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Full text of "Zeitschrift"

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ZEITSCHRIFT  DES  VEREINS 


FÜB 


TBÜRINGISCHE  GESCHICHTE 


T7ND 


LTERTUMSKUNDE. 


BAND. 

NTEK  BAMD. 


angra  im  Text. 


,n 


r 


ZEITSCHRIFT  DES  VEREINS 

FÜR 

THÜRINGISCHE  GESCHICHTE 


T7MD 


ALTERTUMSKUNDE. 


NEUE  FOLGE.  NEUNTEE  BAND. 

DER  GANZEN  FOLGE  SIEBZEHNTER  BAND. 


Mit  3  EartensldEseii  und  5  Abbildongen  im  Text. 


•  »  • 


JENA, 

VERLAG    VON   GUSTAV  FISCHER. 

1895. 


1  a  h  a  1 1. 


Seite 
Abhmndlimgeii. 

I.     Richard  Adalbert  Lipsias.     Zwei   Gedfichtnisreden ,   gehalten 

in   der  Rose   zu  Jena    am   6.   Februar   1898.      1.    Lipsius' 

Lebensbild.     Von  0.  Richter 8 

8.   Lipsiuft'  historische  Methode.     Von  F.  Nippold  .     .     .       47 

II.     J.  E.  August  Martin.    Ein  Gedftchniswort  von  O.  Richter       67 

HI.  Das  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rhön.  1.  Geschichte. 
(Schlufs.)  2.  Verwaltung  und  Rechtspflege.  Von  C.  Binder, 
Pfarrer  in  Bergsulza.  Hit  2  Kartenskiisen  und  5  Abbildungen 
im  Text     . 76 

IV.  Die  Zerstörung  der  Stadt  Gera  im  sftchsischen  Bruderkriege 
am  16.  Oktober  1450.    Von  Dr.  B  er thold  Schmidt    Mit 

1  Kartenskizze 296 

V.  Politik  des  Herzogs  Johann  Casimir  von  Coburg.  Ein  Beitrag 
zur  Vorgeschichte  des  30-Jährigen  Krieges.  Von  Heinrich 
Glaser  in  Coburg 408 

VI.     Gesamtpostmeister  Bieler.     Ein    Beitrag    zur    Geschichte   der 

deutschen  Post.     Von  E.  Einert 617 


1.  Schfltzenmeister  und  Goschützgiefser  der  Wettiner  im  14.  Jahr- 
hundert.   Mitgeteilt  yon  Staatsarehivar  Dr.  W  o  1  d.  L  i  p  p  e  r  t    866 

S.     Der  Sturz  des  Markgrafen  Poppo  Ton  der  Sorbenmark.    Von 

Dr.  O.  Dobeneoker 870 

3.  Ueber   die  thüringische   Familie   Lendenstreioh.     Von    Prof. 
.Dr.  P.  Lehfeldt 669 

4.  Ueber  den  Glockennamen  Susanne.  Von  Prof.  Dr.  P.  Leh- 
feldt   664 

5.  Die  Herren  and  Ritter  yon  Gera.  Von  Dr,  Berthold 
Schmidt 667 

<.     Das  Wei^efest  der  Klosterkirche  zu  Mildenfurth.  Von  Archiyar 

Dr.  Berthold  Schmidt 677 


C^^^^^^  624782 


IV  Inhalt. 

Sdto 

7.  Verieiefanis  des  Geschfitses  anf  der  Borg  in  Arnstadt.  Mit- 
geteilt ans  dem  Sondershftnser  Saalbueh  I,  fol.  205  Yon  Rektor 

H.  Schmidt  in  Arnstadt 680^ 

8.  Inrentarinm  des  „scbntsgeretes"  m  Sondershaosen.  Migeteilt 
aas  dem   Sondershiaser   Saalbneh  I,    fol.  892  a   Ton  Rektor 

H.  Schmidt  in  ArnsUdt 681 

9.  Noch  ein  Erlafo  des  Hersogs  Ernst  August  yon  Sachsen.  Ans 
Priyatbesita  mitgeteilt  von  C.  H.  Nenmaerker  in  Apolda    684 

littentar. 

1.  Baa-  and  Konstdenkmftler  Tbttringens  etc.  Heft  XVIII: 
Grofsherzogtam  Sachsen-Weimar-Eisenach,  Amtsgerichtsbesirk 
Weimar.     Besprochen  von  £.  Kriesche S7T 

2.  Bericbtigangen  and  Ergftnsongen  sa  Apfelstedt:  Bau-  und 
Kanstdenkmftler  des  Fürstentums  Schwarsborg-Sondershansen. 
Zweites  Heft :  Oberherrschaft.  Von  Hermann  Schmidt, 
Rektor  in  ArnsUdt 880 

8.  E inert,  E.:  Ein  Thüringer  Landpfarrer  im  80-jfihrigen 
Kriege.  Mitteilungen  aus  einer  Kirchenchronik.  Arnstadt, 
E.  Frotscher,  1898.  IV  u.  96  SS.  8^  Besprochen  von 
Dr.  O.  Dobenecker 887 

4.  Bemerkung  zu  Miszelle  2.     Von  Dr.  O.  Dobenecker  389 

5.  Uebersicht  der  neuerdings  erschienenen  Litteratur  zur  thü- 
ringischen Geschichte  und  Altertumskunde.  Von  Dr.  O. 
Dobenecker 889 

6.  Bau-  und  Kunstdenkmftler  Thüringens,  Heft  XVH,  Amts- 
gerichtsbesirk Blankenhain.  Geprüft  durch  Dr.  Karl  Hein- 
rich Bergner,  Pfarrer  zu  Pfarrkefslar  b.  Gumperda  S.-A.     689 

7.  Berichtigungen  und  Zusfttze  zu  B.  Schmidt,  Urkundenbach 
der  Vögte   yon  Weida,   Gera  und  Planen,    Bd.  U.     Von  Dr. 

W.  Lippert,  Dr.  B.  Schmidt  und  Dr.  O.  Dobenecker     726^ 

8.  W  i  m  m  e  r ,  P.  Florian,  O.  S.  B. :  Anleitung  zur  Er- 
forschung und  Beschreibung  der  kirchlichen  Knnstdenkmftler. 
2.  Auftage  yon  Dr.  M.  Hiptmair.  Lins  1892.  VI  und  162  SS. 
Besprochen  yon  Bergner 782 

9.  Berichtigung   su  Martin,    Urkundenbnch    der  Stadt   Jena,    I, 

No.  276.  Von  Lic.  H.  O.  St  ölten  in  Frauenpriefsnitz  .  784 
10.  Tfimpling,  Wolf  yon:  Geschichte  des  Geschlechtes  yon 
Tümpling.  Dritter  (SchluTs-)  Band.  Mit  Urkunden- Anhang, 
Bildnissen,  anderen  Kunstbeilagen  u.  s.  f.  Weimar,  H.  Böhlau, 
1894.  886  und  42  SS.  und  Register  [ohne  Pag.].  8  •.  Be- 
sprochen yon  O.  Dobenecker 78S 


Inhalt 


Seit» 


11.  Begel,  Fr.:  Thftriogen.  Ein  geographisches  Handbuch. 
Zweiter  Teil:  Biogeographie.  1.  Baeh:  Pflansen-  and  Tier- 
Verbreitung.  2.  Buch:  Die  Bewohner.  Jena,  G.  Fischer, 
1896.  Xyinnd840SS.  8*.  Besprochen  von  O.  D  o  b  e  n - 
eeker 739 

12.  Uebersicht  der  neuerdings  erschienenen  Litteratnr  sur  thü- 
ringischen  Gesdiichte  und  Altertumslcunde.    Von  O.  D  o  b  e  n  - 

eck  er 740 

eeMhiftUehe  mtteUinigeB. 

1.  Bericht  ftber  die  Thitigkeit  des  Vereins  ftlr  ThOringische  Ge- 
schichte und  Altertumskunde  in  der  Zeit  von  der  Haupt- 
versammlung in  Ilmenau  am  16.  Juli  1898  bis  sur  Haupt- 
versammlung in  Gotha  am  6.  Oktober  1896.  Von  Gustav 
Bichter 16^ 

2.  Kassen- Abschlufs  des  Vereins  filr  Thüringische  Geschichte  und 
Altertumskunde  vom  lotsten  Desember  1898   und  dgl.  1894     774 


Riehard  Adalbert  Lipsius. 


Zwei  Gedächtnisreden 

gehalten  in  der  Rose  zu  Jena  am  5.  Februar  1893. 


I. 

6.  Richter:  Lipsius  Lebensbild. 

IL 
F.  Nippold:  Lipsius  historische  Methode. 


xvir. 


I. 

Lripsius  Lebensbild. 

Von  a.  Blehter. 


Hochgeehrte  Versammlnng! 

über  5  Monate  sind  vergangen,  seit  wir  dem  Manne 
das  letzte  Lebewohl  in  die  ihm  so  unerwartet  geöffnete 
Gruft  nachriefen,  dessen  Erinnerung  zu  fnem  wir  heute 
hier  versammelt  sind. .  Die  damals  anwesenden  Vorstands- 
mitglieder unseres  Vereins  traten  gleich  nach  dem  Be- 
gräbnis zu  einer  ernsten  Besprechung  zusammen.  Unser 
Schmerz  um  den  erlittenen  Verlust,  unser  Dank  für  das, 
was  der  Verstorbene  die  Jahre  her  unserem  Verein,  uns 
persönlich  gewesen,  kam  da  zu  wehmutvoller  Aussprache. 
Einmütig  waren  wir  darin,  daß  der  Empfindung  des  Dankes 
auch  ein  öffentlicher  Ausdruck  gebühre.  Die  erste  öffent- 
liche Versammlung,  die  unser  Verein  seiner  Sitte  gemäß 
im  Winter  abhalten  wtlrde,  sollte  sich  zu  einer  schlichten 
Erinnerungsfeier  gestalten.  Erst  heute  können  wir  dieser 
Pflicht  genügen,  denn  ihre  würdige  Erfüllung  erforderte 
Zidt  und  Arbeit. 

Mir  als  dem  Nachfolger  des  Verstorbenen  in  der 
Leitung  des  Vereins  liegt  es  zunächst  ob,  zu  seinem  6e- 


4  Richard  AdalbertLipsia 8. 

dächtnis  zu  reden.  Aber  eine  Würdigung  der  wissen- 
schaftlichen und  kirchlich  praktischen  Wirksamkeit  des- 
selben durfte  ich  als  Laie  nicht  unternehmen.  Herr 
Professor  Nippold,  hierzu  berufen  wie  kein  anderer  und 
Mitglied  unseres  Vereins,  hat  die  Güte  gehabt,  diesen  Teil 
der  Aufgabe  auf  sich  zu  nehmen.  So  beschränke  ich  mich 
auf  den  Versuch,  die  Umrißlinien  des  Lebensganges  des 
Verstorbenen  und  des  Bildes  seiner  Persönlichkeit  vor 
Sinen  zu  entwerfen. 

Schlicht  und  prunklos,  wie  unsere  Feier,  soll  auch 
meine  Rede  sein,  entsprechend  dem  anspruchslosen,  aller 
Ruhmredigkeit  abholden  Sinn  des  teuren  Mannes,  den  wir 
beweinen. 


Mit  Qinem  reichen  geistigen  Erbe  ausgestattet,  ist 
unser  Lipsius  ins  Dasein  getreten.  Bei  den  Eltern  und 
den  Großeltern  lassen  sich  die  Grundelemente  seiner  Indi- 
vidualität deutlich  aufzeigen. 

Bis  zum  Urgroßvater  vermochte  der  Verstorbene  seine 
Ahnen  zu  verfolgen.  Es  war  der  Magister  Christian 
Gottlob  Lipsius,  der  1740  geboren,  nachmals  ein  Pfarramt 
in  der  Niederlausitz  bekleidet  hat  und  1810  gestorben  ist. 
Von  seinem  Vater  weiß  man  nur,  daß  er  ein  Landwirt  war 
und  in  der  Nähe  von  Sommerfeld  im  Kr.  Krossen  eine 
Pachtung  gehabt  hat.  Durch  ihn  ist,  wie  es  scheint,  die 
Familie  von  auswärts  nach  der  Lausitz  verpflanzt  worden. 
Die  latinisierte  Namensform  —  aus  dem  Familiennamen 
Lips,  der  seit  dem  16.  Jahrhundert  mehrfach  vorkommt 
und  aus  Philippus,  Philips  entstanden  ist  —  scheint  auf 


Richard  Adalbert  Lipsias.  5 

gelehrten  Beraf  früherer  Vorfahren  hinzudeuten.  Vor  mehr 
als  200  Jahren  hat  es  an  unserer  Hochschule  einen  Pro- 
fessor Lipsius  gegeben,  den  berühmten  hoU&nder  Philo- 
logen JusTus  Lipsius,  der  eigentlich  Joest  Lips  hieß  und 
aus  der  G^end  von  Brüssel  gebürtig  war.  Ob  hier  ein 
Zusammenhang  besteht?  Es  ist  nicht  möglich,  mit  den 
vorhandenen  Mitteln  die  Frage  zu  lösen. 

Erst  mit  dem  Großvater,  Adolf  Gottfried  Wil- 
helm^), b^;innt  die  genauere  Kenntnis  der  Vorfahren 
unseres  Lipsius.  Er  war  seit  1807  Geistlicher  in  dem 
freundlichen  Bergstädtchen  Bernstadt  in  der  Oberlausitz 
und  ist  hier  1841  gestorben.  Deutlich  zeigt  er  die  Grund- 
züge des  Familiencharakters  der  von  ihm  begründeten 
Generationen :  die  Richtung  auf  gelehrtes  Wissen,  die  Lust 
am  Lehren,  die  er  an  seinen  Söhnen  und  anderen  ihm  zur 
Erziehung  anvertrauten  Knaben  übt,  die  logische  Klarheit, 
die  seine  Predigten  auszeichnet,  unermüdliche  Pflichttreue, 
schlichte  Frömmigkeit.  Dazu  liebenswürdiger  Humor  und 
ein  inniger  Familiensinn.  Aber  auch  sein  theologischer 
Standpunkt  zeigt  ihn  bereits  als  Wegweiser  für  Sohn  und 
Enkel.  Frei  von  der  nüchternen  Plattheit  des  vulgären 
Rationalismus,  war  er  doch  zugleich  ein  freidenkender 
Mann  und  ein  warm  fühlender  Christ.  Seine  Gattin  war 
eine  Schwester  des  als  Dichter  geistlicher  Lieder  bekann- 
ten Gabye,  erzogen  in  der  Brüdergemeinde  zu  Hermhut, 
mit  der  sie  zeitlebens  in  regem  Verkehr  geblieben  ist'). 
Der  Einfluß  dieser  feinsinnigen,  klugen   und  edlen  Frau 


1)  Neuer  Nekrolog,  Jahrg.  XIX,  S.  509  ff. 

2)  Schnlreden,  bei  yerschiedenen  Gelegenheiten  gehalten  von  Dr. 
E.  HsonaoH  Aoalbbbt  Lipsius.  Mit  der  Lebensbeschreibong  desYer- 
ÜMseit  [Ton  Dr.  Righabd  Adalbbrt  Lipsius].    Leipzig  1862.  S.  YIL 


6  Biohard  Adalbert  Lipsiog. 

ist  auf  Söhne  und  Enkel  von  großer  Bedeutung  gewesen. 
Sie  war  es,  welche  das  Leben  im  Bemstadter  Pfarrhause 
mit  dem  wärmeren  Hauche  inniger  christlicher  Frömmigkeit 
durchdrang.  In  dankbarer  Liebe  gedenkt  ihrer  öfters 
unser  Lipsius  in  der  Biographie  des  Vaters.  Er  schildert 
sie  als  eine  Frau  von  inniger,  gemütvoller  Frömmigkeit, 
frei  von  weinerlicher  Sentimentalität  und  salbungsvoller 
Manier,  die  es  nicht  liebte,  das  Heilige  im  gewöhnlichen 
Verkehr  auf  den  Lippen  zu  tragen;  eigen  war  ihr  der 
Sinn  für  geräuschlose  Thätigkeit  und  ein  behagliches  Still- 
leben in  Haus  und  Garten^). 

Zwei  Söhne  wuchsen  in  dem  P&rrhause  heran.  Der 
ältere,  Gustav,  war  mehr  nach  dem  Vater  geartet,  dem  er 
auch  später  im  Amte  gefolgt  ist ;  der  jüngere,  Adalbert, 
der  Vater  unseres  Lipsius,  stand  in  der  ganzen  Richtung 
seines  Wesens  der  Mutter  näher.  Vom  Vater  war  auf 
ihn  nach  der  Schilderung  des  Sohnes  neben  dem  Scharf- 
sinn und  der  wissenschaftlichen  Begabung  die  schlichte 
Geradheit,  die  ernste  Wahrheitsliebe,  die  charaktervolle 
Beharrlichkeit  im  Festhalten  des  einmal  mit  klarem  Be- 
wußtsein Ergriffenen  übergegangen;  sein  mütterliches  Erb- 
teil war  das  stille,  sinnige  Wesen,  die  Milde  und  Sanft- 
mut im  persönlichen  Verkehr  und  im  Urteil  über  andere, 
endlich  die  zarte,  fast  schüchterne  Bescheidenheit,  welche 
die  eigenen  Vorzüge  und  Gaben  lieber  vor  den  Blicken 
anderer  zu  verhüllen  als  geltend  zu  machen  liebte. 

Auf  der  Universität  zu  Leipzig  bereitete  er  sich  zur 
akademischen  Laufbahn  vor.  Biblische  Exegese  wählte 
er  als  dereinstiges  Forschungsgebiet.    Seine  griechischen 

1)  Schalreden  u.  s.  w.,  S.  IX. 


Biehard  Adalbert  Lipsins.  7 

SprAchstudien  braehten  ihn  mit  G.  Hermann  in  nahe  Be- 
zi«liung.  Im  FrfllQahr  1826  berief  ihn  der  geistvolle  Rost 
ab  KoUaborator  an  die  yon  ihm  geleitete  Thomasschule, 
im  Sommer  wurde  er  Doktor,  im  folgenden  Jalnre  begann 
er  die  akademische  Lehrthftti^eit  mit  eiegetischen  Vor- 
lesungen fiber  Paulinische  Briefe.  Aber  er  war  mittellos, 
und  die  akademische  Laufbahn  bot  geringe  Aussichten. 
So  übernahm  er  im  Herbst  1827  eine  Stelle  als  Konrektor 
am  f&rstl.  Gymnasium  in  Gera,  wo  er  4  glückliche  Jahre 
varlebte,  bi»  ihn  1832  Bektor  Bost  an  die  inzwischen 
Yon  ihm  umgestattete  Thomasschule  zurückzog.  Diesw 
Anstalt  ist  er  bis  an  sein  Lebensende  treu  geblieben ;  bald 
nach  seiner  Ernennung  zum  Bektor  hat  ihn  am  2.  Juli 
1861  ein  früher  Tod  seiner  Wirksamkeit  entrissen.  Gründ- 
liches Wissen,  seltene  Lehrgabe,  warme  Liebe  zur  Jugend 
und  eine  hohe  Würde  der  sittlichen  Persönlichkeit  machten 
ihn  za  einem  Schulmann  von  außerordentlicher  Bedeutung. 
Dar  großartige  Umfang  seiner  gelehrten  Arbeiten  ist  nur 
wenigen  bekannt  gewesen,  da  ihn  der  Tod  an  dem  letzten 
Abschluß  seines  Lebenswerkes  über  biblische  Gräcität  ver- 
hindert hat  Sein  kirchlicher  Standpunkt  bildet  den  Aus- 
gangspunkt für  die  wissenschaftliche  Glaubenslehre  des 
Sohnes.  Diese  wenigen  Ztfge  vom  Bilde  des  Vaters  müssen 
in  dieser  Stande  genügen.  Für  die  nähere  Kenntnis  des 
seltenen  Mannes  verweise  ich  auf  das  schöne  Denkmal 
kindlicher  Pietät,  welches  unser  Lipsius  dem  Vater  in 
der  Lebensbeschreibung  gesetzt  hat. 

In  Gera  hatte  der  junge  Konrektor  die  fast  gleichaltrige 
&wit,  Juliane  Mollt  Bost,  des  Bektors  Bost  ältere 
Tochter,  als  Gattin  heimgeführt.  Hier  wurde  ihnen  am  14. 
Februar  1830  der  älteste  Sohn,  Bichard  Abalbebt,  geboren. 


8  Biohard  Adalbert  Lipsias. 

Glttcklich  und  froh  waren  die  Jahre  seiner  Kindheit. 
Ein  rührendes  Zeugnis  derselben  ist  erhalten  in  den  Tage- 
bttchem,  die  der  7-jährige  Knabe  am  17.  Sept.  1837  be- 
gonnen und  der  15-jährige  angehende  Jüngling  am  12.  Mai 
1844  geschlossen  hat.  Es  fehlt  jedoch  das  Jahr  1840, 
die  größere  Hälfte  1841,  sowie  fast  das  ganze  Jahr  1842. 

In  dem  Nachlaß  fanden  sich  unter  alten  Papieren 
diese  von  dem  Verstorbenen  selbst  längst  vergessenen 
Zeugnisse  vergangener  Tage  aus  Kindheit  und  Knabenzeit 

Welch  ein  Reichtum  der  Begabung,  welche  Sicherheit 
und  Folgerichtigkeit  in  der  überraschend  schnell  fort- 
schreitenden geistigen  Entwickelung,  welch  inniges,  tiefes 
Kindergemüt,  welcher  Frohsinn,  welche  Pflichttreue  spricht 
aus  diesen  Blättern.  Schon  die  Schrift  ist  ein  treues  Bild 
des  schnell  zur  Reife  sich  entfaltenden  Geistes.  Kindlich 
unbeholfen,  doch  schon  von  festem  Strich  in  den  ersten 
Heften  bis  zur  ersten  Lücke;  dann  nach  der  Unterbrechung 
zeigt  die  Schrift  des  11-jährigen  Knaben  bereits  eine  Regel- 
mäßigkeit und  feste  Sicherheit,  die  in  Erstaunen  setzt 
und  mit  der  Gewandtheit  und  Lebendigkeit  des  Stiles  im 
Einklang  steht:  im  weiteren  Verlauf  erlangt  sie  bald  das 
charakteristische  Gepräge  des  künftigen  Mannes.  ^5  Jahre 
lang  besuchte  er  die  Privatlehranstalt  des  Dr.  Hander, 
das  erste  Institut  in  Leipzig.  Er  brachte  stets  die  ersten 
Zensur^  nach  Hause.  Wegen  schwacher  Gesundheit  ging 
er  dann  ein  Jahr  lang  zu  den  Großeltern  in  die  Lausitz'  ^). 
Dieses  Jahr,  welches  er  als  eines  seiner  glücklichsten  Jugend- 
jahre zu  bezeichnen  pflegte,  muß  für  seine  geistige  und 
körperliche  Entwickelung  von  entscheidender  Bedeutung 


1)  Briefliehe  Mittefliiiig  der  Sehwester. 


Biehftrd  Adalbert  Lipsiut.  9 

gewesen  sein;  das  tritt  in  der  gänxlich  veränderten  Be- 
schaffenheit der  nach  der  Bückkehr  wieder  aufgenommenen 
Aufzeichnungen  auf  das  bestimmteste  hervor. 

Sehr  im  Vordergründe  steht  neben  Eltern  und  Ge- 
schwistern die  Leipziger  Großmutter.  Die  verwitwete  Rost 
war  nach  der  Verheiratung  der  Töchter  und  dem  Tode 
des  Mannes  zu  den  Leipziger  Kindern  gezogen  und  wid- 
mete sich  mit  rührende  Liebe  und  Hingebung  der  Pflege 
namentlich  der  jüngsten  Enkelkinder. 

Jene  ältesten  Knabenhefte  zeigen  schon  deutlich  die 
später  entwickelten  Keime  geistiger  und  gemütlicher  An- 
lagen. Natürlich  spielen  die  Geburtstage  der  Familien- 
glieder eine  Hauptrolle,  femer  die  Prüfungen  in  der 
Schule,  die  Spaziergänge  mit  dem  Vater,  die  Leipziger 
Messe,  der  Christmarkt,  kleine  Ausflüge  und  Reisen,  Be- 
suche auf  dem  Kirchhof  mit  den  Eltern  zur  Bekränzung 
der  Familiengräber.  Aber  auch  öfientliche  Begebenheiten 
erwecken  das  Interesse  des  Knaben  und  veranlassen 
ihn  mehrfach  zu  eingehender  Schilderung.  So  die  Ein- 
weihung der  neuen  Post,  der  Anblick  des  ersten  Dampf- 
wagens, ^welches  der  Renner  war",  die  Feier  des  Jahres- 
tages der  vor  300  Jahren  in  Leipzig  eingeführten 
Reformation.  In  der  sorgfältigen,  peinlich  genauen  Auf- 
zählung der  Geschenke  an  Geburtstagen  und  zu  Weih- 
nachten, der  in  den  Kindergesellschaften  aufgeführten 
Spiele,  der  in  der  Menagerie  gesehenen  Tiere,  der  Bestand- 
teile des  öfientlichen  Festzugs  am  Reformationsfeste  offen- 
bart sich  das  Streben  nach  Gründlichkeit,  systematischer 
Vollständigkeit  und  genauer  Beobachtung.  Die  Gabe 
des  klaren,  bestimmten  Ausdrucks  tritt  einigemal  in  der 
meist  noch  unbeholfenen  Kindersprache  überraschend  her- 


10  Richard  Adalbert  Lipsins. 

vor.  An  mancher  Stelle  offenbart  sich  das  liebenswürdig 
zarte  Gemttt  des  Knaben.  Er  macht  mit  dem  Vater, 
mit  Bruder  (Donstantin  einai  Spaziergang,  aber  ^der 
arme  kleine  Bruder,  sowie  auch  die  gute  liebe  Großmutter 
mußten  zu  Hause  bleiben';  der  Tod  eines  Mitschülers 
veranlaßt  ihn  zu  herzlicher  Teilnahme  für  die  armen 
Eltern,  wobei  es  bereits  an  erbaulicher  Trostbetrachtung 
nicht  fehlt.  Am  Geburtstag  der  Mutter  heißt  es:  sie  be- 
kam von  mir  ^ein  elendes  bißchen  Schreiberei,  welches 
aber  kaum  wert  war,  es  anzusehen'. 

Nach  dem  Aufenthalt  in  Bemstadt  werden  die  Tage- 
buchs gehaltreicher,  geordneter;  statt  des  Kindes  tritt  hier 
ein  wunderbar  gereifter  Knabe  entgegen,  der  sich  seinen 
eigenen  Stil  bereits  gebildet  Das  erste  Stück  reicht  vom 
9.  August  1841  bis  19.  Januar  1842.  Gleich  im  Anfang 
findet  sich  die  Schilderung  einer  durch  ein  Gewitter  im 
Hause  angerichteten  Verwüstung,  die  von  staunenswerter 
Lebendigkeit  ist. 

Zu  rednerischer  Kraft  erhebt  sich  die  Darstellung 
des  Knaben,  wo  ein  tiefer  Schmerz  ihm  die  Seele  füllt. 
Am  3.  Dez^nber  meldet  das  Tagebuch:  'Ein  trauriger 
Tag.  Wir  erhielten  die  schreckliche  Nachricht,  daß  Onkel 
Gustav*)  auf  den  Tod  krank  läge!  Die  Leipziger  Groß- 
mutter reiste  sogleich  ab,  um  ihm,  wenn  er  noch  am 
Leben  sey,  doch  einige  Erleichterung  und  den  armen  Bem- 
städtem  Trost  zu  verschafifen  f 

Und  nun  am  4.  und  5.:  'Zwei  zu  furchtbare  Tage, 
als  daß  sie  zu  beschreiben  wären  t  Man  wird  wohl  ahnden, 
was  uns  widerfahren  I     Nicht  die  Gebete  der  Seinigen, 


1)  B.  oben  8.  6. 


Bichard  Adalbert  Lipsiat.  11 

nicht  die  innigste  Liebe  seiner  ganzen  Familie,  nicht  die 
vereinte  Kunst  von  4  Ärzten,  nicht  die  zärtlichste  Sorg- 
falt der  ihm  näherstehenden  konnte  ihn  retten  t  Er  starb 
nach  dem  Willen  des  Unerforschlichen  am  4.  Dezember 
1841  am  Nervenfieber,  nachdem  uns  nur  vor  wenig 
Wochen  der  harte  Schlag,  der  Todesfall  des  sei.  Bem- 
städter  Großvaters,  betroffen  hatte,  und  er  diesem  im 
Amte  gefolgt,  nun  auch  im  Tode  folgen  sollte.' 

Eine  noch  schwerere  Prüfung  war  der  Familie  vor- 
behalten. Am  21.  Juli  1842  wurde  dem  Vater  die  Gattin, 
den  Kindern  die  Mutter  entrissen,  mit  welcher  der  Vater 
in  14-jähriger,  überaus  glücklicher  Ehe  gelebt.  Das 
Tagebuch  fehlt  in  dieser  Zeit.  Der  Tod  der  Mutter  be- 
stärkte ihn,  wie  die  Schwester  berichtet,  in  dem  Entschluß, 
sich  dem  Studium  der  Theologie  zu  widmen. 

Außerordentlich  hatte  sich  seit  der  Bückkehr  aus  der 
Lausitz  der  Kreis  der  Interessen,  der  kindlichen,  wie  der 
ernsten,  und  der  Pflichten  des  Knaben  erweitert  Er  ist 
(11.  Oktober  1841)  in  die  Quarta  der  Thomasschule  ein- 
getreten, wozu  er  durch  den  Unterricht  des  trefflichen 
Großvaters  in  Bemstadt  aufe  beste  vorbereitet  war.  Er 
hatte  nun  den  recht  hohen  Anforderungen  zu  genügen, 
welche  die  Schule  an  die  häusliche  Arbeitskraft  stellte. 
Damals  schon  beginnt  er,  dem  4  Jahre  jüngeren  Bruder 
Hebmann  Stunden  zu  geben  und  mit  ihm  zu  arbeiten. 
Es  erwacht  bereits  eine  Art  litterarischen  Interesses, 
er  giebt  mit  einigen  Freunden  ein  Blatt  heraus,  den 
Crourier.  So  schreibt  er  am  6.  September:  ^Abends 
kam  unser  Blatt  heraus,  wir  erhielten  6  Subskribenten.' 
Er  geht  fleißig  auf  die  Schmetterlingsjagd  und  legt  eine 
Sammlung  an,  desgleichen  eine  Siegelsammlung.    Er  baut 


12  Biehard  Adalbert  Lipsias. 

mit  den  Geschwistern  ein  Theatrum  mundi  und  giebt 
Vorstellungen»  Alles,  auch  das  kindliche  Spiel,  wird  nut 
Umsicht  vorbereitet  und  betrieben.  Daß  er  bei  aller 
Pflichttreue  und  Gewissenhaftigkeit  jugendlichem  Frohsinn 
Yon  Herzen  zugethan  war,  selbst  mutwillig  und  ausgelassen 
sein  konnte,  davon  geben  die  Berichte  im  Tagebuche 
manchen  ergötzlichen  Beleg. 

Aber  die  ernsten  Ereignisse  im  Familienleben,  von 
denen  die  Rede  war,  haben  diesen  Ton  mutwilliger  Laune 
gänzlich  zum  Schweigen  gebracht.  Die  mit  dem  1.  Januar 
1843  neu  anhebenden  Tagebücher  sind  durchweg  ernst 
gehalten  und  zeigen  wieder  eine  höhere  Stufe  geistiger 
EntWickelung. 

Noch  immer  ist  Adalbert  ein  Knabe,  der  am  frohen 
Verkehr  mit  Altersgenossen  Gefallen  findet ;  die  Spiele,  welche 
aufgeführt  werden,  sind  von  einer  Mannigfaltigkeit,  welche 
der  heutigen  Jugend  längst  verloren  gegangen  ist.  Die 
Schmetterlingssammlung,  die  Siegelsammlung  werden  ver- 
vollständigt, alles  mit  systematischer  Gründlichkeit.  Der 
Knabe  trifit  Zurttstungen  zur  Baupenzucht,  er  erhält  einen 
Baupenkalender  geschenkt,  den  er  studiert.  Die  Siegel 
werden  wiederholt  neu  geordnet,  Kataloge  angefertigt 
Die  Familienfeste  geben  dem  sinnigen  und  formgewandten 
Knaben  bereits  regelmäßig  Gelegenheit  zu  dichterischen 
Versuchen. 

Durchaus  im  Vordergrund  steht  aber  die  Schule,  llit 
größter  Gevdssenhaftigkeit  berichtet  das  Tagebuch  von 
jeder  einzelnen  Lehrstunde  und  Hausaufgabe.  Diese  Auf- 
zeichnungen geben  ein  vollständiges  Bild  von  Lehrplan 
und  Lehrbetrieb  in  der  Quarta  und  Tertia  der  Thomas- 
schule jener  Zeit.    Man  staunt  über  die  Vielseitigkeit  und 


Bioliard  Adalbert  Llptlns.  13 

Gründlichkeit  des  Unterrichts,  über  das,  was  man  der 
häusUdien  Arbeitskraft  der  Knaben  damals  zumutete. 
Der  Verstorbene  hat  in  späteren  Jahren  nicht  selten  Klage 
gefOhrt  über  Anforderungen  der  heutigen  Schule,  die  ihm 
zu  hoch  schienen:  sie  kommen  nicht  in  Betracht  gegen 
das,  was  ihm  selbst  als  Schüler  zugemutet  worden  ist,  be- 
sonders an  schriftlicher  Hausarbeit,  und  was  zu  bewältigen 
ihm,  dem  ebenso  hochbegabten  wie  gewissenhaft  fleißigen 
Knaben,  ein  Leichtes  war. 

Von  besonderer  Bedeutung  fdr  die  Richtung  seiner 
späteren  Studien  war  der  Religionsunterricht,  welchen  der 
junge  LiPSiuB  beim  Vater  genoß.  Umfang  und  Betrieb 
desselben  unterschied  sich  sehr  wesentlich  von  den  heu- 
tigen. Der  ältere  Lipsius  ging  von  der  Überzeugung  aus, 
daß  eine  gründliche  Vertrautheit  mit  der  heiligen  Schrift 
nicht  nur  für  den  künftigen  Theologen,  sondern  für  jeden 
gebildeten  Christen  unerläßlich  sei.  Er  hat  deshalb  mit 
ganz  besonderer  Vorliebe  in  Prima  und  Sekunda  lange 
Jahre  hindurch  exegetische  Vorträge  über  ausgewählte 
Abschnitte  des  griechischen  Neuen  Testaments  gehalten. 
Die  Vorbereitung  hierzu  bildeten  die  Stunden,  die  er  in 
Quarta  und  Tertia,  viermal  wöchentlich  dort,  dreimal  hier 
als  'Bibelkunde'  erteilte.  Die  Aufzeichnungen  des  Sohnes 
lehren,  daß  in  Quarta  und  Tertia  die  neutestamentlichen 
Schriften,  insbesondere  die  Paulinischen  Briefe  nicht  nur 
gelesCT,  sondern  auch  nach  Zeit,  Ort  und  Zweck  der  Ab- 
fessung,  sowie  nach  dem  Wert  ihres  Lehrgehalts  be- 
sprochen wurden.  Daran  schloß  sich  noch  in  Tertia  eine 
Art  Religionslehre  an ,  in  welcher  die  Hauptbegriffe  der 
Glaubens-  und  Sittenlehre  zu  eingehender  Besprechung 
kamen. 


14  BiebArd  Adalbert  Liptivi. 

Man  würde  vom  heutigen  Standpunkte  gegen  diesen 
Betrieb  des  Beligionsunterrichtes  manche  Einwendungen 
erheben  dürfen;  aber  gehandhabt  von  einem  Lehrer,  bei 
dem  die  Lehrbegabung  wie  die  sittliche  Würde  der  Per- 
sönlichkeit in  seltener  Weise  vereinigt  waren,  mußte  er 
auf  so  begabte  und  gereifte  Knaben,  wie  Adalbert  Lip- 
sius  war,  eine  tiefe  Wirkung  und  Anregung  üben.  Dazu 
kam  der  ebenfalls  vom  Vater  erteilte  Vorbereitungsunter- 
richt auf  die  Einsegnung.  Von  diesem  Unterricht  sagte 
der  Sohn  später^),  daß  es  Stunden  heiliger  Weihe  im 
höchsten  Sinne  des  Wortes  waren  und  für  viele  sdner 
ehemaligen  Schüler  der  Anstoß  zu  einer  ewig<m  Bew^ung 
geworden  sind. 

Am  Palmsonntag  1844  folgte  die  Einsegnung.  Die 
Eintragungen  ins  Tagebuch  zeigen,  mit  welch  heiligem 
Ernste  der  Knabe  den  Eintritt  in  die  christliche  (Gemein- 
schaft volhsogen  hat. 

Die  ernste  Richtung  des  Lebens  erhielt  neue  Nahrung 
durch  den  im  nächsten  Jahr  erfolgenden  Tod  der  uner- 
müdlichen Leipziger  Großmutter  (11.  Aug.  1845).  Dem 
Sohn  und  den  Kindern  zuliebe  siedelte  nun  die  Bem- 
städter  Großmutter  aus  Hermhut,  wohin  sie  sich  als  Witwe 
zurückgezogen  hatte,  nach  Leipzig  in  das  Haus  ihres 
Sohnes  über.  Ihr  tiefes,  inniges  Gemütsleben  muß  auf 
Richard  Adalbert  in  jenen  Jahren  wachsender  Geistes- 
reife eine  starke  Wirkung  geübt  haben.  Leider  fehlen 
die  Nachrichten  über  das  äußere  Leben  jener  Jahre ;  das 
Tagebuch  ist  seit  der  Konfirmation  verstummt    Um  so 


1)  Schulreden  o.  s.  w.,  S.  XXIY. 


Biehard  Adalbert  Liptin«.  15 

bedeutsamer  ist  ein  anderes  Denkmal,  welches  von  dem 
inneren  Leben  des  werdenden  Jfinglings  zeugt.  Im  Nach- 
laß fand  sich  eine  Scunmlung  von  Jugendgedichten 
aus  den  Jahren  1846—62,  welche  durch  Glut  der  Em- 
pfindung und  Schönheit  der  Form  flberrasdien  und  eine 
neue  Seite  in  der  Individualität  des  Verstorbenen  ent- 
hüllen. Diese  Gedichte  knüpfen  zunächst  an  das  Schul- 
leben ao.  Der  Verfasser  ist  augenscheinlich  an  der  Thomas- 
schule der  anerkannte  Schulpoet,  der  bei  geeignetem  An- 
laß die  Empfindungen  der  Schulgemeinde  zu  dichterischem 
Ausdruck  zu  bringen  hat.  Am  22.  Sept  1847  verfaßt  er 
im  Nam^  sämtlicher  Schüler  ein  Trauergedicht  zum  Be- 
gräbnis eines  geliebten  Lehrers,  des  am  19.  Sept  ver- 
storbenen Eonrektors  Jahn.  Zum  Sylvesteraktus  der 
Thomasschule  trägt  er  am  Schluß  des  Jahres  einen  das 
Vaterunser  umkleidenden  Hymnus  von  reichem  religiösen 
Gedankengehalt  vor.  Um  eine  Anschauung  von  dem 
KLOPSTOCK'schen  Schwünge  des  Ganzen  zu  geben,  teile 
ich  den  Eingang  mit: 

Sehopfer,  auf  deMen  gewaltiges  Werde 
Eänst  das  AU  zum  Dasem  erstand; 
König,  der  ewig  Da  Himmel  mid  Brde 
Sehüteett  imd  schirmest  mit  mftehtiger  Hand; 
Der  Da  die  flammenden  Sonnen  entzündet 
Und  im  anendlichen  Baame  sie  lenkst» 
Der  Da  den  Warm,  der  im  Staabe  sich  windet, 
Hatest  nnd  sorglich  mit  Nahrang  bedenkst: 
Dich  als  Herrn  nnd  GFebieter  erkennen 
Lehrte  die  Menschheit  die  fühlende  Brost, 
Dich  onsern  Vater  in  Wahrheit  za  nennen 
Ist  sich  die  Christenheit  jaachzend  bewafit : 
OberaU  tOnt  es,  im  honten  Gewimmel 

Yator  anser,  der  Da  bist  im  Himmel 


IQ  Biehard  Adalbert  Lipsiat. 

Dir,  Dir  jauchzen  die  Welten  entgegen, 
Dir  lobsinget  der  Seraphim  Zahl; 
Dieb  erhebt  der  befrachtende  B^^u, 
Dich  dea  Donners  lencbtender  8trahl. 
Deine  Ehre  enfthlen  die  Wälder, 
Kflndet  dea  Qraaea  sprossender  Halm, 
Künden  die  goldenen,  wogenden  Felder, 
Kündet  der  Nachtigall  schmetternder  Psalm. 
Dich  auch  den  mächtigen  Herrscher  dort  oben 
Preiset  in  Andacht  der  Menschen  Chor, 
Benget  die  Kniee^  in  Andacht  erhoben. 
Stammelt  die  Worte  der  Ehrfurcht  hervor: 
Geheiliget  werde  Dein  Name. 

Aber  die  Mehrzahl  dieser  Gedichte  und  Lieder  atmet 
einen  ganz  anderen  Geist.  Sie  sind  politischen  Inhalts. 
Wie  aus  einem  verborgenen  Qaell  dringt  aus  ihnen  urplötz- 
lich ein  Strom  patriotischer  Leidenschaft,  nach  deren  Ur- 
sprung wir  in  den  bisher  geschilderten  Zuständen  des 
Knaben  vergeblich  suchen.  Politische  Interessen  lagen 
dem  Vater  wohl  fem,  in  der  Biogra^phie  wird  mit  keinem 
Worte  der  Politik  gedacht,  die  Erinnerung  an  die  Frei- 
heitskriege hatte  für  Sachsen  doch  auch  manches  Schmerz- 
liche. Die  Leipziger  Großmutter  hängt  noch  an  dem 
großen  Napoleon,  im  Bemstädter  Pfarrhause  hat  man  die 
Teilung  Sachsens  nicht  verschmerzen  können.  Nun  ist  es 
auch  keineswegs  nur  jene  allgemein  vaterländische  Be- 
geisterung, jener  hoffnungsfreudige  Schwung  der  patrio- 
tischen Lyrik  der  Freiheitskriege,  der  in  jenen  Jugend- 
liedem  atmet;  ihr  Geist  scheint  vielmehr  wesentlich  be- 
stimmt durch  die  revolutionäre  Lyrik  der  vierziger  Jahre. 
Man  darf  annehmen,  daß  am  Hauptsitz  des  deutschen 
Buchhandels  die  politischen  Dichtungen  der  damaligen 
Zeit  mit  ihrem  begehrlichen,  herausfordernden  Ton  auch 
den  Jünglingen  des  Gymnasiums  nicht  unbekannt  geblieben 


Bio  hard  Adalbert  Liptini.  X7 

sind  und  in  den  jugendlichen  Seelen  mächtig  gezündet 
haben.  Dazu  kam  das  blutige  Leipziger  Ereignis  vom 
12.  August  1845,  welches  in  der  Bevölkerung  eine  unsag- 
bare Erbitterung  hinterlassen  hatte  ^).  Der  junge  Lipsiüs 
hat  mit  gleichgestimmten  Freunden  einen  Dichterbund 
oder  ^  Dichterkränzchen ,  wie  er  es  nennt,  geschlossen. 
Ihm  widmet  er  bereits  1845,  aber  wie  es  scheint,  erst 
nach  jenem  Ereignis  ein  dem  Vaterland  geweihtes  Ge- 
dicht, in  dessen  Schlußstrophe  es  heißt: 

Oeflossen  ist  umsonst  viel  edles  Blut: 
Noch  kann  die  Finsternis  Triamphe  feiern; 
In  Nacht  gehüllt  ist  Ostreich,  Preofien,  Baiem 
Noch  höhnt  die  Volker  man  mit  frevlem  Math! 
Durch  Kampf  zum  Sieg,  durch  Finsternis  zum  Licht! 
Sieg  oder  Tod!  wohlan  wir  wanken  nicht 

Lipsius  letzte  Gymnasialstudien,  sein  Abschied  von 
der  Schule  verbanden  sich  mit  den  Geburtsstunden  der 
Revolution.  Mitten  in  den  Vorbereitungen  auf  die  Ab- 
gangsprüfung dichtet  er  —  Anfang  März  —  das '  Lied 
an  die  Deutschen',  in  dem  es  heißt: 

Der  Storm  bricht  los,  es  drOhnt  die  L&rmkanone, 
Ein  ernstes  Tagewerk  beginnt 
Bin  freies  Yaterknd  wird  euch  smn  Lohne, 
Wenn  ihr  den  grofien  Kampf  gewinnt  vl  s.  w. 

Die  Berliner  Märztage  begeistern  ihn  zu  dem  Sonett 
Als  sich  Berlin  erhobt  dessen  zweiter  Teil  lautet:  • 

So  sorgt  denn,  dafi  der  Sieg  aach  vOllig  werde: 
Laftt  ench  das  Kleinod  nicht  durch  List  entwinden 
und  eilt,  die  Freiheit  wOrdig  sn  begrOnden« 


1)  Eine  handschriftliche  Mitteilung  Aber  dieses  Ereignis  behalten 
wir  nns  für  die  'Miszellen'  vor. 

xvn.  2 


^  Richard  Adalber.t  Lipsias. 

Nfthn  Femde  each  —  laftt  ^  eiifih  ^aig  finden, 
Dann  seid  ihr  stark,  und  die  Gefahr  wird  schwinden, 
Und  frei  bewohnt  der  Deutsche  seine  Erde. 

Dem  Freiheitskampf  der  Schleswig-Holsteiner  gilt  das 
Gedicht  Den  gefallenen  Brüdern  in  dem  Gefecht  bei 
Holnis'.  Er  preist  ihren  Todesmut  und  ruft  auf  zur  Ein- 
lösung des  teuren  Pfandes.  Ein  Sonett  vom  30.  Juni  ent- 
hält das  Gelübde,  der  Freiheit  fortan  sein  Lied  zu  weihen : 


Einst  bah  toII  heitrem  Sehen  ich  manche  Lieder 
Yen  Jogendlnst  und  Seligkeit  gesmigen. 
Und  wie*s  im  innern  Hersen  mir  erklangen, 
So  gab  ich*s  rein  und  treu  im  liede  wieder. 

Da  aber  mahnt  der  Heldenkampf  der  Brflder 
Mein  Lied,  sa  wahren,  was  ihr  Blnt  errungen, 
Und  Ton  gefaeimnisrollem  Buf  gedrangen, 
Leg'  ich  des  leichten  Schenes  Leier  nieder. 

So  weih'  ich  denn  der  Menschheit  Heiligtame, 
Der  Freiheit  Sache  meines  Liedes  Waffen 
Und  trete  für  Yemanftrecht  in  die  Schranken. 

Wie  nach  der  Gottheit  gottlichstem  Gedanken 
Der  Mensch  za  freier  Sittlichkeit  geschaffen: 
So  soll  er  sein,  trotz  Papst-  and  KOnigtame. 


In  diesem  Kemwort  haben  wir  bereits  den  ganzen 
Mann.  Das  Ideal  seines  Strebens  ist  die  Anerkennung  des 
Menschen  als  eines  zu  freier  Sittlichkeit  geschaffenen  Wesens, 
ein  Anspruch,  für  den  er  in  Wissenschaft  und  Leben  ein- 
getreten ist  bis  zum  letzten  Lebenshauch.  Und  die  Form 
der  Forderung  zeigt  die  trotzige  Streitbarkeit  des  uner- 
schrockenen Mannes,  die  ihm  zeitlebens  eigen  war. 


Biehard  Adalbert  Lipsins.  19 

Zum  ersten  Male  tritt  in  diesen  Jagendgedichten  auch 
der  sarkastische  Zug  seines  Wesens  hervor  in  einem  Ge- 
dicht, welches  er 'Michelsode'  überschreibt: 


Der  Michel  ist  erstanden 
Ans  Ketten  nnd  ans  Banden, 
Den  Eächhom  nnd  den  Mettemich 
Hat  er  yertiieb^  ritterfich. 

Naeh  dreifiigjährger  Plage 
Hat  er  an  einem  Tage 
Die  alte  Scharte  aasgewetit 
und  in  sein  Recht  sich  eingesetst 

Vertrauend  seiner  Stftrke 
Schritt  er  im  Sturm  snm  Werke, 
Er  jagte  die  Zensoren  fort, 
Nahm  freie  Schrift  und  freies  Wort 

Die  Fflrsten  voller  Gnaden    . 
Sahn  Midiels  Barrikaden, 
Sahn  Michels  siegreich  Anferstehn 
und  dachten:  's  ist  um  uns  geschehn. 

Doch  Ifichel  sprach:  Dir  liehen, 
Wenn  ich*s  zu  toll  getriehen, 
Veneiht!  ich  mach  den  Übermut 
Durch  neuen  Enechtssinn  wieder  gut 


Der  jugendliche  Dichter  in  seiner  Unkenntnis  der 
wirklichen  Welt  und  aller  Bedingungen  staatlichen  Lebens 
steuert  völlig  im  revolutionären  Fahrwasser.  Die  Königs- 
throne sind  morsch,  wie  Rohr,  das  jeder  Sturm  zerknickt, 
die  Zeit  der  Fürstenherrschaft  ist  abgelaufen.  So  ruft  er 
seinem  König  in  der  Schlußstrophe  einer  fQr  ihn  gedachten 
Dichtung  zu: 


20  Richard  Adalbert  Llpsins. 

Sei  grofi  mein  Fürst!  So  sprich  denn  klar  und  btlndig: 
*Die  Kinder  sind  gereift  sor  Manneskraft. 
Wohlan,  so  sei  mein  Volk  von  heat  an  mflndig 
Und  abgethan  sei  jede  Yormnndschaft. 
Mein  Amt  ist  ans,  die  Krone  leg  ich  nieder, 
Ein  tret  ich  in  der  freien  Bflrger  Glieder.' 

So  denkt  und  fühlt  der  stürmische  Jüngling  im  An- 
fang seiner  politischen  Entwickelung.  Das  Ziel  derselben 
liegt  in  den  Worten,  welche  der  im  Sturm  des  Lebens 
gereifte  Mann  wenige  Wochen  vor  seinem  Tode  dem  Fürsten 
Bismarck  bei  der  Begrüßung  in  Jena  in  einer  von  glühen- 
dem Patriotismus  durchwehten  Ansprache  zurief:  'Wir 
sind  monarchisch  bis  auf  die  Knochen'. 

Es  liegen  noch  mehrere  Dichtungen  politischen  Cha- 
rakters vor,  die  von  Interesse  sind,  so  besonders  das  im 
Dezember  1848  verfaßte  Gedicht  'Das  neue  Weihnachten , 
welches  den  neugebomen  Geist  der  Freiheit  als  den  neu- 
gebomen  Christ  feiert  und  'Freiheit,  Gleichheit,  Bruder- 
liebe' als  das  Banner  der  neuen  Zeit  nennt.  Eine  Pfingst- 
reise  1849  ins  Bergland  wirkt  befreiend  und  beruhigend. 
Er  besingt  eine  Fernsicht  ins  Gebirge,  die  hinter  Alten- 
burg ihm  sich  öffnet: 

0  hfttf  ich  FlOgel, 
Mich  in  die  blaaen 
Femen  zu  schwingen, 
Dort  in  der  Berglnft 
Ewig  <n  schwelgen 
Froh  wie  im  Lied. 

Eine  Reihe  lieblicher,  frischer,  kerngesunder  Lieder 
entsteht. 

Aber  dann  kommen  wieder  melancholische  Töne  welt- 
schmerzlicher Empfindung  in  folgendem  formschönen  Sonett: 


Bichard  Adalbert  Lipsin«.  21 

fiiiiit  trieb  mich  ein  geheimnisvollet  Streben 
Voll  Gotteslnst,  auf  der  Begeistnmg  Schwingen 
Zum  Idealen  mich  emporzuringen  — 
Und  hoher  fühlf  ich  mehie  Brost  sich  heben. 

Da  sah  ich  sflfie  Trftnme  mich  umschweben: 
Die  Menschheit  wfthnt'  ich  liebend  zu  umschlingen 
und  ihr  des  Lebens  ganze  Kraft  su  bringen, 
Die  mir  mein  Gott  zum  heiPgen  Kampf  gegeben. 

0  Thor  ich!  welch  ein  Wahn  hielt  mich  geblendet! 
Mein  Streben  war  mit  glfihendem  Verlangen 
Der  ganzen  Menschheit  sehnend  zugewendet: 

und  dennoch  könnt  ich  mit  der  Liebe  Banden 
Auch  nicht  ein  einzig  Menschenherz  umfangen, 
Das  meiner  Sehnsucht  heiligen  Sinn  verstanden. 

Gedichte  des  folgenden  Jahres  scheinen  sich  auf  eine 
Liebe  zu  beziehen,  die  das  Herz  des  Zwanzigjährigen  mit 
frohen  und  zarten  Empfindungen  beseelt,  die  einen  innigen 
lyrischen  Ausdruck  finden  und  zuletzt  in  religiösen  Accor- 
den  ausklingen. 

Diese  Dichtungen,  mit  ihrem  Reichtum  an  Formen 
und  Tönen,  enthüllen  die  stürmisch  gärende  Seele  des 
Jünglings  und  zeugen  von  einer  ungewöhnlichen  Kraft  der 
Empfindung  und  des  dichterischen  Ausdrucks. 

Über  den  äußeren  Verlauf  der  akademischen  Jahre 
unseres  Lipsius  und  den  Gang  seiner  wissenschaftlichen 
Studien  fehlen  mir  genauere  Nachrichten.  In  einer  von 
ihm  selbst  gegebenen  Zusammenstellung  der  wichtigsten 
Lebensereignisse  ^)  nennt  er  als  seine  Lehrer  auf  der 
Universität  zu  Leipzig,  die  er  Ostern  1848  bezogen  hatte, 
die  Professoren  Theile,  Anger,  Tuch,  Winer,  Niedner. 


1)  Artikel  'Lipbius'  in  Brockhans'  Konversationslexikon.  13.  Anfl. 


22  Biehard  Adalbert  Lipsiut. 

Er  hat  aber  auch  von  Fsigkb  und  Liebner  als  gern  ge- 
hörten Lehrern  gesprochen.  Neben  der  Theologie  be- 
schäftigten ihn  ernsthafte  philosophische  Studien,  er  trieb 
mit  Eifer  orientalische  Sprachen;  auch  mit  der  klassischen 
Philologie  blieb  er  in  Ftthlong.  Nach  ein^  Mitteilung  der 
Schwester  war  er  ^ein  flotter  Student,  beteiligte  sich  auch 
am  politisch  angeregten  Leben  jener  Zeit  und  war  Hit- 
glied und  wohl  auch  (nach  dem  Zeugnis  seines  Bruders 
Hebmann)  Gründer  der  Burschenschaft  der  Hermunduren. 
Er  verkehrte  viel  mit  Bubsian  und  Hans  von  Bülow 
zur  Studienzeit  Die  Freundschaft  mit  ersterem  blieb  eine 
lebenslange". 

Auf  die  politischen  Zustände  im  damaligen  Leipzig 
weist  ein  ofifenbar  von  kundiger  Hand  verfaßter  biogra- 
phischer Beitrag  hin,  der  1884  in  der  Beilage  zur  Vossi- 
schen Zeitung  Nr.  147  erschien.  'Das  Revolutionsjahr, 
heißt  es  da,  'führte  Lipsius  die  großen  politischen  und 
kirchlichen  Gegensätze  der  Zeit  vor  Augen,  machte  doch 
der  lutherische  Eiferer  Hablbss  sein  Pastorat  zu  S. 
Nikolai  zum  Ausgangspunkt  des  Kampfes  gegen  die 
Barrikaden  und  animierte  unaufhörlich,  Feuer  zu  geben 
auf  die  'Rebellen.  Und  während  dieser  lutherische 
Professor  und  Prediger  Gift  und  Galle  spie  gegen  das 
preußische  Erbkaisertum  der  Reichsverfassung,  forderten 
die  von  Lipsius  hochverehrten  Professoren  Haupt,  Jahn 
und  Mommsen  zum  Kampf  für  dieselbe  auf.  Die  Mai- 
revolution (1849),  die  schrecklichen  Verfolgungen,  die  nun 
begannen,  das  Scheitern  der  deutschen  Einheitsbestrebungen, 
der  sächsische  Verfassungsbruch  und  die  tiefe  Zerklüftung 
der  Universität,  die  Absetzung  Haupts,  Jahns,  Momm- 
BENS,  BnsDEBif  ANNS,  die  Resignation  Nibdneb's  auf  seine 


Biebftrd  Adalbert  Lipiias.  23 

Profesgur,  das  alles  waren  die  ersten  Eindrücke  deis  poli- 
tischen Lebens,  welche  Lipsius  empfing.  Als  Delegierter 
der  Hemranduria  wohnte  er  1860  dem  Barschentag  in 
Bisenach  bei  und  suchte  den  durch  die  Revolutionszeit 
gelaunten  Burschenschaften  neues  Leben  dnzuhsmchen/ 
Schon  1851  bestand  Lipsius  die  theologische  Staatsprüfung. 
Sie  galt  damals  als  die  schwierigste.  Lipsius  trug  die 
erste  Zensur  davon,  die  seit  lange  nicht  erteilt  wordai 
war.  Als  er  nach  Haus  kam,  fiel  er  in  tiefer  Erregung 
dem  Vater  um  den  Hals:  ^ Vater,  sie  haben  mir  die  Eins 
gegeben ,  riei  er  unter  Thr&nen  —  'aber  verdient  habe 
ich  sie  nicht!'  Der  Schwester,  so  klein  sie  damals  war, 
ist  diese  Szene  unvergeßlich  geblieben.  Sie  giebt  einen 
Bdeg  der  inneren  Demut  und  liebenswürdigen  Bescheide* 
heit,  welche  der  nach  außen  hin  trotzige,  streitbare  Mann 
in  tiefster  Seele  immer  bewahrt  hat. 

Die  nächsten  Jahre  brachte  Lipsius,  mit  den  Vor- 
bereitungen zur  Promotion  und  Habilitation  beschäftigt, 
im  Hause  des  Vaters  zu,  dem  in  einer  zweiten  Ehe  mit 
einer  Kousine  seiner  ersten  Frau,  Lina  Wohlfasth  aus 
Plauen,  ein  neues  Qlück  erblüht  war.  Durch  den  Tod 
der  Mutter  (Ende  1849)  der  letzten  weiblichen  Stütze  im 
Hause  beraubt,  hatte  er  sich  im  April  1862  zu  der  neuen 
Ehe  entschlossen.  Sie  brachte  ihm  und  den  Kindern 
rdchsten  Segen.  Von  den  Freunden  stand  der  Sohn  am 
yi^rtrautesten  mit  A.  y.  Gutsohmid,  H.  y.  Treitschke 
und  E.  Müller  (jetzt  Gymnasialdirektor  in  Zittau).  Zu* 
S^dch  unterhielt  er  mit  dem  Theologen  Anger  und  dem 
Theologen  und  Philosophen  Christian  Weisse  regen 
wissenschafüicfaen  Austausch.  Weisse  hat  er  nach  seinem 
eigene  Bekenntnis  viel  zu  danken.    Namentlidi  ist  die 


24  Riebard  Adftlbert  Lipsiai. 

gleichmäßige  BerttcksictitiguDg  des  historisch- kritischen, 
¥rie  des  spekulativen  Elements  in  seinen  Studien  auf 
Weisses  Anregung  zurückzuführen.  Wie  nahe  beide 
Mftnner  sich  bis  zu  Weisses  Tode  innerlich  gestanden 
haben,  zeigen  auch  die  im  Nachlaß  befindlichen  Briefe 
Weisses.  Lipsius  hat  damals  als  Lehrer  an  höheren 
Töchterschulen  gewirkt,  namentlich  durch  Vortr&ge  über 
deutsche  Litteratur,  in  der  er  ein  sehr  ausgebreitetes 
Wissen  besaß,  und  sich  zugleich  auf  der  Kanzel  als  mar- 
kiger Prediger  bewährt.  1853  folgte  die  Promotion,  1855 
die  Habilitation  an  der  Universität  Leipzig.  1853  er- 
schien die  litterarische  Erstlingsarbeit  des  jungen  Theo- 
logen ^Die  Paulinische  Rechtfertigungslehre'  mit  einem 
empfehlenden  Vorwort  des  Prof.  Liebner.  Dieser  war 
1851  von  Kiel  nach  Leipzig  berufen  und  bezeigte  Lipsius, 
obwohl  selbst  Lutheraner  strenger  Richtung,  großes  Wohl- 
wollen. LiEBNBE  trat  bald  an  die  Spitze  der  sächsischen 
Landeskirche  und  hätte  seinem  jungen  Schützling  gewiß 
gern  eine  sichere  Zukunft  in  Sachsen  bereitet  Aber  ein 
Opfer  seiner  Überzeugung  vermochte  dieser  nicht  zu 
bringen.  In  der  von  Liebner  bevorworteten  Schrift  steht 
Lipsius  noch  auf  dem  Boden  der  sogen.  Vermittelungs- 
theologie,  aber  eigene  Studien  und  der  geistige  Einfluß 
des  Vaters  führten  ihn  mehr  und  mehr  zu  einem  selb- 
ständigen Standpunkt  Kant,  Schleibrmagher,  Hegel 
wirkten  nach  der  einen  Seite,  andrerseits  vertiefte  er  sich 
in  die  Forschungen  des  Tübingers  F.  G.  Baur,  dessen 
Gnmdaufiassung  vom  Wesen  des  Urchristentums  er  sich 
immer  mehr  aneignete.  Schon  in  seiner  Abhandlung  über 
die  3  syrischen  Ignatiusbriefe  (Zeitschrift  für  bist  Theo- 
logie, 1854),  dann  in  der  Habilitationsschrift  De  Clementis 


Richard  Adftlbert  Lipsias.  25 

Bomani  epfetola  ad  Corinthios  priore  (Leipzig  1855)  be- 
kundet er  ein  entschiedenes  Streben  nach  einer  durch 
keine  dogmatischen  Vorurteile  gebundenen,  rein  geschicht- 
liehen Betrachtung  des  Urchristentums.  Diese  Arbeiten 
hatten  bereits  die  Beachtung  der  ersten  Männer  gefunden. 
Wir  finden  Lopstus  schon  im  Jahre  1865  im  Briefwechsel 
mit  Karl  Hase  und  Hilgenfbld,  bald  auch  mit  Bunsen, 
Laoardb,  Zeller,  Baur  u.  a.  Eine  ungewöhnliche  Aus- 
zeichnung war  es,  daß  im  Jahre  1868  die  theologische 
Fakult&t  der  Universität  Jena  beim  300-jährigen  Jubiläum 
der  Universität  den  kaum  28-jährigen  Privatdozenten  zum 
Ehrendoktor  der  Theologie  ernannte,  worauf  er  denn  auch 
im  nächsten  Jahre  von  der  sächsichen  Regierung  zum 
außerordentlichen  Professor  gemacht  wurde.  Auch  in 
Preußen  war  man  auf  ihn  aufmerksam  geworden,  Bunsen 
kam  nach  Leipzig  und  teilte  Lipsius  mit,  daß  man  dort 
an  seine  Berufung  denke,  mahnte  ihn  aber  zugleich  zur 
Mäßigung,  damit  er  sich  dort  nicht  unmöglich  mache. 
Da  öffnete  sich  ihm  ein  Weg  nach  einer  ganz  anderen 
Richtung. 

Im  Sommer  1861  erging  an  ihn  durch  die  Wiener 
Theologen  Boskoff  und  Schimko  die  Anfrage,  ob  er 
geneigt  sei,  eine  Professur  an  der  protestantisch-theo- 
logischen Fakultät  zu  Wien  anzunehmen.  Die  Entschei- 
dung ist  ihm  nicht  leicht  geworden.  Sein  Vater,  mit  dem 
er  in  häuslicher  Gemeinschaft  und  in  inniger,  geistiger 
Verbindung  lebte,  hatte  anfänglich  schwere  Bedenken, 
billigte  dann  aber  doch  den  Entschluß  des  Sohnes  anzu- 
nehmen. Bald  darauf  erlag  er  einem  schweren  Leiden. 
Der  tiefgebeugte  Sohn  sprach  am  Grabe  des  Vaters  das 


26  Richard  Adftlbert  Liptias. 

feierliche  Gelöbnis  aus,  als  Theologe  dem  Mdanchthon- 
schen  Geiste  des  Heimgegangeoen  treu  bleiben  zu  wollen. 
Im  Herbst  folgte  die  Übersiedelung  nach  Wien.  Dort 
stand  er  ziemlich  allein.  Mit  der  Universität,  von  weld^r 
die  evangdisehe  Fakultät  völlig  getrennt  war,  hatte  er  wdil 
wenig  Fühlung,  mit  der  Mehrzahl  der  Kollegen  verband 
ihn  schwerlich  ein  inneres  Geistesband  ^).  Freundschaftlich 
gestaltete  sich  das  Verhältnis  zu  dem  gleichfalls  nach  Wien 
berufenen  Vogbl,  und  mit  dem  jovialen  Boskoff  ist  er, 
wie  die  Briefe  im  Nachlaß  zeigen,  in  dauernder,  herz- 
licher Verbindung  geblieben.  In  Wien  schien  sich  damals 
ein  freieres  Geistesleben  anzubahnen.  Zeller  schreibt 
im  Oktober  1862  auf  eine  entsprechende  Äußerung  von 
Lipsius:  ^Daß  man  im  Augenblick  lieber  in  Wien  sein 
kann,  als  in  Berlin,  glaube  ich  gem\  Und  Hase  äußert 
später  brieflich :  'Ihr  Hingehen  traf  in  eine  Zeit  schöner  Hoff- 
nungen und  trug  in  sich  den  Aufschwung  der  theologisdien 
Fakultät,  der  evangdischen  Kirdie  des  österreidüschen 
Staats.  —  Ich  kann  mir  denken,  wie  manches  Sie  widrig 
berührt  hat,  weiß  aber  auch,  daß  Ihre  dortige  Stdlung, 
wie  kurz  oder  lang  sie  noch  währe,  dem  Protestantismus 
an  der  Donau  zu  gute  konunt'.  Das  hat  adi  voll  erfüllt 
Nicht  nur  durch  den  Einfluß  des  Lehrstuhls.  Lipsius 
hatte  einer  bedeutenden  Ldiraufgabe  zu  genügen,  las  im 
Winter  Dogmatik  und  Encyklopädie,  je  5-stündig,  im 
Sommer  Ethik,  Symbolik  und  theologische  Litteraturbinde 


1)  Iimerfaalb  der  Fabdtftt  ging  jeder  seinen  Weg.  Boskoff 
schreibt  einmal,  daft  die  mensehlidie  Bedehang  anter  den  Konegen 
sehr  spfirlich  sei.  Ähnlich  sp&ter  Voobl:  'In  der  Faknltftt  hat  es 
keinen  Skandal  gegeben.  Wir  leben  friedlich  miteinander,  aber  in 
geselliger  Besiehnng  ist  die  grOftte  Kälte  vorherrschend.' 


Biehftrd  Adftlbert  Liptiui.  27 

in  amBammen  9  Stunden. '  Möcbte  es  Ihnen  gelingen,  schreibt 
Prof.  Wbissb  in  Leipzig,  'die  Siebenbflrger  zu  ernsterem 
Fleifie,  die  Devtsch-Österreicher  zu  lebendigem  Au&chwung 
des  Geistes  anzuregen.'  Durch  die  von  ihm  angeregte 
Gründung  der  Protestantischen  Bl&tter  schuf  er  der 
liberalen  Theologie  in  Österreich  ein  eigenes  Organ.  Über 
die  Schwierigkeiten  des  Unternehmens  belehren  die  Briefe 
des  Pfarrers  Dr.  Haase  in  Bielitz.  Am  bedeutendsten 
aber  wurde  der  Anteil,  welchen  er  an  den  kirchenpoli- 
tisdieB  Arbeiten  nahm.  Er  wurde  1863  Mitglied  des 
teterr^diischmi  Unterrichtsrats  und  trat  als  Abgeordneter 
der  Fakult&t  in  die  erste  österreichische  Generalsynode. 
Durch  die  Arbeiten  derselben  kam  unter  seiner  Mitwir- 
kung im  Mai  bis  Juli  1864  die  liberale  Verfassung  der 
Kirchen  augsburgischer  und  helvetischer  Konfession  zu- 
stande. In  Wien  erschien  auch  das  Hauptwerk  seiner 
gnostischen  Studien.  Er  hatte  längst  erkannt,  daß  es  zur 
richtigen  Erkenntnis  der  Kirchen  des  2.  Jahrhunderts  auf 
strenge  historische  Kritik  des  Quellenmaterials  ankomme. 
Sein  noch  in  die  Leipziger  Periode  fallender  buchartiger 
Aufsatz  Ober  den  Gnosticismus  in  Ebsch  und  Grubebb 
Encyklopildie  1860^)  hatte  bereits  wertvolle  Aufischlflsse 
über  den  Gesamtcharakter  dieser  merkwürdigen  geistigen 
Bewegung  gegeben.  Aber  epochemachend  fttr  die  Unter- 
suchung der  gnostischen  Quellen  wurde  doch  erst  das  in 
Wien  1865  erschienene  Buch  'Zur  Quellenkritik  des  Epi- 
phanios',  dessen  Bedeutung  nfther  zu  würdigen  nur  dem 
Fachmann  zusteht 


1)  Eabl  Eabe  urtdlt  von  dieser  Arbeit»  daft  de  du  volle  Beraltat 
^er  bbherigen  Qaellenfortchimg  xasammenfasse  und  tebarlidniiig 
dtrehdringe. 


28  Riebftrd  Adalbert  Li  piiui. 

So  war  das  Wirken  und  Schaffen  der  Wiener  Jahre 
trotz  mancher  Widerwärtigkeiten  doch  voll  beglückender 
Erfolge.  Es  ruht  aber  audi  auf  ihnen  der  volle  Strahl 
des  neu  begründeten  häuslichen  Glückes.  Schon  in  Leipzig 
hatte  er  unter  seinen  Schülerinnen  Laura  PABCHwn^  aus 
Breslau  kennen  gelernt  und  bald  mit  ihr  den  Bund  der 
Herzen  geschlossen.  Nun  wurde  sie  die  Seine.  Bis  an 
sein  Ende  hat  er  mit  innigster,  zartester  Liebe  an  ihr 
gehangen,  in  ihr  das  höchste  irdische  Glück  gefunden, 
unter  dem  Einfluß  ihrer  sanften,  edlen  Weiblichkeit  seine  oft 
stürmisch  schroffe  Art  gemäßigt  und  gemildert.  —  Aber 
die  Trennung  von  der  deutschen  Wissenschaft,  dem  deut- 
schen Vaterlande  vermochte  er  je  länger,  je  weniger  zu 
überwinden.  1866  erging  ein  Ruf  an  ihn  nach  Kiel.  Um- 
sonst bot  der  damalige  Staatsminister  von  Schmerling 
alles  auf,  den  gefeierten  Theologen  dem  Kaiserstaat  zu 
erhalten  —  es  zog  ihn  nach  den  deutsch  gewordenen 
Herzogtümern;  im  Herbst  begann  er  seine  Lehrthätigkeit 
an  der  Kieler  Universität  als  ordentlicher  Professor  der 
Dogmatik.  Hier  trat  er  wieder  in  lebendigen  persönlichen 
Verkehr  mit  Freunden,  wie  A.  v.  Gutschmid,  H.  v. 
Trettschke,  Nöldeke. 

Die  Kieler  Jahre  —  Herbst  1865  bis  Herbst  1871  — 
waren  Jahre  des  Sturmes  und  des  Kampfes.  Ihre  ein- 
gehende Beleuchtung  wird  von  dem  künftigen  Biographen 
nichts  weniger  als  die  Darstellung  eines  wichtigen  Stückes 
der  Zeit-  und  Kirchengeschichte  erfordern,  für  welche  ein 
Teil  der  Akten  in  Lipsius  'Theologischen  Streitschriften 
(Kiel  1871)  niedergelegt  ist.  Nur  in  den  Umrissen  darf 
ich  dieser  Kämpfe  Erwähnung  thun.  Voll  und  ganz  steht 
Lipsius  auf  dem  Boden  der  preußischen  Politik.   Aus  dem 


Biehftrd  Adalbtrt  Lipsiat.  29 

großdeatschen  Republikaner  von  1848  ist  ein  entschiedener 
Anhänger  der  preußischen  Monarchie  geworden.  Sein 
scharfer  Blick  erkannte  die  ungeheure  nationale  Bedeutung 
der  Zurü(Aerwerbung  der  Herzogtümer  und  daß  ihre  Ver- 
wertung f&r  die  Einigung  Deutschlands  nur  durch  Preußen 
möglich  sei.  Diese  vaterländische  Überzeugung,  nicht 
Sympathie  für  das  spezifische  Preußentum,  dem  er  stets 
abgeneigt  blieb,  bestimmte  seine  Haltung.  Man  weiß,  wie 
die  Annexion  1866  in  den  Herzogtümern  das  Blut  erbittert 
hatte.  Lipsius  sucht  m&ßigend  und  ausgleichend  zu  wir- 
ken, er  will  -wenigstens  die  Universität  mit  ihrem  Schick- 
sal versöhnen^).  Der  damalige  Rektor,  Professor  Bbhk, 
der  berühmte  Arzt  und  Naturforscher,  legt  das  Rektorat 
nieder  und  verläßt  das  Land.  Da  ist  es  Lipsius,  der  als 
Dekan  der  theologischen  Fakultät  die  Abordnung  der  Uni- 
versität nach  Berlin  führt  und  in  .ihrem  Namen  die  An-* 
spräche  an  König  Wilhelm  hält. 

Nun  kamen  die  Bedenken  der  orthodoxen  Landes- 
geistlichkeit gegen  das  unierte  preußische  Kirchenr^ment. 
Von  Berlin  aus  betrieb  man  die  Berufung  des  evangelischen 
'Kirchentags'  nach  Kiel  und  hoffte  die  erbitterten  Schles- 
wig-Holsteiner zu  gewinnen.  Lipsius  wohnte  diesem 
Kirchentag  bei,  um  die  Gegensätze  zu  mildem.  Zwei 
Parteien  standen  sich  gegenüber,  die  streng-lutherische 
'Bischofispartef  unter  dem  Bischof  und  Oeneralsuperinten- 
denten  Dr.  Koopmann  und  die  sogen.  'Professorenpartei' 
unter  Lipsius  Führung.  Die  heftige  litterarische  Fehde, 
welche  sich  zwischen  beiden  Männern  entzündete,  errate 
auch  außerhalb  der  Provinz  großes  Aufsehen.    An  eine 


1)  Vgl  den  S.  22  erwähnten  Aufsatz  in  der  Vom.  Zeitung. 


30  Bicbftrd  Adalbert  Lipiins, 

VersöhDung  war  nicht  zu  denken,  aber  es  war  dem  im- 
ermfidlichen  itfanne  doch  gelungen,  unter  seinen  Kollegen, 
unter  den  Studenten  und  den  freisinnige  Bürgern  und 
Geistlichen  eine  Partei  zu  bilden,  die  sich  wenigstens  in 
das  preußische  unierte  Kirchenregiment,  das  für  die  annek- 
tierten Länder  dem  Kultusminister  zugesprochen  wurde, 
zu  ergeben  bereit  war.  Aber  die  Orthodoxen  gewann  er 
nicht,  und  den  einflußreichen  Berliner  theologischen  Kreisen, 
der  sog/Hofpredigerpartef  und  der'EyangeUschen  Kirchen- 
zeituog'  war  und  blieb  er  verdächtig.  Als  er  damals  einen 
Ruf  nach  Heidelberg  ausschlug,  beklagte  das  Hengsten- 
BERG,  dorthin  gehöre  Lipsius,  in  Kiel  sei  er  nichts  nütze. 
Anders  dachten  die  freisinnigen  Geistlichen  des  Landes. 
Pastor  Habder  in  Hemmingstadt,  einer  der  Geistlichen, 
mit  denen  Lipsius  über  die  landeskirchlichen  Verhältnisse 
in  brieflichem  Austausch  stand,  schrieb  voller  Freude  über 
die  Ablehnung  des  Rufes  nach  Heidelberg:  'die  freisinnigen 
evangelischen  Geistlichen  und  Laien  haben  nur  in  Ihnen 
eine  sichere  Stütze  und  einen  zuverlässigen  Führer,  und 
für  das  heranwachsende  Theologengeschlecht  ist  der  Segen 
unberechenbar.  In  Berlin  aber  wuchs  das  Mißtrauen. 
Ein  Vortrag,  den  Lipsius  auf  dem  Protestant^vereinstag 
in  Osnabrück  hielt,  machte  ihn  noch  verdächtiger.  Man 
fing  an,  von  Berlin  aus  ihn  zu  maßregeln,  er  mußte  aus 
der  wissenschaftlichen  Prüfungskommission  aiföscheiden. 

Alles  das  vermochte  aber  weder  Lipsius  Lehrthätig- 
keit  noch  seine  gelehrte  Forschung  zu  beeinträchtigen. 
Seine  Schüler  von  damals  bezeugen,  wie  sie  die  unver^ 
geßlichsten  Eindrücke  von  der  jugendlich-kraftvollen  Wirk- 
samkeit des  gefeierten  Lehrers  empfingen^).    Von  seiner 

1)  Vgl.  H.  LüDBMANN  in  dor  Beil.  zur  Mfinohner  Allg.  Ztg.  1892- 


Rfebard  Adalbert  Llpsini.  31 

oneniiüdlicheii  ForBchungsarbeit  und  seiner  glänzenden 
Befthigimg  für  historische  Kritik  gab  das  1869  zn  Kiel 
erschienene  Weric  'Die  Chronologie  der  römischen  Bischöfe 
der  drei  ersten  Jahrhunderte^  ein  viel  bewundertes  Zeugnis. 
Seine  gnostischen  Untersuchungen  hatten  ihn  dazu  geführt, 
fBr  die  dogmengeschichtliche  Chronologie  festere  Grund- 
lagen zu  schaffen.  Hieraus  war  das  genannte  Werk  her- 
vorgegangen, welches  Ordnung  zu  schaffen  sucht  in  dem 
Gewirre  halbmythischer  Nachrichten  über  die  Aufeinander- 
folge der  ältesten  römischen  Bischöfe. 

Als  nähere  Ausführungen  eines  Teiles  dieser  Schrift 
erschienen  1871  zu  Eier  Die  Pilatusakten'  und  die 'Quellen 
der  römischen  Petrussage'. 

Dasselbe  Jahr  brachte  nun  die  entscheidendste  Wen- 
dung in  Lipsius  Leben,  die  Berufung  an  die  Jenaer  Hoch- 
schule. Sein  väterlicher  Freund,  Professor  Leopold 
RüGKEBT,  der  schon  dem  Vater  einst  am  Gymnasium  in 
Zittau  ein  wohlwollender  Berater  gewesen  war,  der  ihn 
selbst  1858  beim  Jenaer  Universitätsjubiläum  als  Gast  bei 
sich  aufgenommen  hatte,  der  bis  an  sein  Lebensende  im 
rasten  und  innigsten  brieflichen  Verkehr  mit  ihm  ge- 
standen, war  gestorben.  Keinen  würdigeren  Nachfolger 
wußte  die  Fakultät  unter  Hases  Leitung  vorzuschlagen, 
als  Lipsius;  der  Kurator  Seebeck 0,  mit  dem  ihn  später 
das  Band  herzlicher,  gegenseitiger  Hochschätzung  und 
Verehrung  verknüpfen   sollte,  kam  selbst  nach  Kiel,  um 


D.  dOO,  and  besonders  A.  H.  Braasoh  im  Deatsehen  Protestantenblatt 
(Bremen)  1892  n.  40,  der  eingehende  Mitteilang  über  Lipsius  Wirk- 
samkeit in  den  Vorlesungen  and  in  der  'theologiscbea  Societfit'  giebt. 
1)  YgL  den  Artikel  ^Mobitz  Sbkbkck'  von  dem  Verfasser  des  vor- 
liegenden Aufsatzes  im  V.  Band  der  N*  F.  dieser  Zeitschrift 


32  Richard  Adalbert  Lipiias. 

ihn  für  Jena   zu  gewinnen.     Er  überbrachte  den  nach- 
stehend mitgeteilten  Brief  von  Kabt^  Hase  vom  21.  Juni : 

Mein  theurer  College! 

Wie  sehr  ich  mich  freuen  würde,  wenn  Sie  den  Ruf 
zu  uns  f&r  einen  mittelbar  göttlichen  ansehn  wollten,  das 
brauche  ich  Ihnen  nicht  erst  zu  sagen.  Weshalb  ich  aber 
unsem  edlen  Botschafter  [Seebegk]  gebeten  habe  diese 
Zeilen  von  mir  mitzunehmen,  das  war  die  Meinung,  daß  in 
die  Gegenschale  Ihres  etwaigen,  mir  nicht  unbekannten 
Bedenkens,  den  so  tapfer  behaupteten  Wachposten  in  den 
Herzogtümern  zu  verlassen,  das  Dafürhalten  eines  alten 
Freundes  ein  kleines  Gewicht  werfen  könnte.  Sie  haben 
dort  das  Ihre  gethan,  und  was  Sie  dort  gewirkt  haben  für 
die  Befreiung  der  Geister  durch  die  Wahrheit,  das  wird 
jetzt  auch  ohne  Ihre  persönliche  Gegenwart  fortwirken  imd 
der  ausgestreute  Same  Frucht  tragen.  Sie  werden  aber  bei 
aller  Kraft  und  Anstrengung  die  Universität  Kiel  als 
theologisches  Studium  nicht  über  eine  kleine  Landesuniver- 
sität hinausheben  und  bei  der  mit  dem  Flor  der  Stadt  ge- 
steigerten Teurung  werden  die  Eingebomen  der  Eib- 
herzogtümer immer  möglichst  lange  andere  preußische  Uni- 
versitäten besuchen,  während  unser  Jena,  immer  vorzugs- 
weise eine  theologische  und  philosophische  Universität, 
wenn  auch  derzeit  durch  die  orthodoxe  Wuth  und  den  Ver- 
mittlungswahn etwas  herabgekommen,  doch  durch  seine 
Erinnerungen,  seine  nothwendige  Freiheit,  seine  Lage  und 
immer  noch  billige  gemüthliche  Sitte,  dazu  angethan  ist 
nach  ihrer  ursprünglichen  Bestimmung  die  alte  kaiser- 
liche Reichsuniversität  des  Protestantis- 
mus >)  zu  sein.  Es  wäre  der  Mühe  wert,  daß  wir  uns 
dazu  die  Hände  reichten,  Sie  mir  vielleicht  nur  auf  kurze 
Zeit,  so  lange  es  Gott  gefüllt,   und   nach   mir   einem   nach 


1)  Die  HerTorhebong  dieser  Worte  rührt  nicht  von  dem  Yerfasser 
des  Briefes  her. 


Biehftrd  Adalbert  Liptins.  38 

Ihrem   Bath   erwählten  Nachfolger. —  (Nach  einer 

Andentang  über  die  besseren  Einnahmen:)  I>och  weifi  ich, 
daB  es   ein   höheres  ist,  das  Sie   uns  bringt   oder  versag! 
Immer  treu  verbunden 
Ihr 

Dr.  Kabl  Hase. 

Mit  Freuden  folgte  Lipsius  dem  Kufe. 

Hier  erst  kam  die  ganze  Kraft  des  Mannes  zur  vollen 
angehemmten  Entfaltung.  Zunäclföt  war  seine  Lehrth&tig^ 
keit  eine  ungemein  umfassende.  Hatte  er  doch  eine  auf  seine 
seltene  Kraft  berechnete  Doppelprofessur  zu  versehen,  fttr 
neutestamentliche  Exegese  einer-,  f&r  systematische  Theo- 
k^e  andrersdts.  So  umfaßten  denn  seine  Vorlesungen 
sämtliche  Zweige  der  systematischen  Theologie,  Dogmen- 
geschichte, Religionsphilosophie,  neutestamentliche  Exegese 
and  Kritik. 

Lipsius  Vorgänger,  Rügkebt,  fflhrt  in  seinen  Briefen 
QU  bittere  Klage  ttber  den  Rückgang  der  theologischen 
Stodien  in  Jena.  Jetzt,  wo  der  wichtigste  Lehrstuhl  mit 
einer  frischen  Kraft  ersten  Ranges  besetzt  war,  begann 
ein  neuer  AufiBchwung.  Nicht  nur  aus  den  Thttringischen 
Landen,  auch  aus  Österreich,  der  Schweiz  und  Nord- 
deutschland sammelten  sich  die  Hörer  um  die  theologi- 
schen Lehrstühle  Jenas.  Als  Lehrer  wirkte  Lipsius  nicht 
durch  das,  was  man  glänzende  oratorische  Gaben  nennt, 
auch  nicht  durch  eine  leichte,  angenehme  Form,  welche 
dem  Hör^  die  Ergebnisse  der  wissenschaftlichen  Forschung 
mundgerecht  entgegenträgt  Er  machte  hohe  Ansprüche 
an  die  Vorbildung  wie  an  das  selbständige  Denken  der 
Studierenden.  Aber  die  ruhige  Klarheit  des  in  tadelloser 
Form,  im  wesentlichen  frei  gesprochenen  Vortrags,  die 

xvn.  3 


34  Richard  Adftlbert  Lipsius 

Schärfe  der  Gedanken,  der  von  hohem   sittliehen  Ernst 
beseelte  Ausdruck,  die  wissenschaftliche  OrOndlichkeit  der 
Untersuchung  mrkte  in  hohem  Maße  bildend  und  erziehend. 
Außer  den  Vorlesungen  wirkte  er  auf  die  Studieren- 
den im  Seminar,  in  den  Vereinen,  im  persönlichen  Ver- 
kehr.   Im  Seminar  war  er  grOndlich  und  scharf  in  der 
Beurteilung,  aber  stets  ungemein   mild  in  der  Form  des 
Urteils,  anerkennend,  wo   er  irgend  konnte,  auch  den 
Sdiwachen  aufmunternd   und    belebend.     Mit   Rat   und 
Hilfe  war  er  stets  bei  der  Hand.   Kein  Fragender  klopfte 
umsonst  an  seine  Thüre.  Seine  reiche  und  wertvolle  Biblio- 
thek stand  Kollegen  und  Schülern  stets  zur  Verfügung. 
Kurz  hinweisen  kann  ich  nur  auf  die  in  Jena    ge- 
zeitigten großartigen  Ergebnisse  seiner  wissenschaftlichen 
Forschungen.    Seit  seinen  Studien  über  die  Petrussage 
hatte  er  die  weitverbreitete  Litteratur  der   apokryphen 
Apostelgeschichten,  die  in  ihrer  ursprünglichen  Form  auf 
gnostische   Kreise    zurückgehen,    nicht    wieder  aus  den 
Augen  verloren.    Es  war  dies  ein  ungeheuer  schwieriges, 
bis  dahin  fast  völlig  vernachlässigtes  Gebiet.    'Lipsius 
half,  wie  ein  Fachgenosse  sagtO,  'diesen  Urwald  nicht  allein 
durchdrungen,   sondern  auch  derartig  gelichtet    und  in 
seinen  dunkelsten  Partien  aufgeklärt,  daß  künftigen  For- 
schem nur  übrig  bleiben  wird,  auf  den  von  ihm  gebahnten 
Wegen  fortzuarbeiten .    Sein  Ziel  war,  'durch  eine  scharf 
eindringende  Quellenkritik  den  Bestand  der  gnostischen 
Urform  wieder  herzustellen',    dem  aber  'eine  Fülle  von 
wissenschaftlicher  Bearbeitung  der  massenhaft  überlieferten 
Texte,  besonders  philologischer  und  dogmengeschichtlicher 
Art  vorausgehen    mußte'.     Diese  staunenswerten    Unter- 

1)  LüDXMANN  a.  a.  0. 


Richard  Adalbert  Llpslat.  35 

guchungen  sind  in  dem  dreib&ndigen  Werk  'Die  apokryphen 
Apostelgeschichten,  Braanschweig  1881—87  i),  niederge- 
l^t,  an  welches  1891  der  erste  Teil  der  nach  Tisghendobf 
von  Lipsiüs  in  Verbindung  mit  M.  Bonnet  nnternommenen 
Heransgabe  der  Acta  apostolomm  apocrypha  sich  an- 
schloß. Dieser  Teil,  von  Lipsnjs  allein  bearbeitet,  mit 
den  um&ssenden  textgeschichtlichen  und  sprachlichen 
Untersuchungen  in  den  Prolegomenen,  dem  aus  zahllosen 
neu  herangezogenen  oder  wenigstens  neu  verglichenen  Hand- 
schriften mit  staunenswerter  Sorgfalt  hergestellten  kritischen 
Apparat,  dem  gereinigten  und  durch  scharfsinnige  Emen- 
dationen  yerbesserten  Text,  den  fleißigen  und  genauen 
Indices  stellt  die  speziell  philologische  Seite  in  der  Veran- 
lagung des  großen  Theologen  in  das  glänzendste  Ldcht. 
Dieses  staunenswerte  Werk,  welches  als  Ergebnis  einer 
Lebensarbeit  Achtung  verdienen  würde,  ist  nur  einem 
engeren  Kreise  gelehrter  Spezialforscher  näher  bekannt. 
Das  Werk  aber,  welches  innerhalb  der  ganzen  Theologie, 
bei  Freunden,  wie  Gegnern,  die  weiteste  Verbreitung  und 
Beachtung  gefunden  und  den  Namen  des  Verfassers  be- 
rühmt gemacht  hat,  ist  seine  Dogmatik,  in  erster  Auf- 
lage Braunschweig  1876  erschienen,  an  der  dritten  Bear- 
beitung war  er  noch  auf  seinem  Sterbelager  beschäftigt, 
bis  der  Todesengel  ihm  den  Grifiiel  aus  der  Hand  nahm. 
In  diesem  Werke  sucht  er,  um  seinen  eigenen  Ausdruck 
zu  gebrauchen,  ^auf  der  sich  bescheidenden  Grundlage 
Kants  eine  einheitliche,  mit  den  Thatsachen  aller  innem 
und  äußern  Erfahrung  sich  im  Einklänge  haltende  religiöse 


1)  Vorher  waren  erschienen  *Die  QneUen  der  ältesten  Ketzer- 
gescfaichte',  Leipzig  1875,  nnd  'Die  edessenische  Abgarsage',  Braun- 
schweig  1880. 

3* 


36  Biehftrd  Adftlbert  Liptias. 

WdtaDschauuDgzu  gewinneii\  Nur  von  einem  philosophiseh 
durchgebildeten  Theologen  kann  eine  Würdigung  dieses 
grolkurtigen  Werkes  erwartet  und  danach  die  geschicht- 
liche Stellung  des  Verfassers  in  der  Geschichte  der  pro- 
testantischen Theologie  bestimmt  werden  ^). 

Von  Lipsius  zahllosen  Abhandlungen,  wie  von  den 
Streitigkeiten  mit  der  Schule  seines  ihm  früher  eng  ver- 
bundenen Freundes,  späteren  Gregners  Ritsghl  schweige 
ich  ganz  und  erwähne  nur  noch,  daS  er  bis  an  sein  Ende 
die  von  ihm  im  Verein  mit  Kabl  Hase,  Otto  Pfleidbreb 
und  Ebebhabd  Sghradeb  begründete  Zeitschrift  ^Jahr- 
bücher für  protestantische  Theologie^  sowie  seit  1885  auch 
den  von  PtrNjER  begründeten  ^Theologischen  Jahresberichi' 
herausgab.  Pünjer  war  einer  seiner  begabtesten  Schüler, 
den  er  gern  als  seinen  einstigen  Nachfolger  ansah.  Daß 
der  hofinungsvoUe  Mann  ihm  und  der  Wissenschaft  durch 
einen  frühen  Tod  entrissen  wurde,  gehört  zu  seinen  schmerz- 
lichsten Erlebnissen. 

Mit  der  ausgedehnten  und  eingreifenden  Lehrthätig- 
keit  und  einer  gelehrten  Forschung  von  riesenhaftem  Um- 
fang war  aber  Lipsius  Schaffensthätigkeit  in  Jena  nicht 
entfernt  erschöpft  Lipsius  war  gewiß  eine  theoretische 
Natur  im  höchsten  Sinne,  in  welcher  beschauliches  Denken 


I)  Auf  dogmatischem  Gebiet  war  Lipsius  snerst  in  mehreren 
Abhandlungen  nnd  Vorträgen,  sowie  in  den  *Theolog.  Streitschriften' 
(s.  0.)  hervorgetreten.  Nach  der  ersten  Auflage  der  Dogmatik  er- 
schienen die  ^Dogmatischen  Beiträge'  (Leipzig  1878)  und  die  'Neuen 
Beiträge  zur  wissenschaftlichen  Grundlegung  der  Dogmatik'  in  den 
Jahrb.  f.  prot  TheoL  1886.  Die  letzte  von  ihm  herausgegebene  dog- 
matische Arbeit  war  die  Schrift:  Die  Hauptpunkte  der  christlichen 
Glaubenslehre',  Braunschweig  1891  (Sonderabdr.  aus  den  Jahrb.  t  prot. 
Th.  1890,  Heft  I).  In  diesen  Tagen  erst  erschien  die  erheblich  umge- 
staltete dritte  Auflage  der  Dogmatik,  herausgegeben  von  Baumqabtbiu 


Sicbftrd  Adalbert  Liptiut.  37 

und  kriti8cbe8  Zerlegen  zu  einer  höheren  £inheit  verbanden 
waren.  Aber  nicht  minder  stark  war  sein  Trieb  and  sein 
Vermögen  zu  eingreifendem  Handeln. 

Im  Vordergründe  steht  hier  seine  Beteiligung  an  der 
praktisch-kirchlichen  Arbeit.  Mit  selbstloser  Hingabe  hat 
er  zunächst  fttr  die  gesunde  Weiterentwickelung  unserer 
Landeskirche  gewirkt.  'Das  weiß  jeder ,  so  heißt  es  in  einer 
brieflichen  Mitteilung  des  Herrn  Generalsuperintendenten 
Dr.  Hesse  in  Weimar,  'der  Zeuge  seines  Wirkens  in  fünf 
Landessynoden  gewesen  ist  und  hier  in  so  mancher  be- 
deutungsvollen Veriiandlung  sein  aufklärendes,  berichtigen- 
des, freimütiges  und  zum  Ziele  führendes  Wort  vernommen 
hat.  Regelmäßig  wurde  er  zum  Mitglied  des  Synodalaus- 
schusses  gewählt  und  hat  als  solches  fast  ausnahmslos  an 
den  Sitzungen  des  verstärkten  Kirchenrats  teilgenommen, 
auch  da  seiner  Überzeugung  treuen  Ausdruck  gebend,  in 
manchen  verwickelten  Fragen  die  Schwierigkeiten  lösend, 
allezeit  von  wohlwollender  Fürsorge  für  das  Wohl  der 
Kirche  und  ihrer  Diener  geleitet.  Von  demselben  Geiste 
beseelt,  hat  er  an  vielen  Generalkirchenvisitationen  sich 
beteiligt  und  immer  einen  scharfen  Blick  für  sich  offen- 
barende Schäden  und  ein  helles  Auge  für  die  Wege  der 
Besserung  gezeigt'.  —  Eine  Frage,  die  ihm  als  Mitglied  der 
theol<^schen  Prüfungskommission  in  den  letzten  Jahren 
besonders  am  Herzen  lag,  war  eine  Erweiterung  der  prak- 
tischen Vorbildung  unserer  Geistlichen.  Durch  Einrich- 
tung eines  Predigerseminars  in  Jena  für  junge  Theologe 
als  Zwischenstufe  zwischen  Universität  und  Amt  glaubte 
er  eine  schmerzlich  empfundene  Lücke  zu  schließen.  Ein 
der  Regierung  eingereichtes  ausführlich  begründetes  Gut- 
achten ist  eine  seiner  letzten  Arbeiten  gewesen.  —  Aber 


38  Richard  Adalbert  Lipsins. 

weit  aber  die  Grenzen  der  Landeskirche  hinaus  erstreckte 
sich  seine  praktische  Wirksamkeit  für  Förderung  der 
Interessen  der  evangelischen  Kirche,  fOr  ihren  Schutz  und 
ihre  Vertretung  g^en  den  alten  grundsätzlichen  Feind 
und  Zerstörer,  fELr  ihre  Ausdehnung  in  der  Heidenwelt, 
für  die  Erweckung  ihrer  lebendigen  Segens-  und  Liebes- 
kräfte gegenüber  der  sittlich-religiösen  Not  unseres  eigenen 
Volkslebens.  Aber  ich  kann  das  umfassende  und  ein- 
greifende Wirken  des  unermüdlichen  Mannes  auf  allen 
diesen  Gebieten  nur  in  äußerster  Kürze  andeuten.  Der 
Gustav- Adolf- Verein  hat  an  ihm  eines  seiner  begeistertsten 
und  thatkräftigsten  Mitglieder  gehabt.  Der  Evangelische 
Bund  zählt  ihn  zu  seinen  Mitbegründern,  dankt  ihm  zum 
großen  Teil  seine  Organisation.  Hier  besonders  war  er 
mit  Erfolg  bemüht,  die  Geister  zu  einen  durch  Zurückstellung 
des  Trennenden,  durch  Betonung  und  Hervorhebung  des  Ge- 
meinsamen. Der  auf  der  Eisenacher  Versammlung  1889  ver- 
lesene Vortrag  über  den  gemeinsamen  Glaubensgrund  giebt 
hiervon  ein  glänzendes  Zeugnis;  seine  Wirkung  war  eine 
durchschlagende.  Viele  Männer  streng  positiver  Richtung 
sind  mit  ihm  in  herzliches  Einvernehmen  getreten.  Nur 
streifen  kann  ich  seine  Beteiligung  an  der  Begründung 
des  evangelisch-sozialen  Kongresses,  seinen  Anteil  an 
Gründung  und  Förderung  des  evangelisch-protestantischen 
Missionsvereins,  für  dessen  Richtung  der  Braunschweiger 
Vortrag :  'In  welcher  Form  sollen  wir  den  heidnischen  Kultur- 
völkern das  Evangelium  bringen  ?'  ausschlaggebend  wurde 
Um  zu  den  akademischen  Beziehungen  zurückzukehren, 
so  wird  man  begreiflich  finden,  daß  eine  Persönlichkeit 
wie  Lipsius  auch  als  Mitglied  des  Senates  der  Hochschule 
einen  ungewöhnlichen  Einfluß  gewinnen  mußte.    Derselbe 


Bichard  Adalbert  Lipsins.  39 

trat  sowohl  in  den  Beratungen  des  Senats,  wie  der  Kom- 
missionen, besonders  in  der  Verwaltangsdeputation,  deren 
ständiges  Mitglied  er  war,  bedeutsam  hervor.  Daß  er  als 
erster  Professor  der  theologischen  Fakultät  schriftlich  und 
mflndlich  zuerst  zu  votieren  hatte,  machte  seine  Stellung 
schon  äußerlich  bedeutend.  Aber  wesentlicher  war  doch 
ein  inneres  Moment.  Lipsius  bildete  sich,  wie  ein  Senats- 
mitglied mitteilt,  immer  eine  genau  bestimmte  Meinung 
und  vnißte  dieselbe  scharf  zu  formulieren  und  klar  zu  be- 
gründen. Hierbei  verstand  er  es  besonders,  verwickelte 
Angelegenheiten  auf  den  Hauptpunkt  zurückzuführen. 
Wesentliches  und  Unwesentliches  deutlich  zu  unterscheiden, 
Verworrenes  aufzulösen,  mit  kurzem  Wort  den  Kern  der 
Sache  zu  treffen. 

Der  geistigen  Klarheit  entsprach  die  moralische  Festig- 
keit, der  unerschrockene  Mut,  das  Unangefochtensein  von 
äußerlichen  Rücksichten.  Sein  Auftreten  mochte  zuweilen 
in  der  Form  verletzend  scheinen,  aber  daß  sein  Streben 
allezeit  allein  auf  die  Sache  gerichtet  war,  zeigte  sich  in 
der  Würdigung  sachlicher  Einwendungen,  denen  er  auf 
die  eigene  Ansicht  gebührenden  Einfluß  gestattete. 

Aber  auch  auf  Gebieten,  die  sich  weder  mit  der 
Richtung  seiner  gelehrten  Studien  oder  seinen  allgemeinen 
theologischen  Interessen,  noch  auch  mit  seinen  amtlichen 
Berufspflichten  näher  berührten,  hat  er  seine  geistige  Kraft 
und  sein  praktisches  Geschick  mannigfach  bethätigt  So  war 
er  mehrere  Jahre  Vorsitzender  der  Kommission  für  Prü- 
fung der  Kandidaten  des  höheren  Schulamtes,  Mitglied 
des  Vorstandes  des  Lutherfestspielvereins,  endlich  seit 
1877  bis  an  seinen  Tod  erster  Vorsitzender  des  Vereins 
für  Thüringische  Geschichte  und  Altertumskunde.  Seine  hier 


40  Biohard  Adalb«rt  Lipiim. 

geflbte  Thätigkeit  verlangt  eine  besondere  Würdigung. 
Hier  sei  nur  hervorgehoben,  daß  der  Verein  unter  seiner 
umsichtigen  und  thatkrftftigen  Leitung  die  anflurglich  noch 
feienden  Bedingungen  eines  vielseitigen  und  eingreifenden 
Wirkens  gefunden  hat.  Ihm  ist  es  gelungen,  die  Emestt- 
aischen  Regierungen  wie  die  Fürstlich  Schwarzburgischen 
und  die  Fürstlich  Reußischen  Regierungen  zu  ansehnliche 
Geldbeiträgen  für  die  wissenschaftlichen  Publikationen  des 
Vereins,  besonders  Urkundenwerk  und  Repertorium  zu 
gewinnen  und  ihre  Geneigtheit  auch  unter  schwierigen  Ver- 
hältnissen zu  erhalten.  Der  verworrene  Zustand  der  Ver- 
einsbibliothek wurde  durch  einen  Vertrag  mit  der  Verwal- 
tung der  Universitätsbibliothek  in  gedeihliche  Ordnung 
gebracht.  Der  Schriftenaustausch  erstreckte  sich  nach  und 
nach  auf  etwa  220  gelehrte  Vereine  und  Akademien  inner- 
«nd  außerhalb  Deutschlands.  Es  wurden  6  Bände  der  Zeit- 
schrift, 4  Bände  und  1  Heft  des  Urkundenbuchs  ausge- 
geben, weitere  vorbereitet,  das  großartige  Werk  eines  Reper- 
t<»ium8  sämtlicher  gedruckter  Urkunden  zur  Thüringischen 
Geschichte  dem  Abschluß  nahe  gebracht.  Durch  die  all- 
jährlich an  verschiedenen  Orten  Thüringens  unter  Lipsius 
umsichtiger  und  geistig  anregender  Leitung  abgehaltenen 
Vereinsversammlungen  ist  das  Interesse  für  die  Aufgaben 
und  Arbeiten  des  Vereins  lebendig  gehalten  und  er  weitert 
worden,  die  Mitgliederzahl  hat  sich  während  dieser  Jahre 
verdoppelt 

So  stand  er  mitten  in  der  Fülle  vielseitigsten,  frucht- 
barsten Wirkens  und  Schaffens.  Wie  ein  jäher  Blitz  traf 
uns  die  Kunde  seines  am  19.  August  plötzlich  erfolgten 
Todes.  Die  ungeheure  Lebensarbeit  hatte  doch  nach  und 
nach  die  physischen  Kräfte  seiner  zart  angelegten  Natur 


Richard  Adalbert  Ltpsins.  41 

ersdiöpft.  Ein  iimeres  Leiden  hatte  sich  seit  einer  Reihe 
TOD  Jahren  ausgebildet,  das  von  Zeit  zu  Zeit  in  Krank- 
heitsanfifflen  sich  änSerte.  Aber  zu  neuer  Spannkraft 
schwang  sich  sein  Geist  immer  wieder  auf.  In  yoDster 
Frische  hatte  er  noch  an  den  festlichen  Bismarcktagen  an 
vorderster  Stelle  teilgenommen.  Aber  bald  nachher  mußte 
«r  sich  einer  chirurgischen  Operation  unterziehen,  die  er 
zunächst  glücklich  überstand,  bis  ein  unerwarteter  Blut- 
erguß den  Rest  seiner  Kräfte  hinwegnahm.  Er  starb  am 
19.  August  nachmittags  2  Uhr. 

Was  Lipsius  zu  einem  der  ersten  Gelehrten  unserer 
Zeit  machte,  sind  nicht  bloß  die  geistigen  Eigenschaften. 
Wie  sich  mit  der  analytischen  Begabung,  mit  der  Klarheit 
ond  eindringenden  Schärfe  des  Denkens,  die  auch  die 
verwickeltsten  Probleme  löst,  der  synthetische  Greist  ver- 
bindet, welcher  das  zerstreute  Einzelne  in  höhere  Zusammen- 
hänge aufnimmt  und  auf  spekulativem  Gebiete  zu  einheit- 
licher Weltanschauung  vordringt,  so  finden  diese  intellek- 
tuellen Kräfte  ihren  höchsten  Wert  doch  erst  in  ihrem 
Zusammenhang  mit  dem  sittlichen  Charakter,  dessen  For- 
derungen sie  dienstbar  sind;  das  Grundstreben  des  Ver- 
storbenen war  auf  die  Wahrheit  um  ihrer  selbst  willen 
gerichtet,  ihr  diente  er  mit  der  beharrlichen  Kraft  eines 
festen,  unerschrockenen  WoUens,  mit  der  unbestechlichen 
Treue  der  Überzeugung,  die  keine  Nebenrücksicht  kennt, 
keinem  äußeren  Vorteil  etwas  opfert.  Diese  Überzeugung 
von  dem  sittlichen  Charakter  echter  wissenschaftlicher 
Arbeit  war  der  feste  Grund  seines  gelehrten  Wirkens. 
Niemals  hat  er  ihr  beredteren  Ausdruck  verliehen,  als  in 
der  großen  Rede,  die  er  in  seinem  letzten  Prorektorat  bei 
der  akademischen  Preisverteilung  hielt.    Er  sprach  von 


42  Biehard  Admlbert  Lipsias. 

dem  Wesen  und  Werte  wissenschaftlicher  Arbeit  überhaupt 
und  von  gewissen  Gefahren,  welche  diese  Arbeit  in  der 
Gegenwart  bedrohen.  Der  treue,  unbestochene  Dienst  an 
der  Wahrheit  stellt  den  Geist  ins  Freie  und  hebt  ihn  über 
alles  Gemeine  und  Niedrige,  ttber  kleinliche  Opportunitäts- 
rficksichten  ebenso  wie  ttber  die  kümmerliche  Sorge  um 
die  unmittelbare  praktische  Verwertung  des  Gefundenen 
hinaus.  Wer  es  gelernt  hat,  den  Wert  der  wissenschaft- 
lichen Arbeit  um  ihrer  selbst  willen,  nicht  um  ihres  un- 
mittelbaren Erfolgs  willen  zu  schätzen,  der  vermag  es 
auch,  sich  ttber  den  b^[renzten  Gesichtskreis  der  eigenen 
Forschung  zu  erheben,  das  Einzelne  im  Ganzen  zu  schauen 
und  erkennt  sich  selbst  als  einen  bescheidenen  Diener  der 
Wahrheit,  der  nur  ein  geringes  Teil  an  der  großen  auf 
Erforschung  der  Wahrheit  gerichteten  Gesamtarbeit  der 
MenscMeit  leistet.  Und  so  sieht  er  auch  das  Wohl  der 
Hochschule  begrttndet  in  der  Pflege  jener  idealen  Lebens- 
gttter :  der  sittlichen  Wertschätzung  der  wissenschaftlichen 
Arbeit  als  solcher,  unbekttmmert  um  ihren  nächsten  Er- 
folg, der  allseitigen  freien  und  fröhlichen  Entfaltung  der 
geistigen  Kräfte,  in  der  Erhebung  der  Gresinnung  ttber  die 
kleinen  Anliegen  des  Tages  und  ttber  die  Notdurft  des 
eigenen  Lebens,  der  Befreiung  des  Geistes  von  der  nieder- 
drttckenden  Last  des  unbewältigten  Stoffes,  in  der  Heraus- 
bildung in  sich  gefestigter,  charaktervoller  Persönlichkeiten, 
in  der  Begrttndung  und  Pflege  einer  idealen  Weltanschauung, 
welche  dem  wahrhaft  guten,  dem  sittlichen  Willen  die  ihm 
gebtthrende  oberste  Stellung  einräumt  unter  den  Gtttem 
des  Lebens,  deren  Erwerb  und  Behauptung  des  Schweißes 
der  Edlen  sich  lohnt. 

Weniger  unverschleiert  offenbarte  sich  der  innerste 


Richard  Adalbert  Lipsius.  43 

Kern  seines  rein  menschlichen  Wesens.  Hat  er  doch  durch 
Hftrte  und  Bitterkeit  auch  manchen  Wohhneinenden  ver- 
letzt und  zurflckgestoßen.  Im  Affekt  trübte  sich  ihm 
leicht  der  sonst  so  klare  Blick.  In  der  litterarischen 
Fehde  hat  er  nicht  immer  so  streng,  wie  er  grundsätzlich 
wollte,  die  Person  von  der  Sache  geschieden.  Manches 
harte,  yerletzende  Wort  ist  ihm  aus  dem  geschärften 
Griffel  geflossen,  manches  ungerechte  Urteil  über  Menschen 
und  Dinge  hat  er  im  heftigen  Gespräch  geäußert 

Wer  ihn  näher  kannte,  wußte,  daß  alles  das  der  Aus- 
fluß eines  leicht  reizbaren  Temperaments  war.  Verkennung 
und  lieblose  Verdächtigung,  deren  Bitterkeit  er  reichlich 
zu  kosten  hatte,  in  späteren  Jahren  wohl  auch  eine  durch 
Eörperleiden  in  Verbindung  mit  Arbeitsüberbt&rdung  her- 
Toi^rofene  krankhafte  Nervosität  haben  steigernd  ein- 
gewirkt. 

Und  doch  sprudelte  auf  dem  Grunde  seines  Herzens 
ein  unversieglicher  Quell  rein  menschlichen  Wohlwollens. 
Wie  leicht  war  der  reizbare  Mann  doch  zu  versöhnen  und 
zu  gewinnen  l  Wohl  nie  hat  er  eine  in  reiner  Absicht 
dargebotene  Friedenshand  zurückgewiesen.  Begründeter 
Widerspruch,  offener  Freimut  fand  bei  ihm  wohl  inuner 
eine  gute  Stelle.  Dem  Gewicht  sachlicher  Gründe  hat  er 
sich  nicht  leicht  verschlossen. 

Im  Privatleben  war  Lipsius  von  kindlicher  Liebenswür- 
digkeit und  Anspruchslosigkeit.  Dünkel  und  Hoffart  kannte 
er  nicht  Nie  hat  er  mit  seinen  Leistungen  geprunkt,  nie 
auch  nur  ihrer  gedacht  ohne  sachlichen  Anlaß.  Aber  stets 
war  er  voller  Anerkennung  für  tüchtige  Leistungen  Anderer. 
Nicht  nur  mit  seinen  Amtsgenossen,  auch  mit  seinen 
Schülern,  mit  ungelehrten  Männern  verkehrte  er  auf  dem 


44  Bichard  Adalbert  Lipsias. 

Fa£e  menschlicher  Gleichheit  'Wir  hätten  gar  nicht  ge* 
dacht,  daß  der  Herr  £[irchenrat  ein  so  berühmter  Mann 
gewesen,  so  liebreich  und  gemütlich  hat  er  stets  mit  uns 
verkehrt',  so  äußerte  ein  schlichter  Bürger  nach  Lipsms 
Tode. 

Äußere  Ehren,  wie  sie  ihm  namentlich  von  selten  seines 
huldvollen  Landesfürsten,  dem  er  in  wahrhafter  Verehrung 
ergeben  war,  zu  teil  wurden,  hat  er  mit  dankbarem  Sinn 
gewürdigt,  ein  Bedürfnis  waren  sie  ihm  nie.  Prunkender 
Geselligkeit  war  er  abhold,  aber  im  Kreise  befreundeter 
Personen  öfihete  er  sich  gern  und  behaglich,  nicht  minder 
zu  ernstem  Gespräch  wie  zu  launigem  Scherz.  Sein  höchstes 
Genügen  fand  er  in  dem  traulichen  Frieden  seiner  durch 
das  echt  weibliche  Walten  einer  edlen  Gattin  verklärten 
Häuslichkeit.  Ihr  hat  er  die  innige  Zartheit  und  fein- 
fühlige Rücksichtnahme  echter  Herzensliebe  bis  zuletzt  be- 
wahrt Sein  Sohn  war  ihm  der  Gegenstand  zärtlichster 
und  treuester  Vatersorge.  Der  ausgeprägte  Familiensinn 
seines  Hauses  tritt  bei  ihm  in  voller  Stärke  hervor.  Wir 
haben  erfahren,  wie  sein  tiefes  Enabengemüt  an  Eltern 
und  Großeltern  hing,  wie  der  Verlust  des  verehrten  Oheims 
ihn  niederschmettert,  wie  der  Tod  der  Mutter  sein  ganzes 
Innenleben  wandelt.  Den  Vater  hat  er  bis  in  den  Tod 
gepflegt,  am  offnen  Grabe  von  ihm  gezeugt,  in  der  Lebens- 
beschreibung ihm  ein  Denkmal  keuscher  Sohnesliebe  von 
seltener  Schönheit  gesetzt.  Die  innige  Geistesgemeinschaft, 
in  der  er  mit  dem  Vater  gestanden,  hat  sich  dann  auf 
die  zweite  Mutter  übertragen.  Bis  an  ihren  vor  wenig 
Jahren  erfolgten  Tod  hat  er  alles,  was  ihm  begegnete  und 
was  ihn  bewegte,  in  vertrauten  Briefen  vor  ihr  ausge- 
breitet.   Innig  stand  er  zu  den  Geschwistern,  herzliche 


Richard  Adalbert  Lipsins.  45 

Treue  bewahrte  er  den  Freundeii,  mit  tiefem  Schmerz  ge- 
schah es,  wenn  er  einen  Bruch  vollziehen  mußte  oder  zu 
mfissen  meinte. 

Schlicht  und  einfältig  war  sein  Christenglaube.  Dem 
streitbaren  Theologen,  dem  leidenschaftlichen  Kämpfer  für 
freie  Forschung  und  freien  Glauben  ist  die  kindliche 
Demut  des  wahren  Christen  unverloren  geblieben.  Auch 
in  ihm  lebte  etwas  von  dem  Geist  frommer  Glaubens- 
innigkeit, dessen  erwärmenden  Hauch  die  Hermhuter  Grofi- 
mutter  in  die  Familie  getragen  hatte.  So  wurde  ihm 
nach  seinem  eigenen  Bekenntnis^)  der  Glaube  'zu  einer 
religiösen  Mystik,  die  alles  Gewicht  auf  die  gottgewirkte, 
persönliche  Heilsgewißheit  der  mit  ihrem  Gott  durch 
Christum  versöhnten  einzelnen  Seele  legt.' 

Unter  den  Zeitgenossen,  welche  an  der  Lösung  der 
geistigen  Aufgaben  dieser  gewaltigen  Zeit  gearbeitet  und 
gerungen  haben,  wird  ihm  die  Geschichte  einen  Ehrenplatz 
sichern.  Aber  auch  was  er  uns  insbesondere  gewesen, 
diesem  Lande,  dieser  Stadt,  dieser  Hochschule,  reicht 
weit  über  das  Grab  hinaus.  Unser  Dank  aber  sei  unsere 
Treue! 


1)  Die  Haaplpankte  der  christliohen  Glaabenslehre,  Vorwort 


n. 

Lipsius  historische  Methode. 

Von  F.  Nippold. 


Hochgeehrte  Versammlungl 

Das  Interesse,  welches  unser  Lipsius  an  der  Geschichte 
seiner  Heimat  genommen  hat,  seine  Leistungen  als  Mit- 
glied und  vieljähriger  Leiter  des  Vereins  für  Thüringische 
Geschichte  und  Altertumskunde  hat  sein  Nachfolger  in 
der  Leitung  dieses  Vereins  in  seinem  inhaltreichen  Lebens- 
bilde bereits  vorgeführt.  Daneben  stellt  sich  nun  die 
andere  Aufgabe,  das,  was  der  Historiker  in  Lipsius  für 
das  Gesamtgebiet  der  Theologie  unter  dem  sichtbaren 
Segen  Gottes  mit  stets  steigendem  Erfolge  zu  schaffen 
vermochte,  in  Kürze  zusammenzustellen. 

Nicht  nur  die  Mitglieder  des  Vereins,  der  diese  Ge- 
dächtnisfeier veranstaltet,  sondern  gewiß  alle  Teilnehmer 
der  heutigen  Versammlung  haben  den  Mann  noch  lebendig 
vor  Augen,  der  nach  dem  Heimgang  Hasb's  der  allerseits 
anerkannte  Führer  der  Jenaer  Theologie  war.    Gerade  so. 


48  Richard  Adalbert  Lipsias. 

wie  er  in  der  Fülle  und  Frische  seiner  Kraft  in  Ihrer 
Mitte  geweilt  hat,  wird  er  Ihnen  für  alle  Zukunft  unver- 
geßlich bleiben.  Das  Bild  seiner  energischen  Persönlich- 
keit erhebt  sich  ganz  besonders  treu  vor  uns,  eben  weil 
er  so  jählings  von  uns  hinweggerückt  wurde,  nachdem  er 
noch  bis  zum  letzten  Tage  für  seine  große  Lebensaufgabe 
thätigsein  durfte.  Denn  die  Arbeit  dieses  einzelnen  Mannes 
hat  eine  Reihe  von  Gebieten  umspannt,  von  welchen  sonst 
jedes  für  sich  den  ganzen  Mann  fordert.  In  jeder  einzelnen 
Disziplin  der  Theologie  haben  wir  einen  bahnbrechenden 
Geist  verloren.  Aber  auch  die  philologischen  und  philo- 
sophischen Kollegen  sind  einig  darüber  gewesen,  daß  er 
auch  ihren  Katheder  mit  besonderer  Auszeichnung  ausge- 
füllt haben  würde.  Und  wie  oft  haben  wir  daneben  noch 
das  Urteil  gehört,  daß  vor  allem  ein  hervorragender  Jurist 
in  ihm  stecke.  Dieser  selbe  Mann  aber  ist  zugleich  ein 
Mann  der  kirchlichen  Praxis  gewesen.  Unter  den  Werken, 
die  auf  seinen  Bildungsgang  eingewirkt  haben,  hat  er  die 
Losungen  der  Brüdergemeinde  obenan  gestellt 

Gerade  bei  der  Überfülle  dieser  Einzelleistungen  ist 
es  wohl  doppelt  angezeigt,  den  verbindenden  Faden  aus 
dem  Zweck  des  Geschichtsvereins  zu  entnehmen.  Denn 
eben  der  geschichtliche  Sinn,  die  historische  Methode  ist 
es,  die  zunächst  den  umfassenden  kirchenhistorischen 
Studien  von  Lipsius  ihre  gewichtige  Bedeutung  gegeben 
hat  Sie  kennzeichnet  aber  weiter  auch  den  Exegeten  and 
den  D(>gmatiker,  und  sie  hat  überdies  den  Abschluß  seines 
Lebens  in  so  hohem  Grade  fruchtbringend  gemacht  für 
das  praktisch-kirchliche  Leben. 

Wenn  wir  zunächst  die  Frage  uns  vorlegen,  worin  der 
historische  Sinn  in  den  kirchengeschichtlichen  Forschungen 


Richard  Adalbert  Lipsius«  49 

von  Lipsius  ^cb  bethätigt,  so  bedarf  es  eigentlich  unserer- 
seits kaum  noch  einer  besonderen  Antwort    Denn  diese 
Antwort  ist  schon  damals  gegeben  worden,  als  die  Jenaer 
Fakultät  bei  dem  300-jährigen  Stiftungsfest  der  Universität 
(1858)  den  jungen  Leipziger  Privatdozenten  zu  ihrem  Doktor 
promovierte.     Sie  liegt  weiter    in    dem    ganz  speziellen 
Lebensverhältnis,  das  von  da  an  zwischen  Hase  und  Lip- 
sius bestanden  hat    Hase  hatte  in  Lipsius  die  gleichen 
Eigenschaften  geftmden,  welche  ihn  selber  genau  ebenso 
zu  dem  ersten  Kirchenhistoriker  des  Katholicismus  ge- 
macht haben,  wie  DOllingeb  zu   dem  ersten  Kirchen- 
historiker des  Protestantismus.    £s  ist  dies  keine  Para- 
doxie.    Denn  wie  Hase  zweifellos  der  beste  Kenner  des 
Katholicismus  gewesen  ist,  so  Dölungeb  der  beste  Kenner 
des  Protestantismus.   Beide  sind  in  ernstem  Greisteskampfe, 
der  eine  für  sein  protestantisches,  der  andere  für  sein 
katholisches    Ideal,  in    die    Schranken    getreten.     Aber 
beide  haben  es  nicht  minder  verstanden,  sich  in  die  ent- 
g^engesetzten  Anschauungen  hineinzuversetzen,    sie  aus 
sich  selbst  heraus  zu  verstehen.    Dieser  Wahrheitssinn, 
dieses  Gerechtigkeitsbedürfnis  ist  es  nun  aber  überhaupt, 
woran  in  letzter  Instanz  der  wahre  Historiker  erkannt 
wird,  wodurch  er  von  allem  offenen  und  versteckten  Infalli- 
bilismus  sich  so  scharf  unterscheidet    Wer  aber,  der  auch 
nur  einige  der  Arbeiten  von  Lipsius  kennt,  weiß  nicht, 
wie  er  es  auch  mitten  in  der  Heftigkeit  des  Kampfes  nie- 
mals verschmäht  hat,  vom  Gegner  zu  lernen,  an  sich  selber 
Kritik  zu  üben? 

Aber  wir  haben  damit  vorerst  doch  nur  das  ABC 
Jedes  Historikers,  der  diesen  Namen  wirklich  verdient,  ge- 
streift    Wenn  wir  von  Lipsius  reden,  kommt  noch  etwas 
xvn.  4 


50  Riebard  Ada  1  bert  Lipsius. 

gaoz  Anderes  hinzu.    Die  größere  oder  geringere  Bedeu* 
tung  des  Geschichtsforschers  für  sein  Fach  hängt  ja  natur- 
gemäß ab  von  dem  größeren  oder  geringeren  Gebiet,  das^ 
er  wiss^schaftlich  beherrscht.     Nur  wer  innerhalb   de& 
von  seiner  eigenen  Forschung  umspannten  Gebietes  von 
der   vorurteilslosen,    empirischen  Untersuchung   ausgeht,, 
auf  dem  Wege  persönlicher  Erfahrung  eine  Beobachtung 
an  die  andere  anreiht,  wer  auf  dem  gleichen  W^e  weiter 
f&r  jede  Einzelerscheinung  den  allgemeinen  Zusammenhang 
aufsucht,  kann  überhaupt  einen  bleibenden  Bdtrag  bietei^ 
für  das  Verständnis  der  allgemeinen  Gesetze  des  geschicht- 
lichen Werdens  und  Vergehens.    Aber  wie  gering  ist  nun 
nicht  ebenso  naturgemäß  die  Zahl  derer,  weFchen  es  ver- 
gönnt gewesen  ist,   gleich  den  Entdeckungsreisenden  in^ 
inneren  Afrika  oder  Australien  einen  noch  kaum  bekannten 
Weltteil  so  zu  erschließen,  daß  jeder  Nachfolgende  gar 
nicht  anders  kann,  als  ihren  Spuren  zu  folgen  1    Nun,  alle 
Sachkenner  wissen,    daß  Lipsius  Forschungen  über  die 
Gnosis,  über  die  apokryphischen  Apostelgeschichten  und 
Apostellegenden,  über  die  Anfänge  des  römischen  Papst- 
tums den  festen  Boden  bilden,  von  dem  jede  weitere  Er- 
forschung der  ältesten  Kirchenbildung  ausgeht.    Suchen 
wir  uns  denn  wenigstens  bei  der  Grundlage  aller  dieser 
Studien,  denen  über  die  Gnosis,  klar  zu  machen,  worin 
das  spezifisch  Neue  gelegen  war,  das  wir  ihnen  danken  t 
Sch<m  lange  vor  Lipsius  haben  sich  eine  Reihe  her- 
vorragender Gelehrter  mit  der  Quellenkritik  der  Berichte 
beschäftigt,  aus  welchen  wir  unsere  Kenntnis  der  Einzel- 
systeme der  Gnosis  schöpfen :  jener  gedankentiefen  Beligions- 
philosophie  des  2.  und  3.  Jahrhunderts,  welche  die  neuen 
Gedanken  des  Christentums  mit  denen  der  alten  Religionea 


Riebard  Adalbert  Lipsias.  51 

m  verschmelzen  gesucht  hat.  Von  den  unergründlichen 
Tiefen,  in  denen  der  Ursprung  alles  Seins  schlummert, 
hat  schon  diese  Gnosis  (nicht  viel  anders,  wie  die  unseres 
Hase  in  seinem  gleichnamigen  Buche)  himmelanstrebende 
Brücken  geschlagen  bis  zu  unserer  sichtbaren  Welt  und 
dem,  was  in  ihr  als  das  Spiegelbild  erschien  von  dem 
Entwickelungsprozeß  der  oberen  Äonen.  Es  liegt  darum 
leichtbegreiflicherweise  ein  unvergänglicher  Reiz  in  der 
Beschäftigung  schon  mit  dem  damaligen  Versuch  eines  natur- 
philosophischen Bandes  zwischen  Religion  und  Wissen- 
schaft Es  kommt  aber  noch  Anderes  hinzu.  In  einer 
Zeit,  wo  die  Dogmenbildung  der  Kirche  voll  und  ganz 
verwachsen  ist  mit  dem  ptolemäischen  Weltbilde,  treten  uns 
in  den  gnostischen  Systemen  die  denkwürdigsten  Ahnungen 
jener  unbekannten  Welten  entgegen,  in  welche  erst  die 
modernste  Astronomie  unter  den  Schauem  der  Ehrfurcht 
Einblicke  sucht  Dabei  auf  der  einen  Seite  der  schrofRste 
Dualismus  von  Geist  und  Fleisch,  auf  der  anderen  (ich 
rede  nicht  etwa  im  Sprachgebrauch  des  19.,  sondern  des 
2.  Jahrhunderts)  ein  kühner  Monismus,  der  Stellung  nimmt 
jenseits  von  gut  und  von  bdse.  Können  wir  uns  wundem,, 
daß  von  jeher  alle  tieferen  Denker  durch  ein  geschicht- 
liches Problem  angezogen  wurden,  welches  um  so  mehr 
anlocken  mußte,  weil  die  einzigen  Quellen  in  den  Gegen- 
schriften leidenschaftlicher  Gegner  bestehen,  die  um  so 
gehässiger  sind,  je  weniger  sie  ihren  Gegnern  ebenbürtig 
zur  Seite  zu  Ireten  vermochten?  Aber  mit  alledem  ist 
noch  lange  nicht  die  ganze  Tragweite  jenes  Problems  klar- 
gestellt. Denn  es  gilt  nun  weiter  auch  die  geschichtliche 
Notwendigkeit  zu  verstehen,  wamm  alle  diese  stolzen  Ge- 
dankengebäude fast  spurlos  dahingefallen  sind,  während 

4* 


52  Richard  AdalbertLipsiuü. 

im  Gegensatz  zu  ihnen  der  einfache  schlichte  Kinder- 
glaube, der  aber  zu  allen  Zeiten  Berge  versetzt  hat,  die 
Zukunft  gewann.  Es  gilt,  die  verschiedenen  Stadien  der 
stetig  zunehmenden  Mischbildungen  auseinanderzuhalten, 
in  welchen  das  hohe  Ideal,  welches  auch  damals  der 
Alleinheit  des  Pantheismus  vorschwebte,  mehr  und  mehr 
herabgedrückt  wurde  bis  zur  Verleugnung  des  Glaubens 
durch  den  Hochmut  der  über  ihn  hinausgegangenen  Er- 
kenntnis, ja  bis  zu  jener  schmählichsten  sittlichen  Ent- 
artung, welche  von  jeher  den  Rückschlag  aus  einer  wider- 
natürlichen Askese  gekennzeichnet  hat. 

Die  richtige  Stellung  des  ganzen  Problems  ist  gerade 
in  diesem  Falle  zugleich  der  Anfang  zur  Lösung  desselben 
gewesen,  soweit  diese  Lösung  überhaupt  im  Bereich  der 
Möglichkeit  liegt.  Ebendies  aber  verdanken  wir  nun  den 
immer  aufs  neue  auf  diesem  Gebiete  einsetzenden  Arbeiten 
von  Lipsius.  Die  Bedeutung  derselben  im  Einzelnen  ist 
allerdings  nur  demjenigen  völlig  verständlich,  der  sie  mit 
den  Arbeiten  seiner  Vorgänger  und  Nachfolger  vergleicht. 
Die  wissenschaftliche  Arbeit  des  Einen  steht  ja  stets  auf 
den  Schultern  des  Anderen.  Es  ziemt  sich,  über  der  Arbeit 
der  jüngeren  Schulen  die  Forschungen  der  älteren  nie  zu 
vergessen.  So  hat  auch  hier  die  von  den  Schleibb- 
MACHEB'schen  Gedanken  beherrschte  NEANDEB'sche  Schule 
ihr  nicht  geringes  Verdienst :  sowohl  in  der  Nebeneinander- 
stellung der  mannigfaltigen  Bildungen  des  gnostischen 
Synkretismus,  wie  in  der  alsbaldigen  Verwertung  der  neu- 
entdeckten Quellen  neben  den  altbekannten.  Wie  fast 
überall  hat  dann  auch  hier  der  von  Hegels  Spekulation 
ausgegangene  große  Tübinger  Baur  den  auf  zufällige 
Persönlichkeiten   zurückgehenden  Thesen   von  Neakder, 


Richard  Adalbert  Lipsius.  53 

Ro8S£L,  Jacobi  seine  Selbstbeweguog  der  Idee  um  sich 
selbst  gegenübergestellt.  Es  ist  eines  seiner  tiefsinnigsten 
Werke,  in  welchem  er  das  Verständnis  der  Gnosis  aus 
dem  Ausgangspunkt  des  Dualismus  zu  gewinnen  versucht. 
Die  Forschungen  Baurs  sind,  wie  auch  sonst  so  oft,  von 
HiLGEKFELD  sowohl  ergänzt  wie  berichtigt  worden.  Aber 
alle  diese  hochbedeutenden  Vorarbeiten  hatten  doch  die 
Fragen  unbeantwortet  gelassen,  die  seit  Lipsius  in  den 
Mittelpunkt  aller  Spezialforschung  gerückt  worden  sind. 
Wie  kam  es,  daß  so  weit  über  den  Rahmen  der  christ- 
lichen Kirche  hinaus  die  tiefsinnigsten  Denker  von  dem 
durch  die  Religion  Jesu  erzeugten  Gärungsprozesse  in  den 
alten  Religionen  ergriffen  wurden?  Woher  stammte  der 
unwiderstehliche  Trieb  nach  dieser  Spekulation  ?  Von  wo 
waren  die  Keime  dieses  stets  zunehmenden  Synkretismus 
herübergeweht?  Wie  reihen  die  einzelnen  Systeme  anein- 
ander sich  an,  und  wie  beeinflussen  sie  sich  gegenseitig? 
Wo  liegt  endlich  der  Grund,  daß  dem  Höhepunkt  der 
ganzen  Bildung  so  rasch  der  Rückschlag  gefolgt  ist,  daß 
dem  Werden  auch  hier  wie  in  allem  Naturleben  das  Ver- 
gehen sich  anschloß?  So  die  Fragen,  die  zuerst  von 
Lipsius  dadurch  beantwortet  wurden,  daß  er  —  die  Baur- 
sche  Stellung  des  Problems  einfach  umkehrend  —  in  dem 
Streben  nach  der  Gnosis  selber  den  Ausgangspunkt  sah 
und  den  Zielpunkt  im  Dualismus.  Aber  selbst  mit  der 
Aufstellung  und  Beantwortung  aller  jener  Fragen  wäre 
noch  wenig  erreicht  gewesen,  wenn  nicht  auch  hier  über 
allem,  was  wird  und  vergeht  auch  in  der  Religionsgeschichte 
der  Menschheit,  zugleich  jenes  andere  Element  mit  aller 
Bestimmtheit  von  seiner  Forschung  erkannt  worden  wäre, 
dasjenige,  von  dem  jedes  folgende  Jahrhundert  Zuversicht- 


54  Richard  Adalbert  Lipsius. 

lieber  bezeugen  wird:  Himmel  und  Erde  werden  ver- 
geben, aber  die  Worte  des  ewigen  Lebens  vergehen  nicht 
Schon  der  Jugendarbeit  über  die  Oesamtbew^^ng 
des  Gnosticismus  hat  jene  minutiöseste  Einzelforschung 
zur  Grundlage  gedient,  wie  sie  beispielsweise  in  der  Quellen- 
kritik des  Epiphanius  vorliegt.  Aber  noch  bis  in  seine 
letzten  Jahre  haben  die  Entdeckungsreisen  von  Lipsius 
nicht  aufgehört  in  die  bis  dahin  so  fremde  Welt  jener 
apokryphischen  Apostelgeschichten  und  Apostellegenden, 
die  zuerst  innerhalb  der  gnostischen  Sekten  erwuchsen, 
um  dann  aber  von  der  gegen  jene  sich  abschließenden 
katholischen  Kirche  gleichzeitig  aufgenommen  und  modi* 
fiziert  zu  werden.  Es  ist  ein  Riesenwerk  strengster 
deutscher  Gelehrtenarbeit,  jene  großartige  Sammlung,  die 
sich  bescheiden  als  ein  Beitrag  zur  altchristlichen  Litte- 
raturgeschichte  gegeben  hat.  Von  dieser  allgemeineren 
Aufgabe  aber  ist  der  rastlose  Forscher  zugleich  dazu 
weitergeführt  worden,  die  fttr  das  Abendland  wichtigste 
Einzellegende,  die  römische  Petrusfabel,  au&  der  bisherigen 
IsoUerung  herauszureißen.  Erst  als  Teil  eines  größeren 
Ganzen  ist  der  aus  dem  pseudoklementinischen  Boman 
erwachsene  päpstliche  Felsen  Petri  als  der  Koloß  mit 
thönernen  Füßen  erkannt  worden.  Auch  fttr  diesen  Einzel- 
punkt hat  uns  Lipsius  wieder  grundgelehrte  Spezialschriften 
geschenkt,  wie  die  über  die  Chronologie  der  ersten  römi- 
schen Bischöfe  und  den  Ursprung  der  römischen  Petrus- 
«age,  denen  überdies  noch  eine  Anzahl  von  größeren  und 
kleineren  Aufeätzen  sich  anreiht.  Auf  den  ersten  Ursprung 
der  römischen  Papstmacht  ist  dadurch  ein  fast  noch  un- 
heimlicheres Licht  gefallen,  als  aus  der  Entdeckung  jenes 
Betruges  des  Pseudoisidor  im  9.  Jahrhundert,    welcher 


Richard  AdalbertLipsiut.  55 

zuerst  die  Fiktion  eines  unfehlbaren  Universalepiskopats 
möglich  ganacht  hat.  Kann  man  sich  wundern,  daß 
gerade  diese  gesdüchtlichen  Studien  Lipsnis  zu  einem 
wissenschaftlich  ebenso  unerbittlichen  Gegner  des  Papis- 
mns  gemacht  haben,  wie  den  DöLLiNaER  von  1870? 
Oerade  seine  streng  geschichtliche  Unparteilichkeit,  welche 
die  verschiedenen  Anschauungen  mit  gleichem  Maße  zu 
messen  verstand,  wußte  sich  in  unüberbrQckbarem  G^en- 
aaiz  zu  deijenigen  Tendenz,  welche  die  Geschichte  durch 
das  D<^ma  besiegt  hat. 

Die  Speichen  Eigenschaften,  welche  den  Geschichts- 
werken von  Lipsius  ihre  bleibende  Bedeutung  gegeben 
haben,  drückten  aber  femer  auch  seiner  Exegese,  seina* 
Bibelauslegung,  ihren  Charakter  auf.  Er  ist  ein  Bibel- 
lörsch^  von  Gottes  Gnaden  gewesen,  dessen  grammatisch- 
historische Untersuchung  der  formellen  Seite  der  biblischen 
Schriften  ebenso  mustergiltig  war,  wie  sein  Verständnis 
fär  den  religiösen  Gehalt.  Und  auch  auf  diesem  Gebiete 
hat  er  zeitlebens  unermüdlich  gearbeitet.  Schon  seine 
-ersten  Jugendarbeiten  sind  der  Paulinischen  Theologie 
und  ihren  Ausläufern  zugewandt  gewesen.  Sein  letztes 
Lebensjahr  sah  den  eben  erst  herausgegebenen  Kommentar 
2um  Bömer-,  Galater-  und  Philipperbrief  alsbald  in  zweiter 
Auflage  erscheinen.  Der  ganze  Reichtum  seines  Geistes 
aber  ergoß  sich  in  der  die  Anschauungen  der  einzelnen 
biblischen  Schriftsteller  zusammenfassenden  biblischen 
Theologie.  Der  klare  Kopf,  der  nirgends  einen  unklaren 
Ausdruck  gestattete,  hat  in  dieser  so  vielfach  der  frommen 
Phrase  oder  der  Opportunitätskunst  verfallenen  Disziplin 
überall  reinlich  die  Begriffe  geschieden.  Es  dürfte  sich 
di^er  auch  hier  ziemen,  die  Bedeutung  der  Arbeit  dieses 


56  RichardAdalbertLipsius. 

Einzelnen  für  das  große  Ganze  der  biblischen  Wissen- 
schaft, so  vfQÜ  es  in  Kürze  möglich  ist,  klarzulegen. 

Man  mag  selber  eine  Meinung  haben,  welche  man 
will,  darüber  wird  nirgends  ein  Zweifel  bestehen  können, 
daß  kein  Buch  irgend  einer  Litteratur  auch  nur  von  ferne 
eine  ähnliche  Bedeutung  noch  für  die  fernste  Zukunft  zu 
beanspruchen  hat,  als  das  Buch  der  Bücher,  die  BibeL 
Gerade  mit  dieser  Einzigartigkeit  aber  unter  allen  den  hei- 
ligen Schriften  der  Völker  hängt  es  eng  zusammen,  daß  das 
geschichtliche  Verständnis  keines  anderen  durch  so  viele 
Hemmnisse  hindurchgegangen  ist.  Es  gilt  dies  obenan 
von  der  durch  die  Tradition,  die  Überlieferung  der  Kirchen- 
väter, gebundenen  Auslegung  innerhalb  der  Papstkirche» 
Denn  hier  kommt  nicht  sowohl  der  ursprüngliche  Sinn  des 
Textes  in  Frage,  als  vielmehr  die  an  die  Stelle  des  Ori- 
ginals getretene  Übersetzung,  und  diese  selbst  wieder  in 
deijenigen  Deutung,  welche  ihr  die  probablen  Autoritäten 
gegeben  haben.  In  der  Exegese  der  Jesuiten  hat  auch 
diese  Art  des  Probabilismus  ihren  Gipfel  erreicht.  Stehen 
entgegengesetzte  Meinungen  bei  den  von  der  Kirche  aner- 
kannten Autoritäten  sich  gegenüber,  so  sind  dieselben  doch 
gleich  probabel.  In  der  heute  wieder  allein  giltig  ge- 
wordenen scholastischen  Methode  liegt  die  Hauptkunst 
darin,  auch  die  unvereinbarsten  Gegensätze  scheinbar  unter 
einen  Hut  zu  bringen.  Wozu  diese  Verquickung  der 
Schriftlehren  mit  denjenigen  der  traditionellen  Autoritäten 
führt,  haben  die  kirchlichen  Sachverständigen  in  dem  Prozeß 
gegen  den  Pater  Aurelian  drastisch  enthüllt. 

Von  diesem  Irrwege  hat  die  Reformation  uns  befreit^ 
indem  sie  die  Bibel  wieder  in  ihr  eigenes  Recht  eingesetzt^ 
den  über  ihr  aufgehäuften  scholastischen  Schutt  wegge^ 


BichardAdalbertLipsias.  57 

räumt  hat.  Aber  dessen  ungeachtet  ist  auch  auf  prote- 
stantischem Boden  das  Verständnis  der  Bibel  selber  noch 
durch  die  entg^engesetzten  Extreme  gehemmt  worden. 
Genau  ebenso,  wie  der  altkatholischen  Kirche  des  zweiten 
Jahrhunderts,  in  deren  Fußstapfen  sie  traten,  stand  auch 
den  Beformationskirchen  des  16.  Jahrhunderts  fQr  die 
unbedingte  religiöse  Autorität  der  Bibel,  auf  die  ihre  Er- 
neuerung des  Evangeliums  Jesu  zurückging,  keine  andere 
Formel  zu  Gebote,  als  die  der  sogenannten  Yerbalin- 
spiration,  d.  h.  des  göttlichen  Diktates  des  Bibelbuch- 
stabens. 

Dieser  Loslösung  der  alt-  und  neutestamentlichen 
Schriften  von  den  Geschicken  aller  anderen  menschlichen 
litteratur  ist,  wie  leicht  b^eiflich,  der  Rückschlag  ins 
andere  Extrem  gefolgt  Man  hat  die  Berichte  der  bib- 
lischen Schriftsteller  an  einem  Maßstabe  gemessen,  der, 
auf  die  übrige  alte  Litteratur  angewandt,  geradezu  alles, 
was  als  gesicherte  Wahrheit  gilt,  umstoßen  müßte.  Aber 
mit  diesen  prinzipiellen  Fehlgriffen  ist  es  noch  nicht  ge- 
nug gewesen.  Unsere  ersten  Führer  auf  dem  Wege  eines 
wirklich  wissenschaftlichen  Verständnisses  haben  vielmehr 
den  biblischen  Schriftstellern  noch  unwillkürlich  ihre  eignen 
aufgeklärten  Ansichten  zugetraut.  Ja  sogar  die  heute  ein- 
flußreichste Theologenschulü  wirft  wieder  Religion  Jesu 
und  Dogmatik  des  Paulus  zusammen,  blickt  verächtlich 
herab  auf  das,  was  allein  das  Verständnis  der  unerschütter- 
lichen Grundlage  auch  aller  Religion  der  Zukunft  ver- 
bürgt: die  Vertiefung  in  Leben  und  Religion  Jesu  an  und 
für  sich. 

Kehren  wir  nun  aber  von  allen  diesen  Irrwegen  wieder 
zu  der  streng  geschichtlichen  Methode  zurück,  die  Lipsius 


53  Richard  Adalber  t  Lipsi  US. 

aach  in  der  Exegese  geübt,  so  wird  diese  letztere  sich 
abermals  erst  jetzt,  wo  wir  sie  mit  derjenige  Anderer 
vergldchen  können,  in  ihrer  vollen  Bedeutung  abheben. 
Gestatten  Sie  mir  daher  auch  hier  wieder,  an  einem  Einzel- 
beispiel aus  dem  umfassenden  Gebiet  Ihnen  die  der  fort- 
schreitenden Wissenschaft  gestellte  Aulgabe  sowohl,  wie 
den  Weg  zu  ihrer  richtigen  Jjösung  vor  Augen  zu  stellen. 
Es  ist  das  Thema  eines  vor  wenigen  Jahren  an  diesem 
gleichen  Orte  gehaltenen  Vortrages,  welcher  sich  ausdrück- 
lich zu  dem  von  Lipsius  gefundenen  Ergebnis  bekannte, 
indem  er  Engels-  und  Satansidee  Jesu  aus  den  manche lei 
Umhüllungen,  über  welchen  seine  eigene  Anschauung  ver- 
gessen worden  war,  loszulösen  versuchte.  Denn  auch  in 
dieser,  scheinbar  so  abgelegenen  und  doch  mit  dem  Mittel- 
punkt der  Religion  Jesu  unabtrennbar  verbundenen  Spezial- 
frage  ging  es  ebensowenig  an,  die  in  der  späteren  Kirche 
ausgebildeten  abergläubischen  Teufelsvorstellungen  auf 
Jesus  zurückzuführen,  als  um  der  furchtbaren  Auswüchse 
willen  das  Berechtigte  in  seiner  eigenen  Idee  zu  verwerfen. 
Nur  aus  sich  selbst  heraus,  aus  dem  gesamten  religiösen 
Entwickelungsprozeß  der  alttestamentlichen  Offenbarung, 
wird  die  höchste  BlQte  derselben,  die  Religion  Jesu,  wie 
in  diesem  einen  Punkte,  so  durchweg  verständlich.  Nicht 
die  Orientierung  an  einzelnen  Bibelstellen  macht  die  bib- 
lische Grundlage  der  Theologie  aus,  sondern  einmal  das  Zu- 
«ammenschauen  des  Gesamtinhalts  der  biblischen  Gedanken, 
zum  andern  die  klare  Unterscheidung  der  verschiedenen 
Stadien  ihres  Entwickelungsprozesses.  Und  ebenso  ist  bei 
jenem  allseitigen  Höhepunkte  stets  ebensosehr  das, .  was 
der  Herr  von  seinen  prophetischen  Vorläufern  übernimmt, 
wie  das,    was  sich  in  seiner  persönlichen  Anschauung  als 


RichardAdalbertLipsius.  59 

der  Brennpunkt  aller  Einzelstrablen  gestaltet,  neben  ein- 
ander ins  Auge  zu  fassen;  um  nichts  weniger  aber  der 
Unterschied  seiner  religiös-poätischen  Intuition  von  den 
dogmatischen  Abstraktionen  der  verschiedenen  Schulen,  die 
alsbald  wieder  unter  seinen  JQngem  hervortraten. 

Mit  dem  zuletzt  erwähnten  Punkt  sind  wir  zugleich 
schon  auf  die  Ursache  der  bleibenden  Bedeutung  des- 
jenigen Werkes  gekommen,  durch  welches  Lipsius  noch 
mehr,  als  durch  seine  Geschichtsforschung  und  seine  Exe- 
gese, auf  die  gesamte  Theologie  befruchtend  eingewirkt  hat, 
als  ein  Erneuerer  der  protestantischen  Dogmatik,  wie  eine 
befreundete  Fakultät  ihn  auf  ihrem  Kranze  bei  seiner  Be- 
stattung bezeichnete.  Die  gleiche  streng  geschichtliche 
Methode  nämlich,  die  wir  in  recht  eigentlicher  Virtuosität 
in  j^ien  Disziplinen  von  ihm  geübt  sahen,  kennzeichnet 
auch  das  System  seiner  demnächst  in  dritter  Auflage  er- 
scheinenden Dogmatik  und  seine  zahlreichen  Einzelarbeiten 
auf  diesem  Gebiete.  Ein  Schüler  Ritschls  hat  die  Lebens- 
arbeit des  Letzteren  dahin  gezeichnet,  er  sei  stets  Syste- 
matiker gewesen,  auch  da,  wo  er  sich  für  einen  Historiker 
gebalten  habe.  Von  Lipsius  darf  umgekehrt  gesagt  wer- 
den :  er  ist  stets  der  Historiker  geblieben,  auch  in  seinen 
systematischen  Arbeiten.  Daher  sowohl  der  allseitige 
biblische  Unterbau,  wie  die  seltene  Fähigkeit,  stets  von 
allen  Mitarbeitern,  selbst  den  gegnerischen,  zu  lernen.  Es 
hat  ein  ganz  besonderes  Interesse,  der  stetigen  Fortent- 
wickelung seines  Systems  nachzugehen,  wie  sie  uns  teils 
in  seiner  wertv<dlen  Litteraturübersicht  im  Theologischen 
Jahresbericht,  teils  in  den  speziellen  Auseinandersetzungen; 
zumal  mit  Biedermann  einerseits,  der  RiTSOHL'schen 
Schule  andererseits  vorliegt. 


QQ  Richard  Adalbert  Lipsius. 

Auch  in  diesem  Fall  ist  es  wiederum  unerläßlich,  um 
die  Eigentümlichkeit  des  Einzelbeitrags  zu  der  Disziplin 
als  solcher  zu  würdigen,  sich  das  der  letzteren  gestellte 
wissenschaftliche  Problem  zu  verg^enwärtigen.  Das 
schwere  Verhängnis  sämtlicher  dogmatischer  Kämpfe  für 
die  gesamte  Eulturentwickelung  hängt  aufs  engste  damit 
zusammen,  daß  die  bestimmtesten  dogmatischen  Aufstel- 
lungen gerade  über  diejenigen  Punkte  gewagt  werden,  über 
die  wir  am  wenigsten  wissen.  Schon  die  altkirchlichen 
Bürgerkriege  haben  sich  im  Orient  auf  das  dem  Menschen 
völlig  unerforschliche  innergöttliche  Wesen  bezogen,  im 
Occident  auf  das  zu  allen  Zeiten  und  in  allen  Religionen 
grundverschieden  aufgefaßte  Verhältnis  zwischen  göttlicher 
Vorherbestimmung  und  menschlicher  Freiheit.  Die  mittel- 
alterliche Scholastik  kennzeichnet  sich  erst  recht  dadurch, 
daß  sie  über  die  Gegenstände  der  Oeisteswelt  genau  in 
derselben  Weise  abspricht,  wie  über  die  Aufgaben  der 
Physik  und  Chemie.  Aber  sogar  in  den  Reformations- 
kirchen ist  es  nicht  anders  gegangen.  Und  am  grellsten 
tritt  uns  dieses  Verhängnis  in  denjenigen  Lehrstücken  ent- 
gegen, über  welche  (ich  erinnere  nur  an  die  Abendmahls- 
kämpfe, bei  welchen  zudem  die  sämtlichen  damaligen 
Argumentationen  mit  dem  ptolemäischen  Weltsystem  stehen 
und  fallen)  der  junge  Protestantismus  sich  selber  zer- 
fleischte. Ebendarum  aber  besteht  nun  umgekehrt  das, 
was  die  großartige  Wiedergeburt  der  Philosophie  seit 
Kant  der  Theologie  zu  geben  vermochte,  in  der  Kritik 
der  Vernunft  und  der  Urteilskraft,  d.  h.  in  der  klaren 
Abgrenzung  der  Grenzen  unseres  menschlichen  Erkennt- 
nisvermögens. Nur  derjenige,  der  sich  klar  vor  Augen 
hält,  was  man  überhaupt  nicht  wissen  kann,  weil  es  über 


RichArd  Adftlbert  Lipsius.  gl 

das  Wissensgebiet  des  Menschen  hinausgeht,  bewegt  sich 
auch  da  auf  sicherem  Boden,  wo  der  Glaube  an  die  Güter 
der  unsichtbaren  Welt  in  Betracht  kommt.  Was  Kakt 
fOr  die  Wissenschaft  im  Allgemeinen  dargethan  hat,  ist 
dann  speziell  für  die  Theologie  in  der  ihren  neuen  Grund 
legenden  Encyklopädie  SChleiermachers  zum  Prinzip  der 
Einteilung  geworden :  in  der  Zuweisung  der  Dogmatik  zur 
historischen  Theologie.  Denn  das  heißt  eben  nichts  anderes 
als  die  klare  Unterscheidung  zwischen  Religion  und  Dogma. 
Die  Religion  ist  in  allen  Zeiten,  unter  allen  Weltanschau- 
ungen die  gleiche,  die  dogmatische  Fixierung  hat  in  der 
Theologie  so  gut  wie  in  der  Jurisprudenz,  Medizin,  Päda- 
gogik in  jedem  Zeitalter  eine  neue,  von  den  früheren 
Formulierungen  verschiedene  Aufgabe:  nur  daß  über  dem 
Suchen  der  neuen  Form  von  dem  in  der  alten  enthaltenen 
Wahrheitskem  nichts  verloren  gehen  darf. 

Warum  aber  diese  ganze  Ausführung?  Weil  gewiß 
kein  Kenner  von  Lipsius  dogmatischen  Schriften  noch  der 
Erinnerung  daran  bedarf,  daß  der  Schwerpunkt  seiner  stets 
neu  aufgenommenen  Untersuchungen  den  erkenntnistheo- 
retischen Problemen  gegolten  hat.  Der  religiöse  Grund- 
gedanke, der  für  ihn  unerschütterlich  im  Mittelpunkte 
stdit,  ist  deijenige  der  Offenbarung.  Die  klare  Abgren- 
zung dessen  aber,  was  Offenbarung  ist,  wird  wieder  nur 
vermöge  der  streng  historischen  Methode  gewonnen.  Nichts 
ist  z.  B.  geschichtlich  gewisser,  als  daß  die  christliche 
Kirche  sich  aufgebaut  hat  auf  dem  Glauben  aller  Jünger 
an  die  Auferstehung  des  Herrn.  Sobald  wir  jedoch  nach 
dem  ^wie"  jener  Erscheinungen  des  Auferstandenen  fragen, 
Ton  welchen  die  Jünger  berichten,  sind  wir  auf  ein  Ge- 
biet versetzt,  wo  jede  der  einander  gegenüberstehenden 


52  RichardAdAlbertLipsiat. 

Ansichten  mit  ähnlich  unlösbaren  Schwierigkeiten  zu  ringen 
hat.  Daher  denn  die  unbedingte  Notwoidigkeit  für  den 
historisch  geschulten  Geist,  zwischen  dem  „daß^,  wortlber 
die  Geschichte  alldn  etwas  aussagen  kann,  und  dem  „wie'^ 
das  sich  seinem  geschichtliche  Wissen  entzieht,  aufr 
schärfste  zu  scheiden.  Gerade  aber  durch  diese  reinliche 
Scheidung  ist  fär  den  religiösen  Menschen  erst  recht  die 
feste  Grundlage  gewonnen.  Denn  nur  das  Selbsterlebte 
kann  die  persönliche  religiöse  Überzeugung  begrflnden. 
Dieses  Selbsterleben  ist  es,  was  uns  in  dem  Petrusbe- 
kenntnis begegnet:  „Wir  haben  geglaubt  und  erkannt,  daft 
du  bist  der  Sohn  des  lebendigen  Gottes,  du  hast  Worte 
des  ewigen  Lebens.'*  Genau  ebenso  aber  ist  auch  fQr  den 
modernen  Menschen,  der  bei  der  Lipsius*schen  Theologie 
sich  Rats  erholt,  es  die  gleiche  Erfahrung  der  Offimbamsg 
Gottes  in  Christo  geblieben,  die  auch  ihm  den  Felsen- 
glauben verborgt. 

Auch  diesmal  habe  ich  wieder  nur  einen  einzehien 
Punkt  von  vielen  ähnlichen  herausgegriflfen.  Denn  er  soll 
wiederum  nur  als  Beispiel  dienen,  um  die  historisdie 
Methode  von  Lipsiüs  auch  in  seinem  Hauptfach,  d«r  syste- 
matischen Theologie,  sowohl  in  ihrem  dogmatischen,  wie 
in  ihrem  ethischen  Teile,  zu  kennzeichnen.  Mit  der  gleichen 
objektiv-historischen  Methode  hing  dann  aber  endlich  a«ch 
jene  gefestigte  Stellung  in  dem  kirchlichen  Leben  zu- 
sammen, welche  eine  wahrhaft  verklärende  Abendröte  Ober 
seine  letzten  Jahre  geworfen  hat. 

Allein  schon  die  beiden  kleinen  Vorträge  bei  der 
Generalversammlung  des  jüngsten  Missionsvereins  in  Braun- 
schweig: „In  weldier  Form  sollen  wir  den  heidnischen 
Kulturvölkern    das  Evangelium    bringen?*    und  bd  der 


Richard  Adalbert  Lipsius.  63 

Generalversammlung  des  evangelischen  Bundes  in  Eis^iach: 
i,Dns^  gemeinsamer  Glaubensgrund  im  Kampf  gegen  Rom^ 
würden  zum  Bel^e  genflgen,  daß  gegenüber  der  bisherigen 
Sdbstzerfleischung  unseres  Protestantismus  durch  Lipsius 
eine  neue  Ära  der  Irenik  inauguriert  ist.  Mir  sind 
sdilechterdings  keine  Parallelen  bekannt  von  einer  so 
außerordentlichen  Einwirkung  gerade  auf  die  anders  ge- 
richteten Kreise.  Nun  wird  ja  aber  überhaupt  die  blei* 
bende  Bedeutung  eines  Mannes  nicht  sowohl  aus  den  be- 
wund^nden  Urteilen  der  Freunde  erkannt,  welche  in  dem, 
den  sie  veriierrlichen,  nebenbei  sich  selber  im  Auge  haben^ 
sondern  ans  der  Stellungnahme  der  Gegner.  Und  nirgends 
hat  es  gewiß  eine  größere  Bedeutung,  als  für  die  Geschichte 
der  The(dogie,  wenn  von  dem  Entschlafenen  laut  bezeugt 
werden  darf:  noch  niemals  sdt  Schleierhachers  oder 
BoTHES  Heimgang  ist  die  Anerkennung  gerade  deijenigen 
Kreise,  welche  ihm  zuerst  als  Gegner  gegenübergestanden 
hattsi,  dne  so  allgemeine  gewesen. 

Es  hatte  dies  allerdings  sicherlich  seinen  Grund  z.  T. 
darin,  daß  er  so  völlig  gebrochen  hatte  mit  dem  auch  von 
den  protestantisch -theologischen  Schulen  als  allgemeine 
Erbsünde  mitgeschleppten  Infallibilismus.  Denn  er  hat 
seine  Kritik  stets  an  sich  selber  und  im  eigenen  Lager 
begonnen,  hat  dieses  Prinzip  gerade  in  jenen  Vorträgen, 
soweit  es  nur  irgend  möglich  war,  durchgeführt  Aber 
liegt  nicht  auch  dieser  Tbatsadie  einfach  die  gleiche  Eigen- 
schaft zu  Grunde,  welche  wir  schon  bei  allen  seinen  wissen- 
schaftlichen Arbeiten  kennen  gelernt  haben :  sein  geschicht- 
licher Sinn,  sein  Gereditigkeitsbedürfiiis  ?  Sein  Verhalten 
gerade  in  den  letzten  Jahren  mutet  uns  darum  an,  wie 
das  in   die   Praxis   übertragene   Selbstzeugnis  Bothes: 


^  Rieht  rd  A  dalbert  Lipsius. 

,,UDgeachtet  auch  ich  Partei  ergriffen  habe  (denn  das  muß 
heute  jeder,  der  eine  wirkliche  Überzeugung  hat),  so 
tauge  ich  doch  deshalb  nicht  zum  eigentlichen  Partei- 
manne, weil  es  mir  so  ganz  geläufig  und  natürlich  ist, 
mich  lebendig  auf  den  gegnerischen  Standpunkt  zu  ver- 
setzen und  seine  relative  Berechtigung  zu  erkennen  und 
willig  anzuerkennen/^ 

Schon  die  Begründung  unseres  Allgemeinen  evangelisch- 
protestantischen Missionsvereins,  noch  mehr  aber  die  des 
Evangelischen  Bundes  hat  das  lange  Zeit  hindurch  vergeb- 
liche Sehnen  unserer  Gemeinde,  die  des  Haders  ihrer  Theo- 
logen so  gründlich  überdrüssig  geworden  war,  endlich  be- 
friedigt. Zumal  die  Anfänge  des  Evangelischen  Bundes 
haben  ihre  höchste,  wenn  nicht  ihre  alleinige  Bedeutung 
darin,  daß  die  in  demselben  verbundenen  Männer  ver- 
schiedener Richtung  sich  zuerst  persönlich  liebgewonnen, 
dann  die  anders  geartete  Überzeugung  achten  gelernt  und 
sich  schließlich  gefragt  haben:  was  haben  wir  gegenseitig 
von  einander  zu  lernen? 

Es  ist  der  eigentliche  Höhepunkt  in  Lipsius  Leben 
gewesen,  daß  er  jene  gegenseitige  Befruchtung  unserer 
theologischen  Schulen  auch  an  seinem  Teil  hat  mit  er- 
leben und  fördern  dürfen.  Allerdings  giebt  es  zur  Zeit 
noch  eine  Ausnahme,  welche  auch  für  ihn  eine  unüber- 
brückbare Kluft  bilden  mußte:  da  nämlich,  wo  es  sich 
nicht  um  ein  ehrliches  Zusammenarbeiten  verschiedener 
Schulen  handelt,  sondern  um  das  unterirdische  Wühlen 
einer  Cliquenwirtschaft,  von  der  man  (um  in  Lipsius 
eigenem  Wort  zu  reden)  sich  nicht  sowohl  wissenschaftlich 
als  moralisch  getrennt  fühlt.  Aber  von  dieser  einen  trau- 
rigen Ausnahme  abgesehen,  durfte  er  sich  eines  ähnlichen 


Riehard  AdalbertLipsias.  g5 

Ausblicks,  wie  Moses  vom  Berge  Nebo  erfreuen:  in  jene 
wunderbare  Gottesordnung,  nach  welcher  auch  in  der  gei^ 
stigen  Welt  die  Vögel  des  Himmels  die  Samenkörner  dahin 
zu  tragen  vermögen,  wo  man  es  am  wenigsten  vermutet. 
Lepsius  persönlich  durfte  sich  beispielsweise  einer  über* 
raschend  zahlreichen  Schülerzahl  unter  den  Professoren 
der  verschiedenen  amerikanischen  Kirchen  erfreuen.  Aber 
nicht  geringer  war  seine  Freude  auch  daran,  wie  die  aus 
der  Papstkirche  ausgestoßenen  Altkatholiken  zu  den  ge- 
wichtigsten Reformatoren  des  Protestantismus  berufen 
waren,  und  die  Begründer  der  Freikirchen  die  Ärzte  für 
die  Nationalkirchen  geworden  sind.  Besonders  gerne  je- 
doch betonte  er  das,  was  uns  allen  in  dem  Evangelischen 
Bunde  gegeben  war.  Denn  ebenso,  wie  die  bis  dahin  so 
abgesperrte  und  gegen  uns  mißtrauische  Orthodoxie  von 
der  unabhängigen  wissenschaftlichen  Forschung  zu  lernen 
beginnt,  die  das  schönste  Erbteil  der  Jenaer  Theologie  ist, 
so  ist  diese  selber  rückhaltlos  in  die  Schule  gegangen 
bei  den  praktischen  Liebeswerken  unserer  altgläubigen 
Richtung. 

Doch  es  liegt  hier  eine  solche  Fülle  der  ergreifendsten 
Erinnerungen  aus  Lipsius  Leben,  und  dieselben  sind  zugleich 
so  sehr  mit  gewichtigen  Momenten  der  Zeitgeschichte  ver- 
wachsen, daß  ich  es  auf  eine  andere  Gelegenheit  aufsparen 
muß,  von  diesen  Dingen  zu  reden.  Genug,  daß  der  klare 
Denker,  der  doch  zugleich  so  reich  war  an  mystischem 
Tiefsinn,  die  alten  Bilder  neu  bewährt  sehen  durfte:  von 
dem  kleinen  Senfkorn,  aus  dem  ein  Gewächs  wie  ein  Baum 
aufsprießt,  von  dem  Stein,  den  die  offiziellen  Bauleute 
verwarfen,  der  aber  zum  Eckstein  bestimmt  war;  daß  als 
die  schönste  Frucht  seines  reichen  Lebens  er  zugleich  auch 
xvn.  6 


gg  RichArdAdalbertLipsias. 

für  sich  selbst  die  Verheißung  erfüllt  wußte,  die  er  wenige 
Wochen  vor  seinem  Tode,  in  die  Sammlung  der  Frau 
Mathe-Hüffer  als  sein  liebstes  Gebet  einzeichnete:  Unser 
Herr  Jesus  Christus  spricht:  „Ich  bin  die  Auferstehung 
und  das  Leben ;  Wer  an  mich  glaubet,  der  wird  leben,  ob 
er  gleich  stürbe.  Und  wer  da  lebet  und  glaubet  an  mich, 
der  wird  nimmermehr  sterben.'^ 


J.  E.  August  Martin. 


Ein  Gedächtniswort 

TOD 

ft.  Blehter. 


5» 


Dr.  J.  E.  August  Martin  ')  ist  am  1.  September 
1822  in  Rudersdorf  im  Fürstentum  Reuß  j.  L.  geboren 
und  besuchte  die  dortige  Dorfschule  bis  Ostern  1836. 
Seinem  Wunsche  zu  studieren  widerstrebten  die  mittel- 
losen Eltern,  doch  nahm  sich  der  dortige  KoUaboratar 
SöRGEL  hilfreich  des  strebsamen  Knaben  an,  gab  ihm  mehr- 
jährigen Privatunterricht  und  ermöglichte  ihm  Ostern  1840 
den  Übergang  auf  das  Gymnasium  in  Gera,  welches  unter 
der  Leitung  des  treflflichen  Herzog  stand.  Mit  Eifer  und 
Erfolg  lag  er  hier  den  Gymnasialstudien  ob  und  erwarb 
Michaelis  1845  das  Zeugnis  der  Reife.  Bei  seinem  Ab- 
gang erhielt  er  die  stiftungsmäßige  Prämie  für  *die  in 
einem  Extemporale  bekundete  und  erwiesene  relativ 
größte  Fertigkeit  und  Gewandtheit  im  Lateinischen  ;  sie 
bestand  in  einem  Geldgeschenk  von  46  Thalern  und  einer 
silbernen  Medaille^). 

In  Jena  widmete  sich  Martin  von  Michaelis  1845  bis 


1)  Die  hier  gegebenen  Mitteilungen  beruhen  zam  grofien  Teil 
auf  blo^afraphiscfaen  Aufzeichntmgen  des  Verstorbenen,  die  sich  im 
l^Achlaft  tanden,  einiges  auch  auf  eigener  Kenntnis  des  Verfassers. 

2;  Vergl.  Herzogs  Programm  zur  Feier  des  üeinrichstages  14. 
JqH  1845  und  13.  Juli  1846. 


70  J.  £.  Angast  Martin. 

Michaelis  1848  unter  Hoffmann,  Hase,  Bückert,  Sticeel 
und  ScHWABz  mit  größtem  Eifer  dem  Studium  der  Theo- 
logie mit  allen  ihren  Hil&wissenschaften  und  hörte  zu- 
gleich bei  Bachmann,  Beinhold,  Stoy,  Weissenborn, 
WoLFF  philosophische,  pädagogische  und  litteraturgeschicht- 
liche  Vorlesungen.  Bei  der  Überfallung  seines  kleinen 
Vaterlandes  mit  Bewerbern  des  Predigtamtes  faßte  der  junge 
Kandidat  schon  damals  die  Ausbildung  f&r  den  bibliothe- 
karischen Beruf  ins  Auge,  unter  Leitung  des  Prof.  0. 
L.  B.  WoLFF  hatte  er  sich  schon  während  der  üniversitäts- 
jahre  dem  Studium  der  romanischen  und  germanischen 
Sprachen  zugewandt,  deren  Kenntnis  er  zugleich  zur  Be- 
streitung seines  Lebensunterhaltes  benutzte.  Er  hat  da- 
mals die  neuen  Auflagen  von  Wolff's  ^Poetischem  Haus- 
schatz' und  von  der  'Germania"  mit  besorgen  helfen,  sowie 
'die  deutschen  Volksbücher  selbständig  umgearbeitet. 
Weiterhin  lieferte  er  die  Übersetzungen  der  in  die  von 
E.  Schmidt  und  Wolff  herausg^ebene  'Allgemeine 
deutsche  Gerichtszeitung'  und  in  Wolff^s  'Lehrbuch  der 
gerichtlichen  Beredtsamkeit'  aufgenommenen  französischen 
Reden  und  Gerichtsverhandlungen.  Neben  diesen  dem  Er- 
werb dienenden  Arbeiten  betrieb  er  seine  allgemeine 
wissenschaftliche  Ausbildung  im  Hinblick  auf  den  ange- 
strebten bibliothekarischen  Beruf.  Er  erwarb  sich  eine 
encyklopädische  Übersicht  über  das  Gesamtgebiet  der 
Wissenschaften,  ließ  auch  die  Diplomatik  nicht  unberück- 
sichtigt und  verband  mit  diesem  allen  die  Bibliotheks- 
wissenschaft selbst.  Die  praktische  Vorbereitung  fand  er  in 
dem  Ordnen  und  Katalogisieren  größerer  Privatbibliotheken. 
Im  Herbst  1858  wurde  ihm  vom  Oberbibliothekar  Professor 
GöTTLiNö  die  Aufstellung  der  Jenaer  Universitätsbibliothek 


J.  E.  Angast  Martin.  71 

in  dem  unter  dem  Kurator  Sbbbeck  0  erbauten  neuen 
Gebäude  tibertragen.  Die  hierbei  bewiesene  Umsicht  und 
Geschicklichkeit  führte  am  1.  Oktober  1859  zu  seiner  Er- 
nennung zum  Kustos  der  Universitätsbibliothek,  welcher 
am  1.  Januar  1870  die  Beförderung  zum  Sekretär  folgte. 
Neben  den  amtlichen  Berufsarbeiten,  denen  er  sich  mit 
seltener  Treue  in  einem  das  äußere  Pflichtmaß  weit  tiber- 
steigenden Umfange  hingab,  behielt  der  arbeitskräftige 
und  rastlos  an  seiner  gelehrten  Bildung  arbeitende  Mann 
noch  Zeit  zur  Erweiterung  seiner  sprachlichen  Kenntnisse. 
In  das  Albanesische  war  er  schon  Anfang  der  fünfziger  Jahre 
durch  den  österreichischen  Konsul  Dr.  J.  G.  von  Hahn, 
dessen  Bekanntschaft  Prof.  Wolff  ihm  vermittelt  hatte, 
eingeführt  worden.  Er  unterstützte  denselben  bei  der  Be- 
arbeitung seiner  Albanesischen  Studien  und  verfaßte  das 
diesem  Werk  beigegebene  ^Deutsch-albanesische  Wörter- 
buch' (1854).  Einige  weitere  Früchte  der  albanesischen 
Studien  fanden  ihre  Verwertung  in  einem  kleinen  Glossa- 
rium von  Theoph.  Stier  zu  de  Radas  Gedichten  ^).  Von 
der  erworbenen  Kenntnis  der  holländischen  und  der 
englischen  Sprache  zeugten  Martins  Obersetzungen  von 
P.  Hartings 'Skizzen  aus  der  Natur  (Leipzig  1854  und 
1856)  und  *  Vorweltlichen  Schöpfungen  (Leipzig  1859), 
von  Gh.  LrviNGSTONES  'Neuen  Missionsreisen  (Jena  1866), 
von  S.  W.  Bakers  'Der  Albert-Nyanza'  etc.  (Jena  1867, 
2.  Aufl.  1868),  von  J.  J.  Hats'  'Offenem  Polarmeer  (Jena 
1868),  von  A.  S.  Brügkmore's  'Reisen  im  Ostind.  Archipef 
(Jena  1869),  endlich  der  großen  Reisewerke  über  Inner- 


1)  S.  Bd.  V  (N.  F.)  dieser  Zeitschrift,  S.  31. 

2)  Yergl.  das  Gratulation  sprogramm  zur  Jubelfeier  der  Universität 
Greifswald  ?on  Th.  Stbb,  S.  32. 


72  ^-  ^    Augu»t  Martin. 

asien  und  Patagonien  von  R.  Sghaw  und  G.  Ch.  Mustebs 
(Jena  1872  und  1873).  Kleinere  Übersetzungen,  meist  für 
Zeitschriften,  lieferte  Martin  nebenbei  aus  dem  Portu- 
giesischen und  aus  dem  Russischen,  dessen  Kenntnis  ihm 
der  damals  in  Jena  lebende  Freiherr  von  Stacklenbeso 
aus  Riga  vermittelt  hatte.  Mehr  und  mehr  aber  wurden 
die  litterarischen  Arbeiten  durch  die  über  alles  Maß  sich 
häufenden  Berufsarbeiten  verdrängt.  Dem  Eingeweihten 
sind  die  Zustände  in  der  Bibliotheksverwaltung  der  mitt- 
leren siebziger  Jahre  bekannt,  man  weiß,  wie  damals  so 
ziemlich  alle  laufenden  Geschäfte  auf  Mabtin  und  dem 
einzigen  Diener  lagen,  wie  ersterer  bis  in  die  Nächte  hinein 
arbeiten  mußte,  um  nur  das  Dringende  zu  erledigen  und 
die  allgemeine  Ordnung  aufrecht  zu  erhalten.  Nur  ein  Mann 
von  einziger  Pflichttreue  und  Gewissenhaftigkeit,  der  zu- 
gleich mit  innigster  persönlicher  Teilnahme  an  der  An- 
stalt hängt,  für  die  er  wirkt,  vermochte  Jahre  hindurch 
solche  Zustände  ohne  Murren  und  ohne  Beschwerde  zu 
ertragen,  seine  Freundlichkeit  und  hingebende  Hilfsbereit- 
schaft g^en  das  die  Bibliothek  benutzende  Publikum  und 
alle,  die  überhaupt  mit  derselben  in  Berührung  kamen, 
wurde  schon  damals  in  den  weitesten  Kreisen  anerkannt. 
Als  endlich  im  Herbst  1878  der  Abgang  des  damaligen 
Oberbibliothekars  stattfand,  hatte  Martin  das  berechtigte 
Gefühl,  vor  jedem  anderen  auf  die  leitende  Stelle  an  der 
Bibliothek  Anspruch  erheben  za  dürfen.  In  einem  Ge- 
such an  das  Großh.  Staatsministerium  erhob  er  in  be- 
scheidener, doch  würdiger  Sprache  diesen  Anspruch.  Gillnde, 
die  wir  nicht  kennen,  die  aber  gewiß  nicht  in  der  Person 
des  Bewerbers  gelegen  haben,  führten  zur  Ernennung 
eines  anderen,  des  ehrwürdigen  Professors  Hartenstein. 


J.  E.  Aairiist  Martin.  73 

Nach  dessen  Abgang  im  März  1888  erneuerte  Mabtin 
sein  Gesuch.  Es  blieb  abermals  onberüdcsichtigt,  dodi 
wurde  ihm  der  Titel  eines  Universitätsbibliothekars  zuer- 
kannt Den  wiederholten  Mißerfolg  hat  er  wohl  billig  als 
unverdiente  Zurücksetzung  empfinden  dürfen,  aber  er  hat 
dieser  Empfindung  niemals  einen  Einfluß  auf  seine  Pflicht- 
erftülung  eingeräumt,  vielmehr  in  der  treuen  Ausübung 
seines  mit  innerster  Neigung  ergriffenen  Berufes  immer 
wieder  neue  Stärkung  und  Erhebung  gefundien. 

Unserem  Verein  hat  er  9  Jahre  hindurch  als  Mitglied 
des  Vorstandes  angehört  und  einen  großen  Teil  der  Ar- 
beiten desselben  auf  sich  genommen.  Als  Bibliothekar 
hatte  er  den  Austausch  der  Publikationen  mit  Hunderten 
von  wissenschaftlichen  Körperschaften  zu  vermitteln  und 
die  Eingänge  zu  buchen,  7  Jahre  war  er  als  Herausgeber 
der  Zeitschrift  thätig  und  hat  nebenbei  den  ersten  Band 
des  Urkundenbuches  der  Stadt  Jena  bearbeitet  und  in 
musterhafter  Gestalt  veröffentlicht.  Diese  Thätigkeit  hat 
ihre  Würdigung  in  dem  Jahresbericht  von  1893  gefunden. 

Seit  dem  Herbst  1890  begann  der  bisher  gesunde 
Mann  zu  kränkeln  und  verfiel  während  des  Winters  in 
schwere  und  langwierige  Krankheit.  Nur  langsam  erholte 
er  sich  und  konnte  erst  im  Spätsommer  1891  sein  Amt 
wieder  aufnehmen.  Aber  seine  Kraft  war  gebrochen,  ein 
neuer  Krankheitsanfall  warf  ihn  Weihnachten  darnieder 
und  führte  am  27.  Januar  1892  seinen  Tod  herbei. 

Martin  war  ein  seltener  Mensch.  Unter  der  schlichten 
unscheinbaren  Außenseite  barg  sich  ein  treues  Herz  und 
ein  starker  Geist.  Auf  ihn  paßte  das  Wort  des  römischen 
Dichters:  ingenium  ingens  Inculto  latet  hoc  sub  corpore. 

An  umfassender  Gelehrsamkeit,  an  inniger  Vertraut- 


74  J.  E.   Aa gast  Martin. 

heitmit  den  Schätzen  seiner  geliebten  Universitätsbibliothek, 
an  Bereitwilligkeit  und  Fähigkeit  zu  nützen  und  zu  helfen 
ist  ihm  wohl  selten  ein  Beamter  gleichgekommen.  Rüh- 
rend war  seine  Anspruchslosigkeit  und  Bescheidenheit 
Keine  Begehrlichkeit  trübte  die  stets  gleiche  Heiterkeit 
seines  reinen,  arglosen  und  wahrhaftigen  Gemütes,  er  ge- 
hörte zu  den  animae,  quibus  non  candidiores  terra  tulit. 
Das  Leben  hat  ihm  wenig  geboten,  sein  bescheidenes  Ein- 
kommen reichte  eben  knapp  aus  für  seinen  und  seiner 
Familie  Unterhalt.  Er  ist  zweimal  verheiratet  gewesen. 
Ein  in  erster  Ehe  geborener  Sohn  fiel  im  Kriege  gegen 
Frankreich  *).  Die  zweite  Frau  und  zwei  Töchter  aus 
dieser  Ehe  haben  ihn  überlebt.  Er  hat  ihnen  kein  Ver- 
mögen hinterlassen  können.  Dazu  ist  er  zeitlebens  zu 
arm  gewesen.  Die  Hochherzigkeit  der  Emestinischen 
Regierungen  hat  die  Zukunft  der  Hinterbliebenen  sicher- 
gestellt und  so  gut  gemacht,  was  die  Mitwelt  dem  Leben- 
den versagt  hat. 

Jena,  8.  Juni  1893.  Dr.  G.  Richter. 

1)  Er  war  am  22.  Mai  1851  geboren  und  beim  Ausbruche  des 
Krieges  gegen  Frankreich  Oberprimaner  des  Ojmnasiums  zu  Weimar, 
trat  1870  als  Freiwilliger  in  das  94.  Regiment  ein  und  starb  am  29. 
Dez.  1870  zu  Cbalons  sur  Marne  an  einer  Verwundung.  Derselbe  be- 
rechtigte, wie  sein  glänzendes  Reüezeugnis  ausweist,  zu  den  schönsten 
Hofinungen. 


Frommannsche  Bachdraokerei  (Hermann  Pohle)  in  Jona.  —  1164 


IIL 

Das  ehemalige  Amt  Lichtenberg 
vor  der  Rhön. 

1.  Geschichte  (ScWufs). 
2.  Verwaltung  und  Rechtspflege. 

Von 

C.  Binder,  Pfarrer  in  Bergsulza. 


IVIL 


^of  eine  lange  Belagerung  war  SchlolB  Lichtenberg, 
das,  trots  Beiner  starken  Befestigung  von  den  Bauern  erstürmt 
und  zerstört,  nun  wieder  ausgebaut  worden  war,  nach 
wie  vor  nicht  eingerichtet  —  es  fehlte  an  Wasser.  Alles 
Wasser  muTste  auf  Karren  durch  Pferde  oder  Esel  vom 
Rappacher  Brunnen,  der  am  Fufse  des  gegenüber- 
liegenden ,yHöhn*'  unter  einem  Steinhause  hervorquillt,  müh- 
sam auf  die  Burg  geschafft  werden.  Wer  den  Brunnen  hatte, 
hatte  auch  die  Burg,  und  —  nach  den  Dorfweistümem  — 
mit  ihr  das  Amt^). 

Der  ,,Bappicher  Brunn''  ist  nach  £rdmann  (1754)  ,,ein 
hartes  VUriolisehes  WaBer,  von  dessen  anfänglichen  Gebrauch 
Menschen  und  Vieh  durchaus  krätzigt,  grindigt  und  schäbigt, 
hiemeohst  aber  gesund  und  dauerhaft  werden''. 

Dicht  unterhalb  des  Brunnens  befanden  sich  sonst  zum 
Gebrauche  des  Amtmannes  „drey  kleine  Fischbehelterlein, 
aber  nichts  zu  gebrauchen,  denn  wegen  ungeschlachter  Herte 
des  WaBers  die  fische,  so  zu  behalten  hiebevom  hinein  ge- 
than,  drinnen  yerdorben*'  (1643).  Die  Umrisse  dieser  3 
kleinen  Teiche,  welche  schon  1866  als  dem  damaligen  Amt- 
manne Gyso  T.  Steinau  zustehend  genannt  werden  (s.  u.), 
sind  noch  deutlich  erkennbar. 


1)  Übrigens  hatten  Mich  andere  BnrRen  in  der  NIhe,  x,  B.  Hilden- 
berg,  keine  Bmnnen  innerhalb  ihrer  lUnem. 

6* 


78  I^<^  ehemalig«  Amt  Lichtenberg  vor  der  Bhdn. 

Auf  das  Inventar  des  y^Amthaasee''  Lichtenberg 
scheint  man  nach  dessen  Wiederherstellung  nicht  gerade 
grofse  Summen  verwendet  zu  haben;  auch  in  den  nächsten 
Zeiten  waren  bei  dem  vielmaligen  Wechsel  der  Besitzer  diese 
natürlich  nicht  besonders  auf  Bereicherung  des  Inventars 
bedacht  In  der  Streitsache  der  Grafen  von  Stolberg  gegen 
die  von  Mansfeld  wegen  der  henneb.  Erbschaft  schrieb 
Kaiser  Max  1565  an  letztere  u.  a. :  y,Mit  gleichen  und  viel- 
mehrem  ünfugen  haben  ir  mehrgedachten  Graven  zu  ManB- 
feld  auch  aller  Kleinodien,  Silbergeschirr,  Barschaft,  Geschütz, 
Haußrath,  Yorrath  und  aller  beweglichen  Gueter,  so  zu  Böm- 
hilt,  Münnerstat,  Lichtenberg,  und  an  allen  andern  Örtem 
gewesen,  so  weiland  Grav  Bertholden  nach  sich  gelaBen  .... 
euch  angemaßet'^  Ton  Lichtenberg  haben  sie  indes  wohl 
wenig  Kleinodien  und  dergl.  wegnehmen  können,  was  das 
Inventarverzeichnis  bei  der  Übergabe  des  Schlosses  vom  Amt- 
mann  Hans  V.  Ostheim    an  Moritz  v.  Stein  1546  beweist^). 

Die  meisten  der  hier  aufgeführten  Gegenstände  gehörten 
zum  katholischen  Kultus  in  der  Burgkapelle,  in  welcher  jeden 
dritten  Sonntag  der  Kaplan  der  Ostheimer  Nikolauskapelle 
Amtierte.  Damit  war  es  nun  nach  Hans  von  Ostheims  Ab* 
gang  zu  Ende. 

Am  24.  Januar  1894  wurde  in  den  ehemals  henne- 
bergischen  Orten  das  d50-jährige  Jubiläum  der 

Einführung  der  Eeformation 
festlich    begangen.      Hatte    auch   das  Amt  Lichtenberg    das 
Becht,  es  mitzufeiern?     Oder:    wann   ist  in    der  Herr- 
schaft   Henneberg  -  Römhild    die    Eeformation 
eingeführt  worden? 


1)  „Ein  übergoldet  Kelch  nnd  Pathen,  ein  fibergnlt  klein  Patben 
nnd  Crenta,  ein  klein  silbern  Büchslein,  darinnen  man  voneiten  das 
Sacrament  gethan,  ein  braun  liedisch  Meßgewandt,  ein  allmao,  Chor  Bock 
nnd  Stolen,  ein  MeBbach,  ein  Amt,  2  Leuchter,  2  MeflkSnnlein,  einen 
alten  Stein,  eine  Schelle,  ein  klein  Gldcklein,  einen  großen  Harnisch, 
ein  großer  Schrank  und  alter  Tisch  in  der  großen  Stabe,  ein  alter  böser 
Küchen  schrank,  eine  alte  Bettladen,  8  Messer,  Jagden  Buchsen.«« 


DtA  ehtmAlige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rh($D.  79 

War  1521  Graf  Wilhelm  Ton  Henneb.-SchleaBingen 
sehr  empört  über  den  Yerdaoht,  Luther  auf  dessen  Heimreise 
TOD  Worms  aus  dem  Wege  geräumt  zu  haben,  so  stand  er 
doch  seinem  Beformationswerke  durchaus  nicht  günstig  gegen- 
über. War  doch  in  diesem  Jahre  erst  sein  Sohn  Johann 
Fürstabt  von  Fulda  geworden  (f  1541).  Ais  er  aber  1543 
die  Begierung  teilweise  seinem  Sohne  Georg  Bmst,  dem 
letzten  Henneberger,  überlassen  hatte,  liefs  er  es  geschehen, 
als  dieser  1544  die  Reformation  in  seiner  Grafschaft  (also 
auch  im  Amte  Ealtennordheim)  einführte;  ja  er  wurde  noch 
selbst,  wenn  auch  spät  erst  (1548),  dann  aber  ein  um  so 
treuerer  Anhänger  tou  Luthers  Lehre. 

In  der  Herrschaft  B  ö  m  h  i  1  d  wurde  sie  unbedingt  nicht 
gleichzeitig  eingeführt  Zwar  beschwert  sich  Katarine,  die 
Witwe  des  Grafen  Albrecht,  1557  beim  Beichskammergericht 
gegen  Bischof  Friedrich  y.  Würzburg  wegen  seiner  Bedrückung 
der  Evangelischen  zu  Münnerstadt  und  beruft  sich  dabei 
darauf,  dafs  die  eyaogelische  Beligion  schon  yor  mehr  als 
20  Jahren  yon  den  Brüdern  Berthold  (dem  Herrn  des 
Amtes  Lichtenberg)  und  Albrecht  in  ihren  Landen  eingeführt 
worden  sei,  und  Schultes  nimmt  daraufhin  1585  —  das 
Todesjahr  yon  Bertholds  Yater  —  als  das  Jahr  der  Einführung 
an ;  allein  wenn  auch  wirklich  Berthold  die  eyaogelische  Lehre 
gleich  bei  seinem  Begierungsantritte  selbst  angenommen  haben 
sollte  —  eingeführt  hat  er  sie  in  seiner  Herrschaft  noch 
lange  nicht  Er  starb  1549  und  wurde  mit  lutherischen 
Ceremonien  beigesetzt;  seine  Gemahlin  Anna,  geb.  Ghräün 
yon  Mansfeld,  war  1542  noch  im  katholischen  Glauben  ge- 
storben. Magister  Adam  Büdiger  starb  1569  als  der  erste 
eyangelische  Superintendent  der  Grafschaft  „nach  mehr  als 
22-]ährigem  Dienste*';  er  ist  also  etwa  im  Todesjahre  Luthers 
angesteUt  worden.  80  yiel  steht  fest,  dals  unter  Berthold  es 
im  Amte  Lichtenberg  keinen  als  eyangelisch  neuan- 
gestellten Geistlichen  gab. 

Anfang  Mai  1525  war  Lichtenberg  yon  den  Bauern 
„ansgebrannt''  worden.    Der  damalige  Amtmann,  Hans  y.  Ost- 


gQ  Das  ehMUftlige  Amt  Lichtenberg  tot  der  Rhdn. 

heim,  dachte  gewiüs  stetB  mit  Unwillen  an  diese  Tage  zarüok 
und  hat  sich  nie  mit  LuthfiTB  Werk,  den  er  f&r  diese  (Greuel 
yerantwortlioh  machte,  befreunden  können,  hat  also  seinen 
Einäufs  eher  gegen  als  für  die  Einführung  der  neuen  Lehre 
geltend  gemacht  Noch  nach  Mich.  1548,  also  2  Jahre  nadi 
dem  Aufgeben  seinm:  Eegierung  (wie  man  damals  sagte) 
trug  er  seine  Besitzungen  in  den  Ämtern  Königshofen, 
Seüslach  etc.  dem  Stifte  Würzburg  zu  Lehn  auf,  wodurch  er 
wohl  seiner  UnzuMedenheit  mit  den  seit  seinem  Abgange  im 
Amte  Torgehenden  Neuerungen  Ausdruck  geben  wollte.  Bar 
mit  erledigt  sich  auch  wohl  von  selbst  die  Frage  nach  der 
Glaubwürdigkeit  der  Sage  Ton  einem  Besuche  Luthers  auf 
der  Burg. 

Nachdem  1648  Graf  Berthold,  durch  Not  gedrungen, 
seine  Herrschaft  an  die  Brüder  seiner  yerstorbenen  Frau,  die 
Grafen  Joh.  Georg  und  Joh«  Albrecht  von  Mansfeld,  yeiteuft 
hatte,  hätte  man  annehmen  sollen,  dals  sie,  die  Freunde  des 
Beformators,  bei  denen  er  gestorben  war,  die  Einführung 
seiner  Lehre  sofort  eifrig  betrieben  haben  müisten;  allein  es 
ist  zu  bedenken,  dafs  nach  der  Schlacht  bei  Mühlberg  (1547) 
und  der  Gefangennahme  Joh.  Friedrichs  des  Grofsmütigw 
und  Philipps  Ton  Hessen  die  Sache  der  Reformation  eine 
yeriorene  schien.  Gewifs  behauptet  Weinrich  zuviel,  wenn 
er  sagt:  „Anno  1548  wurden  auf  Consens  Herrn  Albrechts 
Grafen  yon  Mansfeld  die  pabstischen  Ceremanien  in  der 
Kirche  zu  Ostheim,  wie  auch  1553  durch  einen  Mönch  zu 
Sundheim  vor  der  Bhön  und  Urspringen  gänzlich  abgethaa 
und  der  evang.  Gottesdienst  eingeführt 

Dieser  Mönch,  Jakob  Thein,  sdieint  der  erste  evan- 
gelische Pfarrer  des  Amtes  gewesen  zu  sein.  Yen  ihm  wei£i 
der  würzb.  Domdechant  Benkert  4n  b.  „Nordheim  vor  der 
Bhön^  zu  berichten,  1519  habe  er  das  EarmeliterkloBter  in 
Neustadt  a.  S.  verlassen,  sei  nach  Ungarn  gezogen,  1520 
nach  Wien  und  1522  wieder  nach  Neustadt  gekommen,  wo 
man  ihn  aber  mit  4  Schilling  Zehrung  fortschickte.  1563 
sei  er  Pfarrer  in  Sondheim  geworden ;  wo  er  sich  inzwischen 


Dm  ehemalige  Amt  Liohteoberg  vor  der  Bh5&.  gX 

nmhergetriebeD,  wisse  man  nicht  Man  weiüs  es  aber  doch  jetst 
aemlioh  genaa.  Seit  1528  hat  er,  in  Würsbnrg  geweiht,  ein 
geistliohee  Amt  in  Thüringen  yerwaltet.  Bis  1644  war  er  eyan- 
geliseher  Vikar  in  Benshausen,  wo  man  ihn  ungern  scheiden 
sah;  bis  1648  war  er  der  erste  Archidiakonos  in  Meiningen. 
Hier  war  man  sehr  zufrieden  mit  ihm,  nur  dafs  er  etwas  zu 
loharf  eiferte,  z.  B.  von  der  Kanzel  alle,  die  aus  Ängstlichkeit 
den  Kelch  sich  reichen  zu  lassen  sich  scheuten,  vermaledeite 
und  mit  Leib  und  Seele  dem  Teufel  zueignete,  Namen  zu 
nennen  drohte  etc.  ^).  Bis  1568  war  er  Pfarrer  in  Stetten, 
also  doch  wohl  seit  1548,  und  dann  in  XJrspringen. 
Ton  da  kam  er  156S  nach  Sondheim,  wo  er  am  12.  August 
1570  starb.  Schon  um  1628  mufs  er  ndk  verheiratet  haben 
denn  sein  Sohn  Johannes  wurde  sein  Nachfolger  in  Stetten. 
Ein  2.  Sohn  Jeremias  verheiratete  sich  1565;  1698  und  1601 
kam  er  als  aus  dem  Bambergischen  vertriebener  Pfarrer  milde 
Gaben  heischend  auch  nach  Sondheim.  —  Der  zweite  evan- 
gelische Pfarrer  des  Amtes  war  Wolfgang  Baswecker 
Q  Passacker  ?  Parsacke?),  welcher  am  4.  Sept.  1549 
durch  Amtmann  Moritz  v.  Stein  ,,zu  einem  evang.  Pfarrer 
nadi  Helmershausen  verordnet"  wurde. —  In  Ealten- 
6  und  heim  wurde  1552  nach  Absetzung  des  katholischen 
Lesser  Balthasar  Schrei nei  eingeführt.  Geboren  in 
Mellrichstadt,  war  er  10  Jahre  im  Kloster  Bildhausen  Mönch 
gewesen,  bis  er  in  Neustadt  a.  S.  wegen  einer  evangelischen 
Predigt  über  Matth.  7,  15  ff.  eingesteckt  und  exkommuniziert 
wurde.  Die  Belehnung  mit  der  Slaltensundheimer  Pfarrei 
konnte  ihm  die  Lehnsherrschaft  (für  das  Benediktinerinnen- 
kloster Bohr  dessen  Probst  Bastian  v.  Weyhers)  nicht  vor- 
enthalten. —  Nach  S  0  n  d  h  e  i  m  wurde  1658  nach  Absetzung 
^^  „gottlosen  Papisten'^  Anton   Böst   (er   wurde  Frühmesser 


1)  Vgl.  Genuaims  Festschrift:  Dr.  Job.  Forster,  der  henneb.  Be- 
formator  (Neae  Beitrüge  etc.  des  Henneb.  altertamsforsohenden  Vereins 
in  Meiniagen,  18.  Liefenmg),  8.  481  ff.;  Urkunden  S.  89  f.;  Aber  die 
übrigen  Pftunrer  des  Amtes  Urk.  S.  SO  ff. 


32  I^<^  ehemalig«  Amt  Liebtonberg  vor  der  Rbön. 

in  Nordheim)  durch  den  Amtmann  Fr.  t.  EünCsberg  Wolf- 
gang  Passacker  (so  nennt  ihn  das  Sondh.  Erchboh.)  ^) 
von  Helmershaosen  berufen.  —  In  Urspringen  wurde  in 
demselben  Jahre  der  katholische  Pfarrer  Johannes  Braun- 
gart') abgesetzt  (er  wurde  Pfarrer  im  würzb.  ünterelzbaoh) 
und  Jakob  Thein,  der  sich  persönlich  in  Fulda  um  die 
Belehnung  beworben,  Ton  Stetten  hierher  yersetzt*).  -r-  In 
Wohlmuthausen  war  1556  der  altersschwache,  aber  auch 
sonst  ganz  unfähige,  „zehrhaftige*' ^)  Kunradt  Ghristoffel 
y.  Bibra  (Bastard)  Pfarrer,  der  vor  10  Jahren  die  Messe 
unterlassen,  dann  aber  wieder  gehalten  hatte.  Die  Visitatoren 
gaben  dem  Schulthei(sen  auf,  um  Gottes  willen  um  seine 
Emeritierung  einzukommen.  Sein  Nachfolger  wurde  Johann 
B  p  p  i  c  h  aus  Nidda  (Hessen) ,  der  nach  reformiertem 
Gebrauche  sine  imposiHone  manmtm  ordiniert  war.  — 
Gleichzeitig  erhielt  endlich  auch  Ost  heim  einen  evan- 
gelischen Pfarrer.  Der  bisherige  katholische  war  Haus  Zinn 
„OsUheimengis^^  nach  seinen  Studien  in  Hall  und  Ingolstadt 
ca.   1523  in  Würzburg  ordiniert   und  1529    von   der  Pfarrei 


1)  Bei  Reio  (Zeitechr.  d.  V.  f.  tbttr.  G.  Y,  552)  beifst  er  Parsacke. 

2)  Damals  waren    die   katbol.  Pfarrer  sebr  bftofig  Ortseingeborene. 
8)   Bei   der  Visitation   von   1666    dorcb   Dr.  Max  Mörlin,    Snp.   in 

Coborg,  Mag.  Job.  Stdssel,  Snp.  in  Heldbarg,  and  Landrentmeister  Wolf 
Blnmlein  in  Römbild  klagt  er,  daüi  er  laut  eines  darob  den  Amtmann 
Fr.  V.  Kfinftberg  aofgeriobteten  Yergleicbs  seinem  Vorgänger  lebenslang 
jäbrlicb  10  Mit  Korn,  10  Mit  Hafer,  2  Fader  Hea  and  1  Fader  Grammet 
liefern  solle,  wlbrend  ibm  dieser  die  Heberegister  vorentbalte ;  dals  dessen 
Sobn  (!)  einen  Scbweinfarter  Landsknecht  Endres  babe  erkaafen  wollen, 
ihn,  Tbein,  sa  erscbiefsen;  da(s  ein  G6tz  oder  Marienbild  in  der  Kirche 
sei,  vor  welchem  die  Konkabine  seines  Vorgftngers,  des  abgesetsten 
„Metspfaffen**  aaeh  später  noch  gekniet  and  gebetet  habe  etc.,  woraaf  er 
ermftchtigt  warde,  von  seiner  Besoldang  nichts  mehr  an  ihn  abzngeben. 
Jenes  Marienbild,  bis  znletst  bei  den  Katholiken  der  Umgegend  im  Ge- 
rache  der  Wanderthfttigkeit  and  —  sehr  sam  Vorteile  des  Opferstoeks  — 
viel  besacht,  ist  1841  mit  der  Kirehe  verbrannt. 

4)  So  beieiehnet   ihn  bei  der  Visitation  die  Gemeinde,    da  er  „mit 
seiner  Alten"  tiglieb  anf  die  9  grofse  Mafs  Wein  haben  müsse. 


Das  ehemalige  Amt  Lichtenberg  yor  der  Rhdn.  33 

Mellriohstadt  mit  der  zu  Ostheim  belehnt.  Der  neuen  Lehre 
stellte  er  sich  feindlich  ^genüber,  bequemte  sich  aber,  als 
der  neue,  besonders  eifrige  Amtmann  Fr.  v.  Eünfsberg  (seit 
155S)  ihm  hart  zusetzte,  doch  dasu,  die  Messe  aufzugeben 
nnd  das  heilige  Abendmahl  in  beiderlei  Gestalt  zu  reichen 
aber  nur  unter  Fortgebrauch  der  lateinischen  Sprache),  wie  er 
auch  nach  evangelischem  Ritus  taufen  muDste^).  Am  13.  August 
(Sonntag  nach  Laurentii)  desselben  Jahres  hielt  der  Pfarrer 
Paul  Schmidt  (Faber)  aus  ftömhild  die  erste  evangelische 
Predigt;  ,,Gott  gebe,  das  wir  gebessert  werden  zu  gottes  ehr 
und  unsser  selenn  heyl"  (8).  Im  folgenden  Jahre  ersuchten 
die  „Oanerben^'y  wie  sich  die  Ostheimer  Edelleute  mifsbräuch- 
lich  nennen  liefsen,  in  ihrem  und  der  Gemeinde  Namen  den 
Oberamtmann  Ohr.  Stammer  zu  Römhild,  den  Magister  Adam 
Rildiger  nach  Ostheim  zu  senden,  um  ihren  Pfarrer  Zinn  in 
der  evangelischen  Lehre,  von  der  er  noch  wenig  verstünde, 
zu  unterweisen,  was  ihnen  unter  der  Bedingung  gewährt 
wurde,  den  Magister,  „wenn  er  seinen  Weg  wieder  anheim 
nehmen  wird,  wyderumb  zu  geleytten,  damit  er  vor  bösen 
Buben  zu  sein  gewarsam  sicher  zurück  kommen  möge".  Zinn 
blieb  aber  „ein  neutralis,  denn  er  leider  das  Papsttum  oder 
die  Meß  nie  angetastet,  auch  andere,  so  die  päpstischen 
Greuel  angegriffen,  nicht  hat  um  sich  leiden  wollen".  Sein 
Leben  wollte  er  zum  Pfände  setzen,  wie  er  noch  in  einer 
Predigt  sagte,  dafs  sie  ebensoviel  empfingen  unter  einer  Ge- 
ltalt, als  unter  zweien;  gegen  den  Kaplan^)  murrte  er,  wenn 
dieser  anders  lehrte.     Da   er  überdies   ein    ärgerliches  Leben 


1)  „Baltzer  Maßeogeil  set.  sa»  84  begraben.  Ist  dieser  Mafiengeü 
der  erste  gewefien,  der  nach  Beformirung  des  Pabstumb  alhier  zu  Ostheim 
evangelisch  getanfft  worden'*  (Osth.  Krchbch.,  1686);  schon  1652,  von 
Thein? 

S)  Sebastian  Holser,  1554  von  Fr.  ▼.  Kfinfsberg  berufen,  ein  junger, 
tfiehtiger  Mann,  aber  noch  nicht  examiniert  und  ordiniert.  Er  wurde  von 
den  Visitatoren  bestStigt,  aber  angewiesen,  sich  zu  Neujahr  in  Jena  zum 
Examen  und  zur  Ordination  einzustellen,  wozu  ihm  die  Gemeinde  2  Thaler 
zur  Zehmng  zu  geben  habe. 


34  ^'*  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rhön. 

führte  und,  was  den  Eyangelischgesinnten  besonders  anstofsig 
sein  mufste,  ^^den  Ehestand  yeraehtete'',  „sieh  mit  Konkubinen 
beholfen'',  auch  „seine  Kinder  der  Schmaoh  nicht  erledigt"' 
so  wurde  ihm,  obgleich  die  Edelleute,  mit  denen  er  ,,zechte 
und  schlemmte^'  und  die  ihn  bisher  gehalten  hatten,  drohten, 
Jeder  ohne  ihre  Zustimmung  berufene  Pfarrer  werde  wenig 
Olüok  oder  Förderung  bei  ihnen  haben,  am  19.  Dez.  1656  von 
den  Yisitatoren  jede  fernere  Amtshandlung  untersagt  und  auf- 
gegeben, bis  Epiphanias  das  Pfarrhaus  zu  räumen,  eveni  aber 
auch  Wiederanstelluog  in  einer  evangelischen  Gemeinde  in 
Aussicht  gestellt  Zu  seinem  Nachfolger  und  zugleich  erst^ 
Superintendenten  des  Amtes  bestellten  sie  den  Pfarrer  Paul 
Schmidt  aus  Eömhild  ^ ).  Ihm  gaben  sie  u.  a.  auf,  dafür 
zu  sorgen,  dafs  alle  Pfarrer  Kirchenregister  anlegten  und  alle 
„abgöttischen''  Bilder  und  überflüssigen  Altäre  »^soviel  mög- 
lich still  ohne  Tumult"  aus  den  Kirchen  schafften,  daÜB  die  io 
der  Ehön  gebräuchliche  Unsitte,  wonach  die  Weiber  jeden 
Toten  zu  Grabe  trugen,  abgeschafft  werde  etc.  Die  Gemeinde 
aber  sollte  den  alten  Mann,  so  nunmehr  in  grofser  Ver^ 
Buchung,  nicht  lassen  Ton  jemand  höhnen,  sondern  ihn  zu 
gewinnen  alles  Guts  beweisen  und  für  ihn  beten  *),  die 
Kirohenomate  für  den  evangelischen  Gebrauch  umändern 
lassen  und  das  Übrigbleibende,  wie  auch  die  Kleinodien  der 
Kirche,  als  Monstranzen  etc.  zu  Gelde  machen  zum  Beeten 
der  Kirche  etc«  —  In  Nordheim  waren  die  sächsischen 
und  die  v.  d,  tannischen  Unterthanen  natürlich  ihren  Herr- 
schaften im  Konfessionswechsel  nachgefolgt,  wie  auch  die 
meisten  würzburgischen  samt  ihren  Pfarrern  von  der  katho- 
lischen Kirche  abfielen  ^). 


1)  Sein   dortiger  Nachfolger   wurde  Mag.  Adam   Bfldiger,    weicher 
als  Superintendent  der  Grafschaft  bisher  kein  eigentUches  Pfarramt  hatte. 

2)  Die  Edellevte   stellten   in   ihrem  ganerbschaftlichen  Wilmars  an. 
8)  Erst  nach  der  gewaltsamen  Gegenreformation  des  Bischof«  Jnlins 

1585  wurde  der  lichtenbergische   und  der   tannische   Teil   Ton  Nordheim 
dem  Sondheimer  Pfarrer  als  Filial  überwiesen. 


Das  eheiiiAUpft  Amt  Lichtenberg  ror  der  Rhön.  g5 

Damit  war  die  Einfühnmg  der  EeformatioB  im  Amts- 
besirke  vollendet,  wie  sie  aueh  in  der  ritterschaftliohen  Um- 
gegendy  soweit  deren  Bewohner  nicht  jüdisch  waren,  nun 
durchgeführt  war.  Zwar  wird  nicht  berichtet,  daCs  man  bei 
dieser  Einführung  viel  Federlesens  gemacht  oder  die  Ein- 
gesessenen erst  um  ihre  Zustimmung  gefragt  habe.  Wenn 
aber  der  ka^olische  Pfarrer  Jäger  selbst  eraählt,  dafs  die 
ganze  Umgegend  von  Würzburg  und  ^/^  des  ganzen  Herzog- 
tums Franken  von  selbst  —  noch  dazu  sehr  gegen  den 
Willen  des  FürstbischofB  —  der  Lehre  Luthers  zugefallen 
sei,  so  läiÜBt  sich  daraus  schliefsen,  dafs  es  bei  der  Einführung 
derselben  im  Amtsbezirke  nicht  gerade  grolser  Gewaltmittel 
bedurft  hat.  Und  selbst  wenn  hier  und  da  eine  Härte  mit 
untergelaufen  sein  sollte,  so  steht  sie  doch  in  keinem  Verhältnis 
SU  derjenigen,  mit  welcher  30  Jahre  später  Bischof  Julius 
seine  verirrten  ünterthanen  zur  katholischen  Wahrheit  zurück- 
zuführen und  diese  wieder  „tief  in  ihren  Herzen  zu  gründen" 
verstand.  Damals  wanderten  allein  in  Ostheim  12  aus  seinem 
Herzogtum  Franken  vertriebene  Familien  ein. 


Aus  dem  Jahre  1553  ist  noch  zu  erwähnen,  dafs  das 
Stift  Fulda  sich  einmal  regte,  seine  Pfandherrlichkeit  über 
das  Amt  Lichtenberg  geltend  zu  machen  ^).  Fürstabt  Wolf- 
gang schrieb  nämlich  „denen  Manßfeldischen  Bevelchhabem 
zu  Bömhilde",  er  habe  erfahren,  sie  unterstünden  sich  und 
liefsen  den  Hain  (Höhn);  „so  fast  das  beste  Claynodt  zum 
Ampt  Lichten bergk  gehörig,  abhawen,  verkeüffen  und  ver- 
wuesten^',  und  verlangt  „solich  Unser  Eygenthumb  unveringert 
zu  lassen"  —  ,^ed  egregie  ludibrio  haUtae  sunt  litterae,  ne 
rßsponso  qmdem  dignae  judiccUae,   qua  in  re  fuUenses 


1)  Nach  Senckenberg  stand  dies  mit  der  eben  behandelten  Be- 
wegung aaf  kirchlichem  Gebiete  in  Zusammenhang:  t^Nec  unquam  de 
^Uqua  rdmtümit  prcetenBÜme^  vd  ptr  «omnuim  eogiUuaerU  prmeipes  abbatet 
ßdden$e»f  niti  dfimenüaB   rdigionü  in   Germamia   nc^otia   mewUm   mviare 


gg  Das  ehemalige  Amt  Lichtenberg  v^r  der  Bhon. 

acquievere!'^  —  JedenfallB  ist  hiemach  Schnltes'  Behauptung, 
Fulda  habe  nie  eine  Pfandherrlichkeit  geltend  gemacht,  weil 
eine  solche  ihm  nie  zugestanden,  und  es  habe  deshalb  in  den 
Jahren  1722—1787  auf  den  Wiederkauf  zu  dringen  kein 
Becht  gehabt,  eine  irrige.  Auch  mit  dem  seiner  Ansicht 
nach  viel  zu  ausgedehnten  Beyers,  welchen  1649  die  Grafen 
von  Mansfeld  dem  Stifte  Fulda  ausstellten,  und  in  welchem 
es  hiefs,  dafs  der  Landgraf  yon  Thüringen  seiner  Zeit  Sal- 
zungen und  Lichtenberg  vorbehaltlich  der  Eechte  Fuldas  an 
Mainz,  und  dieses  dieselben  „Affter  Pfandts  Ways"  an  Henne- 
berg abgetreten  habe,  und  dafs,  wenn  Fulda  sich  mit  Mainz 
abfinde,  sie  die  Pfandobjekte  Fulda  „als  dem  Eigenthumbs 
Herren  freundtlich  einräumen''  wollten,  hatte  es  doch  wohl 
seine  Ordnung.  Übrigens  werden  wir  noch  mehr  Fälle 
kennen  lernen,  in  welchen  Fulda  sein  Pfandrecht  geltend 
machte. 

Femer  ist  noch  eines  Schriftenwechsels  zwischen  den 
Schreibern  der  Grafen  Wilhelm  von  Henneb.-Schleusingen  und 
Albrecht  von  Mansfeld(-Bömhild)  aus  dem  Jahre  1553  zu  ge- 
denken. Auf  die  bezügliche  Anfrage  des  ersteren  berichtet 
der  mansfeldische  Schreiber,  er  habe  mit  seinem  Herrn  über 
die  bewufste  Sache  („Lösung**  des  Amtes  Lichtenberg)  ge- 
sprochen, und  dieser  habe  erklärt,  da  das  Amt  einmal  ver- 
kauft werden  solle,  so  gönne  er  es  niemand  lieber  als  dem 
Grafen  Wilhelm.  Der  beabsichtigte  Handel  kam  jedoch  aus 
irgend  welchem  Gmnde  nicht  zustande,  und  Graf  Albrecht  ver- 
tauschte das  Amt,  nachdem  er,  wfe  Schultes  berichtet,  auch 
schon  mit  Würzburg  in  Eaufunterhandlung  gestanden,  welche, 
wenn  sie  von  Erfolg  gewesen  wäre,  die  Bekatholisierung  des 
Amtsbezirkes  zur  Folge  gehabt  hätte,  1555  gegen  Oldisleben 
und  50  000  Gulden  bar  an  die  Herzöge  von  Sachsen,  die 
Söhne  Job.  Friedrichs  des  Grofsmütigen.  Die  Grafen  Stolberg 
prozessierten  wegen  dieses  Verkaufes  bis  1672. 

Als  zu  jener  Zeit  die  Einteilung  des  Beiches  in  Kreise 
ihre   feste  Bestimmung    erhielt,    wurde  Amt  Lichtenberg  ^^ 


Dm  ehtmalic^  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rhön.  87 

sächnBoh   £um   oberBäohBisohen ,    Ealtennordheim   als   heDne- 
bergisch  lum  fränkiichen  gesohlagen. 

Durch  den  Beligionsfrieden  yon  Aagsborg,  18.  Sept. 
1655  y  wurden  die  jura  episcopalis  in  den  Ländern  evan- 
gelischer Fürsten  diesen  endgiltig  übertragen,  so  dafs  alle 
bisherigen  Ansprüche  des  Bischofs  von  Würzbarg  auf  Aus- 
übung dieser  Bechte  im  Amte  Lichtenberg  nun  für  immer 
beseitigt  waren. 

Kaum  war  die  eyangelische  Kirche  im  Beiche  einiger- 
mafsen  anerkannt,  so  entstand  auch  schon  innerhalb  derselben 
das  anstöfsigste  Theologengezänk,  in  welchem  leider  auch  die 
Fürsten  in  einseitigster  Weise  Partei  ergriffen.  Im  Jahre 
1562  trieb  Herzog  Joh.  Friedrich  der  Mittlere  mehr  als  40 
flacianisch  gesinnte  Geistliche  mit  Weib  und  Kind  aus  dem 
Lande,  u.  a.  den  Sondheimer  Pfarrer  Basilius  Michel,  ver- 
mutlich auch  den  Stettener  Böisner.  Als  der  Herzog  1567  wegen 
seiner  Beteiligung  an  den  Orumbachschen  Händeln  in  die  Acht 
erklärt  und  zu  lebenslanger  Haft  nach  Österreich  abgeführt 
worden  war,  übernahm  1568  sein  Bruder  Joh.  Wilhelm, 
nachdem  er  die  Hugenotten  in  Frankreich  hatte  bekämpfen 
helfen,  die  Begierung,  vertrieb  die  Anhänger  Strigels  aus 
ihren  Ämtern  und  setzte  flacianische  ein  —  so  als  Super- 
intendenten der  Grafschaft  jenen  Bas.  Michel.  Als  die  Län- 
der des  unglücklichen  Joh.  Friedrich  des  Mittleren  seinen 
unmündigen  Söhnen  Joh.  Kasimir  und  Joh.  Ernst  unter  der 
Yormundschaft  der  Kurfürsten  Ludwig,  Pfalzgrafen  bei  Bhein, 
und  August  V.  Sachsen  und  des  Markgrafen  von  Brandenburg 
zurückgegeben  waren,  hatte  Kurfürst  August  nichts  Eiligeres 
zu  thon,  als  sämtliche  flacianische  Geistliche  dieser  Landes- 
teile (9  Superintendenten  —  unter  ihnen  wieder  Bas.  Michel 
in  Bdmhild  —  und  95  Pfarrer)  abzusetzen.  Die  Geistlichen 
dee  Amtes  blieben  diesmal  sämtlich  auf  ihren  Stellen. 

In  dieser  Zeit  scheinen  in  der  ganzen  Gegend  die  Dorf- 
maaem  als  Schutzmittel  in  Kriegszeiten  teils  neu  erbaut,  teils 
erneuert  worden    zu  sein;   wenigstens  ist  letzteres  von  Ost- 


g3  I>M  ebemaKge  Amt  Lielit«iib«rK  ror  d«r  Bhön. 

heim,  Nordheim,  Sondheim    und   Stetten   nachweiebar.     Noek 
in    der  Amtsbeschreibung    von    1764    heilst    es:  ,|Ostheim, 
Sondheim,   ürspringen»  Stetten,   Kaltensundheim  und  Mittels- 
dorf  sind  mit  einfachen  Mauern,   auch  die  meisten  Kirchhöfe 
mit  einlacher  oder  doppelter  Mauer,  von  den  alten,  unseeligen 
Eriegszeiten  her  verwahret  (auier  die  SehafhäuXber  und  Mel- 
perser    Kirchhöfe    nicht);     Helmershausen ,    Wohlmuthausen, 
Oertbausen,    Schafhausen    und    Melpers     sind    unbemauerte^ 
ofP'ene  Orte,    doch   ihre  Kirchen   mit  Mauern  umgeben/'    In 
älterer  Zeit  war  auch  Helmershausen  durch  eine  Dorfmauer,  der 
Melperser  Kirchhof  durch  eine  Mauer  befestigt  (Bd.  YUI,  884). 
Um  jede  Dorfmauer  führte  ein  Graben,  den  wieder  ein  Domen- 
zaun umgab.    Der  Kirchhof  um  die  Kirche  herum,  die  immer 
auf  einer  höher  gelegenen  Stelle  angelegt  war,  war  am  meisten,, 
mit  starken  Mauern  und  Türmen  befestigt,  wie  es  in  Ostheim 
und  Kaltensundheim  noch  am  besten  zu  sehen  ist,  und  bildete 
mit  seinen  „Gaden"  oder  „Hüttenstätten^  (überbauten  Kellern» 
wie   man   sie   in  Ostheim   und  Sondheim    noch  in    Gebrauch 
sehen  kann)   den   letzten  Zufluchtsort  der  Einwohner  in  den 
unaufhörlichen  Kriegen  und  Fehden  des  Mittelalters  und  be- 
sonders noch  im  80-jährigen  Kriege.    Es  mag  auf  einen  firied- 
liehen    Wanderer    einen    eigentümlichen    Eindruck    gemacht 
haben,   wenn    er   die  Gegend   übersah  und  überall,    auch  im 
Würzburgischen,    kleine   Festungen   erblickte,    wo   wir    jetzt 
friedliche  Dörfer  sehen.    Die  Landstrafsen  führten  stets  aufsen 
an  den  Dörfern  Torüber;    die   in  dieselben  fuhrenden  Thore,. 
welche  hinter  den  Thorftügeln   oft  noch  mit  Fallgattern  ver- 
sehen waren,   waren   mit  Thorhäusem   überbaut.     Wollte  ein 
Fremdling  eintreten,    so  hatte   er   erst   ein  scharfes  Examen 
des  Thorwarts  („Thorberts")  zu  bestehen:    öuis?   quid?  ubi? 
quibns  auxiliis?  cur?  quomodo?  quando?     Nachts,    an  Sonn* 
und  Festtagen  während  der  Gottesdienste,   an   einigen  Feier- 
tagen   unerbittlich  den  ganzen  Tag   (z.  B.  an  den  BuTstagen} 
blieben  die  Thore  verschlossen.     So  wurde  es  z.  B.  in  Sond- 
heim noch  bis  1840,  bis  der  grofse  Brand  die  Thore  beseitigte^ 
gehalten;   ja,    hier  waren   sie  noch   zu  Anfang  unseres  Jahr- 


Das  eh«BaSge  Amt  Liehtonberg  vor  der  RhSo.  39 

IttidertB  «aoli  während  der  zahbreichen  WochengotteBdienste 
Tcnehlossen  geblieben.  — 

Im  Jahre  1572  ,,i0t  Behr  ein  grauBamer  kaltter  winder 
gewest,  deigleiehen  bey  manB  gedenoken  nicht  gesehen,  mit 
groften  langwierigen  sohneh  und  unseglicher  keltt,  in  welchem 
sdir  yiel  leudt  hin  nnd  wider  erfrom  fanden".  Am  5.  Dez. 
liaiten  sich  3  Stettener  Binwohner  y^mit  Erbeisen,  do  in  dem 
Jar  1  maa  ^/^  fl  gaK",  nach  Neustadt  sum  Niklasmarkte  auf- 
gemacht ;  am  8.  wurden  sie  samt  einer  Frau  aus  Oberelzbach 
„TOQ  schnehe  sugewebetf*  und  erfroren  gefanden  und  in 
Sandheim  in  ein  Orab  gelegt  (Stett  Erohbch.).  16  Kinder 
waren  durch  diesen'  Unglücksfall  verwaist  (Sondh.  Krchbch.).  — 

Im  Jahre  1676  trat  infolge  der  „großen  geschwindter 
thenre  Zeit^  und  des  damit  verbundenen  Elends  die  Pest  in 
▼erheerender  Weise  auf.  In  Sondheim  starben  109  Personen; 
der  Begräbnisplatz  im  Kirchhofe  wurde  zu  eng,  weshalb  der 
jetzige  Friedhof  aufserhalb  desselben  angelegt  wurde.  Aus 
den  übrigen  Amtsorten  fehlen  die  Nachrichten;  sehr  grofs 
war  die  Sterblichkeit  in  Eatzingen,  Würzbarg  etc.  — 

Durch  den  1555  zu  Kahla  zwischen  Herzog  Joh.  Fried- 
rieh dem  Mittleren  von  Sachsen  und  Fürst  Georg  Ernst 
T.  Henneberg  abgeschlossenen  Erbvertrag  hatte  für  den  Fall 
des  AusBterbens  des  Hauses  Henneberg  das  emestinische  Haus 
Sachsen  das  alleinige  Erbrecht  auf  die  henneberg-schleusing- 
Bchen  Länder  erworben.  Dieser  vorausgesehene  Fall  näherte 
sich  immer  mehr  seiner  Verwirklichung.  Georg  Emsts  beide 
Ehen  waren  kinderlos  geblieben,  und  er  war  ein  alter  Mann. 
Sein  noch  katholischer  Bruder  Poppo  war  deshalb  mit  päpst- 
lichem Dispens  aus  dem  geistlichen  Stande  ausgeschieden  und 
liatte  sich  verheiratet;  aber  1674  war  auch  er  kinderlos  ver- 
storben. Nun  benutzte  Kurfürst  August  v.  Sachsen  als  Yor- 
nmnd  der  Söhne  des  gefangenen  Joh.  Friedrich  des  Mittleren 
die  Gelegenheit,  sich  auch  einen  Anteil  an  dem  hennebergi  sehen 
Erbe  zu  sichern;  er  lieXs  den  Erbvertrag  in  Dresden  fölschen 
ond  sich  vom  Kaiser  das  Anrecht  auf  ^/^^  der  Erbschaft 
verbriefen.     Als   nun  1682   der   71-jährige   Georg  Ernst   er- 


90  ^'*  ehemalige  Amt  Lichtenberg  ror  der  BhÖn. 

krankte,  erliefe  der  fürstliche  Erbschleieher  unter  dem  4.  März 
an  Arnold  y.  Heldritt,  Oberamtmann  der  emestinisolien  Herr- 
schaft Eömhildy  den  Befehl,  sofort  nach  Eintreffen  der  zu 
erwartenden  Todesnachricht  „sich  unseümblich  bey  tag  und 
nacht  gegen  Meyningen  zu  verfügen'',  für  ihn  Besitz  zu  er- 
greifen und  die  Erbhuldigung  einzunehmen.  Indes  starb  Georg 
Ernst  erst  im  Januar  1688  (zu  Henneberg,  im  y.  Trottschen 
Hause).  Am  9.  wurde  er  in  Schleusingen  beigesetzt,  wobei 
das  fürstliche  Wappen  zerschlagen  und  mit  dem  zerbrochenen 
Petschaft  in  das  Grab  geworfen  wurde  —  abjeCtYs  est 
CLypeVs  fortlVM,  CLypeVs  SaVL  aC  sl  non  fVIsset  (2.  Sam. 
1,  21)!        . 

Bis  zur  Beilegung  der  nun  zwischen  den  beiden  Linien 
des  Hauses  Sachsen  folgenden  Erbstreitigkeiten,  welche  erst 
1660  erfolgte,  wurde  eine  gemeinschaftliche  Begierung  unter 
einem  „Statthalter''  oder  „Oberaufseher*'  mit  dem  Sitze  in 
Meiningen  (später  in  Schleusingen)  eingerichtet.  Amt  Lichten- 
berg, seit  1548  überhaupt  nicht  mehr  hennebergisch,  gehörte 
nach  wie  yor  der  emestinischen  Linie. 

Zwei  Jahre  nach  dem  Erlöschen  des  Hauses  Henneberg 
reiste  Bischof  Julius  yon  Würzburg  in  seinem  Hersogtume 
Franken  umher,  um  Luthers  Lehre,  welcher  8  Viertel  seiner 
Unterthanen  anhingen,  in  demselben  auszurotten.  Obgleich 
Gerichtsherr  des  Yordergerichts  und  der  yielen  ritterschaft- 
lichen Orte  der  Gegend,  mulste  er  diese  doch  bei  ihrem 
Glauben  lassen. 

Nach  der  Absetzung  des  Fuldaer  Eürstabts  Balthasar 
(1676),  der  die  Gegenreformation  in  seinem  Stiftsgebiete  mit 
noch  grölserer  Härte  betrieben  hatte,  war  Bischof  Julius  Ad- 
ministrator des  Stiftes  Fulda  geworden.  Dies  benutzte  er, 
als  nach  der  zwischen  den  Brüdern  Job.  Kasimir  und  Joh. 
Ernst  1596  erfolgten  Länderteilung  der  letztere  sich  im  Amte 
Lichtenberg  hatte  huldigen  lassen,  um  im  Namen  des  Stiftes 
feierliche  Verwahrung  gegen  diese  Huldigung  einzulegen, 
mufste  sich  aber,  da  es  dem  Stifte  zur  Zeit  zur  Wiederlösung 
des  Pfandes  am  Nötigsten  fehlte,  eine  einfache  Zurückweisung 


0M  fllieiiial%*  Amt  Lkhtenberg  ror  der  £hdii.  9} 

^M  ProtetteB  gefallen  lassen.  Als  1602  Abt  Balthasar  to 
Kaiser  wieder  eingesetst  war  wnä  die  Huldigaiig  wieder  ein- 
nahiDy  maehte  er  audi  auf  die  des  Amtes  Lichtenberg  An- 
spneby  wurde  id>er  ebenfalls  damit  abgewiesen.  OleiohwoU 
sehrieben  seine  Räte  nebst  den  kaiserliohen  Kommissaren,  als 
sie  in  Yaelia  und  Zella  die  Huldigung  eingenommen  hatten, 
an  den  Amtmann  Hammersohmidt:  „Es  lassen  die  Herren 
.subdelegirten  Commissarii  und  Fuldaisohe  Abgesandten  dem 
Fftrstl.  Ambtmann  auf  Lichtenberg  noohmals  und  zu  allem 
OberfluB  hiermit  erinnern ,  da0  sie  auf  nechsteingehenden 
Freitag  d.  7.  Februar.  siUi  novi  ^)  früher  Tags-Zeit  2u  Ost- 
heim ankommen,  und  allda  yorigen  Zusehreiben  gemäA  die 
Erb-  und  Land-Huldigung  einnehmen  wollen,  derowegen  er 
alle  diejenigen,  so  in  solch  Amt  und  Pfandsehilling  gehörig 
seyen,  daselbsthin  gewÜhch  wolle  Torbescheiden  lassen,  di^mit 
dieser  Actus  desselben  Tages  schleunig  expediret  und  nicht 
Tcrgebliehe  Mühe  und  Unkosten  angewendet  werden,  und 
eejn  gleich  Naohrichtung  halber  bey  Zeygern  seine  schriftliche 
Antwort  gewärtig.  Datum  uff  Zella  am  lotsten  Januarü 
1603  sHL  nmf.*^*  —  »,Bie  Schösser  zu  Lichtenberg  und  Sal- 
aungen  haben  ihre  empfengene  Zettul  wieder  zurück  geschickt, 
mit  fMner  schriftlichen  Anzeige,  dai  sie  nicht  befehliget, 
deswegen  Schreiben  anzunehmen  oder  etwas  vorgehen  zu 
hissen"  (Heim).  — 

In  den  beiden  nächsten  Jahrzehnten  loderten  mehr  als 
je  die  Scheiterhaufen  auch  in  unserem  Amte  für  die  Opfbr 
des  Hexenwahnes.  Sonst  ist  bis  1623  nichts  Ton  besonderen 
Yorfängen  in  demselben  zu  berichten«  — 

Inzwischen  tobte  im  Reiche  seit  5  Jahren 

der  dreilsigjährige  Krieg, 

dessen  ganze  Ckeuel  auch  der  Amtsbezirk  noch  in  25  langen 

Jahren  erlahren  sollte.  —  Eine  zusammenhängende  Geschichte 

dsr  Kriegsereignisse  im  Amte  läfst  sich  natürlich  nicht  geben, 


1)  8  Jalire  rorber  war  der  Gregorianigohe  Kalender  eiogefUhrt ;  die 
ffoUttanÜtchen  Herrschafteo  nahmen  ihn  erst  1700  an. 

ivn.  7 


j 


92  I^  ehemalige  Amt  Licbtenberg  vor  der  ftbSn. 

da  nicht  alles  Wissenswerte  auflg^eseiohnet  und  nicht  alles 
Aufgezeichnete  auf  uns  gekommen  ist.  Nur  einzelne  Streif- 
lichter fallen  in  dem  Dunkel  dieser  Zeit  auf  einzelne  Orte, 
aber  genug,  um  auf  alle  anderen  und  auf  die  ganze  Ze^ 
schlielsen  zu  lassen. 

Zunächst  berichten  der  Stettener  Chronist  und  das  dor- 
tige Kirchenbuch,  dsTs  am  17.  Okt  1623  das  wfirzburgische 
Regiment  Truchsefs,  1884  Mann  mit  6  Fahnen  und  268 
Pferden,  in  Stetten  Quartier  genommen  hat,  ,yund  haben  übel 
gehauset''.  Der  80-jfthrige  Yalten  Spät,  der  als  Ffthrer  „mit 
den  durchziehenden  Kriegsleuten  hin  und  her  laufen"  mufste^ 
bekam  in  dem  großen  Schrecken  eine  hitzige  fiebrige  Krank- 
heit, redete  irre  und  „melancholirte" ;  erst  kurz  vor  seinem 
Tode  (24.  Nov.)  kam  er  wieder  zum  Bewufstsein.  Am 
29.  November  kamen  wieder  824  Mann  mit  2  Fahnen  und 
136  Pferden.  Die  Kosten  betrugen  damals  für  Stetten 
2806  fl. »)  1 1  Pf.  Die  übrigen  Orte  waren  natürlich  ähnlich 
heimgesucht. 

1624  traten  die  Blattern  („Ursohlechten'')  epidemisch  auf. 

1625  rückte  am  2.  September  ein  Begiment  Wallen- 
steinische  (,>Kriegs  Volck  bey  8000**  nach  dem  Krchbch.)  i» 
Stetten  ein,  „so  die  Nacht  alhier  übel  gehauset''.  Fe  blieb 
bis  zum  8.  September;  die  Stettener  Kostenrechnung  betrug 
1314  Gulden;  die  Vorgänger  hatten  das  Beste  schon  weg. 

In  diesem  Jahre  sah  Fulda  seine  Zeit  gekommen,  das 
Pfandamt  Lichtenberg  nebst  halb  Salzungen  von  Sachsen 
zurückzukaufen.  Der  Abt  Bernhard  schickte  deshalb  eine 
Deputation  nach  Eisenach,  die  dem  Herzog  Job.  Ernst  von 
Sachsen  -  Eisenach  die  Wiederkaufsumme  anbot  Als  dieser 
den  Handel  zurückwies,  klagte  der  Abt  beim  Kaiser  und  er- 
langte auch  das  Mandat,  „es  möchte  der  Hertzog  bey  dieser 
Sache  sich  also  gutwillig  bezeigen,  damit  des  Abts  zu  Fulda 
Andacht   zu  demjenigen,   wessen   er  befugt»  gelangen  möge  . 


1)  Et  sind  immer  fränkische  Gulden   (—  ly«  fl.  rh.)  k  iM  ^'  **^ 
verstehen. 


Das  ehemalige  Amt  Lichtenberg  ror  der  RhSn.  93 

Als  68  dem  Herzog  behändigt  wurde,  nahm  er,  aus  Bohuldigem 
BeBpekt  vor  dem  EaiBer,  es  zwar  entgegen,  aber  mit  feier-- 
liohem  Protest.  —  Später,  am  25.  März  1628,  erlangte  Fulda 
ein  zweites  kaiserliches  Mandat;  der  Herzog  antwortete,  „dafs 
es  sehr  bedenklich,  wenn,  Ton  so  Tielen  hundert  Jahren  und 
nach  so  vielen  Veränderungen  und  Belehnungen  am  Reich,  so 
Tiele  Malus  gemacht  werden  selten ;  man  hätte  die  gwesttonir- 
ten  Ämter  jederzeit  als  ein  Eigenthum  besessen,  gestünde  dem 
Abt  zu  Fulda  daran  nichts,  und  mtiste  mit  dem  gesamten 
Fürstl.  Hause  zuförderst  darüber  communiciren'*  etc.  „So  ist 
mir  aber  wegen  bekannten  zerütteten  Zustandts,  immer- 
währender Eriegs-Ünruhe ,  continuirenden  beschwerlichen 
Land  -  verderblichen  Durchzügen  und  Einquartierungen,  damit 
ich  und  mein  weniges  strichlein  Landes,  leider!  gantz  un- 
schuldiger Weise  diese  Jahre  hero  biß  auf  diese  Stunde  der- 
massen  gedrängt,  geplagt,  gepreßt  und  verderbt,  daß  nunmehro 
nichts  anders  als  (GOtt  und  Ewr.  Eajserl.  Majestät  erbarme 
sich)  gäntzlicher  Ruin  und  Untergang  (wie  Ewr.  Kayserl. 
Majestät  ich  mehrmals  wehmüthigst  geklagt  und  allergnädigste 
Resolution  und  Rettung  mit  höchstem  Verlangen  nochmals 
bitte  und  erwarte)  vor  Augen"  etc,  (Wm.).  Unter  dem  Drange 
der  nun  folgenden  Kriegsereignisse  verging  es  bald  auch 
dem  Abte,  die  Sache  weiter  zu  verfolgen,  und  nachdem  er 
1682  als  Kriegsmann  bei  Lützen  gefallen,  blieb  sie  wieder 
ein  Jahrhundert  lang  liegen. 

Inzwischen  hatte  Herzog  Johann  Ernst,  dem  Beispiele 
seiner  weimarischen  Vettern  folgend,  die  Ausbildung  einer 
Laudmiliz,  des  „Ausschusses"  (s.  u.),  angeordnet,  „um  jode 
Einlegung  von  Kriegsvolk  zu  vertreiben".  Allein  die  fremd- 
ländischen Horden  haben  allezeit  wenig  nach  dem  Widerstände 
des  Ausschusses  gefragt. 

Vom  24.  Dez,  1627  bis  26.  Jan.  1628  lag  eine  Tillysche 
Kompagnie  in  Ostheim;  Stetten  trug  es  275 ^/^  fl.  bar,  85  fl. 
8^/,  btz.  an  Viktualien,  41  Mit  5  Ms.  Hafer  und  beim  Ab- 
züge 90  fl.  für  die  Offiziere.  Am  25.  April  1628  lagen 
Kaiserliche  in  Stetten  und  Urspringen,  was  jeden  dieser  Orte 


94  ^'*  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rhön. 

einige  Hundert  Gulden  kostete.  In  Sondheim  konnte  ,,wegeii 
einquuürten  KriegsvolckB*'  unter  Bittmeister  Wettengel  eine 
Taufe  nicht  in  der  Kirche,  sondern  mufste  dieselbe  im  Pflurr- 
hause  abgehalten  werden.  Am  26.  Juni  wurde  Stetten  um 
86  fl.  gebrandschatzt.  Vom  19.  August  an  lag  wieder  eine 
Tillysohe  Kompagnie,  und  fast  ein  Jahr  (bis  9.  August  1629) 
in  Ostheim;  alle  Amtsdörfer  mufsten  beisteuern;  unaufhörlich 
liefen  deshalb  Klagen  und  Beschwerden  beim  Amtmann  ein. 
Wöchentlich  trug  es  dem  Amte  417  fl.,  im  ganzen  21267  fl. 
Unkosten.  Zur  Aufbringung  dieser  Summe  wurde  eine  Land- 
steuer in  11  Terminen  ausgeschrieben. 

1629  am  30.  Juni  lagen  in  Stetten  3  Kompagnien  Wallen- 
steinische;  die  Kosten  beliefen  sich  auf  585  fl.  Im  Sauhirten- 
hause lag  ,,eine  arme  yerstüm miete  Edle  fraw  aus  der  Pfaltz'S 
welche,  „als  sie  im  Elend  8  Jahr  sich  hin  und  her  führen 
lassen",  von  bayrischen  Soldaten  durch  einen  Schufs  verwundet 
worden  war,  und  nachdem  der  Pfarrer  sie  „berichtigt"  (mit 
dem  Abendmahl  versehen),  starb.  —  In  demselben  Jahre 
muTste  Helmershausen  wegen  Brandschatzung  der  „kaiserl. 
kroatischen  Völker"  seine  Mittelmühle  nebst  Garten  für 
1800  fl.  verkaufen. 

Im  folgenden  Jahre  drohte  der  Amtmann  dem  vorjährigen 
Helmershäuser  Schultheilsen  samt  den  Dorfsmeistem  „Turm- 
strafe*' auf  Lichtenberg  an,  wenn  nicht  binnen  3  Tagen  die 
rückständige  Schätzung  von  87  fl.  entrichtet  werde.  Als 
dann  an  dieser  Summe  noch  etwas  fehlte,  mulÜBte  der  neue 
Schultheifs  mit  einigen  Kollegen  aus  anderen  Orten  bis  zur 
völligen  Abzahlung  der  Beste  im  „grünen  Löpsen  Haus"  sti 
Ostheim  unfreiwilliges  Quartier  beziehen.  Später  wurde  der 
ganze  Helmershäuser  Zwölferstuhl  eingesteckt,  bis  eine  Schuld 
von  100  fl.  an  den  Amtmann  abgetragen  war.  Die  Gemeinde 
muTste  die  Summe  bei  dem  derzeitigen  Besitzer  der  Kobl- 
hausen,  Jäkob  Schott  (v.  Schottenstein?),  und  bald  daraitf 
175  fl.  bei  dem  Kaltensundheimer  SohultheifJsen  borgen.  Zur 
Bezahlung  der  rückständigen  Steuern  etc.  mufsten  Gemeinde- 
äcker zu  Schleuderpreisen  verkauft  werden. 


Du  ehemalic^  Amt  Lichtenberg  ror  der  RhSn.  95 

1631  am  12./22.  Jnni  (2.  Trinit.)  zog  der  wärsbargisohe 
Anssehofsy  1400  Mann,  auf  der  oberhalb  des  Priedhofe  bin- 
fübrendeo  StrafBO  an  Ostheim  vor&ber  und  hat  dabei  über 
die  hinter  den  geschlossenen  Thoren  stehende  Bftrgerschaft 
^yiel  böser  Höhn  und  Schmehwort  ausgegossen''.  Ein  Teil 
kam  yor  das  Fallthor  und  schien  den  Einlaüs  mit  Oewalt  er- 
zwingen zu  wollen,  „und  begehrt,  mann  solt  sich  orderen^ 
ob  man  Eeyserisch  wer  oder  nicht:  do  deme  also,  würde 
man  ihnen  ja  die  Thor  öffnen,  wo  aber  nicht,  weiten  sie  mit 
gewalt  uffschlagen  und  alles  nidermachen,  waß  sie  antreffen 
würden**.  Sie  zogen  jedoch  weiter,  in  das  Amt  Fladungeo» 
Anderen  Tages  kamen  sie  zurück,  „do  sie  abermals  ein 
Schrecken  anter  die  Leut  gejagt,  iindemalen  sie  sich  obem 
Katzen  haukh  in  2  hauffen  getheilt,  darnach  ein  Hanf  im 
Ständig  hinüber:  der  andere  hinderm  Kirchof  hinabgezogen^ 
und  hat  noch  ein  häuf  im  Stockbeimer  Feld  mit  fliegenden 
Fahnen  gehalten,  also  da0  es  das  Ansehen  gehabt,  sie  wurden 
Ostheimb  (wie  sie  offt  getreüet)  überfallen,  doch  sind  sie  ihren 
weg  fortgereiset*'.  —  Am  17.  August  quartierte  sich  eine 
Abteilung  Kaiserliche,  die  von  dem  zerstörten  Magdeburg 
herkam,  mit  580  Pferden  in  Stetten  ein.  —  Am  18.  August 
wurden  Tom  würzburg.  Ausschufs  die  fuldaischen  Grenzen 
besetzt  und  am  20.  die  ritterschaftliche,  eyangelische  Tann 
ausgeplündert.  „Den  24.  sind  sie  in  der  Nacht  umb  10  Uhr 
wiederumb  gar  still  (an  Ostheim)  vorübergezogen,  besorgend, 
wenn  man  sie  höret,  es  mögten  ihnen  die  Thennische  beuten 
abgejagt  werden;  haben  also  einen  herlichen  Sieg  au  der 
armen  Thann  erhalten  und  groBen  Buhm  erjaget*'.  —  Am 
27.  August  zogen  die  kaiserL  Obristen  Fugger  und  Spanier 
mit  12  000  Mann  (18  Komet  Heiter  und  12  Fahnen  Fufsvolk)^ 
samt  4  Stück  Oeschütz  aus  dem  Zeughause  zu  KOnigshofen, 
»,viel  wägen,  huren  und  Böbelgesind"  an  Ostheim  vorüber; 
„haben  in  den  Dorffschafften  vor  der  Bhön,  Fladungen, 
Northeim  und  Stockheim  qua/rtiret  und  übel  gehauset**.  Ost* 
heim  erkaufte  sich  Befreiung  von  der  Einquartierung  durch 
Zahlung  von  100  Thlr.  und  1  Ooldgulden;  es  erhielt  2  Mann 


96  I^M  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rhön. 

Salvegarde,  welche  6  fl.  bekamen.  —  Am  28.  August  zogen 
4  Fähnlein,  die  in  Stockheim  gelegen,  die  Sulz  hinauf,  plün- 
derten Wilmars,  Filke,  Schmerbach,  wo  sie  an  4  Stellen  Feuer 
anlegten,  nahmen  in  Gerthausen  42  StCLok  Vieh  weg  und 
plünderten  Erbenhausen  samt  dem  Kirchhofe  aus.  Helmerg- 
hausen mufste  13  Ctr.  Brot,  7  Gtr.  Fleisch,  5  Hammel,  4 
Hühner,  2^/,  Schock  Eier  und  1  Kartei  Fisch  liefern.  Natur* 
lieh  kamen  die  übrigen  Orte  nicht  ungerupft  davon.  —  Nach 
Gustav  Adolfs  Siege  bei  ßreitenfeld  am  7.  September  zogen 
einzelne  kaiserl.  Offiziere  mit  Scharen  von  Flüchtigen  plün- 
dernd und  yerwüstend  durch  das  Amt.  Am  16.  nahm  der 
kaiserl.  Obrist  Aldringer  Schlofs  Maüsfeld  ein  und  liefs  einen 
Kommissar,  Nik.  de  la  Costa,  mit  einer  kleinen  Besatzung 
darin  zurück.  Am  8.  Oktober  zog  eine  schwedische  „armada'' 
unter  Graf  Baudissin  den  Werragrund  herauf,  nahm  Schlofs 
Mafsfeld  wieder  ein,  entliefe  aber  den  kais.  Kommissar  aus  der 
Gefangenschaft.  —  Am  17.  und  18.  September  lag  Obrist 
Schrenck  mit  18  Kompagnien  Reiter  und  Fufayolk  „neben 
der  artüerey**  zu  Nordheim  und  Sondheim ;  den  24.  3  Kom- 
pagnien unter  Obrist  Graf  Solms  in  Waldbehrungen,  Sond- 
heim, Nordheim;  am  28.  quartierte  sich  wieder  eine  grofse 
Abteilung  in  Sondheim  ein.  —  Am  15.  Oktober  erschossen 
die  Schweden  in  Ostheim  2  Personen,  die  sich  in  Stookheim 
fllr  Schweden  ausgegeben  hatten.  —  Nachdem  die  Schweden 
am  18.  Oktober  die  Citadelle  Würzburgs,  in  welche  alle 
Schätze  Frankens  in  Sicherheit  gebracht  worden  waren,  er* 
stürmt  hatten,  „da  ist  alles  bei  den  Papisten  flüchtig  geworden 
iindt  auBgeriBen,  undt  ein  solches  Schrecken  undt  Furcht  unter 
sie  kommen,  daß  es  nicht  außzusprechen  ist;  allein  sie  haben 
uns  arme  lutherisch  zuvor  das  gebrandt  leit  angethan^'  etc.; 
„da  seind  sie  uffs  Feldt,  ins  Gehöltz  und  berg  umbher  gc 
lauffen,  gar  viel  zu  unß  alhiero  kommen,  gantz  nicht  wiederumb 
anheim ''gewollt,  etzliohe  Tage  alhiero  und  anders  wo,  wie  die 
yeriagten  Hasen  in  der  Irre  umbhero  gangen,  biß  sie  sich 
endtlioh  .wiederumb  ermannt  undt  sich  allgemachsam  anheimb 
mit   großen   Furchten    begeben;    allein    ihr   Yiehe   ist   ihnen 


Dm  themalige  Amt  Lichttnberg  Tor  der  Bhöo.  97 

weit  und  breit  herümb  fut  alles  genommen  worden^  haben 
groie  Cantiribution  wiederumb  geben  müBen;  die  Pfaffen 
haben  sich  sambt  dem  Bieohoff  undt  andern  Prälaten  und 
Beampten  fast  alle  auf  den  Weg  gemacbt,  zum  Theil  auch  nicht 
wieder  kommen,  Gott  weiB  wohin''  (Stetten).  —  Im  November 
wurde  Kloster  Wechterswinkel  (als  solches  1582  aufgehoben) 
▼ollatändig  geplündert  und  verwüstet.  Das  Herzogtum  Franken 
wurde  unter  schwedische  Yerwaltung  gestellt.  In  ICellrich- 
stadt  wurde  an  Stelle  des  Amtmanns  Lukas  v.  d.  Tann, 
welcher  übrigens  im  folgenden  Jahre  starb,  Johann  von  und 
zu  Bibra  königlich  schwedischer,  und  nachdem  Herzog  Bern- 
hard von  Weimar  mit  dem  Herzogtum  belehnt  worden  war, 
Job.  Schrickel  (später  Hofrat  zu  Eisenacb,  zuletzt  Kanzler  zu 
Zerbst,  f  1678)  fürstL  sächsischer  Amtmann,  Job.  Peemer 
Amtskeller,  Konstantin  Freund  Centgraf;  in  Fladungen  wurde 
Amtmann  Adam  Melchior  Marsobalk  v.  Ostheim  auf  Maris- 
ield,  Amtskeller  Paul  Klipper.  »  Am  23.  Dezember  liefe  der 
Helmershäuser  SchultheiDi  den  Bannwein  auf  Lichtenberg 
holen,  gab  aber  4  Musketiere  vom  Ausschufs  mit,  „weil  es 
der  Beiter  wegen  gar  zu  unsicher  gewesen/^ 

1682  im  März  zogen  Tillysche,  Aldringersche,  Fugger- 
ache  etc.  Truppen  (nach  5.  70  000)  die  Frankfurter  Strafse, 
d.  h.  von  Meiningen  über  Helmershausen,  Sondheim,  Bischofe- 
heim  etc.  und  Parallelstralsen  nach  Süden;  am  Lech  erhielt 
Tilly  die  Wunde,  der  er  am  80.  erlag.  —  Als  im  Sommer 
Gustav  Adolf  bei  Nürnberg  von  Wallensteins  Übermacht  be- 
droht wurde,  kamen  ihm  auf  sein  Bitten  knrsächsische, 
weimarische,  hessische  etc.  Truppen  zu  Hilfe,  unter  deren 
Durchmärsche  die  Amtsorte  viel  zu  leiden  hatten.  Am  7.  Juli 
zog  Landgraf  Wilhelm  v.  Hessen  „mit  seiner  armada  in 
21  Comp,  und  13  Fahnen  FuBvolck  ubem  Stellberg  herüber^ 
ins  Würsburgische.  Zehn  Kompagnien  hatten  die  Nacht  vorher 
in  Kaltensundheira  und  Mittelsdorf  gelegen,  wohin  Helmers- 
hausen 1  Ctr.  Fleisch,  1  Ctr.  Brot,  1  Ms.  Butter,  1  Mdl.  Eier, 
2  Hühner,  4  Eimer  Wein,  1  Fuder  Bier  und  10  Mit  Hafer 
liefern  mulste;  aus  den  anderen  Orten  ist  nichts  bekannt.  — 


98  ^M  «bemAllge  Amt  LlehtMiberf  tot  d«r  Rhön. 

In  demfelben  Monate  kam  Andreas  Leupold,  Haoptmann  de» 
▲mtBaaaBohusses,  nach  HelmenhanseD,  um  auf  Begehren  dea 
schwediBchen  OeneralkommissarB  Häufsner  das  Hintergeri(dii 
für  den  Sohwedenkönig  einsunehmen  (?),  nnd  in  der  Kohl- 
hansen einen  Begimentsqoartiermeister,  der  von  Fladungen 
herübergekommen  war,  aufzuheben.  Dieser  gelobte  hoch  und 
teuer,  er  werde  bis  nach  ausgetragener  Sache  auf  Kosten 
seines  Verklägers  hier  bleiben,  maohte  sich  aber  am  10.,  ak 
Lenpold  daraufhin  abgezogen  war,  aus  dem  Staube,  nachdem 
er  das  Dorf  in  Brand  zu  stecken  gedroht.  Als  am  12.  Leu» 
pold  mit  dem  Ausschüsse  von  Ostheim,  Gerthausen  und 
Wohlmuthaueen  wiederkam  und  die  Kohlhausen  umstellt  hatte^ 
fSsnd  er  nur  die  Quartiermeisterin  noch  vor,  die  er  nebst 
8  Knechten,  4  Kutschen  und  8  gerüsteten  Eeitpferden  nach 
Fladungen  abführte  (Illhardt).  —  Im  Oktober  yerweilte  die 
fleraogin  aus  Bisenach  auf  Lichtenberg;  wenigstens  stand  sie 
am  26.  bei  einem  Kinde  des  Adjunkten  (Superintendenten) 
Herbert  persöolich  Geratter.  —  Nach  Gustav  Adolfis  Tode 
am  6.  Noyember  zerstreute  sich  ein  Teil  seiner  Heere  über 
alle  eroberten  LSnder;  auch  die  Amtsortsohaften  wurden  nicht 
yerschont  und  mufsten  sich  beutelustige  Einquartierung  durch 
Oeldopfer  fernhalten.  Helmershausen  i.  B.  mulste  am  16.  April 
1688  24  fl.,  am  26.  18  £.  (ebensoyiel  Wohlmuthausen^ 
Gerthausen  14  fl.)  zahlen.  Als  im  Juli  in  Kahensundheim 
2  Komp.  Beiter  2  Tage  lagen,  wurden  aus  den  übrigen 
Ortschaften  Fleisch,  Brot,  Bier,  Hafer  etc.  requiriert ;' Bier 
und  Hafer  mufste  Helmershausen  bei  anderen  Gemeinden 
borgen.  Auch  mufisten  die  Gemeinden  Kriegsfuhren  leisten^ 
am  8.  Dezember  mufste  Helmershausen  ein  dabei  yerloren 
gegangenes  Pferd  mit  80  fl.  ersetzen.  —  Am  10.  Juli  wurde 
Herzog  Bernhard  mit  dem  Herzogtum  Franken  belehnt  Er 
machte  gleich  Ernst  mit  der  Einführung  der  Reformation  in 
seinem  Lande.  In  Nordheim  wurden  im  September  die  Kan- 
didaten Job.  Herbert  aus  Sondheim  als  Pfarrer  (der  Besoldung!- 
vergleich  mit  dem  geflüchteten  Hippel  findet  sich  noch  im  Amts- 
archiv  in  Ostheim)  und  Kaspar  König  aus  Ostheim  auf  seine 


Dm  ebemaUgs  Amt  Liobtenberg  vor  der  Bhdii.  99 

,fLatnentaiicn  Sohriif'  als  SchalmeiBter^),  in  Heufort  Joh« 
Beuiseiiberger  ak  Sokulmeister,  in  Fladungen  Prätoriui  als 
F&rrer  durch  QeneralsuperiDteDdent  Götz  in  Eisenacfa  bestelh*^ 

1634  am  20.  März  hielt  Leutnant  Trinck  mit  einem 
Bdtertrapp  tot  dem  Helmershanser  Oberthore,  wurde  da 
sieht  eingelassen  und  wollte  nun  das  Baderthor  mit  Äxten 
tnfbrecben  lassen.  Nun  öffnete  man,  der  Schultheifs  flüchtete 
unter  Lebensgefahr,  und  Alex.  Veit  t.  Zweiffei  und  Miohael 
Pink  muTsten  ihnen  25  fl.  versprechen.  —  Im  Juli  zogen 
weimarisohe  Truppen')  über  den  Btellberg  nach  Süden  au 
—  der  yerhängnisvoUen  Niederlage  am  5.  und  6.  September 
bei  Nördlingen  eatgegen. 

Waren  unseren  Amtsortschaften  schon  die  bisherigen 
Kriegsjahre  mit  den  unaufhörlichen  Einquartierungen,  Durch» 
Zügen,  Brandsehatzungen  und  Soldatenroheiten  auf  die  Dauer 
unerträglich  Torgekommen,  so  war  dies  alles  dooh  nur  Einder»^ 
spei  gegen  das,  was  auf  diese  verlorene  Schlacht  folgte. 

Am  7./17.  September,  einem  Sonntage,  zog  Herzog  Wil- 
helm auf  der  Flucht  mit  bei  Nördlingen  gesammelten  Truppen 
auf  der  Strafse  Neustadt'Sondheim-Ealtenuordheim  durch  das 
Amt  (die  Entfernung  von  Nördliugen  beträgt  rund  25  Meilen); 
zu  seiner  Verfolgung  waren  ihm  Isolanische  Kroaten  nach- 
geschickt, die  sich  indes  Zeit  nahmen,  da  jeder  Ort  erst 
gründiieh  ausgeplündert  werden  muTiste.  Am  8./1 8.  September 
früh  5  Uhr   kamen    einzelne   Kroaten   vom  Lindenberge   her 


1)  W«im.  Kircäen-  und  Scbulblatt  1883,  8.  102. 

2)  lo  EalteDDordbeim  riA»  ein  Reiter  yon  Hersog  Wilbelms  Leib- 
kompagDie,  der  ,, lange  Jakob*',  in  der  Trunkenheit  den  Stock  (die  Schand- 
tivle)  um  und  ISsterte  dabei  den  Karflirsten  yon  Sachsen  (als  Chef  der  ge- 
aaloseb.  benneberg.  Begierang  dort  Landesherr).  Am  21.  Jali  liefs  Obristl. 
Bild.  G.  T.  Wolframadorf  auf  dem  MarktplaUe  la  Meiningen  einen  Ghilgen 
•aaftiehten  und  yor  dem  Leibregimente,  welcbas  su  Pferde  mit  gespanntem 
Hahne  den  Plats  angab,  Standreeht  über  den  Ungen  Jakob  halten.  Zb- 
erst  wurde  ibm  die  rechte  Hand  abgehauen  und  an  den  Galgen  genagelt, 
dann  der  Mnnd  anfgescblitst  und  die  Brost  zerschnitten,  dann  endlich 
wurde  er  gehenkt.  Am  Abend  wurde  die  Leiche  beim  Froschbrücklein 
eingescharrt  und  der  KaltennofdheSmer  Stock  auf  das  Grab  gesetat. 


100  ^**  ebemalige  Amt  Lichtenberg  Tor  der  Bhdn. 

iiuf  Ostheim  zu;    8  Tage  darauf,  am  15^25.,    das  Gros  unter 
Obrist  Corpes^),  welchem   sich   ftber  400  Bauero   aus  katho- 
•lischen   Orten   angeBohlossen  hatten«      Auf  dem   Wege  vom 
Lindenberge   her   bemerkten   sie  auf  dem  Weihershauk   jen- 
49eits  der  Stadt  die  Oemeindeherde,  welche  sogleich  yon  einigen 
Tom   Obristen   abgeschiokten    Soldaten    weggenommen  wurde. 
Die    Stadt    wurde    rein     ausgeplündert    und    blieb    mehrere 
IVoohen  ganz  öde  und  yerlassen,  da  die  Binwohner  mit  Weib 
•und  Kind   sieh  ge£üohtet   hatten,   nach  Salzungen,    Eisenach, 
Erfurt  etc.  oder  auch  in  die  Wälder.     Auf  dem  Höhn    z.  B. 
wurden    3  Kinder  geboren  und  getauft.     In   dem  befestigten 
Kirchhofe  yerteidigten  sich  10  beherzte  Männer,  unter  ihnen 
<ler  Kirchner  und  Knabenlehrer  Joh.  Strahm,   und    einer   der 
Bürgermeister,    Leonhard   Heim,    mit   Doppelhaken    (doppel- 
läufigen  Musketen).     Nachdem   sie  lange   erfolgreich  Wider- 
stand geleistet,  übergaben  sie  auf  des  Obristen  Wort,  es  solle 
ihnen  kein  Leid  geschehen,  den  Kirchhof,  wurden  aber  doch 
sogleich  gebunden,    zum  Tode  verurteilt  und  nach    Neustadt 
abgeführt.     Die  sie  eskortierenden  Kroaten  liefiBen  sie  jedoch 
unterwegs   gegen   Herausgabe    ihrer   Barschaft    laufen.      Der 
Kirchhof,   in   dessen   Gaden  die  Einwohner   ihre  beste  Habe 
geborgen   hatten,   wurde   natürlich   rein   ausgeplündert     Das 
'Totenregister  des  Kirchenbuchs  zählt  5  Personen  auf,  die  bei 
«diesem   Überfalle    ums   Leben    gekommen;    unter   ihnen   „H. 
Ohristoffel  Genftier  uff  90  jähr'' ;    „diese  6  Persohnen  ')  sind 
3  den  15.  7bris  von    den  blutgierigen   Oroaten   jemmerlich 
in  und  außer  der  Statt  erschoßen,  erbauen  und  ermordet,  und 
folgendte  Dienstag  zusamen  in  ein  grab  (flbsentibus  amnibus 


1)  Kronfeld  (Landeskande,  Oitheim)  liest  (Wm)  irrtfimlich  Lorpoe. 
—  Simpl.  Simplicissimns,  welcher  Corpes  als  Pferdejonge  and  Kalbsnarr 
-dienen  moTste,  schildert  ihn  (II,  14)  als  einen  wüsten,  yerlaosten  Bnseh- 
klepper  in  knrsem  Haar  und  breitem  Schweiserbarte.  Seine  Kroaten 
„hinderte  das  Rauben  und  Plflndem  an  ihrem  schleunigen  Fortiug  im 
-geringsten  nicht;  denn  sie  konnten's  machen  wie  der  Teufel**. 

2)  Wenn  Bein  (Zeitschr.  d.  V.  f.  thflr.  G.  V,  844)  tod  40  Lachen 
^spricht,  so  beruht  dies  entschieden  auf  einem  Irrtum. 


Das  ehemalige  Amt  Liehtenberg  ror  der  Bh6n.  XOl 

pastarilms  a  me  [so.  Strahm]  et  paucis  praesentibus  eiviJms 
gelegt  worden.  Oott  yerleyh  ihnen'*  eto.  Zwei  Tage  darauf 
starb  der  Müller  Stoffel  Weils  an  seinen  Wanden,  11  Tage 
«päter  Yalten  Bäder  an  seinen  6  Wanden,  am  14.  Oktober 
«in  anderer,  „so  yor  4  Wochen  auch  von  den  feinden  be- 
fichedigt'',  and  noch  am  18.  Jan.  1686  ein  Batsverwandter 
an  seinen  am  14.  (!)  September  erhaltenen  Wanden.  Aach 
die  Lichtenbarg  ist  in  jenen  Tagen  überfallen  and  ausge- 
plündert worden,  wobei  die  Akten  durcheinandergeworfen  und 
lum  Teil  zerrissen  wurden.  —  Am  16./26.  September  überfiel 
die  Botte  Sondheim.  Das  erste  Opfer  war  der  alte  emeri- 
tierte Ostheimer  Diakonus  (Kaplan)  Christoph  Schemel; 
auTser  ihm  wurden  noch  8  Einwohner  niedergehauen.  Am 
21.  and  29.  September  wurden  Stettener  Kinder  „wegen 
defien,  daß  der  Pftirrer  alhiro  sich  wegen  des  Keißerl.  Krigs 
Yolcks  halber  nicht  künlich  dörffen  sehen  lassen'',  in  Ost- 
heim getauft.  In  Stetten  wurde  am  22«  ein  Einwohner  be- 
-graben,  „eben  da  die  grosse  furcht  der  Plünderung  vorhanden 
gewest,  der  Pfarrer  vchon  weg  gewest  undt  ich,  der  Schul- 
meister Caspar  Gumpert,  solche  undt  hernach  volgente  mehr 
mir  erden  bestatten  müBen''.  „Matthes  Zitterich  (begraben), 
ist  in  den  Plünderungen  unndt  einfellen  deß  Krigs  Yolcks 
4indt  der  Catholischen  Bawer  in  seinem  keller  die  Kehle  ab- 
gestochen unndt  ermordet  worden,  undt  in  der  flucht  von 
seinen  eigen  Brüdern  undt  freunden  begraben  worden".  Wo- 
hin diese  Kroatenrotte  sich  sonst  noch  gewendet  haben  mag, 
war  nicht  zu  ermitteln. 

In  der  würsburgischen  Umgegend  mufsten  nun  die  von 
Hersog  Bernhard  eingesetzten  Pfarrer  und  Schulmeister  den 
:zarückkehrenden  katholischen  das  Feld  wieder  räumen.  Die 
"Geistlichen  des  Amtes  Lichtenberg  waren  alle  auf  der  Flucht; 
nur  Herbert,  der  aus  Kordheim  hatte  weichen  müssen,  hielt 
in  Sondheim  aus. 

Am  4.  Oktober  brach  wieder  eine  Horde  in  Ostheim  ein ; 
^em  Schulmeister  Strahm  starb  an  diesem  Tage  auf  der  Flucht 
^n  Söhnolien  auf  Lichtenberg.     Am  7.  wieder   ein  Überfall; 


102  ^**  ehemalig  Amt  Lichtenborg  yor  der  Rhdn. 

am  8.  warden  4  Personen  begraben,  ,,welche  alle  drauAen  im 
Peld  vorigen  Dienstag  von  denn  feindseligen  Croaten  er- 
sohoBen  und  umbraoht".  Am  9.  rückte  Obrist  Vorgeseh 
(Forgasoh)  in  Ostheim  ein  und  legte  der  Stadt  500  fl.  Brand- 
BchatsuDg  auf;  der  Sohultheifs  muTste  die  läüchtigen  Bürger 
in  weiter  Umgegend  aufsuchen,  um  ihre  Beiträge  zu  erheben^ 
Kaum  war  die  Summe  bezahlt  und  die  Rotte  abgezogen,  so- 
kam  Graf  Isolani,  der  Kroatengeneral,  selbst  und  forderte 
1000  iL  Brandsteuer ;  nach  achttägiger  Unterhandlung  mufiite 
man  sogar  noch  100  fl.  mehr  zahlen.  Nach  ihm  erpreisten 
die  Obristen  Brete  400  fl.  und  Becker  100  fl.  Am  27.  Ok- 
tober liefs  sich  in  der  Münze  ein  Isoianischer  Reiter,  Ghr^ 
Schneider  aus  der  Heilbronner  Gegend,  mit  der  Beschliefderin 
auf  Lichtenberg,  Kat.  Markhardt  aus  Aschenhausen,  kopulieren,, 
die  nun  mit  ihm  hinwegzog  ins  Feldzugsleben  hinein.  So- 
wie in  Ostheim  ging  es  natürlich  in  allen  protestantischen 
Dörfern  und  wohl  nicht  viel  besser  in  den  katholischen  zu;, 
alles  wurde  ausgeplündert  und  verwüstet  und  die  Bauern  bis- 
aufs  Blut  gepeinigt;  rauchende  Trümmerhaufen  bezeichneten 
den  Zug  dieser  entmenschten  Horden.  Der  Isolanische  Raub- 
zug heilst  noch  lange  den  ihm  vorausgegangenen  gegenüber 
der  9,gro£e"  kroatische  Einfall.  —  In  Helmershausen  trafen 
nach  lUhardt  die  ersten  Feinde  seit  der  Nördlinger  Schlacht  (?)^ 
am  29.  Dez.  1684  ein,  4  Kompagnien  des  Götzischen  Fuls- 
jegiments,  von  denen  eine  nach  Seba,  eine  andere  nach  Ost- 
heim verlegt  wurde,  zwei  aber,  zum  Glück  für  den  Ort,  bis 
zum  27.  Mai  1685  hier  in  Quartier  blieben.  Auch  Gert- 
hausen kam  der  Überlieferung  nach  in  dieser  schweren  Zeit 
ziemlich  leicht  davon.  Schon  war  der  Ort  an  mehreren 
Stellen  angezündet,  als  der  Kroatenrittmeister  das  steinerne 
Kreuz  auf  der  westlichen  Giebelspitze  der  Kirche  und  her 
näherem  Zusehen  auch  das  Marienbild  mit  dem  Ghristuskinde 
über  der  Thür  erblickte  ^).  Sofort  liefs  er  dem  Brande  Einhalt 
thun   und    den   ansoheinend   katholischen  Ort  räumen.     Ent- 


1)  Bei  einem  spftteren  ümbaa  der  Kirche  brachte  man  Bürens  und 
Marienbild  an  ihren  früheren  Standorten  wieder  an  aar  Erinnerong  ai^ 
diese  Zeit. 


Das  ebemalige  Amt  Lichtenberg  ror  der  Rhön.  103 

i^er  aber  die  Abriehenden  sind  noch  hinter  die  Wahrheft 
gekommen  und  wieder  nmgekehrt^  oder  nachfolgende  Haufen 
Itaben  sich  nicht  täuschen  lassen  —  Oerthausen  hat  noch 
schwer  leiden  müssen. 

Sehr  hart  ist  auch  Schafhausen  mitgenommen  worden.  Als 
«päter  eine  Kroatenrotte  vom  Klasberge  her  durch  die  Sohaf- 
hfiuser  Flur  über  den  Fizberg  nach  der  Altmark  2u  zog  —  flieset 
Strich  heifst  noch  heute  der  Eroatenstreif  —  läutete  gerade  in 
Erbenhausen  nach  heute  noch  in  dem  Bezirke  bestehender  Sitte 
-die  Betglocke  Ifittag.  Die  Feinde  nahmen  dies  für  Sturm- 
läuten, lieTsen  das  Dorf  seitwärts  liegen  und  beschleunigten 
ihren  Zug  nach  Ealtensundheim  zu.  Dort  wurde  zwar  der 
Ort  ausgeplündert,  den  festen  Kirchhof  einaunehmen  gelang 
ihnen  aber  nicht.  Später  freilich  ist  auch  dieser  noch  er- 
stürmt und  ausgeräumt,  dabei  auch  aus  der  Kirche  die  Ornate 
und  heiligen  Gefälse  geraubt  worden.  Der  Schulmeister 
Eckart  war  des  Pfarrers  Schneider  „eomes  exüxi  et  reäitus^', 
da  sie  „S  Wochen  umbher  terminirtenf*'.  Sehr  übel  erging 
es  Mittelsdorf;  dort  gab  es  noch  1648  nur  15  Bauern,  welche 
noch  dazu  seit  der  ,,Groatisohen  Einescherung*'  meist  in 
Kellern  wohnten. 

Am  Id.  Oktober  kam  die  Beihe  an  Kaltennordheim, 
welches  „durch  den  Groatischen  Einfall  in  den  Brand  ge- 
stecket,  alleß  zu  grund  abgebrent  worden,  daB  Nichts  stehent 
geblieben  als  Johann  Marokerts  Haus  und  Scheunen,  wie  dann 
ErbA  Dillern  Scheunen,  Item  das  Suntheimer  Thorhaus,  wie 
auch  die  Häuserlein  davor  und  4  Häuserlein  vor  dem  Kirch- 
thor,  sammt  der  alten  Kirchen,  welche  Gott  in  dieser  schreckl. 
Feaersbrunst  erhalten'^    Am  16.  kam  Isolani  nach  Fisohbadi. 

In  Meiningen  unterschrieb  er  —  natürlich  nicht  um- 
sonst —  einen  Schutzbrief  für  die  yerw.  Frau  B.  M.  t.  Stein- 
Kordheim  (y.  Si'sches  Familienarchiy).  Den  Winter  über  li^ 
er  in  Yachdorf  an  der  Werra. 

Im  Amtsbezirke  folgte  naph  ihm  ein  Soldatenhaufe  nach 
dem  anderen.  Konnten  die  heimgesuchten  Orte,  in  denen  es 
kaum   noch   etwas    in    Brand    zu    stecken   gab,    die   Brand- 


X04  ^^  ehenullge  Amt  Lichtenberg  yor  der  Bh5n. 

BohatEUDgen  nioht  aufbringoD,  so  nahm  man  einfach  Leute 
aU  Büzgen  mit  So  wurde  Amtmann  Winter  aua  Themar 
gemilBhandelt  und  weggeführt  |,wegen  der  Unterihanen  ün- 
yermögenB*'.  Ein  Bürgermeister  aus  Hof,  der  für  die  Stadt 
2000  Thlr.  erlegeh  sollte^  wurde  bia  Fladungen  mitgeecbleppt  f 
hier  erlag  er  den  Mifshandlungen  und  Strapatzen,  am  ersten 
Ohristtage  wurde  er  (weil  eyangeliioh)  in  Stetten  begraben.  — 
Im  November  war  in  Sondheim  einmal  alles  auf  der  Fluohtf 
nur  der  Schulmeister  Stein  war  geblieben,  weil  seine  yor 
einem  Jahre  ihm  angetraute  Frau  ihre  Stunde  erwartete. 
Da  damals  die  Taufe  eines  Kindes  stets  bald  nach  der  Geburt 
erfolgte,  holte  er  in  seiner  Verlegenheit  aus  Nordheim  nicht 
nur  eine  katholische  Qeyatterin,  sondern  auch  den  „nUss^CUSl" 
zur  Taufe,  worüber  der  ihm  befreundete  Herbert,  als  er  yon 
der  Flucht  zurückkehrte,  sehr  ungehalten  war. 

Wie  es  in  den  Amtsortsohaften  nach  der  Nördlinger 
Schlacht  und  den  Winter  über  herging,  dayon  giebt  ein 
Bericht  des  Stettener  SchultheiÜBen  Valten  Klaus  ein  an- 
schauliches Bild: 

„Yerzeichniß 

derjenigen  Kriegskosten  undt  Schäden,    welche  yon  AO  1684 

biß  1685    uff  der   Eöm.  KaiserL  Mayst  Kriegsyolck    gangen 

undt  waB  man  yor  Schaden  damals  gelitten. 

Erstlich  seindt  etzliche  Croaten  mit  800  Würzburgischen 
Bawern  aus  dem  Eisbacher  grund  hereingefallen,  die  Thor 
uffgehauben,  den  Kirchhof  undt  alle  Häuser  ausspelirt  undt 
geplündert,  undt  das  beste  Kleinoth  den  Nachbarn  genommen, 
haben  die  Bawern,  so  geplündert,  zum  Theil  undt  gar  viel 
ihre  Weiber  mitgehabt,  welche  ihnen  die  gestolene  Sach 
tragen  helfen.  —  Zum  andern  und  bald  hemacher,  da  ist 
der  große  Einfall  der  Croaten  geschehen,  welche  nicht  allein 
das  Dorf  auch  wiederumb  geplündert,  sondern  auch  die  gantse 
Hert  Viehes  uff  die  800  Stücke  Eindyiehes,  die  gantze  Hert 
Schweins  uff  die  150  Stück,  Item  die  Heerde  Schaff  uff  die 
800  in  Summa,  an  Hünnem,  Genßen  undt  uff  die  48  baar 
Ochßen  den  Nachbarn  genommen,  undt  alB  damals  daß  Plündern 


Dm»  ehemalige  Amt  Liebtenberg  ror  der  Bb5n.  X05^ 

nieht  nur  ein,  2  oder  8  tag,  Bondern  etsliohe  tag  lang  ge- 
wehiety  da  doh  IffiemaDd  zu  HauB  hat  dör£feii  sehen  laien,. 
woza  die  WürsburgiBohe  benachbarte  Bawem  geholfen,  undt 
gar  Tiel  Saoh  den  Nachbarn  damals  entwendet  nnd  genommen 
haben  ^).  Aach  einen  Nachbarn  alhiero,  Mathes  Zitterich  in 
seinem  eigen  Keller  ermordt  haben.  —  Drittens  hat  man> 
einen  Croaten  Obristen»  so  tu  Fladungen  gelegen,  100  fl. 
spendiren  müBen,  welcher  schriftlich  Salva  guardt  anhero 
geben.  —  Viertens,  efi  vergeht  kein  Tag,  eB  kommen  yor 
einen  Croaten  4  lebendige  quardt  (?),  denen  man  muB  täg- 
lich genugsam  eBen  undt  Trincken,  Oeldt  in  Beutel  undt  ihrem 
Obristen  uff  die  150  fl.  spendiren.  —  Fünfflens  kompt  Bitt- 
meister Vogel  mit  seinen  Soldaten,  legt  sich  herein,  ihnen^ 
mnfi  man  auch  über  die  150  fl.  spendiren,  uberflüBige  Zehrun|p 
geben  undt  die  Soldaten  auch  eine  Zeitlang  halten.  —  Sech-^ 
stens  seind  die  Ungern  kommen,  Obrist  Bebe  mit  dem  Stab, 
haben  auch  eine  Zeitlang  hiero  gelegen;  waB  man  noch  an^ 
Vieh  an  frembden  Orten  darvon  undt  mit  anheimb  gebracht, 
ist  alles  geschlachtet  worden.  —  Siebentens,  kommen  die 
Wellisch  Tragoner,  liegen  den  gantzen  Winter  allhiero, 
machen  volgents  den  garauB.  Wie  denn  sonderlich  ihr  Leut- 
nant die  armen  Leute  so  an  ihme  halten,  undt  gelt  geben 
müBen,  gar  übel  tractiret,  alles  getraidig  dreschen  und  weg- 
fahren laBen.  Deren  Obristleutnant  man  uff  die  260  fl. 
geben  müBen.  —  Endlich  wie  die  Tragoner  weg  kommen, 
kompt  ein  Hauptmann  mit  yielen  new  geworbenen  undt  an» 
dem  Soldaten,  so  zum  theils  nur  Bawem  undt  Bettelleüt 
geweBen,  herein,  da  wird  folgents  alles  aufgezehrt,  also  daB* 
nicht  geringste  mehr  geblieben,  haben  selbsten  neben  den 
srmen  Bawem  endtlich  groBen  Hunger  leiden,  die  grüne 
Ereüter  ohngesaltzen,  ohngeschmaltzen  undt  ohne  Brodt  mit» 
eBen  müBen,  biB  sie  endlich  selbsten  nicht  mehr  gekönnt  undt 
nffbrechen  müBen.    Da  denn  mancher  frommer  ehrlicher  Mann,. 


1)  Sogar  die  Öfen  worden  mitgenommeo ;  es  sollen  deren  viele  ans- 
der  Gegend  in  den  ÜUtergrand  gekommen  sein. 


206  Das  ebenuilige  Amt  Lio)it«n1>erg  vor  der  BhOo. 

Weiber  undt  Eiader,  weilen  sie  gantz  nmb  das  ihrige  gebracht^ 
Tor  groBen  Hunger  geitorbeo,  welche«  alles  das  Kriegswesen 
Terarsachet.  Gestalt  man  das  Hcohfürstl.  Ambt  umb  Oetreidig 
■ansprechen  müßen. 

Ein  solcher  großer  Schaden  aber»  der  nicht  aussuspreohen 
ist,  viel  weniger  mit  Geld  zu  bezahlen,  ist  gantz  nnmdglich 
eigentlich  zu  berichten ;  sondern  kürtslich  zu  sagen,  daß  man 
umb  alles  kommen,  was  man  damals  gehabti  etzliche  schöne 
Häußer,  Scheuern  undt  Bawe  noch  darzu  darnieder  gehauben 
andt  eingerißen  worden. 

Daß  sich  nun  solches  in  Wahrheit  also  verhalten,  ergangen 
undt  geschehen,  daß  thue  ich  endes  benannter  Sohultes  mit 
Untersohreibung  eigener  Hand  Nahmens  bezeugen.  —  Actum 
ßtetten  am  15.  Januarii  Äö  1642.«' 

Es  läTst  sich  denken  —  doch  nein,  es  läfst  sich  nicht 
ausdenken,  wie  grofs  die  Not  war,  als  der  Winter  von  1684 
zu  1686  hereinbrach.  Kein  Obdach,  oder  doch  kein  Ofen 
darin,  nichts  auf  dem  Leibe,  nichts  zu  beifsen  und  zu 
brechen,  kein  Geld  im  Beutel,  und  wenn  auch,  nichts  daf&r 
zu  haben!  Schon  am  12.  Jan.  1685  stirbt  in  Stetten  einer 
den  Hungertod.  Am  22.  Februar  kam  von  dem  eroberten 
Wertheim  her  das  Piccolominische  Leibregiment  (die  „ungern'' 
des  obigen  Berichts)  unter  Oberst  Bebe  nach  Ostheim,  Sond- 
heim und  Stetten.  Als  es  im  H&rz  nichts  mehr  zu  leben 
fand,  zog  es  nach  Hildburghausen  zu  ab.  Dann  kam  General- 
feldzeugmeister  Marchese  de  Graua,  „Kehraus''  genannt,  mit 
seinen  „Wellisoh  Tragonem''.  Einige  derselben  jagten  am 
16.  April  8  Stettenem  „hinauff  bey  daß  alte  Holtz'*  nach, 
am  ihnen  das  Letzte  noch  zu  nehmen ;  einer  von  ihnen  wurde 
aber  yon  jenen  erschossen  —  „were  er  im  Quartier  blieben, 
were  es  ohn  Zweiffei  nicht  geschehen".  Am  Sonntag  Jafailate 
wurde  in  Stetten  einem  böhmischen  Soldaten  ein  Söhnchen 
getauft;  einige  Tage  später  erdrückte  es  seine  Dtme  im 
Schlafe.  Am  9.  Juni  wurden  ebenda  2  Personen  beerdigt, 
welche  an  den  erhaltenen  Mifshandlungen  gestorben  waren. 
In  Ostheim  liefs    eine  junge  Frau,  deren  Mann   im  y,Kriegs- 


Dm  ehsmalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rhön.  \(yj 

Wesen*'  war,  ihr  dreijilhrigeB  Kind  im  Stiohe,  das  in  dfem  da- 
maligen Hungerleben  bald  starb,  and  zog  mit  einem  kaiser- 
lichen Soldaten  fort  „dem  Harenleben  naoh'^  Einer  Fran 
ans  Berkach  starb  ebenda  ein  Kind,  das  sie  5  Tage  yorher 
im  Walde  geboren,  „in  deme  sie  vom  Kriegsvolck  mitgenommen 
worden'^  Im  Augnst  gebar  in  Stetten  Martha  Burokard  einen 
Knaben;  sie  war  im  Noyember  ,9Ton  den  Orabaten  und 
Ungern  gewaltsamer  weiBe  ergriffen  undt  geunehret  worden*'. 
Ebenso  wurde  der  Ursul  Gumpertin  daselbst,  die  von  einem 
Dragoner  „impragnirtf^  worden  war,  am  10.  Oktober  eine 
,4unge  Tochter''  getauft;  der  Pfarrer  hatte  sie  aber  in  Ver- 
dacht, dass  sie  der  Treue  des  Dragoners  getraut,  der  nun 
t,darFon  gesogen  und  die  Huren  sitzen  lassen". 

Während  dieser  Zeit  hatte  in  dem  Amtsbezirke  wie 
überhaupt  in  einem  grofsen  Teile  des  Reichs  bei  dem  Eriegs- 
elend  und  der  Hungersnot  die  Fest  in  ganz  furchtbarer 
Weise  zu  wüten  angefangen.  Die  Not  war  auch  zu  grofs. 
Auf  dem  Tanzberge  bei  Ostheim  waren  täglich  Hunderte,  oft 
über  tausend  Hungrige  yersammelt,  die  von  den  auch  rein 
ausgeplünderten  Bürgern  noch  ein  Stück  Brod  zu  bekommen 
hofften.  Mit  den  unmöglichsten  Dingen  suchte  Arm  und 
Reich  den  unerbittlichen  Magen  zu  füllen  —  kein  Wunder, 
wenn  der  Keim  dar  schrecklichen  Festseuche  überall  gün- 
stigen Boden  fand.  In  allen  Orten  kamen  Tag  für  Tag  einige, 
auch  5,  7  und  mehr  Todesfälle  vor,  sodafs  die  Leichen  bald 
obne  Sarg  und  ohne  Sang  und  Klang  in  die  Massengräber 
gelegt  wurden,  unter  den  Toten  befand  sich  immer  eine  grofse 
Anzahl  von  Auswärtigen  („Geflöhnten'*) ;  die  Bewohner  des 
einen  Orts  glaubten  immer  in  dem  andern  gröfsere  Sicher- 
heit vor  den  Greueln  des  Kriegs  zu  finden  und  entgingen 
ihnen  doch  nirgends.  Auch  viele  Soldaten  aus  aller  Herren 
Ländern,  ihre  Weiber  und  Kinder  fielen  der  Fest  zum  Opfer 
und  wurden  mit  in  die  Massengräber  gelegt.  An  verschie- 
denen Orten  mufsten  die  Friedhöfe  vergröfsert  oder  neue  an- 
gelegt werden.  In  mehreren  Orten  hörte  die  Kirchenbuch- 
Xahrung   ganz    auf,   weil    die   Ffarrer  hinwegstarben;    so  in 

xvn.  8 


][08  ^"^  ehemalige  Amt  Liebtenberg  ror  der  BhSn. 

Sondheim,  XTrspringeQ,  Stetten,  Helmershaaeen ,  Wohlmut» 
hausen  (auch  Nordheim,  Fladuugen  etc.);  nur  die  zu  Ost* 
heim  und  Ealteosundheim  blieben  am  Leben.  Die  geistliche 
Yersorgung  sämtlicher  Orte  des  Yordergeriohts  auDser  Ostheim 
fiel  in  dieser  allerschwersten  Zeit  des  Krieges  Herbert  su» 
der  das  Nordheimer  Pfarramt  noch  immer  als  das  seinige 
betrachtete,  bis  er  am  I.September  das  zu  Stetten  übernahm. 
Am  9.  zog  der  junge  Pfarrer  Wiener  in  Sondheim  ein,  und 
schon  am  21.  wurde  er,  nachdem  er  in  dieser  Zeit  42  Leichen 
beerdigt,  samt  seiner  Frau  und  der  Magd  von  der  Seuche 
hingerafft  Das  Sohulhaus  (s.  S.  104)  war  scbon  im  Juni  in 
wenigen  Tagen  ausgestorben.  Im  ganzen  starben  in  diesem 
Jahre  in  Sondheim  S99,  in  Ostheim  344,  in  Stetten  190,  in 
Helmershausen  349,  in  Kaltensundheim  481  Personen;  die 
Kirchenbücher  aus  den  übrigen  Amtsorten  sind  nicht  mehr 
vorhanden.  In  Kaltensundheim  starben  allein  in  den  letzten 
6  Monaten  des  Jahres  363  Personen  (unter  ihnen  48  Flücht- 
linge aus  Kaltennordheim,  29  aus  Mittelsdorf,  5  aus  Beichen- 
hausen,  4  aus  Schafhausen,  3  aus  Westheim,  2  aus  Franken- 
heim, je  einer  aus  Friedeishausen,  Oberwaldbehrungen,  Die- 
dorf,  Öpfershausen),  davon  allein  im  August  158  (am  23.^ 
24.,  26.  und  27.  je  11),  im  September  128.  Dabei  gingen 
neben  den  Schrecken  der  Pest  die  der  Hungersnot  einher  — 
es  gab  ja  nichts  zu  ernten  und  niemand  war  zum  Ernten 
da;  an  Fleischnahrung  war  längst  nicht  mehr  zu  denken. 
Rechnet  man  nun  noch  die  unsäglichen  Bedrückungen  durch 
die  unaufhörlich  wechselnden  „Kriegsvölker''  hinzu  —  welch 
entsetzliche  Zeit  mufs  es  gewesen  sein!^) 

Mit   dem    Eintritt   des    damaligen    sehr    kalten    Winters 


1)  Aach  in  diesen  beispiellos  schrecklichen  Tagen  ist  dem  Kirchen^ 
bacbfDhrer  in  Ostheim  (yermatlich  noch  Strahm)  der  Humor  nicht  gani  aas- 
gegangen ;  er  schreibt  anter  dem  SO.  Jali :  „Ein  SShnlein  Lorants  Noth- 
nagels and  seines  Weibs  Anna  getanft,  welche  Tor  14  Wochen  4  tagen 
Oopuliret  worden,  haben  vergangen  Herbst,  im  Pfarrhof,  als  der  H.  Pfarrh. 
mit  den  Seinigen  in  der  Flacht  gewesen,  so  wol  haasgehalten  and  darbej 
deB  gnten  weins  getrancken,  sie  auch  der  gaten  dicken  Herbst  Milch  so- 
viel gesoffen,  dafi  sie  diesen  Sohn  gewircket**. 


Dm  ebMaalige  Amt  Lichtenberg  yor  der  RbSo.  IQiQ^ 

liefis   aneh  allmählich    das  Sterben    nach.     In  Sondheim   und 
Helmershausen  switscherte  unabläsBig  ein  Yöglein: 
Eßt  Bibernell,  efit  Biberneil, 
Sonst  müfit  ihr  mitenander  sterr! 

In  Helmershausen  sah  man  eines  Tagee,  wie  man  sieh 
hner  erzählt,    ein  ,,Nebele"  (Nebelchen)   in   das  Kellerlooh 

des   Hauses   No.  163   am   Poppenstein    schlüpfen das 

war  die  Pesti  Sehneil  das  Loch  und  die  Thür  zugeraanert, 
und  richtig,  die  Helmershäuser  Pest  war  gefangen  und  fortan 
anschädlich! 

Wie  es  aber  jetzt  in  den  vorher  so  blühenden  Orten 
des  Amtsbezirks,  „do  allenthalben  der  Letith  zu  viel  werden 
wollen'%  wie  die  Amtsbeschreibung  von  1648  sagt,  aussah,  darauf 
läfst  ein  Bericht  des  Ostheimer  Stadtrats  von  1636  schliefsen  ^). 


1)  .  .  .  „Die  Bftrger  uondt  Manschafft  dieses  Stldtleins  betreffende, 
beseogen  die  Register,  dsfi  vor  kvrts  yerwichenen  iahren  Aber  400  bflrger 
(doch  die  wittibin,  Handtweroks  Leat,  liindersiedler  und  arme  Taglöhner 
alle  daroDter  begriffen)  sich  albiero  befunden,  welche  aber  in  dieser  bösen 
Zeit  und  sonderlichen  in  2  ihareo,  seithero  dem  Kayfil.  Einfall,  do  derer 
Teiel  niedergehanen,  rerhangert,  sonsten  vor  Leit  und  an  der  Seuoh  ge- 
storben, also  geschweicht  worden,  das  sich  in  allem  ahn  Beich  und  Arm, 
Alt  nnd  Jange  Manschafft  noch  befanden  242  Bürger,  derer  viel  nnnd 
die  meinsten  sehr  onvermöglich,  nndt  71  wittibin,  welche  aber  deromaßen 
rermarmeth,  daß  ihrer  viel  mit  Weib  ond  Kinder  die  liebe  ahnofien  Tor 
den  thüren  heischen ;  die  Andern  seindt  bei  den  erlittenen  Brandsehataungen, 
Bl&odemngen,  Einqnartiriuigen  nndt  geld  PreBoren  also  erschöpft  und  in 
ftberanß  große  schaldten  Last  gerathen,  daß  solche  fast  nicht  za  ßped' 
fidreHf  und  do  man  eines  ieden  bttrgers  gemachte  schuldt  benahmen  solte, 
wfirde  eß  viel  1000  Thlr.  ertragen,  nndt  hieranß  lelchtlich  absanehmen, 
daß  in  wehrender  bößer  Zeit,  was  nfir  der  Rath  wegen  gemeiner  Stadt 
ahn  geldt  entlehnt  nnd  uff  genohmen,  sich  lanth  einer  absonderlichen 
Resignation  off  8159  fl.  15  gr.  belauffen  thutt,  welches  gleich  wohlen 
meinstens  ifthrliohen  Yerpemiomtt  (Pension  damals  der  Aasdmck  ftbr  Ver- 
sbsnng)  werden  mnß,  nnd  dardarch  dießes  St&dtlein,  wo  nicht  bey  Zeiten 
▼orgebant  nnd  mittel  aar  ablegung  ahngestelt  werden  kan,  ein  eußerstes 
Verderben  gedeyhen  wirdt,  denn  man  weder  Kirchen-  noch  Schaldiener, 
sieh  andere  gemeine  Diener  nor  of  ein  gantses  ihar  fast  nicht  beseiten, 
ond  aneh  nicht  weiß,  woher  mans  ferner  nehmen  soll. 

Bey  friedens  Zeit  and  vor  kortsen  iharen  haben  sich  aber  60  baaern, 

8* 


\1Q  Das  ehemalige  Amt  Lichtenberg  yor  der  BhSn. 

Au£fSll]g  ist  die  trotz  der  bösen  Zeit  und  zusammenge- 
schmolzeneii  BeTölkemng  bo  grofee  Anzahl  von  EhesohlielBangen 
im  Jahre  1636,  meist  zwischen  Witwern  nnd  Witwen.  In 
Sondheim  z.  B.  wnrden  19  Paare  kopuliert,  in  Helmershausen 
standen  am  31.  Mai  sogar  8  Paare  zusammen  Tor  dem  Altare. 

Auch  in  diesem  Jahre  lag  viel  Kriegsvolk,  das  eine 
kürzere,  das  andere  längere  Zeit  im  Amte,  und  trug  das 
Seinige  dain  hei,  Mangel  un<l  Not  aufs  höchste  zu  steigern. 
Vom  März  his  Oktoher  lag  Graf  Schlick  in  Stoekheim,  seine 
Truppen  zum  Teil  im  Vordergericht.  Im  Septemher  hrand- 
schatzte  der  „schwarze  Bittmeister*'  mit  Hatzfeldschen  Truppen 
in  Bettenhausen,  Sondheim  und  ürspringen,  obgleich  doch 
die  Kaiserlichen  jetzt  alt  Freunde  hätten  auftreten  sollen, 
da  am  30.  Mai  1685  der  evangelische  Kurfürst  von  Sachsen, 


fo  Pferdt  nnd  OehBen  gehabt,  yor  sich  nnd  andere  ihre  feldt  Arbeit  ver- 
riebt nnd  den  Acker  bau  damit  vort  bracht,  alhiero  befinden ;  anitso  aber 
«eindt  nicht  mehr  den  S  bürger,  lo  sur  noth  gants  ieder  mit  9  OchAen 
beapannt.  Über  solche  noch  44  halb  apanner,  so  ieder  ein  Kfihelein, 
welche  yor  deflen  gants  spanner  geweflen.  Item  10  Einspenige,  hat  ieder 
1  Pferdtlein,  so  aber  die  meinsten,  wie  auch  die  Kübelein  noch  unbesahlt, 
nnd  eines  Über  10  Bthlr.  nicht  werth,  wie  der  Augenschein  gibt.  Ober 
solche  werden  noch  gefunden  26  arme  Bfirger,  so  yor  deBen  ihr  handt- 
werck  getrieben,  anitso  wegen  des  yerlags  nicht  mehr  arbeiten  können, 
daher  ieder  ein  Kfibelein  mehrertheilA  geborgt,  welche  yor  deBen  keine 
Banere  geweBen,  auB  noth  zusammen  spannen,  nnndt  ihre  wenige  Gütter- 
lein  herümb  bringen,  den  sonst  die  Meinsten  den  Pflug  selbst  sieben 
muBen.  DaB  Rindt  Viehe,  so  bey  friedens  Zeiten  in  hiesigen  Stidtlein 
gehalten  worden,  hat  sich  über  400  stück  befunden,  welches  bey  dem 
KeiBU  Einfall  uf  ein  Mahl  alles  weg  getrieben  worden,  und  befindet  sich 
über  obig  benants  Ackeryiehelein  gar  ein  geringes  mehr,  alB  nur  noch 
etsliche  Kftlberlein  alhiero,  den  ieder  daB  seinige  anspant.  So  sünd  die 
SohalEhSsser  *),  derer  in  friedens  Zeit  bey  800  stück  gehalten  worden, 
in  den  einquartiruDgen  alle  ufijgfangen,  nndt  nichts  mehr  bey  handten.  In 
Summa,  der  erlittene  Schade  und  darauf  erfolgte  Mangel  beedes  in  Stadt 
nnd  feldt,  ahn  Viehe,  gedreytig  und  yorrath,  so  sich  yon  tag  lu  tag 
heüffet,  ist  nicht  gnugsamb  zu  besehreyben'*  etc.  (Wm.). 

*)  NoB  an  ein  Schaf  aus  der  einem  Bauer  im  VerfaUtnis  lu  seinem 
Gmndbesitie  su  halten  erlaubten  Ansahl. 


JUm  ehemalige  Amt  Lichtenberg  rot  dw  Rhön.  211 

dem  auch  Job.  Ernst  toü  Saohsen-EiBeoadi  nebst  vielen  andern 
Fürsten  naobzntolgen  nicbt  umhin  konnte,  mit  dem  Kaiser  sa 
Plag  ein  Bündnis  geschlossen  hatte  gegen  die  Feinde  des  Beichs, 
die  evangelisohen  Schweden  (die  aber  nur  etwa  noch  zum  10. 
Teil  Schweden  waren)  oder  (seit  Herzog  Bernhards  Heerführung) 
y,WeimariBchen"  und  die  katholischen  Franzosen.  Jeder 
Landesf&rst  und  jeder  Heerföhrer  yerfolgte  eben  seine  eignen 
loteressen  und  Pläne,  und  dies  Durcheinander  der  Interessen 
und  Pläne  war  der  Orund,  der  es  zu  keinem  Frieden  kommen 
lieTs.  Das  Glaubensbekenntnis  machte  längst  keinen  TJnter- 
aohied  mehr  ans;  im  Heere  der  katholischen  Liga  waren 
unter  Offizieren  (z,  B.  Waldsteins  Schwager  Trzka,  Obiist 
Oordon  etc.)  und  Gemeinen  zahllose  Protestanten,  und  gar 
oft  werden  bei  Durchsägen  kaiserlicher  wie  schwedischer 
Trappen  die  Geistlichen  zu  Amtshandlungen  in  Anspruch  ge- 
nommen. Ebenso  ging  aber  auch  mancher  Katholik  jzu  den 
^Weimarisohen^'  über,  wenn  seiner  Beutelust  dort  bessere 
Brate  zu  winken  schien.  Bei  diesem  Durcheinander  kam 
jeder  Soldat  als  Feind;  er  kam  als  der  Herr,  dem  alles  ge- 
hörte, und  Bürger  und  Bauer  war  nur  dazu  da»  ihn  zu  ^er- 
halten, ihm  zu  dienen,  den  Beutel  zu  füllen,  sich  drangsalieren 
and  quälen  zu  lassen.  —  Am  30.  September  quartierten  sich 
2  Begimenter  schwedische  Reiter  auf  18  Tage  in  Ostheim 
ein;  in  mehreren  Häusern  lagen  halbe  Kompagnien  oder  ganze 
Korporalschaften,  selbst  die  Häuser  der  Ärmsten  lagen  voll 
Soldaten«  Jetzt  kamen  sie  als  Feinde;  schlimmer  hausten  sie 
denn  auch  als  vor  2  Jahren  die  Kroaten. 

