen-Neuwied, Dr. Jorns- 
Nordhausen, Geh. Med.-Rat Dr. Jungmann -Guben, Dr. Käthe, Vorsteher 
des Medizinaluntersuchungsamtes in Breslau. Dr.Keintoch -Leobschütz(Schl.), 
Dr. K1 e w e - Lissa (Posen), Dr K1 i x - Osterode (Ostpreußen), Dr. K n o 11 - Bern¬ 
kastel (Rheinland), Med.-Rat Dr. K r a u s e - München-Gladbach, Dr. Kusche 1- 
Filehne (Posen), Dr. v. Kypke-Burchardi -Rüdesheim a. Rh. (auch Inhaber 
des Hessischen Militärsanitätskreuzes), Dr. Langner-Beuthen 
i. Scbles, Dr. Larass-Koschmin (Posen), Dr. Lehmann-Kolmar (Posen), 
Dr. L i p p - Schmiegel (Posen), Dr. Mangel sdorf-Czarnikau (Posen), Dr. 
M a n g o 1 d - Allenstein (auch Inhaber des Hessischen Militärsanitäts¬ 
kreuzes), Dr. Menke- Lehe (Hannover), Dr. Meyer, ständiger Hilfsarbeiter 
beim Polizeipräsidium in Berlin, Dr. Neu beit- Jarotschin (Posen), Dr. Neu¬ 
mann - Rosenberg (Oberschlesien), Dr. P e s c h e 1 - Birnbaum (Posen), Dr. Pilf- 
Wiesbaden (Stadt) (auch Inhaber des Braunschweigischen Kriegsver- 




722 


Tagesnachrichten. 


dienstkreuzes), Dr. P ran g-Bitburg (Rheinland), Dr. Prigge-Wies- 
baden (Land), (auch Inhaber des Hessischen Militärsanitätskreuzes). 
Dr. Rehberg - Rathenow a. Havel, Dr. S a g e - Osterburg (Reg.-Bez. Magdeburg), 
Med-Rat Dr. Sauberzweig-Görlitz, Dr. Schied at-Pleschen (Posen), Dr. 
Schmidt-Wreschen (Posen), Dr Schmidt-Neustadt (Oberschlesien), Dr. 
Schroeder - Lublinitz (Oberschlesien), Dr. Sehne h)hardt- Altenkirchen 
(Westerwald), Dr. Schulte-Cocbem (Rheinland), Dr. Seiffahrt-Wehlau 
(Ostpreußen), Dr. Sieber-Witkowo (Posen), Dr. Stoll-Heydekrug (Ostpr.), 
Dr. S t r a u b e - Schwerin (Posen), Geh. Med.-Rat Dr. Struntz-Jüterbogk, 
Dr. Sueßmann-Wipperfürth (Rheinl.), Dr. Wackers -Grevenbroich (Rheinl), 
Dr. Weßling- Wollstein (Posen), (auch Inhaber des BayerischenMilitär- 
sanitätsordens II. Klasse), Geh. Med.-Rat Dr. Ziehe-Homburg v.d. H., 
und Dr. Zimmermann, Vorsteher des Nahrungsmitteluntersuchungsamts 
in Hannover. 

Ferner Kreisassistenzarzt Dr. Dietrich inCölna.Rh., Reg.-Rat 
Dr. med. Spi tta-Berlin, Mitglied des Kaiserl. Gesundheitsamtes und Dr. med. 
Wolff-Berlin, wissenschaftlicher Hilfsarbeiter des Kaiserlichen Gesundheits¬ 
amtes, sowie 

die Bezirksärzte Dr. Beltinger-Miltenberg (Unterfranken), (auch 
Inhaber des Bayerischen Militärsanitätsordens II. Klasse), Dr. 
G e b h a r d - Landshut, Dr. Geiger-Eschenbach (Oberpfalz) (auch Inhaber des 
Bayerischen Militärverdienstordens IV. Kl. mit Schwertern), 
Dr. Kerschensteiner-Neuburg a. W. (Oberpfalz) (desgl. wie vorher), Dr. 
S c h ö n e r - Miltenberg (Unterfranken) (desgl. wie vorher), Dr. Weber- 
Schweinfurt (Unterfranken). 

Weiterhin: San.-Rat Dr. Carius, Kreisarzt in Detmold, Dr. Claras, 
praktischer Arzt in München, z. Z. Kreisarzt in Russisch-Polen, Geh. Med.-Rat 
Dr. Hecker, Reg.-Med.-Rat in Straßburg i. Eis., Landgewerbearzt Dr. Ho 1 ta¬ 
rn a n n - Karlsruhe, Med.-Rat Dr. Riedel, Physikus in Lübeck (auch Inhaber 
des Lübecker HanseatenkreuzeB und des Oldenburgischen Fried¬ 
rich Augustkreuzes II. Klasse am blauroten Bande), Dr.8tein, 
Amtsarzt in Strelitz (auch Inhaber des Mecklenburg-Strelitzschen und 
Mecklenburg-Schwerinschen Kranzes für Auszeichnung im 
Felde). 

Das Eiserne Kreuz II. Klasse am weiß-schwarzen Bande: 

Kreisassistenzarzt Dr. Brieger-Cosel (Schlesien). 

Nervenarzt Dr. Walter Cimbal, Oberarzt der städtischen Heil- und 
Pflegeanstalt in Altona. 

Med.-Rat Dr. v. Gizycki, Kreisarzt in Brieg. 

Geh. Med.-Rat Dr. Langerhans, Kreisarzt in Celle. 

Dr. Mohrmann, Kreisarzt und Vorsteher des Nahrungsmittelunter¬ 
suchungsamtes in Stade. 

Verliehen ist ferner: der Bayerische Militärverdienstorden 
II. Klasse mit Schwertern: dem Generalarzt z. D. Ministerialrat Prof. 
Dr. D ie u d o n n 6-München, derselbe Orden IV. Kl. mit Schwertern: 
den Besirksärzten Dr. Ra uh-Erding (Oberbayern) und Dr. Seid er er-Feucht- 
wangen (Mittelfrenken): — das Ritterkreuz II. Klasse mit Schwer¬ 
tern des Badischen Ordens vom Zähringer Löwen: dem Stabs¬ 
arzt d. Res. Dr. Dennemark, Kreisassistenzarzt in Sigmaringen; — das 
Ritterkreuz des Oesterreichischen Franz Josef-Ordens: dem 
Kreisarzt Dr. Knospe in Berlin; — das Oesterreichische Ehren¬ 
zeichens II. Klasse mit Kriegsdekoration: dem Med.-Rat Dr. 
v. Gizycki, Kreisarzt in Brieg; — das Hamburger Hanseatenkreuz: 
dem Kreisarzt Otto Fridrich in Schubin. 

Außerdem haben erhalten: Das EiserneKreuz I. Klasse: Assessor 
Dr. E. Kornalewski, Oberleutnant im Stabe einer Feldartilleriebrigade und 
Oberleutnant und Reg.-Adjutant Dr. M. Kornaleswki, Söhne des Geh. 
Med.-Rats Dr. Kornalewski, Kreisarzt in Delitzsch. 

Das Ritterkreuz mit Schwertern des Hohenzollernschen 
Hausordens: Major Max Pfeiffer, Chef des Generalstabes des 17. Reserve- 
Armeekorps, Sohn des Geb. Med.-Rats Dr. Pfeiffer in Wiesbaden. 



Sprechsaal. 723 

Bhrra-Qedlohtalatoftl. Für das Vaterland gefallen oder gestorben 
sind ferner: 

Stabsarzt d. L. Dr. Ludwig Albert*Aachen. 

Feldunterarzt Ferdinand Dröge*Norden (Ostfriesland). 

Oberstabsarzt d. R. Dr. Rudolf Frotscher, Oberarzt an der Landes¬ 
irrenanstalt Weilmttnster (Nassau). 

Assistenzarzt d. Res. Dr. Erwin Gerullis-Pröckuls (Ostpreußen) (ge¬ 
storben infolge von Krankheit). 

Assistenzarzt Dr. Franz Gingele-München. 

Feldunterarzt Albert G-raunung-Soest. 

Assistenzarzt d. Res. Dr. Hain- Freiburg i. Breisgau. 

Assistenzarzt d. Res. Dr. Erich Hirschfeld-Stettin. 

Geb. Med.-Rat Prof. Dr. H. Hochhaus-Cöln a.R., fachärztlicher Beirat 
beim VIII. A.-K. (gestorben infolge von Krankheit). 

Assistenzarzt d. Res. Dr. Paul Honert-Mttnster i. Westfalen. 
Stabsarzt Dr.Tb. Kirchheim in Bagdad (gest. infolge von Krankheit). 
Stabsarzt d. Res. Dr. K n i e r i m - Tübingen. 

Stabsarzt d. L. Dr. E. Kris teil er-Tilsit. 

Oberstabsarzt Dr. R am in -Westerthal, vor dem Kriege in Lübeck (ge¬ 
storben infolge von Krankheit). 

Stabsarzt d. L. Dr. H. Sander -Schweinfurt (gest. infolge von Krankheit). 
Stabsarzt d. Res. Dr. Max Trappe-Breslau. 

Assistenzarzt d. L. Dr. Rud. Vogel-Offenbach a. M. 

Oberstabsarzt Dr. Eduard Wadsack-Bensheim (Hessen) (gestorben 
infolge von Krankheit). 

Cholera. In Oesterreich-Ungarn ist die Seuche anscheinend 
völlig erloschen. 

Erkrankungen an Pocken sind im Deutschen Reich in den fünf 
Wochen vom 22. Okt. bis 25. Nov. nur noch 5, 3, 2, 1 und 1 vorgekommen. 

Die Zahl der Fleckfleber-Erkrankungen betrug im Deutschen 
Reich vom 22. Oktober bis 25. November auch nur noch 1, 1, 3, 5 und 5, 
sämtlich bei Kriegsgefangenen. In Oesterreich sind vom 9. bis 15. Oktober 
1, in Ungarn sind vom 16. Oktober bis 5. November 2, 4 und 2 Fälle vor¬ 
gekommen, davon 4 in Budapest. 


Erkrankungen und Todesfälle an ansteckenden Krankheiten ln 
Preußen. Nach dem Ministerialblatt für Medizinal-Angelegenheiten sind in der 
Zeit vom 22. Oktober bis 11. November 1916 erkrankt (gestorben) an Pest, 
Gelbfieber, Cholera, Trichinose, Aussatz, Malaria, Fleck¬ 
fieber, Rückfallfieber, Paratyphus, Rotz, Tollwut: — (—), 
— (—), — (—); Bißverletzungen durch tollwutverdächtige 
Tiere: 3 (—), 3 (—), 21 (—); Milzbrand: — (—), 1 ( —), — (—); 
Pocken: 3 (—), 2 (—), 6 (—); Unterleibstyphus: 281 (21), 304 (31), 
287 (26); Ruhr: 277 (26), 193 (29), 151 (23); Diphtherie: 2328 (174), 
2405 (161), 2580 (165); Scharlach: 1073 (46), 1058 (55), 1139 (36); Kind¬ 
bettfieber: 59 (20), 61 (18), 72 (19); Genickstarre: 3 (1), — (—), 
8(1); spinaler Kinderlähmung: 2 (—), 8 (—), 2(—); Fleisch-, 
Fisch- und Wurstvergiftung: 95(1), —(1), 16(1); Körnerkrank¬ 
heit (erkrankt): 84, 84, 60; Tuberkulose (gestorben): 671, 662, 707. 


Spreohsaol. 

Anfrage des Kreisassistenzarztes Dr. v. H. ln Cb.: Darf eine Hebamme, 
die Witwe eines Arztes ist, der den Doktortitel besaß, auf ihrem Hebammen¬ 
schild schreiben: „Frau Dr. H., Hebamme“ oder „verw. Frau Dr. H., Hebamme “t 
Antwort: Jal Die Witwe eines praktischen Arztes ist zweifellos zur 
Weiterführung des durch ihre Verheiratung rechtmäßig erlangten Doktortitels 
berechtigt, so lange sie ihn nicht in einer Weise benutzt, daß dadurch der Glaube 
erweckt wird, sie selbst sei ein geprüfter Arzt (z. B. durch gleichzeitige Ankündi¬ 
gung der Behandlung von Krankheiten). Aus dem Zusatz „Hebamme“ ist die Mög¬ 
lichkeit eines solchen Irrtums ausgeschlossen, so daß ein unzulässiger Gebrauch 
eines „arztähnlichen Titels“ nicht vorliegt. 



724 


Sprechsaal. 


Anfrage des Bezirksarztes Dr. B. in Y.: Sind „Kar bol creme“, „Binder¬ 
markpomade, Jodoformgaze „Warzenstifte“ und „Russischer Knöterichtee“ dem 
freien Verkehr überlassen, was die betreffenden Firmen behaupten mit der 
Begründung, Karbolcreme werde nur als Desinfektionsmittel, Rindermark¬ 
pomade und Warzenstifte nur als kosmetische Mittel verkauft; Warzen seien 
außerdem keine Krankheit; Verbandstoffe seien allgemein und von dem 
Knöterichtee seien nur die beiden Spezialmarken „Homeriana und Weidmanns 
russischer Knöterichtee“ dem freien Verkehr entzogen, alle anderen nicht. 

Antwort: Karbolcreme und Rindermarkpomade sind nach § 1 
Abs. 2 a der Kaiserlichen Verordnung als Desinfektions- bezw. kosmetische 
Mittel dem freien Verkehr überlassen; dasselbe gilt nach § 1 Abs. 3 dieser 
Verordnung betreffs der Jodoformgaze, da Verbandstoffe auch dann 
freigegeben sind, wenn sie mit heilkräftigen Stoffen, deren Verkauf an sich 
den Apotheken Vorbehalten ist, imprägniert sind (Urteil des Oberlandesgerichts 
in Breslau vom 26. Mai 1908 und in Hamburg vom 15. bezw. 19. Februar 1909). 
Enthält das Karbolcreme allerdings mehr als 3°/o Karbolsäure, dann unterliegt 
der Verkehr damit den Vorschriften über den Handel mit Giften. Warzen¬ 
stifte sind ebenfalls freigegeben, da Warzen nicht als Krankheit gelten 
(Urteil des preuß. Kammergerichts vom 14. Februar 1910 und des Oberlandes¬ 
gerichts in München vom 8. Mai 1913). Betreffs des „Knöterichtees“ hat das 
preuß. Kammergericht durch Urteil vom 25. April 1914 dahin entschieden, dafi 
er nur dann dem freien Verkehr entzogen ist, wenn er als „Homeriana, russischer 
oder Weidmanns Knöterichtee“ bezeichnet ist; demnach erscheint der Ein¬ 
wurf der Geschäftsinhaber begründet, zumal betreffs des Knöterichtees die 
Oberlandesgerichte in Celle (Urteil vom 19. Sept. 1904) und München (UrteQ 
vom 1. Juni 1907) ebenso entschieden haben. 


Mitteilung für die Medizinalbeamten. 

Entsprechend zahlreichen Wünschen aus den Kreisen der Medizinalbeamten 
haben sich Herausgeber und Verlagsbuchhandlung entschlossen, den Kalender 
für Medizlnalbeamte wieder erscheinen zu lassen. Der neue 
Jahrgang 1917 wird Mitte Dezember d. J. zur Ausgabe gelangen; die 
Unterzeichnete Verlagsbuchhandlung nimmt schon jetzt Bestellungen 
entgegen; eine Bestellkarte ist zu diesem Zwecke beigefügt. 

Die Verlagsbuchhandlung. Der Herausgeber. 

Fischers med. Buchhandluog fl. Kornfeld, 

Berlin V. 62, KelthstraBe 5. 


Deutscher und PreuBischer Medizinalbeamtenverein. 

Die Mitglieder des Deutschen und Preussischen Medizinal¬ 
beamtenvereins werden gebeten, etwa bevorstehende Wohnung»-» 
Änderungen umgehend der Expedition der Zeitschrift — Hof- 
buchdruckerei von J. C. C. Bruns, Minden i W. — mitzuteilen, 
damit in der Zustellung der Zeitschrift mit Beginn des neuen 
Jahres keine Unterbrechung eintritt. Gleichzeitig wird darauf 
aufmerksam gemacht, daß die Zeitschrift nicht bei der Post zu be¬ 
stellen ist, da die Zustellung von seiten des Vereins bewirkt wird. 

Druokfehler- Berichtigung, ln dem Artikel „Ein Fall von Selbst¬ 
vergiftung durch Ammoniak“ in dieser Nummer muß es auf Seite 704, Zeile 10 
von unten heißen: „Flüssigkeitsgehalt“ statt Flüchtigkeitsgehalt, auf 
Seite 705, Zeile 2 von oben: „subpleuralen“ statt subpleutalen, und Zeile 3 
von unten: „nichts“ statt „nicht. 


Redaktion: Prof. Dr. Rapmund, Geh. Med.-Rat in Minden LW. 

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Ta^ BHia (vchriofcteu 753 

Sprenhsaal . 7ÖÖ 

Beilaff« 

\ir ♦Uitspreubttfiff . V97- 

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L’nj«t hlajp: 

fVrt«uijm!l*D. 


P e r s o n a i i » fK 

Deutsches Reich und Königreich Frenseeu. 

Aus/virlimmir^H ; V fe hfcft M 1 r < h .•» r 8 fe t •> r ;i 1 $ öelh^i dk* r 
t| fe «i. i I n a f r ft t: den Ifegterüflgv Uttd >!*•»];•/j : .i:drMi'* r i I Vr. $i a nj i& m St-m! • ün.i, 
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Vcr iiV1 r i j n Prof.Dr. V r a n k in \Vit ^)>udeü : — de r f ita ru fc te ^ 

a \> c d i jßi r n i ; den Krt v i^>ir^u-n i.M \V '• I! »< r o* & n n in Lvck, l>r Bundi 

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Nr. 24. 


Brftchelnt mm 


5. 


and ÄO. 



20. Dez. 


Die Verlängerung der Mädchenschulpflicht zur Vorbereitung 
für den Mutter- und Haushaltsberuf. 

Von Geh. Medizinalrat Dr. Deneke, Regierangs- and Medizinalrat in Magdeburg. 

Die Mittel zur Hebung und Mehrung der Volkskraft, zur 
Gesundung und Gesunderhaltung des Volkskörpers sind auf 
allen Lebensgebieten zu finden. Aus der großen Zahl der bisher 
in der Oeffentlichkeit vorgeschlagenen Mitteln möchte ich keines 
entbehren oder ablehnen. Ihre Wahl hat auszugehen von der 
Vermehrung der Einzelkräfte und der Erziehung zur Verwen¬ 
dung der Kräfte. Das weist uns auf den Nachwuchs und die 
Jugendausbildung hin. 

