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ZEITSCHRIFT DES VEREINS
FÜB
TBÜRINGISCHE GESCHICHTE
T7ND
LTERTUMSKUNDE.
BAND.
NTEK BAMD.
angra im Text.
,n
r
ZEITSCHRIFT DES VEREINS
FÜR
THÜRINGISCHE GESCHICHTE
T7MD
ALTERTUMSKUNDE.
NEUE FOLGE. NEUNTEE BAND.
DER GANZEN FOLGE SIEBZEHNTER BAND.
Mit 3 EartensldEseii und 5 Abbildongen im Text.
• » •
JENA,
VERLAG VON GUSTAV FISCHER.
1895.
1 a h a 1 1.
Seite
Abhmndlimgeii.
I. Richard Adalbert Lipsias. Zwei Gedfichtnisreden , gehalten
in der Rose zu Jena am 6. Februar 1898. 1. Lipsius'
Lebensbild. Von 0. Richter 8
8. Lipsiuft' historische Methode. Von F. Nippold . . . 47
II. J. E. August Martin. Ein Gedftchniswort von O. Richter 67
HI. Das ehemalige Amt Lichtenberg vor der Rhön. 1. Geschichte.
(Schlufs.) 2. Verwaltung und Rechtspflege. Von C. Binder,
Pfarrer in Bergsulza. Hit 2 Kartenskiisen und 5 Abbildungen
im Text . 76
IV. Die Zerstörung der Stadt Gera im sftchsischen Bruderkriege
am 16. Oktober 1450. Von Dr. B er thold Schmidt Mit
1 Kartenskizze 296
V. Politik des Herzogs Johann Casimir von Coburg. Ein Beitrag
zur Vorgeschichte des 30-Jährigen Krieges. Von Heinrich
Glaser in Coburg 408
VI. Gesamtpostmeister Bieler. Ein Beitrag zur Geschichte der
deutschen Post. Von E. Einert 617
1. Schfltzenmeister und Goschützgiefser der Wettiner im 14. Jahr-
hundert. Mitgeteilt yon Staatsarehivar Dr. W o 1 d. L i p p e r t 866
S. Der Sturz des Markgrafen Poppo Ton der Sorbenmark. Von
Dr. O. Dobeneoker 870
3. Ueber die thüringische Familie Lendenstreioh. Von Prof.
.Dr. P. Lehfeldt 669
4. Ueber den Glockennamen Susanne. Von Prof. Dr. P. Leh-
feldt 664
5. Die Herren and Ritter yon Gera. Von Dr, Berthold
Schmidt 667
<. Das Wei^efest der Klosterkirche zu Mildenfurth. Von Archiyar
Dr. Berthold Schmidt 677
C^^^^^^ 624782
IV Inhalt.
Sdto
7. Verieiefanis des Geschfitses anf der Borg in Arnstadt. Mit-
geteilt ans dem Sondershftnser Saalbueh I, fol. 205 Yon Rektor
H. Schmidt in Arnstadt 680^
8. Inrentarinm des „scbntsgeretes" m Sondershaosen. Migeteilt
aas dem Sondershiaser Saalbneh I, fol. 892 a Ton Rektor
H. Schmidt in ArnsUdt 681
9. Noch ein Erlafo des Hersogs Ernst August yon Sachsen. Ans
Priyatbesita mitgeteilt von C. H. Nenmaerker in Apolda 684
littentar.
1. Baa- and Konstdenkmftler Tbttringens etc. Heft XVIII:
Grofsherzogtam Sachsen-Weimar-Eisenach, Amtsgerichtsbesirk
Weimar. Besprochen von £. Kriesche S7T
2. Bericbtigangen and Ergftnsongen sa Apfelstedt: Bau- und
Kanstdenkmftler des Fürstentums Schwarsborg-Sondershansen.
Zweites Heft : Oberherrschaft. Von Hermann Schmidt,
Rektor in ArnsUdt 880
8. E inert, E.: Ein Thüringer Landpfarrer im 80-jfihrigen
Kriege. Mitteilungen aus einer Kirchenchronik. Arnstadt,
E. Frotscher, 1898. IV u. 96 SS. 8^ Besprochen von
Dr. O. Dobenecker 887
4. Bemerkung zu Miszelle 2. Von Dr. O. Dobenecker 389
5. Uebersicht der neuerdings erschienenen Litteratur zur thü-
ringischen Geschichte und Altertumskunde. Von Dr. O.
Dobenecker 889
6. Bau- und Kunstdenkmftler Thüringens, Heft XVH, Amts-
gerichtsbesirk Blankenhain. Geprüft durch Dr. Karl Hein-
rich Bergner, Pfarrer zu Pfarrkefslar b. Gumperda S.-A. 689
7. Berichtigungen und Zusfttze zu B. Schmidt, Urkundenbach
der Vögte yon Weida, Gera und Planen, Bd. U. Von Dr.
W. Lippert, Dr. B. Schmidt und Dr. O. Dobenecker 726^
8. W i m m e r , P. Florian, O. S. B. : Anleitung zur Er-
forschung und Beschreibung der kirchlichen Knnstdenkmftler.
2. Auftage yon Dr. M. Hiptmair. Lins 1892. VI und 162 SS.
Besprochen yon Bergner 782
9. Berichtigung su Martin, Urkundenbnch der Stadt Jena, I,
No. 276. Von Lic. H. O. St ölten in Frauenpriefsnitz . 784
10. Tfimpling, Wolf yon: Geschichte des Geschlechtes yon
Tümpling. Dritter (SchluTs-) Band. Mit Urkunden- Anhang,
Bildnissen, anderen Kunstbeilagen u. s. f. Weimar, H. Böhlau,
1894. 886 und 42 SS. und Register [ohne Pag.]. 8 •. Be-
sprochen yon O. Dobenecker 78S
Inhalt
Seit»
11. Begel, Fr.: Thftriogen. Ein geographisches Handbuch.
Zweiter Teil: Biogeographie. 1. Baeh: Pflansen- and Tier-
Verbreitung. 2. Buch: Die Bewohner. Jena, G. Fischer,
1896. Xyinnd840SS. 8*. Besprochen von O. D o b e n -
eeker 739
12. Uebersicht der neuerdings erschienenen Litteratnr sur thü-
ringischen Gesdiichte und Altertumslcunde. Von O. D o b e n -
eck er 740
eeMhiftUehe mtteUinigeB.
1. Bericht ftber die Thitigkeit des Vereins ftlr ThOringische Ge-
schichte und Altertumskunde in der Zeit von der Haupt-
versammlung in Ilmenau am 16. Juli 1898 bis sur Haupt-
versammlung in Gotha am 6. Oktober 1896. Von Gustav
Bichter 16^
2. Kassen- Abschlufs des Vereins filr Thüringische Geschichte und
Altertumskunde vom lotsten Desember 1898 und dgl. 1894 774
Riehard Adalbert Lipsius.
Zwei Gedächtnisreden
gehalten in der Rose zu Jena am 5. Februar 1893.
I.
6. Richter: Lipsius Lebensbild.
IL
F. Nippold: Lipsius historische Methode.
xvir.
I.
Lripsius Lebensbild.
Von a. Blehter.
Hochgeehrte Versammlnng!
über 5 Monate sind vergangen, seit wir dem Manne
das letzte Lebewohl in die ihm so unerwartet geöffnete
Gruft nachriefen, dessen Erinnerung zu fnem wir heute
hier versammelt sind. . Die damals anwesenden Vorstands-
mitglieder unseres Vereins traten gleich nach dem Be-
gräbnis zu einer ernsten Besprechung zusammen. Unser
Schmerz um den erlittenen Verlust, unser Dank für das,
was der Verstorbene die Jahre her unserem Verein, uns
persönlich gewesen, kam da zu wehmutvoller Aussprache.
Einmütig waren wir darin, daß der Empfindung des Dankes
auch ein öffentlicher Ausdruck gebühre. Die erste öffent-
liche Versammlung, die unser Verein seiner Sitte gemäß
im Winter abhalten wtlrde, sollte sich zu einer schlichten
Erinnerungsfeier gestalten. Erst heute können wir dieser
Pflicht genügen, denn ihre würdige Erfüllung erforderte
Zidt und Arbeit.
Mir als dem Nachfolger des Verstorbenen in der
Leitung des Vereins liegt es zunächst ob, zu seinem 6e-
4 Richard AdalbertLipsia 8.
dächtnis zu reden. Aber eine Würdigung der wissen-
schaftlichen und kirchlich praktischen Wirksamkeit des-
selben durfte ich als Laie nicht unternehmen. Herr
Professor Nippold, hierzu berufen wie kein anderer und
Mitglied unseres Vereins, hat die Güte gehabt, diesen Teil
der Aufgabe auf sich zu nehmen. So beschränke ich mich
auf den Versuch, die Umrißlinien des Lebensganges des
Verstorbenen und des Bildes seiner Persönlichkeit vor
Sinen zu entwerfen.
Schlicht und prunklos, wie unsere Feier, soll auch
meine Rede sein, entsprechend dem anspruchslosen, aller
Ruhmredigkeit abholden Sinn des teuren Mannes, den wir
beweinen.
Mit Qinem reichen geistigen Erbe ausgestattet, ist
unser Lipsius ins Dasein getreten. Bei den Eltern und
den Großeltern lassen sich die Grundelemente seiner Indi-
vidualität deutlich aufzeigen.
Bis zum Urgroßvater vermochte der Verstorbene seine
Ahnen zu verfolgen. Es war der Magister Christian
Gottlob Lipsius, der 1740 geboren, nachmals ein Pfarramt
in der Niederlausitz bekleidet hat und 1810 gestorben ist.
Von seinem Vater weiß man nur, daß er ein Landwirt war
und in der Nähe von Sommerfeld im Kr. Krossen eine
Pachtung gehabt hat. Durch ihn ist, wie es scheint, die
Familie von auswärts nach der Lausitz verpflanzt worden.
Die latinisierte Namensform — aus dem Familiennamen
Lips, der seit dem 16. Jahrhundert mehrfach vorkommt
und aus Philippus, Philips entstanden ist — scheint auf
Richard Adalbert Lipsias. 5
gelehrten Beraf früherer Vorfahren hinzudeuten. Vor mehr
als 200 Jahren hat es an unserer Hochschule einen Pro-
fessor Lipsius gegeben, den berühmten hoU&nder Philo-
logen JusTus Lipsius, der eigentlich Joest Lips hieß und
aus der G^end von Brüssel gebürtig war. Ob hier ein
Zusammenhang besteht? Es ist nicht möglich, mit den
vorhandenen Mitteln die Frage zu lösen.
Erst mit dem Großvater, Adolf Gottfried Wil-
helm^), b^;innt die genauere Kenntnis der Vorfahren
unseres Lipsius. Er war seit 1807 Geistlicher in dem
freundlichen Bergstädtchen Bernstadt in der Oberlausitz
und ist hier 1841 gestorben. Deutlich zeigt er die Grund-
züge des Familiencharakters der von ihm begründeten
Generationen : die Richtung auf gelehrtes Wissen, die Lust
am Lehren, die er an seinen Söhnen und anderen ihm zur
Erziehung anvertrauten Knaben übt, die logische Klarheit,
die seine Predigten auszeichnet, unermüdliche Pflichttreue,
schlichte Frömmigkeit. Dazu liebenswürdiger Humor und
ein inniger Familiensinn. Aber auch sein theologischer
Standpunkt zeigt ihn bereits als Wegweiser für Sohn und
Enkel. Frei von der nüchternen Plattheit des vulgären
Rationalismus, war er doch zugleich ein freidenkender
Mann und ein warm fühlender Christ. Seine Gattin war
eine Schwester des als Dichter geistlicher Lieder bekann-
ten Gabye, erzogen in der Brüdergemeinde zu Hermhut,
mit der sie zeitlebens in regem Verkehr geblieben ist').
Der Einfluß dieser feinsinnigen, klugen und edlen Frau
1) Neuer Nekrolog, Jahrg. XIX, S. 509 ff.
2) Schnlreden, bei yerschiedenen Gelegenheiten gehalten von Dr.
E. HsonaoH Aoalbbbt Lipsius. Mit der Lebensbeschreibong desYer-
ÜMseit [Ton Dr. Righabd Adalbbrt Lipsius]. Leipzig 1862. S. YIL
6 Biohard Adalbert Lipsiog.
ist auf Söhne und Enkel von großer Bedeutung gewesen.
Sie war es, welche das Leben im Bemstadter Pfarrhause
mit dem wärmeren Hauche inniger christlicher Frömmigkeit
durchdrang. In dankbarer Liebe gedenkt ihrer öfters
unser Lipsius in der Biographie des Vaters. Er schildert
sie als eine Frau von inniger, gemütvoller Frömmigkeit,
frei von weinerlicher Sentimentalität und salbungsvoller
Manier, die es nicht liebte, das Heilige im gewöhnlichen
Verkehr auf den Lippen zu tragen; eigen war ihr der
Sinn für geräuschlose Thätigkeit und ein behagliches Still-
leben in Haus und Garten^).
Zwei Söhne wuchsen in dem P&rrhause heran. Der
ältere, Gustav, war mehr nach dem Vater geartet, dem er
auch später im Amte gefolgt ist ; der jüngere, Adalbert,
der Vater unseres Lipsius, stand in der ganzen Richtung
seines Wesens der Mutter näher. Vom Vater war auf
ihn nach der Schilderung des Sohnes neben dem Scharf-
sinn und der wissenschaftlichen Begabung die schlichte
Geradheit, die ernste Wahrheitsliebe, die charaktervolle
Beharrlichkeit im Festhalten des einmal mit klarem Be-
wußtsein Ergriffenen übergegangen; sein mütterliches Erb-
teil war das stille, sinnige Wesen, die Milde und Sanft-
mut im persönlichen Verkehr und im Urteil über andere,
endlich die zarte, fast schüchterne Bescheidenheit, welche
die eigenen Vorzüge und Gaben lieber vor den Blicken
anderer zu verhüllen als geltend zu machen liebte.
Auf der Universität zu Leipzig bereitete er sich zur
akademischen Laufbahn vor. Biblische Exegese wählte
er als dereinstiges Forschungsgebiet. Seine griechischen
1) Schalreden u. s. w., S. IX.
Biehard Adalbert Lipsins. 7
SprAchstudien braehten ihn mit G. Hermann in nahe Be-
zi«liung. Im FrfllQahr 1826 berief ihn der geistvolle Rost
ab KoUaborator an die yon ihm geleitete Thomasschule,
im Sommer wurde er Doktor, im folgenden Jalnre begann
er die akademische Lehrthftti^eit mit eiegetischen Vor-
lesungen fiber Paulinische Briefe. Aber er war mittellos,
und die akademische Laufbahn bot geringe Aussichten.
So übernahm er im Herbst 1827 eine Stelle als Konrektor
am f&rstl. Gymnasium in Gera, wo er 4 glückliche Jahre
varlebte, bi» ihn 1832 Bektor Bost an die inzwischen
Yon ihm umgestattete Thomasschule zurückzog. Diesw
Anstalt ist er bis an sein Lebensende treu geblieben ; bald
nach seiner Ernennung zum Bektor hat ihn am 2. Juli
1861 ein früher Tod seiner Wirksamkeit entrissen. Gründ-
liches Wissen, seltene Lehrgabe, warme Liebe zur Jugend
und eine hohe Würde der sittlichen Persönlichkeit machten
ihn za einem Schulmann von außerordentlicher Bedeutung.
Dar großartige Umfang seiner gelehrten Arbeiten ist nur
wenigen bekannt gewesen, da ihn der Tod an dem letzten
Abschluß seines Lebenswerkes über biblische Gräcität ver-
hindert hat Sein kirchlicher Standpunkt bildet den Aus-
gangspunkt für die wissenschaftliche Glaubenslehre des
Sohnes. Diese wenigen Ztfge vom Bilde des Vaters müssen
in dieser Stande genügen. Für die nähere Kenntnis des
seltenen Mannes verweise ich auf das schöne Denkmal
kindlicher Pietät, welches unser Lipsius dem Vater in
der Lebensbeschreibung gesetzt hat.
In Gera hatte der junge Konrektor die fast gleichaltrige
&wit, Juliane Mollt Bost, des Bektors Bost ältere
Tochter, als Gattin heimgeführt. Hier wurde ihnen am 14.
Februar 1830 der älteste Sohn, Bichard Abalbebt, geboren.
8 Biohard Adalbert Lipsias.
Glttcklich und froh waren die Jahre seiner Kindheit.
Ein rührendes Zeugnis derselben ist erhalten in den Tage-
bttchem, die der 7-jährige Knabe am 17. Sept. 1837 be-
gonnen und der 15-jährige angehende Jüngling am 12. Mai
1844 geschlossen hat. Es fehlt jedoch das Jahr 1840,
die größere Hälfte 1841, sowie fast das ganze Jahr 1842.
In dem Nachlaß fanden sich unter alten Papieren
diese von dem Verstorbenen selbst längst vergessenen
Zeugnisse vergangener Tage aus Kindheit und Knabenzeit
Welch ein Reichtum der Begabung, welche Sicherheit
und Folgerichtigkeit in der überraschend schnell fort-
schreitenden geistigen Entwickelung, welch inniges, tiefes
Kindergemüt, welcher Frohsinn, welche Pflichttreue spricht
aus diesen Blättern. Schon die Schrift ist ein treues Bild
des schnell zur Reife sich entfaltenden Geistes. Kindlich
unbeholfen, doch schon von festem Strich in den ersten
Heften bis zur ersten Lücke; dann nach der Unterbrechung
zeigt die Schrift des 11-jährigen Knaben bereits eine Regel-
mäßigkeit und feste Sicherheit, die in Erstaunen setzt
und mit der Gewandtheit und Lebendigkeit des Stiles im
Einklang steht: im weiteren Verlauf erlangt sie bald das
charakteristische Gepräge des künftigen Mannes. ^5 Jahre
lang besuchte er die Privatlehranstalt des Dr. Hander,
das erste Institut in Leipzig. Er brachte stets die ersten
Zensur^ nach Hause. Wegen schwacher Gesundheit ging
er dann ein Jahr lang zu den Großeltern in die Lausitz' ^).
Dieses Jahr, welches er als eines seiner glücklichsten Jugend-
jahre zu bezeichnen pflegte, muß für seine geistige und
körperliche Entwickelung von entscheidender Bedeutung
1) Briefliehe Mittefliiiig der Sehwester.
Biehftrd Adalbert Lipsiut. 9
gewesen sein; das tritt in der gänxlich veränderten Be-
schaffenheit der nach der Bückkehr wieder aufgenommenen
Aufzeichnungen auf das bestimmteste hervor.
Sehr im Vordergründe steht neben Eltern und Ge-
schwistern die Leipziger Großmutter. Die verwitwete Rost
war nach der Verheiratung der Töchter und dem Tode
des Mannes zu den Leipziger Kindern gezogen und wid-
mete sich mit rührende Liebe und Hingebung der Pflege
namentlich der jüngsten Enkelkinder.
Jene ältesten Knabenhefte zeigen schon deutlich die
später entwickelten Keime geistiger und gemütlicher An-
lagen. Natürlich spielen die Geburtstage der Familien-
glieder eine Hauptrolle, femer die Prüfungen in der
Schule, die Spaziergänge mit dem Vater, die Leipziger
Messe, der Christmarkt, kleine Ausflüge und Reisen, Be-
suche auf dem Kirchhof mit den Eltern zur Bekränzung
der Familiengräber. Aber auch öfientliche Begebenheiten
erwecken das Interesse des Knaben und veranlassen
ihn mehrfach zu eingehender Schilderung. So die Ein-
weihung der neuen Post, der Anblick des ersten Dampf-
wagens, ^welches der Renner war", die Feier des Jahres-
tages der vor 300 Jahren in Leipzig eingeführten
Reformation. In der sorgfältigen, peinlich genauen Auf-
zählung der Geschenke an Geburtstagen und zu Weih-
nachten, der in den Kindergesellschaften aufgeführten
Spiele, der in der Menagerie gesehenen Tiere, der Bestand-
teile des öfientlichen Festzugs am Reformationsfeste offen-
bart sich das Streben nach Gründlichkeit, systematischer
Vollständigkeit und genauer Beobachtung. Die Gabe
des klaren, bestimmten Ausdrucks tritt einigemal in der
meist noch unbeholfenen Kindersprache überraschend her-
10 Richard Adalbert Lipsins.
vor. An mancher Stelle offenbart sich das liebenswürdig
zarte Gemttt des Knaben. Er macht mit dem Vater,
mit Bruder (Donstantin einai Spaziergang, aber ^der
arme kleine Bruder, sowie auch die gute liebe Großmutter
mußten zu Hause bleiben'; der Tod eines Mitschülers
veranlaßt ihn zu herzlicher Teilnahme für die armen
Eltern, wobei es bereits an erbaulicher Trostbetrachtung
nicht fehlt. Am Geburtstag der Mutter heißt es: sie be-
kam von mir ^ein elendes bißchen Schreiberei, welches
aber kaum wert war, es anzusehen'.
Nach dem Aufenthalt in Bemstadt werden die Tage-
buchs gehaltreicher, geordneter; statt des Kindes tritt hier
ein wunderbar gereifter Knabe entgegen, der sich seinen
eigenen Stil bereits gebildet Das erste Stück reicht vom
9. August 1841 bis 19. Januar 1842. Gleich im Anfang
findet sich die Schilderung einer durch ein Gewitter im
Hause angerichteten Verwüstung, die von staunenswerter
Lebendigkeit ist.
Zu rednerischer Kraft erhebt sich die Darstellung
des Knaben, wo ein tiefer Schmerz ihm die Seele füllt.
Am 3. Dez^nber meldet das Tagebuch: 'Ein trauriger
Tag. Wir erhielten die schreckliche Nachricht, daß Onkel
Gustav*) auf den Tod krank läge! Die Leipziger Groß-
mutter reiste sogleich ab, um ihm, wenn er noch am
Leben sey, doch einige Erleichterung und den armen Bem-
städtem Trost zu verschafifen f
Und nun am 4. und 5.: 'Zwei zu furchtbare Tage,
als daß sie zu beschreiben wären t Man wird wohl ahnden,
was uns widerfahren I Nicht die Gebete der Seinigen,
1) B. oben 8. 6.
Bichard Adalbert Lipsiat. 11
nicht die innigste Liebe seiner ganzen Familie, nicht die
vereinte Kunst von 4 Ärzten, nicht die zärtlichste Sorg-
falt der ihm näherstehenden konnte ihn retten t Er starb
nach dem Willen des Unerforschlichen am 4. Dezember
1841 am Nervenfieber, nachdem uns nur vor wenig
Wochen der harte Schlag, der Todesfall des sei. Bem-
städter Großvaters, betroffen hatte, und er diesem im
Amte gefolgt, nun auch im Tode folgen sollte.'
Eine noch schwerere Prüfung war der Familie vor-
behalten. Am 21. Juli 1842 wurde dem Vater die Gattin,
den Kindern die Mutter entrissen, mit welcher der Vater
in 14-jähriger, überaus glücklicher Ehe gelebt. Das
Tagebuch fehlt in dieser Zeit. Der Tod der Mutter be-
stärkte ihn, wie die Schwester berichtet, in dem Entschluß,
sich dem Studium der Theologie zu widmen.
Außerordentlich hatte sich seit der Bückkehr aus der
Lausitz der Kreis der Interessen, der kindlichen, wie der
ernsten, und der Pflichten des Knaben erweitert Er ist
(11. Oktober 1841) in die Quarta der Thomasschule ein-
getreten, wozu er durch den Unterricht des trefflichen
Großvaters in Bemstadt aufe beste vorbereitet war. Er
hatte nun den recht hohen Anforderungen zu genügen,
welche die Schule an die häusliche Arbeitskraft stellte.
Damals schon beginnt er, dem 4 Jahre jüngeren Bruder
Hebmann Stunden zu geben und mit ihm zu arbeiten.
Es erwacht bereits eine Art litterarischen Interesses,
er giebt mit einigen Freunden ein Blatt heraus, den
Crourier. So schreibt er am 6. September: ^Abends
kam unser Blatt heraus, wir erhielten 6 Subskribenten.'
Er geht fleißig auf die Schmetterlingsjagd und legt eine
Sammlung an, desgleichen eine Siegelsammlung. Er baut
12 Biehard Adalbert Lipsias.
mit den Geschwistern ein Theatrum mundi und giebt
Vorstellungen» Alles, auch das kindliche Spiel, wird nut
Umsicht vorbereitet und betrieben. Daß er bei aller
Pflichttreue und Gewissenhaftigkeit jugendlichem Frohsinn
Yon Herzen zugethan war, selbst mutwillig und ausgelassen
sein konnte, davon geben die Berichte im Tagebuche
manchen ergötzlichen Beleg.
Aber die ernsten Ereignisse im Familienleben, von
denen die Rede war, haben diesen Ton mutwilliger Laune
gänzlich zum Schweigen gebracht. Die mit dem 1. Januar
1843 neu anhebenden Tagebücher sind durchweg ernst
gehalten und zeigen wieder eine höhere Stufe geistiger
EntWickelung.
Noch immer ist Adalbert ein Knabe, der am frohen
Verkehr mit Altersgenossen Gefallen findet ; die Spiele, welche
aufgeführt werden, sind von einer Mannigfaltigkeit, welche
der heutigen Jugend längst verloren gegangen ist. Die
Schmetterlingssammlung, die Siegelsammlung werden ver-
vollständigt, alles mit systematischer Gründlichkeit. Der
Knabe trifit Zurttstungen zur Baupenzucht, er erhält einen
Baupenkalender geschenkt, den er studiert. Die Siegel
werden wiederholt neu geordnet, Kataloge angefertigt
Die Familienfeste geben dem sinnigen und formgewandten
Knaben bereits regelmäßig Gelegenheit zu dichterischen
Versuchen.
Durchaus im Vordergrund steht aber die Schule, llit
größter Gevdssenhaftigkeit berichtet das Tagebuch von
jeder einzelnen Lehrstunde und Hausaufgabe. Diese Auf-
zeichnungen geben ein vollständiges Bild von Lehrplan
und Lehrbetrieb in der Quarta und Tertia der Thomas-
schule jener Zeit. Man staunt über die Vielseitigkeit und
Bioliard Adalbert Llptlns. 13
Gründlichkeit des Unterrichts, über das, was man der
häusUdien Arbeitskraft der Knaben damals zumutete.
Der Verstorbene hat in späteren Jahren nicht selten Klage
gefOhrt über Anforderungen der heutigen Schule, die ihm
zu hoch schienen: sie kommen nicht in Betracht gegen
das, was ihm selbst als Schüler zugemutet worden ist, be-
sonders an schriftlicher Hausarbeit, und was zu bewältigen
ihm, dem ebenso hochbegabten wie gewissenhaft fleißigen
Knaben, ein Leichtes war.
Von besonderer Bedeutung fdr die Richtung seiner
späteren Studien war der Religionsunterricht, welchen der
junge LiPSiuB beim Vater genoß. Umfang und Betrieb
desselben unterschied sich sehr wesentlich von den heu-
tigen. Der ältere Lipsius ging von der Überzeugung aus,
daß eine gründliche Vertrautheit mit der heiligen Schrift
nicht nur für den künftigen Theologen, sondern für jeden
gebildeten Christen unerläßlich sei. Er hat deshalb mit
ganz besonderer Vorliebe in Prima und Sekunda lange
Jahre hindurch exegetische Vorträge über ausgewählte
Abschnitte des griechischen Neuen Testaments gehalten.
Die Vorbereitung hierzu bildeten die Stunden, die er in
Quarta und Tertia, viermal wöchentlich dort, dreimal hier
als 'Bibelkunde' erteilte. Die Aufzeichnungen des Sohnes
lehren, daß in Quarta und Tertia die neutestamentlichen
Schriften, insbesondere die Paulinischen Briefe nicht nur
gelesCT, sondern auch nach Zeit, Ort und Zweck der Ab-
fessung, sowie nach dem Wert ihres Lehrgehalts be-
sprochen wurden. Daran schloß sich noch in Tertia eine
Art Religionslehre an , in welcher die Hauptbegriffe der
Glaubens- und Sittenlehre zu eingehender Besprechung
kamen.
14 BiebArd Adalbert Liptivi.
Man würde vom heutigen Standpunkte gegen diesen
Betrieb des Beligionsunterrichtes manche Einwendungen
erheben dürfen; aber gehandhabt von einem Lehrer, bei
dem die Lehrbegabung wie die sittliche Würde der Per-
sönlichkeit in seltener Weise vereinigt waren, mußte er
auf so begabte und gereifte Knaben, wie Adalbert Lip-
sius war, eine tiefe Wirkung und Anregung üben. Dazu
kam der ebenfalls vom Vater erteilte Vorbereitungsunter-
richt auf die Einsegnung. Von diesem Unterricht sagte
der Sohn später^), daß es Stunden heiliger Weihe im
höchsten Sinne des Wortes waren und für viele sdner
ehemaligen Schüler der Anstoß zu einer ewig<m Bew^ung
geworden sind.
Am Palmsonntag 1844 folgte die Einsegnung. Die
Eintragungen ins Tagebuch zeigen, mit welch heiligem
Ernste der Knabe den Eintritt in die christliche (Gemein-
schaft volhsogen hat.
Die ernste Richtung des Lebens erhielt neue Nahrung
durch den im nächsten Jahr erfolgenden Tod der uner-
müdlichen Leipziger Großmutter (11. Aug. 1845). Dem
Sohn und den Kindern zuliebe siedelte nun die Bem-
städter Großmutter aus Hermhut, wohin sie sich als Witwe
zurückgezogen hatte, nach Leipzig in das Haus ihres
Sohnes über. Ihr tiefes, inniges Gemütsleben muß auf
Richard Adalbert in jenen Jahren wachsender Geistes-
reife eine starke Wirkung geübt haben. Leider fehlen
die Nachrichten über das äußere Leben jener Jahre ; das
Tagebuch ist seit der Konfirmation verstummt Um so
1) Schulreden o. s. w., S. XXIY.
Biehard Adalbert Liptin«. 15
bedeutsamer ist ein anderes Denkmal, welches von dem
inneren Leben des werdenden Jfinglings zeugt. Im Nach-
laß fand sich eine Scunmlung von Jugendgedichten
aus den Jahren 1846—62, welche durch Glut der Em-
pfindung und Schönheit der Form flberrasdien und eine
neue Seite in der Individualität des Verstorbenen ent-
hüllen. Diese Gedichte knüpfen zunächst an das Schul-
leben ao. Der Verfasser ist augenscheinlich an der Thomas-
schule der anerkannte Schulpoet, der bei geeignetem An-
laß die Empfindungen der Schulgemeinde zu dichterischem
Ausdruck zu bringen hat. Am 22. Sept 1847 verfaßt er
im Nam^ sämtlicher Schüler ein Trauergedicht zum Be-
gräbnis eines geliebten Lehrers, des am 19. Sept ver-
storbenen Eonrektors Jahn. Zum Sylvesteraktus der
Thomasschule trägt er am Schluß des Jahres einen das
Vaterunser umkleidenden Hymnus von reichem religiösen
Gedankengehalt vor. Um eine Anschauung von dem
KLOPSTOCK'schen Schwünge des Ganzen zu geben, teile
ich den Eingang mit:
Sehopfer, auf deMen gewaltiges Werde
Eänst das AU zum Dasem erstand;
König, der ewig Da Himmel mid Brde
Sehüteett imd schirmest mit mftehtiger Hand;
Der Da die flammenden Sonnen entzündet
Und im anendlichen Baame sie lenkst»
Der Da den Warm, der im Staabe sich windet,
Hatest nnd sorglich mit Nahrang bedenkst:
Dich als Herrn nnd GFebieter erkennen
Lehrte die Menschheit die fühlende Brost,
Dich onsern Vater in Wahrheit za nennen
Ist sich die Christenheit jaachzend bewafit :
OberaU tOnt es, im honten Gewimmel
Yator anser, der Da bist im Himmel
IQ Biehard Adalbert Lipsiat.
Dir, Dir jauchzen die Welten entgegen,
Dir lobsinget der Seraphim Zahl;
Dieb erhebt der befrachtende B^^u,
Dich dea Donners lencbtender 8trahl.
Deine Ehre enfthlen die Wälder,
Kflndet dea Qraaea sprossender Halm,
Künden die goldenen, wogenden Felder,
Kündet der Nachtigall schmetternder Psalm.
Dich auch den mächtigen Herrscher dort oben
Preiset in Andacht der Menschen Chor,
Benget die Kniee^ in Andacht erhoben.
Stammelt die Worte der Ehrfurcht hervor:
Geheiliget werde Dein Name.
Aber die Mehrzahl dieser Gedichte und Lieder atmet
einen ganz anderen Geist. Sie sind politischen Inhalts.
Wie aus einem verborgenen Qaell dringt aus ihnen urplötz-
lich ein Strom patriotischer Leidenschaft, nach deren Ur-
sprung wir in den bisher geschilderten Zuständen des
Knaben vergeblich suchen. Politische Interessen lagen
dem Vater wohl fem, in der Biogra^phie wird mit keinem
Worte der Politik gedacht, die Erinnerung an die Frei-
heitskriege hatte für Sachsen doch auch manches Schmerz-
liche. Die Leipziger Großmutter hängt noch an dem
großen Napoleon, im Bemstädter Pfarrhause hat man die
Teilung Sachsens nicht verschmerzen können. Nun ist es
auch keineswegs nur jene allgemein vaterländische Be-
geisterung, jener hoffnungsfreudige Schwung der patrio-
tischen Lyrik der Freiheitskriege, der in jenen Jugend-
liedem atmet; ihr Geist scheint vielmehr wesentlich be-
stimmt durch die revolutionäre Lyrik der vierziger Jahre.
Man darf annehmen, daß am Hauptsitz des deutschen
Buchhandels die politischen Dichtungen der damaligen
Zeit mit ihrem begehrlichen, herausfordernden Ton auch
den Jünglingen des Gymnasiums nicht unbekannt geblieben
Bio hard Adalbert Liptini. X7
sind und in den jugendlichen Seelen mächtig gezündet
haben. Dazu kam das blutige Leipziger Ereignis vom
12. August 1845, welches in der Bevölkerung eine unsag-
bare Erbitterung hinterlassen hatte ^). Der junge Lipsiüs
hat mit gleichgestimmten Freunden einen Dichterbund
oder ^ Dichterkränzchen , wie er es nennt, geschlossen.
Ihm widmet er bereits 1845, aber wie es scheint, erst
nach jenem Ereignis ein dem Vaterland geweihtes Ge-
dicht, in dessen Schlußstrophe es heißt:
Oeflossen ist umsonst viel edles Blut:
Noch kann die Finsternis Triamphe feiern;
In Nacht gehüllt ist Ostreich, Preofien, Baiem
Noch höhnt die Volker man mit frevlem Math!
Durch Kampf zum Sieg, durch Finsternis zum Licht!
Sieg oder Tod! wohlan wir wanken nicht
Lipsius letzte Gymnasialstudien, sein Abschied von
der Schule verbanden sich mit den Geburtsstunden der
Revolution. Mitten in den Vorbereitungen auf die Ab-
gangsprüfung dichtet er — Anfang März — das ' Lied
an die Deutschen', in dem es heißt:
Der Storm bricht los, es drOhnt die L&rmkanone,
Ein ernstes Tagewerk beginnt
Bin freies Yaterknd wird euch smn Lohne,
Wenn ihr den grofien Kampf gewinnt vl s. w.
Die Berliner Märztage begeistern ihn zu dem Sonett
Als sich Berlin erhobt dessen zweiter Teil lautet: •
So sorgt denn, dafi der Sieg aach vOllig werde:
Laftt ench das Kleinod nicht durch List entwinden
und eilt, die Freiheit wOrdig sn begrOnden«
1) Eine handschriftliche Mitteilung Aber dieses Ereignis behalten
wir nns für die 'Miszellen' vor.
xvn. 2
^ Richard Adalber.t Lipsias.
Nfthn Femde each — laftt ^ eiifih ^aig finden,
Dann seid ihr stark, und die Gefahr wird schwinden,
Und frei bewohnt der Deutsche seine Erde.
Dem Freiheitskampf der Schleswig-Holsteiner gilt das
Gedicht Den gefallenen Brüdern in dem Gefecht bei
Holnis'. Er preist ihren Todesmut und ruft auf zur Ein-
lösung des teuren Pfandes. Ein Sonett vom 30. Juni ent-
hält das Gelübde, der Freiheit fortan sein Lied zu weihen :
Einst bah toII heitrem Sehen ich manche Lieder
Yen Jogendlnst und Seligkeit gesmigen.
Und wie*s im innern Hersen mir erklangen,
So gab ich*s rein und treu im liede wieder.
Da aber mahnt der Heldenkampf der Brflder
Mein Lied, sa wahren, was ihr Blnt errungen,
Und Ton gefaeimnisrollem Buf gedrangen,
Leg' ich des leichten Schenes Leier nieder.
So weih' ich denn der Menschheit Heiligtame,
Der Freiheit Sache meines Liedes Waffen
Und trete für Yemanftrecht in die Schranken.
Wie nach der Gottheit gottlichstem Gedanken
Der Mensch za freier Sittlichkeit geschaffen:
So soll er sein, trotz Papst- and KOnigtame.
In diesem Kemwort haben wir bereits den ganzen
Mann. Das Ideal seines Strebens ist die Anerkennung des
Menschen als eines zu freier Sittlichkeit geschaffenen Wesens,
ein Anspruch, für den er in Wissenschaft und Leben ein-
getreten ist bis zum letzten Lebenshauch. Und die Form
der Forderung zeigt die trotzige Streitbarkeit des uner-
schrockenen Mannes, die ihm zeitlebens eigen war.
Biehard Adalbert Lipsins. 19
Zum ersten Male tritt in diesen Jagendgedichten auch
der sarkastische Zug seines Wesens hervor in einem Ge-
dicht, welches er 'Michelsode' überschreibt:
Der Michel ist erstanden
Ans Ketten nnd ans Banden,
Den Eächhom nnd den Mettemich
Hat er yertiieb^ ritterfich.
Naeh dreifiigjährger Plage
Hat er an einem Tage
Die alte Scharte aasgewetit
und in sein Recht sich eingesetst
Vertrauend seiner Stftrke
Schritt er im Sturm snm Werke,
Er jagte die Zensoren fort,
Nahm freie Schrift und freies Wort
Die Fflrsten voller Gnaden .
Sahn Midiels Barrikaden,
Sahn Michels siegreich Anferstehn
und dachten: 's ist um uns geschehn.
Doch Ifichel sprach: Dir liehen,
Wenn ich*s zu toll getriehen,
Veneiht! ich mach den Übermut
Durch neuen Enechtssinn wieder gut
Der jugendliche Dichter in seiner Unkenntnis der
wirklichen Welt und aller Bedingungen staatlichen Lebens
steuert völlig im revolutionären Fahrwasser. Die Königs-
throne sind morsch, wie Rohr, das jeder Sturm zerknickt,
die Zeit der Fürstenherrschaft ist abgelaufen. So ruft er
seinem König in der Schlußstrophe einer fQr ihn gedachten
Dichtung zu:
20 Richard Adalbert Llpsins.
Sei grofi mein Fürst! So sprich denn klar und btlndig:
*Die Kinder sind gereift sor Manneskraft.
Wohlan, so sei mein Volk von heat an mflndig
Und abgethan sei jede Yormnndschaft.
Mein Amt ist ans, die Krone leg ich nieder,
Ein tret ich in der freien Bflrger Glieder.'
So denkt und fühlt der stürmische Jüngling im An-
fang seiner politischen Entwickelung. Das Ziel derselben
liegt in den Worten, welche der im Sturm des Lebens
gereifte Mann wenige Wochen vor seinem Tode dem Fürsten
Bismarck bei der Begrüßung in Jena in einer von glühen-
dem Patriotismus durchwehten Ansprache zurief: 'Wir
sind monarchisch bis auf die Knochen'.
Es liegen noch mehrere Dichtungen politischen Cha-
rakters vor, die von Interesse sind, so besonders das im
Dezember 1848 verfaßte Gedicht 'Das neue Weihnachten ,
welches den neugebomen Geist der Freiheit als den neu-
gebomen Christ feiert und 'Freiheit, Gleichheit, Bruder-
liebe' als das Banner der neuen Zeit nennt. Eine Pfingst-
reise 1849 ins Bergland wirkt befreiend und beruhigend.
Er besingt eine Fernsicht ins Gebirge, die hinter Alten-
burg ihm sich öffnet:
0 hfttf ich FlOgel,
Mich in die blaaen
Femen zu schwingen,
Dort in der Berglnft
Ewig <n schwelgen
Froh wie im Lied.
Eine Reihe lieblicher, frischer, kerngesunder Lieder
entsteht.
Aber dann kommen wieder melancholische Töne welt-
schmerzlicher Empfindung in folgendem formschönen Sonett:
Bichard Adalbert Lipsin«. 21
fiiiiit trieb mich ein geheimnisvollet Streben
Voll Gotteslnst, auf der Begeistnmg Schwingen
Zum Idealen mich emporzuringen —
Und hoher fühlf ich mehie Brost sich heben.
Da sah ich sflfie Trftnme mich umschweben:
Die Menschheit wfthnt' ich liebend zu umschlingen
und ihr des Lebens ganze Kraft su bringen,
Die mir mein Gott zum heiPgen Kampf gegeben.
0 Thor ich! welch ein Wahn hielt mich geblendet!
Mein Streben war mit glfihendem Verlangen
Der ganzen Menschheit sehnend zugewendet:
und dennoch könnt ich mit der Liebe Banden
Auch nicht ein einzig Menschenherz umfangen,
Das meiner Sehnsucht heiligen Sinn verstanden.
Gedichte des folgenden Jahres scheinen sich auf eine
Liebe zu beziehen, die das Herz des Zwanzigjährigen mit
frohen und zarten Empfindungen beseelt, die einen innigen
lyrischen Ausdruck finden und zuletzt in religiösen Accor-
den ausklingen.
Diese Dichtungen, mit ihrem Reichtum an Formen
und Tönen, enthüllen die stürmisch gärende Seele des
Jünglings und zeugen von einer ungewöhnlichen Kraft der
Empfindung und des dichterischen Ausdrucks.
Über den äußeren Verlauf der akademischen Jahre
unseres Lipsius und den Gang seiner wissenschaftlichen
Studien fehlen mir genauere Nachrichten. In einer von
ihm selbst gegebenen Zusammenstellung der wichtigsten
Lebensereignisse ^) nennt er als seine Lehrer auf der
Universität zu Leipzig, die er Ostern 1848 bezogen hatte,
die Professoren Theile, Anger, Tuch, Winer, Niedner.
1) Artikel 'Lipbius' in Brockhans' Konversationslexikon. 13. Anfl.
22 Biehard Adalbert Lipsiut.
Er hat aber auch von Fsigkb und Liebner als gern ge-
hörten Lehrern gesprochen. Neben der Theologie be-
schäftigten ihn ernsthafte philosophische Studien, er trieb
mit Eifer orientalische Sprachen; auch mit der klassischen
Philologie blieb er in Ftthlong. Nach ein^ Mitteilung der
Schwester war er ^ein flotter Student, beteiligte sich auch
am politisch angeregten Leben jener Zeit und war Hit-
glied und wohl auch (nach dem Zeugnis seines Bruders
Hebmann) Gründer der Burschenschaft der Hermunduren.
Er verkehrte viel mit Bubsian und Hans von Bülow
zur Studienzeit Die Freundschaft mit ersterem blieb eine
lebenslange".
Auf die politischen Zustände im damaligen Leipzig
weist ein ofifenbar von kundiger Hand verfaßter biogra-
phischer Beitrag hin, der 1884 in der Beilage zur Vossi-
schen Zeitung Nr. 147 erschien. 'Das Revolutionsjahr,
heißt es da, 'führte Lipsius die großen politischen und
kirchlichen Gegensätze der Zeit vor Augen, machte doch
der lutherische Eiferer Hablbss sein Pastorat zu S.
Nikolai zum Ausgangspunkt des Kampfes gegen die
Barrikaden und animierte unaufhörlich, Feuer zu geben
auf die 'Rebellen. Und während dieser lutherische
Professor und Prediger Gift und Galle spie gegen das
preußische Erbkaisertum der Reichsverfassung, forderten
die von Lipsius hochverehrten Professoren Haupt, Jahn
und Mommsen zum Kampf für dieselbe auf. Die Mai-
revolution (1849), die schrecklichen Verfolgungen, die nun
begannen, das Scheitern der deutschen Einheitsbestrebungen,
der sächsische Verfassungsbruch und die tiefe Zerklüftung
der Universität, die Absetzung Haupts, Jahns, Momm-
BENS, BnsDEBif ANNS, die Resignation Nibdneb's auf seine
Biebftrd Adalbert Lipiias. 23
Profesgur, das alles waren die ersten Eindrücke deis poli-
tischen Lebens, welche Lipsius empfing. Als Delegierter
der Hemranduria wohnte er 1860 dem Barschentag in
Bisenach bei und suchte den durch die Revolutionszeit
gelaunten Burschenschaften neues Leben dnzuhsmchen/
Schon 1851 bestand Lipsius die theologische Staatsprüfung.
Sie galt damals als die schwierigste. Lipsius trug die
erste Zensur davon, die seit lange nicht erteilt wordai
war. Als er nach Haus kam, fiel er in tiefer Erregung
dem Vater um den Hals: ^ Vater, sie haben mir die Eins
gegeben , riei er unter Thr&nen — 'aber verdient habe
ich sie nicht!' Der Schwester, so klein sie damals war,
ist diese Szene unvergeßlich geblieben. Sie giebt einen
Bdeg der inneren Demut und liebenswürdigen Bescheide*
heit, welche der nach außen hin trotzige, streitbare Mann
in tiefster Seele immer bewahrt hat.
Die nächsten Jahre brachte Lipsius, mit den Vor-
bereitungen zur Promotion und Habilitation beschäftigt,
im Hause des Vaters zu, dem in einer zweiten Ehe mit
einer Kousine seiner ersten Frau, Lina Wohlfasth aus
Plauen, ein neues Qlück erblüht war. Durch den Tod
der Mutter (Ende 1849) der letzten weiblichen Stütze im
Hause beraubt, hatte er sich im April 1862 zu der neuen
Ehe entschlossen. Sie brachte ihm und den Kindern
rdchsten Segen. Von den Freunden stand der Sohn am
yi^rtrautesten mit A. y. Gutsohmid, H. y. Treitschke
und E. Müller (jetzt Gymnasialdirektor in Zittau). Zu*
S^dch unterhielt er mit dem Theologen Anger und dem
Theologen und Philosophen Christian Weisse regen
wissenschafüicfaen Austausch. Weisse hat er nach seinem
eigene Bekenntnis viel zu danken. Namentlidi ist die
24 Riebard Adftlbert Lipsiai.
gleichmäßige BerttcksictitiguDg des historisch- kritischen,
¥rie des spekulativen Elements in seinen Studien auf
Weisses Anregung zurückzuführen. Wie nahe beide
Mftnner sich bis zu Weisses Tode innerlich gestanden
haben, zeigen auch die im Nachlaß befindlichen Briefe
Weisses. Lipsius hat damals als Lehrer an höheren
Töchterschulen gewirkt, namentlich durch Vortr&ge über
deutsche Litteratur, in der er ein sehr ausgebreitetes
Wissen besaß, und sich zugleich auf der Kanzel als mar-
kiger Prediger bewährt. 1853 folgte die Promotion, 1855
die Habilitation an der Universität Leipzig. 1853 er-
schien die litterarische Erstlingsarbeit des jungen Theo-
logen ^Die Paulinische Rechtfertigungslehre' mit einem
empfehlenden Vorwort des Prof. Liebner. Dieser war
1851 von Kiel nach Leipzig berufen und bezeigte Lipsius,
obwohl selbst Lutheraner strenger Richtung, großes Wohl-
wollen. LiEBNBE trat bald an die Spitze der sächsischen
Landeskirche und hätte seinem jungen Schützling gewiß
gern eine sichere Zukunft in Sachsen bereitet Aber ein
Opfer seiner Überzeugung vermochte dieser nicht zu
bringen. In der von Liebner bevorworteten Schrift steht
Lipsius noch auf dem Boden der sogen. Vermittelungs-
theologie, aber eigene Studien und der geistige Einfluß
des Vaters führten ihn mehr und mehr zu einem selb-
ständigen Standpunkt Kant, Schleibrmagher, Hegel
wirkten nach der einen Seite, andrerseits vertiefte er sich
in die Forschungen des Tübingers F. G. Baur, dessen
Gnmdaufiassung vom Wesen des Urchristentums er sich
immer mehr aneignete. Schon in seiner Abhandlung über
die 3 syrischen Ignatiusbriefe (Zeitschrift für bist Theo-
logie, 1854), dann in der Habilitationsschrift De Clementis
Richard Adftlbert Lipsias. 25
Bomani epfetola ad Corinthios priore (Leipzig 1855) be-
kundet er ein entschiedenes Streben nach einer durch
keine dogmatischen Vorurteile gebundenen, rein geschicht-
liehen Betrachtung des Urchristentums. Diese Arbeiten
hatten bereits die Beachtung der ersten Männer gefunden.
Wir finden Lopstus schon im Jahre 1865 im Briefwechsel
mit Karl Hase und Hilgenfbld, bald auch mit Bunsen,
Laoardb, Zeller, Baur u. a. Eine ungewöhnliche Aus-
zeichnung war es, daß im Jahre 1868 die theologische
Fakult&t der Universität Jena beim 300-jährigen Jubiläum
der Universität den kaum 28-jährigen Privatdozenten zum
Ehrendoktor der Theologie ernannte, worauf er denn auch
im nächsten Jahre von der sächsichen Regierung zum
außerordentlichen Professor gemacht wurde. Auch in
Preußen war man auf ihn aufmerksam geworden, Bunsen
kam nach Leipzig und teilte Lipsius mit, daß man dort
an seine Berufung denke, mahnte ihn aber zugleich zur
Mäßigung, damit er sich dort nicht unmöglich mache.
Da öffnete sich ihm ein Weg nach einer ganz anderen
Richtung.
Im Sommer 1861 erging an ihn durch die Wiener
Theologen Boskoff und Schimko die Anfrage, ob er
geneigt sei, eine Professur an der protestantisch-theo-
logischen Fakultät zu Wien anzunehmen. Die Entschei-
dung ist ihm nicht leicht geworden. Sein Vater, mit dem
er in häuslicher Gemeinschaft und in inniger, geistiger
Verbindung lebte, hatte anfänglich schwere Bedenken,
billigte dann aber doch den Entschluß des Sohnes anzu-
nehmen. Bald darauf erlag er einem schweren Leiden.
Der tiefgebeugte Sohn sprach am Grabe des Vaters das
26 Richard Adftlbert Liptias.
feierliche Gelöbnis aus, als Theologe dem Mdanchthon-
schen Geiste des Heimgegangeoen treu bleiben zu wollen.
Im Herbst folgte die Übersiedelung nach Wien. Dort
stand er ziemlich allein. Mit der Universität, von weld^r
die evangdisehe Fakultät völlig getrennt war, hatte er wdil
wenig Fühlung, mit der Mehrzahl der Kollegen verband
ihn schwerlich ein inneres Geistesband ^). Freundschaftlich
gestaltete sich das Verhältnis zu dem gleichfalls nach Wien
berufenen Vogbl, und mit dem jovialen Boskoff ist er,
wie die Briefe im Nachlaß zeigen, in dauernder, herz-
licher Verbindung geblieben. In Wien schien sich damals
ein freieres Geistesleben anzubahnen. Zeller schreibt
im Oktober 1862 auf eine entsprechende Äußerung von
Lipsius: ^Daß man im Augenblick lieber in Wien sein
kann, als in Berlin, glaube ich gem\ Und Hase äußert
später brieflich : 'Ihr Hingehen traf in eine Zeit schöner Hoff-
nungen und trug in sich den Aufschwung der theologisdien
Fakultät, der evangdischen Kirdie des österreidüschen
Staats. — Ich kann mir denken, wie manches Sie widrig
berührt hat, weiß aber auch, daß Ihre dortige Stdlung,
wie kurz oder lang sie noch währe, dem Protestantismus
an der Donau zu gute konunt'. Das hat adi voll erfüllt
Nicht nur durch den Einfluß des Lehrstuhls. Lipsius
hatte einer bedeutenden Ldiraufgabe zu genügen, las im
Winter Dogmatik und Encyklopädie, je 5-stündig, im
Sommer Ethik, Symbolik und theologische Litteraturbinde
1) Iimerfaalb der Fabdtftt ging jeder seinen Weg. Boskoff
schreibt einmal, daft die mensehlidie Bedehang anter den Konegen
sehr spfirlich sei. Ähnlich sp&ter Voobl: 'In der Faknltftt hat es
keinen Skandal gegeben. Wir leben friedlich miteinander, aber in
geselliger Besiehnng ist die grOftte Kälte vorherrschend.'
Biehftrd Adftlbert Liptiui. 27
in amBammen 9 Stunden. ' Möcbte es Ihnen gelingen, schreibt
Prof. Wbissb in Leipzig, 'die Siebenbflrger zu ernsterem
Fleifie, die Devtsch-Österreicher zu lebendigem Au&chwung
des Geistes anzuregen.' Durch die von ihm angeregte
Gründung der Protestantischen Bl&tter schuf er der
liberalen Theologie in Österreich ein eigenes Organ. Über
die Schwierigkeiten des Unternehmens belehren die Briefe
des Pfarrers Dr. Haase in Bielitz. Am bedeutendsten
aber wurde der Anteil, welchen er an den kirchenpoli-
tisdieB Arbeiten nahm. Er wurde 1863 Mitglied des
teterr^diischmi Unterrichtsrats und trat als Abgeordneter
der Fakult&t in die erste österreichische Generalsynode.
Durch die Arbeiten derselben kam unter seiner Mitwir-
kung im Mai bis Juli 1864 die liberale Verfassung der
Kirchen augsburgischer und helvetischer Konfession zu-
stande. In Wien erschien auch das Hauptwerk seiner
gnostischen Studien. Er hatte längst erkannt, daß es zur
richtigen Erkenntnis der Kirchen des 2. Jahrhunderts auf
strenge historische Kritik des Quellenmaterials ankomme.
Sein noch in die Leipziger Periode fallender buchartiger
Aufsatz Ober den Gnosticismus in Ebsch und Grubebb
Encyklopildie 1860^) hatte bereits wertvolle Aufischlflsse
über den Gesamtcharakter dieser merkwürdigen geistigen
Bewegung gegeben. Aber epochemachend fttr die Unter-
suchung der gnostischen Quellen wurde doch erst das in
Wien 1865 erschienene Buch 'Zur Quellenkritik des Epi-
phanios', dessen Bedeutung nfther zu würdigen nur dem
Fachmann zusteht
1) Eabl Eabe urtdlt von dieser Arbeit» daft de du volle Beraltat
^er bbherigen Qaellenfortchimg xasammenfasse und tebarlidniiig
dtrehdringe.
28 Riebftrd Adalbert Li piiui.
So war das Wirken und Schaffen der Wiener Jahre
trotz mancher Widerwärtigkeiten doch voll beglückender
Erfolge. Es ruht aber audi auf ihnen der volle Strahl
des neu begründeten häuslichen Glückes. Schon in Leipzig
hatte er unter seinen Schülerinnen Laura PABCHwn^ aus
Breslau kennen gelernt und bald mit ihr den Bund der
Herzen geschlossen. Nun wurde sie die Seine. Bis an
sein Ende hat er mit innigster, zartester Liebe an ihr
gehangen, in ihr das höchste irdische Glück gefunden,
unter dem Einfluß ihrer sanften, edlen Weiblichkeit seine oft
stürmisch schroffe Art gemäßigt und gemildert. — Aber
die Trennung von der deutschen Wissenschaft, dem deut-
schen Vaterlande vermochte er je länger, je weniger zu
überwinden. 1866 erging ein Ruf an ihn nach Kiel. Um-
sonst bot der damalige Staatsminister von Schmerling
alles auf, den gefeierten Theologen dem Kaiserstaat zu
erhalten — es zog ihn nach den deutsch gewordenen
Herzogtümern; im Herbst begann er seine Lehrthätigkeit
an der Kieler Universität als ordentlicher Professor der
Dogmatik. Hier trat er wieder in lebendigen persönlichen
Verkehr mit Freunden, wie A. v. Gutschmid, H. v.
Trettschke, Nöldeke.
Die Kieler Jahre — Herbst 1865 bis Herbst 1871 —
waren Jahre des Sturmes und des Kampfes. Ihre ein-
gehende Beleuchtung wird von dem künftigen Biographen
nichts weniger als die Darstellung eines wichtigen Stückes
der Zeit- und Kirchengeschichte erfordern, für welche ein
Teil der Akten in Lipsius 'Theologischen Streitschriften
(Kiel 1871) niedergelegt ist. Nur in den Umrissen darf
ich dieser Kämpfe Erwähnung thun. Voll und ganz steht
Lipsius auf dem Boden der preußischen Politik. Aus dem
Biehftrd Adalbtrt Lipsiat. 29
großdeatschen Republikaner von 1848 ist ein entschiedener
Anhänger der preußischen Monarchie geworden. Sein
scharfer Blick erkannte die ungeheure nationale Bedeutung
der Zurü(Aerwerbung der Herzogtümer und daß ihre Ver-
wertung f&r die Einigung Deutschlands nur durch Preußen
möglich sei. Diese vaterländische Überzeugung, nicht
Sympathie für das spezifische Preußentum, dem er stets
abgeneigt blieb, bestimmte seine Haltung. Man weiß, wie
die Annexion 1866 in den Herzogtümern das Blut erbittert
hatte. Lipsius sucht m&ßigend und ausgleichend zu wir-
ken, er will -wenigstens die Universität mit ihrem Schick-
sal versöhnen^). Der damalige Rektor, Professor Bbhk,
der berühmte Arzt und Naturforscher, legt das Rektorat
nieder und verläßt das Land. Da ist es Lipsius, der als
Dekan der theologischen Fakultät die Abordnung der Uni-
versität nach Berlin führt und in .ihrem Namen die An-*
spräche an König Wilhelm hält.
Nun kamen die Bedenken der orthodoxen Landes-
geistlichkeit gegen das unierte preußische Kirchenr^ment.
Von Berlin aus betrieb man die Berufung des evangelischen
'Kirchentags' nach Kiel und hoffte die erbitterten Schles-
wig-Holsteiner zu gewinnen. Lipsius wohnte diesem
Kirchentag bei, um die Gegensätze zu mildem. Zwei
Parteien standen sich gegenüber, die streng-lutherische
'Bischofispartef unter dem Bischof und Oeneralsuperinten-
denten Dr. Koopmann und die sogen. 'Professorenpartei'
unter Lipsius Führung. Die heftige litterarische Fehde,
welche sich zwischen beiden Männern entzündete, errate
auch außerhalb der Provinz großes Aufsehen. An eine
1) Vgl den S. 22 erwähnten Aufsatz in der Vom. Zeitung.
30 Bicbftrd Adalbert Lipiins,
VersöhDung war nicht zu denken, aber es war dem im-
ermfidlichen itfanne doch gelungen, unter seinen Kollegen,
unter den Studenten und den freisinnige Bürgern und
Geistlichen eine Partei zu bilden, die sich wenigstens in
das preußische unierte Kirchenregiment, das für die annek-
tierten Länder dem Kultusminister zugesprochen wurde,
zu ergeben bereit war. Aber die Orthodoxen gewann er
nicht, und den einflußreichen Berliner theologischen Kreisen,
der sog/Hofpredigerpartef und der'EyangeUschen Kirchen-
zeituog' war und blieb er verdächtig. Als er damals einen
Ruf nach Heidelberg ausschlug, beklagte das Hengsten-
BERG, dorthin gehöre Lipsius, in Kiel sei er nichts nütze.
Anders dachten die freisinnigen Geistlichen des Landes.
Pastor Habder in Hemmingstadt, einer der Geistlichen,
mit denen Lipsius über die landeskirchlichen Verhältnisse
in brieflichem Austausch stand, schrieb voller Freude über
die Ablehnung des Rufes nach Heidelberg: 'die freisinnigen
evangelischen Geistlichen und Laien haben nur in Ihnen
eine sichere Stütze und einen zuverlässigen Führer, und
für das heranwachsende Theologengeschlecht ist der Segen
unberechenbar. In Berlin aber wuchs das Mißtrauen.
Ein Vortrag, den Lipsius auf dem Protestant^vereinstag
in Osnabrück hielt, machte ihn noch verdächtiger. Man
fing an, von Berlin aus ihn zu maßregeln, er mußte aus
der wissenschaftlichen Prüfungskommission aiföscheiden.
Alles das vermochte aber weder Lipsius Lehrthätig-
keit noch seine gelehrte Forschung zu beeinträchtigen.
Seine Schüler von damals bezeugen, wie sie die unver^
geßlichsten Eindrücke von der jugendlich-kraftvollen Wirk-
samkeit des gefeierten Lehrers empfingen^). Von seiner
1) Vgl. H. LüDBMANN in dor Beil. zur Mfinohner Allg. Ztg. 1892-
Rfebard Adalbert Llpsini. 31
oneniiüdlicheii ForBchungsarbeit und seiner glänzenden
Befthigimg für historische Kritik gab das 1869 zn Kiel
erschienene Weric 'Die Chronologie der römischen Bischöfe
der drei ersten Jahrhunderte^ ein viel bewundertes Zeugnis.
Seine gnostischen Untersuchungen hatten ihn dazu geführt,
fBr die dogmengeschichtliche Chronologie festere Grund-
lagen zu schaffen. Hieraus war das genannte Werk her-
vorgegangen, welches Ordnung zu schaffen sucht in dem
Gewirre halbmythischer Nachrichten über die Aufeinander-
folge der ältesten römischen Bischöfe.
Als nähere Ausführungen eines Teiles dieser Schrift
erschienen 1871 zu Eier Die Pilatusakten' und die 'Quellen
der römischen Petrussage'.
Dasselbe Jahr brachte nun die entscheidendste Wen-
dung in Lipsius Leben, die Berufung an die Jenaer Hoch-
schule. Sein väterlicher Freund, Professor Leopold
RüGKEBT, der schon dem Vater einst am Gymnasium in
Zittau ein wohlwollender Berater gewesen war, der ihn
selbst 1858 beim Jenaer Universitätsjubiläum als Gast bei
sich aufgenommen hatte, der bis an sein Lebensende im
rasten und innigsten brieflichen Verkehr mit ihm ge-
standen, war gestorben. Keinen würdigeren Nachfolger
wußte die Fakultät unter Hases Leitung vorzuschlagen,
als Lipsius; der Kurator Seebeck 0, mit dem ihn später
das Band herzlicher, gegenseitiger Hochschätzung und
Verehrung verknüpfen sollte, kam selbst nach Kiel, um
D. dOO, and besonders A. H. Braasoh im Deatsehen Protestantenblatt
(Bremen) 1892 n. 40, der eingehende Mitteilang über Lipsius Wirk-
samkeit in den Vorlesungen and in der 'theologiscbea Societfit' giebt.
1) YgL den Artikel ^Mobitz Sbkbkck' von dem Verfasser des vor-
liegenden Aufsatzes im V. Band der N* F. dieser Zeitschrift
32 Richard Adalbert Lipiias.
ihn für Jena zu gewinnen. Er überbrachte den nach-
stehend mitgeteilten Brief von Kabt^ Hase vom 21. Juni :
Mein theurer College!
Wie sehr ich mich freuen würde, wenn Sie den Ruf
zu uns f&r einen mittelbar göttlichen ansehn wollten, das
brauche ich Ihnen nicht erst zu sagen. Weshalb ich aber
unsem edlen Botschafter [Seebegk] gebeten habe diese
Zeilen von mir mitzunehmen, das war die Meinung, daß in
die Gegenschale Ihres etwaigen, mir nicht unbekannten
Bedenkens, den so tapfer behaupteten Wachposten in den
Herzogtümern zu verlassen, das Dafürhalten eines alten
Freundes ein kleines Gewicht werfen könnte. Sie haben
dort das Ihre gethan, und was Sie dort gewirkt haben für
die Befreiung der Geister durch die Wahrheit, das wird
jetzt auch ohne Ihre persönliche Gegenwart fortwirken imd
der ausgestreute Same Frucht tragen. Sie werden aber bei
aller Kraft und Anstrengung die Universität Kiel als
theologisches Studium nicht über eine kleine Landesuniver-
sität hinausheben und bei der mit dem Flor der Stadt ge-
steigerten Teurung werden die Eingebomen der Eib-
herzogtümer immer möglichst lange andere preußische Uni-
versitäten besuchen, während unser Jena, immer vorzugs-
weise eine theologische und philosophische Universität,
wenn auch derzeit durch die orthodoxe Wuth und den Ver-
mittlungswahn etwas herabgekommen, doch durch seine
Erinnerungen, seine nothwendige Freiheit, seine Lage und
immer noch billige gemüthliche Sitte, dazu angethan ist
nach ihrer ursprünglichen Bestimmung die alte kaiser-
liche Reichsuniversität des Protestantis-
mus >) zu sein. Es wäre der Mühe wert, daß wir uns
dazu die Hände reichten, Sie mir vielleicht nur auf kurze
Zeit, so lange es Gott gefüllt, und nach mir einem nach
1) Die HerTorhebong dieser Worte rührt nicht von dem Yerfasser
des Briefes her.
Biehftrd Adalbert Liptins. 38
Ihrem Bath erwählten Nachfolger. — (Nach einer
Andentang über die besseren Einnahmen:) I>och weifi ich,
daB es ein höheres ist, das Sie uns bringt oder versag!
Immer treu verbunden
Ihr
Dr. Kabl Hase.
Mit Freuden folgte Lipsius dem Kufe.
Hier erst kam die ganze Kraft des Mannes zur vollen
angehemmten Entfaltung. Zunäclföt war seine Lehrth&tig^
keit eine ungemein umfassende. Hatte er doch eine auf seine
seltene Kraft berechnete Doppelprofessur zu versehen, fttr
neutestamentliche Exegese einer-, f&r systematische Theo-
k^e andrersdts. So umfaßten denn seine Vorlesungen
sämtliche Zweige der systematischen Theologie, Dogmen-
geschichte, Religionsphilosophie, neutestamentliche Exegese
and Kritik.