Ihnen  folgten  yom  Dezember  1686  bis  in  den  Oktober 
1687  hinein  wieder  kurbayrische  und  würzburgische  Regi- 
menter,  die  dann  durch  kaiserliche  (Götzische)  Truppen  ab- 
gelöst wurden.  Helmershausen  hatte  seit  dem  Prager  Frieden 
bis  1.  August  1637  4022  £.  Kriegskosten  zu  zahlen.  Im 
Jahre  1687  starben  daselbst  180  Menschen,  zum  Teil  an  einem 
hitzigen  Fieber,  viele  an  Hunger  und  Elend.  Namentlich 
starben  5-  bis  8-jährigo  Kinder  hin  „wie  arme  Würmelein", 
iiich  *viele  Neugeborene  und  Ungeborene.     Das  Kindarsterben 


112  ^^^'^  ebeouJige  Amt  Liehtenb«rg  Tor  d«r  Bbfo. 

währte  bis  1644.  1d  OBtheim  wurden  im  Juni  1637  u.  a. 
2  Kinder  begraben:  ,,und  helt  man  davor,  daft  diefie  beyde 
Kinder  hungere  gestorben;  ob  wohlan  dieBelben  ein  StüokleiB 
brott  vor  den  thüren  bekommen,  hatt  doch  die  Mutter  alft 
ein  unbarmhertiige  Haben  mutter  ihnen  solch  stücklein  ge> 
nommen  und  dieselben  alBo  verhungern  iaBen'^  In  Stetten 
wurde  am  9.  Desember  das  Töohterlein  einer  Witwe  aus  Mei- 
ningen getauft,  ,»welche,  wie  sie  auBaget,  von  2  Soldaten  vor 
der  Stadt  ergrieffan  und  gewaltsamer  weis  geunehret  unnd 
imprctegnirt  worden,  derenthalben  sie  wegen  der  großen  schand 
entwichen  und  hier  darnieder  kommen^'.  Wenige  Tage  darauf 
starb  sie. 

1638  lag  vom  20.  bis  24.  August  in  Stetten  Obrist 
Kriekenbeck  mit  8  Kompagnien  Hatzfeldischer  Kroaten  und 
1000  Pferden,  was  2127  fl.  Kosten  verursachte;  aufserdem 
erhielt  der  Obrist  für  seine  Person  noch  76  fl.  dafür,  dals  er 
den  Kirdihof  nicht  plündern  liefe  —  viel  mehr  werden  fireilich 
die  in  den  Qaden  geborgenen  Kostbarkeiten  nicht  mehr  wert 
gewesen  sein.  Katürlich  waren  auch  die  umliegenden  Orte 
stark  mit  Truppen  belegt  —  unter  dem  9.  Oktober  macht 
Herzog  Joh.  Ernst  den  Amtmann  (jedes  Amtes?)  dafür  ver- 
antwortlich, dafs  alle  Äcker  gehörig  bestellt  und  dadaroh 
einer  Verkürzung  der  herrschaftlichen  Einnahmen  vorgebeugt 
werde  i). 


l)  .  .  .  „Undt  demoMb  Wier  insooderliait  berichtet,  wie  der  Aeker- 
baw,  Dicht  allein  tod  Terderbten  und  dfirfltigen  Unterthanen,  aoe  noth 
und  mangel  geschir  nnd  Samens,  sondern  auch  von  andern  auB  Vortati 
oder  anch  an£  troti  nndt  Ungehonamb  anbestellet  gelaßen,  nndt  dadoreh 
ihnen  nnd  gemeinem  Nutzen  merckUchen  geschadet,  anforderst  aber  unser 
Fttrstlich  mttresu  onTerantwortlichen  hindan  gesetiet,  welches  wier  der- 
gestallt  femer  nicht  nachsehen  kennen.  |Weü  auch  bey  diesen  noch  immer 
«onlMNiarenden  geflhrlichen  kriegsleilflten  noch  aar  Zeit  verborgen,  wie 
sichs  annahenden  Herbst  und  winter  mit  Durchtflgen  und  Einquartierungen 
(welche  Gott  der  Allmechtige  inn  gnaden  verhfittenf  enden  und  wenden 
wolle)  etwa  anlafien  mdchte,  gleichwohl  für  äugen,  wie  unnachtbarllch  sich 
theils  deren  erweisen,  bej  welchen  die  armen  veriagten  leftte  mit  ihren 
flbrigen   wenigen   Vermögen   Zuflucht   gesucht:    So   woUest  Du   gedachte 


Das  ehemalige  Amt  LSobtenberg  vor  der  Bhdn.  ^13 

Wenige  Wochen  spSter  starb  der  Herzog  kinderlos ;  sein 
Land  üel  an  seine  weimarischen  Vettern ,  die  Brüder  Bern* 
hards  des  Orofsen:  Wilhelm,  Albreoht,  Ernst  und  Friedrich 
Wilhelm.  Bei  der  Länderteilnng  1640  fiel  das  Fürstentum 
Sisenach  dem  Herzog  Albrecht  zu,  welcher  8  Jahre  darauf 
SchloÜB  Lichtenberg  besuchte« 

1639  im  April  kamen  Hatzfeldische  Kürassiere,  am  3.  Mai 
Isolanische  Kroaten  nach  Stetten.  Von  andern  Orten  schweigen 
die  Nachrichten;  nur  das  Osth.  Kirchenbuch  erzählt  noch, 
dafs  da  eine  Frau  begraben  wurde,  „welche  vor  wenig  tagen 
von  den  unbarmhertzigen  Croaten  in  ihrem  Haus  durch  beyde 
Schenckel  gestochen  und  jämmerlich  geschlagen  worden,  daTs 
sie  ihr  leben  hat  mußen  enden".  —  Am  1,  September  er- 
schien Graf  Königsmark  Yor  den  Mauern  Fladungens  und  be- 
lagerte es;  als  es  ans  Stürmen  gehen  sollte,  öffneten  die 
Büi^r  die  Thore  und  zahlten  die  geforderte  Brandschatzung. 
—  Vom  26.  Juli  bis  20.  September  lagen  Schweden  im  Amte. 
Da  ihre  Vorgänger  nichts  übrig  gelassen  hatten,  mufsten  die 
Ortschaften,  sobald  auf  den  wenigen  bebauten  Äckern  das  auf 
Geheifs  des  Herzogs  ausgesäete  Getreide  reif  wurde,  dasselbe 
für  sie  abernten,  Drescher  stellen  (so  Stetten  4  Tage  lang 
24  Mann  nach  Ostheim  und  Stockheim)  und  diese  jeden  mit 
1  Batzen  täglich  lohnen.  —  In  Helmershausen  waren  in  diesem 
Jahre  von  den  früheren  180  Wohnhäusern  nur  noch  50  be- 
wohnt; von  1608  Acker  Feld  waren  nur  561  bestellt.  In 
Stetten  lagen  2  Jahre  später  aufser  den  Brachäckern  208,  im 
nächsten  sogar  608  Acker  wüste.  Seit  dem  Prager  Frieden 
bis  28.  Januar  1640  betrugen  die  Kriegskosten  für  Stetten 
11980  fU  7  btz. 


Deine  Ambtsanbefohlene  nicht  wenigers  dahin  erinnern,  damit  daA  ienige, 
•o  aber  die  leholdige  AmbtsgeflLlle  Übrig,  inn  des  Ambts  Verwahrung  aff- 
echflttea  and  nnserm  schätz  Übergeben^  do  denn  ied wedern  das  seinige 
«nr  onentbehrlichen  behoff  und  nothurfft  wieder  abgefolgt  und  Niemanden 
svr  Ungebfihr  ieohtwas  vorenthalten  werden  soll,  des  gnedigen  Versehens, 
weil  solches  den  Unterthanen  sam  Besten  wolmeintlich  angesehen,  sie 
werden  sich  dieser  unserer  gnedigen  Verordnung  desto  wUliger  undt  ge- 
folgiger erseigen.    An  dem  geschieht"  etc.  (Wm.) 


114  I^<^  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Bhßn. 

Als  1640  der  schwedische  General  Bauer  bis  Erfurt  vor- 
rückte» und  Picoolomini  ihm  ycd  Bayern  aas  entgegensog^ 
ersohienan  abwechselnd  Teile  beider  Armeen  (z.  B.  wieder  Königs- 
mark) auch  im  Lichtenbergisohen.  Am  28.  Mai  wurde  Hei- 
mershausen  yon  bayrischen  Völkern  geplündert.  Am  80.  Mai 
(Sonnabend  nach  Pfingsten)  kam  eine  Abteilung  kaiserliche 
(ungarische)  Beiter  yon  BisohofiBheim  her  und  nahm  in  Sond- 
heim das  wenige  wieder  angeschaffte  Vieh  sämtlich  weg.  Als 
sie  auch  Nordheim  brandschatzen  wollte ,  rief  der  dortige 
(sächsische  ?)  Schultheils  niederländische  „Sohnapphahnen"  ans 
Fladungen  herbei  und  liels  sie  heimlich  ein.  Als  die  Kaiser- 
lichen einen  Parlamentär  yor  das  Bahrathor  schickten,  er- 
schofs  ihn  der  Jäger  des  Herrn  y.  d.  Tann,  was  der  Ort 
schwer  hülsen  muTste.  Der  Anführer  der  Rotte  liefe  daa 
Dorf  an  yerschiedenen  Stellen  in  Brand  stecken;  drei  Viertel 
gingen  in  Flammen  auf.  Der  Stettener  Gemeindemüller 
Michel  Stein,  der  gerade  in  Nordheim  war,  wollte  sich  über 
die  Mauer  retten,  da  ,,ist  er  yon  einem  Beiter  alsobalden 
darnieder  gesohoßen  unnd  jemmerlich  umgebracht,  auch  weil 
er  in  solcher  eußerster  Noth  und  gefahr  hieher  (nach  Stetten) 
nit  können  gebracht  werden,  aldo  begraben  worden".  —  In 
Stetten  hauste  dieselbe  Bande  gleich  unbarmherzig;  auch  hier 
trieb  sie  alles  Vieh,  181  Stück,  hinweg  und  sperrte  es  Tor- 
läufig  in  den  Fladunger  Kirchhof:  auf  Verwendung  des  Jun- 
kers Bapp  in  Hausen  gab  der  kaiserliche  Obristleutnant  es  gegen 
Zahlung  yon  200  fl.  wieder  heraus.  Am  2.  Juni  wurde  der 
y,Schlüther''  Valten  Grenzer,  „ein  frommer  guter  Mann",  der 
yon  etlichen  Beitem  am  Babesberg  in  Stettener^  Flur  er- 
griffen, ins  Dorf  geführt  und  elendiglich  erschlagen  worden 
war,  tot  in  seiner  Scheune  gefunden  „und  in  solcher  großer 
noth  yon  etilich  gegenwertigen  Nachbarn  uff  den  Gottsacker 
begraben.''  Dieselbe  Martha  Burckard,  welche  1684  yon  den 
Kroaten  yergewaltigt  worden  war,  wurde  jetzt  abermals  yon 
diesem  Lose  betroffen ;  am  1.  März  nächsten  Jahres  mufste 
sie  wieder  ein  Töchterlein  taufen  lassen.  Am  22.  Juni  wurde 
Stetten   abermals  geplündert  und  in  Brand  gesteckt,   95  Ge* 


Dm  ehMTuüige  Amt  Liobtenb«rg  vor  der  BbSn.  X15 

bäade  gingen  in  Flammen  auf.  Die  Namen  der  5  muügen 
Männer,  die  sioh  xnerst  wieder  in  die  Trümmerstätte  wagten, 
Bind  aufbewahrt,  unter  ihnen  der  y^Beutei''  Andreas  Zeuner, 
weloher  1646  Schulmeister  wurde.  Bis  in  den  Juli  hinein 
wüsteten  damals  die  Kaiserlichen  weit  und  breit  umher; 
,,ebeii  dann  hat  man  wieder  hinweglauffen  undt  alles  dahey- 
men  yerlaßen  müBen,  ein  gants  yiertel  Jahrs  2U  Fladungen 
undt  Ostheim  sich  uffgehalten ;  da  ist  alles  in  Heüßem  und  das 
Korn  uff  dem  Feldt  hinweg  genommen  worden,  ist  nichts  als 
das  lehre  Stupffei  blieben,  der  Sommerffohr  ist  auch  gantz 
verderbt  worden''.  Während  dieses  »^^^K^'^^ig^i^  elends" 
starben  in  Fladungen  8,  in  Ostheim  6  Stettener;  hier  auch 
4  Sondheimer.  Am  8.  Juli  ist  Both  „von  pommerschen  Reu- 
tern in  Brandt  gestecket  worden,  gants  abgebrandt,  wegen 
deien  daB  die  Schnapphahnen  etxliche  Sdiwedische  Beiiter 
im  breühauße  daeelbsten  in  der  Nacht  erschlagen  haben".  Am 
16.  Juli  fielen  in  Helmershausen  Schweden  und  Kaiserliche 
gleichzeitig  plündernd  ein  —  „irruptio  Si^ecica  et  Caesa- 
riana'\  Die  Einwohner  flohen  nach  allen  Bichtungen,  der 
Pfarrer  König  nach  seiner  alten  Heimat  Oetheim,  wo  mehrere 
Helmershäuser  in  diesen  Tagen  starben.  Am  24.  Juli  wurde 
Hausen,  am  31.  Leubach  niedergebrannt  So  lagen  also  Nord- 
heim, Stetten,  Both,  Hausen  und  Leubach  in  Schutt  und 
Trümmern ;  Ton  den  andern  Orten  fehlen  nur  die  Nachrichten. 
Ans  diesen  Tagen  dürfte  die  Schwedenschanae  bei  Sands  und 
die  Schanze  der  Kaiserlichen  bei  der  Fladunger  Kapelle  her- 
rühren. 

Ausgangs  des  Jahres  1640  nahm  der  kaiserliche  Oeneral- 
waohtmeister  Oilli  de  Haes  (Hassj)  —  in  „Schildhesse'*  yer- 
wandelte  seinen  Namen  der  Volksmund  —  mit  8  Begimentern 
in  der  Grafschaft  Henneberg  Quartier.  Am  Tage  Maria 
Lichtmefs  1641  rückten  seine  Bittmeister  Alexander  und 
Yalentin  von  Meiningen  aus  Tor  Helmershausen,  nahmen 
es  ein  und  zündeten  es  an.  In  den  Frühlingsmonaten  lag 
eine  schwedische  Abteilung  in  Sondheim  und  Urspringen.  Im 
Sommer  starben  die  Witwe  und  2  Kinder  des  Helmershäuser 


WQ  Das  ehemalig«  Amt  Lichtenberg  Tor  der  Bhdn. 

Pfarrers  Strahm  (des  frühem  Eirchners)  in  Oitheim.  Am 
15.  Oktober  früh  6  Uhr  wurden  ebenda,  ,,al£  ungefehr  eine 
Sohwedisohe  Parthey  untenn  Commando  H.  Oberet  Lentnt 
Lathonius  allhier  eingefallen^^  3  Bürger  ,,yon  den  Soldaten 
uff  der  gaften  niedergeschoßen,  alflo  balden  todtblieben*'.  Vom 
14.  bis  18.  November  gab  ei  im  Yordergerioht  wieder  starke 
Einquartierung  von  Hatsfeldichen  Truppen. 

1642  im  ICärz  rückte  eine  bayrische  Truppe  in  Helmers- 
hausen  ein;  abermals  ergreift  alles  die  Flucht,  erst  am  1.  April 
wagen  einige  in  den  verwüsteten  Ort  zurückzukehren.  —  Als 
nach  der  für  die  Kaiserlichen  unglücklichen  Schlacht  bei 
Breitenfeld  (2.  Nov.)»  durch  welche  die  Vereinigung  Torsten- 
sons  mit  dem  firanzösischen  Marschall  Gu^briant  hatte  ver- 
hindert werden  sollen,  letztere  mit  der  alliierten  französisdi- 
weimarischen  Armee  nach  Schwaben  zu  sich  wendete,  zog 
der  weimarische  Obrist  Bösen  mit  einem  Teile  derselben  in 
den  Tagen  vom  16.  bis  18.  December  über  den  Stellberg, 
Stetten,  Sondheim  etc.  Die  Kosten  betrugen  für  Stetten 
1601  fl  8  btz«  In  Ostheiro  starb  ein  Stettener  am  17.  De- 
cember, „eben  domals  als  wegen  der  Weymarischen  gegen 
Erancken  marchirende  völckem  wir  flüchtig  gewesen^. 

1648  berichtet  der  Amtmann  Kas.  Ohr.  v.  Stein  zum 
Altenstein  in  seiner  ofüziellen  Amtsbeschreibung  über  den 
Eingang  der  halbjährig  (Trinit  und  Andreas)  fälligen  Steuern : 
„Hat  sich  hiebevor  im  gantzen  Ambt  ein  termin  uff  1175  fl. 
beioffen;  ietziger  Zeit  aber  bestehet  solche  uff  819  fl.,  welche 
doch  wegen  großer  Veroedung  mehrster  Dorffschafften  schwer- 
lich völlig  zu  erlangen".  —  Am  Osterabend  dieses  Jahres 
wurde  Oberelibach  von  Schweden  in  Brand  gesteckt,  ,.seindt 
uff  die  70  Baw  damals  abgebrandf^  Am  11.  Mai  zog  Oraf 
Königsmark  von  seinem  Hauptquartier  Stockheim  aus  nach. 
Bischofsheim ;  auf  dem  Bückmarsche  am  21.  übernachtete  er 
in  Stetten.  Im  folgenden  Monat  wird  wieder  über  die  Ver- 
gewaltigung einer  jungen  Stettenerin  berichtet.  Da  in  solchen 
Fällen  nicht  jedesmal  im  Kirchenbuche  über  eine  Amtshand- 
lung  zu  berichten   war,   in   einigen   auch   nach  dem  ansge- 


Dms  ehemaUge  Amt  Lichtenberg  Tor  der  Bhdn.  'H'J 

spFochenen  Verdachte  der  Pfarrer  unter  dieser  Firma  Kontre- 
bande  eingeschmuggelt  wurde,  mag  dergleichen  fortan  uner- 
wShnt  bleiben.  Dafs  in  dieser  wftsten  Zeit  die  Sittenlosigkeit 
in  erschreckender  Weise  ungestraft  überhand  nahm,  lädst  sich 
begreifen.  —  Da  der  Kurfürst  und  die  Hersöge  Ton  Sachsen, 
die  gemeinschaftlichen  Herren  der  henneberger  Brbländer, 
damak  dem  kaiserlichen  General  Melchior  Grafen  Hatsfeld 
sieh  zu  Danke  rerpflichtet  hielten,  belehnten  sie  in  diesem 
Jahre  denselben  unter  Vorbehalt  der  Landeshoheit  und  Bpi- 
skopalgerechtsame  mit  dem  1687  heimgefallenen  bisher  t.  Mafs- 
bachsohen  MaAbach,  seitdem  Eisenachisohem  Lehn,  als  welches 
es  in  kirchlidier  Bexiehung  dem  Amte  Lichtenberg  unter- 
stellt wurde.  —  Seit  81.  Dec.  1648  bis  Pfingsten  1644  lag 
Hatsfeld  mit  seinen  Truppen  in  Meiningen  und  Ostheim.  Von 
hier  aus  marschierte  er  nach  Torstensons  Siege  bei  Jüter- 
bogk  nach  Böhmen  ab.  —  In  diesem  Jahre  galt  1  Ms.  Korn 
5  Gnscken  (ä  6  Pfg.),  Weisen  8  bts.,  1  Eimer  Bier  1  fl. 
Ein  Acker  Wald  im  Hildenberger  Höhn  wurde  für  1  fl.  Tcr- 
kauft. 

Im  Jahre  1645  war  im  Amtsbezirke  kein  Kaiserlicher  su 
sehen. 

1646  lag  vom  32.  März  bis  28.  Mai  Brzhersog  Leopold 
mit  österreichisehen  Kriegsrölkern,  mit  denen  er  yon  Böhmen 
her  gekommen  war,  in  Ostheim  und  Umgegend.  Stetten  allein 
hatte  189  iL  8  btz.  eigene  Binquartierungskosten,  und  muCite 
auTbordem  nach  Ostheim  liefern:  222  IL  bar,  124  Ctr.  69 
Pfd.  Brot,  80  Ctr.  77  Pfd.  Fleisch,  826^4  Ctr.  Heu,  28  Ctr. 
Stroh,  180  Eimer  Bier.  Einen  solchen  Aderlals  würde  eine 
Gemeinde   schon   in   normalen  Zeiten   empfindlich  spüren! 

1647  lag  Tom  26.  April  bis  in  den  Mai  hinein  das  kron- 
schwedische Leibregiment  in  der  Gegend;  für  Stetten  be- 
trugen die  Kosten  2686  fl.  18  gr.  Merkwürdigerweise  scheint 
bei  diesem  Begimente  wieder  auf  strenge  Mannszucht  ge- 
halten worden  zu  sein.  Am  8.  Mai  wurde  in  Ostheim  ein 
^Soldatenjunge''  begraben,  der  in  Wilmarser  Plur  von  einem 
Beiter   durch   den  Kopf  geschossen   und  8  Tage   darauf  ge* 


1X8  ^<^  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Bhdn. 

Btorbeo  war ;  am  4.  Mai  wurde  der  Beiter  anf  dem  Taniberge 
erschossen  und  eingescharrt.  Und  am  81.  Mai  worde  ein 
böhmischer  Beiter,  wie  sie  zu  Tausenden  im  schwedischen 
Heere  dienten»  y^propter  stuprum  violentum"  Torm  Thore 
„o^chibusiref^  und  auf  dem  Gottesacker  begraben.  —  Vom 
80.  Noyember  bis  9.  December  lagen  wieder  bald  kaiserliche, 
bald  schwedische  B«gimentei  im  Amte.  Die  letzte  Stettener 
Kriegskostenrechnung  (von  Petri  1647  bis  dahin  1648),  in 
welcher  die  vom  18.  Dea  bis  22.  Jan.  in  Ostheim  gelegenen 
kaiserliehen  Regimenter  die  Hauptrolle  spielen,  zählt  an 
Lieferungen  auf:  144  Otr.  28  Pfd.  Fleisch;  2  Binder,  2 
Kälber  etc.,  124  Mit  7  Ms.  Korn,  58  Mit  1  Ms.  Weizen, 
482  Mit  6  Ms.  Hafer,  8080  Otr.  Heu,  1886  Otr.  Stroh, 
175  fl.  11  gr.  bar,  ohne  die  Douceure  für  die  Stabsoffiziere. 
Es  hat  indes  keine  dieser  Truppen  geplündert,  auch  die 
Kroaten  nicht 

1648  am  24.  Oktober  wurde  in  Münster  der  Friede  un- 
terzeichnet^), Schweden  und  Frankreich  aber  liefsen  als  Ga- 
rantiemächte ihre  Heere  noch  bis  1650  im  Lande.  Der  end- 
giltige  Friede  wurde  am  26.  Juni  1650  in  Nürnberg  ge- 
schlossen; am  19.  August  wurde  das  Friedensfest  gefeiert 
Alle  Gegenden  des  Beiches  wurden  seit  dem  FriedensschluTs 
unsicher  gemacht  von  den  —  meist  sehr  gegen  ihren  Wunsch 
—  entlassenen  Truppen ;  sie  waren  allzusehr  yerroht  und  des 
Baubens  und  Pltindems  zu  sehr  gewohnt  In  Ostheim  wurden 
noch  1649  aufser  26  Soldaten,  Soldatenweibem  und  -Kindern 
auch  85  Personen  begraben,  die  dahin  „geflöhnf'  waren:  6 
aus  Wilmars,  5  aus  Stettlingen,  je  4  aus  Helmershausen  und 
Hermannsfeld,  je  8  aus  XJrspringen  und  Sülzfeld,  je  2  aus 
Meiningen    und  Völkershausen ,   die   übrigen  6  aus  Walldorf, 


1)  Paul  Oerbard  sang  dsmals:  Gottlob  nun  ist  erschollen  das  edle 
Fried-  und  Frendenwort,  dafs  nunmehr  rohen  sollen  die  Spiefte,  Schwerter 
und  ihr  Mord!  und  Martin  Binckart:  Nun  danket  alle  Gott!  Der  Papst 
aber  verdammte  den  Frieden;  erst  sollte  das  Ketzertnm  gans  aasgetilgt 
werden,  mochte  darOber  aach  der  letzte  deutsche  KaAolik  mit  yerderben  t 
Was  kflmmerte  den  Italiener  das  deutsche  Volk? 


Dm  eh«malSge  Amt  Lichtenberg  Tor  der  Rhön.  1X9 

Hennaberg,  Mafsfeld,  MeUrichstadt»  ünterwaldbehrangeo  and 
Schafhansen. 

Nach  dem  Friedenssohlnsse  schickte  jede  Gemeinde  ihre 
Kostenrechnung  an  das  Amt  ein;  Yon  diesem  worden  die 
Kosten  unter  die  Gemeinden  nach  deren  Kräften  so  yerteilt^ 
dafs  die  weniger  mitgenommenen  den  schwerer  heimgesuchten 
herauszuzahlen  hatten. 

Wie  sah  es  jetzt,  abgesehen  von  der  sittlichen  Verwil- 
derung und  Verrohung  ^),  im  Lande  aus!  Städte  und  Dörfer 
entvölkert'),  die  Gebäude  in  Schutt  und  Trümmern,  manche 
Orte,  wie  Moor  auf  der  Rhön,  Euhberg  bei  Zella,  Engelsberg 
bei  Unterweid  ganz  wüste  und  für  immer  verlassen,  drei 
Viertel  des  Ackerlandes  von  Domen  und  Disteln  überwuchert! 
Im  Herpfgrunde  geht  die  Sage,  dafs  von  allem  Vieh  des 
ganzen  Grundes  nur  eine  einzige  trächtige  Kuh,  aus  der 
Weihersmühle  bei  Gerthausen,  in  den  Plünderungen  erhalten 
geblieben  sei,  indem  der  Müller  sie  im  hohen  Grase  am 
Brunnen  versteckt  habe;  diese  Kuh  sei  die  Stammutter  des 
ganzen  späteren  Yiehstandes  im  Herpfgrunde  geworden.  Ja, 
wenn  es  irgendwo  bei  einem  feindlichen  Überfalle  geblieben 
wäre! 


Sehr  langsam  vernarbten  die  tiefen  Wunden,  die  der 
Krieg  dem  Lande  geschlagen.     Noch  lange  durchzogen  ganze 

1)  Ein  Beispiel  der  ZostAnde,  welche  der  langwierige  Krieg  neeh 
dieser  Seite  im  Gefolge  hatte:  In  ürspringen  werde  1650  ein  Kind  ge- 
teuft, das  Sdhnehen  „eines  Arts  and  defien  Fran  Margarethe,  welche  her- 
oacher  von  ihrem  mann  verstoBen  und  sich  wieder  anhero  gewendet  mit 
ihren  kinden,  der  genBe  dne  Zeitweil  gehUttet", 

t)  1650  am  15.  Febr.  beschloß  in  Nürnberg  die  frSnkisohe  Kreis- 
Tersammlong  mit  Zustimmung  der  Kirchenffir sten,  am  eine 
schnellere  Zunahme  der  Beydlkerung  herbeisuführen  und  die  aus  dem 
mftnnermordenden  Kriege  fibrig  gebUebene  t^benahl  yon  Frauen  und 
Uftdchen  su  versorgen,  auch  den  katholischen  Pfiurrem  die  Ehe  und  aUen 
Minnem  zwei  Weiber  su  erlauben  (Wolfgang  Mensel,  Gesch.  der  Deut- 
schen n,  8.  eM). 


120  ^'^  ehemalige  Amt  Liditenberg  yor  der  RhSn. 

Bettlersoharen  die  Dörfer,  die  doob  alle  der  eigenen  Armmt 
genug  hatten,  in  Haufen  kamen  „Vaganten",  zu  denen  ent- 
lassene und  inyalide  Soldaten  das  Hauptkontingent  stellten, 
aus  weitester  Feme  kamen  „Verbrannte'',  die  um  Beiträge 
zum  Wiederaufbau  ihrer  Wohnungen  bettelten.  Aber  sohon 
sah  man  auQh  mit  neuer  Hoffnung  wieder  der  Zukunft  ent- 
gegen. Das  bezeugen  schon  die  yielen  Zechgelegenheüen^ 
von  denen  Qemeindereohnungen  und  andere  Aufzeichnungen 
berichten.  Die  Häuser  erstanden  wieder  aus  den  Trümmern, 
die  ausgebrannten  oder  ausgeraubten  Kirchen  wurden  zum 
Gottesdienste  wieder  hergerichtet.  Überall  fehlten  die  Orgeln, 
da  das  Metall  derselben  weggeschleppt  und  von  den  Beute- 
trödlern versilbert  worden  war;  alles  Holzwerk  hatte  zu 
Lagerfeuern  dienen  müssen.  Zu  eigentlichen  Orgeln  fehlte 
freilich  das  Geld,  man  mufste  sich  mit  „Orgelweroklein^'  (Po- 
sitiven) begnügen  —  so  war  es  wenigstens  in  Ostheim,  Sond- 
heim, Stetten,  Helmershausen,  Kaltenwestheim.  Erst  gegen 
Ausgang  des  Jahrhunderts  wurden  diese  fast  überall  durch 
gröfsere  Werke  ersetzt. 

Im  Jahre  1662  starb  Herzog  Wilhelm  U. ;  das  Fürsten- 
tum Eisenachy  zu  welchem  2  Jahre  vorher  bei  der  endlichen 
Teilung  der  henneberger  Erbländer  das  Amt  Kaltennordheim 
geschlagen  worden  war,  fiel  seinen  Söhnen  Joh.  Ernst  L  (in 
Weimar),  Adolf  Wilhelm  (in  Eisenach)  Joh.  Georg  L  (in 
ICarksuhl)  und  Bernhard  (in  Jena)  zu,  welche  einen  gemein- 
schaftlichen „Oberaufseher*'  (v.  Prüschenk)  für  das  Eisenacher 
Gebiet  in  Eisenach  installierten. 

Am  24.  Juni  1666  unterzeichnete  Herzog  Adolf  Wilhelm 
auf  Lichtenberg  den  Ablösungsvertrag  mit  den  Amts- 
unterthanen  wegen  der  Wein-  und  Getreidefuhren  und 
Jagdfronen.  Im  Jahre  1667  meldete  er  sich  wieder  mit  Fa- 
milie und  Hofstaat  („uf  die  etzlieh  dreißig  Persohnen")  für 
Mitte  Juni  auf  Lichtenberg  an.  Es  wurde  deshalb  in  Ost- 
heim viel  Bier  gebraut,  welches  die  „Herrn  firöhner"  (die 
Inhaber  der  17  Ostheimer  herrschaftlichen  Lehnhöfe)  „wider 
willen",   aber  doch  gegen  das  Versprechen,   dafs  diese  Fron 


Dm  elMmalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rhön.  X21 

nicht  anfgesohrieben  werden  and  nicht  zum  Präjudii  gereichen 
solle,  hinauf  fahren  nmfsteD.  Die  Stadt  lieferte  17  yoUetän- 
dige  Betten»  zu  denen  die  Bürger  die  einzelnen  Stücke  bei- 
tragen« Die  Amtsdörfer  hatten  abwechselnd  täglich  einen^ 
Wagen  za  schicken,  der  das  nötige  Wasser  yom  Rappacher 
Brannen  (welches  Unheil  mag  das  anter  den  Tornehmen 
G8sten  angerichtet  haben !)  hinaaf  fahr«  Das  Fleisch  lieferte 
Hans  Leister  als  „Ho&chlächter'^  das  Brot  Michel  Stampf  als 
„Hofbäoker";  beides  warde  jeden  Morgen  ,,yon  den  Wit- 
beibem  and  Mägden  hinaaf  getragen ,  and  bekäme  eine  1 
brötlein'^  Während  dieses  Besaches  wurde  das  »»Losthaas*^ 
am  Höhn  angerichtet,  Mahlzeiten  dort  gehalten,  Spiele  im 
damaligen  Geschmack  angestellt,  nach  „Scheaben^'  geschossen, 
and  dazu  wohl  auch  einer  oder  zwei  der  besten  Schützen  des 
Ansschosses  zagezogen.  Aaf  den  S.  Pfingstfeiertag  warde  der 
Hof  nebst  ganzem  Hofistaat  vom  Stadtrat  aaf  dem  Bathaase 
„gastirt",  wobei  fast  der  ganze  Ortsadel  sich  beteiligte.  „Alle 
Masikanten  maßten  af?rarten,  nffm  Marck  wardete  der  aaß- 
Schaft  af,  and  wahren  auch  die  Doppel  Hacken  affm  Rath 
Haaft  anter  wärenden  Trincken  loft  gebrend,  dayon  auch  1 
zersprenget  and  halt  groften  Bchaden  gethan''.  Am  Morgen 
dea  Tages,  als  nach  siebenwöcbentlichem  Aafenthalte  aaf  der 
Burg  die  Herrschaft  wieder  abreiste,  gingen  die  Oemeinde- 
diener  mit  dem  Stadtschreiber  hinauf^  die  Betten  auf  2  Wagen 
wieder  herabzasohaffen ;  auf  dem  Bathause  sachte  jeder  Bürger 
das  Seinige  heraus,  „und  mangelte  nit  1  stück" !  —  Im  April 
des  folgenden  Jabres  forderten  die  beiden  Amtsinspektoren 
Schmidt  und  Wagner  abermals  die  Lieferung  yon  Betten  auf 
die  Burg,  da  der  Eammeryerwalter,  der  Landhauptmann  und 
andere  yomehme  Leute  ehestes  Tages  kommen  würden,  allein 
man  erklärte,  „das  es  nit  herkommens,  und  ein  gebrauch 
darauft  werden  dürfte;  unterbliebe  also,  und  geschähe  nitt'V 
Am  Mittwoch  den  17.  Juni  kam  der  Herzog  selbst,  mit  15 
Pferden,  und  brachte  den  neuen  Landhauptmann,  Obristwacht- 
meister  Friedrich  Beiser  y.  Eisenbergk,  den  neuen  Amtmann 
Heher  und   yiele  Hofbeamte   mit;   9  Tage  später  kam  auch 


122  ^'^  ehemalige  Amt  Liehteoberg  vor  der  Bhdn. 

der  OberanfBeher  t.  Prüsohenk.  Sonnabend  den  27.  Juni 
wurde  Heher  auf  dem  Bathaoee  feierlich  in  sein  Amt  einge- 
führt, wozu  die  Oeietlioben,  Sohulmeister,  Stadt*  und  Dorf- 
sohultheiXsen  y  die  (amtasäesigen)  Edelleute  und  die  y,Freien" 
(Ereitassen)  geladen  waren.  Auch  der  ganse  AusschufB  ans 
dem  Amte  mofste  vor  dem  Bathanse  antreten.  Nach  Been- 
digung der  Feierlichkeit  stellte  der  Oberaufseher  auf  dem 
Tansberge  dem  Ausschüsse  den  neuen  Landhauptmann  vor 
und  fuhr  nach  der  Burg  hinauf.  Hierauf  mufsten  die  Mann- 
scbaftCD,  wie  ihre  Namen  aus  der  Bolle  yerlesen  wurden, 
rotten  weise  vor  den  an  einer  weifsgedeckten  Tafel  unter  den 
Linden  sitzenden  Herren  Torübermarschieren ,  worauf  der 
Laudhauptmaun  den  neuen  Leutnant  Tob.  Fahler  vorstellte^ 
Tom  Stadtschreiber  die  fürstL  Kriegsordnung  yerlesen  und  die 
Mannschaften  schwören  liefs.  Nachdem  er  sie  dann  „etslich 
stundlang"  hatte  exercieren  lassen  und  ein  starker  Bogen 
dem  ein  Bnde  machte,  marschierte  der  Ausschufs  in  die  Stadt, 
lieferte  die  Fahne  in  das  Bathaus  ab  und  labte  sich  dann 
an  einer  splendiden  Mahlzeit,  die  im  ganzen  22  fL  15  gr. 
10  pfg.  kostete.  Am  Dienstag  darauf  mit  dem  frühesten  fuhr 
der  Herzog  wieder  ab,  nach  Kaltensundheim ;  in  Kaltennord* 
heim  nahm  der  Landhauptmann  dieselben  Feierlichkeiten  mit 
dem  dortigen  Ausschusse  vor. 

Am  21.  Nov.  desselben  Jahres  starb  Herzog  Adolf  Wil- 
helm. Bs  blieb  zunächst  bei  der  gemeinschaftlichen  Begierung 
der  drei  noch  übrigen  Brüder. 

Am  16.  Noyember  kamen  die  gewesenen  Amtsinspektoren 
Schmidt  und  Wagner  in  Ostheim  mit  einer  grofsen  Schachtel 
voll  Pergamenturkanden  mit  groDsen  Siegelkapseln  auf  das 
Batbaus  und  berichteten  dem  Magistrat,  daTs  die  Schwein- 
furter  Schuld  Ton  29  000  fLy  die  in  der  Kriegszeit  die  Herr- 
schaft für  das  Amt  aufgenommen  hatte,  nun  ganz  abgetragen 
^h  tybegahreten,  solche  wichtige  wißenschaft  in  das  gemeine 
Stadtprotokol  einzuverleiben ,  und  geschähe  darauf  eine  gute 
Zech". 

Nachdem    1671    der    noch   nicht  dreijährige   Sohn  des 


Dag  «hMiuUige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rhöo.  128 

Hersogs  Adolf  Wilhelm,  Wilhelm  August,  gestorben  war,  er- 
hielt Johann  Georg,  der  nun  seine  Residens  Ton  ICarksnhl 
naeh  Bisenach  yerlegte,  das  Fürstentum  zu  alleinigem  Besiti. 
Sogleich  lieüs  er,  der  mit  Leib  und  Seele  Soldat  war  (1674 
wurde  er  Yom  Kaiser  zum  Generalfeldmarsohall  ernannt),  die 
Liditenburg  stärker  befestigen.  Seit  dem  Bauernkriege  war 
aufser  der  Erneuerung  des  äufseren  Thores  1618  wohl  wenig 
dazu  geschehen.  Da  aber  jetzt  (1672)  ein  Krieg  zwischen 
dem  Kaiser  und  dem  König  Ludwig  XIV.  von  Frankreich  un- 
vermeidlich schien,  hielt  es  der  Herzog  doch  für  geraten,  auch 
<iie  Lichtenburg  noch  einmal  in  einigermaDsen  verteidigungs- 
fähigen  Zustand  zu  bringen.  Die  Ringmauern  wurden  mit  6 
neuen  Blockhäusern  besetzt,  der  äufsere  Wall  ausgegraben, 
«in  neues  Aufsenwerk  angelegt,  ein  neues  eisenbeschlagenes 
Thor  (1830  erst  entfernt)  eingehängt  und  dergleichen  mehr 
ins  Werk  gesetzt  „Die  Dorfschaften  im  Hindergericht  thaten 
nichts  daran,  weiten  es  Tor  flickwerck  achten,  musten  aber 
«ndlich  auch  dazu  und  widerumb  rück  alß  beysteuer  dem 
Vorgericht  liefern,  bekam  Ostheim  7  fl.«  Auch  eine  klein» 
Besatzung  wurde  in  die  Burg  gelegt  — 

Im  Jahre  1677  am  Himmelfahrtheiligabend  kam  die 
Frau  Herzogin  von  Ulm  her,  bis  wohin  sie  ihren  nach  Ungarn 
in  den  Krieg  ziehenden  Gemahl  begleitet  hatte,  mit  den  beiden 
Prinzen  und  den  Prinzessinnen  auf  Lichtenberg  an ;  am  Himmel- 
fahrtstage besuchte  sie  mit  ihrem  Hofstaate  den  Gottesdienst 
in  Ostheim.  Der  Stadtrat  „verehrte"  ihr  während  ihrer  An- 
wesenheit einen  halben  Eimer  Wein,  das  Mals  zu  3  Schilling, 
3  Eimer  Bier,  „1  Sugkalb*'  und  2  Lämmer;  „waB  weitters 
ufgangen  wurd  tou  Hn.  Ambtsschreiber  zahlt".  Am  Freitag 
reiste  sie  weiter. 

Am  5.  Febr.  1679  hatte  der  Kaiser  mit  Ludwig  XIY. 
den  l^jmweger  Frieden  geschlossen;  der  Herzog  ent- 
liels  deshalb  seine  Landeskinder  in  die  Heimat,  nur  60  Mann 
behielt  er  in  Eisenach  zurück.  Da  aber  ein  greiser  Teil  der 
an  der  französischen  Grenze  aufgelösten  und  heimgeschickten 
kaiserlichen  Truppen    durch  Franken   kam,   und   im  Juli  ein 

ivn.  9 


124  ^**  ehemalig«  Amt  Lichtenberg  tot  der  Bhdn. 

groCBer  Zug  nch  dem  Amte  Liohtenberg  näherte,  schickte  er 
jene  60  Mann  ,^  Salvaquart  oder  gamisan"  hierher,  wo- 
sie  erat  in  die  Y ordergerichtsdörter ,  dann  nach  Oitheim  ge* 
legt  worden.  Acht  Tage  darauf  ,,da  kahme  ein  geschrey^ 
die  Völoker  weiten  im  Hindern  gerichts  Dorffsohafften  ein-^ 
fiailen^%  weshalb  die  kleine  Trappe  eilig  dahin  aufbrechen 
mnlste.  Noch  hatten  sie  am  anderen  Tage  (Sonnabend  vor 
dem  BartholomSimarkt)  nicht  ihr  Quartier  wieder  bezogen,  da 
rückte  ein  Eapitänleutnant  Staffel  mit  48  Mann  ein,  lief» 
sofort  die  Stadtthore  schliefsen  und  yerlangte  von  jenen  60 
gebieterisch,  sich  unterstecken  zu  lassen  und  weiter  zu  dienen.. 
Als  sie  sich  dessen  weigerten,  wurden  sie  entwaffnet  und  in< 
die  obere  Ratsstube  gesperrt,  ans  welcher  Torher  der  herr» 
schaftliehe  Mehlyorrat  auf  den  Boden  hinauf  geschafft  worden« 
war.  Tor  der  Thür  der  Batsstube  wie  auch  yor  dem  Bat- 
hause wurde  eine  starke  Wache  aufgestellt.  Die  Bürger,  bei- 
denen  die  Eingesperrten  ihre  Quartiere  hatten,  brachten  den 
müde,  hungrig  und  durstig  angekommenen  Leuten  trotz  aus- 
drücklichen Verbots  Essen  und  Trinken  hinein.  Die  Arre» 
stauten  fluchten  und  „schmähleten^'  über  die  ihnen  widerfahrene^ 
Behandlung,  und  der  Tumult  wurde  so  stark  —  einer  soll 
sogar  mit  einem  eingeschmuggelten  „Puffer''  auf  die  Wache 
gefeuert  haben  —  dafs  diese  unter  sie  schofs.  Auch  der 
Eapitänleutnant  kommt,  mit  8  Pistolen  bewaffnet,  dazu, 
„schlägt,  scheuist  und  sticht  auch  druf*.  Als  nun  Licht 
herbeigebracht  wurde,  sah  man  den  27-jährigen  Bürger  Hans^ 
Keller  yon  8  (nach  dem  Eirchenbuche  7)  Kugeln  durchbohrt 
eamt  seinem  Soldaten  tot  neben  der yordersten Säule  liegen;  ein 
anderer  Soldat  starb  noch  in  der  Nacht,  2  waren  yerwundet. 
Die  „Anfänger^  des  Tumultes  wurden  yerhaftet  und  in  die- 
beiden  Narrenhäuser  gesteckt;  der  ganze  Ausschufs  und  ein 
Teil  der  Bürger  mufste  die  Nacht  über  auf  dem  Markte  unter 
Gewehr  stehen.  Am  nächsten  Morgen  (Sonntag)  wurden  die 
beiden  toten  Soldaten  „sine  luee,  sine  erucef*  eingescharrt». 
Hans  Keller  aber  am  Mittag  mit  allen  Ehren  begraben,     um. 


L       _ 


Dm  «heiMdif»  AiBt  Lfehtonberg  tot  d«r  BhSn.  12& 

9  ühr  waren  die  Arrestanten,  je  8  swisohen  je  8  uod  8  Mos- 
katieren  nach  Eibttadt  abgeführt  worden ,  wo  der  Stab  Ton 
Steffels  Begiment  lag.  Einer  von  ihnen  ist  dort  ^ßuxrpusirf*^ 
worden ;  ein  anderer  wehrte  sieh  gegen  die  Exekution»  wollte 
sieh  nieht  ansjaehen,  sich  nicht  die  Augen  rerbinden  lassen^ 
nicht  niederknien  etc.,  dafs  er  endlich  begnadigt  wurde; 
dessenungeachtet  lieft  Staffel  ihn  anderen  Tags  eigenmächtig 
erschielsen.  Einige  Tage  nach  jenem  Vor&ll  kam  Hofmar- 
6chall  Yon  Biedesel  und  ein  Herr  Knackh  von  Eisenach  nach 
Ostheim,  von  wo  sie  dem  Begimente  bis  Königsee  nachreisten, 
um  ee  lurüek  lu  beordern.  Am  4.  September  kam  der  Hersog 
selbst  nach  Ostheim,  als  auch  das  Begiment  einrückte.  Als 
es  mit  fliegenden  Fahnen,  die  sich  vor  dem  auf  dem  Bat- 
hausaltan stehenden  Herzog  neigten,  durchgezogen  war,  „mar- 
chirten  sie  hinauB  inft  Steüdig  neben  der  öpts  bundt  uf  die 
Wiese,  schlugen  aldo  ein  läger  uff,  in  2  BadaUien,  und  wurde 
die  Wiesen  ToUer  Qezelt  gemacht^.  Dazu  mufste  das  Yorder- 
geiicht  30  Fuder  Stroh  und  80  Klafter  Holz  liefern.  Tags 
darauf,  Sonnabend,  „gastierte''  der  Herzog  das  Begiment;  die 
Stadt  mufste  dazu  24  Vt  Eimer  2  Ms  Wein ,  die  Dörfbr  2 
„film  Ochßen'<  beischaffen,  was  in  Summa  178  Thlr.  8  Bti. 
11  Pf.  Kosten  yerursachte.  Am  Sonntag  firüh  zog  das  Be- 
giment nach  Gersfeld  zu  ab ;  jedem  Kranken  hatte  Dr.  KHng- 
hammer  etwas  Labung  mitgegeben.  Mittags  reiste  auch  der 
Herzog  ab,  der  letzte  fürstliche  Gast,  den  die  Burg  beher- 
bergt hat  —  Am  28.  NoTcmber  wurde  das  Friedensfest  ge- 
feiert. — 

Im  Jahre  1680wurde  der  Sitz  desAmtes  von 
der  Burg  in  die  Stadt  verlegt,  da  trotz  der  vor  weni- 
gen Jahren  ausgeführten  Neubefestigung  sie  selbst  dem  Ver- 
falle immer  mehr  entgegenging.  Auch  das  Inventar  befand 
sidi  seit  dem  bösen  Jahre  1634  in  einem  traurigen  Zustande ; 
ea  zu  erneuern  oder  zu  vervollständigen,  hatte  man  sich  an- 
gesichts dieses  Verfalles  auch  nicht  veranlaXst  gesehen. 

Nachdem    1645   der   Amtmann    Kas.  Chr.  v.  Stein   zum 


126  ^<^*  ehemalige  Amt  Lichtenberg  Tor  der  Bhdn. 

Altenstein  ein  InTentarverzeiohiiiB  ^)  eingereioht  hatte^ 
stellte  im  Jahre  1663  Amttverwalter  Schmidt  ein  neues, 
ausführlicheres  ,,InTentarium  derer  Mobilien  und  Mo* 
yentien«  nebst  Anschlagspreisen  auf,  aus  dem  man  wieder 
sieht»  wie  alt  und  verfallen  alles  war'),   wie  auch  die  ganze 


1)  Ad  Zinegetreide  leg  damals  auf  den  Bdden:  878  Mit.  Korn, 
168  Mit.  Hafer,  etwas  Gerate,  Wicken  and  Linsen.  Der  Keller  enthielt 
19  Fnder  97^  Eimer  Wein.  ,,VoIget  nohn,  was  an  anderer  Fahmnas 
uAn  Ffirstl.  Ambthaofi  beyhanden:  8  Himmelbett,  worander  2  grfin  an- 
gestrichen, 6  schlechte  Himmelbett,  1  Himmelbett  mit  eingelegtem  holtz 
in  der  f&rstl.  Schlaffkammer,  8  schlechte  spanbett,  1  bett  Gasten,  1 
lange  Vorbanck,  1  lange  alte  tafel  in  der  großen  stneben,  18  knrtse  stoel 
umb  die  Tafel,  welche  im  Keys,  einfall  aS  1684  theilA  serschlagen  worden 
und  hinweg  kommen,  8  Datset  newe  bencklein,  so  aS  1648  bey  lUssimi 
anhero  Knnfft  haben  in  eil  gemacht  werden  mossen,  sind  sehr  bawfellig. 
Ein  groAer  alter  schranck  für  der  stachen,  1  groBe  ranthe  tafel  in  fQrstU 
gemach  stehendt,  8  alte  Tenne  tisch,  1  alte  lange  eichene  tafel  mit  2 
Schaebladen  in  der  Küche  stehendt,  1  lange  tafel  in  dem  alten  Kirchlein, 
1  Bepositor  Schranck  mit  14  Sehabladen,  deren  theils  im  Keys,  einfall 
hinweg  kommen,  in  der  newen  Ambstaeben  stehendt,  mehr  1  schwartse 
tafel  dorinnen.  Eine  eiserne  bawfeJlige  Schlag  übr,  so  nit  gangbahr; 
8  Doppel  Hacken,  al6  ein  eisern  nndt  2  mefiinge,  1  Pfann  im  Wasch- 
haoA,  1  Kefielein  in  der  badsloeben,  1  KeBel  in  der  gesindt  ofen,  defien 
man  sich  sam  Vieh  trencken  gebraachet,  1  Esels  Karren  sampt  der  Zae* 
gehorong,  so  amb  wenigere  Unkosten  willen  an  Stadt  des  abgangenen 
Pferdt  WaBer  Kam  geschafft  worden,  ein  großer  aafigehaubener  stein, 
worinnen  sich  das  WaSer  samlet,  8  Brett  K  äffen,  1  Korn  maas,  1  Hafer 
maas,  wormit  die  erbsins  eingenommen  wird,  1  Romhilder  Korn-  and 
auch  1  solch  Hafermaai,  wirdt  die  sam  Milpers  fellige  fracht  darmit  er- 
hoben." 

2)  Das  lebende  Inventar  bestand  nar  aas  einem  alten  Schimmel, 
einem  alten  Esel,  einem  Paar  alter  Ochsen,  s&mtlich  beim  Wasserfahren 
und  beim  Ackerbau  abgetrieben,  and  einem  Paar  janger  Stiere.  Kühe, 
Schaf-  and  Fedenrieh  gab  es  nicht.  Aus  dem  Verseichnis  der  meist  alten, 
„wandelbahren**,  vermoderten  und  wurmserfressenen  Bettgestelle.  Tische, 
Bftnke  and  Stühle  erflUirt  man,  dafs  es  ein  Fraaensimmer,  eine  Vorder- 
stabe, eine  neae  Vorder-,  eine  nene  Ober-,  eine  hintere,  eine  Tafel-  und 
eine  Badettabe  etc.  gab.  Unter  dem  Mobiliar  sind  aach  „2  neue  Waler- 
sprflts  von  Holts,  so  in  feüers  gefahr  tue  braachen,  costen  1  fl.<»,  anf- 
geführt.  Die  in  beiden  Kellern  und  im  Bandhanse  lagernden  11  Fässer 
—  das  gröfste  la  48  Eimer  „Ostheimer  Eich**  —  fafsten    susammen  840 


Dm  ehemalige  Amt  Lichtenberg  Tor  der  Bhdo.  127 

Sorg  trotz  einiger  oeuhergerioht^ter  Stuben  und  Kammern 
innen  und  anseen  den  Eindruck  des  YerfSalls  gemacht  haben 
mnls«  Die  Zeit  der  Burgen  war  Torüber;  zu  einem  Amt- 
hause  bedurfte  man  keioes  festen  BergschJosses  mehr.  Dazu 
der  für  die  Beamten,  für  die  Amtsinsassen  und  besonders  für 
die  Zinsgetreidewagen  so  beschwerliche  Weg  hinauf  —  wozu 
also  noch  grofse  Kosten  auf  Baulichkeiten  und  Inventar  Ter* 
wenden  ?  Über  kurz  oder  lang  muftte  ja  doch  die  Yerlegung 
des  Amtssitzes  vom  Berge  in  die  Stadt  in  ernstliche  Über- 
legung gezogen  werden,  besonders  da  man  dort  auch  den  sich 
mehrenden  Übergriffen  des  emanoipationslustigen  Ostheimer 
Adels  schneller  und  wirksamer  entgegentreten  konnte.  Die 
Verlegung  des  Amtssitzes  erfolgte  also  im  Jahre  1680.  Auf 
der  Burg  blieben  vorläufig  noch  wohnen  der  Amtsschreiber^ 
der  von  jetzt  an  den  Titel  Amtsvogt  führte  und  die  Qeld- 
und  Getreideeinnahmen  sowie  das  Forstwesen  nun  etwas  selb- 
ständiger zu  verwalten  hatte,  der  „Forstbediente''  oder  „Jäger*',, 
der  Thorwart,  und  die  kleine  Besatzung.  Des  Zinsgetreidea 
und  des  Geldes  wegeo,  welches  der  Amtsvogt  in  Yerwahrung 
hatte,  muTsten  sich  täglich  4  Mann  aus  den  Amtsdörfern 
Torder-  und  Hintergerichts  zur  Wache  einfinden ;  aach  hatten 
sie  das  Getreide  öfter  zu  wenden  und  im  Winter,  soweit 
ihre  Kräfte  dazu  ausreichten,  Bahn  durch  den  Schnee  zu 
schaufeln. 

Wo  der  Amtmann  in  der  Stadt  zuerst  seine  Wohnung 
aufgeschlagen»  ist  ungewifs;  doch  führt  der  Bericht  im  Schlufs- 
protokoU  fiber  die  Einführung  des  Amtmanns  Schellhas  1684 
(s.  u.)  auf  die  Spur.     Präsident  Avemann  erbat  sich,   wie  ea 


Shner  und  waren  iSmtHch  elt  und  fast  nnhranohbar,  4  davon  von  Martii» 
y.  d.  Tann  in  Nordheim  gar  in  geringem  Werte  erkauft,  S  t,iif  gneten 
Befeleh  sne  Zillbach  abgeholt*'.  Auch  die  Und-  und  haotwirtschaftlicheD 
Qerite  waren  in  gani  trostloaem  Zostande.  „8  Mu/k^puUm  aeind  ahn- 
geeehlagen  pro  10  fl.,  und  obwohlen  aoeh  S  Meittnge  Doppelhacken  vor- 
banden,  seind  doch  solche  vor  diesem  bey  einem  von  Adell  entlehnt  und 
sdthero  nicht  wieder  gefordert  worden,  dohero  selbige  oicbt  wohl  in  Ahn* 
ichlag  sne  bringen.*' 


128  !>*•  «bemalige  Amt  Lielitoiib«iv  tot  dar  Rhöo. 

heifBt,  das  Frühstüok  %ub  dem  Bathause  M^inüber  ins  Hm» 
Ambtmaiia  behaoBung''.  Später  wohnten  die  Amtmännw  in 
dem  Amtmann  Tilemannaohen  Hause,  dem  ,^eAbergisehen 
SoUöBchen^.  Aof  Betreiben  der  Bdellente,  welofae  den  Amt- 
mann am  liebsten  wieder  aof  der  Burg  gewuXst  hätten,  kün- 
digte 1715  die  damalige  Besitserin  jenes  Hauses,  Frau  Oberst- 
leutnant Y.  Spefshart,  geb.  v.  Groppendorf,  obgleich  sie  Ton 
den  auf  den  Ankauf  des  Hauses  verwendeten  600  Gulden 
6  ^/o,  nämlich  86  Gulden  Miete  bezog,  ihm  doch  die  Wohnung. 
Daus  er  aber  keine  andere  in  der  Stadt  fand,  dafür  hatte  — 
das  war  öffentliches  Geheimnis  —  der  dem  Amte  stets  auf- 
sässige Adel  schon  gesorgt  Deshalb  wollte  auch  der  Amt- 
mann dnrchaus  das  Haus  nicht  räumen,  obgleich  die  Besitserin 
sogar  mehrmals  die  Hilfe  des  Landesherm  angerufen  hatte, 
bis  dieser  ihm  endlich  streng  befahl,  bis  zur  Vollendung 
eines  lu  erbauenden  neuen  Amthauses  wieder  auf  die  Burg, 
zum  AmtSYogt  Wolf,  zu  ziehen. 

Es  wurden  nun  8  bürgerliche  Hoä:aiten,  der  bisherigen 
Amtmannswohnung  schräg  gegenüber,  angekauft,  die  Gebäude, 
ungeachtet  der  Protestation  des  Adels,  weil  er  nicht  darum 
gefragt  worden  sei,  eingelegt»  und  das  jetzige  Amthaus  er- 
baut Im  Jahre  1719  zog  der  Amtmann  von  der  Burg  wieder 
herab  und  in  das  neue  Haus  ein. 

Etwa  gleichzeitig  mit  dem  Amthause  wurde  auch  das 
Forsthaus  erbaut  und  yom  Jäger,  welcher  dem  Amtsvogt  unter- 
geben blieb,  bezogen. 

Von  nun  an  hauste  der  Amtsvogt  mit  dem  Thorwart 
noch  allein  auf  der  Burg,  und  zwar  fast  noch  ein  ganzes 
Jahrhundert,  bis  1811. 

Im  Jahre  1705  wurde  das  zur  Burg  gehörige  ,,Schlofs- 
gut"  an  die  Stadt  Ostheim  verkauft  für  8600  fl.  bar  und 
65  fl.  Erbzins.  Es  gehörten  dazu  1400  Acker  teilweise  mit 
Obstbäumen  bestandenes  Artland  in  Ostheimer  Flur  mit  der 
Bappacherbrunn-Wiese;  88  Acker  Wiese  in  Melperser  Flur 
(21  Acker  hielt  die  Mühlwiese  und  12  die  Haderwiese),  das 
Hutrecht  im  Höhn  und  7  Klafter  Deputatholz.  — 


Dm  ehemalig«  Amt  Lichtenberg  Tor  der  Bhdn.  129 

Kehren  wir  nun  zu  den  EreigniMen  im  Amtsbezirke 
znrüokl 

Am  11.  März  1681  wurde  grofser  Bufstag  gefeiert  Mwegen 
^es  groBen  Cometen,  so  vom  Deo.  1680  bis  Jan.  1681  sehr 
«chreokltch  anzusehen  war''. 

In  demselben  Jahre  drohte  wieder  einmal  die  Pest»  welohe 
^on  Ungarn  her  gekommen  war,  grofse  Verheerung  anzuriehten. 
Cn  Sondheim,  und  vermutlioh  auch  in  den  anderen  Orten, 
lieb  sich  ein  Pestilenzprediger  hören,  und  noch  1682  erschien 
•ein  fürstL  Pestpatent  *).  — 

Schon  1664  hatte  Joh.  Ernst  I.  von  Sachsen- Weimar  die 
Abschaffung  der  wie  im  Würzburgischen,  so  auch  in  den  säch- 
sischen Grenzgegenden  allein  üblichen  Sonntagsmärkte 
4ingeordnet;  auf  die  Vorstellungen  der  betroffenen  Orte  hin 
iiefs  man  es  ßj^er  bei  dem  Herkommen.  Die  Geistlichkeit 
<les  Amtes  aber,  Cotta  in  Sondheim  an  der  Spitze,  Iiefs  nicht 
Aach  mit  unaufhörlichen  Klagen  über  die  Nachteile  der  Sonn- 
tagsmärkte für  das  kirchliche  und  sittliche  Leben,  bis  endlich 
am  19.  Juli  1692,  Ootta  triumphieren  konnte:  „Soli  deo 
^lorial  ecelesiae  mtlitanU  victarial'^  Nun  baten  die  be- 
troffenen Orte  (zu  den^i  auch  Ealtennordheim  gehörte)  die 
^eisenachische  Eegierung,  sie  möchte  sich  wenigstens  bei  der 
würzbargischen  dafür  verwenden,  dafs  auch  dort  die  Märkte 
•auf  Wochentage  yerlegt  würden.  Das  that  sie  denn  auch 
4mä  sie  erntete  auch  vom  Bischof  Joh.  Gottfried  die  leb- 
iiaftoste  Anerkennung  ihres  christlichen  Eifers,  allein  etc.  etc. 
—  kurz,  seinen  Marktorten  liels  er  nun  erst  recht  die  Sonn- 
iagsmärkte.  Die  Märkte  Ostheims,  Sondheims,  Ealtensund- 
Jieims  und  Helmershausens  haben  dadurch  viel  verloren,  und 
l>esonder8  seit  in  neuerer  Zeit  (1S49)  Ostheim  seine  Sonntags- 
märkte  sich  wiederzuerringen  verstanden  hat,  hat  Sondheim 
Icaum  noch  Veranlassung,  sich  einen  Marktflecken  zu  nennen. 

Inzwischen  waren,  seit  dem  Nym weger  Frieden,  auch  im 


1)  Alt  Beispiel  eines  solchen  s.  dms  gothAische  in  Bndolpbi  Gothn 
^pl.  IV.  löO. 


130  ^M  ehemalige  Amt  Lichtenberg  ror  der  RhSn. 

YölkerlebeD  unruhige  Zeiten  gewesen,  „man  höret  von  nicht» 
alß  Krieg  u.  Kriegsgeschrey"!  Es  war  die  Zeit  der 
Wegnahme  Straiaburge,  der  Verwüstung  Heidelbergs  und  der 
Pfolz  durch  die  Franzosen,  der  Belagerung  Wiens  durch  die 
Türken  etc.  —  Um  Weihnachten  1692  ging  der  Franzose  vor 
Bheinfels  und  bombardierte  es,  „das  man  alle  canonen  Schuß» 
alhier  Zehlen  und  yernehmen  kunde'^ 

Auch  in  der  Natur  schienen  bedenkliche  Beyolutionen 
vorzugehen*). 

1692  hatte  es  auch  grofse  Teuerung  gegeben,  die  noch 
yermehrt  worden  war  durch  die  „continuirliche  Erieges- 
fnarchs'*  yerschiedener  Armeen,  besonders  der  kursächsischen^ 
durch  welche  „die  conservirte  frucht  erst  folgents  consumiret 
und  aufgefressen''  wurde.  Auch  der  Wein  war  seit  etlichen 
Jahren  mifsraten;  1  Mals  alter  kostete  7  Schillinge,  zuletzt 
6  Batzen.  — 

In   demselben  Jahre    sah   sich   auch  der  Nachfolger   de» 


1)  „Es  geschahen  grellliche  Brdbehen  hin  und  wieder  and  fMt  in 
mllen  Königreichen  nnd  Lftndem,  wie  denn  in  SeieüUa  bey  einem  Erd> 
beeben  100  000  Menschen  fimb  kommen,  nnd  solte  sich  der  Erdboden  biB* 
19  Meilen  lang  Ton  einander  gespalten  und  alles  Tersencket  haben.  In 
dem  1698  Jahr  darauf  d.  81.  Julij,  alü  lu  vor  etliche  Wochen  eine  seh^ 
fast  unertrXgliche  Hitae  gewesen,  kam  des  abends  gegen  7  und  8  Uhren 
ein  grausamm  nnd  schreckliches  Gewitter,  welches  mit  kontinuirlicheok 
blitsen  angehalten,  das  es  fast  nicht  aufgehöret.  Jederman  Termelnde,. 
es  wfirde  der  Jfingste  tag  kommen.  Darauf  ein  graosammer  staroker 
Sturm  Wind  gefolget,  so  alhier  etliche  100  fruchtbare  bäume  fimbgeriBen,. 
groien  Schaden  in  den  Wäldern  gethan,  alle  groBen  hafer-  und  Erbes 
Hauffen  fimbgeriAen,  in  der  Luft  weggeführet,  die  gelege  untereinander 
gemenget,  das  Keiner  gewust,  was  seyn  war,  die  Heuser  und  Kirchen- 
dicher  abgedecket,  uf  Lichtenberg  ein  gants  steinern  gebefi  eingerissen, 
das  der  Schade  mit  400  Thlr.  nicht  su  ersetsen ;  in  Snndhelm  11,  %n 
Ubrspringen  18  gebeü  eingeworfen.  Den  18  Aug.  war  dergleichen  ge- 
witter  mit  einem  solchen  grofien  Sturm  Winde,  der  auch  viel  bäume,  im 
Warthaug  58,  im  Appenslohe  58  Stimme  Ümbgerissen,  das  grumet  in 
der  lufit  weggeflihret,  alles  untereinander  gemisohet,  Tiel  Fuder,  so  heim 
geffihret  worden,  mit  saropt  dem  Wagen  umbgeriBen,  in  Summa  es  ist 
nicht  alles  su  beschreiben**  (S). 


Dm  •hemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  RhSo. 


131 


1686  yerst  Herzogs  Joh.  Georg  I»,  Joh.  Georg  II..  deeeen 
Kasse  duroh  die  unaufhörlichen  Rüstungen  erschöpft  war,  ge- 
nötigt, die  für  damalige  Yerhältoisse  sehr  grofse  Summe  Ton 
7&400  Thlr.  bei  Heinrich  t.  d.  Tann,  Bitterhauptmann  des 
Bitterorts  Bhön-Werra,  später  Direktor  des  ganzen  fränkischen 
Bitterkreises y   auf  12  Jahre   zu  leiben,   wofür  er  ihm  aulser 


'iSundkam  . 


....  CnJt. 


\    9^     * 


anderen  Einkünften  die  Orte  Kaltensundheim,  Mittelsdorf,  West- 
heim.  Erben-  und  Beichenhausen,  Ober-  und  ünterweid  über- 
liels.  Die  genannte  Summe  hatte  er  in  folgenden  Posten  er- 
halten: 1)  2000  Thlr.  auf  20  Jahre  laut  Bezefs  vom  22.  Okt. 
1692,  für  welche  er  dem  Herrn  y.  d.  Tann  die  Eoppeljagd^ 
,,yeraccordirte";  2)  8000  Thlr.  laut  Bezefs  Tom  25.  Okt.  1695 
»»gegen  Pension  auf  die  Unterweider  Intraden  yersichert"; 
3)  60  000  Thlr.  laut  „Wiederkauffs  RecessiiS*'  yom  12.  Juni 
1698,  „worfor  die  Intraden  auf  12  Jahre  yeraccordirt*',  und. 


182  ^M  ehemalige  Amt  Lichtenberg  Tor  der  BbSn. 

^000  Thlr.  laut  EeEofs  Tom    4.  Febr.  1696  „gegen   Pension 
«nf  die  WaldgeAUe  und  das  Kammergut  veniohert^. 

Über  nftbere  Einselbestimmangen  bei  diesem  Arntngement 
fanden  Yerbandlnngeu  am  25.  und  26.  Jnni  1698  im  Amt- 
hause in  Kaltennordheim  statt;  eisenaeberseits  war  dazu  Hof- 
rat Schellhas  (frtLher  licbtenbg.  Amtmann),  Kammerrat  Andr. 
Bosa  und  Landrentmeister  Job.  Burkb.  Fick  abgeordnet.  Bati- 
fixiert  wurde  der  Vertrag  vom  Hersog  am  4.  Aug.  1693. 
Für  die  Zeit  dieses  ,,Tanniscben  Wied  erkaufs"  be- 
hielt er  sieb  nur  die  jwra  ^iseopaUa  über  die  verpfändeten 
Orte  und  die  landesberriicben  Beohte  über  den  ^yAusscbuTs*' 
(die  Milii)  dieses  Bezirk*  vor.  Es  wurde  nun  neben  dem 
säobsisoben  Oentgerichte,  welchem  in  dieser  Zeit  nur  Helmers- 
bansen,  Wohlmuthausen,  Oerthausen,  Sohafbausen  und  Weimar- 
sebmieden  centpflichiig  waren,  in  Kaltensundheim  auch  ein 
tannisches  eingerichtet  Im  Jahre  1698  baten  die  4  erst- 
genannten Hintergericbts-  und  die  Yordergeriobtsorte  die  Re* 
gierungi  doch  auch  Kaltensundheim  und  Mittelsdorf  zur  Be- 
teiligung an  den  Kosten  der  Einführung  des  Amtmanns  Lim- 
bach anzuhalten,  worauf  an  das  Amt  verfttgt  wird,  dafs  beide 
-Gemeinden,  da  sie  biosiohtlioh  der  Folge,  Musterung  und 
^geistlichen  Gerichtsbarkeit  noch  unter  dem  Amt  Lichtenberg 
ständen,  auch  zur  Leistung  eines  Beitrags  zu  dem  fraglichen 
Zwecke  zu  „überreden''  seien.  — 

Im  Jahre  1695  Krieg  zwischen  Fulda  und  den 
^Herren  v.  Boyneburg-Lengsfeld.  Im  Jahre  vorher  hatte 
*Ohr.  T.  Bojneburg  ohne  Zustimmung  seiner  Verwandten  seinen 
Anteil  am  Amte  Lengsfeld  für  86000  fi.  an  das  Stift  ver- 
kanft;  der  Abt  sandte  zur  Besitzergreifting  eine  Kommission 
mit  400  Mann,  die  unter  dem  Widerstände  der  übrigen 
Boyneburg  die  Thore  der  Stadt  und  der  Burg  aufhieben  und 
•die  Huldigung  der  Amtsuntertbanen  erzwangen.  Mach  dem 
Abzüge  der  bewaffneten  Macht  wurde  die  Kommission  durch 
-die  Bojneburg  yerjagt;  im  Oktober  erschien  sie  jedoch  wieder 
mit  660  Mann  „Knüttelsoldaten''.  Da  riefen  die  geflohenen 
Jldellente   die   benachbarten   Fürsten   zu   Hilfe,   und    Herzog 


Dm  thMBAligt  Amt  Uehtenbtrg  tot  4m  Rhda.  133 

«Jok.  €eorg  IL  Heb  gegen  den  Abt  menohieren.  Auch  die 
4>eiden  Kompagnien  des  liohtenb,  AaMohnases  mnfsten  am 
•<6,  liirz  1605  naeh  Lengsfeld  aofbreehen;  jeder  ^Befensioner'' 
bekam  6  Kugeln  mit  Uwelche  Kugel  Georg  Andreas  Hejm 
:gegoseen")  und  6  S^nfs  PulTor.  Zorn  Blutvergiefsen  kam 
•es  indes  nicht,  die  Sache  wurde  firiedlieh  beigelegt,  endgütig 
1701.  — 

Als  beim  Beginn  des  spanischen  Brbfolgekriegs 

Hersog  Joh.  Wilhelm,  Joh.  Georgs  IL  Nachfolger  seit  1608, 

•dem  Kaiser  Leopold  L  gegen  Ludwig  XIY,  1000  Mann  sofort 

:su  stellen  yersproehen   hatte,    die   nach    dem   Steuerfufse  auf 

-die  Ämter  seines  Ländchens  yerteilt  wurden,  kamen  auf  Amt 

Lichtenberg  sunächst  88  Mann,  die  aus  den  „jungen  Geeellen'^, 

dem  Ausschule,   genommen  wurden.     Da   erhoben   die  Eltern 

der  Ostheimer  Burschen  ein  grofses  Lamento,   es  dürfe  nicht 

^eie  allein  treffen,  es  mttsse  „ein  Mnnn  für  den  imdern  stehen''. 

Der  Stadtschreiber  Joh.  Georg  Heim  reiste  deshalb  na^  Eise- 

inach  und   erreichte   auch  wirklich,   dafs   gegen  Zahlung  Ton 

ISO  Thlr.  ans  der  Gemeindekasse  Ton  den  Offizieren  die  nötige 

.Mannschaft  geworben  werden  sollte«    Später  wurde  dem  Amte 

^ie  Stellung  von  weiteren  50  Mann  auferlegt,  von  denen  auf 

'Ostheim    12 ^/^    kamen;    der   Stadtrat  warb   4    Mann    £u  je 

18  Thh:.,  und  für   7  Kaisergulden   einen   Fladunger   Baders- 

>eohn,  der  aber  in  Eisenach  sofort  desertiertew    Alle  ausgehobene 

lind  geworbene  Mannschafi  des  Fürstentums  sammelte  sich  in 

^Ostheim,   als  dessen  südlichstem  Punkte,  auf  dem  Tanzberge, 

wo  die  Kompagnien  gebildet  und  die  Offiziere  Tcrteilt  wurden. 

^ie   kumpierte  hier   eine  Nacht  im   Freien  und   that  durch 

f,yerachliunpen''  des   Getreides  grofsen   Schaden.     Vor  ihrem 

Atoarsch  (22.  Juli)  kam   der  Herzog   mit  dem  Prinzen   an, 

um   sich  Ton   ihr   zu  yerabschieden ;   er   logierte  2  Tage  bei 

Dr.  Klinghammer.     Die   Stadt   „yerehrte  ihm   160   und   dem 

Trinzen  80  jL,   welches  geschenok  er  gantz  gnädig  ufgenom- 

men";    dafür  zog   er  den  StadtschultheiTs,  den  Stadtschreiber 

«nd  die  Bürgermeister  zur  Tafel,  „da  indefien  sich  die  Stücke 

leind  eanona  dapffer  höhren  la8en". 


134  ^^  ehemalig«  Amt  Liebtenberg  Tor  der  RhSn. 

Im  Norden  fILhrte  zu  derselben  Zeit  der  Sohweden- 
könig  Eftrl  XII.  Krieg  mit  Peter  dem  GrofBen  and  mit 
Au  gast,  Kurfürsten  von  Saehsen  und  König  von  Polen». 
Am  13.  Febr.  1706  schlug  sein  General  Benschild  20000' 
Mann  Sachsen  und  Bussen  unter  dem  kursächsischen  General 
Graf  Y.  d.  Sohulenburg  bei  Fraustadt ;  der  König  yerfolgte 
das  geschlagene  Heer  bis  Sachsen  (Altranstädt)  und  birand- 
schatate,  ,^und  gaben  die  Zeitungen,  daß  Saohßen  19  tonnen' 
Goldes  eaniribuiren  müBen".  Bei  Frauen wald  auf  dem  Thü- 
ringerwald wurden  die  flüchtigen  Sachsen  und  Bussen  unter 
Schalenburg  nochmals  geschlagen  „und  zerstreuet  in  alle  orthe^ 
weit  und  breiV^  Davon  hatten  den  guten  Ostheimem  weder 
Telegraph  noch  Kurierzüge  die  geringste  Kunde  gebracht,  und 
sie  waren  nicht  wenig  erstaunt,  als  am  28.  September  gegen 
Abend  „etliche  Hundert  Moskcbiter  in  grofser  Furcht  Tor- 
hiesige  Stadt  kamen,  und  wollten  herrein,  welches  aber  nicht- 
zugegeben  wurde;  darauf  lagerten  sie  sich  vor  das  Yalthor 
als  wie  das  Tiehe,  weil  sie  wegen  des  Streits  und  weithin 
marches  fast  alle  merode.  Man  konte  sie  aber  nicht  ver- 
stehen, alft  nur  etliche  offieiers^  so  solche  commendiret^ 
welche  Brod  und  Bier  begehret,  welches  auch  gereicht  wurde,, 
flut  190  biB  200  Laib  Brod,  und  fast  14  Eymer  Bier.  Sie 
blieben  aber  kaum  2  biß  3  Stunde  liegen,  da  marchirten  Bie 
in  eydler  Nacht  gegen  der  Bhön  zu,  verlangten,  man  mögte 
sie  nur  einen  ungewöhnlichen  weg  führen  und  keine  rechte 
Straße,  auß  furcht,  daß  die  Schweden  ihnen  nachsetzen  undi 
einhohlen  mögten.  Des  Morgens  gegen  3  biß  4  Uhr  kämmen, 
wieder  etliche  100,  so  vorbey  marchirtm,  und  wehret  sol- 
ohes  den  gantzen  tag,  kamen  manchmal  8,  4,  5,  6,  10  und 
mehr  an,  sogen  sich  alle  ins  Stifft  Fulda  und  gegen  Franck- 
fdrth  am  Main  zu'^ 

Ein  Jahr  darauf,  am  11.  Sept.  1707,  während  des  Gottes- 
dienstes,  wurde  plötzlich  General  Graf  Schulenburg  mit  dem 
Stabe  in  Ostheim  zum  Quartier  angemeldet.     Noch  stritt  sich, 
der  Quartiermacher  mit  den  Batspersonen  herum,  die  auf  die- 
BinquartieruDgsfreiheit   der    Stadt  pochten   und  zu  verstehen^ 


Dm  «hemalife  Amt  LIchUnbtrg  ror  der  Bhdo.  135 

liaben,  es  wäre  doch  auch  für  den  Herrn  General  noch  eu 
früh  zur  Bast,  während  er  wieder  mit  15  Begimentem  Ea- 
Tallerie  drohte,  als,  noch  vor  dem  Schlüsse  des  Gottesdienstes, 
^er  General  mit  Gefolge  einritt  Er  worde  in  das  „Weifte 
BoU*^  einquartiert.  Man  nahm  an,  er  werde  anderen  Tags 
nach  dem  Rhein  su  abrücken  und  hielt  schon  BO  Pferde  zur 
Vorspann  bereit,  er  hielt  aber  noch  einen  Rasttag  und  zog 
erst  am  Dienstag  ab,  und  zwar  wieder  über  Kaltennordheim 
zu  nach  Gerstungen.  Die  Unkosten  dieser  Einquartierung^ 
betrugen  für  Ostheim  212  fl.  14  gr.  11  pfg.  —  Am  17.  Sep- 
tember kam  Leutn.  y.  Jescbky  yon  der  Leibkompagnie  des 
kursächs.  Goltzisehen  Dragonerregiments  mit  34  Mann  und 
43  Pferden  auf  5  Tage.  „Zu  obiger  Mannschafft  kamen  noch 
6  officirer  parüanes,  welche  bey  dem  abmarchs  mit  10  Thlr. 
bezahlt  werden  musten;  nebst  diesem  prtetendiret  der  lieut 
-Jeschky,  daB  man  ihn  in  seinem  qvartier  auslösen  müfste, 
welches  auch  geschehen,  und  hatte  in  seinem  gvcbriier  bey 
des  Hn.  Johann  Wendel  Fischers  Witbe  yerzehret  2  fl.  16  gr. 
1  P%*>  it^f^  ▼or  <^io  Stube,  Bette,  Stallung  und  dergleichen 
fordert  die  Frau  he&t.  Fisoherin  2  fl.  5  pfg.,  so  auch  be- 
zahlet worden'^  —  Am  24.  Sept.  rückte  ein  Leutn.  y.  Stisser 
yon  der  Braunsehen  Kompagnie  ein  und  forderte  31  Por- 
tionen und  29  Rationen  täglich;  erst  am  8.  Oktober  zog  er 
wieder  ab.  Die  Kosten  betrugen  205  fl.  1  gr.  30  pfg.  — 
Am  12.  Oktober  kam  Hauptmann  y.  Schütze  yom  Dünne-' 
waldschen  Dragonerregiment  und  forderte  34  Portionen  und 
-ebensoyiel  Rationen  täglich.  Die  Dragoner  wurden  20  Tage 
lang  mit  je  8  gr.  und  19  Tage  mit  je  6  gr.  yerpflegt  Kosten : 
546  fl.  12  gr.  In  den  übrigen  Amt^ortschaften  gab  es  na- 
türlich dergleichen  Einquartierungen  auch.  — 

Yom  5.  Jan.  1707  an  war  3  Wochen  lang  bei  dunklem 
Himmel  eine  sehr  grofse  Kälte  im  ganzen  Reiche,  so  dafs 
yiele  Menschen  und  Tiere  erfroren  und  sehr  yiele  Obst-, 
besonders  Nufsbäu^e  zu  Grunde  gingen.  „Die  Physiei 
und    Gelehrte   leüte   hatten  diese    große  Kälte  durch  gewisse 


136  ^**  abMMÜigt  Amt  Iiiehteob«i|f  tot  d«r  Bhfo. 

Gläser^)  gleiohMm  abgewogen  und  befänden,  daB  sie  etslioher 
giad  gmnger  als  in  CronUmd  gewesen."  Piötzlioh  entstaod 
dann  Tanweüer  und  grofee  Wassersnot  ^^Etiicbe  Tage  daiauf 
kam  wieder  eine  gransame  und  grimmige  Kälte,  welche  fast 
so  groi  und  nooh  gröfter  war  als  die  TÖrige,  wehrete  Cut 
wieder  14  tage/'  — 

In  diesen  Jahren  trieb  sieh  besonders  viel  geftthrliehes- 
Gesindel  im  Lande  umher.  Auf  Antrag  der  meiningischen 
Regierung  wurden  am  19.  Aug.  1707  die  WSlder  zwischen 
Streu  und  Herpf  Ton  800  Mann  vom  Ausschufs  abgestreift,, 
wobei  5  Riuber  angetroffen  wurden.  Zwei  tou  ihnen  eot- 
flohen,  der  dritte  erhielt  in  Bettenhausen  einen  Schulis,  ao 
dem  er  in  Helmershansen  starb,  die  beiden  übrigen  wurden> 
ergriffen  und  in  Mafsfeld  geriditet.  — 

Am  14.  Juni  1709  erhielt  jeder  Defensioner  der  8  Kom- 
pagnien 6  Kugeln  und  6  Behufs  Pulver,  ,|S0  zu  künffttger 
Nachricht  dienet,  damit  sie  die  Kugel  nicht  unnüts  und  obDC^ 
Noth  Terschiften". — 

Wie  viel  Menschenleben  in  jenen  Zeiten  den  Pocken  0»^'* 
«kohleohten'S   „Durchschleohten'*)  zum  Opfer  fielen,   ist  z.  B. 
daraus  zu  ersehen,  dafs  in  Ostheim  allein  im  Jahre  1716  über 
50  Personen  (meist  Kinder),    1732  gegen  40,  1726  über  20, 
1782  gegen  80  Personen  an  den  Blattern  starben.  — 

Im  Jahre  1722  schickte  Pürstabt  Konstantin  (r.  Battlar)- 
¥on  Pulda  eine   solenne  Deputation  nach  Eisenaoh,  um  den 

Wiederkauf  des  Amtes  Lichtenberg, 
und  nach  Meiningen,  um  den  des  halben  Amtes  Salzungen 
anzukündigen.  Wie  aber  in  früheren  Pällen,  so  weigerten 
sich  auch  jetzt  beide  Herrschaften,  dem  Stifte  ein  Recht  dar- 
auf zuzugestehen,  und  so  entspann  sich  ein  langjähriger  Prozefr 
Tor  dem  Kaiserl.  Beiohshofirat  und  ein  heftiger  Pederkrieg,  an 
dem    sich  nicht   nur  die   Gelehrten   der  beteiligten   Länder^ 


1)  Vor  Fftkrtnheit,  welcher  luertt  Qaeckulber  anwendete  und  leiner 
Thermonetirtluda  den  stirktleii  KUtegred  tob  1709  so  Qmnde  legte,  gäb- 
et eine  aUgemein  anerkennte  QradeinteUang  noeht  nicht. 


Das  ehemalig«  Amt  Lichtenberg  Tor  der  Bhdn.  187~ 

aondern  auch  solche  in  aoi wärtigen  hohen  Stelloogen  und  an- 
Unirenitäten  beteiligten.  Der  Anstifter  dieser  anseitigen 
Friedensstömng  ist  jedeotklls  Sehannat,  der  damals  in  den 
foldaischen  Urkunden  herumstörte  ^).  Fast  alle  Werke  Sohan- 
nats  enthalten  in  yersteckter  Weise  Torgebraohte »  zum  Teil 
erdichtete  Beweise  für  Fuldas  altes  Hecht;  so  die  Behaup^ 
toog,  schon  1218  habe  E^aiser  Friedrich  IL  Lichtenberg  dem 
Stifte  geschenkt  (XVl,  271). 

Jetzt,  nach  einem  Dritteljahrtausend,  wo  niemand  mehr 
oaehkommen  konnte,  welche  Orte  eigentlich  sur  Zeit  der  Ver* 
pfsDdung  zum  Amte  gehört  hatten  (Amtmann  Hoher  1678: 
^Was  aber  damals  zu  dem  Amt  Liohtbg  gehört  oder  nichts 
findet  sich  keine  nachrichtung"  —  läBt  doch  noch  180(V 
Schultes  keine  Gelegenheit  Torübergehen  zu  beweisen ,  dafs 
es  sich  1366  überhaupt  nur  um  das  Schlols  —  ohne  Amts- 
orte —  gehandelt  habe!),  nachdem  so  yiele  Veränderungen 
im  Amte  Torgegangen  waren,  jetzt,  wo  die  z  u  s  a  m  m  e  n  Ter- 
pfändeten  Ämter  Lichtenberg  und  halb  Salzungen  ohne  Tor* 
herige  Bestimmnog  des  Wertrerhältnisses  längst  an  yerschie« 
dene  Herrschaften  gekommen  waren,  wo  niemand  angeben 
konnte,  was  die  PfiEuidsumme  (6000  Mark  lötiges  Silber  £r* 
fori.  Gewichts  und  1800  Pfd.  Heller  Fuld.  Währung)  damals, 
wert  gewesen  oder  jetzt  wert  sein  mochte,  jetzt  wäre  auch 
bei  der  gröIiM^en  Bereitwilligkeit  der  flirstl.  Besitzer  eine  Yer- 
stäodigung  mit  dem  Käufer  auf  die  gröfsten  Schwierigkeiten 
gestofsen. 

Aber  waren  denn  nicht  überhaupt  Fuldas  Ansprüche,, 
trotzdem  es  sie  mehrmals  geltend  gemacht  hatte,  nach  so  yielen 
Jahrhunderten  yerjährt?  Auch  darüber  wurde  für  und  wider 
in  heftiger,  ausfälliger  Weise  von  Beamten  und  Privaten  Tiel 
gasehrieben.    Doch  lassen  wir  alle  Priyatgutachten  beiseite  — 


1)  „Qaleto  fttemot  omnla.  Tu  (sc.  Schannat)  qnet!  parta  Coastantiaa 
iMetI  (qaam  tarnen  ^eatisehMit  prineept  intor  elneres  execrebitar)  rictoril^. 
ft  dassieain  oanii,   novi  balU,  qaaotiim  in  te  eet,  temeraria*- 
(Hainberg,  in  rapi.  Semnnat  [17S7],  pag.  5). 


'138  ^'^  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  RhSn. 

^wir  haben  ja  jetzt  keine  Yeranlassung  mehr  uns  dafür  oder 
dagegen  zu  ereifern  —  uod  verfolgen  wir  kurz  den  Verlauf 
der  Sache  vor  den  Reichsbehörden. 

Auf  die  beim  Eaiserl«  Beichshofrat  angebrachte  Klage  des 

'.Stifte  Fulda,  welche  den  Herzögen  am  20.  Dez.  1728  zuge- 
schickt wurde,  legten  diese  Berufung  an  ein  Aueträgalgerioht 
ein.  Darauf  reiste  der  Fürstabt  selbst  nach  Wien  und  er- 
reichte auch,  daTs  die  Berufung  verworfen  und  ihnen  eine 
bündige  Erklärung  abgefordert  wurde.     Als  sie  nun  dennoch 

«bei  ihrer  früheren  Erklärung  blieben  und  um  Mitteilung  der 
fuldaischen  Erwiderung  baten,  wurde  diese  ihnen  abgeschlagen 
und  sie  siib  cantutnaeia  auf  den  früheren  Bescheid  verwiesen. 

'Inzwischen,    nachdem   1726  Abt  Konstantin    verstorben   und 

.Adolf  (v.  Dalberg)  an  seine  Stelle  getreten  war,  hatten  sich 
die  Begieruogen  von  Eisenach  und  Meiningen  die  fuld.  Bot- 
gegnungsschrift  zu  verschaffen  gewufst  und  reichten  darauf 
ihrerseits  eine  solehe  ein :  „Gründliche  Information  und  Be* 
Währung  in  causa  des  Stifts  Fulda  contra  Sachsen  Eisenach 
und  Meiningen  praetendirte  Wiederkaufen  zweier  Aemter, 
halb  Salzungen  und  Lichtenberg'^  1726.  Sie  berufen  sich 
darauf,  dafs  die  Originalurkunde  von  1866,  in  welcher  das 
Stift  als  Lehnsherrschaft  der  Pfandämter  bezeichnet  sein  solle, 
noch  gar  nicht  zum  Vorschein  gekommen  sei ,  dafs  es  nie 
Lehnsrecht  ausgeübt  habe  und  dafs  alle  etwaigen  Rechte  längst 
verjährt  seien.     Für  alle  Fälle  schlügen  sie  als  Schiedsrichter 

•  die  Kurfürsten  von  Bayern  und  Hannover,  die  Herzöge  von 
der  Pfalz -Sulzbach  und  von  Braunschweig  -  Wolfenbüttel  vor. 
Abermals  jedoch,  unter  dem  4.  Aug.  1783  wurde  ihre  Be- 
rufung an  ein  Austrägalgericht  verworfen,  unter  dem  8.  Aug. 
1784  in  contumaciam  gegen  sie  erkannt,  und  unter  dem 
11.  Aug.  1786  ihnen  auch  das  remedium  supplicationis  ab- 
gesprochen. Nun  liefsen  sie  auf  dem  Beichstage  zu  Bogen s- 
bürg  eine  Schrift  verteilen :  „Species  facti,  auch  unumgäng- 
lich  und   äusserst  gemäßigte  Anzeigung  an  eine  hochlöbliche 

.Beichsversammlung    lu    Begenspurg   von    denen    regierenden 

..Herren   Herzogen   zu  Sachsen  Meiningen    und  Eisenach   pto. 


l>«s  etMinalige  Amt  tiichteüWg  vor  cler  Rh8o.  ^39 

du  in  der,  tob  dem  Stift  Fulda  aufgebrachten  Beemtious- 
Bache :  zwey  uralte  Sächsische  und  Thüringische  Aemter,  halb 
Salznngen  und  Lichtenberg  betreffend :  bey  dem  HochpreiBlichen 
Reichs-Hofirath  YeTwoitenen  priuüegii  statuum  iimperii  com- 
mums  Äustregarum  et  primae  instanticief*,  in  welcher  u.  a. 
nachgewiesen  wurde,  dafs  gans  fthnliche  F&lle  an  Austrägal- 
geriohte  yerwiesen  worden  seien.  Darauf  reichte  wieder  Fulda, 
mit  der  beglaubigten  Abschrift  der  Urkunde  von  1866,  eine 
Streitschrift  des  fuld.  Oeheimrats  Sam.  Lucius  ein:  „Kurze, 
doch  wohlgegründete  Gegeninformation,  darin  klärlich  ge- 
zeigt worden,  daß  die  Herren  Hersoge  von  Sachsen  -  Eise- 
nach  und  Meiningen  ihren  Herrn  Vorfahren  versetzte  beide 
Aemter  Salzungen,  und  dieses  nicht  halb  sondern  ganz, 
und  Lichtenberg,  so  sie  hinter  dem  Stift,  dem  Vernehmen  nach, 
dem  Beich  aufgetragen,  und  ihren  Lehnbriefen  inseriren  lassen 
gegen  Zurücknehmung  des  Pfandschillings  abzutreten  schuldig, 
wie  nicht  weniger,  daS  in  dieser  Brief  und  Siegel  betreffenden 
Sache  das  forum  Äustregarum  keinen  Platz  habe''.  Sachsen 
erwiderte  mit:  „Ferner  weit  bestgegrnndete  Demonstration^ 
daß  denen  Fürstlichen  Sächsischen  Häusern  in  der,  von  Fulda 
wider  sie  ganz  incompetenter  erhobenen  Beemptionsklage, 
das  beneficium  primae  instantiae  ausiregalis  zu  statten 
kommen  müßte'',  1736.  Jetzt  liefs  der  Kaiser  den  Herzogen 
sein  MifsfttUen  über  ihr  Verhalten  kundgeben;  auf  eine  Denk- 
schrift des  eisenachischen  Gesandten  hin  gab  er  ihnen  jedoch 
zu  yerstehen,  er  sähe  es  gern,  wenn  die  Parteien  selbst  unter 
sich  die  Sache  durch  Schiedsrichter  ausmachten,  nur  solle  yon 
Ansträgoi  nicht  mehr  die  Bede  sein.  Nun  schlug  Sachsen 
dem  Stifte  Schiedsrichter  yor,  und  Fulda  beantragte  eine  Zu- 
sammenkunft der  beiderseitigen  Bäte  am  22.  Jan.  1787  in 
Salsungen,  Vacha  oder  Lengsfeld,  ging  aber  auch  auf  Sach- 
sens Einladung  für  den  11.  März  nach  Zillbaoh  ein.  Eine 
Einigung  kam  hier  jedoch  nicht  zustande;  unter  dem  8.  Dez. 
1787,  naehdem  inzwischen  Fürstabt  Adolf  gestorben  war,  be- 
klagte sich  Sachsen   bei   der  Beichsversammlung,   es  sei  der 

xvn.  10 


140  I^M  ehtmtlige  Amt  Liehtonbtrg  vor  d«r  Rhdn. 

foldaischen  KommisBion  kein  rechter  Eroat  um  daa  Zustande- 
kommen eines  Yergleiohs  gewesen. 

Inswischen  war  auch  die  erbhenneb.-fischbergisehe  Streit- 
frage aufgetreten,  und  darüber  blieb  die  liohtenbergische  Wie- 
derkaufsangelegenheit  gans  und  für  immer  liegen ;  die  durch- 
aus protestantische  BeTÖlkeruug  der  beiden  Aemter  blieb  Tor 
dem  Schicksale  bewahrt,  sich  wieder  unter  die  Herrschaft  des 
Krummstabes  beugen  xu  mfissen«  — 

Gleichzeitig  mulÜBte  von  Sachsen  auch  der  tannische 
Wiederkauf  erledigt  werden. 

Nachdem  1705  nach  Ablauf  der  festgesetzten  12  Jahre 
die  Frist  des  Wiederkaufs  um  abermals  12  Jahre  yerlängert 
worden  war,  waren  1718  6500  Thlr.  abgezahlt,  und  zugleieh 
ausgemacht  worden,  dafs  die  noch  übrigen  68  900  Thlr.  in 
den  nächsten  6  Jahren  in  Teilzahlungen  von  je  11483^/3  Thlr. 
abgezahlt  werden  sollten.  Im  Jahre  1728  hatte  die  Familie 
y.  d.  Tann  (Heinrich  ▼•  d.  Tann  war  1714  gestorben)  die 
Wiederkaufrorte,  obgleich  die  1724  fällig  gewesene  letzte 
Abschlagszahlung  und  verschiedene  Zinsen  noch  rückständig 
waren,  dem  Herzog  Johann  Wilhelm  wieder  abgetreten.  Mit 
der  Zeit  drang  sie  aber  immer  ernstlicher  auf  Begelung  seiner 
Verbindlichkeiten,  die  sieh  indessen  durch  die  aufgelaufenen 
Zinsen  (6814  Thlr.)  und  1200  TUr.  Wechselschuld-Zinsrecht 
auf  18  907  Thlr.  erhöht  hatten.  Dagegen  hatte  des  Hersogs 
Sohn  und  Nachfolger  Wilhelm  Heinrich  (seit  1729)  allerlei 
Einwendungen  und  Oegenrechnungen  zu  stellen,  bis  endlich 
am  14.  Febr.  1740  die  Sache  durch  einen  Vergleich  geregelt 
wurde.  Durch  denselben  wurde  die  tannische  Forderung  auf 
12  000  Thhr.  ermäfsigt,  von  welcher  Summe  2000  Thbr.  aus 
der  noch  währenden  Kaltenwestheimer  WiederkaufiBeinnahme 
sofort  bezahlt,  der  Rest  auf  die  Landschaftskasse  übernommen 
werden  sollte.  Diesen  Best  von  10  000  Thlr.  erhielt  jedoch 
die  Familie  y.  d.  Tann  nicht  ausgezahlt;  erst  bei  dem  Über- 
gange der  tannisohen  Orte  Frankenheim  und  Birx  in  säch- 
sischen Besitz  wurde  ein  vollständiger  Ausgleich  bewirkt.  — 

Im  Jahre  1754  stellte  Amtmann  Erdmann  seine  ausführ- 


Du  ehtmallgo  Amt  Lichtenberg  tot  der  BhOn.  141 

liehe  Amtsbeschreibung   auf,    aus  welcher  gelegentlich 
schon  mancherlei  mitgeteilt  worden  ist^).  — 


1)  Einige  interessante  Streiflichter  auf  damalige  ZottSnde  mögen 
daraus  hier  nooh  ihre  Stelle  finden. 

1.  Hebammenwesen.  —  Im  Ostheimer  SchlaAprotokoU  ist  in 
lesen:  y^Aimo  1670  Freitag  den  18.  Febmar  frtthe  nach  gehaltener  Fredigt 
ist  Ursnla  Herbarten  Witbe  lor  Ammen  frawen  angenommen  worden, 
nacbdeme  sie  zn  vor  den  Eyd  abgelegt,  und  soll  sie  Maria  Schneiderin 
ezlich  mahl  mit  nehmen,  sie  unterrichten,  aber  yon  ihrem  gebfihr  nichts 
geben ;  worauf  sie  auch  angelobt,  Ton  Hn.  Adjuneto  G.  GSbel,  Hn.  Georg 
Ltanrents  Heher  Ambtman  mid  Hn.  Johann  Schmidten  Stadtschulthefi.'* 
Über  diesen  Gegenstand  bringt  Erdmann  anter  seinen  f^desiderüa**  Tor: 
„Die  Hebammen,  woran  in  einer  jeden  HaoBhaltong  so  viel  gelegen, 
(sollten)  beym  Geistl.  Untergerichte  oder  Pfarrer  und  Phytieo  gepriifet, 
unterrichtet  und  vereydef'  werden. 

2.  Katholiken.  —  „Es  haben  sonst  katholische  Manns  und 
Weibsbilder  durch  Heurathen  sich  eingeschlichen  und  viele  Unlust,  auch 
Qlitseherej  mit  Wflrsburg  verursachet,  mithin  auf  Hertsog  Wilhelm  Hen- 
richs mfindl.  gnftdigsten  Befehl  der  jetsige  Beamte  seit  seiner  20-jährigen 
Amtthierung  keine  eintzige  oatholische  Person  sum  seBhafften  Unterthan 
angenommen.** 

8.   F  r  u  c  h  t  s  p  e  r  r  e.   —  „ die   bey   spengeln  Frucht-Jahren 

vielmal  vorgenommene  Fruchtsperr,  da  in  jezgem  theuren  1754ten  Jahre 
aller  angewandten  Mühe  ohngeachtet  wegen  Ostheim  einige  Umitation  oder 
Freypafi  nicht  zu  erlangen  gewesen.**  Zwar  baute  das  von  wilraburgischen 
und  rittersehaftUchen  Gebieten  eingeschlossene  Vordergerieht  Getreide  fiber 
den  eignen  Bedarf,  es  war  aber  doch  der  starken  Getreideabgaben  wegen  auf 
den  Bezug  auswärtigen  Getreides  angewiesen.  In  schlechten  Emt^ahren 
muiste  durch  die  wUrsburgische  Fruchtsperre  die  Not  sehr  gesteigert 
werden. 

4.  Straisen.  —  Nach  der  Amtsbeschreibung  von  1648  kreuzten 
sich  (wohl  seit  uralter  Zeit)  die  Landstrafsen  Eisenach-Würzburg  und 
Meningen-Frankfurt  in  Sondheim.  Nach  und  nach  hatte  von  Meiningen 
an  der  Verkehr  statt  über  Helmershausen-Hohe  Strafse  mehr  über  Her- 
mannsfeld-Ostheim zugenommen.  Die  Hauptverkehrsstrafse  des  Fürsten- 
tums Eisenach  war  aber  die  Heer-  und  Poststrafse  Leipzig-Frankfurt  über 
Eisenach-Vacha-Fulda  etc.  Erdmann  bemerkt  nun:  „Es  ist  immer  das 
Vorhaben  gewesen,  von  Leipzig  Über  den  Thüringer  Wald  auf  Ostheim 
oder  KSundheim  gegen  Fuld  eine  neben  Poststrafse  zu  machen,  welches 
aher  dem  Eisenachischen  Postwesen  einen  starcken  Tort  thun  würde,  wiewohl 
doch  endlich  vor  wenigen  Jahren  eine  dergleichen  reitende  Poststrafse  von 

10* 


142  ^^  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  RhSa. 

Der  siebenjährige  Krieg 
machte  doh  auch  im  Amte  Lichtenberg  und  Umgegend  fühlbar. 

Im  Juli  und  August  1767  log,  wie  Stettener  Nachrichten 
melden,  eine  süddeutsche  Armee  Ton  SO  000  Mann  über  Mei- 
ningen-Eisenach  nach  Sachsen ;  Frankreich  schickte  2  Armeen, 
Ton  denen  die  eine  40  000  Mann  stark  über  Frankfurt-Fulda 
nach  Eisenach  zog,  wo  die  Vereinigung  stattfand.  Statten 
mufste  dahin  liefern:  20  Mit  Korn,  10  Mit.  Weizen, 
145  Mit  Hafer,  236  Ctr.  Heu,  171  Ctr.  Stroh;  230  Thlr. 
4  Sgr.  betrug  der  Fuhrlohn  bis  Eisenach,  557  Thlr. 
12  Sgr.  von  da  bis  Weimar;  auüberdem  mufste  es  noch 
321  Thlr.  8  Sgr.  8  Pfg.  Kriegssteuer  zahlen.  Tier 
Bauern  hatten  die  Fuhren  übernommen.  Nachdem  sie  die 
letzte  nach  Eisenach  geiban,  zwang  man  sie  noch  über 
Langensalza  und  Erfurt  bis  Oberweimar  zu  fahren,  wo  sie 
ihre  Geschirre  im  Stiche  lassen  mufsten.  Einen  Wagen  und 
2  Pferde  mulÜBte  die  Gemeinde  ersetzen.  —  Als  in  der  Schlacht 
bei  Bofsbach  am  5.  November  die  Beichsarmee  geschlagen 
worden  war,  gab  es  auch  im  Amtsbezirke  ein  gewaltiges 
Volksgedränge  bei  den  fortwährenden  Burchmftrschen  und 
Einquartierungen.  Am  24.  November  kamen  800  Mann 
hohenzoUemsche  Eeiter  nach  Ostheim,  wurden  in  die  Orte 
gelegt  und  blieben  da  bis  zum  10.  Jan.  1768,  wo  sie  nach 
Böhmen  zu  abzogen.  Für  Stetten  betrugen  die  Kosten  dieser 
Einqartierung  540  Thlr.  7  Sgr. 

Nachdem  die  Reichstruppen  sich  in  Franken  wieder  ge- 
sammelt hatten,  rückte  im  Frühjahre  1750  Frinz  Heinrich, 
der  Bruder  des  groCsen  Friedrich,  rasch  im  Lande  ein,  jagte 
sie  wieder  auseinander  und  brandschatzte  Stadt  und  Land. 
Da  entstand  abermals  ein  Drängen  und  Treiben  auch  im 
Lande  vor  der  Khön.  Den  1.  April  mufste  Obristl.  Freitag 
in   Meiningen   kapitulieren.     Durch  Helmershausen    zog   das 


M«iniiig«n  Aber  Weni8haiu«ii  naeher  Hftnfeld  and  Fald  su  Stande  gekommen 
iit<*  Die  erste  „OberUnder"*  Post  (Eisenacb-Kaltennordheim-Mellriehstadt) 
wurde  1838  eingericbtet;  1871  wurde  Ostheim  Telegrapbenstation. 


Das  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Ehön.  143 

(kaiserl.)  HarraohBohe  Begiment,  und  am  6.  April  trafen  hes- 
Bische  HoBaren,  Dragoner,  hannoversche  (FreitagBche)  Beiter 
and  ein  Begiment  grüner  Bergschotten  von  Oberkatz  und  von 
der  Tann  her  daselbst  ein;  erst  am  13.  zogen  sie  weiter  über 
Bettenhausen.  In  die  vorhandenen  Lebensmittel  war  eine 
grofse  Lücke  gerissen,  so  daüs  alles  hoch  im  Preise  stieg. 
Am  6.  April  zogen  auch  hessische  Jäger,  700  Mann,  in  Fla- 
dungen  ein,  von  wo  sie  mehrere  Wagen  Korn  und  Hafer  nach 
Folda  zu  mitnahmen.  Am  13.  rückte  wieder  ein  hessisches 
Kommando  von  600  Mann  in  Fladungen  ein  und  forderte 
6000  Thlr.  Brandschatzung.  Am  folgenden  Tage  kamen  jedoch 
kaiserliche  Husaren  von  Neustadt  aVSaale  herauf,  welche  zwar 
nach  einem  im  Heufurter  Felde  stattfindenden  Gefechte  re- 
tirieren  mufsten,  aber  auch  die  Hessen  zogen,  über  den  Stell- 
berg, ab,  und  zwar  ohne  die  6000  Thlr.  ganz  erhalten  zu 
haben.  Den  21.  April  zogen  2  Begimenter  kaiserliche  Husaren 
und  ebensoviel  Fufsvolk  durch  Sondheim  über  Stetten  nach 
Fladungen  zu.  Tags  darauf  bekam  Stetten  ein  Begiment 
Husaren  als  Einquartierung;  es  zog  am  28.  nach  Fulda,  kam 
am  24.  zurück  und  ritt  nach  Bamberg  zu  ab.  Den  8.  Mai 
kamen  Hessen  von  Fulda  her,  zogen  nach  Bömhild  und 
schlugen  dort  ein  Lager  auf;  da  ihnen  aber  die  Franzosen 
von  Fulda  her  in  den  Bücken  zu  kommen  drohten»  zogen 
sie  ihnen  entgegen.  Am  18.  Juni  kamen  2  kaiserliche  Husaren- 
regimenter von  Neustadt  her  nach  Fladungen  durch  Sondheim. 
Yom  17.  Juli  bis  19.  August  lagen  kaiserliche  Husaren  und 
Kroaten  in  Ostheim.  —  Die  Kriegskosten  dieses  Jahres  be- 
trugen für  das  Amt  13  946  Thlr.  6  Gr.  8  Ffg.;  davon  kamen 
2585  Thlr.  8  Gr.  2  Pfg.  allein  auf  Kriegsfuhren. 

Am  31.  Jan.  1760  rückte  ein  hessisches  Kommando  in 
Ostheim  ein  und  nahm  nachts  den  Propst  zu  Wechterswinkel, 
und  anderen  Tags  auf  dem  Weitermarsche  die  Amtskeller  von 
Fladungen  und  von  Hilders  als  Geiseln  mit.  Stetten  hatte  in 
diesem  Jahre  148^/)  Mit.  Hafer  und  607  Gtr.  Heu  zu  liefern 
und  800  Thlr.  für  Kriegsfuhren  zu  zahlen. 

Am  5.  Febr.  1761    bezogen  290   franz.  Beiter  und  eine 


144  ^*A  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  BhÖn. 

Abteilung  Infanterie  in  Oatheim  Quartier;  nach  einigen  Tagen 
wurden  sie  in  die  Dörfer  einquartiert,  wo  sie  bis  18.  Februar 
blieben.  Pfarrer  Spiefs  in  Sondheim  mulÜBte  vor  den  bei  ihm 
einquartierten  Offizieren  flüchten,  weil  der  Rauch  auB  der 
Küche  s^in  ganzes  Haus  erfüllte  und  sie  ihm  schuldgaben, 
er  wolle  sie  hinausräuchem.  Als  in  den  Ortschaften  alles 
vorhandene  Futter  aufgebraucht  war  und  immer  noch  6000 
Kationen  gefordert  wurden,  sahen  sie  sich  genötigt,  die- 
selben an  einen  Juden  in  Dreifsigacker  zu  je  16  Sgr.  zu 
veracoordieren.  Stetten  trug  es  321  Thlr.  15  Sgr.  Am  18. 
rückten  gleich  wieder  330  Mann  Sachsen  mit  18  sechs- 
spännigen Wagen  in  Stetten  ein.  Im  Laufe  des  Jahres 
kamen  noch  verschiedene  Abteilungen  von  Beichstruppen  und 
Franzosen,  von  Seidlitz  aus  Schlesien  bis  Franken  getrieben, 
in  den  Amtsbezirk ;  so  am  6.  Dezember  ein  franz.  Kavallerie- 
regiment, dessen  Stab  in  Osiheim  einquartiert  wurde;  es 
wurden  877  Laubthaler  (a  2^/^  fl.  rh.)  erhoben.  Über  Plün- 
derungen und  Brandschatzungen  seitens  der  Franzosen  wurden 
viele  Klagen  laut;  der  Herzog  von  Meiningen  beschwerte  sich 
öffentlich.  —  Für  Stetten  betrugen  die  Kriegskosten  dieses 
Jahres  1313  Thlr. 

Im  Jahre  1762  rückte  einmal  eine  Abteilung  Preuüsen 
von  BischoÜBheim  her  mit  70  Stück  requiriertem  Vieh  in  Ur- 
springen  ein.  In  der  Nacht  wurden  sie  von  Sachsen  und 
Bayern,  die  von  Neustadt  her  kamen,  überfallen  und  das 
Yieh  ihnen  abgenommen.  £in  andermal  kamen  20  preulsische 
Husaren  über  Stetten  nach  Fladungen.  Als  ihnen  das  Thor 
verschlossen  blieb,  ritten  sie  nach  Hilders  weiter,  nahmen 
dort  den  Schultheilsen  gefangen  und  schleppten  ihn  mit  nach 
Schleusingen.  Dann  mufste  das  Amt  einmal  20  Wagen  stellen, 
Fourage  nach  Lichtenau  zu  fahren.  Dort  mulsten  aber  die 
Bauern  der  Artillerie  vorspannen  und  wurden  bis  Giefsen, 
Hannover  etc.  mitgenommen,  so  dafs  sie  31  Tage  ausblieben. 
Die  Gemeinden  mulsten  ihnen  pro  Tag  6  Thlr.  zahlen.  Der 
Stettener  und  einige  andere  Wagen  kamen  nicht  wieder,  für 
jeden  mufsten  40  Thlr.  bezahlt  werden.    Im  Dezember  kamen 


Dm  •bemAlige  Amt  Liobtonberg  vor  d«r  Rb8n.  145 

kaiserliohe  HuBaren  und  Kroaten  nach  Fladangen,  von  wo  aus 
Stetten  eine  Abteilung  erhielt»  die  sich  sehr  übel  aufführte. 
Ihr  Kommandeur,  Leutnant  Bapp,  war  unausstehlich.  Statt 
der  Kost  verlangte  er  täglich  3^/,  Laubthaler;  als  ihm  die 
Gemeindeverwaltung  1,  dann  1^/|  Laubthaler  bot,  jagte  er 
sie  zum  Hanse  hinaus;  später  forschte  er  nach  den  beiden 
Männern,  er  wollte  sie  solcher  Zumutung  wegen  erstechen. 

Am  6.  Jan.  1763  zog  diese  Truppe  nach  Fladungen,  kam 
aber  am  19.  nach  Btetten  zurück  und  blieb  da  bis  2.  Februar. 
Am  9.  Februar  wurden  wieder  40  Kann  In&nterie  nach 
Stetten  gelegt;  nachdem  am  15.  der  Friede  zu  Hubertusburg 
geschlossen  worden  war,  zogen  sie  am  16«  März  ab.  Die 
ersten  Monate  dieses  Jahres  hatten  Stetten  noch  1260  Thlr. 
gekostet. 

Am  1.  Mai  wurde  das  Friedensfest  gefeiert.  Wieder,  wie 
nach  dem  30-jährigen  Kriege,  wurden  die  Kriegskosten-Bech- 
nungen  der  einzelnen  Amtsortschaften  untereinander  ausge- 
glichen. Ostheim  brachte  eine  erstaunlich  grofse  Rechnung  — 
hier  hatten  erst  noch  in  den  letzten  Tagen  Franzosen  ge- 
plündert; ihren  Offizieren  hatte  man,  um  sie  im  guten  zu 
erhalten,  reichliche  Geschenke  in  Dukatens  (franz.  Laubthalem) 
gemacht,  so  dafs  alle  Amtsorte  noch  viel  dahin  zahlen  muisten. 
Helmershansen  hatte  20  Jahre  lang  mit  Abtragung  der  Kosten 
zu  thun;  es  wurden  dazu  Oemeindegrundstüoke  verpfändet, 
das  Haimbachgehölz  zweimal  abgehauen  und  verkauft  etc. 
Das  schlechte  preuisische  Geld  wurde  nach  dem  Frieden  auf 
die  Hälfte  seines  Nominalwertes  herabgesetzt,  was  grobe  Ver- 
luste und  viele  Prozesse  zur  Folge  hatte.  — 

Im  Jahre  1771  gab  es  grobe  Teuerung;  man  mufste  sich 
an  Haferbrot  halten.  Heidelbeeren  und  Kirschen  wenigstens 
waren  gut  geraten.  Brennessel-  und  ähnlichen  Kohl  afs  man 
sidi  zum  Ekel.  Auch  im  folgenden  Jahre  währte  die  Teue- 
rung noch  fort  Im  Yordergericht  war  die  Not  besonders 
grofs  infolge  der  würzburgischen  Fruöhtsperre.  — 
Aus  der  Franzosenzeit. 

In  den  Jahren  1791  bis  1795  gab  es  grofse  Durchzüge 


146  ^**  ehemattge  Amt  Lkhtenberg  vor  d«r  Bhdn. 

Bäohsisoher  und  preuÜBisoher  Heere  nach  dem  Rheine  zu,  wo- 
bei den  Gemeinden  viele  YorspannleiBtungen  auferlegt  wurden. 
1792  zogen  40  000  PreuDsen  gegen  die  Franzosen»  Am  24. 
Juni  lagen  von  76S  Mann  mit  895  Pferden  vom  Eegiment 
Sohmettau,  welches  von  Meiningen  her  nach  Kaltennordheim 
zu  zog,  viele  in  Helmershausen  im  Quartier;  sie  bezahlten 
die  Mundportion  mit  4  Grr.  und  kauften  viel  Hafer  a 
Mit  zu  4  fl.  Im  folgenden  Jahre  wurden  alle  Mannsleute 
im  Alter  von  16  bis  56  Jahren  zum  Kriegsdienste  aufge- 
schrieben; zum  Glück  kehrte  Herzog  Karl  August  noch  in 
demselben  Jahre  aus  dem  Felde  zur&ck,  um  nicht  mehr  am 
Kriege  teilzunehmen.  In  diesen  Jahren,  besonders  1795, 
standen  die  Yiehpreise  auf  einer  nie  erlebtem  Höhe.  Nach 
dem  Friedensschlüsse  zu  Basel  (1795)  wurde  zwischen  Nord- 
und  Stiddeutschland,  welches  letztere  den  Krieg  mit  Frank- 
reich fortsetzte,  eine  Demarkationslinie  gezogen,  wobei  die 
Ostheimer  Enklave  zu  Norddeutschland  geschlagen  wurde. 
Infolgedessen  wurden  an  allen  Thoren  der  Vordergerichtsorte 
Neutralitätstafeln  angeschlagen,  auch  auf  Verwendung  Karl 
Augusts  in  die  3  Dörfer  20  kursächsische  Kürassiere  gelegt, 
welche  2  Jahre  da  blieben.  Als  nun  im  Juli  und  August 
1796  die  französ.  Generale  Jourdan  und  Key  über  Frankfurt 
und  Würzburg  erobernd,  plündernd  und  brandschatzend  in 
Franken  vordrangen  und  die  Umgebung  des  Amtes  viel  zu 
leiden  hatte,  blieb  dieses  verschont;  ebenso  1800,  als  Augereau 
gegen  die  Kaiserlichen  in  Franken  stand  und  der  Fürstbischof 
deshalb  ein  Jahr  in  Meiningen  weilte. 

Nach  der  Schlacht  bei  Jena  (14.  Okt  1806)  brach  der 
Krieg  in  furchtbarster  Gestalt  über  ganz  Deutschland  herein; 
schier  unerschwingliche  Lasten  und  Lieferungen  wurden  auch 
dem  Amte  auferlegt.  Schon  nach  dem  Treffen  bei  Saalfeld 
(5.  Okt)  hatte  Stetten  —  die  übrigen  Orte  natürlich  im 
Verhältnis  ebensoviel  —  am  11.  Oktober  auf  5  Wagen 
18  Mit  Korn,  30  Mit  Hafer  an  die  preulsische  Kriegs- 
kommission  nach  Ilmenau,  wo  sich  auch  der  Herzog  in  diesen 
Tagen  aufhielt,   zu  liefern.     Im  Dezember  erliefe  der  firan- 


Das  eheiml^  Amt  LkhUnbwg  vor  ^er  SbAn.  147 

zösische  Generalintendant  Villain  zu  Leipzig  die  Verfügung, 
dafs  sämtliche  Einkünfte  des  Herzogtums  auf  ein  Jahr  als 
Kriegskontrihution  zur  firanzösisohen  Armeekasse  abgeliefert» 
und  der  3.  Teil  sofort  gezahlt  werden  müsse.  Es  wurden 
dem  Herzogtum  2  Millionen  Francs  Eriegskontribution  auf- 
erlegt; Yon  dieser  Summe  kamen  auf  das  Amt  Lichtenberg 
26  000  Thlr.,  und  zwar  auf  Ostheim  6500,  auf  Sondheim 
3376,  auf  Helmershausen  2787,  auf  Stetten  und  Ealtensund- 
heim  je  2122,  auf  Wohlmuthausen  2057,  auf  ürspringen 
1970,  auf  Mittelsdorf  und  Gerthaosen  je  1872,  auf  Sehaf- 
bausen  1110,  auf  Melpers  428  und  auf  die  adligen  Höfe 
784  Thlr.  Jede  Gemeinde  mufste  eben  sehen,  woher  sie  in 
der  Eile  ihre  Rate  geliehen  bekam.  Die  Begierung  entwarf 
einen  25 -jährigen  Tilgungsplan,  sodafs  durch  erhöhte  und  neu 
auBgeschriebene  Steuern  bis  1832  den  Gemeinden  ihre  Kapitalien 
zurückgezahlt  wurden.  Es  gab,  mit  den  von  den  Franzosen 
auferlegten,  bald  20,  ja  genau  genommen  40  verschiedene 
Steuern  unter  allerlei  Namen.  Nebenher  mulsten  auch  noch 
grofse  Naturallieferungen  aufgebracht  werden.  Zu  Eisenach, 
das  an  der  grofisen  HeerstrafBC  lag,  mufste  ein  ständiges 
Magazin  unterhalten  werden,  wozu  ein  förmlicher  Bequisitions- 
plan  für  die  Orte  des  Fürstentums  entworfen  worden  war, 
sodafs  einfach  eine  Eequisition  ausgeschrieben  zu  werden 
brauchte,  und  jeder  Ort  wuiste  dann,  was  er  zu  liefern  hatte. 
(Siehe  Tabelle  auf  folgender  Seite.) 

Diese  Eequisitionen  begannen  mit  dem  15.  Dez.  1806,  an 
welchem  Tage  Herzog  Karl  August  dem  Bheinbunde  beitrat. 
Am  16.  Okt  1809  wnrde  die  6.,  am  5.  März  1813  die  9., 
am  15.  Juni  die  11.,  am  20.  Juli  die  12.,  am  24.  Aug.  die 
13.,  am  16.  Sept  die  14.  Bequisition  ausgeschrieben,  und 
wer  weifs,  wie  lange  das  Eequirieren  noch  so  fort  gegangen 
wäre,  hätte  nicht  bald  für  die  Franzosen  ihre  Stunde  ge- 
Bchlagen.  Aufser  jenen  feststehenden  Bequisitionen  muTiste 
aber  1813  während  der  Ernte  noch  vieles  andere  beigeschafft 
werden.  So  wurde  z.  B.  schon  am  12.  Januar  ein  Befehl 
publiziert,  dafs  alle  Branntweinbrenner  —  in  manchen  Orten, 


148 


Dm  •hanalig«  Amt  Lichtenberg  rot  der  Bböa. 


Jed«  Bequiflition  betrug  fOr 


Ostheim  .     .     . 

Sondheün     .     . 

Urspringftn  .     . 

den  ftild.  Hof  das. 

Stetten    .     .     . 

Melpers   .     .     . 

Mittebdorf  .     . 

Kalteiisimdheim 

den  Freihof  das. 

Schafhaosen 

Gerthaosen  .    . 

das  Vogteigut  das. 

Wohlrnnthanten 

Helmersbausen 

das  V.  Wechmarsche  Gut  das, 

den  Henneberger  Hof 

den  Jägerhof 


Eisenacher 
Gemifs  1) 


Hafer 
Hit.      Hetz. 


60 
34 
16 

19 

4 
12 
14 

1 
12 
14 

1 
28 
20 

2 

1 


28V, 
2^ 

? 

6 

11 
16 

«87. 


Leipziger  Gewicht*) 


Hen 
Ctr.       Pfd. 


88 

56 
22 

1 
26 

6 
17 
19 

1 
16 
20 

2 
27 
28 

4 

2 

1 


11 

67% 

loy. 

ms 

42 

71 

73% 

8öV, 

82 

47 

62»/, 

42 

55 

337, 

68 

79 

25 


Stroh 
Ctr.       Pfd. 


118 
68 
31 

1 
86 

7 
24 
27 

2 
22 
28 

2 
87 
38 

5 

2 

1 


78 
77 
43 

90% 
12 
80 
21 
9 
44 
52 

67% 
24 
69 
80 
95 
94 
47 


wie  z.  B.  in  UnpriDgen,  war  fast  jeder  Bauer  ein  solcher  — 
je  15  Mit.  Korn  als  monatlichen  Eonsumtionsbedarf  vorrätig 
halten  sollten.  Als  yom  5.  April  an  in  Helmershausen  565, 
in  Wohlmathausen  274  Fransosen  8  Tage  lang  lagen,  mufste 
u.  a.  Stetten  600  Mafs  Bier,  P/^  Eimer  Branntwein,  5  Ctr. 
Brot  und  80  Pfd.  Fleisch  dahin  liefern.  —  Befehl  am  13.  April : 
Das  Amt  hat  für  das  8.  französische  Armeekorps  täglich 
nach  Mafsfeld  zu  liefern:  1525  Pfd.  Korn,  1092  Pfd.  Heu, 
ebensoviel  Stroh,  542  Pfd.  langes  Stroh,  50  Pfd.  Hülsenfrüchte, 
6  Mit  6  M£s.  Hafer,  290  Pfd.  Fleisch  (Vs  Ochsen-,  Vg  Euh- 
oder  Sohaffleisch),  592  Mfs.  Bier,  55  Mb.  Branntwein.  — 
Befehl  vom  25.  April:  Das  Amt  hat  binnen  3  Tagen  nach 
Eisenach  7  Ochsen  k  750  Pfd.  zu  liefern.  —  Befehl  vom 
3.  Mai:  Bis  morgen  früh  3  Uhr  müssen  aus  dem  Yorder- 
gericht  12  vierspännige  Wagen  in  Meiningen  sein,  um  Zwie- 
back, Mehl  etc.  weiter  zu  schaffen.  —  Befehl  vom  19.  Mai: 


1)  100  faid.  Halter  —  69V,  Eisenacher.  —  2)  107  Leipziger  Pfd. 
■«  1  Ctr.  Bdchigewleht. 


Dm  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Bh5iL  149 

Am  22.  Torm«  10  ühr  mÜBsen  24  mit  je  4  Pferden  oder 
6  Ochsen  bespannte  Wagen  aas  dem  Amte  in  Ifeiningen 
lein.  —  Befehl  vom  28.  Mai:  Der  Eisenaoher  Kreis  hat 
1000  Gtr.  Fleisch  (davon  Amt  Lichtenberg  173  Ctr.  1  Pfd.) 
in  lebenden  Ochsen  nach  Weimar  zu  liefern«  Ernstliche 
Erinnemng  vom  11.  Juni:  Die  Ochsen  sind  bis  zum  17.  früh 
8  Uhr  nach  Eisenach  zu  bringen  bei  Strafe  von  100  Thlr. 
für  jeden  Ort  Nachdem  das  Amt  statt  der  Ochsen  882  Thlr. 
6  Gr.  10  Pf.  an  die  Landespolizeidirektion  in  Eisenach  ein- 
gesandt hatte,  erhielt  es  208  Thlr.  22  Gr.  davon  zurück,  da 
so  viel  weniger  aufgegangen  war.  —  Am  2.  Juli  wurde  eine 
Zwangsanleihe  erhoben,  von  der  auf  das  Amt  8455  Thlr. 
kamen.  Bis  zum  15.  Juli  mufste  ein  Drittel  der  Summe  ein- 
geliefert sein.  —  Befehl  vom  20.  Juli:  Auf  dem  Pruchtboden 
zu  Ostheim  sollen  100  Mit.  £om  und  20  Mit.  Hafer  ver- 
laden werden;  hierzu  sind  8  zweispännige  Wagen  zu  stellen. 
—  Befehl  vom  20.  August:  Das  Herzogtum  hat  zu  Schanz- 
arbeiten bei  Erfurt  1940,  das  Amt  50  Mann  zu  stellen, 
welche  letztere  am  6.  September  in  Erfurt  sein  müssen.  Alle 
10  Tage  mufsten  andere  zur  Ablösung  antreten;  als  Beisegeld 
erhielt  jeder  täglich  24  Kreuzer.  —  Befehl  der  Landesdirek- 
tion zu  Eisenach:  Binnen  24  Stunden  hat  das  Amt  60  Mit. 
Korn,  100  Mit  Hafer  (Eisen.  Gemäfs)  und  30  Eimer  Brannt- 
wein zu  liefern.  Befehl  vom  27.  Oktober:  Die  Lieferung 
imterbleibt»  da  durch  die  Massen  der  flüchtigen  französischen 
Heere  nicht  durchzukommen  ist ;  die  Naturalien  bleiben  jedoch, 
bei  schwerer  Verantwortung,  in  jedem  Orte  in  Bereitschaft 
liegen. 

Am  26.  Oktober  kamen  die  ersten  Kolonnen  der  russisch- 
preufsischen  Avantgarde  in  Meiningen,  Teile  derselben  am 
28.  in  Ostheim  an.  Am  29.  verordnete  die  Meininger  Be- 
hörde, dafs  alles,  was  an  Brot  und  Branntwein  aufzubringen 
Bei,  sofort  nach  Meiningen  geschafft  werden  tolle,  wo  ein 
starkes  russisches  Korps  konzentriert  sei.  Die  Lieferung  aus 
den  Yordergerichtsdörfem  kam  jedoch  nur  bi^  Ostheim,  wo 
die  Russen   schon   eingetroffen  waren.     30  000  Mann  Infan- 


150  ^**  ebemalig«  Amt  I^chttoberg  vor  der  EhSn. 

terie  und  Kavallerie  manebierten  durch,  6000  mit  1500 
Pferden  wurden  einquartiert  Am  31.  Oktober  forderte  eine 
preuTsiBohe  Abteilung  unter  Major  Grabow  vom  Amte  1  Paar 
Stiefeln,  72  Paar  Sebuhe,  223  Pfd.  Soblen-  und  70  Pfd.  Ober- 
leder; das  Leder  lieferten  die  Ostbeimer  Gerber.  Am  1.  No- 
vember kamen  grofse  Scharen  von  Kosaken,  6000  davon  naob 
Sondheim.  Noch  in  der  Nacht  mulste  Stetten  94  Laib  Brot 
dahin  liefern;  viel  Vieh  wurde  geschlachtet,  das  Fleisch  in 
Kesseln  gesotten  und  halbgar  verzehrt.  Brot  mufste  in  Tau- 
senden von  Laiben  für  sie  gebacken  werden;  es  wurde  in 
Stücke  geschnitten  und  zu  Zwieback  gedörrt,  den  die  Kosaken 
anderen  Tags  auf  ihre  Wagen  und  Kibitken  luden,  worauf  sie 
über  Bräckenau  nach  Aschaffenburg  zu  weiter  zogen.  —  Am 
27.  November  legte  v.  Stein,  jetzt  russischer  Gouverneur,  dem 
Eisenacher  Lande  noch  einmal  ungeheure  Lieferungen  an 
Mehl,  Hafer,  Schlachtvieh,  Branntwein  etc.  auf. 

Für  Ostheim  allein  betrugen  die  Kriegskosten  der  Jahre 
1806  bis  1818,  also  während  der  Franzosenherrschaft, 
28  551  Thb.  16  Sgr.  7  Pfg.,  in  den  nächsten  2  Jahren 
9998  fl.  32  kr. 

Nun  waren  die  schweren  Kriegszeiten  vorüber;  fortan 
durchzogen  keine  fremden  Kriegsvölker  mehr  verheerend  die 
deutsehen  Lande,  nun  konnten  allmähHoh  die  Wunden  wieder 
heilen.  Groüs  und  schwer  genug  waren  sie !  Wie  viele  Söhne, 
Brüder,  Väter  hatten  ihre  Familien,  ihre  Heimat  verlassen 
müssen,  um  für  den  fremden  Eroberer  in  Tirol,  Spanien,  Bufs- 
land  etc.  ihr  Blut  zu  vergiefsen !  Von  den  aus  Ostheim  Mit- 
gezogenen ist  keiner  wiedergekommen!  — 

Nach  diesem  Kriegswetter  bricht  eine  neue  Zeit  an,  die 
sich  schon  in  allerlei  äufseren  Veränderungen  ankündigt: 
Aufhören  der  kirchenfürstlioben  und  ritterschaftlichen  Herr- 
lichkeit, Umgestaltung  der  Rechtspflege,  für  unser  Land  im 
besonderen  dessen  Erhebung  zu  einem  Grofsherzogtume  infolge 
der  Gebietsvergröfserung  u.  a.  durch  fuldaische  Landesteile, 
und  infolgedessen  wieder  Abzweigung  des  Hintergerichts  vom 
Amte  Lichtenberg  zum  Amte  Kaltennordheim.  — 


Dm  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rh^n.  ]^51 

Im  Jahre  1812  wurde  das  Yordergericht  von  der  würz- 
bnrgischen  Begierung  durch  eine  M  a  u  1 1  i  n  i  e  eingeechlossen, 
in  OberfladungeDy  Wilroars,  Yölkerehausen,  EufBenhauBen  etc. 
Zollstatioiien  errichtet,  und  in  einem  würsburgischen  Hause 
in  Ostheim  ein  bayrischer  Gendarm  stationiert  Für  die  ge- 
Bchäfttreibenden  Einwohner  der  Enklave  war  das  höchst 
drückend  und  beschwerlich,  und  bald  stand  das  Schmuggel- 
wesen in  schönster  Blüte.  Besonders  wurde  viel  Branntwein 
Ton  ürspringen  aus,  wo  heute  noch  viel  gebrannt  wird,  über 
die  Hohe  Bhön  nach  Gersfeld  hinüber  geschmuggelt,  und  man 
erzahlt  sich  noch  manche  romantische  Schmugglergeschichte. 
Reichtümer  soll  sich  indes  keiner  bei  diesem  Geschäft  er- 
worben, wohl  aber  mancher  einen  siechen  Körper  oder  den 
Tod  dabei  geholt  haben.  Am  24.  Jan.  1831  wurde  endlich 
zwischen  der  eisenachischen  und  der  nun  bayrischen  Begie- 
rung ein  Vertrag  auf  12  Jahre  abgesohlossen,  durch  welchen 
die  Enklave  dem  bayrisch  -  württembergischen  Zollverein  ein- 
verleibt, die  Zollstationen  wieder  aufgehoben,  der  bayrische 
Malzaufschlag,  ba3rrisches  Mals  und  Gewicht  und  bayrisches 
Salz  im  Amte  Ostheim  eingeführt  wurden.  Dieser  Vertrag, 
der  von  12  zu  12  Jahren  erneuert  worden  ist,  besteht,  natür- 
lich mit  einigen  durch  die  Beichsgesetzte  bedingten  Änderungen, 
noch  in  Giltigkeit.  — 

Damit  wären  wir  am  Ende  der  Geschichte  des  Amtes 
Lichtenberg  angelangt  Das  einstige  Vordergericht  führte  den 
Namen  ^Amt  Lichtenberg''  eine  Zeitlang  noch  fort,  doch  kam 
er  ihm  ebensowenig  zu  wie  jetzt  dem  Amtsgerichte  Ostheim 
die  Bezeichnung  „Vordergericht  Ostheim^',  wie  es  in  behörd- 
lichen Erlassen  zuweilen  genannt  wird ;  ein  solches  hat  es  nie 
gegeben,  wie  ihm  auch  kein  Hintergoricht  entspricht  — 

Noch  haben  wir  uns  aber  nach  der  alten  Burg,  die 
dem  ehemaligen  Amte  den  Namen  gegeben,  und  ihren  Schick- 
lalen  umzusehen. 

Noch  bis  1811  muTisten  alle  herrschaftlichen  Oetreide- 
gefiUle  von  den  Pflichtigen  auf  dem  äulserst  beschwerlichen, 
■teilen  Weg  sur  Burg  hinauf  geschafft  werden. 


152 


Das  ehemalige  Amt  Lichtenberg  ror  der  BhSn. 


Waren  auch  in  früheren  Jahrhunderten  die  Vorsichts- 
mafsregeln  zur  Bewachung  und  zum  Schutze  der  Burg  um- 
fangreicher gewesen  als  jetzt,  mit  Beisigeni  Wächtern,  Tür- 
mern, Nachthunden  und  dergl. ,  so  mufsten  doch  auch  jetzt 
noch   täglich  4  Mann    aus   den  Amtsdörfern   zur  Wache    an- 


Im  Jahre  1804.    Nach  der  photogr.  vergrörserten  Titel  Vignette  iD  Schal  tes 
Hist.-8tatist.  Betchreibong  der  Grafschaft  Henneberg,  II. 


treten.  Zwar  hatte  auf  Bitten  aller  Amtsorte  der  Landhaupt- 
mann Y.  Herda  am  20.  Sept.  1695  nachgelassen,  dafs  künftig 
immer  nur  2  Mann  zur  Wache  zu  erscheinen  brauchten,  mit 
der  Bestimmung,  dafs  Ostheim  für  20  Tage,  Sondheim  für  10' 
Stetten  und  Ealtensundheim  für  je  8 ,  Urspringen  und  Hel- 
mershausen  für  je  7,  Wohlmuihausen  6,  Gerthausen  6,  Mit- 
telsdorf und  Sohafhausen  je  4,  Melpers  1  Tag  die  Wache  zu 
stellen  hätten«  Bald  jedoch  ist  wieder  immer  von  4  Wächtern 
die  Bede.  Vor  Dieben  vermochten  die  Wächter  die  Oetreide- 
böden  wohl  zu  schützen,  nicht  aber  vor  Ungeziefer,  das  in 
dem  yerfidlenden  Gemäuer  immer  mehr  überhand  nahm.  Be* 
sonders  war,  wie  Erdmann  1754  schreibt,  der  Mäusefrafs  „sehr 


Das  eb«aalige  Amt  Lichtenberg  vor  d«r  Rhltn.  |53 

groB  und  sohädliob,  iDdem  der  Amts  Vogt  den  Winter  durch 
&st  alle  aus  dem  Wald  und  Feld  dahin  aiehende  Mäuee  auf 
den  Henohaftl.  Böden  füttern  und  auswintern  mufs,  sodann 
aufs  frühjahr  das  Ungeziefer  hecket  und  vieles  droben  bleibt**. 

In  den  ersten  Jahren  unseres  Jahrhunderts  beschreibt 
Schultes  die  Burg  als  ,,die  einsame  für  den  Bentbeamteui  den 
Thorwärter  und  vier  täglich  abwechselnden  Fronwächtem  be- 
stimmte Wohnung,  wo  sich  noch  die  herrschaftlichen  Frucht- 
böden nebst  einigen  Gefangnissen  befinden  und  wo  Eulen  und 
Käuagen  nisten'*. 

Als  mit  der  Zeit  der  YerfSsU  der  Burg  immer  fühlbarer 
wurde,  und  infolge  des  Bheinbundes  im  Jahre  1811  die  würz- 
burgische  Gerichtsbarkeit  über  das  Vordergericht  in  Wegfall 
kam,  ging  die  Regierung  daran,  auch  noch  die  Amtsvogtei  in 
die  Stadt  zu  rerlegen.  Daraufhin  hatte  sie  schon  1800  das 
y.  Wejhers'sche  Stiftshaus  angekauft^  um  es  seiner  Zeit  als 
Getreideschüttboden  zu  yerwenden ;  nun  kaufte  sie  das  Schenk 
Y.  Schweinsbergische  (Dr.  Klinghammer^sche)  Haus  hinzu,  um 
den  AmtsTogt,  der  von  nun  an  ,,Bentbeamter''  hiefs,  darin 
unterzubringen.  Justiz-  und  Steuerwesen,  bisher  unter  Ver- 
waltang  des  Amtmanns,  wurden  nun  getrennt,  wie  auch  das 
Porstwesen  einem  Fachmanne  unterstellt  wurde. 

Bis  jetzt  war  der  Turm  immer  noch  als  Amtsgefangnis 
zur  Yerbüfsung  geringerer  Vergehen  —  gröOsere  gehörten  ja 
vor  die  Centen  Mellrichstadt,  Fladungen  oder  Kaltensundheim 
—  zur  „Turmstrafe",  meist  bei  Wasser  und  Brot,  benutzt 
worden.  Nur  die  Gerichtsbarkeit  über  das  „gräuliche  Laster'^ 
der  Hexerei  hatten  sich  die  Amtmänner  von  den  Centen  nicht 
nehmen  lassen,  und  oft  genug  mag  in  den  finstem  Bäumen 
der  Borg  das  Geschrei  und  Wimmern  der  Gefolterten  wider- 
gehallt haben.  Wenn  aber  erzählt  wird,  dafs  1820  Schatz- 
gräber heimlicherweise  ein  Loch  in  den  grofisen  Turm  (mit 
Minen  10  Fufs  dicken  Mauern)  gebrochen,  aber  nur  menach- 
üohe  Gebeine  und  Ketten  gefunden  hätten,  so  klingt  beides 
naeh  allem  sehr  unwahrscheinlich. 

So  stand  nun  die  Burg  ganz  verlassen,  dem  Verfalle  preis- 


164 


Dtm  ehüiialSge  Amt  LiebtenbArK  vor  cUr  Rb^n. 


gegeben.  Was  sollte  nun  aas  ihr  werden?  Alt  1816  3  Ost- 
heimer  Bürger  900  fl.  für  die  Bnine  boten,  ging  auf  Ter- 
wendnng  des  Amtmanns  die  Regierung  auf  den  Handel  ein. 
Die  Käufer  hatten  naturlieh  nur  die  Absicht,  dureh  Terwen- 
düng  oder  Verkauf  der  Baumaterialien  ein  gutes  Geschäft  zu 
machen,    und  schonungslos  ging  es  nun  an  das  Niederreilsen 


des  kleineren  (runden)  Turmes,  des  grofsen  Palas  mit  den 
Fruohtböden,  des  Thorwarthauses,  der  daran  stof  senden  Scheunen, 
der  Hols-  und  Wagenhalle,  der  Kapelle,  des  Büttelhauses,  ver- 
schiedener kleinerer  Nebengebäude  und  eines  grofsen  Teils  der 
Ringmauer  mit  den  Blockhäusern.  Ak  1817  OroCsheiraog 
Karl  August  Ostheim  und  die  Burg  besuchte,  w«r  er  sdir 
entrüstet  über  dietmi  Yandalismas.    Im  Jahre  1819  liefs  er 


Das  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Bbtfn.  2Ö5 

-von  der  RegieruDg  wenigstens  den  Turm  znrüokkaufen,  nie- 
mals aber  hat  er  bei  seinen  späteren  Besuchen  des  Amtsbe- 
^rks  die  Buine  wieder  betreten. 

Mit  erkauftem  Baumaterial  von  derselben  bauten  sich 
einige  arme  Handwerker  und  Taglöhner  gleich  auTsen  an  die 
Ringmauer  an,  und  noch  zu  Bechsteins  Zeit  (s.  Sagen  des 
€^rabfeldesy  1842,  S.  306)  waren  ,,an  ihr  Gemäuer  Schwalben- 
nestern gleich  dürftige  Hütten  armer  Leute  angeklebt''.  Im 
Jahre  1832  wurden  diese  Wohnungen  dem  Ostheimer  Stadt- 
beiirk  einyerleibt;  ein  Verzeichnis  von  1836  giebt  8  Häuser 
tnit  20  Bewohnern  an. 

Im  Jahre  1843  wurde  die  Burgruine  nebst  dem  noch 
^azu  gehörigen  Areal  für  1060  Gulden  Ton  der  Herrschaft 
wieder  angekauft  und  dem  vom  Amtmann,  Justizrat  Schmidt, 
gegründeten  und  noch  eifrig  thätigen  „Verein  zur  Erhaltung 
'der  Burg  und  zur  Verschönerung  ihrer  Umgebung'',  oder  kurz: 
-dem  „Lichtenburgrerein",  überwiesen. 

XJm  die  Aussicht  vom  Turme  zu  ermöglichen»  liefs  der 
Verein  im  Innern  desselben  nach  dem  Gutachten  der  Herren 
Oberbaudirektor  Streichhan  zu  Weimar  und  Baurat  Döbner 
XU  Meiningen  im  Jahre  1854  eine  Treppe  anbringen  und  ihn 
mit  einem  Dache  versehen  ^).  Hierzu  steuerte  OroCiherzog 
Sari  Friedrich  aus  Eammermitteln  390  Thlr.  bei ;  der  Verein 
aufste  noch  ein  Darlehn  von  149  Thlr.  aufnehmen. 

Der  einstige  Umfang  des  Palas  läfst  sich  aus  der  Höhe 
und  Breite  der  noch  stehenden  östlichen  Qiebelwand  und  aus 


1)  lo  den  fmnikiger  Jahren  fttbrte  ein  kfibner  Turner,  Apotheker- 
^hilfe  H.  sn  Osthelm,  an  einer  an«  dem  tfldlichen  Tormfenster  gelegten 
8tange  In  schwindelnder  Höhe  Aber  dem  Pflaster  die  kOhnsten  Tnmer- 
st&eke  ans.  Ein  noch  kühnerer  Wagehals  dfirfte  der  Apothekergehilfe  T. 
^ns  Osthelm  gewesen  sein,  welchör  etwa  um  dieselbe  Zelt  infolge  einer  Wette 
«nf  der  noch  stehenden,  yon  der  Ostheimer  Stratse  aus  wie  eine  Stange 
ersehdnenden  hohen  Qiebelwand  des  Palas  bis  snr  Spltse  und  auf  der 
anderen  Seite  wieder  hinabgeklettert  ist,  Immer  mit  einem  Hammer  in  der 
Band  die  Sicherheit  des  Gesteins  prüfend.  Dieses  Wagestfick  erscheint 
geradesu  unglaublich,  wenn  man  das  am  Hände  der  steil  aufsteigenden 
Wand  nur  noch  lose  auf-  und  aneinanderliegende  Gestein  ansieht. 
IVIL  11 


156 


Das  ehemalige  Amt  Lichtenberg  Tor  der  Rhön. 


deren  Entfernung  von  der  erhalten  gebliebenen  Kemenate 
leicht  ermesBen.  Nach  Angabe  des  Schuhmachers  Kirchner 
zu  Ostheim,  der  in  seiner  Jugend  noch  die  Burg  in  ihrem 
alten  unversehrten  Zustande  gekannt  hatte,  waren  der  Räum- 
lichkeiten im  Palas  so  viele,  dafs  man  sich  darin  fast  hätte 
verirren  können.     Der  Genannte   war   der   Sohn   des   letiten 


ThorwartSy  geboren  auf  der  Burg  1804,  wo  er  mit  seinem 
Vater  bis  1816  gewohnt  hat.  Am  19.  Ifai  1878  gab  er  aof 
Wunsch  des  Lichtenburgvereins-Yorstandes  seine  Erinnerungen 
an  die  damalige  Einrichtung  und  Benutaung  der  Gebäulich- 
keiten  zu  Protokoll.  Seiner  Angabe  nach  hat  damals  links 
vom  äulsem  Thore  noch  ein  Häuschen  mit  Geschützen  (zur 
Benutzung  bei  besonderen  Gelegenheiten)  gestanden.  An  das 
Thorwarthäuschen,  welches  jetzt  vom  Lichtenburgvereine  wie- 
der aufgebaut  und  mit  2  Restaurationszimmem  versehen  wor- 
den ist,  schlössen  sich  2  grolse  Scheunen  und  eine  Holz* 
und  Wagenhalle  an;  vor  denselben  befand  sich  eine  Cisteme 
für  Eegenwasser.  Am  östlichen  Ende  des  äufseren  Burghofes, 
über  dem  Keller,  erhob  sich  ein  schönes   dreistöckiges  ^)  Ge- 


1)  Kirchner  lEhlt  jedenfalls  des  ErdgeichoA  mit 


Das  •hemaüge  Amt  Lichtenberg  yor  der  Bhdn.  ^57 

bäude,  das  ,,Btttelh«ii8'S  za  Kirchners  Zeit  mit  als  Erucht- 
boden  benatzt.  Zwischen  den  beiden  Türmen  befand  sich 
der  Garten,  der  jetzt  mit  Oebüsch  bepflanzt  ist.  In  der 
Kemenate,  welche  damals  noch  mit  dem  Palas  durch  Oänge 
Terbunden  war  und  rem  Amtsvogt  Thon  bewohnt  wurde^ 
waren  die  obersten  Bäume  fdr  die  höchsten  Herrschaften  re- 
serviert. An  die  Kemenate  war  ein  dreistöckiges  Nebenge- 
bäude mit  Waschhaus  und  Wohnzimmern  für  die  Familie 
Thons  angebaut  Dem  Amthausa  gegenüber  befand  sich  die 
Stauung  fdr  den  „Brunnengaul''  und  2  andere  zur  Herbei» 
Schaffung  des  Zinsgetreides  aus  dem  Hintergerioht  (oder  Vor» 
spann  den  Berg  herauf?)  bestimmte  Pferde.  Zwischen  beiden 
Gebäuden  war  eine  Gisteme.  Rechts  vom  Turme  stand  die 
mit  einer  Olocke  yersehene  Schule  für  die  Kinder  der  Be- 
amten —  die  übrigen  Kinder  besuchten,  freilich  mit  oft 
vierteljährigen  Unterbrechungen,  die  Stadtschulen.  An  der 
Ostseite  der  Burg  befand  sich  die  Kapelle,  die  schon  zu 
Kirchners  Zeit  verfallen  war.  Nach  Schultes'  Ansicht  wäre 
sie  im  16.  Jahrhundert  (weil  da  die  Ostheimer  Erühmesser- 
stelle  gestiftet  worden  ist?)  von  einem  Grafen  von  Henne- 
berg erbaut  worden;  sie  ist  aber  zweifellos  ebenso  alt  wie 
die  Burg,  denn  nie  versäumte  auch  der  wüsteste  Baubritter 
am  Ostende  einer  neuen  Burg  eine  Kapelle  anzubringen. 
Auch  die  Angabe  Schultest  den  Dienst  an  der  Kapelle  — 
das  Predigen  an  jedem  8.  Sonntage  —  habe  der  Ostheimer 
Frühmesser  gegen  den  Qennfs  des  Zehnten  von  etlichen 
Äckern  unter  Lichtenberg  zu  versehen  gehabt,  ist  eine  irrige. 
Dieser  Zehnt  stand,  wie  aus  einer  Zehntstreitigkeit  von  1459 
(s.  ni.  Teil)  zu  ersehen  ist,  damals  dem  „Inhaber^'  der  Niko- 
lauskapelle zu  Ostheim  zu,  und  nach  Einführung  der  Eefor- 
mation  ging,  während  die  Einkünfte  der  Frühmesserstelle  zur 
Dotation  des  neugegründeten  Diakonats  verwendet  wurden, 
der  Zehnt  mit  dem  Dienst  an  der  Burgkapelle  an  die  Ober- 
pfarrei über.  Die  Amtsbeschreibung  von  1648  sagt  darüber: 
»Die  (M^jimetur  zue  Ostheimb  hat  auff  etzliche  Lenderey 
nnter  Lichtenbergk  am  strüppücht  den  Zehenten,  stad  deßen 

11* 


J58  I^  ehemalige  Amt  Lichtenberg  Tor  der  Rbdn. 

empfaDgen  berioht  nach  hieberorn  ubem  dritten  Sontag  off 
dem  Fr.  Ambthaui  die  predigt  yersehen  werden  müAen;  der 
Zehent  zwart  iit  noch  gangbar,  das  predigen  aber  hieroben 
lange  ^)  eingestellet  blieben/' 

Der  Fnüswegy  welcher  yon  der  Barg  nach  dem  Schlofs- 
felde  hinabführte,  hieTs  der  »»Brüherbsenpfad^S  weil  in  alter 
Zeit  einmal  eine  Magd,  die  den  Arbeitern  eine  Batte  Brüh- 
erbsen auf  das  Feld  hinunterbringen  sollte,  mit  ihrer  Last  zu 
Falle  gekommen  ist  nnd  ihre  Erbsensuppe  auf  diesem  steilen 
Wege  „angerichtet''  hat. 


1)  Seit  den  Kriegsseiten? 


2.  Verwaltung  und  Rechtspflege. 

A.  Verwaltung. 

In  den  Zeiten  des  FanstrechtB  wufste  ein  Fürst  sein 
Land  nicht  beeeer  bu  schützen,  als  wenn  er  jede  seiner 
Bargen  mit  ihren  ^^Zugehörungen'',  oder,  wie  wir  es  zu  Ter* 
stehen  haben,  jeden  Amtsbezirk  mit  seinem  Amthause  dem 
Schutze  dort  oder  in  der  Nähe  ansässiger  Kitter  befahl.  Zu 
solcher  Schutsleistung  verpflichtete  er  einen  Ritter  durch 
Verleihung  eines  ,,Burggutes'',  das  entweder  in  einem 
wirklichen  Oute  im  Werte  von  100  bis  200  Pfd.  Hellem 
oder  einer  Summe  von  dieser  Höhe,  für  welche  der  „Burg- 
mann" dem  Fürsten  ein  eigenes,  freies  Gut  zu  Lehen 
auftrug  oder  ein  neues  zu  erwerben  hatte,  oder  auch  in 
herrschaftlichen  Gefällen  bestand,  deren  Höhe  dem  5-  bis 
8-prozentigen  Abwürfe  eines  Burggutes  entsprach.  Das  so 
eingegangene  Lehnsverhältnis  wurde  entweder  auf  eine  be- 
stimmte Zeit  oder  auf  Lebenszeit,  oder  erblich  eingegangen, 
in  welchem  letzteren  Falle  der  Ritter  „Erbburgmann^'  hiefs. 
Besonders  aus  der  Zeit  der  beiden  fehdelustigen  Fürstäbte 
Heinrich  YL  und  VIL  sind  eine  ganze  Anzahl  solcher  Be- 
lehnungen mit  lichtenbergischen  Burggütern  durch  Urkunden 
bekannt. 


IQQ  Dm  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rhön. 

Entweder  wurden  diese  Bargmänner  yerpfliohtet,  von 
ihren  Burgen  aus  auf  Erfordern  zum  Schutze  des  Schlosses 
herheizueilen,  oder  es  wurde  in  einzelnen  Fällen  ihnen  „per- 
sönliche Eesidenz''  zur  Pflicht  gemacht  —  sie  mulsten  ihren 
ständigen  Wohnsitz  für  die  yerahredete  Zeit  auf  der  herr- 
«chaftlichen  Burg  aufschlagen.  Diesen  letzteren  wurde  die 
Verwaltung  des  zum  Schlosse  gehörigen  Bezirks  und  die  An- 
führung der  übrigen  Burgmänner  zur  Zeit  der  Gefahr  über- 
tragen —  sie  waren  die  ersten  Amtmänner  oder  Yögte 
(Advocati). 

Nicht  selten  kam  es  yor,  dafs  ein  Burgmann  dem  Herrn 
•des  Schlosses  eine  bedeutende  Summe  yorstreckte,  bis  zu 
deren  Zurückerstattung  ihm  die  Burg  selbst  mit  ihren  Zu- 
i;ehörungen  yerpfändet,  die  Verwaltung  des  Amtes  und  die 
Einkünfte  aus  demselben  überwiesen  wurden  —  er  übernahm 
<las  Amt  ,,amtmannsweise''. 

Dann  und  wann  nannte  sich  ein  Burgmann  nach  dem 
Schlosse,  anf  dem  er  sich  als  solcher  aufhielt,  indem  er  ent* 
weder  seinen  bisherigen  Namen  ganz  aufgab  oder  ihn  dem 
neuen  durch  den  Beisatz:  ^^genannt  yon  .  .  .**  hinzufügte, 
oder  umgekehrt.  So  nannte  sich  ein  bald  wieder  ausgestor- 
bener Zweig  der  Familie  y.  Heisberg  ,,yon  Lichtenberg''. 

Als  Burgmänner  yon  Lichtenberg 
kommen  urkundlich  yor: 

1256:  Wol/ramu»  pineerna  et  Henriou»  miUs  de  Wtit- 
A4  im, 

1276:  HeinricuB  müu  de  Lichtenberg,  —  ,,toii  Lichten- 
berg** heif^D  noch:  Saeerdos  Cunradus  (1299);  Marquart  (1818,  1816); 
Berthold,  Abt  des  Klosters  Qeorgenthal  bei  Bofsdorf  (1846);  Frlts  (1849); 
Heints  (1410,  1427). 

1818 1  Ounradue  mäee  de  Lichtenberg,  —  Er  ist  Termatlleh 
identisch  mit  Canrad  Ton  Hesburg  (1817;  s.  XVI,  288),  Conrad  gen. 
Thüriug  Caetrmsis  in  Lichtenberg  (1320),  Canrad  ▼.  L.  (1824),  Chunrad 
V.  Hessebarg  gen.  v.  L.  (1884).  Es  gab  am  diese  Zeit  Vater  and  Sohn 
dieses  Namens  (s.  Schaltes,  Henneb.  Gesch.  U,  Urk.  S.  89,  40).  —  1822 
erhielt  Konrad  ▼.  L.  das  Gericht  Friedelshaasen  „an  seiner  Schadens- 
Ersetaong,  and  soll  sie  so  lange  genießen,  bis  ihm  100  Pfd.  Heller 
würden  bezahlet  sein".    In  Friedelshaasen   gehSrte   der   Höfleshof  denen 


Das  ehtmallge  Amt  Lichtenberg  Tor  der  Sbön.  IQI 

T.  L.,  „deren  Vorfahren  Bargminner  aof  Lichtenberg  geweien**  (Heim). 
—  18S2  war  Konrad  t.  L.  Vogt  sn  Eisfeld  (BrttciLner,  Landeslinnde). 

1819:  Heinricus  d0  Waltratehusenj  «uho€€ttiu  m  Lichten- 
berg, —  1320:  Helwieus  {de  W,)  advoeatut  in  L.y  des  Vorigen  Sohn. 
Dieser  erhielt  mit  Oyso  ▼.  Steinau  Schlofs  und  Amt  pfandweise  fSr 
800  Pfd.  Heller  im  Jahre  1884.  In  den  Streitigkeiten  «wischen  Fulda 
nnd  Wftrsbnrg  1848  (s.  XVI,  288)  tritt  er,  anch  ▼.  Unsleben  genannt, 
als  einer  der  SchiedsmXnner  aof. 

1825:  Johannet  dietu9  de  Otiheim  milee  reiidem  in  Lieh" 
ienberg, 

1827:  Oyso  v.  Steinao.  —  Abt  „Fingerhut**,  der  kleine,  aber 
energische  Bertho  II.,  der  dem  Ranbrittertnm  in  seinem  Stiftsgebiete  ein 
Ende  machen  wollte,  mehrere  Borgen  serstört  ond  den  in  Biscbofsheim 
geüsngenen  Herrn.  Ton  Ebersberg  1270  in  Folda  hatte  hinrichten  lassen, 
war  am  15.  April  1271  am  Altare  wihrend  des  Hofamtes  von  26  Stieben 
dorebbohrt  gefallen,  welche  ihm  von  dem  durchs  Los  daso  bestimmten 
Oyso  T,  Steinao  ond  seinen  Genossen  Tom  Stegreif  beigebracht  worden 
waren.  Des  Ermordeten  Nachfolger  Bertho  III.  bot  alles  aof,  die  Obel- 
that  so  rXchen.  Die  Verschwörer  flohen  in  die  Borg  Steinao^)  ond  von 
da  nach  dem  Haselstein,  worden  aber  onterwegs,  in  der  Kirche  so  Hasel- 
fiberfallen ;  Gyso  worde  aas  der  Thür  fliehend  erschlagen,  seine  SpieCi* 
gesellen  Albert  und  Heinrich  ▼.  Ebersberg  aber  aof  kaiserl.  Befehl  in 
Prankfort  lebendig  ger&dert  Oysos  Nachkommen  mofsten  statt  der 
sdiwertsfickenden  Klaue  sor  steten  Erinnerong  an  ihren  Ahnen,  der  als 
Dritter  das  Rad  Terdient  hatte,  von  non  an  8  Bäder  im  Wappen  führen 
und  ihren  Namen  in  „Steinrück"  omwandeln.  Spiter  nannten  sie  sich 
^von  Steinao  gen.  Steinrück".  Lange  mufsten  sie  sich,  ihrer  Lehngüter 
beraubt,  im  Auslande  aufhalten,  bis  endlich  1827  Abt  Heinrich  VL  sich 
mit  Gysos  Enkeln  Trayboto  (Heinrichs  v.  Ezdorf  Schwiegersohn)  und 
Heinrich  versöhnte  und  ihnen  Foppenhausen  aum  Wohnsiti  anwies  mit 
der  ausdrücklichen  Bedingung,  da£i  sie  oder  ihre  Nachkommen  nie  ohne 
Erlaubnis  ihr  Haus  burgähnlich  befestigen  dürften').  Beide  Brüder 
mufsten  u.  a.  sich  noch  verpflichten,  ihren  Söhnen  Gyso  und  Heinrich 
je  10  Pfd.  Heller  jährlich  zusuweisen,  wosu  der  Abt  noch  je  6  Pfd.  legte, 
welches  Einkommen  diese  als  fuldaische  Burgmänner,  Gyso  auf  Lichten- 
berg, Heinrich  auf  Biberstein,  verdienen  sollten. 


1)  Das  Dorf  Steinau,  in  welchem  Gysos  Stammburg  stand,  liegt 
5  km  von  Fulda  an  der  Bahn  nach  Hünfeld. 

2)  Es  geschah  später  doch;  sie  unternahmen,  abgesehen  von 
Stralienränberei,  von  hier  aus  förmliche  Kriegsaüge,  bis  endlich  1459 
ihre  Burg  gebrochen  wurde. 


102  ^'^  eheniftUge  Amt  Ltchtanberg  vor  der  BbSn. 

13S4  am  Sonnabend  nach  Kat  Terkaaft  Abt  Heinrich  Schlofs  und 
Gericht  LiohtenberK  itlr  800  Pfd.  Heller  unter  dem  flblichen  Yorbdialt» 
des  Wiederkanfs  an  Helwig  t.  Waltertbaosen,  Sitter,  und  Gyso  v. 
Steinan,  Knecht,  nnd  tetst  sie  als  Amtlente  ein  mit  der  Verpflichtung,  das- 
Schlofii  sa  bewahren.  Tormlente,  Wichter  nnd  Thonrirter  selbst  su  be- 
solden, stftodig  10  Mann  Gewappnete  anf  der  Borg  an  halten  etc.  „8i# 
Bullen  onch  in  deme  gerichte,  die  wiele  sie  es  inne  han,  die  lade  nicht 
for  bax  mehr  dringen  noch  besaern  über  das  alse  bis  her  gewnnliche  ist 
gewest.*'  —  Unter  ihrer  Amtmannschaft  warde  im  folgenden  Jahre  da» 
Centgericht  von  Sondhelm  nach  Piadangen  verlegt.  —  1836  erteilt  Abt 
Heinrich  dem  Helwig  von  Waltershaosen  die  Anwartschaft  aaf  die  Güter 
im  vüla  Bodiehm  (R5dchen,  „Bod**,  Flnrgegend  anter  Lichtenberg)  and 
aaf  die  sar  Amtmannsbestallong  gehörigen  Fischteiche  (S.  77),  worauf 
jedoch  er  und  seine  NachlLommen  so  lange  keine  Ansprüche  haben  sollten, 
als  Gyso  von  Steinau  noch  mit  ihm  im  Amte  sei  und  sie  diesem  sustftnden. 
Er  weist  ihm  femer  100  Pfd.  Heller  als  Bnrggnt  su,  macht  ihm  aber 
persönliche  Sesidena  sur  Pflicht  —  Wie  lange  die  beiden  Schlofs  und 
Amt  innegehabt,  ist  nicht  su  bestimmen.  Wenn  1848  die  Schiedsleuta 
swischen  Abt  Heinrich  und  Bischof  Otto  bestimmen,  dafs  diese  die  Schlösser 
Uildenburg  und  Lichtenberg  demnächst  wieder  einlösen  sollten,  so  deutet 
dies  wohl  darauf  hin,  dals  die  beiden  Bitter  Lichtenberg   noch    besafsen. 

Gyso  Ton  Steinau,  der  übrigens  nie  sich  Steinrück  lubenennt,  macht 
in  Urkunden  noch  viel  von  sich  reden.  1338  kauft  er  von  Job.  v.  Mafs> 
bach  ein  Burggut  su  Lichtenberg  nebst  Besitsungen  su  Ostheim  und  Nord- 
heim. 1863  kauft  Gyso  v.  Steinau,  Ritter,  und  Luts  v.  Herbilstadt,. 
Knecht,  von  Fürst  Johann  von  Henneberg  Burg,  Stadt  und  Amt  Wa- 
sungen  auf  Wiederkaof  für  2550  Pfd.  Heller.  Derselbe  Fürst  beruft  iha 
1856  in  ein  Schiedsgericht  swischen  ihm  und  Balthasar  v.  Thüringen  und 
bestellt  ihn  1369  mit  in  den  Vormundschaftsrat  für  seine  Kinder.  1360 
erscheint  Gyso  als  Zeuge  in  einer  Urkunde  Landgraf  Heinrichs  v.  Hessen. 
Im  Kriege  Abt  Heinrichs  VII.  gegen  Landgraf  Otto  v.  Hessen  und 
dessen  Verbündete  1361  (XVI,  292)  steht  er  mit  seinen  Leuten  auf  seiteo 
des  Abts;  1365  schreibt  er  ihm  über  die  dabei  erlittenen  Verluste  seine 
Rechnung,  die  der  Abt  in  einer  besonderen  Urkunde  anerkennt.  Die 
Sunmie  betrug  800  Pfd.  Heller,  die  der  Abt  su  dem  Gelde  schlug,  welcbaa 
Gyso  schon  auf  Schlofs  und  Amt  Fischberg  stehen  hatte.  1868  kaufte 
Gyso  von  Eberhard  vom  Stein  dem  Jüngern  mit  dessen  Vaters  nnd  Bru- 
ders Willen  ein  Gut  au  Ostheim  für  10  Pfd.  Heller.  1871  schlichten 
Heinrich  v.  Brende,  Heincse  v.  Steinau,  Lutze  von  Herbelstad  und  Heincse 
vom  Steyne  einen  Erbscbaftsstreit  swischen  Gyso  v.  Steinau  und  seiner 
Frau  Christine  (ihrem  Wappen  nach  einer  geb.  v.  Ostbeim  oder  Marschalk 
V.  Ostheim)  einerseits,  und  ihrem  Schwiegersöhne  Siegfried  v.  Stein  und 
Felicsen  ihrer  Tochter  andererseits.     Es  wurde  letzteren  ein  grofser  Taii 


Dai  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rhön.  16S* 

der  elterlichen  G&ter  sngesprochen,  wonach  sie  lieioe  Erbansprttche  mehr 
sn  machen  hJUten,  „ez  were  den,  das  de«  obgn.  Hn.  Qeyßen  tone  abe 
ginge  von  todes  wegen**.  1872  kauft  er  von  Henrich  von  WaltrathuB» 
Knnne,  seiner  ehelichen  Wirtin  und  Alheyt  Onaaeym,  seiner  Tochter,  da» 
spiter  V.  Steinsche  Gut  an  Sondheim  für  360  Pfd.  Heller.  1376  liauft 
er  von  Herm.  Harkart  und  Else  seiner  ehelichen  Wirtin,  in  Gemeinschaft 
mit  Heinrich  SteinrttclKe  und  Yrmel  seiner  Frau,  Weimarschmieden  fUr 
1820  Pfd.  Heller,  su  welcher  Summe  leuterer  nur  800  Pfd.  beigetragei^ 
hatte,  die  ihm  Ojso  v.  Steinau  bald  heransgeaahlt  su  haben  scheint  — 
In  einem  Erbschaftsstreite  von  1881  „an  sant  Johan«  tage  Baptutm^  so- 
man  das  f&er  machet**,  zwischen  Syfryde  vom  Steyne,  Felicse  seiner 
Frau  und  beider  Erben  einerseits«  und  Hermann  v.  Steynaw,  Symon- 
Steinrucken  und  Cuncsen,  Karl  und  Otten  Steinrucken  Gebrfidern  anderer- 
seits wegen  der  GQter,  die  „die  kint'*  Dytrich  von  Steynaw  und  seine 
Schwester  Gysel  hinterlassen  hatten,  wird  Gysos  nicht  mehr  gedacht. 

1836 :  Johann  Schenk  re versiert  sich  über  die  Belehnung  mit 
einem  Burglehu,  das  aus  6  Pfd.  Hellern  jährlicher  Gefälle  von  der  Bnbels- 
bergs-  und  der  Toderhufe  zu  Ostheim  bestand,  und  das  er  von  Alheid,. 
der  Witwe  Alberts  von  Nuenstat,  und  ihren  Kindern  gekauft.  Er  ist  ver- 
mutlich identisch  mit  Johanaus  dictu$  de  Otth$m  von  1827  (s.  o.);  die. 
V.  0«theim  besafsen  das  henneb.  Schenkenamt  als  Erblehn. 

1338:  Johann  von  Mafsbach  und  Femele  seine  eheliche 
Wirtin  verkaufen  den  vom  Vater  der  letzteren,  Herm.  Voyt  v.  Salsbur^^ 
erhaltenen  Hof  und  Burggut  zu  Lichtenberg,  ihre  Besitzungen  zu  Ost- 
heim und  ihre  Wiesen  zu  Nordheim  unter  Lichtenberg  für  102  Pfd». 
Heller  an  Gyso  v.  Steinau. 

1842:  Syfrid  vom  Steine  „der  Jüngere**  (dem  Schwiegersohn» 
Gysos  v.  Steinau  gegenüber  „der  Ältere*';  1834  „des  Bastheimers  Knecht**) 
erhält,  nachdem  er  dem  Abt  Heinrich  v.  Fulda  das  Öfibungsrecht  des 
Schlosses  Bastbeim  eingeräumt,  100  Pfd.  Heller  als  Burggut,  das  er  von. 
seiner  Veste  Bastheim  aus  „odir  anders,  wa  he  sitzet**,  auf  Lichtenberg 
verdienen  sollte,  und  wird  zum  Erbburgmann  angenommen.  Im  Jahre- 
1355,  damals  Vogt  auf  Hildenberg,  empörte  er  sich  mit  Otto  v.  Bastheim, 
und  Gabriel  Truchsefs  gegen  seinen  Lehnsherrn,  den  Bischof  Albert  v. 
Würzburg.  Nachdem  dieser  Schief«  Bastheim  erstürmt  hatte,  wurden  sie 
sof  Verwendung  ihrer  Freunde  zwar  begnadigt,  mufsten  aber  dem  Stifte 
Würibnrg  für  alle  Zeiten  das  Öffnungsrecht  des  Schlosses  Bastheim  ein- 
räumen. 

1348:  Johann  von  der  Kere^)  „von  Bosrit  genannt**  bekennt, 


1)  Das  V.  d.  Kehre'sche  Geschlecht,  welches  1569  mit  Richard,. 
Amtmann  zu  Mellrichstadt,  ausstarb,  ist  ein  Zweig  des  Hauses  Truchsefs- 
V.  Henneberg,   mit   dem   es   gleiches    Wappen   führte.     Albrecht,   Bruder 


\Q4:  ^**  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Shön. 

dtkCs  Abt  Heinrieh  ihn  zom  Erbborgmann  auf  Lichtenberg  angenommen 
(,,eB  were  dann,  das  ich  adir  myn  erbin  nnses  ejdes  los  sin**)  nnd  ihm 
HO  Pfd.  Heller  als  Borggut  gegeben  habe,  wogegen  er  ihm  seine  8  eigenen 
•Hoben  sn  Mittelstren  su  Lehn  aaftrSgt.  1344  beliennt  er,  dafs  der  Abt 
ihm  100  Pfd.  Heller  als  Bnrgg^t  gegeben  habe,  an  verdienen  „wa  ich 
adir  min  erben  mit  dem  hose  sitsen**,  wofür  er  ihm  mit  Willen  seiner 
ehelichen  Wirtin  Eatarine  8  Pfd.  Heller  Einkflnfle  von  seinen  8  eigenen 
flnben  sn  Behrangen  sn  Lehn  aoftrftgt 

186S:  Heinrich  von  Sternberg  (1848  „des  schönen  Her- 
mans  s6n  genannt**  [H.]  besaDi  '/g  vom  Zehnt  sn  Mittelstren  and  ein 
Vorwerk  za  Debertshaosen ,  welches  Johann  v.  d.  Kehre[- Rosriet] 
1356  iLaufte)  empfftngt  vom  Abt  100  Pfd.  Heller,  trftgt  ihm  dafür  eigene 
Besitsnngen  an  Lehn  anf  nnd  empf&ogt  sie  als  Barggut  snrÜclL,  nimlich 
•die  „wnstenunge,  die  da  heizzet  zum  Beynhartes**  (Beinhardshof). 

1359 :  Abt  Heinrich  nimmt  seinen  Bruder  Gerlaoh  TonKraluok 
^um  Erbburgmann  von  Lichtenberg  an  und  übergiebt  ihm  die  Qflter  „in 
Rimbrechtis**  (Beinhardshof,  wie  aus  dem  folgenden  hervorgeht). 

1361  :  Derselbe  Abt  nimmt  Hermann  Markart,  Ritter,  und 
-Oocze  seinen  Bruder  als  Erbburgminner  in  seiner  Veste  Lichtenberg 
auf  und  verleiht  ihnen  180  Pfd.  Heller  zu  rechtem  Bnrggut  anf  der 
halben  Wüstung  „zum  Reinbrechtes**,  die  er  vorher  seinem  Bruder  Ger- 
lach V.  Kralucke  verliehen  und  ihm  vorher  vom  seligen  Heinrich  v. 
Sternberg  heimgefalien  sei;  „und  dasselbe  bnrggut  sullen  euch  die  vor- 
■gnant  Hermann  und  Gocae  odir  ir  eyner  und  nach  irem  vorgengniss  zum 
■minsten  einer  irer  erbin  nf  der  vorgnantin  vestin  mit  wesen  stetlich  be- 
sitzen'*. 1876  verkaufen  Herm.  Markart  nnd  Else  seine  eheliche  Wirtin 
Wjmarsmyden  (vermutlich  samt  Reinhards)  an  Gyso  v.  Stetnan^). 

1368:  Hans  von  Birkis  bekennt,  dafs  ihn  Abt  Heinrich  ala 
Grbburgmann  auf  seine  Veste  Lichtenberg  genommen  nnd  ihm  und  seinen 
Erben  8  Pfd.  Geldes  Salzunger  Währung,  jährlich  zu  Martini  fällig,  von 
«einer  Stadtbete  das.  dafür  zu  reichen  habe  *). 

1 366 :  Mangold  von  Swinfurd  gelobt  und  schwört,   das  von 


•des  Albrecht  Truchsefs  v.  Henneberg,  hatte  sich  ein  Schlofs  zu  Henne- 
berg „auf  dem  Berg  an  der  Keer  gelegen**  erbant  und  sich  zuerst  1870 
^,v.  d.  Kere**  genannt.  Seine  Nachkommenschaft  teilte  sich  in  verschiedene 
liinien,  die  Rosrieter,  Kehre'sche,  Einhartthäuser  etc. 

1)  Bisher  ist  unter  Beinbrechtis  irrtümlich  immer  Renpers  bei 
Stetten  verstanden  worden,  was  zum  würzb.  Hildenberg  gehörte. 

8)  Auch  die  v.  Bircke  oder  Birkis  waren  ein  Zweig  des  Truchsefs 
V.  Hennebergschen  Stammes.  Heinrich  Truchsefs  v.  H.  besafs  1384  den 
2ehnt  „zu  Birck  bey  den  Thüringer  Wald** ;  1846  :  „Hans  Truchsefs  v.  H. 
^en.  V.  Bircke**  (Biedermann,  Baunach,  868). 


Das  ehemalige  Amt  Liehtenberg  Tor  der  Rhön.  Ig5 

seinem  Bruder  Conxe  geerbte  nnd  nun  ihm  tu  Lehn  gegebene  Burggnt 
.„mit  namen  sehen  phant  heller  geldes**  OIhrlich)  auf  des  Abts  Veste  nnd 
Schlofs  Liehtenberg  getreulich  sn  TerdJenen.  —  1896  hat  Becse  (Schan- 
«lat:  Apeso)  von  8winfurd  „enphangen  ejn  burggut,  das  gebort  gein 
Liehtinberg  und  sin  X  phnnd  geldes,  es&  Ußleyben  gelegin". 

?:  K  arl  von  Steinau  gen.  8t  einrflck  ,  Amtmann  su  Salxun- 
gen  und  Lichtenberg  (Biederm.,  RhSn-Werra,  427). 

1374:  Paul  von  Herbilstadt  empfXngt  ein  Bnrggut  sn  Hel- 
mershausen,  das,  wie  yermutlich  auch  Weimarschmieden  und  Reinhards, 
ursprünglich  zu  dem  d.  Z.  in  Trümmern  liegenden  Hutsberg  gehört  hatte. 

1875:  Job  an  n  nnd  Werner  Zufrafs.  Am  Andreastage  ge- 
nannten Jahres  entscheiden  Dietrich  (Priester)  und  Sintram  ▼.  d.  Kehre, 
OebrÜder,  und  Stephan  ▼.  d.  Kehre  als  Schiedsleute  swischen  den  Ge- 
nannten einer-,  und  Heinrich  ▼.  Stein  andererseits,  dafs  u.  a.  „das  hus 
Ulf  der  bürge  su  Lichtenberg,  die  bamgarten  in  dem  Rode,  die  Tyle  ynne 
hat*%  „fünf  acker  wingarten  in  dem  wingarten  tal'*  etc.  „Hn  Johansen 
■Zufrass  und  Wemhem  Zufrasa  Tnd  fm  erben  volgen  und  werden  shol*^ 

1386:  Siegfried  vom  Steine  und  Heinrich  von  der 
Tann.  Letsterer  ist  schon  1372  Burgmann  auf  Lichtenberg.  Am 
•ö.  Sept.  1386  fibemebmen  beide  das  Amt  amtmannsweise,  indem  ihnen 
Landgraf  Balthasar  ▼.  Tbflringen  Lichtenberg  „mit  allen  sinen  czuge- 
homngen  vor  sechs  und  cswencsig  hundert  und  vire  und  cswencsig  gute 
gülden,  nxgenomen  unsir  manschaft,  manlehin  und  geistliche  lehin,  die 
idr  und  unsir  erbin  uuTorsacst  bebalden**,  verpHndet,  sich  aber  die 
Oifnung  des  Schlosses  TOrbehält.  Nach  Rein  hätte  die  Landgräfin  Marga- 
rete schon  1889  das  Schlofs  wieder  eingelöst,  um  sich  selbst  damit  be- 
lehnen zu  lassen;  aber  1390  bekennt  Sjfryd  Tom  Steyne,  Amtmann  zu 
Lichtenberg,  urkundlich,  dafs  Markgraf  Balthasar  ihm  und  Heynczen  ▼.  d. 
Thann  die  Lösung  des  Schlosses  angesagt  habe,  und  dafs  der  Brief  durch 
Tryng  ▼.  Heldryt  ihm  am  Sonnabend  vor  dem  Pauwelstag  fiberbracht 
worden  sei.  —  1391  wurde  denselben  Edelleuten  das  Schlofs  abermals, 
jetzt  für  4000  fl.,  verpfändet. 

SiegfHed  v.  Stein,  der  Schwiegersohn  Oysos  v.  Steinau,  erwarb  ge- 
meinschaftlich mit  seiner  Frau  Pelicze  1377  von  seinen  Vettern,  den 
Brfidern  Hencse,  Eberhard  und  Hans  v.  Stein,  deren  Anteil  am  würsb. 
Vnterburggrafenamt  (XVI,  290)  ffir  150  Pfd.  Heller  auf  Wiederkauf; 
1385  von  seinem  Vetter  Heinz  v.  Stein  zu  Nnrdhelm  im  Orabfeld  den 
"Sehenkschen  (v.  Ostheimschen)  Hof  su  Ostheim  für  2200  Pfd.  Heller; 
1393  von  der  Familie  von  Qriefsheim  ihre  Oüter  sn  Qrub  unter  Hilden- 
berg. 1331  entscheiden  Dytrich  v.  Bybra,  Hans  v.  d.  Kere,  Dytse  und 
Peter  Voyt  v.  Salzburg  als  Schiedsmänner  swischen  Siegfried  vom  Stein 
<uid  seiner  Frau  einer-,  und  Verwandten  derselben  andererseits  wegen  der 
HinterUssenschaft  der  Kinder  Dietrich  und  Oysel  v.  Steinau,  dafii  Poppen- 


X66  ^'^  ehemalige  Amt  Licbtenberg  vor  der  Bhdn. 

hausen  in  Hermannt  und  Symons  ▼.  Stelnaa  Beütse  bleiben,  dagegen  all»- 
Hinterlassenschaften  „dysyt  der  Rone*'  im  Taxwerte  von  8200  Pfd.  Heller 
wünb.  Wfthmng  Siegfried  nnd  seiner  Gemahlin,  welche  die  Hilft«  der 
Seholden  sn  fibemehmen  hätten,  an  ttberlasten  seien;  aafserdem  „das- 
hns  Lichtenberg  in  der  Innern  bnrgo  vnder  den  deinen  tarn'*  etc. 

Heinrich  t.  d.  Tann  (Sohn  Heinrichs  „Ton  BIschofisheim'«  [1847]> 
hatte  1366  Ton  Otto  Ton  Herbilstadt  dessen  Hlnser,  Äcker  and  Wiesen 
sa  Ostheim  and  anderen  Orten  ffir  130  Pfd.  Heller  gekauft.  1374  war 
er  Amtmann  sa  Pischberg,  seit  18SS  Pfkndinhaber  nnd  Amtmann  sil 
Mellriehstodt,  1385  mit  Friu  t.  d.  Tann  anch  von  HUdenberg.  1879- 
kauft  er  von  Heinrieh  ▼.  Stein  ^/^  eines  ZwAlftels  Tom  Ostheimer  Zehnt 
für  100  Pfd.  Heller  auf  Wiederkanf,  1880  die  „DOringer*'  Wiesen  daselbst 
für  60  Pfd.  HeUer,  1894  Ton  Konrad  v.  Stelnaa  den  Hof  in  Fladungao. 
beim  Kirchhof  und  den  halben  Baumgarten  über  der  Stadt  hinterm  Kirch- 
hofe und  die  ihm  gehörigen  Zinsen  su  Fladangen  für  65  fl.,  1396  tob 
Peter  Schenk  dessen  Hof  sn  Kaltensundheim  für  SSO  Pfd.  Heller  aaf 
WiederlSsung  etc. 

1389:  Heins  und  Orete  Tom  Stein,  Albrecht  nnd  Bets 
Trucbsefs  verkaufen  an  Landgraf  Balthasar  ihr  Burggut  su  Lichten-^ 
berg  für  400  fl. 

1405:  Oeorg,  Heinrich  und  Eucharius  v.  d.  Tann, 
Söhne  des  Frits  ▼.  d.  Tann,  Amtmanns  auf  Hutsberg;  Landgraf  Baltha- 
sar verpiltndet  ihnen  Y^  von  Lichtenberg ' ). 

14 SO:  Frits  vom  Stein.  Ersbischof  Koorad  von  Mains  ver- 
leiht ihm  das  Burggut  au  Lichtenberg,  eine  Behausung  daselbst  im  innerem 
Schlosse,  ein  Haus  und  Hof  in  der  Vorbarg,  ein  Gut  im  Bode  und  t. 
Acker  Weingarten. 

1428:  Haus  vom  Stein  „scy  Lichtenberg**  (H  VI,  110). 

1428  werden  sämtliche  Ostheimer  Edelleute  vom  Bischof  Johann, 
seine  „Burgkleute**  genannt 

1428 :  Siefried  vom  Stein,  Bitter,  L  o  r  e  n  s  und  Hans  v  o  nk 
Stein,  „gesessen  su  Lichtenberg  und  0»theim**. 


1)  Sie  gründeten  gemeinschaftlich  mit  ihren  Brüdern  Burkard, 
Engelhard  und  Philipp  (ein  7.  Bruder  war  Melchior,  S.  168)  1407  die^ 
Frühmesse  in  Nordhelm  v.  d.  Rhön.  Später  hetsten  sie  die  Stadt  Mei- 
nlogen  gegen  ihren  Herrn,  Bischof  Johann  II.,  auf;  dieser  liefe  durch 
Lorenz  v.  Ostbeim  und  Sintram  v.  d.  Kehre  Meiningen  mit  Gewalt  nehmen 
(1418)  und  brachte  die  Brüder  v.  d.  Tann  in  seine  Gewalt.  —  1444  wurden 
sie  von  Kurfürst  Friedrich  v.  Sachsen  gebeten,  sich  der  3  jungen  Grafen. 
V.  Henneberg  gegen  deren  Onkel  Heinrich  (den  Unruhigen)  in  Kaitennord- 
heim  ansunehmen. 


Dm§  ehtiDAligo  Amt  Lichtenbtrg  vor  der  Rhön.  IQI 

Die  Amtmänner. 

Je  mehr  die  Kaiser  mit  ihren  Bemtthuogen,  das  Faust- 
«Dd  fehdereoht  und  damit  die  kleinen,  aber  unaufhörlich  das 
Land  yerwüstenden  Kriege  durch  wiederholte  Aufrichtung  so- 
genannter „Landfrieden*^  zu  beseitigen^  Erfolg  hatten,  desto 
weniger  bedurften  die  Fürsten  zum  Schutze  ihrer  Schlösser 
und  Ländereien  noch  der  Bnrgmänner,  welche  Bezeichnung 
nun  auch  yersohwindet ;  desto  weniger  hatten  es  auch  die 
Amtmänner  auf  Lichtenberg  noch  mit  einer  bewaffneten  Ver- 
teidigung  des  Schlosses  und  Amtes  zu  thun,  desto  mehr  konnten 
sie  nun  alle  Achtsamkeit  auf  die  eigentliche  Begierung  ihres 
Bezirks  richten.  Immer  schärfer  grenzt  sich  im  Laufe  der 
2eit  der  Kreis  ihrer  Hechte  und  Pflichten  ab,  immer  deut- 
licher treten  nun  ihre  Persönlichkeiten  durch  nachgelassene 
Sdiriftotticke  oder  andere  Spuren  ihres  Wirkens  aus  dem 
Dunkel  hervor.  Dies  gilt  namentlich  seit  der  hennebergi- 
«chen  Zeit  des  Amtes.  Der  Amtmann  ist  in  seinem  Bezirke 
der  Vertreter  des  Landesherm  nach  allen  Seiten  hin  —  Chef 
des  Justiz-,  Yerwaltungs-,  Finanz-,  Forst-  und  Militärwesens  — 
also  Gouvemenr,  von  dessen  „Regierung"  man  sprach.  Eigent- 
liche Fachgelehrte  waren  die  Amtleute  auf  Lichtenberg  in 
den  ersten  Jahrhunderten  noch  nicht,  wenigstens  nicht  in 
der  hennebergischen  Zeit;  es  kam  bei  ihrer  Wahl  viel  mehr 
auf  natürlichen  Verstand,  entschiedenes  Auftreten  und  Beprä- 
sentation  an«  Namentlich  in  der  ersten  Zeit  worden  dazu 
nur  unabhängige,  reichsunmittelbare  Edelleute  genommen;  es 
ist  deshalb  auch  nie  in  dieser  Zeit  von  der  Ernennung 
eines  Amtmanns,  sondern  nur  von  einem  vertragsmäTsigen 
Übereii^kommen  zwischen  dem  Herrn  des  Amtes  und  ihm 
die  Bede.  Sin  solcher  Vertrag  wurde  oft  nur  auf  eine  be- 
stimmte Zeit,  auf  wenige  Jahre  abgeschlossen.  Besonders 
angesehene  und  tüchtige  Amtmänner  erhielten  den  Batstftei, 
womit  eine  ^Batsbesoldung'^  von  50  fl.  verbunden  war«  In 
den  meisten  Fällen  kann  man  annehmen,  dafs  ihr  Dienstan- 
tritt zu   Anfang   des  Oerichtsjahres ,   am   22.  Februar  (Petri 


\QQ  Dm»  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Bhte. 

Stuhlfeier)  erfolgte.  Die  AmtBunterthanen  hatten  dann  die 
nötigen  Transportfuhren  zu  leisten,  mit  denen  sie  beim  Ab« 
zuge  eines  Amtmannes  nichts  zu  thun  hatten. 

1432:  Eberhard  yon  Sohaumberg  zu  Gereut  bei 
Ebern,  würzb.  Bat;  reversierte  sich  (nach  Biedermann,  Bhön- 
Werra,  158)  über  die  Amtmannschaft  auf  Schlofs  Lichten» 
bergy  die  ihm  Bischof  Lorenz  ^)  zu  Würzburg  bis  zur  Ablö- 
sung desselben  übergeben  (also  bis  «1488).  Doch  scheint  er 
sie  noch  lange  unter  Henneberg  innegehabt  zu  haben;  er 
lebte  noch  1446. 

1447:  Heintz  Lincke.  In  dem  Kaltensundheimer 
Centweistum  von  1447  sind  als  Amtmänner  der  Grafen  Hein- 
rich (zu  Ealtennordheim)  und  Georg  von  Henneberg  (Herrn 
7on  Lichtenberg)  Günther  Yasolt  und  Heintz  Lincke  genannt» 
Der  Beihenfolge  nach  gehört  ersterer,  der  auch  in  Ealten- 
nordheim angesessen  war,  zu  Graf  Heinrich,  letzterer  zu  Graf 
Georg  *). 

1457 — 1461:  Melchior  von  der  Tann,  Sohn  des 
Hutsberger  Amtmanns  Fritz  y.  d.  Tann.  Nach  Biedermann 
turnierte  er  1486  zu  Stuttgart  und  wurde  1444  mit  seinen 
Brüdern  (S.  166)  ermahnt^  sich  nicht  mit  denen  (dem?  — 
Heinrich?)  Grafen  y.  Henneberg  in  Bündnisse  einzulassen. 
Im  Jahre  1457  ist  Graf  Georg  yon  Henneberg  mit  ihm  »»über- 
eingekommen'S  dafs  er  yom  Peterstage  an  4  Jahre  lang  Amt- 
mann auf  Lichtenberg  sein,  auf  eigne  Kosten  Wächter,  »,Tur- 
ner*',  Thorwärter  und  Nachthunde  halten  und  dafftr  die  Geld- 
und  Getreidezinsen  aus  dem  Amte  (mit  wenigen  Ausnahmen) 
und  die  herkömmlichen  fronen   haben   solle.     Yon   den  Ge- 


1)  Fürstbischof  Lorens  (▼.  Bibre),  wlhrend  dessen  Begiemng 
Lichtenberg  gar  nicht  warzborgisch  wer,  regierte  1496 — 1619.  Bieder- 
menn  kann  nnr  Bischof  Johann  im  Sinne  haben. 

S)  Trots  seines  scheinbar  bürgerlichen  Namens  gehörte  er  doch 
einem  alten  Adelsgesohleehte  an.  1140  ist  als  Zeuge  neben  den  Grafen 
von  Henneberg,  Ton  Frankenstein,  Oyso  von  HUdenbnrg  ete.  Qodoboldu 
Smi&Ur  genannt.  In  öpfershansen  gab  es  einen  „Linkenhof*S  spiter  im 
Besitse  der  Anerochs.  Heints'  Bruder  Hans  war  Herr  auf  Aschenhaosen 
(s.  u.);  ein  anderer  Bruder  hlefs  Cnrt. 


Dm  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Bhdn.  169' 

riohtsstrafen  sollten  ihm  nur  10  Pfd.  gehören,  auch  solle  ex^ 
selbst  „ohne  Recht*'  (ohne  geriohtliohe  Yerurteilung)  nicht 
strafen  etc.  (Urk.  bei  Schultes).  —  1491 :  ,,so  hat  auch  Mel- 
chior y.  d.  Thann  in  dreyßig  jaren  nicht  gelebt'';  er  mag^ 
also  gerade  nach  Ablauf  seiner  4  Amtsjahre  oder  kurz  vorher 
gestorben  sein. 

1468  wird  Caspar   yon  Bibra  in  einer  Ealtensund- 
heimer  Centstreitigkeit  von   den   Grafen   Priedrich  und  Otto- 
ihr  (gewesener)  „voit  zu  Lichtemberg^'  genannt. 

1468,  1472:  Balthasar  von  Ostheim. 

?:  Eunz  von  der  Kehre,  nach  Biedermann  (Rhön- 
Werra  205  A,  427  etc.)  Amtmann  auf  Lichtenberg,  Erbunter- 
marschall des  Stifts  Würzburg  (als  solcher  fehlt  er  bei  Müller 
l  c.  8.  225),  yermählt  1476  mit  Barbara  y.  Steinau,  f  1478. 

1480:  Thietz  yon  Miltz  und  Eckardt  von 
Bibra.  Sie  siegeln  als  Amtleute  eine  Urkunde,  in  welcher 
Kuns  und  Hertnid  y.  Stein  zu  Ostheim  ^/,  fl.  Zins  yon  einer 
Wiese  zu  kirchlichen  Zwecken  stiften.  Diez  y.  Miltz,  Schwie- 
geryater  des  Amtmanns  zu  Sand  Hans  y.  Spefshart,  ist 
später  Oberamtmann  zu  Römhild.  Biedermann :  Diez  y.  M.^ 
zu  Königshofen,  würzb.  Amtmann  zu  Wildberg,  1505,  1506. 

1499:  Ehrhardt  (Eberhard)  yon  Ostheim,  Sohn 
Balthasars  y.  0.  (s.  o.).  Er  diente  unter  Graf  Hermann  YIII. 
zu  Römhild  und  wurde  im  genannten  Jahre  Amtmann  auf 
Lichtenberg  (Weinrich). 

1505:  Philipp  yom  Stein.  Sein  Schwager  Wolf 
y.  Herbilstadt  zu  Ealtennordheim  (s.  u.)  nennt  sich  ihm 
gegenüber  einen  jungen,  unyerstttndigen  Amtmann;  Ph.  y.. 
Stein  mufs  also  schon  längere  Zeit  Amtmann  gewesen  sein». 
Er  starb   1527. 

?  Dietrich  Truchsefs  yon  Wetzhausen,  Bun- 
dorfer  Linie,  geb.  1479,  yerm.  1502,  f  1^17,  zu  Wetzhausex^ 
begraben  (nach  Biedermann,  der  aber  yon  seiner  Amtmann*- 
Schaft  auf  Lichtenberg  nichts  weifs). 

?  bis  1517  (?):  Hans  yon  Miltz.  Nach  Biedermann,^ 
der  anch  ihn  als  Amtmann  yon  L.  nicht  kennt»  war  Hans  y^ 


]^70  ^''  ebMnalige  Amt  Lichteoberf  Tor  der  Bh0n. 

M.  würcb.  Marschall  und  Amtmann  zu  Wallburg,  1498, 
f  1532.  um  diese  Zeit,  ▼ielleicht  mit  ihm,  starb  das  Ge- 
schlecht aus. 

1517  (?) — 1547:  Hans  von  Osthieim  auf  Friesen- 
haosen,  „ist  bei  80  Jahre  lang  Amtmann  gewesen'^  f  1558. 
In  die  Zeit  seines  Begiments  fallt  die  Zerstörung  der  Liohten- 
burg  im  Bauernkriege,  wie  auch  die  ganze  reformatorische 
Wirksamkeit  Luthers,  welcher  er  feindlich  gesinnt  gewesen 
zu  sein  scheint  (e.  8.  80). 

1547 — 1553:  Moriti  yom  Stein,  Sohn  Philipps 
(s.  0.).  Seine  Bestallungsurkunde  yom  Peterstage  1546  liegt 
im  Ostheimer  Amtsarchir  ^). 


1)  „Wir  Bertholdt  Tonn  gottes  goaden  graue  und  her  sw  Hennen- 
berg  bekheoDen  mit  diesem  brieff,  unnd  than  knntb  allermeDigüch,  dae 
wir  dem  Thesten  anserm  liebeoD  getrenenn  Moritsen  vom  Steyn  nnsers 
tehlos  und  ampUhalben,  Lichtenberg,  aberkomen  slodt,  ine  sw  nnnterm 
amptman,  ratha  and  diener  aoffgenommenn  and  ime  das  gemelt  annaer 
schlos  annd  ampt  Lichtenberg  Tier  Jare  naeh  datom  dis  brieflfii,  die  aioh 
•den  äff  heat  dato  diesselben  briels  anfaben  sollenn,  inn  nachuolgender 
forme  beaolhen  and  eingeben  haben:  alio  das  er  in  dem  obgemeltem 
echlos  sein  wesentlich  annd  persönlich  wonung  haben,  anch  dasselb  schlot 
•  und  ambt  mit  thnmleottenn,  torwartten,  wechtemn  and  nacht  banden 
nff  sein  eigen  eost  and  lohne  getrealich  bestellenn,  bewam,  und  die  armenn 
leath  desselben  ampts  schatsen,  Tertbeldlngen,  ine  aaofa  rathe  annd  bey- 
stand  than  sol,  als  einem  amptman  aas  bjllikeitth  sathan  gebort,  on- 
•t^eaerdt.  Er  sol  auch  die  gerichte  desselben  ampts  nach  altem  herkgomenn 
hegen,  besitsenn  annd  handhaben,  aach  mitt  freybottenn,  landknechten 
bestellen,  wie  vor  bestalt  gewest  ist,  annd  waB  hassen  an  denselben 
gerichten  mit  artbell  gesproehenn  annd  sa  recht  erkanth  worden,  annd 
sonderlich  was  hals  and  hand  betrift,  sol  er  an  ans  gelangenn  lassenn, 
mit  anserm  rath  ond  wissenn  handien ;  dieselben  alle  hassen  sollen  ons 
annd  oosemn  erbenn  volgenn  ond  elnaonemen  gebomn,  die  aach  doreh 
anserm  sentgraoen,  oder  ein  scholthes  jedes  orts  eingenomen,  ans  geant- 
wortt  nnnd  verrechnet  werdenn.  Unnd  dieweyll  hieoor  annser  amptman 
Hans  von  Osthelm  die  bossenn,  aosgenomen  wae  hals  annd  handt  betrift, 
•eingenomen,  dogegenn  an  'denn  orttenn,  do  wir  nit  atsong  ond  leger 
haben  gesessen,  so  sol  nan  hinforo  gemelter  onserr  amptman,  die  seil 
-er  onser  diener  des  orts  ist,  an  denselbigen  orten,  do  er  sich  onn  das 
selbst  verlegen  moB,  von  ODsemtwegen  von  gemelter  buse  oder  sonst,  was 
cimlich  ond  geborUch,  verlegt  werden,    ünnd  dieweil  noch  onser  voriger 


Das  ebemalige  Amt  Lichtenbarg  vor  der  Bfadn.  yjl 

Nach  dem  Verkaufe  des  Amtes   blieb  Moritz  vom  Stein 
Torl&ofig  in  mansfeldischem  Dienste.     Unter  ihm  begann  die 


•mptmao,  Hans  von  Ostheim,  ein  Stack  felds  mit  anserm  wissen  gerott, 
-welches  wir  ime  drey  Jarlang  für  sein  aasgewant  rodgelt  sugenissen  gnedig 
vergunnet,  nnnd  gemelte  jar  verschinnen,  so  habenn  wir  uns  mit  itsigem 
««nserm  amptman,  Moritz  Tom  Steyn,  Terglicheo,  das  er  nns  diBe  jare 
nnnd  fortter,  solang  er  unser  diener  ist,  j  herlichen  vonn  gemaltem  rode 
fanfzehen  guldenn  uf  Petri  cathedra,  nach  endang  des  jars,  reichen  und 
gebenn  sol.  Er  sol  auch  die  armen  leutth  desselben  ampts  on  unsem 
willen  on  recht  nit  straffen,  auch  mit  atsung  und  leger  nit  zu  hoch  be- 
schwern.  Furtter  ist  beretth,  das  er  unser  gebnltz,  wasser  und  wildbann, 
aonderlieb  den  Hajn,  dorynen  er  auch  selbst  nit  weidwerckenn  sol,  vor 
■andern  lenten  getreulich  hegen,  und  aus  dem  gehnltz  nichts  Terkauffen 
-und  hingeben,  efi  geschee  dan  mit  unserm  willen.  Waß  er  aber  brenholtz 
'in  dem  gnanten  schlos  zur  nottorff  bedarff,  sol  man  ime  zeigen,  und 
sich  des  zu  brennen  nach  nottorff  gebrauchen,  onngeuerde.  Darumb  sollen 
wir  gnantem  Moritz  vom  Stein,  domit  er  solchs  desterstatlicher,  wie 
vorgeschrieben  stebett,  volnstrecken  möge,  zu  belonnng  geben  wie  oaoh- 
uolgty  nemblich:  fünfzig  malter  koms  Fladinger  maß,  sechzig  und  vier 
malter  habern,  auch  Fladinger  mafi,  fünfzig  vafinachthunner,  fünfzig  sumer 
huner,  vier  khue,  ein  sin  (?)  schwein  oder  zweinzig  Wirtzbnrgische  pfundt 
gelts  dofur,  fünf  schock  eyer,  drey  lambsbench,  acht  gennfi,  sechzehen  kei, 
sechs  schönbrott,  sechs  pfbndt  unschlitts,  das  hey  zum  Albrecbts,  die  zehend 
acker  ardfels  unter  dem  schlos  Lichtenberg  gelegen,  darfor  ein  weingart 
gewest,  und  das  wasser  die  Strey  genant,  so  weytt  es  der  herschaft  zu- 
ilschen  zustehet,  sol  er  als  ein  amptman  zufischen  haben  und  sunsten 
dasselbig  anders  niemants  zufischen  gestat  werden.  Auch  sol  er  zusohencken 
haben  auff  den  kermessen  zu  Kaltensontheim,  Sontheim,  Stetten,  Urspringen, 
Wolmatbansen  und  Mittelsdorf.  Auch  soll  er  sich  gebrauchen  des  weyd-* 
gelts,  auch  alle  fron  und  dinst  allenthalben  im  ampt  ungeuerlich.  Dar- 
nach ist  berett,  das  der  vorgenant  Moritz  vom  Stein  unnß  das  nechstbe* 
stimpt  iare  mit  zweien  reisigen  pferden  nnnd  einem  reisigen  kneoht  ge- 
wartenn  sol.  Unnd  wir  sollen  ime  hoffgewant .  .  .  leib  wie  andemn  unsem 
dienern  geben,  ....  auch  schirmen,  vertheidingen  und  versch  .  .  .  gein 
aller  meniglich,  woe  wir  sein  zuvor  ...  dt,  als  andere  unser  amptleut, 
und  .  .  .  ime  schreiben  werdenn,  in  unseru  ....  oder  er  in  unsem  ampts- 
sachen  oder  gescheft,  ....  ntUchen  oder  kuntliohen  schaden  empfieng, 
^easelbenn  schaden,  der  reysig  hieß  unnd  were,  s<^en  wir  ime  nach 
bilUkeitth  gutlich  ablegenn.  Woe  wir  bede  uns  dammb  gütlich  nit  ver- 
tragen kontten,  so  sollen  unnser,  grauen  Bertholds,  rethe,  die  wir,  graue 
Bertholdt,  unngeuerlich  darzu  gebenn,  uns  darumb  mit  freuntlichenn  rechten 
'  entscheiden,  unnd  derselben  entscheidung  durch  uns  bedetheil  onn  wegerung 

XVII.  12 


272  ^^^  ehemalige  Amt  Lichtonberg  vor  der  RhSn. 

Einführung  der  Beformation;  er  «»yerordnete''  für  mehrere- 
Amtsorte  eyangelische  Geistliche,  z.  B.  noch  zu  Michaelis 
1552  für  Kaltensundheim.  Auf  seinem  Grabdenkmale  in  der 
Ostheimer  Kirche  ist  er  mit  seiner  Frau  Anna  y.  Ostheim 
(Nichte  seines  Amtsvorgängers)  in  knieender  Stellung  betend 
dargestellt;  ihnen  zu  Fülsen  7  Kinder,  yon  denen  indes  nur 
3  (Hans,  Christoph  und  Katharine)  mir  urkundlich  yorge- 
kommen  sind.  Aufser  ihren  Familienwappen  sind  das  Herbil- 
städtsche,  das  Lichtensteinsche  und  das  Truchselssche  (näm- 
lich die  seiner  Mutter  Scholastika  und  seiner  beiden  Grofs- 
mütter),  eins  mit  steigendem  Pferde  ^),  wieder  das  Lichten- 
steinsche und  ein  yerschwundenes  (das  yon  Annas  Mutter  und 
die  ihrer  beiden  Grofsmütter)  angebracht.  Die  Umschrift  lautet : 
Änno  domini  1560  den  27  Juni  ist  der  edel  und  emvest 
Morice  vom  Stein  in  Gott  seliglichen  vorsehieden  desen 
Seile  Gott  gnedig  und  barmherczig  sey.  amen. 

1558 — 1555:   Hans   Friedrich   yon   Künfsberg» 
Kaum  über  28  Jahre  alt   Amtmann   geworden,    ging    er   mit 


▼olg  getban  werdenn  sol.  Unnd  so  uns,  oder  gemeltem  Tom  Stein  solch 
amptmanscbaft  nit  leoger  zuhaben  geliebt,  so  sollen  wir  ime,  oder  er  nnnB- 
das  ein  halbes  jare  vor  ansgaog  gemelter  jarfifrist  aufschreibeno.  Woe 
aber  unser  keiner  dem  andern  dermassen  aufschreiben  wurd,  so  solt  dieae- 
▼erschreibong  unnd  bestallung  vernner  in  irer  wireknng  bleibenn  also 
lang  und  tU,  biß  solche  wie  obgemelt  auffgeschriebenn  wurdt,  alles  on- 
geuerdt.  Doranff  der  gnant  Morita  Tom  Stein  uns  globt  und  geschwom 
hat,  unsern,  unser  erbenn  und  herschafft  schaden  suwarnnenn,  firomen 
zuwerben,  unsern  rathe  unnd  geheim  zudersohweigen,  unnd  suthun  alles, 
das  ime  nach  ausweisung  dis  briefs  authun  gebnrtt,  onngeuerde.  Za 
nrkunth  haben  wir  unser  ....  wissentlich  uf  diesen  brieff  thun  truckenn, 
der  gebenn  ist  uf  sant  Petters  tag,  cathedra  gnant,  nach  Christi  unser» 
lieben  hem  geburt  funfsehenhundert  unnd  im  sechs  unnd  yirzigistenn 
jarnn.'* 

X)  Dieses  Wappen,  welches  auch  auf  den  Grabsteinen  seiner  86hne 
Hans  und  Christyh  wiederkehrt,  hllt  Bein  fllr  das  Pferdsdorfsehe  oder 
das  Biedheimsche.  Anna  ▼.  Ostheims  Mutter  war  Ells.  ▼.  Maikbach  — 
es  mufs  also  ein  Mafsbachsches  sein,  welches  vielleicht  ein  Zweig  der 
Familie  angenommen  hatte.  Von  dem  Hafsbachschen  ist  es  ganz  ver«- 
schieden. 


Dm  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rhön.  173 

jugendlichem  Feuereifer ,  aber  auch  wohl  mit  jugendlicher 
Kücksichtslosigkeit  an  die  Ausrottung  der  letzten  Reste  des 
Katholizismus  in  seinem  Bezirke.  Bei  dem  Übergange  des 
letztern  aus  mansfeldischem  in  sächsischen  Besitz  scheint  er 
seine  Stellung  aufgegeben  zn  haben. 

Biedermann  (Steigerwald,  119)  und  üso  Freiherr  von 
KüDÜsberg  (Qesch.  der  Freih.  y.  Künfsberg)  wissen  yon  seiner 
Amtmannschaft  auf  Lichtenberg  nichts.  Nach  ihnen  war  er 
am  12.  Dez.  1524  geboren,  studierte  9  Jahre  in  Wittenberg 
(wo  Luther  noch  persönlich  auf  ihn  eingewirkt  haben  wird) 
und  Ingolstadt  und  wurde  später  (nach  1655?)  Fürstl.  bran- 
denb.  Bat  und  Amtshauptmann  zu  Krouach  und  Kommandant 
der  Veste  Bosenberg,  dann  der  Plassenburg  (Kulmbach).  Im 
Jahre  1565  yerheiratete  er  sich  mit  Ursula  Förtsch  y.  Thurnau 
und  starb  am  6.  Juni  1571  (nach  Biederm.  1593)  als  der 
Letzte  der  Wemsteinschen  Linie.  In  seinem  Testamente  legte 
er  am  Schlüsse  noch  seinen  Erben  treues  Festhalten  an  der 
eyangeli sehen  Lehre  ans  Herz. 

1556 — 1557  :  HansBott,  Centgraf  in  Bömhild,  scheint 
das  Amt  nur  interimistisch  yerwaltet  zu  haben.  Noch  8 
Tage  yor  Mich.  1557  führte  er  in  Wohlmuthausen  einen 
Pfarrer  ein. 

1557  —  1578:  Georg  yon  Dandorff,  „21  iar  ampt- 
mann  ufP  Lichtenberg  gewest,  ist  in  diesem  1578.  Jar  den 
26.  febrüarij  seliglich  gestorben,  gott  yerley  im  ein  froliche 
aüfPerstehüng.     Leit  zne  Coburg  begrabenn"  (8).  . 

1578 — 1579:  Arnold  yon  Heldritt;  wurde  feier- 
lich eingeführt  am  18.  April  1578  durch  Kaspar  Bopp,  Ober- 
amtmann zu  Bömhild,  und  den  Landrentmeister  Friederaun 
aus  Coburg.  Im  Jahre  darauf  wurde  er  Oberamtmann  der 
Herrschaft  Bömhild.  Bei  seinem  Abgange  yertraute  er  das 
Amt  Lichtenberg  bis  zur  Wiederbesetzung  einem  Wolf 
K  e  m  p  f  —  yermutlich  damaligem  Amtsschreiber  —  an,  wel- 
cher es  fast  ein  Jahr  yerwalt^.  A.  v.  Heldritt  war  mit 
einer  Tochter  des  Hans  Marschalk  y.  Ostheim  yerheiratet; 
sie  starb  1593.     £r  hatte  4  Töchter:  Anna  Marie,  yerheiratet 

12* 


]^74  ^'^  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  RhÖo. 

mit  Siegmund  Voit  t.  Salaburg;  Ursula,  yerm.  mit  Andreas 
T.  Hefsberg,  Katarine  yerw.  ▼.  Boyneburg,  and  Anna  Marie, 
welche  Schannat  nur  als  unverehelicht  kennt 

1580—1699:  Veit  von  Held  ritt  Nach  Illhardt 
war  er,  schon  1562  mit  einem  Hofe  zu  Stepfershausen  und 
mit  Schmerbach  belehnt,  zuerst  im  Dienste  Georg  Emsts, 
des  letzten  Grafen  v*  Henneberg,  Amtmann  zu  Mafsfeld.  Am 
21.  März  1580  wurde  er,  43  Jahre  alt,  durch  Arnold  v. 
Heldritt,  seinen  Vetter,  und  Landrentmeister  Friederaun  auf 
Lichtenberg  eingeführt.  Einige  Monate  darauf,  am  22.  Aug., 
wurde  er  gleichzeitig  zum  ünteraufseher  über  allen  Länder- 
besitz  der    unmündigen    sächsischen   Prinzen    Job.    Kasimir 

und  Job.  Ernst,  thüringischen 
und  fränkischen  Kreises,  er- 
nannt^). Zu  dieser  bevorzug- 
ten Stellung  mochte  Veit  v. 
Heldritt  wegen  seines  ern- 
sten, entschiedenen  Wesens, 
das  sich  in  allen  seinen  Er- 
lassen, wie  auch  schon  in  seiner 
Handschrift  ausspricht,  beson- 
ders geeignet  erscheinen.    Mit 


1)  Die  Urkunde  (O)  ist  ausgefertigt  scn  Coburg  von  Kurfürst  Lud- 
wig, Pfalzgraf  bei  Rhein  und  Hertog  in  Bayern,  Kurfürst  August  von 
Sachsen,  und  Markgraf  Friedrich  von  Brandenburg  als  Vormtlndern  der 
beiden  obengenannten  Söhne  des  in  lebenswieriger  Gefangenschaft  in. 
Österreich  weilenden  Herzogs  Joh.  Friedrich  des  Mittleren,  „ihrer  liebenn 
vettemn,  schwogere  nnndt  oheimen**.  Es  wird  ihm  aufgetragen,  fleifsig 
im  Lande  nmheriureiten,  um  überall  lum  rechten  zu  sehen,  namentlich 
darauf,  dals  alle  GefSlle  und  Strafgelder  richtig  eingingen  und  nach  Coburg 
abgeliefert,  und  dafs  die  Kammergflter  richtig  bewirtschaftet,  die  Amt- 
bftuser  und  Wirtschaftsgebftnde  in  Stand  gebalten  wflrden.  Die  nötigen 
Baulichkeiten  solle  er  sofort  selbst  anordnen,  und  nur  bei  bedeutenderen 
dem  Oberaufseher,  Grafen  Burkard  v.  Barby  zu  Coburg,  vorher  Beriebt 
erstatten.  ,,Dorgegen  unndt  zu  ergetzlichkiut  dieser  seiner  dienstwartnnge** 
werden  ihm  aufser  seiner  lichtenbergischen  Amtsbesoldung  jährlich  200  fl. 
in  vierte^ ährlichen  Baten,  neben  freier  Ffitterung,  Hufschlag  und  Schaden- 
Stand  bei  seinen  Amtsreisen,  zugesichert. 


Das  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rh5n.  175 

aller  Strenge  ging  er  als  Amtmann  z.  B.  gegen  das  damals 
gewöhnlich  übermälsige  Zehren  und  Zechen  der  Gemeinde- 
behörden auf  Gemeindekosten  yor,  und  mit  aller  Büeksichts- 
losigkeit  gegen  die  Unabbängigkeitsbestrebungen  des  Ostheimer 
Adels,  welcher  Ostheim  durchaus  zu  einem  Ganerbiat  machen 
wollte.  In  einer  gemeinsamen  Eingabe  hatten  unter  dem  30. 
Nov.  1581  die  Ostheimer  Edelleute  —  unter  ihnen  sein  Vater, 
ein  Schwager  und  Gevattern  —  sich  gegen  ihn  in  5  Punkten 
beschwert:  1)  daüs  er  die  alte  Kapelle  an  die  Gemeinde  ver- 
kaufen wolle  zu  einem  Backhause,  da  diese  doch,  „wie  menigk- 
lichenn  bewust",  eine  Stiftung  ihrer  Vorfahren,  und  sie  willena 
seien,  sie  renovieren  und  den  rechten  Gottesdienst  mit  reiner 
christlicher  Lehre  darin  treiben  zu  lassen.  „Meinenn  kindt- 
lichenn  Gehorsam,  auch  Ereundtlichen  willigen  Dinst  zuvor» 
Edle,  Ernvheste,  Freundtlicher  lieber  Vatter,  Vettern,  schwager 
und  gefattere"  —  so  beginnt  er  in  verbindlicher  Weise  seine 
Antwort  vom  30.  Dez.  1581,  um  dann  in  um  so  derberem 
Tone  ihnen  den  Standpunkt  klar  zu  machen.  Wenn  es  jeder- 
mann so  bekannt  ist  —  das  ist  der  Sinn  seiner  Antwort  — 
daXs  ihr  über  die  Kapelle  zu  verfügen  habt,  warum  hat  man 
sich  da  an  das  Amt,  und  nicht  an  euch  gewendet?  Was  das 
Renovierenlassen  der  Kapelle  betrifft,  so  „will  ich  euch  Ampts* 
halben  verwarnet,  für  meine  Personn  gebetten  habenn,  das 
ihr  euch  solchs  nicht  understehett,  dan  Niemandt  anders  alls 
Meine  gnädige  Pursten n  unnd  Herren,  die  Hertzogenn  zu 
Sachflenn,  die  Collatur  dieBes  orts,  welche  auch  kirchenn  unnd 
Pfarhen  zu  gottesdinsten,  und  nicht  Ihr,  zu  bestellenn.  Ich 
achtet  auch  darfur,  doe  Ihr  gemn  geldt  ausgebenn  wollet,  dar- 
dnreh  kirchenn  und  schulen  inn  baulichenn  Weßenn  erhalten^ 
mann  hette  ahn  der  Bechten  Pfarkirchen  gnug  zu  bauen^ 
auch  keiner  kirchen  mehr  ahn  diesem  Ort  bedurfftig.  Boe 
ihr  auch  mit  dieser  meiner  Anttwortt  nicht  gesettiget,  mocht 
Ihr  dasselbige  bey  mehrermelter  Fr.  Regierung,  Meinenn 
gnedigen  unnd  gunstigen  Herrn,  Oder  woe  Ihr  sonstenn  wolt 
suchen,  achte  darfur,  es  werde  euch  gnugsamer  Bescheidt 
darauf  ervolgen'^    —    2)   Sein   Vieh,   Schafe   und   Schweine 


276  ^'^  ehemalige  Amt  Lichtesberg  vor  der  Rhön. 

hätten  aof  ihren  Äckern  grofsen  Schaden  gethan.  Antwort: 
Den  Bechten  eines  Amtmanns  gedenke  er  nichts  entziehen 
zu  lassen;  hätten  sie  sein  Yieh,  das  ihren  Klagen  nach  be- 
sonders breite  FüTse  haben  müsse,  da  er  doch  höchstens  14 
y,8cheff*'  halte,  die  noch  dazu  mit  den  Schweinen  gingen,  auf 
verbotenem  Orand  und  Boden  betroffen,  so  hätten  sie  es  doch 
pfänden  sollen.  Er  verbitte  sich  aber  auch  das  Hüten  ih  res 
Viehes  auf  herrschaftlichem  Gebiete.  —  3)  Durch  sein 
Hetzreiten  habe  er  ihren  „armen  Leuten''  grofsen  Schaden  ge- 
than.  Antwort:  Gerade  über  ihr  Hetzreiten  Hefen  von  den 
Leuten  unaufhörlich  bittere  Klagen  ein;  er  sei  höchstens 
einmal  über  erfrorene  Weinstöcke  geritten.  —  4)  Er  füge  dem 
Fisohwasser  in  der  Sulz  greisen  Schaden  zu,  da  er  mittels 
Reufsen  und  Leuchten  fangen  lasse.  Er  antwortet,  er  wisse 
nichty  dafs  das  verboten  sei ;  ihr  darüber  mit  Arnold  v.  Heldritt 
geschlossener  Yertrag  gehe  ihn  nichts  an.  —  5)  Er  habe 
beim  Besichtigenlassen  der  Taubenschläge  auch  in  den  Häusern 
ihrer  Lehnsleute,  noch  dazu  „als  Niemandt  doheymen",  die- 
selben besichtigen  lassen.  Antwort:  Er  habe  allerdings  dem 
Thorwart  befohlen,  die  Taubenschläge  im  ganzen  Dorfe  mit 
Ausnahme  der  adligen  Freihöfe  —  nicht  aber  der  Lehnhäuser  — 
zu  besichtigen;  „welchs  dann  geschehen.  Ob  nhun  etzliche 
derselbigen  Tauben  Diebe  nicht  anheims  gewesenn,  achte  ich 
mich  nicht  schuldig,  denselbigen  erst  einen  Pötten  zuschicken, 
sondern  sind  die  Thüren  bey  heillenn  lichten  tag  geöffnet  unnd 
die  Taubenschlege  besichtiget  worden.  Oiebt  mir  auch  wenig 
zu  schaffenn,  das  es  euch  .  .  .  verdrossen  .  .  .  derhalben 
ich,  meinenn  Pflichten  nach,  meinenn  gnedigen  Fürsten  und 
Herrn,  oder  dem  Ampt  nichts  gedenke  entziehen  zulaBen"  etc» 
—  Im  übrigen  wünsche  er  ihnen  ein  glückseliges,  freuden* 
reiches  neues  Jahr. 

Unter  Veit  v.  Heldritts  Regierung,  der  den  Titel  eines 
Fürstl.  S.-Goborgischen  Hofmarschalls  und  Kates  führte,  wurde 
Ostheim  zur  Stadt  erhoben  (1586).  1599  wurde  er  wieder 
zum  Amtmann  von  Mafsfeld  und  Meiningen  uud  zugleich  als 
Kriegsrat  zum  Oberaufseher  (Statthalter)  der  gemeinschaftlichen 


Das  ehemalige  Amt  Lichteoberg  vor  der  Rhön.  177 

heDDebergischen  Eegiernng  2a  Meiningen  berafeo.  Als  solcher 
führte  er  ein  nicht  weniger  strenges  Regiment  als  anf  Lich- 
tenberg; das  beweist  sein  Vorgehen  gegen  Balth.  Eab  y. 
Spefshart  anf  Asohenhaosen  bei  dessen  Kirchbau  und  bei  der 
Lostrennung  des  Amtes  Kaltennordheim  yon  der  Cent  Kalten- 
«undheim  (s.  u.). 

Nach  dem  Aussterben  des  y.  Kohlbausenschen  Oesohlechts 
(1 566)  hatte  er  dessen  Stammsitz,  die  Kohlhausen  zu  Helmers- 
hausen  erworben,  wo  er  sich  yon  Meiningen  aus  yiel  aufge- 
halten zu  haben  scheint  Es  wird  nooh  mehrmals  yon  ihm 
die  Rede  sein. 

1599 — 1608  (f):  Nikolaus  Hammerschmidt,  aus 
Kreuzburg.  Wohl  wegen  seiner  bürgerlichen  Geburt  führte 
er,  wie  auch  seine  beiden  Nachfolger,  nur  den  Titel  „Amts- 
sehösser'^     Unter  ihm   wurde   die   Kalten ordheimer  Hälfte  ^) 


1)  Amtmfinner  la  Kaltennordheim  waren  his  dabin  gewesen: 
1884:  Wolfram  8  chrimpf  (1381  Amtm.  in  Schmalkalden)  ver- 
pfändete die  Vogtei,  die  er  amtmannsweise  besafä,  an  die  Brüder  Apel 
und  Heinrich  Sintram  und  versprach  Einldsnng  binnen  2  Jahren.  1351 
ist  er  wieder  Amtmann  in  Schmalkalden.  —  1884:  Friedrich  v.  d. 
Tann;  Abt  Friedrich  von  Fulda,  derz.  Besitzer,  erlaubt  ihm  200  fl.  an 
dem  Schlosse  zu  verbauen.  —  1488:  Wilh.  v.  Bnchenau;  von  ihm 
löst  Graf  Wilhelm  Schlofs  und  Dorf  KNordheim  ein.  —  1447 :  O  fi  n  t  h  e  r 
Vasant,  im  Centwebtum  genannt  —  ca.  1468 — 1475:  Bai  th.  v.  Spech- 
s  a  r  t ,  unter  Heinrieh  dem  Unruhigen.  —  1505  :Wolfv.  Herbilstadt, 
von  dessen  Amtmannschaft  weder  Biedermann  noch  Heim  etwas  weifs; 
«in  nngebftndigter,  &ufserst  gewaltthfttiger  Charakter,  auch  seinem  Landes- 
ond  Lehnherm  gegenttber  (vgl.  Helm,  Henneb.  Chronik,  Vorrede  sum 
2.  Teile).  Im  Lande  unmöglich  geworden,  wurde  er  1619  (bis  1528) 
Amtmann  in  Lichtenberg  in  der  Grafschaft  Katsenelnbogen.  —  1518: 
Heins  Rufs  wurm.  —  Bis  ca.  1545:  Hans  Zufrafs,  vorher  Amt- 
mann in  Wasungen,  nach  1545  in  Meiningen.  —  1548 :  Hans  Härtung 
<gen.  im  Centbnche).  —  ?:  Balthasar  Spefshart,  Kriegsrat  und  Amt- 
mann.—  Bis  1567 (t);  Philipp  Schenk  v.  8ch  wein sb er g, Amtmann 
an  KNordheim  und  Sand,  vemnglfickte  bei  Sola  infolge  Durchgehens  der 
Pferde  (Denkmal  in  der  alten  Kirche  zu  KNordheim).  —  1567—1575: 
Kaspar  Unratb.  —  1575—?:  Johann  Steitz,  vorher  Amtmann 
im  Amte  Sand.  —  1587:  Werner  Witstein  (nach  Weinrich).  — 
1601 :  Johannes  Grofsgebauer,  Amtm.  zu  KNordheim  und  Fisch- 


178  I^M  ehemalifipe  Amt  Lichtenberg  vor  der  Bhan. 

Ton  der  Cent  KalteDsuodheim  abgetrennt  Am  7.  Febr.  160O 
gebar  ihm  seine  Frau  Barbara  auf  Lichtenberg  einen  Bohn^ 
und  schon  am  20.  August  wurde  er  mit  Katharina,  Tochter 
des  Sach8.-Ooburg.  Landrentmeisters  Spielhausen  in  der  Ost- 
heimer  Kirche  kopuliert,  wohin  sich  der  fiochzeitszug  vom 
Rathause  aus  bewegte.  Hammerschmidt  erwarb  den  Rohr- 
zins (dem  Kloster  Rohra  zuständig  gewesenen  Zins)^)  für 
1000  fl. 

1608 — 1615:  Georg  Fulda,  vermntlioh  ein  Sohn  dea 
Mag.  Andreas  Fulda,  Dekans  zu  Schleusingen  1589-— 1696.. 
Als  Sekretär  des  Herzogs  Johann  Ernst  zu  Eisenaoh  hatte  er 
sieh  1607  mit  Regine,  Tochter  des  1587  yerst.  David  Spiel- 
hausen, Amtsschössers  zu  Salzungen,  yermählt  Yon  den 
Srben  seines  Yorgängers  übernahm  er  den  Rohrzins  für 
1000  fL  Am  81.  Okt  1615  ging  er  „qui  septennium  paene 
municipio  Lichtenbergico  praefuit  pateme  et  benigne'^ 
als    Amtmann    nach    Salzungen  *),    von    wo    er    später    nach. 


berg,  nach  Weinrieb  bis  1613.  Ein  Sobo,  Jarist,  war  Mentor  und  Reise- 
begleiter  der  S5bne  des  Icorsächs.  Hofpredigers  Hoe  t.  Hohenegg,  spftter 
Amtmann  in  Meiningen,  Schwiegersofan  des  Georg  Cbr.  Bapp  (s.  o.). 

1)  Er  bestand  in  folgenden  Beifigen:  aus  Ostheim:  5  fl.  1  Or* 
8  Pfg.,  8  Fastnaohtobfihner,  1  Michelsbahn,  8  Pfd.  Unscblitt ;  aus  H  e  1  - 
mersbansen:  2fl.  6  Gr.,  4  Mit.  4  Ms.  Rom,  3  Mit.  6  Ms.  Hafer». 
8  Hfibner,  9  Hähne,  8  Schock  Eier;  ans  Wohlmntb  aasen:  8  fl. 
19  Gr.  8  Pfg.,  6  Mit  7  Ms.  1  Mti.  Korn,  17  Mit.  8  Mtz.  Hafer,  8  Hahner^ 
3  H&hne,  $7«  Schock  Eier;  aus  Kalte  nsnndheim:  2  fl.  9  Gr.  6  PfJB^.,. 

3  Mit-  Weisen,  8  Mit.  1  Ms.  Hafer,  18  Hühner,  9  H&hne,  2  Schock  2fr 
St.  Eier;  ans  Mittelsdorf:  11  Or.  3  Pf.,  4  Mit.  2  Mts.  Korn,  4  Mlt^ 

4  Ms.  Hafer,  1  Fastnachtsbohn,  1  Michelshahn;  ans  Sondbeim:  1  fl. 
11  Gr.  3  Pfg. 

2)  Söhne  von  ihm  sind  Termatlich  der  Salzanger  Stadtleatnant 
Hans  Falda  („FoU**,  wie  er  seiner  Tranksacht  wegen  hiels),  welcher  1645' 
ein  für  Salzungen  Terbäognisvolles  Scharmützel  verursachte  und  einige 
Jahre  spftter  in  der  Trunkenheit  sich  zu  Tode  stürzte,  und  der  Stadt- 
schreiber  Falda,  welcher  mit  Job.  Gabriel  Grofsgebauer  zusammen  1685 
das  Amt  Salsungen  pachtete  (Heim).  Auf  dem  Ostb.  Friedhofe  trftgt  ein 
aus  der  alten  Kirche  stammendes  Denkmal  die  Inschrift:  Magd.  Sib. 
Fuldin  t  1618. 


Du  ebemaliga  Amt  Lichtenberg  Tor  der  Rhön. 


17» 


Eiflenach  versetzt  wurde.  Der  EinweihuDg  der  renovierten 
Wartburgkapelle  1638  wohnte  er  im  Gefolge  des  Herzogs  als- 
,;redituum  et  municipii  prtefeetus  gravissimus  ')  bei.  Wenn 
Heim  ihn  erst  am  24.  April  1643  Landrentmeister  werden 
iSTsty  so  ist  dies  also  ein  Irrtum;  dieser  Tag  könnte  eher 
sein  Todestag  sein.  Am  20.  März  1643  lebte  der  „geheimbte^ 
Rath*'  noch;  1644  war  Franz  Raseh  Landrentmeister. 

1615 — 1618:  Paul  Sohippel,  eingeführt  am  25. 
November  1615.  Sieben  Woehen  darauf  tötete  ein  Sohn  dea 
y^Amtsschössers'^  durch  Zersprengen  eines  zu  stark  geladenen 
Gewehres  einen  Diener  —  ftOmi- 
nosum  prindpium  t^  bemerkt  Götz, 
damals  noch  Pforrer  in  Sondheim. 
Im  Jahre  1616  steuert  y,Amtsvoigt 
Schüppel''  1  Mit.  Korn  zum  Neubau 
der  Ostheimer  Kirche.  Mit  seinem 
„ominaaum  prindpium^*'  behielt 
Götz  Eeoht.  Eine  Ostheimer  Naob- 
rieht  erzählt :  ,,Schippel  ist  im  Jahre 
1618  bei  der  Nacht  abgeholt  und 
geschlossen  nach  Eisenaoh  gebracht, 
und  ist  eine  lebenslängliche  Gefäng- 
nisstrafe über  ihn  verhängt,  ist  aber 
später  doch  wieder  frei  geworden. 
Er  hat  sich  sodann  nach  Würzburg 
begeben,  wo  er  gestorben  ist/'  Hal- 
ten wir  diese  Nachricht  zusammen 
mit  einem  Berichte  in  Limbergs 
»»Lebendes  und  schwebendes  Eise- 
nach" S.  221:  „Unter  der  Wohn- 
stuben (auf  Wartburg)  ist  das  Ge- 
fängniß,  darinnen  ist  sieben  Jahr  ein 
Rentmeister  gesessen  Nahmens  Schüpler,  der  sol  in  währender  Zeit 
zwej  Sächsische  Wapen,  mit  seinen  Nägeln  am  Finger  in  einea 


Halbe  Gröfse. 


1)  Göts  (Generahop.)  RenofßtUia  Wariemiurffieay  1628. 


280  ^'^  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rhön. 

harten  Stein  gemacht  haben,  eins  mit  zwej  Sohwerdtern  (?), 
das  ander  mit  den  Balcken,  das  dritte  hat  er  angefangen  (?), 
ist  aber  drauf  erlediget  worden'',  und  mit  der  Bemerkung 
K.  S.  Thons  in  seinem  „Sohlofs  Wartburg"  bei  £rwähnung 
^er  Wachtstube:  y,Darin  ist  ein  abgesondertes  Gefängnis,  an 
Blessen  Fenstergewölbe  in  einen  Stein  der  sächsische  Bauten- 
kränz  und  die  altenburgische  Böse  zierlich  eingegraben  sind. 
Der  Bentmeister  Schüpler  soll  dieses  in  seiner  siebenjährigen 
<}e£EtngenBchaft  mit  seinen  Nägeln  bewirkt  haben.  Das  Yer- 
brechen  dieses  Schüplers  und  die  Zeit,  wenn  er  eigentlich 
hier  gesessen  hat,  ist  mir  nirgends  yorgekommen"  —  so  ist 
wohl  kein  Zweifel,  dafs  in  unserem  Amtsschösser  Schippel  der 
JEtentmeister  Schüpler  aufgefunden  ist  Thon,  Oberkonsistorial- 
-direktor  in  Eisenach,  der  ,,auf  der  Burg  (Lichtenberg)  sein 
Dasein  erhalten  und  seine  Kinderjahre  froh  verlebt",  hat 
-wohl  von  der  Geschichte  Sohippels,  der  bSte  naire  unter  den 
Yorgängern  seines  Vaters,  keine  Kenntnis  gehabt.  Bei  der 
Stellung  Schippeis  als  Amtsschösser  oder  Bentmeister  ist  bei 
■seinem  Yerbreohen  wohl  an  eine  Unterschlagung  zu  denken. 
1618—1637  (t):  Eitel^O  Heinrich  vom  Stein 
zum    Altenstein ^),   Fürstl.    sächs.    Geheimrat   und    Hof- 

1)  Dieser  Name,  der  etwa  rein,  echt  bedeutet,  ist  als  „Fitel**  bei 
Bchnltes  in  alle  spftteren  einschlägigen  Schriften  Übergegangen;  Müller 
<1.  c.)  verbdsert  ihn  sogar  in  „Fidel*'. 

2)  Über  sein  Stammsehlofs  Altenstein  in  Unterfranken  (l^t  Meile 
iron  Heldbarg)  und  sein  Wappen  (d  Hämmer)  s.  Bechstein,  Sagenschats 
-des  Frankenlandes,  8.  192.  —  Sein  Grofsvater  Wilhelm  wohnte  1580  au 
Augsburg  im  Gefolge  des  Bischofs  v.  Wünburg  der  t^bergabe  der  Angsb. 
Konfession  bei,  trat  dann  als  Rat  und  Amtmann  zu  Königsberg  i.  Fr. 
■(1546 — 1562)  in  die  Dienste  des  Markgrafen  Albrecht  ▼.  Brandenburg- 
Bayreuth  (Dichter  des  Liedes:  Was  mein  Gott  will  etc.),  wurde  Kaiser!. 
-Christ  und  Feldmirschall.  Wegen  seiner  Parteinahme  für  den  geächteten 
Markgrafen  zog  der  Bischof  Melchior,  der  später,  wie  man  annahm  auf 
JLnstiften  Wilhelms  t.  Grambach,  ermordet  wurde,  seine  Lehngfiter  ein. 
■Schutz  und  Hilfe  suchend  wendete  er  sich  an  Herzog  Job.  Friedrich  den 
Mittleren  nach  Gotha,  wurde  dadurch  zum  Parteigänger  seines  Schicksals- 
-genossen  Grumbach,  beteiligte  sich  an  dessen  Belagerung  von  Wfirsburg 
<iind  wurde  mit  ihm  geächtet.    In  Gotha  1567  mit  ihm   und  Dr.  Brück, 


Dm  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Bh$n.  ^gl 

marschall.  Oeboren  1575,  war  er  zuerst  mit  Anna  v.  Lin- 
«ingen  (deren  Matter  eine  geb.  Eendel  y.  Schwebda  war), 
"dann  mit  Anna  Johannetta,  Tochter  Martins  t.  d.  Tann, 
"deMen  Enkel  Martin  (Sohn  Konrads  und  Ottiliens  geb.  Eeudel 
T.  Sohwebda,  kop.  auf  Lichtenberg  1639)  später  unseres 
Amtmanns  Tochter  Anna  Johannetta  heiratete,  und  endlich 
mit  Katharina  Keudel  v.  Schwebda,  kop.  auf  Lichtenberg  1623, 
i"  8.  Okt  1648,  yerheiratet  Seit  1683  lebte  bei  ihm  auf 
Lichtenberg  sein  unverheirateter  Bruder  Hans  Ghristophel, 
geb.  1588  zu  Hafenpreppach ;  „ist  sonsten  in  der  jagend  ein 
kriegsmann  n.  Ritter  gewesen,  der  sich  am  fiamb.  n.  Wirtzb* 
Hoffen  aufgehalten,  auch  zweimal  in  Ungern  wieder  den 
Turcken  u.  sonsten  in  dem  krieg  in  Deutschland,  besonders 
auf  dem  weilsen  Berg,  in  ElsaB  u.  in  der  Pfaltz  gebrauchen 
laBen,  biß  er  Alters  u.  kranckheit  halben  sich  zu  seinem 
Bruder  auf  Lichtenberg  begeben^.  Die  nach  seinem  bewegten 
Kriegsleben  ersehnte  Ruhe  fand  er  indes  auf  Lichtenberg 
nicht.  In  die  Amtszeit  Eitel  Heinrichs  y.  Stein  z.  Alten- 
stein fallt  die  Zeit  der  schrecklichsten  Greuel  des  30 -jährigen 
Krieges,  der  Überfälle  der  Kroaten,  der  Pest  etc.  Der  Amtmann 
atarb  1687;  am  19.  Juli  wurde  er  in  die  Kirche  „bei  des  Hn. 
Stadtschultheißen  Stuhl''  begraben.  Seine  Glaubensansichten 
scheinen  den  Geistlichen  seines  Bezirks  sehr  yerdächtig  ge- 
wesen zu  sein;  Pfarrer  Strahm  in  Heimerhausen,  yorher 
Knabenlehrer  in  Ostheim  (s.  S.  100),  nennt  ihn  im  Kirchen- 
buehe  einen  „Calyinisten",  damals  ein  schwerwiegender  Vor- 
^worf!  Er  mochte,  wie  später  sein  berühmter  Nachkomme, 
der  preufsische  Kultusminister  Karl  y.  Stein   zum  Alten  stein, 


4eiD  HerBOgl.  Kansler,  gefkogcn  genommeD,  wurde  er  mit  ihnen  gerier- 
teUt  (s.  III.,  anter  Ottheim).  Seine  Witwe  Cldlie  geb.  Stiebar  v.  Bnttenheim 
i-  168S  sa  Heldbnrg.  Sein  Sohn  Joh.  Sebutian,  Fttrstl.  S.-Cob.  Kriegsrat, 
geb.  1538,  gest.  1614,  war  der  Vater  unseres  Amtmanns.  Er  war  suerst 
mit  Barbara  y.  Sobaumberg,  dann  mit  einer  Tochter  des  Hieronymus 
Manchalk  ▼.  Ostheim,  Anna  (f  1595),  verheiratet,  durch  welche  er  in 
^n  Besits  des  Untermarschalkischen  Hofes  (den  sein  Sohn  zur  „MQnie** 
madite)  gekommen  sein  mochte,  und  lebte  auf  Hafenpreppach. 


182  ^'^  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Bhdn. 

der  reformierton  Kirche  weniger  engherzig  gegenüber  gestanden 
haben,  als  ihnen  lieb  war. 

1637  —  1647  (f):  Kasimir  Christian  yom  Steii^ 
zum  Altenstein,  des  Vorigen  Sohn,  geb.  im  Mai  1606^ 
„War  anfänglich  Dom  Capitular  Herr  zn  Merseburg  (Osth. 
Krcbbch.  1628:  ,,,,damal8  in  frembden  Landen'' ''),  so  dana. 
aber  nach  der  Resignation  Hofürstl.  Sachsen  Eisen.  Batb 
und  Amtmann''  (Biedermann,  Baunach).  Er  war  zweimal  Ter- 
heiratet:  1)  mit  Helene  y.  d.  Tann,  einer  iSchwester  seine» 
Schwagers  Martin  y.  d.  Tann,  2)  mit  Kunig.  Barbara  t. 
Spefshart-Aschenhansen  (f  26.  Aug.  1679,  65  Jahre  alt). 
Am  6.  Febr.  1643  starb  bei  ihm  sein  Onkel  Hans  Ohristoph^ 
der  Kriegsmann,  und  am  8.  Okt.  desselben  Jahres  seine  Stief-- 
mutter.  Von  ihm  rührt  die  wertToUe  Amtsbeschreibung  yon 
1643  her  i).  Osth.  Krchboh.  1647 :  „Der  WohlEdle  Gestrenge^ 
Casimir  Christian  yom  Stein  zum  Altenstein,  Fürstl.  S.  Wey-- 
mansch.  Ambtman  auf  Lichtenbergk,  so  Sonnabend  den  4. 
Septembris  eines  unyerhoften  uhrplötzlichen  iedoch  sanffteu. 
todes  zwischen  1.  und  2.  Uhren  nachmittag  im  Herrn  selig* 
lieh  entschlaffen  und  den  10  hujiHS  mit  gewöhnlichen  AdL 
Christi.  Ceremanien  in  die  Kirche  zu  ostheimb  bey  gesetzt, 
worden,  at  sme.  41  an.  16  Septim.  <&  3  die^^. 

1648—1649  (f):  Hans  Melchior  yon  Buttlar 
auf  Tuttles  (Dietlas)  und  Leimbach.  Nach  seines  Vorgängers^ 
plötzlichem  Tode  hatte  dessen  Faktotum,  der  Amtsförster 
Martin  Schmidt,  mit  dem  Amtsschreiber  Christoph  Linck  die 
Amtsgeschäfte  als  „Amtsyerwalter"  weitergeführt.  Noch  beim. 
Eintreffen  der  Nachricht  yom  westfälischen  Frieden  (24.  Okt. 
1648)  nennt  der  Sondheimer  Pfarrer   Delitius   in    einem   lat». 


1)  Schon  am  7.  Okt.  1641  war  ihm  von  Heriog  Albrecbt  die  Ein-^ 
seDdang  einer  »oicheo  aufgegeben  worden.  Auf  eine  scharfe  ErinneruD|^ 
▼om  16.  Jan.  1648  schiclKt  er  sie  am  20.  M&rz  ein  mit  der  Entschuldigung«, 
daftf  „in  dem  feindlichen  Croatischen  einfall  aö  16S4  die  hieran  dinlichei^ 
Ambts  acta  mehrsten  theils  sernichtet  wordeui  und  was  daran  von  deik 
Soldaten  und  meüsen  noch  übrig  gelafien  geweßen,  in  bisherigen  Kriegs, 
occupationen  noch  nit  allerdings  registrirt  werden  kSnnen*S 


Du  ebemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Bhdn.  Ig3 

^ediohte  Martin  Schmidt  als  aolohen  —  „Quaestor^'  des 
YersmarBee  wegen.  H.  M.  y.  Buttlar  kann  also  nur  wenige 
Monate  Amtmann  gewesen  sein.  Er  war  geboren  im  Okt. 
1592,  vermählt  mit  Juliane  y.  d.  Tann.  „Der  WohlEdle, 
Oestrenge  Hanß  Melchior  von  Bnttler,  Fr.  Sächß.  Weymarischer 
Ambtman  uf  Lichtenbergk,  so  den  12.  Mart.  &üe  umb  4 
Uhr  in  Qott  verschieden  unnd  den  16.  hujus  in  die  Kirche 
«llhier  Christlichem  Adl.  gebrauch  nach  bej  gesetzt  worden, 
.seines  Alters  66  jähr  4  Monat  und  13  tag"  (Osth.  Erchboh. 
1649). 

1649—1665  (f):  Martin  Schmidt,  Amtsverwalter, 
iiatte  von  der  Pike  auf  gedient  und  durch  seine  Strebsamkeit 
und  Tüchtigkeit  sich  zu  dieser  angesehenen  Stellung  empor- 
gearbeitet Geboren  im  Aug.  1603  zu  Ostheim,  1624  „Ambts 
Diener  uf  Lichtenberg",  1626  „Holzförster*«,  1628  „Holz- 
iörster  und  Ambtschreiber",  1686  „Forstschreiber'S  1642 
^yAmbtsförster''.  „Seiner  biBher  verspürten  treuen  Dinste 
wegen"  befreite  am  19.  Jan.  1642  Herzog  Albreoht  seine 
Hofraite,  den  Scbafhof,  „zwischen  Gregor  Kleen  und  David 
-Genfilem  gegen  dem  Bathhaus  über  gelegen",  lichtenbergisches 
Lehn  (jetzt  Gasthof  zum  Schwan),  „uebst  darzu  erhandeltem 
;gärtlein"  von  allen  dem  Amte  und  der  Stadt  schuldigen 
Fronen  und  Zinsen  und  schenkte  ihm  überdies  8  Klafter  De- 
putatholz aus  dem  Höhn,  „so  lang  die  Schmidtische  linien 
währet".  Diese  Begnadigungen  wurden  am  26.  März  1669 
meinen  Nachkommen  bestätigt 

Unter  dem  23.  März  1649,  11  Tage  nach  v.  Buttlars 
Tode,  erhielt  der  Amtsschreiber  Chr.  Linck  eine  Verfügung 
-des  Herzogs,  „daß  du,  sowol  der  Forstmeister  Martin  Schmidt, 
das  Ambty  wie  es  nach  absterben  des  Ambtman  Steins  sei. 
gehalten  worden,  biß  ufp  Eunfftige  fernere  Verordnung  ver- 
sehen •  .  .  sollet",  wozu  am  10.  Mai  noch  der  Zusatz  kam, 
dafs  Linck  von  Schmidt  als  dem  eigentlichen  Amtsverwalter 
^fdependiren  und  ihme  den  gehörigen  respect  erweisen  solle". 
-Schmidt  versah  das  Amt  so  zur  Zufriedenheit  seines  Fürsten, 
•dafs   dieser   ihn    bis    zu    seinem   Tode    darin    belief s.     „^^' 


Ig4  ^**  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Bh5n. 

WohlEhrnTOste,  Großaohtbare  und  Wohlyomehme  H*  Martii^ 
Schmid,  Fürttl.  Sächß.  Ambtsverwalter  uf  Liohtenberg,  welcher 
den  25  Xbris  (1666)  horä  10  Yor  mittag  unter  wehrender 
früepredigt  gestorben,  Donnerstags  hemacher  den  28.  dieses 
uf  den  GottesAcker  begraben  worden.  Die  Leich  wurde 
unter  wehrender  Leiohpredigt  yor  dem  Altar  niedergesetsef'  etc.^ 
„(St.  8U(ß  62  an.  &  15  Septiman"  (Osth.  Krchbch.). 

Fast  wäre  nach  dem  Tode  dieses  „43  Jahr  lang  alten 
Ambts  Dieners"  noch  sein  guter  Name  yernichtet  worden.. 
In  Eisenaoh  stellte  man  nach  den  lichtenb.  Amtsrecbnungen 
einen  Fehlbetrag  yon  3391  £.  5  V«  ^^g-  ^est  Daraufhin 
reisten  der  Ostheimer  Stadtsohreiber  und,  in  Vertretung  der 
Amtsdörfer,  der  Kaltensundheimer  Schultheifs  im  Juni  1667 
nach  Eisenach  und  gingen  mit  einer  Hegierungskommission 
alle  Amtsreohnungen  yon  1652  bis  1666  durch,  wobei  ea 
sich  herausstellte,  dals  Schmidt  yiel  Geld  direkt  nach  Weimar 
geschickt,  Frankenwein  für  den  Hof  gekauft  hatte  eta,  „und 
wurd  eine  gute  richtige  abreohnung  darauf,  truncken  auch 
einen  guthen  Eausch  darüber  ^),  welcher  uf  3  theil  abbezahlt 
worden,  und  kamen  mit  guthen  Content  also,  Gott  lob !  yoa 
einander^'  (S). 

Im  Jahre  1663  hatte  M.  Schmidt  auf  Erfordern  eine^ 
Besoldungsaufstellung  (0)  gefertigt,  welche  zugleich  einen 
Blick   in   die   hauptsächlichsten   Amtsgeschäfte   thun   läfst').. 


1)  In  jenen  Zeiten  schien  eine  festliche  Gelegenheit  nur  dann  de» 
ErwKhnens  wert,  wenn  es  dabei  „prave  Befisch  gesetzet*',  was  die  Chro- 
nisten mit  besonderem  Behagen  in  berichten  nie  Tersäumen.  Wer  nie- 
mals einen  Baosch  gehabt,  war  schon  damals  kein  brarer  Mann.  Am 
10.  Mai  1670  s.  B.  mnfste  der  als  Ffirstl.  Kommissar  bei  der  Stener- 
revision  im  Amte  anwesende  W.  8.  ▼.  Herda  auf  Brandenbarg  in  Sond- 
heim cnrfickgelassen  werden  „wegen  gehabten  Bausches**.  Ach  wenn  dio- 
dentsehen  Knecht  und  Herrn  nicht  leider  so  versoffen  w&m,  so  wftr  kein' 
schöner  Nation  anter  des  weiten  Himmels  Thron !  (Bingwald). 

2)  Während  sein  Vorgftnger  j&hrlich  250  fl.  Amts-  and  50  fl.  Bats- 
besoldang,  50  Mit.  Hafer  and  den  gansen  Ertrag  des  Schlolsfeldes  (gegen 
Abgabe  von  50  Mit.  Korn),  40  Klftr.  Holz,  die  Jagdnatzang  im  Amts- 
bezirke,  24  Trifthammel    von  Ostheim,   and  TOn   den  Ein-  and  Abiags* 


Du  ehemaBge  Amt  LIchtenbtrg  Tor  der  Rhön.  18&' 

Bei  Beiner  kirglichen   Beeoldnog   ist  es  ihm    wohl    kanm  zti' 
Terdenken,   wenn   er  jeden   Yorteil   mitgenommen   hat,   den 


und  Hilfsgeldem  den  8.  Pfeanlg  bezogen  and  doch  noch  starke  Zehrnngen 
berechnet  und  unnötige  Baukosten  Teranlafst  habe,  habe  e  r  nur  150  fl. 
bar,  16  Mit.  Korn  und  25  Hit.  Hafer  Amts-  und  6  Mit.  Hafer  Forst- 
besoldnng,  24  Klftr.  Hols,  6  Ffiderlein  Rbönheu  von  Melpers,  das  Fisch* 
Wasser  sn  Ostheim  und  die  Jagd.  Daron  beziehe  aber  sein  Sohn  Joh. 
Georg  nach  behdrdlicher  Verordnung  50  fl.  bar  und  5  Mit.  Hafer  für 
Verwaltung  des  Forstwesens  und  fOr  Schreiberdienste  und  Botenritte^ 
müsse  aber  auch  wieder  einen  Holzknecht  auf  seine  Kosten  halten.  Der 
ihm,  dem  Amtsverwalter,  verbleibende  Rest  betrage  etwa  den  4.  Teil  des 
Einkommens  seines  Vorgftngers,  obgleich  er  doch  mehr  Arbeit  habe  ala 
jener,  besonders  mit  dem  Weinkauf.  Die  Accidentien  beständen  nach  wie 
vor  1)  in  dem  ÜberschuTs  aus  dem  Ostheimer  Bannwein  (die  Ostheimer 
„ma£sten*'  jährlich  1  Fuder  Wein  trinken,  den  das  Amt  l^,  P<g.  pro  Mafa 
teurer  lieferte,  als  er  sonst  kostete,  was  etwa  2  bis  3  fl.  ertrug,  da  die 
Herrschaft  15  fl.  vorwegnahm);  2)  aus  dem  Helmershfinser  Bannwein  unter 
gleichen  Verhältnissen,  und  2^,  fl.  für  das  Nichtbesuchen  der  dortigen 
Kirmes;  8)  6  Mit.  Hafer  von  Sondbeim,  Urspringen  und  Stetten  für  die 
Teilnahme  des  Beamten  am  Fladuuger  Centpetersgericht;  4)  je  3  Mit. 
Hafer  von  diesen  3  Dörfern  fü^  das  Nichtbesuchen  ihrer  Dorfpetersgerichte 
und  2  Mit.  von  Sondbeim  für  das  Nichtbesuchen  seiner  Jahrmärkte;  5)  je 
2  Mit.  Hafer  von  Kaltensundheim,  Mittelsdorf  und  Wohlmuthausen  für 
die  Anwesenheit  beim  Centpetersgerichte  zu  Kaltensundheim,  für  das- 
Diktieren  der  Gerichtsstrafen  etc. ;  6)  aus  dem  Bodensätze  von  dem  Schutt- 
getreide auf  der  Burg,  der  aber  mit  ly,  ^/^  zu  hoch  bemessen  sei,  sodafs 
der  Beamte  meist  Schaden  habe;  7)  aus  der  Jagdnutzung,  die  aber  da- 
durch, dafs  die  Jagd  mit  Ausnahme  der  Wofalmuthäuser  überall  Koppel- 
jagd sei  und  von  den  vielen  Edelleuten  schonungslos  ausgeübt  werde,, 
immer  mehr  zurfickgehe.  Der  Jäger  erhalte  für  ein  Reh  1  fl.,  für  einen 
Fuchs  oder  eine  Wildkatze  V^  fl.,  für  einen  Marder  ly,  Viertelfl.,  für 
ein  Feldhuhn  6  Pfg.  i,Von  hohem  Wildtprecht  ist  in  14  iharen  kein  tbier 
oder  stück  Roth-  noch  Schwartzwildprecht  in  hiesigem  Ambt  geßldt  noch 
einbracht  worden**.  Was  die  Schreib-  und  Siegelgebühren  betreffe,  so 
trügen  sie  jährlich  auch  kaum  80  Rthlr.  ein,  wofür  noeh  Pergament,  Kapsel 
und  Schnüre  geliefert  werden  müfsten ;  Ostheim  fertige  seine  Gebnrtsbriefe 
selbst  aus,  ein  Dörfler  habe  für  einen  solchen  nur  2  bis  2Y,  Rthlr.  zu 
tthlen;  für  ein  besiegeltes  Testament  oder  einen  selten  erforderlichen 
Kaufbrief  werde  1  fl.  bis  1  Thlr.,  für  eine  Intercession  1  bis  1^/,  Kpfst^ 
fUr  einen  Rezefs  2  bis  4  Kpfst,  für  eine  Citation  oder  ein  Reskript  2  Gr., 
Ar  die  Protokollierung  einer  mündlichen  Verhandlung  gar  nichts  erhoben. 
i,Wafi  hingegen    ein  Beampter  bey   stettigem   zuesprechen  Adlicher   und 


286  ^*>  ehemalige  Amt  Lichtenberg  Tor  der  Rhön. 

seine  Stellung  mit  sich  brachte.  1669  erklärte  der  Stadt- 
sohultheifs  dem  Amtmann  Heber,  welcher  tod  jedem  Ostheimer 
-Jahrmarkt  '/^  Tblr.  beansprucbte,  ,,da8  es  nit  also  berkommen; 
wenn  vor  deBen  ein  jahrmarck  webre  gewesen,  so  der  Be- 
«mpte  oder  deßen  Diener  ufs  BatbbaoB  kommen  wehren,  so 
betten  sie  mitt  getrunckhen;  weil  aber  H.  Martin  Schmidt 
JLmbtsverwalter  mit  den  seinigen  zu  starck  gekommen, 
bette  er  begehrt,  man  solle  ibm  Eathswegen  ein  mas  wein 
oder  2  oder  3  zuschickben,  so  wolten  sie  nit  hinauf  kommen, 
welches  man  bette  gethan ;  und  webre  keine  schültigkeit  oder 
Ton  alters  hero  nit  also  berkommen"  (S). 

1666—1668:  Jobann  Georg  Schmidt  und  Jo- 
iiann  Feter  Wagner,  „Amtsinspektoren''. 

J.  G.  Schmidt  war  der  Sohn  des  Amtsverwalters,  geb. 
1630.  Ende  Mai  1649  bracbte  ihn  sein  Vater  ,,nach  Co- 
burgk  ins  puhlicum  cue  Continuirung  seiner  Studien".  1657 
wurde  er  als  „Fr.  Sx.  Forstbedienter"    mit   der   Toobter   des 


anderer  Benaclitbarden,  auch  ankommenten  hotten  und  frembten  personen 
«hrentwegen  vor  afwanth  tbun  mufi,  ist  mit  vorgesetzten  cKseiderUien  nicht 
EU  vergleichen  noch  zue  bezahlen.  Wo  bleibt  der  Dinstbothen  lohn,  be- 
nötigte Kleider  und  andere,  dormit  die  wenige  besoldang  ufgehet!'^ 

Das  unter  den  Besoldungsstücken  erwähnte  Schlof^feld  bestand  nach 
^er  Amtsbeschreibnng  von  1648  in  „94  Acker  Artfeld  in  3  flor  zusammenf 
Trelcbe  aber  sehr  bö8,  und  ohne  Ubermeßigen  baw  wenig  nutzen  bringen; 
1^/,  Acker  Wiesen  im  Roth,  so  theils  arthaft  gemacht;    aufier  diesen  hat 

«s  mehrere  nit  umb  das  AmbthauA (sondern  nur  noch  bei  Melpers). 

Item  ein  böser  dQrrer  rein,  der  Jörgen  gart  genennet,  unter  dem  fQrstl. 
AmbthauA,  mehrst  mit  wilden  ob«  baQmen  bewachsen**.  —  Das  eben- 
falls erwähnte  Fisch wasser  war  die  Streu  oberhalb  Ostheim  bis  an 
die  Nordheiraer  Grenze,  ständig  fElr  4  fl.  verpachtet,  und  die  Sulz  vom 
Sulzsteg  bis  an  das  Wilmarser  Wasser,  während  die  Edelleute  nur  bis 
einen  Steinwurf  abwärts  vom  Sulzsteg  zu  fischen  hatten.  Das  Fisch- 
wasser „nutzet  aber  ietziger  Zeit  nichts,  denn  solches  in  bißherigen  Kriegs- 
lau£ften  durch  außgißen  veröset  worden;  sonst  hat  es  Krebs  dorinnen 
geben"  (1648).  Eine  Streitigkeit  mit  Stockheim  wegen  der  Sulz  wurde 
am  9.  Aug.  1683  dahin  entschieden,  da£i  jeder  Schultheifs  von  Stockbeim 
mit  dem  Amtmann  zu  Lichtenberg  sich  des  Fischens  im  Sulzbach  eoH' 
junctm  bedienen  dfirfe. 


Dm  eliemAHge  Amt  Lieht«nb«rg  ror  der  Rhdn.  Jg7 

Amt88ohreiben  Linck  in  der  Bargkapelle  kopuliert.  1658 
heifiit  er  Forstschreiber,   Forstverseher,    1663    Amtssohreiber. 

J.  P.  Wagner,  Sohn  des  GeneralsuperiotendeDten  Job. 
Wagner  in  Eisenaoh,  ist  1655  legum  stucUosus;  1656  Ter^ 
heiratete  er  sich  „eum  virgine  casHssima  Anna  EUsabetha", 
Martin  Schmidts  Tochter.  Seine  erste  ADstellang  hatte  er 
als  Oerichtsbalter  in  Eaitensundheim  gefunden. 

Beide,  Schmidt  als  Forst-,  Wagner  als  Amtssohreiber  auf 
Lichtenberg,  wurden  nach  des  Amtsyerwalters  Tode  unter 
dem  30.  Deo.  1665  von  Herzog  Adolf  Wilhelm  berufen,  dos 
Amt  einstweilen  zu  yerwalten,  und  dem  Forstsohreiber  noch 
besonders  aufgetragen,  sich  8  Tage  nach  dem  groÜsen  neuen 
Jahre  in  Person  in  Eisenach  einzufinden,  um  die  nötigen 
Weisungen  entgegenzunehmen.  Der  Ealtennordheimer  Amt- 
mann Ebhardt  sei  mit  dem  vorläufigen  Versohlusse  der  Akten 
betraut  Am  20.  Februar,  nachdem  der  Herzog  sich  ent- 
schlossen, bis  auf  weiteres  das  Amt  ganz  den  beiden  anzu- 
vertrauen,  erhielten  sie  Befehl,  am  28.  wegen  Einholung 
ferneren  Bescheids  in  Eisenach  zu  erscheinen,  „inzwischen 
-aber  ünBer  Haus  Lichtenberg  durch  den  StadtLieutenant  und 
etzliche  MuBquetierer,  damit  in  Euerm  abwesen  nichts  ge- 
-^hrliches  vorgehen  möge,  in  gute  obacht  nehmen  zu  laßen''. 
Ihre  gemeinsame  Verwaltung  dauerte   bis   in  den  Juni  1668. 

Schmidt  heifst  seitdem  bald  Amtschreiber,  bald  Forst- 
«neister;  der  Schafhof  (jetzt  Schwan)  heifst  1695  ,ydes'  alten 
Ambtschreibers  Haus''. 

Wagner  blieb  noch  ein  Jahr  als  Amtsschreiber  auf  der 
Burg,  dann  wurde  er  Amtsrichter  in  Kalten sundh ei m.  Am 
8.  Juni  1669  bat  der  neue  Amtmann  Heber  in  einem  Rund- 
sehreiben die  Gemeinden,  da  sie  ja  nur  einem  Amtmanne  den 
Transport  schuldig  seien,  um  10  Fuhren,  die  Sachen  des 
Amtsschreibers  binnen  8  Tagen  nach  Eaitensundheim  zu 
fahren. 

1668 — 1676:  Georg  Lorenz  Heber  aus  Rudolstadt. 
Herzog  Adolf  Wilhelm  braohte  ihn  am  17.  Juni  1668  mit 
Jiach  Ostheim  (s.  S.  121).  Er  hat  wertvolle  .^Addttianales'* 
XVIL  18 


Jgg  Dm  ehemaHf  Amt  Liehtoiiberg  Tor  dtr  Rhdn. 

XU  der  Amtabeaohreibimg  yon  1648  yerfafst  (0).  Die  Ge» 
meiiiden  hatten  oft  Urssohe  über  ihn  zu  klagen,  z.  B.  klagten 
1676  Sondheim,  Urspringen  und  Stetten,  dafs  er  sie  bei 
einem  TruppendurchmarBcdie  ganz  im  Stiche  gelassen  hätte^ 
Noeh  in  demselben  Jahre  ging  er  ab;  wohin  ist  unbekannt. 
1676 — 1680:  Friedrich  Sebastian  vom  Stein 
zum  Altenstein,  Sohn  des  Amtmanns  Kas.  Christian^ 
geb.  27.  April  1641  auf  Lichtenberg,  kopuliert  7.  Nov.  1676> 
in  der  Münze  mit  Bosine  Sabine  y.  Stein- Yölkershausen.  Er 
war  der  letzte  Amtmann  yon  Adel  und  der  letzte  auf  Lioh-^ 
tenberg.  Im  Jahre  1680  wurde  er  nach  Coburg  berufen  al& 
Fttrstl.  Geheimer  wie  auch  Hof-  und  Justizrat  und  Land- 
schaftsdirektor. ,»Der  Beichsfrey  Wohlgebohrne,  H.  Herr 
Friederich  Sebastian  y.  Stein  z.  Altenstein,  geweßener  Geheimbter 
Ho£Erath  zu  Coburg,  welcher  am  2.  JuUi  nach  Mittag  zwi- 
schen 1  und  2  Uhr  seel.  in  Gott  entschla£fen,  und  den  4. 
dieftes  Monats  in  die  groie^)  Kirche  auf  die  Seiten  neben 
den  Taufeteio,  wo  der  Pfarr  steht,  wann  er  ein  Kindt  taufft,. 
Abendts  um  10  Uhr  beygesetzet  worden,  Hernacher  aber  4^ 
Sontag  Trin.  die  Leioh  Predig  y.  Diac.  Schencken  ')  aus  dem 
16.  Psalm  gehalten«"  (Osth.  Krchbch.  1698).  Seine  Witw& 
starb  1716  64  Jahre  alt  in  Ostheim  und  wurde  neben  ihrem 
Eheherm  baigesetzt*). 


1)  So  genannt  im  GegeniatBe  bu  der  1664  erbaaten  Friedhofskirche. 

t)  Dem  Dichter  des  Verses :  Unsem  Ansgaog  segne  Gott  etc.  (Nan^ 
gottlob !  es  ist  etc.). 

8)  Sein  Sohn  Chr.  Wilhelm,  geb.  168d  in  Cobarg,  1717  in  der 
Mflnse  kop.  mit  Polyxene  Sab.  Marie  v.  Stein- Vdlkersh.,  starb  als  Tmhea- 
meister  des  Bitterkantons  Rhön-Werra  1784  in  Ostheim.  Von  seinen 
5  SShnen  war  der  älteste  Phil.  Gottfried,  ffirstl.  ansp.  Oberschenk  and 
HoftnacschaU,  weleher  1765  die  Mftnse  verkaufte,  der  jüngste  Friedrich 
Bmst,  geb.  1.  April  173)  in  der  Mfinze,  verh.  mit  Jaliane  PhU.  Wllh. 
▼.  Adelsbeim,  gest.  80.  Des.  1779  als  fOrstL  brandenb.  Hosareurittmeister 
nnd  Kammerherr  in  Anspach.  Dessen  ilteeter  Sohn,  Karl,  geb.  1.  Okt. 
1770  das.,  ist  der  langjährige  treoe  Diener  des  Königs  Friedrich  Wil- 
helm HL,  der  erste  eigentliche  Koltnsminister  in  Preolsen  (1817 — 1887^ 
t  1840),  bekannt  durch  die  Omgestaltnng  des  prenls.  VoUubildnngswesana 
und  den  Venraeh  der  Union  der  beiden  evangelischen  Kirdien. 


Dm  ehemaUga  Amt  Lkbtenbwg  vor  der  Bhfin.  Igj^ 

1680—1684:  Melohior  Siegmund  Sohmidt,  cT  Ul 
Lic.  —  AU  Pate  bei  eioem  Kinde  des  HauptmanoB  Graod- 
eisen  auf  Lichtenberg  1681  heifst  er:  y,Ihro  Ezoellenz  und 
Hoch  Edle  Herrlichkeit,  hochfüratL  8äcb£.  Eisen.  Hochahn- 
sehnL  Herr  Aath  und  Amtmann"  ^}.  Er  wurde  am  30.  Sept  1680 
Tom  Eammeryerwalter  Schlegel  aus  Eisenach  sugleich  mit 
dem  neuen  Amtsschreiber  Oerlach  auf  Lichtenberg  den 
SchultheiljBeD  Torgestellt,  welche  ihm  Handgelöbnis  thun 
muTsten.  Die  übHche  Mahlseit  fand  für  die  Beamten,  Geist- 
lichen etc.  auf  Lichtenberg  statt,  ^und  wurde  schalt  das  ge- 
treidig Tortgestürtxt*';  die  Schultheifsen  wurden  in  Ostheim 
gespeist.  Für  die  IJmzugskosten  forderte  Schmidt  von  den 
Amtsorten  100  Thhr.  in  2  Fristen.  —  Über  sein  spätere» 
Leben  ist  nichts  bekannt 

1684 — 1686:  Georg  Ludwig  Schellhas,  Rat^ 
Schwiegersohn  des  Eisenacher  Regierungspräsidenten  Ave- 
mann,  der  ihn  am  14.  Sept.  1684  einführte.  Die  Feierlich- 
keit fand  auf  dem  Bathause  statt.  Nach  der  Eiuführungsrede 
und  der  Gegenrede  des  Amtmanns  hielt  der  Adjunkt  (Super- 
intendent) Göbel  die  übliche  Danksagung  im  Namen  der 
Geistlichen,  der  Gefreiten  (des  amtssässigen  Adels  und  der 
Freisassen)  und  der  Unterthanen.  „Er  liels  aber  den  Bat 
(der  Stadt  Ostheim)  außen,  weil  nichts  an  ihn  begehret  wor- 
den; war  fast  etwas  Spötiioh,  hette  ufs  Baths  Seitten  auch 
geschehen  können,  wenn  nur  die  Sach  bedacht  worden'*  (S). 
Bierauf  gelobten  die  Ortsbehörden  und  die  Schulbedienten 
des  Amts  dem  neuen  Amtmann  an,  „und  neigete  man  sich 
aueh  Eugleich  gegen  dem  Hn.  Prcesident,  aber  ohne  Hand- 
bietung'';  die  Geistlichen  und  Gefreiten  folgten  dann  dem 
Präsidenten  und  dem  Amtmann  in  die  „kleine  Stube",  „daß 
man  nicht  wiften  oder  sehen  könte,  ob  sie  auch  angelobt  oder 


1)  1685  heifst  eine  Sebnlmtistersfrau  :  „Die  Viel  Ehren  und  Tngend- 
reicbe  Fima  NN,  des  wohl  Ehren  Vesten,  Vorachtbaren  und  wohlge- 
labrten  etc.  NN  Schaldieners  Eheliebste*'.  1648  klagt  der  Amtmann 
T.  Altaistein,  da(«  Jeder,  der  auch  nur  einen  Anteil  an  einer  Kuh  habe, 
sehon  ein  Bauer  sein  wolle.    Hentsutage  will  er  schon  ein  „Herr'*  sein! 

18* 


190  ^<^  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rhön. 

was  Vorgängen^'.  An  der  gemeiDschaftlicben  Mahlzeit  Dahm 
auch  das  KaltenDordheimer  Oerichtspersonal  teil.  Am  andern 
Morgen  liefe  die  Stadt  dem  Präsidenten  mit  der  Bitte,  y,dero 
gniher  freundt  und  Tatron  zu  verbleiben",  einen  Eimer 
Frankenwein  präsentieren  und  ihn  zum  Frühstück  aufs  Bat- 
haut zu  den  Besten  der  gestrigen  Mahlzeit  einladen.  Er  bat 
jedoch  seiner  mit  ihm  gereisten  ,,Jumpfer  Tochter''  wegen 
ihm  lieber  etwas  ,yhinüber  ins  Hn.  Ambtmans  behausuDg''  zu 
schicken.  Nachmittags  reiste  er  nach  Kaltennordheim  ab  in 
Begleitung  des  dortigen  Oerichtspersonals.  —  Sohellhas  wurde 
1686  Amtmann,  später  Vioekanzler  und  Eonsistorialpräsident, 
Exo.,  in  Eisenach. 

1686 — 1692:  Job.  Wilhelm  Schröter,  vorher 
hessischer  Amtmann  in  Schlitz.  Am  30.  April  1686  wurde 
er  auf  dem  Bathause  von  seinem  Vorgänger  eingeführt.  Die 
Mahlzeit,  welche  82  Thlr.  kostete,  fand  in  Stadtleutnant 
Wendel  Fischers  Hause  (dem  Hefsb.  Schlölschen)  statt,  „uud 
hatte  Prave  Beüsch  gesetzt ;  theils  Geistlichen  hatte  sich  auß 
der  fretz  (t)  gesoffen,  und  hett  halt  einer  im  wasser  Unglück 
gehabt,  wie  auch  die  Sohulm.  hatten  sich  deBen  wolgebiBert, 
da£  es  also  Gottlob  wol  abgangen".  Am  Abend  kamen  noch 
die  Mellrichstädter  und  Fladunger  Amtskeller  und  Amts- 
sohreiber  dazu,  „daB  es  allenthalben  guthe  Reüsch  gesetzt''. 
Im  Jahre  1688  starb  Schröters  Frau  geb.  Fabricius  35  Jahre 
alt  im  Kindbett  und  wurde  in  die  Kirche  begraben.  Am 
12.  Sept.  1692  wurde  er  als  Amtmann  nach  Bisenach  versetzt 
und  zum  Hof-  und  Konsistorialrat  ernannt.  Bei  seinem  Ab- 
schiedsschmause  ging  es  zu  „wie  lue.  am  16.  Capitel"  (herr- 
lich und  in  Freuden).  Er  wurde  später  Geheimderat,  Vice- 
kanzier  und  Konsistorialpräsident»  Ezc,  als  welcher  er  am 
8.  Mai  1699  im  Amte  Lichtenberg  die  Erbhuldigung  für 
Herzog  Job.  Wilhelm  einnahm.  Die  übliche  Mahlzeit  fand 
in  Dr.  Klinghammers  Hause  Qetz.  Bechnungsamte)  statt;  „es 
gab  auch  zimmliche  Beüsche,  jedoch  wurde  es  alles  glücklich 
geendiget".     Er  starb  als  Kanzler  in  Sondershausen. 


Das  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rhön.  191 

1692—1697:  Dr.  Paul  Henrich  Thilemann. 
Ohne  Yorhergegangene  feierliohe  EiofdhruDg  trat  er  am  20. 
Oktober  1692  sein  Amt  an.  Seit  1680  wohnten  seine  Yor- 
gäoger  in  Mietwohnungen ;  er  kaufte  von  Stadtleutnant 
Wendel  Fischer  das  Helsb.  Schlöf sehen,  in  welchem,  nachdem 
er  es  bei  seinem  Wegzage  an  Frau  Oberstl.  y.  Spefshart 
xerkauft  hatte,  auch  seine  Amtsnachfolger  wohnten.  Im 
Jahre  1697  wurde  er  Ton  Herzog  Bernhard  als  Hof  rat  und 
Eonsistorialpräsident  nach  Meiningen  berufen,  geadelt  und 
später  in  gleicher  Eigenschaft  nach  Eisenach  versetzt  ,,Dieser 
Amtmann  war  ein  prayer,  ehrlicher  und  gelehrter  Mann,  war 
der  gantzen  Stad-Burgerschafift  und  Ambt  wohl  gerathen*'  etc.. 
Bei  seinem  Abzüge  bewilligte  ihm  auf  sein  freundliohes  Er- 
Buchen  die  Stadt  ,,aas  sonderbarer  Höflichkeit''  die  nötigen 
Fuhren,  worüber  er  am  17.  Noy.  1692  einen  Beyers  ausstellte. 

1697 — 1700:  Johann  Rudolf  Lim  bach;  1685  Amt- 
mann in  Ilmenau.  1698  wurden  seine  Schwiegermutter  und 
2  Söhne,  1699  ein  dritter  Sohn  in  der  Kirche  an  der  Sacristei- 
thür  begraben. 

1700—1701:  Johann  Wilhelm  Schellhas,  wahr- 
scheinlich Sohn  des  6.  L.  Schellhas  (S.  189),  Schwiegersohn 
des  Oeheimrats  Leonardi   in  Eisenach. 

1701 — 1716:  Johann  Heinrich  Böhn,  Präsidenten- 
sohn aus  Eisenach,  wurde  1705  in  Dr.  Klinghammers  Hause 
mit  Thilemanns  ältester  Tochter  Rachel  Justine  kopuliert 
1716  wurde  er  Hofrat  in  Hildburghausen,  wo  er  noch  znm 
Oeheimrat  und  Kanzler  aufstieg. 

1716—1730:  Seh.  Heinrich  Kühn  (s.  S.  128),  wurde 
abgesetzt. 

1730 — 1733:  Job.  Ludwig  Geissei,  Rat. 

1733 — 1756:  Nikolaus  Erdmann,  Kommissionsrat» 
1747  starb  seine  Frau  im  Alter  yon  41  Jahren;  auf  seinen 
Wunsch  wurde  sie,  ohne  Präjudiz  für  seine  Nachfolger,  in 
die  Gottesackerkirche  begraben,  wo  auch  er,  wenn  er  in  Ost- 
heim stürbe,  begraben  zu  werden  wünschte.  Im  Jahre  1754 
«teilte  er   eine   hier   yielfach  angeführte,    ausführliche  Amts- 


192  ^<^  ehem&Kge  Amt  Lichtenberg  Yor  der  RhSo. 

beschreibuDg  susammen.     1756  wurde  er  als  Hof-  «nd  Geh. 
Begiernngsrat  nach  EiseDaoh  yenetKt 

1756 — 1758  (t):  NioolauB  Schwendler,  voriier 
Aktaar. 

1758—1784  (t):  Johann  Heinrich  Christian 
Thon,  „Hn.  Martin  Thons,  wohlangesehenen  Bürgers  zvl 
Bisenach  jüngster  Sohn'S  geb.  1699.  Am  24.  Febr.  1729 
wurde  er  als  Amtsvogt  auf  Liohtenberg  mit  Magd.  Job.  Juliane, 
Tochter  des  Osth.  Diakonus  Limpert,  kopuliert  Als  Amt- 
mann erhielt  er  den  Batstitel.  Er  erwarb  die  ,,tannisehe'' 
oder  yjAufsenmühle^'y  welche  seitdem  Amtmannsmühle  heifst, 
ferner  das  halbe  Dorf  Wilmars  etc.  und  ist  der  Stammvater 
eines  Oesohlechts  geworden,  das  unter  seinen  Gliedern  eine 
ganze  Reihe  hoohangesehener  Männer  und  Frauen  zählt ^),  und 
Ton  dem  es  noch  jetzt  heifst:  Im  Weimarischen  ist  Thon 
guter  Boden. 

1784—1807  (t):  Heinrich  Christian  Kaspar 
Thon,  geb.  1780  auf  Lichtenberg ,  1764  Hofadyokat  zu 
Kaltensundheim  und  zugleich  Marschall  von  Ostheimsoher 
Oerichtsyerwalter  zu  Waltershausen,  1768  Amtsvogt  auf  Lich- 
tenberg und  einige  Jahre  vor  dem  Tode  seines  Vaters  Amts- 
verweser. Dann  wurde  er  Amtmann  mit  dem  Titel  Eommissions- 
rat,  später  Hoftrat;  „ab  thätiger  Geschäftsmann  rühmlichst 
bekannt"  (Schultes).  Aulser  anderen  Schriften  (s.  B.  einer 
Beschreibung  der  Bhön  in  Fabris  Neuem  Magazin  I,  8.  Stück) 
verfaüste  er  1797  anonym  die  gegen  die  unberechtigten  An- 
aprüche  des  Osth.  Adels  gerichtete  „Auf  Acten  und  Urkunden 


1)  Sein  ältester  Sohn  wurde  sein  Amtsnachfolger,  sein  «weiter 
Jostlssintmann  in  Gersfeld,  dann  in  Orteoborg ;  der  dritte  (der  „Magister**) 
Pfarrer  in  Kaltensundheim  (dessen  Schwiegersöhne  Pfarrer  Hercht  das. 
and  Justisrat  Ortmann  in  Ostbeim) ;  der  vierte  Amtsrentsekretir  In  Kalten- 
Bordheim;  der  fSofle,  Karl  Salomo,  Oberkonsistorialdirektor  in  Biseoach 
<S.  ISO),  dessen  einsiger  8obn  als  Ssterr.  Soldat  verschollen  ist.  —  Seine 
Schwiegersöhne  waren  Mi^or  Köhler  in  Ostheim,  Dekan  Ortmann  in 
Kaltennordheim  (dessen  Schwiegersöhne  die  Oberforstrite  t.  Cotta  in 
Tharand  nnd  König  in  Eisenach)  und  Oberpfarrer  Amelnng  in  Gersfeld 
(dessen  Schwiegersöhne  die  Gehelmrite  Hnfeland  nnd  Suckow  in  Jena). 


Dm  ^emAlige  Amt  Liebteoberg  tot  der  Rhdn.  }93 

gegründete  Darstellung  des  gegenwärtigen  Bedtietandes  der 
ganerbschaftliohen  Yerfaseung  im  Amte  Lichtenberg  in  Be- 
»ehiing  auf  die  von  ihrem  Ursprung  her  entwickelte  HerzogL 
8.  Landeshoheit  daselbst'^  die  wir  im  III.  Teile  noch  öfter 
kurz  ala  »^Tliont  GanerbenverÜMsung"  anführen  werden.  Br 
tauschte  gegen  halb  Wilmars  Rittergut  und  Dorf  Weimar- 
achmieden  ein  und  baute  die  Kirche  daselbst  (s.  IIL)  ^). 

1808 — 1816:  Georg  Philipp  Friedrich  Thon, 
Torher  AmtsTogt  auf  Lichtenberg,  seit  1796  auch  Amtsver- 
weser.  Als  1816  das  Hintergericht  Tom  Amte  abgetrennt 
wurde,  wurde  er  Amtmann  und  Justisrat  in  Ilmenau*). 


Amtaaohreiber. 

In  der  Bitterseit  bedurfte  es  in  den  meisten  Fällen 
seitens  des  Amtmanns  nur  einer  mündlichen  Entscheidung 
oder  Anordnung;  nur  in  den  allerwichtigsten  Angelegenheiten 
waren  Feder  und  Tinte,  Pergament  oder  Papier,  Wachssiegel, 
Kapseln  und  Schnüre  nötig.  Nicht  einmal  seinen  Namen 
brauchte  der  Amtmann  schreiben  au  können;  dessen  Stelle 
Tcrtrat  das  Wachssiegel.  Hielt  er  sich  einen  Schreiber,  so 
hatte  er  ihn   selbst   zu  besolden,    was   teils   in  bar,   teils  in 


1)  Sein  ältester  Sohn,  geb.  1765  in  Kaltensnndheim,  wurde  Oelieim- 
rat  und  Kansler  in  Eisenach  (dessen  ältester  Sohn,  Lfitsower,  Adjat.  Karl 
Angosts,  Boletst  Geh.  Lefcationsrat,  f  1 842 ;  der  sweite  KammerpriUident  und 
Geh.  Staatsrat  in  Eisenach ;  der  dritte,  GosUv,  Staatsminister  in  Weimar, 
i*  1882  [dessen  Sohn  der  Geh.  Jostisrat,  OLGRat  und  Prof.  der  Jnrispr. 
Dr.  Aug.  Thon  in  Jena^ ;  der  sweite  war  Wirklicher  Rat ;  der  dritte,  geb.  1759 
auf  Lichtenberg,  Grofsh.  Legationsrat  in  Mfirnberg,  Saiswerkbesitser  im 
Slsafs ;  der  vierte  der  Amtsnachfolger  seines  Vaters  (s.  n.)  und  der  f&nfte  als 
„Thon  von  Dittmar*<  in  Bayern  geadelt  (ein  Sohn  1848  bayrischer  Minister). 
—  Des  Amtmanns  Schwiegersdhnr  waren  Superintendent  Genisler  (von 
dessen  Söhnen  der  eine  Justisamtmann  in  Geisa,  der  andere  Generalsuper- 
intendent in  Coburg  wurde)  und  Diakonus  Geheeb  in  Ostheim. 

2)  Sein  Sohn  Heinrich  Christian  wurde  Geh.  Finansrat  In  Weimar. 
Bin  Schwiegersohn  war  der  Pfarrer  Stapff  in  Dorndorf  a.  W.,  ein  Sohn 
seiner  zweiten  Tochter  der  Universitfitsamtmann  Görwits  in  Jena. 


J94  ^'^  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rhön. 

KaturalieD  geschah.  Dieee  Besage  wurden  mit  der  Zeit  regel* 
massige  und  ständige.  Je  mehr  das  papierne  Zeitalter  sich 
geltend  machte ,  um  so  schneller  füllten  sich  die  Akten- 
schränke»  auch  mit  Schriftstücken  des  Amtmanns,  der  nun 
immer  weniger  im  Stande  war,  seine  vielseitigen  Oeschäfte- 
allein  zu  bewältigen,  von  denen  nun  nach  und  nach  deok 
Amtsschreiber  das  Forst-  und  Steuer wesen  und  dergl.,  aber 
immer  noch  unter  Verantwortung  des  Amtmanns,  übertragen 
wurde.  Es  wurden  nun  auch  studierte  Leute  zu  dieser 
Stellung  berufen. 

Nach  Verlegung  des  Amtes  von  der  Burg  in  die  Stadt 
(1680)  blieb  der  Amtsschreiber  allein  auf  der  Burg  wohnen 
und  führte  nun  den  Titel  Amtsyogt,  vorläufig  war  aber  auch 
noch  das  2.  Aktuariat  in  Ostheim  mit  seiner  Stelle  verbunden. 
Nachdem  1811  der  Amtsvogt  von  der  Burg  in  das  Dr.  Kling- 
hammersche  Haus  in  der  Stadt  gezogen  war,  und  durch  den 
Wegfall  der  Centgerichte  alles  eine  andere  Ordnung  erhielt,, 
wurde  seine  Stellung  dem  Amtmanne  gegenüber  eine  völlig: 
selbständige;  er  erhielt  den  Titel  Bentbeamter,  später  Kech- 
nungsamtmann.  Auch  das  Forstwesen  war  seit  der  Ver- 
legung des  Amtes  nach  Ostheim  einem  Fachmanne  unterstellt 
worden. 

t^ber  die  Persönlichlceiten  der  Amtsschreiber  h&be  ich  folgen* 
des  erlcundet: 

1574:  Die  Ostheimer  Vierer  rflgten  bei  der  Cent  Mellricbstadt,  d&(^ 
der  Schreiber  de:i  Amtm&nns  sa  Lichtenberg  am  Sonntage  Voeem  Jucundi-^ 
UUii  zwischen  9  und  10  Uhr  vorm.  am  Baaenitein  vom  Wetter  erschlagea 
worden  sei  (M  filier  a.  a.  O.). 

1579:  Wolf  Kempf  (8.  S.  178). 

1 599 :  Valtin  Gnmpert,  „Schreiber  auf  Lichtenberg",  später 
Centgraf  in  Kaltensundheim. 

161S — 1620:  Hieronymus  Lewe  (Lewins),  „Amptschreiber  auf 
Lichtenberg". 

1620—1626:  Hans  Wirth.  Am  26.  Sept.  1629  sUrb  an  StetteD 
,,Anna,  Ca^tpar  Wirths  Hansfran.  Eine  recht  betrübte  fraw,  der  ihr  Sohn 
Hans,  gewesener  Amptschreiber  anff  Lichtenberg,  sich  sa  der  Priedlin- 
dischen  Armee  begeben  and  ffir  einen  Sekretarium  gebrauchen  lassen,  and 
vor  2  Jahren   za    Osterwik   soll   itrangtdüret   worden    sein".      1634  ver> 


Du  ehtnuüige  Amt  LicbtenWrg  vor  der  Rhdo.  19& 

beiratete  sich  ,,Joh.  Wirts  Sei.,  geweteDen  Ambtschreibers  äff  Lichtenberg 
delieta  et  relieta  vidua  EUsabethe'*  (mit  ihm  Icop.  sa  Odtheim  1628)  mit 
eiDem  Feldscher. 

1626—1688:  Job.  Georg  M  QU  er- S  tein  (Mailerstein  etc.),. 
geb.  1605  in  Kaltensandheim,  verh.  1629  mit  Sib.  Schertinger  ans  0»t- 
heim,  1689  mit  einer  Pfarrerstochter  (Amthor)  aus  Bettenbausen.  1685- 
war  er  gleichseitig  v.  Hef^bergiscber  Vogt.  Er  vi-urde  Oerichtsverwalter 
in  Kaltensandheim. 

1638—1662  (f):  Christoph  Linclc^),  Tuchmacherssohn  aas> 
Meiningen,  Jurist;  Icop.  1688  auf  Lichtenberg  mit  der  Tochter  eines  gräf- 
lich haDaoi«chen  Pfarrers  und  Inspektors  Hornecic.  Von  seinen  Kindern, 
die  mebt  tot  xur  Welt  Icamen,  blieben  nur  2  am  Leben :  die  Frau  seine» 
Nachfolgers,  und  ein  Sohn,  Schulmeister  in  Wohlmnthausen.  „Der  Ehm- 
▼este,  Vorftehtbare  und  Wolgelahrte**  Linck  starb  anf  Lichtenberg  dei^ 
8.  Febr.  1662  im  Alter  von  50Y,  Jahren. 

1662  bis  (mit  der  Unterbrechung  von  1665 — 1667,  wfthrend  welcher 
er  mit  seinem  Schwager  Wagner  Amtsinspektor  war)  ca  1695:  Joh. 
Georg  Schmidt. 

„Amtsvdgte**: 

1680—1709  (t):  Christian  Heinrich  Gerlaeh,  Schwieger* 
söhn  Wagners.  Sein  Schwiegersohn  war  der  Diakonns  Sartorins ;  deshalb 
wurde  er,  1709  56  Jahre  alt  anf  Lichtenberg  verstorben,  von  der 
„Kaplanei**  aus  beerdigt.    • 

1709-1729:  Joh.  Christoph  Wolf.  Er  starb  1782,  55  Jahre 
alt,  „welcher  durch  einen  schlag  fluB  an  der  Lungen  verderbet  worden, 
daß  er  viele  Jahre  daran  an  der  Sprache  vieles  Ungemach  ausstehen 
mfiBen ;  den  8.  9bris  mit  24  Fackeln  und  ganser  Procession  vom  Amt- 
hans abgeholt**. 

1729—1758:  Joh.  Heinrich  Christian  Thon  (s.  S.  192). 

1758—1784:  Heinr.  Chr.  KasparThon,  des  Vorigen  Sohn  ^ 
versah  suletst  die  Stelle  seines  alten  Vaters  mit  als  ,,Amtsverweser". 

1784—1808:  Georg  Phil.  Fr.  Thon,  des  Vorigen  Sohn,  1798 
auch  zum  Amtsverweser  ernannt. 

1808—1823  (f):  Gottl.  Wi  Ih.  Konr.  Hdpfner,  vorher  Stadt- 
Schreiber  nnd  Amtsadvokat,  seit  1808  „AmUverwalter*'. 


1)  Im  Jahre  1649  gab  er  auf  Erfordern  an,  was  Ihm  „bißhero  von 
dem  Beampten  wegen  verrichteter  Amptschreiberey  iihrlich  pro  SMaria 
gereicht  worden:  50  fl.  an  Geld,  12  mld.  Korn  hiesig  Klein  gemees,  8 
mld.  Hafer,  V,  mld.  Weits,  6  mld.  Gerste,  4  maas  Erbeifi,  6  maas  linflen, 
2  mld.  hopffen«'. 


196  ^^  «hMuOig«  Amt  LkhtaobOTf  tot  ^«r  EMb. 

Die  ForstbemmteiL 

Nach  Verlegung  des  Amtes  in  die  Stadt  wurde  die  bis- 
her mit  dem  Amtssohreiberdienste  yerbundene  ForstTerwaltung 
einem  besonderen  Beamten  übertragen,  der  1719  das  für  ihn 
in  Ostheim  erbaute  Forsthaus  bezog. 

1715—1737  (t  74  Jahre  alt):  Joh.  Kaspar  Dorn,  17S8  JMger, 
Forttbedienter,  saletst  OberförsUr. 

1737_173g:    Philipp   Heinrich  Reifenstahl,   Oberförster. 

1739—1776  (t  1793,  81  Jahre  alt):  Melchior  Chr.  Kipler, 
,,hatte  sich  dorch  eigne  Kraft  emporgearbeitet;  durch  ihn  wurde  die  Porst- 
Wissenschaft  gehoben««  (Scholtes).  1739  „Porstbedienter^S  anl  seUi  Bitten  1760 
warn  Oberförster  und  1776  sua  Wildmeister  ernannt.  I>ie  AmtsforsI 
trag,  wie  er  1760  in  seinem  Gesuch  anfHhrr,  anfangs  100,  jetst  800  bis 
1000  Tblr.  J&hrlich.  Ihm  unterstanden  suletst  die  4  „oberlindischen" 
V'orsten  Ostheim,  KNordheim,  Erbenhausen  und  Umshansen. 

1776—1805  (t):  Wilh.  Heinr.  Kipler,  1779  sum  OberfSrster, 
179S  Bum  Wildmeister,  1804  sum  Porstmeister  ernannt.  Er  hatte,  wie 
schon  sein  Vater,  immer  viel  Forsteleven  um  sich,  die  von  ihm  in  Kalli- 
graphie, Arithmetik,  Qeometrie,  Zeichenkunst,  Porstbotanik,  Forstnatnr- 
geschichte  und  Forsttaxation  unterrichtet  sein  wollten.  Seinem  Sohne  ge> 
lang  es  nicht,  in  seine  Stelle  einsutreten.  Die  Kftplerschen  Vermögens* 
▼erhiltnisse  waren  unverschuldet  immer  sehr  traurige. 

1805—1883  (t):  MoritB  Sckell,  Oberförster. 

Die  OfOsiare  der  Milis  (des  „Aussohusses'*). 
Der  AussohuTs  (s.  6.  98),  die  Aaswahl  der  tauglichsten 
jungen  Leute  jedes  Ortes ,  wurde  je  nach  der  Oröfse  des 
letsteren  von  einem  oder  2  Korporalen,  die  ihren  ständigen 
Wohnsitz  da  erhielten,  und  einem  Tambour,  der  zugleich  das 
Ausrufen  („Austrommeln*^  der  Gemeindebekanntmachungen 
übernahm,  einexerziert.  Für  Beschaffung  alter  Musketen,  für 
Lunten  und  Pulver  hatte  die  Gemeinde  zu  sorgen.  Zuweilen 
kam  dann  der  Leutnant  aus  Ostheim,  gewöhnlich  ein  Hand- 
werker, der  diesen  Dienst  als  Nebenamt  versah,  oder  der  Amts* 
hauptmann,  welcher  auf  der  Burg,  in  Ostheim  oder  auch  in 
Helmershausen  seinen  Sitz  hatte,  vielleicht  sogar  der  Landhaupt- 
mann aus  Eisenacb,  um  nach  dem  Stande  der  Dinge  zu  sehen^ 


Du  ebeiiuülgf  Amt  Lichtenberg  vor  der  RhOn.  ]^97 

^e  Borftnaaem  and  Thorhäuser  zu  besichtigeu  und  dergl. 
mehr.  Bei  Bolchen  Gelegenheiten  mufeten  wohl  auch  die 
AüMchÜBBe  mehrerer  Gemeinden  zusammen  exerzieren,  wie 
M.  B.  die  Vordergerichtsdörfer  auf  der  Pfingstweide.  Im  Jahre 
1702  wurde  verordnet,  dafs  die  „Defensioner*'  an  den  Peters- 
i;erichtstagen,  den  eigentlichen  Gemeinde  festen  —  also  zur 
Parade  —  exerzieren  sollten.  Im  Jahre  1751  yerordnete 
4a8  Oberkonsistorium,  dafs  auch  an  Sonn-  und  Feiertagen 
Bach  dem  Gottesdienste  und  der  Katechismuslehre,  welche 
•deshalb  nicht  zu  spät  und  nicht  zu  lang  zu  halten  seien,  die 
Leute  exerziert,  und  der  Anfang  der  Übungen  von  der  Kanzel 
«bgekttndigi  werden  solle;  es  dürfe  aber  keiner  diese  Übungen 
sum  Torwande  für  das  Schwänzen  des  Gottesdienstes  und  der 
Eatechismuslehre  nehmen.  Im  Jahre  1717  wurde  ein  Miliz- 
reglement für  das  Fürstentum  Eisenach  gegeben,  worin  auch 
tax  die  einzelnen  Übungen  genaue  Yorschriften  erteilt  wurden*). 

Praktische  Verwendung  fand  der  Ausschufs,  wenn  es 
^alt,  auf  flftohtige  Verbrecher  zu  streifen  oder  behördlichen 
Anordnungen  widerspenstigen  Gemeinden  gegenüber  Nach- 
druck zu  verleihen,  in  einigen  wenigen  Fällen  auch  zu 
kleineren  kriegerischen  Unternehmungen. 