Vom ärztlichen Standpunkte zeigt der Staatskörper ab¬ 
norme, zum Teil im Gebiet des Krankhaften liegende Erschei¬ 
nungen, die seine augenblickliche Leistungsfähigkeit beschränken 
und lähmen, sowie die Erfüllung seiner Aufgaben für die Zu¬ 
kunft aus Mangel an Kraftvorrat erschweren. Der Arzt ist 
gewöhnt, bei der Prüfung und Bekämpfung von Krankheits¬ 
erscheinungen von ihren Ursachen auszugehen. Eine derartige 










726 


Or. Deneke: Die Verlängerung der Mädchenschulpflicht 


Behandlung wird sich auch beim Volkskörper bewähren, weil 
er die Gesamtsumme der Einzelerscheinungen darbietet. 

Nach medizinischen Gesichtspunkten beurteilt, leidet zur¬ 
zeit der Volkskörper unter der Gefahr der zunehmenden Ab¬ 
magerung, also dem drohenden, geschichtlich bekannten Volks¬ 
raarasmus durch den Geburtenrückgang, an Säfteentziehung 
durch den Tod so vieler Männer im Felde und an Wunden 
und Narben, die die verwundeten und verstümmelten Kriegs¬ 
teilnehmer darstellen. Er befindet sich gleichsam in einem 
Schwächezustande wie nach einer eingreifenden Operation mit 
starkem Blutverlust. Daraus ergeben sich auch die Heilanzeigen. 

Der Geburtenrückgang ist eine sehr ernste, ja er¬ 
schreckende Gefahr für den Volksbestand. Nach Krohne ist 
die Tendenz zum Rückgang, d. h. die sinkende Kurve seit 1900 
bis zum Beginn des Krieges also in 15 Jahren so in die Augen 
springend, wie sie in dem Grade und der Schnelligkeit noch in 
keinem anderen Kulturstaat beobachtet ist. Frankreich hat zu 
diesem Geburtensturz 40 Jahre gebraucht. Er beruht zum wesent¬ 
lichen Teil — darüber besteht bei Eingeweihten und Sachverstän¬ 
digen kein Zweifel — auf der gewollten Beschränkung der Kinder¬ 
zahl. Der Wille zum Kinde hat nachgelassen und die 
Empfängnisverhütung und Fruchtabtreibung ist an seine Stelle 
getreten. Nach Krohne kann man in Deutschland jährlich 
mit 500000 Fruchtabtreibungen rechnen. Es war ein er¬ 
schreckender Anblick, ein erschütternder Eindruck für mich, 
als ich am 28. März d. J. auf der Frauenabteilung des 
hiesigen Sudenburger Krankenhauses 19 Betten vor¬ 
fand, die mit fieberhaft erkrankten Frauen und Mädchen nach 
Frühgeburt belegt waren, von denen mindestens 16 den Ver¬ 
dacht der kriminellen Fruchtabtreibung erregten. Und nichts 
war zu ermitteln, was zu einem polizeilichen oder gerichtlichen 
Verfahren hätte führen können. So raffiniert geht die Frauen¬ 
welt schon zu Werke, weil sie auf geschlechtlichem Gebiet 
klüger ist als die Männerwelt. Mit diesem verderblichen Zu¬ 
stande ist die sehr traurige Erfahrungstatsache verbunden, dafi 
die Frauen und Mädchen, die der verbrecherische Eingriff nicht 
das Leben kostet, in großer Anzahl ein langdauerndes Unter¬ 
leibssiechtum und häufig bleibende Unmöglichkeit der Empfängnis 
zurückbehalten. 

Gegenüber dieser die Volkskraft verzehrenden ansteckenden 
Seuche kommt den Geschlechtskrankheiten, die zur Un¬ 
fruchtbarkeit beider Geschlechte führen, und der Heirats¬ 
unlust der Männer nur eine nebensächliche Rolle zu. Der 
Kinderausfall stellt gleichsam einen Teil der Sühne der Nation 
dar, die sie dafür entrichtet, daß sie dem weiblichen Geschlecht 
allerlei, ja fast alle Berufe öffnet, die für den weiblichen 
Körper sich nicht eignen oder ihn dem Mutterberuf entfremden. 
Dagegen ist zu bedenken, daß der Hauptkrankheitsherd der 
Geschlechtskrankheiten, die soviel Unglück und Schaden in die 
Familie tragen können, die geheime Prostitution ist. 



zur Vorbereitung für den Mutter* und Haushaltsberuf. 


727 


Ihre Vertreterinnen: die Verkäuferinnen, Kontoristinnen, Nähe¬ 
rinnen,. Plätterinnen usw. rekrutieren sich aber vorwiegend und 
zwar nicht selten nach einem Zwischenstadium im Dienstboten¬ 
beruf aus den Schülerinnen der städtischen Volks- und Mittel¬ 
schulen. Die freiwillige Beschränkung der Kinderzahl, die in 
den besser gestellten Kreisen aus wirtschaftlichen, Bequera- 
lichkeits- und sonstigen unberechtigten Gründen ihren Anfang 
genommen hat, isl aus diesen Kreisen durch den weiblichen, 
mit listiger Beobachtungsgabe begabten Dienstboten nach ihrer 
späteren Heirat an den eigenen Herd verpflanzt und hat in der 
ihnen nahestehenden unbemittelteren Umgebung schnell Pro¬ 
paganda gemacht. Den gewaltigen Einfluß dieses bösen Bei¬ 
spiels in der Frauenwelt wieder zu beseitigen, wird eine schwere, 
lang dauernde, vielleicht über mehr als eine Generation sich 
erstreckende Aufgabe der Erziehung sein. 

An der nationalen Gefahr ist die Höhe der Säuglings¬ 
sterblichkeit mit einem großen Anteil beteiligt. Deutsch¬ 
land steht mit seiner Zahl unter den Kulturstaaten heute noch 
an sechster Stelle. Ist das nicht auffallend bei der Höhe unserer 
allgemeinen Gesundheitskultur und besonders bei der Gründ¬ 
lichkeit und dem Ernst unserer Wohlfahrtsbestrebungen auf 
dem Säuglingsgebiet in den letzten 10 Jahren? Nicht nur 
das ungenügende Selbststillen im allgemeinen, sondern 
auch der mangelnde Wille und das fehlende Verständnis für 
die sorgsame Pflege der Erzeugten sind der Beweis für die 
Abnahme der Liebe des Weibes zum Kinde. Die 
Grundlagen der Ausbildung des Willens und des Gemüts ge¬ 
hören aber zu den wesentlichen Unterrichtsmitteln der Schule. 
Zusaramengenommen mit dem Geburtenrückgang als Ausdruck 
der Abnahme des Willens zum Kinde liegt hier ein ernstes 
Zeichen der drohenden Entartung des Weibes vor, der 
die Perversitäten auf dem Gebiet der Fortpflanzung und der 
alltäglichen Lebensäußerungen wie Einschnürung des Leibes, 
Zurschaustellen von Hüften, Beinen oder Busen, Zigaretten¬ 
rauchen usw. folgen müssen. Auch hier kann nur systematisch 
erziehlicher Einfluß, in der Schule Aenderung und Besserung 
schaffen. 

Ich schlage deshalb vor, die Verlängerung der 
Schulzeit für Mädchen um ein Jahr im unmittel¬ 
baren Anschluß an die Entlassung aus der Volks¬ 
schule zur praktischen Ausbildung im Haushalts¬ 
und Mutterberuf und zwar in besonderen, auf dem 
Lande zu errichtenden einklassigen Staatsschulen. 

Vor der analytischen Erörterung des Vorschlags ist die 
Bedürfnisfrage kurz zu beleuchten. Die weitverbreitete 
Seuche der Fruchtabtreibung und der Empfängnisverhütung ist 
der gefährlichste Feind der Volkserhaltung, der leider den 
Volkskörper mit sicherem Erfolge angreift. Ihn vorbeugend 
und ursächlich zu bekämpfen, gilt in erster Linie mein Vor¬ 
schlag. Die Erfahrung lehrt, daß die erziehliche Wirkung der 



728 


Dr. Deneke: Die Verlängerung der Mädchenschalpflicht 


§§ 218 — 220 des Strafgesetzbuches nur geringe Erfolge 
auf weist und auch nur auf weisen kann, weil die Vorgänge bei 
der Abtreibung so verwickelter Art sind, daß positive Ermitte¬ 
lungen, die zur strafrechtlichen Verfolgung und Sühne hin¬ 
reichen, selten sind. Bei den 3 Landgerichten des Regierungs¬ 
bezirks Magdeburg in Magdeburg, Halberstadt und Stendal ist 
in den 3 Jahren 1912—1914 gegen 511 Beschuldigte ein Ver¬ 
fahren wegen Fruchtabtreibung eingeleitet. ' Bestrafung ist er¬ 
folgt in 120 Fällen, Freisprechung in 11 Fällen; das Verfahren 
ist in 344 Fällen eingestellt und in 36 Fällen am Jahresschluß 
schwebend geblieben. Also in rund 70 v. H. hat das Verfahren 
zu einem non liquet geführt. Das sagt gegenüber von nur 
11 Freispruchsfällen sehr viel, nämlich, daß das Risiko, für Ab¬ 
treibungen bestraft zu werden, gering ist, und daß das einträg¬ 
liche Geldgeschäft der Abtreiber schwer zu stören ist. Also 
nicht mal die Abschreckungstheorie des Gesetzes wirkt hier 
in der Praxis. Wenn dies der Fall ist, so ist auch nichts mit 
der öffentlichen Aufklärung auf diesem heiklen Gebiet zu er¬ 
reichen. Da ist Zwangsbelehrung des heranwachsenden 
weiblichen Geschlechts im schulraäßigen Unterricht am Platze 
und zu einer Zeit, wo nach alter Erfahrung die Schärfung des 
Gewissens für Recht und Unrecht am zweckmäßigsten geschieht 
und die besten Erziehungserfolge aufzuweisen hat. Ich finde 
keinen anderen Weg. 

Niemand wird Abderhalden widersprechen, der zu den 
Ursachen der heutigen Lockerung der Familienbande die mangel¬ 
hafte Vorbereitung der Mädchen auf ihren ureigensten Beruf, 
den der Mutter und Hausfrau rechnet. Säuglingspflege, Führung 
des Haushalts, Koch- und Nähkunst, häusliche Kunst, und ich 
füge hinzu Scheuern und Wäschewaschen, das sind Dinge, von 
denen leider die wenigsten Mädchen ausreichende Kenntnisse 
in die Ehe bringen. Zugleich muß eine Rückkehr zur 
Einfachheit und eine durchgreifende Säuberung der herr¬ 
schenden Geschlechtsmoral stattlinden. Vom rein praktischen 
Standpunkt möchte ich hierbei auf eine Erfahrung Pütters 
zurückgreifen. Bei der vorbildlichen, großzügigen Organisation 
der Bekämpfung der Tuberkulose in Berlin stieß er auf die 
wiederkehrende Schwierigkeit, daß die Ehefrauen, namentlich 
die aus der Fabrikbeschäftigung hervorgegangenen, höchst un¬ 
vollkommene Fertigkeit in der Wohnungsreinigung und der 
Behandlung unsauberer Wäsche hatten. Er erkannte diesen 
Mangel sehr bald als eine der Verbreitungsveranlassungen der 
Tuberkulose und richtete Unterweisungskurse für diese häus¬ 
lichen Aufgaben (Scheuern, Reinmachen, Wäsche waschen) mit 
gutem Erfolge ein. 

Für die zunehmende Erkenntnis der Notwendigkeit der 
schulmäßig geordneten Vorbildung für den Mutter- und Haus¬ 
haltsberuf zwei Beispiele: Auf dem Städtetage der Provinz 
Sachsen und des Herzogtums Anhalt am 5. und 6. Juni 1914 
sprach sich der Referent Stadtschulrat Dr. Gutsche-Erfurt 



zur Vorbereitung für den Mutter- und Hausbaltsberuf. 


729 


eingehend über die Frage aus: „Soll die gewerbliche 
Pflichtfortbildungsschule für Mädchen auf wissen¬ 
schaftlicher oder haus wirtschaftlicher Grundlage 
errichtet werden?“ Er entschied sich in überzeugenden, 
mit allseitigem Beifall aufgenommenen Ausführungen für die 
hauswirtschaftliche Grundlage und bezeichnete diese Lösung 
als eine der dringlichsten und wichtigsten Aufgaben der Schul¬ 
verwaltung. In der Aussprache bin ich warm für die Durch¬ 
führung eingetreten, weil die Erfahrung Pütters gezeigt 
hat, wie geringes Verständnis für die häuslichen Pflichten 
die in gewerblichen Betrieben beschäftigt gewesenen jungen 
Frauen in die Ehe mitzubringen pflegen. Die Auffrischung 
des in der vorgeschlagenen Staatsschule Erlernten wird ge¬ 
rade diesen Mädchen und ihrem späteren Hausstande außer¬ 
ordentlichen Nutzen bringen. Der Minister der geist¬ 
lichen und Unterrichts-Angelegenheiten hat durch 
Erlaß vom 10. Dezember 1915 die Königlichen Regierungen 
(Abteilung für Kirchen- und Schulwesen) auf die Säug¬ 
lingspflege als Unterrichtsgegenstand in den Mädchen¬ 
schulen aufmerksam gemacht unter Hinweis auf die vom Ge¬ 
heimen Medizinalrat Professor Dr. Peiper und Schulrat Gerike 
in Greifswald veranstalteten Unterrichtskurse für 12-bis 14jährige 
Schulmädchen der Mittel- und Volksschulen. „Alle Dinge, die 
Schwangerschaft und Wochenbett betreffen, wie sie vor älteren 
Mädchen und Frauen zu besprechen sind, wurden aus dem 
Lehrstoff ausgeschaltet.“ Und mit Recht, denn Kinder in 
kurzen Kleidern sind für diese Aufklärung noch nicht reif. 
Die günstigen Erfahrungen mit diesem Unterricht sprechen da¬ 
für, daß er als eine zweckmäßige Vorbereitung für die folgende 
erweiterte Unterweisung gern willkommen geheißen werden 
kann, um so mehr, wenn im letzten Schuljahr mit dem Kon¬ 
firmationsunterricht besonderer Wert auf die Schärfung des 
Gewissens und auf die Belehrung in den Grundlagen der prak¬ 
tischen Nächstenliebe gelegt wird. Damit komme ich zu meinem 
Vorschlag zurück. 

Nach den jetzt gütigen Bestimmungen und Höchstgerichts¬ 
entscheidungen ist das Ende derSchulpflicht an kein be¬ 
stimmtes Lebensalter gebunden. Die Schulpflicht endigt nicht 
ohne weiteres mit der Konfirmation. Der Schulunterricht muß 
solange fortgesetzt werden, bis ein Kind nach dem Befunde 
der Schulaufsichtsbehörde die einem jeden vernünftigen Men¬ 
schen seines Standes notwendigen Kenntnisse besitzt. Als ord¬ 
nungsmäßiger Zeitpunkt für die Schulentlassung ist der Oster¬ 
termin desjenigen Jahres anzusehen, in dem das Kind bis zum 
30. September das 14. Lebensjahr vollendet. Das sind im Auszug 
die Grundsätze, nach denen die Verlängerung der Schulpflicht in 
meinem Sinne durchaus zulässig ist, wenn man sich auf den be¬ 
rechtigten Standpunkt stellt, daß ein Mädchen mit 13 1 /* oder 
14 Jahren bei den heutigen Schuleinrichtungen und Lehrzielen 
der Volksschule nicht die ihm notwendigen Kenntnisse als zu- 



730 Dr. Deneke: Die Verlängerung der Madchenschalpflicht 

künftige Hausfrau und Mutter besitzt. Unter heutigen sozialen 
und Erwerbsverhältnissen muß man von der Schule die 
Vollendung der Erziehung zum ureigensten Beruf des heran- 
wachsenden Mädchens verlangen. Auf diese Erziehungspflicht 
ist man in den letzten Jahrzehnten nur mit tropfenweiser Ein¬ 
fügung der Unterrichtsgegenstände, z. B. des Handfertigkeits¬ 
unterrichts, eingegangen. Die Erfahrungen der letztverflossenen 
Zeit und der Krieg haben uns die Notwendigkeit der planmäßig 
erweiterten Pflichterfüllung aufgedrungen. 

Der ordnungsmäßige Zeitpunkt der Entlassung aus 
der Volksschule kann beibehalten werden. An diesen schließt 
sich unmittelbar der Uebertritt in die Staatsschule an. Bei 
den übrigen Schulbetrieben (Mittel- und höheren Mädchen¬ 
schulen) bleibt derselbe Termin für den Uebertritt, nämlich 
zu Ostern des Jahres, in dem das Kind bis 30. September das 
14. Lebensjahr vollendet. Im Alter von 13—15 Jahren geht 
beim Mädchen die wichtigste Entwicklung vom Kind zur Jung¬ 
frau vor sich, der vom ärztlichen Standpunkt unbedingt Rech¬ 
nung getragen werden muß, wenn der Körper den Aufgaben 
und Anforderungen der Staatsschule gewachsen und der Geist 
befähigt sein soll, ihnen mit dem notwendigen Verständnis zu 
begegnen. 

Daß dazu ein ganzes Jahr erforderlich ist, wird sich 
bei der Besprechung der Unterrichtsgegenstände ergeben. Mit 
Recht kann man entgegen halten, daß damit die bisherige 
7 bis 8 jährige Schulpflicht auf 8 bis 9 Jahre erhöht und die 
Gefahren des Schulbanksitzens usw. für den weiblichen Körper 
vergrößert werden. Ich würde gern einverstanden sein, 
wenn der Beginn der Schulpflicht bei Mädchen wegen der 
Häufigkeit der englischen Krankheit und wegen des Zahn¬ 
wechsels vom 6. auf das 7. Lebensjahr verlegt würde. Aber 
auch wenn das aus schultechnischen Gründen nicht angängig 
ist, so ist gerade das hinzugefügte Jahr bestimmt, erworbene 
Schädigungen der Körperentwicklung durch die Art des Unter¬ 
richts auszugleichen. 