Lipsius Vorgänger, Rügkebt, fflhrt in seinen Briefen
QU bittere Klage ttber den Rückgang der theologischen
Stodien in Jena. Jetzt, wo der wichtigste Lehrstuhl mit
einer frischen Kraft ersten Ranges besetzt war, begann
ein neuer AufiBchwung. Nicht nur aus den Thttringischen
Landen, auch aus Österreich, der Schweiz und Nord-
deutschland sammelten sich die Hörer um die theologi-
schen Lehrstühle Jenas. Als Lehrer wirkte Lipsius nicht
durch das, was man glänzende oratorische Gaben nennt,
auch nicht durch eine leichte, angenehme Form, welche
dem Hör^ die Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung
mundgerecht entgegenträgt Er machte hohe Ansprüche
an die Vorbildung wie an das selbständige Denken der
Studierenden. Aber die ruhige Klarheit des in tadelloser
Form, im wesentlichen frei gesprochenen Vortrags, die
xvn. 3
34 Richard Adftlbert Lipsius
Schärfe der Gedanken, der von hohem sittliehen Ernst
beseelte Ausdruck, die wissenschaftliche OrOndlichkeit der
Untersuchung mrkte in hohem Maße bildend und erziehend.
Außer den Vorlesungen wirkte er auf die Studieren-
den im Seminar, in den Vereinen, im persönlichen Ver-
kehr. Im Seminar war er grOndlich und scharf in der
Beurteilung, aber stets ungemein mild in der Form des
Urteils, anerkennend, wo er irgend konnte, auch den
Sdiwachen aufmunternd und belebend. Mit Rat und
Hilfe war er stets bei der Hand. Kein Fragender klopfte
umsonst an seine Thüre. Seine reiche und wertvolle Biblio-
thek stand Kollegen und Schülern stets zur Verfügung.
Kurz hinweisen kann ich nur auf die in Jena ge-
zeitigten großartigen Ergebnisse seiner wissenschaftlichen
Forschungen. Seit seinen Studien über die Petrussage
hatte er die weitverbreitete Litteratur der apokryphen
Apostelgeschichten, die in ihrer ursprünglichen Form auf
gnostische Kreise zurückgehen, nicht wieder aus den
Augen verloren. Es war dies ein ungeheuer schwieriges,
bis dahin fast völlig vernachlässigtes Gebiet. 'Lipsius
half, wie ein Fachgenosse sagtO, 'diesen Urwald nicht allein
durchdrungen, sondern auch derartig gelichtet und in
seinen dunkelsten Partien aufgeklärt, daß künftigen For-
schem nur übrig bleiben wird, auf den von ihm gebahnten
Wegen fortzuarbeiten . Sein Ziel war, 'durch eine scharf
eindringende Quellenkritik den Bestand der gnostischen
Urform wieder herzustellen', dem aber 'eine Fülle von
wissenschaftlicher Bearbeitung der massenhaft überlieferten
Texte, besonders philologischer und dogmengeschichtlicher
Art vorausgehen mußte'. Diese staunenswerten Unter-
1) LüDXMANN a. a. 0.
Richard Adalbert Llpslat. 35
guchungen sind in dem dreib&ndigen Werk 'Die apokryphen
Apostelgeschichten, Braanschweig 1881—87 i), niederge-
l^t, an welches 1891 der erste Teil der nach Tisghendobf
von Lipsiüs in Verbindung mit M. Bonnet nnternommenen
Heransgabe der Acta apostolomm apocrypha sich an-
schloß. Dieser Teil, von Lipsnjs allein bearbeitet, mit
den um&ssenden textgeschichtlichen und sprachlichen
Untersuchungen in den Prolegomenen, dem aus zahllosen
neu herangezogenen oder wenigstens neu verglichenen Hand-
schriften mit staunenswerter Sorgfalt hergestellten kritischen
Apparat, dem gereinigten und durch scharfsinnige Emen-
dationen yerbesserten Text, den fleißigen und genauen
Indices stellt die speziell philologische Seite in der Veran-
lagung des großen Theologen in das glänzendste Ldcht.
Dieses staunenswerte Werk, welches als Ergebnis einer
Lebensarbeit Achtung verdienen würde, ist nur einem
engeren Kreise gelehrter Spezialforscher näher bekannt.
Das Werk aber, welches innerhalb der ganzen Theologie,
bei Freunden, wie Gegnern, die weiteste Verbreitung und
Beachtung gefunden und den Namen des Verfassers be-
rühmt gemacht hat, ist seine Dogmatik, in erster Auf-
lage Braunschweig 1876 erschienen, an der dritten Bear-
beitung war er noch auf seinem Sterbelager beschäftigt,
bis der Todesengel ihm den Grifiiel aus der Hand nahm.
In diesem Werke sucht er, um seinen eigenen Ausdruck
zu gebrauchen, ^auf der sich bescheidenden Grundlage
Kants eine einheitliche, mit den Thatsachen aller innem
und äußern Erfahrung sich im Einklänge haltende religiöse
1) Vorher waren erschienen *Die QneUen der ältesten Ketzer-
gescfaichte', Leipzig 1875, nnd 'Die edessenische Abgarsage', Braun-
schweig 1880.
3*
36 Biehftrd Adftlbert Liptias.
WdtaDschauuDgzu gewinneii\ Nur von einem philosophiseh
durchgebildeten Theologen kann eine Würdigung dieses
grolkurtigen Werkes erwartet und danach die geschicht-
liche Stellung des Verfassers in der Geschichte der pro-
testantischen Theologie bestimmt werden ^).
Von Lipsius zahllosen Abhandlungen, wie von den
Streitigkeiten mit der Schule seines ihm früher eng ver-
bundenen Freundes, späteren Gregners Ritsghl schweige
ich ganz und erwähne nur noch, daS er bis an sein Ende
die von ihm im Verein mit Kabl Hase, Otto Pfleidbreb
und Ebebhabd Sghradeb begründete Zeitschrift ^Jahr-
bücher für protestantische Theologie^ sowie seit 1885 auch
den von PtrNjER begründeten ^Theologischen Jahresberichi'
herausgab. Pünjer war einer seiner begabtesten Schüler,
den er gern als seinen einstigen Nachfolger ansah. Daß
der hofinungsvoUe Mann ihm und der Wissenschaft durch
einen frühen Tod entrissen wurde, gehört zu seinen schmerz-
lichsten Erlebnissen.
Mit der ausgedehnten und eingreifenden Lehrthätig-
keit und einer gelehrten Forschung von riesenhaftem Um-
fang war aber Lipsius Schaffensthätigkeit in Jena nicht
entfernt erschöpft Lipsius war gewiß eine theoretische
Natur im höchsten Sinne, in welcher beschauliches Denken
I) Auf dogmatischem Gebiet war Lipsius snerst in mehreren
Abhandlungen nnd Vorträgen, sowie in den *Theolog. Streitschriften'
(s. 0.) hervorgetreten. Nach der ersten Auflage der Dogmatik er-
schienen die ^Dogmatischen Beiträge' (Leipzig 1878) und die 'Neuen
Beiträge zur wissenschaftlichen Grundlegung der Dogmatik' in den
Jahrb. f. prot TheoL 1886. Die letzte von ihm herausgegebene dog-
matische Arbeit war die Schrift: Die Hauptpunkte der christlichen
Glaubenslehre', Braunschweig 1891 (Sonderabdr. aus den Jahrb. t prot.
Th. 1890, Heft I). In diesen Tagen erst erschien die erheblich umge-
staltete dritte Auflage der Dogmatik, herausgegeben von Baumqabtbiu
Sicbftrd Adalbert Liptiut. 37
und kriti8cbe8 Zerlegen zu einer höheren £inheit verbanden
waren. Aber nicht minder stark war sein Trieb and sein
Vermögen zu eingreifendem Handeln.
Im Vordergründe steht hier seine Beteiligung an der
praktisch-kirchlichen Arbeit. Mit selbstloser Hingabe hat
er zunächst fttr die gesunde Weiterentwickelung unserer
Landeskirche gewirkt. 'Das weiß jeder , so heißt es in einer
brieflichen Mitteilung des Herrn Generalsuperintendenten
Dr. Hesse in Weimar, 'der Zeuge seines Wirkens in fünf
Landessynoden gewesen ist und hier in so mancher be-
deutungsvollen Veriiandlung sein aufklärendes, berichtigen-
des, freimütiges und zum Ziele führendes Wort vernommen
hat. Regelmäßig wurde er zum Mitglied des Synodalaus-
schusses gewählt und hat als solches fast ausnahmslos an
den Sitzungen des verstärkten Kirchenrats teilgenommen,
auch da seiner Überzeugung treuen Ausdruck gebend, in
manchen verwickelten Fragen die Schwierigkeiten lösend,
allezeit von wohlwollender Fürsorge für das Wohl der
Kirche und ihrer Diener geleitet. Von demselben Geiste
beseelt, hat er an vielen Generalkirchenvisitationen sich
beteiligt und immer einen scharfen Blick für sich offen-
barende Schäden und ein helles Auge für die Wege der
Besserung gezeigt'. — Eine Frage, die ihm als Mitglied der
theol<^schen Prüfungskommission in den letzten Jahren
besonders am Herzen lag, war eine Erweiterung der prak-
tischen Vorbildung unserer Geistlichen. Durch Einrich-
tung eines Predigerseminars in Jena für junge Theologe
als Zwischenstufe zwischen Universität und Amt glaubte
er eine schmerzlich empfundene Lücke zu schließen. Ein
der Regierung eingereichtes ausführlich begründetes Gut-
achten ist eine seiner letzten Arbeiten gewesen. — Aber
38 Richard Adalbert Lipsins.
weit aber die Grenzen der Landeskirche hinaus erstreckte
sich seine praktische Wirksamkeit für Förderung der
Interessen der evangelischen Kirche, fOr ihren Schutz und
ihre Vertretung g^en den alten grundsätzlichen Feind
und Zerstörer, fELr ihre Ausdehnung in der Heidenwelt,
für die Erweckung ihrer lebendigen Segens- und Liebes-
kräfte gegenüber der sittlich-religiösen Not unseres eigenen
Volkslebens. Aber ich kann das umfassende und ein-
greifende Wirken des unermüdlichen Mannes auf allen
diesen Gebieten nur in äußerster Kürze andeuten. Der
Gustav- Adolf- Verein hat an ihm eines seiner begeistertsten
und thatkräftigsten Mitglieder gehabt. Der Evangelische
Bund zählt ihn zu seinen Mitbegründern, dankt ihm zum
großen Teil seine Organisation. Hier besonders war er
mit Erfolg bemüht, die Geister zu einen durch Zurückstellung
des Trennenden, durch Betonung und Hervorhebung des Ge-
meinsamen. Der auf der Eisenacher Versammlung 1889 ver-
lesene Vortrag über den gemeinsamen Glaubensgrund giebt
hiervon ein glänzendes Zeugnis; seine Wirkung war eine
durchschlagende. Viele Männer streng positiver Richtung
sind mit ihm in herzliches Einvernehmen getreten. Nur
streifen kann ich seine Beteiligung an der Begründung
des evangelisch-sozialen Kongresses, seinen Anteil an
Gründung und Förderung des evangelisch-protestantischen
Missionsvereins, für dessen Richtung der Braunschweiger
Vortrag : 'In welcher Form sollen wir den heidnischen Kultur-
völkern das Evangelium bringen ?' ausschlaggebend wurde
Um zu den akademischen Beziehungen zurückzukehren,
so wird man begreiflich finden, daß eine Persönlichkeit
wie Lipsius auch als Mitglied des Senates der Hochschule
einen ungewöhnlichen Einfluß gewinnen mußte. Derselbe
Bichard Adalbert Lipsins. 39
trat sowohl in den Beratungen des Senats, wie der Kom-
missionen, besonders in der Verwaltangsdeputation, deren
ständiges Mitglied er war, bedeutsam hervor. Daß er als
erster Professor der theologischen Fakultät schriftlich und
mflndlich zuerst zu votieren hatte, machte seine Stellung
schon äußerlich bedeutend. Aber wesentlicher war doch
ein inneres Moment. Lipsius bildete sich, wie ein Senats-
mitglied mitteilt, immer eine genau bestimmte Meinung
und vnißte dieselbe scharf zu formulieren und klar zu be-
gründen. Hierbei verstand er es besonders, verwickelte
Angelegenheiten auf den Hauptpunkt zurückzuführen.
Wesentliches und Unwesentliches deutlich zu unterscheiden,
Verworrenes aufzulösen, mit kurzem Wort den Kern der
Sache zu treffen.
Der geistigen Klarheit entsprach die moralische Festig-
keit, der unerschrockene Mut, das Unangefochtensein von
äußerlichen Rücksichten. Sein Auftreten mochte zuweilen
in der Form verletzend scheinen, aber daß sein Streben
allezeit allein auf die Sache gerichtet war, zeigte sich in
der Würdigung sachlicher Einwendungen, denen er auf
die eigene Ansicht gebührenden Einfluß gestattete.
Aber auch auf Gebieten, die sich weder mit der
Richtung seiner gelehrten Studien oder seinen allgemeinen
theologischen Interessen, noch auch mit seinen amtlichen
Berufspflichten näher berührten, hat er seine geistige Kraft
und sein praktisches Geschick mannigfach bethätigt So war
er mehrere Jahre Vorsitzender der Kommission für Prü-
fung der Kandidaten des höheren Schulamtes, Mitglied
des Vorstandes des Lutherfestspielvereins, endlich seit
1877 bis an seinen Tod erster Vorsitzender des Vereins
für Thüringische Geschichte und Altertumskunde. Seine hier
40 Biohard Adalb«rt Lipiim.
geflbte Thätigkeit verlangt eine besondere Würdigung.
Hier sei nur hervorgehoben, daß der Verein unter seiner
umsichtigen und thatkrftftigen Leitung die anflurglich noch
feienden Bedingungen eines vielseitigen und eingreifenden
Wirkens gefunden hat. Ihm ist es gelungen, die Emestt-
aischen Regierungen wie die Fürstlich Schwarzburgischen
und die Fürstlich Reußischen Regierungen zu ansehnliche
Geldbeiträgen für die wissenschaftlichen Publikationen des
Vereins, besonders Urkundenwerk und Repertorium zu
gewinnen und ihre Geneigtheit auch unter schwierigen Ver-
hältnissen zu erhalten. Der verworrene Zustand der Ver-
einsbibliothek wurde durch einen Vertrag mit der Verwal-
tung der Universitätsbibliothek in gedeihliche Ordnung
gebracht. Der Schriftenaustausch erstreckte sich nach und
nach auf etwa 220 gelehrte Vereine und Akademien inner-
«nd außerhalb Deutschlands. Es wurden 6 Bände der Zeit-
schrift, 4 Bände und 1 Heft des Urkundenbuchs ausge-
geben, weitere vorbereitet, das großartige Werk eines Reper-
t<»ium8 sämtlicher gedruckter Urkunden zur Thüringischen
Geschichte dem Abschluß nahe gebracht. Durch die all-
jährlich an verschiedenen Orten Thüringens unter Lipsius
umsichtiger und geistig anregender Leitung abgehaltenen
Vereinsversammlungen ist das Interesse für die Aufgaben
und Arbeiten des Vereins lebendig gehalten und er weitert
worden, die Mitgliederzahl hat sich während dieser Jahre
verdoppelt
So stand er mitten in der Fülle vielseitigsten, frucht-
barsten Wirkens und Schaffens. Wie ein jäher Blitz traf
uns die Kunde seines am 19. August plötzlich erfolgten
Todes. Die ungeheure Lebensarbeit hatte doch nach und
nach die physischen Kräfte seiner zart angelegten Natur
Richard Adalbert Ltpsins. 41
ersdiöpft. Ein iimeres Leiden hatte sich seit einer Reihe
TOD Jahren ausgebildet, das von Zeit zu Zeit in Krank-
heitsanfifflen sich änSerte. Aber zu neuer Spannkraft
schwang sich sein Geist immer wieder auf. In yoDster
Frische hatte er noch an den festlichen Bismarcktagen an
vorderster Stelle teilgenommen. Aber bald nachher mußte
«r sich einer chirurgischen Operation unterziehen, die er
zunächst glücklich überstand, bis ein unerwarteter Blut-
erguß den Rest seiner Kräfte hinwegnahm. Er starb am
19. August nachmittags 2 Uhr.
Was Lipsius zu einem der ersten Gelehrten unserer
Zeit machte, sind nicht bloß die geistigen Eigenschaften.
Wie sich mit der analytischen Begabung, mit der Klarheit
ond eindringenden Schärfe des Denkens, die auch die
verwickeltsten Probleme löst, der synthetische Greist ver-
bindet, welcher das zerstreute Einzelne in höhere Zusammen-
hänge aufnimmt und auf spekulativem Gebiete zu einheit-
licher Weltanschauung vordringt, so finden diese intellek-
tuellen Kräfte ihren höchsten Wert doch erst in ihrem
Zusammenhang mit dem sittlichen Charakter, dessen For-
derungen sie dienstbar sind; das Grundstreben des Ver-
storbenen war auf die Wahrheit um ihrer selbst willen
gerichtet, ihr diente er mit der beharrlichen Kraft eines
festen, unerschrockenen WoUens, mit der unbestechlichen
Treue der Überzeugung, die keine Nebenrücksicht kennt,
keinem äußeren Vorteil etwas opfert. Diese Überzeugung
von dem sittlichen Charakter echter wissenschaftlicher
Arbeit war der feste Grund seines gelehrten Wirkens.
Niemals hat er ihr beredteren Ausdruck verliehen, als in
der großen Rede, die er in seinem letzten Prorektorat bei
der akademischen Preisverteilung hielt. Er sprach von
42 Biehard Admlbert Lipsias.
dem Wesen und Werte wissenschaftlicher Arbeit überhaupt
und von gewissen Gefahren, welche diese Arbeit in der
Gegenwart bedrohen. Der treue, unbestochene Dienst an
der Wahrheit stellt den Geist ins Freie und hebt ihn über
alles Gemeine und Niedrige, ttber kleinliche Opportunitäts-
rficksichten ebenso wie ttber die kümmerliche Sorge um
die unmittelbare praktische Verwertung des Gefundenen
hinaus. Wer es gelernt hat, den Wert der wissenschaft-
lichen Arbeit um ihrer selbst willen, nicht um ihres un-
mittelbaren Erfolgs willen zu schätzen, der vermag es
auch, sich ttber den b^[renzten Gesichtskreis der eigenen
Forschung zu erheben, das Einzelne im Ganzen zu schauen
und erkennt sich selbst als einen bescheidenen Diener der
Wahrheit, der nur ein geringes Teil an der großen auf
Erforschung der Wahrheit gerichteten Gesamtarbeit der
MenscMeit leistet. Und so sieht er auch das Wohl der
Hochschule begrttndet in der Pflege jener idealen Lebens-
gttter : der sittlichen Wertschätzung der wissenschaftlichen
Arbeit als solcher, unbekttmmert um ihren nächsten Er-
folg, der allseitigen freien und fröhlichen Entfaltung der
geistigen Kräfte, in der Erhebung der Gresinnung ttber die
kleinen Anliegen des Tages und ttber die Notdurft des
eigenen Lebens, der Befreiung des Geistes von der nieder-
drttckenden Last des unbewältigten Stoffes, in der Heraus-
bildung in sich gefestigter, charaktervoller Persönlichkeiten,
in der Begrttndung und Pflege einer idealen Weltanschauung,
welche dem wahrhaft guten, dem sittlichen Willen die ihm
gebtthrende oberste Stellung einräumt unter den Gtttem
des Lebens, deren Erwerb und Behauptung des Schweißes
der Edlen sich lohnt.
Weniger unverschleiert offenbarte sich der innerste
Richard Adalbert Lipsius. 43
Kern seines rein menschlichen Wesens. Hat er doch durch
Hftrte und Bitterkeit auch manchen Wohhneinenden ver-
letzt und zurflckgestoßen. Im Affekt trübte sich ihm
leicht der sonst so klare Blick. In der litterarischen
Fehde hat er nicht immer so streng, wie er grundsätzlich
wollte, die Person von der Sache geschieden. Manches
harte, yerletzende Wort ist ihm aus dem geschärften
Griffel geflossen, manches ungerechte Urteil über Menschen
und Dinge hat er im heftigen Gespräch geäußert
Wer ihn näher kannte, wußte, daß alles das der Aus-
fluß eines leicht reizbaren Temperaments war. Verkennung
und lieblose Verdächtigung, deren Bitterkeit er reichlich
zu kosten hatte, in späteren Jahren wohl auch eine durch
Eörperleiden in Verbindung mit Arbeitsüberbt&rdung her-
Toi^rofene krankhafte Nervosität haben steigernd ein-
gewirkt.
Und doch sprudelte auf dem Grunde seines Herzens
ein unversieglicher Quell rein menschlichen Wohlwollens.
Wie leicht war der reizbare Mann doch zu versöhnen und
zu gewinnen l Wohl nie hat er eine in reiner Absicht
dargebotene Friedenshand zurückgewiesen. Begründeter
Widerspruch, offener Freimut fand bei ihm wohl inuner
eine gute Stelle. Dem Gewicht sachlicher Gründe hat er
sich nicht leicht verschlossen.
Im Privatleben war Lipsius von kindlicher Liebenswür-
digkeit und Anspruchslosigkeit. Dünkel und Hoffart kannte
er nicht Nie hat er mit seinen Leistungen geprunkt, nie
auch nur ihrer gedacht ohne sachlichen Anlaß. Aber stets
war er voller Anerkennung für tüchtige Leistungen Anderer.
Nicht nur mit seinen Amtsgenossen, auch mit seinen
Schülern, mit ungelehrten Männern verkehrte er auf dem
44 Bichard Adalbert Lipsias.
Fa£e menschlicher Gleichheit 'Wir hätten gar nicht ge*
dacht, daß der Herr £[irchenrat ein so berühmter Mann
gewesen, so liebreich und gemütlich hat er stets mit uns
verkehrt', so äußerte ein schlichter Bürger nach Lipsms
Tode.
Äußere Ehren, wie sie ihm namentlich von selten seines
huldvollen Landesfürsten, dem er in wahrhafter Verehrung
ergeben war, zu teil wurden, hat er mit dankbarem Sinn
gewürdigt, ein Bedürfnis waren sie ihm nie. Prunkender
Geselligkeit war er abhold, aber im Kreise befreundeter
Personen öfihete er sich gern und behaglich, nicht minder
zu ernstem Gespräch wie zu launigem Scherz. Sein höchstes
Genügen fand er in dem traulichen Frieden seiner durch
das echt weibliche Walten einer edlen Gattin verklärten
Häuslichkeit. Ihr hat er die innige Zartheit und fein-
fühlige Rücksichtnahme echter Herzensliebe bis zuletzt be-
wahrt Sein Sohn war ihm der Gegenstand zärtlichster
und treuester Vatersorge. Der ausgeprägte Familiensinn
seines Hauses tritt bei ihm in voller Stärke hervor. Wir
haben erfahren, wie sein tiefes Enabengemüt an Eltern
und Großeltern hing, wie der Verlust des verehrten Oheims
ihn niederschmettert, wie der Tod der Mutter sein ganzes
Innenleben wandelt. Den Vater hat er bis in den Tod
gepflegt, am offnen Grabe von ihm gezeugt, in der Lebens-
beschreibung ihm ein Denkmal keuscher Sohnesliebe von
seltener Schönheit gesetzt. Die innige Geistesgemeinschaft,
in der er mit dem Vater gestanden, hat sich dann auf
die zweite Mutter übertragen. Bis an ihren vor wenig
Jahren erfolgten Tod hat er alles, was ihm begegnete und
was ihn bewegte, in vertrauten Briefen vor ihr ausge-
breitet. Innig stand er zu den Geschwistern, herzliche
Richard Adalbert Lipsins. 45
Treue bewahrte er den Freundeii, mit tiefem Schmerz ge-
schah es, wenn er einen Bruch vollziehen mußte oder zu
mfissen meinte.
Schlicht und einfältig war sein Christenglaube. Dem
streitbaren Theologen, dem leidenschaftlichen Kämpfer für
freie Forschung und freien Glauben ist die kindliche
Demut des wahren Christen unverloren geblieben. Auch
in ihm lebte etwas von dem Geist frommer Glaubens-
innigkeit, dessen erwärmenden Hauch die Hermhuter Grofi-
mutter in die Familie getragen hatte. So wurde ihm
nach seinem eigenen Bekenntnis^) der Glaube 'zu einer
religiösen Mystik, die alles Gewicht auf die gottgewirkte,
persönliche Heilsgewißheit der mit ihrem Gott durch
Christum versöhnten einzelnen Seele legt.'
Unter den Zeitgenossen, welche an der Lösung der
geistigen Aufgaben dieser gewaltigen Zeit gearbeitet und
gerungen haben, wird ihm die Geschichte einen Ehrenplatz
sichern. Aber auch was er uns insbesondere gewesen,
diesem Lande, dieser Stadt, dieser Hochschule, reicht
weit über das Grab hinaus. Unser Dank aber sei unsere
Treue!
1) Die Haaplpankte der christliohen Glaabenslehre, Vorwort
n.
Lipsius historische Methode.
Von F. Nippold.
Hochgeehrte Versammlungl
Das Interesse, welches unser Lipsius an der Geschichte
seiner Heimat genommen hat, seine Leistungen als Mit-
glied und vieljähriger Leiter des Vereins für Thüringische
Geschichte und Altertumskunde hat sein Nachfolger in
der Leitung dieses Vereins in seinem inhaltreichen Lebens-
bilde bereits vorgeführt. Daneben stellt sich nun die
andere Aufgabe, das, was der Historiker in Lipsius für
das Gesamtgebiet der Theologie unter dem sichtbaren
Segen Gottes mit stets steigendem Erfolge zu schaffen
vermochte, in Kürze zusammenzustellen.
Nicht nur die Mitglieder des Vereins, der diese Ge-
dächtnisfeier veranstaltet, sondern gewiß alle Teilnehmer
der heutigen Versammlung haben den Mann noch lebendig
vor Augen, der nach dem Heimgang Hasb's der allerseits
anerkannte Führer der Jenaer Theologie war. Gerade so.
48 Richard Adalbert Lipsias.
wie er in der Fülle und Frische seiner Kraft in Ihrer
Mitte geweilt hat, wird er Ihnen für alle Zukunft unver-
geßlich bleiben. Das Bild seiner energischen Persönlich-
keit erhebt sich ganz besonders treu vor uns, eben weil
er so jählings von uns hinweggerückt wurde, nachdem er
noch bis zum letzten Tage für seine große Lebensaufgabe
thätigsein durfte. Denn die Arbeit dieses einzelnen Mannes
hat eine Reihe von Gebieten umspannt, von welchen sonst
jedes für sich den ganzen Mann fordert. In jeder einzelnen
Disziplin der Theologie haben wir einen bahnbrechenden
Geist verloren. Aber auch die philologischen und philo-
sophischen Kollegen sind einig darüber gewesen, daß er
auch ihren Katheder mit besonderer Auszeichnung ausge-
füllt haben würde. Und wie oft haben wir daneben noch
das Urteil gehört, daß vor allem ein hervorragender Jurist
in ihm stecke. Dieser selbe Mann aber ist zugleich ein
Mann der kirchlichen Praxis gewesen. Unter den Werken,
die auf seinen Bildungsgang eingewirkt haben, hat er die
Losungen der Brüdergemeinde obenan gestellt
Gerade bei der Überfülle dieser Einzelleistungen ist
es wohl doppelt angezeigt, den verbindenden Faden aus
dem Zweck des Geschichtsvereins zu entnehmen. Denn
eben der geschichtliche Sinn, die historische Methode ist
es, die zunächst den umfassenden kirchenhistorischen
Studien von Lipsius ihre gewichtige Bedeutung gegeben
hat Sie kennzeichnet aber weiter auch den Exegeten and
den D(>gmatiker, und sie hat überdies den Abschluß seines
Lebens in so hohem Grade fruchtbringend gemacht für
das praktisch-kirchliche Leben.
Wenn wir zunächst die Frage uns vorlegen, worin der
historische Sinn in den kirchengeschichtlichen Forschungen
Richard Adalbert Lipsius« 49
von Lipsius ^cb bethätigt, so bedarf es eigentlich unserer-
seits kaum noch einer besonderen Antwort Denn diese
Antwort ist schon damals gegeben worden, als die Jenaer
Fakultät bei dem 300-jährigen Stiftungsfest der Universität
(1858) den jungen Leipziger Privatdozenten zu ihrem Doktor
promovierte. Sie liegt weiter in dem ganz speziellen
Lebensverhältnis, das von da an zwischen Hase und Lip-
sius bestanden hat Hase hatte in Lipsius die gleichen
Eigenschaften geftmden, welche ihn selber genau ebenso
zu dem ersten Kirchenhistoriker des Katholicismus ge-
macht haben, wie DOllingeb zu dem ersten Kirchen-
historiker des Protestantismus. £s ist dies keine Para-
doxie. Denn wie Hase zweifellos der beste Kenner des
Katholicismus gewesen ist, so Dölungeb der beste Kenner
des Protestantismus. Beide sind in ernstem Greisteskampfe,
der eine für sein protestantisches, der andere für sein
katholisches Ideal, in die Schranken getreten. Aber
beide haben es nicht minder verstanden, sich in die ent-
g^engesetzten Anschauungen hineinzuversetzen, sie aus
sich selbst heraus zu verstehen. Dieser Wahrheitssinn,
dieses Gerechtigkeitsbedürfnis ist es nun aber überhaupt,
woran in letzter Instanz der wahre Historiker erkannt
wird, wodurch er von allem offenen und versteckten Infalli-
bilismus sich so scharf unterscheidet Wer aber, der auch
nur einige der Arbeiten von Lipsius kennt, weiß nicht,
wie er es auch mitten in der Heftigkeit des Kampfes nie-
mals verschmäht hat, vom Gegner zu lernen, an sich selber
Kritik zu üben?
Aber wir haben damit vorerst doch nur das ABC
Jedes Historikers, der diesen Namen wirklich verdient, ge-
streift Wenn wir von Lipsius reden, kommt noch etwas
xvn. 4
50 Riebard Ada 1 bert Lipsius.
gaoz Anderes hinzu. Die größere oder geringere Bedeu*
tung des Geschichtsforschers für sein Fach hängt ja natur-
gemäß ab von dem größeren oder geringeren Gebiet, das^
er wiss^schaftlich beherrscht. Nur wer innerhalb de&
von seiner eigenen Forschung umspannten Gebietes von
der vorurteilslosen, empirischen Untersuchung ausgeht,,
auf dem Wege persönlicher Erfahrung eine Beobachtung
an die andere anreiht, wer auf dem gleichen W^e weiter
f&r jede Einzelerscheinung den allgemeinen Zusammenhang
aufsucht, kann überhaupt einen bleibenden Bdtrag bietei^
für das Verständnis der allgemeinen Gesetze des geschicht-
lichen Werdens und Vergehens. Aber wie gering ist nun
nicht ebenso naturgemäß die Zahl derer, weFchen es ver-
gönnt gewesen ist, gleich den Entdeckungsreisenden in^
inneren Afrika oder Australien einen noch kaum bekannten
Weltteil so zu erschließen, daß jeder Nachfolgende gar
nicht anders kann, als ihren Spuren zu folgen 1 Nun, alle
Sachkenner wissen, daß Lipsius Forschungen über die
Gnosis, über die apokryphischen Apostelgeschichten und
Apostellegenden, über die Anfänge des römischen Papst-
tums den festen Boden bilden, von dem jede weitere Er-
forschung der ältesten Kirchenbildung ausgeht. Suchen
wir uns denn wenigstens bei der Grundlage aller dieser
Studien, denen über die Gnosis, klar zu machen, worin
das spezifisch Neue gelegen war, das wir ihnen danken t
Sch<m lange vor Lipsius haben sich eine Reihe her-
vorragender Gelehrter mit der Quellenkritik der Berichte
beschäftigt, aus welchen wir unsere Kenntnis der Einzel-
systeme der Gnosis schöpfen : jener gedankentiefen Beligions-
philosophie des 2. und 3. Jahrhunderts, welche die neuen
Gedanken des Christentums mit denen der alten Religionea
Riebard Adalbert Lipsias. 51
m verschmelzen gesucht hat. Von den unergründlichen
Tiefen, in denen der Ursprung alles Seins schlummert,
hat schon diese Gnosis (nicht viel anders, wie die unseres
Hase in seinem gleichnamigen Buche) himmelanstrebende
Brücken geschlagen bis zu unserer sichtbaren Welt und
dem, was in ihr als das Spiegelbild erschien von dem
Entwickelungsprozeß der oberen Äonen. Es liegt darum
leichtbegreiflicherweise ein unvergänglicher Reiz in der
Beschäftigung schon mit dem damaligen Versuch eines natur-
philosophischen Bandes zwischen Religion und Wissen-
schaft Es kommt aber noch Anderes hinzu. In einer
Zeit, wo die Dogmenbildung der Kirche voll und ganz
verwachsen ist mit dem ptolemäischen Weltbilde, treten uns
in den gnostischen Systemen die denkwürdigsten Ahnungen
jener unbekannten Welten entgegen, in welche erst die
modernste Astronomie unter den Schauem der Ehrfurcht
Einblicke sucht Dabei auf der einen Seite der schrofRste
Dualismus von Geist und Fleisch, auf der anderen (ich
rede nicht etwa im Sprachgebrauch des 19., sondern des
2. Jahrhunderts) ein kühner Monismus, der Stellung nimmt
jenseits von gut und von bdse. Können wir uns wundem,,
daß von jeher alle tieferen Denker durch ein geschicht-
liches Problem angezogen wurden, welches um so mehr
anlocken mußte, weil die einzigen Quellen in den Gegen-
schriften leidenschaftlicher Gegner bestehen, die um so
gehässiger sind, je weniger sie ihren Gegnern ebenbürtig
zur Seite zu Ireten vermochten? Aber mit alledem ist
noch lange nicht die ganze Tragweite jenes Problems klar-
gestellt. Denn es gilt nun weiter auch die geschichtliche
Notwendigkeit zu verstehen, wamm alle diese stolzen Ge-
dankengebäude fast spurlos dahingefallen sind, während
4*
52 Richard AdalbertLipsiuü.
im Gegensatz zu ihnen der einfache schlichte Kinder-
glaube, der aber zu allen Zeiten Berge versetzt hat, die
Zukunft gewann. Es gilt, die verschiedenen Stadien der
stetig zunehmenden Mischbildungen auseinanderzuhalten,
in welchen das hohe Ideal, welches auch damals der
Alleinheit des Pantheismus vorschwebte, mehr und mehr
herabgedrückt wurde bis zur Verleugnung des Glaubens
durch den Hochmut der über ihn hinausgegangenen Er-
kenntnis, ja bis zu jener schmählichsten sittlichen Ent-
artung, welche von jeher den Rückschlag aus einer wider-
natürlichen Askese gekennzeichnet hat.
Die richtige Stellung des ganzen Problems ist gerade
in diesem Falle zugleich der Anfang zur Lösung desselben
gewesen, soweit diese Lösung überhaupt im Bereich der
Möglichkeit liegt. Ebendies aber verdanken wir nun den
immer aufs neue auf diesem Gebiete einsetzenden Arbeiten
von Lipsius. Die Bedeutung derselben im Einzelnen ist
allerdings nur demjenigen völlig verständlich, der sie mit
den Arbeiten seiner Vorgänger und Nachfolger vergleicht.
Die wissenschaftliche Arbeit des Einen steht ja stets auf
den Schultern des Anderen. Es ziemt sich, über der Arbeit
der jüngeren Schulen die Forschungen der älteren nie zu
vergessen. So hat auch hier die von den Schleibb-
MACHEB'schen Gedanken beherrschte NEANDEB'sche Schule
ihr nicht geringes Verdienst : sowohl in der Nebeneinander-
stellung der mannigfaltigen Bildungen des gnostischen
Synkretismus, wie in der alsbaldigen Verwertung der neu-
entdeckten Quellen neben den altbekannten. Wie fast
überall hat dann auch hier der von Hegels Spekulation
ausgegangene große Tübinger Baur den auf zufällige
Persönlichkeiten zurückgehenden Thesen von Neakder,
Richard Adalbert Lipsius. 53
Ro8S£L, Jacobi seine Selbstbeweguog der Idee um sich
selbst gegenübergestellt. Es ist eines seiner tiefsinnigsten
Werke, in welchem er das Verständnis der Gnosis aus
dem Ausgangspunkt des Dualismus zu gewinnen versucht.
Die Forschungen Baurs sind, wie auch sonst so oft, von
HiLGEKFELD sowohl ergänzt wie berichtigt worden. Aber
alle diese hochbedeutenden Vorarbeiten hatten doch die
Fragen unbeantwortet gelassen, die seit Lipsius in den
Mittelpunkt aller Spezialforschung gerückt worden sind.
Wie kam es, daß so weit über den Rahmen der christ-
lichen Kirche hinaus die tiefsinnigsten Denker von dem
durch die Religion Jesu erzeugten Gärungsprozesse in den
alten Religionen ergriffen wurden? Woher stammte der
unwiderstehliche Trieb nach dieser Spekulation ? Von wo
waren die Keime dieses stets zunehmenden Synkretismus
herübergeweht? Wie reihen die einzelnen Systeme anein-
ander sich an, und wie beeinflussen sie sich gegenseitig?
Wo liegt endlich der Grund, daß dem Höhepunkt der
ganzen Bildung so rasch der Rückschlag gefolgt ist, daß
dem Werden auch hier wie in allem Naturleben das Ver-
gehen sich anschloß? So die Fragen, die zuerst von
Lipsius dadurch beantwortet wurden, daß er — die Baur-
sche Stellung des Problems einfach umkehrend — in dem
Streben nach der Gnosis selber den Ausgangspunkt sah
und den Zielpunkt im Dualismus. Aber selbst mit der
Aufstellung und Beantwortung aller jener Fragen wäre
noch wenig erreicht gewesen, wenn nicht auch hier über
allem, was wird und vergeht auch in der Religionsgeschichte
der Menschheit, zugleich jenes andere Element mit aller
Bestimmtheit von seiner Forschung erkannt worden wäre,
dasjenige, von dem jedes folgende Jahrhundert Zuversicht-
54 Richard Adalbert Lipsius.
lieber bezeugen wird: Himmel und Erde werden ver-
geben, aber die Worte des ewigen Lebens vergehen nicht
Schon der Jugendarbeit über die Oesamtbew^^ng
des Gnosticismus hat jene minutiöseste Einzelforschung
zur Grundlage gedient, wie sie beispielsweise in der Quellen-
kritik des Epiphanius vorliegt. Aber noch bis in seine
letzten Jahre haben die Entdeckungsreisen von Lipsius
nicht aufgehört in die bis dahin so fremde Welt jener
apokryphischen Apostelgeschichten und Apostellegenden,
die zuerst innerhalb der gnostischen Sekten erwuchsen,
um dann aber von der gegen jene sich abschließenden
katholischen Kirche gleichzeitig aufgenommen und modi*
fiziert zu werden. Es ist ein Riesenwerk strengster
deutscher Gelehrtenarbeit, jene großartige Sammlung, die
sich bescheiden als ein Beitrag zur altchristlichen Litte-
raturgeschichte gegeben hat. Von dieser allgemeineren
Aufgabe aber ist der rastlose Forscher zugleich dazu
weitergeführt worden, die fttr das Abendland wichtigste
Einzellegende, die römische Petrusfabel, au& der bisherigen
IsoUerung herauszureißen. Erst als Teil eines größeren
Ganzen ist der aus dem pseudoklementinischen Boman
erwachsene päpstliche Felsen Petri als der Koloß mit
thönernen Füßen erkannt worden. Auch fttr diesen Einzel-
punkt hat uns Lipsius wieder grundgelehrte Spezialschriften
geschenkt, wie die über die Chronologie der ersten römi-
schen Bischöfe und den Ursprung der römischen Petrus-
«age, denen überdies noch eine Anzahl von größeren und
kleineren Aufeätzen sich anreiht. Auf den ersten Ursprung
der römischen Papstmacht ist dadurch ein fast noch un-
heimlicheres Licht gefallen, als aus der Entdeckung jenes
Betruges des Pseudoisidor im 9. Jahrhundert, welcher
Richard AdalbertLipsiut. 55
zuerst die Fiktion eines unfehlbaren Universalepiskopats
möglich ganacht hat. Kann man sich wundern, daß
gerade diese gesdüchtlichen Studien Lipsnis zu einem
wissenschaftlich ebenso unerbittlichen Gegner des Papis-
mns gemacht haben, wie den DöLLiNaER von 1870?
Oerade seine streng geschichtliche Unparteilichkeit, welche
die verschiedenen Anschauungen mit gleichem Maße zu
messen verstand, wußte sich in unüberbrQckbarem G^en-
aaiz zu deijenigen Tendenz, welche die Geschichte durch
das D<^ma besiegt hat.
Die Speichen Eigenschaften, welche den Geschichts-
werken von Lipsius ihre bleibende Bedeutung gegeben
haben, drückten aber femer auch seiner Exegese, seina*
Bibelauslegung, ihren Charakter auf. Er ist ein Bibel-
lörsch^ von Gottes Gnaden gewesen, dessen grammatisch-
historische Untersuchung der formellen Seite der biblischen
Schriften ebenso mustergiltig war, wie sein Verständnis
fär den religiösen Gehalt. Und auch auf diesem Gebiete
hat er zeitlebens unermüdlich gearbeitet. Schon seine
-ersten Jugendarbeiten sind der Paulinischen Theologie
und ihren Ausläufern zugewandt gewesen. Sein letztes
Lebensjahr sah den eben erst herausgegebenen Kommentar
2um Bömer-, Galater- und Philipperbrief alsbald in zweiter
Auflage erscheinen. Der ganze Reichtum seines Geistes
aber ergoß sich in der die Anschauungen der einzelnen
biblischen Schriftsteller zusammenfassenden biblischen
Theologie. Der klare Kopf, der nirgends einen unklaren
Ausdruck gestattete, hat in dieser so vielfach der frommen
Phrase oder der Opportunitätskunst verfallenen Disziplin
überall reinlich die Begriffe geschieden. Es dürfte sich
di^er auch hier ziemen, die Bedeutung der Arbeit dieses
56 RichardAdalbertLipsius.
Einzelnen für das große Ganze der biblischen Wissen-
schaft, so vfQÜ es in Kürze möglich ist, klarzulegen.
Man mag selber eine Meinung haben, welche man
will, darüber wird nirgends ein Zweifel bestehen können,
daß kein Buch irgend einer Litteratur auch nur von ferne
eine ähnliche Bedeutung noch für die fernste Zukunft zu
beanspruchen hat, als das Buch der Bücher, die BibeL
Gerade mit dieser Einzigartigkeit aber unter allen den hei-
ligen Schriften der Völker hängt es eng zusammen, daß das
geschichtliche Verständnis keines anderen durch so viele
Hemmnisse hindurchgegangen ist. Es gilt dies obenan
von der durch die Tradition, die Überlieferung der Kirchen-
väter, gebundenen Auslegung innerhalb der Papstkirche»
Denn hier kommt nicht sowohl der ursprüngliche Sinn des
Textes in Frage, als vielmehr die an die Stelle des Ori-
ginals getretene Übersetzung, und diese selbst wieder in
deijenigen Deutung, welche ihr die probablen Autoritäten
gegeben haben. In der Exegese der Jesuiten hat auch
diese Art des Probabilismus ihren Gipfel erreicht. Stehen
entgegengesetzte Meinungen bei den von der Kirche aner-
kannten Autoritäten sich gegenüber, so sind dieselben doch
gleich probabel. In der heute wieder allein giltig ge-
wordenen scholastischen Methode liegt die Hauptkunst
darin, auch die unvereinbarsten Gegensätze scheinbar unter
einen Hut zu bringen. Wozu diese Verquickung der
Schriftlehren mit denjenigen der traditionellen Autoritäten
führt, haben die kirchlichen Sachverständigen in dem Prozeß
gegen den Pater Aurelian drastisch enthüllt.
Von diesem Irrwege hat die Reformation uns befreit^
indem sie die Bibel wieder in ihr eigenes Recht eingesetzt^
den über ihr aufgehäuften scholastischen Schutt wegge^
BichardAdalbertLipsias. 57
räumt hat. Aber dessen ungeachtet ist auch auf prote-
stantischem Boden das Verständnis der Bibel selber noch
durch die entg^engesetzten Extreme gehemmt worden.
Genau ebenso, wie der altkatholischen Kirche des zweiten
Jahrhunderts, in deren Fußstapfen sie traten, stand auch
den Beformationskirchen des 16. Jahrhunderts fQr die
unbedingte religiöse Autorität der Bibel, auf die ihre Er-
neuerung des Evangeliums Jesu zurückging, keine andere
Formel zu Gebote, als die der sogenannten Yerbalin-
spiration, d. h. des göttlichen Diktates des Bibelbuch-
stabens.
Dieser Loslösung der alt- und neutestamentlichen
Schriften von den Geschicken aller anderen menschlichen
litteratur ist, wie leicht b^eiflich, der Rückschlag ins
andere Extrem gefolgt Man hat die Berichte der bib-
lischen Schriftsteller an einem Maßstabe gemessen, der,
auf die übrige alte Litteratur angewandt, geradezu alles,
was als gesicherte Wahrheit gilt, umstoßen müßte. Aber
mit diesen prinzipiellen Fehlgriffen ist es noch nicht ge-
nug gewesen. Unsere ersten Führer auf dem Wege eines
wirklich wissenschaftlichen Verständnisses haben vielmehr
den biblischen Schriftstellern noch unwillkürlich ihre eignen
aufgeklärten Ansichten zugetraut. Ja sogar die heute ein-
flußreichste Theologenschulü wirft wieder Religion Jesu
und Dogmatik des Paulus zusammen, blickt verächtlich
herab auf das, was allein das Verständnis der unerschütter-
lichen Grundlage auch aller Religion der Zukunft ver-
bürgt: die Vertiefung in Leben und Religion Jesu an und
für sich.
Kehren wir nun aber von allen diesen Irrwegen wieder
zu der streng geschichtlichen Methode zurück, die Lipsius
53 Richard Adalber t Lipsi US.
aach in der Exegese geübt, so wird diese letztere sich
abermals erst jetzt, wo wir sie mit derjenige Anderer
vergldchen können, in ihrer vollen Bedeutung abheben.
Gestatten Sie mir daher auch hier wieder, an einem Einzel-
beispiel aus dem umfassenden Gebiet Ihnen die der fort-
schreitenden Wissenschaft gestellte Aulgabe sowohl, wie
den Weg zu ihrer richtigen Jjösung vor Augen zu stellen.
Es ist das Thema eines vor wenigen Jahren an diesem
gleichen Orte gehaltenen Vortrages, welcher sich ausdrück-
lich zu dem von Lipsius gefundenen Ergebnis bekannte,
indem er Engels- und Satansidee Jesu aus den manche lei
Umhüllungen, über welchen seine eigene Anschauung ver-
gessen worden war, loszulösen versuchte. Denn auch in
dieser, scheinbar so abgelegenen und doch mit dem Mittel-
punkt der Religion Jesu unabtrennbar verbundenen Spezial-
frage ging es ebensowenig an, die in der späteren Kirche
ausgebildeten abergläubischen Teufelsvorstellungen auf
Jesus zurückzuführen, als um der furchtbaren Auswüchse
willen das Berechtigte in seiner eigenen Idee zu verwerfen.
Nur aus sich selbst heraus, aus dem gesamten religiösen
Entwickelungsprozeß der alttestamentlichen Offenbarung,
wird die höchste BlQte derselben, die Religion Jesu, wie
in diesem einen Punkte, so durchweg verständlich. Nicht
die Orientierung an einzelnen Bibelstellen macht die bib-
lische Grundlage der Theologie aus, sondern einmal das Zu-
«ammenschauen des Gesamtinhalts der biblischen Gedanken,
zum andern die klare Unterscheidung der verschiedenen
Stadien ihres Entwickelungsprozesses. Und ebenso ist bei
jenem allseitigen Höhepunkte stets ebensosehr das, . was
der Herr von seinen prophetischen Vorläufern übernimmt,
wie das, was sich in seiner persönlichen Anschauung als
RichardAdalbertLipsius. 59
der Brennpunkt aller Einzelstrablen gestaltet, neben ein-
ander ins Auge zu fassen; um nichts weniger aber der
Unterschied seiner religiös-poätischen Intuition von den
dogmatischen Abstraktionen der verschiedenen Schulen, die
alsbald wieder unter seinen JQngem hervortraten.
Mit dem zuletzt erwähnten Punkt sind wir zugleich
schon auf die Ursache der bleibenden Bedeutung des-
jenigen Werkes gekommen, durch welches Lipsius noch
mehr, als durch seine Geschichtsforschung und seine Exe-
gese, auf die gesamte Theologie befruchtend eingewirkt hat,
als ein Erneuerer der protestantischen Dogmatik, wie eine
befreundete Fakultät ihn auf ihrem Kranze bei seiner Be-
stattung bezeichnete. Die gleiche streng geschichtliche
Methode nämlich, die wir in recht eigentlicher Virtuosität
in j^ien Disziplinen von ihm geübt sahen, kennzeichnet
auch das System seiner demnächst in dritter Auflage er-
scheinenden Dogmatik und seine zahlreichen Einzelarbeiten
auf diesem Gebiete. Ein Schüler Ritschls hat die Lebens-
arbeit des Letzteren dahin gezeichnet, er sei stets Syste-
matiker gewesen, auch da, wo er sich für einen Historiker
gebalten habe. Von Lipsius darf umgekehrt gesagt wer-
den : er ist stets der Historiker geblieben, auch in seinen
systematischen Arbeiten. Daher sowohl der allseitige
biblische Unterbau, wie die seltene Fähigkeit, stets von
allen Mitarbeitern, selbst den gegnerischen, zu lernen. Es
hat ein ganz besonderes Interesse, der stetigen Fortent-
wickelung seines Systems nachzugehen, wie sie uns teils
in seiner wertv<dlen Litteraturübersicht im Theologischen
Jahresbericht, teils in den speziellen Auseinandersetzungen;
zumal mit Biedermann einerseits, der RiTSOHL'schen
Schule andererseits vorliegt.
QQ Richard Adalbert Lipsius.
Auch in diesem Fall ist es wiederum unerläßlich, um
die Eigentümlichkeit des Einzelbeitrags zu der Disziplin
als solcher zu würdigen, sich das der letzteren gestellte
wissenschaftliche Problem zu verg^enwärtigen. Das
schwere Verhängnis sämtlicher dogmatischer Kämpfe für
die gesamte Eulturentwickelung hängt aufs engste damit
zusammen, daß die bestimmtesten dogmatischen Aufstel-
lungen gerade über diejenigen Punkte gewagt werden, über
die wir am wenigsten wissen. Schon die altkirchlichen
Bürgerkriege haben sich im Orient auf das dem Menschen
völlig unerforschliche innergöttliche Wesen bezogen, im
Occident auf das zu allen Zeiten und in allen Religionen
grundverschieden aufgefaßte Verhältnis zwischen göttlicher
Vorherbestimmung und menschlicher Freiheit. Die mittel-
alterliche Scholastik kennzeichnet sich erst recht dadurch,
daß sie über die Gegenstände der Oeisteswelt genau in
derselben Weise abspricht, wie über die Aufgaben der
Physik und Chemie. Aber sogar in den Reformations-
kirchen ist es nicht anders gegangen. Und am grellsten
tritt uns dieses Verhängnis in denjenigen Lehrstücken ent-
gegen, über welche (ich erinnere nur an die Abendmahls-
kämpfe, bei welchen zudem die sämtlichen damaligen
Argumentationen mit dem ptolemäischen Weltsystem stehen
und fallen) der junge Protestantismus sich selber zer-
fleischte. Ebendarum aber besteht nun umgekehrt das,
was die großartige Wiedergeburt der Philosophie seit
Kant der Theologie zu geben vermochte, in der Kritik
der Vernunft und der Urteilskraft, d. h. in der klaren
Abgrenzung der Grenzen unseres menschlichen Erkennt-
nisvermögens. Nur derjenige, der sich klar vor Augen
hält, was man überhaupt nicht wissen kann, weil es über
RichArd Adftlbert Lipsius. gl
das Wissensgebiet des Menschen hinausgeht, bewegt sich
auch da auf sicherem Boden, wo der Glaube an die Güter
der unsichtbaren Welt in Betracht kommt. Was Kakt
fOr die Wissenschaft im Allgemeinen dargethan hat, ist
dann speziell für die Theologie in der ihren neuen Grund
legenden Encyklopädie SChleiermachers zum Prinzip der
Einteilung geworden : in der Zuweisung der Dogmatik zur
historischen Theologie. Denn das heißt eben nichts anderes
als die klare Unterscheidung zwischen Religion und Dogma.
Die Religion ist in allen Zeiten, unter allen Weltanschau-
ungen die gleiche, die dogmatische Fixierung hat in der
Theologie so gut wie in der Jurisprudenz, Medizin, Päda-
gogik in jedem Zeitalter eine neue, von den früheren
Formulierungen verschiedene Aufgabe: nur daß über dem
Suchen der neuen Form von dem in der alten enthaltenen
Wahrheitskem nichts verloren gehen darf.
Warum aber diese ganze Ausführung? Weil gewiß
kein Kenner von Lipsius dogmatischen Schriften noch der
Erinnerung daran bedarf, daß der Schwerpunkt seiner stets
neu aufgenommenen Untersuchungen den erkenntnistheo-
retischen Problemen gegolten hat. Der religiöse Grund-
gedanke, der für ihn unerschütterlich im Mittelpunkte
stdit, ist deijenige der Offenbarung. Die klare Abgren-
zung dessen aber, was Offenbarung ist, wird wieder nur
vermöge der streng historischen Methode gewonnen. Nichts
ist z. B. geschichtlich gewisser, als daß die christliche
Kirche sich aufgebaut hat auf dem Glauben aller Jünger
an die Auferstehung des Herrn. Sobald wir jedoch nach
dem ^wie" jener Erscheinungen des Auferstandenen fragen,
Ton welchen die Jünger berichten, sind wir auf ein Ge-
biet versetzt, wo jede der einander gegenüberstehenden
52 RichardAdAlbertLipsiat.
Ansichten mit ähnlich unlösbaren Schwierigkeiten zu ringen
hat. Daher denn die unbedingte Notwoidigkeit für den
historisch geschulten Geist, zwischen dem „daß^, wortlber
die Geschichte alldn etwas aussagen kann, und dem „wie'^
das sich seinem geschichtliche Wissen entzieht, aufr
schärfste zu scheiden. Gerade aber durch diese reinliche
Scheidung ist fär den religiösen Menschen erst recht die
feste Grundlage gewonnen. Denn nur das Selbsterlebte
kann die persönliche religiöse Überzeugung begrflnden.
Dieses Selbsterleben ist es, was uns in dem Petrusbe-
kenntnis begegnet: „Wir haben geglaubt und erkannt, daft
du bist der Sohn des lebendigen Gottes, du hast Worte
des ewigen Lebens.'* Genau ebenso aber ist auch fQr den
modernen Menschen, der bei der Lipsius*schen Theologie
sich Rats erholt, es die gleiche Erfahrung der Offimbamsg
Gottes in Christo geblieben, die auch ihm den Felsen-
glauben verborgt.
Auch diesmal habe ich wieder nur einen einzehien
Punkt von vielen ähnlichen herausgegriflfen. Denn er soll
wiederum nur als Beispiel dienen, um die historisdie
Methode von Lipsiüs auch in seinem Hauptfach, d«r syste-
matischen Theologie, sowohl in ihrem dogmatischen, wie
in ihrem ethischen Teile, zu kennzeichnen. Mit der gleichen
objektiv-historischen Methode hing dann aber endlich a«ch
jene gefestigte Stellung in dem kirchlichen Leben zu-
sammen, welche eine wahrhaft verklärende Abendröte Ober
seine letzten Jahre geworfen hat.
Allein schon die beiden kleinen Vorträge bei der
Generalversammlung des jüngsten Missionsvereins in Braun-
schweig: „In weldier Form sollen wir den heidnischen
Kulturvölkern das Evangelium bringen?* und bd der
Richard Adalbert Lipsius. 63
Generalversammlung des evangelischen Bundes in Eis^iach:
i,Dns^ gemeinsamer Glaubensgrund im Kampf gegen Rom^
würden zum Bel^e genflgen, daß gegenüber der bisherigen
Sdbstzerfleischung unseres Protestantismus durch Lipsius
eine neue Ära der Irenik inauguriert ist. Mir sind
sdilechterdings keine Parallelen bekannt von einer so
außerordentlichen Einwirkung gerade auf die anders ge-
richteten Kreise. Nun wird ja aber überhaupt die blei*
bende Bedeutung eines Mannes nicht sowohl aus den be-
wund^nden Urteilen der Freunde erkannt, welche in dem,
den sie veriierrlichen, nebenbei sich selber im Auge haben^
sondern ans der Stellungnahme der Gegner. Und nirgends
hat es gewiß eine größere Bedeutung, als für die Geschichte
der The(dogie, wenn von dem Entschlafenen laut bezeugt
werden darf: noch niemals sdt Schleierhachers oder
BoTHES Heimgang ist die Anerkennung gerade deijenigen
Kreise, welche ihm zuerst als Gegner gegenübergestanden
hattsi, dne so allgemeine gewesen.
Es hatte dies allerdings sicherlich seinen Grund z. T.
darin, daß er so völlig gebrochen hatte mit dem auch von
den protestantisch -theologischen Schulen als allgemeine
Erbsünde mitgeschleppten Infallibilismus. Denn er hat
seine Kritik stets an sich selber und im eigenen Lager
begonnen, hat dieses Prinzip gerade in jenen Vorträgen,
soweit es nur irgend möglich war, durchgeführt Aber
liegt nicht auch dieser Tbatsadie einfach die gleiche Eigen-
schaft zu Grunde, welche wir schon bei allen seinen wissen-
schaftlichen Arbeiten kennen gelernt haben : sein geschicht-
licher Sinn, sein Gereditigkeitsbedürfiiis ? Sein Verhalten
gerade in den letzten Jahren mutet uns darum an, wie
das in die Praxis übertragene Selbstzeugnis Bothes:
^ Rieht rd A dalbert Lipsius.
,,UDgeachtet auch ich Partei ergriffen habe (denn das muß
heute jeder, der eine wirkliche Überzeugung hat), so
tauge ich doch deshalb nicht zum eigentlichen Partei-
manne, weil es mir so ganz geläufig und natürlich ist,
mich lebendig auf den gegnerischen Standpunkt zu ver-
setzen und seine relative Berechtigung zu erkennen und
willig anzuerkennen/^
Schon die Begründung unseres Allgemeinen evangelisch-
protestantischen Missionsvereins, noch mehr aber die des
Evangelischen Bundes hat das lange Zeit hindurch vergeb-
liche Sehnen unserer Gemeinde, die des Haders ihrer Theo-
logen so gründlich überdrüssig geworden war, endlich be-
friedigt. Zumal die Anfänge des Evangelischen Bundes
haben ihre höchste, wenn nicht ihre alleinige Bedeutung
darin, daß die in demselben verbundenen Männer ver-
schiedener Richtung sich zuerst persönlich liebgewonnen,
dann die anders geartete Überzeugung achten gelernt und
sich schließlich gefragt haben: was haben wir gegenseitig
von einander zu lernen?
Es ist der eigentliche Höhepunkt in Lipsius Leben
gewesen, daß er jene gegenseitige Befruchtung unserer
theologischen Schulen auch an seinem Teil hat mit er-
leben und fördern dürfen. Allerdings giebt es zur Zeit
noch eine Ausnahme, welche auch für ihn eine unüber-
brückbare Kluft bilden mußte: da nämlich, wo es sich
nicht um ein ehrliches Zusammenarbeiten verschiedener
Schulen handelt, sondern um das unterirdische Wühlen
einer Cliquenwirtschaft, von der man (um in Lipsius
eigenem Wort zu reden) sich nicht sowohl wissenschaftlich
als moralisch getrennt fühlt. Aber von dieser einen trau-
rigen Ausnahme abgesehen, durfte er sich eines ähnlichen
Riehard AdalbertLipsias. g5
Ausblicks, wie Moses vom Berge Nebo erfreuen: in jene
wunderbare Gottesordnung, nach welcher auch in der gei^
stigen Welt die Vögel des Himmels die Samenkörner dahin
zu tragen vermögen, wo man es am wenigsten vermutet.
Lepsius persönlich durfte sich beispielsweise einer über*
raschend zahlreichen Schülerzahl unter den Professoren
der verschiedenen amerikanischen Kirchen erfreuen. Aber
nicht geringer war seine Freude auch daran, wie die aus
der Papstkirche ausgestoßenen Altkatholiken zu den ge-
wichtigsten Reformatoren des Protestantismus berufen
waren, und die Begründer der Freikirchen die Ärzte für
die Nationalkirchen geworden sind. Besonders gerne je-
doch betonte er das, was uns allen in dem Evangelischen
Bunde gegeben war. Denn ebenso, wie die bis dahin so
abgesperrte und gegen uns mißtrauische Orthodoxie von
der unabhängigen wissenschaftlichen Forschung zu lernen
beginnt, die das schönste Erbteil der Jenaer Theologie ist,
so ist diese selber rückhaltlos in die Schule gegangen
bei den praktischen Liebeswerken unserer altgläubigen
Richtung.
Doch es liegt hier eine solche Fülle der ergreifendsten
Erinnerungen aus Lipsius Leben, und dieselben sind zugleich
so sehr mit gewichtigen Momenten der Zeitgeschichte ver-
wachsen, daß ich es auf eine andere Gelegenheit aufsparen
muß, von diesen Dingen zu reden. Genug, daß der klare
Denker, der doch zugleich so reich war an mystischem
Tiefsinn, die alten Bilder neu bewährt sehen durfte: von
dem kleinen Senfkorn, aus dem ein Gewächs wie ein Baum
aufsprießt, von dem Stein, den die offiziellen Bauleute
verwarfen, der aber zum Eckstein bestimmt war; daß als
die schönste Frucht seines reichen Lebens er zugleich auch
xvn. 6
gg RichArdAdalbertLipsias.
für sich selbst die Verheißung erfüllt wußte, die er wenige
Wochen vor seinem Tode, in die Sammlung der Frau
Mathe-Hüffer als sein liebstes Gebet einzeichnete: Unser
Herr Jesus Christus spricht: „Ich bin die Auferstehung
und das Leben ; Wer an mich glaubet, der wird leben, ob
er gleich stürbe. Und wer da lebet und glaubet an mich,
der wird nimmermehr sterben.'^
J. E. August Martin.
Ein Gedächtniswort
TOD
ft. Blehter.
5»
Dr. J. E. August Martin ') ist am 1. September
1822 in Rudersdorf im Fürstentum Reuß j. L. geboren
und besuchte die dortige Dorfschule bis Ostern 1836.
Seinem Wunsche zu studieren widerstrebten die mittel-
losen Eltern, doch nahm sich der dortige KoUaboratar
SöRGEL hilfreich des strebsamen Knaben an, gab ihm mehr-
jährigen Privatunterricht und ermöglichte ihm Ostern 1840
den Übergang auf das Gymnasium in Gera, welches unter
der Leitung des treflflichen Herzog stand. Mit Eifer und
Erfolg lag er hier den Gymnasialstudien ob und erwarb
Michaelis 1845 das Zeugnis der Reife. Bei seinem Ab-
gang erhielt er die stiftungsmäßige Prämie für *die in
einem Extemporale bekundete und erwiesene relativ
größte Fertigkeit und Gewandtheit im Lateinischen ; sie
bestand in einem Geldgeschenk von 46 Thalern und einer
silbernen Medaille^).
In Jena widmete sich Martin von Michaelis 1845 bis
1) Die hier gegebenen Mitteilungen beruhen zam grofien Teil
auf blo^afraphiscfaen Aufzeichntmgen des Verstorbenen, die sich im
l^Achlaft tanden, einiges auch auf eigener Kenntnis des Verfassers.
2; Vergl. Herzogs Programm zur Feier des üeinrichstages 14.
JqH 1845 und 13. Juli 1846.
70 J. £. Angast Martin.
Michaelis 1848 unter Hoffmann, Hase, Bückert, Sticeel
und ScHWABz mit größtem Eifer dem Studium der Theo-
logie mit allen ihren Hil&wissenschaften und hörte zu-
gleich bei Bachmann, Beinhold, Stoy, Weissenborn,
WoLFF philosophische, pädagogische und litteraturgeschicht-
liche Vorlesungen. Bei der Überfallung seines kleinen
Vaterlandes mit Bewerbern des Predigtamtes faßte der junge
Kandidat schon damals die Ausbildung f&r den bibliothe-
karischen Beruf ins Auge, unter Leitung des Prof. 0.
L. B. WoLFF hatte er sich schon während der üniversitäts-
jahre dem Studium der romanischen und germanischen
Sprachen zugewandt, deren Kenntnis er zugleich zur Be-
streitung seines Lebensunterhaltes benutzte. Er hat da-
mals die neuen Auflagen von Wolff's ^Poetischem Haus-
schatz' und von der 'Germania" mit besorgen helfen, sowie
'die deutschen Volksbücher selbständig umgearbeitet.
Weiterhin lieferte er die Übersetzungen der in die von
E. Schmidt und Wolff herausg^ebene 'Allgemeine
deutsche Gerichtszeitung' und in Wolff^s 'Lehrbuch der
gerichtlichen Beredtsamkeit' aufgenommenen französischen
Reden und Gerichtsverhandlungen. Neben diesen dem Er-
werb dienenden Arbeiten betrieb er seine allgemeine
wissenschaftliche Ausbildung im Hinblick auf den ange-
strebten bibliothekarischen Beruf. Er erwarb sich eine
encyklopädische Übersicht über das Gesamtgebiet der
Wissenschaften, ließ auch die Diplomatik nicht unberück-
sichtigt und verband mit diesem allen die Bibliotheks-
wissenschaft selbst. Die praktische Vorbereitung fand er in
dem Ordnen und Katalogisieren größerer Privatbibliotheken.
Im Herbst 1858 wurde ihm vom Oberbibliothekar Professor
GöTTLiNö die Aufstellung der Jenaer Universitätsbibliothek
J. E. Angast Martin. 71
in dem unter dem Kurator Sbbbeck 0 erbauten neuen
Gebäude tibertragen. Die hierbei bewiesene Umsicht und
Geschicklichkeit führte am 1. Oktober 1859 zu seiner Er-
nennung zum Kustos der Universitätsbibliothek, welcher
am 1. Januar 1870 die Beförderung zum Sekretär folgte.
Neben den amtlichen Berufsarbeiten, denen er sich mit
seltener Treue in einem das äußere Pflichtmaß weit tiber-
steigenden Umfange hingab, behielt der arbeitskräftige
und rastlos an seiner gelehrten Bildung arbeitende Mann
noch Zeit zur Erweiterung seiner sprachlichen Kenntnisse.