Erdmann  sagt  in  seiner  Amtsbeschreibung  1764:  „Die 
Land  Miliz  ist  dem  Amte  Lichtenberg  wegen  seiner  äußersten 
€^räntzlage  und  übermächtiger  Würtzburgiechen  Nachbarschaft, 
Streichern  und  Diebs  Gesindel  höchst  nöthig,  und  bej  deren 
Einrichtung  nach  dem  Steuer  Fuft  dem  Amte  Lichtenberg  zu 


1)  Von  den  6A  Kommaiidot  bei  den  Scbiefsfibnngen  seien  ans  dem 
gothaisehen  Reglement  nur  folgende  angeführt:  „S6.  Das  Gewehr  hoch! 
S6.  Her  steUt  den  Hahn!  27.  Blafit  ans  die  Pfann!  88.  Fa£c  das 
PnlTerfaom!  29.  Pulver  auf  die  Pfonn  !  80.  Seh liefit  die  Pfann !  81. 
Schwenckt  das  Gewehr  aar  Ladung!  38.  Pafit  die  Patttml  83.  OefTnet 
4ie  Patron  l  84.  Die  Patron  in  Lanf !  36.  Ziehet  aas  den  Lade-Stock ! 
86.  Hoch  den  Stock!  87.  KOrtst  den  Lade-Stock!  38.  Den  Lade-Stock 
in  Lanff!  89.  Setst  an  die  Ladung!  40.  Ziehet  ans  den  Lade- Stock ! 
41.  Hoch  den  Lade-Stock !  48.  Rfirtat  den  Lade-Stock !  48.  Den  Lade- 
Stock  an  seinen  Orth !  44.  Mit  der  rechten  Hand  unter  den  Hahn  !**  etc. 
—  Nun,  du  Reiter,  halte  still,  weil  man  dich  erschiessen  will! 


198  ^^^  ehenuilige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Bh5Q. 

dem  Infanterie  Eegiment  191  Mann  mit  prima  plana  su^ 
getheilet  wordeo,  welche  untenii  Commaodo  des  Major  Köhlers- 
und  Lieutenant  Seyferts  der  gemachten  Einrichtung  nach  auf 
jedes  Amts  Kosten  nechstens  neu  montirt  werden.  Die  IT 
auf  das  Amt  L.  auch  vor  40  Jahren  nach  der  Steuer 
repartirte  Dragoner  hingegen  sind  an  Mannschaft^  Pferden,, 
Montur  und  Gewehr  schon  längst  vom  Bost  gar  angefressen^ 
mithin  völlig  undiensthar,  auch  an  und  vor  sich  ganz  un- 
nöthig,  mithin  auf  hohen  Befehl  vor  weniger  Zeit  abgedanckt- 
Bei  der  neu  aufgerichteten  Land  Miliz  scheinet,  daß  unter 
der  Herren  Officiers  Begünstigung  die  junge  Pursche  hey^ 
Torfallenden  Ciyil-Straf-Sachen  der  weltlichen  Gerichtsbarkeit 
sich  entziehen  wollen,  wodurch  üble  Folgen  entstehen  dürften ;. 
sodann  wird  denen  darunter  befindlichen  Handwercks  Purschen. 
bej  vorhabenden  Wandern  in  die  Fremde  der  verlangende 
Paß  schwer  und  weitläufig  gemacht  oder  gar  versaget,  welches- 
ihnen  und  dem  gemeinen  Wesen  schädlich  fället.  Endlich 
müßen  sie  um  allerhand  Kleinigkeiten  willen  vielle  unnötige 
weite  Wege  gehen.'*  Im  Jahre  1785  wurde,  nach  Schultes,. 
die  lichten  bergische  Landkompagnie  wieder  aufgehoben  und. 
in  einen  Landausschufs  verwandelt,  der  statt  des  Ober*  und 
Untergewehres  —  aus  Bücksicht  auf  die  Gefährlichkeit  dieser 
Dinger,  oder  aus  Sparsamkeit  ?  —  mit  Springstöcken  versehen 
wurde.  „Das  Marschwesen  wird  von  dem  jedesmaligen  Aktuario> 
besorget'S 

Man  darf  annehmen,  dafs  die  Sohlacht  bei  Jena  diesem 
Landsoldatenwesen  ein  Ende  gemacht  hat  In  PreuTsen  hatte 
schon  Friedrich  Wilhelm  I.  es  abgeschafft. 

Hier  das  Verzeichnis  der  Offiziere  des  lichtenb.  Aus- 
schusses, welches  freilich  auf  Vollständigkeit  keinen  Anspruch 
macht. 

ISSI:  K&spar  Zinn,  „Stadt-Lefiteiuimbt".  —  1682:  Andrea». 
Leupold,  Hauptmann.  —  1685:  Melchior  Orob,  Stadtlentnant. — 
1 634—1646 :  MatthesSchmidt,  Stadtlentnant  nnd  v.  Stein'scher  Vogt,, 
Bruder  de«  AmtsTerwalters  Martin  Schmidt.  —  1668 :  Tobias  Fahler^ 
Sudtlentnaut.  —  1670:  Veit  Ludwig  Schmidt,  Leutnant.  ~  1674t 


Dms  ehemalige  Amt  Lichtenberg  ror  der  Rhön.  |99 

AndreatWendelin  Oresselins,  „Leatenand  and  Commandant  auf 
Lichtenberg**.  ~  1676  »tarb  Valtin  Baaenttein»  57  Jahre  alt, 
16  Jahre  lang  Amts-  nnd  Stadtlentnant  gewesen.  —  1678 :  Orambrecht, 
Haoptmann.  —  1678:  Abraham  Praneiscas  (Fran9oi9,  Franx), 
Befagi^y  Schneider,  wurde  am  9.  JqH  genannten  Jahres  ,,arm  Raihhauß 
«n  einem  Stadt  Fendrich  angenommen  nnd  den  Offlcirer  vorge^teli**.  Zu. 
-dtm  Schmaose,  den  er  gab,  waren  die  Offisiere,  der  Kaltennordbeimer 
Leutnant,  der  Stadtschnltheifs  and  der  Stadttchreiber  geladen  worden,  „und 
tragen  gnthe  Befisch  davon**.  Noch  1705  ist  er  Stadtleutnant.  —  1679 
nod  1688:  Gregor  Grnndeisen,  „fdrstl.  bestellter  Hauptmann  uff 
Lichtenberg**.  1688  nahm  er  au  Paten  eines  Sdhnchens  aufser  11 
adligen  und  anderen  vornehmen  Personen  „die  gesambte  Schultheiften  in 
F5rter  und  Hintergericht*«.  —  1688:  Wendel  Fischer,  Stadtleutnant. 

—  ca.  1690s  Johann  Friedrich  ▼.  Nassen.  Im  ungarischen 
Kriege  erprobt,  wurde  er  sum  Amtshauptmann  Ober  die  Ämter  Dermbach, 
Kaltennordheim  und  Lichtenberg  und  aum  Kommandanten  des  Schlofses 
Lichtenberg  ernannt.  Seinen  Wohnsitz  hatte  er  in  Helmershausen.  — 
1696  starb  Hubert  M5Iter,  „Fennerich,  welcher  erst  den  tag  vorher 
vu  unserer  BeUon  getreten**,  50  Jahre  alt ').  —  1 709 :  Job.  Friedricli 
Diener,  „fenndrich**,  1710  Leutnant.  —  1709:  Job.  Christian 
Frans,  Sohn  des  Abraham  Fr.,  „Stadtfennericb**,  1710  Leutnant,  f  1749 
«Is  Stadtleutnant.  —  1 709 :  Job.  Jochem  Gerber,  Stadtbauptmann, 
1781  Major  fiber  die  8  Komp.  der  Amter  Lichtenberg  und  Kaltennord- 
heim, f  1737,  64  Jahre  alt,  und  wurde,  wie  vorher  einige  seiner  Kinder, 
und  nachher  1748  seine  Witwe,  in  die  Kirche  begraben.  —  1710: 
Georg  Hartmann  Weifi,  „Fennerich  unter  den  dfftmUmtt  allhier**, 
t  1788,  50  Jahre  alt,  als  „Stadtleutnant  und  Adjotant**.  Auf  dem  Wege 
cum  Gottesacker  wurde  die  Melodie:  „Herslich  thnt  mich  verlangen,  vers- 
weis  bald  gesungen,  bald  traurig  geblasen  und  gedrammelt** ;  am  Grabe 
wurden  8  „Salben-*  gegeben  und  beim  Weggehen  „hüben  die  beyden 
Compagn.  mit  ihrem  FröÜgen  Paucken  schaall  und  wihrt  bis  in  des 
Majori  Hau8**.  ~  1737:  Job.  Friedrich  Will ,  Major,  erhielt  in 
diesem  Jahre  sein  Bestallungsdekret  und  nahm  Wohnung  in  der  Münse. 
1747  starb  er,  68  Jahre  alt,  und  wurde  in  die  Gottesackerkirche  begraben. 

—  1748  wird  verffigt,  dafs  Kreiobauptmann  von  Schardt  su  Ostheim 
seinen  Wohnsits  in  Eisenach  behalten  dftrfe.  —  1749  :  K  5  h  1  e  r ,  Stadt- 
leutBunt,  1758  Stadthauptmann,  1754  Mijor;  Thons  Schwiegersohn.  — 
1754:  Seyfert,  Leutnant.  —  1768:  8  teil  mann,  Stadtleutnant. 


1)  Seine  Nachkommen  erscheinen  neben  denen  des  Abraham  Franz 
nnd  Wendelin  Fischer  als  in  erster  Linie  sum  Genufs  des  Klinghammer- 
«ehen  Stipendiums  berechtigt  (s.  IH). 


200  ^^  ebem«Uge  Amt  Lichtenberg  Yor  der  BhSii. 


B.  Aechtspflege. 

Das  Kapitel  von  der  Bechtipflege  im  Amte  Liditenbeiig^ 
ist  deshalb  ein  besonders  interessantes,  weil  dieses  nicht  einen 
Jarisdiktionsbesirk  für  sieh  bildete,  sondern  3  aosländisohe  — 
einer  davon  wenigstens  snr  Hälfte  ausländisch  —  sich  darein 
teilten  (XVI,  272). 

Über  die  Rechtspflege  in  diesen  8  Centbezirken  im  all- 
gemeinen  ist  folgendes  rorauszuschicken. 

Die  Gerichtsbarkeit  über  geringere  Vergehen  stand  den 
Dorf-  bez.  Stadtgerichten  (s.  III),  in  ritterschaftlichen  Orten 
den  Vogteigerichten  zu;  nur  schwerere  Vergehen  und  Ver- 
brechen gehörten  vor  die  Cent  Die  Grenze  zwischen 
geringeren  und  schwereren  Verbrechen  stand  aber  nicht  in 
allen  Fällen  fest,  was  zu  yielen  Streitigkeiten  zwisehen  den 
lichtenb.  Amtmännern,  als  Vorgesetzten  der  Ortegerichte  und 
zugleich  Vertretern  ihres  Landesherm  gegenüber  den  An- 
sprächen der  fremdländischen  Centherren  und  deren  Beamten 
Veranlassung  gab,  um  so  mehr,  als  in  jedem  Centbezirke  fast 
jedes  Ortsgericht  wieder  seine  besonderen  Kompetenzgrenzen 
hatte,  wie  sie  sich  aus  den  besonderen  Territorial-  und  an- 
deren Verhältnissen  heraus  geschichtlich  entwickelt  hatten 
und  zum  Herkommen  geworden  waren.  Das  Herkommen 
galt,  da  es  allgemein  giltige  Gesetzbücher  noch  nicht  gab,, 
als  oberstes  Gesetz,  das  ohne  beiderseitige  Zustimmung  nicht 
aufgehoben  werden  konnte.  Aber  auch  das  wurde  zuweilen 
strittig;  dann  kam  es  darauf  an,  es  zu  fixieren,  und  so  er-^ 
folgte  allmählich  bei  allen,  Dorf-  wie  Cent-  und  anderen 
Gerichten  eine  „für  alle  Zeiten'*  giltige  Aufzeichnung  dea 
Herkommens  nach  der  pflichtmäfeigen  Aussage  der  Sohtfffen, 
an  den  yerschiedenen  Gerichten  zu  verschiedenen  Zeiten.  Sa 
entstanden  die  „Weis tum  er"  oder,  da  sie  an  den  Petere- 
gerichtstagen  verlesen  wurden,  „Feterweistümer". 

Mit  dem  22.  Februar  (Petri  cathedra)  jedes  Jahres  be- 
gann ein  neues  Gerichtsjahr,    In  der  Zeit  von  14  Tagen  vor 


Dm  eiMnalige  Amt  Lichtenberg  Tor  der  Bhön.  201 

bifl  14  Tugen  nach  Petri  hielt  jedes  Gericht  »eio  JahreBfaet 
—  das  ^ohe'^  ^^Heapt''-  oder  ^^etersgerichU'.  Nicht 
alle  Oerichte  hielten  es  an  einem  Tage,  weil  der  Amtmann 
mehreren  beisnwohoen  hatte ,  den  Cent*  und  ursprünglich 
nach  allen  Dorfgerichten.  Am  PeterBgevichte  konaütuierte 
sich  gleichsam  das  Gericht  wieder  auf  ein  Jahr,  indem  in 
fnerüoher  Sitzung  der  M^ichter''  —  bei  Gentgeriohten  .der 
Centgraff  bei  Dorfgerichten  der  Scholtheifs  —  es  ^^egte^ 
d.  h.  den  Gerichtsherm  und  die  Gerichtspersonen  als  solche 
anerkennen  lie/s,  worauf  das  Peterweistum  yerlesen,  die  Be* 
fugnisse  und  Besonderheiten  des  Gerichts  in  Form  Ton  Fragen 
und  Antworten  swischen  Richter  und  Schöffen  namhaft  ge- 
macht und  die  neuen  Schöffen,  Yierer  etc.  yorgestellt  und 
yereidigt  wurden.  Auf  das  Geschäft  folgte  dann  das  Yer- 
gnügen:  eine  splendide  Mahlzeit,  das  „Petersmahl'^  auf  dem 
Dorfe  auf  Gemeindekosten,  an  der  Cent  auf  Kosten  des  Cent- 
besirks. 

Der  Amtmann,  welcher  mit  der  eigentlichen  Recht- 
sprechung nichts  zu  thun  hatte,  wohnte  jeder  Verhandlung 
nur  bei,  um  ihr  durch  seine  Anwesenheit  als  Vertreter  des 
Landesherrn  gröfsere  Würde  zu  Tcrleihen  und  bei  etwaigen 
Übergriffen  der  fremdländischen  Beamten  die  Rechte  seinea 
Herrn  zu  wahreo. 

Die  Verhandlungen  leitete  der  Richter  (Centgraf);  er 
hielt  bei  jeder  Verhandlung,  wie  auch  beim  Dorfgericht  der 
Sohultheifs,  einen  Stab  (Scepter)  in  der  Hand  ab  Symbol 
seiner  Gewalt  Das  Centgrafenamt  war  ein  (hie  und  da  erb- 
liches)  Lehn,  um  welches  sich  in  früherer  Zeit  auch  £del- 
leute  bemühten. 

Die  Beisitzer  waren  die  Schöffen,  welche  ehrlich 
gebome,  fromme,  unbescholtene  Leute  sein  muTsten.  Nicht 
jedes  Dorf  hatte  einen  SchöflSen  zu  stellen,  yielmehr  lag 
diese  Last  bestimmten  Orten  ob,  die  ihnen  Weg  und  Ver* 
Baumnis  zu  yergüten  hatten.  Einzelne  Orte  hatten  je  2 
Behöffen  zu  stellen;  den  zweiten  yermutlich  für  eine  ein- 
gegangene Ortschaft,   deren  Flur   zu   der  ihrigen   geschlagen. 


202  Du  ehemalige  Amt  Lichtenberg  Tor  der  RbSn. 

war.  Da  }ede%  Centgerichi  unbedingt  stets  mit  14  Schöffen 
besetzt  sein  mufste,  durch  das  Ausbleiben  auch  nur  eines 
derselben  eine  Sitzung  also  unmöglich  gemacht  wurde,  so 
war  denselben  zur  heiligen  Pflicht  gemreht,  sich  „durch 
nichts  als  durch  Gottes  Gewalt"  vom  Gange  nach  dem  Cent- 
gerichtsorte abhalten  zu  lassen.  Wie  ernst  dies  gemeint  war, 
ist  aus  dem  Mellrichstädter  und  noch  mehr  aus  dem  Fladunger 
Centweistume  zu  ersehen.  An  der  einen  Cent  safsen  die 
'Schöffen  nach  dem  Alter,  an  der  andern  in  einer  seit  alten 
Zeiten  feststehenden  Reihenfolge  ihrer  Ortschaften;  an  der 
einen  wurden  sie  auf  ein  Jahr,  an  der  andern  auf  Lebenszeit 
^wfthlt 

Als  Centschreiber  diente  gewöhnlich  der  Gemeinde- 
echreiber  des  Oentortes,  was  in  den  meisten  Fällen  der  Schul- 
meister war. 

Auch  der  Centbüttel  (Freibote,  Landknecht)  mofste 
ein  unbescholtener  Mann  sein.  Aufser  der  Besorgung  der 
Ladungen  und  anderer  Gänge  bestand  sein  Dienst  darin,  die 
Vntersuchungsgefangenen  verwahrt  zu  halten,  zu  beköstigen, 
sie  vor-  und  abzuführen,  beim  Foltern  dem  Nachrichter  zur 
Hand  zu  sein  oder  auch  seinen  Dienst  zu  versehen,  bei  Hin- 
richtungen, wenn  es  ihm  herkömmlich  zukam,  die  Missethäter 
zu  „beschreien"  etc. 

Nach  dem  Petersgericht  wurde  dann  im  Laufe  des  Jahres 
jeden  Monat  an  einem  feststehenden  Tage  eigentliches  Cent* 
gericht  gehalten.  Später,  im  16.  Jahrhundert,  wurde  die 
Zahl  der  jährlichen  Gerichtstage  auf  4  beschränkt  Diese 
<lentgerichte  hatten  den  Zweck,  das  Amt  über  alle  Vorkomm- 
nisse in  den  Centorten  auf  dem  laufenden  zu  erhalten,  um 
«0  jedes  Vergehen  zur  Bestrafung  ziehen  zu  können.  Daher 
mufste  an  jedem  Centgerichtstage  nach  der  feierlichen  Heg^ng 
Ton  jedem  centpflichtigen  Orte  durch  seinen  Schöffen  alles 
„Bugbare",  das  seit  der  letzten  Sitzung  vorgefallen  war,  alle 
Injurien,  Schlägereien,  Feldfrevel  etc.  zur  Anzeige  gebracht, 
alle  verlorenen  und  vermifsten  Gegenstände  angegeben,  alle 
gefundenen  abgeliefert  werden,  wenn  die  Gemeinde  nicht  eich 


Das  ehemalige  Amt  Lichtenberg  Tor  der  Rhön.  203 

der  Gefahr  aageetsen  wollte,  ,,um  eine  yersohwiegene  Kng*' 
„yon  einem  Fallthore  bis  zum  andern''  mit  schwerer  Geld- 
bufse  bestraft  zu  werden.  Dieser  Neugier  der  Behörde  lag 
nicht  etwa  die  Idee  zu  Grunde,  durch  Sühnung  jedes  Ver- 
gehens die  Gesetzesübertretungen  immer  seltener  werden  zu 
lassen  —  im  Gegenteil  I  —  sondern  vielmehr  die  Ansicht,  die 
Keohtspflege  müsse  dem  Landes-  bez.  Geriohtsherm  etwas 
abwerfen,  was  um  so  leichter  war,  als  der  Gerichtsbezirk 
schon  das  ganze  Geriohtspersonal  zu  erhalten  hatte.  Für  jede 
Cent  wai;  die  Samme,  bis  zu  welcher  sie  strafen  konnte,  die 
„höchste  Büß",  festgesetzt;  höhere  Geldstrafen  wurden  durch 
die  Kanzlei  des  Oentherrn  bestimmt.  An  einigen  Centeu 
war  den  Missethätem  nachgelassen,  yor  der  Gerichtsverhand- 
lung sich  mit  dem  Oentherrn  der  Strafsumme  wegen  zu  „ver- 
tragen''. 

„Peinliches'^  oder  „Halsgericht"  wurde  gehalten, 
wenn  ein  zum  Tode  Verurteilter  im  Turme  lag. 

War  in  einem  der  centpfLichtigen  Orte  eine  der  „vier 
hohen  Eugen"  —  Mord, Diebstahl, Brandstiftung, Notzucht  — 
vorgefallen,  so  mufste  der  Thäter,  bez.  auch  der  „Mord"  (die 
Leiche  des  Ermordeten),  das  gestohlene  oder  geraubte  Gut 
(natürlich  wenn  man  es  hatte)  sofort,  spätestens  innerhalb 
eines  halben  Tages  an  die  Cent  geliefert  werden.  Der  „Mord" 
wurde  vom  Oentchirurgen,  dem  Centgrafen  und  2  Schöffen 
besichtigt,  das  „Leibzeichen"  genommen  (z.  B.  ein  Fingerglied 
abgeschnitten)  und  auf  dem  „Centfriedhofe"  ehrlich  begraben, 
wenn  an  der  betr.  Cent  nicht  ausdrücklich  den  Angehörigen 
nachgelassen  war,  ihn  daheim  begraben  zu  dürfen.  Die  Leiche 
«ines  Selbstmörders  wurde  auf  dem  Hichtplatze  verbrannt  oder 
verscharrt,  die  eines  Verunglückten  an  Centgerichtsstelle  — 
natürlich  nur  äuTserlich  —  daraufhin  untersucht,  ob  wirklich 
ein  Unglücksfall  vorlag. 

Galt  es,  einen  Verbrecher  festzunehmen,  so  fragte  es 
sich,  ob  die  betr.  Gemeinde  dies  thun  mufste,  oder  ob 
sie  es  durfte,  oder  ob  sie  sich  das  „Einfallen"  des  Cent- 
XVIL  14 


204  ^^  «heiiMÜlg«  Amt  Lichtenberg  ror  der  BhSn. 

grafen  mit  seiner  Mannschaft  gefSallen  lassen  mufste  —  je^ 
nach  dem  Herkommen.  In  jedem  Falle  war  jeder  Cent» 
Pflichtige  auf  Erfordern  zur  BeiBtandleistong  bei  dem  Er» 
greifen  und  der  Einlieferung  des  Yerbreohers  bei  Strafe  ver- 
pflichtet; nar  fragte  es  sich  wieder,  wie  weit  er  zur  ,^aoheil'^ 
oder  »yJagd^'  auf  den  Flüchtigen  yerpflichtet  war;  gewöhnlich 
^so  weit  das  Gericht  wendet''. 

Zur  Ermittelung  der  Schuld  oder  Unschuld  eines  Ver- 
klagten war  nach  und  nach  an  die  Stelle  des  Beinigungseides^ 
des  Zweikampfes  und  anderer  Gottesurteile  ein  anderes,  ein- 
facheres Mittel,  aus  der  Bömerzeit,  getreten ,  die  Folter! 
Auch  eine  Art  Gottesurteil,  weshalb  sie  ohne  Gewissens- 
bedenken  gebraucht  wurde.  Dem  unschuldigen  half  ja  Gott 
selbst  alle  Schmerzen  schadlos  überstehen;  erlag  der  Be- 
schuldigte den  Qualen  der  Folter,  nun,  dann  hatte  eben  der 
ttt  seine  schwarze  Seele  geholt.  Gestand  einer,  was  man 
wollte,  dann  wurden  die  Akten  —  die  Anklage  und  das  Ge- 
ständnis („Urgicht'*)  —  an  die  Kanzlei  des  Oentherm,  in 
schwierigeren  Fällen  an  den  Sohöffenstuhl  der  zuständigen 
juristischen  Fakultät  geschickt,  und  dort  sprach  man  das 
Urteil  Das  darauf  von  dem  Amtmanne  gewöhnlich  auf  einen 
Freitag  angesetzte  Halsgericht  war  dann  —  den  Schluls  natür- 
lich ausgenommen  —  nichts  als  eine  leere  Förmlichkeit»  denn 
es  handelte  sich  dabei  nicht  mehr  um  Leben  oder  Tod^ 
sondern  nur  noch  um  Tod,  und  darum,  das  Urteil  mit  so 
yiel  krasser  Umständlichkeit  und  Feierlichkeit  als  möglich  zu 
Teilstrecken. 

Es  hatten  dann  alle  centpflichtigen  Männer  des  Cent- 
bezirks sich  „mit  ihrer  besten  Wehre''  einzufinden,  um  alz 
„Satz'^  den  Gerichtsplatz  zu  umstellen  und  den  „Armen'* 
nach  dem  Bichtplatze  zu  eskortieren. 

Nach  der  feierlichen  Hegung  des  Gerichts  auf  dem 
Oerichtsplatze  trat  der  Ankläger  vor  und  forderte  die  Be- 
strafting  des  Angeklagten,  der  nach  mancherlei  Frage  und 
Antwort  zwischen  Bichter  und  Schöffen   nun   aus  dem  Cent- 


Dm  ehtBialige  Amt  Lichtenberg  ror  der  Rhfe.  205 

türme  geholt^)  und  unterwegs  dreimal  y^besohrieen"  wurde, 
indem  an  bestimmten  StraTseneoken  oder  Plätzen  der  Zug 
hielt  und  der  Centbüttel  oder  das  ,,Peinlein*'  (der  Naoh- 
riohtertknechi)  jedesmal  mit  gellender  Stimme  schrie:  ,, Waffen, 
Waffen,  Waffen  heut  tiber  mein  Land  und  dies  Lands  Mör- 
derjo"  (oder  „Diebjo"  etc.),  wofür  er  den  „Schreigulden"  er- 
hielt.  Hatte  der  arme  Sünder  yor  dem  Oentstuhle  sich  noch 
einmal  zu  seiner  ürgicht  bekannt,  so  sprachen  die  Schöffen 
nach  der  Beihe  die  verschiedenen  „Urteile'',  durch  die  sie 
ihn  ausschlössen  yon  allen  Hechten  und  allem  Eigen;  der 
letzte  bestimmte  die  Todesart,  zu  der  ja  draulsen  auf  dem 
Bichtplatze  schon  alle  Vorbereitungen  getroffen  waren,  der 
Kiobter  zerbrach  seinen  Stab  (Scepter)  und  warf  ihn,  je  nach 
dem  Herkommen,  hinter  sich  oder  dem  Verurteilten  vor  die 
FüTse.  Dann  brach  man  zum  Bichtplatze  auf,  voran  der  Amt- 
mann zu  Pferde  und  der  Centgraf  mit  den  Schöffen,  hinter 
dem  Henker  der  Delinquent,  der  wieder  mehrmals  beschrieen 
wurde,  begleitet  von  einem  Geistlichen  der  Landeskirche  — 
ohne  Rücksicht  auf  Religion  oder  Konfession  des  Verurteilten  — 
umgeben  von  dem  „Satze'*,  welcher  dann  den  Richtplatz  bb 
nach  erfolgter  Exekution  zu  umgeben  hatte.     Eine  splendide 


1)  Im  Jahre  1583  bestimmte  Bischof  Julias,  dafs  für  die  leiste 
Mahlseit  eines  VerurteilteQ  nicht  mehr  als  1  Pfd.  ausgegeben  werden 
solle,  da  es  vorgekommen,  dafs  arme  Sflnder  »»gans  roll  nnd  unbesonnen 
heimgestm'ben  wie  das  nnremfinftige  Viehe**,  da  ein  solcher  doch  „su  seiner 
•elbsten  Seelenheil  bei  guter  Vemanfk,  Sinn  und  Verstand  bleiben  mdge*'. 
Auch  die  „Frfihsuppen"  fOr  Richter  nnd  Schöffen  auf  Centkosten  sollten 
abgeschafft  sein,  weil  etliche  dabei  „sich  mit  einem  fiberflüBigen  Trunk 
also  beladen,  da£i  sie  hernach  in  gesetstem  Gerieht  nit  gewust  haben, 
was  sie  gethan,  so  doch  ein  jeder  Mensch  in  solchen  FUlen,  und  sonder- 
lichen des  Menschen  Leben,  Fleisch  nnd  Blut  betreffend,  handien  und 
nachtem  sein,  auch  also  urtheilen  solle,  wie  es  einer  gegen  Gott  den  All- 
mächtigen am  j&ngsten  Gericht  verantworten  solle  und  müsse**.  Der 
Arme  würde  dann  an  seinem  Bechte  desto  weniger  verkfirst  und  mit 
besserem  Bedacht  und  Verstand  geurteilt  werden.  Auch  fOr  die  Priester, 
wenn  sie  vor  dem  peinlichen  Bechtstage  den  Obelthftter  mit  dem  Sakra- 
ment versehen  und  getröstet,  „neben  andern  Personen  mehrst  fibergesessen 
nnd  nit  ein  Geringes  vertruncken  hfttten*',  sollte  nichts  mehr  besahlt  werden. 

14* 


206  I^M  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Khön. 

Mahlzeit  auf  KoBten   des  Centbezirks   für  den  Amtmann  und 
das  Oeriohtspersonal  beschlois  den  Tag. 

Zuweilen  kam  es  yor,  daTs  eine  fremde  Herrschaft,  z.  B. 
einer  aus  der  Bitterschaft,  der  keine  eigene  Cent  hatte,  einen 
Übelthäter  oder  auch  einen  persönlichen  Feind  an  die  Cent 
brachte,  um  ihn  richten  zu  lassen.  Natürlich  hatte  sie  dann 
auch  die  Kosten  zu  tragen. 

Da  sämtliche  Kosten  der  Brechtspflege  Ton  dem  Cent- 
bezirke aufgebracht  werden  muTsten,  fiel  durch  dieselbe  für 
den  Centherrn  mancherlei  ab,  da  ja  alle  Strafgelder  ihm  ge- 
hörten. Für  maochen  wohlhabenden  Verbrecher  wurde  die 
verdiente  Todestrafe  in  eine  hohe  Geldbufse  verwandelt;  den 
Galgen  zu  zieren,  gab  es  immer  noch  arme  Teufel  genug. 
Das  Sprichwort  von  den  grofsen  and  kleinen  Dieben  hatte 
damals  seine  Berechtigung  ^).  Wegen  dieser  Einträglichkeit 
waren  denn  auch  die  fremdländischen  Centherrschaften  darauf 
aus,  nicht  nur  jedes  Vergehen  zu  erfahren  und  zu  strafen,  sondern 
auch  die  Kompetenzen  ihrer  Centen  immer  mehr  zu  erweitern. 
Sache  der  lichtenbergischen  Amtmänner  war  es  nun,  diesen 
Bestrebungen  gegenüber  die  Bechte  ihres  Landesherm  zu 
wahren.  Die  beiderseitigen  Ämter  standen  deshalb  immer 
auf  KriegafuDs  zu  einander,  und  zwischen  den  Begierungen 
wurden  darüber  oft  Verhandlungen  gepflogen  und  Verträge 
geschlossen.  „So  offt  aber  ein  solcher  Vergleich  getroffen 
worden,  so  viel  hat  man  Eisenachisch-Lichtehbergischer  Seits 
dabey  verlohren"  (Erdmann  1764). 


L    Die  Cent  Mellriohstadt  ^). 

Im  Jahre  1230  hatte  Graf  Otto  von  Bodenlauben  Lichten- 
berg und  Hildenberg    an    das  Stift  Wiirzburg  verkauft.     Mit 


1)  Qui  non  habet  aere  luat  corpore ;  s.  B.  1685  „ist  Linhard 
Wagner  und  Else  Koch  aus  Klings  wegen  ihres  stupri  am  Strick  nach 
Kaltennordheim  geführet  worden.  Wagner  hat  sich  mit  200  fl.  Ton  der 
Strafe  ledig  gekauft,  aber  sie  ist  des  Landes  verwiesen  worden'*. 

2)  Vgl.  Müller,  Der  Bezirk  MellrichsUdt,  Würaburg  1879. 


Das  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rhön.  207 

der  „centa  in  Stmfheim",  einer  Zugehörung  zii  Hildenberg, 
hatte  Würzburg  die  Gerichtsbarkeit  über  den  einstigen  Baringau- 
bezirk,  jetzt  also  auch  über  das  fuldaische  Vordergericht 
Lichtenberg  erworben,  welche  sie  auch  bis  in  unser  Jahr- 
hundert ausgeübt  hat.  Ostheim,  welches  nicht  fuldaisch 
war,  wurde  zur  Gent  Mellrichstadt  geschlagen. 

In  der  hennebergi sehen  Zeit  des  Amtes  Lichtenberg  (seit 
1433)  hatten  5  würzburgische  und  9  hennebergi  sehe  (teils 
schleusingische,  teils  römhildische)  Schöffen  den  MellrichstSdter 
Oentstuhi  zu  besetzen.  Infolge  der  daraus  entstehenden  vielen 
Streitigkeiten  wurde  1528  das  Centweistum  aufgerichtet. 

Als  später  die  Amtmänner,  welche  der  Bestimmung  des 
Weistums  gemäfs  alle  bis  auf  den  letzten,  Grafen  von  Merso- 
witz  (1776),  nur  mit  zwei  Ausnahmen  adlige  und  bochadlige 
Männer  waren,  denen  zuweilen  mehrere  Amtsbezirke  auf  ein- 
mal anvertraut  waren,  nicht  mehr  die  Burg  zu  Mellrichstadt 
selbst  bewohnten,  sondern  ihren  Hauptaufenthalt  auf  ihren 
Gütern  oder  in  der  Hauptstadt  hatten,  übernahmen  die 
„Amtskeller'*  deren  Funktionen  noch  mit  und  bezogen 
auch  die  Burg.  Die  Amtskeller  hatten  eigentlich,  den  ,,Amt8* 
Vögten"  auf  Lichtenberg  entsprechend,  nur  die  Einkünfte 
des  Amtes  Mellrichstadt  unter  sich,  welches  nur  aus  würz- 
bnrgischen  Orten  bestand:  Mellrichstadt,  Ostheim  (bis  1433), 
Oberstreu,  Mittelstreu,  Fricken hausen,  Berkach  und  Wolfmanns- 
hausen (zu  denen  von  Henneberg  1586  Eufaenbausen  und 
Hendungen,  vom  Domkapitel  Wtirzburg  1686  Stockheim  hin- 
zukam), während  die  Cent  aufser  den  genannten  Orten  noch 
die  hennebergischen  (später  sächsischen)  Stettlingen,  Otten- 
hausen,  Hermannsfeld  (diese  drei  1275—1696  [XVI,  286  f.]), 
Ostbeim  und  Sondheim  im  Grabfeld,  und  die  ritterschaftlichen 
Wilmars,  Völkershausen,  Bibra,  Schwickershausen,  Mühlfeld  ^ 
I^ordheim  im  Grabfeld,  Bahra  und  Bofsriet  umfafste. 

Jeder  neue  Centgraf  im  Würzburgischen  hatte  sich 
dem  Bischof  persönlich  vorzustellen  und  vor  ihm  knieend  und 
2  Finger   der    rechten    Hand   auf    den  Stab   in    des    Bischof» 


208  I>M  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  RhSn. 

Hand  legend  den  Eid  zn   leisten,   worauf  er  y^mit   Stab   und 
Bann''  belehnt  wurde. 

Die  14  Schöffen  wurden  auf  Lebenszeit  gewählt,  doch 
konnte  der  Gentgraf,  diejenigen,  welche  ihm  nicht  mehr  taug- 
lich schienen,  zurückweisen.  Nur  die  beiden  Stockheimer 
Schöffen  wurden  jährlich  gewählt,  und  zwar  die,  „so  in  der 
Beth  am  höchsten".  An  den  Gerichtstagen  safsen  die  Schöffen 
in  folgender  Keihenfolge :  1.  Bank  (welche  Ostheim  zu  stellen 
hatte):  Mittelstreu,  Stookheim  (2),  Ostheim,  Wilmars,  Mühl- 
feld, Hendungen;  2.  Bank:  Oberstreu  (2),  Sondheim  (Grab- 
ield),  Sohwickershausen,  Berkaoh,  Bahra,  Eufsen hausen.  Keine 
Schöffen  brauchten  zu  stellen:  Mellrichstadt,  Frickenhausen, 
Yölkershausen,  Bibra,  Nordheim  (Grabfeld),  Rofsriet  und  Wolf- 
mannshausen. Wenn  in  Fällen  der  Uneinigkeit  zwischen 
Henneberg  und  Würzburg  die  hennebergischen  Schöffen  nicht 
an  der  Gent  erschienen,  so  sollten  —  nach  dem  Weistum  — 
auch  die  6  würzburgischen  für  sich  allein  „mündig  und 
kündig''  sein  und  „einen  schedlichen  Mann  vom  Leben  zum 
Tode  zu  urtheilen  wissen'^  Die  Einkünfte  der  Schöffen  waren 
«ehr  verschieden ;  die  beiden  Stockheimer  mufsten  sogar  um 
1600  „aus  eigenen  Sekhdl  atzen  und  zechen".  Der  Ost- 
heimer  Schöffe  erhielt  1500  6  Mit.  Hafer,  1600  5  fl.,  1800 
12  Vs  fl.   Der  letzte  Ostheimer  Schöffe  (1803)  war  Just  Stapf. 

Aus  der  Zahl  der  Schöffen  wurden  dem  Kläger  wie  dem 
Beklagten  „Wortredner"  bestellt,  „die  ihnen  ihre  Sach 
und  Nothdurft,  so  gut  sie  können,  fürbringen".  Wurde  ein 
Wortredner  nicht  aus  dem  Binge  des  Gerichts  genommen,  so 
mulste  er  besonders  vereidigt  werden. 

Wenn  sich  die  Schöffen  in  ihrem  Spruche  nicht  einigen 
konnten,  so  hatten  sie  sich  bei  der  Gent  Neustadt  a«  S.  „Rats 
zu  erholen". 

Die  Rügen  wurden  an  der  Gent  Mellrichstadt  nicht  durch 
die  Schöffen,  sondern  durch  die  Gemeinde -Vierer  vorge- 
bracht.    Diese   erhielten  nicht  Jahresbezttge,   sondern  Diäten. 

Den  Gentschreiber- Dienst  versah  der  jeweilige  Stadt* 
Schreiber,    der  zugleich  auch  Amtsschreiber  und  gewöhnlich. 


Das  •h€iiutli|^  Amt  Liehtonberg  Tor  d«r  RhSn.  209 

«ach  öffentlioher  Notar  war.  AuiÜBer  fesutehenden  Bezügen 
erhielt  er  1  fl.  für  einen  Bericht  in  peinlichen  Halsgerichte- 
«achen,  15  Pfg.  bei  einem  gütlichen  oder  peinlichen  Examen, 
15  Pfg.  Yon  jedem  Folterprotokoll,  1  Pfd.  von  jeder  Zengen- 
auBsage,  15  P^.  ,,dem  Gefangenen  seine  ürgicht  wieder  yor- 
zulesen". 

Der  Gentbüttel  (Landknecht)  erhielt  auTser  seiner 
Besoldnng  yon  jeder  Meile  Wegs,  wenn  er  zum  Gericht 
heischte,  yon  jedem  Geheischten  einen  Schilling,  „aber  welcher 
in  der  Cent  seBhaftig,  und  ihm  einen  Preyboten-Laib  jährlich 
giebt,  dem  soll  er  die  erste  Heyssung  umsonst  thun'S  Aus 
Ostheim  erhielt  er  93  Brotlaibe,  auf  je  8  Pfg.  yeranschlagt. 
Auch  bekam  er,  ebenso  wie  der  Oentgra^  „so  oft  daB  Per- 
aonen  um  malefitzischer  Verwirckung  willen  gefenglich  ein- 
gezogen worden'',  und,  „da  die  miSthetigen  Personen  yom 
Leben  zum  Tode  gerichtet  worden^',  einen  „Fanggulden'';  flLr 
jedes  Examen,  „es  sei  gleich  peinlich  oder  gütlich'',  21  neue 
Pfennige.  In  Ermangelung  eines  Nachrichters  bei  peinlichen 
Fragen  hatte  er  das  „Aufziehen,  Brennen,  Zwicken,  Schneiden" 
etc.  zu  besorgen. 

Der  lichtenb.  Amtmann  brauchte  diese  Cent  nicht  zu 
besnchen.  Um  etwaigen  würzburgisohen  Übergriffen  recht- 
zeitig begegnen  zu  können,  stellte  Henneb.-Schleusingen  — 
—  zugleich  Henneb.-Bömhild  zu  gute  —  zu  jeder  Verhandlung 
eiaen  „Horcher",  der,  sobald  er  etwas  deigleichen  bemerkte, 
die  hennebergischen  Schöffen  sofort  heimschicken  konnte. 

Was  die  besondere  Stellung  Ostheims  zur  Gent  be- 
trifft, so  ist  heryorzuheben,  dafs  es,  wie  auch  Stettlingen, 
fiermannsfeld ,  Wilmars  etc.,  keinen  Fall  an  der  Gent  zu 
rügen  hatte,  wenn  es  nicht  gleichzeitig  den  Thäter  („den 
Dieb  am  Seil",  wie  es  im  Ostheimer  Weistum  heifst)  ein- 
Hefem  konnte.  Für  Ergreifung  und  Einlieferung  desselben 
hatte  die  Gemeinde  selbst  zu  sorgen  (der  Gentgraf  durfte 
nicht  „einfallen"),  ebenso  dafür,  dafs  das  geraubte  oder  ge- 
stohlene Gut  eingeliefert  wurde,  bei  Strafe  yon  10  Pfd. 
Aufser  den  Schöffen  und  Vierern    hatte   durchaus  kein  Ost* 


210  ^'^^  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rhön. 

heimer  Bürger  an  irgend  einer  Cent,  auch  nicht  an  der  zu 
MellriohBtadt,  etwas  zu  schaffen,  etwa  eine  Anzeige  za 
machen  oder  etwas  zu  bezeugen  —  das  durfte  nur  beim 
Amte  Lichtenberg  geschehen,  welches  mit  der  Cent  schriftlich 
darüber  verhandelte.  Daher  liefs  1696  der  Stadtschuitheifs 
den  Georg  M  enges,  als  er  verlauten  liefs,  er  sei  vor  2  Jahren 
nach  Mellrichstadt  gelaufen  und  habe  Kaspar  Amereln  wegen 
Dieberei  angezeigt,  y,für  diesen  großen  Vorwitz  gleich  stehen- 
den Fußes  in  das  Qetängnis  stecken,  damit  ins  Künfftige  kein 
dergleichen  praejudicium  der  Stad  geschehen  möge'*.  Folgte 
einer  hinter  der  Obrigkeit  Wissen  einer  Ladung  als  Zeuge 
vor  eine  Cent,  „so  hat  es  seine  geweiste  weg'';  zeigte  er  es 
zuvor  beim  Amte  an,  „so  ists  ihm  schont  verbotten,  denn 
die  Obrigkeit  darf  es  nit  nachgab"  (8).  Zum  „Satz"  am 
peinlichen  Halsgericht  mufsten  anfangs  sämtliche  Ortsnaohbam 
mit  Ausnahme  der  Alten,  welche  daheim  bleiben  und  das 
Dorf  bewachen  mufsten,  erscheinen;  später  nur  der  vierte 
Teil  der  Bürgerschaft  Jährlich  mufsten  6  Mit  „Centhafer" 
an  die  Cent  geliefert  werden,  welchen  die  Dorfsmeister  von 
denen,  welche  die  Gemeinde-Ellern  ^)  innehatten,  einsammel- 
ten, „und  hat  jeder  Nachtbar  6  Acker  in  die  3  Flür'),  und 
gibt  alle  Jahr  2  Acker  1  Maß"  (8). 

Ob  die  adligen  Höfe  in  Ostheim  centfrei  seien,  war 
1570  bei  der  Cent  selbst  zweifelhaft,  „dann  sich  bey  Menschen- 
gedenken in  gemelten  Schlössern  keine  Centtälle  zugetragen". 
Nach  Thon  (Ganerben Verfassung)  erstreckte  sich  zu  seiner 
Zeit  das  würzb.  Centrecht  auch  auf  diese  „Freihöfe^'. 

a)  Petersgericht 

Da  die  hennebergisohen  Amtmänner  durch  den  „Qorcher'' 
vertreten  waren,  konnte  das  Petersgericht  regelmäfsig  am 
Dienstag  nach  Petri  gehalten  werden. 

Nach  der  feierlichen  Eröffnung  des  Gerichts    durch    den 


1)  Nicht  mehr  als  Artland  benutzte  Grundstücke. 

2)  der  Dreitelderwirtschaft 


Dm  ebemmlige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Bhdn.  211 

Gentgrafen  wurde  das  Weistum^)  yerlesen,  woraaf  etwaige 
an  Stelle  yerstorbener  oder  sonst  abgängig  gewordener  Schöffen, 


^)  Es  bt  abgedruckt  in  Reinhards  Beiträgen  ete.  (III,  164),  inr 
Grimms  Weistilmern  (111,  890)  und  in  öchaltes'  Histor.  Schritten  (195) 
und  entscheidet  der  Reihe  nach  über  folgende  Punkte:  1)  Ceotherr  ist 
der  Pörstbischof.  2)  ihm  stehen  an  der  Cent  alle  möglichen  Gebote  und 
und  Verbote  su.  a)  Der  Amtmann  mufs  adlig  sein.  4)  Der  Centgraf 
kann  alle  14  Tage,  unter  Umständen  nach  kürzerer  oder  längerer  Frist 
ein  Centgericht  halten ;  der  Landknecht  erhält  von  jedem  Centpflichtigen 
jährlich  einen  „Freibotenlaib",  und  von  einem  Vorgeladenen  lür  jede  Meile 
Wegs  1  Schilling.  5)  Uenneberg  hat  einen  Horcher  an  der  C«nt  sitsen. 
6)  Unter  den  14  ächöffen  sind  6  wQrzbargische,  die  unter  Umständen  auch 
allein  su  urteilen  wissen  mfissen.  7)  „Item,  wann  einem  SchÖpffeu  an  Gericht 
verkUndt,  und  darzu  gehen  will,  und  kommt  an  Wasser,  darüber  er  gehen 
miiA,  soll  er  nein  gehen  biB  an  die  Knie,  und  sein  Stab  tfir  sich  setsen;, 
ist  dann  das  WaAer,  daB  ibme  an  die  Knie  gehet,  so  soll  ein  halb  Meik 
Wegs  nauff  und  nah,  und  wieder  biB  an  die  Knie  gehen  und  sein  Stab 
für  sich  seuen  ;  bedünckts  ihme  zu  tieff,  mag  er  heimgehen  und  hat  ihme 
niemauds  darum  zu  btraffen*'.  8)  Die  obere  Querbank  hat  die  Centherr- 
schaft, die  untere  Querbank  Hendungen  (dessen  Schulz  das  Recht  hatte,^ 
bei  den  Verbandlungen  ohne  Erlaubnis  sich  zu  setzen  oder  aufzustehen) 
und  die  lange  Bank  Ostheim  zu  stellen ;  der  Landknecht  hat  bei  Reinigungs- 
eiden gegen  Vergütung  die  nötigen  Heiligenbildsr  beizuscba£fen ;  für  den 
Dieb:»toek  (Pranger)  bat  Queieuteld  zu  sorgen ;  „wer  eines  Galgen  bedarf, 
der  soll  ihne  schicken'*.  9)  Das  Amt  hat  das  Recht,  alle  Mafse  und  Ge- 
wichte in  der  Cent  zu  prüfen,  wie  auch  10)  die  Mühlen  zu  besichtigen 
(WSW  in  der  aus  dem  Fladunger  Centweistume  unter  11)  ersichtlichen 
Weise  geschah).  1 1)  Jeder  Müller  hat  einen  Beilwurt  vom  Schutzstege  auf 
und  ab  das  Fischereirecht,  auch  wurden  die  Bescha£fenbeit  der  Wehre  in 
der  Streu  und  Sulz  und  die  Wässerungstermine  bestimmt  12)  In  Fehde- 
Zeiten  hat  das  Landvolk  Nachfolge  zu  leisten  „biß  sie  Nacht  und  Nebel  an- 
treibt** ;  sind  die  Herren  dabei,  soweit  diese  ziehen ;  die  Kircbhdte  sind 
diesen  o£fen  zu  halten,  dem  Feinde  zu  verschliefsen.  13)  betrifft  Be- 
schädigungen der  LandstraPse  und  Waldfrevel.  14)  Jeder  Centpflicbtig» 
kann  sich  durch  seinen  12-jährigen  Sohn  beim  Satze  vertreten  lassen» 
wenn  derselbe  einen  mit  Ring  und  Stachel  versehenen  Stab  trägt.  15)  Di» 
4  hohen  Rügen  müssen  an  die  Cent  gebracht  werden  ;  „wo  eine  genoth- 
xücht  würdty  so  soll  sie  lauffeu  mit  gesträubten  Hare  und  nasser  Mauzen» 
ihren  Schleier  an  der  Hand  tragen,  allermenniglich,  wer  ihr  begegnet,  um 
UÜlffe  anschreyen  über  dem  Thäter.  Schweigt  sie  aber  difimal  still,  soll 
sie  hinfür  auch  stillschweigen*'.    16)  Ein  Verbrecher  mufs  innerhalb  eine» 


212  ^**  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Bhdn. 

nengewählte  durch  die  betreffenden  OrtsschultheiÜBen  dem 
Gerichte  yorgeetellt  und  durch  den  Oentgrafen  vereidigt,  wie 
«uch  die  neuen  Vierer  yorgeBtellt  und  in  Pflicht  genommen 
wurden,  indem  sie  ihm  an  den  Stab  angeloben  muij^ten, 
,,da0  sie  die  Bilgen,  wie  von  Alters  herkommen,  und  so 
oft  sich  eine  bei  ihnen  zutrüge,  zur  Anzeige  bringen 
•wollten". 

Auf  diese  Feierlichkeiten  folgte  dann  das  Petersmahl. 


b)  Oentgerichte. 

Die  Gentgerichte  wurden  stets  Dienstags,  anfänglich  alle 
14  Tage,  dann  monatlich,  später  nach  Miser.  Dom.,  Titas, 
Kreuzes  Erhöhung,  Michaelis,  Maria  Opferung,  Thomas  und 
Marift  Lichtmefs,  seit  dem  letzten  Drittel  des  16.  Jahrhunderts 
nur  viermal,  um  die  Mitte  der  Monate  Mai,  Juli,  Oktober 
und  Januar  gehalten,  wie  auch  an  den  andern  Genten  um 
-dieselbe  Zeit  die  Yierzahl  der  Sitzungen  eingeführt  wurde. 

Die  Verhandlungen  ^)  wurden  damit  eröffnet,  daCs  der 
Landknecht  auf  Befragen  des  Centgrafen  versicherte,  die 
ISchöffen  recht  herbestellt  zu  haben,  worauf  dieselben  nach 
Verlesung  ihrer  Namen  ihre  Plätze  einnahmen.  Nachdem 
^ann  der  Oentgraf  im  Namen  der  Dreifaltigkeit  den  Stab  er- 
hoben, richtete  er  an  die  einzelnen  Schöffen  seine  Fragen, 
auf  welche  er,  bei  ihrem  Eid,  folgende  (kurz  wiedergegebene) 
Antworten  erhielt.  (Der  Schöffe  von)  Mittelstreu:  Wenn  die 
14  Schöffen  beisammen  sind,  dann  kann  das  Gericht  be- 
halben Tages  nach  seiner  Ergreifung  eingeliefert  werden.  17)  Ein  Vor- 
geladener kann  nm  Aafschub  bis  anf  das  übernächste  Centgericht  bitten, 
aber  18)  nicht,  wenn  sein  Vergehen  erwiesen  ist.  19)  Ein  Fischer  darf, 
mit  einem  Folse  im  Wasser  stehend,  sich  Ruten  schneiden  snr  Aus- 
besserung seiner  Beuf«en.  20)  Obige  Bestimmungen  sollen  älteren  Gerecht- 
samen einselner  Orte  keinen  Abbruch  thnn  (wie  a.  B.  in  Ostheim  nur 
4em  lichtenb.  Amtmann  das  Recht  zustand,  Mafae  und  Gewichte  su  prüfen 
und  die  Mühlen  su  besichtigen.  Auch  war  Ostheim  nicht  an  „Reifi,  Volge 
«nd  Kacheil"  rerpflichtet). 

1)  AusfttbrUch  bei  Müller  1.  c.  S.  48  ff. 


Das  •hemalige  Amt  Lichtenberg  ror  der  Bhdn.  213 

^nnoD.  Stockheim  (1.):  Et  ist  jeiEt  aaoh  die  rechte  Taget- 
seit  dazu.  Hierauf  hegt  der  Oentgraf  das  Gericht  in  ähn- 
licher Weise,  wie  wir  es  später  an  der  Fladanger  Cent  aus- 
führlich hören  werden,  fragt  weiter,  und  erhält  folgende 
Antworten:  Stockheim  (2.):  Das  Gericht  ist  in  rechter  Weise 
^hegt.  Ostheim:  Einem  jeden  kann  hier  nun  am  Vor-  wie 
am  Nachmittage  sein  Becht  werden.  Nun  fragt  der  Centgraf, 
wieder  mit  Mittelstreu  beginnend,  nach  den  Bügen  aus  den 
einzelnen  Orten,  die  Vierer  bringen  vor,  was  seit  dem  letzten 
Bericht  sich  Bugbares  bei  ihnen  begeben  hat,  und  die  Schöffen 
bestimmen  die  Bafsen.  Nach  Verlesung  des  Protokolls  fragt 
<ler  Landknecht  nochmals  laut,  ob  nichts  mehr  vorzubringen 
und  zu  rügen  sei,  und  der  Bichter  schliefst  die  Sitzung  mit 
den  Worten:  „Weil  nun  dießmals  weiters  keine  Kläger  sind 
Torhanden,  und  ohne  das  die  rechte  Tagzeit  ist,  allbereit 
wiederum  aufzustehen,  so  lege  ich  meinen  Bichterstab  als 
im  Namen  der  hochgelobten  heiligen  Dreifaltigkeit,  Gott 
Tater,  Sohn  und  heiliger  Geist,  und  erlaube  dem  ganzen 
loblichen  Gericht  wiederum  aufzustehen  im  Namen  Ihrer 
fürstlichen  Gnaden  unsers  gnädigsten  Fürsten  und  Herm'^ 

Die  „höchste  BunBC**,  bis  zu  welcher  das  Gericht  er- 
kennen konnte,  war  20  gute  oder  40  neue  Pfund,  und  ge- 
hörte dem  Bischof  ganz.  Von  der  „gemeinen  Bufse'*  fiel  in 
bestimmten  Fällen  auch  für  den  Centgraf  etwas  ab.  Im 
Falle  einer  „verschwiegenen  Bug''  hatte  jeder  „Hausgenofs'' 
{Nachbar)  der  betr.  Gemeinde  die  höchste  Bufse  zu  zahlen. 
Die  auf  das  Schimpfwort  „Dieb''  gesetzte  Strafe  betrug  10  Pfd., 
:„Lüguer"  oder  „Schelm"  kostete  6  fl..  Beulen  und  „Blau- 
möliler''  kamen  auf  6  Pfd.,  „Blutrüste"  auf  8  fl.  3  gr.  6  Pf. 
.zu  stehen.  Ein  Frevel  „über  Bain  und  Stein"  wurde  mit 
10  guten  Pfd.  bestraft  Das  Wegbleiben  oder  Zuspätkommen 
2um  Gericht  hatten  die  Schöffen,  Kläger  etc.  mit  2^/,  Pfd. 
^u  büfsen.  —  Gefundene  Sachen  wurden  nicht  dem  Verlierer, 
«ondem  ebenso  wie  herrenlose  dem  Centgrafen  und  Land- 
knecht  zugestellt;  goldene,  silberne  und  eiserne  aber  verfielen 
dem  Centherrn. 


214  ^^  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rhön. 

c)   Halsgerichte« 

Die  Ostheimer  Vierer  brauchten  kein  Vergehen  oder 
Verbrechen  an  der  Cent  zu  rügen,  wenn  sie  nicht  sugleich» 
den  Thäter  mit  einliefern  konnten.  War  aber  ein  »yMifs- 
händler'*  ergriffen,  so  mufste  der  ,yDieb  am  Seil''  eingeliefert 
werden  ,yin  die  Eellerej  an  die  dritte  Sprafsel  der  leitter 
am  Dormh".  Ein  „liegender  Mordf'  wurde  geliefert  y^auTsea 
Yor  der  Stadt  bey  der  Gent,  undt  nicht  weitters;  wollen  sia 
dene  nit  annehmen,  so  hat  man  das  Kecht,  den  entleibten 
doselbst  hin  zu  legen  und  davon  za  gehen''  (S).  War  die 
Leiche  besichtigt  und  das  Leibzeichen  genommen,  so  durften 
die  Angehörigen  an  dieser  Cent  die  Leiche  mitnehmen  und 
daheim  beerdigen.  Auch  die  Leichen  Verunglückter  wurden^ 
um  ja  nichts  zu  versäumen,  von  den  Ostheimern,  obgleich 
sie  thatsächlich  nicht  dazu  verpflichtet  waren,  an  die  Cent 
geliefert,  woraus  diese  dann  dem  Amte  gegenüber  ein  Recht 
machte.  Das  Kirchenbuch  von  Sondheim  a.  d.  Rhön  berichtet 
verschiedene  Fälle,  in  denen  Sondheimer  Leute  in  Ostheimer 
Flur  verunglückten,  und  die  Leichen  derselben  auf  dem  Um- 
wege über  die  Mellrichstädter  Cent  nach  Sondheim  gefahrea 
wurden. 

Wie  „Atz  und  Kosten"  eines üntersuchungsgefangeneni 
zu  bestreiten  seien,  darüber  bestand  in  den  verschiedenen* 
Ort-en  verschiedenes  Herkommen.  In  Bahra  und  Ostheink 
hatten,  wenn  das  Vermögen  des  Beschuldigten  nicht  aus- 
reichte, die  Gemeinden  einzustehen,  in  Hendungen  der  Klä- 
ger, „so  ihn  einbringt",  anderswo  nur  die  Gemeinde.  Der 
Centbüttel  bekam  dafür,  dafs  er  ihn  „in  leidentlicher  Gefäng- 
nus"  hielt  und  ihm  täglich  „1  Maß  gemains  Weins,  2  Pfd^ 
Brods,  1  Pfd.  Fleisch  und  Gemüß"  reichte,  1  Pfd.  neu  Geld 
pro  Tag,  während  zu  Gefängnis  Verurteilte  „in  härterer  Ge- 
tängnis  zu  halten  und  blos  mit  Wasser  und  Brod  zu  tränkea 
und  zu  speisen"  waren. 

War  in  einem  peinlichen  Rechts  falle  vom. 
Würzburger  „Malefizamte"  die  Entscheidung  gefällt  und  da» 
Todesurteil  ausgesprochen,  so  wurde  der  Tag  der  Hinrichtung: 


Dm  ehemalige  Amt  Lichtenberg  Tor  der  Rhön.  215 

bestimmt,  die  Schöffen  und  der  Satz  bei  früher  Tageeceit  zu 
«erscheinen  geheischt.  Die  Verhandlungen  des  peiolichen  Hals- 
gerichts fonden  vor  der  Stadt  rechts  von  der  Strafse  nach 
Meiningen  statt,  auf  dem  Platze,  wo  jetzt  die  Yiehmärkte 
abgehalten  werden. 

Müller  (a.  a.  0.  8.  62  ff.)  bringt  Wort  für  Wort  eine 
peinliche  YerhandluDg,  wie  sie  am  Donnerstag  nach  Pfingsten 
1675  über  die  Hinrichtung  des  Jörg  Koser  aus  Wülfershausen 
stattgefunden  hat,  der  verschiedener  Diebstähle  in  Hendungen 
und  anderen  Orten  überfahrt  war.  £s  war  in  der  Zeit,  als 
die  hennebergisohen  Schöffen  wegen  Uneinigkeit  der  Herr- 
•chaften  jahrzehntelang  nicht  an  der  Cent  erschienen ;  Ost- 
heim war  also  nicht  beteiligt.  Es  gentige  daher,  den  Gang 
der  Verhandlung  kurz  anzugeben. 

Der  fürstlich  bestellte  Ankläger  bittet  den  Bichter,  ein 
Bohöffenurteil  zu  veranlassen,  wie  zu  „geparen"  sei,  daüs 
tier  Thäter  vor  das  Halsgericht  komme.  Wie  diese,  lässt  er 
nun  den  Eichter  auch  die  folgenden  Fragen  an  die  Schöffen 
stellen;  diese  bitten  bei  einigen  derselben  um  Erlaubnis, 
ihren  „Abtritt  zu  nehmen''  und  „in  Bedenken  zu  gehen*' 
—  obgleich  sie  doch  längst  wissen,  was  sie  zu  antworten 
haben  —  und  so  erfährt  man  denn  nach  und  nach,  dafs  der 
TThäter  aus  dem  Gefängnis  zu  thun  sei;  dafs  das  der  Land* 
knecht  zu  besorgen  habe;  dafs  derselbe  nötigenfalls  den  Vogt, 
den  Oentgraf  und  das  Landvolk  um  Beistand  ansprechen 
solle;  er  habe  ihn  dem  Scharfrichter  zu  überantworten,  und 
zwar  vor  dem  Gefängnis,  und  dann  sei  der  arme  Sünder  in 
den  Stock  zu  führen. 

Jetzt  gehen  der  Landknecht  und  der  Scharfrichter  ab, 
um  ihre  Aufträge  auszuführen.  Hierauf  „urteilt"  ein  Schöffe, 
man  müsse  den  Uebelthäter  „besehen,  ob  er  im  Stockhaus 
sitzt  wie  ein  Uebelthäter",  und  der  nächste,  das  hätten 
"2  Schöffen  zu  thun,  und  zwar  der  zuerst-  und  der  zuletzt- 
sitzende, welche  denn  auch  abgeschickt  werden. 

Die  folgenden  Urteile  bestimmen,  dafs  der  arme  Sünder 
•dreimal  zu   beschreien    sei;   das  habe  das  Peinlein  zu  thun; 


216  I^  ehemalige  Amt  Lichtenberg  Yor  der  RhSn. 

es  habe  zu  getohehea  das  erste  Mal  im  Stock,  das  andere 
Mal  oberm  Bathaus,  das  dritte  Mal  zwischen  den  Thoren^ 
nun  sei  er  Tor  Gericht  zu  fähren. 

Nachdem  dies  geschehen,  wird  weiter  genrieilt,  dals  er 
3  Schritte  Tom  Gericht  stehen  soll;  diese  habe  der  Land- 
knecht abzumessen. 

Nun  wird  dem  Delinquenten  noch  einmal  die  Anklage 
und  seine  ürgicht  Torgelesen,  und  nachdem  er  sich  noch 
einmal  zu  derselben  bekannt,  beginnen  nun  die  peinlichen 
Urteil e,  deren  jedes  Ton  einem  andern  Schö£fen  in  der  be- 
stimmten Reihe  auf  des  Bichters  besondere  Frage  abge- 
geben wird. 

Der  1.  Schöffe  spricht  dem  Sünder  ,,alles  das  gut  Land» 
recht,  das  ein  Biedermann  haben  soll",  ab;  der  2.  „theilf^ 
seine  Frau  zu  einer  wissentlichen  Witten,  der  8.  die  Kinder 
zu  wissentlichen  Waisen;  der  4.  spricht  den  Kindern  das 
Eigen,  der  5.  den  Herren  das  Lehen  ^)  zu;  der  6.  nimmt  ihm 
das  Becht  auf  Kirchen  und  Klausen,  der  7.  auf  „alle  seine 
Pflugsgewehr,  die  ein  frommer  Mann  haben  soll";  der  8. 
spricht  ihm  Weg  und  Steg,  der  9.  alle  Gemeinschaft  der 
Christenheit,  der  10.  Mühle  und  Backhaus  und  alle  seine 
Gerechtigkeit,  die  ein  solcher  Mann  haben  soll,  und  der  11. 
„Wald  und  Waag"  ab;  der  12.  „theilt"  ihn  dem  Vogel  in 
der  Luft  und  dem  Fisch  im  Bach  frei,  und  der  13.  urteilt^ 
dafs  man  ihn  hinführen  solle,  da  man  andere  Übelthäter 
pflegt  hinzuführen.  Ehe  der  14.  seine  Antwort  giebt,  bittet 
er  um  Erlaubnis,  mit  seinen  Eidsbrüdem  einen  Abtritt  nehmen 
zu  dürfen,  und  nachdem  er  sich  mit  ihnen  „des  Halsurtheils 
berathen'S  giebt  er  auf  die  abermalige  Frage  des  Bichters 
das  „Endurteil"  ab:  „Also  haben  michs  meine  Männer  gelehrt^ 
sprichs  auch  selbst  mit  ihnen  zurecht,  da£  der  Übelthäter,  so 
gegenwärtig  vor  diesem  Gericht  stehet,  der  Übelthat  halben, 
so  er  mit  Stehlen  geübt  hat^  Andern  zum  Exempel,  ihm  aber 


1)  Grund-  oder  Haiubesits  war  in  den  leltensten  PftUen  freiet  Eigen- 
tum der  Centpflichtigen. 


Das  ehtnuüige  Amt  Lichtenbarg  yor  dar  RhSn.  21 T 

SU  wohlyerdienter  Straf  hinaus  geführt,  an  den  hellen  lichten 
Oalgen  an^ehenokt,  mit  dem  Strang  und  der  Kette  vom 
Leben  zum  Tod  hingerichtet  werden  soll.  Wann  das  ge-^ 
schiehty  so  hat  er  sein  Recht  erstanden  und  ist  dem  Becht 
und  XJrtheil  ein  Genügen  geschehen.'* 

War  eine  Verhandlung  soweit  gediehen,  so  wiederholte 
der  Centgrafy  den  weilsen  Stab  in  der  weirbbehandsohuhten 
Hand,  das  Todesurteil  und  fügte  hiniu:  „Im  Namen  und 
von  wegen  des  Hochwirdigsten  Meines  gnedigsten  Fürsten 
und  Herrn  zu  Würiburg  etc.  befiehl  ich  jetzo  dem  Scharpf- 
richter  und  gebiete  ihm  auf  sein  Eid,  das  abgelesene  ürtheil 
mit  guter  Gewahrsam  zu  vollliehen;  und  thue  ebenmäBig^. 
dem  ganzen  Umstand  andeuten,  daß  Keiner  bei  Strafe  Leibs 
und  Guts  dem  Nachrichter  yerhinderlich  sein  solle;  auch  ob 
ihm  miElünge,  nit  Hand  anzulegen,  und  befiel  bie  Seel  Gott 
dem  AUmechtigen  und  Barmherzigen.'^  Hierauf  zerbrach  er 
den  Stab  und  warf  ihn  dem  Verurteilten  vor  die  Füfse,  wor- 
auf man  nach  dem  Bichtplatze,  dem  jetzigen  Turnplatze  vor 
der  Stadt,  aufbrach.  Nach  der  Hinrichtung  fragte  der  Henker 
den  Richter,  ob  er  recht  gerichtet  habe,  worauf  dieser  er- 
widerte, „so  er  recht  gerichtet  habe,  wie  ürtheil  und  Recht 
geben,  so  laß  ers  dabei  bleiben".  ^ 

Die  Gesamtkosten  einer  Hinrichtung  betrugen  um 
diese  Zeit  gegen  46  fi.,  wovon  ein  guter  Teil  auf  die  darauf 
folgende  „ziemliche''  Mahlzeit  der  Gerichtspersonen  kam. 

Der  Galgen  bestand  aus  3  aufrechten,  oben  durch  Quer» 
hölzer  verbundenen  Balken;  sie  standen  auf  einem  steinernen 
Unterbau,  der  von  einer  ziegelbedeckten  Umfassungsmauer 
gekrönt  war.  Die  mit  Weilsblech  beschlagenen  Balken  waren 
6  Fuls  voneinander  entfernt;  die  Höhe  des  Galgens  betrug 
20  Fufs.  —  Nachdem  1674  der  1500  erbaute  Galgen  ver- 
fallen war,  wurde  auf  Befehl  des  Bischofs  Julius  ein  neuer 
erbaut  Das  vom  Stadtrate  angewiesene  „Galgenholz"  wurde 
von  13  Müllern  auf  den  Richtplatz  gefahren,  am  13.  Mai 
von  sämtlichen  Zimmerleuten  des  Oentbezirks  behauen  und 
am  folgenden  Tage  unter  Beihilfe  von  54  Männern  (je  6  aua 


218  ^<^  ebemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rhön. 

jedem  Centorte  mit  Ausnahme  von  Ostheim,  Heodungen  und 
Soodheim)  aufgerichtet  Die  Arbeitsleute  zogen  jedesmal  mit 
einem  Pfeifer  und  einem  Trommler  zum  und  vom  Richt- 
platze. Die  Kosten,  welche  der  Bischof  als  Centherr  trug» 
betrugen  98  fl.  4  Pfd.  10  Pfg.  —  Im  Jahre  1595  wurde 
^er  Galgen  mit  einem  Kostenaufwande  von  103  fl.  frk. 
Testauriert  —  Am  2.  April  1664  erging  auf  eine  bezügliche 
Frage  des  Oentgrafen  der  Bescheid,  das  eingegangene  Hoch- 
gericht unverzüglich  wieder  notdürftig  reparieren  und  ver- 
bessern zu  lassen.  Daraufhin  wurde  am  7.  und  8.  April 
unter  den  alten  Formalitäten  der  letzte  Oalgen  der  Gent  auf- 
gerichtet, und  am  26.  April  auf  Befehl  des  Malefizamtes  ein 
unverbesserlicher  Dieb,  Köth  aus  Hausen  bei  Kissingeft  („von 
den  8ämmtlichen  Geotgerichts  Schöpffen  zum  Strang  „condenh 
niref%  daran  gehängt. 

Lieds  eine  auswärtige  Herrschaft  einen  Übel- 
thäter  an  einer  würzburg.  Gent  richten ,  so  galten  nach 
Bischof  Julius' Verordnung  von  1585  aufser  10  Batzen  Diäten 
für  den  Nachrichter  und  16  für  seinen  Knecht  folgende 
Preise  für  des  ersteren  „Arbeiten":  Für  eine  gütliche  Frage 
1  Ort  (*/^  fl.),  für  eine  peinliche,  „die  Person  werde  gleich 
1,  2  oder  3mal  autgezogen",  ^/^  f..;  für  Leibesstrafen,  als 
Augenausstechen,  Zungen-  oder  Ohrenabschneiden,  Löcher  an 
die  Stirn  und  durch  die  Backen  brennen,  Hand-  oder  Finger- 
abhauen, Kutenausstreichen  etc.  ^j^  ^i  eine  Person  mit  dem 
lätrange,  Schwert  oder  Wasser  zu  richten,  8  fl. ;  für  das  Vier- 
teilen, Verbrennen,  „Spissen",  Lebendigbegraben  und  Pfählen, 
„weilen  Er  zu  solchem  mehr  Arbeit  brauchen  muB",  4  fl. 
u.  s.  w. 

d)  Streit-  und  Oentfälle. 
Im  Jahre  1516  verbot  Graf  Wilhelm  v.  Henneberg  seinen 
Unterthanen,  an  der  Gent  zu  erscheinen,  da  er  „etliche  Büge, 
so  der  Gentgraf  von  Meilerstat  wider  die  Gemeinde  zu  Her- 
mdnnsfeld  fttrgenommen,  für  beschwerlich  und  unbillich  an- 
gezogen hat*^.  Deshalb  ruhte  bis  auf  weiteres  alle  Rechtspflege ; 


Das  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Bh5n.  219 

«Tst  1520  besuchten  infolge  eines  nenen  Vertrags  die  Schöffen 
<3ie  Cent  wieder.  —  1522  vergleichen  sich  Bischof  Eonrad 
und  Graf  Wilhelm  dahin,  dafs  die  BuCien  und  die  jährlich 
am  Peteregerichtstage  von  den  Dörfern  zu  gebenden  Satzungen 
an  Geld,  Holz,  Hühnern,  Heu  und  Hafer  in  8  Teile  gehen 
sollen,  */3  an  Würzburg,  */g  an  den  Centgrafen,  ^/g  an  den 
henneb.  Horcher  (Wm).  —  1523  wurde  das  Weistum  auf- 
l^erichtet  —  1636  war  Heintz  Simon  von  Eusenhausen  vor 
•die  Cent  gefordert  worden,  weil  er  einen  Mellrichstädter 
Bürger  eines  Korndiebstahls  bezichtigt  hatte.  Graf  Wilhelm 
protestierte  jedoch  gegen  die  Citation  in  einem  Schreiben  vom 
Tage  Viti,  da  dieses  Vergehen  nicht  vor  die  Cent,  sondern  vor 
«ein  Gericht  gehöre;  auch  habe  er  den  Förster  Beihart  von 
Henneberg  verordnet,  jenen  Simon  von  der  Cent  abzufordern 
und  gegen  dergleichen  Vorgehen  zu  protestieren.  Die  Sache 
kam  vor  das  kaiserL  Xammergericht  zu  Speier,  und  es  ver- 
ging eine  Eeihe  von  Jahren,  ehe  der  Streit  zum  Austrag 
kam.  Unter  dem  24.  Mai  1540  liefs  Kaiser  Karl  V.  ein 
allgemeines  Mandat  ergehen,  dafs  jeder  Schöffe  im  Würz- 
burgischen, der  für  sich  selbst  oder  aus  Befehl  seiner  Herr- 
schaft seine  Cent  nicht  besuche,  bei  einer  Fön  von  4  Mark 
lötigen  Goldes  (halb  dem  Fürsten,  halb  dem  Beiche)  zu  seiner 
Pflicht  anzuhalten  sei,  und  dafs  die  Gemeinden  an  Stelle  der 
bisherigen  Schöffen  andere  ehrbare,  unverleumdete  Männer  zu 
Schöffen  verordnen  sollten  bei  derselben  Fön;  sonst  möge  der 
Bischof  die  fehlenden  Schöffen  aus  seinen  Orten  ergänzen. 
Schon  1536  hatte  der  Bischof  den  Centstuhl  mit  5  Schöffen 
aus  Oberstreu,  4  aus  Mittelstreu,  3  aus  Wolfmannshausen 
und  2  aus  Stockheim  besetzt  —  1542  hiels  der  henneb. 
Horcher,  Zitterich  aus  Sülzfeld,  die  henneb.  Schöffen  auf- 
stehen und  die  Cent  verlassen.  Nach  einer  Notiz  von  1588 
(8)  hätte  „sider  der  Zeit  kein  henberger  schopff  aldo  gesessen, 
denn  was  sieder  der  Cents  vergleichung  Sachgßen  und  wirtz- 
bürgk  geschehenn  ist'^  Nach  dem  Aussterben  des  Hauses 
Henneberg  waren  nämlich  durch  Verträge  zwischen  beiden 
Herrschaften  1585  zu  Schweinfurt  und  1586  zu  Schleusingen 
XVII.  15 


220  ^'^  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rhdn. 

die  Differenzen  auBgeglichea  worden.  In  dem  letzgenannten 
Vertrage  war  auch  bestimmt  worden,  dafs  1596  Hermannsfeld 
und  Stettlingen  mit  Ottenhausen  zur  Cent  Meiniogen,  Franken- 
heim und  Birx  zur  Cent  Fladungen  geschlagen  werden  sollten. 
Inzwischen  hatten  aber  auch  in  der  Zeit  der  Zwietracht  alle 
in  den  hennebergischen  Orten  yorgekommenen  Centfalle  an 
der  nur  von  würzburgischen  Schöffen  besetzten  Cent  Mellrich- 
stadt  gerügt  werden  müssen. 

Nachstehend  folgen  einige  Ostheim  betreffende  C ent- 
falle aus  dem  die  Zeit  von  1500 — 1789  umfassenden  Cent- 
protokolle (nach  Müller  a.  a.  0.),  andere  aus  dem  Kirchen- 
buche und  aus  dem  Schlufsprotokoll  zu  Ostheim. 

1558  antworteten  die  Ostheimer  Vierer  den  entleibten 
Hans  Schneider  auf  die  Cent,  „den  Michel  Ewert  yon  Fricken- 
hausen  entleibt  haben  soll*^ 

1564  brachten  die  Vierer  die  Leiche  eines  neunjährigen 
Kindes  zur  Cent,  „welches  in  ein  Messer  gelaufen  und  alsa 
verwundet,  daüs  es  darunter  gestorben". 

1569  antworteten  die  Vierer  die  Leiche  des  von  Lorens 
Trost  von  Nordheim  y.  d.  Bhön  erschlagenen  Hanß  Buchner 
auf  die  Cent;  solche  wurde  von  den  Schöffen  besichtigt  und 
gefunden,  „daß  er  durch  diesen  Schlag  erschlagen  worden;, 
solches  hab  Merten  Urban,  der  damals  am  Thore  gehütet  hat,, 
gesehen". 

1572  ist  Klaus  Schnepf,  ein  lediger  Geselle,  zu  Ostheim 
auf  der  Gasse  zu  Fastnacht  nachts  tot  gefunden,  auf  die  Cent 
gefahren  und  durch  die  Schöffen  besichtigt,  aber  „kein  mörd- 
lioher  Schad"  an  ihm  erkannt  und  gefunden  worden,  „dann 
allein  die  Nase  habe  ihm  geschweist  und  sey  aber  sein  ganzer 
Leib  blau  gewest".  Am  Freitag  nach  Judica  wurde  über 
Hans  Heim,  einen  ledigen  Gesellen  aus  Ostheim,  ,,80  den 
Schnepf  im  Dorfe  daselbsten  mit  einem  Fleischtremmel  zu 
todt  geschlagen",  das  Halsgericht  gehalten,  in  welchem  der 
Schöffe  yon  Wolfmannshausen  das  Endurteil  yerkündigte : 
„Der   scharpff  Bichter  soll  Inn   mit    dem  schwort  cum    todt 


Das  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rhön.  221 

richten  zwischen    hiemel   und  erden,   und  Ime  yerbieten,   das 
ers  nit  mehr  thae^'. 

Am  5.  April  desselben  Jahres  zeigten  die  Ostheimer 
Vierer  an,  y,daß  Letz  Schmidt,  ihr  Mitnachbauer,  eine  Zeitlang 
an  der  jetzt  regierenden  Krankheit  gelegen  und  sich  am  vor* 
hergehenden  Tage  zur  Zeit,  als  der  Hirt  ausgetrieben,  mit 
einem  Schnitzer  ermordt  und  entleibt  habe". 

1573  zeigten  die  Vierer  an,  „daß  sich  Magdalene,  Easpar 
Marckerts  Weib,  in  dessen  Scheuer  an  einer  ZaBspindel  Garn 
oben  an  eine  Leiter  selbst  gehenkt  und  getötet  habe". 

1574  wurde  der  am  Rauenstein  (aufserhalb  des  cent- 
freien Territoriums  um  das  Sohlofs  her)  durch  Blitzschlag 
erfolgte  Tod  des  Amtschreibers  von  Lichtenberg  durch  die 
Vierer  angezeigt  (s.  S.  194). 

1599  wurde  im  Vertrage  zu  Trappstadt  festgesetzt,  dafs 
Ostheim,  Schwikershausen  und  Sondheim  (im  Grabf.)  wieder 
einen  Schöffen,  aber  nicht  einen  Beisassen  zur  Cent  zu 
schicken  verbunden  seien. 

1607  auf  dem  Ostheimer  Palmarum-Markt  wurden  die 
Junker  Easpar  Bapp  von  Hausen  (s.  III.,  Sondheim)  und 
Johann  Drott  von  Henneberg  ^)  uneins  und  forderten  einander 
vor  dem  Thore  zum  Zweikampf  heraus,  wobei  der  Rapp  den 
Drott  erstochen. 

1617  weigerten  sich  Schwickershausen  und  Sondheim 
(im  Grabf.)  abermals,  ihre  Schöffen  zur  Cent  zu  schicken; 
als  aber  unter  Hinweis  auf  Eaiser  Earls  V.  Mandat  von  1540 
der  Befehl  erging,  „daß  man  die  (Henneb.-)Römhilder  als 
Ungehorsame  bey  4  Mark  lötigs  Golds  zum  Gehorsam  eitiren 
solle",  haben  beide  Schöffen  sich  „wieder  gehorsamlich  ein- 
gestellt''. 

1618  stach  zu  Ostheim  David  Schmidt  3  Wochen  nach 
seiner  Hochzeit  seinen  Schwager,  mit  dem  er  sich  schon  vor 
der  Hochzeit  oft  „geunwilliget'',  mit  einem  Brotmesser  in  die 


1)  Im  ▼.  Trottseben  Hause  sa  Henneberg  war  1583  der  leiste  Heone- 
berger,  Georg  Ernst,  gestorben. 

15* 


222  ^'^  ehemalige  Amt  LIchteDberg  vor  der  Bbdn. 

Seite,  dafs  er  nach  14  Tagen  starb.  y,Solche  gesellen  mögte 
man  wol  mit  eysernen  mthen  zu  Land  ausstreichen  und  mit 
Galgen  und  Bad  ihnen  den  Lohn  geben.  Wie  er  dan  alsdann 
seinen  Lohn  bekommen ,  indem  ihm  zu  Eisenach  der  kopff 
abgeschlahen  worden''  (Kirchbch.).  Er  war  wohl  dort  auf 
der  Flucht  ergriffen  worden. 

1629  wurde  der  zum  Feuertode  verurteilte,  aber  auf  sein 
Bitten  vom  Bischof  zum  Schwert  begnadigte  Martin  Mufs- 
macher  aus  Ostheim  enthauptet.  Er  hatte  einem  Falschmünzer 
aus  Schwarzhausen  Zinn  geliefert  und  dessen  Fabrikate  (Frank- 
furter, Nürnberger  und  Bremer  Thaler)  vertrieben. 

1681  den  3.  Nov.  hatte  Martin  Stimer  von  Wilmars 
(nach  S  aus  Helmershausen),  der  auf  der  Heimreise  von  der 
Würzb.  "Weinlese  mit  seiner  Frau  in  Ostheim  eingekehrt  war 
und  ,|Sich  allhier  vollgesoffen",  am  Burgwege  beim  Nikols- 
garten,  wo  noch  jetzt  ein  steinernes  Kreuz  an  die  That  er- 
innert, seine  hochschwangere  Frau  mit  einem  Brotmesser 
„gantz  toller  weis  im  Bauch  gestochen'^,  dafs  sie  am  folgenden 
Tage  starb.  Die  Mellrichstädter  Gentherren  (Amtmann  Lukaa 
V.  d.  Tann,  Schwager  des  lichtenb.  Amtmanns,  und  Amtskeller 
Fuchs)  wollten  aber  weder  die  Leiche  noch  den  Mörder  an- 
nehmen, da  das  würzb.  Malefizamt  zur  Zeit  nicht  bestellt  sei 
—  etwa  6  Wochen  vorher  waren  die  Schweden  im  Mellrich- 
städter Amte  eingefallen.  „Ihre  Königl.  Mayest.  zu  Schweden 
hatte  das  Stifft  Würtzburg  und  gantz  Franckenland  einge- 
nommen, da  dann  die  meinsten  beambten,  und  der  Bischoff 
mit  seinen  vornembsten  Herren  selbsten  ausgerissen'',  und  über- 
ließen es  der  sächsischen  Eegierung,  mit  dem  Übelthäter 
nach  Gefallen  zu  verfahren.  Von  der  fürstl.  Regierung  zu 
Eisenach  wurde  deshalb  „nach  einem  ührtel  nacher  Goburgk 
geschickt'';  dieses  lautete  auf  Enthauptung.  Nun  wurde  am 
20.  Dezember  in  Ostheim  „vor  der  öbem  Bats  Stigen''^) 
peinliches   Halsgericht   gehalten.     Als   Bichter   fungierte  der 


1)   Damals    fflhrten    noch    aursen    am   Bathanse   von   beiden    Seiten 
Treppen  nach  der  über  dem  Durchgänge  gelegenen  Batsstabe. 


Dm  •henudige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rbön.  223 

Oentgraf  aus  Ealtensundheim,  YaleDtin  Gumpert,  als  GeriohtB- 
Bchreiber  der  dortige ,  Hans  Jörg  Firnhaber,  als  Schöffen  5 
Ostheimer  Bürger.  Nach  den  üblichen  Formalitäten  ist  der 
arme  Sünder  y,ein  wenig  nüber  nach  dem  Genßwasser  ^)  ge- 
führt und  aldar  endhauptet  worden ;  liegen  beede  unten  uffm 
Gotts  Acker  begraben.  Gott  yerleyh  ihnen  eine  frölche  Auf- 
erstehung. Amen''.  Die  Exekution  Tollzog  Meister  Heinrich 
von  DreiXsigacker  mit  seinem  Sohne;  ersterer  erhielt  20 ,  dieser 
1  Thlr.  Sämtliche  Kosten  mulste  das  Amt  (d.  h.  der  Amts» 
besirk)  tragen. 

Auch  nachdem  Hersog  Bernhard  Ton  Weimar  von  der 
Krone  Sehweden  mit  dem  Herzogtum  Franken  (dem  würzb» 
Stiftslande)  belehnt,  und  sein  Centgericht  Mellrichstadt  wieder 
bestellt  war  (Amtmann  wurde  Job.  Kaspar  y.  Bibra,  Cent- 
graf Konst.  Freund),  erschienen  Ostheim  und  Wilmars  nicht 
auf  der  Cent,  da  sie  unter  des  Herzogs  Autorität  ein  eignes 
Gericht  haben  wollten.  Erst  nachdem  infolge  der  Nördlinger 
Schlacht  der  Bischof  wieder  Besitz  von  seinem  Lande  er- 
griffen —  mit  Behagen  wird  nun  eine  Verordnung  des 
schwedischen  Centgrafen  durchstrichen  mit  der  ,,Nota:  Ist 
null  und  nichtig,  der  König  yon  Schweden  hat  kein  Beoht 
im  Komischen  Reich  zuesuchen''  —  nahmen  sie  yom  6.  Mars 
1635  an  ihre  Plätze  im  Centstuhl  wieder  ein.  Bis  zum  Aus- 
gange des  Kriegs  war  natürlich  an  eine  regelmäfsige  Rechts- 
pflege nicht  zu  denken,  da  bei  dem  unaufhörlichen  Plündern, 
Morden,  Brennen  und  Schänden  seitens  der  Soldaten  auch 
Fälle  der  4  hohen  Rügen  unter  den  „Centyerwandten"  kaum 
noch  in  Betracht  kamen.  Im  Jahre  1660  am  22.  Juli  wurde 
zum  ersten  Male  wieder  Centgericht  am  Centstuhl  —  aufser* 
halb  der  Stadt  —  gehalten. 

1663  wurde  zu  Kaltensundheim  eine  Ostheimer  Hexe, 
Margarete  Diemar,  enthauptet  und  yerbrannt.  Weil  Ostheim 
diesen  Fall  nicht  an  der  Cent  Mellrichstadt  gerügt  hatte, 
wurde  jeder  eingesessene  Centyerwandte  um  die  höchste  Bufse^ 


1)  Es  war  damals  nocb  nicht  eingefafst;  dies  geschah  1688. 


224  ^^  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rböo. 

20  Pfd.,  gestraft;  die  ganze  Strafsumme  betrug  über  8000  Gul- 
den frk. 

1674  liefsen  sich  auf  dem  Ostheimer  Este  mihi -Markte 
Beutel  schneid  er  und  Diebe  vermerken;  die  Summe  der  an- 
gezeigten Verluste  betrug  gegen  60  Thaler.  Da  brachten  2 
Nordheimer  einen  Fremden,  anscheinend  Franzosen  oder 
Italiener,  der  sich  dann  aber  als  ein  nach  Frankfurt  reisender 

-V 

jüdischer  „Tubackspinter"  Marx  Levi  aus  Prag  auswies,  ge- 
schleppt, von  ihnen  „wol  im  Eoth  rumb  gewelzt  und  übel 
zerschlagen'*,  und  beschuldigten  ihn,  einem  von  ihnen  den 
Beutel  aus  der  Tasche  gestohlen  zu  haben.  Alles  lief  zu- 
sammen^ jeder  Geschädigte  beschuldigte  ihn,  er  aber  „lugen- 
strafPte'*  sie  alle.  Man  holte  den  Amtmann  aufs  Rathaus ; 
der  examinierte  ihn  scharf  und  liefs  ihn  „seine  Hosensäck 
reümen  und  außfegen,  hatte  deren  5  und  thete  alles  herauB, 
was  er  hatte,  da  war  es  3  fl.  12  ßr.,  thete  die  Hosen  runder 
und  entblöste  sich  halt  gar",  es  fand  sich  jedoch  nichts.  Am 
anderen  Tage  wurde  die  Sache  dem  Keller  Freisleben  zu 
Mellrichstadt,  welcher  mit  dem  Gentschreiber  Zeuge  des  Auf- 
laufs gewesen  war,  berichtet,  „nicht  auß  sohültigkeit,  sondern 
nur  den  argwöhn  zu  benehmen,  zumahlen  die  Jahrmärckte  wie 
an  andern  orden  ihre  freyheit  haben'*,  „ist  also  die  abferdi- 
gung  nur  auß  guther  nachtbarschafPt,  und  nitt  auß  sohültigkeit 
beschehen".  Der  Keller  aber  liefs  dem  Amt  und  Stadtrat 
seinen  Dank  vermelden,  „das  man  ihm  dißfalß  solche  ehre 
anthun  wollen,  und  (hat)  sich  also  herausgelaßen :  weil  der 
Jud  kein  gelt  hette,  so  wehre  seiner  Fr.  Herrschafft 
mit  ihm  nitt  gedient;  man  soll  den  schelm  oder  dieb  hin- 
laufiPen  laßen,  wo  er  hergelauffen''.  Da  liefs  man  den  Ver- 
hafteten, nachdem  man  „einen  Juden  Ejd  mit  weitleuftigen 
inhalt  gestellt",  „mit  aufgehobenen  Fingern"  (!)  schwören, 
an  der  Stadt  keine  Bache  üben  zu  wollen,  und  liefs  ihn 
laufen.  Von  seinem  Gelde  erhielt  er  aber  nur  einen  Thaler 
und  etliche  „Schillinger"  wieder;  das  übrige  behielt  man  für 
gehabte  Mühe  und  Gänge  zurück.  Wer  hatte  ihn  auch  in 
Verdacht  kommen  heifsen? 


Das  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rhön.  225 

1678  klagt  AmtmanD  Heher  in  seinen  y,Additi(males*' 
zur  Amtsbeschreibung  von  1643  (0)  über  yerschiedene  Über- 
griffe und  üngesetzliohkeiten  der  Cent  MellrichBtadt.  Ein- 
mal heifse  es  zwar:  „ein  Dieb  am  sträng,  und  also  der  das 
leben  verwürckt;  allein  seindt  aus  Versehen  yihl  Jahr  her 
auch  geringe  Dieb  dahin  gelivert  worden,  welche  gantz  nichts 
würdige  sachen  gestohlen"  ^).  Lichtenberg  könne  iudes  auch 
einige  Fälle  von  Bestrafung  solcher  geringen  Diebstähle  auf- 
weisen, Bodafs  es  „bis  zu  einiger  conferenz  in  der  possession 
verbleiben  mögte".  Ferner  sei  „bis  anhero  res  furtiva,  zu- 
gleich mit  dem  Dieb,  dahin  gelivert  worden,  1.  zum  großen 
prcBJudiz  des  eigentl.  Herrn,  als  welcher,  weilen  er  seine  sach 
doch  nicht  wieder  bekomen  sol,  stilgeschwiegen,  wordurch  die 
deUcta  impunita  verbleiben;  2.  meldet  das  Peter  Weis- 
thumb  kein  Wort,  ist  auch  wider  die  klare  Beichs  Constit 
und  andere  Rechte  bevoraus".  Endlich  wolle  Würzburg  „in 
jpo.  Homicidij  auch  die  ungefehre  todesfälle,  als,  wann  einer 
durch  Verunglückung  erseufft  oder  sich  zu  tode  fält,  vor  die 
Cent  gezogen  haben,  da  doch  dieses  proprie  kein  homicidium; 
ob  nun  wohl  dergleichen  Acta  auch  disorths  vormahligen 
versehen,  die  Centh  Mellerstadt  auch  einige  Actus  vor  sich 
zu  (Hlegiren,  so  hatt  man  doch  Amts  Lichtenberg  wegen 
contrfir.  Actus  vor  sich,  auch  sich  bisanhero  in  der  pos- 
session der  nicht  liverung  gehalten''. 

Dieser  und  vieler  anderer  (auch  politischer)  Streitigkeiten 
wegen  wurden  nun  1678  zu  Meiningen  und  1686  zu  Neu- 
stadt a.  S.  zwischen  Sachsen  und  Würzburg  Verhandlungen 
gepflogen  und  Verträge  geschlossen. 

Im  Meininger  Vertrage  wurde  unserer  Cent  wegen 
nur  bestimmt,  dafs  aufser  den  4  hohen  Eugen  alles,  was 
nach  Karls  V.  peinlicher  Halsgerichtsordnung  durch  den 
Nachrichter  abzustrafen  sei,    „an  die  Centh  Mellrichstadt  ge- 


1)  In  der  Amtsheschr.  von  1643  heifst  es  freilich,  dafs  ein  auf 
frischer  That  ergriffener  Dieb  an  die  Cent  geliefert  werden  müsse,  „wann 
er  auch  gleich  nur  eines  groschens  werth  gestolen  hette*^ 


226  ^^  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rhön. 

rugety  doselbsten  abgestrafft,  und  führohin  Kein  mäleficant 
von  der  Voigtey  (Lichtenberg)  aus  der  Centh  geführt  werden 
soll". 

Im    Neustädter    Vertrage    wurde   dieses  Überein- 
kommen bestätigt  und  noch    hinzugefügt,    dafs  Ostheim  zwar 
nur  die  4  hohen  Fälle  zu  rügen  schuldig  sei,  ,ywiewohln  aber 
der  Gent  gleichwohl  unbenommen  seyn  solle,  auf  fürkommende 
indida   uf  obige  (durch  den  Nachrichter   zu    strafende)  De-- 
licta  in   loco  ipso  zu  inquiriren,  die  Unterthanen  darüber 
auch    (nach   §  4    des   Trappstädter   Vertrags)   schuldig    seyn» 
dem  Centgrafen  an  Hand  zugehen  und  Kundschaft  zu  geben» 
Wann    aber   von   nöthen    seyn   würde,    Zeugen    aus    Ostheim 
Jurato  zuhören,  sollen  dieselben  von  dem  Würtzburg.  Gent- 
grafen citirt  und  in  loco  Judicij  zu  Mellrichstadt  (es  weren 
denn   die   Zeugen    alters   undt  unvermögenheit  halber   dahin 
nicht   zu   bringen)    die    legäliBche    Yerhörung   vorgenommen 
werden,  Inmaßen  dann  nicht  weniger  mit  der  Execution  der 
Gentstraff,  Bügen  und  Gentkosten  in  loco  ipso  allerdings  wie 
in   den    4  Dorfschafften   Sundheim,   Urspringen,    Stetten    und 
Melpers    gehalten   uod   observvret  werden",   d.  h.  wenn  Amt 
Lichtenberg  die  angemeldeten  Strafen  und  Kosten  nicht  binnen 
4  Wochen  eingezogen  und  nach  Mellrichstadt  abgeliefert  hatte, 
konnte  nun  der  Gentgraf  in  Ostheim  „einfallen''  und  sie  mit 
Gewalt  eintreiben,  während  er  zur  Ergreifung  eines  Verbrechers 
ohne   vorherige  Meldung   an    das  Amt,    entgegen    dem    bis- 
herigen  Rechte,   einfallen   konnte.      Auch   das   Gitationsrecht 
war  der  Gent  zugestanden  worden.    Yergl.  Erdmanns  Bemer* 
kung  S.  206. 

1709  wurde  Martin  Massengeil  aus  Ostheim  über  dem 
Ausgeben  falschen  Geldes  in  Eisenach  ergriffen;  in  seinem 
Hause  wurden  Münzinstrumente  gefunden.  Diese,  und  einen 
mitschuldigen  Petschierstecher  (ein  Dritter  war  entwichen) 
lieferte  die  Gent,  nachdem  sie  ihn  in  Mellrichstadt  ad  examen 
gezogen,  „aus  bloßer  nachbarlichen  Freundschaft  und  zu  Be- 
förderung der  heilsamen  Justitz",  ohne  präjudizierliche  Folgen^ 
gegen  Eevers  an  Eisenach  aus. 


Das  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rhön.  227 

1713  am  14.  Oktober  hatte  der  „adel.  bestellte  Exor 
iikinater  am  neuen  Thor^S  Enpredit,  den  44  Jahre  alten 
Stephan  Frennd  mit  seinem  Holz  wagen  am  Thore  angehalten^ 
ihm  ein  Scheit  abgefordert  und  ihn,  nachdem  er  es  ihm  nach 
einigem  Widerstreben  gegeben,  durch  den  Leib  —  wie  sich 
bei  der  Besichtigung  durch  die  Mellrichstädter  „Zehnt  schafften'^ 
herausstellte,  durch  Lunge  und  Leber  —  geschossen,  sodals 
er  tot  niederstürzte.  Am  8.  Febr.  1713  wurde  Euprecht  in 
Mellrichstadt  enthauptet. 

1789  wurde  Eva  Sabine  Trabertin  von  Ostheim  in  Mell- 
richstadt enthauptet;  worin  ihr  Yerbrechen  bestanden,  ist 
nicht  angegeben. 

1761  hatte  in  Helmershausen  eine  Diebsbande  bei  nächt- 
licher Weile  einen  Kramladen  ausgeräumt  Einer  der  „Jauner'V 
„Schlumperjäckle",  wurde  auf  dem  Nikolaimarkt  in  Ostheim 
erwischt  und  an  die  Cent  Kaltensundheim  geliefert.  Dagegen 
erhob  die  Cent  Mellrichstadt  energisch  Einspruch,  und  so 
wurde  er  zwar  ad  locutn  unde  (Ostheim)  zurücktransportiert^ 
gegen  die  Zumutung  aber,  Ostheim  habe  ihn  an  die  Cent 
zu  schaffen,  vom  Amte  Lichtenberg  entschieden  protestiert. 
Endlich  wurde  er  vom  Amtskeller  Yey,  2  Centschöffen  und 
2  Centbütteln,  zu  denen  noch  der  aus  Kaltensundheim  hin- 
zukam, nach  Mellrichstadt  transportiert,  wo  er  am  Galgen 
geendigt  hat. 


2.  Die  Cent  Fladtugen. 

Über  die  Verfassung  der  einstigen  Cent  Sondheim^ 
an  deren  Stelle  1885  die  zu  Fladungen  trat  (XVI,  281),  ist 
keine  Nachricht  vorhanden,  doch  ist  anzunehmen,  dafs  die 
Teränderungen,  die  seitdem  mit  der  Cent  des  „Landes  vor 
der  Ehön"  (des  einstigen  Baringaues)  yorgegangen  sind,  höch- 
stens ganz  geringfügige  sind,  da  ja  das  Herkommen  stets  als 
unverbrüchliches  Gesetz  galt. 

Leider   ist    aber    auch    über    die   Cent  Fladungen    nur 


^28  ^^^  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rhön. 

weniges  noch  aufzufinden  ^).  Ihre  Akten  sind  1826  bei  der 
Vereinigung  des  »^Landgerichts''  Fladungen  mit  dem  zu  Mell- 
richstadt  wahrscheinlich  vernichtet  worden.  Das  Nachfolgende 
ist  der  Hauptsache  nach  den  auf  fdrstl.  Befehl  zusammen- 
gestellten Centbeschreibungen  von  1576  und  1596  (Wb)  ent- 
nommen. 

Zum  Oentbezirke  gehörten  die  seit  1280  würz- 
burgi  sehen  Orte  Fladungen,  Oberfladungen,  Bruchs,  Rüden- 
schwinden,  Hausen,  Heufurt,  Nordheim,  Ober-  und  Unter- 
«Isbach,  Sondemau  (nur  soweit  es  links  von  der  Sonder  ge- 
legen), Weifäbach  und  Ginolfs;  die  sächsischen  Sond- 
heim, Urspringen,  Stetten  und  (seit  1599)  Melpers,  und  die 
ritterschaftlichen  (v.  d.  tannischen)  Leubach,  Ober- 
waldbehrungeu  und  (seit  1596)  Frankenheim  und  Birx. 

Sondemau,  Weifsbach  und  Oinolfs  bildeten  zusammen 
das  Fladunger  „Hintergericht''.  Diese  Orte  brachten  zu 
jedem  Petersgericht  die  Behauptung  vor,  sie  hätten  vordem 
zum  Gericht  Gräfenhain  (jetzt  Wüstung  bei  Weifsbach)  ge- 
hört, welches  dem  Bitter  Wilhelm  Marchart  zuständig  ge- 
wesen. Als  dieser  infolge  seiner  Fehden  „verderbt"  war, 
y,daß  er  des  endes  nimmer  geschützen  kondt",  hatte  er  seinen 
ünterthanen  auf  ihr  Gesuch  erlaubt,  „sich  an  ein  ander  ge- 
richt  zu  wilkuhrn",  „mit  dem  Underschaidt,  daß  sie  nit  mehr 
thun  sollen,  dann  die  Vier  Euege  und  6  Malter  Habem,  und 
6  Summerhuener  und  1*/,  geechock  Ayer,  und  er  wolt  seinen 
Zenthgraven  selbst  behalten,  und  sonst  alle  Gerechtigkeit,  die 
«r  hett,  in  dem  Hindergericht.  Alß  weiten  die  Voit  Herren 
zu  Bischofsheim  nit  aufnehmen,  er  wolt  dan  den  Zenthgraven 
übergeben;  daß  wolt  der  genant  Herr  Wilhelm  Marchart  nit, 
er  wolt  sein  Zenthgrafen    selbst   behalten,    im  Hindergericht. 


1)  In  „Die  wahre  Luge  des  Baringaue»**  (1862)  und  in  spftteren 
kurz  vor  seinem  Tode  erschienenen  Schriften  kündigt  Benkert  das  dem- 
nächstige Erscheinen  eines  „Beitrags  zur  Geschichte  der  Hildenburg  und 
des  ehemaligen  Amtes  Fladungen*'  an,  in  welchem  vielleicht  noch  manches 
zu  finden  wSre.  Leider  war  das  Manuskript,  wenn  überhaupt  noch  vor- 
handen, nicht  zugänglich. 


Das  ehemAlige  Amt  LichteDberg  vor  der  RhSn.  229 

Also  seindt  die  von  Weißbach  khommen,  mit  der  Willigung 
Herr  Wilhelrae,  an  die  Voit  Herren  und  Zenth  Fladungen; 
die  haben  sie  also  aufgenommen,  mit  den  Vier  Bugen,  und 
mit  der  gifft,  und  liessen  im  seinen  Zenthgrafen  im  Hinder- 
gericht,  der  noch  darin,  und  altzeit  mit  ist".  Wenn  an 
dieser  Tradition  etwas  Wahres  ist,  so  hat  der  Anschlufs  der 
genannten  Orte  an  die  Cent  wohl  noch  in  der  Sondheimer 
Zeit  stattgefunden,  wo  sie  noch  nicht  so  weit  zum  Gerichts- 
orte hatten  wie  später  nach  Fladungen.  Ist  nichts  daran,  so 
hätten  sie  früher  schon  zum  Beringau  gehört. 

Von  Sondernau  gehörte  nur  der  westerwinkelsche,  dies- 
«eit  des  Wassers  gelegene  Teil  zur  Cent;  der  andere  war 
nach  Biechofsheim  centpflichtig.  Im  Jahre  1630  wurde  Son- 
dernau ganz  nach  Bischofsheim  verwiesen.  Als  man  nach 
dem  30-jährigen  Kriege  (1650)  an  die  Berechnung  und  Ver- 
teilung der  Kriegskosten  ging,  reichten  die  übrigen  Fladunger 
Amtsorte  eine  freilich  erfolglose  Bittschrift  ein  um  Wieder- 
zuweisnng  von  Sondernau  an  das  Amt  Fladungen,  um  es  mit 
zu  den  Kriegskosten  desselben  heranziehen  zu  können. 

Frankenheim  und  Birx  wurden  1596  dem  Sohleusinger 
Vertrage  gemäfs  der  Cent  Fladungen  zugewiesen;  sie  brauch- 
ten jedoch  nicht  die  „Centpflicht"  abzulegen,  sondern  nur  an 
den  Gerichtsstab  anzugeloben. 

Im  Gebiete  der  Cent  lagen  (1575)  folgende  centfreie 
Höfe:  „Hoff  Haubenstain  *),  Wilhelm  Vasants,  und  seine 
Behausungen  zu  Sontheim  und  Hausen.  Hansen  von  Stains 
Kemmathen  zne  Sontheim,  und  desselbigen  Hoff  zue  Bieppers. 
Wuestung  Wermers  ^).  Der  Hofflar;  zwo  Kemmathen  zue 
Northeim,  die  Brickstatt  daselbst;  der  Narbenhoff  zue  Hey- 
furth:  den  von  der  Thann  gehörig.  Ein  Kemmathen  zu 
Oberfladung,  sammt  etlichen  Männern  daselbst,  Bumrödisch. 
Diese  sollen  der  Zenth  befrejet  sein,  auch  nichts  am  Uncosten 
der  Ubelthettigen  Personen  geben,  weniger  zue  Uffrichtung  der 

1)  Vgl.  fiber  diesen  Hof  Benkerts  Abbandlao^  im  Archiv  des  Hist. 
Vereins  för  ünterfr.,  XII,  1. 

2)  jetBt  Oangolfsberger  Forstbans. 


230  ^<^  ehemalige  Amt  Lichtenberg  Tor  dej  Rhön. 

GalgeD,  Stock  und  Gericht  geholfen  oder  dartzue  erfordert 
werden  (welcher  gestalt  aher  und  wie  die  Junckere  ein  boI- 
cbes  zubeweisen,  hab  ich  noch  zur  Zeit  nit  erfahren  können^ 
also  das  es  mit  disen  Freyhöfen  noch  zweifelich,  und  die 
Sachen  uff  besserer  erkhundigung  bestehet)/' 

Der  Amtmann,  stets  ein  Edelmann,  wohnte  auf  der 
Hildenburg,  nach  deren  Zerstörung  durch  die  Bauern  in  Fla- 
dungen.  Der  Amtskeller')  blieb  samt  der  Zehnt-  und 
Zinsgetreide-  und  der  Geldeinnahme  noch  bis  1600  auf  der 
Burg  (XVI,  269).  Nach  und  nach  trat  er,  ganz  wie  der  zu 
Mellrichstadt,  in  die  Geschäfte  des  auswärts  wohnenden  Amt- 
manns ein,  so  dafs  es  einen  solchen  zuletzt  nur  noch  dem 
Namen  nach  gab. 

Mit  dem  Oentgraf en-Amte  war  im  H.Jahrhunderte 
die  Familie  y.  Fladungen,  im  15.  die  t.  Spe&hart  belehnt;, 
im  16.  und  später  begegnet  man  nur  bürgerlichen  Namen. 

Als  Centschreiber  diente  der  Fladunger  Schul- 
meister. 

Die  Schöffen,  welche  an  dieser  Cent  jährlich  ge- 
wählt^wurden,  safsen  in  folgender  Beihenfolge:  Hausen,  Heu- 
fürt,  Nordheim,  Fladungen,  Stetten,  Sondheim  (2;  wegen  der 
Wüstung  Altenfeld?),  Weifsbach  (2;  der  eine  „der  Grefen- 
heimer  Schöpff,  von  wegen  der  Wuestung  daselbt,  Grefenheim^ 
genannt''),  Ginolfs,  Obereisbach,  ürspringen  (2;  wegen  der 
Wüstung  Lahr?)  und  Untereisbach. 

Wurde  ein  Schöffe  vor  Ablauf  seines  Jahres  aus  irgend 
einem  Grunde  abgängig,  „Alsdann  muß  deßelbigen  Fleokena 
Schultheiß  ein  andere  tügliche  Person  an  deßelben  stat  für 
gericht  bringen,  welcher  gleichermaßen  von  dem  Zenthgrafea 
angenommen  wurdet. 

Für  den  Fall,  daüs  trotz  der  strengen  Bestimmung  dea 
Weistums  und  trotz  der  Bufse  Ton  10  Pfd.  („doch  haben  die 
Schöpffen  zuTor  darüber  zuerkhennen")  ein  Schöffe,  yielleiohi 

1)  Ad  der  der  Strafse  aogewendeten  Seite  der  Friedhofsmaaer  in 
FladoDgen  ist  das  Grabdenkmal  eines  Amtskellere,  Lorena  Wohlfahrt,  la 
sehen. 


Das  ehemalig«  Amt  Lichtenberg  vor  der  BbSn.  231 

^Schwachheit  oder  anderer  Ursachen  halben'',  zn  einer  Sitzung 
nicht  erschien,  hatte  Oberfladungen  einen  ^yNotschöffen"  be- 
reit sa  halten,  der  dann  die  Gent  half  y^beeitzen'S  Dafür  er- 
hielt er  keine  besondere  ,,Bolohnang",  da  es  zu  seinem 
^Kirchen-  und  Flurschützen  Ambt*'  mit  gehörte.  Die  Schöffen 
genossen  folgende  Jahresbezüge  Ton  ihren  Gemeinden:  Fla- 
dangen  gab  dem  seinigen  7  Pfd.,  Hausen  eine  zweifuderige 
Wiese,  Nordheim  4  fl.,  Obereisbach  bis  1575  3,  seitdem  4  fl., 
Unterelsbaqh  4  fl.,  Heufurt  5^/,  Mit  Hafer  und  ein  wenig 
Wieewachs,  Urspringen  jedem  13  Pfd.,  Sondheim  jedem  15  Pfd. 
(und  ^/|  Pfd.  Heller  „für  die  Gerichts  Pfenning*'),  Weifsbach 
jedem  14  Pfd.  und  ein  einfuderiges  Heufeld,  und  in  Ginolfs 
gaben  die  45  Nachbarn  ihrem  Schöffen  jeder  15  Fig. 

In  „zweifelichen  Sachen''  war  zur  „Batserholung'' 
der  Gentstnhl  an  die  Cent  Bischofsheim  gewiesen,  „und  die 
Zehrung,  so  die  geschickten  Schöpffen  umb  Rath  verzehren, 
mueft  die  yerlustigt  Parthey  außrichten''. 

Die  Peters-  und  die  Gentgerichte  wurden  in  den  ersten 
Jahrhunderten  vor  dem  „Unterthore*'  auf  dem  Platze  gehalten, 
-den  jetzt  der  Friedhof  einnimmt.  Auch  nachdem  später  die  Ver- 
liandlungen  in  das  Gemeindewirtshaus  (jetzt  Eümmeths  Hotel) 
Tcrlegt  worden  waren,  war  noch  jeder  centpflichtige  Mann 
zum  Petersgericht  zu  erscheinen  schuldig,  nur  war  ihm  nach- 
gelassen, als  Stellvertreter  einen  neuen  Pfennig  zu  schicken. 
Im  Jahre  1628  wurde  dann  das  noch  stehende  Amts-  und 
Oentgerichtsgebäude  errichtet.  Den  Platz  desselben  nahm 
früher  der  Konrad  v.  Steinauische  Hof  ein,  welchen  (nach 
Biedermann)  nebst  einem  halben  Baumgarten  über  der  Stadt 
hinterm  Kirchhofe  samt  den  Zinsen  1394  Heinrich  v.  d.  Tann 
(1385  Besitzer  und  Amtmann  des  Amtes)  für  65  ff.  kaufte 
{s.  S.  166).  Im  Jahre  1560  wurden  die  von  der  Tann 
von  Henneberg  belehnt  u.  a.  mit  einer  Eemnate  in  Fladungen, 
2  Gütern,  2  Häusern  und  einer  Badstube  daselbst.  Diese 
Kemnate  überliefsen  1589  Martin  und  Hannß  v.  d.  Thann 
durch  Vergleich  dem  Stifte  Würzburg  als  Eigentum  und 
trugen  dafür  der  jetzigen  Lehnherrsohaft,  dem  Hause  Sachsen, 


232  P*^  cbemiüige  Amt  Lichtenberg  vor  der  BhÖn. 

ihren  Hof  Hu£ar  za  Lehn  auf  (Sohultes).  An  Stelle  dieser 
Kemnate  erbaute  das  Stift  1628  das  Amthaus.  Schon  im  Jahre 
1640  brannte  dasselbe  beim  Einfalle  einer  kaiserlichen  Rotte 
nieder,  und  der  Amtskeller  mufste  jahrelang  in  einem  Bauern- 
hause wohnen,  bis  es  nach  dem  Kriege  wiederhergestellt 
wurde. 

a)  Petersgericht. 

Wie  in  Mellrichstadt  der  henneb.  ,,Horcher'^ .  so  wohnte 
hier  neben  dem  Fladunger  Amtmanne  der  lichtenbergische 
Amtmann,  welcher  schriftlich  dazu  eingeladen  werden  mufste, 
dem  Petersgerichte  bei,  „darmitt,  Wann  etwan  an  Würzburg, 
selten  darbey  newerungen  Wegen  der  dorffschaften  eingeführt 
werden  wollten,  solchen  Cantradicirt  und  yorgebawet  werde'^ 
Dafür  erhielt  er  von  jedem  der  3  sächsischen  Dörfer  6  Maus 
Hafer.  Später  beyollmächtigte  er  dann  und  wann  einen  der 
3  Schultheilsen  und  noch  später  fast  regelmäfsig  den  Kalten- 
sundheimer  Centgrafen  (Amtsrichter)  zu  seiner  Vertretung 
beim  Gerichte. 

Ferner  erschienen  sämtliche  Ortsschultheifsen  mit  den 
vorjährigen  und  den  für  das  neue  Gerichtsjahr  gewählten 
Schöffen.  Jene  wurden,  wie  im  Trappstädter  Vertrage  von 
1599  ausdrücklich  wieder  bestimmt  wurde,  feierlich  entlassen, 
und  diese  von  ihren  SchultheÜBcn  Torgestellt 

Die  Verhandlungen  nahmen  folgenden  Verlauf: 

„Uff  das  senthpetersgericht  soll  der  riohter  fragen,  so  sich  die  yier- 
sehen  zenthschöpffen  nidergesetzt  haben,  ehe  er  inen  den  aydt  offgibt,^ 
dan  es  nur  jabrschop£fen :  Ir  schultheysen  (einen  nach  dem  andern,  oder 
ins  gemein),  ich  fra^  euch  uf  den  aydt  und  pflicht,  die  ir  dem  hooh- 
wurdigen  fnrsten,  meinem  gnedigen  herm  von  Wirtsburgk  gethan  habt, 
ob  ir  ihren  f.  g.  senthgericht  mit  frommen  ehrlichen  bitterleotten  beeetst 
habt,  damit  man  heut  oder  morgen  über  fleisch  und  blnet  gerichten  kann. 

Die  scbnltheysen  sprechen:  „Ja,  herr  zenthgrafl*,  ich  weiß  nicht 
anders*^ 

Hierauf  Ufst  der  Centgraf  durch  den  Centschreiber  den  „S  c  hop f  f  e n 
Aydt"  vorlesen: 

„AlB,  von  wegen  meines  genedigen  herren  von  Wirtsburg  etc.  ich 
an  das  zenthgericht  alhie  lu  Fladungen  su  einem  sohSpffen  angenommen. 


Das  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rhön.  233 

also  soll  und  will  ich  desselbes  gerichtt  treulich  wartten,  nnd  nach  meinen» 
betten  veretendtnie ,  dem  armen  al£  dem  reichen,  artheil  und  recht 
sprechen,  und  da£  umb  lieinerley  Sachen  willen  anderlassen,  die  artheil,, 
bis  die,  wie  sichs  gebart,  erofent  sein,  auch  alle  heimblichkeit  des  gericht» 
verschweigen,  die  obrigkait  and  recht  meines  genedigen  herren  getreulich 
handthaben,  seiner  fürstlichen  genaden  und  desselben  stiffts  schaden 
warnen  und  frommen  werben,  ohn  alles  gevehrde,  alB  helff  mir  gott  und 
die  heyligen/' 

„Zenthgrafif:  Gelobt  mir  an  den  stab,  und  sprech  ein  ieder  mit  auf» 
gehobenen  fiogern  nach,  also :  Was  mir  jetzo  fargelesen  ist  und  ich  mit 
gelartten  wortten  underricht  bin,  daß  ich  auch  ganti  wol  verstandten  hab,. 
dem  will  ich  also  trealicfa,  steet,  yest  und  unverbrachenlich  nachkommen, 
so  wahr  mir  gott  helf  and  die  heyligen. 

Zenthgraff  fragt  denn  schopffen  von  S  tettheim  rechtens.  (Schopffr 
Bechts  beim  aydt.)  So  seindt  des  rechtenfi  beim  aydt  gefragt,  und  ir 
schopffen  alle  viersehen ,  wafi  der  hochwürdig  unnser  gnediger  fürst 
and  herr  von  Wirtxburgk  etc.  für  gerechtigkeit  habe  alhie  zu  Fladungen 
an  der  zenth;  bringt  darumb  wafi  recht  sey,  damit  das  meinem  gn» 
fursten  and  herm  an  iren  f.  gn.  wolbabender  gerechtigkeit  nichts  be^ 
nommen  sey. 

Schopff  bit  umb  erlaubnufi  aufzustehen  und  sich  des  zuerfahren.  — 
Wurdt  erlaubt. 

Zenthgraff:  Ich  erman  euch  defi  urtheyls. 

Schopff:  Wir  benennen  kein  urtheyl,  bringens  in  einer  antwort,  ea 
sey  ein  rrfarmaiion  vorhanden ;  do  dieselben  eingelegt  und  verlesen  wirdt^ 
darnach  soll  ergehen  wafi  recht  ist. 

Northeimer  schopff  legt  mit  erlaubnufi  die  r^ofraation  ein. 
Weysthumb  {fi^oirmaAium)'^). 

1.  Item.  So  ist  von  alter  herkonmien,  dafi  man  meinem  genedigen 
herren  theilet  in  allen  zenthpflichtigen  dörffern  alle  muegliche  ge- 
be tt  in  dieser  zenth,  doch  ohn  schaden  einem  ietzlichen  dorff  an  seinem 
alt  herkhommen. 

2.  Item.  Ifan  thailet  auch  meinem  genedigen  herren,  alle  vier- 
zehen  tag  ein  gericht  zu  sitzen  an  der  zenth,  und  darzwischen  nit^ 
efi  wer  dan  ein  nothlandung;  nach  viertzehen  tagen  mag  der  voit 
beithen')  alfi  lang  er  will. 

8.  Item.  Man  theilet  auch  meinem  herrn  zu  recht,  dafi  ein  ieg- 
lieh  zenthpflichtig  man  das  gericht  suchen  soll  mit  seinem  selbst 
leibe;  dafi  sey  von  alter  so  herkommen.  Für  denselben  gang  ist  ein  ge-. 
ding  gemacht  worden  in  die  dSrffer,  dafi  die  menner  daheim  pleiben,  wer 


1)  vom  Jahre  liS8,  mit  dem  spXteren  Zusätze  im  3.  Item. 

2)  in  einer  andern  Abschrift:  warten. 


234  ^'^^  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rhön. 

nit  zu  schicken  hatt,  aoAgeschlossen  das  petersgericht,  dafl  soll  ein  ietzlieh 
zenthpflichtig  man  suchen  mit  einn  pfenning  oder  mit  seinem  selbst 
leibe;  dabejr  soll  man  erkhennen,  daB  sie  lenger  in  geding  sitsen  wollen 
oder  nit,  daB  ers  wiB  den  gericbtsherren  sosagen.  So  soll  ein  ietzlieh 
scholtheiB  selber  kommen  anf  das  petersgericht,  und  soll  die  pfenning 
bringen,  und  soll  auch  den  stuel  Ton  seiner  nacbbauren  wegen  besetzen, 
daß  das  gericht  darmit  bewahrt  sey. 

4.  Item.  Man  theilet  auch  zurecht:  wann  der  Toit  das  gericht  be- 
stimbt,  da  sollen  die  schöpffen  aufmercken,  und  wan  der  gerichtstag 
kbombt,  sosoll  ein  ietzlieh  schopff  des  abents  zu  seinem  schultheiflen 
gehen  und  soll  im  sagen,  daB  das  gericht  morgen  sein  soll.  So  soll  der 
schultheiB  sein  nachbaum  zusammen  ruffen,  wie  gewonheit  in  dem  dorff 
ist,  und  soll  sie  fragen  umb  die  rüge,  bei  iren  aiden,  ob  jemandta 
wisse  wort  oder  werck,  die  an  das  gericht  gehören.  Khumbt  dan  jemandt 
und  dagt  ein  nachbaur  tou  dem  andern^  soll  sich  der  schultheiB  umb 
sehen,  ob  jener  auch  da  sey,  von  dem  man  dagt;  ist  er  dann  da,  so  soll 
er  in  fragen,  ob  er  nein  oder  ja  darzue  spreche.  Ist  er  nit  inheimisch, 
soll  der  schultheiB  die  rüge  aufschlagen  bis  zu  dem  negsten  gericht. 
Spricht  dan  jener  nein,  so  soll  man  im  auch  sein  nain  ragen,  so  soll  er 
auch  seinem  nein  folgen. 

Auch  solle  der  schöpfif  das  gericht  suchen  und  sich  nicht 
daran  verhindern  lassen.  Und  ob  es  sich  begebe,  dafi  ein 
Wasser  vor  ihm  were,  da  er  nit  getraut  beyhin  oder  darüber  zukommen, 
soll  er  doch  daB  mit  vleiB  versuchen,  und  in  das  wasser  watten  biB 
an  den  halB;  so  mag  er  umbkehren,  und  wider  herauB  gehen,  und 
soll  sich  zum  andern  mahl  versuchen  und  wider  ins  wasser  watten,  blft 
an  das  kihu,  und  dann  wider  umbkehren  und  herauB  gehen,  und  sich 
besinnen,  waB  er  an  daB  gericht  gelobt  habe,  und  dan  zum  dritten  mahl 
wider  versuchen,  biB  in  das  wasser  ins  maul  gehet ;  «o  mag  er  umbkehren 
und  sein  leben  fristen. 

6.  Item.  Man  theilet  auch  zureeht,  daB  das  gericht  hat  zurichten 
und  zu  helfifen  über  ein  frevel,  der  mit  wahrer  rueg  herkompt. 

6.  Item.  Man  theilet  auch  ^urecht,  daB  man  in  keinem  dorffe 
in  der  zenth  zu  richten  oder  zu  helifen  bat,  über  keinen  frevel. 

7.  Item.  Man  theilet  auch  zurecht  meinem  herren  ein  Sffennng 
in  allen  zenthpfliehtigen  dorffern,  und  in  allen  zenthpflichtigen 
kirehofen,  zu  iren  nöthen. 

8.  Item.  Man  theilet  auch  zu  recht:  möchte  sich  icht  im  gericht 
.^se.  ereignen),  dafi  man  verkhundigen  solle,   waB  des  geschehe  nach 

mittag,  daB  soll  man  dem  zenthgrafen  verkhundigen  vor  mittemacht  | 
waB  geschehe  nach  mitternacht,   daB   soll  man  verkhundigen   vor  mittags. 

9.  Item.  Man  theilet  auch  zureeht:  bescheiden  scheltwortt, 
die    nicht   ehr  oder   glimpff   antreffent,  und   faustschlege,   da  nicht 


Das  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  RhSn.  235 

fliessende  wunden  von  bekommen,  und  über  sc  h  n  1  d  t  und  über  s  c  h  e  d  e  n , 
da  bat  ein  ietslich  Schultheis  daheim  über  snhelffen. 

10.  Item.  Man  theilet  auch  zu  recht:  ob  Jemandt  kehme,  es  wehr 
man  oder  fraw,  knecht  oder  magdt,  undt  wurdt  etwaB  beschuldigt,  dafl 
im  leib  oder  ehr  angienge,  muethe  und  begehrte  hulff  und  rechts 
umb  sein  leumnth,  der  m^ht  vor  gericht  alhie  an  der  senth  mit  recht 
solches  leumathes  abnehmen,  ob  man  das  im  nicht  rügen  wolte. 

11.  Item.  Man  theilet  auch  zu  recht,  daB  vogt  und  senthgraff 
haben  zubesehen  m  u  e  1  n  ,  und  webern  ir  ein  und  ir  g  e  i  a  m  e , 
und  w  e  i  n  m  a  fi  und  alle  gericht.  Dnd  wan  sie  kommen  in  ein  mneln, 
so  soll  man  nehmen  zwen  besten  strenge  und  soll  die  mit  den  schlingen 
in  einander  schleiffen,  und  soll  auch  daran  stricken  zwen  knotten,  und 
soll  das  seil  umb  den  muolstein  thun  mit  den  knotten,  und  die  sargen  wider 
darüber  thun  und  die  mneln  anlafien  gehen.  Gehet  dann  die  aargen  umb, 
so  ist  der  muller  gerecht,  pleibt  aber  die  sargen  stehen,  so  ist  der  muller 
buesfelUg.  Auch  soll  der  muller  die  zsrgen  bewahren,  dafi  kein  meel 
-daraus  gehe  im  zu  nutz,  und  soll  auch  mitzen  mit  gerechter  metzen,  soll 
auch  zu  einem  gang  nit  mehr  dan  zwei  schwein  haben;  eins  am  ehrn^}, 
daß  ander  auf  dem  stall,  und  zwdlff  hiener  nnd  ein  han,  auch  zo  eim  gange. 

12.  Item.  Wan  der  voit  und  zentgrave  ein  solch  besehung  thun 
wollen,  sollen  sie  in  einem  ietzlichen  dorff  den  schultheifien  nnd 
schöpffen  darzn  nehmen. 

13.  Item.  Wurdt  dan  einer  buefifellig,  den  man  ungerecht  fände, 
es  wer  ein  m u  1 1  e r  oder  ein  weher  oder  ein  weinschenck,  theilt 
mau  dem  voit  sehen  pfandt,  dem  zenthgrafen  zehen  Schilling,  und  ietz- 
lichem  schöpffen  ein  Schilling ;  ist  von  alter  also  herkommen. 

14.  Item.  So  soll  der  weher  durch  recht  gezawe  weben  und 
mit  gerechter  ehlu  messen,  was  er  umb  lohn  wibt ;  so  soll  der  wein- 
schenck messen  und  geben  mit  gerechtem  mafi.  Ein  und  maaß  sollen 
gcbrandt  sein;  findet  man  dafi  anders,  so  hat  man  darumb  zubuessen. 

15.  Item.  Difi  gericht  hat  auch  zurichten,  zuhelffen  und  zuent- 
lielffen  über  ein  m  o  r  d  t ,  über  ein  d  i  e  b  an  einem  strick,  und  über  eine 
Dothzucht,  und  über  fliefiendt  wanden. 

16.  Item.  Es  hat  auch  zurichten  und  zarechten  über  alle  wortt 
und  werck,  die  leib  und  ehr  antreffendt. 

17.  Item.  Man  theilet  auch  zarecht,  daß  niemandt  den  andern 
hausen  oder  herbergen  soll,  er  wolle  in  dan  versprechen. 

Nach  Verlesung  solcher  rtiformation : 
Zenthgraf:  Ich  erman  euch  deß  angestellten  urtheyls. 
Urtheil :    Was  die  re/ormaüon   Inhalt   und  außweist ,    weisen   sie  zu 
recht,  sonderß  waß  die  drey  Sacbssischen  dorffer  belangt,  die  haben  einredt. 


1)  in  der  Hausflor. 

XVII.  16 


236  ^^  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  RhöD. 

Scholtheie  su  Stettheim  tritt  iiir  und  segt:  Seine  gnedige  fnrsteD 
UDd  herm  zu  SachBen  gesteen  meinem  gnedigen  forsten  und  herm  von 
Wirtsbnrg  iren  f.  g.  nit  mehr  alfi  die  vier  banpt  meg  und  fanff  schCpffen. 

Herr  ambtman  antworttet :  Ee  sey  ein  rtfarmalion  vorhanden^ 
defl  helt  sich  mein  gnediger  farst  uod  herr  von  Wirtiborgk. 

Darbey  lest  man  es  beruhen  und  bleiben.*^ 

Diese  Einrede  der  BäohsiBchen  Orte  kam  nach  den  Yer« 
trägen  von  Trappstadt  (1599),  Meiningen  (1678)  und  Neu- 
stadt (1686)  in  Wegfall,  Dagegen  wurde  im  Meininger  Ver« 
trage,  §  13,  verabredet,  dafs  zum  Schlufs  dieser  Verhandlung 
noch  zwischen  den  beiden  Amtmännern  folgende  „Cariaiia 
gehalten''  werden  sollten: 

Bede  des  säcbfi.  beambten:  „Dem  herrn  nacbbam  ist  be- 
kandt,  wie  swbchen  beeder  hoher  herrscbaffk  hiebevohr  verscbietene 
swistigkeiten  sich  enthalten ,  die  durch  nachbarliche  vertrag  hingelegt 
worden,  au  deren  vesthaltnng,  wie  man  sich  an  seitten  des  fllrstl.  hauses 
Sachsen  erbiedet,  also  wil  man  sich  Tom  hoch  sti£Ft  Würtsburgk  ein 
gleichmefiiges  versehen.'* 

Gegen  rede  des  Wflr  tz  b  urg.  beam  bten:  „Mir  ist  wohl- 
wifiendt,  wie  solche  hienortge  mifibelligkeiteo  bey  gelegt  worden,  darüber 
man  dem  hochfttrstl.  banse  Sachsen,  wie  verhoffentlich  bifihero,  also  auch 
ins  kUnfftige,  einige  prce/udÜM  zu  thun  nicht  gemeinet.** 

Nach  diesen  Eröffnungsfeierlichkeiten  brachten  die  Schult- 
heifsen  von  Oberwaldbehrungen,  (halb)  Sondemau  und  Leu- 
bach vor,  was  sich  bei  ihnen  im  abgelaufenen  Gerichtsjahre 
Rugbares  begeben  hatte;  dafür  brauchten  diese  kleinen  Orte 
das  ganze  Jahr  über  zu  den  eigentlichen  Centgerichten  nicht 
zu  erscheinen. 

Die  festliche  Petersmahlzeit  beschlofs  den  Tag.  Da  zu 
derselben  oft  ganz  unbeteiligte  Personen  eingeladen  wurden, 
kamen  sie  dem  Centbezirke  ziemlich  teuer  zu  stehen.  So 
kostete  z.  B.  die  von   1756   100  fl.  20  gr. 


b)  Centgerichte. 

Während  in  früherer  Zeit  auch  zu  den  Centgerichten^ 
alle  Centpflichtigen  erscheinen  mufsten,  blieben  nach  dem. 
später  gemachten  „Geding"  alle,  die  dabei  nichts  zu  schickea 


Du  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rh5o.  237 

bfttteD,    zu  Hftuse,   und   die  Gerichte   warden   nun    aus   dem 
Freien  in  das  Gemeindewirtshaas  verlegt. 

Noch  1575  wurden  jeden  Monat,  ausnahmsweiBe  auch 
zweimal,  Centgeriohte  gehalten;  1596  war  inzwiichcD  ihre 
Zahl  aaf  jährlich  4  beschränkt  worden.  Diese  wurden  ala 
yyOfPene  Tage''  regelmäfsig  an  den  Montagen  nach  Quasi- 
modogenitiy  nach  Johannis,  nach  Michaelis  und  nach  Neujahr 
gehalten. 

Die  höchste  Buüse  betrug  an  dieser  Cent  10  Pfd. 

Jeder  Partei,  der  klagenden  wie  der  angeklagten,  wurde 
aus  der  Zahl  der  Schöffen  ein  „Wortredner**  beigegeben; 
davon  hat  „ieder  uff  iedes  gericht  ein  schillinger  zue  beloh- 
nung,  so  inen  die  partheyen  geben**. 

Zum  Beginn  eines  Centgerichts  fragte  der 

^Zentbgniff:  Ich  frag  euch,  ihr  14  tchdpffen,  ob  es  off  die  tagseit 
kommen  sey,  dafi  ich  deB  bochw&rdigen  forsten,  meines  gn.  herrn  von 
WirtsbarK  etc.  ein  gericht  möge  hegen,  wie  Ton  alters  herkommen. 

Schöffen  sAmbtlicben  sagen  ja. 

Zentgraff:  So  heeg  ich  diB  senth^ericht  aoB  cra£ft,  macht  and  ge- 
walt  des  hochwGrdigen  forsten  and  herrn,  herrn  Jvmj\  bischoven  au 
Wirtxbarg  and  herzogen  za  Franken,  meines  gnedigen  forsten  ond  herrn. 
Ich  heeg  aoch  ditz  gericht  aaß  crafft,  macht  ond  gewalt  der  ehrwürdigen, 
wohlgebomnen  und  edlen  herrn,  meiner  gnedigen  herrn  des  capitels 
im  domb  za  Wirtzborg.  Ich  heeg  aach  ditz  gericht  auB  craffk,  macht 
nnd  gewalt  deB  edlen  ond  ernvesten  NN,  ambtmannfi,  meines  gttnstigen 
Junckern.  Ich  heeg  aoch  diB  gericht  aoB  crafft,  macht  ond  gewalt  mein 
alB  des  richters,  und  von  wegen  der  vierzehen  geschwornnen  zenth- 
scbopffen,  so  an  disem  gerichtsstoell  sitzen. 

Ich  V  e  r  b  e  o  t  aoch  bey  gerichts  straffen,  das  keiner  denn  gerichts- 
stael  reom,  auffstehe  oder  nidersitz,  er  thoe  dann  solches  mit  erlaubnos. 
Ich  verbeot  aoch,  daB  keiner  dem  andern  sein  wort  redt,  er  thae  dann 
solches  mit  erlaubnos.  Ich  verbeot  aoch,  das  keiner  vor  oder  abtredt,  er 
thne  es  dann  mit  erlaubnoB.  Ich  verbeut  auch  alle  oberfrag,  so  hindter 
und  vor  dem  gericht  geschieht.  Ich  verbeot  aach  alles  da^jenig,  so  ich 
TOB  rechts  wegen  soverbieten  hab,  ond  erlaub  aoch  alles,  was  ich  mit  recht 
znerlauben  hab,  alhie  an  meines  gnedigen  forsten  ond  herrn  zenthgericht. 

Schöpff  vonn  Hausen,  wie  frag  ich  eoch  rechtens.  (Schöpff: 
Bechta  beim  aidt.)  So  seindt  deB  rechten  artheyls  beim  aydt  gefragt, 
und  ir  schöpffen  alle  vierzehen,  ob  diB  meines  gnedigen  forsten  ond 
herrn  von  Wirtzborg  ihren   f.  gn.  senthgericht  recht  ond    wol   gehegt 

16* 


238  ^^  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rhön. 

8  e  7 ;  wer  hierher  kombt,  der  recht  geben  und  nemen  will,  ob  man  dem- 
selben mit  recht  auch  wol  gehelffen  könne.  —  Urtheil:  So  haben  michs 
meine  aydt  bmeder  gelerth,  anch  selbst  sprech  icbs  mit  in  zu  recht: 
wer  hieher  kombt  und  will  recht  geben  und  nemen,  dem  kan  man  mit 
recht  woll  gehelffen,  alhie  an  meines  gnedigen  Airsten  und  herm  zenth- 
gericht.    (Zenthgraff:  Ich  danck  dem  urtheyL) 

Zentbgraff  fragt  den  schopffen  vonn  Hefforth  rechtens.  — 
Schöpff:  Rechts  beim  aydt,  herr  senthgraff.  —  Zeothgraff:  So  seidt  deS 
rechten  ortheyls  beim  aydt  gefragt,  und  ihr  schopffen  alle  yieraehen, 
w i e  dits  meioes  goedigen  fursten  und  herm  lenthgericht  soll  besetst 
sey.  —  Urtheil:  So  haben  michs  meine  aydt  brueder  gelerth,  anch 
seibeten  sprech  ichs  mit  innen  sorecbt,  daB  diB  senthgericht  soll  besetat 
sey  mit  guetten  tnglichen  und  unverleumbten  mann  vierzehen,  die  un- 
thattelhafft  seyen.     Also  ist  es  von  alter  herkommen. 

Zenthgraff  fragt  denn  schopffen  zu  Northeim  rechtens.  —  Schöpff : 
rechts  beim  aydt.  —  Zenthgraff:  So  seidt  defi  rechten  urtheyls  beim 
aydt  gefragt,  und  ir  schopffen  alle  vierzehen,  wie  man  mag  e  r  f  a  h  r  e  n , 
was  da  ruegbar  sey  und  was  hiezwischen  dem  nechsten  gericht  ge- 
schehen ist,  allhie  an  meiner  gn.  f.  undt  herm  senthgericht.  —  Schöpff t 
Herr  richter,  wollt  ihr  das  urtheil  hören?  (Zenthgraff:  Ja.)  —  Urtheil: 
Es  haben  michs  meine  aydtbraeder  gelehrt,  auch  sprech  ich  selbst  mit 
innen  lu  recht:  bei  gewandtem  fydt  soll  man  erfahren,  was  da  raegbar 
sey,  dafi  hiezwischen  dem  nechsten  gericht  geschehen  ist. 

Nach  disen  dreyen  ergangenen  urtheyl  gibtsein  zenthgraffvon 
sich  uff  die  schopffen,  also:  Ihr  schopffen,  so  geh  ichs  euch  uff 
die  aydt  und  pflicht,  damit  ir  dem  hochwttrdigen  fursten,  meinem  gn.  herm 
von  Wurtsburgk  verwandt  seidt,  das  ihr  wolt  recht  raegen  und  recht 
urtheyl  sprechen,  keinem  zu  lieb  noch  leidt,  auch  solches  umb  keinerlei 
andere  ursach  willen' Jnnderlassen,  weder  umb  freundtschafft  oder  feindt- 
schafft,  noch  sunst  umb  gunst,  gab  oder  liebnufi,  sonder  dem  armen  'als 
dem  reichen  und  dem  reichen  ais  dem  armen,  und  geb  euch  auch  dem 
allmechtigen  gott  zu  steur,  und  setz  vonn  unserer  seele  auf  euere. 

Andienung  des  schopffen  zu  Weisbach:  Herr  richter,  ich  ding 
an  dag  und  antwort,  obs  so  fem  uf  die  tagseit  keme,  das  doch  ein 
iederman  seines  rechten  unverzüglich  were. 

Zenthgraff  fragt  den  schopffen  rechtens.  —  Schöpff:  Rechts  beim 
aydt,  herr  zenthgraff.  —  Zenthgraff:  Seidt  des  rechten  urtheylfi  beim 
aydt  gefragt,  und  ir  schopffen  alle  vierzehen,  dits  geding,  das  der  schöpff 
gethan  hat,  do  es  zu  scbuldten  keme,  ob  es  auch  crafft  und  macht  haben 
möge.  —  Urteil :  So  haben  michs  meine  aydt  brueder  gelerth,  anch  selbst 
spreche  ich  mit  inen  surecht :  das  geding,  das  der  schöpff  gethan  hat,  do 
es  zu  scbuldten  keme,  das  so  wol  crafft  und  macht  hett,  alhie  an  meinoB 
gnedigen  fursten  und  herrn  zenthgericht. 


Das  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rhön.  239 

Nota.  Hernach  folgen  die  raegen: 
Zenthgraff:  SchÖpff  von  Hausen,  ich  ermane  euch  der  raegen  t 
Schöpff:  Herr  zenthgraff,  wolt  ir  die  meg  heren  von  Hausen? 
(Zenthgraff:  Ja.)  Es  hatt  gestern  mein  schultheys  die  nachtbauere  bei 
einander  gehabt  und  angezeigt,  alls  wie  heut  aentbgericht  au  Fladungen 
sein  soll;  so  fragt  man  die  schopffen  umb  die  rueg  uff  ein  aydt  Des- 
gleichen hat  mein  schultheys  die  nachtbaueren  auch  gefraget,  do  jemandta 
etwas  widerfahren  sey  oder  nit;  so  etwas  iwischen  dem  nechsten  gericht 
geschehen,  das  da  megbar  sey,  so  soll  er  das  anieigen  und  offenbaren,  so 
w511e  er  es  an  die  ort  schicken,  dahin  es  gehörig,  und  woU  sich  und  die 
naehtbaure  verwahren  vor  scbadten.  So  haben  die  menner  gesprochen, 
sie  wissen  sonderlich  nichts.  Allein  hierauf  wurdt  geruegt,  und  beschleuß 
letzlich  wider.  Weitters  wissen  die  nachtbauere  nichts.  Weifi  mein 
schnltheiA  auch  von  nichts,  so  weiA  ich  für  mich  nichts.  Und  ding  an 
meit  und  frist,  [weil  meines  gnedigen  Airsten  und  herrn  gericht  werth 
und  ist.  Wurdt  mir  etwas  nachgeschickt,  das  da  ruegbar  ist,  will  ich 
mit  demselben  gebiren  wie  recht  ist,  allhie  an  meines  gnedigen  furstea 
und  herrn  zenthgericht. 

Auff  solche  weiß  wurdt  von  allen  schopffen  und  dörffern  durchauj^ 
die  rueg  furbracht  und  angezeigt. 

Zenthgraff:   Schöpff  von   Heffurtb,    ich  erman   euch   der   rueg 
schöpff  von   N  o  r  d  h  e  i  m ,   ich   erman  euch  der  rueg ;   schöpff  von  sutt 
Fladungen  etc.  etc.*' 

Der  FladuDger  Schöffe ,  obgleich  regelmäfsig  vom 
Bichter  dazu  aufgefordert,  weigerte  sich  ebenso  regelmäfsig^ 
Bügen  yorsubringen ,  da  das  Stadtgericht  das  Eecht  bean- 
spruchte, sie  vor  sein  Forum  zu  ziehen.  —  Weifsbach  und 
Ginolfs  weigerten  sich,  wenn  auch  erfolglos,  unter  Beru- 
fung auf  die  von  ihnen  vorgebraohte  Geschichte  vom  Grafen- 
hainer  Gerichte,  doch  immer  wieder,  fliefsende  Wunden  und 
Scheltworte,  „so  Ehr  und  Glimpff  antreffen^',  an  die  Gent  zu 
bringen,  da  diese  vor  den  Gentgrafen  des  Hintergerichta 
(1575  Antonius  «Tohannes  zu  Ginolfs,  der  als  solcher  von 
seinen  ,,Junckern'',  Eberhard  y.  Buchenau  und  Hans  Wilh» 
T.  Bumrodty  jährlich  2  fl.  erhielt)  gehörten. 

Ernstliche  Streitigkeiten  verursachte  die  Weigerung  der 
sächsischen  Dörfer  (Sondheim,  ürspringen,  Stetten, 
Melpers  und  des  sächsischen  Teils  von  Nordheim),  etwas 
mehr  an  die  Gent  zu  bringen  als  die  4  Bugen  und  „Wunden 
und  Stich,   so  bindbahr,   hefftbar,   beinschrödig,   oder  sonsten 


240  ^'^  ehemalige  Amt  Lichtenberg  Tor  der  Bhöo. 

Glieds  (d.  h.  1  Zoll)  tief  oder  lang*'.  In  den  späteren  Ver- 
trägen mit  deren  Lande  sherrschaft  gelang  es  der  Cent- 
herrschaft  ihren  immer  weiter  gehenden  Ansprüchen  gesetzliche 
Geltung  zu  verschaffen«  —  Auch  Oberwaldbehrungen 
machte,  angeregt  durch  den  Amtmann  auf  Lichtenberg  (als 
Vertreter  der  Lehnsherrschaft),  beständig  Schwierigkeiten, 
bis  durch  §  6  des  Neustädter  Vertrags  dem  Amte  jede  der- 
artige Beeioilussung  der  Gemeinde  verboten  wurde  (s.  u.). 

Übrigens  war  Oberwaldbehrungen  ebenso  wie 
Sondernau  und  L e u b a c h  bei  diesen  Centgerichten  nicht 
vertreten,  da  die  Sohultheifsen  dieser  Orte  die  bei  ihnen  im 
vergangenen  Geriohtsjabre  vorgefallenen  Bügen  am  Peters- 
gerichte zur  Anzeige  brachten.  Die  übrigen  nicht  durch 
Schöffen  vertretenen  Orte  (Brüohü,  Eüdenschwinden 
und  Both)  hatten  ihre  Bügen  an  den  Ceutgerichten  durch 
je  ,,eioen  Man  auß  der  gemaindt"  anzubringen. 

,,Waß  die  gemaine  Zenthgericht  durch  die  Schöpffen  und 
andere  Gerichts  Personen  verzert  und  verthan  wurdet,  daß 
betzahln  sie  auß  irem  eignen  Seckel.'' 


c)  Halsgerichte. 

„Wan  ein  zenthpffichtiger  Orth  und  Fleckh  ein  Übel- 
thetter  oder  schadtbare  Person  bekommen,  behalten  sie  den- 
selben in  Verwahrung  und  zaigen  es  inmittels  irer  Schuldig- 
keit nach  dem  Zenthgraven  zu  Fladungen  alßbalden  an. 
Alsodan  wurdt  inen  der  Landtknecht  von  dem  Zenthgrafen 
zugeordnet,  dem  sie  die  verhaffte  schadtbare  Person  über- 
«ntwortten,  mit  ettlichen  Nachbarn  auß  demselben  Dorff,  so- 
vil  er  deren  dartzue  notturfftig,  gegen  Fladungen  fuhren 
lassen.  Und  ist  das  alhie  wol  acht  zunehmen,  daß  bisher 
alle  Ubelthetter  ohn  Undersohiedt,  so  irer  Verwirokung  halben 
durch  den  Henoker  zustraffen  sein,  und  in  den  oberzelten 
zenthpflichtigen  Flecken,  sowol  den  dreyen  Sächsischen 
Dörfern  alß  den  zu  Weißbach,  Ginolfs  und  Oberwalberingen, 
betretten  und  zu  verhafften  kommen,  nach  Fladungen  uff  die 


Du  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  BhSn.  241 

Zeoth  gefahrt  werden.  Item  unser  genediger  Herr  von  Wirtz- 
burg  eto.  alß  der  ortbs  Zenthherr,  oder  ir  fürstlichen  genaden 
beambte  haben  guet  macht,  in  alle  zenthpflichtige  flecken 
ihres  gefallene  einzufallen  und  die  Ubelthetter  darauf 
zunehmen.*'  Hinsichtlich  dieses  Punktes  bestimmte  der  Trapp- 
«tädter  Vertrag,  dass  die  sächsischen  SchultheiTsen  und  Ge- 
meinden bei  Strafe  für  die  Ergreifung  und  Einlieferung  der 
,,mißthät]gen  Persohnen"  zu  sorgen  hätten,  und  daß  ,,die 
Inventaiian  und  Arrestaüon"  durch  beide  Amtmänner  von 
Pladaogen  und  Lichtenberg  ^^miteinander  und  sammenhafft'^ 
an  einem  ,,yergli ebenen *'  Tage  vorzunehmen  sei. 

„Und  der  IJncosten  uff  solchen  gefangenen,  ehe  er 
an  die  Zenth  geantwortt  wurdet,  lauffendt,  mueß  die  gantz 
2enth  tragen,  so  ferr  er  änderst  durch  Unsem  genedigen 
Herren  peinlich  gerechtfertigt  wurdet*'  Im  Neustädter  Ver- 
trage Ton  1685  einigten  sich  jedoch  beide  Herrschaften  da- 
hin, dafs  die  beiderseitigen  Unterthanen  immer  nur  die  in 
ihrem  l^ile  yeranlafsten  Centkosten  zu  tragen  hätten. 

„Item  die  geraubte  oder  gestolene  gueter  seyen 
die  Zenthverwanthen  neben  dem  Thetter  dem  Zenthgrafen 
iederseit  zu  liefern  auch  schuldig.'' 

Hinsichtlich  der  Zengenyerhöre  wurde  im  Trapp- 
etädter  Vertrage  von  1599,  durch  welchen  übrigens  das  1655 
«rst  wieder  besiedelte  Melpers  der  Gent  definitiv  zugewiesen 
wurde,  ausgemacht,  dafs  in  Fällen  der  4  hohen  Rügen,  oder 
was  Leib  und  Leben,  Hals  oder  Hand  beträfe,  die  Zeugen 
der  Ladung  vor  die  Gent  zu  folgen  hätten;  in  anderen  Gent- 
sacheu  dagegen  sollten  die  sächsischen  Unterthanen  „bey  den 
Liohtenbergischen  beambten  per  modum  subsidü  et  impUh 
raÜonis  erfordert  und  alsdann  von  besagtem  Beambten  un- 
weigerlich und  unaufhältlich  remitüret  und  gewiesen,  und 
also  an  der  Centh  verhört  werden". 

Auch  vereinigte  man  sich  dahin,  dafs,  wenn  ein  Übel- 
thäter  zur  Verweisung  aus  den  Btiftslanden  verurteilt 
würde,  diese  Verweisung  auch  auf  das  Amt  Lichtenberg, 
namentlich   auf  das  Vordergericht  ausgedehnt,    und   dafs    die 


242  ^^  ehemalige  Amt  Lficbtenberg  Tor  der  Bböo. 

Exekution  eines  Todesurteils  „so  viel  müglichen  gefördert 
und  nicht  aufgezogen  werden*'  solle. 

„Wunn  Peinliche  gericht  gebalten  werden,  ist  gebreuch- 
licb,  von  alter  Herkommen  und  iedertseit  gebalten  worden, 
daB  man  aus  iedem  Dorff,  es  sey  Wirtzburgisoh,  Säcbsiscb^ 
oder  der  Junokere,  ein  anzahl  bewehrter  Personen 
nach  Yermög  des  Flecken  und  sovil  man  deren  notturftig, 
genommen,  und  welcher  Zenthyerwandter  auch  also  erfordert, 
der  ist  mit  seiner  besten  Wehr  zuerscheinen  und  daß  Gericht 
helffen  zubeschutzen  schuldig/'  Fladungen,  Nordheim,  Sond- 
heim und  Oberelsbach  hatten  je  60,  Stetten,  Urspringeo, 
Weilsbach  und  Unterelzbach  je  30,  Hausen  24,  Oberfladungen 
21,  Heufurt  17,  Leubach  und  Qinolfs  je  15,  Büdensch winden 
9,  Oberwaldbehrungen  8,  Sondernau  und  Roth  je  7,  Bruchs 
3  Mann  zu  stellen.  Nachdem  seit  1596  noch  6  aus  Pranken- 
heim und  3  aus  Birx  hinzugekommen  waren,  bestand  also 
der  „Satz*'  aus  495  Mann. 

Das  Halsgericht  (der  „peinliche  Bechtstagf)  wurde 
„vor  dem  underthor  aller  nechst  yorn  Schrancken  under  der 
clainen  Linden",  also  da,  wo  jetzt  der  Friedhof  oder  der 
Garten  der  Schulsohwestern  sich  befindet,  gehalten.  Der 
Verurteilte  lag  bis  zu  diesem  Tage  im  „Malefis''-  oder  „Ober- 
turm'' am  Oberthore. 

„In  peinlichen  Sachen  redet  dem  Cleger  und  bedagten 
iedem  ein  Zenthschöpff,  welchen  sie  auß  dem  ring  fordern, 
doch  redet  gemainlich  dem  Cleger  der  Schöpff,  so  toq 
der  Statt  Fladungen  wegen  an  der  Zenth  sitzet.  Davon 
hat  er  zu  lohn  ein  gülden,  welchen  im  die  Zenth  geben 
muß,  und  wirdt  in  die  andern  gerichtscosten  gerechnet.  Des 
Beclagten  Wortredner  gibt  man  nichts"  —  einem  schon  Ver- 
urteilten half  ja  auch  alles  Beden  nichts  mehr. 

),Wann  ein  Übelthetter  umb  btals  and  baupt  gefangen  ligt  und  für 
peinlicb  geriebt  geführt  werden  soll,  so  geet  der  sentbgraff  sambt  dem 
gerichtsscbreiber  nnd  swen  schopffen  für  denn  tbom  zu  dem  gefangnen 
und  leftt  im  sein  urgicbt,  so  er  in  der  gnet  nnd  in  der  pein  bekandt, 
yerlesen  nnd  fragt  ine,  ob  er  solcher  seiner  bekandtnus  und  thatten  ge- 
ständig sey  oder  nif.     Und  wo   er  nun  solcher  seiner   aussag  Teriaugnen 


Dm  ehemalige  Amt  Lichtenberg  Tor  der  Rhön.  243 

thoet,  80  wardt  er  widerumb  durch  den  nachrichter  peinlich  gefragt; 
bleibt  er  nf  dem  verlangnen,  so  wardt  solches  an  onnsem  gnedigen 
forsten  und  herrn  gelangt  und  nmb  fernneren  gu.  bescheydt  aodertbftnig 
gebetten.  Wo  aber  der  ubelthetter  af  seiner  urgicbt  und  bekandtnnß  be* 
stendig  bleibt,  alfidann  geet  der  senthgraff  mit  denn  vierzehen  schopfifen 
vor  das  underthor  an  den  schopffenstael,  setien  sich  an  gericht,  nod  wardt 
solch  peinlich  balBgerieht  gehegt  inmassen  wie  bemelt  ut. 

Und  wordt  solch  peinlich  halfigericht  angeferlich  umb  8  oder  neao 
ahr  vormitU^  angefangen,  und  gehen  die  frag,  clag  und  nrtheyl  nach- 
einander wie  volgt. 

So  dann  das  gericht  gehegt  ist,  und  e»  qf/ido  wegen  unnsers  gne- 
digen forsten  und  herrn  Ton  Wirtibarg  etc.  zu  einem  ubelthetter  peinlich 
geclagt  wurdt,  so  trit  der  c  1  e  g  e  r  für  und  spricht :  Herr  richter,  hie 
steet  volmechtiger  anwalt  ron  wegen  des  hochwflrdigen  fursten  und  herm^ 
herrn  JuliOj  bischoven  zu  Wirtsburg  und  hertzogen  zu  Francken,  seines 
gnedigen  fursten  und  herrn,  und  bit  zum  ersten,  andern  und  drittenmal,^ 
das  er  mir  ein  mann  erlaubt,  der  im  sein  wort  redt.  Solches  erlaubt  nun 
der  richter  und  gibt  ime  den  stattsc  hop  ffen  auft  dem  stuel  zu,  der 
ein  ciegem  an  disem  peinliehen  halAgericht  sein  wort  rede.  AlAdanik 
nimbt  der  schöpff  mit  dem  cleger  erlauboufi  vom  richter,  gehen  zurück 
inA  gesprecb,  kommen  wider,  und  spricht  der  schopff  mit  erlaubnuÜ :  Herr 
richter,  bit  durch  ein  urtheyl  zuerkennen,  ob  ich  clegern  sein  wort  zu 
reden  zuthun  schuldig  seie.  Die  schopffen  gehen  in  bedacht  und  bringen 
das  nrtheyl,  welches  der  schopff  von  N  o  r  t  h  e  i  m  eröffnet.  (Jrtheil :  Ja, 
80  der  stattschopff  vom  f.  anwaldt  gebetten,  so  sey  er  das  zuthun  schuldig. 

Der  stattschopff  trit  für  und  bit  denn  herrn  richter  durch  ein  urtheyl 
erkennen  zulassen,  wafi  dann  sein  belohnung  darumb  sein  solL 
Darauff  die  schopffen  widerumb  in  bedacht  gehen,  und  bringen  das  urtheyl 
in  einer  antwort,  so  der  schopff  von  S  t  e  t  h  e  i  m  eröffnet.  Urtheii :  Es 
sey  vonn  alter  also  herkommen,  das  der  richter  1  fl.,  der  Schreiber  1  fl., 
und  der  wortredtner  1  fl.  zue  belohnung  geben  (sie). 

Der  stattschopff  bittet  fernner  durch  ein  urtheii  zuerkennen :  dieweil 
f.  anwalt  awo^)  ubelthettige  personnen  in  iren  f.  g.  bandten  etc.  hab,. 
wie  er  die  auß  dem  gefencknus  und  hieher  für  ir  f.  g.  pein- 
lich halfigericht  bringen  möge.  Nach  gehabten  bedacht  bringen  sie  das 
urtheyl  und  eröfiFbets  abermals  der  schopff  von  S  t  e  t  h  e  i  m.  Urtheii :  Der 
landtknecht  soll  die  auß  irer  f.  g.  bandten  und  handten  nemen,  under  den 
thom  führen  und  dem  cleger  in  sein  handt  antwortten. 

Stattschopff   bit   abermal    in   recht   zuerkennen,    wie   man   mit   den 


1)  Der  Verfasser  dieses  amtlichen  Berichts  spricht  bald  von  zwei; 
bald  von  einem  „Armen";  er  hat  einen  bestimmten  Fall  im  Auge,  ver- 
gif»t  es  aber  zuweilen. 


244  ^^^**  ehemalige  Amt  Liobtenberg  vor  der  Rhön. 

armen  geberen  soll,  das  man  recht  thae  und  unrecht  lafi.  Nach  gehabtem 
bedacht  bringen  die  schopffen  das  nrtheyl;  solches  eröffnet  der  sobopff 
yon  Suntheim  uf  anmanuug.  Urtbeil :  Der  cleger  soll  sie  annehmen 
und  dem  zuchtiger  in  sein  handt  antwortten. 

Der  stattschopff  bit  des  rechtens  snfragen,  wie  man  weitter  mit  denn 
armen  gebehren  soll,  das  man  sie  hiehero  für  das  peinlich  hals- 
ge  r i  ch  t  bringe.  Nach  gehabtem  bedacht  der  schopffen  bringt  Suntheim 
das  urtheyl.  Urtbeil :  Der  cleger  soll  sie  erstlich  dreimal  uuder  den  tbore 
b  eschr  ey  en. 

Der  schopff  bit  weitteres  deft  rechtens  aufragen,  wie  man  weitter 
mit  denn  armen  gebehren  soll,  das  sie  hieher  gebracht  werden.  W  e  i  s  - 
bach  bringt  das  urtbeil.  Urthel:  Sollen  vom  thurn  bifi  an  den  branger 
^efurdt  und  alda  dreymal  beschrien  werden ^). 

Stattschopff  bit  fernner  des  rechtens  zu  fragen,  wie  man  nun  weitter 
mit  denn  armen  geberen  soll,  das  sie  hieherbracht.  W  e  i  s  b  a  c  h  bringte 
urtbeil.  Urtbeil:  Der  nechst  und  weittest  schopff  sollen  hingehen  und 
«ollen  besehen,  wie  die  armen  stehen.  —  Alfi  gehen  sie  hin,  kommen 
wieder,  und  bringen  in  einer  antwort:  sie  steen  Öffentlich  in  pranger, 
wie  ubeltbetter  steen  sollen. 

Stattschopff  bit  weitter  mit  recht  suerfragen,  wie  man  fernner  mit 
•denn  armen  sugebehren,  das  man  recht  thue  und  unrecht  laB.  Ginolfs 
bringts  urtbeil.  Urtheill :  Der  süchtiger  soll  die  thetter  auß  dem  brang- 
«ifieu  nemen  und  bifi  zwischen  die  zwey  thor  führen ;  alda  sol  sie 
•der  cleger  8mal  beschrey  en. 

Stattschopff  bit  mit  recht  darnach  suerfragen,  wie  man  weitter  mit 
•denn  armen  gebehren  soll,  das  man  sie  hiehero  an  das  peinlich  bald- 
f^ericht  bringen  möge.  Obernelsbach  urtheilt.  Urtbeil :  Der  zuchtiger 
soll  sie  fuhren  blB  ane  geverdte  8  schrit  vom  gericht,  das  nit  rwetmr 
disnnto  an  disem  seinem  gericht  kein  einfall  geschehe. 

Stattschopff  bit  weitter  mit  recht  darnach  au  fragen,  wie  man  weitter 
mit  denn  armen  gebehren  soll.  Ursprüngen  urtheilt :  Dieweil  der 
cleger  uff  die  armen  clagt  und  beschuldigt  sie,  diefi  that  getban  zu  haben, 
so  soll  er  zwcn  finger  auff  sein  schedel  legen  und  einen  aydt  schweren, 
das  er  sie  diefi  that  ire  getbann  Jiabe  (sie). 

Jetzt  bitten  die  armen  auch  umb  ein  wortredtner,  mags  aber 
■auch  underlassen. 

Stattschopff  bit  noch  femer  in  recht  luerfragen,  wie  man  nun  mehr 
mit  denn  armen  gebehren  soll.  Ursprüngen  urtheilt.  Urtbeil:  Er 
stehe  alda  wie  ver&chter  aller  rechten,  dsrumb  verurtheilt  man  in 
heutzutag  vom  leben  zum  todt. 


1)  Der  Pranger  stand,    wenigstens   seit   Errichtung   des  Amthausea, 
«uf  dem  Platze  vor  dem  einen  Winkel  bildenden  Amthauso. 


Das  ehemalige  Amt  Lichtenberg  Tor  der  Rhön.  246 

Stattsehopff  bit  weitter  in  recht  luerfragen,  wie  man  mit  denn 
armen  gebehren  toli,  daa  man  sie  mög  bringen  vom  leben  mm  todt* 
Kiedernelsbaeh,  nrtheil :  Sie  weiften  die  f r a u e n  in  einer  oflfent- 
iiehen  Wittiben,  die  k in  der  za  wissentlichen  waiBen,  nnd  die  lehen, 
«o  er  deren  hat,  dem  lehenherm,  dem  sie  geboeren. 

Stattsehopff  bit  weitter  in  recht  auerfragen,  wie  man  nun  fernner 
mit  dem  armen  gebehren  soll,  das  er  mag  gebracht  werden  vom  leben 
:sam  todt 

Urgicht. 

Stattsehopff  bit  hieraoff,  dieweil  die  armen  solche  miBhandlang  be- 
■gangen,  wie  nun  mit  inen  zngebehren,  das  sie  Tom  leben  som  todt  ge- 
bracht werden  mochten.  Häuften  nrtheilt:  Die  thetter,  so  beclagt  seyen, 
haben  die  heiligen  sehen  gebot  gottes,  auch  defi  heiligen  römischen  reich» 
anfgerichten,  auftgekundten«  wolgegrundten  landfridten  und  die  angebornne 
christliche  lieb  und  treu  hoch  gebrochen. 

Stattsehopff  bit  fernner.    wie   man    mit   denn    armen  gebehren  soll, 
•das  sie  vom  leben  zum  todt  gebracht  werden. 
Hanp  turtheil. 

Stattschdpff  bit  fernner  mit  recht  zuerfragen,  wie  weitter  mit  denn 
■armen  lugebehren.  N ort  heim  urtheilt:  Der  landtknecht  soll  vor  denn 
armen  hergehen,  inen  den  weeg  weiften  bift  hin  auf  die  maistat,  das  sie 
-die  martter  leiden  sollen. 

Richter  fragt  den  stattschopffen,  wie  mit  denn  armen  zu- 
4;ebehren,  das  sie  vom  leben  zum  todt  gericht  werden.  Suttschopff  ur- 
teilt: Mann  befeiet  gott  nnd  seinem  himlischen  beer  die  seel,  denn 
-vögeln  in  der  Infft  das  fleisch  und  den  fischen  im  wasser  das  gebein*<.  — 

Die  Kosten  einer  Hinrichtung  wurden  Ursprung* 
lieh  von  der  ganzen  Cent  getragen.  1575  hatte  man  sich 
-aber  ,,vot  Jahren''  schon  yerglichen,  dafs  sie  entweder  vom 
^ürzburgischen  oder  vom  sächsischen  Teile  allein  getragen 
iTirerden  sollten,  je  nachdem  der  Gerichtete  dem  einen  oder 
-dem  andern  Teile  angehört  hatte. 

Das  Hochgericht  stand  am  Wege  nach  Hausen  oberhalb 
•des  jetzigen  Etimmethschen  Kellers.  „Die  Qalgen  und  andere 
gemaine  Gericht  werden  uff  der  Zenthyerwanthen  Uncosten, 
80  sie  sambtlich  und  zugleich  bezahlen,  uffgericht.  Darzue 
muessen  alle  Zimmerleuth,  Muller  und  Leineweber  in  der 
^nth  helffen;  auch  muessen  alle  Schmidt  in  der  Zenth 
•die  Ketten  und  ander  darzue  gehörige  Ding  machen  und 
«chmitten.'' 


246  ^*^  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rhön. 

Im  Jahre  1556  wurde  ein  neuer  Galgen  aufgerichtet» 
Die  Bäohßischen  Ortschaften  weigerten  sich,  dazu  zu  helfen,, 
da  sie  nur  die  4  hohen  Bugen  an  die  Cent  zu  bringen  hätten 
und  deshalb  den  anderen  Orten  nicht  gleichzustellen  wären;.. 
y,aber  Philipß  Diett  der  Ambtman  hat  sie  deß  gewiesen,  wie 
sie  dan  darauff  am  27.  Fehruarij  berurtes  Jahrs  Holtz  zu 
TJffbauung  desselben  Galgens  geführt'^  Allen  bei  der  Auf- 
richtung desselben  Beteiligten  wurde  auf  Kosten  der  Cent 
eine  „Verehrung"  gegeben. 

Im  Jahre  1590,  als  sich  wieder  ein  neuer  Galgen  nötigp^ 
machte,  liefs  der  Centherr,  Bischof  Julius,  anfragen,  ob  ea 
sich  nicht  empfehle,  ein  steinernes  Hochgericht  zu  bauen» 
Darauf  antwortete  der  Amtmann:  „Wann  nun,  wie  £.  F.  G» 
melden,  ein  steinernes  aufgericht  werden  solte,  halten  wir 
für  unser  einfalt  darfur,  solches  nicht  viel  mehr  muhe  oder 
uncostens  dann  ein  hulzenes  brauchen  oder  costen  wurdte» 
XJnd  hat  gleichwol  diso  gelegenheit,  das  es  heuer  Samfelt 
umb  das  Hochgericht  hat,  und  vor  kunfftiger  £rndten  merck- 
lichen  schaden  nit  wol  etwas  daran  zu  bauen  ist''  etc.  Dem- 
nach besohlofs  die  Regierung  die  Errichtung  eines  steinernoD 
Galgens,  und  zwar  nach  folgender  Vorschrift :  „Erstlichen  mit 
dreyeu  seulen  yon  Quaterstucken  und  Rauensteinen  unden 
von  der  erden  an  in  die  yierung  20  schuech  hoch,  biß  in 
die  Helfft  4  werckschuech  dick,  dann  oben  hinauß  8  schuech 
dick,  und  sollen  solche  seulen  iede  yon  der  andern  6  schuech 
weit  gesetzt  werden  in  der  Holn  (im  Lichten),  und  daa 
Meuerlein  herumb  soll  5  schuech  hoch  und  2  schuech  dick 
sein,  und  ein  gehauen  thurlein  3  schuech  weit  und  5  schuch 
hoch''.  Es  betrug  „der  Steinmetzer  Lohn  yom  Mauerwerck 
alle  in  der  Zenth  75  fl.,  .  .  (?)  fl.  der  Steinbrecherion,. 
Jedem  ein  tag  ein  ortsgulden"  (^/^  fl.).  „Zu  diesem  ist  er- 
fordert worden  36  Steinmetzen  auß  allen  Zentpflichtigen 
Dorffern,  desgleichen  20  Zimmeimenner."  Bei  der  Aufrich- 
tung war  mit  den  übrigen  Schultheifsen  der  Cent  auch  der 
von  Fladungen  anwesend,  „gibt  aber  für,  er  sambt  seine 
Burger  seindt  zu  disem  Werck  nichts  zuthun  schuldig". 


Das  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rhön.  247 

d)  Streit-  und  Gentfälle. 

Da  Centprotokolle  nicht  mehr  vorhanden  sind,  ist  über 
Centfälle  nur  wenig  zu  berichten. 

1582:  Kaspar  Kapp,  ein  Edelmann  zu  Sondheim,  erschofs 
Ton  seinem  Fenster  aus  den  Christoph  Glesheim  mit  einem 
Feuerrohr  um  einer  nichtswerten  Ursache  willen.  Der  Fla- 
4unger  Amtmann  Otto  Wilh.  v.  Gebsattel  wollte  gegen  den 
Mörder  einschreiten,  allein  dieser  pochte  auf  die  (von  der 
«Cent  allerdings  bestrittene)  Gentfreiheit  der  seinem  Schwie- 
gerrater,  dem  gleichfalls  edlen  Wilh.  Vasant,  gehörigen  Kem- 
nate  (S.  229)  wie  auch  auf  seine  Reichsfreiheit,  und  Veit 
von  Heldritt,  der  lichtenb.  Amtmann,  schützte  ihn  darin, 
-einmal  weil  sie  gute  Freunde  sein  mochten  —  seine  Frau 
^atte  erst  im  vergangenen  Jahre  ein  Kind  Kaspar  Bapps  aus 
der  Taufe  gehoben  —  dann  aber  auch  werl  es  die  verhafste 
fremde  Gerichtsbarkeit  galt  •  Rapp  verliefs  nach  seines  Schwie- 
gervaters Tode  (1588)  das  der  Hen*schaft  heimgefallene  Gut 
und  zog  auf  das  seiner  Frau  zugefallene  fuld.  Lehngut  zu 
Hansen. 

1610:  „27  Sbris  decoUatus  et  exusttis  est  Fladungce 
Joannes  Schmid  Stmdheimensis,  qm  clependo  et  harpa- 
gando  furum  pila.  .  •  sese  exhibuit  egregie*^  (Sondh. 
Krchbch.).  Über  diesen  Fall  ist  ein  starkes  Aktenbündel 
noch  vorhanden  (Wb).  Hans  Schmidt  war  trotz  seiner 
Jagend  von  1601  bis  1610  schon  fünfmal  wegen  Diebereien 
bestraft.  In  Henneberg  hatte  er  gestohlen,  in  Helmershausen 
,,ein  Fohlen  entritten",  anderwärts  Ketten  und  dergl.  „ent- 
frömbtef.  Zuletzt  hatte  er  Drfehde  schwören  müssen,  war 
bei  Sohweinfurt  in  Dienst  getreten,  aber  doch  wiederge- 
kommen. Neuer  Diebstähle  wegen  wieder  in  TJotersuohung 
gekommen,  gestand  er  unter  der  Folter,  dafs  der  Teufel  leib- 
haftig ihn  zu  aller  Sünde  verführt  habe,  das  eine  Mal  in 
Gestalt  einer  „Jumpfer**,  dann  wieder  in  anderer.  Er  wurde 
nun  verurteilt,  aber  nicht  als  Dieb  zum  Galgen,  sondern 
wegen  seines  Umgangs  mit  dem  Teufel  zum  Feuertode.  Am 
29.  Oktober   berichtet   der   Amtmann  Otto  Heinrich  v.  Geh- 


248  ^<^  ehemalige  Amt  Lichtenberg  ror  der  BhSn. 

Battel:  „Den  27.  nechBtyerwiohen  hujus  ist  der  alhie  ge- 
weßene  verhaffte  Hans  Schmidt  Ton  Sontheim  peinl.  Gericht!, 
yerorteilter  massen  erstlich  mit  dem  Schwert  (auß  E.  F.  6» 
sonderbahren  genadt)  vom  Leben  Bum  Thot  gebracht  unod 
alß  dan  mit  dem  feuer  yerbrandt  worden.  Dieweil  aber  anch  sein 
Yatter  und  Mutter*'  in  Üblem  Geruch,  namentlich  in  dem  der 
Hexerei  stehen,  so  wird  man  auch  gegen  diese  vorgehen 
mÜBsen.  „Dan  in  Neuliohkeit  ein  weih  zu  Sontheim  an 
Händen  und  fußen  erlamet,  deßen  wegen  Niemandt  änderst 
alß  ermelts  Schmiden  Mutter  in  Verdacht  gehabt"  etc.  und 
so  hat  sich  ohne  Zweifel  an  diesen  Fall  noch  ein  schöner 
Hexenprozefs  angesponnen  —  nur  fragt  es  sich,  ob  den  das 
Amt  Lichtenberg  sich  hat  nehmen  lassen. 

Was  die  Strittigkeiten  zwischen  den  Ämtern 
Lichtenberg  und  Fladungen  bez.  den  beiderseitigen  Herr- 
schaften der  Oent  wegen  betrifft,  so  war  denselben  durch 
den  Trappstädter  Vertrag  von  1699  durchaus  noch  nicht  ein 
Ende  gemacht.  Es  war  darin  als  herkömmlich  festgesetzt 
worden,  dafs  die  sächsischen  Dörfer  aufser  den  4  hohen 
Bügen  alles,  „was  Leib  und  Leben,  Halß  oder  Handt  und 
mit  dem  Nachrichter  zu  straffen  betreffen  thut,  auch  über 
dieses  Wunden  und  Stich,  so  bindbahr,  hefftbar,  beinschrödig^ 
oder  sonsten  Glieds  tief  oder  lang"  an  die  Oent  zu  bringen 
hätten;  doch  war  das  noch  nicht  genau  genug,  dafs  die  Oent 
ihre  Ansprüche  nicht  hätte  immer  weiter  auszudehnen  ver* 
suchen  sollen«  Hat  der  lichtenb.  Amtmann  Heher  in  seinen 
„ÄddiiionaleS^^  (1678)  zur  Amtsbeschreibung  von  1643  schon 
viel  über  Streitigkeiten  mit  Mellrichstadt  zu  klagen,  so  noch 
viel  mehr  über  solche  mit  Fladungen  —  „da  fanget  sich  erst 
der  cutnulus  deren  strittigkeithen   an"  ^).     Die  von  ihm  an* 


1)  ,4*  Wegen  Stellung  derer  dglinquentcn  an  das  cent- 
gericbt,  welches  man  in  geringen  fillen  ihnen  disorths  n§giHt  ^^ 
der  centh  die  gewöhnliche  geldbns  nur  an  schicken  gemeiner,  welches  sie 
aber  anzunehmen  recunreitf  das  also  disorths  kein  deünquent  iistvi,  ien- 
seits  kein  straf  angenonmien  wirdt. 

2.  Wollen  sie  alle  feldverlnst  gerfigt  wisenf  disorths  sagt  i 


Dms  ehemalige  Amt  Lichtenberg  ror  der  Rhön.  249^ 

gegebenen  und  andere  Streitfragen  wurden  durch  die  Ver- 
träge von  Meiningen  (1678)  und  Neustadt  (1686)  erledigt, 
und  zwar  in  einer  Weise,  die  wieder  an  die  Bemerkung  Erd- 
maons  8.  206  erinnert 

Der  Meininger  Vertrag  (§  10)  bestimmte:  ,,DaB 
fährohin  obigen  Trappstattischen  Vertrag  gemeß  alle  darein  be- 
nahmbte  fälle  (darunter  die  f e  1  d  t  Ru  g  e n ,  wie  gering  sie  auch 
sein,  nichts  ausgeschlossen)  ordentlich,  die  ereignete  brändt  aber 
ohne  Zeit  Verliehrung  so  balden  geruget  und  bey  der  Oenth. 
angezeigt,  all  wo  dann  allo  und  iede  obige  Ca8t$8  unter- 
suchet und  gerechtfertiget  werden,  zu  dem  ende  die  interes-' 
sirte  und  ddinquenten  uf  iederweilige  Citatian  ohne 
einmischung  und  Vorerkentnus  der  Voytey 
(Liehtenberg)  sich  stellen,  wie  auch  in  allen  fürkommenden 
bludigen  Schlägerejen  und  befundenen  toden  Cörpem  (es 
seje  dann  von  eines  oder  andern  offenbahrer  Natürlicher 
ableibung,  männiglich  Eundt  und  wißend)  die  besichtiguog 
der  Centh  Fladungen,  iedoch  in  beysein  des  iederweiligen 
orths  Schulthesen  zustehen;  darbey  es  doch  diese  Meinung 
hat,  das  gleichwohl  die  Mortt-  und  yorsetzliche  bränd  allein 
bey  der  Centh  abgestrafft;  die  übrige  ungefehrde  disual- 
brünste  aber  nur,  doch  zeitlichen,  geruget  werden  sollen'', 
„wie  dann  gleichfalls  (§  12)  .  .  .  gleich  allen  übrigen  centhbaren 


aber,  das  dergleichen  denen  flahrschütsen  und  dorflfheimbürgen  sa  judi- 
eirtn  znstfinde.  Man  überweiset  uns  aber  mit  yihlen  oetiAuif  das  vordefien 
a«eh  dergleichen  feldt  diebere/en  an  das  centhgericht  ger&get  worden. 
8.  Wollen  sie  in  crminibui  und  andern  ddiet,  die  inqit.  and 
cognition€m  eautae  haben,  disorths  aber  fugirt  man  ein  solches, 
mit  yermelten,  das  es  wider  den  klasren  buchstaben  des  Trappst  Vertrags, 
welcher  vermsg  das  dahin  gerfigt  solte  werden,  was  mit  dem  nschrichter 
xa  bestraffen,  dann  die  beschriebene  wanden ;  nan  könte  ein  solches  nicht 
geschehen,  et  were  dann  das  factum  klar  and  der  thiter  aberwiesen; 
daraoff  hette  die  centh  nar  blos  die  exeoutüm  der  straf. 

(4.  a.  5.  betreffen  Oberwaldbehrongen,  Frsnkenheim  and  Birz  [s.  a.].) 
6.   Wollen   sie   die   hiesige  oentpflichtige   anterhanen    dshingehalten 
wifien,    das   sie   den   male/izthurm   mit   baaen    helfen    sollen,    welches 
man  iedoch  disorths  nicht  schaldig." 


250  ^'^  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rhön. 

Unterthanen  die  Säohsisohe  zur  repctrtiüon  deß  Genth- 
thurms  zu  Fladungen  mit  beyzatragen  sohaldig*'. 

§  5  des  NeuBtädter  Vertrags  bestimmt,  daß  zu  dem 
y^alles«  was  durch  den  Nachrichter  am  Leib  und  Leben  ab- 
gestraft wird'',  alle  Ehebrüche,  einfache  wie  doppelte, 
und  die  zu  Trappstadt  näher  bezeichneten  „Blutrüsten'' 
gehören  und  nach  Befinden  „mit  lebens,  leibs,  Relegations 
oder  geldstraffe'^  an  der  Oent  abzustrafen  sind,  während 
dem  Amte  Lichtenberg  nur  die  Verbalinjurien ,  simpUces 
fomicationes,  die  noch  nicht  centbaren  Blutrüsten  und  Schlä- 
gereien, die  Feldrügen  und  die  Diebstähle  in  furto  primo 
(solange  es  sich  bei  einem  solchen,  ob  auf  ein  oder  mehrere 
Male  geschehen,  nicht  um  mehr  als  5  jä.  frk.  handle,  was 
in  jedem  Falle  durch  den  Ortsoentsohöffen  unter  Zuziehung 
des  nächsten  würzburgischen  pfiichtgemäTs  abzuschätzen  sei) 
zustehen  sollen.  Bezüglich  der  „Verschwiegenen  Kuge'' 
beliebte  es  Würzburg  „aus  Nachbarschaffc"  nachzulassen,  dafs 
im  Falle  einer  solchen  nicht  eine  ganze  Gemeinde,  sondern 
nur  diejenigen,  die  darum  gewufst,  gestraft  werden  sollten, 
Torausgesetzt,  dafs  nicht  der  Sohultheifs  oder  der  Centschöffe 
sich  des  Verschweigens  schuldig  gemacht  hätte.  Alle  Ver- 
wundungen seien  bezüglich  ihrer  zur  Centbarkeit  erfor- 
derlichen Länge  und  Tiefe  durch  den  Centgrafen  unter  Zu- 
ziehung des  Ortsschultheifsen,  -Schöffen  und  -Baders  und 
eines  würzburgischen  Schöffen  pjäichtgemäfs  und  jäeifsig  zu 
besichtigen  und  nach  Befinden  entweder  der  Cent,  oder  dem 
Amte  Lichtenberg  zuzuweisen.  Werde  ein  Verbrecher  oder 
verfallenes  Strafgeld  trotz  der  Mahnung  durch  den  Cent- 
büttel nicht  rechtzeitig  eingeliefert,  so  habe  die  Cent  dies  dem 
Amte  „blüslich  zu  notificiren*^;  sei  nach  4  Wochen  noch 
nichts  erfolgt,  so  habe  der  Centgraf  das  Recht  in  loco  ipso 
einzufallen  und  freie  Hand  zur  Exekution  ;  handle  es  sich 
aber  um  einen  Kapitalverbrecher,  so  könne  der  Centgraf  „db 
morce  periculum  et  fugte  swsptcionßm"  ohne  weiteres  einfallen. 

Auch  die  Streitfragen  wegen  der  tannischen  Orte  0  b  e  r- 
waldbehrungen,    Frankenheim    und    Birz,    deren 


Du  ehamalig«  Amt  Licbtanborg  Tor  der  fibSn.  251 

Beohte  als  sächsischer  (arsprünglich  heaneb.)  Lehen  der 
lichtenb.  AmtmaDn  der  Cent  gegenüber  mit  su  yertreten  hatte, 
iFurdes  durch  jene  Verträge  entschieden. 

Hinsichtlich  Oberwald  behrungens  klagt  Heber 
1673:  ,,4.,  Batione  Walberingen,  welches  Säx.  Lehn,  wollen 
sie  alles  rugbahr  haben,  da  sie  iedoch  nichts  als  die  4  Haupt- 
ragen zu  rügen  hergebraoht'^  Hierzu  brachte  der  Meininger 
Vertrag:  ,,8o  bleibet  das  Dorff  Ober  Walbehringen  neben  denen 
Tier  hohen  fällen  auch  bludrust  und  scheldiwort  an  der  Cent  zu 
rügen  und  zu  yerbüßen  schuldig'';  und  der  zu  Neustadt:  ,,60 
sollte  nicht  weniger  6.,  Ambt  Liditenberg  denen  Oberwald- 
behrungern  in  Verweigerung  ihrer  Oentschuldigkeit  keine 
Assistenz  thun  oder  sich  in  selbige  unter  einigen  Preeiext 
ferner  immisciren". 

Heher  klagt  weiter:  „5.,  Wegen  Birx  und  Francken- 
heimb  wil  man  die  Uutertiianen  zu  würcklicher  Ablegung 
der  Centbpflicht  anhalten,  da  sie  yordeßen  doch  nur  blos  an 
'Oeriohtstab  angelobet''.  Im  Meininger  Vertrage  heilst  es  hier- 
zu: ,^um  22.,  sollen  beede  Thännische  Dorffschafften  Birx 
und  Franckenheimb  yon  dem  hochfürstl.  Hause  Sachsen  nicht 
ferner  yon  der  würcklicben  Centpflicht  abgehalten,  sondern 
fürs  Eünfftig  dem  in  Anno  1589  zwischen  dem  Hochsti£ft 
Würtzburg,  dann  Martin  und  HanA  Melchior  gebräderen  yon 
der  Thann  ufgerichten  Becess  gemeß  die  bey  der  Centh 
Pladungen  herkomliche  Pjäicht  mit  erhobenen  Finger  ablegen 
laßen,  da  zumahlen  man  sich  yon  seiten  Würtzburg  einen 
beglaubten  Extract,  daß  sothane  Centhpjäicht  yon  wegen  Bi- 
schoffen Philipp  Adolphen  gleichfals  yon  bedeuten  Unterthanen 
•eingenommen  worden,  ex  super fluo  einzuschicken  sich  er- 
botten  hat". 

Endlich  suchten  beide. Centen  Mellrichstadt  und  Fladun- 
gen  dem  Amte  Lichtenberg  die  schon  1484  durch  Papst  In- 
nocenz  VIIL  sankti4>nierten ,  aber  besonders  im  17.  Jahr- 
hundert in  Aufnahme  gekommenen  Hexenprozesse 
etreitig  zu  machen,  obgleich  Würzburg  keine  Bestimmung 
•^ines  der  Weistümer  für  sich  anführen  konnte.     Heher  klagt 

ivn.  17 


252  ^'^  ehemalig«  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rhön. 

namentlich  über  IfellriohBtadty  „das  es  die  Centgerechtigkeith 
491  puncto  V&neficii  exerciren  wil,  welches  Crimen  iedoch 
in  denen  4  Spedebus  nicht  benahmet,  deswegen  dann  Volu^ 
mina  Äctarum  gegeneinander  geweselt  worden.  Interim  ist 
man  disorths  in  der  possessiony  dan  in  w&rcklicher  execution^ 
in  Verbrennung,  anch  Yerweisung  derer  Hexen  Ye^blieben'^ 
Diese  Frage  wird  in  keinem  der  oben  erwähnten  Verträge 
berührt;  das  Amt  behielt  also  die  Hezenprozesse,  deren  Zeit 
übrigens  nun  bald  za  Ende  war.  Akten  darüber  sind  leider 
nicht  mehr  vorhanden. 

Einige  Fälle  ans  Ostheim  yom  Jahre  1685,  welche  zeigen^ 
wie  auch  unter  den  Schrecken  der  KroateneinföUe,  der  Hun- 
gersnot und  Pest  der  Aberglaube  sein  Kecht  behauptete*: 
y^Anna  Brolzin,  so  ^/^  Jahr  wegen  beschuldigter  Zauberey 
gefangen  gesessen,  ist  in  dem  Gefängnis  auf  der  Neuenthor- 
stube gestorben  und  wurde  ohne  alle  Ceremonien  begraben.^* 
Femer  verstarb  „de0  alten  Hansen  Oeo  Biers  fraw,  und  weilen 
sie  lange  Zeit  der  Hexerey  beschultigt  gewesen,  auch  vor 
deßen  auf  sie  von  andern  bekant  worden,  welches  noch  ciso 
unerördert  bey  der  hohen  Obrigkeit  gestanden,  ist  sie  ohne 
Ceremonien  ald  ein  puiidum  membrum  Ecdesice  unten  auf 
den  Gottes  Acker,  do  dergleichen  unbuBfertige  Persohnen 
liegen*'  (z.  B.  seit  8  Jahren  Martin  Stirner  und  seine  Frau 
[S.  222])  „begraben  worden.  Ist  sie  unschultig  gewesen^ 
wolen  so  wird  ihr  diese  zeitliche  Schmach,  so  fern  sie  sich 
an  den  Hn.  Chr.  mit  glauben  gehalten,  an  ihrer  Seeligkeit 
nichts  schaden:  Ist  sie  aber  schultig  gewesen,  so  wird  sie 
nunmehro  albereit  ihren  gerechten  Lohn  empfangen.  Der 
liebe  Gott  behüte  un0  für  solchen  exempel''.  So  schreibt  ins 
Osth.  Kirchenbuch  der  Kirchner  und  Knabenlehrer  Strahm^ 
später  Pfarrer  in  Helmershausen. 

Die  Mellrichstädter  Gentakten  enthalten  (nach  Müller) 
noch  folgende  Notizen:  Ende  Juni  1668^  wurde  die  Frau  des 
Weiisgerbers  Hans  Klee  zu  Ostheim  vom  Amte  Lichtenberg 
Hexerei  wegen  eingezogen  und  zum  Feuertode  verurteilt,  im 
September  die  „schwarze  Eatarine^,   und  im  März  1664  Su*^ 


-Das  •hemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  RbSo.  253> 

sänne,  des  Schasters  Hans  Yöhler  (E&hler)  in  Ostheim  Haus- 
frau. Das  sind  von  vielen  nur  einige  Fälle,  deren  Kenntnis 
wir  nur  der  Eifersucht  und  Mifsgunst  der  Mellrichstädter 
Gentbeamten  verdanken. 

Die  Stätte  der  Hexen  Verbrennungen  für  das  Vordergericht 
war  unterhalb  der  Liohtenburg  auf  dem  j^Oestrüpp''  bei  der 
grofsen  Linde,  die  erst  1818  ausgegraben  worden  ist. 


Sehr  lästig  für  die  Vordergerichtsorte  war  die  Huldi* 
g  u  n  g  s  p  f  1  i  c  h  t  y  die  sie  aufser  ihrem  LandeBherm  auch 
dem  Fürstbischof  von  Würzburg  als  ihrem  Gerichtsherm  zu 
leisten  hatten,  sobald  derselbe  nach  seiner  Inthronisation  in 
die  Gegend  kam,  und  gegen  die  schon  1482  Fürstabt  Johann 
von  Fulda  als  Pfandherr  des  Amtes  vergeblich  protestiert 
hatte  (XYI,  299  f.).  Nur  Ostheim,  obgleich  die  dortigen 
„Centverwandten"  regelmäfsig  nach  dem  jedesmaligen  Huldi- 
gungsorte (z.  B.  1.  Juni  1674  nach  Mellrichstadt,  28.  August 
1687  nach  Neustadt,  1725,  und  den  14.  Juni  1748  nach 
Königshofen  etc.)  geladen  wurden  mit  der  Yerpfliohtung,  sich 
daran  y,Ton  nichts  als  durch  Gottes  Gewalt"  hindern  zu 
lassen,  fügte  sich  nicht;  es  schickte  jedesmal  2  seiner  6 
Bürgermeister  nach  Mellrichstadt  an  die  Cent,  gegen  solche 
Zumutung  zu  protestieren,  bis  endlich  die  Ladungen  aus- 
blieben. 

Die  Huldigungspflicht  der  Yordergeriohtsorte  war  im 
Trappstädter  Vertrage  fixiert  worden.  Darnach  mufsten  alle 
centpflichtigen  Nachbarn  (auch  die  Witwen)  „Erstlich  mit 
Handgebenden  Treuen,  dann  mit  uffgehobenen  Fingern'^ 
schwören: 

„Das  ich  dem  Hoch  würdigen  Fürsten  und  Herrn,  Herrn 
Julio,  Bi8cho£fen  zu  Würtzburg  und  Hertzogen  zu  Francken, 
auch  dem  Ehrwürdigen  Herrn  Deckant  und  Capitel  zum 
Thum  zu  Würtzburg  und  ihren  Nachkommen,  meinen  gnä- 
digen Herrn,  von  Ihrer  und  Ihrer  Gn.  Stiffts  erblichen  ge- 
rechtigkeit  wegen,  und  der  Cent  Fladungen  halben,  wie  Ihrer 

17* 


254  ^'^  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rh5o. 

On.  und  derer  Vorfahren  hergebracht  in  Übung  und  gebrauch 
gehabty  gewertig  und  gehorsam  seyn  boU  und  will,  also  uf 
Ihrer  Gn.  und  Stiffts  erblicher  garechtigkeiten,  wie  oben  ge- 
meld|  eine  rechte  Huldigung  thun,  Ihren  und  deBelben  Stiffts 
schaden  bewahren  und  frommen  getreulich  werben,  auch  Ihrer 
ffirstl.  On.  gewalt  und  Recht  helffen  handhaben  und  hegen, 
als  mir  Gott  helfe  und  sein  heiliges  Eyangelium''. 

Der  Neustädter  Vertrag  bestimmte  noch,  dafs,  wenn  das 
Amt  Fladungen  nebst  den  centpflichtigen  sächsischen  Orten 
zur  Huldigung  citiert  w&rde,  „als  denn  yon  dem  Würtsburg. 
Beambten  denen  Lichtenbergpischen  eine  unverföngliche  freündL 
Commtmieaüon  davon  wiederfahren  möge." 

Über  die  Huldigung  von  1748  schreibt  der  Sondheimer 
Schultheifs  Martin  Beichart: 

„D.  11.  Juni  1748  ist  die  Cent  Hultigung  in  Neüstatt 
gehalten  worden ;  hab  ich  die  Specification  über  die  Nachbar 
müsen  zu  Fladungen  eingeben.  Wer  alt  und  schwach  ist 
gewesen,  und  die  alte  Witt  Weiber  haben  wir  mit  einander 
zu  HauB  gelasen,  und  12  Mann  hab  ich  zur  wach  zu  hauß 
gelasen;  ist  in  der  Neüstatt  kein  Nachfrag  gehalten  worden, 
sondern  die  Sbächsischen  Dorffschafften  haben  musen  Handt 
GelöpniB  thun  dem  Fürsten  und  den  beyten  2  tom  Herrn, 
und  dann  darauf  geschwom." 


Nachdem  durch  Reichsdeputationshauptschlufs  yom  25.  Fe- 
bruar 1808  der  weltlichen  Herrschaft  auch  des  Bischofs  von 
Würzburg  als  Herzogs  von  Franken  ein  Ende  gemacht  wor- 
den war,  wurde  am  24.  Mai  des  genannten  Jahres  die  letzte 
Gentsitzung  in  Mellrichstadt  gehalten.  Die  Gerichtsbarkeit 
ging  nun  auf  Ferdinand  von  Toskana,  den  neuen  „Kurfürsten^', 
später  „Grofsherzog''  von  Würzburg  über  ^).  Infolge  des  Bhein- 


1)  Qrofflhersog  Ferdinand  hesuchte  mit  der  Fflrstin  von  Thnrn  und 
.Taxis  am  8.  Okt.  1810  die  Liehtenhnrg;  sie  bestiegen  auch  den  grofoen 
Torrn. 


Das  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rhön.  255 

bondes  fiel  endlich  1810  die  würzbar gi  sehe  Oerichtsbarkeit 
über  das  Yordergericbt  gans  weg. 

Ein  Urteil  aus  jener  Zeit  über  die  Aufhebung  der  frem- 
den Oeriohtsbarkeity  in  dem  y,Neujahrszettel''  des  Osth.  Kirch- 
ners Stampf  für  1811:  ,,AIb  ein  neues  Ereigniß  im  hiesigen 
Amt  ist  cu  bemerken,  daß  in  dem  laufenden  Jahr  die  ehe- 
mals nach  Würsburg  gehörige  Gent-  oder  peinliehe  Oerichts- 
barkeit zu  Ostheim,  Sondheim,  ürspringen,  Stetten  und  Mel- 
pers  unter  dem  Schutz  der  Bheinbunds-Akte  von  gnädigster 
Landes-Herrsohaft  eingezogen  worden  ist,  und  nun  solche 
von  dießeitiger  Obrigkeit  ausgeübet  wird,  wie  schon  mehrere 
FSlle  vorgekommen  sind.  Hierdurch  sind  theils  den  Unter- 
thanen  wesentliche  Yortheile  zugewachsen,  theils  werden 
auch  viele  zwischen  den  beyderseitigen  benachbarten  Amts- 
Behörden  über  der  Centausübung  entstandene  Mishelligkeitea 
unterbleiben,  und  daraus  ein  besseres  Einverständniß  ent- 
stehen, das  manche  erspriesliche  Folgen  für  die  Oewerbs^ 
leute  und  für  Handel  und  Wandel  im  Allgemeinen  haben 
kann/' 

Noch  heute  hört  man  in  Ostheim  beim  BekanntwerdcD 
einer  Übertretung:  Das  ist  ja  ein  Gentfall!  — 

Nachdem  1816  das  Hintergericht  vom  Amte  Lichtenbergs 
abgetrennt  und  zum  „Justizamt  Kaltennordheim"  geschlagen,, 
das  Yordergericbt  aber  zum  „Justizamt  Ostheim''  geworden 
war,  gab  es  fortan  kein  Amt  Lichtenberg  mehr,  und  wir 
hätten  nichts  mehr  über  die  EechtspfLege  in  demselben  zu 
berichten,  wenn  nicht  ein  bald  darauf  im  ehemaligen  Yorder- 
gerichte  vorgekommener  Fall,  der  zweite  (abgesehen  von 
HexenverbrennuDgen)  und  letzte,  da£B  in  Ostheim  peinlichea 
Halsgericht  gehalten  worden  ist,  Erwähnung  verdiente. 

Am  17.  Juni  1817  hatte  der  katholische,  mit  einer  Ost- 
heimerin  verheiratete  Schuhmacher  Stephan  Bessemer  yon 
Huttberg  in  der  Nähe  von  Schmerbach  den  Wilmarser  Judea 
Manes  Sternberger  mit  einem  in  das  Taschentuch  geknüpftea 
Steine  erschlagen  und  ihm  seine  Trödelwaren  abgenommen» 
Da    er    schon    einiger,    besonders   in   Sondheim    begangener 


256  ^^^^  ebomalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  RbdD. 

Diebstähle  yercläohtig  war,  kam  er  zuerst  in  Ostheim,  daoQ 
10  üntermafsfeld ,  seinem  suständigen  Gerichte,  in  Unter- 
suchungshaft. Nachdem  er  dort  sein  Verbrechen  gleich  ge- 
standen, wurde  er  tags  darauf  auf  seinen  Wunsch  nach  Ost- 
heim zurückgebracht,  wo  er  zur  Enthauptung  und  Flechten 
des  Körpers  aufs  Bad  verurteilt  wurde.  Die  Hinrichtung 
fand  erst  am  18.  Juli  1818  statt  Tags  vorher  war  ein 
Detachement  berittener  Gendarmen  eingerückt;  am  Tage  der 
Hinrichtung  früh  8  Uhr  trafen  die  auswärtigen  Kompagnien 
des  Landsturmbataillons  ein,  welchen  sich  die  Ostheimer  an« 
achlofs.  Um  9  Uhr,  nachdem  eine  ungeheuere  Menschen- 
menge sich  auf  dem  Markte  und  in  den  Häusern  versammelt 
hatte,  nahm  Justieamtmann  Ortmann  als  Oentrichter  mit  den 
Aktuaren  Limpert  und  Schambach  und  3  Ostheimer  Bürgern 
«Is  Schöffen  an  einer  schwarzbehangenen  Tafel  vor  dem  Bat- 
hause  Platz.  Nach  feierlicher  Eröffnung  des  Gerichts  legte 
Bessemer  sein  Geständnis  noch  einmal  öffentlich  ab;  das 
Urteil  wurde  verlesen,  der  Stab  über  ihn  gebrochen  und  er 
den  Scharfrichtern  Protzmann  aus  Geisa  und  Schwarz  aus 
Fulda  überliefert  Diese  führten  ihn  durch  das  Fallthor  hin- 
aus nach  dem  Bichtplatze,  welcher  links  von  dem  an  Stirnera 
Mordthat  erinnernden  steinernen  Kreuze  hergerichtet  war. 
Eine  auf  12000  geschätzte  Menschenmenge  umgab  das  Ge- 
richt Pfarrer  Schmidt  aus  Stockheim,  welchem  Superinten- 
dent Genfsler,  obgleich  Bessemer  sich  stets  seine  Besuche 
«usgebeten  und  von  einem  katholischen  Geistlichen  nichts 
hatte  wissen  wollen,  nun  alles  weitere  überlassen  hatte,  betete 
auf  dem  Schaffet  mit  ihm  und  sprach,  während  Bessemer 
niederkniete,  den  Segen  über  ihn.  Dann  wurde  ihm  Hals 
und  Brust  entblößt,  er  richtete  noch  einige  ermahnende  Worte 
an  das  Volk,  ein  Knecht  fafste  ihn,  nachdem  er  sich  gesetzt, 
bei  den  Haaren  und  Protzmann  führte  den  Streich.  Der 
Körper  wurde  auf  den  Weihershauk  geschafft  und  auf  ein 
Bad  geflochten,  welches  auf  einem  22  Fufs  hohen  Stamme 
befestigt  wurde.    Dieser  Stamm  ist  erst  1848  entfernt  worden. 


Du  •hemaiig«  Amt  Lfehtenbarg  ror  der  Bhdo.  257 

8.    Die  Cent  Kaltensandhelm« 

Im  Jahre  819  schenkte  Beginolt  Beine  Besitzungen  (die 
im  Verhältnis  zu  seinen  mmensis  peccaUs  nur  geringwertig 
seien)  in  (Kalten-)  Nordheim,  (Kalten-)  Lengsfeld,  Stoekheim, 
Sülzfeld  und  Herpf  im  Qrabfelde,  femer  in  den  Oauen  Folk- 
feld,  Gozfeld  und  Werugau  dem  Kloster  Fulda.  „Fiicta 
lußc  traditio  in  eonuewtu  ptMico  in  uiUa  Sundheim  earam 
comite  et  iudieüms  euü^'  etc.  Hier  wird  Kaltensundheim 
xum  ersten  Male  als  Geriohtsort  genannt 

Die  Gent  bildete  ursprünglich,  auch  politisch,  ein  Ganzes. 
Yermatlich  steht  ihre  frühzeitige  Zweiteilung  mit  der  Er- 
bauung der  Liohtenburg  in  Zusammenhange.  Von  dieser  Tei- 
lung ist  jedoch  erst  1315  urkundlich  die  Rede.  Der  eben 
inthronisierte  Fürstabt  Heinrich  war  mit  Berthold  YII.  von 
Henneberg,  dem  Besitzer  der  Kalten nordheimer  Hälfte,  der 
Cent  wegen  in  Streit  geraten,  welcher  durch  Schiedsmänner 
{auf  fuld.  Seite  Ludewig  v.  Schenckwalt  und  Gyse  von  Wyers 
[Weihers]  „der  do  heyszit  y.  Ebirsperg",  auf  hennebergischer 
Hertnid  y.  dem  Berge  und  Bertolde  Yoyte  y.  Henneberg; 
Mittelsmann  Conrad  y.  Byenbach)  am  Sonntage  nach  Bonifatii 
geschlichtet  wurde.  Es  wurde  festgesetzt,  dafs  an  die  Cent 
in  „Yzem"  (unserm)  Sundheim  die  4  Bugen  (»»mort,  dube, 
notnunfPt,  nachbrant'O»  »falsch  wundin  und  watschar  ^),  waf- 
fin schrey,  heymsuche  und  wegelage^',  „geozuckit  swert  adir 
meszir''  zu  bringen  seien;  widerspräche  der  Bichter  einem 
Urteile  der  Schöffen,  „so  sullin  die  schepphin  daz  recht  holin 
zcu  Bischoffisheym^' ;  die  ünterthanen  des  einen  Fürsten 
brauchten  ohne  ihn  dem  andern  „dekeyne  lantfolge  (zu) 
haldin  adir  thun  uszwennig  dem  gerichte".  Die  Urkunde 
(M;  gedruckt  u.  a.  bei  Schultes)  ist  nur  nach  einer  1464 
vom  Dechant  („Johann  Swallungin'^)  und  Kapitel  des  St  Egidii- 
atifts  zu  Sohmalkalden  beglaubigten  Abschrift  bekannt. 


1)  Wat  mhd.  ^  Gewand,  s.  B.  „Er  sich  in  blnotesröten :  stn  wSt 
was  elliu  DAS**  (Nibel.,  1086);  schar  «b  treonen ,  reiften  |  vgl.  Schere, 
(Pflug-)  Schar.    Schultes  liest  irrtflmlieh  „waltschat««. 


268  ^'^  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rhön. 

Von  1832  bis  1388  waren  beide  Hälften  in  henneber* 
gisoher,  von  1360  bis  1366  in  l'uldaischer  Hand  rereinigt 
(XVI,  279,   302). 

Im  Jahre  1427  am  Jakobitage  wurde  eine  Streitsache 
zwischen  Wtirzburg  und  Henneberg  wegen  ihrer  gemein- 
sohaftlichen  Cent  Ton  den  Schöffen  nach  dem  Herkommea 
entschieden  ^). 

Als  es  1447,  bald  nach  dem  Begierungsantritt  Heinrichs 
des  Unruhigen  in  Kaltennordheim,  wieder  der  Gent  wegen: 
Zwistigkeiten  gab,  stellten  die  Schöffen  das  bis  1600  in  Gel- 
tung gebliebene  W  e  i  s  t  u  m  auf;  doch  wurde  noch  mehrmals, 
da  es  nicht  für  alle  Fälle  ausreichte,  die  Entscheidung  der 
Schöffen  in  Anspruch  genommen.  Auch  die  Beglaubigung 
der  Abschrift  des  Schieds  von  1315  im  Jahre  1454  deutet 
auf  ein  Herrorholen  desselben  in  einer  Streitsache  hin. 

Über  die  Verfassung  der  Gent  giebt  besonders 
das  erhalten  gebliebene  „Gentbuch''  aus  den  Jahren  1566 — 
1583  (Wm)  Auskunft.  —  Der  Gentbezirk  umfaTste  die 
sächsischen  (lichtenb.)  Orte  ESundheim ,  Mittelsdorf^ 
Scbafhaosen,  Gerthausen  und  Wohlmuthansen  (Pfaffenhausen 
war  schon  Wüstung;  Helmershausen  hatte  noch  seine  eigne 
Gent);  die  hennebergischen  (kaltennordh.)  ENordheim^ 
Westheim  mit  der  Wüstung  Lichtenau,  Ober-  und  ünterweid^ 


1)  Vdn  dieser  Entscheidaog  sind  nur  folgende  Befttimmimgen  er- 
halten: 

„Item  des  gericht  zu  KAltensandheim  ist  meinen  hern  halb  and  ge- 
bortt  gein  Northeym,  and  was  hals  and  handt  antriflt,  das  gehört  gein 
Northeim  anden  an  den  thurn  und  die  leitero,  und  nicht  gein  Lichten- 
berg; daran  sol  man  einem  yoigt  zu  Lichtenberg  seinen  antheil  than. 

Were  es  aach,  das  sich  ein  Jagett  machte  von  meines  hren  wegen,, 
die  leute,  die  den  von  gerichts  wegen  jagten,  die  jagen  nicht  femer  dann 
das  gericht  wendet.  Werde  indes  imandt  sohedliehs  begrifienn,  den  solt 
man  auch  gein  Northeym  und  an  den  thurn  antworten  und  daran  einem 
Toigte  zu  Lichtenberg  auch  seinen  anthel  thun ;  geschee  aber  das  nicht 
and  das  mein  her  femer  jagete  mit  seinen  ejgen  leaten  uf  dem  gericht 
und  dann  imandt  begriffen,  den  solte  man  auch  gein  Northeim  thun,  und 
der  Toigt  ?on  Lichtenberg  hette  keinen  teill  daran.*' 


Das  ehemalige  Amt  Lichtenberg  ror  der  RhSn.  25^ 

Erben-  und  BeiohenhauBen,  and  das  ,,Oberamt":  Bettenhausen 
and  Seba^),  und  das  ri tterschaftliohe  Weimarsohmie* 
den,  das  nur  die  4  hoben  Bugen  an  die  Gent  zu  bringen 
hatte,  da  die  ,^unker"  daselbst  die  Yogteilichkeit  hatten. 

An  dieser  Cent  hatte  jede  der  beiden  Oentherrsohaftea 
2a  allen  Gerichtstagen  nicht  nur  ihren  eignen  Amtmann^ 
sondern  auch  ihren  eignen  Centgrafen  und  Centbüttel,  waa 
oft  SU  Streitigkeiten  Veranlassung  wurde.  Der  lichten- 
bergische  Ajntmann  bcTollmächtigte,  schon  wegen  der  fünf'- 
stündigen  Entfernung,  zuweilen  den  Schultheiüsen  yon  KSund» 
heim  zu  seiner  Vertretuog;  Veit  Ton  Heldritt  schickte  wohl 
auch  seinen  Förster  Wolf  (Kempf?  S.  178).  Der  Amtmann 
(Vogt)  von  Kalten nordheim  hatte  das  Becht,  an  jedem  Ge- 
richtstage „ein  essen  fisch  in  der  Lotten  zu  fahen,  laut  der 
Vertrag". 

Die  Centgrafen  des  liehtenbergischen  Teils  wurdea 
yon    den    Amtmännern     auf    Lichtenberg    ernannt').      Das^ 


1)  Als  nach  der  ZerstSmng  der  Borg  Hatsberg  1275  und  nach  der 
AuflösoDg  des  gleichnamigen  Amtes  Helmernhaasen  nebst  seinem  Gerichte^ 
an  Fulda  gekommen  war,  warde  fSlr  Bettenhausen  und  Seba  ein  eigenes- 
Gerieht  mit  einem  Centgrafen  eingerichtet,  das  luerst  dem  Amte  Sand,, 
dann  der  Vogtei  KNordheim  nnterstellt  wurde  und  deshalb  die  Cent 
KSnndheim  „in  etlichen  Sachen  zu  suchen  hatte**.  Der  BettenhXuser 
Centgraf  besuchte  mit  dem  Bettenhftnser  Schöffen  alle  Gerichtstage  za 
KSundheim. 

1)  Die  Namen  derselben,  soweit  bekannt,  sind:  1447  Hans  Ehe- 
go'tz,  im  Centweistum  genannt.  —  1468:  Herrn.  Tiele,  Inhaber  des- 
fronberechtigten  Hofes  („Vogtei",  „Freihor«)  unter  der  Schule  (jetzt  Gast- 
hans). —  1491  :  In  einer  Streitsache  (wegen  der  Fischerei  in  der  Lotte} 
zwischen  Lichtenberg  und  KNordheim  wird  dak  Zeugnis  eines  W  i  1  d  - 
feuer  angerufen,  der  des  Amtmanns  Melchior  ▼.  d.  Tann  „Untervogt*^ 
(Centgraf?)  gewesen  und  jetzt  Untersais  des  Grafen  Otto  in  Helmers- 
kausen  sei.  —  löftS :  Peter  Schmidt.  —  1566—1595:  Melchior 
Bichmann  (f  1604).  —  1595  —  ?:  Wolf  Stollberg.  1606  ver- 
kaufte die  Herrschaft  den  Vogteihof.  —  ?— 1622:ChristophTeubaoh 
(t  1629).  -—  1622  —  ?  (noch  1631,  8.  225):  Valentin  Gumpert,. 
Torher  Amtsschreiber.  —  ?—  1635  (f)  Tobias  Wein  rieh,  Sohn 
des  Rektors  am  Gymnasium  in  Bisenach  Valentin  W.,  damals  bekanntem 
Dichters.     Jeremias,   ein   anderer   Sohn    und   Dienstnacbfolger  deiselben» 


260  ^'^  ehemalig«  Amt  Lichtenberg  vor  der  Bhdn. 

KNordheimer  CentgrafeDamt  war  henneberg.   Lehn  ^).     Zur 
Bestallung  des  Centgrafen  gehörte  ein  Hof  zu  ENordheim  (der 


ist  der  Vater  des  Job.  Michael  W.,  Inspektors  des  Lycenms  la  Meiningen, 
Verfassers  des  ,,Hennebg.  Kirchen-  und  Schnlenstaat*'.  Tobias  Weinrlch 
Jiatte  in  Leipzig  studiert  und  warde  16S8  als  ,tNoi,  puU,  Oom.*'  mit  des 
Hefsberg.  Vogts  Joh.  Schertinger  Tochter  Ursula  (Schwester  der  Frau  des 
'Gerichtsyerwalters  Müller -Stein  und  des  Lehrers  Joh.  Schertinger  tu 
fiondheim)  lu  Ostheim  kopuliert.  1684,  als  Ostheim  die  unter  Bernhard 
T.  Weimar  stehende  Cent  Mellrichstadt  nicht  mehr  besuchte,  war  er 
„Centrichter  su  Lichtenberg  und  Kaltensundheim**.  1685  warde  er  mit 
seiner  ganien  Familie  auTser  seinem  Sohne  Elias  (s.  u.)  und  einer  Toch- 
ter, welche  1647  sich  mit  einem  Sohne  des  KNordb.  Amtmanns  Eberhard 
verheiratete,  von  der  Pest  hingerafft;  am  29.  August  wurde  er  begraben. 
«-  1685— 1648:  Konrad  Heppe.  —  1648— 1662  (f)  Friedri  ch 
MfiUer.  —  1652—1656  (t  SU  Ostheim):  Georg  M  flUer-Stei  n , 
vorher  Amtsschreiber  auf  Lichtenberg.  Er  fQhrte,  wie  auch  sein  Nach- 
folger, den  Titel  Qerich  tsh  al  ter.  —  1656—1665:  Joh.  Peter 
Wagner  (S.  186).  Als  er  sum  iweiten  Male  dieses  Amt  antrat  (1668, 
bis  1706  [t]),  erhielt  er  den  Titel  Amtsrichter,  den  auch  seine 
Nachfolger  behielten.  Von  1698,  der  Zeit  des  „tannischen  Wiederkaufs" 
4in ,  war  er  lichtenbergischer  und  tannischer  Amtsrichter.  Seine  Frau 
{S.  187)  sUrb  1701.  Von  seinen  Tdchtem  heiratete  die  Xlteste  den 
Amtsvogt  Oerlaoh  (1682),  die  2.  den  Amtsverwalter  Schröter  su  Lengs- 
feld (1680),  die  8.  den  Leutnant  Herm.  v.  Jossa  lu  KSundheim  (1682), 
•die  jüngste  den  Pfarrer  Gdbel  in  Rotbausen  (1691).  Ein  Sohn  Ellas 
Heinrich  war  1678  geboren.  —  1706—1720  (f):  Johann  Andreas 
Lftmmerhirt.  —  1720— 1724  (f):  Christoph  Schröter.  —  1724 
bis  1748  (f)  Joh.  Christ  Henchlin,  wegen  seiner  Beiiehungen  su 
•den  Herren  v.  d.  Tann,  und  weil  er  in  der  Tann  einen  Bruder  hatte,  ver- 
mutlich daher  gebUrtig.  1693  wurde  er  tannisoher  Gerichtschreiber 
In  KSundheim,  1708  tannisoher  Amtsvogt  (Amtmann) ;  so,  und  Politei- 
kommissaritts  hiefs  er  bei  der  Wiederlösung  der  Wiederkaufsorte  1728. 
1699  hatte  er  sich  mit  der  Besitserin  des  Vogteihofs,  einer  Tochter  der 
Terw.  Frau  Obristleut  Walter  (ans  der  adligen  Familie  Rapp)  verheiratet. 
Seine  Tochter  aus  2.  Ehe  (1728)  mit  Juliane  Marg.  Funk,  Juliane  Marg. 
Begine,  geb.  1728,  wurde  die  Gattin  des  Amtmanns  und  HoArats  H.  Chr. 
K.  Thon.  Eine  8.  Frau  (1780)  war  die  Tochter  des  Hofpredigers  Bulil 
SU  Bemlingen. 

1)  Anfangs  waren  Edelleute  damit  belehnt,  so  1 859  Petiv.  Schaf- 
liausen  (daher  der  „Schaf biuser  Hof»  in  KNordheim).  1420  und  1427 
wurde  Heinrich  Pf  äff  (1447  im  Weistum  genannt),  1468  Bastian  und 
Wilhelm  Pfaff  damit  und  mit  allen   deasen   „Ehren,   Wflrden  und   Zuge- 


DäB  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rhön.  261 

^Sohafhäuser  Hof *),  2  halbe  Gütlein  zu  Weetheim  eto«  In 
^er  leisten  Zeit  der  gemeinschaftlichen  Cent  war  das  Amt 
dem  Bettenhäuser  Centgrafen  mit  übertragen  (z.  B.  1670 
JPranz  Molter,  1600  Wolf  Baumbach),  welcher  in  Bettenhausen 
«nd  Seba  die  Kauchhühner  (2  Hühner  aus  jedem  Hofe,  „der 
^auch  hat'')  und  andere  Einkünfte  bezog. 

Als  Centschreiber  dienten  bis  1617  die  Schulmeister 
-des  Gentortes'). 

Die  Schöffen,  welche  auf  Lebenszeit  gewählt  wurden, 
«aüsen  in  folgender  Ordnung:  Bettenliausen,  Wohlmuthausen 
^2,  wegen  Pfa£fenhausen  ?),  Oerthausen,  Sohafhausen,  Erben- 
bausen,  Beiohenhausen ,  Westheim,  Oberweid,  Cnterweid, 
KNordheim,  KSundheim  (2,  wegen  Rieden?)  und  Mittelsdorf. 

Anfangs  waren  an  der  Cent  zwei  Freiboten.  Auf 
-dem  Tage  zu  Stockheim  1468  (s.  u.)  machten  die  Schiedleute 
«L  a*  aus:  „Es  soll  auch  ein  freybote  ye  zu  Zeiten  durch 
bede  Herren  gesetzt  werden,  und  der  also  gesetzt  wirdet, 
soll  iglichem  Herren  souile  als  dem  andern   pflichtig    zuthun 


hdmngen'*  belehnt.     1468  ist  Konrad  (Kons)  Pfaff  Centgref.     1488  wird 
^org  Bauw,  1505  Frits  Paafs,  1517  Valentin  Paufs  belehnt 

2)  Bis  ca.  1686:  Job.  Baltb.  Schreiner,  Sohn  des  ersten 
«▼ang.  Pfarrers.  —  Bis  1599:  Job.  Bttger.  Centgraf  Stollberg  be- 
seitigte ihn,  weil  er  nnr  lesen,  schreiben  and  rechnen  könne,  yieUeieht 
-wollte  er  aber  nur  seinen  eignen  Schwager  versorgen.  —  1599 — 1608 
Oeorg  Zwierlein,  spXter  Pfarrer  in  Goldlanter  etc.  —  1608 — 1609 
Johann  Christoph  Firnbaber,  mafste  den  Gerichtssehreiber- 
-dicnst  aufgeben,  weil  sich  die  Gemeinde  flber  Versanmnng  der  Jagend 
4>escliwerte;  bb  1610  versah  der  alte  B&ger  wieder  den  Oerichts- 
«chreiberdienst.  —  1610—1618  Job.  Schneider  (Sartorins),  kam  als 
Bcbolmeister  nach  Stetten,  und  als  Pfarrer  wieder  nach  KSundheim.  — 
1613 — 1688:  Der  obengenannte  Firnhaber.  Als  1617  die  Gemeinde 
ihre  frfiheren  Beschwerden  wiederholte,  gab  er  die  Schale  aof  —  es  gab 
jetzt  in  der  Folterkammer  viele  HezengestSndnisse  la  protokollieren!  — 
1623— 168»  (t)  Job.  Ad.  Firnhaber,  und  1682—1684  Job.  Georg 
Firnhaber,  Söhne  des  Vorigen.  —  1634— 1685  (t)  Kaspar  Greif- 
M  u ,  starb  an  der  Pest.  —  1685  -1646  (f) :  J  o  h.  Mo  1 1 e  r ,  lugleich  Schult- 
heifs  in  KNordheim.  —  1646—1701  (f)  Elia  s  Weinrich,  seit  1661 
«ueh  Schaltheifs  in  KSundheim.  —  1701—1736  (f)  Job.  Georg 
IVagner.   Nach  seinem  Tode  kam  die  Gerichtschreiberstelle  in  WegfalU 


262  ^<^  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rhön. 

und  yerpanden  sein*'.   Später  hat  jeder  der  beiden  Centherren 
wieder  seinen  eignen  Büttel  an  der  Cent. 

a)  Petersgerieht. 

Solange  alle  Oentverwandten  zum  Petersgerichte  ersoheinea 

muTfiten,  wurde  es  im  Freien,  hinter  dem  Kirchhofe,  wo  jetzt  die^ 

Tarnanstalt  sieh  befindet,  in  späterer  Zeit  im  Wirtshause  gehalten.. 

„Gemeyne  artheill, 

so  alle  petersgerieht  zu  recht  gesprochen  werden^). 

Der  richter  fraget  die  schopffen,  aaff  den  eidt,  wie  man  dU  lent 
petersgerieht  hegen  soll,  das  es  lom  rechten  gnugsam  sey,  das  mai» 
einem  iden  rechts  verhelffen  khann,  der  et  begert,  wie  von  alter  her- 
kommen ist«  —  Urtheill :  Der  richter  soll  es  hegen  von  wegen  unser  g«. 
f.  nnd  herrn,  Sachsen  und  Hennenbergk,  und  von  wegen  beder  ampt- 
mlnner  Lichtenbergk  nnd  Kaltennortheim,  nnd  von  wegen  beider  aent- 
graffen,  nnd  von  wegen  der  vierzehen  schopffen,  und  beder  landtknecht,. 
anch  von  aller  der  wegen,  die  an  diesem  sent  petersgerieht  recht  gebea 
und  nehmen  wollen. 

Der  richter  fragt,  wie  man  diesen  stuell  besetzen  soll,  das  er 
zum  rechten  gnugsam  sey.  —  Urtheill:  Man  soll  in  besetzen  mit  vier- 
aehen  mann,,  die  frnm  und  ehrlich  gebome  leuth  seinj  unnerlanmet  und 
zu  dem  rechten  woll  dnglich  nnd  geschickt  sein. 

Der  richter  fragt,  wer  dies  zent  peterm^ericht  besuchen  soll.  — 
Urtheill :  Alle  die  unther  nnsem  jg.  f.  nnd  hern  zent  wonen  und  zent-^ 
pfliehtig  sein,  und  die  sich  wonne  und  weide,  holz  und  felde  gebrauchen,, 
und  die  da  eigenen  rauch  haben,  und  die  da  recht  geben  und  nehmeO' 
wollen. 

Der  richter  fragt,  was  bede  unsere  g.  f.  und  hern  Sachften  und 
Hennebergk  für  ger echtigkeit  und  herllohkeit  an  dieser  zent 
haben.  —  Urtheill  i  Es  leigt  ein  verdrag  zu  Kalten  Sontheim  im  heiligea 
kästen*),  daran  hangen  drey  siegell,  darneben  ein  Vortrag  von  bedea 
unseren  g.  hern  grauen  Wilhelmen  und  grauen  Bertoldthen,  in  neulioh- 
keiten  auffgericht;  dieselt>igen  soll  man  öffentlich  vor  der  zent  verleben». 
Darinne  findet  man  und  boret,  was  bede  unsere  g.  hern  in  dieser  sent 
für  gerechtigkeit  und  herliehkeit  haben. 

Nach  diesem  urtheill  werden  die  verdreg  öffentlich  verleften. 


1)  Auf  die  Wiedergabe  des  ei-Lautes  durch  ie,  wie   anch  des  allzu^ 
hXufig  angewendeten  Doppel-n  im  Original  wird  hier  verzichtet 

2)  Heiligenkasten   heifsen  in  der  Gegend   noch   die  Deposltenkaatea 
der  Kirchkassen. 


Dm  ehemalig«  Aint  Lichtenberg  vor  der  Bhdn.  263 

I.  Von  gotU  gnadeo,  wir  Wilhelm  und  Herman  geuettera,  grauen 
find  herren  sn  Hennenberg,  bekennen  mit  dießem  brieff  für  nns, 
onfier  beider  berichaft  und  erben,  so  als  sich  des  gerichst  halber 
aw  Kaltensontheim  switracht  begeben,  darron  salch  gericht  etlieh 
seit  nidergelecht  geweflen,  und  aber  nf  heüt  dato  durch  den  hoch- 
wirdigen  und  hochgeporen  lieben  hem  und  vettern  zwischen  uns 
einen  schied  ufgericht,  nemlich  so  sich  swischen  uns  beiden  her- 
Schäften  copieen  f&nden  eins  briefs  darüber  gehalten,  der  umkomen, 
-das  wir  snlche  brieff  wiedemmb  in  lauth  sulcher  copien  unter  unser 
beider  insiegel  zwiefeltich  ufri^ten  und  fertigen,  der  unfler  ider 
herschafft  einen  haben,  und  den  dritten  in  den  heiligen  casten  sw 
Kahensontheim  darinne  furter  sw  pleiben  erlegen  sollen,  lautende 
wie  von  wort  su  Worten  hernach  volget: 

(Weistum)^)  „jjch  ThoU  Letz  von  Bettenhaufien,  Lotz  Same 
und  Oerlttch  Schaltheies  su  WolmathauBen,  Heinrich  Walpurg  von 
Oertbanfien,  Bets  Volhart  von  Schaaffhaufien,  Hans  Strefifier  von 
Erbenhaufien,  .Petter  Franck  von  BeichelhauBen,  Heinrich  Weber 
und  Pauls  Befidorf  von  Weistheim,  Claus  Hatthes  von  Mittelstorf, 
Heints  Naw  und  Heins  Eichom  von  Kaltennortheim,  Tholl  Schmidt 
und  Klaus  Moller  von  Kaltenßontheim  *) :  bekennen''  **  etc.  "). 


1)  Abgedruckt  bei  Schnltes  mit  einigen  abweichenden  Lesarten. 

2)  In  diesem  Verzeichnisse  fehlen  die  Schöffen  von  Ober-  und 
tJnterweid  —  gehörten  diese  Orte  noch  nicht  zur  Cent?  —  dafEir  hatten 
IVestheim  und  KNordheim  je  2  su  stellen. 

8)  Sie  teilen  su  Becht  1.,  dafs  beide  Herrschaften  alle  Peterstage 
ein  Gericht  haben,  welches  all«  Centpflichtigen  su  besuchen  verpflichtet  sind. 
^.,  dafs  die  Amtmfinner  alle  14  und  1  Tag  ein  Centgericht  halten  können, 
und  dafs,  wenn  beide  Herrschaften  in  Feindschaft  geraten,  ein  jeder 
seinen  Centgrafen  ein  Gericht  ansetsen  könne,  welches,  unbeschadet  der 
Bechte  des  andern,  alle  Centpflichtigen  su  besuchen  hätten.  8.,  Beide 
Herren  haben  alle  möglichen  Gebote  an  der  Cent.  4.,  Alles  gestohlene 
und  gefundene  Out,  „Dwb  und  Dwbinnen"  sind  unter  den  Turm  su 
KNordheim  su  liefern  und  beiden  Herren  zugut  su  verwahren.  5.,  Jeder 
-Centverwandte  ist  verpflichtet,  beiden  Herren  auf  Erfordern  Nachfolge  zu 
leisten,  dem  eignen,  soweit  er  will,  dem  andern  „als  vem  als  die  Zent 
warett'*.  6.,  Beiden  Herren  sind  in  Friedenszeiten  alle  Kirchhöfe  offen 
,su  halten,  in  Fehdezeiten  nur  dem  eignen.  7.,  Jeder  der  Herren  hat 
-dafBr  sa  sorgen,  daX^  die  seiner  H&lfte  sustehenden  Schöffenstühle  voU- 
sihlig  b«s«tst  sind.  8.,  Dem  Grafen  Heinrich  mfissen  seine  Dörfer  und 
Kirchhöfe  (Lichtenau  ist  hier  noch  mit  genannt)  offen  stehen,  es  sei  Tag 
<oder  Naeht. 

Auf  Bitten   der   Schöffen    ist   das  Weistum  von  Hans  v.  Allendorf 


264  ^'^  ehemalig«  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rhön. 

Das  nn  demnach  wir  obengenanten  graae  Wilhelm  und  grau» 
Herman  von  Henneberg  nns  solchs  briefs  Inhalts  vor  uns  and  nnfir» 
erben  halten  nnd  den  an  weigemng  wollen  and  sollen  naehkomen, 
das  haben  wir  zur  orkant  anser  itslicher  sein  insiegell  vor  ans^ 
anser  beder  herschafft  and  erben  hir  angehangen,  and  farter  mit 
yleis  gebetten  den  hochwirdigen,  hochgepomen  forsten  and  hem, 
hem  Johan,  abt  des  stie£fts  sn  Falda^)  obgenannte,  das  er  Aeiner 
apthei  insiegel  anch  hieran  gelangen.  Das  wir  itso  genanter  abt 
Johann  also  uf  geschehene  bitt  gethan  haben,  hiemit  bekennen,  doob 
ans  und  nnserm  stieft  on  schaffen.  Geben  nf  santag  nach  sanct ...  tag r 
and  Cristi   ansers   lieben  herrn   gebart   fanfifieehenhandert  nenn  jar» 

II.  Von  gottes  gnaden  wyr  Wilhelm  and  Bertboldt,  granen  nnd 
herrn  anser  beder  theils  graffschsfft  and  herschafft  za  Hennebergk,. 
bekennen  mit  difien  brieff  far  ans,  anser  erben  and  herschafft  nach- 
kommen, das  wir  ans  mit  nnfter  bedertheils  gaten  willen  and  wifien 
der  sent  halber  zw  Kaltensanthejm  amb  etliche  stritigen  artickeln 
himach  YoIgendermaBen  verglichen,  yereyniget  and  endlichen  ver- 
tragen haben. 

Als  erstlichen  der  ko»ten  der  peinlichen  rechtfertigang  halber,  ss» 
wir  beyde  obgenante  gevettern  oder  anser  erben  einen  nbeltheter 
peynlicben  rechtfertigen  oder  richten  lafien  wollten,  wafi  dy  kostang^ 
der  amptlefith  Lichtenberg  and  Kaltennortheym  (doch  das  ir  keyner 
Über  drey  oder  vier  pferd  oder  penon  mit  sich  pringt),  anch  der 
zenntgraffen,  sentschopffen,  freybotten  and  des  nachrichters  kosten 
treffen  oder  gestehen  würden,  sollen  wyr  beyde  denselbigen  kostei^ 
swgleich  gellten  und  bezalen;  sio  aber  anBer  eyner  oder  anBer 
erben  eynen  nbeltheter  allein  wollt  lallen  richten,  sso  solle  derselbig 
oder  defielbigen  erben  den  gemellten  gerichtskosten  allein  gelltei^ 
nnd  anflrichten ;  szo  aber  ein  ansl&ndischer  oder  eyner  in  der  sent 
wohnhafft  eynen  nbeltheter  wollt  peynllch  rechtfertigen  nnd  rlditen- 
lafien,  derselbig  oder  dyselbigen  sollten  obvermelten  p^nlichen 
gerichtskosten  für  sich  on  nnfier  znthan  besalen  und  erlegen.  Ge- 
schehe aber  ein  mifihendler  ans  f&rbit  oder  aas  gnaden  des  leben» 
gesichert   und   amb   ein  gelltstraf  aasgelafien,  dieselbig  straff  sollen 


(so  nannte  sich  ein  Zweig  des  Vasantschen  Geschlechts  nach  Allendorf 
bei  Salznngen ;  es  starb  7  Jahre  später  mit  Hans  aas)  and  dem  Pfarrer 
Heinrich  „New**  in  ürspringen  besiegelt  worden}  anc-h  hingen  die  Amt- 
mftnner  Günther  Vafiolt  (Vasant)  für  sich  und  den  liehtenb.  Amtmann 
Heints  Llncke  and  der  Centgraf  Hans  Ehegots  für  sich  und  den  KNordh. 
Centgrafen  Heinti  Pfaff  ihre  Siegel  daran.  Datum  Donnerstag  nach 
1447. 
1)  Onkel  des  Grafen  Wilhelm  VL 


Dm  ehemalig«  Amt  Lichtenberg  vor  der  Bhdn.  26& 

nnsem  jeden  and  derselbigen   erben  sum  halben  theyll  volgen  nnd- 
werden. 

Zam  andern,  so  sollen  alle  zentbare  dörffer  und  wustennng  In- 
wohner Yon  alter  an  dy  sent  gehörig  lasampt  den  vier  hanp^ 
ragen,  platendte  fliefiende  wanden,  desgleichen  alle  gerockte  nnd 
gezogene  wehre  an  gedachten  unsern  senfgerlcbt  geroget,  eingeleget^ 
*'  gerechtfertiget  nnd  gestraffet  Verden,  nnd  alle  monat  dorch  beyde 
amptlefitbe  ein  gerichtstag  verglichen  nnd  ein  sentgericbt  gehalten- 
werden, ausgenommen  die  ferien,  doch  dergestalt:  was  also  rage« 
weis  einbracht  von  straffen  oder  sansten  der  flieftenden  wanden  nnd 
der  gerockten  and  gezogenen  werbe  halber  erkannt  oder  za  recht 
getheillt  wlrdet,  sollen  dieselbigen  straffen  unser  jden  und  der- 
selbigen erben  von  ihren  unterthanen  allein  vollgen  einzanemen;. 
als  nemlichen  uns  grauen  Wilhelm  nnd  unsern  erben  zu  Betten- 
hausen und  Sehe,  die  sollen  ire  rügen  der  flieAenden  wunden  und 
gezogenen  werbe  an  nnsem  vogt  oder  dorffgericbt  doselbst  rügen 
und  einlegen  und  onB  allein  verbufien ;  doch  sollen  sy  mit  den^ 
vier  hanpt  rügen  an  alle  mittel  an  dem  zentgericht  au  Kaltensunt- 
beim,  als  von  alters  bescbeen,  zw  rügen  und  zw  antworten  ver- 
pflichtet sein  und  pleyben ,  nnd  was  von  nachbenanten  unser» 
grauen  Wilhelms  dorffem  und  wustennng  eynwonern  zentpflichtigen. 
denen  von  Beichenhausen,  Erbenbaußen,  Obern  und  Nidern  Weyta,. 
Westheim,  Lichtenau  nnd  Kaltennortheim  geruget  wirdet,  als. wir 
oben  gemeltet,  die  erkant  straff  uns  und  unsern  erben  allein  auch, 
volgen;  und  dann  uns,  grauen  Bertholden  und  unBern  erben  von 
nachbenanten  dorffem  inwonera,  als  nemlich  WoUmetbaufien,  Gert- 
haufien,  Schaffhaufien,  Mitteiddorf  und  Kaltensuntheim,  als  obgedacht,. 
auch  die  gemellt  straff  allein  werden  und  pleiben,  an  alles  geverde.. 
Doch  sollen  diese  bewilligte  mittel  sunsten  dem  weistumb,  auch- 
den  auBgesprochen  brandenburgischen  urthel  und  dem  urthel  am 
kayserl.  cammergericht  ergangen^)  nnd  darauff  bewilligten  und 
auffgerichten  vertregen  in  den  andern  puncten  gar  nichts  benemen. 
noch  verletzlichen  sein.  Des  zu  urkund  sein  dieses  Vertrags  hrieflSi 
zwen  gleiche  lauts  geschriben  mit  unsern  iden  anhangenden  insigill 
für  uns  nnd  unser  erben  besiegelt.  Der  geben  ist  am  montag  nach« 
aBumptionis  Marie  nach  Christi  nnBers  lieben  herra  gebart  XVe 
nnd  in  xxxvy  jare. 

Der  richter  fragt,  dieweyll  snlohe  verdreg  hiebeuor  mechtig  ge-~ 
•prochen  worden  sein,  ob  sie  auch  noch  mit  billig  in  Iren  wirden 
und  k refften  stehen  und  pleiben.  —  Urtheill:  Sulche  verleBena- 
▼ardreg  sprechen  wir  mit  allen  Iren    puncten   und   artickeln  gantz  voU-^ 


1)  Über  beide  Schiedssprfiohe  s.  Teil  III  anter  KSandheim. 


2Qß  Das  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rhön. 

mechtig  nnd  krefftigklich  in  allen  wirden,  wie  hiebeaor  auch  gesprochen 
-worden  sein. 

Der  ricbter  fragt,  was  man  an  diesem  sentpetersgericht  weiters 
h  a  n  d  e  J  e  n  soll.  —  Urtheill :  Man  soll  handelen  von  gemeinem  nase,  des 
lands  not,  und  daramb  dis  zentgericht  hergebotten  ist. 

Der  richter  fragt,  was  ein  gemeyner  nnze  sey,  landen  und 
ientheo.  —  Urtheill :  Wo  mangell  were,  an  wegen  nnd  Stegen,  an  rein 
und  stein,  in  hols  und  feldt,  oder  an  andern  gemeinen,  das  soll  man  offen 
und  vorbringen. 

Der  ricbter  fragt,  wer  das  handthaben  soll,  das  es  geschehe.  — 
Urtheill:  Das  sollen  die  schulltheyBen  und  heimburgen  in  dorffem  thun 
mit   der    hem    hilff,     darmit    das    landen     und    leathen   recht   geschehe. 

Der  richter  fragt,  wie  man  das  halten  soll,  das  landen  und  leuthen 
recht  geschehe,  mit  malen,  mit  mafien,  mit  marckstein,  nnd 
mit  weiffen.  —  Urtheill:  Die  herm  sollen  die  mnlln  besichtigen  laden, 
ob  die  gerecht  sein,  und  die  marckstein  mit  willen  und  wifien  setzen  lafien, 
die  daran  stofien  haben ;  man  soll  weiffen  und  mafi  alle  jbar  besehen ; 
welche  ungerecht  befanden  wirt,  soll  in  der  herm  straft  sein. 

Der  richter  fragt,  wo  man  das  körn  mafi  und  die  lenge  der 
weiffen  holen  soll.  —  Urtheil:  Snlch  mafi  hole  man  billlch  an  dieser 
landtzent  ^). 

Der  richter  fragt,  wie  die  m  u  1  s  t  e  i  n  und  auch  die  z  a  r  g  geschickt 
sal  sein.  —  Urtheill:  Die  zarg  sali  wolbewant  sein  nnd  keinen  abgang 
haben;  einen  besten  straog  mit  dreyen  knoten,  und  der  stein  sali  die 
zarge  nit  ruren,  der  lauff  sali  dreymal  mit  umbgehen  unuerseret;  und  wer 
alda  ungerecht  gefunden,  ist  geweist,  das  die  hem  den  zu  straffen  haben, 
und  die  hern  haben  die  muUen  zu  besichtigen  und  au  bestellen  lafien. 

Der  richter  fragt,  was  des  möllers  lone  sey  von  einem  malter. 
—  Urteill:  Man  soll  dem  mdller  geben  von  einem  malter  nach  lauth  der 
hern  mullordenung. 

Der  richter  fragt,  wie  man  es  mit  dem  dorff  frieden  und 
«ynung  halten  soll.  —  Urtheill:  Die  dorfTriede  sollen  in  gutem  baue  ge- 
halten werden,  und  was  die  schultheifien  nnd  heimerichen  in  dorffern  f^ 
einig  machen,  das  sollen  die  nachbar  halten ;  welcher  es  uberdrit,  der  sol 
von  der  gemein  gestrafft  werden  laut  irer  einung,  und  wo  sich  einer 
weren  wolt,  soll  man  sich  der  hern  hilff  gebrauchen. 

Der  richter  fragt,  wie  es  mit  den  notwegen  in  dem  brach- 
felde  gehalten  soll  werden.  —  Urtheill:  Man  soll  die  notwege  offen  und 
einem  iden  im  brachfelde  sein  eckere  tnngen  und  befieen  lafi,  zu  gebur- 
licher  zeit,  und  sal  keiner  dem  andern  au  weren  haben  über  den  brach- 
acker  zu  faren;  wo  er  aber  besamet  were,  sal  er  bey  hinfaren. 


1)    Die  KNordheimer  Hftlfte   erhielt  nach   der  Lostrennnng  von  der 
-Cent  1601  andere  Mafse. 


Dm  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rhön.  267 

Der  richter  fragt,  wie  es  sich  im  winterflaer  geburt,  so  einer 
«ommerfracht  darein  sehen  wolt.  —  Urtheill:  Er  sali  das  than  vor 
:sant  Walpurgen  tag,  und  sich  geburlich  halten;  darnach  hat  ers  nit 
macht,  er  thue  es  denn  mit  willen. 

Der  richter  fragt,  wie  es  sich  mit  den  sann  und  be friedung 
der  gemein  und  an  der  strafsen  gebalten  soll  werden.  —  urtheill: 
Man  soll  es  befriden  wie  von  alter  herkommen  ist. 

Der  richter  fragt,  wo  zwen  auff  dem  fellde  an  der  gemein 
beyeinander,  wie  sie  sich  halten  sollen  mit  der  befridung.  —  Urtheill : 
Wo  swen  beyeinander  haben  und  woU  der  ein  das  sein  befriden,  sali  er  das 
thun  an  des  andern  schaden,  und  wo  einer  befriden  will  und  der  ander 
nit,  geschehe  dem  andern  schaden  durch  die  lucken,  so  soll  der,  der  nit 
i>efridt  hat,  dem  andern  seinen  schaden  ablegen. 

Der  richter  fragt,  wo  swen  wiefien  beyeinander  haben,  wie  sie 
eich  mit  der  weBerung  halten  sollen.  —  Urtheill:  Der  unther  sali  ein 
furg  macht  haben  mit  einem  pflüg  zu  thun  als  tieff  als  er  will,  durch 
-den  obern;  will  ers  weiter  haben,  soell  ers  mit  jenefi  willen  thun. 

Der  richter  fragt,  wie  man  sich  mit  dem  wilden  wafier  in  felde 
und  dorff  halten  soll.  —  Urtheill :  Es  sal  sich  einer  weren  es  seer  als 
«r  konnde,  ahn  ander  leuth  schaden. 

Der  richter  fragt,  wie  man  sich  mit  den  dinstboten,  meyden 
und  knechten  halten  soll.  —  Urtheill :  Wer  einen  dienstboten  hat 
gedinget,  geschiehet  auff  meynuug  in  einem  jar  oder  benante  seit  su 
-dienen ;  so  das  gesindt  ahne  redlich  Ursachen,  das  er  beweifien  khan,  von 
dem  hem  sühe,  sali  er  in  nichts  geben  su  lohne.  Wann  aber  der  herre 
mit  dem  gesinde  der  maßen  umbgieng,  das  es  nit  au  leiden,  alsdann 
sali  er  im  seinen  YoUen  lone  geben.  Es  soll  aber  der  knecht  oder  meidt 
den  hern  zuuor  besenden,  im  den  gebrechen  entdecken;  wo  der  herre 
den  gebrechen  nit  abstellen  will,  sollen  sie  miteinander  gutlich  abrechnen. 
Dergleichen  sali  der  herr  widernmb  dem  knecht  oder  meidt  auch  be- 
sprechen, und  ob  dann  das  gesinde  den  gebrechen  nit  abstelt,  sollen  sie 
auch  miteinander  abrechen  und  nach  ergangener  zeit  bezalen. 

Der  richter  fragt,  so  einer  einen  wifientlichen  marckstein 
ausgrübe,  was  sein  straff  sey.  —  Urtheill :  Wer  einen  wifientlichen  marok* 
stein  ausgrebet,  den  sali  man  in  die  erden  graben  bis  an  den  hals,  und 
sali  dann  nemen  vier  pferdt,  die  des  ackere  nit  gewonet  sein,  und  einen 
pflag,  der  neu  ist,  und  sollen  die  pferde  nit  mehr  (d.  i.  noch  nicht)  ge- 
sogen und  der  acker  nit  mehr  gearen,  noch  der  pflugheiter  nit  mehr  den 
pflog  gehalten  haben,  und  im  dann  nach  dem  hals  ehren,  bis  so  lang  er 
in  den  hals  abgearn  hat. 

Der  richter  fragt,  wo  bäum  zwischen  zweyhen  stehen,  wie  sie  sich 
mit  der  f  r  n  ch  t  halten  sollen.  —  Urtheill :  Wo  bäum  auff  dem  felde  stehen, 
was  denn  auff  einem   iden    felldt,   das  sali   im  volgen;    wo  sie   aber   in 

xvn.  18 


268  ^^  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Bhdn. 

gerten  stehen,  were  es  dann,  aoff  den  es  feldt,  das  er  es  mit  willen  nit 
behalten  iLan  des  andern,  so  sali  er  es  dem  andern  dem  stamme  nach 
halb  wieder  geben. 

Der  richter  fragt,  wo  man  einen  pfendt,  wie  man  es  mit  den^ 
pfandt  halten  soll.  —  Urtbeill:  So  einer  einen  pfendt,  umb  schnldt  oder 
schaden ,  (soll  er)  ein  offenes  pfandt  füren  in  eines  offenen  wirtshaaa 
oder  scholtbeis  hauB  ond  also  drey  tag  stehen  las;  wirt  es  nit  gelost, 
sollen  sichs  die  hern  nnderwinden.  Wer  es  aber  sach,  das  es  ein 
iegendt  pfandt  were,  sali  er  es  im  vierzehen  tag  in  gnte  halten;  wer 
es  darüber  nit  lost,  sali  er  es  nmb  sein  gelt  yerkeoffen  oder  yersetaen- 
nnd  sich  damit  loflen. 

Der  riobter  fragt,  was  man  einem  lantkneoht,  kirohner, 
hirten  und  andern  knechten  für  ein  brodt  geben  sali.  —  ürtheill: 
Alle,  die  brodt  geben,  als  landtknechten,  kirgnem,  hirten  und  andern 
knechten,  den  sol  man  ein  brot,  der  man  swolff  aufl  einem  msB  becket,. 
geben. 

Der  richter  fragt,  wann  einer  einem  dienstbotten  verdienten- 
lone  schuldig  were,  wann  er  in  besalen  sali« —  Urthdll:  Er  sali  in 
basalen  bey  scheynender  sonne. 

Der  richter  fragt,  wie  viel  bare  thauben  ein  ider  sentfapflichtiger» 
der  thanben  haben  will,  mag  haben.  —  ürtheill :  Ein  ider  sentpfliohtiger,. 
der  thanben  haben  will,  der  sali  nit  meher  denn  faoff  bare  thanben  haben ; 
so  er  meher  bat,  sollen  im  die  herrn  die  nehmen  and  darza  in  der  hern 
straff  umb  einen  gnlden  verfallen  sein. 

Der  richter  fragt,  so  einer  am  sent  gericht  mit  rügen  einkompt, 
ob  er  nit  billig  mit  der  eingebrachten  rüge  am  zentgericht  erscheinen  nnd 
sich  derselbigen  rüge  mit  recht  verantwortten,  oder  sich  mit  nnsem 
gn.  hern  verdrag  nmb  den  frenell,  so  er  geftbt  nnd  gethan  hat.  — 
ürtheill:  So  ein  dorffscbafft  einen  mit  mgen  einprengen  will,  so  sali  der 
Schultheis  in  dem  selbigen  dorff  den,  so  man  rügen  will,  durch  den  dorff- 
knecht  fOr  die  gemein  erfordern,  im  daselbig  anzeigen,  das  er  sich  der 
selbigen  rage  am  zentgericht  so  balde  mit  recht  verantwortten  sali  oder 
mit  unsern  gn.  hern  zuuertragen"  *). 

Hatte  ein  Schultheifis  eioen  neugewäblten  Sohöffen  vor- 
xustelleDy   80  wurde   er  auf  die  „Sohopffen-Pflioht"  vereidigt: 


1)  „Szo  einer  ahn  dieser  sent  mit  rügen  geruget  nnd  der  dattb 
schuldig  ist,  szo  setzt  der  richter  ein  urteil  ahn  die  schopffen:  ob  ehr 
solcher  daet  nicht  unrecht  habe.  Damf  urteilt  der  schopff,  er  hab  das- 
verriebt;  alsdan  gelobt  derselbige  dether  ahn  den  gerichststab,  sich  mit 
den  gerichsthern  zunertragen'*. 


Dm  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Bhdo.  26& 

„Ir  werdet  mir  da  von  wegen  meiner  gnedlgen  fOrsten  nnd  hern 
Sachsen  nod  Hennebergk  als  zenthem  an  den  gerichtstab  angeloben^ 
UDd  darnach  einen  ayd  nod  su  got  dem  almechtigen  scbweeren,  daa  ir 
wolt  recht  nrtell  sprechen,  dem  feinde  wie  dem  frewnde,  dem  unbekanten 
wie  dem  bekanten  nach  ewren  besten  vorstände  nnd  gewiAeo,  und  keinem 
»ein  recht  felschen  und  xw  unrecht  nrteln,  wo  irs  beAer  vorstet  nnd  wist, 
darmit  sich  nimandt  über  gewaldt  oder  unrecht  znbeclagen  hab ;  auch 
wo  ir  etwas  von  ambtlenten,  zentgrafen  oder  eweren  banckgenofien^  das 
heimlich  oder  vorschwiegen  sein  sali,  erfaren  wurdet,  das  wollet  wedder 
weis  noch  kinde,  auch  sunst  niemanth  offenbaren,  sundern  bies  in  ewere 
dorf  vorschweigeo,  und  euch  in  sulchem  eweren  schSpffenambt  halten,  wie 
einem  bidermann  und  urtheillsprecher  zustehet,  eigent  nod  gehurt,  und 
wie  ir  anch  sulchs  gegen  got  dem  almechtigen  am  jüngsten  tag  vorant- 
worten wollet,  getreulich  und  nogeverlich**. 

Zum  Schlafs  wurden  noch  alle  aus  den  Gentortschaften  her- 
beigeschafften Ellen,  Weifen  und  Mafse,  welche  von  der  der  Cent 
eigentümlichen  Oröfse  sein  rnnfsten,  auf  ihre  Biohtigkeit  ge- 
prüft. Nur  Sohafhansen  und  Gerthansen  liefsen  die  ihrigen  yon 
ihrem  Yogtgeriohte,  Bettenhausen  und  Seba  von  ihrem  Gent- 
grafen prüfen,  wie  sie  yorgaben.  Auf  dem  Gentgerichte  am 
16.  Sept.  1577  mufste  jedoch  der  Schultheifs  von  Gerthausen 
an  den  Oerichtsstab  geloben,  „das  er  uf  erfordern  mit  seinen 
naohharn  allen  mas  und  weiffen  mit  ausrichtunge  der  scheden 
uf  die  sent  antworten  soll",  und  der  von  Sohafhansen,  „das 
er  wolle  gewertig  sein,  was  ime  hierinnen  urtel  und  recht 
geben  wurde,  darbey  es  der  Richter  hat  uff  dies  mall  auch 
wenden  laBen". 

Nach  Erledigung  der  feststehenden  Tagesordnung  folgte 
auch  hier  auf  das  Geschäft  das  Vergnügen  —  das  Peters- 
mahl. 

h)  Gentgerichte. 
Gent-  oder  Helfgerichte  wurden  zuerst  „alle  14  und  einen 
Tag",  nach  dem  Vertrage  yon  1687  (S.  265)  jeden  Monat 
an  einem  yon  den  beiden  Amtmännern  „yerglichenen"  Tage 
—  ausgenommen  die  Ferien  (Festtage)  —  und  seit  1573  an 
den  Montagen  nach  Reminiscere,  Trinitatis,  Exaltationis 
cnicis  und  Lucise  und  Ottiliae  gehalten.  Die  Protokolle  werden 
dann  natürlich  yiel  umfangreicher. 

18* 


270  ^^  ehemslige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Bh5ii. 

Bat  Oberamt  brachte  seines  eignen  Oentgeriohts  wegen 
nur  die  4  Hauptrügen  an  die  Gent;  Schafhaosen  und  Gert- 
hausen standen  y,in  einigen  Sachen''  unter  den  Yogtgeriohten 
ihrer  Junker,  und  Ealtensundheim  und  Wohlmutbausen  be- 
haupteten, nichts  ,yUmb  schulde,  schaden,  ejnung,  anwantung 
(Grenzirrung)  und  dergleichen  weysen"  zu  müssen. 

Als  Beispiel,  was  alles  bei  einem  Gentgerichte  Torgebracht  werden 
mufite,  möge  hier  das  Protokoll  der  Sitzung  Tom  Montag  nach  Mattbüi 
1578  folgen. 

„Der  schopff  von  BettenhauBen  mget  nichts. 

Der  schopff  von  Wolmathaufien  raget,  Heintz  Walter  hab 
5  garben  weizen  anf  dem  felde  verloren;  weis  niemanden  zu  schuldigen. 
—  Der  schopff  raget,  Michell  Herbert  hab  aach  ein  garben  weizen  auf 
dem  felde  verloren ;  weis  niemandt  zw  schnldigen.  —  Der  schopff  raget, 
Hanns  Bhon  hab  ein  wenig  linfien  aaf  dem  felde  verlorn;  web  niemandt 
zn  schnldigen. 

Der  schopff  von  Gerthanfien  rüget  nichts. 

Der  schopff  von  Schaffhaafien  raget  nichts. 

Der  schopff  von  Erbenhaafien  raget  nichts. 

Der  schopff  von  Beichenhaaßen  raget,  Andres  Lentbecher  hab 
des  nachts  einen  bienen  aas  dem  garten  verloren;  weis  niemandt  so 
schuldigen.  —  Der  schopff  raget  femer,  Simon  Lentbecher  hab  ein  hem- 
ketten  ans  seinem  honv  verlorn ;  schaldigets  niemandt  —  Der  schopff 
raget,  Jörg  Drescher  sey  zu  Erbenhaafien  auf  einer  taufet  geweßen  und 
auf  den  abent  sey  er  auf  das  feit  gangen,  seiner  kue  gras  zu  holen,  do 
sey  ime  Michell  Drescher  aufgestoßen,  und  Jörg  Drescher  gesaget,  Michell 
Drescher  hab  ine  mit  einer  heppen^)  uberlauffen;  solchs  gesthet  ime 
Michel  Drescher  nicht,  es  sey  kein  nachtbar  darbey  gewefien. 

Der  schopff  von  Westheim  raget:  £s  hat  sich  in  neulichkeiteo 
zugetragen,  das  mit  namen  Valten  Homann  von  Westheim  und  sein  bruder 
Caspar  und  Hans  Dietzel  zu  Opffershaufien  sind  im  schenckhaus  gewefien 
und  mit  Worten  zusammen  komen  und  an  einander  gefallen  und  einander 
blutrüstig  geschlagen,  aber  es  ist  sonst  kein  wher  oder  etwas  gezueket 
worden  zu  diesem  mall.  —  Der  schopff  rüget:  Femer  hat  es  sich  zuge- 
tragen im  schenckhaus,  das  etliche  nachtbara,  als  mit  namen  Claus  Lim- 
pert  und  Berahart  Wagner  sindt  mit  etlichen  Worten  zusamen  kommen; 
hat  der  Wagner  an  Clafien  Limperten  gewolt,  da  hat  Hans  Hartmann 
wollen  scheiden,  und  Beraharten  Wagner  hinter  den  Disch  gestofien,  also 
anf  einander  gefallen ;    so  ist  Hans  Hartmann   in   arm  gestochen  worden, 


1)  Heppe  (Hippe)  «■  Hackmesser   zum  Schlagen    des   Buschholses, 
mit  einem  stark  gekrfimmten  Haken  am  Ende  der  Klinge. 


Das  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rhdn.  271 

^ds  aber  niemant  zu  ■chnldigen.  —  Der  sehopff  mget,  Baliar  Bhon 
hab  Kwo  echen  uf  einem  schliten  bey  der  .  .  .  mflllen  stehen  gehabt,  so 
ist  eine  abgehoben  worden  nnd  aber  die  straA  uf  jene  selten  getragen 
worden  nnd  sindt  die  xinoken  alle  ranfier  geschlagen  worden;  weis  aber 
niemandt  %n  scboJdigen.  —  Der  sehopff  mget,  Ddllen  Hanns  hab  ein 
pflogsketten  Terlom;  weis  niemandt  an  schuldigen. 

Der  sehopff  von  Oberweitha  mget,  Clans  Oeyers  des  saohirten 
franen  Stielschwester  hat  Hanfien  Schmiden  witwen  helfen  einemthen ;  hat 
sie  ir  bey  der  nacht  swo  garben  weisen  gestolen,  in  des  sanhirten 
schnpffen  getragen:  sindt  dieselben  garben  von  dem  sauhirten  dem 
scboItbeiBen  zngestelet  worden.  —  Der  sehopff  rnget,  Lorenz  nnd  Claoa 
Amborn  gebmder  haben  Iren  Stiefvater  Eckart  Leimbach  helfen  samen 
dreschen ;  hat  Lorenz  mit  einem  strohalmen  gegen  Claßen  seinen  bmder 
gebandtscberzt,  bats  Clans  nit  leiden  wollen  und  sich  in  sein  eignen  finger 
mit  seinem  weidner  geschnitten,  sich  alsbalt,  doch  der  oberkeit  nichts  be> 
uomen  (!),  vortragen.  —  Der  sehopff  niempt  uf  etliche  Sachen  schueh 
bis  zum  negsten  gericht. 

Der  sehopff  von  Niderweitha  rüget,  es  hab  sich  begeben  uf  ir 
kirmes,  das  ein  taufet  so  halt  in  der  schenck  gewefien  ist;  hat  ein  weip 
Ganzen  Marder  aus  der  schenck  gefurt  und  an  den  tanz  gebracht,  und 
das  weip  gesagt,  er  solt  mit  ir  tanzen.  Ist  alldo  in  tans  der  jungker 
diener  von  der  Thann,  Engelhart  Dreysch  genannt,  und  am  kaulleig*) 
geseAen  und  zu  Cunzen  Murder  gesaget,  er  solt  mitt  im  kugeln  umb  ein 
gnacken;  do  hat  Cunz  gesaget,  er  kundte  es  im  nicht  wol  absehlagen.. 
Im  selbigen  hat  Cuoz  Murder  einen  gnacken*)  heraus  geschlagen  und 
denselbigen  ufgesetzt ;  do  hat  der  Jungker  diener  gesaget,  er  solt  uf  seinen 
gnacken,  den  er  in  der  faost  bette,  hinausschieben;  im  selbigen  hat  der 
JBDgker  diener  hinausgeschoben  und  der  kellen  gefeiet.  Nachdem  hat 
Cunz  Marder  anch  hinausgeschoben  und  zwen  kell  getrofen.  Demnach 
hat  Cuns  Marder  der  jungker  diener  den  gnacken  angefordert,  den  er  ge- 
wonnen gehabt ;  do  hab  der  jungker  diener  zu  Cunsen  Murder  gesaget,  er 
sey  ein  fischdiep.  Do  hat  sich  Cunz  Murder  der  ersten  rede  nicht  hart 
togenomeni  darauf  hab  er  in  noch  ein  mal  einen  fischdiep  gescholten. 
Uf  solche  gethane  Scheltwort  hat  Cunz  an  der  jungker  diener  gewolt,  da 
sein  die  nachbar  dazwischen  komen  und  sie  nicht  susamengela6en.  In 
demselbigen  hat  der  jungker  diener  ein  buchßen  furgeschlagen,  sich  dar» 
mit  zur  gegenwher  gesezet ;  da  hat  der  wirt  und  die  andern  nachbaro 
den  jungker  diener  in  die  schenck  gebracht,  das  nicbts  mehr  gegen  einander 
ist  furgenomen  worden.  Aach  haben  sich  beide  mit  einander  vortragen^ 
aber  doch  beiden  hem  ohn  schaden. 


1)  Kogelleg. 

2)  ein  Geldstück  im  Werte  von  V,  Groschen. 


272  ^^  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Bhdo. 

Der  ichopff  von  Kaltennortbeim  raget  nichts. 
Der  schopff  eu  Mittelstor  ff  raget,  ....  Grob  hab  iwey  hembdt 
und  ein  pfQllsiechen  anf  seinen  hoff  verlorn ;  weis  niemandt  ta  schuldigen. 

—  Der  schopff  su  Mittelstorff  nimpt  femer  za   etlichen   sachenn   schueb 
bis  zum  negsten  gericht. 

Der  schopff  za  Kaltenaontheim  raget  nichts. 

Zagedencken : 
üf  den  10  nouembris  soll  widerumb  zentgericht  gehalten  werden/' 
Noch  sei  ein  Schdffenurteil  aber  einen  Verleumder  (es  handelte  sich 
um  eine  Beleidigung  des  Herrn  von  Auerochs  in  öpfershansen  und  anderer 
vornehmer  Herren)  aus  einer  anderen  Sitzung  erwfthnt,  welches  das  Wort 
des  alten  Horaz  vom  imvocabiU  verium  zu  schänden  macht:  ,, Meine 
brueder  und  ich  erkennen  und  sprechen  ftir  recht:  Es  sol  gegenwerttig 
bedagten  die  eingewantte  rüge  vorgelessen  werden ;  nach  vorlesunge  der- 
selben sol  er  sich  nf  sein  mahul  vor  offendtlichen  gericht  schlahen 
und  sprechen,  das  er  die  ausgegossene  schme  und  injurien,  so  er  degem 
ingesampt  zugemessen  und  uf  sie  unbillicher  weisse  gelogen,  so  t  hie  ff 
wiederumb  in  sich  schlahen  solle,  als  er  die  hette  ausgegossen  und 
geredt,  mit  ausrichtunge  gepnrlicher  ezpens  und  uncosten,  von  rechts 
wegen  !** 

o)   Halsgeriohte. 

Die  YerhaDdlungen  an  peinlichen  HalBgerichtstagen  fan- 
den auf  demselben  Platze  wie  in  alter  Zeit  die  Petersgerichte, 
nördlich  vom  Kirchhofe,  statt;  der  Bichtplatz  dagegen  befand 
sich  am  Fufse  der  Altmark.  „Unten  am  Berg,  so  schreibt 
Erdmann  1754  in  seiner  Amtsbeschreibung,  „ist  ein  schöner 
Brunn,  Fichten  und  ander  Buschhols,  Huth,  und  auf  derselben 
das  neulich  erbaute  Hochgericht". 

Ober  den  Verlauf  eines  peinlichen  Recbtstages  bringt  das  Centbach 
folgendes  aus  der  mansfeldischen  Zeit  (1548 — 1555). 

„So    man    peinlich    gericht   über   schadbare   leuth 
sitzen  will. 

So  sich  die  schöpfen  nidergesettzt  haben,  so  fragt  der  richter  den 
nehesten  schopffen :  Wie  frag  ich  des  rechten?  —  Antwort  der  schopff": 
Bey  meinen  eydt.  —  Richter:  Bey  sulchem  eidt  so  seidt  eines  rechten 
urtheills  gefragt,  und  ir  schopffen  all  vierzeben,  ob  dies  peinlich  geriebt 
zu  endtlicher  rechtfertigung  izo  besetzt,  auch  an  der  tagzeit  sey,  das  man 
landen  und  leuthen,  witwen  und  waiAen  über  schadbar  leuth  richten  möge. 

—  Urtheill :    Heine    brudere  und  ich  erlLcnnen  und  Sprech  ich  von  unser 


Das  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rhön.  273 

«11er  wegen  in  recht,  das  die  peinlich  gericht  zu  endtlicber  rechtfertigoog 
in  crafft  unser  gnedigen  fursten  and  hern  wol  besezt  and  rechter  tagzeit 
sey,  über  schadbar  leuth  la  richten. 

Auf  dieses  arthell  sali  der  richter  das  gericht,  wie  nachfolget, 
hegen: 

Ich  hege  und  verbanne  dis  peinlich  halßgericht  in  gewalt,  craffc  und 
macht  des  hochgebornen  farsten  and  hern,  hern  Wilhelms  grauen  and 
hern  sn  Hennenbergk,  meines  g.  f.  und  hern.  Ich  hegs  auch  in  gewalt, 
«ra£Ft  und  macht  der  wolgebomen  hern,  hern  Hans  Jörgen  und  hern  Hans 
Albrechten  gebrfidere,  graaen  zu  Mansfelt  und  edele  hern  zu  Heldrungen, 
m.  g.  hern.  Ich  hegs  auch  mit  gewalt,  cra£fk  und  macht  beder  unser  g. 
hern  amptlent,  des  amptmanos  zu  Lichtenbergk  und  des  amptmanns  zu 
Saltennordheim,  bede  hie  entgegen.  Ich  hegs  auch  in  gewalt,  craffc  und 
macht  beder  zentgraflfen  und  yiersehen  scbopffen.  Ich  hegs  auch  in  gewalt, 
<cra£ft  und  macht  beder  amtknecht. 

Verbiete  euch  scbopffen,  das  keiner  (von)  seinen  stnell  aufstehe 
oder  nidersitze,  er  thu  dann  snlcbs  mit  laab.  Verbiete  euch  schopffen 
und  allen  umbstenden,  das  keiner  dem  andern  sein  wort  rede,  er  thue 
dann  das  mit  laub.  Ich  gebeut  recht  und  verbeut  unrecht.  Ich  verbeut 
alle  uberpracht,  auch  das  niemant  heimlich  oder  öffentlichen  daran  reden 
noch  handell  soll,  dann  die  ienigen,  den  es  von  rechtswegen  gepurt  und 
erlaubt  wirt.  Ich  verbeute  alle  auffrure,  zweyhung  oder  mifihellung, 
-dardurch  dies  peinlich  gericht  mocfat  geirret,  gehindert  oder  betäubt  werden. 

Und  beuelch  euch,  den  schopffen,  nach  clag  und  antwort 
nach  ordeoung  diefi  peinlichen  gerichts  urthell  zu  finden  und  zu  sprechen, 
ilem  reichen  als  dem  armen,  dem  armen  als  dem  reichen,  domit  landen 
und  leuthen,  witwen  und  weyBen  ires  rechten  geholffen  wirt;  das  nit  zu 
laBen  umb  lieb,  leidt,  freundtschafft,  feindtschaffc,  umb  gäbe,  forcht,  draw, 
verwandtschafft,  noch  keinerley  Sachen  willen,  die  das  recht  verhindern 
und  die  unrechtigkeit  fSrdem  mochten,  wie  ir  das  dann  leiblich  geschworn 
«iden  an  hochgenannt  meiner  g.  hern  zentgerichten  allhie  znuollbringen 
^ethan,  und  das  am  jüngsten  gericht  vor  got  dem  allmechtigen  verant- 
worten wollet,  getreulich  an  alle  geuerde. 

Darauff  fragt  der  richter  den  schopffen ,  ob  diB  peinlich  gericht 
gnngsam  gehegt  sey.  —  Urtheill:  Meine  brudere  und  ich  erkennen 
und  sprechen  zu  recht,  das  sulch  gericht  zu  peinlicher  rechtfertigung 
■gnugsam  geheget  sey. 

Nach  diesem  urthell  sali  der  richter  der  gerichtsknecht  einen  öffent- 
lich mffen  laBen:  Ob  imandt  im  rechten  peinlich  zu  handelln  hat,  der 
mocht  das  fornemen  wie  recht  sey.  —  AUsdann  sali  der  A  n  c  1  e  g  e  r 
furtreten  und  sagen:  Herr  richter,  von  wegen  etc.  und  seine  clag  nach 
vermöge  der  mifibandlung  oder  verwirckang  füren,  und  sich  allso  wie 
siehe  geburt  andingen,  und  so  sich  allso,  wie  recht  ist,  der  andeger  gnug* 


274  ^"^  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rhön. 

sam  aogediogt  hat,  weiter  des  rechten  fragen :  Herr  richter,  ich  biet  iir> 
theill  EU  fragen,  ob  ich  mich  also  hiermit  für  diesen  peinlichen  gericht 
gnagsam  angedingt  habe.  —  Ürtbeill:  Meine  brudere  und  ich  erkennen 
%u  recht,  es  sey  nach  gewonheit  dies  gerichts  gnngsam  angedingt;  er 
mocht  fort  faren  wie  recht  sey. 

Ancleger:  Herr  richter,  weyll  urtheyll  und  recht  erkanndt,  das  icb 
mich  gnugsam  angedinget  habe,  und  nachdem  ich  an  stat  hocbgenanter 
m.  g.  h.  XU  N  clag,  wie  furter  gebaren  soll,  darmit  ich  meine  dag  eroffen 
und  yoUnfaren  möge,  bit  urthell  anzustellen.  —  Urtheill:  Man  soll  den. 
theter  durch  die  gerichtsknecht  dem  suchtiger  überantworten  und  den  für 
gericht  br engen  laBen. 

Und  so  der  theter  für  gericht  pracht  wird  ^),  redet  fernere  der 

Ancleger :  Herr  richter,  weyll  nuhn  der  theter  öffentlichen  für  gericht 
erscheint,  biet  ich  weiter  yrtheyll,  ob  ich  mit  billig  meine  clage  eroffen 
soll.  —  Urtheill:  Der  ancleger  mag  dagen  wie  recht,  soll  im  wie  recht 
geholffen  werden. 

Ancleger :  Herr  richter,  ich  stehe  hie  anstat  und  von  wegen  hoch- 
genannter  m.  g.  hern,  und  dag  peinlichen  su  N,  wie  er  wider  ehr,  got 
und  recht,  auch  gemeinen  landtfrieden  etc.  und  (so  soll  er)  nach  der 
mißhandlung  clagen,  und  so  die  dag,  wie  recht  ist,  vollenden,  verner  den 
richter  bieten  urtheyll  anzustellen,  das  soliche  öffentliche  malefis  mit 
dem  N  (Strang,  Schwert,  Feuer  etc.)  vom  leben  zam  dot  gerichtet  wer- 
den soll. 

Uff  solche  clag  soll  der  richter  den  bedagten  fragen,  ob  er  der 
dag  gestendig  sey,  und  so  er  bekennt  jha,  soll  der 

Ancleger  sagen:  Herr  richter,  weill  der  beclagt  der  clag  gestendig^ 
und  nit  verneynet,  bit  ich  weiter  urtheill  anzustellen,  wie  er  seine  ge- 
purliche  straff,  wie  gebeten,  erlangen  muge.  —  Urtheill:  Mach  gehabtem 
radt  erkennen  meine  mitbrodere  und  ich,  sprechen  zu  recht,  das  gegen- 
wertiger  theter  vom  süchtiger  an  gewonliche  richtstat  gefurt  und  mit  denk 
N  vom  leben  zum  dot  gericht  werden  soll. 

Andf ger :  Herr  richter,  ich  biet  urtheill  anzustellen,  wer  dem  zuch- 
tiger den  wegk  weißen  sali.  —  Urtheill:  Das  sollen  thun  die  gericht- 
knecht. 

Ancleger:  Herr  richter,  ich  biet  urtheyll  anzustellen,  were  schua,. 
schirm  thun  und  halten  soll,  domit  dem  gesprochene  urtheill  vollnstreckt 
werden.  —  Urtheill:  Das  sollen  thun  unser  gnedigen  hern  amptleut  und 
gewalt. 

Nach  diefsem  urtheill  sali  der  richter  den  stabe  zurbrechen  und 
hinter  sich  werfen,  und  den  armen  dem  nachrichter  beuhelen,  bey  seinem 


1)  Dafi   dabei    auch   das  Beschreien    nicht   fehlte,    beweist  ein  Fall 
Tou  1468  (s.  u.). 


Das  ehemalig»  Amt  LicbteDberg  vor  der  Rhön.  27& 

eidt  gebieten  die  gegebene  nrtheill  getreulich  luaollEiehen,  alBo  vom  ge- 
rieht aoffstehen  und  darob  halten,  damit  der  nacbricbter  die  gesprochene 
ortheill  mit  guter  gewarsam  and  Sicherheit  Toinziehen  möcht**. 


d)  Streit-  und  Centfälle. 

Im  Jahre  1446  wurde  Graf  Heinrich  y.  Henneherg  mit 
seinen  Ansprüchen  auf  ELengsfeld,  Bettenhausen  und  Seba 
als  Zugehörungen  seines  Amtes  KNordheim  von  seinen  Vet- 
tern abgewiesen,  da  ELengsfeld  stets  eine  Zugehörung  des 
Amtes  Sand  gewesen,  Bettenhausen  und  Seba  aber  blofs  in 
etlichen  Sachen  das  Gericht  zu  £Sundheim  zu  suchen  hätten,, 
keineswegs  aber  zu  KNordheim  gehörten. 

1468:  Um  verschiedene  Streitigkeiten  zwischen  Heinrieb 
und  den  Brüdern  Friedrich  und  Otto  (Römhilder  Linie)  die 
eben  auch  gefürstet  worden  war)  zum  Austrag  zu  bringen,, 
-wurde  auf  Mittwoch  nach  Erhardi  ein  „Tag''  zu  KSundheim 
gehalten,  auf  welchem  die  genannten  Herren  mit  ihren  Amt- 
leuten  und  Centgrafen   erschienen   waren  *).     Da    eine  £ini- 


1)  Auf  die  betr.  Klagen  der  fürstl.  BrUder  antwortete  Oraf  Heiorich: 
Den  Kaspar  Tbolmar  (er  war  „dwbe  halben**  in  den  KNordheimer  Cent- 
tonn  gesteckt  worden)  habe  er,  da  er  „sein  gedingter  and  gebroter  knecht** 
gewesen,  allerdings  „ausgelassen",  aber  selbst  ihn  gestraft;  die  „Ochsen- 
rewber**  (sie  hatten  in  Schweinfurt  7  Ochsen  gestohlen  und  waren  in 
Oberweid  ergriflfen  worden)  and  die  Ochsen  bitten  vor  die  Gerichtsbarkeit 
B«ines  Neffen  Wilhelm  gehört,  dessen  Leute  sie  ergriffen  bfitten;  den- 
Weyprecht  Phabe  und  Steffen  Homingk  aus  Wohlmuthausen  und  den 
Bankriefs  aus  KSundheim  habe  er  allerdings  ausgelassen,  aber  sie  vorher 
in  seinem  und  ihrem  (der  beiden  Grafen)  Namen  eidlich  geloben  lassen 
sieh  der  verwirkten  Bufse  zu  unterwerfen.  Dem  entlaufenen  Erbenhftuser 
HSrder,  der  mit  Brandstiftung  gedroht,  habe  er  mit  Zustimmung  der 
Witwe  seines  ermordeten  Schwagers  „umb  des  pesten  willen  geleytt  ge- 
geben*', „dafi  er  wider  einkommen  und  ein  be«Aerung  (Geldbufie)  nach 
»einem  vermögen  thun  solte";  der  „Mort**  aber  sei  gana  „smecken**  ge- 
worden, weshalb  man  ihn  nicht  auf  die  Cent  geschafft,  sondern  nach 
Nebmung  des  Leibzeichens  begraben  habe.  Gegen  das  alles  machten  die 
Grafen  geltend,  Tholmar  sei  in  KNordheim  „bewlich  gesesflen**  und  des- 
halb centpflichtig;  die  Ochsendiebe  gehörten  an  die  Cent,  in  deren  Be- 
sirk  sie  ergriffen  seien;    ohne  ihre,   der  Grafen,    Genehmigung  hätten  die^ 


276  ^^"  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Bbön. 

gung,  auch  wegen  anderer  nicht  die  Cent  angehender  Funkte 
nicht  zustande  kam,   heriefen  sie  ein  Schiedsgericht,   das  aus 


8  anderen  nicht  ausgelassen,  dem  Erbenbftoser  kein  Geleit  gegeben  wer- 
ben dfirfen  ;  „so  möge  anch  der  dott  nit  so  sere  gesmeckt  haben**,  da  er 
doch  nnr  eine  Nacht  gelegen,  nnd  von  des  Mörders  Pferden,  die  der 
KNordheimer  Centgraf  Conts  Pfaff  genommen,  sei  ihnen  auch  „nichts 
worden**.  Übrigens  habe  dieser  aach  in  Mittelsdorf  einem  ihrer  „armen*' 
^,ein  biene^S  den  er  in  seinem  Garten  gefanden,  genommen  and  „gein 
Kaltennortheym  gefurt  als  für  fanden  gat,  das  doch  nach  gewonheit  dieS 
gerichts  ihnen  halb  snsteen  solt;  ine  sey  aber  nichts  davon  worden**. 
^,Das  verantwort  Conts  Pfaflfe,  er  habe  dem  mann  den  biene  nit  genom- 
men, sundern  den  umb  ein  andern,  des  er  gewest  were,  far  ein  malter 
haberu  kaofft**. 

Nun  kam  Graf  Heinrich  mit  seinen  Klagen,  und  die  Brüder  ver- 
antworteten  sich :  Ihr  Vogt  von  Lichtenberg,  welcher  „von  nngeschichten** 
nach  Wohlmttthaasen  gekommen  sei,  habe  den  Weiprecht  Phabe,  nicht 
weil  er  sich  mit  Horningk  geschlagen  nnd  „gewondef*,  sondern  weil  er 
ihr  „offener  veihent**  sei,  aas  der  Cent  nach  Lichtenberg  geführt.  Aaf 
^ie  Klage  Heinrichs,  sie  hätten  ihren  Schöffen  ein  von  ihm  gebotenes 
-Gericht  zu  besuchen  verboten,  nnd  es  sei  doch  „von  alther  herekomen 
undt  werde  auch  alle  iare  am  petersgericht  erteilt,  wenn  sich  die  yoit 
-eines  gerichts  mit  einander  nit  vertragen  können,  so  möge  ein  jeder  voit 
mit  seinem  sentgrauen  ein  gericht  besietsen**  nnd  ,,es  sey  herekomen, 
•das  ein  yeder  voit  on  den  andern  gericht  zagepieten  und  zobesitzen  macht 
habe,  das  auch  ein  yeder  zentpflichtiger  znbesuchen  pflichtig  sey**  ant- 
worteten sie:  ihre  Schöffen  behaupteten,  „wann  sie  am  gericht  beyde 
^oit  und  swen  zentgrauen  sehen  sietzen,  so  wüsten  sie  woll,  das  sie 
auch  sietzen  solten;  sunst  seyen  sie  das  zutun  nit  pflichtig*'.  Übrigens 
lifttten  sie  das  Gericht  nur  aufgeschoben  wissen  wollen,  bis  Graf  Friedrich 
selbst  dabei  sein  könne,  da  seine  und  seines  Bruders  arme  Leute  in 
Wohlmuthausen  nnd  KSundheim  „von  einem  valthore  zum  andern**  von 
■Graf  Heinrich  wegen  zu  geringer  Sache  vor  das  Gericht  geheischt  seien. 
In  Wohlmuthausen  hätte  nämlich  ein  Knecht  des  lichtenb.  Amtmanns 
•einem,  der  diesem  eine  geheischte  Frone  zu  thun  sich  geweigert,  einen 
Kessel  pfänden  wollen,  „dafure  die  frawe  gepeten  ...  er  solle  ein  ann- 
der  pfant  nemen'*,  und  weil  der  Schöffe  dies  nicht  an  der  Cent  gerügt, 
"Wäre  die  ganze  Gemeinde  geheischt;  die  Kaltensundheimer  aber,  weil  sie 
nach  ihrem  Dorfsrechte  „anwantung  geweist  nnd  Clausen  Boppen  gepfent« 
-darumb  das  sein  vihe  den  lewten  zuschaden  gangen  habe**.  Auch  weil 
-Graf  Heinrich  sich  mit  seinen  bufjifälligen  ünterthanen  „hinter  dem  ge- 
richt vertrage,  aber  ihre  armen  lewte  nit  dartzu  komen  und  des  gleichen 
bescheen  laften  wolle,    das   nit  plllioh,    auch   nit   herekomen    noch  gleyth 


Dm  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rhön.  277 

^orge  Ton  der  Kehre  als  Obmann  und  4  „Zusetzen"  („Hansen 
Ton  Wisentawe  und  Baltasam  Speohtzharf'  von  Heinrichs, 
und  „Baltasam  von  Ostheym  und  Pauls  Narben*'  yon  Fried- 
Tioh  und  Ottos  Seite  —  die  beiderseitigen  Amtmänner  also 
<labei}  bestand,  für  den  Dienstag  nach  Yooem  juound.  nach 
Stockheim  >). 


sej^f  hitten  sie  das  Gericht  ,,anfgetlaheii**  wissen  wollen.  ,»Item  des 
brieffi  (von  1815  oder  von  1447  ?)  halben,  innbaltende  was  gereohtickeyt 
^ede  herren  inn  dem  gerioht  haben  sollen,  haben  m.  g.  herren  sich  vor- 
•mals  inn  der  gntlichkeit  erpoten,  darnach  suchen  salaften,  and  so  der 
fanden  wirdet,  den  far  sopringen,  ingetraweu  er  ine  also  woU  als  meyn 
herren  graae  Heinrieh  sostehen  and  nutse  sein  sollen*^  Aaf  beiden  Seiten 
^ab  es  solcher  Klagen  noch  mancherlei. 

1)  „Zam  ersten  ist  darch  sie  betejdingt  and  abgeredt,  das  bede 
lierschaft,  wenn  ine  ebent  das  petersgericht  and  andere  gericht  daselbst 
besietzen  laAen  sollen,  nach  lawte  des  versiegelten  briaes,  innbaltende  wie 
-^ie  schopffen  sa  Kaldensaotheym  vormals  geteylt  haben,  des  alsdann  vor 
ine  ein  vidimus  dargelegt  worden  ist,  and  so  sie  also  des  gericht  besetsen 
«od  amb  das  sietsen,  wie  and  wo  iglicher  voit  and  zentgraae  sietsen 
solle,  aneynigk  wirden,  sollen  sie  sich  von  beyden  teylen  die  schepffen 
•desselben  gerichts  daramb,  wie  yederteyle  sietzen  solle,  entscheyden  laften. 
—  Farter  ist  darch  sie  abgeredt,  was  voo  bauen  an  dem  gemelten  gericht 
-durch  die  schepffen  geteilt  werden  sollen,  sich  die,  die  also  buBfelligk 
-erkant  sein,  mit  igliches  herren  voit  und  zentgraaen  vertragen,  so  soll 
auch  keins  herren  voit  mit  keynem  sentpflichtigen  omb  sach,  die  an  das 
^richt  geheren,  vereynen  oder  vertragen  on  des  anndem  hern  voit  widen 
und  willen.  —  Meer  bt  abgeredt,  das  iglichs  herren  voit,  der  ye  zu 
aeyten  ist,  kein  gebott  thnn  oder  gebieten  soll  on  den  andern ;  und  so 
einer  ein  geböte  thun  wolte,  solte  er  au  dem  anndem  schicken  und  ime 
das  zu  wissen  thun.  Were  er  nu  nicht  anheym,  so  solte  doch  der  voit, 
-der  inheymisch  ist,  solich  gebott  thun  und  anlegen,  von  beyder  herren 
^wegen,  biß  auff  des  anndern  herren  voit  znkunflft,  und  so  demeibe,  der 
«lao  nit  inheymisch  ist,  anheym  komet,  soll  ime  das  durch  den  anndern 
▼erkandet  werden.  Dieselben  voit  sollen  auch  alsdann  solich  geböte 
'keyner  on  des  anndem  wiAen  und  willen  offen  und  abthun,  es  were  dann, 
-das  ir  eyner  nicht  inheymisch,  und  das  geböte  so  lange,  bifi  der  awfi- 
wertig  queme,  anstehen  zulaßen  nit  togelich  were,  so  mochte  der  inhey- 
; mische  in  beyden  zu  gute  solich  geböte  ablegen  und  offen.  —  Item  es 
^aoll  auch  ein  freybote  ye  zu  zeiten  durch  bede  herren  gesetzt  werden, 
4ind  der  also  gesetzt  wirdet,  soll  iglichem  herren  sonile  als  dem  andern 
pflichtig  zutun  und  verpunden  sein.  —  Und  solich  stuck  obgemelt  sollen 


278  ^^  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rhön. 

1472  hatte  einer  der  beiden  Orafen  Heinrich  oder  Otto 
(seit  der  Landteilung  von  1468  alleiniger  Herr  von  Lichten- 
berg) ein  Gericht  gebieten,  der  andere  es  seinen  IJnterthanea 
verbieten  lassen,  weil  der  Streit  wegen  der  Bangordnung 
ihrer  Beamten  am  Gericht  sich  verschärft  hatte,  sodals  eine 
Zeitlang  das  Gericht  ^»niedergelegt'*  war.  Ein  Schiedsgericht 
(Beriet  v.  Bibra  und  Jorge  v.  d.  Kehre  auf  Heinrichs,  Balth» 
V.  Ostheim  und  Paul  Narbe  auf  Ottos  Seite)  entschied»  dafa 
sie  diese  und  jede  ähnliche  Streitfrage  zum  Petersgericht 
durch  die  Schöffen  entscheiden  lassen  sollten  ^)  (Wm). 

1501  und  1502  gab  es  Irrungen  zwischen  den  Grafen 
Wilhelm  und  Hermann,  weil  letzterer  mehrere  „Mifthändler'^ 
aus  der  Cent  nach  Lichtenberg,  ja  sogar  nach  Eömhild  hatte 
führen  lassen,  um  die  Strafgelder  allein  einzustreichen. 

1505  am  19.  April  war  einem  fuldisohen  Unterthan  ein 
Pferd  gestohlen  und  dieses  in  ESundheim  dem  Diebe,  welcher 
entwischte,  abgenommen  worden.  Als  deshalb  der  Amtmann 
Wolf  von  Herbilstadt  (s.  S.  177)  nach  KSundheim  kam,  hatte- 
der  Schultheifs  das  Pferd  schon  nach  Lichtenberg  geschickt.. 
Wolf  V.    Herbilstadt   erhielt   nun  vom   Grafen    Wilhelm   den 


bescheen  und  damit  also,  wie  obinberart  ist,  gehandelt  werden  bifi  znm 
aoBspruch'*.  —  Hinsichtlich  der  übrigen  anerledigt  gebliebenen  Punkte 
sollte  „iglichs  herren  zosetz  iren  spruch**  binnen  6  Wochen  nnd  8  Tagen 
(der  „sächsischen  Frist*')  an  den  Obmann  einsenden . 

1)  Vermutlich  ist  nachfolgendes  „Schöffenorteil**  ohne  Datnm  darauf 
erfolgt:  „Zum  ersten  als  ron  alter  herkommen  ist,  das  bede  herren  von 
Henneberg  oder  ir  Yoyt  allwege  Pctri  Cathedra  ein  landgericht  haben  zu 
Kaltensontheim  14  tag  vor  adder  14  tag  nach  sankt  peterstag  ungererlich ;. 
do  sollen  sitzen  beder  herren  voyt :  des  ersten  der  voyte  von  Lichten- 
berg, darnach  der  voyt  von  Kaltennortheim ;  darnach  der  zentgraf  von 
Lichtenberg,  derselb  sal  den  stab  halten  und  sal  freger  seyn,  darnach  der 
Bentgra£f  von  Kaltennortheim  ein  verhorer**  etc.  (D).  —  Das  Centbucb 
brioKt  dazu  noch  die  Bemerkung:  „Ein  ambtmann  sw  Lichtenbttrgk  hat 
zu  Kaltensontheim  am  zentgericht  den  vorsitz,  und  ein  zentgraf  zu 
Kaltensontheim  hat  alle  peinliche  und  auch  zentgericht,  den  gerichtstab- 
und  alle  fragen**.  Demnach  leitete  der  KNordheimer  Zentgraf  die  ge> 
heimen  Untersuchungen  mittelst  g&tlicher  und  peinlicher  Fragen,  der 
Käundheimer  alle  dflfeutlichen  Verhandlungen  und  Exekutionen. 


Dm  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rhön.  279 

Bescheid,  er  solle  sofort  von  seinem  Schwager,  dem  Amtmann 
Ph.  T.  Stein,  das  Pferd  zurückfordern;  erhalte  er  es  nicht, 
so  möge  er  den  Schultheissen  oder  2  oder  3  von  dessen  Pferden 
oder  auch  yon  andern  Nachbarn  in  Gewahrsam  bringen,  doch 
,,niohts  überflnssigs*'  vornehmen.  Am  23.  kam  die  Antwort 
Ton  Ph.  Y.  Stein,  er  habe  erst  bei  seiner  Heimkunft  von  der 
Sache  erfahren  und  das  Pferd  auf  Ersuchen  des  Abts  dem 
Eigentümer  gleich  zurückgegeben.  Darauf  schickte  unter  dem 
27.  Oraf  Wilhelm  seinem  Amtmanne  einen  in  dessen  Namen 
geschriebenen  Brief  an  Ph.  v.  Stein,  worin  dieser  aufgefordert 
wurde,  einen  Tag  zu  bestimmen,  an  welchem  sie  gemeinsam 
den  Schultheifsen  wegen  seiner  „mishandlung''  vornehmen 
wollten,  denn  das  Pferd  habe  als  gestohlen  Gut  nach  ENord- 
heim  gehört.  Am  2.  Pfingstfeiertage,  14  Tage  darauf,  be- 
richtet Wolf  seinem  Herrn,  er  sei  heute  nach  ESundheim 
einer  vorgefallenen  Schlägerei  wegen  geritten,  da  sei  der 
^hultheifs  gekommen,  den  er  des  Pferdes  wegen  angelassen 
und  eingesteckt  habe.  Dabei  habe  ein  Sundheimer  zu  dreien 
Malen  auf  ihn  „mit  einer  brant  buchssen  angezundt'^  Am 
Pfingstmittwoch  beschwert  sich  Graf  Hermann  bei  Graf  Wil- 
helm, Wolf  habe  den  Schultheifsen  „gutlich''  vor  sich  ge- 
fordert, ihn  aber  festnehmen  lassen  und  „unverklagt,  uner- 
sucht ,  on  alle  schuld  geweltiglich"  ete.  gefangen  nach 
KNordheim  geführt,  auch  auf  einen  Nachbar  geschossen  und 
den  verwundet;  er  bittet,  solchen  „krenckgencglichen  tatten 
abtrag  unnd  karung^'  zu  thun.  Am  Tage  darauf  trifft  die 
Antwort  Wilhelms  aus  Sülzfeld  ein,  er  habe  seinem  Amt- 
manne  den  Befehl  zugehen  lassen,  vorläufig,  bis  zu  seiner 
Btickkunft  von  der  vorhabenden  Reise,  den  Schultheifsen 
ledig  zu  geben. 

1509,  als  sich  der  Cent  wegen  zwischen  beiden  Herr- 
«ohaften  „zwitracht  begeben,  darvon  sulch  gericht  etlich 
xeit  nidergelecht  geweßen'^,  und  1537  wurden  die  beiden 
Verträge  (S.  268  ff.)  geschlossen,  welche  nun  auch  an  jedem 
Petersgericht  verlesen  wurden. 

1539  bekennen  Hanns  Zufraes,  Amtmann  zu  Ealtennort- 


280  ^*^  ehemalige  Amt  Lichtenberg  yor  der  RhSo. 

teim,  und  Hans  Toin  Oisteim,  Amtmann  zu  Lichtenberg  ai» 
der  Boine,  urkundlich,  dals  sich  beide  Herren  von  Henneberg^ 
an  Petri  cathedra  dahin  verglichen  haben,  dafs  alle  Appellations« 
Bachen  ein  Jahr  ums  andere  von  einem  derselben,  doch  stets- 
als  in  beider  Namen  erledigt  werden,  und  dafs  dem  Lose- 
nach, welches  beide  Amtleute  geworfen,  Oraf  Berthold  damit 
anfangen  solle. 

1548:  „Auff  freittag  nach  Marie  himelfart  haben  die 
fuldischen  anwellde  ein  peinlich  halßgericht  auff  iren  costen 
wider  iren  abgesagten  feinde,  Linhart  von  Haußen  genant,, 
bestelt  und  gehalten,  und  bis  ins  yierde  halßgericht  sulche 
dag  und  antwort  sich  erstrecket,  dardurch  zwey  urthell  zu 
Lejpsigk  gebracht  worden,  wie  hernach  geschrieben  ist: 

(1.)  „Demnach  spreehen  wir  schopffen  sa  Leipsigk  vor  recht:  Dieweill 
becJagter  die  dag  rerneint,  so  sein  anch  dagende  anwellde  den  gründe 
derselbigen  in  sweyen  monaten,  und  dnreh  die  vorgebrachte  vhedesbrieflT 
ader  snost  wie  in  recht  gnngsam  saerweifien  schuldig;  snlchs  geschehe 
also  aber  nit,  so  ergehet  daranff  (der  eingebrachten  des  bedagten  kundt- 
schaut  nngeacht)  furder  was  recht  ist,  von  rechts  wegen.  Zn  urknndt 
mit  nnserm  inslegell  versiegelt.  —  Schopffen  sn  Leypsigk.** 

Item  auf  freitag  nach  purificationis  Marie  des  44.  ist 
wider  ein  peinlich  halßgericht  gehalten  worden;  ist  das  leyp- 
zigker  endturthell  der  sachen  gemanet  und  yorleßen  worden,, 
lautende  wie  yolgt: 

f,Demnach  sprechen  wir  schöpfen  su  Leypsigk  vor  recht,  das 
clagende  parthey  mit  den  vorgeprachten  des  bedagten  brieff  so  viel  er- 
weist, das  beclagter  mit  dem  feuher  aum  dot  gestrafft  wirt,  von  recht» 
wegen.  ->  Schopflfen  an  Leypzigk.** 

Auff  Bulch  urtheill  hat  der  beclagt  umb  gotes  willen  vor 
dem  ganzen  gericht  und  cendtvolck  zu  zwey  und  drej  mall 
gebeten,  im  sulch  graußamlich  urthell  mit  barmherzigkeit  zu 
uermeogen  und  in  mit  dem  schwert  zu  richten,  welchs  di& 
anwellde  von  Fulde  nachgeben,  und  ist  der  arm  mit  dem 
schwert  gericht  worden/' 

1548:  „Auff  freitag  nach  Vincula  Petri  des  48.  ist 
einer,  Jörg  Rehe  genannt  zu  Erhenhaußen,  einer  notzucht 
halber  gefengklich  angenomen,   und    auff   den  genanten  tagk 


Dm  ehemalige  Amt  Lichtenberg  yor  der  RhSn.  281 

Tor  das  halßgerioht  gestellet,  und  mit  einem  urtbell  von  Leip- 
sigk  brächet,  mit  dem  schwert  gerioht  worden.  —  Notat 
Bede  unsere  gn.  f.  und  hern  von  Hennenbergk  haben  sulchen 
peinlichen  oosten  zugleich  miteinander  abgoltten". 

1550:  Stephan  Weilsenbom  aus  ENordheim  war  eines 
Diebstahls  überführt  und  ohne  Zuthun  des  Nachrichters  ge- 
ständig. ,»Aa£f  sulch  bekentnus  ist  Yon  wegen  beider  unser 
g.  hern  Hennenbergk  und  Mansfelt  den  zentpfLichtigen  Dorffero 
geboten  worden,  einen  galgen  zu  Kaltensontheim  zu  machen 
laßen  und  auffgericht,  in  willens,  den  ubelltheter  auff  freitag^ 
nach  Lucitie  des  50.  jhars  mit  peinlichen  gericht  furzunehmen.. 
Auff  den  sechzehenden  tagk  in  der  nacht  ist  er  zu  Kalten- 
northeim  aus  dem  thurm  gebrochen,  und  sein  bet  mit  sich 
genomen  und  daruon^'. 