Was spricht nun für die Einrichtung einer Staats¬ 
schule, die außerhalb des Rahmens der heutigen Schul¬ 
einrichtungen fällt und mit dem Grundsätze der Gemeinde¬ 
schule bricht? Neben dem eigentlichen Nutzen des Unterrichts 
für die heran wachsende weibliche Jugend steht der allgemein- 
soziale und nationale Gesichtspunkt im Vordergrund. Deshalb 
ist es ratsam, diese Schulen dem Streit und Neid der Parteien 
in den Gemeindevertretungen zu entziehen. Bei staatlicher 
Einrichtung ist am besten die Gleichwertigkeit des Lehrstoffs, 
der Lehrmittel, der Lehrziele und der Lehrkräfte gewährleistet. 
Das ist erziehlich von großer Bedeutung. Die Mädchen sollen 
das Bewußtsein in sich aufnehmen, daß dieser Abschnitt der 
Schulerziehung nicht nur ihrer Fortbildung dient, sondern auch 
der Staatsgemeinschaft und der Volksgesundheit zugute kommt. 
Neben dem für das Weib natürlichen, weil angeborenen Egoismus 



zur Vorbereitung für den Mutter- nnd Hansbaltsberuf. 


731 


sollen sie empfänglich gemacht werden für altruistisches Denken 
und Handeln. Und nicht zuletzt ist es auch der finanzielle 
Gesichtspunkt, der für die Staatsschule spricht. Ich entnehme 
ihn der so lesenswerten Veröffentlichung von Dr. G. W. Schiele 
in Naumburg (Saale): „Wenn die Waffen ruhen! Beiträge zur 
Bevölkerungspolitik nach dem Kriege.“ Von der Volksschul¬ 
last von 482 Millionen tragen die Gemeinden 348 und der 
Staat 139 Millionen. Eine weitere Belastung der Gemeinden 
ist kaum durchführbar. 

An sich besteht kein Bedenken, ausnahmsweise 
Privatschulen zuzulassen, wenn das Bedürfnis im Einzel¬ 
lall geprüft, wenn die Einrichtungen den Anforderungen an 
Einfachheit und Gesundheitsförderung der Schülerinnen ent¬ 
sprechen und wenn die staatliche Aufsicht sichergestellt ist, 
damit sie nicht dem Unterweisungszweck zuwiderlaufen und 
nicht zu abgesonderten Unterkünften lediglich für die*aus den 
höheren Töchterschulen hervorgehenden Mädchen werden. 

Nach den maßgebenden Ministerialerlassen sollen ein- 
klassige Schulen im allgemeinen nicht über 80 Kinder 
zählen. Dieser Volksschulgrundsatz ist auf die Staatschule zu 
übertragen. Durch die einklassige Einrichtung und die Kopf¬ 
zahl wird das wichtige Merkmal der Schule gewahrt im Gegen¬ 
satz zur Pensionats- oder klösterlichen Erziehung. Mit der 
großen Zahl verbinden sich wichtige Vorzüge der Gemein¬ 
schaftserziehung, die die vergrößerte Gelegenheit der 
gegenseitigen Abschleifung von Ecken und Unebenheiten, 
der Lebensauffassung und des täglichen Verkehrs bietet. Eine 
ebenso wichtige Forderung ist die durchdachte Mischung der 
Mädchen aus den verschiedenen Volksschichten. Die Mädchen 
aus der Stadt müssen Platz an Platz lernen mit den Land- 
raädchen und umgekehrt. Ich habe in dieser Richtung 
bei den zahlreichen staatlichen Prüfungen von Kranken¬ 
pflegepersonen außerordentlich günstige Erfahrungen ge¬ 
sammelt. Neben der Tochter aus hochgestellten Kreisen 
wird das frühere Dienstmädchen ausgebildet. Mit Bewunde¬ 
rung stelle ich immer wieder fest, wie glücklich diese 
Misohung auf beiden Seiten nicht nur in der Berufsauffassung 
sich geltend macht. Natürlich kann auch die Uebertreibung 
dieser Mischung wie alles Gute zum Nachteil ausschlagen; des¬ 
halb betone ich die „durchdachte“ Mischung der Angehörigen 
der Volks-, Mittel- und höheren Schulen. Die zweckmäßige 
Verteilung auf die Schulen eines Regierungsbezirks wird Auf¬ 
gabe der Königlichen Regierungen (Abtl. für Kirchen .und Schul¬ 
wesen) sein müssen. Zugleich wird auch die Mischung der 
Angehörigen der verschiedenen Glaubensbekenntnisse für die 
spätere Lebensauffassung der Frau von großem Nutzen sein. 
Sie ist auch berechtigt, weil mulier tacet in ecclesia. 

Der Ruf nach Erziehung zur Einfachheit der Lebens¬ 
führung ist nur durch Anlegung der Schulen auf 
dem Lande zu verwirklichen. Zur Begründung dieser 



732 


Dr. Deneke: Die Verlängerung der Mädchenschulpflicbt 


Forderung führe ich zunächst die in Bürger- und höheren 
Kreisen bekannte, empirisch gewonnene Erfahrung an, die 
sich in die Worte kleidet: „Das Kind muß mal aus dem 
Hause, muß mal unter fremde Leute.“ Das erziehliche Moment, 
das in der Ausführung dieser Erfahrung liegt, brauche ich 
nicht weiter zu erörtern, weil jeder den ursächlichen Zusammen¬ 
hang der mit einem Umgebungswechsel verbundenen Vorzüge 
zu beurteilen weiß. Die Einfachheit im innern und 
äußern Betriebe muß das Jedermann sichtbare Ge¬ 
präge der Schule sein. Sie findet ihre Grenze nur 
an derzweiten gleich wertigen Forderung: Gesund¬ 
erhaltung und Kraftentwickelung. Die Einfachheit 
hat sich auch zu erstrecken auf die äußere Unterkunft 
der Schulen. Keine kostspieligen Neubauten für Schulräume, 
Wohnunterkünfte und deren innere Ausrüstung. Wenn ich 
diesen Wunsch kurz und kraß ausdrücken darf: Ermietung 
eines gut erhaltenen und gepflegten Bauernhofs mit 10 bis 15 
Morgen Garten- und Ackerland, auf dem die Scheunen als 
Schlaf-, Unterrichts-, Eß- und sonstige Tagesräume und der 
Kuhstall als Brausebad eingerichtet werden. Mit jeder Schule 
ist das Wohnungsinternat für sämtliche Schülerinnen zu ver¬ 
binden. 

Weit größere Bedeutung als in Bürger- und höheren 
Kreisen hat der erziehliche Aufenthalt außerhalt des Eltern¬ 
hauses bei den Mädchen der breiten Volksschichten, 
namentlich den aus den Städten stammenden, für die der Land¬ 
aufenthalt an sich schon ein hervorragender Gesundungsfaktor 
ist. Sie müssen heraus aus den gewohnten Verhältnissen, heraus 
aus dem Schlendrian so manchen Elternhauses, gerade in dem 
Jahr, wo der weibliche Körper zur bewußten Jungfrau heran¬ 
reift. Heraus aus dem engen Zusammensein in Arbeiter¬ 
wohnungen und Mietskasernen, wo so mancher unvermeidbare 
Anblick das natürliche Empfindungsvermögen eines weiblichen 
Kindes abstumpft, wo dem edelsten angeborenen Gefühl des 
Weibes, dem Schamgefühl, in arger Weise Abbruch geschieht. 
Hier liegen die Wurzeln der Prostitution. Heraus 
aus den Städten mit dem ablenkenden Lärm und Straßenver¬ 
kehr, mit ihren Varietes, Kinos, Theatern usw. Das wirkt 
erziehlich schon viel, ja sehr viel, wenn sich damit die Weckung 
der Liebe zum Landaufenthalt und Verständnis für die Ge¬ 
schenke unserer allgütigen Mutter Natur verbindet. 

Für den Unterrichtsplan ist im allgemeinen voraus¬ 
zuschicken, daß die Ausbildung eine praktische, auf den Haus¬ 
halts- und Mutterberuf zugeschnittene sein muß. Der Theorie 
darf nur insoweit Rechnung getragen werden, wie sie zur Er¬ 
lernung und zum Verständnis der Fertigkeiten notwendig ist. 
Durch den gesamten Unterrichtsplan muß als roter Faden 
ziehen die erziehliche Entwicklung des dem Weibe angeborenen 
Kerns des Schamgefühls, nicht aber deshalb, um prüde Mucke¬ 
rinnen ins Leben zu schicken. Anderseits ist in der Mädchen- 



zur Vorbereitung für den Mutter- und Hauehaltsberuf. 


733 


erziehung vor der nicht durchdachten Anwendung des Grund¬ 
gesetzes: naturalia non sunt turpia, dringend zu warnen. Was 
natürlich, was von der allgütigen Mutter Natur vorgesehen und 
bestimmt ist, soll auch menschlich bleiben, wenn es mit dem 
im menschlichen Verkehr gebotenen Dekorum umgeben wird. 
Endlich ist die Schärfung des Gewissens für die von der 
Vorsehung dem Weibe auferlegten Pflichten, die Weckung der 
Liebe zum Kinde, das Verständnis für die Grundpfeiler der 
weiblichen Ethik und die Grundlagen praktischer Nächsten- 
und Vaterlandsliebe Aufgabe des Unterrichts. 

Als Unterrichtsgegenstände sind folgende Lehr¬ 
gebiete notwendig: 

1. Die Kenntnis des eigenen Körpers, der Zweckbestim¬ 
mung und Tätigkeit der lebenswichtigen Organe sowie die 
Erlernung der Körperpflege zur Gesunderhaltung. Ferner 
allgemeine Krankheitsvorbeugung in dem Sinne, daß nicht zur 
Krankheitsangst erzogen wird, sondern davon ausgehend, daß 
alle Krankheiten durch vernünftige Bedachtsamkeit und Rein¬ 
lichkeit vermeidbar sind. Aufklärung über die Gefahren der 
weiblichen Unterleibs- und der Geschlechtskrankheiten. Prak¬ 
tischer Erfahrung wird die Hinzunahme anderer ähnlicher Lehr¬ 
gebiete vorzubehalten sein. Die Kenntnis des eigenen Körpers 
setzt eine vorausgehende Untersuchung durch den Schularzt 
voraus, dem dieses Unterrichtsgebiet zufällt. Ich erhoffe von 
dieser wiederkehrenden gesundheitlichen Musterung unserer 
heran wachsenden weiblichen Jugend recht viel für die Vor¬ 
beugung und Erkennung der häufigen Pubertätsstörungen, die 
in diesem Lebensalter einsetzen. 

2. Turnen und Marschübungen durch Feld und Wald. 

3. Reinhaltung von Wohnung, Küche, Speisekammer, 
Keller und von Leib- und Bettwäsche. 

4. Garten-, Gemüse-, Obst- und Früchtepflege. 

5. Praktische Kochlehre für den Arbeiter- und bürgerlichen 
Haushalt — nicht Kochkunst nach Kalorien — mit den wesent¬ 
lichen Gesichtspunkten des Ernährungseffektes, der erfreuenden 
Schmackhaftigkeit und der anregenden Abwechselung der 
Speisen. 

Die Gebiete zu 4 und 5 ergeben allein die Notwendigkeit 
der einjährigen Dauer des Unterrichts, um im Jahresumlauf der 
Haushaltsversorgung in den verschiedenen Jahreszeiten Rech¬ 
nung tragen zu lernen. 

6. Die Grundsätze der Säuglings-, Geburts- und Wochen¬ 
bettpflege. 

7. Handfertigkeitsunterricht im Nähen, Stricken, Stopfen 
und Flicken. 

Die Ausbildung in diesem umfangreichen Gesamtlernstoff 
kann selbstverständlich nicht eine vollkommene und abschließende 
auf allen Einzelgebieten sein, dazu würde auch ein Jahr nicht 
ausreichen. Kunst der Unterweisung wird es sein und bleiben, 
vernünftige Grundlagen im Kenntnis- und Fähigkeitsbesitz der 



734 Dr. Deneke: Die Verlängerung der Mädchenschulpflicht 

Mädchen für die folgende Betätigung und Weiterbildung an 
den praktischen Lebensaufgaben zu schaffen. 

An Lehr- und Aufsichtskräften sind erforderlich: 

1. Eine leitende männliche Persönlichkeit zur Führung 
der Verwaltungsgeschäfte; 

2. ein Arzt oder eine Aerztin; in diesem Lehrberuf findet 
sich vielleicht ein besonders zweckentsprechendes Arbeitsfeld 
für die weiblichen Aerzte; 

3. Haushaltslehrerin; 

4. Kochlehrerin, 5. Handarbeitslehrerin, 6. Turnlehrerin, 
7. Gärtnerin und 8. der Ortsgeistliche. 

Welche und wie viele Lehrerinnenstellen zur Kosten¬ 
ersparnis durch eine auf verschiedenen Unterrichtsgebieten 
zugleich ausgebildete Lehrerin zu besetzen sind, entzieht sich 
meiner Kenntnis und Beurteilung. Aus demselben Grunde ist 
auch wohl denkbar, daß die Leitung und Verwaltung vom 
Schularzt übernommen wird, da in den letzten Jahrzehnten 
sich die Aerzte vielfach auf dem Verwaltungsgebiet mit Eifer 
und Erfolg betätigt haben. 

Wenn ich bewährten Männern der Schul- und Kommunal¬ 
verwaltung meinen Vorschlag der Verlängerung der Mädchen¬ 
schulpflicht hier und dort vortrug, begegnete ich stets vollem 
sachlichen Einverständnis: „Alles gut und schön, aber die 
Kosten?“ Die Wiederkehr dieser bedenklichen, manchen guten 
Gedanken im Keime erstickenden Frage verpflichtet mich, sie 
etwas eingehender zu beantworten. 

Es handelt sich um eine Staatsschule. Bei der Auf¬ 
wendung von Kosten aus staatlichen Mitteln kommen im 
wesentlichen in Betracht: Kosten a fonds perdu und werbende 
Kosten. Bei dem Aufwand von werbenden Kosten ist es die 
Kunst der Vorberechnung, daß das aufzuwendende Kapital im 
richtigen Verhältnis zu dem zu erwartenden Ertrag oder Gewinn 
steht, d. h., daß die Verzinsung des Anlagekapitals nach Mög¬ 
lichkeit gedeckt wird. Aehnlich liegt die Aufwendungsfrage 
bei der Gesundheitsverwaltung. Sie schafft mit dem Aufwand 
für die öffentliche Gesundheitspflege zum Teil Idealwerte, zum 
anderen Teil wirkliche Werte, die sich in der Ersparung von 
Kosten ausdrücken, die bis dahin z. B. für die Bekämpfung 
von Krankheiten aufgewendet sind. 

Der Idealwert „Gesundheit“ ist unschätzbar, weil er ein 
individueller Besitz von verschiedenen WertMür den Einzelnen 
ist. Beim Aufwand für Krankheitsbekämpfung ist die Vorfrage 
zu stellen: Stehen die Kosten im richtigen Verhältnis zu dem 
Schaden, den die Krankheiten verursachen, d. h. finanztechnisch 
ausgedrückt, werden die Zinsen des Anlagekapitals gedeckt 
werden durch die Ersparnis der Kosten, die bisher wieder¬ 
kehrend als Krankheitskosten buchmäßig feststehen oder 
errechnet w r erden können. Das höchste Ziel ist das Ver¬ 
schwinden der Krankheiten, die man bekämpfen will. Ist es 



zur Vorbereitung für den Mutter- und Haushaltsberuf. 


736 


erreicht und der Krankheitsentstehung und Verbreitung vor¬ 
gebeugt, so tritt au! den Kostengebiet dieselbe Sicherheit 
der Berechnung ein, wie au! dem Krankheitsbehandlungsgebiet 
mit dem Einsatz von ursächlich wirkenden Heilmitteln. Und 
gerade hier gilt der Erfahrungssatz: Vorbeugen ist billiger, 
leichter und wohltuender als heilen. In' diesem Sinne gibt es 
in der GesundheitsVerwaltung einen Werte schallenden Au!wand 
von „vorbeugenden“ Kosten. Sie spielen in der öüentlichen 
Gesundheitspflege eine gewaltige Rolle, die auüallender Weise 
in einzelnen Verwaltungszweigen noch nicht genügend gewürdigt 
wird, obwohl z. B. die Kosten !ür die Durchlührung der Reichs¬ 
versicherungsgesetzgebung, deren Aniänge nunmehr 32 Jahre 
zurückliegen, zu 70 v. H. vorbeugende sind und so glänzende 
Eriolge auiweisen. 

In den einleitenden Ausiührungen habe ich auseinander¬ 
gesetzt, daß es sich beim Staatskörper um krankhaite Erschei¬ 
nungen handelt, weil die 500000 Fruchtabtreibungen den 
abnehmendenWillen zum Kinde und die hohe Säuglings¬ 
sterblichkeit die mangelhaiteLiebe zuraKinde anzeigen. 
Die erziehliche Entwickelung von Wille und Gemüt als Auigabe 
der Schule soll aber Erfolge erzielen, die in unserem Falle in 
erster Linie dem Staate zu gute kommen. Also hat auch 
der Staat aus berechtigtem Interesse die Ver¬ 
pflichtung, die Kosten zu tragen. Wenn es nun richtig 
ist, wie von allen Einsichtigen angenommen wird, daß die 
unzureichende Vorbereitung der heranwachsenden weiblichen 
Jugend die Ursache des bereits erwiesenen Schadens und der 
drohenden Geiahr der weiteren Herabsetzung der Volkskrait 
ist, so handelt es sich um „vorbeugende“ Kosten. Wie hoch 
sind diese? 

Nach der Auskunit des Preußischen Statistischen 
Landesamts waren in Preußen Mädchen im Alter von 
14 Jahren vorhanden: 1912: 420608, 1913: 431636, 1914: 

420549. Da !ür die rechnerische Grundlage eine geringere Zahl 
in Frage kommt, weil ein gewisser Teil der Mädchen iniolge 
von körperlichen und geistigen Mängeln !ür den Unterricht 
ausfällt und weil — die Geburtsjahre dieser Mädchen liegen in 
1897, 1898 und 1899 — der gewaltige Geburtensturz erst mit dem 
Jahre 1900 beginnt, so nehme ich an, daß man für die Zukunft 
mit rund 400000 Mädchen rechnen kann, die für den Besuch 
der Staatsschule jährlich vorhanden sind. Bei Annahme von 
80 Schülerinnen für eine Schule würden daher 5000 Schulen 
in Preußen zu errichten sein. Nach G. W. Schiele beträgt 
der jährliche Aufwand auf dem Kopf eines unterrichteten 
Kindes 64 Mark. Daher würde der Unterricht an sich jährlich 
25600000 Mark kosten. Dazu kommt die Verpflegung der 
400000 Mädchen, die im Durchschnitt auf den Kopf mit 
300 Mark anzusetzen ist, also mit 120 Millionen Jahresaufwand. 
Endlich sind in Ansatz zu bringen die Kosten für die Ermietung 
der Schulgrundstücke und ihre äußere und innere Ausrüstung, 



736 Dr. Denoke: Die Verlängerung der MädchenschulptUcht usw. 

die ich überschläglich nicht anzugeben vermag. Sie sind im 
wesentlichen einmalige und bei der Miete laulende Kosten. 