In das Albanesische war er schon Anfang der fünfziger Jahre
durch den österreichischen Konsul Dr. J. G. von Hahn,
dessen Bekanntschaft Prof. Wolff ihm vermittelt hatte,
eingeführt worden. Er unterstützte denselben bei der Be-
arbeitung seiner Albanesischen Studien und verfaßte das
diesem Werk beigegebene ^Deutsch-albanesische Wörter-
buch' (1854). Einige weitere Früchte der albanesischen
Studien fanden ihre Verwertung in einem kleinen Glossa-
rium von Theoph. Stier zu de Radas Gedichten ^). Von
der erworbenen Kenntnis der holländischen und der
englischen Sprache zeugten Martins Obersetzungen von
P. Hartings 'Skizzen aus der Natur (Leipzig 1854 und
1856) und * Vorweltlichen Schöpfungen (Leipzig 1859),
von Gh. LrviNGSTONES 'Neuen Missionsreisen (Jena 1866),
von S. W. Bakers 'Der Albert-Nyanza' etc. (Jena 1867,
2. Aufl. 1868), von J. J. Hats' 'Offenem Polarmeer (Jena
1868), von A. S. Brügkmore's 'Reisen im Ostind. Archipef
(Jena 1869), endlich der großen Reisewerke über Inner-
1) S. Bd. V (N. F.) dieser Zeitschrift, S. 31.
2) Yergl. das Gratulation sprogramm zur Jubelfeier der Universität
Greifswald ?on Th. Stbb, S. 32.
72 ^- ^ Augu»t Martin.
asien und Patagonien von R. Sghaw und G. Ch. Mustebs
(Jena 1872 und 1873). Kleinere Übersetzungen, meist für
Zeitschriften, lieferte Martin nebenbei aus dem Portu-
giesischen und aus dem Russischen, dessen Kenntnis ihm
der damals in Jena lebende Freiherr von Stacklenbeso
aus Riga vermittelt hatte. Mehr und mehr aber wurden
die litterarischen Arbeiten durch die über alles Maß sich
häufenden Berufsarbeiten verdrängt. Dem Eingeweihten
sind die Zustände in der Bibliotheksverwaltung der mitt-
leren siebziger Jahre bekannt, man weiß, wie damals so
ziemlich alle laufenden Geschäfte auf Mabtin und dem
einzigen Diener lagen, wie ersterer bis in die Nächte hinein
arbeiten mußte, um nur das Dringende zu erledigen und
die allgemeine Ordnung aufrecht zu erhalten. Nur ein Mann
von einziger Pflichttreue und Gewissenhaftigkeit, der zu-
gleich mit innigster persönlicher Teilnahme an der An-
stalt hängt, für die er wirkt, vermochte Jahre hindurch
solche Zustände ohne Murren und ohne Beschwerde zu
ertragen, seine Freundlichkeit und hingebende Hilfsbereit-
schaft g^en das die Bibliothek benutzende Publikum und
alle, die überhaupt mit derselben in Berührung kamen,
wurde schon damals in den weitesten Kreisen anerkannt.
Als endlich im Herbst 1878 der Abgang des damaligen
Oberbibliothekars stattfand, hatte Martin das berechtigte
Gefühl, vor jedem anderen auf die leitende Stelle an der
Bibliothek Anspruch erheben za dürfen. In einem Ge-
such an das Großh. Staatsministerium erhob er in be-
scheidener, doch würdiger Sprache diesen Anspruch. Gillnde,
die wir nicht kennen, die aber gewiß nicht in der Person
des Bewerbers gelegen haben, führten zur Ernennung
eines anderen, des ehrwürdigen Professors Hartenstein.
J. E. Aairiist Martin. 73
Nach dessen Abgang im März 1888 erneuerte Mabtin
sein Gesuch. Es blieb abermals onberüdcsichtigt, dodi
wurde ihm der Titel eines Universitätsbibliothekars zuer-
kannt Den wiederholten Mißerfolg hat er wohl billig als
unverdiente Zurücksetzung empfinden dürfen, aber er hat
dieser Empfindung niemals einen Einfluß auf seine Pflicht-
erftülung eingeräumt, vielmehr in der treuen Ausübung
seines mit innerster Neigung ergriffenen Berufes immer
wieder neue Stärkung und Erhebung gefundien.
Unserem Verein hat er 9 Jahre hindurch als Mitglied
des Vorstandes angehört und einen großen Teil der Ar-
beiten desselben auf sich genommen. Als Bibliothekar
hatte er den Austausch der Publikationen mit Hunderten
von wissenschaftlichen Körperschaften zu vermitteln und
die Eingänge zu buchen, 7 Jahre war er als Herausgeber
der Zeitschrift thätig und hat nebenbei den ersten Band
des Urkundenbuches der Stadt Jena bearbeitet und in
musterhafter Gestalt veröffentlicht. Diese Thätigkeit hat
ihre Würdigung in dem Jahresbericht von 1893 gefunden.
Seit dem Herbst 1890 begann der bisher gesunde
Mann zu kränkeln und verfiel während des Winters in
schwere und langwierige Krankheit. Nur langsam erholte
er sich und konnte erst im Spätsommer 1891 sein Amt
wieder aufnehmen. Aber seine Kraft war gebrochen, ein
neuer Krankheitsanfall warf ihn Weihnachten darnieder
und führte am 27. Januar 1892 seinen Tod herbei.
Martin war ein seltener Mensch. Unter der schlichten
unscheinbaren Außenseite barg sich ein treues Herz und
ein starker Geist. Auf ihn paßte das Wort des römischen
Dichters: ingenium ingens Inculto latet hoc sub corpore.
An umfassender Gelehrsamkeit, an inniger Vertraut-
74 J. E. Aa gast Martin.
heitmit den Schätzen seiner geliebten Universitätsbibliothek,
an Bereitwilligkeit und Fähigkeit zu nützen und zu helfen
ist ihm wohl selten ein Beamter gleichgekommen. Rüh-
rend war seine Anspruchslosigkeit und Bescheidenheit
Keine Begehrlichkeit trübte die stets gleiche Heiterkeit
seines reinen, arglosen und wahrhaftigen Gemütes, er ge-
hörte zu den animae, quibus non candidiores terra tulit.
Das Leben hat ihm wenig geboten, sein bescheidenes Ein-
kommen reichte eben knapp aus für seinen und seiner
Familie Unterhalt. Er ist zweimal verheiratet gewesen.
Ein in erster Ehe geborener Sohn fiel im Kriege gegen
Frankreich *). Die zweite Frau und zwei Töchter aus
dieser Ehe haben ihn überlebt. Er hat ihnen kein Ver-
mögen hinterlassen können. Dazu ist er zeitlebens zu
arm gewesen. Die Hochherzigkeit der Emestinischen
Regierungen hat die Zukunft der Hinterbliebenen sicher-
gestellt und so gut gemacht, was die Mitwelt dem Leben-
den versagt hat.
Jena, 8. Juni 1893. Dr. G. Richter.
1) Er war am 22. Mai 1851 geboren und beim Ausbruche des
Krieges gegen Frankreich Oberprimaner des Ojmnasiums zu Weimar,
trat 1870 als Freiwilliger in das 94. Regiment ein und starb am 29.
Dez. 1870 zu Cbalons sur Marne an einer Verwundung. Derselbe be-
rechtigte, wie sein glänzendes Reüezeugnis ausweist, zu den schönsten
Hofinungen.
Frommannsche Bachdraokerei (Hermann Pohle) in Jona. — 1164
IIL
Das ehemalige Amt Lichtenberg
vor der Rhön.
1. Geschichte (ScWufs).
2. Verwaltung und Rechtspflege.
Von
C. Binder, Pfarrer in Bergsulza.
IVIL
^of eine lange Belagerung war SchlolB Lichtenberg,
das, trots Beiner starken Befestigung von den Bauern erstürmt
und zerstört, nun wieder ausgebaut worden war, nach
wie vor nicht eingerichtet — es fehlte an Wasser. Alles
Wasser muTste auf Karren durch Pferde oder Esel vom
Rappacher Brunnen, der am Fufse des gegenüber-
liegenden ,yHöhn*' unter einem Steinhause hervorquillt, müh-
sam auf die Burg geschafft werden. Wer den Brunnen hatte,
hatte auch die Burg, und — nach den Dorfweistümem —
mit ihr das Amt^).
Der ,,Bappicher Brunn'' ist nach £rdmann (1754) ,,ein
hartes VUriolisehes WaBer, von dessen anfänglichen Gebrauch
Menschen und Vieh durchaus krätzigt, grindigt und schäbigt,
hiemeohst aber gesund und dauerhaft werden''.
Dicht unterhalb des Brunnens befanden sich sonst zum
Gebrauche des Amtmannes „drey kleine Fischbehelterlein,
aber nichts zu gebrauchen, denn wegen ungeschlachter Herte
des WaBers die fische, so zu behalten hiebevom hinein ge-
than, drinnen yerdorben*' (1643). Die Umrisse dieser 3
kleinen Teiche, welche schon 1866 als dem damaligen Amt-
manne Gyso T. Steinau zustehend genannt werden (s. u.),
sind noch deutlich erkennbar.
1) Übrigens hatten Mich andere BnrRen in der NIhe, x, B. Hilden-
berg, keine Bmnnen innerhalb ihrer lUnem.
6*
78 I^<^ ehemalig« Amt Lichtenberg vor der Bhdn.
Auf das Inventar des y^Amthaasee'' Lichtenberg
scheint man nach dessen Wiederherstellung nicht gerade
grofse Summen verwendet zu haben; auch in den nächsten
Zeiten waren bei dem vielmaligen Wechsel der Besitzer diese
natürlich nicht besonders auf Bereicherung des Inventars
bedacht In der Streitsache der Grafen von Stolberg gegen
die von Mansfeld wegen der henneb. Erbschaft schrieb
Kaiser Max 1565 an letztere u. a. : y,Mit gleichen und viel-
mehrem ünfugen haben ir mehrgedachten Graven zu ManB-
feld auch aller Kleinodien, Silbergeschirr, Barschaft, Geschütz,
Haußrath, Yorrath und aller beweglichen Gueter, so zu Böm-
hilt, Münnerstat, Lichtenberg, und an allen andern Örtem
gewesen, so weiland Grav Bertholden nach sich gelaBen ....
euch angemaßet'^ Ton Lichtenberg haben sie indes wohl
wenig Kleinodien und dergl. wegnehmen können, was das
Inventarverzeichnis bei der Übergabe des Schlosses vom Amt-
mann Hans V. Ostheim an Moritz v. Stein 1546 beweist^).
Die meisten der hier aufgeführten Gegenstände gehörten
zum katholischen Kultus in der Burgkapelle, in welcher jeden
dritten Sonntag der Kaplan der Ostheimer Nikolauskapelle
Amtierte. Damit war es nun nach Hans von Ostheims Ab*
gang zu Ende.
Am 24. Januar 1894 wurde in den ehemals henne-
bergischen Orten das d50-jährige Jubiläum der
Einführung der Eeformation
festlich begangen. Hatte auch das Amt Lichtenberg das
Becht, es mitzufeiern? Oder: wann ist in der Herr-
schaft Henneberg - Römhild die Eeformation
eingeführt worden?
1) „Ein übergoldet Kelch nnd Pathen, ein fibergnlt klein Patben
nnd Crenta, ein klein silbern Büchslein, darinnen man voneiten das
Sacrament gethan, ein braun liedisch Meßgewandt, ein allmao, Chor Bock
nnd Stolen, ein MeBbach, ein Amt, 2 Leuchter, 2 MeflkSnnlein, einen
alten Stein, eine Schelle, ein klein Gldcklein, einen großen Harnisch,
ein großer Schrank und alter Tisch in der großen Stabe, ein alter böser
Küchen schrank, eine alte Bettladen, 8 Messer, Jagden Buchsen.««
DtA ehtmAlige Amt Lichtenberg vor der Rh($D. 79
War 1521 Graf Wilhelm Ton Henneb.-SchleaBingen
sehr empört über den Yerdaoht, Luther auf dessen Heimreise
TOD Worms aus dem Wege geräumt zu haben, so stand er
doch seinem Beformationswerke durchaus nicht günstig gegen-
über. War doch in diesem Jahre erst sein Sohn Johann
Fürstabt von Fulda geworden (f 1541). Ais er aber 1543
die Begierung teilweise seinem Sohne Georg Bmst, dem
letzten Henneberger, überlassen hatte, liefs er es geschehen,
als dieser 1544 die Reformation in seiner Grafschaft (also
auch im Amte Ealtennordheim) einführte; ja er wurde noch
selbst, wenn auch spät erst (1548), dann aber ein um so
treuerer Anhänger tou Luthers Lehre.
In der Herrschaft B ö m h i 1 d wurde sie unbedingt nicht
gleichzeitig eingeführt Zwar beschwert sich Katarine, die
Witwe des Grafen Albrecht, 1557 beim Beichskammergericht
gegen Bischof Friedrich y. Würzburg wegen seiner Bedrückung
der Evangelischen zu Münnerstadt und beruft sich dabei
darauf, dafs die eyaogelische Beligion schon yor mehr als
20 Jahren yon den Brüdern Berthold (dem Herrn des
Amtes Lichtenberg) und Albrecht in ihren Landen eingeführt
worden sei, und Schultes nimmt daraufhin 1585 — das
Todesjahr yon Bertholds Yater — als das Jahr der Einführung
an ; allein wenn auch wirklich Berthold die eyaogelische Lehre
gleich bei seinem Begierungsantritte selbst angenommen haben
sollte — eingeführt hat er sie in seiner Herrschaft noch
lange nicht Er starb 1549 und wurde mit lutherischen
Ceremonien beigesetzt; seine Gemahlin Anna, geb. Ghräün
yon Mansfeld, war 1542 noch im katholischen Glauben ge-
storben. Magister Adam Büdiger starb 1569 als der erste
eyangelische Superintendent der Grafschaft „nach mehr als
22-]ährigem Dienste*'; er ist also etwa im Todesjahre Luthers
angesteUt worden. 80 yiel steht fest, dals unter Berthold es
im Amte Lichtenberg keinen als eyangelisch neuan-
gestellten Geistlichen gab.
Anfang Mai 1525 war Lichtenberg yon den Bauern
„ansgebrannt'' worden. Der damalige Amtmann, Hans y. Ost-
gQ Das ehMUftlige Amt Lichtenberg tot der Rhdn.
heim, dachte gewiüs stetB mit Unwillen an diese Tage zarüok
und hat sich nie mit LuthfiTB Werk, den er f&r diese (Greuel
yerantwortlioh machte, befreunden können, hat also seinen
Einäufs eher gegen als für die Einführung der neuen Lehre
geltend gemacht Noch nach Mich. 1548, also 2 Jahre nadi
dem Aufgeben seinm: Eegierung (wie man damals sagte)
trug er seine Besitzungen in den Ämtern Königshofen,
Seüslach etc. dem Stifte Würzburg zu Lehn auf, wodurch er
wohl seiner UnzuMedenheit mit den seit seinem Abgange im
Amte Torgehenden Neuerungen Ausdruck geben wollte. Bar
mit erledigt sich auch wohl von selbst die Frage nach der
Glaubwürdigkeit der Sage Ton einem Besuche Luthers auf
der Burg.
Nachdem 1648 Graf Berthold, durch Not gedrungen,
seine Herrschaft an die Brüder seiner yerstorbenen Frau, die
Grafen Joh. Georg und Joh« Albrecht von Mansfeld, yeiteuft
hatte, hätte man annehmen sollen, dals sie, die Freunde des
Beformators, bei denen er gestorben war, die Einführung
seiner Lehre sofort eifrig betrieben haben müisten; allein es
ist zu bedenken, dafs nach der Schlacht bei Mühlberg (1547)
und der Gefangennahme Joh. Friedrichs des Grofsmütigw
und Philipps Ton Hessen die Sache der Reformation eine
yeriorene schien. Gewifs behauptet Weinrich zuviel, wenn
er sagt: „Anno 1548 wurden auf Consens Herrn Albrechts
Grafen yon Mansfeld die pabstischen Ceremanien in der
Kirche zu Ostheim, wie auch 1553 durch einen Mönch zu
Sundheim vor der Bhön und Urspringen gänzlich abgethaa
und der evang. Gottesdienst eingeführt
Dieser Mönch, Jakob Thein, sdieint der erste evan-
gelische Pfarrer des Amtes gewesen zu sein. Yen ihm wei£i
der würzb. Domdechant Benkert 4n b. „Nordheim vor der
Bhön^ zu berichten, 1519 habe er das EarmeliterkloBter in
Neustadt a. S. verlassen, sei nach Ungarn gezogen, 1520
nach Wien und 1522 wieder nach Neustadt gekommen, wo
man ihn aber mit 4 Schilling Zehrung fortschickte. 1563
sei er Pfarrer in Sondheim geworden ; wo er sich inzwischen
Dm ehemalige Amt Liohteoberg vor der Bh5&. gX
nmhergetriebeD, wisse man nicht Man weiüs es aber doch jetst
aemlioh genaa. Seit 1528 hat er, in Würsbnrg geweiht, ein
geistliohee Amt in Thüringen yerwaltet. Bis 1644 war er eyan-
geliseher Vikar in Benshausen, wo man ihn ungern scheiden
sah; bis 1648 war er der erste Archidiakonos in Meiningen.
Hier war man sehr zufrieden mit ihm, nur dafs er etwas zu
loharf eiferte, z. B. von der Kanzel alle, die aus Ängstlichkeit
den Kelch sich reichen zu lassen sich scheuten, vermaledeite
und mit Leib und Seele dem Teufel zueignete, Namen zu
nennen drohte etc. ^). Bis 1568 war er Pfarrer in Stetten,
also doch wohl seit 1548, und dann in XJrspringen.
Ton da kam er 156S nach Sondheim, wo er am 12. August
1570 starb. Schon um 1628 mufs er ndk verheiratet haben
denn sein Sohn Johannes wurde sein Nachfolger in Stetten.
Ein 2. Sohn Jeremias verheiratete sich 1565; 1698 und 1601
kam er als aus dem Bambergischen vertriebener Pfarrer milde
Gaben heischend auch nach Sondheim. — Der zweite evan-
gelische Pfarrer des Amtes war Wolfgang Baswecker
Q Passacker ? Parsacke?), welcher am 4. Sept. 1549
durch Amtmann Moritz v. Stein ,,zu einem evang. Pfarrer
nadi Helmershausen verordnet" wurde. — In Ealten-
6 und heim wurde 1552 nach Absetzung des katholischen
Lesser Balthasar Schrei nei eingeführt. Geboren in
Mellrichstadt, war er 10 Jahre im Kloster Bildhausen Mönch
gewesen, bis er in Neustadt a. S. wegen einer evangelischen
Predigt über Matth. 7, 15 ff. eingesteckt und exkommuniziert
wurde. Die Belehnung mit der Slaltensundheimer Pfarrei
konnte ihm die Lehnsherrschaft (für das Benediktinerinnen-
kloster Bohr dessen Probst Bastian v. Weyhers) nicht vor-
enthalten. — Nach S 0 n d h e i m wurde 1658 nach Absetzung
^^ „gottlosen Papisten'^ Anton Böst (er wurde Frühmesser
1) Vgl. Genuaims Festschrift: Dr. Job. Forster, der henneb. Be-
formator (Neae Beitrüge etc. des Henneb. altertamsforsohenden Vereins
in Meiniagen, 18. Liefenmg), 8. 481 ff.; Urkunden S. 89 f.; Aber die
übrigen Pftunrer des Amtes Urk. S. SO ff.
32 I^<^ ehemalig« Amt Liebtonberg vor der Rbön.
in Nordheim) durch den Amtmann Fr. t. EünCsberg Wolf-
gang Passacker (so nennt ihn das Sondh. Erchboh.) ^)
von Helmershaosen berufen. — In Urspringen wurde in
demselben Jahre der katholische Pfarrer Johannes Braun-
gart') abgesetzt (er wurde Pfarrer im würzb. ünterelzbaoh)
und Jakob Thein, der sich persönlich in Fulda um die
Belehnung beworben, Ton Stetten hierher yersetzt*). -r- In
Wohlmuthausen war 1556 der altersschwache, aber auch
sonst ganz unfähige, „zehrhaftige*' ^) Kunradt Ghristoffel
y. Bibra (Bastard) Pfarrer, der vor 10 Jahren die Messe
unterlassen, dann aber wieder gehalten hatte. Die Visitatoren
gaben dem Schulthei(sen auf, um Gottes willen um seine
Emeritierung einzukommen. Sein Nachfolger wurde Johann
B p p i c h aus Nidda (Hessen) , der nach reformiertem
Gebrauche sine imposiHone manmtm ordiniert war. —
Gleichzeitig erhielt endlich auch Ost heim einen evan-
gelischen Pfarrer. Der bisherige katholische war Haus Zinn
„OsUheimengis^^ nach seinen Studien in Hall und Ingolstadt
ca. 1523 in Würzburg ordiniert und 1529 von der Pfarrei
1) Bei Reio (Zeitechr. d. V. f. tbttr. G. Y, 552) beifst er Parsacke.
2) Damals waren die katbol. Pfarrer sebr bftofig Ortseingeborene.
8) Bei der Visitation von 1666 dorcb Dr. Max Mörlin, Snp. in
Coborg, Mag. Job. Stdssel, Snp. in Heldbarg, and Landrentmeister Wolf
Blnmlein in Römbild klagt er, daüi er laut eines darob den Amtmann
Fr. V. Kfinftberg aofgeriobteten Yergleicbs seinem Vorgänger lebenslang
jäbrlicb 10 Mit Korn, 10 Mit Hafer, 2 Fader Hea and 1 Fader Grammet
liefern solle, wlbrend ibm dieser die Heberegister vorentbalte ; dals dessen
Sobn (!) einen Scbweinfarter Landsknecht Endres babe erkaafen wollen,
ihn, Tbein, sa erscbiefsen; da(s ein G6tz oder Marienbild in der Kirche
sei, vor welchem die Konkabine seines Vorgftngers, des abgesetsten
„Metspfaffen** aaeh später noch gekniet and gebetet habe etc., woraaf er
ermftchtigt warde, von seiner Besoldang nichts mehr an ihn abzngeben.
Jenes Marienbild, bis znletst bei den Katholiken der Umgegend im Ge-
rache der Wanderthfttigkeit and — sehr sam Vorteile des Opferstoeks —
viel besacht, ist 1841 mit der Kirehe verbrannt.
4) So beieiehnet ihn bei der Visitation die Gemeinde, da er „mit
seiner Alten" tiglieb anf die 9 grofse Mafs Wein haben müsse.
Das ehemalige Amt Lichtenberg yor der Rhdn. 33
Mellriohstadt mit der zu Ostheim belehnt. Der neuen Lehre
stellte er sich feindlich ^genüber, bequemte sich aber, als
der neue, besonders eifrige Amtmann Fr. v. Eünfsberg (seit
155S) ihm hart zusetzte, doch dasu, die Messe aufzugeben
nnd das heilige Abendmahl in beiderlei Gestalt zu reichen
aber nur unter Fortgebrauch der lateinischen Sprache), wie er
auch nach evangelischem Ritus taufen muDste^). Am 13. August
(Sonntag nach Laurentii) desselben Jahres hielt der Pfarrer
Paul Schmidt (Faber) aus ftömhild die erste evangelische
Predigt; ,,Gott gebe, das wir gebessert werden zu gottes ehr
und unsser selenn heyl" (8). Im folgenden Jahre ersuchten
die „Oanerben^'y wie sich die Ostheimer Edelleute mifsbräuch-
lich nennen liefsen, in ihrem und der Gemeinde Namen den
Oberamtmann Ohr. Stammer zu Römhild, den Magister Adam
Rildiger nach Ostheim zu senden, um ihren Pfarrer Zinn in
der evangelischen Lehre, von der er noch wenig verstünde,
zu unterweisen, was ihnen unter der Bedingung gewährt
wurde, den Magister, „wenn er seinen Weg wieder anheim
nehmen wird, wyderumb zu geleytten, damit er vor bösen
Buben zu sein gewarsam sicher zurück kommen möge". Zinn
blieb aber „ein neutralis, denn er leider das Papsttum oder
die Meß nie angetastet, auch andere, so die päpstischen
Greuel angegriffen, nicht hat um sich leiden wollen". Sein
Leben wollte er zum Pfände setzen, wie er noch in einer
Predigt sagte, dafs sie ebensoviel empfingen unter einer Ge-
ltalt, als unter zweien; gegen den Kaplan^) murrte er, wenn
dieser anders lehrte. Da er überdies ein ärgerliches Leben
1) „Baltzer Maßeogeil set. sa» 84 begraben. Ist dieser Mafiengeü
der erste gewefien, der nach Beformirung des Pabstumb alhier zu Ostheim
evangelisch getanfft worden'* (Osth. Krchbch., 1686); schon 1652, von
Thein?
S) Sebastian Holser, 1554 von Fr. ▼. Kfinfsberg berufen, ein junger,
tfiehtiger Mann, aber noch nicht examiniert und ordiniert. Er wurde von
den Visitatoren bestStigt, aber angewiesen, sich zu Neujahr in Jena zum
Examen und zur Ordination einzustellen, wozu ihm die Gemeinde 2 Thaler
zur Zehmng zu geben habe.
34 ^'* ehemalige Amt Lichtenberg vor der Rhön.
führte und, was den Eyangelischgesinnten besonders anstofsig
sein mufste, ^^den Ehestand yeraehtete'', „sieh mit Konkubinen
beholfen'', auch „seine Kinder der Schmaoh nicht erledigt"'
so wurde ihm, obgleich die Edelleute, mit denen er ,,zechte
und schlemmte^' und die ihn bisher gehalten hatten, drohten,
Jeder ohne ihre Zustimmung berufene Pfarrer werde wenig
Olüok oder Förderung bei ihnen haben, am 19. Dez. 1656 von
den Yisitatoren jede fernere Amtshandlung untersagt und auf-
gegeben, bis Epiphanias das Pfarrhaus zu räumen, eveni aber
auch Wiederanstelluog in einer evangelischen Gemeinde in
Aussicht gestellt Zu seinem Nachfolger und zugleich erst^
Superintendenten des Amtes bestellten sie den Pfarrer Paul
Schmidt aus Eömhild ^ ). Ihm gaben sie u. a. auf, dafür
zu sorgen, dafs alle Pfarrer Kirchenregister anlegten und alle
„abgöttischen'' Bilder und überflüssigen Altäre »^soviel mög-
lich still ohne Tumult" aus den Kirchen schafften, daÜB die io
der Ehön gebräuchliche Unsitte, wonach die Weiber jeden
Toten zu Grabe trugen, abgeschafft werde etc. Die Gemeinde
aber sollte den alten Mann, so nunmehr in grofser Ver^
Buchung, nicht lassen Ton jemand höhnen, sondern ihn zu
gewinnen alles Guts beweisen und für ihn beten *), die
Kirohenomate für den evangelischen Gebrauch umändern
lassen und das Übrigbleibende, wie auch die Kleinodien der
Kirche, als Monstranzen etc. zu Gelde machen zum Beeten
der Kirche etc« — In Nordheim waren die sächsischen
und die v. d, tannischen Unterthanen natürlich ihren Herr-
schaften im Konfessionswechsel nachgefolgt, wie auch die
meisten würzburgischen samt ihren Pfarrern von der katho-
lischen Kirche abfielen ^).
1) Sein dortiger Nachfolger wurde Mag. Adam Bfldiger, weicher
als Superintendent der Grafschaft bisher kein eigentUches Pfarramt hatte.
2) Die Edellevte stellten in ihrem ganerbschaftlichen Wilmars an.
8) Erst nach der gewaltsamen Gegenreformation des Bischof« Jnlins
1585 wurde der lichtenbergische und der tannische Teil Ton Nordheim
dem Sondheimer Pfarrer als Filial überwiesen.
Das eheiiiAUpft Amt Lichtenberg ror der Rhön. g5
Damit war die Einfühnmg der EeformatioB im Amts-
besirke vollendet, wie sie aueh in der ritterschaftliohen Um-
gegendy soweit deren Bewohner nicht jüdisch waren, nun
durchgeführt war. Zwar wird nicht berichtet, daCs man bei
dieser Einführung viel Federlesens gemacht oder die Ein-
gesessenen erst um ihre Zustimmung gefragt habe. Wenn
aber der ka^olische Pfarrer Jäger selbst eraählt, dafs die
ganze Umgegend von Würzburg und ^/^ des ganzen Herzog-
tums Franken von selbst — noch dazu sehr gegen den
Willen des FürstbischofB — der Lehre Luthers zugefallen
sei, so läiÜBt sich daraus schliefsen, dafs es bei der Einführung
derselben im Amtsbezirke nicht gerade grolser Gewaltmittel
bedurft hat. Und selbst wenn hier und da eine Härte mit
untergelaufen sein sollte, so steht sie doch in keinem Verhältnis
SU derjenigen, mit welcher 30 Jahre später Bischof Julius
seine verirrten ünterthanen zur katholischen Wahrheit zurück-
zuführen und diese wieder „tief in ihren Herzen zu gründen"
verstand. Damals wanderten allein in Ostheim 12 aus seinem
Herzogtum Franken vertriebene Familien ein.
Aus dem Jahre 1553 ist noch zu erwähnen, dafs das
Stift Fulda sich einmal regte, seine Pfandherrlichkeit über
das Amt Lichtenberg geltend zu machen ^). Fürstabt Wolf-
gang schrieb nämlich „denen Manßfeldischen Bevelchhabem
zu Bömhilde", er habe erfahren, sie unterstünden sich und
liefsen den Hain (Höhn); „so fast das beste Claynodt zum
Ampt Lichten bergk gehörig, abhawen, verkeüffen und ver-
wuesten^', und verlangt „solich Unser Eygenthumb unveringert
zu lassen" — ,^ed egregie ludibrio haUtae sunt litterae, ne
rßsponso qmdem dignae judiccUae, qua in re fuUenses
1) Nach Senckenberg stand dies mit der eben behandelten Be-
wegung aaf kirchlichem Gebiete in Zusammenhang: t^Nec unquam de
^Uqua rdmtümit prcetenBÜme^ vd ptr «omnuim eogiUuaerU prmeipes abbatet
ßdden$e»f niti dfimenüaB rdigionü in Germamia nc^otia mewUm mviare
gg Das ehemalige Amt Lichtenberg v^r der Bhon.
acquievere!'^ — JedenfallB ist hiemach Schnltes' Behauptung,
Fulda habe nie eine Pfandherrlichkeit geltend gemacht, weil
eine solche ihm nie zugestanden, und es habe deshalb in den
Jahren 1722—1787 auf den Wiederkauf zu dringen kein
Becht gehabt, eine irrige. Auch mit dem seiner Ansicht
nach viel zu ausgedehnten Beyers, welchen 1649 die Grafen
von Mansfeld dem Stifte Fulda ausstellten, und in welchem
es hiefs, dafs der Landgraf yon Thüringen seiner Zeit Sal-
zungen und Lichtenberg vorbehaltlich der Eechte Fuldas an
Mainz, und dieses dieselben „Affter Pfandts Ways" an Henne-
berg abgetreten habe, und dafs, wenn Fulda sich mit Mainz
abfinde, sie die Pfandobjekte Fulda „als dem Eigenthumbs
Herren freundtlich einräumen'' wollten, hatte es doch wohl
seine Ordnung. Übrigens werden wir noch mehr Fälle
kennen lernen, in welchen Fulda sein Pfandrecht geltend
machte.
Femer ist noch eines Schriftenwechsels zwischen den
Schreibern der Grafen Wilhelm von Henneb.-Schleusingen und
Albrecht von Mansfeld(-Bömhild) aus dem Jahre 1553 zu ge-
denken. Auf die bezügliche Anfrage des ersteren berichtet
der mansfeldische Schreiber, er habe mit seinem Herrn über
die bewufste Sache („Lösung** des Amtes Lichtenberg) ge-
sprochen, und dieser habe erklärt, da das Amt einmal ver-
kauft werden solle, so gönne er es niemand lieber als dem
Grafen Wilhelm. Der beabsichtigte Handel kam jedoch aus
irgend welchem Gmnde nicht zustande, und Graf Albrecht ver-
tauschte das Amt, nachdem er, wfe Schultes berichtet, auch
schon mit Würzburg in Eaufunterhandlung gestanden, welche,
wenn sie von Erfolg gewesen wäre, die Bekatholisierung des
Amtsbezirkes zur Folge gehabt hätte, 1555 gegen Oldisleben
und 50 000 Gulden bar an die Herzöge von Sachsen, die
Söhne Job. Friedrichs des Grofsmütigen. Die Grafen Stolberg
prozessierten wegen dieses Verkaufes bis 1672.
Als zu jener Zeit die Einteilung des Beiches in Kreise
ihre feste Bestimmung erhielt, wurde Amt Lichtenberg ^^
Dm ehtmalic^ Amt Lichtenberg vor der Rhön. 87
sächnBoh £um oberBäohBisohen , Ealtennordheim als heDne-
bergisch lum fränkiichen gesohlagen.
Durch den Beligionsfrieden yon Aagsborg, 18. Sept.
1655 y wurden die jura episcopalis in den Ländern evan-
gelischer Fürsten diesen endgiltig übertragen, so dafs alle
bisherigen Ansprüche des Bischofs von Würzbarg auf Aus-
übung dieser Bechte im Amte Lichtenberg nun für immer
beseitigt waren.
Kaum war die eyangelische Kirche im Beiche einiger-
mafsen anerkannt, so entstand auch schon innerhalb derselben
das anstöfsigste Theologengezänk, in welchem leider auch die
Fürsten in einseitigster Weise Partei ergriffen. Im Jahre
1562 trieb Herzog Joh. Friedrich der Mittlere mehr als 40
flacianisch gesinnte Geistliche mit Weib und Kind aus dem
Lande, u. a. den Sondheimer Pfarrer Basilius Michel, ver-
mutlich auch den Stettener Böisner. Als der Herzog 1567 wegen
seiner Beteiligung an den Orumbachschen Händeln in die Acht
erklärt und zu lebenslanger Haft nach Österreich abgeführt
worden war, übernahm 1568 sein Bruder Joh. Wilhelm,
nachdem er die Hugenotten in Frankreich hatte bekämpfen
helfen, die Begierung, vertrieb die Anhänger Strigels aus
ihren Ämtern und setzte flacianische ein — so als Super-
intendenten der Grafschaft jenen Bas. Michel. Als die Län-
der des unglücklichen Joh. Friedrich des Mittleren seinen
unmündigen Söhnen Joh. Kasimir und Joh. Ernst unter der
Yormundschaft der Kurfürsten Ludwig, Pfalzgrafen bei Bhein,
und August V. Sachsen und des Markgrafen von Brandenburg
zurückgegeben waren, hatte Kurfürst August nichts Eiligeres
zu thon, als sämtliche flacianische Geistliche dieser Landes-
teile (9 Superintendenten — unter ihnen wieder Bas. Michel
in Bdmhild — und 95 Pfarrer) abzusetzen. Die Geistlichen
dee Amtes blieben diesmal sämtlich auf ihren Stellen.
In dieser Zeit scheinen in der ganzen Gegend die Dorf-
maaem als Schutzmittel in Kriegszeiten teils neu erbaut, teils
erneuert worden zu sein; wenigstens ist letzteres von Ost-
g3 I>M ebemaKge Amt Lielit«iib«rK ror d«r Bhön.
heim, Nordheim, Sondheim und Stetten nachweiebar. Noek
in der Amtsbeschreibung von 1764 heilst es: ,|Ostheim,
Sondheim, ürspringen» Stetten, Kaltensundheim und Mittels-
dorf sind mit einfachen Mauern, auch die meisten Kirchhöfe
mit einlacher oder doppelter Mauer, von den alten, unseeligen
Eriegszeiten her verwahret (auier die SehafhäuXber und Mel-
perser Kirchhöfe nicht); Helmershausen , Wohlmuthausen,
Oertbausen, Schafhausen und Melpers sind unbemauerte^
ofP'ene Orte, doch ihre Kirchen mit Mauern umgeben/' In
älterer Zeit war auch Helmershausen durch eine Dorfmauer, der
Melperser Kirchhof durch eine Mauer befestigt (Bd. YUI, 884).
Um jede Dorfmauer führte ein Graben, den wieder ein Domen-
zaun umgab. Der Kirchhof um die Kirche herum, die immer
auf einer höher gelegenen Stelle angelegt war, war am meisten,,
mit starken Mauern und Türmen befestigt, wie es in Ostheim
und Kaltensundheim noch am besten zu sehen ist, und bildete
mit seinen „Gaden" oder „Hüttenstätten^ (überbauten Kellern»
wie man sie in Ostheim und Sondheim noch in Gebrauch
sehen kann) den letzten Zufluchtsort der Einwohner in den
unaufhörlichen Kriegen und Fehden des Mittelalters und be-
sonders noch im 80-jährigen Kriege. Es mag auf einen firied-
liehen Wanderer einen eigentümlichen Eindruck gemacht
haben, wenn er die Gegend übersah und überall, auch im
Würzburgischen, kleine Festungen erblickte, wo wir jetzt
friedliche Dörfer sehen. Die Landstrafsen führten stets aufsen
an den Dörfern Torüber; die in dieselben fuhrenden Thore,.
welche hinter den Thorftügeln oft noch mit Fallgattern ver-
sehen waren, waren mit Thorhäusem überbaut. Wollte ein
Fremdling eintreten, so hatte er erst ein scharfes Examen
des Thorwarts („Thorberts") zu bestehen: öuis? quid? ubi?
quibns auxiliis? cur? quomodo? quando? Nachts, an Sonn*
und Festtagen während der Gottesdienste, an einigen Feier-
tagen unerbittlich den ganzen Tag (z. B. an den BuTstagen}
blieben die Thore verschlossen. So wurde es z. B. in Sond-
heim noch bis 1840, bis der grofse Brand die Thore beseitigte^
gehalten; ja, hier waren sie noch zu Anfang unseres Jahr-
Das eh«BaSge Amt Liehtonberg vor der RhSo. 39
IttidertB «aoli während der zahbreichen WochengotteBdienste
Tcnehlossen geblieben. —
Im Jahre 1572 ,,i0t Behr ein grauBamer kaltter winder
gewest, deigleiehen bey manB gedenoken nicht gesehen, mit
groften langwierigen sohneh und unseglicher keltt, in welchem
sdir yiel leudt hin nnd wider erfrom fanden". Am 5. Dez.
liaiten sich 3 Stettener Binwohner y^mit Erbeisen, do in dem
Jar 1 maa ^/^ fl gaK", nach Neustadt sum Niklasmarkte auf-
gemacht ; am 8. wurden sie samt einer Frau aus Oberelzbach
„TOQ schnehe sugewebetf* und erfroren gefanden und in
Sandheim in ein Orab gelegt (Stett Erohbch.). 16 Kinder
waren durch diesen' Unglücksfall verwaist (Sondh. Krchbch.). —
Im Jahre 1676 trat infolge der „großen geschwindter
thenre Zeit^ und des damit verbundenen Elends die Pest in
▼erheerender Weise auf. In Sondheim starben 109 Personen;
der Begräbnisplatz im Kirchhofe wurde zu eng, weshalb der
jetzige Friedhof aufserhalb desselben angelegt wurde. Aus
den übrigen Amtsorten fehlen die Nachrichten; sehr grofs
war die Sterblichkeit in Eatzingen, Würzbarg etc. —
Durch den 1555 zu Kahla zwischen Herzog Joh. Fried-
rieh dem Mittleren von Sachsen und Fürst Georg Ernst
T. Henneberg abgeschlossenen Erbvertrag hatte für den Fall
des AusBterbens des Hauses Henneberg das emestinische Haus
Sachsen das alleinige Erbrecht auf die henneberg-schleusing-
Bchen Länder erworben. Dieser vorausgesehene Fall näherte
sich immer mehr seiner Verwirklichung. Georg Emsts beide
Ehen waren kinderlos geblieben, und er war ein alter Mann.
Sein noch katholischer Bruder Poppo war deshalb mit päpst-
lichem Dispens aus dem geistlichen Stande ausgeschieden und
liatte sich verheiratet; aber 1674 war auch er kinderlos ver-
storben. Nun benutzte Kurfürst August v. Sachsen als Yor-
nmnd der Söhne des gefangenen Joh. Friedrich des Mittleren
die Gelegenheit, sich auch einen Anteil an dem hennebergi sehen
Erbe zu sichern; er lieXs den Erbvertrag in Dresden fölschen
ond sich vom Kaiser das Anrecht auf ^/^^ der Erbschaft
verbriefen. Als nun 1682 der 71-jährige Georg Ernst er-
90 ^'* ehemalige Amt Lichtenberg ror der BhÖn.
krankte, erliefe der fürstliche Erbschleieher unter dem 4. März
an Arnold y. Heldritt, Oberamtmann der emestinisolien Herr-
schaft Eömhildy den Befehl, sofort nach Eintreffen der zu
erwartenden Todesnachricht „sich unseümblich bey tag und
nacht gegen Meyningen zu verfügen'', für ihn Besitz zu er-
greifen und die Erbhuldigung einzunehmen. Indes starb Georg
Ernst erst im Januar 1688 (zu Henneberg, im y. Trottschen
Hause). Am 9. wurde er in Schleusingen beigesetzt, wobei
das fürstliche Wappen zerschlagen und mit dem zerbrochenen
Petschaft in das Grab geworfen wurde — abjeCtYs est
CLypeVs fortlVM, CLypeVs SaVL aC sl non fVIsset (2. Sam.
1, 21)! .
Bis zur Beilegung der nun zwischen den beiden Linien
des Hauses Sachsen folgenden Erbstreitigkeiten, welche erst
1660 erfolgte, wurde eine gemeinschaftliche Begierung unter
einem „Statthalter'' oder „Oberaufseher*' mit dem Sitze in
Meiningen (später in Schleusingen) eingerichtet. Amt Lichten-
berg, seit 1548 überhaupt nicht mehr hennebergisch, gehörte
nach wie yor der emestinischen Linie.
Zwei Jahre nach dem Erlöschen des Hauses Henneberg
reiste Bischof Julius yon Würzburg in seinem Hersogtume
Franken umher, um Luthers Lehre, welcher 8 Viertel seiner
Unterthanen anhingen, in demselben auszurotten. Obgleich
Gerichtsherr des Yordergerichts und der yielen ritterschaft-
lichen Orte der Gegend, mulste er diese doch bei ihrem
Glauben lassen.
Nach der Absetzung des Fuldaer Eürstabts Balthasar
(1676), der die Gegenreformation in seinem Stiftsgebiete mit
noch grölserer Härte betrieben hatte, war Bischof Julius Ad-
ministrator des Stiftes Fulda geworden. Dies benutzte er,
als nach der zwischen den Brüdern Job. Kasimir und Joh.
Ernst 1596 erfolgten Länderteilung der letztere sich im Amte
Lichtenberg hatte huldigen lassen, um im Namen des Stiftes
feierliche Verwahrung gegen diese Huldigung einzulegen,
mufste sich aber, da es dem Stifte zur Zeit zur Wiederlösung
des Pfandes am Nötigsten fehlte, eine einfache Zurückweisung
0M fllieiiial%* Amt Lkhtenberg ror der £hdii. 9}
^M ProtetteB gefallen lassen. Als 1602 Abt Balthasar to
Kaiser wieder eingesetst war wnä die Huldigaiig wieder ein-
nahiDy maehte er audi auf die des Amtes Lichtenberg An-
spneby wurde id>er ebenfalls damit abgewiesen. OleiohwoU
sehrieben seine Räte nebst den kaiserliohen Kommissaren, als
sie in Yaelia und Zella die Huldigung eingenommen hatten,
an den Amtmann Hammersohmidt: „Es lassen die Herren
.subdelegirten Commissarii und Fuldaisohe Abgesandten dem
Fftrstl. Ambtmann auf Lichtenberg noohmals und zu allem
OberfluB hiermit erinnern , da0 sie auf nechsteingehenden
Freitag d. 7. Februar. siUi novi ^) früher Tags-Zeit 2u Ost-
heim ankommen, und allda yorigen Zusehreiben gemäA die
Erb- und Land-Huldigung einnehmen wollen, derowegen er
alle diejenigen, so in solch Amt und Pfandsehilling gehörig
seyen, daselbsthin gewÜhch wolle Torbescheiden lassen, di^mit
dieser Actus desselben Tages schleunig expediret und nicht
Tcrgebliehe Mühe und Unkosten angewendet werden, und
eejn gleich Naohrichtung halber bey Zeygern seine schriftliche
Antwort gewärtig. Datum uff Zella am lotsten Januarü
1603 sHL nmf.*^* — »,Bie Schösser zu Lichtenberg und Sal-
aungen haben ihre empfengene Zettul wieder zurück geschickt,
mit fMner schriftlichen Anzeige, dai sie nicht befehliget,
deswegen Schreiben anzunehmen oder etwas vorgehen zu
hissen" (Heim). —
In den beiden nächsten Jahrzehnten loderten mehr als
je die Scheiterhaufen auch in unserem Amte für die Opfbr
des Hexenwahnes. Sonst ist bis 1623 nichts Ton besonderen
Yorfängen in demselben zu berichten« —
Inzwischen tobte im Reiche seit 5 Jahren
der dreilsigjährige Krieg,
dessen ganze Ckeuel auch der Amtsbezirk noch in 25 langen
Jahren erlahren sollte. — Eine zusammenhängende Geschichte
dsr Kriegsereignisse im Amte läfst sich natürlich nicht geben,
1) 8 Jalire rorber war der Gregorianigohe Kalender eiogefUhrt ; die
ffoUttanÜtchen Herrschafteo nahmen ihn erst 1700 an.
ivn. 7
j
92 I^ ehemalige Amt Licbtenberg vor der ftbSn.
da nicht alles Wissenswerte auflg^eseiohnet und nicht alles
Aufgezeichnete auf uns gekommen ist. Nur einzelne Streif-
lichter fallen in dem Dunkel dieser Zeit auf einzelne Orte,
aber genug, um auf alle anderen und auf die ganze Ze^
schlielsen zu lassen.
Zunächst berichten der Stettener Chronist und das dor-
tige Kirchenbuch, dsTs am 17. Okt 1623 das wfirzburgische
Regiment Truchsefs, 1884 Mann mit 6 Fahnen und 268
Pferden, in Stetten Quartier genommen hat, ,yund haben übel
gehauset''. Der 80-jfthrige Yalten Spät, der als Ffthrer „mit
den durchziehenden Kriegsleuten hin und her laufen" mufste^
bekam in dem großen Schrecken eine hitzige fiebrige Krank-
heit, redete irre und „melancholirte" ; erst kurz vor seinem
Tode (24. Nov.) kam er wieder zum Bewufstsein. Am
29. November kamen wieder 824 Mann mit 2 Fahnen und
136 Pferden. Die Kosten betrugen damals für Stetten
2806 fl. ») 1 1 Pf. Die übrigen Orte waren natürlich ähnlich
heimgesucht.
1624 traten die Blattern („Ursohlechten'') epidemisch auf.
1625 rückte am 2. September ein Begiment Wallen-
steinische (,>Kriegs Volck bey 8000** nach dem Krchbch.) i»
Stetten ein, „so die Nacht alhier übel gehauset''. Fe blieb
bis zum 8. September; die Stettener Kostenrechnung betrug
1314 Gulden; die Vorgänger hatten das Beste schon weg.
In diesem Jahre sah Fulda seine Zeit gekommen, das
Pfandamt Lichtenberg nebst halb Salzungen von Sachsen
zurückzukaufen. Der Abt Bernhard schickte deshalb eine
Deputation nach Eisenach, die dem Herzog Job. Ernst von
Sachsen - Eisenach die Wiederkaufsumme anbot Als dieser
den Handel zurückwies, klagte der Abt beim Kaiser und er-
langte auch das Mandat, „es möchte der Hertzog bey dieser
Sache sich also gutwillig bezeigen, damit des Abts zu Fulda
Andacht zu demjenigen, wessen er befugt» gelangen möge .
1) Et sind immer fränkische Gulden (— ly« fl. rh.) k iM ^' **^
verstehen.
Das ehemalige Amt Lichtenberg ror der RhSn. 93
Als 68 dem Herzog behändigt wurde, nahm er, aus Bohuldigem
BeBpekt vor dem EaiBer, es zwar entgegen, aber mit feier--
liohem Protest. — Später, am 25. März 1628, erlangte Fulda
ein zweites kaiserliches Mandat; der Herzog antwortete, „dafs
es sehr bedenklich, wenn, Ton so Tielen hundert Jahren und
nach so vielen Veränderungen und Belehnungen am Reich, so
Tiele Malus gemacht werden selten ; man hätte die gwesttonir-
ten Ämter jederzeit als ein Eigenthum besessen, gestünde dem
Abt zu Fulda daran nichts, und mtiste mit dem gesamten
Fürstl. Hause zuförderst darüber communiciren'* etc. „So ist
mir aber wegen bekannten zerütteten Zustandts, immer-
währender Eriegs-Ünruhe , continuirenden beschwerlichen
Land - verderblichen Durchzügen und Einquartierungen, damit
ich und mein weniges strichlein Landes, leider! gantz un-
schuldiger Weise diese Jahre hero biß auf diese Stunde der-
massen gedrängt, geplagt, gepreßt und verderbt, daß nunmehro
nichts anders als (GOtt und Ewr. Eajserl. Majestät erbarme
sich) gäntzlicher Ruin und Untergang (wie Ewr. Kayserl.
Majestät ich mehrmals wehmüthigst geklagt und allergnädigste
Resolution und Rettung mit höchstem Verlangen nochmals
bitte und erwarte) vor Augen" etc, (Wm.). Unter dem Drange
der nun folgenden Kriegsereignisse verging es bald auch
dem Abte, die Sache weiter zu verfolgen, und nachdem er
1682 als Kriegsmann bei Lützen gefallen, blieb sie wieder
ein Jahrhundert lang liegen.
Inzwischen hatte Herzog Johann Ernst, dem Beispiele
seiner weimarischen Vettern folgend, die Ausbildung einer
Laudmiliz, des „Ausschusses" (s. u.), angeordnet, „um jode
Einlegung von Kriegsvolk zu vertreiben". Allein die fremd-
ländischen Horden haben allezeit wenig nach dem Widerstände
des Ausschusses gefragt.
Vom 24. Dez, 1627 bis 26. Jan. 1628 lag eine Tillysche
Kompagnie in Ostheim; Stetten trug es 275 ^/^ fl. bar, 85 fl.
8^/, btz. an Viktualien, 41 Mit 5 Ms. Hafer und beim Ab-
züge 90 fl. für die Offiziere. Am 25. April 1628 lagen
Kaiserliche in Stetten und Urspringen, was jeden dieser Orte
94 ^'* ehemalige Amt Lichtenberg vor der Rhön.
einige Hundert Gulden kostete. In Sondheim konnte ,,wegeii
einquuürten KriegsvolckB*' unter Bittmeister Wettengel eine
Taufe nicht in der Kirche, sondern mufste dieselbe im Pflurr-
hause abgehalten werden. Am 26. Juni wurde Stetten um
86 fl. gebrandschatzt. Vom 19. August an lag wieder eine
Tillysohe Kompagnie, und fast ein Jahr (bis 9. August 1629)
in Ostheim; alle Amtsdörfer mufsten beisteuern; unaufhörlich
liefen deshalb Klagen und Beschwerden beim Amtmann ein.
Wöchentlich trug es dem Amte 417 fl., im ganzen 21267 fl.
Unkosten. Zur Aufbringung dieser Summe wurde eine Land-
steuer in 11 Terminen ausgeschrieben.
1629 am 30. Juni lagen in Stetten 3 Kompagnien Wallen-
steinische; die Kosten beliefen sich auf 585 fl. Im Sauhirten-
hause lag ,,eine arme yerstüm miete Edle fraw aus der Pfaltz'S
welche, „als sie im Elend 8 Jahr sich hin und her führen
lassen", von bayrischen Soldaten durch einen Schufs verwundet
worden war, und nachdem der Pfarrer sie „berichtigt" (mit
dem Abendmahl versehen), starb. — In demselben Jahre
muTste Helmershausen wegen Brandschatzung der „kaiserl.
kroatischen Völker" seine Mittelmühle nebst Garten für
1800 fl. verkaufen.
Im folgenden Jahre drohte der Amtmann dem vorjährigen
Helmershäuser Schultheilsen samt den Dorfsmeistem „Turm-
strafe*' auf Lichtenberg an, wenn nicht binnen 3 Tagen die
rückständige Schätzung von 87 fl. entrichtet werde. Als
dann an dieser Summe noch etwas fehlte, mulÜBte der neue
Schultheifs mit einigen Kollegen aus anderen Orten bis zur
völligen Abzahlung der Beste im „grünen Löpsen Haus" sti
Ostheim unfreiwilliges Quartier beziehen. Später wurde der
ganze Helmershäuser Zwölferstuhl eingesteckt, bis eine Schuld
von 100 fl. an den Amtmann abgetragen war. Die Gemeinde
muTste die Summe bei dem derzeitigen Besitzer der Kobl-
hausen, Jäkob Schott (v. Schottenstein?), und bald daraitf
175 fl. bei dem Kaltensundheimer SohultheifJsen borgen. Zur
Bezahlung der rückständigen Steuern etc. mufsten Gemeinde-
äcker zu Schleuderpreisen verkauft werden.
Du ehemalic^ Amt Lichtenberg ror der RhSn. 95
1631 am 12./22. Jnni (2. Trinit.) zog der wärsbargisohe
Anssehofsy 1400 Mann, auf der oberhalb des Priedhofe bin-
fübrendeo StrafBO an Ostheim vor&ber und hat dabei über
die hinter den geschlossenen Thoren stehende Bftrgerschaft
^yiel böser Höhn und Schmehwort ausgegossen''. Ein Teil
kam yor das Fallthor und schien den Einlaüs mit Oewalt er-
zwingen zu wollen, „und begehrt, mann solt sich orderen^
ob man Eeyserisch wer oder nicht: do deme also, würde
man ihnen ja die Thor öffnen, wo aber nicht, weiten sie mit
gewalt uffschlagen und alles nidermachen, waß sie antreffen
würden**. Sie zogen jedoch weiter, in das Amt Fladungeo»
Anderen Tages kamen sie zurück, „do sie abermals ein
Schrecken anter die Leut gejagt, iindemalen sie sich obem
Katzen haukh in 2 hauffen getheilt, darnach ein Hanf im
Ständig hinüber: der andere hinderm Kirchof hinabgezogen^
und hat noch ein häuf im Stockbeimer Feld mit fliegenden
Fahnen gehalten, also da0 es das Ansehen gehabt, sie wurden
Ostheimb (wie sie offt getreüet) überfallen, doch sind sie ihren
weg fortgereiset*'. — Am 17. August quartierte sich eine
Abteilung Kaiserliche, die von dem zerstörten Magdeburg
herkam, mit 580 Pferden in Stetten ein. — Am 18. August
wurden Tom würzburg. Ausschufs die fuldaischen Grenzen
besetzt und am 20. die ritterschaftliche, eyangelische Tann
ausgeplündert. „Den 24. sind sie in der Nacht umb 10 Uhr
wiederumb gar still (an Ostheim) vorübergezogen, besorgend,
wenn man sie höret, es mögten ihnen die Thennische beuten
abgejagt werden; haben also einen herlichen Sieg au der
armen Thann erhalten und groBen Buhm erjaget*'. — Am
27. August zogen die kaiserL Obristen Fugger und Spanier
mit 12 000 Mann (18 Komet Heiter und 12 Fahnen Fufsvolk)^
samt 4 Stück Oeschütz aus dem Zeughause zu KOnigshofen,
»,viel wägen, huren und Böbelgesind" an Ostheim vorüber;
„haben in den Dorffschafften vor der Bhön, Fladungen,
Northeim und Stockheim qua/rtiret und übel gehauset**. Ost*
heim erkaufte sich Befreiung von der Einquartierung durch
Zahlung von 100 Thlr. und 1 Ooldgulden; es erhielt 2 Mann
96 I^M ehemalige Amt Lichtenberg vor der Rhön.
Salvegarde, welche 6 fl. bekamen. — Am 28. August zogen
4 Fähnlein, die in Stockheim gelegen, die Sulz hinauf, plün-
derten Wilmars, Filke, Schmerbach, wo sie an 4 Stellen Feuer
anlegten, nahmen in Gerthausen 42 StCLok Vieh weg und
plünderten Erbenhausen samt dem Kirchhofe aus. Helmerg-
hausen mufste 13 Ctr. Brot, 7 Gtr. Fleisch, 5 Hammel, 4
Hühner, 2^/, Schock Eier und 1 Kartei Fisch liefern. Natur*
lieh kamen die übrigen Orte nicht ungerupft davon. — Nach
Gustav Adolfs Siege bei ßreitenfeld am 7. September zogen
einzelne kaiserl. Offiziere mit Scharen von Flüchtigen plün-
dernd und yerwüstend durch das Amt. Am 16. nahm der
kaiserl. Obrist Aldringer Schlofs Maüsfeld ein und liefs einen
Kommissar, Nik. de la Costa, mit einer kleinen Besatzung
darin zurück. Am 8. Oktober zog eine schwedische „armada''
unter Graf Baudissin den Werragrund herauf, nahm Schlofs
Mafsfeld wieder ein, entliefe aber den kais. Kommissar aus der
Gefangenschaft. — Am 17. und 18. September lag Obrist
Schrenck mit 18 Kompagnien Reiter und Fufayolk „neben
der artüerey** zu Nordheim und Sondheim ; den 24. 3 Kom-
pagnien unter Obrist Graf Solms in Waldbehrungen, Sond-
heim, Nordheim; am 28. quartierte sich wieder eine grofse
Abteilung in Sondheim ein. — Am 15. Oktober erschossen
die Schweden in Ostheim 2 Personen, die sich in Stookheim
fllr Schweden ausgegeben hatten. — Nachdem die Schweden
am 18. Oktober die Citadelle Würzburgs, in welche alle
Schätze Frankens in Sicherheit gebracht worden waren, er*
stürmt hatten, „da ist alles bei den Papisten flüchtig geworden
iindt auBgeriBen, undt ein solches Schrecken undt Furcht unter
sie kommen, daß es nicht außzusprechen ist; allein sie haben
uns arme lutherisch zuvor das gebrandt leit angethan^' etc.;
„da seind sie uffs Feldt, ins Gehöltz und berg umbher gc
lauffen, gar viel zu unß alhiero kommen, gantz nicht wiederumb
anheim ''gewollt, etzliohe Tage alhiero und anders wo, wie die
yeriagten Hasen in der Irre umbhero gangen, biß sie sich
endtlioh .wiederumb ermannt undt sich allgemachsam anheimb
mit großen Furchten begeben; allein ihr Yiehe ist ihnen
Dm themalige Amt Lichttnberg Tor der Bhöo. 97
weit und breit herümb fut alles genommen worden^ haben
groie Cantiribution wiederumb geben müBen; die Pfaffen
haben sich sambt dem Bieohoff undt andern Prälaten und
Beampten fast alle auf den Weg gemacbt, zum Theil auch nicht
wieder kommen, Gott weiB wohin'' (Stetten). — Im November
wurde Kloster Wechterswinkel (als solches 1582 aufgehoben)
▼ollatändig geplündert und verwüstet. Das Herzogtum Franken
wurde unter schwedische Yerwaltung gestellt. In ICellrich-
stadt wurde an Stelle des Amtmanns Lukas v. d. Tann,
welcher übrigens im folgenden Jahre starb, Johann von und
zu Bibra königlich schwedischer, und nachdem Herzog Bern-
hard von Weimar mit dem Herzogtum belehnt worden war,
Job. Schrickel (später Hofrat zu Eisenacb, zuletzt Kanzler zu
Zerbst, f 1678) fürstL sächsischer Amtmann, Job. Peemer
Amtskeller, Konstantin Freund Centgraf; in Fladungen wurde
Amtmann Adam Melchior Marsobalk v. Ostheim auf Maris-
ield, Amtskeller Paul Klipper. » Am 23. Dezember liefe der
Helmershäuser SchultheiDi den Bannwein auf Lichtenberg
holen, gab aber 4 Musketiere vom Ausschufs mit, „weil es
der Beiter wegen gar zu unsicher gewesen/^
1682 im März zogen Tillysche, Aldringersche, Fugger-
ache etc. Truppen (nach 5. 70 000) die Frankfurter Strafse,
d. h. von Meiningen über Helmershausen, Sondheim, Bischofe-
heim etc. und Parallelstralsen nach Süden; am Lech erhielt
Tilly die Wunde, der er am 80. erlag. — Als im Sommer
Gustav Adolf bei Nürnberg von Wallensteins Übermacht be-
droht wurde, kamen ihm auf sein Bitten knrsächsische,
weimarische, hessische etc. Truppen zu Hilfe, unter deren
Durchmärsche die Amtsorte viel zu leiden hatten. Am 7. Juli
zog Landgraf Wilhelm v. Hessen „mit seiner armada in
21 Comp, und 13 Fahnen FuBvolck ubem Stellberg herüber^
ins Würsburgische. Zehn Kompagnien hatten die Nacht vorher
in Kaltensundheira und Mittelsdorf gelegen, wohin Helmers-
hausen 1 Ctr. Fleisch, 1 Ctr. Brot, 1 Ms. Butter, 1 Mdl. Eier,
2 Hühner, 4 Eimer Wein, 1 Fuder Bier und 10 Mit Hafer
liefern mulste; aus den anderen Orten ist nichts bekannt. —
98 ^M «bemAllge Amt LlehtMiberf tot d«r Rhön.
In demfelben Monate kam Andreas Leupold, Haoptmann de»
▲mtBaaaBohusses, nach HelmenhanseD, um auf Begehren dea
schwediBchen OeneralkommissarB Häufsner das Hintergeri(dii
für den Sohwedenkönig einsunehmen (?), nnd in der Kohl-
hansen einen Begimentsqoartiermeister, der von Fladungen
herübergekommen war, aufzuheben. Dieser gelobte hoch und
teuer, er werde bis nach ausgetragener Sache auf Kosten
seines Verklägers hier bleiben, maohte sich aber am 10., ak
Lenpold daraufhin abgezogen war, aus dem Staube, nachdem
er das Dorf in Brand zu stecken gedroht. Als am 12. Leu»
pold mit dem Ausschüsse von Ostheim, Gerthausen und
Wohlmuthaueen wiederkam und die Kohlhausen umstellt hatte^
fSsnd er nur die Quartiermeisterin noch vor, die er nebst
8 Knechten, 4 Kutschen und 8 gerüsteten Eeitpferden nach
Fladungen abführte (Illhardt). — Im Oktober yerweilte die
fleraogin aus Bisenach auf Lichtenberg; wenigstens stand sie
am 26. bei einem Kinde des Adjunkten (Superintendenten)
Herbert persöolich Geratter. — Nach Gustav Adolfis Tode
am 6. Noyember zerstreute sich ein Teil seiner Heere über
alle eroberten LSnder; auch die Amtsortsohaften wurden nicht
yerschont und mufsten sich beutelustige Einquartierung durch
Oeldopfer fernhalten. Helmershausen i. B. mulste am 16. April
1688 24 fl., am 26. 18 £. (ebensoyiel Wohlmuthausen^
Gerthausen 14 fl.) zahlen. Als im Juli in Kahensundheim
2 Komp. Beiter 2 Tage lagen, wurden aus den übrigen
Ortschaften Fleisch, Brot, Bier, Hafer etc. requiriert ;' Bier
und Hafer mufste Helmershausen bei anderen Gemeinden
borgen. Auch mufisten die Gemeinden Kriegsfuhren leisten^
am 8. Dezember mufste Helmershausen ein dabei yerloren
gegangenes Pferd mit 80 fl. ersetzen. — Am 10. Juli wurde
Herzog Bernhard mit dem Herzogtum Franken belehnt Er
machte gleich Ernst mit der Einführung der Reformation in
seinem Lande. In Nordheim wurden im September die Kan-
didaten Job. Herbert aus Sondheim als Pfarrer (der Besoldung!-
vergleich mit dem geflüchteten Hippel findet sich noch im Amts-
archiv in Ostheim) und Kaspar König aus Ostheim auf seine
Dm ebemaUgs Amt Liobtenberg vor der Bhdii. 99
,fLatnentaiicn Sohriif' als SchalmeiBter^), in Heufort Joh«
Beuiseiiberger ak Sokulmeister, in Fladungen Prätoriui als
F&rrer durch QeneralsuperiDteDdent Götz in Eisenacfa bestelh*^
1634 am 20. März hielt Leutnant Trinck mit einem
Bdtertrapp tot dem Helmershanser Oberthore, wurde da
sieht eingelassen und wollte nun das Baderthor mit Äxten
tnfbrecben lassen. Nun öffnete man, der Schultheifs flüchtete
unter Lebensgefahr, und Alex. Veit t. Zweiffei und Miohael
Pink muTsten ihnen 25 fl. versprechen. — Im Juli zogen
weimarisohe Truppen') über den Btellberg nach Süden au
— der yerhängnisvoUen Niederlage am 5. und 6. September
bei Nördlingen eatgegen.
Waren unseren Amtsortschaften schon die bisherigen
Kriegsjahre mit den unaufhörlichen Einquartierungen, Durch»
Zügen, Brandsehatzungen und Soldatenroheiten auf die Dauer
unerträglich Torgekommen, so war dies alles dooh nur Einder»^
spei gegen das, was auf diese verlorene Schlacht folgte.
Am 7./17. September, einem Sonntage, zog Herzog Wil-
helm auf der Flucht mit bei Nördlingen gesammelten Truppen
auf der Strafse Neustadt'Sondheim-Ealtenuordheim durch das
Amt (die Entfernung von Nördliugen beträgt rund 25 Meilen);
zu seiner Verfolgung waren ihm Isolanische Kroaten nach-
geschickt, die sich indes Zeit nahmen, da jeder Ort erst
gründiieh ausgeplündert werden muTiste. Am 8./1 8. September
früh 5 Uhr kamen einzelne Kroaten vom Lindenberge her
1) W«im. Kircäen- und Scbulblatt 1883, 8. 102.
2) lo EalteDDordbeim riA» ein Reiter yon Hersog Wilbelms Leib-
kompagDie, der ,, lange Jakob*', in der Trunkenheit den Stock (die Schand-
tivle) um und ISsterte dabei den Karflirsten yon Sachsen (als Chef der ge-
aaloseb. benneberg. Begierang dort Landesherr). Am 21. Jali liefs Obristl.
Bild. G. T. Wolframadorf auf dem MarktplaUe la Meiningen einen Ghilgen
•aaftiehten und yor dem Leibregimente, welcbas su Pferde mit gespanntem
Hahne den Plats angab, Standreeht über den Ungen Jakob halten. Zb-
erst wurde ibm die rechte Hand abgehauen und an den Galgen genagelt,
dann der Mnnd anfgescblitst und die Brost zerschnitten, dann endlich
wurde er gehenkt. Am Abend wurde die Leiche beim Froschbrücklein
eingescharrt und der KaltennofdheSmer Stock auf das Grab gesetat.