„Item  der  galgen  ist  nichts  desto  minder  gemacht  and  aafgehobeO' 
worden**.  KSundheim  gab  das  Hols,  die  übrigen  Dörfer  zogen  der 
4  Heimfahren  wegen  Halme ;  das  Los  traf  Westheim,  Erbenhaosen,  Wohl- 
mathaosen  and  Mitteisdorf.  „Item  alle  wergkleat  von  simmermenner,  so 
Tiel  in  der  aent  gefanden  worden,  haben  den  galgen  gemacht  and  aaflT 
der  riebstat  sagelegt,  ond  ein  simmermann  su  Bettenhanfien  mit  namen 
Jacob  Nadmann  hat  sich  salcbs  zathun  gewegert  and  etlich  arsach  far- 
geben;  haben  in  die  andere  meyster  daramb  vor  bede  voigten  beelaget, 
hat  er  sich  in  zw  straffe  eingelaßen,  haben  sie  in  nmb  einen  galden  ver- 
soffen. Item  Enders  Lentbechers  sone  von  Erbenhaufien  hat  erstlich  den- 
galgen  helffien  machen,  and  ist  darnach  als  ein  simmermann  sam  heben 
aofiplieben;  denselbigen  haben  bede  voigt  den  zimmermenner  zu  straffen* 
übergeben,  haben  sie  in  omb  einen  halben  galden  gestrafft,  angesehen 
das  er  ein  janger  gesell  sey.  Item  bede  sentgraffen  and  das  landvolclc 
haben  den  galigen  anffgehaben.  Item  man  hat  idem  wagen  16  gnck.  si^ 
belonang  geben.  Item  ein  ider  Schmidt,  die  in  der  zent  wonen,  hat  einen 
ringk  an  der  keten  sam  galgen  machen  mafi.  Item  aaff  salch  galgen 
machen  und  aafheben  ist  von  voigten,  sentgraffen,  schopffen  and 
acholtheis  sampt  hem  landtknecht  and  andern  mehr  zw  ancosten  verzert 
worden  19  galden  9  gnck. ;  das  haben  meine  g.  f.  and  hern  graaen  Wil- 
helms sa  Hennenbergk  centverwanten  die  helft,  and  die  andere  helffk 
meiner  g.  hern  von  Mansfelt  sentpflichtigen  geben*** 

Seiner  Bestimmung,  den  neuen  Galgen  als  Erstling  za 
zieren,  entging  Steffen  Weifsenborn  nicht.  Mittwoch  nach 
Ostern  1551,  ein  Vierteljahr  nach  seiner  Flucht,  wurde  er  ia 


^282  ^<^  ehemalige  Amt  Lichtenberg  ror  der  Rhön. 

seinem  Hause  ergriffen  und  Freitag  nach  Quasimodog.  Tor 
das  Halsgericht  gestellt  und  |,mitt  urtl  und  recht  vermöge 
seiner  verwirckung  und  urgicht  mit  dem  sträng  yom  leben 
2um  tode  gestrafft".  ,yltem  ides  dorfschafft  in  der  zent  hoben 
2  mhan  geben  müssen,  die  haben  die  galgenleitern  machen 
müssen,  den  hat  man  1  ff.  und  16^/^  gnacken  zuuerdrincken 
geben*'  und  dem  Scharfrichter  mulsten  die  Gentverwandten 
41  ff.  18V«  gn.  zahlen. 

1556:  Nach  Ostern  hatte  sich  in  ünterweid  ein  junger 
Mann  erhängt;  die  Leiche  wurde  sofort  zur  Gent  geliefert 
und  dort  von  Leuten  aus  ünterweid  Tag  und  Nacht  bewacht, 
bis  sie  5  Tage  darauf  verbrannt  wurde.  Jedes  Dorf  muTste 
^azu  eine  Fuhre  Holz  liefern,  alle  Gentpffichtigen  mufsten 
der  Verbrennung  beiwohnen,  auch  die  Amtmänner  waren  zu- 
gegen ^).  Yon  den  auf  die  ganze  Cent  verteilten  Unkosten 
trug  es  jedem  Gentpflichtigen  13  gute  Pfennige.  „Die  von 
Nidernweithe  haben  den,  so  sich  erhangen,  auff  die  zent 
auff  einem  kam  geantwortet;  hat  der  naohrichter  die  pferde 
folgen  genomen,  in  seinen  nuz  gewandt.'* 

1570:  Hans  Scholl  aus  Hilders  hatte  gestohlen  und  den 
Hans  Limpert  in  Oberweid  erstochen,  weshalb  er  einem 
Jenaer  Schöffenurteile  zufolge  gehenkt  wurde.  Obgleich  er 
«in  Ausländer  gewesen,  und  im  Hennebergischen  ergriffen 
worden  war,  mufs  doch  auch  der  sächsische  Teil  der  Cent 
die  Kosten,  102  fl.  12  gn.,  zur  Hälfte  tragen,  was  zur  Nach- 
achtung für  spätere  Fälle  ins  Gentbuch  notiert  wird. 

Am  11.  Mai  desselben  Jahres  war  Balth.  Günther  von 
^Weisteim"  in  Mittelsdorf  auf  der  Oasse  von  Lorenz  Fiok 
«US    Mittelsdorf    erstochen     und     die   Leiche    auf   die    Cent 


1)  1746  erhängte  sich  in  Ünterweid  (jetst  sur  Cent  KNordhelm  ge- 
fa5rig)  ein  Tmnkenbold.  Weil  niemand  darch  Berührung  der  Leiche  un- 
ehrlich werden  wollte,  wurde  ein  Bettler  gedungen  sie  absnschneiden. 
Dann  wurde  sie  in  den  Friedhof  durch  eine  in  den  Zaun  geniachte  Lficke 
gesogen  und  in  einer  Ecke  ohne  Sarg  in  das  Grab  geworfen.  Ebenso 
wurde  8  Jahre  spftter  mit  der  Leiche  des  Schultheilsen  rerfahren,  der 
sich  erh&ngt  hatte. 


Dm  ehemalig«  Amt  Lichtenberg  vor  der  Bh6n.  283 

^esohafft  worden.  Bei  der  BetichtignDg  am  folgenden  Tage 
durch  ,,beider  bern  Sachßen  und  Hennenbergk  Hennenbergk 
^nd  Sachsen''  i)  Schöffen  aus  Seba,  Wohlmuthausen,  West- 
lieim,  ENordheim  and  KSandheim  im  Beisein  der  Scholt- 
faeifsen  von  ENordheim  in  Yertretnng  des  Amtmanns  Sjispar 
Unrath  und  von  KSandheim  für  den  Gentgrafen  Richmann, 
sowie  des  Bettenhäuser  Gentgrafen  Franz  Multer  sind  zuerst 
^,von  beyder  hem  landtknechten  die  kleider  geöffnet  worden, 
darauf  hoben  beyder  herrn*  sechsischen  und  hennebergischen 
^entsohopfen  den  entleibten  am  leib  ahn  allen  orthen  besich- 
tigt und  besehen  und  an  dem  entleibten  uf  dem  rück  am 
leib  eynen  stich  in  leib  hinein  unter  dem  rechten  schulter- 
beyn  fanden.  Darauff  hoben  die  schöpfen  zu  recht  erkantt, 
«das  der  entleibte  von  sollichem  stich  gestorben  sey.  Zum 
anderoi  so  hoben  die  schepfen  mher  an  dem  entleibten  einen 
-schaden  am  mundt  fanden;  die  schöpfen  hoben  aber  nit  er- 
kennen können,  ob  es  eyn  wurff  oder  eyn  schlagk  sey  ge* 
^wesen. 

Dyse  baodtlang  ond  mordtmten  ist  mit  des  entleibten  Gantern  weib 
und  kindern  Tortragen  wurden ;  doch  etliche  des  entleibten  frendschafft .... 
hoben  in  den  Tortragk,  den  das  weib  mit  dem  theter  gehalten  and  ge- 
macht, ghar  nit  wUligen  wollt.  Item  der  teter  Lorenz  Fick,  der  sich  dan 
allein  als  teter  hyrza  erkant,  hat  sich  mit  beyden  senthern  .  .  .  von 
-wegen  solcher  mordtat  and  begangenen  freaels,  aach  daramb  mit  i.  f.  g.  Tor- 
tragen. Und  so  hoben  beyde  senthem  an  der  straff  glich,  eins  nit  mher 
als  der  ander  genomen.  Ob  es  sich  sotragen  wurde  in  m.  g.  f.  ond  hem, 
graffen  Georgen  Ernsten  sa  Hennebergs  teyll,  das  derglichen  auch  ge- 
halten werden  soll.  —  Nota :  Über  die  besichtigang  des  entleibten  Balthasern 
Gantern  ist  Ton  den  zentschopfen  and  andern  vorthan  warden  6  fl.  and  etlich 
'  gnacken,  welches  domals  der  sent  sagerechnet  warden  and  dem  wirt  be- 
xalet.  Es  soll  aber  der  teter  die  wirte  sich  (attvor  erst  mit  den  senthern) 
und  mit  des  entleibten  weib  vortragen,  der  aent  solch  gelt  wieder  erstatten 
and  erlegen,  welches  also  eyn  alt  herkomen,  and  hynfarder  also  gehalten 
werden  soll." 

1582  am  26.  Mai  wurde   Marg.  Hartmann   aus   Mittels- 
dorf|  welche  am  2.  ihrem  Kinde    den  Hals    umgedreht  hatte, 


1)  So   konnte    sich    keine    der   beiden  Herrschaften  vor  der  andern 
aarüekgesetzt  f&hlen! 

IVIL  19 


284  ^^  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rhön. 

und  in  demselben  Jahre  Hans  Köhler  ebendaher  unbekannter 
Ursache  wegen  geköpft. 

1599:  •  .  •  „ist  der  arme  unschuldige  Heintz  Spiegel 
von  Wihlmars  allhier  anf  der  centh  besichtiget  worden  und 
hernach  allhier  ehrl.  begraben,  welchen  die  gottlose  zween 
brüder  von  adel  Hans  Ulrich  und  Herten  Oeiß  von  Heltrit^ 
als  er  seine  schaafhttrten  yortgeschlageoy  schändlich  und  un- 
ehrlicher weiße  erschlagen  haben"  (K8.  Erchbch.). 

Dieser  Fall  wurde  die  hauptsächlichste  Veranlassung  zur 
Lostrennung  der  Vogtei  Ealtennordheim  von 
der  Gent. 

Auf  Verwendung  der  altenburg.  Begierung  wurde  zwar 
der  Prozefs  gegen  die  Mörder,  die  Besitzer  von  Vorder- 
weimarschmieden, niedergeschlagen,  diese  aber  doch  zu  einer 
ansehnlichen  Geldstrafe  verurteilt  Als  nun  Herzog  Fried* 
rieh  Wilhelm  von  8.- Weimar  als  Vormund  des  Kurprinzen 
von  Sachsen,  des  Oberherm  der  gemeinschaftlichen  henne- 
bergischen  Begierung  zu  Meiningen  (und  so  der  Voigtei  KNord-^ 
heim)  300  fl.  von  dieser  Strafsumme  für  die  Witwe  und  Kin- 
der des  Ermordeten  —  er  heifst  in  den  Akten  (Wm)  stet& 
Schnipler,  war  v.  Steinscher  Verwalter  auf  Hinterweimar* 
schmieden  gewesen  und  wäre  vielleicht  mit  dem  Leben  da- 
vongekommen, wenn  er  nicht  seine  Wunden  Quacksalbern 
anvertraut  hätte  —  bestimmte,  blieb  die  zustimmende  Er- 
klärung Job.  Ernsts  von  S. -Eisenach  aus  ^  er  wollte  es- 
durchsetzen,  dafs  die  ritterschaftliche  Weimarschmieden  hin- 
sichtlich der  Gerichtsbarkeit  ganz  als  zu  seinem  Hintergericht 
gehörig  behandelt  werden  sollte.  Überhaupt  fing  er,  naclK 
der  Darstellung  Veits  von  Heldritt,  des  derz.  Chefs  der  Mei* 
ninger  Begierung,  allerlei  Vorrechte  und  ein  „plenum  direc^ 
torium"  an  der  Gent  zu  beanspruchen  an ;  schon  hatte  er  dea 
neuen  Centgrafen  Wolf  Stoiberger  (Stollberg),  ohne  den  an- 
deren Teil  zu  fragen,  allein  angestellt,  da  man  doch  nach  dem 
Vertrage  von  1509  solches  nur  „u£f  den  fall  begebender 
discrepant0"  zu  thun  habe,  überhaupt  scheine  er  es  auf  eine 
völlige  Trennung   beider  Ämter   abgesehen  zu  haben.     Unter- 


Das  ehemalige  Amt  Lichtenberg  ror  der  Rh6o.  28S 

dem  21.  Febr.  1601  berichten  .»Statthalter  und  Rethe"  zu 
Meiningen  gutachtlich  darüber  au  den  Herzog  von  8.- Weimar, 
die  andrerseits  angestrebte  Trennung  sei  dem  Amte  KNord« 
heim  mehr  zu-  als  abträglieh;  es  seien  jenseits  nur  5,  dies- 
seits ohne  die  Wüstung  Lichtenau  8  Dörfer,  aus  denen  die 
Vierzehnzahl  der  Schöffen  sich  leicht  ergänzen  lasse;  die  Ge- 
richte könnten  zu  Kalten nordheim,  und  zwar  vom  diesseitigen 
(Bettenhäuser)  Gentgrafen  Wolf  Baumbach  gehalten  werden. 
Nur  dürfe  nicht  geduldet  werden,  dafs  die  aufserhalb  beider 
Ämter  liegende  Weimarschmieden  mit  dem  noch  nicht  er- 
ledigten heldrittischen  Falle  vom  Amte  Lichtenberg  ganz  für 
seine  Cent  in  Beschlag  genommen  werde,  worauf  es  jenseits 
Tor  allem  abgesehen  zu  sein  scheine.  Unter  dem  22.  März 
bittet  dieselbe  Behörde  abermals  um  Entscheidung,  da  in- 
zwischen am  11.  März  zu  KSundheim  das  Centpetersgericht 
„unersucht  und  abwesendt  dieses  theils^'  vom  lichtenbergischen 
Centgrafen  und  Schöffen  allein  gehalten  und  nur  im  Namen 
des  Herzogs  Joh.  Ernst  gehegt  worden  sei.  Die  Trennung  blieb 
nun  vollzogene  Thateache  und  wurde  unter  dem  10.  März  160S 
von  Herzog  Johann  yon  S.-Weimar  und  Kurfürst  Christian  1£. 
sanktioniert. 

Um  die  durch  den  Wegfall  der  KNordheimer  Amtsorte 
doch  sehr  zusammengeschmolzene  lichtenb.  Cent  einigermafsen 
wieder  zu  yerToUständigen,  wurde  nun  das  Gericht  Helmers- 
hausen  (XVI,  287  t)  ganz  aufgehoben  und  der  Ort  der  Cent 
zugewiesen.  Zwar  suchte  dieser  1619  beim  Amte  Lichten- 
berg um  Restitution  seiner  Cent  bittlich  nach  und  erbot  sich 
aus  Dankbarkeit  200  Thlr.  in  spede  zu  erlegen,  doch  yer- 
geblioh*  — 

Etwa  ein  Jahrzehnt  nach  Trennung  beider  Ämter  fing 
der  Hexenwahn  ganz  besonders  üppig  zu  wuchern  an;  die 
heilige  Justiz  trat  mit  der  Binde  des  Wahns  um  die  Augeu 
und  mit  der  Fackel  statt  des  Schwertes  in  der  Hand  in  den 
Dienst  des  Aberglaubens  und  —  der  Bosheit,  für  welche  die 
Angeberei  ein  bequemes  Mittel  war,  sich  unbequemer  Leute 
zu    entledigen.     Denn  war  eine  Unglückliche  —  unter  1000 

19* 


286  ^<^  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  RhSn. 

Hexen  gab  es  damaliger  Annahme  nach  nur  einen  der  Hexerei 
Bchuldigen  Mann  —  unter  den  Händen  der  Folterknechte, 
so  war  sie  yerloren;  leicht  war  sie  dann  dazu  gebracht, 
auch  noch  »»auf  andere  zu  bekennen".  Blieb  eine  unter  den 
Qualen  der  Folter,  und  fand  man  sie  am  nächsten  Morgen 
mit  gebrochenem  Genick,  so  hatte  das  natürlich  der  fft 
Böse  gethan  ^).  Noch  über  7  Jahrzehnte  dauerte  dieses  Un- 
wesen *). 


1)  Aus  Heimerehansen  allein  worden  1611 — 1621  14  Hexen  an  der 
Cent  gerichtet,  deren  Namen  genannt  werden;  jedenfalls  aber  gab  es  der 
Opfer  in  diesen  Jahren  noch  mehr,  deren  Mamen  nicht  anfgeieichnet  worden 
sind.  1611,  16.  Sept.  worden  eine  Matter  ond  Tochter,  Hex  Amsa  ond 
Bex  Barbara,  ^ypropter  rnttgiam  punitae  et  inUrfedat^*',  —  1612,  27.  Jon! 
worde  Anna,  Hans  Kirschen  Frao,  verbrannt;  am  20.  AogostMom  (Mohme?) 
Barbara,  „cta  propter  magiam  m  earcere  aaervatae  eervicem  caeodaepum 
Jregüj  igne  comburit«r*^\  den  16.  Sept.  „hem  Anna*'  ond  deren  Tochter 
Barbara  ^^propUr  magiam  gladio  ei  igne  punäae  et  mter/eeta^,  —  1618, 
8.  Febr.  erlitt  Orthey  Arpert,  die  Malierin,  den  Feoertod.  —  1620  den 
8.  Noy.  Valtin  Bardorfs  Witwe  ,,igne  eomburitur  Saltentundhemü  propter 
magiam**,  —  1621,  11.  Jan.  Agathe,  Matth.  Arperts  Frao  „igne  com- 
buritur  propter  ineantationem** ;  den  15.  Febr.  Anna,  Matth.  Bardorfs 
Witwe,  ond  Elfie,  Kaspar  Wilcks  Ehefran ;  am  16.  Mars  Tbey,  Hanfi 
Leipperts  Frao,  Osanna,  Uanfi  Kirchners  Frao,  ond  Grethe,  Hanß  Müllers 
Frao. 

Noch  einige  Fllle  ans  dem  Amte  KNordheim  aos  spiterer  Zeit: 
1662,  28.  Jan.  starb  in  Oberweid  der  Pfarrer  Krieg,  von  einer  Hexe  so 
Tode  gemartert  (Krcbb.).  —  1657  starb  in  Westheim  Hans  Bischof,  der 
16  Jahre  mit  den  Kroaten  geritten,  und  den  seine  Motter  so  Tode  ge- 
zaobert  haben  sollte.  —  1658  brachte  der  Teofel  eine  Hexe  aos  West- 
faeim  im  Gefllngnisse  om.  —  1660  wird  die  KNordbeimer  Hebamme  Kat. 
He£  verbrannt;  sie  hatte  ihre  Schwiegertochter  bebext,  daTs  sie  12  Jahre 
verrückt  war;  am  27.  Sept.  Osanoa  Kirst,  des  Schmieds  in  Westheim 
Weib.  —  1663  worde  Martha,  Anton  Scharfenbergers  Weib  aos  KNord- 
heim verbrannt;  ferner  ürsola,  Heinz  Traberts  Weib  aos  Westheim 
(8  Wochen  daraof  hielt  der  brave  Heins  wieder  Hochzeit !).  —  1682, 
12.  Jan.  worde  in  Oberweid  Jakob  Gottbehüts  Kind  begraben.  Am  15. 
trat  starkes  Tao-  ond  Regenwetter  ein,  ond  das  Gräbeben  sank  ein,  „wor- 
aos  etliche  gemothmaset,  es  mÜBe  das  ongetaofte  Kind  dorch  Hexerei  heraus- 
genommen worden  sein,  ja  wollen  wohl  dorch  HineinstoBen  gefühlet 
haben,   der  Deckel   sei   vom  Lidlein**.     Wiewohl  Pfarrer  Seil  selbst  mit 


Das  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  RhSn.  287 

1653.  Da  es  für  die  äofBeraten  Orte  des  Hintergerichts 
sehr  lästig  sein  muTste,  alle  Giyilsaoben  bei  dem  Amte  Lich- 
tenberg aDSubringen,  so  hatte  man  mehrfiaoh  sieh  an  die 
Oentgrafen  (jetzt  ,,Gerichtshalter'^  zu  wenden  angefangen; 
diese  hatten  sie  angenommen  und,  wie  Heher  klagt,  darin 
dem  Amte  ,,gar  in  weith  eingrieff  thnn  wollen''.  Durch 
Entscheidung  des  Hofrats  Chr.  v.  Hagen  vom  25.  Okt.  1653 
wurde  ,yuf  widerrufen  einigen  Hintergericbtsbeamten  auch 
Cmbachen  zu  expediren  erlaubet,  aber  mit  genügsamer 
limitatian  und  restricüon,  welche  iedoch  auch  so  gros  vor 
dismahl  nicht  beobachtet  werden"  (Heher).  , 

Während  des  „Tannischen  Wiederkaufs'*,  1698 — 172a 
(S.  131,  140),  übten  die  Herren  y.  d.  Tann  die  Gentgerichts» 
barkeit  über  die  verpfändeten  Orte  aus.  Die  Funktionen 
eines  Amtmanns  wurden  den  jeweiligen  Amtmännern  zu 
KNordheim  übertragen;  den  lichtenb.  Amtsrichter  und  Ge* 
richtsschreiber  übernahm  der  Käufer  erst  ein  Vierteljahr  auf 
Probe  und  behielt  ersteren  auch  länger  bei,  bis  er  Heuchiin,. 
den  er  schon  1693  zum  Oerichtsschreiber  bestellt  hatte,  zum 
^mtsYogt  ernannte.  Der  Sitz  der  Cent  über  diesen  neuge- 
bildeten Bezirk  sollte  dem  Übereinkommen  gemäfs,  neben  dem 
lichtenbergischen,  KSundheim  sein,  doch  sollte  eine  eigne^ 
von  der  sächsischen  abgesteinte  Richtstätte  beschafft  werden; 
des  Oefängnisses   sollte  er  sich  mit  bedienen  dürfen»     Später 


einem  Stabe  a«f  den  Deckel  stöfst,  berichtet  er  doch  den  Fall  an  das 
Amt,  welches  Aoagraben  des  Sarges  and  schleonigen  Berieht  anordnet. 
KatttrUch  findet  sich  alles  in  Ordnung.  Ob  nicht  gleichwohl  mit  diesem 
Vorgang  zosammenhängt,  dals  am  7.  Mftrs  nach  gehöriger  Tortur  Marg. 
L&mpert,  Osanna  Greif  nnd  Anna  Scharfenberger  aas  Oberweid  in  KNord- 
heim  yerbranot  worden  ?  Das  war  die  letste  Hexenverbrennnng  im  Ober» 
lande.  Als  169S  Hans  Jfirgwebers  Kind  sa  Westheim  im  Sarge  lag  ond 
beim  Eintreten  der  Dora  Bohn  der  kleinen  Leiche  8  Blatstropfen  aas  der 
Käse  flössen,  wurde  dies  Tom  Pfarrer  zwar  auch  als  höchst  verdächtig 
an  das  Amt  berichtet,  das  ging  Jedoch  schon  auf  seine  menschenfreundlich» 
Idee  oicht  mehr  ein. 

8}  Die   letzte   Hexe  in   Thüringen   wurde  1690   in  Oldisleben   ver« 
brannt. 


238  ^'^  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rhön. 

wurde  die  tannische  Hemchaft  auch  ermächtigt,  zur  Ergrei- 
fung YOD  Missethätern  die  Hilfe  des  AusBchuBses,  den  sich 
der  Herzog  vorbehalten  hatte,  in  Anspruch  zu  nehmeDf  and 
verpfLichteti  alle  Cent-|  wie  auch  in  den  Wiederkaufsorten 
alle  Dorf-  und  Petersgerichte  mit  im  Namen  des  Herzogs 
hegen  und  halten  zu  lassen.  —  1712  kaufte  Oberhof marschall 
V.  d.  Tann  in  KSundheim  ein  Haus  zum  Absteigequartier 
für  sich  und  zur  Wohnung  des  Gerichtsbeamten;  Herzog 
Johann  Wilhelm  befreite  es  auf  die  Bauer  des  Wiederkaufs 
Ton  allen  Lasten. 

1786  starb  der  Gentsohreiber  Wagner  und  1748  der 
Amtsrichter  Heuchlin.  Ihre  Stellen  wurden  nicht  wieder 
besetzt,  sondern  „es  musten  auf  ungütigen  Vortrag  die  zween 
Lichtenbergische  Beamte  (nämlich  Amtmann  und  Amtsschreiber) 
sothane  Gentbesorgung  einsweilen  übernehmen  und  mit  blosen 
7  Thlr.  4  ggf.  Gentschreibers  Besoldung  und  denen  wenigen 
Cent  Accideneien  gedultig  sich  begnügen;  die  damalige 
dirigirende  Herren  Camercdes  aber  behielten  die  Amtrioh- 
tersbesoldung  bey  der  Gammer*'  (Erdmann  1754).  Bei  dieser 
Einrichtung  blieb  es  bis  zur  Aufhebung  der  Gent. 

1753,  81.  Okt.  wurden  die  Pfarrer  des  Hintergerichts 
sum  geistlichen  Beistand  mehrerer  armen  Sünder  yor  Gericht 
beschieden;  auch  die  Schulmeister  erhielten  den  Befehl,  mit 
den  „dauerhaften^'  Kindern  der  Hinrichtung  beizuwohnen. 

1754  spricht  Erdmann  von  dem  „neulich*'  erbauten  Hoohr 
gerichte.  —  In  diesem  Jahre  wurde  ein  Dieb,  Wellauer,  ge- 
henkt Bisher  hatte  stets  ein  Geistlicher  der  Landeskirche 
die  armen  Sünder,  ohne  Rücksicht  auf  deren  Konfession  oder 
Keligion,  auf  ihrem  Todesgange  begleitet;  da  in  diesem  Jahre 
aber  die  Würzburger  Regierung  bei  der  Eisenacher  den  An- 
trag gestellt  hatte,  es  möchte  im  Amte  Lichtenberg  kathoL 
Geistlichen  Todkranken  und  armen  Sündern  kathol.  Konfession 
Trost  zu  spenden  erlaubt  werden,  wie  auch  sie  dann  nachgeben 
werde,  dafs  in  ihrem  Gebiete  evang.  Geistliche  „denen  zur 
Todsstraff  quaUfieirten  Fürstl.  S.  Eisenachischen  Delinquenten 
oder  sonst  tödtlich  krancken  Personen'*  Augsb.  Bekenntnisses 


Dm  ebemalige  Amt  LlehtenbM'g  vor  der  Rb5n.  289 

^\n  denen  letsten  Lebenstägen*'  beistünden,  so  wurde  auch 
zu  dem  katholisohen  Wellauer  ein  Priester  zugelassen.  Würz- 
burg ging  dann  aber  auf  die  von  Eisenaoh  gestellten  Beding- 
ungen nicht  ein,  und  so  blieb  es  in  späteren  Fällen  wieder 
beim  alten.. 

Um  diese  Zeit  machte  Weimarschmieden  dem  Amte  viel 
zu  schaffen.  Es  war  ein  Diebs*  und  Hehlernest,  ein  Juden- 
ort,  eine  Herberge  für  Vagabunden  geworden;  Herr  v.  Wil- 
dungen aber  behauptete  die  Centfreiheit  seiner  Besitzung, 
hatte  auch  1786  einen  kaiserlichen  Bescheid  zu  seinen  gunsten 
erreicht  Neuerlich  Torgckommene  Fälle  veranlafsten  Erd- 
mann,  die  Gentpflichtigkeit  des  Ortes  und  die  Notwendigkeit 
derselben  in  einer  anonymen  Druckschrift  nachzuweisen.  So 
war  einmal  nachts  eine  Diebsbande  über  die  hohe  Stettener 
Dorfmauer  geklettert,  hatte  gestohlen  und  war  von  den  er- 
bitterten Stettenern  bis  Weimarschmieden  verfolgt  worden, 
ohne  dafs  man  ihr  schliefslich  etwas  anhaben  konnte.  Ein 
dortiger  Gutsverwalter  hatte  längere  Zeit  mit  einem  12-jährigen 
Judenmädchen  Unzucht  getrieben  (später  ist  er,  flüchtig  ge- 
worden, in  Dermbaoh  auf  der  Brücke  tot  zusammengebrochen). 
Ein  andermal  wurde  ein  des  Diebstahls  verdächtiger  Jude  Eisig 
Tom  Amte  festgenommen  und  ihm  von  der  Eisenacher  Kanzlei 
«,der  erste  torturgr^id  mit  den  Daumschrauben''  zuerkannt;  „er 
hat  aber  solche  mit  einer  ungemeinen  Canienance  und  jüdischer 
Yerstookung  ausgehalten'',  und  Erdmann  bittet  um  Ermächti- 
gung zu  weiterem  Vorgehen.  Das  Amt  hielt  also  seine  Ge- 
richtsbarkeit über  Weimarschmieden  aufrecht,  und  Vorder- 
weimarschmieden  hatte,  nach  Schultes,  um  1800  in  Ealten- 
aundheim  die  Genthuldignngspflicht  abzulegen. 

1796  wurde  Lorenz  Grob  aus  Eofsdorf  wegen  Diebstahls 
in  ESundheim  gehenkt.  Das  mag  eine  der  letzten  Hinrich- 
tungen daselbst  gewesen  sein. 

„Noch  jetzt"  (etwa  1800)  „wird  daselbst  jährlich  ein 
Oentpetersgericht  für  6  Orte  gehalten,  auf  welchem  alle  Gent- 
pflichtigen erscheinen  müssen.  Wenn  Delinquenten  daselbst 
in  Verhaft  kommen,  so   werden  sie  hier  verhört,    die  Unter- 


290  ^^  ehemalige  Amt  Liehteaberg  ror  der  Rhön, 

suohuDgsakten  zum  rechtliehen  Erkenntnis  instroirt  und  di» 
Exekution  vollzogen.  Alle  Ciyilsachen  hingegen  werden  in^ 
Amte  Lichtenberg  yerhandelt''  (Sohultes). 


Nachdem  1815  das  Amt  Dermbach  an  das  Herzogtum. 
—  von  nun  an  Grofsherzogtum  —  Sachsen  gekommen  und 
die  Orte  Umshausen,  Wiesen thal  und  Fisohbach,  die  seit 
1764  zu  ENordheim  gehört  hatten,  dahin  verwiesen  worden 
waren,  wurde  dafür  das  bisherige  Hintergericht  vom  Amte^ 
Lichtenberg,  welches  dadurch  zu  bestehen  aufhörte,  getrennt 
und  zum  Amte  ENordheim  geschlagen.  Die  Überweisung 
erfolgte  am  1.  Juli  1816. 


4.  Das  geistliche  Gtorioht. 

Seit  der  Einführung  der  Reformation  stand  in  kirchlicher 
Beziehung  das  Amt  unter  dem  Superintendenten  der  Herr- 
schaft Henneberg- Bömhild,  welcher  mit  dem  Oberamt- 
manne  derselben  in  nicht  rein  geistlichen  Sachen  die  oberste 
Behörde  bildete.  Nachdem  Herzog  Johann  Kasimir  mündig 
geworden  and  zugleich  im  Namen  seines  Bruders  Johann 
Ernst  die  Regierung  übernommen  hatte,  wurde  Coburg^ 
und  nach  der  Landteilung  zwischen  beiden  Brüdern  Bise- 
nach der  Sitz  dieser  Oberbehörde,  des  „Konsistoriums^V 
welchem  mehrere  Räte  beigegeben  waren. 

Die  geistliche  Behörde  des  Amts  bestand  aus  dem  ,|Ad- 
junkV  (des  Landes  Superintendenten)  und  dem  Amtmanne 
und  verfügte  „Adjunktur  und  Ambts  wegen''.  Ali  das  Kon- 
sistorium zu  Eisenach  sich  „Oberkonsistorium''  nannte,  erhielt 
die  geistliche  Behörde  des  Amts  die  Bezeichnung  „geistliche» 
IJntergericht",  zu  Anfang  unseres  Jahrhunderts  „Konsistorium"^ 
1849  „Eircheninspektion". 

Aufser  der  Einführung  der  Pfarrer  und  „Schulmeister*^ 
lag  ihr  besonders  die  Aufsicht  über  das  Kirchen-  und  Stellen- 
vermögen  im  Amtsbezirke    ob.     Die  Prüfung   und  Genehmi-^ 


Dm  ehenudige  Amt  Liobtenberg  ror  d«r  Rhön.  29  t 

gong  der  letstjährigen  Eirchrechnung  wurde  anfengs  in  jedem 
Orte  jährlich  mit  einer  Kirdien-  und  Schulvieitation,  welcher 
auch  der  Amtmann  beiwohnte,  und  bei  welcher  auch  die  Er- 
wachsenen sich  zum  Eirchenexamen  zu  stellen  hatten,  ver- 
banden. 

Eine  andere  Aufgabe  des  geistlichen  Gerichts  war  die 
Ausübung  des  kirchlichen  Strafrechts,    der  Eirchenzucht» 

Unkirchlichen  Personen  versagte  sie  die  kirchlichen  Ehren- 
rechte und  nach  ihrem  Tode  ein  feierliches,  ehrliches  Be- 
gräbnis. Das  letztere  that  sie  auch  bei  der  Beerdigung 
Andersgläubiger  ^),  denen  als  Yerächtern  des  wahren  Olauben» 
die  Gräber  in  der  Friedhofsecke  angewiesen  wurden. 

Hauptsächlich  aber  kam  die  Eirchenzucht  bei  Yergeheiv 
gegen  das  6.  Oebot  in  Anwendung.  Notzucht  gehörte  ala 
eine  der  4  hohen  Bügen  vor  die  Gent  und  wurde  mit  dem 
Tode  bestraft;  „simplices  fomicatwnes"  zu  bestrafen,  hatte 
nur  die  Cent  Fladungen  beansprucht,  bis  der  Artikel  5  des 
Neust  Vertrags  (8.  260)  sie  dem  Amte,  d.  h.  dem  geistlichei^ 
Gerichte  zuwies.  Über  die  Schuldigen  wurde  zunächst  eine^ 
weltliehe  Strafe,  8-  bis  14tägige,  ja  in  schwereren  Fällen 
vierteljährige  „Tnrmstrafe'' verhängt;  der  Schwängerer  mufdte,^ 
auch  wenn  es  ihm  eine  wirkliche  Strafe  war,  oft  unmittelbar 
nach  beider  Entlassung  aus  dem  Geföngnis  auf  der  Amtsstube 
die  Gefallene  sich  antrauen  lassen^),   jedenfalls  aber  geschah 


1)  s.  ß. :  ,,Claiis  Bartholmefi,  welcher  plötslich  gestorben,  .... 
und  weil  er  alB  auif  seioen  PftpstUcben  glauben  ohne  Bekehrung  gestorben^ 
ist  er  aof  befehlich  des  Herrn  Amptmanns  Eitel  Heinrichen  vom  Stein^ 
nnd  des  Herrn  Mgr  nnd  AdfwtHi  Joh.  Götzen  su  OstheSm  an  einen  be- 
aondern  Ort  auf  den  Gottesacker  begraben  worden«  «war  mit  geleut,  aber 
ohne  geleit  der  Schulen  und  gesang,  andern  Verftchtem  der  ßmenUn  sum^ 
schrecklichen  Ezempel**. 

8)  Ein  recht  bezeichnender  Fall  aus  Fischbach  (damals  im  Amte 
Fischberg):  1621  wurde  Simon  Holstein  auf  Amtsbefehl  mit  Dorothea,. 
Hans  Kelslers  taubstummer  Tochter,  kopuliert.  Ihre  Mutter  sagte  an 
ihrer  Stelle  das  Ja.  Simon  Holstein  aber  erklärte,  er  habe  die  Dime- 
nicht  fleischlich  berührt,  sondern  nur  nach  junger  Leute  Art  mit  ihr  ge- 
scherzt („geschimpft*«) ;  er  habe  nur  bekannt  schweren  Gefllngnisses  und 
Tortur  wegen,  er  wolle  es  Gott  befehlen  und  Gewalt  leiden. 


292  ^**  ehemalige  Amt  Lichtenberg  vor  der  Rhön. 

€8  „ohn  frölchen  gesang,  Elocken*  und  Pfeiffer  Klangk''. 
Vorher  aber  sprach  der  Pfarrer  in  öffentlichem  Gottesdienste 
in  ihrem  Namen  eine  „Deprecatian'^  wegen  des  der  Gemeinde 
gegebenen  Ärgernisses,  wobei  sie  vor  dem  Altare  stehen  oder 
knien  oder  auf  einer  besonderen  Bank  quer  sitzen  mufsten. 
Dann  erst  wurden  sie  wieder  zum  heil.  Abendmahl  zugelassen 
und  getraut'). 

Hatte  sich  ein  Paar  mit  allen  Ehren  trauen  lassen,  ohne 
sie  verdient  zu  haben ,  so  wurde  ihm,  „in  honorem  matri^ 
monii",  das  Stehen  ror  dem  Altäre,  nicht  aber  die  Depre- 
kation  erlassen.  Schlimmer  stand  die  Sache,  wenn  zu  einem 
unehelichen  Neugebornen  sich  kein  Vater  fand;  daun  wurde 
die  Turmstrafe  Toriängert  und  verschärft  durch  schmale  Kost, 
die  Dirne  wohl  auch  ,,unter  Umbständten*'  eine  Stunde  an 
den  Pranger  gestellt.  Noch  schlimmer  hei  einem  Kückfall ; 
dann  wurde  sie  nach  Herzog  Johann  Ernsts  1619  erlassener 
und  1622  erneuerter  Verordnung  „zwo  oder  drey  stunde 
öffentlich  ins  Halßeisen  geschlossen,  hernacher  durch  den 
Scharffrichters  Knecht  mit  einem  Klipfei  außgehaucket,  und 
des  landes  uff  drey  Jhar  lang  verwießen'*.  Mit  Geld,  das 
freilich  in  solchen  Fällen  wohl  selten  zu  hahen  gewesen  sein 
wird,  ließ  sich  indes  zur  Milderung  oder  gar  Abwendung  der 
schimpflichen  Strafen  schon  manches  erreichen,  und  das  Er- 
kaufen der  Dispensation,  wenn  man'e  konnte,  kam  immer  mehr 
in  Aufnahme. 

Im  allgemeinen  hatte  „Adjunktur  und  Amt'*  für 
Hebung  des  kirchlichen  und  sittlichen  Lebens 
und  für  Abstellung  von  allerlei  Milsständen  auf 
diesem  Gebiete  zu  sorgen,  und  manche  zu  diesem  Zwecke  erlassene 

1)  Kurs  vor  dem  SO-jfihrigeo  Kriege  berichtet  der  Stettener  Pfarrer 
TOD  einem  Paare,  das  „nach  gehaltenem  Ampt,  als  sie  zuvor  publica  de- 
preeiret  und  darauf  das  Abentmal  empfangen,  s%anm6  cum  dedecore  in  com- 
«pecCtt  toUuM  communüatii  eopuliret  worden,  do  denn  die  geschwfingerte 
Dirne  iliren  Mantel  aufm  Haupt  getragen,  gleich  einer,  welche  leide  trage 
ihres  fals  wegeD*^  —  In  ÜAtbeim  wurde  1686  ein  Paar  getraut  „post 
pubUd  factam  deprecationem*\  „sind  die  ersten,  so  vermdg  F.  Befehlig« 
unter  wehrenden  Predigt  R>rn  Altar  gesteh  worden,  und  bat  auch  neben 
ihnen  gestanden  Hausen  Bohlichs  tochter'^ 


Das  ehemalige  Imt  Liehtenberg  toi  der  Bhdii.  293 

lieilsame  Yerfügimg  sengt  dayoD,  wie  weit  sich  ihre  Fürsorge 
^rBtreokte  ^). 

Nachdem  am  1.  Juli  1816  die  Hintergeriohtsdörfer  dem 
Jostijsam^te  ENordheim  zugewiesen  worden  waren,  wurden  sie 
der  Verordnung  des  Grofsherzogs  Karl  August  vom  27.  Febr. 
1817  zufolge  auch  der  dortigen  Diöcese  einverleibt. 

1)  So  ist  a.  B.    „Ao  1680  nachfolgende  -  amptsordnung   wegen    der 

.^Tatterschafft  und  tauffenden    gemacht  and  yerlesen  -worden,  welche  Ao 

1630  rtp€tirt  worden: 

„Soll  hinfftro  bey  straff  5  fl.  nicht  mehr  als  14  gr.  eingebunden, 
auch  nor  ein  gevatterkachen,  ein  bahn  nnd  doten  *)  hembd  geliefert 
werden.  Wie  es  aber  bishero  mit  den  taa£fenden|  das  nemblichen 
dieselbe  in  den  gemeinenscheocken  gehalten  werden,  soll  es  darbey 
hinfiiro  sein  Verbleibens  haben,  nnd  ist  auch  hierbey  su  mercken, 
das  die  newe^jahrsgeschenck  sich  ober  1  schreckenb.  nicht  erstrecken 
sollen,  und  soll  solches  nicht  Iftnger  als  6  jähr  (wenn  das  dödlin 
6  jähr  alt  ist,  soll  man  nichts  mehr  geben)  und  soll  auch  die  wieder- 
gab gants  abgeschafft  sein<<. 
Um  dieselbe  Zeit  erschien  folgende  die  Hochseiten  betr.  VerordnuDg 

JL4Janktnr-  und  Amts  wegen: 

„1.  Soll  hinf&ro  bey  straff  1  fl.  niemand  yon  kindem  oder  gesinde 
die  hochseit  subesochen  macht  haben,  es  sey  denn  sonderlich  und 
mit  namen  eingeladen,  auch  der  vierdte  hochzeittag  gentzlich 
abgeschafft  sein.  —  8.  SoUen  auch  bei  straff  5  fl.  mehr  nicht  als 
uf  einer  hochseit  6  tisch  gehalten  und  bey  ebenmessiger  straff  also- 
balden  nach  sehnschlagen  das  hochseithaus  und  gassen,  sumaln 
aber  vom  jungen  gesind  und  Spielleuten  gereumet  werden.  —  3.  Nach- 
dem auch  das  ledige  gesind  benebend  den  spielleüten  gemeiniglich 
von  der  hochzeit  den  brautführer  nacher  haus  begleiten,  doselbsten 
allererst  vielflUtige  costen  und  unruhe  verursachen,  woraus  dann 
entstanden,  das  derentwegen  nur  die  reichen  gesucht,  die  armen 
aber,  denen  solche  Verrichtung  von  Verwandschaft  wegen  gebueret, 
entweder  zurUckgesetst,  oder  doch  iu  beschwehrung  gefuhrt  werden, 
so  soll  solches  gants  abgeschafft  und  bei  straff  10  fl.,  halb  dem 
brantdiener  und  halb  den  andern  ftbertretenden  jungen  gesellschaft 
zu  erlegen,  verboten  sein." 
Im  Jahre  1630  wurde  den  Geistlichen  befohlen,   darauf  su   halten, 

'd&fs  bei  Taufen  von  den  Paten  das   9,Ja"    deutlich   ausgesprochen  werde» 

<wegen  des  Verdachts  des  BOndnisses  mit  dem  Teufel. 


^  Dot  »  Patenkind  ;  Döt  «  Pate. 


294  ^^^  ehtmalige  Amt  liehtonberg  vor  der  Rhön. 


BeriGhti^imgeii. 

&•  149  Z,  15  Y.  n.  ist  nach  Eisenach   einiotohalten :   Tom  24.  Oktober.. 

„   158    ,y  16  „  0.  ist  statt  1800  sa  lesen  1810. 

„    288    „     7  „  0.  (anter  „Petersgericht")  ist  statt  Mass  sa  lesen  Kalter» 

„    286    „  80  „  o.  ist  statt  hienorige  sa  lesen  hieTorif«. 

„   244    „     8  „  0.    „      „    thore  „      „     thozn  (d.  i.  Torrn). 

„   248    „     8  „   a.  (Fnüsnote)  ist  statt  onterhanea  sa  lesen  nnterthaiiAiu 


IV. 


Die  Zerstörung  der  Stadt  Gera 

im  säehsisehen  Bruderkriege 

am  15.  Oktober  1450. 


Von 


Berthold  Schmidt. 


Uas  liebliche  Thal  der  weifsen  Elster  bildet  das  natür- 
liehe  Ausfallsthor  von  Böhmen  loa  ThüriDgerland  hineiD» 
Auch  im  Mittelalter  haben  wiederholt  feindliche  Heerhaufea 
ihre  Eaubzüge  auf  jenem  Wege  unternommen  und  gewöhn- 
lich arge  Verwüstung  hinter  sich  gelassen.  Zur  Zeit  der 
Christianisierung  sind  die  ersten  Kirchen  des  Vogtlandes  oft 
mehrmals  hintereinander  durch  Einfälle  der  benachbarten 
Slayen  zerstört  worden.  Die  Hussiten  haben  Plauen  nieder- 
gebrannt und  unter  den  Bewohnern  der  Stadt  ein  entsetz- 
liches Blutbad  angerichtet.  Im  sächsischen  Bruderkriege  endlich 
wurde  Gera  das  Opfer  der  tschechischen  Wildheit.  Geras  Zer- 
störung mit  ihrer  Vor-  und  Nachgeschichte  soll  nun  Gegen- 
stand der  folgenden  Darstellung  sein.  Dabei  ist  yorauszu- 
zuschicken,  dafs  es  noch  keine  zeitgemäfse  Bearbeitung  des 
Bruderkrieges  giebt.  Dankenswerte  Vorarbeiten  sind  die  Auf- 
sätze Bachmanns  über  die  Soester  Fehde  ^)  und  AnemüUers 
über  den  schwarzburgischen  Hauskrieg  ^).  Auch  meine  Zu- 
sammenstellung soll  nur  ein  Beitrag  zu  jener  gröfseren  Auf- 
gabe sein  ^). 


1)  Neues  Archiv  für  sfichs.  Gesch.  u.  Altertumsk.  II,  2,  S.  97  ff. 

2)  Programm  des  Gymoasiums  xo  Radolstadt,  1867,  S.  1  ff. 

3)  Eine  ▼oUstftndige  Darstellung  des  Braderkrieges  erfordert 
yielleicht  ein  Menschenalter  und  jedenfalls  reichliche  Kittel,  die  hoffent- 
lieh einmal  gemeinschaftlich  von  Sachsen  and  Thüringen  ad  hoc  be-- 
willigt  werden. 


^98      ^^*  Zerstörung  der  Stadt  Oera  im  sichiischen  Bruderkriege. 


I.    Die  Vorgesohiohte  bis  sum  Jahre  1460. 

Nachdem  die  wettinisoheD  Brüder  Friedrich  und  Wilhelm 
ihr  Täterliches  Erbe  in  Sachsen,  Meifsen  und  Thüringen 
mehrere  Jahre  gemeinschaftlich  besessen  hatten,  sollte  1445 
plötzlich  geteilt  werden.  Die  Anregung  dazu  ging  von  Her- 
zog Wilhelm  aus«  Kurfürst  Friedrich  war  als  älterer  Bruder 
seither  immer  der  Leitende  gewesen.  Das  behagte  dem  ehr- 
geizigen Wilhelm  nicht,  und  so  gelang  es  seinen  Günstlingen, 
den  Herren  Yitzthum,  leicht,  den  jungen  Fürsten  gegen  den 
Bruder  aufzuhetzen.  Auch  der  anfängliche  Entwurf  der  Erb- 
teilung war  ihr  Werk  und  die  Absicht  dabei,  dafs  Herzog 
Wilhelm  Thüringen  erhielt,  wo  ihre  zahlreichen  und  nicht 
immer  reohtmäfsig  erworbenen  Güter  lagen.  Jedenfalls  hat 
Apel  Yitzthum,  das  Haupt  seiner  Sippe,  damals  eine  recht 
zweideutige  Rolle  an  den  sächsischen  Höfen  gespielt  und 
nach  beiden  Seiten  hin  Versprechungen  gemacht.  Friedrich 
warf  ihm  später  öffentlich  yor,  er  hätte  „zweierlei  Kohl  in 
einem  Topfe  gekocht'^  Man  hatte,  wie  es  scheint,  den  Kur- 
fürsten dadurch  für  die  Teilung  gewonnen ,  dafs  entgegen 
eonstigem  Gebrauch  der  jüngere  Bruder  teilen  und  der  ältere 
wählen  sollte  ^). 

Der  Teilungsentwurf  liefs  zunächst  das  Land  zu  Sachsen, 
womit  das  Eeichsmarschallamt  yerbunden  war,  aulser  Betracht 
und  bezog  sich  nur  auf  Meifsen  und  Thüringen  mit  Zubehör. 
Danach  sollten  zu  dem  einen  Teile  gehören  das  eigentliche 
Thüringen,  die  fränkischen  Bestandteile  um  Coburg,  yom 
Oster-  und  Vogtlande  Weifsenfeis,  Altenburg,  die  frühere 
Herrschaft  Weida,  der  Orlagau,  die  Festen  Ziegenrück  und 
Sparnberg,  ferner  die  beiden  Herren  yon  Gera  und  die 
Schlösser  Mühltroff,  Berga  und  Wolfersdorf '),  endlich  reohts 


1)  Nach    KoDrad   Stollei   thüringisch-erftirtischer  Chronik  ed.  L.  J. 
fiease  (89.  Publik,  des  Litterariscb.  Vereins  in  Stattgart,  1854),  8.  4  f. 
8)  nordöstlich  von  Berga. 


Di«  ZerttöroDg  der  Sudt  Gera  im  tiobtitehen  Bradwrkrieg«.     299 

<der  Fleifse  noch  die  Orte  Prohbarg,  Kehren,  Puchshain  und 
<}nand8tein.  Zu  Meifsen  dagegen  hatte  man  aus  dem  Oster- 
und  Vogtland  geschlagen  die  Städte  Leipzig«  Pegau,  Groitzsoh, 
Stollberg,  Mylau,  Sobmölln,  Bonnebarg,  Sohönfeb,  Werdan, 
Orimmitzschau,  Yogtsberg,  Oelsnitz  nnd  Adorf,  ferner  Kloster 
Orünhain,  die  Herren  von  Plauen  zu  Plauen,  die  BeuÜBen 
Ton  Plauen  zu  Oreiz,  die  Herren  yon  Schönburg,  die  yon 
Dohna  zu  Auerbach  und  Kaspar  Schlick  mit  Schöneck,  Elster- 
berg und  Schwarzenberg.  Preiberg  mit  seinen  Silbergruben 
verblieb  beiden  BrtLdern  gemeinsam.  Endlich  sollte  der, 
welcher  MeiTsen  erhielt,  für  eine  gewisse  Summe  Landes- 
schulden,  womit  Thüringen  stärker  belastet  war,  dem  anderen 
Teile  die  ebenerwähnten  Städte  aufser  Leipzig,  Pegau,  Groitzsch 
und  Borna  yerschreiben  und  wegen  dieser  Pfandsumme  auch 
die  von  Plauen,  die  Beufsen,  die  von  Schönburg  und  Dohna 
anit  der  Erbhuldigung  an  den  thüringischen  Landesherrn 
"W eisen  *). 

Man  erkennt  unschwer  aus  diesem  Teilungsentwurfe  das 
'Bestreben  der  Yitzthum,  für  Thüringen  den  gröüseren  Vorteil 
herauszuschlagen.  Trotzdem  rechneten  sie  bestimmt  darauf, 
<Iafs  der  Kurfürst  sein  Geburtsland  Meiüsen  wählen  würde. 
Zu  ihrem  Schrecken  fiel  aber  seine  Wahl  auf  Thüringen. 
Der  „schwer  fette  Herr'',  wie  der  Chronist  Konrad  Stolle 
Priedrich  schildert,  wollte  seine  Buhe  haben,  und  der  jüngere 
Bruder  sollte  sich  auch  einmal  in  Meiüsen  gegen  die  Böhmen 
Tersuchen.  Jetzt  erklärten  plötzlich  die  Yitzthum  die  Tei- 
lungsregister  für  mangelhaft  und  betonten,  Herzog  Wilhelm 
müsse  schon  deshalb  Thüringen  haben,  weil  seiner  künftigen 
Gemahlin  Leibgeding  darauf  verschrieben  sei  ')• 

So  begann  der  für  die  sächsisch-thüringischen  Lande  so 
verderbliche  Bruderstreit,  in  dessen  Bahmen  sich  dann  zahl« 
reiche  Privatfehden  einfugten. 

Zunächst  kam    es    allerdings  durch  vieles  Bemühen  be- 

1)  Teilüngsvertrag  d.  d.  lltenburg  1445  Sept.  10  io  Lanigs  Reichs- 
.«rchiv  part.  ipeo.  coDt.  II  Abt.  IV,  2  Nr.  SS8  ff. 

2)  Stolle  a.  a.  O.  S.  5. 

XVIL  20 


300     ^^  ZerstSruog  der  SUdt  Gera  im  säobsiscben  Bruderkriege. 

freundeter  Fürsten  noch  einmal  zu  einem  Ausgleich  zwischea 
den  Brüdern,  indem  zu  Halle  ein  neaer  Teilungsvertrag  ab- 
gesohloBsen  wurde.  Derselbe  fiel  entschieden  zu  Gunsten  de» 
Kurfürsten  ans.  Zwar  begab  sich  jetzt  Friedrich  seines  Wahl- 
rechtes und  nahm  die  Länder  Sachsen  und  Meifsen,  doch 
erhielt  er  dazu  noch  Altenburg,  Burgau,  Zwickau  und  „son- 
derlich die  Herren  von  Gera",  wogegen  er  nur  die  Freiburg 
bei  Naumburg  an  Herzog  Wilhelm  überliefs. 

Um  Sohlofs  Weida  sollten  beide  Herren  losen,  und  der 
Gewinner  dem  anderen  12  000  Reichsgulden  auszahlen.  Dio 
für  Meifsen  so  lästige  Bestimmung  wegen  der  Landesschulden,^ 
wie  sie  der  frühere  Vertrag  hatte,  wurde  ebenfalls  dahin  ab-- 
geändert,  dafs  jeder  Teil  die  Schulden  seines  Landes,  so- 
wie die  Hälfte  der  gemeinschaftlichen  Anleihen  vertreten 
sollte  1). 

Abgesehen  davon,  dafs  Weida,  welches  Herzog  Wilhelm, 
erloste,  etwas  vorsprang,  war  also  die  thüringische  Ostgrenzo 
bedeutend  gegen  die  Annahme  der  ersten  Teilung  zurüok- 
verlegt  worden.  Die  Vitzthum  hatten  indessen  ihre  Absicht 
erreicht  Sie  hatten  nun  freie  Hand  in  Thüringen,  doch  dio 
fortwährenden  Klagen  über  ihr  Treiben  gaben  auch  dem 
brüderlichen  Unfrieden  neue  Nahrung.  Der  Kurfürst  suchte 
zunächst  den  Bruder  gütlich  zu  überreden,  die  vier  Brüder 
und  Schwäger  Apel  und  Busse  Vitzthum,  Friedrich  von  Witz- 
leben und  Bernhard  von  Kochberg  aus  seinem  Bäte  zu  ent» 
lassen.  Allein  die^Gfunstlinge  behaupteten  nicht  allein  ihren 
Platz  bei  Wilhelm,  sondern  brachten  den  Herzog  auch  dazu,, 
ein  förmliches  Schutz-  und  Trutzbündnis  mit  ihnen  einzugehen. 
Es  soll  in  diesem  Vertrage  sogar  ein  Artikel  gewesen  sein, 
welcher  die  Ausschliefsung  Friedrichs  von  der  thüringischen 
Erbfolge  in  sich  barg^).  Als  der  Kurfürst  hiervon  erfuhr^ 
drang  er  um  so  heftiger    auf  die  Entfernung  und  Bestrafung 


1)  Vertrag  d.  d.  Kloster  Meawerk  vor  Halle  1445  Dez.  9  in  Lfinigs> 
ReichsarchiT  a.  a.  O.  Nr.  83,  S.  8S6  ff. 

2)  HartoDg  Kammermeisters    Erfurter  ADnalen   bei  MeDcke,    Scripte 
rer.  Germ.  III,  8p.  1190. 


Die  Zeritdrnog  der  Stadt  Gera  im  tächsiichcn  Bruderkriege.     QQ^ 

der  Yitztham.  Ein  yon  ihm  gegen  dieselben  eingeleitetes 
BechtsTerfahren  in  Halle,  wozu  beide  fürstlichen  Brüder  per- 
sönlich erschienen  waren,  yerlief  ohne  Erfolg,  ja  führte 
noch  zu  einer  erheblichen  Yersohärfung  der  Gegensätze ;  denn 
Wilhelm  erklärte  offen,  die  Yitzthum  verteidigen  zu  wollen, 
und  sollte  es  ihm  das  eigene  Land  kosten  ^). 

So  brach  denn  der  Krieg  endlieh  aus.  Beide  Brüder  rüsteten, 
und  schon  stand  der  Kurfürst  im  Begriff,  die  Yitzthum  mit  Heeres- 
macht zu  überziehen,  als  zuletzt  noch  Markgraf  Albrecht  von 
Brandenburg  und  andere  mit  vieler  Mühe  einen  Waffenstillstand 
von  Michaelis  1446  bis  St.  Georgentag  (April  23)  des  folgen- 
den Jahres  vermittelten.  Aber  der  Friede  wurde  von  beiden 
Fürsten  und  den  Ihrigen  „übel''  gehalten,  berichtet  der  Er- 
furter Batsherr  Kammermeister.  Herzog  Wilhelm  verheerte 
das  Gebiet  des  auf  kurfürstlicher  Seite  stehenden  Bischofs 
von  Naumburg  und  brach  die  Burgen  anderer  Parteigänger 
Friedrichs.  Dieser  nahm  den  Yitzthum  Städte  und  Schlösser 
ab  und  schonte  auch  den  Bruder  selbst  nicht  mehr.  Er  ent- 
20g  ihm  seinen  Anteil  an  der  Silberstadt  Freiburg  und  ver* 
derbte  dessen  um  Burgau  liegendes  Gebiet.  Da  vermittelten 
Brandenburg  und  Hessen  abermals,  und  man  einigte  sich 
Bchliefslich  allerseits,  am  24.  April  1447  zu  gütlicher  Hand- 
lung in  Naumburg  zasammenzukommen. 

Inzwischen  waren  die  Yitzthum  nicht  unthätig.  Apel 
eilte  nach  Böhmen  und  warb  dort  die  allzeit  fehde-  und 
beutelustigen  Herren  des  Landes  auf  Sold  an.  Ende  April, 
als  der  Nanmburger  Tag  herannahte,  zogen  etwa  9000  böh- 
mische Krieger  über  Eger  durchs  Elsterthal  nach  Thüringen 
zu.  und  wurden  von  Herzog  Wilhelm  in  Weida,  Weifsenfels 
und  Umgegend  untergebracht.  Doch  auch  der  Kurfürst  hatte 
sich  vorgesehen  und  nicht  allein  im  eigenen  Lande  stark  ge- 
rüstet, sondern  auch  aus  Schlesien,  der  Mark  und  ebenfalls 
aus   Böhmen    zahlreiche    Soldtruppen    in   Dienst    genommen. 


1)  Wo  nicht   besonders  citiert  wird,   beruht   meine  Darstellung   aaf 
Kammermeister  and  Stolle. 

20* 


302     I>io  Zerttömng  der.SUdt  Ger*  im  slchsischen  Bruderkriege. 

Der  nun  eröffnete  Naumburger  Tag  stand  daher  yölüg  unter 
dem  Druck  der  beiderseitigen  Btistungen.  Man  stritt  sich 
wochenlang  mit  scharfen  Reden  herumi  und  es  ist  erstaun- 
lich, wie  schliefslich  der  yermittelnde  Markgraf  yon  Branden- 
burg die  Yerlängerung  des  Waffenstillstandes  bis  sum  1.  Sept. 
durchsetzte.  Bis  dahin  sollte  in  Mühlhausen  weiter  verhan- 
delt werden.  Auch  die  Vitzthum  wurden  in  den  Frieden  mit 
eingezogen  i). 

Herzog  Wilhelm  hat  dann  die  jetzt  überflüssig  gewor- 
denen Böhmen,  die  sich  bereits  in  seinem  eigenen  Lande 
lästig  machten,  zu  einer  anderen  Unternehmung  yerwandt  Er 
zog  bekanntlich  damit  dem  Erzbischof  yon  Köln  gegen  die 
westfälische  Hansestadt  Soest  zur  Hilfe.  Auf  die  sogenannte 
Soester  Fehde  hier  näher  einzugehen,  liegt  kein  Grund  yor. 
Es  genügt  die  Thatsache,  dafs  der  Zug  völlig  mifsglttckte. 
Als  daher  Herzog  Wilhelm  die  Böhmen  nicht  ablohnen  konnte, 
trennten  sie  sich  von  ihm,  um  unter  vielen  Entbehrungen 
und  Gefahren  in  ihre  Heimat  zurückzukehren  und  zwar  auf 
demselben  Wege,  auf  dem  sie  gekommen  waren  ').  In  Thü- 
ringen versah  man  sich  nichts  Gutes  von  den  heimziehenden 
Böhmen  und  rüstete  vorsichtig  zur  Abwehr.  Besonders  hatten 
^ie  Erfurter,  vom  Kurfürsten  thätig  unterstützt,  ein  starkes 
Heer  gesammelt 

Auch  die  Herren  des  Oster-  und  Vogtlandes  waren  zur 
Beobachtung  der  durchziehenden  Haufen  mit  ihrer  Mannschaft 
im  Felde  erschienen.  So  glich  dieser  Bückzug  der  Böhmen 
mehr  einer  Flucht,  und  es  wäre  nicht  schwer  gewesen,  ihre 
halbverhungerten  und  stark  gelichteten  Haufen  völlig  aufsu- 
reiben.  Man  scheint  aber  kurfürsüicherseits  andere  Pläne 
mit  ihnen  vorgehabt  zu  haben.  Ab  dieselben  nämlich  am 
2.  oder  8.  August ')  in  der  Nähe  von  Schleiz  anlangten,  be- 

1)  Stolle  a.  a.  O.  Vergl.  auch  Neues  Archiv  für  sichs.  Gesch.  II, 
8,  S.  108. 

2)  S.  BachmaDDS  Tortreffliche  Darstelluog  im  Neuen  Arohiv  fUr 
sichs.  Oesch.  a.  a.  O. 

3)  Am  4.  Aug.  kamen  sie  schon  in  Eger  an;  s.  Neues  Archiv  fUr 
sftchs.  Gesch.  II,  8,  8.  124. 


Di«  Zentdrnog  der  Stadt  Gera  im  slehsischen  Bruderkriege.     303 

gaben  eich  die  Herren  von  Schönburg,  Oera  und  Plauen  aus 
ibrem  Ueere  za  den  Böhmen  und  forderten  sie  geradezu  zum 
Übertritt  in  kurfürstliche  Dienste  auf.  Dabei  gaben  sie  es 
gerade  dem  Apel  Vitzthum  schuld,  dafs  die  Böhmen  von  Herzog 
Wilhelm  nicht  befriedigt  wären.  Sollte  also  der  Kurfürst  mit 
Apel  zum  Kriege  kommen,  könnten  sie  sich  an  diesem  rächen  ^). 
Die  Böhmen  gingen  aber  auf  das  Anerbieten  nicht  ein.  Apel 
hatte  gute  Freunde  unter  ihnen.  Auch  hofften  sie  damals, 
binnen  kurzem  yon  Herzog  Wilhelm  ihre  Forderungen  berich- 
tigt zu  sehen. 

In  den  ersten  Tagen  des  September  kamen  dann  die 
streitenden  Brüder  und  die  vermittelnden  Fürsten  in  Mühl- 
hausen zusammen.  Man  hatte  grofses  Gefolge,  auch  die 
,,Yornehmsten  Doctores  und  trefflichsten  Eedner''  mit  sich» 
Es  wurde  damals  auf  dem  ,,steinernen  Hause'',  dem  Rathause 
der  Stadt,  ein  förmliches  Schöffengericht  niedergesetzt.  Dazu 
gehörten  die  Markgrafen  Friedrich  und  Albrecht  von  Branden- 
burg, Landgraf  Ludwig  von  Hessen  und  zwanzig  Mannen^ 
von  denen  jeder  Bruder  zebn  aus  des  anderen  Teil  zu  wählen 
hatte.  Die  beiden  Hauptsprecher  waren  für  den  Kurfürsten 
Heinrich  der  Jüngere,  Herr  zu  Oera,  und  für  Herzog  Wil- 
helm der  gelehrte  Dr.  Knorre.  Zwischen  beiden  kam  es  am 
5.  Sept.  zu  einer  hitzigen  Disputation,  bis  plötzlich  der  von 
Oera  seinem  Gegner  bestritt,  als  Geistlicher  auf  einem  welt- 
lichen Gericht  den  Sprecher  machen  zu  dürfen.  Er  berief 
eich  dafür  auf  Stellen  aus  dem  Sachsenspiegel  und  anderen 
Bechtsbüchern.  Die  Schöffen  verwarfen  hierauf  in  der  That 
den  Knorre  als  Sprecher,  doch  als  dieser  nun  auch  dem  Geraer^ 
weil  er  ein  Kitter  sei,  die  Eigenschaft  zum  Sprecher  ab- 
erkennen lassen  wollte,  erreichte  er  solches  keineswegs,  und 
der  Geraer  blieb  unverworfen  *). 

Drei    volle   Wochen  währten   die   Mühlhäuser  Verband- 


1)  Schreiben   des  Alesch  ▼.  Sternberg    uk   seinen   Sohn  d.  d.  1447 
Aug.   15  in  Fontes  rer.  Aostriac.  XLII,  S.  46,  Nr.  24. 

2)  Rammermeister  a.  a.  O.  Sp.  1195. 


304     I)i«  ZerstoroDg  der  SUdt  Gera  im  sichsischen  Broderkriege. 

lungeoy  und  täglich  hielt  man  yon  9  Uhr  morgens  bis  5  Uhr 
nachmittags  Sitzung  ab,  ohne  jedoch  zum  Ausgleich  zu  kom- 
men. Sohliefslich  zogen  die  Parteien  unTersöhut  nieder  ab, 
und  nach  Stolle  gab  man  besonders  dem  Markgrafen  Albreoht 
von  Brandenburg  die  Schuld  am  Scheitern  des  Friedens- 
werkes. 

Nicht  lange  darauf  wuchs  noch  die  Spannung  durch  den 
Kauf  Ton  Schwarzburg.  Der  sogenannte  Sohwarzburger  Haus* 
krieg,  der  hier  eingreift,  ist  dann  für  die  friedliche  Lösung 
des  Bruderstreites  ein  schweres  Hindernis  geworden.  Der 
letzte  Orund  zu  dieser  Fehde  lag  wohl  in  der  nicht  seltenen 
Erscheinung,  dafs  absterbende  Linien  den  erbenden  Seiten- 
yerwandten  mit  gewissem  Groll  gegenüberstehen.  Oraf  Günther 
Ton  Schwarzburg  hinterliefs  nur  Töchter,  yon  denen  Ursula 
an  den  Grafen  Ludwig  von  Gleichen  zu  Blaokenhain  und 
Mechtild  an  Heinrich  von  Gera,  Herrn  zu  Lobenstein,  ver- 
mählt waren.  Sein  Lehnserbe  aber  war  auf  Grund  einer 
alten  Erbverbrüderung  Graf  Heinrich  von  Schwarzburg  zu 
Leutenberg.  Zwischen  beiden  Grafen  bestand  nun  eine  per- 
sönliche Mifsstimmung,  welche  durch  die  politischen  Gegen- 
sätze noch  verschärft  wurde;  denn  Günther  war  geheimer 
Bat  des  Kurfürsten,  während  Heinrich  eifrigst  zu  Wilhelm 
hielt.  Günther  scheint  auch  in  der  That  Schritte  gethan  zu 
haben,  um  entgegen  dem  Erbvertrag  seine  Töchter  und 
Schwiegersöhne  mit  seinem  Hausgute  zu  bedenken.  Jovius, 
der  für  diesen  Streit  wertvolle,  doch  leider  jetzt  verlorene 
Quellen  benutzt  hat,  giebt  sogar  den  Schwiegersöhnen  Gün- 
thers, denen  von  Gleichen  und  Gera  „einzig  und  allein"  die 
Schuld  an  dem  ganzen  Streite  ').  Nach  „bösen  Briefen*'  von 
beiden  Seiten  kam  es  bald  zu  offenen  Feindseligkeiten  zwischen 
den   Schwarzburger  Vettern.     Schon    um    Ostern  1447    hatte 


1)  Jovios»  Chronic.  Schwarsbnrgic.  b.  Schöttgen  und  Kreysig»  Diplom, 
et  Script.  I,  2S7.  —  Vergl.  dazu  AnemfiUer  a.  a.  O.  8.  1  Anm.  1.  — 
Nach  Kammermeister  a.  a.  O.  8p.  1199  rObrte  die  Verstimmung  zwischen 
den  8cbwarzbiirgern  daher,  daPs  Graf  Günther  einmal  in  bedrängter  Lage 
yon  Heinrich  im  Stiche  gelassen  war.  Das  konnte  ihm  Günther  nicht 
wieder  vergessen. 


Di«  Zarstöraog  der  Stadt  Gera  im  sächsischen  Bruderkriege.      305 

der  von  Gleichen  ohne  Absage  Heinrichs  Sohlofs  Leatenberg 
2u  überrumpeln  gesucht.  Dieser  forderte  dafür  Genugthuung 
und  Yersichernng  wegen  der  Erbyerbrüderung.  Als  beides 
nicht  erfolgte,  griff  auch  er  zu  den  Waffen  i).  Hierüber 
beklagte  sich  wieder  Günther  bei  den  sächsischen  Herzögen, 
und  daher  war  die  Angelegenheit  schon  auf  dem  letzten 
Naumburger  Tage  zur  Sprache  gekommen.  Man  einigte  sich 
hier  zu  einer  Waffenruhe,  die  noch  yerschiedene  Male  yerlängert 
werden  mulÜBte,  da  Yerhandlungstage  zu  Erfurt,  Saalfeld  und 
Halle  zu  keinem  Ausgleich  führten.  Auch  die  Schwieger* 
«ohne  Günthers,  den  Grafen  Ludwig  von  Gleichen  und  Hein- 
rich den  Altern  yon  Gera,  hatte  der  Leuten  berger  in  dieser 
Fehde  angegriffen  und  wurde  hierbei  besonders  von  einer 
Anzahl  yogtländischer  Adligen,  wie  die  Eöder,  die  Baben, 
Pöhler,  yon  Watzdorf  und  andere,  unterstützt  Es  lag  da- 
mals nämlich  Burggraf  Heinrich  II.  yon  Meifsen,  in  den 
Quellen  meistens  der  yon  Plauen  genannt,  mit  der  benach- 
barten Stadt  Eger  in  Fehde.  Beide  Teile  hatten  zahlreiche 
Helfer,  der  Burggraf  besonders  seine  Yettem,  die  Herren  yon 
Gera  und  die  Reulsen  zu  Greiz,  Eger  dagegen  böhmische 
Herren  und  die  obenerwähnten  adligen  Lehnsleute,  die  sich 
darnach  im  offenen  Aufstande  gegen  ihren  burggräflichen 
Herrn  befanden.  Der  Grund  dazu  mag  in  der  etwas  dunkeln 
Heiratsgeschichte  des  yon  Plauen  gelegen  haben  '). 

Jedenfalls  ist  aus  dem  Angeführten  die  Gegnerschaft 
dieser  Adligen  gegen  den  Geraer  ganz  yerständlioh.  In  die 
Schwarzburger  Wirren  mischte  sich  nun  aber  auch  Kurfürst 
Friedrich  als  Partei  hinein.  Er  bedeutete  nämlich  dem  Leuten- 
berger  ernstlich,  dafs  er  den  Grafen  Günther,  sowie  die  yon 
Gleichen  und  Gera,  seine  Käte  und  Diener,  sollten  sie  noch 
ferner  yon  Heinrich  angegriffen  werden,  gegen  ihn  kräftig  in 
Schutz  nehmen  werde  ^). 


1)  Jovios  a.  a.  O.  S.  267,  277  u.  508. 

2)  Vergl.  B.  Schmidt,  Barggraf  Heinrich  IV.  zn  Meifsen  etc.,   Gera 
1888,  8.  16. 

8]  Schreiben  d.  d.  Rochlitz  1448  Juli  3  im  Aaszug  bei  Jovias,  S.  278. 


306     I>^e  Zentörung  der  Stadt  Gera  im  sIebsischeD  Bruderkrieg^. 

Längst  hatten  hier  auch  wieder  die  Vitsthnm  ihre  Hände* 
im  Spiel.  Apel  hatte  Ton  Herzog  Wilhelm  die  Pflege  Coburg 
mit  der  im  Bambergisohen  gelegenen  Stadt  Königsberg  kauf- 
lieh  erworben.  Letzteren  Ort  beanepruohte  aber  Graf  Günther 
von  Sohwarzburg  als  ein  ihm  Ton  den  ehemaligen  Grafen 
Ton  Schlttsselbnrg  zngefallenes  Erbe.  Alt  daher  der  Kauf 
Apels  ruchbar  wurde,  schrieb  der  Kurfürst,  um  die  Bedtz- 
ergreifang  der  Stadt  durch  den  Vitzthum  zu  yerhindem,  an- 
ihren  Rat,  er  würde  ihnen  nächstens  eine  Gesandtschaft  mit 
Heinrich  yon  Gera  zu  Lobenstein  an  der  Spitze  zusenden^ 
durch  welche  er  seine  Meinung  kundgeben  wolle  ^).  Aus- 
dieser  Gesandtschaft  wurde  dann  freilich  nichts;  denn  schoa 
wenige  Tage  darauf  meldeten  Graf  Ernst  von  Gleichen  und 
der  jüngere  Herr  yon  Gera  dem  Lobensteiner,  es  wäre  so- 
eben auf  einem  Zeitzer  Tage  alle  Unterhandlung  wegen  dea 
Königsberger  Kaufes  bis  zu  einem  nächsten  Termin  yertagt 
worden,  und  sollten  inzwischen  weder  Mannen  noch  Siädte- 
zur  Huldigung  genötigt  werden  '). 

Graf  Günther  hatte  dann  im  weiteren  Verlaufe  dea 
Streites  seine  schlüsselburgischen  Erbansprüche  ,yin  Franken 
und  auf  dem  Bambergischen  Gebirge''  seinem  Schwiegersoha 
Heinrich  yon  Gera  überlassen  ^). 

Wir  wollen  hier  noch  einige  kurze  Notizen  über  die 
beiden  Brüder  yon  Gera  einschalten,  da  sie  ohne  Frage  im 
Bruderkriege  politisch  stark  heryortretende  Persönlichkeiteu 
waren.  Der  zu  Lobenstein  war  am  14.  Jan.  1404  geboren^) 
und,  wie  schon  bemerkt,  mit  einer  Tochter  Günthers  yoa 
Schwarzburg    yermählt     AufiBer    der    Herrschaft   Lobensteia 


1)  ScbreibeD  d.  d.  £ileiiburg  1447  Des.  6  (8t.  Nikolaustag),  Orig^ 
im  S&chs.  Ernest.  Gesamtarchiy  (später  nar  OesA.  citiert),  Weimar  D.  p^ 
349  Mr.  7.       . 

8)  Schreiben  d.  d.  Zeitt  1447  Dez.  13  (MiUwoch  Lode)  ebenda^ 
i.  Beilage  1. 

8)  2  Urkd.  d.  d.  1448  Mai  3  (am  Kretnestage  iiiTeotionif)  iok 
Fürstl.  Hausarchiy  Scbieit. 

4)  B.  Schmidt,  Urkdb.  d.  Vögte  v.  Weida  etc.  (ThQring.  Oetcbichts^ 
queUen  N.  F.  II),  Bd.  II,  Nr.  619. 


Die  Zeretöniog  der  SUdt  Gera  im  »ächsisehen  Bruderkriege.      307/ 

besafs  er  Boeh  die  Pflege  Eeiohenfels  mit  der  Stadt  Zeulen— 
roda.  Als  kurfürstlicher  Bat  wurde  er  in  dieser  Zeit  wieder- 
holt mit  politischen  Aufgaben  betraut  ^),  doch  war  er  offen- 
bar weniger  bedeutend  als  der  jüngere  Bruder.  Dieser  war 
am  11.  Oktob.  1415  geboren*)  und  mit  Gräfin  Anna  yon 
Henneberg-Kömhild  vermählt.  Schon  vor  der  £rbteilung  der 
»ächsisehen  Brüder  stand  er  bei  Kurfürst  Friedrich  in  An-^ 
sehen;  denn  1448  war  er  einer  der  Bürgen  für  das  Verlöb- 
nis zwischen  Friedrichs  Sohn  und  Carola  von  Savojen  ^). 
Zu  beachten  ist  ferner»  daTs  bei  der  zweiten  Teilung  der 
Kurfürst  sich  |,sonderlioh*'  die  beiden  Herren  von  Gera  mit 
ausbedungen  hatte  ^).  Der  jüngere  Bruder  erscheint  zuerst 
zu  Anfang  1446  als  kurfürstlicher  |,Eat  und  Heimlicher''  ^) 
und  wurde  im  August  des  folgenden  Jahres  neben  den  Geist- 
lichen Bischof  von  Merseburg  und  Abt  von  Altzelle  als  erster 
Vertreter  der  weltliche  Landstände  in  den  Yormundschaftsrat 
für  die  Kinder  Friedrichs  verordnet*).  Von  seinem  hervor- 
ragenden Anteil  an  den  Verhandlungen  des  29aumburger  Tagea 
war  schon  die  Bede.  Erwähnt  mag  aber  noch  werden,  dafs 
ihn  der  Kurfürst  wegen  seiner  vielen  treuen  Dienste  im 
März  1448  mit  der  Feste  Kochsburg,  welche  der  Geraer  von 
Burggraf  Albrecht  von  Leisnig  gekauft  hatte,  erblich  belehnte  ^)..< 


1)  Vergl.  8.  806  a.  808.  Auch  theidiogt  er  am  24.  Febr.  1448  neben 
seinem  Brnder  and  anderen  korfUrstl.  Bäten  zwischen  Heinrich  Renis  dem 
Jfingeren  zu  Greiz  and  denen  von  Wolflramsdorf ;  Orig.  im  Haasarchiv  Greis. 

2)  Schmidt,  Urkdb.,  Bd.  II,  Kr.  619. 

8)  Absch.  Pap.  d.  d.  Weilaenfels  1448  Mai  12  (Sonntag  Jubilate),. 
im  GesA.  Weimar  D.  p.  17  Kr.  25  Fol.  20. 

4)  Vergl.  8.  800. 

5]  Verscbreibang  des  Korfürsten  fQr  seine  Gemahlin  d.  d.  1448- 
Febr.  14  (Valeotinstag).  im  GesA.  Weimar  D.  p.  14  Kr.  19«. 

6)  Orig.  d.  d.  Altenbarg  1447  Aag.  11  im  Haapt-StaaU-Archiv 
^»pftter  HSA.  citiert)  Dresden  Kr.  6991. 

7)  Orig.  d.  d.  Meifsen  1448  Mftrz  12  (DiensUg  Gregorii)  im  Haos- 
archiv  Schleiz.  —  Albrecbts  von  Leisnig  Sohn  Otto,  darch  seine  Gemahlio^. 
Margarete  ebenfalls  ein  Schwiegersohn  des  Grafen  Günther  von  Schwarz- 
barg und  Schwager  des  von  Gera  zu  Lobenstein,  war  om  1447  gestorben., 
(s.  Jovias  a.  a.  O.  S.  268). 


308      ^^^  Zerstörung  der  Stadt  Gera  im  sftchtischen  Bruderkriege. 

Doch  kehren  wir  nach  dieser  Absohweifung  zur  Sohwarz- 
burger  Fehde  zurück.  Der  anfänglich  auf  den  Montag  nach 
Fabian  und  Sebastian  (Jan.  21)  angesetzte  Zeitzer  Tag  ging 
erst  um  Mitte  Juli  1448  vor  sich.  Unterhändler  waren  auf 
kurfürstlicher  Seite  Bischof  Johannes  von  Merseburg,  Qraf 
Ernst  von  Gleichen  zu  Blankenhain,  Heinrich  von  Gera  zu 
Lobenstein  uad  die  Bitter  Hans  von  Maltitz  und  Otto  von 
Spiegel,  für  Herzog  Wilhelm  dann  Graf  Siegmund  von  Gleichen, 
Marschall  Barthel  von  Bibra,  Friedrich  von  Witzleben,  Hans 
Schenk,  Georg  von  Bibra  und  Hans  Hoberg.  Man  brachte 
aber  in  Zeitz  auch  nichts  Besseres  als  eine  abermalige  Waffen- 
ruhe von  Freitag  nach  St.  Jakob  (Juli  26)  bis  St  Nikolaus- 
tag (Dez.  6)  zustande.  Inzwischen  sollte  auf  Montag  nach 
ULFr.  Wurzweihe  (Aug.  18)  ein  neuer  Tag  in  Zeitz  eröffnet 
werden,  wo  vier  Bäte  beider  Herzöge  die  schwebenden 
Irrungen  zum  Austrag  bringen  sollten.  Zugleich  wurde  auf 
diesen  Tag  die  Entscheidung  in  der  Fehde  zwischen  Graf 
Gttnther  von  Schwarzburg,  Graf  Ludwig  von  Gleichen,  Burg- 
:graf  Heinrich  von  Meifsen  und  den  beiden  von  Gera  an 
einem  und  Graf  Heinrich  zu  Leutenberg,  Heinz,  Völkel  und 
Hans  Röder,  denen  von  der  Heide,  den  Baben,  Pöhlern  und 
Helfershelfern  am  anderen  Teil  verschoben.  Bis  dahin  sollten 
-alle  Anforderungen  und  Brandschatzungen  der  Gegner  „an- 
stehen und  ungemahnt  bleiben",  auch  alle  Gefangenen,  Adel 
und  Beisige  auf  Treue,  Bürger  und  Bauern  auf  Bürgschaft 
hin,  losgegeben  werden.  Würde  man  dem  nicht  nachkom- 
nnen,  sollten  die  Herzöge  Friedrich  und  Wilhelm  sich  des 
ungehorsamen  Teils  gänzlich  „entäussern"  und  dessen  Bestra- 
fung nicht  hindern  ^).  Ein  zwischen  dem  von  Plauen  und 
-den  Ködern  angesetzter  Sühntag  in  Oelsnitz  wurde  infolge 
<ler  Zeitzer  Bestimmungen  wieder  aufgehoben.  Der  Amt- 
mann zu  Vogtsberg,  Faul  von  Weifsbach,  erhielt  Befehl,  Jen' 
Bödern   nach   Eger,   Hof  oder   Elbogen,    oder    wo    sie   sonst 


1)  Die  Protolcolle  d.  d.  Zeitz  Jali  18  u.  19;  s.  Beiiageo  Nr.  2  u.  3. 
—  Vergl.  aucli  Joyius  a.  a.  O.  S.  279. 


Die  Zerstdraog  der  Stadt  Oera  hn  sAebtiscben  Braderkriege.      309 

aufgenommen    würden,    den  AbtohlnfB    des  Waffenstillstandes 
«myercüglicli  mitzuteilen  ^). 

Letzterer  wurde  aber  —  ^bezeichnend  für  das  wüste 
Fehdewesen  jener  Zeitläufte  —  schon  am  ersten  Tage  seiner 
«Oiltigkeit  wieder  gebrochen.  Nach  der  Darstellung  des  Bchwarz- 
burger  Chronisten  JoTius  war  der  Vorgang  folgender:  Hein- 
rich der  Ältere  von  Gera  hatte  unter  dem  Siegel  seines 
Mannes  Gabriel  Götz  dem  Grafen  Heinrich  Ton  Schwarzburg 
ram  25.  Juli  den  vereinbarten  Waffenstillstand  mitgeteilt  und 
^ie  Erklärung  gefordert,  ob  der  Leutenberger  denselben  an- 
nehmen wolle,  damit  er,  der  Ton  Gera,  und  seine  Freunde 
^»entweder  mit  Friede  oder  Wehre''  sich  danach  zu  achten 
'hätten.  Graf  Heinrich  schrieb  aber  nicht  sofort  zu,  sondern 
-er  forderte  Heinz  und  Hans  Eöder  auf  den  26.  Juli,  wo  der 
Stillstand  beginnen  sollte,  zu  sich  nach  Leutenberg,  um  des- 
wegen mit  ihnen  zu  beraten.  HierTon  erfuhr  der  Geraer, 
und  wohl  weil  er  vom  Gegner  noch  keine  Antwort  auf  seine 
Anfrage  erhalten  hatte,  ergriff  er  die  günstige  Gelegenheit 
EU  einem  Gewaltstreich.  Er  lauerte  den  beiden  Bödem  auf 
ihrem  Wege  nach  Leutenberg  auf  und  führte  sie  mitsamt 
einem  Knechte  und  6  Pferden  gefangen  nach  Schleiz  ab^). 
Hierüber  erhob  sich  natürlich  auf  Seiten  der  Gegner  grolser 
Lärm.  Graf  Heinrich  erklärte  den  Frieden  für  gebrochen 
und  bat  um  Hilfe  bei  Herzog  Wilhelm.  Dieser  forderte 
energisch  die  Losgabe  der  Gefangenen,  erreichte  aber  nichts, 
^enn  die  Geraer  verliefsen  sich  auf  Kurfürst  Friedrich,  dem 
^ie  damals  gerade  das  Schlofs  Schwarzburg  in  die  Hände 
spielten.  Man  bewog  nämlich  den  alten  Grafen  Günther, 
welcher  des  Streites  längst  überdrüssig  war,  seine  Grafschaft 
-mit  dem  Haus  Schwarzburg  und  der  Stadt  Königsee  an  den 
Kurfürsten  zu  verkaufen.  Der  eigentliche  Kaufbrief  darüber 
wurde  zwar   erst   am  22.  November  1448  in  Altenburg  aus- 


1)  Sebreiben  des  Qeorg  von  Bebenbarg   d.  d.  ZeiU  1448  Juli  18; 
s.  Beil.  4.    —    Am  20.  Juli  teilt  der  Amtmaon  dem  Heins  Edder  obiges 

^Schreiben  mit;  s.  Beil.  6. 

2)  JoYios  a.  s.  O.  S.  280  ff. 


310     P^^  Zerttömog  der  Stadt  Otra  im  tSehtischeo  Braderkriefe. 

gefertigt^),  aber  schon  anfangs  August  war  der  Handel  sc^ 
weit  gediehen,  da£i  der  Jüngere  yon  Gera  Sohlofs  Sohwars» 
bürg  besetzte  und  an  des  Kurfürsten  Statt  die  Huldigung  der 
ünterthanen  annahm.  Solches  teilte  er  auch  dem  Leuten— 
berger  mit  und  warnte  ihn»  gegen  den  kurfürstlichen  Besitz: 
etwas  zu  unternehmen  *). 

Hatte  schon  der  Streich  mit  den  Ködern  Herzog  Wilhelm, 
arg  verstimmt,  so  schlug  nun  der  Schwarzburger  Kauf  dem. 
Fasse  yöUig  den  Boden  aus ;  denn  dieses  Abkommen  war  offen- 
bar ein  starker  Übergriff  in  die  thüringische  Landeshoheit. 
Wilhelm  schlofs  daher  sofort  ein  enges  Bündnis  mit  dem 
Leutenberger  und  dem  Grafen  Heinrich  yon  Sohwarzburg  zu. 
Arnstadt  gegen  den  Grafen  Günther  und  die  yon  Gleieheik 
und  Gera  ab,  dessen  ausgesprochener  Zweck  die  Wieder- 
gewinnung Schwarzburgs  war^).  Mit  ihnen  sagten  dann 
bald  darauf  noch  Graf  Siegmund  yon  Gleichen,  die  Grafen» 
yon  Honstein  und  Stolberg  und  yiele  thüringische  Bdelleute- 
dem  Grafen  Günther  und  seinen  Helfern  ab  ^).  Vom  Kur- 
fürsten war  in  allen  diesen  Fehdebriefen  nicht  die  Rede^ 
aber  bezeichnend  für  die  ganze  Sachlage  ist  ein  Schreiben 
des  Jüngern  yon  Gera  aus  jenen  Tagen.  Er  überschickte 
dabei  dem  Kurfürsten  die  Absagen  der  Gegner  an  Günther- 
und  Verbündete,  sowie  ein  dringendes  Hilfsgesuch  des  Grafen 
Ludwig  yon  Gleichen,  welche  Schriftstücke  ihm  zur  Weiter- 
beförderung an  Friedrich  nach  Gera  zugebracht  waren.  Der 
Geraer  hatte  die  Briefe  geöffnet»  ,»auf  dafs  er  sich  in  den 
Sachen  desto  besser  zu  richten  wüfste",  und  meint  weiterhin,. 


1)  Anemüller  a.  a.  O.  S.  6.  —  Zu  bemerken  ist  daraus,  daf»  der 
Kurfürst  neben  der  lebenslftnglichen  Versorgung  Gfintbers  nocb  Jeder  Ton 
dessen  drei  Töcbtern  3000  Gulden  anssablen  mnrste. 

2)  JoTius  a.  ».  O.  8.  506. 

8)  ,,Beteidigunge  umb  Swartspnrg  lu  bebertten"  d.  d.  1448  Aug.  KV 
(Sonnabend  Laurentii)  nebst  Revers  der  beiden  Schwarsbnrger  Grafen  Toik 
demselben  Datum  im  HSA.  Dresden.  —  Drucke  bei  AnemtUler  a.  a.  O.^ 
Beil.  I— IV. 

4)  Pehdebriefe  vom  28.  und  80.  Aug.  im  HSA.  Dresden;  vergL. 
auch  ADem&ller,  S.  5  Anm.  6. 


Di«  ZerstSrang  der  Stadt  Gera  im  sicbsiscben  Bruderkriege.     311 

laxdin  würde  jetzt  felndlioherseits  wahrscheinlioh  Schwarzburg 
^angreifen.  Der  Karfürst  möohte  also  dieses  und  Burg  Ehren- 
=«teiDy  da  sie  nicht  gut  besetzt  wären,  mit  der  nötigen  Ver- 
stärkung yerseben  lassen  ^). 

So  brach  der  kleine  Krieg  denn  aufs  neue  aus.  Graf 
Heinrich  von  Leutenberg  durchstreifte  nicht  allein  das  Sohwarz- 
burger  Gebiet,  sondern  fügte  auch  den  Herren  von  Gera  mit 
Brandschatzung  empfindlichen  Schaden  zu.  Letztere  warben 
-daher  zur  Wiederrergeltung  unter  der  benachbarten  meifs- 
cnischen  Ritterschaft  zahlreiche  Bundesgenossen  an.  Die  Fehde- 
4>riefe  yom  28.  Sept  nennen  aufser  den  Herren  Ton  Wilden- 
fels und  Weida  noch  41  adlige  Namen  '). 

Indessen  legten  sich  bald  wieder  „friedliebende  Herren'' 
ins  Mittel  und  vermochten  die  sächsischen  Herzöge,  ihre 
£äte  zu  gütlicher  Verhandlung  nach  Naumburg  zu  schicken. 
JHier  wurde  am  23.  Oktober  (Mittwoch  Severini)  zwischen  den 
kriegführenden  Parteien,  dem  Grafen  Günther  von  Schwarz- 
4>urg,  Grafen  Ludwig  von  Gleichen,  denen  von  Flauen  und 
'<}era,  dem  jungem  Reufsen  zu  Greiz  und  ihren  Helfern  einer* 
«eits  und  Grafen  Heinrich  zu  Leutenberg,  den  Rödern  und  den 
«nderen  vogtländischen  Adligen  andererseits  ein  neuer  Waffen- 
stillstand abgeschlossen.  Derselbe  sollte  vom  26.  Oktober  bis 
::S5.  November  laufen,  am  14.  November  (Donnerstag  nach 
Martini)  aber  ein  weiterer  Tag  in  Naumburg  allen  Streit 
achlichten.  Zum  Beginn  des  Stillstandes  sollten  alle  Ge- 
fangenen losgegeben  werden  und  zwar,  wie  üblich,  Adlige 
und  Reisige  auf  Gelübde,  Bürger  und  Bauern  auf  Bürgschafts- 
briefe der  Landesherren  hin  *). 

Solches  geschah  denn  auch,  und  so  kamen  endlich  die 
beiden  Röder   aus  ihrer   Haft  in    Schleiz    f^ei.     Der   zuletzt 


1)  Schreiben  d.  d.  Gera  [1448]  Sept.  2  (Montag  nach  Egidii)  im 
H8A.  Dresden. 

t)  JoTins  a.  a.  O.  S.  882  u.  507  ff. 

8)  ProtokoU  d.  d.  [1448]  Okt.  28 ;  s.  BeU.  6  —  Probeentwnrf  zu 
^toleben  B&rgtchaftsbriefen  des  Grafen  Heinrichs  Ton  Schwarsbnrg  und 
-des  von  Gera  za  Lobenstein  s.  bei  Jovias,  S.  288. 


312     ^>^  Zerttörnng  d«r  Stadt  Gera  im  •ftchsisobeD  Bradarkriege. 

angesetzte  Naumburger  Tag  hatte  jedoch  wieder  keinen  an- 
deren Erfolg,  als  die  Yerlängerung  der  Waffenruhe  bis  aun^ 
2.  Febr.  des  folgenden  Jahres.  Kaum  war  sie  abgelaufen^ 
so  brach  der  Geraer  abermals  gegen  Graf  Heinrich  los  und 
drang  bis  nahe  an  Leutenberg  vor  ^).  Was  dann  im  folgen- 
den Jahr  geschah,  ist  wenig  erkennbar  und  die  Überlieferung- 
so  verworren,  wie  die  Verhältnisse  selber.  Wiederholt  wurde 
Waffenruhe  hergestellt  ^),  aber  in  der  Regel  durch  neue  Fried- 
bräche wieder  verletzt  ^).  80  hatte,  um  ein  Beispiel  anzu- 
führen, der  kurfürstliche  Hauptmann  auf  Schwarzburg  Bietst 
von  Wolframsdorf  am  1.  Juni  1449  einen  Einfall  in  leuten- 
bergisches  Gebiet  gethan  und  den  Landbewohnern  Yieh  und 
andere  Habe  weggenommen.  Der  Kurfürst  entschuldigt» 
Dietz  damit,  dals  er  wegen  „Verweilung  der  Boten''  von  der 
Verlängerung  des  Waffenstillstandes  nichts  gewufst  habe^). 
Als  beim  Kurfürsten  alle  Unterhandlungen  wegen  Her^ 
ausgäbe  von  Schwarzburg  nichts  fruchteten,  nahm  Graf  Hein* 
rieh  im  Vertrauen  auf  Herzog  Wilhelm  und  mit  Hilfe  einer 
Anzahl  mächtiger  Herren,  darunter  der  Bischof  von  Hilde»* 
heim,  die  Herzöge  von  Braunschweig  und  die  Grafen  von 
Henneberg  und  Beinstein  ^),  den  Kampf  wieder  auf.  Die- 
Absagen  der  Verbündeten  ergingen  abermals  an  den  Grafei^ 
Günther  von  Schwarzburg,  ohne  wieder  den  Kurfürsten  auch 
nur  zu  nennen.  Man  that  also  politisch,  als  ob  der  Verkauf 
Schwarzburgs  gar  nicht  stattgefunden  hätte.  Wie  die  Sache 
aber  wirklich   stand,   beweist    der  scharfe   Briefwechsel   der 


1)  Joyins,  S.  288. 

2)  So  wurde  aaf  einem  Zeitzer  Tage  am  17.  Mai  1449  ein  neaer 
Waffenstillstand  bis  lam  St.  Jakobstage  (Jali  26)  abgeschlossen  ;  s.  Beil.  7^ 

8)  JoTins,  8.  512—516. 

4)  Schreiben  d.  d.  Grimma  [U49j  Jani  11  bei  JotIos,  S.  616.  — 
Beilftafig  bemerkt,  worde  der  Ton  Wolframsdorf  aach  nach  seinem  Wohn- 
sitie  Dieti  von  der  Renth  (nordöstlich  von  Greii)  genannt  (ans  Kgerer 
Akten);  daher  t.  Raab,  Begesten  aar  Orts-  und  Familiengeechichte  de» 
Vogtiandes,  S.  284,  in  berichtigen. 

6)  Fehdebriefe  vom  81.  Aug.  im  HSA.  Dresden  }  vergl.  auch  An«- 
mOller  a.  a.  O.  S.  18  Anm.  16. 


Die  Zeratömag  d«r  Stadt  Gen  im  iftchsischen  Braderkriege.      313^ 

sächsiBchen  Brüder  aus  jenen  Tagen.  Der  Kurfürst  beschwerte 
sich  heftig  darüber,  dafs  Herzog  Wilhelm  dem  Leutenberger 
HilÜBtruppen  geschickt  habe,  und  ersuchte  den  Bruder,  sein 
zu  Königsee  liegendes  Volk  sofort  wieder  abzufordern,  auch 
dem  Grafen  Heinrich  ferner  keine  Hilfe  mehr  zu  leisten» 
Herzog  Wilhelm  warf  dagegen  in  seiner  Antwort  dem  Kur- 
fürsten vor,  es  sei  unbrüderlioh  und  unbillig  von  diesem,  dafs 
er  ihm,  dem  Bruder,  Schwarzburg  entziehen  und  auch  den 
Grafen  Heinrich  davon  „abdringen"  wolle.  Er  bäte  daher 
den  Kurfürsten,  dem  Grafen  sein  Recht  an  Schwarzburg  nicht 
zu  nehmen  und  sich  „der  Billigkeit  nach''  zu  erweisen,  um 
anderem  „Unrat'',  der  daraus  entstehen  könnte,  zuvorzukom- 
men, da  Wilhelm  den  Grafen  keineswegs  im  Stiche  lassen 
würde  *). 

Auf  einem  Tage  zu  Naumburg  machte  am  13.  Nov.  ^)^ 
die  Stadt  Erfurt  nochmals  den  Versuch,  den  Kurfürsten  mit 
dem  Grafen  Heinrich  rechtlich  zu  vertragen.  Letzterer  erbot 
sich  auch,  vor  einem  kurfürstliches  Hofgericht  in  Altenburg 
oder  Leipzig  mit  Geleit  zu  erscheinen  und  inzwischen  das 
besetzte  Königsee  bis  zur  Entscheidung  der  Rechtsfrage  den. 
Erfurtern  auszuliefern. 

Aber  der  Kurfürst  war  bereits  zum  Kriege  entschlossen.. 
Er  lehnte  die  Naumburger  Abmachnng  mit  der  Begründung 
ab,  dafs  er  sich  vom  Grafen  Heinrich,  als  seinem  „gehuldeten 
und  geschworenen  Mann''  keine  Bedingungen  vorschreiben, 
lassen  könne.  Der  Graf  sollte  ihm  Königsee  und  andere 
ZOT  Herrschaft  Schwarzburg  gehörigen  Stücke  herausgeben,, 
sich  seinem  Gerichte  stellen  und  des  Bescheides  gewärtig 
sein^). 

Als  dann  zu  Anfang  des  Jahres  1450  Graf  Günther  von 
Schwarzbarg  auf  seinem  Ruhesitz  Tharand  verstarb,  ohne 
daÜB  sein  Ableben  einen  Einflnfs  auf  die  Schwarzburger  Frage 


1)  Sehreiben  der  Brttder  Tom  20.  u.  26.  Sept.  bei  Joyias,  S.  516. 

2)  Joviut  giebtden  16.  Nov.  an.    Der  Tag  miUe  aber  schon  am  18... 
begonnen  haben ;  denn  wir  besitzen  ein  Protolcoll  darfiber ;  s.  Beil.  8. 

8)  JoTios,  8.  517. 


314     ^^^  Zerstörung  der  Stadt  Oer»  im  sKcbsiscben  Bruderkriege. 

ftUBÜbte,  war  an  eine  friedliche  Löeang  derselben  nicht  mehr 
SU  denken. 


n.    Der  Kampf  nm  Gera. 

Das  Jahr  1450  fing  dann  allerdings  nochmals  mit  güt- 
licher Verhandlung  auf  einem  Tage  zu  Zeitz  an.  Es  kamen 
wenigstens  hier  zwischen  den  Räten  der  sächsischen  Brüder 
einzelne  Friedbrüche  der  Landsassen  zur  Sprache  ^).  Ich 
erwähne   daraus  nur  die  auf  das  Vogtland  bezüglichen  Fälle. 

So  hatte  der  bekannte  Eunz  yon  Eaufungen  den  Vogt 
des  Klosters  Cronschwitz  in  der  Zwickauer  Pflege  überfallen 
und  ihm  Pferde  und  Habe  abgenommen.  Ferner  hatten  die 
Ton  Wolfersdorf  dem  Kloster  nächtlicher  Weile  die  Dörfer 
Olodra  und  Dittersdorf  ,,gepocht''  und  dabei  16  Pferde  und 
anderes  Eigentum  erbeutet.  Auch  wegen  einer  Anfeindung 
der  Stadt  Eger  durch  den  Reufsen  zu  Greiz  in  Herzog  Wil- 
helms Geleit  wurde  yerhandelt^). 

Während  dann  im  Schwarzburgischen  Graf  Heinrich  die 
kurfürstlichen    Befehlshaber    durch    Streifen    und    geschickte 


1)  KoDsept  in  GesA.  Weimar  D.  p.  879  Nr.  7  mit  der  i^benchrift : 
„Item  nawe  verlaufifen  gebrechen,  die  nach  richtangeD  und  sprachen  der 
fursten  euch  nach  erlcentnusz  der  rethe  und  landtchafft  ergangen  und  off 
dem  tage  circamcisionis  domini  (aa  l.  Jan.)  anno  lo  mitsampt  andern 
•int  gelegt  und  gehandelt  sind  tu  Ciitz.'^ 

8)  £8  handelt  sich  wohl  hier  nm  einen  Vorfall,  der  sich  bereits  tu 
Anfang  des  Jahres  1449  ereignet  hatte.  Der  jüngere  Reufs  war  nftmlich 
am  14.  Februar  d.  J.  mit  einigen  Mannen  in  Eger  eingetrofifen,  um  mit 
dem  Herrn  von  Schwamberg  in  tagen.  Auch  ein  Herr  Ton  Sternberg 
war  BuflUlig  in  Eger.  Als  nun  der  Renft  die  Stadt  mit  ihrem  Geleit 
wieder  verliefs,  traf  er  die  Pferde  des  von  Sternberg  in  der  TrSnke  Tor 
der  Stadt.  Sofort  verjagte  er  die  Knechte  and  Trofsbaben  ,,seines  Fein- 
des'S  wie  er  spftter  inr  Entschuldigung  anführte,  und  führte  die  Pferde 
davon.  Da  verfolgten  ihn  die  Egerer  wegen  des  verletsten  Geleits,  so 
dafs  er  nur  mit  Mfihe  entkam.  Hierfiber  mehrere  Schreiben  im  Stadt- 
archiv Eger  Abt.  Sachs.  Beuf«  I  und  II.  Auch  Nr.  31  in  den  Font.  rer. 
Attstriae.  4t  S.  57  bezieht  sich  offenbar  auf  obigen  Fall,  doch  ist  hier 
■  das  Jahr  dann  falsch. 


Die  Zentörnng  der  Stadt  Gera  im  sfichBiacben  Bruderkriege.      315 

Überfälle  in  Atem  hielt,  zog  im  Westen  des  Landes  eine 
^öfsere  Gefahr  für  Friedrich  herauf.  Es  hing  das  mit  seinem 
zweideutigen  Yersuoh  zusammen,  die  Lausitz  an  sich  zu 
bringen  ^).  Dadurch  verfeindete  er  sich  mit  dem  Markgrafen 
Ton  Brandenburg,  welcher  die  Landvogtei  daselbst  käuflich 
erworben  hatte,  und  mit  den  Böhmen  der  Fodiebradschen 
Eichtung,  die  eine  Schmälerung  der  Krone  Böhmen  darin 
-erblickten ;  denn  die  Lausitz  war  Lehen  derselben  *).  Auch 
^er  von  Plauen,  der  Sachsen  wegen  Fortnahme  des  Burg- 
graftums  Meifsen  grollte,  hatte  seine  Hände  mit  im  Spiele. 
Obwohl  selbst  krank,  riet  er  den  Böhmen  doch  eifrigst  zu, 
-die  gute  Gelegenheit^  den  Kurfürsten  zu  bekämpfen,  nicht 
iingenützt  zu  lassen  *).  So  kam  es  denn  wirklich  zu  einem 
grofsen  Bündnis  gegen  letzteren,  indem  sich  am  27.  März  zu 
Wunsiedel  die  Böhmen  mit  dem  Brandenburger  und  den 
Herzögen  Otto  von  Baiern  and  Wilhelm  von  Sachsen  ver- 
banden *),  Kurfürst  Friedrich  suchte  und  fand  dagegen  wieder 
Hilfe  bei  dem  katholischen  Adel  Böhmens,  den  sogenannten 
^trakonitzem  unter  Ulrichs  von  Eosenberg  Führung.  Schon 
Hitte  März  fanden  deswegen  Verhandlungen  in  Pilsen  statt, 
wozu  als  kurfürstliche  Bäte  Heinrich  der  Jüngere  von  Gera, 
Helfrat  von  Einsiedel  und  einer  von  Miltitz  erschienen 
twaren^).  Aber  erst  am  12.  April  kam  es  zu  einem  form- 
lichen Kriegsbündnis  zwischen  Friedrich  und  den  Strakonitzem 
—  darunter  auch  Heinrich  der  Ältere  von  Weida  zu  Hauen- 
«tein  —  gegen  Georg  Podiebrad  und  seine  Verbündeten  ®). 
Um  Pfingsten  1450  standen  sich  dann  der  Kurfürst  und  die 


1)  Anemfiller  a.  a.  O.  S.  14. 

8)  Droysen,  Qesch.  der  preafsiscben  Politik  II,  S.  84.  —  Bdtteher- 
Flatbe,  Gesch.  des  Karstaates  und  Königreichs  Sachsen  I,  S.  886. 

8)  Font.  rer.  Austriac.  XLII,  S.  56  Nr.  80  mit  der  Überschrift:  „Wie 
4l6r  von  Plawen  in  seiner  krankheit  den  Behmen  eiaen  rate  geben  had, 
sich  zu  den  marggraven  von  Brandenburg  wider  die  herrn  von  Saxssen  etc. 
zu  slahen.*' 

4)  Bdttcher-Flathe  a.  a.  O. 

6)  Fontes  rer.  Austriac.  XLII,  S.  58  ff.  Nr.  82,  83,  ^,  42. 

6)  d.  d.  Kaaden  1450  April  22,  Abschr.  im  GH  o.  SA.  Weimar. 
XVn.  21 


316     ^^«  Zerstdnug  der  Stadt  Gera  im  sftehsischen  Bradeirirfege^ 

Böhmen  Fodiebrads  auf  der  Eaiserwiese  bei  Altenburg  kämpfe 
bereit  gegenüber  ^),  aber  es  kam  nicht  zum  Schlagen.  Der- 
Erzbischof  von  Magdeburg  legte  sich  ine  Mittel  und  verein- 
barte am  2.  Juni  zu  Zerbst  einen  Vergleich  zwischen  den^ 
feindlichen  Parteien,  worin  sie  sich  wegen  der  Lausitz  ver- 
trugen, Brandenburg  aber  entschieden  den  grö(seren  Yorteil 
erhielt.  Die  brüderlichen  Streitigkeiten  der  Wettiner  sollten 
auf  einem  Naumburger  Tage  beigelegt  werden.  Was  mit  den 
Böhmen  verhandelt  wurde,  erfahren  wir  nicht,  doch  müssen, 
sie  damals  sehr  schnell  wieder  heimgezogen  sein  *), 

Friedrich  hatte  in  Zerbst  offenbar  nur  darum  nachge- 
geben, um  gegen  Thüringen  Luft  zu  bekommen.  Das  geht 
aus  allem  hervor.  Er  entliefe  also  sein  Heer  nicht,  sondern 
rief  unverzüglich  den  jüngeren  Herrn  von  Gera  zu  sich,  da 
er  „ins  Feld  rücken"  wollte»). 

Zu  Anfang  des  Jahres  hatte  Friedrich  mit  diesem  seinen 
Berater  eine  kleine  Verstimmung  gehabt ;  denn  er  schrieb  am 
25.  Jan.  an  denselben,  es  thäte  ihm  wehe,  dafs  der  Geraer 
heute  „mit  so  grossem  Zorn''  von  ihm  geschieden  sei.  Daa 
wäre  für  sie  beide  nichts  nutz,  da  sie  der  Sachlage  nach  auf« 
einander  angewiesen  wären.  Er  bäte  daher  den  Geraer,  so- 
bald wie  möglich  zu  ihm  zurückzukehren  ^).  Leider  erfahren 
wir  nicht,  um  was  es  sich  dabei  handelte. 

Jedenfalls  war  Friedrich  inzwischen  längst  wieder  mit 
dem  Geraer  ausgesöhnt  und  bestellte  jetzt  diesen  zum  „obersten 
Hauptmann''  des  kommenden  Feldzuges.  Heinrich  von  Gera 
liefe  sich  aber  einen  feierlichen  „Schadlosbrief'  vom  Kur« 
fürsten  geben  für  den  Fall,  dafs  er  infolge  seiner  neuen  Stell« 
ung  Verluste  erleiden  würde*). 


1)  Kammermeister  a.  a.  0.  Sp.  1201. 

2)  Böttcher-Flathe  a.  a.  O.  I,  S.  887.  —   Font.  rer.  AoBtriae.  XLU«. 
8.  71. 

8)  Schreiben  d.  d.  Dresden  1460  Joni  12  (FreiUg  [naeh]  Bamabe  ^ 
denn  Bamabas  fiel  aaf  den  Donnerstag)  s.  Beil.  10. 
4)  S.  BeU.  9. 
6)  S.  Beil.  11. 


Die  Zersldrong  der  Stadt  Gera  im  sKcbsiichen  Braderkriege.     317 

Friedrichs  Vorhaben  —  mag  es  nan  yon  den  Gegnern 
dnrchsohant  sein  oder  nieht  —  erhielt  noch  einen  willkom- 
menen reehtlichen  Grund,  als  am  18.  Juni  die  Absagen  des 
Grafen  Heinrich  von  Schwarzbarg  und  seiner  Verbündeten , 
der  Grafen  Adolf  und  Biegmund  tou  Gleichen,  Bernhard  Yitz- 
thum,  Georg  von  Hop^rten  und  anderer,  dem  Kurfürsten 
auf  der  Kaiserwiese  bei  Altenburg  überreicht  wurden  ^).  Jetzt 
brach  der  Krieg  sofort  loe^ 

Am  23.  Juni  rückte  Friedrich  mit  einem  ca.  18  000  Mann 
starken  Heere  durchs  Saalthal  in  Thüringen  ein,  warf  sich 
zuerst  auf  Bernhard  Vitsthum  und  yerwüstete  dessen  Besitz- 
ungen um  Magdala  und  Hellingen.  Dann  zog  er  die  lim 
aufwärts  und  lagerte  sich  vor  das  schwarzburgische  Stadt-Ilm, 
doch  bestürmte  er  den  Ort,  welchen  Graf  Heinrich  selbst 
verteidigte^),  ohne  Erfolg  und  zog  nach  acht  Tagen  wieder 
nordwärts  ab,  um  die  von  Gleichen  zu  bestrafen.  Am  4.  Juli 
lag  er  bei  Molsdorf  ^).  An  demselben  Tage  war  sein  Feld- 
hauptmann Heinrich  von  Gera  in  Erfurt  und  versicherte  sich 
der  Hilfe  diei^er  mächtigen  Stadt  ^). 

Wirklich  zogen  damals  die  Erfurter  „mit  einem  schönen 
Volk  und  gutem  Zeuge  an  Büchsen"  dem  Kurfürsten  zu  ^), 
Auf  die  Einzelheiten  dieses  Zuges,  der  nach  der  zeitüblichen 
Fehdeart  in  Plünderung,  Brandschatzung  und  Zerstörung  be- 
stand, braucht  hier  nicht  eingegangen  zu  werden.  Es  glückte 
den  Verbündeten  indessen  nicht,  die  Burgen  Gleichen  und 
Tonna  zu  nehmen;  denn  noch  während  deren  Belagerung 
drohte  den    kurfürstlichen  Ländern    selbst   grofse  Gefahr,   so 


1)  Fehdebriefe  im  HSA.  Dresden}  s.  AnemfiUer  a.  a.  O.  S.  16, 
Anm.  19. 

S)  Kammermeister  a.  a.  O.  Sp.  1201  f.;  Stolle  a.  a.  O.  S.  80; 
JoTius  a.  a.  O.  S.  519  ff. 

8)  Hier  sagte  Heinrich  der  Jüngere  von  Weida  den  Vitithum  ab, 
Orig.  d.  d.  Molsdorf  1450  Jali  4  im  GesA.  Weimar  D.  p.  849  Nr.  7  b. 
—  JoTios  a.  a.  O.  8.  520. 

4)  Versprecben  des  Rata  deswegen  d.  d.  1450  Juli  4  im  HSA. 
Dresden,  Or.  Nr.  7147. 

5)  Kammermeister  a.  a.  O.  Sp.  1202 ;  Stolle  a.  a.  O.  S.  82. 

21* 


318      Die  ZersiSnuig  der  SUdt  Gera  im  s&ohsisoheo  Bniderkriege. 

dafs  Friedrich  schleunigst  nach  dort  aofbrechen  mufste«  Da 
es  ihm  an  Geschütz  mangelte,  schickte  er  am  10.  Juli  den 
Grafen  Ernst  von  Gleichen  zu  Remda  und  den  von  Gera 
nochmals  an  den  Erfurter  Bat  mit  dem  Ersuchen,  ihm  ihr 
Geschütz  zu  leihen,  aber  die  Erfurter  wollten  nicht  weiter 
mitthun  und  schlugen  Friedrichs  Bitte  höflichst  ab  ^), 

Auch  Herzog  Wilhelm  und  Graf  Heinrich  von  Schwarz- 
burg hatten  unterdessen  ein  starke  KriegSTolk  angesammelt 
und  zogen  ins  Vogtland  gegen  den  von  Gera,  verheerten 
dessen  Land  und  drangen  bis  Altenburg  yor^).  Auf  die 
Nachricht,  dafs  der  Kurfürst  zur  Bettung  herbeieilte,  zog 
Wilhelm  yor  die  Stadt  Gera  und  yerschanzte  sich  dort  ^),  um 
den  Bruder  zu  erwarten.  Friedrich  kam  auch,  und  beide 
feindlichen  Heere  lagen  um  Mitte  Juli  bei  Gera  so  nahe  an- 
einander,   da£s   sie   sich  mit  „Büchsen^'  erreichen  konnten^). 

Da  der  Kurf&rst  thalaufwärts  zog  und  dann  nach  einem 
Schriaiben  seiner  Gemahlin  auf  einem  Berge  lagerte  ^) ,  so 
muTs  er  auf  dem  Galgenberge  gestanden  haben,  während 
Wilhelm,  der  yon  Altenburg  her  gekommen  war,  das  gegen- 
überliegende Plateau  des  Gtoiersberges  ^)  besetzt  hielt  Beide 
Gegner  beobachteten  sich  einige  Tage  und  erwarteten  noch 
Zuzug.  Wilhelm  mochte  yor  allem,  was  noch  zu  erwähnen 
sein  wird,  auf  brandenburgische  Hilfe  rechnen,  und  Friedrich 
hatte  eben  deswegen  einen  grofsen  Teil  seines  Heeres  ab- 
trennen müssen,  war  also  bedeutend  schwächer  als  sein  Bru- 
der. Die  Lage  war  in  der  That  damals  recht  kritisch  für 
ihn,  und  man    kann   es  yerstehen,   wenn  in  jenen  Tagen  die 


1)  Nach  der  etwas  unklaren  Darstellang  bei  Stolle  a.  a.  O.  Übrigens 
muls  es  bei  letsterem  wobl  beilsen  Freitag  vor  Kilian,  denn  Kilian  fiel 
auf  den  Mittwoch. 

2)  s.  Beil.  14,  S.  1.  (Die  Seitensahlen  geben  die  Seiten  der  Hand- 
schrift an.) 

8)  —  „unde  hatten  sich  vorgraben  da  vor"  —  s.  Stolle  S.  SS. 

4)  Cod.  dipl.  Sazon.  regle  U,  5,  Nr.  843. 

5)  Ebenda. 

6)  Vergl.  den  beigefUgten  von  Herrn  Lehrer  A.  Auerbach  in  Gera 
angefertigten  Plan  der  alten  Stadt  Gera  und  Umgegend. 


Die  Zerstdrnog  der  Stadt  Otra  im  sächsiMhen  Braderkriege.      319 

Karfürstin  den  Dresdener  Bat  dringend  auffordert,  ihrem  Ge- 
mahl Bobleunigen  Zuzug  zu  leisten.  Die  Dresdener  Mann- 
schaft sollte  am  22.  Juli  in  Fegau  eintreffen.  Schon j^^am 
20.  dieses  Monats  aber  ereignete  es  sich,  dafs  einige  Leute 
von  beiden  Heeren  in  der  Tränke  ^)  feindlich  aneinander  ge- 
rieten, bis  schliefslich  ein  gröfseres  Gefecht  daraus  entstand,, 
wobei  sich  auch  die  Bürger  der  Stadt  beteiligten.  Dieses 
Treffen  fiel  nun  entschieden  zu  Gunsten  Wilhelms  aus.  Wie 
er  dem  Grafen  Adolf  von  Gleichen  zu  Tonna  brieflich  mit- 
teilte, hatten  seine  Truppen  dabei  den  Grafen  Ludwig  von 
Gleichen,  sowie  anderthalbhundert  Bürger  und  Trabanten  ge- 
fangen, über  hundert  erschlagen,  23  reisige  Wagen  und  zwei 
Büchsen  erobert*).  Der  Ton  Gleichen  wurde  vom  Herzog, 
wie  ein  Übelthäter  an  Händen  und  Füfsen  gefesselt,  in  den 
Turm  zu  Weida  gesetzt'). 

Trotz  des  errungenen  Vorteils  zog  Herzog  Wilhelm  bald 
darauf  von  Gera  ab.  Nach  der  Sage  soll  ihn  hierzu  die 
Mutter  des  Herrn  von  Gera,  Leutrud,  geborene  Gräfin  von 
Honstein,  bewogen  haben,  indem  sie  mit  ihrer  Schwieger- 
tochter und  anderen  adligen  Frauen  in  Trauerkleidern  aus  der 
Stadt  zog,  vor  dem  Herzog  einen  Fufsfall  that  und  mit 
Thränen  um  Schonung  der  Stadt  bat  ^).     Aber  so  sentimental 


1)  Diese  Tränke  war  jedenfalls  der  frühere,  jetst  yerschüttete  Rats- 
teicb)  welcher  durch  den  Leamnitzbach  gespeist  wurde. 

2)  Sthreiben  vom  10.  Aug.  bei  Jovius  a.  a.  O.  S.  621. 

8)  Stolle  a.  a.  0.  S.  88.  —  Der  Oraf  wurde  also  nicht  enthauptet, 
wie  die  Sage  berichtet,  sondern  spftter  ausgewechselt;  vergl.  Beil.  14,  S.  7. 

4)  Die  gleichseitigen  Quellen  (Kammermeister,  Stolle  etc.)  wissen 
nichts  ?on  diesem  Vorgang.  Die  Sage  findet  sich  suerst  in  dem  Appendix : 
Res.  Misnicae  der  Altenzeller  Chronik  (bei  Mencke,  Script,  rer.  Germ.  II, 
426),  der,  obwohl  mit  dem  Jahre  1488  schliefsend,  doch  aus  sprachlichen 
Gründen  kaum  noch  dem  16.  Jahrh.  angehören  dürfte.  Dieser  Ansicht 
scheint  auch  Mencke  (Sp.  484  Anm.)  gewesen  au  sein.  In  jenem  Appen^ 
dix  heifst  es  noch  ganz  kurz:  „Item  ynn  der  zeit  wart  auch  herzog  Wil- 
beim  bereyt  su  ziehenn  yor  Gera,  das  dann  abgestalt  was  durch  freunt- 
Uehe  bete  der  frawenn  vonn  Gera.**  Ausgebildet  findet  sich  die  Sage  dann 
in  der  Mansfeldischen  Chronik  des  M.  Cyriacus  Spangenberg  (v.  J.  1672)^ 
S.  384,  und  ist  bisher  nicht  allein  unbeanstandet  geblieben,  sondern  wo- 
v^lich  nach  ausgeschmückt  und  breitgetreten  worden. 


320     ^^®  Z«rfttÖning  der  Stadt  Gera  im  t&chsitchen  Bniderkriege. 

war  jene  rauhe  Zeit  denn  doch  nicht.  Wegen  schwarzer 
Kleider  und  ein  paar  Weiberthränen  hätte  Herzog  Wilhelm 
Gera  eicherlich  nicht  geschont.  Die  Sage  hat  jenen  Fufsfiall 
wohl  nur  daram  geschaffen,  weil  der  plötzliche  Abzug  Wil- 
helms nach  einem  glücklichen  Gefecht  nicht  gleich  verständ- 
lich war.  Eine  jüngst  von  mir  aufgefundene  Quelle  über 
den  Bruderkrieg  ^),  die  wenige  Jahre  nach  den  Ereignissen 
niedergeschrieben  sein  muTs  und  Ton  Heinrich  dem  Älteren 
von  Gera  ausging,  berichtet,  dafs  der  Kurfürst  das  erste  Mal 
seinen  Bruder  von  Gera  „abgetrieben''  habe  ').  Das  ist  nach 
der  Sachlage,  da  Friedrichs  Heer  das  schwächere  war  und 
noch  eben  eine  Schlappe  erlitten  hatte,  wohl  nicht  wörtlich 
zu  nehmen,  aber  doch  war  in  jener  Zeit  eine  für  den  Kur- 
fürsten glückliche  Wendung  eingetreten,  die  Wilhelm  zum 
Bückzug  nötigen  konnte. 

Wir  müssen  hier  zunächst  zurückgreifen.  Als  entgegen 
der  Zerbster  Abmachung  der  Krieg  zwischen  den  sächsischen 
Brüdern  doch  losbrach,  stellte  sich  Markgraf  Friedrich  yon 
Brandenburg  sofort  wieder  auf  Wilhelms  Seite  und  fiel  mit 
einem  stattlichen  Heere  sengend  und  brennend  in  Sachsen 
ein.  Beide  Verbündete  scheinen  sich  bei  Gera  haben  treffen 
zu  wollen.  Das  mufste  Friedrich  yerhüten.  Während  er  daher 
selbst  gegen  den  Bruder  zog,  schickte  er  seinen  Hauptmann 
Heinrich  von  Gera  den  Märkem  entgegen.  Obwohl  diese 
anderthalbhundert  Pferde  mehr  hatten,  erlitten  sie  4och  eine 
empfindliche  Niederlage  durch  die  Kurfürstlichen.  „Des  freute 
sich  das  ganze  Land  zu  Meifsen,  und  sangen  Messe  und 
lobten  Gott",  erzählt  der  patriotische  Stolle.  In  jenem  Treffen 
wurden  dem  Markgrafen  yiele  seiner  besten  Leute  erschlagen, 
aufserdem  300  Pferde  und  102  Gefangene  abgenommen, 
darunter  2  Bannerherren  (barones)  und  14  Ritterbürtige 
(nobiles).    Die  Gefangenen  wurden  nach  Wittenberg  geführt  *)• 


1)  Über  dieselbe  soll  im  5.  Teil  eingehender  gesprochen  werden. 

8)  S.  Beil.  14,  S.  1. 

8)  StUdte-Chroniken  VII,  S.  8S5 ;  Stolle  a.  a.  0.  S.  31.  Letsterer 
nennt  iwar  den  Herzog  Ernst,  Friedrichs  Sohn,  als  AnfQhrer  der  Knr- 
fOrstlichen,  aber  Ernst  war  erst  9  Jahre  alt.  —  Vergl.  aach  Beilage  14« 


^e  Zerstdning  der  SUdt  Gera  im  s&chsischen  Bmderkriege.      321 

Der  Ton  Oera  behielt  tou  denselben  yytnit  Gunet''  des  Kur- 
fürsten als  Beuteanteil  die  reichen  Seifart  von  Saldem  und 
Erhard  von  Eoker,  die  hernachmals  aber  ohne  Lösegeld  frei 
gegeben  wurden  ^).  Zeit  and  Ort  des  Gefechtes  bedürfen  noch 
<]er  Aufklärung.  Für  erstere  nehme  ich  nach  den  Quellen*) 
•die  Tage  um  den  20.  Juli  an,  wo  beide  Brüder  abwartend 
bei  Oera  lagen.  Bezüglich  des  Ortes  vermute  ich,  dafs  das 
Treffen  bei  Bülzig  südwestlich  von  Zahna  stattfand,  da  letztere 
beiden  Orte  als  Endpunkte  des  brandenburgischen  Zuges  be- 
zeichnet werden,  und  man  die  Gefangenen  nach  dem  nahen 
Wittenberg  brachte*). 

Als  Wilhelm  von  dieser  Niederlage  seines  Verbündeten 
-erfahr,  mochte  es  ihm  doch  nicht  geraten  erscheinen,  den 
Kurfürsten  weiter  anzugreifen.  Er  brach  daher  tou  Gera 
auf  und  zog  über  Zeitz  ^)  und  Fegau  bis  kurz  vor  Leipzig. 
Dann  schwenkte  er  rechts  ab  und  suchte  die  Orte  Geithain, 
B.ochlitz,  Bochsburg,  das  dem  Geraer  gehörte,  Waidenburg 
^nd  andere  heim,  die  sich  zum  Teil  durch  eine  Geldzahlung 
von  der  Plünderung  freikauften.  Unzählige  Dörfer  der  Um- 
gegend aber,  besonders  die  Güter  der  Bitter  Hermann  von 
Harras  und  Kunz  von  Eaufungen,  wurden  geplündert  und 
«usgebrannt  ^).  Wilhelm  that  hier  seinem  Bruder  grofsen 
Schaden  yon  Leipzig  bis  Chemnitz  10  Meilen  lang  und  4 
oder  5  Meilen  breit. 

Der  Kurfürst  lag  unterdessen  an  drei  Wochen  unthätig 
bei    Leipzig,    denn    er  war   nach   Eammermeisters  jedenfalls 


1)  S.  Beil.  14,  S.  2. 

2)  Stolle,  Jovius,  Beilage  14,  S.  1  a.  2,  und  Brief  der  Enrfttrstin, 
S.  318,  Anm.  4. 

d)  Die  Magdeburger  Schdppeochronik  (St&dte-Chronik.  VII)  S.  385 
berichtet :  „Mit  dem  yor^cheiten  wan  he  (der  MarlKgraf)  Tzane  and  Beltz. 
Dar  na  kernen  de  Sassenlender  etc.*'  —  An  die  mftrkische  Stadt  Belitz  ist 
{edenfalls  nicht  su  denken. 

4)  wohl  über  Grofsenstein  oder  Ronnebarg,  da  die  alte  Heerstrafse 
Gber  Langenberg  darch  den  Karfürsten  yerlegt  war. 

5)  Nach  dem  Schreiben  Wilhelms  vom  10.  Aag.  bei  Jovias  S.  521* 


322      ^^^  Zerstörung  der  Stadt  Gera  im  sächsischen  Bruderkriege. 

richtiger  Angabe  Beinern  Bruder  gegenüber  zu  ,,8chwaoh'^  ^). 
£b  scheint  sich  demnach  die  EUckkehr  der  gegen  die  Märker 
siegreichen  Truppen  länger  verzögert  zu  haben,  als  nach  der 
räumlichen  Entfernung  erwartet  werden  kann. 

Herzog  Wilhelm  aber  kehrte  dann  von  seinem  Zuge 
durchs  Osterland  zurück  und  lagerte  sieh  zum  zweiten  Male 
Tor  Gera.  Er  mochte  glauben,  die  Stadt  jetzt  leichter  be- 
wältigen zu  können.  Am  6.  Aug.  lag  er  hier  ,,hinter  dem 
Schlosse'',  also  wiederum  auf  dem  Oeiersberg,  und  befahl  roa 
seinem  Feldlager  aus  dem  Rate  von  Jena,  ihm  unverzüglich 
Zimmerleute,  Müller  und  andere  mit  dem  Beil  erfahrene 
Arbeiter  zu  schicken,  auch  seinem  Vogte  in  Jena  ihre  Stein- 
metzen zu  überlassen,  damit  dieser  noch  mehr  Steine  zu  seiner 
grofsen  Büchse  hauen  lasse  könne  ^).  Der  Herzog  dachte 
also  allen  Ernstes  an  die  Belagerung  der  Stadt,  während  er 
zugleich  das  umliegende  Land  furchtbar  verheerte.  Nach 
Stolle  soll  er  sogar  damals  Gera  gestürmt  haben,  aber  die 
Einnahme  gelang  nicht.  Noch  zur  rechten  Zeit  warf  sich 
der  von  Gera  in  die  Stadt  und  behauptete  sie,  nachdem,  wie 
es  scheint,  die  Bürgerschaft  schon  zur  Ergebung  geneigt  ge- 
wesen war*). 

>  Am  9.  August   zog  Wilhelm   von   Gera  ab    und   rückte 

vor  Burgau,  das  sich  ihm  rasch  ergab.  Ebenso  nahm  er  die 
Lobdaburg  ein  und  brandschatzte  die  umliegenden  Ortschaften^ 
besonders   auch   die   Stadt   Lobeda,     wo    der  von   Gera    Be- 


1)  Kammermeister  und  Stolle  a.  a.  ö. 

2)  Alberti,   Urkdsammlg.  zur    Gesch.  der   Herrschaft    Gera   S.  160^ 
8)  i)Hy  czoch   der  junge  herre  wedder  vor  Gera  unod    logerte  sich 

davor  unnd  vorterbete  das  Gerische  land  gancs  unnd  gar  unnd  stormeto^ 
Gera,  unnd  der  von  Gera  was  selber  In  der  stad,  unnd  dy  menre  In  der 
stad  betten  sich  czitlichen  ergeben,  were  der  herre  von  Gera  mit  syner 
manschaft  nicht  selber  darinne  gewest.  Also  musste  der  junge  herre  ab» 
losze  nnde  czoch  vor  Borgow  am  sontage  vor  Laurendi** ;  s.  Stelle  S.  34.. 
—  Auch  Wilhelm  selbst  weifs  in  dem  bereits  erwähnten  Brief  (S.  321 
Anm.  5)  an  den  Grafen  von  Gleichen  nichts  Rflhmliches  von  seinook 
zweiten  Angriff  auf  die  Stadt  zu  melden. 


Die  ZerstöruDg  der  Stadt  Gera  im  sächsischen  Bruderkriege.      323^ 

Sitzungen  hatte  ^).  Weiter  verheerte  der  Herzog  die  Gleichensohe 
Grafschaft  Blankenhain,  eroberte  die  Stadt  Eemda,  konnte 
aber  Soblofs  und  Stadt  Blankenhain  nicht  einnehmen;  denn 
die  Bürger  wehrten  sich  tapfer  und  fingen  sogar  einen  Grafen 
Ton  Honstein.  Diesen  wufste  dann  Heinrich  von  Gera  in 
seine  Hände  zu  bringen  und  überliefs  ihn  dem  Kurfürsten» 
um  gegen  denselben  den  vor  Gera  gefangenen  Grafen  Ludwig 
von  Gleichen  auszutauschen  '). 

Friedrich  hatte  sich  inzwischen  gehörig  verstärkt  und 
besonders  wieder  böhmische  Truppen  angeworben  ^).  Jetzt 
brach  er  abermals  wieder  in  Thüringen  ein,  zunächst  das 
Land  um  Weifseufels  ^)  verheerend.  Hierauf  wurden  Eckards- 
berga,  Buttstedt,  Wiche  und  Cölleda  heimgesucht  und  die 
von  Witzlebenschen  Dörfer   um    den  Wendelstein   zerstört*). 

Als  sich  Friedrich  Weimar  näherte,  eilte  Herzog  Wil- 
helm zum  Entsatz  herbei  und  lagerte  mit  Markgraf  Albrecht 
von  Brandenburg  am  Ettersberge.  Nun  aber  mufste  der  Kurfürst 
wieder  schnell  zurück;  denn  ihm  waren  die  Böhmen  Fodie- 
bradschen  Anhangs  mit  Feuer  und  Schwert  in  sein  meifs- 
nisches  Land  eingefallen.  Die  gleichzeitigen  Chronisten,  wie 
Elammermeister  und  Stolle  behaupten,  daTs  Herzog  Wilhelm 
die  Böhmen  von  Anfang  an  herbeigerufen  habe.  Falaoky 
dagegen  ist  der  Ansicht,  dafs  die  Fürsten,  die  mit  Friedrich 
in  Unfrieden  lebten,  den  böhmischen  Einfall  nur  gelegentlich 
zu  ihrem  Vorteile  benutzten  ^).  Ich  mufs  die  Frage  offen  lasseit 
und  will  hier  nur  die  knappen  Thatsachen  mitteilen.  Georg 
Podiebrad  gab  als  Grund  zum  Kriege  gegen  Sachsen  die 
Rückforderung  zahlreicher  Städte  und  Schlösser  an,  die  teils 
unmittelbar  zum  böhmischen  Lande  gehört  hatten^  wie  Brüx^ 


1)  Nach  Stolle  S.  31.  —  Die  von  Gera  und  namentlich  deren  Haus- 
kloster Cronschwitz  hatten  bei  Lobeda  ihre  Weinberge ;  s.  Schmidt,  Urkdb.. 
der  Vögte  von  Weida  etc.  II,  Nr.  442,  483,  486,  492  u,  503. 

2)  Stolle  S.  36/7.  —  Beilage  14,  S.  7. 

3)  Stolle  S.  85. 

4)  Kammermeister  a.  a.  O.  Sp.  1203.  —  Stolle  S.  36. 

5)  Palacky,  Gesch.  Böhmens  I,  S.  242. 


324      ^^^  ZtnUirung  der  Stadt  Gera  im  •Xcbsitohen  Bruderkriege. 

Biesenburg,  Osseg,  Dax  und  KönigBteiD,  theils  ehemals  zur 
Erone  Böhmen  in  Lehnsverband  standen,  wie  Pirna,  Tharandt, 
Colditz,  Eilenburg,  Elsterberg  und  Plauen.  In  wie  weit  diese 
Forderungen  berechtigt  waren  oder  nicht,  mag  gleichfalls  dahin- 
gestellt bleiben.  Am  4.  Sept  zog  Podiebrad  mit  einem  Heere 
von  über  20  000  Mann  aus  Prag  fort  und  nahm  am  8.  d.  M. 
Duz  und  Osseg  ein.  Nun  fanden  Friedensunterhandlungen 
statt,  die  sogar  von  Herzog  Wilhelm  eingeleitet  gewesen  sein 
sollen.  Ob  das  zum  Schein  oder  aufrichtig  geschah,  vermag 
ich  nicht  zu  entscheiden.  Jedenfalls  zerschlugen  sich  die 
Yerhandlungen,  und  die  Böhmen  rückten  über  den  Wald 
nach  Meifisen  vor  ^).  Ihre  Art,  alles  gründlich  zu  verwüsten, 
verlangsamte  wohl  den  Zug  mehr,  als  Wilhelm  lieb  war. 
Der  Marsch  der  Böhmen  ging  zunächst  auf  Alt-Dresden  zu. 
Dann  zogen  sie  westwärts  über  Wilsdruf,  Lommatsch,  Döbeln, 
Jfitweida  und  Borna  und  lagerten  sich  endlich  vor  Pegau. 
I^ach  Jovius  soll  ihnen  Herzog  Wilhelm  den  Grafen  Heinrich 
Ton  Schwarzburg  entgegengeschickt  haben,  der  sie  bis 
Pegau  führen  sollte  >).  Zweifellos  suchte  dann  Wilhelm  seine 
Yerbindung  mit  ihnen  herzustellen.  Er  hatte  nach  Abzug 
seines  Bruders  nochmals  die  Grafen  Ludwig  und  Ernst  von 
-Gleichen  angegriffen  und  ihre  Schlösser  Blankenhain  und 
Ehrenstein  erobert.  Hierauf  war  er  nordwärts  gegangen, 
hatte  am  4.  Oktober  Schlofs  und  Stadt  Nebra  erstürmt  und 
^wollte  die  Naumburger  für  einen  ihm  zugefügten  gro£8en 
Schaden  abstrafen.  Er  forderte  daher  Georg  Podiebrad  auf, 
mit  ihm  vor  Naumburg  zu  rücken  ^).  Indessen  lag  er  bei 
Kloster  Pforta  und  liefs  Schirme  zum  Sturme'  auf  genannte 
49tadt  anfertigen,  während  er  zugleich  ihre  Umgegend  ver- 
wüstete und  den  reifen  Wein  ablesen  liefs  *).    Auch  auf  Gera 


1)  PftUcky   a.  a.  0.  8.  246.   —  Font.  rer.  Austriac.  XLII,   8.  74. 

S)  a.  a.  O.  8.  622. 

8)  Schreiben  o.  D.  in  Font  rer.  Austriac.  XLII,  8.  76  Nr.  49.  — 
Der  Brief  mufs  dem  Gange  der  Ereignisse  nach  (gestern  sontag  etc.)  am 
^.  Oktober  geschrieben  sein. 

4)  8tolle  8.  38. 


Die  Zerstörung  der  Stadt  Gera  im  s&chsisohen  Bmderkriege.      325 

"wurde  damals  jeden  Augenblick  ein  neuer  Angriff  erwartet. 
Bereits  am  30.  Sept.  schrieb  die  Kurfürstin  Margarete  an 
Heinrich  den  jüngeren  BeuTsen  zu  Greiz,  dafs  die  Böhmen 
4km  folgenden  Tage  (Oktober  1)  nach  Pegau  ziehen  und  dann 
am  Verein  mit  Herzog  Wilhelm  vor  Gera  räcken  wollten,  um 
nicht  wieder  von  dort  fortzuziehen,  bis  sie  die  Stadt  gewonnen 
hätten.  Der  Beufse  möchte  daher  schleunigst  den  von  Gera 
hiervon  benachrichtigen,  damit  er  sich  darnach  zu  richten 
^sse ;  denn  sie  hätten  das  ,yin  Wahrheit  erfahren'*  ^). 

Die  Böhmen  lagen  10 — \1  Tage  vor  Pegau  und  be- 
stürmten den  Ort,  ohne  ihn  einnehmen  zu  können.  Als 
w^ährend  des  Herzog  Wilhelm  sie  von  seiner  Stellung  bei  Pforta 
•aus  speisen  wollte,  gelang  es  sogar  Heinrich  BeuTs  dem 
Jüngeren  und  seinen  Helfern  ^),  einen  Teil  dieser  Zufuhr 
aufzuheben,  wobei  sie  einige  Feinde  erschlugen,  mehr  als 
100  Gefangene  machten  und  24  Wagen  mit  Speise  nahmen. 
Die  Gefangenen  wurden  nach  Naumburg  gebracht.  Das  ge* 
«chah  nach  Stolle  in  der  gemeinen  Woche  (also  Okt.  4 — 10). 
Wilhelm  kam  dann  mit  800  Pferden  und  4  Schock  Wagen 
-'vor  Pegau  an  und  zog  jetzt  sofort  mit  den  Böhmen  die  Elster 
ihinab,  wie  die  Zwickauer  glaubten^),  auf  Greiz  zu,  aber  es  war 
:auf  Gera  abgesehen. 

Nach  der  Altenzeller  Chronik  —  die  gleichzeitigen 
Xammermeister  und  Stolle  wissen  nichts  davon  —  soll  Hein- 
Tich  der  Jüngere  von  Gera  dem  Herzog  damals  in  die  Pflege 
'Roda  gefallen  sein  und  ihm  höhnische  Briefe  geschrieben 
liaben.  Daraufhin  hätte  Wilhelm  seinen  Plan,  Naumburg  zu 
erobern,  aufgegeben  und  wäre  vor  Gera  gezogen.  Gleich 
hinterher  erzählt  der  Altenzeller  Chronist  aber  die  Gefangen- 
nahme des  Grafen  Ludwig  von  Gleichen  bei    der  Tränke  vor 


1)  BeU.  18. 

2)  Stolle  nennt  noch  den  Grafen  Ernst  von  Oleicben,  Hermann 
^Harraa  and  Apel  Vitzthum  za  Tannroda.  Letzterer,  ein  Neffe  des  be- 
kannten Apels,  stand  aaf  kurfürstlicher  Seite;  vergl.  Kronfeld,  Landes- 
iLonde  des  Grofsherzogtams  Sachs.-Weimar-Eisenach  I,  S.  219. 

8)  Schreiben  des  Bates  von  Zwickau  an  den  von  Eger  d.  d.  1450 
Oktober  12 ;  Font.  rer.  Austriac.  XLU,  S.  79  Nr.  53. 


326     ^^®  ZerstdruDg  der  Stadt  Gera  im  sächsischen  Braderkriege. 

Gera  *),  welcher  Vorfall  doch  nachweislich  schon  bei  der 
ersten  Belagerung  stattfand  *).  Ob  der  von  Gera  wirklich 
solche  höhnische  Briefe  geschrieben  hat,  läfst  sich  nicht  be» 
legen.  Der  Einfall  aber  in  die  Pflege  Roda  reicht  wohl  noch 
in  die  früheren  Jahre  zurtLck.  Er  paust  sogar  nicht  in  diese^ 
besorgliche  Zeit,  wo  bei  der  Nähe  der  Böhmen  jeden  Augen- 
blick ein  Angriff  auf  Gera  erwartet  werden  mufste.  Wie  wir 
noch  sehen  werden  '),  sind  auch  andere  frühere  Vorgänge  in 
den  meisten  jüngeren  Darstellungen  der  Belagerung  Geras  auf 
einen  Zeitpunkt  zusammengedrängt  worden.  Kurfürst  Fried- 
rich stand  am  9.  Okt.  mit  seinem  Heere  bei  Chemnitz.  Er 
hatte  den  Geraer  damals  zu  sich  entboten,  aber  dieser  ent- 
schuldigte sich  mit  der  Nähe  der  Feinde  ^). 

Am  9.  und  10.  Oktober  mochten  Herzog  Wilhelm  und« 
seine  Verbündete  vor  Gera  angekommen  sein.  Sie  zogen^ 
jedenfialls  die  alte  Heerstrafse  über  Langenberg  und  lagerten 
dann  im  Westen  der  Stadt,  wenigstens  soll  der  Saige  nach 
das  Baderthor  zuerst  erstürmt  worden  sein  ^).  Stolle  erzählt 
noch,  dafs  Wilhelm  für  den  Sturm  Eörbe  aus  Weidengeflecht 
habe  anfertigen  lassen  *).  Heinrich  von  Gera  war  in  der 
Stadt  und  schickte  viel  Botschaft  an  den  Kurfürsten,  um  ent- 
setzt zu  werden.  Friedrich  vertröstete  ihn  auf  sein  baldige» 
Kommen  und  befahl,  inzwischen  die  Stadt  „fest  zu  halten'^ 
Auch  liefs  er  seinen  Hofmeister,  den  Grafen  Ernst  von  Gleichen,, 
der  wohl  in  Naumburg  stand,  und  andere  dem  von  Gera  zu* 
ziehen  ').  Friedrich  selbst  sollte,  wie  die  Zwickauer  glaubten,, 
am  12.  Oktober  in  ihrer  Nähe  vorüberkommen,  um  die^ 
Böhmen  anzugreifen  ^),    aber  er   kam  nicht.     Die  Stadt  Gera. 


1)  bei  Mencke  II,  Sp.  426. 

2)  S.  819. 
8)  S.  827. 

4)  Schreiben  des  Kurfürsten;  s.  Beil.  18. 

5)  Eisel,  Sagenbuch  des  Vogtlandes  S.  284. 

6)  S.  a.  a.  O. 

7)  S.  Beil.  14. 

8)  S.  S.  825  Anin.  3. 


Dia  Zent&mng  der  Sudt  Gera  im  sXchsisohen  Bmderkriege.     327 

^war  nun  troti  der  Verstärkung  durch  Ernst  von  Gleichen 
«nd  einige  Böhmen,  der  katholisehen  Richtung  ^)  keineswegs 
genügend  mit  kriegsgeübter  Besatzung  versehen,  wenigstens 
mioht  einem  so  überlegenen  Feind  gegenüber;  denn  auTser 
fienog  Wilhelm  und  Georg  Podiebrad  mit  ihren  Heeren 
Tückte  von  Süden  her  Markgraf  Albrecht  von  Brandenburg 
mit  grofsem  Volke  heran.  Er  lag  in  jenen  Tage  eine  Nacht 
in  Weida,  wobei  durch  Fahrlässigkeit  der  Seinigen  Feuer 
^auskam  und  mehr  als  die  halbe  Stadt  eingeäschert  wurde  '). 
Während  dann  die  Verbündeten  Gera  einschlössen,  soll  nach 
jüngeren  Quellen  auch  Kurfürst  Friedrich  wirklich  hier  ein- 
^troffen  sein,  um  die  bedrängte  Stadt  su  entsetzen.  Da  er 
:8ich  aber  gegen  die  vereinigte  Macht  der  Gegner  zu  schwach 
^fühlt  hätte»  wäre  er  wieder  abgezogen  und  habe  einen  Teil 
«eines  Kriegsvolkes  nach  Thüringen,  einen  anderen  ins  Branden- 
^urgische  hineinrücken  lassen.  Auf  diese  Weise  hätte  er  ge- 
iiofPt,  die  Feinde  von  Gera  fortzulocken.  Man  sieht  das  Un- 
:gereimte  dieser  Nachricht  sofort  ein;  denn  ins  Thüringische 
und  Brandenburgisohe  konnte  der  Kurfürst  in  der  kurzen 
2eit,  die  zwischen  seiuem  ersten  und  dem  späteren  Erscheinen 
«uf  dem  Kriegsschauplatze  liegen  müTste,  nicht  kommen.  Es 
«ind  vielmehr  in  der  späteren  Darstellung  die  Ereignisse  der 
mehrfachen  Belagerungen  Geras  vermengt  und  in  ein  Bild 
zusammengebracht.  Die  Züge  nach  Thüringen  und  gegen  die 
Brandenburger  fanden,  wie  wir  schon  berichteten,  bei  den 
«beiden  früheren  Belagerungen  Geras  statt  ^). 

Kurfürst  Friedrich  kam  also  nicht  rechtzeitig  genug  zur 
Entsetzung  der  gefährdeten  Stadt  herbei.  Herzog  Wilhelm 
und  die  Böhmen  lagen  einige  Zeit  davor  und  scharmützelten 
mit  den  Belagerten.  Am  Donnerstag  vor  St.  Gallen,  den 
15.  Oktober,   erfolgte  endlich  der  Sturmangriff  auf  die  Stadt 


1)  B.  S.  S25  Anm.  3. 

2)  Altenieller  Chronik    bei  Mencke   ü,    Sp.  426.    —   Sptogenberg, 
JfaiiAfeldiscbe  Chronik  I,  cap.  880. 

8)  Vergl.  8.  816  n.  820 ;  doch  könnte  euch  der  zweite  Zug  Friedrichs 
nmeh  Thüringen  (S.  823)  hier  in  Frage  kommen. 


328     ^^®  Zerstörnng  der  Süidt  Qen  hn  fichsiseheii  Brnderkriege. 

Sie  wurde  genommen  und  schrecklich  verwüstet^).  Diese» 
hoehdramaüschen  Stoffes  hahen  sich  dann  die  Sage  und 
Phantasie  der  Lokalhistoriker  bemächtigt.  Daher  ist  manches- 
entstellt  oder  hinzugethan  worden,  so  dafs  die  sichere  Scher- 
dung des  Historischen  vom  Erdichteten  oft  sehr  erschwert- 
wird.  Nach  der  Altenzeller  Chronik  soll  Herzog  Wilhelm 
die  Stadt  an  drei  Enden  zugleich  haben  stürmen  lassen  *)^ 
Da£s  ein  zweimaliger  Sturm  auf  die  Mauern  stattgefunden 
habe,  wie  Spangenberg  in  seiner  Mansfeldischen  Chronik  zu 
berichten  weiis'),  beruht  dagegen  auch  nur  auf  dem  Müsyer- 
ständnis  der  mehrfachen  Belagerungen.  Kammermeister  und 
Stolle,  welche  zeitlich  der  Zerstörung  am  nächsten  stehen,, 
erzählen,  dafs  die  Böhmen  ein  schreckliohes  Blutbad  in  der 
Stadt  errichteten  und  nicht  Männer,  Weiber  und  Sjnder 
schonten.  Auch  hätten  sie  die  Kirchen  beraubt  und  viele 
Glocken,  Altargeräte  und  andere  Beute  davongeführt  Es- 
wäre  aber  viel  Volks  und  Habe  in  der  Stadt  gewesen^).. 
Jedenfalls  hatte  sich  auch  eine  Menge  Landbewohner  mit 
ihrem  beweglichen  Eigentum  in  die  Stadt  geflüchtet  Die 
chronikalischen  Berichte  über  die  Anzahl  der  damals  in  Gera 
getöteten  Menschen  gehen  sehr  auseinander  und  schwanken 
zwischen  500  und  5000  ^).  Letztere  Zahl  ist  aber  sicherlich 
zu  hoch  gegriffen,  da  Gera  alten  Plänen  naoh  doch  nur  klein 
war  und  kaum  so  viel  Einwohner  gehabt  haben  kann.  Be- 
merkenswert ist,  da£s  unter  den  Getöteten  keine  Höher- 
gestellten genannt  werden.  Da  für  Bitter  und  Beisige  ein 
gutes  Lösegeld  zu  erwarten  stand,  so  läfst  sich  ihre  Schonung 


1)  Nach  dem  Brief  des  Peter  yon  Sternberg  an  seinen  Vater  d.  d. 
Gera  1450  Oktober  15;  gedr.  in  Arehiy  desky  II,  1,  8.  46,  deutsch  im 
17.  Jahresbericht  des  Togtl.  Altertnmsforsch.  Vereins  S.  62,  nnd  Alberti,. 
ürkdsmlg.  zur  Gesch.  der  Herrschaft  Gera  S.  161.  —  Der  Tag  war 
früher  zweifelhaft  (14.,  15.,  16.  Okt.),  ist  damit  aber  sicher  festgelegt  ^ 
Yergl.  dazn  Behr,  Beiträge  zur  Geschichte  yon  Gera  II,  S.  11. 

2)  a.  a.  O. 
8)  I,  c.  880. 

4)  Kammermeister  a.  a«  O.  Sp.  1204;  Stolle  S.  87. 

5)  Vergl.  dazn  Behr,  Beiträge  zur  Gesch.  der  Stadt  Gera  8.  11. 


Die  Zerstdrnng  der  Stadt  Gera  im  slohsischen  Bruderkriege.      329i. 

von  Seiten  der  Böhmen  leioht  begreifen.  Die  meisten  Oe-- 
töteten  wurden  also  wohl  bei  der  Flünderang  niedergemacht 
and  gehörten  den  Bürgern  und  den  in  die  Stadt  geflüchteten 
Landbewohnern  an.  Sohlofs  ^)  und  Stadt  wurden  dann  mehr 
oder  weniger  ausgebrannt  und  ihre  Mauern  niedergerissen. 
Auch  machten  die  Böhmen  bei  der  Einnahme  Oeras  eine 
grofse  Anzahl  Gefangener,  und  der  beste  Fang  darunter  war 
entschieden  Eriedrichs  Kriegshauptmann,  Heinrich  der  Jüngere 
von  Qera.  Wie  Stolle  erzählt,  würde  sich  dieser  eher  haben 
töten  lassen,  als  sich  in  Herzog  Wilhelms  Hände  zu  ergeben» 
Er  mochte  wohl  dessen  sichere  Eaohe  fürchten,  und  so  ergab 
er  sich  lieber  dem  Georg  Podiebrad  *).  Wenn  Peter  von 
Stemberg  damals  triumphierend  an  seinen  Vater  schrieb,  in. 
dieser  Stadt  Gera  sind  des  Kurfürsten  tapferste  und  vor- 
nehmste Leute,  welche  seine  Kriege  geführt,  gefangen  und 
erschlagen  worden,  so  pafst  das  auf  niemand  besser  als  auf 
Heinrich  von  Gera  ^).  Dafs  dieser  sich  in  den  Turm  der 
Johanniskirche  geflüchtet  haben  soll  und  dort  gefangen  wurde, 
ist  wohl  eine  Sage,  deren  historischer  Kern  zweifelhaft  ist  ^). 
AuTser  dem  Geraer  wurden  noch  gefangen  Graf  Wilhelm  von 
Orlamünde,  Burggraf  Hartmann  von  Kirchberg,  Hans  von 
Dohna  zu  Auerbach  und  der  bekannte  Kunz  von  Kaufungen  ^). 


1)  Gemeint  ist  hier  das  alte  Togteiliche  Schlofs  in  der  Stadt.  Der 
Osterstein,  das  jetsige  Besidenzschlofs  in  Gera,  soll  nach  Jovios  (bei 
Kreysig,  Beitrftge  II,  S.  106)  durch  einen  Hans  von  Selmeniti  and  seine 
85hne  so  tapfer  verteidigt  worden  sein,  dafs  die  Feinde  abziehen  mnfsten. 
Yergl.  dazu  meine  Bausteine  zur  Gesch.  der  Stadt  Gera  III  u.  IV  (Geraer 
Zeitung  1893,  Nr.  207  n.  225). 

2)  Stolle,  S.  88;  Altenzeller  Chronik  a.  a.  O. 

3)  S.  S.  328,  Anm.  1. 

4)  Spangenberg  a.  a.  0.  berichtet  hingegen,  dafs  das  gemeine  Volk 
in  die  Kirche  geflfiehtet,  aber  daraus  herrorgezogen  und  erschlagen 
worden  sei. 

6)  Kammermeister  a.  a.  O.  Sp.  1208;  Stolle  S.  88;  Brief  des 
Ton  Stemberg  im  17.  Jahresbericht  des  yogtl.  AltertumsTcr.  S.  67.  — 
Liimmer,  Entwurf  einer  Gesch.  des  Vogtlandes  S.  790,  berichtet,  dafs 
Knns  Ton  Kaufungen  und  ein  Pflug  an  der  Pfortener  Brficke  gefangen 
worden  wftren.     Beleg  fehlt. 


330      ^^®  Zerstörung  der  Stadt  Gera  im  sächsischen  Bruderkriege. 

Schadenersatz  wegen  der  vor  Gera  erlittenen  Schäden  erhielten 
apäter  auoh  die  von  Zetwitz,  Wiedergberg,  Beitzenstein,  Toaae, 
Fafsmann  a.  a.  ^).  Aoffallend  ist,  daüis  nach  Sternbergs 
Berichte  die  Böhmen  nur  15  Tote  und  nicht  viel  mehr  Ver- 
wundete aufzuweisen  hatten.  Darnach  scheint  der  Sturm, 
wenn  auch  schwer,  wie  Sternberg  selbst  erzählt,  doch  nur 
kurz  gewesen  zu  sein.  Auch  waren  die  Angreifer  ja,  wie 
bereits  angegeben,  durch  Weidenkörbe  gedeckt,  während  wieder 
nach  anderer  Mitteilung  es  den  Verteidigern  an  Geschütz 
fehlte  ').  Nach  dem  gelungenen  Sturm  verloren  die  Böhmen 
wohl  nur  wenige  Leute  mehr;  der  Schrecken  in  der  Stadt 
war  jedenfalls  so  grofs,  dafis  niemand  an  weiteren  Widerstand 
dachte.  Auoh  350 — 400  Eeitpferde  erbeuteten  die  Böhmen. 
Vielleicht  läfst  sich  daraus  ein  SchluTs  auf  die  Anzahl  der 
Bitter  und  reisigen  Knechte  machen. 

Kurfürst  Friedrich  war  endlich  mit  seinen  Eüstungen 
fertig  geworden  und  rückte  zum  Entsätze  heran.  Man  hat 
ihm  schon  zu  StoUes  Zeiten  nachgesagt,  dafs  er  Gera  nicht 
habe  retten  wollen^).  Eine  wirklich  absichtliche  Preisgabe 
der  Stadt  ist  aber  doch  kaum  denkbar.  Auch  schrieb  der 
von  Sternberg  damals  an  seinen  Vater  „und  der  alte  Meilsner 
(der  Kurfürst)  brach  auf  und  wollte  Gera  retten;  nun  ziehen 
wir  gleich  auf  ihn  los,  wenn  er  sich  etwa  mit  uns  schlagen 
wollte"*).  Der  Fehler  Friedrichs  bestand  allenfalls  darin, 
dals  er  zu  lange  mit  dem  nötigen  Entsatz  zögerte.  Er  kam 
von  Chemnitz  und  sog,  wie  ich  vermute,  über  Crimmitzschau. 
Als  er  die  Zerstörung  Geras  erfuhr,  besetzte  er  den  Zoitz- 
berg  bei  Liebschwitz  ^),  wodurch  er  das  Elsterthal  nach  Süden 


1)  Quittungen  von  1453^54  im  HSA.  Dresden,  Or.  Nr.  7313  b  u.  c, 
7314  a  n.  b,  7321b,  7338  n.  7388. 

2)  Stolle  S.  38;  KammermlBister  a.  a.  O.  Sp.  1204. 

3)  S.  38.  —  „Item  der  alte  herr  hatte  grosx  volk  bye  einander  unnd 
lag  käme  czwo  mile  Ton  des  jungen  hern  heir  nnnd  bette  dy  stad  Qera 
wol  geretb  nnnd  dy  hern,  dy  darinne  gefangen  wom,  bette  er  gewolt.*' 

4)  S.  328  Anm.  1. 

5)  Eisel,  Sagenbuch  S.  285. 


Die  Zerstörung  der  Stadt  Gera  im  sicbsischen  Broderkriege.      331 

hin  voUstäDdig  beherrschte.  Der  Bergrorsprung ,  wo  das 
-Geschütz  gestanden,  soll  davon  seinen  jetzigen  Namen  y.Böohsen- 
4>erg''  erhalten  haben.  Nach  der  Sage  soll  ferner  Herzog 
Wilhelm  damals  seinem  Bmder  gegenüber  auf  dem  Heersberge 
^ei  Oberröppisch  gelagert  haben,  worauf  sich  dann  die  be- 
kannte Anekdote  gründet,  ein  Büchsenmeister  Friedrichs  habe 
«ich  erboten,  den  Herzog  Wilhelm  in  seinem  Zelte  mit  einer 
Kugel  zu  treffen,  der  Kurfürst  aber  solches  mit  den  Worten 
Terhindert:  „Schiefs,  wen  Du  willst,  nur  meinen  Bruder 
nicht".  Als  Wilhelm  hiervon  vernommen  habe,  sei  ihm 
jene  grofsmütige  Handlung  der  Anlafs  zur  Versöhnung  mit 
dem  Bruder  geworden  ^). 

Wenn  man  dagegen  die  ganze  damalige  Sachlage  erwägt 
und  die  Gegend  selbst  in  Augenschein  nimmt,  so  ist  eine 
solche  Stellung  Wilhelms  nicht  wahrscheinlich.  Da  er  näm- 
lich doch  nach  Stembergs  Brief  sich  mit  dem  Kurfürsten 
schlagen  wollte,  konnte  er  nur  auf  dem  Plateau  der  Ronne- 
hurger  Höhe,  also  auf  dem  rechten  Elsterufer,  ihm  entgegen- 
2iehen,  während  der  Heersberg  auf  dem  linken  liegt.  Für 
letzteres  spräche  auch  die  Aufstellung  des  kurfürstlichen  Ge- 
schützes auf  dem  Büchsenberge,  die  sonst  ziemlich  zwecklos 
wäre,  da  man  hier  vom  Heersberg  noch  über  einen  Kilometer 
entfernt  ist,  und  so  weit  reichten  die  Steinkugeln  wohl  doch 
kaum.  Endlich  sind  die  Böhmen  dann  nachweislich  am 
rechten  Elsterufer  heimgezogen  ^).  Es  wäre  demnach  im  an- 
deren Falle  ein  zweimaliger  Flufsübergang  derselben  anzu- 
nehmen, was  angesichts  des  feindlichen  Heeres  mifslich  war. 
ISomit  wird  jene  Sage  aus  der  Geschichte  des  Bruderkrieges 
einfach  zu  streichen  sein.  Auch  ihr  historischer  Kern  ist 
nicht  mehr  erkennbar.  Kurfürst  Friedrich  muTs  bereits  am 
16.  oder  17.  Oktober  bei  Gera  eingetroffen  sein,  denn  an 
letzterem  Tage  erwähnt  der  Egerer  Hans  von  Kager  in  einem 
Briefe,    den  er  „im  Heere  vor  Gera"  an    seine  Stadt  schrieb, 


1)  Eiseis  Sagenbucli  S.  285. 

2)  8.  88S. 

XVII. 


382      ^^^  ZentSroDg  der  Stadt  Gera  im  lichsiscbeii  Bruderkriege. 

dafs  die  Böhmen  durchs  Egerland  heimziehen  wollten  ^).  Dar* 
nach  scheint  der  Waffenstillstand  damals  bereits  verabredet 
gewesen  zu  sein.  Es  waren  nämlich  inzwischen  kaiserliche 
und  erzbischöflioh  mainzische  Bäte  in  den  Heeren  der 
sächsischen  Brüder  erschienen  und  hatten  zunächst  eine 
Waffenruhe  hergestellt,  die  wohl  die  Hauptbedingungen  dea 
späteren  Eriedenschlusses  schoa  voraussetzte.  Weil  dann  die 
Nachwelt  die  Gründe  der  Aussöhnung  nicht  erkannte,  ent- 
wickelte sie  die  oben  besprochene  Sage  vom  BüchsensohuDB« 
Der  wahre  Orund  für  die  rasche  Beendigung  des  Krieges  mag 
bei  Friedrich  vielmehr  darin  gelegen  haben,  dafs  er  durch  Geras 
Eroberung  und  die  Gefangennahme  seines  Feldhauptmannes,. 
Heinrichs  von  Gera,  augenblicklich  doch  entschieden  im  Nachteil 
war  und  einen  billigen  Frieden  wünschen  muTste.  Er  gab 
daher,  wie  aus  den  späteren  Vorgängen  zu  schliefsen  ist,  da- 
mals wenigstens  insoweit  nach,  dals  er  seinen  Handel  mit 
dem  Grafen  Heinrich  von  Schwarzburg  einem  fürstlichen 
Schiedsspruch  unterwarf)  und  damit  wohl  im  Prinzip  auf 
Schwarzburg  verzichtete.  Herzog  Wilhelm  anderseits  mufste 
ebenfalls  Bedürfnis  nach  Frieden  haben.  Er  hatte  seine  Rache 
an  dem  Geraer  gründlich  gekühlt,  den  ganzen  Feldzug  mit 
Erfolg  geführt  und,  wie  ich  schon  mutmafste,  sein  nächste» 
Ziel,  Schwarzburg  zu  behaupten,  einigermalsen  erreicht.  Dann 
stand  ihm  sein  Bruder  doch  immer  noch  mit  einem  starken 
Heere  entgegen,  und  konnte  Wilhelm  auch  hoffen,  den  Kur- 
fürsten zu  schlagen,  so  mufste  doch  seine  Politik,  mit  Hilfe 
der  Böhmen  zu  siegen,  besonders  angesichts  der  grauenvollen 
Zerstörung  Geras  viel  böses  Blut  in  den  sächsich-thüringischen 
Landen  machen.  Endlich  scheint  man  doch  auch  von  kaiserlicher 
Seite  einen  Druck  auf  die  brüderlichen  Gegner  ausgeübt  zu 
haben  ').  So  gelang  die  Friedensstiftung  wirklich.  Das  kur- 
fürstliche Heer  zog  sich  wohl  zunächst  aus  seiner  Stellung  am 


1)  FoDt.  rer.  Austriac.  XLII,  S.  79,  Nr.  64. 

2)  AnemüUer  a.  a.  0.  S.  19. 

3)  Ebenda. 


Pie  Zerstömoi;  der  Stodt  Gera  im  sicbsischen  Braderkrieg«.     333 

Büohsenberge  surüok,  um  den  absehenden  Böhmen  freien 
Weg  SU  lassen,  und  swar,  wie  ieh  annehme,  wieder  auf 
Sjrimmitssehau  su ;  denn  erst  hier  wurde  am  28.  Oktober  der 
Waffenstillstand  diplomatisch  festgelegt  Derselbe  sollte  bis 
cum  25.  Mai  andauern,  inzwisohen  aber  zur  yöUigen  Aus- 
söhnung ein  gütlicher  Tag  in  Bamberg  stattfinden  ^). 

Mit  den  Böhmen  war  aber  schwer  zu  unterhandeln.  Sie 
wollten  ihre  in  Meifsen  und  Gera  gemachte  Beute  nicht  her- 
geben. Man  muTste  sie  ihnen  notgedrungen  lassen,  und  so 
schleppten  sie  die  Gefangenen  und  grofsen  Raub  nach  Böhmen 
fort.  Sie  nahmen  dabei  ihren  Weg  auf  dem  rechten  Elster- 
ufer nach  £ger  hin  und  fügten  dem  Vogtland  noch  grofsen 
Schaden  zu.  Zanächst  rächten  sie  sich  an  dem  jüngeren 
Beulsen  zu  Greiz'),  dem  sie  fünf  Dörfer  „auspochten". 
Dann  plünderten  sie  die  Ortschaften  Beichenbach,  Limbach, 
Herlasgrün,  Pfaffeogrün,  Auerbach,  die  Umgegend  von  Oels- 
nitz,  Marieney,  Landwüst,  Amsgrün  und  Adorf.  Abermals 
wurden  dabei  Kirchen  beraubt,  Glocken  weggeführt,  Wohn* 
statten  verbrannt  und  Menschen  ersehlagen.  Der  durch  die 
Böhmen  beim  Rückzuge  angerichtete  Schaden  wurde  auf  etwa 
2000  Schock  Groschen  geschätzt'). 


m.    Die  Oeraisohen  Sohadloaforderongen. 

Nach  dem  Erimmitzschauer  Waffeo stillstände  wurde  die 
völlige  Aussöhnung  der  Wettinisohen  Brüder  eifrigst  betrieben. 
Ein  hierzu  in  Merseburg  angesetzter  Tag  verlief  allerdings 
erfolglos*),  und  wurde  daher  ein  weiterer  Tag  auf  den  6.  Jan. 
1451  nach  Naumburg   anberaumt     Drei  Wochen   sogen   sich 


1)  Palacky,  Geschichte  Böhmens  IV,  1,  S.  258 ;  vergl.  auch  Fontes 
rer.  Anstriac.  XLII,  S.  84,  Nr.  60.  —  Kammermeister  (Sp.  1205)  Ufet 
die  Waffenrahe  nar  bis  St.  Georgi  (12.  März)  und  Stolle  (S.  38)  bis  tum 
Sonntag  Beminiscere  (21.  März)  dauern. 

2)  Vergl.  S.  325. 

3)  Verzeichnis  der  Schäden  in  Font.  rer.  Anstriac.  XUI,  S.  87,  Nr.  63. 

4)  Stolle  S.  39. 

22* 


334     ^io  Z^rstSning  der  Stadt  Oera  im  sXohiischen  Bruderkriege. 

aber  die  YerhaDdlungen  noch  hin  und  wären  fast  wieder  ge* 
Bcheitert;  denn  Herzeg  Wilhelm  verlangte  die  unentgeltUohe 
Freigabe  der  den  Brandenburgern  abgenommenen  Gefangenen» 
wollte  dagegen  den  in  Gera  gemaohten  nicht  die  gleiche  Be- 
handlung zukommen  lassen,  ,ywas  dann  Jedermann  unbillig 
däuchte'^,  bemerkt  Konrad  Stolle  dasu.  Endlich  gelang  es 
dem  Landgrafen  von  Hessen,  der  jedenfalls  grofses  Verdienst 
um  die  Herstellung  des  Friedens  gehabt  hat,  den  Herzog  zum 
Nachgeben  zu  bewegen.  So  wurde  dann  am  37.  Jan.  der 
endgiltige  Friede  auf  etwa  folgende  Bedingungen  hin  ge- 
schlossen. Wegen  Sobwarzburg  zunächst,  der  Hauptursache 
des  Krieges,  wurde  ein  nochmaliger  Yergleiohstermin  an- 
gesetzt, und,  um  das  hier  gleich  zu  bemerken,  zog  sich  die  Bei- 
legung des  ganzen  Streites  noch  bis  1453  hin.  Kurfürst  Fried- 
rich gab  dann  endlich  gegen  gewisse  Zugeständnisse,  darunter, 
dafs  über  die  an  die  Töchter  des  yerstorbenen  Grafen  Günther 
gezahlten  9000  &  quittiert  würde  ^),  das  Schwarzburger  Land 
an  seinen  Bruder,  Herzog  Wilhelm,  zurück,  und  dieser  belehnte 
sofort  die  erbberechtigten  Grafen  von  Schwarzburg  zu  Arn- 
stadt und  Leutenberg  damit 

Ferner  bestimmte  der  Naumburger  Tag  die  Freigabe 
aller  Gefangenen.  Herzog  Wilhelm  sollte  auch  die  von  den 
Böhmen  gemachten  befreien,  wenn  nicht  anders  möglich,  für 
ein  Lösegeld,  das  die  Fürsten  von  Sachsen  und  Brandenburg 
gemeinsam  aufzubringen  hätten. 

Im  übrigen  sollten  die  Fürsten  und  Herren  ihrer  Urfehde 
ledig  und  los  sein,  aller  Kriegsschäden  ungemahnt  bleiben, 
und  die  eroberten  Schlösser,  Städte,  Güter  und  Lehen  ihren 
rechten  natürlichen  Erbherren  wieder  eingeräumt  werden. 
Die  „Sache"  zwischen  Graf  Heinrich  von  Sohwarzburg  zu: 
Leutenberg  und  den  Gebrüdem  Heinrich  und  Heinrich  von 
Gera,  Herren  daselbst   und   zu  Lobenstein,   sollte  durch   ihre 


1)  Heinrich  von  Gert  quittierte  dem  KarfUrsten  am  94.  April  1453 
über  4600  fl.,  welche  ihm  dieser  wegen  Schwtrzbarg  schuldig  gewesen ;  Or. 
Nr.  7316  im  HSA.  Dresden. 


Dia  Z«nit((niiig  der  SUdt  Gera  im  sichsitebeo  Braderkriege.     335 

und  der  Herzöge  zu  Sachsen  Bäte  mit  Markgraf  Hans  toa 
Brandenburg  als  Obmann  entsehieden  werden.  Interessant 
ist  endlich  noch  die  allerdings  mir  nur  aus  Stolle  bekannte 
Bestimmung,  daüi  keiner  der  Brüder  wieder  Böhmen  ins  Land 
fihren  solle ').  Hierin  aber  lag,  meine  ich,  hauptsächlich 
der  innere  Grund  für  die  Aussöhnung  der  Wettiner. 

Die  in  deutschen  Händen  befindlichen  Oefiangenen  wurden 
wirklich  bald  ohne  Lösegeld  freigegeben,  nicht  aber  die  von 
den  Böhmen  entführten,  darunter  Tor  allem  Graf  Wilhelm 
von  Orlamüode,  Heinrich  der  Jüngere  von  Gera  und  Burg- 
graf Hartmann  von  Kirchberg. 

Palacky  giebt  freilich  an,  Heinrich  von  Gera  wäre  zunächst 
von  Georg  Podiebrad  auf  Ehre  und  Treue  entlassen  worden. 
Als  aber  der  Kurfürst  mit  der  Auslösung  gezögert  habe, 
wäre  Heinrich  in  die  Gef au  genschaft  zurückgekehrt  und  darin 
bald  gestorben  *).  Woher  Palacky 's  Nachricht  stammt^  weiüs  ich 
nicht  Auffallend  ist,  dafs  Heinrichs  Bruder  in  seiner  später 
zu  erwähnenden  Schrift  an  die  Magdeburger  Schöffen  nichts 
Ton  solcher  Entlassung  erwähnt. 

Yersuche  zu  seiner  Befreiung  waren  allerdings  gemacht 
worden.  Man  hatte  zur  Auslösung  der  Gefangenen  am 
24.  Juni  (Peter  Paul)  einen  Tag  in  Eger  abgehalten  ').  Als 
hier  Herzog  Wilhelm,  doch  wahrscheinlich  ohne  Geld  erschien, 
Terweigerten  die  Böhmen  alle  Unterhandlung  ^).  Darauf  wurde 
ein  zweiter  Tag  in  Brüx  angesetzt  und  hier  den  Böhmen 
durch  Herzog  Wilhelm  und  Markgraf  Albrecht  von  Branden- 
burg als  Unterhändler  16  000  fl.  nebst  dem  YerfallspÜBuida 
für  die  nicht  Gestellten  ^)  zugesagt.  Jetzt  aber  nahm  der 
Kurfürst  solche  Bedingungen  trotz  der  von  ihm  seinen  Unter- 


1)  Anemailer  e.  a.  O.  S.  19 ;    Stolle  8.  39.  —     Die  Vertragsorkd. 
d.  d.  Naambarg  1451  Jan.  27  im  HSA.  Dresden,  Or.  Perg.  Nr.  7186  »/b» 

2)  Palacky,  Gesch.  Böhmens  IV,  1,  8.  846  Anm.  211. 

3)  Font  rer.  Aostriac.  XLII,  8.  87,  Nr.  63. 

4)  Stolle  S.  41;  Fontes  a.  a.  O. 

5)  Demnach  müssen  also  Ehitlassungen  auf  Tren  und  Glauben  doch 
stattgefunden  haben. 


336     ^^^  ZerstöniDg  der  Stadt  <Ura  im  tichsiseheii  Bruderkriege. 

händlern  erteilten  anbeschränkten  ToUmtcht  nicht  an,  und 
60  senohlug  sich  anoh  dieser  Tag.  Wann  derselbe  stattfiand, 
vermochte  ich  nicht  xa  bestimmen,  doch  sehr  wahrscheinlich 
im  Hochsommer  oder  Herbst  des  Jahres  1461. 

Zur  Zeit  des  Brüxer  Tages  lebte  der  jüngere  von  Oera 
noch,  und  kurz  suyor  hatte  der  Kurfürst  dem  Bruder  des- 
selben zu  Lobenstein,  als  er  diesen  in  irgend  einer  Mission 
nach  Breslau  schickte,  noch  persönlich  versichert,  er  wolle 
den  gefangenen  Oeraer  auslösen  oder  „weder  Leben  noch  Out 
behalten**  *). 

Heinrich  starb  dann  in  Prag  nebst  yielen  anderen  6e- 
fSangenen  wohl  an  der  damals  in  Böhmen  wütenden  Pest,  und  zwar 
bald  nach  dem  vergeblichen  Brüxer  Tage  noch  im  Jahre  1461 
oder  spätestens  Anfangs  1452;  denn  am  14.  Februar  dieses 
Jahres  wurde  seine  Gemahlin  Anna  schon  als  Witwe  be- 
zeichnet ').  Er  hinterliefs  einen  Sohn  und  zwei  Töchter,  für 
die  sein  Lobensteiner  Bmder  Vormund  wurde. 

Für  diesen  seinen  Neffen  suchte  dann  Heinrich  der 
Ältere  zu  Lobenstein  vom  Kurfürsten  wegen  der  Zerstörung 
Geras  Schadenersatz  zu  erlangen.  Als  er  aber  abschlägig 
besohieden  wurde,  forderte  er  von  dem  Magdeburger  Schöffen- 
stuhl  ein  Rechtsgutachten  darüber  ein.  Das  Konzept  zu 
dieser  interessanten  Eingabe  befindet  sich  im  Fürstl.  Haus- 
archiv Schleiz  unter  dem  Lokat  S  I,  Bl.  4 — 7.  Es  ist  von 
einer  Hand  aus  der  Mitte  des  15.  Jahrhunderts  auf  4  Blätter 
(in  Grofs-Quart)  geschrieben  und  vielleicht  aufser  den  wenigen 
gleichzeitigen  Urkunden  die  älteste  schriftliche  Quelle  zum 
Bruderkriege^).  Das  Schriftstück  spricht  nämlich  einmal 
von  den  Schäden  zu  Oera  „nächst  in  dem  Verlust  leider  er- 
gaDgen^'  und  muTs  jedenfalls  vor  dem  9.  August  1456  ge- 
schrieben sein;  denn  an  diesem  Tage  war  der  Sohn  Heinrichs 
des  JüDgeren,   welcher  zur  Zeit  der  Abfassung    der  Anfrage 


1)  Beil.  14,  8.  2. 

2)  Albeiti,   Urkdsig.  lur   Geach.    der  Uerrseh.    Gera  S.  168,    nach 
dem  Orig.  im  HA.  Schleis. 

8)  S.  Beil.  14. 


Di«  ZerttSinDg  der  Stadt  Gera  im  sSohsisehen  Brnderkriege.     837 

naoh  Magdeburg  noch  lebte,  sieherlich  schon  tot^).  Nach 
der  Eingabe  des  LobeoBteiners  an  die  Magdeburger  Schöffen 
hat  es  ganz  den  Anseheiny  als  habe  an  Friedrichs  Hofe  eine 
gewisse  Partei  bestanden,  welche  dem  Kurfürsten  einredete, 
•dafii  er  zum  Schadenersatz  an  die  von  Gera  nicht  verpflichtet 
wäre.  Da  Friedrich  selbst  an  den  KriegsschSden  noch  schwer 
zu  leiden  hatte,  so  war  ihm  solche  Herabminderung  der 
Kosten  nicht  unwillkommen. 

Jene  Hofleute  oder  Räte  behaupteten  nun  zunächst,  der 
Tentorbene  Herr  von  Gera  wäre  gegen  den  Willen  des  Kur- 
fürsten nach  Gera  geritten,  obwohl  die  Stadt  doch  nicht  zu 
retten  gewesen  wäre.  Deshalb  hätte  der  Geraer  sich  den  er- 
littenen Schaden  selbst  zuzuschreiben« 

Der  Lobensteiner  bestritt  solche  Eigenmächtigkeit  seines 
Bruders,  ob  ganz  mit  Recht,  muCs  dahingestellt  bleiben.  Dab 
dieser  aber  geradezu  gegen  den  Willen  des  Kurfürsten  gehandelt 
haben  soll,  scheint  nach  dessen  bereits  angeführtem  Briefe 
vom  9.  Oktober  ausgeschlossen  zu  sein  *).  Immerhin  mag 
•der  Kurfürst  anfangs  Bedenken  gehabt  haben,  Gera  zu  halten, 
iiefs  dann  aber  doch  nicht  allein  seinen  Kriegshauptmann  ge- 
währen, sondern  schickte  ihm  auch  seinen  Hofmeister,  den 
Grafen  Ernst  von  Gleichen,  mit  einiger  Hilfe  zu  und  ver- 
tröstete ihn,  was  die  Hauptsache  ist,  auf  Entsatz. 

Weiter   sagten    die   kurfürstlichen   Berater,    der   Geraer 


1)  Nach  Dresdener  Akten  (unter  Lokat :  Renfsische  Sachen.  C.  Haus 
<^ra,  Kapsel  III,  Bl.  480  b)  starb  dieser  Sohn  5  Jahre  nach  der  Ver- 
^pfSndnng  des  Schlosses  Roehsbnrg  an  einen  Ton  Schönfeld.  Letatere  mag 
1451  geschehen  sein;  denn  der  Lobensteiner  als  Vormund  des  Brudersohnes 
-verpfftndete  jenes  Schlofs  wegen  der  im  Kriege  erlittenen  Schäden.  Am 
^.  Aug.  1456  stellte  der  Lobensteiner  zuerst  eine  Urkunde  aus,  wo  er  sich 
•einfaeh  Heinrich  Herr  in  Gera  nennt,  wihrend  er  vordem,  wie  auch  in 
^er  Anfrage  an  die  Magdeburger  Schöffen  Heinrich  Ton  Gera,  Herr  zu 
Lobenstein,  heifst.  In  derselben  Urkunde  (Orig.  im  HA.  Schleis)  setzt  er 
sich  aach  mit  der  Witwe  seines  Bruders  wegen  der  Versorgung  ihrer 
Töchter  auseinander.  Von  dem  Sohne  des  letztgenannten  ist  hier  und 
seitdem  nie  mehr  die  Rede. 

S)  s.  Beil.  18. 


338      ^*^  ZerstöriiDg  der  Sudt  Ger*  im  sfichsitcheo  Bruderkriege. 

hätte  seine  Niederlage  daroh  sein  herausforderDdee  Betrageo 
Tereohuldet  ^),  Dafs  hiermit  die  höhnischen  Briefe  gemeint 
sind,  welche  der  Oeraer  an  Herzog  Wilhelm  geschrieben 
hahen  soll  ^),  läfst  sich  doch  ohne  weiteres  nicht  behaupten» 
Der  Lobensteiner  wandte  einfach  gegen  diese  Beschuldigung 
ein,  sein  Bruder  h&tte  als  Hauptmann  getreulich  sein  „Bestes**^ 
gethan  und  könnte  für  den  Mifserfolg  nicht  verantwortlich 
gemacht  werden.     Von  jenen  Briefen  spricht  er  nichts. 

Zum  Dritten  führte  man  an,  der  Geraer  hätte  auch 
wegen  eigener  Angelegenheiten  den  Hersog  Wilhelm  befehdet 
und  daher  selbst  seinen  Schaden  zu  tragen.  Hiergegen  wies^ 
der  Lobensteiner  auf  einen  geraischen  Klageartikel  Herzog 
Wilhelms  hin,  worin  dieser  geschrieben  habe,  dafs  er  zur 
Bettung  des  von  Sohwarzburg  auf  den  jüngeren  Herrn  yoa 
Gera  gezogen  sei. 

Endlich  klügelten  die  kurfürstlichen  Bäte  noch  heraus,, 
die  Stadt  Gera  wäre  nicht  des  Kurfürsten,  sondern  des  yon 
Gera  Eigentum  gewesen.  Wenn  also  ersterer,  um  sie  zu 
halten,  einige  der  Seinen  hineingelegt  hätte,  so  wäre  es  genüge 
wenn  er  die  Schäden  der  eigenen  Mannschaften  auf  seinea 
Teil  nehme. 

Der  Lobensteiner  erwiderte  hierauf,  die  Stadt  sei  aller» 
dings  seinem  Bruder  zugehörig  gewesen,  aber  dieser  hätte 
sie  doch  immer  als  Hauptmann  des  Kurfürsten  verteidigt,  da 
er  noch  im  Amte  gewesen  sei.  Aufserdem  habe  der  Kurfürst 
auch  das  öf^nungsrecht  für  Gera  und  „seine  Küche"  dort  be- 
sessen. Solches  öffnungsrecht  suchte  der  Lobensteiner  durch 
Auszüge  aus  einer  Urkunde  von  1874  Dezbr.  21  darzuthun» 
Mit  ihr  lassen  die  Vögte  von  Gera  den  Markgrafen  von 
Meifsen  Sohlofs  und  Stadt  Gera  zu  Lehen  auf  und  schliefsen 
mit  denselben  ein  Schutz-  und  Trutzbündnis  ab,  worin  sich 
die  Markgrafen  für  alle  denen  von  Gera  aus  diesem  Verhältnia 


1)  So  verstehe  ich  ureoigsteDs  den  Wortlaut:  „Item  es  sey  abel  be^ 
8talt  und  verhomut  worden^';  s.  Beil.  14. 

2)  Vergl.  8.  825. 


Die  ZerstdniDg  der  Stftdt  Ge»  im  »äcbsischeD  Bruderkriege.     339* 

erwachsenden  Nachteile  zum  Schadenersats  verpflichten  '). 
£g  ist  auffällig,  dafe  der  Lobensteiner  nicht  den  Sohadlosbrief 
des  Kurfürsten  lür  eeinea  Bruder  gekannt  zu  haben  scheint. 
£r  hätte  denselben  sonst  sioherlieh  erwähnt  und  mit  ihm 
den  besten  Beweis  für  die  Verpflichtung  des  Kurfürsten  zur 
Scbadloshaltnng  wegen  Geras  erbringen  können.  Dagegen 
führte  er  noch  an,  dafs  Graf  Ernst  von  Gleichen  doch  ebeu- 
falls  seine  Ausrichtung  erhalten  hätte.  Somit  hätte  solche 
seinem  Bruder  als  Hauptmann  noch  mehr  gebührt. 

Was  die  Magdeburger  Schöfl'en  auf  die  Anfrage  des 
Xobensteiners  geantwortet  haben,  erfahren  wir  leider  nicht. 
Der  Streit  um  diese  Anforderung  taucht  dann  erst  geraume 
Zeit  nach  Kurfürst  Friedrichs  Tode  (1464)  wieder  auf.  Der 
Herr  von  Gera  machte  bei  dessen  Söhnen  in  den  70er  Jahren 
nochmals  den  Versuch,  wegen  Geras  von  Sachsen  Kriegsent- 
schädigung zu  erhalten.  £r  that  das  jetzt,  da  sein  Bruders- 
sohn lange  tot  war,  für  die  Schwestern  desselben.  Aber  er 
hatte  natürlich  noch  weniger  Erfolg  damit  als  früher.  Man 
warf  ihm  sogar  bei  dieser  Gelegenheit  von  sächsischer  Seite 
einen  Lehnsfehler  yor,  da  er  verabsäumt  hatte,  Gera  nach 
dem  Ableben  des  Neffen  aufs  neue  zu  muten.  Gegen  den 
verstorbenen  Bruder  wurden  die  früheren  Vorwürfe  wieder- 
holt Im  Jahre  1473  hat  man  dieses  Streites  wegen  sogar 
eine  kaiserliche  Kommission  aogeordnet,  und  nach  2  Jahren 
erhielt  der  Geraer  den  endgiltigen  Bescheid,  dafs  Sachsen 
nicht  verpflichtet  wäre,  den  Schadenersatz  zu  leisten  ').  Wäre 
Heinrich  der  Jüngere  am  Leben  geblieben,  so  dürfte  dieser 
ganze  Streitfall  wegen  seines  nahen  persönlichen  Verhältnisse» 
zum  Kurfürsten  eher  zu  seinen  Gunsten  ausgetragen  worden 
sein.     Die  Toten  aber  haben  kein  Kecht. 


1)  beil.  14.  Für  die  fast  wörtlich  entnommenen  Aussage  ist  auf  die- 
betreff.  Drucke  in  meinem  Urkundenbuch  der  Vögte  von  Weida,  Gera 
und  Plauen  etc.  II,  Nr.  221  und  222  su  verweisen. 

2)  8.  Beil.  11. 

3)  Nach  Dresdener  Akten  unter  Lokat :  Reufsische  Sachen ;  C.  Haus. 
Gera,  Kapsel  III,   Bl.  404—464. 


•-340     ^^*  Zerstör ODg  der  Stadt  Gera  im  sXchsitchen  Bruderkriege. 

Es  war,  um  noeh  das  anzuführen»  sohliefslioh  nur  die 
Konsequenz  des  eigenen  Yerfahreos,  wenn  1485  die  Herzöge 
£m8t  und  Albreehi  zu  Sachsen  in  einem  feierlichen  Hofgericht 
die  Ansprfiohe  auf  Schadenersatz,  die  ein  Wilhelm  yon  Schön- 
feld  wegen  seiner  bei  der  Eroberung  Geras  erlittenen  Schäden 
-an  die  Herren  yon  Gera  machte,  in  ähnlichem  Sinne  ent- 
scheiden lassen.  Es  heifst  in  dem  Erkenntnis,  die  von  Gera 
wären  deswegen  zu  solchem  Schadenersatz  nicht  yerpflichtet, 
weil  Gera  nach  dem  Tode  ihres  Yaterbruders  auf  dessen  Sohn 
yererbt,  nach  des  letzteren  Ableben  aber  als  erledigtes  Lehen 
ihrem  yerstorbenen  Vater  aufs  neue  yerliehen  und  erst  dann 
auf  sie  yererbt  sei  ^). 

Während  ich  diesen  Aufsatz  niederschrieb»  hat  die  Stadt 
«Gera  das  letzte  sichtbare  Andenken  aus  der  Zeit  des  Bruder- 
krieges verloren.  Es  wurde  ein  zum  alten  vogteilichen  Sohlols 
(im  Innern  der  Stadt)  gehöriger  Turm,  yon  dem  noch  ein 
-spärlicher  Best  stehen  geblieben  war,  jetzt  yollends  abgetragen, 
"um  modernen  Bauten  Platz  zu  machen. 


Beilagen. 

1.  Schreiben  des  Grafen  Ernst  von  Gleichen  und  Hein- 
richs, Herrn  gu  Gera,  an  Heinrich  von  Gera,  Herrn 
8U  Lobenstein,  —  Zeitz  1447  Dez.  13. 
<Dem   edein   ern  Heinrichen   von  Gera  herren    zu  Lobinstein 
UDserm  liben  ohmen  und  brudere. 
ünsern  fruntlichin    dinst   und   bruderliche    truwe   zuvor. 
Edler  liber  ohme   und    brudere,   wir  lassen   uch   wissen    das 
itczund  alhie  uf  dem  tage  zu  Ciczs  betedingt  ist  wurden,  das 
alle  Sachen   von    des  kouffes  wegen    ern  Apeln  Vicztum  von 
unserm  iungen  herren  umbe  Koburg,  Konigisperg  etc.  gescheen, 
sal  gutlich  ungehandelt  anstehinde  bliben  bisz   uf  eynen  an- 
•dem  tag,  der  alhie  zu  Ciczs  sin  sal  uf  den  man  tag  nest  noch 

1)  Or. 


Di«  Zentdmag  der  Stadt  Gera  im  sieheischen  Bmderkriege.     341 

TFabiani  nod  SebaBtiani  Bohinten,  also  das  bynoeo  des  wider 
ffnanne  noch  stete  furder  sn  buldnnge  oder  zu  yorsigeln,  was 
bereite  nicht  gesehen  ist,  nicht  gedrangen  noch  getwungen 
^werden  sollen  ane  alle  gererde,  als  yn  das  unser  gnediger 
^erre  emachmals  eigintliohir  zu  schriben  wirdet  Wir  haben 
auch  den  hofeluten,  die  gein  Czwigkaw  solden  kernen  sien, 
widerbyten  lassen,  das  ir  uch  darnach  habt  zu  richten.  Geben 
:su  OicsSy  am  mittewochen  Lucie,  under  unserm  grayen  Ernstes 
insigile,  anno  dorn.  etc.  zlseptimo. 

Ernst  grave  von  Glichen  und 
Heinrich  herre  zu  Gera. 
Nach   Orig.  Pap.   im   Sftehs.  Enieet    Gesamt -ArcbiT   (GesA.) 
'Weimar  D.  p.  849  Nr.  7. 

'2.  Erstes  Protokoll  der  Verhandlungen  auf  dem  ZeUger 
Tage,  —  Zeitz  1448  Juli  18. 
Zu  mercken  als  der  irluchten  hoohgebomen  fursten  und 
harren  hem  Friderichs  und  hem  Wilhelms  herczogen  zu 
rSachsen  lantgrayen  in  Doringen  und  margrayen  zu  Missen 
annser  gnedigen  herren  rete  uff  diyisio  apostolorum  nechst- 
yergangen  gein  Cicz  kernen  sind  den  erlengten  tag  yon  ge- 
brechin  wegin  czwuschin  yrer  beider  gnaden  and  den  jren 
yon  beiden  teilen  zu  besuchen,  da  durch  sie  ey[n]mutiglich 
beteidingt,  yorwillett  und  uffgnomen  ist,  so  das  ufz  iglichs 
genanten  fursten  rete,  als  die  geinwertig  sint,  sechs  yrer 
herren  frunde  und  rete  mit  namen  yon  unnsers  herren  herczog 
Fridrichs  siite  die  erwerdigen  in  got  yater,  edele,  gestrengen 
and  yehsten  herm  Johann  bischoff  zu  Merseburok,  grayen 
'Smst  yon  Glichen  herren  zu  Blankenhain  hoffmeister,  hem 
Heinrichen  yon  Gera  herren  zum  Lobenstein,  Jürgen  yon 
Bebemborg  marschalg,  em  Hannsen  yon  Maltitz  ritter  und 
Otten  Spiegel  und  yon  unnsers  hem  herczog  Wilhelm  wegin 
hem  Sigemund  grayen  und  herren  cza  Glichin,  Bartholomes 
Ton  Bibra  marschalg,  em  Fridrich  yon  Wicsleubin,  em 
Hannsen  Schencken  rittere,  Jürgen  yon  Bibra  und  Johansen 
JXowerk  darcza  gegebin  haben  —  [diese  12  sollen  die  zwischen 


342     P^^  ZerstdruDg  der  Sudt  QerA  im  s&chsiseben  Bruderkriege. 

deo  Herzögen  8ch webenden  Irrungen  gütlich  berichten;  wenib 
Bie  sie  sich  aber  nicht  einigen  können,  sollen  die  Herzöge- 
statt derselben  je  zwei  ihrer  Bäte,  die  sie  zuvor  von  ihrer 
Pflicht  entbunden  haben,  zu  Schiedsrichtern  bestellen.]  —  Geben 
czu  CzicZy  am  dornstag  nach  sanct  Allezius  tage,  anno  domini 
etc.  xlviij. 

Nach  Konzept  im  GesA.  Weimar  ebenda. 

3.  Zweites  Protokoll  der  Verhandlungen  auf  dem  Zeiteer 
Tage.  —  1448  Juli  19. 
£bz  sal  ein  tag  uff  den  montag  nach  unser  lieben  frauwen 
tage  wurtzwye  sehieret  zou  Cicz  sin  zowuschen  beyden  unsern. 
gnedigen  hern  von  Sachsen  herczogen  Friderichen  und  her- 
czogen  Wilhelmen  von  irer  gebrechen  wegen  und  vier  irer 
beyden  gnaden  rethe.  Was  uff  diesem  geinwertigen  tage  zcu 
Gczicz  nicht  gescheyden  oder  geendet  wirdet,  dann  zcu  vor- 
hören  und  darnach  ynwendig  eynem  virteil  iars  ganez  zcu 
scheiden  und  usz  zcu  sprechen  nach  lut  der  anlasze  briffo. 
Geordent  und  geschigkt  werdin  vor  dieselbin  vier  ader  ander 
an  yre  stad  geschigkt,  so  sich  ez  nach  gelegenheit  der  per- 
souen  geburen  wurde,  sullen  auch  die  wolgeborn  Günther 
grave  zcu  Swarczpurg,  Ludewig  grave  vonn  Glichen,  Heinrich 
burggreve  von  Miessn  herre  zcu  Plawen,  Heinrich  und  Hein- 
rich gebruder  hern  zcu  Gera  an  eynem  und  Heinrich  grave 
zcu  Swarczpurg  herre  zcu  Lutcnberg,  Heincz,  Yolkel  und 
Hans  Roder,  ettlioh  von  der  Heyde,  die  Raben,  Peler  und 
ander  solch  sache  berurnde  dem  andern  teyle  von  alle  yrer 
Spruche  spenue  uud  gebrechin  wegen.  Darumb  sie  zou  friden 
gein  eoander  komen  sin  ader  wie  sie  die  zcusamen  sust 
betten  yr  eyner  dem  andern  daramb  unverdingt  und  unge- 
weigert  eren  und  rechtes  sin  phlegen  und  gebin  vor  und 
nach,  euch  daz  eins  mit  dem  andern  zcugehe.  Wie  die 
herren  darczu  geordent  darumb  uff  denselbin  tage  oder  hynnoch 
hyrioen  obgeschreibener  frist  erkennen  werden  dann,  dem 
sullen  sie  von  allen  teylen  auch  gancz  also  nachkomen,  daz: 
haldeu    und   volfuren    ungeverlich.      Es   mag   auch   ein   teyl» 


Die  ZeretSroDg  der  SUdt  Oerft  im  s&ehtiscben  Bniderl[rieffe.      343 

welcher  wil,  tot  sieh  hiDden  setzen,  was  in  fehedin  gesehen 
"st,  und  daruff  sal  auch  zcwischen  in  allen  yren  helffern, 
und  die  mit  in  lyent  wurden  ain,  alle  vehde  und  vintschafft 
ganci  abgethan  sin,  auch  alle  gedi[n]gni8  und  brantschaczunge 
sich  darynne  gemacht  ungemanet  und  anstehinde  hüben,  alle 
gefiuigen  die  erbarn  und  reysigen  uff  yre  truwe,  burger  und 
gebure  uff  borgen  tag  habin  und  des  also  ungeyerlich  die 
zciit  nemlich  biz  uff  den  schirsten  sant  Niclaus  tage  getagt 
werdin,  und  die  richtigunge  sal  in  treten  uff  den  frytag  nehst 
nach  sant  Jacobffs  tage  mit  der  sonnen  uffgange,  und  wer  es, 
-daz  der  erste  teyl  als  der  von  Swarczpurg,  der  von  Glichen, 
der  TOn  Plauwen  und  die  Ton  Oera  dem  nicht  also  thun,  so 
sal  der  obgenante  unser  herre  herzcog  Frederich  sich  der- 
ftelbin  und  des  ungehorsamen  teyls  in  der  sache  gancz  ussem, 
jr  er  nicht  annemen,  yn  des  keyn  zculegunge  ader  hulffe 
thun,  nach  den  einen  zcu  thun  gestaten,  sundem  ernstlichen 
weren  und  vorbiethen  lassen  und  dem  gehorsamen  teyl,  ader 
die  des  dem  gehorsamen  teyl  über  die  ungehorsamen  teyle 
helffen  weiten  oder  hulffen,  nicht  vordencken,  nach  hindern 
ader  hindern  lassin.  Desgleichen  wer  es,  daz  der  ander  teyl 
als  der  zcu  Lutenberg  und  dy  Roder,  Raben  und  von  der 
Heyde  mit  yren  helffem  dem  also  nicht  teten  nach  thun 
wulden,  so  sal  der  obgenante  unnsir  liebir  herczog  Wilhelm 
sich  der  seibin  ungehorsamen  in  der  sache  gancz  ussem,  yrer 
nicht  annemen,  yn  keyn  zculegunge  ader  hulffe  thun,  nach 
den  sinen  zcu  thun  gestaten,  sundern  ernstlichen  weren  und 
Terbiethen  lassen  und  auch  dem  gehorsamen  teyl,  und  dy 
desz  dem  gehorsamen  teyl  helffen  wulden,  nicht  vordengken, 
hindern  nach  hindern  lassin,  und  daz  sal  yon  den  obgenanten 
forsten  den  obgerurten  teylen  alspalde  verkündigt  und  ge- 
schriebin, und  welcher  teyl  daz  nicht  thun  wulde,  dann  dem 
andern  teyl  zcu  wissen  gethan  werde  vor  dem  frietage,  dir 
nebst  nach  sant  Joeoffs  tage  schirsten  komen  wirdet,  sich 
wissen  zcu  weheren  und  domach  zcu  richten.  Czcu  Urkunde 
mit  Jürgen  von  Bebemburgs  und  Bartholomes  von  Bybra 
beyder  obgenanten  fursten  marschalgken  uffgedrugkten  insigeln 


344     ^i®  Zerstönmg  der  Stadt  Gera  im  •ieluisohen  Braderkriege. 

yersigelt  und  gebin  zou  Ozioz,  am  frietage  nach  Allezii,  ana(^ 
domini  xl  ootavo. 

Inseriert  in  ein  Protokoll  des  zweiten  Nanmbnrger  Tages  toi» 
1449  Nov.  IS  (8.  BeiL  Nr.  8). 


4  BefeU  an  Paul  Wei/sbaeh,  Amtmann  eu  Vogisbergr 
die  von  Röder  iotgen  des  abgeedUossene»  WaffensüBr- 
Standes  eu  benachrichtigen.  —  Zeitz  1448  Juli  19. 

Dem  Testen  Pawl  Wiszbach  yoyt  zcu  Yoytzperg  unsem  liben 
besundern  guten  frunde. 
Unnser  gunst  und  dinst  zeuTor  lieber  besundern  und 
guter  front  Als  eyns  tages  zcu  Olssnitzce  dem  Ton  Plauwen 
und  den  Bodem  uff  den  nebsten  montag  gewartet  solt  werden^ 
lassin  wir  dich  wissen,  das  solche  sache  zcwuschen  den  obin- 
genanten  teyien  durch  beyder  unser  gnedigen  herren  von 
Sachsen  rete  hie  uff  dem  tage  zou  Cicz  uffgenomen  und 
gerichtet.  Darumb  derselbe  tag  zcu  Olszniczce  nu  abe  ist 
und  nicht  furgang  gewynet.  Darume  wir  yon  unsere  gnedigen 
hern  herzcog  Frideriche  wegen  begem,  biten  dich  euch  mi 
flisz,  daz  du  den  Eodern  solchs  an  die  ende,  da  sie  uffge- 
nomen solden  werden  als  nemlioh  gein  Eger,  dem  Hoff  und 
Elbogen,  zcu  stund  und  jlende  zcu  wissen  thust  und  wjder 
bitest  und  da  bie  zcu  erkennen  gebist,  daz  solche  richtunge 
uff  den  nehsten  frytag  nach  sent  Jacoffstag  schirsten  mit 
der  sonnen  uffgang  in  treten  sol,  als  sye  daz  und  anders,  wya 
esz  uff  der  genanten  fursten  rethe  zowischen  yn  zcu  usztrag 
sal  komen,  bye  graven  Heinrich  von  Swarczpurg  zcu  Lutem- 
berg  wol  erfaren  wer[d]eny  darynne  keynen  ylisz  sparest 
Daran  geschit  unserm  obgenanten  gnedigen  hern  und  uns  wol 
zcu  dangke,  und  wir  wollen  es  ume  dich  yorschulden  und 
yerdyenen.  Gebin  zou  Cicz,  am  fritage  nach  Allexii^  anno- 
dom.  xlyiij®. 

Jorge  yon  Bebenberg  marschalk 
Hans  yon  Malticz  und  Spygel. 

Nach  Konzept  im  GesA.  Weimar  ebenda. 


Die  Zerttörnng  d«r  Stadt  Gera  im  ticbslfohen  Brad«rkri«ge.      34&' 

5.  Der  Amtmann  von  Vogtsberg  voOsiM  solchen  Befehle 

—  [1448]  Juli  20. 

Dem  erwero  yetten  HeiDczen  Roder  myme  guten  frunde. 
Min  dinti  zcuvor  lieber  houbtman,  ich  tha  uoh  wissen^. 
daz  mir  hüte  myns  gnedigen  herrn  Fridriohs  rethe*  geschriben 
haben,  den  briff  laszt  uch  leszin,  darnach  werdit  ir  uch 
richten  und  sendt  mir  den  wyder,  und  waz  ich  uoh  djnen^ 
Bolt,  daz  thete  ich  gerne.  Gebin  am  8onn[a]bende  vor  Marie 
Magdalene. 

Paul  von  WiBzbach  amptmann . 
zcu  Yoiczperg. 
Nach  Konzept  im  GesA.  Weimar  ebenda. 

6.  Protokoll  der  Verhandlungen  des  Naumburger  Tages.. 

—  [1448]  Oktober  23. 

Item  beider  meiner  gnedigen  herren  von  Sachsen  rete 
haben  uff  mittewoohen  Severini  zcu  Numburg  berett  und  uff- 
genomen,  das  zwischen  graven  Günthern  von  Swarczpurg 
graven  Ludewigen  von  Glichen,  beiden  herren  von  Gera,  dem 
von  Flauwen,  dem  jungen  Ruszen  von  Greucz  und  allen  iren 
helffem  an  eyn,  graven  Heinriche  yon  Leutemberg,  den  Rodem, 
von  der  Heide,  den  Raben»  Pellem,  Curd  von  Waczstorff  [und] 
andern,  die  des  mit  jn  zcuthuo,  und  iren  helffern  am  andern 
teilen  eyn  fride  sin,  der  uf  den  nehsten  sontag  vor  Sjmonis 
et  Jude  fru  mit  uffgaog  der  sonnen  yntreten  und  fürt  be- 
Bteen  und  wehren  sal  bisz  uff  sente  Catherinen  tag  schirst 
und  den  tag  allen  ungeverlich,  und  sallen  alle  obgenante 
partion  uf  dornstag  noch  Martini  uf  den  abend  zcu  eym  tage 
gein  Kumburg  komen,  da  sollen  beider  unser  gnedigen  herren 
rete  ire  gebrechen  gein  einander  verhören  und  sie  fruntlich 
ader  rechtlich  mit  einander  entscheiden  und  vorrichten,  dorczu 
ein  iglich  herre  der  sinen  mechtig  sin  sal.  So  sollen  die 
zeiit  des  frides  alle  gefangen  beidersyt  tag  haben,  erbar  und 
reisige  uff  glubde,  und  was  burger  und  gebuer  gefangen  sin, 
für  die  sallen  ir  iglichs  herre  sinen  offen  briff  geben  gut  für 


:346      ^'^  Zerstdning  der  Stadt  Ger*  im  sichtisehen  Broderkriege. 

sie  zou  sin  sie  wider  jncsaetellen  zca  ussgange  des  fride«, 
ab  es  nicht  geriohtt  wurde.  Doruf  sal  ejn  tag  werden.  Auch 
sal  alle  dingnisz,  schaozungy  aczung  und  ungegeben  geld  die 
zcyt  des  frides  ungegeben  und  ungefordert  bliben  angererde. 
Nach  Konzept  im  GetA.  Weimar  eboida.   . 

7.    Protokoll   der    Verhandlungen    des    (zweiten)    Zeitzer 
Tages,  —  1449  Mai  17. 

Anlasz  Swarczpurg,  Gera  und  Höder 
anno  xlix^ 
Zeu  wiszen,  das  uff  Sonnabend  vor  Tooem  iocunditatis 
anno  etc.  xlnono  durch  beider  unnser  gnedigen  herrn  von 
Sachsen  rethe  nff  dem  tage  zu  Citz  in  der  vehde,  zcweitracht 
und  Unwillen  zowuschen  graven  gunthern  von  Swarozpurgk, 
dem  von  Plauwen,  beyden  herrn  von  Gera,  beyden  Buszen 
von  Groicz  und  allen  den  eren,  helffem,  helffershelffern,  und 
wer  des  mit  jn  zu  thunde  had,  an  eynem,  graven  Heinrichs 
von  Lutemburgk,  auch  in  sunderheit  Curd  von  Watisdorff, 
Thomas  Roder,  Raben  und  von  der  Hey  de,  welch  £ehcnd 
sind,  und  allen  iren  helffern,  hclffershelffern,  und  wer  des  mit 
yn  zu  thunde  had,  am  andim  teyle  eyn  frede  bereth  und 
ufgenomen  ist,  der  uff  den  negsten  dinstagk  nach  vocem 
iocunditatis  fru  mit  ufgange  der  sonnen  intreten,  sind  be- 
stehen und  weren  sal  bisz  uff  santd  Jacobffs  des  heiligin 
zcwelfboten  tagk  schirst  volgenden  und  den  tagk  allen  bisz 
zu  undergange  der  sonnen  ungeverlich.  Bynnen  dem  frede 
sollen  unnsere  gnedigen  herrn  von  Sachsen  eynen  tagk  geyn 
Numburgk  vorramen,  yr  iglicher  drey  seyner  rethe  daruff 
schicken  und  beyde  partien  darczu  verboten.  Für  dieselben 
sechs  rete  sollen  da  beyde  teyl  yre  saohin  und  gebrechin 
uszgesloszen ,  was  yn  der  fede  gesehen  ist,  geynenandir 
brengin,  doch  unvordingit,  wer  sich  iglicher  dorinne  mit 
rechte  behelffin  möge,  die  sie  in  rechte  darusz  entscheiden, 
oder  wesz  sie  nicht  eyns  werden  megin,  zu  Magdeburgk  holen 
lasen  und    uszsprechin  sollen.     Es   sal   auch   umb  zuspruche, 


Die  ZerstSrnng  der  Stadt  Gera  im  sttohsischen  Bruderkriege.     347 

darin  grave  HeiDrioh  von  Swarczpnrgk  den  eidern  yon  Oera  von 
Henczen  und  Hannsen  Roder  wegin  genomen  had,  uff  dieselbin 
seohs  rete  stehen,  sollich  saohin  zuvor  zu  handeln  und  zu 
irkennen,  inmaszen  dieselbe  saohe  stehet,  und  yormals  Tor 
beyder  herren  reten  zu  Numbargk  gehandelt  und  gelaszen 
ist,  und  das  alles  sal  bynnen  zyd  des  fredes  zu  ende  bracht 
und  uszgericht  werde.  Es  sollen  auch  die  zyd  des  fredes 
beyderseit  alle  gefangen,  erbar  und  reyszige  uff  eyde  und 
glubde,  burger  und  gebuer  uff  bestand  getagt  werden,  und  was 
schatzunge  beyderseyt  yortagt  und  yorfallen  ist,  magk  iglioh 
teil  manen  und  inbrengen  und  alle  unyertagt  schatzunge, 
brandschatzunge  und  gedincknisz  sollen  anstehende  bliben  die 
zyd  des  fredes.  Diszer  beteidigung  zu  bekentnusz  sind  diesz 
anlasz  zwen  under  unnszin  Johannsen  bischofs  zu  Mersburgk 
und  grayen  Ernsts  yon  Gleichin  hofmeisters  yon  unnsers 
gnedigen  hern  herczogin  Friderichs  und  unnsirn  Conrads  zu 
Bappenheym  hoffemeisters  und  Bartholomeus  yon  Bybra  obir- 
marschalks  von  unnsers  gnedigen  hern  herczogk  Wilhelms 
seyten  ufgedruckten  insigeln  den  parthien  obirgeben,  am  tage 
und  im  iare  obgeschrebin. 

Nach  Konzept  im  Haupt-Staats-ArchiT  Dresden,  wovon  mir  be- 
glaubigte Abschrift  durch  die  Güte  des  Herrn  AroUvrats  Anemüller 
in  Badolstadt  mitgeteilt  worden. 

8.  Protokoll  zum  (zweiten)  Naumburger  Tage  gehörig.  — 
1449  Noy.  13. 

Handell  zwischen  grayen  Heinrichen  von  Lutenberg  und 
den  yon  Gera  vor  beyder  myner  gnedigen  [herm]  von  Sachsen 
rethen  uff  dem  tage  zcu  Numburg,  der  uff  dornstag  nach 
Martini  anno  etc.  xlviiij^  dohin  berampt,  was  ergangen.  Nach 
ettlichen  reden  und  wyderredin  vor  beyder  fursten  von 
Sachsen  rethen  gesoheen  die  friedebruche  berurnde  und  zcu 
recht  gestalt,  ist  geurteylt  zcu  recht,  daz  die  friedebruche 
zou  erste  sallen  gerechtfertiget  werdin.  Dar  nach  mag  dann 
ein  parthye  die  andern  fürt  schuldigen,  als  sich  gebure. 
XVn.  23 


348      ^^*  Zerttönmg  d«r  Stadt  Qtru.  im  sichsisehea  Brad«rkri«ge. 

Al8  graye  HeiDrioha  von  Swarospurg  herre  zeu  Lutten» 
borg  sine  angprache  than  wolde  wyder  den  alden  Ton  Gera 
umb  Heinczen  und  Hansen  Ködere,  die  er  jm  in  eyme  be- 
tedingtenn  friede  und  riohtegunge  sal  abgegangen  habe,  had 
graye  Heinrich,  ehir  syner  schult  yorgeleget,  den  anlast 
zcwischen  synen  wydertejln,  im  und  beydersiite  den,  die  daz 
mit  beruret,  zcu  Oczioz  als  ein  richtegunge  yon  beyder  myner 
gnedigen  hem  yon  Sachsen  rethen  und  dem  alden  yon  Gera 
begriffen  und  ubirgebin  und  den  lassin  lesen,  der  dann  yon 
werte  zcu  worten  himaoh  geschrieben  sted  und  also  lutet: 
[Folgt  das  Protokoll  des  ersten  Zeitzer  Tages  y.  19.  Juli;, 
s.  Nr.  3.] 

Nach  Konzept  im  GesA.  Weimar  Ee  Nr.  625. 

9.  Schreiben  des  Kurfürsten  Friedrichs  zu  Sachsen  an 
Heinrich  den  Jüngeren  von  Gera.  —  1460  Jan.  26. 

Dem  edelnn  wolgebom  Heinrichen   herre   zcu  Gera  unnserm. 
lieben  gefattemn  unnd  heymlichen. 

Fridrich  yon  gots  gnaden  herczog  zcu  Sachsen  etc.  Edeler 
lieber  getruwer,  gefatter  und  heymlicher.  Alszo  ir  heute 
sontag  yon  unns  gesoheiden  seit  mit  grossem  zcome,  das  uns 
wehe  thut,  das  ir  alszo  zcomig  wart,  wann  uwer  zcom  und 
unser  zcorn  kegen  eynander  nicht  not  ist,  nachdem  wir  an 
eynander  gewandt  sein,  unnd  nach  gelegenheid  der  sache 
gestalt  ist  Wie  dem  allem,  begern  wir  yon  uch  bittende, 
das  ir  an  alles  seuwmen  an  uns  komet,  alszo  wir  nicht 
zcwiyeln,  das  ir  das  thun  wert,  unnd  ap  ir  das  ye  nicht  ge- 
thun  kont,  das  ir  yo  uff  den  sontag  nach  dato  ditz  briefes 
quwemet  unnd  yo  nicht  lenger  aussenbleibet,  wenn  unns 
macht  daran  gelegen  ist,  alszo  ir  das  selber  wol  wisset,  und 
sewmet  damit  nicht,  das  thut  uns  yon  uch  wolgefallen« 
Geben  unter  unserm  secret,  am  sontag  an  sent  Pauelsta^ * 
apostoli,  anno  etc.  V^^. 

Nach  Konzept  in  GesA.  Weimar  D.  p.  349  Nr.  7. 


Di«  Zentörnng  d«r  Stadt  Gera  im  sileiisisehen  Bruderkrieg«.      349 

10.  Schreiben  des  Karfürsten  zu  Sachsen  an  Heinrich 
den  Jimgeren  von  Gera.  —  Dresden  1460  Joni  12. 

Dem  edeln  ern  Heinrichen  hem  zcu  Gera  unserm  heymliohen 
liben  getruwen. 

Fridrich  von  gots  gnaden  herozog  zcu  Sachsen  des  hei- 
ligen Bomisohen  richs  ercsmarschalk  landgraff  in  Doringen 
und  marggraff  zu  Miessen.  Unsirn  grus  zcuvor  edler  libir 
getruwir  und  heymlicher,  uwir  ßchrifft  in  vil  wortten  uns  iczt 
getan  haben  wir  wol  Terstanden,  und  ist  nit  not  die  furder 
ueh  zcu  vernewen  noch  zcuverzeln.  Uns  ist  wol  inndeok, 
daz  ir  uns  habt  zugesagt,  ir  woldet  bei  uns  uch  fugen  und 
mit  uns  ins  feld  rugken,  des  und  allis,  des  ir  uns  schuldig 
seit,  ermanen  wir  uch  auch  mit  flisz  begerende,  daz  ir  on 
allis  yerziehen  bei  uns  ins  feld  komet,  wo  ir  wisset,  da  wir 
sin  werden,  und  in  keine  wiese  ussen  bleibt,  wenn  ir  wol 
wisset,  daz  wir  unser  saohen  uch  getruwen  und  uff  uch  die 
zu  Yolfuren  gestalt  haben.  Umb  Caspar  von  Huwgwicz  und 
Bertold  von  Drachswicz,  also  ir  schreibt,  wollen  wir  furder 
handel,  so  ir  bei  uns  komet,  mit  uch  haben,  und  bleibt  in 
keine  wiese  awssen,  wen  wir  uch  des  gancz  getrawen.  Daz 
wollen  wir  in  allem  gut  gein  uch  erkennen.  Geben  zcu 
Dreszden,  am  fritag  [nach]  Bamabe,  anno  dom.  etc.  1"*^. 

Nach  Konzept  im  GesA.  Weimar  ebenda. 

11.  Kurfürstlicher  Schadloshrief  für  denselben.  —    1460 
[um  Mitte  Juni], 

Gopia  des  schadlosbrieff. 
Wir  Fridrich  von  gots  gnaden  herczog  zcu  Sachsen  laut- 
graff  inn  Doringen  unnd  margraff  zcu  Missen  bekennen 
uffintlich  vor  uns,  unnsere  erbin  und  erbnemeo,  nachdem  wir 
den  edlen  wolgeborn  herren  Heinrichen  herren  zcu  Gera  zcu 
eynem  obirsten  houbtman  über  unnser  furstenthum,  leuthe, 
slosse,  lande  unnd  stete  mit  unnserm  bruder  inn  dieszem 
zcokunfftigem  kriege  auszerwelet,  gekom  und  gesaczt  haben, 
gepieten  wir  bei  unnsern  fürstlichen  hulden  unnd  macht,  das 

23* 


350      ^^®  Zerstoraog  der  Stadt  Gera  im  sächsischeo  Bruderkriege. 

ein  iczlicher  unter  den  unnsem  sich  nach  dem  obgenanten 
unnserm  houbtman  genczlich  richten  unnd  halten  sollen  inn 
allermasz»  als  wir  persönlich  bei  ym  im  felde,  slos  oder  steten 
fanden  unnd  troffen  worden.  Oeschee  aber,  das  der  obgenante 
unnser  heubtman  an  sein  eygen  landen,  leuthen,  Blossen  unnd 
steten,  so  er  uns  und  den  unsem  dieselbigen  seyne  lant, 
sloss  unnd  stete,  wie  offt  das  not  geschee,  mit  aller  seiner 
hilff  zcu  offen,  davon  schaden  neme,  solliche  scheden  gereden 
unnd  globen  wir  vor  uns  unnd  unsere  erben  pey  unsern 
fürstlichen  waren  truwen  den  genanten  unsern  houbtman, 
seine  erben  unnd  erbnemen  davon  zcu  brengen,  schadlos  zcu 
halden  unnd  alle  seine  gebrechen  von  unnsem  wegen  gencz- 
lichen  zcu  entheben,  das  ym  wol  gnugt.  Datum  anno  etc. 
quinquagesimo. 

Nach  Konzept  im  GesA.  Weimar  ebenda. 

12.  Schreiben  der  Kurfürstin  Margarethe  zu  Sachsen  an 
Heinrich  Beufs  den  Jüngeren  gu  Oreie.  —  Colditz 
[1460]  Sept.  30. 

Dem  edelnn  hern  iungen  Beussen  von  Plauwen  herren  zcu 
Grewcz  unserm  lieben  getruwen. 

Von  gots  gnaden  Margaretha  geborne  von  Osterreich 
herczogen  zcu  Sachsenn  etc.  Unnsem  grus  icuvor  edler 
lieber  herre,  wir  lassen  uch  wissen,  das  dy  Behemen  ufF  morgen 
donrstag  hyn  geyn  Fegauw  zeihen  werden,  herczog  Wilhelms 
do  harren  werden,  unnd  alszo  balde  herczog  Wilhelm  zcu 
den  Behemen  kumpt,  so  wollen  sie  von  stund  an  vor  Gera 
zeihen  unnd  davon  nicht  komen,  sie  habens  denn  gewonnen. 
Himmb  begern  wir  von  uch,  ir  suUet  dem  von  Gera  von 
stund  an  botschafft  thun,  das  er  sich  wisse  darnach  zcu  richten, 
wenn  wir  das  inn  warheid  erfarn  haben.  Geben  zcu  Coldicz, 
am  mitwoch  nach  Michael. 

Nach  Konzept  im  GesA.  Weimar  ebenda. 

13.  Schreiben  des  Kurfürsten  an  Heinrich  den  Jüngeren 
von  Gera.  —  1450  Okt.  9. 


Die  Zerstörung  der  Stadt  Gera  im  sächsischen  Bruderkriege.      351 

Dem  edelnn  herren  Heinrichen  herren  zcu  Gera  unnserm  rat 
und  liebenn  getruwenn. 

Fridrich  von  goU  gnaden  herczog  zcu  Sachsen  des  hei- 
ligen Eomischen  reiche  erczmarschalgk  lantgraf  in  Doringen 
und  margraff  zu  Miessen.  Unsem  grus  zcuvor,  edeler  heym- 
licher  lieber  getruwer.  Als  ir  uns  habt  geschrieben,  ir  wollet 
zcu  uns  komen,  so  stargks  ir  ymmer  werden  könnet,  aber 
mit  den  uwern  uff  Kempnicz  zcu  zeihen,  nachdem  dy 
Behemen  iczund  ligen,  sei  uch  sollich  zeug  gar  uneben  etc., 
als  das  uwer  brieff  forder  vermeldet ,  haben  wir  wol  ver- 
standen unnd  können  wol  gemergken,  das  das  alszo  ist,  von 
uch  mit  ganczem  vleis  begernde,  ir  wollet  mit  den  uwernn 
inn  gereitschafft  sitzen  rüstig  zcu  sein,  unnd  wenn  wir  uch 
anderweit  schrieben  und  benennen  werden,  wu  ir  zcu  uns 
stossen  suUet,  unns  dann  an  dieselben  ende,  so  stergks  ir 
werden  könnet,  mit  macht  volgen.  Das  wollen  wir  gein  uch 
inn  gute  unvergessen  sein.  Geben  zcu  Kempnicz,  am  freitag 
Dyonisii,  anno  dom.  etc.  1°^ 

Nach  dem  Konzept  im  GesA.  Weimar  ebenda. 

14.  Heinrich  van  Gera,  Herr  zu  Lobenstein^  bittet  den 
Schöffenstuhl  zu  Magdeburg  um  ein  Bechtsgutaehten 
in  Sachen  der  Geraischen  Schadlosfordertmgen.  — 
[1463—1466]  1). 

Wir  Heinrich  von  Gera  herre  zu  Lobinstein  nemen  uns 
ye  für  und  nicht  zcweiveln  billich,  das  der  durchleuchte 
hochgeborne  furste  und  herre  her  Friderich  herczoge  zu  Sachsen 
des  heiligen  Romischen  reichs  erczmarschalg  lantgrave  in 
Doringen  und  marcgrave  zu  Meissen  unnser  gnediger  herre 
die  scheden  zu  Gera  nehist  in  der  verlust  leider  ergangen 
gancz  und  gar  beczalen,    richten  und   auch   gern   tun  werde, 


1)  Wegen  der  Datierung  vergl.  S.  336.  —  Zur  leichteren  Orien- 
tierung sind  die  Seiten  der  Handschrift  durch  am  Rande  zugefügte  Zahlen 
(1 — 8)  bezeichnet. 


352     ^^^  Zerstörang  der  Stadt  Ger«  im  sächsischen  Bruderkriege. 

unnd  das  man  unsers  furnemens  billiohkeit  als  kegen  seinen 
gnaden,  so  wir  im  mansohafth  und  ratishalben  gewant  sein, 
nicht  anders  zu  tun,  wu  wirs  verstanden,  zoimpt,  dester 
grunüioher  verstehen  mag,  setzen  wir  von  erst  des  Schadens 
herkunft,  als  hemoch  volget: 

Sich  hatt  begebin,  das  der  wolgeborne  grave  Heinrich 
von  Swarczpurgk  herre  zu  Arnstet  und  Sundershusen  des  ob- 
genanten  unsers  gnedigen  hem  herczogen  feint  wart,  darumme 
sein  gnade  mit  hereskreften  uff  in  czoch  in  das  land  zu  Doringen 
und  saczte  auch  zu  haubtmanne  den  wolgebornen  herren 
Heinrichen  herren  zu  Gera  seliger  gedechtnisse  unsera  lieben 
brader,  der  sust  sein  gehuldeter  man,  rat,  diner  und  hofe- 
gesinde,  und  als  menlich  verstund,  im  wol  zu  gefallen  was, 
zcoch  und  lag  aislange  uff  dem  obgenanten  von  Swarczpurg, 
bisz  das  herzog  Wilhelm  seiner  gnaden  bruder  auch  sich  be- 
sampte  und  dem  von  Swarczpurg  obgnant  zu  hülfe  und  rettung 
unnserm  heru  herczogen  Friderichen  in  sein  forsten tumb 
widerumb  zcoch  nemlich  in  das  Osterland,  herete  und  brante 
umb  Aldemburg  und  lagerte  sich  vor  Gera,  villeichte  in  mey- 
nunge,  sein  bruder  werde  sich  von  des  haubtmans  wegen 
dester  ehr  von  graven  Heinrichen  wenden.  Als  karte  sich 
unser  herre  herczog  der  aide  umme  und  treib  sinen  bruder 
deszmals  von  Gera  ab.  ünder  des  was  marograve  Friderich 
in  der  Margk  uff  unsern  gnedigen  herren  herczogen  Friderichen 
in  das  herczogetumb  zu  Sachsen  geczogen,  als  hadte  unser 
bruder  etliche  reisige,  auch  drabanten  und  wegene  ausz  dem 
beer  gnomen,  mit  den  er  in  das  herczogtum  zu  Sachsen  sich 
wider  die  Mergsohen  wante,  gab  god  den  sig,  das  an  einem 
slaen  der  Merkischen  der  besten  und  treflichstenn  vil  der- 
nyder  gleget  und  über  hundert  gefangen  worden,  das  desz- 
mals das  gnant  herczogtum  also  entschüttet  was,  und  mit  dem 
seibin  frumen  aller  schade  hernach  ergangen  wol  wer  erstatet 
worden,  und  wie  furder  unser  herr  herczogk  Wilhelm  zcoch, 
herete,  zum  andern  mal  Gera  belagirte,  wider  abe  zcoch,  die 
Böhmen  mit  irem  beer  und  er  zusamen  stissen  und  aber 
hereten,    lassen   wir   itczund  ungeschriben,    denne   unser  her 


DU  Zerst5nuig  der  Stadt  G«ra  im  sichsitehen  Bnidtrkrieg«.     3g3 

berosoge  Wilhelm  belagerte  die  ttat  Gera  mit  den  Behmen 
zum  drittenmal,  und  ye  fnrder  dann  eine  andere  etat  gemeinet 
ward,  Ton  wegen  der  hanptmaneohaft,  auch  das  unsers  hem 
hercaogen  FrideriohB  gnade  eine  offenonge  seine  kuohe  da 
zu  haben  begert  und  daruff  die  seinen,  die  Ton  seiner  gnade 
wegen  sieh  zu  Gera  auss  und  in  off  herczogen  Wilhelms 
schaden  beholffen,  da  ligen  hadte,  und  unsser  bruder  also  be» 
legert  tat  vil  botschaft  an  unsem  herren  herczogen  Frideri^en, 
der  in  aber  allemal  wol  tröste  und  empot,  er  solde  Teste 
halden.  Sein  gnad  hiss  auch  grayen  Ernsten  tou  |{  Gleichen, 
der  doch  seiner  gnaden  hofemeister  ist,  und  andere  mer  un- 
serm  bruder  zu  volgen,  dahin  oder  wuhin  er  begerte  zu  reiten 
und  komen,  als  ward  Gera  die  stat  genotiget,  gewunnen,  us- 
gebrant,  yil  erslagen^),  und  unser  bruder  alsz  ein  haubtman 
mit  dem  von  Orlamunde,  dem  borograven  und  fast  guten  leuten 
gefangen,  alsbalde  zcwisschen  den  fursten  gefridet  und  eins 
tags  in  dem  seibin  fride  zu  Bamberg  zu  warten  uff  redeliche 
behorunge  gemacht,  alle  gefangen  darauff  getaget,  usgeslossen 
unser  bruder,  der  von  Orlamunde  und  der  borcgraye,  worden 
kegen  Behmen  gefnrt,  darnach  der  tag  zu  Bamberg  und  die 
yerhorunge  abgetilget,  und  das  gar  gericht,  alle  gefangen,  die 
aosz  der  Marg  und  andere,  die  darunder  gefangen  waren,  losz 
gegebin,  aber  unser  bruder,  der  Ton  Orlamunde,  der  borcgraye 
unde  alle  mit  in  zu  Gera  gefangen  bliben  zu  Behmen  be- 
sitczen  und  alslange  swerlich  und  gef englich  gehalden,  bisz 
leider  unser  bruder  und  ir  yil  storbin  und  die  andern  her- 
nach geschaczt  worden  und  etliche  noch  gefangen  seyn,  das 
zcelen  wir  unserm  hem  herczogen  und  den  einen  nicht  zu 
unglympfe  zu,  dann  in  unsem  syn  wil  nicht,  das  sulch  fride 
und  richtigunge,  darinne  unser  bmder  und  die  andern  gefjEtngen 
haften  bliben  und  geschaczt  sein,  in  keiner  andern  meynunge 
gesehen  sei,  danne  das  man  solchen  lobelichen  fride  zcwisschen 
den  fursten  damit  nicht  habe  wollen  abslaen  und  dennoch  unsem 
bruder  und  die  andern  gar  trostlich  losen  und  ires  gefengnisses 


a)  Am  Rande  von  anderer  Hand:  leribatnr  ultra. 


354      I^i®  Zerstörung  der  Stadt  Gera  im  e&ohsischen  Bruderkriege. 

wol  ergetosen  wolle,  das  sie  sich  des  fridei  und  der  richtigong^ 
auch  als  billich  wer,  gefrauwea  muchten,  darumb  auch  oneer 
bruder  uoBerm  gnedigen  hern,  auch  landen  unde  leuten  zu  eren 
nicht  swermütig  darinnen  und  deshalben  auch  nicht  angelympf 
darinne,  sundern  eine  gute  meynunge  gewest  ist,  und  hedten 
wol  gemeynet,  unser  gnediger  herre  werde  nicht  aufgeozogen 
haben,  dem  so  tun  werde,  und  were  ir  vil  mer  gewest,  alle 
geloset,  und  solde  er  sich  darumb  etwaz  grosses  derwegen 
haben,  und  meinen  das  noch,  als  er  danne  [an]  manchen 
enden  lauten  lisz  und  uns  selbis  zusagte,  als  er  uns  gegen 
Breslaw  schickete,  er  wolde  unsern  bruder,  der  die  zceyt  noch 
lebte,  wol  losz  machen  oder  wider  leib  noch  gud  behaiden,  zn 
Brüx  darumb  tage  gehalden,  geteidinget  und  uff  eine  schatczung^ 
damit  die  gefangen  losz  solden  werden,  dabei  es  aber  nicht 
bleib,  gegriffen  had,  auch  eine  steur  angeslagen  und  aufsaczte 
zu  nemen  von  der  lantschaft,  die  da  hoch  zu  herczen  nummen 
und  betrachten,  das  man  sulche  frume  leute,  die  so  erberiich 
in  getruwen  dienste  demyder  gelegen  waren,  gancz  losen 
und  ire  scheden  beczalen  solde,  und  dester  über  das  willigeten^ 
wie  wol  sie  kaum  yor  einem  iare  vor  auch  steur  gegebin 
hadten^).  Wir  gaben  auch  Seiferten  yon  Salder  und  Er- 
harten vom  Ecker,  da  unser  bruder  gereit  tod  was  und  die 
andern  gesohaczt  waren,  dorch  geheisz  unsere  gnedigen  hem 
herczogen  Friderichs  losz,  die  doch  nymants  anders  gefangen 
warn  noch  globit  *  hadten,  danne  unserm  bruder  und  einen 
erben,  und  von  etlichen  gesellen,  die  uff  ihre  eigene  ebentur 
ebenteurten,  gefangen  und  so,  wanne  sie  der  sust  nymande 
8  gönnen  noch  zufügen  wolden,  an  unsern  {|  bruder  bracht  wor- 
den, die  er  danne  mit  gunst  unsere  gnedigen  herren  vor  sich 
in  sunderheit  behilt,  waren  reicher  gefangen  zwene,  und 
weren  ir  yil  und  noch  reicher  gewest,  hedten  wirs  doch  ge- 
tan, und  wir  hadten  aisgar  nicht  zcweiyels,  das  ymant  so 
grob  sein  und  als  einen  solchen  fromen  fürsten  anders,  danne 
das  er  die  gefangen,    so  demyder  gelegen   und   in  richtigung 


a)  Am  Rande  von  anderer  Hand:  usqne  hne. 


Die  ZerstdraDg  der  Stadt  Qera  im  sächsischen  Braderkriege.     355^ 

behaft  und  gesohaost,  genozlich  losz  und  sehadelosz  maoben 
solde,  raten  oder  gewenen  worde.  Nu  finden  wir  wol,  das 
manoherley  leute  uff  ertreioh  sein,  das  einsteils  solchs,  wie 
bösen  grund  das  hatt,  dennoch  raten  und  gewenen  torren, 
doch  daran  sein  gnade,  als  wir  die  wissen,  nicht  keren  wirdet, 
und  man  lest  lauten,  unser  gnediger  her  sei  der  soheden  zu 
Gera  empfangen  unserm  unmündigen  yedtem  nicht  pflichtig, 
als  wir  hernachmals  stuokeweise  darnach  unsere  widderrede 
und  mehr,  daruffe  wir  gründen,  setzen. 

Item  sie  lassen  lauten,  unser  herre  habe  unserm  bruder 
geweret  zu  reyten  kegen  Gera,  ez  sie  nicht  zu  behalden  ge- 
west,  hedte  in  über  bey  im  behalden  und  gewost,  darüber 
sei  er  dahin  geryten,  und  was  im  Schadens  darnnder  ent- 
standen sei,  gehe  unsern  herm  nichts  an  zu  entgelden. 

Item  es  sei  übel  bestalt  und  yerhomut  worden,  des^ 
halben  in  die  scheden  auch  nicht  angehen  solle. 

Item  es  habe  auch  unser  herre  herczog  Wilhelm  selbe 
schulde  SU  unserm  brudere  gehabt  und  darumb  auch  unser 
bruder  herczogen  Wilhelms  feint  worden  sei,  deshalben  aber 
unser  herre  die  scheden  obgedacht  zu  keren  nicht  pfliohtig  sei. 

Item  darumb,  das  die  stat  nicht  unsers  hern  herczogen, 
Bundem  nnsers  bruders  selbst  gewest  ist,  ab  nu  unser  herr 
als  ein  fnrste  zu  unserm  bruder  als  dem  sinen  die  seinen 
kegen  Gera  das  zu  behalden  gleget  hedte,  und  da  der  schade 
ergangen  sei,  so  sei  es  gnug,  das  er  den  sinen,  die  er  da 
gehabt  habe,  usrichtung  thu  und  sei  nicht  pflichtig  umb 
uDsers  bruders  und  seiner  manne  scheden,  die  ime  seine  stat 
'haben  wollen  helffen  behalden,  und  ab  er  wol  sein  haubtman 
gewest  ist,  so  sei  er  dasmal  in  seiner  eigen  stad  gewest  die 
zu  behalten. 

Baruff  ist  unser  widderrede  und  auf  den  ersten  artikel, 
das  unser  herre  unsern  bruder  nicht  gern  gesehen  habe  kegen 
Gera  zu  reiten  etc.,  und  wir  sprechen,  unser  bruder  seliges 
gedechtnusse  ist  unsers  gnedigen  hern  herczogen  haubtman 
und  darumb  ime  verbunden  gewest,  das  er,  so  sein  gnade 
das    ernstlich    hedte   wollen  von    ime  haben,   bei   im   müssen 


356      ^^®  ZerstÖniDg  der  Stodt  Qera  im  sächsischen  Braderkriege. 

bleiben,  darauBZ  und  auch  das  unser  herre  ye  unsern  bruder 
getrost,  andere  die  seinen  su  im  kegen  Oera  ges^icket  und 
grayen  Ernst  seinen  hofemeisteri  wie  obin  berurt,  unserm 
-4  brudere  zu  Tolgen  etc.  geheissen  hatt  \\  wol  zu  meroken,  das 
er  wider  sinen  willen  dahin  nicht  geryten  ist»  und  getrauwen 
lose  rede,  ab  ez  yderman  gern  oder  ungern  gesehen  hedte, 
solle  unserm  unmündigen   vettern    nicht  zu   schaden    komen. 

Uff  den  artikely  das  es  yerhomutet  sey  etc.,  sprechen 
wir:  Wir  hören  zumal  ungern,  das  man  in  nu  ein  solchs 
nachsaget,  in  meynunge  billiohen  glassen  werde,  wanne  doch 
unser  herre  herczoge  umb  der  rede  willen  der  scheden  nicht 
emprochin  gesein  mag,  sundem  wanne  ein  haubtman  das 
beste,  als  er  verstehet,  getreulichen  tutt,  als  er  danne  ane 
zoweifel  getan  hatt,  so  lesset  man  in  unbillich  entgelden,  ab 
er  anders,  danne  er  gern  sehe,  geret^t. 

üff  den  artikel,  unser  bruder  habe  selbs  fehde  gehabt  etc., 
meinen  wir  mit  unsere  hern  herczogen  Wilhelm  verdagungen 
die  zceyt  gebort,  darinne  er  schreib,  er  wer  graven  Heinrichen 
von  Swarozpurg  etc.  zu  redtunge  wider  uff  den  iungen  von 
Gera  geczogen,  und  auch  mit  der  haubtmanschaft  und  allem 
liandel  obin  gemeldet  verleget  haben. 

Uff  den  artikel,  er  sei  in  sein  selbis  stat  demyder  glegen 
etc.,  sprechen  wir,  das  unserm  bruder  habe  gefuget  nicht 
anders  danne  alsze  einem  haubtmann  zu  Oera,  wie  wol  es 
sein  stat,  und  doch  damit  unserm  hern  herczogen  gewertig 
gewest  ist  ader  andern  enden,  daweil  die  haubtmanschaft  nicht 
abgewest  ist,  legen  und  tun,  damit  und  das  unser  herre  her- 
czoge Friderich  seine  kuche  zu  Oera  gehabt  hatt,  und  anoli' 
mit  einem  brife,  den  wir  von  der  herschaft  haben,  und  die 
artikel,  die  das  uszdmoken,  hernach  gesaczt,  solle  die 
wehr^),  als  wir  meynen,  gebrochen  sein. 

Des  brifs  obgemelt  erster  artikel  ^): 

Auch  ist  beteidinget,  das  Oera  das  slosz  und  alle  andere 
Ire  slosz,  die  sie  von  uns  zu  lehne  haben,  unsere  und  unserer 


1)  =  Gewahr. 

2)  Vergl.  mein  ürkdb.  der  Vögte  etc.  II,  Nr.  221  u.  222. 


Di«  ZerftSmog  der  SUdt  Gera  im  tächsisehcn  Bruderkrieg«.     357 

«rbin  uffene  sIobz  sein  Bollen  zu  allen  unsern  noten  und 
krigen  allermenigliohem  nymandes  ausgnomen,  wie  dicke  wir 
und  unser  erbin  ymmer  des  bedorffen,  also  ab  wir  die  unsem 
in  ire  slosz  legten  zu  unsem  krigen,  das  solden  wir  tun  uff 
unser  eigene  koste  und  mit  den  solden  wir  bestellen,  das  sie 
«6  Tor  schaden  bewarten,  so  sie  beste  mochten,  ane  geyerde. 

Der  andere  artikel: 
{  Mehr  ist  gerett,  ab  die  obgnanten  von  Gera  oder  ire  5 
«rbin  eniche  festen  yerluren  von  unser  krige  wegen,  so 
solden  wir  und  unser  erbin  uns  nummer  gesunen  noch  ge- 
franden  mit  den,  die  uns  und  in  den  schaden  zugeczogen 
hedten,  den  egnanten  von  Gera  und  iren  erbin  were  vor  ir 
slosz  wider  worden  ader  mit  in  gemacht,  das  in  billichen 
daran  gnuget 

Der  dritte  artikel: 

Wer  auch,  das  wir  oder  unsere  erbin  der  egnanten  tou 
Oera,  irer  erbin  oder  irer  manne  bedorften  mit  uns  oder  mit 
unsem  hanbtleuten,  zu  den  wir  sie  schicketen  zu  felde  zu 
seien,  den  solden  wir  yor  schaden  stehen  als  andern  unsern 
hern  und  mannen. 

Der  yirde  artikel: 

Wer  auch,  das  wir  oder  unsere  erbin  die  unsern  legeten 
uff  der  egnanten  tou  Gera  ader  uff  irer  erbin  slosz,  da  sie, 
ire  erbin  ader  manne  seibist  uffe  weren,  nemen  sie  schaden, 
den  sollen  wir  und  unsere  erbin  in  oder  iren  erbin  legen, 
als  mugelichen  were. 

Es  hat  auch  unser  gnediger  herre  herczog  Friderich 
seiner  lantschaft  einen  brif  gebin  sie  bei  alden  freiheiten  und 
Privilegien  zu  bleiben  lassen,  darumb  diser  gemeldeter  brif 
dester  billicher  bei  kreften  bleibet. 

Zu  Steuer  unsers  billichen  fumemens  setczen  wir  mer 
gründe,  worumme  unser  gnediger  herre  die  kost,  scheden  und 
Terierbnisse  zu  Gera  entstanden  richten  und  erstaten  sol,  und 
das  darozu  nicht  wegerunge  gehöre  oder  eniche  were,  tuge 
noch  bestehen  muge,  so  usz  der  handelunge  obin  gemeldet 
^di  auch  finde   und    hernach   stuckweise  geschriben  stehen. 


358      ^^^  Zerstörang  der  Stadt  Gera  im  sftchsiscben  Bruderkriege. 

Item  zum  ersten  darumb:  Es  sol  der  man  dem  herren 
dinen  und  der  herre  dem  manne  vor  schaden  stehen  durch 
recht,  als  had  unserm  gnedigen  hern  herczogen  Friderichen: 
unser  bruder  seliger  gedechtnisse  in  allen  sinen  krigen  und 
sust  getreuliohen  gedinet  nicht  alleine  als  sein  man,  hofe- 
gesinde  und  ratt,  sundern  auch  in  disem  obgedachten  krige 
als  sein  haubtman,  darumb  sal  euch  sein  gnade  nicht  alleine 
schaczgelt,  pferde  und  hamasch  als  einem  andern  gemeyneik 
manne,  soldener  oder  mitreiter,  sundern  das  und  auch  sust  alle 
andern  scheden  unde  yerterbnisse  vor  schaden  stehen,  das^ 
keren  und  richten  pflichtig  sein,  als  er  sich  danne  verlassen 
hat  und  im  zugesaget  ist. 

{;  Item  darumb,  das  auch  der  frume  wol  vorhanden  gewest 
ist  nemlich  an  den  Mergschen  in  seiner  haubtmanschaft  im 
herczogetumb  zu  Sachsen  gefangen,  wie  obin  berurt,  danne 
ab  ez  ein  gemeyn  gesellen  krig  und  reiten  gewest  wer  und 
nymant  dem  andern  für  schaden  gestanden  hette,  dennoch 
solde  man  den  schaden  mit  dem  frumen  gericht  haben.  Alsz 
man  danne  damit  der  helfte  des  frumens  die  scheden  all& 
gnuglichen  gerichtet  hedte. 

Item  darumb  das  unser  herre  herczog  Friderich  seine 
kuche  zu  Gera  gehabt  had,  und  da  dannen  auch  seine  hofe- 
leute  unserm  hern  herczogen  Wilhelmen  faste  schaden  gefuget 
und  sich  des  beholfen  haben,  des  und  der  haubtmanschaft 
halben  unser  bruder  und  die  stat  dester  mehr  gegremet,  ge- 
meynet,  herter  angegriffen,  zum  hertesten  ime  und  den  seinen 
geraten  ist,  ye  sein  forstlich  gnade  ein  solchs  auch  uff  das 
höchste  billich  bedechte  und  auch  gehalden  werde  nach  laute 
des  brifes  vorgemeldet,  der  umme  die  kuche  uszdrucket. 

Item  darumb,  das  sein  gnade  unsern  bruder  also  belegert 
vil  getröstet  hatt  und  lassen  trösten,  hülfe  und  rettunge  za 
sagen,  und  ab  das  ime  und  den  seinen  zum  ergesten  geratea 
ist,  so  mag  doch  sein  gnade  seinem  nachgelassen  sune  in  den 
und  andern  sachen  wol  trost  und  hülfe  erscheinen  lassen. 

Item  darumb  weren  von  unsere  gnedigen  hern  feinden- 
gebaur  oder  sust  gemeyne  leute  über  irer  erbeit  oder  anderer^ 


Die  Zerstörung  der  Stadt  Gera  im  sächsischen  Bruderkriege.      359 

irer  selbiet  handelungen  gefangen  und  worden  die  selbigen  in 
richtigung  des  kriga  aasen  glaeaen  und  von  den  yeinden  ge- 
«chaczt,  80  aolde  dennoch  die  aelbin  also  geschaczten,  wie  wol 
sie  nicht  an  unaers  gnedigen  hern  dinste  gewest,  da  sie  be- 
treten weren,  dennoch  losz  und  unaohadehaft  gemacht  werden, 
Bolde  anders  die  richtigung  ein  tugeu  haben,  nochmehr  unser 
bruder  seliger  gedechtnisse  nu  der  seiner  gnaden  getruwe 
haubtman  gewest,  das  im  leider  alczu  swer  worden,  nyder 
gelegen,  yerterbit  und  gestorbin  ist,  die  andern  in  richtigung 
swerlich  gesessen  und  geschaozet  sein,  solde  reichlichen  er- 
stattet werden,  und  darczu  ye  nicht  widderrede  gehören. 

Item  darumb,  das  wir  einen  briff  wie  obingedacht  Ton 
seiner  gnade  eldem  seliger  gedechtnisse  vor  ire  erbin  sich 
kegen  uns  und  unsern  erbin  verschriben  darüber  haben. 
]|  TJnnser  bruder  hat  auch  mit  graven  Hansen  von  Hon- 7^) 
stein,  ern  Hansen  von  Blanckenberg  ridtem  und  Veiten  von 
Obirnicz,  die  an  seiner  band  von  etlichen  gesellen  in  sunder- 
heit  gefangen  worden,  die  er  mit  gunst  unnd  willen  unsers 
gnedigen  hern  vor  sich  hadte,  grayen  Ludewigen  von  Glichen, 
-der  unserm  hern  herozogen  Friderichen  abgefangen  was,  losz 
gemacht  unnd  der  yil  mynner  und  die  helfte  nicht  alsvil 
hadte  kegen  dem  und  umb  alle  gefangen,  die  unser  bruder 
seliger  gedechtnisse  yor  sich  seibist  mit  unsers  gnedigen  hern 
gunst  gehabt  hedt  und  doch  hynnach  in  seiner  gnaden  frumen 
gewant  und  losz  gelassen  weren,  alsz  wir  meinen,  unsir  alder 
hör  herczog  unserm  unmündigen  yedtern  eine  sundere  wider- 
statunge  tun  solle. 

11  Item    darumb   das    grayen   Ernsten    um    seine    yerterbnisz  8^) 
nsrichtung  gesehen  ist,   noch   mer  aolde   unserm  bruder,    der 
ein  haubtman  gewest  ist,    nsrichtung  umb  seine  soheden  und 
yerterbnisse  geschehen. 

Item  darumb,    daz  man   etliche   usz    der  Marg  gefangen 
unsern    yedtern  Beussen    oder  yon  Weida  yerheissen   hadten 


a)  Einschiebung  bis:    Wir  getrauwen.  —    b)  Hier    greift   die    Ein- 
«cbiebung  auf  S.  8  der  Handschrift  über. 


360     ^'^  Zent5nuig  der  Stadt  Gera  im  sXchsSsehen  Bruderkriege. 

an  ihre  hant  zu  komen  lassen,  un8eT[m]  bruder  and  sinen 
mannen  zu  gute,  damit  dester  furderlicher  losz  zu  werden. 
II  Wir  geirauwen,  sintmals  unser  bruder  des  kriges  unser» 
gnedigen  hern  herczogen  Frideriohs  keyn  orsache  noch  uff- 
setzczer,  sunder  alleyne  houbtman  gewesin  ist  und  zu  Gtera, 
da  sein  gnade  kuohe  zu  haben  begert  und  die  sinen  da  ligen 
gehabt  hatt,  mit  vil  seiner  gnaden  mannen  und  dinem  yer» 
legen  gewest,  und  also  von  den  yeinden  die  stat  Oera  ge- 
wonnen ist,  er  mitsampt  andern  darinnen  nydergelegen  eins- 
teils  erslagen,  die  andern  in  befridung  und  riehtigung  in  ge^ 
fengnisse  gestorbin  und  geschaczt  worden  sein,  als  wissentlich 
ist,  und  beweisen  mugen,  so  sol  unser  herre  herczog  Friderioh 
die  kost  und  scheden,  die  unser  bruder  seliges  gedechtnisses^ 
und  alle  seine  man  und  diner  in  sulohem  krige  und  einem 
iclichen,  der  kegen  Oera  komen  wem,  yon  in  seibist 
ader  yerboth  den  zu  Gera  zu  helfPen,  gnomen  und  empfangen 
hedten,  ganz  richten  und  das  nach  laute  des  brifes,  der 
darumb  sagt,  halden,  [aucjh*^)  die  scheden,  yerterbnisse  und 
ergerunge,  die  unser  bruder  an  der  st[adt  Gera] ')  unnd  seiner 
kegenheit  gnomen  hatt,  legen  und  erstatin,  [darum  dasjz*) 
er  haubtman  gewest  ist. 

Und  wir  gnante  Heinrich  yon  Gera  herre  zu  Lobinstein 
bitten  euch  ersamen  herren  scheppin  der  alden  stad  Magde-^ 
bürg  hir  uff  zcu  sprechenn,  was  recht  ist. 

Hdschr.  im  Fürsa  Hansarehiy  Schleis  8  I  BL  4^7.  Aufsclir. 
ans  llfitte  des  16.  Jahrh.  ron  des  buggrftfliohen  Kanzlers  Johann 
Stenglin  Hand:  Ain  belemong  an  die  hemn  scheppen  sn  Magdaburg 
des  gemeinen  schaden  halben  in  eroberong  der  stadt  Gera  im  1450 
[iare],  darinnen  ain  her  von  Gera  hertzog  Friderichen  zu  Sachssen 
churfarsten  etc.  oberster  feldthanptman  gefangen  gegen  Behaim  gefordt 
und  in^der  gefengnuss  gestorben,  gesteldt 

a)  Loch  in  Handsdirift. 


Die  Zerstarung  der  Stadt  Gera  im  glehiischen  Bruderkriege.     Sgl 


Miszellen. 


XVTI. 


24 


Schütsenmeister  und  GesohütsgieCier  der  Wettiner  im 
14.  Jahrhundert. 

Mitgeteilt  too  StMtMreblTar  Dr.  Wo  Id.  Lippe  rt 

In  den  y^Historieohen  ünterBuchungeo,  Ernst  Företemann 
zum  50-jährigen  Doktoijubiläum  gewidmet^'  (^^ipzig,  Teabner, 
1894)  habe  ich  in  einem  Aufsätze  y,Über  das  Geechützwesen 
der  Wettiner  im  14.  Jahrhundert''  eine  kurze  Skizse  sowohl 
über  die  Yerhältniise  der  alten  Waffengattung  der  Ballisten, 
wie  über  die  Einführung  der  Feuerwaffen  in  das  Geschütz- 
wesen  der  Wettiner  (seit  1871)  gegeben  und  eine  Anzahl 
Urkunden  beigefügt,  landesherrliche  Bestallungen  für  Schützen- 
meister  und  für  Büchsenmeister  aus  den  Jahren  1358 — 1405 
und  die  älteste  mir  bekannt  gewordene  Geschützgiefserbestallung 
aus  dem  Jahre  1449.  Durch  Mitteilung  dieser  Urkunden  soll 
keineswegs  das  einschlägige  Material  erschöpft  sein,  denn  eine 
specielle  Durchforschung  nicht  blofs  des  Dresdner,  sondern 
auch  der  thüringischen  Archive  wird  gewifs  noch  zahlreiche 
Nachträge  liefern  ^),   die   sachlich  nichts   wesentliches  Neues 


1)  Von  den  ft.  ft.  O.  S.  85  and  91  gedruckten  Bestallungen  für  den 
Tbamtbrtteker  Sehfltsen-  nnd  den  Dresdner  Bfichsenmeister,  beide  yom 
13.  Joni  1S71»  finden  sieh  Eintr&ge  auch  im  Copiel  80  fol.  29  b,  von 
denen  der  erstere  gani  gleiehlaotend  ist  mit  Cop.  26  fol.  91b,  der 
sweite  nnr  wenig  abweicht:  ,Jtem  domini  contuleront  Johann!  Scbnstel 
(so  laatet  hier  die  Form)  ianiori  qnatnor  sezagenas  et  II  maldra  fmmenti 
de  precaria  in  Dresden  saper  festo  Walpnrgis  et  Michaelis  singulis  annis 
ad  eae  rite  tempora  capiendas,  donec  domini  dozerint  revocandum.  Datam 
anno  LXXI*  feria  sezU  ante  Viti.<* 

24* 


366  Mi«ieUen. 

liefern  werden,  denn  die  Gehalts-  und  Lieferungsverhaltnisse 
sind,  von  Abweichungen  in  den  Zahlen  abgesehen,  in  dem 
behandelten  Zeitraum  immer  die  gleichen.  Eine  Ergänsang 
aber  hat  sich  inzwischen  gefunden,  die  sachlich  nicht  un- 
wesentlich ist:  eine  Geschütsgiefserbestallung 
bereits  aus  dem  Jahre  188  8.  ,8ie  zeigt  uns  also,  daTs 
schon  bald  nach  Einführung  der  neuen  Waffe  die  Wettiner 
auch  betreffs  der  Herstellung  yon  Feuergeschützen  sich  auf 
eigene  Fülse  stellten,  um  in  gefährlichen  Zeitläufen  nicht  von 
auswärtigen  Geschäftsbeziehungen  abhängig  zu  sein,  und  zwar 
ist  es  Landgraf  Balthasar  yon  Thüringen,  auf  den  schon 
a.  a.  0.  8.  89  als  besonderen  Freund  der  neuen  Kampfmittel 
hingewiesen  ist,  der  sich  einen  eigenen  Büchsengiefser  zu 
Gotha  hält.  Die  Urkunde  ist  in  mehrfacher  Hinsicht  in- 
teressant,  denn  sie  giebt  uns  auch  einen  Fingerzeig  fCLr  die 
Art  der  Geschützbereitung,  indem  eine  Eupferlieferung  an- 
geordnet wird,  und  femer  gewährt  sie  zugleich  ein  Zeugnis 
für  die  Ausbeutung  der  Kupferminen  zu  Sangerhausen. 

Da  die  früheren  Urkunden  und  Regesten  gröCstenteils 
sich  auf  Thüringen  bezogen  (yon  15  Stück  betreffen  9 
Thüringen,  und  zwar  Weimar,  Jena,  Koburg,  Gotha,  Alten- 
burg, Salza,  Thamsbrück),  möge  die  Yeröffentlichung  der 
obenerwähnten  Giefserurkunde  yon  1888  in  dieser  Zeitschrift 
erfolgen  und  dabei  zugleich  noch  ein  paar  andere  Ergänzungen 
mit  beigegeben  sein. 

Für  Markgraf  Friedrich  den  Ernsten  sind  a.  a.  0.  S.  81 
als  Zeugnisse  für  die  Yerwendung  yon  Schützen  im  Felde  die 
Stellen  des  Chronicon  Sampetrinum  über  die  Belagerungen 
yon  Nebra  1841  und  Salza  1846  angeführt  Doch  gerade 
für  ihn  haben  wir  eine  wichtige,  noch  etwas  ältere  Beleg- 
stelle in  der  interessanten  Ordnung  des  thüringischen  Land- 
friedens,   die    Friedrich    am    30.   Noyember    1888    erliefst). 


1)  Betreflfii  des  NSh«ren  begnüge  ich  mich  mit  dem  Hinweis  anf 
J.  Schwalm,  Die  Landfrieden  in  Deutschland  unter  Ladwig  dem  Baiera 
(GSttingen  1889),  S.  94  f.,  184  f.,  der  auch  die  Überlieferung  und  Drucke 
dieser  Urkunde  eingehend  behandelt. 


Miszellen.  QßJ 

Hierin  sind  die  Kontingente  der  einzelnen  Mitglieder  der 
Landfriedensyereinigung  genau  angegeben:  Friedrich  stellt 
50  Beiter,  10  Sohütsen  mit  Buokarmbrüsten  ^),  1  Blide  und 
1  £benhöhe  (fumfczig  man  uffe  rossin  und  aen  sohutzin  mit 
rackearm bürsten  unde  eine  bilden  und  eyne  ebinhoe),  die 
anderen  Grafen,  Herren,  Mannen  uud  Städte  stellen  eine 
ihren  Macht-  und  Yermögensyerhältnissen  entsprechende 
Zahl  Ton  Beitern  und  Schützen.  Dabei  ist  beachtenswert, 
dafs  bei  ersteren  das  Zahlenyerhältnis  der  Beiter  zu  den 
Schützen  ein  anderes  ist,  als  bei  den  Städten ;  denn  der  Land- 
graf stellt  auf  50  Beiter  nur  10  Schützen,  die  Orafen  Fried- 
rieh und  Hermann  yon  Orlamünde  auf  15  Beiter  5  Schützen, 
Graf  Heinrich  yon  Orlamünde  und  andere  Orafen  auf  10 1  ) 
Beiter  je  3  Schützen,  jeder  Dienstmann  für  je  100  Mark 
Jahreseinkommen  d  Beiter  und  2  Schützen,  für  Einkommen 
yon  40—100  Mark  1  Beiter  und  1  Schützen,  unter  40  Mark 
blo(s  1  Beiter,  yon  den  Städten  hingegen  stellt  Erfurt  auf 
nur  25  Beiter  10  Schützen  nebst  1  Bude  und  1  Ebenhöhe, 
Mühlhausen  sogar  auf  10  Beiter  5  Schützen  noch  dazu  mit 
10  Backarmbrüsten,  nebst  1  Blide.  Beim  Aufgebot  des 
Landesherrn  und  des  hohen  Adels  überwiegt  also  die  berittene 
Mannschaft  ganz  bedeutend,  während  bei  den  Städten  —  ent- 
sprechend ihren  Militäryerhältnissen,  die  weniger  auf  Feld- 
dienst  als  anf  Festungskrieg,  besonders  auf  die  Verteidigung 
ihrer  Mauern,  berechnet  waren  —  den  Schützen  mehr  ihre 
gebührende  Stellung  zu  teil  wird. 

In   noch    frühere   Zeit,   aber   gleichfalls   unter  Friedrich 
den  Ernsten,  führt  uns  eine  Urkunde  Herzog  Budolfs  L  yon 


1)  Über  dia  Namen  und  tecbniscben  Unterschiede  der  Armbröste 
sind  in  meinem  Aufsatse  S.  88  die  nötigen  Hinweise  gegeben.  Die  Bliden 
sind  die  sebweren,  grofsen  Warfmasebinen,  die  besonders  zum  Bresche» 
legen,  sam  Einschieisen  der  Tiirme  and  Ähnlichem  dienten.  Die  Eben- 
bdben  sind  Belagerangsmaschinen,  bewegbare  Tflrme  oder  Oertiste,  die, 
wie  ihr  Name  sagt,  der  Höhe  der  feindlichen  Maaern  gleich  oder  nahe 
kamen,  am  beim  Sturm  Verwendung  su  finden  oder  das  Bestreichen  der 
Maaern  und  Plattformen  durch  Geschosse  tu  erleichtem;  s.  A.  Schultz, 
Das  höfische  Leben  zur  Zeit  der  Minnesinger  II,  S.  358. 


368  Misiellen. 

Sachsen  und  der  Fürsten  Bernhard  und  Albrecht  von  Anhalt 
vom  14.  Mai  1327,  worin  sie  dem  ICarkgrafen  ihren  Bei- 
tritt zum  Landfrieden  erklären ;  denn  hierin  werden  das 
sächsische  und  das  anhaltische  Kontingent  auf  je  20  Bewaff- 
nete mit  6  Buckarmbrüsten  und  1  Blide  festgesetzt.  Die 
Mannsohaftszahl  Friedrichs  selbst  ist  zwar  nicht  mit  erwähnt, 
doch  läfst  sich  nach  jenen  Ansätzen  annehmen,  dafs  auch  auf 
ihn  eine  Anzahl  Ruckarmbrüste  und  Bliden  gekommen  sind  '). 

Kriegsschadenvergütung  an  SchüUfen  1362. 

Nota  Stipendium  in  litigio  erga  dominum  de  ICansrelt 
quartale  unius  anni. 

Primo  societas  de  Holbach  Heinricus,  Hartmannus  Out- 
heyl  et  £rhardus,  Theoderious  de  Eichelborn,  Theodericus  de 
Orevendorf,  Heinrious  Zcaozemey,  Heinricus  de  Wiczleiben, 
Heiden  rieh  de  TJlstete  et  Johannes  Talheim  serviverunt  sine 
Btipendio  cumvl  sagittariis 

Item  sagittarius  Bachfleisoh  unum  equum  amiait  ^)  esti- 
matum  VI  sexagenarum  precisorum  (seil,  grossorum). 

Item  Pruthenus  sagittarius  amisit  unum  equum  VI  sexa- 
genarum precisorum. 

Haoptstaatsarohiy  Dresden  Copial  5  foL  71.  Über  diese  Erieg»- 
kostenrechnungen  vergl.  Lippert»  Wettioer  und  Witteisbacher  und  die 
Niederlaoiitff  im  14.  Jahrhundert  (Dresden,  Bftnsch,  1894),  S.  123  t 
Anm.  94.  Abgesehen  von  ihrem  kriegsgeschichtilchen  Werte  sind  sie 
auch  yerfassuDgsgeBchichtlich  interessant,  denn  sie  sind  ein  Zeichen 
des  beginnenden  Einflusses  der  Stfinde  auf  die  landesherrliche  Finani- 
rerwaltang.  FtSr  die  Kriegskosten  gegen  den  Mansfelder  war  «ine 
besondere  Bede  erhoben  worden,  wobei  ausdrflcklich  festgesetzt  wurde. 

1)  S.  Schwalm,  Landfrieden,  8.  116  f.;  von  Heinemann,  Cod.  dipl. 
Anhaltina«  III  (Dessau  1877)  8.  868  Mr.  ÖS6. 

2)  AU  Erginsnng  sn  den  a.  a.  O.  gegebenen  Bemerkungen  Ober 
pertönliebe  nnd  DienstverbiltnitM  der  Schütten  lernen  wir  hieraus  kennen, 
dafji  sie  dem  Fürsten  beritten  ins  Feld  folgten,  ob  simtlioh,  ist  frag- 
lich, wahrscheinlich  aber  die  festangestellten,  landesherrlichen  8chlltien- 
meister,  da  sie  ja  noch  Gehilfen  anter  sich  hatten  and  eine  geachtete 
Stellung  einnahmen. 


MisseUen.  369 

dafs  sie  onter  Kontrolle  einer  bettunmten  Kommiesion,  ohne  izgeMd 
welche  Euunischang  Friedzichf,  tmd  nur  tu.  dem  gedachten  Zwecke 
Yerwendiing  finden  dflrfe. 

7.  September  1888.    Bestallung  für  den  Schütgenmeisier 
zu  Voigtsberg, 

Item  dominus  ooniolit  eagittario  in  Voiciperg  Y  sexa- 
genas  tollendas  de  abbatia  in  Qronenhajn  anoatim,  dum  est 
in  seryioio  domini,  ita  tarnen  quod  idem  sagittarint  domino 
dare  debet  YII  balistas.  Datum  in  yigilia  nativitatb  Marie 
yirginis  anno  LXXXIII^. 

HauptstaatsarehiT  Dresden  Oopial  80  foL  97  mit  der  AiÜMhxift 
«Sagittarii  in  Yoiesperg*'.  Hinter  „annatim''  ein  Wort  »itim''  mit 
er-Kflrzong. 

Gotha  16.  Mai  1888.  Ermächtigung  des  landgräflichen 
Büchsengie/sers  Martin  zu  Gotha  zum  Bezug '  von 
Kupfer  aus  den  Gruben  zu  Sangerhausen., 

Wir  Balthasar  etc.  bekennen  etc.,  das  wir  Mertine  bnch- 
singisser  ozu  Gotha  gesessin  unserm  dinere  solohe  gunst  und 
gnade  getan  habin,  also  das  wir  ym  gegeben  und  gelihin 
habin,  geben  und  lihin  geinwertiglich  in  oraft  diB  brifes  drie 
ozentener  kopfers  uz  unserm  czehenden  nnsers  kopfirwergkes 
czu  Sangerhusin  ufczuheben  und  inczunemen  alle  jar  je  uf 
sante  Miohaelis  tag,  die  wiele  er  bie  uns  in  nnser  stete  eine 
wanet  und  unser  diner  ist  und  wir  auch  des  nicht  wider- 
sprechen und  auch  ym  bequem  .  .  und  heissin  auch  unsern 
innemer  und  Vorsteher  desselbin  unsere  ozenden,  der  uns 
iozund  ist  adir  in  czukunftigen  czieden  sin  wurde,  das  er  ym 
die  alle  jare  in  allir  massey  als  oben  geschriben  stet»  reiche 
und  gebe  yon  dem  egnanten  unserm  czehenden  ane  allin 
Torezog  und  ane  Widerrede;  und  haben  des  czu  Urkunde  etc. 
Datum  Gotha  anno  domini  MCCGLXXXYIII  feria  sexta  ante 
festum  Penthecostes. 

HaaptstaatsarchiT  Dresden,  Copial  2  foL  84,  mit  der  Aufschrift 
»litera  Mertin  buchsinmeisters  aber  drie  lentener  kuppfers  ime  gegeben**. 


370  MigseUen. 

W«imar  6.  Juni  1888.  Belehnung  des  Schütjsenmeisters 
Hans  zu  Weimar  mit  dem  Hofe  rechts  vorm  Schlosse 
0u  Weimar, 
Wir  Balthasar  eto.  bekennen  und  than  kont  offintlichin 
mit  diesim  brife,  alz  er  Friderich  von  Polenozik  rittir  den 
hoff  aUimeste  yor  unserm  sloBze  Wymar  uf  die  rechten  hant, 
alz  man  von  demselben  unserm  slosze  gehit,  gelegin,  yon  uns 
czu  rechtem  lehen  gehabt  hat  und  den  yorkauft  Hanse  unserm 
sohuczemeister  daselbiz  czu  Wymar,  Jutten  siner  elichin 
wirtynne,  und  uns  den  uffgelaszin,  als  gewonlich  ist,  alzo 
haben  wir  durch  sunderlicher  gnade  und  gunst  willen  den 
yorgeoanten  hoff  dem  egenanten  Hanse  unserm  schuczemeistere, 
Jutten  siner  elichen  wirtynne  und  iren  erben  yorerbit  und 
czu  rechtem  erbe  gelegin  und  lihen  mit  diesim  selben  brife 
alzo,  daz  sie  dayone  uns  und  unsern  erben  alle  jar  jerlichen 
uff  sente  ICichels  tag  ein  hüLn  czu  rechtem  erbeozinse  uff  daz 
obgenante  unser  sloz  Wymar  antworten  und  geben  sullen. 
Dez  czu  Urkunde  [etc.].  Datum  Wymar  anno  domini 
M<^GGG<^LXXXyiII  feria  sezta  die  Bonifacii. 
Hanptstaatsarcbir  Dresden,  Copial  29  foL  196  b. 


2. 
Bet  Stars  des  Markgrafen  Foppo  ron  der  Sorbenmark. 

Von  Dr.  O.  Dobenecker. 

Im  Jahre  892  wurde  Poppe,  der  Vorsteher  der  sorbischen 
Mark,  seines  Amtes  entsetzt  ^).  Er  hatte  als  würdiger  Nach- 
folger des  tapferen  Thakulf  mit  kräftiger  Faust  die  Thüringer 
und  die  zu  diesen  stehenden  Slayen  an  der  Saale  880  gegen 
einfallende   Daleminzier,    Gzechen,   Sorben   u.  a.  geschützt '}. 


1)  Begino  in  MG.  S8. 1,  605 :  Boppo  duz  Tharingonim  digniutibus  ez- 
spoliatar  et  ducatoB  quem  tenuerat,  Chnonrado  commendator.  Ann.  Fald. 
in  88.  I,  408:  Poppo  dox  Thoringonim  honoribiu  priTAtoi  est. 

S)  Ana.  Fald.  in  88.  I,  898. 


MUieUeB.  371 

Als  SproTBÜDg  des  yornehmsten  Geschlechtes  in  Ostfranken 
und  als  Brader  des  ausgeseichneteo  Verteidigers  des  Reiches 
Karls  des  Dicken  gegen  die  Normannen  hat  er  auch  am  Hofe 
der  Könige  eine  einfluXsreiohe  Stellung  eingenommen  und  auf 
die  Eegierung  des  Reiches  eingewirkt  ^).  Um  so  auffälliger 
muis  sein  Sturz  erscheinen.  Da  die  Chronisten  nur  das 
Faktum  berichtet  haben,  so  war  der  Spekulation  der  Forscher 
nach  allen  Seiten  Baum  gelassen  worden.  Die  yerbreitetste 
Ansicht  war  bisher,  dafs  der  Tod  Arns,  Bischofs  von  Wüxz- 
burg,  in  ursächlichem  Zusammenhang  mit  Poppos  Absetzung 
stehe.  Gleichzeitig  mit  dem  Zuge  des  K.  Arnulf  gegen 
Mähren  (Sommer  892)  unternahm  Arn  auf  Bat  Poppos  einen 
Kriegszug  gegen  die  Slaven,  nach  Thietmar  im  besonderen 
gegen  die  Czechen.  Auf  dem  Bückmarsoh  wurde  er  an  der 
Chemnitz  im  Gau  Chutizi  am  13.  Juli  892  von  den  Slayen 
überfallen  und  erschlagen  '). 

Trotzdem  Begino  Arns  Untergang  und  Poppos  Sturz 
yoUkommen  auseinanderhält,  lag  es  sehr  nahe,  anzunehmen, 
dafs  Poppe  abgesetzt  worden  sei^  weil  Arn  auf  seinen  Bat 
den  yerhftngnisyollen  Zug  angetreten  und  yon  ihm  nicht  ge- 
nügend unterstützt  worden  sei  ^).  Sohafarik  (Slay.  Altert  II, 
525)  hat  einen  anderen  Grund  mehr  geahnt  als  nachgewiesen. 
Er  meint,  seine  Absetzung  sei  eine  Folge  der  Bedrückung  der 
Glomatscher  und  Chutizer  und  der  daraus  sich  ergebenden 
Unruhe  derselben  gewesen.  Die  Ann.  Fuld.  ad  a.  897,  auf 
die   sich   Schafarik    beruft,   beweisen   freilich   nichts.     Durch 


1)  SS.  I,  601 ;  8.  a.  Dronke,  Cod.  d.  Fnld.  uo.  633 ;  Eckhart, 
Franc,  or.  II,  896  uo.  22. 

2)  BegiDO  in  88.  I,  606;  Thietmar  in  SS.  III,  786;  Mlracola  s. 
Wigberü  in  SS.  IV,  225.  Ober  den  Tag  g.  Eckhart,  Franc,  or.  II,  730 
und  Ann.  necroi.  Fnid.  in  88.  XIII,  187. 

8)  So  schon  Leibnis,  Ann.  imp.  II,  185  und  Eckhart,  Franc,  or.  II, 
780;  DBrnmler,  Ost/r.  B.  II,  356;  Richter,  Ann.  II,  509  (wo  aber  auch 
aof  den  Gegensatz  zwischen  Babenberger  and  Konradiner  hingewiesen 
wird) ;  Knochenhaner,  Gesch.  Thür.  41 ;  Schultes,  Dipl.  Gesch.  d.  grifl. 
Hauses  Henneberg  I,  14. 


372  MisMllen. 

einen  gltickliohen  Fund,  der  jüngst  gemacht  worden  ist, 
kommt  indessen  m.  £.  einigermafsen  Klarheit  in  diese  Frage. 

Ton  Oefele  fand  im  ReichsarchiT  zu  München  einen 
Fascikel  (Literalien  des  Eochstifts  Eichstätt  Nr.  8),  der  unter 
den  Abschriften  Eichstftdter  Urkunden  zwei  Kopien  einer 
Urkunde  des  Kaisers  Arnulf  d.  d.  Begensburg  899  März  11 
enthält.  Arnulf  restituiert  darin  seinem  und  seiner  Yorgänger 
im  Keich  getreuen  und  beharrlichen  Diener  Poppo  die  kon- 
fiszierten Güter. 

Da  diese  für  die  thüringische  Geschichte  wichtige  Ur- 
kunde in  einer  in  Thüringen  wenig  yerbreiteten  Publikations- 
serie^)  abgedruckt  ist,  so  scheint  es  angemessen,  hier  auf  sie 
zu  yerweisen,  trotzdem  sie  später  in  den  Monumenta  Boica 
nochmals  gedruckt  und  auch  in  die  Eegesta  dipl.  Thuringiae 
im  Auszug  aufgenommen  werden  wird.  Dir  wesentlicher  In- 
halt ist  folgender: 

Kaiser  Arnulf  thut  kund,  dafs  er  seinem  und  seiner 
Vorgänger  im  Beich  getreuen  und  beharrlichen  Diener  Poppe 
(Poppo  fidelis  nostri  et  assiduus  seryitor  tam  nostri  quam 
dsTotae  memoriae  praedecessorum  aostrorum)  auf  seine  Bitte 
die  ihm  Ton  seinen  Yorgängern  iure  hereditario  yerliehenen 
Höfe:  Bahanvelde,  [Poppen-L]auer  (Jura)  und  Chiolresheinit 
Bodach  (Badaha),  Königshofen,  W  e  c  h  m  a  r  (Yiugmara),  S  a  a  1  - 
feid,  Apfelstedt  (Affolesto)  und  alle  übrigen,  die  er  ihm 
ungerechter  Weise  auf  die  aus  einigen  seiner  Burgwarden 
an  ihn  gerichtete  Klage  entzogen  (et  ceteris  omnibus»  quas 
etiam  suggestu  quorundam  municipiorum  eins  et  iniuste  ab- 
stulimusX  in  Erinnerung  aber  an  seine  zahlreichen  und  treuen 
Dienste  und  aus  Beue  über  das,  was  er  ihm  angethan,  zurück- 
gegeben hat,  durch  kaiserliches  Präcept  zu  vollem  Eigen  be- 
stätigt, so  da£9  er  sie  Teräufsem  oder  seinen  Kachkommen 
yererben  kann. 

Die  Daten   der   nicht   yollständig  überlieferten  Urkunde 


1)    8itsaofl[tb«richte   der  philos.-philol.    nnd   hist  KlASte  der  K.    b. 
Akademie  der  Wistensoh.  su  Manehen  (1892)  127  f. 


MiMtUen.  373 

stimmen.  Die  Signnmseile  ist  allerdingt  «nyollständig,  die 
Arenga  and  die  Beoognition  fehlen,  angofttae  naeh  imperator 
ist  ausgefallen,  einige  Worte  sind  rertchriebeDy  einige  Aus- 
drüoke  nngewöhnlich«  Alle  diese  Sonderheiten,  die  Anlafs 
zu  AnssteUnngen  gehen,  erklären  sieh  aas  der  mangelhaften 
Überlieferang.  Beide  gefundene  Kopien  können  nioht  direkt 
anf  das  Original  aarftokgehen.  Die  Vorlage  enthielt  die 
Dorsoalnotis :  Eedditio  praedii  Popponis  Amolfi  data  anno 
Domini  899  eto.  und  das  ArohiTalzeiehen  X  4.  An  der 
Echtheit  ist  nioht  sa  zweifeln. 

Wie  schon  Ton  Oefele  bemerkt,  können  wir  anter  Poppe 
nur  den  fHiheren  ligr.  des  limes  Sorabions  Torstehen.  Die 
Angaben  des  Diktators  über  die  Konfiskation  der  Güter 
Poppos  scheinen  sich  auf  dasselbe  Ereignis  yom  Jahre  892 
xa  beziehen,  das  oben  erwähnt  worden  ist  Die  Konfiskation 
erfolgte  „etiam  saggesta  qnorandam  manicipionun  eius'^ 
Nimmt  man  manioipium  in  der  Bedentang  yon  Bargward  '), 
so  kann  man  Schaf^ks  Ansicht  mit  bestimmten  Einschränkungen 
gelten  lassen.  Denkt  man  an  die  sorbischen  Bewohner  der 
Bnrgwarde  Poppos,  die  Klage  erheben,  so  ist  man  berechtigt, 
anzunehmen,  dafs  der  Überfall,  dem  Am  zum  Opfer  fiel, 
eine  Beaktion  gegen  Poppos  hartes  Begiment  gewesen  ist,  so 
dafs  der  Sturz  dea  Mgr.  immerhin  in  einem  Zusammenhang 
mit  Ams  Tod  gestanden  haben  kann,  allerdings  in  einem 
anderen,  als  man  bisher  angenommen  hat.  Arnulfs  Worte 
besagen  aber  mehr.  Br  gesteht  ein,  dafs  sein  Verfahren 
gegen  Poppe  ungerecht^  gewesen  sei;  er  empfindet  Baue 
darttber,  er  denkt  hei  der  Bestitutio  in  integrum  an  sein 
Seelenheil,  ja  er  scheint  sein  Verfahren  als  Undank  gegen 
einen  treuen  Diener  aufgefafst  zu  haben 

Es  scheint  hiemach  nioht  zu  gewagt,  an  einen  Gewalt- 
akt des  Königs  zu  denken,  für  den  der  suggestus  quorandam 
municipiorum   den  Yorwand   abgeben  mufste.     Vielleicht  war 


1)  NA.  f.  I.  d.  6.  XVIU,  217;  Wsiti,  DVQ.  VIII,  196;  Schwan, 
Aof.  des  St&dtowetens  \n  deo  Elb-  nnd  Saale- Gegenden,  10  n.  48  Nr.  38; 
Uhlirs,  Geaeh.  d.  Ersb.  Magdeburg,  128  f. 


374  HiiseUen. 

ihm  Poppo  zu  mächtig  geworden.  VermehrteB  körperliehes 
Leiden  lieTs  den  Kaiser  899  an  sein  Ende  denken  und  be- 
gangenes Unrecht  gut  machen.  Die  Markgrafschaft  behielt 
jedoch  Burchard,  Durch  diese  Urkunde  erfahren  wir  femer, 
dafs  Foppo  899  noch  lebte  ^),  und  lernen  die  Güter  kennen, 
die  er  in  Thüringen,  wo  bis  jetzt  solche  nicht  nachgewiesen 
werden  konnten  *),  besessen  hat  Sie  sprechen  jicht  daf&r, 
daiÜB  er,  wie  angenommen  worden  ist,  Ahnherr  des  weimarischen 
Qrafenhauses  gewesen  sei. 

Die  Namen  der  Ortschaften  sind  anscheinend  z.  T.  ver- 
derbt. Die  Höfe  sind  offenbar  alle  in  Franken  und  Thüringen 
£u  suchen.  Bahanyelde  weifs  ich  nicht  zu  deuten;  ich  yer- 
weise  jedoch  auf  die  yilla  Eonefelt  in  pago  Gozfelt  in 
Alwalachs  Tradition  <),  auf  die  villa  Eounyelt  in  pago 
Weringowe  in  der  Fälschung  Stumpf  2926  und  auf  ,,Obim 
Hanfeylt  in  dem  Urbarium  vom  Jahre  1317  ^).  Für  Jura 
dürfte  Lura  zu  lesen  und  Foppen-Lauer  LO.  Münnerstadt  zu 
rerstehen  sein.  Chiolvesheim  ist  wahrscheinlich  verderbt;  ob 
Oochsheim  b.  Schweinfurt?  Bodach  liegt  im  H.  Coburg;  es  ist 
wohl  nicht  Ober-  oder  Unter*Bodach  o.  Eronach  zu  verstehen. 
Eönigshofen  im  Grabfeld  wird  später  wiederholt  als  Eich- 
städtisches Lehen  genannt^).  Dieser  Umstand  giebt  auf  die 
Frage  Antwort,  warum  die  Urkunde  unter  Bichstädtisohe 
Diplom  ata  gekommen  ist  Wechmar  liegt  im  AG.  Ohrdruf, 
Apfelstedt  im  AG.  Gotha.  Saalfeld  ist  offenbar  die  jetzige 
Stadt  Saalfeld,  nicht  das  Dorf  gleichen  Naniens  im  AG.  Mühl- 
hausen. Die  res  ceterae  omnes,  die  Arnulf  suggestu  quorun- 
dam  municipiorum  eins  konfisziert  hat,  sind  wahrscheinlich 
im  Sorbenlande  zu  suchen. 


1)  Sein  Todesjahr  unbekannt    Schulte»,  Dipl.  Gesch.  d.  grXfl.  Haosei 
Henneberg  I,  16  lUst  ihn  nm  das  Jahr  895  sterben. 

2)  Knochenhaner  I.  c.  S.  88  f. 

8)  Dronke,  Cod.  d.  Fald.  no.  88. 

4)  Scholtes  1.  o.  I,  228. 

5)  Schiiltes,   Dipl.  Gksch.  des   grftfl.  Hauses  Henneberg  I,  88  no.  6 
and  I,  580. 


Litteratar. 


Bau-  und  Kunstdankmäler  Thüringens.  Im  Auftrage 
der  Begierungen  von  Saehaeo-Weimar-Eitenacb,  Sachaen-Mei- 
niogen  und  Hildborghaosen ,  Baohseo  -  Altenburg»  Saobseo- 
Coburg  und  Gotba,  Scbwarzburg-Eudolstadt,  Eeuüs  ältere  Linie 
und  ReuXs  jüngere  Linie  bearbeitet  Yon  Prof.  Dr.  P.  Lebfeldt. 
Jena,  Verlag  Ton  Oustay  Fischer. 

Heft  XVIIL  Grofsherzogtum  Sachsen-Weimar-Eisenaoh, 
Amtsgerichtsbesirk  Weimar. 

Der  Torliegende  stattliobe  Band  beschreibt  auf  244  Seiten 
Text  mit  1  Übersichtskarte ,  11  Liohtdruckbildem  und  62 
sonstigen  bildlichen  Darstellungen  die  Bau-  und  Kunstdenk- 
mäler in  54  Ortschaften  des  Weimarischen  Kreises,  unter 
denen  die  Haup^tadt  des  Grofsherzogtums  mit  ihren  viel- 
fachen Denkmälern  wesentlich  yoransteht,  da  sie  die  gröfsere 
Hälfte  des  vorliegenden  Bandes  für  sich  allein  beansprucht. 
Aber  auch  sonst  ist  an  einzelnen  Orten  mehr  vorhanden,  als 
man  erwarten  durfte,  und  namentlich  geben  einige  erhaltene 
mittelalterliche  Befestigungswerke  sehr  bemerkenswerte  Auf- 
schlüsse über  die  Ausführung  dieser  Bauten. 

Im  einzelnen  ist  zu  erwähnen: 

S.  222  (22).  Ettersburg.  Kirche.  Die  Holzdecke  ist 
nicht  flach,  sondern  folgt  der  Neigung  des  ziemlich  steilen 
Satteldaches. 

S.  226  (85).  Ettersburg.  Schlofs.  Der  alte  Chorstuhl 
in  der  Herrschafts-Empore  ist  wieder  nach  Thalbürgel  zurück- 


378  Litterator. 

gebracht  und  daselbst  im  neuen  Chor  der  ausgebauten  Kloster- 
kirche aufgestellt  worden. 

An  dem  Kirchturm  8u  Ettersburg  finden  sich  Steinmetz- 
zeichen von  der  Form  Y  und  f  . 

B.  246  (46).  Orofscromsdorf.  Das  Schlofs  ist  nicht 
Kammerguti  sondern  kronfiskalischer  Besitz. 

8.  264  (64).  Kapellendori  Schlofs.  Das  Zeichen  =0 
am  südlichen  Strebepfeiler  der  sog.  Euine  (yergL  Lageplan 
auf  S.  262  des  Heftes  XVIII  d.  Denkmäler)  wird  nach  den 
neueren  Untersuchungen,  die  der  Grofsh.  Bauinspektor  Witt- 
chen in  Weimar  angestellt  hat,  als  sog.  Yersatzmarke  anzu- 
sprechen sein.  Es  finden  sich  derartige  Zeichen  fast  auf 
jedem  Stein  der  8  Strebepfeiler,  doch  sind  sie  nur  nach 
längerem  Regenwetter  erkennbar,  wenn  die  Feuchtigkeit  die 
Tertieften  Stellen  der  Zeichen  deutlicher  hervortreten  labt. 
Die  8  Strebepfeiler  sind  bis  zu  etwa  6  m  Höhe  erhalten 
und  haben  geneigte  Vorderseiten  von  1,50  m  und  1,68  m 
Breite.  Diese  Vorderseiten  sind  je  aus  2  Werksteinen  gebildet. 
Es  finden  sich  nun  die  Zeichen  auf  den  beiden  zusammen- 
passenden Quadern  derselben  Schicht  und  zwar  meistens  auf 
der  schrägen  Vorderseite,  seltener  auf  den  senkrechten  Seiten- 
flächen. 

Am  südlichen  Pfeiler: 

i>  h  ^  {o  ^) 

Am  mittleren  Pfeiler: 
Am  nördlichen  Pfeiler: 

^  y=i  t>=  (M  ^  A  ^) 

Von  den  eingeklammerten  Zeichen  sind  die  Gegenzeiohen 
auf  den  Nachbarsteinen  wegen  starker  Verwitterung  nicht 
mehr  zu  erkennen.  Nach  ähnlichen  Zeichen,  die  sich  z.  B.  am 
Magdeburger  Dom  vorfinden,  wird  man  die  Erbauung  der  in 


Litterfttar.  379 

Bede  stehenden  Pfeiler  in  die  Mitte  des  14.  Jahrhunderts 
setzen  dürfen. 

8.  270  (70).  Liebstedt.  Kirche.  Die  Glocken  sind 
nicht  erwähnt 

8.274(74).  Liebstedt  8ohlofB.  An  den  Fensterbrüstnngen 
des  obersten  Geschosses  am  Thorhause  sind  Mafswerk- 
fällungen  erkennbar,  die  zum  Teil  durch  das  Yordaoh  ver- 
deckt werden.  Da  die  Mauer  des  obersten  Geschosses  gegen 
die  untere  Geschofsmauer  um  mehr  als  1  m  zurücktritt,  so 
ist  anzunehmen,  dals  früher  vor  dem  obersten  Geschofs  ein 
Wallgang  Torhanden  war,  der  jetzt  zum  Schutz  der  Gebäude- 
roauer  mit  einem  Vordache  belegt  ist 

S.  387  (137).  Weimar.  Stadtkirche.  Bei  den  Vorarbeiten, 
die  für  die  dereinstige  Aufstellung  der  im  Chorfufsboden  liegen- 
den Grabtafeln  inzwischen  gemacht  worden  sind,  ist  eine  südlich 
des  Altars  liegende  und  teils  yon  ihm  bedeckte  Grabtafel  auf- 
gefunden worden,  die  derjenigen  der  Churfürstin  Agnes 
(S.  364)  sehr  ähnlich  ist  Die  Umschrift  konnte  bisher  nicht 
gelesen  werden,  da  die  Platte  ohne  Vornahme  gröfserer  Arbeiten 
nicht  unter  dem  Altar  entfernt  werden  kann. 

Fast  alle  mit  Holztäfelung  überlegte  Bronzeplatten  im 
Ohorraum  der  Stadtkirche  haben  eine  gleichmäfsige  dunkel- 
grüne Patina  angenommen. 

8.  878(178).  Weimar.  Das  rote  Schlofs.  Die  Steinmetz- 
zeichen 1  und  8  links  sind  gleich,   nur  ist  die  Stellung  yer- 

schieden.  Nicht  aufgeführt  sind  die  Zeichen  ^  y-  (links)  und 
Jp-    (rechts). 

S.  398  (198).  Der  Lageplan  des  Kornhauses  ist  im  Mafs- 
stabe   1  :  500,  nicht,  wie  angegeben,  1  :  2000  gezeichnet 

NB.  Die  Zeichen  "^  und  *  bei  den  Litteraturangaben  etc. 
bedürfen  der  Erläuterung. 

Weimar,  im  Juni   1894.  £.  Er  i  es  che. 

XVn.  25 


380  Litttratar. 

2. 

Beriohtigangen  und  Ergftnzongen  8U  Apfelstedt: 

Bau-   und    Eunstdenkmäler    des    Fürstentums    Sohwarsburg- 
Sondershausen.     Zweites  Heft:  Oberherrschaft 

Von  Hermann  Schmidtf  Rektor  in  Arnstadt. 

Diese  Berichtigungen  und  Zusätze  betreffen  zunächst  das 
Amstädter  Bathaus,  wie  es  Apfelsted t  im  2.  Heft  8.  41 — 4ä 
durch  Wort  und  Bild  cur  Anschauung  gebracht  hat  Es  heilst 
dort:  f,Das  Bathaus,  an  der  Nordostecke  des  Marktplatzes 
gelegen,  wurde,  nachdem  das  vorige  im  Jahre  1507  (soll 
heifsen  1501)  abgebrannt  war,  Ton  1588 — 1585  in  nieder- 
ländischem Geschmack  und  speziell  nach  dem  Vor- 
bilde des  Brüsseler  Eathauses  neu  aufgeführt,  wohl 
hauptsächlich  darum,  weil  Graf  Günther  der  Streitbare,  welcher 
sich  damals  in  den  Niederlanden  aufhielt,  von  dort  aus  dies 
gewünscht  hatte/' 

Aber  dem  Augenscheine  nach  ist  das  Amstädter  Bathaus 
nicht  nach  dem  Muster  des  Brüsseler  Bathauses  gebaut  Man 
vergleiche  nur  ein  Bild  von  diesem  Stadthause,  wie  es  sich 
z.  B.  in  Lübke,  Denkmäler  der  Kunst,  Stuttgart  1864,  Tafel 
XXVII,  Nr.  6,  findet,  mit  dem  Amstädter  Bathaus.  Auch 
nicht  die  geringste  Ähnlichkeit!  Nicht  blofs  der  gewaltige 
Turm  in  der  Mitte  des  Brüsseler  Stadthauses,  sowie  die 
sechseckigen  Türmchen  der  Ecken  fehlen  hier,  sie  sind  in 
Stil  und  Aussehen  —  deutscher  Eenaissance-Stil  —  völlig 
verschieden.  Ebensowenig  hat  Graf  Günther  der  Streitbare^ 
welcher  sich  damals  in  den  Niederlanden  aufhielt,  von  dort 
aus  gewünscht,  dalB  man  das  Amstädter  Bathaus  nach  dem 
Vorbild  des  Brüsseler  aufführen  solle.  Dieser  Wunsch  gründet 
sich  einzig  auf  eine  verfälschte  Inschrift,  die  über  dem  Por- 
tale des  Batskellers  auf  einem  Fries  zu  lesen  ist.  Sie  lautet 
nach  Apfelstedt: 


Littermtnr.  3g  1 

Qaas  Nebel  exiüo  dederat  male  proyidus  aedes  — 
Yulcano  proprios  ooncremat  ipse  Lares  — 

Auspioiis  Jam  Guntheri  pia  jussa  facesseoB, 
Condidit  has  Patriae  provida  oura  patrum. 

Hier  steht  es  allerdings  klar  und  deutlich:  der  Rat  hat 
nach  Günthers  leitenden  Winken,  seinem  frommen  Gebote 
folgend,  wie  Apfelstedt  den  3.  Yers  übersetzt,  das  Bathaus 
erbaut 

Über  dem  Eingange  selbst  lautet  der  Vers: 
Auspicio  Jam  Gantheri  pia  jussa  facessens, 
wie  man  sich  leicht  durch  den  Augenschein  überzeugen  kann. 

Aber  es  hat  nicht  immer  so  dagestanden,  die  Inschrift 
ist  erst  in  neuerer  Zeit  gefälscht,  von  unkundiger  Hand 
verballhornt  worden.  Alle  Lokalschriftsteller  bis  in  den  An- 
fang unseres  Jahrhunderts,  die  diese  Inschrift  bringen,  stimmen 
einmütig  darin  überein,  daXs  bei  ihnen  der  Yers  lautet: 
Auspicio  Jan  Guntheri  pia  jussa  facessens. 

So  hat  den  Vers  Olearius  in  seiner  Arnstädtischen  Historie 
von  1700;  so  der  Bektor  Treiber  in  seiner  Genealogia  u. 
Chorographia  Schwarsburgica  Ton  1717;  ebenso  der  Direktor 
Nicolai  in  seiner  „Sammlung  hier  befindlicher  Inschriften"  IV. 
1826.  Noch  Hatham  schreibt  in  seiner  Beschreibung  Arn- 
stadts Ton  1842,  ihnen  folgend,  richtig  S.  240:  Auspicio  Jan 
Guntheri. 

Erst  nach  dieser  Zeit  ist  diese  Inschrift  wieder  auf- 
gefrischt worden,  und  ein  übelberatener  Farbekünstler  hat 
aus  dem  N  ein  M  gemacht  (die  Inschrift  ist  durchgehends 
in  Majuskeln  geschrieben),  aber  doch  nicht  so  geschickt,  dafs 
er  sich  nicht  verraten.  Denn  betrachtet  man  das  M  des  JAM 
genau,  so  sieht  man  leicht,  wie  es  von  den  übrigen  in  der 
Inschrift  enthaltenen  gänzlich  abweicht.  Die  übrigen  M 
haben  keine  steilen  Anfangs-  und  Endstriche,  wie  das  N  sie 
zeigt,  sondern  schräge.  Nur  das  fragliche  M  zeigt  die  steilen 
Striche  des  N. 

Jedenfalls  hat  man  damals  mit  dem  Jam  nichts  anzu* 
fangen  gewuTst,  während  es  doch  in  der  Zeit  der  Entstehung 

25* 


382  Litteratur. 

der  Inschrift  die  ganz  gewöhnliche  Zusammenziehung  aus 
Johann  war,  wie  sich  leicht  nachweisen  läfst.  So  mufi 
Johann  Friedrich  der  GroCsmütige,  der  glaubenstreue  Kurfürst 
von  Sachsen,  es  sich  gefallen  lassen,  in  einer  Inschrift  der 
Jenaer  Stadtkirche  als  Jan  Fridericus  zu  erscheinen.  Imperii 
magnis  Jan  Fridericus  ayis,  so  lautet  ein  Pentameter.  Siehe 
Lehfeldt,  Bau-  und  Kunstdenkmäler  Thüring.,  Heft  I,  99. 