Diesem Kostenaufwand sind natürlich auch Einnahmen 
gegenüber zu stellen. Es ist ein billiges Verlangen, daß jedes 
Mädchen Kleidung, Leib- und Bettwäsche mitbringt, die sie 
als ihr Eigentum nach Jahresschluß mit zurücknimmt. Jedes 
Mädchen muß aber einen Beitrag zu den Schul- und Ver¬ 
pflegungskosten entrichten, dem zweckmäßig die Steuerver¬ 
anlagung der Eltern zu Grunde gelegt wird. Z. B. ist zu zahlen 
für ein Mädchen bis zur Steuerstufe von 900 Mark Einkommen 
10 Pfennig für den Tag. Das sind 36 Mark im Jahr, die kann 
jeder Arbeiter für sein Kind aufwenden, wenn er die Sicher¬ 
heit hat, daß es zu einem tüchtigen Mädchen ausgebildet wird. 
Wenn es Dienstmädchen wird, ist diese Ausgabe durch erhöhten 
Lohn in 1—2 Jahren wieder eingebracht. Die Beiträge steigen 
stufenweise bis zu den höheren Steuersätzen, deren Ver¬ 
treterinnen die Durchschnitts-Schul- und Verpflegungskosten 
in ganzer Höhe zu entrichten haben. Diese Einnahmen sind 
selbstverständlich weit entfernt, die Gesamtkosten der Schulen 
zu decken. Deshalb muß man das Erträgnis dieser Ausbildung 
abzuschätzen suchen, um für das Anlagekapital und den erhebe 
liehen Rest der laufenden Kosten das Gegengewicht zu Anden. 

In den Vereinigten Staaten von Nordamerika haben die 
Nationalökonomen errechnet, daß jedes lebende Mitglied der 
Staatsgemeinschaft vom Säugling bis zum Greis einen Durch¬ 
schnitts-Nationalgeldwert von 14000 Mark darstellt. Wenn wir 
in Deutschland auch nicht die vielen Milliardäre haben, so ist 
doch der Wert jedes lebenden Deutschen deshalb mindestens 
ebenso hoch einzuschätzen, weil wir auch in Zukunft von 
Feinden umgeben sein werden, die uns nach dem Leben 
trachten. Zur Verteidigung ist jeder einzelne von denkbar 
höchstem Wert. Wir müssen uns also sagen, daß jeder Säug¬ 
ling bei uns als lebendes Nationalkapital mit mindestens 14000 
Mark zu bewerten ist. Wenn wir daher durch erziehliche Ein¬ 
wirkung auf das fortpflanzungsfähige weibliche Geschlecht es 
erreichen, daß von den 500000 Fruchtabtreibungen auch nur 
100000 verhindert werden, daß diese 100000 Früchte und die 
rechtzeitig geborenen Kinder dem Leben zugeführt werden und 
erhalten bleiben, so haben wir ein Nationalvermögen von 
1400 Millionen gewonnen. Nach Kabinettsrat Dr. von Behr- 
Pinnow sind in den letzten 40 Jahren „mindestens 8 Millionen 
Säuglinge gestorben, die wohl am Leben hätten bleiben und 
kräftige Menschen hätten werden können. u Würden wir in 
Zukunft durch verbesserte Säuglingspflege der Mütter auch 
nur eine Million Kinder retten, so wäre unser Nationalvermögen 
damit um 14 Milliarden vermehrt. Das sind gewaltige 
Gewinne, aber sie sind zu erstreben und zu er¬ 
zielen. Bei zweckentsprechender Gestaltung des 
Unterrichts können, ja müssen sie das Erträgnis 
des Kostenaufwands für die Mädchen-Staatsschu 1 en 



Dr. J. Bornfcräger: Zum Kampf gegen die Geschlechtskrankheiten. 737 

sein. Mit voller Berechtigung spricht es von Behr-Pinnow 
aus: „Wir können zweifellos Millionen und Abermillionen 
sparen; deswegen ist es außerordentlich notwendig, daß alle 
weiblichen Unterrichtsanstalten sich der Sache annehmen, aus 
dem jungen Mädchen auch eine Mutter heranzubilden, ein 
weibliches Wesen, das mit den wichtigsten Bedingungen und 
Vorbedingungen der Kinderaufzucht Bescheid weiß.“ 

In diesem Zusammenhang ist nur von der Vorbereitung 
zum Mutterberuf die Rede gewesen. Ein ebenso großer Raum 
ist in dem Unterrichtsplan für die Ausbildung zum Haushalts¬ 
beruf vorgesehen. Der große, unschätzbare volkswirtschaftliche 
Nutzen, der dadurch entsteht, daß die auf das Halten von 
Dienstmädchen angewiesenen Hunderttausende Familien nicht 
rohes, unhandliches, sondern erzogenes, auf den Dienst zuge¬ 
schnittenes Personal bekommen, ist in der Gewinnberechnung 
nicht eingeschlossen und auch nicht die Vorteile, die sich mit 
einem geordneten Stellennachweis der Schulen verbinden 
würden. 

Zum Kampf gegen die Geschlechtskrankheiten. 

Von Geh. Med.-Rat Dr. J. Bornträger, Regierangs- and Medizinalrat 

in Düsseldorf. 

Der Kampf gegen die Geschlechtskrankheiten ist, wie 
bekannt, aufgenommen. Von seiner Notwendigkeit wird jeder 
deutsche Medizinalbeamte ebenso überzeugt sein wie gewillt 
zur Mitarbeit. Die Frage, ob er dabei allen jenen Maßnahmen, 
die sich zurzeit in den Vordergrund drängen, als Mensch, 
Bürger und Arzt zustimmen kann, mag ausscheiden. Als erstes 
praktisches Ergebnis des gewollten Kampfes ist die Einrichtung 
von Beratungsstellen seitens der Landesversicherungsanstalten 
zu verzeichnen, ein Unternehmen, dessen Wirkung abzuwarten 
sein wird, das aber jedenfalls einen festen Anfang bedeutet 
und unzweifelhaft einen gewissen Nutzen stiften wird; denn 
wo immer nur ein wirklicher Willen zur Tat sich geltend 
macht, da ist stets ein Erfolg, selbst wenn von vornherein 
nicht alles gleich richtig angefaßt sein sollte. Natürlich wäre 
es nun aber keineswegs zu billigen, wenn weiter nichts geschehe, 
als diese Beratungsstellen auszubauen und ihre Erfolge abzu¬ 
warten. Tatsächlich sollen diese Stellen ja doch nur das 
anzustrebendp Verhalten der geschlechtlich Erkrankten in die 
Wege leiten, und es bleibt, abgesehen von verschiedenen 
allgemeinen Maßnahmen, noch reichlich Raum für die Durch¬ 
führung eben dieses Verhaltens selbst. 

Da dürfte u. a. ein Vorgehen von größter Bedeutung sein, 
das, soweit ich zu sehen vermag, in den bisherigen zahlreichen 
öffentlichen Erörterungen auffallend zurückgetreten ist, das ist 
die Durchführung einer vollständigen Heilung des 
akuten Trippers beim Manne. 

Im größeren Publikum, das ja naturgemäß keine medi- 



738 


Dr. J. Born träger. 


zinischen Kenntnisse besitzt, hat sich in Verfolg der öffentlichen 
Erörterungen über die Geschlechtskrankheiten in der Neuzeit 
bis in die weitesten Kreise die Vorstellung herausgebildet, als 
ob jeder, der an einer solchen, welche es auch sei, leidet oder 
gelitten hat, ein für allemal in seiner Person wie in seiner 
Nachkommenschaft als verdorben und verloren anzusehen sei. 
Der Mediziner weiß, daß diese Anschauung nicht richtig ist, 
daß erhebliche Unterschiede obwalten, und daß insbesondere 
der frische Tripper beim Manne in der überwiegenden Mehrzahl 
aller Fälle bei richtiger Behandlung und richtigem Verhalten 
des Erkrankten in einer geringen Anzahl von Wochen sicher 
und ohne Hinterlassung irgend welcher Folgen völlig geheilt 
werden kann, so zwar, daß der Mensch sich gesundheitlich und 
in bezug auf seine Fortpflanzungsfähigkeit wie auf die Gesund¬ 
heit seiner Nachkommenschaft in nichts von seinem Zustande 
vor dem Tripper unterscheidet. Wenn diese vollständige und 
baldige Ausheilung des frischen Trippers in vielen Fällen nicht 
erreicht wird, so liegt das lediglich daran, daß diesem Ge¬ 
schlechtsleiden nicht von vornherein mit demjenigen Emst 
begegnet wird, den die Erkrankung im Interesse des einzelnen 
wie der Allgemeinheit erfordert. Wie verläuft gewöhnlich die 
Sache? Der an Tripper Erkrankte begibt sich günstigen Falles 
in die Behandlung eines Arztes, sehr günstigen Falles in ein 
Krankenhaus und sucht zunächst die ihm gegebenen An¬ 
ordnungen in bezug auf Behandlung und Lebensweise mehr 
oder minder genau zu erfüllen. Sowie aber das akute Stadium 
der Krankheit nachläßt, die Beschwerden sich mindern, der 
Ausfluß geringer wird, lockert sich leicht das Verhalten; man 
will auf Betätigung, Arbeitsverdienst und Ungebundenheit des 
Lebens wegen dieses anscheinend nur örtlichen, zudem bereits 
sich bessernden Leidens nicht länger verzichten, und so wird 
die Arbeit, oft schwerere körperliche, wieder aufgenomraen, man 
bewegt sich reichlicher, ißt und trinkt Verbotenes versuchs¬ 
weise, raucht wieder kräftiger, sucht auch das Wirtshaus auf. 
Die nun eintretende Verschlimmerung des Leidens zwingt wohl 
wieder zu vorsichtigerem Leben; sowie aber die Besserung sich 
wieder zeigt, durchbricht man von neuem frühzeitig die Vor¬ 
schriften usw. und gelangt vom Bacchusdienst schließlich auch 
zum Venuskult. Die Folgen sind immer dieselben: Der Tripper 
verschlimmert sich wieder, wird allmählich chronisch und 
schwer heilbar, andere Organe — Vorsteherdrüse, Blase, Nieren, 
Hoden, Gelenke usw. — werden ergriffen, eine oder mehrere 
weibliche Personen angesteckt und damit neue Infektionsquellen 
geschaffen, Folgen, die umso schwerer wiegen, als die Heilung 
des Trippers beim Weibe bekanntlich viel schwieriger und 
langwieriger ist als beim Manne, außerdem leicht die berüchtigten, 
mit Sterilität einhergehenden Nachkrankheiten bewirkt. So 
läuft die Kette der Erkrankungen weiter, und alle diese An¬ 
steckungen erfolgen schließlich nur deshalb, weil der zuerst 
erkrankte Mann nicht die Eoergie aufwandte oder veranlaßt 



Zum Kampf gegen die Geschlechtskrankheiten. 


739 


wurde, für ein paar Wochen sich diejenigen Beschränkungen 
aufzuerlegen, die sein Zustand unbedingt forderte, und dadurch 
chronisch tripperkrank wurde. Der chronische Tripper 
des Mannes ist also der eigentliche Verbreiter dieser Geschlechts¬ 
krankheit, in dem Sinne, daß die Tripperkrankheit, auch beim 
Weibe, allmählich ausgerottet, zum mindesten stark eingedämmt 
werden würde, sobald es gelänge, den Uebergang der akuten 
Tripper in chronische zu verhüten. Der chronische Tripper¬ 
kranke spielt hier genau dieselbe Rolle wie der 
Bazillenträger nach Typhus oder der frei sich umher¬ 
bewegende Kranke mit offener Tuberkulose, nur mit 
dem Unterschiede, daß der chronische Tripper vielleicht noch 
infektiöser und — im Gegensatz zu jenen Erkrankungen — bei 
gutem Willen durchaus zu vermeiden wäre. 

Die Folgerung aus diesen Darlegungen ergibt sich von 
selbst; sie lautet: energischer Kampf gegen den Ueber¬ 
gang des akuten Trippers beim Manne in den 
chronischen Zustand, positiv gesprochen: Durchführung 
vollständiger Heilung des frischen Trippers. 

Man sollte meinen, diese Forderung sei die natürlichste 
von der Welt, geradezu eine Selbstverständlichkeit, und alle 
diejenigen, die sich heute der Bekämpfung der Geschlechts¬ 
krankheiten widmen, würden bereit sein, für ihre Durchführung 
einzutreten und zu wirken; auffallenderweise ist dies aber nicht 
der Fall. Als ich z. B. vor kurzem in einem kleinen Kreise 
bevölkerungspolitisch tätiger, im Kampfe gegen Unsittlichkeit 
wie gegen die Geschlechtskrankheiten eifrig beschäftigter Nicht¬ 
ärzte zum Ausdruck brachte, daß der akute Tripper für 
gewöhnlich in wenigen Wochen sicher und folgenlos zu heilen 
sei und demgemäß auch geheilt werden müßte, stieß ich auf so 
bestimmte Zweifel, als es die Höflichkeit nur zuließ; man habe 
doch so vieles über Geschlechtskrankheiten gehört und gelesen, 
aber solches sei noch nie gesagt; ein Tripper sei doch sehr 
schwer heilbar und schädige erheblich Fruchtbarkeit und 
Nachkommenschaft. Als ich dann meine Meinung über die 
Notwendigkeit des energischen Heilens des akuten Trippers 
bald darauf in einem großen ärztlichen Verein vorbrachte, stieß 
ich ebenfalls sofort auf Widerstand: Der Tripper sei eine rein 
örtliche Erkrankung, die weder Erwerbsunfähigkeit bedinge 
noch von den Erkrankten selbst als schwer aufgefaßt werde; 
diese wollten daher auch gar nicht als ernstlich krank ange¬ 
sehen, wohl gar zur Bettruhe oder Krankenhausbehandlung 
verurteilt werden; oft müßte die Behandlung auch heimlich 
erfolgen; die Krankenkassen würden geldlich nicht in der Lage 
sein, Krankenhausbehandlung und Krankengeld für alle ihre 
Tripperkranke zu zahlen, die Beratungsstellen sollten überhaupt 
nur für Syphilitische da sein, nicht für Tripper, die Kranken¬ 
häuser würden nicht ausreichen u. dgl. m. 

Man ist also in beteiligten Kreisen noch keineswegs davon 
überzeugt, welchen Wert ein energisches Vorgehen zur gründ- 



740 


Dr. J. Bornträger. 


liehen Ausheilung des akuten Trippers für die Bekämpfung der 
Geschlechtskrankheiten darstellt< 

Daher gilt es m. E. nunmehr planmäßig dafür einzutreten, 
daß der frische Tripper des Mannes mit einem seiner 
Bedeutung entsprechenden Ernst von vornherein behandelt 
und geheilt wird, d. h. der Erkrankte muß, wie es bei den 
Soldaten längst der Fall ist, tunlichst sogleich in ein Kranken* 
haus gebracht, hier sachgemäß behandelt und vor endgiltiger 
Heilung nicht entlassen werden. Nur in besonders günstig 
gearteten Fällen, also z. B. dort, wo eine sitzende, die Behand¬ 
lung nicht störende Berufstätigkeit ausgeübt wird und der 
Charakter des Erkrankten eine volle Gewähr bietet, sollte eine 
ambulante Behandlung genügen, sofern die fortlaufende ärztliche 
Kontrolle einen dauernden guten Fortgang ergibt. Die 
Heilung einer übertragbaren Krankheit ist überall auch eine 
der vornehmsten Bekämpfungsmittel gegen weitere Aus¬ 
dehnung; wenn daher immer wieder und wieder behauptet wird, 
Deutschland erleide fortlaufend einen Ausfall von 200 000 Ge¬ 
burten zufolge von Trippersterilität, dann gilt es gewiß 
auch, die Folgen zu ziehen und die Urheber dieses völkischen 
und familiären Schadens fester anzufassen und ihre Unschäd¬ 
lichmachung, d. h. rechtzeitige Ausheilung, zu verlangen. 

Es erhebt sich die Frage: Was ist zu tun? Wie sind die 
Widerstände zu überwinden, die sich zweifellos einer derartigen 
ernsteren Anfassung der Tripperkranken in den Weg stellen 
werden ? 

Die nächstliegende Antwort dürfte sein: „Aufklärung“, 
„Belehrung“, „Merkblätter“! Ich würde hierzu nicht allgemein 
raten. Es mag einmal von der vielumstrittenen Frage der 
Berechtigung der „Aufklärung“ sozusagen des ganzen Volkes 
über Geschlechtskrankheiten hier ganz abgesehen werden; sicher 
ist aber, daß heutzutage „Aufklärung“, „Belehrung“, „Merk¬ 
blätter“ über so viele Dinge und in einer solchen Fülle über 
unser Volk ausgestreut werden, daß es mir recht zweifelhaft 
erscheint, ob es einen wirklich guten Erfolg haben würde, 
wenn man hier noch eine Vermehrung eintreten lassen würde. 
Schließlich ist ja auch bereits die Bewegung im Gange, einerseits 
die an Tripper Erkrankten zum Aufsuchen eines Arztes zu 
veranlassen und anderseits die Aerzte in der Behandlung der 
Geschlechtskrankheiten gründlicher durchzubilden; es dürfte 
also darauf ankommen, auf die Aerzteschaft dahin einzu¬ 
wirken, daß frische Trippererkrankungen beim Manne tunlichst 
einer Krankenhausbehandlung, zum mindestens aber einer streng 
durchgeführten und kontrollierten richtigen Behandlung und 
Lebensweise bis zur Ausheilung unterworfen werden. Hierfür 
müßten die Universitäten, Akademien für praktische Medizin, 
Aerzteorganisationen, Krankenkassenärzte, zumal auch die 
Spezialärzte für Haut- und Geschlechtskrankheiten und die 
Krankenhausärzte gewonnen werden. Daß ein Tripper bis zu 
seiner Ausheilung arbeitsunfähig macht (Bedingung für die 



Zum Kampf gegen die Geschlechtskrankheiten. 


741 


Gewährung des Krankengeldes), wird ein Arzt bei voller 
Würdigung der Bedeutung des Leidens und der schädlichen 
Wirkung schwerer körperlicher Arbeit, lebhafterer Bewegung 
und unregelmäßiger Lebensweise allezeit mit vollem Rechte 
bescheinigen können. 