100 ^** ebemalige Amt Lichtenberg Tor der Bhdn.
iiuf Ostheim zu; 8 Tage darauf, am 15^25., das Gros unter
Obrist Corpes^), welchem sich ftber 400 Bauero aus katho-
•lischen Orten angeBohlossen hatten« Auf dem Wege vom
Lindenberge her bemerkten sie auf dem Weihershauk jen-
49eits der Stadt die Oemeindeherde, welche sogleich yon einigen
Tom Obristen abgeschiokten Soldaten weggenommen wurde.
Die Stadt wurde rein ausgeplündert und blieb mehrere
IVoohen ganz öde und yerlassen, da die Binwohner mit Weib
•und Kind sieh ge£üohtet hatten, nach Salzungen, Eisenach,
Erfurt etc. oder auch in die Wälder. Auf dem Höhn z. B.
wurden 3 Kinder geboren und getauft. In dem befestigten
Kirchhofe yerteidigten sich 10 beherzte Männer, unter ihnen
<ler Kirchner und Knabenlehrer Joh. Strahm, und einer der
Bürgermeister, Leonhard Heim, mit Doppelhaken (doppel-
läufigen Musketen). Nachdem sie lange erfolgreich Wider-
stand geleistet, übergaben sie auf des Obristen Wort, es solle
ihnen kein Leid geschehen, den Kirchhof, wurden aber doch
sogleich gebunden, zum Tode verurteilt und nach Neustadt
abgeführt. Die sie eskortierenden Kroaten liefiBen sie jedoch
unterwegs gegen Herausgabe ihrer Barschaft laufen. Der
Kirchhof, in dessen Gaden die Einwohner ihre beste Habe
geborgen hatten, wurde natürlich rein ausgeplündert Das
'Totenregister des Kirchenbuchs zählt 5 Personen auf, die bei
«diesem Überfalle ums Leben gekommen; unter ihnen „H.
Ohristoffel Genftier uff 90 jähr'' ; „diese 6 Persohnen ') sind
3 den 15. 7bris von den blutgierigen Oroaten jemmerlich
in und außer der Statt erschoßen, erbauen und ermordet, und
folgendte Dienstag zusamen in ein grab (flbsentibus amnibus
1) Kronfeld (Landeskande, Oitheim) liest (Wm) irrtfimlich Lorpoe.
— Simpl. Simplicissimns, welcher Corpes als Pferdejonge and Kalbsnarr
-dienen moTste, schildert ihn (II, 14) als einen wüsten, yerlaosten Bnseh-
klepper in knrsem Haar und breitem Schweiserbarte. Seine Kroaten
„hinderte das Rauben und Plflndem an ihrem schleunigen Fortiug im
-geringsten nicht; denn sie konnten's machen wie der Teufel**.
2) Wenn Bein (Zeitschr. d. V. f. thflr. G. V, 844) tod 40 Lachen
^spricht, so beruht dies entschieden auf einem Irrtum.
Das ehemalige Amt Liehtenberg ror der Bh6n. XOl
pastarilms a me [so. Strahm] et paucis praesentibus eiviJms
gelegt worden. Oott yerleyh ihnen'* eto. Zwei Tage darauf
starb der Müller Stoffel Weils an seinen Wanden, 11 Tage
«päter Yalten Bäder an seinen 6 Wanden, am 14. Oktober
«in anderer, „so yor 4 Wochen auch von den feinden be-
fichedigt'', and noch am 18. Jan. 1686 ein Batsverwandter
an seinen am 14. (!) September erhaltenen Wanden. Aach
die Lichtenbarg ist in jenen Tagen überfallen and ausge-
plündert worden, wobei die Akten durcheinandergeworfen und
lum Teil zerrissen wurden. — Am 16./26. September überfiel
die Botte Sondheim. Das erste Opfer war der alte emeri-
tierte Ostheimer Diakonus (Kaplan) Christoph Schemel;
auTser ihm wurden noch 8 Einwohner niedergehauen. Am
21. and 29. September wurden Stettener Kinder „wegen
defien, daß der Pftirrer alhiro sich wegen des Keißerl. Krigs
Yolcks halber nicht künlich dörffen sehen lassen'', in Ost-
heim getauft. In Stetten wurde am 22« ein Einwohner be-
-graben, „eben da die grosse furcht der Plünderung vorhanden
gewest, der Pfarrer vchon weg gewest undt ich, der Schul-
meister Caspar Gumpert, solche undt hernach volgente mehr
mir erden bestatten müBen''. „Matthes Zitterich (begraben),
ist in den Plünderungen unndt einfellen deß Krigs Yolcks
4indt der Catholischen Bawer in seinem keller die Kehle ab-
gestochen unndt ermordet worden, undt in der flucht von
seinen eigen Brüdern undt freunden begraben worden". Wo-
hin diese Kroatenrotte sich sonst noch gewendet haben mag,
war nicht zu ermitteln.
In der würsburgischen Umgegend mufsten nun die von
Hersog Bernhard eingesetzten Pfarrer und Schulmeister den
:zarückkehrenden katholischen das Feld wieder räumen. Die
"Geistlichen des Amtes Lichtenberg waren alle auf der Flucht;
nur Herbert, der aus Kordheim hatte weichen müssen, hielt
in Sondheim aus.
Am 4. Oktober brach wieder eine Horde in Ostheim ein ;
^em Schulmeister Strahm starb an diesem Tage auf der Flucht
^n Söhnolien auf Lichtenberg. Am 7. wieder ein Überfall;
102 ^** ehemalig Amt Lichtenborg yor der Rhdn.
am 8. warden 4 Personen begraben, ,,welche alle drauAen im
Peld vorigen Dienstag von denn feindseligen Croaten er-
sohoBen und umbraoht". Am 9. rückte Obrist Vorgeseh
(Forgasoh) in Ostheim ein und legte der Stadt 500 fl. Brand-
BchatsuDg auf; der Sohultheifs muTste die läüchtigen Bürger
in weiter Umgegend aufsuchen, um ihre Beiträge zu erheben^
Kaum war die Summe bezahlt und die Rotte abgezogen, so-
kam Graf Isolani, der Kroatengeneral, selbst und forderte
1000 iL Brandsteuer ; nach achttägiger Unterhandlung mufiite
man sogar noch 100 fl. mehr zahlen. Nach ihm erpreisten
die Obristen Brete 400 fl. und Becker 100 fl. Am 27. Ok-
tober liefs sich in der Münze ein Isoianischer Reiter, Ghr^
Schneider aus der Heilbronner Gegend, mit der Beschliefderin
auf Lichtenberg, Kat. Markhardt aus Aschenhausen, kopulieren,,
die nun mit ihm hinwegzog ins Feldzugsleben hinein. So-
wie in Ostheim ging es natürlich in allen protestantischen
Dörfern und wohl nicht viel besser in den katholischen zu;,
alles wurde ausgeplündert und verwüstet und die Bauern bis-
aufs Blut gepeinigt; rauchende Trümmerhaufen bezeichneten
den Zug dieser entmenschten Horden. Der Isolanische Raub-
zug heilst noch lange den ihm vorausgegangenen gegenüber
der 9,gro£e" kroatische Einfall. — In Helmershausen trafen
nach lUhardt die ersten Feinde seit der Nördlinger Schlacht (?)^
am 29. Dez. 1684 ein, 4 Kompagnien des Götzischen Fuls-
jegiments, von denen eine nach Seba, eine andere nach Ost-
heim verlegt wurde, zwei aber, zum Glück für den Ort, bis
zum 27. Mai 1685 hier in Quartier blieben. Auch Gert-
hausen kam der Überlieferung nach in dieser schweren Zeit
ziemlich leicht davon. Schon war der Ort an mehreren
Stellen angezündet, als der Kroatenrittmeister das steinerne
Kreuz auf der westlichen Giebelspitze der Kirche und her
näherem Zusehen auch das Marienbild mit dem Ghristuskinde
über der Thür erblickte ^). Sofort liefs er dem Brande Einhalt
thun und den ansoheinend katholischen Ort räumen. Ent-
1) Bei einem spftteren ümbaa der Kirche brachte man Bürens und
Marienbild an ihren früheren Standorten wieder an aar Erinnerong ai^
diese Zeit.
Das ebemalige Amt Lichtenberg ror der Rhön. 103
i^er aber die Abriehenden sind noch hinter die Wahrheft
gekommen und wieder nmgekehrt^ oder nachfolgende Haufen
Itaben sich nicht täuschen lassen — Oerthausen hat noch
schwer leiden müssen.
Sehr hart ist auch Schafhausen mitgenommen worden. Als
«päter eine Kroatenrotte vom Klasberge her durch die Sohaf-
hfiuser Flur über den Fizberg nach der Altmark 2u zog — flieset
Strich heifst noch heute der Eroatenstreif — läutete gerade in
Erbenhausen nach heute noch in dem Bezirke bestehender Sitte
-die Betglocke Ifittag. Die Feinde nahmen dies für Sturm-
läuten, lieTsen das Dorf seitwärts liegen und beschleunigten
ihren Zug nach Ealtensundheim zu. Dort wurde zwar der
Ort ausgeplündert, den festen Kirchhof einaunehmen gelang
ihnen aber nicht. Später freilich ist auch dieser noch er-
stürmt und ausgeräumt, dabei auch aus der Kirche die Ornate
und heiligen Gefälse geraubt worden. Der Schulmeister
Eckart war des Pfarrers Schneider „eomes exüxi et reäitus^',
da sie „S Wochen umbher terminirtenf*'. Sehr übel erging
es Mittelsdorf; dort gab es noch 1648 nur 15 Bauern, welche
noch dazu seit der ,,Groatisohen Einescherung*' meist in
Kellern wohnten.
Am Id. Oktober kam die Beihe an Kaltennordheim,
welches „durch den Groatischen Einfall in den Brand ge-
stecket, alleß zu grund abgebrent worden, daB Nichts stehent
geblieben als Johann Marokerts Haus und Scheunen, wie dann
ErbA Dillern Scheunen, Item das Suntheimer Thorhaus, wie
auch die Häuserlein davor und 4 Häuserlein vor dem Kirch-
thor, sammt der alten Kirchen, welche Gott in dieser schreckl.
Feaersbrunst erhalten'^ Am 16. kam Isolani nach Fisohbadi.
In Meiningen unterschrieb er — natürlich nicht um-
sonst — einen Schutzbrief für die yerw. Frau B. M. t. Stein-
Kordheim (y. Si'sches Familienarchiy). Den Winter über li^
er in Yachdorf an der Werra.
Im Amtsbezirke folgte naph ihm ein Soldatenhaufe nach
dem anderen. Konnten die heimgesuchten Orte, in denen es
kaum noch etwas in Brand zu stecken gab, die Brand-
X04 ^^ ehenullge Amt Lichtenberg yor der Bh5n.
BohatEUDgen nioht aufbringoD, so nahm man einfach Leute
aU Büzgen mit So wurde Amtmann Winter aua Themar
gemilBhandelt und weggeführt |,wegen der Unterihanen ün-
yermögenB*'. Ein Bürgermeister aus Hof, der für die Stadt
2000 Thlr. erlegeh sollte^ wurde bia Fladungen mitgeecbleppt f
hier erlag er den Mifshandlungen und Strapatzen, am ersten
Ohristtage wurde er (weil eyangeliioh) in Stetten begraben. —
Im November war in Sondheim einmal alles auf der Fluohtf
nur der Schulmeister Stein war geblieben, weil seine yor
einem Jahre ihm angetraute Frau ihre Stunde erwartete.
Da damals die Taufe eines Kindes stets bald nach der Geburt
erfolgte, holte er in seiner Verlegenheit aus Nordheim nicht
nur eine katholische Qeyatterin, sondern auch den „nUss^CUSl"
zur Taufe, worüber der ihm befreundete Herbert, als er yon
der Flucht zurückkehrte, sehr ungehalten war.
Wie es in den Amtsortsohaften nach der Nördlinger
Schlacht und den Winter über herging, dayon giebt ein
Bericht des Stettener SchultheiÜBen Valten Klaus ein an-
schauliches Bild:
„Yerzeichniß
derjenigen Kriegskosten undt Schäden, welche yon AO 1684
biß 1685 uff der Eöm. KaiserL Mayst Kriegsyolck gangen
undt waB man yor Schaden damals gelitten.
Erstlich seindt etzliche Croaten mit 800 Würzburgischen
Bawern aus dem Eisbacher grund hereingefallen, die Thor
uffgehauben, den Kirchhof undt alle Häuser ausspelirt undt
geplündert, undt das beste Kleinoth den Nachbarn genommen,
haben die Bawern, so geplündert, zum Theil undt gar viel
ihre Weiber mitgehabt, welche ihnen die gestolene Sach
tragen helfen. — Zum andern und bald hemacher, da ist
der große Einfall der Croaten geschehen, welche nicht allein
das Dorf auch wiederumb geplündert, sondern auch die gantse
Hert Viehes uff die 800 Stücke Eindyiehes, die gantze Hert
Schweins uff die 150 Stück, Item die Heerde Schaff uff die
800 in Summa, an Hünnem, Genßen undt uff die 48 baar
Ochßen den Nachbarn genommen, undt alB damals daß Plündern
Dm» ehemalige Amt Liebtenberg ror der Bb5n. X05^
nieht nur ein, 2 oder 8 tag, Bondern etsliohe tag lang ge-
wehiety da doh IffiemaDd zu HauB hat dör£feii sehen laien,.
woza die WürsburgiBohe benachbarte Bawem geholfen, undt
gar Tiel Saoh den Nachbarn damals entwendet nnd genommen
haben ^). Aach einen Nachbarn alhiero, Mathes Zitterich in
seinem eigen Keller ermordt haben. — Drittens hat man>
einen Croaten Obristen» so tu Fladungen gelegen, 100 fl.
spendiren müBen, welcher schriftlich Salva guardt anhero
geben. — Viertens, efi vergeht kein Tag, eB kommen yor
einen Croaten 4 lebendige quardt (?), denen man muB täg-
lich genugsam eBen undt Trincken, Oeldt in Beutel undt ihrem
Obristen uff die 150 fl. spendiren. — Fünfflens kompt Bitt-
meister Vogel mit seinen Soldaten, legt sich herein, ihnen^
mnfi man auch über die 150 fl. spendiren, uberflüBige Zehrun|p
geben undt die Soldaten auch eine Zeitlang halten. — Sech-^
stens seind die Ungern kommen, Obrist Bebe mit dem Stab,
haben auch eine Zeitlang hiero gelegen; waB man noch an^
Vieh an frembden Orten darvon undt mit anheimb gebracht,
ist alles geschlachtet worden. — Siebentens, kommen die
Wellisch Tragoner, liegen den gantzen Winter allhiero,
machen volgents den garauB. Wie denn sonderlich ihr Leut-
nant die armen Leute so an ihme halten, undt gelt geben
müBen, gar übel tractiret, alles getraidig dreschen und weg-
fahren laBen. Deren Obristleutnant man uff die 260 fl.
geben müBen. — Endlich wie die Tragoner weg kommen,
kompt ein Hauptmann mit yielen new geworbenen undt an»
dem Soldaten, so zum theils nur Bawem undt Bettelleüt
geweBen, herein, da wird folgents alles aufgezehrt, also daB*
nicht geringste mehr geblieben, haben selbsten neben den
srmen Bawem endtlich groBen Hunger leiden, die grüne
Ereüter ohngesaltzen, ohngeschmaltzen undt ohne Brodt mit»
eBen müBen, biB sie endlich selbsten nicht mehr gekönnt undt
nffbrechen müBen. Da denn mancher frommer ehrlicher Mann,.
1) Sogar die Öfen worden mitgenommeo ; es sollen deren viele ans-
der Gegend in den ÜUtergrand gekommen sein.
206 Das ebenuilige Amt Lio)it«n1>erg vor der BhOo.
Weiber undt Eiader, weilen sie gantz nmb das ihrige gebracht^
Tor groBen Hunger geitorbeo, welche« alles das Kriegswesen
Terarsachet. Gestalt man das Hcohfürstl. Ambt umb Oetreidig
■ansprechen müßen.
Ein solcher großer Schaden aber» der nicht aussuspreohen
ist, viel weniger mit Geld zu bezahlen, ist gantz nnmdglich
eigentlich zu berichten ; sondern kürtslich zu sagen, daß man
umb alles kommen, was man damals gehabti etzliche schöne
Häußer, Scheuern undt Bawe noch darzu darnieder gehauben
andt eingerißen worden.
Daß sich nun solches in Wahrheit also verhalten, ergangen
undt geschehen, daß thue ich endes benannter Sohultes mit
Untersohreibung eigener Hand Nahmens bezeugen. — Actum
ßtetten am 15. Januarii Äö 1642.«'
Es läTst sich denken — doch nein, es läfst sich nicht
ausdenken, wie grofs die Not war, als der Winter von 1684
zu 1686 hereinbrach. Kein Obdach, oder doch kein Ofen
darin, nichts auf dem Leibe, nichts zu beifsen und zu
brechen, kein Geld im Beutel, und wenn auch, nichts daf&r
zu haben! Schon am 12. Jan. 1685 stirbt in Stetten einer
den Hungertod. Am 22. Februar kam von dem eroberten
Wertheim her das Piccolominische Leibregiment (die „ungern''
des obigen Berichts) unter Oberst Bebe nach Ostheim, Sond-
heim und Stetten. Als es im H&rz nichts mehr zu leben
fand, zog es nach Hildburghausen zu ab. Dann kam General-
feldzeugmeister Marchese de Graua, „Kehraus'' genannt, mit
seinen „Wellisoh Tragonem''. Einige derselben jagten am
16. April 8 Stettenem „hinauff bey daß alte Holtz'* nach,
am ihnen das Letzte noch zu nehmen ; einer von ihnen wurde
aber yon jenen erschossen — „were er im Quartier blieben,
were es ohn Zweiffei nicht geschehen". Am Sonntag Jafailate
wurde in Stetten einem böhmischen Soldaten ein Söhnchen
getauft; einige Tage später erdrückte es seine Dtme im
Schlafe. Am 9. Juni wurden ebenda 2 Personen beerdigt,
welche an den erhaltenen Mifshandlungen gestorben waren.
In Ostheim liefs eine junge Frau, deren Mann im y,Kriegs-
Dm ehsmalige Amt Lichtenberg vor der Rhön. \(yj
Wesen*' war, ihr dreijilhrigeB Kind im Stiohe, das in dfem da-
maligen Hungerleben bald starb, and zog mit einem kaiser-
lichen Soldaten fort „dem Harenleben naoh'^ Einer Fran
ans Berkach starb ebenda ein Kind, das sie 5 Tage yorher
im Walde geboren, „in deme sie vom Kriegsvolck mitgenommen
worden'^ Im Augnst gebar in Stetten Martha Burokard einen
Knaben; sie war im Noyember ,9Ton den Orabaten und
Ungern gewaltsamer weiBe ergriffen undt geunehret worden*'.
Ebenso wurde der Ursul Gumpertin daselbst, die von einem
Dragoner „impragnirtf^ worden war, am 10. Oktober eine
,4unge Tochter'' getauft; der Pfarrer hatte sie aber in Ver-
dacht, dass sie der Treue des Dragoners getraut, der nun
t,darFon gesogen und die Huren sitzen lassen".
Während dieser Zeit hatte in dem Amtsbezirke wie
überhaupt in einem grofsen Teile des Reichs bei dem Eriegs-
elend und der Hungersnot die Fest in ganz furchtbarer
Weise zu wüten angefangen. Die Not war auch zu grofs.
Auf dem Tanzberge bei Ostheim waren täglich Hunderte, oft
über tausend Hungrige yersammelt, die von den auch rein
ausgeplünderten Bürgern noch ein Stück Brod zu bekommen
hofften. Mit den unmöglichsten Dingen suchte Arm und
Reich den unerbittlichen Magen zu füllen — kein Wunder,
wenn der Keim dar schrecklichen Festseuche überall gün-
stigen Boden fand. In allen Orten kamen Tag für Tag einige,
auch 5, 7 und mehr Todesfälle vor, sodafs die Leichen bald
obne Sarg und ohne Sang und Klang in die Massengräber
gelegt wurden, unter den Toten befand sich immer eine grofse
Anzahl von Auswärtigen („Geflöhnten'*) ; die Bewohner des
einen Orts glaubten immer in dem andern gröfsere Sicher-
heit vor den Greueln des Kriegs zu finden und entgingen
ihnen doch nirgends. Auch viele Soldaten aus aller Herren
Ländern, ihre Weiber und Kinder fielen der Fest zum Opfer
und wurden mit in die Massengräber gelegt. An verschie-
denen Orten mufsten die Friedhöfe vergröfsert oder neue an-
gelegt werden. In mehreren Orten hörte die Kirchenbuch-
Xahrung ganz auf, weil die Ffarrer hinwegstarben; so in
xvn. 8
][08 ^"^ ehemalige Amt Liebtenberg ror der BhSn.
Sondheim, XTrspringeQ, Stetten, Helmershaaeen , Wohlmut»
hausen (auch Nordheim, Fladuugen etc.); nur die zu Ost*
heim und Ealteosundheim blieben am Leben. Die geistliche
Yersorgung sämtlicher Orte des Yordergeriohts auDser Ostheim
fiel in dieser allerschwersten Zeit des Krieges Herbert su»
der das Nordheimer Pfarramt noch immer als das seinige
betrachtete, bis er am I.September das zu Stetten übernahm.
Am 9. zog der junge Pfarrer Wiener in Sondheim ein, und
schon am 21. wurde er, nachdem er in dieser Zeit 42 Leichen
beerdigt, samt seiner Frau und der Magd von der Seuche
hingerafft Das Sohulhaus (s. S. 104) war scbon im Juni in
wenigen Tagen ausgestorben. Im ganzen starben in diesem
Jahre in Sondheim S99, in Ostheim 344, in Stetten 190, in
Helmershausen 349, in Kaltensundheim 481 Personen; die
Kirchenbücher aus den übrigen Amtsorten sind nicht mehr
vorhanden. In Kaltensundheim starben allein in den letzten
6 Monaten des Jahres 363 Personen (unter ihnen 48 Flücht-
linge aus Kaltennordheim, 29 aus Mittelsdorf, 5 aus Beichen-
hausen, 4 aus Schafhausen, 3 aus Westheim, 2 aus Franken-
heim, je einer aus Friedeishausen, Oberwaldbehrungen, Die-
dorf, Öpfershausen), davon allein im August 158 (am 23.^
24., 26. und 27. je 11), im September 128. Dabei gingen
neben den Schrecken der Pest die der Hungersnot einher —
es gab ja nichts zu ernten und niemand war zum Ernten
da; an Fleischnahrung war längst nicht mehr zu denken.
Rechnet man nun noch die unsäglichen Bedrückungen durch
die unaufhörlich wechselnden „Kriegsvölker'' hinzu — welch
entsetzliche Zeit mufs es gewesen sein!^)
Mit dem Eintritt des damaligen sehr kalten Winters
1) Aach in diesen beispiellos schrecklichen Tagen ist dem Kirchen^
bacbfDhrer in Ostheim (yermatlich noch Strahm) der Humor nicht gani aas-
gegangen ; er schreibt anter dem SO. Jali : „Ein SShnlein Lorants Noth-
nagels and seines Weibs Anna getanft, welche Tor 14 Wochen 4 tagen
Oopuliret worden, haben vergangen Herbst, im Pfarrhof, als der H. Pfarrh.
mit den Seinigen in der Flacht gewesen, so wol haasgehalten and darbej
deB gnten weins getrancken, sie auch der gaten dicken Herbst Milch so-
viel gesoffen, dafi sie diesen Sohn gewircket**.
Dm ebMaalige Amt Lichtenberg yor der RbSo. IQiQ^
liefis aneh allmählich das Sterben nach. In Sondheim und
Helmershausen switscherte unabläsBig ein Yöglein:
Eßt Bibernell, efit Biberneil,
Sonst müfit ihr mitenander sterr!
In Helmershausen sah man eines Tagee, wie man sieh
hner erzählt, ein ,,Nebele" (Nebelchen) in das Kellerlooh
des Hauses No. 163 am Poppenstein schlüpfen das
war die Pesti Sehneil das Loch und die Thür zugeraanert,
und richtig, die Helmershäuser Pest war gefangen und fortan
anschädlich!
Wie es aber jetzt in den vorher so blühenden Orten
des Amtsbezirks, „do allenthalben der Letith zu viel werden
wollen'% wie die Amtsbeschreibung von 1648 sagt, aussah, darauf
läfst ein Bericht des Ostheimer Stadtrats von 1636 schliefsen ^).
1) . . . „Die Bftrger uondt Manschafft dieses Stldtleins betreffende,
beseogen die Register, dsfi vor kvrts yerwichenen iahren Aber 400 bflrger
(doch die wittibin, Handtweroks Leat, liindersiedler und arme Taglöhner
alle daroDter begriffen) sich albiero befunden, welche aber in dieser bösen
Zeit und sonderlichen in 2 ihareo, seithero dem Kayfil. Einfall, do derer
Teiel niedergehanen, rerhangert, sonsten vor Leit und an der Seuoh ge-
storben, also geschweicht worden, das sich in allem ahn Beich und Arm,
Alt nnd Jange Manschafft noch befanden 242 Bürger, derer viel nnnd
die meinsten sehr onvermöglich, nndt 71 wittibin, welche aber deromaßen
rermarmeth, daß ihrer viel mit Weib ond Kinder die liebe ahnofien Tor
den thüren heischen ; die Andern seindt bei den erlittenen Brandsehataungen,
Bl&odemngen, Einqnartiriuigen nndt geld PreBoren also erschöpft und in
ftberanß große schaldten Last gerathen, daß solche fast nicht za ßped'
fidreHf und do man eines ieden bttrgers gemachte schuldt benahmen solte,
wfirde eß viel 1000 Thlr. ertragen, nndt hieranß lelchtlich absanehmen,
daß in wehrender bößer Zeit, was nfir der Rath wegen gemeiner Stadt
ahn geldt entlehnt nnd uff genohmen, sich lanth einer absonderlichen
Resignation off 8159 fl. 15 gr. belauffen thutt, welches gleich wohlen
meinstens ifthrliohen Yerpemiomtt (Pension damals der Aasdmck ftbr Ver-
sbsnng) werden mnß, nnd dardarch dießes St&dtlein, wo nicht bey Zeiten
▼orgebant nnd mittel aar ablegung ahngestelt werden kan, ein eußerstes
Verderben gedeyhen wirdt, denn man weder Kirchen- noch Schaldiener,
sieh andere gemeine Diener nor of ein gantses ihar fast nicht beseiten,
ond aneh nicht weiß, woher mans ferner nehmen soll.
Bey friedens Zeit and vor kortsen iharen haben sich aber 60 baaern,
8*
\1Q Das ehemalige Amt Lichtenberg yor der BhSn.
Au£fSll]g ist die trotz der bösen Zeit und zusammenge-
schmolzeneii BeTölkemng bo grofee Anzahl von EhesohlielBangen
im Jahre 1636, meist zwischen Witwern nnd Witwen. In
Sondheim z. B. wnrden 19 Paare kopuliert, in Helmershausen
standen am 31. Mai sogar 8 Paare zusammen Tor dem Altare.
Auch in diesem Jahre lag viel Kriegsvolk, das eine
kürzere, das andere längere Zeit im Amte, und trug das
Seinige dain hei, Mangel un<l Not aufs höchste zu steigern.
Vom März his Oktoher lag Graf Schlick in Stoekheim, seine
Truppen zum Teil im Vordergericht. Im Septemher hrand-
schatzte der „schwarze Bittmeister*' mit Hatzfeldschen Truppen
in Bettenhausen, Sondheim und ürspringen, obgleich doch
die Kaiserlichen jetzt alt Freunde hätten auftreten sollen,
da am 30. Mai 1685 der evangelische Kurfürst von Sachsen,
fo Pferdt nnd OehBen gehabt, yor sich nnd andere ihre feldt Arbeit ver-
riebt nnd den Acker bau damit vort bracht, alhiero befinden ; anitso aber
«eindt nicht mehr den S bürger, lo sur noth gants ieder mit 9 OchAen
beapannt. Über solche noch 44 halb apanner, so ieder ein Kfihelein,
welche yor deflen gants spanner geweflen. Item 10 Einspenige, hat ieder
1 Pferdtlein, so aber die meinsten, wie auch die Kübelein noch unbesahlt,
nnd eines Über 10 Bthlr. nicht werth, wie der Augenschein gibt. Ober
solche werden noch gefunden 26 arme Bfirger, so yor deBen ihr handt-
werck getrieben, anitso wegen des yerlags nicht mehr arbeiten können,
daher ieder ein Kfibelein mehrertheilA geborgt, welche yor deBen keine
Banere geweBen, auB noth zusammen spannen, nnndt ihre wenige Gütter-
lein herümb bringen, den sonst die Meinsten den Pflug selbst sieben
muBen. DaB Rindt Viehe, so bey friedens Zeiten in hiesigen Stidtlein
gehalten worden, hat sich über 400 stück befunden, welches bey dem
KeiBU Einfall uf ein Mahl alles weg getrieben worden, und befindet sich
über obig benants Ackeryiehelein gar ein geringes mehr, alB nur noch
etsliche Kftlberlein alhiero, den ieder daB seinige anspant. So sünd die
SohalEhSsser *), derer in friedens Zeit bey 800 stück gehalten worden,
in den einquartiruDgen alle ufijgfangen, nndt nichts mehr bey handten. In
Summa, der erlittene Schade und darauf erfolgte Mangel beedes in Stadt
nnd feldt, ahn Viehe, gedreytig und yorrath, so sich yon tag lu tag
heüffet, ist nicht gnugsamb zu besehreyben'* etc. (Wm.).
*) NoB an ein Schaf aus der einem Bauer im VerfaUtnis lu seinem
Gmndbesitie su halten erlaubten Ansahl.
JUm ehemalige Amt Lichtenberg rot dw Rhön. 211
dem auch Job. Ernst toü Saohsen-EiBeoadi nebst vielen andern
Fürsten naobzntolgen nicbt umhin konnte, mit dem Kaiser sa
Plag ein Bündnis geschlossen hatte gegen die Feinde des Beichs,
die evangelisohen Schweden (die aber nur etwa noch zum 10.
Teil Schweden waren) oder (seit Herzog Bernhards Heerführung)
y,WeimariBchen" und die katholischen Franzosen. Jeder
Landesf&rst und jeder Heerföhrer yerfolgte eben seine eignen
loteressen und Pläne, und dies Durcheinander der Interessen
und Pläne war der Orund, der es zu keinem Frieden kommen
lieTs. Das Glaubensbekenntnis machte längst keinen TJnter-
aohied mehr ans; im Heere der katholischen Liga waren
unter Offizieren (z, B. Waldsteins Schwager Trzka, Obiist
Oordon etc.) und Gemeinen zahllose Protestanten, und gar
oft werden bei Durchsägen kaiserlicher wie schwedischer
Trappen die Geistlichen zu Amtshandlungen in Anspruch ge-
nommen. Ebenso ging aber auch mancher Katholik jzu den
^Weimarisohen^' über, wenn seiner Beutelust dort bessere
Brate zu winken schien. Bei diesem Durcheinander kam
jeder Soldat als Feind; er kam als der Herr, dem alles ge-
hörte, und Bürger und Bauer war nur dazu da» ihn zu ^er-
halten, ihm zu dienen, den Beutel zu füllen, sich drangsalieren
and quälen zu lassen. — Am 30. September quartierten sich
2 Begimenter schwedische Reiter auf 18 Tage in Ostheim
ein; in mehreren Häusern lagen halbe Kompagnien oder ganze
Korporalschaften, selbst die Häuser der Ärmsten lagen voll
Soldaten« Jetzt kamen sie als Feinde; schlimmer hausten sie
denn auch als vor 2 Jahren die Kroaten.
Ihnen folgten yom Dezember 1686 bis in den Oktober
1687 hinein wieder kurbayrische und würzburgische Regi-
menter, die dann durch kaiserliche (Götzische) Truppen ab-
gelöst wurden. Helmershausen hatte seit dem Prager Frieden
bis 1. August 1637 4022 £. Kriegskosten zu zahlen. Im
Jahre 1687 starben daselbst 180 Menschen, zum Teil an einem
hitzigen Fieber, viele an Hunger und Elend. Namentlich
starben 5- bis 8-jährigo Kinder hin „wie arme Würmelein",
iiich *viele Neugeborene und Ungeborene. Das Kindarsterben
112 ^^^'^ ebeouJige Amt Liehtenb«rg Tor d«r Bbfo.
währte bis 1644. 1d OBtheim wurden im Juni 1637 u. a.
2 Kinder begraben: ,,und helt man davor, daft diefie beyde
Kinder hungere gestorben; ob wohlan dieBelben ein StüokleiB
brott vor den thüren bekommen, hatt doch die Mutter alft
ein unbarmhertiige Haben mutter ihnen solch stücklein ge>
nommen und dieselben alBo verhungern iaBen'^ In Stetten
wurde am 9. Desember das Töohterlein einer Witwe aus Mei-
ningen getauft, ,»welche, wie sie auBaget, von 2 Soldaten vor
der Stadt ergrieffan und gewaltsamer weis geunehret unnd
imprctegnirt worden, derenthalben sie wegen der großen schand
entwichen und hier darnieder kommen^'. Wenige Tage darauf
starb sie.
1638 lag vom 20. bis 24. August in Stetten Obrist
Kriekenbeck mit 8 Kompagnien Hatzfeldischer Kroaten und
1000 Pferden, was 2127 fl. Kosten verursachte; aufserdem
erhielt der Obrist für seine Person noch 76 fl. dafür, dals er
den Kirdihof nicht plündern liefe — viel mehr werden fireilich
die in den Qaden geborgenen Kostbarkeiten nicht mehr wert
gewesen sein. Katürlich waren auch die umliegenden Orte
stark mit Truppen belegt — unter dem 9. Oktober macht
Herzog Joh. Ernst den Amtmann (jedes Amtes?) dafür ver-
antwortlich, dafs alle Äcker gehörig bestellt und dadaroh
einer Verkürzung der herrschaftlichen Einnahmen vorgebeugt
werde i).
l) . . . „Undt demoMb Wier insooderliait berichtet, wie der Aeker-
baw, Dicht allein tod Terderbten und dfirfltigen Unterthanen, aoe noth
und mangel geschir nnd Samens, sondern auch von andern auB Vortati
oder anch an£ troti nndt Ungehonamb anbestellet gelaßen, nndt dadoreh
ihnen nnd gemeinem Nutzen merckUchen geschadet, anforderst aber unser
Fttrstlich mttresu onTerantwortlichen hindan gesetiet, welches wier der-
gestallt femer nicht nachsehen kennen. |Weü auch bey diesen noch immer
«onlMNiarenden geflhrlichen kriegsleilflten noch aar Zeit verborgen, wie
sichs annahenden Herbst und winter mit Durchtflgen und Einquartierungen
(welche Gott der Allmechtige inn gnaden verhfittenf enden und wenden
wolle) etwa anlafien mdchte, gleichwohl für äugen, wie unnachtbarllch sich
theils deren erweisen, bej welchen die armen veriagten leftte mit ihren
flbrigen wenigen Vermögen Zuflucht gesucht: So woUest Du gedachte
Das ehemalige Amt LSobtenberg vor der Bhdn. ^13
Wenige Wochen spSter starb der Herzog kinderlos ; sein
Land üel an seine weimarischen Vettern , die Brüder Bern*
hards des Orofsen: Wilhelm, Albreoht, Ernst und Friedrich
Wilhelm. Bei der Länderteilnng 1640 fiel das Fürstentum
Sisenach dem Herzog Albrecht zu, welcher 8 Jahre darauf
SchloÜB Lichtenberg besuchte«
1639 im April kamen Hatzfeldische Kürassiere, am 3. Mai
Isolanische Kroaten nach Stetten. Von andern Orten schweigen
die Nachrichten; nur das Osth. Kirchenbuch erzählt noch,
dafs da eine Frau begraben wurde, „welche vor wenig tagen
von den unbarmhertzigen Croaten in ihrem Haus durch beyde
Schenckel gestochen und jämmerlich geschlagen worden, daTs
sie ihr leben hat mußen enden". — Am 1, September er-
schien Graf Königsmark Yor den Mauern Fladungens und be-
lagerte es; als es ans Stürmen gehen sollte, öffneten die
Büi^r die Thore und zahlten die geforderte Brandschatzung.
— Vom 26. Juli bis 20. September lagen Schweden im Amte.
Da ihre Vorgänger nichts übrig gelassen hatten, mufsten die
Ortschaften, sobald auf den wenigen bebauten Äckern das auf
Geheifs des Herzogs ausgesäete Getreide reif wurde, dasselbe
für sie abernten, Drescher stellen (so Stetten 4 Tage lang
24 Mann nach Ostheim und Stockheim) und diese jeden mit
1 Batzen täglich lohnen. — In Helmershausen waren in diesem
Jahre von den früheren 180 Wohnhäusern nur noch 50 be-
wohnt; von 1608 Acker Feld waren nur 561 bestellt. In
Stetten lagen 2 Jahre später aufser den Brachäckern 208, im
nächsten sogar 608 Acker wüste. Seit dem Prager Frieden
bis 28. Januar 1640 betrugen die Kriegskosten für Stetten
11980 fU 7 btz.
Deine Ambtsanbefohlene nicht wenigers dahin erinnern, damit daA ienige,
•o aber die leholdige AmbtsgeflLlle Übrig, inn des Ambts Verwahrung aff-
echflttea and nnserm schätz Übergeben^ do denn ied wedern das seinige
«nr onentbehrlichen behoff und nothurfft wieder abgefolgt und Niemanden
svr Ungebfihr ieohtwas vorenthalten werden soll, des gnedigen Versehens,
weil solches den Unterthanen sam Besten wolmeintlich angesehen, sie
werden sich dieser unserer gnedigen Verordnung desto wUliger undt ge-
folgiger erseigen. An dem geschieht" etc. (Wm.)
114 I^<^ ehemalige Amt Lichtenberg vor der Bhßn.
Als 1640 der schwedische General Bauer bis Erfurt vor-
rückte» und Picoolomini ihm ycd Bayern aas entgegensog^
ersohienan abwechselnd Teile beider Armeen (z. B. wieder Königs-
mark) auch im Lichtenbergisohen. Am 28. Mai wurde Hei-
mershausen yon bayrischen Völkern geplündert. Am 80. Mai
(Sonnabend nach Pfingsten) kam eine Abteilung kaiserliche
(ungarische) Beiter yon BisohofiBheim her und nahm in Sond-
heim das wenige wieder angeschaffte Vieh sämtlich weg. Als
sie auch Nordheim brandschatzen wollte , rief der dortige
(sächsische ?) Schultheils niederländische „Sohnapphahnen" ans
Fladungen herbei und liels sie heimlich ein. Als die Kaiser-
lichen einen Parlamentär yor das Bahrathor schickten, er-
schofs ihn der Jäger des Herrn y. d. Tann, was der Ort
schwer hülsen muTste. Der Anführer der Rotte liefe daa
Dorf an yerschiedenen Stellen in Brand stecken; drei Viertel
gingen in Flammen auf. Der Stettener Gemeindemüller
Michel Stein, der gerade in Nordheim war, wollte sich über
die Mauer retten, da ,,ist er yon einem Beiter alsobalden
darnieder gesohoßen unnd jemmerlich umgebracht, auch weil
er in solcher eußerster Noth und gefahr hieher (nach Stetten)
nit können gebracht werden, aldo begraben worden". — In
Stetten hauste dieselbe Bande gleich unbarmherzig; auch hier
trieb sie alles Vieh, 181 Stück, hinweg und sperrte es Tor-
läufig in den Fladunger Kirchhof: auf Verwendung des Jun-
kers Bapp in Hausen gab der kaiserliche Obristleutnant es gegen
Zahlung yon 200 fl. wieder heraus. Am 2. Juni wurde der
y,Schlüther'' Valten Grenzer, „ein frommer guter Mann", der
yon etlichen Beitem am Babesberg in Stettener^ Flur er-
griffen, ins Dorf geführt und elendiglich erschlagen worden
war, tot in seiner Scheune gefunden „und in solcher großer
noth yon etilich gegenwertigen Nachbarn uff den Gottsacker
begraben.'' Dieselbe Martha Burckard, welche 1684 yon den
Kroaten yergewaltigt worden war, wurde jetzt abermals yon
diesem Lose betroffen ; am 1. März nächsten Jahres mufste
sie wieder ein Töchterlein taufen lassen. Am 22. Juni wurde
Stetten abermals geplündert und in Brand gesteckt, 95 Ge*
Dm ehMTuüige Amt Liobtenb«rg vor der BbSn. X15
bäade gingen in Flammen auf. Die Namen der 5 muügen
Männer, die sioh xnerst wieder in die Trümmerstätte wagten,
Bind aufbewahrt, unter ihnen der y^Beutei'' Andreas Zeuner,
weloher 1646 Schulmeister wurde. Bis in den Juli hinein
wüsteten damals die Kaiserlichen weit und breit umher;
,,ebeii dann hat man wieder hinweglauffen undt alles dahey-
men yerlaßen müBen, ein gants yiertel Jahrs 2U Fladungen
undt Ostheim sich uffgehalten ; da ist alles in Heüßem und das
Korn uff dem Feldt hinweg genommen worden, ist nichts als
das lehre Stupffei blieben, der Sommerffohr ist auch gantz
verderbt worden''. Während dieses »^^^K^'^^ig^i^ elends"
starben in Fladungen 8, in Ostheim 6 Stettener; hier auch
4 Sondheimer. Am 8. Juli ist Both „von pommerschen Reu-
tern in Brandt gestecket worden, gants abgebrandt, wegen
deien daB die Schnapphahnen etxliche Sdiwedische Beiiter
im breühauße daeelbsten in der Nacht erschlagen haben". Am
16. Juli fielen in Helmershausen Schweden und Kaiserliche
gleichzeitig plündernd ein — „irruptio Si^ecica et Caesa-
riana'\ Die Einwohner flohen nach allen Bichtungen, der
Pfarrer König nach seiner alten Heimat Oetheim, wo mehrere
Helmershäuser in diesen Tagen starben. Am 24. Juli wurde
Hausen, am 31. Leubach niedergebrannt So lagen also Nord-
heim, Stetten, Both, Hausen und Leubach in Schutt und
Trümmern ; Ton den andern Orten fehlen nur die Nachrichten.
Ans diesen Tagen dürfte die Schwedenschanae bei Sands und
die Schanze der Kaiserlichen bei der Fladunger Kapelle her-
rühren.
Ausgangs des Jahres 1640 nahm der kaiserliche Oeneral-
waohtmeister Oilli de Haes (Hassj) — in „Schildhesse'* yer-
wandelte seinen Namen der Volksmund — mit 8 Begimentern
in der Grafschaft Henneberg Quartier. Am Tage Maria
Lichtmefs 1641 rückten seine Bittmeister Alexander und
Yalentin von Meiningen aus Tor Helmershausen, nahmen
es ein und zündeten es an. In den Frühlingsmonaten lag
eine schwedische Abteilung in Sondheim und Urspringen. Im
Sommer starben die Witwe und 2 Kinder des Helmershäuser
WQ Das ehemalig« Amt Lichtenberg Tor der Bhdn.
Pfarrers Strahm (des frühem Eirchners) in Oitheim. Am
15. Oktober früh 6 Uhr wurden ebenda, ,,al£ ungefehr eine
Sohwedisohe Parthey untenn Commando H. Oberet Lentnt
Lathonius allhier eingefallen^^ 3 Bürger ,,yon den Soldaten
uff der gaften niedergeschoßen, alflo balden todtblieben*'. Vom
14. bis 18. November gab ei im Yordergerioht wieder starke
Einquartierung von Hatsfeldichen Truppen.
1642 im ICärz rückte eine bayrische Truppe in Helmers-
hausen ein; abermals ergreift alles die Flucht, erst am 1. April
wagen einige in den verwüsteten Ort zurückzukehren. — Als
nach der für die Kaiserlichen unglücklichen Schlacht bei
Breitenfeld (2. Nov.)» durch welche die Vereinigung Torsten-
sons mit dem firanzösischen Marschall Gu^briant hatte ver-
hindert werden sollen, letztere mit der alliierten französisdi-
weimarischen Armee nach Schwaben zu sich wendete, zog
der weimarische Obrist Bösen mit einem Teile derselben in
den Tagen vom 16. bis 18. December über den Stellberg,
Stetten, Sondheim etc. Die Kosten betrugen für Stetten
1601 fl 8 btz« In Ostheiro starb ein Stettener am 17. De-
cember, „eben domals als wegen der Weymarischen gegen
Erancken marchirende völckem wir flüchtig gewesen^.
1648 berichtet der Amtmann Kas. Ohr. v. Stein zum
Altenstein in seiner ofüziellen Amtsbeschreibung über den
Eingang der halbjährig (Trinit und Andreas) fälligen Steuern :
„Hat sich hiebevor im gantzen Ambt ein termin uff 1175 fl.
beioffen; ietziger Zeit aber bestehet solche uff 819 fl., welche
doch wegen großer Veroedung mehrster Dorffschafften schwer-
lich völlig zu erlangen". — Am Osterabend dieses Jahres
wurde Oberelibach von Schweden in Brand gesteckt, ,.seindt
uff die 70 Baw damals abgebrandf^ Am 11. Mai zog Oraf
Königsmark von seinem Hauptquartier Stockheim aus nach.
Bischofsheim ; auf dem Bückmarsche am 21. übernachtete er
in Stetten. Im folgenden Monat wird wieder über die Ver-
gewaltigung einer jungen Stettenerin berichtet. Da in solchen
Fällen nicht jedesmal im Kirchenbuche über eine Amtshand-
lung zu berichten war, in einigen auch nach dem ansge-
Dms ehemaUge Amt Lichtenberg Tor der Bhdn. 'H'J
spFochenen Verdachte der Pfarrer unter dieser Firma Kontre-
bande eingeschmuggelt wurde, mag dergleichen fortan uner-
wShnt bleiben. Dafs in dieser wftsten Zeit die Sittenlosigkeit
in erschreckender Weise ungestraft überhand nahm, lädst sich
begreifen. — Da der Kurfürst und die Hersöge Ton Sachsen,
die gemeinschaftlichen Herren der henneberger Brbländer,
damak dem kaiserlichen General Melchior Grafen Hatsfeld
sieh zu Danke rerpflichtet hielten, belehnten sie in diesem
Jahre denselben unter Vorbehalt der Landeshoheit und Bpi-
skopalgerechtsame mit dem 1687 heimgefallenen bisher t. Mafs-
bachsohen MaAbach, seitdem Eisenachisohem Lehn, als welches
es in kirchlidier Bexiehung dem Amte Lichtenberg unter-
stellt wurde. — Seit 81. Dec. 1648 bis Pfingsten 1644 lag
Hatsfeld mit seinen Truppen in Meiningen und Ostheim. Von
hier aus marschierte er nach Torstensons Siege bei Jüter-
bogk nach Böhmen ab. — In diesem Jahre galt 1 Ms. Korn
5 Gnscken (ä 6 Pfg.), Weisen 8 bts., 1 Eimer Bier 1 fl.
Ein Acker Wald im Hildenberger Höhn wurde für 1 fl. Tcr-
kauft.
Im Jahre 1645 war im Amtsbezirke kein Kaiserlicher su
sehen.
1646 lag vom 32. März bis 28. Mai Brzhersog Leopold
mit österreichisehen Kriegsrölkern, mit denen er yon Böhmen
her gekommen war, in Ostheim und Umgegend. Stetten allein
hatte 189 iL 8 btz. eigene Binquartierungskosten, und muCite
auTbordem nach Ostheim liefern: 222 IL bar, 124 Ctr. 69
Pfd. Brot, 80 Ctr. 77 Pfd. Fleisch, 826^4 Ctr. Heu, 28 Ctr.
Stroh, 180 Eimer Bier. Einen solchen Aderlals würde eine
Gemeinde schon in normalen Zeiten empfindlich spüren!
1647 lag Tom 26. April bis in den Mai hinein das kron-
schwedische Leibregiment in der Gegend; für Stetten be-
trugen die Kosten 2686 fl. 18 gr. Merkwürdigerweise scheint
bei diesem Begimente wieder auf strenge Mannszucht ge-
halten worden zu sein. Am 8. Mai wurde in Ostheim ein
^Soldatenjunge'' begraben, der in Wilmarser Plur von einem
Beiter durch den Kopf geschossen und 8 Tage darauf ge*
1X8 ^<^ ehemalige Amt Lichtenberg vor der Bhdn.
Btorbeo war ; am 4. Mai wurde der Beiter anf dem Taniberge
erschossen und eingescharrt. Und am 81. Mai worde ein
böhmischer Beiter, wie sie zu Tausenden im schwedischen
Heere dienten» y^propter stuprum violentum" Torm Thore
„o^chibusiref^ und auf dem Gottesacker begraben. — Vom
80. Noyember bis 9. December lagen wieder bald kaiserliche,
bald schwedische B«gimentei im Amte. Die letzte Stettener
Kriegskostenrechnung (von Petri 1647 bis dahin 1648), in
welcher die vom 18. Dea bis 22. Jan. in Ostheim gelegenen
kaiserliehen Regimenter die Hauptrolle spielen, zählt an
Lieferungen auf: 144 Otr. 28 Pfd. Fleisch; 2 Binder, 2
Kälber etc., 124 Mit 7 Ms. Korn, 58 Mit 1 Ms. Weizen,
482 Mit 6 Ms. Hafer, 8080 Otr. Heu, 1886 Otr. Stroh,
175 fl. 11 gr. bar, ohne die Douceure für die Stabsoffiziere.
Es hat indes keine dieser Truppen geplündert, auch die
Kroaten nicht
1648 am 24. Oktober wurde in Münster der Friede un-
terzeichnet^), Schweden und Frankreich aber liefsen als Ga-
rantiemächte ihre Heere noch bis 1650 im Lande. Der end-
giltige Friede wurde am 26. Juni 1650 in Nürnberg ge-
schlossen; am 19. August wurde das Friedensfest gefeiert
Alle Gegenden des Beiches wurden seit dem FriedensschluTs
unsicher gemacht von den — meist sehr gegen ihren Wunsch
— entlassenen Truppen ; sie waren allzusehr yerroht und des
Baubens und Pltindems zu sehr gewohnt In Ostheim wurden
noch 1649 aufser 26 Soldaten, Soldatenweibem und -Kindern
auch 85 Personen begraben, die dahin „geflöhnf' waren: 6
aus Wilmars, 5 aus Stettlingen, je 4 aus Helmershausen und
Hermannsfeld, je 8 aus XJrspringen und Sülzfeld, je 2 aus
Meiningen und Völkershausen , die übrigen 6 aus Walldorf,
1) Paul Oerbard sang dsmals: Gottlob nun ist erschollen das edle
Fried- und Frendenwort, dafs nunmehr rohen sollen die Spiefte, Schwerter
und ihr Mord! und Martin Binckart: Nun danket alle Gott! Der Papst
aber verdammte den Frieden; erst sollte das Ketzertnm gans aasgetilgt
werden, mochte darOber aach der letzte deutsche KaAolik mit yerderben t
Was kflmmerte den Italiener das deutsche Volk?
Dm eh«malSge Amt Lichtenberg Tor der Rhön. 1X9
Hennaberg, Mafsfeld, MeUrichstadt» ünterwaldbehrangeo and
Schafhansen.
Nach dem Friedenssohlnsse schickte jede Gemeinde ihre
Kostenrechnung an das Amt ein; Yon diesem worden die
Kosten unter die Gemeinden nach deren Kräften so yerteilt^
dafs die weniger mitgenommenen den schwerer heimgesuchten
herauszuzahlen hatten.
Wie sah es jetzt, abgesehen von der sittlichen Verwil-
derung und Verrohung ^), im Lande aus! Städte und Dörfer
entvölkert'), die Gebäude in Schutt und Trümmern, manche
Orte, wie Moor auf der Rhön, Euhberg bei Zella, Engelsberg
bei Unterweid ganz wüste und für immer verlassen, drei
Viertel des Ackerlandes von Domen und Disteln überwuchert!
Im Herpfgrunde geht die Sage, dafs von allem Vieh des
ganzen Grundes nur eine einzige trächtige Kuh, aus der
Weihersmühle bei Gerthausen, in den Plünderungen erhalten
geblieben sei, indem der Müller sie im hohen Grase am
Brunnen versteckt habe; diese Kuh sei die Stammutter des
ganzen späteren Yiehstandes im Herpfgrunde geworden. Ja,
wenn es irgendwo bei einem feindlichen Überfalle geblieben
wäre!
Sehr langsam vernarbten die tiefen Wunden, die der
Krieg dem Lande geschlagen. Noch lange durchzogen ganze
1) Ein Beispiel der ZostAnde, welche der langwierige Krieg neeh
dieser Seite im Gefolge hatte: In ürspringen werde 1650 ein Kind ge-
teuft, das Sdhnehen „eines Arts and defien Fran Margarethe, welche her-
oacher von ihrem mann verstoBen und sich wieder anhero gewendet mit
ihren kinden, der genBe dne Zeitweil gehUttet",
t) 1650 am 15. Febr. beschloß in Nürnberg die frSnkisohe Kreis-
Tersammlong mit Zustimmung der Kirchenffir sten, am eine
schnellere Zunahme der Beydlkerung herbeisuführen und die aus dem
mftnnermordenden Kriege fibrig gebUebene t^benahl yon Frauen und
Uftdchen su versorgen, auch den katholischen Pfiurrem die Ehe und aUen
Minnem zwei Weiber su erlauben (Wolfgang Mensel, Gesch. der Deut-
schen n, 8. eM).
120 ^'^ ehemalige Amt Liditenberg yor der RhSn.
Bettlersoharen die Dörfer, die doob alle der eigenen Armmt
genug hatten, in Haufen kamen „Vaganten", zu denen ent-
lassene und inyalide Soldaten das Hauptkontingent stellten,
aus weitester Feme kamen „Verbrannte'', die um Beiträge
zum Wiederaufbau ihrer Wohnungen bettelten. Aber sohon
sah man auQh mit neuer Hoffnung wieder der Zukunft ent-
gegen. Das bezeugen schon die yielen Zechgelegenheüen^
von denen Qemeindereohnungen und andere Aufzeichnungen
berichten. Die Häuser erstanden wieder aus den Trümmern,
die ausgebrannten oder ausgeraubten Kirchen wurden zum
Gottesdienste wieder hergerichtet. Überall fehlten die Orgeln,
da das Metall derselben weggeschleppt und von den Beute-
trödlern versilbert worden war; alles Holzwerk hatte zu
Lagerfeuern dienen müssen. Zu eigentlichen Orgeln fehlte
freilich das Geld, man mufste sich mit „Orgelweroklein^' (Po-
sitiven) begnügen — so war es wenigstens in Ostheim, Sond-
heim, Stetten, Helmershausen, Kaltenwestheim. Erst gegen
Ausgang des Jahrhunderts wurden diese fast überall durch
gröfsere Werke ersetzt.
Im Jahre 1662 starb Herzog Wilhelm U. ; das Fürsten-
tum Eisenachy zu welchem 2 Jahre vorher bei der endlichen
Teilung der henneberger Erbländer das Amt Kaltennordheim
geschlagen worden war, fiel seinen Söhnen Joh. Ernst L (in
Weimar), Adolf Wilhelm (in Eisenach) Joh. Georg L (in
ICarksuhl) und Bernhard (in Jena) zu, welche einen gemein-
schaftlichen „Oberaufseher*' (v. Prüschenk) für das Eisenacher
Gebiet in Eisenach installierten.
Am 24. Juni 1666 unterzeichnete Herzog Adolf Wilhelm
auf Lichtenberg den Ablösungsvertrag mit den Amts-
unterthanen wegen der Wein- und Getreidefuhren und
Jagdfronen. Im Jahre 1667 meldete er sich wieder mit Fa-
milie und Hofstaat („uf die etzlieh dreißig Persohnen") für
Mitte Juni auf Lichtenberg an. Es wurde deshalb in Ost-
heim viel Bier gebraut, welches die „Herrn firöhner" (die
Inhaber der 17 Ostheimer herrschaftlichen Lehnhöfe) „wider
willen", aber doch gegen das Versprechen, dafs diese Fron
Dm elMmalige Amt Lichtenberg vor der Rhön. X21
nicht anfgesohrieben werden and nicht zum Präjudii gereichen
solle, hinauf fahren nmfsteD. Die Stadt lieferte 17 yoUetän-
dige Betten» zu denen die Bürger die einzelnen Stücke bei-
tragen« Die Amtsdörfer hatten abwechselnd täglich einen^
Wagen za schicken, der das nötige Wasser yom Rappacher
Brannen (welches Unheil mag das anter den Tornehmen
G8sten angerichtet haben !) hinaaf fahr« Das Fleisch lieferte
Hans Leister als „Ho&chlächter'^ das Brot Michel Stampf als
„Hofbäoker"; beides warde jeden Morgen ,,yon den Wit-
beibem and Mägden hinaaf getragen , and bekäme eine 1
brötlein'^ Während dieses Besaches wurde das »»Losthaas*^
am Höhn angerichtet, Mahlzeiten dort gehalten, Spiele im
damaligen Geschmack angestellt, nach „Scheaben^' geschossen,
and dazu wohl auch einer oder zwei der besten Schützen des
Ansschosses zagezogen. Aaf den S. Pfingstfeiertag warde der
Hof nebst ganzem Hofistaat vom Stadtrat aaf dem Bathaase
„gastirt", wobei fast der ganze Ortsadel sich beteiligte. „Alle
Masikanten maßten af?rarten, nffm Marck wardete der aaß-
Schaft af, and wahren auch die Doppel Hacken affm Rath
Haaft anter wärenden Trincken loft gebrend, dayon auch 1
zersprenget and halt groften Bchaden gethan''. Am Morgen
dea Tages, als nach siebenwöcbentlichem Aafenthalte aaf der
Burg die Herrschaft wieder abreiste, gingen die Oemeinde-
diener mit dem Stadtschreiber hinauf^ die Betten auf 2 Wagen
wieder herabzasohaffen ; auf dem Bathause sachte jeder Bürger
das Seinige heraus, „und mangelte nit 1 stück" ! — Im April
des folgenden Jabres forderten die beiden Amtsinspektoren
Schmidt und Wagner abermals die Lieferung yon Betten auf
die Burg, da der Eammeryerwalter, der Landhauptmann und
andere yomehme Leute ehestes Tages kommen würden, allein
man erklärte, „das es nit herkommens, und ein gebrauch
darauft werden dürfte; unterbliebe also, und geschähe nitt'V
Am Mittwoch den 17. Juni kam der Herzog selbst, mit 15
Pferden, und brachte den neuen Landhauptmann, Obristwacht-
meister Friedrich Beiser y. Eisenbergk, den neuen Amtmann
Heher und yiele Hofbeamte mit; 9 Tage später kam auch
122 ^'^ ehemalige Amt Liehteoberg vor der Bhdn.
der OberanfBeher t. Prüsohenk. Sonnabend den 27. Juni
wurde Heher auf dem Bathaoee feierlich in sein Amt einge-
führt, wozu die Oeietlioben, Sohulmeister, Stadt* und Dorf-
sohultheiXsen y die (amtasäesigen) Edelleute und die y,Freien"
(Ereitassen) geladen waren. Auch der ganse AusschufB ans
dem Amte mofste vor dem Bathanse antreten. Nach Been-
digung der Feierlichkeit stellte der Oberaufseher auf dem
Tansberge dem Ausschüsse den neuen Landhauptmann vor
und fuhr nach der Burg hinauf. Hierauf mufsten die Mann-
scbaftCD, wie ihre Namen aus der Bolle yerlesen wurden,
rotten weise vor den an einer weifsgedeckten Tafel unter den
Linden sitzenden Herren Torübermarschieren , worauf der
Laudhauptmaun den neuen Leutnant Tob. Fahler vorstellte^
Tom Stadtschreiber die fürstL Kriegsordnung yerlesen und die
Mannschaften schwören liefs. Nachdem er sie dann „etslich
stundlang" hatte exercieren lassen und ein starker Bogen
dem ein Bnde machte, marschierte der Ausschufs in die Stadt,
lieferte die Fahne in das Bathaus ab und labte sich dann
an einer splendiden Mahlzeit, die im ganzen 22 fL 15 gr.
10 pfg. kostete. Am Dienstag darauf mit dem frühesten fuhr
der Herzog wieder ab, nach Kaltensundheim ; in Kaltennord*
heim nahm der Landhauptmann dieselben Feierlichkeiten mit
dem dortigen Ausschusse vor.
Am 21. Nov. desselben Jahres starb Herzog Adolf Wil-
helm. Bs blieb zunächst bei der gemeinschaftlichen Begierung
der drei noch übrigen Brüder.
Am 16. Noyember kamen die gewesenen Amtsinspektoren
Schmidt und Wagner in Ostheim mit einer grofsen Schachtel
voll Pergamenturkanden mit groDsen Siegelkapseln auf das
Batbaus und berichteten dem Magistrat, daTs die Schwein-
furter Schuld Ton 29 000 fLy die in der Kriegszeit die Herr-
schaft für das Amt aufgenommen hatte, nun ganz abgetragen
^h tybegahreten, solche wichtige wißenschaft in das gemeine
Stadtprotokol einzuverleiben , und geschähe darauf eine gute
Zech".
Nachdem 1671 der noch nicht dreijährige Sohn des
Dag «hMiuUige Amt Lichtenberg vor der Rhöo. 128
Hersogs Adolf Wilhelm, Wilhelm August, gestorben war, er-
hielt Johann Georg, der nun seine Residens Ton ICarksnhl
naeh Bisenach yerlegte, das Fürstentum zu alleinigem Besiti.
Sogleich lieüs er, der mit Leib und Seele Soldat war (1674
wurde er Yom Kaiser zum Generalfeldmarsohall ernannt), die
Liditenburg stärker befestigen. Seit dem Bauernkriege war
aufser der Erneuerung des äufseren Thores 1618 wohl wenig
dazu geschehen. Da aber jetzt (1672) ein Krieg zwischen
dem Kaiser und dem König Ludwig XIV. von Frankreich un-
vermeidlich schien, hielt es der Herzog doch für geraten, auch
<iie Lichtenburg noch einmal in einigermaDsen verteidigungs-
fähigen Zustand zu bringen. Die Ringmauern wurden mit 6
neuen Blockhäusern besetzt, der äufsere Wall ausgegraben,
«in neues Aufsenwerk angelegt, ein neues eisenbeschlagenes
Thor (1830 erst entfernt) eingehängt und dergleichen mehr
ins Werk gesetzt „Die Dorfschaften im Hindergericht thaten
nichts daran, weiten es Tor flickwerck achten, musten aber
«ndlich auch dazu und widerumb rück alß beysteuer dem
Vorgericht liefern, bekam Ostheim 7 fl.« Auch eine klein»
Besatzung wurde in die Burg gelegt —
Im Jahre 1677 am Himmelfahrtheiligabend kam die
Frau Herzogin von Ulm her, bis wohin sie ihren nach Ungarn
in den Krieg ziehenden Gemahl begleitet hatte, mit den beiden
Prinzen und den Prinzessinnen auf Lichtenberg an ; am Himmel-
fahrtstage besuchte sie mit ihrem Hofstaate den Gottesdienst
in Ostheim. Der Stadtrat „verehrte" ihr während ihrer An-
wesenheit einen halben Eimer Wein, das Mals zu 3 Schilling,
3 Eimer Bier, „1 Sugkalb*' und 2 Lämmer; „waB weitters
ufgangen wurd tou Hn. Ambtsschreiber zahlt". Am Freitag
reiste sie weiter.
Am 5. Febr. 1679 hatte der Kaiser mit Ludwig XIY.
den l^jmweger Frieden geschlossen; der Herzog ent-
liels deshalb seine Landeskinder in die Heimat, nur 60 Mann
behielt er in Eisenach zurück. Da aber ein greiser Teil der
an der französischen Grenze aufgelösten und heimgeschickten
kaiserlichen Truppen durch Franken kam, und im Juli ein
ivn. 9
124 ^** ehemalig« Amt Lichtenberg tot der Bhdn.
groCBer Zug nch dem Amte Liohtenberg näherte, schickte er
jene 60 Mann ,^ Salvaquart oder gamisan" hierher, wo-
sie erat in die Y ordergerichtsdörter , dann nach Oitheim ge*
legt worden. Acht Tage darauf ,,da kahme ein geschrey^
die Völoker weiten im Hindern gerichts Dorffsohafften ein-^
fiailen^% weshalb die kleine Trappe eilig dahin aufbrechen
mnlste. Noch hatten sie am anderen Tage (Sonnabend vor
dem BartholomSimarkt) nicht ihr Quartier wieder bezogen, da
rückte ein Eapitänleutnant Staffel mit 48 Mann ein, lief»
sofort die Stadtthore schliefsen und yerlangte von jenen 60
gebieterisch, sich unterstecken zu lassen und weiter zu dienen..
Als sie sich dessen weigerten, wurden sie entwaffnet und in<
die obere Ratsstube gesperrt, ans welcher Torher der herr»
schaftliehe Mehlyorrat auf den Boden hinauf geschafft worden«
war. Tor der Thür der Batsstube wie auch yor dem Bat-
hause wurde eine starke Wache aufgestellt. Die Bürger, bei-
denen die Eingesperrten ihre Quartiere hatten, brachten den
müde, hungrig und durstig angekommenen Leuten trotz aus-
drücklichen Verbots Essen und Trinken hinein. Die Arre»
stauten fluchten und „schmähleten^' über die ihnen widerfahrene^
Behandlung, und der Tumult wurde so stark — einer soll
sogar mit einem eingeschmuggelten „Puffer'' auf die Wache
gefeuert haben — dafs diese unter sie schofs. Auch der
Eapitänleutnant kommt, mit 8 Pistolen bewaffnet, dazu,
„schlägt, scheuist und sticht auch druf*. Als nun Licht
herbeigebracht wurde, sah man den 27-jährigen Bürger Hans^
Keller yon 8 (nach dem Eirchenbuche 7) Kugeln durchbohrt
eamt seinem Soldaten tot neben der yordersten Säule liegen; ein
anderer Soldat starb noch in der Nacht, 2 waren yerwundet.
Die „Anfänger^ des Tumultes wurden yerhaftet und in die-
beiden Narrenhäuser gesteckt; der ganze Ausschufs und ein
Teil der Bürger mufste die Nacht über auf dem Markte unter
Gewehr stehen. Am nächsten Morgen (Sonntag) wurden die
beiden toten Soldaten „sine luee, sine erucef* eingescharrt».
Hans Keller aber am Mittag mit allen Ehren begraben, um.