Aber  noch  mehr,  und  was  die  Lesart  Jan  Guntheri  als 
richtige  und  ursprüngliche  •  über  allen  Zweifel  erhebt,  selbst 
in  Arnstadt  findet  sich  noch  ein  zweites  Mal  in  einem 
lateinischen  Verse  einer  Insdirift  dieselbe  Abkürzung.  Es 
ist  die  Inschrift  des  in  der  Oberkirche  befindlichen  Denk- 
mals des  Eriegsobersten  Leo  Pacmor,  der  sich  um  die  Biblio- 
thek dieser  Kirche  sehr  verdient  gemacht  hat,  mitgeteilt  yon 
Apfelstedt  a.  a.  0.  II,  S.  37. 

Aber  auch  hier  ist  in  der  Wiedergabe  der  Inschrift  ein 
leicht  nachweisbarer  Fehler  gerade  in  Bezug  des  strittigen 
Punktes  untergelaufen,  der  verbessert  werden  mufs.  Die 
Verse  lauten: 

Inyicti  monumenta  vides  tumulumque  Leonis, 

Cujus  Marte  viget  gloria,  pace  viget. 
Marte  potens  Gomiti  Gunthero  assistere  suetus, 

Haud  Leo  pugnanti  ductor  ineptus  erat. 
Suetia  testis  erit  Dano  submissa  potenti, 

Scaldis  regna  secans  Belgica  testis  erit. 
Pacis  amans  Gunthero  fidissimus  haesit, 

TJsibus  addixit  munera  larga  piis. 
Mille  instructa  libris  hino  biblioÜieca  superbit, 
Hino  nitor  est  aedis  splendidus  iste  sacrae. 
Jeder,  der  den  Vers :  Paois  amans  Gunthero  fidissimus  haesit 
aufmerksam  liest  oder  scandiert,  wird  sofort  bemerken,  dafs  der 
Hexameter  hinkt,  weil  er  um  einen  halben  Fufs  zu  kurz  ist. 
Auch  der  vorgenannte  Direktor  Nicolai  bringt  in  seiner 
Inschriftensammlung  diesen  Vers,   aber  er  giebt   ihn  der  In- 
schrift des  Epitaphiums  entsprechend  richtig  wieder: 
Pacis  amans  Jan  Gunthero  fidissimus  haesit. 


Littermtur.  383 

Es  ist  in  den  yorhergeheoden  3  Distioheu  dayou  die 
Eede,  dafs  Leo  Pacmor  als  tapferer  Eriegsoberst  dem  kühnen 
Grafen  Günther  treu  zur  Seite  gestanden.  Dem  in  Eriegs- 
ruhm  erstrahlenden  Günther  wird  nun  die  Eriedensthätigkeit 
seines  Bruders  Johann  Günther  entgegengestellti  in  welcher 
ehenfalls  Leo  Pacmor  sich  als  treuer  Beistand  erprobtjJlhahe. 
Johann  Günther  I.  residierte  nach  dem  Tode  seines  Bruders 
in  Arnstadt  und  erwarb  sich  allen  Anspruch  auf  den  Titel 
eines  Landesyaters.  £r  pflegte  allen,  die  ihm  Böses  über 
andere  hinterbrachten,  mit  dem  abweisenden  Ausrufe  ent- 
gegenzutreten: „Wer  weifs,  ob  es  auch  wahr  ist/'  Er  und 
nicht  sein  schon  yor  dem  Beginne  des  Bathausbaues  im 
Jahre  1583  heimgegangener  Bruder  hat  den  Arnstädter  Bat 
in  dem  Wiederaufbau  der  Stadt  unterstützt,  und  nur  ihm 
können  die  Worte  der  Inschrift  über  dem  Batskeller  gelten^ 
die  in  ursprünglicher  Fassung  jedenfalls  so  gelautet  haben: 
Quas  Nebel  exitio  dederat  male  proyidus  aedes, 

Yulcano  proprios  dum  cremat  ipse  Lares, 
Auspicio  Jan  Guntheri  pia  jussa  facessens 
Condidit  has  Patriae  proyida  cura  Patrum. 

Oder  in  deutscher  Übertragung  etwa: 
Ward    zu   Asche    yerbraunt    durch    Nebels   Leichtsinn    das 

Eathaus, 
Als  er  sein  eigenes  Heim  sorglos  den  Flammen  geweiht, 

Unter  Jan  Günthers  Schutz,    der  Pietät  nur  gehorchend, 
Haben  die  Täter  der  Stadt  sorglich  den  Aufbau  bewirkt 

Es  bleibt  also  gar  nichts  anderes  übrig,  als  in  der  In- 
schrift die  ursprüngliche  Lesart  Jan  Guntheri  wiederherzu- 
stellen. 

Ich  wende  mich  nun  zu  einer  Ergänzung  des  Apfel- 
stedtischen Berichts,  indem  ich  die  Frage  nach  dem  Bau- 
meister des  Kathauses  zu  lösen  suche.  Ich  meine,  dafs  in 
dieser  Beziehung  schon  die  Inschrift  selbst  einen  leisen  Wink 
gebe,  der  dann  durch  andere  Teile  des  Portals  yollends  auf 
die  rechte  Spur  führt 

Es   befindet   sich   nämlich    über  der  Inschrift,    wie  man 


384  Litteratnr. 

auch  auB  der  ApfelstedtiBchen  Beschreibung  und  Abbildung 
deutlich  ersehen  kann,  das  Wappen  der  Stadt,  ein  schwarzer 
einköpfiger  Adler  im  goldenen  Felde,  und  an  jeder  Seite 
3  Wappen  der  damaligen  Bürgermeister  und  Batskumpen  mit 
ihren  Monogrammen.  Diese  Monogramme  sind  aus  den  „Be- 
stallungen des  Neuen  Raths^'  für  die  Jahre  1588 — 85  leicht 
zu  entziffern.  Oben  links  H.  R.  steht  das  Wappen  des  1. 
Bürgermeisters  im  Jahre  1585  Hieronymus  Eiohter,  rechts 
C.  J.  das  des  2.  Bürgermeisters  Christoph  Junghans.  In  der 
Mitte  steht  links  L.  S.  das  Wappen  des  1.  Kämmerers  Lorenz 
Stieff,  rechts  S.  S.  das  des  2.  Kämmerers  Siegmund  Schüller. 
Unten  steht  links  L.  K.  das  Wappen  des  1.  Bauherrn  Lorenz 
Kramer,  rechts  J.  H.  das  des  2.  Bauherrn  Johann  Horcher. 
Unter  diesen  6  Personen  dürfte  nach  dem  letzten  Verse  der 
Inschrift  der  Baumeister  des  Bathauses  zn  suchen  sein. 

Man  könnte  zunächst  freilich  an  die  Bauherren  als  die 
eigentlichen  Leiter  des  Baues  denken,  die  merkwürdigerweise 
auch  in  diesen  Jahren  nebenher  die  Bezeichnung  Baumeister 
führen,  aber  diese  ständigen  Batskumpen  hatten  doch  eigent- 
lich mehr  die  Feuersicherheit  der  Gebäude  zu  überwachen. 
Die  Kämmerer  kommen  in  baulicher  Beziehung  weniger  in 
Betracht,  und  der  1.  Bürgermeister  Hieronymus  Richter  wird 
in  den  Jahren  1582  und  83  als  Stadtschreiber  aufgeführt, 
war  daher  wohl  mehr  eine  mit  der  Leitung  des  Stadtwesens 
vertraute,  schrifterfahrene  und  rechtskundige  Persönlichkeit. 
So  bleibt  nur  der  2.  Bürgermeister  Christoph  Junghans  übrig, 
dessen  Wappen  (Kreuz,  Winkel)  überdies  sichtlich  ein  Stein- 
metzzeichen enthält  und  seinen  Beruf  als  Baumeister  offenbart. 

Freilich  schweigen  sich  die  städtischen  Akten  fast  yoU- 
ständig  über  diesen  baumeisterlichen  Beruf  des  Bürgermeisters 
Christoph  Junghans  aus,  und  so  ist  es  gekommen,  dafs  alle 
späteren  Berichte  bis  in  die  neueste  Zeit  herab  von  dem 
Baumeister  des  Bathauses    nichcs  wissen  und  nichts  angeben. 

Erst  eigentlich  aus  seiner  Wirksamkeit  aufserhalb  Arn- 
stadts bin  ich  auf  ihn  aufmerksam  gemacht  worden.    So  ent- 


Litteratur.  385 

hält  Tettau,  Baa-  und  Kunstdenkm.  des  Kreises  Erfurt  auf 
S.  19  folgende  Notiz: 

Ein  Christoph  Junghans  erbaute  das  Spielberger  Thor 
(in  Erfurt).  Anno  Chr.  1589  ist  dieser  Bau  vollbracht  Und 
aus  den  Erfurter  Stadtrechnungen  von  1681 — 92  ergiebt  sich, 
dafs  Christophel  Junghans  aus  Arnstadt  am  18,  März  1588 
vom  Rate  in  Erfurt  als  Baumeister  angenommen  worden 
und  im  Dienste  der  Stadt  bis  1591  geblieben  ist. 

Ebenso  war  er  auch  nachweislich  in  Langensalza 
als  Baumeister  thätig.  Der  Thurm  an  der  Marienkirche 
wurde  im  Jahre  1474  bis  zur  laufenden  Wehr  in  spät- 
gotischem Stil  erbaut;  der  Bau  der  Spitze  im  Renaissance- 
Stil  gelangte  unter  Oberleitung  des  Bürgermeisters  Jungkunz 
(yerschr.  für  Junghaus)  ans  Arnstadt  in  den  Jahren  1590—92 
zur  Ausführung.  In  den  Kämmereirechnungen  zu  Langen- 
salza aus  den  Jahren  1590  und  91  finden  sich  eine  Menge 
Posten,  die  sich  auf  seine  Bauleitung,  Besichtigung  des  Turms, 
Abrifs,  Kostenanschlag  u.  s.  w.  beziehen.  Er  sollte  kraft  des 
Vertrags  im  ganzen  100  fl.  und  einen  silbernen  Becher  erhalten. 

Aus  diesen  Anführungen  geht  so  viel  hervor,  dafs  der 
Bürgermeister  Christoph  Junghans  in  Arnstadt  ein  in  Thüringen 
geschätzter  und  gesuchter  Baumeister  war.  Um  so  verwunder- 
licher ist  es,  dafs  die  städtischen  Akten  so  wenig  über  ihu 
enthalten.  Es  läfst  sich  dies  nur  daraus  erklären,  dafs  Jung- 
hans  infolge  eines  verunglückten  Unternehmens,  der  Anlegung 
eines  schlecht  rentierenden  Eisenhammers  in  Liebenstein  (bei 
Arnstadt),  in  Konkurs  geriet  und  verarmte.  Doch  fehlen 
einzelne  Andeutungen  nicht,  wie,  dafs  er  an  den  Guts- 
gebäuden der  Frau  Amtmann  von  Enzenberg  bauliche  Ver- 
änderungen vorgenommen ;  dann  ist  von  einem  steinernen 
Brunnen  die  Bede,  den  er  dem  Grafen  Albrecht  in  Rudolstadt 
für  30  fl.  gemacht  habe. 

Endlich  fand  sich  in  dem  Amstädter  Händelbuche  von 
1570 — 91  eine  Notiz,  worin  Junghans  als  Sohwarzburgischer 
Herrschaftsbaumeister  aufgeführt  wird. 

Es  kann  hiernach   fast  keinem  Zweifel  unterliegeui    dafs 


386  Lltteratur. 

JuQghans  der  Erbauer  des  Amstädier  Eathaoses  ist  Der 
bürgerfreundliche  Graf  (Hans  Günther  überliels  der  Stadt 
seinen  trefflichen  Baumeister,  und  dieser  baute  das  Bathaus 
im  deutschen  Benaissance-Stil  auf  ^). 

Eine  weitere  Ergänzung  möchte  ich  hier  noch  anschliefsen 
SU  dem,  was  Apfelstedt  a.  a.  0.  8.  80  und  31  ttber  den 
Altar  in  der  Oberkirche  zu  Arnstadt  gesagt  ist  Ich  vermisse 
hier  den  Abdruck  der  Inschrift  auf  diesem  Altare,  Statt 
dessen  findet  sich  auf  der  beigegebenen  Zeichnung  eine  ganz 
lückenhafte  und  unrichtige  Andeutung  derselben :  Günther  •  .  . 
Anno  MDGXII  (1612)  (für  1641).  Er  hätte  so  leicht  die 
vollständige  Inschrift  aus  seinen  Vorgängern  Jovius,  Treiber, 
Nicolai  entnehmen  können.  Ich  gebe  sie  aus  Nicolai::  -G'^n- 
theruB,  Jolu  Guntheri  filius,  Guntheri  nepos,  ex  IV  \iris 
8.  Imperii  Comitum,  Comes  de  Schwarzburg  et  Hohnstein  etc. 
annum  aetatis  LXXI  superans  ad  Dei  sospitatoris  gloriam  et 
ad  exemplum  Annae  sororis  desideratissimae  suggestum  et 
baptisterium  hie  exstruentis  Altare  hoc  juxta  sepulchretom 
suum  novum  ita  omare  voluit  vivens,  ut  tandem  in  Christo 
beate  moriturus.     Anno  Christi  MDCXLI  (1641). 

Wir  erfahren  daraus,  dafs  Graf  Günther  XLIL  in  Nach- 
eiferung seiner  1640  verstorbenen  Schwester  Anna,  die  vor- 
her 1625  die  Kanzel  und  1639  den  Taufstein  in  der  Ober- 
kirohe  gestiftet  hatte,  in  derselben  Kirche  einen  neuen 
prächtigen  Altar  hatte  errichten  lassen,  und  zwar,  wie  Olearius 
angiebt,  nach  der  Angabe  des  Burkhard  £6hl.  Der  alte  Altar 
wurde,  wie  es  früher  auch  mit  der  Kanzel  geschehen  war, 
in  die  Liebfrauenkirche  versetzt,  wie  dies  ja  auch  Apfelstedt 
a.  a.  0.  8.  23  berichtet,  aber  nicht  von  Christian  Günther, 
der  erst  1648  nach  dem  Tode  Günthers  XLII.  zur  Regierung 
kam,  sondern  von  Günther  XLII.  im  Jahre  1642. 


1)  Vielleicht  ist  cUs  in  derselben  Zeit  im  Renaissance -Stil  erbaute 
Hans  „znm  breiten  Heerd*'  in  Erfurt  auf  Grand  eines  gans  ihnlichen 
Steinmetsseichens  auch  ein  Werk  unseres  Junghans. 


Litteratar.  3g7 


3. 
Bin^rt»  E.:   Ein  Thüringer  LandpÜBunrer  im  ao-J&hrigen 
Kriege.     Mitteilangen  aus  einer  Eircbenohronik.     Arnstadt^ 
Druck    und   Yerlag   von    Emil   Frotsoher,    1893.     IV.  uud 
96  88.  80. 

Iq  der  Zeitsohr.  des  Vereins  für  thür.  Gesoh.  u.  Altert- 
Xm,  179—268;  XIV,  375—482  u.  XV,  67—172  hat 
£.  Einert,  der  yerdienstvolle  Erforscher  der  Geschichte  Arn- 
stadts, auf  Grund  eines  reichen  arohiyalischen  Mateiials  eine 
sorgfältige  Untersuchung  über  „Arnstadt  in  den  Zeiten  des 
dneirsigjährigen  Krieges"  yeröffentlioht.  Seine  Darstellung 
Bitttzte  er  in  wesentlichen  Teilen  auf  eine  Eirohenohronik» 
die  der  biedere,  derbe  und  tapfere  Pfarrer  ThomasSchmidt 
2u  Domheim  bei  Arnstadt  während  des  30-jährigen  Krieges 
geschrieben  hat.  Das  Dorf,  die  Heimat  des  bekannten  Huma- 
nisten Crotus  Bubianus,  dessen  Lebensbild  uns  Einert  in 
dieser  Zeitschrift  (XII,  3—71)  entworfen  hat,  liegt  cur  Seite 
des  wichtigen  Stralsenzugs,  der  seit  alter  Zeit,  über  den 
Kamm  des  Thüringer  Waldes  hinüberführend ,  den  Norden 
mit  dem  Süden  ,  Erfurt  mit  Kürnberg  yerbindet.  Es  hat 
wie  Arnstadt  ereignisyolle  Tage  in  jener  furchtbaren  Zeit 
erlebt  Inhaltsreich  ist  daher  die  gen.  Kirchenchronik  und 
die  aus  ihr  schöpfende  Darstellung.  Wenn  sich  jetzt  Einert 
entschlossen  hat,  die  Leiden  dieses  kernigen,  jeder  Senti- 
mentalität baren  Hüters  der  Gemeinde  Domheim  im  Zu- 
sammenhang zu  schildern,  so  wird  jeder  Leser  ihm  Dank 
dafür  wissen.  Es  schadet  nicht,  dals  der  Kenner  jener 
gröfseren  Abhandlung  über  Arnstadt  in  den  Zeiten  des 
dreifsigj.  Krieges  so  und  so  oft  auf  Bekanntes,  hier  wieder 
Verwertetes  stöfst  Der  Wert  des  kleinen  Werkchens  liegt 
darin,  dafs  das  Detail  der  Erlebnisse  eines  Pfarrers  yon  dem 
mit  seinem  Stoff  yortreMich  yertrauten  Forscher  in  ansprechen- 
der Weise  in  Zusammenhang  gebracht  wird  mit  dem  Schick- 
sal der  Grafschaft  Schwarzburg  wie  mit  den  grofsen  Stürmen, 


388  LitteratttT. 

die  über  ganz  Deatschlaod  hereinbraoseD.  Anziehend  ist  die 
Form  der  DarBtellung;  Einert  liebt  es,  seinen  Gewährsmann 
in  seiner  kernigen  Sprache  selbst  erzählen  zu  lassen  und 
weifs  för  diese  Erzählung  den  rechten  Hintergrund  in  der 
Schilderung  der  grofsen  Zeitereignisse  zu  bieten.  Gleich  der 
Anfang  versetzt  uns  in  die  wildbewegte  Zeit  Zu  Wege- 
lagerern herabgesunkene  Krieger  werden  vor  Arnstadts  Mauern 
gerichtet.  y,Eine  herrliche  Augenlust'',  schreibt  1625  der 
.ergrimmte  Pfarrer  in  sein  Eirohenbuch.  Des  Friedländers 
Armada  zieht  1626  durch  jenes  Gebiet,  und  nicht  weniger 
-denn  80768  fl  mufsten  von  dem  Amte  in  demselben  Jahre 
ttn  Eontribution  und  Quartiergeldern  aufgebracht  werden. 
Eine  Truppe  folgt  der  andern,  jede  die  yorhergehende  über- 
bietend an  Zügellosigkeit  und  Frechheit  „Wehe  Euch,  der 
Teufel  kommt!"  schreibt  1627  der  Pfarrer.  „Den  10.  Novem- 
ber ist  —  Bobert  Bornival,  ein  Schuft  aus  dem  Stift  Lütich, 
zu  Bndersleben  eingefallen*'.  Mit  dem  Morgenstern  mufs  der 
tapfere  Pfarrer  selbst  Freireiter  abwehren.  Schlimmer  wird 
-die  Lage,  als  Tillys  Horden  sich  gegen  Magdeburg,  dann 
gegen  Hessen  und  schlielslich  gegen  Chursachsen  wälzen.  Es 
folgen  die  Züge  Gustav  Adolfs,  Bernhards  und  seines  Bruders 
Wilhelm,  der  churfiirstL  sächsischen,  kaiserlichen  und  schwe- 
disch-französischen Heere.  So  zieht  der  ganze  unheilvolle  Krieg 
an  unserem  Auge  vorüber,  so  werden  uns  die  Wirkungen 
-des  gräTslichsten  der  deutschen  Kriege  auf  einen  kleinen 
Kreis  von  Menschen  geschildert,  so  erleben  wir  die  Leiden 
jener  Dorfgemeinde  gleichsam  mit,  sehen  wir,  wie  allmählich 
die  sittliche  Verderbnis  von  einer  zügellosen  und  gemeinen 
Soldateska  auf  die  Gemeinde  selbst  übergreift.  Bauern  ver- 
tauschen Sense  und  Pflug  mit  dem  Schwert,  um  zu  rauben 
wie  jene  Horden;  Dorfmädchen  ziehen  mit  Soldaten  davon 
und  ver&llen  unrettbar  dem  Elend.  Unverdrossen  harrt  der 
•Pfarrer  aber  in  seiner  Gemeinde  aus,  sie  immer  wieder 
sammelnd,  zusammenhaltend  und  beschützend.  Mit  Becht 
hebt  Einert  die  Verdienste  dieser  treuen  Hirten  S.  79  beson- 
ders hervor. 


Littoratnr.  389 

Bei  einer  2.  Auflage,  die  sich  hoffentlich  bald  nötig 
^nachty  sind  einige  Versehen  xu  verbessern;  so  ist  S.  24 
2,.  12  V.  u.  z.  1.:  1629;  S.  80  Z.  10  v.  u.:  22.  Sept.  und 
^6.  Sept.  1631  für  22.  a.  26.  Jnli ;  S.  48  Z.  9  :  121  Römermonate. 

Dr.  0.  D  obenecker. 


4. 
Bemerkung  sn  Misielle  2. 

Nachträglich  ist  mir  bekannt  geworden,  dafs  von  Oefele 
inzwischen  einen  neuen  Eund  gemacht  hat^),  der  jeden 
.Zweifel  an  der  Echtheit  der  Urkunde  Arnolfs  benimmt.  Er 
fand  im  Rßichsarohiv  zu  München  ein  altes  Repertorium 
des  Eichstädter  bischöflichen  Archivs,  das  aus  Laden-Beper- 
torien  zusammengestellt  worden  ist  Das  Eepertorium  über 
•die  Lade  y,Donationes  imperiales^',  das  im  Jahre  1735  ver- 
^afst  worden  ist,  giebt  ans  dem  vermiüsten  Or.  die  Signum- 
zeile :  „Signum  Arnolfl  (M.)  imperatoris''  u.  die  Rekognitions- 
zeile :  ^Engilpero  notarius  ad  vicem  Diothmari  archicappellani 
recognovi". 

Dr.  0.  Dobenecker. 


5. 

'Übersioht  der  neuerdings  ersohienenen  Litteratur  snir 

thüringisohen  Gesohlohte  und  Altertumskunde. 

Abraham  Jacobsons  Bericht  über  die  Slavenlande 
^om  Jahre  973.  Übers,  in  Qeschichtschreiber  der  deut- 
rschen  Yorzeit.     2.  Oesamtausg.     Bd.  XXXTII,  138—147. 


1)  Vermifate  Kaiser-  and  KdnigsurkundeD  des  Hochstiftes  Eicbstfttt. 
Jln  Sitzungsberichte  der  philos.-philol.  u.  hist.  Klasse  der  k.  b.  AIl.  der 
^m.  au  Mfinchen  (1898)  I,  888  ff. 


390  Lltterator. 

Arndt  6.:  Die  Saohsenborg  a.  d.  üostrut  Beschrei— 
buDg  ihrer  Geschichte.  Halberstadt,  Schimmelburg.  1893.. 
40  SS. 

Auerbach,  Alfred:  Schulgesetze  Tom  Jahre  ,1619 
für  das  GymnaBium  in  Oera-ReuTs.  In  Mitt  der  Ges.  für 
deutsche  Erziehungs-  u.  Schulgeschichte.  Jahrg.  III.  H.  1. 
(Berlin  1898)  S.  44—54. 

Bahr  fei  dt:    Die    Yermählungs-Medaillen   des   herzogl_ 
Hauses  Sachsen-Goburg  u.  Gotha.     Berlin,   Berkowitz,    1892. 
27  SS.  4^  u.  4  Taf. 

Bärge,   Hermann:   Die   Verhandlungen    zu   Linz   u. 
Fassau  u.  der  Vertrag  von  Passau  im  Jahre  1552.     Stralsund,. 
Karl  Meincke,  1898.  161  SS.  8<^. 

Bau- und  Kunst-Denkmäler  der  ProT.  Sachsen. 
Her.  y.  d.  bist  Comm.  der  Prov.  Sachsen.  18..  Heft  Der 
Mansfelder  Gebirgskreis.  Halle,  Hendel,  1898.  Mit  einer  landes- 
kundl.  Einleitung  S.  I— LYI. 

Bau-  und  Eunstdenkmäler  Thüringens  etc.. 
Heft  XVIII.  Grofsh.  Sachsen- Weimar-Eisenach.  Amtsgerichts- 
bezirk Weimar.  Mit  11  Lichtdruckb.  u.  62  Abb.  im  Texte.. 
—  Heft  XIX.  Fürsten  t  Schwarzburg  -  Eudolstadt.  Amts- 
gerichtsbezirke Rudolstadt  u.  Stadtilm.  Mit  7  Lichtdruckb. 
u.  60  Abb.  im  Texte.  Jena,  G.  Fischer,  1898  u.  1894.  VI,. 
244  u.  X;  YII  u.   186  SS.  gr.  8^. 

[Baumberg,  Emil]:  Gedenktafeln  für  berühmte  Arn- 
städter  Bürger  u.  Gäste.  In  Arnstädtisches  Nachrichts-  und 
Intelligenzblatt  125.  Jahrg.  No.   182  (1893  Aug.  5). 

de:  Mitth.  aus  Arnstadts  Vergangenheit  Joh.  Friedr. 
Volkmaun  [Hofadvokat  in  Arnst.  u.  Dichter].  In  Arn- 
stadt   Nachr.    u.    Intelligenzblatt    (1894)  No.  99. 

Die  Besitzer  der  Herrschaft  Droylsig  vom  Ausg.  des- 
12.  bis  zu  Anf.  des  15.  Jahrh.  In  Beil.  z.  Weilsenfelser - 
Kreisbl.  (1893).  No.  221.  222. 

Beyer,  C. :  Gesch.  d.  St  Erfurt  bis  z.  Unterwerfung: 
unter   die   Mainzer   Landeshoheit    i.    J.    1664.     (Neujahrsbl«. 


Litteratar.  391 

-^er  hisi  Comm.  der  Prov.  SoobBen,  H.  17).  Halle,  Hendel, 
52  88.  8«. 

Böhme,  Gh.:  Heimatkunde  des  EegieruDgsbezirket 
Erfurt  mit  Berttcks.  der  Prov.  Sachsen  u.  der  angrenzenden 
Thür.  Staaten.  7.  umgearb.  Aufl.  der  Heimatk.  von  Arm- 
stroff u.  Böhme.     Erfurt,   Eejsersohe  Buchh.,    1892.  216  SS. 

Böhme,  Paul:  Urkundenbuoh  des  Klosters  Pforte. 
Erster  Halbband  (1132  bis  1300).  Her.  y.  d.  bist.  Comm. 
der  Provinz  Sachsen.  Halle,  Hendel,  1893.  XXII  u.  340 
SS.  8«. 

Böhme,  W.:  Katalog  der  Scbulbibl.  des  fürstl.  Gymn. 
zu  Schleiz.  Schleiz,  f.  Hofbuchdr.,  1893.  1.  Bl.  IV,  165 
SS.  8.    (GOP.) 

Bojanowski,  P.  t.:  Carl  August  als  Chef  des  6. 
PreuTs.  Kiirassierregiments  1787 — 1794.  Mit  einer  Silhouette 
des  Herzogs.     Weimar,  H.  Böhlau,   1894.     4  u.  147  SS.    8<>. 

Borkowsky,  Ernst:  Aus  der  Vergangenheit  der 
Stadt  Naumburg.  Wissensch.  Beil.  zum  R.  Pr.  Naumburg  a.  d.  8. 
Ostern  1893.     61  88.  8». 

Brandis,  E.:  Zur  Lautlehre  der  Erfurter  Mundart.  II. 
GOP.  Erfurt,  1893. 

do.:  Berg-  u.  Thalnamen  im  Thüringer  Walde.  Ge- 
sammelt u.  sprachl.  untersucht.  Erfurt,  H.  Neumann,  1894. 
74  88.  12«. 

B[ühri]ng:  Durchzug  der  Schweden  u.  Sachsen  durch 
die  Oberherrschaft  1706  u,  1707.  In  Arnstadt.  Nachr.  u. 
Intelligenzblatt  125.  Jahrg.  No.  130  (1893  Juni  6);  s.  unter 
E[inert]. 

Büttner,  Dr.  Fr.,  Pfönner  zu  Thal:  Der  Harnisch 
Herzog  Bernhards  von  Weimar  in  der  Kunstsammlung  Sr. 
Hoheit  des  Herzogs  von  Anhalt  zu  Wörlitz.  Kunsthist.  Ab- 
handl.  als  Eestschrift  zum  8.  Okt.  1892.  Dessau  u.  Leip- 
zig, R.  Kahle,  1892.     19  SS.  gr.  f.  u.  2  Taf.  Photogr. 

Dieterich,  J. :  Über  Paulinzeller  Urkunden  und  Sige- 
boto»s  Vita  Paulinae.  In  NA.  f.  ä.  d.  G.  18,  447—489. 
(Vorzüglicher  Aufsatz  mit  dem  vollkommen  gelungenen  Nach- 


392  Utteratiir. 

weis,  daiÜB  der  PolyhiBtor  PauUini  eine  grofse  Anzahl  kaiser- 
lieber  und  päpstlicher  Urkunden  für  Paolinzelle  nach  den^ 
1636  erschienenen  Drucke  der  Documenta  rediyiTa  monaste- 
riorum  praecipuorum  in  ducatu  Wirtembergico  sitorum  tod 
Chr.  Besold  in  unyersohämtester  Weise  gefälscht  und  dafs 
der  1.  Herausgeber  der  Yita  die  Chronologie  dieser  unge- 
rechtfertigter Weise  geändert  und  ganz  willkürliche  Combi- 
nationen  über  Paulina',  ihre  Herkunft  und  Verwandtschaft 
gegeben  hat.) 

Döring:  Überfall  Arnstadts  durch  weimarische  Truppen> 
i.  J.  1711.  (Inhaltsangabe  einer  Schulrede.)  In  EOPr. 
Arnstadt  1894.  S.  6. 

Eberstein,  L.  Perd.  Preiherr  v.:  Die  i.  J.  1898- 
lebenden  Mitglieder  der  Familie  Eberstein  vom  Eberstein 
auf  der  Rhön  u.  ihre  direkten  Vorfahren  bis  zu  der  Zeit 
des  Übergangs  des  Ebersteinschen  Geschlechts  aus  der  frän- 
kischen Stammheimat  nach  Thüringen.  Berlin,  Dr.  y.  0* 
Sohenck,  1893.  48  SS.  gr.  8<^. 

d  0. :  Abrifs  der  urkundl.  G.  des  reichsritterl.  Geschleohtee 
Eberstein  vom  Eberstein  auf  der  Rhön.  Dresden,  Dr.  t.  Br.. 
Schulze,  1893.  168  SS.  gr.  8. 

Ehwald,  R.:  Vier  Briefe  (tou  Eob.  Hessus,  Melanch- 
thon  u.  Niclas  y.  Amsdorff)  aus  d.  Samml.  des  G3rmna8ium 
Ernestinum.  Gotha  (GOPr.),  Dr.  d.  Engelhard-Reyherschen 
Hofbuchdr.  1893.  S.   15—20.  4^ 

do. :  Die  Handschr.  u.  Inkunabeln  der  H.  Gymnasial- 
bibl.  zu  Gotha.     Ebenda  S.  3—14.  4<>. 

E  i  n  e  r  t ,  E. :  Ein  Thüringer  Landpfiirrer  im  30-j&hxigen 
Kriege.  Mitt  aus  e.  Kirchenchronik.  Arnstadt,  E.  Frotscher, 
1893.  4  u.  96  SS.  80. 

E  [inert:  Mitt  über  den  Kampf  der  Schweden  und 
Sachsen  beim  Frauenwalde].  In  Arnst.  Nachrichts-  u.  lu- 
telligenzblatl  126.  Jahrg.  Nr.  129  (1893  Juni  4)  s.  a.  No. 
124  (1893  Mai  30)  über  Funde  zwischen  Neustadt  a.  R.  u» 
IJntemeubrunn ;  s.  unter  B[ühri]ng. 

am  Ende:   Über   die   Heilquelle   bei   Rudolstadt   a.  d» 


LitUratur.  393. 

Saale.  Vortrag  in  Yerhandlungen  des  Allg,  deaUchen  Bäder- 
verbandes. Her.  von  Dr.  Fr.  C.  Müller  u.  Dr.  Julius  H.  F. 
Kraner.  Offizieller  Bericht  über  die  1.  öffentl.  Jahresvers, 
des  Verbandes.)  Oommissionsverlag  der  J.  J.  Lentnersohen 
Buchhandlung  in  München.     1893.  S.    79—88. 

Erinnerungen  an  die  Bürgerwehr  zu  Jena  im  Jahre 
1848.  In  Blätter  f.  Unterhaltung  und  Belehrung  (SonntagsbeiL 
zur  Jen.  Zeitung)  1893  No.  53  (Sonntag,  d.  31.  Dez.)  — 
1894  No.  1  (Sonntag,  d.  7.  Jan.).  No.  2  u.  3  (Sonnt,  den 
14.  u.  21.  Jan.). 

Herzog  Ernst  II.  von  Saohsen-Coburg-Gotha  (f  22. 
August  1893).  In  Halbmonatshefte  der  Deutschen  Rund- 
schau,    hef.    von    J.   Rodenberg.  1893/94  No.  1.  S.  66—69. 

Festschrift  zum  360.  Siftungsfeste  d.  Egl.  Landes- 
schule Pforta.     Berlin,  Weidmann,  1893.     93  SS.  4^ 

Festschrift  zum  fünfundzwanzigjähr.  Regierungs- 
jubiläum Seiner  Durchlaucht  des  Fürsten  Herrn  Heinrich  XIV. 
Reufs  j.  L.  am  12.  Juni  1892.  Lobenstein,  Chr.  Teich,  1892^ 
68  SS.  (Mit  gesch.  Überblick  über  das  ReuTsenland  u.  s. 
Regenten  u.  über  Entw.  von  Stadt  und  Land  in  den  letzten 
26  J.). 

Elex,  R.:  Beitr.  z.  Erforschung  der  Eisenacher  Mund- 
art.    GOPr.  Eisenach,  Hofbuchdr.,  1893.     16  SS.  4<>. 

Franc ke,  Herder  und  das  Weimarische  Gymnasium. 
Hamburg.     Verlagsanstalt  u.  Druck.     A.-G.   1893. 

Friedrich,  E. :  Nochmals  die  Heimat  des  Borsdorfer 
Apfels.  In  Mitt  d.  V.  f.  Erdkunde  zu  Halle  a.  S.  (1893), 
S.   139—142. 

Fritze,  R. :  Fränk.-Thüring.  (Althenneb.)  Holzbauten 
aus  alter  u.  neuer  Zeit.  Leipzig.  Junghanfs  u.  E.  1892.  4^ 
46  Taf.  mit  21  SS.  Text. 

Gärtner,  Aug.:  Festrede  zur  akad.  Freisvertheilung 
am  8.  Juli  1893,  dem  Tage  des  vierzig].  Regierungsjubiläums 
Seiner  Eönigl.  Hoheit  des  Grofsherzogs  Carl  Alexander.  Jena,. 
Neuenhahn,  1893.  44  SS.  8^  [Beitn  zur  Gesch.  der  Univ.. 
Jena  in  den  letzten  40  J.]. 


394  Litteratur. 

Goethes  Briefe  an  Philipp  Seidel  1786 — 88  mit  e. 
Einl.  von  Dr.  C.  A.  H.  Burkhardt  Wien,  8.  W.  Seidel  u. 
Sohn,   1898. 

Oröfsler,  Herrn.:  Führer  durch  das  Unstmtthal  yon 
Artern  bis  Naumborg  II.  Th.i  In  Mitt  d.  Y.  f.  Erdkunde  zu 
Halle  a.  S.  (1898),  8.  78—138.  (Beide  Teile  [s.  Litteratur- 
übersicht  des  vor.  Jahres]  auch  in  Sonderdruck.  63  SS. 
u.  64  SS.  Freiburg  a.  IT.,  in  Kommission  bei  J.  Finke,  1892 
u.   1893). 

do.:  Eiffhäuser  u.  Wodansberg.     Ebenda  143 — 148. 

Gutbier,  H. :  Burg  Haineck.  4  SS.  4^  (SA.  der 
Langensalzaer  Zt.  1892.) 

H  e  i  n  e  c  k ,  H. :  Fr.  Gr.  Lesser,  der  Chronist  von  Nord- 
bausen.  Festschr.  im  Auftr.  des  Nordhäuser  Gesch.  Y.  Nord- 
hausen,    Haacke  1892.  59  SS. 

Herwig,  Martin:  Idiotismen  ans  Westthtiringen. 
BPG.  OPr.  Eisleben,  E.  Schneider,  1893.     32  SS.  4. 

Hodermann,  R.:  Schlofs  Friedenstein  1643—1893. 
Gotha,  Götsch.  1893.  32  SS. 

Hoffmann,  Max:  PfdrtDer  Stammbuch  1543—1898. 
Zur  350  jährigen  Stiftungsfeier  der  Eönigl.  Landesschule 
Pforta.     Berlin,  Weidmann,  1893.     XY  u.  564  SS.  8». 

Hohenleuben -Weida.  In  Leipsiger  Ztg.  No.  1 97. 
1893.     Freitag,  den  25.  August 

Holder-Egger,  Oswald:  Studien  zu  Lambert  von 
Hersfeld.     In  N.  A.  f.  ä.  d.  G.  XIX,   141—213. 

Human,  ß.  A. :  Gesch.  d.  Schützengilde  von  Hild- 
burghausen.   Festschr.,  Hildburghausen,  Gadow,  1892.  (92  SS.) 

Jacob,  G.:  Die  Ortsnamen  des  Herzogthums  Meiningen. 
Hildburghausen,  Eesselringsche  Hofbuchh.,  1894.  149  SS.  8^. 

Kaufmann,  G. :  Zur  Gründung  der  Wittenberger  Uni- 
versität. In  Deutsche  Zs.  f.  Geschichtswissensch.  Her.  v.  L. 
Quidde,  XI,  114—148. 

Eehrbach,  Karl:  Studierordnung  der  Herzogin  Doro- 
thea Susanna  von  Weimar  für  ihren  Sohn,  den  Herzog  Jo- 
hann   von   Sachsen- Weimar    aus   d.   J.    1583.     In    Mitt.    der 


Llttarattir.  396 

Ges.  für  deutsche  Briiehungs-  und  Schulgesohichte.  Jahrg.  III. 
H.  1.  (Berlin  1893).  S.  29—43. 

Kooh,  Ernst:  Bin  Burgfest  su  Henneherg  i.  J.  1784. 
In  Meininger   TagebU   (1893).     ünterhaltungsbl.   zu   No.  42. 

do.:  Bin  Hexenprozeb.     Bbenda  zu  No.  60. 

do.:  Die  Grenze  der  Meininger  Stadtflur.  Bbenda  No. 
120,  121  u.  122. 

do.:  Die  Tischordnung  am  Hofe  der  Grafen  zu  Henne- 
berg aus  der  Zeit  von  etwa  1550.     Ebenda  No.  161. 

do. :  HSuser  u.  Binwohner  der  Stadt  Meiningen  im  J. 
1672.     Ebenda  No.  264. 

do.:  Von  einigem,  das  bei  dem  Stadtrat  zu  Meiningen 
ehedem  Brauch  und  Sitte  war.     Bbenda  No.  273. 

do.:  Über  mancherlei  Zustände  in  der  Stadt  Meiningen 
um  d.  J.  1670.    Bbenda  No.  288. 

do.:  Aus  Pölsnecks  Vergangenheit.  In  1.  Beil.  zum 
Pöbnecker  Tagebl.  u.  Anz.  (1894)  No.  70  u.  109. 

Könnecke,  Max:  Das  alte  thüringische  Königreich 
o.  s.  Untergang  531  n.  Chr.  Querfiirt,  W.  Schneider,  1893. 
64  SS.  80. 

Koniecki,  Ernst:  Die  Wettiner  im  Kampfe  mit 
Adolf  I.  yon  Mainz  1373—1381,  vornehmlich  im  Erfurter 
Kriege  1375.     (Leipz.  Diss.)  Zittau,  1894.     32  SS.  8». 

Kreditiye  des  Kurfürsten  Johann  zu  Sachsen  für 
seinen  Sohn  Johann  Friedrich  zur  Verhandlung  mit  Herzog 
Johann  III.  yon  Oleye-Jülich-Berg  (1530).  In  Zs.  des 
Bergischen  Gesohichtsyer.  Jahrg.  1893  (Elberf.  1893).  S.  214. 

Kretschman,  Lily  y. :  Die  litterarischen  Abende 
der  Groisherzogin  Maria  Paulowna.  Im  Halbmonatshefte  der 
deutschen  Bundschau.  Her.  yon  J.  Bodenberg.  1892/93. 
No.  18.  19. 

Füxstl.  Sächs.-Eisenachisch  Kriegsrecht.  Eisenach, 
Kahle,  1893.  30  SS« 

Krön  ig.  F.:  Sitten  und  Gebräuche  aus  Nordthüringen. 
In  „Aus  der  Heimat''  (1892)  No.  35—39. 

XVU.  26 


396  Littentur. 

Kurse,  F.:  Die  Hersfelder  u«  die  grob.  Hildesheimer 
Jahrbücher  bis  984.     Prgr«  StraUnnd.  1892.     25  88.  4 o. 

do.:  Die  älteste  Magdeburger  BistumBchronik.  In  Mitt, 
d.  iDst.  t  österr.  Geschichtsforach.  Ergänzungsband  HI  H.  2, 
S.  397—450. 

Lambert  yon  Hersfeld,  Jahrb.  übers,  yon  L.  F.  Hesse. 
2.  Aufl.  y.  W.  Wattenbaoh  (Q.  Schreiber  eto.  Bd.  XLIII.) 
Leipzig,  Byk,  1893.     XXXTIT  u.  326  SS. 

Laue,  M.:  Sachsen  u.  Thüringen.  Im  Jahresberichte 
der  Oeschichtswissensöhaft  im  Auftr.  d.  bist.  Ges.  zu  Berlin 
her.  y.  J.  Jastrow.  Jalirg.  XY.  1892.  (Berlin,  G^ner,  1894) 
II,  223—265. 

Liebermann,  B.:  Geschichtliches  a.  Judenbach,  eine 
Quellenforsch«  als  Beitr.  z.  Welt-,  Kultur-  u.  Kirchengeech. 
Judenbach,  Selbstyerl.,  1893.  117  SS. 

Lippert,  Woldemar:  Über  das  Geschützwesen  der 
Wettiner  im  14.  Jahrhundert.  In  Hist.  Untersuchungen, 
Ernst  Föratemann  zum  fünfzigjähr.  Doktorjubiläum  gewidmet. 
Leipzig,  Teubner,  1894.  S.  80—93. 

do. :  Der  angebliche  Friede  zu  Spremberg  zwischen 
Brandenburg  und  Böhmen  1346.  In  Niederlausitzer  Mitt 
Bd.  in  S.  202—207. 

do. :  Graf  Günther  yon  Schwarzburg- Wachsenburg^  Herr 
zu  Spremberg,  und  die  andern  gleichzeitig  in  der  Mark  auf- 
tretenden Schwarzburger.     Ebenda  III  S.  208 — 210. 

Lorenz,  Ottokar:  Goethe's  politische  Lehrjahre. 
Berlin,  W.  Herz,  1893.  80. 

Luise  Dorothee,  Herzogin  yon  Sachsen  -  Gotha 
1732—1767.  Von  Jenny  yon  der  Osten.  Mit  Benutzung 
archiyalischen  Materials.  Mit  3  Silh.  u.  3  Bildern  in  Helio- 
grayüre.  Leipzig,  Breitkopf  u.  Härtel,  1893.  VIII.  440  SS.  S^. 

M  an  z,  G.:  Ein  jenaisches  Studentenstammbuch  aus  dem 
yorigen  Jahrhundert.  In  Blätter  f.  Unterhaltung  o.  Beleh- 
rung. Sonntagsbeil.  zur  Jenaischen  Zeitung.  1893.  No.  46. 
Sonntag,  den  12.  Noyember. 

Markscheffel,    Xarl:    Berthold    Sigismund.      Sein 


Litttratar.  897 

LebMi  und  Sohaffen  aIb  Arsi»  Pftdagog,  Dichter  u«  Volks- 
•okriftsteller.  Weimar,  Druck  der  Hofbuohdr.,  1894.  (BeiL 
z«  BOOPr.)  64  88.  80. 

Der  Martinstag  in  Nordthüringen.  In  Blätter  für 
Unterhaltung  und  Belehrung.  Sonntagsbeil,  zur  Jenaisohen 
Zeitung  No.  47.     Sonntag,  den   19.  November  1893. 

Matthias,  B.:  Der  Haustrunk  im  Thüringer  Wald. 
In  Zs.  f.  Volksk.  IV,  344—347. 

Meifsner,  H. :  Die  Stadt  Gera  und  das  Fürstliche 
Haus  Beufs  j.  L.  Gera,   E.  Bauch.  Lief.   1  ff.  (1893.  1894). 

Das  Budi  hält  nicht,  was  der  Titel  yerspriohi  Es  ist 
nichts  als  eine  d.  Hauptsache  nach  in  annalistische  Form 
gebrachte  kritiklose  Aneinanderreihung  von  Nachrichten,  die 
nicht  zum  geringsten  Teil  yon  der  neueren  Forschung  als 
Irrtümer  und  Entstellungen  zurückgewiesen  worden  sind. 

Y.  MetZBch-Schilbach,  Wolf:  Briefwechsel  eines 
deutschen  Fürsten  mit  einer  jungen  Künstlerin  (Herzog 
August  Ton  Sachsen-Gotha  und  Altenburg  und  Fräulein  aus 
dem  Winckel).    Beriin,  K.  Siegismund.  1893.     307  88.  8<^. 

Mejer  Ohr.:  Gräfin  Eatiiarine  von  Schwarzb.  u.  d. 
Herzog  yon  Alba  1647.     In    Leipz.   Ztg.  92.  Beil.  589—91. 

Meyer,  H.:  Die  alte  Sprachgrenze  der  Harzlande. 
Göti  Diss.  1892.  46  88.  1  BL  S«. 

Mejer,  K.:  Schulordnung  des  Gymn.  z.  Nordhausen 
a  H.  1583.     In  Mitt  t   d.  Erz.-   u.  Schul-G.  U,  65—130. 

Obser,  K.:  Zur  G.  des  Fürstenbundes.  In  Forsch,  z. 
Brandenb.  u.  Preufs.  G.  Y,  2  (Leipz.  1892)  8.  119—130. 

Ohorn,  Anton:  Herzog  Ernst  II.  yon  Saohsen-Eo- 
burg-Gotha.  Ein  Lebensbild.  Mit  e.  Porträt  u.  vier  Abb. 
Leipzig,  Bengersche  Buchh.,  1894.  VI  u.  239  88.  8<^. 

Oldenburg,  B.:  Zum  Wartburgkriege.  Bostocker 
Diss.  Schwerin  i.  M.,  B.  Herberger,  1892.  58  88.  8^. 

Peine,  Heinrich:  Die  Altenburg.  Gymnasialpro- 
gmmme  des  17.  Jahrb.  L  Altenburg,  0.  Bonde,  1893.  1  BL 
1—30  88.  40.  (Altenb.  Friedrichs  OOP.  1893). 

Platner:   Ma.   BeyölkerungsTerhältnisse   im   deutschen 

26* 


398  litterator. 

Nord-OBten  [jenseits  Elbe  lu  Saale].  In  Eorr.Bl.  d.  Anthro- 
pol.  Ges.  XXIV,  14,  21—28,  27—81. 

T.  Eaab,  C. :  Begesten  zur  Orts-  u.  Familiengeschichte 
des  Yogtlandes.  Bd.  I  (1350—1485).  Plauen  i.  Y.,  F.  E. 
Neupert,  1898.  X  u.  310  SS.  8<>. 

Eeinecke,  A«:  Oeschichte  der  freien  Beichsherraohaft 
Schauen.  [Ehemals  Besitz  des  Kl.  Walkenried.]  Osterwieck 
i.  Harz,  A.  W.  Zickfeldt,  1889.     Vn  u.  272  SS.  8^. 

Beichardt,  0.:  Gesch.  d.  Marktes  Gräfentonna. 
Langensalza,  Wendt  u.  ElauwelL  YIII  und  384  SS.  2  Bl. 
5  Tab.  3  PI. 

Bosenburg,  H.:  Die  Gesch.  des  Cisterzienserklosters 
Sittichenbach.     In  Mansf.  Bl.  7.  Jahrgang.  1893.  S.  58 — 70. 

Bofsner,  A.:  Der  Name  des  Klosters  Pforta  (Claustrum 
ap.  portam);  ein  Beitrag  z.  Landesk.  Thüringens,  insbes.  des 
Er.  Naumburg  u.  z.  Gesch.  ihr.  alten  Heerstrafsen.  Naumb., 
Schirmer.  56  SS. 

Schmidt,  6.:  Die  kaiserliche  Kommission  wegen  des 
burggräflichen  Archivs  zu  Schleiz  i.  d.  J.  1590 — 1593.  In 
Archivalische  Zeitschr.  NF.  lY,  213  —  234. 

do. :  Wiedergefundene  Originalurkunden  des  Klosters 
Grünhaio.     In  NA.  f.  Sachs.  G.  u.  A.  XY  S.  27—40. 

Schmidt,  Julius:  Mitteilungen  aus  dem  Proyinzial- 
museum  der  Provinz  Sachsen  zu  Halle  a.  d.  Saale.  Erstes 
Heft.  Mit  68  Abb.  Halle  a.  d.  S.,  0.  Hendel,  1894. 
59  SS.  gr.  8^     (Preis  pro  Heft  1  Mk.) 

Sohöppe,  E. :  Naumburgs  Mundart,  im  umrisse  dar* 
gestellt     Naumb.,  Sieling,  1898.  58  SS. 

Schnitze,  Walther:  Die  Geschichtsquellen  der  Pro- 
vinz Sachsen  im  Mittelalter  u.  in  der  Beformationszeit.  Im 
Auftr.  der  bist  Commission  der  Provinz  Sachsen  verzeichnet. 
Halle,  0.  Hendel,  1893.  YI  u.  202  SS.  8^ 

V.  Soriba:  Erfurt  unter  der  Franzosenherrschaft.  Aas- 
züge aus  der  Erfurter  Chronik  und  dem  Stadtarchiv  1806 
—1814.  Intern.  KArmeen  11,  43—58,  124—183,219—232, 
303—313,  404—414  u.  s.  f. 


Iiitleratiir.  399 

Seydel,  W.:  Meister  Stolle  nach  der  Jenaer  Hb.  Leipz. 
Dies*  1892.  94  SS. 

Simon,  Dr.:  Über  Henneberger  eheliches  Güterrecht 
(Schlafs).  In  Bl.  f.  Rechtspflege  in  Thüringen  und  Anhalt 
Her.  V.  R.  Schulz.  N.  F.  XX.  Bd.  Jena  1893.  S.  1—9. 

S  0 1  g  e  r ,  E. :  Gesch.  d.  Stadt  u.  d.  Amtes  Königsberg  in 
Franken.  Coburg,  E.  Riemann  jr.,  1894.  85  SS.  8<^.  (Mit  3  Abb.) 

Stenzel,  Th.:  Die  Familie  von  Zeutsoh.  Beitr.  z. 
Gesch.  der  Adelsfamilien  in  Thür«,  Sachsen  u.  Mansfeld.  In 
Mansf.  Bl  7.  Jahrgang.   1893.  S.   1—38. 

Aus  den  Tagebüchern  Theodor  von  Bernhardis. 
Zwei  Besache  am  Hofe  des  Herzogs  Ernst  von  Sachsen - 
Eoburg-Gotha.  In  den  Grenzboten.  52.  Jahrg.  No.  24  u.  25. 

Thüna,  L.  Freiherr  v.:  Die  Würzburger  Hilfs- 
truppen im  Dienste  Österreichs  1756 — 1763.  Bin  Beitrag 
zur  Geschichte  des  siebenjährigen  Krieges.  Nach  archivali- 
schen  Quellen.  Mit  der  farbigen  Abbildung  eines  Soldaten 
vom  Regiment  Blau-Wtirzburg  u.  mit  Tabellen.  Würzburg, 
Adalbert  Stuber.     1893.  X  u.  257  SS.  8«. 

Für  Thüringen  wichtig:  Der  Feldzug  in  Thüringen 
S.  29—66  u.  der  Feldzug  im  Altenburgischen  1762.  S. 
196—200. 

Trebra,  M.  F.  G.  v«:  Gesch.  des  Geschlechtes  derer 
y.  Trebra.  2  Bde.  Berlin,  Moritz  u.  E.,  1891  u.  1892.  4. 
96  SS.  u.  Nachtr.  8  SS. 

Treuen feld,  Bruno  von:  Auerstedt  und  Jena.  Mit 
16  Karten  und  1  Band  Beilagen.  Hannover,  Helwingsche 
Verlagsbuchh.,  1893.  (IX  u.  452,  IV  u.  202  SS,  8^) 

Tri n ins,  A. :  Zur  Erinnerung  an  Charl.  von  Kalb.  In 
Nationalztg.  46.  No.  304  u.  308. 

do.:  Die  Wartburg.  Mit  Abb.  nach  Originalzeichnungen 
Ton  W.  Lucas  von  Cranach.  In  Westermanns  illustr.  d. 
Monatshefte.     37.  Jahrg.  Heft  443  (Aug.  1893)  S.  602—630. 

do.:  Alldeutsohland  in  Wort  und  Bild.  Eine  malerische 
Schilderung  der  deutschen  Heimat.  1.  Bd.  Mit  1  Titelbild  u. 
79  Illustr.  Berlin,  F.  Dümmler,  1893.  (Thüringen  S.  188—272). 


400  Littmtar. 

Tachiroh,  Otto:  Pie  Übertragung  der  Mark  Bran- 
denburg an  Wilhelm  von  Meifsen  im  Jahre  1403  naoh  dner 
neu  aufgefundenen  Urkunde  des  Brandenburger  Stadtarchiys. 
In  Forsch,  z.  Brandenb.  u.  PreufiBisohen  Geschichte.  YL  Bd. 
(1893)  665—671. 

Tümpling,  Wolf  von:  Gesch.  des  1822  im  Mann- 
stamme  ausgestorbenen  Hauses  von  Tümpling  -  Poserwitz. 
(Sonderabdr.  aus  dem  III.  Bande  der  Geschichte  dee  Oe> 
schlechtes  von  Tümpling).  Mit  einer  Siegeltafel,  einer  Hand- 
schriftentafel,  andere  Eunstbeil.  u.  Begister.  Weimar,  H. 
Böhlau,  1894.  8^ 

ü  n  g  e  r ,  Der  Fruchterwerb  nach  gemeinem  sächs«  Becht, 
In  Bl.  f.  Bechtspflege  in  Th&ringen  u.  Anhalt»  her.  y.  B. 
Schulz.     N.  F.  XX.  Bd.  Jena,  1893,  S.  97—126. 

Yater,  Oskar:  Das  Haus  Schwariburg*  Budolstadt, 
1894  (1  Stammtafel  u.  2  SS.  geschichtL  Notizen),  i^. 

Yerhandlungen  des  am  13.  März  1893  einberufenen 
gemeinsch«  Landtags  der  Herzogtümer  Coburg  u*  Gotha,  Co- 
burg 1894.  gr.  40. 

Yoigt,  Fr.  A.:  Die  Besitzer  der  Herrschaft  Droyfsig 
T.  Auf.  des  16.  bis  zu  Ausg.  des  19.  Jahrh.  In  Yiertel- 
jahrsschr.  f.  Wappen-,  Siegel-  und  Familienkunde.  Jahrg. 
XXI  (1893)  S.  846—422. 

Wagner,  B.:  Die  yorgeschiohtl.  Ausgrabungen  im  städt 
Museum  zu  Nordhausen.  In  „Aus  der  Heimat"  (1892).  No.  12. 

Weizsäcker,?.:  Anna  Amalia,  Herzogin  yon  Sachsen- 
Weimar-Bisenach,  die  Begründerin  des  Weimarischen  Musen- 
hofes.  Hamburg,  Yerlagsanstalt  und  Druckerei  A.*G.  (yorm. 
J.  F.  Bichter). 

Wintzingerode-Enorr,  L.  y«:  Die  Kämpfe  und 
Leiden  der  Byangelischen  auf  dem  Eiehsfelde  während  dreier 
Jahrh,  Heft  1.:  Beformation  und  Gegenref.  bis  z.  Tode  des 
Kf.  Daniel  y.  Mainz.  1582  (Sdir.  d.  Y.  t  Bef.  Gesch.  IX, 
3).     Halle,  Niemeyer,  105  88. 

Witte:  Das  Pförtner  grofse  Schulfest  y.  1743.  N. 
Christoterpe  14,  287—303. 


I«itUnit«r«  401 

Witte:  Pförtner  Jnboltage.  Aufzeichnungen  zur  Er- 
innerung an  das  850-jährige  Jubiläum  der  Landessohule  Pforta 
am  24.,  25.  u.  26.  Hai  1893.     Rostock,  W.  Werther.  8. 

Wohlrabe:  Fr.  Mykoniue,  d.  Reformator  Thüringeus. 
Pädag.  Mag.  H.  3.  Laogensalza,  Beyer.     18  SS. 


Erster  Jahresbericht  und  Mitteilungen  des  Vereins 
für  Greiser  Geschichte  zu  Greiz.  Im  Auftr.  her.  v.  Dr. 
Uertel  u.  Ewald  Bartsch.  Greiz,  Selbstyerl.  des  Vereins, 
Commissionsbetr.  d.  Fürstl.  Hofbuchh.  £.  Schlemm,  1894. 
Inh.:  Greiser  Regententafel  8.  I— ^IX;  Sohutzbriefe  X— XIII; 
Innungsbriefe  XIII— XXXVIII;  Lohn-  u.  Kaufbrief e  XXX VIU 
— XLUI;  Friyilegien  XLIU— XLV;  Städtische  Urkunden 
XLV^LI;  Regesten  zur  Greizer  Gesch.  LU — LXII. 

Mitt^  des  Gesch.  u.  Altertums!  Ver.  su  Eisenberg.  9.  H. 
Eisenb.  1894: 

1)  Überblick  über  die  älteste  Eulturgesch.  des  Amtsbe« 
sirks  Bisenberg.     Von  Prof.  Dr.  O.  Weise.  S.  8—18. 

2)  Hopfenbau  u.  Weinbau  in  der  Eisenb.  Gegend.  Von 
dems.  S.  19—28. 

3)  Hainspitzer  Urk.  Von  dems.  S.  29 — 34. 

4)  Sprachliches.  Von  dems.  S.  35 — 46. 

5)  Eine  Urkunde,  welche  die  Erbauung  des  hiesigen 
Superintendenturgebttudes  betrifft,  Mitget.  von  Dr.  E.  Burger. 
8.  47—60. 

Mitt.  d.  V.  f.  G.  u.  A.  zu  Kahla  u.  Roda.  IV.  Bd.  4.  H. 
Kahla  1894.  Inhalt: 

XII.  Nachtrag  u.  Bericht,  zur  Familie  y.  Denstedt  Von 
Geh.  Kk.  D.  Lobe  in  Raeephas.  8.  429—439.  —  XIU.  Die 
Wüstung  Eichome.  Ein  Beitr.  z.  Erklärung  der  Orlamünder 
Pfarrurkunde  y.  J.  1194.  Von  Pfarrer  Alberti  in  Grofs- 
Bohwabhausen.  S.  440/445.  —  XIV.  Die  Familien  Schütz 
yon  Mofsbach  und  Orlamünde.  Von  e.  Mitgl.  derselben.  S. 
446/468.  —  Nachr.  über  Adelige  aus  den  Kirchenbüchern 
der  Ephorie   Kahla  (Fortsets.).   III.  Parochie   Hummelshain. 


402  Littentur. 

Yon  Pfarrer  H.  A.  E.  Böttger.  S.  464/470.  IV.  Faroohie 
Jägerßdorf.  Von  Pfarrer  Phil.  PertheL  8.  470/475.  V.  Par- 
ochie  Langenorla.  Von  Pfarrer  C.  A.  J.  Stäps.  S.  475/487. 
VI.  Parochie  Beinstädt  Von  Pforrer  £.  M.  Martin.  S. 
487/491.  VIL  Parochie  Uhktädt.  Von  Pfarrer  F.  H.  M. 
Fritzsche.  8.  491/508.  —  XVI.  Z,  Q.  der  Altenb.  Gesang- 
bücher. Von  W.  Tümpel,  Pfarrer  in  Unterrenthendorf.  8. 
509/529.  —  XVII.  Bau-  und  Kunstdenkmäler  Thüringens. 
AGB.  Kahla.  Geprüft  durch  Dr.  H.  Bergner,  Pfurrer  in 
Pfarrkefslar.  8.  530/572.  —  XVIII.  Forts,  der  Auszüge  aus 
den  Jahresber.  des  Vereins  zu  Roda.  8«  578/576. 

Mitt.  d.  Geschichts-  u.  Altertumsforsch.  Gesellsch.  dee 
Osterlandes,  Bd.  X,  H.  8.  Altebburg,  1898.  Inhalt: 

IX«  Die  Burggrafen  und  Burgmannen  in  Altenburg.  Von 
Geh.  Eirchenrat  Dr.  Lobe«  8.  215—296.  —  X.  Altenb.  Briefe 
aus  der  Beformationszeit  (1582 — 1545).  Von  Lic  Dr.  Buoh- 
wald  in  Leipzig.  8.  297—346.  —  XL  Miszellen:  1)  Lat 
Kalenderyerse  in  e.  Löbichauer  Handschr.  Von  Dr.  P. 
Mitzschke«  8.  347.  —  2)  Nachtrag  zur  Wüstung  Nasselwitz. 
Von  Geh.  KB.  Dr«  Lobe.  —  3)  Ein  Nachtr.  i.  Gesch.  Fried- 
richs, Herrn  des  Pleiüsnerlandes«  Von  dems.  —  4)  Em 
Beitr.  z.  Gesch«  des  Nonnenkl«  in  Altenburg.  Von  dems.  — 
5)  Von  Geh.  KR.  Dr«  Lobe.  XII.  Bericht  über  d.  Wirks. 
d.  Gesellsch«  Von  Prof«  Dr.  Geyer.     8«  361/8« 

Unser  Vogtland.  Monatsschr«  für  Landsleute  in  der 
Heimat  u.  Fremde,  her«  y.  G«  Doehler.  Leipz.,  Rofsbergsche 
Hofbuchh.,  1894.  I.  Bd.  H.  1—8.  Hieraus  erwähnenswert 
H«  1,  8.  5 — 11:  Julius  Mosen  von  Dr.  Beinh«  Mosen,  8. 
17 — 27:  Über  d«  vorgeschichtl.  Vergangenheit  des  bayerischen 
VogÜandes  yon  L.  Zapf.  H.  3  8,  94 — 102 :  Lebensbild  eines 
Vogtländers  (Hofrat  Prof.  Dt.  Liebe)  yon  Emil  Fischer. 
(Mit  Bildnis)  u.  8.  103 — 114:  Aus  Natur  u.  Gesch.  des  säehs. 
Vogtl.  von  Dr*  H*  Jacobi. 

Dr.  0.  Dobenecker. 


Fromipaiinsche  Buchdruckerei  (Uermana  Fohle  in  Jena.  —  1266 


Politik  des  Herzogs 
Johann  Casimir  von  Coburg. 

Ein  Beitrag  zur  Vorgesohiehte  des  30-jährigen 
Krieges. 


Von 


Heinrich  Glaser  in  Coburg. 


XYIL  27 


Vorwort 

Vorliegende  Abhandlung  ist  im  wesentlichen  identisch 
mit  einer  Arbeit»  welche  im  Jahre  1893  ron  einer  hohen 
philosophischen  Fakultät  der  Uniyeriität  Jena  den  ersten 
Preis  erhielt. 

Die  Darstellung  der  Politik  des  Hersogs  Johann  Casimir, 
des  Sohnes  Johann  Friedrichs  des  Mittlem,  hat  sie  sich 
zur  Aufgabe  gesetzt 

Wenn  der  Beachtung,  welche  diesem  Fürsten  ron  selten 
der  Historiker  £u  teil  geworden  ist,  der  Malsstab  für  seine 
politische  Bedeutung  entnommen  wird,  so  ist  diese  recht 
minderwertig  gewesen,  denn  gar  dürftig  sind  die  in  den 
mannigfaltigsten  Büchern  versteckten  Mitteilungen  über  seine 
politische  Thätigkeit.  Ja  gerade  die  Männer,  welche  die 
ernestinische  Geschichte  jener  Jahrsehnte  und  speziell  das 
Leben  und  die  Wirksamkeit  Johann  Casimirs  behandeln,  an 
ihrer  Spitse  Schultes  (S.-Coburg-Saalfeld.  Landesgeschichte) 
und  Grüner  (Geschichte  Johann  Casimir.)  schweigen  sich, 
von  einzelnen,  unzusammenhängenden  Bemerkungen  abge- 
sehen, YoUständig  aus  über  die  Stellung  des  Fürsten  zu  den 
politischen  Fragen  wie  zu  den  politischen  Persönlichkeiten 
seiner  Zeit. 

loh  war  deshalb  sehr  erstaunt,  als  ich  in  dem  geheimen 
Staats-  und  Hausarchiy  zu  Coburg  zahlreiche  politische  Korre- 
spondenzen, Kelationen  etc.  vorfand,  aus  denen  mir  herror- 
sugehen  schien,  dafs  Johann  Casimir  doch  nicht  blols  Hersog 
Yon  Coburg,  sondern  auch  ein  deutscher  Beichsfürst  gewesen 

27* 


406  PoUtik  des  Hersog«  Jobum  Casimir  tod  Coburg. 

ist  und  dafa  er  als  solcher  Ton  seinen  fürstlichen  Zeitgenossen 
weit  mehr  geachtet  und  gesch&tst  worden  ist  als  Ton  den 
Historikern  späterer  Tage. 

Besonders  erhellt  dies  aus  seiner  politischen  Gorre- 
spondenz  mit  Friedrich  Y.  Ton  der  Pfalz,  dem  Eorfürsten 
ond  späteren  König  von  Böhmen  ^).  Natürlich  beleuchten 
diese  Weohselschreiben,  denen  Tiele  andere  Briefe^  Memo- 
rials etc.  in  Abschriften  beigefügt  sind,  nicht  nur  die  poli- 
tische Stellung,  Anschauung  und  Thätigkeit  des  Herzogs  Ton 
Coburg,  sondern  sie  werfen  auch  interessante  und  teilweise 
neue  Streiflichter  auf  die  kurpfälzische  Politik. 

Die  Korrespondenz  mit  Eursaohsen  ist,  was  die  Zahl  der 
Schriftstücke  politischen  Inhalts  anbelangt,  viel  weniger  um- 
fangreich als  die  pfälzische ;  doch  das  Wenige '),  was  das 
Coburger  Archiv  in  dieser  Beziehung  bietet,  ist  höchst 
charakteristisch  für  die  kursächsische  wie  andererseits  für 
die  emestinische  und  speziell  die  coburgisohe  Politik. 

In  der  politischen  Korrespondenz  mit  dem  Landgrafen 
Moritz  von  Hessen  aus  den  Jahren  1613  und  1614^),  der 
sich  einzelne  versprengte  Briefe  aus  anderen  Jahrgängen 
anschliefsen  ^),  steht  die  Jülicher  Frage  in  dem  Vordergrund, 
während  der  politische  Gedankenaustausch  Casimirs  mit  seinem 


1)  Hine  inde  ergangene  Sehriften  in  Reicbtsacben  1618 — 1615, 
B.  U,  7,  No.  115.  —  Vertrauliche  Rorrespondens  mit  Knrp&ls  das 
bShm.  Unwesen  betreff.  1617—1619.  A.  I,  32  a,  5,  Mo.  96.  155  Blätter. 
—  Korrespondens  des  Königs  Friedrich  ▼.  Böhmen,  Pfalsgraf  bey  Rhein 
mit  Heraog  Job.  Casimir.     A.  I,  32  a,  5,  No.  17.     36  Blätter. 

2)  Die  kursAehs.  Korresp.  ist  in  den  verschiedensten  Fasdkeln  ver- 
streat.  Vgl.  besonders  s  Korrespondens  der  Kurfürsten  Christian  IL  «od 
Job.  Georg  v^n  Sachsen  mit  Job.  Casimir  1608 — 1632.  A.  I,  82  a,  5, 
No.  103.  Einselne  Aktenstücke,  die  Reichstagsangelegenbelten  ra  Begena- 
borg  betr.  1618—1624,  B.  II,  7,  No.  106,  etc. 

3)  Korrespondents  Schreiben  swischen  Sachsen-Cobnrg  und  Hess^ 
1613—1614.    A.  I,  32  a,  5,  No.  61.     113  Blätter. 

4)  Korrespondenz  swischen  Landgraf  Moritz  von  Hessen  nnd  Horsog 
Job.  Casimir  1580—1682.     A.  I,  82  a,  5,  No.  53.     16Q  Blättar. 


Politik  des  Hanogs  Jobaim  CAsimir  yod  Coburg.  407 

Bruder  Johann  Bmst  dem  Aelterea,  dem  Henog  Yon  Biienaoh  ^), 
und  mit  Herzog  Johann  Brnst  dem  Jüngeren  von  Weimar') 
Büokdoht  nimmt  auf  die  böhmischen  Verwiokelungen,  die 
den  80-jährigen  Krieg  einleiteten. 

Neben  diesen  Hauptkorrespondensklassen,  denen  eolohe 
mit  nur  einzelnen  politisohen  Briefen  zur  Seite  treten'), 
gewährt  eine  Beihe  von  Instruktionen^)  und  Instrnktions- 
schreiben,  Belationen  ^)  und  Gutachten  *)  ein  reiohes  Material 
zur  Beurteilung  der  Coburger  und  in  besdiränkter  Weise  auch 
der  kursfiohsisohen  und  der  kurpfälzisohen  Politik. 

Den  historischen  Stoff,  der  aus  diesen  Archiyalien  lu 
erheben  war,  habe  ich  dem  Bahmen  der  Beichsgeschichte  in 
der  Weise  einzufügen  versucht,  dafs  ieh  ihn  um  die  poli- 
tischen Brennpunkte  jener  Zeit,  die  Unions-,  die  Jülicher- 
und  die  böhmische  Frage  gruppierte.  Die  allgemeine  Bin- 
leitung  wie  die  allgemein  historischen  Ausführungen  im  Yer- 


1)  WecbMlsohreiben  mit  Herzog  Job.  Ernst  den  Aeltern  in  Sacbaen, 
Hansangelegenbeiten  nnd  die  böhm.  Unrnben  betreff.  A.  I,  88a,  5,  No.  118. 
80  BUtter. 

8)  a)  Wecbaelscbreiben  mit  Job.  Ernst  den  Jüngeren ,  das  bdbm. 
Unwesen  betreff.  A.  I,  88  a,  5,  No.  189.  29  Blätter.  —  b)  Korres- 
pondena  des  Herzogs  Job.  Ernst  des  Jüngeren  an  Weimar  mit  Herzog 
Job.  Casimir  1806—1886.     A.  I,  38  a,  5,  No.  184.     808  Blätter. 

8)  Z.  B.  die  Korrespondent  Casimirs  mit  dem  Kurf.  Joacbim  Fried- 
rieb  V.  Brandenb.y  Reicbstagssacben,  B.  II,  7,  No.  86  ;  die  Korrespondenz 
mit  dem  Erzbiscb.  v.  Mainz.     A.  I,  32  a,  5,  No.  76.  9  Blätter,  etc. 

4)  Vgl.  besonders:  a)  Instruktion  f&r  den  Reichstag  1608,  B.  II, 
7,  No.  68.  —  b)  Instruktion  nnd  Spezialinstmktion  für  den  Beicbstag 
1608,  B.  II,  7,  No.  75  u.  No.  85.  —  c)  Instruktionen  für  den  Beicbs- 
tag 1613,  B.  II,  7,  No.  114.  (Belationen  in  Beicbssacben  der  uff  den 
Beicbstag  abgeordneten  sambt  darauff  ervolgten  Resolutionen.)  —  d)  In- 
struktion für  den  Nürnberg.  Korrespondenztag,  B.  II,  7,  No.  180,  etc. 

5)  a)  Einzelne  Scbriften,  den  BeiobsUg  1608  betreff.,  B.  II,  7,  No.  68. 
—  b)  Beiohstagssacben  1608,  B.II,  7,  No.  84.  —  c)  Belationen  HeuTsners 
(Coburg.  Kammersekretärs)  1607 — 1680  mit  angefügten  Instruktions- 
sebreiben Job.  Casimirs,  Gutacbten  seines  Kanzlers  etc.  A.  I,  88  a,  5, 
No.  160.  —  d)  Relationen  vom  Reicbstag  1613  mit  Instrnktionsscbreiben  etc., 
B.  II,  7,  No.  114. 

6)  Die  Gutachten  sind  den  verschiedenen  Faiicikeln  beigelegt. 


408  Politik  des  Hersogs  Johann  Casimir  Ton  Coburg. 

lauf  der  Abhandlung  müssen  auf  die  Rechnung  dieses  Ver- 
suchs gesetzt  werden. 

Eine  Anzahl  von  Archivalien,  die  mir  wichtig  er- 
schienen, habe  ich  auf  den  Bat  meines  hochverehrten  Lehrers, 
Herrn  Prof.  0.  Lorenz,  in  Originalabschriften  der  Arbeit 
beigefügt. 

An  Winken  und  Gesichtepunkten  hat  es  mein  hoch- 
yerehrter  Lehrer  auch  sonst  nicht  fehlen  lassen,  so  dafs  ich 
mich  ihm  dafür  zu  herzlichstem  Dank  rerpflichtet  fühle. 
Ebenso  bitte  ich  Herrn  Archivrat  C.  Frenzel  für  sein  liebens- 
würdiges Entgegenkommen  während  meiner  Thätigkeit  im 
Coburger  Archiv  auch  an  dieser  Stelle  meinen  innigsten 
Dank  entgegenzunehmen. 


Einleitimg. 

L  Politisohe  Lage  in  Dentsohland  nach  dem  Augiburger 
BeligionsMeden. 

Da  der  AugBbnrger  BeligiooBfrieden  eine  Zeit  unanter- 
broohener  kriegerischer  Unruhe  abBchliefst  nnd  den  Anfang 
einer  Epoche  langen  Friedens  in  den  deutschen  Landen  be- 
zeichnet, einer  Epoche,  die  ungewohnte  Ordnung,  Sicherheit 
und  öffentliche  Freiheit  im  Innern  unseres  Vaterlandes  mit 
einer  blühenden  wirtschaftlichen  Lage  vereinigt,  so  liegt  die 
Vermutung  nahe,  dafs  in  den  Bestimmungen  jenes  Friedens 
die  Gründe  dieses  yeränderten  politischen  Zustandes  liegen. 
—  Aber  wie  wenig  gerade  sie  für  eine  Friedensbasis  geeignet 
sein  konnten,  beweist  schon  die  Thatsaohe,  dafs  über  die 
beiden  Hauptbestimmungen  des  Friedens  iwischen  den  beiden 
Parteien,  der  katholischen  und  protestantischen,  keine  Eini- 
gung erzielt  worden  war. 

Hartnäckig  und  ohne  sich  durch  die  protestantiBche 
Opposition  einschüchtern  zu  lassen,  hatten  die  Katholiken 
am  Reichstag  auf  der  Anerkennung  des  geistlichen  Vor- 
behalte, der  ihnen  den  Besitz  der  geistlichen  Gebiete  auch 
in  der  Zukunft  sicherte,  bestanden.  Ebenso  entschieden 
hatten  die  Protestanten  ihrerseits,  trotz  des  heftigsten  Wider- 
standes der  Katholiken,  an  der  Forderung  fireier  Beligions- 
übung  für  ihre  Glaubensgenossen  in  den  geistlichen  Terri- 
torien festgehalten.  Manchmal  schien  es,  als  würde  der 
Beiohstag  ohne  Resultat   auseinandergehen,   als  würde  noch 


410  Politik  des  Heno^  Johann  Cmsimir  Ton  Oobnrg. 

einmal  der  Krieg  beginnen,  da  hat  Bchliefslich  der  König 
Ferdinand,  der  als  Vertreter  des  Kaisers  die  Versammlungen 
leitete,  nach  eingeholter  Vollmacht  eine  Entscheidung  ge- 
tro£Pen,  indem  er  jeder  der  beiden  Parteien  ihre  Haupt- 
forderung gewährte.  Doch  wurde  neben  dem  geistlichen 
Vorbehalt  und  neben  der  Deklaration,  die  eben  die  Erfüllong 
des  protestantischen  Verlangens  enthielt,  auch  die  Bemerkung 
in  den  Reichstagsabscbied  mit  eingefügt,  dafs  die  Stände 
hierüber  nicht  zu  Tergleichen  gewesen  wären. 

Eine  zu^iedenstellende  Lösung  für  die  Zukunft  gefunden 
SU  haben,  war  man  also  weit  entfernt,  und  wenn  Deutsch- 
land in  den  folgenden  Jahrzehnten  tod  inneren  Kriegen  so 
gut  wie  yerschont  blieb,  so  liegt  die  Ursache  nicht  sowohl 
in  jenen  Friedensbediogungen  als  yielmehr  in  dem  frei- 
willigen Zusammentreten  der  meisten  yorwaltenden  Fürsten 
des  Beichs  zur  Erhaltung  des  Friedens,  weiter  aber  und 
besonders  in  dem  Umstand,  dafs  es  dem  Protestanüsmas  ge- 
luDgCD  war,  das  entschiedene  Uebergewicht  su  erlangen. 
Ober-  und  Niedersachsen  beherrschte  er  yolikommen,  die 
Bistümer  vermochten  ihm  nur  geringen  Widerstand  entgegen- 
zusetzen, Adel  und  Städte  in  Schwaben  und  Franken  hiefsen 
die  neue  Lehre  willkommen;  auch  in  Bayern  und  Oester- 
reich,  am  Rhein  und  in  Westfalen  machte  sie  die  gröfsteo 
Fortschritte.  Eben  dieser  grofse  Abfall  der  Nation  yom 
Papsttum  spricht  aus  allen  Berichten  der  Ausländer.  „Nor 
ein  Zehntel  yon  Deutschland  ist  noch  katholisch",  berichtet 
der  Venetianer  Badoero  in  die  Heimat  ^). 

Aber  dieser  geringe  Bruchteil  yon  Deutschland,  der 
noch  dem  alten  Glauben  anhing,  war  yertreten  durch  die 
Majorität  in  den  Reichsinstitutionen,  besonders  im  Reichstag. 

Wollten  daher  die  Protestanten  aus  dem  Uebergewicht, 
das  sie  in  Deutschland  in  den  Händen  hatten,  politischen 
Vorteil  für   ihre  Partei    ziehen,    wollten    sie   dasselbe   gegen 

1)  Kaoke,  Zar  deutschen  Qeschichte  vom  ReligionsfHeden  bis  aum 
dreißiigj ährigen  Krieg,  8.  Aufl.  88. 


PoSdk  dM  H«nogB  Jobun  OMinir  tod  OolMurg.  411 

alle  MSgliohkeiten  der  Znkinft  siolMniy  so  muftte  ihr  Streben 
dahin  gehen,  das  SUmmenTerhältnis  in  der  Beiohsreraammlang 
in  ihren  Onnsten  in  ändern. 

Man  hat  dies  proteitantisoherseite  anoh  sehr  wohl  er- 
kannt nnd  darauf  sielende  Schritte  unternommen.  Die  im 
Beligionsfrieden  aufgedrungenen  BeschrSnkungen,  vor  allem 
der  geistliohe  Vorbehalt,  waren  es,  welche  einen  groTsen  Teil 
DeutBohlands  der  politischen  Ifaehtsphäre  des  Protestantis- 
mus entzogen  hatten.  Gegen  sie  wurde  denn  auch  der  An- 
griff eröffnet. 

Den  Bestimmungen  des  Beligionsftriedens  sum  Trots 
finden  wir  gar  bald  im  nördlichen  Deutschland  protestan- 
tisch-geistliche Fürsten,  welche  ihre  Reiohsstaodschaft  keines- 
wegs aufgaben.  Die  Enbistümer  Magdeburg  und  Bremen, 
die  Bistümer  Verden,  Lübeck,  Osnabrück,  Ratzeburg,  Halber- 
stadt und  Minden  waren  mit  Männern  besetzt,  die  entweder 
schon  offen  protestantisch  waren  oder  sich  während  ihrer 
Begierung  zum  Protestantismus  wandten  ^). 

Die  Kaiser  schienen  die  Landeshoheit  dieser  eyange- 
lischen  Bischöfe  oder  Administratoren  auch  dulden  zu  wollen. 
Aber  abgesehen  davon,  dafs  dem  Papst  die  Bestätigung  der 
Würde  zukam,  die  natürlich  ausgeschlossen  war,  mufste  der 
greise  Erwerb  der  protestantischen  Partei  ungesetzlich  er- 
scheinen, solange  der  geistliche  Vorbehalt  von  den  Katho- 
liken als  giltig  angesehen  wurde,  um  jede  Gefährdung  ihres 
Besitzes  aus  dem  Weg  zu  räumen,  forderten  daher  die  Pro- 
testanten AbsonderuDg  des  Besitzes  der  Wahlfürstentümer  Ton 
dem  Bekenntnis,  der  Reichstandschaft,  die  mit  ihnen  yer- 
knüpft  war,  yon  der  Kurie.  Es  war  dies  die  grofse  Frage 
der  Freistellung,  welche  Deutschland  vom  Religionsfrieden 
bis   zum   dreifsigjährigen   Krieg   in  Bewegung  gehalten   hat. 

Von  dem  Kaiser  Maximilian  erwarteten  die  Protestanten 
ein  willfähriges  Eingehen  auf  dieselbe,  mit  seiner  Hilfe 
glaubten    sie   ihr  Begehren    durchsetzen    zu    können»     Hatte 

1)  Rittor,  GeMhichte  der  DentscheD  Union  I,  11. 


4l2  Politik  das  Hersogi  Johann  Casimir  Ton  Coburg. 

er  dooh  zu  Lebieiten  seiDM  Vaters  mit  ihnen  sympathisiert 
and  sich  darüber  beschwert,  dafs  dieser  in  der  Sache  der 
FreistelluDg  niobt  etwas  mebr  gethan  habe  ^).  Aber  im 
Falle  er  überhaupt  an  ein  ernstliches  Eingreifen  zu  Gunsten 
des  Protestantismus  gedacht  hat,  was  bei  seinem  unbeständigen 
und  in  jeder  Weise  energielosen  Auftreten  zu  bezweifeln  ist, 
so  Termochte  der  Kaiser  das  Beich  in  eine  dem  neuen  Glauben 
angemessene  Verfassung  doch  nur  dann  zu  setzen ,  wenn 
dieser  siegreich  war  und  sich  die  üeberzeugungen  immer 
mehr  unterwarf. 

Leider  aber  trat  gerade  zur  entscheidenden  Stunde 
heftige  innere  Entzweiung  in  dieser  neuen  Glaubenspartei  ein. 

Nicht  nur  der  Galyinismus,  den  Kurfürst  Friedrich  III. 
Anfang  der  sechziger  Jahre  in  der  Pfalz  eingeführt  hatte, 
und  das  Luthertum  begannen  eine  Polemik ,  die  an  Er- 
bitterung ihresgleichen  suchte,  sondern  im  Luthertum  selbst 
hatten  sich  zwei  Richtungen,  eine  orthodoxe  und  eine  ge- 
mäfsigte,  die  sogenannte  philippistische,  geltend  gemacht. 
Die  eine  verketzerte  die  Anhänger  der  anderen,  der  Norden 
und  Osten  Deutschlands  wurde  zum  theologischen  Kampf- 
platz. Da  Staat  und  Kirche  in  der  engsten  Verbindung 
standen,  so  konnte  es  nicht  ausbleiben,  dafs  dieser  religiöse 
Zwiespalt  politische  Gereiztheit  nach  sich  zog.  Es  entstand 
denn  auch  in  jenen  Jahren  der  scharfe  Gegensatz  zwischen 
den  calvinischen  und  lutherischen  deutschen  Ständen,  der  so 
verhängnisvoll   für   die   protestantische  Partei   geworden    ist 

Auf  dem  Reichstage  von  Augsburg  1566  zeigten  sich 
zum  ersten  Male  die  verderblichen  politischen  Folgen  des- 
selben. Die  Forderung  der  Freistellung,  von  der  uneinigen 
protestantischen  Partei  nicht  mit  Nachdruck  erhoben  und 
vertreten,  scheiterte  an  der  energischen,  einmütigen  Opposi- 
tion der  Katholiken.  Denn  gerade  jetzt,  wo  der  konfessio- 
nelle Gegensatz  bei  den  Protestanten  in  aller  Schärfe  hervor- 
trat, hatten   sich  die  Katholiken   neu   gesammelt.     Nach   der 

1)  Ranke  51. 


Politik  dei  Herio^  Johann  Casimir  Ton  Coburg.  413 

glüokliohen  and  erfolgreichen  Beendigung  des  Tridentiner 
Eonsils,  dessen  Beschlüsse  den  formalen  Aosdrack  der  katho- 
lischen Beformaüon  bildeten,  eilten  die  Schüler  des  Gollegium 
Germanicnm,  Tor  allem  aber  die  Zöglinge  Loyolas  über  die 
Alpen,  am  den  Lehren  des  modernen  Katholicismns  in  dem 
fast  ganz  protestantisch  gewordenen  Deutschland  Eingang 
zu  yerschaffen  und  die  Bestrebungen  der  Kurie  überhaupt 
zu  befördern.  —  Mit  welchem  Erfolg  sie  diesen  Zielen  nach- 
trachteten,  bewiesen  gar  bald  rersohiedene  Vorgänge,  die 
zugleich  den  Protestanten  die  veränderte  Sachlage  deutlich 
genug  Tor  die  Augen  führten.  Sie  mufsten  nämlich  Rehen, 
wie  die  Katholiken  aus  ihrer  bisherigen  Passivität  heraus- 
traten, und  wie  entgegen  der  Ferdinandeischen  Deklaration 
seit  1578  in  Fulda,  Mainz,  Trier,  Würzburg,  Bamberg,  Salz- 
burg, Köln^  Paderborn,  Lüttich,  kurz  in  allen  geistlichen 
Territorien,  sich  nacheinander  die  Eeaktion  gegen  den  so 
tief  eingedrungenen  Protestantismus  erhob  ^). 

Um  diesen  Strom  des  Yerderbens  zu  hemmen,  stellte 
Pfklz  beim  Kurfürstentag  1575,  der  über  die  Wahl  eines 
neuen  Königs  beriet,  den  Antrag,  dafs  die  Ferdinandeische 
Deklaration  in  die  Wahlkapitulation  aufgenommen  werde. 
Aber  obwohl  die  Erklärung  der  geistlichen  Kurfürsten,  dafs 
sie  sich  auf  eine  solche  nicht  entsinnen  könnten  ^),  genug- 
sam auf  ihre  Absicht,  die  Gegenreformation  fortzusetzen, 
schliefsen  liefs,  obwohl  die  Annäherung  des  Kaisers  an  die 
spanische  Politik  die  Hoffnung,  die  die  Protestanten  auf 
seinen  Beistand  gesetzt,  hatte  schwinden  lassen,  so  wurde 
dieser  Antrag  doch  nicht  energisch  von  den  protestantischen 
Kurfürsten  unterstützt.  Der  religiös-politische  Gegensatz 
zwischen  der  Pfalz  und  Sachsen,  der  gerade  damals  durch 
familiäre  Zwistigkeiten  noch  gesteigert  war,  verhinderte  ein 
einmütiges  Vorgehen.  So  fiel  die  pfälzische  Forderung,  die 
Wahl   wurde   vollzogen,    die    Deklaration    blieb   unbestätigt 


1)  Ritter  I,  19. 
8)  Bänke  86. 


1 


414  Politik  dei  HttnogB  Johann  Oft^mir  Ton  Coburg. 

Audi  auf  dem  Beiohstag  1676  gekng  es  den  ProtestuiteD 
niobt,  Abstellung  ibrer  Betobwerden  und  Oewäbrung  ihrer 
Forderungen,  besonders  die  der  Freistellung,  su  erlangen. 
Man  wollte  die  Geldbewilligungen  y«n  dem  allen  abhängig 
machen.  Was  die  Protestanten  jemals  erlangt  hatten,  war 
auf  diesem  Wege  erreicht  worden.  Der  Kaiser  schwankte, 
doch  Sachsen  weigerte  sich,  den  alten  Weg  wieder  einzu- 
schlagen. Die  Streitigkeiten  blieben  unTcrglicben,  die  Gelder 
wurden  bewilligt,  die  Gegenreformationen,  die  nunmehr  auch 
in  den  weltlichen  katboliichen  Fürstentümern  begonnen  hatten, 
dauerten  fort.  Bayern,  Baden-Baden,  Karl  von  Steiermark 
und  der  Ffalzgraf  von  Neuburg  entfernten  die  protestantischen 
Slemente  aus  ihren  Gebieten.  Die  Vertreibung  des  1582 
protestantisch  gewordenen  Ersbiscbofs  Gebhard  von  Köln 
und  die  Aechtung  der  Stadt  Aachen  seigten  die  wachsende 
Macht  der  katholischen  Partei. 


n.  Unionagedanke  und  UnionavarBUohe. 

Mit  Besorgnis  blickten  die  Protestanten  hin  auf  dieses 
Vorgehen  ihrer  Gegner,  das,  wie  man  glaubte,  ein  Glied  in 
einer  grofsen  Kette  von  Unternehmungen  sei,  die,  besonders 
in  Frankreich  und  den  Niederlanden  durch  die  spanische 
Politik  ins  Werk  gesetzt,  die  Vernichtung  der  religiösen  wie 
politischen  Freiheit  der  protestantischen  Völker  beawecken 
sollten. 

Diese  Befürchtung  mufste  aber  in  ihnen  sngleich  den 
Gedanken  wachrufen,  einen  sicheren  Schutz  für  sieh  und  ihre 
Ansprüche  gegen  die  Machinationen  und  Bedrohungen  der 
katholischen  Mächte  zu  suchen.  Dafis  die  Institute  der  Beichs- 
yerfassung,  in  denen  die  Katholiken  die  entscheidende  Stimme 
hatten,  einen  solchen  ihnen  nicht  bieten  könnten,  daTon 
war  eine  Beihe  Ton  protestantisohen  Ständen,  Kurpfieds  an 
der  Spitze,  überzeugt. 

Da  war  denn  keine  Auskunft  natürlicher,  keine  durch 
Ueberlieferung    mehr    empfohlen     als    der  Abschlufs    eines 


EoUtfk  d«t  H«noi^  JohAnn  OMlmir  tob  Coburg.  4X5 

Bündniises  zwiBohen  den  doroh  gemeinsame  Oefthren  Ter* 
bandenen  Ständen.  Aber  die  Stiftung  eines  solchen  Bandes, 
der  seine  Wursel  hatte  in  dem  Mifstranen  gegen  die  Reichs- 
gewalten,  sohlofs  vou  selbst  eine  Opposition  gegen  diese  in 
sieh.  80  gingen  in  der  That  neben  den  Bestrebungen,  einen 
Band  su  gründen,  bei  deh  entschiedeneren  Vertretern  der 
protestantischen  Partei  Yersnche  einher,  die  deutsche  Ver- 
fassung zu  reformieren,  oder  yielmehr  die  Kechte  der  einseinen 
Eeichsgewalten,  in  denen  die  Gegner  das  Uebergewicht  hatten, 
nach  Möglichkeit  zu  schwächen  und  lu  untergraben. 

So  yertraten  seit  1598  besonders  die  Ffälzer  den  Grund- 
satz, dafiB  in  Beügionssachen  die  Majorität  keine  Gewalt  habe 
über  die  Minorität.  Geldbewilligungen  für  den  Türkenkrieg 
erklärte  man  für  freiwillige,  also  yon  keinem  Majoritätsbe- 
schlufs  abhängige  Leistungen  >). 

Ferner  griff  man  auf  den  Reichstagen  1594  und  1698 
das  Vorrecht  des  kaiserlichen  üofrats,  die  höchste  Gerichts- 
barkeit auszuüben,  und  damit  die  wichtigste  Reliquie  der 
kaiserlichen  Macht  entschieden  an  '). 

Diese  UnionsTersuche  und  Reformpläne  knüpfen  sich  in 
den  ersten  Stadien  ihrer  Entwickelung  an  den  Namen  des 
Pfedzgrafen  Johann  Casimir,  der  damals  als  Vormund  des 
unmündigen  Friedrich  IV.  yon  der  Pfalz  einen  bedeutenden 
Einflula  besafs. 

Doch  seine  Absichten  und  Vorschläge  fanden  bei  einer 
grofsen  Anzahl  protestantischer  Fürsten,  besonders  des  nörd- 
lichen Deutschlands,  keinen  Beifall  und  keine  Unterstützung. 
An  ihrer  Spitze  stand  der  Kurfürst  August  yon  Sachsen,  der 
mächtigste  und  reichste  Fürst  in  diesem  Teil.  Nicht  sein 
konfessioneller  Gegensatz  zu  der  Pfalz  allein  war  bei  seiner 
abweisenden  Haltung  dem  Plane  einer  Union  gegenüber  mafs- 
gebend,  yielmehr  ist  seine  politische  Richtung  hierbei  be- 
sonders  in   Betracht   zu   ziehen.     Festen    Ansohlufs   an   die 


1)  Ritter  I,  40. 
S)  Bitter  I,  86. 


416  Politik  dei  Henogs  Johann  Catimir  Ton  Coburg. 

Uabsborger  ebenso  wie  die  Erbaltuug  des  Friedens  hielt  er 
für  die  Sicbeiung  seines  Enrfürstentamf  für  notwendig.  Die 
Union  aber  trat  mit  ihren  Bestrebungen  in  offene  Opposition 
aum  Kaiser;  sie  gefährdete  zn  gleicher  Zeit  aaoh,  wie  die 
sächsische  Politik  annahm,  den  Frieden,  weil  sie  einen  Gegen- 
bnnd  der  Katholiken  heryormfen,  dadurch  die  Gegensätse 
schärfen  und  den  inneren  Kampf  entzünden  müsse.  Saohsen 
Tetwarf  daher  jeden  protestantischen  Bund  und  setzte  nach 
wie  Yor  sein  Vertrauen  auf  den  Beligionsfrieden  und  die 
Beichsverfassung.  Diese  Politik  blieb  Tor  bildlich  auch  für 
die  Nachfolger  Augusts.  Nur  sein  Sohn  Christian  I.  hat 
eine  Ausnahme  gemacht.  Er  liefs  sich  nämlich  durch  seinen 
Kanzler  Krell  und  besonders  durch  den  Pfialzgrafen  Johanu 
Casimir  überzeugen,  dafs  man  sich  Ton  seiten  der  cTangelischen 
Stände  nur  durch  einen  Bund  gegen  die  spanisch-päpstlichen 
Anschläge  schützen  könne.  Schon  war  in  Torgau  1591  die 
Bundesakte  zwischen  Pfalz,  Brandenburg,  Braunschweig,  Meck- 
lenburg und  Hessen  yereinbart ');  nur  die  Ratifikation  der 
Fürsten  fehlte  noch,  da  liefs  der  Tod  Christians  den  ganzen 
Plan  scheitern ,  denn  in  Sachsen  lenkte  man  unter  dem 
Administrator  wieder  ein  in  die  Bahnen  der  konserratiTen 
Politik  Augusts,  um  sie  nicht  mehr  zu  verlassen. 

Ebenso  wie  Kursachsen  yerschlossen  sich  Württemberg, 
Neuburg,  Mecklenburg,  Pommern  und  die  sächsischen  Herzöge 
den  pfKlzischen  Unionsbestrebungen.  Es  war  die  konserratiTe 
Friedenspartei  unter  den  deutschen  eyangelischen  Fürsten. 
Zwar  waren  auch  sie  nicht  unbesorgt,  dafs  die  Folgen 
etwaiger  Siege  ihrer  auswärtigen  Gegner  auch  ihnen  geföhr- 
lich  werden  könnten,  doch  sie  beruhigten  sich  damit,  dafs 
sie  einstweilen  aufser  Bereich  der  feindlichen  Waffen  seien 
und  dafs  einstweilen  Feindseligkeiten  ihrer  katholischen  Mit- 
stände nicht  zu  erwarten  wären.  Zu  diesen  Erwägungen 
aber  kam  bei  den    strengen  Lutheranern   noch   das   religiöse 

1)  Ritter  I,  46  ;  Böttiger,  Geichiohte  von  Sschsen,  2.  Anfl.  bearb. 
von  Flathe,  II,  99,  100. 


Politik  des  Henogi  JohMn  CMimir  Ton  Coburg.  417 

Bedenken.  £ine  Yerbindung  mit  den  Calyanisten  snm  Sohnts 
der  Eeligion  sohlen  ihnen  nicht  nnr  ein  Verrat  am  gött- 
lichen Wort  zu  sein,  sondern  anoh  eine  Gefährdung  ihres 
ganien  rechtlichen  Zustandes  in  sich  zn  schliefsen,  da  ja  die 
Bestimmungen  des  Augsburger  Beligionsfiriedens  auf  alle  von 
der  Augsburgischen  Eonfession  abweichenden  Sekten  keine 
Anwendung  finden  sollten. 

Diese  Fürsten,  deren  Länder  einen  grofsen  Teil  des 
protestantiichen  Deutschlands  ausmachten ,  yerhielten  sich 
also  den  pfälzischen  ünions-  und  Beformbestrebuogen,  die 
nach  Johann  Casimirs  Tode  als  Erbteil  auf  die  Bäte  Fried- 
richs lY.  übergingen,  durchaus  ablehnend.  —  So  sahen  die 
Ftälzer  das  Feld  ihrer  Thätigkeit  beschränkt  auf  einen  kleinen 
Teil  Deutschlands,  besonders  auf  die  protestantischen  Stände 
des  Westens.  Unter  den  Lutheranern  fanden  ihre  Bestre- 
bungen überhaupt  nur  Beifall  bei  dem  Hause  Brandenburg, 
dem  Herzog  Julius  von  Brauoschweig  und  dem  Landgrafen 
Moritz  Ton  Hessen,  weil  sie  Ton  der  Voraussetzung  aus- 
gingen, dals  die  Vereinigung  der  Lutheraner  und  Calvinisten 
das  einzige  Mittel  sei,  um  der  katholischen  Partei,  die,  wie 
sie  meinten,  beiden  Konfessionen  dasselbe  Verderben  bestimmt 
habe,  ebenbürtig  gegenübertreten  zu  können. 

Vor  allem  aber  waren  es  die  religiösen  Gesinnungs- 
genossen der  Eurpfälzer,  welche  ihre  Befürchtungen  teilten 
und  mit  ihren  Plänen,  die  sie  auf  Grund  derselben  vor- 
schlugen, eiuTerstanden  waren.  Die  Markgrafen  von  Baden- 
Durlach,  der  Herzog  Ton  Zweibrücken  und  die  Fürsten 
Yon  Anhalt  bildeten  im  Vereine  mit  der  Pfalz  diese  Gruppe. 
£s  war  die  Fortschrittspartei  unter  den  eyangelischen  Fürsten, 
welche  der  Politik  des  protestantischen  Deutschlands  einen 
im   wesentlichen    offensiyen   Charakter   zu    geben    wünschte. 

Doch  die  Einigkeit  der  wenigen  Stände,  die  sich  zur 
Verwirklichung  des  Unionsplans  entschlossen  zeigten ,  war 
bedroht  durch  die  yerschiedenen  eigennützigen  und  uneigen- 
nützigen Auffassungen  der  einzelnen  Ton  den  Zwecken  des 
Bundes.     Des  Kurfürsten  von  Brandenburg   Zumutung  z.  B., 


413  Politik  d«t  Htnogi  J^huia  CMimir  ron  Coburg. 

dafs  die  Unierten  nooh  bei  Lebseiten  des  Hersegs  von 
JWob  in  die  dortigen  Yerhftltnisie  eingreifen  tollten ,  nm 
sein  Erbrecht  gegenüber  den  spaniftchen  nnd  kaiserlichen 
Einflössen  sn  sichern,  rief  den  entschiedenen  Widersprach 
des  Landgrafen  Morits  herror,  der  die  Anfgabe  einer  Union 
lediglich  in  der  Verteidigung  der  rechtswidrig  angegriffenen 
Mitglieder  sah  ^).  Ein  zweiter  Grund,  der  die  pfälzischen 
Unionsversuche,  deren  in  den  Jahren  1692 — 96  nicht  weniger 
als  Tier  unternommen  wurden  *},  yereitelte,  lag  in  der  Besorg- 
nis, daüs  ein  Bund,  «wischen  so  wenigen  geschlossen,  gefähr* 
lieher  sei  als  gar  keiner,  denn  ein  solcher  werde  nur  einen 
katholischen  Gegenbund  herrorrufen,  der,  Ton  der  spanischen 
Macht  unterstützt,  die  kleine  protestantische  Vereinigung  er- 
drücken müsse. 

Eine  offene  Allianz  mit  Frankreich,  wie  sie  Johann 
Casimir  wünschte,  die  an  Stelle  der  bisher  Ton  einigen 
protestantischen  Fürsten  nach  Frankreich  geschickten  kleinen 
Truppen-  und  Geldsendungen  treten  sollte,  hätte  freilich  die 
Widerstandskraft  und  die  Sicherheit  eines  protestantischen 
Bundes  erheblich  yerst&rkt.  Aber  abgesehen  7on  den  Opfern 
und  Gefahren,  die  eine  solche  Verbindung  mit  sich  bringen 
mufste,  hörte  man  nach  Johann  Casimirs  Tode  noch  auf  die 
Mahnungen,  welche  gegen  einen  Bund  mit  den  Fremden  an 
das  reiohsständige  Gewissen  gerichtet  wurden.  So  blieben 
denn  auch  die  Versuche,  die  Heinrich  IV.  1590  und  1597 
machte ,  die  protestantischen  Stände  offen  auf  seine  Seite 
zu  ziehen ,  erfolglos ') :  der  weitere  Bund  mit  Frankreich 
kam  ebensowenig  zu  stände  wie  der  engere  unter  den  deutschen 
Fürsten. 

Nicht  einmal  der  spanische  Einfiel  Tormochte  den  ünions- 
gedanken  seiner  Verwirklichung  entgegenzuführen.  Anfisngs 
allerdings  schienen  die  Korrespondierenden  —  denn  so  nannten 
sich  die  Stände,  welche  die  Union  betrieben  —  durch  Opfer- 

1)  Ritter  I,  76. 
8)  Ritter  I,  62. 
8)  Ritter  I,  77. 


Politik  d«i  Heraogs  Johann  Casimir  Ton  Coburg.  419 

Willigkeit  und  EntsohlosBenheit  die  Eeichsexekation  in  den 
Schatten  stellen  sa  wollen.  Sahen  sie  doch  in  diesem  Ein- 
fall der  Spanier  den  Beginn  des  Angriffs  gegen  die  Freiheiten 
der  eyangelischen  Fürsten  und  ihre  Religion !  Aber  der 
Geiz  und  die  Aengstlichkeit  verschiedener  Stände  und  dann 
der  Streit  des  Herzogs  inline  von  Braanisohweig  mit  dem 
Landgrafen  Moritz  Ton  Hessen  über  den  Oberbefehl  des  auf- 
zustellenden Heeres  liefsen  den  Plan  der  Korrespondierenden, 
als  selbständige  Macht  ihren  auswärtigen  Feinden  gegenttber- 
zutreten,  ebenso  kläglich  scheitern  wie  den  ementen  Ver- 
such, ein  allgemeines  eyangelisches  Verteidigungsbündnis  auf- 
zurichten. Als  nun  gar  der  Kurfürst  Ton  Brandenburg  und 
.der  Herzog  Julius  von  Braunschweig  die  Reihen  der  Korre- 
spondierenden Terliefsen,  sahen  die  Uebriggebliebenen  ein, 
dafs  sie  unter  diesen  umständen  die  Protestation  gegen  die 
im  Eeichstagsabschied  1598  festgesetzte  Türkensteuer  nicht 
aufrecht  erhalten  konnten.  Im  April  und  Mai  waren  die 
Sprüche  des  Kammergerichts,  welche  an  die  fernere  Weige- 
rung die  Drohung  der  Reichsacht  knüpften  ^),  gefallen.  Das 
Scheitern  eines  Bundes  hatte  den  Korrespondierenden  die 
Möglichkeit  entzogen,  im  gegebenen  Fall  Gewalt  mit  Gewalt 
abzutreiben.  So  wurde  der  Besohlufs  durchgesetzt,  dafs  ein 
jeder  zusehen  möge,  wie  er  sich  mit  dem  Kaiser  yergleichen 
könne.  Es  folgte  die  Zeit,  in  welcher  die  SteuerTcrweigerer 
die  Ansprüche  des  Kaisers  mit  runden  Summen  befriedigten. 
Ja  auf  dem  Reichstage  1603  wurden  ihm  86  Römermonate 
bewilligt,  die  höchste  Summe,  welche  Rudolf  Tom  Reiche  er- 
halten hat«). 

Alle  Versuche,  welche  die  pfälzische  Partei  seit  1690 
gemacht  hatte,  um  den  Plan  einer  Union  zu  realisieren,  waren 
gescheitert  an  der  geringen  Zahl  und  Einigkeit  derer,  die  sich 
zusammenfanden.  Zu  gleicher  Zeit  waren  auch  die  Unterneh- 
mungen der  pfälzischen  Partei^die  eben  nur  bei  einer  selbständigen 


1)  Bitter  I,  241. 
S)  Hanke  149. 
XVII.  28 


420  Politik  des  Hersofi^  JohaDn  Casimir  ron  Coburg. 

und  mit  Mitteln  yersehenen  Macht  möglich  waren,  nämlich 
die  Steaerverweigerang,  die  Yertreibang  der  Spanier  yom 
Eeichsboden  und  die  BehauptangJ  des  Administrators  Ton 
Strafaburg  gegen  den  Kardinal  Ton  Lothringen,  resnltatlos  ver- 
laufen. Entmutigt  durch  die  dreizehnjährige  fruchtlose  Arbeit, 
gaben  die  Pfalzer  die  Unionsversache  für  einige  Zeit  auf.  Dafs 
es  nicht  für  immer  geschah,  dafilr  sorgte  der  Beiohstag  1608, 
auf  dem  nur  dadurch,  dafs  der  Kaiser  die  Erledigung  des  Justiz- 
punktes Terschob  ^ ),  der  offene  Ausbruch  der  Entzweiung  rerhütet 
wurde,  und  dann  nicht  zum  mindesten  der  Feuereifer  und 
die  rastlose  Thätigkeit  Christians  von  Anhalt,  des  Leiters 
der  pfälzischen  Politik.  Seiner  Ueberzeugung  nach  war  ein 
Kampf  zwischen  den  protestantischen  und  katholischen  Mächten . 
Europas  unausbleiblich;  zu  einem  solchen  müsse  man  sich 
protestantischerseits  rüsten,  um  im  geeigneten  Augenblicke 
zum  Angriff,  der  vor  allem  die  Schwächang  der  spanischen 
Macht  bezwecken  sollte,  herrorbrechen  zu  können.  Yen 
diesem  Gesichtspunkte  ans  hatte  er  nicht  nur  die  Verbindung 
der  deatschen  Fürsten  mit  den  Staaten  aufrecht  erhalten, 
sondern  er  reiste  auch  im  Jahre  1606  zu  Heinrich  IV.,  um 
die  guten  Beziehangen  mit  ihm,  welche  das  Verhalten 
einiger  Korrespondierenden  in  der  bouillonschen  Angelegen- 
heit getrübt  hatte,  wiederherzustellen.  Dies  war  ihm  ge- 
lungen, nicht  so  die  ünionsyerhandlungen,  die  er  auf  Grund 
des  wiederhergestellten  guten  Sinyemehmens  begonnen  hatte. 
Allerdings  hatten  die  Pfälzer  seit  dem  Reichstag  1608 
wenigstens  insofern  einen  Fortschritt  in  ihrer  Unionspolitik 
zu  yerzeichnen,  als  sie  1604  mit  Anspaoh,  Culmbach,  Anhalt- 
Dessau  und  dem  Landgrafen  Moritz  Sohutzyerträge  abge- 
schlossen hatten  *)•  Viel  wichtiger  war  das  Sonderbündnis, 
das  im  Augast  1607  zwischen  Pfalz  und  Württemberg  in 
Heilbronn  Tcreinbart  wurde  ^),  deswegen  nämlich,  weil  die 
Leistungen    erheblich    gröfser    waren    als    bei   jenen    Land- 


1)  Bitter  II,  32. 

2)  Rit(er  11,  227. 

3)  Bitter  II,  224. 


Eolitik  des  Hersogs  JofaaoD  Casimir  von  Coburg.  421 

rettongen  und  man  auch  die  Besümmang  getroffen  hatte, 
dafe  der  Band  durch  Zuziehung  anderer  protestantischer 
Stände  su  yergröüiem  und  alsdann  durch  einen  Vertrag  mit 
Heinrich  IV.  zu  yerstärken  sei.  Doch  war  yorläufig  wenig 
Aussicht  dafür  Torhanden. 

Da  hahen  yerschiedene  Ereignisse,  in  erster  Reihe  die 
Besetsung  Donauwörths  durch  Maximilian,  die  Unruhen  in 
Oesterreioh  und  dann  der  Verlauf  und  die  Sprengung  des 
Reichstags  1608,  den  Gedanken  eines  protestantischen  Bandes 
wieder  mit  aller  Macht  in  den  Vordergrund  geschoben; 
diesmal  mit  dem  Erfolg,  dafs  noch  im  Mai  desselben  Jahres, 
nachdem  der  Versuch  des  Kurfürsten  Ton  Brandenburg,  eine 
allgemeine  eyangelische  Union  zu  grflnden,  gescheitert  war, 
sich  wenigstens  eine  Reihe  Ton  Ständen  in  Ahausen  zusammen- 
sohloasen. 

Bndlich  war  das  politische  Ideal  der  Pfälzer,  das  sie 
seit  Jahren  unermüdlich  Terfolgt,  wenigstens  einigermafsen 
zur  Wahrheit  geworden.  Freilich  ein  allgemeiner  eyange- 
lischer  Bund  blieb  immer  noch  das  zu  erstrebende  Ziel,  da 
die  SU  Ahansen  geschlossene  Union  im  wesentlichen  aus 
süddeutschen  erangelischen  Ständen  bestand.  Der  Ausbau 
der  Union  wie  ihre  Existenzfähigkeit  überhaupt  hing  daher 
Ton  der  Haltung  ab,  welche  der  Norden  Deutschlands,  welche 
besonders  Sachsen  ihr  gegenüber  einnehmen  würde. 

Ich  habe  mir  Torgenommen  die  Stellung  der  emestini- 
sdhen  Linie  dieses  Hauses  und  besonders  des  Herzogs 
Johann  Casimir  zur  pfälzischen  Union  zu  ermitteln.  Doch  da 
jene  einen  Bestandteil  der  Politik  der  Emestiner  überhaupt 
bildet  und,  ohne  weiteres  aus  ihr  herausgenommen,  unver- 
ständlich sein  würde,  gedenke  ich  auf  das  allgemeine  poli- 
tische Verhalten  der  Emestiner  um  die  Wende  das  16.  Jahr- 
hunderte einen  Blick  zu  werfen  und  besonders  zu  berück- 
sichtigen, in  welcher  Beziehung  die  Emestiner  vor  dem 
Abschlufs  der  Union  zur  pfälsischeil  Partei  gestanden  und 
wie  sie  sich  den  Unionsbestrebungen  gegenüber  yerhalten 
haben. 

28* 


422  Bolitik  des  Hersogs  Johann  Oftsimir  ron  Coburg. 


I.  Kapitel. 

Charakter  der    emestinisohen  Politik  bei  Beginn  des 
17.  Jahrhunderts. 

Zur  Zeit  der  Orüodang  der  Union  waren  die  beiden 
ältesten  der  lebenden  emestinisohen  Fürsten  der  Hersog 
Johann  Casimir  Ton  Goborg  und  sein  Brader  Johann  Ernst 
der  Aeltere,  der  in  Eisenach  residierte.  Sie  waren  zagleioh 
die  beiden  einzigen,  welche  ein  selbständiges  Regiment  führten, 
denn  die  Hersöge  Ton  Weimar,  die  Söhne  des  am  10.  NoTomber 
1605  yerstorbenen  Johann  III.,  ebenso  wie  die  Nachkommen 
Friedrich  Wilhelms,  denen  am  28.  November  1608  der  Alten- 
burger  Teil  als  besonderes  Herzogtam  zage  wiesen  worden 
war,  befanden  sich  unter  der  Vormundschaft  und  natürlich 
auch  unter  der  politischen  Leitung  Eursachsens.  In  Weimar 
endete  sie  am  9.  NoTomber  1615  ^)  mit  der  üebertragong 
der  Landesregierung  an  Johann  Ernst  den  Jüngeren,  während 
Johann  Philipp  von  Altenburg  erst  bei  Beginn  des  Jahres 
1618  ToU jährig  wurde  und  in  die  Verwaltung  des  Herzog- 
tums eintrat*).  In  der  Zeit  von  1605 — 15  deckt  sich  also 
die  Politik  Johann  Casimirs  und  seines  Bruders  mit  der 
Politik  der  Emestiner.  Ja  wenn  wir  aus  dem  Teüungsrer- 
trag  Tom  14.  Desember  1596,  der  den  Coburger  Teil  der 
emestinisohen  Lande  in  zwei  Fürstentümer,  Coburg  und 
Eisenach,  schied,  die  Bestimmung  heransiehen,  durch  welche 
Casimir  die  äufsere  Politik  auch  des  Eisenacher  Fürstentums 
übertragen  wurde*),  so  können  wir  sagen,  dals  die  Politik 
Johann  Casimirs  yon  1605 — 1615,  also  auch  spesiell  seine 
Stellung  zur  Union  in  dieser  Zeit,  identisch  ist  mit  der 
emestinischen  Politik  überkaupt.  —  loh  beabsichtige  deshalb 

1)  Böse,  Hersog  Bernhard  der  Grofse,  I,  82. 

8)  Mfiller,  Annalen  des  knr-  n.  Arstliehen  Hauses  Sachsen,  S14. 

8)  Dass,  269. 


Politik  d«t  Henogi  JohAnn  CMimir  ▼on  Coburg.  428 

dieten  Fürsten    zum   liittelpunkt    meiner   Ansführangen   in 
machen. 

Wenn  wir  eeine  Politik  yerstehen  wollen,  so  dürfen  wir 
keinen  Aagenblick  das  Verhältnis  der  eroestinisohen  and 
albertinischen  Linie,  wie  es  zn  seiner  Zeit  bestand,  aufser 
acht  lassen.  Casimir  darfte  Karsachsen,  das  im  Oefähl  eines 
schlechten  politischen  Gewissens  and  in  Erinnerung  der  ver- 
schiedenen Versuche,  welche  die  Emestiner  zur  Wieder- 
erlangung der  yerlorenen  Kurwürde  gemacht  hatten,  mi£s- 
trauisch  und  argwöhnisch  auf  jede  selbständige  Begung  der- 
selben hinblickte,  in  keinem  Falle  durch  einen  ernsten  Gegen- 
satz reizen,  wenn  er  nicht  Gefahr  laufen  wollte,  von  den 
übermächtigen  Vettern  ein  ähnliches  Schicksal  zu  erleiden 
wie  sein  uDglüoklicher  Vater.  Lediglich  aus  dieser  Furcht 
neben  der  Schwäche  seines  Landes  erklärt  es  sich,  dats  er 
auf  den  Reichstagen  und  bei  anderen  offiziellen  Versammlungen 
und  Yerhandlangen  fast  ohne  Ausnahme  den  Voten  der  Kur- 
sachsen folgt.  Den  gemeinsamen  Besitz  des  Landes  Henne- 
berg und  die  Verwandtschaft  kann  man  kaum  als  Grund 
dieses  politischen  Anschlusses  annehmen,  wie  es  Bitter,  Ge- 
schichte der  Union  I,  58,  thut  Der  „gemeinsame  Besitz'' 
konnte  nur  bittere  Empfindungen  wecken,  weil  Karsachsen 
gegen  alles  Becht  sich  einen  Teil  der  hennebergischen  Erb- 
schaft, die  einzig  und  allein  den  Söhnen  Johann  Wilhelms 
zukam,  angemafst  hatte  ^).  Und  was  die  Verwandtschaft  be- 
betrifft, so  hat  sie  doch  auch  zur  Zeit  Johann  Friedrichs  des 
Mittleren  bestanden,  ohne  die  heftigste  Feindschaft  auszu- 
schliefsen. 

Aber  diese  Verbindung  mit  den  Albertinem  war  ein  un- 
natürlicher Zustand.  Die  Emestiner  konnten  das,  was  ihnen 
seit  dem  Schmalkaldischen  Krieg  von  jenen  widerfahren  war, 
unmöglich  aus  der  Erinnerung  bannen.  Die  Erbitterung  und 
der  Hafs  gegen  Kursaohsen,  den  Johann  Friedrich  der  Mittlere 


1)  Böttiger  II,  30. 


424  Politik  des  Herzogs  Johann  Cuimir  von  Coburg. 

von  Beinern  Vater  als  Erbteil  überkommen,  dem  er  selbst 
genngsam  Ausdruck  yerliehen  hatte,  ebenso  wie  sein  Streben, 
die  verlorene  Kurwürde  wieder  an  die  Glieder  seines  Hauses 
zu  bringen^),  konnte  durch  seinen  Fall  nicht  aus  der  Welt 
getchaflft  worden  sein.  Das  allerdings  hatte  die  schreckliche 
Katastrophe  gewirkt,  dafs  seine  Söhne  ihre  Gesinnungen 
weniger  offen  zur  Schau  trugen,  aber  dals  der  Gegensatz 
nach  wie  vor  fortbestand,  davon  legt  neben  yerschiedenen 
äufseren  Anzeichen,  wie  dem  Verhalten  Casimirs  gegen  seine 
Gattin,  die  Tochter  des  Kurfürsten  August^),  und  dem  Vor- 
mundschaftsstreit mit  Christian  IL  im  Jahre  1605  ')  be- 
sonders sein  Hinneigen  zur  pfälzischen  Partei  und  zur  Union 
Zeugnis  ab.  Wenn  Casimir  mit  ihr  sympathisiert,  sie  seiner 
Affektion  versichert,  wenn  er  verspricht,  ihr  alle  wichtigen 
Sachen  auf  dem  Wege  vertraulicher  Korrespondenz  mitzuteilen, 
ja  sich  so  zu  benehmen,  als  ob  er  in  der  Union  wäre  ^),  so 
ist  es  doch  wohl  klar,  dafs  keineswegs  Uebereinstimmung  der 
politischen  Anschauung  der  Grund  seines  Anschlusses  an  die 
sächsische  Staatsleitung  gewesen  ist,  sondern  dafs  hauptsächlich 
die  Furcht  ihn  dazu  bewogen  hat  —  Diese  kurzen  Be- 
merkungen über  den  Charakter  der  Politik  Casimirs  werden 
im  weiteren  Verlauf  meiner  Darstellung  oft  ihre  Bestätigung 
finden,  oft  wird  uns  das  Janasgesicht  der  casimirianischen 
Politik  entgegentreten. 


n.  Kapitel. 

Aeaasere  Politik  Johann  Casimirs  bis  snr  GMndnng 
der  Union. 

Nach  dem  Tode  des  Kurfürsten  August  (21.  Februar  1586) 
hatte  Casimir  für  sich  und    seinen  Bruder  Johann  Ernst   die 


1)  Böttiger  II,  22. 

2)  Scholtes,  S.-Cobarg-SaAlfeldbche  Lftndesgeschichte,  106  f. 

3)  Böse  I,  14. 

4)  Ritter,  Briefe  und  Akten  zar  Geschichte  des  30-j&hrigen  Krieges, 
111  n.   111  u.  o. 


Politik  des  Henogs  Jobann  Casimir  von  Coburg.  425 

Beg^erong  der  Cobarger  Lande  und  mit  ihr  die  bedeatende 
Seholdenlasty  welche  die  yormaQdsehaftliohe  Begierung  hinter- 
lassen hatte  y  übernommen.  Sie  betmg  nicht  weniger  als 
600  968  fl.  ^)  and  yermehrte  sich  im  ersten  Jahrzehnt  seiner 
Begierung  sowohl  infolge  des  greisen  Aufwandes  in  der 
eigenen  Hofhaltung  wie  durch  die  grolsen  Geldsendungen 
nach  Wiener-Neustadt  zum  Unterhalt  des  gefangenen  Vaters 
um  ein  beträchtliches.  Bei  einer  solchen  Finanzlage,  die 
erst  am  Anfang  des  17.  Jahrhunderts  sich  besserte'),  war 
schon  an  und  für  sich  eine  selbständige  äufsere  Politik  aus- 
geschlossen. Casimir  befindet  sich  denn  auch  roUständig  im 
Fahrwasser  der  kursächsischen  Staatsleitnng.  So  weigert  er 
sich  auf  dem  Beichsiag  des  Jahres  1598  ebenso  wie  Eur- 
sachsen,  an  den  pfalzischen  Sonderrersammlungen  teilau- 
nehmen  und  für  die  1594  von  der  pfälzischen  Partei  einge- 
reichten Beschwerden  einzutreten.  Auf  der  anderen  Seite 
verwendet  sich  sein  Gesandter  nach  dem  Beispiel  der  Kur- 
sachsen für  eine  energische  Unterstützung  des  Kaisers  im 
Krieg  gegen  die  Türken  ^). 

Srst  1599  treffen  wir  Casimirs  Namen  und  den  seines 
Bruders  im  Zusammenhang  mit  einem  Unternehmen,  das  von 
Kursachsen  nicht  gebilligt  wurde,  ich  meine  die  so  kläglich 
gescheiterte  Expedition  des  fränkischen,  niedersächsischsn  und 
westfälischen  Kreises,  der  sich  der  Landgraf  Moritz  mit 
5000  Mann  angeschlossen  hatte,  gegen  die  im  Beiohe  ein- 
gefallenen spanischen  Scharen  ^).  Indirekt  wurde  nämlich 
dabei  der  Landgraf  eben  von  Johann  Casimir  und  seinem 
Bruder  unterstützt,  die  ihm  der  Erbeinigung  gemäls,  die 
zwischen  den  Häusern  Hessen  und  Sachsen  bestand,  auf  seine 
Bitte   1000  Mann  zur  Deckung  seiner  eigenen  Lande  geschickt 


1)  ScholtM  78. 

8)  Seholtes  80. 

8)  Felix  Stiere,  Die  Politik  Bsyerns  1691—1607  (Briefe  a.  Akten, 
5.  Bd.),  877. 

4)  Bitter  I,  187  f.  —  Bommel,  Neuere  Geichichte  von  Hesien, 
VU,  2S9. 


426  Politik  des  Herzof^s  Joliann  CMimir  ▼on  Coburg. 

hatten.  Der  erDestinisohe  Administrator  von  Enreachsen, 
vollständig  abhängig  von  seinen  Landständen  nnd  Räten,  die 
den  Feind  durch  gütliche  Mittel,  wie  sie  der  Kaiser  vor- 
schlug, zur  Räumung  des  Reichs  zn  bewegen  hofften  ^),  hatte 
seinerseits  nicht  nur  jede  Hilfe  abgelehnt  und  sich  auf  die 
Sendung  eines  Rosses  beschränkt^  sondern  er  gab  auch  den 
beiden  Herzögen  nur  ungern  die  Einwilligung  zu  ihrer  Hilfe- 
sendung ^)  und  anoh  dann  schrieb  er  noch  vor,  dals  diese 
Truppen  nioht  aus  der  hessischen  Landesgrenze  schreiten 
sollten.  —  Diese  Unterstfitzung  bedeutete  jedoch  keineswegs 
den  Beginn  einer  veränderten  Politik  der  beiden  Brüder  über- 
haupt. Sie  hatten  eben  doch  nur  dem  Verwandten  (Moritz 
war  der  Schwager  Johann  Ernste)  und  dem  erbverbrüderten 
Fürsten  ihre  Truppen  geschickt,  nicht  der  Partei,  welcher 
dieser  angehörte.  Allerdings  hegte  der  Landgraf  die  Hoffnung, 
sie  würden  zu  bestimmen  sein,  auch  dieser  beizutreten. 
Wenigstens  erklärte  er  auf  der  Heidelberger  Tagsatzung,  die 
über  den  Abschlufs  einer  Union  beraten  sollte,  man  müsse 
mit  Rücksicht  darauf,  dafs  „etliche  Differenzen'*  zwischen  der 
albertinisohen  und  ernestinischen  Linie  vorhanden  seien,  den 
Versuch  machen,  ob  man  nicht  Weimar  und  Coburg,  oder 
eines  von  beiden,  zur  Union  herüberziehen  könnte  ^).  —  Das 
gänzliche  Scheitern  der  Unionsverhandlungen  machte  der- 
artige Schritte  überflüssig.  Daus  sie  im  anderen  Fall  zu 
irgendwelchem  Resultat  geführt  haben  würden,  ist  stark  zu 
bezweifeln.  Zwar  hatte  der  Landgraf  nicht  Unrecht,  wenn 
er  das  Bestehen  von  Differenzen  zwischen  beiden  Linien  an- 
nahm. Denn  dadurch,  daüs  der  Herzog  Johann  von  Weimar 
nach  dem  Tode  Friedrich  Wilhelms,  des  früheren  Administra- 
tors von  Eursachsen,  sich  gezwungen  sah,  den  Kurfürsten 
Christian  IL  in  die  Vormundschaft  über  dessen  Söhne  aufzu- 


1)  Bitter  I,  1S4. 

2)  Bommel  VU,  828. 

3)  Bitter,  Briefe  and  Akten  lar  Geschichte  des  80-jfthrigen  Krieget, 
I,  n.  892,  p.  365. 


Politik  dei  Benof^  Johann  CMimir  ron  Cobvrg.  427 

nehmen  ^X  ^^  ^^  VerhältniB  zwiioheo  beiden  Linien  nicht 
eben  gebessert  worden.  Aber  wie  sehr  eioh  trotzdem  die 
Emeetiner  Tor  einer  offenen  Opposition  gegen  Kursachsen 
scheuten,  davon  lengt  ihr  Benehmen  auf  dem  Beiohstage 
Ton  Regensbnrg  im  Jahre  1608,  der  unmittelbar  nach  dem 
Schlafs  der  Heidelberger  Tagsatzung  eröffnet  wurde. 

Die  sklayische  Abhängigkeit  von  der  kursficbsisohen 
Folitik,  die  in  der  Haltung  der  Emestiner  noch  auf  dem 
Reichstage  1598  so  scharf  hervorgetreten  war,  ist  freilich 
versehwunden.  Mit  dem  Tode  des  kaisertreuen  ernestinischen 
Administrators  hatte  sie  ebensfalls,  wenigstens  für  einige  Zeit, 
ihr  Ende  erreicht  Während  1698  in  der  Türkensteuer  und 
dem  Justispunkte  die  Herzoglichen  sich  den  Kurfürstlichen 
in  jeder  Weise  angeschlossen  hatten,  finden  wir  auf  dem 
Eeichstage  1608  hierin  manoigfAche  Yerschiedenheiten  zwischen 
beiden.  Rtieve  p.  635  behauptet  allerdings,  dafs  die  Gesandten 
von  Weimar  und  Coburg  von  Anfang  an  zur  Gewährung  von 
100  Bömermonaten  ermächtigt  gewesen  wären,  womit  in 
diesem  Funkt  volle  Uebereinstimmung  mit  Kursachsen  be- 
standen hätte  ^).  Aber  die  Instruktion  des  Goburger  Ge- 
sandten spricht  entschieden  dagegen  *).  Er  solle,  so  heifst 
es  in  ihr,  darauf  sehen,  dafs,  es  bei  einer  Bewilligung  im 
höchsten  Fall  von  50  Römermonaten  sein  Bewenden  haben 
möge,  doch  von  der  Mehrheit  sich  nicht  ausschliefsen ;  nur 
wenn  es  mehr  als  60  Römermonate  werden  sollten,  trägt 
Casimir  Bedenken  zu  folgen  ^).     Aufserdem  soll  der  Gesandte 


1)  Rose  I,  12. 

8)  Briefe  und  Akten,  I,  n.  301,  p.  888,  Anm.  2. 

8)  Instruktion  für  den  Goburger  Beichstagsabgeordneten  Dr.  jur. 
Wolf,  Coburg,  8.  Jan.  1608.    Goburger  Archiv,  B.  ü,  7,  No.  63.  Consept. 

4)  . . .  derowegen  wir  nnsers  theils  uff  eine  gewiesse  aber  ertregliche 
ansahl  Monat  sohliefsen.  Jedoch  soll  sich  unser  abgesandter  von  den- 
jenigen, was  per  mi^ora  dieses  Punckts  halben  bewilliget,  sonderlichen  von 
dem  f&rstlichen  Weymarischen  Vota  nicht  ausschliefsen  .  .  .  dafs  es 
wo  möglichen  bey  vieriig  oder  zum  höchsten  bey  fOnftig  Monaten 
bleiben ,  insonderheit  aber  dafr  solche  su  leidtUchen  friesten  und 
sielle,    so   denn  Stftndten  su  erreichen   erjeget  werden  mögen.     Woferne 


428  Politik  des  Hersogs  Johano  Casimir  tod  Coburg. 

yerlangen,  dafe  Ton  der  bewilligten  Summe  die  aoberordent- 
liehen  Eontributionen,  die  dem  Kaiser  im  vorigen  Jahr  vom 
oberBäehsischen  Kreis  bewilligt  worden  waren,  und  die  für 
Weimar  and  Coburg  11  808  Thaler  betragen  haben,  abgezogen 
würden.  Von  einer  ursprünglichen  Ermächtigung  zu  100  Monaten 
kann  also  nicht  die  Bede  sein.  Auch  die  Weimaraner  waren 
anfanglich  instruiert,  im  höchsten  Fall  bis  auf  60  Monate 
zu  gehen.  Doch  schon  am  12.  April  giebt  Herzog  Johann 
seinem  Gesandten  Vollmacht,  100  Monate  zu  bewilligen,  und 
wenn  dem  Kurfürsten  von  Sachsen  mehr  beliebe,  dürften  sie 
sich  auch  nicht  sträaben  ^). 

Casimir  scheint  nicht  geneigt  gewesen  zu  sein,  sich  zu 
einer  solchen  Höhe  zu  versteigen.  Als  ihm  sein  Gesandter 
den  Brief  Johanns  übersendet  mit  der  Bemerkung,  dafs  die 
Kurfürstlichen  sogar  auf  150  Monate  instruiert  seien  und 
anfragt,  wie  er  sich  femer  verhalten  sollte,  da  vorauszusehen 
sei,  dafs  es  bei  den  64  Monaten,  die  schon  jetzt  der  Fürsten- 
rat per  majora  bewilligt  habe,  nicht  bleiben  werde  '),  schreibt 


aber  I.  M.  Commissarios  darauf  replicieren  wflrde  undt  ein  mehrers  durch 
die  Stende  insgesambt  bewilliget,  so  können  wier  uns  davon  nicht  aus* 
scblielsen,  wollen  uns  aber  gentzlicl^en  versehen,  solche  hfilff  werde  der 
Stenndt  vermögen  undt  also  60  Monatt  nicht  excedim,  darumb  unser  ge- 
sandter die  weymarischen  darüber  nicht  su  schreitten  mit  vleifs  ersuchen 
wirdt,  damitt  inn  dem  Haubtwerck  nicht  discrepautia  Vota  gefallen,  sondern 
vielmehr  einer  dem  andern  die  handt  bieten  möge  .  .  . 

1)  Heraog  Johann  an  seine  Gesandten,  Kopie,  Cob.  Arch.  B.  II, 
7,  No.  62.  (Einselne  Schriften  den  lu  Regensburg  abgehaltenen  Reichstag 
betrefiend.) 

...  Ob  wir  wohl  in  der  instruction  unsere  bewilligung  auff  50  oder 
Bum  mebten  60  Monat  denn  einfachenn  Römeriug  nach  vier  ihar  lang  lue 
thun  entschlossenn  gewesenn  ....  alfs  lassen  wir  nunmehr  geschehenn, 
das  ihr  in  votando  bifs  80  entlich  auch  uff  hundert  Monat  einfachen 
Römeraugs  bewilligen  meget.  Sollte  aber  auch  unsers  vetters  defe  Chnr^ 
ffirsten  su  Sachsen  Ld.  dero  gesandtenn  befelch  gebenn,  etliche  monat 
aber  die  itso  gesetatenn  bewilligen,  so  müfsen  wir  es  entlichen  auch  ge- 
schehen lassen  .  .  . 

S)  Relation  Wolfs,  Regensborg,  8.  April  1608.  Cob.  Aroh.,  Blnielne 
Schriften  etc.,  B.  II,  7,  No.  6S. 


Politik  des  Herzogs  Johaim  Casimir  tou  Coburg.  429 

Casimir  am  3.  Mai  an  den  Brzherzog  Matthias,  den  Vertreter 
des  Kaisers  am  Beichstag,  er  müsse  seinen  Gesandten,  weil 
er  ihn  notwendig  an  seinem  Hofe  brauche,  vom  Beichstag 
abberofen  ^).  Aber  als  ihn  der  Qesandte  darauf  aufmerksam 
macht»  dafs  ein  solcher  Schritt,  j  da  nooh  nicht  einmal  der 
erste  Punkt  der  kaiserlichen  Proposition  erledigt  sei,  unbe- 
dingt Anstols  erregen  müsse  und  hinzugefügt,  es  sei  ihm 
gegenüber  die  Meinung  geäuTsert  worden,  der  Herzog  würde, 
was  die  Quantität  der  Eontribution  beträfe,  nicht  schroff 
seinen  Standpunkt  festhalten  ^),  als  aufserdem  ein  Schreiben 
des  Erzherzogs  Matthias  für  das  Verbleiben  des  Gesandten 
eintritt'),  so  giebt  Casimir  nach,  und  am  28.  Mai  schliefst 
sich  Wolf  der  Majorität  an,  welche  86  Monate  in  yier 
Jahren  zu  zahlen  bewilligt 

Beschränkte  sich  in  dem  Kontributionspunkt  die  Ab- 
weichung Casimirs  von  dem  kursächsischen  Standpunkt  im 
wesentlichen  dooh  nur  auf  die  lustruktion,  so  tritt  sie  in  den 
Verhandlungen  über  den  Justizpunkt  auch  in  den  Abstimmungen 
zu  Tage.  Es  ist  schon  charakteristisch,  wenn  die  Instruktion 
in  betreff  des  Justizpunktes  den  Gesandten  nicht  nur  auf  die 
Vota  Kursachsens  sondern  auch  auf  die  der  Hessen  und 
Brandenburger,  welche  gerade  auf  dem  B*eichstage  1603  an 
Entschiedenheit  nicht  hinter  den  Pfälzern  zurückstanden  ^), 
verweist. 

So  trat  denn  auch  der  Gesandte  für  die  Hauptforderung 
der  pfalzischen  Partei,  die  Aussetzung  der  vier  yielumstritte- 
nen  Elostersachen  aus  den  Revisionen  des  Kammergerichts, 
ein  *). 


1}  Hersog  Joh.  Casimir  an  Ersherzog  Maitliias,  Coburg,  28.  April 
1603.     Kopie,  Cob.  Arcb.,  Einzelne  Scbriften  etc.,  B.  II,  7,  No.  62. 

2}  Relation  Wolfs,  Uegensbnrg,  18.  Mai  1603.  Cob.  Arcb.,  Einzelne 
Schriften  etc.,  B.  U,  7,  No.  62. 

8)  Erzherzog  Matthias  an  Herzog  Joh.  Casimir,  Regensbnrg,  19.  Mai 
1608.     Cob.  Arch.,  Einzelne  Schriften  etc.,  B.  H,  7,  No.  62. 

4)  SticTe  656,  669.    Briefe  and  Akten,  I,  n.  801,  p.  396. 

5)  SÜeve  670. 


430  Politik  des  Hersogs  Johann  Catimir  von  Ck>biirg. 

Eursaohsen  Termied  anfangs  Partei  sn  ergreifen ;  BohlieCi- 
lieh  aber  wies  es  seine  Gesandten  an,  falls  sich  kein  Ana- 
gleich  finden  lasse,  fnr  das  nntersohiedlose  Yomehmen  der 
RcTision  zu  stimmen  ^). 

Doch  um  die  Türkenhilfe  zu  sichern  ^),  gab  Rudolf  dem 
Drängen  der  Pfälzer  insofern  nach,  als  er  die  Erledigung 
des  Justizpunktes  auf  einen  späteren  Reichstag  Terschob. 

Es  ist  ein  Hinneigen  Casimirs  zur  pfälzischen  Partei 
auf  diesem  Reichstag  nicht  zu  verkennen.  Von  einem  offenen 
Anschlufs  an  dieselbe  war  er  jedoch  weit  entfernt.  Ihre 
Sonderyersammlungen  hat  sein  Gesandter  nicht  besucht^), 
die  Majorität  in  Geldsachen  nicht  angefochten,  wie  es  die 
Eurpfälzer  und  ihre  Anhänger  gethan  ^),  und  auch  in  dem 
Justizpunkte  hat  er  nicht  bei  allen  Abstimmungen  auf  ihrer 
Seite  gestanden  ^).  Die  Furcht  vor  Sachsen  war  eben  auch 
jetzt,  wo  doch  ein  Fürst  die  Regierung  führte,  der,  wie  er 
selbst  gestand,  mit  fremden  Ohren  hören,  mit  fremden  Augen 
sehen  müsse*),  bei  den  Emestinern  grofs  genug,  um  sie 
und  speciell  Casimir  von  einer  Verbindung  mit  den  Pfalzem 
abzuhalten.  Ob  der  Gegensatz  zu  dem  Calvinismus  ein 
zweiter  Grund  war,  wage  ich  nicht  zu  entscheiden.  Die 
Rolle,  welche  Casimir  in  der  Bouillonschen  Sache  spielte, 
scheint  dagegen  zu  sprechen;  sie  scheint  aber  auch  ein 
engeres  Verhältnis  zwischen  Casimir  und  der  Pfalz  voraus- 
zusetzen, als  wir  eben  festgestellt. 

Casimir  gehörte  nämlich  zu  den  Fürsten,  welche  auf  des 
Kurfürsten  von  der  Pfalz  Anregung  hin  und  in  Verbindung 
mit  ihm  bei  Heinrich  IV.  für  den  Hersog  Ton  Bouillon  und 
zwar  durch  eigene  Gesandte  intervenierten.     Nun    allerdings. 


1)  Stieve  665. 

2)  Briefe  n.  Akten  I,  n.  301,  p.  898,  Anm.  1. 

3)  Briefe  o.  Akten  I,  n.  801,  p.  40S. 

4)  Briefe  a.  Akten  I,  n.  801,  p.  881. 

5)  Stiere  660. 

6)  Müller,  Annalen  S62. 


Politik  des  Htrsogs  Johann  Casimir  von  Coburg.  431 

wenn  wir  bei  Ritter  ^)  lesen :  Kurpfalz,  Brandenburg,  Anspaoh 
und  Coburg  sobickten  besondere  Oesandte,  so  können  wir 
nicht  begreifen,  warum  Casimir  in  so  ausgesprochener  Weise 
für  den  reformierten  Herzog,  der  das  Schofskind  der  PfSlzer 
war,  Partei  ergriffen  hat.  Das  Rätsel  löst  sich  einfach  da- 
durch, daTs  «Tobst  von  Marschall,  ein  Rittmeister  Casimirs, 
sich  damals  sufallig  in  Paris  befand.  Ihn  hat  der  Herzog 
auf  die  Bitte  des  Kurfürsten  von  der  Pfalz  hin  ^)  aufgefordert, 
sich  mit  den  kurpfalzi sehen  Räten  in  Verbindung  zu  setzen 
und  dann,  nachdem  er  sich  informiert,  um  eine  Audienz  beim 
König  nachzusuchen  und  für  Bouillon  zu  sprechen;  er  solle 
sich  aber,  wenn  er  seine  Privatgeschäfte  rerrichtet  habe, 
dieser  Kommission  wegen  nicht  länger  aufhalten  '). 

Irgend  welche  politische  Bedeutung  legte  also  Casimir 
der  Sache  nicht  bei.  £s  handelte  sich  bei  ihm  wohl  nur 
um  einen  Gefallen,  den  er  seinem  Oheim  um  so  lieber  erwies, 
je  weniger  ihm  derselbe  kostete.  Der  Hintergedanke,  dadurch 
seinem  Namen  im  Westen  bei  der  pfälzischen  Partei  einen 
guten  Klang  zu  verschaffen  und  sie  für  die  Zukunft  auf 
billige  Weise  sich  zu  verpflichten,  braucht  deswegen  bei  Casimir 
keineswegs  ausgeschlossen  zu  werden. 

£r  molste  schon  deswegen  bestrebt  sein,  mit  der  pfälzi- 
schen Partei  in  Fühlung  zu  bleiben,  weil  er  Christian  II. 
wegen  Yerstolsung  and  Gefangensetzung  seiner  des  Ehebruchs 
überf&hrten  Gemahlin,  der  Tante  Christians,  persönlich  ver- 
halst war  ^).  Der  Streit,  der  wegen  der  Vormundschaft  über 
die  hinterlassenen  Söhne  Johanns  IIL  von  Weimar  zwischen 
beiden   am    Ende   des   Jahres    1606   entbrannte^),    legt   von 


1)  Briefe  a.  Akten  I,  n.  342,  Anm.  2. 

2)  Kurfürst  Friedrich  IV.  an  Hersog  Joh.  Casimir,  Heidelberg, 
26.  Februar  1605.  Orig.  Cob.  Arcb.  A.  I,  25  b,  Saa,  No.  60.  (Die  Aos- 
söbniing  des  Hersogs  ▼.  Bouillon  mit  dem  Kooig   v.  Frankreich    betreff.) 

5)  Hersog  Joh.  Casimir  an  Rittmeister  Jobst  Ton  üarschall,  Ofsiaw, 
17.  Mirs  1605.  Concept.  Cob.  Arch.,  A.I,  25b,  Saa,  No.  50. 

4)  BdtUger  U,  HS. 

5)  Rdse  1,  14  u.  15. 


432  Politik  d68  Herzogs  Johann  Casimir  Ton  Coburg. 

dieser  persönlichen  Feindschaft  ebenso  wie  Ton  der  fort- 
dauernden Spannung  zwischen  beiden  Linien  genügend  Zeug- 
nis ab.  Natürlich  hat  der  Coburger  dabei  den  ktLrseren  ge- 
zogen. Obwohl  er  nach  dem  sächsischen  Recht  wegen  des 
nächsten  Qrades  seiner  Verwandtschaft,  wegen  seiner  Eigen- 
schaft als  Haupt  des  emestinischen  Hauses  der  aliein  Be- 
rechtigte war,  obwohl  eine  kaiserliche  Verfugung  vom 
30.  Januar  1606  ihm  wenigstens  die  Teilnahme  an  der 
Weimarischen  Vormundschaft  zugestand,  brachte  es  Christian 
doch  beim  Prager  Hof  dahin,  dafs  der  vorgeschlagene  Ver- 
gleich mit  Coburg  unterblieb. 

So  bitter  Casimir  das  Vorgehen  der  Albertiner  berühren 
mochte,  in  seiner  Politik,  die  jetzt  mit  der  des  emestinischen 
Hauses  zusammenfällt,  hat  es  keine  Veränderung  hervorge- 
rufen. Es  wäre  auch  jetzt,  wo  die  kursächsisohe  Macht 
durch  die  Vormundschaft  über  Weimar  sich  in  demselben 
Mafse  verstärkt  hatte,  wie  die  der  Ernestiner  geschwächt 
worden  war,  eine  Thorheit  und  Unvorsichtigkeit  gewesen, 
die  Albertiner  durch  eine  veränderte  politische  Stellung  zu 
reizen.  Eursachsen  blieb  eben  das  Vorbild  in  politischer 
Beziehung  mehr  depn  je. 

Einen  markanten  Ausdruck  ündet  diese  Abhängigkeit  in 
der  Instruktion,  welche  Valentin  von  Seiwitz,  Casimirs  Bat, 
zum  Reichstag  1608  erteilt  wird  ^). 

Es  ist  der  Wunsch  des  Herzogs,  heifst  es  dort,  dals,  so 
weit  es  immer  möglich,  einhellige  Vota  im  Kur-  und  fürst- 
lichen Hause  zu  Sachsen  zu  stände  kommen.  Deshalb  wird 
dem  Gesandten  die  Instruktion,  welche  der  Kurfürst  in  Vor- 
mundschaft der  Altenburger  und  Weimaraner  Herzöge  erteilt 
hat,  zugeschickt,  um  sich  daraus  zu  informieren. 

Dafs  unter  diesen  Umständen  in  dem  Coburger  Schrift- 
stück von  einer  selbständigen  und  eigentümlichen  AufGassung 


1)  lostruktioD  vor  Valentin  von  Selwis,  Ratb  u.  Hofrichter  alibier 
zu  dem  Reichstag  1607.  Orlgin.  Coburg  am  22.  Decembris  1608  (unter- 
zeichnet  von  Kanzler  Volkmar  Schererd).     Cob.  Arch.,  B.II,  7,  No..76. 


Politik  des  Heraogs  Johann  Casimir  von  Coburg.  433 

der  TerschiedeDeo  Hauptfragen  der  Zeit  nicht  die  Bede  sein 
kann,  ist  natürlich.  Es  will  übrigens  auch  keine  Spexial- 
iDstmktion  geben ;  erst  dann,  wenn  die  kaiserliche  Proposition 
publiziert  ist,  soll  %U'  erfolgen.  Nur  in  den  allgemeinsten 
Wendungen  wird  darauf  hingewiesen,  dafs  alle  zu  befürch- 
tende Unruhe  im  heiligen  römischen  Reich  abgeschafft  und 
allenthalben  Friede  uod  Eintracht  erhalten  werden  müsse 
und  da£B  den  Gravamina  dem  kaiserlichen  Ausschreiben  gemäfs 
abzuhelfen  sei.  Der  Fall  Donauwörth  wird  mit  keiner  Silbe 
erwähnt;  von  einer  Spezialisierung  der  Gravamina  ist  keine 
Bede.  DaCs  Casimir  eine  Bewilligung  Ton  50  Bömermonaten 
für  genügend  hält,  obwohl  Sachsen  sich  bis  zu  60  Monaten 
entschlossen,  hat  ^),  ist  neben  der  Absicht,  im  übrigen  der 
kursächsischen  Politik  zu  folgen,  fast  das  einzig  Konkrete  in 
den  langen  Ausführungen. 

Am  12.  Januar  wurde  durch  Verlesnng  der  kaiserlichen 
Proposition  der  Beichstag  eröffnet  und  am  5.  Februar  wird 
die  dem  Gesandten  in  Aussicht  gestellte  Spezialinstruktion  in 
Coburg  yerfafst*). 

Sie  bewegt  sich  im  grofsen  und  ganzen,  auch  was  die 
dem  SLaiser  zu  leistende  Kontribution  anbelangt,  in  demselben 
politischen  Gedankenkreis  wie  die  frühere  Instruktion;  doch 
in  einem  Punkt  tritt  uns  zwischen  beiden  ein  bemerkens- 
werter Unterschied    entgegen.      Während   dort  nur   in    ganz 


1)  .  .  .  Und  wiewohl  J.  J.  F.  F.  O.  O.  aafs  der  Chorfttrstl.  Silch- 
siscben  den  Rftthen  in  Vommndtfchaflt  erteUten  Instroktion  so  Tiel  ver- 
nommen,  das  dieselbe  af  60  Monat  dirigiret,  so  lassen  sieb  doch  dieselbe 
bedftncbten,  es  sey  nach  gelegenheit  der  unvermdgenden  Stennde  etwas 
sariel  ondt  wehre  enndtlicben  in  omnem  eventom  an  den  50  Monaten  ge- 
nogsamb;  jedoch  da  in  60  beharret,  sollet  ihr  dieselbe  of  ratification 
J.  J.  F.  F.  G.  O.  sohliefslichen  eingehen  mit  deme  anhang ,  Ihr  weitet 
solches  denselben  suschreiben  und  nicht  sweiveln,  wann  in  gesambt  dahin 
geschlossen  nndt  niemanden  befireyet.  J.  J.  F.  F.  G.  G^  würden  sieh  hiervon 
gar  nicht  atisschliellien  .... 

i)  Speaialinstroktion  für  Selwia,  Coburg,  S6.  Januar  1608  (von  dem 
Kansler  Volkmar  Sehererd  unter selchnet).  Inliegend  in  dem  Fascic. 
Beiebstags-ProtocoUa  1608.    Cob.  Arch.,  B.  II,  7,  No.  85. 


434  Politik  des  Hersogs  Johann  Cafimir  Ton  Coburg. 

allgemeinen  Ausdrüoken  angedeutet  wiid,  dafs  der  Friede  im 
Reich  erhalten  werden  mÜBse,  so  legt  die  Spezialinstruktion 
allen  Nachdruck  auf  dieAufrechterhaltung  speziell  des  Religions- 
friedens  ^)  und  schiebt  diese  Forderung  weit  mehr  in  den 
Vordergrund  als  es  in  der  ersten  Instruktion  der  Fall  war. 
—  Ich  Tormute,  dafs  man  in  Coburg,  indem  man  diesen 
Punkt  besonders  betonte,  sich  wiederum,  diesmal  allerdings 
mit  Freuden,  dem  Vorgang  Sachsens  angeschlossen  hat. 

Sachsen,  auf  den  Mheren  Reichstagen  so  bereitwillig 
die  kaiserlichen  Forderungen  zu  befriedigen,  wich  diesmal 
von  der  Regel  ab.  Infolge  der  Ränke  der  Jesuiten,  deren 
Einflnis  die  sächsischen  Staatsmänner  schon  in  der  Ver- 
folgung der  österreichischen  Protestanten  zu  erkennen  ge- 
meint hatten  und  denen  sie  jetzt  wieder  die  Oewaltthat  geg^n 
Donauwörth  zuschrieben,  hielt  man  in  Dresden  den  Religions- 
frieden dar  gefährdet^).  Die  giftigen  Reden  der  Jesuiten 
gegen  ihn  und  besonders  die  yerschiedenen  Bücher '),  in 
welchen  der  Friede  als  ein  Interim  bezeiohnet  und  überhaupt 


1)  .  .  Begehren  demnach  für  unfs  nndt  den  hochgebornen  Fürsten 
Herrn  Job.  Ernsten  etc.  etc.  hiermit  gnedigiicben,  Ihr  wollet  voriger  In- 
struktion gemels,  so  euch  abwesendt  mi£serer  durch  unfsere  Rftthe  sage- 
schickt,  mit  den  Churfürstlichen  in  vormuodtschaft  aldenbnrg.  Rftthen,  soviel 
mdglichen  mit  den  Cbnrfürstlichen  Selbsten  ad  partem  dieses  ersten  poncts 
halben  communicieren,  die  ietso  undt  vor  dessen  angesogenen  ombstende 
in  grandt  undt  fundament  erwegen,  auch  so  ferne  es  möglieben  dabin  ver- 
gleichen, das  es  bey  unfserer  vorigen  nndt  euch  durch  unfseren  Cantiler 
uud  RAthe  zugefertigten  Instruction  und  derselben  anhaong  enndtlicben  sein 
bleibens  haben  möge,  insonderheit  aber  werdet  ihr  dieses  in  acht  nehmen 
undt  gegen  wohlermelten  Chur-  u.  Ffirstl.  S&chs.  abgesanndten  mit  vleiCi 
erionem,  das  gleichwohl  und  um  fall  eine  treuherzige  wohlmeinenndtliche 
huelffe  bewilligt,  defs  beiUahmen  Religionsfriedens  wie  auch  desselben 
fortsetzunge  und  Conservation  nicht  vergessen  werde,  dann  obgleich  der- 
selben in  specie  nicht  erwehnet,  dieweil  aber  solcher  neben  dem  prophan: 
undt  lanndtfrieden  das  fürnembste  ftodamentum  darauf  die  gantze  Politia 
alfs  zweyen  starken  Seulen  ruhet  und  bestehet^  so  will  zum  hdohtten  von 
ndthen  sein,  das  beyde,  Beligion :  undt  prophanfrieden,  erhalten  werrden  .  . 

2)  Briefe  u.  Akten  I,  n.  527,  p.  620. 

8)  Wolf,  Geschichte  Maximilians  I.  u.  seiner  Zeit,  U,  277. 


Politik  dos  Horsogs  Johann  Casimir  von  Coburg.  436 

seine  Geltimgy  weil  ohne  Zustimmung  des  Papstes  eingegangen, 
bestritten  wurde,  bestärkten  und  vermehrten  die  Befürchtung 
Sachsens  ^).  —  Deshalb  trug  es  seinen  Gesandten  auf,  sie 
hätten  darauf  zu  dringen,  dafs  der  Beligionsfriede  auf  gegen- 
wärtigem Beiohstage  als  ewiger  Vertrag  bestätigt  und  das 
Schreiben  und  Predigen  gegen  ihn  untersagt  werde;  solange 
dies   nicht  geschehen,   dürfe    man    keine  Steuern    bewilligen. 

Mit  dem  EntschluTs,  die  Steuerbewilligung  von  Be- 
dingungen abhängig  zu  machen,  näherte  sich  Sachsen  der 
pfälzischen  Partei,  eine  Annäherung,  die  auch  äufserlich  ihren 
Ausdruck  fand,  indem  die  sächsischen  Gesandten  den  Befehl 
erhielten,  an  den  Privatsessionen  der  Eyangelischen  bei  Kur- 
pfialz  teilzunehmen  '). 

Dieser  Schritt  Sachsens  beseitigte  die  Trennung,  die  seit 
dem  Reichstag  1594  die  Protestanten  ihrer  besten  Kraft  beraubt 
hatte.  Welchen  Wert  die  Pfölzer  diesem  neuen,  mächtigen 
Bundesgenossen  beilegteD,  sehen  wir  daraus,  dafs  sie,  um  die  so 
lange  entbehrte  Einigkeit  nicht  durch  Verletzung  der  kon- 
serrativen  Gesinnung  Sachsens  aufs  Spiel  zu  setzen,  ihre 
extremen  Forderungen  und  Tendenzen  zurücktreten  lielsen 
vor  dem  Verlangen  Sachsens  nach  Bestätigung  des  Religions- 
friedens. So  wurde  denn  dieses  auch  der  Brennpunkt  aller 
Verhandlungen  am  Reichstag  *). 

Casimirs  zweite  Instruktion  hat  uns  gezeigt,  dafs  er  in 
dieser  Frage  voll  und  ganz  der  Initiative  Sachsens  nachgegeben 
hat.  Auch  im  Verlauf  des  Reichstags,  auf  dem  bald  der  schärfste 
Gegensatz  zwischen  den  beiden  Parteien  sich  geltend  machte, 
hat  sich  sein  Gesandter  in  jeder  Weise  den  Voten  des  von 
Kursachsen  instruierten  altenburgischen  Gesandten  angeschlossen. 
TTnd    dessen    Voten    liefsen    diesmal    an    Schärfe    nichts    zu 


1)  Briefe  n.  Akten  I,  n.  589,  p.  685,  Anm.  1. 

2)  Erklftmng  des  karsächsischen  Kanzlers  Joh.  Timftus  in  der 
Priyatsession  der  evangelischen  Stände  am  15.  (a.  S.)  Januar.  Reichstags- 
Protocolla  1608.    Cob.  Arch.  B.  U,  7,  Mo.  86. 

8)  Ritter,  Qeschichte  der  Union  II,  215. 
XVIL  29 


4S6  Politik  det  Hertogs  Johann  CMimir  tod  Coburg; 

wüDsohen  übrig.  —  Besonders  oharakteristisoh  für  die  yer» 
änderte  Stellung  der  sächsischen  Politik  ist  die  Rede,  weiche 
der  alten bnrgische  Oeeandte  am  17.  April  im  Fürstenrat 
hielt  ^).  Sie  iallt  in  die  Zeit,  wo  der  Kaiser ,  nm  den 
Grund  hinwegzuräumen,  der  es  nicht  sar  Beratung  der  Cen- 
tn butiou  kommen  liefs,  durch  seinen  Vertreter,  den  Erzhersog 
Ferdinand,  den  Vorschlag  hatte  machen  lassen,  der  Religions- 
friede solle  im  Reichstagsabschied  bestätigt  werden,  sowie  er 
1566  bestätigt  worden  sei;  über  die  Zusätze  und  Begehren 
beider  Parteien  solle  man  hinweggehen,  ohne  dafs  daraus 
ein  Präjudiz  abgeleitet  werde  *).  Es  wird  darüber  im  Fürsten- 
rat beraten.  Da  erklärt  eben  der  altenburger  Qesandte,  er 
wolle  nicht  annehmen,  dafs  in  der  luterpositionsschrift  die 
Majora  in  Religionssacheu  behauptet  würden.  Ferner  seien 
von  den  Hofprozessen  die,  welche  dem  Herkommen  und  den 
Reichskonstitutionen  zuwider,  abzuschaffen,  der  Reichshofrat 
selbst  mit  Angehörigen  beider  Konfessionen  zu  besetzen; 
endlich  müsse  den  Grayamina  der  Evangelischen  überhaupt 
abgeholfen  werden.  Es  sind  Forderungen,  die  man  früher 
nur  aus  dem  Munde  eines  pfälzischen  Staatsmanns  zu  hören 
gewohnt  war. 

Sachsen  hat  schliefslioh  doch  nachgegeben.  Die  knr- 
sächsischen  Staatsmänner  erschraken  vor  der  Aussicht  auf 
eine  Auflösung  des  Reichstages,  auf  welche  nur  zu  leicht 
eine  Auflösung  der  Reichsgesetze,  vor  allem  des  Religions- 
und Landfriedens  folgen  konnte.  Deshalb  entschlofs  man 
sich  iu  Dresden  zu  der  Instruktion,  der  vermittelnde  Antrag 
des  Kaisers  sei  anzunehmen  ^).  Zugleich  erhielteu  die  Ge- 
sandten den  Befehl,  die  knrpfälzischen  Versammlungen  nicht 
mehr  zu  besuchen  ^).     Man  war  zur  Einsicht  gekommen,  dafis 


1)  Votum  den  altonburK.  Gesandten  im  FUntenraihf  7.  (ik  S.)  April 
160S.     ReicbsUgs-ProtocollA  1608.    Cob.  Areb.   B.  II,  7,  No.  86. 

2)  Bitter  U,  218. 

3)  Ritter  II,  220. 

4)  Briefe  u.  Akten  I,  n.  629,  p.  664,  Anm.  1. 


Politik  das  HwBOgt  Jobfton  CAsimir  tod  Coburg.  437 

in  ihnen  nicht  eben  pro  Oaesare  et  imperii  ealute  beraten 
wurde,  wie  einer  der  kurBächsischen  Oesandtea  in  einem 
Schreiben  nach  Cobarg  versichert  hatte  i). 

Wie  sich  Casimirs  Gesandter  dieser  neuen  Schwenkung 
Sachsens  gegenüber  verhalten  hat,  habe  ich  nicht  finden 
können.  Er  scheint  sich  ihr  wieder  angeschlossen  zu  haben. 
Wenigstens  hat  er  ebenso  wie  der  kursächsisohe  die  Schrift  *), 
die,  von  Kurpfabs  verfafst  und  mit  den  Namen  fast  aller 
übrigen  Evangelischen  versehen,  ihre  Absieht  den  Reichstag 
SU  verlassen  ankündigte  und  begründete,  nicht  unterschrieben  ^). 

Am  28.  April  wurde  die  Schrift  übergeben ;  am  29.  sind 
Pfalz  und  Brandenburg  abgereist  Sachsens  Schwanken  hat 
sie  dazu  veranlaüst.  Die  übrigen  Stände  folgten.  Der  Reichs- 
tag war  gesprengt 


m.  Kapitel. 
OaaimirB  Stellung  lum  Brandenburger  Unionaplan. 

Bei  der  entschiedenen  Weigerung  der  Katholiken,  den 
Beligionsfrieden  zu  bestätigen,  wenn  nicht  alle  seit  1655  in 
kirchlichen  Dingen  vorgenommenen  Aenderungen  rückgängig 
gemacht  würden,  ist  es  begreiflich,  dafe  das  Bedttrfhis  einer 
Union  zum  Schutz  der  protestantischen  Interessen  sich  wieder 
mehr  denn  je  geltend  machte.     AuTserdem  hatten  die  mannig- 


1)  Berieht  eines  konlobsisohen  Gesandten  (ebne  Unterschrift). 
Begensbnrg,  So.  Febraar  1608.  Cob.  Aroh.  Reichstagssmehen  B.  II,  7, 
No.  84. 

2)  Wolf  II,  S98  fg. 

8)  Protocoll  Tom  Montag  den  18.  (a.  S.)  April  1608.  Cob.  Arcb., 
Beiehstags-Protocolla.  B.  U,  7«  No.  86  .  .  Haben  Chnr  Pfals  in  aller  Evan- 
gelisehen Stftnde  nahmen  ein  schreiben  begriefifen  nndt  dem  KayserL  Gom- 
mbsarius  fibergeben  lasfen,  darinnen  sie  ihren  absng  undt  wammb  dieser 
Reichstag  nicht  fortgeogig  sein  könne,  andeoteteu  undt  das  Coocept,  so 
bey  Chor  PCalis  Cantsley  verblieben,  allen  Evangel.  St&nden  von  hause  sn 
banse  aar  snbscription  snschieketen,  die  es  auch  fast  alle  ao£Mr  das  Chor, 
u.  Fürst].  Hanse  so  darza  nicht  instmiret  gewesen,  gehandtseichnett. 

29* 


43g  Politik  des  Hersogs  Johann  Casimir  von  Coburg. 

faltigsten  Gerüchte  die  Protestanten  in  Schreoken  gesetzt: 
Es  kamen  Nachrichten  aus  Italien,  daCs  man  dort  stark  rüste ; 
in  Bayern  und  Böhmen  sollten  ebenfalls  Truppen  susammen- 
gezogen  werden  ^).  Ja  man  wollte  wissen,  dafs  im  März 
zu  Passau  ein  Bündnis  zwischen  Bayern  und  Oesterreioh  auf- 
gerichtet worden  sei  ^).  Die  Protestanten  waren  überzeugt, 
dafs  sich  ein  grofsartiger  Angriff  gegen  sie  vorbereite. 

Da  war  es  der  Kurfürst  Joachim  Friedrich  von  Branden- 
burg, der,  veranlafst  durch  die  aufgeregten  Berichte  seines 
Gesandten  Pruckmann  ^),  sich  für  eine  persönliche  Zusammen- 
kunft sämtlicher  protestantischer  Fürsten  zur  Stiftung  eines 
Schutzbündnisses  verwandte.  —  Die  kurpfälzischen  Gesandten 
erwärmten  sich  natürlich  sofort  für  den  Plan.  Auch  die  Gesandten 
von  Neuburg,  Hessen- Kassel ,  Anhalt,  Gulmbach,  Anspach, 
Lüneburg,  Württemberg,  Baden  und  den  Wetterauer  Grafen 
stellten  einen  günstigen  Entscheid  ihrer  Herrschaften  in  Aus- 
sicht^). Doch  der  Kurfürst  von  Sachsen  war  weder  brieflich 
für  einen  Konvent  der  evangelischen  Fürsten  zu  stimmen, 
noch  gab  er  dem  persönlichen  Drängen  Joachim  Friedrichs 
auf  einer  Zusammenkunft  in  Annaberg  am  19.  April  nach. 
Er  lehnte  es  ab,  zu  erscheinen,  weil  ein  solches  Unternehmen 
jetzt  nicht  an  der  Zeit  sei ;  man  solle  erst  die  Erregung  sich 
etwas  legen  lassen^). 

Während  sich  also  Sachsen  von  vornherein  dem  Plan 
einer  evangelischen  Union  abgeneigt  zeigte,  nahmen  Casimir 
und  seine  Bäte  dem  angeregten  Projekt  gegenüber  eine  völlig 
andere  Stellung  ein. 

Schon  am  22.  März  ^)  war  nach  Coburg  berichtet 
worden,    dafs   man    unter   den   Evangelischen   sich  mit  dem 

1)  Ranke  172. 

8)  Beriebt  aas  Regeosborg  (oboe  Uoteraobrift)  18.  Mftrs  1608.  Cob. 
Aroh.,  ReicbstHgssacben  B.  II,  7,  No.  86. 

8)  Briefe  u.  Akten  I,  n.  589,  p.  668  n.  669. 

4)  Briefe  u.  Akten  I,  n.  689,  p.  661. 

5)  Briefe  n.  Akten  I,  n.  689,  p.  668. 

6)  Bericht  aas  Regensbarg  (ohne  Unterschrift)  18.  Mira  1608.  Cob. 
Arch.,  Beichstagssaoben  B.  II,  7,  No.  86. 


Politik  des  Herzogs  Johaoo  Casimir  von  Coburg.  439 

Plane  einer  engeren  Vereinigung  trage.  Näheres  erfahr  man 
ans  einer  Belation  des  Gesandten,  die  am  16.  April  üher- 
hracht  wurde').  In  derselben  berichtet  er:  Am  12.  April 
habe  sich  der  brandenburgische  Gesandte  bei  ihm  melden 
lassen  und  ihm  die  Absicht  seines  Herrn»  die  Evangelischen 
wegen  der  augeoscheinliohen  Gefahr ,  die  ihnen  drohe,  zu 
einem  Bund  zusammenzuschliefsen ,  mitgeteilt  Eine  stille 
Zusammenkunft,  wo  ohne  Protokoll  die  Sache  erledigt  werden 
könnte,  sei  notwendig.  Der  Eurfärst  lasse  nun  durch  ihn 
anfragen,  ob  Casimir  und  Johann  Ernst  mit  der  persönlichen 
Zusammenkunft  einverstanden  wären.  Der  Gesandte  hatte 
erklärt,  nicht  instruiert  zu  sein  '). 

Als  die  Belation  ankam,  befand  sich  Casimir  in  Be- 
gleitung seines  Eammersckretärs  Heufsner  in  der  Nähe  von 
Eisenach.  Des  Hersogs  Kanzler  Schererd  nahm  sie  deshalb 
in  Empfang  und  verbreitete  sich  in  einem  ausführlichen 
Gutachten,  das  er  „als  unverfängliche  Erinnerung^'  für  die 
Antwort  an  den  Kurfürsten  von  Brandenburg  an  HeuXsner 
schickt,  über  den  Plan  desselben  ^). 

Entschieden  tritt  er  für  einen  Bund  der  evangelischen 
Stände  ein.  Allerdings  hätten  dergleichen  Yereinigungen 
öfters  einen  bösen  Ausgang  genommen,  wie  der  Schmalkal- 
dische  Bund  bezeuge.  Aber  man  dürfe  nicht  vergessen,  dafs 
es  etwas  ganz  anderes  sei,  wenn  dieselben  pro  Caesare  et 
Imperii  salute  und  nicht  contra  Caesarem  et   ad    offensionem 


1)  BelatioD  Selwisens.  Begensbnrg,  8.  April  1608.  Cob.  Areh., 
BeiehstagssAchen  1608,  B.  U,  7,  No.  86.  ^Dss  Postseript.  besieht  siob  auf 
den  UnioDsplan.) 

8)  .  .  Auff  dieses  habe  ich  swar  geantwortett,  das,  wie  es  der  Oe- 
sannde  selbstTersteDdig  za  erachteoD  ,  ich  uff  dieses  Dicht  bcTehlichtt, 
solche  sacbeon  auch,  dieweill  sie  iim  geheimb  gehaltenn  werden  soUtenn, 
der  federnn  nicht  wohl  soTertrawenn,  ich  wollte  aber  nichtt  nnderlassenn 
solches  £.  F.  G.  za  meiner  anknnfft  onderthenig  su  referiren  .  .  of.  dain 
Briefe  n.  Akten  I,  n.  5S9,  p.  66S:  „Der  Coborger  (Gesandte  habe  kelDcn 
gflnstigen  Entscheid  in  Anssicht  gestellt.** 

8)  Gatachten  des  Kanzlers  Schererd.  Datum  Coburg,  9.  April  1608. 
Coneept.    Cob.  Aroh.,  Beichstagssaehen  1608,  B.  II,  7,  No.  86. 


440  Politik  d«8  Henogs  Johtnn  Casimir  too  Coburg. 

paois  pnblioae  gesohloBsen  würden.  Bobliefslioh  fügt  er  das 
rätselhafte  Wort  an:  Unnd  weil  nichts  so  böse,  es  ist  auch 
SU  ettwas  gut,  mochte  es  (der  Bond)  yieleioht  E.  F.  Gn. 
Sachen  zu  einem  befsern  standt  bringen. 

Dieses  Gutachten  muTs  Casimirs  Tollen  Beifall  gefunden 
haben,  denn  der  lange  und  interessante  Brief,  den  er  am 
29.  April  1608  dem  Kurfürsten  als  Antwort  übersandte^),  ist 
ganz  im  Sinne  desselben  abgefafst. 

Weil  er  den  Besorgnis  erweckenden  Zustand  im  Reich 
und  die  Gefahr,  in  welcher  die  Evangelisohen  schweben,  an- 
erkennen mufs,  so  ist  Casimir  und  sein  Bruder  mit  dem 
Vorschlag  einer  geheimen,  persönlichen  Zusammenkunft  durch- 
aus einverstanden.  Was  den  Bund  selbst  angehe,  so  sei 
es  nach  der  heiligen  Schrift  nnd  der  goldenen  Bulle  erlaubt, 
einen  solchen  zu  tchliefseu.  Hätten  sich  doch  z.  B.  Tor 
zwei  Jahren  die  Erzherzöge  von  Oesterreich,  um  die  Freiheit 
und  Hoheit  ihres  Hauses  zu  sichern  und  zu  beschützen,  auch 
nicht  gescheut,  eine  besondere  Konföderation  zu  errichten. 
Nicht  nur  erlaubt  sei  ein  solcher  Schritt,  sondern  die  Pflicht 
gebiete  ihn  sogar ;  schon  Thucydides  sage  mit  Kecht:  Non  ii 
modo  tyranni  sunt,  qui  aiios  in  servitutem  redigunt,  verum 
longe  potius  ii,  qui,  cum  eam  violentiam  reprimere  possint, 
non  ourant  Nun  sei  ja  zu  hoffen,  dafs  nachdem  alle 
Evangelischen  auf  der  Reiohsversammiung  zusammengehalten, 
sich  auch  keiner  von  einem  solchen  Bündnis  ausschlie£8en 
werde.  Um  aber  ganz  sicher  zu  sein,  wäre  es  das  Beste, 
wenn  sich  Joachim  zuerst  mit  den  beiden  weltlichen  Kur- 
fürsten verständige.  Weiter  möge  er  dahin  wirken,  dafs  bei 
diesem  Werk  alle  Privatbedenken  und  vor  allem  der  Religions- 
streit zum  Schweigen  gebracht  würde,  damit  das  allgemeine 
Wohl  der  alleinige  Mafsstab  alles  Vorgehens  sein  könne. 
Es  sei  ja  freilich  zu  wünschen,  dafs  Einigkeit  bestehe  in  den 


1)  Herzog  Joh.  Casimir  an  KarfCrst  Joaehim  Friedrich  von  Branden- 
barg.  Coburg,  19.  April  1608.  Concept.  Cob.  Aroh.,  BeiohstagMaehen 
1608,  B.  U,  7,  No.  86,  cf.  Anhang  L 


Politik  des  Heriogt  Johann  Casimir  von  Coburg.  441 

wahren  Lehreii  des  ByaDgeliumB,  aber  wenn  es  darauf  an- 
komme, den  Frieden  zu  .erhalten  und  einer  Gefahr  zu  be- 
gegnen, so  müsse  roan  diejenigen,  welche  in  der  Beligion 
nicht  in  allen  Funkten  und  Artikeln  dieselbe  Meinung  hätten, 
dulden.  Bs  sei  dies,  wie  ihm  berichtet  worden,  die  Ansieht 
vieler  hervorragender  Theologen  der  Vergangenheit  und  Gegen- 
wart Nur  wenn  dies  geschehe,  könne  die  Trennung  unter, 
den  evangelischen  Ständen,  welche  die  Feinde  so  eih*ig  an- 
strebten, abgewendet  werden.  Man  solle  doch  der  geringen 
Differenzen  wegen  nicht  den  Plan  eines  allgemeinen  Bundes 
fallen  lassen  und  abwarten,  bis  die  Flammen  zum  Himmel 
emporschlügen ;  dann  würde  es  zu  spät  sein. 

Vergleichen  wir  mit  diesen  Ausführungen,  die  bei  ihrem 
energischen  Eintreten  für  den  Abschlufs  einer  Union  selbst 
einem  pfalzischen  Staatsmann  Ehre  gemacht  haben  würden, 
mit  der  Bemerkung  Christians  auf  der  Anuaberger  Zusammen- 
kunft, ein  solcher  Bund  sei  jetzt  nicht  zeitgemäfs,  so  staunen 
wir  über  die  Verschiedenheit,  ja  über  den  diametralen  Gegen- 
satz, der  zwischen  der  ernestinischen  und  albertinischen  Poli- 
tik in  dieser  Frage  besteht  Wir  wundem  uns  und  suchen 
nach  Gründen,  welche  Casimir  veranlafst  haben  könnten,  von 
seinem  bisher  beobachteten  Prinzip,  Sachsen  in  politischer 
Hinsicht  sich  stets  zum  Vorbilde  zu  nehmen,  so  scharf  ab- 
zuweichen. 

Ich  vermute,  dafs  man  in  Coburg  von  einer  Abneigung 
Sachens  gegen  den  Unionsplan  wie  von  seinem  Zurückweichen 
aus  der  Opposition  überhaupt  noch  nichts  gewufst  hat  Im 
Briefe  steht  wenigstens  nichts  davon.  Im  Gegenteil  Casimir 
betont  gerade  die  Einigkeit  der  Evangelischen  auf  dem  Reichs- 
tag. Und  dann  scheint  sein  Anschlufs  an  die  sächsische  Staats- 
leitung auch  in  der  Folgezeit  ebenso  wie  sein  vorsichtiges 
Benehmen  der  pfälzischen  Union  gegenüber  dafür  zu  sprechen, 
dafs  er  auch  damals,  wenn  ihm  die  ablehnende  Haltung  Eur- 
sachsens  bekannt  gewesen  wäre,  Bedenken  getragen  hätte, 
der  kursächsischen  Politik  in  dieser  Weise  ins  Gesiebt  zu 
Bohlagen. 


442  Politik  dM  Hertogs  Johann  Casimir  von  Ck>biirg. 

Doch  waram  ist  Casimir  so  warm  für  das  Zustande- 
kommen  einer  Union  eingetreten  ?  Vor  allem  deswegen,  weil 
er  sie  im  Interesse  der  protestantischen  Sache  far  notwendig 
erachtete,  dann  aher  anch  wohl  daram,  weil  man  in  Oohurg 
die  Hoffnung  hegte,  durch  eine  solche  in  den  Privat- 
angelegenheiten gefördert  zu  werden.  Aus  dem  ohen  er- 
wähnten, rätselhaften  Wort  des  Kanzlers  glaube  ich  dies  ent- 
nehmen zu  können. 

Aber  nicht  nur  Kursaohsen  sondern  auch  andere  Stände 
bewahrten  dem  brandenburgischen  Projekt  gegenüber  eine 
reservierte  Haltung.  Die  Eintracht  der  protestantischen  Stände 
hatte  also  gerade  ausgereicht,  um  das  wichtigste  Organ  der 
Beiohsver&ssung,  den  Reichstag,  zu  sprengen.  Aber  als  es 
sich  darum  handelte,  an  Stelle  desselben  eine  Einrichtung 
zu  schaffen ,  welche  den  Protestanten  Sicherung  gewähren 
sollte,  da  trat  die  alte  Spaltung  und  Uneinigkeit  wieder  zu 
Tage.  Bis  zum  30.  April  waren  bei  dem  brandenburgischen 
Gesandten  erst  von  Kurpfalz,  Anspach  und  Württemberg  zu- 
stimmende Erklärungen  eingelaufen  >).  Bald  sah  der  Kurfürst 
ein,  dafs  er  auf  die  Durchführung  seines  Plans  versichten 
müsse.  Seine  Antwort  an  Casimir  legt  von  dem  lüfserfolge 
seiner  Bemühungen  Zeugnis  ab  *). 

Neben  dem  Kurfürsten  von  Brandenburg  hatte  aber  noch 
ein  anderer  Mann  den  Plan  einer  Union,  welchen  der  Begens- 
burger  Eeichstag  gezeitigt,  mit  Freuden  aufgenommen  und 
mit  Feuereifer  betrieben.  Es  war  der  Fürst  Christian  von 
Anhalt  Besonders  deswegen  wünschte  er  jetzt  das  Zustande- 
kommen einer  solchen,  weil  er  von  der  Hoffnung  ausging, 
sie  würde  sich  zum  Eingreifen  in  die  österreichischen  An- 
gelegenheiten treiben  lassen,  um  gegen  die  durch  die  Auf- 
stände   in   Ungarn    und    Oesterreich   und    durch    den   Zwist 


1)  Briefe  q.  Akten  I,  n.  ÖS9,  p.  66S. 

2)  Knrf&rst  Joachim  Friedrich  an  Hersog  Joh.  Casbnir.  Qegebenn 
inn  nnfseim  hoflflager  sa  Colin  an  der  Sprew  d.  18.  May  1608.  Orig. 
Cob.  Arch.,  Beichstagssachen  B.  II,  7,  No.  86. 


Politik  des  Henogs  Jobanii  Casimir  toq  Coburg.  44S 

Badolfs  und  Matthias'  geschwächte  habsbargisohe  Macht  den 
TodeBstofs  za  führen  ^). 

Semen  Vorstellungen  gaben  aach  die  Markgrafen  von 
Anspaoh,  Cnlmbach  und  Baden,  die  Herzöge  von  Württem- 
berg and  Kenburg  nach.  Am  12.  Mai  fanden  sie  sich  in 
dem  anspachischen  Dorfe  Ahausen  zusammen ;  der  Herzog  von 
Neubnrg  hatte  als  Vertreter  seinen  Sohn  Wolfgang  Wilhelm 
gesandt.  Christian  von  Anhalt  leitete  als  Bevollmächtigter 
des  Kurfürsten  von  der  Pfalz  die  Verhandlungen  nach  eigener 
Einsicht.  Ihr  Besultat  war  die  Gründung  eines  Bundes. 
Begelmäfsige  Bundessteuem  und  die  Aufstellung  einer  Bundes- 
armee sollten  seine  Existenz  sichern  ^).  um  nicht  religiöse 
Streitigkeiten  einen  hemmenden  Einflufs  auf  die  Ausbreitung 
der  Union,  an  die  sich  Lutheraner  wie  Calvinisten  anschlielsen 
sollten ,  gewinnen  zu  lassen ,  hatten  sich  die  Fürsten  das 
Wort  gegeben ,  ihre  Theologen  zur  Buhe  zu  verweisen '). 
Sie  sollten  schweigen,  um  das  politische  Werk,  das  die 
oppositionelle  Partei  unter  den  Fürsten  geschaffen,  nicht  zu 
stören. 

Freilich  betonte  man  den  defensiven  Charakter  desselben ; 
aber  die  Union  wurde  doch  eigentlich  gestiftet,  um  die  Macht 
und  die  Machtansprüche  der  Protestanten  mit  den  Waffen  zu 
verfechten,  nachdem  der  jüngste  Beichstag  die  Unmöglichkeit 
einer  gütlichen  Verständigung  gezeigt  hatte. 

Die  Union,  wie  sie  zu  Ahausen  ins  Leben  trat,  war 
jedoch  in  Wirklichkeit  nur  ein  ziemlich  enges  Verteidigungs- 
bündnis. 

Die  nächste  Aufgabe  der  Unierten  muTste  es  darum  sein, 
die  Verstärkung  des  Bündnisses  durch  ihre  protestantischeo 
Mitstände  anzustreben.  An  Versuchen  sie  hereinzuziehen, 
haben  es  jene  denn  auch  nicht  fehlen  lassen.  Doch  nur 
Kurbrandenburg,  Hessen-Kassel,  Anhalt  und  einen  Teil  der 
Beichsstände  vermochten  sie  bis  zum  Jahre  1610  zu  gewinnen. 


1)  Gindely,  Badolf  II  a.  seine  Zeit  I,  844. 
8)  Die  Bandesakte,  Wolf  U,  418  fg. 
8)  Gindely  I,  848. 


444  Politik  d«t  Htriogt  Johann  Catimir  von  Colnirg, 


IT.  Kapitel. 

Stellung  Oasimln  sor  PflUBiBohen  Union. 
Jülioher  lärbfölgestreit. 

üeber  die  Versuche,  die  in  der  ersten  Zeit  nach  der 
Gründung  der  Union  gemacht  wurden,  Casimir  zum  Beitritt 
zu  bewegen,  wie  über  seine  Antworten  habe  ich  im  Coburger 
Archiv  nichts  finden  können.  Auf  jeden  Fall  steht  die  That* 
Sache  fest,  dafs  sich  Casimir  ihnen  gegenüber  ablehnend  ver- 
halten hat,  er,  der  kurz  vorher  den  Plan  einer  Union  mit 
Freuden  begrüfst.  Unzweifelhaft  hat  die  Weigerung  Eur- 
sachsens,  sich  der  Union  anzuschliefsen  ^),  auch  diesmal  wieder 
bestimmend  auf  seine  Haltung  eingewirkt. 

Man  war  seitens  der  Union  Sachsen  in  jeder  Weise 
entgegengekommen.  Schon  in  Ahausen  war  die  Absicht  aus- 
gesprochen worden,  die  Union  in  zwei  Kreise  zu  zerlegen 
und  Oberdeutsohland  der  Führung  Sachsens  zu  unterstellen, 
um  seine  zu  erwartenden  Einwendungen  gegen  den  Vorrang 
des  Kurfürsten  von  der  Pfalz  zu  beseitigen  *).  Es  war  ver- 
gebens gewesen.  Sachsens  konservativ-orthodoxer  Sinn  wies 
alle  Annäherungsversuche  zurück. 

Die  Jülicher  Erbfolgefrage  kam  hinzu  und  vermehrte  die 
Spannung  zwischen  Sachsen  und  der  Union.  Denn  während 
Sachsen  mit  Hilfe  des  kaiserlichen  Hofs  und  auf  dem  Wege 
des  Rechts  seine  vermeintlichen  Ansprüche  auf  die  erledigten 
Lande  Jülich  und  Berg  durchzusetzen  hoffte  '),  stand  die 
Union  auf  der  Seite  seiner  beiden  hauptsächlichsten  Mitbe- 
werber, Brandenburgs  und  Neuburgs,   die  mit  den  Waffen  in 


1)  Briefe  n.  Akten  II,  n.  25,  p.  37. 

2)  RiUer,  Oesehiohte  der  Union  U,  861. 

8)  Ritter,  Sachsen  ond  der  Jfilicher  ErbfolKestreit,  3 — 6  (Abhand- 
lung der  III.  Klasse  der  königl.  Akademie  der  Wissenich.,  XII.  Bd. 
München.) 


Politik  dM  Henogt  Jolwnii  Cttimlr  Ton  Coburg.  445 

der  Hand  des  Landes  noh  bemSohtigt  und,  dnrch  das  Er- 
Boheinen  des  Erzherzogs  Leopold^als  kaiserlichen  Seqnestrators 
gleichmäfsig  bedroht,  über  den  gemeinschaftlichen  Besitz  des 
Landes  sich  verglichen  hatten.     (10.  Juni  1609). 

Kioht  weniger  Interesse  als  die  Albertiner  nahmen  die 
Bmestiner  an  der  Jülicher  Erbfolgefrage.  Hatten  doch  auch 
sie  ihrerseits  ein  Anrecht  und  zwar  auf  die  gesamten  Jülich- 
Cleveschen  Lande  ^),  ein  Anrecht,  das  auf  jeden  Fall  besser 
begründet  war  als  das  des  gesamten  Hauses  Sachsen  auf 
Jülich  and  Berg  2). 

Erst  spät  jedoch,  als  schon  der  Streit  im  rollen  Gange  war, 
war  man  sich  in  Coburg  der  Ansprüche  des  ernestinischen 
Hauses  bewufst  geworden  ^).  Im  September  1609  sind  dann 
die  albertinischen  und  ernestinischen  Räte  in  Naumburg  zu- 
sammengekommen und  haben  sich  dem  Vorschlag  des  kur- 
fürstlichen Kates  Oerstenberg  entsprechend  dahin  verständigt, 
die  Verfolgung  der  aus  den  verschiedenen  Privilegien  ent- 
springenden Ansprüche  dem  Kurfürsten  Christian  zu  über- 
tragen, der  allerdings  stets  mit  Zuziehung  der  Herzöge  handeln 
sollte.  Ferner  erklärte  man  dort,  dafs  die  Einweisung  in  den 
Besitz  und  die  gerichtliche  Erkenntnis  lediglich  dem  Kaiser 
zustehe  *). 

Wie  schon  so  oft  früher,  so  hat  man  emestinischerseits 
auch  in  dieser  Frage  offenbar  der  Initiative  der  kursächsischen 
Politik  nachgegeben.  Denn  dafs  Casimir  der  Entscheid  der 
Frage  durch  einen  Prozefs  beim  kaiserlichen  Hofrat  nicht 
sympathisch  war,  wenn  er  auch  auf  des  Kurfürsten  von  Sachsen 
Anordnung  ^)  hin  für  den  glücklichen  Ausgang  desselben  an 
Sonn-  und  Festtagen   beten  liefs^),    ergiebt    die  Betrachtung 


1)  Bittor,  Sachs,  n    d.  Jfil.  Erbfolgestreit,  7—9. 

t)  Ritter,  Sachsen  etc.,  9. 

8)  Ritter,  Sachsen  etc.,  87. 

4)  Ritter,  Sachsen  etc.,  2S. 

6)  MaUer,  Annalen,  847. 

6)  Scholtai  94. 


446  PoUtik  dM  Hmogs  Johaon  CMimir  ron  Coburg. 

einer  Reihe  von  Schriftetacken,  die  teils  von  ihm  herrühren, 
teils  rioh  mit  ihm  beschäftigen. 

Ganz  im  Gegensatz  zur  kursäohsischen  Auffassnng  be- 
tont er  in  einem  Brief  an  den  Landgrafen  Moritz  (16.  Mai) 
die  Notwendigkeit  eines  gütlichen  Vergleichsy  damit  sich  nicht 
der  Kaiser  einmische,  die  Sequestration  verhänge  und  die 
Sachen  einem  langwierigen  Prozefs  überliefere.  In  diesem 
Fall  sei  zu  befürchten,  dafs  die  Spanier  ihren  Vorteil  ersehen 
und  unter  irgend  einem  Vorwand  der  Lande  sich  so  be- 
mächtigen suchen  würden  *). 

Casimir  hat  auch  auf  die  Aufforderung  des  Landgrafen 
Moritz  hin '),  der  des  Herzogs  Ansicht  vollkommen  teilte 
und  der  auch  seinerseits  nichts  sehnlicher  wünschte  als  einen 
gütlichen  Vergleich  zwischen  Brandenburg,  Neuburg  und 
Sachsen  ^),  versucht  den  Dresdener  Hof  einem  solchen  geneigt 
zu  machen.  Doch  kalt  verwies  man  Casimir  von  dort  auf 
den  bevorstehenden  Naumburger  Tag^).  Wie  sich  der  Herzog 
hier  der  kursächsischen  Staatsleitung  wenigstens  offiziell 
fügte,  haben  wir  gesehen. 

Auch  bei  der  Besprechung  von  Annaberg  (25. — 28.  Sept) 
zwischen  dem  Markgrafen  von  Anspach,  dem  Landgrafen 
Moritz  und  den  Räten  der  beiden  sächsischen  Häuser  be- 
teiligte  sich  Casimir  offenbar  gegen  seine  üeberzeugung  an 
der  Zurückweisung  der  Vermittelungsversuche  ^). 

Kursachsen  erwartete  eben  die  Befriedigung  seiner 
Jüliohischen  Ansprüche  von  der  „Gerechtigkeit  und  Macht'« 
des  Kaisers  und  wiederholte,  nachdem  die  kursächsischen 
Staatsmänner  den  Plan,  die  Ansprüche  Sachsens  an  Oester- 
reich  abzutreten,  hauptsächlich  infolge  des  energischen  Pro- 
testes der  beiden  Herzöge  *),    hatten   fallen    lassen,    mit   un- 


1)  Ritter,  Sachsen  etc.,  p.  S7,  Anm.  1. 

8)  Bitter,  Sachten,  37. 

8)  Briefe  n.  Akten  II  n.  148,  p.  S99  —  Bommel  VII,  607. 

4)  Bitter,  Sachsen  etc.,  39. 

6)  Bitter,  Sachsen  etc.,  65. 

6)  Bitter,  Sachsen  etc.,  82  n.  88. 


Politik  des  Hersogs  Johaim  Casimir  ron  Coburg.  447 

ermüdlioher  Geduld  am  Prager  Hof  die  Bitte  um  Belehnuug 
mit  den  Landen.  Aber  so  oft  die  Belehnung  yon  Seiten  der 
sächsiBohen  Gesandten  nachgesucht  wurde,  so  oft  wulate  die 
kaiserliche  Regierung  auszuweichen. 

Diese  Zögerung  und  Zweideutigkeit  des  Prager  Hofes 
war  nur  dazu  angethao,  das  Miüstrauen  der  Herzöge  von 
Coburg  und  Eisenach  su  bestärken  und  die  Ueberseugung  in 
ihnen  zu  befestigen,  dafs  die  karsäohsische  Politik  falsch  sei, 
da£B  sie  andere  Bahnen  einschlagen  müsse,  besonders  jetzt, 
wo  die  Sachen  sich  immer  mehr  zu  einem  grofsen  Krieg  zu 
wenden  schienen.  Die  Folgen  eines  solchen,  das  betonten 
die  beiden  Fürsten  mit  Recht,  mufsten  verderblich  sein  für 
die  sächsischen  Ansprüche,  mochte  der  Kaiser  siegen  oder 
die  possedierenden  Fürsten,  denn  dafs  die  Sieger  die  Lande 
festhalten  würden,  war  vorauszusehen.  Deshalb  ging  die 
Meinung  Casimirs  und  Johann  Emsts,  die  sie  dem  Dresdener 
Hof  gegenüber  aussprachen,  dahin,  der  Krieg  müsse  auf  jede 
Weise  verhindert  werden.  Zu  diesem  Zweck  sei  mit  Branden- 
burg und  Neuburg  ein  Ausgleich  hinsichtlich  des  Besitzes 
und  der  Ansprüche  zu  treffeo,  der  sowohl  den  drei  Fürsten- 
häusern wie  dem  Kaiser  genehm  sei  ^). 

Dafs  ein  solcher  bei  der  Verschiedenheit  der  Standpunkte 
unmöglich  sei,  bewiesen  die  Hofer  Verhandlungen ').  Am 
18.  Februar,  zwei  Tage  nach  dem  AbschluÜB  des  Allianzver- 
trages zwischen  Frankreich  und  der  Union,  der  einer  Kriegs- 
erklärung gegen  das  Haus  Habsburg  gleichkam,  nahmen  sie 
ihren  Anfang. 

Nur  auf  das  Drängen  Frankreichs  und  der  Union  hin 
hatte  sich  der  Kurfürst  von  Brandenburg  dazu  verstanden. 
Boisisse,  der  französische  Gesandte,  hatte  dem  Kurfürsten 
noch  kurz  vor  dessen  Abreise  von  Schwäbisch-Hall  nach  Hof 
erklärti  qu^il  ne  doibt  feure  diffioult^  d'o^r  au  duc  de  Saxe 
quelque  part  an  la  suooession  *).     Württemberg,  Hessen,  Anhalt 


1)  Ritter,  Sachsen  etc.,  44. 

2)  Briefe  «.  Akten  UI,  n.  19,  p.  65. 

8)  Briefe  a.   Akten  111,  n.  19,   p.  87,  Anm.  1.  —  Ul,  n.  2,  p.  7* 


448  Politik  des  Heraogs  JohanD  Casimir  von  Coburg. 

und  Nürnberg  hatten  in  Schwäbisch-Hall  ebenfalla  die  Za- 
lasBung  Sachsens  zum  reellen  Besitz  gefordert  ^).  Auch  der 
Fürst  Christian  von  Anhalt  und  überhaupt  die  kurpfiüzischen 
Staatsmänner  waren  schon  Monate  vorher  einig  darüber, 
dafs  es  sehr  wichtig  sei,  Sachsen  io  der  Jülicher  Angelegen- 
heit auf  die  Seite  der  Unierten  zn  ziehen,  denn  wenn  Sachsen 
fernbleibe,  so  sei  auch  auf  Pommern,  Mecklenburg  und  Hol- 
stein nicht  zu  rechnen;  deshalb  sei  die  Aufnahme  Sachsens 
in  die  Administration  des  Jülicher  Landes  zu  beiUrworten  ^). 

Brandenburg  und  Neuburg  haben  sich  damit  nicht  ein- 
verstanden erklärt.  Bei  den  Verhandlungen  in  Hof  ist  denn 
auch  in  den  brandenburgischen  Bedingungen  nicht  die  Bede 
von  einer  Aufnahme  Sachsens  in  den  Mitbesitz.  Nur  eine 
Kaution  soll  es  sicher  stellen,  wenn  sein  Recht  im  gütlichen 
Ausgleich  obsiege.  Dafür  verlangte  man  von  Sachsen  Ver- 
werfung der  Zuständigkeit  des  kaiserlichen  Hofratee.  Die 
Sachsen  verharrten  ihrerseits  schroff  auf  ihren  bisherigen 
Forderungen.  Eine  Basis  für  die  Unterhandlungen  war  nicht 
zu  finden ;  mit  bittern   Worten  schied  man  ^). 

Dafs  die  Einladung  zur  Union,  welche  Christian  vou 
Culmbach  zu  gleicher  Zeit  bei  dem  Kurfürsten  von  Sachsen 
vorbrachte,  abgewiesen  wurde,  bedarf  keiner  Erklärung. 

Trotz  dieses  Mifserfolges  unternahmen  es  die  beiden 
Brüder  Casimir  und  Joh.  Ernst  noch  einmal  Kursachsen  um- 
zustimmen. Vom  25.  Februar  bis  zum  5.  März  dauerten 
die  Konferenzen  in  Dresden.  Die  Herzoglichen  mahnten  zur 
Verständigung,  die  Unaunehmbarkeit  der  brandenburgischen 
Vorschläge  hielt  man  ihnen  entgegen.  Dem  Bedenken  der 
Ehrlichkeit  des  kaiserlichen  Hofes  gegenüber  betonten  die 
Kursächsischen  seine  Gerechtigkeit  Und  als  die  herzogiiohen 
Räte  darauf  hinwiesen,  dafs  der  Besitz  der  Lande,  auch  wenn 
sie  vom  Kaiser  Sachsen  (zugesprochen  würden,  doch  nur  durch 
einen  Krieg  zu  erreichen  sei,  in  dem  die  Possedierenden  ihrer 


1)  Briefe  u.  Akten  111,  d.   19,  p.  68. 

2)  Briefe  a.  Akten  U,    n.  225,  p.  48.  —   U,  n.  242,   p.  466,   467. 
S)  Ritter,  Sachten  etc.,  46  u.  46. 


Politik  des  Hersoga  Johann  Cuimir  von  Cobnrg.  449 

mSohtigen  Verbüncleten  wegen  im  Vorteil  wfiren,  00  hoben 
die  Räte  des  Karfürsten  die  Macht  des  Kaisers  hervor  und 
stellten  die  Unterstützung  der  Possedierenden  durch  Frank- 
reich und  die  Union  als  zweifelhaft  hin  ^). 

Am  Tage  vor  SchluDs  der  Konferenzen  hat  der  Kurfürst 
auf  ein  Schreiben,  das,  von  dem  gröfsten  Teil  der  Uuierten 
unterzeichnet '),  ebenfalls  die  Loslösung  des  sächsischen  Inter- 
esses von  der  kaiserlichen  Politik  bezwecken  sollte,  mit 
scharfen  Worten  erwidert^):  Der  Kaiser  ist  der  einsige  su- 
ständige  Richter,  seinen  Erlassen  ist  zu  gehorchen;  unbe- 
gründet ist  der  Verdacht,  dafs  der  Kaiaer  die  Jülicher  Lande 
für  sich  und  sein  Haus  gewinnen  wolle. 

Es  war  ein  entschiedener  Absagebrief  der  kursächsischen 
Politik  auf  die  Vermittlungs vorschlage  der  Union. 

Von  den  Namen  Joh.  Casimirs  und  Joh.  Emsts  unter 
dem  Schreiben  gilt  dasselbe,  was  wir  schon  oben  erwähnt 
haben. 

Doch  das  Interesse,  welches  die  Union  ebenso  wie 
Heinrich  IV.  an  der  Gewinnung  Sachsens  nahm,  war  so  grofs, 
dafs  man  trotzdem  die  Verhandlungen  noch  nicht  abbrach. 
Aus  dem  Briefe  eines  kursächsischen  Rates  an  Christian  von 
Anhalt,  in  dem  es  YaeSs :  Hätte  man  dem  Kurfürsten  Auf- 
nahme in  die  Possession  angeboten,  so  würde  er  sich  zufrieden 
gegeben  haben  ^),  glaubte  man  schliefiBen  zu  können,  dafs  der 
Kurfürst  Vermittlungsvorschlägen  nicht  durchaus  abgeneigt 
sei;  nur  müsse  man  mit  ihm  selbst  verhandeln,  nicht  mit 
seinen  Räten,  die  alle  Pensionäre  des  Kaisers  seien. 

Der  Markgraf  von  Baden  wurde  von  der  Heidelberger 
Versammlung  dazu  ausersehen  ^).  Doch  nichts  anderes  sollte 
er  dem  Kurfürsten  proponieren  als  was  Kurbrandeuburg  in 
Hof  vorgebracht,  da  man  nicht  wisse,    ob  sonst  Brandenburg 


1)  Ritter,  Sachsen  etc.,  47. 

2)  Briefe  u.  Akten  111,  d.  20,  p.  102,  Anm.  1. 
S)  Briefe  u.  Akten  III,  n.  35,  p.  126,  126. 

4)  Briefe  u.  Akten  m,  n.  42,  p.  184. 

5)  Briefe  u.  Akten  UI,  n    44,  p.  137. 


450  Politik  des  Henogs  Johann  Casimir  von  Coburg. 

und  Neuburg  zustimiaen  wärden.  In  Sachen  der  Union  möge 
er  wegen  der  angttnstigen  Sümmuog  des  Dresdener  Hofs  vor- 
sichtig sein.  Vorerst  aber  solle  er  die  Herzöge  von  Coburg 
und  Eisenach  besuchen,  die  zuverlässigen  Nachrichten  zufolge 
die  Jülicher  Ansprüche  des  Hauses  Sachsen  lieber  auf  güt- 
lichem Weg  als  vor  dem  Forum  des  kaiserlichen  Ho&ats 
erörtert  sehen  möchten,  und  sich  Anweisungen  für  die  Ver- 
handlungen mit  dem  Kurfürsten  geben  lassen  ^). 

Am  8.  April  hat  der  Markgraf  in  Eisenach  Johann  Ernst 
zum  Eintritt  in  die  Union  aufgefordert  und  ihn  um  die  An- 
nahme gütlicher  Verhandlungen  in  der  Jülioher  Sache  ge- 
beten, welche  die  Unierten  nach  Kräften  zu  fördern  bereit 
seien*). 

Johann  Ernst  ist  mit  einer  solchen  vollkommen  ein- 
verstanden. Er  werde  sich,  so  läfet  er  dem  Markgrafen  durch 
seinen  Kanzler  mitteilen,  für  sie  wie  bisher  Terwenden,  Be- 
züglich des  von  ihm  gewünschten  Beitrittes  zur  Union  will 
er  sich  entscheiden,  wenn  er  sich  mit  seinem  Bruder  be- 
nommen. 

Welche  Stellung  dieser  den  Vorschlägen  der  Unierten 
gegenüber  einnahm,  erfuhr  der  Markgraf  wenige  Tage  später 
in  Coburg.  Am  12«  April  lieÜB  Casimir  durch  seinen  Kanzler 
auf  die  Werbung  des  Gesandten  hin  erwidernd  ausführen: 
Die  Union,  welche  Religion  und  Freiheit  gegen  die  Anschläge 
der  Oegner  verteidigen  wolle,  sei  für  das  Wohl  des  Reiches 
nötig.  Er  sei  auch  zum  Beitritt  stets  bereit  gewesen,  könne 
sich  aber  ohne  Kursachsens  Zustimmung  nicht  definitiv  er- 
klären. Erst  neulich  habe  er  dem  Kurfürsten  jenen  mündlich 
anempfohlen  und  bemerkt,  da  die  Katholiken  die  Lande 
keinem  Evangelischen  gönnten,  so  werde  Sachsen,  wenn  es 
sich  von  den  Evangelischen  absondere,  kein  Recht  bekommen. 
Indes  der  Kurfürst  habe  ablehnend  geantwortet  und  erklärt, 
daljB   er    dem  Kaiser   vertraue,   ohne   dessen  Zuthnn   er  sieb 


1)  Brief«  u.  Akten  III,  n.  44,  p.  189,  Atun.  8. 
2}  Briefe  a.  Akten  III,  n.  111« 


Politik  des  Henogi  Johann  Caiimir  von  Coburg.  451 

auch  in  keioen  güilioheD  Vergleich  in  der  Jülioher  Sache 
einlassen  wolle,  den  der  Herzog  seinerseits  f&r  den  besten 
Weg  hält. 

Im  tiefsten  Vertrauen  und  mit  der  Bitte  um  strengstet 
Geheimnis  hat  der  Herzog  noch  beigefügt :  Da  er  ohne  Sachsen 
nicht  in  die  Union  eintreten  könne,  wolle  er  mit  derselben 
doch  gute  Korrespondenz  halten,  alles,  was  ihr  schaden  könne^ 
ihr  berichten  und  Nachteile  nach  Kräften  yon  ihr  abwehren ; 
kurz,  er  wolle  sich  so  Tcrhalten,  als  ob  er  in  der  Union 
wäre  »). 

Mit  klaren  Worten  giebt  sich  hier  Casimir  als  ent- 
schiedenen Freund  und  Anhänger  der  Union  zu  erkeonen. 
Sachsens  Weigerung  allein  verhindert  ihn,  sich  offen  an  sie 
anzuschliefsen. 

Die  beiden  charakteristischen  Komente  der  Oasimiriani- 
sehen  Politik,  auf  die  ich  schon  früher  hingewiesen,  stehen 
hier  greifbar  unmittelbar  nebeneinander  Tor  uns:  Abneigung 
gegen  Knrsachsen  und  seine  Politik,  eine  natürliche  Folge 
der  Spannung  des  ernestinischen  und  albertioischen  Hauses^ 
und  doch  änfserlicher  Anschlufs  an  dieselbe,  offenbar  mit 
Bücksicht  auf  die  trüben  Erfahrungen,  welche  die  Ernestiner 
in  den  letzten  Jahrzehnten  gemacht  hatten,  so  oft  sie  sich 
den  Albertinem  entgegengesetzt. 

In  der  That  ganz  Tcrschieden  von  der  politischen  An- 
schauung, die  der  Markgraf  in  Ooburg  gefunden,  war  die 
welche  ihm  in  Dresden  aus  den  Worten  des  kursächsischen 
Kanzlers  Schönberg  entgegentrat  *).  Hatte  Casimir  die  Union 
als  notwendig  für  das  Wohl  des  Reiches  hingestellt,  so  be- 
kam er  hier  zu  hören,  wenn  man  nur  festhalte  an  der  Beichs- 
yerfassung,  die  ausgezeichneten  Beichsgesetze  beobachte  und 
dem  Haupt  des  Beiches  den  gebührenden  Gehorsam  leiste,  so 
bedürfe  es  keiner  Union.  Der  Kurfürst  schliefse  sich  deshalb 
von  ihr    ab.     Dem    Schmalkaldischen   Bund    sei    seine    Linie 


1)  Briefe  u.  Akten  lil,  n.  111. 

S)  Briefe  u.  Akten  III,  n.  111,  p.  112. 

xva  30 


452  Politik  des  Herzogs  Joliaon  Cesimir  ron  Cuburg. 

ebeofallB  ferngeblieben  und  habe  deswegen  Land  und  Digni- 
tttt  erlangt. 

Auch  in  der  Jülioher  Sache  beharrte  Sachsen  aaf  seinem 
früheren  Standpunkt  nm  so  mehr  deshalb,  weil  der  Erlafs 
des  Kaisers,  dafs  er  für  Oesterreioh  keine  Ansprüche  auf  die 
Jülicher  Lande  erhebe  ^),  Sachsen  in  jeder  Weise  beruhigt 
und  fremden  Einflüsterungen  gegenüber  ansugänglioher  denn 
je  gemacht  hatte. 

Wir  finden  es  begreiflich,  dafs  Heinrich  IV.  yon  Frank- 
reich wegen  der  fortgesetzten  Weigerung  Eursachsens,  die 
Partei  der  Habsburger  zu  verlassen,  den  Entschlufs  gefafst 
hat,  die  Albertiner  in  den  Untergang,  den  er  jenen  zu  be- 
reiten gedachte,  mit  hineinzuziehen  und  die  Kurwürde  den 
Ernestinem  zurückzugeben  '). 

Die  politische  Lage  in  Europa  schien  das  Gelingen  seiner 
Pläne  zu  verbürgen:  die  Erbländer  der  Habsburger  waren 
durch  die  dynastischen  Kämpfe  so  zerrüttet,  die  protestan* 
tische  Partei  in  ihnen  so  stark,  dafs  Heinrich  eher  auf  eine 
günstige  als  eine  feindselige  Beteiligung  derselben  zählen  konnte. 
Aufserdem  durfte  er  sich  auf  den  Beistand  der  schlagfertigen 
protestantischen  Union  in  Deutschland  verlassen ;  die  Nieder- 
länder versprachen  kräftige  Unterstützung;  Dänemarks  Neu- 
tralität war  sicher,  Englands  Anschlufs  wahrscheinlich. 

Die  Habsburger  konnten  mit  Oewifsheit  nur  auf  die 
Kräfte  Spaniens  rechnen.  Nicht  einmal  die  Macht  der  Liga 
stand  zu  ihrer  Verfügung. 

Am  20.  Mai  wollte  Heinrich  an  der  deutschen  Orenze 
sein  mit  der  Blüte  und  Kraft  seines  ganzen  Reiches.  Am 
Niederrhein  und  im  Elsafs  hatten  die  unierten  Fürsten  den 
Kampf  mit  den  Truppen  Leopolds  schon  begonnen  '),  da  zer- 
störte das  Verbrechen  eines  einzigen  die  Hoffnungen  und 
Befürchtungen  vieler  Tausende. 


1)  Ritter,  Sechsen  etc.,  50. 

8)  Bommel  VII,  SSO. 

8)  Hftoiser,  Geschichu  der  rheiDischen  PfUs,  888. 


Politik  des  Herzogt  Johann  Casimir  von  Coburg. 

Mit  dem  Tode  Heinrichs  hatte  die  Bewegung  ihren 
Lehensgeist  yerloren.  Zwar  wurde  am  1.  September  die 
Festang  Jülich  durch  die  vereinigten  Trappen  der  linierten, 
Staaten  und  Franzosen  genommen ;  auch  wurde  der  Krieg  im 
Elsafs  bis  zum  Waffenstillsand  tou  Willstädt  (10.  August) 
fortgesetzt,  aber  ohne  Einheit  und  Kraft.  Bald  wurde  die 
VerbinduDg  der  Union  mit  Frankreich  im  wesentlichen  über- 
haupt gelöst. 


y.  Kapitel. 

Versnohe  Sachsen  Bnm  AnsohlafB  an  die  kathoUsohe  Liga 
SU  bewegen  und  Oasimirs  Verhalten  ihnen  gegenüber. 

Als  der  Kampf  im  Westen  seinen  Anfang  genommen, 
hatte  sich  eine  Reihe  von  Fürsten  der  habsburgi sehen  Partei 
am  kaiserlichen  Hof  in  Prag  versammelt,  um  neben  anderen 
Fragen  die  zu  ergreifenden  Gegen mafsregeln  zu  erörtern.  Es 
hatten  sich  dort  eingefunden  die  Kurfürsten  von  Mainz,  Köln 
und  Sachsen,  der  Landgraf  Ludwig  von  Hessen- Darm stadt  und 
der  Herzog  Julius  von  Braunschweig. 

Der  scharfe  Ton  des  kaiserlichen  Mandats  gegen  die 
Union,  das  Auflösung  des  Bundes  und  Trennung  der  Streit- 
kräfte verlangte  ^)y  schien  anzudeuten,  dafs  man  am  Prager 
Hof  wie  im  Kreise  jener  Fürsten  gesonnen  sei,  energisch 
gegen  die  Union  Front  zu  machen. 

Und  in  der  That  an  Versuchen,  welche  die  für  ein  scharfes 
Vorgehen  notwendige  Basis  schaffen  wollten,  hat  es  nicht  ge- 
fehlt. Unter  ihnen  waren  am  bedenklichsten  für  die  Union  die- 
jenigen, welche  von  den  Erzbischöfen  von  Mainz  und  Köln 
ausgingen,  deswegen  nämlich,  weil  sie  darauf  hinausliefen, 
die  Liga  mit  den  Ständen  der  protestantisch-sächsischen  Partei 
za  gemeinsamem  Schutz  gegen  die  Landfriedensbrecher  lu- 
sammenzuschliefsen  ').  —  Die  Gesinnung  des  Kurfürsten  von 


1)  Ritter,  PoliHk  and  Geteblcbta  dar  Union,  89. 
t)  MoMr,  Patriotiscbet  Archiv  VI,  477.  48). 

SO* 


454  Politik  des  H«riogt  Johann  Guimir  Ton  Coburg. 

SaohseD,  der  am  7.  Juli  Tom  Kaiser  in  aller  Form  mit  CleTe 
belehnt  worden  war,  ebenso  wie  die  des  Herzogs  yon  Braon- 
sohweig  und  des  Landgrafen  yon  Hessen  schien  für  den  Er- 
folg zu  bürgen.  Denn  sie  erliefsen  im  Juli  ein  Schreiben  an 
die  TJnierteD,  das  die  gleiohgiltige  Kälte  gegen  die  Union  in 
offene  Feindseligkeit  yerwandelte  ^).  Dooh  die  Gedanken  in 
die  That  umzusetzen  und  Kaximiliao  bei  der  Exekution,  die 
ihm  yom  Prager  Hof  auf  Betreiben  des  Erzbischofs  yon  Köln 
angetragen  war,  mit  Truppen  zu  unterstützen,  waren  die 
Fürsten  des  Konyents  doch  nicht  zu  bewegen;  nur  Geld- 
zahlungen stellten  ihre  Beschlüsse  in  Aussicht  *).  Maximilian 
lehnte  darum  die  üebemahme  der  Exekution  ab  ^).  Nur  um 
nicht  wehrlos  überfallen  zu  werden,  beschlossen  die  Mit- 
glieder der  Liga  in  München  kurz  vor  der  Uebergabe  Jü- 
lichs die  Aufstellung  eines  Heeres  ^). 

Der  Ernst,  mit  dem  die  Liga  rüstete,  veranlafste  die 
Union,  der  schon  die  Mittel  zum  Unterhalt  der  Truppen  aus- 
gingen^), eine  Friedensgesandtschaft  nach  München  zu 
schicken.  Es  gelang  dort,  eine  Friedensbasis  zu  schaffen. 
Die  Union  entsagte  jedem  weiteren  Angriff.  Beide  versprachen 
bis  zum   1 5.  November  ihre  Truppen  zu  entlassen  *). 

In  Deutschland  war  äufserlich  die  Ruhe  wiederhergestellt, 
die  drohende  Bewegung  an  ihrer  eigenen  Kraftlosigkeit  er- 
storben. 

Ueber  Casimirs  politisches  Verhalten  während  dieser 
Kampfesmonate  habe  ich  nichts  ermitteln  können.  Erst  bei 
der  Kölner  Tagsatzung,  die,  vom  Kaiser  berufen,  eine  Ver- 
mittlung in  den  Jülicher  Sachen  anbahnen   sollte,  doch  ohne 


1)  Briefe  u.  Akten  III,  n.  227,  p.  397. 

2)  Gindely  n,  125. 

3)  Wolf  II,  561—668. 

4)  Wolf  II,  622. 

5)  Ritter,  Politik  u.  Ge«cbichte  der  Union,  89. 

6)  Wolf  n,  655. 


Politik  dM  Henogs  Johann  CMimir  von  Cobarf.  456 

Ketnliat  auieinandergiDg,  erscheint  seine  Person  wieder  aaf 
der  poliUsohen  Bildfläobe^). 

Jene  ist  deswegen  interessant,  weil  der  Enrflirst  Ton 
Mainz  die  in  Prag  begonnenen  Yerhandlangen  über  die  Ver- 
bindung Sachsens  nnd  seiner  Partei  mit  der  Liga  hier  wieder 
aufnahm  nnd  im  EinTerständois  mit  Etfln  der  sächsischen 
Gesandtschaft  einen  formlichen  Unionsentworf  übergab '). 
Von  dem  Programm  der  Liga  unterschied  er  sich  dadurch, 
dafe  keine  Bede  war  tou  der  allein  seligmachenden  Religion ; 
es  sollten  sich  nur  die  gehorsamen  Stände  des  Beiohs  cur 
Aufrechterhaltung  der  kaiserlichen  Hoheit  und  der  heilsamen 
Keichskonstitntionen  verbinden. 

Die  Gesandten  schickten  ihn  nach  Dresden  mit  dem  Be- 
merken, weder  Coburg ,  noch  Braunsohweig,  noch  Hessen- 
Darmstadt  fänden  bei  der  Sache  einen  Anstand. 

Der  Kurfürst  erteilte  hierauf  am  28.  Oktober  Johann 
Casimir  mit  folgender  Motivierung  die  Vollmacht  zu  weiteren 
Unterhandlungen  ').  Weil  man  auf  Neutralität  jetzt  nicht  mehr 
bauen  könne,  so  sei  es  besser,  sich  mit  denen  zu  verbinden, 
die  den  Kaiser  ehren  und  achten  und  treu  zur  Reichsver- 
fassung halten,  als  mit  solchen,  die  alle  Reichsverfsssung  aus 
den  Augen  setzen,  das  Haupt  des  Reiches  nur  zum  Schein  und 
mit  Worten  ehren,  in  der  That  aber  beschimpfen.  Casimir 
habe  ja  selbst  die  Ansicht  ausgesprochen,  dafSs  die  Werbung 
des  Kurfürsten  von  Mainz  nicht  aufser  acht  zu  lassen  sei. 

Sechs  Monate  vorher  hat  der  Herzog  von  Coburg  er- 
klärt, er  wolle  sich  so  verhalten,  als  ob  er  in  der  Union 
wäre;  jetzt  steht  er  dem  Anerbieten  des  Kurfürsten  von  Mainz 
freundlich  gegenüber.  Nicht  genug  damit,  er  kommt  dem 
Wunsch  des  Kurfürsten  von  Sachsen  nach  und  giebt,  nach- 
dem mündliche  Unterhandlungen  in  Aschaffenburg  voraus- 
gegangen   wareu,    in    einem    Schreiben    an    den    Erzbischof 


1)  MQIler,  Annalen,  256. 

S)  Hftberlin  •  S«Dk«nberg ,   Nene    Teatsche   Reichsgeschichte    XXllI^ 
388—845. 

8)  Wolf  m,  21.  22. 


456  Politik  dei  Hersogt  Johann  Casimir  von  Coburg. 

Schweikhardt  Tom  19.  NoTember  (a.  6.)  die  Bereitwilligkeit 
des  Haases  SaohaeD  zu  erkennen,  in  den  katholisolien  Bund 
einzutreten  ').  £r  wiederholt  die  Gründe,  die  der  Kurfürst 
in  seinem  Brief  an  ihn  Torgebracht,  und  schliefst  die  Bitte 
an,  wenn  ein  Unionstag  gehalten  werde,  möge  man  es  ihm 
mitteilen. 

Am  Ende  des  Briefes  berührt  Casimir  die  Verhftltnisie 
in  Jülich.  Bs  ist  ihm  mitgeteilt  worden,  dafs  der  bisherige 
Kommandant  Ton  Jülich,  der  Oberst  Ton  Schönberg,  yerreisi 
und  an  seiner  Stelle  Heinrich  Ton  Hassan  im  Namen  der  Staaten 
über  den  Platz  gesetzt  sei.  Auf  diese  Yorgäoge  müsse  man,  so 
meint  Casimir,  ein  wachsames  Auge  richten,  denn  wenn  diese 
Lande  in  fremde  Hände  kämen,  so  würde  nicht  nur  dem 
Reich  ein  grofser  Teil  seines  Respektes  entzogen,  sondern  auch 
die  possessio  nomine  Caesaris  vollständig  anfier  acht   gelassen. 

In  den  ersten  Monaten  nach  dem  Tode  des  Herzogs 
Wilhelm  Ton  Jülich  war  Casimir  der  Ansicht  gewesen,  unter 
allen  Umständen  sei  die  Sequestration  und  ein  langwieriger 
Prozefs  beim  kaiserlichen  Uofrat  zu  yermeiden,  denn  sonst 
würden  die  Spanier  eine  Gelegenheit  abpassen,  um  sich  der 
Jülicher  Lande  zu  bemächtigen;  die  Folge  werde  sein,  dafs 
die  Staaten  ihnen  entgegentreten  und  die  Lande  zum  Kriegs- 
schauplatz machen  würden.  Ein  gütlicher  Vergleich  zwischen 
den  Interessenten  werde  dies  alles  unmöglich  machen.  Er 
war  nicht  zustande  gekommen.  Die  Sequestration  war  Ter- 
hängt,  der  kaiserliche  Sequestrator  jedoch  mit  Hilfe  der 
Staaten,  Frankreichs  und  der  Union  Ton  den  possedierenden 
Fürsten  vertrieben  worden.  Die  Spanier  hatten  „von  ihrer 
alten  Art  gelassen'^  und  sich  nicht  gerührt.  Vielmehr  waren 
es  die  Staaten,  deren  Vorgehen  in  den  Landen  Casimir  mit 
Argwohn  betrachten  zu  müssen  glaubte*). 


1)  Berzog  Joh.  Casimir  an  den  Karfürsten  von  Maini  an  selbst* 
•igeoen  H&nden.  Coburg,  19.  November  1610.  Concept.  Cob.  Areh. 
A.  I,  88  a,  6,  No.  76,  Bl.  6—9  (Korrespond.  mit  dem  Erabiscb.  v.  Mains 
1610  o.  1616,  9  Blätter).     Im  Aassug  bei    Wolf  111,  83.     cf.  Anhang  II. 

8)  Cf.  den  Scblof«  des  Briefes  an  den  Erabiscb. 


Politik  de«  Heriogs  JohiiDii  Casimir  von  Coburg.  457 

£8  war  also  vielleicht  nicht  blofs  das  Nachahmung  for- 
dernde Beispiel  Earsaohsens  sondern  Casimirs  veränderte  An- 
Bchaunng,  welche  ihn  den  Anschlofs  an  die  Liga  gatheifsen 
liefs,  wenn  anders  man  die  sächsischen  Ansprüche  anf  Jülich 
mit  Nachdruck  aufrecht  erhalten  wollte.  Dafs  auf  gütlichem 
Weg  kaum  etwas  su  erreichen  sei,  hatte  er  selbst  in  Köln 
erfahren  müssen. 

Der  Beitritt  Sachsens,  welcher  der  katholischen  Union 
allerdings  ein  bedeutendes  üeberge wicht  gesichert  hätte,  er- 
folgte nicht. 

Schon  war  das  Gesamthaus  Sachsen  und  andere  fried- 
fertige lutherische  Stände  zu  dem  am  18.  April  1611  in 
Würzbarg  stattfindenden  Bundestag  eingeladen  worden.  Der 
Kurfürst  von  Mainz  und  Erzherzog  Ferdinand  hatten  es  gegen 
die  Bedenken  Maximilians  durchgesetzt  ^). 

Doch  die  Hoffnungen  und  Befürchtungen  der  Parteien 
wurden  diesmal  getäuscht.  Der  Kurfürst  von  Sachsen  liefs 
durch  den  Landgrafen  Ludwig  von  Hessen  -  Darmstadt  dem 
Kurfürsten  von  Mainz  eröffnen,  dafs  er  trotz  der  Billigung 
der  katholischen  Union  in  der  bisherigen  Neutralität  zu  ver- 
harren gedenke  '). 

Als  Veranlassung  dieser  plötzlichen  Sinnesänderung 
nehmen  Wolf  und  nach  ihm  Böttiger  u.  a.  den  Brief  des 
Herzogs  Julius  von  Braunschweig  an,  in  welchem  dieser 
Christian  IL  den  Beitritt  widerrät')* 

Allerdings  mögen  solche  Bedenken,  wie  sie  in  dem 
Schreiben  niedergelegt  sind,  mitgewirkt  haben.  Als  nächst- 
liegender und  durchschlagender  Grund  erscheint  mir  jedoch 
die  Annäherung  Brandenburgs  an  Sachsen. 

Brandenburg  hatte  nämlich,  von  allen  Seiten  gedrängt,  sich 
mit  Sachsen  zu  verständigen,  dem  Markgrafen  Christian  von 
Kulmbach  und  dem  Landgrafen  Ludwig  von  Darmstadt  gestattet, 


1)  Wolf  III,  31.  82. 

8)  Häberlin-Senkenberg  XXIII,  547. 

8)  Wolf  III,  82  fg.  (4.  Jan.  N.  S.  1611). 


458  Politik  des  Henogs  Johann  Ca«mir  von  Coburg. 

eine  VerständigaDg  mit  dem  DresdeDer  Hof  eiDZuleiteo  *).  Die 
InterponeDten  braohten  es  dahin,  dafs  auf  den  14.  Februar 
eine  Tagsatzung  zu  Jüterbogk  yerabredet  wurde  ').  Bia  Aus* 
gang  März  währten  hier  die  Verhandlungen.  Brandenburg 
nahm  die  «ächsische  Forderung  (Aufnahme  in  den  Mitbesitz) 
in  der  Weise  an,  dafs  Sachsen  den  dritten  Teil  des  Landes 
erhalten  sollte  ^).  Dooh  die  Euifürstin  protestierte ;  es  pro- 
testierte Neuburg.     Der  Vertrag  war  hinfällig. 

Meine  Vermutung,  dafs  hauptsächlich  das  Entgegen- 
kommen Brandenburgs  in  der  Jülioher  Frage  das  plötzliche 
Zurücktreten  Sachsens  Ton  einer  Verbindung  mit  der  Liga 
yerursacht  hat,  scheint  dadurch  gestützt  zu  werden,  dafs, 
nachdem  die  Jüterbogksche  Handlung  resultatlos  yerlaufen, 
schon  auf  dem  Nürnberger  Kurfurstentag  (Oktober  1611)  die 
Verhandlungen  über  den  Eintritt  Sachsens  in  die  Liga  wieder 
aufgenommen  wurden^). 

Für  die  Reichsgeschichte  ist  dieser  Kurfürstentag  des- 
wegen interessant,  weil  seine  Beschlüsse  die  letzte  Veran- 
lassung zu  einer  politischen  Konstellation  der  sonderbarsten 
Art  bildeten. 

Kaiser  Rudolf  hatte  gehofft,  die  Kurfürsten  würden  in 
Nürnberg  übereinkommen,  ihn  gegen  seinen  Bruder  Matthias 
SU  unterstützen,  der  vor  kurzem  die  Krönung  zum  König 
von  Böhmen  erzwungen  hatte,  nachdem  ein  yom  Erzherzog 
Leopold  ins  Werk  gesetzter  und  vom  Kaiser  begünstigter 
Anschlag,  der  in  letzter  Linie  sich  gegen  Matthias  gerichtet 
hatte '^ji  gescheitert  war.  Dooh  die  Kurfürsten  zeigten  sich 
keineswegs  geneigt,  Rudolf  zu  Hilfe  zu  kommen.  Ja,  noch 
mehr,  sie  fafsten  im  Gegensatz  zu  ihm  den  Beschlufs,  im  Mai 


1)  Droyseo,  Preofsische  Politik  II,  Abteil.  8,  p.  595.  596. 

2)  Maller,  Anoaleo,  263. 

3)  Maller,  Annalen,  859. 

4)  Ritter,  Politik  und  Geschichte  der  Union,  188. 

5)  Ranke,  185. 


Politik  d«8  Uenogs  Johann  Casimir  von  Coborg.  459 

DäohBten  Jahres  zusammeDzakommen  und  zur  Wahl  eises 
deatsohen  Königs  zu  aohreiten  ^). 

Jetzt  war  der  Kaiser  überzeugt,  dafs  ihn  nar  eine  ent- 
ichloBsene  Verbindung  mit  der  Union,  der  er  sich  schon  vor 
mehreren  Monaten  genähert  hatte  *),  aus  seiner  Bedrängnis 
retten  könnte.  Die  Ernennang  Christians  von  Anhalt  zum 
Mitglied  des  geheimen  Rates  galt  als  eine  sicher  beyorstehende 
Thatsache.  Keine  Woche  Terging,  ohne  dafs  ein  kaiserliches 
Handbrieflein  an  eines  der  Häupter  der  Union  abging '). 
Rudolfs  Verbindung  mit  der  Union  war  dem  Abschlufs  nahe, 
als  er  am  20.  Januar  1612  starb. 

Doch  wie  der  Kaiser,  so  hatte  auch  Matthias  schon  1610 
Beziehungen  mit  der  Union  angeknüpft.  Er  ahnte  den  gegen 
ihn  beabsichtigten  Schlag  und  wollte  sich  durch  sie  stärken  *), 
So  war  es  dahin  gekommen,  dafs  der  Kaiser  der  Union  nicht 
mehr  gefährlich  war,  des  Kaisers  Bruder  ihren  Bund  suchte. 


VI.  Kapitel. 

Matthias'  Kaiserwahl.     Casimirs   politische   Thfttigkeit 

während  der  WahlYerhandlungen;   seine   Beziehungen 

Bur  Union. 

Nach  dem  Tode  Rudolfs  machte  sich  unter  den  deatsohen 
Pursten  und  Ständen  die  Tendenz  geltend,  bei  der  Besetzung 
des  Thrones  Ton  dem  Hause  Habsburg  einmal  abzusehen. 
Man  ist  schliefslich  doch  bei  ihm  geblieben.  Am  13.  Juni 
wurde  Matthias,  der  sich  mit  Eifer  um  die  Krone  beworben  ^), 
zum  Kaiser  gewählt. 

Die  Unierten  waren  für  ihn  eingetreten,  von  der  An- 
nahme   ausgehend ,    die    katholischen    Kurfürsten    wollten    in 


1)  Ranke,  205. 

2)  HXufser  II,  251.     Ritter,  Politik  und  Geschichte  der  Union,  100. 
d)  Gindely  II,  822. 

4)  Ritter,  Politik  a.  Geschichte  der  Union,  100. 

5)  Wolf  III,  285. 


460  Politik  des  Herzogs  Johano  GAsimir  ron  Cobarg. 

UebereinstimmuDg  mit  Spanien  durchaus  den  Erzherzog  Albert 
wählen,  und  Matthias  werde  deswegen  genötigt  sein,  sich  auf 
sie  zu  stützen.  Bedtimmte  Zusagen  haben  sie  yon  ihm  yor 
seiner  Wahl  jedoch  nicht  erlangt^).  Nicht  einmal  eine 
wesentliche  Erweiterung  der  Wahlkapitulation  kam  infolge 
des  Zurück weiohens  Sachsens  aus  der  Opposition  *)  zustande. 

Die  Wahl  eines  neuen  Kaisers  hat  auch  in  Coburg  wie 
an  den  deutschen  Höfen  überhaupt  lebhaftes  Interesse  her- 
yorgerufen.  Doch  nicht  über  die  Yerhandlungen  der  Wahl- 
kapitulation oder  über  die  Person  des  zu  Wählenden  regte 
man  sich  dort  auf,  wie  es  neben  den  Kurfürsten  eine  Reihe 
ron  Btandesgenossen  Casimirs  that,  die,  yon  Frankfurt  nach 
alter  Sitte  ausgeschlossen,  in  yerdäohtiger  Haltung  zu  Heppeu- 
heiqa  an  der  Bergstrafse  zusammenblieben  und  sich  über  die 
Frage  ereiferten,  ob  die  Kurfürsten  ermächtigt  seien,  ohne 
Beratung  mit  den  Ständen  des  Reichs  gepflogen  zu  habea, 
dem  Kaiser  eine  neue  Wahlkapitulation  yorzuschreiben  '). 
In  Coburg  bildete  yielmehr  die  Jülicher  Frage  den  Brenn- 
punkt; sie  hoffte  man  in  Frankfurt  aus  der  Welt  zu  schaffen. 
Alles  sollte  zu  diesem  Zweck  aufgeboten,  kein  Fleifs  dabei 
gespart  werden,  so  hatte  man  sich  sächsischerseits  in  Dresden 
und  dann  in  Eisenach  yerabredet.  Auf  Unterstützung  der 
geistlichen  Kurfürsten  glaubte  Kursachsen  bauen  zu  können, 
die  des  Kaisers  wollte  es  gewinnen. 

Casimir,  entschlossen  auch  seinerseits  alles,  was  zum 
Gelingen  beitragen  könnte,  zu  thun,  schickte  seinen  Kammer- 
sekretär Heufsner  nach  Frankfurt. 

Die  beabsichtigte  Audienz  bei  Matthias,  mit  dem  dieser 
auf  der  Hinreise  in  Würzburg  zusammentraf,  unterblieb  wegen 
der  Kürze  des  kaiserlichen  Aufenthalts.     Doch  hat  der  Kar- 


1)  Bitter,  Politik  a.  Geschichte  der  Union,  119. 

J)  Wolf  III,  a07. 

3)  Bericht  vom  26.  Hai  1612  (Ort  and  Unterschrift  ankenntlich  ge- 
macht). Cob.  Arch.  A.  I,  82«,  5,  Mo.  160.  (Relationen  so  an  Herzog 
Joh.  Casimir  ron  dem  Cammersecret&r  Beafsner  von  Frankfart  a/M.  a. 
sonst  sageschickt ;  ingleichen  Erlasse  Hers.  Joh.  Casimirs  an  ihn  1607/20.) 


Politik  des  Hersogs  JobAon  Casimir  von  Coborg.  4gJ 

dinal  Glesl  ihm  gegen&ber  die  Ansicht  geäufaert,  ee  sei  das 
Beste,  weaD  Sachsen  nach  Yereinbarang  mit  Neabarg  dem  Kur- 
f&rstenkolleg  ein  Qutaohten  über  die  Lösang  der  Frage  über- 
geben würde. 

Anderer  Ansicht  waren  zwei  anspachische  Bäte,  der  Graf 
Ton  Lynar  und  der  Oberst  von  Seibiz,  mit  denen  Heufsner 
drei  Stunden  lang  im  Schlofs  Ton  Würzburg  konferierte.  Sie 
meinten,  Casimir,  sein  Bruder  und  die  weimarischen  Herzöge 
«ollteu  sich  an  die  Unierten  wenden,  sie  würden  gewifs  nicht 
unTerrichteter  Sache  abziehen.  Auf  des  Königs  Gunst  sei 
nicht  zu  bauen;  sie  würde  sich  auf  andere  ergiefsen,  denn 
er  sei  fromm.  Deshalb  trauten  die  Unierten  diesem  neuen 
Sonnenschein  nicht.  Bs  sei  falsch,  wenn  Sachsen  annähme, 
es  müsse  die  Hilfe  der  Union  in  der  Jülicher  Frage  mit 
seinem  Eintritt  bezahlen.  Dies  forderten  die  Unierten  nicht, 
sondern  allein  gute  Korrespondenz  und  das  Versprechen,  den 
Katholiken  nicht  mehr  als  ihnen  entgegenzukommen  ^). 

Man  sieht,  welchen  Eindruck  offenbar  die  Verhandlungen 
Sachsens  wegen  Aufnahme  in  die  Liga  auf  die  Unierten  ge- 
macht haben. 

Aehnliches  hatte  Casimir  in  denselben  Tagen  von  dem 
holländischen  Agenten  Brederode  zu  hören  bekommen:  Ohne 
gute  Nachbarschaft  mit  den  Staaten,  die  leicht  zu  erhalten 
sei,  und  ohne  die  Hilfe  der  Unierten  würde  Sachsen  yon  den 
Landen  schwerlich  etwas  bekommen. 

Curio,  ein  Bat  des  Landgrafen  Mority,  hat  ebenfalls  be- 
tont, dafs  der,  welcher  die  Jülicher  Lande  haben  wolle,  die 
Freund-  und  Nachbarschaft  Englands,  Frankreichs  und  der 
Staaten  suchen  müsse. 

Casimir  teilt  Heufsner  dies 'alles  mit*),  ermahnt  ihn, 
mit  Brederode,   der   ebenfalls   nach  Frankfurt   gereist  sei,  in 

1)  HeufsDers  Relation.  Warzbarg,  18.  Mai  1612.  Conzept.  Cob. 
Arch.  A.  I,  32«,  6,  No.  160. 

2)  Hersog  Joh.  Casimir  an  den  Kammersekretär  Sigism.  Heufsoer. 
Coburg,  11.  Mai  1612.  Origin.  Cob.  Arch.  A.  I,  82  a,  5.  No.  160. 
cf.  Anhang  III. 


462  Politik  d«s  Hersogs  JohaDo  Casimir  tod  Coborfr. 

enge  Beziehungen  za  treteo  und  bei  Landgraf  Moritz  and 
seinen  Bäten  wegen  eines  Schreibens  an  die  Westmächte 
Vorstellnngen  zu  machen.  Weiter  will  Casimir  aach  nach 
Empfang  des  Heufsnersohen  Berichts  Ton  der  karsächsischen 
Politik,  die  bei  den  geistlichen  Füraten  ihr  Heil  sacht,  nicht 
abgehen,  sondern  erst  den  Aasgang  des  Wahltags  abwarten  ^), 
obwohl  er  die  Besorgnis  hegt,  dafs  die  geistlichen  Fürsten 
nicht  daran  denken,  die  wohlklingenden  Yersprechangen,  die 
sie  den  sächsiechen  Staatsmännern  in  betreff  der  Jülicher 
Frage  gemacht,  in  die  That  amzusetzen  '). 

Sein  Kanzler  Schererd  spricht  sich  etwas  schärfer  über 
die  kursäohsische  Politik  aas :  Unglaablich  ist  es,  dala  wir 
unseren  Todfeinden  mehr  trauen  als  den  ETangelischen  *). 
Er  ist  der  Ueberzeagung,  dafs,  solange  man  sich  nicht  mit 
der  Union  ins  Einyemehmen  setze,  in  den  Jülicher  Sachen 
für  Sachsen  kein  befriedigendes    Reaultat   zu   erzielen    sei^). 

In  Frankfurt  angekommen,  hat  Heafsner  seinen  münd- 
lichen und  schriftlichen  Aufträgen  gemäfs  bei  den  König- 
lichen geheimen  Räten,  bei  dem  kurpfälzsischen  geheimen 
Rat  Camerarius,  endlich  bei  den  Sachsen  Schönberg  and 
Gerstenberg  vorgesprochen;  überall  hat  er  freundliches 
Entgegenkommen  gefunden;  Überall  sind  ihm  erfreuliche 
Mitteilungen  gemacht  worden.  Die  Königlichen  hätten  Be- 
fehl, berichtet  er,  die  Sachen,  sobald  sie  zur  Verhand- 
lung kommen ,  zu  Gunsten  des  Hauses  Sachsen  zu  be- 
fördern. Ebenso  sei  der  Administrator  der  Kurpfalz  ge- 
sonnen, mit  Rat  und  That  den   sächsischen  Ansprüchen   bei- 

1)  Herzog  Joh.  Casimir  an  Sigism.  Heofsner.  Coburg,  18.  Mai  16 IS. 
Orig.  Cob.  Arch.  A.  I,  32  a,  6^  Mo.  160. 

2)  a)  Herzog  Joh.  Casimir  an  Sigism.  Henfsner.  Coburg,  11.  Mai  1612. 
Orig.  Cob.  Arch.  A.  I,  32  a,  5,  No.  160.  —  h)  Herzog  Joh.  Casimir  an 
Sigism.  Heufsner.  Coburg,  24.  Mai  1612*  Orig.  Cob.  Arch.  A.  I,  32  a, 
5,  No.  160.    cf.  Anhang  V. 

3)  Kanzler  Volkmar  Schererd  an  Sigism.  Heufsner.  Coburg,  11.  Mai 
1612.    Orig.    Cob    Arch.,  A.I,  32a,  5,  No.  160.    cf.  Anhang  IV. 

4)  Kanzler  Volkmar  Schererd  an  Sigism.  Heufsner.  Coburg,  18. 
Mai  1612.  Cob.  Arch.  Origin.  (manu  propria).     A.  I,  32  a,  5,  No.  160. 


Politik  des  Beraogs  Johann  Casimir  von  Coborg.  463 

zastebeD.  Auch  Mainz  solle  gern  sehen,  wenn  Sachsen  in 
den  Mitbesitz  von  Jülich  käme,  Köln  wegen  der  Nachbar- 
sohaft  noch  viel  lieber.  Die  Karsachsen  rerspräohen  eben- 
iallsy  wenn  nnr  Zeit  und  Gelegenheit  Torbanden,  sich  der 
Jülicher  Sachen  anzunehmen.  Nur  Sobönberg  mache  eine 
Ausnahme;  er  betrage  sich  so,  als  ob  zu  Bisenach  anderes 
beschlossen  wäre,  und  die  Sachen  gar  nicht  hierher  gehörten, 
sondern  auf  eine  andere  Zusammenkunft^). 

Der  kursächsische  Kanzler  wufste  wohl  dieser  seiner 
Meinung  Geltung  zu  yerschaffen.  Wenigstens  habe  ich  keine 
offiziellen  Verhandlungen  über  die  Jülicher  Frage  in  Frank- 
furt entdecken  können.  Yielleicht  hat  sich  Matthias  schon 
damals  Tcrpflicbtet,  eine  Versammlung  zum  Austrag  derselben, 
wie  sie  im  Januar  nächsten  Jahres  natürlich  resultatlos  in 
Erfurt  tagte  *),  zu  halten  und  energisch  für  das  Recht  Sach- 
sens einzutreten.  Ein  Versprühen,  das  auch  die  plötzliche 
Schwenkung  Sachsens  während  der  Wahlkapitulationsverhand- 
lungen  ^)  mit  erklären  würde. 

Zu  den  Krönungsfeierlichkeiten  ist  Casimir  selbst  mit  78 
Personen  im  Gefolge  nach  Frankfurt  aufgebrochen  ^).  Dem 
neuen  Kaiser  hat  er  in  den  freudigsten  Ausdrücken  grataliert 
und  Wünsche  für  das  Wohlergehen  des  Beichs  und  die  Auf- 
rechterhaltung des  Friedens  in  den  deutschen  Landen  ange- 
schlossen ^), 

Der  Inhalt  dieser  Wünsche  bildete  die  Sehnsucht  vieler 
in  beiden  Parteien.  Von  Matthias  erwarteten  sie  eine  Ver- 
änderung der  unerträglichen  Verhältnisse. 


1)  Relation  Ueufners.  Frankfurt,  den  18.  Mai  1612.  Consept.  Cob. 
Arcb.  A.  I,  82  a,  b,  No.  160. 

2)  Droysen,  PreoTs.  Politik  II,  2,  p.  602.  Müller,  Annalen, 
264.   265. 

8)  Wolf  in,  807. 

4)  Bdnns  S.-Cob.  Chronik  revid.  von  Dotsaaer,  95. 

5)  Herzog  Job.  Casimir  an  Kaiser  Matthias.  Coborg,  15.  Juni  1612. 
Cob.  Arcb.  Consept«  A.  I,  28  b,  8aa,  No.  22.  (Hersog  Job.  Casimire 
Correspondenz  und  Ffirscbreiben  mit  n.  bey  I.  Rays.  Mayett) 


464  Bolitik  des  Hertogs  Johaoo  Casimir  Ton  Coburg. 

Glesl,  der  Erzbiscbof  tod  Wien,  des  Kaisers  rechte 
Hand,  schien,  weil  er  die  deatsohen  Angel egenheiten  nicht 
in  ezklasiT-katholisohein  Sinn  auffafste^),  der  geeignete  Mann 
zu  sein,  die  Komposition  ins  Werk  zu  setzen.  Seine  Ziele 
gingen  dahin,  die  Bünde  anfasulösen,  die  Majorität  der  Stände 
unter  kaiserlicher  Autorität  zusammenzufassen,  sie  alle  zum 
ruhmreichen  Kampf  gegen  die  Türken  fortzureifsen.  Die 
inneren  Streitigkeiten  würden  dann  ruhen,  war  seine  Hoff- 
nung*). Dabei  kam  er  den  Protestanten  insofern  entgegen^ 
als  er  sich  in  einer  der  Hauptstreitfragen  zu  ihren  Gunsten 
entschied.  Er  wollte  die  evangelischen  Bistumsadministra- 
toren anerkannt  wissen.  Durch  Aufzählung  aller  Nachteile^ 
welche  ihre  Ausschliefsung  Ton  den  Beichsinstitutionen  ge- 
bracht, suchte  er  die  Katholiken  dafür  zu  stimmen  '). 

Die  Reichsversammlung,  welche  auf  das  Frühjahr  1613 
nach  Regensburg  ausgeschrieben  wurde,  sollte  zeigen,  ob  die 
Mehrheit  der  Fürsten  yermittelnden  Vorschlägen  Gehör  geben 
wolle  oder  nicht. 

Vor  allem  kam  es  auf  die  Stellung  der  Union  und  der 
Liga  an.  —  Die  Mitglieder  des  katholischen  Bundes  Ter- 
sammelten  sich  am  3.  März  in  Frankfurt,  um  sich  zum  be- 
yorstehenden  Reichstag  zu  rüsten.  Maximilians  Vorschläge, 
welche  die  vermittelnde  Stellung  Clesls  und  seine  Nachgiebig- 
keit den  Protestanten  gegenüber  entschieden  zurückwiesen^ 
drangen  durch  ^). 

Kaum  hatten  die  Konferenzen  in  Frankfurt  geendet,  so 
trafen  sich  die  linierten  in  Rotenburg  an  der  Tauber.  Dire 
Antwort  auf  den  Cleslsohen  Plan,  die  Bünde  aufzulösen,  der 
ihnen  schon  während  der  Wahlverhandlungen  zu  Ohren  ge- 
kommen war  ^),  bestand  in  dem  Beschlnfs,  sie  wollten  an  der 


1)  Ranke,  219. 

2)  Ritter,  Politik  ond  Gesehichto  der  Union,  182^184. 
9)  Ranke,  222.  223. 

4)  Wolf  III,  840  fg. 

5)  Relation  Heofsner».  Frankfurt,  24.  Msi  1612.   Orig.    Cob.  Areh. 
A.  I,  92  a,  5,  No.  160. 


Politik  des  Hersogs  Johann  Casimir  Ton  Coburg.  465 

üdIod  auch  dann  feflthalteD,  wenn  ihnen  die  Katholiken  die 
Aaflöaang  der  Liga  als  Gegenleistong  versprechen  würden. 
Aafserdem  einigten  sie  sich  dahin,  aaf  dem  Heichstag  die 
Oesarotheü  der  protestantischen  Beschwerden  in  neuer  Re- 
daktion yorznlegen,  vor  £rörteroug  derselben  sich  in  keine 
anderen  Verhandlungen  einzulassen  ^),  im  Falle  einer  toU- 
ständigen  Abweisung  yom  Beiohstag  abzuziehen.  Binen  An- 
griff, den  sie  nach  Ausführung  dieses  Beschlusses  befürch- 
teten ^),  hofften  sie  im  Bunde  mit  England  und  den  Staaten, 
der  kurz  vorher  geschlossen  worden  war'),  zu  begegnen. 

Bei  dieser  Haltung  der  beiden  Bünde  war  das  Scheitern 
der  Kompositionsverhandlungen  Torauszusehen. 

Wenn  man  einer  Nachricht  aus  Prag  Glauben  schenken 
darf,  so  hat  auch  der  coburgische  Bat  Barthol.  Schwarzlofs, 
der  wenige  Monate  später  als  coburgischer  Gesandter  am 
Beichstag  fungiert,  am  Boteuburger  Tag  teilgenommen  oder 
wenigstens  im  Namen  des  Hauses  Sachsen  Vorschläge  ge- 
macht ^). 

Doch  darf  man  jedenfalls  mit  Gewifsheit  annehmen,  dafs 
er  nicht  als  offizieller  Vertreter  zugegen  war.  Denn  in 
diesem  Fall  wäre  es  unbegreiflich,  dafs  sich  die  Unierten  in 
dem  Schreiben,  dass  sie  von  Botenbnrg  aus  an  Joh.  Casimir 
achickten,  um  ihn  zum  Eintritt  in  die  Union  zu  bewegen  ^), 
nicht  auf  Schwarzlofsens  Anwesenheit  bezogen  haben.  Eben- 
sowenig könnte  man  dann  den  Umstand  verstehen,  dafs  Ga- 
rimir  in  seinen  politischen  Briefen  aus  jener  Zeit  auch  nicht 
die  leiseste  Andeutung  von  Schwarzlofsens  Sendung  macht. 
Bine  geheime  Sendung  von  Coburg  aus  ist  freilich  nicht  aus- 


1)  Uitter,  Politik  n.  Gescliicbte  d.  Uoioo,  1S9. 
8)  Ritter,  Politik  n.  Geschichte  d.  Union,  138. 
8)  Hinräer  II,  864. 

4)  Bericht  ans  Prag  (ohne  Unterschrift)  den  89.  Joni  1619.  Cob. 
Arob.,  B.  II,  7,  No.  106.  (Einielne  Aktenstttcke,  die  BeichsUgsange- 
legenheiten  su  Regensbnrg  betreff.) 

5)  Abgednickt  in  Groners  Geschichte  Joh.  Casimirs,  180—166. 
(Copie  im  Cob.  Arch.  B.  n,  7,  No.  114.     Relationen  in  Reiehssachen  etc.) 


466  Politik  des  Herzogs  Johann  Casimir  von  Coburg. 

geschlossen  ^),  Sie  würde  dann  dasselbe  haben  erreichen 
sollen  wie  ein  Schreiben  Casimirs  an  die  Vertreter  der 
Städte  Nürnberg  and  Schweinfart  beim  ünionstag*),  dessen 
Inhalt  in  dem  Wunsche  gipfelt,  die  betreffenden  Gesandten 
sollten  in  Botenbarg  ihr  Möglichstes  thon,  dafs  der  Jüter- 
bogksche  Vertrag  angenommen  oud  seine  Bestimmungen  durch- 
geführt würden.  In  Coburg  stand  eben  nach  wie  Tor  das 
Interesse  an  der  Jülicher  Frage  im  Vordergrund,  und  in 
allen  Tonarten  klingt  uns  aus  Casimirs  politischer  Korre- 
spondenz jener  Jahre  das  sehnsüchtige  Verlangen  nach  Be- 
stätigung des  Jüterbogkschen  Vertrags  entgegen. 

Mit  der  Union  hat  Casimir  während  der  Monate  vor 
dem  Beichstag  1613  kaum  engere  Besiehungen  unterhalten. 
Auch  die  Aufforderung  zum  Beitritt,  die  ihm  jene,  wie  schon 
er\('ähnt,  von  Boten  bürg  aus  in  offizieller  Form  zukommen 
lief^,  hat  keine  Aenderung  in  dem  Verhalten  Casimirs  ihr 
gegenüber  zur  Folge  gehabt.  Ebensowenig  wie  der  Kurfürst 
von  Sachsen,  der  Herzog  Julius  yon  Braunschweig  und  der 
Landgraf  Ludwig  von  Hessen  -  Darmstadt,  denen  gleichfalls 
Einladungsschreiben  ^)  übersandt  worden  waren,  ist  er  in  die 
Union  getreten. 

Kursachseu  würdigte  die  Unierten  nicht  einmal  einer 
schriftlichen  Antwort,  sondern  liefs  auf  dem  inzwischen  be- 
gonnenen Beichstag  den  kurpfälzischen  Gesandten  den  Em- 
pfang des  Schreibens  mündlich  mitteilen  ^). 

Casimir  ist  wohl  auch  kaum  vorher  zu  einer  Erklärung 
gekommen.     Seinem  Bat  Waldenfels  hatte  er  aufgetragen,  den 


1)  Dafs  eine  Sendung  stattgefanden  hat,  beweist,  wie  ich  nachtrig- 
lieh  bemerlLe,  des  Kurfürsten  Friedrich  von  der  Pfalz  Brief  an  Casimir 
Heidelberg,  d.  19.  Oiitober  1614.  Orig.  Cob.  Arch.  B.  II,  7,  No.  115. 
Bi.  231.  282. 

2)  Hersog  Joh.  Casimir  an  die  Nfirnbergitchen  nnd  Schweinfurthi» 
sehen  abgesandten  beim  Unionstsge  an  Botenbarg.  Coburg,  19.  Mftrz 
1618.  Conxept.  Cob.  Arch.  B.  II,  7,  No.  106.  (Einselne  Aiitenstficke, 
die  Reichstagsangelegenh.  an  Regensb.  betr.  1618/24.) 

8)  Häberlin-SeulLenberg  XXIII,  547. 
4)  Wolf  ni,  876. 


PoUtikfdet  Hersogfl  Jobaim  Casimir  tob  Coburg.  467 

Euifürateii  yod  Saohsen  sn  fragen,  wie  man  sich  za  den  yon 
den  linierten  berührten  Punkten  yor  und  auf  dem  Eeichstag 
verhalten  tolle.  Doch  am  2.  Mai  war  ihm  noch  keine  Nach- 
rioht  zugekommen,  wie  aus  einem  Brief  an  seinen  Bruder 
herrorgeht  ^).  Da  er  nun  den  Wunsch  hegt,  in  dieser  wich- 
tigen Angelegenheit  mit  Saohsen  Hand  in  Hand  zu  gehen,  so 
trägt  er  Bedenken,  solange  ihm  dessen  Anschauung  unbe- 
kannt, seine  Ansicht  üher  die  Werbuog  der  Union  dem  Land- 
grafen Ludwig  Yon  Hessen  mitzuteilen. 

Dieser  hatte  Joh.  Emsts  und  Joh.  Casimirs  Gutachten 
über  das  den  linierten  gegenüber  zu  beobachtende  Verhalten 
erbeten');  Joh.  Ernst  hatte  aber  wegen  der  hochpolitischen 
Frage  seinen  Bruder  aufgefordert  die  Antwort  zu  tiber- 
nehmen ^).  Er  hat  Casimir  auch  diesmal  wieder  die  alleinige 
Besorgung  der  Beichttagsgeschäfte  und  die  Vertretung  der 
Eisenacher  Stimme  zugestanden^). 


yn.  Kapitel. 

CaaimirB  Politik  auf  dem  Beichstag  Yon  Begensbnrg  iai8. 

Die  Einladung  zu  dem  Beichstag  hatte  der  Kaiser  am 
16.  Februar  übersandt  Da  er  selbst  nach  Regensburg 
kommen  werde,  so  hoffe  er,  daCs  auch  die  Fürsten  durch  ein- 
mütiges,  persönliches   Erscheinen   sich   um   die   Hebung  des 


1)  Herzog  Joh.  Catimir  an  Henog  Job.  Ernst  den  Aeltereo.  Coburg, 
82.  April  1618.  Konzept.  Cob.  Arch.  B.  U,  7,  No.  114.  (Relationen 
in  Reichssachen  der  off  den  Reichstag  abgeordneten  sambt  daranff  er- 
Tolgten  fürstl.  Resolutionen.)    cf.  Anhang  VI. 

2)  Landgraf  Ludwig  ron  Hessen  an  die  Herzoge  Joh.  Casimir  und 
Joh.  Ernst  d.  Aelteren.  Darmstadt,  18.  April  1618.  Orig.  Cob.  Aroh. 
B.  n,  7,  No.  114. 

8)  Herzog  Joh.  Ernst  der  Aeltere  an  Herzog  Joh.  Casimir.  Eisenach, 
18.  AprU  1618.     Orig.    Cob.  Arch.  B.  II,  7,  No.  114. 

4)  Herzog  Joh.  Ernst  der  Aeltere  an  Herzog  Joh.  Casimir.  Eisenach, 
22.  Februar  1618.    Orig.    Cob.  Aroh.  B.  U,  7,  No.  114. 

xviL  ai 


468  Politik  des  Hersogs  JobAon  Casimir  ron  Coburg. 

»ygesuDkenen  Wesens^'  bemühen  würden  ^).  Um  die  Gefahr,  die 
Ton  den  Türken  drohe,  recht  ansobaulich  zu  machen,  mit 
anderen  Worten,  um  Geneigtheit  für  die  Türkensteuer  zu. 
wecken,  hat  der  Kaiser  im  April  noch  yerschiedene  Berichte 
ans  Eonetantinopel  übersandte ) 

Erst  am  3.  Juli  wurde  die  Instruktion  für  die  Co- 
burger Gesandten,  Albrecht  yon  Steinau  und  Bartholomäus 
SchwarzloiB,  abgefafst  ^). 

Die  bekannte  Formel:  Der  Herzog  wünsche,  dafs  im 
Hause  Sachsen  gleichförmige  Vota  fallen  mögeo,  die  den  Ein- 
gang bildet^  hindert  nicht,  dafs  der  Inhalt  nicht  eben  kur- 
sächsisch ist.  Zwar  sollen  sich  seine  Gesandten,  was  den 
Besuch  der  Partikularkonyente  der  Korrespondierenden  anbe- 
langt, dem  Verhalten  der  Kursaohsen  anschliefsen,  aber  er  für 
seine  Person  ist  der  Meinung,  daCs  das  geschlossene  Vor- 
gehen der  Eyangelisohen,  wie  es  1608  stattgefunden,  auch  in 
der  gegenwärtigen  schweren  Zeit  unbedingt  notwendig  sei. 

Dann  geht  die  Instruktion  auf  die  Aufgaben  des  beyor- 
stehenden  Reichstages  ein  und  spricht  sich  mit  aller  Ent- 
schiedenheit dafür  aus,  dafs  yor  allem  der  Justizpunkt  yor- 
genommen  und  die  Grayamina  abgeschafft  werden  müXsten, 
ehe  an  eine  Behandlung  des  Kontributionspunktes  zu  denken 
sei.  Wenn  man  trotzdem  zu  dieser  schreite,  so  seien  die 
Bewilligungen  yon  Bedingungen  abhängig  zu  machen,  durch 
welche  der  Kontributionspunkt  thatsächlich  nachgesetzt 
werde. 

An  erster  Stelle  sei  zu  fordern:  Erneuerung  des  Be- 
ligionsfriedens  ohne  Klausel.  Werde  sie  zurückgewiesen,  so 
sei  zu  befürchten,  dafs   die  Eyangelisohen,    deren   einhelliges 


1)  Kaiser  Matthias  an  Henog  Joh.  Casimir.  Wien,  16.  Februar 
1619.  Orig.  Cob.  Arch.  B.  U,  7,  No.  114. 

2)  Kaiser  Matthias  an  Herzog  Joh.  Casimir.  Wien,  94.  April  1618. 
Orig.    Cob.  Arch.  B.  II,  7,  No.  114. 

8)  Instroktion  für  den  Gesandten  Albrecht  von  Steinaa  und  Barthol. 
Schwarzlofs  sum  Beichstag  161S.  Geschehen  zu  Coburg,  98.  Juni  1613. 
Cob.  Arch.  B.  II,  7,  No.  114.    ef.  Anhang  VIL 


Politik  d«s  Htnogs  JoIuuid  Casimir  von  Ck>bnrg.  4g9 

Yorgehen  in  dieser  Frage  Casimir  erwartet,  die  BitsuDgen  der 
yersehiedenen  Bäte  Dicht  mehr  besachen  würden.  Seine  Ge- 
sandten sollen  auf  jeden  Fall  energisch  für  die  Bestätigung 
eintreten,  auch  nicht  dulden,  dafs  einige  Stände  yon  dem 
Religionsfirieden  ausgeschlossen  würden. 

Wenn  nun  mit  der  Erneuerung  und  Konfirmation  des- 
selben der  Grund  gelegt,  sei  weiter  dahin  su  trachten,  dafs 
die  kaiserlichen  Hofprozesse,  die  wider  die  Reichskonstitu- 
tionen seien,  eingestellt,  der  Hofrat  mit  Angehörigen  beider 
Eonfessionen  besetzt  und  endlich  Donauwörth  restituiert  werde. 

Zeige  man  sich  diesen  Forderungen  der  Byangelischen 
gegenüber  willfährig,  so  zweifelt  Casimir  nicht,  dafs  die 
evangelischen  Stände  den  Kaiser  gegen  den  Erbfeind  christ- 
lichen Namens  unterstützen  würden;  doch  will  er  auch  in 
diesem  Fall  möglichst  wenige  Bömermonate  bewilligen.  Er 
beabsichtige  sich  zwar  nicht  von  dem,  was  beschlossen  würde, 
abzusondern,  aber  zu  unmöglichen  Dingen  könne  er  sich  auch 
nicht  verpflichten. 

Es  ist  nicht  zu  verkennen,  daCs  das  Schreiben  der  linier- 
ten Eindruck  in  Coburg  gemacht  hat.  Für  eine  Reihe  ihrer 
hauptsächlichsten  Forderungen  tritt  Casimirs  Instruktion  ein 
im  vollen  Gegensatz  zu  der  des  Kurfürsten  von  Sachsen. 
Casimirs  Gesandte  drücken  sich  recht  matt  aus,  wenn  sie  bei 
der  üebersendung  der  Altenburger  Instruktion  meinen,  es 
habe  das  Ansehen,  als  ob  diese  der  ihrigen,  vor  allem  was 
die  Abschaffung  der  Hofprozesse  betreffe,  etwas  zuwider- 
laufe 1). 

Am  22.  April  ist  jene  von  Joh.  Georg  ab  Vormund  aus- 
gestellt^).   Die   Partikularkonvente   sind   nach   dem  Beispiel 


1)  8.  Relation  der  Cobnrgtr  Gesandten.  Regensbnrg,  5.  Angnst  1618. 
Cob.  Arch.  B.  n,  7,  No.  114. 

2)  Instruktion  fftr  den  altenb.  Gesandten  Elias  Förster,  ausgefertigt 
von  Knrf.  Joh.  Georg  als  Vormand  der  Söhne  Friedr.  Wilhelms. 
Dresden,  18.  April  1618.  Kopie.  Cob.  Arch.  B.  n,  7,  No.  114.  ta 
BlKtter. 

31* 


470  Politik  des  H«nog8  Johann  Catimir  von  Ooburg. 

Beiner  Vorfahren  nicht  za  besuchen  ^),  besümmt  er.  Aneh 
in  Sachen  der  Oravamina  ist  er  nicht  geneigt  yon  seinen 
,,hochgeehrten  Yoraltem  and  von  der  Politik  des  Administra- 
tors'' abzuweichen.  Mit  dem  Justaipunkt,  wofern  er  in  der 
kaiserlichen  Proposition  an  erster  Stelle  steht,  soll  der  An- 
fang gemacht  werden  ^).  Die  Beschwerden  gegen  die  Hof- 
prozesse gedenkt  er  nicht  zu  unterstützen  ^\  weil  das  Haus 
Sachsen  bisher  unter  ihnen  noch  nicht  zu  leiden  gehabt 

Dem  kaiserlichen  Hofrat  hatte  er  die  Verfolgung  seiner 
Jülicher  Ansprüche  anheimgegeben;  wie  hätte  er  auch  gegen 
ihn  Front  machen  dürfen! 

Was  seine  Vorfahren  1576,  1582,  1594,  1597  für  gut 
befunden  haben,  das  hat  auch  heute  noch  seine  Berechtigung, 
ist  der  stete  Befrain.  Münz-  und  Kalenderwesen  nehmen  in 
dieser  Instruktion  einen  nicht  eben  kleinen  Raum  ein. 

Was  die  Parteiyerhältnisse  bei  Beginn  des  Reichstags 
anbelangt,  so  stehen  auf  der  einen  Seite  geschlossen  die 
Unierten,  mit  ihnen  rerbunden  als  „Korrespondierende"  die 
meisten  anderen  eyangelischen  Stände.  Auf  der  anderen  Seite 
bildet  die  Liga  mit  ihrer  Partei  die  alte  Mehrheit  in  ihrer  ganzen 
Macht,  die  fest  entschlossen  ist,  die  Frankfurter  Beschlüsse 
durchzuführen,  mit  anderen  Worten,  die  an  die  Beschwerden 
der  Protestanten  geknüpften  Forderungen  entschieden  zu  yer- 
weigem. 

Sachsen  und  Hessen-Darmstadt  hätten  Vermittelungsyor- 
schlägen,  wie  sie  Clesl  im  Sinn  hatte,  wohl  ihre  Unter- 
stützung zu  teil  werden  lassen.  Aber  im  Rat  des  Kaisers 
hatte  die  scharf-katholische  Richtung,    der    Reichsyizekansler 


1)  .  .  Ob  auch  wohll  nach  dar  KayaerL  propoaition  die  BTangal^ 
Stande  particolares  consnltationes  halten  a.  von  aUerhandt  grayaminiboa 
sa  commonicieren  und  zn  deliberieren  pflegen,  dann  vor  derselben  danunben 
^nsammen  kommen,  haben  ansere  geliebte  vorfahren  aoa  hoefabedenck- 
lichen  nhrsachen  daran  nicht  veratehen  woUen;  bey  dergleichen  meinong 
denn  aach  wir  beharren  .  .  . 

2)  Gf.  daau,  ebenao  wie  sa  den  obigen  Bestunmangea,  die  Cobnrg. 
Instruktion. 

3)  Cf.  dazu  die  Coburg.  Instmkt. 


Politik   d«8  Hersogs  Johann  Cftsimir  von  Coburg.  471 

Ulm  an  ihrer  Spitse,  wohl  lohon  vor  dem  Begioo  des  Reichstags 
tber  den  yermittehideii  Standpunkt  Glesls  gesiegt  ^).  Jene 
trogen  deshalb  kein  Bedenken,  sich  auch  ihrerseits  im  grofsen 
and  ganzen  an  die  Partei  der  Liga  anxnschliefsen. 

Sachsen-Cobnrg  und  Eisenach  würde  man  ihrer  Instruk- 
tion nach  auf  dem  Beiohstag  in  den  Beihen  der  Korrespon- 
dierenden su<^en;  doch  hat  sie  ihre  bekannte  Rücksicht  auf 
Eursaohsen  von  einer  so  engen  Verbindung  mit  der  Union 
abgehalten. 

Am  13.  August  wurde  die  kaiserliche  Proposition  ver- 
lesen; ihr  Wunsch:  Auflösung  der  Bünde  und  260  Bömer- 
monate  zur  Verteidigung  der  ungarischen  Grenzen  und  Sie- 
benbürgens.    Der  Jnstizpunkt  war  vorangestellt. 

Als  die  Beratungen  am  17.  August  beganneo,  erklfoten 
die  ünierten  und  Korrespondierenden  den  Botenburger  Be- 
schlüssen und  den  Verabredungen  ihrer  Sonderberatungen  zu- 
folge *),  sie  würden  sich  nicht  früher  an  den  reichstäglichen  Ver- 
handlungen beteiligen,  als  bis  die  nötige  Anordnung  zur  Er- 
ledigung ihrer  Beschwerden,  die  sie  in  den  nächsten  Tagen 
übergeben  wollten,  getroffen  sei.  Aber  sie  wurden  von  der, 
durch  Sachsen  und  Darmstadt  verstärkten,  katholischen  Majo- 
rität überstimmt.  Mit  dem  punctus  justitiae  beschlofs  man 
den  Anfang  zu  machen'). 

Am  19.  August  früh  7  Uhr  sollten  die  Beratungen  im 
Kurfürstenrat  fortgesetzt  werden,  da  sind  Kurpfalz  und  Bran- 
denburg, ohne  die  Kurfürsten  zu  grüfsen,  mit  Protest  gegen 
etwaige  Beschlüsse  weggegangen  ^).  Die  Sitzung  des  Fürsten- 
rats hatten  die  Korrespondierenden  gar  nicht  besucht. 

1)  Ritter,  PolitÜL  u.  Geschichte  der  Union,  1S7. 

S).  Die  erste  wurde  am  14.  August  gehalten,  cf.  3.  Relat  der  Coburg. 
GeMusdten.  Regensbnrg,  5.  Angost  (a.  8.)  1619.  Cob.  Arch.  B.  II,  T, 
No.  114.  .  .  Sonsten  berichten  E.  F.  6.  wir  hiermit  in  onterthenigkeit 
femer,  das  die  Unirten  albereit  gestrigen  tagee  Ihre  erste  losanunen- 
k«Dflt  nach  eröffneter  Proposition  absonderlich  bey  Char-Pfals's  Gesandten 
gehalten.  —  Bitter,  Politik  n.  Gesch.,  135  giebt  den  10.  Angnst  an. 

3)  Bitter,  PoUtik  u.  Geschichte  der  Union,  134. 

4)  4.  Belation  der  Cobnrfr.  Gesandten.  Begensb.,  10.  Angnst  1613. 
Cob.  Arch.  B.  U,  7,  No.  114. 


472  Politik  dM  Hersogs  Johann  Casimir  Ton  Coburg. 

Die  Gobnrger  Oesandten  waren  anwesend;  von  den 
EvangeÜBohen  aofiBerdem  nooh  die  übrigen  försilich  -  Bächd- 
sohen  Vertreter  nebst  Henneberg ,  femer  Darmstadt  und 
Mecklenbarg,  ohne  jedoch  in  ein  ferneres  Votieren  zu  willigen. 
Die  Eursachsen  haben  auf  das  Bedenken  der  Coburger  Oe- 
sandten  hin  sioh  dagegen  yerwahrt 

So  sah  man  sich  genötigt,  die  Beratungen  in  den  drei 
Bäten  bis  auf  weiteres  aufzusohieben  ^). 

In  Coburg  stiefs  die  kursSchsische  Politik,  wie  sie  sich 
in  der  Altenburger  Instruktion  spiegelte,  auf  lebhaften  Wider- 
spruch. Casimir  befiehlt  seinen  Gesandten,  sie  sollten  den 
kurfürstlichen  Bäten  gegenüber  der  Hoffnung  Ausdruck  Ter- 
leihen,  dals  Eursachsen  besonders  in  der  Frage  des  Beligions- 
friedens  so  weit  nachgeben  würde,  dafs  keine  Trennung  unter 
den  evangelischen  Ständen  entstehe  und  dem  Verdacht,  dafe 
Sachsen  an  dem  Untergang  der  Protestanten  mitarbeiten 
wolle,  Torgebeugt  werde.  Bei  dem  jetzigen  Zustand  des 
Beichs  sei  es  unbedingt  notwendig,  die  Bolle  des  Vermittlers 
auf  sich  zu  nehmen,  um  zwischen  beiden  Parteien  wieder 
aufiriohtiges  Vertrauen  zu  begründen^). 

Während  Casimir  in  diesem  Instruktionsschreiben  als 
deutscher  und  ab  eyangelischer  Fürst  denkt  und  schreibt,  so 
kann  er  in  einem  anderen,  das  11  Tage  später  fällt  und  sich 
auf  die  ihm  gemeldete  Absonderung  der  Korrespondierenden 
von  den  Beratungen  bezieht,  seine  Eigenschaft  als  sächsischer 
Herzog  nicht  yerleugnen  ^). 

Zwar  kommt  er  auch  hier  zu  dem  SchluTs,  da£B  Sachsen 
den  Mittelweg  einschlagen  müsse,  aber  nicht  darum,  weil 
das  Vaterland  oder  die  Erhaltung  der  evangelischen  Stände 
dies  fordere,  sondern  aus  dem  Grund,  weil  ein  solcher  Stand- 
punkt im  Hinblick  auf  die  Jülicher   Ansprüche   des   Hauses 


1)  Cf.  die  4.  Relation  der  Gesandten. 

8)  Henog  Joh.  Casiinir  an  seine  Gesandten.  Tenneberg,  10.  Aug. 
161S.  Konsept  Cob.  Arch.  B.  n,  T,  No.  114.  ef.  Anhang  Vm. 

3)  Henog  Joh.  Casimir  an  seine  Gesandten.  Tenneberg,  91.  Angnst 
1618.  Konsept  Cob.  Arch.  B.  U,  7,  No.  114.    cf.  Anhang  IX. 


Politik  des  Hersogt  JohAnn  Casimir  von  Cobar«:.  473 

Sachsen  der  beste  sei.  Denn  wenn  man  sich  den  Eorrespon- 
dierenden  durchaus  anschliefse,  so  werde  der  Kaiser  in  den 
Jülicher  Sachen  VergeltuDg  üben,  während  bei  einer  ent- 
gegengesetzten Politik  die  Unierten  ihrerseits  auf  eine  Unter- 
stützung Sachsens  in  dieser  Frage  yerzichten  würden  ^). 

Deshalb  sollen  seine  Gesandten  sich  mit  denen  der  Union 
in  Verbindung  setzen ,  sich  bei  ihnen  wegen  ihres  Fem- 
bleibens Ton  den  Sonderberatungen  und  von  der  Ueber- 
reichnng  der  Grayamina  mit  dem  Hinweis  auf  Eursachsens 
Stellung  entschuldigen  und  ihnen  die  Versicherung  geben, 
dafs  der  Herzog  trotzdem  alles  thnn  werde,  was  zur  Erhal- 
tung des  Eeligions-  und  Frofanfriedens  nötig  sei. 

Würde  jedoch  Rursachsen  auf  die  Politik  der  Mittel- 
strafse  verzichten,  mit  den  Katholiken  in  jedem  Punkte  Hand 
in  Hand  gehen  und  von  ihnen,  den  Goburger  Gesandten,  das- 
selbe verlangen,  so  sollten  sie  erklären  darauf  nicht  instruiert 
zu  sein. 

Ebensowenig  sollten  sie  beistimmen ,  wenn  nach  er- 
zielter Einigung  die  Reformation  des  kaiserlichen  Hofrates 
verworfen  würde. 

Ueberhaupt  geht  aus  allem  hervor,  dafs  der  Herzog  von 
Goburg  nicht  geneigt  ist,  ein  den  Unierten  entgegengesetztes 
Vorgehen  der  kursächsischen  Politik  ohne  weiteres  zu  unter- 
stützen. 

Casimirs  Hoffnung,  die  Erisis  würde  bald  überwunden 
werden,  ging  nicht  in  Erfüllung  ^).     Dem  Drängen  der  Eorre- 

1)  Postscriptom  vom  21.  August  Tenneberg.  Konzept  Cob.  Arcb. 
B.  n,  7,  Ho.  114. 

2)  Wie  beifs  es  am  Beicbstag  berging,  kann  man  aueb  daraoa  seben, 
dafs  der  Coburger  Gesandte  Scbwarslofii  einem  Scbreiben  an  den  Kammer- 
sekreULr  HeaHiner  die  Bemerkung  anf&gt :  Desiderans  desidero  Cerevisiam 
Coburgensem,  sintemahl  alhie  kbein  rotbier  mebr  zu  bekhommen  and  dafs 
weisse  als  gabr  zu  new  und  in  der  Hitze  gebranet,  gahr  nicbt  gat  ist  und 
einer  ibme  leichtlich  davon  ein  krankheit  sauffen  konte;  deroweg  im  fall 
dem  berm  Sartorio  ein  Trunck  geschickt  werden  solt,  icb  gerne  sehe, 
dafs  auch  off  solche  fall  ich  mitt  einem  vefslein  versehen  werden  möchte. 
Würde  ich  ffir  mein  person  mich  sonsten  so  viel  möglich  des  weins  zu 
enssem.  Der  Gesandte  Schwarzlofs  an  den  Kammersekret.  Sigism. 
HeaÜBner.  Begensburg,  26.  Joli  1613.  Orig.  Cob.  Arcb.  B.  II,  7,  No.  106. 


474  Politik  des  Hersogi  Johaon  Casimir  yod  Coburg. 

spondierenden  auf  Erledigang  ihrer  eingelieferten  Grayamina 
entgegen  bestand  die  kaiserliche  Begiemng,  gestützt  auf  die 
Majorität  des  Beiohstags,  anf  der  yorherigen  Erledigung  der 
Proposition  ^),  Dem  Verlangen  nach  freier  Verständigung 
setite  sie  die  in  gemeinen  Reichssaohen  geltende  Majorität 
entgegen  '). 

Eursaohsen  hatte  sich  dem  Wunsche  und  der  Hoffnung 
Casimirs  zuwider  yoll  und  ganz  der  katholischen  Mehrheit 
angeschlossen,  wie  Schwarzlofs  schon  am  7.  September  nach 
Coburg  berichten  mufste.  In  Uebereinstimmung  mit  den  geist- 
lichen Kurfürsten  hatte  es  am  4.  September  dem  Kaiser  auf 
seine  Anfrage  hin  den  Bat  gegeben,  den  schriftlichen  Ver- 
kehr mit  den  Korrespondierenden  abzubrechen.  Ja  aus  Dres- 
den war  der  Befehl  eingelaufen,  dafs  die  kursächsischen  Ge- 
sandten auch  nach  dem  eyentuellen  Abzug  der  Korrespon- 
dierenden an  den  Beratungen  teilnehmen  und  per  majora  be- 
schliefsen  sollten  '). 

Diese  Stellung  der  kursächsisohen  Politik,  welcher  der 
coburgische  Gesandte  die  bedenklichsten  Konsequenzen  prophe- 
zeit, yeranlafst  diesen  den  Herzog  zu  bitten,  ihn  unter  irgend 
einem  Vorwand  abzuberufen. 

Von  einem  Erkalten  der  intimen  Beziehungen  zwischen 
Sachsen  und  der  katholischen  Majorität,  das  Bitter^)  an- 
nimmt, kann  unter  diesen  Umständen  wohl  kaum  die  Bede  sein. 

Ebensowenig  weifs  der  coburgische  Gesandte  5  Tage 
später  etwas  yon  einer  Veränderung  der  kursächsischen 
PoHtik«). 


1)  Hftberlin-SeDkenberg  XXm,  690  fg. 

2)  Cf.  den  Schriftenwechsel:  Londorpii  acta  publica  I,  p.  124  fg. 
(Cob.  Arch.  all  Beilagen  in  Abschrift.   B.  II,  7,  No.  114.) 

8)  7.  Relation  des  Gesandten  Schwarilofs  (Steinau  war  nach  Hanse 
bemfen  worden).  Begensbnrg,  28.  Ang.  1618.  Orig.  Cob.  Arch.  B.  II,  7, 
No.  114.    ef.  Anhang  X. 

4)  Ritter,  Politik  n.  Geschichte  der  Union,   186. 

6)  S.  Relation  des  Gesandten  Schwarslofs.  Begensbnrg,  Donnerstag, 
2.  Sept.  1618.  Cob.  Arch.  B.  U,  7,  No.  114. 


Politik   des  Herzogs  Johano  Casimir  tod  Coburg.  475 

Mit  tiefem  Bedauern  hat  Casimir  und  sein  Bruder  den 
Bericht  des  Gesandten  über  den  bedeniclichen  Charakter  der 
kursSchsischen  Politik  entgegenj2;enommen.  Besonders  schmerz- 
lich hat  sie  der  Befehl  des  Kurfürsten,  dafs  seine  Vertreter 
auch  nach  dem  Abzug  der  Korrespondierenden  an  den  Ver- 
sammlungen und  Beschlüssen  sich  beteiligen  soFten,  berührt. 
Allem  Herkommen  sei  dies  zuwider  ^ ). 

Die  beiden  Herzöge  haben  auch  den  Kurfürsten  Ton 
seiner  falschen  Politik  zu  überzeugen  und  zu  einer  yer- 
mittelnden  Stellung  zu  bewegen  versucht  ^)y  um  ein  ge- 
harnischtes AblehnuDgsschreiben  als  Frucht  zu  erzielen.  Ganz 
ungewöhnlich  und  unerhört  sei  es,  so  führt  der  Kurfürst  in 
seiner  Antwort*)  aus,  dafs  die  Korrespondierenden,  obwohl 
der  Kaiser  den  Justizpunkt  als  ersten  in  seine  Proposition 
gesetzt  und  versprochen  habe,  dafs  noch  während  des  Reichs- 
tags den  Gravamina  abgebol/en  werden  solle,  sich  abgesondert 
hätten  und  auch  nicht  zu  veranlassen  seien  die  Sitzungen 
wieder  aufzunehmen.  Sein  Vorgehen  würde  hoffentlich  nie- 
mand dahin  auslegen,  wie  Casimir  andeute,  dafs  es  Stärkung 
der  Katholiken  in  ihrem  Streben,  die  Evangelischen  zu  unter- 
drücken, bezwecke.  Von  einem  den  Korrespondierenden  ge- 
fährlichen Vorhaben  wisse  er  überhaupt  nichts.  Er  könne 
auch  nicht  glauben,  dafs  der  Kaiser  bei  der  bekannten  Milde, 
die  ja  das  Haus  Oesterreich  vor  anderen  auszeichne,  ein  solches 
zulassen  würde. 

Der  Brief  ist  in  Coburg  nicht  ohne  Wirkung  geblieben. 
Der  Gesandte  erhielt  der   kursächsischen   Instruktion   gemäfs 


1)  Henog  Joh.  Casimir  an  den  Oesandten  Barthol.  Schwarslofs. 
Teoneberg,  1.  September  1613.  Koniept.  Cob.  Arch.  B.  ü,  7,  No.  114. 
cf.  ÄDhang  XI. 

2)  Den  Brief  (80.  Autpist)  habe  ich  im  Cob.  Arch.  nicht  zn  finden 
vermocht.  Der  Cob.  Kammersekretär  Christ  v.  Waldenfels  bezieht  sich 
auf  ihn  in  der  angedeuteten  Weise  in  einem  Schreiben  an  Joh.  Casimir 
(Tenneberg).  Coburg,  9.  Sept.  1613.    Cob.  Arch.  B.  II,  7,  No.  114. 

3)  KurfOrst  Job.  G^rg  an  Herzog  Joh.  Casimir.  Angastenburg,  5. 
September  1613.  Origin.  Cob.  Arch.  B.  II,  7,  No.  114.    cf.  Anhang  XU. 


476  Politik  des  Hersogs  Johann  Casimir  von  Cobnrff. 

den  Befehl,  auch  nach  dem  Abzug  der  KorreBpandierenden 
EU  bleiben  und  den  Sessionen  beizuwohnen.  Sobald  aber 
etwas  zur  Abstimmung  gelange,  das  dem  Beligionsfrieden  und 
der  Freiheit  der  Stände  zuwiderlaufe,  solle  er  nicht  beistimmen 
sondern  sich  entfernen.  Den  Korrespondierenden  sei  dies 
alles  mitzuteilen,  mit  der  Versicherung,  dafs  Casimir  nicht 
daran  denke,  ihnen  durch  diese  Bestimmungen  in  irgend  einer 
Weise  entgegenzutreten;  der  Herzog  wolle  vielmehr  auch 
fernerhin  in  Termittelndem  Sinne  thätig  sein. 

Wie  die  oben  angeführten  Befehle,  so  ist  wohl  auch  die 
Geneigtheit  des  Herzogs,  dem  Kaiser  in  der  Steuerfrage,  im 
Fall  Not  Torhanden  und  Beförderung  in  der  Jülicher  Sache 
dafür  zu  erwarten  sei,  entgegenzukommen^),  durch  das 
Schreiben  des  Kurfürsten  veranlafst  worden. 

Doch  der  befürchtete  Abzug  der  Korrespondierenden  fand 
noch  nicht  statt.  Die  immer  mehr  wachsende  Türkengefahr 
und  die  Geldnot  des  Kaisers  bewirkten  schliefslich ,  dafs  die 
Männer  des  Ausgleichs  Gehör  fanden  *). 

Am  10.  September  kam  Fürstenberg  im  Auftrag  des 
Kaisers  zu  den  kurpfalzischen  Gesandten  und  teilte  ihnen  mit, 
Matthias  habe  die  feste  Absicht,  was  sich  immer  von  den 
Grayamina  erörtern  lasse,  zu  erörtern  ').  Es  sollte  auf  dem 
Weg  freier  Verständigung  geschehen,  Erzherzog  Maximilian 
die  Bolle  des  Vermittlers  übernehmen  ^).  Die  Korrespon- 
dierenden ihrerseits  hatten  die  Absicht,  den  Herzog  Joh. 
Casimir,  auf  den  sie  das  beste  Vertrauen  setzten,  als  Ver- 
mittler vorzuschlagen^). 


1)  Henog  Joh.  Casimir  an  Schwarslofs.  Datum  äff  unserm  Sehlols 
Teooenberg,  9.  Sept.  1618.  KoDiept  Cob.  Arch.  B.  II,  7,  No.  114.  ef. 
Anhang  XUI. 

2)  Ritter,  Politik  n.  Oesch.  der  Union,  188.  —  Ranke,  286. 

8)  8.  Relation  des  Coburg.  Gesandten.  Regensb.,  2.  Sept.  1618. 
Cob.  Arch.  B.  U,  7,  No.  114. 

4)  Ritter,  Politik  u.  Oesch.  der  Union,  189. 

6)  Schwarslofs  an  den  Kammersekretär  Sigism.  HeoÜBner.  Regensb., 
3.  Sept.  1618.    Cob.  Arch.  B.  II,  7,  No.  106. 


Politik  des  Heriogs  Johann  Casimir  Ton  Coburg.  477 

Für  dieses  Entgegenkommen  erwartete  der  Kaiser  die 
Zastimmang  der  Protestanten  zu  der  Nebenproposition,  die 
am  1.  Oktober  dem  Beiohstag  yorgeiegt  wurde  und  unter 
Yerschiebung  aller  übrigen  Angelegenheiten  auf  bessere  Zeiten 
eine  schleunige  Türkenhilfe  forderte^). 

Nur  wenn  die  vornehmsten  Beschwerden  sofort  abge- 
stellt würden,  seien  sie  zu  einer  solchen  bereit,  erklärten  die 
Korrespondierenden,  als  am  8.  Oktober  in  den  verschiedenen 
Bäten  Umfrage  gehalten  wurde. 

Auch  der  altenburgische  Gesandte,  dem  sich  der  wei- 
marische und  der  coburgisohe  anschlössen,  richtete  zur  grofsen 
Freude  der  Korrespondierenden  an  den  Kaiser  die  Bitte,  er 
möge  auf  die  Gravamina  der  Evangelischen  hören,  damit  man 
an  die  Beratungen  mit  der  Aussicht  auf  Erfolg  herantreten 
könne  ^). 

Nichtsdestoweniger  erneuerten  sich  die  Scenen  vom  17. 
August  Die  Korrespondierenden  werden  von  der  Majorität, 
die  Hilfe  ohne  Eücksicht  auf  Bedingungen  zu  leisten  be- 
sohliefst,  überstimmt;  sie  enthalten  sich  abermals  des  Besuchs 
der  Versammlungen. 

Die  sächsischen  Vertreter  haben  sich  wieder  eingestellt. 
Als  aber  über  die  zu  leistende  Hilfe  beraten  wurde,  erklärte 
der  Altenburger  Gesandte  unter  Zustimmung  von  Weimar  und 
Henneberg:  Allerdings  habe  ihn  der  Kurfürst  instruiert,  dafs 
er  sich  zur  Zufriedenheit  des  Kaisers  erklären  solle;  doch 
weil  der  Fürstenrat  nicht  vollzählig  sei,  habe  er  sich  noch 
einmal  nach  Dresden  mit  der  Bitte  um  VerhaltangsmaCs- 
regeln  gewandt,   bis  dahin    müsse   er   ünes  mandati  angeben. 

Schwarzlofs  hat  dasselbe  gethan  mit  der  Motivierung,  dafs 
der  Herzog  sich  nur,  nachdem  Schritte  in  der  Jülicher  Sache 
unternommen,  erklären  wolle ').     Senkenberg  legt  ihm  in  den 


1)  Bitter,  Politik  u.  Geschichte  der  Union,  140. 

2)  10.  Relation  des  Coburg.  Gesandten.     Begensb.,  24.  Sept  1613. 
Gob.  Aroh.  B.  U,  7,  No.  114. 

8)  10.  Belat  des  Cob.  Gesandt.     Begensb.,   24.    Sept.    1613.   Orig. 
Cob.  Arch.  B.  II,    7,   No.  114.  .  .  Ich  aber  dieweihln  ich  mich  erinnerte 


478  Politik  des  Hersofi^  JobAoo  Casimir  von  Cobvfr. 

Mund,  es  wäre  gat,  wenn  der  Justiz  geholfen  würde,  ehe 
man  von  Beistenem  redete^).  Sattler  weife  sogar  zu  he- 
richten,  daTs  die  herzoglioh- Bäohsiohen  Hänser  nicht  allein 
die  Abstellung  der  so  anstöfsigen  Hofprozesse,  sondern  auch 
die  unbedingte  Bestitution  der  Stadt  Donauwörth  und  eine 
Garantie  für  den  geistlichen  Besitz  der  Evangelischen  ge- 
fordert hätten  ').  Im  Goburger  Arohiv  habe  ich  ein  solches 
Votum  nicht  gefunden,  doch  würde  es  der  Instruktion  wenig- 
stens des  ooburgisohen  Gesandten  nicht  widersprechen. 

Als  die  B«]ation  des  Gesandten  über  diese  Vorgänge  im 
Fürstenrat  in  Coburg  eintraf,  erkannte  man  dort  sofort,  dafs  mar 
jetzt  vor  die  Alternative  gestellt  sei.  Fohmann,  der  Direktor 
des  geheimen  Rates,  hat  darum  den  Kammersekretär  Waldenf^ls, 
der  sich  in  Lichtenbeig  aufhielt,  zu  einer  Konferenz  einge- 
laden. 

Auch  dieser  war  sich  über  die  Wichtigkeit  der  Sachlage  klar 
und  schrieb  Fohmann,  er  würde,  sobald  er  abkommen  könne, 
bei  Tag  und  Nacht  nach  Coburg  eilen.  Zugleich  hat  <^r  seinen 
unionsfreundliohen  Standpunkt  in  einem  ausAihrlichen  und 
hochinteressanten  Schriftstück  begründet  ^). 

Nach  seiner  Meinung  hat  der  Gesandte  fernerhin  dreierlei 
zu  beachten:  Einmai  seine  ihm  neulich  zugeschickte  Instruk- 
tion, sodann  im  Hinblick  auf  den  Kontributionspunkt  das 
Votum  Pfalz-Lautems,    das   unter  Zustimmung    aller   übrigen 


wie  E.  E.  P.  P.  6.  G.  jünjfste  gnXdige  resolution  dahin  lautet,  wie  sie 
swar  nicht  angeneigt,  wann  die  noth  verbanden,  Ihrer  Kais.  May.  snbe- 
zeigung  Ihrer  wÜlfehrigkeit  das  Ihrige  nach  vermögen  su  leisten,  doch 
auch  sab  oonditione,  woferne  hinwiederamben  in  den  GtUichischen  8ncces- 
sionswerk  befSrderuug  zu  gewerten,  and  das  derowegen  dieselben  E.  B. 
P.  F.  6.  G.  sich  allererst  ins  künfftig  nach  gelegenheit  des  Gfilichischen 
snccessionwerks  sich  endlich  and  eigentlich  sa  erkleren  wissen  woUen  and 
defectam  Handati  angegeben  .  .  . 

1)  Hlberlin-Senkenberg  XXIH,  610. 

2)  Sattler,  Geschichte  Wfirttembergs,  VI,  7S. 

8)  Kammersekretttr  Christ,  v.  Waidenfels  au  D.  Fohmann,  Ge- 
heimen Rat  u.  Direktor  su  Coburg.  Datum  Liechtenberg,  d.  80.  Sept. 
1613.     Origin.     Cob.  Arch.  B.  II,  7,  No.  114.    cf.  Anhang  XTV. 


Politik  d«s  Hersogs  Johann  Casimir  von  Gobnrg.  479 

KofreBpondierenden  erkllit  hatte,  nur  dann,  wenn  Friede  und 
Recht  im  Reiche  besser  fandiert  würden,  könne  man  an  eine 
Türkenhilfe  denken.  Die  Majora  könnten  hierbei  in  keinem 
Fall  Geltung  haben.  Sohliefslich  hat  der  Gesandte  uach 
Waldenfels'  Ansicht  zwar  an  den  Versammlungen  des  Fürsten- 
rates teilzunehmen;  sobald  jedoch  etwas,  das  dem  Religions- 
und Profanfrieden  zuwider  sei,  unternommen  und  beschlossen 
würde,  müsse  er  des  Herzogs  Widerspruch  nachdrücklich  her- 
y erheben  und  den  Korrespondierenden  dayon  Mitteilung  machen. 

Ueberhaupt  müsse  man  bei  einer  solchen  Wendung 
der  Dinge  dem  Hersog  den  Rat  geben,  sein  Verhalten 
dem  der  Korrespondierenden  anzupassen.  Käme  es  gar  zum 
offenen  Bruch  und  zum  Kampf,  so  sei  es  am  sichersten,  sich 
auch  ihrem  Bund,  der  Union,  anzuschlielsen.  Denn  würden 
die  Katholiken  die  Oberhand  behalten,  so  sei  nicht  daran  zu 
denken,  dafs  der  Herzog  allein  übrig  bleibe  und  seine  Re- 
ligion und  geistlichen  Güter  yor  ihnen  schützen  köpne.  Bei 
einem  Sieg  der  Eyangelischen  dagegen  würde  er  yon  allen 
mit  mifsgünstigen  Augen  angesehen  werden. 

Zu  diesen  Erwägungen,  die  für  den  Eintritt  in  die  Union 
sprächen,  komme  als  unterstützendes  Moment  die  politische 
Macht  der  Union  und  deren  für  den  militärischen  Schutz  der 
eoburgischen  Lande  äufserst  günstige  Verteilung  hinzu.  End- 
lich dürfe  man  nie  yergessen,  dalüs  Sachsen  nur  mit  Hilfe  der 
Union  in  den  Besitz  der  Jülichsohen  Lande   kommen   könne. 

Waldenfels*  Ansicht  hat  Casimir  yoll  und  ganz  beige- 
stimmt Am  14.  Oktober  schreibt  er  an  seinen  Gesandten  in 
demselben  Sinn,  fast  mit  denselben  Worten  ^)  und  befiehlt 
ihm,  sobald  Beschlüsse  geÜEifst  würden,  die  dem  Religions- 
frieden   und    dem    eyangelischen  '  Wesen    überhaupt    wider- 


1)  Instrnktionsnohreiben  Herz.  Job.  CMunin  an  seinen  Gesandten. 
Tenneberg,  4.  Oktober  1618.  Konsept  Cob.  Arch.  B.  II,  7,  No.  114. 
(WaldenfeJb'  8  Punkte  am  Anfang  seines  MemorUb  sind  im  Torliegenden 
Sohreiben  wörtlich  angenommen ;  ebenso  die  ErkUrung,  dafs  dem  Hersog 
an  der  frenndtsehafft  der  Union  n^r  gelegen  sei  als  an  der  favor  einer 
band  toII  obnmeehtiger  and  besohomer  pfaffisn.) 


480  Politik  des  Htrtogs  Johann  Casimir  von  Coburg. 

Bprftoheiiy  sich  nach  dem  Vorgehen  der  Oesandten  der  Eorre- 
spondierenden  in  richten  und  auch,  falls  sie  Tom  Beichstag 
absögen,  ihnen  zu  folgen  ^). 

Als  daher  im  Fürstenrat  trotz  der  Abwesenheit  der 
Korrespondierenden  eine  Steuer  von  80  Bömermonaten  mit 
Zustimmung  Altenburgs,  Weimars  und  Hennebergs  besohlossen 
wurde*),  sohlofs  sich  Coburg  aus,  enthielt  sich  des  Rat- 
gangs ^)  und  protestierte  am  12.  Oktober  ebenso  wie  die 
Korrespondierenden  gegen  den  Reichstagsabschied  ^). 

Kläglich  war  der  Versuch  einer  Komposition  gescheitert, 
deswegen,  weil  keine  der  beiden  Parteien  daran  dachte,  yon 
ihren  Prinzipien  in  etwas  zu  weichen.  Die  mafslosen  For- 
derungen der  Korrespondierenden  waren  natürlich  nicht  in 
Einklang  zu  bringen  mit  dem  konservativen  oder  reaktionär- 
katholischen Standpunkt 


1)  .  .  .  Wofern«  da  der  handel  endlich  nff  die  Eztremiteten  ans- 
laoffen  solle,  indeme  darch  die  Catholische  Stende  solche  m^jora  and  schloTs 
gemacht  wfirde,  so  dem  theuern  Beligionsfriedeo  u.  gantsem  Eyangelischen 
Wesen,  bevorab  mitt  scabilimng  der  hoffprooefs  und  was  dem  mehr  an- 
hfingig,  directo  zuwieder,  ist  unser  will  undt  meinung,  das  Ihr  als  da  nff 
die  correspondierenden  susehen,  und  im  fall  dero  gesandte  ondt  Bott- 
schafften  abziehen,  würdet  ihr  ench  wenig  nicht  darnach  sue  achten  ondt 
also  ihnen  gleichmeOiig  in  ersaigen,  delsen  wir  off  gepflogenen  rath  in 
erwegong  allerhand  nachdenklicher  ambstende  erhebliche  und  gnogsame 
ubrsache  haben  .  .  . 