Weiter sollte man die Vorstände und großen Vereinigungen 
der Krankenkassen allerlei Art für die Sache erwärmen 
und ihnen das weitere hinsichtlich der Gewinnung ihrer Mit¬ 
glieder überlassen. Ich könnte mir denken, daß die Bereit¬ 
stellung der Geldmittel einerseits und die Einwirkung auf die 
einzelnen Erkrankten anderseits gute Erfolge zeitigen müßten, 
vielleicht bessere als eine allgemeine Erörterung der Ange¬ 
legenheit. Insbesondere könnte ein verständiges Hand in Hand 
Gehen von Arzt und Vorstandsmitglied wirksam sein, z. B. 
wenn ein an Tripper Erkrankter sich weigert, ein Kranken¬ 
haus aufzusuchen, oder ein solches vor völliger Ausheilung 
verlassen will. Es dürfte doch wohl mancher folgsam sein, 
wenn ihm die Alternative ernst vor Augen geführt wird: 
Auf der einen Seite eine kurze, nur einige Wochen dauernde 
gewisse Entsagung und Verdiensteinbuße mit der sicheren 
Aussicht auf völlige Heilung und auf der anderen Seite 
zwar zunächst kein Erwerbsausfall und geringere Entsagung, 
dafür aber die ebenso sichere Aussicht auf ein monate- 
oder jahrelanges höchst lästiges chronisches Leiden, verbunden 
mit erheblicher Ansteckungsfähigkeit, daher mit Heiratsunmög¬ 
lichkeit, und leicht gefolgt von schweren, oft unheilbaren Nach¬ 
krankheiten. Ich glaube, daß derartige systematische, von Fall 
zu Fall und von Person zu Person erfolgende Einwirkungen, 
wie es gerade die Beratungsstellen vorsehen, weit wirksamer 
sein werden als die allgemeine Besprechung dieser heiklen 
Dinge in breiterer Oeffentlichkeit, vor Versammelten ver¬ 
schiedenen Alters und verschiedener Stände, wohl gar beider 
Geschlechter. 

Schließlich wollen wir aber auch nicht ganz vergessen, 
daß der Vorstand der Krankenkasse Strafen bis zum dreifachen 
Betrage des täglichen Krankengeldes nach § 529 der Reichs¬ 
versicherungsordnung gegen einen Versicherten für jeden 
Uebertretungsiall, sofern dieser die Krankenordnung oder die 
Anordnungen des behandelnden Arztes Übertritt, festsetzen 
kann; auch von dieser Befugnis könnte gelegentlich wirkungs¬ 
voller Gebrauch gemacht werden. 

Was die Kosten anlangt, so dürfte es zunächst zweifel¬ 
haft sein, ob die Ausgaben der Krankenkassen bei grundsätzlicher 
Krankenhausbehandlung und Erwerbsunfähigkeitserklärung der 
akut tripperkranken Männer wirklich erheblich steigen würden; 
denn es darf nicht vergessen werden, wie viele Ersparungen 
an der Behandlung der chronischen Tripper und seiner 
Nachkrankheiten sowie infolge von Verminderung weiblicher 
Erkrankter gemacht werden würden. Am letzten Ende aber 
dürfte die Geldfrage bei der Durchführung dieser hygienisch 


4 



742 


Kleinere Mitteilungen and Belerate aas Zeitschriften. 


und völkisch wichtigen Aufgabe nicht hinderlich sein; sollten 
die Mittel der Kassen wirklich nicht genügen, so würden andere 
öffentliche Mittel, z. B. der Landesversicherungsanstalt sicher 
zu erhalten sein. 

Ob es nötig sein wird, die Zahl der Krankenbetten 
in öffentlichen Krankenhäusern zu vermehren oder besondere 
Abteilungen solcher zu errichten, wird von Pall zu Pall zu 
entscheiden sein. Ebenso werden vielleicht noch andere auf¬ 
tauchende Fragen zu lösen sein. 

Zweck dieser Ausführungen sollte es nicht sein, einen 
vollständigen Plan zur Ausheilung und Ausrottung des Trippers 
zu entwerfen, sondern lediglich auf die Bedeutung der bestimmter 
ins Auge zu fassenden Ausheilung des frischen Trippers 
hinzuweisen. Sollte dies in einigermaßen erheblichem Umfange 
bald gelingen, so würden wir der Niedrighaltung dieser Form 
von Geschlechtskrankheiten und damit der Zahl dieser Er¬ 
krankungen überhaupt ganz erheblich näher kommen und zwar 
auf einfachere Weise und voraussichtlich gründlicher,schneller und 
unter allgemeinerer Zustimmung, als mancherlei weitgreifende 
Vorschläge unserer Tage, deren Berechtigung wie Wirksamkeit 
gleich umstritten sind, erwarten lassen. Unlängst las ich in 
einer medizinischen Zeitung die Bemerkung eines Arztes, man 
solle eine Vereinigung zur Bekämpfung des Trippers gründen. 
Soweit möchte ich nicht gehen; aber der Grundgedanke dieses 
Vorschlags entspricht durchaus meiner Auffassung; jedenfalls 
ist ein vers chärftes Heil Vorgehen gegen den frischen 
Tripper des Mannes ein unausweichliches Gebot unserer 
bevölkerungspolitischen Bestrebungen. 


Kleinere Mitteilungen und Referate aus Zeitschriften. 

A. Oeriohtllehe Medizin. 

Plötzlicher Tod durch MagenUberfüllung. Von Dr. W. Kürbitz. 
(Aus der Königl. Sachs. Heil* und Pflegeanstalt Sonnenstein.) Aerztliche Sach* 
verständigen-Zeitung; 1916, Nr. 21. 

Es wird über 2 Fälle berichtet, in denen verblödete ältere Insassen einer 
Pflegeanstalt, die gewohnheitsgemäß alle ihnen Vorgesetzten Speisen gierig and 
hastig, ohne zu kauen berunterschlangen, plötzlich starben, ohne vorher krank 
gewesen zu sein. Die Sektion ergab beide Male übereinstimmend einen 
ad maximum aufgetriebenen Magen, der viel unverdaute Speisereste und viel 
Luft enthielt, Hochstand des Zwerchfells und Verlagerung des Herzens nach 
links und oben. Diese Wahrnehmung wird nicht als eine zufällige zu be¬ 
zeichnen sein, sondern ist mit dem Tod direkt in ursächlichen Zusammenhang 
zu bringen. Die inneren Organe, namentlich Herz und Nieren, waren abgenutzt 
und krank. Wenn die Lageveränderung des Herzens nebst starken Magen* 
und Darmauftreibnngen keine besonderen Krankheitserscheinungen und Be¬ 
schwerden hervorgerufen hatten, so hängt das damit zusammen, daß die be¬ 
treffenden Personen geistesschwach waren und solche im Widerspruch za ihren 
körperlichen Leiden oft keine Klagen Vorbringen. 

Die veränderten Lage- und Druckverhältnisse im Zusammenhang mit 
schweren Herz- und Nierenveränderungen führten zusammen zu dem plötzlichen 
Tod. Die jetzigen ungünstigen Ernährungsverhältnisse lassen es möglich er¬ 
scheinen, daß ähnliche Fälle, die im übrigen in der Literatur nicht beschrieben 
sein sollen, sich wiederholen. Dr. Solbrig-Königsberg i. Pr. 



Keinere Mitteflangen and Referate ans Zeitschriften. 


743 


B. Oerlohtllohe Psyohiatrie. 

Zar Kenntnis and gerichtsärztlichen Beurteilung psjchopatischer 
Zustände. Von Prof. Dr. R a e c k e - Frankfurt a. M., zurzeit im Felde. Aerzt- 
liche Sachverständigen-Zeitung; 1916, Nr. 22. 

Ein lehrreicher Fall aus der gerichtsärztlichen Praxis gibt dem Verfasser 
die Veranlassung, die praktische Bedeutung psychopathischer Zustände hervorzu, 
heben und zu beleuchten. Als Psychopathen bezeichnet Ra eck e solche Individuen 
die infolge angeborener oder erworbener Schädigung der Qehirnfunktion auf seeli¬ 
schem Gebiete eine Reihe ungewöhnlicher Erscheinungen zeigen, welche zunächst 
noch nicht so stark ausgeprägt sind, daß sie Geistesstörung bedingen, indessen 
unter der Einwirkung geeigneter Momente jederzeit und vorübergehend eine 
solche Stärke erreichen können. Im einzelnen kommen die mannigfachsten 
Schattierungen und Möglichkeiten vor. Die intellektuelle Begabung kann 
überraschend gut, aber auch direkt schlecht sein. Das Affekt- und Triebleben 
bieten bald abnorme Erregbarkeit, bald zu geringe Ansprecbbarkeit. Die 
ethischen Empfindungen sind manchmal verkümmert; mißtrauische Eigen¬ 
beziehung und wahnhafte Gedankenrichtung sind angedeutet. Im Vordergründe 
steht aber stets das Unharmonische and Unausgeglichene in der psychischen 
Konstitution mit der Neigung zu großer Unbeständigkeit und eine herabgesetzte 
Widerstandsfähigkeit gegen einwirkende Schädlichkeiten. 

Der hier genauer beschriebene Fall betrifft einen jungen Mann, der 
allerlei abenteuerliche und schwindelhafte Dinge hinter sich hatte, von jeher 
eine Neigung zum Erfinden phantastischer Geschichten besaß und das Bild 
der „Pseudologia phantastica“ darbot. Im besondern handelte es sich noch 
darum festzustellen, ob Anfälle von Bewußtlosigkeit, die verschiedentlich 
aufgetreten waren, aber ärztlicherseits nur in Spanien beobachtet worden 
waren, als epileptische zu deuten seien. Diese Frage verneint Verfasser; er hält 
die Anfälle vielmehr für hysterischer Art, wie sie ganz zu der psychopathischen 
Persönlichkeit des Untersuchten passen. Das 8chlußgutachten lautet dahin, 
daß Geisteskrankheit im Sinne des § 51 8t. G. B. nicht vorliegt, es sich aber 
um ein von Haus aus geistig minderwertiges Individuum (Psychopath mit 
hysterischen Zuständen und krankhaft entwickelter Phantasietätigkeit) handelt, 
bei dem die Zurechnungsfähigkeit als vermindert anzusehen ist. 

Der Fall, der vorher von anderen Aerzten verschiedentlich gedeutet 
worden war, lehrt, wie hervorgehoben wird, daß es dem Nichtfachmann schwer 
wird, die Persönlichkeit eines Psychopathen in ihrer Gesamtheit richtig zu er¬ 
fassen, daß aber gerade die Kenntnis derartiger Grenzzustände namentlich mit 
Rücksicht auf die jetzt erfolgende militärische Einstellung so mancher bisher 
als untauglich angesehenen Psychopathen von großer Bedeutung ist. 

Dr. Solbrig-Königsberg i. Pr. 


O. Baohveritindigrat&tlgktlt auf milltär&rztllohem Gebiete. 

Ein charakteristisches, künstlich erzeugtes Geschwür. Von Regiments¬ 
arzt Dr. Liebl. Wiener klinische Wochenschrift; 1916, Nr. 41. 

Es handelt sich um kreisrunde Substanzverluste, mit glatten scharfen 
Rändern. Ein Entzündungshof besteht nicht. Der scharfe Rand stellt einen 
dünnen, weißen Saum dar. Der Boden des Geschwürs ist in frischem Zustande 
mit einem schmutzigbraunschwarzen fest anhaftenden Belag bedeckt. Zwischen 
Saum und Belag ist das Gewebe stark injiziert und hat eine Breite von 
2—5 mm. 

Der Verfasser gibt interessante Bilder von Verätzungen, deren Diagnose 
den Aerzten oft schwierig war. In einem Falle bestand ein Geschwür an der 
Urethra, das sich der Träger bei einer Prostituierten geholt -haben wollte. 
Die Leibesuntersuchung förderte mehrere krystallinische Stücke in einer 
Blechschachtel zutage, deren chemische Untersuchung „Laugenstein“ ergab. 
(Es handelt sich anscheinend um Kali causticum fusum, das auch als Aetzstein 
bezeichnet wird.) Dr. Mayer-Simmern. 



744 


Kleinere Mitteilungen and Referate aas Zeitschriften. 


D. Saohverst&ndlgent&tlgkeit ln Unfall- and Invalidität»- and 
Krankenversiohernngaaaohen. 

Winkelmaßapparat. Von Dr. von Poschinger, Spezialarzt für 
Chirurgie und Orthopädie in München. Aerztliche Sachverständigen-Zeitung: 
1916, Nr. 22. 

Es wird ein kleines Instrument beschrieben und abgebildet, das in ein¬ 
facher und handlicher Weise eine genaue Messung der Exkursionsbreite der 
Gelenkbeweglichkeit ermöglicht. Der Apparat hat sich nach Angabe seit 
Jahresfrist in einer medikomechaniscben Abteilung eines Münchener Reserve- 
lazaretts bewährt (zu beziehen von Je11er und Scheerer in Tuttlingen). 

Dr. Solbrig -Königsberg i. Pr. 


Ueber Arbeitsbehandlung im Heilverfahren für Versicherte, mit 
besonderer Berücksichtigung der Heilstätte der Landesversicherungsanstalt 
Königreich Sachsen In Gottleuba. Von San.-Rat Dr. Bartels, Chefarzt 
der Heilstätte Gottleuba. Aerztliche Sachverständigen-Zeitung; 1916, Nr. 21. 

So zweifellos für manche Kranke eine körperliche Arbeit, ein wirksames 
Bchandlung8- und Heilmittel sein kann, so sicher ist es auch, daß bestimmte 
Voraussetzungen zutreffen müssen, um das zu erreichen, was man will, nämlich 
eine Kräftigung des Körpers und einen heilsamen Einfluß auf das Seelenleben. 

Die Voraussetzungen dazu sind: 

1. Vorhandensein geeigneter Krankheitsfälle, deren Behandlungsdauer keine 
beschränkte sein darf und ärztlicherseits zu bestimmen ist; 

2. Abschluß der eigentlichen Heilbehandlung im engeren Sinne vor Einsetzen 
der Behandlung mit Arbeit; 

3. Vorhandensein der verschiedensten Arbeitsarten und Einrichtungen; 

4. Vorhandensein eines ausreichenden, geschulten Und vorgebildeten Lehr- 
und Aufsichtspersonals (für Männer männliches, für Frauen weibliches 
Personal); 

5. Vorhandensein eines erfahrenen Arztes, der praktische und technische 
Erfahrungen hat,^um die Art der Arbeit beurteilen und diese dosieren zu 
können. 

Von den Krankheitsformen eignen sich meist nicht: alle Fälle von 
körperlicher und nervöser Erschöpfung und Blutarmut, Muskel- und Gelenk¬ 
erkrankungen, Krankheiten der Atmungs- und Kreislauforgane, des Magendarm¬ 
krebs und Stoffwechsels, dagegen sind gewisse Fälle von funktionellen Nerven¬ 
krankheiten für eine Arbeitsbehandlung geeignet. 

Es ist falsch, wenn, wie es oft geschieht, den Kranken, ohne daß er 
irgendwie mit dem betreffenden Handwerkszeug vertraut ist, ein Spaten oder 
eine Hacke in die Hand gedrückt wird, damit er die beliebte Gartenarbeit 
verrichte. Eine „Beschäftigung“ ist aber noch keine „Arbeitsbehandlung“. 

Man sollte die Arbeitsbehandlung in Heilstätten verrichten, in denen 
unter gewissen Bedingungen die Arbeit ein wesentliches Kurmittel ist. Dies 
können Lungenheilstätten, Heilanstalten für Nervenkranke, Trinkerheilstätten 
sein, jedoch ist die beste Lösung die, in besonderen Arbeitsheilstätten 
diese Behandlung durchzuluhren. Die vom Verfasser geleitete Heilstätte gilt 
ihm danach nicht für besonders geeignet. Dr. Solbrig-Königsberg i. Pr. 


Die durch einen Selbstmordversuch verursachte Invalidität begründet 
nur dann Rentenansprnch, wenn der Versuch dem Versicherten nach 
seinem geistigen Zustand zuzurechnen ist. Revisions-Entscheidung 
des Reichsversicherungsamts vom 11. Dezember 1915. 

. . . Der Kläger litt nach dem Gutachten des Sachverständigen an 
Nervenschwäche, besonders Herzneurose. Nach einem Berichte der Gefängnis¬ 
verwaltung vom 10. Mai 1904 ist bei dem Kläger auch im Dienste wiederholt 
Aufgeregtheit bemerkt worden. Endlich soll nach diesem Bericht eine Schwester 
des Klägers im Irrenhause gestorben sein. Aus den Akten ergibt sich, daß 
der Kläger ein jährliches DicnsteiDkommen von 1500 M. gehabt hat und daß 
seine Familie aus Frau und fünf Kindern bestand. Er ist häufig wegen dienst¬ 
licher Verfehlungen bestraft worden und hat, anscheinend infolge leichtfertigen 
Lebens, Schulden gehabt. 



Kleinere Mitteilungen and Referate aus Zeitschriften. 745 

N. 

Schon im allgemeinen liegt bei Personen, die in selbstmörderischer Ab¬ 
sicht Hand an sich legen, die Vermutung nahe, daß sie unter dem Einfluß 
geistiger Entartung und Schwäche stehen. Infolgedessen fehlt es ihnen meist 
an der Fähigkeit, ihre Lage richtig zu beurteilen und die Wege zu erkennen, 
die sie durchs Leben führen. Vielfach wird dazu das geistige und seelische 
Leben dieser Personen durch Mangelhaftigkeit ihres Gesundheitszustandes oder 
durch die äußeren Umstände, von denen sie dauernd oder augenblicklich be¬ 
herrscht werden, derart gestört, daß sie als geisteskrank anzusehen sind und 
daß ihnen daher ihr Handeln nicht zugerechnet werden kann. Der Kläger 
war nach den Akten ein nervenschwacher, reizbarer Mensch von geringer 
innerer Festigkeit, er stand unter dem Drucke mißlicher wahrscheinlich durch 
seine Haltlosigkeit herbeigeführter wirtschaftlicher Verhältnisse, und es ist 
daher keineswegs ausgeschlossen, daß er den Selbstmordversuch in geistiger 
Gestörtheit begangen hat. Nach dieser Richtung ist der Sachverhalt nicht 
genügend aufgeklärt; deshalb war unter Aufhebung des angefochtenen 
Urteils die Sache zur weiteren Erörterung. und neuen Entscheidung an das 
Oberversicherungsamt zurückzuverweisen. 