L _
Dm «heiMdif» AiBt Lfehtonberg tot d«r BhSn. 12&
9 ühr waren die Arrestanten, je 8 swisohen je 8 uod 8 Mos-
katieren nach Eibttadt abgeführt worden , wo der Stab Ton
Steffels Begiment lag. Einer von ihnen ist dort ^ßuxrpusirf*^
worden ; ein anderer wehrte sieh gegen die Exekution» wollte
sieh nieht ansjaehen, sich nicht die Augen rerbinden lassen^
nicht niederknien etc., dafs er endlich begnadigt wurde;
dessenungeachtet lieft Staffel ihn anderen Tags eigenmächtig
erschielsen. Einige Tage nach jenem Vor&ll kam Hofmar-
6chall Yon Biedesel und ein Herr Knackh von Eisenach nach
Ostheim, von wo sie dem Begimente bis Königsee nachreisten,
um ee lurüek lu beordern. Am 4. September kam der Hersog
selbst nach Ostheim, als auch das Begiment einrückte. Als
es mit fliegenden Fahnen, die sich vor dem auf dem Bat-
hausaltan stehenden Herzog neigten, durchgezogen war, „mar-
chirten sie hinauB inft Steüdig neben der öpts bundt uf die
Wiese, schlugen aldo ein läger uff, in 2 BadaUien, und wurde
die Wiesen ToUer Qezelt gemacht^. Dazu mufste das Yorder-
geiicht 30 Fuder Stroh und 80 Klafter Holz liefern. Tags
darauf, Sonnabend, „gastierte'' der Herzog das Begiment; die
Stadt mufste dazu 24 Vt Eimer 2 Ms Wein , die Dörfbr 2
„film Ochßen'< beischaffen, was in Summa 178 Thlr. 8 Bti.
11 Pf. Kosten yerursachte. Am Sonntag firüh zog das Be-
giment nach Gersfeld zu ab ; jedem Kranken hatte Dr. KHng-
hammer etwas Labung mitgegeben. Mittags reiste auch der
Herzog ab, der letzte fürstliche Gast, den die Burg beher-
bergt hat — Am 28. NoTcmber wurde das Friedensfest ge-
feiert. —
Im Jahre 1680wurde der Sitz desAmtes von
der Burg in die Stadt verlegt, da trotz der vor weni-
gen Jahren ausgeführten Neubefestigung sie selbst dem Ver-
falle immer mehr entgegenging. Auch das Inventar befand
sidi seit dem bösen Jahre 1634 in einem traurigen Zustande ;
ea zu erneuern oder zu vervollständigen, hatte man sich an-
gesichts dieses Verfalles auch nicht veranlaXst gesehen.
Nachdem 1645 der Amtmann Kas. Chr. v. Stein zum
126 ^<^* ehemalige Amt Lichtenberg Tor der Bhdn.
Altenstein ein InTentarverzeiohiiiB ^) eingereioht hatte^
stellte im Jahre 1663 Amttverwalter Schmidt ein neues,
ausführlicheres ,,InTentarium derer Mobilien und Mo*
yentien« nebst Anschlagspreisen auf, aus dem man wieder
sieht» wie alt und verfallen alles war'), wie auch die ganze
1) Ad Zinegetreide leg damals auf den Bdden: 878 Mit. Korn,
168 Mit. Hafer, etwas Gerate, Wicken and Linsen. Der Keller enthielt
19 Fnder 97^ Eimer Wein. ,,VoIget nohn, was an anderer Fahmnas
uAn Ffirstl. Ambthaofi beyhanden: 8 Himmelbett, worander 2 grfin an-
gestrichen, 6 schlechte Himmelbett, 1 Himmelbett mit eingelegtem holtz
in der f&rstl. Schlaffkammer, 8 schlechte spanbett, 1 bett Gasten, 1
lange Vorbanck, 1 lange alte tafel in der großen stneben, 18 knrtse stoel
umb die Tafel, welche im Keys, einfall aS 1684 theilA serschlagen worden
und hinweg kommen, 8 Datset newe bencklein, so aS 1648 bey lUssimi
anhero Knnfft haben in eil gemacht werden mossen, sind sehr bawfellig.
Ein groAer alter schranck für der stachen, 1 groBe ranthe tafel in fQrstU
gemach stehendt, 8 alte Tenne tisch, 1 alte lange eichene tafel mit 2
Schaebladen in der Küche stehendt, 1 lange tafel in dem alten Kirchlein,
1 Bepositor Schranck mit 14 Sehabladen, deren theils im Keys, einfall
hinweg kommen, in der newen Ambstaeben stehendt, mehr 1 schwartse
tafel dorinnen. Eine eiserne bawfeJlige Schlag übr, so nit gangbahr;
8 Doppel Hacken, al6 ein eisern nndt 2 mefiinge, 1 Pfann im Wasch-
haoA, 1 Kefielein in der badsloeben, 1 KeBel in der gesindt ofen, defien
man sich sam Vieh trencken gebraachet, 1 Esels Karren sampt der Zae*
gehorong, so amb wenigere Unkosten willen an Stadt des abgangenen
Pferdt WaBer Kam geschafft worden, ein großer aafigehaubener stein,
worinnen sich das WaSer samlet, 8 Brett K äffen, 1 Korn maas, 1 Hafer
maas, wormit die erbsins eingenommen wird, 1 Romhilder Korn- and
auch 1 solch Hafermaai, wirdt die sam Milpers fellige fracht darmit er-
hoben."
2) Das lebende Inventar bestand nar aas einem alten Schimmel,
einem alten Esel, einem Paar alter Ochsen, s&mtlich beim Wasserfahren
und beim Ackerbau abgetrieben, and einem Paar janger Stiere. Kühe,
Schaf- and Fedenrieh gab es nicht. Aus dem Verseichnis der meist alten,
„wandelbahren**, vermoderten und wurmserfressenen Bettgestelle. Tische,
Bftnke and Stühle erflUirt man, dafs es ein Fraaensimmer, eine Vorder-
stabe, eine neae Vorder-, eine nene Ober-, eine hintere, eine Tafel- und
eine Badettabe etc. gab. Unter dem Mobiliar sind aach „2 neue Waler-
sprflts von Holts, so in feüers gefahr tue braachen, costen 1 fl.<», anf-
geführt. Die in beiden Kellern und im Bandhanse lagernden 11 Fässer
— das gröfste la 48 Eimer „Ostheimer Eich** — fafsten susammen 840
Dm ehemalige Amt Lichtenberg Tor der Bhdo. 127
Sorg trotz einiger oeuhergerioht^ter Stuben und Kammern
innen und anseen den Eindruck des YerfSalls gemacht haben
mnls« Die Zeit der Burgen war Torüber; zu einem Amt-
hause bedurfte man keioes festen BergschJosses mehr. Dazu
der für die Beamten, für die Amtsinsassen und besonders für
die Zinsgetreidewagen so beschwerliche Weg hinauf — wozu
also noch grofse Kosten auf Baulichkeiten und Inventar Ter*
wenden ? Über kurz oder lang muftte ja doch die Yerlegung
des Amtssitzes vom Berge in die Stadt in ernstliche Über-
legung gezogen werden, besonders da man dort auch den sich
mehrenden Übergriffen des emanoipationslustigen Ostheimer
Adels schneller und wirksamer entgegentreten konnte. Die
Verlegung des Amtssitzes erfolgte also im Jahre 1680. Auf
der Burg blieben vorläufig noch wohnen der Amtsschreiber^
der von jetzt an den Titel Amtsvogt führte und die Qeld-
und Getreideeinnahmen sowie das Forstwesen nun etwas selb-
ständiger zu verwalten hatte, der „Forstbediente'' oder „Jäger*',,
der Thorwart, und die kleine Besatzung. Des Zinsgetreidea
und des Geldes wegeo, welches der Amtsvogt in Yerwahrung
hatte, muTsten sich täglich 4 Mann aus den Amtsdörfern
Torder- und Hintergerichts zur Wache einfinden ; aach hatten
sie das Getreide öfter zu wenden und im Winter, soweit
ihre Kräfte dazu ausreichten, Bahn durch den Schnee zu
schaufeln.
Wo der Amtmann in der Stadt zuerst seine Wohnung
aufgeschlagen» ist ungewifs; doch führt der Bericht im Schlufs-
protokoU fiber die Einführung des Amtmanns Schellhas 1684
(s. u.) auf die Spur. Präsident Avemann erbat sich, wie ea
Shner und waren iSmtHch elt und fast nnhranohbar, 4 davon von Martii»
y. d. Tann in Nordheim gar in geringem Werte erkauft, S t,iif gneten
Befeleh sne Zillbach abgeholt*'. Auch die Und- und haotwirtschaftlicheD
Qerite waren in gani trostloaem Zostande. „8 Mu/k^puUm aeind ahn-
geeehlagen pro 10 fl., und obwohlen aoeh S Meittnge Doppelhacken vor-
banden, seind doch solche vor diesem bey einem von Adell entlehnt und
sdthero nicht wieder gefordert worden, dohero selbige oicbt wohl in Ahn*
ichlag sne bringen.*'
128 !>*• «bemalige Amt Lielitoiib«iv tot dar Rhöo.
heifBt, das Frühstüok %ub dem Bathause M^inüber ins Hm»
Ambtmaiia behaoBung''. Später wohnten die Amtmännw in
dem Amtmann Tilemannaohen Hause, dem ,^eAbergisehen
SoUöBchen^. Aof Betreiben der Bdellente, welofae den Amt-
mann am liebsten wieder aof der Burg gewuXst hätten, kün-
digte 1715 die damalige Besitserin jenes Hauses, Frau Oberst-
leutnant Y. Spefshart, geb. v. Groppendorf, obgleich sie Ton
den auf den Ankauf des Hauses verwendeten 600 Gulden
6 ^/o, nämlich 86 Gulden Miete bezog, ihm doch die Wohnung.
Daus er aber keine andere in der Stadt fand, dafür hatte —
das war öffentliches Geheimnis — der dem Amte stets auf-
sässige Adel schon gesorgt Deshalb wollte auch der Amt-
mann dnrchaus das Haus nicht räumen, obgleich die Besitserin
sogar mehrmals die Hilfe des Landesherm angerufen hatte,
bis dieser ihm endlich streng befahl, bis zur Vollendung
eines lu erbauenden neuen Amthauses wieder auf die Burg,
zum AmtSYogt Wolf, zu ziehen.
Es wurden nun 8 bürgerliche Hoä:aiten, der bisherigen
Amtmannswohnung schräg gegenüber, angekauft, die Gebäude,
ungeachtet der Protestation des Adels, weil er nicht darum
gefragt worden sei, eingelegt» und das jetzige Amthaus er-
baut Im Jahre 1719 zog der Amtmann von der Burg wieder
herab und in das neue Haus ein.
Etwa gleichzeitig mit dem Amthause wurde auch das
Forsthaus erbaut und yom Jäger, welcher dem Amtsvogt unter-
geben blieb, bezogen.
Von nun an hauste der Amtsvogt mit dem Thorwart
noch allein auf der Burg, und zwar fast noch ein ganzes
Jahrhundert, bis 1811.
Im Jahre 1705 wurde das zur Burg gehörige ,,Schlofs-
gut" an die Stadt Ostheim verkauft für 8600 fl. bar und
65 fl. Erbzins. Es gehörten dazu 1400 Acker teilweise mit
Obstbäumen bestandenes Artland in Ostheimer Flur mit der
Bappacherbrunn-Wiese; 88 Acker Wiese in Melperser Flur
(21 Acker hielt die Mühlwiese und 12 die Haderwiese), das
Hutrecht im Höhn und 7 Klafter Deputatholz. —
Dm ehemalig« Amt Lichtenberg Tor der Bhdn. 129
Kehren wir nun zu den EreigniMen im Amtsbezirke
znrüokl
Am 11. März 1681 wurde grofser Bufstag gefeiert Mwegen
^es groBen Cometen, so vom Deo. 1680 bis Jan. 1681 sehr
«chreokltch anzusehen war''.
In demselben Jahre drohte wieder einmal die Pest» welohe
^on Ungarn her gekommen war, grofse Verheerung anzuriehten.
Cn Sondheim, und vermutlioh auch in den anderen Orten,
lieb sich ein Pestilenzprediger hören, und noch 1682 erschien
•ein fürstL Pestpatent *). —
Schon 1664 hatte Joh. Ernst I. von Sachsen- Weimar die
Abschaffung der wie im Würzburgischen, so auch in den säch-
sischen Grenzgegenden allein üblichen Sonntagsmärkte
4ingeordnet; auf die Vorstellungen der betroffenen Orte hin
iiefs man es ßj^er bei dem Herkommen. Die Geistlichkeit
<les Amtes aber, Cotta in Sondheim an der Spitze, Iiefs nicht
Aach mit unaufhörlichen Klagen über die Nachteile der Sonn-
tagsmärkte für das kirchliche und sittliche Leben, bis endlich
am 19. Juli 1692, Ootta triumphieren konnte: „Soli deo
^lorial ecelesiae mtlitanU victarial'^ Nun baten die be-
troffenen Orte (zu den^i auch Ealtennordheim gehörte) die
^eisenachische Eegierung, sie möchte sich wenigstens bei der
würzbargischen dafür verwenden, dafs auch dort die Märkte
•auf Wochentage yerlegt würden. Das that sie denn auch
4mä sie erntete auch vom Bischof Joh. Gottfried die leb-
iiaftoste Anerkennung ihres christlichen Eifers, allein etc. etc.
— kurz, seinen Marktorten liels er nun erst recht die Sonn-
iagsmärkte. Die Märkte Ostheims, Sondheims, Ealtensund-
Jieims und Helmershausens haben dadurch viel verloren, und
l>esonder8 seit in neuerer Zeit (1S49) Ostheim seine Sonntags-
märkte sich wiederzuerringen verstanden hat, hat Sondheim
Icaum noch Veranlassung, sich einen Marktflecken zu nennen.
Inzwischen waren, seit dem Nym weger Frieden, auch im
1) Alt Beispiel eines solchen s. dms gothAische in Bndolpbi Gothn
^pl. IV. löO.
130 ^M ehemalige Amt Lichtenberg ror der RhSn.
YölkerlebeD unruhige Zeiten gewesen, „man höret von nicht»
alß Krieg u. Kriegsgeschrey"! Es war die Zeit der
Wegnahme Straiaburge, der Verwüstung Heidelbergs und der
Pfolz durch die Franzosen, der Belagerung Wiens durch die
Türken etc. — Um Weihnachten 1692 ging der Franzose vor
Bheinfels und bombardierte es, „das man alle canonen Schuß»
alhier Zehlen und yernehmen kunde'^
Auch in der Natur schienen bedenkliche Beyolutionen
vorzugehen*).
1692 hatte es auch grofse Teuerung gegeben, die noch
yermehrt worden war durch die „continuirliche Erieges-
fnarchs'* yerschiedener Armeen, besonders der kursächsischen^
durch welche „die conservirte frucht erst folgents consumiret
und aufgefressen'' wurde. Auch der Wein war seit etlichen
Jahren mifsraten; 1 Mals alter kostete 7 Schillinge, zuletzt
6 Batzen. —
In demselben Jahre sah sich auch der Nachfolger de»
1) „Es geschahen grellliche Brdbehen hin und wieder and fMt in
mllen Königreichen nnd Lftndem, wie denn in SeieüUa bey einem Erd>
beeben 100 000 Menschen fimb kommen, nnd solte sich der Erdboden biB*
19 Meilen lang Ton einander gespalten und alles Tersencket haben. In
dem 1698 Jahr darauf d. 81. Julij, alü lu vor etliche Wochen eine seh^
fast unertrXgliche Hitae gewesen, kam des abends gegen 7 und 8 Uhren
ein grausamm nnd schreckliches Gewitter, welches mit kontinuirlicheok
blitsen angehalten, das es fast nicht aufgehöret. Jederman Termelnde,.
es wfirde der Jfingste tag kommen. Darauf ein graosammer staroker
Sturm Wind gefolget, so alhier etliche 100 fruchtbare bäume fimbgeriBen,.
groien Schaden in den Wäldern gethan, alle groBen hafer- und Erbes
Hauffen fimbgeriAen, in der Luft weggeführet, die gelege untereinander
gemenget, das Keiner gewust, was seyn war, die Heuser und Kirchen-
dicher abgedecket, uf Lichtenberg ein gants steinern gebefi eingerissen,
das der Schade mit 400 Thlr. nicht su ersetsen ; in Snndhelm 11, %n
Ubrspringen 18 gebeü eingeworfen. Den 18 Aug. war dergleichen ge-
witter mit einem solchen grofien Sturm Winde, der auch viel bäume, im
Warthaug 58, im Appenslohe 58 Stimme Ümbgerissen, das grumet in
der lufit weggeflihret, alles untereinander gemisohet, Tiel Fuder, so heim
geffihret worden, mit saropt dem Wagen umbgeriBen, in Summa es ist
nicht alles su beschreiben** (S).
Dm •hemalige Amt Lichtenberg vor der RhSo.
131
1686 yerst Herzogs Joh. Georg I», Joh. Georg II.. deeeen
Kasse duroh die unaufhörlichen Rüstungen erschöpft war, ge-
nötigt, die für damalige Yerhältoisse sehr grofse Summe Ton
7&400 Thlr. bei Heinrich t. d. Tann, Bitterhauptmann des
Bitterorts Bhön-Werra, später Direktor des ganzen fränkischen
Bitterkreises y auf 12 Jahre zu leiben, wofür er ihm aulser
'iSundkam .
.... CnJt.
\ 9^ *
anderen Einkünften die Orte Kaltensundheim, Mittelsdorf, West-
heim. Erben- und Beichenhausen, Ober- und ünterweid über-
liels. Die genannte Summe hatte er in folgenden Posten er-
halten: 1) 2000 Thlr. auf 20 Jahre laut Bezefs vom 22. Okt.
1692, für welche er dem Herrn y. d. Tann die Eoppeljagd^
,,yeraccordirte"; 2) 8000 Thlr. laut Bezefs Tom 25. Okt. 1695
»»gegen Pension auf die Unterweider Intraden yersichert";
3) 60 000 Thlr. laut „Wiederkauffs RecessiiS*' yom 12. Juni
1698, „worfor die Intraden auf 12 Jahre yeraccordirt*', und.
182 ^M ehemalige Amt Lichtenberg Tor der BbSn.
^000 Thlr. laut EeEofs Tom 4. Febr. 1696 „gegen Pension
«nf die WaldgeAUe und das Kammergut veniohert^.
Über nftbere Einselbestimmangen bei diesem Arntngement
fanden Yerbandlnngeu am 25. und 26. Jnni 1698 im Amt-
hause in Kaltennordheim statt; eisenaeberseits war dazu Hof-
rat Schellhas (frtLher licbtenbg. Amtmann), Kammerrat Andr.
Bosa und Landrentmeister Job. Burkb. Fick abgeordnet. Bati-
fixiert wurde der Vertrag vom Hersog am 4. Aug. 1693.
Für die Zeit dieses ,,Tanniscben Wied erkaufs" be-
hielt er sieb nur die jwra ^iseopaUa über die verpfändeten
Orte und die landesberriicben Beohte über den ^yAusscbuTs*'
(die Milii) dieses Bezirk* vor. Es wurde nun neben dem
säobsisoben Oentgerichte, welchem in dieser Zeit nur Helmers-
bansen, Wohlmuthausen, Oerthausen, Sohafbausen und Weimar-
sebmieden centpflichiig waren, in Kaltensundheim auch ein
tannisches eingerichtet Im Jahre 1698 baten die 4 erst-
genannten Hintergericbts- und die Yordergeriobtsorte die Re*
gierungi doch auch Kaltensundheim und Mittelsdorf zur Be-
teiligung an den Kosten der Einführung des Amtmanns Lim-
bach anzuhalten, worauf an das Amt verfttgt wird, dafs beide
-Gemeinden, da sie biosiohtlioh der Folge, Musterung und
^geistlichen Gerichtsbarkeit noch unter dem Amt Lichtenberg
ständen, auch zur Leistung eines Beitrags zu dem fraglichen
Zwecke zu „überreden'' seien. —
Im Jahre 1695 Krieg zwischen Fulda und den
^Herren v. Boyneburg-Lengsfeld. Im Jahre vorher hatte
*Ohr. T. Bojneburg ohne Zustimmung seiner Verwandten seinen
Anteil am Amte Lengsfeld für 86000 fi. an das Stift ver-
kanft; der Abt sandte zur Besitzergreifting eine Kommission
mit 400 Mann, die unter dem Widerstände der übrigen
Boyneburg die Thore der Stadt und der Burg aufhieben und
•die Huldigung der Amtsuntertbanen erzwangen. Mach dem
Abzüge der bewaffneten Macht wurde die Kommission durch
-die Bojneburg yerjagt; im Oktober erschien sie jedoch wieder
mit 660 Mann „Knüttelsoldaten''. Da riefen die geflohenen
Jldellente die benachbarten Fürsten zu Hilfe, und Herzog
Dm thMBAligt Amt Uehtenbtrg tot 4m Rhda. 133
«Jok. €eorg IL Heb gegen den Abt menohieren. Auch die
4>eiden Kompagnien des liohtenb, AaMohnases mnfsten am
•<6, liirz 1605 naeh Lengsfeld aofbreehen; jeder ^Befensioner''
bekam 6 Kugeln mit Uwelche Kugel Georg Andreas Hejm
:gegoseen") und 6 S^nfs PulTor. Zorn Blutvergiefsen kam
•es indes nicht, die Sache wurde firiedlieh beigelegt, endgütig
1701. —
Als beim Beginn des spanischen Brbfolgekriegs
Hersog Joh. Wilhelm, Joh. Georgs IL Nachfolger seit 1608,
•dem Kaiser Leopold L gegen Ludwig XIY, 1000 Mann sofort
:su stellen yersproehen hatte, die nach dem Steuerfufse auf
-die Ämter seines Ländchens yerteilt wurden, kamen auf Amt
Lichtenberg sunächst 88 Mann, die aus den „jungen Geeellen'^,
dem Ausschule, genommen wurden. Da erhoben die Eltern
der Ostheimer Burschen ein grofses Lamento, es dürfe nicht
^eie allein treffen, es mttsse „ein Mnnn für den imdern stehen''.
Der Stadtschreiber Joh. Georg Heim reiste deshalb na^ Eise-
inach und erreichte auch wirklich, dafs gegen Zahlung Ton
ISO Thlr. ans der Gemeindekasse Ton den Offizieren die nötige
.Mannschaft geworben werden sollte« Später wurde dem Amte
^ie Stellung von weiteren 50 Mann auferlegt, von denen auf
'Ostheim 12 ^/^ kamen; der Stadtrat warb 4 Mann £u je
18 Thh:., und für 7 Kaisergulden einen Fladunger Baders-
>eohn, der aber in Eisenach sofort desertiertew Alle ausgehobene
lind geworbene Mannschafi des Fürstentums sammelte sich in
^Ostheim, als dessen südlichstem Punkte, auf dem Tanzberge,
wo die Kompagnien gebildet und die Offiziere Tcrteilt wurden.
^ie kumpierte hier eine Nacht im Freien und that durch
f,yerachliunpen'' des Getreides grofsen Schaden. Vor ihrem
Atoarsch (22. Juli) kam der Herzog mit dem Prinzen an,
um sich Ton ihr zu yerabschieden ; er logierte 2 Tage bei
Dr. Klinghammer. Die Stadt „yerehrte ihm 160 und dem
Trinzen 80 jL, welches geschenok er gantz gnädig ufgenom-
men"; dafür zog er den StadtschultheiTs, den Stadtschreiber
«nd die Bürgermeister zur Tafel, „da indefien sich die Stücke
leind eanona dapffer höhren la8en".
134 ^^ ehemalig« Amt Liebtenberg Tor der RhSn.
Im Norden fILhrte zu derselben Zeit der Sohweden-
könig Eftrl XII. Krieg mit Peter dem GrofBen and mit
Au gast, Kurfürsten von Saehsen und König von Polen».
Am 13. Febr. 1706 schlug sein General Benschild 20000'
Mann Sachsen und Bussen unter dem kursächsischen General
Graf Y. d. Sohulenburg bei Fraustadt ; der König yerfolgte
das geschlagene Heer bis Sachsen (Altranstädt) und birand-
schatate, ,^und gaben die Zeitungen, daß Saohßen 19 tonnen'
Goldes eaniribuiren müBen". Bei Frauen wald auf dem Thü-
ringerwald wurden die flüchtigen Sachsen und Bussen unter
Schalenburg nochmals geschlagen „und zerstreuet in alle orthe^
weit und breiV^ Davon hatten den guten Ostheimem weder
Telegraph noch Kurierzüge die geringste Kunde gebracht, und
sie waren nicht wenig erstaunt, als am 28. September gegen
Abend „etliche Hundert Moskcbiter in grofser Furcht Tor-
hiesige Stadt kamen, und wollten herrein, welches aber nicht-
zugegeben wurde; darauf lagerten sie sich vor das Yalthor
als wie das Tiehe, weil sie wegen des Streits und weithin
marches fast alle merode. Man konte sie aber nicht ver-
stehen, alft nur etliche offieiers^ so solche commendiret^
welche Brod und Bier begehret, welches auch gereicht wurde,,
flut 190 biB 200 Laib Brod, und fast 14 Eymer Bier. Sie
blieben aber kaum 2 biß 3 Stunde liegen, da marchirten Bie
in eydler Nacht gegen der Bhön zu, verlangten, man mögte
sie nur einen ungewöhnlichen weg führen und keine rechte
Straße, auß furcht, daß die Schweden ihnen nachsetzen undi
einhohlen mögten. Des Morgens gegen 3 biß 4 Uhr kämmen,
wieder etliche 100, so vorbey marchirtm, und wehret sol-
ohes den gantzen tag, kamen manchmal 8, 4, 5, 6, 10 und
mehr an, sogen sich alle ins Stifft Fulda und gegen Franck-
fdrth am Main zu'^
Ein Jahr darauf, am 11. Sept. 1707, während des Gottes-
dienstes, wurde plötzlich General Graf Schulenburg mit dem
Stabe in Ostheim zum Quartier angemeldet. Noch stritt sich,
der Quartiermacher mit den Batspersonen herum, die auf die-
BinquartieruDgsfreiheit der Stadt pochten und zu verstehen^
Dm «hemalife Amt LIchUnbtrg ror der Bhdo. 135
liaben, es wäre doch auch für den Herrn General noch eu
früh zur Bast, während er wieder mit 15 Begimentem Ea-
Tallerie drohte, als, noch vor dem Schlüsse des Gottesdienstes,
^er General mit Gefolge einritt Er worde in das „Weifte
BoU*^ einquartiert. Man nahm an, er werde anderen Tags
nach dem Rhein su abrücken und hielt schon BO Pferde zur
Vorspann bereit, er hielt aber noch einen Rasttag und zog
erst am Dienstag ab, und zwar wieder über Kaltennordheim
zu nach Gerstungen. Die Unkosten dieser Einquartierung^
betrugen für Ostheim 212 fl. 14 gr. 11 pfg. — Am 17. Sep-
tember kam Leutn. y. Jescbky yon der Leibkompagnie des
kursächs. Goltzisehen Dragonerregiments mit 34 Mann und
43 Pferden auf 5 Tage. „Zu obiger Mannschafft kamen noch
6 officirer parüanes, welche bey dem abmarchs mit 10 Thlr.
bezahlt werden musten; nebst diesem prtetendiret der lieut
-Jeschky, daB man ihn in seinem qvartier auslösen müfste,
welches auch geschehen, und hatte in seinem gvcbriier bey
des Hn. Johann Wendel Fischers Witbe yerzehret 2 fl. 16 gr.
1 P%*> it^f^ ▼or <^io Stube, Bette, Stallung und dergleichen
fordert die Frau he&t. Fisoherin 2 fl. 5 pfg., so auch be-
zahlet worden'^ — Am 24. Sept. rückte ein Leutn. y. Stisser
yon der Braunsehen Kompagnie ein und forderte 31 Por-
tionen und 29 Rationen täglich; erst am 8. Oktober zog er
wieder ab. Die Kosten betrugen 205 fl. 1 gr. 30 pfg. —
Am 12. Oktober kam Hauptmann y. Schütze yom Dünne-'
waldschen Dragonerregiment und forderte 34 Portionen und
-ebensoyiel Rationen täglich. Die Dragoner wurden 20 Tage
lang mit je 8 gr. und 19 Tage mit je 6 gr. yerpflegt Kosten :
546 fl. 12 gr. In den übrigen Amt^ortschaften gab es na-
türlich dergleichen Einquartierungen auch. —
Yom 5. Jan. 1707 an war 3 Wochen lang bei dunklem
Himmel eine sehr grofse Kälte im ganzen Reiche, so dafs
yiele Menschen und Tiere erfroren und sehr yiele Obst-,
besonders Nufsbäu^e zu Grunde gingen. „Die Physiei
und Gelehrte leüte hatten diese große Kälte durch gewisse
136 ^** abMMÜigt Amt Iiiehteob«i|f tot d«r Bhfo.
Gläser^) gleiohMm abgewogen und befänden, daB sie etslioher
giad gmnger als in CronUmd gewesen." Piötzlioh entstaod
dann Tanweüer und grofee Wassersnot ^^Etiicbe Tage daiauf
kam wieder eine gransame und grimmige Kälte, welche fast
so groi und nooh gröfter war als die TÖrige, wehrete Cut
wieder 14 tage/' —
In diesen Jahren trieb sieh besonders viel geftthrliehes-
Gesindel im Lande umher. Auf Antrag der meiningischen
Regierung wurden am 19. Aug. 1707 die WSlder zwischen
Streu und Herpf Ton 800 Mann vom Ausschufs abgestreift,,
wobei 5 Riuber angetroffen wurden. Zwei tou ihnen eot-
flohen, der dritte erhielt in Bettenhausen einen Schulis, ao
dem er in Helmershansen starb, die beiden übrigen wurden>
ergriffen und in Mafsfeld geriditet. —
Am 14. Juni 1709 erhielt jeder Defensioner der 8 Kom-
pagnien 6 Kugeln und 6 Behufs Pulver, ,|S0 zu künffttger
Nachricht dienet, damit sie die Kugel nicht unnüts und obDC^
Noth Terschiften". —
Wie viel Menschenleben in jenen Zeiten den Pocken 0»^'*
«kohleohten'S „Durchschleohten'*) zum Opfer fielen, ist z. B.
daraus zu ersehen, dafs in Ostheim allein im Jahre 1716 über
50 Personen (meist Kinder), 1732 gegen 40, 1726 über 20,
1782 gegen 80 Personen an den Blattern starben. —
Im Jahre 1722 schickte Pürstabt Konstantin (r. Battlar)-
¥on Pulda eine solenne Deputation nach Eisenaoh, um den
Wiederkauf des Amtes Lichtenberg,
und nach Meiningen, um den des halben Amtes Salzungen
anzukündigen. Wie aber in früheren Pällen, so weigerten
sich auch jetzt beide Herrschaften, dem Stifte ein Recht dar-
auf zuzugestehen, und so entspann sich ein langjähriger Prozefr
Tor dem Kaiserl. Beiohshofirat und ein heftiger Pederkrieg, an
dem sich nicht nur die Gelehrten der beteiligten Länder^
1) Vor Fftkrtnheit, welcher luertt Qaeckulber anwendete und leiner
Thermonetirtluda den stirktleii KUtegred tob 1709 so Qmnde legte, gäb-
et eine aUgemein anerkennte QradeinteUang noeht nicht.
Das ehemalig« Amt Lichtenberg Tor der Bhdn. 187~
aondern auch solche in aoi wärtigen hohen Stelloogen und an-
Unirenitäten beteiligten. Der Anstifter dieser anseitigen
Friedensstömng ist jedeotklls Sehannat, der damals in den
foldaischen Urkunden herumstörte ^). Fast alle Werke Sohan-
nats enthalten in yersteckter Weise Torgebraohte » zum Teil
erdichtete Beweise für Fuldas altes Hecht; so die Behaup^
toog, schon 1218 habe E^aiser Friedrich IL Lichtenberg dem
Stifte geschenkt (XVl, 271).
Jetzt, nach einem Dritteljahrtausend, wo niemand mehr
oaehkommen konnte, welche Orte eigentlich sur Zeit der Ver*
pfsDdung zum Amte gehört hatten (Amtmann Hoher 1678:
^Was aber damals zu dem Amt Liohtbg gehört oder nichts
findet sich keine nachrichtung" — läBt doch noch 180(V
Schultes keine Gelegenheit Torübergehen zu beweisen , dafs
es sich 1366 überhaupt nur um das Schlols — ohne Amts-
orte — gehandelt habe!), nachdem so yiele Veränderungen
im Amte Torgegangen waren, jetzt, wo die z u s a m m e n Ter-
pfändeten Ämter Lichtenberg und halb Salzungen ohne Tor*
herige Bestimmnog des Wertrerhältnisses längst an yerschie«
dene Herrschaften gekommen waren, wo niemand angeben
konnte, was die PfiEuidsumme (6000 Mark lötiges Silber £r*
fori. Gewichts und 1800 Pfd. Heller Fuld. Währung) damals,
wert gewesen oder jetzt wert sein mochte, jetzt wäre auch
bei der gröIiM^en Bereitwilligkeit der flirstl. Besitzer eine Yer-
stäodigung mit dem Käufer auf die gröfsten Schwierigkeiten
gestofsen.
Aber waren denn nicht überhaupt Fuldas Ansprüche,,
trotzdem es sie mehrmals geltend gemacht hatte, nach so yielen
Jahrhunderten yerjährt? Auch darüber wurde für und wider
in heftiger, ausfälliger Weise von Beamten und Privaten Tiel
gasehrieben. Doch lassen wir alle Priyatgutachten beiseite —
1) „Qaleto fttemot omnla. Tu (sc. Schannat) qnet! parta Coastantiaa
iMetI (qaam tarnen ^eatisehMit prineept intor elneres execrebitar) rictoril^.
ft dassieain oanii, novi balU, qaaotiim in te eet, temeraria*-
(Hainberg, in rapi. Semnnat [17S7], pag. 5).
'138 ^'^ ehemalige Amt Lichtenberg vor der RhSn.
^wir haben ja jetzt keine Yeranlassung mehr uns dafür oder
dagegen zu ereifern — uod verfolgen wir kurz den Verlauf
der Sache vor den Reichsbehörden.
Auf die beim Eaiserl« Beichshofrat angebrachte Klage des
'.Stifte Fulda, welche den Herzögen am 20. Dez. 1728 zuge-
schickt wurde, legten diese Berufung an ein Aueträgalgerioht
ein. Darauf reiste der Fürstabt selbst nach Wien und er-
reichte auch, daTs die Berufung verworfen und ihnen eine
bündige Erklärung abgefordert wurde. Als sie nun dennoch
«bei ihrer früheren Erklärung blieben und um Mitteilung der
fuldaischen Erwiderung baten, wurde diese ihnen abgeschlagen
und sie siib cantutnaeia auf den früheren Bescheid verwiesen.
'Inzwischen, nachdem 1726 Abt Konstantin verstorben und
.Adolf (v. Dalberg) an seine Stelle getreten war, hatten sich
die Begieruogen von Eisenach und Meiningen die fuld. Bot-
gegnungsschrift zu verschaffen gewufst und reichten darauf
ihrerseits eine solehe ein : „Gründliche Information und Be*
Währung in causa des Stifts Fulda contra Sachsen Eisenach
und Meiningen praetendirte Wiederkaufen zweier Aemter,
halb Salzungen und Lichtenberg'^ 1726. Sie berufen sich
darauf, dafs die Originalurkunde von 1866, in welcher das
Stift als Lehnsherrschaft der Pfandämter bezeichnet sein solle,
noch gar nicht zum Vorschein gekommen sei , dafs es nie
Lehnsrecht ausgeübt habe und dafs alle etwaigen Rechte längst
verjährt seien. Für alle Fälle schlügen sie als Schiedsrichter
• die Kurfürsten von Bayern und Hannover, die Herzöge von
der Pfalz -Sulzbach und von Braunschweig - Wolfenbüttel vor.
Abermals jedoch, unter dem 4. Aug. 1783 wurde ihre Be-
rufung an ein Austrägalgericht verworfen, unter dem 8. Aug.
1784 in contumaciam gegen sie erkannt, und unter dem
11. Aug. 1786 ihnen auch das remedium supplicationis ab-
gesprochen. Nun liefsen sie auf dem Beichstage zu Bogen s-
bürg eine Schrift verteilen : „Species facti, auch unumgäng-
lich und äusserst gemäßigte Anzeigung an eine hochlöbliche
.Beichsversammlung lu Begenspurg von denen regierenden
..Herren Herzogen zu Sachsen Meiningen und Eisenach pto.
l>«s etMinalige Amt tiichteüWg vor cler Rh8o. ^39
du in der, tob dem Stift Fulda aufgebrachten Beemtious-
Bache : zwey uralte Sächsische und Thüringische Aemter, halb
Salznngen und Lichtenberg betreffend : bey dem HochpreiBlichen
Reichs-Hofirath YeTwoitenen priuüegii statuum iimperii com-
mums Äustregarum et primae instanticief*, in welcher u. a.
nachgewiesen wurde, dafs gans fthnliche F&lle an Austrägal-
geriohte yerwiesen worden seien. Darauf reichte wieder Fulda,
mit der beglaubigten Abschrift der Urkunde von 1866, eine
Streitschrift des fuld. Oeheimrats Sam. Lucius ein: „Kurze,
doch wohlgegründete Gegeninformation, darin klärlich ge-
zeigt worden, daß die Herren Hersoge von Sachsen - Eise-
nach und Meiningen ihren Herrn Vorfahren versetzte beide
Aemter Salzungen, und dieses nicht halb sondern ganz,
und Lichtenberg, so sie hinter dem Stift, dem Vernehmen nach,
dem Beich aufgetragen, und ihren Lehnbriefen inseriren lassen
gegen Zurücknehmung des Pfandschillings abzutreten schuldig,
wie nicht weniger, daS in dieser Brief und Siegel betreffenden
Sache das forum Äustregarum keinen Platz habe''. Sachsen
erwiderte mit: „Ferner weit bestgegrnndete Demonstration^
daß denen Fürstlichen Sächsischen Häusern in der, von Fulda
wider sie ganz incompetenter erhobenen Beemptionsklage,
das beneficium primae instantiae ausiregalis zu statten
kommen müßte'', 1736. Jetzt liefs der Kaiser den Herzogen
sein MifsfttUen über ihr Verhalten kundgeben; auf eine Denk-
schrift des eisenachischen Gesandten hin gab er ihnen jedoch
zu yerstehen, er sähe es gern, wenn die Parteien selbst unter
sich die Sache durch Schiedsrichter ausmachten, nur solle yon
Ansträgoi nicht mehr die Bede sein. Nun schlug Sachsen
dem Stifte Schiedsrichter yor, und Fulda beantragte eine Zu-
sammenkunft der beiderseitigen Bäte am 22. Jan. 1787 in
Salsungen, Vacha oder Lengsfeld, ging aber auch auf Sach-
sens Einladung für den 11. März nach Zillbaoh ein. Eine
Einigung kam hier jedoch nicht zustande; unter dem 8. Dez.
1787, naehdem inzwischen Fürstabt Adolf gestorben war, be-
klagte sich Sachsen bei der Beichsversammlung, es sei der
xvn. 10
140 I^M ehtmtlige Amt Liehtonbtrg vor d«r Rhdn.
foldaischen KommisBion kein rechter Eroat um daa Zustande-
kommen eines Yergleiohs gewesen.
Inswischen war auch die erbhenneb.-fischbergisehe Streit-
frage aufgetreten, und darüber blieb die liohtenbergische Wie-
derkaufsangelegenheit gans und für immer liegen ; die durch-
aus protestantische BeTÖlkeruug der beiden Aemter blieb Tor
dem Schicksale bewahrt, sich wieder unter die Herrschaft des
Krummstabes beugen xu mfissen« —
Gleichzeitig mulÜBte von Sachsen auch der tannische
Wiederkauf erledigt werden.
Nachdem 1705 nach Ablauf der festgesetzten 12 Jahre
die Frist des Wiederkaufs um abermals 12 Jahre yerlängert
worden war, waren 1718 6500 Thlr. abgezahlt, und zugleieh
ausgemacht worden, dafs die noch übrigen 68 900 Thlr. in
den nächsten 6 Jahren in Teilzahlungen von je 11483^/3 Thlr.
abgezahlt werden sollten. Im Jahre 1728 hatte die Familie
y. d. Tann (Heinrich ▼• d. Tann war 1714 gestorben) die
Wiederkaufrorte, obgleich die 1724 fällig gewesene letzte
Abschlagszahlung und verschiedene Zinsen noch rückständig
waren, dem Herzog Johann Wilhelm wieder abgetreten. Mit
der Zeit drang sie aber immer ernstlicher auf Begelung seiner
Verbindlichkeiten, die sieh indessen durch die aufgelaufenen
Zinsen (6814 Thlr.) und 1200 TUr. Wechselschuld-Zinsrecht
auf 18 907 Thlr. erhöht hatten. Dagegen hatte des Hersogs
Sohn und Nachfolger Wilhelm Heinrich (seit 1729) allerlei
Einwendungen und Oegenrechnungen zu stellen, bis endlich
am 14. Febr. 1740 die Sache durch einen Vergleich geregelt
wurde. Durch denselben wurde die tannische Forderung auf
12 000 Thhr. ermäfsigt, von welcher Summe 2000 Thbr. aus
der noch währenden Kaltenwestheimer WiederkaufiBeinnahme
sofort bezahlt, der Rest auf die Landschaftskasse übernommen
werden sollte. Diesen Best von 10 000 Thlr. erhielt jedoch
die Familie y. d. Tann nicht ausgezahlt; erst bei dem Über-
gange der tannisohen Orte Frankenheim und Birx in säch-
sischen Besitz wurde ein vollständiger Ausgleich bewirkt. —
Im Jahre 1754 stellte Amtmann Erdmann seine ausführ-
Du ehtmallgo Amt Lichtenberg tot der BhOn. 141
liehe Amtsbeschreibung auf, aus welcher gelegentlich
schon mancherlei mitgeteilt worden ist^). —
1) Einige interessante Streiflichter auf damalige ZottSnde mögen
daraus hier nooh ihre Stelle finden.
1. Hebammenwesen. — Im Ostheimer SchlaAprotokoU ist in
lesen: y^Aimo 1670 Freitag den 18. Febmar frtthe nach gehaltener Fredigt
ist Ursnla Herbarten Witbe lor Ammen frawen angenommen worden,
nacbdeme sie zn vor den Eyd abgelegt, und soll sie Maria Schneiderin
ezlich mahl mit nehmen, sie unterrichten, aber yon ihrem gebfihr nichts
geben ; worauf sie auch angelobt, Ton Hn. Adjuneto G. GSbel, Hn. Georg
Ltanrents Heher Ambtman mid Hn. Johann Schmidten Stadtschulthefi.'*
Über diesen Gegenstand bringt Erdmann anter seinen f^desiderüa** Tor:
„Die Hebammen, woran in einer jeden HaoBhaltong so viel gelegen,
(sollten) beym Geistl. Untergerichte oder Pfarrer und Phytieo gepriifet,
unterrichtet und vereydef' werden.
2. Katholiken. — „Es haben sonst katholische Manns und
Weibsbilder durch Heurathen sich eingeschlichen und viele Unlust, auch
Qlitseherej mit Wflrsburg verursachet, mithin auf Hertsog Wilhelm Hen-
richs mfindl. gnftdigsten Befehl der jetsige Beamte seit seiner 20-jährigen
Amtthierung keine eintzige oatholische Person sum seBhafften Unterthan
angenommen.**
8. F r u c h t s p e r r e. — „ die bey spengeln Frucht-Jahren
vielmal vorgenommene Fruchtsperr, da in jezgem theuren 1754ten Jahre
aller angewandten Mühe ohngeachtet wegen Ostheim einige Umitation oder
Freypafi nicht zu erlangen gewesen.** Zwar baute das von wilraburgischen
und rittersehaftUchen Gebieten eingeschlossene Vordergerieht Getreide fiber
den eignen Bedarf, es war aber doch der starken Getreideabgaben wegen auf
den Bezug auswärtigen Getreides angewiesen. In schlechten Emt^ahren
muiste durch die wUrsburgische Fruchtsperre die Not sehr gesteigert
werden.
4. Straisen. — Nach der Amtsbeschreibung von 1648 kreuzten
sich (wohl seit uralter Zeit) die Landstrafsen Eisenach-Würzburg und
Meningen-Frankfurt in Sondheim. Nach und nach hatte von Meiningen
an der Verkehr statt über Helmershausen-Hohe Strafse mehr über Her-
mannsfeld-Ostheim zugenommen. Die Hauptverkehrsstrafse des Fürsten-
tums Eisenach war aber die Heer- und Poststrafse Leipzig-Frankfurt über
Eisenach-Vacha-Fulda etc. Erdmann bemerkt nun: „Es ist immer das
Vorhaben gewesen, von Leipzig Über den Thüringer Wald auf Ostheim
oder KSundheim gegen Fuld eine neben Poststrafse zu machen, welches
aher dem Eisenachischen Postwesen einen starcken Tort thun würde, wiewohl
doch endlich vor wenigen Jahren eine dergleichen reitende Poststrafse von
10*
142 ^^ ehemalige Amt Lichtenberg vor der RhSa.
Der siebenjährige Krieg
machte doh auch im Amte Lichtenberg und Umgegend fühlbar.
Im Juli und August 1767 log, wie Stettener Nachrichten
melden, eine süddeutsche Armee Ton SO 000 Mann über Mei-
ningen-Eisenach nach Sachsen ; Frankreich schickte 2 Armeen,
Ton denen die eine 40 000 Mann stark über Frankfurt-Fulda
nach Eisenach zog, wo die Vereinigung stattfand. Statten
mufste dahin liefern: 20 Mit Korn, 10 Mit. Weizen,
145 Mit Hafer, 236 Ctr. Heu, 171 Ctr. Stroh; 230 Thlr.
4 Sgr. betrug der Fuhrlohn bis Eisenach, 557 Thlr.
12 Sgr. von da bis Weimar; auüberdem mufste es noch
321 Thlr. 8 Sgr. 8 Pfg. Kriegssteuer zahlen. Tier
Bauern hatten die Fuhren übernommen. Nachdem sie die
letzte nach Eisenach geiban, zwang man sie noch über
Langensalza und Erfurt bis Oberweimar zu fahren, wo sie
ihre Geschirre im Stiche lassen mufsten. Einen Wagen und
2 Pferde mulÜBte die Gemeinde ersetzen. — Als in der Schlacht
bei Bofsbach am 5. November die Beichsarmee geschlagen
worden war, gab es auch im Amtsbezirke ein gewaltiges
Volksgedränge bei den fortwährenden Burchmftrschen und
Einquartierungen. Am 24. November kamen 800 Mann
hohenzoUemsche Eeiter nach Ostheim, wurden in die Orte
gelegt und blieben da bis zum 10. Jan. 1768, wo sie nach
Böhmen zu abzogen. Für Stetten betrugen die Kosten dieser
Einqartierung 540 Thlr. 7 Sgr.
Nachdem die Reichstruppen sich in Franken wieder ge-
sammelt hatten, rückte im Frühjahre 1750 Frinz Heinrich,
der Bruder des groCsen Friedrich, rasch im Lande ein, jagte
sie wieder auseinander und brandschatzte Stadt und Land.
Da entstand abermals ein Drängen und Treiben auch im
Lande vor der Khön. Den 1. April mufste Obristl. Freitag
in Meiningen kapitulieren. Durch Helmershausen zog das
M«iniiig«n Aber Weni8haiu«ii naeher Hftnfeld and Fald su Stande gekommen
iit<* Die erste „OberUnder"* Post (Eisenacb-Kaltennordheim-Mellriehstadt)
wurde 1838 eingericbtet; 1871 wurde Ostheim Telegrapbenstation.
Das ehemalige Amt Lichtenberg vor der Ehön. 143
(kaiserl.) HarraohBohe Begiment, und am 6. April trafen hes-
Bische HoBaren, Dragoner, hannoversche (FreitagBche) Beiter
and ein Begiment grüner Bergschotten von Oberkatz und von
der Tann her daselbst ein; erst am 13. zogen sie weiter über
Bettenhausen. In die vorhandenen Lebensmittel war eine
grofse Lücke gerissen, so daüs alles hoch im Preise stieg.
Am 6. April zogen auch hessische Jäger, 700 Mann, in Fla-
dungen ein, von wo sie mehrere Wagen Korn und Hafer nach
Folda zu mitnahmen. Am 13. rückte wieder ein hessisches
Kommando von 600 Mann in Fladungen ein und forderte
6000 Thlr. Brandschatzung. Am folgenden Tage kamen jedoch
kaiserliche Husaren von Neustadt aVSaale herauf, welche zwar
nach einem im Heufurter Felde stattfindenden Gefechte re-
tirieren mufsten, aber auch die Hessen zogen, über den Stell-
berg, ab, und zwar ohne die 6000 Thlr. ganz erhalten zu
haben. Den 21. April zogen 2 Begimenter kaiserliche Husaren
und ebensoviel Fufsvolk durch Sondheim über Stetten nach
Fladungen zu. Tags darauf bekam Stetten ein Begiment
Husaren als Einquartierung; es zog am 28. nach Fulda, kam
am 24. zurück und ritt nach Bamberg zu ab. Den 8. Mai
kamen Hessen von Fulda her, zogen nach Bömhild und
schlugen dort ein Lager auf; da ihnen aber die Franzosen
von Fulda her in den Bücken zu kommen drohten» zogen
sie ihnen entgegen. Am 18. Juni kamen 2 kaiserliche Husaren-
regimenter von Neustadt her nach Fladungen durch Sondheim.
Yom 17. Juli bis 19. August lagen kaiserliche Husaren und
Kroaten in Ostheim. — Die Kriegskosten dieses Jahres be-
trugen für das Amt 13 946 Thlr. 6 Gr. 8 Ffg.; davon kamen
2585 Thlr. 8 Gr. 2 Pfg. allein auf Kriegsfuhren.
Am 31. Jan. 1760 rückte ein hessisches Kommando in
Ostheim ein und nahm nachts den Propst zu Wechterswinkel,
und anderen Tags auf dem Weitermarsche die Amtskeller von
Fladungen und von Hilders als Geiseln mit. Stetten hatte in
diesem Jahre 148^/) Mit. Hafer und 607 Gtr. Heu zu liefern
und 800 Thlr. für Kriegsfuhren zu zahlen.
Am 5. Febr. 1761 bezogen 290 franz. Beiter und eine
144 ^*A ehemalige Amt Lichtenberg vor der BhÖn.
Abteilung Infanterie in Oatheim Quartier; nach einigen Tagen
wurden sie in die Dörfer einquartiert, wo sie bis 18. Februar
blieben. Pfarrer Spiefs in Sondheim mulÜBte vor den bei ihm
einquartierten Offizieren flüchten, weil der Rauch auB der
Küche s^in ganzes Haus erfüllte und sie ihm schuldgaben,
er wolle sie hinausräuchem. Als in den Ortschaften alles
vorhandene Futter aufgebraucht war und immer noch 6000
Kationen gefordert wurden, sahen sie sich genötigt, die-
selben an einen Juden in Dreifsigacker zu je 16 Sgr. zu
veracoordieren. Stetten trug es 321 Thlr. 15 Sgr. Am 18.
rückten gleich wieder 330 Mann Sachsen mit 18 sechs-
spännigen Wagen in Stetten ein. Im Laufe des Jahres
kamen noch verschiedene Abteilungen von Beichstruppen und
Franzosen, von Seidlitz aus Schlesien bis Franken getrieben,
in den Amtsbezirk ; so am 6. Dezember ein franz. Kavallerie-
regiment, dessen Stab in Osiheim einquartiert wurde; es
wurden 877 Laubthaler (a 2^/^ fl. rh.) erhoben. Über Plün-
derungen und Brandschatzungen seitens der Franzosen wurden
viele Klagen laut; der Herzog von Meiningen beschwerte sich
öffentlich. — Für Stetten betrugen die Kriegskosten dieses
Jahres 1313 Thlr.
Im Jahre 1762 rückte einmal eine Abteilung Preuüsen
von BischoÜBheim her mit 70 Stück requiriertem Vieh in Ur-
springen ein. In der Nacht wurden sie von Sachsen und
Bayern, die von Neustadt her kamen, überfallen und das
Yieh ihnen abgenommen. £in andermal kamen 20 preulsische
Husaren über Stetten nach Fladungen. Als ihnen das Thor
verschlossen blieb, ritten sie nach Hilders weiter, nahmen
dort den Schultheilsen gefangen und schleppten ihn mit nach
Schleusingen. Dann mufste das Amt einmal 20 Wagen stellen,
Fourage nach Lichtenau zu fahren. Dort mulsten aber die
Bauern der Artillerie vorspannen und wurden bis Giefsen,
Hannover etc. mitgenommen, so dafs sie 31 Tage ausblieben.
Die Gemeinden mulsten ihnen pro Tag 6 Thlr. zahlen. Der
Stettener und einige andere Wagen kamen nicht wieder, für
jeden mufsten 40 Thlr. bezahlt werden. Im Dezember kamen
Dm •bemAlige Amt Liobtonberg vor d«r Rb8n. 145
kaiserliohe HuBaren und Kroaten nach Fladangen, von wo aus
Stetten eine Abteilung erhielt» die sich sehr übel aufführte.
Ihr Kommandeur, Leutnant Bapp, war unausstehlich. Statt
der Kost verlangte er täglich 3^/, Laubthaler; als ihm die
Gemeindeverwaltung 1, dann 1^/| Laubthaler bot, jagte er
sie zum Hanse hinaus; später forschte er nach den beiden
Männern, er wollte sie solcher Zumutung wegen erstechen.
Am 6. Jan. 1763 zog diese Truppe nach Fladungen, kam
aber am 19. nach Btetten zurück und blieb da bis 2. Februar.
Am 9. Februar wurden wieder 40 Kann In&nterie nach
Stetten gelegt; nachdem am 15. der Friede zu Hubertusburg
geschlossen worden war, zogen sie am 16« März ab. Die
ersten Monate dieses Jahres hatten Stetten noch 1260 Thlr.
gekostet.
Am 1. Mai wurde das Friedensfest gefeiert. Wieder, wie
nach dem 30-jährigen Kriege, wurden die Kriegskosten-Bech-
nungen der einzelnen Amtsortschaften untereinander ausge-
glichen. Ostheim brachte eine erstaunlich grofse Rechnung —
hier hatten erst noch in den letzten Tagen Franzosen ge-
plündert; ihren Offizieren hatte man, um sie im guten zu
erhalten, reichliche Geschenke in Dukatens (franz. Laubthalem)
gemacht, so dafs alle Amtsorte noch viel dahin zahlen muisten.
Helmershansen hatte 20 Jahre lang mit Abtragung der Kosten
zu thun; es wurden dazu Oemeindegrundstüoke verpfändet,
das Haimbachgehölz zweimal abgehauen und verkauft etc.
Das schlechte preuisische Geld wurde nach dem Frieden auf
die Hälfte seines Nominalwertes herabgesetzt, was grobe Ver-
luste und viele Prozesse zur Folge hatte. —
Im Jahre 1771 gab es grobe Teuerung; man mufste sich
an Haferbrot halten. Heidelbeeren und Kirschen wenigstens
waren gut geraten. Brennessel- und ähnlichen Kohl afs man
sidi zum Ekel. Auch im folgenden Jahre währte die Teue-
rung noch fort Im Yordergericht war die Not besonders
grofs infolge der würzburgischen Fruöhtsperre. —
Aus der Franzosenzeit.
In den Jahren 1791 bis 1795 gab es grofse Durchzüge
146 ^** ehemattge Amt Lkhtenberg vor d«r Bhdn.
Bäohsisoher und preuÜBisoher Heere nach dem Rheine zu, wo-
bei den Gemeinden viele YorspannleiBtungen auferlegt wurden.
1792 zogen 40 000 PreuDsen gegen die Franzosen» Am 24.
Juni lagen von 76S Mann mit 895 Pferden vom Eegiment
Sohmettau, welches von Meiningen her nach Kaltennordheim
zu zog, viele in Helmershausen im Quartier; sie bezahlten
die Mundportion mit 4 Grr. und kauften viel Hafer a
Mit zu 4 fl. Im folgenden Jahre wurden alle Mannsleute
im Alter von 16 bis 56 Jahren zum Kriegsdienste aufge-
schrieben; zum Glück kehrte Herzog Karl August noch in
demselben Jahre aus dem Felde zur&ck, um nicht mehr am
Kriege teilzunehmen. In diesen Jahren, besonders 1795,
standen die Yiehpreise auf einer nie erlebtem Höhe. Nach
dem Friedensschlüsse zu Basel (1795) wurde zwischen Nord-
und Stiddeutschland, welches letztere den Krieg mit Frank-
reich fortsetzte, eine Demarkationslinie gezogen, wobei die
Ostheimer Enklave zu Norddeutschland geschlagen wurde.
Infolgedessen wurden an allen Thoren der Vordergerichtsorte
Neutralitätstafeln angeschlagen, auch auf Verwendung Karl
Augusts in die 3 Dörfer 20 kursächsische Kürassiere gelegt,
welche 2 Jahre da blieben. Als nun im Juli und August
1796 die französ. Generale Jourdan und Key über Frankfurt
und Würzburg erobernd, plündernd und brandschatzend in
Franken vordrangen und die Umgebung des Amtes viel zu
leiden hatte, blieb dieses verschont; ebenso 1800, als Augereau
gegen die Kaiserlichen in Franken stand und der Fürstbischof
deshalb ein Jahr in Meiningen weilte.
Nach der Schlacht bei Jena (14. Okt 1806) brach der
Krieg in furchtbarster Gestalt über ganz Deutschland herein;
schier unerschwingliche Lasten und Lieferungen wurden auch
dem Amte auferlegt. Schon nach dem Treffen bei Saalfeld
(5. Okt) hatte Stetten — die übrigen Orte natürlich im
Verhältnis ebensoviel — am 11. Oktober auf 5 Wagen
18 Mit Korn, 30 Mit Hafer an die preulsische Kriegs-
kommission nach Ilmenau, wo sich auch der Herzog in diesen
Tagen aufhielt, zu liefern. Im Dezember erliefe der firan-
Das eheiml^ Amt LkhUnbwg vor ^er SbAn. 147
zösische Generalintendant Villain zu Leipzig die Verfügung,
dafs sämtliche Einkünfte des Herzogtums auf ein Jahr als
Kriegskontrihution zur firanzösisohen Armeekasse abgeliefert»
und der 3. Teil sofort gezahlt werden müsse. Es wurden
dem Herzogtum 2 Millionen Francs Eriegskontribution auf-
erlegt; Yon dieser Summe kamen auf das Amt Lichtenberg
26 000 Thlr., und zwar auf Ostheim 6500, auf Sondheim
3376, auf Helmershausen 2787, auf Stetten und Ealtensund-
heim je 2122, auf Wohlmuthausen 2057, auf ürspringen
1970, auf Mittelsdorf und Gerthaosen je 1872, auf Sehaf-
bausen 1110, auf Melpers 428 und auf die adligen Höfe
784 Thlr. Jede Gemeinde mufste eben sehen, woher sie in
der Eile ihre Rate geliehen bekam. Die Begierung entwarf
einen 25 -jährigen Tilgungsplan, sodafs durch erhöhte und neu
auBgeschriebene Steuern bis 1832 den Gemeinden ihre Kapitalien
zurückgezahlt wurden. Es gab, mit den von den Franzosen
auferlegten, bald 20, ja genau genommen 40 verschiedene
Steuern unter allerlei Namen. Nebenher mulsten auch noch
grofse Naturallieferungen aufgebracht werden. Zu Eisenach,
das an der grofisen HeerstrafBC lag, mufste ein ständiges
Magazin unterhalten werden, wozu ein förmlicher Bequisitions-
plan für die Orte des Fürstentums entworfen worden war,
sodafs einfach eine Eequisition ausgeschrieben zu werden
brauchte, und jeder Ort wuiste dann, was er zu liefern hatte.
(Siehe Tabelle auf folgender Seite.)
Diese Eequisitionen begannen mit dem 15. Dez. 1806, an
welchem Tage Herzog Karl August dem Bheinbunde beitrat.
Am 16. Okt 1809 wnrde die 6., am 5. März 1813 die 9.,
am 15. Juni die 11., am 20. Juli die 12., am 24. Aug. die
13., am 16. Sept die 14. Bequisition ausgeschrieben, und
wer weifs, wie lange das Eequirieren noch so fort gegangen
wäre, hätte nicht bald für die Franzosen ihre Stunde ge-
Bchlagen. Aufser jenen feststehenden Bequisitionen muTiste
aber 1813 während der Ernte noch vieles andere beigeschafft
werden. So wurde z. B. schon am 12. Januar ein Befehl
publiziert, dafs alle Branntweinbrenner — in manchen Orten,
148
Dm •hanalig« Amt Lichtenberg rot der Bböa.
Jed« Bequiflition betrug fOr
Ostheim . . .
Sondheün . .
Urspringftn . .
den ftild. Hof das.
Stetten . . .
Melpers . . .
Mittebdorf . .
Kalteiisimdheim
den Freihof das.
Schafhaosen
Gerthaosen . .
das Vogteigut das.
Wohlrnnthanten
Helmersbausen
das V. Wechmarsche Gut das,
den Henneberger Hof
den Jägerhof
Eisenacher
Gemifs 1)
Hafer
Hit. Hetz.
60
34
16
19
4
12
14
1
12
14
1
28
20
2
1
28V,
2^
?
6
11
16
«87.
Leipziger Gewicht*)
Hen
Ctr. Pfd.
88
56
22
1
26
6
17
19
1
16
20
2
27
28
4
2
1
11
67%
loy.
ms
42
71
73%
8öV,
82
47
62»/,
42
55
337,
68
79
25
Stroh
Ctr. Pfd.
118
68
31
1
86
7
24
27
2
22
28
2
87
38
5
2
1
78
77
43
90%
12
80
21
9
44
52
67%
24
69
80
95
94
47
wie z. B. in UnpriDgen, war fast jeder Bauer ein solcher —
je 15 Mit. Korn als monatlichen Eonsumtionsbedarf vorrätig
halten sollten. Als yom 5. April an in Helmershausen 565,
in Wohlmathausen 274 Fransosen 8 Tage lang lagen, mufste
u. a. Stetten 600 Mafs Bier, P/^ Eimer Branntwein, 5 Ctr.
Brot und 80 Pfd. Fleisch dahin liefern. — Befehl am 13. April :
Das Amt hat für das 8. französische Armeekorps täglich
nach Mafsfeld zu liefern: 1525 Pfd. Korn, 1092 Pfd. Heu,
ebensoviel Stroh, 542 Pfd. langes Stroh, 50 Pfd. Hülsenfrüchte,
6 Mit 6 M£s. Hafer, 290 Pfd. Fleisch (Vs Ochsen-, Vg Euh-
oder Sohaffleisch), 592 Mfs. Bier, 55 Mb. Branntwein. —
Befehl vom 25. April: Das Amt hat binnen 3 Tagen nach
Eisenach 7 Ochsen k 750 Pfd. zu liefern. — Befehl vom
3. Mai: Bis morgen früh 3 Uhr müssen aus dem Yorder-
gericht 12 vierspännige Wagen in Meiningen sein, um Zwie-
back, Mehl etc. weiter zu schaffen. — Befehl vom 19. Mai:
1) 100 faid. Halter — 69V, Eisenacher. — 2) 107 Leipziger Pfd.
■« 1 Ctr. Bdchigewleht.
Dm ehemalige Amt Lichtenberg vor der Bh5iL 149
Am 22. Torm« 10 ühr mÜBsen 24 mit je 4 Pferden oder
6 Ochsen bespannte Wagen aas dem Amte in Ifeiningen
lein. — Befehl vom 28. Mai: Der Eisenaoher Kreis hat
1000 Gtr. Fleisch (davon Amt Lichtenberg 173 Ctr. 1 Pfd.)
in lebenden Ochsen nach Weimar zu liefern« Ernstliche
Erinnemng vom 11. Juni: Die Ochsen sind bis zum 17. früh
8 Uhr nach Eisenach zu bringen bei Strafe von 100 Thlr.
für jeden Ort Nachdem das Amt statt der Ochsen 882 Thlr.
6 Gr. 10 Pf. an die Landespolizeidirektion in Eisenach ein-
gesandt hatte, erhielt es 208 Thlr. 22 Gr. davon zurück, da
so viel weniger aufgegangen war. — Am 2. Juli wurde eine
Zwangsanleihe erhoben, von der auf das Amt 8455 Thlr.
kamen. Bis zum 15. Juli mufste ein Drittel der Summe ein-
geliefert sein. — Befehl vom 20. Juli: Auf dem Pruchtboden
zu Ostheim sollen 100 Mit. £om und 20 Mit. Hafer ver-
laden werden; hierzu sind 8 zweispännige Wagen zu stellen.
— Befehl vom 20. August: Das Herzogtum hat zu Schanz-
arbeiten bei Erfurt 1940, das Amt 50 Mann zu stellen,
welche letztere am 6. September in Erfurt sein müssen. Alle
10 Tage mufsten andere zur Ablösung antreten; als Beisegeld
erhielt jeder täglich 24 Kreuzer. — Befehl der Landesdirek-
tion zu Eisenach: Binnen 24 Stunden hat das Amt 60 Mit.
Korn, 100 Mit Hafer (Eisen. Gemäfs) und 30 Eimer Brannt-
wein zu liefern. Befehl vom 27. Oktober: Die Lieferung
imterbleibt» da durch die Massen der flüchtigen französischen
Heere nicht durchzukommen ist ; die Naturalien bleiben jedoch,
bei schwerer Verantwortung, in jedem Orte in Bereitschaft
liegen.
Am 26. Oktober kamen die ersten Kolonnen der russisch-
preufsischen Avantgarde in Meiningen, Teile derselben am
28. in Ostheim an. Am 29. verordnete die Meininger Be-
hörde, dafs alles, was an Brot und Branntwein aufzubringen
Bei, sofort nach Meiningen geschafft werden tolle, wo ein
starkes russisches Korps konzentriert sei. Die Lieferung aus
den Yordergerichtsdörfem kam jedoch nur bi^ Ostheim, wo
die Russen schon eingetroffen waren. 30 000 Mann Infan-
150 ^** ebemalig« Amt I^chttoberg vor der EhSn.
terie und Kavallerie manebierten durch, 6000 mit 1500
Pferden wurden einquartiert Am 31. Oktober forderte eine
preuTsiBohe Abteilung unter Major Grabow vom Amte 1 Paar
Stiefeln, 72 Paar Sebuhe, 223 Pfd. Soblen- und 70 Pfd. Ober-
leder; das Leder lieferten die Ostbeimer Gerber. Am 1. No-
vember kamen grofse Scharen von Kosaken, 6000 davon naob
Sondheim. Noch in der Nacht mulste Stetten 94 Laib Brot
dahin liefern; viel Vieh wurde geschlachtet, das Fleisch in
Kesseln gesotten und halbgar verzehrt. Brot mufste in Tau-
senden von Laiben für sie gebacken werden; es wurde in
Stücke geschnitten und zu Zwieback gedörrt, den die Kosaken
anderen Tags auf ihre Wagen und Kibitken luden, worauf sie
über Bräckenau nach Aschaffenburg zu weiter zogen. — Am
27. November legte v. Stein, jetzt russischer Gouverneur, dem
Eisenacher Lande noch einmal ungeheure Lieferungen an
Mehl, Hafer, Schlachtvieh, Branntwein etc. auf.