2)  11.  Belat  des  Cob.  Oesandt.  Begensb.,  6.  Okt  1618.  Cob.  Ai^h. 
B.  U,  7,  No.  114. 

8)  12.  Relation  des  Cob.  Oesandt.  Begensb.,  8.  Okt.  1618.  Cob.  Aroh. 
B.  11,  7,  No.  114.  .  .  .  Dahero  and  weihin  den  Correspondierenden 
andern  Evangelischen  ständen  solch  approbatio  der  M^jorom  hartt  sa- 
wieder  ...  so  hab  ich  ohne  £•  F.  O.  sonderbahren  specialbefehl  nicht 
wie  andere  der  evangelischen  Stände  meinang  zuwider  in  berOhrte  Majora 
approbieren  a.  gutheissen  möcht,  mich  als  berfihrte  qaaeatio  saper  qoan- 
titate  proponiret  äff  defectam  mandati  beworffen  and  hernach  dea  Bath- 
gangs  geäufsert  .  .  . 

4)  Häberlin>8enkenb.  XXUI,  626,  Anm.  —  Belation  Schwaralofiens 
an  die  Hersöge  Job.  Casimir  a.  Joh.  Ernst.  Coburg,  80.  Oktober  1618. 
Origin.  Cob.  Arch.  B.  II,  7,  No.  114.  (Bailiegend  iwei  der 
Kanzlei  übergebene  Protestationiachriften.) 


Politik  des  Heriogs  Johann  Casimir  Ton  Coburg.  481 

Der  Kaiser  hatte  sich  schliefBÜch ,  um  zwischen  ihnen 
nicht  allen  Bückhalt  zu  verlieren,  definitiv  an  die  Majorität 
angeechloBsen ;  ja  es  gelang  ihm  die  oberste  Leitung  der 
Liga  in  seine  Hand  zu  bekommen  ^).  Da  er  nun  auch  den 
mächtigsten  protestantischen  Fürsten,  den  Kurfürsten  von 
Sachsen,  auf  seiner  Seite  hatte,  glaubte  er  den  Korrespon- 
dierenden weiter  keine  Büoksicht  mehr  schuldig  zu  sein. 
Das  einzige  reale  Zugeständnis,  das  er  ihnen  machte,  lag  in 
der  Erklärung,  dafs  Ostern  1614  in  Speier  ein  Kompositions- 
tag zusammentreten  sollte,  um  in  einem  paritätischen  Aus- 
schnüsüber  die  Beschwerden  und  den  Justizpunkt  zu  beraten  ^). 

Mit  Erbitterung  schied  man;  Drohungen  bekamen  die 
Korrespondierenden  zu  hören.  Die  Besorgnis,  dafs  ein  innerer 
Krieg  bevorstehe,  machte  sich  überall  geltend  >).  Besonders 
die  protestantischen  Administratoren  fürchteten  für  ihren 
Besitz  *). 

Die  Gesandten  der  Korrespondierenden  am  Beichstag 
haben  ihre  Ansichten  über  das,  was  in  dieser  gefahrvollen 
Zeit  zu  thun  sei,  in  einem  Schriftstück  niedergelegt  und  zum 
„ferneren  Nachdenken  mit  sich  genommen''  ^). 

Die  höchste  Notdurft  erfordere,  heilüst  es  darin,  möge  der 
versprochene  Kompositionstag  seinen  Fortgang  nehmen  oder 
nicht,  einen  evangelischen  Kommunikations-  und  Präparations- 
tag zu  halten.  Besonders  mit  Bücksicht  auf  die  Anschläge 
der  Liga  seien  die  Instruktionen  für  ihn  abzufassen,  denn 
man  habe  ja  in  Begensburg  zur  Genüge  erfahren,  dafs  die 
Papisten  damit  umgehen,  unter  dem  Vorgeben,  für  die  kaiser- 
liche Hoheit  und  die  Justiz  einzutreten,  die  von  den  Evange- 


1)  Wolf  m,  470  fg. 

8)  Ritter,  PoUtik  n.  Geschichte  d.  Union,  144. 

8)  Ranke,  240. 

4)  Ranke,  241. 

5)  Verseichnis  etlicher  Punkte,  so  gegen  bevorstehenden  Chur-  und 
Fürsten-  o.  Stftdtetag  derselben  sn  Regensburg  gewesene  Räthe  zum 
ferneren  Nachdenken  mit  sieh  genommen.  Memorial.  Kopie.  Cob.  Areh. 
B.  II,  T,  No.  109.  cf,  Anhang  XV. 


482  Politik  des  Hersogt  Johann  CMimir  von  Coburg. 

lisoheu  beaetzten  Bist&mer,  Stifter  and  £löBter  mit  Gewalt 
wieder  einzuziehen.  Deshalb  sei  es  angebracht,  wenn  die 
korrespondierenden  Stände  ihren  Predigern  einschärften,  die 
,,6reuei  des  Papsttums  und  Spanischen  Jochs  den  Zuhörern 
üeifsig  einzubilden*',  damit  von  seiten  der  Unterthauen  desto 
williger  Hilfe  im  Fall  eines  Kampfes  geleistet  werde. 

Werbungen  oder  gar  Durchzüge  und  Einlagerungen  seien 
nicht  zu  gestatten.  Durch  offene  Mandate  müsse  vielmehr 
das  Verbot^  in  katholische  Dienste  zu  gehen,  erlassen  und  die 
Mahnung  daran  geknüpft  werden,  sich  im  Fall  der  Not  be- 
reit lu  halten.  Aufserdem  seien  die  Pässe  zu  verwahren  und 
gute  Kundschaft  zu  halten« 

Besonders  aber  müsse  wegen  der  drohenden  Gefahr  der 
ZusammenschluXs  aller  Evangelischen  angestrebt  werden.  Von 
denen,  die  sich  noch  nicht  in  der  Union  befanden,  sei  eine 
Erklärung  zu  fordern,  ob  und  wie  sie  in  dieselbe  zu  treten 
geneigt  seien.  Auf  den  Anschlufs  der  evangelischen  geist- 
lichen Fürsten  rechnete  man.  Vor  allen  Dingen  jedoch,  so 
lautet  der  Schluls  des  Memorials,  ist  es  notwendig,  Sachsen 
auf  die  Seite  der  Korrespondierenden  zu  ziehen.  Von  einer 
Zusammenkunft  des  Kurfürsten  von  Brandenburg  mit  Johann 
Georg  verspricht  man  sich  das  Beste. 

In  Heidelberg  teilte  man  natürlich  die  Befürchtungen  der 
Gesandten;  ebenso  war  man  überzeugt^  dals  die  Gewinnung 
Sachsens  von  groüsem  Nutzen  sein  werde. 

Der  Herzog  von  Coburg,  der  stets  zu  ihrer  Partei  hin- 
geneigt, auf  dem  Beichstag  sich  sogar  dem  Protest  der  Korre- 
spondierenden angeschlossen  hatte,  sollte  die  Mittel  und  Wege 
angeben,  die  zum  Ziele  führen  könnten,  auch  selbst  in  diesem 
Sinne  thätig  sein.  Er  wie  die  Korrespondierenden  über- 
haupt seien  infolge  seiner  Politik  am  Beichstag,  die  sie 
hocherfreut  habe,  überzeugt,  schreibt  der  Administrator  der 
Kurpfalz    an    Casimir  ^},    daüs    er   sich    den    Ansohllgen   der 

1)  Johannes,  Pfalzgraf  bei  Rhein,  Administrator  dar  ChurfÜrstl.  Pfals, 
an  Herzog  Job.  Casimir.  Ueydelberg,  8.  Novembris  1613.  Origin.  Cob. 
Aroh.  B.  II,  7,  No.  115,  Bl.  21—28.  (Hinc  ind«  ergangen«  Schriften  in 
Beichssachan  1618—1616.)    et  Anhang  XVL 


Politik  d«t  Heniogt  Johann  Catimir  von  Colrarg.  4g3 

Katholiken  gegenüber  die  ünterttfttsang  der  erangeliBchen 
Sache  angelegen  sein  lassen  werde. 

Diese  üeberzeugung  habe  ihn  anoh  yeranlafst  am  des 
Herzogs  Meinnng  darüber  zu  bitten,  auf  welohe  Weise  am 
besten  eine  Vereinigung  aller  OTangelisohen  Stände  zu  er- 
reichen und  wodurch  Tor  allem  Kursaohsen,  das  vielleicht 
immer  noch  an  dem  Bmst  der  Lage  zweifle,  zu  gewinnen  sei. 

Zugleich  richtet  der  Administrator  an  Casimir  das  Br- 
auchen, alles  aufzubieten,  was  geeignet  sei,  die  Erreichung 
des  angegebenen  Zieles  zu  befördern. 

Endlich  fragt  er  an,  ob  der  Herzog  seinerseits  sich  an 
der  geplanten  Zusammenkuoft  aller  eyangelischen  Stände  durch 
Schickung  seiner  Bäte  beteiligen  wolle  und  ob  er  ho£Ee,  dafs 
alsdann  auch  Eursachsen  zum  Besuch  dieses  Tages  sich  be- 
stimmen lassen  werde. 

Der  junge  Friedrich,  der  spätere  Bdhmenkönig,  hat 
ebenfalls  ein  Schreiben  beigelegt  mit  ähnlichem  Inhalt^). 

Er  weist  hin  auf  den  Protest  gegen  den  Beiohstags* 
abschied,  dem  sich  auch  Casimir  angeschlossen,  und  bittet  ihn 
auch  fernerhin  für  des  Beiohes  Wohlfahrt  einzutreten  und 
besonders,  in  der  Erinnerung  daran,  dafs  im  Gebiet  des 
Hauses  Sachsen  das  Licht  des  Byangeliums  am  ersten  zu 
scheinen  angefangen,  sich  darum  zu  bemühen,  dafs  das  Papst- 
tum nicht  wiederum  in  Deutschland  mächtig  werde. 

Auf  die  Phrasen  dieses  Briefes  antwortet*)  Casimir  mit 
denselben  Wendungen,  nur  dafs  an  Stelle  des  Wunsches 
seinerseits  der  geneigte  Wille  tritt 

Dem    Administrator   gegenüber  bedauert   der  Herzog'}, 


1)  KnrfOrtt  Friedrich  V.  an  Heriog  Joh.  Casimir.  Heidelberg,  8. 
Norember  1618.    Orig.    Cob.  Ardi.  B.  U,  7,  No.  116.    cf.  Anhang  XVn. 

S)  Henog  Joh.  Casimir  an  KorfOrtt  Friedrich  V.  ron  der  Pfals. 
Coburg,  5.  Deiember  1618.  Konsept.  Cob.  Arob.  B.  II,  7,  No.  116. 
BI.  80  n.  81. 

8)  Hersog  Joh.  Casimir  an  den  Pfalsgrafen  Joliann,  Administrator 
der  Kurpfals.  Coburg,  6.  Desember  1618.  Konsept  Cob.  Areh.  B.  II, 
7,  No.  116.    El.  84—86.    of.  Anhang  XIZ. 


4S4  Politik  d«t  Htnogt  JoIuüid  CaMmir  ron  Coburfr. 

daXt  er  ihm  eine  Vorantwort  zu  eohioken  genötigt  aei; 
doch  müBse  er  sich  erst  mit  seinem  Bruder  und  womögliek 
mit  dem  Eurfttrsten  über  die  Lage  beeprechen.  üebrigens 
würde  er  alles  than,  was  lor  Erhaltung  des  Rdigions-  «nd 
Profan^riedens  dienlich  sei.  Was  den  Korrespondierenden 
ram  Nachteil  gereichen  könnte»  wolle  er  yon  ihnen  abwenden 
helfen. 

Auf  die  Frage  des  Administrators»  die  sich  auf  die  Ge- 
winnung Bachaens  beiog,  fiihrt  Casimir  in  einem  dem  Schrei- 
ben angefügten  Postskriptum  erwidernd  aus:  Nur  dann  könne 
an  eine  solche  gedacht  werden,  wenn  ein  Sachsen  genehmer 
Vergleich  in  der  Jülicher  Frage  zustande  käme. 

Casimir  hegt  deshalb  die  feste  üeberzeugung,  der  Ad- 
ministrator wie  die  Union  überhaupt  werde  danach  trachten» 
daÜB  die  gefährlichen  Mifsyerständnisse,  welche  die  Nicht- 
berücksiobtigung  des  Jüterbogkschen  Vertrags  ron  seiten 
Brandenburgs  und  Neuburge  nach  sidi  gesogen,  aus  dem  Wege 
geräumt  würden. 

Man  merkt  dieser  Antwort  an,  dafs  Casimir  nicht  be- 
absichtigt, die  Bahn,  die  er  am  Ende  des  Beichstags  einiu* 
schlagen  begomien  hat  und  die  ihn  hinübergeführt  hätte  ins 
Lager  der  Union,  weiter  zu  yerfolgen,  sondern  dafs  er  an 
seinem  früheren,  yermittelnden  Standpunkt  festanhalten  gedenkt. 

Der  Brief  des  Kurfürsten  yon  Sachsen  Tom  26.  No- 
vember^) mag  nicht  wenig  zu  diesem  Bntschlufs  beigetragen 
haben :  Wegen  der  Gefahr  in  Siebenbürgen  habe  man  sich  ent- 
schlossen, den  Kaiser  durch  Kontributionen  zu  unterstützen; 
er  könne  deswegen  Casimir  keinen  besseren  Bat  geben  als 
den,  Ton  dem  Protest,  den  sein  Gesandter  eingelegt,  abzu- 
sehen und,  um  „allerhandt  yerdacht"  vorzubeugen,  sich  dieser 
Kontribution  ebenfaUa  zu  unterziehen. 


1)  Knrfarst  Job.  Oeorg  an  Henog  Joh.  Casimir.  Weidenhain,  am 
16.  NoTembrb  1618.  Kopie.  Cob.  Arcb.  B.  II,  7,  No.  106.  (Eioselne 
▲ktMist&ek«  die  Beiohstagtaogelegtnheiten  jtu.  Bageosburg  betreff.  161  S/M.) 
of.  Anbang  XVIU. 


Folitik  des  Htrio^  Jobami  Catiiiilr  vod  Coburg.  4^5 

Den  wohlgemeinten  Bat  von  Sachsens  Seite,  der  seiner 
Form  nach  einem  Befehle  gleichkam,  ha(ben  Casimir  und  sein 
Brader  hefolgt.  Am  1.  Februar  geht,  tou  beiden  nnter- 
fleichnet,  ein  Entschuldigungsschreiben  ^)  an  den  Eaiser  ab, 
in  dem  zuglei6h  die  ErklSrung  enthalten  ist,  daf^  sie  trotz 
der  grofisen  Erschöpfung  ihrer  Lande  sich  doch  so  erzeigen 
wollen,  daÜB  Eaiserl.  Majest.  sie  als  getreue  Beichsstände  er> 
kennen  könne.  Als  Bedingungen  ihrer  Hilfe  geben  sie  an: 
Frieden  und  Buhe  im  Beioh,  gleichmSMge  Verwaltung  d^r 
Justiz  und  schleunige  Durchfuhrung  des  Jüterbogkschen 
Vertrags. 

Das  Scheitern  der  Verhandlungen,  die  Brandenburg  mit 
Sachsen  in  den  Wintermonaten  über  die  Jülicher  Frage 
geführt  hatte'),  war  wohl  auch  ein  Grund,  der  Casimir  be- 
stimmte, einzulenken.  Voll  Unmut  berichtet  er  nach  Heidel- 
berg Über  den  Verlauf  derselben  und  ihren  Ausgang  '). 

Sachsen  forderte  Anerkennung  des  Jüterbogkschen  Ver- 
trags; Brandenburg  ging  darauf  nicht  ein.  üeber  eine  Ueber- 
tragung  der  sächsischen  Ansprüche  auf  Brandenburg  für  eine 
Landabtretung  in  der  Mark  oder  eine  Geldentschädigung  ver- 
mochten sich  die  beiden  Parteien  auch  nicht  zu  einigen. 
Weil  von  seiten  der  Kurfürstin  yon  Brandenbtirg  keine 
Vollmacht  Yorhanden  war,  hat  man  sächsischerseits  dchliefsen 
wollen,  dafs  Brandenburg  die  Verhandlungen  nicht  ernst 
gemeint  habe.  Jetzt  hat  Job.  Georg  alles  der  Inter- 
position  des  Kaisers  anheimgestellt,  zumal  weil  dieser  ange- 
deutet hat,  dafs  Neuburg  einen  gütlichen  Vergleich  durch 
seine  Vermittlung  nicht  auszuschlagen  gedenke. 

Gaumir  läfst  es  dahingestellt,    ob   auf.  diesem   Weg    das 


1)  Herzöge  Job.  Casimir  und  Job.  Ernst  an  den  Kaiser  Matthias. 
Coburg,  22.  Januar  1614.  Konzept.  Cob.  Arch.  B.  11,  7,  No.  115. 
Bl.  40^45. 

2)  Droysen,  Preuls.  Poliük  11,  Abteil  2,  618. 

3)  Herzog  Job.  Casimir  an  den  Kurfürsten  Friedrieb  V.  yon  der 
Pfalz.  Coburg,  18.  Februar  1614.  Konzept  Cob.  Arch.  B.  II,  7, 
No.  116. 

32* 


486  Politik  des  Hersogs  Johann  Casimir  ron  Coburg. 

bezweckte  Ziel  erreieht  werden  könne;  doch  hat  er  yorlSufig 
nichts  dagegen  einsuwenden  ^). 

Nach  seiner  Meinung  wftre  es  auf  jedem  Fall  besser  ge- 
wesen, wenn  Brandenburg  auf  die  Yerhandlungen  überhaupt 
▼erssiohtet  hätte,  weil  ihr  Verlauf  nur  dasu  angethan  gewesen 
seif  die  Erbitterung  zwischen  den  beiden  Kurhäusern  zu 
steigern. 

In  der  That  die  Dresdener  Verhandlungen  waren  ge- 
eignety  Sachsen  in  seiner  kaisertreuen  Politik  zu  bestärken 
und  den  Gegensatz  zwischen  ihm  und  Brandenburg  zu  festi- 
gen. Daneben  war  dieses  mit  dem  Pfiüzgrafen  yon  Neuburg 
Tollständig  zerfallen,  seitdem  er  die  katholisdie  Beligion  an- 
genommen und  sich  mit  einer  Schwester  Maximilians  Ton 
Bayern  yermählt  hatte«  Union  und  Liga,  beide  durch  aus- 
wärtige Bundesgenossen  yerstärkt,  standen  sich  drohend 
gegenüber.  Unheilbar  krankte  das  Beich  an  den  [scharfen 
Oegensätsen. 

Dab  ein  Beichstag  nicht  mehr  helfen  könne,  hatte  der 
Ausgang  des  letzten  gezeigt 

Doch  der  Kaiser  hatte  ja  in  Begensburg  versprochen, 
dafs  ein  Kompositionstag  zur  Brledigung  der  Beschwerden 
und  zur  Herstellung  der  Ruhe  und  des  Friedens  gehalten 
werden  sollte. 

Die  katholische  Partei  wollte  jedoch  tou  einem  Nach- 
geben nichts   wissen:   Die  Jurisdiktion    des   Kaisers  und   die 


1)  .  .  Nnhn  werdon  £.  Ld.  undt  iedermenniglicli  verhoffeDÜioh  im 
worok  spftren,  das  onier  löbl.  HaoA  alle  gneüiche  mitteil  herrorgesacht, 
Aber  Bnmdenbnrg  keines  annelimbliob  gewesen;  dannenhero  des  Chnr- 
Arsten  in  Saohsen  Ld.  der  Kays,  interposition  deferirt  ondt  solches  der- 
selben albereit  den  16.  Januar  sogeschrieben,  weil  snmabln  aas  dem 
Kays,  schreiben  Termercktt  worden,  das  Pfalts  Nenbnrgk  kein  gaetlich 
mitten  Yor  J.  li.  aassnschlagen  gemeint 

/  I  i  Ob  nnhn  dieses  der  ort  ondt  weg  diesem  weitaussehenden  werek 
ans  dem  gmndt  in  helffen  ondt  den  rechten  sweck  in  erlangen  sein 
werde,  stellen  wir  ahn  seinen  orth;  diewelhl  aber  J.  K.M.  biefs  anhero 
ahn  nnISi  nichts  derwegen  gelangen  lassen,  nnd  sonsten  aoch  kdn  ander 
mitteU  stattgeftmden,  können  wir  es  ancb  geschehen  lassen  .  .  .  of. 
p.  485,  Anm.  8.     Casimir  an  Friedr.  y.  d.  Pf.  18.  Febr.  1614. 


Politik  dei  Heniogs  Johanii  CMimir  Ton  Coburg.  4g7 

Autorität  des  römiBohen  Stahles  würden  dann  hiotangesetity 
das  ganze  Beichsgebände  lusammenfaUen  ^ ). 

Die  kaiserliche  Eegierang  liefs  sich  dadurch  bestimmen 
und  stand  von  der  Berufimg  des  Tages  ab.  Ja  man  traf 
Anordnungen,  die  yorliegenden  Ächtungsmandate  ausführen 
SU  lassen.  Die  ,,eyfferigen  Bomanisten"  hatten  es  sum  groÜBen 
Leidwesen  Olesb  und  seiner  Bichtung  durchgesetst '). 

Mainz  und  Darmstadt  sollten  die  Acht  an  Friedberg  yoU* 
ziehen.  Gegen  Aachen  rückte  als  kaiserlicher  subdelegierter 
Commissarius  Spinola  mit  20  000  Mann  heran  und  schickte 
sich  nach  üebergabe  der  Stadt,  wohl  im  Einverständnis  und 
nach  Verabredung  mit  der  Liga'),  an,  die  Jülioher  Lande 
im  Namen  des  Kaisers  zu  besetzen. 

Die  Feindseligkeiten,  welche  dort  zwischen  Brandenburg 
und  Neuburg  begonnen  hatten,  und  die  Besetzung  der  Festung 
Jülich  durch  die  Holländer  mögen  die  reaktionär-jesuitische 
Partei  yeranlafst  haben  das  Vorgehen  der  Spanier  zu  be* 
fördern. 

An  der  vollständigen  Einnahme  der  Jülicher  Besitzungen 
wurde  jedoch  Spinola  durch  die  Heereimacht  des  Prinzen 
Ton  Oranien  gehindert,  welche  Gleye,  Mark  und  Bayensburg 
dem  Kurfürsten  von  Brandenburg  rettete.  Nach  fruchtlosen 
Verhandlungen  zu  Wesel  und  Saaten  ^)  behaupteten  beide 
Heere  ihre  Stellung. 

Der  Todeskampf  des  alten  deutschen  Beiohs  hatte  seinen 
Anfang  genommen. 

Die  Union  erkannte  wohl  die  Gefahr,  hegte  Furcht  und 
gute  Wünsche^),  aber  die  Einheit  des  Willens  und  die 
Kühnheit  der  That  fehlte  ihr. 


1)  Ranke,  244. 

2)  Relation  dei  Rathes  Dr.  Andreas  Gagel  ao  Heriog  Job.  Casimir. 
Mttmberg,  2.  Janaar  1614.  Ck>b.  Arcb.  B.  II,  7,  No.  116.  B.  48—58 
(Daplikat). 

8)  Wolf  m,  605. 

4)  Häberlin-Seokenberg  XXIU,  735  fg. 

5)  Cbarakteristiscb  für  die  Stimmang  der  Union  ist  der  Brief  eines 
ibrer  Häapter,  des  Markgrafen  Joacbim  Ernst    von    Anspacb  (Onolibacb 


488  Politik  dei  Hersogs  Johann  Cftaimir  von  Coburg. 

Uin  Stellung  su  den  Vorgängen  in  Jülich  zu  nehmen, 
Tenammelten  sich  die  Unierten  im  September  in  Heilbronn  ^). 
Die  Staftton  und  BraAdenburg  hatten  ihren  Beiatand  verlangt 
Pooh  die  Scheu,  die  Waffen  gegen  den  Kaiser ,  in  deaaen 
Kamen  Spinola  in  die  Lande  eingedrungen  war,  au  ergrei&a, 
ferner  das  Bedenken,  ihre  Gebiete  in  Oberdeutsohland  toh 
Truppen  zu  entblöüsen,  hinderte  sie  am  Bingreifen. 

Bei  dieaer  ichwierigen  Lage,  in  der  sich  die  Union  be- 
hadf  war  es  natürlich,  dafs  aioli  die  Gedanken^  ihrer  Mit- 
glieder wieder  eifrig  mit  der  Fvage  beachäftigten,  wie  Saelisea 
zu  gewinnen  sei.  Der  Herzog  vob  Württemberg  schlug, 
Ton  Hessen  unterstützt*),  yor,  man  solle  Sachsen  dahin 
bringen,  sich  mit  Brandenburg  zu  verbinden,  weil  sie  ja 
beide  von  Spinola  ihrer  Lande  entsetzt  worden  seien  '). 

Doch  Joh.  Georgs  Antwort  auf  ein  dahin  zielendes  Me- 
morial, das  Joachim  Ernst  im  Auftrage  der  Union  ihm  über- 
geben hatte,  bewies  zur  Genüge,  dafs  er  in  Spinolas  Yor- 
gehen  keine  Gefährdung,  wohl  aber  eine  Förderung  seiner 
Ansprüche  erblickte  *),  In  demselben  Sinne  schrieb  er  am 
11.  November  1614  an  Joh.  Casimir:  Ton  der  Katholischen 
gefährlichen  Vorhaben  ist  uns  nichts  bekannt^).  Dieselbe 
Ueberzeugung  hat  kurze  Zeit  vorher  seinem  Rat  Gerstenberg 


8/ia.  September  1614.  Cob.  Arch.  Gopie,  B.  II,  7,  No.  115,  Bl.  248— 
350)  an  den  Kardinal  Cleal.  IntereMaot  ist  dessen  apologetisch  gehaltenes 
Antwortschreibeni  in  dem  er  der  Union  alle  Schuld  des  gegenwärtigen 
Zustandes  aufbürdet.  (Kardinal  Clesl  an  den  Markgrafen  Joaoh.  Ernst. 
Lins,  4.  Okt.  (n.  S.)  1614.  Kopie.  Cob.  Arch.  B.  II,  7,  No.  115,  Bl. 
242—246.     cf.  Hammer,  Cardinal  Clesl,  III  n.  451.) 

1)  Satüer  VI,  90. 

2)  Cf.  die  Correspondeni  iwischen  dem  Landgrafen  Moriti  ▼.  Hessen- 
Kassel  und  Hersog  Joh.  Casimir  in  den  Monaten  Oktober  n.  November 
1614.  (Correspondenz  -  Schreiben  swischen  Sachsen  •  Coburg  u.  Hessen 
1613/14.     A  I,  S2a,  5,  No.  61.    118  Blfitter.) 

3)  Sattler  VI,  91. 

4)  HSberUD-Senkenberg  XXIU,  728,  729. 

5)  Droysen,  Proufs.  Politik  II,  Abteil.  2,  p.  621. 


Politik  des  Honofs  Jobaiin  Caiimir  ron  Coburg.  489 

die  Gründe   diktiert,   die  gegen   den   AnBchlnfe  Sachaeae   ma 
die  Union  spreehen^). 

Sachsen   dachte  eben  nicht  daran,   ron  seinem  „kaieer- 
lichen,  unerangehschen  System'^  abanweiefaen. 


Yin.  EapitoL 

Caaimirs  Stellung  zur  Union  während  des  Spinolasohen 

BinfkÜB.     Seine  Teilnahme  am  Nürnberger 

Ck>rre8pondenstage. 

Durch  Yermittelung  des  Landgrafen  Morits  hatten  die 
Unierten  auch  den  Hersog  yon  Coburg  ersuchen  lassen,  hei 
seinem  geplanten  Aufenthalt  in  Dresden,  neben  dem  Mark- 
grafen Joachim  Ernst,  bei  Eursachsen  für  die  Beschützung 
der  Religion  und  der  deutschen  Libertät,  denen  gegenwärtig 
gleichsam  das  Messer  an  die  Kehle  gesetzt  sei,  einzutreten 
nnd  den  Kurfürsten  zu  veranlassen ,  seinen  Einf-UÜB  bei  der 
Gegenpartei  dafür  in  die  Wagschale  zu  werfen,  dafii  die  spa- 
nische und  päpstliche  Exekution,  die  sich  des  kaiserlichen 
Befehls  nur  als  Yorwand  bediene,  eingestellt  und  die  Jülicher 
Frage  wie  die  Beschwerden  der  Eyangelischen  durch  einen 
gütlichen  Vergleich  beigelegt  werden  möchten  *).  Die  Unierten 
würden  ihrerseits  nichts  unterlassen,  was  die  sächsischen  An- 
sprüche auf  die  Jülicher  Lande  befördern  könnte. 

Wenige  Tage  später  berichtet  der  Landgraf,  er  habe 
alles  aufgeboten,  um  bei  den  bevorstehenden  Verhandlungen 
über  die  Jülicher  Frage  die  anwesenden  Gesandten  Frank- 
reich« und  Englands  ebenso  wie  die  Vertreter  der  Staaten 
nnd  den  Prinzen  Moritz  dafür  zu  stimmen,  dafs  Sachsen 
Anteil    an    dem    Besitz    der    Lande    erhalte,    oder   dals    ihm 


1)  Loadorpii  aoU  publica  I,  p.  179. 

S)  Landgraf  Morits  ▼ob  Hessen-Kas^  an  den  Heriof  Job.  Caaiair. 
Uobargoben  lu  Jena,  5.  Okt.  1614.  Orig.  Cob  Arab.  A.  1,  82  a,  5, 
No.  61.  Bl.  87 — 90.  (Correspondens  -  Sehreiben  zwischen  S.-Oobnrg  o. 
Hessen  1613/14.)    cf.  Anbang  XX. 


490  Politik  dM  Heraogs  JolutOD  Ca^mir  von  Coburg. 

wenigBtenB  kein  Präjudiz  aus  diesen  ohne  sein  Vorwissen  be- 
gonnenen Eonferensen  erwachse.  Was  sein  su  diesem  Zweck 
Ton  ihm  abgeschickter  Geheimer  Kammersekretftr  in  diesen 
Bachen  ausrichtet,  will  er  Casimir  sofort  berichten^). 

Auch  die  Union  hatte  einer  von  ihr  nach  dem  Haag 
abgeordneten  Gesandtschaft  den  Auftrag  gegeben,  im  Interesse 
Sachsens  thätig  zu  sein'). 

Merkwürdigerweise  nimmt  Casimir  den  Wünschen  der 
Union  gegenüber  trotz  ihrer  freundschaftlichen  Versicherungen 
und  trotz  der  Schritte,  die  sie  zu  Gunsten  Sachsens  unter- 
nehmen will,  eine  etwas  kühle  Haltung  ein.  Er  erklärt  zwar 
alles,  was  in  seinen  Kräften  stehe,  thun  zu  wollen,  um  ein 
gutes  Einvernehmen  mit  Sachsen  herzustellen,  aber  er  betont, 
dafs  er  erst  Nachrichten  über  den  Stand  der  kriegerischen 
Ereignisse  in  den  Jülicher  Landen  einziehen  müsse;  femer 
möchte  er  wissen,  welche  Stellung  die  Westmächte  und 
Brandenburg  der  angeregten  gütlichen  Handlung  gegenüber 
einnähmen.  Der  holländische  Agent  Brederode,  Joachim  Ernst 
und  der  Kurfürst  Ton  der  Pfalz  sollen  ihm  diese  Fragen  be- 
antworten ').  KurpfSalz  interpelliert  auch  noch  darüber,  wie 
man  über  Spinolas  Expedition  denke,  vor  allem,  ob  er  sie 
auf  Befehl  des  Kaisers  hin  unternommen  habe. 

Wie  der  Herzog,  so  sucht  sich  auch  sein  Kammersekretttr 
Waldenfels  über  diese  und  ähnliche  Fragen  Klarheit  zu  ver- 
schaffen,  indem   er  sich  an   Benigkhausen   wendet,   der   als 


1)  Landgraf  Morits  an  Hersog  Joh.  Casimir.  Nordenstadt,  14.  Ok* 
tober  1S14.     Orig.    Cob.  Arch.  A.  I,  S2a,  6,  No.  61.  Bl.  92/98. 

8)  y.  Benigkhaiisen  so  Walmenrade  an  den  eobnrg.  Rath  Christ,  t. 
Waldenfels.  HeUbronn  (in  eyll),  21.  Septemb.  1614.  Orig.  Cob.  Aroh. 
B.  n,  7,  No.  116.    Bl.  186. 

8)  a)  Heriog  Joh.  Casimir  an  den  hoU&ndischen  Agenten  Brederode. 
Cobnrg,  12.  Oktober  1614.  Koniept.  Cob.  Arch.  B.  II,  7,  No.  116. 
Bl.  172/178.  —  b)  Heriog  Joh.  Casimir  an  den  Markgrafen  Joachim 
Ernst.  Coborg,  12.  Oktober  1614.  Konsept.  Cob.  Areh.  a  II,  7, 
No.  116.  BL  174/176.  —  c)  Henog  Joh.  Casimir  an  den  Knrfllnten 
Friedrich  V.  von  der  Pfals.  Coburg,  12.  Oktober  1614.  Konsept.  Cob. 
Arch.  B.  U,  7,  No.  116.    Bl.  177/180. 


Politik  d«s  Hcnogs  Jobann  CMimir  von  Coburg.  491 

wifarttembergiBoher  GeBandter  in  den  Haag  gereist  ist  and  in 
der  NShe  des  EriegBaohauplatcea  weilt  ^). 

Obwohl  Casimir  die  Erfällang  des  von  der  Union  an 
ihn  gerichteten  AneuchenB  nioht  ohne  weiteres  yerheifst,  so 
will  er  doch  mit  ihr  in  der  engsten  Besiehung  bleiben  und 
die  vertrauliche  Korrespondenz  fortsetzen  *). 

Man  wird  wohl  nioht  irren,  wenn  man  in  Casimirs 
reservierter  Haltung  den  Wünschen  der  ünierten  gegenüber 
eine  Frucht  seines  Dresdener  Aufenthaltes  und  seiner  Be- 
sprechungen mit  dem  Kurfürsten  und  dessen  Bäten  erkennt 
Der  Kurfürst  von  Sachsen  hatte  ihm  nämlich  versichert,  dals 
die  Besetzung  der  Lande  durch  Spinola  nur  verhindern  solle, 
dafs  sie  nicht  vom  Beiche  losgerissen  würden,  was  der  Kaiser 
bei  den  Milshelligkeiten  der  beiden  possedierenden  Fürsten 
und  zumal  nach  Besetzung  der  Festung  Jülich  durch  die 
Holländer  befürchtet  habe*). 

Diese  Bemerkungen  Joh.  Georgs  mögen  in  Coburg  ander- 
weitigen Gerüchten  gegenüber  einen  beruhigenden  Einfluls 
ausgeübt  und  Casimirs  abwartende  Haltung  verursacht  haben. 
Doch  dafs  sie  ihm  zur  Klärung  der  Lage  nicht  genügten, 
dafür  spricht  eben  der  Inhalt  der  oben  angeführten  Schreiben 
und  dann  weiter  die  Sendung  des  Coburger  Rittmeisters  von 
Schauroth  zu  Moritz  von  Nassau. 

Moritz  möge  dem  Gesandten  seine  Meinung  über  die 
Kriegszustände  zu  erkennen  geben,  bittet  Casimir  in  dem 
Kreditiv^).     Aber  Sohauroth  solle  auch  seinerseits,  soweit  es 


1)  Kftmmenekretftr  Waldenfeb  an  den  Geh.  Bath  BeDigkbaoseD  sa 
Walmenrade.  Coburg,  15.  Oktober  1614.  Orig.  Cob.  Arcb.  B.  II,  7, 
No.  116. 

S)  Heriog  Job.  Casimir  an  den  ChnrpflUi.  Gebeimen  Ratb  Lndwig 
Gamerarias.  Coburg,  IS.  Oktober  1614.  Konsept.  Cob.  Arcb.  B.  II,  7, 
No.  116.     cf.  Anbang  XXI. 

8)  Herzog  Joh.  Casimir  an  Landgraf  Morits  yon  Hessen  •  Kassel. 
Coburg,  17.  Oktober  1614.  Konsept.  Cob.  Arcb.  B.  II,  7,  No.  116. 
Bl.  181/1S8.     cf.  Anhang  XXII. 

4)  Hersog  Job.  Casimir  an  den  Prinsen  Morits  von  Nassau.  Cobarg, 
17.  Oktober    1614.    Konsept     Cob.  Arch.  B.  II,    7,   No.  116.     cf.  aoch 


492  Politik  des  Hertog«  Joliftm  Casimir  ▼<>■  Coburg. 

ihm  mögliohy  au  erioiBohen  suchen,  wie  stark  die  yeraohiedeseii 
Truppen,  wo  die  Feldlager,  was  für  Orte  und  Städte  beide 
Parteien  eingenommen  ^). 

Casimirs  Verlangen,  genaue  Auskunft  tber  die  Lage  der 
Dinge  in  Jülich  zu  erhalten,  sucht  EurÜrst  Friedrich  nadi- 
zukommen  *).  Er  bestätigt  Sachsens  Erklärung,  dafs  der  Zug 
im  Namen  des  Kaisers  unternommen  sei.  Spinola  führe 
sogar  des  Kaisers  Wappen  in  den  Fahnen  ')•  Jetzt  sei  auch 
Graf  von  Zollern  von  Matthias  in  die  Lande  geschickt  worden, 
um,  wie  man  angebe,  daselbst  in  die  Sachen  etwas  Ordowig 
zu  bringen.  Doch  auch  die  geistlichen  Stände  steuerten  zu 
Spinolas  Expedition  bei^),   obwohl  sie  es  in  Abrede  stellten. 

Aulserdem  berührt  das  Schreiben  die  Zustände  in  Jülidi 
und  die  Xantener  Yergleichsverhaudlungen  mit  ihren  Sohwierif^ 
keiten:  Der  Herzog  Wolfgfuig  Wilhelm  von  Neuborg  dringe 
auf  Teilung  der  Lande.  Kurbrandenburg  ginge  jedoch  dsorauf 
nicht  ein,  damit  den  übrigen  Interessenten  nicht  allzuyiel 
präjudiziert  werde« 

Diese  Bemerkung  macht  Friedrich  offenbar,  um  Bmnden- 
burg  Sachsen  zu  empfehlen,  während  Camerarius,  sein  Bat,  in 
Dresden  Besorgnis  wecken  will,  wenn  er  schreibt,  dafs  die 
heilige  Liga  einen  Umsturz  des  Staates  im  Sinne  habe;  auf 
die  Yemichtung  aller  Evangelischen  sei  es  abgesehen  ^), 

Casimir  hat  sich  diese  Ansicht  vorläufig  nicht  angeeignet 
Er  scheint  vielmehr  die   Hoffnung,  welche  Kursachsea   auf 


die  Korretpondeni  mit  dem  Printen  Morits  v.  Nusan.     Cob.  Aroh.  A.  I, 
d2a,  5,  No.  81. 

1)  Memorial  für  CaroU  von  Schaarodt.  Konsept.  Cob.  Aro&.,  B.  II, 
7,  No.  115.   Bl.  96. 

2)  KnrfOrst  Friedrich  V.  von  der  Pfeli  an  den  Henog  Job.  Casimir. 
Heidelberg,  19.  Oktober  1614.  Orig.  Cob.  Arch.  B.  II,  7,  Ne.  HS. 
Bl.  2S1/SSS. 

S)  Cf.  dasa  Hfiberün-Senkenberg  XXIII,  796. 

4)  Cf.  dasa  Wolf  lU,  688. 

5)  PfKlz.  Geheim.  Rath  Ladwig  Camerarias  an  den  Hersog  Job. 
Casimir.  Heidelberg,  d.  19.  Oktober  1614.  Origin.  Cob.  Arck.  B.  II,  7, 
No.  115.    Bl.  SS8/84. 


Politik  dM  Htnof»  JoImuui  Casimir  ron  Coburg.  493 

die  Spioalasohe  Expedition  setate,  geteilt  zu  haben,  beso&derB 
nachdem  die  Uniontgetandten  bei  den  Xantener  Verhand« 
langen  eine  Berüoksichtigung  der  säohiisohen  AnapHiche  nieht 
dorchsnsetaen  yermooht  hatten  ^).  Wie  Knrtaokaan  tritt 
auch  er  für  die  Interposition  dea  Kaisers  ein  und  stimmt 
dessen  Yorsohlag,  die  Lande  bis  zu  einem  gfttliohen  oder 
rediiliohen  Austrag  in  die  Hände  yon  Kurfürsten  und  Fürsten 
beider  Beligionea  als  Kommissarien  zu  geben,  beL  Der  Kur- 
Alrst  von  der  Pfalz  und  der  Landgraf  Mcmtz  möge  bei 
Braiuienburg  in  diesem  Sinne  intervenieren^). 

Die  kurpflüsische  Politik  erhebt  natürlich  Bedenken: 
Man  wisse  nicht,  ob  die  Stände  yon  Jülich,  ob  Wolf  gang 
Wilhelm  mit  dem  Plane  einyerstanden  sei.  Die  Ablehnung 
Brandenburgs  sei  jedenfalls  wegen  seiner  Bedenken  gegen  den 
kaiserlichen  Hofrat  zu  erwarten. 

Doch  in  einem  Punkte  stimmt  der  Kurfürst  Friedrich 
mit  dem  Herzog  von  Coburg  überein,  nämlich  in  dem 
Wunsche,  ein  Kompositionstag  möchte  die  Beschwerden  der 
Evangelischen  erledigen. 

Allgemein  war  diese  Sehnsucht  nach  Frieden  vorhanden. 
Sie  klingt  selbst  aus  den  Streit-  und  Wamungssohriften  der 
Verfechter  beider  Hauptparteien ').  Die  Korrespondenz  des 
Kurfürsten  von  der  Pfalz  und  des  Reiohserzkanzlers  beweist 
ebenfalls,  dafs  weder  der  erste  katholische,  noch  der  erste 
protestantische  Reichsfürst  eine  Steigerung  der  Spannung  für 


1)  Karfürst  Friedrich  von  der  Pfals  an  den  Hersog  Job.  Casimir. 
Heidelberg,  15.  Deiember  1614.  Orig.  Cob.  Arob.  B.  II,  7,  No.  116. 
Bl.  275/78. 

S)  a)  Heriog  Job.  Casimir  an  KorfGrst  Priedricli  ▼.  d.  Pf.  Bisenaoh, 
26.  November  1614.  Kopie.  Cob.  Arcb.  B.  II,  7,  No.  115.  BL  266/69. 
—  b)  Hersog  Job.  Casimir  an  den  Landgrafen  Moriu.  fiisenaob,  28.  No- 
vember 1614.  Konsept.  Cob.  Arcb.  A.  I,  62  a,  5,  No.  61.  Bl.  96/100. 
ef.  Aubang  XXUI. 

S>  Cf.  Loodorpii  acta  publica  I,  p.  222  fg.  —  Ein  Gedicht  vom  jetzigen 
Zustand  des  deutschen  Reichs.  Cob.  Arcb.  A.  I,  28  b,  8  a  a,  No.  29. 
(Zeitungen  1614  ;  fast  am  Ende  des  Bandes.) 


494  Politik  des  Henogt  Johuin  Cuimir  toh  Coburg. 

angebracht  hielt  ^).  Auch  beide  Bünde  yennieden  abnchtheh 
jeden  AnlafB  su  Bohrofferem  Hervortreten:  die  Union  im  Ge- 
fühl ihrer  Sohwäohe  und  Banfölligkeit ;  die  Liga  konnte,  da 
sie  damals  sich  in  einer  ErisiB  befand  *) ,  erst  reoht  an 
einen  Angriff  nicht  denken. 

Aber  weil  die  Bpanischen  Trappen  noch  auf  deutschem 
Boden  standen,  so  fürchtete  die  Union,  dafs  sie  im  nächsten 
Sommer  gegen  sie  losbrechen  würden  *).  Auch  aus  Yenedig 
wurde  berichtet,  dafs  in  Italien  starke  Rüstungen,  für  die 
Spanien  die  Mittel  liefere,  angestellt  würden.  Die  Erhaltung 
des  Hauses  Habsburg  beim  Kaisertum  besweokten  sie,  denn  das 
Trachten  der  protestantischen  Fürsten  gehe  dahin,  einen  ans 
ihrer  Mitte  jsum  König  lu  wählen^). 

Um  wenigstens  vorläufige  Oegenmassregeln  zu  treffen, 
hielt  die  Union  mit  ihren  Parteigenossen  Anfang  Februar  in 
Nürnberg  den  schon  längst  geplanten  Korrespondenstag  ab  ^). 
Auch  obersächsische  und  niedersächsische  Beichsstände,  näm- 
lich Braunschweig-Wolfenbüttel  und  Lüneburg,  Pommern  und 
Oldenburg,  waren  durch  Gesandte  vertreten. 

Neben  anderen  Nachrichten  mögen  besonders  die  Eröff- 
nungen der  Lüneburger  Gesandten,  die  auf  dem  Wege  naoh 
Nürnberg  in  Coburg  vorsprachen,  Oasimirs  Mifstrauen  gegen 
den  Zug  Spinolas  hervorgerufen  haben,  während  ihre  Aeufse- 


1)  Der  pfKls.-mAiniische  ScbriftMiireeluel.  cf.  Hiberlin-8«Dkoob«rg 
XXIII,  p.  706  fg.  Zwei  Briefe,  die  Senkenberg  fehlen,  habe  ich  im  Cob. 
Aroh.  in  Abschrift  gefanden. 

2)  Wolf  in,  470  fg. 

5)  Hiberlin-Senkenberg  XXUI,  741  fg. 

4)  Bericht  aas  Venedig.  80.  Janaar  1616.  Cob.  Arch.  A.  I,  28  b, 
S  a  a,  No.  61.  (Einselne  an  den  Henog  Job.  Casimir  flbersandte  Zeitongi- 
blitter  1612—1616.) 

6)  Aaf  den  26.  Deiember  1614  aasgeschrieben,  warde  er  bis  lom 
4.  Februar  1616  Tertagt  Cf.  Karfürst  Friedrich  von  der  Pfals  an  die 
ersamen,  weisen  etc.  Rfithe  sa  Nürmberg.  Heidelberg,  26.  Noyemb.  1614. 
Kopie.  Cob.  Arch.  B.  II,  7,  No.  120.  (Den  Evangel.  Unions-  a.  Corre- 
spondens  -  Convent  su  Nürnberg  and  die  Absendang  Healsners  betreff.) 
Bl.  3. 


Politik  d68  Henogt  Joluuin  Casimir  Ton  Cobarf .  496 

rangen  über  das  Vorhaben  des  niederBächsiBÖhen  Kreises,  eine 
Defensionsordnung  einzunohten  ^) ,  seine  Hoffnung  auf  das 
Zostandekommen  eines  allgemeinen  eyangelisohen  Bandes 
wieder  gestärkt  haben  können.  Casimir  entsehlols  sieh  aaf 
jedem  Fall  Eurpfalsens  Einladang ')  zu  entsprechen  and 
seinen  Kammersekretär  HeaTsner  nach  Nürnberg  zu  senden; 
doch  nicht  als  offiziellen  Yertreter.  Er  solle  vielmehr  sich 
bemühen,  heilst  es  in  seiner  Instroktion  *),  dab  die  Reise 
möglichst  unbemerkt  yon  statten  gehe.  Die  KreditiTSchreiben 
an  den  Nürnberger  Bat  Gugel,  an  Oamerarius  und  Fürst 
Christian  yon  Anhalt^)  fordern  ebenfalls  geheime  Beratungen 
Ihr  Zweck:  Erhaltung  der  yertraulichen  Beziehungen  und 
Anknüpfung  neuer.  Besonders  aber  ist  Casimir  daran  ge- 
legen, zu  er£fthren,  welches  Defensionswerk  in  Nürnberg  be- 
schlossen würde.  Der  Gesandte  möge  deshalb  alles  aufbieten, 
um  Einzelheiten  darüber  zu  ergründen.  Femer  solle  er  sich 
bemühen  die  Absichten  der  Union  und  die  Stärke  ihrer 
Streitkräfte  zu  erforschen.  Endlich  solle  er  in  Erfahrung  zu 
bringen  suchen,  welche  Hilfe  Frankreich,  England,  die 
Staaten,  Dänemark  und  die  Schweiz  der  Union  im  Falle  der 
Not  leisten  würden. 

Ich  yermute,  dais  Casimir  in  der  Voraussicht  eines  all- 
gemeinen Kampfes  den  Gedanken,  in  die  Union  au  treten, 
erwog  und  deshalb  ihre  Machtverhältnisse  genau  erkunden 
wollte.  „Bedenkliche  Worte''  in  einem  kaiserlichen  Schreiben 
an  Eursachsen,   das  er   dem  Direktorium  der  Union  zugleich 


1)  Henog  Job.  CMimir  «n  den  KurfOrston  Friedrich  V.  y.  d«  Pf. 
Coburg,  21.  Desember  1614.  Koniepi  Cob.  Arch.  B.  II,  7,  No.  115. 
Bl.  S72/74. 

S)  Knrflirtt  Friedrieh  V.  t.  d.  Pf.  an  Henog  Job.  Cuimir.  Heidel- 
berg, d.  11.  Oktober  1614.    Kopie.    Cob.  Arch.  B.  II,  7,  No.  120.  Bl.  1. 

d)  InstmetioD  Heafsners.  Coburg,  8.  FebroAr  1616.  Koniept  u. 
OrifiD.  Cob.  Arch.  B.  II,  7,  No.  120.  Bl.  9—10  bei.  11—14.  ef.  An. 
hang  XXIV. 

4)  Coburg,  S.  Februar  1616.  Koniepto.  Cob.  Arch.  B.  II,  7, 
No.  120. 


496  Politik  des  Heraogt  Johum  CatiiBir  Ton  Coburg. 

But  der  VerBioheraog  seiner  treuen  Freandeehaft  gegen  eie 
übermitteln  liefei  mögen  seinen  Glauben  an  den  Bnift  4er 
Lage  gestärkt  haben. 

Casimirs  Hoffnung,  der  Tag  wttrde  sich  über  die  Mittel, 
die  zur  Verteidigung  der  Evangelisohen  nötig  seien,  schlüssig 
werden,  verwirklichte  sich  nicht.  Das  Defensionswerk  wurde 
auf  künftige  Ereisrersammlungen  verschoben  ^).  Voll  Unmut 
berichtet  es  HeuTsner  nach  Coburg').  Es  ist  zu  befürchten, 
meint  er,  dafis  jetzt  die  spanischen  und  italienischen  lYuppen 
aufbrechen  und  den  Kampf  beginnen  werden.  Wegen  ihrer 
schlechten  Oegenverfassung  ständen  die  Sachen  für  die  Evan- 
gelischen „gantz  höchst  gefährlich'^  Eine  gütliche  Ver- 
gleichung  sei  ausgeschlossen,  denn  bei  einer  Zusammenkunft 
des  Kurfürsten  von  Mainz  und  des  Kurfürsten  von  der  PMz, 
der  auch  der  Bischof  von  Speier  und  der  Fürst  Christian 
von  Anhalt  beigewohnt,  hätten  die  Katholischen  klar  und 
deutlich  erklärt,  vor  Restitution  der  nach  dem  Fassauer  Ver- 
trag eingezogenen  geistlichen  Güter  sich  zu  keiner  Kom- 
position verstehen  zu  wollen. 

Hatte  sich  Casimir,  wie  ich  vermutet,  mit  dem  Gedanken, 
in  die  Union  su  treten,  getragen,  diese  Schilderung  ihrer 
Schwäche  war  eben  nicht  dazu  angethan,  jenen  zur  That 
werden  zu  lassen. 

Besonders  das  Scheitern  eines  Universal-Defensionswerkes 
scheint  ihm  nahe  gegangen  zu  sein,  in  erster  Linie  darum,  weil 
er  jetzt  fest  überzeugt  war,  daüs  Spinolas  Plan  dahin  gehe, 
die  evangelischen  geistlichen  Gebiete  Norddeutschlands  zu 
restituieren.  Unbegreiflich  findet  er  dieser  drohenden  Gefahr 
gegenüber  die  Sorglosigkeit  des  niedeiBächsisdien  Kreises, 
der  „kalt  und  langsam''  vorhabe ,  erst  dem  Kaiser  die  Not- 
wendigkeit eines  Kreistages   und   einer  Gegen  Verfassung  dar- 


1)  Gf.  Aucb  Hiberlin-Seokenberg  XXIV.     Vorrede  XXI  fg. 
t)  HeuTtnen  Belation.     Nfimberg ,    17.  Februar    iei5.    Cob.  Arcb. 
B.  II,  7,  No.  120.     cf.  Anhang  XXV. 


Politik  des  Hersog8  Johann  Catinir  yon  Coburg.  497 

zuthan  ^X  Er  bittet  deswegen  den  Kurfürsten  Friedrich  *) 
Sehritte  2a  tkun,  damit  dort  möglichst  bald  eine  enge  Y&t* 
einigong  su  stände  komme.  Markgraf  Joachim  Ernst  werde 
wohl  der  geeignetste  Mann  sein,  durch  MahnungsschreibeB 
eine  solche  zu  befördern. 

Weiter  hält  es  Oasimir  für  ratsam,  dafs  die  Union  noch 
einmal  den  Versuch  mache,  Brandenburg  in  der  Jülicher 
Frage  zu  einer  annehmbaren  Satisfaktion  Sachsen  gegenüber 
zu  bewegen.  Würde  sich  Brandenbarg  jetzt,  wo  die  Inter- 
position  Ton  seiten  des  Kaisers  noch  als  eine  res  integre  zu 
betrachten  sei  '),  zu  einer  solchen  verstehen,  so  hegt  Casimir 
die  feste  Ueberzeugung,  dafs  Kursachsen  eine  gütliche  Unter- 
handlung nicht  abweisen  werde. 

Noch  giebt  also  Casimir  die  Hoffinung,  die  er  immer 
gehegt,  alle  evangelischen  Stände  zusammenzusohliefsen,  nicht 
aof.  Die  Gewinnung  der  niedersächsiBchen  Stände  und  eine 
enge  Verbindung  Kursachsens  und  Brandenburgs  hätten  den 
Erfolg  verbürgt. 

Pfalz  hat  auf  Casimirs  Anregung  hin  bei  jenen  einen 
dahingehenden  Versuch  unternommen.  In  einem  Briefe  an 
die  beiden  ausschreibenden  Stände  des  niedersächsisohen  Kreises, 
an  Braunsehweig  und  Magdeburg,  forde^  der  Kurfürst  diese 
auf,  die  Einberufung  des  Kreistages  su  beschleunigen  und  i« 
Verbindung  mit  den  übrigen  Ständen  sich  darüber  schlüssig 
au  werden,  welchen  Succurs  an  Volk  und  Geld  man  den 
evangelischen  Ständen  im  Süden  im  Falle  eines  Angriffs 
leisten  wolle,  und  wieviel  sie,  wenn  sie  ihrerseits  angegriffen 
würden,  von  ihnen  erwarteten  ^). 

1)  Hersog  Job.  Casimir  an  den  KorpfKIs.  geheimen  Batb  Ludwig 
Camerariof.  Coburg,  4.  lUra  161S.  Konaopt  Cob.  Areb.  B.  II,  7, 
No.  116.    Bl.  809/11. 

2)  Hersog  Job.  Caefanir  an  Knrfürat  Priedricfa  V.  tob  der  Pfali.  Coburg, 
S.  MSrs  1615.  Konsept  Cob.  Areb.  B.  U,  7,  No.  US.  BL  81S/18. 
cf.  Anbang  XXVI. 

8)  Cf.  daau  Mfilleri  Annalen,  p.  804  a.  807. 

4)  Kurfürst  Friedrieb  V.  ▼.  d.  Pf.  an  die  beiden  Ausscbreibenden  des 
niedersScbs.  Kreises.  Heidelberg,  14.  Mars  ISIS.  Kopie.  Cob.  Arch. 
B.  n,  7,  Mo.  115.     Bl.  864/66. 


498  Politik  dM  Heraogs  Johann  CMimir  Ton  Coburg. 

In  welcher  Weise  die  Anregung  yon  den  niedenäch- 
sisohen  Ständen  aufgenommen  wurde,  habe  ich  nioht  finden 
können«  Dooh  steht  die  Thatsaohe  festi  dafs  auf  dem  Unions- 
tage in  Heilbronn  ein  Hilftvertrag  mit  dem  niedersäohsisohen 
Kreise  bestätigt  wurde  ^). 

Ebensowenig  bin  ich  auf  Verhandlungen  über  die  Jülioher 
Frage  zwisehen  Brandenburg  und  Sachsen,  yermittelt  durch 
die  Union,  gestoIlBen.  Senkenberg  behauptet^),  sie  hätten 
stattgefunden ;  yergeblieh  sind  sie  auf  jedem  Fall  gewesen. 

Die  Realisierung  einer  Union  aller  Eyangelisohen  stand 
eben  nach  wie  yor  in  weiter  Feme;  ebenso  fehlten  natttr- 
lioh  eyangelisoherseits  auch  energische  Matsregeln  zur  Ab- 
wehr im  Falle  des  befürchteten  Angriffs. 

Um  wenigstens  seinerseits  nicht  wehrlos  überfallen  zu 
werden,  setzte  Casimir  sein  Land  in  Yerteidigungszustand. 
Seine  Stände  bewilligten  ihm  zu  diesem  Zwecke  60  000 
Gulden  »). 

Dooh  die  Spanier  machten  keinen  ernstlichen  Versuch 
nach  dem  Osten  yorzudringen. 

Dals  aber  die  Befürchtungen  der  eyangelisohen  Stände 
nioht  grundlos  und  nioht  beseitigt  waren,  das  glaubten  die 
Unierten  und  ihre  Partei  aus  einem  Memorial  des  Brsherzogs 
Maximilian  schlielsen  zu  können,  welches  in  die  Hände  der 
pfälzischen  Staatsmänner  kam  und  in  den  ersten  Monaten 
des  Jahres  1616  seine  Bunde  an  den  protestantischen  Höfen 
machte. 


IX.  KapiteL 

Böhmisoh-österreiohisohe  ErbfolgeArage« 

Der  Erzherzog  Maximilian  hatte,  yon  der  Ueberzeugung 
durchdrungen,   dals  zur  Erhaltung   der  katholischen  Beligion 


1)  Bommel  VII,  8iS. 

2)  Hiberlin-Senkenberg  XXIV,  S4« 
S)  Scholtes,  Beilage  XXL. 


Politik  d68  Henogi  Johaon  Casimir  von  Coburg.  499 

wie  des  Habsburger  Hauses  ein  lebenskräftiger  und  gat 
katholischer  Kaiser  nötig  sei  ^),  Schritte  unternommen,  welche 
die  Nachfolge  seines  steiermärki sehen  Yetters  Ferdinand 
flicher  stellen  sollten  *).  Das  oben  erwähnte  Memorial  war 
^acu  bestimmt,  alle  weiteren  Hindernisse,  welche  die  Yon 
Olesl  inspirierte  kaiserliche  Begierung  seinen  Plänen  ent- 
gegensetzte, lu  beseitigen  und  die  Einberufung  eines  Wahl- 
tags zur  Festsetzung  der  Nachfolge  zu  veranlassen. 

Aber  es  enthielt,  weil  es  die  Designation  des  Nach- 
folgers als  Eecht  des  Kaisers  hinstellte,  weil  es  ferner  Tor^ 
schlug,  die  Wahl  auch  dann,  wenn  Brandenburg  und  Pfalz 
opponierten,  Torznnehmen  und  ein  Heer  aufzustellen,  um 
gegen  jede  Gegenwirkung  gerüstet  zu  sein  ^),  eine  Beleidigung 
der  weltlichen  Kurfürsten,  eiue  YerhöhuuDg  der  Verfassung 
überhaupt 

Als  solche  wurde  der  Inhalt  des  Memorials  auch  im  pro- 
testantischen Deutschland  aufgefafst.  Ghrofs  war  die  Bewegung, 
die  es  hervorrief.  Das  pfälzische  Kabinett  konnte  jetzt  mit 
«inem  schlagenden  Beweis  in  der  Hand  die  so  oft  erhobenen 
Ainsohuldigungen  gegen  die  Habsburger  wiederholen. 

Nach  Sachsen  schickte  es  Camerarius  als  Gesandten,  um 
in  Dresden  Angst  vor  den  gewaltsamen  Plänen  der  Habs- 
burger zu  wecken  ^).  Maximilian  yersuehte  durch  dasselbe 
Mittel  etwaige  Bedenken  Sachsens  zu  zerstreuen.  Die  Ant- 
wort, welche  sein  Gesandter  erhielt^),  bewies  jedoch,  dafs 
Sachsen  ebensowenig  wie  Pfalz  und  Brandenburg  gesonnen 
war,  Ratschlägen,  wie  sie  das  Gutachten  enthielt,  zuzustimmen. 
Maximilian,  der  seine  Autorschaft  geleugnet  hatte,  wird 
vielmehr  gebeten,  zu  intervenieren,  wenn  im  Sinne  dosselben 


1)  Ranke,   246. 

S)  Gindelj,  Oeschichte  des  SO-jfibrigen  Kriegs.  I,  p.  9  fg. 

8)  Londorpii  moU  pabliea  I,  850,  861.    HSnlser  II,  S90. 

4)  Gindeij  I,  40. 

b)  Londorpii  acta  pabliea  I,  86  S,  868. 

XVII.  33 


500  Bolitik  des  Herzogs  Johann  Casimir  von  Coburg. 

etwas  ins  Werk  gesetst  werden  sollte^).  Änf  jedem  Fall 
malste  die  projektierte  Wahl  einstweilen  als  gescheitert  be- 
trachtet werden. 

Von  der  polituchen  Korrespondenz  Casimirs  im  Jahre 
1616  habe  ich  im  Gobnrgisohen  Archiv  nur  geringe  Brach- 
stücke  gefunden.  Sie  scheint  sich  teilweise  aaf  das  bekannte 
Ontachten  zu  beziehen;  doch  kann  man  ihr  wegen  der  All- 
gemeinheit des  Inhalts  nor  wenig  Positiyes  entnehmen: 
Casimir  hat  mit  Dresden  unterhandelt  und  die  Absicht  ge- 
habt, dem  Landgrafen  Moritz  in  einer  persönlichen  Konferenz 
zu  eröffnen,  dafs  die  Verhandlungen  mit  dem  Kurfürsten  zu 
seiner  Zufriedenheit  ausgefallen  seien.  Die  Verhinderung 
seiner  Bäte,  das  Ausbleiben  yerschiedener  notwendiger  Nach- 
richten und  der  Wunsch,  erst  die  Ankunft  ChristianB  Ton 
Anhalt  abzuwarten,  haben  ihn  jedoch  yeranlafst,  jene  hinaus- 
zuschieben ^). 

Der  eigentliche  Grund  war  wohl  der,  dafs  man  in  Coburg 
glaubte,  bei  dem  gegenwärtigen  Stande  der  Dinge  in  den 
betreffenden  „Tomehmen  Reichssachen*'  nichts  weiter  er- 
reichen zu  können^). 

Beziehungen  Casimirs  zur  Union  in  dieser  Zeit  habe 
ich  nicht  zu  entdecken  vermocht.  Eine  Erklärung  dafür 
wird  vielleicht  in  der  zurückhaltenden  Politik,  welche 
die  durch  Brandenburgs  Austritt^)  geschwächte  Union  nach 
den  letzten  Vorgängen  in  Jülich  beobachtete,  zu  suchen 
sein  ^).  Bei  einer  Zusammenkunft  ihrer  bedeutendsten  Mit- 
glieder in  Stuttgart,  Mai  1616,  wurden  sogar  Stimmen  gegen 


1)  Von  Gindelys  Behauptungen  I,  42  habe  ich  in  dem  Ontachten 
nichts  finden  können. 

2)  Herzog  Joh.  Casimir  an  den  Landgrafen  Moritz.  Coburg, 
14.  August  1616.  Concept  Cob.  Arch.  A.  I,  32  a,  6,  No.  63.  (Corre- 
spond.  mit  dem  Landgrafen  Moritz  Ton  Hessen,  1580/1632.)  Bl.  77 
u.  78. 

8)  Kammersekretlr  Sigism.  Heufsner  an  Herzog  Joh.  Casimir.  Coburg,. 
80.  Aug.  1616.     Orig.     Cob.  Arch.  A.  I,  82  a,  6,  No.  160. 

4)  Droysen  U„  625,  626. 

5)  Hfiuf^er  H,  284. 


Politik  des  Heriogs  Johann  CMÜnir  von  Coburg.  501 

den  Fortbestand  der  Union  laut^).  Mit  Bttcknoht  anf  den 
mit  den  Oeneralstaaten  geschloBsenen  Bnnd,  wohl  anch  in 
Anbetracht  der  durch  die  Umtriebe  des  Erzhersogs  Maximilian 
gefUhrdeten  Lage  der  protestantischen  Partei,  wurde  doch 
die  Fortführung  der  Union  in  Heilbronn,  April  1617,  auf 
weitere  drei  Jahre  beschlossen  *). 

Mit  Feuereifer  hatte  inzwischen  Erzherzog  Maximilian 
f&r  die  Succession  Ferdinands  in  den  Erblanden  wie  im 
Reiche  weiter  gearbeitet.  Die  Erbitterung,  die  das  Bekannt- 
werden seines  Gutachtens  heryorgerufen ,  hatte  ihn  ebenso- 
wenig abschrecken  können  wie  die  Opposition  Spaniens,  auf 
dessen  Unterstützung  in  dieser  Frage  er  gerechnet. 

Doch  Philipp  erhob  selbst  Ansprüche  auf  die  Nach- 
folge^) und  forderte,  als  er  sah,  dafs  die  Erhebung  seines 
zweiten  Sohnes  Don  Carlos  nicht  durchzusetzen  sei,  wenig- 
stens die  Abtretung  Tirols  und  der  vorderösterreichischen 
Lande. 

Olesl  erklärte  sich  entschieden  dagegen.  Neue  Ver- 
wirrung im  Beioh  und  Blutyergiefsen  würden  die  Folgen 
eines  solchen  Zugeständnisses  sein  ^). 

Es  wurde  doch  gemacht.  Ferdinand,  dessen  ganze  Zu- 
kunft yon  dem  Beistand  Spaniens  abhing,  rerstand  sich  in 
einem  geheimen  Vertrage  zur  Abtretung  des  Elsafs  und 
der  dazu  gehörigen  Dependenzen,  sobald  er  den  Thron  be- 
stiegen ^). 

Alle  Hindemisse,  die  noch  der  Festsetzung  der  Suc- 
cession in  den  Erblanden  entgegengestanden,  wurden  jetzt 
schnell  beseitigt.  Ferdinands  Wahl  lom  König  Ton  Böhmen, 
Tomehmlich  ein  Werk  katholischer  Barone  des  Landes*), 
erfolgte  am  6.  Juni.     Auch   in  Ungarn  kam   man   zum  ZieL 


1)  Satüer  VI,  100. 

2)  Bommel  YU,  848. 
8)  Oindely  I,  SO. 

4)  Bänke,  247.  948. 

5)  Gindely  I,  68. 

6)  Bänke,  249. 

33« 


502  Politik  des  Henogs  Johann  Casimir  von  Coburg. 

Freilioh  mafste  man  gröfsere  ZugeständDisse  maoheoi  als  man 
beabsichtigt  hatte  ^}. 

Die  pfölaische  Politik  erkannte  die  Gefahr,  die  der 
Union  drohte,  wenn  es  dem  mit  Spanien  eng  yerbondenea 
Ferdinand  gelang,  za  den  Kronen  von  Ungarn  nnd  Böhmen 
die  deutsche  Kaiserkrone  su  fügen.  An  Anstrengungen,  dies 
SU  Terhindern,  hat  sie  es  nicht  fehlen  lassen.  Nachdem  der 
Herzog  von  Lothringen  die  Kandidatur  abgewiesen  '),  rich- 
tete das  Heidelberger  Kabinett  seine  Blicke  auf  Maximilian 
Ton  Baiem.  Die  Wahl  dieses  Herzogs  moTste,  so  schlössen 
die  Ffälzer,  die  Habsburger  nnd  Wittelsbaoher  za  Gegnern 
machen.  Der  Nutzen  für  die  protestantische  Partei  wäre 
grofs  gewesen.  Doch  Maximilian  verwarf  nach  ernstlichen 
Erwägungen  den  pfälzischen  Yorschlag'). 

Einen  letzten  Versuch,  ihn  zu  gewinnen,  sollte  der 
junge  Kurfürst  in  persönlicher  Zusammenkunft  machen^). 
Vorher  begab  er  sieh  jedoch  nach  Berlin  und  yon  da  nach 
Dresden,  um  die  beiden  Höfe  seinen  Absichten  geneigt  zu 
machen. 

Vor  allem  kam  es  der  pfölzischen  Politik  darauf  an, 
dab  der  auf  den  2.  Februar  berufene  Kurfürstenkonrent 
mindestens  hinausgeschoben ,  die  Successionsangelegenheit 
zurückgestellt  werden  möchte. 

Brandenburgs  Kurfürst  stimmte  Friedrich  in  diesen 
Punkten  zu.  Job.  Georg  verstand  sich  ebenfalls  zur  Proro- 
gation des  Termins;  auch  er  betonte  als  Hauptaufgabe  des 
Tages  die  Komposition.  In  der  Sucoessionsfrage  könne  man 
ja  die  kaiserliche  Proposition  abwarten.  Es  stehe  dann  den 
KurftLrsten   immer  noch   frei,   ihre  Entschlüsse  zu  treffen'). 

Ob  Joh«  Georg  deswegen  dem  Standpunkte  der  beiden 
anderen   sich   soweit   genähert  hat,    um   sie   zu  veranlassen 


1)  Gindely  ^I,  %0b  tg. 

2)  Gindely  I,  191. 
d)  Bftnke,  S64. 

4)  Gindely  I,  198. 

6)  Lonpidori  acta  pabl.  lU,  695. 


Politik  dM  Heraogt  JohMii  CMimir  vod  Coburg.  503 

Auf  dem  Konvent  zn  erscheinen,  in  der  Hoffnung,  tie  würden, 
Tielleicht  überrompelt,  Ferdinands  Wahl  gutheiTsen,  lasse  ich 
dahingestellt.  Soviel  ist  sicher»  dafs  Friedrieh  das  Entgegen- 
kommen Joh.  Georgs  freudig  ttberrasohte. 

Gar  nicht  mehr  feindlich  gegen  die  Union  hat  er  ihn 
gefunden^).  Ja  man  habe  ihm,  dem  Haupt  derselben,  in 
Dresden  Ehren  erwiesen,  die  nicht  genug  gerühmt  werden 
könnten.  Von  der  vertraulichen  Korrespondens,  die  ihm  der 
Kurfürst  lugesichert,  erwartet  Friedrich  den  gröCiten  Nutsen 
fttr  das  Reich  wie  für  die  evangelische  Sache  * ). 

Casimir  hat  von  der  Zusammenkunft  der  beiden  Kur- 
fürsten dasselbe  gehofft.  Sollte  seine  Mitwirkung  zur  Förde- 
rung des  guten  Einvernehmens  von  Friedrich  gewünscht 
werden,  so  will  er  jede  Gelegenheit  ergreifen ^  um  in  dieser 
Angelegenheit  etwas  Erspriefsliches  su  schaffen,  zumal  da 
man  allem  Anschein  nach  auf  der  Hut  sein  und  sich  eng 
lusammenschliefsen  müsse  '). 

Friedrich  nimmt  Casimirs  Anerbieten  gern  an.  fiei  erster 
Gelegenheit  werde  er  seine  Dienste  in  Anspruch  nehmen  ^). 
Friedrichs  Stallmeister  Obentraut,  den  er  vor  Empfang  des  firiefee 
Casimirs  zu  diesem,  der  sich  gerade  zum  Besuche  bei  dem 
Landgrafen  Ludwig  in  Darmstadt  befand,  abgeschickt  hatte  ^\ 
mag  wohl  in  ähnlichem  Sinne  instruiert  gewesen  sein*). 


1)  LoDdorpii  acte  pnbl.  III,  596. 

I)  Korftlrtt  Friedrich  von  d.  Pf.  an  Hersog  Job.  CMimir.  Heidel- 
berg, 18.  Desemb.  1617.  Orig.  Cob.  Areb.  A.  I,  82  a,  6,  So.  96. 
(Yertranliche  Korrespondens  mit  Karpfals,  das  böhmische  Unwesen  betreff.) 
Bl.  18—16.     ef.  Anhang  XXVUI. 

8)  Herzog  Job.  Casimir  an  Kurfürst  Friedrich  t.  d.  Pf.  Darmstadt, 
15.  Dezemb.  1617.  Kopie.  Cob.  Arch.  A.  I,  38  a,  6,  No.  96,  Bl.  6  n.  7. 
cf.  Anhang  XXYU. 

4)  Kurfürst  Friedrich  v.  d.  Pf.  an  Hersog  Job.  Casimir.  Heidel- 
berg, 18.  Desemb.  1617.  Orig.  Cob.  Arch.  A.  I,  82  a,  5,  No.  96. 
BL   18—17. 

6)  Kurfürst  Friedrich  y.  d.  Pf.  an  Hersog  Job.  Casimir.  Heidelberg, 
14.  Desemb.  1617.     Orig.     Cob.  Arch.  A.  I,  82  a,  5,  No.  96. 

6)  Hersog  Job.  Casimir  an  Kurfürst  Friedrich  y.  d.  Pf.  Darm- 
sUdt,  17.  Desemb.  1617.     Konzept.    Cob.  Arch.  A.  I,  82  a,  5,  No.  96. 


504  Politik  des  Hersogt  Johann  Casimir  ron  Coburg. 

Sachsens  Gewinn  ang  fCLr  die  ünierten  hatte  fireilieh 
viel  an  Wahrscheinlichkeit  yerioren,  nachdem  eine  Lösung 
der  Jülioher  Frage  mit  Berücksichtigung  der  Bäohsisohen 
Ansprüche  nicht  zu  stände  gekommen  war^).  Casimir  schlägt 
nun  Yor,  die  Jülicher  Sache  als  causa  publica  su  betrachten 
und  in  die  Kapitulation  des  nächsten  römischen  Königs  auf- 
zunehmen *). 

Der  Kurfürstenkonyent»  der  nach  dem  Wunsche  der 
katholischen  Partei  über  die  Wahl  eines  solchen  beraten 
sollte,  war  in  Aussicht  genommen.  Bs  war  den  PfiUzem 
nicht  gelungen,  der  habsburgischen  Partei  in  der  Sucoessions- 
frage  eine  Niederlage  zu  bereiten.  Der  Besuch  Friedrichs 
in  München  hatte  ebensowenig  wie  die  früheren  Unterhand- 
lungen Maximilian  bestimmen  können,  die  Kandidatur  an- 
zunehmen ').  Dagegen  durfte  Ferdinand  auf  die  Stimmen 
der  geistlichen  Kurfürsten  unbedingt  zählen.  Sachsens  An- 
schlttfs  war  wahrscheinlich,  Brandenburgs  Protest  nicht  ein- 
mal sicher.  Kein  Wunder,  wenn  Erzherzog  Maximilian  er- 
bittert war  über  die  Versuche,  die  Olesl  machte,  die  Eröff- 
nung des  Tages  hinauszuschieben  ^). 

Noch  hatten  die  Verhandlungen  über  die  Berufung  des- 
selben zu  keinem  Resultat  geführt,  da  brach  der  böhmische 
Aufstand  aus.  Die  Uauptsorge  Ferdinands  und  Maximilians 
war  jetzt  nicht  mehr  die  Berufung  eines  Kurfürstentags, 
sondern  die  Ausrüstung  einer  Armee,  um  die  Krone  von 
Böhmen  zu  sichern. 


1)  Bommel  VlI,  844.  Anm. 

I)  Herzog  Joli.  Casimir  an  KorfÜrst  Friedrich  t.  d.  Pf.  Darm- 
•tadt,  15.  Desemb.  1617.  Kopie.  Cob.  Arch.  A.  I,  82  a,  6,  No.  96, 
Bl.  6  u.  7. 

3)  Gindelj  I,    199. 

4)  Gindely  I,  229,  280. 


Politik  de«  Heriogs  Johann  Ctiimir  ron  Coburg.  505 


X.  EaplteL 

Casimirs  Verhalten  dem  böhmischen  Aufstande 
gegenüber. 

Die  Wahl  Ferdinands  in  Böhmen  hatte  die  Protestanten 
dieses  Landes  mit  Furcht  erfüllt.  Zweideutige  und  schaden- 
frohe Aeufserungen  der  katholischen  Partei  liefsen  das 
Schlimmste  ahnen  ^).  Die  Behauptung  Onates,  des  spanischen 
Gesandten,  dafs  die  Kronen  yon  Ungarn  und  Böhmen  nur  eine 
Schenkung  seines  Herrn  Philipps  III.  seien  ^\  mulste  die  natio- 
nalen Gegenbestrebungen  wachrufen.  Eeaktionäre  Handlungen, 
Yon  der  in  der  Landesyerwaltung  vorherrschenden  Partei  ins 
Werk  gesetzt  y  kamen  hinzu.  Einige  Mitglieder  der  Opposi- 
tion wurden  in  ihren  amtlichen  Stellungen  yerkürzt^).  Der 
Gegenreformation  auf  den  königlichen  und  geistlichen  Gütern 
schlössen  sich  Angriffe  gegen  die  Freiheiten  der  fast  ohne 
Ausnahme  protestantischen  Städte  an  ^). 

Der  protestantische  Adel  sah  ein,  daTs  für  ihn  unter 
diesen  Umständen  jedes  weitere  Zurückweichen  Tcrhängnis- 
voll  werden  mufste,  besonders  nachdem  der  Versuch  der 
Begierungy  die  Städte  yon  seiner  Seite  abzuziehen,  nicht 
ohne  Erfolg  abgelaufen  war^). 

Die  Vorgänge  in  Braunau  und  Elostevgrab  nahm  man 
zum  Anlafs.  Aufgeregt  durch  die  Bedrängnis  der  Gegen- 
wart und  durch  die  in  der  Zukunft  drohenden  Gefahren,  liefsen 
sieh  die  Häupter  der  Böhmen  zu  jenem  tumultuarisehen  Auf- 
tritt, dem  Fenstersturz  der  Statthalter,  hinreifsen,  der  in 
seinen  Folgen  die  halbe  Welt  berührte.  Unmittelbar  an  ihn 
schlofs  sich  die  Einrichtung  einer  ständischen  Regierung  yon 


1)  Gindely  I,  288,  889. 

2)  Bank«,   849. 

8)  Gindely  I,  887. 
4)  Qindely  I,  241. 
6)  Gindely  1,  260,  862. 


506  Politik  des  Hersogs  Johann  Casimir  von  Cobarg. 

dreifsig  Direktoren  an.  Beschlüsse  zur  Yerteidignng  des 
Landes  wurden  gefafst. 

In  Wien  wollten  Matthias  und  Glesl  selbst  mit  einigen 
Opfern  den  Frieden  erkaufen.  Von  Ferdinand  und  seinen 
Anhängern  wurde  jedoch  der  Aufstand  für  eine  Wohlthat 
gehalten,  weil  sie  nach  seiner  Bewältigung  nur  noch  rück- 
sichtsloser auftreten  wollten.  Ein  Staatsstreich,  bestehend  in 
der  Verhaftung  Clesls,  yerschaffte  dieser  jesuitisch -monarchi- 
schen Richtung  den  Sieg. 

Die  pfälzisch-niederländische  Partei  verkannte  die  Wichtig- 
keit der  Veränderung  nicht.  Ihre  Befürchtungen  yor  einer 
habsburgischen  XJniversalmonarchie  und  yor  der  Erblich- 
machung  des  römischen  Eeichs  nach  Vernichtung  jeder  reli- 
giösen und  politischen  Freiheit  wurden  lebendiger  denn 
suYor  ^).  In  Böhmen  solle  der  Anfang  damit  gen.acht  werden, 
nahm  man  an.  Solchen  Plänen  entgegen  zu  treten,  mit  an- 
deren Worten,  die  Böhmen  in  ihrem  Widerstand  zu  bestärken 
und  eine  Koalition  zum  Angriff  gegen  die  Habsburger  zu 
stiften,  erkannten  die  Pfälzer  als  ihre  nächste  Aufgabe'). 
Es  war  yorauszusehen,  dafs  sich  ein  furchtbarer  Kampf  gegen 
die  Herrschaft  der  Habsburger  anbahnen  mufste. 

Kursachsen  erklärte  sich  zunächst  für  keine  der  streiten- 
den Parteien,  sondern  suchte  nach  beiden  Seiten  hin  für 
einen  friedlichen  Ausgleich  zu  wirken. 

Wie  an  alle  benachbarten  Stände  hatten  die  Böhmen 
auch  an  Herzog  Joh.  Casimir  geschrieben,  das  Berechtigte 
ihres  Vorgehens  nachzuweisen  versucht  und  auf  Grund  der 
Erbeinigung  um  Hilfe  gebeten.  Casimir  gab  daraufhin  seinem 
Agenten  Leander  Büppel  in  Prag  den  Auftrag,  ihn  bei  den 
böhmischen  Ständen  deswegen  zu  entschuldigen,  dafs  er  eine 
bestimmte  Erklärung  ihnen  vorläufig  nicht  zukommen   lasse; 


1)  K.  A.  Mfiller,  Forschungen  auf  dem  Gebiete  der  Qeschichte 
in,  108. 

8)  Gindely  I,  852.  MflUer,  Forschungen  III,  57.  Londorpii  acta 
publica  I,  646. 


PoUtik  def  Heriogt  Johaon  CMimir  von  Coburg.  507 

dooh  er  müsse  sich  erst  mit  den  ErbeinigaDgsyerwandten  in 
Verbindung  setzen  und  nähere  Erkundigungen  einziehen  >). 

Die  Berufung  der  Böhmen  auf  die  Erbyereinigung  hält 
er  seinerseits  für  ungerechtfertigt,  denn  ein  Vorgehen  gegen 
den  Kaiser  schliefse  sie  aus.  Auf  der  anderen  Seite  könne 
jedoch  der  Kaiser  ebensowenig  mit  Beziehung  auf  sie  Hilfe 
fordern,  weil  die  Krone  Böhmen  in  der  Erbeinung  begriffen 
und  demnach  gegen  die  Mitglieder  derselben  nichts  unter- 
nommen werden  dürfe. 

Fast  wörtlich  wiederholt  der  kursäohsische  Kanzler  PöU- 
niiz  sechs  Wochen  später  in  einer  Ratssitzung  zu  Dresden 
dieselbe  Ansicht  und  findet  allgemeinen  Beifall  *). 

Da  bei  den  vorliegenden  Verwicklungen  Vorsicht  am 
Platze  sei,  hält  Casimir  wie  Kursachsen  Neutralität  für  das 
beste.  Wie  Kursachsen  betont  auch  er  die  Notwendigkeit  der 
Interposition,  um  gröfserem  Unheil  yorzubeugen. 

Wenigstens  offiziell  schliefst  sich  auch  Pfalz  in  den 
ersten  Monaten  dem  Kompositionsbestreben  an. 

Zwar  Tcrspricht  Friedrich  den  böhmisohen  Ständen  alle 
Ounst  und  Freundsehaft;  dooh  fordert  er  sie  auf,  wenn  der 
Kaiser  mild  yerfahre,  sich  mäDsig  und  nachgiebig  zu  zeigen  '). 
Kursachsen  bittet  er  mit  ihm  zu  interyenieren^). 


1)  ft)  Herzog  Job.  Casimir  an  Herzog  Job.  Ernst  den  Jüngeren  von 
WeiiDAr.  Coburg,  den  28.  Juni  1618.  Konzept  Cob.  Arch.  A.  I,  88  s, 
5,  Mo.  129.  BI.  5  u.  6.  (Wecbselscbreiben  mit  Job.  Ernst  d.  Jfingem, 
dss  böhm.  DnweMO  betreff.  1618.  29  Blätter.)  cf.  Anbang  XXIX.  — 
b)  Hersog  Job.  Casimir  an  Herzog  Job  Ernst  den  Aelteren  yon  Eisenaeh. 
Coburg,  11.  Juli  1618.  Konzept.  Cob.  Arcb.  A.  I,  82a,  5,  No.  118. 
Bl.  2.  (Wecbselscbreiben  mit  Job.  Ernst  d.  Aeltern  v.  Sacbs.  Haus- 
angelegenbeiten  u.  die  böbm.  Unruben  betreff.     80  Blätter.) 

2)  MfiUler,  Forschungen  UI,  118,  119. 

8)  Pfäixiscbe  Resolution  auf  das  mündliche  und  schriftliche  An> 
bringen  der  drey  erangeliscben  Stände  des  Kdnigreiehs  Böhmen.  Heidel- 
berg, 10.  Juli  1618.  Kopie.  Cob.  Arch.  A.  I,  82  a,  6,  No.  96.  (Ter- 
trauliche  Korresp.  mit  Kurpf.)    Bl  46  u.  41. 

4)  Kurfürst  Friedrich  von  der  Pfalz  an  Kurfürst  Job.  Georg.  Heidel- 
berg, J4.  Juli  1618.     Kopie.    Cob.  Arcb.  A.  I,  82  a,  Ko.  96.    Bl.  49/61. 


508  Politik  des  Heraogs  Johann  Casimir  von  Coburg. 

Casimir  bestärkt  Friedrich  in  diesem  Bestreben  und 
schickt  ihm  als  Beweis  fär  die  Geneigtheit  Joh.  Georgs,  an 
des  Pfalsgrafen  Seite  das  Eompositionswerk  sn  betreiben, 
Anfang  Aogost  seine  eigene  Korrespondenz  mit  Eorsaohsen 
sowie  andere  Schriftstücke. 

Doch  ist  der  Ton  seiner  Ausföhmngen  jetzt  schon  yid 
böhmenfirenndlicher  als  einen  Monat  Torher.  Mit  Genug- 
thunng  berichtet  er^),  dals  der  kaiserliche  Gesandte,  Graf 
von  HohenzoUem,  in  Dresden  geringen  Beifall  gefunden  habe, 
wenn  er  auch  ab  jesuitische  Kreatur  das  Gegenteil  be- 
haupte*); seine  Absicht  gehe  ja  nur  dahin,  die  gefährlichen 
Pläne,  deren  Inhalt  mehr  und  mehr  zu  Tage  trete,  zu  be- 
fördern. 

Im  übrigen  dürfe  man  diesen  Verwicklungen  nicht  länger 
teilnahmslos  zusehen.  Denn  wenn  die  Böhmen  mit  ihren 
Beschwerden  nicht  gehört  würden  und  der  Kaiser  fortfobre 
zu  rüsten,  so  sei  ein  Sturm  zu  befürchten,  der  so  leicht 
nieht  wieder  beschwichtigt  werden  könne.  Fremde  Truppen 
würden  dann  ins  Brcich  kommen  und  dem  Vaterland  Ver- 
derben bringen. 

Besonders  bedenklich  sei  es,  wenn  das  Gerücht  sich  be- 
stätige, dafs  dem  König  Ferdinand  unumschränkte  Vollmacht 
in  der  böhmischen  Frage  übertragen  werden  solle.  Denn  wegen 
seiner  jesuitischen  Neigungen  werde  er  bei  den  böhmischen 
Ständen  wenig  Vertrauen  und  Kachgiebigkeit  finden,  zumal 
wenn  er  von  päpstlichen  und  spanischen  Truppen  unterstützt 
werde.  In  diesem  Falle  werde  wohl  ein  gewaltiges  Bingen,  dessen 
Ausgang  gefährlich  und  zweifelhaft  sei,  seinen  Anfang  nehmen« 

Solchen  bedenklichen  Eyentualitäten  durch  Intervention 
nach  Kräften  vorzubeugen,  sei  die  Pflicht  besonders  der 
weltlichen  Kurfürsten  ^). 


1)  Herzog  Joh.  Casimir  an  den  Kurfürsten  Friedrich  y.  d.  Pf. 
Coburg,  81.  Juli  1618.  Konsept  Cob.  Arch.  A.  I,  88a,  6,  No.  96. 
Bl.  80/86.     cf.  Anhang  XXX. 

8)  Zum  wahren  Sachverhalt  cf.  MGUer,  Forschungen  III,  87,  89. 

8)  Cf:  datu  Gindely  I,     8. 


Politik  dM  Henogs  Johaim  Ouimir  von  Coburg.  509 

Solange  jedoch  diese  loterrention  keinen  Yergleioh 
Bwisohen  den  streitenden  Parteien  als  Fracht  geseitigt,  könne 
man  es  den  Böhmen  nicht  yerdenken,  wenn  sie  gerüstet 
blieben,  denn  im  anderen  Falle  würde  man  ihnen  harte  Be- 
ängnngen  ohne  weiteres  diktieren. 

Die  Forderang  des  Kaisers,  die  Waffen  niederzolegen, 
hiÜt  {er  daram,  übrigens  in  üebereinstimmang  mit  Enr- 
saohsen  ^X  für  unannehmbar. 

Von  einem  ofüziellen  Schreiben,  das  diesen  Gedanken, 
die  eine  Schärfe  der  Aoffassang  und  eine  wunderbare  Vor- 
aussicht kommender  Ereignisse  yerraten,  auch  den  Böhmen 
gegenüber  Ausdruck  yerliehen  hätte,  habe  ich  nichts  ge- 
funden. Casimir  scheint  dem  Bat  seines  Eammersekretärs 
Heufsner,  der  unter  Hinweis  auf  die  yorsichtigen  Erklärungen 
yon  Pfalz  und  Sachsen  dahin  ging,  es  yorläufig  bei  der  be- 
kannten Yorantwort  zu  lassen  '),  nachgegeben  zu  haben. 

Auch  Job.  £met  der  Jüngere,  der  älteste  der  Weima- 
raner  Herzöge,  hat  sich  damals  noch  auf  eine  solche  be- 
schränkt ^).  Obwohl  er  es  den  Böhmen  yon  Herzen  gerne 
wünsche,  dafs  sie  bei  ihrer  gerechten,  christlichen  Sache 
zumal  yom  emestinischen  Hause,  da  sie  ja  Job.  Friedrich 
unterstützt,  nicht  ohne  „runden,  richtigen  Trost''  gelassen 
würden. 

Doch  weil  noch  keiner  der  mächtigeren  Stände  sich  frei 
und  offen  erklärt,  so  trägt  er  Bedenken  seinerseits  den  An- 
fang Bu  machen  und  hat  die  erbetene  Hilfe  weder  zu-  noch 
abgesagt  *). 


1)  Mfiller,  Forschungen  III,  88. 

2)  Kammersekret.  Heufsner  an  Herzog  Joh.  Casimir  (Untemeabnmn). 
Coburg,  6.  August  1618.     Orig.     Cob.  Arch.  A.  I,  88  a,  5,  Mo.  160. 

8)  Job.  Erust  der  Jfingere  an  die  böhmischen  Stände.  Weimar, 
85.  Juli  1618.     Kopie.    Cob.  Arch.  A.  I,  88  a,  ft,  No.  129.    Bl.  15—17. 

4)  Henog  Joh.  Ernst  der  Jfing.  an  Heniog  Joh.  Casimir.  Weimar, 
7.  August  1618.  Orig.  Cob.  Arch.  A.  I,  82  a,  5,  No.  129.  Bl.  7/9* 
of.  Anhang  XXXI. 


510  Politik  dM  Henogs  Johann  Casimir  von  Coburg.  -L. 

Der  Einfall  Dampierres  in  Böhmen,  der  An^ng*;AagaBt 
stattfimd,  erhöhte  den  Ernst  der  Lage.  Ferdinand*  hatte^ 
nachdem  ihm  der  Kaiser  die  Leitang  der  höhmisohen  }An- 
gelegenheiten  übertragen,  die  BtUtongen  möglichst  besehleu- 
nigt.  Mit  1 4  000  Mann  hoffte  er  Böhmen  niederwerfen  [sn 
können. 

Nach  allen  Seiten  flogen  die  böhmischen  Boten,  den 
Angriff  des  Kaisers  zu  berichten. 

Eurpfala  ist  überseugt,  dafs  man  jetzt  nicht  mehr  rahig 
zusehen  könne,  besonders  wenn  fremdes  Eriegsvolk  geworben 
und  der  Kapitulation  entgegen  durch  das  Reich  geführt 
werden  sollte  ^). 

In  Coburg  schlSgt  Heufsner  dem  Herzog  vor,  den 
Böhmen  in  einem  Trostbrieflein  zu  yersichem,  dafs  er,  im 
Falle  es  zum  fiufsersten  käme,  die  Leistungen  verwandter 
Erbeinigungen  sich  zum  Vorbild  nehmen  werde. 

An  der  Komposition  verzweifelt  Heufsner,  denn  auf  des 
Kaisers  Seite  handle  es  sich  um  die  Ehre,  auf  Seite  der 
Böhmen  um  die  Aufrechterhaltung  des  MajestStsbriefes.  Eine 
Yermittelung  sei  deshalb  ungemein  schwierig. 

Am  sichersten  für  die  Böhmen  sei  es  auf  jeden  Fall, 
wenn  anders  wirklich  ihr  Succurs  so  stark  sei,  wie  sie  ihn 
angegeben,  den  Kampf  energisch  durchzuführen  und  sich 
nicht  durch  schön  klingende  Worte  hinhalten  zu  lassen,  bis 
dem  Kaiser  oder  Könige  fremde  Hilfe  zugezogen  sei'). 

Aber  das  böhmische  Heer  war  in  der  That  kaum  so 
stark  wie  das  kaiserliche.  Eine  kühne  Offensive  erwies  sich 
als  unmöglich.  Ebensowenig  vermochte  jedoch  auch  Bnqnoy 
die   erwartete  militärische   Promenade    nach  Frag   ins  Werk 


1)  Korfflrtt  Friedrich  von  d.  Pf.  an  Knrfttrtt  Joh.  Georg.  Bhe- 
hfltten,  21.  Aognst  1618.  Kopie.  Cob.  Arch.  A.  I,  32  a,  5,  No.  129. 
BL  66/66. 

2)  Kammersekretir  Heufaner  an  Hers.  Joh.  Casimir  (nach  Eisfeld)- 
Coburg,  14.  August  1618.  Orig.  Cob.  Areh.  A.  I,  32  a,  6,  No.  160. 
cf.  Anhang  XXXII. 


Politik  df  Henogt  Johann  CMimir  ron  Coburg.  511 

811  setsen.  Der  Eriegsschauplais  blieb  lokalisiert  in  der 
Gegend  von  Czaslaa  ^). 

Unter  resaltatlosen  Kämpfen,  wie  unter  resoltatlosen 
Yerhandlangen  über  die  Komposition  der  böhmischen  Graya» 
mina  verging  der  Monat  September.  Nicht  einmal  über  die 
Vorbedingungen  vermochte  man  sich  zu  einigen  *). 

Doch  die  kursächsische  Politik,  ohne  positives  Ziel, 
klammerte  sich  immer  noch  an  die  gewöhnliche  Zuflucht 
der  Schwachen,  an  die  Neutralität,  und  hoffte  immer  noch 
eine  friedliche  Beilegung  des  Kampfes,  oder  wollte  wenigstens 
erst  abwarten,  auf  wessen  Seite  sich  der  Sieg  neige. 

Umsonst  fordert  Kurfürst  Friedrich  von  Job.  Georg  eine 
offene  Erklärung^).  Vergeblich  sucht  der  Coburger  Bat 
Waidenfels  im  Auftrag  Casimirs  den  Kurfürsten  zu  ent- 
schiedenerem Auftreten  fortzureifsen  und  ihn  für  eine  enge 
Vereinigung  aller  Evangelischen  zu  stimmen,  die  der  Herzog 
von  Coburg  für  das  beste  Mittel  hält,  um  das  Unheil,  das 
der  evangelischen  Sache  droht,  zu  verhindern^). 

Nachdem  Casimirs  Plan,  alle  evangelischen  Stände  in 
geschlossener  Masse  zu  einer  Stellungnahme  in  der  böhmischen 
Frage  zu  veranlassen,  an  Sachsens  ablehnender  Haltung  ge- 
scheitert war,  suchte  er  wenigstens  die  Union  und  ihren  An^ 
hang,  die  Korrespondierenden,  zum  Eingreifen  zu  bewegen 
und  sie  vorerst  zu  veranlassen,  noch  einmal  den  Kaiser  um 
Bestätigung  und  klare  Definition  des  Majestätsbriefes,  be- 
sonders in  den  Punkten,  in  welchen  er  umgedeutet  worden 
sei,  anzugehen. 


1)  Gindoly  I,  894. 

8)  UfiUer,  Fonchangen  UI,  79,  88. 

8)  a)  Karfürst  Friedrich  y.  d.  Pf.  an  KarfOrst  Joh.  Qeorg.  Heidel- 
berg, 8.  September  1618.  Kopie.  Cob.  Arch.  A.  I,  81a,  6,  No.  129. 
Bl.  71/78.  —  b)  KnrAnt  Friedrieb  von  d.  Pf.  an  Knrftlrrt  Job.  Georg. 
Heidelberg,  9.  September  1618.  Kopie.  Cob.  Arch.  A.  I,  89  a,  6,  No.  129. 
Bl.  80/81. 

4)  Müller,  Forschungen  lU,  188,  184. 


512  Politik  des  Henogs  Johann  CMimir  ron  Coburg. 

Wenn  dies  gesohehen,  werde  man  dch  leichter  über,  die 
Entlassung  der  beiderseitigen  Trappen  nnd  über  die];Kom- 
position  der  Grayamina  einigen  können,  da  ja  immerydie 
Böhmen  erklärt  hätten,  dab  sie  nor  wegen  Yerletgnng  des 
Majestätsbriefes  zu  den  Waffen  gegriffen. 

Allerdings  scheine  es  die  Ehre  des  Kaisers  nicht  an  ge- 
statten, mit  Unterthanen^  die  zuerst  das  Schwert  gelogen, 
zu.  unterhandeln;  doch  der  Kaiser  möge  die  weitgehenden 
Freiheiten  der  Krone  Böhmen  bei  seiner  Beurteilung  der 
Vorgänge  in  Betracht  ziehen.  Vor  allem  aber  möge  er  sich 
an  die  Milde,  die  seine  Vorfahren  bei  ähnlichen  Fällen  be- 
wiesen, erinnern  ^). 

Viel  energischer  als  Casimir  trat  sein  junger  weimarischer 
Vetter,  der  Herzog  Joh.  Ernst  der  Jüngere,  für  die  Böhmen 
ein.  Besonders  charakteristisch  für  die  damalige  Stimmung 
am  Hofe  zu  Weimar  ist  ein  Diskurs,  der,  offenbar  aus  dieser 
Quelle  stammend,  in  Dresden  während  der  oben  erwähnten 
Anwesenheit  Waldenfels'  einlief.  Mit  allem  Nachdruck  wird 
in  ihm  die  kräftigste  Unterstützung  der  Böhmen  Tcrlangt. 

Diese  Forderung  zeigt,  dafs  die  yertrauliche  Besprechung, 
welche  Christian  von  Anhalt  mit  seinem  Neffen  Job«  Ernst 
in  Schwabach  gehalten  '),  ebenso  wie  die  Reise  nach  Heidel- 
berg'), zu  der  er  ihm  geraten,  nicht  ohne  Wirkung  ge- 
blieben war,  denn  auch  Kurpfalz  trat  schon  damals  offen 
und   entschieden   für   die  Böhmen  ein.     In   einem  Schreiben 


1)  Hersog  Joh.  Cssimir  an  KurfOrst  Friedriob  ▼.  d.  Pf.  Coburg, 
ai.  Oktober  1618.  Konsept  Cob.  Areh.  A.  I,  88  s,  5,  No.  189.  BL 
86/89.    cf.  Anbang  XXXV. 

8)  Herzog  Job.  Ernst  der  Jfingere  an  Hersog  Job.  Casimir.  Weimar, 
86.  Aogoftt  1618.  Orig.  Cob.  Arch.  A.  I,  88  a,  5,  No.  184.  (Correspond. 
Job.  Casim.  mit  Job.  Brnst  d.  J.) 

8)  Aacb  Casimir  bat  damals  oder  etwas  spftter  eine  Reise  nadi 
Heidelberg  unternommen,  ef.  Tentsel,  8.  Emestin.  Geeobiebtikalender ; 
femer  t  Hersog  Job.  Casimir  an  Korfürst  Friedriob  y.  d.  Pf.  Bamberg, 
80.  September  1618.  Konsept.  Cob.  Areb.  A.  I,  88  a,  5,  No.  189. 
Bl.  66/66.     ef.  Anbang  XXXIV. 


Politik  des  Herzogs  Jobann  CMimir  von  Coburg.  513 

an  Job.  Casimir  ans  dieser  Zeit  ^)  änfsert  der  Kurfürst  Friedrich 
die  Ansicht,  da&  man  yon  seilen  der  Erbvereinigten  ver- 
pflichtet sei,  die  Böhmen  sn  nnterstütsen. 

Das  MifstranensTotumy  welches  der  Kurfürst  den  Weima- 
xanem  bei  Niederlegnng  der  Yormnndsohaft  dadurch  gegeben, 
dafs  er  „eine  yormundscbaftliche  Quittung*'  verlangte,  deren 
genaue  Befolgung  einem  Versieht  auf  die  reichständisohe 
Freiheit  gleichgekommen  wäre  *) ,  hat  wohl  Job.  Ernst  be- 
sonders bewogen,  den  Pfälsern  geneigtes  Gehör  zu  schenken 
und  mehr  und  mehr  zur  kursächsischen  Politik  in  ent- 
schiedenem Gegensatz  zu  treten. 

Casimir  hat  sich  den  Weimaranem  nicht  angeschlossen. 
Er  war  auch  in  den  folgenden  Monaten  bestrebt,  eine  Mittel- 
stellung zwischen  dem  sächsischen  und  pfälzischen  Stand- 
punkte zu  behaupten.  Nach  wie  vor  sucht  er,  bevor  er 
Schritte  in  wichtigen  politischen  Angelegenheiten  unter- 
nimmt, erst  Sachsens  Ansicht  darüber  zu  erkunden,  um  sie 
seinem  Yorgehen  als  Mafsstab  zu  Grunde  zu  legen. 

Auf  der  anderen  Seite  dauert  die  vertrauliche  Korre- 
spondenz mit  Heidelberg  fort.  Was  von  Dresden  in  Coburg 
einkommt,  wird  dorthin  geschiekt').  Das  pfälzische  An- 
suchen bestimmt  Casimir  seine  Beziehungen  zu  Niedersachsen 
wieder  aufzufrischen. 

Wie  mit  der  Pfalz  bleibt  er  auch  mit  den  böhmischen 
Ständen  in  regem  Verkehr.  Um  so  vertrauter  wird  dieser, 
je  glänzender  die  Kriegserfolge  der  Böhmen  sind^).     Als  im 


1)  Karfttrst  Friedrieb  an  Henog  Job.  Casimir.  Bebebfitten, 
88.  August  1618.  Origin.  Cob.  Areb.  A.  I,  82  a,  6,  No.  189.  Bl.  64 
tu  67.     of.  AnbADg  XXXIU. 

8)  Böse  I,  87  fg. 

8)  Hersog  Job.  Casimir  an  Knrffirst  Friedrieb  y.  d.  Pf.  Bamberg, 
80.  Sept.  1618.     cf.  a.  a.  O. 

4)  Kammersecretftr  Heuftner  an  Hersog  Job.  Casimir  (Tenneberg). 
Coburg,  84.  Mai  1619.  Orig.  Cob.  Arcb.  A.  I,  88a,  6,  No.  160. 
.  .  .  damitt  gatte  kantscbafft  erbaltten  ondt  forttgesetit  werde  ...  so 
habe  icb  aucb   htj  der  Nflrmbeiger  Post  Herrn  Bneppeln  nacb   Praga 


514  Politik  des  Herso|^  Johann  Casimir  von  Coburg. 

Juli  1619  eine  gröfsere  Trappenabteilang  das  Coburger  Land 
duichzogy  um  sich  dem  Heere  derselben  anzoschliefsen,  hat 
sie  Oasimir  kostenfrei  bewirtet  and  flir  ihre  Bchnellste  Be- 
förderung gesorgt^). 

Es  war  zu  derselben  Zeit,  als  Ferdinand  nach  Frankfurt 
aufbrach  zur  EaiBerwabl.  Er  yerliefs  seine  Lande  in  Tollem 
Aufruhr:  Schlesien ,  die  Lausitz,  Mähren  und  Oesterreieh 
hatten  sich  den  Böhmen  angeschlossen  oder  waren  im  Be- 
griff es  zu  thun.  Wenige  Wochen  vor  seiner  Abreise  Ton 
Wien  war  er,  seine  Hauptstadt,  das  Haus  Habsburg  über- 
haupt nur  durch  das  Zaudern  des  Grafen  Thum  gerettet 
worden. 

Es  schien,  als  sollte  die  Kaiserkrone  diesmal  wirklich 
den  Habsburgern  entrissen  werden.  Die  politischen  Ver- 
hältnisse forderten  gleichsam  auf  zum  Entscheidungakampfe 
gegen  die  hierarchischen  Formen  des  alten  Beichs.  Es  hat 
an  Stimmen  nicht  gefehlt,  die  ihn  anrieten.  Besonders  der 
Landgraf  Moritz  vertrat  die  Anschauung,  dafs  auch  ein 
eyangelisches  Haupt  das  Reich  regieren  könne.  Doch  in  der 
klaren  Erkenntnis,  dafs  ein  solches  ohne  einen  starken  Büok- 
halt  ein  Unding  sei,  verband  er  mit  jener  Anschauung  das 
Streben  nach  einer  engen  Vereinigung  des  ganzen  eyange- 
lischen  Körpers.  Nur  sie  vermöge  die  religiöse  wie  politische 
Freiheit  des  Vaterlandes  zu  behaupten  und  die  Unterdrückung 
Böhmens  und  Deutschlands  zu  verhindern  '). 

Auf  dem  Unionstage  in  Heilbronn  (Juni  1619)  setzte 
es  der  Landgraf  auch  durch,  dafs  ein  evangelischer  Qeneral- 
konvent  in  Aussicht  genommen  wurde.  In  liühlhausen  am 
3.  September  sollte   er  beginnen  ').    Auch  die  Schweiz ,   die 


einismahls  ausführlich,  Jsdoeh  ohne  nahmsn  andt  mitt  «nkendlieh  Signatar, 
beandtwordstt,  den  Herren  Bdheimen  su  E.  F.  G.  geliempffe  andt  ver- 
trawlicher  forttsesnng  daron  geheimbtte  anseige  sn  thaenn  .  .  . 

1)  UUler,  Forschongen  III,  169. 

2)  Bommel  VII,  851. 
8)  Bommel  VIl,  866. 


Politik  d%B  HersofB  Johann  Cuimlr  tod  Coburg.  fAb 

€^eneraltiaateo  I  Bölrmen,  Dinemftrk  tmd  Sc1i1r6di/ti  gedachte 
oiAn  in  den  Bond  anfonnebmen  *). 

Nach  Dioden  landte  Markgraf  Ohristian  yoq  (Mitibacih 
den  Direkior  seineB  geheimeh  Rata,  Oispar  ron  PeiHttech, 
am  den  KnrfftrBten  snm  Betnch  des  Tages  zu  Tcranla^öh. 
Doch  die  Yorantwort,  wekhe  Joh.  Georg  WrteHte,  kam  ein'är 
Ablehnung  gleieh'). 

Oans  andere  Aufnahme  findet  die  Werbntig  in  Oobttti^. 
Prendig  etimmt  man  dort  dem  Flttfae  eine^  Generalkonyents 
der  Evangelisohen  sn. 

Ich  erinnere  daran,  dafs  Ca«imi)r  im  Oktober  Torigeh 
Jahres  dem  Enrförsten  yon  Sachsen  gegenüber  die  Not- 
wendigkeit einer  allgemeinen,  yertranlichen  Zosammensetznng 
der  BTangelisehen  betont,  dafs  er  im  Jahre  I6l4  yergeblieh 
dafür  gewirkt  hatte.  Noch  einmal  unternimmt  er  äs  jetat, 
Saehsen  snr  Teilnahme  an  dem  Projekte  au  bewegen  *). 

Die  Bedenken  Ohrislians  II.  gegen  eine  Vereinigung  äet 
Eyangälischen  seien  nicht  mehr  aofirecht  zu  halten,  stbllt  er 
dem  Kurfürsten  Tor.  Beine  Anbichi,  dafs  kein  Angriff  zu 
befürchten  sei,  habe  sich  ah  irrig  erwiesen.  Denn  die 
KathoHken  hätten  schon  vor  geraumer  Zeit  un^ew9bnHch 
starke  Eriegferüstungen  begonnen  und  hetzten  sie  immer  noch 
fort.  Die  Gefahr  für  die  cTangelisohe  Sache,  die  sie  in  sich 
schlössen,  bleibe  bestehen,  selbst  Venu  eit  Priede  in  Böhmen 
zustande  kftme,  geschweige  wenn  dieses  Land  Unterdrückt 
würde. 

Eine  allgi^meiüe  Zusammenkunft  dbr  eyangelischen  Stände 
nttsae  deswegen  Mittel  zur  Gegenwehr  yeteinbaren. 


1)  Hlafser  II,   299. 

2)  KnrfQrst  Job.  Georg  an  Markgraf  Christian  t.  Brandenburg- 
Cnlmbacb.  Dresden,  24.  Juli  1619.  Kopie.  Cob.  Areb.  A.  I,  82  a,  6, 
No.  lOe.  (Korrespond.  der  Ktirfttrsten  Gbrlstfan  11.  n.  Job.  Georg  v. 
Sachien  aiit  Job.  Casimir  1608/1682.)     182  Bntter. 

8)  Heraog  Job.  Casimir  an  den  Kurfürsten  Job.  Georg.  Nenstiidt 
abn  der  Heyden,  29.  Jnlj  1619.  Kopfe.  Cob.  Arcb.  A.  I,  82  a,  6, 
Ko.  129.  (VertniaUobe  Korresp.  mit  Km^pfals.)  El.  l(fl— ItA.  of.  Ab- 
hang XXXVI. 

XVU.  84 


516  Politik  df  Henogs  Johann  Casimir  von  Coburg. 

Katholiioherseiti  werde  allerdings  auch  behauptet,  dafs 
es  sich  lediglich  um  Defension  handle.  Aber  diese  Erklftnmg 
beseitige  den  Ernst  der  Lage  keineswegs,  denn  mancherlei 
Beden  und  einkommende  Nachrichten  besagten  gerade  das 
GegenteiL  Und  dann  sei  es  ja  leicht,  einen  Verwand  sn  finden, 
um  unter  dem  Deckmantel  der  Exekution  (sub  colore  exe- 
eutionis)  den  Kampf  gegen  die  unvorbereiteten  und  nickt  mit- 
einander Terbondenen  eyangelischen  Stftnde  su  beginnen. 

Ihre  Yereinselung  mfbse  ja  den  Gegner  zum  Angriff 
einladen,  während  eine  geschlossene  Haltung  der  erangelischen 
Stände,  auch  ohne  dals  man  das  Schwert  su  sieben  brauche, 
den  Oegnem  imponieren  und  ihr  gefiUirliches  Vorhaben  auf- 
halten wttrde. 

Dieser  Plan  einer  allgemeinen  protestantischen  Sehild- 
erhebung,  damals  durchgeführt,  hätte  die  Verniehtung  der 
habsburgischen  Maeht  in  Deutschland  unzweifelhaft  zur  Folge 
gehabt 

In  Coburg  war  man  entschlossen  nach  Kräften  für  ihn 
einzutreten  und  sich  durch  Sachsens  ablehnende  Haltung 
nicht  beirren  zu  lassen.  Heuisner  und  Waidenfels  haben  so- 
gar dem  Herzog  den  Bat  gegeben,  der  vom  Kurfürsten  yeir- 
langten  persönlichen  Besprechung  ^)  über  diese  Angelegenheit 
aus  dem  Wege  au  gehen,  denn  es  habe  das  Ansehen,  als  ob 
man  ihn  dort  Ton  der  Teilnahme  an  jenem  Projekt  ab- 
bringen und  der  Ansicht  des  Kurfürsten  geneigt  machen 
wolle  *). 

Doch  nicht  nur  Kursachsen  verschlofs  sieh  dem  Plane, 
auch  die  Pfalz  benahm  sich  schwankend.  Man  wollte  das 
Gröfste  und  Gefährlichste  erstreben  und  fühlte  doch  nicht 
den  Mut,  die  grofsen  und  gefährlichen  Wege  dazu  zu  betreten. 


1)  KorArst  Job.  Goorg  an  dia  HeraSga  Joh.  Caiimir  n.  Joh.  Ernst 
d.  Aelteren.  Dresden,  86.  Juli  1619.  Orig.  Cob.  Aroh.  A.  I,  82  a,  6, 
No.  108.     Bl.  181. 

8)  Kammertekretir  HeaOuier  an  Heriog  Joh.  Caaimir.  Cobnig, 
so.  JnU  1619.  PostMript  Orig.  Cob.  Aroh.  A.  I,  SSa,  5,  No.  160. 
cf.  Anhang  XXXTU. 


Politik  des  Hersogt  Johann  CMimtr  von  Coburg.  51 7 

Mit  der  liotmernng,  dafs  ein  ÜDiooBtag  jetzt  wichtiger  sei 
als  alles  andere,  yerlangte  EurpMz  auf  einmal  einen  Auf- 
Bobub  *). 

Die  Hoffnung  des  Landgrafen  Moritz  und  Job.  Oasimirs, 
dureb  die  imponierende  Haltung  eines  evangeliBcben  General- 
koDTentt  einen  Druck  auf  die  Katholiken  auszuüben  und 
die  Verschiebung  des  Wahltages,  dem  Yerbandlungen  über 
die  Komposition  des  Beiches  und  Böhmens  vorangehen  sollten, 
durchzusetzen,  war  gescheitert*). 

Im  Juli  1619  kam  man  in  Frankfurt  zusammen.  Von 
Sachsens  Verhalten  hing  wie  immer  das  Meiste  ab.  Eine 
Zeit  lang  hat  es  geschwankt,  ob  die  Wahl  nicht  aufzuschieben 
sei  bis  zur  Beilegung  der  böhmischen  Händel').  In  Coburg 
erwartete  man  ein  Vorgehen  in  diesem  Sinne  ^),  das  übrigens 
auch  dem  Wortlaute  der  goldenen  Bulle  entsprochen  hätte  ^), 
Sachsen  ist  bald  yon  dieser  Bedingung  abgegangen.  Auch 
gegen  Ferdinands  Persönlichkeit  wandte  es  nichts  ein  ^). 
Damit  war  die  Sache  überhaupt  entschieden. 

Am  S8.  August  wurde  Ferdinand  ohne  wesentliche  Er- 
weiterung der  Wahlkapitulation  gewählt.  Selbst  Pfalz  hatte  in 
gewundenen  Wendungen  seine  Zustimmung  gegeben  ^). 

Kaum  war  die  Wahl  vor  sich  gegangen,  so  kam  die 
Nachricht,  die  Böhmen  hätten  den  pfälzischen  Kurfürsten  zu 
ihrem  König  gewählt 

Es  war  den  Umtrieben  des  Heidelberger  Kabinetts  ge- 
lungen, die  Sache  so  weit  zu  treiben.  Dafs  man  von  1606 
an  nicht  vergebens  gearbeitet,  dafs  die  Hoffnung  der  Heidel- 


1)  Bommel  VU,   861. 

8)  Hommol  VII,  854.  —  of.  Bors.  Job.  Casimir  an  Kurf.  Joli.  Georg. 
KemUdt  a.  d.  Heyden,  89.  Jnly  1619  a.  a.  O. 

8)  Malier,  Forschungen  III,  829. 

4)  Vertraolichee  Schreiben  aas  Frankfart,  86.  Jali  1619  (von  Lud- 
wig Camerafkis).     Cob.  Arch.  A.  I,  88  b,  8aa,  No.  69  (Zeitungen  1619). 

6)  Ranke,  868. 

6)  Ranke,  260. 

7)  Ranke,  868. 

84* 


518  Politik  dM  Hersogt  JohMm  GMimir  ton  Cobvrg. 

berger  auf  die  böhmisebe  Krooe,  mit  der  maa  rieh  sokdi 
bei  Oelegenbeit  der  engliiehen  Brautwerbung  förmlich  ge- 
brüstet ^),  nicht  eitel  gewesen,  war  bewiesen.  Doch  Ferdi- 
nand hatte  durch  das  WahlresuKat  vom  28.  Ai^gust  einen 
Yorsprung  «langt»  der  für  Friedriehh  InäiBdai^  und  pfiüsis^ 
Bxistenx  gefUirlich  werden  kennte.  Dean  wenn  Friedriok 
die  Wahl  annahn,  so  stand  ihm  im  KampfSs  um  den  böh- 
mischen Thron  nicht  mehr  der  Brshersog  von  Oesterreich 
als  Riyal  gegenüber ,  sondern  der  rom  ihm  seihet  gewihUe 
Kaiser. 

Das  KurfürstenkoUeg  hat  Friedrich  entsehiedeA  abge^ 
raten').  Yen  den  Unierten  stimmten  nur  Baden >  Anspaoh 
und  Anhalt  für  die  Annahme.  Selbst  die  pfXinschen  Staats» 
mftnner  zeigten  sich  schwankend').  Besonders  Christian  tob 
Anhidt»  der  Hersog  von  Bouillon  und  der  Frina  Von  Oranien 
haben  sehliefslioh  die  Bedenken,  die  auch  Friedrich  s^Mt 
hegte»  überwunden^). 

Ohne  der  TJnterstütiung  der  Generalstaaten  und  Englands 
yeniehert  lu  sein,  und  gegen  den  Willen  einer  Reihe  von 
Unierten  brach  Friedridi  nach  Böhmen  auf,  um  mit  der 
Krone  von  Böhmen  den  Kamt>f  gegen  eine  hiilbe  Wdt  aef» 
zunehmen. 


XI.  EapiteL 

)6Mle3imiC6li  aHritoh^n  Cäaittiir  imd  KShlg  FrledÜolh. 

Am  26.  August  war  die  Königswahl  in  Prag.  Dafs  der 
Pfalzgraf  die  Mehrzahl  der  Stimmen  auf  sich  vereinigen  werde, 
wufste  man  in  Coburg  voraus.  Doch  zweifelte  man  an  der 
Annahme  der  königlichen  Würde  von  selten  Priedriöbs. 

Durch  die   einhellige  Wahl  Ferdinands   zum  Kaiser    sei 


1)  Giadely  I,  18S. 

S)  Londorpii  scU  publica  I,  718. 

S)  Hiafter  II,  SOt. 

4)  Bommel  VU,  371.  —  Oindelj  U,  SSO. 


PoUtik  dM  Htriogft  Johana  OatiBh-  tob  Cobnr«.  5^9 

ja  Boglaioh  die-  böhmisehe  Kxone  bei  ihm  bettfttigt  woideD, 
«Bd  nun  Mi  das  ganM  Beioh  Terpfliclitet  ihm  xar  Behauptung 
danelben  Hilf«  2u  laiBten  ^).  Oeateraeich,  SpanieD,  der  Fapat 
und  die  ganze  Liga  wflrden  auf  jedem  Fall  das  AenÜBente 
daran  aeisen,  Böhmen  den  Habuburgern  zn  erhalten^),  Aul 
die  Union  sei  wenig  Yerlafs,  gerade  jetzt,  wo  die  BeiohMtMdle 
ana  finanzpolitischen  Oründen  die  Beihen  dep  Union  veriietsen 
und  sieh.  Ferdinand  ansohldesen  *). 

Kit  klarem  Blick  hat  man  in  Coburg  das  Unsinnige  des 
pfälzischen  Unternehmens  durchschaut,  Friedrich  die  ver- 
hKngnisToUen  Folgen  richlag  yorhergeeagt.  Yon  einer  Billigung 
oder  gar  einer  Unterstützung  desselben  war  man  weit  ent^ 
lernt« 

Heoibner  meint,  dafs  au^  die  weimarischen  Serzöge 
Bedenken  tragen  würden  die  Fartei  Fviedvichs  und  der  Union 
n  ergreifen.  Sie  haben  es  doch  gethan.  Während  des 
Nflmberger  Unions^  und  Korrespondenztages  sind  die  drei 
ältesten  derselben,  Joh.  Ernst,  Friedrich  und  Wilhelm,  in  die 
Union  eingetreten,  um  dann,  nachdem  es  dem  König  niohtt 
geglückt  war,  diese  zu  seiner  direkten  Unterstützung  zu  be- 
wegen, bei  Friedrich  Kriegsdienste  zu  nehmen^)* 

Ber  ToUrwiehtige  Preis,  der  ihnen  im  Falle  des  Sieges 
winkte,  nämlioh  die  Wiedererwerbung  der  Kur,  begründet 
wobl  vor  allem  die  Hingebung  und  Ausdauer,  die  sie  bei 
der  Yerteidigung  der  Sache  Friedrichs  an  den  Tag  legten. 

Die  üTürnb^ger  Versammlung  hatte  den  allgemeinen 
pvotestentischen    Konvent     und    die    Lösung    der    Au^ben 


1)  Kammersekr^tar  BeuTaner  «n  Hersog  Job.  CMimir  (nack  BOn^* 
hild).  Coburg,  S6.  Aagast  1619.  Orig.  Cob.  Arch.  A.  I,  82a,  5, 
Mo.  160.  cf.  Anhang  XXXIX.  —  Anch  Korpfala  hat  14  Tage  Tor  der 
Wahl  dem  Dresdener  Kabinett  gegenttber  diese  Verpflichtiuig  aneiJiannt. 
ef.  MflUer,  Forscirongen  HI,  2M. 

8)  Kammersekret  Heuftner  an  Hersog  Job.  Casimir,  Coburg, 
15.  Angnst  1619.  Orig.  Cob.  Arch.  A.  I,  82  a,  5,  No.  160.  ef.  An- 
bang XXXVUI. 

8)  Cf.  daso  Müller,  Forsehnngen  lU,  20,  21. 

4)  iUSse  I,  86.  —  Oindely  U,  294  fg. 


520  Politik  dM  H«rsogi  Jobaon  CMimir  tob  Coborg. 

briogen  BoUeo,  die  man  für  deo  Mühlhäuier  Tag  in  AoMioht 
geoommeD.  Trotz  der  eifrigsten  Bemühungen  des  Landgrafen 
Moritz  war  jedoch  das  Ganze  zu  einem  gewöhnlichen  dnions» 
tage  zuaammengesehwunden.  Der  Plan  einer  Yereinigong 
alier  Evangelitchen  muCite  alz  definitiy  gezchtttert  betrachtet 
werden. 

Die  Sache  des  Königs  von  Böhmen  gedaditen  die  Unierten 
nur  insofern  zu  der  ihrigen  zu  machen»  als  sie  den  Beschlofz 
fafsten,  seine  deutschen  Besitzungen  gegen  jeden  Angriff  zu 
Terteidigen  ^). 

Noch  kurz  yor  Beginn  der  Versammlung  hatte  der  Land- 
graf Moritz  von  Bayreuth  aas  Johann  Casimir  gebeten  *),  sieh 
doch  durch  die  Stellung  anderer  oioht  abschrecken  zu  lassen 
und  den  Tag  zu  besuchen.  Allerdings  sei  die  Oefohr  groCii 
weil  die  Gegner  mächtig  und  listig  seien  und  besser  als  die 
Eyangelischen  untereinander  zusammenhielten.  Dooh  man 
solle  nicht  vergessen,  dals  die  Zeit  der  Aussöhnung  Torftber 
sei.  Nur  ein  kühner  Entschlufs  könne  die  Lage  der  Evan- 
gelischen bessern*)« 

Casimir  hat  sich  trotzdem  an  dem  Tage  von  Nürnberg 
weder  persönlich  noch  durch  Gesandte  beteiligt.  Die  Weige- 
rung  Job.  Georgs»  dort  zn  erscheinen,  die  Abmahnung  des 
Kurfürsten  von  den  geheimen  Verbindungen  der  Herzöge  von 
Weimar,  endlich  der  schwache  Besuch  des  Konvents  mögen 
wohl  die  hauptsächlichsten  Beweggründe  für  Casimirs  Fern- 
bleiben gewesen  sein.  Ein  Nachlassen  seiner  Sympathie  für 
das  Projekt  eines  allgemeinen  evangelischen  Bundes  war  auf 
jedem  Fall  nicht  die  Ursache,  denn  auch  in  der  Folgezeit  ist 
er  nach  Kräften  für  dasselbe  eingetreten^). 

1)  Oiodely  II,  SOO. 

Z)  Landgraf  Moriti  an  H«riog  Job.  CasiDir.  Bairrath,  ZS.  Oktobar 
1619.  Kopf«.  Cob.  Arch.  A.  I,  32  a,  5,  No.  ÖS.  (Korrcapond.  Bwisebwi 
Landgraf  Moritx  a.  Htn.  Job.  Caaimir  1SS0/16SZ.)  Bl.  IIZ/US.  ef.  An- 
bang XL. 

S)  Cf.  auch  Bommel  VII,  378. 

4)  MSllar,  Foncbnogen  III,  363.  —  Horaog  Job.  Caaimir  an  Henog 
Cbristian    Ton    Braanicbweig  -  LSnabnrg ,    «rwibltan    Bitchof    daa   8ti(Ua 


Politik  dm  H«riogt  Joliaon  Casimir  Ton  Coburg  521 

£b  war  bei  dieser  TJeberzeugung  yon  der  Notwendigkeit 
eines  allgemeinen  evangelischen  Bandes  lediglich  konsequent 
gehandelt,  wenn  Casimir  der  Sache  Friedrichs  die  wärmste 
Teilnahme  schenkte.  Hatte  er  auch  gegen  die  Annahme  der 
Krone  als  ein  waghabiges  unternehmen  die  sohwerwiegend- 
sten  Bedenken  einzuwenden  gehabt ,  so  moTste  er  es  doch 
jetit,  nachdem  der  Schritt  geschehen,  von  seinem  politischen 
Standpunkte  aus  für  die  Pflicht  aller  £yangelischen  halten, 
den  Vorkämpfer  der  deutschen  Freiheit  mit  aller  Kraft  su 
unterstützen. 

Als  Friedrich  yon  den  mächtigsten  eyangelischen  Ständen 
ohne  Hilfe  gelassen  wurde,  hat  darum  Casimir  seinerseits 
wenigstens  yertrauliche  Beziehungen  mit  ihm  unterhalten  und 
hat  nach  Möglichkeit  für  ihn  gesprochen  und  geschrieben* 
Wie  weit  speciell  ernestinisches  Interesse  bei  ihm  mafsgebend 
war,  lasse  ich  dahingestellt. 

So  haben  die  beiden  Brüder,  Job.  Casimir  und  Job.  Ernst, 
unmittelbar  nach  der  Krönung  einen  gewissen  Dr.  Ohlhafen 
zu  Friedrich  geschickt,  um  ihm  die  Oründe  anzugeben,  die 
sie  yerhindert  hätten,  jener  persönlich  oder  durch  BeyoUmäoh- 
tigte  beizuwohnen.  Ihr  Fehlen  sei  ja  auch  nach  der  Lage  der 
Dinge  für  die  erangelische  Sache  rorteilbafter,  da  es  eine 
Intervention  bei  dem  Kurfürsten  von  Sachsen,  bei  der  sie  es 
an  Fleifs  und  sorgfaltigem  Eifer  nicht  fehlen  lassen  wollten, 
nur  befördern  könne  ^). 

Am    Anfang    des   Jahres    1620    gratuliert   Casimir   dem 


Hindun.  Coburg ,  1.  April  1S20.  Konsept  Cob.  Areh.  A.  I,  SS  a,  5, 
No.  SO.  (Korretpond.  1587/1 6S8.)  .  .  .  Item  die  CoiOanctio  der  Eran- 
Zelisehen  bette  Ibren  besondem  efTect  und  nftchwurk  wie  bej  der  1S08 
nfin  Beicbatag  gepflogenen  Correepondeni  ta  epttren  gewesen ;  wir  befinden 
aber,  dals  bisbero  solche  nieht  in  erbalten  nndt  wir  ein  sonderlich 
systema  consUiomm  geführt,  dabei  dergleichen  praesnpposita  fSr  gewiüi 
gehalten,  welche  sweiTclhailtig  undt  dispatirlich  sind,  daraus  widrige  eon- 
cittsiones  undt  media  endstehen  mBssen  .  .  . 

1)  Gutachten    eines    Rates    Job.    Emsts    des   Aelteren.     Eisenacb, 
19.  NoTcmber  1619.    Orig.     Cob.  Arch.  A.  I,  SSa,  5,  No.  160. 


522-  Politur  d%ß  Berxoga  Johi^  C«tin^  Ton  Coburg. 

Ejöipg  niohlb  nur  zur  Gebiet  eiQea  PrinBen,  iondem  er  be- 
d«füf;t,  Biok  ckuoh  für  di^  vertrauliobe  KorreBpoodenz  ^). 

Wie  er  bei  der  Bregdener  Konferenz  zu  OuDsten  Fried- 
ri^s  eifigetreten  ist^  werden  wir  Bpät^  Beben.  Ja,  noch  am 
IQ,  Oktober  1.620  läfst  er  deqi  König  yersiobern,  dafs  er  bei 
l^ei^ier  Qelege^beit  unterlaBSf^  werde ,  naob  äuIeerBtem  Yer>, 
Q^jSgen  zu  dea  Könige  und  deci  Yaterlandes  Beatem  daa  peinige 
beij^utiBgen, '). 

9be;iao  bleibt  er  mit  den  Weiiparer  Hersögjen  in  reger 
und  enger  Verbindung.  Dem  Herzog  Wilbelm  gratuliert  er 
z;u  Bi^iop;:  bqhmiachen  Kriegabeatallung  un4  wünacbt»  dab  aus 
ib^  YorteU  für  die  bedrängte  eyangeliBche  Sacbe.  erwaebaen 
moise').  Die  Bitte,  welche  Jobaim  Ernet  der  Jüngere  m 
Of^Bimir  Höhtet,  den  jungen^  ii^  Weimar  zurüekgebliebenen 
tf.exMog  Beri^bard  in  aeine  Obhut  zu  nehmen,  erklärt  ob 
für  überflÜBaig,   weil  er  dieaem  an  und  für  aich  wohlgeneigt 

In  Dreaflen  blieb  ea  nicht  yerborgen,  daia  Gobiurg  up4 
Ei^naob  vpit  den^  Böhmenkönig  aympatbiaierten.  Bei  dner 
pesBÖnliotben  Zuaammenkunft  hoffte  der  Kurfürst  beide  Heuögia 
für  se^m»  Politik,  die  im  anderen  träger  ihr  Heil  aiachte,  au 
geifinnen, 


1)  Hersog  Joh.  Casimir  an  König  Friedricli  von  Böhmen.  Coburg, 
8.  Janaar  1620.  Konsept.  Cob.  Arch.  A.  I,  32  a,  ö,  No.  17.  (Korre- 
spondent des  Königs  Friedricli  t.  Böhmen  mit  Heri.  Joh.  Casimir. 
$Ai  Blätter.)     Bl.  8. 

2)  Hertog  Joh.  Casimir  an  Hersog  Joh.  Ernst  d.  Jüngeren  v.  Weimar. 
Tenneberg,  den  8.  Oktober  1620.  Konsept  (Scriptum  insertun).  Cob. 
A|^h.  A.  I,  dSfa,  6,  No.  124.  (Korresp.  Casimirs  mit  JoIl  Ernst  d.  JAng. 
16p^»6.     208  Butter.)    Bl.  168. 

8)  Herspg  Joh.  Cuimir  an  Heraog  Wilhelm  v.  Weimar,  den  17.  April 
1|»30.     Cob.  Arcb.  A.  1,  82  a,  6,  No.  126. 

4)  Hersog  Job.  Casimir  an  Hersog  Joh.  Ernst  d.  J&ng.  Tannebexg, 
5,  Oktober  1620.  Konsept.  Cob.  Arch.  A.  I,  82  a,  8,  No.  124.  .  .  . 
W^  d^  aelieb^n  brader  hertapg  Beroliardt  betriefft,  dörffen  E.  Ld.  tat 
Ihme  nichtt  sorgen  noch  nnser  ferner  reoommendieren,  dann  unser  der" 
se)b«  woblbeliebig  undt  suversicbttig  ins  kUnfftig  miU  geUgjUibeitt  auch 
einen  dapflUsrso  Soldaten,  darsue  er  lust,  geben  wirdet  .  .  . 


Politik  de»  Hersogt  JohiMui  Caeimir  von  Coburg.  M^ 

Von  der  böhmiBohen  Eönigswabl  an  datiert  dic^ie  Sehwen- 
kung  der  karsächsisohea  Politik.  Zn  der  bisherigen  Ab- 
neigt^ng  gegen  den  böl^niBchen  Aufistand  traten  jet^t  die 
al<^  Eijbrsnoht  gegen  Kurpfek  ui^d  der  koniesaionelle  Hab 
Ye|:;i^hftrfend  hinzu.  Die  Kachrioht»  dafis  seine  weimarischen 
Yettßrn  sich  mit  Friedrich  yerbunden  hätten,  um  mit  seiner 
Q^Ue  d^n  Verlust  der  Witten^bergar  Kapitulation  wieder  ein- 
^bringen  ^\  schien  den  Kampf  gegen  den  Böhmenkönig  zum 
Z^eet^  dex  Selbsterhaltung  zu  erfordern.  Anferngs  Januar  gßjb 
diQPQ  auch  Job.  Georg  dem  Lapdgrafen  Ludwig  von  Hessen^ 
Darmstadt  seinen  Entschlufs  kund,  dem  Kaiser  zu  helfen,  weil 
er  von  der  Gerechtigkeit  seiner  Sache  vollständig  überzeugt 
sei.  Die  Bedingungen,  von  denen  der  Kurfürst  sein  Sin- 
greifen i^bhängig  machtet,  wurden  in  Wien  gewährt:  die  beiden 
Li^usitzen  sollten  ihm  bis  nach  Bezahlung  der  Kriegskoaten 
überlassen,  ein  ^erledigtes''  deutsches  Eürstentom  abgetreten 
werden  *).  Die  Forderung  einer  Garantie  für  den  gegen- 
wärtigen geistlichen  evangelischen  Besitz  war  der  Kaiser 
ber/eit^  zu  erfüllen*),  aber  er  verschob  die  Entscheidung  auf 
den  Kühlhäuser  Konvent  Dafür  verlangte  der  Kaiser,  dab 
der  Kurfürst  unverzüglich  rüste  und  seine  Operationen  von 
der  kaiserlichen  Bntaohlielsung  abhängig  mache. 

Job.  Casimir  und  Job.  Ernst  waren  mit  dieser  Wendung 
der  aächsbohen  Politjk  keineswegs  einverstanden,  ^-^ch  die 
erwähnte  Dresdener  Konferenz  vermochte  ihre  Ansicht  nicht 
zu  ändern^).  Ohne  dab  eine  Verständigung  erzielt  worden 
war,  ging  die  Konferenz  auseinander.  Der  Vertreter  der  Her» 
aäge  hatte  die  Weimaraner  zu  entschnldigen  versucht  Er 
war  scharf  abgewiesen  worden.  Casimirs  und  Job.  Emsts 
Bat,  eine  bewaffnete  Interposition  in  Verbindung  mit  Däne- 
mark und  dem  niedersächsischen  Ejreise  zu  Gunsten  der  evan- 
gelischen Sache  zu  unternehmen  und  Böhmen  als  Oesterreich 


1)  Rose  I,  Sil. 

2)  Oindely  II,  428. 

S)  Müller,  Forachangen  III,  828,  824. 

4)  Röte  I,  87  fg.,  311,  819.  —  Mftiler,  Forschangeii  lU,  350  f«. 


524  Politik  des  H«riogi  Jolianti  Casimir  Ton  Cobnrg. 

tributäres  Königreioh  dem  Pfalzgrafen  zu  lassen,  konnte  natftr- 
lioh  in  Dresden  keinen  Beifall  finden. 

Casimir  hat  dem  König  Friedrieh  von  dem  Ergebnis  der 
Dresdener  Konferenz  doroh  Heufsner,  den  er  insgeheim  naeh 
Prag  sohiekte^),  berichten  lassen.  In  den  herzlichsten  Aus- 
drücken dankt  der  König  fttr  des  Herzogs  Verwendung  in 
Dresden  *).  Auch  fernerhin  möge  er  durch  Briefe  an  seine 
Verwandten  das  Beste  zu  wirken  suchen,  yor  allem  aber 
keine  Gelegenheit  yorbeigehen  lassen^  um  bei  Kursachsen 
im  Interesse  eines  besseren  Binyemehmens  tiiätig  zu  sein. 
Er  habe  ja  dem  Kurfürsten  nicht  den  geringsten  Grund  zur 
Feindschaft  gegeben  und  er  könne  deswegen  auch  nicht 
glauben,  da(s  Joh.  Georg  sich  zu  Feindseligkeiten  gegen 
die  böhmischen  Lande  bewegen  lassen  werde.  Aufserdem 
möge  der  Kurfürst  doch  bedenken,  dafs  er  ein  Eingreifen 
zu  Gunsten  des  Kaisers,  durch  welches  das  Papsttum  in 
Deutschland  gefordert  und  die  eyangelische  Sache  untere 
drückt  werde,  weder  yor  Gott  noch  yor  der  Nachwelt  würde 
yerantworten  können.  Endlich  sollten  die  eyangelischen 
StSndCy  die  sich  mit  den  Päpstlichen  einlielsen,  erwägen, 
dafs  sie  yon  ihnen  nichts  anderes  zu  erwarten  haben  würden, 
als  das,  worauf  bei  dem  Poeten  der  Polyphemus  den  Ulysses 
yertröstet  •). 

Doch  Joh.  Georg  war  yon  der  einmal  betretenen  Bahn 
durch  nichts  abzubringen.  Nicht  nur  er  selbst  zeigte  sich 
entschlossen    den   Kaiser   zu   unterstützen,    auch   die    Stände 


1]  Verschiedene  Schreiben  des  Baths  u.  Ksmmersecret.  Henftner 
an  Hers.  Job.  Casimir  in  dessen  Angelegenheiton  1619/St.  Cob.  Arch. 
A.  I,  S2  a,  5,  No.  169. 

S)  König  Friedrich  an   Hersog   Joh.  Casimir.     KönigL   Schloft   so 

5.  Juni 
Pr*g,  JTmÜ  ^•*^-     ^^«f-     ^^'  ^^^'  ^'  '»  **  *»   *'  ^®-  ^^'    ®^  *•• 

S)  E5nig  Friedrich   v.  Böhmen   an    Hersog   Joh.  Casimir.     Rönigl. 

S.  Hai 
Schloß  an  Prag,  ^^   ^    .^  1620.    Orlg.    Cob.  Arch.  A.  I,  32  a,  6,  No.  17. 

BL  14—16.     cf.  Anhang  XLI.  ~  In   seinen   flbrigen  Teilen    enthilt  das 
Schreiben  eine  interessante  Apologie  des  Königs. 


Politik  dM  Heriogt  JoIiaod  Cftiimir  tod  Coburg.  525 

des  obersäohBisohen  KreiseB  wollte  er  zum  Vorteil  Ferdioaodt 
bewaffnen. 

Die  zu  diesem  Zweck  nach  Leipzig  beinfene  Kreit- 
yersammlung  hat  ihn  jedoch  im  Stich  gelassen.  Es  wurde 
fesligesetzty  in  der  böhmischen  Sache  Neutralität  zu  beob- 
achten ^), 

Die  zum  Kreistag  abgeordneten  böhmischen  Gesandten 
haben  in  Prag  rUmend  herrorgehoben,  wie  wohl  die  Herzöge 
von  Coburg  und  Eisenach  den  fiöhmen  gesinnt  seien*). 

Da£i  die  kursächsischen  Forderungen  ihre  Zustimmung 
nicht  gefunden,  läfst  sich  aus  dieser  kurzen  Bemerkung  klar 
genug  ersehen  *). 

Mit  Freuden  hat  Friedrich  aus  dem  Abschied  des  Leip- 
ziger Tages  ersehen,  dafs  man  im  obersächsischen  Kreise  aus 
der  Neutralität  nicht  herauszugehen  gedenke.  Die  böhmische 
Kriegsyerfassang  sei  ja  auch  in  keiner  Weise  gegen  andere 
Kreise  gerichtet;  er  sei  vielmehr  bereit,  gute  Nachbarschaft 
zu  halten,  im  Falle  der  Not  Hilfe  zu  leisten^).  Casimir 
bittet  er  um  Fortsetzung  der  Korrespondenz;  gegen  die 
Unierten  möge  der  Herzog  die  bisherigen  guten  Beziehungen 
aufrechterhalten  ^). 

Die  Vorantwort,  welche  er  dem  Mühlhäuser  Konvent 
auf  dai  Ansinnen,  die  Krone  niederzulegen,  gegeben,  hat 
Friedrich  seinem  Brief  an  den  Herzog  beigelegt 

Dort  war  sein  Schicksal  entschieden  worden,   ohne  dab 


1)  W«i£ie,  Qesebichte  der  knrsichsiMhen  Sttaten  IV,  169. 

2)  Malier,  Fortchoogen  lU,  S64. 

3)  Cf.  dazu  Kammersekrer.  HeuXsoer  an  Hersog  Job.  CMunir.   Coburg, 
t4.  Juli  1620.     Orig.     Cob.  Arch.  A.  I,  82  a,  5,  No.  160. 

4)  König   Friedrich    an    Hersog   Job.  Emtt   den  Aelteren.      Prag, 

1.  April 

^^    ^^^  1620.     Kopie.     Cob.  Arch.  A.  I,  82  a,  6,  No.  118. 

ft)  König  Friedrich  an   Herzog   Job.   Casimir.     Königl.   Schloia  sa 


28. 
18 
cf.  Anhang  XLII. 


Prag,  TT-  Hai  1620.     Orig.     Cob.  Arch.  A.  I,   32  a,  5,  No.  17.     Bl.  19. 


g26  Politik  dM  Htriogs  Jokaan  Oaaimir  tob  Coburg. 

nan  aal  Beinen  Protest  und  auf  seine  ¥erteidigOBg  gekört^). 
Die  drei  geistliohen  Kurfürsten,  Sachsen  und  der  Landgiaf 
Ludwig  beschlossen  den  Kaiser  bei  der  Niederwerfung  Böh- 
mens Bu  unterBtütsen  ').  Es  war  «n  Oewaltschntt  kurfüiet- 
lieker  Autorität  zu  Gunsten  Ferdinands  als  Königs  yon 
Böhmen  und  ab  Kaisers. 

Die  kaiserlich -bajriscke  Diplomatie  hatte  ein  lieister- 
stöck  geliefert:  Sachsen  war  eng  yerbooden  mit  dem  Hanse 
Habsburg  nnd  der  Liga,  obwohl  seine  Garantiefoxdening 
fÜE  dien  geistUohen  eyangelisehen  Besita  in  den  sftehsischen 
Kreisen  nur  mit  yersohiedenen  Sinsehiäaknngen  eiföttt 
worden  war. 

Sehen  am  15.  Juoi  war  das  kaiserliche  Szekutions- 
mandat  fftr  den  Kur^sten  Ton  Sachsen  und  Maximilian  von 
Bayern  ausgefertigt  worden  *).  Doch  erst  Ende  August 
brack  Job.  Georg  mit  12  000  Mann  ajuf  sur  Besetsong  der 
Lansitsen. 

In  Prag  hatte  man  trotz  der  deutlichsten  Beweise  für 
das  Gegenteil  bis  dahin  immer  den  Wahn  yon  Sachsens  Nentra^ 
Utäi  noch  nicht  aufgeben  können^).  Oharakteristisok  daAr 
ist  ein  Schreiben ,  das  wenige  Tage  yor  dem  Anfmaisch 
der  sächsischen  Truppen  yon  Priednok  nach  Oobarg  geschickt 
wurdiß» 

Unter  Hinweis  auf  die  Feindschaft  des  Herzogs  yoa 
Bayern,  der  mit  ihm  ak  Blutsf^ennd  und  Verwandter  früher 
in  den  yertrautesten  Beziehungen  gestanden  (!),  bemerkt  der 
König,  dafs,  glaubwürdigen  Nachrichten  zufolge ,  der  Kaiser 
auch  Joh.  Georg  y  mit  dem  er  doch  ebenikUs  yon  jeher  in 
Freundschaft  yerbunden  gewesen  (sie!),  zum  bewAffneten  An- 


1)  Ol   daia   König    Mediich    an   Hersog    Joli.   Caiiniir.     Präger 

SO. 
Schloß,  j^  Juii  16S0.    Oiig.    Cob.  Areh.  A.  I,  88  %  5,  No.  17.    B).  ai^ 

Sa.    cf.  ADlmng  ZLIU. 

2)  Gindely  II,  4S8. 

8)  Harter,  Geschichte  Kaiser  PerdioADd«  IX,  511. 
4)  Mflller,  Porsehnngen  in,  405. 


Politik  dM  Hersogt  Johton  OMhnfr  toh  Coburg.  58t 

griff  aaf  das  Kö&igreioh  Bdhtnen  eu  bestimmen  suche.  Ob^ 
w6hl  er  fest  überzeagt  sei,  dafs  der  Kurfürst  sich  nicht  dftM 
herbeilaseen  werde  {sie!),  so  habe  er  doeh  besehlossen ,  Ge- 
sandte abeufertigen  ^),  um  den  Enrförsten  Ton  jeder  T^- 
binduag  mit  den  Papisten  surüelteuhalten.  Casimir  mdge 
aaoh  seinerseits  ohne  Yersug  durch  Gesandte  odeir  «uih 
ffthriiche  Behreiben  bei  dem  Kurfürsten  intervenieren  mtd 
ihn  cur  Fortsetzung  friedlicher  Naefabkrechaft  zu  beWegeA 
suchen  '). 

Brst  am  20.  Set»tember  wurde  der  Brief  in  Coburg  über- 
geben. 

Inzwis^en  hatte  Job.  Qeorg  die  Belagerung  Bautzens 
begonnen.  Buquoy  hatte  sich  mit  Maximilian»  das  kaiser^ 
liehe  Heer  mit  dem  der  Liga  verbunden.  Beide  drangen 
weiter  und  weiter  in  Böhmen  vor.  £^inola,  auf  Befehl  des 
Königs  von  Spanien  vom  Erzherzog  Albert  mit  26  000  M«an 
abgesandt,  war  in  die  Pfalz  eingebrochen  und  machte  bei 
der  unbegreiflichen  Kriegsführung  der  Union  die  gröfsten 
Fortschritte.  Der  Untergang  Friedrichs  war  nur  noch  eine 
Frage  der  Zeit  Denn  die  Union  hatte  ihn  durch  den  schmäh- 
lichen Vertrag  von  Ulm  in  Böhmen  seinem  Schicksal  über- 
lassen^). Englische  Hilfe  war  ausgeblieben.  Der  Sultan  er- 
klärte zwar  seine  Freundschaft,  sandte  «her  keine  Truppen» 
Von  Bethlen  Gabor  war  damals  nichts  weiter  zu  erwarten. 

Wir  finden  es  bei  dieser  Entwickelung  der  Dinge  be- 
greiflich, dafs  Casimir  eine  Interposition  in  Dresden  zu 
Gunsten  Friedrichs  für  vollständig  zweck-  und  erfolglos  er- 
achtet Das  Benehmen  Job.  Georgs  auf  dem  Mühlhäuser 
Konvent,  besonders  die  scharfe  Antwort,  die  er  dem  Land- 
grafen Moritz  auf  dessen  Versuch,  ihn  umzustimmen,  gegeben  ^), 

1)  Bs  gtoiehah.    ef.  Weifso  IV,  S71. 

S)  König  Friedrich  an  Herzog  Job.  Gatiiiiir.  Prag,  14.  Augtot 
1680.  Kopie.  Cob.  Arch.  A.  I,  8Sa,  5,  No.  17.  Bl.  4—6.  ef.  An- 
hang XLiV. 

3)  Bommel  VU,  88». 

4)  Cf.  dam  Bommel  Vn,  888. 


628  Politik  dei  Hersogi  Joliann  CMimir  von  Coburg. 

zeige  klar  genug,  dafs  der  Kurfürst  YoratelluogeD  unzu- 
gänglich Bei.  Dooli  die  Dankbarkeit  für  die  fii^undschaft- 
Uohe  Zuneigung,  die  Friedrich  ihm  stets  erwiesen,  hat 
Casimir  noch  einmal  die  Peder  in  die  Hand  godrttdkt  Selbst 
auf  die  Geüahr  hin,  dafs  er  zu  tauben  Ohren  sprechen 
müsse  ^)f  richtet  er  noch  einmal  im  Yerein  mit  seinem  Bruder 
gerade  einen  Monat  vor  der  Schlacht  am  weifsen  Berg  an 
Joh.  Georg  die  Aufforderung*),  er  möge  Mittel  ergreifen, 
dafs  das  hochgeliebte  deutsche  Yaterland  fremden,  ihm  übel 
gewogenen  Kationen  nicht  zum  Baube  falle  und  die  Christ- 
lich-eyangelisch-lntherische  Religion   nicht  ausgerottet  werde. 

Nicht  Mifstrauen  gegen  die  Politik  des  Kurfürsten,  son- 
dern lediglich  die  ergreifenden  Klagen  der  Böhmen  und  der 
Wunsch,  der  Yerantwortung  für  ein  etwaiges  Mifsgeschick, 
das  aus  der  Unterdrückung  der  Böhmen  folgen  könne,  ent- 
hoben zu  sein,  hätten  sie  zu  dieser  Erinnerung  Tcranlafst. 

Sie  wurde  natürlich  im  Lager  Joh.  Georgs  stillschweigend 
beiseite  gelegt.  Wenige  Tage  yorher  hatte  man  dort  yon 
einem  Manifest  des  Königs  yon  Böhmen  Kenntnis  erhalten, 
in  dem  dieser  den  Kurfürsten  unter  Anschuldigung  dreifacher 
Pflichtyerletzung  seiner  bisherigen  Lehen  und  Regallen  für 
yerlustig  erklärte  und  dieselben  seinen  ernestinisohen  Yettem, 
den  Herzögen  Ton  Weimar,  Coburg  und  Eisenach  übertrug*). 
Wie  die  am  Wappen  des  Kriegszeltes  Joh.  Ernsts  des  Jüngeren 
wahrzunehmenden  Yeränderungen  andeuteten  ^) ,  wie  auf- 
gefundene Papiere  nachher  bestätigten,  bestand  sogar  die  Ab- 
sicht, die  Kur  auf  die  Emestiner  zu  übertragen. 


1)  Hersog  Joh.  CMimir  an  König  Friodrich  v.  Böhmen,  den  28.  Sep- 
tember IStO.  Konsept.  Cob.  Arch.  A.  I,  S2a,  6,  Kol  17.  ef.  An- 
hang XLV. 

2)  Herzöge  Joh.  Casimir  n.  Joh.  Ernst  der  Aeltere  an  den  Korffinten 
Job.  Georg.  Den  2S.  September  1620.  Kopie.  Cob.  Arch.  A.  I,  S2  a, 
6,  No.  108.     Bl.  188.     cf.  Anbang  XLVI. 

8)  Harter  IX,   650.  ~  Röte  I,    822.     Die   Patente  für   Casimir  n. 
Joh.  Ernst  d.  Aelt.     Londorpii  acta  pabl.  II,  201. 
4)  Böse  I,  824. 


Politik  dei  H«rsogt  JobaoD  CMimir  tod  Coburg.  529 

Casimir  erklärte  teioerBeitt  Job.  Georg  sofort,  dafs 
jenes  Manifest  ohne  sein  Vorwissen  erlassen  worden  sei. 
▲ach  jetit  sei  ihm  noch  kein  ottsielles  Schreiben  ange- 
kommen, nur  ans  Zeitungen  habe  er  Ton  ihm  und  seinem 
Inhalt  yemommen.  Dieser  ist  ihm  unbegreiflich,  denn  sein 
Yerhalten  habe  ein  derartiges  Vorgehen  des  Königs  Friedrioh 
nicht  yeranlassen  können.  Auch  fernerhin  wolle  er  seine 
Neutralität  und  sein  Streben  nach  friedlichen  Mitteln  und 
nach  Abwendung  ferneren  Unheils  aufrecht  erhalten  ^). 

Die  Schlacht  am  weifsen  Berg  und  die  übereilte  Flucht 
Friedrichs  hat  allen  Anschlägen  zu  Gunsten  der  Bmestiner 
wie  dem  pfälzischen  Eönigstraum  ein  jähes  Ende  bereitet 
Sie  hat  auch  die  Beziehungen  zwischen  Casimir  und  Fried- 
rioh aufgehoben.  Ein  Schreiben,  das,  im  nächsten  Jahre 
von  ihm  aus  Grayenhaag  nach  Coburg  geschickt,  Casimir  die 
Bitte  ans  Herz  legte,  bei  Eursachsen  Stimmung  zu  machen 
gegen  die  Ausführung  der  Acht  wie  gegen  die  Unterdrückung 
seiner  Person  und  Würde  *),  scheint  ohne  Antwort  geblieben 
lu  sein. 

Mit  der  Union  war  ebenfalls  jede  Verbindung  abgebrochen, 
ab  sie  im  April  1621  in  kläglicher  Weise  sich  auflöste  und 
Friedrich  yollständig  preisgab'). 

Casimir  suchte  in  den  folgenden  Jahren  durch  strenges 
Festhalten  an  der  Neutralität  und  durch  engen  Anschlufs  an 
Sachsen  sein  Land  yor  den  Leiden  des  Krieges  zu  retten. 
Erst  als  Sachsen  mit  Schweden  sich  yerband,  trat  auch  er  in 
den  Kampf  ein.  Wallenstein  ist  da  in  eigener  Person  yor 
die  Veste  Coburg  gezogen.    Schrecklich  haben  die  baTrischen 


1)  Hersog  Joh.  Caiimir  an  Knrffirtt  Joh.  Georg.  Tenneberg,  t.  Ok- 
tober 1620.  Postscript  Kopie.  Cob.  Arcb.  A.  I,  92  a,  6,  No.  103. 
Bl.  140.    cf.  Aohaog  XLVU. 

1. 

8)  KSnig  Friedrich  an  Henog  Job.  Casimir.     Grayenhaag,  t^  Mal 

1621.     Orig.     Cob.  Arch.  A.  I,  82  a,  6,  No.  92.    Bl.  50—68.     (Korresp. 
Friedr.  mit  Casimir  1694/1621.     69  Bl.) 
8)  Hiafser  II,  848. 


530  Politik  des  Henogs  Johann  Ottimir  Ton  Coburg. 

und  kaiBerüohen  Truppen  im  Lande  gehaukt  Yen  der  Yeete 
auB  sah  man  im  weiten  Umkreise  Städte  und  D^er  in 
Flammen  stehen.  Anf  dieiB  Gerücht  vom  Anmarsch  des  fifer- 
2ogB  Bernhard  ist  Friedland  na<^  vergeblicher  Belagerttng 
südwärts  zurückgegangen. 

Das  Schreiben  Casimirs  an  seinen  Bruder  vom  14.  Januar 
1688^)  spiegelt  so  recht  die  Not  des  Landet,  denn  sein  In- 
halt besteht  in  einem  fortwährenden  Klageruf. 

Wenige  Monate  später  ist  Oaisimir  als  der  älteste  d^utisdie 
Fürst  gestorben. 

Er  war  der  erangelischen  Sache  mit  ganzem  Herzen  er- 
geben. Seine  politische  Anschauung  berührt  sicl]^  am  nächsteA 
mit  der  des  Landgrafsn  Moriti.  Den  rcTolntionären  pfälzischen 
Bestrebungen  wie  dem  starren  konseryatiy-orthodoxen  Stand- 
punkt Sachsens  war  er  in  gleiotier  Weise  abhold. 

Das  Ideal  seines  poiitisohen  Strebens  war  ein  allgemeihet 
eyangelischer  Bond»  in  dem  sich  Lutheraner  und  Galrinisten 
die  Hand  reichen  und  zusammenstehen  sollten  zu  ■gemeinr- 
samer  Abwehr. 

Casimir  war  überhaupt  ein  Mann  der  Yertnitteluii^  und 
des  Friedens.  Das  trübe  Geschick  seines  Vaters  mag  ihn 
nicht  zum  wenigsten  von  kühnen  Sntsohlüssen  zutüokgehaftish 
haben. 

Von  dem  Grundsatze  ausgehend,  dafs  mit  einet  schwachen 
Feder,  die  mit  Verstand  geführt  wird,  sich  eine  siikW^ik 
Sache  öfter  und  Ibiehter  als  mit  Karthaunen  unrecht  bringlfti 
lasse,  bat  er  eine  ausgedehnte  poHti6<Aie  Korrespofidenz mit 
vielen  Füllten  des  Reichs  unterhalten. 

Sein  Wahlspraeh  war  cM  bekannte  Wort  Sallusts: 
Conoordia  parvae  res  orescunt,  disoordia  maximae  dilabuntor. 
Friede  ernährt,  UniFriede  verzehrt. 


1)  Cob.  Arch.  A.  I,  SSa,  5,  No.  119. 


Axätmg. 

I. 
Hersag  Joh.   Caaimir  an  KurfürBt  JoaohiA  Y4in 
Branden  barg.      Coburg,    19. .  April  .  1608.     Konsapt. 
Beiohati^Maohen  1608.     B.  II,  7,  No.  86. 

.  . .  Was  durch  £..  Ld.  YieeaantslamiDr.  Fnedeioh  Braak- 
maun  uader  iziger  BeiofasyeiiaamUDge » cae  Eaganaburg  r4)ey 
msarm  undt  das  lioc^gebonien '  füllten  lansars  ffanddltohan 
l^ban  Bruadern,  harrn  Joh.  ISraaten,  al^gotanlton  inn  beaan- 
•daver  rertniwlioh  gehaimb  ahngebaaeht,  sobhas  ist  dergaatidtt 
I5rdar  ahnn  onfs  ^andt  •unaersireandl.  Haben  iteaeders  dlid. 
g^langett 

Ob  welchem  wir  vernommeD,  da8>£jL^ franse  traulwEtaige 
baheiOhorfürrtL' ambltliche  Torsovge  sueiOottes  ehre,  auch 
rettunge  undt  erlMlttunge  reihtter. «wahrer '>RaUgian,<aowoUl 
Dganaer  Chroteahaitt  mndt  gafebttanr  ratteriandg  ireybätU,  mihe 
nadt^wahUatandts  Ibrtaetaunge  •ejrfeng   teaganuuodt  ihruahn- 
ri^egan  -mn   'laaaen,     soadaiUafaer  cmit    den    Bmogaliiabcn 
Ständen  gar   treuliah/'meinan  uodt^deBBelban^fiBadsahmef ain- 
ifeMUiga  ^pertrawBche.  caranmemateaage  terrae' arbawat  undt 
befördert!  aahan  atdt"Wi6ten''wollen^  dafür.^Ej  Ld.  •bsUiahj«u 
Hdanckan-  uadt  su^aröfanien.     .  .  .  Diewaibll  dan  ilaidart^gaag* 
taadibnaffenbidir  uadt  für  .aaganachw1riwllde(Tiahlfeltt•gewwmr- 
1  aaiq;»  eaei^q^a  baseagan/rwia.saa  baaoigliah»  aa  itaoim^BaiDh 
atehett  undt  ■  lan-»  wafc  gMoaarf geftdiri' Jieb  Byangeliadiait » Steada 
^fh$AßDnf*id$s  fea^daBt  'daBiaaesahanytuaUB'.wanodarfauteriste 
•  andargaag  4es  Bsdigian-'Uadt  Piaphaufkiodaat  haaeiperbtaehon 
^ifbdt>taUe8  libar  aiaeai^haiiiennitiftllMrcwoUa,  .^ae  ibohDjQott 
XVII.  85 


532  Politik  dei  Hersogs  Johmim  Casimir  too  Coburg. 

der  allmeohtige  gnediglioh  zuyerhüten  undt  abzuwenden  >  die 
missethat  undt  sünde  vergeben  undt  der  straffen  linderunge 
zu  yerleihen  geruhe,  darumb  billich  undt  zuvörderst  die  ge- 
meinen Christliclie  Gebet  ahnzustellen.  —  Alls  lassenn  wir 
unls  nichtt  alleine  unsers  ortts,  sondern  auch  für  unsere 
Brueders  Ld.  £.  Ld.  Täterlicher  yorsorge  undt  wohlmainliche 
gethaneuy  nohtwendigen  Vorschlag  einer  förderlichen  zeittigen 
undt  engen  geheimbtten  persönlichen  zusammenkunfft  durch- 
aufs  gefallen,  inmafsen  die  euseriste  notturft  ahn  ihr  selbsten 
erfordertt,  ganz  nüzlich  undt  erspriefslich  zu  hoffen.  Wissen 
auch  weder  in  modo  ac  forma  noch  rebus  ipsis  et  meritis 
das  wenigste  zu  endem  oder  zu  yerbessern,  sondern  wir 
woUenn  uns  disfalls  in  allem  sue  gemeinen  besten  accomo- 
diren  undt  zu  bequemen  wissen,  undt  fnhmehmlichen  yonn 
deme,  so  der  hochyereioigtten,  zusammen  yerbundenen  Ghur: 
undt  Fürstlichenn  Heulser,  Saohsenn,  Brandenburg  undt  Hessen 
wille  undt  meinung,  nichtt  absondern,  zuemahll  weihll  solches 
alles  nichtt  wiedder,  sondern  vor  Kays.  Hayest  des  Böm. 
Eeichs  undt  geliebtenn  yatterlands  heyl  undt  wohllfahrtt, 
auch  nichtt  zur  offension,  sondern  defension  gemeinen  friedens 
angesehen  und  gemeinet. 

Darzue  menniglich   noch   mehr  bewegen   undt 

zum  exempell  stehen  soltte,  das  herfür  kommen,  wie  albereiti 
vor  zwey  iharen  alle  Ertzhertzogen  zue  Ostreich  lue  ihres 
Hauses  freyheitt  undt  hoheitt  sichemnge,  beschütiunge  undt 
forthelffiinge  eine  besondere  conföderation  aufgerichttet  undt 
nunmehr  ins  werk  gestellett  werden  wihll  .  .  . 

Unzweifflicher  Zuversicht,  nachdeme  gantzs  vertrauliche 
zuesammensetzunge  bey  itziger  Beichsversammlunge  von  den 
Evangelischenn  Stenden  bis  dato  erfreuhlich  zu  vernehmen 
gewesen,  allso  undt  rebus  sie  stantibus,  do  keiner  dem  feuer 
neher  oder  weitter  noch  gesichertt  zue  achtten,  werde  sich 
von  diesem  verbundnoDs  niemands  ausschlieüsen. 

Welcher  conventus  unseres  geringfuegigen  ermeesens  nach 
schleunig  zu  maturiren  undt  gedeihlicher  zue  effeotuiien, 
wann  £.  Ld.  zuvorderst  mitt   den   andern  beyden  weldliohen 


Politik  des  Hersogs  Johfton  Casimir  Ton  Coburg.  533 

Ghurfttnten  Tereinbahrett  undt  es,  soyiehll  immer  möglich 
undt  erheblich,  dahinn  beförderD,  das  all  eyermerckende  tren- 
Dunge  und  mifsverstand  bey  dieem  werk  präcaviert,  die 
BeligioDBtritt  zae  iziger  zeitt  moderiret  andt  alle  privata  bey 
seitten  gesetzlt,  damitt  allso  alleine  das  publicum  bonum, 
allerdings  unauimo  cousilio,  in  achtt  genommen  undt  erbawett 
würde.  Ii^malsenn  wir  unfs  berichtten  lassen,  das  viehll  für- 
nehme altte  undt  neue  Theologen  dieser  meinung  seindt. 
Obwohl  zue  wuntechen,  das  beydes,  inn  den  wordten  undt 
dem  verstände,  eine  reohtte  einigkeitt  zuerlangen,  jedoch  offt 
umb  friedens  undt  gemeinen  nutzes  oder  anderer  unyermeid- 
lichen  nohtt  willen,  diejenigen,  so  der  Eeligion  halben  durch- 
aus in  allen  Puncten  undt  articuln  mitt  einander  nichtt  über- 
einstimmen pie  ac  utiliter  toleriret  undt  gedulldett  werdenn 
mögen n;  auTs  welchem  allsdan  neben  guetter  yhleissiger  kunt- 
sohafft  auch  allerhands  vertrawliche  correspondenz  Ton  einem 
zum  andern,  wie  der  verlauff  undt  zustandtt  sich  begeben 
thette,  eryollgen  undt  viehll  guetts  gestifftet  werden  köntte, 
der  gegentheills  embsig  gesuchten  trennunge  under  den  Byan- 
gelischen  Stenden,  beneben  anderm  unwiedderbringlichem 
schaden  undt  unheyll  zeittlioh  zuvorkommen  undt  abzuwenden, 
damitt  man  ufF  euseristen  gedrungenen  nohttfall  ieder  zeitt 
inn  getreuer,  unfehlbarer  zusammensezunge  mitt  aller  notturft 
gefast  befunden,  undt  nichtt  über  geringem  mifsverstande  so 
lange  verzogen  werden  möge,  bis  das  feuer  zae  lichtter  lohe 
aufschlüge,  do  allsdan  in  solcher  bestürtzunge  undt  post  causam 
vulneratam  wenig  erspriefslichen  rahtt  zu  schaffen  .  ,  . 

II. 
Herzog    Joh.    Casimir    an    Schweikhardt,     Erz- 
bischof   von    Mainz.      Coburg,    19.    November    1610. 
Konzept.     A.  I,  32  a,  6,  No.  76.     BI.  6—9. 

.  .  Was  bey  £.  Ld.  wir  in  jüngster  unser  anwesenheit 
zu  Aschaffenburgk,  beneben  denen  uns  zugeordneten  Chur- 
fürstlichen  8ächs.  gehaimbten  Bähten,  voreinbharung  undt  ver- 

35* 


534  Politik  des  JEienogt  Johann  Casimir  von  Ck>biirf . 


bunclDUB  wegen  gesucht  undt  angebraoht/auoli  der  endtlio&e 
yerlass  gewesen,  nndt  wohin  sich  dieselbe  nach  ünserm  ab- 
reyfsen  kegen  den  OhorfUrsten  zu  Sachsen  etc.  verneliintti 
iafsen,  das  alles  ist  uns,  nachdem  wir  wieder  in  unser  Hoif- 
I^ager  gelanget/ getreulichen  undt  nach  aller  kiotturtft  r^jferiret 
Machen  uns  auch  keinen  zweitfell,  E.  Ld.  werde  sieh  äessen 
noch  aller:  undt  gutermafsen  zu  erinnern  wifsend.  Vor  wetohe 
treue  affeotion  undt  Vorsorge  E.  Ld.  wir  billich  äanclck^igeii 
undt  es  sambt  unserm  gantzen  hause  zuerwidern  unvergessen 


sein  wollen. 


Dieweihl  es  dozumahl  auf  des  hochgebomen  Fttrsien 
Herrn  Christian  des  andern  (titul),  unsers  beundtlichen  lieben 
vettern  und  j^ruders,  resolution  bestanden,  so  where '  uns  zwar 
nichts  iiebers  gewesen,  als  das  uns  dieselbe  noch  vor  unserm 
abreyfsen  zukommen.  Hette  sonder  zweiffell  in' diesen  so  für- 
nehmen,  hochwichtigen,  nottwendigen  sachen  ein  gewiMer 
beschluTs,  oder  zum  wenigsten  ahnlafs  gemacht  werden  können. 
Es  ist  uns  aber  das  schreiben  unterwegens  niödt,  sondern 
alter  erst  in  unterer  Resitenz  allhier  den  10.  huius  atira 
Cialenders  zugebraohtt;  derwegen  E.  Ld.  diesen  geringen  Ver- 
zug im  besten  vermercken  undt  aufnehmen  wollen. 

Welchermafsen  sich  nun  des  Churfürsien  zu 'Sachsen '  Ld. 
kegen  uns  freundtretterlichen  ercleren,  ^äarvön  thun  E,  Ld.  wir 
copeiiic^e  abschriefft  zu  mehr:  ündt  eigendlicher  Destftn&ger 
vemehm:  undt  vergewisserung  beyveTwart'übersenden. 

Undt  nachdeme  uns  dieselbe  dieses  puiioWts  fiali^n  Vi»*!!- 
macht  undt  gewalt  aurgetragen  undt  übergel)en,  auchvoüige 
plenipotentz,  so  uns  zue  der  Oölnischen  Handelung  von  unserm 
ganzen  Hause  zugestellet,  dohin  extentim  undt  erstreckeB, 
undt  hirüber  wir  Selbsten  befinden,  da;  bey  diesen  fettr- 
eichen leoften  der,  sicherste  weg,  sich  zu  denen,  mit  welehen 
unser  Haus  allbereit  in  öffentlichen  aygemeiQen  Beie^^Yer- 
^  bi^ndt,  auch  die  unser  aller  vorgesetztes  Haup^  hecnstgedachte 
&ajs.  Mayest,  ehren,  res^ectiren"und{  derfs^tben^unte^rthenigst 
gehorsam ,  darzue  uiis  die  Reichs  tlonsntutiones  undt  ^er- 
fatsungen  selW*  weysen,  isu  &al'l£en.  '  tf berilieseii*  afl^s  m^JÜitt 


Politik  des  Henogs  Johann  Casimir  von  Coburg.  535. 

'  '       ■  ♦  !  I 

ni<^t8  neues  fÜrgeDommeiiy  sondern  alle  Stende  des  Kelches 
lUTorbin  zu  dem  Beiigion-  undt  prophanfirieden  ohne  das 
verhunden,  welcher  durch  dielse  yeieinbarnng  renorlret  nndt, 
wie  derselbe  aUs  vinculum  omniam  stataum  Impery  hinford  in 
besserer  undt  mehrer  yertniull^keitt  erhalten  undt  fortgeseset 
werden  möge,  yerfasset  Als  eroleren  wir  uns  auch  hirmit 
aastadt  unsers  ganzen  Chur:  undt  fürstlichen  Haufses  zu 
Sachsen  craft  habender  gewalts,  das  wir  uns  in  solohe 
I^niony  wie  yon  des  ChurfÜrsten  zu  Sachsen  Ld.  als  Direc- 
tore  et  capite  nostrae  fomiliae  uns  aufgetragen,  einlafjsen 
wollen  ..•.!). 

III. 
H^erzog  Jolu  Casimir  an  Kammersekretär  Sligisqi. 
Qeufsner.      (Instruktionsschreiben.)     Coburg ,    11.   Mai 
1612.     Origin.     A.  I,  82  a,  6,  No.   160. 

.  •  .  Der  Herren  General  Staaden  Agent  Petrus  Brede- 
rodius  hat  wegen  Prinz  Bioritzens  bey  uns  undt  unsers 
freundl.  lieben  Bruders  Ld.  zu  Bisenaeh  audientz  gehabt .... 

Soyiell  wier  yon  Ihme  yerstanden,  triebt  sein  Discuis 
mit  anderen  sanioribus  überein,  das  wier  ohne  gutte  nacht- 
bahrschafEt  gegen  den  herrn  Staaden,  welche  gahr  leicht  zu 
erhallten  undt  der  Unierten  Chur:  u.  Fürsten  httlff  und  bej- 
standt  ahn  denen  Landen  schwerlich  etwas  bekommen  würden ; 
welches  aber  andere  für  unglaublich  achten.  Wier  müssen  es 
noch  ein  zeit  lang  dahingestellt  sein  lassen  undt  den  ausgang 
des  Wahltags  erwarten,  besorgen  uns  allein:  simulatio  offici* 
omm  pontiiiciorum  möchte  dieser  onser  Sachen  capitalis  ini- 
micus  sein,  sintemahl  die  erfahrung  bezeuget,  das  der 
menschen  gemuether  sicherer  ex  rebus  ipsis  quam  yerbis  zu 
erforschen. 

Bs  hat  sich  gedachter  Brederodius  gegen  unsemn  Canzler 
yiell  erholten,  auch  selber  gegen  dir  gutte  comrounication  zu 


1)  Die  FortoetsuDg  cf.  bei  Wolf,    Geschichte  Mszimil.  I.  u.  seiner 
Zeit  UI,  SS. 


536  Politik  des  Heriogs  JobAon  CMtmir  von  Cobarg. 

halttea  eroleret;  darum  du  dieser  gelegenheit  wohll  wahr  sa 
nehmen. 

Landgraf  Morits  hat  sich  durch  seinen  geheimbten  Bath 
Carlo  uff  unter  ersuchen,  ob  anderweit  handlung  mit  Ohur- 
Brandenburg  undt  Pfalz  Neuburg  uffzunehmen,  dahin  eroleret, 
sie  würden  in  der  Herrsohaffc  Ebstein  mit  dem  Kurfürsten 
undt  dessen  Käthen  von  denn  Oiiliohischea  Sachen  zu  reden 
gelegenheit  bekommen;  weiten  derwegen,  wie  diesen  hooh- 
wlohtigen  Sachen  noohmahls  abzuhelffen,  allen  möglichen 
▼leifs  anwenden;  daraus  wier  S.  Ld.  vertrauliche  affeotion  je 
lenger,  je  mehr  su  spüren.  Sonderlich  hüten  sie  vor  rath- 
samb,  das  guetliche  mittel!  die  yertreglichsten  sein  möchten; 
jedoch  solte  denselben  mit  fleifs  nachgedacht  werden,  uif  was 
mafs  solche  einzugehen,  damit  es  nicht  vom  Oegentheill  ver- 
merckt  würde,  alls  ob  solches  von  unfs  herrühre  undt  an- 
gesponnen; welches  auch  den  GhurfÜrstl.  Käthen  beydes  zu 
Drefsden;  wie  dir  bewust,  undt  iezo  zu  Eisenach  gefallen. 
Darumb  von  Ihnen  für  gut  angesehen,  wier  seitens  nur 
mündlichen  bey  Landgraf  Moritz  anbringen,  dergleichen  ge- 
legenheit würde  der  Ghurfürst  zu  Sachsen  bey  Landgraf 
Ludewigen  durch  mündliche  underrede  weniger  nicht  suchen. 

Sonsten  haben  sich  die  OhurfürstL  geheimbten  Käthe, 
derer  gleichwohl  nur  zwen  gegenwertig  gewesen,  in  oonver- 
satione  endlich  dahin  resolviret,  es  solle  ein  gesambt  schreiben 
ahn  die  drey  fürstlichen  Unterhändler  gemacht  undt  darinnen 
Ihr  bedencken  dieser  grossen  undt  schweren  sachen  sowohl 
des  Oütterbockschen  Vertrags  wegen,  in  specie  aber  gesucht 
werden,  ob  es  rathsamer,  bey  dem  Neuen  Kayser  umb  neue 
ratification  desselben  zu  bitten,  oder  das  solches  specifica  der 
capitulation  eingerückt  werden  möchte 

Herr  Ourio  aber  hat  sich  soweit  erclärett  .  •  .  der,  so 
die  Gülichschen  Lande  haben  weite,  müfste  mit  Frankreich, 
Engellandt  undt  den  Herren  Staaden  freundt-  undt  nachtbahr- 
schafft  suchen,  bey  welchen  allen  Sachsen  in  trefflichenn 
respekt,  denn  sie  wissen,  das  es  im  Keich,  sonderlich  den 
Keichsstädten,   hochangesehen.     Und  das  wehre  der  Schlüssel 


Politik  dM  H«rsogt  Johann  CMimlr  von  Coburg.  537 

zum  thor;  wen  man  den  fiaden  könte,  wehre  den  Sachen 
weit  geliolfen  undt  den  opinionibus  Bpanischer  faotioo,  dar- 
durch  der  herren  Staaden  libertet  in  gefiahr  gesetzt,  viell  be- 
nommen. Ob  auch  gleich  dieses  noch  sur  zeitt  keine  Beichs 
Sache  wehre,  so  könte  doch  in  effectu  et  eyentualiter,  wann 
der  ungehorsamb  beharret,  eine  daraus  werden,  denn  in  ent- 
stehung  der  yergleiohung  gewifs  Krieg  ervolgen,  sintemahll 
kein  theill  sein  Recht  also  ersitzen  lassen  würde,  quod  esset 
abjecti  animi. 

Dieses  sind  also  herrn  Gurionis  uff  vorgehende  Belation 
gedanoken  gewesen,  welche  wir  dir  zur  nachrichtung  undt 
das  du  dich  derselben,  doch  unyermerckter  weifs,  bej  für- 
fallender  gelegenheiten  bescheidentlich  gebrauchen  mögeety 
entdecken  wollen. 

Die  ersuohung  der  ünionsyerwanthen  ist  yon  uns  bey 
allen  zusammenkünffton  gesucht  undt  hefftig  nrgiret;  was 
darmitt  yerrichtet,  daryon  tregstu  gleicher  gestalt  gutt 
wissen,  derwegen  wier  noch  ein  Zeit  lang  in  gedult  stehen 
undt  den  auisgang  des  Wahltags  erwarten  müssen. 

Es  soll  uns  aber  nicht  zu  entgegen  sein,  das  du  wegen 
eines  Schreibens  ahn  Frankreich,  England  und  die  Staaden 
bey  Landgraf  Moritz  oder  den  seinigen,  wan  es  die  gelegen- 
heit  geben  wirdt,  erinnerung  thun  mögest,  ungeachtet  wier 
bey  uns  nicht  befinden,  das  solche,  ehe  undt  zuyom  die 
Staaden  wegen  Spanischer  Factionen  gesichert,  etwas  fruchtten 
werden  .... 

IV. 
Kanzler  Yolkmar  Sohererd  an  Kammersekretär 
Heufsner.     Ooburg,    11.  Mai    1612.     Orig.     A.  I,    d2a, 
6,  No.  160. 

Mitt   Herren    Brederodio   habe   ich  reohtte   undt   guthe, 

yertraaliche  Oonyersationem  gehalten;   wollett  dieselbe  oonti- 

nuieren,   wie  ihme  denn  eure  Personn  nicht  unbekandt  •  •  • 

Er    hat    mir    unter    andemn    angedeutet,     die    Herren 

General  Staaden  hettenn  sich  nur   alleinn   zuerhaltung  guter 


588r  PoUtiki.det'  HMMfi^  Johasn  CMivir  toh  Ootarg^ 

intmäkz  xmäi  naehibttEBoiiRfft  kegen  dHuteaodtfibnrg  undi 
BMti  Htabarg  nit  etimehmiiDg  der  Lande  unb.  16  Toiine& 
gddes*  kosten  lestenii,  tbetenii  nicbts  wieder  fordemn,  wan 
nur  die  gesaefatte  fDeondt:  ondt  naehtbarscbafft  contianiret 
wtisde«  Danuu  wohll  absmebnieDy  waan  Saehaen  dergieiehen 
Ünte,  am.  anoh  ein.  ebeniae/»gfB  eoc  noaka  parle  eifolgean 
kfioteu 

Seä'  faaeo  oania  umt  incDedibilia»  — >  qnod  tibi  in  aiireR 
soriptam  — :  Nos  inccgDiia  pro  satis  cognitis  et  perapeetifr 
oataniieflieia  *  eaBtemam  praefnimiM,  perBevesantiae  pimtificis^ 
iainacia  na^a»  oapitaUbos  et  eonim  teobaiar  ae  inaidüa  plna. 
orudinnift  qoam  Syangelieia,  ffir  weliobe;  wir  oals'  im  wenig«- 
atan  an  hefiihrenp«  Habe:  leider  aorge^.  ca  möehfte  uff  daa 
Vaticinium  Jeremiae  cap:  6  yers  14  u.  16.  biefiaiialafaffiBn ;. 
domndev  ieh  g^iebwoUl.  niemandl  beac^inldige:,  aonndem 
eiaaig  oadt  aUein  oantoanetatem  eli  diaeipationan  eanailioram 
beoiage^  daaduroh  dem  wedr  weder  geratben  noch  gebojfaiio» 
wittll  einaig  undt  allein  anb  pmetextu  et  aimolatione  paeia 
reatauratio  BeUgienia  Bomanae  geauebt  wirdeli; 

Baer  lieber  Freund 

Tolkmar  Söbererd. 

V. 
Herzog  Job.  Caaimir  an  EammeraekretSr  Heufa- 
ner.      (loatniktioDBachreibeD.)      Coburg,    24.    Mai     1612. 
Origin.     A.  I,  82  a,  5,  No.  160. 

Gleichergeatalt  yemehmen  wier  woblgeftllig, 

daa  du,  abweaendt  Ftlrat  Gbristiana  su  anhält  Ld.,  mit  Herrn 
OlBimmerario  au  gutter  conyeraation  einen  anfang  gemaeht; 
dasselbe  wollest  also  continuiren  undt  keine  gelegenbeit 
aataderlioben  in  unsem  Gülsebacben  Sadien  priteriren.  Dem- 
aeUbea  aeindt  alle  un»baiende  beKaat;  aolte  er  anob  in  eiaem 
undt  andern  obetaeala  beben,  wirdeat  du  denaelben  eum 
discvetione  undt  mit  gutter  beaebeidenkeit  begegnen.  Darbey 
aaeh  gegea  ihme  gedenken,  wie  undt  weleber  geatalt,  aucb 


Politik  de»  Herftogi  Johann  Canimir  von  Gol^r^.  538i 

durch  wae  mitteil  dieses  werk  bey  dem  Churfürsten  GoUegio 
abDZubriDgen  were  .  •  .  Stehen  auch  in  d^nepi  gedanokeu^ 
•  .  eixK  solches  beharren,  es  tolle  doch  mit  der  Zeit  mit  undt 
neben  den  andern,  wann  gleich  die  fürschlege  undt  consilia 
nicht  jedesmahls  übereinstimmen ,  yiell  guttes  verrichtet 
werdenn,  do  nur  mellitis  yerbis  pontificiorum  sub  praeteztu 
amicitiae,  concordiae  et  pacis  nicht  zuviell  getrawet,  welche 
utilitatem  et  Hajestatem  Ecclesiae  Romanae  pro  suprema  lege 
a(^tenn  und  haltten.  Darumb  auch  Famesius  Gardinalis  in 
oratione  coram  Caesare  Garolo  V.,  davon  Schieidanus  schreibt, 
diese  swey  stück  pro  comodissima  haereseos  debilitandae  et 
ezstirpandae  ratione  geachtet:  Pacem  nimirum  et  contribu- 
tionem  protestantium  ad  bellum  Turcicum.  Es  will  auch  fast 
die  tegliche  er&hruog  bezeugen,  das  die  pontificy  under  dem 
schein  und  Ihrem  gemachten  verstände  des  Relig[ionfrieden« 
mehr  gewonnen  alls  verlohren  undt  das  gemeine  Sprichwort 
wahr  werden:  Koma  semper  plus  profecit  pace  quam  armis, 
welches  alles  wir  hiermitt  gegen  dir  erinnern,  nicht  zwar  su 
dem  ende,  alls  ob  der  ßeligionfriede  ahn  ihm  selbsten 
zweiffelhaftig,  oder  wir  uns  in  dieses  fürnehme,  hochwichtige 
werk,  dem  Ghurfürsten  CoUegio  sustendig,  einmischen  weiten, 
sondern  das  nur  amor  erga  patriam  et  libertatem  Oermani- 
cam  auch  ahn  diesem  orth  gespürett  würde;  darzu  wir  dann 
nach  gelegenheit  deiner  Relation  auch  dahero  verursacht^ 
weihll  Meintz  bei  Pfaltz  umb  aufihebung  beider  Unionen  ahn- 
geklopffet,  aber  biels  andere  assecuration  vorgeholt  undt  den 
Reichs  Gravaminibus  abgeholffen,  nichts  ervolgen  wollen. 

Inmassen  dann  unser  gnädiges  begehren,  du  wollest  alles 
das  ihenige,  was  dir  diesfahlls  von  uns  ahnbefohlen,  in 
schuldiger  Verschwiegenheit,  darann  wier  ohne  das  nicht 
aweiffeln,  halten  undt  von  diesem  passu  weiter  nicht  alls  mit 
rechten,  erfahrenen  patrioten  pro  ratione  temporis,  loci  ac 
personarum  communiciren. 

Darann  geschichtt  unsere  gefellige  meinunge  undt  wir 
aaindt  dir  mitt  gnaden  gewogen. 

Job.  Casimir. 


540  Politik  des  Hersogs  Joliann  Casimir  von  Coburg. 

VL 
Herzog   Joh.  Casimir  an    Herzog  Joh.  Ernst   den 

Aelteren.     Coburg,    22.  April   1618.     Konsept.     B.  II, 

7,  No.  114. 

....  Nun  ist  uns  gleiohmefsige  Ersuchungsschrifft  der 
Unierteo  steodo  wie  auch  £.  L.  zukommen,  so  wir  aber 
wegen  wichtigkeitt  der  sachen  gründlich  undt  zuyerläüsig 
damals  nicht  beantworten  können ,  sondern  unserm  bejder^ 
seits  geheimten  Rhat  undt  lieben  getreuen  von  Waldenfels 
in  deme  am  Signato  30.  Marty  ihme  zugefertigten  Memorial, 
was  er  su  Dresden  zu  verrichten,  unter  andern  auch  diesen 
punct  in  acht  zu  nehmen  undt  mit  den  Ohurfürstl.  Sächsisch« 
geheimten  su  communiciren,  was  defsfals  vor:  undt  bey  dem 
Eeichstag  zu  thun,  gncdig  uffgetragen. 

Weil  dann  die  üoirten  Stände  des  Churfürsten  zu  Sachsen 
Ld.  in  angeregten,  gemeinen  wesens  nott  betreffenden  saohen 
ebnermafsen  angelangt  undt  der  von  Waldenfels,  ob  undt 
wohin  S.  Ld.  sich  in  schrifften  erkläret  oder  sonsten  difsfals 
bedacht  undt  geschlofsen,  bifshero  keinen  bericht  eingewendet, 
so  ist  uns  bedencklich  in  diesen  schweren  handeln,  darinnen 
wir  uns  mit  des  Churfürsten  zu  Sachsen  Ld.  umb  mehrer 
behutsamkeitt  undt  unsere  Haus  Sachsen  einmutiger  Zusammen- 
setzung willen  gerne  conformieren,  unser  guttachten  undt  ge- 
dancken  Landgraf  Ludwig,  dero  erfolgte  erklärung  wir  uns 
sonsten  nicht  mifsfallen  lafsen,  su  eröffnen  .  .  . 

VII. 
Instruktion    für   die    Qesandten    Albrecht    von 
Steinau    und    Bartholomäus    Schwarzlofs    zum 
Reichstag  1618.    Qetchehen  zu  Coburg,  28.  Juni  1618. 
B.  II,   7,  No.  114. 

....  Ehe  nun  die  Proposition  geschieht  oder  zur  Oon- 
sultation  der  proponirten  Puncten  kömbt,  sollen  sich  unsere 
Räthe  zu  den  Chur:  undt  Fürstl.  Sächsischen  abgesandten 
Drefsdisohen,  aldenburgischen  undt  weymarischen  theilfs  ver- 


Politik  des  Hertogs  Johann  Casimir  yon  Coburg.  541 

fugen,  Ihnen  unsern  gnedigen  gruts  vermelden,  mitt  anzeig, 
weill  bifshero  löblich  herkommen,  dafs  des  Chor:  undt  Fürst- 
lichen Hanfs  Sachsen  Vota  in  Religions:  undt  Prophansaohen 
gleichstimmig  ergangen,  sonderlich  aber  ieso  bey  diesen  ge- 
fehrlichen  leufften  guete  zuesammensetzung  ^um  höchsten 
yonnötten,  dafs  Sie  bevehlichtt  sich  bey  ihnen  Raths  undt 
bedenokens  zu  erhohlenn,  iederzeit  aus  den  proponierten 
Puncten  yertrauüch  zue  oommunioieren  undt  dohin  zueseheo, 
wie  die  Vota  in  unserm  Haufs  allendhalbenn  gleichförmig 
gefallenn  mögen 

Es  pflegen  etlicher  Chur :  Fürsten  undt  Städte  abgeord- 
nete, Ihrer  gnedigsten  undt  gnedigen,  auch  günstigen  Herrn 
undt  Obern  derdclben  angelegenen  saohen  halben,  so  sie  bey 
dieser  Beichsrersamblung  zu  yerrichttenn,  im  besten  zue  recom- 
mendieren,  zum  theill  sich  zur  vertraulichen  Correspondentz 
zuerbietten,  die  sollen  unsere  Räthe  mitt  gebührlicher  ehr- 
erbietung  hören  undt  neben  anmeldung  uosers  gnedigen 
willens  dahin  beandtworten ,  dafs  Sie  unfs  des  gemuths  undt 
dohin  geneigt  wüsten,  dafs  wier  allenn  undt  jeden  Ständten  in 
Ihren  billichen  sachen,  so  zu  des  H.  Köm.  Reichs  wohlfartt 
undt  Teutscher  Nation  wohlhergebrachter  freyheit  gemeint, 
gerne  beförderlich  sein  weiten  ....  Do  es  nun  hochwichttige 
Sachen  undt  ferner  berathschlagung  bedarfP,  oder  gefehrlich  nach- 
denckens  betten,  sollen  sie  sich  mitt  Chur:  undt  Fürstl.  Sachs. 
Käthen  einer  einhelligen  meinung  vergleichen  oder  nach  go- 
legenheit,  do  es  von  nötten,  underthenige  relation  einwenden 
undt  unserer  resolution  erwartten,  sonderlich,  wan  die  Evan- 
gelischen Ständte  vor:  oder  nach  ablesung  der  proposition 
particular  Convent  halten,  gueter  fursichtigkeitt  gebrauchen, 
sintemahll  die  Köm.  Kays.  Mayest  undt  andere  Ständte  leicht- 
lich  offeudirt  undt  zu  argwöhn  undt  nachdenckeu  ahnlafs 
gegeben  werden  möchte. 

Jedoch  erinnern  wier  unfs,  wie  es  im  nechst  verschienen 
Reichstag  A.  1608  gehalten  worden,  do  die  Evangel.  Stendte, 
ehe  dan  sie  im  Fürstenrahtt  votirt,  zuvor  bey  Chur  Pfalts 
zuesammenkommen ,    die   proponierten    Puncto    berathschlaget 


5^%  Politik  de«  Herso^  Johapn  Cftsimir  von  Cobarg. 

undt  8Jch  einer,  einhelligen  mainung  per  majora  vergliechenn^ 
TTfej^cbe  coDJanctio  an^morum  der  Zeit(  Tor  heilaamlich  an- 
g;eA^^ny  auob  bej  ieng;enn  Bchwehrenu  leoffteii«  b^yor  ab  in 
siAben  den  Sa^gio^Bfeiedt  betreffend  und  welche  davon  de- 
PlP^idjre^i,  iipb  «o  viell  desto  mehr  hochnothwendigk ;  inn 
weldiein  unBerQ^ftthe,  wie  andere  der  wahren  apgtborgischein 
QopfeB^on  verwandte  suTörderst  aber  d|e  Chor:  undt  Fi^rstl. 
Qljjihß,  sich  hierinnen  erzeigen  werden,  ufaobtung  habenn 
spUen^n 

Belangendt  die  Puncten,  warum  diese  ietsige  Reichs- 
yen^amblung  yono  I,  Kays.  May.  angesestt,  werden  etliche 
im  KayserL  aufsschreiben  specificiert»  darunter  theills,  so  zom 
Jusjtizwesen  gehörig,  de^  puncto  contributionia  yoxigesetztt 
Wie  es  auch  nicht  herkoipmen»  dafs  allweg  yon  dem  puncta 
contributionis  am  ersten  tractiiret  werden  i|i^,üfite,  sondern 
di^rmiter,  naohdeqA  es  die  notturfft  erfordert,  gehaltenn 
w;orden  .... 

Sollt^  aber  Tonn  Böm.  K^ys.  ^y.  ein  anden  begertt 
uQdt  die  gefahr  in  Siebenbürgen  wegen  gemeiner  (JSiristen- 
I^eit  Erbfeindes y  de§  Türekenn,  gefehrlicl^en  Praktil^en  undt 
aqsschlftgen  ezaggeriret  werden,  is^  dagegcfp  zue  bedenckenn, 
wo  die  Justitia  nicht  ^rst  in  ricl^tigkeitt  gebraohtt,  dafis  in 
puncto  contributionis  schwehrlich  zuyerfahrenn ,  zumahll  in 
iezigem  schwierigen  zustandt  des  hl.  Reichs ,  welcher  yor 
all^D  dingen  in  achtt  zue  nehmen  undt  durch  abhelfFung  der 
grayamii^um  zu  remedyren ;  sonsten  hat  die  erfahrung  gebenn, 
^an  die  Contributio  yerwilligett  undt  man  über  solcher  trac- 
tation  müde  worden,  dt^  man  wiederumb  yon  einander  ge- 
zogen, undt  also  punctus  Justitiae  steckendt  blieben  oder  uff 
deputatiou:  undt  andere  Tag  yerschoben  worden.  Do  aber 
der  J^ustitii^  erstlich  geholfenn,  wurde  dadurch  einn  befser 
vertrauen  undt  zuesammensetzung  unter  den  Stftndten  ge- 
pflanzet, auch  dieselbe  in  contribuendo  desto  williger  undt 
besser  beyspringen;  hingegen  do  nicht  innerlicher  friedt, 
i^e  undt  guttes  yemehmen  im  heil.  Reich  gestifftet  undt 
die   interna   mala   curiret,    kein    succefs   wieder   audsweritige 


Politik  des  Herzogs  Johann  Casimir  von '  CoibaVg.  {|43 

feinde  zugewärtten ,  wie  ^e  Historien  UMer^'^ilTigBam  'tlbdt 
tLberflÜBsfg  bezeugieinn;  dAn  wie  die 'ttlti^iin  i^^gtt:  TüräAB 
tantum  terraräm  OHtistiini '  ndminis  per  dlscdrcKarum  'tiodtra- 
räm  oöoasibties  intercepisse ,  (^iianiüVn  nös,  öüplditatibtis  et 
äeditionibus  ayefai,  diroisimus. 

Nun  mögfe  däTs  erbieten  g^böhehiefny  dafs  die  be3rde 
päüota  pari  paitu  '  sue  traotiieten  düdt  die  CioithoUBche  '  per 
tnajora'  daÜinn  Bchliefsenn,  oder,  do  änftngfiW  gewil^  mittell, 
Vie  die  Juetitia  in  riöhtigkeit'sue  bHngen,  Mr^esbhlajg^^ny  Üer- 
naoher  'aber  Wölill  nicht  leichttich  eiüe  'vergteichutig  zue 
treiffeihi,  ainieiiätill ' das  Jukiti'enwerk  sehr  '^weitleufftig ,  '  doch 
punctos  contributionit  mitt  ansiehung  großer  gefähr  Vor  die 
handt  genommen  undt '  alko  per  'allAm  et  'di^er^m  modam 
einerley  intönt  zuerüngian , 'tentiirt  werden.     Wir  halten  4*ber 

'dafär/die  EVängelisoh.  dtändte  sotiderliöh  die  Unierte  weifdön 
pari  prddentia  et  '  sollicitödfne  dab^j  b^iätendig  vei^arfen, 
daCs  '  die  gravämma  zuvor  'äbzü^schaffbnn,  oder,  '  wenngleich 
ad 'punctum  bontribütiönis' glimpfs  halber  gekiihriettehn ,  doch 
diese  b^nditiones  tnitt  anlieng^n,  dadurch '  dan  punctus  con- 
tributionis  in  effeota  nachgeseztt  undt  ebnermassen  per  alrdm 
modüm  '  zde  mrem  'scöpo'  cbfibiten :    Nemblibh  wofeme   der 

'!Reli^6Äfriedt  erneuert,  ^denali^in'uüdt  neuen  graVainTnibus 

^'kb'^e'Kotten,  die^VWp^öcbfs  undtV^itt  aüssehefiae' gefehfliÜhe 
JfeBuiiisblie  lPi^ktlken''flrti^%8teIlt  ubdt/ was  die  felv^ii^^^^ 
In  jitiücto  tfes  'tteli^diiBf^^den  'sibh  'zu 'dk  Jö^tismu 
CathotiiBislien  sdV^erseheän /^dsdbburirt  'iihdt  "Verinifiettt.  'Do 
n^n  aie*Cä{tioltBcHen'1fi^]finnW''fnbht*¥eichbn/8bn'd^rn  itäch- 
d'^btail^lie  '*k^ng  'iindt*  Olauilttl' '^lablien ,  'dar^Ur  die  '^er 

*  (JfÄBiötBach '  voWeWttebh  '^  zu  '  imfiltBiren    undt    züVfeJrtteäiien, 

"bej'^^elcliym  VbrbeMlt  'äSer  ^afs  lAI&^üen  niblitt  ktiff- 
g^^dD/'Bbndern'der'fliiHi^yfriiä^  in^  e!ii«n<''{ingtelcllen''«ttdt 

^lieD' e'ValiliU/^ifcn^n  ''nnV^dlichen  'yäMtalldt'i^»slb'gen'''«HMt» 
'»abr'^dilföh'  i:  mj%:''1ääy.  äiie'  Bdl»ie*läte^bdti(>n,  'W^lie 
'die  tiispViäUtien'Vöt  älbh'']ä{eVpt6£fVen^'l^nlibn/e¥«ol^;nst 
zue  besorgen,  daf»  die  Eyangelischen   in  Hath^'^fliobtt/'^^Air 

^"i^mkn  "föli'dehi  '^ih^bh'lihBlärn'tiii'dt  ^a«lnllübh'''db/  SSichstag 


544  Politik  des  Heriogs  Jobann  Cftsimir  von  Coburg. 

einen  solchen  aufsgang  gewinne,  wie  A.  1608  geschehen; 
darauff  anders  nichts  dan  hochschädliche  irennung  nndt 
innerliche  Zerrüttung  im  heil.  Köm.  Keich  undt  unserm  ge* 
liehten  yatterlandt  suehefahren.  —  Im  nechstgehaltenen 
Reichstag  hahen  sich  die  Churfürstl.  Bäthe  yonn  den  Eyangel. 
beydes  in  priyatis  undt  pnblicis  conyentibus  hierinnen 
nicht  abgesondert y  sonderlich  aber  im  Fürstenrath  crafPt 
habenden  beyelchs  bertLrte  Gonditiones  öffentlich  fttrbracht, 
über  welchem  yoto  die  Eyangelischen  Ständte  sehr  erfreuett, 
dahero  wier  in  hoffnung  stehenn,  es  solle  weniger  nichtt  bey 
dieser  Reichsyersamblung  ohne  alteration  gleichmessige  nmb- 
trettnng  geschehenn* 

Do  auch  unsere  Gesandte  neben  den  Chur:  undt  Fürst- 
liehen Käthen  dem  gemeinen  wesen  cum  besten  bey  einem 
oder  andern  standt  erinnern  können,  sollen  sie  solches  mitt 
gutter  bescheidenheitt  undt  glimpff  nicht  unterlassen. 

Die  grayamioa  an  ihnen  selbst  betreffendt,  mögte  kein 
unbequemer  weg  sein,  dafs  dieselbe  ordentlich  zusammen- 
getragen, der  Köm.  Kais.  May.  ezhibirt  undt  umb  abstellung 
gebeten  würde 

Nachdeme  aber  der  theuere  Religion:  undt  Prophanfried 
nechst  Göttlicher  yerleihung  das  bandt  gewesen  undt  sein 
mufs,  dadurch  die  Ständt  im  heil.  Reich  beyeinander  in  ruhe 
ondt  einigkeitt  erhalten  worden,  welches  etliche  feindtielige 
undt  friedthäDsige  leutt  zu  labefaotim  undt  wiederumb  uif- 
zulösen  sich  unterstanden,  so  ist  uff  jüngsten  Reichstag  yon 
den  gesambtten  Syangelisohen  Ständten  heileamlich  undt 
wohl  bedacht,  dalii  yor  allen  dingen  umb  ConfirmatioQ  undt 
emeuerung  des  Religionfriedens,  sowohll  ernstliche  inhibition 
der  schandt:  undt  schmähschriffteu  anzuehaltenn ,  dann  die 
Gatholischen  BtLcher,  so  mitt  Kaysserlicher  freyheitt  getruckt, 
seindt  offendtlich  am  Tag,  dorinnen  der  Religionfriedt  eine 
blofse  tolerantz  genennet,  auch  dahero  in  zweiyel  gezogen 
wirdt,  weill  der  Babst  seinen  Oonsens  undt  einwilUgung  nicht 
gegeben  hette. 

So  wirdt  ein  fast  neuerliche  eztensio  in  deme  gemachtt, 


Politik  des  Üersogs  Jobaon  Cftsimir  von  Cobarg.  545 

alfs  ob  OlöBter  undt  Stiffte,  so  in  alieno  territorio  gelegen, 
dessen  dergestalt  vehig,  das  ein  Landesförst  dieselbe  zue  re- 
fonniren  nicbtt  maohtt  bette,  sondern  allen  Persobnen,  wer 
die  aucb  weren,  prozefs  zuerkennen. 

Was  nun  dieser  interpretation  anbengig  undt  welobe 
grofse  confusiones  updt  weittening  wegenn  restitution  der 
reformirten  Stifft  undt  Clöster  daraus  contequenter  yolgen 
müssen,  ist  leicbtlicb  abzuenebmen  undt  bedarf  keiner  sonder* 
babren  erzehlung. 

Befsgleicben  selten  etlicbe  von  dem  Beligionfriedt  aus- 
gescblossen  werden,  würde  es  obne  eusserste  Verfolgung  et 
bellorum  intestinorum  motibus  nicbt  abgeben,  sintemabl  paz 
religionis  est  paz  publica  et  politica;  welcbe  nun  davon 
auTsgesoblossen ,  die  sind  ezcommuniciert  undt  anatbemasiret, 
alTsdan  die  würoklicbe  ezecution  zu  vollstrecken,  dobin  der 
Jesuiter  Consilia,  Praktiken  undt  abnscbläge  gericbtet. 
Darumb  unsere  Gesandte  diese  versioberung  undt  Oonfirmation, 
doeb  obne  praeiudicirlichen  anbang  oder  Olausul,  mit  vleifs 
urgiren  undt  befördern  helffenn  soUenn 

Wan  dieser  grundt  gelegt,  sind  unter  den  Punoten,  so 
in  das  Justizwerk  lauffen  die  HauptarticuU ,  dafs  vor  eins 
die  Kaiser!,  procefs,  so  wieder  die  Eeiohsoonstitutiones  ein- 
zuestellen  undt  der  Hoffratb  mitt  beyder  Beligion  verwandten 
zue  besezen,  dan  sonsten  ist  sonderlich  in  Eeligions  undt 
derselbigen  anbengigen  saohen  des  Olagens  kein  ende  undt 
der  Diffidentz  nimmermehr  abzue wenden. 

Dan  undt  vors  andere,  dafs  die  Stadt  Donawerth  wieder- 
umb  in  Ihren  alten  standt  zue  sezen,  sintemabl  weill  diese 
ezecution  aUs  wieder  die  Reichsverfafsung  fürgenommen  .... 

Würde  nun  in  diesen  Puncten  gnedigste  verwilligung 
wiederfahrenn  undt  also  innerlicher  friede  undt  veranlässige 
■icherbeitt  ofgerichtett,  zweifeln  wier  an  der  Svangel.  Ständte 
mitleidenlichenn ,  treuherzigenn  bezaigung  wieder  den  Erb* 
feind  Christi.  Nabmens  gar  nicht  .  .  • 

Dameben  dieses  zu  erinnern,  wan  uff  eine  ordinari  hülff 
geschlossen,   dafs  wier  inmittelst  mitt  pariicular  undt  extra- 


546  Poetik  d«s  Hertogfs  Johann  Ofttimir  rtn  Coburg. 

ordinari  Craifsh&lffbo ,  d«rer  man  "wiMl  g«übn^t '  Bein  43tti, 
im  Ml  bej  allen  Craifften  undt  Btändtta  eine  gl^Mikeit  ^ 
haltenoi  rerschooet  bleiben  mögen ;  dan  beyde  hitffen  uAtehi 

landen  unerträglich 

Wier  wollen  unfs  zwar  von  demienigen,  so  in  gesambt 
geschlossen,  nicht  absondöm,  können  unfs  aber  su  dtfoittg- 
licheu  Dingen  auch  nicht  yerpfliohtenn  .... 


VIII. 

Hersog  Joh.  Casimir  an  seine  Gesandten  (Stei- 
nau  u.  Schwarzlofs).  (Instruktionsschreiben.)  Tenne- 
berg, 10.  August  1613.     Konzept     B.  II,  1,  No.  114. 

Liebe  getreue 

.  .  .  Die  andern  gemeiden  obliegen   betesg^nd,  ^weiisn 

wir  wäB  uff  eaeire  künftige  paiticalar   Relation  'daMiff"wo 

Vonnöttön  Ifomer  insoflderheitt  resolyiren,  undtBOTiel^mtlglMi 

es  dohin  richten,   damitt  glelehfBkmige  rota  in  unserem 'tens 

gefiillen.     Versehen  uns  Hber  die  OhurfÜntl.  9SehB.*g^e8andte 

werden  sottderlich  in  ptincto  des  ReHgidnsfdedens  sieh  ^^eroMUs 

moderiren,   das  kfelüe  trennung  oder  absonderong  ^^pn '^dta 

EVatij^lisbhen  Stflhden  zu  ^ül^n,  ütt^eithen^gedanoken  t«j 

dilem  tindt  dem  ariden  theil,  als  ob  man 'die  Sviuigdliseien 

'  rtdniren  hcMP^n  'oder  'do6h''die  OaHioliMhen  'dnth  'dero  evfte- 

rung  mutiger  machen 'WOHe,  fHtztikinumen  <nndt<^abiiK^ii4ta, 

do  '  dboh  bb^e  '  ektrema   sdir  gcKftiylibh , '  sotid^m  *  ^e  wage 

^^leichtem    Mu  'haftton     oder  -^rttos  ^'tlieditttoris  'nff   ttioh  t^zu 

nehikien  undt  b^yde  Hheil  'zu  'guttem  <nAMiti((en  'YMnüton 

'  iHiddefi^mb  zu ''btlfi^ton, '  'bby*  'i^toigen '  kuMndt  tles'iheil/  Baiehs 

'H^h  "tioft#älldig,  'l^lohes    Ihr  '  b<»y  '  dton  <  OhtfiMMMn  ^tie- 

'Mh«Melitli^h''AidiHnn«»n,  'btovdMb  ireil  *M»hstrMltett«iPMMM- 

^g  «e  (»Aitfllrsil.  "SaMiB.   mHt*><ftn  t>EyangeltoÜWn^<flHb4to 

umbgetretten    undt  den   ps^ioülar  vornffTM^ttyks  iM^rgiAii^^ 

'^d^ofhfttbendfe'ftltthttlo'^cotttifllMtm  «mb'^BO  ^l^^dMte  naeh- 

'Ütetkltbh'  seyn  tftOKte. 


FoHtfk  dM  BOTWff»  MMum  GMDrfr  rtm  CUNVg.  5i|7 

Dm  aber  <Ke  Aldeobinrg.  Bätiie  der  He£E^toeew  hüben 
Bo  instrairt»  kaum»  wir  die  nfavMuoh,  damitt  »aiatMi  te  ep> 
langte  Kaie.  Beeret  n  puaelo  priiaeymitara»  hiefianii  nmkit 
selbst  TBipagBirt,  M«liilHdi  emefMo  .  .  •  . 


IX. 
Hezsog  JoluOaaiiair  an  seine  Oe^andten.  (Inatrak- 
tionssohTaiben.)    TeiiAeberg^   81.  Aogaet    1613.     Koniept 
B.  II,  7,  Na  114. 

•  •  .  .  Soneten  d^e  firgangene  i^Mompaata  undt  toaieraag 
betreflSBnd,  indeme  die  oerfeepoDdierende  Rtrangiei  Ohiv: 
Fürsten  undt  Städte  den  Hbergebenen  graTaaiiaAae  ?iv  aUea 
dingen  absuhriffen  gebette»  nndt  eka  aackt  aar  berhat- 
fokäignag  der  Hais,  propoeiti^nspanoten  eohreitle»  wdlea,  ktt 
gutta  behutsamkeUt  yonndtilen.  Bann  tott  mmm  tiob  eoi  parte 
AftehsenB  den  eorreepondiereaden  dteokaut  oftenbarlidi  aoooaia^ 
tiren,  werden  es  I.  K.  M.  beeh  eaipflnden  nndt  im  den  CM* 
cbisohen  saohen  vergelten  laXsen;  kingagen  d»  die  Ihitrte 
eine  gentsliohe  abaonderoag  tpttrea,  haben  wnr  «bermafals  nn- 
gleiohe  naefare^  nndt  grofee  nngelagenbeit  su  befttoen.  Deva- 
wegen  wir  fOn  beste  aasebe»,  daa  eia  nultilwag  an 
ütodt  soUet  demnach  eneh  bey  den  tFniiien  ea 
wie  des  Gharfünten  au  Sooheen'  Ld.  laut  beg^iegande»  Extmels 
genn  Marfegiaf  Jeachiai  Bnsten  Ld»  aagebraohtlie  warbnng 
eidk  dohin  erfclftrt,  weil  domals  nidit  aagadeatet,  was  Hk 
gravamina  sttsanmieff getaagen ,  wotanf  dieselbe  bastoha»  und 
wieder  wehn  sobhe  angeateUet»  so  betten  S.  Ld.  Ibae  SSM» 
nur  in  geaere,  nicht  aber  in  apeeie^  lastrairea  kikraen,  wahdie 
comnmnieation  uasers'  wifteaa  yer  aiigeata)tea>  Baiohstag  niaift 
errolget,  riel  weniger  uns  eröffnaty  waa  8r.  de»  Cborltirataa 
Ld.  insonderheitt  off  einen  oder  den  andern  pnnct  gaasfttt 
inidt  meininig.  Dahero  yirifr  unsem  Iheils  axuA  ia  ipeoie  aaeht 
ioBtroiren  kennen ,  sintemal  uns  nicht  gebtret,  dem^  oapiti 
ttttdt  dSrectori  ÜMniliae  yorzngreifltMs,  eondbvn  beftirtc« 
eation  nofthwendig*  erw«rtten  mttetan. 

XVIL  56 


548  Politik  des  Htri ogs  Johano  Casimir  von  Cobnrg. 

Inmittelst  aber  sollet  ihr  Chur  Pfalz  als  directom  der 
ünirten  abgesandten  ad  partem  yergewifsem,  das  wir  uns 
alls  dasjenige,  so  su  erhaltnng  des  Eeligion:  undt  Prophan- 
friedensy  höchsten  yleis  angelegen  sein  Isüsen  undt  neben  des 
Ghurf&rsten  zu  Sachsen  Ld.  interveniendo  als  Mediatom,  so- 
viel immer  müglich,  dabey  thun  weiten,  des  yerhoffens,  diese 
unsere  erklämng  werde  ohne  offension  undt  unglimpff  ab- 
gehen, auch  inzwischen  der  paroxysmus  farüber  seyn,  das  es 
keiner  fernem  Resolution  oder  Instruktion  bedürftig. 

So  ist  den  Unierten  aus  ICarggraf  Georg  Friedrichs  Ld. 
relatiön  ohne  das  unyerborgen,  warumb  wir  diüsfals  fürsichtig 
zu  gehen,  dabey  da  S.  Ld.  damals  freundtlich  uns  yor  ent- 
schuldiget gehalten. 

Würden  aber  die  Ghurfürstl.  Sachs,  sich  difsfsls  aller- 
dings absondern  undt  mitt  der  Catholisohen  Ständen  yotis 
simplioiter  gleichstimmig  seyn,  auch  dergleichen  euch  an- 
muten, sollt  ihr  euch  glimpflich  undt  bescheidenlich  uff  defeo- 
tum  instructionis  referiren,  mit  dem  erbitten,  ans  den  fernem 
yerlauff  förderlich  zu  berichten. 

Daneben  yeraehmen  wir  geme,  das  zuvorderst  von  dem 
justitienwesen  zu  deliberiren,  indeme  ihr  euch,  so  viel  des 
Kaiserl.  Cammergerichts  reformation  betrifft,  den  majoribus  zu 
accomodiren.  Do  aber  aus  allerhandt  neuen  furbrachten 
avisen  des  Türkischen  Einbmchs,  wie  man  da  vermutlich  die 
Gurrier  lauffen  lafsen  wird,  die  grofse  gefahr  ezaggerirt  undt 
also  ex  novis  mergentibus  punctus  contributionis  vorgesetzt 
werden  weite,  habt  Ihr  euch  in  dem  protocoU  nechstgehaltenen 
Eeichstags  zu  ersehen,  warumb  vor  einwilligung  einiger  Con- 
tribution  dem  nottleidenden  justitienwerk  zu  helffen  undt 
bey  damals  gemachten  Schluls  zu  beharren;  dann  im  gegen- 
fall, wan  die  Beichssteuer  gewilliget,  alle  sach  in  ein  stocken 
gerhaten  undt  verschoben  werden,  wie  die  erfahmng  bifshero 
gnugsam  bezeuget.  Derohalben  Ihr  euer  votum  dohin  lu 
richten,  das  vor  erledigung  gemelten  articuls  sowol  des 
Gülchischen  Succeesionsstreitts  Ihr  euch  in  puncto  contribu- 
tionis  einsulafsen  keinen  bevehl.     Wir  würden  uns  aber,  da 


Politik  des  Hersogs  JohtDO  Casimir  von  Coburg.  549 

beyden  puncten    abgeholffen,   aller   mugliohkeitt   gehorsambBt 
erwdiBOD. 

Die  proceBB  am  Kaiserl.  Hoff  sind  den  Eyangel.  sehr  be- 
schwehrliohy  wir  hielteD  aber  dafür,  das  diesen  dingen  am. 
bequembsten  durob  eine  Reformation  zu  belffen,  also  das  der 
kaiserl.  Hoif-Rhatt  in  gleicber  anzabl  mitt  Bömiscber  Oatho» 
liscb  undt  Augsburgisch  ConfessionTerwandten  zu  besetzen. 
Wofeme  aber  die  rota  dahin  giengen,  das  es  bey  dem  alten 
wesen  zu  lafsen,  sollet  Ihr  ausdrucklich  darin  nicht  willigen, 
sondern  euch  dermafsen  erklären,  das  weder  I.  K.  If.  per 
aptum  dissensum,  noch  andere  Stände  per  expressum  consen* 
Bum  dadurch  offendirt 


X. 

Belation  des  Gesandten  Sohwarzlofs  an  Herzog 
Job.  Casimir.  KcgeoBburg,  28.  August  1618.  B.  11, 
7,  No.  114. 

Ist  demnach  mihr  nicht  wohll  bey  diesen 

Sachen,  so  periculi  plenissimae  sein,  undt  wehre  nichts  lieber 
dann   das   £.  £.  F.  F.  0.  0.  mich   sub   qualiquali    praetextu 

Wiederumben   abfordern Dann    dieses   hat  mich  der 

TOD  Lüttichau  in  höchstem  rertrawen  berichtet,  wie  Sie,  die 
Ghurfürstl.  Sachs,  abgesande,  Tonn  ihrem  gnädigsten  Chur* 
fttrsten  undt  herrn  noch  fernem  besondern  beyehlich  be- 
kommen auch  in  eyentum,  wanngleich  die  Gorrespondirende 
Stände  sich  vor  erörterung  der  gravaminum  zu  Ihren  Ses- 
sionen in  den  dreyen  Ständen  Bäthen  nicht  bequemen,  son- 
dern davon  ziehen  thetten,  das  Sie  nichts  desto  weniger  alhie 
yerbleiben  undt  uff  die  proponierte  kaiserl.  punota  neben 
den  anderen  ahnwesenden  Gatholischen  consultiren  undt 
Bchliessen  helffen  sollen,  welches  mihr  sehr  befrembtiioh  fttr- 
kommen,  sintemahl  man  sich  dardurch  den  Majoribus  bey- 
pfiichtet.  Undt  geschieht  solches,  so  werden  sonderlich  die 
Pontificy  fn  ihrem  proposito  dardurch  armiret,  undt  ist  nichts 
gewissers  zu  befahren,   dann  das,   ob  Sie  wohll  selbsten  yor- 

36* 


5^  PoHti^  4«^  H^rsifCi  JohßBU  (kri^  wn  Cotem. 

^eDden,  das  ^ie  Wi^pr»  in  pun^  ItoUgionla  mAt  9M^ 
haben,  dannaoh  io  andero,  etiam  a  puncto  Beligionifi  dif» 
dentibuB,  sodaiin  ip  p^^oto^  J(|iti^90  un4(  daggliyüliwi  der 
soblofs  per  majofa  alfo  eifoJigei\  vir^fi^»  ^^  <^l®  wdt  jf^ 
Stiefft  undt  Glö^fr*  so  M^t  APIM^  l^^^  herq.  ei^^ßßgirm  nnÜ 
refprntuerety  (:  i^o^^o.  di^  yier  01ö(|iei; :)  mit  $\\^  T<9n  9oMlor 
Zeit  hero  erhoben^^  n^^tf^^iigfip,  nndt  so  4^Toqk  hetl#n  er- 
hoben werden  können,  (:wie  dani^  dei^  von  X'üttiahaiL  moh 
bericbtety   4i^  die  Cat^olioi  4iW^  emt^lipb  «u  ^iringfo  T4^ 

haben^;)    oh^e   yer^ug^.  re8^t^ir^   w^^eu  follea 

Wohnet  nahn  Sf^oha^o  iv^  8plphei|i  a^eQ  den  Q«^iMMlIit4tio«iiMi 
bejy  undt  also  alsdan  die  majora,  so  die  opijUiom  aUumsf 
nach  sich  sieben  sollen  undt  wollen,  Stadt  haben,  w^det 
man  ex  parte  Sachsen   bey  den  anderen  Evangel.  Oorreepon- 

dierenden  Stenden  eine  grofse  Inyidiam  ufT  sich  laden 

So  ^U  ich  es  SU  B.  £.  F.  F.  0.  0.  fnedigen  naofadencken, 
ob  nicht  dieselben  endtweder  durch  Schreiben  oder  eine 
eihlende  ahnsehenliche  Legation  höchstgedachte  Chorfüistt. 
Gnad.  su  Sa^oli^  n^it  eri^^mog  ahvg^regter  undt  aller  an- 
derer  be^chwerlicthen  Ooosejq,ueniiea  dajbia  su  ip^raögenp  di^ 
dieselben  ih^eit  befehl  retn^^tiere^ 

XI. 
Herzog    Job.     Casimir     an     seinen     Gesandten 
Schwarzlofs.  (Instruktionsschreiben.)  Tenneberg,  I.Sep- 
tember 1618.     Konsept     B.  II,  7,  No.  114. 

.  •  .  Bekü|i^mp.rt  un^  nict^  wenige  dai^  di^  Chjurf,  ßMm. 
dohin  instruirt  spja  sqUca,  w^Qg^ioh  d^r  Correw>«4^ejr(E>nd^ 
Ohu^:  Fiqrsten  undt  Städte  ab4;^ft#pdte  ui^f(t  peitt|K)h|4t^.  t<hp 
erörtterung  der  übenr^ohten,  g^vaminum  de^^Bathagangp  sjish 
euff^rn  nuidl  dayon  zie)iei^  theten,  nÄofct^  d/epf^wenjige^  m 
yerharren  up^i  P.^I^Q,  «MCi^^^  aiiwe^fmde^  Qathplisdmii,  uff 
diCf  Kji^erl,  pro|i|ositioi\spunct0p.  zu,  con^altireii  uiidi  im 
soh^efsep;  dann  spj^ol^es  i4c)M:  «flqn  W7e4ar  dfff  h/^k^^m^ 
sondern  au^oh  die  luerf^fts  y;olg^de  ußn^n^ß^t^  gfx,  ^  \ifif 


P^IHik  dto  H%no^  Jöhünn  Caihniir  von  Coburg.  ^X 

MhweMich.  Dahet  ^mt  kieSn  ander  befeer  uhdt  biequetiier 
ttkittd  bey  udb  finden  ülidt  eHbtoften  können  Äann  Ifried- 
littb«iid  CH^fiir:  nndt  Fürsten  bevorab  abe^  Chur  SEtohsen  td. 
Unterhandlung,  dohin  aueb  Landgtaf  Ludwig  Id.,  iBrzh^zog 
Kttädmüian ,  Pftdagraf  Pyi.  Ludwig  Vetnuntiftig  erinnert, 
wetehei  Wir  als  unsem  cotisiliis  geitaeh  gantz  gierne  yer- 
noihimeb. 

WiiBWohl  dumu  eaet  einig  TOtum,  oontradictio  oder  nen- 
tM  enseigöng  vrieder  die  majota  wenig  angeerehen,  bo  will 
uns  i!^oh  bedeVicklich  fUrf^en,  euch  noch  zur  zeitt  absu- 
föirdern,  dton  ^eb  bey  Eötn.  Kais.  May.  utodt  andern  Stendeh 
giBt  utagleioh  Yietstaudten  undt  dobin  gedeutet  werden  mögte, 
i^k  ob  wir  den  lersten  iifibhioh  mabhen  undt  zut  naohyolge 
t^rtaeh  gtoben  wolten  .  .  .  darumb  Ibr  euch  zu  gedulden, 
berotab  weil  sich  der  Reichstag  ohne  dab  in  kürtze  enden 
ittdgte  .... 

XU. 
Kurfürst    Joh.   Georg    aii    Herzog    Job.    Gasilnih 

AUgustusburg,    5.   September    1618.      Original.     B.  II,   7, 

No.  114. 

Fügen  £.  Ld.  hinWiderutnb  zu  wissen,  dafe  uh- 

selre  gegen  Regensburg  deputirte  BKthe  uns  gbugsamb  be- 
ri^ht  gethaby  was  baldt  n^eh  ervolgter  publicatibn  delr  Keyserl. 
Piro]positio^  undt  ersten  Ratbgang  Vor  geflohrliche  se^ara- 
tit^nes  in  alten  dreyen  Chur:  Fülrsten  undt  Städte  Bath  et- 
Yolget  undt  nachttials  albBS  ein :  undt  Zuredens  utigeachtet  coh- 
tinuiret  werden. 

Wie  wir  nun  solches,  ininaft  B.  Ld.  leichtlich  zu  er- 
töten, ungerne  erfahren,  also  lieind  wir  in  denen  ufaiweik- 
Itohen  jgedahcken  gestatfden,  eb  Würden  di^  Üortrespohdierenden 
Ohnfr:  Fürsten  undt  Städte  datbey  nicht  yerha'liren,  inn  er- 
Iri&gung,  disfs  dittter  ibodus  ptooedendi  bey  ReichlBtägen  uh'dt 
sMd^riioh  in  gegehWaKt  I.  E.  May.  g^nz  ungewöhnlich  ü'nfft 
unerhört,  I.  K.  May.  den  punctum  Justitiäey  nach  defsen 
eHedigung  menniglich  gieisedlPzet,  in  dero  Klsyserl.  Prolpobition 


552  Politik  dM  Htrsogs  Jobaon  Caftimir  von  Coburg. 

nicht  allein  den  ersten  sein  lafsen,  sondern  auch  sich  gegen 
den  Gorrespondierenden  dohin  gnedigst  erklert,  data  noch  bey 
wehrenden  Reichstag  den  übergebenen  «grayaminibus  billichen 
diogen  nach  abgeholffen  werden  solter 

Weil  aber  defsen  allen  ungeachtett,  wie  embsig  auch 
darumb  gesucht  undt  gebeten  worden,  die  Gorrespondirenden 
sich  zu  den  gewöhnlichen  Batgängen  nicht  vermögen  latsen 
wollen,  undt  höchstgedachte  I.  K.  May.  sowohl  andere  treu- 
herzige  Stände  bey  uns  umb  erklerung  angehalten,  ob  nioht^ 
do  ie  die  Correspondierenden  auf  gefaster  meinung  bleiben 
würden,  mit  deliberation  der  Keyserl.  Proposition  in  den 
gewöhnlichen  Reichs  Räthen  zu  verfahren,  so  haben  wir  uns 
kegen  K.  May.  dergestalt  auch  underthenigst  erkleret,  unsem 
nach  Regensburg  deputirten  Räthen  auch  solcher  unserer 
meinung  underthenigst  nachzukommen,  anbevolen.  Und  wollen 
nicht  hoffen,  was  vermög  unserer  I.  K.  May.  undt  dem  Reich 
geleister  pflicht  den  Reichs  Constitutionibus  gemäfs  also 
von  uns  vorgenommen  wirdt,  dofs  es  iemandt  mit  fug  dahin 
deuten  wirdet  können,  die  Rom.  Gatholischen,  wie  £.  Ld. 
schreiben  andeutet,  inn  Irem  intent,  nemlich  die  Evan- 
gelischen zu  underdrücken,  die  reine  unverfelschte  Lehr  aus- 
zutilgen, hingegen  des  Babsts  greuel  in  Deutschlandt  wider- 
umb  eiozuHihren,  zu  sterckeo.  Denn  Gott  lob  uodt  danck 
wir  eines  andern  unterrichtet,  auch  des  Ghur:  undt  fürstl. 
Haufaes  Sachfeen  standthafftigkeit  undt  liebe  gegen  der  waren, 
unverfelschten  Religion  gnugsamb  bekandt,  darbey  wir  mit 
Gottes  hülff  zu  leben  undt  zu  sterben  gedencken. 

Was  sonsten  E.  Ld.  wegen  der  K.  May.  gefährlichen 
vorhaben  gegen  die  Oorrespondierenden  andeuten,  davon  ist 
uns  gar  undt  gar  nichts  bewust,  können  auch  nicht  gleuben, 
dafs  solches  die  sanfftmuth  undt  gelindigkeit ,  damit  vor  an- 
dern das  Häuf 8  Osterreich  gezieret,  I.  K.  May.  zulafsen, 
halten  es  mehr  für  Discurs,  wie  es  bey  solchen  schwierigenn 
Zeitten  pflegt  herzugehen,  als  vor  eine  gegründete  Wahrheit. 

.  .  .  Und  weil  durch  diese  separationes  die  publica  in 
ein  stecken  gerathen,  so  haben  £.  Ld.  leichtlich  zu  erme£sen. 


Politik  des  Herzogs  Jobton  Casimir  von  Coburg.  55^ 

data  die  privata  ale  die  Ottlichisohe  tache  Iren  richtigen  fort* 
gang  auch  nioht  haben  kan. 

£.  Ld. 
getreuer  yetter,  bnider,  nndt  geyatter 
Johans  George  Churfttrst 

XIII. 
Herzog    Johann    Casimir    an    seinen    Gesandten 
Schwarzlofs,  (Instruktionsschreiben.)  Tenneberg,  9.  Sep- 
tember 1613.     EoDzept.     B.  II,  7,  No.   114. 

.  .  .  Wollen  wir  zwar  hoffen,  es  werden  friedliebende 
Stände  treuherziger,  gutter  wolmeinung  das  schädliche  mifis^ 
trauen  undt  dahero  besorgliche  öffentliche  trennung  absu- 
wenden  undt  fürzukommen,  sich  mit  allem  treuen  eiyerigen 
yleis  interponiren  undt,  wie  weitt  es  der  überraichten  graya- 
minum  halber  yermittelst  güttlicher  handlung  zu  bringen, 
yersuchen,  inmassen  wir  an  unserm  örtt  einen  weg  als  den 
andern  mitt  erinnern  undt  unterbawen  unnachläfslich  ansu- 
halten  bedacht  undt  beschlofsen. 

Seite  aber  die  Rom.  K.  May.  wieder  geschöpffte  zuyer- 
sicht  zu  angeregter  interposition  ungeueigt  seyn^  oder  die- 
selbe ohne  frucht  abgehen,  auch  darauff  der  Ghurf&rst  zu 
Sachsen  neben  andern  Catholischen  Ständen  zur  consnltation 
der  Keys,  proposition  einyerleibten  puncten  schreitten,  ist  difs 
unser  beyehl  undt  meinung,  das  Ihr  ungeachtet  der  Corre- 
spondirenden  abzugs  nicht  allein  in  loco  yerharret,  sondern 
auch  uff  beschehens  ansagen  euere  session  einnehmet  undt 
die  puncten,  dayon  zu  deliberiren,  mitt  yleis  anhörett;  do 
nun  die  Ordnung  in  yotando  an  euch  kömpt,  habt  ihr  euch 
nachyolgenden  inhalts  zu  erklären,  wie  uns  die  fürgangene 
secession  schmerzlich  wehe  thete  undt  tieff  zu  gemütt 
gienge;  betten  yon  hertzen  wüntschen  mögen,  das  die  Stände 
einmütig  zusammen  gesetzt,  dadurch  dan  gemeinen  nott- 
leidenden  wesen  am  besten  undt  sichersten  zu  helffen  ge- 
wesen, wollen  uns  aber  nochmals  all  dasjenige,  so  zu  wieder- 


104  ^^mk  6m  B^no^  JobMm  CMbnir  tm  Cdbu«. 

apIMohtoDf  fiUitoii  fertmoMB  immwt  dteiüieh»  «Aoh  aolflAr- 
stein  rermögen  angelegen  sein  laten;  undt  weil  wir  na» 
yeraehen,  es  würden  contra  paoem  Beligionis  et  libertatem 
iM»i»m  kiiBe  eonelnsiooes  gemaeht  werden,  so  weret  Ihr 
nff  soloheo  hü  beyeUioht  bej  gegenwertiger  Beichsyersam- 
lung  femer  uff  sn  warten,  daraus  gegen  L  K.  May.  unser 
gehorsambst  undt  wolaffeetionirtes  gemütt  su  spuren.  —  Im 
fall  Ihr  nun  zu  yermerken,  das  in  yotando  dergleichen  für- 
gehen,  so  wieder  gemelten  Religionfiriedt  undt  Areylieit  lanffen, 
sollet  ihr  euch  glimpflich  undt  niitt  beecheidenheit  ent- 
schuldigen, das  Ihr  oraflt  habenden  beyehls  solchen  oondu- 
sioDMi  welche  das  anaehen  gewinoan  mtfgtao,  als  ob  pax 
MÜgionia,  das  theaere  Band  des  heiL  £öm,  Beiohs,  oder  über- 
taa  statuum  dadurch  lab«faotirt,  beTCupAiohten  bedeakeaii 
UBdt  eoAh  darauf  abaentiren. 

Wir  wollen  andi,  das  Ihr  diese  unsere  iatonlion  den 
oormpondierenden  gesandten  ad  pariem  in  yerlraaen  ent- 
daoket  initt  der  yenrichemng,  wie  wir  gar  nicht  gemeint 
den  ünierten  undt  Oorrespandierenden  hiermiti  etaiger  weis 
schädlich    zu   seyn   sondern    yiehnehr  yiam   paois   lu   ooati- 


Wofeme  dann  yon  4em  poneto  Contribotienis  zu  han- 
deln, BiBdt  wir  nunmehr  nicht  nngeneigt,  wan  die  nott  yor- 
handen  undt  in  dem  Gtlchisiäie&  suocessionwerk  hinwieder- 
mmb  beförderung  zu  gewartten,  I.  K.  May.  das  uasere  nandi 
yermögea  zm  laieten,  ziunalil  weil  sn  yemehmen,  das  des 
Cnunfitoten  zu  Sachsen  Ld.  die  seonige  allbereit  ebaermaCi 
dahin  inatruiri 

XIV. 
Kammersekretär    Christ    y.    Waldenfels    an    Dr. 
Fohmann,   Geheimen  Bat  und  Direktor  zu  Co- 
burg.    (Gutachten,)    Liecbtenberg,   30.   September   Anno 
1613.     Orig.    B.  II,  7,  No,  114, 

....  Halte  zufirderst  dayor,  das  Herr  D.  Sehwartzlofii 
yeeht  gethan,   sich  ein   Zeitlang  u&uehaltten   undt  defeotum 


Politik  dtt  Hwsofi  JobuBB  ÜMÜDir  von  Coburg.  566 

Hftndati  «i  «Uefireiy  fauim  stoh  «nak  >c«h  «b  weii%  mit 
•olohem  behelffea  uadi  Tonrettdaiiy  4«b  omot  giradigtr  Fftnt 
midi  H«rr  aoiBtso  im  Ltodt  sa  DiMnugea  osdt  aist  aablioh 
vflii  Yon  fioflkger.  üodt  beduokt  mich  hsabtaielitioh^  er 
b«tto  droyeriey  «ooaidferatiiNies  in  Mhi  la  nehmen: 

1)  Seiner  Instraotion,  so  ihm  neolioh  zageichiekt,  nach- 
zugehen. 
9)  Dem  übersehickten  Voto  Pfalz  Lanterns  in  puncto  Con- 
iributionis»  deme  auch  Försters  gutachten  fast  gleich- 
förmig, sich  zu  conformiren. 
8)  Sich  zwar  bey  den  allgemeinen  deliberationibus  finden 
laTsen  undt  seine  vota  soweit  mitt  den  alttenburgischen 
undt  weymarischen  conformieren,  soferne  sie  dem  Reli- 
gion: undt  Prophanfrieden  gemefs;  wofern  aber  etwas 
sollte  Yorlauffen  so  darwieder  ging,  soll  er  nicht  allein 
solches  nicht  approbiren,  sondern  unseres  gnädigen 
herm  dissensum  aufsirüoklich  vernehmen  lassen  undt 
solches  iedesmahls  deo  herren  Oorrespondierenden  zu 
erkennen  geben,  dann  S.  F.  G.  mehr  an  freundsohaft 
undt  correspondentz  mit  sovielen  löblichen,  dapfem 
UDdt  hochYorständigeo  Fürsten  der  Union,  die  znmahlen 
mit  aufslendischeu ,  mechtigen  Potentaten,  deren  hlLlff 
nicht  uff  Bapier  undt  etwan  einer  güldenen  geweiheten 
Kosen  undt  Agnus  Dei,  sondern  an  mächtigen  naoh- 
truck  bestehet,  gelegen  alfs  etwan  einer  handyoll  be- 
schorner,  ohnmechtiger  Pfaffen  hreundschafft  undt  favor. 
So  will  ich  nicht  hoffen  des  Churfürsten  zu  Sachsen 
Ld.  werde  solche  consiüa  fortstellen,  so  wieder  Gottes 
ehr  undt  den  Religion:  undt  Prophanftrieden  lauffen 
soltten  .... 

Uie  feilt  die  frag  vor,  was  denn  unserm  gnädigen  Fürsten 
imdt  Herren  zu  ihun,  wann  die  sach  wollt  ad  eztrema  aufs- 
laoffen  undt  solche  Mcgora  undt  Schlufs  gemacht  werden,  so 
directo  wieder  den  Religious&ieden  undt  Evangel.  wesen 
lielen,    sonderlichen   mit   stabilirung   der  Hoff   Procefs   undt 


556  Politik  des  Htrsogi  Johann  Casimir  von  Coburg. 

was  doDselben  anhengig,   ob  Sohwartzlo(fl  es  approbiren  oder 
neben  den  correepondirenden  davon  ziehen  soll. 

Hie  bin  ich  der  mainang,  das  S.  F.  G.  aufs  naohyolgen- 
den  Ursachen  mehr  uff  der  Oorrespondirenden  thun  sehen 
undt  sich  denselben  conformiren  soll,  auch  uff  den  eufserston 
fall  gar  zu  der  Union  treuen  alfs  sich  dem  katholischen 
Hauffen  bequemen: 

1)  So  ist  gleichwohl  unser  gnediger  fürst  undt  herr 
hertzog  Johann  Casimir  zu  Sachsen  der  Eitteste  Evangel. 
Fürst  im  Römischen  Reich,  in  gutem  Praedicat  undt  ansehen 
bey  menoiglich  inner  undt  aufser  Beichfs,  derowegen  ein 
jeglicher  getrewer  Rath  L  F.  On.  änderst  nicht  rathen  kan 
oder  soll,  alfs  das  sie  die  übrige  zeit  ihres  lebens  sollen  ihr 
Christlich  gewifsen  salviren  unnd  demieoigen  nicht  bey- 
pflichten,  so  wieder  Gottes  Ehr  unnd  die  Teutsche  wohlher- 
gebrachte libertet  laufft,  auch  drüber  lieber  extrema  aus- 
stehen. 

2)  Haltt  ich  auch  davor,  das  I.  F.  G.  nichts  würden 
damit  gewinnen  noch  sich  in  Sicherheit  stellen,  sondern  viel- 
mehr ihr  land  und  leuth  in  eufserste  gefahr  setzen;  dann 
soltten  die  Catholischen  die  oberhand  behaltten,  so  werden 
I.  F.  G.  gewifslich  nicht  allein  übrig  bleiben  undt  ihre 
Religion  undt  Geistliche  Güter  vor  ihnen  schützen  können. 
Sollten  aber  die  Evangelischen  die  oberhand  behaltten, 
würden  I.  F.  G.  an  alleo  orten  schel  angesehen  werden  undt 
also  keinen  freund  uff  der  weit  mehr  haben,  zu  dem  sich 
etwas  guts  zu  versehen. 

8)  Ob  es  wohl  das  ansehen  hatt,  alfs  ob  der  Churfärst 
zu  Sachsen,  mein  gnedigster  herr,  so  mechtig,  das  I.  F.  Gn. 
genügsamen  schütz  undt  assistenz  bey  deroselben  haben 
könte,  so  pflogt  es  doch  in  solche  fällen  zu  gehen,  das  ein 
ieder  uff  sich  undt  seine  land  siebet  undt  mit  ihme  Selbsten 
genug  zu  thuD  hatt,  hingegen  sitzen  I.  F.  G.  unter  dem 
anstofs  von  allen  seitten  her.  Wenn  aber  L  F.  Gn.  sich 
bey  der  Evangelischen  Union  haltten,  haben  sie  uff  der 
linken  seitten  deroselbigeo  Jungen  Vettern  Land  zum  schuta, 


Politik  dM  Herzogs  Johann  Casimir  von  Coburg.  557 

nach  Eisenooh  au  das  gantze  meohttge  Land  au  HeMen 
undt  eineo  sehr  hochrentendigen  Begeoieo  andt  gaten,  yer- 
traoten  freundt  an  dem  Herrn  Landgraffen;  uff  der  andern 
•eitten  haben  sie  der  Herrn  Marggrafen  Land  bifs  an 
Böhmen;  in  der  mitte  mechtige  Fränkische  Kelchs  Statt, 
daran  alsobalden  den  Herrn  Marggrafen  zu  Anspach,  die 
Ohor  Pfalz,  Würtemberg,  Baden  bifs  an  die  Schweiz  undt 
Frankreich;  jenseit  des  Reinstrom  yon  Strafsburg  an  biCs 
wieder  an  Pfalz  unnd  Hessen  unnd  gar  in  die  GtUichsche 
lande,  auch  forter  au  den  herrn  Staaden  unnd  in  Engel- 
landt. 

Soviel  aber  unsere  Nachtbarschafft  anlangt,  den  Bischof 
zu  Bambergk  unnd  würzburgk,  hatt  dafselbige  gar  nichts 
zu  bedeutten;  der  Fränkische  adel  hilftt  ihnen  nicht,  sondern 
wird  sich  baldt  den  Evangelischen  conjungiren 

Darumbe  H.  Dr.  Schwartzlofs  in  möglichster  eil  zu  avi- 
siren,  das  er  sich  wol  vorsehen  unnd  nichts  praeiudicirlichea 
eingehen  wolle,  welches  sonderlich  der  Union  möchte  zu 
entgegen  sein  .  .  . 

Es  bleibt  einmahl  beständig  wahr,  das  allein  die  Union 
Sachüsen  könne  zu  den  Qülchischen  landen  bringen  unnd 
sonst  nieraandt,  dannen  hero  auch  leichtlich  zu  schliefsen, 
dafs  man  wieder  dieselbe  nichts  handien  soll,  sondern  sich, 
soviel  möglich,  accomodieren 

XV. 

Yerzeichnifs  etlicher  Puucte,  so  gegen  bevor- 
stehenden gemeinen,  der  correspon direnden 
Chur:  undt  Fürsten  undt  Städte  Tag  dem- 
selben zu  Kegensburg  gewesenen  Käthe  zum 
ferneren  Nachdenken  mit  sich  genommen. 
(Memorial.)     Anno   1613.     B.  II,  7,  No.   109.     Kopie. 

1)  Demnach  der  von  der  Keys.  May.  zu  underschied- 
lichen  mahlen  vertröstete  Compositionstag  in  puncto  grava- 
minum    seiueu    fortgaug   erreichen    möchtte    oder   aber   auch 


5S6  BolMHi  dM  H«Bnogs  Johtnn  OMitofr  TOh  Oobnfif. 

fwiilfeibeii  uDdt  nit  ft»ttgeiigig  «eife,  «o  ist  aaf  «Üb  fiOle  dit 
hövhtte  nottauft,  sUToni  m«««i  oMDiüttfiiolitiM :  tiadt  pM^- 
imimtionsteg  tu  halCMi,  aa4t  sdt»  deMribe  gegeti  ttnflMtg  dM 
Marter  «u^or  ton  Q\mg  PMtz  aM«  D&i«etoM  aaitonclDrti^tt), 
dm  aaltichtbiben  geoavalitar  dahin  au  tioltten  aeia,  diKtttH 
laan  iSab  eMlich  dar  beaahiekaag  dea  OomtMMiikMfM^,  ob 
»alaha  mgobiata  oder  dur^  ainea  atiMÖhalb  uit^  wat  ih 
dafti8ctt>ea  aaia  sdl,  wie  «aok  tarnet  det  lUfttnotäioiiaü  titadt 
um  fibr  media  bey  ainaai  iedan  ^tataiae  sa  findea  midt 
wie  Weit  man  darinaaa  in  gfiHielMt  HAndhiag  gahaa,  naeh- 
geben  oder  sieh  einlaften  könne,  Tergliohen,  Terabachi^dM, 
tadi  also  »oldiieT  tag  üi  Spejratr  der  gebaer  benttohtt,  oder 
aber,  waa  bei  küailligetii  Bei^^atag  darhalbeo  fhfuet  Torso* 
aainneD,  yergUobea  wardan  aK^ga. 

2)  Weil  aber  tiobl  paaotan  ioosten  teitendea,  dataa 
de«  ByaDgal:  weaen  nit  Wenig  gakgea,  ida  WeM  ka  be- 
aagteta  oomaHiQioatiatittag  daitber  aoob  zu  instmiraa,  w«l 
ealche  amb  befsrea  geheiaibbalteBe  willen  ia  das  auft^ 
schreiben  nit  wohl  zubringen  sein  möohtenn:  als  anfllhglloh, 
diawail  man  alkie  sae  Regenabarg  genagaamb  erfkhtaa,  wo- 
mit! die  Papisten  umbgehea  andt  das  Ihr  tobpoB  andt  b^- 
TerAiAiaog  ihrer  Liga  diasa  •  rasolütion  elnmldLl  bey  ihaaa 
ganamaan»  underm  sehaia  der  Keys»  Hoehhait,  det  Justias 
undt  Keohtens  die  Ton  den  Evaagelisahen  Ohar:  FütslOa 
nndt  Städten  inhabende  Bistumb,  Stieffter  undt  Cldstar  mit 
gewalt  wiedenimb  sue  recnperiren  ondt  allso  das  leidige 
Babstomb  allendhalben  wider  aufaurichten  undt  zu  erweittern^ 
das  demnaoh  die  Correspondirende  Ständt  ins  gemein  allen 
ihren  Predigern  einbinden  undt  bevehlen  sollen,  neben 
stetiger  erinnerung  zu  wahrer  buefs  undt  bekehrung,  den 
greuel  des  Babstumbs  undt  Spanischen  Jochs  ihren  Zuhörern 
fleitsig  einzubilden  undt,  da  der  Religion  halben  die  Bran- 
gelischen  angegriffen  werden  selten,  es  were  wo  es  weite, 
das  Sie  zu  hülff  gegen  die  Obrigkeitten  sieh  delto  williger 
emsalgen  m^en,  sonderlich  aber  das  in  den  StSdtan 
durah  solah  mittell  die   concardia   zwis^ea  den  ObrigkaitM 


Fflitil^  de4  HersofSt  Johann  CMMnir  von  Coburg.  991^ 

jmÜ  4«r  B&i^g!^]»Q)i«fffc  clestp)  mßbm  eestifflet  luudt  #i:hri^ 

8)  Df^  19  «ll«a,  4er  Govr^^^KiAdifOiMle«  Lan^iA  undt  g«^ 
bifl#n  l^e^  werbiiiigea  soi»  Ro£|  o^  suti  fM»  bejF  «o<  giQr 
%tl|Uw    ■^ffVk^n,    Tiel,    wenige«    eisige    Par^htSg    ttii4i    ei^ 

in,  aUev  tturen,  i^«ftMerii,  wie  ai»eki  4erQ  l4eheDle»too.  oitaMi 
TorwiTsen  in  Päbstifi^)^  Vüei^  iMkdt  bMtuttMg  lieh  «iA  eiA* 
v^^Vfif  #imUi4h  xa,^rbieUtn  ud4I  <Im  die  nAcbrUNtoeo, 
Vfih  aoff  aUi^  iM>U£aU  go^t  s«  lMUe9,  «iiMflnaluiaD  saiii 
8(4t^.,,  im  4A<i^  a««^  >ijlenrtthafeea  d«r  P^  halben  gi«lfte 
¥q]QiehiH»9  w,  ib^Q. 

4)  j^lleo  %Heb  aolten  ^e  Qo^reaptondiseode^  allendhaHie» 
fli|iMg<^  l^ndiieMPteD  bf^t#o,  u^dt  anM^Hee»  and4  waa  ei» 
o4<|r  di^c  «A^K  in  erftdMdlV  Mn«^,  die  andere.  Tenfa«na% 
damit  hierneohit  bey  dem  Dijve<^riia  mm  alUaeit;  nushiiieh» 
iv^e^  undt  eine  g^wif^j^t  habeih  li^ane. 

^}  Thkät  dempMl  allein,  dev  PKpeUeehen  Sünde  towofal 
bey  Tioijpgien»  sil^  ieiigem^  Kei^batag  eiidBommen»  graimnifla». 
i^ie  €^eh  q^deipmeh^edliehA  dcgreelbeo  zai>  hnndt  gebraobte. 
h0ißMfi^9  dMomra  uqdt  andore  adurifften  «emgiamb  cur 
f^k^mnfkm  geebepj  ^rnkk  hoah  9m  auf  die  dnmoeq  iMidee  ga- 
l^gmß  wdtr  TPPk  &v<iM0«al  FQfatoQ  luA:  aadrani  Siündßn  im^ 
h04indat  Kfftff:-9iCitoi»b  ondi,  Stifter  ein  mg  gewovibn» 
welche  wieder  in  ihre  band  zu  bekommen,  ihr  meyetea 
duffan  z^ßeim^l  enUomofoeA,  alio  das  dieaelte  8tiii>d(t:  sich 
mimf  iPMgeiV  be^andigw  poflnestfpQ  die  lange  gar  nift»  viel 
weniger  eibev  icimahU  ticbi  der  «eaeioBi  nndAi  stimmen  nf 
$(mlu<ggcin  bfiy  dßß,  Titita^ionibua.  CaiMDae:  oder*  andfimtwo> 
win  m^hi  dw  imre^tftioieo«  ai«  KßjK  Hnff  nit  zn  geträelan 
iMAe^»  ^  waren  nH  i^Ueini  udokue  GMnde  ela  Mngdebnm 
BimA^  QtaKteqejMtk  Oftnuteüek^  ÜMidan,  Sebwenn,  M/fAm^ 
b^Qflg^  ^^^k»  Yei4eA  wA*  andnc«  dergleiohen  ane  aelchent 
correepondenstag  auch  zu  beschreiben,  sondevn  a«eh  int 
miM^  dMls^be  Sten4lt;  taq  den  gmramittibns.  {ivb&U  aommnni- 
cütioi^  dMaelMn,  daaa  die  «eahalgeiefeene^  tum.  Qftaait : 


560  Politik  des  Heriogs  Johann  Casimir  von  Cobnrg. 

bürg,  Lüneburg  uodt  HefsoD  sioh  bewegen  lafsen:)  undt  an- 
dem  alhie  Torgangenen,  den  Evangelischen  sehr  beschwer- 
lichen Sachen,  wohl  zne  informieren,  damit  bey  offtbesagtem 
tag  ex  fbndamento  deliberirt  undt  geschlorsen  werden  könte, 
wie  solche  Ertz:  Bistumb  undt  Stiffter  den  Evangelischen 
hieranfsen  Landes,  da  Sie  ?on  den  Fäpstischen  ihrer  Stif^r 
undt  Clöster  halben  beträngt  werden  woltten,  nit  weniger 
die  hül£fliche  handt  auch  biethen  möchten. 

6)  Weil  viehl  daran  gelegen,  das  bey  kün£ftiger  güt- 
licher Handlung  der  gravaminum  zu  Speyer  mann  bey  einem 
iedem  das  angeben  mitt  richtigen  exemplis  verificiren  kOntte, 
so  sollen  die  correspondierende  solchem  nachdencken,  undt 
sonderlich  die  Statt  die  bey  ihnen  vergangene  undt  noch 
schwebende  Excefs  undt  ungelegenheiten  fleifsig  zusammen* 
bringen  undt  dem  Directorio  innerhalb  3  Monaten  nach  ge- 
endigten Reichstag  zu  schicken. 

7)  Wie  auch  in  gleichem  eine  notturfft  das  des  gegen* 
theils  gravamina  sambt  deroselben  Beylagen  der  gebuer  ab- 
gelehnet  worden;  damitt  nun  solches  mit  bestandt  geschehen 
könne,  wirdt  für  gutt  gehalten,  das  ein  ieder  Standt,  der  in 
spede  in  demselben  angezogen,  seinen  gründlichen  verfasten 
gegenbericht ,  auch  zum  längsten  innerhalb  8  Monaten 
nach  geendetem  Reichstag  dem  Directorio  zuschicken  solle, 
darauf  daselbsten  die  gebuer  femer  in  acht  genommen  wer- 
den möge. 

8)  Also  auch  wil  nit  weniger  eine  notturfft  sein,  das 
der  geclagten  prooefs  halben  am  Keys.  Hoff  von  iedem  standt 
in  seinenn  habenden  Reichs  Actis  undt  sonsten  mit  vhleis 
bey  den  Arohivis  undt  Oantzleyen  nachgesehen  undt,  was 
einem  undt  dem  andern  durch  solche  prooefs  ungleigen  be- 
gegnet, mit  vhleis  undt  allen  umbsteuden  verzeichnet  undt 
wo  müglich  dem  Directorio  innerhalb  4  Monaten  zugeschiekt, 
oder  ie  zum  bevorstehenden  correepondenztag  ohnfehlbahr 
mitgebracht  werde. 

9)  Damit  auch  der  alhie  in  eventum  et  cum  oertis  con- 
ditionibus  vorwilligten  hülff  halben  bey  den    correspondiren- 


Politik  des  Htrtogt  Johann  Casimir  von  Coburg.  561 

den  keine  UDgleiohheit  ervolge,  80  wirdt  fttr  rathsamb  er- 
mefsen,  das  bifs  evl  künfftigem  CorrespondeoEtag  nndt  yer- 
gleiohuDg  kein  sttndt  apart  sich  za  einem  wiedrigen  oder 
auch  einiger  anticipation  yermögen  laben  mögen,  bifs  die 
eonditiones  gesetslieh  erfüllett  sein,  nndt  darunter  ie  nach 
gelegenheit  mitt  den  andern  fleißige  oorrespondenz  pflegen 
nndt  sich  keines  weges  übereihlen,  da  die  Keys.  May.  ab* 
sonderlieh  Commifsarien  ahn  einen  oder  den  andern  Standt 
abordnen  selten,  dieselbe  allein  mit  einer  yorandwortt  abzu- 
fertigen nndt  ohne  communioation  mit  den  andern  sich  par- 
tioulariter  hauptsächlich  nicht  einsulafsen. 

10)  Undt  demnach  bey  diesem  Reichstag,  als  oben  auch 
Termeldet,  genugsamb  die  erfahrung  geben,  das  der  Geist!. 
Hauff  mitt  gewallt  den  Erangelisehen  Ständen  zuiusetzen 
Torhabens,  sogar  auch,  das  Sie  die  K.  May.  zu  geschwinden 
Executiones  instigirt  undt  dieselbe,  ohne  der  K.  May.  oosteui 
zu  übernehmen  sich  erbotten,  dahero  sie  dann  ihre  Sanctam 
Ligam  in:  undt  aufserhalb  Beichs  mercklich  gesterckett,  wie 
dann  noch  alhie  durch  des  Gardinais  Madruoy  undt  der 
nunciorum  Ton  Böhm  gebott  etliche  Oeistliehe  friedtliebende 
Ständt  wieder  ihren  wünsch  undt  willen  sich  auch  darein 
begeben  haben  sollen,  so  ist  ie  Tonnöten,  das  die  Eyan- 
gelisohen  ebenmefsig  sich  zusammenthun  nndt  das  derowegen 
dieienige  Evangel.  Stendt,  so  noch  zur  Zeitt  nicht  in  der 
Union  seind,  gegen  beyorstehender  lusammenkunfft  zue 
solchem  ende  undt  ob  undt  wie  sie  sich  mit  den  Unirten 
conjungiren  woltten,  auch  genugsamb  sich  orderen  oder  die 
ihrige  instmiren  woltten.  Dann  da  es  umb  die  hiehaufsen 
Landes  gesefsene  undt  mit  Papisten  gleiehsamb  umbgebene 
Stände  geschehen  sein  sollte,  da  Oott  für  sey,  so  wtlrde 
die  Ordnung  an  die  andern  nur  zue  bald  kommen;  wie  es 
dann  bekant,  das  die  Päbstische  iiber  die  yon  den  Eyangel. 
drinnen  Lands  innehabende  Erts:  Bifistumb  undt  Stiffter 
yielmehr  eifern  als  iiber  die  Clöster»  die  sonst  ein  Eyangel. 
Standt  in  seinem  Landt  undt  gebieth  reformirt  undt  ein- 
gezogen. 


562  Politik  dm  Hwnogs  JofaviB  OMinir  tob  Cokvg. 

11)  Demmush  avok  die  aitraf.-Uliiiti»  StMidt  sieb  bif^ 
her  der  Erts:  widl  Bieoheibii  MiDe»  Landfet  uff  ättM 
Biiehit:  depuiitiom  lodt  andero  t»fMi  treMfirig  aDgeoenmea 
ttndt  dahero  aHt  genoge  odi»  off  sieh  geMeo,  undt  weil 
des  Fibtttsohen  Slfedt  Jesaitisebev  eiftr  am  tag  ndH  sie 
alhraeii  sich  rand*  yerlamteo  Mseo,  ehe  alles  sa  wagen  «ail 
in  die  Sekaate  sa  sehlageo,  elie  sie  solehe  StieM:  uodl 
pxAelaiaren  den  Iraagalisehan  laben  weMlen,  andl  liahws 
sn  dem.  venriüigten  oompesitionstag  s«  Bgeyet  wemg  Ke#> 
DttQg  eines  gailea  eflsols  su  hahea,  sO'  werden  sau  weiiigiCea 
die  drinnen  Landts  den  saolien  «abse  rielü  da  melir  aaob- 
denokeo,  wie  si»  steh  dUsfislU  setbste»  yersiobem^  uadt  den 
üaiiten  Stendea  biecsniieo*  amb  sorieM  ^  BneUT  MMOmi 
körnten,  das»  Sie  gleiohsamb  dnreli  8f9  afts  daaob  etne«  yw^ 
mauev  geeeliütai  nodl  die  hingegen  daroh  ihre*  ftsuoge  asaieUas 
ihren  Siandt  aneh  desto  leidltev  erhalten  kOatan. 

12)  Bemnaoh  amh  die  PriaMtotritt  arndt  mÜivrerstan* 
swäsohen  den  Syangelisehen  dem  gemeiMa^  wesev  sehr  seMÜ^ 
Höh,  als  weva  den  saohen*  naohsadenken  nndXf  kay  kiaiTtiigwa 
tag  aayesgleiohmi,  wie  daimien  ao^  m*  yerMfrea,  sendstf» 
li<di  aber  die  0illchiaohe  stnitiglceitea  darawhl  eitte  aaff  eia 
ordt  snebringon,  wis>  aadi  Bwnohen  den  Kwm  AandgMAa 
ane  IMseni  swisehen  den  H)cvaogen<  Ton*  Bnmaeekweig 
der  Stadt  Baaaasekwsig,  «wsaohen  dem  Hecseg  aae 
sohweifc  Uk  Mnebaag,  awdsehen'  den  Ovahn  sn  Oldeabaag 
Q*  dergl. 

13^  Waa  die  Kseklanb;  strittige^  Sessium  fttr 
heiteia  nnn  bey  etlidieo  Keidistagen  naolk  sieh« 
soldna  weisen»  die  iseta  aa£b»;  wiadt  deiwegaa  m 
BaoMeneken.  gesteUett,  ob  nit^  Chnr*  Brandenbaffjg^  MMmh 
Landes  mit  den'  Eevaogen«  aa  Ponmem  andt>  MeeUkabiHfi 
hieeanften  aber  Ghnr-Ffkk  mät  den  andeven'  drayen  dabey 
intarebirlMi  Füratea  handlang  piegea^  uadt  atteadhaliefr  äff 
gewükeri  intocims  mittell  eanehtea-  nndt)  biiogeai  nritohtan^  hUk 
die  Baobttsaeh  dnrch  ordeatli^  ReriM  endeekeiedea  wttMist 
Derwegen   dann    hemaoher   sn   kttnflftigem   OorrespondfettalaK 


Politik  des  Heriogs  Johann  Catimir  yon  Coburg.  563 

die  füoff  Btreidende  FOrstl.  Henlter  die  ihrigen  oflF  tregliche 
interims  mittel  aller  ootiurft  naeh  endlioh  sa  inttruiren  nitt 
underlafiBeD  solteo. 

14)  Damit  auch  dieaer  Paocten  halben  andere  Eyan* 
geliaohe  Ständt,  so  diesen  Keichstag  nichtt  besuchtt,  wilsen- 
sohafft  haben  mögen,  so  wirdet  es  dahin  gestelti  wie  solche 
dnroh  die  andere,  endwed  dnreh  Oesantte  oder  ie  andere 
sichere  weg,  nf  was  bey  den  fünfften  pnnoten  ob  angedentet» 
yertraoUoh  ihnen  commnniciri  werden  könten,  damit  Sie  die 
ihrige  zu  künftigem  tag  desto  befser  darüber  instmiren 
mögten,  yerbi  gratia:  Ghnrbrandenburg  thete  es  bey  Magde- 
burg, Braunschweig  u.  Halberstadt;  Lüneburg  bey  Bremen, 
Minden  den  beeden  Herzogen  von  Mecklenburg,  Olsnabrfick, 
Verden,  Herzog  Frantzen  yon  der  Lawenburg,  Hollstein, 
den  Grafen  yon  Oldenburg;  Hefsen  bey  den  Hansen,  Stades, 
Item  den  Städten  Goislar,  Mfllhausen  undt  Northausen,  Item 
bey  den  Orawen  yon  Sohaumburg.  Vor  allen  Dingen  wird 
rathsamb  undt  nöttig  ermefsen,  das  bey  Chur  Sachsen  gute 
unterbauung  zu  thun;  wie  dann,  da  die  beide  Herren  Chur- 
fürsten  Sachsen  undt  Brandenburg  wieder  in  der  person  zu- 
sammenkommen soltten,  gar  nit  gezweifeltt  würdt,  des  Herren 
Ghurftirsten  zu  Brandenburg  Chnrf,  Od.  solches  zu  thun  un- 
beschwert sein  soltte. 

XVI. 

Pfalzgraf  Johannes  (Administrator  der  Kur- 
pfalz) an  Herzog  Joh.  Casimir.  Heidelberg,  8.  No- 
yember  1618.     Original.     B.  II,  7,  No.  115. 

Demnach  aber  aufs   allem   dem,   wafs  bey  ob- 

besagtem  Reichstag  yorgangen,  gnugsamb  abzunemmen,  wo- 
mitt  sie  umbgehen,  das  sie  nemblich  keineswegs  gemeint  yon 
den  majoribus  abzusetzen  noch  einigen  Eyangelisch.  Standt, 
der  seye,  wer  er  wolle,  der  anforderung  wegen  inhabender 
Stifft  undt  Clöster  zu  erlaüsen,  sondern  ehe  alles  dran  zu 
wagen,   so  will  auch  uff  der  Byangelischen  seitten  nicht  zu 

XVII.  87 


564  FolHik  deg  Heriogt  JobMin  Cuimür  von  Coburg. 

athkflDeii,    aondeni.   ein   wfteband    aBg^   zu-  haben    niidi   der 
•olunteeB^  irohl  wahtiniieBiiMii  sein« 

Allein  will  es  neget  der  hülffliohen  haadt  defs  allmieh- 
tifen  an  gutem  vertrawea  undt  reohtsohaflener  zasaaimen- 
seiioDg  ander  den  B^raogelieehea  gelegen  sein.  TJnsers  UieiU 
wie  anoh  unsere  mitt  Oorrespondiiende  8tend  seindt  defsen 
yearsieliert)  das  K  Ld.  ihr  die  beförderang^  deTs  gemeinen 
EvangeU  Wesens  sonderlich  anbeTohlen  sein  laTs^i,  gestalt 
sie  defsen  bey  mehrgeda^tem  Reichstag  zu  unserer  undi 
der  andern  Gonrespond.  Stend  nit  geringen  erfreuung  eine 
ang^seheinladbe  prob  geUian»  Daher  wir  auch  anlafs  undt 
ursaeh  gewonnen  mit  £.  Ld.  aule  den  sachen  vertreulioher 
meiaung  %a  communicirea  undt  umb  derselben  ganta  ver- 
nüafftige.  gedanoken  zu  bitten,  wie  sie  vermeinen,  da£s  zu 
einer  solchen  einhelligkeitt  under  den  ErangeL  Stenden  zu 
gelangen,  insonderheit  wafs  defs  Ghurfürsten  zn  Sachsen  Ld. 
belangt,  weil  dieselbe  yilleioht  noch  in  den  gedaacken 
stehen  möchte,  daa  die  Römisch  Cathol.  Stend  nit  so  bal4en 
etwas  thätlichea  anfangen,  noch  S.  Ld.  letzt  oder  künfftig 
in  einiger,  gefahr  sein  werden,  (da  doeAi  das  contrarium  aufs 
ihren  wortten  undt  schafften,  davon  £.  Ld.  von  defs  Chur- 
füxsten  Ld.  albereit  in  veiirauen  etwas  communication  ge- 
schehen, zu  beweisen)  durch  was  mittel  undt  weg  S.  Ld.  ver- 
mittelst guter  Information  undt  underbawung  solche  gedenken 
zu  benemen.  Undt  weilen  £.  Ld.  difsorts  viel  guts  thun  undt 
befördern  khönnen,  so  bitten  wir  gantz  freundlich,  Sie 
wollen  dem  gemeinen  Evangel.  wesen  zum  besten,  was  zu 
angeregtem  Zweck  gereichen  mag,  derortten  nichts  under- 
lafsen;  wie  wir  auch  unfsers  theilfs  gantz  geneiget  undt 
willig  wereo,  wann  wir  nur  mittel  undt  weg'  wüsten,  da» 
unserige  doorbej^  anzuwenden.  Oestalt  £.  Ld.  hiemit  aber^ 
mala  frenndtlich  gebetten  sein  wollen,  unfB  dieselben  ohn^ 
beaehwert  an  handt  zu  geben,  solle»  sie  von  unfs  in  ge» 
bifarende'  obaehi  genommen  werden. 

Demnaoh     entlich     auch     von    der^   Gorrespondierendeü 
Stend«  Räthen    undt    Gesaatton    uff    allerseits    berrsohafltea 


Politik  des  Heraogs  Johann  Caiimir  Ton  Coburg.  5g5 

Batification  noch  zu  Kegensburg  für  eine  Dotiarfft  gehaltten 
wördsD,  das  noch  yordem  von  der  Keys.  M^ay.  uff  neohst 
kiinfftige  Ostern  nach  Speyr  yerströsteten  compositioostag, 
der  enden  der  gantze  punctus  Justitiae  undt  die  einkommene 
grayamina  tractirt  werden  solle,  eine  zusambkunfft  aller 
Eyangelisoher  Stand,  Räth  undt  Gesantten  anzustellen;  dazu 
gleichwol  uff  den  fall  eine  geraume  Zeit  Doch  yonnöthen. 

So  haben  wir  zugleich  yon  £.  Ld.  yernemen  wollen, 
^as  aliklann  deroselben  gelegenheit  undt  meinuog  sein,  undt 
ob  sie  solchen  tag  ihren  theils  durch  die  Ihrigen  beschicken 
möchten,  ob  Sie  auch  yermeinen  und  die  Hoffnung  haben, 
dafs  Chur  Sachten  Ld.  alfsdann  darzu  auch  zu  beschreiben 
undt  zuTcrmögen  .... 

Oetreuer,  dienstwilliger  Vetter,  sohwager  undt  söhn. 
Johannes  Pfaligraf. 

XVII. 
Kurfürst   Friedrich  V.  yon  der  Pfalz  an  Herzog 
Joh.  Casimir.     Heidelberg,  8.  Noyember  1618.    Origin. 
B.  II,  7,  No.   115. 

....  Dabeneben  mögen  wir  £.  Ld.  freundlich  nit 
bergen,  dafs  wir  aus  unserer  jüngst  yorgewesenen  Reichstag 
zu  Regensburg  gehabter  Räthen  undt  Gesandten  Relaition  .  .  . 
ganz  gern  verstanden,  ....  dalis  £.  Ld.  in  zeitlicher  undt 
reiffer  yorbetrachtung ,  wafs  entßch  aufs  diesem  undt  der- 
gleichen ohnzeitig  sachen  für  merckliche  ungelegenheit  den 
Evangel.  Ständen  zu  gewarten,  ihrem  nach  Regentpur^  ab- 
geordnetem Rath  anbefohlen,  seines  theils  yon  weg  £.  Ld. 
alle  dergleich  praeiudicia  zu  yerhüten.  Wie  er  dan  demselben^ 
mit  yleifs  nachgesetzt,  indeme  er,  alfs  yon  den  Römisch 
Cathol.  ein  absonderlicher  Reichstagabschiedt  yerfafst  undt 
publicirt  worden,  wider  denselben  gleich  den  Correspondiren- 
den  solemniter  protestiert. 

Oleich  wie  nun  hieran  £.  Ld.  löblich  undt  wohl  gethan, 
also  haben  Sie  auch  nicht  zu  zweiflen,   dafs  Sie  dessen  bey 

37* 


566  Politik  des  Heriogs  Johann  Casimir  ron  Coburg. 

allen  andern  BvangeL  Ständen  undt  der  Posteritet  aelbBtan 
Bonderbahren  rahm  erlangen  werden,  ündt  ennohen  wir 
dieselbe  hiemit  frenndtTetterlich ,  alTs  wir  auch  ohne  daCi 
nicht  zweifflen,  Sie  wollen  nndt  werden  ihr  nit  weniger 
naohmahl  die  gemeine  Wohlfahrt  des  Beichi  andt  insonder- 
heit der  Eyangel.  Ständt,  denen  nunmehr  die  mittel  zu  ihrer 
undt  der  ihrig  Conserration  under  dem  ichein  rechtens  ent- 
zogen werden  wollen  angelegen  sein  lassen  (?);  auch  ihres 
theilfs  daran  sein,  dafs,  weil  bey  dem  HauTs  Sachsen  dafs 
Licht  des  Eyangelii  am  ersten  zu  scheinen  angefangen,  nun- 
mehr nicht  yerhengt  werde,  dafs  das  Papstthumb  in  einige 
weg  in  Teutschlandt  widerumb  zunemme  .  .  . 

E.  Ld.  dienstwilliger  yetter 
alzeit  Friderich« 

XVIII. 
Kurfürst    Joh.    Georg    an    Herzog    Job.    Casimir. 
Weidenhain   am    15.  Noyember   1613.     Kopie.     B.  II,    7, 
No.  106. 

Derenthalben    unsers  wenigenn  ermessens   der 

nechste  undt  beste  weg,  mann  bleibe  bey  dem  Haupt  undt 
den  wol  yerfasten  Beichtordnungen ,  wirdt  mann  sich  nichts 
böses  zu  befahren  haben.  Inmafsenn  wir  unsers  theills  er- 
pöttig  uff  alle  begebende  fälle  den  Beichs  Ordnungen  nach- 
zuleben undt  gegen  B.  Ld.  also  zu  erzeigen,  wie  es  die  nahe 
yerwandnus  undt  aufgerichte  Brbyereinigung  erfordert 

Der  Oontribution  halbenn  haben  wir  nachrichttung»  das 
£.  Ld.  Bath  darwieder  protestation  eingewandt.  Weil  aber 
gleiohwol  die  gefahr  inn  Siebenbürgen  einkommenden  Zeit- 
tungen nach  nicht  gering ,  so  ist  mann  I.  M.  billich  an  die 
Handt  gegangen,  undt  können  E.  Ld.  anders  nicht  rathen, 
als  das  Sie,  zu  yerhüttung  allerhandt  yerdachts,  dieser  Oon- 
tribution sich  auch  accomodim. 

Welten  wir  £.  Ld.  zur  freundlichen  antwortt  nicht 
bergen  .... 


Politik  des  Hersogs  Johann  Casimir  von  Coburg.  567 

XIX. 
Herzog   Joh.   Casimir    an    Pfalsgraf  Johannes^) 
(Administrator  der  Eurpfalz).     Coburg,  den  5.  De> 
gember  1613.     Konzept     B.  II,  7,  No.  116.     Bl.  84/86. 

....  Fügen  £.  Ld.  darauff  hinwieder  frenndtlich  zu 
Temehmen,  das  uns  unser  gegen  Begensburgk  deputirter 
Bath  genugsam  bericht  gethao,  wasgestalt  nach  errolgter 
publication  der  Keys,  proposition  undt  ersten  Bathgang  der 
Bömische  Catholische  Stendt  mit  angemasten  Majoribus  sein 
intent  Tor:  undt  fortzusetzen  sich  understanden  undt  da- 
durch der  Evangel.  Stände  Grayaminum  begehrte  billig- 
mefsige  abhelfung  gestopfft  undt  Ihren  vortgang  nicht  er- 
reichen mögen. 

Wie  wir  nun  dasselbe  ungeme  erfahren  undt  derohalben 
gedachten  unsern  Bath  undt  abgesandten  sich  in  gutem  ver- 
trawen  zu  den  ETangeli  sehen  Ständen  zuhalten  befehlichtt, 
also  sein  wir  nochmals  unfs  mit  denselben  zu  Tcrtrewlicher 
Correspondentz  zu  verstehen,  nicht  ungeneigtt.  Und  ob 
wohll  solchem  nach  uns  nicht  liebers  were,  dann  das  wir 
gegen  £.  Ld.  dero  begehren  zue  Yolgo  uns  so  balden  anietzo 
resolTirn  andt,  was  unsere  eigentliche  meinung,  erö£fnen 
könten,  so  haben  doch  derselben  leichtlich  bey  sich  zu- 
erachten, das  die  notturfft  erheischen  will,  aus  den  sachen 
zuvor  mit  dem  auch  hochgebornen  Fürsten  Herrn  Joh.  Ernst 
zu  communiciren ;  undt  stehen  wir  dabey  neben  in  Hoffnung, 
es  solle  die  gelegenheit  auch  den  hochgebornen  Fürsten  etc. 
Joh.  Georg  undt  uns  zu  einer  zuförderlichen  Zusammenkunft 
oder  Schickung  undt  berathung  ursach  geben.  Dann  I.  Ld. 
der  evangel.  Stände  Beträngnufs  undt  besorgende  gefahr, 
undt  was  zu  deme  von  E.  Ld.  angeregtem  Zweck  dienst- 
lichen sein  mag,  besser  mündlich  dann  in  sohriefften  zue 
berühren. 


1)  Antwort    auf    den    Brief    des    Pfalsgrafen    vom    8.    November, 
cf.  XVI. 


568  Politik  des  Hertogs  Johton  Casimir  von  Coburg. 

Bitten  demnach  ganz  freundtlich,  E.  Ld.  wollen  »ich 
dern  von  uns  begehrter  Erclehrung  halber  inmittelBt  undt 
eine  geringe  Zeit  noch  etwas  gedulden  undt  dieses  vereicheit- 
sein,'^  das  wir  alles  dasjenige,  so  lu  erhaltoog  des  Religion: 
undt  Prophanhiedens  notwendig  undt  dienlich ,  undt  mit 
unserm  wissen,  was  den  Conrespondirenden  Ey^ogel.  St&nden 
zuwieder  undt  denselben  zu  naqhtheil  gereichen  niiö<)l4e» 
nichts  vorgehen  lassen,  sondern  treulich  ab^f enden  helffen 
wollen  .  .  . 

Postscriptum,  Datum  ut  in  litteris. 

Wir  befinden  bej  unfs  kein  beq^uomer  mittel  all^  Evf^n|;|^U 
Chur:  undt  Fürstenn  zuvör<^er8t  des  GhurfUrsl^en  zu  ^acj^M^ 
Ld.  zu  einmütiger  correspondenz  undt  Zusammensetzung  ^ 
bringen  undt  allem  wiedrigen  bestendig  zu  begegnen,  alfs 
die  accomodiruDg  der  Oülischcn  Sachen,  davon  des  allge- 
meinen Evangel.  wesens  wohllfahrtt,  beförderunge  oder  im 
gegeufall  trennung  zum  meisten  dependiret;  es  geschehe 
gleich  hauptsachlich  oder  Interims  weifs.  Dann  E.  Ld.  hoch- 
verstendig  zu  erachten,  dafs  es  nicht  schlechtes  mistrauen 
verursaclit,  auch  unserm  Ohur:  undt  Fürstl.  Hause  nicht 
wenig  zu  gemut  gehett,  dafs,  ungeachtet  es  ieder  Zeit  Quote 
undt  recht  leiden  mögen  undt  zu  schuldiger  observantz  defs 
so  hochbeteuerten,  respective  eonfirmirten  undt  approbirten 
btlterbocki sehen n  accords  beflissen  gewesenn,  doch  dab 
gegentheil  keinen  ttandt  halten  wollen,  sondern  vielfelti^, 
wie  noch  täglich,  praktiken  zu  unsers  Hauses  höchstem  nach- 
teil  undt  verschimpfiPuDg  ohne  sohew  forstellenn. 

Inmafsen  wir  mit  der  löbl.  Herrn  General  l^ta<^en  ab- 
gesandten Herrn  Brederodio  ')  hirvon  umbstßndig  cp^lmuni- 
cirt.  Der  tröstlichen  Zuversicht:  £.  Ld.  nelpen  der  ^antzej^ 
Hoohansehnlichen  Union  werden  uff  solche  mittel  undt  ^e^ 
lörderlichst  gedencken   helffeu,   domit  diese  gefehrliohe  mi|- 


1)  Er  war  tod  Heidelberg  nach  Coburg  gereist  uod  hatte  die  Briefe 
des  Admibistrators  und  des  Knrflirsten  überbracbt. 


Politik  des  Hersogs  Johann  QMimhr  von  Oobnrg.  ßg^ 

Tefsteo^t  aus  dem  wtog  geseumbt  «ndt  etwan  ein  frcMddt: 
uodt  gft^eh  medium  gestifftet  werde,  dadareh  die  dpey  inter- 
^bireade,  so  nabe  verwandte  ClrarfüntiL  Hämer  in  guton 
Verslaadt  su  briDgeo. 

XX. 

Liindgraf  Moritz  von  Hessen  an  Herzog  Job. 
Casimir.  Uebergeben  zu  Jena,  5.  Oktober  1614.  Orig. 
A.  I,  82  a,  5^  No.  61.     BI.  87/90. 

Uookg^orner  Fücet,  freund tlioher  lieber  Vetter,  Siobwager, 
Jkuder  and  Oeyaiier« 

Aufi  £.  Ld.  soluntben  vom  8.  diefees  haben  wir  gerne 
veniohMmen,  das  £.  Ld.  nabar  Drefades  m  das  Hern  Obov- 
fürsten  au  Saehsen  Ld.  sue  raiaen  uttd  mit  danieliaMi  wmu 
itngeim  besebweiUebem  zustande  dar  Qülehiadian  Lancten 
zu  oommuniotren  und  su  berataabk^aa  bedacht. 

Darbeneben  wir  £.  Ld.  in  fseuodtiicben  f«iimwtaii  ntoha 
Tedialteci ,  wtMoah&a  iso  ein  CoQTeat  ▼oa  ettioliea  Uniztaa 
€hur:  Fürsten  umH  Städte»  ia  Haiibnin  gehaliea  wirdl^ 
welobem  wir  aa  tag  Tier  oder  ttntf  neben  Obnr  'BMz,  FhAt 
Zweybrickea,  Württombeffgk,  Badeaa  und  AobaMi  ikifatea  ia 
der  persaon  bey  gewöhnet  ....  Dadt  glaiobwM  daafllbst 
▼on  den  gemeinen  eaehan  und  insooderbeit  dem  Brangi^ 
weaen  durch  des  Spinoke  gewaitaame  Eseontianas  aDgedventer 
gef«hr,  uBdt  wie  man  sieb  uff  den  fernnem  fortfaraebendaa 
naiitlall  dargagen  tohüzea  undt  uffhaUan  mödite,  allerhaadt 
ConaaltatioQ  uadt  mnderrede  gepflogen,  also  ist  auok  4ai 
hochlöbl.  Ofaar:  uadt  Firstliehan  HaAifaee  fiacb&en  bierauitr 
begriffenes  Interesia  niebt  aafaer  aofatt  gelassen  worden. 
Gestalt  wir  dan  8.  Ld«,  ohne  itium  au  melden,  T«»iohem 
können,  das  wir  unserer  verwandtnus  uadt  ecbvarbrttdaruag 
nach  biffbaj  alle  gutle  mögliche  dfieia  präatirt  uodt  unaare 
Mitunirte  8tflade  dahin  rollents  diaponirt,  daa,  we  sie  boab- 
ermelt«  Herrn  Obarilirsten  uadt  Sner  Ld.  wie  aueb  iafis» 
gemein   dem  gansan   löbliehen  Hanfs  Saahoen  in  den  CKilebt- 


570  Politik  des  H«nogt  Johann  Casimir  von  Coburg. 

toben  nndt  andern  Sachen  gatte,  ersprielalidhe  beseigungen 
leisten  nndt  erweisen  können ,  Sie  an  ibrem  eaCsersten  fleis 
nndt  bemübong  nichts  erwinden  lassen  werden.  Jedoch  ge- 
trösten sie  sich  aach  hirgegen,  es  werden  Euere  allerseits 
liebten  die  iio  vor  augenschwebende  ondt  aniringende  noth 
undt  gefahr  beherzigen  undt  dero  löblichen  yorfahren  hoch: 
onndt  weitberümbten  Exempel  nach  die  Beligion  undt  libertet, 
denen  izo  das  Messer  gleichsam  an  die  kehl  gesezt  werden 
will,  mit  undt  neben  andern  Christlichen  undt  gutherzigen 
Ständen  yindiciren,  sohüzen  undt  retten  helffen. 

Nachdem  dan  hiruff  vor  gutt  angesehn  worden  Marg- 
grave  Joachim  Erostens  zue  Brandenburgk  Ld.  Commission 
ufßButragen,  das  sie  bey  iziger  Ihrer  anwesenheit  zu  Drefsden 
von  wegen  der  löblichen  Union  mit  des  Herrn  Churfürsten 
Ld.  axls  diesen  Sachen  mit  mehrerem  communidren  undt 
handtlen  möchten ,  wie  £.  Ed.  von  L  Ld.  aulkföhrlich  ver- 
nehmen werden^  alfs  ersuchen  undt  bitten  wir  E.  Ld.  freundt- 
lieh,  Sie  wollen  neben  sein  des  Marggraven  Ld.  Verrichtung 
auch  von  sich  selbstet  bey  des  Herrn  Churfürsten  Ld.  undt 
dero  gehaimbten  Käthen  die  gutte  underbawung  undt  be- 
förderung  tbun  helffen,  darmitt  sie  dem  gemeinen  undt  izo 
nottleidenden  Evangel.  wesen  etwas  näher  an  banden  gehn 
undt  Ihrem  hohen  respect  undt  authoritet  nach  beym  Gegen- 
theil  die  Verfügung  thun  wollen,  uff  das  die  underm  praetezt 
kayüserl.  gewalts  undt  befelchs  verübte  undt  noch  femners 
vorhabende  undt  grafsirende  Hispanisch  undt  Päpstische  Exe- 
cntion  undt  Erigs  Macht  eiogestelt  undt  dargegen,  sowoll 
der  Gülchischen  landen  undt  sachen,  alJts  auch  der  EvangeL 
gravaminum  halber  gütliche  undt  trägliche  Composition  undt 
vergleichung  vorgenohmmen  werden  möchte. 

Dardurch  werden  E.  Ld.  einen  ewigen  undt  unsterb- 
lichen rhum  undt  nahmen  erlangen.  Wo  nicht  aber  undt  da£B 
man  diefsem  des  gegentheils  fernerm  gewaltsamen  fortt- 
brechen  also  lenger  nachsehn  undt  Verheugen  weite,  über  das 
dan  das  Ohur :  undt  Fürstl.  Hauis  Sachssen  umb  die  Gül- 
ohische    Lande     genzliohen    periditiren    dftrfiPte,     so    wftrde 


Politik  des  HersogH  Johann  Catimir  von  Coburg.  571 

auch  der  EvaDgel«  Heligion  andt  des  hayligen  Eeioht  undt 
deisen  Stftode  wohlerlangter  libertet  ein  solcher  yerlust 
undt  naohtheiU  lugefögt  werden,  welcher  zu  seiner  zeit 
undt  wan  die  ror  andern  iio  aufsgemahlte  undt  yerhaste 
ETangelisohe  Stände  aufsen  weg  geraumbt,  anch  die  übrige 
nndt  bifshero  angegebene  liebste  undt  gehorsambste  undt 
deren  inhabige  Stiffte,  lande  undt  gütter  gewifslichen  be- 
treffen würde 

£.  Ld.  akeit  treuer,  dienstwilliger  retter, 

bruder  undt  geyatter 

Moritz  y.  Hessen. 


XXI. 

Herzog  Joh.  Casimir  an  Ludwig  Camerarius 
(Churpfälz.  geheimer  Bath).  Coburg,  13.  Oktober 
1614.     Konzept.     B.  II,  7,  No.  115. 

Derowegen    wir  nicht  underlassen  wollen  Euch 

mitt  diesem  unserem  wohlmeinenden  schreiben  gnedigliche 
zuebegruefsen  undt  zue  mehrer  Correspondenz  einen  anfang 
zu  machenn.  Wie  dan  fast  am  tage,  das  hochnottwendig 
gutte,  yertrawliche,  innerliche  communication  undt  confereni 
offtermahlig  undt  beharrlich  zu  erhalten,  dem  grofsen  an- 
drohenden unheyll  allendhalben  mitt  einmuettiger  zuesammen- 
setzunge  undt  stetter  yorsichttigkeit  endgegen  zu  trachtten, 
dieweihll  es  den  Adyersarys  nichtt  umb  ezlich  Geistliche 
gütter  undt  städte  yermeintte  resütution,  sondern  handgreiff- 
lich  des  ganzen  Eyangelischen  wesens  gründliche  ezstirpaUon 
undt  des  Ooncily  Tridentini  längstyerfaste,  erschröokliche  exe- 
cution  zu  thueu 

Mitt  noobmahligor  bestendiger  assecuratio  undt  yerge- 
wissigunge,  das  wir  yon  einmahll  crclertter,  vertrawlicher 
correspondenz  gegen  hochyermelte  Union  nichtt  ablassenn, 
auch  nach  unserer  zwar  wenigen  geringfuegigkeitt,  doch 
euseristen  geyblissenheitt  dasienige  betrachten,    erbauen  undt 


572  Politik  des  Hersogt  Johann  Caeiodr  von  Cobmrg. 

f orttsaseii  helffao  wollen ,   was  sue  d^  firaogeL  Wermui^gumg 
wohUftrth  uodt  bastem  gemichen  möge. 

Darumb  wir  gerne  wollten,  das  nathwenidige  omrespo«- 
denjE  anhero  zu  uoüs  angestellet  uiiik  undeffhalteB  wiMe, 
welohes  uff  OnoUibaoh  ^)  undt  dahero  forder  zue  uoDb  iaeg- 
liehe  geschehen  könntte  .  . 

XXIL 
Herzog    Job.    Casimir    ^n    Landgraf   Moritz    Ton 
Hessen*).    Coburg,  17.  Oktober  1614.     Konzept.    B.  II, 
7,  No.  115. 

....  Thun  uns  zuvorderst  gegen  B.  Ld«,  das  sie  uns 
des  verlauffs  des  Oonvents  zu  Hailbrunn  ettlicher  Unirten 
Chur:  Fürsten  un^t  Städte  iheilhafftig  maohen  wollep,  i^r 
8onderl)eitt  all  (^er  guten  ^elaiften  ofQ^ien,  in<i}em  Sie  |hre 
mittglied  (so.  der  Union)  lu  jnü^lioben  bez^igungen  \n  dem 
Oülobisohen  undt  andern,  dem  gantzen  Haus  Sachsen  an* 
gelegenen  saohen  wolmafsen  disponirt,  sum  freundtliehBten 
bedanoken.  Undt  mag  £.  L.  uns  sioherlioh  zutrauen,  wo  wir 
zu  eriialtung  des  theuer  erworbenen  Religion:  undt  prorfon* 
üriedens,  auch  wolhergebrachter  Teutscher  libertet  iehtwas 
zu  laisten  vermögen,  das  an  unserm  eufsersten  zu^un,  vor- 
mittelung  undt  unterbauung  kein  vieis,  mühe  oder  arbeit  ge- 
spart werden  soll. 

Wir  haben  gleichwol  auch  des  Churförsten  zu  Sachsen 
wachsame  sorgfeltigkeitt  für  der  allgemeine  wol&rtt  im  heil. 
R.  Reich  gnugsam  befunden;  inmafsen  uns  da  8.  Ld.  yer» 
sichert,  wie  des  Spinoia  intent  zu  keinem  fernerem  fortt* 
brechen  oder  spanis<^en  undt  Bapstisohen  ezpedition  ange- 
sehen, sondern  allein  uff  die  Execution  mitt  Aachen,  undt 
damitt  die  Gülobischen  Lande  durch  entstandene  mifshellig- 
keit    undt    Krigsmacht    beyder    possedirender    Fürsten    vom 


1)  Markgraf  Joachim  Ernst. 

3)  Antwort  auf  den  Brief  v.  5.  Okt.  1614.     ef.  Beilage  XX. 


Politik  des  (lerzogs  Johanii  Casimir  von  Coborg.  ^578 

Beioh  uicht  eDttw6^det,  gemeint  seyn,  dazu  da  der  Rom. 
Keys.  Vay«,  uDser  Allergned.  Herr  bey  solchem  Zustand,  £a- 
mahl  nach  oocupirung  der  vheatung  Glilch  nndt  anderer 
f^ttentaiteii,  als  das  Oberhaupt  und  lehnherr  nicht  unseitige 
'^ere  be^o^en  worden. 

Machen  uns  auch  keinen  Zweivel,  woferne  S.  Ld.  ver- 
spüren solle,  das  hierunter  die  Unterdrückung  der  Beligion 
oder  Teutscher  libertet  gesucht,  Sie  werden  als  da  recht- 
schaffene gute  resolution  fafsen  undt  von  dero  löblichen  Tor- 
fahren  Exempel  nicht  abweichenn 


?:xiiL 

Herzog  Johann  Casimir  an  Landgraf  Moritz^). 
Eisenach,  26.  November  1614.  Konzept.  A.  I,  32,a,  5, 
No.  61.     Bl.  96/100. 

.  .  •  Wie  wir  uns  n«9  darinnen  uff  B.  Ld.  filfgangan^ 
«b^nmellsige,  danckn/9bmige  ercleiirunge  ku  fßrnßtßr  communi- 
cati.Qp  undt  correspondenz  fceundliob  erbotten,  also  thun  S. 
Ld.  wir  hierbey  abermaUs  ve^trawter  wohlmeinunge  über- 
#ende9,  wa^  Oir  andtwortt  yo^  bocbgedachtes  jOburfdrsiten  Ld. 
«rvolgett  Hingegen  undt  do  bey  E.  Ld.  iohtwas  naohricibir 
tiges  von  djen  NiderleMdischen  Efindeln  undt  traetaten  ^der 
auch  spnstep  von  andern  gefebrlichep  Eriegapraeparatioiien 
undt  practit^en  seil^ero  einkommen  oder  nachmals  eixigelangen 
^rdet,  bitten  wir  solche  uns  wenigers  nicht  theilhafftig  la- 
jnache^  undt  darnebßP  ihr  vertrawlicbes  Ouettaohten  bey 
einem  undjt  dem  andrem  Puncten  «n  undergeben  undt  sup- 
p^ditiren,  wollen  ^r  alfsdann  abn  uiiserm  treuem,  embsigen 
ybleis  nic^it^  erwindian  l«ji»en,  was  wir  bey  den  sachten 
weitter  mitt -erspriefslicber  gutter,  underbauunge  immer  ver* 
mögen. 


1)  Ein  Brief  desselben  Wortlauts  wurde  unter  demselben  Datum  an 
Kurfärst  Friedrich  v.  d.  Pf.  geschiclLt.     Kopie.     B.  II,  7,  No.  U^. 


674  Politik  des  Hersogs  Johanti  Cssimir  von  Coburg. 

Es  vernehmen  aber  E.  Ld.,  das  des  Herrn  Chnrfilrsten 
SU  Sachsen  Ld«  bestendig  dafür  halten,  wie  die- Gülchisohe 
Unruhe  durch  kein  ander  mittel  oder  weg  zustillen,  dann  wo* 
ferne  sich  allerseits  Interefsenten  der  Keys.  Interposition 
snbmittirten.  Item  das  L  K.  M.  craflt  tragenden  Keys,  ambtts 
erhebliche,  auch  in  Beiohsordoungen  gegründete,  uhrsachen 
gehabtt,  die  Sequestration  den  Chur:  undt  Fürstl.  Partheien 
zum  besten  ahn  die  handt  zu  nehmen,  sintemahl  die  Pofse« 
dirende  zue  den  waffen  gegriffen  undt  ieder  theil  mechtigen 
anhang  gesucht;  dabey  dem  Oberhauptt  undt  höcbatem 
Magistrat  still  zu  sitzen,  zu  dem  heil.  Reich  geleisteten 
Pflicht  halben  gar  nicht  gebüren  wollen.  Bo  nun  yor  allen 
Bingen  die  Lande  in  unpartheyscher  Chur:  undt  Fürsten 
Ton  beiden  Religionen  undt  die  einem  undt  dem  andern 
Intereüsenten  confident  händte  gestellet  würden,  liesen  wir 
uns  bedüncken,  es  solte  das  gefaste  mifstrauen  sincken  undt 
fallen,  auch  darauf  guetliche  handlung,  oder  in  endstehung 
schleuniger  rechtlicher  aufstrag  anzntretten  sein.  Bieweil  es 
aber  bey  Chur:  Brandenburg  Ld.  am  meisten  anstehen 
möchtte,  so  wollen  E.  Ld.  mit  fiieglichem  erinnern,  ermahnen 
undt  zue  gemuetführung  der  grofsen  gefahr,  beydes  in  gemein 
und  des  Cliurfdrstl.  Haufs  Brandenburgs  Selbsten,  ihre  au- 
thoritet  ohnbesobwcrt  interponiren ,  damitt  solch'  mildes 
Eeyserl.  anerbieten  der  Comifsarien  halben  von  8.  Ld.  gleich- 
wohl in  acht  genommen,  undt  dieselbe  alfsdann  sich  zur 
fernem  Tractation  müsten  bequemen  mögen,  dann  sonsten 
keine  ruhe,  friedt,  noch  einigkeitt  zu  hoffen,  sondern  noch 
ferner  höchstverderbliche  zerüttung  zubesorgen.  Undt  die- 
weihl  die  ahn  Keyfs.  Hoff  zue  gute  undt  Rechtt  uf  den 
1.  January  nechtkünfftigen  1615  Jahrs  stylo  novo  angestelte 
tagsfarth  herbey  nahet,  man  auch  auff  den  einen  oder  den 
andern  fall  geschwind  procediren  möchtte. 