Bestimmt eine Kassensatzung, daß versicherungsfreien Ehefrauen 
der Mitglieder, abgesehen von einer GeldunterstHtzuug, lediglich die er« 
forderliche Geburtshilfe zu gewähren ist, so sind darunter auch Hebammen« 
dtenstezu verstehen. Revisions-EntscheidungdesReichversiche- 
rungsamts vom 11.März 1916. 

Die Entscheidung, ob der Kläger auf Grund der Ziff. a noch weitere 
10 M. beanspruchen kann, hängt hiernach, wie auch die Vorinstanzen zutreffend 
aunehmen, davon ab, ob unter erforderlicher Geburtshilfe lediglich die 
Tätigkeit des Arztes oder auch diejenige der Hebamme zu verstehen ist. 
Das Reichsversicherungsamt hat letzteres angenommen. Es ist zunächst nicht 
zutreffend, daß nach dem allgemeinen Sprachgebrauche Hebammendienste nicht 
der Geburtshilfe zugerechnet werden. Die allgemeine Verfügung des königl. 
preußischen Ministers der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegen¬ 
heiten vom 6. August 1883, betr. das Hebammenwesen (Min.-Bl. der inn. Verw. 
8. 211), sagt z. B. in § 1, daß die gewerbliche Ausübung der geburtshilflichen 
Tätigkeit durch Frauen innerhalb des preußischen Staates nur den Hebammen 
zusteht. Diese Auffassung wird durch die Ausdrucksweise der Reichsversiche- 
rungsordnung bestätigt. Dort wird in § 198 von Hebammendiensten und ärzt¬ 
licher Geburtshilfe gesprochen. Hiernach mul) angenommen werden, daß beide 
Tätigkeiten unter den gemeinsamen Begriff Geburtshilfe fallen und daß bei 
der Geburtshilfe zwischen Ilebammendiensten und ärztlicher Geburtshilfe zu 
unterscheiden ist. Auch ist die Annahme des Versicherungsamts willkürlich, 
daß die Kosten für die Hebammendienste aus der Unterstützung zu be¬ 
streiten seien, die nach Ziff. c im Falle der Entbindung der Ehefrau gewährt 
wird. Näher liegt es anzunehmen, daß dieser Betrag als Beihilfe zu den 
Pflegekosten der Wöchnerin und des Neugeborenen gedacht ist. Hiernach 
war die Kasse nicht berechtigt, die vom Kläger erhobene Forderung von 10 M. 
zurückzuweisen. Dagegen ist sic zum Ersätze weiterer 80 Pf. für Portokosten 
nicht verpflichtet, da Geldleistungen grundsätzlich bei der Krankenkasse ab¬ 
zuholen und sonstige erstattungspflichtige Kosten nicht nachgewiesen sind. 


E. Bakteriologie und Bekämpfung der flbertragb&renjKrankheiten. 

1. Ruhr. 

Ueber Schwierigkeiten bei der serologischen Diagnose der Shiga« 
Kruse-Ruhr und Uber Modifikationen der Technik der Agglutination. Aus 

dem Königl. Institut für Infektionskrankheiten „Robert Koch“ ( Abteilungs- 
Vorsteher: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Neufeld). Von Dr. 0. Schiemann. 
Berliner klinische Wochenschrift; 1916, Nr. 39. 

Die neueren Erfahrungen während des Krieges haben gezeigt, daß im 
Serum Typhusgeimpfter häutig Mitagglutinine auch für Shiga-Kruse- 
Ruhrbazillen auftraten. Der Wert einer positiven Agglutination von Shiga- 
K r u s e• Ruhrbazillen mit dem Serum verdächtiger Krankheitsfälle ist dadurch 
erheblich herabgesetzt. Bei Prüfung einer größeren Anzahl von Patientensera 



746 


Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


konnte Verfasser feststellen, daß höchstens in einer Verdünnung von 1 :100 
eine Wahrscheinlichkeitsdiagnose anf Shiga-Rnhr za stellen ist. Nan ver¬ 
dient eine neae Form der Reaktion, nämlich die Beobachtung der grob- 
klumpigen Agglutination, großes Interesse. Diese Reaktion ist bei 
echten S h i g a - K r u s e - Ruhrinfektionen fast stets zu finden. Auch Schie¬ 
mann konnte unter 23 mit 3 stark agglutinierenden Patientensera geprüften 
Shiga-Kruse-Stämmen bei 21 das Phänomen der grobklumpigen Agglu¬ 
tination, wenn auch in verschiedenem Qrade, feststellen; in den beiden anderen 
Fällen wurde nur eine feinkörnige Agglutination erzielt. Es bedarf für diese 
Reaktion der Auswahl besonderer Stämme, mit deren Hilfe es gelingt, sie zu 
erzielen; das Optimum lag bei der Verdünnung 1:60. Zur Anstellung der 
Probe darf das Reagenzglas nicht geschüttelt, sondern nar leise bewegt werden. 
Die Hauptkennzeichen der groben Agglutination sind die außerordentliche 
Oröße, die unregelmäßige Form and verschiedenartige Korngröße der agglu¬ 
tinierenden Partikel. Dr. 8 o 1 b r i g - Königsberg i. Pr. 


Zur Bakteriologie and Aetlologle der Rohr. Von Oberstabsarzt Prof. 
Dr. Karl Sternberg, Präses einer Salabritätskommission. Wiener klinische 
Wochenschrift; 1916, Nr. 40. 

Das starke Mißverhältnis zwischen der Zahl der positiven Dysenterie¬ 
bazillenbefunde und der durchgeführten Untersuchungen findet im Felde seine 
Erklärung zunächst in der großen Hinfälligkeit der Rnbrbazillen. Je 
früher die Proben nach der Defäkation entnommen and je rascher sie ver¬ 
arbeitet werden, am so größer ist die Zahl der positiven Befunde. Auch das 
Alter der Fälle ist von großer Bedeutung. Im Beginne der Erkrankung werden 
mehr Bazillen ausgeschieden, als später; in subakuten und chronischen Fällen 
wurden sie nur intermittierend ausgescbieden. Ferner kommt die Methodik 
und die Art des Materials in Betracht. Nun werden viele Fälle wegen 
Ruhrverdachtes in Isolierstationen abgegeben, die sich später in anderer Weise 
aufklären. Unter dem Zwang der Kriegsverhältnisse hat sich im Laufe der 
Zeit folgende Methodik ausgebildet: Gehäufte Diarrhoen, namentlich blutig¬ 
schleimige Abgänge begründen den Verdacht auf Ruhr; jeder Brechdurchfall 
wird als Choleraverdacht und jede unklare fieberhafte Erkrankung als Typhus¬ 
verdacht abgeschoben. Gar mancher Typhnsverdacht erweist sich nachher als 
Appendicitis oder als Malaria; die isolierten Fälle von Choleraverdacht klären 
sich in der Regel als akute Gastroenteritiden, Paratyphen oder Dysenterien 
auf; unter den Fällen von Ruhrverdacht finden sich Paratyphen, meist Para¬ 
typhus B, vereinzelt auch Paratyphus A. Tatsächlich kann das klinische Bild 
der Ruhr, d. h. einer akuten hämorrhagischen Enteritis durch Paratyphus¬ 
bazillen und durch Streptokokken erzeugt werden. Für das ätiologisch nnd 
pathologisch-anatomisch gut charakterisierte Krankheitsbild der Dysenterie 
empfiehlt der Autor diesen Namen zu reservieren, während er die übrigen, 
klinisch ähnlichen Fälle als symptomatische Rahr zusammenfaßt. Von 
den Schädigungen, die hierzu Anlaß geben, hebt er hervor: Starke Strapazen, 
Erkältungen, Durchnässungcn, Unregelmäßigkeiten der Nahrungsaufnahme; 
Genuß von unreifem Obst, von Schneewasser, das in vielen Stellungen die 
einzig erreichbare Wasserspende gebildet hat. Es handelt sich hier meist tun 
nicht infektiöse Enteritiden; bei kleinen geschlossenen Abteilungen konnte 
man wiederholt die Beobachtung machen, daß nur ein geringer Prozentsatz er¬ 
krankte. — Kliniker und Bakteriologen müssen weiterhin Zusammenarbeiten, 
am die Unterscheidung and Abgrenzung der verschiedenen Formen syptoma- 
tischer Ruhr, sowie der echten Dysenterie zu ermöglichen. 

Dr. Mayer- Simmern. 


Rohr- and Rnhrbehandlung. Von Prof. E. Mayer-Berlin (zarzeit im 
Felde). Berliner klinische Wochenschrift; 1916, Nr. 39 und 40. 

Es wird über zahlreiche Erkrankungen von Ruhr berichtet, die sich in 
zwei verschiedenen Gruppen abspiclten und ein gauz verschiedenes Krankbeits- 
bild darboten. Bei der ersten Gruppe handelt es sich um Truppen, die nach 
völliger Winterrbhe im Mai 1915 in Ostpreußen erkrankten, bei der zweiten 
Gruppe waren die Erkrankten Soldaten, die große Anstrengungen im Herbst 
1916 in Rußland hinter sich hatten. Die erste Gruppe betrifft Krankheitsfälle 



Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 


747 


mit dem Charakter der gewöhnlichen gastrointestinalen Katarrhe, die Fälle der 
zweiten Groppe weisen das geschlossene Bild der typischen Rohr auf. Das 
bewiesen die schweren typischen Fälle, die aof spezifisches Serum vortrefflich 
reagierten. Wenn auch nach dem Fehlen der Ruhrbazillen bei der Sektion 
trotz anatomisch echter Ruhr, wie es manchmal beobachtet wurde, die Ver- 
motong nahe liegt, daß zuweilen auch andere Erreger (Paratyphus, Strepto¬ 
kokken u. a.) ein ähnliches Krankheitsbild hervorrufen können, so lehren die 
hier gemachten Erfahrungen doch, daß die ätiologische Rolle spezifischer Ruhr¬ 
bazillen festzuhalten und die Diagnose in erster Linie auf die klinische Beob¬ 
achtung za gründen ist. Die spezifische Behandlung der Ruhrinfektion wird 
empfohlen. Frühzeitige Anwendung ist Vorbedingung, auch müssen große 
Dosen gegeben werden. Der übrige Teil der Behandlung darf aber nicht ver¬ 
nachlässigt werden. Der Prophylaxe ist durch Isolierung der Bazillenträger 
und deren hygienische Regelung, durch geeignete Kost und Unterkunft sowie 
durch passive Schutzimpfung, Rechnung zu tragen. 

Dr. Solbrig-Königsberg. 

2. Geschlechtskrankheiten und Bekämpfung der Prostitution. 

Eigentümliche Folgen einer Intramuskulären Salvarsanlnjektlon. 

Von Prof. Dr. R. Polland -Graz. Wiener klinische Wochenschrift; 1916, Nr. 42. 

Das Salvarsan zeichnet sich, wie die Beobachtung bei allen Salvarsan- 
nekrosen lehrt, dadurch aus, daß es die Bildung polynukleärer Leukozyten 
vollständig verhindert. Zum Teil ist dies durch die starke bakterizide 
Kraft des Salvarsans bedingt, welche die Entwicklung irgendwelcher eiter¬ 
erregender Mikroorganismen nicht zuläßt. Da wir aber bei vielen Prozessen 
eine aseptische demarkierende Eiterung kennen, die manchmal sehr be¬ 
trächtlich sein kann, so muß bei der Salvarsannekroso doch noch eine be¬ 
sondere, rein chemische Eigenschaft des Halvarsans im Spiele sein, die auf 
die Eiterzellen negativ chemotaktisch wirkt und es bewirkt, daß Ge¬ 
webszellen, in denen sich ein Salvarsandepot befinden, von Leukozyten geradezu 
gemieden werden. Diese Eigenschaft kommt auch anderen Arsenverbindungen 
zu und wird in der Technik der Konservierung mit Vorteil ausgenutzt. 

Eine Patientin hatte vor 2 Jahren in Berlin eine Salvarsaninjektion in 
die Glutaealmuskulatux bekommen. Ein nußgroßer Gewebsnekron hatte sich 
in vielen Wochen unter Hinterlassung einer großen trichterförmig eingezogenen 
Narbe abgestoßen. Der nekrotische, aseptische Abszeß führte zur Bildung 
einer Hautfistel, durch die sich ein Teil des Gewebes abstieß, ferner zur 
Bildung eines aseptischen, „kalten“ Senkungsabszesses. Die Sonde 
passierte 14 cm tief einen weiten Gang, der sich zu einem flachen Hohlraum 
erweiterte. 

Heilung unter Pinselung der Fistelöffnung mit Lapislösung. ■ 

Dr. Mayer- Simmern. 

Fürsorge für die aus dem Felde heimkehrenden geschlechtskranken 
Eisenbahner. Von Dr. Herrnberg-Berlin. Zeitschrift für Bahnärzte; 
1916, Nr. 11. 

1. Alle Geschlechtskrankheiten müssen durch die Fürsorge gefaßt 
werden. 

2. Die Absonderung in Spezialinstituten vor der Entlassung ist nicht 

gut durchzuführen. Dr. Wolf-Hanau. 

Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten. Arbeiten der vom ärztlichen 
Verein München eingesetzten Kommission zur Beratung von Fragen der Er¬ 
haltung und Mehrung der Volkskraft. Ref. Prof. Dr. v. Zumbusch und 
Geh. Hof rat Dr. Dyrott Münchener Med. Wochenschrift; 1916, S. 1692. 

Im wesentlichen werden Meldepflicht und Behandlungszwang vorge¬ 
schlagen. Die Meldepflicht soll gegebenen Falles auch auf die Kurpfuscher 
ausgedehnt werden, wenn das Verbot der Behandlung Geschlechtskranker durch 
Kurpfuscher nicht zu erreichen ist. 

Nach den Erfahrungen des Ref. bei den bereits meldepflichtigen Krankheiten 
ist die Meldepflicht der Kurpfuscher lediglich eine Papiervorschrift. Die amts- 



748 Kleinere Mitteilungen und Referate ans Zeitschriften. 

ärztliche Erfahrung maß entschieden das Verbot der Behandlung aller 
Geschlechtskrankheiten, auch solcher nicht infektiöser Natur durch Kurpfuscher 
als allein wirksam verlangen. 

Auch eine Zwangsuntersuchung verdächtiger Personen wird von den 
Münchener Kollegen verlangt. Die Einweisung in eine Heilanstalt wird ge¬ 
fordert in Fällen, in denen die Behandlung nicht gesichert ist. 

Dr. G r a ß 1 - Kempten. 


3. Desinfektion. 

Fahrbare Entseuchungsmaschinen. Der prakt. Desinfektor; 1916, H. 11. 

Für den Eisenbahnbetrieb wird hier der von der Firma Gebr. Körting 
A.-G. gebaute fahrbare Desinfektionsapparat empfohlen, der sich aber auch 
für Schlachthäuser, Krankenhäuser, Stallungen usw. eignet, z. B. auch für 
alle Betriebe, in denen große Behälter, Fahrzeuge, Bäume, Plätze regel¬ 
mäßig im größeren (Jmfange zu entseuchen sind. 

Dr. Wolf-Hanau. 


Das Ausschwefeln von Bäumen. Von Dr. Schmid. Der praktische 
Desinfektor; 1916, Nr. 11. 

Der Verfasser beschreibt das von Prof. Dr. Graßberger -Wien empfohlene 
Verfahren, bet. Ausschwefeln von Ungeziefer mittels Stangenschwefel, Schwefel¬ 
kohlenstoff, Salforkose und Formakosin. Dr. Wolf-Hanau. 


Zur Bekämpfung der Läuseplage. Von Chemiker Dr. L. Kaufmann- 
Berlin-Wilmersdorf. Berliner klinische Wochenschrift; 1916, Nr. 42. 

Das Sulfoform, ein neues Schwefelpräparat, das in Lösung auf dem 
Körper eingerieben wird (20—25 ccm pro Person), hat nach Versuchen im 
Felde und im Berliner Asyl für Obdachlose zu einer raschen Körperentlausung 
geführt. Oft genügt eine einzige Einreibung. Einer Verwendung im großen 
Maßstab steht zurzeit die Knappheit der in Betracht kommenden Materialien 
im Wege. _' Dr. S o 1 b r i g - Königsberg. 

F. Hygiene und öffentlichen Oeenndheiteweeen. 

1. Wohnungshygiene. 

Die Wohnungsverhältnisse in Stadt und Land. Dargestellt nach den 
Ergebnissen der sächsischen Wohnungsstatistik von Dr. Oskar K ü r ten -Dresden. 
Conrads Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik; 107. Bd., S. 347. 

Wohnungsaufnahmen größeren Umfangs wurden in Sachsen 1904, 1905 
und 1910 vorgenommen. Während in den 4 sächsischen Großstädten (Dresden, 
Leipzig, Chemnitz, Plauen) zusammen die Eigentümerwohnungen nur 6,9*/ 0 
aller bewohnten Wohnungen ausmachen, beträgt ihre Anzahl in den Mittelstädten 
17,1 °/o und in den Kleinstädten 21,6°/ 0 . Hinsichtlich der Wohndichtigkeit 
liegen die Verhältnisse in den kleineren Orten nicht günstiger als in den größeren 
Städten. Es sind überwiegend industriell durchsetzte Gemeinden, in denen die 
Wohndichtigkeit eine verhältnismäßig hohe ist; es läßt sich jedoch hinsicht¬ 
lich der Wohndichtigkeit und der Größenverhältnisse der Wohnungen eine Ent¬ 
wicklung zum Besseren nicht verkennen. Seit 1905 hat der Anteil der kleinen 
Wohnungen mit 1—2 Räumen und zum Teil auch der Anteil der Wohnungen 
mit 3 Bäumen zugunsten der vier- und mehrräumigen Wohnungen abgenommen. 
Hinsichtlich der Abortverhältnisse stehen die kleinen ländlichen Orte un¬ 
günstiger da als die größeren Städte. Aber auch in den Großstädten sind noch 
23 — 27% aller bewohnten Wohnungen ohne Abort zur eigenen Benutzung. 
Dieser Prozentsatz steigt dann bis zu 46« /« in den Landgemeinden und in den 
Industriedörfern auf 53,6 o/o. Besonders nachteilig tritt die Wirkung der In¬ 
dustrialisierung kleinerer Gemeinden auf die Wohnungsverhiiltnisse hervor. 
Der Hinweis auf die gesünderen Lebensbedingungen der Landbevölkerung mag 
nach Kürten für die Bewohner der rein ländlichen Gemeinden zutreffen, nicht 
aber für die Bewohner der Grolistadtvororts- und Industriegemeinden, die tagsüber 
in Fabriken, Werkstätten und Schreibstuben beschäftigt sind. So sehr denn auch 
die in solchen Gemeinden häufig vorhandene innerhalb der Großstadt unmög¬ 
liche Ausstattung der Wohnung mit kleinen Gartenflächen vom sozialcthischen 



Kleinere Mitteilungen and Referate aus Zeitschriften. 