Für Ostheim allein betrugen die Kriegskosten der Jahre
1806 bis 1818, also während der Franzosenherrschaft,
28 551 Thb. 16 Sgr. 7 Pfg., in den nächsten 2 Jahren
9998 fl. 32 kr.
Nun waren die schweren Kriegszeiten vorüber; fortan
durchzogen keine fremden Kriegsvölker mehr verheerend die
deutsehen Lande, nun konnten allmähHoh die Wunden wieder
heilen. Groüs und schwer genug waren sie ! Wie viele Söhne,
Brüder, Väter hatten ihre Familien, ihre Heimat verlassen
müssen, um für den fremden Eroberer in Tirol, Spanien, Bufs-
land etc. ihr Blut zu vergiefsen ! Von den aus Ostheim Mit-
gezogenen ist keiner wiedergekommen! —
Nach diesem Kriegswetter bricht eine neue Zeit an, die
sich schon in allerlei äufseren Veränderungen ankündigt:
Aufhören der kirchenfürstlioben und ritterschaftlichen Herr-
lichkeit, Umgestaltung der Rechtspflege, für unser Land im
besonderen dessen Erhebung zu einem Grofsherzogtume infolge
der Gebietsvergröfserung u. a. durch fuldaische Landesteile,
und infolgedessen wieder Abzweigung des Hintergerichts vom
Amte Lichtenberg zum Amte Kaltennordheim. —
Dm ehemalige Amt Lichtenberg vor der Rh^n. ]^51
Im Jahre 1812 wurde das Yordergericht von der würz-
bnrgischen Begierung durch eine M a u 1 1 i n i e eingeechlossen,
in OberfladungeDy Wilroars, Yölkerehausen, EufBenhauBen etc.
Zollstatioiien errichtet, und in einem würsburgischen Hause
in Ostheim ein bayrischer Gendarm stationiert Für die ge-
Bchäfttreibenden Einwohner der Enklave war das höchst
drückend und beschwerlich, und bald stand das Schmuggel-
wesen in schönster Blüte. Besonders wurde viel Branntwein
Ton ürspringen aus, wo heute noch viel gebrannt wird, über
die Hohe Bhön nach Gersfeld hinüber geschmuggelt, und man
erzahlt sich noch manche romantische Schmugglergeschichte.
Reichtümer soll sich indes keiner bei diesem Geschäft er-
worben, wohl aber mancher einen siechen Körper oder den
Tod dabei geholt haben. Am 24. Jan. 1831 wurde endlich
zwischen der eisenachischen und der nun bayrischen Begie-
rung ein Vertrag auf 12 Jahre abgesohlossen, durch welchen
die Enklave dem bayrisch - württembergischen Zollverein ein-
verleibt, die Zollstationen wieder aufgehoben, der bayrische
Malzaufschlag, ba3rrisches Mals und Gewicht und bayrisches
Salz im Amte Ostheim eingeführt wurden. Dieser Vertrag,
der von 12 zu 12 Jahren erneuert worden ist, besteht, natür-
lich mit einigen durch die Beichsgesetzte bedingten Änderungen,
noch in Giltigkeit. —
Damit wären wir am Ende der Geschichte des Amtes
Lichtenberg angelangt Das einstige Vordergericht führte den
Namen ^Amt Lichtenberg'' eine Zeitlang noch fort, doch kam
er ihm ebensowenig zu wie jetzt dem Amtsgerichte Ostheim
die Bezeichnung „Vordergericht Ostheim^', wie es in behörd-
lichen Erlassen zuweilen genannt wird ; ein solches hat es nie
gegeben, wie ihm auch kein Hintergoricht entspricht —
Noch haben wir uns aber nach der alten Burg, die
dem ehemaligen Amte den Namen gegeben, und ihren Schick-
lalen umzusehen.
Noch bis 1811 muTisten alle herrschaftlichen Oetreide-
gefiUle von den Pflichtigen auf dem äulserst beschwerlichen,
■teilen Weg sur Burg hinauf geschafft werden.
152
Das ehemalige Amt Lichtenberg ror der BhSn.
Waren auch in früheren Jahrhunderten die Vorsichts-
mafsregeln zur Bewachung und zum Schutze der Burg um-
fangreicher gewesen als jetzt, mit Beisigeni Wächtern, Tür-
mern, Nachthunden und dergl. , so mufsten doch auch jetzt
noch täglich 4 Mann aus den Amtsdörfern zur Wache an-
Im Jahre 1804. Nach der photogr. vergrörserten Titel Vignette iD Schal tes
Hist.-8tatist. Betchreibong der Grafschaft Henneberg, II.
treten. Zwar hatte auf Bitten aller Amtsorte der Landhaupt-
mann Y. Herda am 20. Sept. 1695 nachgelassen, dafs künftig
immer nur 2 Mann zur Wache zu erscheinen brauchten, mit
der Bestimmung, dafs Ostheim für 20 Tage, Sondheim für 10'
Stetten und Ealtensundheim für je 8 , Urspringen und Hel-
mershausen für je 7, Wohlmuihausen 6, Gerthausen 6, Mit-
telsdorf und Sohafhausen je 4, Melpers 1 Tag die Wache zu
stellen hätten« Bald jedoch ist wieder immer von 4 Wächtern
die Bede. Vor Dieben vermochten die Wächter die Oetreide-
böden wohl zu schützen, nicht aber vor Ungeziefer, das in
dem yerfidlenden Gemäuer immer mehr überhand nahm. Be*
sonders war, wie Erdmann 1754 schreibt, der Mäusefrafs „sehr
Das eb«aalige Amt Lichtenberg vor d«r Rhltn. |53
groB und sohädliob, iDdem der Amts Vogt den Winter durch
&st alle aus dem Wald und Feld dahin aiehende Mäuee auf
den Henohaftl. Böden füttern und auswintern mufs, sodann
aufs frühjahr das Ungeziefer hecket und vieles droben bleibt**.
In den ersten Jahren unseres Jahrhunderts beschreibt
Schultes die Burg als ,,die einsame für den Bentbeamteui den
Thorwärter und vier täglich abwechselnden Fronwächtem be-
stimmte Wohnung, wo sich noch die herrschaftlichen Frucht-
böden nebst einigen Gefangnissen befinden und wo Eulen und
Käuagen nisten'*.
Als mit der Zeit der YerfSsU der Burg immer fühlbarer
wurde, und infolge des Bheinbundes im Jahre 1811 die würz-
burgische Gerichtsbarkeit über das Vordergericht in Wegfall
kam, ging die Regierung daran, auch noch die Amtsvogtei in
die Stadt zu rerlegen. Daraufhin hatte sie schon 1800 das
y. Wejhers'sche Stiftshaus angekauft^ um es seiner Zeit als
Getreideschüttboden zu yerwenden ; nun kaufte sie das Schenk
Y. Schweinsbergische (Dr. Klinghammer^sche) Haus hinzu, um
den AmtsTogt, der von nun an ,,Bentbeamter'' hiefs, darin
unterzubringen. Justiz- und Steuerwesen, bisher unter Ver-
waltang des Amtmanns, wurden nun getrennt, wie auch das
Porstwesen einem Fachmanne unterstellt wurde.
Bis jetzt war der Turm immer noch als Amtsgefangnis
zur Yerbüfsung geringerer Vergehen — gröOsere gehörten ja
vor die Centen Mellrichstadt, Fladungen oder Kaltensundheim
— zur „Turmstrafe", meist bei Wasser und Brot, benutzt
worden. Nur die Gerichtsbarkeit über das „gräuliche Laster'^
der Hexerei hatten sich die Amtmänner von den Centen nicht
nehmen lassen, und oft genug mag in den finstem Bäumen
der Borg das Geschrei und Wimmern der Gefolterten wider-
gehallt haben. Wenn aber erzählt wird, dafs 1820 Schatz-
gräber heimlicherweise ein Loch in den grofisen Turm (mit
Minen 10 Fufs dicken Mauern) gebrochen, aber nur menach-
üohe Gebeine und Ketten gefunden hätten, so klingt beides
naeh allem sehr unwahrscheinlich.
So stand nun die Burg ganz verlassen, dem Verfalle preis-
164
Dtm ehüiialSge Amt LiebtenbArK vor cUr Rb^n.
gegeben. Was sollte nun aas ihr werden? Alt 1816 3 Ost-
heimer Bürger 900 fl. für die Bnine boten, ging auf Ter-
wendnng des Amtmanns die Regierung auf den Handel ein.
Die Käufer hatten naturlieh nur die Absicht, dureh Terwen-
düng oder Verkauf der Baumaterialien ein gutes Geschäft zu
machen, und schonungslos ging es nun an das Niederreilsen
des kleineren (runden) Turmes, des grofsen Palas mit den
Fruohtböden, des Thorwarthauses, der daran stof senden Scheunen,
der Hols- und Wagenhalle, der Kapelle, des Büttelhauses, ver-
schiedener kleinerer Nebengebäude und eines grofsen Teils der
Ringmauer mit den Blockhäusern. Ak 1817 OroCsheiraog
Karl August Ostheim und die Burg besuchte, w«r er sdir
entrüstet über dietmi Yandalismas. Im Jahre 1819 liefs er
Das ehemalige Amt Lichtenberg vor der Bbtfn. 2Ö5
-von der RegieruDg wenigstens den Turm znrüokkaufen, nie-
mals aber hat er bei seinen späteren Besuchen des Amtsbe-
^rks die Buine wieder betreten.
Mit erkauftem Baumaterial von derselben bauten sich
einige arme Handwerker und Taglöhner gleich auTsen an die
Ringmauer an, und noch zu Bechsteins Zeit (s. Sagen des
€^rabfeldesy 1842, S. 306) waren ,,an ihr Gemäuer Schwalben-
nestern gleich dürftige Hütten armer Leute angeklebt''. Im
Jahre 1832 wurden diese Wohnungen dem Ostheimer Stadt-
beiirk einyerleibt; ein Verzeichnis von 1836 giebt 8 Häuser
tnit 20 Bewohnern an.
Im Jahre 1843 wurde die Burgruine nebst dem noch
^azu gehörigen Areal für 1060 Gulden Ton der Herrschaft
wieder angekauft und dem vom Amtmann, Justizrat Schmidt,
gegründeten und noch eifrig thätigen „Verein zur Erhaltung
'der Burg und zur Verschönerung ihrer Umgebung'', oder kurz:
-dem „Lichtenburgrerein", überwiesen.
XJm die Aussicht vom Turme zu ermöglichen» liefs der
Verein im Innern desselben nach dem Gutachten der Herren
Oberbaudirektor Streichhan zu Weimar und Baurat Döbner
XU Meiningen im Jahre 1854 eine Treppe anbringen und ihn
mit einem Dache versehen ^). Hierzu steuerte OroCiherzog
Sari Friedrich aus Eammermitteln 390 Thlr. bei ; der Verein
aufste noch ein Darlehn von 149 Thlr. aufnehmen.
Der einstige Umfang des Palas läfst sich aus der Höhe
und Breite der noch stehenden östlichen Qiebelwand und aus
1) lo den fmnikiger Jahren fttbrte ein kfibner Turner, Apotheker-
^hilfe H. sn Osthelm, an einer an« dem tfldlichen Tormfenster gelegten
8tange In schwindelnder Höhe Aber dem Pflaster die kOhnsten Tnmer-
st&eke ans. Ein noch kühnerer Wagehals dfirfte der Apothekergehilfe T.
^ns Osthelm gewesen sein, welchör etwa um dieselbe Zelt infolge einer Wette
«nf der noch stehenden, yon der Ostheimer Stratse aus wie eine Stange
ersehdnenden hohen Qiebelwand des Palas bis snr Spltse und auf der
anderen Seite wieder hinabgeklettert ist, Immer mit einem Hammer in der
Band die Sicherheit des Gesteins prüfend. Dieses Wagestfick erscheint
geradesu unglaublich, wenn man das am Hände der steil aufsteigenden
Wand nur noch lose auf- und aneinanderliegende Gestein ansieht.
IVIL 11
156
Das ehemalige Amt Lichtenberg Tor der Rhön.
deren Entfernung von der erhalten gebliebenen Kemenate
leicht ermesBen. Nach Angabe des Schuhmachers Kirchner
zu Ostheim, der in seiner Jugend noch die Burg in ihrem
alten unversehrten Zustande gekannt hatte, waren der Räum-
lichkeiten im Palas so viele, dafs man sich darin fast hätte
verirren können. Der Genannte war der Sohn des letiten
ThorwartSy geboren auf der Burg 1804, wo er mit seinem
Vater bis 1816 gewohnt hat. Am 19. Ifai 1878 gab er aof
Wunsch des Lichtenburgvereins-Yorstandes seine Erinnerungen
an die damalige Einrichtung und Benutaung der Gebäulich-
keiten zu Protokoll. Seiner Angabe nach hat damals links
vom äulsem Thore noch ein Häuschen mit Geschützen (zur
Benutzung bei besonderen Gelegenheiten) gestanden. An das
Thorwarthäuschen, welches jetzt vom Lichtenburgvereine wie-
der aufgebaut und mit 2 Restaurationszimmem versehen wor-
den ist, schlössen sich 2 grolse Scheunen und eine Holz*
und Wagenhalle an; vor denselben befand sich eine Cisteme
für Eegenwasser. Am östlichen Ende des äufseren Burghofes,
über dem Keller, erhob sich ein schönes dreistöckiges ^) Ge-
1) Kirchner lEhlt jedenfalls des ErdgeichoA mit
Das •hemaüge Amt Lichtenberg yor der Bhdn. ^57
bäude, das ,,Btttelh«ii8'S za Kirchners Zeit mit als Erucht-
boden benatzt. Zwischen den beiden Türmen befand sich
der Garten, der jetzt mit Oebüsch bepflanzt ist. In der
Kemenate, welche damals noch mit dem Palas durch Oänge
Terbunden war und rem Amtsvogt Thon bewohnt wurde^
waren die obersten Bäume fdr die höchsten Herrschaften re-
serviert. An die Kemenate war ein dreistöckiges Nebenge-
bäude mit Waschhaus und Wohnzimmern für die Familie
Thons angebaut Dem Amthausa gegenüber befand sich die
Stauung fdr den „Brunnengaul'' und 2 andere zur Herbei»
Schaffung des Zinsgetreides aus dem Hintergerioht (oder Vor»
spann den Berg herauf?) bestimmte Pferde. Zwischen beiden
Gebäuden war eine Gisteme. Rechts vom Turme stand die
mit einer Olocke yersehene Schule für die Kinder der Be-
amten — die übrigen Kinder besuchten, freilich mit oft
vierteljährigen Unterbrechungen, die Stadtschulen. An der
Ostseite der Burg befand sich die Kapelle, die schon zu
Kirchners Zeit verfallen war. Nach Schultes' Ansicht wäre
sie im 16. Jahrhundert (weil da die Ostheimer Erühmesser-
stelle gestiftet worden ist?) von einem Grafen von Henne-
berg erbaut worden; sie ist aber zweifellos ebenso alt wie
die Burg, denn nie versäumte auch der wüsteste Baubritter
am Ostende einer neuen Burg eine Kapelle anzubringen.
Auch die Angabe Schultest den Dienst an der Kapelle —
das Predigen an jedem 8. Sonntage — habe der Ostheimer
Frühmesser gegen den Qennfs des Zehnten von etlichen
Äckern unter Lichtenberg zu versehen gehabt, ist eine irrige.
Dieser Zehnt stand, wie aus einer Zehntstreitigkeit von 1459
(s. ni. Teil) zu ersehen ist, damals dem „Inhaber^' der Niko-
lauskapelle zu Ostheim zu, und nach Einführung der Eefor-
mation ging, während die Einkünfte der Frühmesserstelle zur
Dotation des neugegründeten Diakonats verwendet wurden,
der Zehnt mit dem Dienst an der Burgkapelle an die Ober-
pfarrei über. Die Amtsbeschreibung von 1648 sagt darüber:
»Die (M^jimetur zue Ostheimb hat auff etzliche Lenderey
nnter Lichtenbergk am strüppücht den Zehenten, stad deßen
11*
J58 I^ ehemalige Amt Lichtenberg Tor der Rbdn.
empfaDgen berioht nach hieberorn ubem dritten Sontag off
dem Fr. Ambthaui die predigt yersehen werden müAen; der
Zehent zwart iit noch gangbar, das predigen aber hieroben
lange ^) eingestellet blieben/'
Der Fnüswegy welcher yon der Barg nach dem Schlofs-
felde hinabführte, hieTs der »»Brüherbsenpfad^S weil in alter
Zeit einmal eine Magd, die den Arbeitern eine Batte Brüh-
erbsen auf das Feld hinunterbringen sollte, mit ihrer Last zu
Falle gekommen ist nnd ihre Erbsensuppe auf diesem steilen
Wege „angerichtet'' hat.
1) Seit den Kriegsseiten?
2. Verwaltung und Rechtspflege.
A. Verwaltung.
In den Zeiten des FanstrechtB wufste ein Fürst sein
Land nicht beeeer bu schützen, als wenn er jede seiner
Bargen mit ihren ^^Zugehörungen'', oder, wie wir es zu Ter*
stehen haben, jeden Amtsbezirk mit seinem Amthause dem
Schutze dort oder in der Nähe ansässiger Kitter befahl. Zu
solcher Schutsleistung verpflichtete er einen Ritter durch
Verleihung eines ,,Burggutes'', das entweder in einem
wirklichen Oute im Werte von 100 bis 200 Pfd. Hellem
oder einer Summe von dieser Höhe, für welche der „Burg-
mann" dem Fürsten ein eigenes, freies Gut zu Lehen
auftrug oder ein neues zu erwerben hatte, oder auch in
herrschaftlichen Gefällen bestand, deren Höhe dem 5- bis
8-prozentigen Abwürfe eines Burggutes entsprach. Das so
eingegangene Lehnsverhältnis wurde entweder auf eine be-
stimmte Zeit oder auf Lebenszeit, oder erblich eingegangen,
in welchem letzteren Falle der Ritter „Erbburgmann^' hiefs.
Besonders aus der Zeit der beiden fehdelustigen Fürstäbte
Heinrich YL und VIL sind eine ganze Anzahl solcher Be-
lehnungen mit lichtenbergischen Burggütern durch Urkunden
bekannt.
IQQ Dm ehemalige Amt Lichtenberg vor der Rhön.
Entweder wurden diese Bargmänner yerpfliohtet, von
ihren Burgen aus auf Erfordern zum Schutze des Schlosses
herheizueilen, oder es wurde in einzelnen Fällen ihnen „per-
sönliche Eesidenz'' zur Pflicht gemacht — sie mulsten ihren
ständigen Wohnsitz für die yerahredete Zeit auf der herr-
«chaftlichen Burg aufschlagen. Diesen letzteren wurde die
Verwaltung des zum Schlosse gehörigen Bezirks und die An-
führung der übrigen Burgmänner zur Zeit der Gefahr über-
tragen — sie waren die ersten Amtmänner oder Yögte
(Advocati).
Nicht selten kam es yor, dafs ein Burgmann dem Herrn
•des Schlosses eine bedeutende Summe yorstreckte, bis zu
deren Zurückerstattung ihm die Burg selbst mit ihren Zu-
i;ehörungen yerpfändet, die Verwaltung des Amtes und die
Einkünfte aus demselben überwiesen wurden — er übernahm
<las Amt ,,amtmannsweise''.
Dann und wann nannte sich ein Burgmann nach dem
Schlosse, anf dem er sich als solcher aufhielt, indem er ent*
weder seinen bisherigen Namen ganz aufgab oder ihn dem
neuen durch den Beisatz: ^^genannt yon . . .** hinzufügte,
oder umgekehrt. So nannte sich ein bald wieder ausgestor-
bener Zweig der Familie y. Heisberg ,,yon Lichtenberg''.
Als Burgmänner yon Lichtenberg
kommen urkundlich yor:
1256: Wol/ramu» pineerna et Henriou» miUs de Wtit-
A4 im,
1276: HeinricuB müu de Lichtenberg, — ,,toii Lichten-
berg** heif^D noch: Saeerdos Cunradus (1299); Marquart (1818, 1816);
Berthold, Abt des Klosters Qeorgenthal bei Bofsdorf (1846); Frlts (1849);
Heints (1410, 1427).
1818 1 Ounradue mäee de Lichtenberg, — Er ist Termatlleh
identisch mit Canrad Ton Hesburg (1817; s. XVI, 288), Conrad gen.
Thüriug Caetrmsis in Lichtenberg (1320), Canrad ▼. L. (1824), Chunrad
V. Hessebarg gen. v. L. (1884). Es gab am diese Zeit Vater and Sohn
dieses Namens (s. Schaltes, Henneb. Gesch. U, Urk. S. 89, 40). — 1822
erhielt Konrad ▼. L. das Gericht Friedelshaasen „an seiner Schadens-
Ersetaong, and soll sie so lange genießen, bis ihm 100 Pfd. Heller
würden bezahlet sein". In Friedelshaasen gehSrte der Höfleshof denen
Das ehtmallge Amt Lichtenberg Tor der Sbön. IQI
T. L., „deren Vorfahren Bargminner aof Lichtenberg geweien** (Heim).
— 18S2 war Konrad t. L. Vogt sn Eisfeld (BrttciLner, Landeslinnde).
1819: Heinricus d0 Waltratehusenj «uho€€ttiu m Lichten-
berg, — 1320: Helwieus {de W,) advoeatut in L.y des Vorigen Sohn.
Dieser erhielt mit Oyso ▼. Steinau Schlofs und Amt pfandweise fSr
800 Pfd. Heller im Jahre 1884. In den Streitigkeiten «wischen Fulda
nnd Wftrsbnrg 1848 (s. XVI, 288) tritt er, anch ▼. Unsleben genannt,
als einer der SchiedsmXnner aof.
1825: Johannet dietu9 de Otiheim milee reiidem in Lieh"
ienberg,
1827: Oyso v. Steinao. — Abt „Fingerhut**, der kleine, aber
energische Bertho II., der dem Ranbrittertnm in seinem Stiftsgebiete ein
Ende machen wollte, mehrere Borgen serstört ond den in Biscbofsheim
geüsngenen Herrn. Ton Ebersberg 1270 in Folda hatte hinrichten lassen,
war am 15. April 1271 am Altare wihrend des Hofamtes von 26 Stieben
dorebbohrt gefallen, welche ihm von dem durchs Los daso bestimmten
Oyso T, Steinao ond seinen Genossen Tom Stegreif beigebracht worden
waren. Des Ermordeten Nachfolger Bertho III. bot alles aof, die Obel-
that so rXchen. Die Verschwörer flohen in die Borg Steinao^) ond von
da nach dem Haselstein, worden aber onterwegs, in der Kirche so Hasel-
fiberfallen ; Gyso worde aas der Thür fliehend erschlagen, seine SpieCi*
gesellen Albert und Heinrich ▼. Ebersberg aber aof kaiserl. Befehl in
Prankfort lebendig ger&dert Oysos Nachkommen mofsten statt der
sdiwertsfickenden Klaue sor steten Erinnerong an ihren Ahnen, der als
Dritter das Rad Terdient hatte, von non an 8 Bäder im Wappen führen
und ihren Namen in „Steinrück" omwandeln. Spiter nannten sie sich
^von Steinao gen. Steinrück". Lange mufsten sie sich, ihrer Lehngüter
beraubt, im Auslande aufhalten, bis endlich 1827 Abt Heinrich VL sich
mit Gysos Enkeln Trayboto (Heinrichs v. Ezdorf Schwiegersohn) und
Heinrich versöhnte und ihnen Foppenhausen aum Wohnsiti anwies mit
der ausdrücklichen Bedingung, da£i sie oder ihre Nachkommen nie ohne
Erlaubnis ihr Haus burgähnlich befestigen dürften'). Beide Brüder
mufsten u. a. sich noch verpflichten, ihren Söhnen Gyso und Heinrich
je 10 Pfd. Heller jährlich zusuweisen, wosu der Abt noch je 6 Pfd. legte,
welches Einkommen diese als fuldaische Burgmänner, Gyso auf Lichten-
berg, Heinrich auf Biberstein, verdienen sollten.
1) Das Dorf Steinau, in welchem Gysos Stammburg stand, liegt
5 km von Fulda an der Bahn nach Hünfeld.
2) Es geschah später doch; sie unternahmen, abgesehen von
Stralienränberei, von hier aus förmliche Kriegsaüge, bis endlich 1459
ihre Burg gebrochen wurde.
102 ^'^ eheniftUge Amt Ltchtanberg vor der BbSn.
13S4 am Sonnabend nach Kat Terkaaft Abt Heinrich Schlofs und
Gericht LiohtenberK itlr 800 Pfd. Heller unter dem flblichen Yorbdialt»
des Wiederkanfs an Helwig t. Waltertbaosen, Sitter, und Gyso v.
Steinan, Knecht, nnd tetst sie als Amtlente ein mit der Verpflichtung, das-
Schlofii sa bewahren. Tormlente, Wichter nnd Thonrirter selbst su be-
solden, stftodig 10 Mann Gewappnete anf der Borg an halten etc. „8i#
Bullen onch in deme gerichte, die wiele sie es inne han, die lade nicht
for bax mehr dringen noch besaern über das alse bis her gewnnliche ist
gewest.*' — Unter ihrer Amtmannschaft warde im folgenden Jahre da»
Centgericht von Sondhelm nach Piadangen verlegt. — 1836 erteilt Abt
Heinrich dem Helwig von Waltershaosen die Anwartschaft aaf die Güter
im vüla Bodiehm (R5dchen, „Bod**, Flnrgegend anter Lichtenberg) and
aaf die sar Amtmannsbestallong gehörigen Fischteiche (S. 77), worauf
jedoch er und seine NachlLommen so lange keine Ansprüche haben sollten,
als Gyso von Steinau noch mit ihm im Amte sei und sie diesem sustftnden.
Er weist ihm femer 100 Pfd. Heller als Bnrggnt su, macht ihm aber
persönliche Sesidena sur Pflicht — Wie lange die beiden Schlofs und
Amt innegehabt, ist nicht su bestimmen. Wenn 1848 die Schiedsleuta
swischen Abt Heinrich und Bischof Otto bestimmen, dafs diese die Schlösser
Uildenburg und Lichtenberg demnächst wieder einlösen sollten, so deutet
dies wohl darauf hin, dals die beiden Bitter Lichtenberg noch besafsen.
Gyso Ton Steinau, der übrigens nie sich Steinrück lubenennt, macht
in Urkunden noch viel von sich reden. 1338 kauft er von Job. v. Mafs>
bach ein Burggut su Lichtenberg nebst Besitsungen su Ostheim und Nord-
heim. 1863 kauft Gyso v. Steinau, Ritter, und Luts v. Herbilstadt,.
Knecht, von Fürst Johann von Henneberg Burg, Stadt und Amt Wa-
sungen auf Wiederkaof für 2550 Pfd. Heller. Derselbe Fürst beruft iha
1856 in ein Schiedsgericht swischen ihm und Balthasar v. Thüringen und
bestellt ihn 1369 mit in den Vormundschaftsrat für seine Kinder. 1360
erscheint Gyso als Zeuge in einer Urkunde Landgraf Heinrichs v. Hessen.
Im Kriege Abt Heinrichs VII. gegen Landgraf Otto v. Hessen und
dessen Verbündete 1361 (XVI, 292) steht er mit seinen Leuten auf seiteo
des Abts; 1365 schreibt er ihm über die dabei erlittenen Verluste seine
Rechnung, die der Abt in einer besonderen Urkunde anerkennt. Die
Sunmie betrug 800 Pfd. Heller, die der Abt su dem Gelde schlug, welcbaa
Gyso schon auf Schlofs und Amt Fischberg stehen hatte. 1868 kaufte
Gyso von Eberhard vom Stein dem Jüngern mit dessen Vaters nnd Bru-
ders Willen ein Gut au Ostheim für 10 Pfd. Heller. 1871 schlichten
Heinrich v. Brende, Heincse v. Steinau, Lutze von Herbelstad und Heincse
vom Steyne einen Erbscbaftsstreit swischen Gyso v. Steinau und seiner
Frau Christine (ihrem Wappen nach einer geb. v. Ostbeim oder Marschalk
V. Ostheim) einerseits, und ihrem Schwiegersöhne Siegfried v. Stein und
Felicsen ihrer Tochter andererseits. Es wurde letzteren ein grofser Taii
Dai ehemalige Amt Lichtenberg vor der Rhön. 16S*
der elterlichen G&ter sngesprochen, wonach sie lieioe Erbansprttche mehr
sn machen hJUten, „ez were den, das de« obgn. Hn. Qeyßen tone abe
ginge von todes wegen**. 1872 kauft er von Henrich von WaltrathuB»
Knnne, seiner ehelichen Wirtin und Alheyt Onaaeym, seiner Tochter, da»
spiter V. Steinsche Gut an Sondheim für 360 Pfd. Heller. 1376 liauft
er von Herm. Harkart und Else seiner ehelichen Wirtin, in Gemeinschaft
mit Heinrich SteinrttclKe und Yrmel seiner Frau, Weimarschmieden fUr
1820 Pfd. Heller, su welcher Summe leuterer nur 800 Pfd. beigetragei^
hatte, die ihm Ojso v. Steinau bald heransgeaahlt su haben scheint —
In einem Erbschaftsstreite von 1881 „an sant Johan« tage Baptutm^ so-
man das f&er machet**, zwischen Syfryde vom Steyne, Felicse seiner
Frau und beider Erben einerseits« und Hermann v. Steynaw, Symon-
Steinrucken und Cuncsen, Karl und Otten Steinrucken Gebrfidern anderer-
seits wegen der GQter, die „die kint'* Dytrich von Steynaw und seine
Schwester Gysel hinterlassen hatten, wird Gysos nicht mehr gedacht.
1836 : Johann Schenk re versiert sich über die Belehnung mit
einem Burglehu, das aus 6 Pfd. Hellern jährlicher Gefälle von der Bnbels-
bergs- und der Toderhufe zu Ostheim bestand, und das er von Alheid,.
der Witwe Alberts von Nuenstat, und ihren Kindern gekauft. Er ist ver-
mutlich identisch mit Johanaus dictu$ de Otth$m von 1827 (s. o.); die.
V. 0«theim besafsen das henneb. Schenkenamt als Erblehn.
1338: Johann von Mafsbach und Femele seine eheliche
Wirtin verkaufen den vom Vater der letzteren, Herm. Voyt v. Salsbur^^
erhaltenen Hof und Burggut zu Lichtenberg, ihre Besitzungen zu Ost-
heim und ihre Wiesen zu Nordheim unter Lichtenberg für 102 Pfd».
Heller an Gyso v. Steinau.
1842: Syfrid vom Steine „der Jüngere** (dem Schwiegersohn»
Gysos v. Steinau gegenüber „der Ältere*'; 1834 „des Bastheimers Knecht**)
erhält, nachdem er dem Abt Heinrich v. Fulda das Öfibungsrecht des
Schlosses Bastbeim eingeräumt, 100 Pfd. Heller als Burggut, das er von.
seiner Veste Bastheim aus „odir anders, wa he sitzet**, auf Lichtenberg
verdienen sollte, und wird zum Erbburgmann angenommen. Im Jahre-
1355, damals Vogt auf Hildenberg, empörte er sich mit Otto v. Bastheim,
und Gabriel Truchsefs gegen seinen Lehnsherrn, den Bischof Albert v.
Würzburg. Nachdem dieser Schief« Bastheim erstürmt hatte, wurden sie
sof Verwendung ihrer Freunde zwar begnadigt, mufsten aber dem Stifte
Würibnrg für alle Zeiten das Öffnungsrecht des Schlosses Bastheim ein-
räumen.
1348: Johann von der Kere^) „von Bosrit genannt** bekennt,
1) Das V. d. Kehre'sche Geschlecht, welches 1569 mit Richard,.
Amtmann zu Mellrichstadt, ausstarb, ist ein Zweig des Hauses Truchsefs-
V. Henneberg, mit dem es gleiches Wappen führte. Albrecht, Bruder
\Q4: ^** ehemalige Amt Lichtenberg vor der Shön.
dtkCs Abt Heinrieh ihn zom Erbborgmann auf Lichtenberg angenommen
(,,eB were dann, das ich adir myn erbin nnses ejdes los sin**) nnd ihm
HO Pfd. Heller als Borggut gegeben habe, wogegen er ihm seine 8 eigenen
•Hoben sn Mittelstren su Lehn aaftrSgt. 1344 beliennt er, dafs der Abt
ihm 100 Pfd. Heller als Bnrgg^t gegeben habe, an verdienen „wa ich
adir min erben mit dem hose sitsen**, wofür er ihm mit Willen seiner
ehelichen Wirtin Eatarine 8 Pfd. Heller Einkflnfle von seinen 8 eigenen
flnben sn Behrangen sn Lehn aoftrftgt
186S: Heinrich von Sternberg (1848 „des schönen Her-
mans s6n genannt** [H.] besaDi '/g vom Zehnt sn Mittelstren and ein
Vorwerk za Debertshaosen , welches Johann v. d. Kehre[- Rosriet]
1356 iLaufte) empfftngt vom Abt 100 Pfd. Heller, trftgt ihm dafür eigene
Besitsnngen an Lehn anf nnd empf&ogt sie als Barggut snrÜclL, nimlich
•die „wnstenunge, die da heizzet zum Beynhartes** (Beinhardshof).
1359 : Abt Heinrich nimmt seinen Bruder Gerlaoh TonKraluok
^um Erbburgmann von Lichtenberg an und übergiebt ihm die Qflter „in
Rimbrechtis** (Beinhardshof, wie aus dem folgenden hervorgeht).
1361 : Derselbe Abt nimmt Hermann Markart, Ritter, und
-Oocze seinen Bruder als Erbburgminner in seiner Veste Lichtenberg
auf und verleiht ihnen 180 Pfd. Heller zu rechtem Bnrggut anf der
halben Wüstung „zum Reinbrechtes**, die er vorher seinem Bruder Ger-
lach V. Kralucke verliehen und ihm vorher vom seligen Heinrich v.
Sternberg heimgefalien sei; „und dasselbe bnrggut sullen euch die vor-
■gnant Hermann und Gocae odir ir eyner und nach irem vorgengniss zum
■minsten einer irer erbin nf der vorgnantin vestin mit wesen stetlich be-
sitzen'*. 1876 verkaufen Herm. Markart nnd Else seine eheliche Wirtin
Wjmarsmyden (vermutlich samt Reinhards) an Gyso v. Stetnan^).
1368: Hans von Birkis bekennt, dafs ihn Abt Heinrich ala
Grbburgmann auf seine Veste Lichtenberg genommen nnd ihm und seinen
Erben 8 Pfd. Geldes Salzunger Währung, jährlich zu Martini fällig, von
«einer Stadtbete das. dafür zu reichen habe *).
1 366 : Mangold von Swinfurd gelobt und schwört, das von
•des Albrecht Truchsefs v. Henneberg, hatte sich ein Schlofs zu Henne-
berg „auf dem Berg an der Keer gelegen** erbant und sich zuerst 1870
^,v. d. Kere** genannt. Seine Nachkommenschaft teilte sich in verschiedene
liinien, die Rosrieter, Kehre'sche, Einhartthäuser etc.
1) Bisher ist unter Beinbrechtis irrtümlich immer Renpers bei
Stetten verstanden worden, was zum würzb. Hildenberg gehörte.
8) Auch die v. Bircke oder Birkis waren ein Zweig des Truchsefs
V. Hennebergschen Stammes. Heinrich Truchsefs v. H. besafs 1384 den
2ehnt „zu Birck bey den Thüringer Wald** ; 1846 : „Hans Truchsefs v. H.
^en. V. Bircke** (Biedermann, Baunach, 868).
Das ehemalige Amt Liehtenberg Tor der Rhön. Ig5
seinem Bruder Conxe geerbte nnd nun ihm tu Lehn gegebene Burggnt
.„mit namen sehen phant heller geldes** OIhrlich) auf des Abts Veste nnd
Schlofs Liehtenberg getreulich sn TerdJenen. — 1896 hat Becse (Schan-
«lat: Apeso) von 8winfurd „enphangen ejn burggut, das gebort gein
Liehtinberg und sin X phnnd geldes, es& Ußleyben gelegin".
?: K arl von Steinau gen. 8t einrflck , Amtmann su Salxun-
gen und Lichtenberg (Biederm., RhSn-Werra, 427).
1374: Paul von Herbilstadt empfXngt ein Bnrggut sn Hel-
mershausen, das, wie yermutlich auch Weimarschmieden und Reinhards,
ursprünglich zu dem d. Z. in Trümmern liegenden Hutsberg gehört hatte.
1875: Job an n nnd Werner Zufrafs. Am Andreastage ge-
nannten Jahres entscheiden Dietrich (Priester) und Sintram ▼. d. Kehre,
OebrÜder, und Stephan ▼. d. Kehre als Schiedsleute swischen den Ge-
nannten einer-, und Heinrich ▼. Stein andererseits, dafs u. a. „das hus
Ulf der bürge su Lichtenberg, die bamgarten in dem Rode, die Tyle ynne
hat*% „fünf acker wingarten in dem wingarten tal'* etc. „Hn Johansen
■Zufrass und Wemhem Zufrasa Tnd fm erben volgen und werden shol*^
1386: Siegfried vom Steine und Heinrich von der
Tann. Letsterer ist schon 1372 Burgmann auf Lichtenberg. Am
•ö. Sept. 1386 fibemebmen beide das Amt amtmannsweise, indem ihnen
Landgraf Balthasar ▼. Tbflringen Lichtenberg „mit allen sinen czuge-
homngen vor sechs und cswencsig hundert und vire und cswencsig gute
gülden, nxgenomen unsir manschaft, manlehin und geistliche lehin, die
idr und unsir erbin uuTorsacst bebalden**, verpHndet, sich aber die
Oifnung des Schlosses TOrbehält. Nach Rein hätte die Landgräfin Marga-
rete schon 1889 das Schlofs wieder eingelöst, um sich selbst damit be-
lehnen zu lassen; aber 1390 bekennt Sjfryd Tom Steyne, Amtmann zu
Lichtenberg, urkundlich, dafs Markgraf Balthasar ihm und Heynczen ▼. d.
Thann die Lösung des Schlosses angesagt habe, und dafs der Brief durch
Tryng ▼. Heldryt ihm am Sonnabend vor dem Pauwelstag fiberbracht
worden sei. — 1391 wurde denselben Edelleuten das Schlofs abermals,
jetzt für 4000 fl., verpfändet.
SiegfHed v. Stein, der Schwiegersohn Oysos v. Steinau, erwarb ge-
meinschaftlich mit seiner Frau Pelicze 1377 von seinen Vettern, den
Brfidern Hencse, Eberhard und Hans v. Stein, deren Anteil am würsb.
Vnterburggrafenamt (XVI, 290) ffir 150 Pfd. Heller auf Wiederkauf;
1385 von seinem Vetter Heinz v. Stein zu Nnrdhelm im Orabfeld den
"Sehenkschen (v. Ostheimschen) Hof su Ostheim für 2200 Pfd. Heller;
1393 von der Familie von Qriefsheim ihre Oüter sn Qrub unter Hilden-
berg. 1331 entscheiden Dytrich v. Bybra, Hans v. d. Kere, Dytse und
Peter Voyt v. Salzburg als Schiedsmänner swischen Siegfried vom Stein
<uid seiner Frau einer-, und Verwandten derselben andererseits wegen der
HinterUssenschaft der Kinder Dietrich und Oysel v. Steinau, dafii Poppen-
X66 ^'^ ehemalige Amt Licbtenberg vor der Bhdn.
hausen in Hermannt und Symons ▼. Stelnaa Beütse bleiben, dagegen all»-
Hinterlassenschaften „dysyt der Rone*' im Taxwerte von 8200 Pfd. Heller
wünb. Wfthmng Siegfried nnd seiner Gemahlin, welche die Hilft« der
Seholden sn fibemehmen hätten, an ttberlasten seien; aafserdem „das-
hns Lichtenberg in der Innern bnrgo vnder den deinen tarn'* etc.
Heinrich t. d. Tann (Sohn Heinrichs „Ton BIschofisheim'« [1847]>
hatte 1366 Ton Otto Ton Herbilstadt dessen Hlnser, Äcker and Wiesen
sa Ostheim and anderen Orten ffir 130 Pfd. Heller gekauft. 1374 war
er Amtmann sa Pischberg, seit 18SS Pfkndinhaber nnd Amtmann sil
Mellriehstodt, 1385 mit Friu t. d. Tann anch von HUdenberg. 1879-
kauft er von Heinrieh ▼. Stein ^/^ eines ZwAlftels Tom Ostheimer Zehnt
für 100 Pfd. Heller auf Wiederkanf, 1880 die „DOringer*' Wiesen daselbst
für 60 Pfd. HeUer, 1894 Ton Konrad v. Stelnaa den Hof in Fladungao.
beim Kirchhof und den halben Baumgarten über der Stadt hinterm Kirch-
hofe und die ihm gehörigen Zinsen su Fladangen für 65 fl., 1396 tob
Peter Schenk dessen Hof sn Kaltensundheim für SSO Pfd. Heller aaf
WiederlSsung etc.
1389: Heins und Orete Tom Stein, Albrecht nnd Bets
Trucbsefs verkaufen an Landgraf Balthasar ihr Burggut su Lichten-^
berg für 400 fl.
1405: Oeorg, Heinrich und Eucharius v. d. Tann,
Söhne des Frits ▼. d. Tann, Amtmanns auf Hutsberg; Landgraf Baltha-
sar verpiltndet ihnen Y^ von Lichtenberg ' ).
14 SO: Frits vom Stein. Ersbischof Koorad von Mains ver-
leiht ihm das Burggut au Lichtenberg, eine Behausung daselbst im innerem
Schlosse, ein Haus und Hof in der Vorbarg, ein Gut im Bode und t.
Acker Weingarten.
1428: Haus vom Stein „scy Lichtenberg** (H VI, 110).
1428 werden sämtliche Ostheimer Edelleute vom Bischof Johann,
seine „Burgkleute** genannt
1428 : Siefried vom Stein, Bitter, L o r e n s und Hans v o nk
Stein, „gesessen su Lichtenberg und 0»theim**.
1) Sie gründeten gemeinschaftlich mit ihren Brüdern Burkard,
Engelhard und Philipp (ein 7. Bruder war Melchior, S. 168) 1407 die^
Frühmesse in Nordhelm v. d. Rhön. Später hetsten sie die Stadt Mei-
nlogen gegen ihren Herrn, Bischof Johann II., auf; dieser liefe durch
Lorenz v. Ostbeim und Sintram v. d. Kehre Meiningen mit Gewalt nehmen
(1418) und brachte die Brüder v. d. Tann in seine Gewalt. — 1444 wurden
sie von Kurfürst Friedrich v. Sachsen gebeten, sich der 3 jungen Grafen.
V. Henneberg gegen deren Onkel Heinrich (den Unruhigen) in Kaitennord-
heim ansunehmen.
Dm§ ehtiDAligo Amt Lichtenbtrg vor der Rhön. IQI
Die Amtmänner.
Je mehr die Kaiser mit ihren Bemtthuogen, das Faust-
«Dd fehdereoht und damit die kleinen, aber unaufhörlich das
Land yerwüstenden Kriege durch wiederholte Aufrichtung so-
genannter „Landfrieden*^ zu beseitigen^ Erfolg hatten, desto
weniger bedurften die Fürsten zum Schutze ihrer Schlösser
und Ländereien noch der Bnrgmänner, welche Bezeichnung
nun auch yersohwindet ; desto weniger hatten es auch die
Amtmänner auf Lichtenberg noch mit einer bewaffneten Ver-
teidigung des Schlosses und Amtes zu thun, desto mehr konnten
sie nun alle Achtsamkeit auf die eigentliche Begierung ihres
Bezirks richten. Immer schärfer grenzt sich im Laufe der
2eit der Kreis ihrer Hechte und Pflichten ab, immer deut-
licher treten nun ihre Persönlichkeiten durch nachgelassene
Sdiriftotticke oder andere Spuren ihres Wirkens aus dem
Dunkel hervor. Dies gilt namentlich seit der hennebergi-
«chen Zeit des Amtes. Der Amtmann ist in seinem Bezirke
der Vertreter des Landesherm nach allen Seiten hin — Chef
des Justiz-, Yerwaltungs-, Finanz-, Forst- und Militärwesens —
also Gouvemenr, von dessen „Regierung" man sprach. Eigent-
liche Fachgelehrte waren die Amtleute auf Lichtenberg in
den ersten Jahrhunderten noch nicht, wenigstens nicht in
der hennebergischen Zeit; es kam bei ihrer Wahl viel mehr
auf natürlichen Verstand, entschiedenes Auftreten und Beprä-
sentation an« Namentlich in der ersten Zeit worden dazu
nur unabhängige, reichsunmittelbare Edelleute genommen; es
ist deshalb auch nie in dieser Zeit von der Ernennung
eines Amtmanns, sondern nur von einem vertragsmäTsigen
Übereii^kommen zwischen dem Herrn des Amtes und ihm
die Bede. Sin solcher Vertrag wurde oft nur auf eine be-
stimmte Zeit, auf wenige Jahre abgeschlossen. Besonders
angesehene und tüchtige Amtmänner erhielten den Batstftei,
womit eine ^Batsbesoldung'^ von 50 fl. verbunden war« In
den meisten Fällen kann man annehmen, dafs ihr Dienstan-
tritt zu Anfang des Oerichtsjahres , am 22. Februar (Petri
\QQ Dm» ehemalige Amt Lichtenberg vor der Bhte.
Stuhlfeier) erfolgte. Die AmtBunterthanen hatten dann die
nötigen Transportfuhren zu leisten, mit denen sie beim Ab«
zuge eines Amtmannes nichts zu thun hatten.
1432: Eberhard yon Sohaumberg zu Gereut bei
Ebern, würzb. Bat; reversierte sich (nach Biedermann, Bhön-
Werra, 158) über die Amtmannschaft auf Schlofs Lichten»
bergy die ihm Bischof Lorenz ^) zu Würzburg bis zur Ablö-
sung desselben übergeben (also bis «1488). Doch scheint er
sie noch lange unter Henneberg innegehabt zu haben; er
lebte noch 1446.
1447: Heintz Lincke. In dem Kaltensundheimer
Centweistum von 1447 sind als Amtmänner der Grafen Hein-
rich (zu Ealtennordheim) und Georg von Henneberg (Herrn
7on Lichtenberg) Günther Yasolt und Heintz Lincke genannt»
Der Beihenfolge nach gehört ersterer, der auch in Ealten-
nordheim angesessen war, zu Graf Heinrich, letzterer zu Graf
Georg *).
1457 — 1461: Melchior von der Tann, Sohn des
Hutsberger Amtmanns Fritz y. d. Tann. Nach Biedermann
turnierte er 1486 zu Stuttgart und wurde 1444 mit seinen
Brüdern (S. 166) ermahnt^ sich nicht mit denen (dem? —
Heinrich?) Grafen y. Henneberg in Bündnisse einzulassen.
Im Jahre 1457 ist Graf Georg yon Henneberg mit ihm »»über-
eingekommen'S dafs er yom Peterstage an 4 Jahre lang Amt-
mann auf Lichtenberg sein, auf eigne Kosten Wächter, »,Tur-
ner*', Thorwärter und Nachthunde halten und dafftr die Geld-
und Getreidezinsen aus dem Amte (mit wenigen Ausnahmen)
und die herkömmlichen fronen haben solle. Yon den Ge-
1) Fürstbischof Lorens (▼. Bibre), wlhrend dessen Begiemng
Lichtenberg gar nicht warzborgisch wer, regierte 1496 — 1619. Bieder-
menn kann nnr Bischof Johann im Sinne haben.
S) Trots seines scheinbar bürgerlichen Namens gehörte er doch
einem alten Adelsgesohleehte an. 1140 ist als Zeuge neben den Grafen
von Henneberg, Ton Frankenstein, Oyso von HUdenbnrg ete. Qodoboldu
Smi&Ur genannt. In öpfershansen gab es einen „Linkenhof*S spiter im
Besitse der Anerochs. Heints' Bruder Hans war Herr auf Aschenhaosen
(s. u.); ein anderer Bruder hlefs Cnrt.
Dm ehemalige Amt Lichtenberg vor der Bhdn. 169'
riohtsstrafen sollten ihm nur 10 Pfd. gehören, auch solle ex^
selbst „ohne Recht*' (ohne geriohtliohe Yerurteilung) nicht
strafen etc. (Urk. bei Schultes). — 1491 : ,,so hat auch Mel-
chior y. d. Thann in dreyßig jaren nicht gelebt''; er mag^
also gerade nach Ablauf seiner 4 Amtsjahre oder kurz vorher
gestorben sein.
1468 wird Caspar yon Bibra in einer Ealtensund-
heimer Centstreitigkeit von den Grafen Priedrich und Otto-
ihr (gewesener) „voit zu Lichtemberg^' genannt.
1468, 1472: Balthasar von Ostheim.
?: Eunz von der Kehre, nach Biedermann (Rhön-
Werra 205 A, 427 etc.) Amtmann auf Lichtenberg, Erbunter-
marschall des Stifts Würzburg (als solcher fehlt er bei Müller
l c. 8. 225), yermählt 1476 mit Barbara y. Steinau, f 1478.
1480: Thietz yon Miltz und Eckardt von
Bibra. Sie siegeln als Amtleute eine Urkunde, in welcher
Kuns und Hertnid y. Stein zu Ostheim ^/, fl. Zins yon einer
Wiese zu kirchlichen Zwecken stiften. Diez y. Miltz, Schwie-
geryater des Amtmanns zu Sand Hans y. Spefshart, ist
später Oberamtmann zu Römhild. Biedermann : Diez y. M.^
zu Königshofen, würzb. Amtmann zu Wildberg, 1505, 1506.
1499: Ehrhardt (Eberhard) yon Ostheim, Sohn
Balthasars y. 0. (s. o.). Er diente unter Graf Hermann YIII.
zu Römhild und wurde im genannten Jahre Amtmann auf
Lichtenberg (Weinrich).
1505: Philipp yom Stein. Sein Schwager Wolf
y. Herbilstadt zu Ealtennordheim (s. u.) nennt sich ihm
gegenüber einen jungen, unyerstttndigen Amtmann; Ph. y..
Stein mufs also schon längere Zeit Amtmann gewesen sein».
Er starb 1527.
? Dietrich Truchsefs yon Wetzhausen, Bun-
dorfer Linie, geb. 1479, yerm. 1502, f 1^17, zu Wetzhausex^
begraben (nach Biedermann, der aber yon seiner Amtmann*-
Schaft auf Lichtenberg nichts weifs).
? bis 1517 (?): Hans yon Miltz. Nach Biedermann,^
der anch ihn als Amtmann yon L. nicht kennt» war Hans y^
]^70 ^'' ebMnalige Amt Lichteoberf Tor der Bh0n.
M. würcb. Marschall und Amtmann zu Wallburg, 1498,
f 1532. um diese Zeit, ▼ielleicht mit ihm, starb das Ge-
schlecht aus.
1517 (?) — 1547: Hans von Osthieim auf Friesen-
haosen, „ist bei 80 Jahre lang Amtmann gewesen'^ f 1558.
In die Zeit seines Begiments fallt die Zerstörung der Liohten-
burg im Bauernkriege, wie auch die ganze reformatorische
Wirksamkeit Luthers, welcher er feindlich gesinnt gewesen
zu sein scheint (e. 8. 80).
1547 — 1553: Moriti yom Stein, Sohn Philipps
(s. 0.). Seine Bestallungsurkunde yom Peterstage 1546 liegt
im Ostheimer Amtsarchir ^).
1) „Wir Bertholdt Tonn gottes goaden graue und her sw Hennen-
berg bekheoDen mit diesem brieff, unnd than knntb allermeDigüch, dae
wir dem Thesten anserm liebeoD getrenenn Moritsen vom Steyn nnsers
tehlos und ampUhalben, Lichtenberg, aberkomen slodt, ine sw nnnterm
amptman, ratha and diener aoffgenommenn and ime das gemelt annaer
schlos annd ampt Lichtenberg Tier Jare naeh datom dis brieflfii, die aioh
•den äff heat dato diesselben briels anfaben sollenn, inn nachuolgender
forme beaolhen and eingeben haben: alio das er in dem obgemeltem
echlos sein wesentlich annd persönlich wonung haben, anch dasselb schlot
• und ambt mit thnmleottenn, torwartten, wechtemn and nacht banden
nff sein eigen eost and lohne getrealich bestellenn, bewam, und die armenn
leath desselben ampts schatsen, Tertbeldlngen, ine aaofa rathe annd bey-
stand than sol, als einem amptman aas bjllikeitth sathan gebort, on-
•t^eaerdt. Er sol auch die gerichte desselben ampts nach altem herkgomenn
hegen, besitsenn annd handhaben, aach mitt freybottenn, landknechten
bestellen, wie vor bestalt gewest ist, annd waB hassen an denselben
gerichten mit artbell gesproehenn annd sa recht erkanth worden, annd
sonderlich was hals and hand betrift, sol er an ans gelangenn lassenn,
mit anserm rath ond wissenn handien ; dieselben alle hassen sollen ons
annd oosemn erbenn volgenn ond elnaonemen gebomn, die aach doreh
anserm sentgraoen, oder ein scholthes jedes orts eingenomen, ans geant-
wortt nnnd verrechnet werdenn. Unnd dieweyll hieoor annser amptman
Hans von Osthelm die bossenn, aosgenomen wae hals annd handt betrift,
•eingenomen, dogegenn an 'denn orttenn, do wir nit atsong ond leger
haben gesessen, so sol nan hinforo gemelter onserr amptman, die seil
-er onser diener des orts ist, an denselbigen orten, do er sich onn das
selbst verlegen moB, von ODsemtwegen von gemelter buse oder sonst, was
cimlich ond geborUch, verlegt werden, ünnd dieweil noch onser voriger
Das ebemalige Amt Lichtenbarg vor der Bfadn. yjl
Nach dem Verkaufe des Amtes blieb Moritz vom Stein
Torl&ofig in mansfeldischem Dienste. Unter ihm begann die
•mptmao, Hans von Ostheim, ein Stack felds mit anserm wissen gerott,
-welches wir ime drey Jarlang für sein aasgewant rodgelt sugenissen gnedig
vergunnet, nnnd gemelte jar verschinnen, so habenn wir uns mit itsigem
««nserm amptman, Moritz Tom Steyn, Terglicheo, das er nns diBe jare
nnnd fortter, solang er unser diener ist, j herlichen vonn gemaltem rode
fanfzehen guldenn uf Petri cathedra, nach endang des jars, reichen und
gebenn sol. Er sol auch die armen leutth desselben ampts on unsem
willen on recht nit straffen, auch mit atsung und leger nit zu hoch be-
schwern. Furtter ist beretth, das er unser gebnltz, wasser und wildbann,
aonderlieb den Hajn, dorynen er auch selbst nit weidwerckenn sol, vor
■andern lenten getreulich hegen, und aus dem gehnltz nichts Terkauffen
-und hingeben, efi geschee dan mit unserm willen. Waß er aber brenholtz
'in dem gnanten schlos zur nottorff bedarff, sol man ime zeigen, und
sich des zu brennen nach nottorff gebrauchen, onngeuerde. Darumb sollen
wir gnantem Moritz vom Stein, domit er solchs desterstatlicher, wie
vorgeschrieben stebett, volnstrecken möge, zu belonnng geben wie oaoh-
uolgty nemblich: fünfzig malter koms Fladinger maß, sechzig und vier
malter habern, auch Fladinger mafi, fünfzig vafinachthunner, fünfzig sumer
huner, vier khue, ein sin (?) schwein oder zweinzig Wirtzbnrgische pfundt
gelts dofur, fünf schock eyer, drey lambsbench, acht gennfi, sechzehen kei,
sechs schönbrott, sechs pfbndt unschlitts, das hey zum Albrecbts, die zehend
acker ardfels unter dem schlos Lichtenberg gelegen, darfor ein weingart
gewest, und das wasser die Strey genant, so weytt es der herschaft zu-
ilschen zustehet, sol er als ein amptman zufischen haben und sunsten
dasselbig anders niemants zufischen gestat werden. Auch sol er zusohencken
haben auff den kermessen zu Kaltensontheim, Sontheim, Stetten, Urspringen,
Wolmatbansen und Mittelsdorf. Auch soll er sich gebrauchen des weyd-*
gelts, auch alle fron und dinst allenthalben im ampt ungeuerlich. Dar-
nach ist berett, das der vorgenant Moritz vom Stein unnß das nechstbe*
stimpt iare mit zweien reisigen pferden nnnd einem reisigen kneoht ge-
wartenn sol. Unnd wir sollen ime hoffgewant . . . leib wie andemn unsem
dienern geben, .... auch schirmen, vertheidingen und versch . . . gein
aller meniglich, woe wir sein zuvor ... dt, als andere unser amptleut,
und . . . ime schreiben werdenn, in unseru .... oder er in unsem ampts-
sachen oder gescheft, .... ntUchen oder kuntliohen schaden empfieng,
^easelbenn schaden, der reysig hieß unnd were, s<^en wir ime nach
bilUkeitth gutlich ablegenn. Woe wir bede uns dammb gütlich nit ver-
tragen kontten, so sollen unnser, grauen Bertholds, rethe, die wir, graue
Bertholdt, unngeuerlich darzu gebenn, uns darumb mit freuntlichenn rechten
' entscheiden, unnd derselben entscheidung durch uns bedetheil onn wegerung
XVII. 12
272 ^^^ ehemalige Amt Lichtonberg vor der RhSn.
Einführung der Beformation; er «»yerordnete'' für mehrere-
Amtsorte eyangelische Geistliche, z. B. noch zu Michaelis
1552 für Kaltensundheim. Auf seinem Grabdenkmale in der
Ostheimer Kirche ist er mit seiner Frau Anna y. Ostheim
(Nichte seines Amtsvorgängers) in knieender Stellung betend
dargestellt; ihnen zu Fülsen 7 Kinder, yon denen indes nur
3 (Hans, Christoph und Katharine) mir urkundlich yorge-
kommen sind. Aufser ihren Familienwappen sind das Herbil-
städtsche, das Lichtensteinsche und das Truchselssche (näm-
lich die seiner Mutter Scholastika und seiner beiden Grofs-
mütter), eins mit steigendem Pferde ^), wieder das Lichten-
steinsche und ein yerschwundenes (das yon Annas Mutter und
die ihrer beiden Grofsmütter) angebracht. Die Umschrift lautet :
Änno domini 1560 den 27 Juni ist der edel und emvest
Morice vom Stein in Gott seliglichen vorsehieden desen
Seile Gott gnedig und barmherczig sey. amen.
1558 — 1555: Hans Friedrich yon Künfsberg»
Kaum über 28 Jahre alt Amtmann geworden, ging er mit
▼olg getban werdenn sol. Unnd so uns, oder gemeltem Tom Stein solch
amptmanscbaft nit leoger zuhaben geliebt, so sollen wir ime, oder er nnnB-
das ein halbes jare vor ansgaog gemelter jarfifrist aufschreibeno. Woe
aber unser keiner dem andern dermassen aufschreiben wurd, so solt dieae-
▼erschreibong unnd bestallung vernner in irer wireknng bleibenn also
lang und tU, biß solche wie obgemelt auffgeschriebenn wurdt, alles on-
geuerdt. Doranff der gnant Morita Tom Stein uns globt und geschwom
hat, unsern, unser erbenn und herschafft schaden suwarnnenn, firomen
zuwerben, unsern rathe unnd geheim zudersohweigen, unnd suthun alles,
das ime nach ausweisung dis briefs authun gebnrtt, onngeuerde. Za
nrkunth haben wir unser .... wissentlich uf diesen brieff thun truckenn,
der gebenn ist uf sant Petters tag, cathedra gnant, nach Christi unser»
lieben hem geburt funfsehenhundert unnd im sechs unnd yirzigistenn
jarnn.'*
X) Dieses Wappen, welches auch auf den Grabsteinen seiner 86hne
Hans und Christyh wiederkehrt, hllt Bein fllr das Pferdsdorfsehe oder
das Biedheimsche. Anna ▼. Ostheims Mutter war Ells. ▼. Maikbach —
es mufs also ein Mafsbachsches sein, welches vielleicht ein Zweig der
Familie angenommen hatte. Von dem Hafsbachschen ist es ganz ver«-
schieden.
Dm ehemalige Amt Lichtenberg vor der Rhön. 173
jugendlichem Feuereifer , aber auch wohl mit jugendlicher
Kücksichtslosigkeit an die Ausrottung der letzten Reste des
Katholizismus in seinem Bezirke. Bei dem Übergange des
letztern aus mansfeldischem in sächsischen Besitz scheint er
seine Stellung aufgegeben zn haben.
Biedermann (Steigerwald, 119) und üso Freiherr von
KüDÜsberg (Qesch. der Freih. y. Künfsberg) wissen yon seiner
Amtmannschaft auf Lichtenberg nichts. Nach ihnen war er
am 12. Dez. 1524 geboren, studierte 9 Jahre in Wittenberg
(wo Luther noch persönlich auf ihn eingewirkt haben wird)
und Ingolstadt und wurde später (nach 1655?) Fürstl. bran-
denb. Bat und Amtshauptmann zu Krouach und Kommandant
der Veste Bosenberg, dann der Plassenburg (Kulmbach). Im
Jahre 1565 yerheiratete er sich mit Ursula Förtsch y. Thurnau
und starb am 6. Juni 1571 (nach Biederm. 1593) als der
Letzte der Wemsteinschen Linie. In seinem Testamente legte
er am Schlüsse noch seinen Erben treues Festhalten an der
eyangeli sehen Lehre ans Herz.
1556 — 1557 : HansBott, Centgraf in Bömhild, scheint
das Amt nur interimistisch yerwaltet zu haben. Noch 8
Tage yor Mich. 1557 führte er in Wohlmuthausen einen
Pfarrer ein.
1557 — 1578: Georg yon Dandorff, „21 iar ampt-
mann ufP Lichtenberg gewest, ist in diesem 1578. Jar den
26. febrüarij seliglich gestorben, gott yerley im ein froliche
aüfPerstehüng. Leit zne Coburg begrabenn" (8). .
1578 — 1579: Arnold yon Heldritt; wurde feier-
lich eingeführt am 18. April 1578 durch Kaspar Bopp, Ober-
amtmann zu Bömhild, und den Landrentmeister Friederaun
aus Coburg. Im Jahre darauf wurde er Oberamtmann der
Herrschaft Bömhild. Bei seinem Abgange yertraute er das
Amt Lichtenberg bis zur Wiederbesetzung einem Wolf
K e m p f — yermutlich damaligem Amtsschreiber — an, wel-
cher es fast ein Jahr yerwalt^. A. v. Heldritt war mit
einer Tochter des Hans Marschalk y. Ostheim yerheiratet;
sie starb 1593. £r hatte 4 Töchter: Anna Marie, yerheiratet
12*
]^74 ^'^ ehemalige Amt Lichtenberg vor der RhÖo.
mit Siegmund Voit t. Salaburg; Ursula, yerm. mit Andreas
T. Hefsberg, Katarine yerw. ▼. Boyneburg, and Anna Marie,
welche Schannat nur als unverehelicht kennt
1580—1699: Veit von Held ritt Nach Illhardt
war er, schon 1562 mit einem Hofe zu Stepfershausen und
mit Schmerbach belehnt, zuerst im Dienste Georg Emsts,
des letzten Grafen v* Henneberg, Amtmann zu Mafsfeld. Am
21. März 1580 wurde er, 43 Jahre alt, durch Arnold v.
Heldritt, seinen Vetter, und Landrentmeister Friederaun auf
Lichtenberg eingeführt. Einige Monate darauf, am 22. Aug.,
wurde er gleichzeitig zum ünteraufseher über allen Länder-
besitz der unmündigen sächsischen Prinzen Job. Kasimir
und Job. Ernst, thüringischen
und fränkischen Kreises, er-
nannt^). Zu dieser bevorzug-
ten Stellung mochte Veit v.
Heldritt wegen seines ern-
sten, entschiedenen Wesens,
das sich in allen seinen Er-
lassen, wie auch schon in seiner
Handschrift ausspricht, beson-
ders geeignet erscheinen. Mit
1) Die Urkunde (O) ist ausgefertigt scn Coburg von Kurfürst Lud-
wig, Pfalzgraf bei Rhein und Hertog in Bayern, Kurfürst August von
Sachsen, und Markgraf Friedrich von Brandenburg als Vormtlndern der
beiden obengenannten Söhne des in lebenswieriger Gefangenschaft in.
Österreich weilenden Herzogs Joh. Friedrich des Mittleren, „ihrer liebenn
vettemn, schwogere nnndt oheimen**. Es wird ihm aufgetragen, fleifsig
im Lande nmheriureiten, um überall lum rechten zu sehen, namentlich
darauf, dals alle GefSlle und Strafgelder richtig eingingen und nach Coburg
abgeliefert, und dafs die Kammergflter richtig bewirtschaftet, die Amt-
bftuser und Wirtschaftsgebftnde in Stand gebalten wflrden. Die nötigen
Baulichkeiten solle er sofort selbst anordnen, und nur bei bedeutenderen
dem Oberaufseher, Grafen Burkard v. Barby zu Coburg, vorher Beriebt
erstatten. ,,Dorgegen unndt zu ergetzlichkiut dieser seiner dienstwartnnge**
werden ihm aufser seiner lichtenbergischen Amtsbesoldung jährlich 200 fl.
in vierte^ ährlichen Baten, neben freier Ffitterung, Hufschlag und Schaden-
Stand bei seinen Amtsreisen, zugesichert.
Das ehemalige Amt Lichtenberg vor der Rh5n. 175
aller Strenge ging er als Amtmann z. B. gegen das damals
gewöhnlich übermälsige Zehren und Zechen der Gemeinde-
behörden auf Gemeindekosten yor, und mit aller Büeksichts-
losigkeit gegen die Unabbängigkeitsbestrebungen des Ostheimer
Adels, welcher Ostheim durchaus zu einem Ganerbiat machen
wollte. In einer gemeinsamen Eingabe hatten unter dem 30.