So  bitten  wir  abermahls  gantzs  freundlichen  vhleisee, 
E.  Ld.  wollen  unfs  dero  vertrawliches  Guettachten  eröfnen, 
was  dieselbe  vermeinen  difsfalls  in  der  gute  für  bequeme» 
verträgliche,    billigmcfsige  mittell  undt  wegc,    die  sich  practi« 


Politik  des  Henogt  Johann  Casimir  Ton  Coburg.  576 

ciren  lafBon   andt  gemeinen  Byangel.  weaen  mitt  zum  besten 
gereichen  möchtten,  zu  undergeben  undt  einzugehen 

Dann  wir  unsere  theils  in  nichtt  gerne  etwae  handeln, 
andreten,  eingehen,  oder  yerhengen  undt  approbiren,  yiehl- 
weniger  vortttellen  helffen  weiten,  was  dem  gesambten 
ErangeL  wesen  zue  beschwerunge  undt  naohtheil  oder  under 
10  hohen,  fümehmen,  nahen  verwandten  Heusern  undt  Eeichs 
Ständen  zue  mehrem  mifstrauen,  trennung  undt  unheyll, 
hingegen  den  gemeinen  Wieddersaohem  zum  yortheil  ge- 
reichen möohtte. 

Die  gemeinen  gravamina  der  Evangel.  Stende  belangende, 
sehen  wir  unserm  zwar  wenigem,  iedoch  treuem  ermefsen 
nach  keinen  befsern  undt  bequemeren  modum  dan  förder- 
liche, würckliche  fortstellung  des  composition  tags;  dabey  vor 
allen  dingen  sich  zu  bemühen  undt  wo  mügliohen  zu  ge- 
winnen, das  der  Religion:  undt  Prophanfrieden  anderweitt 
undt  stercker  assecurirt,  bestetigt  undt  befestigett,  auoh 
Eeysserl.  May.  gleichmefsiger  Eeysserl.  affection  gegen  die 
Stende  des  Reichs  undt  freundtliebender  yergleichunge  vor« 
spürung  zuvermittelln,  damitt  das  eingesefsene  mifstrauen  im 
Reich  so  yiel  mueglichen  abgetilget  undt  das  alte  Teutsche 
gutte  yertrauen  etzlioher  mafsen  wiedderumb  reparirt  undt 
uffgeriohtett,  also  förder  zugleich:  undt  billichmefsiger  hin- 
legunge  der  grayaminum  nach  undt  nach  geschritten  werden 
möge;  aUsdann  man  sich  allerseits  desto  ehe  undt  mehr  zur 
ruhe  zu  begeben»  und  dieweil  des  Ohurfürsten  zu  Sachsen 
Ld.  in  deroselben  andwortt  ahn  die  Löbliche  Union  sich  er- 
botten,  erwenten  Compositionstag  befördern  zu  helfen,  wirdett 
solches  sonder  zweiffell  mitt  danck  angenommen  undt  ferner 
nachgesuchtt  worden  sein,  das  er  effectuiret  werden  möge, 
dann  ohne  oder  auTser  dieses  praeparatory,  wie  unschwehr  zu 
eraohtten,  kein  firuchtbarlicher  Reichstag  zu  gewartten  .... 

Verbleiben  E.  Ld«  zue  angenehmer,  freundtyetterlicher 
diensterzeigunge  ieder  zeitt  so  ehrböttig,  so  willig  .  .  • 

Joh.  Casimir. 


576  Politik  des  Herzogt  Johann  Casimir  von  Coburg. 

XXiV. 

InBtruktion  für  den  Kammeriekretär  Heufsner 
zum  Kfirnberger  Co  rrespondenztag.  Coburgs 
8.  Februar  1615.     EoDzept  u.  Ongin.     B.  II,  7,  ffo.  120. 

Ermelter  unser  Oammer  Secretarius  soll  sieb  darnach 
achten,  das  Er  unter  angestelter  Baise  soyil  immer  müglichen 
unvermerckt  den  nechsten  naher  Nurmbergk  mit  gelange, 
sieb  zuvorderst  neben  Überreichung  unsers  GrecUtiTS  undt 
gnedigen  grufses  vermeldunge  bey  dem  hoohgelartenn  unserm 
bestelten  Raih  undt  lieben,  getreuen  Herrn  Christof  Andrefs 
Ougeln,  der  Rechte  Doctorn  undt  Bathgebern  in  Nürmbergki 
praesentire,  seines  vertraulichen  raths  undt  guter  nachweisung 
in  diesem  allem  gebrauche  undt  demselben  nachgehe.  Wie  er 
dann  förder  zu  solchem  behuff  beygefUgte  noch  drey  unter- 
schiedliche Creditiv  zur  Handt  undt  nach  befindenden  not- 
turfft  zu  gebrauchen,  dardurch  im  Ohur:  Fürsten:  undt  Städte 
Bathe  geheime,  vertrawliche,  gute,  vorsichtige  naohweisunge 
so  gefahrlichen  zustandts,  undt  wie  wir  uns  in  solche  Zeitt 
gewarsamb  schicken  mögen,  zuerlangen  undt  unsem  geliempff 
beneben  vertraulicher  correspondenz  fortsetzunge  allenthalben 
in  der  enge  undt  stille  zu  werbenn  undt  zu  erhalten,  damit 
das  beste  gebauet  undt  offensiones  abgewendet  werden  mögen. 
Besonders  soll  sich  unser  Abgeordneter  bemühen: 

1)  Die  Proposition  zu  wegen  zu  bringen  undt  uns  zu 
berichten,  was  vor  correspondirende  Gbur:  undt  Fürsten  in 
der  person  erschienen  oder  ihre  Oesanttenn  geschickt  Item 
weil  der  von  Pappenheimb  meldet,  das  Kays.  Oesantten  auch 
erscheinen  werden,  das  Er  gleichfals  von  ihrem  anbringen 
nachrichtung  zuerlangen  sich  bewerbe. 

2)  Nachdem  uns  auch  hoch:  undt  viel  daran  gelegen  zu 
wilsen,  was  vor  einen  sohlufs  mann  beides  in  der  Union 
sowol  der  Correspondenz  naroen  undt  für  ein  gesambtee  De- 
fension  werok  mit  gefaster  Ordnunge  anstellen  möchte,  als 
wirdet  er  davon  gründliche  nachrichtung  zu  erlangen  sich 
eulserst  bevleifsigen  undt  uns  gehorsamlich  berichten. 


Politik  des  Hersogs  Johann  CMimir  yon  Oobnr^.  57Y 

3)  Undt  dieweil  in  deiä  neohsten  von  Kays.  May.  ao 
dei  Charfürsten  zu  Saehsen  Ld.  abgaogenein,  söwol  von  S.  Ldi 
an  UDB  eodliobem  eryolgtem  änt#ortt  Schreiben  sehr  naeh- 
denokliche  wortt  aich  befinden,  so  soll  unter  abgeordneter 
solche  undt  darzu  gehörige  wechfsellschrifften  mit  sich  nach 
Nümbergk  nehmen  undt  beim  Directorio  in  geheimb  undt 
gutem  vertrawen  davon  Communicwtion ,  jedoch  ohne  ab- 
schriÖt,  pflegen ;  darduroh  femer  anlafs  machen  die  GiUchische 
Bachen  uf  die  Bahn  zu  bringen  undt  hochgcdachts  Directorii 
bedencken  zu  vernehmen,  wie  etwan  ein  mitteil  zu  finden 
diese  schwere  sach  zu  befserm  Standt  zu  richten,  undt  ob 
nicht  etwan  ein  fürträglicb,  durchtringendt  mittell  vorhanden, 
so  mann  des  Churfürsten  zu  Sachsen  Ld.  mögte  vortragen, 
S.  Ld.  dardurch  undt  von  anderm  abzugewinnen. 

4)  Hette  sich  auch  der  Abgeordnete  eufserst  zu  bemühen 
der  Union  vorhaben,  vermögen,  vertraulich  Zusammensetzung 
undt  dergleichen  zu  erforschen,  sonderlich  wie  Frankreich, 
Engellandt,  die  Staaden,  Dennemarok  undt  Schweitzer  sich 
mit  hülflicher  Handterbietung  gegen  der  Union  erzeigen 
möchtenn. 

5)  W<Bill  masn  auch  sondern  Zweiffell  anklopfPeti  wirdt, 
wie  wir  uns  gegen  die  Union  undt  Correspondirende  zu  er- 
w^isenn,  kann  uf  solcbem  fall  unser  abgeordneter  Ihmä 
bewuste  motiven  anführen  undt  Vertröstung  thun ,  detä '  wir 
zn  ieder  Zeit  uns  unsers  wolgeneigten  gemüts  weiten  gegen 
die- Union  erolären  undt  verspüren  lafsen,  uf  alle  fälle  ah 
ein'  getreuer  freundt  nach  verwandnus,  gebür  undt  gewifsenn 
zu  erweisen;  inmafsen  vor  deflsen  uf  der  löblicheü  Evang. 
Union  ansinnen-  wir  uns  gegen  Marggraf  Georg'  Friederich 
asu  Baden  Ld.  auch  volgents  durch  Landtgraven  Moritzen  zu 
Helsen  nicht  weniger  vertraulichen  ercleren  lafsen,  dabey 
mann  acquiescirt. 

Was  nun  hirunter  allendhalben  fürlauffen  undt  vertrau- 
lich erlangt  wirdett,  das  soll  unser  abgeordneter  auch  also 
uns  hinwider  geheimbst  berichten. 


578  Politik  des  Htraogs  JobanD  Casimir  Ton  Coburf. 

XXV. 

Heufsners  Belation  an  Hersog  Job.  Gatimir. 
Nürnberg,  17.  Februar  1616.     B.  II,  7,  No.  120. 

....  Sonaten  hab*  loh  bej  den  alhier  anwesenden  ver- 
trauten  leutten  der  mir  in  gnaden  anbevohlenen  yerricbtong 
einen  anfang  gemaobtt  undt  vernommen,  das  die  sachen 
allendhalben  gegen  das  Ryangel.  wesen  ganti  höchst  gefehr- 
liehen  stehen,  sintemahl  ahn  yiehlen  underschiedlichen  ordten 
der  Papisten  staroke  Kriegsbereitschafft  öffentlichen  anis- 
brechen undt  man  hingegen  diCsseits  noch  schlechtte  gegen- 
rerfiiCBung,  sondern  das  dieser  Correspondens  tag  alleine  ad 
referendum  undt  uff  zurückbringen  morgenden  Montags  ge- 
schlofsen,  auch  das  defensionwerck  uff  neohst  volgende 
Kreifttversammlungen  gestellet  werden  soll,  ünderdelsen  su 
besorgen,  das  Spanische  undt  Italienische  Kriegsrolck  uff- 
brechen  undt  den  yorstreich  erlangen  werden. 

Oleichfalls  ist  die  Zusammenkunfft  der  Churf&rsten  soe 
Maintz  undt  Pfaltz,  darbe j  der  Bischoff  von  Speyer  undt 
Fürst  Christian  zu  Anhalt  gewesen,  gantz  lediglichen  ab- 
gangen, dann  die  Gatholischen  sich  rundt  undt  aulsdrücklieh 
ercleret  vor  restitution  der  Stiffter,  Glöster  undt  OeistL  güttem, 
so  nach  dem  Pafsauischen  vertrag  ihnen  abgenommen,  sieh 
zu  keiner  guettlichen  composition  zu  verstehen ,  noch  etwas 
nachzugeben. 

Was  nun  hingegen  die  mittel  uff  der  Evangel.  seiten, 
delsgleichen  die  Oülchische  sachen  anbelangett,  davon  soll 
ich  höchst  vertrauliche  nachrichtung  zue  E.  F.  0.  gutter  Vor- 
sehung undt  alhier  von  deroselben  höchstlöblich  undt  geheim 
uffgenommener,  vertrawlicher  correspondens  continuatioii 
neohstes  tags  überkommen  .  •  . 

XXVI. 
Herzog  Joh.  Casimir  an  Kurfürst  Friedrich  von 
der  Pfalz.     Coburg,  3.  März  1615.     Konzept     B.  II,  7, 
No.  116.     Bl.  312/18. 

.  .  .  Was  £.  Ld.  naher  Nürnberg  zum  Correspondents- 
iag  abgeordnete   geheimbtte  Bäthe  mit  unserm  wohlmeinlich 


Politik  des  Hertof^s  Johann  CMimir  Ton  Oobnrg.  579 

abgeferttigtem  yermitteUt  dwelbsten  sowohln  yo|iii  Ottlobitcbop 
Sucoession:  aUs  periolitirenden  allgemeinep  Bvaagel.  Waae^ 
gepflogener  ConfareaU  yertrawüch  oommuniciret,  iat  uvd>- 
steDdiglieh  referirt  undt  Argetragen  worden. 

Wie  wir  nun  daraus  E.  Ld.  für  beedes  bebarlicb  tragende 
fiorgfeltigkeitt  nochmalsen  vermerok^n,  also  sein  wir  aufs^ 
dafür  gegen  derselben  freundlieh  danckbar  undt  mögen  £.  Ld* 
zur  nachriohtung  freuodlioh  nicht  bergen,  das  zu  Wien  mit 
der  bewusten  Interposition  Oüliobisohen  SuooefsionweseD  be- 
treffen t  (zu  welcher  neben  unierm  Haus  Sachaen,  Pfalz-Neu- 
burg,  Pfalz -Zweibrüoken,  Burgau,  Nevers  undt?  sich  auch 
die  F.  Sechs.  Aldenburg.  Wittib  mit  Yorwendung,  ob  hette 
I.  Ld.  alTs  der  Bltesteo  dero  frau  Kutter  Ihr  yermeintas 
Becht  per  cessionem  überlassen,  angegeben)  weiters  nichts 
yorgenommen  undt  also  noch  rea  integra  sey.  Darumbefp 
hielten  wir  nicht  für  unrathsam,  das  die  hochlöbl.  (Jnion 
nochmals,  den  nechsten  es  immer  müglich,  einen  Versuch 
theten  Ghurbrandenburgs  Ld.  dahin  zu  disponiren,  das  die- 
selben gegen  Chur  Sachsens  Ld.  zu  annemblicher  Satisfection 
undt  derowegen  auch  zu  solchen  yersicherlichen  mittein  sich 
bequemen  undt  damit  gefast  also  bezeigen  möchte,  das  mann 
darauf  zu  trawen  undt  desto  eher  fortzukommen.  Wie  wir 
dann  in  gänzlicher  zuyersicht  stehen,  es  werde  sich  mehr 
hochgedachte  Churfürsts  zu  Sachsen  Ld.  auch  Ihrs  theils  uff 
Eröffnung  solcher  annemblicher  yersicherungsmittel  weniger 
nicht  zu  weiter  gütlicher  Tractation  yermögen  lassen  undt 
darumben  in  deme  an  guter  Unterbauung  bei  uns  nichts  er- 
mangeln solle.  Inmassen,  was  albereit  wir  zu  solchen  in 
guter  yorbereitung  zu  werck  gerichtet,  E.  Ld.  aus  dem  yer- 
trawlichem  Bejsohlufs  unter  andern  mit  mehrem  zu  yer- 
nemen  undt,  was  darauf  zur  antwort  ervolget,  E.  Ld.  den 
nechsten  communicirt  werden  soll. 

Anr^ichende  dann  das  periclitirende  allgemeine  ErangeU 
Wesen,  weiln  nunmehr  fast  offenbar  undt  landtkündig,  wohin 
der  CathoL  Liga  intent  angesehen,  undt  das  Marquis  Spinola 
mit    seinem    unterhabenden    exercitu    militari   allem    ansehen 

XVn.  38 


580  Politik  des  Henogi  Johann  CAsimir  von  Coburg. 

naeh  uf  Wettphalen,  Nieder:  undt  Ober  SaohseD,  Weaer  undt 
Ebstrom,  Embden,  Bremen,  Ofsnabrftcky  Verden,  Minden  nndt 
dem  Endtcn  fümemen  Stieffter  ftberweltigong  ziehlen  thnt» 
vermeinende,  dann  durch  die  miÜBhelligkeit  xwiBohen  Chor 
Sachsen  undt  Brandenburg,  defsgleichen  Dennenmarck  undt 
Hanfsen  Städte  einen  guten  Vortheil  su  haben,  nndt  aber 
wir  die  yertrawliohe  nachriohtung  erlangtt,  das  solche  gefahr 
in  dem  Nieder  SechssiBchen  Creila  nicht  sogar  hoch  in  acht 
genommen,  es  mit  dessen  Creilstagen  langsam  bemach  gehen 
undt  mann  allererst  dero  bevorstehende  getahr,  ungeachtet 
es  albereit  von  Nürmberg  aus  geschehen,  an  die  Keys.  Maj. 
gelangen  lalsen  undt  Herzog  Christian  su  Braunschweig  undt 
Lüneburg  Ld,  gleiohsamb  alles  allein  anheimbs  gewiesen 
werden  wölln,  so  vielleicht  dieselben,  so  doch  sonsten  zu  dem 
gemeinen  wesen  sehr  wohl  affectionirt,  leichtlioh  irr  machen 
möchtt  So  stellen  wir  zu  E.  Ld.  freundlichem  nachdencken, 
ob  nicht  vonnöten,  das  sonderlich  auch  bei  erwehnts  Nieder- 
Sechssischen  CreiTses  ausschreibenden  Fürsten  je  ehr  je  besser 
eine  zeitliche  ünterbawung  zu  beförderung  eilender,  vertrew- 
lieber  zusammensezung  zu  vermitteln  sein  möchte  .... 

xxvn. 

Herzog  Job.  Casimir  an  Kurfürst  Friedrich  V. 
von  der  Pfalz.  Darmstadt,  15,  Dezember  1617.  Copie. 
A.  I,  82  a,  5,  No.  96.     Bl.  6/7. 

•  .  •  Wir  erinnern  uns  zwar  freundlichen,  was  bilshero 
vonn  E.  Ld.  undt  uns  nicht  weniger  bequemer,  freundlicher 
zusammengelangunge  halben  desiderirt  worden,  welchem  zu- 
folge wir  nicht  ungemeinet  gewesen  bej  ietzer  naher  an- 
wesenheit^)  undt  gelegenheit  E.  Ld.  freund  vetterlich  zu  be- 
suchen. 

Wann  aber  unsere  färgenommene  reise  bej  ietziger 
Wintters-  und  ungewitters  kurtzer  tagszeitt  etwas  lenger  undt 


1)  In  Darmstadt,  am  Hof«  Lodwigs  von  HetMn. 


Politik  des  Herzogs  Jobasn  Casimir  von  Coburg.  581 

mühsamer  als  wir  yermeinety  sich  erstrecket ,  auch  etzliche 
angelegene  sachen  undt  uDgleiche  geschwinde  Eeyserl.  Hoff- 
piocefsy  dayonn  E.  Ld.  hiernechst  undt,  wo  es  nicht  zur 
billigkeit  geordnet,  nothwendig  das  gantze  CoUeginm  electo- 
rale  beriohtlich  angelanget  werden  mufs,  zu  banden  stofsenn. 
Darumb  wir  nach  haus  zueihlen  unnd  dilsmahls  mit  unsem 
fast  starcken  Comitat  nicht  wohl  ferner  abweges  uns  begeben 
können,  wie  gerne  wir  auch  etwa  absonderlichen  mit  wenigen 
au  £.  Ld.  gelangen  wollten.  So  bitten  wir  gantz  freundlich, 
E.  Ld.  wollen  es  nicht  ungleich  yermercken,  sondernn  uns 
freundyetterlichen  entschuldiget  halten  .... 

YerhofTen  sonsten,  es  werde  die  jüngste  wohlangesehene 
besuchunge  des  Kurfürsten  zu  Sachsen  Ld.  erspriefslichenn 
abgangen  sein,  defsen  man  sich  künfftig  in  gemein  und  eyan- 
gelischer  theils  sonderlichenn  zu  erfrewen  unnd  tröstlichenn 
au  empfinden  haben  möge.  Wüsten  wir  auch  dabei  etwas 
gedeihliches  zu  schaffen,  wollten  wir  solches  uff  £.  Ld.  yer- 
trauliches  anmeldenn,  wo  uns  nur  einige  gelegenheit  dazu 
yerstossen  möchte,  unserer  hergebrachten  guetenn,  yertrau- 
lichenn  Correspondentz  zufolge  gar  nicht  underlassen;  dann 
allem  ansehen  nach  gute  wachsamkeitt  undt  yertreuliehe  Zu- 
sammensetzung hoch  yohnötten  sein  will. 

Was  die  Jülichische  sachenn  ahnbelangt,  möchten  wir 
gerne  yemehmen,  ob  undt  wohin  Ffaltz  Neuburgk  unnd 
Bayern  £.  Ld.  uff  die  yonn  des  Churfürsten  zu  Sachsen  Ld. 
fürgebrachte  Conditiones  sich  yemehmen  lassen  unnd  was 
£.  Ld.  diefsfalls  underbauet,  oder  worauf  es  bestehe,  sinte- 
mahl  unsere  wissens  es  uff  deme  bifshero  beruhet,  ob  Pfaltz 
Neuburgk  Ld.  unnd  andere  yermeinte  Interessenten  als  Spanien 
unnd  Staaten  *  die  fürgeschlagenen  media  einzugehen  bedacht 
undt  wie  mann  dessenn  zu  yersichem.  Dabej  au  bedenckenn, 
ob  bej  künfftiger  Election  Romani  regia  das  Jülchische  wergk 
der  Capitulation  mit  bej  zu  bringen,  weil  die  trennung  unnd 
das  mifstrauen  zwischen  den  Beichsständen  aus  dieser  unruhe 
meistentheils  hergeflossenn  unnd,  nachdeme  auswertige  die 
Hände    miteingeschlagen,    sich    beharrliche   yermehrt;    dero- 

88* 


582  Politik  d«s  Hertoft  JohtDO  Casimir  von  Cobarg. 

halbenn  UDDd  woferne  zwischen  den  Interelsirten  Ohur:  niidt 
Fürsten  ni<^t  yergleichunge  getrofftn  unnd  das  frembde 
Kriegsyolk  aus  dem  Beioh  geschafft,  kein  rechtes  yertnuieii 
zu  repariren.  Also  negooinm  Joliacensa  pro  eaosa  publica  zu 
achten,  deren  mann  sich  dergestalt  billich  mit  yleia  undt 
eyyer  treulicher  anzunehmen  .  .  . 


XXVIII. 

Kurfürst  Friedrich  Y.  yon  der  Pfalz  an  Herzog 
Joh.  Casimir^).  Heidelberg,  1 8.  Dezember  1617.  Origin. 
A.  I,  32  a,  6,  No.  96.     Bl.   13/16. 

....  Wie  BODSten  die  jüngste  freundliche  besuchung 
des  Ghurfdrsten  zu  Sachsen  Ld.  abgeloffen,  dayon  £.  Ld,  etwas 
nachrichtung  begeren,  mögen  wir  derselben  freundlich  nicht 
yerhalten,  dafs  unfs  derenden  mit  solcher  freundschafft  und 
ehrerzeigung  entgegengegangen,  dafs  wir  ursaob  haben,  das- 
selbe zum  höchsten  zu  ruemen.  Hoffen  auch  in  dem  übrigen 
zu  guter  yertreulichkeit  einen  solchen  anfang  gemacht  zu 
haben,  welche  inskünfftig  allenthalben  ihren  sonderbahren 
nutzen  dem  heiligen  Reich,  unserm  geliebten  Vatterland,  und 
dem  gemeinen  wesen  zum  besten  haben  und  mitbringen  wird. 
Wiewohl  wegen  enge  der  zeit  nit  wol  möglich  gewesen  yon 
allen  ietziger  Zeit  im  Reiche  yorgehenden  nothwendigkeiten 
uns  mit  Ohur •  Sachsens  Ld.  notturft  zu  unterreden,  dmrzu 
sich  doch  yerhoffentlich  hiernegst  mehrere  gelegenheit  an 
hand  geben  wird,  indeme  dann  £.  Ld.  an  ihrem  ort 
yiel  guetes  mit  thun  und  befördern  können,  deren  er- 
bietten  wir  auch  mit  hohem,  freundlichem  Danck  annemmen 
und  unfs  derselben  bey  erster  occasion  freundlich  gebrauchen 
wollen 


1)  Antwort   auf  den    Brief  Casimirs    vom    15.   Desember.     cf.  Bei- 
lage XXVU. 


Politik  des  Hersogt  Johaoo  Casimir  von  Coburg.  589 

XXIX. 

äersog  Joh.  Casimir  an  Herzog  Joh.  Ernst  den 
Jüngeren  von  Weimar.  Coburg,  28.  Juni  1618. 
Konzept     A.  I,  82  a,  b,  No.   129.     Bl.  5/6. 

.  .  .  Wir  haben  verlesen,  was  S.  Ld.  an  uns  wegen  des 
Könägreiohs  Behem  stünde  sub  utraque  beschehenen  suchent, 
das  angestellte  defensionwerk  betreffend,  freundlich  gelati^n 
lausen. 

Nun  ist  uns  am  20.  dieses  monats  dergleichen  sohreibeti 
zukommen.  Wir  tragen  aber  allerhand  bedencken  noch  zur 
Zeit  absondlichen  uns  gegen  bemelte  Stände  mitt  antwortt 
yemehmen  zu  lafsen  undt  wüsten  auch  ohne  das  vor  difsmal 
keine  andere  erklämng  zu  thun,  denn  das  wir  mitt  des  Chur^ 
flirsten  tob  Sachsen  Ld.  undt  andern  unserm  Haufs  £rb- 
einigungsverwandten  in  diesem  wichtigen  Handel  zuvörderst 
communiciren  weiten.  Dann  in  gegen wertigen  leufften  mitt 
sohrifftlichem  Beyfall  oder  verströstung  herumb  zu  gehen,  ftist 
gefilhrlichen ,  zu  deme  wir  partioular  information  noch  in 
mangel  stehen. 

Wir  haben  aber  unserm  am  Keyserl.  Hoff  bestalten  Rhatt 
undt  Agenten  Herrn  Leander  Büpeln  uffgetragen  uns  an  ge- 
hörigen  orten,  undt  da  es  am  bequembsten  geschehen  mag, 
im  besten  zu  entschuldigen,  wie  E.  Ld.  aus  beygeschlofsener 
Copien  zu  vernehmen,  undt  stellen  zu  E.  Ld.  gefallen,  ob  Sie 
es  Ihren  ortts  gleichermafsen  zu  halten  oder  die  Stende  mitt 
einer  Vorantwortt  zu  versehen  gemeint.  Als  wir  da  von 
Harggrafen  Christiann  zu  Brandenburg  darunter  nicht  weniger 
vermittelst  vertrauter  leutt  umb  guttachten  angelangt  undt 
dergleichen  von  uns  gestellet 

Sonsten  können  wir  gleiehwohl  nidit  befinden,  das  die 
mitt  der  Cron  Behem  uffgerichte  Erbeinigung  uff  solchem  fall 
füglich  zu  applioiren,  sintemal  Keligiön :  undt  glaubens  sachen, 
zumahl  aber  die  Rom.  Kays.  May.  unser  allergnädigster  Herr 
clärlich  ausgenommen,  undt  also  unser  Haulb  zu  der  ver- 
sprochenen Hülffsleistung   bei  solch  beschaffenheit  nicht  ver- 


584  Politik  des  Hersogt  Johann  CMimir  yon  Cobnrg. 

pflichtett  Inmaf;ien  die  Kays.  Kayeet  aus  crafft  der  Com- 
pactaten  der  Huelffe  unserB  eraohteDS  auoh  nicht  zu  forden, 
weil  die  Cron  Behem  in  der  Erbeinigang  begrieffen  undt 
demnach  wied  derselben  mittglieder  nicht  zu  interpretiren 
seyn  will;  hierüber  in  glaubenssachen,  dahin  das  wesen  seinem 
Ursprung  undt  ende  nach  lauffen  will,  beyde  theil  unyerbunden 
sind.  Und  obwol  das  gantze  werok  wieder  die  Kays.  May. 
nicht,  sondern  die  Friedensstörer  undt  des  Königreichs  feinde, 
zu  des  Königs  undt  der  Stände  ruhe  angesehen,  so  ist  dodi 
offenbar,  wie  S.  liay.  dafselbe  empfinden,  uff  sich,  die  Königl 
Hoheit,  Reputation  undt  scepter  ziehen,  auch  defswegen  zu 
den  Waffen  zu  greiffen  entschlolsen.  So  ist  uff  allen  seilen 
zumahl  sehr  bedencklichen,  da  respectu  der  Kays.  May.  man 
sich  wol  vorzusehen;  dameben  uff  der  andern  seitten  so 
Beligion,  verwandtnuTs,  nachbarschafft  undt  theils  lehns- 
verpflichtung  halber  gegen  der  Cron  Böheimb,  gleichsam  der 
Vormauer  ins  Reich  Teutscher  Nation,  bey  so  gefähiüchen 
zeitten  undt  leufften  das  werck  nicht  blofs  zu  laTsen,  aondem 
ettwa  füglichen,  zeittlichen  ins  mittel  zu  kommen,  gro(s  un- 
heil  abzuwenden  undt  allerseits  Versicherung  zu  machen,  das 
beste  undt  rhatsambste  seyn  weite  .  .  . 


XXX. 

Herzog  Joh.  Casimir  an  Kurfürst  Friedrich  V. 
von  der  Pfalz.  Coburg,  21.  Juli  1618.  Konzept  A.  I, 
82  a,  5,  No.  96.     El.  20/25. 

....  Wir  zweiffein  nichtt,  £.  Ld.  wohll  fürkommen 
sein  werde,  was  bifshero  treuer,  wohlmeinend  versorge  inn 
dem  Böheimischen  weitt  aussehendem  zustandt  vermittelst 
vertrauett  leute  hinc  inde  communiciret ,  wir  auch  ahnn  des 
Herrn  Kurfürsten  zu  Sachsen  Ld.  gelangenn  lassenn,  erinnert 
und  ermahnett.  Dieweill  nun  8.  Ld.  unfs  hinwiederma(sen 
nebenn  absehrifft,  was  hierinnen  ihrer  ordts  furgangen, 
freundt:   undt  ausführlich   beandtwortet ,   wie  £.  Ld.  ob  den 


Politik  det  Herzogs  Johann  Casimir  von  Coburg.  58& 

beylagenn  undt  mitt  mehrerm  zu  yernehmen,  das  dieselbe  der 
bochnothwendig,  seitlichen  interposition  gar  nicht  abgeneiget^ 
sonder  mitt  £•  Ld.  solches  hohe  werck  sue  allgemeinen  undt 
sonderbahrem  bestemi  friede  undt  ruhe  yersicherlich  erhalten 
undt  fortsetzungen  gerne  unternehmen  wollten.  Zue  deme  wir 
auch  ttufs  etzliehenn  gar  yertraulioh  einkommenen  anzeigungen^ 
so  theills  hierbey  gefuegett^  wohll  yerspühren  können,  wohin 
8.  Ld.  meliniren,  das  Sie  auch  in  dero  Lands  yor  Böheimb 
Werbungen  communioiren ,  inmalsen  yom  Haupttman  yon 
KeinigBy  auch  yon  einem  yon  Büau  dergleichen  werbongen 
fürgangen,  ündt  jüngsten  am  selbigen  ordt  der  EeyserL  ge- 
sandte Ormff  yon  Hohenzollern  seines  fürbringens  halben 
wenig  gehör  gehabt ,  sondern  mitt  etzliohen  sonderbahren 
schreiben  ziemlich  wiederleget  worden  sein  soll,  was  er  sich 
auch  alls  eine  Jesuitische  Creatur  disfalls  hingegen  rühmen 
mag,  die  Stende  im  heil.  JEtöm.  Beich  seiner  art  nach  irre  zn 
machen  undt  yon  ihrer  guetten  intention  zu  Keys.  Mayest» 
undt  dem  Königreich  Böheimb  beförderlichem,  yerträglichem 
besten  abzuführen  undt  den  unruhigen  leutt  in  ihrem  besen» 
geföhrliohen  fürhaben  fortzuhelffen ,  welches  sich  ie  lenger 
ie  mehr  enddecken  wird.  —  Zwar  habenn  sich  Ghur  Sachsens 
Ld.  unsers  wenigen  erachtens  dieses  Unwesens ,  auch  unyer- 
sucht,  ie  ehr  ie  besser  schleunig,  ernst  undt  eyferiglich,  billig 
undt  gebuerlich  anzunehmen  umb  der  treu,  damitt  sie  Keys. 
May.  undt  dem  Königreich  Böheimb  yerwandt,  der  Erb- 
yereinigungen,  nahend  naehbarsohafft,  Religion,  YerwandtnuljB; 
undt  zuyörderst  auch,  das  durch  seiner  Ld.  inn  Oott  ruhen- 
den Bruder,  weihlandt  Christian  II.,  der  Majestätsbrief,  yon 
dessen  iezig  hiAdansetzunge  zu  dergleichen  eztremiteten  uhr- 
sache  gegeben  worden  sein  soll,  mitt  sonderbahrer  ansehen- 
lich  abordnung  undt  afsistenz,  den  glaubensgenossen  zu  guettem 
gemeinett,  erhobenn  undt  aufgebraditt,  darbey  nicht  unbillich 
conseryiren  zue  helftenn,  dessen  damahligen  yerlauffs,  wo  es 
£.  Ld.  nichtt  zuyorhin  wissendt,  man  sich  aus  heiligenden 
des  Ghurfursten  zu  Sachsen  Instruktion  undt  anderen  schreiben 
nochmahls  zue  erholen  undt  zu  erinnern. 


5J^  Politik  das  Hersoft  Johann  CAtimir  ton  Coburg. 

Ah  habenn  wir  dieiAs  alles,  UD«erer  sonderbahren  ver- 
#atidtüdiekk  andt  y6rtra#lieheii  gutten  Oorrespondenz,  «neh 
ttewt  TorMrge  nach  yor  femeine  wdhllfbrfli  K  Ld.  freund- 
Tettorlioh  utidt  yertntwlioh  hiermitt  commanieireii  undt  also 
dAi  unserige  wenige»  jedooh  wohlmeinliohe,  auch  darsu  thuen 
uttdt  darumb  niohtt  rnttCsig  sitien  wöUenn,  ob  E.  Ld,  zue  yor- 
Stehender  nothwendigkeitt  ettwas  f&rtragl:  undt  erbaoliohes 
i^i  nehmen  undt  sieh  zue  gebrauchenn. 

Sonsten  will  yon  allen  Recht-  undi  friedliebenden  gentz- 
lldh  dafür  gehalten  wei^den»  wie  es  auch  ruidentia  fisoti  weiaent, 
des  lengeirn  nicht  tue  seumen,  in  diesem  unwesen  mitt  ahn- 
a^heulichem,  einhelligem,  yertraulichem  zusammendretten  zue- 
greilFen  undt  es  aus  hftnden  der  gefährlichen  Pttpstisehea 
ülidt  Spanischen  practicanten  zu  nehmen.  Non  enim  hene 
coDYeoiunt,  nee  in  una  sede  morantur  prihcipis  et  papae 
ibiijestas.  8i  etiam  deo  reddetur,  quod  dei,  et  Oaesari,  quod 
Oseabris,  quae  Htm  hie  pontiflcis  partes  erunt  reüquae  ? 

Wann  nun  K.  May.  pro  reputatione  et  autoritate  mitt 
il^to  Kriegsbereitsohafft,  scharffen  Mandaten  undt  sehrifften 
täSk  yerfshren,  die  Böheimischen  Stende  dergleichen  auch 
nicht  Uttderlasseu ,  dan  L  M.  yon  der  albereit  einmahll  gne- 
dtgst  angebotenen,  wohlangesehenen  undt  undertiienigst  aec^ 
titteü  i^medirungen  ab:  undt  uff  schaiffe  wege  zuführen 
uA'dt  yerbittern»  die  Böheimischen  Stände  odio  Beligionis 
mitt  ihren  grayaminibus  gar  niditt  gehörtt,  sondern  Ihnen 
älllB  mittel  undt  wege  durch  ihre  widerwertigen,  so  diels 
splell  angef^gen,  abgeschnitten  werden  sollte,  wehre  htfch- 
lieh  zu  besorgen,  es  dörffte  ex  desperatione  et  neeeesitate 
eictrema  ein  solches  feuer  endstehen,  so  hernach  niehtt  leicht- 
ichen  wieder  zue  leschen,  und  sub  praetextu  motus  Bohe- 
mi^i  man  leichtlieh  firembde  Gäste  ins  Beidi  bekommen,  da- 
hero  ettlberstes  yerderben  androhend. 

Um  Med  }tt  uer^nbern,  fotbert  er  ben  ihttfArften  mtf,  bei 
flmf.  9I09.  }u  bttereeniereit,  mie  ed  (Sfyn^Ba^fitn  0et|ait.  —  Zwar 
möchte  es  fast  das  ansehen  gewinnen,  alls  wan  man  am  kays. 
hoff  £.  Ld.  bey  der  Composition  niehtt  gemne  wissen  möchte.  — 


Politik  des  Hersogt  Johann  Casimir  von  Coburg.  587 

Sollte  aber  die  erbetene  Resolution  von  K.  liay.  nioht  oder 
zweifelhaft  erfolgen,  so  haben  die  Kurfürsten  zu  wachen  und 
das  ]?euer  zu  dämpfen,  ob  auch  gleich  Chur  Mainz,  Trier 
undt  Göln  ikndere  undt  besondere  considerationes  darbey  haben 
möchteni  wie  aus  der  Andefnachischen  Zusammen  Ordnungen 
seoder  zweiffell  herfürbraoht  wirdtt«  Dargegen  aber  die 
8  weltl.  Ohorfärsten  Special  Interesse  dero  anstossende  lande, 
Erbrereinigungen  undt  fumehmer  Lehenschafften  auA  Oorre- 
spohdemz  halben  gegen  die  Oron  Böheimb;  darumb  I.  Ld» 
sich  mitt  besserem  fuege  des  oompoeitionswerkes  anzunehmen. 
Dahero  aller  dreyer  weidlich  Ghnrfürsten  oommunicaüo 
undt  conjunetio  wohll  ronnöten,  oder,  weill  Chur  •  Branden- 
burgs Ld.  abwesend,  ahn  derselben  stadtt  der  Marggraf 
zu  Brandenburg  g^bruder  Ld.  ali  nechst  angesessen  mit  zu« 
ziehen. 

Besonders  do  über  zurersichtt  den  gemeinen  ayifsen 
nach  König  Ferdinand  nna  cum  adjunctis  commissariis  völlige 
odAchtt  undt  gewalt  über  Böheimb  auffgetragen  werden  sollte, 
die  dieser  zeit  bey  den  Böheimisohen  Ständen  der  Jesui- 
tischen  gewogenheit  halben  wenig  vertrauen  undt  volge 
haben  möditen,  zuemahll  wan  mitt  Päpstisch  undt  Spanischer 
h^ielfEe  in  die  werok  gegriffen  wurde;  alsdan  ein  gewalttig 
uffistandt  mit  schwehren  zweifelhafftigen  aufsgange  zu  be- 
ferehten 

ünderdessenn  können  wir  die  Böheimisohen  Stende  undt 
dero  angesessene  nichtt  verdenken,  das  sie  das  gemeinitzige 
w<^ll  versichern  undt  in  acht  nehmen.  Dan  do  das  nicht 
geschehn,  möchten  sie  nunmehr  vor  andern  überraschett  uudt 
der  saöhe  wenig  zu  helffen  sein,  sondern  beschwehrliche 
conditiones  nachgegeben  werden  müssen;  hingegen  weill 
man  gefissi  verbleibett,  versich^liche  abhandlung  desto  ehe 
zu  gewertigen.  Wie  dann  albereit  gar  zu  starck  heraus- 
gebrochen, das  man  uff  seitten  Kays.  May.  begertt  die 
Waffen  niederzulegen  undt  die  anfenger  des  handells,  die 
doch  zuvorn  zue  Wien  sein  mögen,  zur  bestraffung  zu 
stellen  .... 


588  Politik  des  Henog»  Johano  CAtimir  yon  Cobarg. 

XXXI. 

Hersog  Job«  Ernst  der  Jüngere  (Weimar)  an 
Herzog  Job.  Casimir.  Weimar,  T.August  1618.  Orig. 
A.  I,  82  a,  5,  No.  129.     Bl.  7/9. 

.  .  .  Wiewol  nun  von  der  Rom.  Keys.  May.  unserm 
aller gBedigsten  Herrn  uns  keine  Notifioation  oder  einiges 
anmanungssehreiben  zukommen,  dahero  wir  aneb  £•  0.  unser 
weniges»  jedocb  treues  bedencken,  wie  aller  böcbstgemeltte 
I.  Keys.  May.  eigentlich  sn  beantwortten  sein  möchtte,  niohtt 
wiederfahren  lafsen  können,  so  bedünkt  uns  doch,  weill 
E.  0.  die  GhurpfSlziscben  undt  SXohs.  sehreiben  an  Keys. 
May.  albereits  vor  sieb  haben,  es  solte  E.  0.  sioherlioh  yer- 
fahren,  wann  nach  Ihrer  Ld.  u.  On.  erklemngen  sie  sich 
richtten  thetten. 

Aber  was  wir  sonsten  den  Evangel.  Böhmen  off  ihr  be- 
wustes  schreiben  neuligst  zur  antwort  geben,  das  befinden 
E.  0.  aus  der  Beylage  mitt  mehrem ;  undt  hatt  unüs  bey  £.  6. 
als  dem  yertraueten  Vetter  undt  Herren  Vater  keinem  hehl, 
das  wir  zwahr  vor  unser  Person  der  Böhmen  Proeefe  wieder 
Sohlawata  undt  seine  gesellen  uf  ihme  selbsten  beruhen  lausen 
undt  ihn  weder  mitt  demienigen,  was  aus  gerechter  raoh 
undt  straffe  Gottes  der  Profeheten  Mörderin  Jesabell  wieder- 
fahren, yergleichen,  noch  schelten  wollen.  Aber  was  der 
Stende  Hauptsach  an  ihr  selbst  betrifft,  sehen,  beneben  E.  O. 
undt  denn  andern  Evangel.  Chur:  undt  Fttrstenn,  derenn 
schrifften  uns  zu  banden  kommen,  wir  dieselbe  noch  zur 
Zeitt  vor  rechtmefsig  gentzlich  ahn,  möchten  ihnen  auch  yon 
Hertzeo  gerne  gönnen,  das  Sie  ohne  runden,  richttigen  Trost 
bey  solcher  ihrer  gueten  Christi,  sach,  zu  yoraus  yon  unserm 
Haufse,  nicht  gelafsen  würden,  in  betrachtung,  was  Sie  in 
gleichmelsiger  geföhrligkeit  der  Beligion  bey  £.  G.  hoch- 
geehrten Grofs:  undt  unserer  elter  herm  Vatem  alls  die  red- 
lichen Böhmen  treuhertzigklicb  gethan« 

Nachdem  aber  bis  anhero  weder  die  Evang.  Stende  in 
gemein  wegen  unterbliebener  zusammenkunfft  in  dieser  saehe. 


Politik  des  Herzogs  JoluinD  Casimir  von  Coburg.  589 

welche  nechst  Landgraff  Moritzens  zu  Hefsen  Ld.  wir  in 
gleichen  hochnothwendigk  achtten,  noch  iemandt  anderfs  aus 
den  gröfsern  undt  mechttigern  ihres  theilfs  gegen  die  Böhmen 
frey  herausgehen  undt  der  Katzen  die  schelle  anhengen 
wollen,  so  haben  wir  auch  alfs  der  minderste  nicht  unbiUioh 
bedencken  getragen,  der  förderste  undt  erste  zu  sein,  auch 
der  uhrsach  wegen  in  unserer,  den  Byangel.  Böhmen  ge- 
gebenen, schrifftlichen  antwortt  ihnen  die  gebetene  htilff  weder 
zu:  noch  abgesagtt,  sondern  den  mittel wegk  getroffen  undt 
alles  uff  künfftige  beschaffenheit  der  sach  undt  weiters  be- 
rathen  mitt  £.  6.  undt  andern  unsem  ahoverwandten  ge- 
schoben. 

Do  nun  solche  unfsere  antwort  £.  0.  rathTsamen  be- 
dencken undt  einschlage,  welchen  Sie  unfs  den  22.^)  ab- 
gewichenen Monats  Jnny  gegeben,  allenthalben  gemefs,  betten 
wir  das  Ziel,  welches  uns  fürgesteckett  gewesen,  glücklich 
erreicheti;  wie  wir  dann  auch  künfftigk  uns  mitt  £.  On. 
alzeit  einer  gleichförmigen  meinung  in  so  wichttigen  undt 
gemeine  wohlfahrth  betreffenden  saohen  gerne  vereinigen 
wollen  .  .  . 

XXXII. 

Kammersekretär  Heufsner  an  Herzog  Job.  Ca- 
simir. Coburg,  14.  August  1618.  Orig.  A.  I,  82  a,  5, 
No.  160. 

....  Gleich  seindt  bey  zuefelliger  Post  beygefügtte 
zwey  verschlossene  schreiben  vonn  denn  Eyangel.  Böheimi- 
Bchen  Stenden  undt  herren  Bueppeln  ')  ankommen.  XJndt  soll 
albereit  ein  treffen  fürgangen,  auch  mehr  zu  besorgen  sein, 
welches  nunmehr  undt  weill  man  einmabll  zu  streichen 
kommen,  der  guettlichen  interposition  halbenn  gar  mifsliche. 
Es  wehre  dan,  wie  verlauttenn  will,  der  Böheimische  succurs 


1)  Job.   Ernst   irrt   sieb,   denn    es   war   der    SS.  Juni.     cf.   Beilage 
XXIX. 

2)  Agent  Casimirs  in  Prag. 


590  Politik  das  Hersogs  JohAM  CMimSr  von  Coburg. 

10  storok  undt  meohttig,  das  er  kne  KriegBttiaeht  ftbertreffe, 
darunder  aber  nichtt  saeseumen  oder  sieh  feroer  mitt  gutten 
wordten  aoff-  oder  abhaltten  zu  lassenn,  bis  dem  Kayser  oder 
Könige  frembde  Httlffe  beykommen,  bo  würde  der  allmechtige 
Oott,  deetenn  ehre  undt  reine  lehre  es  betrifft,  gnade  Ter- 
leihenn,  sab  armis  einen  yersicherliohen  undt  bestendigen 
frieden  vor  die  Böheimb  lu  besohlieasen.  Dann  nff  der  Keys. 
Mitten  betriffts  die  reputation  undt  uff  der  Böheimb  theill 
die  afseöuration  undt  yersicherunge  des  liajestfttsbriefes ;  das 
seiddtt  zweene  hartte  Knoten  auffsuelösenn. 

Nun  Oott  der  allmechtige  kanns  geben. 

Es  wirdet  des  von  Waldenfels'  Bedenoken  hierüber  ge- 
warttet,  allsdan  den  Böheimen  einTsmalls  wiedder  eine  be- 
soheydene  andtwordt  oder  trostbrieffleinn  undt  gueten  ratii 
mitt  erbietenn,  was  sich  andere  verwandte  Erbvereinigungen 
undt  benachbarte  uffn  euTsersten  fall  erzeigenn  würden,  auch 
zuö  erwegen,  wiedderfahrenn  zuelassenn. 

Wans  allsdan  zue  weitterem  gefKhrlichem  Schwertstreich 
undt  nichtt  zum  vergleich  kommen  sollte ,  würde  man,  wie 
andere  Fürsten  angestellet,  mitt  der  Landtsohafft  ausschues 
einen  gewissen  Schlues,  bereitschafft  undt  auffgebots  halbenn 
uff  nachweisunge,  was  Ghur:  undt  Fürsten  zu  Sachsen,  auch 
die  Marggrafen  sich  erzeigen,  malchen  muessenn,  ehe  die  be- 
stellunge  verseumett  .... 

XXXIII. 

Kurfürst  Friedrich  Y.  von  der  Pfalz  an  Herzog 
Joh«  Casimir.  Behehütten,  22.  August  1618.  Origin. 
A.  I,  32  a,  6,  No.  96.     Bl.  64  u.  67. 

.  .  .  E.  Ld.  communiciren  wir  hierbey,  Wals  die  Stendt 
in  Böhmen  eines  feindlichen  einfalls  halben,  durch  Gra^ 
Dampier  geschehen,  an  unfs  beweglich  gelangen  lassen  undt 
wir  darauff  an  Chur-Sachsens  Ld.  vertreulich  geschrieben. 

Weil  es  dan  nunmehr  zu  den  Bxtremiteten  kommen  undt 


Politik  des  Hersogs  Johann  Casimir  von  Coburg.  501 

nioht  SU  zweiffln,  dafs  sich  der  Pabst,  Spanien  undt  gantie 
Liga  der  saohen  wieder  die  Böhmen  mit  hüUf  undt  Gontri- 
bution  wie  man  dessen  naohriohtang  BÜts  einer  Beligionssaob» 
wiewol  sie  sonsten  ein  anders  undt  dafs  es  ein  lautter 
Politisch  werokh  betreffe,  vorgeben,  würcklich  annehme^,  so 
will  ie  einmal  dem  gantzen  Evangel.  wesen  undt  allen  des- 
selben Stenden  im  Reieh  zu  waohen  angesagt  sein,  dafs  man 
dermaleinst  eine  solche  resolution  fiasse,  damit  man  nicht 
ohnyersehens  in  eine  solche  eng  eingetrieben  werde,  darinnen 
die  lang  erworbene  Libertet  undt  Eyangel.  Beligion  notfa- 
wendig  zu  grund  und  boden  gehen  müste. 

£.  L,  können  bey  der  bevorstehenden  Zusammenkunfft 
defs  Chur:  undt  fürstl.  Hauses  Sachsen  verwanther  fürsten, 
die,  wie  wir  berichtet  in  kurtzem  geschehen  werde,  hierin  viel 
gutes  thun  und  rathen.  Inmafsen  wir  sie  auch  freundlich  er- 
suchen, dafs  sie  an  ihrem  ort  nach  möglichkeit  befördern 
wolten,  damit  der  enden  eine  gute,  dapffere  resolution  dem 
gemeinen,  evangeU  Wesen  zum  besten  gefast  werden  möge; 
sonderlich  in  dem,  wie  es  entlich  mit  der  sowol  von  der  Kays. 
May.  alfs  auch  den  Stendeu  in  Böhmen  krafft  der  Erbverein 
gesuchten  afsistentz  zu  halten.  Mit  welcher  verein  es  unsere 
theils  also  beschaffen,  dafs,  ob  wir  wol  derselben  erneuerung 
vor  weniger  Zeit  durch  sonderbare  Oesandten  gesucht,  jedoch 
dieselbe  durch  die  Jenigen,  so  es  nicht  gern  gesehen,  ge- 
hindert worden.  So  will  auch  hierbey  wol  zu  bedencken 
stehen,  weil  diese  Erbvereinigungen  allein  der  Oron  zum  besten 
und  zu  derselben  conservation  gemeint  und  uffgerichtet,  wie 
sich  in  ietzigem  Fall,  da  gedachte  Cron  angefochten  und 
gleichsam  gar  devastirt  werden  will,  der  hülff  halben  zu  er- 
zeigen, welches  E.  L.  ebenmefsig  in  gute  achtung  zu  nehmen. 
Dabey  auch,  dahin  es  su  befördern,  gebeten  sein  wollen,  dafs 
von  obangeregter  Zusammenkunfft  aufs  auch  andere  drinnen 
Lands  gesessene  Stendt  erinnert  werden  möchten,  dafs  sie 
diesen  gefehrliohen  Zustandt  in  Böhmen  ihres  theils  eben- 
mefsig in  gute  achtung  nehmen  wolten  .... 


592  Politik  des  Heriogt  Johann  Catimir  Ton  Coburg. 


XXXIV. 

Hersog  Job.  Casimir  an  Kurfürst  Friedrich  V.  t. 
d.  Pfaljz.  Bamberg,  80.  September  1618.  Konzept  A.  I, 
32  a,  5,  No.  96.     Bl.  68. 

.  . .  Dafis  B.  Ld.  uns  bey  so  wohlgemeinier,  freundTetter- 
licher  besuohang,  beides  in  dero  Churförstl.  HofSager  sowohl 
im  zu :  und  abreisen,  alle  ehre,  lieb  undt  freondschaft  nebenn 
stadtlicher  tractation  undt  aulsrichtung  nicht  allein  erwiesen, 
sondern  auch  über  gemeinen  wesens  zustandt,  vorsieht  undt 
behutsamkeit  mit  uns  so  yertreuliohe  Oommunication  undt 
oonferentz  halten  laTsen,  solches  erkennen  wir  yor  sonder- 
bahre hohe  freundschafft,  erfreuen  undt  getrösten  uns  defsen 
undt  thun  uns  dafür  nochmahls  gantz  freundlich  bedanoken. 
Wüntschen  von  Oott,  dem  allmechtigen ,  dals  uns  occasion 
undt  gelegenheit  zu  banden  kommen  möge,  dieses  in  etwas 
angenehmes  undt  behegliohes  mit  würklichem  Danck  zu  er- 
statten undt  zu  erwiedern;  als  wir  dann  der  nahen  ver- 
wandtnus  undt  guten  yertreuligkeit  nach  unfs  darzu  uff  alle 
begebende  fälle  gantz  obligat  schuldigk  undt  wilügk  befinden 
undt  erkennen. 

Derselben  Corretpondentz  zu  folge  thun  £.  Ld.  bey  ver- 
wahrt, ob  es  zwar  derselben  albereitt  auch  zukommen  sein 
mag,  abschrifftlioh  übersenden,  was  von  des  Ghurfürsten  zu 
Sachsen  Ld.  wegen  der  Böheimisohen  vorstehenden  Compo- 
sition  unlÜB  gleich  ietzo  unter  unserer  anheimb  reise  zukommen, 
der  Zuversicht  undt  hoffnung,  was  wir  aus  berürter  vertreu- 
licher Oonferentz  unserm  zu  des  Ghurfürsten  zu  Sachsen  Ld. 
abgesandtem  hierander  allenthalben  bescheidenlich  zu  er- 
innern undt  abzulegen  aufgetragen,  ....  es  solle  undt  werde 
darauf  zu  des  fürnehmen,  hohen  wergks  bequemen,  füg- 
liehen  vermittelung  gedeihliche  resolution  erfolgen,  davon 
E.  Ld.  den  nechsten,  was  defsfalls  ferner  an  uns  ge- 
langen wirdet,  ungeieumbte  Oommunication  wiederfahren 
soll  .  •  .  • 


Politik  des  Hwiogi  Jobaon  Casimir  tod  Coburg.  593 


XXXV. 

Hersog  Job.  Casimir  an  Kurfürst  Friedrich  V« 
y.  d.  Pfalz.  Coburg,  31.  Oktober  1618.  Konzept.  A.  I, 
32  a,  5,  No.  96.     Bl.  86/89. 

Freundlicher,  lieber  Vetter. 

Zu  volge  undt  beharrlicher  fortsetzung  unserer  yertrau- 
Hohen  Correspondenz  thun  £•  Ld.  wir  hierbey  freundlichenn 
oommuniciren  y  was  des  Churfürsten  zu  Sachsen  Ld.  unserm 
abgesandten  uff  abgelegte  Werbung  wegen  des  gefährlichen 
Zustands  im  Königreich  Behem  undt  dahero  besorgenden 
unmhe,  unheils  undt  Zerrüttung  im  hL  Btfmischen  Beich» 
wofeme  die  Göttliche  Allmacht  nicht  andere  mittel  schicken, 
die  hertz  zum  frieden  wecken  undt  die  entstandene  kriegs- 
empörung  stillen  wird,  hinwieder  zur  Besolution  wiederfahren 
lassen  •  .  . 

Nun  wechset  die  sorgfeltigkeitt  bey  einkommenden  nach- 
richtungen  je  lenger  je  mehr,  das  zu  gütüicher  composition 
noch  zur  zeit  wenig  Hoffnung,  sintemal  die  Rom.  Keys.  May. 
unser  allergned.  Herr  under  andern  conditionen,  den  Böh- 
mischen Ständen  sub  utraque  fürgeschrieben,  die  niederlegung 
der  Waffen  suyörderst  urgirt,  hingegen  Ihr  Kriegsyolk  ab- 
zudanken nicht,  sondern  dasselbe  im  Königreich  Böheimb  zu 
unterhalten  gemeint,  die  Stände  aber  sich  hierzu  zu  be- 
quemen, grofses  bedenken  tragen  undt  yielmehr  darauf 
schliefsen,  es  sey  Ihren  wiedersachem  der  friede  mitt  yer- 
Sicherung  der  freiheit  eyangelischer  Religion  kein  ernst,  son- 
dern werde  allein  occasion,  mitt  macht  durchzutringen  undt 
den  Mayestätsbrief  zu  angustim  oder  nunmehro  gantz  wieder« 
umb  zu  cafsiren,  hierunter  gesucht.  Derowegen  sie  sich  gegen 
Chur-Sachsens  Ld.  unter  dat  den  24.  Oktober  lauter  erklärt, 
das  sie  solche  hoch  nachdenkliche  conditiones  keinesweges 
eingehen  können,  ja  darüber,  undt  wie  es  Oott  schickte,  zu 
seinen  Ehren  lieber  leib  undt  leben,  gutt  undt  blut  aufsogen 
weiten. 


594  Politik   des  BtrtOf^s  Johann  Casimir  Ton  Coburg. 

Do  wir  nuQ  an  unsern  zwar  wenigen  ortt  etwas  ge« 
dencken  mögen,  stellen  wir  dohin,  ob  bey  Keys.  May.  (dar- 
unter König  Ferdinand  undt  die  fumehmen  Herrn  |[eyy. 
OMzierer  auoh  an^tretten)  Chur:  undt  Fürsten  des  Beiehs 
mitt  nochmahliger  zu  gemuttflihr\ing  des  löbl.  Königreichs 
Behem  unter  wehrenden  Extremiteten  gentzlioh  ruin,  ver- 
derbung  undt  Untergang,  daneben  androhend  gefahr  vom 
Türken  undt  tieffsten  einwurtielung  des  mifstrauens  im  Beich, 
yermittelst  einer  ansehnlich  Zusammensetzung  inn  schriflien 
oder  durch  schickung  beyder,  der  ganzen  löbL  Byang^  Union 
sowol  undt  zugleich  oder  nechstfolgend  mitt  beykommend 
Ton  den  correspondiercnden  undt  andern  Beichsständeo ,  als 
in  einer  gemeinen,  weitt  aufsehenden,  gefShrliohen  saohen, 
nochmals  bewegliche  suchung  thun  weiten:  die  rersicherung 
des  Majestätsbriefes,  den  S.  Maj.  allergnedigst  zu  halten  sich 
mehrmals  erkläret,  als  nechst  Gott  eine  grundyest  zu  repari- 
rung  eines  bestendigen  frieden,  vorhergehen  zu  lassen,  dunitt 
die  Erneuerung  ufs  crefftigste  uffgerichtet  undt,  worinnen 
derselbe  in  mifsverstand  oder  ungleiche  deutung  gezogen, 
mitt  Clären  wortten  bestätigen,  znmahl  auch  zu  detsen  wirk- 
lichen handhabung  genügsame  media  bedacht,  beechloaaen 
undt  yerfasset  würden;  darauff  die  abschaffung  des  Kriegs- 
Volkes  undt  compositio  gravaminum  leichter  zu  ervolgen. 

Denn  je  sonsten  die  Evangel.  Stände  in  Behem  sieh  zu 
aller  subjection,  gehorsam  undt  respeot,  wie  die  landaa- 
ordnung,  landtagsbeschlufs  undt  capitulatio  regni  aufeweiBen 
undt  mitt  sich  bringen,  ied  zeit  erbotten  undt,  das  Sie  zu 
den  Waffen  nicht  zur  offension  der  May.,  sondern  zu  Ihrer 
Defension  wieder  Ihre  wiedersacher  undt  des  Königreichs 
feinde,  welche  den  majesiätsbrief  zu  verengen  oder  gantz  uff- 
zuheben  practicirt  hatten,  greiffen  muaten,  öffentlich  bezeuget 
Nicht  ohne  ist  es,  das  die  Keys.  Hoheit  billig  in  acht  au 
nehmen  undt  also  mitt  den  armierten  unterthaaen  zu  trak- 
tiren,  welohe  sich  in  Kriegsverfiissung  erstlich  begeben,  fast 
bedenoklich.  Wir  hoffen  aber  doch,  S.  K.  May.  werden  hooh- 
rernünfftig  erwegen,  was  es  mitt  diesem  Königreich  Böheimb 


Politik  des  Herzogs  Johann  Casimir  ron  Coburg.  595 

undt  dessen  Freyheiten  für  eine  sonderbare  beschaffenheit, 
undt  wie  in  solch  fällen  dero  höchstgeehrte  yorfahren  im 
Eeich  moderata  consilia  mitt  grofs  lob  undt  heilsamen,  wol- 
gedaylichem  succefs  eligirt;  dahero  Endolph,  so  am  ersten 
aus  dem  Hanfs  Ofterreich  zum  Eeyserthumb  erhoben  worden, 
zu  sagen  gepflogen :  Severum  et  immitem  fuisse  me  aliquando 
poenituit,  lenem  et  plaoabilem  nunquam;  plemmque  enim 
ciyiles  dissensiones  mansuetudine  et  moderatione  multo  facilius 
quam  severitate  et  armis  sedari  possunt 

Eayser  Ferdinand,  deme  das  Herzogthumb  wirtenbergk 
von  dem  Schwebischen  Bund  übergehen  undt  von  Eeyser 
Carl  verliehen,  aber  durch  Herzog  Ulrich  undt  landgraff 
Philippen  zu  Hessen  durch  kriegsmacht  eingenommen ,  hatt 
sich  uff  der  Hertzog  zu  Sachten  undt  anderer  intercession 
zu  guttlich  mittein  bewegen  lassen ,  von  seinem  recht  ge- 
wichen undt  gemeine  ruhe  undt  wolfahrt  andern  respecten 
weitt  fürgezogen,  ob  er  wol  offtmals  zur  eussersten  scherpffe 
undt  blutvergiefsen  von  vielen  gantz  hefftig  undt  umstendig 
uff  allerhand  wege  angereizt  worden. 

Nicht  weniger  Keyser  Carl  V.  selbst,  als  er  in  der  that 
erfahren,  was  violenta  consilia  für  einen  ausgang  gewinnen, 
undt  das  land  undt  hierdurch  das  Beich,  leut,  policey  undt 
Begiment  in  verderb  undt  Untergang  gerhaten  würde,  sich 
wiederumb  ad  mitiora  remedia  gewendet. 

Denen  Eeyser  Maximilian  löblich  nachvolget  undt  das 
bonum  publicum  mehr  da  der  Babst  oder  andere,  so  Ihren 
eigen  nutz  darunter  gesucht,  gegen  hochgefehrliche  anschlag 
in  acht  genommen  undt  das  Beich  wol  undt  nützlich  ver- 
waltet, wie  solches  meniglich  bekannt  ist. 

Daneben  Ursprung  dieses  gantzen  wesens  undt  welch- 
mafsen  die  stände  dazu  kommen,  hierub  weil  das  Im- 
perium in  solchen  regnis  nicht  absolutum,  die  privilegia  et 
pacta  Begni  einen  zimlichen  unterschied  an  Ihm  selbst 
geben  undt  ad  consilia  mitiora  anleitung  zeigen  undt  geben 
mögten 

XVIL  39 


596  Politik  dM  Herzogs  Johann  Casimir  tod  Cobnrg. 


XXXVl. 

Herzog  Joh.  Casimir  an  den  Kurfürsten  Job. 
Georg.  Neustadt  ahn  der  Heyden,  29.  Juli  1619.  Kopie. 
A.  I,  32a,  5,  No.   129.     Bl.  161/164. 

.  .  .  Wir  mögen  £.  Ld«  unserer  wohlhergebrachten,  yer- 
treuliohen  GorrespoDdentz  nach  nicht  verhalten,  wie  der 
hoohgeb.  Fdrst  Herr  Christian  Marggraf  zu  Brandenburgk  inn 
ufgetragener  Commission  der  Eyangel.  Union  kurz  erichienenen 
tages  zue  un£s  eine  schiokung  gethan  undt  mit  einführung 
der  im  heiligen  Beioh  vor  äugen  schwebender,  grofser  gefahr 
dann  uf  den  23.  August  schirstkünfftig  naher  Mülhausen  be- 
stimbten  allgemeinen  Evangel.  Convent  inn  der  Persohn  oder 
durch  geyoUmeohtigte  zu  besuchen,  beweglichen  erinnern 
lassenn.  Inmafsen  wir  dann  vernommen,  daÜB  £.  Ld.  hierunder 
zueförderst  ahngelanget  worden. 

Nun  wissen  wir  unfs  zu  erinnern,  was  vor  dessens  uf 
dergleichen  mueten  undt  gesinnen  für  bedencken  furgefalleo 
undt  welcher  gestalt  £.  Ld.  sowohl  dero  geliebter  Bruder, 
weylandt  der  auch  hochgeb.  Fürst  Herr  Christian  der  an- 
dere etc.  sich  erclärety  unfi9  auch  selbsten  gerathen,  in  weitrer 
Vereinigung,  dardurch  nicht  allein  das  roifiBtrauen  vermehrt, 
sondern  auch  zu  sterckem  gegen  Verfassungen  undt  totalisoher 
trennung  anlafs  gegeben  würde,  mit  grofsem  umbstatten  sich 
nicht  zu  verwickeln,  hingegen  bey  denen  vinculis  Imperii  et 
familiae  nach  anweisung  des  heiligen  Reichs:  undt  Crails 
Abschiedes,  auch  Erbvereinigung  in  friedfertigen,  begnügigem 
wesen  standthaiftig  zu  bleiben,  darbey  man  nechst  göttlicher 
verleyhung  ohne  angriff  oder  Überfall,  darzu  keine  uhrsach, 
sitzen  köndte. 

Dieweil  es  aber  iezo  ganz  einen  andern  zuestandt  er« 
langet  undt  nach  so  schwerem,  gefehrlichem  verlauff  die  Con- 
silia  ganz  verändert,  indeme  die  Catholischen  mit  grofsem 
Eyfer  zue  stercker,  ungewöhnlicher  armatur  albereit  vor  leng- 
sten    gegriffen    undt    aller    ortes    fürtrefflichen    vortheil   mit 


Politik  des  Herzogs  Johann  Casimir  ron  Coburg.  597 

ihren  Kriegswerbungen,  darunter  noch  bifs  dato  niobt  gefeyert 
wirdet,  abgeloffen;  bevorab  aber  die  meohtige  darcbznege 
undt  einlageningen  frembden,  der  TeutBchen  Nation  euTserst 
gehefsigen  KrigBYoloks  über  undt  uf  dem  Keicbsboden,  auch 
mehr  dann  Barbarische,  hin  undt  wieder  verlebte  Crutelität 
mit  unmenschlichem  Brennen ,  Rauben ,  morden,  weiber  undt 
Jungfrauen  gewaltsamen  sehenden  undt  darzue  in  eigenen 
Erblanden  meisten  theil  ahn  Evangel«  verwandten;  leicht  zu 
erachten,  was  anderer  orten  heraufs  im  Beich,  do  dergleichen 
Krigsvoick  überhandt  nehmeu  solte,  zugeschoben,  höchst- 
besorglichen,  hochendtpfindtlichen  offenbahr.  Undt  es  werde 
im  Königreich  Böhmen  gleich  friede  gemacht  oder  Erleg 
continuiret,  das  periculum  regurgitationis  undt  excursionis  inn 
die  benachbahrte  Ghur:  undt  Fürstl.  Heuser ,  innsonderheit 
auch  underm  schein  solcher  benachtbarihen  unruhe,  da  man 
den  vortheil  in  Händen,  des  heil.  Beiohs  Teutscher  Nation 
freyheit  oder  doch  der  wahren  Evangel.  Beligion  antrohende 
undertrückung  oder  sohwechung  nicht  abgewendet,  zuge- 
schweigen,  wenn  mit  so  unmenschlichen,  starcken  Eriegesvolck 
der  fuefs  in  Böhmen  genzliohen  gesezet  undt  es  überweltiget, 
das  darauTs  ringstumb  für  bekrieg:  undt  subjugirung  zue- 
befahren  undt  in  steter  Unsicherheit  zusizen.  So  will  an£s 
fast  beduncken,  es  sey  die  allgemeine  Zuesammenkunfft  der 
Evangelischen  nicht  unzeitig  ahngesehen,  in  fümehmer  be- 
trachtung,  das  es  umb  keine  offension,  sondern  allein  darumb 
zuethun,  durch  was  mittel  undt  wege  man  sich  gegen  dem 
besorgenden  unheil,  Schuldigkeit  undt  gegen  Gott,  den  armen 
underthanen  undt  der  werthen  Posterität  obliegender  schweren, 
gewiefsenhafften  verandtworttung  halber,  zueschüzen  undt  die 
theure  beylag  des  Religion:  undt  Profanfiriedens,  neben  der 
theuer  erworbenen,  vor  allen  andern  Königreichen  in  der 
ganzen  weit  weitberumbten  Teutschen  libertet  undt  das  Kley- 
nodt  der  freyen  Königlichen  waahl  behalten  möge. 

Dann  obwohl  aüfserlich  die  Defension  uf  der  Catholischen 
Seiten  gleichfalfs  undt  das  man  sich  inn  das  Böhmische  Un- 
wesen, welches  ohnedaüs  ex  alio  capite  herrühre,  zue  ilechte|i 

39* 


598  Politik  des  Herzogs  JohAnn  Casimir  von  Coburg. 

nicht  begehre,  angezogen,  so  ist  dooh  vor  angeteudete  be- 
sorgnns  nicht  eximiret  Danae  allerhandt  reden  undt  avisen 
kommen  sollen,  undt  leiohtlich  ein  praetext  zu  finden,  dtmit 
justitia  belli  sub  oolore  executionis,  welche  contra  imparatos 
et  disjunctosy  dum  singuli  pugnant,  desto  ehe  ins  werck  lue- 
stellen,  beschönet  zu  werden  pflegt;  dabey  die  Historien  gnug- 
samb  bezeugen.  Undt  eiumahl  die  gütliche  Composition  der  Gra- 
yaminum  rundt  abgeschlagen  und  Restitution  oder  selbstholoBg 
bilshero  hardt  angedrohet  worden.  Undt  sindt  zwar  die  Reichs: 
undt  GrailiBYerfafsungen  heilsamblioh  bedacht  undt  uijgerichtet, 
es  ist  aber  hingegen  dar  am  tage,  Was  für  Separationes  undt 
Trennungen  uf  hinc  inde  geführte  Grkvamina  undt  so  tieff 
eingesessenen  mifstrauens  undt  mifsyerstän^t  bishero  eingrifsen. 
Dahero  bey  den  vermengten  oder  angrenzenden  ständen  beyder 
Religion  die  intention  ungleich  undt  zur\einmütigen  ZQ^ 
sammensetzung  ohne  Composition  der  Gra^^minum  keioe 
apparens. 

DeÜBgleichen  werden  in  dem  üniversalwerk  die  Erb- 
vereinigten  Heuser  distrahiret,  dafs  die  Hülfen  einander  desto 
beschwerlichen  zue  leisten,  ein  ieder  mit  sich  selbst  i^^ 
thuen  gnugsamb  undt  andern  abgesefsenen  miteinUg^^S»*' 
verwandten  unmüglichen  zu  hülff  undt  rettung  zuekomio®"* 
Wie  dann  bey  solchenn  allgemeinen  motibus  die  erfahT^u^S 
mit  sich  bringet,  das  die  absonderliche  intention  sehr  gefl|°'' 
liehen,  hingegen  allein  die  eufserliche  vermerckende  ^^ 
eammensetsung  undt  einhelligkeit  der  Evangelischen,  aii<^ 
ohne  Sohwerdtstreich,  der  wiederwertigen  cruenta  consilia  ^' 
fringiren  undt  zue  lindem  wegen  antreiben  möge.  Viellei^^ 
nur  durch  blofse  besuchung  solchen  Oeneralconvents  der  Ev 
gelischen  die  gewaltsamkeit  sich  etwas  legen  undt  zue  fruchv 
bahrlicher,  wohlverfenglicher  pacifications  Handlung  inn  und 
aufserhalb  Reichs,  (:  darunter  E.  Ld.  besondem  grofsen  anH 
Sehens  undt  vertrauligkeit  viel  vermögen:)  vor  dem  zweifei* I 
hafften,  einseitigen  wahlwerck  stadt  zu  finden,  die  Reichs- 
Capitulationver&ssungen  zue  gemeiner  wohlfarth  undt  ruhig^mi 
versicherliohem    stanndt,    dann    das    Compositionswerdk,    ^^ 


Politik  des  Herzogs  Johann  CMimir  Ton  Coburg.  599 

nicht  zue  genzlicher  richtigkeit,  jedoch  sum  wenigsten  zue 
guter  veranlaXsang,  auch  den  Beügion :  undt  Profanfrieden  zue 
mehrer  AsBecoration :  undt  also  das  gute»  alte  yertrauen  et- 
licher malen  sambt  friedt  undt  ruhe  vor  grofserer,  endlicher 
trennuDg  wieder  zuebringen,  das  aufslendische  Kriegsvolck 
von  den  Beichsboden  undt  frootiers  abzuwenden. 

Nachdeme  es  dann  ein  hochwichtiges  werok,  darinnen 
mit  guetem  Bath  undt  fürsichtigkeit  zu  verfahren,  zumahln 
unserer  orten  Landes  ahn  den  frontieren  der  gefahr  nahe 
gesefsenn  undt  do  man  sich  von  den  £yangel.  genzlich  ab- 
sonderte,  ufm  notfall  wenigen  succurs  reciproce  zue  gewartten. 

Alfa  ersuchen  wir  £•  Ld.  freundtvetter :  undt  frenndt- 
lich,  Sie  wollen  unfs  mit  ihrem  guthaohten  unbeschwerdt  zue 
statten  kommen,  undt  ob  nicht  zum  wenigsten  in  hoc  imperii 
statu  vorsehender  Convent  zue  beschicken ,  uf  das  die  noth, 
weil  dieselbe  exaggeriret,  ihren  umbstenden  nach  eigentlich 
au  erwegen,  die  mittel  anzuehören  undt  was  zu  thuen  nach 
eingewandter  Relation,  mit  statlichem  Rath  sich  zu  endt- 
schliefsen  haben  möge  .... 


XXXVII. 
Xammersekretär    Sigism.    Heufsner    an    Herzog 
Jolu  Casimir.    (Bericht  u.  Gutachten.)    Coburg,  30.  Juli 
1619.     Origin.     A.  I,  32  a,  6,  No.   160. 

Postscriptum. 
....  Alls  auch  des  Churfürstenn  zue  Sachsenn  com- 
munioationssohreibenn  inn  derselben  (ORü^O^ufer)  Convents 
Sachen  vonn  der  Neustadt  anhero  in  geheimen  rath  kommen. 
Hatt  es  zwar  das  ansehen,  I.  Churf.  Gnaden  hierinnen  sich 
wohll  bequemen  undtt  erzeigen,  auch  darunter  absonderlich 
zuesein,  sorgfälttig.  Weill  aber  die  persönliche  Zuesammen- 
kunfft  gemuetet,  hatt  es  ettwas  nachdenken,  das  man  £.  f.  gn. 
uff  des  Churfürsten  zu  Sachsen  intent  uudt  meinung  zihenn 
undt  gleichsamb  anderer  ordten  abwenden  wollen. 


QQQ  Politik  des  Hersogrs  Johaon  CaMinir  von  Coburf^. 

Do  dann  im  naohsuchenn  befunden,  das  der  von  Wallden- 
felle  nach  jun gester  verrichtuDg  zue  Dresden  treulich  ge- 
ratheOy  inn  so  schwehrenn ,  gefahrlichenn ,  weitaussehenden 
handlungen  E.  F.  gn.  in  Person  niohtt  selbsten  darzne  be- 
gebenn  sollen,  sondern  viehll  sicherer  schicken  mögen,  wann 
es  nicht  durch  schreibenn  (:do  man  doch  die  leatte  besser 
damitt  zuefassen:)  zu  yerrichtenn. 

Demnach  wirdett  fast  rathsamb  befunden,  jedoch  zue  B. 
f.  gn.  gnedigem  gefallen  nndt  willen  stellende,  weill  das  itzige 
Gommunicationschreiben  uff  der  Post  ankommen  undt  kein 
eigener  Bott  vorhanden,  das  E.  F.  gn,  schreibenn  uff  ein  oder 
swene  tage  mitt  dem  dato  zuerückgesetztt  undt  dasselbe 
morgen n  uff  die  Post  geben  würde.  Könnte  in  zweyen  oder 
dreyen  tagenn  die  andtwordt  dorauf  dermassen  hernach  ge- 
ferttigt  werden,  das  gleich  im  wechssell  E.  f.  gn.  abgangenen 
Communicationschreibens  das  isige  einkommen  undt  £•  f.  gn« 
dafttr  halten  thetten,  das  Seine  Churfürstl.  On.,  der  wenig 
Onettachten  nndt  raths  fragen,  daraufs  genügsamb  vermercktt 
haben.  Es  betten  auch  E.  f.  gn.  noch  gar  keine  vorandwortt 
von  sich  geben,  sondern  erst  dieser  tagenn  mitt  E.  f.  gn. 
Herrn  Brueders  Räthenn  undt  zusammenordenunge  daraufs 
commuuication  zu  halten  undt  L  Churf.  Gn.  Guettaohttenn 
zuvor  zuvernehmenn ,  das  es  ettwa  persöhnlioher  zusammen- 
kunfft  (:darzu  E.  f.  gn.  iziger  Zeitt  ihres  leibes  zuestandts 
halben  übell  disponiret  undt  sonsten  nichtt  wohll  femne  ab- 
zuereifsenn :)  nichtt  bedürffen  möchtten 

XXXVIII. 
Kammersekretär   Heufsner   an   Hersog   Job.    Ca- 
simir.    Coburg,  am  tage  Bartholomäi  1619.    Orig.     A.  I, 
32  a,  5,  No.  160.     (Gutachten.) 

...  Ist  zue  besorgen,  Chur  Pfalz  werde  grofs  bedeneken 
tragenn,  die  Kgl.  würde  inn  Böheimb  anzunehmenn  undt  seine 
Erblande  damitt  zuezusetzenn.  Dann  das  ganze  Haus  Ostereiohy 
Spanien,  Papst  undt  ganze  liga  werden  alles  eufserite  darann- 


Politik  des  HeriOKS  Johann  Casimir  von  Coburg.  QQl 

setzeD,  UDdt   möohttenn  nunmehr  die  Kriege  erst  yöllig  an- 
gehen. 

Gott  wolle  inns  mitiell  kommen  .... 


XXXIX. 

Eammersekretär  Heufsner  an  Herzog  Joh.  Ca- 
simir. Gohurgy  26.  August  1619«  Orig.  A.  I,  32  a,  5, 
No.   160.     (Gutachten.) 

.  .  .  Jedoch  mögenn  sich  auch  I.  F.  Gn.  Weimar  nun- 
mehr undt  weill  König  Ferdinand  sur  Böm.  Gron  einhellig 
waahll,  derenn  Chur  Ffals',  Chur  Sachsen  undt  Ghur-  Branden- 
burg Gesandte  mitt  undersohrieben,  gelangett,  dardurch  aue- 
gleich die  Königl.  Böheim.  Cron  bey  Ferdinand  bestetdgt» 
undt  nun  das  gantse  Römische  Beich  Ihme  dazue  Huelffe 
zue  leisten,  wohll  bedencken»  ob  sie  so  gestalten  sachen 
nach  mitt  solchem  Reuttersdienste  gegenn  Chur  Ffalz  oder 
die  Union  zu  yerfahren,  dem  König,  Ohur-Sachsen  undt  alle 
Catholischen  zue  offendiren.  Man  yermeinett  noch,  Chur- 
PfSalz  werde  selbsten  die  angetragene  Böhm.  KgL  würde  von 
«ich  legenn  undt  seine  Erblande  sohonenn.  Dann  weill  die 
Reichs -Städte  umb  handell,  wandell  undt  freyheitt  willenn 
mitt  ihrer  huelffe  ab :  undt  zum  Ferdinand  dretten,  so  wirdett 
die  unionsrettunge  ein  grofs  loch  gewinnen;  hingegen  die 
spanische,  päpstische  macht  ihr  euserstes  daran  setzen.  Allso 
es  ganzs  gefährliches  ansehen,  als  noch  nie  gewesenn. 

Gott  wolle  ins  mittell  kommen  .... 

• 
XL. 
Landgraf    Moritz    von    Hessen    an    Herzog    Joh. 
Casimir.     Bayreuth,    28.  Oktober    1619.     Kopie.     A.  I, 
32  a,  6,  No.  53.     Bl.  112/113. 

.  .  .  £.  Ld.  mögen  wir  hiermit  nioht  bergen,  dafs  wir 
Yorgestem  nachmittags  zeitlich  alhier  angelangt,  aber  die 
Sachen   nicht  allermaüsen   also    disponirt    befunden,    wie  wir 


g02  Politik  dM  Henogs  Jobuin  CMtmir  Ton  Coburg. 

unfa  wohl  yerseheD  undt  wüntschen  mögen.  Sintemahl  wir 
soviel  verspürt,  dafis  mann  auch  dieser  orts  wegenn  etlicher 
Privatrespectenn  noch  zurückhaltenD ,  die  Fersöoliche  Er- 
scheinung zue  Nürnberg  tediniren  undt  von  einem  undt  an- 
derm  etwas  kaltsinnig  disourriren  will. 

Zwar  ist  es  nicht  ohne,  dafs  die  Sache  hochwichtig,  die 
gefahr  sehr  grofs,  unser  gegentheil  listig  undt  mächtig,  befser 
als  wir  unter  sich  selbst  einig  undt  verbanden.  Nichts  desto 
weniger  aber,  wann  man  hingegen  wohl  erwegen  wirdt,  wie 
dafs  nun  gleichsamb  nicht  res  integra,  indeme  die  saohenn 
vorlengst  auf  dem  Beichstage  Anno  1613  und  hernacher 
durch  die  Compositionsverwegerung  zue  einer  solchen  starcken 
Oontradiction  gerathen,  auch  nunmehr  die  Gron  Böheimb  vonn 
Ghur-Pfalz  acceptiret,  item,  dafs  wir,  man  mache  daraus,  was 
wan  wolle,  unis  doch  endlich  bey  den  Catbolisohen  in  der 
Güte  nicht  werden  aussöhnen  können,  so  wird  sich  auch 
leichtlich  der  schluTs  findenn,  dafs  man  unerachtet  der  obigen, 
ann  sieh  selbst  wichtigen  Considerationes,  dermahl  eins  Hertz, 
muth  undt  dameben  eine  dapffere  resolution,  wie  nechst 
Göttlichem  beystandt  aller  ahntrohenden  gefahr  su  begegnen 
undt  endlich  aus  dieser  gefährlichenn  ungewifsheit  inn  etwas 
Sicherung  zu  kommen,  nehmen  undt  fafsen  müsse.  Undt 
weil  E.  Ld.  dieses  alles  befser  als  wir  verstehen  undt  wiTsen, 
alTs  wollen  wir  sie  mit  weiterer  anregung  defselben  femers 
nicht  importuniren. 

Nur  allein  ist  unsere  uochmahlige  freundtvetterliche 
bitte,  £.  Ld.  sich  durch  anderer  irresolution  nicht  abschrecken 
lafsen,  sondern  vielmehr  dadurch  ursach  undt  ahnlafs  nehmen 
wolle,  ihrem  löblichen  intent  zu  inhaeriren  undt  dadurch 
diesem  undt  andern  mit  einem  guten  exempel  vorzugehen; 
gestalt  sie  dann  keine  befsere  gelegenheit  iemahls  habenn 
wirdt,  ihre  treueyferige  Sorgfalt  vor  das  allgemeine  Evangel. 
wesen  alTs  bey  ietziger  gelegenheit  der  gantzen  Welt  an  tag 
zu  geben  .... 


Politik  des  Hersogs  Jobaon  Casimir  tod  Coburg.  g()3 


XLI. 

König    Friedrich    von    Böhmen    an    Herzog    Joh. 

6.  Mai 
Casimir.     Kgl.  Schlofs  zu  Prag,    — — -— -    1620,     Orig. 

26.  Apnl 

A.  I,  32  a,  5,  No.  17.     Bl.   14/16. 

«  •  •  Dafs  ahn  unfs  £.  Ld.  nach  dero  mühsamen  voll- 
brachten Dreüsdnischen  Heise  undt  wohl  angesehener  verrich- 
tunge  noch  femer  geheimbde  abordnunge^)  undt  vertreuliche 
communication  thuen,  darneben  allerhandt  gutte  undt  wol- 
gemeinte  ermanungen  beybringen  undt  bishero  damit  geraume 
zeit  über  aufwarten  lassen,  solches  haben  wir  mit  besonderen 
gefallen  undt  danck  vernohmmen. 

Bieweil  nun  dafs  widerwerttige,  gewaltsame  forttbrechen 
nicht  remittiren,  noch  man  sich  zue  einiger  composition  ver- 
stehen will,  ungeachtet  besondern,  versohiedtlichen ,  wohl- 
gemeinten antragens  undt  dafs  dieses  ortts  niemahls  wie  auch 
noch  nicht  bequeme,  versicherliche  mittel  zue  wiederbriogung 
defs  heilsamen  friedens  aufsgeschlagen ,  alfs  wollen  £.  Ld. 
deroselben  gefasten  gutten  intention  undt  proposito  ferner 
zue  inhaeriren,  ihres  ortts  verwandter  undt  vertreulicher,  wohl 
zuegethanen  Correspondenz  allenthalben  dafs  beste  wirken 
uudt  befürdern  zue  helfen,  sich  nit  irr  machen,  noch  einigen 
andern  respect  abwenden  lafsen.  Inmafsen  dieselbe  Gott  lob 
ihres  ansehnlichen  altters  undt  löblichen  Sorgfalt  wohl  ver- 
fafster  bereitsohafft  undt  stetter  vigilantz  bekandt,  auch  wafs 
dero  in  Gott  ruhende  hochgeehrte  Vorfahren  dem  Königreich 
Böheimb  vor  Zeiten  für  treure  dienste  geschaffet,  darüber  sie 
bifs  uffs  bludt  verfolget  worden. 

Besonders  wollen  E.  Ld.  zue  ieder  begebender  gelegen- 
heit  ferner  bei  Chur  -  Sachsens  Ld.  zue  gewinnung  befserer 
verstendnufs  undt  mittleidentlichem  annehmens  gemeiner  Noth 
undt  gefahr    nach   ihrer   aufrechten  dexteritet  undt  discretion 


1)  AbsendoDg  Heufsoers  nach  Prag. 


g04  Politik  des  Hertogs  Johann  Casimir  von  Coburg. 

nichts  erwinden  lafsen;  hingegen  8.  Ld«  versiohern,  das  wir 
diefselbe  undt  das  gemeine  wesen  yon  hertzen  trewlich 
meinen,  zue  aller  friedtfertigen ,  nachbarliohen  behäglichkeit 
ieder  zeit  undt  alles  wiederwerttige,  ungleiche,  mifstrewliche 
euTserst  abzuewenden  beflissen  sein  u.  bleiben  wollen.  Wir 
können  auch  nicht  glauben,  das,  under  wafs  schein  es  auch 
werre,  8.  Ld.  gegen  unfs  oder  diese  Länder  zue  einiger 
feindtseelig:  oder  thättlichkeit  sich  soltten  bewegen  lausen; 
dan  je  weder  wir  noch  Sie  die  geringste  ursach  darzu  nit 
gegeben  haben.  Zu  deme  dafs  auch  dem  Pabstumb  dergestalt 
wider  auif:  undt  Evangel.  8tendt  undertriicken  zu  helffen, 
weder  gegen  Gott,  noch  der  Posteritet  zu  yerantwortten  sein 
würde. 

Wir  erfahren  mit  schmerzen,  dafs  unterm  schein  der 
Keyserl.  hoheit  undt  reputationserhalttung  gefährliche  inten- 
tiones  wider  unfs  undt  diese  betrengte  Länder  auff  der  bahn 
sein  sollen.  Nun  wissen  wir  gar  wohl,  wie  man  sich  gegen 
einen  Rom.  Eeyser  alfs  dem  Haupt  defs  Reichs  zu  erseigen. 
Es  müfsen  aber  dabey  auch  defselben  verfaTsung,  capitulation : 
undt  constitutiones ,  insonderheit  der  Chur:  fürsten  undt 
Stendt  libertet,  privilegia  undt  conserration  in  acht  genommen 
werden.  So  kan  auch  die  Eeyserl.  Hoheit  einen  weg  alb 
den  andern  bestehen,  wan  gleich  die  Römische  Cron  bey 
einem  andern  König  ist,  wie  im  Haufs  Österreich  selbsten 
die  exempla  bey  den  Eeysern  Frid:  3  Carole  Y.  undt  Fer- 
dinande aulsweisen.  Und  gleich wol  die  iezige  Keys.  May« 
zue  würcklicher  possession  dieser  Länder  nie  kommen.  Hin- 
gegen da  vor  wenig  Jahren  Keyser  Rudolph,  der  in  yölliger, 
unstrittiger,  ruhiger,  etlich  30 jähriger  possession  war,  in 
seiner  Eöoigl.  residenz  die  Römische  Cron  gleichsam  yom 
Haubt  genohmmen  worden,  hatt  defswegen  kein  Standt  im 
Reich  unsers  wifsens  einig  Fferdt  gesattelU  Demnach  aber 
an  iezo  wieder  unfs,  die  wir  doch  legitima  electione  dieses 
Königreichs  undt  aller  incorporierten  Landen  in  yacuam  pos- 
sessionem  kommen,  der  mehrertheill  der  Fäpstischer  Stendt 
dermafsen   eyffert,    so   ist   ihr  intention  undt  scopus  darauTs 


Politik  des  Herzogs  JohaDD  Casimir  von  Coburg.  605 

leichtlich  abzueDehmeo.  Undt  wohl  zu  erbarmeo ,  dafs  mit 
ihnen  auch  Erangel.  Steudi  sich  einlassen  uudt  conjungiren 
sollen,  da  doch,  wan  die  Päpstlichen  ihren  scopum  erhaltten, 
ihnen  nichts  anders  zu  gewartten,  alfs  was  bey  dem  Poeten 
der  polyphemus  dem  ülyfsi  vertröstet.  Gott  wolle  es  wenden 
undt  verbessern,  weill  dabey  Seine  heili«;e  Ehr  undt  so  vieler 
herrlichen  Länder  wohlfart  so  starck  interessirt  ist« 

Demnach  auch  ferner  unsere  geliebte  vettern,  die  Herzog 
zue  Sachsen  weymarischen  theils  sich  bey  iezigem  betrangdten 
Zuestandt  unser  undt  dieses  Erbvereinigten  Königreichs  mit 
dero  Kriegsdiensten  trewlich  ahnnehmen  undt  wissen ,  dafis 
£.  Ld.  denfselbig  mit  naher  verwandtnuTs  undt  vertrewlichen 
verstendnus  vetterlioh  undt  wohl  zugethan,  so  zweiffein  wir 
nicht,  wie  auch  hiermit  unser  freundtliches ,  wohlgemeintes 
suchen,  E.  Ld.  werden  undt  wollen  Sich  diefselbe  undt  ihre 
Lande  zue  aller,  zwar  unverschuldeter  widerwerttigkeit  Ver- 
hüttung undt  abwendung  trewlich  befohlen  undt  angelegen 
sein  lassen. 

Im  übrigen  wirdt  £.  Ld.  abgeordtneter  zue  dero  be- 
liebigen information  undt  beharrlicher  treu  wer  vortsezung 
mehrem  bericht  undt  anzeige  zue  thun  wifsen  .  .  . 


XLII. 

König    Friedrich    von    Böhmen    an    Herzog   Joh. 

28 
Casimir.     Kgl.  Sohlofs   zu   Prag,   — ^  May  1620.     Orig. 

lo. 

A.  I,  32  a,  6,  No.   17.     Bl.  19. 

.  •  .  E.  Ld.  danckbriefflein,  am  6.  verschinenen  Monats 
datirt,  ist  uns  kurz  verwichener  tagen  zu  handen  kommen. 
Hett  der  dancksagung  nit  bedörfft,  sintemal  die  communi- 
cation  in  allweg  nötig  erachtet  Dieweil  uns  E.  Ld.  sonder- 
barer eiffer  zu  dem  gemeinen  wesen  gnugsamb  bekandt, 
zweiffein  nit,  Sie  werden  auch  fürters  die  gute  band  darob 
halten,    damit   das   publicum    bonum   in    puncto    gravaminnm 


QQQ  Politik  des  Heriogs  Jobann  CMimir  von  Coburg. 

UDdt  hiolegung  derselben  allen    andern   respecten   Torgezogen 
werde,  dozue  der  getreue  Gott  sein  gnad  yerleihen  wolle. 

£.  Ld.  sehen  undt  erinnern  gantz  hochrümblich  die  dabei 
sich  erregenden  extremiteten,  wann  nit  durch  gute,  hochnötige 
ondt  getreue  cooperirung  wolaffectionirter  stend  das  werck 
mit  einmütiger  zusamensetzung  an  band  genommen  undt 
getrieben  wirdt  Der  aufsgang  stehet  in  Gottes  band  undt 
willen. 

Yernebmen  daneben  gantz  gern,  das  man  im  löbl.  Ober- 
Sächsischen  Greifs  die  terminos  neutralitatis  zu  transgrediren 
nicht  gemeint.  E.  Ld.  fridfertigkeit  ist  uns  bekand  undt 
versichern  uns  zu  ihr  undt  andern  deroselben  Mitglider  dieses 
und  keines  andern*  Zweifflen  nit,  Sie  werden  in  solcher 
rühmblichen  iotention  bestendig  yerharren,  wie  sie  dann  ver- 
sehentlich in  der  guten  Correspondentz  verharren  undt  bei 
den  Nieder-Sächfischen  Greifs  Stenden  gute  officia  praestiren 
geruhen  wollen,  gegen  den  ünirten  in  dem  guten  Goncept 
zu  conti nuiren  undt  bei  vorigen  conclusis  und  den  Unirten 
beschehenen  zusag  bestendig  zu  bleiben,  damit  kein  weitere 
trennung  under  den  Evangel.  Stenden  im  Reich  entstehen  .  .  . 

XLIIl. 

König    Friedrich    von    Böhmen    an    Herzog    Job« 

20 
Gasimir.     Kgl.  Schlofs   zu  Prag,    — ^  Juni    1620.     Orig. 

A.  I,  32  a,  6,  No.  17.     Bl.  31/32. 

.  .  .  £.  Ld.  wirdt  sonder  zweiffei  nunmehr  auls  denen 
durch  offenen  truck  spargirten  schrifften  ohnverborgen  sein, 
wafs  nicht  allein  etlich  wenige,  ohnlängsten  zue  Mülhausen 
versamblete  Ghur :  undt  Fürsten  an  unfs  wie  auch  die  Stende 
dieses  unfsers  Königreichs  Böheimb  undt  der  Incorporirten 
Länder  wegen  unfserer  Koni  gl.  wähl  undt  Krönung  für  under- 
schiedtliche  Schreiben  abgehen,  sondern  auch  die  Keys.  May. 
für   ein    starckes   monitorial  mandat  wider   unfs   aufsferttigen 


Politik  des  Herzogs  Johann  Casiinir  tod  Coburg.  QffJ 

undt  hin  undt  wider  im  Reich  ansohlagen  lassen,  ündt 
werden  £.  Ld.  bey  sich  selbsten  Ternünfitig  ermessen  können, 
was  dieses  für  ein  beschwerlicher  undt  nnbillicher,  ja  den 
Beichsconstitutionen,  Keys.  Capitulationen  undt  aller  Chur: 
undt  fiirsten  Gewalten  undt  theurer  erworbenen  freyheitten 
hoch  praejudicirlicher  Procefs,  in  deme  die  Keys.  May.  in 
dieÜBen  schweren  Sachen  ihr  eigener  Richter  sein  undt 
onfser  gans  ungehört  ihr  selbsten  recht  sprechen,  ja  unCs 
mitt  solchen  kurzen  terminen,  dafs  wir  nicht  zeitt  haben 
mögen  unfs  mit  unfsem  Terwandten  undt  befreundten  darüber 
zu  herbaten,  gefährlicher  weifs  ooarctireu  wollen. 

Wie  dan  auch  im  Reich  nicht  herkommen  oder  erhört, 
dafi  etlich  wenig  Stende,  fünff  oder  sechs  Geistliche  undt 
weldtliche  Chur:  undt  Fürsten,  sich  iemahls  understanden 
dergleichen  wichtige  Sachen,  so  billich  für  dafs  ganze  Rö- 
mische Reich  gehörig,  also  für  sich  allein  zuziehen  undt, 
defs  andern  theills  ungehörtt,  darinnen  einiger  Cognition  sich 
zue  underfangen. 

Undt  ist  über  difs  mit  dem  stritt  wegen  der  Gron  Bö- 
heimb  es  dergestalt  bewandt,  dafs  es  Keys.  May.  nicht  alfs 
Eaysern,  sondern  alfs  einen  Erzherzogen  zue  Österreich  be- 
trifft, der  ein  primat  interefse  undt  jus  haereditariam  prae- 
tendiren  thuet,  da  doch  die  Stende  dieser  unserer  Cron  Bö- 
heimb  ein  anders  undt  ganz  freyer  wähl  reohtmefsiger  weifs 
befugt 

So  haben  wir  keinen  umbgang  nehmen  können,  mit  £. 
Ld.  hieraufs  freundtlioh  zue  communiciren  undt  diefselbe 
benebens  freundtUch  luersuchen,  Sie  wollen  nicht  allein  bey 
der  Keys.  May.  undt  denen  zue  Mülhausen  beysammen  ge- 
wesenen Stenden  hierunder  erinnerung  thun  undt  sie  von 
dergleichen  nulliteten  undt  gewalttsamen,  im  Reich  zuvor 
ungewöhnlichen  ezecutions  Procefs  abmahnen,  sondern  auch 
Ohur-Saohsens  Ld.  vomemblich  dahin  disponiren,  das  Sie  sich 
wider  die  Evangelischen  dergestalt  nicht  woltten  gebrauchen 
oder  in  einige  weg  darzue  bewegen  lafsen,  vielmehr  aber 
dahin   trachten,    das   die   altte  Teutzsche  Freyheit   erhaltten 


gOg  Politik  des  Hersogs  Johaon  Casimir  tod  Coburg. 

andt  Tortgepflanzt  werde.  Wie  den  auch  E.  Ld.  bey  an- 
dern ihren  Mityerwandten  Evang.  Stenden  so  yiell  ander- 
bawung  zue  thnn  unbeschwert  sein  wollen,  das  sie  durch  ob 
angedeutte,  geschwinde  undt  scharpffe  Prooefs  sich  nicht 
weiten  irr  machen  oder  trennen  lassen,  sondern  vilmehr 
gleich  Ton  den  Catholischen  geschieht,  ganz  treweifferig  undt 
einmüttig  xuesammensetzen  undt  in  guttem  yertrawen  undt 
einigkeit  bestendig  verharren  .... 

XLIV. 
König    Friedrich    too    Böhmen    an    Herzog    Job. 
Casimir.     Prag,    14.  August  1620.     Kopie.     A.  I,  82a, 
6,  No.  17.     Bl.  4/6. 

Hochgeborner  Fürst,  freund tlicher,  lieber  Vetter. 

£.  Ld.  hat  bifshero  in  werck  spüren  können,  was  für 
neid,  bafs  unnd  offene  feindtschafft  wir  durch  difs,  das  wir 
aus  tragender  Lieb  undt  eifer  zue  der  Evangelischen  Religion 
so  hochbeträngten  unnd  unchristlich  verfolgten n  verwandten 
inn  diefser  Cron  unnd  benachbarten  Landen,  die  auf  unfs 
durch  göttliche  Providentz  gebrachte,  ordentliche  wähl  zum 
König  in  Böheimb  ahngenommen  unnd  folgens  die  würckliche 
Begierung  diefses  Königreichs  auf  uns  geladen  haben:  also 
das  auch  etliche  unsere  vorhinn  in  höchster  vertreulichkeit 
zugethan  geweste  bluttsfreunde  unnd  ahnverwandte  ihre  vorige 
affectiones  nit  allein  alteriret,  sondern,  wie  aus  des  Herzogs 
in  Bayern  wieder  unfs  undt  unfsere  Confoederierte  Länder 
vorgenommenen,  gewaltthätigen  attentat  zu  ersehen,  ganz 
unnd  gar  in  eine  hostilitet  verwandelt  haben.  Da  wir  doch 
der  haubtsachen  halber  noch  nie  gehöret,  ob  wir  unfs  wohl 
jederzeit  zue  guth  unnd  Hecht  erbotten  haben;  welches  wir 
dem  Gerechtenn  Gott   heimbstellen    unnd  befehlenn  müfsenn. 

Was  auch  für  Vertraulichkeit  unnd  sonderbahre  freundt- 
schafft  zwischen  uns  unnd  I.  Ld.,  dem  hochgeb.  Fürsteon, 
Herrn  Joh.  Georgen,  Herzogen  zue  Sachsen  etc.,  als  zwischen 
Yatter  unnd  söhn,  gepfianzet  worden,  ist  guten  theils  £.  Ld. 


Politik  des  Hersogs  Johann  Casimir  von  Coburg.  g09 

bekaodt.  Wir  auch  yon  S.  Ld.  als  einem  eTangeliscbeo,  des 
Heiligen  Reichs  wohlfarth  liebhabenden  Ghurfürsten  keine 
Wiederwertigkeit  oder  feindschafft  yerhoffenn  oder  muthmalsen 
seilen  noch  wollen,  derselben  auch  dazue  einige  uhrsach  nie- 
mals gegeben  haben,  so  kommet  unfs  doch  glaubwürdig  be- 
richt  ein,  samb  die  Keys.  May.  bey  S.  Ld.  starok  anhaltenn 
liefsenn.  das  Sie  unfs  undt  unfser  Königreich  Böhmen  undt 
Incorporiftrte  Länder  mit  Krieges  volok  aofallenn  unnd  eine 
yermeinte  Ezecution  thun  soltenn,  worzae  auch  andere  nnfsere 
wiederwertige  L  Ld.  unnachlefslich  anzuefrischen  sich  under- 
siünden. 

Dieweil  wir  dann  inn  schwebenden  Kriegsleafften  aller 
orten  aufiiobt  zuehabenn  schuldig  sein,  so  habenn  wir  für 
gnth  ahngesehen  in  nnfserer  gehorsamen  Stände  der  Gron 
Böheimb  nahmen  durch  unfsere  0 briste,  Landtoffizierer  undt 
Edle  Bäthe  zue  des  Ghurfürsten  zu  Sachsen  Ld.  abfertigen 
unnd  dieselbige  unfsere  gegen  Sie  habenden  aufrechtenn, 
Teutacbenn  unnd  Söhnlichen  affection,  wie  auch  der  Con* 
foederirten  Königreiche  unnd  Länder  gutherzigen,  bestendigen 
treue,  lieb  unnd  aller  freund:  unnd  nachtbarschafft  ver- 
sichern unnd  I.  Ld.  dagegen  ersuchen  zue  lafsen,  das  Sie 
denen  soheinbahre  einbildungen  unnd  vorschlagen  der  KayserL 
Gesandtenn  auch  andere  Fapistischen  nicht  trauen,  noch 
sich  wieder  uns  unnd  diefse  vorhinn  so  hoch  ahngefochtene 
Länder  zum  Krieg  unnd  dem  doraus  nothwendig  erfolgenn- 
den  Landverderb,  unschuldig  Ghristlich  Bluthvergiefsenn, 
auch  underdrückuDg  S.  Ld.  glaubensgenofsenn  verleiten,  son- 
dern io  vätterlicher  affection  unnd  freundtschafft  gegen  uns, 
auch  gnedigster  hulde  gegen  unsere  Länder  unnd  under- 
thanen  noch  femner  perseveriren  weiten. 

Dann  ie  E.  Ld.  hochvernünfftig  zu  ermefsenn,  was  auf 
den  wiedrigen  fall  Seine  des  Ghurfürsten  zu  Sachsen  Ld.  für 
einen  grofsen  gewifsens  last,  bey  allen  Evangelischenu  inn 
unnd  auTserhalb  Beiohs  für  ein  Seuffzen  unnd  weheclagen, 
auch  gegen  Gott  unnd  der  Posteritet  für  eine  schwere  ver- 
andworttung    auf    sich   laden    unnd    durch    Ihre    Hülff    die 


610  Bolitik  des  Herzogs  Johimn  CMimir  Ton  Coburg. 

Spanische  VLund  PSpsÜBobe  macht  noch  mehr  sterrkenn. 
Auch  da  es  den  Jesuitischen  Practickenn  nachgehen  nnnd 
für  dem  gegentheil  aastchlagen  solte,  das  alsdann,  wann  wir 
nnnd  diefse  Länder,  da  Oott  gnedig  vor  sej,  underdrücket, 
kein  Byangel.  Standt  unnd  also  Ghnr-Sachsens  Ld.  selbstenn 
nit  mehr  sicher  sein  würden,  in  dem  bewust,  wie  lang  man 
mit  der  Execution  des  Tridentinischen  Concily  nmbgangen 
unnd  darzne  iezo  die  gewuntschte  occasion  suehaben  ver- 
meinet. Defsen  man  sich  dann  bej  denen  Papistenn  albereit 
nnnd  sonderlich  diefes  rühmet,  das  dnrch  Chur-Sachsens  Ld. 
zuthun  die  Eyan gelischen  am  füglichsten  undergedrüoket 
werden  könnten ,  da  man  auch  gleich  ein  anders  yersichert 
Jedoch  hernach  der  Exitus  eben  diefses  erweiset,  was 
wir  ieso  ahngedeutet,  unnd  E.  Ld.  die  Ezempla  nit  unbe- 
kandt  sein. 

Damit  aber  L  Ld.  umb  soviel  mehr  gewonnen  unnd  zur 
verhofftenn  guten  resolution  bracht  werdenn  möchte,  er- 
suchen wir  E.  Ld.  hiermit  freundtlich,  dieselbe  wollen  ihr 
nicht  lafsen  zuegegen  sein,  unnsers  unnd  der  allgemeinen 
woblfarth  halber  diefse  mühewaltung  auf  sich  zueladen  unnd 
bey  I.  Ld.  dem  Ghurfürsten  zu  Sachsen  durch  Gesandte 
oder  ausführliche,  bewegliche  schreibenn  ohne  Verzug  unnd 
mit  dem  furderlichstenn  sich  eelbst  freund:  unnd  gutbwillig 
interponiren  unnd  dieselbe  zur  willfehrigen  resolution  unnd 
Gontinuirung  friedlicher  Nachtbarscbafft  bewegen  unnd  dis- 
poniren  belffen  .... 

XLV. 
Herzog    Joh.    Casimir    an    König    Friedrich    von 
Böhmen.     Den    28.   September   1620.      Konzept.      A.  I, 
32  a,  5,  No.   17. 

.  .  .  Mit  was  sonderbahrer,  grofser  sorgfeltigkeit  wir 
aus  angebornen  treueyferigenn ,  uffrichtigem  hertzen,  auch 
innichlicber,  ungeferbter  affection  zu  dem  liebenn  vatterlandt 
Teutscher  Nation  undt  defsenn  wohlergehenn  unfs  vonn  zeit 


Politik  des  Herzog»  Johann  Caiimir  von  Coburg.  Ql\ 

erstmahls  entstaDdener ,  dann  durch  hernach  erfolgte  onter- 
schiedliche  Wahln  undt  yon  denselben  veranlafseten  faotionen 
noch  schwerer  erregeten  unrohe  im  Königreich  Böhmen  des 
gemeinen  wesens  bestes,  undt  dafa  durch  ertrSgliche  mittell 
diese  mifshelligkeiten  componirt,  hingelegt,  nicht  aber  sa 
dem  nunmehr  —  Gott  sey  es  geklagt  —  allenthalben  hell- 
brennenden nndt  Ton  tag  zu  tag  weiter  anfliegendenn  feaer, 
iämmerlichem  blntyergiefsenn  andt  erschröcklichenn  Landes- 
yerderbnnge  ansschlagenn  möchte,  recommendirt  andt  be- 
Tohlen  sein  laTsen,  darob  haben  wir  ein  versichert  gnt  ge- 
wifsen,  es  werden  unfs  defsen  beglaubte  leute  zeugnus  gebenn, 
undt  es  konnte  uf  allen  fall  mit  denen  hinc  inde  ergangenen 
vielf eltigen  wechselschrifften  erweifslich  dargethan  werden. 

Wie  wenig  wir  aber  mit  dieser  unserer,  so  treulich  gut 
gemeinten  intention  ausgerichtet»  das  erweiset  leider  der  be- 
trübte, im  gantzen  Bömischenn  Reich  überhandt  genommene, 
noch  stetigs  zu  mehrer  geföhrlichkeit  undt  unart  degene- 
rirende  übelstandt.  Darunter  wir  doch  niemandt  beschuldigen 
undt  mit  yerurteln  pregraviren  sollen  undt  wollen,  sondern 
schreibenn  diese  schröckliche  empörung  unserer  undt  des 
Landes  wohlverdienten  straffe  zu,  wollenn  Göttlicher  ange- 
troheter  Zuchtrute  in  Christlicher  gedult  stille  halten  undt 
zu  seiner  grofsen  Barmhertzigkeit  unfs  des  besten  getrösten* 
erkennen  unfs  aber  nichts  desto  weniger  schuldigk,  undt 
solte  unfs  die  höchstgewüntschte  freude,  trost  undt  ehre  sein, 
wann  wir  mit  erinnern,  vermahnen,  bitten  undt  was  nur  zu 
gewinnung  der  gemütter  erdacht  werden  möchte,  etwas  ver- 
wichener  zeit  oder  noch  anietzo  erhebenn  könten.  Aber 
die  Zeiten  sindt  so  böfs,  die  leute  inn  ihren  affecten  unbe- 
weglich undt  Gottes  gedachte  Gericht,  welcher  allem  an- 
sehenn  nach  eine  schwere,  kümmerliche  Pflage  Aber  unfs 
yerhenget,  unerforschlich;  endlich  auch,  wann  kein  mittell 
gezeigter  gnad  verfangen  will,  unabwendig. 

Aufs  welchem  allenn  dann  £.  Kg.  Würd.  leicbtlich  zu 
sohliefsen,  welcher  gestalt  deroselbenn  hochbewegliches,  freund- 
liches schreibenn,  dafs  es  datum  Frag  d.  14.  Aug.,  unns  aber  erst 

XVII,  40 


612  Politik  des  Herzogs  Johann  CMimir  von  Coburg. 

d.  1 0.  dieses  eingeliefert,  wir  empfanden  ondt  wie  tieff  die  dar- 
innen begriffene  nachdenekliohe  wort  uns  lu  Hertsen  gesunken. 

Thun  anfangs  E.  E.  W.  überschriebenen  groTses  andt 
hoohwerthen  freondsohafft,  nndt  daTs  sie  über  hierorige 
yertranliche  eommanication  nndt  bewegliche  anregnng  ietsige 
sorgliche  besohaffenheit  notificiret,  anoh  zayorkommong  der 
Exiremiteten  unsere  Person ,  habendem  gutem  vertrauen 
naohy  düohtig  geachtet,  unfs  dieustfreundlich  bestermafsen 
bedanken.  Welten  zwar  wüntschen,  dafs  gemeltes  E.  K.  W. 
schreiben  unls  zu  solcher  Zeit  iiberbracht,  do  noch  (:wo 
änderst  etwas  hafften  undt  stadt  finden  mögen:)  zu  reme- 
dyren  gewesen,  undt  ehe  des  Chorförsten  zu  Sachseu  Ld« 
sich  des  uffbmchs  undt  was  unhindertreibliches  demselben 
mehr  anhengig,  resolvirt.  Aber  die  einlieferung  ist  zu  sp&t 
undt  umb  solche  zeit  geschehen,  do  keine  gelegenheit  mehr 
zu  finden  gewesen,  einige  erinnerung  an  handt  zu  nehmen. 
Ja  do  es  gleich  des  ufzugs  halben  noch  res  integra,  so  ist 
es  doch  £.  K.  W.  unverborgen,  was  gescherffte  antwort  vonn 
des  Churfürsten  zu  Sachsen  Ld.  uff  Landtgraff  Moritzen  zu 
Helsen  Ld.  bey  dem  Mühlhausischen  GonTent  angefügte  yer- 
mahnung  gefallen  undt  wie  gar  seine  des  Churfürsten  Ld«  sich 
nicht  einredenn  oder  auch  unTorgreifliche  mals  geben  la(sen. 

Was  auch  des  Königreichs  Böhmen  abgeordtneten  den 
17.  August  jüngsthin  vor  schrifftliche  resolution  ertheilt 
wordenn  undt  wefsen  inhalts  das  schreibeon,  welches  wegen 
der  über  sich  genommenen  kajs.  Gommifsion  Chur-Sachsen  ann 
die  Ständt  inn  Ober  Lausnitz  den  26.  Augusti  gethan,  ist  K 
E.  W.  bekant  undt  darf  keines  weitleufftigenn  wiederholens. 

Ist  unfs  also  alle  uff  menschliche  interposition  ge- 
gründete hoffnung  gentzlich  entgangen ;  wollte  darumb  wegen 
lieber  still  schweigen  denn  mit  vergeblicher  vermahnung  ein 
lehr  strohe  dreschen.  Damit  aber  gleichwohl  E.  E.  W. 
spüren  mögen,  dafs,  soviel  ann  uns  ist^  deroselben  freund- 
lichenn,  unfs  erfreulichen,  guten  affection  wir  gerne  mit 
schuldiger  dankbarkeit  begegnen,  auch  dafs  wir  nicht  gerne 
etwas,  so  zu  abwendunge  oder  milterunge  mehrem  Unheils 
dienstlichenn    sein    möchte,    unterlassen    wollen,    haben    wir 


Politik  des  Herzogs  Johann  Casimir  von  Coburg.  Q\^ 

noch  einsten  aon  des  Ghurfürsten  zu  Sachsen  Ld.  dergestalt 
geschriebeo,  wie  £.  K.  W.  aus  dem  beysohlufs  sn  ersehen. 
TJngejsweifeltenn  Vertrauens,  E.  E.  W.  werde  einen  ihrem 
begehren  sich  nach  müglichkeit  zu  acoomodieren  geneigten 
willen  daraus  versptihren.  Undt  dalk  wir  ein  mehrers  nicht 
praestirn  können,  diesen  unrohigenn,  ad  extrema  gestiegenen 
lauffes  imputiren,  nicht  aber  einigem,  unsers  theils  geursachtem 
mangel  bejmeüsen. 

Wann  sich  auch  uf  solches  Ghur- Sachsens  Ld.  etwas 
discurrando  oder  mit  bequemer  resolution  herauslafsen  möchte, 
sind  wir  albereit  gefast  undt  bedacht  mit  mehr  ansführ- 
liohenn  schreiben  undt  rationibus  bej  S.  Ld.  nachzufolgen. 
Dann  wir  uns  zu  allem  demienigen,  so  zu  wiederbringung 
gemeiner  ruhe,  wohlfährigem  zustandt  undt  alten  Teutschem 
yertrauen  immer  dienstlichen,  schuldig  erkennen  .  .  . 

XLVI. 
Herzöge  Joh.Casimir  und  Joh.Ernst  derAeltere 

an  Kurfürst  Joh.  Georg.     Den  28.  September  1620. 

Kopie.     A.  I,  82  a,  5,  No.  108.     Bl.  138. 

.  .  .  Zue  fortsetzung  freundlich  wohlgemeinter»  bey 
jetzigen,  uf  den  eufsersten  gradt  groüser  gefehrlichkeit  auTs- 
gebrochenen  leufften  hochnötigen  Gorrespondenz  undt  dahero 
erbauliohenn  Vertraulichkeit,  können  E.  Ld.  freundlich  zu 
berichten  wir  nicht  unterlaljienn ,  was  unlengsten  von  dem 
neuerwähltem  Haupt  in  Böhmen,  sodann  selbigem  König* 
reiohs  Landoffizieren  undt  Bechtssitzem  undt  Räthenn  in 
zweyen  underschiedlichen  schreibenn  beweglich  undt  fast 
kläglich  ahn  uns  gelanget.  Auch  E.  Ld.,  erinnerlich  fernner 
anzufügenn,  von  beiden  theilen  gantz  instendig  gebethen  wird. 
Ob  nun  wohl  ietz  gedachte  Schreibenn  von  ihren  Datis 
ebenn  späth  angelanget»  dennoch  aber,  weil  wir  der  Böhmen 
schweres  anliegen,  grofsen,  gewaltigen  ernst,  die  ad  despera- 
tam  extremitatem  gestiegene  resolution  leider  sehen,  kümmer- 
lich betauren,  £.  Ld.  auch  selbstenn  solche  Extrema  befser 
als   unfs   wiÜBendt   undt   gleichwohl    zu    derselben    das   tröst- 

40* 


614  Politik  des  Heriogs  Johann  Casisiir  Ton  Coburg. 

liehe  Tertrauen  sieherlich  tragenn:  Sie  werde  diefse  onfsere 
GommanioatioD  nieht  änderst  als  von  hertzen  treulieh  gath 
gemeinet  yermerkeDD  nndt  das  baufellige,  höchst  Dotleideode, 
zne  einer  nicht  wieder  erheblichen  min  sich  neigende 
gemeine  wesenn,  undt  was  dann  endlich  ans  denen  nf  allen 
theils  Torgesetstenn  extremis  erfolgen  möchte,  Ihr  zne  dero 
friedliebendem,  Ghurförstlichem ,  Teatschem  Hertzen  gehen 
lafsen.  Alfs  woltenn  £.  Ld.  solche  ahn  nnA  abgegangene 
schreibenn  wir  nicht  yerhaltenn,  mitt  angeheffter  freund- 
licher Bitte,  £.  Ld.  wollen  solche  undt  die  darinnen  be- 
griffene, nachdenkliche,  schwere  motiven  undt  gefehrliohe 
pafsns  ihrem  hocherlanchteten ,  fttrnehmen,  begabten  Ter- 
stände  nach  wohl  erwegenn  nndt  durch  eingebnng  undt 
führung  Gottes  solche  mittel  ergreifen n,  auf  dafs  unser 
hocbgeliebtes ,  werthe  yaterland  frembden,  ihme  Übel  ge- 
wogenen Nationen  nicht  zum  raub,  die  Christlich.  ErangeL 
Lutherische  Heligion  ausgemustert  undt  wir  in  unserm  Gott 
lob  erreichtem  alter  über  yielfeltige,  die  Zeit  unsere  lebens 
erlittene  Wiederwertigkeiten  neben  andern  Evangel.  Ohristenn 
undt  reinen  Beligionsgenossenn  mit  diefsem  Elend  so 
schmertzlicher  zerütlung,  allermeist  der  glauben syerwandtenn 
blutyergiefsung  undt  ineinander  föhrunge  betrübet  undt  die 
liebe  Posteritet  dieses  teuem,  aller  weldt  guth  übertreffenden 
Klein  od  ts  nicht  priviret  werde. 

Welches  ohne  einige  yorgreiffliche  mafsgebunge  oder 
unzimbliches,  inn  £.  Ld.  gesetztes  mifstrauen,  sondern  nur 
zue  dem  ende  wir  andeutenn  undt  mit  Seuffzen  erinnern, 
damit  der  Böhmen  wehemütigem  Glagen,  flehen  undt  bitten 
in  etwas  genüge  geschehe,  wir  unfser  gewifsenn  yerwahrenn, 
undt  do  ein  wiedriges,  unfserm  Hause  nachteiliges  hierob 
erfolgen  solte,  unfs  nioht  könte  schuld  gegeben  undt  bej- 
gemefsenn  werden:  es  wehre  unfs  das  zukünfltige  unheil 
yor  äugen  gestellet  worden,  oder  betten  es  selbsten  prSyi- 
diret  undt  dennoch  als  der  eltiste  unfsers  Haufses  nichts 
darbey  gethan,  sondern  band,  mund  undt  feder  sinken  lafsen. 

Indeme  wir  nun  nicht  zweifeln,  £.  Ld.  werden  diefsem 
befahrendem  ungemach  aus  der  uf  Sie  gestammeten  yorsicht, 


Politik  des  Heriogs  Johann  CMimir  Ton  Cobarg.  g]^5 

föedfertigkeit  nndt  liebe  zum  Taterlandt  heiltamblichenn  zu 
remedjren,  keine  mühe  noch  fleifs  sparen ,  auch  der  Gon- 
serration  nnfsers  Eyangel.  Christi.  Latherisohenn  glaabens  alle 
andere  Praetezt  nachsetzenn  andt  bey  ihrem  soweit  erschollenem» 
rumblichen  eifer»  andt  das  Sie  noch  nechst  göttlicher,  gne- 
diger  yerleihunge  das  gewüntschte  mittel  vor  androhendem, 
gentzlichen  yerderbenn  sein  können  undt  menniglichen 
darauf  Hofnung  gesetzet,  bestendig  verharren. 

Also  mögen  £.  Ld.  mit  ferner  weitleufftigen  auTsftth- 
runge  wir  nicht  beladen,  sondern  bittenn  freundlieh,  £.  Ld. 
lafse  ihr  nicht  zne  entgegen  oder  beschwerlichen  sein,  dero 
zuTerlefsige ,  freundliche  meinung  uns  yertreulich  zu  ent- 
decken.    Undt  verbleiben  deroselben  .... 

XLVIl. 
Hersog   Joh.    Casimir    an    Kurfürst    Joh.    Georg. 

Teaneberg,    3.    Oktober    1620.     Kopie.     A.  I,    32  a,    5, 

No.    103.     £1.   140. 

Postscriptum. 
....  Mögen  E.  Ld.  wir  absonderlich  undt  eilfertig 
bey  dieser  fürfallenheit  freundyetterlioher ,  treuer  wohl- 
meinunge  nicht  bergen,  wie  gleich  unter  beschliefs:  undt 
abfertigunge  dieses  gesambten  Schreibens  zwar  aus  gemeinen 
Zeitungen  unfs  fürkommen,  alls  solte  vonn  der  Cron  Bö- 
heimb  wegen  E.  Ld.  Böheim.  Lehen  sonderbahre  aufforde- 
runge  undt  comission  an  unfs  undt  unsers  freund tlichen, 
geliebten  Bruders  Ld.  obhanden  sein.  Welches  unfs  nicht 
wenig  befremd:  undt  nachdencklich  zu  vernehmen,  sinte- 
mahl  wir  undt  unsers  freundtlichenn,  liebenn  bruders  Ld. 
der  offenbam  Eundtbarkeit  nach  gar  keine  Böheimische 
Lehen  im  besitz,  die  mit  belehuschafft  undt  anwarttung  im 
weiten  feldte,  wir  auch  im  meisten  gar  ausgeschlossen,  in 
gemein  gentzlich  hindennach  gesetzt,  daiauf  unsers  zustandts 
undt  Wesens  nie  keine  rechnunge  noch  absehen  oder  ge- 
danckenn  gemacht,  noch  einige  beliebung  ob  dergleichenn 
tragen,  diese  sacben  uns  nichts  angehen,  nie  darein  ge- 
menget,   auch  nochmahl s  nicht  gemeinet,  sondern  unns  aller- 


616  Politik  des  Hersogi  Johann  Casimir  von  Coburg. 

dings  wohlyortiohtig  neutral  sa  halten  unnd  nach  eusser- 
stem  unserm  Tennö;zen  za  friedfertigeon ,  vertrag] ichenn 
mittel  annd  abwenduoge  ferners  nnheils  allenthalbenn  nnser 
beharrliches  intent,  zumahln  nnter  ChriitL  ErangeL  geblat-, 
Glaubens-  undt  teuer  erworbener  edler  Teutecher  freyheit- 
genossen,  nahen  verwandten,  undt  benachbarten,  damit  man 
nicht  sich  selbst  in  einander  verwickeln,  conerviren,  ruinireo 
undt  endlich  frembden  Völkern  zum  raub  werden  möge. 

Wiewohl  nun  aufser  angeregten  blofsen  Zeitungen  unCs 
noch  zur  Zeit  davon  nichts  gründliches  eingelangt,  so  haben 
wir  doch  nicht  underlafsenn  sollenn  noch  wollen,  E.  Ld. 
unser  mifsfelligkeit  hierbey  in  continenti  zu  erkennen  zu 
geben.  Ob  etwas  davonn  zu  einiger  miÜBtrauens  erweckung 
(:wie  leider  solche  böse  Zeiten  dafs  leichtlich  mifshelligkeit 
zu  stifften:)  ann  dieselbe  gebracht  werden  sollte,  als  were 
es  mit  unserm  vorwifsen  undt  willen  oder  beliebenn  ge- 
schehen, dafs  E.  Ld.  solchem  keinen  glauben,  noch  viel 
weniger  darüber  unfs  undt  nnsers  freundtlichen,  lieben  Bru- 
ders Ld.  wieder  das  vertrauliche  herkommen  ioht  etwas  un- 
gleiches oder  wiederwertiges  beymefsen,  sondern  unfs  gewifs 
unnd  Tersicherlich  zutrawen  wollen,  wofeme  derhalben  oder 
sonsten  was  bestendiges  an  unfs  gelangen  solte,  dafs  wir 
unfs  guter,  beharrlicher  observantz  unnd  erinnerung  naher 
verwandnus,  vertraulicher  Correspondenz,  auch  hochverbund- 
licher  Erbverbruder:  unnd  Vereinigung  mit  auffrichtigenn, 
teutscbenn,  treuem  hertzen  unnd  gemüth  gegen  £.  Ld. 
finden  unnd  nicht  unterlafsen  wollen,  es  derselben  unver- 
züglich zu  erkennen  zu  geben  unnd  mit  ihr  daraus  ver- 
traulich zu  communiciren,  ehe  wir  einige  antwortt  von  unfs 
stellenn  möchten.  Unterdefsen  £.  Ld.  sich  vonn  unfs  nichts 
ungleiches  einbilden,  noch  einig  mifstrauen  erweckenn,  viel- 
mehr aber  unfs  undt  unsere  lande  nndt  leute  bey  so  gefehr- 
liohenn,  sorglichen  Zeiten  unnd  leufften  zu  bester  vorsehunge 
befohlen  undt  angelegen  sein  lafsen  wollen.  Damit  unfs 
allerseits  Gottes  starkem,  allgewaltigem  sohutzs  undt  schirm  xa 
zeitlichenn  undt  ewigenn  heyl  gantz  treulich  befehlendt  .  .  . 


VI. 


Gesamtpostmeister  Bieler. 

Ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  deutschen  Post. 


Von 


E.  Etnert 


JN  ach  den  im  Arnstädter  Batsarchiv  aufgefundenen  Akten 
reiohen  die  Bemühungen  des  sächsischen  Fürstenhauses  Ernesti- 
nischer  Linie,  ihren  Landen  die  Wohlfahrt  eines  geordneten 
Postwesens  zu  sichern,  his  zum  Jahre  1666  zurück. 

Damals  fühlte  sich  Herzog  Johann  Ernst  durch  vielfache 
Klagen,  seihst  seines  Bruders  Herzogs  Bernhard,  dessen 
„selhsteigene  hochangelegene  Schreihen"  oft  genug  verab- 
säumt worden,  bewogen,  zunächst  für  die  gemeinsame  Uni- 
versität Jena  ein  gutes  Boten wesen  einzuführen. 

Dasselbe  war  in  äuTserste  Eonfusion  geraten,  so  dafs 
vielen  daselbst  sich  aufhaltenden  Studiosis  an  ihren  Wechsel- 
briefen und  Geldern  groÜBer  Schade  und  Hindernis  zuwuchs. 
80  beauftragte  der  Herzog  in  einer  auf  der  Wilhelmsburg 
(d.  26.  August)  ausgestellten  und  von  ihm  auch  zugleich  für 
seine  freundlichen  geliebten  Brüder  eigenhändig  unterschrie- 
benen Urkunde  einen  gewissen  Hans  Müller,  dafs  er  wöchent-' 
lieh  und  zu  gewissen  Tagen  „mit  gehen ,  Reiten  oder  fahren 
alle  Jenischen  Briefe  nacher  Leipzig  und  Erffurth  in  die 
ordentlichen  Post  Ämbter  daf selbst  überbringen,  ablegen  und 
hingegen  die  bei  jenen  Postämtern  eingelaufene,  und  nacher 
Jena  gehörigen  Schreiben  und  Sachen  empfahen  und  zurück- 
bringen, auch  sich  des  Postgeldes  halber  mit  gedachten  Post- 
Ambtem  vergleichen  und  einem  Jeden,  was  denselben  an 
Briefen  und  Sachen  zuständig,  treulich  und  richtig  über- 
lieffera  und  ausliefern  solle'^ 


620  Oesamtpostmeiftter  Bicler. 

So  besorgte  denn  Johann  Mftller  mit  seinem  Sohne  die 
Korrespondenz  der  Universität.  Johann  Müller  war,  wie  er 
selbst  wenigstens  behauptete,  ob  bene  merita  und  sam  recom- 
pense  seiner  treuen  Dienste,  die  er  Herzog  Wilhelm  in  den 
gefährlichen  Kriegesläufften  des  Jahres  1638  geleistet,  mit 
diesem  Amte  betraut  worden. 

Indes  diese  Anfänge  geordneter  Zustände  genügten  dem 
wachsenden  Yerkehrswesen  nicht.  Namentlich  wurde  es  als 
ein  grofser  üebelstand  empfunden,  dafs  die  Residenzen  des 
sächsischen  Fürstenhauses,  zunächst  Jena,  Weimar,  Gotha 
und  Eisenaoh,  nicht  durch  eine  Ordinarpostkutsche  yerbunden 
waren. 

Aber  es  schien  doch  niemand  Neigung  zu  haben,  gröCsere 
Geldmittel  auf  ein  Unternehmen  zu  wenden,  dessen  Erfolge 
sich  noch  jeder  Berechnung  entzogen.  Da  ging  im  Jahre 
1686  der  Dootor  Juris  und  Lioentiat  beider  Rechte  Matthes 
Bieler  daran,  auf  eigene  Kosten  und  Gefahr  eine  Post  zu 
„etabliren"'.  Und  unter  dem  30.  Juli  1687  erhielt  er  von 
Herzog  Wilhelm  Ernst  zu  Weimar  und  Johann  Wilhelm  zu 
Eisenach  zugleich  im  Namen  aller  Herzöge  weimariseher 
Linie  ein  Privilegium  ausgestellt,  in  dem  er  solemniter  mit 
dem  von  ihm  aufgerichteten  Postamte  vertraut  wurde. 

Nach  den  Mitteilungen  des  Geheime  Rat  Bergfeld  (Nach- 
richten über  den  Zustand  des  Postwesens  in  dem  Herzogt. 
S.-Weimar-Eisenacb)  war  dem  Licentiat  der  Rechte  Johann 
Matthias  Bieler  das  Privileg  und  Erblehnbrief  vom  Herzog 
Wilhelm  Ernst  zu  Weimar  für  sich  und  die  Herzöge  zu 
Eisenach  und  Jena  nach  Verständigung  mit  diesen  kraft 
führenden  Directorii  erteilt  und  ihm  das  „Gesammte  Oe« 
schwinde  Postwesen''  in  den  Fürstl.  sächsischen  Landen 
weimarischer  Linie  nebst  seinen  Leibeserben  „als  ein  rechtes 
freies  Erblehn  cum  libera  faoultate  disponendi  inter  vivos  et 
mortis  causa''  übertragen  worden. 

So  oft  das  Lehn  zu  Falle  komme,  sollte  es  bei  dem 
ältesten  Herzoge  der  Linie  als  Directori  gemutet  werden. 
Dem  Herzog  blieb   für   den    Fall  der  Yeräufserung   de»  Vor- 


Gesamtpostmeister  Bieler.  621 

kauf,  für  den  Fall  der  Nichterfüllung  der  Verpflichtungen 
aher  das  Recht  vorbehalten,  „gelbsten  anderweiten  benöthigte 
Anstalt  und  Verfügung  durch  die  Unsrigen  zu  desseo  Erhalt- 
und  Fortführung  machen  zu  lassen". 

Dem  Postwesen  wurden  alle  möglichen  Schutzmafsregeln 
gegen  Beeinträchtigung,  Freiheit  von  allen  Strafsen abgaben 
u.  dergl.  m.,  dem  Postmeister,  seiner  Familie  und  seinen 
Leuten  Freiheit  von  allen  oneribus  personalibus  u.  s.  w.  zu- 
gesichert, den  Postillonen  sollte  „die  Gemeine  Sächsische 
Liberey  nebst  zugehörigen  Postschilden"  aus  den  Fürstlichen 
Kentkammern  geliefert  werden.  Als  Gegenleistung  hatte  der 
Lehnspostmeister  nur  die  abgehenden  und  ankommenden  Briefe 
und  Pakete  für  die  Herrschaften,  ihre  Räte  und  Rentmeister 
„sowohl  in  Herrschafts-,  als  in  ihren  eigen  Sachen»  soweit 
diese  und  seines  Bruders  zu  Koburg  jüngsthin  anlegte  Post 
reichet",  ganz  frei  zu  bestellen. 

Ja  Herzog  Wilhelm  Ernst  fand  sich  noch  vor  Aus- 
stellung des  Patents  auf  Bielers  Bitten  bewogen,  ihm  jährlich 
durch  die  Kammer  zu  Jena  15  Thaler  zu  „zweyen  blauen 
Lieveriröcken  für  die  Postilione"  und  die  dazu  gehörigen 
Schilder  anzuweisen;  doch  mit  dem  ausdrücklichen  Bedeuten, 
dafs  Bieler  zu  solch  Poströcken  eine  solche  Coloer  von 
blauem  Tuche  beschaffe,  wie  sie  seines  geliebten  Sohnes  Hof- 
liebery  zeige  (Nov.  86). 

Auch  gestattete  er,  als  er  um  einen  freien  Tisch trunk 
an  Wein  und  Bier  unterthänigst  Ansuchung  that,  dafs  ihm 
jährlich  6  Eimer  Wein  und  54  Eimer  Bier  tranksteuerfrei 
passieren  sollten. 

Licentiat  Bieler  war  nun  bemüht  —  und  wie  es  scheint 
mit  Geschick  und  Glück  —  durch  Anknüpfung  freundschaft- 
licher Beziehungen  mit  den  Postmeistern  selbst  ferner  Städte 
seinem  Postwesen  eine  weite  Ausdehnung  zu  geben. 

Mit  dem  Postverwalter  Johannes  Müller  aber  und  dessen 
ihm  substituierten  Sohne,  die  ihre  Ansprüche  auf  die  Post 
nach  Leipzig  geltend  machten,    kam    es   zu  einem  Vergleich, 


g22  OMamtpostmeUter  Bieter. 

dem  safolge  Bieler  die  Direktion  bei  den  neuen  Unternehmungen 
nach  Frankfurt  und  Nürnberg  für  sich  allein  beanspruchte, 
doch  jenen  die  Postkutsche  nach  Leipzig  verbleiben  sollte. 
Sie  sollten  dieselbe  auf  eigene  Kosten  mit  ttlchtigen  Pferden 
Tersehen,  und  von  ihren  Postillooen  alle  Poststücke  richtig 
in  Acht  genommen  werden.  Dafür  sollte  das  Postgeld  aller 
Passagiere  nach  der  Tazordnung  ihnen  ganz  allein  yerbleibcD. 
Briefe  und  Pakete  aber  mufsten  in  Bielers  Posthaas  ge- 
liefert werden.  Drei  Viertel  des  Ertrages  sollten  dem  Post- 
meister, ein  Viertel  den  Postverwaltem  lu  gute  kommen. 

Dafs  Bieler  bemüht  war,  seiner  Post  die  Korrespondenz 
sämtlicher  Fürsten  weimarischer  Linie  sicherzustellen,  er- 
giebt  ,,die  yerbündliche  Abrede*',  welche  zwischen  ihm  und 
der  Fürstlichen  Kammer  zu  Eisenberg  (Ghristiansburg  im  Mai 
1687)  getroffen  wurde. 

Nach  derselben  sollte  Bieler  alle  herrschaftlichen  und 
dero  höheren  Bedienten  Briefe  und  Briefpakete,  so  weit  seine 
Posten  gingen,  als  namentlich  bis  auf  Leipzig,  Halle,  Nürn- 
berg und  Frankfurt  a.  M.,  auch  andere  dazwischen  gelegene 
„Öhrte''  frei  bestellen,  auch  zuweilen  ein  Kleid,  ein  Fäfschen 
Austern  von  etwa  hundert  Stücken  und  dergleichen  mit- 
nehmen. Auch  sollte  Bieler  wöchentlich  zweimal  einen  Boten 
von  Jena  nach  Eisenberg  schicken,  den  die  Kammer  mit 
12  Thaler  jährlich  „saleriren  wölle^'.  Mit  demselben  sollte 
Bieler  auch  die  Zeitung,  welche  er  in  Jena  drucken  liefs, 
wöchentlich  zweimal  schicken. 

Dem  Postmeister  wurden  für  seine  Bemühungen  16  Thaler 
für  das  Quartal,  zugleich  Erstattung  seiner  Portoauslagen, 
zum  neuen  Jahr  ein  Behlein  oder  nach  Gelegenheit  ein 
Schmaltier  zugesichert. 

Wie  nach  Westen  die  herzoglichen  Besidenzen  Jena, 
Weimar,  Gotha,  Eisenach  zu  verbinden,  so  ging  auch  bald 
eine  leichte  Jenenser  Kalesche  mit  untergelegten  Pferden 
gen  Süden ,  über  Saalfeld  nach  Coburg ,  ein  Unternehmen, 
das  Herzog  Albrecht,  der  zur  Ehrenburg  residierte,  unter- 
stützte. 


Gesamtpostmeister  Bieter.  g23 

Aber  Bielers  Wagen,  der  zweimal  wöchentlich  als  eilende 
Post  dahinfiihr,  hatte  sich  weitere  Ziele  gesetzt  Er  ging 
auch  nach  Bamberg  und  Nürnberg,  einem  Herz-  und  Lebens- 
punkte  des  deutschen  Post-  und  Verkehrswesens.  Aber  dies 
kühne  Unterfangen  führte  schwere  Wetterwolken  Aber  Bielers 
Haupt  herauf. 

Die  Posthalter  auf  dieser  Route  sahen  sich  durch  diese 
Neuerung  in  ihrer  Existenz  bedroht  und  klagten  ihr  Leid 
und  ihre  Besorgnis  dem  Kaiserlichen  Reichspostmeister  zu 
Nürnberg,  Johann  Jakob  Oxle  zu  Friedberg. 

Neben  einer  schon  vor  etlichen  Jahren  aufgestandenen 
Jenenser  Landpostkutsche  habe  sich  blos  und  allein  unter 
Direktion  eines  Licentiaten  Bieler  noch  eine  geschwinde  Post- 
kalesche aufgethan,  fahre  zweimal  die  Woche  auf  und  ab, 
sogar  mit  abwechselnden  Pferden  und  unter  Führung  des 
Posthorns.  Dieselbe  suche  auf  alle  Weise  durch  die  halten- 
den Ordinari  -  Zeiten,  ja  durch  unterwegs  bestellte  Posthalter 
alle  diejenigen  Personen,  die  sich  etwa  dann  und  wann  der 
Post  bedienten,  an  sich  zu  ziehen.  Ja  sie  halte  neben  Ab- 
wechslung der  Pferde  in  Bamberg,  Coburg  und  Saalfeld 
ordentliche  ünterlager  und  habe  einem  Bürger  gegen  genüg- 
same Belehnung  ein  Felleisen  mit  Schreiben  und  Brief- 
paoketen  und  dazu  gehörigem  Schlüssel  zusenden  wollen, 
damit  er  die  Schreiben  bestellen,  als  bald  wieder  Briefe 
sammeln  und  unter  Verschlufs  zusenden  solle.  Dazu  ver- 
breite sie  sogar  Unwahrheiten,  als  wenn  solches  alles  mit 
den  kaiserlichen  Postämtern  verglichen  worden  wäre.  So 
suche  sie  die  gleicher  Zeit  ablaufende  Reichspost  durch  ver- 
hinderten Unterhalt  und  Entziehung  der  Briefgelder  auf  alle 
Weise  zu  stocken. 

Der  Nürnberger  Reichspostmeister  berichtet  altbald  an 
den  General postmeister  des  heiligen  deutschen  Reichs,  Fürst 
Eugenius  Alexander,  Graf  zu  Thurn,  Yalsassina  und  Taxis. 
Dieser  hinwiederum  bringt  seine  Klage  an  den  Kaiserlichen 
Thron.  Fürst  Eugenius  aber  kennt  die  engen  Grenzen  der 
kaiserlichen    Macht    und    den    Lauf    der   Dinge    im   heiligen 


()24  Gesamtpostmeister  Bieler. 

Bömischen  Beiche  deutscher  Nation  viel  zu  gut,  um  sich  von 
einem  erbetenen  Kaiserlichen  inhibitorium  (bei  den  Fürsten 
des  sächsischen  Hauses)  grolise  Wirkung  yersprechen  zu 
können. 

Nein,  um  das  Bielersche  Unternehmen  über  den  Kaufen 
zu  werfen,  mufste  der  Hebel  noch  an  anderer  8tella  angesetzt 
werden.  Da  Postmeister  Bielers  Kalesche,  Nürnberg  zu  er- 
reichen, auch  auf  eine  weite  Strecke  das  bambergische  üebiet 
zu  durchlaufen  hatte ,  so  muÜBte  es  versucht  werden ,  den 
Erzbischof  von  Bamberg  zu  einem  energischen  Vorgehen 
gegen  die  Jenenser  Post  zu  gewinnen. 

Er  wufste  eine  Kaiserliche  Zuschrift  an  seine  Andacht 
den  Erzbischof  Margard  Sebastian  zu  erwirken,  in  welcher 
demselben  die  gute  Sache  eindringlich  ans  Herz  gelegt  wird: 
„Wenn  nun  aber  durch  sothanes  unsem  vorhin  ins  Heil. 
Eeioh  ergangenen  Postpatenten  zugegen  und  aufrichtendes 
Potenwesen  nicht  allein  unser  hohes  Kaiserliches  Postregal 
der  Orten  gänzlich  umgestofsen ,  die  hochnöthige  sichere 
Correspondenz  verhindert  und  gar  unter  solchen  fuhren  der- 
gleichen Sachen  practicirt  werden,  wodurch  dem  heil.  Ron. 
Beich  grofser  Schade  und  Nachtheil  zugefügt  werden  kan. 

Als  gesinnen  wir  an  dero  Andachten  hiermit  gnädigst, 
dafs  Sie  obgedachtes  Fähr-  und  Potenwerk  in  ihren  Landen 
und  Botmäfsigkeit  gänzlich  hemmen,  dero  Bürger  und  Unter- 
thanen  forderlich  inhibiren,  dafs  Sie  sich  dieses  unsem  hohen 
Kaiserl.  Post  Begal  zu  grofsem  Fraejudiz  gereichenden  Werkes 
keineswegs  theilhafftig  machen  oder  immisciren,  sondern  sich 
dessen  gänzlich  entäufsern  und  enthalten/' 

Dieses  Kaiserliche  Patent  übersendet  der  Nürnberger 
Beiohspostmeister  nach  Bamberg,  indem  er  nun  auch  seiner- 
seits nichts  unterläfst,  den  Erzbisohof  zu  einem  erfolgreichen 
Vorgehen  gegen  die  Jenenser  Post  zu  bestimmen. 

Er  erinnert  seine  Andacht,  wie  schon  seit  langen  Jahren 
mit  merklichen  grofsen  Unkosten  auf  dieser  Stralse  gegen 
Kassel  u.  s.  w.  eine  ordentliche  in  der  Woche  zweimal  laufende 
Post  eingerichtet  sei,  welche  nicht  nur  die  hochfürstl.  Korre- 


Gesamtpostmeister  Bieler.  g2& 

spondenz,  Bondern  auch  die  seiner  Diener  und  Ämter,  ins- 
besondere  doch  auch  der  hoobaneehn liehen  Begensburger 
KeichBtagsgesandtechaft  BelbBi  in  weite  fremde  Orte  ohne 
Unterbrechung  and  zu  voller  Zufriedenheit  besorgt  habe.  So 
werde  der  Bischof  seinem  gehorsamsten  Suchen  und  Bitten 
gern  nachkommen,  die  neu  aufgekommene  Kutsche,  die  so- 
genannte geschwinde  Post  genau  zu  inquiriren  zu  laTsen  und 
in  seinen  hochfürstl.  Landen  gebieten,  selbige  zurückzuhalten 
and  bei  Leibe  keine  Bestellung  der  Briefe  zu  übernehmen, 
insbesondere  auch  dem  Gastgeber  zum  weifsen  Lamme  ernst- 
lich Vorspannung  der  Pferde  und  andern  Vorschub  zu  thun 
untersagen. 

Der  Bischof  werde  gewifs  nicht  gestatten,  dafs  das  all- 
gemein nutzbare  und  mit  so  unsäglich  schweren  Kosten  zu 
unterhaltende  Kaiserliche  Reichs  Post  Regal  in  seinem  wohl- 
hergebrachten esse  geschwächt  und  gekränkt  werde.  Sei 
doch  auch  zu  bedenken,  wie  man  sich  in  den  aller  unfried- 
lichsten und  übelsten  Läufften  mit  Fortführung  der  ordinari 
und  extra  Posten,  Staffeten  und  Coarir  und  officier,  so  tags 
als  nachts,  dem  allgemeinen  Wesen  und  ganzen  heil.  Böm. 
Reich  zum  besten  und  Dienst,  öfters  mit  höchster  Leib-  und 
Lebensgefahr  gebrauchen  lassen  müsse,  während  die  Jenenser 
Kutsche  und  andere  ihresgleichen  allein  ihrer  Bequemlichkeit 
und  eigenen  Nutzens  pflegten. 

Den  wirksamsten  Grund  aber  spart  der  kluge  Reichs- 
postmeister bis  zuletzt  auf,  indem  er  erst  zu  SohluTs  seiner 
Eingabe  darauf  hinweist,  wie  bei  solchen  Neuerungen  die 
wahre  katholische  Religion,  wofür  genügsame  Exempla  vor- 
handen, ebenfalls  merklich  zu  leyden  und  allerlei  Widriges 
zu  befahren  habe.  Seine  Andacht  möchte  deren  gedcDken, 
dafs  diese  neu  aufgestandene  eilende  Post,  die  mit  ihren 
Felleisen  voll  Schreiben  und  Briefe,  so  munter  durch  sein 
Land  führe,  aus  Jena  auslaufe. 

Trotzdem  legte  Erzbischof  Mangard  Sebastian  nicht  als- 
bald seine  hindernde  Hand  an  das  Bielersche  Unternehmen, 
sondern    fragte    erst    bei    Herzog    Albrecht    zu    Coburg    als- 


Q2Q  Gesuntpostmeister  Bieler. 

„dienstwilliger  Freund  and  Nachbar''  an  und  ersuoht  ihni 
Yon  Seiner  diesfallB  habenden  Intention  und  Meinung  Eröff- 
nung zu  thun.  Herzog  Albrecht  wiederumb  findet  ee  f&i 
gut,  sich  zuTor  mit  Herzog  Wilhelm  Ernst  in  Verbindung 
zu  setzen  I  damit  man  in  „freundvetterlicber  conformitaef' 
handle. 

Aber  da  reifst  der  Faden;  die  Akten  lassen  uns  über 
den  weiteren  Verlauf  der  Dinge  im  Stich.  Doch  daraus,  dafs 
Bieler  um  10  Jahre  später  wieder  in  anderer  Weise  un- 
mittelbare Verbindung  mit  Nürnberg  suoht,  können  wir  mit 
einiger  Bestimmtheit  annehmen,  dafs  er  seine  eilende  Post- 
kutsche doch  wohl  zur  Zeit  hat  einziehen  müssen. 

Einen  besseren  Verlauf  nimmt  Bielers  Unternehmen,  die 
von  Jena  über  Weimar,  Gotha  und  Eisenaoh  laufende  Foit 
nach  Frankfurt  am  Main  fortzusetzen.  Da  Kassel  aufserhalb 
der  Bichtung,  so  wird  dieselbe  über  Hünefeld  und  Hanau 
geleitet.  Der  Landgraf  von  Hessen  unterstützt  selbst  das 
Unternehmen  und  die  Frankfurter  Expedition  durfte  mit 
seiner  Bewilligung  in  den  ,,Darmstetter  Hof'  yerlegt  werden, 
ein  dem  Landgrafen  zugehöriges  Palais. 

Hessen- Darmstadt  erhielt  einen  jährlichen  Kanon,  Hessen- 
Kassel  und  Solms  -  Braunfels ,  deren  Gebiete  berührt  worden, 
gewisse  Transitabgaben  (yergl.  Bergmann). 

Aber  diese  Frankfurter  Postlinie  wird  dann  auch  mit 
Leipzig  in  direkte  Verbindung  gesetzt  und  die  Herzöge 
weimarischer  Linie  treten  selbst  für  ihren  „Gesamtpostmeister 
zu  Jena  mit  ihrem  Fürwort  ein**. 

Sie  wenden  sich  auf  Bielers  Bitten  um  gnädigste  Inter- 
cession  1690  an  Ghursachsen  und  die  Nebenlinien  Merse- 
burg, Weifsenfels,  Zeiz.  Sie  bitten  zu  erwägen,  wie 
schwerlich  mit  Post  zeithero  in  den  sämtlichen  Sächsischen 
Landen  fortzukommen  gewesen  und  wie  darüber  von  den 
Passagiers  vielfällige  Beschwerung  geführt  worden  und  wie 
nützlich  und  förderlich,  namentlich  für  das  zur  Zeit  waltende 
Kriegswesen,  Bielers  Unternehmen,  eine  eilende  Post  von 
Leipzig  bis  Frankfurt,   ja  nach  Holland  durohzufnhren,  dem 


Gesamtpostmeiiter  Bieler.  g27 

gemeinen  Wesen  und  insbesondere  den  sämtlichen  säch- 
sischen Staaten  sein  m&sse.  So  möchten  Ihre  Liebden  auf 
freundvetterliche  Bitte  das  nützliche  Yorhaben  auch  Ihres 
Orts  in  Gnaden  defendieren  und  bei  den  Ihrigen  verfügen, 
dafs  sie  der  Bielerschen  Post  nicht  allein  keine  Hinderung 
verursachten,  sondern  vielmehr  allen  Beistand  leisteten. 
Vom  Friedenstein  aus  wurden  dem  Gesambtpostmeister  auch 
noch  insbesondere  Pässe  und  Freibriefe  an  die  Zölle  und 
Geleite  von  seiten  der  gothai sehen  Linie  in  Aussicht  gestellt 
und  seinem  Unternehmen  vollster  Schutz  zugesagt. 

Ja  nach  Schäfer  (Geschichte  des  sächsischen  Postwesens) 
benachrichtigte  Herzog  Friedrich  (8.  Juli  1690)  den  Kur- 
fürsten von  Bielers  Plänen  mit  dem  Ersuchen,  dieselben 
thunlichst  zu  fördern.  Bas  Oberpostamt  zu  Leipzig,  von  dem 
ein  Gutachten  in  der  Sache  eingefordert  worden  war,  erkannte 
zwar  die  Nützlichkeit  einer  solchen  Post  an  (seit  1652  war 
die  frühere  Botenpost  zwischen  Leipzig  und  Frankfurt  a.  !£• 
in  eine  reitende  Post  umgewandelt  worden),  hielt  aber  die 
Verbindung  mit  dem  Jenaer  Postmeister,  der  übrigens  die 
Beförderung  nicht  von  Leipzig  aus  beanspruchte,  sondern  die 
Wecbselung  in  Naumburg  angeboten  hatte,  für  unannehmbar. 
„Es  ist^S  berichtete  das  Oberpostamt  an  den  Kurfürsten, 
,,zwar  eine  leichte  Sache,  Posten  anzulegen,  allein  sie  mit 
reputation,  wie  bei  den  Kursächsischen  Posten  bisher  ge- 
schehen, zu  erhalten,  ist  sehr  schwer/' 

Noch  ehe  der  Herzog  Friedrich  eine  Antwort  erhielt, 
richtete  der  jenaische  Postmeister  (August  1690)  die  geplante 
Post  ein.  Gleich  darauf  erging  an  den  Bat  zu  Leipzig  Be- 
fehl, die  jenaische  Post  bei  ihrer  Ankunft  in  Leipzig  „sammt 
den  dabei  befindlichen  Passagiren''  in  Arrest  zu  nehmen. 

Das  Oberpostamt  Leipzig  legte  nun  die  als  notwendig 
anerkannte  Post  selbst  an.  Nach  der  noch  vorhandenen  Be- 
kanntmachung, ging  die  „geschwinde  eilende  Post''  nach 
Frankfurt  a.  M.  über  Jena  vom  17.  November  1690  wöchent- 
lich zweimal  ab.  Jedoch  auf  weimarischem  Gebiete  übte 
man   an   der  Leipziger   Pott  Vergeltung   für   die  kurz    zuvor 

XVII.  41 


628  GesAmtpostmeiiter  Bieler. 

an  der  jenaischen  Post  begangeDe  Unbill,  und  die  Fahrten 
mufsten  daher  wieder  eingeetellt  werden.  Brst  nach  8  Jahren 
(im  Jahre  1698)  kam  es  zwischen  den  PoBtämtem  zu  Leipzig 
und  Jena  zu  einer  Yereinignng,  infolge  deren  auf  der  wich- 
tigen Beute  Leipzig  -  Frankfurt  a.  M.  eine  fahrende  Post  in 
Gang  gesetzt  ward. 

Schon  hatte  auch  Bieler  (9.  Oktober  1686  und  30.  Januar 
1687)  mit  Brandenburg  angeknüpft,  und  es  war  zunächst  zu 
einem  Interimsvergleich  zwischen  ihm  und  den  Kurf.  Branden- 
burgischen Oesamtsekretär  und  Postmeister  zu  Halle,  dem 
gelehrten,  berühmten  Madeweis,  gekommen,  welcher  denn 
auch  die  Genehmigung  der  Begieruogen  erhalten  zu  haben 
scheint 

Auf  Kosten  des  Kurfürsten  sollte  von  Halle  ohne  Bielers 
Zuthun  eine  geschwinde  Post  nach  Jena  gehen.  Doch  solle 
Bieler  wegen  Führung  der  Korrespondenz,  Haltung  der  Karten 
und  anderer  Mühewaltung  yon  jeder  Person,  die  Ton  Jena 
nach  Halle  reisen  würde,  3  Groschen,  von  jedem  Briefe  und 
Briefpakete  den  vierten  Teil,  von  jedwedem  schweren 
Paket  den  sechsten  Teil  haben  und  behalten.  Die  Brief- 
pakete der  F.  8.  Häuser  und  Bielers  eigene  Briefe  eoUteo 
frei  befördert  werden.  Dagegen  muiste  sieb  Bieler  yer- 
pflichten,  an  seinem  Orte  yigilant  zu  sein,  daÜB  Kutscher  und 
Fuhrleute  dieser  geschwinden  Post  in  keiner  Weise  Eintrag 
zu  thun  sich  erkühnten. 

Fand  Bieler  oder,  wie  er  sich  mit  Vorliebe  nennt,  der 
Fürstl.  Sächsische  Gesamtpostmeister  Licentiat  Dr.  jur.  utr. 
Mathias  Bühler,  für  alle  diese  Bestrebungen  bei  der  Geeamt- 
regierung  zu  Weimar  volle  Unterstützung,  so  wird  ihm  doch 
anderseits  der  Umfang  seiner  Yerpflichtungen  aueh  streng 
vor  Augen  gehalten.  Als  seine  Postillone  sich  weigern,  „die 
bei  der  Universität  verfertigten  und  in  Druck  ausgegangen 
Disputationen,  Patente  u.  dergl.,  so  alle  Quartale  an  die 
Fürstl.  Gesamtregierung  pflegten  eingeschickt  zu  werden", 
mit  sich  zu  nehmen,  so  bekommt  Bieler  alsbald  Befehl,  seine 
Postillons  anzuleiten,   solche  Universitätssachen   unweigerlich 


Gesamtpostmeiftter  Bieler.  g29 

edes  Quartal  bei  dem  Pedell  abzuholen  und  in  Weimar  ein- 
suliefem. 

Es  war  aber  dem  Gesamtpostmeitter  hinterbraoht  worden, 
daÜB  Müller  ,yeine  neue  Post  über  Gotha  nach  Eisenaoh''  ein- 
gerichtet, während  derselbe  auf  erhobene  Anklage  nur  zu- 
gestand, nach  wie  vor  von  seinem  y^in  ruhiger  Possession 
hergebrachten  Postrechte''  Gebrauch  gemacht  und,  wie  ihm 
von  „löblicher  Accademie",  Ton  Bürgermeister  und  Rat,  sowie 
von  der  Eaufmannszunft  bezeuget,  mit  gebührendem  Fleifs 
und  aller  Aufrichtigkeit  die  ihm  anvertrauten  Briefe,  Gelder 
und  andere  Sachen  nach  Erfurt  befördert  zu  haben. 

Auf  Bielers  Eingabe  aber  verbot  das  Hofgericht  in  Jena, 
da  dem  sächsischen  Gesamtpostmeister  laut  seinem  ihm  von 
den  Herrschaften  weimarischer  und  gothaischer  Linie  erteilten 
Lehn-  und  Qewährsbriefe  das  Yerhinderungsrecht  zustehe, 
bei  einer  Strafe  von  100  Reichsthalem  irgend  eine  neue 
Post  einzurichten  und  dadurch  den  Postmeister  in  seinen 
Privilegien  zu  turbieren  UDd  zu  beeinträchtigen.  Ja,  das  Hof- 
gericht bedrohte  den  Postverwalter  Müller  auf  erneute  Klage 
Bielers  wenige  Wochen  später  mit  einer  Strafe  von  200 
Thalern,  wenn  er  nicht  die  neue  Post,  welche  er  noch  dazu 
durch  angeschlagene  Zeddel  männiglich  kund  gethan,  sofort 
abstelle,  während  die  schon  allbereits  verwirkte  Pön  durch 
den  Procurator  Fisci  eingebracht  werden  würde. 

Da  wendet  sich  der  geängstigte  Postverwalter  an  den 
Herzog  Johann  Georg,  den  damaligen  Senior  des  sächsischen 
Fürstenhauses,  in  längerer  Immediat-Eingabe. 

Einmal  erhebt  er  Klage  über  das  Vorgehen  des  Hof- 
gerichts, das,  ohne  ihn  zu  hören,  ja  ohne  eine  Session  zu 
halten,  so  unerhört  hart  gegen  ihn  verfahren  und  ihn  in 
seinem  alten  Privilegium  gekränkt,  was  um  so  mehr  zu  ver- 
wundern, als  ihm  dieselbe  1666  von  Herzog  Johann  Ernst 
dem  Aelteren  in  Gesamtsohaft,  also  auch  im  Namen  seiner 
Brüder,  gewährt  worden  sei.  Mit  dessen  Einwilligung  habe 
er  auch  dem  Eaiserl.  Postmeister  zu  Erfurt  den  Handschlag 
gegeben. 

41* 


630  Gesuntpostmeister  Bieler. 

Altdann  aber  erhebt  er  noch  schwerere  Anklage  gegen 
Bieler,  der  seine  eigenen  älteren  Anrechte  dnrcb  erschlichene 
Privilegien,  durch  unchristliche  und  unbefugte  Eingriffe  in 
seine  Bechte  zu  beseitigen  und  den  Wirt  aus  dem  Hause 
zu  jagen  sich  bemühe.  Habe  er,  der  Kläger,  aus  unter- 
thänigem  Respekt  vor  den  Hochfürstl.  Herrschaften  ge- 
schwiegen, so  bestünden  doch  seine  Privilegien  noch  su 
Recht  und  brauohe  er  sich  aus  seinem  älteren  Possefs  nicht 
herauswerfen  zu  lassen. 

So  bitte  er  Durchlauchtigsten  Fürsten  und  Herrn,  ihn 
als  ein  alter  Diener  des  Fürstl.  Hauses  bei  dem  zu  schützen, 
was  des  Dl.  Fürsten  Vorfahren  ihm  gewährt,  und  durch  ein 
Gnädiges  Reskript  oder  Kassation  der  hofriohterlichen  In- 
hibition ihm  zu  seinem  Rechte  zu  verhelfen. 

Und  wirklich  erging  ein  Erlafs  des  Herzogs  Johann 
Georg  an  das  Hofgericht  zu  Jena,  in  welchem  dessen  Ein- 
griff in  klare  und  unvemeinliche  Fürstl.  Privilegien  und 
dessen  Pönalinbibition  demselben  verwiesen  und  ihm  anbe- 
fohlen wurde,  den  Postverwalter  bei  seiner  Postfuhre  nach 
Erfurt  nicht  zu  verhindern,  den  Postmeister  Bieler  aber  dahin 
zu  weisen,  dafs,  wenn  er  etwas  zu  klagen,  sich  an  seinen 
Landesfürsten  und  seine  Regierung  zu  wenden  habe. 

Wie  von  vornherein  zu  erwarten,  blieb  Bieler  mit  einer 
Klagschrift  an  den  Herzog  nicht  im  Rückstande.  Er  beruft 
sich  auf  seinen  Lehnsbrief  als  Sächsischer  Gesamtpostmeister, 
der  ohne  das  Yerhinderungsrecht  ja  gar  keinen  Wert  habe 
und  wie  die  Route  Jena- Frankfurt  gänzlich  ruiniert  würde, 
wenn  die  Strecke  Jena-Erfurt-Eisenach  von  unberufenen  be- 
fahren werden  dürfte,  da  Eisenach  -  Frankfurt  nur  zur  Mefs- 
zeit  Passagiere  hätte.  Er  bitte  also  unterthänigst ,  dafs 
Fürstl  Durchlaucht  die  Inhibition  des  Hofgerichts  nicht  auf- 
hebe, sondern  vielmehr  dem  Amtmann  zu  Kapellendorf  oder 
Weimar  den  Befehl  ertheile,  wenn  sonntags  um  Mittag 
Müllers  Post  ankomme,  den  Wagen  mit  Pferden  und 
Sachen  in  Arrest  zu  nehmen  und  die  auferlegte  Strafe  zu 
exequieren. 


Gesamtpostmeistor  Bieter.  g31 

Postverwalter  Müller,  zur  GegenftadBerung  yeranliU^st, 
beruft  sich  auf  das  von  Herzog  Georgs  hochseligem  Herrn 
Vater  mit  eigener  Hand  nnd  Siegel  gnädigst  erteilte  Privileg, 
in  dem  ihm  die  Postverwaltung  aufgetragen  ,,mit  gehen,  reiten 
oder  Fahren  das  Fostwesen  nach  Leipzig  und  Erfurt  zu  be- 
fördern und  die  eingelaufenen  nach  Jena  gehörigen  Briefe 
und  Sachen  zu  empfahen". 

So  handle  es  sich  durchaus  nicht  um  ein  neues  Unter- 
nehmen, wenn  er  sonntags  wieder  einen  Wagen  nach  Erfurt 
gehen  lasse;  könne  er  doch  mit  Attestaten  der  Löblichen 
Academie,  des  Bürgermeisters  und  der  Kaufmannszunft  ge- 
nügend darthun,  wie  er  mit  gebührendem  Fleifs  und  aller 
Aufrichtigkeit  die  ihm  anvertrauten  Briefe,  Gelder  und  andere 
Sachen  befördert  habe,  so  daJüs  sie  lieber  bei  ihm,  als  bei 
der  geschwinden  Post  dieselben  fortschicken  mochten.  So 
werde  der  Durchlauchtigste  Fürst  ihn  in  seinen  Hechten  zu 
schützen  wissen  und  der  treuen  Dienste  gedenken,  die  er 
Herzog  Wilhelm  Glorreichsten  Andenkens  erwiesen  habe. 

Aber  Bieler  läTst  das  alles  nicht  gelten  und  spricht 
seine  Verwunderung  aus,  dafs  ein  so  alter  Mann  seinen 
Fürsten  mit  Lügen  behellige.  Denn  durch  Stabilierung  einer 
Gesamtpost  in  Jena  sei  jenes  vorgebliche  Privileg  durchaus 
aufgehoben  worden.  Dazu  habe  sich  Müller  desselben  selbst 
verlustig  gemacht,  da  er  notorisch  seit  10  Jahren  nicht  nach 
Erfurt  gefahren,  sondern  lediglich  bald  zu  Fufs,  bald  zu 
Pferd  nach  dem  Wortlaut  seines  Privilegs  die  Briefe  hin  und 
her  bestellt,  wobei  ihn  Bieler  stets  ruhig  gelassen.  Müsse 
demnach  durchaus  beim  Beiten  und  Gehen  bleiben,  zumal  ja 
selbst  das  Kaiserliche  Postamt  zu  Erfurt  keine  fahrende  Post 
halte.  Wenn  aber  Müller  nachträglich  behaupte,  dafs  seine 
Sonntagspost  blofs  nach  Erfurt  gehe,  so  sei  das  eine  schänd- 
liche Hinterlist,  da  er  sich  mit  dem  Eisenaoher  Glasschneider 
Bonsack  in  Verbindung  gesetzt,  der  seinerseits  von  Eisenach 
nach  Erfurt  und  im  AnschluTs  an  Müllers  Wagen  dann 
zurück  fahre. 

lu    der   That   hatte   dieser   Bonsack    schon   im   Frühjahr 


g32  Gesamtpostmelster  Bleler. 

eine  sonntägliche  Fahrpost  unter  dem  Namen  eines  Hof-  und 
Küchenwagens  bis  Jena  ins  Werk  gesetzt.  Der  Bürger- 
meister zu  Jena  hatte  selbst  dies  Unternehmen  in  Schutz 
genommen,  weshalb  Bieler  auch  gegen  diesen  beim  Herzog 
Johann  Georg  Klage  führte  und  es  für  geraten  erklärte, 
wenn  der  Jenenser  Bürgermeister  lieber  darauf  sehe,  dafs  die 
Professoren  und  andere  rechtschaffene  Leute  nach  Wochen 
einmal  wieder  etwas  Kalb-  und  Schöpsenfleisch  zu  kaufen 
Gelegenheit  bekämen,  als  dafs  er  sich  um  fremde  Dinge 
kümmere  und  unnütze  Vorschläge  mache. 

Gegen  ßonsacks  Vorgeben,  dafs  mit  der  Bielerschen  Post 
zum  öftern  die  Personen  nicht  mit  fortkommen  könnten, 
berief  sich  Bieler  auf  die  Postoharte  seines  Eisenacher  Post- 
halters Eiser,  die  zur  Genüge  beweise,  dafs  im  Winter  die 
Post  fast  ledig  fahre,  und  doch  koste  dieselbe  ihm  nicht 
weniger  als  jährlich  3000  Thaler.  Das  Fürstliche  Haus  zu 
Gotha,  welches  die  Hälfte  so  grofser  Kosten  trage,  und  Bieler 
müfsten  monatlich  auf  die  40  und  mehr  Reichsthaler  zu- 
setzen. 

Trotzdem  lasse  er  noch  sonntags  eine  Ordinarikutsche 
Yon  Jena  nach  Gotha  gehen,  mit  der  alles  Volk,  so  sonst 
mit  der  Post  zu  reisen  nicht  gemeine,  ganz  gut  fortkommen 
könne.  Ja  es  stünden  auch  für  Eisenach  nach  Frankfurt 
stets  noch  3  und  4  Pferde  parat,  die  Leute  für  Bezahlung 
extra  fortzuschaffen. 

Herzog  Johann  Georg  entschied  in  dieser  Angelegenheit 
zu  gunsten  des  Gesamtpostmeisters;  in  der  Bieler  Müllerschen 
Angelegenheit  aber  wies  er  das  Hofgericht  an,  beide,  Kläger 
und  Beklagten,  vor  sich  zu  fordern  und  sie  wegen  der  ent- 
standenen Irrungen  ins  Verhör  zu  ziehen.  Auch  wurden  sie 
montags  nach  Simon  und  Judä  citiert  (1692),  doch  lassen 
uns  über  den  Ausfall  des  Termins  die  Akten  im  Stiche. 

Kaum  geringere  Mühe  hatte  Gesamtpostmeister  Bieler, 
sich  im  Alleinbesitz  der  Jeuenser  Zeitung  zu  erhalten. 

Es  hatte  Herzog  Bernhard  im  Jahre  1674  seinem  Biblio- 
thekar   Johann    Ludwig    Neunhan    auf    dessen    Ansuchen   die 


G«Muntpofttm«Utor  Bieler.  33^ 

wöchentliche  Zeitung,  wenn  dieselbe  Ton  einem  hiezu  genug*^. 
sam  geschickt  gefundenen  Subjecto  vorhero  wohl  durch- 
geeeho  und  censiert  worden,  in  seiner  Residenzstadt  Jena 
drucken  zu  lassen  yerstattet  und  ihm  und  seinen  Erben  und 
Nachkommen  ein  priyilegium  über  besagten  Zeitungsdruck 
und  andre  Traktätlein  seines  Verlags  erteilt,  damit  niemand 
ihm  eingreifen  oder  zu  seinem  höchsten  Verderben  dergleichen 
nacbzudrucken  sich  unterstehn  möge. 

Als  aber  Licentiat  Bieler  im  Jahre  1686  das  Postamt 
zu  Jena  gründete,  für  welches  er  im  darauf  folgenden  Jahre 
das  Priyilegium  von  der  Weimar-Oothaisohen  Oesamtlinie  er* 
hielt,  war  Bibliothekar  Neuohan  schon  tot,  und  seine  be- 
jahrte Witwe  liefs  die  Zeitung  nicht  mehr  erscheinen  und 
erhielt  fortan  vom  Postmeister  Bieler  wöchentlich  einen 
Beichsthaler. 

l^aohdem  aber  die  Bielersche  Zeitung  drei  Jahre  er- 
schieDen  war,  kamen  die  Neunhanschen  Kinder  und  Erben 
bei  der  nach  Herzog  Bernhards  Tode  eingesetzten  Vor- 
mundschaftsregierung zu  Jena  um  Erneuerung  ihres  Privi- 
legiums ein. 

Aber  Bieler  setzte  alle  Hebel  in  Bewegung,  dieselbe  zu 
verhindern  und  die  Abweisung  der  Supplikanten  zu  bewirken, 
und  wuTste  seine  Rechte  in  helles  Licht  zu  stellen. 

Nach  Bielers  Ausführung  ist  das  Neunhansche  Privi- 
legium nichts  als  eine  gnädige  Eonzession,  welche  den  Buch- 
führer Nennhan  gegen  Nachdruck  seiner  Bücher,  vielleicht 
auch  seiner  Avisen  sicherstellen  sollte,  nicht  aber  wider 
ein  F.  S.  Oesamtpostamt,  wie  es  Bieler  stabiliert. 

Hätten  aber  die  Neunhanschen  Kinder  die  Behauptung 
aufgestellt,  es  wäre  ihrem  Vater,  der  Titel  und  Amt  eines 
Bibliothekars  gehabt,  das  Zeitungspatent  anstatt  der  Besoldung 
verlieben  worden,  so  fehle  dafür  jeglicher  Beweis.  Komme 
es  doch  jeden  Tag  vor,  daft  bürgerlicher  Jurisdiktion  unter- 
worfene Persönlichkeiten  sich  einen  Titel  zu  verschaffen 
suchten  und  denselben  als  willkommenes  Salarium  für  etwaige 
Mühewaltung  betrachteten.     Habe   doch  noch  kürzlich  Buch- 


gS4  Gesamtpottmeister  Bieler. 

fübrer  Frits  in  Leipzig  sich  durch  seine  Patrone  und  fleifsiges 
SoUicitiren  am  kurf.  Hofe  zu  Dresden  den  Titel  eines 
GorrespondenzsekretariuB  tu  verschaffen  gewufst 

Als  er  aber  auf  Orund  dieses  Titels  dann  Avisen  zu 
drucken  sich  unterstanden,  so  sei  ihm  auf  Eingabe  des  Ober- 
postamts das  Handwerk  gar  bald  gelegt  worden,  obwohl  er 
erst  seinen  Titel  mit  groften  Unkosten  zu  Wege  gebracht. 

Wolle  man  aber  im  vorliegenden  Falle  nun  auch  einmal 
annehmen,  es  sei  dem  seligen  N.  anstatt  eines  Salärs  das 
Zeitungswerk  gestattet  worden,  so  sei  es  doch  eben  um  so 
mehr  mit  seinem  Tode  hinfällig  geworden. 

Und  auTserdem,  wie  veracbt  und  verspott  seien  doch 
diese  Jenenser  Avisen  gewesen,  und  selbst  die  Bauern  weit 
und  breit  hätten  unglaubliche  Märchen  Jenenser  Avisen  ge- 
nannt, was  ja  kaum  zu  verwundem,  da  dieselben  weder 
censiert  noch  mit  zeitiger  Correspondenz  versehn  gewesen* 
Dagegen  seien  dieselben,  so  lange  sie  nun  bei  dem  Postamt 
gewesen,  zu  einem  gröfsem  Ansehn  gelangt,  als  alle  benach- 
barten Zeitungen  und  dies  nicht  nur  wegen  guter  materien 
und  guten  Drucks,  sondern  insbesondere  wegen  der  zeitigen 
und  kostbaren  vielen  Correspondenz. 

Aber  freilich  sei  dieselbe,  die  jetzt  mit  allen  auswärtigen 
Postmeistern,  fast  keinen,  auch  die  holländischen  nicht  aus- 
geschlossen, zustande  gekommen,  mit  grofsen  Unkosten  er- 
worben worden,  wie  er  ja  überhaupt  nicht  ein,  oder  zwei 
Tausend,  sondern  vier  bis  fünf  Tausend  Reichsthaler  in 
den  8  Jahren  auf  das  neue  Gesamtpostamt  habe  verwenden 
müssen. 

Nun  da  er  endlich  einige  Frucht  seiner  Bemühungen 
und  grofsen  Kosten  vor  sich  sehe,  sei  es  ihm  gewifs  nicht 
zu  verdenken,  wenn  er  seine  Rechte  geltend  mache  und  das 
mit  jedem  Postamt,  wie  in  Frankfürt,  Nürnberg,  Erfurt  ver- 
bundene ZeitungBwerk  gegen  unberufene  Eindringlinge  auf- 
recht erhalte.  Wenn  er  der  Neunhanschen  Witwe  wöchent- 
lich einen  Reiohsthaler  zahle,  so  geschehe  dies  aus  blofser 
Commiseration  mit  ihr  als  persona  miserabilis. 


Gesamtpostineister  Bieler.  g3& 

Die  Neunhanschen  Erben  aber  wuTsten  eine  Erneuerung 
ihres  Privilegiums  durchzusetzen  und  eine  Bestimmung  der 
vormundschaftlichen  Begierung,  dafs  Bieler  wegen  der  Avisen 
der  Witwe  wöchentlich  einen  Thaler  zu  zahlen  schuldig  sei, 
solange  die  Neunhans  sich  des  Druckes  der  Zeitung  ent- 
halten würden. 

Bieler  will  sich  eher  des  „Himmelfalls",  als  eines  solchen 
widrigen  gnädigsten  Reskriptes  versehen  haben.  Sonnenklar 
ergäben  doch  die  Akten,  dafs  die  Neunhanschen  Kinder  ihr 
angemafstes  Privilegium  rechtzeitig  zu  renovieren  unterlassen 
und  dafs  es  durch  solche  Yerabsäumung  null  und  nichtig 
geworden,  abgesehen  davon,  dafs  es  nichts  als  ein  Verbot  des 
Nachdrucks  enthalten  habe. 

Dafs  nun  das  Privileg  nachträglich  auf  die  Erben  exten- 
diert  würde,  sei  eine  ungerechte  Schädigung  des  Postamts,  die 
sich  um  so  mehr  strafen  würde,  als  dasselbe  ein  Lehnsamt 
sei  und  im  Falle  des  Bückfalls  an  das  F.  S,  Gesamthaus 
eine  grofse  Schwächung  erfahren  würde.  Ihn  selbst  aber, 
der  Hand  und  Siegel  aller  Herzöge  empfangen,  mache  man 
zu  einem  armen  Manne. 

Aber  zuletzt  mufste  es  Bieler  für  das  Geratenere  halten, 
sich  mit  den  Neunhanschen  Erben  gütlich  zu  vergleichen. 
Begierungsadvokat  Foll  und  Kammersekretär  Gerhard  ver- 
mitteln zwischen  den  hadernden  Parteien,  und  am  13.  August 
1689  kam  es  vor  der  vormundschaftlichen  Begierung  zum 
Friedensschlüsse. 

In  der  Yergleichsurkunde ,  die  von  den  Interponenteu 
mit  unterzeichnet  ist,  muÜB  Bieler  die  verletzende  Formel, 
dafs  er  nur  aus  Mitleid  der  N.  Witib  einen  Gnadengehalt 
bewilligt,  fallen  lassen  und  sich  verpflichten,  der  Witib  alle 
Büokstände  und  dazu  wöchentlich,  solange  sie  lebe,  einen 
Thaler  zu  entrichten. 

Die  Kinder  und  Erben  verpflichten  sich  dagegen,  so- 
lange gedachte  ihre  Mutter  am  Leben,  sich  des  ihnen  aus 
renoviertem  Privilegio  zukommenden  Zeitungsdruckes  nicht  zu 
gebrauchen. 


g36  GeMuntpostmeittar  Bieler 

Nach  dem  Tode  aber  bleibt  et  denselben  unbenommen, 
ihre  Zeitungen,  so  gut  sie  können  und  mögen,  zum  Druok  m 
befördern;  jedoch  dieeee  alles  salvo  jure  des  dem  FürstL 
Postamte  gleichfalls  zustehenden  und  verliehenen  Postzeitungs- 
Rechts. 

Beide  Teile  erklärten  sich  mit  diesen  Bestimmungen 
wohl  zufrieden  und  erklärten  ebenso  durch  Namensunter- 
schrift, diesem  allen,  was  sie  einander  zugesagt  und  yer- 
sproohen,  getreulich  nachkommen  zu  wollen. 

Hatte  Bieler  nach  dieser  Seite  hin  zunächst  einige  Kühe, 
80  sah  er  sich  bald  genug  genötigt,  wieder  heftigen  An- 
griffen von  anderer  Seite  entgegenzutreten.  Auch  scheint 
es,  dafs  der  F  Sächsische  Postmeister,  öfters  lange  abwesend, 
seines  Amtes  nicht  immer  mit  gleicher  Sorgfalt  gewartet,  so 
dafs  er  Gegnern  und  Eonkurrenten  wohl  manche  Blöfse  sum 
Angriff  gab. 

Um  so  weniger  mochte  es  ihm  gelingen,  ein  wirklicher 
Gesamtpostmeister  alle  Linien  der  F.  8.  Lande  in  seiner 
Hand  zu  behalten.  Auch  Sterbefälle  im  Brnestinischen  Hause 
und  infolgedessen  Besitzyeränderungen  erschwerten  ihm  den 
Kampf  gegen  seine  Gegner,  die  sich  öfters  durch  einfluDs- 
reiche  Intercession  die  Erlaubnis,  einen  Postwagen  hier  und- 
dorthin  laufen  zu  lassen,  zu  erwirken  wuDiten.  Ja  selbst 
sein  Privilegium  wurde  mehr  und  mehr  in  Frage  gestellt» 
namentlich  durch  einen  Herrn  von  Harstall,  der  sich  am 
Hofe  zu  Eisenach  hoher  Gunst  erfreute. 

Der  Geleitspächter  Thilo  zu  Jena  aber,  welcher  um 
seine  Pacht  gekommen,  erbat  sich  wenigstens  die  Brlaubnis 
von  Herzog  Johann  Ernst,  zunächst  eine  Postroute  über 
Weifsenfels  nach  Leipzig  anlegen  zu  dürfen  und  das  als  An- 
fang, „die  durch  einander  gehenden  Posten,  da  einer  hier, 
der  andere  da,  fremde  und  einheimische  eine  Stück  davon 
habe,  in  gute  Bestallung  zu  bringen*'. 

Nach  allen  Seiten  hin  hat  Bieler  Front  zu  machen,  da 
Postfeinde,  kleine  und  grofse,  ihm  das  Leben  sauer  machen. 
£r  unterläfst  es  aber  nicht,   bei  Regierungswechsel  und  Erb- 


Oesamtpofttmeistor  BieUr.  g37 

anfall  sein  Priyileg  und  seine  Anrechte  ia  Erinnerung  su 
bringen.  Als  Herzog  Albert  1699  starb,  wendet  er  sich  an 
die  erbenden  Brüder,  wünscht  ihnen  Kraft  und  Stärke  ans 
der  Höhe,  dafs  unter  ihrer  Landesregierung  Güte*  und  Treue 
einander  begegnen,  Gerechtigkeit  und  Friede  sich  küssen 
mögen,  bittet  aber  sugleich  um  Schutz  seines  Erbpostamtes 
und  um  seine  Deputate. 

Aber  selbst  seine  Hauptlinie  Jena -Eisenaoh- Frankfurt 
mufste  er  durch  mächtige  Herren  gefährdet  sehen.  Zunächst 
wurde  seine  Post  bedroht,  dacfs  sie  in  Erfurt  von  allen 
Paketen,  so  hin  und  her  gehen,  fortan  Geleit  zahlen  sollte, 
widrigenfalls  die  Post  visitiert  und  die  Pakete  konfisciert 
werden  sollten,  während  ihm  sein  Privilegium  (auch  für  Er- 
furt?) volle  Freiheit  von  allen  Zöllen,  Geleit  und  anderen 
Auflagen  zusicherte;  zumal  da  Bieler  versprach,  nie  Fracht- 
güter von  einem  Centner  und  mehr  und  auch  sonst  schwere 
Packete  nur  dann  mitzunehmen,  wenn  keine  Person  führe. 

Bald  erfolgte  auf  Beschwerden  des  Erfurter  Postmeisters 
und  seines  Herrn,  des  Fürsten  Thum  und  Taxis,  ein  weiteres 
Einschreiten  gegen  den  Jenenser  Postwagen.  Anselm  Franz, 
des  Heiligen  Stuhls  zu  Mainz  Ersbischof  und  des  heiligen 
Kömischen  Eeiches  durch  Germanien  Erzkanzler  und  Kur- 
fürst, wollte  den  Bielerschen  Wagen  nicht  länger  durch  sein 
Territorium  passieren  und  repassieren  lassen 

Yergebens  verwandten  sich  die  Kegierungen  des  Sachs. 
Ernestischen  Hauses  um  freie  Passage  Ihrer  Gesamtpost 
durch  das  Mainzer  Territorium.  Man  bat,  Bielers  Postillons 
um  mehrerer  Sicherheit  und  der  Reisebeförderung  willen  den 
Gebrauch  der  Posthörner  zu  gestatten,  da  niemand  geschadet, 
wohl  aber  „das  bonum  publicum  befördert,  den  Gastwirten 
und  andern  Inwohnern  durch  der  Passagiere  ab-  und  zu- 
reisen,  zehren  und  andere  Weise  guter  Profit  zugezogen 
werde". 

Seine  Andacht,  der  neue  Erzbischof,  wies  auf  die  Be- 
schwerden des  Fürsten  von  Thurn  und  Taxis  hin  und  der 
Kaiserl.  Majestät  Willensmeinung,    die  ihm,    dem  Erzkanzler 


638  Gesamtpostmeittor  Bitltr. 

des  Beiches,  die  Protektion  über  das  dem  Fürsten  zustehende 
Erbgeneral  -  Postamt  noch  besonders  aufgetragen  habe.  80 
kann  es  der  Ersbischof  unmöglich  gestatten,  dals  in  Erfurt 
neben  der  Kaiserlichen  Post  noch  ein  besonderer  sächsischer 
Postfactor  bestehe,  noch  dafs  das  bei  erwähnter  „Landgutsche" 
befindliche  Gesinde  sich  eines  Posthorns,  so  ohnedem  weder 
zur  Beförderung  noch  Sicherheit  der  Reisenden  beitrage,  sich 
bedienen,  noch  Briefe  und  Pakete  abgeben  oder  mit  sich 
nehmen  dürfe.  Seine  Andacht  weist  noch  auf  das  Kaiser- 
liche Mandat  des  Jahres  1680  hin,  das  der  Posthörner  sich 
zu  bedienen  oder  selbige  an  die  „Gutschen  und  Kaleschen" 
anzumalen,  allen  Unbefugten  auf  das  strengste  untersagte. 

Schon  lief  denn  auch,  wie  man  erwartet,  das  Kaiser- 
liche Mandat,  datiert  9.  April  1699  und  gegeben  in  Unserer 
Stadt  Wien,  an  den  Herzog  Ernst  Wilhelm  von  Sachsen- 
Eisenach  ein: 

„Hochgeborner  lieber  Oheimb  undt  Fürst  Unis  hat  defs 
Fürstens  zu  Taxis  Ld.  in  Unterthänigkeit*  zu  yernehmen  ge- 
geben,  wie  dafs  Ew.  Ld.  also  genantes  Fürstl.  Sachs.  Post 
Ambt  zu  Jena  sich  jüngsthin  abermahlen  unterstanden  habe, 
einen  ordinari  hotten  auflEuatellen  und  mittelst  delselben  wie 
die  formalia  lauthen,  geschwind  fahrende  Posten  nicht  nur 
in  dortiger  gegend  auf  drey  Routen,  sondern  auch  in  das 
gantze  Rom.  Reich,  ja  Unsere  Eigene  Erblande  einen  cursum 
publicum  zu  Bestellung  aller  Briefferey  und  paqueten,  auch 
fahrung  reisender  Personen  würcklich  einzuführen  und  zu 
ordentlicher  Briefsamblung  gewifse  tag  zu  determiniren. 

Wenn  nun  aber  dieses  sowohl  Unseren  so  häuffig  ins 
Reich  publicirten  Postpatenten,  Mandaten  und  anderweiten, 
nach  Yorgangener  reifPer  der  Sachen  erwägung  emanirten 
Verordnungen  schnurstracks  zuwieder  laufet,  an  sich  selbst 
auch  eine  Sach  von  sehr  böser  und  gefährlicher  Consequenz, 
und  zu  besorgen  ist,  dafs  bei  nicht  erfolgendem  ernstlichen 
einsehen,  die  eüserste  Confusion,  Zerrüttung  ufid  Unsicherheit 
der  allgemeinen  Reichs  correspondenzen  verursachet  werden 
möchte;  alfs  gesinnen  an  Ew.  Ld.  hiermit  gnädigst,  Sie  wollen 


Oesamtpostmaistor  Bieter.  g39 

Bothanes  neuangelegtes  fuhrwerk,  also  gleich  und  Ton  selbsten 
einstellen,  damit  wir  andere  zulängliche  Verordnungen  er* 
gehen  zu  lafsen  nicht  beuöthigt  werden,  maTien  wir  dann 
zu  solchem  Ende  sistir*  und  Hinterung  defselben  denen 
benachbarten  Ständten  defs  Reichs  Ernstlich  aufgetragen 
haben. 

An  dem  beschiht  was  zur  conservation  Unseres  aller- 
höchsten Kais.  Postregalis  gereichet,  und  anbey  Unser  gnädig- 
ster Will  und  Meyoung,  und  verbleiben  Ew.  Ld.  im  übrigen 
mit  Kais,  gnade  nod  allem  guten  wohl  beygethan/' 

Herzog  Wilhelm  Ernst  und  mit  ihm  Herzog  Johann 
Wilhelm  glaubten  durch  eine  Eingabe  den  zürnenden  Kaiser 
beschwichtigen  zu  müssen.  Aber  wenn  sie  auch  in  allen 
billigen  Dingen  Sr.  E.  Majestät  gehorsambst  Folge  zu  leisten, 
sich  so  schuldigst  als  willigst  erkennen,  so  glauben  sie  denn 
doch  bei  der  Ansicht  beharren  su  dürfen,  dals  „in  ihren 
Eigenen  Landen  sie  Posten  oder  geschwinde  Fuhren  zu 
halten"  ihnen  unverwehrt  bleiben  müsse.  Von  einem  cursu 
publico  auf  drei  Routen  durch  das  ganze  Römische  Reich 
und  in  Sr.  Majestät  eigne  Lande  wissen  die  Fürsten  kein 
Sterbenswörtchen.  Wohl  aber  haben  dieselben,  da  alle  Briefe 
in  ihren  Landen  so  ungewifs  gegangen,  ja  wenn  Pakete 
dabei  gewesen,  von  dem  Eaiserl.  Posthalter  gar  nicht  an- 
genommen oder  fortgeschickt  worden,  da  weder  Fremde  noch 
Einheimische  von  einem  Ort  zum  andern  kommen  können, 
sich  zuletzt  genötigt  gesehen,  nach  dem  Exempel  Sr.  Majestät 
und  mancher  Reichsstände  und  Reichsstädte  selbst  eine  ge- 
schwinde Landes-  und  Festführe  anzulegen. 

„Worbey  dann  sich  gefüget,  dafs  weil  in  Sonderheit  die 
passage  von  Leipzig  auf  Halle  durch  Unsere  Lande  gegen 
Hessen  und  Frankfurth  am  Mayn,  auch  andere  darzwischen 
liegende  öhrter  gehet,  die  daselbst  bestelte  Posthalter  mit 
denen  Unserigen  zu  Jehna  sich  vereiniget,  dafs  sie  die 
Fuhren  auf  gewifse  Tag  zusammenstofsen,  die  Passagiers  ein- 
einander  zuführen  und  also  die  Strafse  nach  Frankfurth 
nehmen   lassen    wollten,    ohne    dafs    Ew.    Eayfserl.   Majestät 


640  OtsaMtpottmeUter  Bieler. 

Posthaltern,   Ton  welohen   yermuthlich  die   eiDgebrachte  Be- 
Bohwerungen  herrühren,  der  geringite  Eintrag  geecheben." 

Beide  Fürsten  bitten  daher  Se.  Majestfit,  sie  selbst  und 
ihre  dazu  bestellten  Leute  an  Fortsetzung  des  zwischen 
Jena  und  Frankfurt  gehenden  Landwagens  nicht  zu  ver- 
hindern, sondern  die  gegebenen  Mandate  allergnädigst  zu 
kassieren. 

Teils  auf  Veranlassung  der  Herzoglichen  Regierung»  teils 
aus  eigenem  Antriebe  giebt  Bieler  „eine  wahre  und  gründ- 
liche Nachricht,  worauf  dieser  gesammte  Postwagen  eigent- 
lich beruhe'*.  Bs  sollte  dieselbe  zur  Kenntnis  der  Kaiserl. 
Majestät  gelangen. 

y^Zunäohst  haben  die  Fürsten  Emestinisoher  Linie,  da  in 
ihren  Landen  keine  fahrende  Post  bestanden,  Personen  und 
Packete  zu  befördern,  eine  solche  Landpost  einzurichten  für 
unumgänglich  nöthig  erachtet.  Auch  haben  sie  dabei  ledig- 
lich das  Beispiel  Sr.  Majestät  des  Kaisers  selbst,  der  in  den 
Erzherzoglichen  und  Böhmischen  Erblanden  dergleichen  ge- 
than,  Tor  Augen  gehabt;  so  wie  ferner  das  Beispiel  der 
GhurfürsteD  von  Sachsen  und  Brandenburg,  der  Herzöge  von 
Braunschweig,  Lüneburg,  Bremen,  Verden,  Pommern,  der 
Landgrafen  von  Hessen  und  anderer  Eeichsstände.  Sie  be- 
trauten auf  Antrag  des  Seniors  und  Direktors  der  ganzen 
Emestinischen  Linie  Herzog  Johann  Qeorg  den  Dr.  juris  Bieler 
mit  dem  Oesamtpostamt  (in  feudum  hereditarium  cum  jure 
prohibendi),  der  laut  Lehnschein  und  Lehnsbrief  nach  ab- 
gelegter Lehnspflicht  in  yoUen  Possess  trat  Haben  aber 
andere  Stände  des  Reiches  dergleichen  Landposten  mit  groDsem 
Vortheil  der  Commercien  aufgerichtet  und  bis  dato  ungekränkt 
erhalten,  weshalb  sollte  es  allein  den  Fürsten  Emestinischen 
Hauses  nicht  gestattet  sein,  ihre  Unterthanen  um  einen 
billigen  Preis  aus  dero  Residenzen  und  Städten  befördern  zu 
lassen  und  die  Nothdurft  ihres  Hofiitaates  aus  Leipzig  und 
Frankfurt  zu  erlangen? 

Weil  auch  die  Kaufleute  in  Frankfurt  und  Leipzig  sich 
jederzeit  ftber  den  Mangel  eines  ordinär  Postwagens  zwischen 


Gesamtpostmeister  Bitler.  g41 

ihren  Städten  beschwert»  hat  man  sich  endlich,  weil  die 
Eaiserl.  Posthalter  dazu  nicht  za  bereden  gewesen,  mit  den 
Churfärsten  zu  Sachsen  and  Brandenburg  in  Verbindung  ge- 
setzt und  mit  Oenehmhaltung  der  Landgrafen  von  Hessen 
und  der  Stadt  Frankfurt  eine  geschwinde  Post  zu  Wege  ge- 
bracht und  also  die  bisher  in  den  F.  S.  Landen  gleichsam 
geschlossene  passage  eröffnet  und  der  Beisenden  und  Kauf- 
leute Lamentiren  gestillet. 

Vor  Anlegung  dieses  Postwagens  hat  nicht  einmal  ein 
passagier  extra  fortgeschafft  werden  können,  ja  die  Durch- 
lauchtigsten Herzöge  zu  Sachsen  haben  hohe  Standespersonen 
und  hohe  Eriegsoffiziere  mit  ihren  eigenen  Pferden  fort- 
schaffen lassen  müssen,  und  ist  der  schlimme  und  elende  Zu- 
stand der  Reichsposten  in  den  Sachs.  Residenzstädten  nicht 
genugsam  zu  beschreiben,  dafs  auch  kein  Postpferd  weder 
in  Eisenach,  Gotha,  noch  Weymar,  ja  bei  dem  Hochsei.  Post- 
meiHter  zu  Erfurt  selbst  zu  bekommen  war,  und  haben  die 
Reisenden  andere  Wege  suchen  müssen.  Wer  sollte  daher  die 
neue  Post,  auf  der  man  für  9  rh.  4  gr.  in  5  Tagen  die  Woche 
zweimal  von  Leipzig  nach  Frankfurt  kommen  kann,  nicht  für 
ein  löbliches  und  rühmliches  Werk  halten?  Jetzo  kann  man 
in  den  S.  Landen  ordinari  und  extra  fortkommen,  wohin 
man  will,  da  zuvor  weder  Person,  noch  Packet  aus  dem 
Lande  kommen  können. 

Und  dazu  kommt  der  unumbstöfsliche  Schlufs:  Kann 
dem  Erzhaus  Oestreich  in  seinen  Erblanden  Posten  anzulegen, 
desgleichen  dem  Könige  von  Böhmen,  Churfürsten  von  Sach- 
sen, Ghurfürsten  von  Brandenburg,  den  Herzögen  von  Braun- 
schweig und  Lüneburg,  den  Herzögen  zu  Pommern,  Bremen 
und  Verden,  dem  Landgrafen  von  Hessen  -  Kassel  als  Reichs- 
ständen in  ihren  Landen  fahrende  Posten  nach  Hamburg, 
Bremen  und  Frankfurt  anzuordnen  nicht  verwehrt  werden, 
mit  welchem  Rechte  will  der  Fürst  zu  Turn  und  Taxis 
solches  den  Herzögen  Ernestinischer  Linie  verwehren  und  ein 
jus  prohibendi   wider  solche   allein   exerziren?     Ist  doch  die 


342  Gesamtpottmeister  Bieler. 

Gleichheit  der  statuum  Imperii  die  Orandfeste,  auf  welcher 
das  Römische  Reich  unheweglich  steht. 

Dafs  aber  alle  Chur-  und  Fürsten  des  Reiches  in  ihrem 
Lande  Posten  anzulegen  freie  Macht  und  Gewalt  haben  und 
gleich  wie  Sr.  Rom.  Majestät  die  Reichspost,  also  die  Stände 
des  Reichs  ihre  Landpost  halten  und  anrichten  können,  er- 
hellt aus  dieser  unwiderstehlichen  Regel: 

„Welchem  Herzog  im  Römischen  Reich  die  Landes- 
fürstliche Hoheit  zusteht,  dieser  auch  nothwendig  macht  hat, 
in  seinen  Landen  Posten  anzulegen."  (Wird  aus  Seckendorf 
und  anderen  Autoren  eingehender  erwiesen.) 

Haben  andere  Chur-  und  Fürsten  des  Reiches  ihr  Post- 
regal exerciret,  so  kommt  diese  ihre  Fürsichkeit  den  andern 
Reichsfiirsten  billig  zu  statten,  weil  unter  den  Fürsten 
des  Reichs  eine  unzertrennliche  Eonfraternität  und  Societät 
besteht. 

Dabei  bleiben  Ihrer  Eaiserl.  Majestät  reserrata  in  ihrem 
Stand  und  Wesen,  wie  der  Reiohsfürsten  jura  ungekränket 
bleiben.  Und  wie  soll  gerade  diese  F.  Sächsische  Post  zur 
Konfusion  und  Unsicherheit  der  Gorrespondenz  gereichen? 
Da  doch  zuvor  schon  so  viel  Landposten  und  Boten  zu 
Regensburg  und  Nürnberg  angelegt  sind,  und  die  meisten 
Provinzen  Deutschlands  mit  ihren  eigenen  Landposten  cur 
Genüge  versehen  und  solche  noch  viel  mehr  der  Reichspost 
einige  Eonfueion  und  Zerrüttung  gemacht  haben  müssten,  soll 
denn  aber  diese  F.  S.  Landpost,  welche  doch  weder  in 
Frankfurt  a.  M.,  in  Erfurt,  noch  in  Leipzig  Briefe  aufnimmt, 
Bo  grofse  Eonfusion  verursachen! 

Es  ist  fürwahr  höchlich  zu  verwundern,  auf  welches 
fuodamentum  des  Fürst  von  Turn  und  Taxis  Sr.  Majestät 
der  Eaiser  zu  einem  so  ungewöhnlich  harten  Rescript, 
welches  wider  die  landesfürstliche  Hoheit  und  notorische  Ob- 
servanz lautet,  müsse  bewogen  worden  sein!  Denn  durch 
diesen  Sächsischen  Landpostwagen  geschieht  den  Eaiserlichen 
Postmeistern  zu  Erfurt  und  Frankfurt  nicht  Ein  Groschen 
Schaden  wegen  der  Briefe,    allermalsen  ja  den  Personen,   so 


Gksamtpostmeister  Bielar.  g43 

die  Reisenden  und  Paokete  einsobreiben ,  Briefe  anzanehmen 
ausdrücklich  untersagt  wird. 

Es  würde  fürwahr  weit  zuträglicher  sein  für  die  Kaiser- 
liche Reichspost,  wenn  selbige  mit  diesem  Fürstl.  Sächsischen 
Oesamtpostwagen  und  dem  Gesamtpostmeister  zu  Jena  das 
yielmals  gesuchte  gute  Vernehmen  nicht  ausschlüge,  mit 
selbigem  sich  setzte  und  zugleich  conjunctis  yiribus  dahin 
trachtete,  dafs  die  schädlichen  Boten  und  Landkutschen, 
welche  die  Briefe  am  meisten  wegnehmen  und  in  die  Häuser 
laufen,  abgestellt  und  cassiret  würden. 

Man  lasset  ja  die  reitende  Beichspost  aller  Orten  in 
ihrem  Gours  ungehindert  und  ist  nur  besorget,  Packete  und 
Personen,  sowohl  ordinarie  als  extraordinarie  richtig  fort- 
zuschaffen !'* 

Bieler  bittet  su  Schlufs  seiner  Darlegung,  dafs  auf  Orund 
derselben  Sr.  Majestät  der  Kaiser  die  Durchl.  Fürsten  und 
Herrn  bei  dem  in  dero  Landen  aus  hoher  landesfüratlicher 
Gewalt  und  Macht  herfliefsenden  jure  postarum  ungehindert 
lasse  und  zukünftig  ungleichen  Vorstellungen  kein  Gehör  geben. 

Bieler  unterläfst  es  nicht,  sich  mit  ähnlichen  Vor- 
stellungen direkt  an  den  Fürsten  von  Thurn  und  Taxis  zu 
wenden.  Er  weist  noch  besonders  darauf  hin,  wie  Königl. 
Majestät  von  Polen  und  Kurfürst  von  Sachsen  selbst  es  für 
notwendig  erachtet,  sein  Oberpostamt  zu  Leipzig  durch  die 
Bielersche  Post  mit  Frankfurt  in  Verbindung  zu  setzen,  wie 
die  Fürsten  des  sächsischen  Hauses  zu  dieser  Linie  ein  be- 
sonderes Bedürfnis  gehabt,  schon  uro  ihrer  Hofhaltung  und 
der  vielen  Personen  und  Beamten  willen,  welche  von  Resi- 
denz zu  Residenz  zu  reisen  genötigt  seien ;  hebt  hervor,  wie 
der  Erfurter  Reichspostmeister  Breitenbach,  von  dem  die 
ganze  Klage  doch  erst  ausgegangen,  durch  die  sächsische 
Landpost  auch  keinen  Groschen  Schaden,  sondern  wesent- 
lichen Nutzen  habe,  weil  er  nunmehro  des  Anlaufens  und 
des  Beschimpfens  der  Reisenden,  welche  Pferde  zu  extra 
Post  verlangt,  durchaus  überhoben,  und  unterläfst  es  nicht, 
wie  in    der  Eingabe    an    den   Kaiser,    hervorzuheben,    dafs  es 

XVII.  42 


644  Gesamtpostmeister  Bieler. 

nur  höchet  profitable  sein  würde,  wenn  die  Kaiserliche  Reidit- 
poet  und  die  Bäohsische  LandeBpost  Hand  in  Hand  gingen 
und  conjonoÜB  viribus  aller  Orten  gegen  die  Boten  und 
Kutscher,  welche  am  meisten  die  Briefe  an  sich  rissen,  vor- 
gehen wollten.  Insbesondere  aber  führt  Bieler  den  Nach- 
weis, dafB  die  Linien  der  Kaiserlichen  und  sächsischen  Land- 
posten zumeist  verschiedene  seien,  da  z.  B.  zwischen  Jena 
und  Halle  und  Jena  und  Erfurt  keine  reitende  Post  gehe, 
von  Eisenach  über  Hirschfeld,  Alsfeld,  Friedberg  auch  kein 
Fortkommens  gewesen  und  also  der  Landwagen  der  Kaiser- 
lich reitenden  Post,  weil  er  ihre  Strafse  nicht  halte,  notorie 
keinen  Schaden  thun  könne. 

Die  Bielersche  Post  scheint  geruhiglich  auch  weiterhin 
ihre  Beute  nach  Frankfurt  eingehalten  zu  haben;  nur  dafs 
sie  ihre  Geleitsfreiheit  zu  Erfurt  einbüfste.  Als  Entschädigung 
erhielt  Bieler  von  seiner  Begierung  ein  jährliches  Holzdeputat 

Wie  er  seine  Frankfurter  Beute  mit  Umsicht  und 
Energie  zu  schützen  weifs,  so  vergifst  er  auch  nicht,  seinen 
Fürsten  und  Herrn  gegenüber  den  ganzen  Inhalt  und  Um- 
fang seines  Privilegiums,  sowie  auch  sonst  gegebene  Zusagen 
in  Erinnerung  zu  bringen. 

Dafs  ihm  bei  Stabilierung  des  gesambten  Postwesens 
54  Eimer  Bier  und  6  Eimer  Wein  tranksteuerfrei  zu  brauen 
und  einzulegen  verheifsen,  glaubt  er  (März  1699)  wieder  in 
das  Gedächtnis  seiner  Eegierung  zurückrufen  zu  müssen, 
„gestalt  ich  auch  solche  Begnadigung  bis  anno  1694,  da  ich 
mich  wieder  eine  Zeit  lang  wegbegeben,  mit  aller  unter- 
thänigstem  Dank  genossen  und  percipiret'^ 

Vielleicht  aber,  dafs  er  sein  Bier  zu  Priefsnitz,  Lasan 
und  Ammerbach  brauen  lasse,  wo  die  gesundesten  Biere 
gebraut  würden  und  dafs  solches  ihm  denn  auch  tranksteuer- 
frei passieren  müsse. 

Auch  wegen  zugesagten  Wildprets  sehen  wir  den  Fürstl. 
Sächsischen  Gesamtpostmeister  vorstellig  werden.  »»Vor  die 
Besorgung  der  vielen  Hochfürstliohen  und  Herrschaftlichen 
Freybriefe  und  dabei  habende  Mühewaltung''  ist  ihm  ein  Tier 


Gesamtpostmeister  Bieler.  g45 

gnädigst  zugeordnet  und  ihm  ohne  fernere  Ordre  auf  sein 
blofses  Ansuchen  jährlich  durch  den  Herrn  Ober  Jägermeister 
zu  £i8enach  geschossen  worden. 

Da  er  aber  im  Winter  1699  noch  viel  Hirsche  und 
Wildschweine  mit  der  geschwinden  Post  von  Eisenaoh  nach 
Weimar  geführt,  so  glaubt  er  denn  doch  auf  ein  extra 
deputatwildpret  zu  besonderer  Ergötzlichkeit  rechnen  zu 
dürfen,  und  sei  es  auch  nur  ein  Schmaltier. 

In  sehr  erregter  Weise  sehen  wir  ihn  öfters  gegen  allerlei 
Eingriffe  in  sein  Privileg  den  Schutz  der  sächsischen  Pursten 
anrufen.  So  kommt  er  wiederholt  darum  ein,  dafs  das  Post- 
reiten  und  Fahren  den  Personen  von  Jena,  so  seinem  privi- 
legio  schon  bisher  grofsen  Abbruch  gethan,  nachdrücklich 
inhibiert  werde.  Wirklich  glaubte  Herzog  Johann  Ernst, 
zumal  die  Bielersche  Post  in  jetzigen  schlechten  Zeiten  (1700, 
15.  März)  nur  mit  schweren  Kosten  unterhalten  werden 
könne,  ihm  sein  Gesuch  gewähren  zu  müssen,  auch  schon 
„um  mit  fernereu  querelen  unbehelligt  zu  blciben'^ 

Auch  H**rzo^  Wilhelm  Ernst  zu  Weimar  erläfst,  sobald 
es  zu  seinen  Ohren  gekommen,  dafs  die  durchgehende  Land- 
kutsche sich  unterfangen,  nicht  allein  Posthörner  zu  führen, 
sondern  auch  oft  dieselben  zu  blasen  und  solche  öfters  gar 
in  den  Gasthöfen  bei  dem  Trunk  und  auf  den  Gassen  zu 
brauchen,  ein  striktes  und  scharfes  Verbot  solches  Gebarens, 
das  dem  P.  S.  Gesamtpostmeister  durchaus  zum  despect, 
und  zwar  mit  der  ausdrücklichen  Bedräuung,  dafs  die  Yer- 
breoher  der  Abnahme  besagter  Posthörner  sofort  gewärtig 
sein  sollen. 

Preilich  aber  läiÜBt  es  Herzog  Wilhelm  Ernst  selbst 
seinerseits  wieder  an  sich  fehlen ,  als  die  neue  Jahres  -  Livr^ 
für  den  Gesambten  Postmeister  und  seine  Leute  aus  seiner 
Kentkammer  zu  besohafiPen  war,  und  sieht  sich  Bieler, 
um  zu  neuer  Gewandung  zu  kommen,  endlich  genötigt,  die 
Intercession  Herzogs  Johann  Ernst  anzurufen.  Dieser  legt 
denn  alsbald  erfolgreiche  Fürbitte  bei  seinem  „freundlich  ge- 
liebten Herrn  Vetter,  Bruder  und  Gevatter"  ein. 

42* 


f^g  QeMmtpostmtister  Ri«ler. 

Aber  zu  erträglicher  Buhe  kommt  der  Oesamtpoatmeister 
auch  dann  nicht  Hat  er  seine  Posiroute  nach  Frank- 
furt wider  hohe  Herren  zu  schützen  gewuTst,  wird  ihm 
nun  wieder  die  Hallische  und  Leipziger  Route  bedroht 
Zwar  wurde  dieselbe  durch  den  Postmeister  Madeweis  in 
Halle  und  das  Oberpostamt  in  Leipzig  besorgt,  aber  doch 
lieferten  die  kurbrandenburgischen  und  kursäohsischen  Postil- 
lons  Briefe  und  Pakete  in  Bieters  Posthaus  in  Jena  ab,  eben- 
so wurden  Pakete  und  Briefe  für  Halle  und  Leipzig  und  da- 
zwischen liegende  Städte  auf  seinem  Posthause  abgegeben, 
und  Bieler  bekam,  wie  frülier  gezeigt,  einen  gewissen  Anteil 
der  Einnahme.  Auch  standen  die  fremden  Postillons,  so- 
lange sie  in  Jena  weilten,  lediglich  unter  Direktion  des 
Färstl.  Sächsischen  Gesamtpostmeisters.  Trotzdem  behaup- 
teten neidische  Konkurrenten,  dafs  Bieler  nach  Halle  und 
Leipzig  gar  keine  Post  habe,  und  ein  gewisser  Gräfe,  früher 
Postschreiber  in  Bielers  Diensteo,  und  der  Würzkrämer  Sper- 
hake  zu  Jena  kamen  um  Konzession  für  diese  Linien  ein. 

Auch  unterliefsen  sie  es  nicht,  auf  allerlei  Mifsstände 
in  Bielers  Postwesen  hinzuweisen.  Nicht  einmal  extra  Pferde 
seien  bei  dem  Herrn  zu  haben,  und  sie  legen  sogar  zum  Be- 
weis ihrer  Behauptung  das  Zeugnis  eines  hochadligen  Herrn 
bei,  der  auf  das  schnödeste  vor  dem  Posthaus  im  Stich  ge- 
lassen worden  sei. 

Bieler  seinerseits  stellt  es  durchaus  nicht  in  Abrede, 
dafs  er  keine  extra  Pferde  im  Posthaui  halte,  dagegen  unter- 
hielten seine  Postillons  deren  drei  und  vier  auf  eigene  Kosten 
und  Gefahr.  Doch  wann  kämen  Reisende  überhaupt,  Post- 
pferde zu  yerlangen?  Giebt  es  doch  der  Bürger,  Gastwirte, 
Kutscher  mehr  wie  zu  Tiel,  welche  alles  hinwegnehmen, 
PostCharten  heraushängen,  Posthörner  blasen  und  wäre  es 
auch  nur,  um  dem  Postamt  zu  schaden! 

Was  nun  besagten  Herrn ,  den  Herrn  von  Muffel ,  an- 
lange, so  sei  dieser,  nachdem  er  die  Stadt  abgelaufen,  yor 
das  Posthaus  kommen,  und  doch  habe  ihm  Bieler  Pferde  zq- 
gesagt.     Die  Postillons  aber   seien  ausgefahren  geweeen,    ein 


Gesamtpostmeistor  Bleltr.  g47 

Fuder  Korns  aofzuladeD,  und  hätten,  Burüokgekehrt ,  erst 
füttern  müssen.  Da  habe  es  der  Herr  vorgeBogen,  über 
Nacht  zu  bleiben,  ,,er  habe  keine  Lust,  Hals  und  Beine  zu 
brechen*'.  Andern  Morgens  aber  habe  er  sich  von  Sperhake 
nach  Bitenberg  fahren  lassen. 

Bald  mufste  Bieler  hören,  wie  dieser  Sperhake  sich  in 
Halle  und  am  Hofe  des  Kurfürsten  gute  Freunde  zu  machen 
suchte,  und  um  so  mehr  war  er  bemüht,  die  Beziehungen 
mit  Made  weis,  dessen  Binflufs  er  kaunte,  wieder  enger  au 
knüpfen.  Auch  kommt  er  samt  seinem  Stiefsohne  Heyne  bei 
Hofe  gegen  das  Unternehmen  ein.  Sie  wollen  nicht  hoffen, 
da  ja  ohnehin  die  yagierenden  Landkutscher  in  Jena  noch 
gar  nicht  gedämpft  worden,  dafs  neue  Konzessionen  aus- 
gegeben und  dadurch  die  Konfusion  in  Postsachen  noch 
gröfser  werde.  Der  Gräfe  nun  gar,  früher  Junge  bei  Bieler, 
habe  dem  Herrn  von  Wurm  für  60  000  Thaler  Lehnbriefe 
verloren;  der  Sperhake  aber  sei  ein  Würzkrämer  und  werde 
es  dem  Kurfürst  von  Brandenburg  nur  zum  Despekt  ge- 
reichen, wenn  seine  Posten  vor  einem  Pfefferladen  ankommen 
und  abgehen  sollten. 

Aber  schon  hat  Sperhake  eine  reitende  Post  nach 
Leipzig  angelegt,  und  Bieler  trägt  laut  seinem  Privilegium, 
das  ihm  das  jus  prohibendi  zuerteilt,  auf  sofortige  Inhibition 
an  und  führt  lebhafte  Klage,  dafs  derselbe  aulserdem  auch 
sich  tiir  einen  Postmeister  ausgebe,  ein  neu  Posthaus  auf- 
gerichtet, Kurf.  Sächsische  Livr^  und  Kurf.  Sächsisches  Schild 
und  Wappen  führe. 

Das  Oberhofgerioht  untersagte  alsbald  dem  Würzkrämer 
das  Postreiten  und  bedeutet  ihn,  wenn  er  Einwand  lu  machen, 
es  innerhalb  14  Tagen  lu  thun.  Schon  sind  dieselben  ab- 
gelaufen, und  Bieler  bringt  zur  Anzeige,  dafs  der  Würzkrämer 
geruhiglich  fahren  und  reiten  lasse  und  den  Postmeister 
agiere.  Da  läuft  noch  Sperhakes  Brwiderung  ein,  in  welcher 
er  geltend  macht,  dafs  sich  seines  Gegners  Privileg  lediglich 
auf  die  Strecken  und  Oerter  beziehe,  wodurch  und  wohin 
die  Gesambtpost  gehe.     Bs   sei  aber   ein  notorium,   dafs  die* 


348  Gesamtpostmeister  Bieter. 

selbe  nicht  nach  Leipzig,  Dicht  nach  Altenburg,  nicht  nach 
Halle  gehe.  Und  was  das  prätendierte  jus  prohibendi  an- 
lange, 80  sei  dies  wunderbarer  Weise  noch  nie  zur  Anwendung 
gekommen,  wie  die  vielen  in  Jena  fahrenden  Posten  and 
Kutscher  es  jedermann  Tor  Augen  legten.  Die  Kurf.  Säch- 
sische Liyr^  trage  er  aber  auf  ausdrückliche  Erlaubnis  des 
Oberpostamts  zu  Leipzig.  Schliefslich  legt  Sperhake  in  der 
That  eine  Eonzession  des  Herzogs  vor,  welche  ihm  und 
Gräfe  es  gestattet,  dafs  sie  eine  fahrende  Postkalesche  zwei 
Tage  die  Woche  über  Naumburg  nach  Halle  (Leipzig?)  gehen 
lasten,  reisende  Personen  fordern,  Briefe  und  Pakete  be- 
stellen, doch  jeder  Zeit  mit  dem  in  Jena  schon  bestehenden 
Brandenb.  Postamte  korrespondieren. 

Das  Hofgericht,  damals  vertreten  durch  den  Vioehof- 
geri chtspräsi deuten ,  den  Königl.  Polnischen  und  Kurf.  Säch- 
sischen Geheimrat  Bernhard  Pflugk,  Bitter  des  Johanniter- 
ordens,  auf  Heckenwalde,  mufste  sich  für  seine  voreilige  In- 
hibition eine  lange  Nase  von  seiten  des  Herzogs  gefallen 
lassen. 

Bieler  aber  wandte  sich  in  längerer  Immediateingabe  an 
seinen  Durchlauchtigsten  Herzog,  seinen  gnädigsten  Fürsten 
und  Herrn.  Er  bittet  ihn,  ihm  sein  jus  prohibendi,  ohne 
welches  sein  Privileg  ohne  Wert,  nicht  zu  kürzen,  ihn  gegen 
alle  Winkelposthäuser  zu  schützen,  und  weist  darauf  hin,  wie 
eben  aus  Mangel  an  Schutz  der  ganze  Poststatus  in  Jena  in 
höchste  Konfusion  geraten ,  Fremde  die  Oberhand  spielten, 
um  wohl  gar  die  Fürstl.  Sachs.  Gesamtpost  wieder  über 
einen  Haufen  zu  werfen,  wie  Sperhake  und  Gräfe  dasselbe 
durch  ihre  malitz  zu  Grunde  richteten,  und  fleht,  das  Post- 
regal  und  sein  Erbliches  amt  in  ungeschwächter  Kraft  sn 
erhalten. 

Und  wirklich  erfolgte,  wenn  auch  nicht  lediglich  auf 
Bielers  Anregung,  Kassation  der  kaum  gegebenen  Konseasion. 
„Die  weil  Wir'*,  heilst  es  in  einem  ErlaTs  Herzogs  Johann 
Wilhelm,  „zuverlässige  Nachricht  erhalten,  dafs  berührter 
Concession    bifs    dahero    im    Wenigsten    nachgelebet   worden, 


Qesamtpostmeister  Bieter.  g49 

Wir  auoh  ohnedas  die  Cassation  uns  nach  Befinden  vor- 
behalten, alfs  haben  Wir  bei  so  bewandten  Dingen  und  ge- 
fundenem Anstofs  angeregte  Conoession  hiermit  wieder  auf- 
zuheben f&r  nöthig  ermessen/' 

Datum  der  Konzession  der  22.  Juli,  Datum  der  Kassa- 
tion der  22.  Dezember  1699. 

So  trat  Bieler  siegreich  in  das  neue  Jahrhundert  ein. 
Sperhake  aber,  der,  wie  es  scheint,  inzwischen  ruhig  weiter 
reiten  und  fahren  liefs,  kam  nochmals  um  Erlaubnis  ein,  ihn 
unter  dem  Titel  commissionsexpediteur  mit  kurbranden- 
burgi sehen  und  kursächsischen  Postämtern  korrespondieren  zu 
lassen.  Bieler  ist  über  solch  yerwegenes,  böses  Ansuchen 
äufserst  erbittert  und  schiefst  giftige  Pfeile  gegen  den  Kon- 
kurrenten ab.  „Hat  doch  der  Sperhake",  heifst  es  in  der 
betreffenden  Eingabe  an  den  Herzog,  „mit  seinem  Würzkram 
und  seinen  Oreditoren  so  viel  Gorrespondenz  und  Commission 
zu  expediren,  daft  er  billig  andere  ehrliche  Leute  darüber 
vergessen  sollte!''  Er  ergeht  sich  in  bitteren  Klagen,  wie 
der  mangelnde  energische  Schutz  sein  Oesamtpostamt  an  den 
Abgrund  des  Yerderbens  gebracht,  so  dafs  itzo  fast  in  allen 
Gassen  sich  Kutscher  als  Postmeister  aufwerfen,  Briefe  und 
Pakete  annehmen  und  ausgeben,  ungescheut  auf  Posthörnern 
blasen  und  dem  Postamte  Schaden  thnn,  wo  sie  nur  können. 
Da  fährt  auch  noch  immer  der  Postmeister  Müller  ordinari 
nach  Leipzig  und  nimmt  Briefe  und  Pakete  an,  Kamm- 
macher Eost  fährt  nach  Altenburg,  die  Nürnberger  Kutscher 
Hoifmann  fahren,  des  Boetii  Bote,  der  Halbmondenwirt  und 
andere  schaden  dem  Postamte  auf  alle  Weise.  Dafs  aufser^ 
dem  noch  Winkelbestellungen  dem  Postwesen  viel&ch  Ab- 
bruch thaten,  darüber  klagt  auch  Sperhake.  „Der  Gothaisohe 
Zeitungsbote,  so  im  Rothen  Hirsch  logirt,  Wilhelm  von 
Lüzerode,  Jakob  Saalbom  hinter  dem  gelben  Engel,  Bius 
von  Zeiz  hinter  dem  Bähren,  der  Rudolstedter  Bote  bei  der 
Frau  Ohemnitien  und  der  Ohrdruffer  bei  Herrn  Neunhan!" 
Doch  will  Bieler  gegen  Boten,  wo  keine  Posten  gehen,  und 
namentlich  wegen  der  Herrn  Studiosen,  nicht  einschreiten. 


Q^  Gesamtpottmei8ter  Bieler. 

Durch  seine  Eingabe  erreicht  der  QesamtpostmeiBter 
wenigstenBy  dafs  die  Kassation  nicht  wieder  kassiert  und  dem 
Sperhake  die  aus  bewegenden  Ursachen  wieder  aufgehobene 
Konzession  nicht  nochmals  erneuert  wird.  Bieler  hat  auch 
auf  die  Unkosten  noch  besonders  hingewiesen,  die  ihm  sein 
Postamt  mache.  Zwei  Schreiber  und  einen  Jungen  habe  er 
zu  erhalten,  obwohl  auf  der  Eisenacher  Post  zumeist  nur 
Freibriefe  liefen  und  mancher  Posttag  ihm  kaum  mehr  als 
sechs  Groschen  Ertrag  bringe.  Und  doch  habe  ihm  die  Post 
nunmehr  5000  Reichsthaler  gekostet  Wenn  der  Sperhake 
so  reich,  so  möge  er  sie  ihm  PSlt  solches  Geld  abkaufen; 
wolle  sie  ihm  gern  überlassen. 

So  giebt  Herzog  Johann  Wilhelm  dem  Hofgericht  zu 
Jena  die  bestimmte  Ordre  im  Einvernehmen  mit  dem  Stadt- 
rat, erwähntem  Sperhake  und  anderen  Bürgern,  so  besagter 
Bieler  angeben  werde,  nachdrücklich  und  schleunigst  Einhalt 
SU  thun. 

Kam  nun  der  yielgeplagte  Mann  endlich  su  erträglicher 
Buhe?  Keineswegs.  Schon  dafs  die  Neunhanschen  Erben 
ihre  Zeitung  wieder  drucken  liefsen  und  Sperhake  und  and^'e 
Feinde  dieselbe  auf  Kosten  der  Jenaischen  Postzeitung  mög- 
lichst zu  yerbreiten  suchten,  konnte  wenig  zur  Förderang 
seines  Oesamtpostamtes  beitragen.  Selbst  Mevig,  Erbe  der 
bekannten  Boetischen  Buchhandlung  und  Postfaktorei  zu 
Gotha,  klagt  über  das  Gebaren  dieser  Herren,  die  auch  seiner 
Zeitung,  wo  sie  nur  konnten,  Abbruch  thaten. 

Ernste  Gefahr  aber  drohte  seinem  Privileg  und  Amte 
im  Wonnemonat  1700.  Obwohl  dem  Gesamtpostmeister  auch 
von  Herzog  Friedrich  zu  Sachsen  -  Gotha  Höchstseligen  An- 
denkens 1690  die  Zusage  gegeben  worden  war,  ihm  sein 
Privileg,  ganz  nach  Inhalt  des  weimarischen,  auch  für  seine 
Lande  zu  extendieren,  so  zogen  doch  jetzt  von  Gotha  her 
bedenkliche  Wetterwolken  herau£ 

Geheimer  Bat  Excellenz  Baron  von  Baccov  drohte,, 
da  er  selbst  für  dortige  Lande  alleinigen  Anspruch  habe,, 
ihm   den   Weg    durch   Gotha    zu    sperren.      Es   sei   ihm    das 


Gesamtpostmaiator  Bieler.  g5} 

Privileg  von  dem  Herrn  von  HarBtall  (of.  S.  686),  in  dessen 
Hand  es  bekanntlich  schon  früher  gelangte,  übergeben,  teil» 
cediert,  teils  geschenkt,  teils  für  einen  geleisteten  yorBchafa 
zugesagt  worden.  Bieler  sollte,  um  die  letzten  Anordnungen 
SU  treffen,  auf  dem  Geheimen  BatskoUeg  zu  Gotha  er- 
scheinen; wenn  nicht,  sollte  alsbald  seine  Post  arcessiert 
werden. 

In  solchen  Nöten  wandte  sich  Bieler  an  den  Herzog 
Johann  Wilhelm  zu  Eisenach  und  fleht,  da  er  bis  dato  noch 
wenig  Schutz,  wohl  aber  viel  Verfolgung  erfahren,  um  seinen 
mächtigen  Beistand.  Wenn  nicht  Gewalt  vor  Recht  g^en  sollte, 
so  müTste  er  im  Gesamtbesitz  seines  PriyilegiumB  und  seinea 
Amtes,  das  ihm  für  alle  Teile  der  weimarisohen  Linie  ge- 
gegeben worden  sei,  und  in  dem  seiner  Frau  und  armen 
Kinder  gänzliches  Vermögen  stecke,  geschützt  und  gesichert 
werden. 

Aber  die  etwaigen  Mängel  seiner  Post  nütze  dieser  und 
jener  Herr  gegen  ihn  aus,  obwohl  sie  doch  lediglich  eine 
Folge  mangelnden  Schutzes  und  der  Feindseligkeit  seiner 
Gegner  seien.  So  suche  bald  dieser,  bald  jener  grofse  Mini- 
ster ihm  sein  Privileg  aus  der  Hand  zu  winden,  da  doch 
1686,  da  er  das  Postamt  eingerichtet,  keiner  von  ihnen  sich 
gefunden,  einen  Groschen,  geschweige  einen  Thaler  hinein- 
zustecken. 

Jene  vorgeblichen  Ansprüche  des  Herrn  von  Harstall 
seien  durchaus  null  und  nichtig,  da  Bieler  nie  darüber  gehört 
worden  und  eine  frühere  Eonzession  bekanntlich  einer  spä- 
teren in  jeder  Weise  vorgehe. 

So  bittet  er  ihn  bei  dem  nun  einmal  erteilten  Post- 
lehnbriefe und  dessen  buchstäblichem  Inhalte  wider  alle 
eingerissene  Beeinträchtigung  und  namentlich  gegen  die 
gothaischen  Prätensionen  nachdrücklich  schützen  zu  wollen, 
zumal  da  seine  Gesamtpost  zur  Aufnahme  der  Commercien  und 
Correspondence    und  Justizbeförderung  so  wesentlich  beitrage. 

Herzog  Johann  Wilhelm,  der  Senior  des  Hauses,  unter- 
lieÜB  es  nicht,    den  Herzog  Wilhelm  Ernst,   von  welchem  in 


g52  Oesamtpofttmeister  Bi«ier. 

der  That  daa  Poeiprivileg  für  den  UmkreiB  seiner  Lande  vor 
Jahren  einem  seiner  Qeh.  Käte  angetragen  worden  war,  zu 
Bielers  Ounsten  zu  stimmen.  Aus  der  Wilhelmsburg  lief 
folgende  Erklärung  noch  vor  Bnde  Mai  in  Eisenach  ein. 
y,Zwar  sei  es  nicht  ohne,  dafs  Er,  der  Herzog  Wilhelm  Ernst, 
Tor  8  Jahren,  da  die  Bielersohe  Post  in  sohlechtem  Zustande 
gewesen,  den  damaligen  Geh.  Eath,  Obermarschall,  Kammer- 
präsidenten mit  dem  Postamt  beliehen  habe,  damit  er  be- 
sagtes Postwesen  in  einen  guten  zuverlässigen  Stand  wieder- 
umb  bringen  solle;  allein,  weiland  derselbe  sich  dessen  bis 
diese  Stunde  nicht  des  geringsten  angema(set,  auch  nicht 
einmal,  wie  er  doch  zu  thun  schuldig  gewesen,  umb  aus- 
fertigung  des  Post  -  Priyilegii  und  Lehnbrieffes  geziemende 
ansuchung  getban,  so  halte  er  davor,  es  habe  sich  der  von 
Harstall,  bey  so  be wandten  ümbständen  und  da  Er  seiner 
in  Person  abgelegten  lehnspflicbt  nicht  im  geringsten  nach- 
kommen, dieses  Post -Lohns  von  selbst  wiederttmb  ver- 
lustig gemacht;  auch  solchergestalt  derselbe  nicht  befbgt, 
ei  ohne  des  Herzogs  Vorbewust  und  Consens,  welcher  aus- 
drücklich vorbehalten  worden,  an  einen  andern  zu  cediren. 
Hingegen  sei  Dr.  Bieler,  zumahlen  dessen  Posten  bis  daher 
wohl  bestellet,  und  richtig  gegangen,  bei  seinem  habenden 
Privilegio  nach  femer  nachdrücklich  zu  schützen.'' 

Dafs  Bieler  damals  seinem  Amte  allerdings  wieder  mit 
gröfserem  Eifer  oblag,  ergeben  auch  seine  wieder  auf- 
genommenen Bestrebungen,  sich  direkt  mit  Nürnberg  in  Ver- 
bindung zu  setzen.  Wir  erfahren  davon  schon  aus  seinen 
Korrespondenzen  mit  Herzog  Bernhard  von  Coburg,  der 
nach  Herzog  Alberts  Tode  daselbst  die  Regierung  angetreten 
hatte  und  einen  besonderen  Eifer  an  den  Tag  legte,  das 
Postwesen  in  blühenden  Stand  zu  bringen. 

Auf  Anregen  Herzogs  Bernhard  war  von  Coburg  aus 
(1699)  eine  „gewisse  Landkutsche  zur  Förderung  Handels 
und  Wandels  über  Aschaffenburg  nach  Frankfurt  und  eine 
zweite  nach  Eger  etabliret''  worden. 

Der  Herzog  war  nun  der  Ansicht,  dafs  mancher  Passa- 
gier aus  Meifsen  und  Thüringen,   der  „in  Bayreut,  Schwein- 


Gesamtpostmei^ter  Bieter.  g53 

furt,  Würzburg,  Asohaffenburg,  Hanau  und  darumb  gelegenen 
Orten  zu  verrichten'^  seinen  Weg  über  Jena  nach  Coburg 
nehmen  würde.  Deshalb  wünschte  er,  dafs  es  allen  Land- 
kutschern erlaubt  sein  solle,  Ratifioationszeddel  über  den 
Gang  der  Coburger  Posten  in  Wirtshäusern  und  anderen 
locis  publiois  zu  affigieren  und  dadurch  diese  Bequemlichkeit 
zu  reisen  zu  jedermännigliohes  Notiz  zu  bringen. 

,,Zu  wissen'*,  lauteten  diese  Postzeddel,  „das  von  Coburg 
aus  drey  besondere  Landkutschen  angeordnet,  unter  welchen 
wöchentlich  zwey  wechselsweise  von  daraus  über  Haffen- 
reppach,  Schweinfurt,  Würtzburg,  Aschaffenburg  und  Hanau, 
auch  Frankfurt,  dann  eine  gleichfals  wechselsweise  über 
Burkundtstadt,  Culmbach,  Gefrees,  Weisenstadt  bis  Egger, 
und  sodann  wieder  zurück  gehen.  Es  wird  aber  selbige 
Kutschen,  wann  sie  zu  Egger  ankommen,  yon  andern  yoUaus 
nach  Prag,  und  soforth  in  die  Kayserlichen  Erblande  fahrende 
Gelegenheit  abgelöfset,  Ingleiohen  kann  ein  Jeder,  wenn  er 
sich  in  frankfurth  befundet,  auf  Heidelberg,  StraTsburg  und 
in  Frankreich,  oder  auf  Mainz,  Collen  und  Holland,  auf  der- 
gleichen allsohon  etablirten  Landkutsohen  und  andrer  be- 
queme Orthe  gelangen.  Wer  nun  abgemeiter  Orthe  bequem 
und  sicher  und  mit  leidlichen  kosten  reysen  und  fahren  will, 
der  kan  hiernach  sich  achten,  und  dieser  occasion  sich  be- 
dienen.    Datum  am  tage  Michaelis  1699.'' 

Bieler  glaubte  aber  seinerseits  den  Wünschen  des  Her- 
zogs Bernhard  nicht  entgegenkommen  zu  können.  Einmal 
gehe  von  Jena  aus  schon  eine  eilende  Post  nach  Frankfurt 
und  eine  andere  nach  Eger  (über  Leipzig?!),  und  er  könne 
unmöglich  den  Fremden  die  Wege  über  Coburg  weisen. 
Alsdann  werde  es  auch  wenig  Frucht  bringen,  da  wohl 
schwerlich  ein  Reisender  seine  Route  über  Coburg  nach 
Frankfurt  oder  Eger  nehmen  werde,  da  er  ja  im  ersten 
Falle  25,  im  zweiten  15  Meilen  Umwegs  zu  machen  habe. 
Aufserdem  aber  beabsichtige  er  selbst  baldigt  eine  eilende 
Post  über  Coburg  nach  Nürnberg  einzurichten. 

Wirklich  sehen  wir  auch  Bieler  wegen  eines  solchen 
Unternehmens   zunächst    mit   dem    Oberpostmeister    Leonhard 


g54  G«MiiiitpostmeUt«r  Bi«l«r. 

in  Leipzig  und  dann  wieder  mit  dem  Kaiserlichen  Postfaotor 
zn  Coburg,  Kapitän  Winheim,  in  leibhaftem  Briefwechael. 
Obgleich  beide  Herren  sich  für  das  Projekt  interessieren, 
stellen  sich  doch  bald  unvermutete  Hindemisse  in  den 
Weg.  Winheim  ist  zwar  bereit,  die  Sache  beim  Reichs- 
postmeister in  Nürnberg  mit  allen  Kräften  su  betreiben,  aber 
da  erhält  er  Tom  Markgrafen  von  Bayreuth,  dessen  Regiment 
im  Dienste  der  Republik  Venedig  lange  Jahre  in  Morea  lag, 
die  Ordre,  dasselbe  nun  zurücksuführen  und  mit  der  Re- 
publik Venedig  Abrechnung  zu  halten.  Winheim  konnte  sich 
diesem  Auftrage  um  so  weniger  entziehen,  als  er  selbst 
Kommissar  und  Hauptmann  dieses  Bayreuthischen  Regimentes 
gewesen  war  und  zndem  der  Fürst  von  Thurn  und  Taxis 
ihm  alsbald  Dispens  und  Urlaub  gewährte.  In  Nürnberg 
selbst  hatte  man  Bedenken  aus  Furcht,  Binbufse  su  erleiden, 
obwohl  Bieler  sich  bereit  erklärte,  die  Post  schon  von  Bam- 
berg aus  zu  übernehmen;  auch  müsse  man  jedenfalls  erst 
nach  Brüssel  berichten.  (Auch  fuhren  schon  von  Nürnberg 
nach  Jena  die  Brüder  Hoffmann,  wenn  auch  in  gewöhnlicher 
Laudkutsche.  Denselben  hätten  auch  erst  Briefe  und  Pakete 
entzogen  werden  müssen.) 

Bieler  setzte  sich  mit  der  Nürnberger  Kaufmannschaft 
in  Verbindung,  um  diese  wenigstens  für  sein  Unternehmen 
insoweit  su  interessieren,  dafs  der  Nürnberg-Hamburger  Bote 
mit  seiner  Post  in  bestimmte  Besiehung  treten  könnte,  in  der 
Weise,  dafs,  sobald  montags  der  Bote  Coburg  erreiche,  Bielers 
Post  über  /udenbach,  Saalfeld  nach  Jena  abgehen  und  alle 
Pakete  bis  nach  Frankfurt,  Leipzig  und  Halle  befördern 
würde.  Wenn  dann  donnerstags  der  Hamburger  Bote  nach 
Coburg  zurückkomme,  würden  ihm  daselbst  die  von  Jena,  Leipzig, 
Halle  eingelaufenen  Briefschaften  und  Pakete  zugestellt 

„8ämmtliche  der  Zeit  in  Nürnberg  verordnete  Markt- 
aufseher'' verhielten  sich  aber  ziemlich  ablehnend.  „Man  hat 
nach  genügsamer  Uebcrlegung  befunden,  dafs  mit  hiesigem 
Botewesen  wegen  vieler  beträchtlicher  Ursachen  einige  Ver- 
änderung  der   Zeit    nicht   gemacht   werden    könne.''     (Wahr- 


GMamtpostmeister  Bieler.  g55 

scheinlioh  die  von  Schäfer  erwähnte,  zu  Anfang  des  18.  Jahr- 
hunderts Yon  Thurn  und  Taxis  eingerichtete  reitende  Post, 
die  Sachsen  umging  und  yon  Regensburg  über  Nürnberg, 
Erfurt  führte.) 

Ob  nun  das  ganze  Unternehmen  im  Sande  verlaufen, 
ist  aus  den  Arnstädter  Akten  nicht  ersichtlich.  Doch  das 
Wahrscheinliche  ist  es  nicht,  da  ßieler,  wie  es  scheint,  sich 
mit  der  Kaiserlichen  Post  jetzt  besser  su  stellen  wufste  als 
früher.  Fürst  Eugenius  Alexander  von  Thurn  und  Taxis 
übertrug  1703  dem  Bieler  und  seioem  Stiefsohne  Heyne,  dem 
er  sein  Postamt  in  Eisenach  übergeben,  auch  die  Kaiserlichen 
Reichspostämter  zu  Jena  und  Eisenach.  Für  Weimar  wieder- 
um bestellte  Bieler  einen  gewissen  Waoke  zum  Postverwalter 
(Bergfeld,  Nachrichten  etc.). 

Dafs  übrigens  der  Oesamtpostmeister  sein  Privileg  bis 
ins  Orab  hinein  in  allen  seinen  Teilen  aufrecht  zu  erhalten 
wufste,  dafür  zeugt  eine  Eingabe  an  seinen  Herzog  vom 
6.  Dezember  1710.  Selbigen  Tages  hatte  das  Jenenser  Stadt- 
gericht ohne  Bielers  Wissen  und  Begrüfsung  ganz  gegen  die 
Kapitulation  Kaisers  Josephi,  gegen  die  Königl.  preufsische 
und  kursächsische  Ordnung,  ganz  auch  gegen  seinen  eigenen 
Postlehnsbrief  freventlich  sich  unterstanden,  einen  seiner  Postil- 
lone  auf  vorgebrachte  Klage  einer  liederlichen  Dirne  auf  das 
Bathaus  zu  fordern.  Da  hat  man  ihm  die  geklagte  mit  ihr  ge- 
triebene Unzucht  vorgehalten,  und  da  er  nichts  gestehen 
wollen,  mit  der  Fürstl.  livr^o  und  Schild  und  Wappen  durch 
den  Gerichtsfrohn  in  ein  sehr  tiefes  Gefängnis  stecken  lassen, 
Bieler  hätte  seinerseits  kein  Bedenken  getragen ,  als  den 
Huren  und  Ehebrechern  ohnehin  feind,  wenn  die  Dirne  dem 
Postillon  erst  die  getriebene  Unzucht  erwiesen,  denselben  den 
Gerichten  verabfolgen  zu  lassen. 

„Weiln  aber  solches  nicht  geschehn  und  solche  unbefugte 
prooedur  den  Postprivilegiis  und  Reservatis  prinoipum  zu 
gröfstem  praejudiz  gereicht,  wenn  untere  obrigkeit  diesen 
Postregalien  nicht  nachleben  und  propria  auctoritate  wieder 
die  Postbedienten  verfahren  und  die  Jurisdiction  wollen  über 


356  Oesamtpostmeister  Bieter. 

dieselben  erswingeD,  alfs  bin  diese  unbefugte  Ew.  Hochfürstl. 
Durcblauoht  zu  nachdrucklicher  Bestrafung  unterthänigst  su 
denunsiren  gemüfiBigt  worden,  alfs  gelanget  an  Eur.  Hochf. 
Durchl.  mein  Unterthänigstes  suchen  und  bitten,  Sie  wollen 
angeführte  umbstände  gnädigst  erwegen,  sonderlich  da  sohon 
vor  20  Jahren  alfs  in  dem  Schellhausischen  Hause  das  Post- 
haufs  gewesen  und  die  Stadtgerichte  einen  fremden  Sprach- 
meister, so  auch  darin  gewohnet  und  durch  den  Oerichtt-^ 
ft*ohn  gehohlet  worden  bei  hocher  Straffe  durch  damalige 
Vormundschaft  Regierung  yerbothen  worden,  das  Postamt 
nicht  zu  violiren  oder  zu  beschimpfen  und  an  hiesige  Stadt- 
gerichte die  ernstl.  Verordnung  ergehn  lassen,  dafs  Selbige 
ohne  Special-gnädigsten  Befehl  an  das  Post- Amt,  Postmeister, 
Postbedienten  bei  hoher  gesetzter  Straffe  nicht  yergreiffen, 
noch  in  personal  sachen  sich  Cognition  su  eignen,  nicht 
weniger  die  Fürstliche  livrde,  weil  solche  kein  Postillion  an- 
ziehn  will,  mir  besahlen  sollten. 

Dieses  mein  Suchen  und  Bitten  gereicht  zu  Euer  Hoch- 
fürstl.  Durchl.  Hohen  Respekt,  zu  Aufnahme  der  Post  und 
su  erhaltung  des  hohen  Post  Regals." 

Diese  Eingabe  Bielers  vom  6.  Dezember  1710  an  seinen 
Herzog  ist  wohl  die  letzte  postamtliche  Niederschrift  Bielers« 
Denn  nach  dem  Zeugnis  seiner  Tochter  Christiane  Margarete, 
die  an  den  Postmeister  Krafft  zu  Arnstadt  verheiratet  war, 
starb  ihr  Vater  noch  selbigen  Jahres. 

Dieselbe  machte  noch  Mitte  des  Jahrhunderts  mit  ihrem 
Bruder,  dem  Sekretär  und  Bürgermeister  Johann  Ernst  Bieler 
zu  Jena,  ihre  Anrechte  an  dem  ererbten  Postamte  geltend, 
während  andere  Erben  schon  lange  zuvor  ihre  Anteile  an  die 
Herzogliche  Regierung  verkauft  Ja  sie  kam  um  Restitution 
der  Bielerschen  Post  ein.  Einzelnes  aus  den  langwierigen 
Verhandlungen  und  Rechtsstreitigkeiten  der  Bielerschen  Erben 
unter  sich  und  mit  der  Herzoglichen  Regierung  hat  sich  unter 
den  Akten,  welche  aus  der  Hand  der  Erafßin  auf  das  Am- 
städter  Rathaus  gelangten,  noch  vorgefunden. 


IHiszelleii. 


3. 
lieber  die  tliüringisohe  Familie  Lendenstreioh. 

Von  Professor  Dr.  P.  Lehfeldt. 

Im  Jahre  1889  ward  von  mir  in  der  ThüriDgisohen 
AltertumsyereiDB- Zeitschrift  ein  Aufsatz  üher  die  Saalfelder 
Altarwerkstatt  oder  Schule  veröffeDtlicht.  Es  wurden  darin 
die  Stileigentümlichkeiten  und  Kennzeichen  der  geschnitzten 
Figuren  an  den  aus  ihr  hervorgegangenen  Altarwerken 
festgestellt  und  ihre  Stellung  zu  anderen  deutschen 
Schulen  y  besonders  zu  der  unterfränki sehen  (Werke  in 
Kreglingen,  Würzburg  etc.)  zu  geben  versucht.  Es  zeigte 
sich  (wie  auch  in  den  bisher  veröffentlichten  Heften  der 
thüringischen  Bau-  und  Eunstdenkmäler) ,  dafs  die  Saal- 
felder Werkstatt  eine  nicht  zu  unterschätzende  Bedeutung 
hat,  sowohl  durch  den  überraschenden  Beichtum  der  noch 
erhaltenen  Werke  in  der  ganzen  Saale-  und  Orla- Gegend 
(in  den  in  diese  Gegend  fallenden  Gebietsteilen  der  Staaten 
Sachsen  -  Meiningen,  Schwarzburg  -  Budoistadt,  Sachsen  -  Alten- 
burg und  Sachsen  -  Weimar)  als  auch  durch  das  bestimmte, 
einheitliche  Gepräge  der  sämtlichen,  schliefslich  durch  den 
bedeutenden  künstlerischen  Wert  einzelner  derselben. 

So  lag  der  Wunsch  nahe,  genauere  Kenntnis  von  einem 
Meister  dieser  Werkstatt  zu  gewinnen.  —  Mehrere  Angaben 
fanden  sich  an  den  Umrahmungen  der  Altar  werke  selbst, 
welche  über  die  Vollendung  der  Tabula  Mitteilung  machten. 
Bo  an  dem  Altarwerk  zu  Neunhofen   (Sachsen -Weimar,  Yer- 

XVII.  43 


fi60  MiMellen. 

WAltungtbesirk  NeoBtadt)  das  Jahr  der  YollenduDg:  1487; 
an  einem  aus  Oberpreilipp  (in  Sachten-Meioingen,  Kreis  Saal- 
feld) nach  Burg  Landsberg  bei  Meiningen  gekommenen  Altar 
die  AuBführang:  „1498  in  Salfelt",  ebenso  in  Oomdorf  (Kreis 
Saalfeld)  und  Neusitz  (Sachsen  -  Altenborg ,  Westkreis)  die 
Jahressahlen  1490  bezw.  1515  und  der  Herstellungsort : 
Saalfeld«  Der  Baurat  Döbner,  welcher  über  die  Saalfelder 
Werkstatt  schrieb  (s.  den  betr.  Aufsatz  a.  0.),  glaubte  in 
einem  auf  der  Malerei  des  Altares  der  Saalfelder  Kirche  an- 
gebrachten BLirschkäfer  das  Künstlerzeiohen  des  Werkstatt- 
meisters  oder  wenigstens  des  Malers  au  finden  und  suchte 
diesen  mit  einem  im  16.  Jahrhundert  in  Nürnberg  lebenden 
Maler,  der  sich  alter  Nachricht  zufolge  „statt  des  Namens 
stets  eines  Baumschröters  bediente",  in  Uebereinstimmung  zu 
bringen,  mit  dem  Hinweis,  dafs  sich  auch  in  Aschaffenburg 
früher  ein  Altarwerk  mit  dem  Baumschröter  befand. 

Ich  lasse  die  Frage  offen,  ob  die  bisher  gefundeneu  An- 
gaben über  Ort  und  Zeit  der  Herstellung,  welche  stets  den 
Bahmen  des  Altarwerkes  umlaufen,  lediglich  auf  die  Malerei 
sich  beziehen  oder  nur  aus  Bequemlichkeit  bezw.  Sicherheit 
der  Anbringung  nicht  auch  an  dem  Figuren  werk  sich  haben 
finden  lassen.  An  den  AltarweriEcn  der  Saalfelder  Werkstatt 
sind  gerade  die  Schnitzwerke  den  Malereien  überlegen^),  auch 


1)  Es  ist  SU  betonen,  dafs  anch  nur  die  SchnitawerlLe  den  Stil 
einer  einheitlichen  (eben  der  Saalfelder)  Sehnle  seigeD,  während  die 
PlSgelgemälde  ihrem  Stil  nach  rertchiedene  Schulrichtangen  Tertreteo 
nnd  nicht  den  charakteristischen  Saalfelder  Stil  verraten,  auch  diejenigen 
nicht,  welche  nachweislich  in  Saalfeld  selbst  angefertigt  sind.  Ich  wieder- 
hole dies  aus  meinem  damaligen  Aufsati  S.  505,  809,  310  gegenfiber 
miATerstftndlichen  Auffassongen,  so  der  einer  mir  eben  (bei  dem  Korrektur- 
lesen obiger,  schon  Tor  längerer  Zeit  niedergeschriebener  Angaben)  la- 
gfskommenen  Schrift  Ton  Herrn  Pfarrer  Dr.  Bergner,  Neue  Untersaebnngen 
fib.  d.  Ban-  n.  Knnstdenkm.  Thüringens,  Amtsbes.  Kahla,  in  dem  mir 
vorliegenden  Sonderabdrnck  ans  dem  Kahla-Rodaischen  Vereinsmitteilungen, 
S.  18.  Die  ebendort  von  ihm  nach  Kirchrechnnngen  gegebenen  Mit- 
teilungen Über  die  Herstellung  der  OienstAdter  Altartafel  in  Saalleld 
1610—1618  bereichert  erfreulich  die  Kenntnis  von  jener  Werkstatt. 


Miszellen.  ggl 

ist  bei  mehreren  der  yon  mir  gesehenen  Altarwerke  die 
Tollendnng  der  Oemälde  und  somit  des  Oanzen  aus  stilisti- 
schen Gründen  etwas  später  (oder  Ton  weiter  in  der  Henais- 
•anoe  -  Richtung  Torgeschrittenen  Künstlern  ?)  anzusetzen. 
Immerhin  dürfte  aber  die  auf  dem  Altar  angegebene  Zeit 
sich  einstweilen  genügend  für  uns  mit  der  Herstellungszeit 
des  Ganzen  decken;  ferner  dürfte,  auch  bei  Annahme  ver- 
schiedener Hände,  die  Besorgung  des  ganzen  Altarwerkes  in 
die  Hand  desselben  Meisters  gelegt  worden  sein  (wie  wir 
dies  von  dem  Maler  Woblgemuth  wissen). 

Somit  ist  es  gewifs  für  Thüringen  wenigstens  von  hohem 
Interesse,  den  Namen  des  oder  eines  solchen  Werkstatt- 
meisters  zu  kennen,  womöglich  seinen  Lehr-  und  Lebensgang 
zu  verfolgen.  Zu  meiner  grofsen  Freude  sah  ich  im  Schlosse 
zu  Eudolstadt  1891  ein  aus  der  Kirche  zu  Wüllersleben  (in 
demselben  Fürstentum)  stammendes,  in  den  Besitz  des  Staats- 
ministers von  Berirab  gekommenes  und  von  diesem  dem 
Fürsten  von  Kudolstadt  vermaohtes  Altarwerk,  welches  ebenso 
kennzeichnend  für  die  Saalfelder  Art,  als  an  sich  wertvoll  ist. 
Dies   trägt   die  Aufschrift:    'XnnO  tflf  jn^^Hj  COtipleta  eft 

lj>ec  tfyabvla  feria  fcba  (secunda)  pofl  canrare  .  facta 
e  (est)  in  0aluelc  per  valitin^  lenbefhreic^.  Also  Va- 
lentin Lendestreich  (jedenfalls  Lendenstreich)  hiefs  der  oder 
einer  der  hervorragenden  Meister  der  Werkstatt! 

Es  ist  der  Mühe  wert,  möglichst  diesem  Meister  nach- 
zugehen. Meine  dahin  zielende  Bitte  an  die  hohen  thürin- 
gischen Ministerien,  in  den  in  ihren  Ländern  befindlichen 
Urkundensammlungen  gelegentliche  Nachforschung  halten 
lassen  zu  wollen,  ist  bereits  von  einigem  Erfolg  begleitet' 
gewesen.  Am  nächsten  lag  es,  in  Saalfeld  selber  nachzu- 
spüren. In  einem  von  Koch  veröffentlichten  Aufruf  im  Saal- 
fblder  Schulprogramm  1878,  welcher  Angaben  über  alte  Saal- 
felder Familiennamen  enthält,  findet  sich  S.  7  die  Angabe: 
Yalten  Lendenstreichs  Witwe  erwähnt  im  Saalfelder  Erbb'uch 
von  1507.  Es  ist  wohl  zweifellos,  dafs  der  verstorbene  Gatte 
dieser  Witwe    derselbe   ist,    wie   der  Valentin    Lendenstreioh 

4a* 


ßg2  Missellen. 

(oder  LeDdestreioh,  auf  die  ungenaue  Schreibweise  kommt  es 
in  jenen  Zeiten  nicht  an),  der  das  WüUerslebener  Altarweik 
oder  wenigstens  dessen  Gemälde  su  Saalfeld  yerfertigte.  Es 
wäre  gezwungen,  wenn  man  neben  dem  verstorbenen  Gatten 
der  Witwe  y,LendenstreicV  noch  einen  gleichzeitigen  Saal- 
felder Lendenstreioh  mit  dem  gleichen  Taufnamen  Valentin 
annehmen  wollte,  unser  Lendenstreioh  mufs  also  in  der 
That  im  Jahre  1503  in  Saalfeld  gewohnt  haben  und  zwischen 
1503  und  1507  gestorben  sein.  Herr  Professor  Koch,  jetzt 
in  Meiningen,  hat  aber  aufser  jener  Ton  ihm  yeröffentlichten 
Angabe  noch  einen  Auszug  aus  dem  Brbbuch  Ton  1507  an- 
gefertigt und  hatte  die  Freundlichkeit,  mir  daraus  und  dar- 
über folgendes  mitzuteilen.  Die  Witwe  Valentin  Lenden- 
streichs besafs  das  Bürgerrecht  und  zwei  Häuser  im  damaligen 
ersten  Viertel  der  Stadt  Saalfeld.  Zweifelsohne  gehörten 
diese  Grundstücke  einst  auch  ihrem  Gatten,  und  es  ist  somit 
der  Schlufs  berechtigt,  dafs  Valentin  Lendenstreioh  selbst  zu 
Saalfeld  begütert  und  Bürger  war.  Lendenstreioh  kann  also 
mit  Recht  nicht  als  ein  nur  yorübergehend  in  der  Saalfelder 
Werkstatt  beschäftigter  Gehilfe,  sondern  als  ein  Künstler  an- 
gesehen werden,  der  zu  Saalfeld  mit  Grundeigentum  an- 
gesessen war  und  wohl  längere  Zeit  dort  in  guten  Verhält- 
nissen wohnte. 

Weitere  Spuren  über  den  Meister  und  die  Seinigen  haben 
sich  bisher  in  Saalfeld  nicht  gefunden.  Dagegen  ist  der 
Familienname  als  ein  echt  thüringischer  zu  betrachten,  der 
zumal  in  Jena  seit  dem  Mittelalter  heimisch  ist  Bereits 
1353  wurde  ein  Heintz  Lendenstreioh  mit  einem  Weinberg 
am  Burgwege  zu  Jena  vom  Kloster  Oberweimar  belehnt^). 
Im  16.  Jahrhundert  stand  diese  Familie  in  gutem  Ansehen, 
und  versahen  ihre  Glieder  verschiedene  wichtige  Aemter. 
Im  Jahre  1522  (22.  September)  wird  Johann  Lendenstreich 
als  Siegler  und  Richter  in  Jena  genannt  (Diese  Mitteilung 
verdanke   ich  der  Herzoglichen  Archivverwaltung  in  Coburg, 


1)  Martin,  Urkuodenbuch  v.  Jena,  I,  S.  515,  Nachtr.  No.  1. 


Miszellen.  Qg3 

welche  sie  yod  dem  OermaDiBohen  Museam  in  Nürnberg  in 
Erfahrung  gebracht  hatte.)  Oewifs  gehört  derselben  Familie 
der  mit  dem  gleichen  Vornamen  Johann,  wenn  auch  nach 
damaliger  ungenaaer  Art  Landenstreich  geschriebene  Jenenser 
an,  welcher  1557  zusammen  mit  dem  Herzoglich  weimarischeu 
AmtsBchösser ,  also  wohl  als  städtischer  Beigeordneter  die 
Reohnungs-  und  Zahlungsgesohäfte  bei  dem  umbau  des 
Pauli nerklosters  zur  UniTersität  hatte  ^). 

Es  liegt  nahe  genug,  bei  diesem  Johann  Lendenstreich 
an  den  berühmten  Künstler  zu  denken,  der  den  gleichen 
Vornamen  und  den  so  ganz  ähnlich  klingenden  Nachnamen 
Lendenstrauch  hatte.  Es  ist  nicht  ausgeschlossen,  dafs  hier 
ein  Familienzusammenhang  vorliegt.  Dafs  in  der  Schreib- 
weise eines  und  desselben  Familiennamens  bis  in  das  17.  Jahr- 
hundert weit  gröfsere  Abweichungen  als  zwischen  Landen- 
streich und  Lendenstrauoh  yorkommen,  wird  jeder  bestätigen, 
der  sich  mit  solchen  Fragen  beschäftigt^).  Johann  Lenden- 
strauch gofs  um  1572  für  das  Grabmal  des  Kaisers  Maxi- 
milian in  der  Hofkirche  zu  Innsbruck  die  vier  Erzgestalten 
der  Kardinaltugenden,  welche  auf  den  Ecken  des  Sarko- 
phages  sitzen.  Er  hatte  auch  die  auf  dem  Sarkophag 
knieende  Figur  des  Kaisers  selbst  giefsen  sollen,  doch  wurde 
für  diese  1582  ein  Italiener  berufen.  Lübke^)  ist  der 
Ansicht,  dafs  Lendenstrauch  und  der  Italiener  nur  die  Giefser 
gewesen  seien,  die  eigentliche  Erfindung  aber  auf  Alexander 
Colins  zurückzuführen  sei.  Wie  wir  aus  der  Thätigkeit 
Peter  Vischers  u.  a.  wissen,  ist  es  schwer,  den  eigenen  An- 
teil des  Giefsers  an  der  Kunstschöpfung  festzustellen.  Jeden- 
falls spielte  der  Bildgiefser  im  16.  Jahrhundert  eine  be- 
deutendere Rolle  gegenüber  dem  Zeichner  oder  Modelleur, 
als  jetzt,  und  jedenfalls  gehören  die  Figuren  der  Kardinal- 
tugenden, wie  des  Kaisers  Standbild  zu  den  edelsten  Werken 


1)  Burkhardt  in  Thttring.  Vereins-Zeitschr.,  IV,  S.  232. 
2;  Lotz  nennt  ihn  sogar  Lendenstreicb,  nach  Primisse r. 
3;  Lübke,  Gesch.  d.  Plastik,  II,  S.  7T3. 


g^  Missellen. 

jener  Zeit,  deutsche  treue  Art  yerratend,  welche  tod  italie- 
nischer Schulung  gröfsere  Feinheit  ohne  deren  Uebertriebea- 
heit  gewonnen  hatte.  Die  Annahme  ist  also  Terlockend, 
dafs  der  Efinstler  oder  der  wenigstens  dem  Eunsthandwerk 
angehörende  Johann  Lendenstrauch  einen  Familiensusammen- 
hang  mit  der  jeuaisohen  Familie,  yielleicht  auch  mit  jenem 
Künstler  hatte,  der  zwei  Oenerationen  vorher  in  Saalfeld 
ansässig  war.  Ich  weifs  freilich  nur,  dafs  Lendenstrauch 
1570  Ton  München  nach  Innsbruck  kam;  wann  und  wie  er 
nach  Mtinchen  gekommen  war,  weifs  ich  nicht.  War  es 
Tielleicht  durch  Freundes  Vermittelung,  dafs  er  nach  Inns- 
bruck berufen  ward?  Der  Baumeister,  welcher  1558 — 1568 
die  Hofkirche  baute,  um  sie  als  herrlichsten  Schmuck  jenes 
Kaiser-Grabmal  aufnehmen  zu  lassen,  hiefiB  Nikolaus  Thnring. 
Er  war  also  zweifellos  ein  Thüringer,  Meister  Nikolaus. 

Am  anziehendsten  in  der  Kunstgeschichte  ist  es  für  uns, 
den  Zusammenhang  und  das  gegenseitige  Verhältnis  der  ein- 
zelnen Künstler  und  ihrer  Werke  zu  verfolgen,  die  Lücken, 
welche  sich  zwischen  den  Einzelerscheinungen  finden,  aus- 
zufüllen. Eine  besondere  Freude  wird  es  für  mich  sein, 
wenn  die  hier  gegebenen  Andeutungen  die  Ortsgelehrten  und 
Archivkundigen  zu  weiteren  Forschungen  und  Mitteilungen 
über  Valentin  Lendenstreich  und  seine  Familie,  über  seine 
Herkunft  und  seinen  Studiengang  und  somit  über  die  Stellung 
der  Saalfelder  Kunstwerkstatt  veranlassen. 


lieber  den  Glookennamen  Suaanna. 

Von  Professor  Dr.  P.  L  e  h  f  e  1  d  t 

Viele  Glocken,  namentlich  in  Mitteldeutschland,  werden 
der  Ueberlieferung  nach  als  auf  den  Namen  Susanna 
lautend  bezeichnet.  Nichts  giebt  dazu  Anlafs,  am  wenigsten 
etwa    die    biblische   Susanna.     Glocken  wurden    nur  auf   den 


Misselien.  (gg5 

Namen  Dentestamentlioher  oder  noch  späterer  Heiliger  ge- 
tauft. Aber  die  üeberliefening  SusanDa  selbst  steht  atif 
durchaus  unsicheren  Füfsen.  Die  bekannteste  sogenanmte 
Susanna  ist  wohl  die  grofse  Glocke  im  Dom  zu  Erfurt,  die 
im  Yolksmunde  immer  noch  so  heifst.  In  Wirklichkeit  heilet 
diese  1497  gegossene  Glocke  Gloriosa.  Die  Yerwechselang 
kommt  nach  y.  Tetiau  ^)  Ton  einer  gleichzeitig  gegossenen, 
im  Brande  1717  zusammengeschmolzenen  Glocke  her^), 
welche  Osanna  geheifsen  habe. 

In  Tuttendorf  im  Königreich  Sachsen  befindet  sich 
eine  Glocke  mit  undeutlicher  Inschrift,  welche  Ton  Steche^) 
genau  wiedergegeben  ist.  Sommer  las  hier  den  Anfangt): 
Ave  Susanna  etc.,  Pastor  Dr.  Johnson :  Anno  Domini 
etc.,  Otte,  der  zu  Rate  gezogen  war:  AM  {==  Are  Maria) 
Susanna  etc.,  wobei  er  freilich  teilweise  ümkehrung  und 
Spiegelschrift  annehmen  mufste.  Mir  erscheinen  die  6  Ton 
Sommer  und  Otte  als  Susanna  genommenen  Buchstaben  als 
zwei  durch  einen  Funkt  getrennte  Worte,  welche  ich  als: 
SOTA  .  ANN.,  also  als  Sancta  Anna  lese,  einen  sehr  häu- 
figen Gloekennamen.  Doch  dies  nur  nebenbei.  Wichtig  itrt; 
mir  nur,  dafs  Otte  seine  Erklärung  seibat  nur  als  Vermutung 
hinstellt,  dabei  aber  andeutet,  dafs  der  Name  Susanna  in 
Glockensagen  und  Glockeninschriften  wahrscheinlich  aus  der 
Korruption  Yon  Osanna  entstanden  sei.  Er  nimmt  also,  wie 
Tettau,  ein  Mifsyerständnis  an,  entfernt  sich  aber  von  dem 
richtigen  Wege,  indem  er  die  Unkenntnis  auf  den  Glocken- 
giefser  anstatt  auf  die  der  Schrift  unkundigen  oder  oberfläch- 
lichen Leser  schiebt.  Gerade  die  Leser  scheinen  aber  die  Schuld 


1)  Bau-  Q.  KuDStdenkinftler  der  Prorins  SachseOf  ZIII,  Stadt  Erfurt, 
8.  108  u.  Anm. 

2)  Nach  Otte,  Olockenknnde ,  war  jene  Glocke  weit  ttlter,  hie& 
Maria  Clara  Snsanna  (gans  unmögliche  Zusammenstellung)  und  ging  im 
Brande  1472  su  Grunde. 

3)  Bau-  u.  KunstdenkmMer  d.  KÖnigr.  Sachsen,  III,  Amtshauptm. 
Freiberg,  S.  122. 

4)  Anseiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorieit,  1861,  No.  5. 


666  MisteUen 

sa  tragen,  und  in  gewisBem  Sinne  spielte  das  Wort  0  s  a  n  n  a 
nnr  mit  hinein.  Der  dumpfe  Klang  des  Glockengeläutes  bot 
dem  Yolksmunde  dafür  Nahrung;  verstärkt  wird  diese  Ver- 
mutung darch  die  ebenfislls  von  Otte  in  seiner  Olockenkunde 
wiedergegeben e  Sage,  wonach  eine  Olooke  selber  ein  schwaches 
Getön  hören  liefs,  das  wie  Anna  Susanna  etc.  den 
Hörern  zutönte.  Ist  doch  auch  dies  begreiflich,  denn  der 
Freudenruf:  Osanna,  Hosianna  geht  selber  auf  ein  dem  Nator- 
lant  der  Volksmenge  abgelauschtes  Wort  zurück.  Dafs  sich 
aber  mit  dem  Klang  0  s  a  n  n  a  auch  der  Name  S  u  s  a  n  n  a 
yermischte,  hängt  in  folgender  Verbindung  zusammen,  welche 
mir  auf  meinen  thüringischen  Wanderungen  erklärlieh  wurde. 
Hier  wurde  mir  öfter  Ton  Einheimischen  ihre  Kirchenglocke 
als  eine  solche  bezeichnet,  auf  welcher  Susanna  stände; 
in  Reinstädt  (Sachsen -Altenburg,  Westkreis)  sogar  mit  dem 
Zusatz :  Die  ersten  Worte  der  Inschrift  unserer  groben  Glocke 
lauten:  nomen  Susanna.  Freilich  beifst  das  erste  Wort 
nach  der  Jahreszahl :  n  o  n  m  e ,  was  also  sehr  gut  bei  flüch- 
tiger Lesung  oder  bei  Verdacht  eines  schriftunkundigen 
Giefsers  für  nomen  gehalten  werden  kann,  das  zweite  Wort 
aber  deutlich:  fbfatina.  Damit  begnügten  sich  dann  die 
Leser,  und  so  wird  es  wohl  an  vielen  Orten,  zumal  in 
früheren  Zeiten  stets  der  Fall  gewesen  sein.  Bei  genauerer 
Besichtigung  jedoch  ergiebt  sich,  dafs  über  dem  b  von 
sbsanna  das  Zeichen:  ^,  also  eines  noch  hinzuzufügenden 
Buchstabens  steht,  und  dieser  Buchstabe  mnfe  ein  v  sein, 
denn  die  ganze  Inschrift  lautet:  non  me  sbsanna  (subsanna, 
spotte  nicht  meiner),  cum  sit  mihi  nomen  osanna. 

So  ist  wohl  die  Entstehung  des  sinnlosen  Glockennamens 
Susanna  am  einfachsten  zu  denken.  Ich  habe  diese  Er- 
klärung bei  Gelegenheit  der  Veröffentlich  an  g  der  Bau-  und 
Kunstdenkmäler  des  altenburgischen  Westkreises  angedeutet, 
glaube  jedoch  Lesern  weiterer  Kreise,  welche  sich  mit  solchen 
Fragen  beschäftigen,  durch  eine  etwas  eingehendere  Er- 
örterung, als  dort  geboten  war,  einen  kleinen  Dienst  er- 
weisen zu  können. 


Miszellen.  ggj 


Die  Herren  und  Bitter  von  Gtora. 

Von  Dr.  Berthold  Schmidt. 

Es  ist  auffallend,  wie  dürftig  bis  ins  13.  Jahrhundert 
hinauf  die  Nachrichten  über  Gera  und  das  zugehörige  Gebiet 
sind,  während  doch  für  die  ganz  ostwärts  belegene  Mark 
Meifsen  in  derselben  Zeit  die  Quellen  weit  reichlicher  fliefsen. 
Die  Gründe  dafür  mögen  wohl  einmal  darin  liegen,  dafs  sich 
der  eigentliche  Entscheidungskampf  zwischen  Germanen  und 
Slaven  eben  dort  in  Meifsen  abspielte.  Dann  aber  war  auch 
das  Elsterthal  für  die  Kolonisation  besonders  ungünstig,  weil 
seine  leichte  Zugänglichkeit  von  Böhmen  her  immer  wieder  die 
Bache-  und  Beutezüge  der  Slaven  in  diesen  Landstrich  lenkte. 

Entschieden  älter  als  Gera  selbst  ist  der  nahe  dabei  ge- 
legene Ort  Cuba,  sicher  slavischen  Ursprungs  und  bereits 
976  als  im  Gau  Puonzowa  liegend  bezeugt.  Er  wurde  damals 
Tom  Kaiser  Otto  II.  dem  Zeitzer  Bistum  geschenkt  und  mufs 
hart  an  der  Grenze  des  verschenkten  Landstriches  gelegen 
haben  ^).  Dann  verlieh  999  Otto  III.  seiner  Schwester  Adel- 
haid  als  Aebtissin  zu  Quedlinburg  das  Land  Gera  (quandam 
provintiam  Gera  dictam)  mit  allem  Zubehör  zu  freiem  Be- 
sitz *),  doch  schon  einige  Jahre  früher  (995)  erscheint  der 
Name  Gera  urkundlich  in  einer  Grenzbeschreibung  des  Burg- 
wards  Crossen  ^). 

Der  Name  Gera  ist  bisher  sehr  verschieden  erklärt 
worden.  Abgesehen  von  der  unzweifelhaft  falschen  Ab- 
leitung   aus    dem    Keltischen    (caer   =   Stadt)  ^)    liegen    zu- 


1)  Cod.  diplom.  Sazon.  re|^.  I,  1,   No.  22.  —  Dobenecker,  Regesta 
diplomatica  necnon  epistolaria  historiae  Thuringiae,  No.  485. 

2)  Dobenecker  a.  a.  O    No.  588. 

3)  —  et  de  eadem  via  versus  austrum  universa  sant  ecclesie  (Zeitz) 
nsqae  ad  tenninum  Gera.  —  Dobenecker  a.  a.  O.  No.  572. 

4)  OberiDfiUer,    Keltisches    Wörterbuch;    s.   Brückner,    Volks-    und 
Landeskunde  des  Fürstentums  Reufs  j.  L.,  S.  442  Anm. 


668  MlsielUn. 

DäohBt  zwei  aus  dem  Slavisohen  vor.  Nach  der  einen  An* 
nähme  soll  Oera  vom  slavisohen  gora  =»  Berg,  nach  der  an* 
deren  vom  Stamme  ker  =»  Strauch  den  Namen  haben  ^). 
Aufserdem  findet  sich  noch  eine  deutsche  Ableitung  vom  Worte 
g^r  =  Speer,  wonach  Oera  soviel  wie  Speerau,  Heeresau, 
Kriegerau  bedeuten  soll.  Ich  habe  nun  schon  anderswo 
darauf  aufmerksam  gemacht,  dafs  es  noch  eine  ganze  Reihe 
von  Gera  oder  Oerau  (so  das  Flüfsohen  die  wilde  Gera  bei 
Erfurt)  in  durchaus  deutschen  Gebieten  giebt,  und  habe  ferner 
hervorgehoben,  daTs  die  älteren  Formen  des  Namens  neben 
Oera  auch  Geraha  lauten,  also  in  der  Endung  unzweifelhaft 
das  deutsche  aha  (Ache  =  Wasser)  aufweisen  ^).  So  ist  der 
Name  denn  offenbar  deutschen  Ursprungs  und  vielleicht  auf 
die  bekannte  Vorliebe  aller  Einwanderer  zurückzuführen, 
die  heimatlichen  Namen  in  die  neuen  Wohnsitze  zu  über- 
tragen. 

Gera  tritt  uns  also  zunächst  nur  als  Name  eines  Ge- 
bietes oder  Gaues  entgegen,  wird  dann  aber  erst  1121  wieder 
als  solcher  urkundlich  erwähnt,  indem  damals  das  Kloster 
Bosau  vom  Naumburger  Bischof  Einkünfte  aus  dem  Gau  be- 
stätigt erhielt^).  Welche  Schicksale  inzwischen  der  Gau 
oder  sein  gleichnamiger  Ort  hatten,  läfst  sich  nur  mutmafsen. 
Nun  giebt  es  eine  gewisse  Sage,  wonach  Gera  982  vom 
wendischen  Herzog  Miesko  zerstört  und  1086  von  dem  be- 
kannten Wiprecbt  von  Groitzsch  wieder  auferbaut  sein  soll*). 
Diese  Sage  ist  offenbar  arg  entstellt  Zunächst  ist  hier  wohl 
der  grofse  Beutezug  gemeint,  den  bald  nach  1030  der  Polen- 


1)  Limmer,  Geschichte  des  VogtUndes,  I,  8.  61.  —  Reichl,  Sorbische 
NachklilDge  im  reuMschen  Unterlande,  S.  65.  —  Vergl.  dasa  meinen 
Aufsatz  in  der  Geraer  Zeitung  1898,  Beil.  za  No.  195  (Ang.  20). 

2)  Geraer  Zeitung  a.  a.  O.  —  Auf  meine  dortige  Erklftning  ans 
garo  und  aha  (Grofs-,  Hochwasser)  lege  ich  keinen  Wert  mehr. 

3)  Alberti,  Urkundensammlg.  zur  Gesch.  der  Herrschaft  Gera,  8.  25. 

4)  Zopf,  Reuft  Gerauische  Stadt-  n.  Landchronika  etc.  (1692),  II, 
S.  1.  —  Kluts,  Beschreibung  der  Stadt  u.  Herrsch.  Gera  (1816),  8.  128.  — 
Brückner  a.  a.  O.  S.  442. 


Miszellen. 

henog  Misico  in  das  Land  zwischen  Elbe  und  Saale  aus- 
führte. Dann  hat  allerdings  im  Anfang  des  13.  Jahrhunderts 
Wiprecht  7on  Oroitssch  die  Zeitzer  Grafschaft  vom  Orafen 
Udo  II.  von  Stade  gegen  sein  in  der  Nordmark  belegenes 
Balsamerland  eingetauscht  und  war  damit  auch  jedenfallB 
Machthaber  des  Geraer  Gebietes  geworden  ^).  Als  Wiprecht 
1113  vom  Kaiser  gefangen  wurde,  ist  die  Grafschaft  Zeitz 
«erschlagen  und  an  die  Nachbarn  (Thüringen,  Naumburg  und 
andere)  ausgeteilt  worden.  Bei  dieser  Gelegenheit  mag  denn 
auch  Quedlinburg  sein  altes  Anrecht  an  Gera  wieder  geltend 
gemacht  haben;  denn  erst  seitdem  finden  sich  wieder  deut- 
liche Spuren  seiner  Herrschaft  daselbst 

Nachdem  nämlich  schon  1125  ein  Luph  von  Gera  als 
Zeuge  einer  zu  Erfurt  ausgestellten  Urkunde  des  Erzbischofs 
Albert  von  Mainz  vorkommt^),  erscheint  in  einer  solchen 
der  Aebtissin  Beatrix  von  Quedlinburg  aus  den  Jahren  1147 
bis  1149  ein  Sibertus  de  Gera.  Bei  dieser  Erwähnung  ist 
noch  zweifelhaft,  ob  Sibert  unter  die  nobiles  oder  die  Ministe- 
rialen zu  rechnen  igt*). 

Ferner  gehört  auch  wohl  zur  Familie  von  Gera  ein 
dominus  Ludoldus,  der  in  einer  Quedlinburger  Urkunde  aus 
dem  Ende  des  12.  Jahrhunderts  vorkommt.  In  erwähnter 
Urkunde  bezeugt  die  Aebtissin  Agnes  von  Quedlinburg,    dafs 


1)  Ck)d.  dipl.  Sax.  reg.  I,  1,  S.  50,  108  u.  135. 

S)  Alberti  a.  a.  O.  S.  30,  wo  vermutet  wird,  dafs  dieser  Laph  von 
Gera  mit  dem  spectabilis  miles  Lavo  identisch  ist,  den  Wiprecht  llOi 
wegen  des  Klosters  Pegan  als  Abgesandten  zu  Papst  Paschalis  schickt; 
8.  a.  Cod.  dipl.  Saxon.  reg.  I,  2,  No.  8. 

3)  In  der  Zeugenreihe  heifst  es  nämlich  Poppo  comes,  Wilhelmus 
de  Qaerenbeke,  Sibertus  de  G«ra  ministeriales  Oevehardus  de  Derne- 
burch  etc.,  wobei  es  »ich  also  fragt,  ob  das  ministeriales  auf  die  vorauf- 
gehenden oder  nachfolgenden  Zeugen  zu  beziehen  ist.  Alberti  (a.  a.  O. 
8.  31)  will  dann  diesen  Sibert  von  Gera  mit  einem  1146  vorkommenden 
Maumburger  Ministerialen  Sigibertus  de  Robin  (Roben  1  Meile  nordwestl 
von  Gera)  identifizieren,  doch  mufs  letzterer  einer  anderen  Familie  an- 
gehört haben,  da  noch  um  1190  ein  Lupertus  de  Robin  vorkommt; 
s.  Cod.  diplom.  Sax.  reg.  II,  2,  No.  192  u.  553. 


670  Missellen. 

68,  sobald  Bie  zu  ihrer  Würde  gekommen  sei,  ihr  eifrigstee 
Bestreben  gewesen  sei,  die  ihrem  Stifte  entfremdeten  Güter 
und  Einkünfte  zurftckzaerwerben.  Darunter  finden  aieh 
in  Gera  allodium  viginti  sex  marcis»  —  quod  exposuerat 
dominus  Ladoldus  domino  Gonrado  eiusdem  ville  plebano  et 
molendinum  quinque  marcis.  Insuper  dedimus  (die  Aebtissin) 
heredibuB  eiusdem  Ludoldi  duodecim  marcas  pro  pastiforio 
et  riginti  marcas,  ut  omnibus  bis  bonis  rennnciarent.  Da 
Aebtissin  Agnes,  eine  Tochter  des  Markgrafen  Konrad  von 
Meifsen,  von  1183 — 1203  regierte,  so  könnte  der  Rückkauf 
der  Geraer  Güter  schon  in  die  erste  Zeit  ihrer  Amtsfubrang 
fallen.  Der  Ludoldus  war  aber  sicher  schon  tot,  da  von 
seinen  Erben  die  Rede  ist,  und  ist  also  wahrscheinlich  mit 
dem   1125  genannten  Luph  von  Gera  identisch. 

Dann  erscheinen  die  von  Gera  noch  in  zwei  ungedrnckten 
Urkunden,  von  denen  eine  als  Original  im  Landesarchiv  zu 
Alten  bürg,  die  andere  als  Abschrift  in  einem  Gothaer  Mann- 
skript Yorhanden  ist  ^). 

Die  erste  derselben  ist  ohne  Datierung,  kann  aber  zeit- 
lich von  der  zweiten  aus  dem  Jahre  1204,  wo  die  Be- 
stätigung des  Diöcesan  zu  ihrem  Inhalt  erfolgte,  nicht  weit 
entfernt  liegen. 

Mit  ihr  erteilt  Gerhard,  Propst  des  Marienklosters  zu 
Altenburg  (des  sogen.  Bergerklosters),  dem  Herrn  (domino) 
Thuto  von  Gera  und  seiner  Gemahlin  Hazche  (wohl  Ab- 
kürzung für  Hadewig)  für  eine  Zuwendung  von  60  Mark  die 
Brüderschaft  seines  Klosters  und  verspricht  ihnen  die  Ab- 
haltung von  sechs  wöchentlichen  Seelenmessen  für  sie  und 
ihre  Freunde  in  der  St.  Michaeliskapelle,  sowie  Wohnung 
und  gewisse  Einkünfte  aus  Landgütern  im  Dorfe  Kotteritz, 
welche  das  Kloster  für  solche  50  Mark  gekauft  hat,  doch 
Bollen  Thuto  und  Gemahlin  dem  Kloster  hierfür  und  für  ihre 
Jahrgedächtnisse  noch  40  Mark  nachzahlen.  Sollte  sich  end- 
lich Hazche  nach  dem  Tode  ihres  Gatten  wieder  vermählen, 
erhält  sie  keine  Präbende  mehr. 


1)  S.  Beilagen  A  o.  B. 


Mitzellen.  Q'Jl 

Die  zweite  Urkunde  aus  dem  Jahre  1204  ist  von  Bischof 
Berthold  IL  von  Naumburg  ausgestellt«  In  ihrem  ersten 
Teil  bestätigt  er  die  Schenkung  des  Thuto  von  90  Mark  an 
das  Kloster,  wobei  bemerkt  ist,  dafs  für  das  Geld  3  Hufen 
in  Eotteritz  und  6  in  Oöldschen  (Eodelschen) ,  letztere  von 
einem  Bitter  Volrad  gekauft  bind.  Weiterhin  wird  berichtet, 
dafs  auch  genannter  Yolrad  dem  Kloster  eine  siebente  Hufe 
in  Göldschen,  und  zwar  auf  Wunsch  des  Thuto,  ebenfalls  der 
8t.  Miohaeliskapelle  übertragen  habe.  Im  dritten  Teile  be- 
stätigt der  Bischof  dem  Kloster  noch  eine  weitere  Hufe  in 
Oöldschen,  die  es  vom  Bitter  Heinrich  von  Dobitsohen 
(Doberschen)  für  Eximierung  seiner  Kapelle  zu  Dobitschen 
von  der  Pfarre  in  Mehna  (Minowe)  erworben  hatte  ^).  Der 
letzte  Teil  der  Urkunde  endlich  behandelt  die  Schenkung 
des  Ritter  Lufried  von  Kehren  (Korun)  von  6  Hufen  in 
Zschemitz  (Schirnz),  über  welche  Schenkungen  auch  sonst 
noch  Urkunden  von  1199  und  1206  vorhanden  sind  ^).  Für 
unsere  Betrachtung  haben  nur  die  beiden  ersten  Teile  dieser 
Bestätigungsurkunde  Interesse. 

Aus  den  Nachrichten  über  Thuto  und  Hazche  von  Gera 
geht  nun  einmal  hervor,  dafs  beide  ohne  Nachkommen  ge- 
wesen sein  müssen,  weil  nicht  ihre  Erben,  sondern  nur 
amici  erwähnt  werden.  Es  läfst  sich  femer  annehmen,  dafs 
Hazche  uoch  nicht  sehr  alt  war,  da  ihre  Wiedervermählung 
als  möglich  betrachtet  wird.  Damit  hört  aber  auch  die 
ganze  historische  Ausbeute  der  beiden  Urkunden  in  Bezug 
auf  die  genannten  Personen  auf.  Alles  übrige  läfst  sich  nur 
vermuten. 

Zunächst  gehört  Thuto  wohl  derselben  Familie  von  Gera 
an,  wie  die  früher  erwähnten  Ludolf  (Luph)  und  Sigibert 
(Sibert).     Vielleicht  haben  wir  es  hier  mit  Vater,    Sohn  und 


1)  Eine  besondere  Urkunde  des  Bischofs  über  diese  Ezimierong 
von  1204,  oflfenbar  gleichzeitig  mit  der  hier  erwfthnten  ausgestelJt,  Andet 
sich  bei  Schnltes,  Director.  diplom.  II,  S.  424. 

2)  Mitteil,  der  Geschichts-  und  altertumsforsch.  Gesellschaft  des 
Osterlandes,  VIII,  S.  187  ff. 


072  Misiellen. 

Enkel  zu  thun.  Sicher  entscheiden  läfet  eich  dann  nicht,  ob 
die  Familie  ursprünglich  nobilis  war  oder  ob  sie  Quedlin- 
burger Ministerialen  waren,  die  in  Gera  als  StiftsTÖgte  safsen 
und  sich  dann  zum  Schaden  des  Stiftes  zu  selbständigen 
Maohthabern  emporarbeiteten.  Das  wenigstens  könnte  man 
aus  der  Nachricht  der  yon  Aebtissin  Agnes  erlassenen  Ur- 
kunde ^)  schiieXsen,  wonach  Ludolf  von  den  Qütem  des  Stiftes 
ein  Allod  und  eine  Mühle  in  Oera  veräufsert  hatte. 

Femer  möchte  ich  annehmen,  dafs  die  Burg  Oera  auf 
dem  Hainberge  (der  heutige  Osterstein)  ron  eben  dieser 
Familie  erbaut  wurde,  um  dem  Stifte  gegenüber  selbständiger 
auftreten  zu  können,  während  der  eigentliche  Sitz  der  Vogtei 
naturgemäfs  die  alte  grofse  Wasserburg  in  der  Stadt  war. 
Bben  diese  Bestrebungen  der  von  Gera,  die  vielleicht  frfther 
von  Wipreoht  von  Groitzsch  unterstützt  wurden,  hat  dann 
die  Quedlinburger  wohl  bewogen,  andere  Vögte  an  Stelle  der 
von  Gera  zu  setzen.  Das  wird  in  der  zweiten  Hälfte  des 
12.  Jahrhunderts  geschehen  sein,  und  die  neuen  Vögte  waren 
die  niedersächsischen  Herren  von  Weida.  Diese  mufsten 
sofort  in  einen  Kampf  mit  denen  von  Oera  geraten,  der  nur 
mit  dem  Weichen  der  einen  Partei  enden  konnte. 

So  ist  es  erklärlich,  dafs  Thuto  von  Gera,  nachdem  er 
entweder  der  Gewalt  weichen  mufste  oder  mit  Geld  abge- 
funden wurde,  und  weil  er  vielleicht  auch  ein  alter,  kinder- 
loser Mann  war,  es  vorzog,  den  Rest  seiner  Tage  als  Laien- 
bruder des  Altenburger  Klosters  zu  verbringen. 

Die  Herren  von  Weida  hatten  dann  allerdings  ebenfdls 
das  Bestrebeü,  sich  von  Quedlinburg  loszumachen,  so  dals 
dessen  Oberlehnshoheit  bald  ganz  wesenlos  wurde.  Als  sich 
ihr  Geschlecht  um  1288  in  mehrere  Linien  teilte,  legte  die 
zu  Gera  residierende  die  Bezeichnung  von  Weida  ab  und 
nannte  sich  Vögte  und  Herren  von  Gera. 

Wir  haben  dann  aber  noch  eine  andere  Familie  von 
Gera.    Dieselben  erscheinen  etwa  von  1224 — 1319.    Als  Vor- 

1)  S.  669. 


Misselleo.  673 

namen  kommen  bei  ihnen  Gerung,  Gottfried,  HeinTioh>  und 
Ludeger  tot,  während  die  Vögte  ausschliefslioh  Heinrich 
heifsen  ^).  Sie  waren  Bitter  und  oastellani  der  Vögte  toü 
Gera,  also  jedenfalls  Yasalien  derselben  und  yielleicht  fiurg- 
mannen  der  alten  Burg  auf  dem  Hainberge;  denn  die  Yögte 
scheinen  bis  1450  das  Schlofs  in  der  Stadt  bewohnt  zu 
haben  *). 

Endlich  findet  sich  noch  eine  dritte  Familie  von  Gera 
in  Steiermark  und  Eäruthen.  Sie  soll  mit  Petrus  und  seinem 
Sohne  Georg  von  Gera  1370  aus  Franken  hier  eingewandert 
und  das  Schlofs  Strafsfried  an  sich  gebraoht  haben.  Nach 
anderer  Nachricht  ist  1471  ein  Georg  von  Gera  vom  Bischof 
vom  Bamberg  sum  Statthalter  der  in  Kärnthen  liegenden 
Stift- Bambergisohen  Güter  ernannt  worden.  Noch  1486  war 
Andreas  von  Gera  fürstlich  bambergischer  Bat  und  Yizedom 
in  Kärnthen.  1590  wurden  seine  Erben  von  Kaiser  Bu- 
dolf  II.  in  den  Freiherrenstand  erhoben.  Bitter  Erasmus  von 
Gera  zu  Amsfeld  war  Kaiser  Ferdinands  I.  Hofkammer- 
präsident. Erst  in  der  zweiten  Hälfte  des  18.  Jahrhunderts 
scheint  das  Geschlecht  erloschen  zu  sein  ^).  Ihr  Wappeu 
bringt  Siebmacber  ^).  Es  hat  im  blauen  Schilde  einen  gol- 
denen Löwen  und  auf  dem  Helme  einen  goldenen  Bracken- 
kopf. Die  Vögte  von  Gera  haben  einen  goldenen  rotgekrönten 
Löwen  in  schwarzem  Felde  und  als  Helmkleinod  einen 
schwarz  und  silber  geteilten  Brackenkopf.  Letzteren  haben 
sie  wahrscheinlich  um  1370  von  den  Burggrafen  von  Nürn- 
berg angenommen^).  Hieraus  geht  hervor,  dafs  das  Wappen 
der  zuletzt  genannten  von  Gera   auch  wohl   erst   nach  dieser 


1)  Schmidt,  Urkundenb.  der  Vogt«  etc.,  I,  Regist,  S.  562. 

2)  Vergl.  meinen   Anfsats   in    der   Geraer   Zeitnng    1898,   Beil.  zu 
No.  207. 

8)  Gaohen,    (Genealogisch  -  tuBtorisches  Adelsiexikon  (Leipiig  1740)^ 
I,  S.  474. 

4)  Tentsches  Wappenbach,  II  (Nfirnberg  1665),  S.  85. 

5)  Festschr.  des  vogtl.  altertnmsforsch.  Vereins  su  Hohenlenben  sum 
25.  Begierungsjabiliom  des  FOrsten  Heinrich  XIV.,  1892,  8.  19. 


674  MUsdlien. 

Zeit  entstand.  Ob  dieselben  spurii  der  Yögte  yon  Gera  oder 
Nachkommen  der  Kastellansfamilie  von  Gera  waren,  müssen 
wir  dahingestellt  sein  lassen.  In  beiden  Fällen  konnte  wohl 
der  Umstand,  dafs  die  Yögte  von  Gera  auch  Besitcangen  im 
Bambergischen,  nämlich  einen  Anteil  der  Feste  Nordhalben, 
hatten  ^),  die  Uebersiedelung  der  Vorfahren  der  später  kärn- 
thischen  Familie  yon  Gera  nach  Ostfranken  zur  Folge  gehabt 
haben.  Eine  nähere  Untersuchung  über  den  Zusammenhang 
dieser  Familien  behalten  wir  uns  vor. 


Beilagen. 


A. 

In  nomine  lancte  et  individue  trinitatis  universis  Christi 
üdelibus  Gerhardus  Aldenburgensis  prepositus  in  perpetuum. 
Quia  diversas  rerum  mutationoe  fieri  oottidie  videmus,  ipsa 
quoque,  que  firmiter  yidentur,  coustantia  leyius,  quam  credi 
potesty  dissolvuntur,  expedit,  ut  ea,  que  citius  in  obliyionem 
venire  posaunt ,  prescriptorum  memoriam  firmitatis  robore, 
quautum  possunt,  solidentur.  Innotescat  igitur  omnibus 
tarn  futuris,  quam  presentibus,  quod  ego  Gerhardus  Alden- 
burgensis prepositus  ex  consensu  et  communi  fratrum  meorum 
consilio  domino  Thutooi  de  Gera  et  uxori  sue  domine  Hazche 
pleuam  frateruitatem ,  quam  inter  nos  habere  desiderabant, 
hoc  modo  donayi ,  quocienscumque  ad  nos  yenire  yoluerint» 
ut  talis  prebenda,  que  et  fratribus  datur,  sibi  sextis  tribua- 
tur.  Si  autem  plures  habere  secum  yoluerint,  illis  de  pro- 
prio proyideant.  Insuper  propter  diligentissimam  precum  ip- 
Borum  instantiam  communi  consilio  fratrum  meorum  statutum 
est,  ut  in  capella  beati  Michahelis  singulis  ebdomadis  sex 
misse   tres   pro   peccatis,    tres    pro    defunctis   celebrentur,   in 


1)  Schmidt,    Urkundenb.  der  Vögte  etc.,    1,    No.  972  u.  II,  RegUt., 
S.  697. 


Misi  eilen.  g75 

quibuB  ipsoTum  et  quorundam  amioorum  suorumy  quoB  nobis 
nominayerant ,  memoria  diligens  habeatur.  Dominus  vero 
Thuto  et  domiua  Hazcha  hao  fraternitate  et  gratia  susoepta 
quinquaginta  maroas,  quibus  praedia  in  rilla,  que  Coterdiz 
dioitar^  emimus  ecolesie,  nostre  contulerunt ,  qae  luibus  ec- 
olesie  totaliter  cedunt  Pro  bis  tarnen  quinquaginta  marois 
domino  Thutoni  et  domine  Hazche  edificia  quedam,  camina- 
tarn,  lobium  estaarium,  lapideam  domum,  in  qua  eorum  yio- 
tuaüa,  si  indigent,  reponantur,  pomerium  a  capella  sancti 
MichaheliB  usque  ad  sepem,  qua  pomerium  septum  est,  et 
usque  ad  foBsatum,  quod  idem  pomerium  terminat,  et  preben- 
dam  Bibi  Boxtis,  quamdiu  vivunt,  sicut  ante  dictum  est,  dona- 
vimuB.  DominuB  autem  Tbuto  et  domina  Haicha  pro  hac 
inpenBa  benefioii  adhuc  quadraginta  marcaB  eccleBie  Bolvere 
debent,  de  quibuB  eccleBia  predia  debet  comparare.  8ed  illa 
dominus  Thuto  et  domina  Hazcha,  quam  diu  yivunt,  ab  ec- 
olesia  debent  habere.  Sed  altero  quocunque  eorum  defuncto, 
alter  prebendam  Bibi  Bezto  aBBignatam  et  predia  quadraginta 
maroiB  comparata  debet,  quam  diu  viyit,  retinere  et  de  pre- 
diis  anniyerBarium  prius  defunoti  annuatim  debet  agere. 
Si  autem  dominus  Thuto  forte  prior  obierit,  domina  Hazcha^ 
nifli  Gaste  et  Bine  marito  vivere  voluerit,  niohil  in  prebenda 
neo  in  prediis  obtineat.  Post  obitum  vero  utriusque  eodesie 
oonfratreB  anniversarioB  amborum  annuatim  debent  solemp- 
niter  agere  et  de  prediis,  sicut  dominus  Thuto  et  domina 
Hazoha  constituerunt ,  quia  ad  firatrum  prebendam  redierunt, 
plenariam  refectionum  consolationem  debent  peroipere.  Ne 
autem  a  posteris  ecclesie  nostre  prepositis  et  fratribus  hoc 
possit  immutari,  presentem  paginam  inpressione  sigilli  nostri 
munitam  eis  conscripsimus. 