749 


utfii ■ privatwirtschaftlichen Standpunkt zn begrüßen ist, so können dadurch 
allein nicht die schädlichen Wirkungen schlechter Wohnungsverhältnisse aus¬ 
geglichen werden. 

Auch in Sachsen ist die Sitte des Aufnehmens familienfremder Per¬ 
sonen in die Wohnung weit verbreitet. Den größten Umfang nimmt die Unter- 
Vermietung naturgemäß in den Großstädten an. In Leipzig beherbergt fast 
jede vierte, in Plauen fast jede fünfte Wohnung familienfremde Personen. 
Demgegenüber tritt in den Mittel- und Kleinstädten und vollends in den Land¬ 
gemeinden die Unter Vermietung fast ganz zurück nur in den Industrie¬ 
dörfern kommt sie wieder eher häufig vor; die Unter Vermietung in diesen kleineren 
Gemeinden tritt vorwiegend in ihrer ungünstigeren Form, nämlich in der des 
Schlafstellenwesens auf. Unter den Schlafleuten ist das weibliche Ge¬ 
schlecht stärker vertreten als das männliche. Auch die Erfahrung, daß Familien¬ 
angehörige mit familienfremden Personen ihre Schlafräume teilen müssen, ist 
auf dem Lande keineswegs seltener anzutreffen als in den Städten. Ebenso 
findet sich eine Ueberfüllung der Schlafräume auf dem Lande nicht weniger 
häufig als in der Stadt. 

Schon kann man vielfach beobachten, wie besonders in den großstadt¬ 
nahen ländlichen Gemeinden der Flachbau dem Etagenhaus weichen muß. Es 
steht zu befürchten, daß die Aufwärtsbewegung der Mietpreise nunmehr be¬ 
ginnt, auf die mittleren und kleineren Orte überzugreifen. Was die hygienisch- 
technische Einrichtung der Wohnungen anlangt, so ist in dieser Hin¬ 
sicht die Stadtbevölkerung der Landbevölkerung in vielen Stücken überlegen. Am 
günstigsten sind die Verhältnisse noch da, wo die Bewohner noch überwiegend 
der landwirtschaftlichen und verwandten Erwerbsarten nachgehen. Hier wird 
durch die gesunde Berufstätigkeit und Lebensführung noch am ersten ein Aus¬ 
gleich gegen die vorhandenen Mängel der Wohnungshygiene geschaffen. Wo 
aber die Bevölkerung mehr oder weniger in der Industrie oder in der Heim¬ 
arbeit tätig ist, da fehlt ein solch wohltätiger Ausgleich vollkommen. Nur 
die aus neuerer Zeit stammenden Wohnungen sind gewöhnlich geräumiger und 
gesünder; doch nimmt die Bevölkerung nicht selten ihre alten schlechten Wohn- 
sitten in die neuen guten Wohnungen hinein. 

Was hier für die sächsischen Zustände ausgeführt ist, das dürfte 
auch für andere Gebiete Deutschlands zutreffen. Angesichts dieser Verhältnisse 
ist es dringend notwendig, der Wohnungsfrage und der Siedlungspolitik 
auf dem platten Lande größere Aufmerksamkeit zuzuwenden, als es bisher 
geschehen ist, zumal die Bestrebungen zur Dezentralisierung des Siedlungs¬ 
wesens eine greifbare Form annchmcn. Dr. Hanauer -Frankfurt a. M. 

2. Nahrungsmittelhygiene. 

Vergleichende Untersuchungen von Brühe, die aus zerschlagenen 
und gemahlenen Knochen hergestellt ist. Von Marine-Oberstabsapotheker 
Dr. Otto Gottheil. Münchener med. Wochenschrift; Feldärztliche Beilage, 
Nr. 46, S. 1647. 

Die vom Verfasser angesteliten Untersuchungen haben zu folgenden 
beachtungswerten Ergebnissen geführt: 

1. Durch die Mahlung der Knochen wird die Auflösung der für die Er¬ 
nährung wichtigen Stoffe ganz bedeutend erhöht, nämlich von Fett rund 2—5 mal, 
von Stickstoffsubstanz (Leim) 4—6mal. * 

2. Die Röhrenknochen geben in zerschlagener Form nur wenig Leim in 
kochendes Wasser ab. 

3. Der Stickstoffsubstanzgehalt ist in Brühe ausgemahlenen Rippen¬ 
knochen doppelt so groß, als in der aus Röhrenknochen. 

4 Die Beschaffung von Knochenmühlen ist bei der Verwendung großer 
Knochenmengen (z. B. in Krankenanstalten usw.) zur Erhöhung des Näbrwerts- 
gchaltes der Brühe sehr zu empfehlen. Rpd. 


3. Gewerbehygiene. 

Genehmigungspflichtige Anlagen. Von Gewerberat Dr. Mansfeld- 
Frankfurt a. M. Zentralblatt für Gewerbehygiene; 1916, Nr. 10—11. 

Am Schluß seiner Betrachtungen wägt Verfasser nochmals Befugnisse 
und Rechte gegeneinander ab, die dem Unternehmer auf der einen Seite und 



750 


Kleinere Mitteilungen and Referate ans Zeitschriften. 


dem Anlieger and der Polizei aaf der anderen Seite zukommen; es ergibt sich, 
daß dem Unternehmer mit der zwar umständlichen Erlangung der Konzession 
tatsächlich diejenigen Befugnisse eingeräumt werden, die ihm nach der Zweck¬ 
bestimmung der gesetzlichen Vorschriften zugestanden werden sollen and die 
sich zas&mmenfassen lassen mit den Worten: Gewährung unanfechtbarer 
Rechtsunterlage für die Ausübung des konzessionierten Betriebes nach Ma߬ 
gabe der dafür erteilten Konzession. Dr. Wolf- Hanaa. 


4. Schulhygiene. 

Sommerszeit und Schulanfang. Von Dr. Langerhans. Der Schul¬ 
arzt; 1916, Nr. 10. 

Verfasser vertritt die Ansicht, daß die hier und da geäußerten Bedenken 
gegen die Beibehaltung der Sommerszeit für später unberechtigt seien. Das 
Schulkind habe auch bei der Sommerzeit hinreichend Zeit zum Ausschlafen, 
das frühe Aufstehen sei sogar allgemein von Vorteil. Da der Schulanfang 
zahlreiche Personen zum Tagesanfang zwinge, werde die Folge sein, daß der 
am Abend verlängerten Vergnügungszeit und einer Verspätung des Arbeits¬ 
anfangs vorgebeugt werde. Zum Wiederaufbau zerstörter Werke sei eine 
Ausdehnung der Arbeitszeit mit Verkürzung der Vergnügungszeit auch nach 
dem Kriege durchaus geboten. So ergibt sich die Forderung, auch nach 
Friedensschluß den Frühbeginn des Schulunterrichts beizubehalten. 

Dr. Solbrig -Königsberg i. Pr. 


Moderne Sexualpädagogik. Von San.-Bat Dr. Sonnenberger - Worms. 
Der Schularzt; 1916, Nr. 9. 

Es wird über die neuere Literatur übersichtlich berichtet und die moderne 
sexuelle Pädagogik, deren Bestrebungen übrigens schon weit zurückliegen 
(Salzmann Ende des 18. Jahrhunderts u. a.), als eine durchaus notwendige 
Schuldisziplin hingestellt. Verfasser schließt sich besonders den von dem ver¬ 
dienstvollen Ton ton aufgestellten Thesen über sexualpädagogische Vorträge 
und Fragen, die im Wortlaut wiedergegeben werden, an und erwähnt den 
bekannten von Bissing sehen Antrag im Preußischen Herrenhaus auf Ein¬ 
führung der Geschlechtskunde als pflichtmäßiges Lehrfach an Hochschulen nnd 
allen Schulen. Die in engem Zusammenhang mit dieser Frage stehende 
alkoholfreie Erziehung unserer Jugend und die nötige Aenderung der Trinker¬ 
unsitten wird gebührend betont. 

An Worten über die Bedeutung dieses Unterrichts von berufenster 
Seite fehlt es gewiß nicht. Hoffen wif, daß die Taten bald folgen werden! 

Dr. Solbrig- Königsberg i. Pr. 


5. Statistik. 

Aus der Bevölkerungsstatistik der europäischen Länder vor dem 
Weltkriege. Statistische Korrespondenz; 1916. 

Das preußische Statistische Landesamt teilt nach „Otto Hübners geogra¬ 
phisch-statistischen Tabellen aller Länder der Erde für 1914“ die wichtigsten 
Ergebnisse in einer vergleichenden Uebersicbt mit, die in Zählungen in fast 
sämtlichen Staaten Europas mehr weibliche als männliche Personen 
ergeben. Auf lOuO Männer kommen in Portugal 1107 Frauen, in Norwegen 
1099, in Großbritannien und Irland 1061, in Dänemark 1058, in Spanien 1049, 
in Schweden 1046, in der Schweiz 1031, in Oesterreich 1030, im Deutschen 
Reiche 1026, in Rußland (hier und im nachstehenden ohne Finnland) gleich¬ 
falls 1026, in Frankreich 1022, in Ungarn 1019, in den Niederlanden 1016, in 
Finnland 1012, in Italien 1010 und in Belgien 1002. Nur in einigen südöst¬ 
lichen Ländern sind die Frauen in der Minderheit. So zählt anf 1000 Männer 
Bosnien nur 908 Frauen, Griechenland 921, Serbien 936, Rumänien 968. Wieweit 
hier Wanderungen mitsprechen, ist nicht festgestellt; in den Vereinigten 
Staaten von Amerika, deren Ziffer sich auf 952 berechnet, sind sie jedenfalls 
von größtem Einfluß. 

Verhältnismäßig die meisten Ehen werden in Serbien geschlossen, jährlich 
etwa 102 auf 10000 Köpfe. Dann folgen Bosnien mit 100, die Vereinigten 
Staaten von Amerika mit 97, Rußland mit 96, Griechenland mit 88, Ungarn 



Kleinere Mitteilungen und Referate aas Zeitschriften. 


761 


and Rumänien mit je 86, Belgien mit 81, Deutschland und Frankreich mit 
je 79, die Niederlande mit 78, Oesterreich und Italien mit je 76, Großbritannien 
und Irland mit 75, die Schweiz mit 74, Dänemark mit 73, Spanien und Portugal 
mit je 71, Norwegen mit 62, Finnland mit 60 und Schweden mit 59 Ehen. 
Anspruchslosigkeit begünstigt die Eheschließung, und Armut ist nur bei hoher 
stehenden Völkern, die das volle Verantwortlicbkeitsgefühl besitzen, ein 
Hindernis. Es ist also aus den Eheziffern an sich kein Schluß auf die sonstigen 
Verhältnisse zu ziehen. 

Die Jahresziffer der Lebendgeborenen ist, auf 10000 der Bevölkerung 
gerechnet, in Rußland mit 468 am höchsten und in Frankreich mit 190 am 
niedrigsten. Dazwischen stehen Rumänien, Bosnien und Portugal mit 484, 414 
und 395, Serbien, Ungarn und Italien mit 881, 863 und 824, Oesterreich, 
Spanien und Finnland mit 815, 312 und 291, Griechenland, Deutschland 
und die Niederlande mit 288, 283 und 280, Dänemark, Norwegen und die 
Schweiz mit 267, 254 und 241, Schweden, Großbritannien mit Irland und 
Belgien mit 240, 239 und 226. — Bei den Sterbefällen steht Rußland, 
seiner hohen Gehurtsziffer entsprechend, mit 298 im Jahre auf 10000 der 
Bevölkerung gleichfalls an erster Stelle; dann folgen: Bosnien (274), Ungarn 
(238), Spanien (232), Rumänien (229), Portugal (225), Oesterreich (220), 
Serbien (211), Frankreich (175), Finnland (165), Schweiz (168), Deutschland 
(156), Belgien (148), Großbritannien und Irland, Italien (je 142), Griechenland 
(139), Schweden (138), Norwegen (134), Dänemark (130), die Niederlande (120) a 

Werden die Länder nach der Höhe des Ueberschusses der Ge- 
bürten über die Sterbefälle geordnet, so erhält man folgende Zusammen¬ 
stellung : 


Länder 

geborene \ ae>lorbe " e 

1 

im Jahre auf 10 (XX 

Ueberschuß der 
Lebendgeborenen 

9 Köpfe 

Rumänien. 

434 

| 229 

205 

Italien. 

324 

142 

182 

Rußland. 

468 

i 298 

170 

Serbien. 

381 

! 211 

170 

Portugal. 

895 

225 

170 

Niederlande. 

280 

120 

160 

Griechenland. 

288 

139 

149 

Bosnien. 

414 

274 

140 

Dänemark. 

267 

130 

187 

Ungarn . 

363 

233 

130 

Deutsches Reich. 

283 

156 

127 

Finnland. 

291 

165 

126 

Norwegen . 

254 

134 

120 

Schweden. 

240 

138 

102 

Großbritannien und Irland . . 

239 

142 

97 

Oesterreich. 

315 

220 

95 

Schweiz. 

241 

158 

83 

Spanien. 

312 

232 

80 

Belgien. 

226 

148 

78 

Frankreich. 

190 

| 176 

16 


Hiernach ist die natürliche Zunahme Deutschlands acht- bis neunmal 
so groß wie die Frankreichs. 

Die wirkliche Volkszunahme wird durch den Geburtenüberschuß 
und durch Wanderungen bestimmt. Uebertrifit, wie in den meisten Ländern, 
die Auswanderung die Einwanderung, so ist die wirkliche Zunahme kleiner als 
der Geburtenüberschuß und umgekehrt. Sind die Unterlagen der benutzten 
Quelle, die Zählungen der einzelnen Länder, einwandfrei, so ergeben sich 
nachstehende Ziffern für die wirkliche Volkszunahme und den Einfluß der 
Wanderungen: 
























752 


Besprechungen. 


Länder 


Geburten¬ 

überschuß 




Wirkliche 
Volks- 
Zunahme *) 


Volkszunahme 
gegen Geburten¬ 
überschuß 


Italien. 

Portugal. 

Griechenland. 

Norwegen . 

Rumänien. 

Ungarn. 

Schweden. 

Spanien . 

Niederlande. 

Bosnien. 

Dänemark. 

Serbien. 

Großbritannien und Irland 

Oesterreich. 

Frankreich. 

Deutsches Reich . . . . 

Finnland . 

Belgien .. 

Rußland. 

Schweiz. 


im Jahre auf 10000 Köpfe 


182 

| 63 

! 

_ 

119 

170 

86 

— 

- 

84 

149 

1 71 

— 

- 

78 

120 

| 60 

- 

- 

60 

205 

150 

— 

- 

55 

130 

i 81 

— 

- 

49 

102 

72 

— 

- 

30 

80 

51 , 

— 

- 

29 

160 

138 1 

- 

- 

22 

140 

125 

- 

- 

15 

137 

126 

— 

- 

11 

170 

160 

- 

- 

10 

97 

87 

— 

- 

10 

95 

88 



7 

15 

18 

H 

r 

3 

127 

136 

H 

h 

9 

126 

138 

H 

r 

12 

78 

103 

H 


25 

170 

210 

H 

- 

40 

83 

124 

! H 

- 

41 


Den größten Zuwachs durch Wanderungen haben hiernach die Schweiz 
und Rußland, den größten Verlust Italien und Portugal. Beim Deutschen 
Reich, das in früheren Jahrzehnten (hauptsächlich vor 30—40 Jahren) durch 
Auswanderungen beträchtliche Verluste erlitten hatte, sind jetzt die Ein¬ 
wanderungen bedeutender als die Auswanderungen. 

(Reichs- und Staatsanzeiger.) 


Besprechungen. 

Dr. W. PrauBsnitz, o. Professor der Hygiene, Vorstand des hygienischen 
Instituts der Universität und der staatlichen Untersuchungsanstalt für Lebens¬ 
mittel in Graz: Grundzüge der Hygiene. Zehnte erweiterte und ver¬ 
mehrte Auflage. Mit 278 Abbildungen. München 1916. Verlag von J. P. 
Lehmann. 8°, 725 S. Preis: geb. 13 M. 

Pas in erster Linie für Studierende der Medizin bestimmte und in diesen 
Kreisen allgemein beliebte Lehrbuch ermöglicht auch den auf hygienischem 
Gebiete tätigen Aerzten, namentlich den ärztlichen Gesundheitsbeamten, sich 
leicht und rasch über theoretisch Begründetes und praktisch Erprobtes zu 
unterrichten. Insbesondere gilt dies von der vorliegenden Ausgabe, bei der 
Verfasser auch die in seiner Stellung als Oberstabsarzt während der Kriegs- 
zeit auf dem Gebiete der übertragbaren Krankheiten gemachten reichen Er¬ 
fahrungen zur Ergänzung und Erweiterung der einschlägigen Abschnitte mit¬ 
verwertet hat. So ist z. B. die jetzt so wichtige Frage der Uebertragung 
derartiger Krankheiten durch Ungeziefer und die Fngeziefervertilgung in einem 
besonderen Abschnitt behandelt. Aber auch alle anderen Abschnitte haben unter 
Beibehaltung der bisherigen bewährten Bearbeitung des Stoffes eine dem neuesten 
Stande der Wissenschaft entsprechende Umarbeitung erfahren. Die Jubiläums¬ 
auf läge des Werkes — es ist vor 25 Jahren zum ersten Male erschienen — 
verdient deshalb in den beiden engverbündeten Beichen Mitteleuropas in noch 
höherem Maße eine freundliche Aufnahme und weite Verbreitung, als die vor¬ 
ausgegangenen gefunden haben. lipd. 

*) Unterschied zwischen den Ergebnissen der beiden letzten Zählungen 
im Jahresdurchschnitt. 























Tagesnachrichten. 


753 


Professor Dr. I*. Brauer, Aerztlicher Direktor des Eppendorfer Kranken¬ 
hauses in Hamburg: Deutsche Krankenanstalten für körperlich Kranke. 
Zwei Bände. Mit 961 Tafeln, Abbildungen und Plänen. Halle a. d. Saale 
1917. Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold. Gr. 4°. 453 und 460 S. 
Preis: je 18 M. für den Band. 