Nov. 1581 die Ostheimer Edelleute — unter ihnen sein Vater,
ein Schwager und Gevattern — sich gegen ihn in 5 Punkten
beschwert: 1) daüs er die alte Kapelle an die Gemeinde ver-
kaufen wolle zu einem Backhause, da diese doch, „wie menigk-
lichenn bewust", eine Stiftung ihrer Vorfahren, und sie willena
seien, sie renovieren und den rechten Gottesdienst mit reiner
christlicher Lehre darin treiben zu lassen. „Meinenn kindt-
lichenn Gehorsam, auch Ereundtlichen willigen Dinst zuvor»
Edle, Ernvheste, Freundtlicher lieber Vatter, Vettern, schwager
und gefattere" — so beginnt er in verbindlicher Weise seine
Antwort vom 30. Dez. 1581, um dann in um so derberem
Tone ihnen den Standpunkt klar zu machen. Wenn es jeder-
mann so bekannt ist — das ist der Sinn seiner Antwort —
daXs ihr über die Kapelle zu verfügen habt, warum hat man
sich da an das Amt, und nicht an euch gewendet? Was das
Renovierenlassen der Kapelle betrifft, so „will ich euch Ampts*
halben verwarnet, für meine Personn gebetten habenn, das
ihr euch solchs nicht understehett, dan Niemandt anders alls
Meine gnädige Pursten n unnd Herren, die Hertzogenn zu
Sachflenn, die Collatur dieBes orts, welche auch kirchenn unnd
Pfarhen zu gottesdinsten, und nicht Ihr, zu bestellenn. Ich
achtet auch darfur, doe Ihr gemn geldt ausgebenn wollet, dar-
dnreh kirchenn und schulen inn baulichenn Weßenn erhalten^
mann hette ahn der Bechten Pfarkirchen gnug zu bauen^
auch keiner kirchen mehr ahn diesem Ort bedurfftig. Boe
ihr auch mit dieser meiner Anttwortt nicht gesettiget, mocht
Ihr dasselbige bey mehrermelter Fr. Regierung, Meinenn
gnedigen unnd gunstigen Herrn, Oder woe Ihr sonstenn wolt
suchen, achte darfur, es werde euch gnugsamer Bescheidt
darauf ervolgen'^ — 2) Sein Vieh, Schafe und Schweine
276 ^'^ ehemalige Amt Lichtesberg vor der Rhön.
hätten aof ihren Äckern grofsen Schaden gethan. Antwort:
Den Bechten eines Amtmanns gedenke er nichts entziehen
zu lassen; hätten sie sein Yieh, das ihren Klagen nach be-
sonders breite FüTse haben müsse, da er doch höchstens 14
y,8cheff*' halte, die noch dazu mit den Schweinen gingen, auf
verbotenem Orand und Boden betroffen, so hätten sie es doch
pfänden sollen. Er verbitte sich aber auch das Hüten ih res
Viehes auf herrschaftlichem Gebiete. — 3) Durch sein
Hetzreiten habe er ihren „armen Leuten'' grofsen Schaden ge-
than. Antwort: Gerade über ihr Hetzreiten Hefen von den
Leuten unaufhörlich bittere Klagen ein; er sei höchstens
einmal über erfrorene Weinstöcke geritten. — 4) Er füge dem
Fisohwasser in der Sulz greisen Schaden zu, da er mittels
Reufsen und Leuchten fangen lasse. Er antwortet, er wisse
nichty dafs das verboten sei ; ihr darüber mit Arnold v. Heldritt
geschlossener Yertrag gehe ihn nichts an. — 5) Er habe
beim Besichtigenlassen der Taubenschläge auch in den Häusern
ihrer Lehnsleute, noch dazu „als Niemandt doheymen", die-
selben besichtigen lassen. Antwort: Er habe allerdings dem
Thorwart befohlen, die Taubenschläge im ganzen Dorfe mit
Ausnahme der adligen Freihöfe — nicht aber der Lehnhäuser —
zu besichtigen; „welchs dann geschehen. Ob nhun etzliche
derselbigen Tauben Diebe nicht anheims gewesenn, achte ich
mich nicht schuldig, denselbigen erst einen Pötten zuschicken,
sondern sind die Thüren bey heillenn lichten tag geöffnet unnd
die Taubenschlege besichtiget worden. Oiebt mir auch wenig
zu schaffenn, das es euch . . . verdrossen . . . derhalben
ich, meinenn Pflichten nach, meinenn gnedigen Fürsten und
Herrn, oder dem Ampt nichts gedenke entziehen zulaBen" etc»
— Im übrigen wünsche er ihnen ein glückseliges, freuden*
reiches neues Jahr.
Unter Veit v. Heldritts Regierung, der den Titel eines
Fürstl. S.-Goborgischen Hofmarschalls und Kates führte, wurde
Ostheim zur Stadt erhoben (1586). 1599 wurde er wieder
zum Amtmann von Mafsfeld und Meiningen uud zugleich als
Kriegsrat zum Oberaufseher (Statthalter) der gemeinschaftlichen
Das ehemalige Amt Lichteoberg vor der Rhön. 177
heDDebergischen Eegiernng 2a Meiningen berafeo. Als solcher
führte er ein nicht weniger strenges Regiment als anf Lich-
tenberg; das beweist sein Vorgehen gegen Balth. Eab y.
Spefshart anf Asohenhaosen bei dessen Kirchbau und bei der
Lostrennung des Amtes Kaltennordheim yon der Cent Kalten-
«undheim (s. u.).
Nach dem Aussterben des y. Kohlbausenschen Oesohlechts
(1 566) hatte er dessen Stammsitz, die Kohlhausen zu Helmers-
hausen erworben, wo er sich yon Meiningen aus yiel aufge-
halten zu haben scheint Es wird nooh mehrmals yon ihm
die Rede sein.
1599 — 1608 (f): Nikolaus Hammerschmidt, aus
Kreuzburg. Wohl wegen seiner bürgerlichen Geburt führte
er, wie auch seine beiden Nachfolger, nur den Titel „Amts-
sehösser'^ Unter ihm wurde die Kalten ordheimer Hälfte ^)
1) Amtmfinner la Kaltennordheim waren his dabin gewesen:
1884: Wolfram 8 chrimpf (1381 Amtm. in Schmalkalden) ver-
pfändete die Vogtei, die er amtmannsweise besafä, an die Brüder Apel
und Heinrich Sintram und versprach Einldsnng binnen 2 Jahren. 1351
ist er wieder Amtmann in Schmalkalden. — 1884: Friedrich v. d.
Tann; Abt Friedrich von Fulda, derz. Besitzer, erlaubt ihm 200 fl. an
dem Schlosse zu verbauen. — 1488: Wilh. v. Bnchenau; von ihm
löst Graf Wilhelm Schlofs und Dorf KNordheim ein. — 1447 : O fi n t h e r
Vasant, im Centwebtum genannt — ca. 1468 — 1475: Bai th. v. Spech-
s a r t , unter Heinrieh dem Unruhigen. — 1505 :Wolfv. Herbilstadt,
von dessen Amtmannschaft weder Biedermann noch Heim etwas weifs;
«in nngebftndigter, &ufserst gewaltthfttiger Charakter, auch seinem Landes-
ond Lehnherm gegenttber (vgl. Helm, Henneb. Chronik, Vorrede sum
2. Teile). Im Lande unmöglich geworden, wurde er 1619 (bis 1528)
Amtmann in Lichtenberg in der Grafschaft Katsenelnbogen. — 1518:
Heins Rufs wurm. — Bis ca. 1545: Hans Zufrafs, vorher Amt-
mann in Wasungen, nach 1545 in Meiningen. — 1548 : Hans Härtung
<gen. im Centbnche). — ?: Balthasar Spefshart, Kriegsrat und Amt-
mann.— Bis 1567 (t); Philipp Schenk v. 8ch wein sb er g, Amtmann
an KNordheim und Sand, vemnglfickte bei Sola infolge Durchgehens der
Pferde (Denkmal in der alten Kirche zu KNordheim). — 1567—1575:
Kaspar Unratb. — 1575—?: Johann Steitz, vorher Amtmann
im Amte Sand. — 1587: Werner Witstein (nach Weinrich). —
1601 : Johannes Grofsgebauer, Amtm. zu KNordheim und Fisch-
178 I^M ehemalifipe Amt Lichtenberg vor der Bhan.
Ton der Cent KalteDsuodheim abgetrennt Am 7. Febr. 160O
gebar ihm seine Frau Barbara auf Lichtenberg einen Bohn^
und schon am 20. August wurde er mit Katharina, Tochter
des Sach8.-Ooburg. Landrentmeisters Spielhausen in der Ost-
heimer Kirche kopuliert, wohin sich der fiochzeitszug vom
Rathause aus bewegte. Hammerschmidt erwarb den Rohr-
zins (dem Kloster Rohra zuständig gewesenen Zins)^) für
1000 fl.
1608 — 1615: Georg Fulda, vermntlioh ein Sohn dea
Mag. Andreas Fulda, Dekans zu Schleusingen 1589-— 1696..
Als Sekretär des Herzogs Johann Ernst zu Eisenaoh hatte er
sieh 1607 mit Regine, Tochter des 1587 yerst. David Spiel-
hausen, Amtsschössers zu Salzungen, yermählt Yon den
Srben seines Yorgängers übernahm er den Rohrzins für
1000 fL Am 81. Okt 1615 ging er „qui septennium paene
municipio Lichtenbergico praefuit pateme et benigne'^
als Amtmann nach Salzungen *), von wo er später nach.
berg, nach Weinrieb bis 1613. Ein Sobo, Jarist, war Mentor und Reise-
begleiter der S5bne des Icorsächs. Hofpredigers Hoe t. Hohenegg, spftter
Amtmann in Meiningen, Schwiegersofan des Georg Cbr. Bapp (s. o.).
1) Er bestand in folgenden Beifigen: aus Ostheim: 5 fl. 1 Or*
8 Pfg., 8 Fastnaohtobfihner, 1 Michelsbahn, 8 Pfd. Unscblitt ; aus H e 1 -
mersbansen: 2fl. 6 Gr., 4 Mit. 4 Ms. Rom, 3 Mit. 6 Ms. Hafer».
8 Hfibner, 9 Hähne, 8 Schock Eier; ans Wohlmntb aasen: 8 fl.
19 Gr. 8 Pfg., 6 Mit 7 Ms. 1 Mti. Korn, 17 Mit. 8 Mtz. Hafer, 8 Hahner^
3 H&hne, $7« Schock Eier; aus Kalte nsnndheim: 2 fl. 9 Gr. 6 PfJB^.,.
3 Mit- Weisen, 8 Mit. 1 Ms. Hafer, 18 Hühner, 9 H&hne, 2 Schock 2fr
St. Eier; ans Mittelsdorf: 11 Or. 3 Pf., 4 Mit. 2 Mts. Korn, 4 Mlt^
4 Ms. Hafer, 1 Fastnachtsbohn, 1 Michelshahn; ans Sondbeim: 1 fl.
11 Gr. 3 Pfg.
2) Söhne von ihm sind Termatlich der Salzanger Stadtleatnant
Hans Falda („FoU**, wie er seiner Tranksacht wegen hiels), welcher 1645'
ein für Salzungen Terbäognisvolles Scharmützel verursachte und einige
Jahre spftter in der Trunkenheit sich zu Tode stürzte, und der Stadt-
schreiber Falda, welcher mit Job. Gabriel Grofsgebauer zusammen 1685
das Amt Salsungen pachtete (Heim). Auf dem Ostb. Friedhofe trftgt ein
aus der alten Kirche stammendes Denkmal die Inschrift: Magd. Sib.
Fuldin t 1618.
Du ebemaliga Amt Lichtenberg Tor der Rhön.
17»
Eiflenach versetzt wurde. Der EinweihuDg der renovierten
Wartburgkapelle 1638 wohnte er im Gefolge des Herzogs als-
,;redituum et municipii prtefeetus gravissimus ') bei. Wenn
Heim ihn erst am 24. April 1643 Landrentmeister werden
iSTsty so ist dies also ein Irrtum; dieser Tag könnte eher
sein Todestag sein. Am 20. März 1643 lebte der „geheimbte^
Rath*' noch; 1644 war Franz Raseh Landrentmeister.
1615 — 1618: Paul Sohippel, eingeführt am 25.
November 1615. Sieben Woehen darauf tötete ein Sohn dea
y^Amtsschössers'^ durch Zersprengen eines zu stark geladenen
Gewehres einen Diener — ftOmi-
nosum prindpium t^ bemerkt Götz,
damals noch Pforrer in Sondheim.
Im Jahre 1616 steuert y,Amtsvoigt
Schüppel'' 1 Mit. Korn zum Neubau
der Ostheimer Kirche. Mit seinem
„ominaaum prindpium^*' behielt
Götz Eeoht. Eine Ostheimer Naob-
rieht erzählt : ,,Schippel ist im Jahre
1618 bei der Nacht abgeholt und
geschlossen nach Eisenaoh gebracht,
und ist eine lebenslängliche Gefäng-
nisstrafe über ihn verhängt, ist aber
später doch wieder frei geworden.
Er hat sich sodann nach Würzburg
begeben, wo er gestorben ist/' Hal-
ten wir diese Nachricht zusammen
mit einem Berichte in Limbergs
»»Lebendes und schwebendes Eise-
nach" S. 221: „Unter der Wohn-
stuben (auf Wartburg) ist das Ge-
fängniß, darinnen ist sieben Jahr ein
Rentmeister gesessen Nahmens Schüpler, der sol in währender Zeit
zwej Sächsische Wapen, mit seinen Nägeln am Finger in einea
Halbe Gröfse.
1) Göts (Generahop.) RenofßtUia Wariemiurffieay 1628.
280 ^'^ ehemalige Amt Lichtenberg vor der Rhön.
harten Stein gemacht haben, eins mit zwej Sohwerdtern (?),
das ander mit den Balcken, das dritte hat er angefangen (?),
ist aber drauf erlediget worden'', und mit der Bemerkung
K. S. Thons in seinem „Sohlofs Wartburg" bei £rwähnung
^er Wachtstube: y,Darin ist ein abgesondertes Gefängnis, an
Blessen Fenstergewölbe in einen Stein der sächsische Bauten-
kränz und die altenburgische Böse zierlich eingegraben sind.
Der Bentmeister Schüpler soll dieses in seiner siebenjährigen
<}e£EtngenBchaft mit seinen Nägeln bewirkt haben. Das Yer-
brechen dieses Schüplers und die Zeit, wenn er eigentlich
hier gesessen hat, ist mir nirgends yorgekommen" — so ist
wohl kein Zweifel, dafs in unserem Amtsschösser Schippel der
JEtentmeister Schüpler aufgefunden ist Thon, Oberkonsistorial-
-direktor in Eisenach, der ,,auf der Burg (Lichtenberg) sein
Dasein erhalten und seine Kinderjahre froh verlebt", hat
-wohl von der Geschichte Sohippels, der bSte naire unter den
Yorgängern seines Vaters, keine Kenntnis gehabt. Bei der
Stellung Schippeis als Amtsschösser oder Bentmeister ist bei
■seinem Yerbreohen wohl an eine Unterschlagung zu denken.
1618—1637 (t): Eitel^O Heinrich vom Stein
zum Altenstein ^), Fürstl. sächs. Geheimrat und Hof-
1) Dieser Name, der etwa rein, echt bedeutet, ist als „Fitel** bei
Bchnltes in alle spftteren einschlägigen Schriften Übergegangen; Müller
<1. c.) verbdsert ihn sogar in „Fidel*'.
2) Über sein Stammsehlofs Altenstein in Unterfranken (l^t Meile
iron Heldbarg) und sein Wappen (d Hämmer) s. Bechstein, Sagenschats
-des Frankenlandes, 8. 192. — Sein Grofsvater Wilhelm wohnte 1580 au
Augsburg im Gefolge des Bischofs v. Wünburg der t^bergabe der Angsb.
Konfession bei, trat dann als Rat und Amtmann zu Königsberg i. Fr.
■(1546 — 1562) in die Dienste des Markgrafen Albrecht ▼. Brandenburg-
Bayreuth (Dichter des Liedes: Was mein Gott will etc.), wurde Kaiser!.
-Christ und Feldmirschall. Wegen seiner Parteinahme für den geächteten
Markgrafen zog der Bischof Melchior, der später, wie man annahm auf
JLnstiften Wilhelms t. Grambach, ermordet wurde, seine Lehngfiter ein.
■Schutz und Hilfe suchend wendete er sich an Herzog Job. Friedrich den
Mittleren nach Gotha, wurde dadurch zum Parteigänger seines Schicksals-
-genossen Grumbach, beteiligte sich an dessen Belagerung von Wfirsburg
<iind wurde mit ihm geächtet. In Gotha 1567 mit ihm und Dr. Brück,
Dm ehemalige Amt Lichtenberg vor der Bh$n. ^gl
marschall. Oeboren 1575, war er zuerst mit Anna v. Lin-
«ingen (deren Matter eine geb. Eendel y. Schwebda war),
"dann mit Anna Johannetta, Tochter Martins t. d. Tann,
"deMen Enkel Martin (Sohn Konrads und Ottiliens geb. Eeudel
T. Sohwebda, kop. auf Lichtenberg 1639) später unseres
Amtmanns Tochter Anna Johannetta heiratete, und endlich
mit Katharina Keudel v. Schwebda, kop. auf Lichtenberg 1623,
i" 8. Okt 1648, yerheiratet Seit 1683 lebte bei ihm auf
Lichtenberg sein unverheirateter Bruder Hans Ghristophel,
geb. 1588 zu Hafenpreppach ; „ist sonsten in der jagend ein
kriegsmann n. Ritter gewesen, der sich am fiamb. n. Wirtzb*
Hoffen aufgehalten, auch zweimal in Ungern wieder den
Turcken u. sonsten in dem krieg in Deutschland, besonders
auf dem weilsen Berg, in ElsaB u. in der Pfaltz gebrauchen
laBen, biß er Alters u. kranckheit halben sich zu seinem
Bruder auf Lichtenberg begeben^. Die nach seinem bewegten
Kriegsleben ersehnte Ruhe fand er indes auf Lichtenberg
nicht. In die Amtszeit Eitel Heinrichs y. Stein z. Alten-
stein fallt die Zeit der schrecklichsten Greuel des 30 -jährigen
Krieges, der Überfälle der Kroaten, der Pest etc. Der Amtmann
atarb 1687; am 19. Juli wurde er in die Kirche „bei des Hn.
Stadtschultheißen Stuhl'' begraben. Seine Glaubensansichten
scheinen den Geistlichen seines Bezirks sehr yerdächtig ge-
wesen zu sein; Pfarrer Strahm in Heimerhausen, yorher
Knabenlehrer in Ostheim (s. S. 100), nennt ihn im Kirchen-
buehe einen „Calyinisten", damals ein schwerwiegender Vor-
^worf! Er mochte, wie später sein berühmter Nachkomme,
der preufsische Kultusminister Karl y. Stein zum Alten stein,
4eiD HerBOgl. Kansler, gefkogcn genommeD, wurde er mit ihnen gerier-
teUt (s. III., anter Ottheim). Seine Witwe Cldlie geb. Stiebar v. Bnttenheim
i- 168S sa Heldbnrg. Sein Sohn Joh. Sebutian, Fttrstl. S.-Cob. Kriegsrat,
geb. 1538, gest. 1614, war der Vater unseres Amtmanns. Er war suerst
mit Barbara y. Sobaumberg, dann mit einer Tochter des Hieronymus
Manchalk ▼. Ostheim, Anna (f 1595), verheiratet, durch welche er in
^n Besits des Untermarschalkischen Hofes (den sein Sohn zur „MQnie**
madite) gekommen sein mochte, und lebte auf Hafenpreppach.
182 ^'^ ehemalige Amt Lichtenberg vor der Bhdn.
der reformierton Kirche weniger engherzig gegenüber gestanden
haben, als ihnen lieb war.
1637 — 1647 (f): Kasimir Christian yom Steii^
zum Altenstein, des Vorigen Sohn, geb. im Mai 1606^
„War anfänglich Dom Capitular Herr zn Merseburg (Osth.
Krcbbch. 1628: ,,,,damal8 in frembden Landen'' ''), so dana.
aber nach der Resignation Hofürstl. Sachsen Eisen. Batb
und Amtmann'' (Biedermann, Baunach). Er war zweimal Ter-
heiratet: 1) mit Helene y. d. Tann, einer iSchwester seine»
Schwagers Martin y. d. Tann, 2) mit Kunig. Barbara t.
Spefshart-Aschenhansen (f 26. Aug. 1679, 65 Jahre alt).
Am 6. Febr. 1643 starb bei ihm sein Onkel Hans Ohristoph^
der Kriegsmann, und am 8. Okt. desselben Jahres seine Stief--
mutter. Von ihm rührt die wertToUe Amtsbeschreibung yon
1643 her i). Osth. Krchboh. 1647 : „Der WohlEdle Gestrenge^
Casimir Christian yom Stein zum Altenstein, Fürstl. S. Wey--
mansch. Ambtman auf Lichtenbergk, so Sonnabend den 4.
Septembris eines unyerhoften uhrplötzlichen iedoch sanffteu.
todes zwischen 1. und 2. Uhren nachmittag im Herrn selig*
lieh entschlaffen und den 10 hujiHS mit gewöhnlichen AdL
Christi. Ceremanien in die Kirche zu ostheimb bey gesetzt,
worden, at sme. 41 an. 16 Septim. <& 3 die^^.
1648—1649 (f): Hans Melchior yon Buttlar
auf Tuttles (Dietlas) und Leimbach. Nach seines Vorgängers^
plötzlichem Tode hatte dessen Faktotum, der Amtsförster
Martin Schmidt, mit dem Amtsschreiber Christoph Linck die
Amtsgeschäfte als „Amtsyerwalter" weitergeführt. Noch beim.
Eintreffen der Nachricht yom westfälischen Frieden (24. Okt.
1648) nennt der Sondheimer Pfarrer Delitius in einem lat».
1) Schon am 7. Okt. 1641 war ihm von Heriog Albrecbt die Ein-^
seDdang einer »oicheo aufgegeben worden. Auf eine scharfe ErinneruD|^
▼om 16. Jan. 1648 schiclKt er sie am 20. M&rz ein mit der Entschuldigung«,
daftf „in dem feindlichen Croatischen einfall aö 16S4 die hieran dinlichei^
Ambts acta mehrsten theils sernichtet wordeui und was daran von deik
Soldaten und meüsen noch übrig gelafien geweßen, in bisherigen Kriegs,
occupationen noch nit allerdings registrirt werden kSnnen*S
Du ebemalige Amt Lichtenberg vor der Bhdn. Ig3
^ediohte Martin Schmidt als aolohen — „Quaestor^' des
YersmarBee wegen. H. M. y. Buttlar kann also nur wenige
Monate Amtmann gewesen sein. Er war geboren im Okt.
1592, vermählt mit Juliane y. d. Tann. „Der WohlEdle,
Oestrenge Hanß Melchior von Bnttler, Fr. Sächß. Weymarischer
Ambtman uf Lichtenbergk, so den 12. Mart. &üe umb 4
Uhr in Qott verschieden unnd den 16. hujus in die Kirche
«llhier Christlichem Adl. gebrauch nach bej gesetzt worden,
.seines Alters 66 jähr 4 Monat und 13 tag" (Osth. Erchboh.
1649).
1649—1665 (f): Martin Schmidt, Amtsverwalter,
iiatte von der Pike auf gedient und durch seine Strebsamkeit
und Tüchtigkeit sich zu dieser angesehenen Stellung empor-
gearbeitet Geboren im Aug. 1603 zu Ostheim, 1624 „Ambts
Diener uf Lichtenberg", 1626 „Holzförster*«, 1628 „Holz-
iörster und Ambtschreiber", 1686 „Forstschreiber'S 1642
^yAmbtsförster''. „Seiner biBher verspürten treuen Dinste
wegen" befreite am 19. Jan. 1642 Herzog Albreoht seine
Hofraite, den Scbafhof, „zwischen Gregor Kleen und David
-Genfilem gegen dem Bathhaus über gelegen", lichtenbergisches
Lehn (jetzt Gasthof zum Schwan), „uebst darzu erhandeltem
;gärtlein" von allen dem Amte und der Stadt schuldigen
Fronen und Zinsen und schenkte ihm überdies 8 Klafter De-
putatholz aus dem Höhn, „so lang die Schmidtische linien
währet". Diese Begnadigungen wurden am 26. März 1669
meinen Nachkommen bestätigt
Unter dem 23. März 1649, 11 Tage nach v. Buttlars
Tode, erhielt der Amtsschreiber Chr. Linck eine Verfügung
-des Herzogs, „daß du, sowol der Forstmeister Martin Schmidt,
das Ambty wie es nach absterben des Ambtman Steins sei.
gehalten worden, biß ufp Eunfftige fernere Verordnung ver-
sehen • . . sollet", wozu am 10. Mai noch der Zusatz kam,
dafs Linck von Schmidt als dem eigentlichen Amtsverwalter
^fdependiren und ihme den gehörigen respect erweisen solle".
-Schmidt versah das Amt so zur Zufriedenheit seines Fürsten,
•dafs dieser ihn bis zu seinem Tode darin belief s. „^^'
Ig4 ^** ehemalige Amt Lichtenberg vor der Bh5n.
WohlEhrnTOste, Großaohtbare und Wohlyomehme H* Martii^
Schmid, Fürttl. Sächß. Ambtsverwalter uf Liohtenberg, welcher
den 25 Xbris (1666) horä 10 Yor mittag unter wehrender
früepredigt gestorben, Donnerstags hemacher den 28. dieses
uf den GottesAcker begraben worden. Die Leich wurde
unter wehrender Leiohpredigt yor dem Altar niedergesetsef' etc.^
„(St. 8U(ß 62 an. & 15 Septiman" (Osth. Krchbch.).
Fast wäre nach dem Tode dieses „43 Jahr lang alten
Ambts Dieners" noch sein guter Name yernichtet worden..
In Eisenaoh stellte man nach den lichtenb. Amtsrecbnungen
einen Fehlbetrag yon 3391 £. 5 V« ^^g- ^est Daraufhin
reisten der Ostheimer Stadtsohreiber und, in Vertretung der
Amtsdörfer, der Kaltensundheimer Schultheifs im Juni 1667
nach Eisenach und gingen mit einer Hegierungskommission
alle Amtsreohnungen yon 1652 bis 1666 durch, wobei ea
sich herausstellte, dals Schmidt yiel Geld direkt nach Weimar
geschickt, Frankenwein für den Hof gekauft hatte eta, „und
wurd eine gute richtige abreohnung darauf, truncken auch
einen guthen Eausch darüber ^), welcher uf 3 theil abbezahlt
worden, und kamen mit guthen Content also, Gott lob ! yoa
einander^' (S).
Im Jahre 1663 hatte M. Schmidt auf Erfordern eine^
Besoldungsaufstellung (0) gefertigt, welche zugleich einen
Blick in die hauptsächlichsten Amtsgeschäfte thun läfst')..
1) In jenen Zeiten schien eine festliche Gelegenheit nur dann de»
ErwKhnens wert, wenn es dabei „prave Befisch gesetzet*', was die Chro-
nisten mit besonderem Behagen in berichten nie Tersäumen. Wer nie-
mals einen Baosch gehabt, war schon damals kein brarer Mann. Am
10. Mai 1670 s. B. mnfste der als Ffirstl. Kommissar bei der Stener-
revision im Amte anwesende W. 8. ▼. Herda auf Brandenbarg in Sond-
heim cnrfickgelassen werden „wegen gehabten Bausches**. Ach wenn dio-
dentsehen Knecht und Herrn nicht leider so versoffen w&m, so wftr kein'
schöner Nation anter des weiten Himmels Thron ! (Bingwald).
2) Während sein Vorgftnger j&hrlich 250 fl. Amts- and 50 fl. Bats-
besoldang, 50 Mit. Hafer and den gansen Ertrag des Schlolsfeldes (gegen
Abgabe von 50 Mit. Korn), 40 Klftr. Holz, die Jagdnatzang im Amts-
bezirke, 24 Trifthammel von Ostheim, and TOn den Ein- and Abiags*
Du ehemaBge Amt LIchtenbtrg Tor der Rhön. 18&'
Bei Beiner kirglichen Beeoldnog ist es ihm wohl kanm zti'
Terdenken, wenn er jeden Yorteil mitgenommen hat, den
und Hilfsgeldem den 8. Pfeanlg bezogen and doch noch starke Zehrnngen
berechnet und unnötige Baukosten Teranlafst habe, habe e r nur 150 fl.
bar, 16 Mit. Korn und 25 Hit. Hafer Amts- und 6 Mit. Hafer Forst-
besoldnng, 24 Klftr. Hols, 6 Ffiderlein Rbönheu von Melpers, das Fisch*
Wasser sn Ostheim und die Jagd. Daron beziehe aber sein Sohn Joh.
Georg nach behdrdlicher Verordnung 50 fl. bar und 5 Mit. Hafer für
Verwaltung des Forstwesens und fOr Schreiberdienste und Botenritte^
müsse aber auch wieder einen Holzknecht auf seine Kosten halten. Der
ihm, dem Amtsverwalter, verbleibende Rest betrage etwa den 4. Teil des
Einkommens seines Vorgftngers, obgleich er doch mehr Arbeit habe ala
jener, besonders mit dem Weinkauf. Die Accidentien beständen nach wie
vor 1) in dem ÜberschuTs aus dem Ostheimer Bannwein (die Ostheimer
„ma£sten*' jährlich 1 Fuder Wein trinken, den das Amt l^, P<g. pro Mafa
teurer lieferte, als er sonst kostete, was etwa 2 bis 3 fl. ertrug, da die
Herrschaft 15 fl. vorwegnahm); 2) aus dem Helmershfinser Bannwein unter
gleichen Verhältnissen, und 2^, fl. für das Nichtbesuchen der dortigen
Kirmes; 8) 6 Mit. Hafer von Sondbeim, Urspringen und Stetten für die
Teilnahme des Beamten am Fladuuger Centpetersgericht; 4) je 3 Mit.
Hafer von diesen 3 Dörfern fü^ das Nichtbesuchen ihrer Dorfpetersgerichte
und 2 Mit. von Sondbeim für das Nichtbesuchen seiner Jahrmärkte; 5) je
2 Mit. Hafer von Kaltensundheim, Mittelsdorf und Wohlmuthausen für
die Anwesenheit beim Centpetersgerichte zu Kaltensundheim, für das-
Diktieren der Gerichtsstrafen etc. ; 6) aus dem Bodensätze von dem Schutt-
getreide auf der Burg, der aber mit ly, ^/^ zu hoch bemessen sei, sodafs
der Beamte meist Schaden habe; 7) aus der Jagdnutzung, die aber da-
durch, dafs die Jagd mit Ausnahme der Wofalmuthäuser überall Koppel-
jagd sei und von den vielen Edelleuten schonungslos ausgeübt werde,,
immer mehr zurfickgehe. Der Jäger erhalte für ein Reh 1 fl., für einen
Fuchs oder eine Wildkatze V^ fl., für einen Marder ly, Viertelfl., für
ein Feldhuhn 6 Pfg. i,Von hohem Wildtprecht ist in 14 iharen kein tbier
oder stück Roth- noch Schwartzwildprecht in hiesigem Ambt geßldt noch
einbracht worden**. Was die Schreib- und Siegelgebühren betreffe, so
trügen sie jährlich auch kaum 80 Rthlr. ein, wofür noeh Pergament, Kapsel
und Schnüre geliefert werden müfsten ; Ostheim fertige seine Gebnrtsbriefe
selbst aus, ein Dörfler habe für einen solchen nur 2 bis 2Y, Rthlr. zu
tthlen; für ein besiegeltes Testament oder einen selten erforderlichen
Kaufbrief werde 1 fl. bis 1 Thlr., für eine Intercession 1 bis 1^/, Kpfst^
fUr einen Rezefs 2 bis 4 Kpfst, für eine Citation oder ein Reskript 2 Gr.,
Ar die Protokollierung einer mündlichen Verhandlung gar nichts erhoben.
i,Wafi hingegen ein Beampter bey stettigem zuesprechen Adlicher und
286 ^*> ehemalige Amt Lichtenberg Tor der Rhön.
seine Stellung mit sich brachte. 1669 erklärte der Stadt-
sohultheifs dem Amtmann Heber, welcher tod jedem Ostheimer
-Jahrmarkt '/^ Tblr. beansprucbte, ,,da8 es nit also berkommen;
wenn vor deBen ein jahrmarck webre gewesen, so der Be-
«mpte oder deßen Diener ufs BatbbaoB kommen wehren, so
betten sie mitt getrunckhen; weil aber H. Martin Schmidt
JLmbtsverwalter mit den seinigen zu starck gekommen,
bette er begehrt, man solle ibm Eathswegen ein mas wein
oder 2 oder 3 zuschickben, so wolten sie nit hinauf kommen,
welches man bette gethan ; und webre keine schültigkeit oder
Ton alters hero nit also berkommen" (S).
1666—1668: Jobann Georg Schmidt und Jo-
iiann Feter Wagner, „Amtsinspektoren''.
J. G. Schmidt war der Sohn des Amtsverwalters, geb.
1630. Ende Mai 1649 bracbte ihn sein Vater ,,nach Co-
burgk ins puhlicum cue Continuirung seiner Studien". 1657
wurde er als „Fr. Sx. Forstbedienter" mit der Toobter des
anderer Benaclitbarden, auch ankommenten hotten und frembten personen
«hrentwegen vor afwanth tbun mufi, ist mit vorgesetzten cKseiderUien nicht
EU vergleichen noch zue bezahlen. Wo bleibt der Dinstbothen lohn, be-
nötigte Kleider und andere, dormit die wenige besoldang ufgehet!'^
Das unter den Besoldungsstücken erwähnte Schlof^feld bestand nach
^er Amtsbeschreibnng von 1648 in „94 Acker Artfeld in 3 flor zusammenf
Trelcbe aber sehr bö8, und ohne Ubermeßigen baw wenig nutzen bringen;
1^/, Acker Wiesen im Roth, so theils arthaft gemacht; aufier diesen hat
«s mehrere nit umb das AmbthauA (sondern nur noch bei Melpers).
Item ein böser dQrrer rein, der Jörgen gart genennet, unter dem fQrstl.
AmbthauA, mehrst mit wilden ob« baQmen bewachsen**. — Das eben-
falls erwähnte Fisch wasser war die Streu oberhalb Ostheim bis an
die Nordheiraer Grenze, ständig fElr 4 fl. verpachtet, und die Sulz vom
Sulzsteg bis an das Wilmarser Wasser, während die Edelleute nur bis
einen Steinwurf abwärts vom Sulzsteg zu fischen hatten. Das Fisch-
wasser „nutzet aber ietziger Zeit nichts, denn solches in bißherigen Kriegs-
lau£ften durch außgißen veröset worden; sonst hat es Krebs dorinnen
geben" (1648). Eine Streitigkeit mit Stockheim wegen der Sulz wurde
am 9. Aug. 1683 dahin entschieden, da£i jeder Schultheifs von Stockbeim
mit dem Amtmann zu Lichtenberg sich des Fischens im Sulzbach eoH'
junctm bedienen dfirfe.
Dm eliemAHge Amt Lieht«nb«rg ror der Rhdn. Jg7
Amt88ohreiben Linck in der Bargkapelle kopuliert. 1658
heifiit er Forstschreiber, Forstverseher, 1663 Amtssohreiber.
J. P. Wagner, Sohn des GeneralsuperiotendeDten Job.
Wagner in Eisenaoh, ist 1655 legum stucUosus; 1656 Ter^
heiratete er sich „eum virgine casHssima Anna EUsabetha",
Martin Schmidts Tochter. Seine erste ADstellang hatte er
als Oerichtsbalter in Eaitensundheim gefunden.
Beide, Schmidt als Forst-, Wagner als Amtssohreiber auf
Lichtenberg, wurden nach des Amtsyerwalters Tode unter
dem 30. Deo. 1665 von Herzog Adolf Wilhelm berufen, dos
Amt einstweilen zu yerwalten, und dem Forstsohreiber noch
besonders aufgetragen, sich 8 Tage nach dem groÜsen neuen
Jahre in Person in Eisenach einzufinden, um die nötigen
Weisungen entgegenzunehmen. Der Ealtennordheimer Amt-
mann Ebhardt sei mit dem vorläufigen Versohlusse der Akten
betraut Am 20. Februar, nachdem der Herzog sich ent-
schlossen, bis auf weiteres das Amt ganz den beiden anzu-
vertrauen, erhielten sie Befehl, am 28. wegen Einholung
ferneren Bescheids in Eisenach zu erscheinen, „inzwischen
-aber ünBer Haus Lichtenberg durch den StadtLieutenant und
etzliche MuBquetierer, damit in Euerm abwesen nichts ge-
-^hrliches vorgehen möge, in gute obacht nehmen zu laßen''.
Ihre gemeinsame Verwaltung dauerte bis in den Juni 1668.
Schmidt heifst seitdem bald Amtschreiber, bald Forst-
«neister; der Schafhof (jetzt Schwan) heifst 1695 ,ydes' alten
Ambtschreibers Haus''.
Wagner blieb noch ein Jahr als Amtsschreiber auf der
Burg, dann wurde er Amtsrichter in Kalten sundh ei m. Am
8. Juni 1669 bat der neue Amtmann Heber in einem Rund-
sehreiben die Gemeinden, da sie ja nur einem Amtmanne den
Transport schuldig seien, um 10 Fuhren, die Sachen des
Amtsschreibers binnen 8 Tagen nach Eaitensundheim zu
fahren.
1668 — 1676: Georg Lorenz Heber aus Rudolstadt.
Herzog Adolf Wilhelm braohte ihn am 17. Juni 1668 mit
Jiach Ostheim (s. S. 121). Er hat wertvolle .^Addttianales'*
XVIL 18
Jgg Dm ehemaHf Amt Liehtoiiberg Tor dtr Rhdn.
XU der Amtabeaohreibimg yon 1648 yerfafst (0). Die Ge»
meiiiden hatten oft Urssohe über ihn zu klagen, z. B. klagten
1676 Sondheim, Urspringen und Stetten, dafs er sie bei
einem TruppendurchmarBcdie ganz im Stiche gelassen hätte^
Noeh in demselben Jahre ging er ab; wohin ist unbekannt.
1676 — 1680: Friedrich Sebastian vom Stein
zum Altenstein, Sohn des Amtmanns Kas. Christian^
geb. 27. April 1641 auf Lichtenberg, kopuliert 7. Nov. 1676>
in der Münze mit Bosine Sabine y. Stein- Yölkershausen. Er
war der letzte Amtmann yon Adel und der letzte auf Lioh-^
tenberg. Im Jahre 1680 wurde er nach Coburg berufen al&
Fttrstl. Geheimer wie auch Hof- und Justizrat und Land-
schaftsdirektor. ,»Der Beichsfrey Wohlgebohrne, H. Herr
Friederich Sebastian y. Stein z. Altenstein, geweßener Geheimbter
Ho£Erath zu Coburg, welcher am 2. JuUi nach Mittag zwi-
schen 1 und 2 Uhr seel. in Gott entschla£fen, und den 4.
dieftes Monats in die groie^) Kirche auf die Seiten neben
den Taufeteio, wo der Pfarr steht, wann er ein Kindt taufft,.
Abendts um 10 Uhr beygesetzet worden, Hernacher aber 4^
Sontag Trin. die Leioh Predig y. Diac. Schencken ') aus dem
16. Psalm gehalten«" (Osth. Krchbch. 1698). Seine Witw&
starb 1716 64 Jahre alt in Ostheim und wurde neben ihrem
Eheherm baigesetzt*).
1) So genannt im GegeniatBe bu der 1664 erbaaten Friedhofskirche.
t) Dem Dichter des Verses : Unsem Ansgaog segne Gott etc. (Nan^
gottlob ! es ist etc.).
8) Sein Sohn Chr. Wilhelm, geb. 168d in Cobarg, 1717 in der
Mflnse kop. mit Polyxene Sab. Marie v. Stein- Vdlkersh., starb als Tmhea-
meister des Bitterkantons Rhön-Werra 1784 in Ostheim. Von seinen
5 SShnen war der älteste Phil. Gottfried, ffirstl. ansp. Oberschenk and
HoftnacschaU, weleher 1765 die Mftnse verkaufte, der jüngste Friedrich
Bmst, geb. 1. April 173) in der Mfinze, verh. mit Jaliane PhU. Wllh.
▼. Adelsbeim, gest. 80. Des. 1779 als fOrstL brandenb. Hosareurittmeister
nnd Kammerherr in Anspach. Dessen ilteeter Sohn, Karl, geb. 1. Okt.
1770 das., ist der langjährige treoe Diener des Königs Friedrich Wil-
helm HL, der erste eigentliche Koltnsminister in Preolsen (1817 — 1887^
t 1840), bekannt durch die Omgestaltnng des prenls. VoUubildnngswesana
und den Venraeh der Union der beiden evangelischen Kirdien.
Dm ehemaUga Amt Lkbtenbwg vor der Bhfin. Igj^
1680—1684: Melohior Siegmund Sohmidt, cT Ul
Lic. — AU Pate bei eioem Kinde des HauptmanoB Graod-
eisen auf Lichtenberg 1681 heifst er: y,Ihro Ezoellenz und
Hoch Edle Herrlichkeit, hochfüratL 8äcb£. Eisen. Hochahn-
sehnL Herr Aath und Amtmann" ^}. Er wurde am 30. Sept 1680
Tom Eammeryerwalter Schlegel aus Eisenach sugleich mit
dem neuen Amtsschreiber Oerlach auf Lichtenberg den
SchultheiljBeD Torgestellt, welche ihm Handgelöbnis thun
muTsten. Die übHche Mahlseit fand für die Beamten, Geist-
lichen etc. auf Lichtenberg statt, ^und wurde schalt das ge-
treidig Tortgestürtxt*'; die Schultheifsen wurden in Ostheim
gespeist. Für die IJmzugskosten forderte Schmidt von den
Amtsorten 100 Thhr. in 2 Fristen. — Über sein spätere»
Leben ist nichts bekannt
1684 — 1686: Georg Ludwig Schellhas, Rat^
Schwiegersohn des Eisenacher Regierungspräsidenten Ave-
mann, der ihn am 14. Sept. 1684 einführte. Die Feierlich-
keit fand auf dem Bathause statt. Nach der Eiuführungsrede
und der Gegenrede des Amtmanns hielt der Adjunkt (Super-
intendent) Göbel die übliche Danksagung im Namen der
Geistlichen, der Gefreiten (des amtssässigen Adels und der
Freisassen) und der Unterthanen. „Er liels aber den Bat
(der Stadt Ostheim) außen, weil nichts an ihn begehret wor-
den; war fast etwas Spötiioh, hette ufs Baths Seitten auch
geschehen können, wenn nur die Sach bedacht worden'* (S).
Bierauf gelobten die Ortsbehörden und die Schulbedienten
des Amts dem neuen Amtmann an, „und neigete man sich
aueh Eugleich gegen dem Hn. Prcesident, aber ohne Hand-
bietung''; die Geistlichen und Gefreiten folgten dann dem
Präsidenten und dem Amtmann in die „kleine Stube", „daß
man nicht wiften oder sehen könte, ob sie auch angelobt oder
1) 1685 heifst eine Sebnlmtistersfrau : „Die Viel Ehren und Tngend-
reicbe Fima NN, des wohl Ehren Vesten, Vorachtbaren und wohlge-
labrten etc. NN Schaldieners Eheliebste*'. 1648 klagt der Amtmann
T. Altaistein, da(« Jeder, der auch nur einen Anteil an einer Kuh habe,
sehon ein Bauer sein wolle. Hentsutage will er schon ein „Herr'* sein!
18*
190 ^<^ ehemalige Amt Lichtenberg vor der Rhön.
was Vorgängen^'. An der gemeiDschaftlicben Mahlzeit Dahm
auch das KaltenDordheimer Oerichtspersonal teil. Am andern
Morgen liefe die Stadt dem Präsidenten mit der Bitte, y,dero
gniher freundt und Tatron zu verbleiben", einen Eimer
Frankenwein präsentieren und ihn zum Frühstück aufs Bat-
haut zu den Besten der gestrigen Mahlzeit einladen. Er bat
jedoch seiner mit ihm gereisten ,,Jumpfer Tochter'' wegen
ihm lieber etwas ,yhinüber ins Hn. Ambtmans behausuDg'' zu
schicken. Nachmittags reiste er nach Kaltennordheim ab in
Begleitung des dortigen Oerichtspersonals. — Sohellhas wurde
1686 Amtmann, später Vioekanzler und Eonsistorialpräsident,
Exo., in Eisenach.
1686 — 1692: Job. Wilhelm Schröter, vorher
hessischer Amtmann in Schlitz. Am 30. April 1686 wurde
er auf dem Bathause von seinem Vorgänger eingeführt. Die
Mahlzeit, welche 82 Thlr. kostete, fand in Stadtleutnant
Wendel Fischers Hause (dem Hefsb. Schlölschen) statt, „uud
hatte Prave Beüsch gesetzt ; theils Geistlichen hatte sich auß
der fretz (t) gesoffen, und hett halt einer im wasser Unglück
gehabt, wie auch die Sohulm. hatten sich deBen wolgebiBert,
da£ es also Gottlob wol abgangen". Am Abend kamen noch
die Mellrichstädter und Fladunger Amtskeller und Amts-
sohreiber dazu, „daB es allenthalben guthe Reüsch gesetzt''.
Im Jahre 1688 starb Schröters Frau geb. Fabricius 35 Jahre
alt im Kindbett und wurde in die Kirche begraben. Am
12. Sept. 1692 wurde er als Amtmann nach Bisenach versetzt
und zum Hof- und Konsistorialrat ernannt. Bei seinem Ab-
schiedsschmause ging es zu „wie lue. am 16. Capitel" (herr-
lich und in Freuden). Er wurde später Geheimderat, Vice-
kanzier und Konsistorialpräsident» Ezc, als welcher er am
8. Mai 1699 im Amte Lichtenberg die Erbhuldigung für
Herzog Job. Wilhelm einnahm. Die übliche Mahlzeit fand
in Dr. Klinghammers Hause Qetz. Bechnungsamte) statt; „es
gab auch zimmliche Beüsche, jedoch wurde es alles glücklich
geendiget". Er starb als Kanzler in Sondershausen.
Das ehemalige Amt Lichtenberg vor der Rhön. 191
1692—1697: Dr. Paul Henrich Thilemann.
Ohne Yorhergegangene feierliohe EiofdhruDg trat er am 20.
Oktober 1692 sein Amt an. Seit 1680 wohnten seine Yor-
gäoger in Mietwohnungen ; er kaufte von Stadtleutnant
Wendel Fischer das Helsb. Schlöf sehen, in welchem, nachdem
er es bei seinem Wegzage an Frau Oberstl. y. Spefshart
xerkauft hatte, auch seine Amtsnachfolger wohnten. Im
Jahre 1697 wurde er Ton Herzog Bernhard als Hof rat und
Eonsistorialpräsident nach Meiningen berufen, geadelt und
später in gleicher Eigenschaft nach Eisenach versetzt ,,Dieser
Amtmann war ein prayer, ehrlicher und gelehrter Mann, war
der gantzen Stad-Burgerschafift und Ambt wohl gerathen*' etc..
Bei seinem Abzüge bewilligte ihm auf sein freundliohes Er-
Buchen die Stadt ,,aas sonderbarer Höflichkeit'' die nötigen
Fuhren, worüber er am 17. Noy. 1692 einen Beyers ausstellte.
1697 — 1700: Johann Rudolf Lim bach; 1685 Amt-
mann in Ilmenau. 1698 wurden seine Schwiegermutter und
2 Söhne, 1699 ein dritter Sohn in der Kirche an der Sacristei-
thür begraben.
1700—1701: Johann Wilhelm Schellhas, wahr-
scheinlich Sohn des 6. L. Schellhas (S. 189), Schwiegersohn
des Oeheimrats Leonardi in Eisenach.
1701 — 1716: Johann Heinrich Böhn, Präsidenten-
sohn aus Eisenach, wurde 1705 in Dr. Klinghammers Hause
mit Thilemanns ältester Tochter Rachel Justine kopuliert
1716 wurde er Hofrat in Hildburghausen, wo er noch znm
Oeheimrat und Kanzler aufstieg.
1716—1730: Seh. Heinrich Kühn (s. S. 128), wurde
abgesetzt.
1730 — 1733: Job. Ludwig Geissei, Rat.
1733 — 1756: Nikolaus Erdmann, Kommissionsrat»
1747 starb seine Frau im Alter yon 41 Jahren; auf seinen
Wunsch wurde sie, ohne Präjudiz für seine Nachfolger, in
die Gottesackerkirche begraben, wo auch er, wenn er in Ost-
heim stürbe, begraben zu werden wünschte. Im Jahre 1754
«teilte er eine hier yielfach angeführte, ausführliche Amts-
192 ^<^ ehem&Kge Amt Lichtenberg Yor der RhSo.
beschreibuDg susammen. 1756 wurde er als Hof- «nd Geh.
Begiernngsrat nach EiseDaoh yenetKt
1756 — 1758 (t): NioolauB Schwendler, voriier
Aktaar.
1758—1784 (t): Johann Heinrich Christian
Thon, „Hn. Martin Thons, wohlangesehenen Bürgers zvl
Bisenach jüngster Sohn'S geb. 1699. Am 24. Febr. 1729
wurde er als Amtsvogt auf Liohtenberg mit Magd. Job. Juliane,
Tochter des Osth. Diakonus Limpert, kopuliert Als Amt-
mann erhielt er den Batstitel. Er erwarb die ,,tannisehe''
oder yjAufsenmühle^'y welche seitdem Amtmannsmühle heifst,
ferner das halbe Dorf Wilmars etc. und ist der Stammvater
eines Oesohlechts geworden, das unter seinen Gliedern eine
ganze Reihe hoohangesehener Männer und Frauen zählt ^), und
Ton dem es noch jetzt heifst: Im Weimarischen ist Thon
guter Boden.
1784—1807 (t): Heinrich Christian Kaspar
Thon, geb. 1780 auf Lichtenberg , 1764 Hofadyokat zu
Kaltensundheim und zugleich Marschall von Ostheimsoher
Oerichtsyerwalter zu Waltershausen, 1768 Amtsvogt auf Lich-
tenberg und einige Jahre vor dem Tode seines Vaters Amts-
verweser. Dann wurde er Amtmann mit dem Titel Eommissions-
rat, später Hoftrat; „ab thätiger Geschäftsmann rühmlichst
bekannt" (Schultes). Aulser anderen Schriften (s. B. einer
Beschreibung der Bhön in Fabris Neuem Magazin I, 8. Stück)
verfaüste er 1797 anonym die gegen die unberechtigten An-
aprüche des Osth. Adels gerichtete „Auf Acten und Urkunden
1) Sein ältester Sohn wurde sein Amtsnachfolger, sein «weiter
Jostlssintmann in Gersfeld, dann in Orteoborg ; der dritte (der „Magister**)
Pfarrer in Kaltensundheim (dessen Schwiegersöhne Pfarrer Hercht das.
and Justisrat Ortmann in Ostbeim) ; der vierte Amtsrentsekretir In Kalten-
Bordheim; der fSofle, Karl Salomo, Oberkonsistorialdirektor in Biseoach
<S. ISO), dessen einsiger 8obn als Ssterr. Soldat verschollen ist. — Seine
Schwiegersöhne waren Mi^or Köhler in Ostheim, Dekan Ortmann in
Kaltennordheim (dessen Schwiegersöhne die Oberforstrite t. Cotta in
Tharand nnd König in Eisenach) und Oberpfarrer Amelnng in Gersfeld
(dessen Schwiegersöhne die Gehelmrite Hnfeland nnd Suckow in Jena).
Dm ^emAlige Amt Liebteoberg tot der Rhdn. }93
gegründete Darstellung des gegenwärtigen Bedtietandes der
ganerbschaftliohen Yerfaseung im Amte Lichtenberg in Be-
»ehiing auf die von ihrem Ursprung her entwickelte HerzogL
8. Landeshoheit daselbst'^ die wir im III. Teile noch öfter
kurz ala »^Tliont GanerbenverÜMsung" anführen werden. Br
tauschte gegen halb Wilmars Rittergut und Dorf Weimar-
achmieden ein und baute die Kirche daselbst (s. IIL) ^).
1808 — 1816: Georg Philipp Friedrich Thon,
Torher AmtsTogt auf Lichtenberg, seit 1796 auch Amtsver-
weser. Als 1816 das Hintergericht Tom Amte abgetrennt
wurde, wurde er Amtmann und Justisrat in Ilmenau*).
Amtaaohreiber.
In der Bitterseit bedurfte es in den meisten Fällen
seitens des Amtmanns nur einer mündlichen Entscheidung
oder Anordnung; nur in den allerwichtigsten Angelegenheiten
waren Feder und Tinte, Pergament oder Papier, Wachssiegel,
Kapseln und Schnüre nötig. Nicht einmal seinen Namen
brauchte der Amtmann schreiben au können; dessen Stelle
Tcrtrat das Wachssiegel. Hielt er sich einen Schreiber, so
hatte er ihn selbst zu besolden, was teils in bar, teils in
1) Sein ältester Sohn, geb. 1765 in Kaltensnndheim, wurde Oelieim-
rat und Kansler in Eisenach (dessen ältester Sohn, Lfitsower, Adjat. Karl
Angosts, Boletst Geh. Lefcationsrat, f 1 842 ; der sweite KammerpriUident und
Geh. Staatsrat in Eisenach ; der dritte, GosUv, Staatsminister in Weimar,
i* 1882 [dessen Sohn der Geh. Jostisrat, OLGRat und Prof. der Jnrispr.
Dr. Aug. Thon in Jena^ ; der sweite war Wirklicher Rat ; der dritte, geb. 1759
auf Lichtenberg, Grofsh. Legationsrat in Mfirnberg, Saiswerkbesitser im
Slsafs ; der vierte der Amtsnachfolger seines Vaters (s. n.) und der f&nfte als
„Thon von Dittmar*< in Bayern geadelt (ein Sohn 1848 bayrischer Minister).
— Des Amtmanns Schwiegersdhnr waren Superintendent Genisler (von
dessen Söhnen der eine Justisamtmann in Geisa, der andere Generalsuper-
intendent in Coburg wurde) und Diakonus Geheeb in Ostheim.
2) Sein Sohn Heinrich Christian wurde Geh. Finansrat In Weimar.
Bin Schwiegersohn war der Pfarrer Stapff in Dorndorf a. W., ein Sohn
seiner zweiten Tochter der Universitfitsamtmann Görwits in Jena.
J94 ^'^ ehemalige Amt Lichtenberg vor der Rhön.
KaturalieD geschah. Dieee Besage wurden mit der Zeit regel*
massige und ständige. Je mehr das papierne Zeitalter sich
geltend machte , um so schneller füllten sich die Akten-
schränke» auch mit Schriftstücken des Amtmanns, der nun
immer weniger im Stande war, seine vielseitigen Oeschäfte-
allein zu bewältigen, von denen nun nach und nach deok
Amtsschreiber das Forst- und Steuer wesen und dergl., aber
immer noch unter Verantwortung des Amtmanns, übertragen
wurde. Es wurden nun auch studierte Leute zu dieser
Stellung berufen.
Nach Verlegung des Amtes von der Burg in die Stadt
(1680) blieb der Amtsschreiber allein auf der Burg wohnen
und führte nun den Titel Amtsyogt, vorläufig war aber auch
noch das 2. Aktuariat in Ostheim mit seiner Stelle verbunden.
Nachdem 1811 der Amtsvogt von der Burg in das Dr. Kling-
hammersche Haus in der Stadt gezogen war, und durch den
Wegfall der Centgerichte alles eine andere Ordnung erhielt,,
wurde seine Stellung dem Amtmanne gegenüber eine völlig:
selbständige; er erhielt den Titel Bentbeamter, später Kech-
nungsamtmann. Auch das Forstwesen war seit der Ver-
legung des Amtes nach Ostheim einem Fachmanne unterstellt
worden.
t^ber die Persönlichlceiten der Amtsschreiber h&be ich folgen*
des erlcundet:
1574: Die Ostheimer Vierer rflgten bei der Cent Mellricbstadt, d&(^
der Schreiber de:i Amtm&nns sa Lichtenberg am Sonntage Voeem Jucundi-^
UUii zwischen 9 und 10 Uhr vorm. am Baaenitein vom Wetter erschlagea
worden sei (M filier a. a. O.).
1579: Wolf Kempf (8. S. 178).
1 599 : Valtin Gnmpert, „Schreiber auf Lichtenberg", später
Centgraf in Kaltensundheim.
161S — 1620: Hieronymus Lewe (Lewins), „Amptschreiber auf
Lichtenberg".
1620—1626: Hans Wirth. Am 26. Sept. 1629 sUrb an StetteD
,,Anna, Ca^tpar Wirths Hansfran. Eine recht betrübte fraw, der ihr Sohn
Hans, gewesener Amptschreiber anff Lichtenberg, sich sa der Priedlin-
dischen Armee begeben and ffir einen Sekretarium gebrauchen lassen, and
vor 2 Jahren za Osterwik soll itrangtdüret worden sein". 1634 ver>
Du ehtnuüige Amt LicbtenWrg vor der Rhdo. 19&
beiratete sich ,,Joh. Wirts Sei., geweteDen Ambtschreibers äff Lichtenberg
delieta et relieta vidua EUsabethe'* (mit ihm Icop. sa Odtheim 1628) mit
eiDem Feldscher.
1626—1688: Job. Georg M QU er- S tein (Mailerstein etc.),.
geb. 1605 in Kaltensandheim, verh. 1629 mit Sib. Schertinger ans 0»t-
heim, 1689 mit einer Pfarrerstochter (Amthor) aus Bettenbausen. 1685-
war er gleichseitig v. Hef^bergiscber Vogt. Er vi-urde Oerichtsverwalter
in Kaltensandheim.
1638—1662 (f): Christoph Linclc^), Tuchmacherssohn aas>
Meiningen, Jurist; Icop. 1688 auf Lichtenberg mit der Tochter eines gräf-
lich haDaoi«chen Pfarrers und Inspektors Hornecic. Von seinen Kindern,
die mebt tot xur Welt Icamen, blieben nur 2 am Leben : die Frau seine»
Nachfolgers, und ein Sohn, Schulmeister in Wohlmnthausen. „Der Ehm-
▼este, Vorftehtbare und Wolgelahrte** Linck starb anf Lichtenberg dei^
8. Febr. 1662 im Alter von 50Y, Jahren.
1662 bis (mit der Unterbrechung von 1665 — 1667, wfthrend welcher
er mit seinem Schwager Wagner Amtsinspektor war) ca 1695: Joh.
Georg Schmidt.
„Amtsvdgte**:
1680—1709 (t): Christian Heinrich Gerlaeh, Schwieger*
söhn Wagners. Sein Schwiegersohn war der Diakonns Sartorins ; deshalb
wurde er, 1709 56 Jahre alt anf Lichtenberg verstorben, von der
„Kaplanei** aus beerdigt. •
1709-1729: Joh. Christoph Wolf. Er starb 1782, 55 Jahre
alt, „welcher durch einen schlag fluB an der Lungen verderbet worden,
daß er viele Jahre daran an der Sprache vieles Ungemach ausstehen
mfiBen ; den 8. 9bris mit 24 Fackeln und ganser Procession vom Amt-
hans abgeholt**.
1729—1758: Joh. Heinrich Christian Thon (s. S. 192).
1758—1784: Heinr. Chr. KasparThon, des Vorigen Sohn ^
versah suletst die Stelle seines alten Vaters mit als ,,Amtsverweser".
1784—1808: Georg Phil. Fr. Thon, des Vorigen Sohn, 1798
auch zum Amtsverweser ernannt.
1808—1823 (f): Gottl. Wi Ih. Konr. Hdpfner, vorher Stadt-
Schreiber nnd Amtsadvokat, seit 1808 „AmUverwalter*'.
1) Im Jahre 1649 gab er auf Erfordern an, was Ihm „bißhero von
dem Beampten wegen verrichteter Amptschreiberey iihrlich pro SMaria
gereicht worden: 50 fl. an Geld, 12 mld. Korn hiesig Klein gemees, 8
mld. Hafer, V, mld. Weits, 6 mld. Gerste, 4 maas Erbeifi, 6 maas linflen,
2 mld. hopffen«'.
196 ^^ «hMuOig« Amt LkhtaobOTf tot ^«r EMb.
Die ForstbemmteiL
Nach Verlegung des Amtes in die Stadt wurde die bis-
her mit dem Amtssohreiberdienste yerbundene ForstTerwaltung
einem besonderen Beamten übertragen, der 1719 das für ihn
in Ostheim erbaute Forsthaus bezog.
1715—1737 (t 74 Jahre alt): Joh. Kaspar Dorn, 17S8 JMger,
Forttbedienter, saletst OberförsUr.
1737_173g: Philipp Heinrich Reifenstahl, Oberförster.
1739—1776 (t 1793, 81 Jahre alt): Melchior Chr. Kipler,
,,hatte sich dorch eigne Kraft emporgearbeitet; durch ihn wurde die Porst-
Wissenschaft gehoben«« (Scholtes). 1739 „Porstbedienter^S anl seUi Bitten 1760
warn Oberförster und 1776 sua Wildmeister ernannt. I>ie AmtsforsI
trag, wie er 1760 in seinem Gesuch anfHhrr, anfangs 100, jetst 800 bis
1000 Tblr. J&hrlich. Ihm unterstanden suletst die 4 „oberlindischen"
V'orsten Ostheim, KNordheim, Erbenhausen und Umshansen.
1776—1805 (t): Wilh. Heinr. Kipler, 1779 sum OberfSrster,
179S Bum Wildmeister, 1804 sum Porstmeister ernannt. Er hatte, wie
schon sein Vater, immer viel Forsteleven um sich, die von ihm in Kalli-
graphie, Arithmetik, Qeometrie, Zeichenkunst, Porstbotanik, Forstnatnr-
geschichte und Forsttaxation unterrichtet sein wollten. Seinem Sohne ge>
lang es nicht, in seine Stelle einsutreten. Die Kftplerschen Vermögens*
▼erhiltnisse waren unverschuldet immer sehr traurige.
1805—1883 (t): MoritB Sckell, Oberförster.
Die OfOsiare der Milis (des „Aussohusses'*).
Der AussohuTs (s. 6. 98), die Aaswahl der tauglichsten
jungen Leute jedes Ortes , wurde je nach der Oröfse des
letsteren von einem oder 2 Korporalen, die ihren ständigen
Wohnsitz da erhielten, und einem Tambour, der zugleich das
Ausrufen („Austrommeln*^ der Gemeindebekanntmachungen
übernahm, einexerziert. Für Beschaffung alter Musketen, für
Lunten und Pulver hatte die Gemeinde zu sorgen. Zuweilen
kam dann der Leutnant aus Ostheim, gewöhnlich ein Hand-
werker, der diesen Dienst als Nebenamt versah, oder der Amts*
hauptmann, welcher auf der Burg, in Ostheim oder auch in
Helmershausen seinen Sitz hatte, vielleicht sogar der Landhaupt-
mann aus Eisenacb, um nach dem Stande der Dinge zu sehen^
Du ebeiiuülgf Amt Lichtenberg vor der RhOn. ]^97
^e Borftnaaem and Thorhäuser zu besichtigeu und dergl.
mehr. Bei Bolchen Gelegenheiten mufeten wohl auch die
AüMchÜBBe mehrerer Gemeinden zusammen exerzieren, wie
M. B. die Vordergerichtsdörfer auf der Pfingstweide. Im Jahre
1702 wurde verordnet, dafs die „Defensioner*' an den Peters-
i;erichtstagen, den eigentlichen Gemeinde festen — also zur
Parade — exerzieren sollten. Im Jahre 1751 yerordnete
4a8 Oberkonsistorium, dafs auch an Sonn- und Feiertagen
Bach dem Gottesdienste und der Katechismuslehre, welche
•deshalb nicht zu spät und nicht zu lang zu halten seien, die
Leute exerziert, und der Anfang der Übungen von der Kanzel
«bgekttndigi werden solle; es dürfe aber keiner diese Übungen
sum Torwande für das Schwänzen des Gottesdienstes und der
Eatechismuslehre nehmen. Im Jahre 1717 wurde ein Miliz-
reglement für das Fürstentum Eisenach gegeben, worin auch
tax die einzelnen Übungen genaue Yorschriften erteilt wurden*).
Praktische Verwendung fand der Ausschufs, wenn es
^alt, auf flftohtige Verbrecher zu streifen oder behördlichen
Anordnungen widerspenstigen Gemeinden gegenüber Nach-
druck zu verleihen, in einigen wenigen Fällen auch zu
kleineren kriegerischen Unternehmungen.
Erdmann sagt in seiner Amtsbeschreibung 1764: „Die
Land Miliz ist dem Amte Lichtenberg wegen seiner äußersten
€^räntzlage und übermächtiger Würtzburgiechen Nachbarschaft,
Streichern und Diebs Gesindel höchst nöthig, und bej deren
Einrichtung nach dem Steuer Fuft dem Amte Lichtenberg zu
1) Von den 6A Kommaiidot bei den Scbiefsfibnngen seien ans dem
gothaisehen Reglement nur folgende angeführt: „S6. Das Gewehr hoch!
S6. Her steUt den Hahn! 27. Blafit ans die Pfann! 88. Fa£c das
PnlTerfaom! 29. Pulver auf die Pfonn ! 80. Seh liefit die Pfann ! 81.
Schwenckt das Gewehr aar Ladung! 38. Pafit die Patttml 83. OefTnet
4ie Patron l 84. Die Patron in Lanf ! 36. Ziehet aas den Lade-Stock !
86. Hoch den Stock! 87. KOrtst den Lade-Stock! 38. Den Lade-Stock
in Lanff! 89. Setst an die Ladung! 40. Ziehet ans den Lade- Stock !
41. Hoch den Lade-Stock ! 48. Rfirtat den Lade-Stock ! 48. Den Lade-
Stock an seinen Orth ! 44. Mit der rechten Hand unter den Hahn !** etc.
— Nun, du Reiter, halte still, weil man dich erschiessen will!