AoB  dem  Original -Perg.  des  herzogl  sftchs.  Landesarchivs  zu 
Altenburg,  Ürkd.-Yerz.  Li^  No.  19.  —  Am  Pergamentstreifen  hftngt 
das  stark  verdscbte  spitzovale  Siegel  des  Propstes.  —  An  der  linken 
Seite  der  ürkimde  steht  in  Minuskeln  das  halbdorchschnittene: 
CVBOGRAPHVM. 

XYa  44 


676  MbMii«. 

B>). 

In  nomine  domini  amen.  Bertöldus  seonndns  dei  gratia 
Nuenbnrgensis  episcopuB  univenis  ChriBti  fidelibns  pacem 
in  praesenti  et  gloriam  in  fatoro.  Ne  reram  bene  gestarum 
pereat  memoria,  consaeyit  eaa  humana  solertia  [authentico]  *) 
literarum  testimonio  perennare.  Igitor  omnibus  tarn  praesen- 
tibuB,  quam  futuriB  eTidentius  innoteBoat,  quod  nobilis 
homo  Thnto  de  Gera  et  yir  strennuB  et  uxor  Bua  domina 
Hazcha  in  fraternitatem  eooleBie  s.  Marie  yirginis  in  Alden- 
bnrg  et  in  commonioDem  inibi  domino  perpetuo  fSeimnlantiam 
80  dedentoB  pro  nonaginta  marois  argenti  contrazernnt  eocle- 
Biae  iam  diotae  novem  manBOB,  tres  yidelioet  in  yilla  Koter- 
dis  et  Bex  in  KodelBchen  oontraxeront  a  qnodam  milite  Yol- 
rado  nomine,  qui  YobraduB  unam  manBum  yidelioet  Beptimum 
pro  Be  ipBO  iam  diotae  eeoleeiae  oontulit,  qai  manBi  oam  om- 
niboB  appendioÜB  Buis  mediante  Providentia  yenerabiÜB  fratria 
nostri  Oerhardi  prepoBiti  per  manum  gloriori  domini  noatri 
Philippi  Bomanomm  regiB  in  meram  et  liberam  proprietatem 
praefSeitae  ecolcaiae  et  Bpeoialiter  seoandum  deeideriom  prae- 
diotorom  ThatoniB  et  dominae  Haskae  et  Yolradi  in  dotem 
altaria  b.  MiobaeÜB,  qnod  intra  Bopta  et  ambitum  iam  diotae 
eoolefliae  noatra  pontifieali  aaotoritate  oonseorarirnnB ,  sunt 
GoUati.  Praeterea  reoognosoimnB  qnendam  militem  Heinrionm 
nomine  de  DoberBohen  Baepediotae  eoolesiae  b.  Mariae  Vir- 
ginia in  Äldenbnrg  oomparaBBO  nnnm  mananm  a  praeCato 
Yolrado  in  antediota  yilla  KodeUohen  pro  exemtione  oapellae 
Bue  in  DobiBchen,  quae  attinebat  paroobie  in  Ifinowei  quam 
oapellam  priuB  in  praeiudioiam  AldenburgensiB  eooleBie  oon* 
tradicente  praeposito  dedioare  nolnimuB,  Bed  tandem  onm 
oonBonBu  dileoti  noatri  Oerhardi  praepoBiti  et  oapitnli  Boi, 
onm  per  mannm  glorioBi   domini   noatri  Philippi  Romanoruia 


1)  Ungen.   Bag.  in  Mitt.  d.  GMoh.«  a.  AHerUnasf.  Om.  d.  OitarL» 
Vm,  857  au  Wagners  Coli.  IX,  408.  Bern,  der  RWaktioa. 

a)  AbBchr.:  (Inyati)? 


Ui8s«lleo.  677 

regia  ooUfttns  foiBBet  Aldenborgensi  eoolesiae  mansot  in 
KodelfleheD,  ooBgruam  exemtionem  iam  diotae  oapellae  ratifi- 
cantes  oam  litis  deoisione  ipsam  coDsecrayimas  in  nomine 
domini  nostri  Jesu  Christi.  Beoognosoimus  etiam,  nos  conse- 
orasse  infra  ambitam  praeüfttae  ecolesiae  unam  altare  in 
honorem  sanoti  Pauli  apostoli  et  sanotae  Eatharinae  yirginis 
et  martyris,  quod  Lnfridns  miles  de  Eomn  et  nxor  sna  do- 
mina  Hizcha  com  sex  mansis  in  Schirnz  deTotione  piissima 
dotayorunt.  In  homm  itaque  omnium  ratificationem  et  per- 
petuam  memoriam  praesentem  paginam  sigiUo  nostro  com- 
muniri  fecimus  sub  interminatione  anathematis  praedpientesi 
ne  qnis  de  caetero  tarn  praediotas  coUationes,  qnam  exem- 
ptionem  oapellae  in  Dobersohen  audeat  irritarL  Testes  huius 
rei  sunt  Theodoricus  Misnensis  marohio,  Oonradns  Orientalis 
marohioi  Theodoricus  oomes  de  Sumersinburc ,  Hartmannus 
praepositus  maioris  ecolesiae  in  Nuenburo,  fiemhardus  abbas 
s.  Georgii  in  Nuenburc,  Hugo  praepositus  sancti  Mauritii  in 
NnenburOy  Albertus  abbas  in  Puzowe,  Oerhardus  Alden- 
burgensis  praepositus,  Eudolfus  eiusdem  ecclesie  prior  totus- 
que  oonventusy  Hugo  de  Hokenwaldoi  Cunradus  de  Burnes- 
couwe,  Heinricus  de  Zamurgk  et  alii  quam  plures.  Acta 
sunt  haec  anno  dominioae  inoamationis  MCGIIII,  Innocentio 
tertio  sedi  apostolicae  praesidente,  Philippe  regnante. 

Nach  Abschrift  des  1898  verstorbenen  Bflrgermeisters  a.  D. 
G.  E.  Hofmeister  zu  Neustadt  a/0.  ans:  von  SchOnberg,  Nachrichten 
von  adelichen  Geschlechtem,  Mskrpi  im  herzogL  sächs.  Staatsarchiv 
zu  Gotha,  Bd.  VI,  No.  1497,  BL  194. 


6. 
Das  Weihefeat  der  Klosterkirche  su  Mildenfarth. 

Von  Archivar  Dr.  Berthold  Schmidt 

Das   Beglerkloster   Mildenfurth   bei  Weida  wurde    1198 
am  Tage  der  Geburt  Maria,  also  am  8.  September  gegründet. 

44* 


678  Missellen. 

80  berichtet  der  Protonotar  Arnold  von  Qaedlinborg  in 
seiner  Aufzeicbnang  über  die  StiftuDgslegende  des  Elosten, 
wobei  er  wahrBcheinlioh  auch  die  Bestätigung  der  Kloster- 
grüodung  dorch  Kaiser  Heinrioh  VI.  mit  benutste '). 

Ans  einer  jetzt  in  Altenbnrg  aufbewahrten  TTrknode 
Mildenfurths  erfahren  wir  dann  noch,  dafs  die  Binweihnng 
der  neuen  Kirche  ')  an  einem  Trinitatissonntage  (ersten  Sonn- 
tag nach  Pfingsten)  stattfand  und  Jahrhunderte  lang  zugleich 
mit  diesem  Festtage  gefeiert  wurde.  In  welchem  Jahre  die 
Einweihung  stattfand,  wird  nicht  überliefert,  doch  wohl  nur 
wenige  Jahre  nach  der  Gründung  des  Klosters,  also  durch 
Bischof  Berthold  II.  von  Naumburg  (1186—1206),  da  in  der 
Hegel  die  Weihe  durch  den  Diöcesan  Tollsogen  wurde. 

Am  14.  Mai  1474  aber  wurde  solches  von  alters  her 
am  Trinitatissonntage  gefeierte  Weihefest  durch  Bischof  Hein- 
rich Ton  Naumburg  auf  den  Sonntag  vor  St.  Martin  verlegt. 
Die  bereits  oben  erwähnte  Altenburger  Urkunde  darüber 
lautet : 

H[enric]^)u8  dei  et  apostolice  sedis  gracia  episcopus  ec- 
desie  Numburgensis  universis  et  singulis  [Christi  fidelibjos 
presentes  literas  inspecturis,  yisuris,  lecturis  et  audituris 
publice  Serie  herum  notum  facimus  literarum:  Licet  alias 
ex  antiqua  deducta  consuetudine ,  cuius  contrarietatem  me- 
moria hominum  non  tenet,  dies  dedicacionis  mooasterii  beatis- 
sime  dei  genitricis  yirginis  Marie  ac  beati  Viti  martiris  in 
Mildenfurd  nostre  diocesis  ipso  die  sancte  et  individue  trioi- 
tatis  per  fratres  eiusdem  monasterii  ac  alias  publice  oonsue- 
yerat  solempnisari ,  recensitis  tamen  bonis  religiosi  fratris 
domini  Johannis  Gottingen  ac  suorum  fratrum,  quibus  pre- 
positus   et  prelatus   preest,    motiyis   et   allatis   racionibus   et 


1)  Urkdb.  der  Vögte   v.    Weid«  etc.,    Bd.  U,  No.  16;    vergl.  auch 
Zeitoohrift  N.  F.  UI,  4,  S.  49S. 

2)  Ihre  schönen  romanischen  Rainen  sind  noch  heate  erhalten. 
a)  Loch  im  Pergament. 


Uissellen.  679 

qaalitate  ipsias  facti  peosats  oomperimus  inconTenieos  fore, 
dedioadonem  predictam  festo  sanote  trinitatis  aDteferri  neque 
dedioacionem  absqne  dicti  monaaterii  mora  omittendamy  ideo- 
que  diem  ipsias  dedioacionis  qui,  ut  praemiititury  die  sanoti 
trinitati»  BolempniBari  oonsaeyit,  usque  io  dominioam  ante 
festam  sancti  Martini  transponendam  daximus  et  auctoritate 
ordinariay  qua  fungimur  dei  nomine  in  hiis  seoulis,  trans- 
ponimuBy  mandantes  districtiosy  quatenua  ipaius  eoolesie  de- 
dicacio  singolis  annis  eternis  fotoris  temporibus  dominica 
ante  festum  Bancti  Martini  in  predicto  monasterio  per  fratres 
et  Christi  fldeles  decenoia  eongraenti  honorifice  celebretur  et 
firmiter  obserretur.  Nos  enim  omnibus  et  singulis  Christi 
fidelibuB,  qui  die  dedicaoionis  per  nos  transposito  annnatim 
ibidem  convenerint  yere  penitentibus  et  confessis  de  omni- 
potentis  dei  misericordia  beatorumqae  Fetri  et  Pauli  aposto- 
lorum  eius  auctoritate  confisi  dummodo  manus  suas  ad.  struc- 
turam  et  conseryaoionem  eiusdem  monasterii  aut  fratrum 
Bustentacionem  porrexerint  adintrices,  quadraginta  dies  in- 
dulgenciarum  de  iniunctis  eis  poenitentiis  misericorditer  in 
domino  relaxamus  hiis  nostris  literis  perpetuum  duraturis. 
Datum  Cziczy  anno  domini  MCCGCLXX  quarto,  die  XIY 
mensis  Maii  nostro  sub  sigillo  impenso. 

BeymbertuB  Eeymberti  notarins  ad  hoo  scripsit. 

Original -Perg.  im  henogL  sächs.  Landesarohiv  xa  Altenburg, 
Urkunden -YerxeichniB  Anh.  II,  No.  18  (an  einxebien  SteUen  durch 
Tanin  als  Beagenzmittel  gebräunt).    Das  Siegel  ist  abgerissen. 

Die  inneren  Gründe  dieser  Yerlegung  der  Eirohweihe 
liegen  wohl  —  den  Zeitumständen  nach  —  weniger,  wie  der 
Bischof  angiebt,  darin,  dafs  die  Feier  des  Trinitatissoontags 
durch  das  Weihefest  beeinträchtigt  wurde»  sondern  —  je 
mehr  Feste ,  um  so  mehr  Einnahmen  für  das  Kloster,  und 
darum  die  Verlegung. 


680  MismellMi. 

7. 
VerBeiohnis  des  Oefähütaefl  auf  der  Burg  bu  Arnstadt. 

Mitgeteilt  aus  dem  Sondershtaser  Sealbadi  1,  M.  S05 
TOD  Sektor  H.  Schmidt  in  Arnstadt. 

Ditz  ist  daz  gesohatie,  geozug  unde  harnasch  off  der 
barg  zou  AroBtete,  der  da  geantwortet  ist  ffritsdien  von 
Wertern  anno  xxviif  (1428)  in  die  Luoie  yirginis. 

Item  primo  eyn  kapphem  steynbaohse  in  eyner  laden. 

Item  eyn  ysem  steynbuohse.    Item  d  tarrassbachsen  in  laden. 

Item  18  hakenbaohsen.     Item  9  zcentener  blies. 

Item  2  loentener  ysens  scn  gesohosse. 

Item  eyn  kisten,  dar  sint  Inn  6  ladeysen,  4  hemmer,  2  gisse- 

kellen  und  eyn  amboss.     Item  eyne  kiste,   dar  sint  Ion 

102  geschlagene  blie. 
Item  6  booksenhakan^  liem  70  bnehsanoteyn.    Item  17  nuwe 

armborst,   der  ist  eyn  in  hulflten.     Item   50  aide  arm- 

bursti  2  aide  bogen,  ejn  stiel. 
Item  eyn  armbrast,   had  Winter  keiner,   daz  ist  mynes  hem. 

9  gortele,  der  sint  6  mit  haken  und  3  one  haken. 
Item  6  reysekocher  vol  phyle,  8  aide  Winden.    Item  12  laden 

mit  gestigkten  philo,  8  laden  mit  philscheften. 
Item  iijp   (2^/,)   mit  philisen.      Item    700   philysen    in   eym 

veszchen,  Item  eyn  Wendekrieg.     Item  4  span  sen. 
Item  6  schock  schiben  mynder  eyner  schiben  flemesches  garas. 
Item    4    bemspisze.     26   platen.     Item    19  haben ,   6  helme, 

eyn  toph  mit  fdszysen.     Item  eyn  farphannen. 

In  dem  gewelbe 
Item  iii}  (8^/3)  fiasi  mit  salpeter,  dy  sint  eymerig. 
Item  1  fasz  mit  berettem  palyerei  daz  ist  halbeymerig.    Item 
1    sack    mit    berettem    palyer,    eyn    gelde   mit   gemaln 
swefele.    Item  eyn  tanne  mit  swefUle.    Item  1  fasz  mit 
gemaln  kolen,  daz  ist  6  eymerig. 


lfi8seU«ii.  681 


InTentarlnm  des  nSohaiBgeretes**  au  Sondershausen. 

Mitgeteilt  aus  dem  SoDdershftnser  Saalbnch  I,  fol.  292  a 
TOD  Bektor  H.  S  e  h  m  i  d  t  in  Arnstadt. 

Diss  naohgesohr.  Bchutoze  ist  sou  Sundershosen  befoln 
und  geantwort  fritschen  von  WerterD  von  wegen  mynes 
gnedig«  Hern  von  swarospurg  quarta  post  «Tubilate  aono 
(14)30. 

In  der  baohsenkammem  oben  under  dem  kornhusz 
Item  yij  (7)  steinbuchsen  mit  laden. 
Item  xxj  (21)  tarrasz  buchsen  groz  und  deyne. 
Item  X  (10)  sohok  bachsen  steyn. 

In  dem  gewelbe  under  der  kemnate 
Item  iij  (3)  bremer  fasz  mit  salpeter. 
Item  j  tunnen  Salpeters. 
Item  j  virtel  vod  eyner  tunnen  Salpeters. 
Item  ij  (2)  faszohen  halbeymerige  mit  pulrer« 
Item  }  (M^)  tunnen  mit  pulver. 

Item  yij  (7)  fursteyn  (Feuersteine).     Item  v  (5)  bero. 
Item  xxTJ  (26)  krucze  ysem  scu  den  bern. 
Item  ig  (11)  grosze  hakebuohsen  mit  stein. 
Item  xviij  (18)  hakebuohsen  geringer  mit  stein. 
Item  xxxij  (ft2)  gemeyner  hantbuchsen  gestelt. 
Item   eyn   sohok   groszer   blie  (blei)  sohosze  ozu  der  groszen 

tarrasz  buohsen. 
Item  00x1  (240)  sohöszem  der  andern  tarraszbuchsen. 
Item  iiij°   (400)  oleyne  sohösz  in  den  handbuohsen« 
Item  iij®   (800)  kegelle  blies,   daryon  man  das  gesohosz  phlit 

zou  houwen. 
Item  0  (100)  ysem  gesohosSi  darüber  man  daz  blie  gesohosz 

phlit  sou  giszen. 
Item  i}  (1^/s)  czentner  ungegoszen  blies. 


682  MisMllen. 

Item   xiiij   (14)    stebe    und    stugke   ysons,    darron    man    dy 

schoBze  houwet. 
Item  ij  (2)  meyssele,  darmit  man  blie  abe  slet. 
Item  ij  (2)  hemmere.     Item  vj  (6)  lade  ysen. 
Item  j  blie  phannen  mit  dren  (3)  kellen. 
Item  j  Bwefel  phannen  mit  ij  (2)  kellen. 
Item  j  blasz  balck. 
Item  ij  (2)  buchsenhaken. 

Item  xxij  (22)  reisze  kocher  mit  glatten  philen. 
Item  XX  (20)  span  gortelle  swarcz. 
Item  ij  (2)  span  gortelle  mit  haken  Bwarcz. 
Item  Tj  (6)  wisse  breyte  spangortelle. 
Item  T  (5)  gortelle  mit  haken  wiss  breit. 
Item  ij  (2)  zwofeldige  krappen. 
Item  Y  (5)  meyszele.     Item  ij  (2)  für  ysen. 
Item  eyn  (1)  wetcze  steyn. 
Item  y  (5)  bleoh  }  (^/2)  phunt  wachses. 
Item  j  snete  meszer. 

Item  xiiij  (14)  laden  mit  gestigkten  philen. 
Item  iij  (3)  laden  toI  mit  scheften. 
Item  eyn  dri  eymerig  faez  toI  philo. 
Item  eyn  fass  Yon  dren  eymern  yol  sohefte  geachtit. 
Item  ij  (2)  grosse  knethe  tröge. 
Item  iij  (3)  ribe  topphe.     Item  eyn  heim. 
Item  eyn  bar  sep.     Item  ij  (2)  pulver  segke. 

Item  In  der  kammer  by  mynes  Jungen  Hern  schlaffe 
louben 
Item  xxxTiij  (38)  armbrust. 
Item  vir  laden  toI  steloer  phile. 
Item  eyne  lade  vol  phil  schefften. 
Item  iiiij  (5)  reysze  kooher  Tol  stelner  phile  mit  gorteln  und 

mit  haken. 
Item  abir  zwen  kooher  mit  philen« 
Item  xiij  (18)  ysenhute. 
Item  vij  (7)  fopeysen. 


MUtellen.  683 

Item  ij  (2)  swaroze  ledderne  segke  yol  gestigkier  phile. 

Item  abir  eyne  lade  yol  phil  sohefte. 

Item  ij  (2)  ledige  kooher. 

Item  iiij  (4)  krige. 

Item  xxviij  (28)  zwofeldige   haken   zou  wyppen   mit  leddern 

und  Y  (5)  haken  ane  ledder. 
Item  y  (5)  spanne  haken  ane  ledder. 
Item  zwu  spanne  seen. 
Item  j  feszohen  halb  yol  phil  ysern. 
Item  ij  (2)  feszohen  yol  flemischen  garns. 
Item  j  hulczern  span  krig.     Item  ij  (2)  grosze  slosz. 
Item  xij  (12)  herozen  (hirschen)  gorteile. 
Item  eyn  welsch  gebisze. 
Item  xzxyiij  (88)  gleffen  ysern. 
Item  ij  (2)  gele  ritter  sporn. 
Item  xiiij  (14)  kleyne  zcangen. 
Item  j  phil  zcangen. 
Item  xiij  (13)  bem  spisze. 

Item  ij  (2)  risze  laden.     Item  x  (10)  phauwen  fedderu. 
Item  iiij  (4)  kleyne  sagen. 
Item  xj  (11)  köl  harten. 
Item  iij  (3)  yile.     Item  eyn  pok. 
Item  iiij  (4)  strit  axe. 
Item  iij  (3)  grosze  liohennscher  messen 
Item  ij  (2)  swert. 
Item  ij  (2)  grosze  Jagehomer. 
Item  xxxyj  (36)  straln  gestigket. 
Item  c  (100)  breyte  phile  und  merselle. 
Item  xiiij  (14)  zale  bolczen  ganoz  bereit. 
Item  xl  (40)  zingken  an  span  gortelle. 
Item  yij  (7)  stegereiffe  an  armbrust. 


684  HisMUen. 

9. 
Noch  ein  Erlass  des  Hersogs  Brnst  August  Ton  Sachsen. 

Aas  PriTAtbesiti  mitgeteilt  von  C.  H.  Neamaerkerin  Apolda. 

Von  Gottes 'Gnaden  Ernst  August  pp. 
Nachdem  Wir  Ernst  August  Herzog  xu  Sachsen  pp.  aus 
dem  vom  12.  Mai  aohero  eingeschickten  impertinenten 
Kammer -Berichte  mit  Höchstempfindlichen  Verdmss  ersehen, 
was  gedachte  Kammer  vor  gefahrliche  Vorstellungen  wegen 
mangelnder  Fourage  vor  FürstL  Marstall  und  des  dahero 
zu  leistenden  Vorschusses  von  etlichen  1000  rl.  gethan  und 
Wir  daraus  und  aus  denen  mit  unterfliessenden  marsohal- 
lianischen  principiis  urtheilen  müssen,  dass  dergleichen 
nur  geschiehet,  um  Uns  desto  eher  unter  die  Erde  su 
bringen  und  desto  bessere  Kirmesschnitte  nach  unserem  Tode 
unter  der  Vormundschaft  zu  machen ,  massen  Wir  ja  die 
Revenuen  nicht  einnehmen  und  auch  seit  Unserer  Regierung 
keinen  Heller  Handgelder  bekommen,  sondern  die  Kammera- 
listen  wissen  müssen,  wo  selbe  das  Geld  hinthun,  Als  be- 
gehren Wir  hiermit,  dass  gedachte  Kammer  sofort  mit  dem 
Oberstallmeister  von  Tropff  wegen  der  ansrangirten  Pferde 
und  Einrichtung  sich  bespreche  und  ohne  Anstand  zur  An* 
Schaffung  der  nöthigen  Fourage  ohne  weitere  Anfrage  Anstalt 
mache  und  Uns  mit  dergleichen  femerweiten  m^chanten 
und  importunen  Briefen  Uns  gänzlich  verschonen,  sonsten 
wir  uns  gewiss  an  den  sämmtlichen  Kammeralisten  ihr  be- 
sitzendes Vermögen  und  Güther  halten  und  selbigen  die 
Pferde  zuschlagen  wollen.  Grosse  Titel  und  Besoldungen 
seind  zwar  leicht  verlangt;  allein  wenn  man  vor  des  Herrn 
Interesse  Arbeiten  soll,  da  ist  Niemand  zu  Hause  und  seind 
dies  ungegrtindete  und  feindselige  Vorstellungen,  dass  Alles 
assigniret  sein,  massen  Wir  es  der  Kammer  mit  dem 
Teufel  danken,  dass  selbige  also  marchandiret,  massen 
Wir    keine    assignationes    vor   Uns   ausgefertiget   haben 


HisieUen.  685 

und  kann  Udb  solche  ferDerhin  damit  ungeBchoren  lassen; 
wofern  Wir  selbige  nicht  yor  Unsere  feinde  halten  sollen; 
Wir  seind  lange  genug  in  Weimar  gewesen ,  da  hat  kein 
Teufel  nichts  gesagt,  und  nun,  da  Wir  den  Bücken  gewandt, 
so  verfolget  man  Uns  mit  solchen  impertinenten  Zu- 
schriften, wogegen  aber  die  Kammer  Anstalt  zu  machen  hat, 
widrigenfalls  Wir  Uns  gewiss  an  selbige  halten  werden. 
Denen  Gavaliers  ist  die  Fourage  in  Natur  abzuziehen  und 
solche  an  Qeld  anzuschlagen,  welches  von  dato  an  ge- 
schehen soll,  dahero  dem  Oberjägermeister  8  und  denen 
Forstmeistern  jedem  2  Pferde  passiren,  welche  sie  zum 
Eeiten  halten  sollen  und  wird  ihnen  die  Fourage  auf  dem 
Lande  gänzlich  abgeschnitten.  Hätte  man  vorigen  Herbst  bei 
wohlfeiler  Zeit  vor  Hafer  gesorgt,  so  müsste  man  solchen 
jetzo  nicht  so  theuer  bezahlen,  allein  wenn  man  schmaussen 
und  bei  den  Pächtern  Forellen  und  Welsche  Hahnen 
fressen  soll,  da  ist  man  parat  und  in  zehen  Jahren  siebet 
Niemand  nach  der  Wirthschafft  und  Felder  welches  doch 
der  Kammer  verdammte  Schuldigkeit  ist. 

Wir  seynd  kein  Geldsch r,  massen  Wir  denen  Kamme- 

ralisten  ein  ziemliches  Capital  auf  die  Nase  avanciren 
würden  und  haben  Unser  Geld  auch  nicht  gestohlen,  allein 
wenn  die  WirthschafPt  bei  dem  Bauwesen  und  Küche  und 
Keller  besser  eingerichtet  würden,  das  wäre  besser  und  hat 
der  Obeijägermeister  darauf  zu  dringen,  dass  das  sämmt- 
liche  Bauwesen  dieses  Jahr  zu  Ende  gehe,  massen  Wir  dabei 
abscheulich  betrogen  werden  und  die  Baumeister  mit  den 
Handwerks-  und  arbeitsamen  Leuten  unter  einer  Decke 
stecken.  Dem  Obeijägermeister  passiren  also  nicht  mehr 
als  8  tüchtige  Beitpferde  zum  Dienst,  denen  beiden  Forst- 
meistern jedem  2,  welche  täglich  nicht  mehr  als  zwei  leichte 
Hetzen  Hafer  und  8  Pfund  Heu  bekommen  sollen  und 
dieses  ist  ihnen  zu  Gelde  anzuschlagen.  Die  Anweisegelder 
und  Lagerscheite  sollen  vom  1.  Januar  a.  o.  sofort  zur  fürstl. 
scatoule  bezahlt  und  berechnet  werden,  und  werden  Wir 
dafür  nicht   das   Mindeste  passiren  lassen,   welches   auch 


686  MU«dl*n. 

dem  groben  Eath  Oöohhausen  widerfethren  soll,  der  in 
grossen  Gapitalien  stehet  und  nicht  das  Mindeste  Tor 
die  Herrsohafft  Torsehiessen  will  und  Wir  uns  gewiss  nach- 
drücklich an  der  Kammer  erholen,  wenn  diese  Befehle  nicht 
sofort  gehorsamst  exeqniret  werden. 

Wonach  man  sich  gehorsamst  zu  achten  hat. 

Sign.  Ilmenau  am  13.  März  1740. 

Ernst  August  Hersog  z.  8. 


Litteratnr. 


6. 

Bau-  und  KunstdenkmSler  Thürixigeni,  Heft  XVH, 
Amtsgeriohtsbeslrk  Blankenhain« 

Geprüft  durch 

Dr.  Karl  Heinrich  Bergner, 

Pfarrer  in  PfarrlLefslar  b.  Onmperda  8.-A. 

Die  naohfolgende  Arbeit  mag  als  ein  Yersuoh  gelten,  die 
Ton  Profi  Dr.  Lehfeldt  heraasgegebeneD  Bau-  und  Kanatdenkmäler 
Thüringens  für  ein  kleines  Gebiet  zn  ergänzen  und  zu  be- 
richtigen. Sie  sohliefst  sich  an  eine  Prüfung  der  Denkmäler 
im  Amtsbezirk  Kahla  an  (im  lY«  Bd.  der  Mitteilungen  des 
Oesohichts-  und  Altertumforsohenden  Vereins  zu  Eahla  und 
Boda).  Die  dort  gemachten  allgemeinen  Bemerkungen  haben 
grofiBenteils  auch  hier  ihre  Geltung  ^ ). 

AltdOmfeld.  Figuren.  Im  Bälgeverschlag  liegen  ein 
unkenntlicher  Bischof  und  ein  Cruoifixus. 

Auf  dem  Kelch  von  1718  füge  hinzu  H.G.G. 

Taufkanne  in  Seidelform    mit   H.  H.  Loth  1727«     Zinn. 

Vor  der  Eirohthür  runder  Schaft  eines  Taufbeckens. 

Glocke  Nr.  2 :  Her  Justus  Treiber  Diaconus  Hans  Graw 
vnd  Hans  Pflaum  Altarleute,  Hans  Bemke  Heimbürge  zu 
Dömfeld. 

Altremda.     Die  Kirche  ist  abgebrannt. 

Berka«  Die  Beschreibung  der  höchst  einfachen  Kirche 
ist  völlig  in  Unordnung.  Zunächst  ist  der  wiedergegebene 
Grundrifs  unverständlich.  Die  Kirche  ist  thatsächlich,  wie  alle 
Oisterzienserkirchen,    rechteckig   geschlossen   ohne   angebaute 


1)  S.  hierzu  „Lehfeldt,  Bau-  u.  Kanatdenkmäler  Thüringens.     Amts- 
geriehtsbezirk  Kahla.     Berlin  1894*^     Bem.  d.  Bed. 

XVU.  46 


690 


LitUratnr. 


Sakristei.  Der  Chor  trägt  nicht  den  Turm.  Dieser  ist  im 
Westen  selbständig  vorgelegt,  nicht  mit  Krenzgewölbe,  sod- 
dem  mit  Flachdeoke,  auch  nicht  aus  nnserm  Jahrhundert, 
sondern,  wie  die  ganze  Kirche,  im  Mauerwerk  wesentlich 
aus  gotischer  Zeit,  die  durch  ein  spitzbogiges  breites  Ost- 
fenster im  Chor  (jetzt  ein  flachbogiges  hineingesetzt)  gekenn- 
zeichnet wird.  „Die  Westthür  .  .  .  spitzbogig''  ist  ganz 
rätselhaft  Denn  diese  Th&r,  der  südlichen  nachgebildet, 
öffnet  sieh  in  einem  Flachbogen ,  jonische  Pilaster  tragen 
einen  Architray  mit  Giebel.  Die  Notiz  über  den  Turmhelm, 
angeblich  von  1826,  beruht  auf  Irrtum.  Nach  Ausweis  der 
Kirchrechnungen  ist  in  unserm«  Jahrhundert  nichts  am  Turm 
gebaut  worden.  Über  der  südlichen  Thür  bezeichnet  ein  Stein 
mit  M.A.D.BEBOER  den  Steinmetz  yon  1789. 

Kanzelbau.  Es  sind  die  innern  Säulen,  die  erst 
durch  Flachbogen  und  darüber  durch  Schweifgiebel  yerbundeo 
sind.  Die  Figuren  stellen  nicht  den  segnenden  Christus  dar, 
sondern  den  Auferstandenen  mit  den  beiden  Grabesengelo. 
Die  Fahne  in  seiner  Hand  ist  entfernt 

Auf  den  Altarleuchtem  lies  1782. 

Kelch.  Die  Inschrift  heifst:  Der  Kirche  zu  Berckaw 
yerehret  yon  Hanss  Königen  Seniore  AO  1650  D.J.H. 

Kelch  yon  1666:  Erasmus  Becker  F. S. Forster  ynd 
Elisabeth  Beckerin  yerehren  diesen  Kelch  nebens  den  Patäo 
der  Kirchen  zu  Bercka  1666,  mit  Weihekreuz. 

An  der  Mauer  des  alten  Klosterhofes,  welche  den 
Platz  yor  der  Kirche  begrenzt,  Inschrifttafel:  FRITZ  SGEEL- 
LER  BAYHEB .  MHATTIAS  BEHME  PETER  HESEB 
MEVRER  ANNO   1618. 

Pfarrei.  Von  der  alten  Kapelle  ist  neben  den  yos 
L.  erwähnten  Resten  noch  das  mehrfach  gegliederte  Sockel- 
gesims, sowie  das  einfach  gekehlte  Dachgesims  erhalten, 
ersteres  neben  einer  yermauerten  Spitzbogenthür  etwas  auf- 
wärts gebrochen.  Neben  der  Kapelle  führt  ein  Durchgang 
ebenfalls  mit  Spitzbogenthür  und  steiler,  tonnengewölbter 
Treppe  yon  der  Strafse  in  den  Pfarrhof  und  zur  Kirche. 
Die  Inschrift  Hes:  atitio  biii  m®  b®  JTttt  poflt*  eft  Upie  Ijte. 


Litteratur.  £>q^ 

Über  die  Figuren  im  Garten  des  Herrn  Cyriaz  siehe 
unter  Tannroda. 

Blankenliaül.     Kirche.     Die  Inschrift  am  Torrn   ist 
etwas  verwaschen  und  giebt  keinen  einwnrfsfreien  Text.    Es 

ist  «u  lesen :  Ätiiio  btii  ttT^cccc^IjTjrjpt^»  itctpta  e'  .pn0 .  falica 
[basilioa)  fb'  btti'o * tiobU'. bm  (CFaroU  cot'te  b'  glicbti. 

Am  einfachsten  ist  die  Schwierigkeit  zu  lösen,  wenn  man 
Gkaroli  verschrieben  für  Ckarolo  annimmt  und  sab  domino 
nobili  domino  Garolo  comite  liest»  eine  WiederholuDg,  die  im 
Mittelalter  gans  geläufig  ist.  Jedenfalls  aber  ist  Karl  als 
Erbauer  gemeint,  welcher  das  Jahr  vorher  auch  den  Sohlofs- 
baa  begann.  Derselbe  ist  um  1480  höchstens  80-jährig  ge- 
wesen, da  er  1467  noch  unmündig  seinem  Vater  folgte.  Die 
Übersetzung  L/s  »»unter  dem  edlen  Herrn,  des  Herrn  Carl  Sohn'' 
ist  schon  darum  ganz  unhaltbar,  da  die  Söhne  Karls  L  zu 
dieser  Zeit  vielleicht  noch  gar  nicht  geboren,  jedenfalls  aber 
noch  in  den  Kinderschuhen  waren,  da  sie  bei  seinem  Tode 
1495  noch  minderjährig  unter  die  Vormundschaft  Graf  Sig- 
munds V.  Gleichen  gestellt  wurden.  Vergl.  Sagittarius  S«  284. 
Der  Bau  scheint,  abweichend  von  der  sonstigen  Gewohn- 
heit, im  Westen  begonnen  und  schon  im  ersten  Jahre  be- 
deutend gefördert  zu  sein,  denn  auch  an  dem  Queriians  finden 
wir  in  derselben  Manier  wie  die  Inschrift  von  1493  ver- 
tieft die  Jahreszahl  )^8),  darunter  6  (also  wohl  schon 
Gefsner).     In  den  Fensterlaibungen  dieses  Bauteils  7  mal  das 

Zeichen    '^,    Imal  Ol,    im    östlichen    Chorfenster    (1498) 

^  (etwas  verstümmelt).  Am  Sockel  des  Chors  KB,  am  Ost- 
fenster der  Sakristei  KR .  M'R'EeGB,  an  der  Ecke :  M'RI  -  RO. 
Da  auf  S.  104  oben  der  durch  das  ganze  Werk  gehende 
Irrtum^)  wiederkehrt,  daüs  die  gotischen  Turmfenster  „der 
Zwischenpfosten  beraubt"  seien,  so  ist  mit  Nachdruck  darauf 
aufmerksam  zu   machen,    dafs   nach  gotischer  Baugewohnheit 


1)  S.  GegeDfobrift  Lefafeldt^s  6.    Bmb.  d.  B«d. 

45* 


692  Uttentnr. 

diese  Säulen  vom  BaumeiBter  weggelasien  worden  oder  leicht 
herausnehmbar  waren,    Sie  fehlen  jetit  yielerorts. 

Die_ Insohrift  des  Sakramentsschreines  ist  zu  lesen: 
8cce  pai0  anglOtU  (Eooe  panis  angelomm),  eine  Zeile, 
welche  unendlich  oft  an  derartigen  Schreinen  vorkommt  (Otte, 
Handbuch  I,  S.  480  und  618)  und  den  Anfang  eines  latei- 
nischen 4-8eiligen  Hymnus  bildet,  der  noch  heute  zur  Segens- 
andacht am  Kommuniontage  in  katholischen  Kirchen  gesungen 
wird.  Derselbe  ist  aus  der  11.  und  12.  Strophe  der  be- 
rühmten Eronleichnamssequenz  des  Thomas  v.  Aquino:  Laude 
Sion  salvatorem  (bei  Mono  I,  S.  276)  gebildet.  L.  liest  ohne 
Sinn:  Quae  panis  etc.  Die  Jahreszahl  an  dem  Schrein  liest 
L.  S.  104  mccccxliii  (1448),  S.  102  aber  1414  (mocooxiiii). 
In  Wahrheit  ist  beides  möglich,  da  die  letzten  Zahlzeichen  sehr 
zerstört  sind,  doch  muXs  man  das  andeuten. 

Der  verkehrt  eingemauerte  Stein  über  der  südlichen 
Chorthür  hat:  ANNO  1610  lOHAN  BEVTNITZ  PAST  ET 
SVPEBIN  (Beutnitz  von  1591—1688). 

Altarwerk.  Ackermann  erzählt,  da(s  die  Kirche  zu 
Blankenhain  ein  kostbares  Schnitzwerk  aus  Holz,  die  12 
Apostel  mit  der  Himmelskönigin  darstellend,  gegen  ein  Stück 
Wald  eingetauscht,  welches  „ins  SchloÜB  quartiert^  und  1816 
nach  Weimar  gebracht  sei.  Ein  Schnitzwerk  dieses  Oegen- 
Standes  findet  sich  nicht  in  der  Sammlung  der  Bibliothek, 
dagegen  das  grofse  Gemälde  der  Himmelfahrt  Maria,  die 
Apostel  um  den  Sarg  stehend. 

Die  heilige  Sippe  (auch  Heilsberg  und  Tonndorf),  welche 
L.  nicht  immer  richtig  behandelt,  muCs  einer  besonderen 
Untersuchung  vorbehalten  bleiben,  da  nur  die  Vergleichung 
aller  erhaltenen  Denkmäler  zu  einem  gesicherten  Ergebnis 
führen  kann. 

Auf  dem  Qrabmal  der  Oottschalckin  ist  nach  Ruhestatt 
einzufügen:  die  46  Jahr  allein  gesohlaffen  hat;  und  statt 
Ziegling  Qiegling  zu  lesen. 

Die  Inschrift  auf  dem  Grabstein  des  kleinen  Gottfried 
von  Hatzfeld  lautet:    Natus   II.  8^   1688    denatus  IL  Jan. 


Litteratar.  693 

1689.     Das   Ejnd   war   also   nicht   ,,ein   Jahr  alt",   Bondem 
ein  Yierteljahr.     Daranter  das  Distichon: 

Yiz  mondi  tennit  Gampos  Godefridns  ab  Hatzfeld 
et  Comes  in  Oleichen,  transit  ad  EljsioSy 

Der  Wappenschild  (S.  108  unten)  hat  nicht  das  Gleichen- 
schCy  sondern  das  Hatzfeldische  Wappen. 

Glasbild.  Der ^knieende Abt"  sitst  aufdem  bischöf- 
lichen faldistolium  (s.  d.  Abbildung  S.  109).  Das  Wappen, 
goldener  Bing  mit  blauem  Stein,  auf  dem  Helm  ein  Pfauen- 
wedel ist  das  der  Waldenburg.  Man  würde  bei  der  Er- 
klärung zuerst  an  einen  kirchlichen  Würdenträger  aus  diesem 
Hause  denken,  welcher  bei  der  Erbauung  der  Kirche  beteiligt 
war;  denn  so  nur  würde  das  Kirchenmodell  yerständlich. 
Indes  ist  eine  Persönlichkeit  dieses  Namens  in  den  zu 
Blankenhain  in  Beziehung  stehenden  kirchlichen  Ämtern 
nicht  nachzuweisen. 

Dagegen  war  die  Mutter  des  Erbauers  Katharina,  2. 
Gemahlin  Ludwigs  I.,  eine  geb.  Chräfin  von  Waldenburg, 
welche  nach  dem  frühen  Tod  ihres  Mannes  ihren  Witwensitz 
ständig  in  Blankenhain  scheint  gehabt  zu  haben  und  erst 
1494  starb,  auch  in  der  Pfarrkirche  begraben  wurde  (Sagittarius, 
8.  279).  Offenbar  beteiligte  sie  sich  an  der  Ausschmückung 
der  neuen  Kirche  und  liefs  das  Wappen  ihres  Hauses  unter 
das  Bild  des  Kirchenpatrons  einsetzen.  Wir  erkennen  dem- 
nach in  dem  ,,Abte''  den  Erzbischof  Bonifacins,  welchen  das 
Kirchenmodell  und  der  Heiligenschein  genügend  bezeichnen 
(das  Gesicht  ist  in  Wahrheit  nicht  so  kindlich  wie  auf  der  Ab- 
bildung), und  müssen  das  Glasbild  vor  1494  ansetzen. 

Nonnenkirche.  Der  Bau  ist  nicht  so  dürftig  wie 
L.'s  dreizeilige  Beschreibung.  Wir  erkennen  noch  vollkommen 
die  gotische  Anlage  von  1607  an  dem  stark  profilierten 
Sockelgesims,  welches  sich  um  die  ganze  Kirche  herumzieht, 
in  mehreren  Absätzen  wegen  des  Terrains  von  0  nach  W 
gebrochen,  und  dem  aus  einfacher  Hohlkehle  gebildeten  Dach- 
gesims. Die  Fenster  waren  einst  spitzbogig,  zweiteilig  und 
mit  MaCswerk   gefüllt,   dessen  Spuren   noch   erkennbar   sind. 


694  LStteratar. 

In  den  LaibuDgen   kommt  4  mal   das  Zeichen  3^  ^o'*      ^^ 

damals  schon  ältere  Reste  benutzt  wurden,  ist  nicht  unwahr- 
scheinlich. Wenigstens  deutet  ein  Stein  darauf  hin,  welcher 
unter  dem  Ostfenster  des  Chors  wieder  eingemauert  wurde, 
ein  grofaes  Kreuz ,  unter  dem  linken  Arm  die  Majuskeln 
PoP^,  unter  dem  rechten  das  griechische  Kreuz  T  (crux  com- 
missa)^.  Über  diesem  Stein  eine  zweite  Tafel  mit :  MATTHIAS 
LIESS  RIGASPARVS  GEBE  160.  (letztes  Zahlzeichen  uadeni- 
lieh;  Ackermann  liest  1608  und  findet  in  beiden  einen  Grabstmn, 
weil  früher  ein  Kirchhof  dort  gewesen,  S.  132),  welche  yiel- 
leioht  Zeugnis  von  einer  damaligen  Erneuerung  giebt.  — 
Nach  längerem  Verfall  wurde  die  Kirche  1730  zur  Erinnerung 
«n  die  Übergabe  der  Augeburgisohen  Konfession  durch  die 
Liberalität  des  bekannten  Markus  Christian  Oottschalck  wiedw 
hergestellt,  wobei  die  gotischen  Fenster  rechteckig  hergerichtet 
wurden  und  die  Westthür  ihre  jetzige  Einfassung  mit  blätter- 
Tcrzierten  Balken  empfing,  auch  der  unbedeutende  Kanselbau 
aufgeführt  wurde. 

Im  Innern  ist  der  Raum  mit  Holz  tonne  gedeckt,  ziem- 
lich trostlos.  Die  beiden  Ölbilder  von  Geistlichen  (das  linke 
unbeuannt,  rechts  des  M.  Johann  Christoph  Beyer,  f  1754) 
können  nicht  als  grofse  Zierden  gelten. 

Schlofs.  Diebeiden,  das  Gleichensohe  Wappen  über  dem 
Thor  haltenden  Figuren  sind  St.  Georg  (?)  und  Christophorus 
mit  dem  Kind  auf  der  Schulter.  (Ackermann  sehr  vorsichtig 
S.  34 :  „Sein  Kopf  ist  gebückt  und  auf  der  Sehulter  trägt  er 
etwas,  das  er  mit  dem  linken  Arme  stützt'O«  ^^  Inschrift 
darunter  ist  noch  vollständig  und  unversehrt.  L.  giebt  sie 
nach  SagittariuB  S.    281,    welcher   sich   indes  als  Gewährs- 

1)  Hatte  die  Nonnenkirebe  BesiehnDgen  lum  deutschen  Orden? 
Oder  ist  hier  etwa  eine  Erinnerung  an  Ludwigs  I.  Pilgerfahrt  von  1441, 
welcher  in  Jerusalem  zum  Ritter  des  Ordens  vom  heiligen  Qrab  ge* 
schlagen  wurde,  der  ja  auch  ein  ähnliches  Kreus  ffihrte?  Man  kSnnts 
dann  in  der  crux  commissa  den  Antoniusorden  vermuten.  VergU  Schnlts, 
Deutsches  Leben,  8.  645  und  548.  Doch  mufs  die  sichere  Erkllrnng 
genauerer  historiseher  Forschung  vorbehalten  bleiben. 


Lm.r.tur.  ggg 

mann    für    Insohriften    nicht     sehr    empfiehlt.      Sie    hei£rt: 

^tino  bm.  m^cccc^lfj:}:  ^abtn  wir  tavl  gtavt  t>o  glidftn 
^re  tiu  hlanttn^aln  bifs  lafsen  machen.  Die  8  Figuren, 

in  Oyps  gegossen  (I),  zwischen  den  Gonsolen  sind:  In  der 
Mitte  die  heilige  Anna,  deren  Kultus  ja  in  dieser  Zeit  üher- 
hand  nahm ;  auf  dem  rechten  Arm  hat  sie  das  Jesuskind»  auf 
dem  linken  ist  Maria  abgeschlagen,  auüserdem  am  charak- 
teristisohen  Kopftuch  kenntlich.  Links  Ton  ihr  steht  Petrus, 
rechts  ein  Bischof,  bartlos,  Attribute  ebenfalls  abgeschlagen, 
wohl  BoniÜBicins.  Es  ist  schlechterdings  kein  Grund  anzu- 
geben, warum  diese  Figuren  sollten  später  hineingesetzt 
sein.     Denn   nur   so   wird    die  darunter   befindliche  Inschrift 

verständlich:  |>ilff  bo  ^tullgt  fv<kxo(t  MnctaTl)nna  wlp 

^tttt.  Die  jetzt  ausgefallenen  Buchstaben  können  kaum 
anders  ergänzt  werden.  Die  unmögliche  Konjektur  L/s  (man 
denke:  Maria  und  Anna  selb d ritt!)  ist  nur  dadurch  yer- 
schuldet,  daiÜ9  er  die  Mittelfigur  ohne  weiteres  für  eine 
Maria  ansieht. 

An  den  Gonsolen  sind  folgende  4  Wappen:  l.Mansfeld, 
2.  3  mal  geteilt  (Beichlingen  ?) ,  8.  Gleichen  -  Blankenhain, 
4.  Henneberg. 

In  der  Inschrift  des  Treppenturms  ist  das  grofse  D  in 
Hatzfelt  zu  tilgen,  sonst  würde  das  Chronogramm  2189  er- 
geben. Die  Inschrift  am  Mohren  heifst:  DAS  HAY8 
STEHT  IN  G .  H .  (Gottes  Hand)  3V  G(oldenen)  30PF  IST 
ES  GE(nannt)  1565  HANS  KEISER. 

Am  Hause  des  Kreisblattes :  lOHAN :  BEVTNITZ  PFARH 
D.C.M  E.E. 1.1597. 15  AP.  Warum  aus  der  Kirche  ge- 
nommen? Das  war  wohl  sein  Privathans:  Domum  Cum 
Magnis  Ezpensis  Exegl.  Der  zweite  Stein  hat  yon  1526 
keine  Spur.  Es  sind  einige  yerwaschene  Zeichen  und  darunter 
etwa:  lYNIOR  erkennbar. 

Breitenheerda.  Über  das  Altarwerk  von  1484, 
welches  nach  Abbruch  der  Kirche  vorläufig  im  Schulhaut 
aufbewahrt  wird,  sei  eine  neue  Beschreibung  verstattet 

Auf  dem  Mittelbild    (50  X  '^^  ^^)    ^»^  ^i®   Geburt 


696  LItterMar. 

Jesu  in  eine  yon  8  zierlichen  romanisohen  Sänlchen  gestütite 
Halle  yenetit,  die  naeh  hinten  offen  den  Ansblick  in  eine 
freie  Landschaft  mit  Berg  und  Stadt  anf  gemustertem  Gold- 
gründe gewihri  Eine  kleine  Figur  mit  einem  Stab  und  an 
herabschwebender  Engel  deuten  »»die  Hirten  auf  dem  Felde^ 
an.  Zwei  Männer  schauen  über  eine  niedere  Mauer  im 
die  Halle,  wo  Maria  links  vor  dem  auf  ihrem  Gewsad 
ruhenden  Kind  mit  gefislteten  Händen  kniet,  während 
Joseph  rechts  auf  seinen  Stab  gestütst  (bei  L.  Licht?),  eis 
Messer  und  eine  Tasche  an  der  Seite,  suschaut,  unter  ihm 
8  anbetende  Engelehen.  Ochs  und  Esel  hinter  der  Maris 
Pressen  aus  einem  Trog._  Spruchband:  QvaciM  ogo  tibi 
bnt  &ett0  quia  fyomitüi  nohiltm  cotiMMfU.  Am  FuTb 
der  mittelsten  Säule  die  Jahressahl  J^SJL  —  Bie  Yerinin- 
digung  ist  auf  die  Aufsenseiten  der  Flügel  verteilt  in 
der  gewöhnlichen  Auffassung  mit :  Tlvt  gr<ici<t  ple .,  darunter 
kniend  die  Familie  des  Stifters  und  zwar  links  unter  Oabziel 
8  Männer,  der  erste  alter  Herr  im  langen,  geschlossenen 
Bock,  der  sweite  Geistlicher,  der  dritte  ein  jugendlidier 
Bitter  im  halblangen  Wams  und  engen  Beinkleidern.  Spruch- 
band: recorbare  t>irgo  ttmter  bn  «reteri«  in  cöfptav 
M  nt  loquari0  pronobi«  bona.  —  Bechts  unter  M&ris 

8  Frauen,  2  Matronen  mit  Mänteln  und  Hauben  und  ein 
Mädchen  mit  Kraus  im  Haar.  Innenseiten  der  Flügel, 
links  Marter  des  h.  Erasmus^),  welcher  nackt  im  Peohkessel 
sitzt,    eine   Kette   doppelt  um   den   Leib   geschlungen.     Bin 


1)  Nach  der  Legenda  aiurea  (ed.  Oraeste,  p.  890)  hatte  er  diete 
Marter  iweimal  in  bestehen,  hier  iit  die  aweite  gemeint,  doch  Ut  ihm 
ava  der  Haft  die  Kette  geblieben,  und  die  Schnhahleo  sind  dentsdie 
Aosschmücknng  des  plnmbatis  tondere  latera  eins.  Die  OeWde  DioUt- 
tians  erklftrt  sich  ans  dem  kleinen  Bacheakt  des  Heiligen,  ihn  mit  da« 
siedenden  Pech  in  bespritaen :  Tom  beatns  Erasmns  dixit  impcratori : 
lata  olla  meum  est  refrigeriom,  et  facto  signacnlo  cmeis  descendit  in  eaai, 
statimqaet  tox  domini  snper  aquas  intonait  et  effudit  nnam  andam  ex 
olla  et  ttstnlarit  imperatorem.  Qai  olamavit:  ardeo,  homo  dei,  ora  pro 
me.  Tom  b.  E. :  scio  qnod  cor  tnnm  obdoratnm  est,  sed  propter  populan 
istam  circnmstantem  erit  tibi  bene.     Et  qnievit  dolor. 


Litterator.  697 

Henker  ist  beschäftigt^  aus  einem  zweiten  Kessel  mit  einer 
langgestielten  Schöpfe  siedendes  Pech  über  den  Bischof  zu 
giefsen«  Hinter  ihm  der  Kaiser  Diokletian,  ein  Qraabart  mit 
bittend  erhobenen  Händen  und  Turban,  rechts  ein  andrer 
Knecht,  welcher  dem  Märtyrer  Schnhmacherahlen  in  die  Finger 
der  linken  Hand  treibt,  während  dessen  Bechte  schon  damit 
besteckt  auf  dem  Kesselrande  ruht  (bei  L.  angenagelt)*  Der 
Oewandsaum  des  ersten  Knechtes  scheint  mit  hebräischen 
Buchstaben  yerziert  —  Bechter  Flügel  Marter  des  h*  Sebastian,, 
welcher  an  den  Baum  gebunden,  nur  mit  Lendenschurz  be- 
kleidet, schon  von  vielen  Pfeilen  durchbohrt  ist.  Links  zwei 
Schützen,  yon  denen  der  eine  eben  seine  Armbrust  abdrückt^ 
während  der  andre,  am  Boden  knieend,  den  Pfeil  im  Munde, 
eben  die  seinige  spannt  *).  Wo  L.  einen  „h.  Stephan"  gesehen, 
ist  unerfindlich. 

Die  Gemälde  sind  ganz  vorzüglich  und  scheinen  der 
Saalfelder  Schule  angehörig,  wohin  namentlich  die  biblischen 
Figuren  in  Haltung  und  Gesichtstypus  weisen.  In  den 
Marterscenen  ist  eine  packende  Gewalt  der  innem  Bewegung 
trefflich  zum  Ausdruck  gebracht  und  die  Grausamkeit  der 
Knechte  in  der  vollen  Roheit  des  wirklichen  Lebens  wieder- 
gegeben. Die  Trachten  sind  von  wundervoller  Treue.  In 
der  Bildung  der  nackten  Körper  und  Gesichter  der  beiden 
leidenden  Heiligen  versagt  allerdings  die  Kunst. 

Bei  Abbruch  der  Kirche  sind  noch  3  marmorne  Grab- 
steine zum  Yorschein  gekommen.  1.  Der  Anna  Magdalena 
V.  Schönefeld  geb.  v.  Breitenbauch,  f  tfi-  Abrilis  AO  1677^ 
Oben  ein  Oval  mit  Text  Ps.7d.25,  darunter  ein  Oval,  von 
einer  allegorischen  Figur  gehalten,  mit  Job.  14.19  und  Ps. 
17 .  15,  ringsherum  18  Familien wappen.  2.  Der  Maria  Su- 
sanne V.  Schönefeld,  f  9.  Okt.  1677,  mit  dem  väterlichen  und 
mütterlichen  Wappen.  8.  Des  Christian  von  Schönefeld 
t  11.  Oki  1677. 


1)  Diese  Darstellung  deckt  sich  fast  vollstftndig  mit  dem  Gemilde 
des  Germ.  Ifnseums  109  tos  derselben  Zeit,  dem  Wolgemut  sugeschrieben 
▼om  PeriDgsdörferschen  Altar,  sumal  in  der  Haltung  der  beiden  Scbfitien 
KaUlog  1893,  8.  82.     Auch  bei  Lflbke  G.  d.  d.  Kunst,  8.  675. 


Utteratsr. 

Bueh&rt.  Kirohe  zu  unsrer  lieben  Franen.  Von  den 
Kämpfern  ist  nur  der  linke  erhalten,  ca.  1,6Ö  m  über  dem 
Boden,  deutet  also  auf  einen  ganz  andern  als  den  jetst  er- 
haltenen Triumphbogen.  Unerwähnt  ist  ein  Strebepfeiler  an 
6«c  SO-Bcke  mit  2  Pultdiohem,  nenerdings  offenbar  repariert 

Über  das  Altarwerk  haben  wir  die  denkbar  günstig- 
sten Nachrichten  im  PfarrarchiT.  In  einem  alten  Kirchen- 
buch bemerkt  nämlich  Heinrich  Lorber  1676  nach  dem  „Re- 
gister^ eines  päpstisohen  Pfarrers  Johann  Artst  (geroeint  sind 
die  Kirchrechnungen,  welche  aber  jetzt  bis  1615  verloren 
sind)  folgendes:  „1606  und  07  ist  eine  Tafel  rerdingt 
worden  an  Meister  Herman  Mahler  zu  Jehna*',  welche  18| 
Schock  kostete  und  5  Snebers  (Schneeberger  Gr.)  zu  den 
Banden  an  die  Tafel.  Und  nun  wird  das  jetzt  noch  exis- 
tierende Werk  mit  sämtlichen  Figuren  beschrieben,  aulser- 
dem  „oben  auf  der  Tafel  ist  gesetzt  das  Grucifiz  mit  Maria 
und  Johannes  unter  dem  Ereutze  stehende'*.  Fehmen  wir 
hinzu,  dafs  die  jetzt  in  der  Sakristei  stehende  äberweifste 
Bank,  rechts  und  links  ausgekehlt,  offenbar  die  Staffel  mit 
einer  Abendmahlsdarttellung  gewesen  ist,  so  haben  wir  ein 
ziemlich  yollständiges  Bild  des  ursprünglichen  Werkes. 

Nun  fahrt  aber  Lorber  fort:  „Hinten  an  die  Altartafisl 
stehet  noch  mit  rödel  angeschrieben  folgende  Worte,  welche 
hier  zu  nachrichtiguog  gesetzet  also:  Cmcionale^)  p  (per) 
Johannem  Artzt  constructum  anno  domi  moccc^lxzziiii  (1484)/' 
Hier  ist  der  Unterschied  der  Jahreszahlen  h$chst  auffallend. 
Es  ist  sehr  unwahrscheinlich,  dafs  Lorber  die  Zahlzeichen 
nicht  mehr  lesen  konnte,  doch  setzte  er  sich  wohl  über  die 
Differenz  hinweg,  um  die  Tafel  mit  einer  andern  zu  ideoti* 
fizieren,  über  welche  die  Eirchrechnung  von  1606  berichtet 
haben  mag.  Denn  in  der  That  scheint  die  Kirche  an  Schnitz- 
bildem  reicher  gewesen  zu  sein,  da  uns  dieselbe  Quelle  über 


1)  DiesM  in  der  m.  a.  Latlnitit  nicht  belegte  Wort  scheint  hier 
Kreaaignng  so  bedeuten,  von  dem  Tod  Jesu  genommen,  welcher  das 
Altarwerk  krönte. 


Littoratar. 

•ine  weitere  Tafel  von  1492  belehrt,  welche  ,,«1  Johann 
Lynde»  Mahler  in  Jehna  um  24  Bh.  fl.  verdingt  und  in  dem- 
selben Jahr  geeezt  worden''. 

Aber  mag  sich  dies  Problem  lösen  wie  es  wolle,  jeden- 
falls haben  wir  hier  die  ersten  verbürgten  Nachrichten  über 
die  Jenaische  Altarwerkstatt,  und  zwar  sngleich  zwei  Künstler- 
namen, Johann  Linde  und  Meister  Hermann.  Bas  Werk  wird 
für  die  Umgegend  von  Jena  dieselbe  Bedeutung  gewinnen  wie 
ein  solches  im  Schlofs  zu  Budolstadt  durch  den  Namen  Valen- 
tin Lendenstreich  1508  ^)  für  die  Saalfelder  Schule,  um  die 
Eigenart  und  Verbreitung  derselben  zu  bestimmen. 

Im  einzelnen  ist  noch  folgendes  zu  bemerken.  Die 
Baldachine  sind  mit  ganz  naturalistischem  Bankenwerk,  Blumen- 
und  Fruchtstücken,  gefüllt  Die  kleinen  Figürohen  an  den 
Säulchen  sind  nicht  Laurentius  und  Stephanus,  sondern  2  Musi- 
kanten in  Biakonentracht,  von  welchen  der  eine  eine  Geige  (von 
L.  wohl  für  den  Rost  angesehen),  der  andere  eine  Laute  hält. 
Statt  Magdalena  ist  Borothea  mit  Blumenkörbchen  zu  setzen. 
Bie  Gemälde  der  Au£Benseiten  sind  nicht  so  unsichtbar, 
dafs  man  nicht  die  Verkündigung  Maria  erkennen  könnte. 
(Bie  £rzväter  nicht  vorhanden.)  Auf  dem  rechten  Flügel 
die  Jungfirau  kniend  mit  'über  der  Brust  gekreuzten  Händen 
in  einem  Gemach,  dessen  romanisches  Fenster  einen  Blick 
in  reiche  Berglandschaft  gestattet.  Sie  bewegt  höchst  anmutig 
das  Haupt  dem  Engel  Gabriel  entgegen,  welcher  auf  dem 
linken  Flügel  in  vollkommen  freier  Fels-  und  Hügellandschaft 
dargestellt  is^  in  der  Hand  das  Spruchband :  AVE  GRSCIX 

*LeHÄ  aHs  xecvM. 

Auf  den  Altarleuchtern  ist  statt  Gensesotte  zu  lesen 
jGiense  Botte  und  gemeint  Susanna  Martha  Gintzeroth,  Ehe- 
frau des  damaligen  Mahlmüllers. 

1)  Im  „Erbbach  der  SUdt  Salrelt«*  schon  1485;  doch  1507  findet 
sich  „Waltin  lendenstrelchs  witewe",  1516  ist  „dye  malerin'*  genannt, 
aber  „item  ir  Handtwergk<<  dorchstricben,  welches  sie  offenbar  knrs  ror- 
her  aufgegeben.  S.  hiersn  den  der  Red.  im  Jani  1898  übergebenen  Anf- 
sata  Lehfeldf s  in  diesem  Heft,  „Ober  die  thOr.  Familie  Lendenstreich**. 
Bem.  d.  Bed. 


700  LittarAtar. 

Dienstedt.  Kirche.  Der  balkooartige  Yonpning  im 
TturmobergeaehofB  ist  auch  nach  N.  herauBgearbeitet  Die 
Mauer  setzt  im  Inoem  an  beiden  Seiten  merklich  ab. 

Der  Bau  des  Langhauses  fällt  nicht  auf  1606,  sondern 
auf  1786  und  zwar  wurde  1785  die  alte  (westliche?)  Kirche 
abgetragen,  28.  Dez.  der  Grundstein  gelegt  und  die  vollendete 
Kirche  am  27.  Okt.  1736  durch  Joh«  Christ  Zeller,  Sup^ 
intendent  in  Blankenbain,  eingeweiht;  die  dabei  gehaltene 
Predigt  wurde  gedruckt  Die  Inschrift  über  der  inneren 
Westthür  giebt  ebenso  unzweifelhaft  davon  Naehricht:  Unter 
der  Direktion  und  Aufsicht  8.T.  Herrn  Adam  Hoffmanns 
1 :  Pastoris  ist  dieser  Tempel  Zur  EHBE  GOTTes  genant  er- 
bauet im  Jahr  Christi  ICD.CCXXXYL  —  Der  „achteckige 
Turmhelm''  ist  viereckig. 

„Altar werk  ...  aus  der  1.  Hälfte  des  16.  Jahr- 
hunderts". Am  unteren  Bahmen  läuft  eine  Inschrift:  HiBC 
TABVLA  TEMPOBE  ET  C0N8IU0  I0ANNI8  HOPF- 
GABTBN  PA8T0BIS  FACTA  EST  ANNO  8ALUTI8 
liUMA:  GENE:  1577  o  Damit  werden  die  Auslassungen  L» 
über  „bedeutende  Art,  Sohongauer  und  Übermalung"  hinfiUlig. 
Das  Werk  giebt  die  evangelischen  Gedanken  eines  Pfarrers  in 
der  Kunstsprache  der  ausgehenden  dranachschen  Schule  wieder. 
Hopffgarten  war  der  erste  lutherische  Pftmrer  in  Dienstedt 
bis  1683,  in  welchem  Jahre  naohrichtlich  Joh.  Goldeliue  vom 
Grafen  Karl  III.  von  Gleichen  eingesetzt  wurde. 

„Kelch  aus  dem  17.  Jahrhundert''  vergl.  unter  Hochdoif. 

„Kelche  mit  .  .  1780".  Die  Inschrift  heifst:  J.  A. 
Henkel  L(ehrer)  1680. 

Goldelius  war  also  der  zweite  evangelische  Pfarm. 
Auf  seinem  Bildnis  rechts  oben  ein  Schild,  darauf  ein  hebr. 
Taw  mit  Kreuz  darauf  und  J.  G.  Darüber  das  Lemma: 
Signati  n  servantur,  nach  Ezech.  9.6.  „Und  jedermann, 
welcher  das  Zeichen  (Taw)  trägt,  wird  nicht  umkommen." 

GOttem.  Kirche.  Im  Grundrils  ist  die  romanische 
Apsis  (bei  L.  Treppenturm)  vergessen,  welche  als  der  älteste 
Bauteil   angesehen  werden    mufs   und   darauf  schliefBen  iSfst, 


Littertttiir.  YQ} 

dafB  die  unprüngliohe  Eirohe  in  yiel  kleioerem  Mabstabe 
gebaut  and  mit  8  Apsiden  geschlossen  war.  Die  übrig  ge- 
bliebene (südliohe)  scheint  übrigens  blind  gewesen  zn  sein. 
Die  yyhalbyersohüttete  Randbogenthür''  ist  keine  Thür,  sondern 
ein  Treppengewölbe,  das  in  eine  Krypta  hinabführt 

Das  Belief  in  der  spitzbogigen  Blende  an  der  Sakristei- 
nordseite wird  man  weit  früher  als  um  1500  ansetzen  müssen. 
Die  Darstellungsweise  ist  noch  romanisch,  das  Ganze  aber 
stark  überarbeitet  Die  Deutung  L.^s  als  jüngstes  Gericht 
ist  richtig.  Doch  ist  auf  die  überraschende  Ähnlichkeit  mit 
romanischen  Darstellungen  der  Yerklämng  aufmerksam  zu 
machen.     (Janitsoheck,  Gesch.  d.  Malerei,  S.  88). 

Glocke   2.     Die   Inschrift  ist  ganz   deutlich:  f  XQO 

liÄVDÄTXTR  DÖVS  ROST  Äe<Q  HVGÄT .  Es  ist 
allem  Anschein  nach  ein  Hexameter:  per  me  laudatur  deus, 
hostes  aeque  fugantur,  doch  ist  das  natürlich  keine  korrekte 
Poesie.  Und  es  ist  unbenommen,  hostium  agmenque  fuga- 
tur  oder  noch  anderes  zu  lesen.  Höchst  interessant  ist 
das  Medaillon,  welches  L.  mit  Christus  als  Himmelsfürst  be- 
zeichnet. Ein  junger  Mann,  bartlos,  mit  der  Laubkrone,  in 
der  Hechten  den  Beichsapfel  erhoben,  in  der  Linken  das 
Lilienscepter,  den  faltigen  Mantel  auf  der  Brust  durch  runde 
Spange  zusammengehalten,  sitzt  auf  einem  wenig  sichtbaren 
Stuhl,  über  den  2  Bischöfe  gelegt  sind,  derart,  dafs  sie  rechts 
und  links  mit  dem  Oberleib  herausragen.  Die  Ähnlichkeit 
dieser  Darstellung  mit  den  kaiserlichen  Münzsiegeln  des 
Mittelalters  springt  sofort  in  die  Augen.  (Yergl.  die  goldene 
Bulle  Ludwigs  d.  Baiem  von  1387,  in  Prutz,  Staatengesch* 
des  Abendlandes  im  Mittelalter  II,  S.  198.)  Auch  die  Schrift- 
formen weisen  auf  die  Mitte  des  14.  Jahrhunderts,  die  Zeit 
des  Interdiktes  und  einer  grofsen  nationalen  Erbitterung  über 
päpstliche  Überhebung.  Es  gewinnt  demnach  den  Anschein,  als 
hätten  wir  hier  eine  jener  Satiren  auf  die  Niederlage  der  Kirche 
und  den  endlichen  Sieg  des  Kaisertums,  welche  noch  nachdrück- 
licher durch  das  Pendant:  Christus  auf  der  Eselin  erscheint. 
Groblohma.     Kirche.    Die  spitzbogigen  Fenster  sind 


702  Uttmftar. 

nicht  goÜBoht  sondern  aas  späterer  Zeit.  Yom  N.  fükrt  oae 
Bondbogenthür  auf  die  Empore. 

Die  Kanzel  ist  mit  den  4  Evangelisten  roh  bemalt  nnd 
Jer.  1.  7  darüber:  Bufe  getrost,  schone  nicht. 

Gedenktafel  für  des  PfBurrers  Johann  Apitiens  S^lhaleiB, 
t  1717. 

Altar:  Steinplatte  in  Kämpferform ,  an  der  Büekwaad 
starke  Flaohbogennische. 

Taufkanne,  Zinn,  mit :  Dorothea  Ohrittiana  Franckin  Gab. 
Henzoldin  1742. 

Kelob.  Die  Inschrift  A  •  M .  Ackerin  ist  nicht  au  finden, 
dagegen:  J.  Henzoldt  Pastor  Lboma  1722. 

Hanfcld.  Die  Dentnng  des  in  Abbildung  wiedergegebenen 
Steines  als  Kämpfer  darf  angefochten  werden.  Man  wird  eher 
ein  Wahrzeichen  darin  finden.  —  Audi  nach  Süden  nad 
Norden  waren  im  Tormobergeschofs  romanische  Doppelfenster 
mit  Kleebögen  geöffnet. 

Der  Kanzelban  in  der  C h o r bogenöffhnng  aus  dem 
Anfang  unseres  Jahrhunderts  hat  die  entsetzlichen  Figuren 
von  Moses,  Christas   als   guter  Hirt,  Wahrheit  und  Weisheit. 

Kleine  Marienfigar  über  dem  Triumphbogen,  sehr  über 
weifst,  doch  alt  In  der  Sakristei  Lutherbild  mit  sehr  ent- 
fernter Ähnlichkeit:  D.M.L.—  Y.D.M.I.AE.  TIVH, 
VIVIT  VIVIT. 

Heilsberg.  Kirche.  Bomanische  Beste  werden  sieh 
schwer  nachweisen  lassen.  Jedenfalls  hat  der  Turm  wesent- 
lich in  gotischer  Zeit  sein  Gepräge  erhalten,  unbedingt  die 
(vier)  spitz  bogigen  Doppelfenster  seines  Obergesehosses, 
welche  in  den  Laibungen  mit  einfachen  Kehlen  profiliert  sind 

und   mehrfach    die  Zeichen:  Lj-j   |-Ih   ^^  tragen^). 

Spätere  Überarbeitung  ist  nicht  bemerkbar.  Aus  de^ 
selben  Zeit  stammt  ein  yon  L.  nicht  erwähnter  Oiorbogen, 
welcher  jetzt  Turm   und  Langhaus  yerbindet^   auf  gekehltem 


1)  Diese  Zeichen  sind  hinflg  «m  Domehor  in  Srfiut  tob  IH». 


Litteratnr.  703 

Sockel  ruht  und  in  Eämpferhöhe  einfach  abgefast  ist.  Bie^ 
Bosette  des  TuriuBÜdfenBters  hat  ein  seltener  yorkommcn- 
des  Mafswerky  indem  an  ein  Sohächerkreuz  Fisohblasen  an- 
gesetzt sind,  in  der  Mitte  das  Zeichen  ^. 

Der  Grabstein  ist  zur  Datierung  nicht  zu  yerwenden,^ 
da  er  erst  in  neuerer  Zeit  an  die  Emporentreppe,  und  zwar 
auf  dem  Kopf  stehend,  eingemauert  wurde.  Das  Mittelfeld 
seigt  oben  im  Wappenschild:  drei  halbierte  Bösen  1  :  2  ge-- 
stellt,  unten  in  starken  Zügen  if>efU0  (Ctifl^.  Die  Umschrift 
heifst:  m^cccc^ppppp .  obiit  fhrenp'  t>ir  criflofer^  öe 
enceberg  (Enzenberg).  L.  liest  1484  statt  1495  und  ctatlC^- 
ftVbt  obwohl  die  Schrift  ganz  deutlich,  das  Wappen  unzweifel- 
haft und  das  Geschlecht  der  Kranichfeld  schon  um  1880  mit 
Hermann  IV.  ausgegangen  ist  (Sagittarius,  S.  265),  was  L. 
selbst  S.  136  notiert.  Vber  das  Wappen  und  Geschlecht 
derer  y.  Enzenberg  yergl.  Lommer  in  Mitt.  für  Eoda  und  Kahla 
II,  8.  113.  Im  Teilungsyertrag  der  Grafen  yon  Orlamünde  yon 
1414  „alle  yon  entzenberg'' ;  y.  Schultes,  Landesgeschichte,^ 
ürkundenbuch  S.  55.  In  der  Gefolgschaft  der  Grafen  yon 
Gleichen  ist  Christoph  mit  1  Pferd,  Sagittarius  S.  20. 

Unter  den  Schnitzbildern  ist  statt  Magdalena  mit  der 
Salbenbüchse  ganz  unzweifelhaft  zu  setzen  Barbara  mit  Kelch 
(S.   126). 

Glocke  1.  Gott  zu  Ehren  u.  der  Kirche  u.  Gemeinde 
Heilsberg  zum  Nutzen  in  Erfurt  gegossen  1754,  mit  „Belief 
eines  heiligen  Bischofs,  wohl  des  Bonifazius".  Obwohl  der 
Heilige  mit  modernen  Stiefeln  und  hohen  Absätzen  erscheint, 
ist  er  durch  das  Attribut:  BYANGELIYM  yom  Schwert  durch- 
bohrt unzweifelhaft  als  Bonifaoius  bezeichnet. 

Die  berühmte  Inschrift  wird  yon  Grotefend  nicht  un- 
wahrscheinlich als  Zeichen  einer  Gerichtsstätte  gedeutet,  yon 
Landgraf  Ludwig  IL  (1140 — 72)  eingerichtet,  und  gelesen: 
Tod  ewic  tem  unotele  unereh  dner  tod  ewic  teilt  eid  yater 
gisolect  on  kunr  St  Geilus  yargete  yior  klinehan  das  im  eur 
sal gedenke  alle  suntage (Sühnst Gerichtstag)  ewiclioh  dämme  |l 


704  Littoratvr. 

Latter  II.  landgr.  doringe  .  .  geleit  und  •  .  .  giwaride  (?)  des 
doringe  gerey  (GFraf)  Iwok  (Lutz.  Ludwig).  Bine  Neubearbeitung 
wäre  an  der  Zeit. 

Hoehdorf.  nOefärse  ueu'^  Bb  ist  ein  Kelob  da  mit 
Sechspafs-FuTs  und  Weihekreuz,  streng  nach  gotischem  Muster, 
doch  mit  einem  charakterlosen  Blattfries  am  Enau^  nur  be- 
merkenswert durch  sicheres  Datum :  B  .  I .  Hoyerin  GFeb. 
Erumbharin  an.  1724.  Ganz  ähnliche  in  Dienstedt»  Neckeroda 
und  Tannroda,  welche  L.  unsicher  ins  16.,  17.  oder  18.  Jahr- 
hundert setzt 

Hohenfelden.  Die  Deutung  der  Eircheninschrift  von 
1718  sub  episcopo  etc.  findet  sich  schon  in  der  Ortschronik. 
Über  der  Westthür:   A.D.  1718. 

Auf  der  Glocke  No.  8  ist  zu  lesen:  Principe  statt 
principe.  Das  Chronogramm  würde  demnach  1587  ergeben, 
während  allerdings  nur  1687  gemeint  sein  kann.  (Anselm 
Franz  y.  Ingelheim  1679 — 95).  Hier  hat  schon  die  Orts- 
Chronik  die  Korrektur  vorgenommen.  Nach  refiisa  füge  hinza 
gos  mich  Jakob  Pappe  in  Erffort  zu  gottes  wort  ich  ruff  die 
Leyth  der  heiige  Geist  das  Herz  bereit  Hans  Reichart  Hans 
Jancker  Hans  Graw.  Das  Chronogramm  ist  offenbar  metrisch, 
wenn  auch  nicht  sehr  schön: 

Principe  Francisco  Anselmo  proprincipe  Walpoth 
Wachtlo  satrapa  bina  haec  fuit  aere  refusa. 
Die   Chronik   berichtet:   Die   gröfsere  Glocke  hatte   die  Auf- 
schrift Sanctus   Celiacus  Amen  Anno    dni  MCCCCLXXXVIL 
L. :  CiliacuB,  aber  jedenfialls  hiefs   es  Cyriacus,   da  weder  Ce- 
noch  Ciliacus  bekannt. 

Eillansroda.     Taufbecken  einfacher  Kessel,  Kupfer. 

Taufkanne,  Zinn,  klein  und  gefällig,  mit  starkem  Bauch 
und  firewundenen  Kanülen.     Auf  dem  Deckel:  M.A.M. 

Im  Schulhaus  Mefsbuch  „aus  dem  Anfang  des  16. 
Jahrhunderts'^  Dies  ist  der  berühmte  Druck  des  Mainzer 
Missale  auf  Veranlassung  des  ErzbischofiB  Berthold  „per  Petra 
schoffer  de  gernstheym  Anno  dni  1498  3.  april  consummatum'' 
mit   dem  Signet  Sohöffers.     Auf   dem    Deckel  innen   ist  be- 


Littoratnr. 


705 


merkt :  Id  noie  domini  Amen.  Nos  Johannes  de  gioh  ^)  oano- 
nioos  et  archidiaoonos  in  ecolesia  horepotin  (?)  reyerenduB  in 
Ohristo  Andreas  Kendel  Tioarius  bim  ynfert  (?).  Aof  freien 
Blättern  sind  mehrere  liturgische  Stücke  handscbriftlich  nach- 
getragen. 

Eirehremda«  Es  sind  8  Altarwerke  zu  untere 
scheiden.  Die  Figuren  des  ersten  sind  an  den  Sockeln 
durch  Legenden  beseichnet  £s  erscheint  sehr  gewagt,  an 
diesem  keineswegs  vorzüglichen  Werk  nicht  weniger  als  S 
Tcrschiedene  Schulen  zu  entdecken.  Die  „blauen  Kreise  mit 
Füllungsmuster''  sind  Bosetten  mit  gotischem  Fischblasenmafs- 
werk,  doch  modern.  Die  Gemälde  sind  ganz  im  Saalfelder 
Geist.  Auf  der  Verkündigung  Spruchband:  ÄVG  fliGHÄ» 
t^.XeCVM.  Die  „andere  Darstellung"  ist  Gottvater  aus 
Wolken  herabschauend,  wie  gewöhnlich  über  der  Verkündigung. 

Das  zweite  Werk  scheint  eine  Apostelreihe  enthalten 
zu  haben.  Denn  die  noch  vorhandenen  sind  am  Bücken 
numeriert  und  zwar  mit  III.  (Petrus),  VII.  und  VIIL  Nehmen 
wir  an,  dafs  in  der  Mitte  etwa  Maria  und  Anna  aufgestellt 
war  (wie  in  Tonndorf)  und  Petrus  mit  III.  die  Beihe  eröffnete, 
so  würden  wir,  Paulus  als  Nr.  IV  eingerechnet,  mit  VII  auf 
Bartholomäus  kommen,  der  auch  genügend  durch  das  Messer 
bezeichnet  ist,  mit  VIII.  auf  Thomas  mit  dem  Stab. 

Von  einem  dritten  Werk  sind  nur  Maria  (?)  und  der 
Diakon  übrig,  im  Stil  der  älteren  Saalfelder  Schule,  sehr 
plump  und  in  bunten  Farben  ohne  Goldaufwand. 

Glocke:  DVBCH  DAS  FVWB  BIN  ICH  GEFLOSSEN 
HEBMAN  EONIGE  IN  EBFVBT  HAT  MICH  GOSSEN 
1604,  darunter  Belief  des  Bartholomäus  mit  Messer,  die  ab- 
gezogene Haut  über  dem  Arme  hängend.  Eleidnng  ganz 
getreu  nach  dem  Eanon  des  Durandus:  albo  pallio  induitur, 
qnod  per  singuloB  angulos  habet  gemmas  purpureas,  Otte  I,  560. 

Krakendorfl  Folgende  zwei  Werke  sind  von  L.  nicht 
gesehen : 


1)  Möglicherweise  ist  Haos  von  Gieh  der  junger,    welcher  1496  im 
Oefolg  der  Grafen  von  Schwarsbnrg  erscheint.   spXter  Kleriker  geworden. 
XVII.  46 


706  Uttmtur. 

1)  la  der  Sakristei  Pieta,  spätromanischy  Marmor,  mit 
dem  jetst  abgebrochenen  Sockel  ca.  36  cm  hoch.     Maria  mit 
ICatronenscbleier,   welcher    auf    der   Brost    mit   dem    Mantel 
durch    einen    grofsen   runden  Knopf  zusammengehalten  wird, 
auf  einem  thronartigen  Sessel  sitzend,  hält  den  Leichnam  des 
Sohnes  quer   über  die  Knie  gelegt.     Mit   der  B  echten  unter- 
stützt sie  den  Kopf,   mit  der  Linken  hebt   sie  die  Linke  des 
Todten  leicht  empor.     Der  Leichnam  Ohristi  bietet   das    Bild 
starrer  ünbehülflichkeit.     Die  Arme   sind  namenlos  lang  und 
dünn,   die  Hinde  viel   zu  grofs   mit  fast  gleich  langen,   aus- 
druckslos   aneinander   gelegten    Fingern.     Das   Problem    der 
Körperlänge,  von  Michelangelo  später  so  meisterhaft,  ist  hier 
ganz  gewaltsam   gelöst,   indem   die  Oberschenkel   unnatürlich 
kurz  gebildet  sind,    die  Unterschenkel   aber,  doppelt   so  lang, 
scheitartig  bis  auf  den  Boden  reichen.  Der  Herr  ist  noch  mit  dem 
kurzen  Rock    bekleidet,   trägt  aber   bereits   die  Dornenkrone 
und  die  6  Wundmale.     Die  Bildung  der  Gesichter  ist  höchst 
eigenartig.     Die  Augen  quellen  aus  tiefen  Höhlen  krebsartig 
hervor,  wie  gewöhnlich  auf  den  romanischen  Elfenbeintafeln. 
Der  Nasenrücken   ist  im  Sattel  tief  eingeschnitten,   läuft  tob 
da  gerade  und  spitz   aus    und  bildet   mit   den  Flügeln   einen 
stumpfen  Winkel.      Der  Mund    der    Maria   ist   ganz    schmal, 
Ton    zwei   scharfen    Falten    begrenzt,   die   Lippen   stark   und 
spitz  aufgeworfen,  während  der  Mund  des  Herrn  breiter  und 
geöffnet   ist   und   mit    stark   hervortretender  Unterb'ppe    den 
Eindruck   des  gewaltsamen  Todes  erreicht     Haare   und   Bart 
sind    wie   Stricke    aneinandergelegt,    die   Kippen    treten  nach 
Art  der  romanischen  Skulpturen   unnatürlich   aus   dem  Leibe 
heraus.     Die  Falten  des  Mantels  sind  einfach  und  nur  leicht 
markiert.     Wir  dürfen  das  wohlerhaltene  Werk  in  den  Anfang 
des  18.  Jahrhunderts  weisen,  und  es  ist  um  so  interessanter, 
da   in    Orlamünde   (Rathaussammlung)   ein   ganz   gleiches  — 
wenn    auch  sehr  verstümmelt  —  erhalten  ist,   allerdings  von 
L.  um  der   kleinen    Reliefs   am    Sockel   willen   viel  zu  Mb 
datiert     Heft  IIL   146. 

2)  Von   einem  spätgotischen  Altarwerk   ist  noch  er- 


Litteratur. 


707 


halten  Tod  der  Maria,  Tempera  auf  Lein  wand,  in  der 
südlichen  Empore  über  der  Sakristei  als  Brüstung  mit  yer- 
nagelt  (I),  sehr  beschädigt.  Maria,  auf  dem  Bett  liegend,  ist 
mit  einem  purpurnen,  ananasbestickten  Tuch  bedeckt,  von  den 
Aposteln  umgeben,  von  denen  noch  9  erhalten  sind.  Petrus 
reicht  ihr  die  Sterbekerze  and  besprengt  sie  mit  dem  Wedel, 
Johannes  hält  den  Weihwasserkessel,  während  die  übrigen 
betend  oder  lesend  und  nicht  immer  glücklich  um  das  Lager 
gruppiert  sind.  Die  Namen  und  teilweise  auch  die  Attri- 
bute machen  noch  kenntlich:  Jacobut^,  p4UlU0  m4ti40 
p|>iUpptt0.  Die  treffliche  Charakteristik  der  Gesichter,  die 
leuchtenden,  kräftigen  Farben  lassen  selbst  in  dieser  voll- 
kommenen Zerstörung  noch  eine  Ahnung  der  ursprünglichen 
Schönheit  aufkommen. 

Lcngcfeld«  Nach  Süden  ist  der  Chor  durch  eine  höchst 
ungeschickte  Mauermasse  gestützt,  die  einen  Strebepfeiler 
darstellen  soll. 

Auf  dem  Kelch  lies  Erbsse,  auf  der  Weinflasche  Trinekler 
und  füge  hinzu:  Hostienbüchse  rund,  Zinn:  Elisabetha  Mar- 
garetha  Eine  gebohme  Ffeifferin  Hat  diese  speise  Büchse  in 
die  Kirche  verehret,  da  sie  den  29.  April  das  erste  mahl  zum 
heiL  Abendmahl  geschritten  in  Lengefelt  1764. 

Linda  (nicht  bei  L).  Grolsherzogl.  Kammergut  östlich  von 
Meehelroda,  vor  welchem  ein  ummauerter,  verfallener  Fried- 
hof mit  2  Umendenkmälem.  Derselbe  ist  1746  angelegt,  als 
eine  zu  Besuch  in  Linda  weilende  Frau  aus  Blankenhain  dort 
starb  und  von  Weimar  der  Leichenkondukt  nicht  gestattet 
wurde.  „Also  hat  das  gräfliche  Consistorium  befehl  ertheilt, 
dafis  dieselbe  auf  gedachtem  Vorwerk  beerdigt  werde. '* 

Wenige  Schritte  davon  die  Beste  einer  alten  Befestigung, 
eine  2  m  hohe  zerfallene  Mauer  mit  dem  Ansatz  eines 
Tonnengewölbes. 

Lotschen«  Kirche.  Über  dem  östlichen  der  Süd- 
fenster:  MST .  S .  P .  RUDIGER.  „Ehemaliger  Taufstein  — 
Sandstein'^  nein  Kalk. 

Magdala«     Kirche.     Die   gegebene   Orundrifsform   ist 

46* 


708  Litteratnr. 

fehlerhaft  Der  Turm  hält  im  Süden  die  Linie  der  Laaghau»- 
mauer  inne.  —  E»  ist  nicht  der  geringste  historische  Anbalt| 
den  Nordhaa  für  einen  früheren  Turm  aossugehen.  Vielmehr 
scheint  hier  eine  alte  Kapelle  erhalten  zn  sein  (vergL  Gtöttein), 
da  unter  dem  schmalen  Ostfenster  die  Altarreete  noch  er- 
halten sind. 

Der  jetzige  Chorbau  ist  nicht  yon  1613,  sondern  yon 
1516.     Denn  die  Inschrift  heilst:  AtltlO  btÜ.mPry'pVt^  3n 

ponovi  ioi«  baptifU  9ftet>in>r  c^or^  ifie.  Dahinter  auf 
einem  Schild  das  Meisterzeichen  ^.  Woher  L.  die  Worte 
f>t>i  inc^O  C^Ot.pne  fbt>cn>r  genommen  hat,  ist  rätselhaft, 
zumal  Professor  Ooettling  in  Jena  schon  1849  die  Inschrift 
richtig  gelesen  uod  gedeutet  hat. 

Das    gutgekehlte    Sockelgesims   reicht    um    die    ganze 

Kirche,  daran  mehrfach  die  Zeichen    1/    J^     T 

Der  Turm  (wir  erfahren  nur  von  einem  Westtarm)  ist 
1610  als  baufällig  abgetragen  und  nach  den  Kirchrechnungen 
1611 — 13  neugebaut  worden.  (Of.  Freyberg  in  Weim.  Zeitung 
1888,  No.  177  mit  näheren  Angaben.) 

Die  Inschrift;  am  Kanzelbau  ist  zweifellos  in  Yersen  ge- 
geben, und  zwar  in  solchen,  die  dem  Stile  des  Werkes  sehr 
ähnlich  sind: 

In  1739ten  Jahr 
Vom  Tischer  aufgeführt 
Als  1763  war 
Tom  Mahler  ausgeziert* 
Grabstein.     Das  Wappen   ist   2 mal  quergespitzt  wie 
das     der    Krechmar     und    GreuTsen,     die     Inschrift     lautet: 

ÄRO.DE.  (MC)  aoLxnn.ro*  (Christo  obiit?)ws6is. 

Dä»G»,».QI2  +  Man  wird  Witigis  lesen  dürfen  und  in 
der  Jahrzahl  statt  4  auch  X  setzen  können  (1364  oder 
1324).  Die  Persönlichkeit  festzustellen,  ist  noch  nicht  ge- 
glückt, doch  wird  man  mit  ziemlicher  Sicherheit  einen  yon 
Greufsen  (Gruzen,  Grusen)  yermuten  dürfen,  da  1371  ein 
Otto  von   Grusen   als  Yogt  der  Grafen   von   Orlamünde   auf 


Litteratnr. 


709 


liagdala  genannt  wird  (Beitsenstein  Beg.  188  Sp.  1).  Das 
Wappen  dieseB  1659  aosgeetorbenen  Oeschleohts  seigt  in  der 
That  im  silbernen  Felde  2  rote  Spitzen. 

Gedenktafel  des  Klein  von  Oleen:  statt  Ehrenvest 
lies  Mannveste,  statt  Sein  lies  königl.,  statt  Hochemeritirter  (!) 
lies  Hochmeritirter,  statt  Herstgmnn  lies  Yorstprunn. 

Glocke  1  lies  EVECHGEN  und  füge  ein  GEN  MADBL, 
weiter  unten  HEBEN.     Es  ist  wohl  ein  Ters: 
Eckhart  Euechgen  gos  mich 
gen  Madel  gehoer  ich 
ZT  rvffen 

die  Christen  zr  hoffe  (zu  Häuf) 
das  se  leren  (lernen) 
den  weck  des  heren 
,,mit  dem    gleichisohen  Löwen''  —  dies  ist  das  Stadtwappen, 
yergl.  unten  Bathaus. 

Glocke  2  (yom  Bürgermeister  Heinrich  Bingler  der  Stadt 
geschenkt)  lies  BYF.     Auch  hier  2  mal  das  Stadtwappen. 

Glocke  8.  ,,Im  Schalloch . .  nur  h  a  1  b  zu  lesen : . . .  EBBETTE 
DICH  SOBALDT  DV  HOEBEST  KLINGEN  MICH  .  .  .  EVTZ 

BEG.  CONS.  M.  GEBHABT  GOTTFBIED  BANIS  PA " 

Yom  Lehrer  Freyberg  richtig  gelesen: 

Zur  Kirch  ynd  Schyl  bereite  dich 

sobaldt  dy  hoerest  klingen  mich 

IC.  Gerhart  Gottfried  Banis   Pastor  Adam  Pfutz  reg(ierender) 

Con8(ul)    Fusus    ego     sum    impensis    ciyium     Magdalensium 

MDCCXYI  gos  mich  Johann  Böse  in  Yolgkstedt. 

Pfarrei.  Auf  Bauthätigkeit  yon  1634  deutet  ein  Stein 
am  Gartenthor  mit  S.P.M.E  ANNO  CB  1534. 

Bathaus.  Zunächst  ist  das  ganze  KeUergescholÜB  der 
Beschreibung  entgangen.  Das  Portal  der  Westfront  ftthrt  in 
einen  yon  4  Kreuzgewölben  überdeckten,  quadratischen  Baum 
dessen  Fufsboden  jetzt  sehr  erhöht  ist  Die  Gewölbe  sind  in 
der  Mitte  durch  einen  Pfeiler  gestützt ,  welcher  auf  einem 
grofsen,  kämpferförmigen,  einer  Altarplatte  ähnlichen  Tische 
ruht.     Der  Pfeiler   ist  yiereckig,   über  der  Tischplatte  durch 


fj^Q  UtUratnr. 

einfache  Schmiege  abgesetzt,  an  den  Kanten  abgefast  und 
geht  mit  einem  schwach  gegliederten  Kapitell  in  das  Gewölbe 
über.  An  diesem  sehr  undeutlich  TKI  und  Jahreszahl  1561 
oder  1671.  Diese  Anlage  gilt  als  Wahrzeichen  unter  dem 
Spruche:  Das  Rathaus  auf  dem  Tische  steht.  Nach  Osten 
führen  2  Bundbogenthüren  hintereinander  in  die  weitläufigen 
tonnengewölbten  Keller,  welche  keine  architektonischen  Einzel- 
formen haben,  und  in  der  Nordostecke  eine  enge  Wendeltreppe 
in  das  Erdgeschofs  hinauf. 

Mag  das  KellergeschofB  etwas  früher  anzusetzen  sein,  so 
ist  der  Oberbau  in  seinem  ganzen  Umfang  durch  die  aus- 
drückliche Jahreszahl  1671  bestimmt«  Das  Meisterzeichen 
über  dem  Portal,  welches  L.  giebt,  ist  falsch,  es  hat  die  Form 

^JF]/^  (N  und  T  verschränkt),  daneben  findet  sich  rechts  noch 


^' 


' ,  welches  auch  2  mal  in  den  Fensterlaibungen  des  ersten 
Stocks  wiederkehrt  und  ebenfalls  die  gleiche  Bauzeit  garantiert 
Im  ersten  Stock  begegnen  noch   die  Zeichen   ^U),    im    Ober- 

geschofs  ^  und  •^.  Alle  Einzelformen  lassen  darauf  schlieÜBen, 

dafs  der  Bau  um  1671  vollendet  wurde.  Aufserdem  wird 
uns  von  einem  Brande  1677  berichtet,  bei  welchem  nur  die 
Umfassungsmauern  stehen  blieben,  und  sie  scheinen  auch 
durch  spätere  Brände  unversehrt  auf  uns  gekommen  zu  sein. 

An  Einzelheiten  ist  zu  bessern:  Der  Männerkopf  im 
Giebelfeld  des  Portals  ist  nicht  „zwischen  Ranken'*  (Zeichnung 
und  Beschreibung  S,  146  falsch),  sondern  trägt  den  Amts- 
mantel  mit  breitem,  hochstehendem  Kragen.  Ein  ganz  ähn- 
liches Kopfstück  (von  L.  nicht  bemerkt)  findet  sich  an  der 
Nordmauer  unten,  bärtiges  Haupt  mit  Kappe,  hohem  Kragen 
und  gepufiten  Ärmeln,  welche  aber  dicht  unter  der  Schulter 
wie  zugeschnürt  abschliefsen. 

Tafel  über  dem  Portal  „mit  dem  schlechten  Eelief  eines 
Frosches  (sie!)  und  MännerkopfB*'.  Man  mufs  wissen,  dafr 
dies   das   Stadtwappen    ist   und    den   dänisch-orlamündischen 


Litterfttur. 


711 


LöweD  darstellt,  den  die  Städte  Weimar,  OrlamtLnde  und 
liagdala  nach  Aussterben  der  Grafen  von  Orlamtnde  an- 
nahmen. Magdala  setzte  noch  einen  Mädohenkopf  (Madel) 
hinein,  wie  ihn  das  gotische  f^iQiüVtn  cipitatie .' mabbala 
zeigt.  Später  wurde  daraus  ein  bärtiger  Männerkopf,  so  auf 
den  beiden  Glocken  in  den  doppelten  Schweif  geflochten,  den 
man  wohl  der  Johanniskirche  zu  liebe  auf  Johannes  den 
Täufer  deutete.  Auf  dem  Bathausschild  ist  in  der  That 
unter  dem  Haupt  ein  schüsse) formiger  Gegenstand,  welcher 
diese  Deutung  veranlafst  hat  oder  aus  ihr  herzuleiten  ist 

Am  Ende  der  Beschreibung  L.'s  ist  statt  „Westfront 
ohne  Wert''  Nord  front  zu  sagen. 

Maina«  Kirche.  Über  der  Westthür  „eine  grolse 
Bundbogenthür''.  Biese  Öffnung  ist  erstens  klein,  kaum  1  m 
hoch,  und  zweitens  keine  Thür,  sondern  ein  Fenster. 

Altar  mit  Steinplatte  in  Slämpferform. 

Kanzelbau,  Holz  in  leidlicher  Eenaissance  mit  Pilastem, 
unschön  überweifst.  Über  dem  sehr  hoch  angebrachten  Schall- 
deckel ein  plumper  Crudfixus. 

Taufkanne:  JOE  1779,  Zinn. 

Glocke  1:  statt  DANN  lies  DEYM  und  fuge  hinzu:  Gos 
mich  J.C.Bose  i.  Apolda  1736  Ernst  August  H. Z.S.W 
&  .,  .  (hier  bricht  der  Titel  ab)  I.C.Weber  G.S.  I.C.B. 
Zeidler  F.A.M.G.G.Banis  A.M. 

Mechelroda*  Die  Kirche  ist  nach  der  Ffarrmatrikel 
1572  gegründet:  „Albrecht  y.  Meusebach^)  hat .  .  .  1572  nicht 
allein  diese  Tafel,  sondern  auch  die  Kirche  sampt  einem 
Gottesacker  .  .  .  machen  lassen  und  der  gantsen  Gemeinde 
geschenkt"  Mit  der  Tafel  ist  ein  Altarwerk  gemeint,  „daran 
das  Grucifix  gemalet,  auf  der  ersten  Seite  Johannes  der  Täufer 
und  dabei  die  Worte:  Siehe  das  ist  Gottes  Lamm  etc.,  auf 
der  anderen  Seite  Adam  und  Eva,  dabei  die  Worte  l.Cor.  15: 
Der  Tod  etc.,  auf  beiden  Flügeln  yier  Engel,  welche  das 
Leiden    Christi    führen''.     Diese    Beschreibung    gewährt    uns 


1)  Die  Measebach  waren  ein  kirchenbaneodes  Geschlecht,  ■.  Kirchen- 
GaUerie  von  S.-A.  II.  151. 


>^^o  Litteretnr. 

eine  hinreichende  Anschauung  des  jetzt  untergegangenen 
Werkes,  welches,  im  evangelischen  Geist  komponiert»  den 
Dienstedter  ähnlich  gewesen  ist  und  wohl  auch  der  g1ei<^ii 
Schule  entstammte.  Mit  dem  Leiden  Christi  sind  die  Wund- 
male und  Marterwerkzeuge  gemeint,  welche  in  Miniaturen, 
Glasgemälden  und  Uolzschnitten  häufig  erscheinen,  auch  die 
wapen  unsers  here,  arma  christi  genannt« 

Die  Grabplatte  scheint  yon  Tomherein  die  Vorderseite 
des  Altars  geschmückt  zu  haben.  Sie  ist  keineswegs  ab- 
geschlagen oder  beschädigt,  nur  ist  der  untere  Teil  durch 
SrhÖhung  des  FuIiBbodens  versteckt.  Die  Inschrift  lies :  Anno 
1578  am  Sonntag  Septuagesima  (26.  Jan.)  ist  dis  tvgendsame 
(Kind  oder  Mädchen  Anna  von  Ness)  elrot  gebom  vnd  ist  vor- 
schiten  1681  den  18.  Januarii  der  got  gnedig  seii.  Das  Wappen 
rechts  oben  nicht  Lindenzweig,  sondern  eine  Nessel  mit 
Wurzel  und  6  Blättern,  Kleinod  dasselbe:  v.  Neseelrode. 
Links  oben:  gevierteter  Schild,  auf  1  und  2  zwei  ineinander 
gesteckte  Kränze,  auf  8  und  4  ein  Frauenkopf,  Kleinod 
Frauenkopf  mit  Hut  und  Schleier:  v.  Meusebach. 

Das  Wappen  auf  dem  Kelch  ist  das  der  Freiherm  von 
Gumpenberg  in  Baiern  (die  Blasonierung  L.'s  ist  unzureichend), 
welche  ein  ganz  rotes  geviertes  Schild  ftthren.  Jedes 
Feld  ist  mit  einem  silbernen  Rechtsschrägbalken  durchiogeo, 
deren  1.  und  4.  mit  3  Schröderhömern,  deren  2.  und  8«  mit 
8  Seeblättern  belegt  ist.  Der  Kelch  mag  im  80-jährigen 
Krieg  hierher  verschleppt  worden  sein. 

1688  machte  sich  eine  durchgreifende  Bestauration  nötig, 
„dieweil  auch  das  gantze  gebäw  des  Gottes  Hauses  sehr  baw- 
fellig  gewesen,  die  decke  item  die  Mawer  hinter  dem  Altsr 
wie  auch  der  Giebel  hinter  dem  Altar,  also  dafs  nicht  ohne 
geringe  Furcht,  ja  gar  mit  leib  und  lebens  gefehrde  Gottes- 
dienst verrichten  können.*'  Ein  Stein  im  Westgiebel  (das  ist 
hinter  dem  Altar,  der  hier  im  Westen  steht)  giebt  davon  Nach- 
richt: EMEN  ZA  SCHYMA  AO  1688.  (Vielleicht  Emannel 
Zacharias  Schumann  oder  Emerentia,  deren  Sohn  Hans 
Melchior  Schumann  nach  derselben  Quelle  1688  zu  dem  neuer» 


LUteratar. 


718 


baaten  Cayet  die  Schindeln  schenkt  und  noch  1694  aU  Pächter 
des  Adelhofes  aufgeführt  wird?) 

Das  Taufsteinb ecken  ist  unten  achteckig  und  nicht 
Ton  Sand-,  sondern  von  Kalkstein. 

Nauendorf.  Da  sämtliche  Ofi&iungen  der  neuen  Kirche 
Tundbogig  sind,  darf  ander  romanischen  Art  des  Triumphbogen» 
stark  gezweifelt  werden.  Die  Jahressahl  über  der  Westthür 
heifst  1829  nicht  1820.  Die  beiden  Orabfiguren  der  Bünau- 
Bohen  Kinder  haben  am  Kleidsaum  das  yäterliche  Wappen; 
«nf  dem  1.  lies  yerscheiden,  auf  dem  2.  Ann  . .  Aug  •  . .  is. 
Links  yom  Altar  an  der  Ostwand  wieder  eingemauert  Figur 
eines  Bischofs  mit  Krummstab  in  der  Linken,  bartlos^ 
gotisch,  doch  sehr  zerstört  (St.  Nikolaus  ?X  Steinskulptur. 

Altarleuchter  yon  Zinn,  nicht  Messing. 

Neekeroda«  Von  einem  dreiflügeligen  Altarwerk  ist 
der  leere  Schrein  erhalten  mit  dem  Baldachin  in  der  Mitte, 
für  5  Figuren  bestimmt.  Der  linke  Flügel  hat  ein  schlechtee 
Gemälde  des  Auferstandenen  aus  dem  yorigen  Jahrhundert  be- 
wahrt. —  Interessant  ist  die  Leinwand,  mit  welcher  der  Schrein 
Mu^eklebt  war,  da  hierzu  der  Entwurf  eines  grofsen  Gemäldes, 
Noah  in  den  Kasten  gehend,  yerschnitten  wurde.  In  der 
Mitte  eine  Menge  Tiere,  rechts  und  links  2  Männer  in 
aohwarzen  Konturen  stark  umrissen  und  in  den  Farben  leicht 
angedeutet,  wie  der  Meister  sie  seinen  Gesellen  zur  Ausführung 
überliefe.  Ringsum  Schriftbänder:  fX)VC  —  IVÄ^TA  (iu- 
menta).ÖT.Rai>TnjLBL,  oben  (B)«STLBLe. TR«  (terrae) 
eX.IVUlTÄ  «T  0...,  links  LBLIII  ROlttlHQ.ÄD. 
ymtÄGIHQ  QT . .  (Aus  Gen.  7.  nach  der  Vulgata  yerkürzt.) 

Über  den  Kelch  Nr.  1  yergl.  zu  Hochdorf. 

Niedersynderstedt.  Kirche.  „E.H. S. V.M.  aufsen 
über  dem  NO.-Fenster'^  Der  mittlere  Buchstabe  ist  nicht  S 
SU  lesen,  sondern  nur  Punkt  mit  Schwänzen  zur  Trennung 
der  beiden  Namen. 

Über  dem  Schalldeckel  nicht  segnender  Christus,  sondern 
Gottyater  mit  Weltkugel,  nicht  Figur,  sondern  Bruststück, 
Bieht  farbig,  sondern  weifs. 


714 


Litteratar. 


Obersynderstedt»  Kirche  yon  1709,  wie  ein  Sieia 
über  der  Thür  zur  Empore  mit  MD  (Roee)  GGIX  anzeigt 
Doch  scheinen  ältere  Beste  benutzt  za  sein,  in  der  Sakristei 
Sakramentsschrein,  spitzbogig  mit  Eisenthür. 

Die  Malereien  an  den  Emporen  sind  allerdings  sehr 
kindlich.  Das  kann  indessen  nicht  hindern,  ihren  trefflichen 
Sinn  zu  würdigen  und  sie  als  letzte  Ausläufer  einer  yolks- 
tümliohen  Darstellung  zu  ehren,  welche  Ton  den  Kalendern 
und  Armenbibeln  des  katholischen  Mittelalters  ihren  Weg 
auch  in  protestantische  Kirchen  gefanden  haben.  Es  ist  eine 
bildliche  Darstellung  des  Glaubensbekenntnisses  nach  der 
Legende,  dafs  jeder  Apostel  ein  Yersikel  dazu  geliefert  und 
anch  die  Propheten  die  einzelnen  Glaubenssätze  schon  an- 
gedeutet haben.  Das  wird  durch  die  Unterschriften  aus- 
gedrückt: (Von)  Jesu  zeugen  alle  Propheten,  da£9  durch  seinen 
Namen  alle  die  an  Ihn  glauben  yer(gebung  der  Suaden  em- 
pfangen sollen.  Apgesch.  10.  43)  und  unter  der  Apostelreihe: 
Ihr  werdet  zeugen  yon  MIR,  ihr  seyd  yon  anfang  bey  mir 
gewesen  Joh.  XV  (27). 

Von  den  Propheten,  an  der  oberen  rechten  Empore, 
sind  nur  11  kleine  gegeben.  Maleachi  fehlt,  weil  die 
Emporen  später  um  ein  Feld  yerkünt  sind.  Sie  erscheineD 
ohne  Attribute  mit  den  Gesten  des  Predigens.  Yon  den 
Aposteln  (links)  ist  gleichfedls  der  erste  (Paulus  oder  Jo- 
hannes) zerstört,  die  übrigen  in  der  Eeihenfolge  nach  Matth.  10. 
2 — 4,  durch  Unterschriften  und  Attribute  kenntlich,  auch  in 
den  Gesichtern  findet  sich  noch  ein  Anklang  an  die  alten 
Typen.  Judas  Ischarioth  im  üblichen  gelben  Mantel  ist  ein 
ganz  freundlicher  Herr  und  hat  dem  Künstler  sicher  nicht  S 
schlaflose  Nächte  gekostet. 

Die  Felder  der  unteren  Emporen  bieten  eine  explanatio 
symboli  in  24  alt-  und  nentestamentlichen  Scenen.  Aus  dem 
A.T.  unten  rechts:  1)  SündenfalL  2)  Vertreibung  aus  dem 
Paradies.  8)  Sintflut,  Gen.  7.  4)  Loths  Bettung,  Gen.  9.  5) 
Isaaks  Opferung,  Gen.  22.  6)  Jakobsleiter,  Gen.  28.  7)  Die 
Gebung  des  Gesetzes  auf  dem  Berge,  Num.  19.  8)  Die  Kund- 


Litterfttnr.  7|5 

«obafter,  Num.  18.  9)  Die  eheroe  Schlange,  Num.  21.  10) 
Eliae  Himmelfahrt,  2  Beg.  2.  11)  Simson  mit  Löweo,  Jud.  14. 
12)  Daniel  in  der  Löwengrube. 

AuB  dem  N.  T.:  1)  Anbetung  der  Weisen.  2)  Jordan- 
taufe. 8)  Yersnohnng.  4)  Verklärung.  6)  Einzug  in  Jem- 
salem.  6)  Die  5  klugen  und  5  thörichten  Jungfrauen.  7)  Abend- 
mahl. 8)  Kreuzigung.  9)  Auferstehung.  10)  Himmelfahrt. 
11)  Ausgiefsung  des  h«  Geistes  (zu  einer  Bank  im  Altarraum 
yersohnitzt).  12)  Weltgericht,  zerstört,  nur  ein  paar  Bretter 
erhalten. 

Eine  ähnliche,  aber  reichere  Darstellung  in  der  Kirche 
zu  Lippersdorf,  8.- Altenburg,  Heft  11,  S.  22.  Zur  Sache 
Wemicke  im  Christi.  Kunstblatt,  1887,  108  ff. 

Figuren.  Die  3  anderen  Heiligen  sind  Maria  mit  Kind 
(abgebrochen)  auf  der  Mondsichel,  Katharina  (?)  und  yon 
einem  zweiten  Altarwerk  oder  Einzelfigur  Maria  sitzend,  früh- 
gotisch mit  yergnügtem  Lächeln,  sehr  roh,  also  wohl  Pieta 
oder  von  einer  Anbetung  der  Weisen.  —  Das  gröfsere  Werk 
läfst  sich  mit  seinen  5  Figuren  rekonstruieren,  wenn  wir  in 
die  Mitte  Maria,  rechts  Barbara,  links  Katharina  und  auf  die 
beiden  Flügel  Sebastian  und  Johannes  setzen.  Die  Figuren 
sind  sehr  schön  gewesen. 

Hostienbüchse  von  1619,  rund,  Zinn,  mit  geprägtem 
Medaillon:  Noah,  dessen  Frau  und  1  Sohn  vor  dem  Altar 
knieend,  mit  der  Unterschrift  N0£  GIENG  AYS  DEB  ABGH 
GETBOST  GPFEBDT  16  GGTT  19. 

Kelch  1689,  Zinn,  mit  aufgelegtem  Kruzifix,  sehr 
bauchiger  Kuppe. 

Rottdorf.  Altarwerk.  Yon  den  geschnitzten  Figuren 
ist  links  oben  nicht  Thaddäus,  sondern  Jakobus  minor  mit 
dem  Walkerbaum  (in  Thüringen  fast  regelmäfsig  wie  hier 
Geigenbogen),  rechts  oben,  wenn  am  „Typus  kenntlich'',  nicht 
Bartholomäus,  sondern  Philippus,  da  er  bartlos  ist.  Aber 
auiÜBerdem  hat  er  ja  den  Kreuzstab  in  der  Linken. 

Die  Figuren  sind  sehr  derb  und  massig,  wohl  nach  guten 
Yorlagen  von   schlechten  Händen,    die  Frauen   und  das  Kind 


716  LittenUar. 

0Ogar  grob  auBgefallen.  Die  Gemälde  sind  ungleich  besser 
nnd  scheinen  Cranach  nicht  fern  zu,  stehen.  Die  Yerkündigong 
ist  in  das  Gemach  der  Maria  yersetst,  welche  mit  gekremten 
Armen  yor  einem  Betpalt  kniet,  die  Taube  schwebt  neben  ihr. 
Auf  einem  Wandbrett  oben  rechts  stehen  2  Arzneiflasdien 
und  ein  Napf  mit  „{)edF0fetr^'_(Daehsfstt)  —  2  Spruchbän- 
der mit:  AV€  Gvacia  ple  bne  recum  und  Scce  ancilU 
bomini  flar  mt'  fcbm  t>etblt  ntlim.  —  Das  Abendmahl 
im  Sockel  ist  eine  schlechte  Schülerleistung. 

Figuren  auf  dem  Dachboden.  1)  Ein  Auferstandener, 
scheint  aus  dem  Torigen  Jahrhundert,  gewöhnlich.  2)  Oruci- 
fixus,  gotisch,  unnatürlich  hager,  doch  der  Kopf  wunderyoll 
durchgearbeitet,  giebt  meisterhaft  den  Ausdruck  tielbten 
Schmerzes  wieder,   welcher  im  Tode  aufgelöst  ist 

Auf  dem  Kelch:  Eottorf  wiegt  21  loht  1|  quent^ 
dazu  Patene  mit  Weihekreuz  und  goldenes  Kelchlöffelchen. 

Hostienbttchse  Zinn,  einftush  rund:  Verehret  der  Kirche 
zu  Kottdorff  Yon  Johan  Georg  Münch  Ano  1765. 

Glocke:  VBBBYM  DOMNI  MANBT  IN  JBTEBNVM 
1660. 

Saalbom.  Auf  der  oberen  Leiste  des  rem.  Altar- 
kreuz  es  ist  über  der  Hand  Gottes  hinzuzufügen:  DBXTBBA 
DNI  (nach  Ps.  118.   16). 

Kelch.  Die  „Stifter-Inschrift'*  lautet:  M.  Nicklas  Bauer 
(Pastor)  Hanf  Kin  A.Man  aüo  1671.  Hieraus  geht  hervor, 
dals  der  Kelch  yon  der  Gemeinde  gekauft  wurde.  Ebenso 
Patene,  beide  mit  Hh. 

Altarleuchter  Zinn:  Johann  Nickel  SöUner  1781. 

Glocke  2.  Anno  1681  gos  mich  Hans  Wolf  Geyer  in 
Erffvrt  V.D.M.I.^. 

Schwarza.  Kirche.  Das  rechteckige  Ghorfenster  mit 
einer  tiefen  Hohlkehleneinfassung  und  sich  kreuzenden  Kanten- 
stäben  weist  auf  Bauthätigkeit  im  16.  Jahrhundert.  Der 
Stein  yon  1716  ist  ein  Oyal  mit  Blätterumrahmung:  AG  1716 
Hanfs  Heinr.  Werner  Schultth.  Nikoll  (?)  Amann  Altarist  — 
Aber  der   gröfste  Teil   des   Mauerwerkes  ist   neu  und    zwar 


LUtoTAtar.  717 

TOD  1826.    Ackermann,  S.  165.     Eechts  neben  der  Tafel  ein 
Stein  mit  schwörender  Hand  (Wahrzeichen?) 

SSUnitz.     Tanfkanne  Zinn:  E.E.SELNITZ  1786. 

Glocke: 

Sobald  ihr  höret  meinen  Schall 

Zar  Kirche  euch  yertamlet  all 

Im  Namen  Gottes  goss  mich  Martin  Eose  etc. 

Stadtremda*  Statt  Tnrmtreppen-  ist  Eanzeltreppenauf- 
gang  za  sagen,  östlich  vor  den  Turm  war  in  gotischer  Zeit 
ein  Ghorbau  yorgelegt»  too  welchem  noch  der  spitze,  jetzt 
bis  auf  die  Sakristeithür  vermauerte  Ghorbogen  und  die  nörd- 
liche und  südliche  Wand  erhalten  sind.  Dieser  Bau  scheint 
aber  bald  wieder  abgetragen  zu  sein,  da  die  beiden  Wände 
jetzt  symmetrisch  abgetreppt,  zu  Strebepfeilern  yerkürzt  sind 
und  an  ihren  östlichen  Stirnseiten  gotische  Belieftafeln  trugen, 
Nur  die  nördliche  derselben  ist  arg  zerstört  erhalten.  Doch 
ist  yon  einer  Kreuzigung  noch  Kopf  und  Arm  des  Heilands, 
eowie  die  Bedachung  und  der  mehrfach  in  Rundstäben  und 
Hohlkehlen  gegliederte  Sockel  erkennbar. 

Die  Abendmahlsdecke  ist  ein  Kissenüberzug  (S.  168). 

Sundremda.  Das  Taufbecken  im  Pfarrgarten  ist  nicht 
achteckig,  sondern  rund. 

Tannroda*  An  der  Ostseite  des  Turmobergeschosses 
€H .  H .  BOERMEL  M .  D .  GGCXXV.  Die  Kirche  ist  thatsäch- 
lieh  aus  den  Steinen  des  Schlosses  gebaut,  welches  Garl  August 
der  Gemeinde  zu  diesem  Zweck  überliefs.  Auch  sind  damals 
die  Michaels-  und  Annenkirche  niedergelegt  und  das  Material 
mit  y erwendet  worden. 

Auf  dem  2.  Grabstein  lies  WITTERN  .  .  VNDT  .  . 
VORLEI.  Aniser  den  beiden  erhaltenen  Grabsteinen  wurde 
noch  ein  grofses  Grabmonument  aufgestellt,  wovon  drei  Eiguren 
im  Besitz  des  Herrn  Zieglers  Cyriax  in  Berka  gerettet  und 
in  dessen  Garten  aufgestellt  sind.  Es  sind  Vater,  Mutter  und 
Tochter,  knieend  mit  gefalteten  Händen,  der  Ritter  barhaupt 
in  Plattenrüstung  mit  Giseliernachahmung,  Hände  und  Degen 
abgebrochen,    die  Edelfrau    in   Haube    und   langem   Witwen- 


718  Litteratvr. 

Bchleier,  hoher  Halskrause  und  gesticktem  Kleid,  das  Fräulein 
mit  einem  Kränzchen  im  Haar,  welches  lang  und  frei  üher 
die  Schultern  fällt,  das  Kleid  mit  Ananasmuster  hestickt  Die 
Figuren  sind  aus  Beeberger  Sandstein,  ca,  60  cm  hoch,  aulser 
einigen  gewaltsamen  Beschädigungen  noch  wohlerhalten.  1825 
wurden  sie  mit  anderen  Bildwerken  (es  sollen  2  Wagenladungen 
für  2  Thlr.  yerkauft  worden  sein)  aus  der  Kirche  zu  Tannrods 
nach  Berka  geschafft  und  bildeten  mit  den  yerloren  gegangenen 
ein  Monument  etwa  nach  der  Art  des  dem  Herzog  Johann 
und  der  Dorothea  Maria  in  der  Stadtkirche  zu  Weimar  er- 
richteten (Heft  XVIII,  8.  243).  Hinter  den  Figuren  dürfen 
wir  eine  biblische  Darstellung  vermuten,  und  wenn  die  Br- 
innerung  alter  Zeugen  nicht  trügt,  die  das  ganze  Werk  noch 
gesehen  und  yon  Teufelchen  erzählen,  welche  die  Verdammten 
in  die  Flammen  zerrten,  so  wird  auf  ein  Weltgericht  ge- 
schlossen werden  können.  Nach  anderer  Erinnerung  soll  das 
Monument  in  der  Michaelskirche  zur  Seite  des  Gleichenschen 
Kirchenstuhles  gestanden  haben.  Auf  der  hölzernen  £^ 
innerungstafel  wird  zwischen  dem  Epitaphium  and  dem  Grab- 
stein ein  Unterschied  gemacht: 

Dehn  zum  christlichen  Oedäohtniss 

Dies  Epitaphium  setzen  liefe 

Von  Wittern  Frau  Elisabeth 

Wittwe  geborne  von  Bemstedt 
und  weiter  unten: 

Auch  das  Epitaph  und  Grabstein 

Für  Mutwill  und  Schand  bewahren  fein. 
Das  Epitaph  ist  also  das  Wichtigere  gewesen.    Da  aueh 
Ton  „ein  Gantsel   neu"  geredet   wird,  welche    offenbar  aaeh 
yon  Stein  und  gleicher  KunstvoUendung  war,  so  ist  die  b8^ 
barische  Yemichtung  dieser  Werke  tief  zu  beklagen. 

Auf  dem  Grabstein  des  jungen  y.  Bünau  lies  IVLT . .  • 
BINAY  VD  (und)  THaNRODA.  Füge  hinzu  ab  Ktinitl6^ 
monogramm  F.F. 

„Kelch  aus  dem  16.  Jahrhundert''  yergl.  unter  Hoch- 
dorf. 


Litteratar.  719 

Krankenkeloh,  lies  Jakob  Eemmer  (sohwedisoher  Lieut- 
nanty  starb  in  Tiefengraben). 

Stahl  in  der  Sakristei  mit  darchbrochener  nnd  ge- 
schnitzter Lehne,  sehr  knnstlos  den  Sündenfall  darstellend: 
in  der  Mitte  der  Baam  mit  der  Schlange,  links  Adam,  rechts 
Eva,  das  Qanze  von  gesohwangenen  Omamentleisten  eingefafst. 
Die  Arbeit  scheint  dem  14.  Jahrhandert  angehörig. 

yyKelch  ans  dem  16.  Jahrhundert''  vergl.  darüber  anter 
Hochdorf. 

Glocke  No.  8.  Das  Medaillon  2  ist  nicht  yon  einem 
Fünfpafsy  sondern  Ton  einer  Weinranke  umrahmt,  die  im 
Sechspals  geschwungen  nnd  mit  Trauben  besetzt  ist  Der 
Engel  mit  Flügeln  und  Glorie  and  die  Jungfrau  zeigen  noch 
ganz  die  ängstlichen  kleinen  und  regelmäfsigen  Falten  der 
früheren  romanischen  Skulpturen.  Zwischen  beiden  auf  einer 
gedrehten  Säule  die  Lilie  und  ein  Spruchband:  AHÖOITS 
MOa  (Angelus-Maria?).  Darüber  Gott  Vater  mit  der  Welt- 
kugcL 

Das  Medaillon  No.  8  ist  Christus  als  Weltrichter  (maiestas 
domini)  auf  dem  Thron,  No.  4  sitzende  Figur,  bartlos  mit 
Laubkrone,  das  Lilienscepter  in  der  Rechten  (vergl.  Göttern), 
8  kleinere  Figuren  klettern  auf  der  linken  Seite  empor,  die 
oberste  mit  Glorie.  Unten  am  rechten  Knie  eine  ganz  un- 
deutliche Figur.  An  eine  misericordia  Mariae  zu  denken, 
liegt  nahe.  Es  kann  aber  ebenso  gut  eine  profane  Dar- 
stelluDg  sein. 

Welchem  Eirchenbau  die  Schrifttafel  in  der  Bibliothek 
zu  Weimar  entstammt,  wird  schwer  zu  entscheiden  sein: 
Anno  dni  MGGC<^LOIIII<>  edificata  e(st)  cappella  ista  Hh  a  dno 
hnr  (henrico)  plebano  dicto  Hh  •  •  nest  ö  (cum)  cös(en?)sa 
dfior  de  Hh  tanroda  (in  Majuskeln). 

Thangelstedt.  Von  den  Bundbogendoppelfenstem  des 
Tormobergeschosses  ist  nur  das  westliche  nach  dem  Langhaua- 
dach  hin  etwas  yermauert,  die  übrigen  sind  noch  offen. 

Es  ist  unendlich  zu  beklagen,  dafs  die  Inschrift  des 
Altarwerks  gerade  da  rettungslos  zerstört  ist,   wo  sie  an* 


720 


Littoratnr. 


flogt,  wichtig  SU  werdeo.  Doch  ist  am  Ende  wenigsteoB 
noch  deatlioh  t>0  falf...  Die  yergleiohende  Fonohung  wird 
Tieileioht  beweisen  können,  dafs  es  „yon  Salfeld^'  hiels.  Auf 
dem  Eoisboden  der  Yerkündigung  ist  mit  Rötel  gesehiieben : 
Magna  yirtos.  (Im  Lentolosbrief  wird  Christas  Tir  magnae 
virtotis  genannt). 

Taufkanne  und  Schale,  letztere  mit  S.D.  y.  Wits- 
leben  1718.  Giefsersignet :  drei  Schilde  reehts  and  links 
Baum  mit  CT.,  in  der  Mitte  schreitender  Löwe   mit    169fi. 

Am  Friedhofsthor:  Apo  XIIII  (Offenbg.  14.  13)  SELIG 
SIND  DIE  TODEN.D.I.H.S.  AO  1609. 

Im  Pfarrgarten  Tauf  stein  rund  mit  einfS^hen  Leisteo 
versiert  und  yiereokigem  Sockel;  der  Schaft  fehlt.  An  dem 
Beckenrand:  ANNO  DOMINI  1586. IST  DISBR  TAVF- 
8TEIN  GEMACHT  «IQ« 

Am  Haus  der  Kirche  gegenüber  Stein  mit  H.V .  I.  0.£ 
1570,  darunter:  17  J  G  E  66. 

Tiefeiigmbeil.   Glocke  l.   Die  Reliefs  sind  folgende: 
1)  Christus  in  einer  Mandorla  als  Weltrichter  auf  dem  Thron, 
das  Buch  des  Lebens    in  der  Linken.      2)  Männliches  Bmsi- 
bild   mit   hoher  Mütze,   bärtig,  das  IJntergewand   bis    unter 
das  Kinn    geschlossen   und   mit  einem   Kreus    ^  behangen. 
Auf    dem    Mantel    rechts    und    links    sind    Dreipässe.      Es 
scheint    eher   eine   fürstliche   als    eine   geistliche   Person   sa 
sein.     8)  Opferung  Isaaks.     Eine  jugendliche  Person   in  leb- 
hafter Bewegung  schwingt   in  der  Rechten  ein  Schwert  über 
einer  kauernden,  bärtigen»  welche  die  Glorie  hat     Links  ein 
Bauwerk  (Altar),  darüber  schwebt  ein  Engel  mit  einem  Her 
in   den    Händen.      Trotz  der  Dmkehrung   der   Gesichtstypen 
entspricht   die  ganze   Komposition   yöUig   der   Oblaiio   Isaac 
4)   „Geflügelte    Engelsköpfe«.     a)   Engel     mit    Flügeln    und 
Glorie,   ein   Band  haltend,   worauf:    MATHCVS,   so    zweimal 
nebeneinander;    b)  ausschreitender  Löwe,    auf  welchem  eine 
Gestalt  kniet  in  einem  Fünf^MifiB  (Markus)^);  c)  Stier  geflügelt 

1)  Diese  niofat  hiaflge  Dantellaag  des  ETtngelisteii  findet  tich  soeli 
auf  einer  Glocke  sn  Thmlleben,  Heft  V,  8.  49,  dort  allerdingB  Ton  L. 
mH  „Siowon"  erklirt 


Litteratar.  721 

mit:  8T  LYCAS  d.,  Adler  in  einem  Fün^afe  (Johannee),  also 
in  Summa  die  vier  Eyangelistenzeichen. 

Tonndorf*  Ei  rohe.  Der  Orandrife  wie  die  Mafse 
sind  falsch.  Der  dreiseitig  gesohlossene  Chor  setzt  unmittel- 
bar an  das  Langhaus  an.  Der  Schild  der  Glofse  ist  nicht 
„yiergeteilt"  (man  würde  geviertet  sagen)^  sondern  geteilt. 
Darüber  in  der  Inschrift  lies:  Georgii  incepta. 

Die  Überdachung  der  Sakramentsnische  hat  die  Form 
des  Eselsrückens.      An    den    Ecken    des   Chors    die   Zeichen 


-,->. 


Altarwerk.     Die  Inschrift  heifst:    |>Uf  fatlCta  atltia 

falb  britte. 

Die  h.  Sippe  bietet  eine  vollständige  Personnage,  zu- 
sammen 7  Männer^  5  Frauen,  8  Kinder.  Die  Anordnung 
ist  weit  geschickter  als  sonst  und  die  Gliederung  der  Ver- 
wandtschaft durch  2  Bänke  yeranstaltet  Auf  der  ersten 
sitzen  4  Frauen,  nämlich,  von  links  anfangend,  Anna,  dann 
Maria  mit  dem  Kind,  und  die  beiden  anderen  Marien  mit 
ihren  6  Söhnen.  Auf  der  2.  Bank  über  der  h.  Anna  ihre 
3  Männer,  rechts  über  der  Jungfrau  Joseph.  Hinter  der  Lehne 
der  2.  Bank  stehen  über  ihren  Frauen  Alphäus  und  Zebedäus, 
dazu  wohl  Zacharias  und  links  ebenfalls  hinter  der  Lehne 
Elisabeth  mit  Johannes  dem  Täufer  als  Wickelkind.  Die  Über- 
malung ist  sehr  störend. 

Die  Innenseite  des  Flügels  mit  der  Jagd  des  Binhoms 
scheint  am  wenigsten  übermalt,  die  Spruchbänder  jedenfalls 
gar  nicht,  denn  ganz  korrekt  mittelalterlich  sind  der  englische 
Grufs!  %w  QVacia  pleita  Mie  tecum,  dann  die  alttestament- 
lichen    Vorbilder   der   unbefleckten   Empfängnis,    nämlich    die 

von  L.  bemerkten:  ottta  auvta,  peUi0  Qibtcnif^,  rubu0 

tnoifl;  und  die  yon  ihm  nicht  bemerkten :  pottd  tfcdfitlif^, 

t>irga  arott  und  fttne  eittgenatite.   Dazu  die  Hunde:  paj:, 
n>ereta0,  iueticia,  mieerecorMd  0- 

1)  Diese  dem  Mittelalter  sehr  gelftafige  Darttellang  des  ErKtooogs- 
ratschlosses  bat  Piper  vortrefflich  erklärt  im  Evaog.  Kalender  1859.   Da*^ 
XVII.  47 


722  LltUritur. 

,,0rab8teiD''  (?)  mit  Ereuaigaog  Christi.  Die  Fü&e  de» 
Herrn  sind  noch  nicht  gekreuzt,  dagegen  die  Arme  schon 
angenagelt  Eine  Abbildung  dieses  interessanten  Werkes 
wäre  um  so  dankenswerter,  weil  man  sehen  könnte,  daTs  die 
beiden  Figuren  Maria  und  Johannes  (bärtig?)  nicht  knieen» 
sondern  stehen.  Der  Querarm  des  Kreuzes  ist  zu  beiden 
Seiten  des  Hauptes  rundbogig  ausgeschnitten,  darüber  der 
Titulns  INRI.     Die  Sonne   hat  ihre  Scheibe    um   das  Haupt 


Dach  ist  sie  das  Resolut  too  2  getrennten  Vorstellungen,  dem  Streit  der 
Tagenden  und  der  Jagd  des  Einhorns. 

1.  Die  Tagenden.  Der  h.  Bernhard  hat  nach  dem  Vorgang 
dar  Griechen  und  Anselms  die  Parabel  erzählt  (sermo  I  in  annont.  b. 
Mariae),  dafs  die  4  Tagenden  Friede  and  Barmheriigiceit,  Wahrheit  und 
Gerechtigkeit  (nach  Ps.  85.  11)  dem  ersten  Menschen  als  Begleiterinnen 
mitgegeben,  im  Sfindenfall  verloren,  sa  Gott  saräckkehren  and  Tor  seinem 
Throne  Aber  Rettung  and  Vemicbtang  des  Menschengeschlechts  strMten. 
Da  sie  sich  nicht  einigen  kdnnen,  entscheidet  der  Richter:  Es  geschefa«  ein 
guter  Tod  und  Jede  von  beiden  hat,  was  sie  will.  Aber  da  kein  Gerechter 
unter  den  Menschen  gefunden  wird,  erbietet  sich  Gott  selbst,  den  Tod  au 
den;  die  Tugenden  sind  yersdhnt  und  geben  sich  den  Friedenskufs. 

2.  Das  Einhorn  ist  nach  altklassischer  Sage  von  solcher  Wild- 
heit, dafs  es  sich  Ton  keinem  JXger  fangen  läfst,  doch  legt  es  einer 
Jungfrau  den  Kopf  in  den  Schols.  Die  Deutung  auf  die  unbefleekt» 
Empfbignis  lag  nahe,  und  in  den  Legenden  ist  Gott  der  Himmel^figer, 
der  sein  e  i  n  geborenes  Kind  (E  i  n  hom)  auf  die  Erde  in  den  Schols  der 
Jungfrau  trieb. 

Beide  Vorstellungen,  in  den  Mysterien  und  im  geistlichen  Volkslied 
mehrfach  behandelt,  werden  nun  durch  die  Kunst  vereinigt,  cugleich  ttb«r> 
nahm  Gabriel  das  Amt  des  Jägers,  und  ihm  wurden  in  Gestalt  von  Hnn* 
den  die  4  Tugenden  beigegeben,  Maria  aber  in  den  hortus  conclnsos  ver- 
setat,  dessen  Mauer  nur  das  Einhorn  überspringen  kann. 

Als  dritte  Kunstvorstellung  kamen  dann  im  15.  Jahrhundert  die 
Übrigen,  dem  alten  Testament  entlehnten  Typen  der  unbefleckten  Em- 
pflbignis  hinsu,  nämlich:  1.  Das  MannakrÜglein,  urna  aurea,  nach  2.  Mos. 
16,  82,  goldene  Gelte  Ehr.  9,  4.  2.  Der  Gartenquell,  fons  signatna, 
Hobel.  4,  15.  8.  Der  griinende  Stab  Arons,  virga  aron,  4.  Mos.  17«  28. 
4.  Porto  Eiechielis,  Es.  44,  1^8.  5.  Das  Fell  Gideons,  pellis  gideonis,. 
Rieht.  6,  87.  6.  Der  feurige  Busch  Mosis,  mbus  moisi,  2.  Mos.  8,  2,  welche 
alle  die  himmlische  Befruchtung  andeuten.  Anderwärts  erscheint  noch  der 
Stern  Jakob  und  Aurora.  —  Otte  l,  509,  Jameson,  Legends  of  the  Madonna, 
p.  45.     Wemicke  im  21. — 26.  Jahresber.  des  Hbt.  Ver.  au  Brandenburg. 


Litterator.  723 

irad  die  Hände  gefaltet;  sie  scheint  weiblich^).  Das  Werk  hat 
wohl  als  Verzierung  eines  romanisohen  Kirchenbaus  etwa  in 
einem  Tympanon  gedient,  ist  später  weggeworfen  und  1665 
wieder  in  irgend  einer  Weise  restauriert  und  aufgestellt  wor- 
den. Denn  nur  diesen  Inhalt  kann  die  Inschrift  gehabt 
haben:  ANNO  DNI  MDLXY  PA8T0RE  ADAMO  ÜESINO 
PPEQTO  H  .  .  N  (Henrioo)^  der  untere  Band  ganz  losge- 
blättert: SCHOLABCHA  JÖÄ  Ey(ring).  Der  Gttte  des  Herrn 
Adjunkt  Hifsbach  verdanke  ich  die  freundliche  Mitteilung, 
daÜB  Adam  Ursinus  Mühlbergensis  1563 — 90  Pfarrer,  von 
1562  an  Johannes  Euring  Schullehrer  und  Kapellan,  von 
1662 — 78  Friedrich  Heinrich  John  Schlofshauptmann  (prae- 
fectus)  gewesen.  Seinen  jetzigen  Standort  hat  der  Stein  erst 
um  1830  durch  den  Lehrer  Qeorg  Heinrich  Huschki  erhalten, 
welcher  ihn  an  die  Kirchhofsmauer  setzen  liefs. 

Tromlltz.  Kirche.  Der  Grundrifs  und  die  Mafse 
sind  unverständlich.  Der  Ostteil  ist  im  Grundrifs  weder 
aufsen  noch  innen  von  dem  Mittelteil  zu  unterscheiden. 

,,Taufkanne  aus  dem  18.,  Taufschale  aus  dem  17.  Jahr- 
hundert'^  Beide  sind  gleichzeitig  aus  der  Mitte  des  vorigen 
Jahrhunderts,  wie  schon  die  beiden  gleichen  Allianzwappen 
beweisen.  Der  männliche  Schild  ist  geteilt,  unten  Mauerwerk, 
aus  welchem  ein  Springbrunnen  aufsteigt,  auf  dem  Helm 
Pfauen wedel,  der  weibliche  geviertet,  im  1.  und  4.  Feld  aufrecht 
stehender  Löwe  —  bei  L.  wiederum  Erinnerung  an  die  Gleichen- 
sehen  zu  Blankenhain,  vergl.  Magdala  —  im  2.  und  8.  je 
3  Bäumchen,  auf  dem  Helm  Turm  mit  Pfauenwedel  v.  Schwar- 
zenfels').    Das  eine  Schild  der  Baschau  gehört  zur  Orgel 

1)  Gewabnlich  stehen  Maria  and  Jobannes  der  Evangelist  unter 
dem  Krens,  wfthrend  neben  Christas  als  Weltrichter  Maria  and  Johannes 
der  TKafer  (bftrtig)  erscheinen.  Diese  Begel  leidet  aber  Aasnabmen,  wie 
hier  und  anf  einem  Belief  an  der  katholischen  Kirche  sn  Jena  von  1S77, 
Heft  I,  ist,  wo  der  Tinfer  sein  Fell  wie  eine  Kapose  fiber  den  Kopf 
gesogen  hat.  (L.  beschreibt  ihn  „mit  angewöhnlich  grofsem  Kopfe",  aaoh 
sind  dort  die  „tröstenden  Engel"  als  Sol  und  Luna  aufaufassen.) 

2)  Der  Stecher  hat  insofern  einen  Fehler  begangen,  als  die  Schwaraen- 
fels   im    %,  und    8.  silbernen  Feld   einen   schwarsen  Felsen,    also  redend 

47* 


724  Littaratar. 

und  giebt  den  Stifter  an:  1707  OBOBG  HEINRICH  YOK 
BASCHAV.  Die  Orgel  selbst  ist  mit  naturalistischem  Pflanaen- 
werk,  Blumen  und  Fmohtstüoken  yersiert,  in  den  Farben 
noch  sehr  gut  erhalten,  sonst  höchst  primitiv  und  hat  viel- 
leicht Museumswert. 

Die  Wappen  über  dem  Schlofsportal  haben  die  Um- 
schrift: E.D.y.  (von)  V(olg8tedt?)  und  C.M.V.V  G.V.8 
(Charlotte  Marianne  von  (Volgstedt?)  geborene  von  Schwarsen- 
fels,  Mitt.  ftlr  Kahla  und  Boda  lY,  S.  889)  und  sind  denen 
an  den  Taufgeräten  gleich. 

Wittersroda.  Die  Inschrift  am  Turm  ist  auf  einem  Band- 
streifen  und  heifst  i  cccc^xcjz,  also  1499,  nicht  94.  Darunter 

ein  Zeichen    M  auf    einem    Schildohen    als    Meisterseiohen 


} 


kenntlich  gemacht.  (Yergl.  A.  Klemm  im  Korrespondensblatt 
des  Oesamtvereins  1894,  8.  14.)  Yen  den  beiden  Zeichen 
L.'s  ist  keine  Spur  vorhanden.  Eanselbau  und  Sakristei« 
verschlag  sind  ein  Gebäude. 

Altarwerk  dreiteilig,  spätgotisch.  (Yon  L.  nicht  er- 
wähnt, obwohl  schon  in  der  Kirchengallerie  II,  174  be- 
schrieben.) Innen  6  weibliche  gekrönte  Heilige  in  Hob 
geschnitzt,  fast  unversehrt  erhalten.  Die  Köpfe  sind  gans 
typisch,  ohne  den  geringsten  Yersuch  der  Charakteristik: 
Bine  breite,  ausdruckslose  Stirn,  kleine  Augen  in  gans  flachen 
Höhlen,  breite,  plumpe  Nasen,  BüTslicher  Mund  und  apitses 
Kinn  unterscheiden  sie  nicht  zu  ihrem  Yorteil  von  den 
Werken  der  Umgegend.  Eine  gewisse  Ähnlichkeit  mit  den 
Typen  der  älteren  Saalfelder  Schule  ist  nicht  zu  verkennen. 
Die  Gestalten  sind  sonst  vom  schönsten  Ebenmaüs  mit  einer 
anmutigen  Biegung  über  den  Hüften.  Die  Kleidung,  aus 
goldenem  Mantel,  Pu£fenwams  und  bunten  gemusterten  ünter- 
kleidem  bestehend,  weist  etwa  auf  1490  und  ist  in  ganz  natür- 
liche und  verständliche  Falten    gelegt.   —   Die  Figuren  sind 


f&hreo.      Den   mfinnUehen    Schild    la    ideotifiiieren    ist  niobt  geluogea, 
▼ennuUich  Yolgttedt  t.  u. 


Litteratnr.  725 

folgende:  In  der  Mitte  des  Mittelschreins  Maria  mit 
dem  Kind  auf  der  Mondsichel  in  der  Glorie,  einige  Centimeter 
höher  als  die  anderen«  Links  Barbara,  rechts  Katharina. 
Linker  Flügel  Margareta  (die  Kette,  an  welcher  sie  den 
Drachen  führte,  fehlt,  doch  noch  der  Bing  um  ihre  Hand)  mit 
aufgeschlagenem  Brevier:  Tlvt  ntatia  gf4  pletta  bM  tecPtll 
TiVt  mavvia  i|>0.  Bechter  Elügel  Heilige?  erhebt  die 
Bechte,  welche  von  einem  Nagel  durchbohrt  ist,  mit  der 
linken  hohlen  Hand  scheint  sie  des  Blut  aufzufangen.  Eine 
starkgliedrige  Kette  ist  ihr  um  den  Hab  gelegt«  Man  hat 
die  Wahl  zwischen  Era,  Eulalia,  Julia,  Beatrix,  Gatharina 
y.  Siena,  Balbina  etc. 

Aufsen  Gemälde,  links  Dorothea,  rechts  Agnes,  sehr 
bunt  auf  schwarzem  Grund,  nur  aus  der  Plastik  in  Farben 
übersetzt  und  ganz  mit  dem  Ausdruck  der  inneren  Figuren. 
Tempera  auf  Holz. 

Glocke  1.  Gofs  mich  Joh.  Mayer  in  Budolstadt  1778. 
SOLI  DEO  GLOBIA. 


Für  viele  freundliche  Unterstützung  und  wertvolle  Bei- 
träge habe  ich  den  Herren  Pfarrern  der  Diözes  Blankenhain 
zu  danken.  In  gleicher  Weise  bin  ich  der  Grofsherzoglichen 
Bibliothek  und  Herrn  Dr«  P.  Mitzschke  in  Weimar,  sowie 
Herrn  Pfarrer  Heilmann  in  Tegkwitz  S.-A.  zu  herzlichem 
Danke  verpflichtet^). 


Ad  8.  6,  Z.  6  ist  zu  bemerken,  dafs  Lic.  Buchwald  lesen 
möchte:  „sub  dominio  nobilis  domini  .  .  .  comitis^',  wodurch 
jede  Schwierigkeit  gehoben  wird. 


1)  Zu  Torstebender  Beaension  ist  zo  vergleicheo:  „Bau-  o.  Kanst- 
denkm&ler  Thilriogeos.  Amtsgerichtsbesirk  Kahla.  Geprüft  darcb  Dr.  H. 
Bergner,  Pfarrer  io  Pfarrkefslar.  Nachgeprüft  durch  Professor  Dr.  P. 
Lehfeldt.  Bern,  der  Red 


726  Litterator. 


Berichtigungen  und  Zusätse  su  B.  Schmidt,  Urkunden- 
buoh  der  Vögte  von  Weida,  Gtera  und  Plauen,  Bd.  IL 

Von  Dr.  W.  Lipper t,  Dr.  B.  Schmidt^) 
and  Dt.  O.  Dobenecker. 

No.  4y  8.  6.  Z.  9  T.  0.  1.:  compescendo  für  compo- 
Boendo  (D.). 

No.  18  «u  Hdsohr.  fehlt  „Orig.  Perg."  (8.). 

No.  20,  Z.  3  T.  0.  ist  8igmar  für  8igiDaDii  zu  lesen, 
ebenso  8.  717  zu  Selb.  (8.) 

No.  82,  8.  25.  Unter  den  Quellen  als  Abschrift  auf- 
geführt Gop.  25  und  Gop.  27,  beide  Stellen,  Gop.  25, 
fol.  91b  und  Gop.  27,  fol.  43  b,  gehören  jedoch  zur 
folgenden  Gegenurkunde  No«  83,  wobei  auch  noch  Gop.  29, 
foL  142  b  zuzufügen  ist 

No.  60,  S.  49.  Erg.  unter  Druck:  Alberti  in  47.,  48. 
u.  49.  Jahresber.  des  Vogtl.  Altertumsf.  V.  43  N.  1  (D.). 

Es  fehlen  ganz  [hinter  No.  65]:  Lippert,  Wettiner 
u.  Witteisbacher,  sowie  die  Niederlausitz  im  14.  Jahrhundert 
(Dresden  1894,  W.  Bänsoh),  No.  75,  8.  267  (vom  14.  März 
1860);  desgl.  No.  76,  S.  267  (vom  14.  März  1360);  desgL 
No.  77,  8.  267  (14.  März  1360). 

No.  68,  8.  57  ist  den  Quellen  noch  zuzufügen  Copial  29, 
fol.   150. 

Es  fehlt  ganz  [hinter  No.  95]:  Lippert,  Wettiner 
u.  Witteisbacher,  No.  88,  8.  272  (22.  Oktober  1361). 

No.  90,  Z.  18  V.  0.  ist  Oftnye  für  Ofnye  zu  lesen  (8.). 

No.  104,  8.  87  ist  gedruckt  Lippert,  Wettiner  u.  Witteli- 
bacher,  No.  95,  8.  277. 

1)  Schmidts  and  Dobeneckers  Berichtigungen  kenntlich  gemacht 
durch  (S.)  und  (D.).  Von  Lippert  wurden  bereits  im  N.  A.  f.  Siohs. 
Gesch.,  XV,  881  u.  882  einige  Berichtigungen  yeröffentlicht.  Die  CiUte 
„Copial  .  .  ."  beziehen  sich  sftmtlich  auf  Copialbacher  des  Haoptstaats- 
archivs  Dresden. 


Utteratnr.  727 

No.  120,  8.  96.  Unter  den  Quellen  ist  Gop.  26^ 
fol.  121  als  Abschrift  beseiohnet,  es  ist  yielmehr  die 
Gegenurknnde  der  Markgrafen  Friedrich  und  Wilhelm, 
die  völlig  fehlt  Datum  [Aug.  29  oder  Sept.  6]  falsch,  es 
müfste  wenigstens  heifsen  [Aug.  90  oder  Sept.  6],  denn 
Mittwoch  Tor  Egidii  =  80.  August,  Mittwoch  nach  Egidii 
«=s  6.  September.  Die  genaue  Berücksichtigong  der  Gegen- 
urkunde,  die  6.  September  hat,  hätte  aber  (da  Urkunde  und 
Gegenurkunde  meist  von  einem  Tage  sind)  gezeigt,  dafs  in 
No.  120  SU  ergftnsen  war  „nach  Egidii";  120  ist  also  vom 
6.  September  1868;  vergl.  dazu  Lippert,  Wettiner  u» 
Wittelsbaoher,  S.  148,  und  besonders  ebendaselbst  8.  261, 
No.   104. 

Es  fehlt  ganz  [hinter  No.  120]:  Lippert,  Wettiner 
u.  Witteisbacher,  No.  105,  S.  282  (vergl.  dazu  auch  No.  108, 
S.  288). 

No.  148,  8.  119.  Als  Abschrift  sind  Gop.  25  u.  27 
mit  genannt,  beide  Stellen,  Gop.  25,  fol.  135b,  Gop.  27, 
fol.  78,  gehören  aber  zur  Gegenurkunde  No.  14  9. 
Es  fehlt  ganz  [hinter  No.  150]:  2  2.  Dec.  1866. 
Item  domini  assignant  Johanni  Hosang,  Henrico  suo  fratri  et 
eorum  heredibus  L  sezagenas  latorum  grossorum  in  proximo 
Walpurgis  termino  de  civitate  (Hain  trans  Albeam  as  Grolsen- 
hain)  capiendas  occasione  G  sexageuamm  datarnm  Friderioo 
do  PoUencz  militi  nomine  stipendii  et  servicii  facti  in  expe- 
-dioione  coram  Wydaw.  Datum  feria  III  post  Thome  anno 
sexagesimo  sexto.  Gop.  5,  fol.  96  b.  Johannes  Hosang  war 
der  markgräfliche  Bede-  und  Geleitsgeldeinnehmer  zu  Leipzig 
(coUector  precarie  et  conductus  in  Lipozk  s.  Gop.  6,  fol.  67  b) 
und  hatte  von  seinen  Geldern  auf  Anweisung  der  Markgrafen 
dem  Friedrich  von  Polenz  die  100  Schock  Schadenersatz  be- 
zahlt, zu  deren  Vergütung  ihm  dann  je  50  Schock  auf  die 
landesherrlichen  Einkünfte  von  Grofsenhain  und  Leipzig  an- 
gewiesen wurden. 

Es   fehlt  ganz  [hinter  No.  150]:     22.  Dec.  1366. 
Item  domini  assignant  Johanni  Hosang  et  Henrico  suo  fratri 


728  LittaTÄtar. 

[et]  eorum  heredibuB  L  Bexageoas  de  oiTitat«  Lipczk  in 
prozimo  Walpargis  termino  capiendas,  ocoasione  C  sexagena- 
romi  quas  domiDi  dederuot  Friderico  de  FoUenozk  pro  re- 
stauro  aerrioii  per  ipsum  in  ezpedioione  Wydaw  facti.  Datum 
anno  LVI*^  feria  III«  post  Thome.  Cop.  5,  fol.  120.  Die 
Jahreszahl  1856  ist  öIoCb  Terschriebeo  statt  LXVI^«  deno 
an  der  anderen  Stelle  (Cop.  5,  fol.  96  b)  steht  in  Worten  ans- 
geschrieben  y^sezagesimo  sezto",  und  auch  fol.  120  folgt  darauf 
ein  Eintrag  Ton  1367,  et  ist  also  die  X  ausgefallen.  lieber 
letztere  Stelle  yergl.  Wenok,  Vogtländischer  Krieg  (Anhang 
«u  „Die  Wettiner  im  XIV.  Jahrh.'O,  S.  16*  Anm.  6. 

No.  168,  S.  126  als  Quelle  citiert  ein  Codez  des  XYI. 
Jahrhunderts;  das  Orig.  ist  im  Haus-,  Hof-  u.  Staatsarchiv 
Wien,  Tergl.  Steinherz,  Die  Beziehungen  Ludwigs  L  von 
Ungarn  zu  Karl  IV.,  Mitteil,  des  Instituts  für  Oesterreich« 
Geschichtsforschung,  IX  (1888),  S.  586,  Anm.  1,  und  (Rieg^r) 
Archiv  der  Geschichte  und  Statistik  von  Böhmen,  III  (Dres- 
den 1796),  S.  816,  Verzeichnufs  der  aus  dem  kgl.  Böhm. 
Oron-Arohivio  zu  Prag  erhobenen  und  in  das  k.  k.  Haubt- 
Hausarchiv  nach  Wien  übergebenen  Originalschriften,  als 
No.  142.  (Das  Orig.  ist  thatsäohlich  im  Haus-,  Hof-  u. 
Staatsarchiv  Wien,  wie  ich  aus  meinen  eigenen  Aufzeich- 
nungen weifs;  auch  von  No.  165  ist  ein  Ezemplar  dort,  doch 
da  kann  ich  aus  meinen  £zcerpten  nicht  ersehen,  ob  das 
das  Orig.  oder  Abschrift  ist.) 

No.  168,  S.  129.  Original  gleichfalls  in  Wien,  vergl. 
(Biegger)  Archiv  der  Gesch.  u.  Stat.  von  Böhmen,  III,  319, 
Verzeichnuss  .  .  .  No.  168.  (Nach  meinen  Notizen  ist  es 
heute  in  der  That  auch  daselbst  im  H.-,  H.-  u.  St-A.) 

No.  168  ist  1368  Febr.  28  zu  datieren  (S.). 

No.  177,  S.  142  erwähnt  Schmidt  nur  die  Urkunde  der 
Markgrafen  betr.  Lobenstein;  es  fehlt  die  Gegenurkunde 
der  beiden  Vögte  von  Gera,  die  gleichfalls  in  Cop.  26 
steht,  fol.  74  b. 

No.  191,  S.  löö.  Urkunde  Karls  IV.,  die  Gegenurkunde 
dazu  von  Heinrich  dem  Jüngeren,  Vogt  von  Gera,  im  Original 


Lilteratnr.  729 

im  H.-,  H.-  u.  8t.- Archiv  Wien;  yergl.  SteiDherz  a.  a.  0. 
IX,  585,  Anm.  1. 

No.  201,  S.  167.  OrigiDal  hat  thatsäohlioh  „nach  Ka- 
tharina'', denn  ein  im  H.-Ht.-A.  Dresden  befindliches  nach 
dem  Original  im  Auftrag  Ton  König  Wladislaw  gefertigtes 
offizielles  Transsampt  vom  16.  April  1486  (Orig.  No.  4037) 
hat  die  Datierung  „iw  Firn  noch  sand  Katherein  der  hei- 
ligen junckfrawen*'. 

No.  211,  8.  174  waren  nicht  die  alten  verderbten 
Drocke  zu  oitieren,  sondern  die  neueste  Publikation  in  Fac- 
simile  bei  0.  Posse,  Die  Hausgesetze  der  Wettiner  bis  zum 
Jahre  1486  (Leipzig  1889),  Tafel  S9;  die  betr.  Worte  heifsen 
im  Orig.  „Henrich  voyt  von  Geraw". 

No.  246,  8.  207  ist  gedruckt  bei  Tr.  Märcker,  Das 
Burggraftum  Meifsen  (Leipzig  1842),  8.  501,  No.  103. 

No.  257,  8.  216.  Im  52.  u.  53.  Jahresber.  des  Yogtl. 
Altertumsf.  7.  55  wird  auf  die  von  8aalburg  datierte  Urkunde 
der  Markgrafen  verwiesen  (D.). 

No.  262,  8.  223.  Erg.  unter  Druck:  Oengler,  D.  Stadtr., 
379  (D.). 

No.  268,  8.  228.  Erg.  unter  Druck:  8.  a.  33.  Jahresber. 
d.  Yogtl.  Altertumsf.  V.  7  (D). 

No.  282  u.  511  (letztere  auch  identisch  mit  No.  535) 
sind  nach  Ermittelung  des  H.  Archivrats  Ermisch  -  Dresden 
spätere  Fälschungen  (8.). 

No.  289,  8.  245.  Reg.  1.:  1384  Juni  1.  Erg.  unter 
Druck:  Budolphi,  Gotha  dipl.  II,  Tab.  geneal.  sub  Stamm- 
register derer  von  Witzleben  =  Löber  u.  s.  f.  (D.). 

No.  296,  8.  250.  Erg.  unter  Druck:  Ausz.  in  Miscell. 
8ax.  (1767),  333;  Alberti,  ürk..8amml.  147  (D.). 

No.  382,  8.  321  ist  auch  gedruckt  bei  Arndt,  Neues 
Archiv  der  Sächsischen  Geschichte,  I,  (1804),  S.  55. 

No.  296,  8.  251,  Z.  3  v.  o.  ist  lipgedingeB  zu  lesen  (8.). 

No.  333  ist  1389  Mai  3  zu  datieren  (8.). 


730  Litteratur. 

No.  846  im  Reg.  ist  Blankenberger  für  Blankenbnrger 
£u  lesen  (S.). 

Ko.  353,  Z.  8  y.  o.  fehlt  daz  vor  sal,  Z.  10  y.  o.  ist 
ym  für  yn,  8.  298,  Z.  3  y.  o.  die  für  der  au  lesen  (8.). 

No.  418,  8.  346.  Erg.  unter  Druck:  Reg.  im  28, — 31. 
Jahreöber.  des  Vogtl.  Altertumsf.  V.  65  aus  Or.  (D.). 

No.  426  ist  1402  Oktober  1   zu  datieren  (8.). 

No.  447,  8.  347,  u.  No.  468,  8.  397.  Erg.  unter  Druck: 
Reg.  im  28. — 31.  Jahresber.  des  Vogtl.  Altertumsf.  V.  65 
aus  Or.  (D.). 

No.  470,  8.  398.  Erg.  unter  Druck:  Höfer,  Zs.  f.  Archivk. 
I,  301  [mit  „Anna  der  Mittiln  von  Wyda"  u.  Wilhelm  d.  J., 
Mgr.  zu  Meifseu,  anstatt  wittiben  u.  Balthasar]  aus  Or.  (D.). 

No.  492,  8.  419.  Kurzes  Regest,  aber  gleichzeitig  auch 
in  Copial  28,  fol.  93  b. 

No.  494,  8.  421,  Z.  2  v.  o.  ist  vettern  für  vetter  zu 
lesen,  Z.  4  v.  u.  fehlt  erbar  vor  lute  (8.). 

No.  620,  S.  441  steht  Copial  15,  fol.   10  b. 

No.  535,  8.  460  ist,  da  identisch  mit  No.  511,  zu 
streichen  (8.). 

No.  537  ist  Juli   14  f&r  Juni   14  zu  lesen  (8.). 

No.  539,  8.  464.  Erg.  unter  Druck:  Reg.  im  38. — 31. 
Jahresber.  des  YogtL  Altertumsf.  V.  66  aus  Or.  (D.). 

No.  721 ,  8.  602.  Quelle  (auch  Homs)  ist  Copial  15, 
fol.  16  b.  Urk.  ist  auch  hier  undatiert,  steht  zwischen  Ur- 
kunde von  1423  und  1425,  ist  aber  von  der  Hand  einge- 
tragen, die  den  Eintrag  von  1425  schrieb,  gehört  also  des- 
halb wohl  auch  zu  1425.  Bei  Citat  Hom  ist  zu  lesen 
Friedrich  der  8treitbare  (nicht  der  Freidige). 

No.  724,  8.  603.  Falsches  Regest,  nicht  „den  Bürgern 
von  Oelsnitz  kein  Bier  mehr  aus  seinem  Lande  zuführen  zu 
lassen*',  sondern  „seine  Leute  den  Bürgern  von  Oelsnitz 
mehr   abkaufen   zu   lassen'*  (also  gerade  umgekehrt).     Ferner 


Litterator.  731 

Zeile  14  ,ygute  keyserliche  bullen"  (nicht  willen),  Torher, 
Z,  6,  ist's  richtig.     Orig.  hat  deutlich  beidemal  bullen. 

Nachträge  8.  628,  No.  SO.  Tuet  Ausstellungsort  ist 
nicht  Taust,  sondern  Taus,  südwestlich  Ton  Pilsen. 

Nachträge  No.  75,  8.  644  ist  besser  gedruckt  bei 
Grünhagen  uod  Markgraf,  Lehns-  u.  Besitzurkundeo  Schle- 
siens, I  (1881),  8.  168,  No.  88.  Stelle  heifst  hier:  „her 
Reuzze  voyt  Ton  Plawen".  Datum:  „an  sand  demen- 
ten tag". 

Nachträge  No.  80,  8  645  ist  behandelt,  als  ob  es 
sich  um  eine  ganz  neue  Urkunde  handelte;  es  ist  aber  die- 
selbe, die  Bd.  I,  466,  No.  910,  aber  mit  falschem  Datum 
4.  März  1349  und  falschem  Namen  Bugmar  steht;  darauf 
war  mit  hinzuweisen  Bei  dem  neuen  Eegest  ist  zwar  das 
Datum  11.  März  richtig,  der  Ausstellername  Buzmann  ist 
aber  immer  noch  falsch,  der  Mann  heifst  Buzmar,  vergl« 
Lippert,  Wettiner  u.  Witteisbacher,  8.  58  fg.,  Anm.  48, 
woselbst  als  Siegelumschrift  zu  lesen  ist:  JS .  IlAIPRICI . 
RÄVSMÄI. 

Zu  Bd.  I,  8.  249,  No.  515  (22.  Oktober  1821)  ist  in- 
zwischen vollständig  (unter  Mitangabe  der  Zeugen  des  zweiten 
£xemplars  in  Weimar)  nach  dem  Dresdner  Original  ge- 
druckt bei  Lippert,  Wettiner  und  Witteisbacher,  No.  3, 
8.  220  fg. 

Begister  8.  654.  Aus  No.  399  fehlt  Ounrad  Appecs 
sowohl  unter  Conrad  wie  unter  Apeci. 

Begister  8.  660.  Aus  No.  671  fehlt  Hermann  Burm 
sowohl  unter  Hermann,  wie  unter  Burm,  es  ist  derselbe,  der 
673  als  Hermann  Worm  Torkommt,  es  war  also  im  Be- 
gister unter  Burm  su  yerweisen  auf  Wurm  und  hier  beide 
Stellen  zu  geben. 

Begister  8.  669  ist  aus  Hermannus  Dwerg,  478, 
8.  403,  und  479,  8.  408  geworden  ein  Hermannus  de  Dwerg. 

Begister  8.  681  unter  Heinrich  und  8.  690  unter 
Lusato  zweimal  Henricus  de  Lusato,  statt  Susato,  wie  No.  312, 
8.  267  steht  (Sasatum  =»  Soest  in  Westfalen). 


732  Lltterator. 

Begister  6.  686  aas  No.  388.  Georg  La^enbaoh 
steht  blofs  unter  Langenbaoh,  ohne  dab  bei  Lagenbach  eb 
Verweis  au  finden  ist 

6.  715.  Sehönberg  (No.  12  und  13)  liegt  bei  Bram- 
baoh  (8.). 

6.  721.     Thein  liegt  bei  Falkenau  (8.). 

8.  732.     Zebrak  bei  Beraun  (8). 


8. 

Wimmer,  P.  Florian,  O.  S.  B. :  Anleitung  rar  Erforaohong 
lind  Besohreibung  der  kirohliohen  Kxmstdenkm&ier. 
2.  Auflage  von  Dr.  M.  Hiptmair.  Linz  1892.  VI  und 
152  88. 

Die  2.  Auflage  dieses  Buches  ist  dem  Andenken  des 
gelehrten  Benediktiners  Wimmer  vom  Linzer  Diözesan-Kunst- 
verein  gewidmet  und  nur  nach  dem  Zwecke  zu  beurteilen, 
den  es  vor  30  Jahren  bei  seinem  ersten  Erscheinen  verfolgte, 
nämlich  den  zur  Inventarisierung  der  Kunstdenkmäler  aus- 
gegebenen Fragebogen  als  Erläuterung  beigefügt  zu  werden. 
Dafs  es  diesem  Zwecke  reichlich  gedient  hat,  hebt  der  Neu- 
herausgeber  dankend  hervor,  und  ein  Blick  in  die  Mit- 
teilungen der  k.  k.  Centralkommission  kann  davon  über- 
zeugen, dafs  durch  dies  weitsichtige  Verfahren  ein  so  grofser 
Kreis  von  urteilsfähigen  Mitarbeitern  gewonnen  und  heran- 
gebildet wurde,  wie  ihn  kein  anderes  Land  aufweisen  wird. 
Es  ist  in  Frage  und  Antwort  gehalten,  frei  von  allem  ge- 
lehrten Beiwerk  und  läfst  sich  herab,  auch  die  geläufigsten 
Ausdrücke  der  Kunstterminologie  zu  erklären.  In  6  Ab- 
schnitten werden  die  Geschichte,  Architektur,  Einrichtung, 
Bildwerke,  Geräte  und  Gefäfse,  und  Beliquien  des  Gottes- 
hauses behandelt,  ein  besonderer  Abschnitt  über  die  kirch- 
lichen 8tilarten  vom  Neuherausgeber  ist   bei   aller  Kürze  ge- 


Litteratar.  733 

eignet,  wenigstens  die  Elemente  klarzumachen.  .Viele  gut 
gewählte  Ahhildangen  unterstützen  den  Vortrag.  Mit  gans 
besonderer  Sorgfalt  und  praktisch  äuüserst  brauchbar  ist  der 
Schlüssel  zur  Erforschung  der  Heiligen  gearbeitet.  Es  sei 
hierzu  nur  bemerkt,  daüls  Ulrich  S.  127  häufig  den  Fisch 
trägt,  der  gute  Hirt  S.  131  lediglich  der  altchristlichen 
Kunst  angehört  und  die  Fü(ise  des  Gekreuzigten  S.  135 
nicht  erst  Ende  des  16.,  sondern  schon  Anfang  des  13.  Jahr- 
hunderts mit  einem  Nagel  durchbohrt  sind.  Den  Druck- 
fehler S.  102  veni  cum  praece  statt  pace  wird  jeder  leicht 
▼erbessem.  Dafs  einige  Worte  und  Wendungen  stark  öster- 
reichisch klingen,  soll  keinen  Tadel  einscbliefsen. 

Das  Buch  kann  solchen,  die  sich  nach  einer  leicht  fafs- 
lichen  Handreichung  zum  Yerständnis  der  mittelalterlichen 
Kunst  umsehen,  empfohlen  werden.  Denn  obwohl  oder 
gerade  weil  es  Tom  katholischen  Standpunkte  geschrieben  ist, 
öffnet  es  die  Augen  für  Dinge,  welche  in  protestantischen 
Kreisen  alles  Interesse  Terloren  haben.  Und  aus  einem  Orden 
hervorgegangen,  der  selbst  viele  unserer  Kirchen  gebaut  hat, 
ist  es  von  einer  lebendigen  Tradition  getragen,  die  in  kleinen 
Zügen  oft  zu  Tage  tritt.  Der  Weiterstrebende  wird  von 
selbst  auf  das  klassische  Buch  von  D.  Otte  (Handbuch  der 
kirchlichen  Kunstarchäologie)  geführt  werden. 

Zumal  aber  regt  es  den  dringenden  Wunsch  an,  dafs  bei 
der  gegenwärtigen  Inventarisation  in  Thüringen  den  Frage- 
bogen eine  ähnliche  Erläuterung  beigegeben  werde.  Denn 
unter  der  orts-  und  sachkundigen  Mitarbeit  der  Pfarrer, 
Bürgermeister  eta  würde  das  Denkmälerwerk  zu  einer  ganz 
anderen  Sicherheit  und  Vollständigkeit  gedeihen,  als  das  bis* 
her  möglich  gewesen  ist. 

B  e  r  g  n  e  r. 


734  LitUratur. 


9. 

Beridhtigimg  su  ICartin,  Urkondenbuch  der 
Stadt  Jena»  I,  No.  276. 

VoD  Lic  H.  O.  St  ölten  in  PrMMDprieffnits. 

So  groCse  Sorgfalt  unser  Dr.  Martin  bei  Abfasaung  des 
UrkondenbuchB  der  Stadt  Jena  aufgewandt  hat,  ist  ihm  doch 
die  yon  Eeiu,  Thuringia  Sacra»  II,  S.  215,  No.  288  gebrachte 
Heusdorfer  Urkunde  eotgangen.  Da  es  sich  in  ihr,  wie  bei 
Ko.  889  des  Jenaer  Urkundenbuchs ,  um  die  AufbesseruDg 
der  Nonne  Barbara  gen.  Selbem  handelt»  in  der  Martin  wohl 
mit  Hecht  eine  Jenaer  Bürgerstochter  yermutete,  konnte  in 
Frage  kommen,  ob  sie  nicht  regestenweise  ins  Urkunden- 
buch  aufzunehmen  war.  Auch  die  Zeugen  sind  zum  Teil 
dieselben.  Die  Urkunde  ist  datiert  vom  2.  Februar  1862  und 
lautet  im  Auszug: 

Rndolphofl  vicedominos  de  Appoldia  prepositus  in  Droesk  et  Heinri- 
cot  pincerna  junior  de  Appoldia  procarator  domne  in  Otenbach  ordinis 
de  lepulcro  domini  machen  bekannt,  dafs  sie  mit  Wissen  und  Willen 
der  Herren  nnd  Brfider  in  Droeek  nnd  Otenbaeh  einen  j&hrlichen  Zine 
von  8  Malter  halb  Korn  halb  Gerste,  welehe  Ton  Ofltern  In  Oberkdisaits 
nnd  Lncaendorf  (bs  yieraehnheiligeu)  gegeben  werden,  den  Pfarrern 
Heinrich  in  PAihlsbom  nnd  Theoderich  in  Wormttedt  (»  Dytherieh  Selber 
pherrer  acn  Wurmestete  in  Urknndenbnch  Jena  No.  889)  för  16  Schock 
Groschen  verkauft  haben.  Dessen  soll  bis  an  ihrem  Tode  Barbara  gen. 
Selbem,  Nonne  in  Hensdorf,  geniefsen  n.  s.  w.  Zeugen:  Helnricns  pin- 
cerna senior,  frater  Heinricns  qaondam  in  Oladica.  Job.  Wiokenrieh, 
Job.  de  Nebbera.  Ueinr.  de  Gebese  et  qnamplores.  Acta  sont  hee  in 
curia  Otenbach  in  estnario  sub  anno  dorn.  MCCCLXII  in  die  porif.  beate 
Harie  virg.  gloriosae. 

Hätte  Dr.  Martin  diese  Urkunde  beachtet,  so  würde  ihm 
auch  die  Feststellung  des  Textes  in  No.  276  des  Jenaer 
Urkundenbuchs  gelungen  und  er  in  die  Lage  gekommen 
sein,  alte  Irrtümer  aufzudecken.  Diese  Urkunde  trägt  näm- 
lich die  Unterschrift  domini  BudolÜ  prepositi  in  Drentsch, 


Littentar.  735 

domini  piooerne  de  Utenbaoh,  domini  Theoderioi  plebaDi  in 
Wormstete  u.  s.  w.  Bas  Original  mufs  sehr  unleserlich  ge- 
wesen sein.  Von  den  Abschriften  lesen  die  Jenaer  und  die 
Weimarische  A*  Drentscb,  die  Weimarische  B^  Drentyk,  die 
Weimarische  B^,  die  Eudolstädter  uod  Dresdener  Brentyk. 
Allein  die  Vergleichung  mit  der  Heusdorfer  No.  288  ergiebt» 
daTs  DroyzCy  Droitzk  oder  etwas  Aehnliches  zo  lesen 
war.  Rudolf  Vitsthum  von  Apolda  war  Propst  des  Hauses 
vom  Orden  des  heiligen  Grabes  in  Droyfsig  bereits  1349 
(Kein,  II,  No.  269),  noch  1871  (ib.  No.  306),  mithin  sowohl 
im   Jahre  1856,    wo    er   unvollständig   als   dominus   Budolfus 

prepositus  in  Dr bezeichnet   wurde,    als  1862,   wo  er 

sich  selbst  als  Budolfus  yicedominus  in  Appoldia  prep.  in 
Droesk  beseichnet. 

In  beiden  Urkunden  folgt  als  zweiter  ein  Schenk,  der 
in  der  ersteren  wieder  unvollständig  als  dominus  pincerna 
de  TJtenbach  bezeichnet  wird,  in  der  zweiten  sich  selbst 
bezeichnet  als  Heinricus  pincerna  junior  de  Appoldia  u.  s.  w. 
Mithin  haben  wir  es  auch  in  No.  276  des  Jenaer  Urkunden- 
buchs  mit  Heinrich  d.  J.  Schenk  von  Apolda  zu 
thun,  der  1849  bereits  dem  Ordenshause  zu  Utenbach  an* 
gehörte  (Kein,  II,  No.  269)  und  bis  1362  recht  wohl 
zum  procurator  domus  in  Otenbach  (s«  o.)  auf» 
gerückt  sein  konnte.  Möglicherweise  sind  Kudolf  Yitzthum 
in  Droyfsig  und  Heinrich  der  Schenk  in  Utenbach  noch  1876 
am  Kuder  gewesen  (Kein,  II,  No.  811),  nur  daÜB  letzterer 
jetzt  ebenfalls  als  Propst  bezeichnet  wird.  Jedenfalls  löst 
sich  der  angebliche  „Schenk  von  Utenbaoh"  in  einen  Schenk 
von  Apolda  auf,  der  als  Ordensherr  in  Utenbach  lebte.  Auch 
Friederici  (Historia  pincemarum  Yarila-Tautenburgicorum  28) 
und  nach  ihm  Aktuar  Puhle  in  der  Diplomatischen  Geschichte 
der  Schenken  zu  Tautenburg,  I,  p.  99  (Mspt.  Universitäts- 
bibliothek Jena)  fabeln  von  einer  Linie  „Schenken  von 
U  t  e  n  b  a  c  h",  aber  beide  unter  Bezugnahme  auf  das  Dominus 
pincerna  de  Utenbach  in  der  oben  erwähnten  Urkunde  und 
beide    unter    Berufung    auf   Adrian    Beyer,    der    wohl    auch. 


736  LitterAtvr. 

Martin  zu.  seinem  Irrtum  yerf&hrt  haben  wird  (e.  n.).  Naeh- 
dem  flieh  dieser  Irrtnm  aufgeklärt  hat,  wird  man  von  Schenken 
Ton  TJtenbaoh  als  besonderer  Linie  überhaupt  nicht  mehr 
reden,  weder  in  der  Geschichte  der  ersbisohöflioh  mainzischen 
Schenken  yon  Apolda,  noch  gar  in  der  Geschichte  der  land- 
gräflich thüringischen  Schenken  von  Yargula  und  ihrer  Nach- 
kommen. 

Das  unglückliche  „Drentsch"  in  der  Urkunde  Tom  Jahre 
1856  hat  Dr.  Martin  su  einem  weiteren  Irrtum  verföhrt. 
Unter  den  Berichtigungen  S.  649  bemerkt  er: 

„8.  260,  Z.  16  ▼.  a.  wird  prepositi  in  Drentsch  in  allen  Hand- 
schriften eine  falsche  Lesart  Ar  pinoerna  in  Drebere  sein,  worauf 
der  Name  Rodolfas  and  der  folgende  pinoerna  de  Uteobach  hinweist.'* 

Martin  hält  also  für  ausgemacht,  dats  es  lu  jener  Zeit 
Schenken  von  Trebra  gegeben  habe.  Er  hat  auch 
darin  Vorgänger;  allein  wiederum  hat  nur  irrtümliche  Lesung 
diese  Annahme  erzeugt.  Friederici,  28  und  Puhle,  94  oitieren 
eine  Kapellendorfer  Urkunde  vom  Jahre  1807,  in 
welcher  zwar  der  Name  des  betreffenden  Schenken  nicht 
mehr  zu  entziffern,  unzweifelhaft  aber  Pinoerna  de  Trebere 
SU  lesen  sei.  Menoke,  Scr.  Rer.  Oerm.,  720,  No.  LXXXYIII 
hat  zwar  den  Namen  nicht  entziffern  können,  liest  aber 
Pinoerna  de  Nebere,  eine  Lesart,  an  deren  Bichtigkeit 
niemand  zweifeln  würde,  der  die  nach  dem  Original  in  Weimar 
angefertigte,  in  meiner  Sammlung  tod  Urkunden  zur  Ge- 
schichte der  Schenken  von  Yargula  und  ihrer  Nachkommen 
befindliche  Pause  sähe.  Völlig  entziffert  lautet  die  Stelle: 
€[onradu8]  miles  pinoerna  de  Nebere  und  bezeichnet  einen 
Herrn,  der  in  den  Urkunden  jener  Zeit  sehr  häufig  genannt 
wird.  Er  war  Ministerial  Friedrichs  des  Freidigen.  Als 
zweiter  Gewährsmann  könnte  Ave  mann  gelten  (Reichs-  n. 
Burggrafen  von  Kirchberg,  42),  sofern  er  unter  den  Aeb- 
tissinnen  des  Klosters  Kapellendorf  für  die  Jahre  1883 
und  1846  ohne  Quellenangabe  eine  Ottilie  Schenkin 
von  Trebra  auffahrt.  Allein  die  in  Kapellendorfer  Ur- 
kunden bei  Mencke,  726 — 731  oft  genannte  Aebtissin  Ottilie 


Utterfttnr.  737 

war  eine  geborene  Ton  Trebra  aus  dem  bekannten  Oesohleoht 
derer  von  Trebra,  das  im  14.  Jahrhundert  öfter  genannt  wird, 
die  „Schenkin''  dagegen  die  gleichzeitige  Priorin  in  Kapellen- 
dorf, wie  aus  einer  Urkunde  Ton  18S5  (Menoke,  No.  CII) 
klar  zu  ersehen  ist:  Otylia  de  Threbre  Abbatissa, 
Oonegundis  Pincerna  Priorissa.  Letztere  kommt 
Tor  und  neben  der  Aebtissin  Ottilie  bei  Mencke  häufig  vor, 
kurzweg  als  Priorissa  in  No.  CIII  (falsche  Interpunktion!), 
als  Oonegundis,  Cunegundis,  Eunegunde  Priorissa  in  den  Ur- 
kunden No.  XCVI,  XCVni,  C,  Ol,  CI7,  CV,  CVI  aus  den 
Jahren  1828 — 1340,  mit  der  Bezeichnung  pinoerua  nur  in 
der  angezogenen  No.  CII.  Biese  Conegundis  pincerna 
Priorissa  war  ohne  Zweifel  eine  Tochter  des  oben 
erwähnten  Conrad  Schenk  zu  Nebra,  dessen  Söhne 
Theoderich,  Budolph  und  Budolph  am  24.  November  1819 
das  Kloster  Kapellendorf  zu  gunsten  einer  geweihten  Schwester 
Kunne  mit  einer  Hufe  zu  Hammerstedt  begabten  (Urkunde 
in  Weimar).  Als  Conrads  Tochter  wird  sie  bereits  1800  er- 
wähnt (Lepsius,  Bndelsburg,  61)  und  war  also  eine  Schwester 
oder  Tante  des  Bischofs  Eudolf  von  Naumburg  (1852 — 1862) 
aus  dem  Hause  Schenk  zu  Nebra.  Somit  Tcrsch winden 
auch  die  Schenken  zu  Trebra  im  14.  Jahr- 
hundert Die  Schenken  Ton  Dornburg -Tantenburg  waren 
zwar  schon  damals  Besitzer  yon  Niedertreba  nebst  Zimmern 
und  Flurstedt)  aber  sie  nannten  sich  nicht  danach,  weil  es 
nur  ein  Pertinenzstück  der  Herrschaft  Dornburg  war.  Be- 
kanntlich Terkauften  sie  diese  1848  und  1844  an  die  Ghrafen 
von  Orlamünde  und  Schwarzburg,  um  1410  wenigstens 
Niedertrebra  [mit  Pfuhlsbom?]  zurückzukaufen  (Friederici, 
Kap.  III,  §  II).  Erst  yon  hier  ab,  aber  auch  erst  im  16.  Jahr- 
hundert und  immer  nur  yorübergehend  in  ErbteilungsfitUen 
hatten  Schenken  aus  diesem  Hause  ihren  Sitz  iu  Niedertrebra 
und  schrieben  sich  dann  wohl  auch  „Schenk  zu  Nieder- 
trebra", immerhin  oft  genug,  dafs  Gelehrte  des  17.  und 
18.  Jahrhunderts  dadurch  yerführt  werden  konnten,  schon 
XVII.  48 


788  Utt«t». 

im  14.  J*hrfaiiDd6rt  eine  Linie  tob  ^Sehenhen  su  T^rebrm''  an» 
soDehmen. 

Somit  ist  im  Urkundenboeh  der  8Udt  Joia,  Bd.  I^ 
6.  960  Drentidi  in  Droyse  (die  gewöhnliche  Sehreibweiee) 
SU  Indern,  8.  649  die  Bemerining  sn  No.  276  ca  Btraohoi» 
ebenso  im  Begister  8.  6S0,  8p.  1,  Z.  21— 2S,  dagegen  8.  648^ 
8p.  2  unter  DroyMig  zu  erginzen:  Budolfiie  praepomtni  in 
D.  (1866),  276. 


10. 

TümpllBg»  Wolf  Ton :  Q^sohiohtd  de«  Oenohloehtee  yc^ 
TümpUng.  Dritter  (8chlu(s-)  Band.  Mit  Urkunden  -  Ajh 
hang,  Bildnisten,  anderen  Eunstbeilagen  u.  s.  1  Weimar» 
H.  Böhlau,  1894.  886  und  48  88.  und  Begister  [ohno 
Pag.].     80. 

Von  diesem  umfangreichen  Werke,  auf  das  in  Bd.  XYI» 
463 — 468  die  Aufoerksamkeit  der  Leeer  gelenkt  werden 
konnte,  ist  inzwischen  der  Sohlulsband  erschienen ,  der  die» 
eelben  Yortttge  aufweist,  die  die  beiden  ersten  Bftnde  dieser 
Tortrefiflichen  Familiengeschichte  auszeichnen.  In  soxgfiütig- 
ster  und  übersichtUeher  Darstellung  werden  die  Oeechicke 
des  im  Jahre  1822  mit  Johann  Christian  Adolf  Wilhelm  er- 
loschenen Hauses  Posewitz  und  des  1867  ausgestorbenen 
Hauses  Oasekirohen  Ton  einem  hohen  8tandpunkte  aus  und 
mit  rücksichtsloser  Objektivität  geschildert  Wertvolle  orkund- 
liehe  und  künstlerische  Beilagen  bereichern,  wie  die  beiden 
ersten  Bände,  so  auch  diesen  8clilulBband.  Für  den  Qenea* 
logen  von  Interesse  sind  die  Uebersichten  über  die  durch- 
schnittliche Lebensdauer  der  Mitglieder  beider  Häuser  (169  fg. 
und  870)  und  der  Allianoen  der  Familie  Tümpling  mit  an- 
deren adeligen  Familien.  Das  umfassende  Begister  für  die 
8  Bände  und  der  übersichtliche  Stammbaum  des  Oesohlechtee 
von   der   Teilung   in    Linien   an   bis    1888   ermöglichen  ^ne 


LiU«iatiir.  739 

laichte  und  sohaelle  OrientieruDg  über  den  reichen  Inhalt 
dcB  gansen  Werket,  das  nicht  nur  yon  Genealogen  und 
Lokalforschern  mit  Freuden  begrüTst  werden  mud»  Bondem 
auch  dem  Forscher  auf  dem  Gebiete  der  Keiehs«  und  Kultur* 
gesohichte  mancherlei  Anregung  bieten  dürfte. 

0.  Doben  eoker. 


U. 

Begel,  Fr.:  Thüringen.  Ein  geographisches  Handbuch. 
Zweiter  Teil:  Biogeographie.  I.Buch:  Pflanzen-  und  Tier- 
Tcrbreitung.  2.  Buch:  Die  Bewohner.  Jena,  G.  Fischer, 
1895.     XVI  und  840  88.     8^. 

Der  Charakter  dieses  ausgeaeichneten  Handbuchs  recht- 
fertigt die  Besprechung  in  einer  historischen  Zeitschrift; 
denn,  wie  schon  die  Einleitung  zum  1.  Teil  (Jena  1892)  ge- 
zeigt haty  trägt  die  Darstellung  in  wesentlichen  Partien  ein 
historisches  Gepräge.  Dies  tritt  ebensowohl  bei  der  Betrach- 
tung der  Pflanzenverbreitung ,  wie  bei  der  Schilderung  der 
Tierrerbreitung  herror,  und  wird  im  3.  Buche  des  2.  Teiles 
so  markant,  da(b  man  einen  grofsen  Teil  des  Buches  als 
historisches  Handbuch  ansprechen  darf.  TJnd  wie  könnte  man 
heutige  Bevdlkerungselemente  und  ihre  Eigenart,  wie  sie  sich 
in  Haus-,  Dorf-  und  Feldanlage,  Trachten,  Speisen,  Mundart, 
Sagen,  Yolksdiohtung  u.  s.  f.  kennieichnet,  wie  die  politischen 
und  kirchlichen  Zustände  Thüringens  schärfer  und  sicherer 
erfassen,  als  in  historisoher  Betrachtungsweise?  Yon  bleiben- 
dem Werte  ist  in  diesem  Buche  der  8.  Abschnitt,  in  dem 
zum  ersten  Male  die  Torgeschichtliche  Zeit  Thüringens 
(paläolithische  und  neolithische  Periode,  Bronzezeit,  Hallstatt- 
periode und  La  Tine  -  Periode)  auf  Grund  der  yorhandenen 
Einzellitteratur,  die  8.  471  ff.  zusammengestellt  worden  ist, 
zusammenhängende   Darstellung    gefunden    hat     Der   4.    Ab- 

48* 


740  Littermtnr. 

schnitt  behandelt  Thüringern  Bewohner  in  geeohiohtlioher 
Zeit  Ton  der  römischen  Periode  bis  znr  Gegenwart »  der 
6.  Abschnitt  die  heutige  Berölkerung  in  anthropologisoher 
Hinsieht,  der  6.  Abschnitt  die  Sprache  (bearbeitet  Ton  L« 
Hertel),  der  7.  Yolkstümliches  in  Sitte  und  Brauch,  Glaube 
und  Dichtung,  der  letzte  Kleidung,  WohnuDg  und  Kost 
Zahlreiche  Abbildungen  illustrieren  den  reichen  Text  und 
tragen,  wie  die  ganze  Ausstattung,  zur  ESrhö'hung  des  Wertes 
bei.  Ein  3.  Teil  wird  die  Kulturgeographie  von  Thüringwi 
enthalten  und  damit  das  ganze  wertvolle  Werk  zum  Absohluis 
bringen. 

0.  Dobenecker. 


12. 

XJebersioht  der  neuerdlngB  ersohienenen  Litteratnr  Eur 
thüringiaöhen  Geaohiohte  und  Altertomsktinde  >}. 

'^Ahrens,  H.:  Die  Wettiner  und  Kaiser  Karl  lY.  Sin 
Beitrag  zur  Gesch.  der  Wettinischen  Politik  in  den  Jahren 
1864 — 1879.  Leipzig,  Dunoker  u«  Humblot»  1895.  YIU  u. 
103  SS.  8^  (A.  u.  d.  T.:  Leipziger  Studien  aus  dem  Ge- 
biet der  Geschichte.  Herausg.  y.  K.  Lamprecht  u.  £•  Maroks. 
1.  Bd.,  2.  H.) 

Auszüge  aus  den  Kirchenbüchern  yon  Arnstadt  t.  d. 
Jahren  1687  u.  1688.  In  Amstädtisches  Naohriohts-  u.  Ln- 
telligenzbl,  126.  Jahrg.  (1894),  No.  199  (26.  Aug.). 

Bau-  und  Kunstdenkmäler  Thilringens.  Bearb. 
Ton  Prof.  Dr.  P.  Lehfeldt  Heft  XX.  Fürstentum  Sohwan- 
burg-Budolstadt  Amtsgerichtsbezirke  Königsee,  Oberweils- 
baoh  u.  Leutenberg.  Mit  5  Lichtdruckb.  u.  22  Abb«  im  Texte. 
Jena,  G.  Fischer,  1894. 


1)  Die  mit  *  versehenen  Werke  wurden  der  Redaktion  snr  Roees- 
tion  fiberreicht,  konnten  aber  wegen  Raummangels  in  diesem  Heft«  nicht 
beeproehen  werden. 


Littorator.  741 

Bau-  and  Eunstdenkmäler  ThüringenB.  Amts- 
gerichtsbesirk Kahla.  Geprüft  durch  Dr.  H.  Bergner,  Pfsrrer 
in  Pfarrkefslar.  Nachgeprüft  durch  Prof.  Dr.  P.  Lehfeldt  in 
Berlin.    BerUn  1894.    Druck  tou  J.  F.  Starcke.    68  88.    S«. 

*Baumberg,  E. :  Alt- Arnstadt  Eine  Wanderung  durch 
die  8tadt  vor  siebzig  Jahren.  Arnstadt,  Bulsjaegersche  Hof- 
buchdr.,  1894.     98  SS.    S\ 

Beyer,  0.:  Erfurt  im  Kampfe  um  seine  Selbständigkeit 
gegen  die  Wettiner  1870  —  1882.  Jahrb.  d.  K.  Akad.  gemein. 
Wissensch.  zu  Erfurt,  N.  F.  XX  (1894),  229/268. 

Böhmer»  H.:  Willigis  yon  Mainz.  Ein  Beitrag  zur 
Gesch.  des  deutschen  Beichs  u.  der  deutschen  Kirche  in  der 
Sachs.  Kaiserzeit.  Leipzig,  Duncker  u.  Humblot,  1895.  YIII 
u.  206  88.  8<^.  (A.  u.  d.  T.:  Leipziger  Studien  aus  dem 
Gebiet  der  Gesch.  Herausg.  yon  K.  Lampreoht  u.  E.  Marcks. 
1.  Bd.,  8.  fleft.) 

Borkpwsky,  K:  Aus  der  Yergangenheit  der  Stadt 
Naumburg  (Forts.).  Die  Stadt  Naumburg  im  16.  Jahrhundert* 
Naumburg  a.  8.,  Dr.  y.  A.  Rietz  &  Sohn,  1894.  2  Bl.,  89  88. 
8«.    (RPG.  Naumb.  OPrgr.  1894.) 

Brandenburg,  E.:  Die  Gefangennahme  Herzog  Hein- 
richs yon  Braunschweig  durch  den  Schmalkald.  Bund  (1645). 
Habilitationsschr.     Leipzig,  Fock,  1894.     74  SS.    8<^. 

Buchwald:  Jenaer  Lutherfunde.  In  Theol.  Studien  u. 
Kritiken  (1894),  874/891. 

B  [ti  h  r  i  n  g] :  Graf  Sizzo  -  Feier  in  Oeorgenthal  am 
16.  Juni.  Arnstadt*  Nachrichts-  und  IntelligenzbL  (1895), 
No.  140  u.  141  (18.  u.   19.  Juni). 

Derselbe:  Das  Walpurgiskloster  yor  Arnstadt  in  Ge- 
schichte u.  Sage.  Sonder- Beil.  zu  No.  110  des  Arnstadt. 
Nachrichts-  u.  Intelligenzbl.  (Sonntag,  den   18.  Mai  1894). 

Derselbe:  Moderne  Barbaren.  Erinnerungen  an  Kloster 
Georgenthal.  Arnstädtisches  Nachrichts-  und  Intelligenzbl., 
126.  Jahrg.,  No.  253  (1894,  den  28.  Oktober). 

Burkhardt:  Die  ältesten  Kirchen-  u.  Schulyisitatiouen 
im  östlichen  Thüringen.  1527.  Theol.  Studien  u.  Kritiken 
(1894),  778—782. 


742  Litter«tar. 

Burkhardt:  Luthers  Wormser  Rede  in  SpalatiiiB 
Wiedergabe.     Ebenda  (1894),  161/166. 

Carl  AaguBt,  Brbgrofshersog  von  Bacbten.  Ein 
Lebeosbild.  Mit  drei  Abbildungen.  Weimar,  H.  Böhlau,  1896. 
64  88.    s: 

Zur  Oharakteristik  des  Prinsenräubers  Kons  von 
Kaufongen.     Schönburger  Tagebl,  1894,  No.  78. 

Od  11  mann,  K.:  Die  Teilnahme  der  Herren  BeuCi  am 
Sehmalkaldisohen  Krieg,  ihre  Aeehtung  u.  Wiedereinsetzung. 
Unser  Vogtland,  Bd.  II,  H.  1,  11—92;  H.  2.  61—69. 

Dobenecker,  O.:  Begesta  diplomatica  neo  non  episto- 
larid  historiae  Thuringiae.  Erster  Hi^bbd.  (ca.  600 — 1190). 
Namens  des  Vereins  für  thür.  Gesch.  u.  Altert  bearbeitet  o. 
herausgeg.    Jena,  0.  Fischer,  1896.     240  88.    4«. 

Drenokhahn,  0.;  Bilder  a.  d.  Oescb.  des  Mtlhlhiuaer 
Gymnasiums.  Nach  der  Festrede  bei  d.  S60-jähr.  Jubiläum 
der  Anstalt  am  28.  Aug.  1898.  Mühlhausen  i.  Tb.  1894. 
a_16  8.    40.     (Mühlh.  G.  u.  BPG.  OP.  1894.) 

Einert,  E.:  Mitteil,  aus  unseren  Archiven.  Aus  der 
Vergangeoheit  der  Liebfrauenkirche  [in  Arnstadt].  In  Am* 
städtisches  Nachrichts-  u.  Intelligensbl.,  197.  Jahrg.,  No.  4  ff., 
1896,  Jan.  6.  6.  8.  9.  13.  18.  20.  26.  86,  Febr.  6.  7.  14. 
20.  22.     Eine  au4;efuadeD6  Handschrift,  Mars  6  ff. 

Derselbe:  Aus  dem  Jahre  1688.  Ebenda,  126.  Jahrg.» 
No.  266,  267,  260,  261,  1894,   Nov.  1  ff. 

Erinnerungen  aus  den  Knaben-  und  Jünglingqahren 
eines  alten  Thüringers.  Leipsig,  Fr.  W.  Gmnow,  1894. 
106  88.    8«. 

Fest-Schrift.  Den  Teilnehmern  des  IV.  Haupt- Ver- 
bandstages  des  Feuerwehr -Verbandes  der  Prov.  8achsen  die 
Bürger  der  Stadt  Nordhausen.     1896.   86  88.     Darin: 

Die  histor.  Entw.  des  Fenerlösch-  u.  Bettungswesens  in 
Nordhausen.  Von  H.  Heineck.  16/24.  —  Die  Feststadt  Nord- 
hausen.     Von  P.  Lemcke.     26/86. 

Freriehs,  H.:  Festrede  u.  Bericht  über  die  Feier  des 
60-jähr.  Bestehens  der  Anstalt.  Eisenach,  Hofbuehdr.,  1894. 
16  88.    4«.     Eisen.  EG.  OP.  1894. 


Littenttar.  74$ 

Püff  lein,  0.:  Die  St  Johanniifcirohe  m  Baalfeld.  Sine 
getchiohtliche  und  baageechiohüiehe  Studie.  PesUohrifk  sur 
Einweihung  der  gen.  Kirohe  am  23.  September  1894.  Saal* 
feld  a.  d.  8.,  W.  Wiedemanneche  Buehh.  82  SS.  S^.  [Mit 
^  Tafeln.J 

'^Oebhardt,  H.:  Aus  der  Gtosehiehte  dea  Dorfes  Molseh- 
leben.    Gotha,  G.  Sehlöfsmann,  1894.    IV  u.  106  SS.    8^ 

G  e  r  b  i  n  g ,  L. :  Beiträge  zum  Thüringer  Oeleitsweten  im 
16.  u.  17.  Jahrb.  Mit  einer  Karte.  Mitteil,  der  Oeogr.  Ges. 
{für  Thüringen)  su  Jena.  Bd.  18.  Jena,  G.  Fischer  (1894). 
^0/62. 

Do. :  Unser  lieben  Frauen  Häuslein.    Ebenda  68/64. 

Zur  Oesohiehte  des  Klosters  Bemse.  Sohöoburger 
Tagebl,  1894,  No.  68. 

Zur  Geschiohte  der  BurschensohiA.  Aus  den  Akten 
des  Orofsh.  sächs.  Geh.  Staatsarohiys  in  Weimar.  In  H.  y. 
Treitsohke,  Deutsche  Geschichte  im  neunzehnten  Jahrhundert 
{Leipzig  1894).     5.  Bd.,  S.  745—763. 

Götze,  A.:  Die  paläolithische  Fundstelle  von  Tanbaeh 
bei  Weimar.  Yerh.  d.  Berliner  anthropolog.  Oes.  für  1892» 
Ö.  366/77. 

Derselbe:  Palttolithisohe  Funde  yon  Weimar.  Ebenda 
1898,  327/29. 

Derselbe:  Menschenopfer  im  Bärenhügel  bei  Wohlsborn, 
Orofsherzogt.  S.-Weimar.     Ebenda,  1898,  142/146. 

Derselbe:  Die  Merowing.  Altert.  Thüringens.  In  Yerh* 
der  Berl.  anthrop.  Ges.  (1894),  49—56. 

Gottschalk,  M.:  1.  Thür.  Inf.-Reg.  No.  31.  IX  u. 
589  SS. 

Gröfsler,  H.:  Badegundis  yon  Thüringen  in  den  Dich- 
tungen ihrer  Zeit     Mansf.  Blätter  YIU,  103/119. 

^Gutbier,  H.:  Der  Hainich.  Ein  Beitr.  zur  Heimats- 
kunde. Langensalza,  Selbstyerl.  d.  Yerf.  (Kommissionsyerlag 
yon  Wendt  u.  Klauwell),  1894.     48  SS.  kl.  8  <>. 

Guttenberg,  Fr.  0.  Freiherr  y.:  Begesten  des  „G^ 
isohlechtes  yon  Blassenberg"  und  dessen  Nachkommen.    Archiy 


744  Litteratiir. 

f.  Qesoh.  u.  A.  von  Obeifranken.  Heraasg.  yom  Eist  Y.  f. 
Oberfranken  zu  Bayreuth,  fid.  XXIX,  H.  2  (1894),  1/164. 
(Naohtr.  1148--1800  u.  1.  Forts.  1800—1400.)    Mit  4  BeiL 

Ha  ecke:  König  Goetay  Adolf  von  Schweden  in  Butt- 
stXdt  (ButtBtädter  Ztg.,  1894,  No.  202—305). 

Hagen,  y.:  Geschichte  des  5.  Thüringischen  Infanterie- 
Begiments  No.  94  (Qrofshersog  Ton  Sachsen).  Berlin,  E.  8. 
MitÜer  ft  Sohn,  1895.     81  SS. 

Heidenheimer:  Die  Verlobung  u.  VermShlung  der 
Prinzessin  Louise  von  Hessen  -  Darmstadt  mit  dem  Hersoge 
Karl  August  von  Sachsen- Weimar.  A.  f.  hessische  6.  u.  A., 
N.  F.  I,  451—465  (Darmstadt  1894). 

Heldmann,  A.:  Westfal.  Studierende  zu  Erfurt  1892 
bis  1618.  Ztschr.  f.  vaterl.  Gesch.  u.  A.,  52.  Bd.  (Münster 
1892),  2.  H.,  77/129. 

Hellwig:  Zur  Geschichte  des  Dom-  u.  KreuzetifteB  in 
Nordhaosen  von  der  Zeit  seiner  Umwandlung  im  Jahre  1S80 
bis  zum  Jahre  1822.  Ztschr.  des  Harz-V.,  27.  Jahrg.  (1894), 
122/209. 

Hertsberg,  Gustav:  Die  historische  Bedeutung  des 
Saalethaies.  JNeujahrsbl.  herausg.  y.  d.  bist.  Kommis«on  der 
Proy.  Sachsen  19.     Halle,  0.  Hendel,  1895.     55  SS.  S^. 

Hodermann,  Rieh.:  Gesch.  des  Gothaisohen  Hof- 
theaters (1775 — 1779).  In  Theatergesch.  Forsch,  herausg. 
Ton  B.  Litzmann.     Hamburg,  L.  Yofs,  1894. 

Holder- Egg  er,  Osw. :  Studien  zu  Lambert  yon 
Hersfeld  II  u.  IIL  NA.  f.  ä.  d.  G.  XIX,  869—480,  507 
—574. 

Derselbe:  Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsquellen. 
1.  NA.  f.  ä.  d    G.     XX  (1895),  378—421. 

'^Jacob,  G.:  Die  Gleichberge  bei  Bömhild  u.  ihre  yor- 
geschichtl.  Bedeutung.  2.  Aufl  Mit  yielen  Abbildungen  u. 
einer  Uebersichtskarte  der  Bundsicht  Tom  Kleinen  Gleichberg. 
Hildburghausen,  Dr.  u.  Verl.  yon  F.  W.  Gadow  &  Sohn,  1895. 
98  SS.  kl.  80. 

™       ^.     ,.  .  ,  28.    Okt.  ,^^^ 

Jacobs,    E.:    Die   Beisetzung    des   am  ^ —  1626 


Litterator.  745 

yerstorbenen  Grafen  Botho  XJlrioh  zu  Stolberg  in  Hildesheiiiu 
Ztsohr.  d.  Hars-Y.,  27.  Jahrg.,  392/298. 

Kolde,  Th.:  Zur  Oesch«  der  Schmalkald.  Artikel.  TheoU 
Studien  u.  Kritiken  (1894),  157/160. 

Krönigy  F.:  NamoDswechBel  der  Einwohner  Nieder- 
gebras  während  der  lotsten  300  Jahre.  Beibl.  des  Nordh. 
Oouriers. 

Kühn,  6.:  Begesten  zur  Oesohiohte  des  Carl  Friedrioh- 
Gymnasiums  zu  Eisenaoh.  Zum  18.  Okt.  1894.  Eisenaoh, 
Hofbuehdr.  (H.  Kahle),  1894.     26  SS.  4^. 

Laue>  M«:  Sachsen  und  Thüringen.  Jahresbor.  der 
Oesehiohtswissensoh.  im  Auftr.  der  Hist.  Gesellsoh.  zu  Berlin 
heransg.  yon  J.  Jastrow.  Jahrg.  XVI,  1898  (Berlin,  Gärtner^ 
1895),  II,  318/851. 

*L e i d 0 1 p h ,  Ed.:  Die  Sohlaoht  bei  Jena.  Mit  2  Karten 
(Aufmarsoh  der  Armeen  u.  Plan  der  Schlacht),  sowie  2  Auto- 
typien. Jena,  Frommannsohe  Hofbuchh.,  1895.  VIII  und 
100  SS.  8  0. 

Laue,  G.:  Das  Steinbild  des  frommen  Augustin  [in 
Gotha].  N.  Mitt.  aus  dem  Gebiete  hist-aut.  Forsch.  Bd.  XVm, 
2.  Hälfte,  2.  Heft,  S.  82/86. 

Liebe,  G.:  Eine  Beiserechnuug  [wahrsch.  des  Grafen 
Wilhelm  IV.  von  Henneberg]  aus  dem  Jahre  1518.  N.  Mitt 
aus  dem  Gebiete  hist.-ant  Forsch.  Bd.  XVIII,  2.  Hälfte^ 
2.  Heft,  8.  71/81. 

Lippert,  Wold.:  Wettiner  und  Witteisbacher,  sowie 
die  Niederlausits  im  XIV.  Jahrb.  Ein  Beitr.  zur  deutschen 
Reichs-  u.  Territorialgeschiohte.  Dresden,  W.  Baensch,  1894. 
XVI  u.  314  SS.  gr.  80. 

Derselbe:  Das  älteste  Gesohützwesen  der  Wettiner. 
Wissensoh.  Beil.  der  Leipziger  Ztg.,  1895,  No.  46  (Donners* 
tag,  d.  18.  April). 

Lüttich,  8.:  Der  „Füstrich"  zu  Sondershausen,  ein 
Beitr.  zur  deutsoheu  Altertumsk.  Naumburg  a.  S.,  Dr.  von 
H.  Sieling,  1894.     26  SS.  4«.    (Dom-G.  DP.   1894.) 

Martens^  K.:  Die  Fürsorge  des  Erfurier  Bates  für  das 


746  LUtoratar. 

DorfBchalwoMD  während  des  dreifsigjihrig.  Krieges.  Brfart» 
Druck  von  F.  Bartholomäos,  1894.  l  Bl  10  8&  8<^.  (BG. 
FesUehr.  1894.) 

Matthes,  Isolin:  Die  Volkedichte  u.  die  Zuoehme 
<]er  fievölkeruDg  im  Westkreise  dee  H.  S.-Altenborg  in  dem 
Zeiträume  v.  1887 — 1890.    Altenburg,  Fierereohe  Hofbuehdr^ 

1894.  17  88.  40.  (Altenb.  RG.  OP.  1894.) 

liatthes,  G.  Chr.  A«:  Aktenst&oke  sur  Oeech.  der 
Schule  und  Kirche  Kloster  Rofsleben.  I.  Ans  dem  Super- 
inteodenturarchiy  su  Stogerhausen  herausg.  Ctöriiti  1894. 
«_17  8.  40.    (Kloster-S.Prgr.  1894.) 

liitzschke,  Faul:  Urkundeubuch  von  Stadt  und 
Kloster  Bürge].    I.Teil:  1183—1454.    Gotha,  Fr.  A.  Perthes, 

1895.  XXXYIII  u.  568  88.  8^.  [A.  u.  d.  T.:  Thiringiadl. 
sächsische  Geschichtsbibliothek  von  F.  Mittsehke,  Bd.  III.] 

Oergel,  G. :  Das  GoUegium  majus  au  Erfurt  Erfort, 
Selbstverl.  des  Y.  f.  d.  G.  n.  A.  von  Erfurt,  1894.  44  88. 
8  0.  [Beiheft  des  16.  H.  der  liitt  des  V.  f.  d.  G.  u.  A.  Tom 
Erfurt.] 

Foppe,  G.:  Gr.  Hans  Ernst  von  Mansfeld-Heldrangeo 
u.  die  Gemeinde  zu  Bretleben.     Mansf.  Bl.,  YIII,  120/Sr8. 

Derselbe :  Aus  der  Zeit  des  Bauernkrieges.  Ein  Schreiben 
dea  Thomas  Mtinier,  swei  Uikk.,  einen  aufrührer.  Frediger 
2u  liartinsrieth  (bei  Sangerhausen),  eine  Yerfügung  des  Her- 
zogs Georg  Ton  Sachsen  wegen  unterlassenen  MesselesenB  in 
Eisleben  u.  eine  Quittung  Friedrichs  y.  Witzleben,  Bingleben 
betr.     Ztschr.  d.  Harz-Y.,  27.  Jahrg.,  810/814. 

Derselbe:  Flurgrenzen  in  Thüringen  und  dem  Harse. 
2Uchr.  des  Harz-Y.,  27.  Jahrg.,  806/809. 

Fosse,  0.:  Die  Siegel  der  Wettiner  Ton  1824^1486 
und  der  Herzöge  von  Sachsen-Wittenberg  u.  Kurfürsten  T«n 
Sachsen  aus  Askan.  Geschlecht.  Nebst  einer  Abhdlg.  über 
Heraldik  n.  Sphragistik  der  Wettiner.  IL  Teil  Leipzig  1898. 
78  88.  u.  Taf.  XVI— XXXIIL 

Die  Frotestautierung  des  Herzogt.  Sachsen.  In  8t. 
Benno-Kalender,  Jahrg.  44  (1894),  8.  47—59. 


LIttortttvr.  747 

Rausch,  A.:  Ohristian  Thomasios  als  Gast  in  Erhard 
Weigels  Schale  bu  Jena.  In:  Symbola  doctorum  Jenensis 
Gjmnasii  in  honorem  Oymnasii  Isenacensis  collecta  edidit 
O.  Richter,  Jenae  1894,  63/70.. 

Regel,  Fr.:  Thüringen.  Ein  geographisches  Handbuch. 
Zweiter  Teil:  Biogeographie.  1.  Buch:  Pflansen-  and  Tier- 
yerbreitang.  2.  Bach:  Die  Bewohner.  Jena,  0.  Fischer,  1896. 
XVI  u.  840  88.  8«. 

Derselbe :  Zur  industriellen  Entw.  von  Gera,  Greis,  Föfs- 
neck  und  Umgebung.  Vortrag,  gehalten  bei  Gelegenheit  der 
Jahresvers.  des  „V.  für  Thüringische  G.  u.  A.  zu  Jena''  in 
Pöfsneck  am  80.  8ept  1894.  In:  Unser  Vogtland,  II.  Bd., 
Mai  1895,  2.  Heft. 

Richter,  G.:  Zur  Frage  der  Gymnasialseminare.  £r> 
fahrungen  und  Erwägungen.  Lehrproben  und  Lehrg.,  Jahrg.. 
1895,  H.  44. 

Ritter,  J.:  Buchhändler  Bernhard  Müllersche  Stiftung 
^es  Fürst].  Gymnasiums  in  Rudolstadt  Rudolstadt,  Dr.  von 
F.  ICitElaflP,  1894.     8.  14.  4<>.     (G.  OPr.  1894,) 

Hans  8achs  in  Weimar,  Gedr.  Urkunden  zum  yier- 
hundertsten  Geburtstage  des  Dichters  aufs  neue  herausg.  tou 
Beruh.  8uphan.     Weimar,  Böhlau,   1895. 

Thüringer  Sagensohatz.  Von  Clara  Hacker.  Bd.  I. 
Leipzig,  0.  Gottwald,  1895.     157  88.  kl.  8«. 

Schmidt,  G.:  Burgscheidnngen,  1894.  [Mir  nicht  zu- 
gänglich.] 

Schmeifser,  Rieh«:  Carl  August  Yon  Sachsen- Weimar- 
Eisenach.     Eisenach,  H.  Kahle,  1895. 

Schmieder,  Paul:  Bericht  über  die  Feier  zum  An- 
denken an  die  Einführung  der  Reformation  in  der  Grafsch. 
Henneberg.  Keiningen,  Druck  der  Keyfsnerschen  Hofbuchdr., 
1894.     28—30  S.  4«.     (Schleusinger  6.  OP.  1894.) 

*Schöppe,  Karl:  Das  alte  Naumburg.  Kultnr- 
geschichtl.  Bilder  aus  den  letzten  70  Jahren.  Naumburg  a.  S., 
Verl.  von  Max  Schmidts  Buchh.,  1895.    56  88.  8  <>. 

Settegast,  F.:    Die  letzte  Tirade  des  Rolandsliedes  u. 


748  uttoffttw. 

die  Bezieh,  desselben  zum  Thüring.  Krieg  yom  Jahre  58  U 
Ztschr.  f.  Born.  Philol.  XVIIl,  417—424. 

Sigismand,  B.:  Einiges  zur  Oesehiehte  der  Thüringer 
Industrie.  Mitteil,  der  Geogr.  Ges.  (fär  Thftringen)  zu  Jena» 
Bd.  18,  Jena,  6.  Pischer,  1894,  65/76. 

Stemmler,  H.:  Gedächtnisrede  auf  Herzog  Ernst  II. 
Ton  Sachsen-Goburg  o.  Gotha,  gehalten  in  der  Aula  des  grSfL 
Oleichenschen  Gymnasiums  am  27.  Sept.  1898.  Ohrdruf,  Dr. 
von  H.  Lucas,  1894.     11  SS.  4«.    (G.-Prg.  1894.) 

Stenzel  u.  Höfken:  Einige  Thüringer  Hohlpfennige. 
A.  fär  Bracteatenkunde ,  herausg.  von  B.  v.  Höfken,  III, 
104/106. 

*St ölten  [H.  0.]:  Geschichtliche  Beziehungen  zwischen 
Naumburg  u.  Frauenpriefsnitz-Tautenburg.  Dr.  von  H.  Sieling 
Naumburg  a.  S.,  1894.     18  SS.  kl.  8^ 

Derselbe:  Neue  Bilder  aus  der  Tümpliogschen  Geschlechts* 
geschichte.  Oamburger  Wochenblatt,  62.  Jahrg.  (1894)^ 
No.  46—52. 

Derselbe:  Geschichtliche  Beziehungen  zwischen  Jena  u. 
Tautenburg.  BeiL  zu  No.  185  der  Jenaischen  Ztg.  (12.  Juni 
1895). 

'^Derselbe:  Erbaulich-patriotische  Bilder  aus  der  Tümpling* 
sehen  Gesohlechtsgeschichte.  Jena,  G.  Neuenhahns  Verl.,  1898. 
53  SS.  kl.  8». 

'^Derselbe :  Wanderfahrt  nach  Domburg  und  Tautenburg. 
Halle  a.  d.  S.,  Dr.  yon  0.  Hendel  (1894).    47  SS.  U.  S^. 

Derselbe:  Gesch.  Beziehungen  zwischen  Leipzig  und 
Tautenburg.  1.  Beil.  z.  Leipziger  Tagebl.,  No.  898  (18.  Aug. 
1896). 

Struck,  W. :  Das  Bündnis  Wilhelms  von  Weimar  mit 
GostaT  Adolf.  Ein  Beitr.  z.  Gesch.  d.  dreifsigj.  Kriegs.  Stral- 
sund  1895.     158  u.  LXXIX  SS.  8  <^. 

Thüna,  Dr.  Freiherr  v.:  Friedrich  der  GrofBC  und  die 
Emestiner  zu  Anfang  des  siebenjährigen  Krieges.  Wissensch. 
Beil.  der  Leipziger  Ztg.,  1894,  No.  122  (Donnerstag,  den 
11.  Okt.). 


Litterfttar.  749 

Tr eller, "Fr.:  Philipp  der  Qrofsm.  Lebensbild  eines 
evangelischen  Fürsten.  Kassel ,  Druck  von  L.  Doli,  1894. 
87  SS.  8  0. 

Trip:  Die  Unteroffisierschule  in  Weifsenfels.  Festsohr. 
48  SS. 

Tümpling,  Wolf  von:  Geschichte  des  Geschlechtes 
Yon  Tümpling.  Dritter  (Schlars-)Band.  (Gesch.  der  1822 
bezw.  1867  im  Mannesstamm  erloschenen  Häuser  Posewitz 
u.  Casekirchen  [Tümpling].)  Mit  TJrk.-Anh.,  Bildn.,  anderen 
Kunstbeil.,  Nachtr.  und  Ber.  zu  den  3  Bdn.,  2  Siegeltafeln, 
2  Handschriftentafeln,  General-Beg.  für  die  3  Bde.  und  dem 
Stammbaum  von  der  Teilung  in  Linien  an,  Weimar,  H.  Böh- 
lau,  1894. 

Turba,  Gust:  Zur  Yerhaftung  des  Ldgr.  Philipp  von 
Hessen  1547.  28.  Jahresber.  über  die  k.  k.  Oberrealschule 
in  d.  II.  Bezirke  von  Wien  1894.     S.  8—32. 

Die  Vermählung  des  Gr.  Hermann  IIL  v.  Henneberg 
mit  Elisabeth  von  Brandenburg.  In :  HohenzoU.  Forsch«,  III, 
253  —  266. 

Virck,  H.:  Lübeck  u.  der  Schmalkald.  Bund  im  Jahre 
1586.    Ztschr.  d.  Y.  f.  Lübeckische  G.  u.  A.,  VII,  23/51. 

Völkel,  A.  F.:  Das  Kloster  Mildenfurth.  Unser  Vogt- 
land, Bd.  n,  H.  6,  168—172. 

Wagner,  E.:  Sprichwörter  u.  sprichwörtl.  Kedensarten 
in  Rudolstadt.  Prgr.     Budolstadt,  43  SS.  4  <*. 

Wenck,  E.:  Eine  mailändisch  -  thüringische  Heirats- 
geschichte aus  der  Zeit  Eönig  Wenzels^  N.  A.  f.  Säch.  G. 
u.  A.,  XVI  (1896),  1—42.  (Separat  bei  W.  Baensch  1895. 
42  SS.  8<>.) 

Weniger,  L. :  Die  Dominikaner  in  Eisenaoh ;  ein  Bild 
aus  d.  Elosterleben  des  liittelalt.  In  Samml.  wissensch.  Vortr., 
No.  199.     Hamburg,  Yerl.-Anst.     44  SS. 

Weyhe-Eimke,  Arnold,  Freih.  v.:  Erinnerungen 
aus  d.  Gesch.  der  GräfL  Stolbergischen  Lande  im  Jahre  1641 
u«  1642  nach  Urkdn.  aus  d.  Nachoder  Archive.  Ztschr.  des 
Harz-Y.,  27.  Jahrg.,  315/825. 


7fiO 

NMa  Beiträge  bot  Oesohiolite  dentiohcn  Alter- 
twBi.  HemoBg.  tob  d.  HeoDeb.  altertosilL  Y.  in  MeiaisgeB. 
13.  Lief,     lidningen  1894: 

Zar  Geeeh.  der  BeneiiiOToo  nad  ihrer  Vertreter  in  den 
Sachsen -EmestiniBchen  Ländern.  Yoo  Dr.  J.  Qroeeehel  in 
Nürnberg.  7/38.  —  Die  älteste  Originaloi^nnde  im  etädti- 
eehen  Archiv  sn  Meiningen.  Mitget  t.  Bchuldirektor  Döbner. 
24/27. 

61.,  62.,  68.,  64.  Jahresbericht  des  Vogtl.  alter- 
tamsf.  y.  zu  flohenleuben.     HoheDlenben,  im  Aogost  1894: 

üeber  die  Entstehung  der  Sage  vom  nnterirdisehen 
Gange.  Von  Robert  Eisel  in  Gera.  1/15.  —  Das  Leben 
Heinrichs  XXX.,  des  letzten  Grafen  und  Herrn  Ton  Gera. 
Ton  Pfiarrer  Dietrich  in  Hohenleuben.     16/28. 

Mitteilungen  des  Oeschichts-  u.  Altertumsf.  Vereins 
au  Eisenberg.     10.  H.     Eisenberg  1895: 

Die  Eisenbergisohe  Braugerechtigkeit  u.  ihre  allmähliche 
Beseitigung.  Von  Prof.  B.  liackrodt.  8.  1/85.  —  Nachr. 
über  die  ältesten  Einkünfte  u.  Bechte  der  dem  Kloster  Eisen- 
berg inkorporierten  liarienkirohe  su  Zwickau.  Mitget  Yon 
Pfarrer  Bud.  Lobe  in  Buchheim.  S.  86/40.  —  Bericht  über 
die  Wirksamkeit  des  Vereins  im  Jahre  1894.  8.  41/46.  — 
Lihalts-Veraeichnis  von  Heft  1  bis  10.  8.  47/99.  —  Vera, 
der  Mitgl.     8.  100/102. 

Mitteilungen  d.  V.  f.  d.  Gesch.  u.  Altertnmi^.  Ton 
Erfurt  XVL  Heft  Mit  dem  Beih^:  Das  Collegium  oMgus, 
Yen  G.  Oergel.     Erfurt  1894: 

Zur  Erinnerung  an  die  Universität  Erfurt  Vortr.  von 
G.  Oergel,  Pastor.  1/S2.  —  Briefe  Neithardts  von  Gneisenan 
an  Dr.  Johann  Blasius  Si^ling»  Prof.  der  Mathematik  in  Er- 
furt HerauBg.  von  Dr.  Albert  Pick.  28/110.  —  Urkunden 
sur  Gesch.  des  Collegium  majus  lu  Erfurt  Mitget  von  G. 
Oergel.  111/142.  —  Beitr.  sur  Vorgesch.  Thftringens.  Von 
Dr.  med.  Zschiesche:  IV.  Gebrannte  Wälle  in  Thüringen. 
V.   Der  WolfetiBch  bei  Hitaelrode,  mit  einer  Abb.     148/171. 


Littentar.  751 

Mitteilangen  det  Y.  f.  Oesohiohis-  u.  Altertomsk.  zu 
Eahla  u.  Boda.     Y.  Bd.,  1.  H.    Eahla  1895: 

I.  lieber  die  uQsuyerläsfige  Zahlenangabe  bei  den  Ge» 
iehidhtssohreibern  der  alten  and  mittleren  Zeit  Yen  Geh. 
Kirohenrat  B.  Lobe  in  Basepbas.  8.  1/29.  —  IL  Neu» 
XJntenuchungen  {Lber  die  Bau-  n.  Eunstdenkmäler  Thüringens, 
▲mtsbes.  Eahla.  Yen  Heinrich  Bergner.  8.  80/86.  —  IIL 
Znr  Grensbesohreibang  des  Orlagauea  nach  einer  Urkde.  dee 
11.  Jahrh.  Yon  Y.  Lommer.  8.  87/92.  —  IV.  Das  Uhl- 
Städter  Gemeindebach.  Yon  F.  H.  M.  Fritzsche,  Pfarrer  in 
ühlstädt.  8.  93/98.  —  Y.  Naohrichten  über  Adelige  aas  den 
Kirohenbüohem  der  Ephorie  Eahla.  Forts.  YIII.  Farochie 
Niederkrossen.  Yon  Pfarrer  F.  W.  8tolEe.  8.  99/108.  — 
YI.  Aasgestorbeoe  Adelsfamilien«  Yon  £•  Lobe  in  Boda. 
8.  104/112.  —  YII.  Ein  Jadenhandel  in  der  8tadt  Eahla. 
Yon  Heinrich  Bergner.     8.  118/125. 

Mitteilungen  der  Geschiohts-  u«  Altertamsf.  Gesellsoh. 
des  Osterlandes.  X,  4.  Altenburg,  Br.  yon  Oskar  Bonde^ 
1895: 

XIII.  Chronik  der  Stadt  Altenbarg  von  1814  bis  1820. 
Yon  A.  Fr.  E,  Wagner.  369/456.  —  XIY.  Bie  Legende 
yon  der  Gründung  des  Elosters  Posa  (Bosau).  Yon  Br.  P. 
Mitsschke.  457/461.  —  XY.  Einige  Naditr.  evl  den  Pleifs- 
nischen  Arohidiakonen  u.  Beohaoten  in  Bd.  YII,  508  ff.  Yoq 
Geh.  EB.  Br.  Lobe.  462/472.  —  XYL  Ueber  eine  yon  dem 
Altenb.  8tiftspropst  Johann  y.  Eitscher  an  den  Eönig  8igis- 
mund  y»  Polen  in  Petrikau  1512  gebotene  Bede.  Yom  Geh. 
EB.  B.  Lobe.  473/484.  —  XYII.  Nachtr.  i.  Gesch.  einiger 
der  ausgestorbenen  Adelsfamilien  des  Osterlandes.  Yom  Geh. 
EB.  B.  Lobe.  485/532.  —  XYUI.  Miscellen  (1.  Zu  Mit- 
teil  YI,  8.  822.  2.  Zu  Mitteil.  Y,  S.  423.  3.  Urkunde  yom 
Jahre  1434  über  Zinsyerkauf  yon  dem  Yorwerke  zu  Ere» 
bitzschen.  4.  Generalsnperintendent  8uarinus  ftber  Altenb. 
Zustände  im  Jahre  1612).  533/588.  Yon  Prof.  Br.  Geyer. 
—  XIX.  Jahresberichte  1892/94.  Yon  Prof.  Br.  Geyer. 
589/546. 


752  Litteratnr. 

Neue  MitteiluDgen  aus  dem  Gebiet  hist-ant.  Fonoh. 
Bd.  XJX,  H.  1.     Halle  a.  8.  1895: 

Bestand  und  Alter  der  Eirohenbüoher  in  der  Prorins 
Sachsen,  dem  Hersogt.  Anhalt  u.  einigen  thftringisohen  Staaten. 
Von  B.  Krieg.  1/95  und  104/128.  [Enth&lt  das  Yerseiehn. 
folgender  Thür.  Staaten:  Grofsh.  Sachsen -Weimar -Eisenaofa, 
Heriogt  8.- Coburg  y  F.  Sohwarzb.  -  Sondershausen ,  F.  ReuTs 
ö.  L.,  F.  Schwarsb.-Rudolstadt,  U.  S.- Gotha»  H.  S.- Alten- 
burg.] —  Zur  Gesch.  des  thür.-säohs.  Gesch.-  n.  Altertumsr. 
Von  Prof.  Dr.  Jul.  Schmidt.    96/108. 

Mitteilungen  des  Altertumsvereins  zu  Plauen  i.  Y. 
10.  Jahresschr.  Plauen  1893:  Begesten  zur  Orts-  und  Fami- 
liengeschichte des  Yogtlandes.  I.  Bd.  1850 — 1485.  Yen  0. 
V.  Baab. 

Schriften  des  Vereins  für  Meiningische  Geschichte  u. 
Landeskunde. 

14.  Heft:  Beitr.  zur  Gesch.  des  Herzogt.  Sachsen-lCei- 
ningen-Hildburghausen.     Von  Ferd.  Trinke.     1898. 

15.  Heft:  Dr.  phil.  Friedrich  Reinhardt,  weil.  Rektor 
des  Lyceums  zu  Saalfeld  u.  erster  Professor  am  Gymnasium 
zu  Hildburghausen.     Von  Armin  Human.     1898. 

16.  Heft:  Johann  Gerhardt  in  Heldburg.  Vortrag  Ton 
Ferd.  Schmidt.     1898. 

17.  Heft:  Die  Wasunger  Mundart.  Dargestellt  von  E. 
Reichard,  E.  Koch  u.  Th.  Storch.     1895. 

18.  Heft:  Die  französische  Kolonie  in  Hildburghauaen. 
Von  A.  Human.  8/66.  —  Beschr.  der  bei  Naundorf  auf 
<ler  sogen.  Schulwiese  in  Langenschader  Flur  im  Herbst 
1821  mit  hohem  Zeug  stattgefun denen  Contrajagd.  Von 
Heuschel.  Mitget.  von  Dr.  A.  Human.  67/71.  —  Eonfir^ 
mation  des  Centgerichtes  Römhild  durch  Kaiser  Maximilian 
«.  1498.  Mitget.  von  Dr.  A.  Human.  71  ff.  Hildburg- 
hausen 1895. 

0.  Dobenecker. 


Geschäftliehe  Mitteilnngeii. 


XVII.  49 


Bericht  über  die  Thätigkeit  des  Vereins  tat  Thüringisohe 

Gtosohiohte  und  Altertumskunde  in  der  Zeit  von  der 

Hauptrersammlung  in  Ilmenau  am  16.  Juli  1898  bis  srar 

Hauptversammlung  in  Qotha  am  6.  Oktober  1896 

von  Gustav  Richter. 

Der  letzte  im  8.  Band  der  ZeiUchrift  (^.  F.)  8.  495  ff. 
yeröffeotliobte  Bericht  über  die  Thätigkeit  des  YereioB  wurde 
suerst  auf  der  Versammlung  in  Ilmenau  vorgelegt,  roufs 
aber  noch  durch  nähere  Angaben  über  den  Verlauf  derselben 
ergänzt  werden.  Durch  das  sehr  freundliche  Entgegenkommen 
des  dortigen  OrtsausichuCBes,  an  dessen  Spitze  Herr  Bürger- 
meister Eokardt  stand,  erhielt  die  Ilmenauer  Versammlung 
einen  wahrhaft  festlichen  Charakter.  Schon  die  am  Vorabend 
von  der  Kurverwaltung  veranstaltete  Illumination  der  Linden- 
strafse  bot  den  auswärtigen  Teilnehmern  eine  genufsreiche 
Überraschung.  Die  Versammlung  selbst  wurde  am  Sonntag, 
den  16.  Juli  im  Felsenkeller  durch  den  Unterzeichneten 
eröffnet  Nach  einer  freundlichen  Begrüfsung  durch  Herrn 
Bürgermeister  Eckardt  hiefs  der  Vorsitzende  die  erschienenen 
Vertreter  der  Oothaischen  Staatsregierung,  Herrn  Geh.  Staatsrat 
von  Kettelhodt  und  Herrn  Obersohulrat  Rauch  willkommen, 
widmete  seinem  Vorgänger  im  Amte,  dem  verstorbenen  Geh. 
Kirchenrat  Lipsius  herzliche  Worte  ehrenden  Dankes  für  sein 
langjähriges  unvergelsliches  Wirken  für  unsern  Verein  und 
erstattete  dann  den  an  der  erwähnten  Stelle  gedruckt  vor- 
liegenden  Geschäftsbericht.     Den  wissenschaftlichen   Vortrag 

49* 


756  Qescbimicbe  Mitteilungen. 

hatte  Herr  Staaterat  ProfeBBor  Dr.  A.  Brückner  aus  Jena 
überoommen.  Das  Thema  lautete:  ,,Ein  thüringiacher 
Fürst  des  17.  Jahrhunderts  und  seine  Besieh- 
ungen zu  den  Deutschen  in  Bufsland."  Bei  der 
Stadt  Moskau  bestand  eine  deutsche  Vorstadt  Hier  durften 
die  Ausländer  leben,  hier  entstanden  um  die  Mitte  des 
17.  Jahrhunderts  einige  protestantische  Kirchen  und  eine 
deutsche  Schule.  Diese  Verhältnisse  fanden  die  lebhafte  Teil- 
nahme des  Heriogs  Ernst  des  Frommen  von  Gotha.  Der 
Herzog  spendete  wiederholt  Geldsummen  für  den  Unterhalt 
von  Schule  und  Kirche,  liefs  sich  über  den  Stand  der  An- 
gelegenheiten der  Deutschen  fortlaufend  unterrichten  und  stand 
im  Briefwechsel  mit  dem  Zaren  Alexei,  dem  Vater  Peters 
des  Orofsen,  und  mit  Matwejew,  dem  Minister  des  ersteren. 
Als  diplomatischer  Agent  und  Vermittler  war  hierbei  ein 
Sachse,  Laurentius  Binhuber  thätig,  über  dessen  Leben 
manche  bemerkenswerte  Einzelheiten  zur  Mitteilung  gelangten. 
Schliefslich  gedachte  der  Redner  auch  der  politisch^diplo- 
matischen  Beziehungen,  welche  zwischen  dem  Herzoge  und 
dem  Staate  Moskau  angebahnt  wurden.  Es  handelte  sich 
um  die  orientalische  Frage,  um  Reformen  in  Rufsland,  um 
Handelsbeziehungen  zu  China  u.  s.  w,,  ohne  dafs  solche 
Verhandlungen  zu  greifbaren  Ergebnissen  geführt  hätten. 

Reicher  Beifall  lohnte  dem  Redner  für  seine  an  kultur- 
historischen Gedanken  reichen  und  viele  Seiten  unseres  na- 
tionalen Empfindens  mächtig  anregenden  Ausführungen. 

Hierauf  folgte  ein  kürzerer  Vortrag  des  Herrn  Bürger- 
meister Eckardt  über  die  Entstehung  des  Goethe- 
sehen  l^achtliedes  ''lieber  allen  Gipfeln  ist  Ruh.'  Un- 
weit des  auf  dem  Kickelhahn  bei  Ilmenau  errichteten  Turmes 
befand  sich  ein  von  Karl  August  erbautes  Pirschhäuschen. 
Hier  hat  Goethe  oft  und  gern  in  stiller  Beschaulichkeit  geweilt. 
Am  80.  August  1783  war  Goethe  wieder  in  Ilmenau,  auch 
diesmal  zog  es  ihn  nach  dem  Bretterhäuschen  auf  dem  Berge. 
Hier  wurde  er  beim  Anblick  der  vom  Mond  beschienenen  Berg- 
häupter   zu    seinem    ''Nachtlied'    gestimmt      Er    schrieb    daa 


GMchlftliche  Mitteilangeo.  757 

Gedicht  an  eine  rohe  Holzwand  des  Gemachs  neben  dem  süd- 
lich gelegenen  Fenster  mit  dem  Datum  des  2.  (nicht  des  7.)  Sep- 
tember. Bei  keinem  anderen  Gedicht»  von  ''Migoon'  ab- 
gesehen ,  hat  Goethe  unserer  rauhen  Nordlandsprache  den 
süDsen  melodischen  Klang  einer  südlich-romanischen  Mundart 
zu  verleiben  gewuXst  Ein  Ewigkeitsgedanke  durchweht  ge- 
heimnisvoll das  Lied,  die  Worte  schmeicheln  sich  ins  Gemüt, 
ihm  Ruhe  und  Frieden  bringend.  Nachdem  der  Redner  eine 
eingehende  Analyse  des  Gedichtes  gegeben,  führte  er  weiter 
aus,  wie  Goethe  48  Jahre  später  die  Inschrift  wiedersah. 
Er  traf  am  26.  August  1881  in  Ilmenau  ein  und  begab  sich 
mit  dem  vor  einigen  Jahren  verstorbenen  Bergrat  Mahr  nach 
dem  Kickelbahn.  Lange  schaute  er  in  das  anmutige  Thal, 
dann  rief  er  aus:  '^Wenn  das  doch  unser  guter  Grofsherzog 
noch  einmal  hätte  mitgeniefsen  können/  Als  er  an  der  Holz- 
wand die  verblichenen  Züge  des  in  kräftigem  Jugendalter 
einst  angezeichneten  Gedichtes  gewahrte,  rollten  ihm  reich- 
liche Thränen  über  die  Wangen.  Laut  wiederholte  er  die 
letiten  Worte:  Va  warte  nur,  bald  ruhest  Du  auch.'  Er 
hatte  wahr  gesprochen,  schon  im  nächsten  Frühjahr  schlössen 
sich  seine  Augen  für  immer.  „Wir  aber",  so  schlofs  der 
Redner  seinen  gemütvollen  Vortrag,  „wir  im  Ilmthale  am 
Flusse,  dessen  Welle  manches  unsterbliche  Lied  gehört,  haben 
es  als  teures  Yermächtnis  übernommen,  solange  der  Flufs 
rauschen  wird,  die  Goetheerinnerungen  zu  pflegen  und  die 
klassischen  Stätten  zu  schützen  und  zu  schirmen,  denn 
die  Stätte,  die  ein  guter  Mensch  betrat, 
ist  eingeweiht,  nach  hundert  Jahren  klingt 
sein  Wort  und  seine  That  dem  Enkel  wieder.'' 
Durch  Verteilung  einer  seltenen  Nachbildung  des  Nachtliedes 
—  die  Urschrift  ist  bekanntlich  durch  den  Brand  des  Häus- 
chens im  J.  1870  verloren  gegangen  —  bereitete  der  durch  den 
lebhaften  Beifall  der  Hörer  belohnte  Redner  den  Anwesenden 
eine  freudige  XJeberraschung.  Dieselbe  war  durch  das  Ent- 
gegenkommen des  Herrn  Verlagsbuchbändler  Schneider,  der  im 
Besitz  des  einzigen  vorhandenen  Clioh^s  ist,  ermöglicht  worden. 


758  GesehiftllelM  MittellaogeD. 

Die  BrnennuDg  der  Herren  Präsident  Miras  und  Bech- 
nungsamtmann  Liohtwer  zu  Keehnungsprftfem  fGr  das  nlh^hste 
Vereinsjahr,  sowie  die  Vorlesang  einer  Einladung  der  Stadt 
Rudolstadt  JBur  Abhaltung  der  nächsten  JahresyerBammlung 
daselbst  besohlofs  den  geschäftliohen  Teil  des  Tages.  Vor 
und  nach  der  YersammlaDg  wurde  die  vom  Ortsanssohusse 
auf  dem  Felsenkeller  veranstaltete  Ausstellung  geschiohilieh 
bedeutsamer,  teils  aus  dem  städtischen  Archiv,  teile  von 
Privatpersonen  dargebotenen  Gegenstände  besichtigt  Das 
Festmahl  verlief  in  gelungenster  Weise.  Der  Vorsitzende 
verlas  nach  dem  auf  8.  K.  H.  dem  Orofsherzog  ausgebrachten 
Trinkspruch  unter  der  jubelnden  Zustimmung  der  Festgenossen 
folgende  telegraphische,  alsbald  aus  Wilhelmsthal  gnädig  be- 
antwortete, Huldigung  an  den  hohen  Herren:  "^In  AnlaDs 
des  ktirilioh  begangenen  Eegierungsjubiläums  und  im  dank- 
baren Hinblick  auf  die  Segnungen  eines  den  höchsten  Idealen 
geweihten  Fürstenlebens  entbietet  Eurer  Königl.  Hoheit  ehr- 
furchtsvolle Huldigung  der  in  Ilmenau  zur  Jahresfeier  ver- 
sammelte Geschichtsverein/  Es  folgte  noch  eine  Keihe  ernster 
und  heiterer  Trinksprüche,  unter  denen  der  Überaus  launige 
Festgrufs  der  uralten  Gemeinde  Gabelbach  aus  dem  Hunde 
ihres  Schultheifsen,  des  Herrn  Justizrat  Schwanitz  stürmische 
Heiterkeit  weckte;  auch  er  brachte  eine  erfreuliche  Gabe, 
das  zum  Jubiläum  des  Grofsherzogs  verfafste  humorrolle 
Huldigungsgedicht  dos  Gemeindepoeten  Baumbach;  dasselbe 
wurde  in  einer  Anzahl  von  Abdrücken  unter  die  Feetgenosaen 
verteilt.  Mit  den  Gefühlen  wärmsten  Dankes  verlief sen  die 
Gäste  das  schöne,  erinnerungsreiche,  gastliche  Ilmenau. 

Das  äuTsere  und  innere  Leben  des  Vereins  in  dem  s^t 
der  Ilmenauer  Versammlung  verlaufenen  Jahre  kam  in  der 
auf  der  nächstjährigen,  zu  Pöfsneck  am  80.  September 
abgehaltenen  Festvereinigung  in  dem  dort  vom  Vorsitzenden 
erstatteten  Verwaltungsbericht  zur  öffentlichen  Darlegung.  Id& 
gebe  nachstehend  diese  Uebersicht  und  erweitere  dieselbe  zu- 
gleich bis  zur  Gegenwart 

Hinsichtlich    der    wissenschaftlichen   Arbeiten 


Geschiftliche  MittoUaogen.  759 

des  Yereins  ist  wiederholt  darauf  hingewiesen  worden,  dafs 
der  ursprüngliohe  Plan  der  Herausgabe  gesonderter  Urkunden- 
büoher  thüringischer  Eärstengeschlechter ,  Städte,  Klöster 
u.  s.  w.  aufgegeben  und  an  dessen  Stelle  zunächst  die  Aus- 
arbeitung eines  ganz  Thüringen  umfassenden  kri- 
tischen Urkundenyerzeiohnisses  zu  schaffen  gesetzt 
worden  ist  Ich  verweise  auf  die  von  mir  gegebene  nähere 
Darlegung  dieses  Unternehmens  und  seiner  grundlegenden  Be- 
deutung für  die  Thüriogische  Geschichtsforschung  im  8.  Bande 
der  Zeitschrift  (N.  F.)  S.  502  f.  und  bemerke  nur,  dafs  die 
Bearbeitung  dieses  höchst  umfassend  angelegten  Werkes  bis 
zur  yollendeten  Drucklegung  des  ersten  Bandes  yorgeschritten 
ist  Der  Bearbeiter,  Herr  Dr.  0.  D  oben  eck  er  in  Jena, 
hat  seit  1.  Oktober  1883  —  abgesehen  Ton  einer  Unter- 
brechung von  ^/,  Jahre  —  in  nunmehr  zwölQähriger  aus- 
dauernder, müheyollster  Arbeit  über  23  000  Begesten,  jedes 
einzelne  mit  genauen  litterarisohen  und  kritischen  Kachweisen 
yersehen,  augefertigt  Im  Sommer  des  yorigen  Jahres  wurde 
zur  Drucklegung  geschritten,  auf  der  Pöfsnecker  Versammlung 
das  erste  Heft  vorgelegt,  im  Januar  des  laufenden  Juhres  der 
erste  Halbband  veröffentlicht  Derselbe  umfafst  in  30  Bogen 
Grofs-Quart  1150  Eegesten  für  die  Zeit  von  c.  600  bis  zum 
Jahre  1120.  Der  zweite  Halbband  wird  noch  im  Laufe 
dieses  Jahres  erscheinen  und  aufser  14^/,  Bogen  Begesten 
das  Begister  und  die  Vorrede  bringen.  Die  Herstellung  eines 
gründlichen  und  zuverlässigen  Eegisters  (sowie  die  Kor- 
rektur desselben)  stellt  allerdings  an  die  Zeit  und  Kraft  des 
Herausgebers  ungeahnt  hohe  Anforderungen.  In  der  Vorrede 
wird  eine  Darlegung  der  Grundsätze  gegeben  werden,  welche 
für  Aufnahme  und  Bearbeitung  der  Urkunden  und  Briefe 
mafsgebend  gewesen  sind.  An  die  Vollendung  des  ersten 
Bandes  wird  sich  im  nächsten  Jahre  die  Drucklegung  des 
zweiten  anschliefsen ;  derselbe  soll  die  Eegesten  für  den  mit 
dem  Erlöschen  des  alten  Landgrafengeschlechtes  (1247)  be- 
endeten Zeitraum  umfassen.  Die  weitere  Absicht  geht  dahin, 
alsdann  noch  einen  Ergänzungsband  erscheinen  zu  lassen,  der 


760  OaMhifUiehe  Hitt^üaogeo. 

die  noch  nicht  gedruckten  oder  nur  in  seltenen  oder  tchlechten 
Drucken  vorhandenen  Urkunden  enthalten  wird.  Nach  der 
Vollendung  destelben  wird  nach  unserer  Auffassung  dasjenige 
geleistet  sein,  was  für  eine  gesicherte  urkundliche  Grundlage 
der  älteren  Thüringischen  Geschichte  erforderlich  ist  Bann 
wird  es  allerdings,  wie  ich  im  vorigen  Jahre  ausgeführt  habe^ 
an  der  Zeit  sein,  das  ürkundenwerk  jeeitweilig  surücktreten 
2U  lassen;  die  fortschreitende  Entwickelung  der  geschieht- 
liehen  Forschung  fordert  die  Kraft  des  Vereins  fUr  ander» 
dringliche  Angaben.  Ss  ist  wohl  kein  Zufall,  dafs  jetat,  wo 
die  wirtschaftlichen  und  sozialen  Fragen  in  den  Vordergrund 
des  öffentlichen  Lebens  getreten  sind,  auch  in  der  Wissen» 
Schaft  das  Streben  nach  geschichtlicher  Erforschung  der  wirt- 
schaftsgeschichtlichen und  soBialgeschichtlichen  Verhältnisse 
mit  grofsem  Kachdruck  die  Stellung  der  wissenschaftlichen 
Aufjgaben  und  Probleme  in  der  allgemeinen  wie  in  der  Einsei- 
geschichte  beeinflufst.  Der  Provinzial-  und  Ortsgeschichte 
erwächst  da  die  Aufgabe,  durch  Erforschung  der  Wirtschafts- 
geschichte in  kleineren  Gebieten  in  den  mannigfachen  Aeufser- 
ungen  des  wirtschaftlichen  Lebens  in  Stadt  und  Land,  die 
Entwickelung  der  sosialen  und  gewerblichen  Gliederungen  in 
Zünften  und  Gilden,  der  gutsherrlichen  und  bäuerlichen  Ver- 
hältnisse, den  Niederschlag  des  wirtschaftlichen  und  sozialen 
Lebens  in  den  Stadtrechten,  Grundbüchern,  Flurkarten  o.  dgl. 
lu  verfolgen  und  für  seine  wissenschaftliche  Festlegung  kri- 
tisch gesichteten  Stoff  planmäCsig  zu  sammeln.  Und  gerade 
dieses,  die  planmäfsige  Beeinflussung  und  Leitung  der  orts- 
geschichtlichen Forschungen,  das  erscheint  als  eine  Angabe 
der  gröfseren  provlnzialen  Vereine,  welcher  sich  dieselben  je 
länger,  je  weniger  entziehen  können.  Es  ist  bedauerlich,  dafs 
auch  bei  uns  in  Thüringen  hierzu  noch  kein  Anfang  gemacht 
ist  Die  zahlreichen  Ortsvereine  haben  keine  oder  wenig 
Fühlung  untereinander  und  mit  dem  Hauptverein.  Ich  habe 
in  Pöfsneok  nachdrücklich  betont,  dafs  die  Ortsvereine  in  Ver- 
bindung  mit   uns   treten   müssen,   wenn   auch   zunächst   nur 


Geschfiftllcbe  Mitteilangen.  761 

duroh  ihren  AnschlufB  als  korporative  Mitglieder,  und  in  Aus- 
sieht gestellt,  dafs  weitere  Anregungen  und  Yorsohläge  von 
uns  an  die  einseinen  Vereine  ergehen  würden.  Zu  diesem 
Zweck  haben  wir  einen  Aussohufs  gebildet  unter  dem  Vorsitz 
des  Herrn  Professor  Bosenthal.  Dieser  Aussohufs  hat  den 
Entwurf  eines  gemeinsamen  Arbeitsplanes  ausgearbeitet,  er 
ist  den  Vereinsvorständen  zugestellt  worden  mit  der  Ein- 
ladung, sioh  lur  Besprechung  desselben  mit  uns  zur  Haupt- 
versammlung in  Gotha  einzufinden. 

Ich  habe  bisher  der  Urkundenbücher  keine  Er- 
wähnung gethan.  Wir  halten  daran  fest,  die  einmal  begon- 
nenen Unternehmungen  auch  zu  Ende  zu  führen.  Doch  ist 
die  Sachlage  bei  dem  Urkundenbuch  von  Faulinzelle  und  dem 
der  Stadt  «Tena  noch  dieselbe  wie  im  vorigen  Bericht  an- 
gegeben. Auch  was  oben  über  das  zeitweilige  Zurücktreten 
des  grofsen  Urkundenrepertoriums  gesagt  ist,  darf  nicht  miß- 
verstanden werden.  Die  Arbeit  wird  stetig  fortgesetzt,  nur 
in  langsamerem  Tempo,  dami^  die  Mittel  des  Vereins  auch 
anderen,  inzwischen  erwachsenen  Aufgaben  von  ebenso  grofser 
Dringlichkeit  zu  gule  kommen  können.  So  dürfte  wohl 
neben  der  Vollendung  der  beiden  genannten  Urkundenbücher 
eine  urkundliche  Herausgabe  der  Thüringischen 
Stadtrechte  dasjenige  sein,  was  nach  Vollendung  der  ersten 
beiden  Bände  des  Bepertoriums,  sowie  des  Ergänzungsbandes 
zunächst  ins  Werk  zu  setzen  wäre. 

Aber  auch  noch  in  anderer  Eichtung  wird  der  Verein 
seine  Aufgaben  zu  erweitern  haben.  Die  Thüringischen 
Archive  bergen  noch  eine  Fülle  ungehobener  Schätze  zur 
Geschichte  und  Kulturgeschichte  namentlich  der  neueren  Jahr- 
hunderte, welche  der  geschichtlichen  Forschung  in  umfassen- 
derer und  mehr  planmäfsiger  Weise  zugänglich  gemacht  werden 
müssen,  als  es  bisher  geschehen  ist.  Es  würde  zu  diesem 
Zwecke  etwa  die  Durchforschung  der  Archive  durch  geeignete- 
Fachmänner  stattzufinden  haben,  um  die  zur  Veröffentlichung 
geeigneten  Archivalien  von  geschichtlicher  Bedeutung  zu  be- 


762  GeMb&rUicb«  MitteUnngen. 

«timroen  und  sa  bezeichnen.  Dann  könnte  ein  Plan  zn  ihrer 
Bearbeitung  und  Herausgabe  in  bestimmter  zeitlicher  und 
sachlicher  Folge  vom  Vorstände  des  Vereins  festgestellt  und 
allmählich  ins  Leben  gerufen  werden.  £s  würde  neben  die 
vorwiegend  dem  Mittelalter  zugewendeten  urkundlichen  Publi- 
kationen eine  zweite  Beihe  von  ''Publikationen  aus 
Thüringischen  Archiven  zur  Geschichte  der 
neueren  Zeiten^  als  besonderes  Unternehmen  des  Vereins 
zu  treten  haben.  Um  diesen  hier  skizzierten  Gedanken 
—  er  entspricht  im  wesentlichen  den  von  Herrn  Professor 
Ottokar  Lorenz  schon  vor  Jahren  geäufserten  Wünschen 
und  Anregungen  —  genauer  auszuarbeiten,  bedürfte  es  zu- 
nächst  einer  engeren  Verbindung  des  Vereins  mit  den  Ver- 
waltungen der  Thüringischen  Archive,  besonders  in  Weimar, 
Gotha,  Altenburg,  Meiningen  und  Budolstadt.  Ohne  deren 
bereitwillige  Mitwirkung  wäre  die  Ausführung  gar  nicht  denk- 
bar. Es  wird  sich  diese  nähere  Verbindung  dadurch  an- 
bahnen lassen,  dafs  Vertreter  dieser  Verwaltungen  als  aus- 
wärtige Mitglieder  dem  Vereins  vorstand  beitreten  und  von 
Zeit  zu  Zeit  zu  gemeinsamen  Beratungen  sich  vereinigen. 
Eine  zweite  Bedingung  wäre  die  Beschaffung  geeigneter 
Arbeitskräfte.  Diese  würde  am  wenigsten  Schwierigkeiten 
machen,  das  historische  Seminar  in  Jena  sich  zu  einer  Pflanz- 
schule junger  Historiker  in  dieser  Richtung  ausbilden  können. 
Endlich  die  Geldmittel.  Das  ist  ja  deutlich,  dafs  mit  den  vor- 
handenen Mitteln  des  Vereins,  die  Unterstützungen  der  Staats- 
regierungen in  der  bisherigen  Höhe  ihrer  Beträge  eingerechnet, 
sieb  die  ganze  Fülle  der  bezeichneten  Aufgaben  nicht  lösen 
läfut.  Aber  warum  sollen  wir  es  von  vornherein  als  aus- 
geschlossen ansehen,  dafs  die  Begierungen  sich  zu  einer  Er- 
höhung der  gewährten  Mittel  entschliefseu  würden?  Femer, 
wenn  der  Plan  des  Werks  sich  wirklich  auf  geschichtlich 
allgemein  Bedeutsames  richtet,  so  dürfte  auch  wohl  ein  unter- 
nehmender Verleger  sich  finden,  welcher  das  Werk  ganz  oder 
teilweise  auf  eigene  Kosten  zum  Verlag  übernähme.  Endlich 
ist  eine  Steigerung  der  Vereinsmittel    durch  Vermehrung  der 


GMebXftUehe  MitteUaogen.  763 

Yereinsmitglieder  ins  Auge  in  fassen.  Koch  immer  ist  die 
Mitgliederiahl  eine  yerschwindend  kleine  gegenüber  der  Ziffer 
•der  Thüringischen  Beyölkemngen  und  der  hohen  Bedeutnng 
unserer  Arbeiten.  Vielleicht  können  die  Staatsregierangen 
durch  an  alle  Staats-  und  Gemeindebehörden,  an  die  Pfiur- 
und  Schulämter  su  richtende  Empfehlungen  jBum  persönlichen 
und  korporativen  Beitritt  nicht  unwesentlich  hierzu  beitragen. 

Soviel  von  den  zukünftigen  Zielen  unserer  Arbeit.  Von 
der  Yereinszeitsohrift  ist  im  J.  1893  das  3.  und  4.  Heft 
des  8.  Bandes  der  N.  F.,  sowie  das  1.  Heft  des  9.  Bandes, 
im  J.  1894  das  umfangreiche  2.  Heft  desselben  erschienen, 
im  laufenden  Jahre  hat  das  3.  und  4.  als  Doppelheft  dieses 
Bandes  seine  Vollendung  gefunden  und  wird  zugleich  mit 
diesem  Bericht  auf  der  bevorstehenden  Hauptversammlung 
XU  Ootha  vorgelegt  werden. 

Die  Mitgliederzahl  des  Vereins  betrug  nach  der 
letzten  Mitteilung  (vom  Herbst  1893)  3  Ehren-  und  418 
ordentliche  Mitglieder,  sie  ist  seitdem  auf  die  Zahl  von 
3  Ehren-   und   406    ordentlichen  Mitgliedern   herabgesunken. 

Der  Schriftenaustausoh  mit  anderen  Vereinen  hat 
an  umfang  zugenommen.  Wir  stehen  gegenwärtig  mit  226 
Akademien,  Vereinen  und  gelehrten  Gesellschaften  im  Aus^ 
tauschverhältnis.  Der  Vatikanischen  Bibliothek  in  Bom  be- 
schlofs  der  Vorstand  seine  sämtlichen  Publikationen  zum 
Oeschenk  zu  machen,  ein  sehr  verbindliches  Dankschreiben  der 
Bibliotheksverwaltung  ging  dem  Vorstande  für  diese  Gabe  zu. 

Aber  auf  den  Schriftenwechsel  hat  sich  der  Verkehr  nicht 
beschränkt.  Der  Vorstand  des  Qeneralvereins  deutscher  Ge- 
schichts-  und  Altertumsvereine  lud  uns  zu  der  im  Sept.  1894 
in  Eisenach  abgehaltenen  Generalversammlung  ein  und  hat 
zugleich  den  Beitritt  unseres  Vereins  zum  Generalverein  in 
Anregung  gebracht  In  unserer  Vertretung  nahm  Herr  Biblio- 
theksdirektor Dr.  K.  E.  Müller  an  den  Eisenacher  Verhand- 
lungen am  8.  Sept  teil;  den  Anschlufs  an  den  Generalverein 
haben  wir  nach  dem  Gesamtverhältnis  unserer  Aufgaben  und 
Pflichten  nicht  thunlioh   gefunden.    —    Ebenso   nahm    unser 


764  Gescbftftliche  Mitteilnng^D. 

Yerein  an  den  bei  Gelegenheit  des  diesjährigen  Historiker- 
tags  in  Frankfurt  vorgenommenen  Verhandlangen  deutscher 
PublikationBinstitute  durch  Mitwirkung  des  von  uns  abge- 
ordneten Herrn  Dr.  0.  Dobenecker  teil.  Wir  sind  den  dort 
getroffenen  Vereinbarungen  beigetreten,  Herr  Dr.  Dobenecker 
hat  die  Vertretung  für  Thüringen  übernommen.  —  Endlich 
haben  wir  uns  dem  vom  Erfurter  Geschichts-  und  Altertums- 
vereine  ausgegangenen  Bemühungen  für  Herstellung  einer 
prähistorischen  Fundkarte  Thüringens  angeschlossen  und  durch 
Teilnahme  des  Herrn  Professor  Dr.  Regel  als  unseres  Ver- 
treters an  der  Erfurter  Besprechung  vom  9.  Juni  1896  dies 
bekundet. 

Die  erwähnten  Fragen  waren  neben  Regelung  der  laufen- 
den Vereinsgescbäfte  Gegenstand  einer  Reihe  beratender  und 
beschliefsender  Versammlungen  des  Vorstandes.  Solche  Vor- 
standssitzungen  haben  stattgefunden  am  21.  Januar, 
27.  Mai,  14.  Juni  1894  und  am  10.  März  und  31.  Mai  1895. 
Die  Jahresversammlung  für  1894  wurde  am  30.  September 
unter  reger  Beteiligung  zu  Pöfsneck  abgehalten.  Als  neue  Aus- 
schufsmitglieder  wurden  in  der  Sitzung  vom  10.  März  durch 
Beiwahl  die  Herren  Oberlandesgerichtsrat  Dr.  XJuger,  Biblio- 
thekskustos Dr.  Steinhausen ,  Professor  Dr.  Eauffmann  und 
als  auswärtiges  Mitglied  Herr  Archivdirektor  Dr.  Burkhardt 
zu  Weimar  gewählt.  —  Innigen  Anteil  nahm  der  Verein  an 
dem  Ableben  seines  hohen  Ehrenmitgliedes,  des  Erbgrofs- 
herzogs  Carl  August  E.  H.  Im  Namen  des  Vorstandes  wurde 
von  dem  Unterzeichneten  ein  Beileidschreiben  an  L  E.  H. 
die  Frau  Erbgroüsherzogin  gerichtet  und  von  Herrn  Dr.  Doben- 
ecker eine  Blumenspende  am  Sarge  niedergelegt.  Sowohl  vom 
Grofsb.  wie  vom  Erbgrofsb.  Hofe  wurden  Dankschreiben  an 
den  Vorstand  gesendet. 

Es  bleibt  schliefslich  noch  über  den  äufseren  Verlauf  der 
vorjährigen  Pöfsneoker  Hauptversammlung  zu  be- 
richten. Manche  Schwierigkeiten  hatten  sich  der  Abhaltung 
dieser  Versammlung  in  den  Weg  gestellt  und  eine  Reihe 
unserer  Vorstandsmitglieder,   die  Herren  Prof.  Rosenthal  und 


Geschftfklicbe  Mitteilangen.  7g5 

Dr.  0.  Fischer,  welche  eich  auf  Reisen  hefandeD,  sowie  die 
Herren  Lorenz  und  Krieger,  waren  von  der  Teilnahme  ah- 
gehalten.  Wenn  es  dennoch  gelungen  ist,  den  am  27.  Mai 
gefafsten  Beschlufs  bezüglich  Abhaltung  der  Jahresversamm- 
lung in  Föfsneck  zur  Durchführung  zu  bringen,  so  ist  das 
nicht  zum  wenigsten  dem  sehr  freundlichen  Entgegenkommen 
des  Herrn  Kommerzienrat  Eberlein  in  Föfsneck  und  der  Mit- 
glieder des  von  demselben  gebildeten  Ortsausschusses  zu  danken. 
Der  Erfolg  lohnte  reichlich  fiir  die  vorausgegangenen  Mühen. 
Eine  grofse  Zahl  von  Damen  und  Herren,  etwa  150,  der 
Mehrzahl  nach  aus  Föfsneck,  doch  auch  nicht  wenige  von 
auswärts,  davon  20  Herren  aus  Jena,  fanden  sich  am 
30.  September  gegen  Mittag  in  den  gastlichen  Eäumen  des 
Sohützenhauses  zur  Teilnahme  an  den  Verhandlungen  des 
Vereins  zusammen. 

Nach  Eröffnung  der  Versammlung  durch  den  Vorsitzenden 
begröfste  Herr  Bürgermeister  Dr.  jnr.  Flagge  namens  der 
städtischen  Behörden  und  des  Ortsausschusses  die  zahlreiche 
Versammlung.  Die  Stadt  empfinde  es  als  eine  Freude  und 
eine  Ehre,  dafs  der  Verein  in  ihren  Mauern  tage,  der  ganz 
Thüringen  uaier  eine  Fahne  geschaart  habe,  um  die  Denk- 
mäler, an  denen  Thüringen  so  reich  sei,  zu  erhalten,  die  Liebe 
zu  den  Pflanzstätten  der  Bildung  zu  pflegen.  Thüriogen  sei 
thatsächlich  eine  solche  Pflanzstätte,  Thüringen  sei  die  W^iege 
der  Beformation,  Thüringens  Sänger  und  Gelehrte  hätten  das 
geistige  Leben  vertieft,  die  Thüringer  Industrie  stehe  auf 
hoher  Stufe,  und  Thüringer  Tondichter  hätten  die  von  Foesie 
und  Sage  umwobenen  Thüringer  Berge  und  Burgen  verherr- 
licht. Es  sei  eine  herrliche  Aufgabe,  Thaten  und  Sitten  der 
Vorzeit  den  späteren  Geschlechtern  zu  überliefern  und  des- 
halb ein  ehrendes  Gefühl,  den  Verein,  der  sich  diese  Aufgabe 
gestellt,  hier  tagen  zu  sehen.  Nochmals  heifse  er  denselben 
herzlich  willkommen.  Der  Vorsitzende  dankte  herzlich  für 
die  gehaltreiche  und  ehrenvolle  Begrüfsung;  wenn  ja  noch 
ein  Zweifel  habe  bestehen  können  —  für  ihn  persönlich  habe 
ein  solcher  nie  bestanden  —  ob  der  Verein  hier  Verstäadnis 


766  GetchXmkh«  Mitteilaoi^. 

für  Beine  Bestrebungen  finden  werde,  so  tei  dieser  Zweifel 
durch  die  warme  Begr&TiBung  des  Herrn  Bürgermeist^v  und 
durch  das  Erscheinen  so  zahlreicher,  auch  weiblicher  Gäsle^ 
völlig  gehoben;  nicht  minder  zeige  auch  die  gebotene  Aus- 
stellung zahlreicher  und  anziehender  Altertümer  aua  dem 
Privatbesitz  so  vieler  Familien  von  dem  pietätvollen  Sinn 
der  Bewohner  Pö(snecks  gegenüber  den  Zeugen  ihrer  reichen 
Vergangenheit.  Es  folgte  der  Gescbäftobericht,  dessen  Inhalt 
teils  im  vorstehenden  enthalten,  teils  aus  der  nachfolgenden 
RechnuDgsübersicht  unseres  Herrn  Schatzmeisters  ersicht- 
lich ist. 

Nachdem  der  Geschäftsbericht  erstattet  und  die  Wahl 
der  Rechnungsprüfer  für  die  neue  Periode  vollzogen  wur 
—  sie  hatte  die  Wiederwahl  der  oben  genannten  Herren  er- 
geben —  folgten  die  Vorträge,  welche  die  volle  Aufmeri[- 
samkeit  der  Versammlung  lu  fesseln  wufsten.  Zuerst  sprach 
Professor  Regel  aus  Jena  über  ,Die  industrielle  Snt- 
wickelung  von  Ostthüringen,  insbesondere  von 
Pöfsneck'.  Den  wesentlichen  Inhalt  der  auf  ausgezeich- 
neter Sachkunde  beruhenden  Ausführungen  geben  wir  naeh 
dem  Bericht  der  Jenaisohen  Zeitung  vom  10.  Oktober  (Beilage 
zu  Nr.  237): 

Pöfsneck  ist  bekanntlich  neben  Sonneberg  der  bedeutendste 
Industrieplatz  des  Herzogtums  Meiningen  und  bildet  den  am 
weitesten  nach  Nordosten  vorgeschobenen  Teil  dieses  vom 
südlichen  Vorland  des  Thüringerwaldes  quer  über  den  Racken 
des  letzteren  bis  zum  Nordostfufs  sich  ausdehnenden  Landes. 

Ein  bedeutungsvoller  Terrainabschnitt  scheidet  das  gegen 
Süden  ansteigende  Vogtländische  Bergland  vom  Thüringer 
Hügelland;  deutlich  ist  derselbe  von  Saalfeld  bis  Gera  aus- 
geprägt. Gröfsere  Siedelungen  wie  Saalfeld,  Pöfsneck,  Oppurg, 
Neustadt,  Triptis,  Weida  und  vor  allem  Gera  haben  sich  hier 
entfaltet,  eine  der  wichtigsten  Verkehrslinien  Mitteldeutsch* 
lands  verknüpft,  derselben  folgend,  das  Elster-  und  Saalthal, 
und  über  den  Thüringerwald  weiterziehend,  den  Norden  und 
Nordosten  Deutschlands  mit  dem  Süden.  Diese  Senke  ist 
nebst  dem  tief  in  das  Schichten gefÜge  des  Vogtländisohen 
Berglandes  einschneidenden  Elsterthal  der  Sitz  einer  be- 
deutenden Qrofsindustrie  geworden,   wie   wir   eine  solche   in 


Geschäftliche  Mitteilaogen.  767 

dieser  Gröfse  und  Oeschlosseoheit  in  ganz  Thüringen  nicht 
wieder  antreffen;  dieselbe  ist  mit  der  benachbarten  des  König- 
reichs Sachsen  auf  das  engste  verknüpft. 

£in  ähnliches  Emporblühen  gröfserer  Ortschaften  wie 
zwischen  Saalfeld  und  Gera  beobachten  wir  auch  sonst  viel- 
fach am  FuüSb  unserer  mitteldeutschen  Gebirge,  wie  am  Harz, 
am  Thüringerwald  u.  s.  w.  Hier  am  Fufs  des  Vogtländischen 
Berglandes  finden  wir  bereits  in  vorgeschichtlicher  Zeit  die 
Spuren  einer  dichteren  Besiedelung,  denn  gerade  hier  im 
Orlagau  sind  die  prähistorischen  und  früh  geschichtlichen  Funde 
recht  zahlreich  und  sind  durch  den  Fleifs  rühriger  Lokal- 
foricher  der  wissenschafüiohen  Forschung  zugänglich  gemacht 
worden,  besonders  haben  Adler,  Bömeri  Liebe,  Robert  Eisel, 
Aog.  Fischer  und  Dr.  Loth  eifrig  gesammelt  und  die  Samm- 
lungen in  Berlin,  Dresden,  Jena,  Gera,  Hohenleuben  u.  s.  w» 
bereichert  Reiche  Bodenschätze  des  Zechsteins  sowie  die 
Leichtigkeit  durch  starke  Befestigungen  die  aufblühenden  Orte 
zu  schützen,  haben  später  diese  dichtere  Besiedelung  noch 
gesteigert,  historische  Momente  haben  sodann  in  neuerer  Zeit 
die  Entfaltung  eines  regen  industriellen  Lebens  gerade  hier 
in  Ostthüringen  bewirkt  Redner  wendet  sich  zunächst  zur 
Entwickelung  der  Textilindustrie  von  Gera,  welches  sich 
nach  der  furchtbaren  Zerstörung  im  thüringischen  Bruder- 
krieg i.  J.  1440  rasch  wieder  erholte  und  namentlich  schon 
im  15.  Jahrhundert  eine  blühende  Tuchmacherindustrie  aufwies. 

Zum  grofsen  YerdruTs  der  altzünftigen  Tuchmacher  brach- 
ten etwa  90  Jahre  später  niederländische  Zeugweber  die 
bisher  unbekannte  Kunst  der  Herstellung  glatter  Gewebe  aus 
Kammwolle  nach  Gera.  Dieselben  flüchteten  seit  1567  vor 
Albas  Schreckensherrschaft.  Zu  einer  lebhaften  Entfaltung 
gelangte  die  Geraer  Textilindustrie  aber  doch  erst  vor  etwa 
SOO  Jahren,  als  der  1541  zu  Doornik  in  Flandern  geborene 
und  gleichfalls  aus  seiner  Heimat  vertriebene  Nikolaus  de 
Smit  um  1595  sich  in  Gera  niederliefs,  geschützt  durch 
Heinrich  Fosthumus  (1595 — 1635),  und  hier  auf  dem  schon 
vorbereiteten  Boden  die  Zeugweberei  als  Grofskaufmann  zu 
entwickeln  begann:  er  kaufte  einerseits  die  von  den  selb- 
ständigen „Zeugwirkem''  gelieferten  Gewebe  auf,  andererseits 
lieft)  er  solche  in  seiner  Weberei  anfertigen,  um  sie  dann  in 
der  eigenen  Schönfärberei  auszufärben  und  dann  zu  appre- 
tieren und  so  veredelt  auf  den  Messen  zu  verkaufen.  Bereits 
1596  bezog  Smit  mit  seinen  Waaren  die  Leipziger  Messe. 
Schon   161 S  traten  die  Zeugmacher  mit  55  Genossen  zu  einer 


768  GMcb&fUieh«  MittaUangen. 

besoDderen  lonuDg  zasammen  (Smit  f  1623).  Trots  der 
Seaohen  und  Drangsale  des  30-jährigen  Krieges,  trota  des 
grofsen  Brandes  y.  J.  1686  gab  es  lu  Ende  des  17.  Jahr- 
hunderts schon  180  Zeugmachermeister  in  Gera;  fast  die 
ganze  Umgegend  lebte  von  der  Oeraer  Weberei.  Das  1 8.  Jahr- 
hundert bietet  namentlich  in  seiner  zweiten  Hälfte  kein  er* 
freuliches  Bild,  sondern  brachte  der  Oeraer  Zeugmanufaktor 
schwere  Hemmungen,  welche  der  Vortragende  kurz  chrarak- 
terisiert;  die  Napoleonischen  Kriege  mit  ihrer  Kontinental- 
sperre und  der  darauf  folgenden  Sonderpolitik  der  deutseben 
Staaten,  welche  Deutschland  in  38  Zollgebiete  schied,  ver- 
schärften  nur  diesen  Notstand,  so  dafs  erst  die  Gründung  des 
deutschen  Zollvereins  i.  J.  1834,  wie  anderswo,  so  auch  hier 
neues  Leben  erweckte. 

Mit  der  Herstellung  des  Kammgarns  auf  Spinnmaschinen 
traten  nunmehr  ganz  neue  Verhältnisse  ein.  1828  wurde  in 
Liebschwitz,  1844  in  Gera  selbst  eine  Kammgarnspinnerei 
gegründet;  den  heutigen  grofsartigen  Aufschwung  nahm  jedoch 
dieselbe  erst  mit  der  Einführung  der  mechanischen  Webst&hle, 
welche  die  bequeme  Erschliefung  des  Zwickauer  Kohlenbeckena 
durch  die  Gera-Göfsnitzer  Bahn  i.  J.  1865  zur  heutigen  Höhe 
entwickelte.  Der  Vortragende  führte  diese  neueste  und  wich- 
tigste Entwickelungsphase  der  Geraer  Textilindustrie  durch 
Zahlenangaben  näher  aus:  1891  arbeiteten  hier  bereits  9511 
mechanische  Webstühle  in  62  Fabriken  mit  10  834  Arbeitern 
und  87  Dampfmaschinen  (=  4664  Pferdekräfte).  Der  jähr- 
liche Umsatz  überstieg  50  Millionen  Mk.,  Gera  selbst  zählte 
40  000  Einwohner  (gegen  16  000  im  Jahre  1867!). 

Greiz  beschäftigt  in  seinen  zahlreichen  Fabriken  auch 
gegen  1 0  000  Arbeiter  und  verfügt  über  mehr  als  1 1  000 
mechanische  Webstühle;  hier  stellte  die  Firma  Schilbach  &  Co. 
i.  J.  1864  die  ersten  mechanischen  Webstühle  auf,  heute 
verfügt  dieses  einzige  Geschäft  über  mehr  als  1000,  Friedr. 
Arnold  in  3  Fabriken  sogar  über  1600  mechanische  Webstühle. 

In  Pöfsneck  bestehen  nicht  weniger  als  14  Flanell- 
fabriken ;  der  Wert  ihrer  Jahresproduktion  dürfte  den  Umsatz 
der  sämtlichen  Spielwarengeschäfte  von  Sonneberg,  dieser  um 
3000  Köpfe  gröfseren  Königin  der  Thüringer  Spielwaren- 
manufaktur,  übertreffen.  Redner  schildert  nunmehr  in  kurzen 
Zügen  die  Enwickelung  der  Pöfsnecker  Industrie,  welche  aoa 
der  Gerberei  und  Weberei  sich  zu  ihrer  heutigen  Blüte  ent- 
faltet hat.  Die  Pöfsnecker  beteiligten  sich  z.  B.  an  dem  von 
Tuchroachergesellen  gestellten  Regiment,  welches  mit  Karl  V. 


QesdüUtliche  Mitteilangen.  769 

1636  gegen  Tunis  sog  und  wegen  seiner  roten  Filzwämser 
die  ''deutschen  Blutmänner*  hiefs.  1826  führte  Joh.  Gottlieb 
Zoeth  in  Föfeneck  das  '^Binmännisch- Weben'  ein,  welches 
den  zweiten  Mann  am  Webstuhl  entbehrlich  machte;  die  Bnt- 
Wickelung  zum  Grofsbetrieb  datiert  jedoch  erst  seit  1862, 
nach  Einfdhrung  der  Gewerbe&eiheit  und  der  Durchführung 
des  Dampfbetriebes;  1869  wurden  hier  die  ersten  mecha- 
nischen Webstühle  aufgestellt 

Neben  der  Textilindustrie  sind  aber  noch  eine  ganze 
Anzahl  anderer  Gewerbe  für  Ostthüringen  von  grober  Be- 
deutung. Eedner  berührte  noch  die  namentlich  in  Gera  und 
Pöfsnecky  aber  auch  in  yielen  anderen  Orten  Ostthüringens 
blühende  Herstellung  und  Verarbeitung  des  Leders,  die  Ma- 
schinenfabrikation und  Eisengiefserei  y  die  Herstellung  mu- 
sikalischer Instrumente 9  die  Tabakindustrie,  die  Bier-  und 
Essigbrauerei  und  speziell  in  Fraureutb,  Gera  und  Pöfsneck 
die  Porzellanbereitung.  Er  geht  am  Schluls  seines 
Vortrags  noch  etwas  näher  auf  die  Entwickelung  dieses 
Industriezweiges  ein,  für  welche  in  Thüringen  95  Fabriken 
mit  über  18  000  Arbeitern  (d.  h.  mehr  als  die  Hälfte  aller  in 
dieser  Branche  in  ganz  Deutschland  beschäftigten  Arbeits- 
kräfte) thätig  sind. 

Den  zweiten  Vortrag  hielt  Dr.  Dobenecker  über  'Tho- 
mas Münzer  im  Bauernkrieg'.  Wir  geben  nach  dem- 
selben Bericht  die  Hauptzüge  des  von  dem  Eedner  vorgeführten 
lebenswarmen  und  reichen  Bildes: 

Bedner  wies  zunächst  auf  die  allgemeinen  wirtschaft- 
lichen, sozialen  und  politischen  Mifsstände  hin,  welche  die 
Bauernschaft  zur  Selbsthilfe  treiben  und  schliefslich  auch  die 
demokratischen  Elemente  der  Städte  zur  Teilnahme  an  der 
Eevolution  drängen;  gab  sodann  ein  Bild  von  den  Zielen 
der  revolutionierenden  Massen,  wie  sie  in  dem  Programm  der 
12  Artikel  und  in  dem  Heilsbronner  Verfassungsentwurf  nam- 
haft gemacht  werden,  um  sodann  zur  Schilderung  der  sozialen/ 
auf  den  Umsturz  alles  Bestehenden  hinzielenden  thüringischen 
Eevolution  überzugehen,  deren  Seele  Thomas  Münzer  wurde. 
Das  Leben  dieses  fanatischen  Schwärmers,  der  über  Thüringens 
Bauernschaft  unendliches  Elend  bringen  sollte,  wurde  in  grofsen 
Zügen  gezeichnet,  besonders  aber  die  Entwickelung  seiner 
religiösen,  politischen  und  sozialen  Lehren  geschildert,  in 
denen  er  Gleichheit  und  Freiheit  für  alle  Menschen  und  eine 
kommunistische  Gestaltung  der  Gesellschaft  fordert,  in  denen 

XVIL  60 


770  GaMUftlidM  ]liftt«anf«D« 

er  in  nimlosetter  Weise  gegen  KleroB,  Fürsten  und  Herreo 
wütet  und  eifert  Sein  Auftreten  besonders  in  Allstedt  und 
Mühlhausen,  wo  ihm  der  Prädikaot  Heiorioh  Pfeiffer  den 
Boden  bermtet  hatte,  in  Nürnberg,  wohin  er  sieh  nadi  seinm* 
Vertreibung  ans  Hühlhausen  gewandt,  am  Bodensee  und  wieder 
in  Mühlhausen  und  Thüringen  wuide  skissiert  und  sodann 
die  von  ihm  angefachte  und  wesentlioh  geleitete  Erhebung 
der  thüringischen  Bauernschaft  und  der  niederen  Bevölkerung 
der  thüringischen  Städte,  das  Wüten  und  Stürmen  der  Bauern 
gegen  Klöster  und  Schlösser,  ihr  siegreiches  Vordringen,  das 
Unterliegen  und  teilweise  Paktieren  der  Aristokratie  mit  den 
Siegern  ersählt  Die  scheinbar  überall  in  Hiüringen  und 
seinen  östlichen  Vorlanden  siegreiche  Bewegung  wird  dann 
gehemmt,  die  eingeschüchterte  Herrenpartei  sur  blutigen 
Beaktion  begeistert  durch  Luther,  der  sanächst  beiden  Par- 
teien lur  Nachgiebigkeit  geraten,  dann  aber  angesichts  des 
tollen  Wütens  der  Bauern  in  der  richtigen  Ueberseugung, 
daTs  es  um  die  Beformataon  geschehen  sei,  wenn  die  niederen 
Massen  die  Gewalt  gewännen,  sich  in  seiner  Schrift  „Wider 
die  mordischen  und  raubischen  Betten  der  Bauern'*  mit  ele* 
mentarer  Leidenschaft  gewandt  hatte.  Die  Fürsten  und  Herren 
raffen  sich  auf,  der  Mittelstand  bleibt  ruhig  oder  sammelt 
sich  sur  Abwehr  der  Bevolution.  Bei  Frankenhausen  unter- 
liegt der  von  Münier  geführte  Haufe  der  Kriegskunst  der 
verbündeten  Fürsten  Hessens,  Braunschweigs  und  Sachsens 
und  wird  fast  vollständig  vernichtet ;  Hunderte  von  Gefangenen 
werden  gerichtet,  über  die  aufrührerischen  Bauern  blutiges 
Strafgericht  trots  Luthers  Abmahnungen  gehalten,  die  Land- 
schaften mit  Brandschatzungen  und  schweren  Kontributionen 
heimgesucht  und  vor  Mühlhausens  Mauern  der  Hauptverführer 
der  Bauemmassen  mit  Pfisiffer  geköpft  Wie  im  Südwesten 
Deutschlands,  in  Franken  und  Hessen,  so  wurde  auch  in 
Thüringen  der  Aufstand  überall  blutig  niedergeschlagen.  Die 
Wirkungen  des  Aufstaodes  und  der  siegreichen  Beaktion  auf 
die  wirtschaftliche  und  politische  Lage  des  Bauernstandes 
nach  dem  Kriege  wurde  von  dem  Bedner  näher  angegeben 
und  von  ihm  mit  dem  Wunsche  geschlossen,  dafs  das  deutsche 
Volk  vor  einem  ähnlichen  Kampfe  entfesselter  Leidenschaften 
für  immer  bewahrt  bleiben  möge. 

Die  Versammlung  begleitete  die  wertvollen  Vorträge  mit 
lebhaftem  Beifall  und  der  Vorsitzende  sprach  den  Bednem 
den  besten  Dank  aus. 


GMchXItUohe  MitteUangen.  77  X 

Der  YerBammlung  folgte  das  Festmahl,  an  dem  etwa 
50  Personen,  Herren  und  Damen  teilnahmen.  Den  ersten 
Trinkspmoh  brachte  Hofrat  Dr.  Richter  mit  etwa  nach- 
stehenden Worten  aus: 

Wo  deutsche  Männer  zusammen  sind,  sei  es  zu  ernster 
Arbeit  oder  lu  froher  Geselligkeit^  da  gilt  das  erste  Wort 
des  Bedners,  welcher  der  herrschenden  Stimmung  Ausdruck 
yerleiht,  dem  Vaterlande.  Mit  ganzem  Herzen  hängt  der 
Deutsche  an  seiner  heimatlichen  Landschaft,  an  dem  Fürsten- 
hause seines  Landes.  Auch  wir  gedenken  in  Liebe  des  schönen 
Thüringer  Landes,  auf  dessen  Scholle  wir  stehen  und  das  ein 
so  weiser,  gnädiger,  gerechter  und  kunstsinniger  Fürst  regiert. 
Früher  war  diese  Liebe  zum  engeren  Heimatsstaat  das  einzige, 
dessen  wir  uns  getrösten  konnten.  Aber  als  Deutsche  konnten 
wir  uns  nicht  fühlen,  ehe  wir  das  Eeioh  hatten.  Denn  damals 
gab  es  wohl  Preufsen,  Bayern,  Sachsen,  gab  es  Meininger, 
Weimaraner  u.  s.  w.,  aber  ein  Volk  von  Deutschen  in  poli- 
tischem Sinne  gab  es  nicht  Bs  war  die  Zeit,  wo  nach  einem 
kürzlich  bekannt  gewordenen  derben  Worte  unseres  gewaltigen 
Bismarck  aus  dem  Jahre  1869  bei  Regenwetter  jeder  Deutsche 
sein  Vaterland  an  den  Stiefeln  mit  dayontrug.  Spott  und 
Mifsachtung  im  Auslande  traf  uns  ob  unserer  Schwäche  und 
Zerrissenheit 

Dafs  es  nicht  mehr  so  ist,  sondern  dafs  sich  jetzt  der 
Einzelne  stark  fühlt  im  Ganzen,  das  wollen  und  dürfen  wir 
nicht  vergessen. 

Die  älteren  Generationen  wissen  es  noch;  sie  haben  in 
sich  erfahren  und  erlebt  den  Gegensatz  zwischen  dem,  was 
einst  war  und  jetzt  ist,  zwischen  der  Kraft  und  Einheit  jetzt 
und  der  Ohnmacht  und  Zerrissenheit  sonst  Sie  haben  bei- 
gesteuert zu  dem  grofsen  Blutopfer  aller  Stämme,  durch  das 
festgekittet  der  stolze  Bau  des  Reichs  erstand.  Sie  werden  es 
nicht  vergessen.  Es  wächst  aber  eine  neue  Generation  heran, 
die  es  nur  von  Hörensagen  weifs,  der  mühelos  in  den  Sohofs 
gefallen,  was  um  die  teuersten  Opfer  erkauft  war.  Dieser 
gegenüber  mufs  darum  immer  wieder  dankbar  erinnert  werden 
an  dem  unvergleichlich  hohen  Wert  des  errungenen  Gutes 
nationaler  Einheit.  Dieses  höchste  Kleinod  steht  für  jeden 
wahren  Deutschen  über  dem  Hader  der  Parteien;  in  dem 
festen  Willen  es  zu  wahren  stehen  wir  alle  zusammen. 
Wehe  dem,  der  daran  rührt!  Auch  die  Arbeit  unseres 
Vereins  gilt  der  Pflege  vaterländischer  Gesinnung.     Im  Reich 

60* 


772 


Qeschftftliehe  MHteilangeo. 


ist  freier  Spielraum  gelassen  der  Eigeoart  eines  jeden  Stammes. 
Nur  wer  die  engere  Heimat  liebt,  yermag  auch  das  grofse 
Vaterland  reeht  lu  lieben.  Damm  wollen  wir  auoh  heute  in 
Liebe  gedenken  des  mächtigen  Schirmherrn  des  grofsen  deut- 
schen Vaterlandes  und  zugleich  unseres  herrlichen  Thüringer 
Landes  und  seiner  Fürsten. 

Iq  dieser  Gesinnung  fordere  ich  sie  auf,  mit  mir  ein* 
Bustimmen  in  den  Buf :  des  Beiches  Schirmherr  Kaiser  Wilhelm 
und  der  Landesf&rst  HerjBog  Oeorg  von  Meiningen,  sie  leben 
hoch!  hochl  hoch! 

Die  Freuden  des  Mahles  wurden  dann  noch  durch  mehrere 
andere  hersliche  und  sinnige  Trinksprüche  erhöht ;  es  sprachen 
Kommerzienrat  Eberlein,  Schuldirektor  Dr.  Lotz,  beide  aus 
Pöbneck  und  Staatsrat  Professor  Brückner  aus  Jena.  Orolse 
Heiterkeit  erregte  das  folgende  von  Herrn  Kaufmann  August 
Fischer  in  Pöfsneck  verfafste  launige  Lied: 


Vieles,  was  ans  wissenswert 
Aus  der  Heimatkande, 
Haben  heute  wir  gehört 
Von  beredtem  Mande, 
Lasset  uns  die  GJXser  klingen 
Und  uns  Gaadeamas  siegen 
Dieser  schönen  Stande ! 

Schon  im  graaen  Altertum 
Pflegte  man  su  speisen, 
Und  vor  manchem  SSkulum 
Tbatens  selbst  die  Weisen: 
UefiMn  —  so  lehrt  die  Geeebichte  — 
Auch  bei  jeglichem  Gerichte 
Gern  den  Becher  kreisen. 

Männer,  die  den  Höhlenbftr 
Wohlgemut  erlegten, 
Aaerochsen  nur  am  Speer 
Gani  SU  braten  pflegten, 
Hatten  miserable  Weine, 
Wenn  sie  sich  im  Bachenhaine 
An  die  Tafel  legten. 

Sorten,  die  aumal  die  Flur 
Schlettweins  einst  getragen, 
Konnte  ein  Vandale  nur 
Trinken  und  vertragen 
Heute  trinken  Wein  von  Reben, 
Die  der  deutsche  Hhein  gegeben. 
Wir  mit  Wohlbehagen. 


Als  man  noch  mit  Feuerstein, 
Fisch  und  Fleisch  tranchieret, 
Hat  ein  Altertumsverein 
Schwerlich  prosperieret. 
Acht  die  alten  Upfem  Hähne, 
Kein  Semester  noch  in  Jene 
Hatten  sie  studieret. 

Heut  lu  Tag,  wie  angenehm 

Sind  wir  situieret: 

Mit  Geschichte,  wie  bequem 

Sind  wir  regaUeretl 

Mit  der  frühesten  der  Hören 

Sind  die  Herren  Professoren 

Her  tu  uns  kutschieret. 

Und  was  sie  uns  mitgebracht, 

Jeder  soll*s  behalten, 

Aufbewahren  mit  Bedacht 

In  des  Hirnes  Falten  1 

Möge  uns  noch  oft  es  frommen, 

Dafs  die  Herren,   hochwillkommen, 

Hier  Versammlung  halten! 

FüUt  die  Gläser  bis  cum  Rand, 

Lafst  sie  uns  erheben; 

Jena  an  der  Saale  Strand, 

Alle,  die  dort  leben, 

Männer,  Frauen,  Kind  und  Kegel, 

Dobenecker,  Richter,  Regel 

Lassen  hoch  wir  leben! 


Der  Vorsitzende   dankte   dem   Dichter   für   die  hübsche 
Festgabe  mit  launigen  Worten. 


Gescbftftliche  MitteUoDgen.  773 

Mit  der  Yersammlung  war,  wie  erwähnt,  eine  Aos- 
Btellung  historisch  interessanter  Gegenstände  verbunden,  die 
duroh  ihre  Beiohhaltigheit  sehr  überraschte.  Sie  enthielt  nicht 
weniger  als  841  Nummern  von  |100  Ausstellern,  darunter 
eine  ganze  Eeihe  recht  seltener  und  wertvoller  Gegenstände. 
Ein  von  Apotheker  Stiohling,  dem  verdienten  Ordner  der 
Ausstellung,  ausgegebener  Katalog  diente  als  sicherer  Führer 
in  derselben.  Angesichts  der  reichen  Schätze  regte  sich  der 
Wanscb,  dieselben  dauernd  der  Oeffentliohkeit  zu  erhalten 
vielleicht  dorch  Gründung  eines  Museums. 

An  den  Landesherm  war  ein  Huldigungstelegramm  wäh- 
rend der  Versammlung  gerichtet  worden.  Darauf  traf  am 
nächsten  Tage  folgende  Antwort  ein: 

Herrn  Eduard  Eberleio,  Föfsneck.  Altenstein,  1.  Okt. 
Ihre  Depesche  gestern  Abend  bei  unserer  Rückkehr  hier  vor- 
gefunden. Wollen  Sie  dem  in  Föfsneck  tagenden  Geschichts- 
vereine meinen  Dank  für  den  mich  recht  sehr  erfreuenden 
GruTs  übermitteln,  welchen  ich  herzlich  erwidere.  Möchte 
die  Versammlung  die  Anregung  zu  weiteren  Forschungen 
werden  und  so  auch  bleibenden  Wert  haben.     Georg. 

Dem  Vereine  traten  19  neue  Mitglieder  bei,  und  zwar 
14  aus  Föfsneck,  6  aus  Jena. 

Die  Jahresversammlung  in  Föfsneck  hat  alle  Teilnehmer 
mit  Befriedigung  erfüllt.  Sie  ist  vornehmlich  durch  die  Be- 
mühungen des  Föfsnecker  Ortsausschusses  um  die  Gäste  so 
schön  gelungen.  Im  Namen  dieser  danken  wir  auch  hier  für 
die  liebenswürdige  Aufnahme. 

Möge  der  schöne  Sinn  gegenseitigen  Verständnisses  und 
sozialer  Wertschätzung,  welcher  die  Vertreter  deutschen  Ge- 
wer bfleilses  und  deutscher  Geistesarbeit  hier,  wie  vor  2  Jahren 
in  einem  anderen  Centmm  thüringischer  Industrie,  in  Apolda, 
zu  froher  Gemeinsamkeit  in  Arbeit  und  Festfreude  zusammen- 
führte und  zusammenhielt,  als  feste  Grundeäule  unseres  vater- 
ländischen Kulturlebens  immerdar  erhalten  bleiben  zum  Heile 
unseres  deutschen  Vaterlandes! 


774 


Oeftchlftliehe  Mitteilongen. 


Soll 


Kassen- 

ies  Yerdu  fir  Tkiriiglsche 


1898 
Jao. 


KAttabttstand 

Qaihaben   bei  der  Sparkasse 
in  Jena 


Ordentliche  Kinnahmen : 

Von  einem  Restanten  aus  1898 
Beitrige  von  419  Mitgliedern  . 
Erlös  ans  den  Vereinsschriften 
Zinsen  von  der  Sparkasse    .    . 


AiütorordentUehe  Kinnahmen: 

Beiträge  lur  Heraasgabe 
des  Urkundenbuehes  von 
Thüringen: 

Vom  Grofsheriogl.  Siehe.  Staatsmini- 
sterium  Weimar 

Vom  Hersogl.  Sachs.  Staatsministerinm 
Gotha V 

Vom  Hersogl.  S&chs.  Staatsministerinm 
Altenburg 

Vom  Hersogl.  Sftchs.  Staatsministeriom 
Meiningen 

Von  der  Fttrstl.  Schwarsb.  Reglernng 
lu  Rudolstadt 

Von  der  Pürstl.  Schwarsb.  Regierung 
SU  Sondershaasen 

Von  der  Pürstl.  ReoCi  j.  L.  Regiening 
in  Gera 

Von  der  FOrstl.  ReoA  I.  L.  Regierang 
sa  Greis 

Für  Heraasgabe  der  Schrift 
des  Herrn  Pfarrer  Binder 
in  Bergsalsa  aas  der  Separat- 
kasse der  Anstalten  für  Wissenschaft 
und  Kanst  in  Weimar 


Samma 


M. 

171 

8438 


8 

1867 

658 

896 


1000 
660 
650 
650 
850 
850 
850 
160 

150 


8609 


Pf. 


68 


8810 


4000 


14819 


15 


78 


OeschXftliehe  Mitteilangeo.  775 

Jena,  letst.  Deiember  1893. 


Abschlufs 


«escUchte  ■.  AltertHBskiMde. 

Haben 

1893 

Ordentliehe  Aasgaben: 

Herstellung   der   Zeitschrift 
des  Vereins  VIII  3/4,   IX  1  .    . 

Ftlrdie  Bibliothek  des  Vereins 

Für  die  Verwaltung: 

Porti,  Drucksachen  n.  s.  w.     ... 

AuAMrordentllehe  Ausgaben: 

Fttr   die   Herausgabe    des  Be- 
pertoriams  aar  Geschichte' 
Thtlringens: 

Gehalte 

Für    das    Urkundenbuch    der 
Vögte  von  Weida,  Bd.  11: 
An  die  Druckerei 

Fär    das    Urkundenbuch    von 
Paulinielle: 

An  Dr.  Anemfiller,  Detmold    .    . 

F&r    die    Gedichtnisfeier    an 
den  Herrn  Geb.  Kirohenrat 
Lipsius  

M. 

1208 
28 

215 

Pf. 

89 
90 

96 

1448 
2185 

Pf. 
25 

2000 
47 
78 
10 

80 

80 

Summa  der  Ausgaben 

Guthaben  bei  der  Sparkasse 
1  u  Jen  a 

Desbr. 
81 

10285 
1000 

28 
60 

8584 
11286 

05 

Kassabestand 

T8 

Summa 

14819 

78 

776 


GMcbilUiebe  MittdlmigeD. 


Sott 


1894 
Jan. 


Kassabestand     

Gnthaben    bei    der   Sparkasse 


sn  Jena 


Ordenfliehe  Ktnnaliinen: 

Von  einem  Restanten  aus  1898  . 

Beiträge  Ton  420  Mitgliedern  .  . 

Erl5s  ans  den  Vereinsscbriften  . 

Sinsen  von  der  Sparkasse    .    .  . 


AuflMrtrdeHlUehe  Klimahmen: 

Beitrige  'aar  Heraasgabe 
des  Ur knndenbaches  von 
Thüringen: 

Vom  Grorsherzogl.  Sachs.  Staatsmini- 
steriom  Weimar 

Vom  Hersogl.  bichs  Staatsministeriam 
Gotha 

Vom  Hersogl.  Siebs.  Staatsministerium 
Heiningen 

Vom  Hersogl.  Siebs.  Staatsministeriom 
Altenburg    » 

Von   der  Pfirstl.  Schwarsb.  Regierung 

SU  Rudolstadt 

Von   der  Pfirstl.  Schwarsb.  Regierung 

SU  Sondershausen 

Von  der  Pfirstl.  Renft  j.  L.  Regierung 

SU  Gera 

Von  der  Pfirstl.  Reufs  i.  L.  Regierung 

SU  Greis  »    ,    . 

Summa 


M. 
1000 

10885 


8 
1S60 

868 


Pf. 

50 

S8 


11285 


Pf. 


78 


86 
80 


1842 


15 


1000 
650 
650 
650 
250 
250 
250 
150 


8850 


16927 


GefchfifUiche  MitteUungen. 


777 


Jena,  letst.  Desember  1894. 

Haben 


1894 


Desbr. 
81 


Ordentliche  Ausgaben: 

Herstellang   der   Zeitschrift 

des  Vereins,  IX,  3 

F&rdieBibliothek  des  Vereins 

Für  die  Verwaltan  g  d.  Vereins: 

Porti,  Inserate,  Druckkosten  etc.     . 

AnftorordentUehe  Ausgaben: 

Für  die  Heransgabe  des  Re- 
pertoriams  snr  Geschichte 
Thüringens: 

Gehalte 

Fttr  die  Feierlichkeit  bei  der  Bestattung 
8r.  Kdnigl.  Hoheit  des  Erbgrofsberiogs 

Summa  der  Ausgaben 

Guthaben  bei  der  Sparkasse 

8u  Jena    

Kassabestaad 

Summa 


M. 


1817 
18 

140 


2000 
82 


18088 
844 


Pf. 


98 


76 


1472 


2022 


8496 


18482 


16927 


Pf. 


84 


76 


09 


79 


88 


TiiSP" 


Aufruf 

m  einem 

Ranke^Denkmal  in  Wiehe. 


Am  21.  Desember  1895  sind  handert  Jahre  yerflosseD,  daüi 

Leopold  ¥.  Bänke 

zu  Wiehe  im  Unstrutthal  geboren  wurde. 

Die  Wiederkehr  seines  Geburtstages  yeranlafrt  seine 
Mitbürger,  cur  Errichtung  eines  Denkmals  für  den  hoeh- 
yerdienten  Gelehrten  in  seiner  Geburtsstadt  ansuregen. 

Wir  bitten  seine  Mitarbeiter,  die  greise  Zahl  seiner 
Schüler,  die  des  Meisters  Forschungen  in  die  weitesten  Kreise 
getragen  und  alle,  die  Eanke's  Bedeutung  würdigen,  durch 
Zusendung  Yon  Geldbeiträgen  una  su  ermöglidien,  dafs 
4es  gre&en  Gesehiohtsforschers  in  sichtbarer  Weise  bleibend 
gedacht  werde. 

Beiträge  nimmt  die  Kämmereikasse  entgegen  ^). 

Wiehe,  den  22.  April  1895. 

Das  Komitee. 
L  A.: 

Kammradt,  Bürgermeister. 


1)  Auch  die  SchrifUeitoDg  dieser  Zeitochrift  erklftrt  sich  bereit,  Bei- 
trige  entgegeDsanehmen  und  an  die  oben  genannte  Kasse  absnliifeni. 


FrommtDUche  Bachdnickerei  (Hcnnaiin  Fohle)  Jena.  ~  18S6 


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