Das Werk bildet die erste Abteilung des in dem rührigen Verlag er¬ 
schienenen Sammelwerkes: Die Anstaltsfürsorge für körperlich, geistig, sitt¬ 
lich und wirtschaftlich Schwache im Deutschen Beicbe in Wort und Bild" und 
bringt eine reiche Sammlung von Krankenanstalten für körperlich Kranke, die 
durch die beigefügten zahlreichen Abbildungen, Grundrisse und Pläne für die 
beteiligten Kreise besonders wertvoll ist und namentlich beim Bau von Kranken¬ 
häusern als geeignete Unterlage benutzt werden kann, zumal vielfach recht 
ausführliche Baubeschreibungen beigegeben sind, in denen auch die Kostenfrage 
berücksichtigt ist. Rpd. 


Tagesnachrichten. 

Das vom Reichstage angenommene Gesetz über den vaterländischen 
Hilfsdienst (s. Nr. 23 dieser Zeitschrift, S. 719) ist nach erfolgter Zustimmung 
des Bandesrats von Sr. Majestät dem Kaiser am 5. M. vollzogen und am 
Tage seiner Verkündung im Reichsgesetzblatt am 6. d. M. in Kraft getreten. 
Der Wortlaut des Gesetzes ist in der Beilage zur heutigen Nummer der Zeit¬ 
schrift (s. S. 199) abgedruckt. 


Im Anschluß an den Erlaß dieses Gesetzes hat Se. Majestät der 
Kaiser und König ein Terdienstkrenz für Kriegshilfe gestiftet, das nach 
§ 2 der Stiftungsurkunde vom 5. d. M. ohne Unterschied des Ranges und 
Standes an Männer und Frauen verliehen werden soll, die sich im vaterländi¬ 
schen Hilfsdienst (§ 2 des Reichsgesetzes vom 5. Dezember 1916) besonders 
ausgezeichnet haben, jedoch soll es betreffs der Verdienste um die Kranken¬ 
pflege im Dienste des Roten Kreuzes und der ihm verwandten Aufgaben bei 
der Verleihung der dafür bestimmten Auszeichnung der Roten Kreuzmedaille 
verbleiben. Das Verdienstkreuz besteht aus einem aus Kriegsmetall herge¬ 
stellten achtspitzigen Kreuz mit einem Mittelschild, das auf der Vorderseite 
die Inschrift „Für Kriegshilfsdienst" und auf der Rückseite den gekrönten 
Namenszug des Kaisers trägt. Es wird an einem weißen, sechsmal schwarz 
gestreiften Bande mit rotem Vorstoß getragen und verbleibt beim Tode des 
Inhabers im Besitze der Angehörigen. 


Die Einkleidungsbeihilfe für Unterärzte ist nach dem Erlaß des Preußi¬ 
schen Kriegsministeriums vom 29. Oktober d. J. bei mobiler Verwendung von 
300 auf 225 M., bei immobiler Verwendung von 400 auf 275 M. herabgesetzt. Die 
Anordnung ist mit dem Tage desjBekanntwerdens des Erlasses in Kraft getreten. 


Das prensslsohe Abgeordnetenhaus hat sich in seinen Sitzungen 
am 5. und 6. d. M. mit der Ernährungsfrage sehr eingehend beschäftigt. 
Allgemein kam die Ueberzeugung zam Ausdruck, daß wir mit den vorhandenen 
Nahrungsmitteln bei richtiger Verteilung und entsprechender Einschränkung 
auskommen würden. Gegen den leider noch immer vorhandenen schamlosen 
Wucher mit Lebensmitteln müsse mit aller Strenge vorgegangen werden. Die 
von dem Haushaltungsausschnß gemachten Vorschläge (s. Nr. 23 dieser Zeit¬ 
schrift, S. 719) wurden ohne Widerspruch angenommen. 

Auch das prensslsohe Herrenhaus hat am 6. d. M. die Ernährungs¬ 
frage der Besprechung unterzogen und dem Anträge des Ausschusses ent¬ 
sprechend beschlossen, die Königliche Staatsregierung aufzufordern, im Bundesrat 
dahin zu wirken, daß bei allen behördlichen Anordnungen für die Volks- 
ernäbrung in Zukunft mehr als bisher die Erzeugung von Lebensmitteln be¬ 
rücksichtigt werden. 


Dem preussisohen Abgeordnetenhause ist der Entwurf eines 
Wohnongsgesetzes vorgelegt, der im großen und ganzen demjenigen entspricht, 



754 


Tagesnachrichten. 


der bereits im Jahre 1913 eingebracht war (s. Anlage A des offiziellen Be¬ 
richts über die XXIX. Hauptversammlung des Preußischen Medizinalbeamten- 
vereins vom 25. April 191H); namentlich gilt dies betreffs seiner ersten vier 
Artikel über Baugelände, baupolizeiliche Vorschriften, Be¬ 
nutzung der Gebäude und'Wohnungsaufsicht. Von großer Be¬ 
deutung ist ferner, abgesehen von manchen Aenderungen und Ergänzungen der 
Bestimmungen über Baugelände, die keine gesundheitliche Frage berühren, nur 
die Beschränkung der Wohnungsaufsicht insofern, als in dem früheren 
durch Anordnung der Aufsichtsbehörde auch für alle Gemeinden unter 100000 
Einwohner die Einrichtung eines Wohnungsamtes oder die Anstellung in be¬ 
sonders geeigneter Weise vorgebildeter beamteter Wohnnngsaufseher vorge¬ 
schrieben werden konnte, während jetzt nur für Gemeinden von mehr als 
50000—100U00 Einwohner die Errichtung eines Wohnungsamts und für solche 
von 10000—50000 die Anstellung eines Wohnungsaufsehers verlangt werden 
kann. Ganz neu hinzugekommen sind als Artikel 5 gemeinsame Vorschriften 
für die Wohnungsordnungen und die Wohnungsauf sicht, die ins¬ 
besondere Bestimmungen darüber enthalten, welche Wohnungen den Wohnungs- 
ordnungen und der Wohnungsaufsicht unterliegen sollen. Danach solle sich 
diese erstrecken 1. auf Wohnungen, die einschließlich Küche aus vier oder 
weniger zum dauernden Aufenthalt von Menschen bestimmten Bäumen bestehen 
(also sogenannte Kleinwohnungen), 2. auf größere Wohnungen, in denen nicht 
zur Familie gehörige Personen gegen Entgelt als Zimmermieter, Einlieger oder 
8chlafgänger aufgenommen werden, 3. auf Wohn- und Schlafräume für Dienst¬ 
boten oder Gewerbegehilfen, 4. auf Winterwohnungen im Keller oder in einem 
nicht voll ausgebauten Dachgeschosse sowie 5. auf Ledigenheime und Arbeiter¬ 
logierhäuser. Neu ist endlich auch Artikel 6 über die Bereitstellung staat¬ 
licher Mittel — zwanzig Millionen Mark — behufs Beteiligung des Staates 
mit Stammeinlagen bei gemeinnützigen Bauvereinigungen, sowie endlich die 
Schlußbestimmung, daß bei Anwendung der Vorschriften der Wohnungs¬ 
ordnungen und bei der Ausübung der Wohnungsausschuß das Interesse des 
Denkmal- und Heimatschutzes berücksichtigt werden, soweit nicht im Interesse 
der Gesundheit oder der Sittlichkeit entgegensteht. 

Gleichzeitig ist dem Abgeordnetenhause auch noch der Entwurf eines 
Gesetzes wegen staatlicher Verkürzung zweiter Hypotheken (Bürgschafts¬ 
sicherungsgesetz) vorgelegt, der insofern eine Ergänzung des Wohnungsgesetz¬ 
entwurfes bildet, als er den Finanzminister ermächtigt, zwecks Förderung 
der Herstellung gesunder Kleinwohnungen die Bürgschaft für 
zweite Hypotheken des Staates bis 90°/o der Selbstkosten zu Übernehmen, 
wenn diese mindestens 10 Jahre unkündbar sind und mit mindestens 
getilgt werden. Zu diesen Zwecken sollen zehn Millionen Mark zur Verfügung 
gestellt werden. 

üeber beide Gesetzentwürfe hat bereits am 9. d. M. die erste Lesung 
stattgefunden, in der sich die Bedner sämtlicher Parteien im allgemeinen zu- 
stimmend äußerten. Die Entwürfe sind hierauf einem Ausschuß von 21 Mit¬ 
gliedern überwiesen worden. 


Behufs Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten sind jetzt fast sämt¬ 
liche stellvertretende Generalkommandos einen Schritt weiter gegangen und 
haben durch Verordnungen — das Generalkommando in Münsteri. W. z. B. 
durch Verordnung vom 2ö. November d. J. — bestimmt, daß Frauenspersonen, die 
gewerbsmäßig oder gewohnheitsgemäß den außerehelichen Geschlechtsverkehr 
ausüben, obwohl sie wissen oder dem Umstande nach annehmen 
müssen, daß sie geschlechtskrank sind, nach § 96 des Gesetzes 
über den Belagerungszustand vom 4. Juni 1851 mit Gefängnis bis zu einem 
Jahre bestraft werden. Beim Vorliegen mildernder Umstände kann auf Haft 
oder Geldstrafe bis zu 1600 Mark erkannt werden. Ist ein Verfahren wegen 
Zuwiderhandlung gegen dieses Verbot eingeleitet, so hat sich die Beschuldigte 
einer Untersuchung durch einen Polizeiarzt oder einen sonstigen beamteten Arzt 
zu unterwerfen; im Weigerungsfälle findet die vorgenannte Strafbestimmung 
Anwendung. 



Tagesnachrichten. 


765 


Ehrentafel. Es haben weiterhin erhalten: 

Das Eiserne Krens I. Klasse: 

Assistenzarzt d. Bes. Dr. Barsieck- Berlin - Weissensee. 

Stabsarzt d. Bes. Dr. M. Bieberstein -Breslan. 

Oberarzt d. Bes. Dr. Hans Brey mann-Schöppenstedt (Braunschweig). 
Stabsarzt und Beg.-Arzt Dr. K. M. Brogsitter, früher in Frau¬ 
stadt (Posen). 

Stabsarzt d. L. and Beg.-Arzt Dr. G. E. Fu hr m ann- Neukölln (Berlin). 
Stabsarzt d. B. und Bat.-Arzt Dr. Edgar Hartmann-Berlin-Schöneberg. 
Marinestabsarzt d. Bes. Dr. Hegler. 

Stabsarzt Dr. Max Hirsch- Berlin. 

Stabsarzt d. Bes. und Beg.-Arzt Dr. Isidor Hirschfeld er- Crefeld. 
Oberstabsarzt Dr. Hocheisen-Ulm. 

Oberstabsarzt d. Bes. und Beg.-Arzt Prof. Dr. Ernst Holzbach- 
Heidelberg. 

Oberstabsarzt Dr. Kerksiek-Hildburghausen (Thüringen). 
Oberstabsarzt Dr. Müller-Detmold. 

Stabsarzt Dr. J. Ohlemann -Göttingen. 

Stabsarzt d. Bes. Dr. Paul Oloff-Auma (Thüringen). 

Oberstabs- und Divisionsarzt Dr. Emst Pfeiffer-Stuttgart. 

Stabsarzt d. L. und Beg.-Arzt Dr. Pingel-Dresden. 

Oberarzt d. Bes. Dr. K. Sch äff er-München. 

Stabsarzt d. L. Dr. Schieffer-Sanatorium Bühlerhöhe (Baden). 
Generalober- und Divisionsarzt Dr. Schnon-Ulm. 

Stabsarzt d. Bes. Dr. Theben-Münster i. W. 

Oberarzt Dr. Ludwig Wiesner -Germersheim (Pfalz). 

Stabsarzt d. B. Dr. W. A. Wiesemes -Mühlheim a Mosel (Bgbz. Trier). 
Stabsarzt d. Bes. und Bat.-Arzt Dr. Wallstein-Heudeber i. Harz. 
Außerdem haben erhalten: den Bayerischen Militärverdienst¬ 
orden IV. Klasse mit Schwertern: Med.-Bat Dr. Weber, Bezirksar/t 
in Kehlheim (Niederbayern) und Med.-Bat Dr. Weiß, Bezirksarzt in Miesbach 
(Oberbayern); — das Oesterreicbische Ehrenzeichen II. Klasse 
mit Kriegsdekoration: der Oberstabsarzt d. Bes. Dr. G. Bauh-Erding 
(Oberbayern). _ 


Ehren - Gedäohtnistafel. Für das Vaterland gefallen oder gestorben 
sind ferner: 

Oberstabsarzt Dr. B e n a r i o - Frankfurt a. M. (gest infolge von Krankheit). 
Feldunterarzt W. Fricke-München-Gladbach (gestorben infolge von 
Krankheit). 

Stabsarzt d. L. Dr. Bichard Gaiser-Stuttgart (gestorben infolge vou 
Krankheit). 

Földnnterarzt C. Lehmann-Guben. 

Stabs- und Bataillonsarzt Dr. Linde mann-Gmünd (Württemberg). 
Landsturmpflichtiger Arzt Dr. Maxim. Math mann-Thorn. 

Assistenzarzt d. Bes. Dr. F. P o s n e r - Breslau. 

Stabsarzt d. Bes Dr. Budolf Schömann - Neustettin (Pommern) (gestorben 
infolge von Krankheit). 

Assistenzarzt d. Bes. Dr. Karl 8 c b 1 o ß - Mühlhausen (Thüringen). 
Oberstabsarzt d. Bes. Dr. Max Schnitze (gestorben infolge von 
Krankheit). 

Assistenzarzt d. Bes. Dr. Heinrich Spaich-Höpfigheim (Württemberg). 
Generaloberarzt Dr. Volkmann -Graudenz. 

Gefallen ist ferner: Kriegsfreiwilliger Gefreiter Gerh. Schroeder, Sohn 
des Geh. Med.-Bats Dr. Schroeder, Kreisarzt in Cbarlottenburg. 


Cholera : In der Türkei sind in der Zeit vom 28. August bis 20. Ok¬ 
tober 660 Erkrankungen an Cholera mit 864 Todesfällen gemeldet, darunter 
19 (8) in Konstantinopel. 

Pocken: Im Deutschen Beich betrug die Zahl der Pocken-Erkran- 
kungen in den Wochen vom 26. November bis 9. Dezember: 8 und 11. 



756 


Sprechsaal. 


Fleckfleber. Im Deatschen Reich ist vom 26. November bis 8. De¬ 
zember nur 1 Fleckfiebererkrankung bei einem Kriegsgefangenen amtlich 
gemeldet; in Ungarn sind vom 6.—12.November 11 Erkrankungen festgestellt. 

Erkrankungen und Todesfälle an ansteckenden Krankheiten in 
Preußen. Nach dem Ministerialblatt für Medizinal-Angelegenheiten sind in der 
Zeit vom 12. bis 25. November 1916 erkrankt (gestorben) an Pest. Gelb¬ 
fieber, Cholera, Trichinose, Aussatz, Malaria, Fleckfieber: 
Rückfallfieber, Paratyphus, Rotz: — (—), — (—); Milzbrand: 
— (—), 1 (—); Tollwut: — (1), — (—); Bißverletzungen durch 
tollwutverdächtige Tiere: 9 (—), 2 (—); Pocken: 1 (—), 4 (—)- 
Unterleibstyphus: 329 (28), 237 (24); Ruhr: 100 (10), 87 (13); Diph; 
therie: 2578 (164), 2319 (175); Scharlach: 1036 (42), 1047 (33); Kind¬ 
bettfieber: 66 (25), 54 (18); übertragbare Genickstarre: 3(2), 
3 (3); spinaler Kinderlähmung: 3(—), — (—(; Fleisch-, Fisch- 
und Wurstvergiftung: 9(1), — (—); Körnerkrankheit (erkrankt): 
90, 55; Tuberkulose (gestorben): 740, 706. 


Spreohnanl. 

Anfrage des Kreisarztes Dr. M. in M.: Gilt die allgemeine Verfügung 
des Staatsministeriums vom 13. Oktober 1911 über die Festsetzung von Pausch- 
vergütungen für Dienstreisen nach nahe gelegenen Orten auch für die Medizinal¬ 
beamten t 

Antwort: Ja; vorausgesetzt, daß die Bedingungen der allgemeinen Ver¬ 
fügung zutreffen. Nach § 6 gilt diese Verfügung aber nicht für Reisen, für 
die an Stelle der im Reisekostengesetz vom 24. September 1910 vorgesehenen 
Vergütungen gemäß § 17 oder § 8 Abs. 2 oder § 9 des Rcisekostengesetzes 
Beträge in anderer als der in dieser Verfügung vorgesehenen Weise fest¬ 
gesetzt sind oder festgesetzt werden, z. ß, bei Reisen in gerichtlichen 
Angelegenheiten, für die die Königl.-Verordnung vom 14.fJuli 1909 ma߬ 
gebend ist. Für diese Reisen erhalten 'die Medizinalbeamten also keine 
PauschVergütung nach der Verfügung vom 13. Oktober 1911, sondern an 
Tagegeld 9 M., an Fahrkosten für das Kilometer Eisenbahn I. Kl. 9 Pf., 
II. Kl. 7 Pf. und für jeden Zu- und jeden Abgang am Wohnorte oder am aus¬ 
wärtigen Uebernachtungsorte 1,50 M. 


Kalender für Medizinalbeamte. 

Infolge des großen Mangels an Arbeitskräften sowohl in 
der Buchdruckerei, als in der Buchbinderei ist es leider nicht 
möglich gewesen, den Kalender für Medizinalbeamte rechtzeitig 
fertigzustellen. Seine Versendung wird daher erst Ende dieses 
Monats erfolgen können. 

Die Ver lag sbuchhandlung. Der Herausgeber. 


Deutscher und PreuBischer Medizinalbeamtenverein. 

Die Mitglieder des Deutschen und Preussischen Medizinal- 
beamtenvereins werden gebeten, etwa bevorstehende Wo hn u ng gs-» 
Änderungen um gehend der Expedition der Zeitschrift — Hof¬ 
buchdruckerei von J. 0. C. Bruns, Minden i. W. — mitzuteilen, 
damit in der Zustellung der Zeitschrift mit Beginn des neuen 
Jahres keine Unterbrechung eintritt. Gleichzeitig wird darauf 
aufmerksam gemacht, daß die Zeitschrift nicht bei der Post zu be¬ 
stellen ist, da die Zustellung von seiten des Vereins bewirkt wird. 


Redaktion: Prof. Dr. Rapmund, Geh. Med.-Rat in Minden i. W. 

J. 0. 0. Bruna, Hersogl. Sicht, n. Fürstl. Öch.-L. Hofbuohdracker«! 1b Made».