198 ^^^ ehenuilige Amt Lichtenberg vor der Bh5Q.
dem Infanterie Eegiment 191 Mann mit prima plana su^
getheilet wordeo, welche untenii Commaodo des Major Köhlers-
und Lieutenant Seyferts der gemachten Einrichtung nach auf
jedes Amts Kosten nechstens neu montirt werden. Die IT
auf das Amt L. auch vor 40 Jahren nach der Steuer
repartirte Dragoner hingegen sind an Mannschaft^ Pferden,,
Montur und Gewehr schon längst vom Bost gar angefressen^
mithin völlig undiensthar, auch an und vor sich ganz un-
nöthig, mithin auf hohen Befehl vor weniger Zeit abgedanckt-
Bei der neu aufgerichteten Land Miliz scheinet, daß unter
der Herren Officiers Begünstigung die junge Pursche hey^
Torfallenden Ciyil-Straf-Sachen der weltlichen Gerichtsbarkeit
sich entziehen wollen, wodurch üble Folgen entstehen dürften ;.
sodann wird denen darunter befindlichen Handwercks Purschen.
bej vorhabenden Wandern in die Fremde der verlangende
Paß schwer und weitläufig gemacht oder gar versaget, welches-
ihnen und dem gemeinen Wesen schädlich fället. Endlich
müßen sie um allerhand Kleinigkeiten willen vielle unnötige
weite Wege gehen.'* Im Jahre 1785 wurde, nach Schultes,.
die lichten bergische Landkompagnie wieder aufgehoben und.
in einen Landausschufs verwandelt, der statt des Ober* und
Untergewehres — aus Bücksicht auf die Gefährlichkeit dieser
Dinger, oder aus Sparsamkeit ? — mit Springstöcken versehen
wurde. „Das Marschwesen wird von dem jedesmaligen Aktuario>
besorget'S
Man darf annehmen, dafs die Sohlacht bei Jena diesem
Landsoldatenwesen ein Ende gemacht hat In PreuTsen hatte
schon Friedrich Wilhelm I. es abgeschafft.
Hier das Verzeichnis der Offiziere des lichtenb. Aus-
schusses, welches freilich auf Vollständigkeit keinen Anspruch
macht.
ISSI: K&spar Zinn, „Stadt-Lefiteiuimbt". — 1682: Andrea».
Leupold, Hauptmann. — 1685: Melchior Orob, Stadtlentnant. —
1 634—1646 : MatthesSchmidt, Stadtlentnant nnd v. Stein'scher Vogt,,
Bruder de« AmtsTerwalters Martin Schmidt. — 1668 : Tobias Fahler^
Sudtlentnaut. — 1670: Veit Ludwig Schmidt, Leutnant. ~ 1674t
Dms ehemalige Amt Lichtenberg ror der Rhön. |99
AndreatWendelin Oresselins, „Leatenand and Commandant auf
Lichtenberg**. ~ 1676 »tarb Valtin Baaenttein» 57 Jahre alt,
16 Jahre lang Amts- nnd Stadtlentnant gewesen. — 1678 : Orambrecht,
Haoptmann. — 1678: Abraham Praneiscas (Fran9oi9, Franx),
Befagi^y Schneider, wurde am 9. JqH genannten Jahres ,,arm Raihhauß
«n einem Stadt Fendrich angenommen nnd den Offlcirer vorge^teli**. Zu.
-dtm Schmaose, den er gab, waren die Offisiere, der Kaltennordbeimer
Leutnant, der Stadtschnltheifs and der Stadttchreiber geladen worden, „und
tragen gnthe Befisch davon**. Noch 1705 ist er Stadtleutnant. — 1679
nod 1688: Gregor Grnndeisen, „fdrstl. bestellter Hauptmann uff
Lichtenberg**. 1688 nahm er au Paten eines Sdhnchens aufser 11
adligen und anderen vornehmen Personen „die gesambte Schultheiften in
F5rter und Hintergericht*«. — 1688: Wendel Fischer, Stadtleutnant.
— ca. 1690s Johann Friedrich ▼. Nassen. Im ungarischen
Kriege erprobt, wurde er sum Amtshauptmann Ober die Ämter Dermbach,
Kaltennordheim und Lichtenberg und aum Kommandanten des Schlofses
Lichtenberg ernannt. Seinen Wohnsitz hatte er in Helmershausen. —
1696 starb Hubert M5Iter, „Fennerich, welcher erst den tag vorher
vu unserer BeUon getreten**, 50 Jahre alt '). — 1 709 : Job. Friedricli
Diener, „fenndrich**, 1710 Leutnant. — 1709: Job. Christian
Frans, Sohn des Abraham Fr., „Stadtfennericb**, 1710 Leutnant, f 1749
«Is Stadtleutnant. — 1 709 : Job. Jochem Gerber, Stadtbauptmann,
1781 Major fiber die 8 Komp. der Amter Lichtenberg und Kaltennord-
heim, f 1737, 64 Jahre alt, und wurde, wie vorher einige seiner Kinder,
und nachher 1748 seine Witwe, in die Kirche begraben. — 1710:
Georg Hartmann Weifi, „Fennerich unter den dfftmUmtt allhier**,
t 1788, 50 Jahre alt, als „Stadtleutnant und Adjotant**. Auf dem Wege
cum Gottesacker wurde die Melodie: „Herslich thnt mich verlangen, vers-
weis bald gesungen, bald traurig geblasen und gedrammelt** ; am Grabe
wurden 8 „Salben-* gegeben und beim Weggehen „hüben die beyden
Compagn. mit ihrem FröÜgen Paucken schaall und wihrt bis in des
Majori Hau8**. ~ 1737: Job. Friedrich Will , Major, erhielt in
diesem Jahre sein Bestallungsdekret und nahm Wohnung in der Münse.
1747 starb er, 68 Jahre alt, und wurde in die Gottesackerkirche begraben.
— 1748 wird verffigt, dafs Kreiobauptmann von Schardt su Ostheim
seinen Wohnsits in Eisenach behalten dftrfe. — 1749 : K 5 h 1 e r , Stadt-
leutBunt, 1758 Stadthauptmann, 1754 Mijor; Thons Schwiegersohn. —
1754: Seyfert, Leutnant. — 1768: 8 teil mann, Stadtleutnant.
1) Seine Nachkommen erscheinen neben denen des Abraham Franz
nnd Wendelin Fischer als in erster Linie sum Genufs des Klinghammer-
«ehen Stipendiums berechtigt (s. IH).
200 ^^ ebem«Uge Amt Lichtenberg Yor der BhSii.
B. Aechtspflege.
Das Kapitel von der Bechtipflege im Amte Liditenbeiig^
ist deshalb ein besonders interessantes, weil dieses nicht einen
Jarisdiktionsbesirk für sieh bildete, sondern 3 aosländisohe —
einer davon wenigstens snr Hälfte ausländisch — sich darein
teilten (XVI, 272).
Über die Rechtspflege in diesen 8 Centbezirken im all-
gemeinen ist folgendes rorauszuschicken.
Die Gerichtsbarkeit über geringere Vergehen stand den
Dorf- bez. Stadtgerichten (s. III), in ritterschaftlichen Orten
den Vogteigerichten zu; nur schwerere Vergehen und Ver-
brechen gehörten vor die Cent Die Grenze zwischen
geringeren und schwereren Verbrechen stand aber nicht in
allen Fällen fest, was zu yielen Streitigkeiten zwisehen den
lichtenb. Amtmännern, als Vorgesetzten der Ortegerichte und
zugleich Vertretern ihres Landesherm gegenüber den An-
sprächen der fremdländischen Centherren und deren Beamten
Veranlassung gab, um so mehr, als in jedem Centbezirke fast
jedes Ortsgericht wieder seine besonderen Kompetenzgrenzen
hatte, wie sie sich aus den besonderen Territorial- und an-
deren Verhältnissen heraus geschichtlich entwickelt hatten
und zum Herkommen geworden waren. Das Herkommen
galt, da es allgemein giltige Gesetzbücher noch nicht gab,,
als oberstes Gesetz, das ohne beiderseitige Zustimmung nicht
aufgehoben werden konnte. Aber auch das wurde zuweilen
strittig; dann kam es darauf an, es zu fixieren, und so er-^
folgte allmählich bei allen, Dorf- wie Cent- und anderen
Gerichten eine „für alle Zeiten'* giltige Aufzeichnung dea
Herkommens nach der pflichtmäfeigen Aussage der Sohtfffen,
an den yerschiedenen Gerichten zu verschiedenen Zeiten. Sa
entstanden die „Weis tum er" oder, da sie an den Petere-
gerichtstagen verlesen wurden, „Feterweistümer".
Mit dem 22. Februar (Petri cathedra) jedes Jahres be-
gann ein neues Gerichtsjahr, In der Zeit von 14 Tagen vor
Dm eiMnalige Amt Lichtenberg Tor der Bhön. 201
bifl 14 Tugen nach Petri hielt jedes Gericht »eio JahreBfaet
— das ^ohe'^ ^^Heapt''- oder ^^etersgerichU'. Nicht
alle Oerichte hielten es an einem Tage, weil der Amtmann
mehreren beisnwohoen hatte , den Cent* und ursprünglich
nach allen Dorfgerichten. Am PeterBgevichte konaütuierte
sich gleichsam das Gericht wieder auf ein Jahr, indem in
fnerüoher Sitzung der M^ichter'' — bei Gentgeriohten .der
Centgraff bei Dorfgerichten der Scholtheifs — es ^^egte^
d. h. den Gerichtsherm und die Gerichtspersonen als solche
anerkennen lie/s, worauf das Peterweistum yerlesen, die Be*
fugnisse und Besonderheiten des Gerichts in Form Ton Fragen
und Antworten swischen Richter und Schöffen namhaft ge-
macht und die neuen Schöffen, Yierer etc. yorgestellt und
yereidigt wurden. Auf das Geschäft folgte dann das Yer-
gnügen: eine splendide Mahlzeit, das „Petersmahl'^ auf dem
Dorfe auf Gemeindekosten, an der Cent auf Kosten des Cent-
besirks.
Der Amtmann, welcher mit der eigentlichen Recht-
sprechung nichts zu thun hatte, wohnte jeder Verhandlung
nur bei, um ihr durch seine Anwesenheit als Vertreter des
Landesherrn gröfsere Würde zu Tcrleihen und bei etwaigen
Übergriffen der fremdländischen Beamten die Rechte seinea
Herrn zu wahreo.
Die Verhandlungen leitete der Richter (Centgraf); er
hielt bei jeder Verhandlung, wie auch beim Dorfgericht der
Sohultheifs, einen Stab (Scepter) in der Hand ab Symbol
seiner Gewalt Das Centgrafenamt war ein (hie und da erb-
liches) Lehn, um welches sich in früherer Zeit auch £del-
leute bemühten.
Die Beisitzer waren die Schöffen, welche ehrlich
gebome, fromme, unbescholtene Leute sein muTsten. Nicht
jedes Dorf hatte einen SchöflSen zu stellen, yielmehr lag
diese Last bestimmten Orten ob, die ihnen Weg und Ver*
Baumnis zu yergüten hatten. Einzelne Orte hatten je 2
Behöffen zu stellen; den zweiten yermutlich für eine ein-
gegangene Ortschaft, deren Flur zu der ihrigen geschlagen.
202 Du ehemalige Amt Lichtenberg Tor der RbSn.
war. Da }ede% Centgerichi unbedingt stets mit 14 Schöffen
besetzt sein mufste, durch das Ausbleiben auch nur eines
derselben eine Sitzung also unmöglich gemacht wurde, so
war denselben zur heiligen Pflicht gemreht, sich „durch
nichts als durch Gottes Gewalt" vom Gange nach dem Cent-
gerichtsorte abhalten zu lassen. Wie ernst dies gemeint war,
ist aus dem Mellrichstädter und noch mehr aus dem Fladunger
Centweistume zu ersehen. An der einen Cent safsen die
'Schöffen nach dem Alter, an der andern in einer seit alten
Zeiten feststehenden Reihenfolge ihrer Ortschaften; an der
einen wurden sie auf ein Jahr, an der andern auf Lebenszeit
^wfthlt
Als Centschreiber diente gewöhnlich der Gemeinde-
echreiber des Oentortes, was in den meisten Fällen der Schul-
meister war.
Auch der Centbüttel (Freibote, Landknecht) mofste
ein unbescholtener Mann sein. Aufser der Besorgung der
Ladungen und anderer Gänge bestand sein Dienst darin, die
Vntersuchungsgefangenen verwahrt zu halten, zu beköstigen,
sie vor- und abzuführen, beim Foltern dem Nachrichter zur
Hand zu sein oder auch seinen Dienst zu versehen, bei Hin-
richtungen, wenn es ihm herkömmlich zukam, die Missethäter
zu „beschreien" etc.
Nach dem Petersgericht wurde dann im Laufe des Jahres
jeden Monat an einem feststehenden Tage eigentliches Cent*
gericht gehalten. Später, im 16. Jahrhundert, wurde die
Zahl der jährlichen Gerichtstage auf 4 beschränkt Diese
<lentgerichte hatten den Zweck, das Amt über alle Vorkomm-
nisse in den Centorten auf dem laufenden zu erhalten, um
«0 jedes Vergehen zur Bestrafung ziehen zu können. Daher
mufste an jedem Centgerichtstage nach der feierlichen Heg^ng
Ton jedem centpflichtigen Orte durch seinen Schöffen alles
„Bugbare", das seit der letzten Sitzung vorgefallen war, alle
Injurien, Schlägereien, Feldfrevel etc. zur Anzeige gebracht,
alle verlorenen und vermifsten Gegenstände angegeben, alle
gefundenen abgeliefert werden, wenn die Gemeinde nicht eich
Das ehemalige Amt Lichtenberg Tor der Rhön. 203
der Gefahr aageetsen wollte, ,,um eine yersohwiegene Kng*'
„yon einem Fallthore bis zum andern'' mit schwerer Geld-
bufse bestraft zu werden. Dieser Neugier der Behörde lag
nicht etwa die Idee zu Grunde, durch Sühnung jedes Ver-
gehens die Gesetzesübertretungen immer seltener werden zu
lassen — im Gegenteil I — sondern vielmehr die Ansicht, die
Keohtspflege müsse dem Landes- bez. Geriohtsherm etwas
abwerfen, was um so leichter war, als der Gerichtsbezirk
schon das ganze Geriohtspersonal zu erhalten hatte. Für jede
Cent wai; die Samme, bis zu welcher sie strafen konnte, die
„höchste Büß", festgesetzt; höhere Geldstrafen wurden durch
die Kanzlei des Oentherrn bestimmt. An einigen Centeu
war den Missethätem nachgelassen, yor der Gerichtsverhand-
lung sich mit dem Oentherrn der Strafsumme wegen zu „ver-
tragen''.
„Peinliches'^ oder „Halsgericht" wurde gehalten,
wenn ein zum Tode Verurteilter im Turme lag.
War in einem der centpfLichtigen Orte eine der „vier
hohen Eugen" — Mord, Diebstahl, Brandstiftung, Notzucht —
vorgefallen, so mufste der Thäter, bez. auch der „Mord" (die
Leiche des Ermordeten), das gestohlene oder geraubte Gut
(natürlich wenn man es hatte) sofort, spätestens innerhalb
eines halben Tages an die Cent geliefert werden. Der „Mord"
wurde vom Oentchirurgen, dem Centgrafen und 2 Schöffen
besichtigt, das „Leibzeichen" genommen (z. B. ein Fingerglied
abgeschnitten) und auf dem „Centfriedhofe" ehrlich begraben,
wenn an der betr. Cent nicht ausdrücklich den Angehörigen
nachgelassen war, ihn daheim begraben zu dürfen. Die Leiche
«ines Selbstmörders wurde auf dem Hichtplatze verbrannt oder
verscharrt, die eines Verunglückten an Centgerichtsstelle —
natürlich nur äuTserlich — daraufhin untersucht, ob wirklich
ein Unglücksfall vorlag.
Galt es, einen Verbrecher festzunehmen, so fragte es
sich, ob die betr. Gemeinde dies thun mufste, oder ob
sie es durfte, oder ob sie sich das „Einfallen" des Cent-
XVIL 14
204 ^^ «heiiMÜlg« Amt Lichtenberg ror der BhSn.
grafen mit seiner Mannschaft gefSallen lassen mufste — je^
nach dem Herkommen. In jedem Falle war jeder Cent»
Pflichtige auf Erfordern zur BeiBtandleistong bei dem Er»
greifen und der Einlieferung des Yerbreohers bei Strafe ver-
pflichtet; nar fragte es sich wieder, wie weit er zur ,^aoheil'^
oder »yJagd^' auf den Flüchtigen yerpflichtet war; gewöhnlich
^so weit das Gericht wendet''.
Zur Ermittelung der Schuld oder Unschuld eines Ver-
klagten war nach und nach an die Stelle des Beinigungseides^
des Zweikampfes und anderer Gottesurteile ein anderes, ein-
facheres Mittel, aus der Bömerzeit, getreten , die Folter!
Auch eine Art Gottesurteil, weshalb sie ohne Gewissens-
bedenken gebraucht wurde. Dem unschuldigen half ja Gott
selbst alle Schmerzen schadlos überstehen; erlag der Be-
schuldigte den Qualen der Folter, nun, dann hatte eben der
ttt seine schwarze Seele geholt. Gestand einer, was man
wollte, dann wurden die Akten — die Anklage und das Ge-
ständnis („Urgicht'*) — an die Kanzlei des Oentherm, in
schwierigeren Fällen an den Sohöffenstuhl der zuständigen
juristischen Fakultät geschickt, und dort sprach man das
Urteil Das darauf von dem Amtmanne gewöhnlich auf einen
Freitag angesetzte Halsgericht war dann — den Schluls natür-
lich ausgenommen — nichts als eine leere Förmlichkeit» denn
es handelte sich dabei nicht mehr um Leben oder Tod^
sondern nur noch um Tod, und darum, das Urteil mit so
yiel krasser Umständlichkeit und Feierlichkeit als möglich zu
Teilstrecken.
Es hatten dann alle centpflichtigen Männer des Cent-
bezirks sich „mit ihrer besten Wehre'' einzufinden, um alz
„Satz'^ den Gerichtsplatz zu umstellen und den „Armen'*
nach dem Bichtplatze zu eskortieren.
Nach der feierlichen Hegung des Gerichts auf dem
Oerichtsplatze trat der Ankläger vor und forderte die Be-
strafting des Angeklagten, der nach mancherlei Frage und
Antwort zwischen Bichter und Schöffen nun aus dem Cent-
Dm ehtBialige Amt Lichtenberg ror der Rhfe. 205
türme geholt^) und unterwegs dreimal y^besohrieen" wurde,
indem an bestimmten StraTseneoken oder Plätzen der Zug
hielt und der Centbüttel oder das ,,Peinlein*' (der Naoh-
riohtertknechi) jedesmal mit gellender Stimme schrie: ,, Waffen,
Waffen, Waffen heut tiber mein Land und dies Lands Mör-
derjo" (oder „Diebjo" etc.), wofür er den „Schreigulden" er-
hielt. Hatte der arme Sünder yor dem Oentstuhle sich noch
einmal zu seiner ürgicht bekannt, so sprachen die Schöffen
nach der Beihe die verschiedenen „Urteile'', durch die sie
ihn ausschlössen yon allen Hechten und allem Eigen; der
letzte bestimmte die Todesart, zu der ja draulsen auf dem
Bichtplatze schon alle Vorbereitungen getroffen waren, der
Kiobter zerbrach seinen Stab (Scepter) und warf ihn, je nach
dem Herkommen, hinter sich oder dem Verurteilten vor die
FüTse. Dann brach man zum Bichtplatze auf, voran der Amt-
mann zu Pferde und der Centgraf mit den Schöffen, hinter
dem Henker der Delinquent, der wieder mehrmals beschrieen
wurde, begleitet von einem Geistlichen der Landeskirche —
ohne Rücksicht auf Religion oder Konfession des Verurteilten —
umgeben von dem „Satze'*, welcher dann den Richtplatz bb
nach erfolgter Exekution zu umgeben hatte. Eine splendide
1) Im Jahre 1583 bestimmte Bischof Julias, dafs für die leiste
Mahlseit eines VerurteilteQ nicht mehr als 1 Pfd. ausgegeben werden
solle, da es vorgekommen, dafs arme Sflnder »»gans roll nnd unbesonnen
heimgestm'ben wie das nnremfinftige Viehe**, da ein solcher doch „su seiner
•elbsten Seelenheil bei guter Vemanfk, Sinn und Verstand bleiben mdge*'.
Auch die „Frfihsuppen" fOr Richter nnd Schöffen auf Centkosten sollten
abgeschafft sein, weil etliche dabei „sich mit einem fiberflüBigen Trunk
also beladen, da£i sie hernach in gesetstem Gerieht nit gewust haben,
was sie gethan, so doch ein jeder Mensch in solchen FUlen, und sonder-
lichen des Menschen Leben, Fleisch nnd Blut betreffend, handien und
nachtem sein, auch also urtheilen solle, wie es einer gegen Gott den All-
mächtigen am j&ngsten Gericht verantworten solle und müsse**. Der
Arme würde dann an seinem Bechte desto weniger verkfirst und mit
besserem Bedacht und Verstand geurteilt werden. Auch fOr die Priester,
wenn sie vor dem peinlichen Bechtstage den Obelthftter mit dem Sakra-
ment versehen und getröstet, „neben andern Personen mehrst fibergesessen
nnd nit ein Geringes vertruncken hfttten*', sollte nichts mehr besahlt werden.
14*
206 I^M ehemalige Amt Lichtenberg vor der Khön.
Mahlzeit auf KoBten des Centbezirks für den Amtmann und
das Oeriohtspersonal beschlois den Tag.
Zuweilen kam es yor, daTs eine fremde Herrschaft, z. B.
einer aus der Bitterschaft, der keine eigene Cent hatte, einen
Übelthäter oder auch einen persönlichen Feind an die Cent
brachte, um ihn richten zu lassen. Natürlich hatte sie dann
auch die Kosten zu tragen.
Da sämtliche Kosten der Brechtspflege Ton dem Cent-
bezirke aufgebracht werden muTsten, fiel durch dieselbe für
den Centherrn mancherlei ab, da ja alle Strafgelder ihm ge-
hörten. Für maochen wohlhabenden Verbrecher wurde die
verdiente Todestrafe in eine hohe Geldbufse verwandelt; den
Galgen zu zieren, gab es immer noch arme Teufel genug.
Das Sprichwort von den grofsen and kleinen Dieben hatte
damals seine Berechtigung ^). Wegen dieser Einträglichkeit
waren denn auch die fremdländischen Centherrschaften darauf
aus, nicht nur jedes Vergehen zu erfahren und zu strafen, sondern
auch die Kompetenzen ihrer Centen immer mehr zu erweitern.
Sache der lichtenbergischen Amtmänner war es nun, diesen
Bestrebungen gegenüber die Bechte ihres Landesherm zu
wahren. Die beiderseitigen Ämter standen deshalb immer
auf KriegafuDs zu einander, und zwischen den Begierungen
wurden darüber oft Verhandlungen gepflogen und Verträge
geschlossen. „So offt aber ein solcher Vergleich getroffen
worden, so viel hat man Eisenachisch-Lichtehbergischer Seits
dabey verlohren" (Erdmann 1764).
L Die Cent Mellriohstadt ^).
Im Jahre 1230 hatte Graf Otto von Bodenlauben Lichten-
berg und Hildenberg an das Stift Wiirzburg verkauft. Mit
1) Qui non habet aere luat corpore ; s. B. 1685 „ist Linhard
Wagner und Else Koch aus Klings wegen ihres stupri am Strick nach
Kaltennordheim geführet worden. Wagner hat sich mit 200 fl. Ton der
Strafe ledig gekauft, aber sie ist des Landes verwiesen worden'*.
2) Vgl. Müller, Der Bezirk MellrichsUdt, Würaburg 1879.
Das ehemalige Amt Lichtenberg vor der Rhön. 207
der „centa in Stmfheim", einer Zugehörung zii Hildenberg,
hatte Würzburg die Gerichtsbarkeit über den einstigen Baringau-
bezirk, jetzt also auch über das fuldaische Vordergericht
Lichtenberg erworben, welche sie auch bis in unser Jahr-
hundert ausgeübt hat. Ostheim, welches nicht fuldaisch
war, wurde zur Gent Mellrichstadt geschlagen.
In der hennebergi sehen Zeit des Amtes Lichtenberg (seit
1433) hatten 5 würzburgische und 9 hennebergi sehe (teils
schleusingische, teils römhildische) Schöffen den MellrichstSdter
Oentstuhi zu besetzen. Infolge der daraus entstehenden vielen
Streitigkeiten wurde 1528 das Centweistum aufgerichtet.
Als später die Amtmänner, welche der Bestimmung des
Weistums gemäfs alle bis auf den letzten, Grafen von Merso-
witz (1776), nur mit zwei Ausnahmen adlige und bochadlige
Männer waren, denen zuweilen mehrere Amtsbezirke auf ein-
mal anvertraut waren, nicht mehr die Burg zu Mellrichstadt
selbst bewohnten, sondern ihren Hauptaufenthalt auf ihren
Gütern oder in der Hauptstadt hatten, übernahmen die
„Amtskeller'* deren Funktionen noch mit und bezogen
auch die Burg. Die Amtskeller hatten eigentlich, den ,,Amt8*
Vögten" auf Lichtenberg entsprechend, nur die Einkünfte
des Amtes Mellrichstadt unter sich, welches nur aus würz-
bnrgischen Orten bestand: Mellrichstadt, Ostheim (bis 1433),
Oberstreu, Mittelstreu, Fricken hausen, Berkach und Wolfmanns-
hausen (zu denen von Henneberg 1586 Eufaenbausen und
Hendungen, vom Domkapitel Wtirzburg 1686 Stockheim hin-
zukam), während die Cent aufser den genannten Orten noch
die hennebergischen (später sächsischen) Stettlingen, Otten-
hausen, Hermannsfeld (diese drei 1275—1696 [XVI, 286 f.]),
Ostbeim und Sondheim im Grabfeld, und die ritterschaftlichen
Wilmars, Völkershausen, Bibra, Schwickershausen, Mühlfeld ^
I^ordheim im Grabfeld, Bahra und Bofsriet umfafste.
Jeder neue Centgraf im Würzburgischen hatte sich
dem Bischof persönlich vorzustellen und vor ihm knieend und
2 Finger der rechten Hand auf den Stab in des Bischof»
208 I>M ehemalige Amt Lichtenberg vor der RhSn.
Hand legend den Eid zn leisten, worauf er y^mit Stab und
Bann'' belehnt wurde.
Die 14 Schöffen wurden auf Lebenszeit gewählt, doch
konnte der Gentgraf, diejenigen, welche ihm nicht mehr taug-
lich schienen, zurückweisen. Nur die beiden Stockheimer
Schöffen wurden jährlich gewählt, und zwar die, „so in der
Beth am höchsten". An den Gerichtstagen safsen die Schöffen
in folgender Keihenfolge : 1. Bank (welche Ostheim zu stellen
hatte): Mittelstreu, Stookheim (2), Ostheim, Wilmars, Mühl-
feld, Hendungen; 2. Bank: Oberstreu (2), Sondheim (Grab-
ield), Sohwickershausen, Berkaoh, Bahra, Eufsen hausen. Keine
Schöffen brauchten zu stellen: Mellrichstadt, Frickenhausen,
Yölkershausen, Bibra, Nordheim (Grabfeld), Rofsriet und Wolf-
mannshausen. Wenn in Fällen der Uneinigkeit zwischen
Henneberg und Würzburg die hennebergischen Schöffen nicht
an der Gent erschienen, so sollten — nach dem Weistum —
auch die 6 würzburgischen für sich allein „mündig und
kündig'' sein und „einen schedlichen Mann vom Leben zum
Tode zu urtheilen wissen'^ Die Einkünfte der Schöffen waren
«ehr verschieden ; die beiden Stockheimer mufsten sogar um
1600 „aus eigenen Sekhdl atzen und zechen". Der Ost-
heimer Schöffe erhielt 1500 6 Mit. Hafer, 1600 5 fl., 1800
12 Vs fl. Der letzte Ostheimer Schöffe (1803) war Just Stapf.
Aus der Zahl der Schöffen wurden dem Kläger wie dem
Beklagten „Wortredner" bestellt, „die ihnen ihre Sach
und Nothdurft, so gut sie können, fürbringen". Wurde ein
Wortredner nicht aus dem Binge des Gerichts genommen, so
mulste er besonders vereidigt werden.
Wenn sich die Schöffen in ihrem Spruche nicht einigen
konnten, so hatten sie sich bei der Gent Neustadt a« S. „Rats
zu erholen".
Die Rügen wurden an der Gent Mellrichstadt nicht durch
die Schöffen, sondern durch die Gemeinde -Vierer vorge-
bracht. Diese erhielten nicht Jahresbezttge, sondern Diäten.
Den Gentschreiber- Dienst versah der jeweilige Stadt*
Schreiber, der zugleich auch Amtsschreiber und gewöhnlich.
Das •h€iiutli|^ Amt Liehtonberg Tor d«r RhSn. 209
«ach öffentlioher Notar war. AuiÜBer fesutehenden Bezügen
erhielt er 1 fl. für einen Bericht in peinlichen Halsgerichte-
«achen, 15 Pfg. bei einem gütlichen oder peinlichen Examen,
15 Pfg. Yon jedem Folterprotokoll, 1 Pfd. von jeder Zengen-
auBsage, 15 P^. ,,dem Gefangenen seine ürgicht wieder yor-
zulesen".
Der Gentbüttel (Landknecht) erhielt auTser seiner
Besoldnng yon jeder Meile Wegs, wenn er zum Gericht
heischte, yon jedem Geheischten einen Schilling, „aber welcher
in der Cent seBhaftig, und ihm einen Preyboten-Laib jährlich
giebt, dem soll er die erste Heyssung umsonst thun'S Aus
Ostheim erhielt er 93 Brotlaibe, auf je 8 Pfg. yeranschlagt.
Auch bekam er, ebenso wie der Oentgra^ „so oft daB Per-
aonen um malefitzischer Verwirckung willen gefenglich ein-
gezogen worden'', und, „da die miSthetigen Personen yom
Leben zum Tode gerichtet worden^', einen „Fanggulden''; flLr
jedes Examen, „es sei gleich peinlich oder gütlich'', 21 neue
Pfennige. In Ermangelung eines Nachrichters bei peinlichen
Fragen hatte er das „Aufziehen, Brennen, Zwicken, Schneiden"
etc. zu besorgen.
Der lichtenb. Amtmann brauchte diese Cent nicht zu
besnchen. Um etwaigen würzburgisohen Übergriffen recht-
zeitig begegnen zu können, stellte Henneb.-Schleusingen —
— zugleich Henneb.-Bömhild zu gute — zu jeder Verhandlung
eiaen „Horcher", der, sobald er etwas deigleichen bemerkte,
die hennebergischen Schöffen sofort heimschicken konnte.
Was die besondere Stellung Ostheims zur Gent be-
trifft, so ist heryorzuheben, dafs es, wie auch Stettlingen,
fiermannsfeld , Wilmars etc., keinen Fall an der Gent zu
rügen hatte, wenn es nicht gleichzeitig den Thäter („den
Dieb am Seil", wie es im Ostheimer Weistum heifst) ein-
Hefem konnte. Für Ergreifung und Einlieferung desselben
hatte die Gemeinde selbst zu sorgen (der Gentgraf durfte
nicht „einfallen"), ebenso dafür, dafs das geraubte oder ge-
stohlene Gut eingeliefert wurde, bei Strafe yon 10 Pfd.
Aufser den Schöffen und Vierern hatte durchaus kein Ost*
210 ^'^^ ehemalige Amt Lichtenberg vor der Rhön.
heimer Bürger an irgend einer Cent, auch nicht an der zu
MellriohBtadt, etwas zu schaffen, etwa eine Anzeige za
machen oder etwas zu bezeugen — das durfte nur beim
Amte Lichtenberg geschehen, welches mit der Cent schriftlich
darüber verhandelte. Daher liefs 1696 der Stadtschuitheifs
den Georg M enges, als er verlauten liefs, er sei vor 2 Jahren
nach Mellrichstadt gelaufen und habe Kaspar Amereln wegen
Dieberei angezeigt, y,für diesen großen Vorwitz gleich stehen-
den Fußes in das Qetängnis stecken, damit ins Künfftige kein
dergleichen praejudicium der Stad geschehen möge'*. Folgte
einer hinter der Obrigkeit Wissen einer Ladung als Zeuge
vor eine Cent, „so hat es seine geweiste weg''; zeigte er es
zuvor beim Amte an, „so ists ihm schont verbotten, denn
die Obrigkeit darf es nit nachgab" (8). Zum „Satz" am
peinlichen Halsgericht mufsten anfangs sämtliche Ortsnaohbam
mit Ausnahme der Alten, welche daheim bleiben und das
Dorf bewachen mufsten, erscheinen; später nur der vierte
Teil der Bürgerschaft Jährlich mufsten 6 Mit „Centhafer"
an die Cent geliefert werden, welchen die Dorfsmeister von
denen, welche die Gemeinde-Ellern ^) innehatten, einsammel-
ten, „und hat jeder Nachtbar 6 Acker in die 3 Flür'), und
gibt alle Jahr 2 Acker 1 Maß" (8).
Ob die adligen Höfe in Ostheim centfrei seien, war
1570 bei der Cent selbst zweifelhaft, „dann sich bey Menschen-
gedenken in gemelten Schlössern keine Centtälle zugetragen".
Nach Thon (Ganerben Verfassung) erstreckte sich zu seiner
Zeit das würzb. Centrecht auch auf diese „Freihöfe^'.
a) Petersgericht
Da die hennebergisohen Amtmänner durch den „Qorcher''
vertreten waren, konnte das Petersgericht regelmäfsig am
Dienstag nach Petri gehalten werden.
Nach der feierlichen Eröffnung des Gerichts durch den
1) Nicht mehr als Artland benutzte Grundstücke.
2) der Dreitelderwirtschaft
Dm ebemmlige Amt Lichtenberg vor der Bhdn. 211
Gentgrafen wurde das Weistum^) yerlesen, woraaf etwaige
an Stelle yerstorbener oder sonst abgängig gewordener Schöffen,
^) Es bt abgedruckt in Reinhards Beiträgen ete. (III, 164), inr
Grimms Weistilmern (111, 890) und in öchaltes' Histor. Schritten (195)
und entscheidet der Reihe nach über folgende Punkte: 1) Ceotherr ist
der Pörstbischof. 2) ihm stehen an der Cent alle möglichen Gebote und
und Verbote su. a) Der Amtmann mufs adlig sein. 4) Der Centgraf
kann alle 14 Tage, unter Umständen nach kürzerer oder längerer Frist
ein Centgericht halten ; der Landknecht erhält von jedem Centpflichtigen
jährlich einen „Freibotenlaib", und von einem Vorgeladenen lür jede Meile
Wegs 1 Schilling. 5) Uenneberg hat einen Horcher an der C«nt sitsen.
6) Unter den 14 ächöffen sind 6 wQrzbargische, die unter Umständen auch
allein su urteilen wissen mfissen. 7) „Item, wann einem SchÖpffeu an Gericht
verkUndt, und darzu gehen will, und kommt an Wasser, darüber er gehen
miiA, soll er nein gehen biB an die Knie, und sein Stab tfir sich setsen;,
ist dann das WaAer, daB ibme an die Knie gehet, so soll ein halb Meik
Wegs nauff und nah, und wieder biB an die Knie gehen und sein Stab
für sich seuen ; bedünckts ihme zu tieff, mag er heimgehen und hat ihme
niemauds darum zu btraffen*'. 8) Die obere Querbank hat die Centherr-
schaft, die untere Querbank Hendungen (dessen Schulz das Recht hatte,^
bei den Verbandlungen ohne Erlaubnis sich zu setzen oder aufzustehen)
und die lange Bank Ostheim zu stellen ; der Landknecht hat bei Reinigungs-
eiden gegen Vergütung die nötigen Heiligenbildsr beizuscba£fen ; für den
Dieb:»toek (Pranger) bat Queieuteld zu sorgen ; „wer eines Galgen bedarf,
der soll ihne schicken'*. 9) Das Amt hat das Recht, alle Mafse und Ge-
wichte in der Cent zu prüfen, wie auch 10) die Mühlen zu besichtigen
(WSW in der aus dem Fladunger Centweistume unter 11) ersichtlichen
Weise geschah). 1 1) Jeder Müller hat einen Beilwurt vom Schutzstege auf
und ab das Fischereirecht, auch wurden die Bescha£fenbeit der Wehre in
der Streu und Sulz und die Wässerungstermine bestimmt 12) In Fehde-
Zeiten hat das Landvolk Nachfolge zu leisten „biß sie Nacht und Nebel an-
treibt** ; sind die Herren dabei, soweit diese ziehen ; die Kircbhdte sind
diesen o£fen zu halten, dem Feinde zu verschliefsen. 13) betrifft Be-
schädigungen der LandstraPse und Waldfrevel. 14) Jeder Centpflicbtig»
kann sich durch seinen 12-jährigen Sohn beim Satze vertreten lassen»
wenn derselbe einen mit Ring und Stachel versehenen Stab trägt. 15) Di»
4 hohen Rügen müssen an die Cent gebracht werden ; „wo eine genoth-
xücht würdty so soll sie lauffeu mit gesträubten Hare und nasser Mauzen»
ihren Schleier an der Hand tragen, allermenniglich, wer ihr begegnet, um
UÜlffe anschreyen über dem Thäter. Schweigt sie aber difimal still, soll
sie hinfür auch stillschweigen*'. 16) Ein Verbrecher mufs innerhalb eine»
212 ^** ehemalige Amt Lichtenberg vor der Bhdn.
nengewählte durch die betreffenden OrtsschultheiÜBen dem
Gerichte yorgeetellt und durch den Oentgrafen vereidigt, wie
«uch die neuen Vierer yorgeBtellt und in Pflicht genommen
wurden, indem sie ihm an den Stab angeloben muij^ten,
,,da0 sie die Bilgen, wie von Alters herkommen, und so
oft sich eine bei ihnen zutrüge, zur Anzeige bringen
•wollten".
Auf diese Feierlichkeiten folgte dann das Petersmahl.
b) Oentgerichte.
Die Gentgerichte wurden stets Dienstags, anfänglich alle
14 Tage, dann monatlich, später nach Miser. Dom., Titas,
Kreuzes Erhöhung, Michaelis, Maria Opferung, Thomas und
Marift Lichtmefs, seit dem letzten Drittel des 16. Jahrhunderts
nur viermal, um die Mitte der Monate Mai, Juli, Oktober
und Januar gehalten, wie auch an den andern Genten um
-dieselbe Zeit die Yierzahl der Sitzungen eingeführt wurde.
Die Verhandlungen ^) wurden damit eröffnet, daCs der
Landknecht auf Befragen des Centgrafen versicherte, die
ISchöffen recht herbestellt zu haben, worauf dieselben nach
Verlesung ihrer Namen ihre Plätze einnahmen. Nachdem
^ann der Oentgraf im Namen der Dreifaltigkeit den Stab er-
hoben, richtete er an die einzelnen Schöffen seine Fragen,
auf welche er, bei ihrem Eid, folgende (kurz wiedergegebene)
Antworten erhielt. (Der Schöffe von) Mittelstreu: Wenn die
14 Schöffen beisammen sind, dann kann das Gericht be-
halben Tages nach seiner Ergreifung eingeliefert werden. 17) Ein Vor-
geladener kann nm Aafschub bis anf das übernächste Centgericht bitten,
aber 18) nicht, wenn sein Vergehen erwiesen ist. 19) Ein Fischer darf,
mit einem Folse im Wasser stehend, sich Ruten schneiden snr Aus-
besserung seiner Beuf«en. 20) Obige Bestimmungen sollen älteren Gerecht-
samen einselner Orte keinen Abbruch thnn (wie a. B. in Ostheim nur
4em lichtenb. Amtmann das Recht zustand, Mafae und Gewichte su prüfen
und die Mühlen su besichtigen. Auch war Ostheim nicht an „Reifi, Volge
«nd Kacheil" rerpflichtet).
1) AusfttbrUch bei Müller 1. c. S. 48 ff.
Das •hemalige Amt Lichtenberg ror der Bhdn. 213
^nnoD. Stockheim (1.): Et ist jeiEt aaoh die rechte Taget-
seit dazu. Hierauf hegt der Oentgraf das Gericht in ähn-
licher Weise, wie wir es später an der Fladanger Cent aus-
führlich hören werden, fragt weiter, und erhält folgende
Antworten: Stockheim (2.): Das Gericht ist in rechter Weise
^hegt. Ostheim: Einem jeden kann hier nun am Vor- wie
am Nachmittage sein Becht werden. Nun fragt der Centgraf,
wieder mit Mittelstreu beginnend, nach den Bügen aus den
einzelnen Orten, die Vierer bringen vor, was seit dem letzten
Bericht sich Bugbares bei ihnen begeben hat, und die Schöffen
bestimmen die Bafsen. Nach Verlesung des Protokolls fragt
<ler Landknecht nochmals laut, ob nichts mehr vorzubringen
und zu rügen sei, und der Bichter schliefst die Sitzung mit
den Worten: „Weil nun dießmals weiters keine Kläger sind
Torhanden, und ohne das die rechte Tagzeit ist, allbereit
wiederum aufzustehen, so lege ich meinen Bichterstab als
im Namen der hochgelobten heiligen Dreifaltigkeit, Gott
Tater, Sohn und heiliger Geist, und erlaube dem ganzen
loblichen Gericht wiederum aufzustehen im Namen Ihrer
fürstlichen Gnaden unsers gnädigsten Fürsten und Herm'^
Die „höchste BunBC**, bis zu welcher das Gericht er-
kennen konnte, war 20 gute oder 40 neue Pfund, und ge-
hörte dem Bischof ganz. Von der „gemeinen Bufse'* fiel in
bestimmten Fällen auch für den Centgraf etwas ab. Im
Falle einer „verschwiegenen Bug'' hatte jeder „Hausgenofs''
{Nachbar) der betr. Gemeinde die höchste Bufse zu zahlen.
Die auf das Schimpfwort „Dieb'' gesetzte Strafe betrug 10 Pfd.,
:„Lüguer" oder „Schelm" kostete 6 fl.. Beulen und „Blau-
möliler'' kamen auf 6 Pfd., „Blutrüste" auf 8 fl. 3 gr. 6 Pf.
.zu stehen. Ein Frevel „über Bain und Stein" wurde mit
10 guten Pfd. bestraft Das Wegbleiben oder Zuspätkommen
2um Gericht hatten die Schöffen, Kläger etc. mit 2^/, Pfd.
^u büfsen. — Gefundene Sachen wurden nicht dem Verlierer,
«ondem ebenso wie herrenlose dem Centgrafen und Land-
knecht zugestellt; goldene, silberne und eiserne aber verfielen
dem Centherrn.
214 ^^ ehemalige Amt Lichtenberg vor der Rhön.
c) Halsgerichte«
Die Ostheimer Vierer brauchten kein Vergehen oder
Verbrechen an der Cent zu rügen, wenn sie nicht sugleich»
den Thäter mit einliefern konnten. War aber ein »yMifs-
händler'* ergriffen, so mufste der ,yDieb am Seil'' eingeliefert
werden ,yin die Eellerej an die dritte Sprafsel der leitter
am Dormh". Ein „liegender Mordf' wurde geliefert y^auTsea
Yor der Stadt bey der Gent, undt nicht weitters; wollen sia
dene nit annehmen, so hat man das Kecht, den entleibten
doselbst hin zu legen und davon za gehen'' (S). War die
Leiche besichtigt und das Leibzeichen genommen, so durften
die Angehörigen an dieser Cent die Leiche mitnehmen und
daheim beerdigen. Auch die Leichen Verunglückter wurden^
um ja nichts zu versäumen, von den Ostheimern, obgleich
sie thatsächlich nicht dazu verpflichtet waren, an die Cent
geliefert, woraus diese dann dem Amte gegenüber ein Recht
machte. Das Kirchenbuch von Sondheim a. d. Rhön berichtet
verschiedene Fälle, in denen Sondheimer Leute in Ostheimer
Flur verunglückten, und die Leichen derselben auf dem Um-
wege über die Mellrichstädter Cent nach Sondheim gefahrea
wurden.
Wie „Atz und Kosten" eines üntersuchungsgefangeneni
zu bestreiten seien, darüber bestand in den verschiedenen*
Ort-en verschiedenes Herkommen. In Bahra und Ostheink
hatten, wenn das Vermögen des Beschuldigten nicht aus-
reichte, die Gemeinden einzustehen, in Hendungen der Klä-
ger, „so ihn einbringt", anderswo nur die Gemeinde. Der
Centbüttel bekam dafür, dafs er ihn „in leidentlicher Gefäng-
nus" hielt und ihm täglich „1 Maß gemains Weins, 2 Pfd^
Brods, 1 Pfd. Fleisch und Gemüß" reichte, 1 Pfd. neu Geld
pro Tag, während zu Gefängnis Verurteilte „in härterer Ge-
tängnis zu halten und blos mit Wasser und Brod zu tränkea
und zu speisen" waren.
War in einem peinlichen Rechts falle vom.
Würzburger „Malefizamte" die Entscheidung gefällt und da»
Todesurteil ausgesprochen, so wurde der Tag der Hinrichtung:
Dm ehemalige Amt Lichtenberg Tor der Rhön. 215
bestimmt, die Schöffen und der Satz bei früher Tageeceit zu
«erscheinen geheischt. Die Verhandlungen des peiolichen Hals-
gerichts fonden vor der Stadt rechts von der Strafse nach
Meiningen statt, auf dem Platze, wo jetzt die Yiehmärkte
abgehalten werden.
Müller (a. a. 0. 8. 62 ff.) bringt Wort für Wort eine
peinliche YerhandluDg, wie sie am Donnerstag nach Pfingsten
1675 über die Hinrichtung des Jörg Koser aus Wülfershausen
stattgefunden hat, der verschiedener Diebstähle in Hendungen
und anderen Orten überfahrt war. £s war in der Zeit, als
die hennebergisohen Schöffen wegen Uneinigkeit der Herr-
•chaften jahrzehntelang nicht an der Cent erschienen ; Ost-
heim war also nicht beteiligt. Es gentige daher, den Gang
der Verhandlung kurz anzugeben.
Der fürstlich bestellte Ankläger bittet den Bichter, ein
Bohöffenurteil zu veranlassen, wie zu „geparen" sei, daüs
tier Thäter vor das Halsgericht komme. Wie diese, lässt er
nun den Eichter auch die folgenden Fragen an die Schöffen
stellen; diese bitten bei einigen derselben um Erlaubnis,
ihren „Abtritt zu nehmen'' und „in Bedenken zu gehen*'
— obgleich sie doch längst wissen, was sie zu antworten
haben — und so erfährt man denn nach und nach, dafs der
TThäter aus dem Gefängnis zu thun sei; dafs das der Land*
knecht zu besorgen habe; dafs derselbe nötigenfalls den Vogt,
den Oentgraf und das Landvolk um Beistand ansprechen
solle; er habe ihn dem Scharfrichter zu überantworten, und
zwar vor dem Gefängnis, und dann sei der arme Sünder in
den Stock zu führen.
Jetzt gehen der Landknecht und der Scharfrichter ab,
um ihre Aufträge auszuführen. Hierauf „urteilt" ein Schöffe,
man müsse den Uebelthäter „besehen, ob er im Stockhaus
sitzt wie ein Uebelthäter", und der nächste, das hätten
"2 Schöffen zu thun, und zwar der zuerst- und der zuletzt-
sitzende, welche denn auch abgeschickt werden.
Die folgenden Urteile bestimmen, dafs der arme Sünder
•dreimal zu beschreien sei; das habe das Peinlein zu thun;
216 I^ ehemalige Amt Lichtenberg Yor der RhSn.
es habe zu getohehea das erste Mal im Stock, das andere
Mal oberm Bathaus, das dritte Mal zwischen den Thoren^
nun sei er Tor Gericht zu fähren.
Nachdem dies geschehen, wird weiter genrieilt, dals er
3 Schritte Tom Gericht stehen soll; diese habe der Land-
knecht abzumessen.
Nun wird dem Delinquenten noch einmal die Anklage
und seine ürgicht Torgelesen, und nachdem er sich noch
einmal zu derselben bekannt, beginnen nun die peinlichen
Urteil e, deren jedes Ton einem andern Schö£fen in der be-
stimmten Reihe auf des Bichters besondere Frage abge-
geben wird.
Der 1. Schöffe spricht dem Sünder ,,alles das gut Land»
recht, das ein Biedermann haben soll", ab; der 2. „theilf^
seine Frau zu einer wissentlichen Witten, der 8. die Kinder
zu wissentlichen Waisen; der 4. spricht den Kindern das
Eigen, der 5. den Herren das Lehen ^) zu; der 6. nimmt ihm
das Becht auf Kirchen und Klausen, der 7. auf „alle seine
Pflugsgewehr, die ein frommer Mann haben soll"; der 8.
spricht ihm Weg und Steg, der 9. alle Gemeinschaft der
Christenheit, der 10. Mühle und Backhaus und alle seine
Gerechtigkeit, die ein solcher Mann haben soll, und der 11.
„Wald und Waag" ab; der 12. „theilt" ihn dem Vogel in
der Luft und dem Fisch im Bach frei, und der 13. urteilt^
dafs man ihn hinführen solle, da man andere Übelthäter
pflegt hinzuführen. Ehe der 14. seine Antwort giebt, bittet
er um Erlaubnis, mit seinen Eidsbrüdem einen Abtritt nehmen
zu dürfen, und nachdem er sich mit ihnen „des Halsurtheils
berathen'S giebt er auf die abermalige Frage des Bichters
das „Endurteil" ab: „Also haben michs meine Männer gelehrt^
sprichs auch selbst mit ihnen zurecht, da£ der Übelthäter, so
gegenwärtig vor diesem Gericht stehet, der Übelthat halben,
so er mit Stehlen geübt hat^ Andern zum Exempel, ihm aber
1) Grund- oder Haiubesits war in den leltensten PftUen freiet Eigen-
tum der Centpflichtigen.
Das ehtnuüige Amt Lichtenbarg yor dar RhSn. 21 T
SU wohlyerdienter Straf hinaus geführt, an den hellen lichten
Oalgen an^ehenokt, mit dem Strang und der Kette vom
Leben zum Tod hingerichtet werden soll. Wann das ge-^
schiehty so hat er sein Recht erstanden und ist dem Becht
und XJrtheil ein Genügen geschehen.'*
War eine Verhandlung soweit gediehen, so wiederholte
der Centgrafy den weilsen Stab in der weirbbehandsohuhten
Hand, das Todesurteil und fügte hiniu: „Im Namen und
von wegen des Hochwirdigsten Meines gnedigsten Fürsten
und Herrn zu Würiburg etc. befiehl ich jetzo dem Scharpf-
richter und gebiete ihm auf sein Eid, das abgelesene ürtheil
mit guter Gewahrsam zu vollliehen; und thue ebenmäBig^.
dem ganzen Umstand andeuten, daß Keiner bei Strafe Leibs
und Guts dem Nachrichter yerhinderlich sein solle; auch ob
ihm miElünge, nit Hand anzulegen, und befiel bie Seel Gott
dem AUmechtigen und Barmherzigen.'^ Hierauf zerbrach er
den Stab und warf ihn dem Verurteilten vor die Füfse, wor-
auf man nach dem Bichtplatze, dem jetzigen Turnplatze vor
der Stadt, aufbrach. Nach der Hinrichtung fragte der Henker
den Richter, ob er recht gerichtet habe, worauf dieser er-
widerte, „so er recht gerichtet habe, wie ürtheil und Recht
geben, so laß ers dabei bleiben". ^
Die Gesamtkosten einer Hinrichtung betrugen um
diese Zeit gegen 46 fi., wovon ein guter Teil auf die darauf
folgende „ziemliche'' Mahlzeit der Gerichtspersonen kam.
Der Galgen bestand aus 3 aufrechten, oben durch Quer»
hölzer verbundenen Balken; sie standen auf einem steinernen
Unterbau, der von einer ziegelbedeckten Umfassungsmauer
gekrönt war. Die mit Weilsblech beschlagenen Balken waren
6 Fuls voneinander entfernt; die Höhe des Galgens betrug
20 Fufs. — Nachdem 1674 der 1500 erbaute Galgen ver-
fallen war, wurde auf Befehl des Bischofs Julius ein neuer
erbaut Das vom Stadtrate angewiesene „Galgenholz" wurde
von 13 Müllern auf den Richtplatz gefahren, am 13. Mai
von sämtlichen Zimmerleuten des Oentbezirks behauen und
am folgenden Tage unter Beihilfe von 54 Männern (je 6 aua
218 ^<^ ebemalige Amt Lichtenberg vor der Rhön.
jedem Centorte mit Ausnahme von Ostheim, Heodungen und
Soodheim) aufgerichtet Die Arbeitsleute zogen jedesmal mit
einem Pfeifer und einem Trommler zum und vom Richt-
platze. Die Kosten, welche der Bischof als Centherr trug»
betrugen 98 fl. 4 Pfd. 10 Pfg. — Im Jahre 1595 wurde
^er Galgen mit einem Kostenaufwande von 103 fl. frk.
Testauriert — Am 2. April 1664 erging auf eine bezügliche
Frage des Oentgrafen der Bescheid, das eingegangene Hoch-
gericht unverzüglich wieder notdürftig reparieren und ver-
bessern zu lassen. Daraufhin wurde am 7. und 8. April
unter den alten Formalitäten der letzte Oalgen der Gent auf-
gerichtet, und am 26. April auf Befehl des Malefizamtes ein
unverbesserlicher Dieb, Köth aus Hausen bei Kissingeft („von
den 8ämmtlichen Geotgerichts Schöpffen zum Strang „condenh
niref% daran gehängt.
Lieds eine auswärtige Herrschaft einen Übel-
thäter an einer würzburg. Gent richten , so galten nach
Bischof Julius' Verordnung von 1585 aufser 10 Batzen Diäten
für den Nachrichter und 16 für seinen Knecht folgende
Preise für des ersteren „Arbeiten": Für eine gütliche Frage
1 Ort (*/^ fl.), für eine peinliche, „die Person werde gleich
1, 2 oder 3mal autgezogen", ^/^ f..; für Leibesstrafen, als
Augenausstechen, Zungen- oder Ohrenabschneiden, Löcher an
die Stirn und durch die Backen brennen, Hand- oder Finger-
abhauen, Kutenausstreichen etc. ^j^ ^i eine Person mit dem
lätrange, Schwert oder Wasser zu richten, 8 fl. ; für das Vier-
teilen, Verbrennen, „Spissen", Lebendigbegraben und Pfählen,
„weilen Er zu solchem mehr Arbeit brauchen muB", 4 fl.
u. s. w.
d) Streit- und Oentfälle.
Im Jahre 1516 verbot Graf Wilhelm v. Henneberg seinen
Unterthanen, an der Gent zu erscheinen, da er „etliche Büge,
so der Gentgraf von Meilerstat wider die Gemeinde zu Her-
mdnnsfeld fttrgenommen, für beschwerlich und unbillich an-
gezogen hat*^. Deshalb ruhte bis auf weiteres alle Rechtspflege ;
Das ehemalige Amt Lichtenberg vor der Bh5n. 219
«Tst 1520 besuchten infolge eines nenen Vertrags die Schöffen
<3ie Cent wieder. — 1522 vergleichen sich Bischof Eonrad
und Graf Wilhelm dahin, dafs die BuCien und die jährlich
am Peteregerichtstage von den Dörfern zu gebenden Satzungen
an Geld, Holz, Hühnern, Heu und Hafer in 8 Teile gehen
sollen, */3 an Würzburg, */g an den Centgrafen, ^/g an den
henneb. Horcher (Wm). — 1523 wurde das Weistum auf-
l^erichtet — 1636 war Heintz Simon von Eusenhausen vor
•die Cent gefordert worden, weil er einen Mellrichstädter
Bürger eines Korndiebstahls bezichtigt hatte. Graf Wilhelm
protestierte jedoch gegen die Citation in einem Schreiben vom
Tage Viti, da dieses Vergehen nicht vor die Cent, sondern vor
«ein Gericht gehöre; auch habe er den Förster Beihart von
Henneberg verordnet, jenen Simon von der Cent abzufordern
und gegen dergleichen Vorgehen zu protestieren. Die Sache
kam vor das kaiserL Xammergericht zu Speier, und es ver-
ging eine Eeihe von Jahren, ehe der Streit zum Austrag
kam. Unter dem 24. Mai 1540 liefs Kaiser Karl V. ein
allgemeines Mandat ergehen, dafs jeder Schöffe im Würz-
burgischen, der für sich selbst oder aus Befehl seiner Herr-
schaft seine Cent nicht besuche, bei einer Fön von 4 Mark
lötigen Goldes (halb dem Fürsten, halb dem Beiche) zu seiner
Pflicht anzuhalten sei, und dafs die Gemeinden an Stelle der
bisherigen Schöffen andere ehrbare, unverleumdete Männer zu
Schöffen verordnen sollten bei derselben Fön; sonst möge der
Bischof die fehlenden Schöffen aus seinen Orten ergänzen.
Schon 1536 hatte der Bischof den Centstuhl mit 5 Schöffen
aus Oberstreu, 4 aus Mittelstreu, 3 aus Wolfmannshausen
und 2 aus Stockheim besetzt — 1542 hiels der henneb.
Horcher, Zitterich aus Sülzfeld, die henneb. Schöffen auf-
stehen und die Cent verlassen. Nach einer Notiz von 1588
(8) hätte „sider der Zeit kein henberger schopff aldo gesessen,
denn was sieder der Cents vergleichung Sachgßen und wirtz-
bürgk geschehenn ist'^ Nach dem Aussterben des Hauses
Henneberg waren nämlich durch Verträge zwischen beiden
Herrschaften 1585 zu Schweinfurt und 1586 zu Schleusingen
XVII. 15
220 ^'^ ehemalige Amt Lichtenberg vor der Rhdn.
die Differenzen auBgeglichea worden. In dem letzgenannten
Vertrage war auch bestimmt worden, dafs 1596 Hermannsfeld
und Stettlingen mit Ottenhausen zur Cent Meiniogen, Franken-
heim und Birx zur Cent Fladungen geschlagen werden sollten.
Inzwischen hatten aber auch in der Zeit der Zwietracht alle
in den hennebergischen Orten yorgekommenen Centfalle an
der nur von würzburgischen Schöffen besetzten Cent Mellrich-
stadt gerügt werden müssen.
Nachstehend folgen einige Ostheim betreffende C ent-
falle aus dem die Zeit von 1500 — 1789 umfassenden Cent-
protokolle (nach Müller a. a. 0.), andere aus dem Kirchen-
buche und aus dem Schlufsprotokoll zu Ostheim.
1558 antworteten die Ostheimer Vierer den entleibten
Hans Schneider auf die Cent, „den Michel Ewert yon Fricken-
hausen entleibt haben soll*^
1564 brachten die Vierer die Leiche eines neunjährigen
Kindes zur Cent, „welches in ein Messer gelaufen und alsa
verwundet, daüs es darunter gestorben".
1569 antworteten die Vierer die Leiche des von Lorens
Trost von Nordheim y. d. Bhön erschlagenen Hanß Buchner
auf die Cent; solche wurde von den Schöffen besichtigt und
gefunden, „daß er durch diesen Schlag erschlagen worden;,
solches hab Merten Urban, der damals am Thore gehütet hat,,
gesehen".
1572 ist Klaus Schnepf, ein lediger Geselle, zu Ostheim
auf der Gasse zu Fastnacht nachts tot gefunden, auf die Cent
gefahren und durch die Schöffen besichtigt, aber „kein mörd-
lioher Schad" an ihm erkannt und gefunden worden, „dann
allein die Nase habe ihm geschweist und sey aber sein ganzer
Leib blau gewest". Am Freitag nach Judica wurde über
Hans Heim, einen ledigen Gesellen aus Ostheim, ,,80 den
Schnepf im Dorfe daselbsten mit einem Fleischtremmel zu
todt geschlagen", das Halsgericht gehalten, in welchem der
Schöffe yon Wolfmannshausen das Endurteil yerkündigte :
„Der scharpff Bichter soll Inn mit dem schwort cum todt
Das ehemalige Amt Lichtenberg vor der Rhön. 221
richten zwischen hiemel und erden, und Ime yerbieten, das
ers nit mehr thae^'.
Am 5. April desselben Jahres zeigten die Ostheimer
Vierer an, y,daß Letz Schmidt, ihr Mitnachbauer, eine Zeitlang
an der jetzt regierenden Krankheit gelegen und sich am vor*
hergehenden Tage zur Zeit, als der Hirt ausgetrieben, mit
einem Schnitzer ermordt und entleibt habe".
1573 zeigten die Vierer an, „daß sich Magdalene, Easpar
Marckerts Weib, in dessen Scheuer an einer ZaBspindel Garn
oben an eine Leiter selbst gehenkt und getötet habe".
1574 wurde der am Rauenstein (aufserhalb des cent-
freien Territoriums um das Sohlofs her) durch Blitzschlag
erfolgte Tod des Amtschreibers von Lichtenberg durch die
Vierer angezeigt (s. S. 194).
1599 wurde im Vertrage zu Trappstadt festgesetzt, dafs
Ostheim, Schwikershausen und Sondheim (im Grabf.) wieder
einen Schöffen, aber nicht einen Beisassen zur Cent zu
schicken verbunden seien.
1607 auf dem Ostheimer Palmarum-Markt wurden die
Junker Easpar Bapp von Hausen (s. III., Sondheim) und
Johann Drott von Henneberg ^) uneins und forderten einander
vor dem Thore zum Zweikampf heraus, wobei der Rapp den
Drott erstochen.
1617 weigerten sich Schwickershausen und Sondheim
(im Grabf.) abermals, ihre Schöffen zur Cent zu schicken;
als aber unter Hinweis auf Eaiser Earls V. Mandat von 1540
der Befehl erging, „daß man die (Henneb.-)Römhilder als
Ungehorsame bey 4 Mark lötigs Golds zum Gehorsam eitiren
solle", haben beide Schöffen sich „wieder gehorsamlich ein-
gestellt''.
1618 stach zu Ostheim David Schmidt 3 Wochen nach
seiner Hochzeit seinen Schwager, mit dem er sich schon vor
der Hochzeit oft „geunwilliget'', mit einem Brotmesser in die
1) Im ▼. Trottseben Hause sa Henneberg war 1583 der leiste Heone-
berger, Georg Ernst, gestorben.
15*
222 ^'^ ehemalige Amt LIchteDberg vor der Bbdn.
Seite, dafs er nach 14 Tagen starb. y,Solche gesellen mögte
man wol mit eysernen mthen zu Land ausstreichen und mit
Galgen und Bad ihnen den Lohn geben. Wie er dan alsdann
seinen Lohn bekommen , indem ihm zu Eisenach der kopff
abgeschlahen worden'' (Kirchbch.). Er war wohl dort auf
der Flucht ergriffen worden.
1629 wurde der zum Feuertode verurteilte, aber auf sein
Bitten vom Bischof zum Schwert begnadigte Martin Mufs-
macher aus Ostheim enthauptet. Er hatte einem Falschmünzer
aus Schwarzhausen Zinn geliefert und dessen Fabrikate (Frank-
furter, Nürnberger und Bremer Thaler) vertrieben.
1681 den 3. Nov. hatte Martin Stimer von Wilmars
(nach S aus Helmershausen), der auf der Heimreise von der
Würzb. "Weinlese mit seiner Frau in Ostheim eingekehrt war
und ,|Sich allhier vollgesoffen", am Burgwege beim Nikols-
garten, wo noch jetzt ein steinernes Kreuz an die That er-
innert, seine hochschwangere Frau mit einem Brotmesser
„gantz toller weis im Bauch gestochen'^, dafs sie am folgenden
Tage starb. Die Mellrichstädter Gentherren (Amtmann Lukaa
V. d. Tann, Schwager des lichtenb. Amtmanns, und Amtskeller
Fuchs) wollten aber weder die Leiche noch den Mörder an-
nehmen, da das würzb. Malefizamt zur Zeit nicht bestellt sei
— etwa 6 Wochen vorher waren die Schweden im Mellrich-
städter Amte eingefallen. „Ihre Königl. Mayest. zu Schweden
hatte das Stifft Würtzburg und gantz Franckenland einge-
nommen, da dann die meinsten beambten, und der Bischoff
mit seinen vornembsten Herren selbsten ausgerissen'', und über-
ließen es der sächsischen Eegierung, mit dem Übelthäter
nach Gefallen zu verfahren. Von der fürstl. Regierung zu
Eisenach wurde deshalb „nach einem ührtel nacher Goburgk
geschickt''; dieses lautete auf Enthauptung. Nun wurde am
20. Dezember in Ostheim „vor der öbem Bats Stigen''^)
peinliches Halsgericht gehalten. Als Bichter fungierte der
1) Damals fflhrten noch aursen am Bathanse von beiden Seiten
Treppen nach der über dem Durchgänge gelegenen Batsstabe.
Dm •henudige Amt Lichtenberg vor der Rbön. 223
Oentgraf aus Ealtensundheim, YaleDtin Gumpert, als GeriohtB-
Bchreiber der dortige , Hans Jörg Firnhaber, als Schöffen 5
Ostheimer Bürger. Nach den üblichen Formalitäten ist der
arme Sünder y,ein wenig nüber nach dem Genßwasser ^) ge-
führt und aldar endhauptet worden ; liegen beede unten uffm
Gotts Acker begraben. Gott yerleyh ihnen eine frölche Auf-
erstehung. Amen''. Die Exekution Tollzog Meister Heinrich
von DreiXsigacker mit seinem Sohne; ersterer erhielt 20 , dieser
1 Thlr. Sämtliche Kosten mulste das Amt (d. h. der Amts»
besirk) tragen.
Auch nachdem Hersog Bernhard Ton Weimar von der
Krone Sehweden mit dem Herzogtum Franken (dem würzb»
Stiftslande) belehnt, und sein Centgericht Mellrichstadt wieder
bestellt war (Amtmann wurde Job. Kaspar y. Bibra, Cent-
graf Konst. Freund), erschienen Ostheim und Wilmars nicht
auf der Cent, da sie unter des Herzogs Autorität ein eignes
Gericht haben wollten. Erst nachdem infolge der Nördlinger
Schlacht der Bischof wieder Besitz von seinem Lande er-
griffen — mit Behagen wird nun eine Verordnung des
schwedischen Centgrafen durchstrichen mit der ,,Nota: Ist
null und nichtig, der König yon Schweden hat kein Beoht
im Komischen Reich zuesuchen'' — nahmen sie yom 6. Mars
1635 an ihre Plätze im Centstuhl wieder ein. Bis zum Aus-
gange des Kriegs war natürlich an eine regelmäfsige Rechts-
pflege nicht zu denken, da bei dem unaufhörlichen Plündern,
Morden, Brennen und Schänden seitens der Soldaten auch
Fälle der 4 hohen Rügen unter den „Centyerwandten" kaum
noch in Betracht kamen. Im Jahre 1660 am 22. Juli wurde
zum ersten Male wieder Centgericht am Centstuhl — aufser*
halb der Stadt — gehalten.
1663 wurde zu Kaltensundheim eine Ostheimer Hexe,
Margarete Diemar, enthauptet und yerbrannt. Weil Ostheim
diesen Fall nicht an der Cent Mellrichstadt gerügt hatte,
wurde jeder eingesessene Centyerwandte um die höchste Bufse^
1) Es war damals nocb nicht eingefafst; dies geschah 1688.
224 ^^ ehemalige Amt Lichtenberg vor der Rböo.
20 Pfd., gestraft; die ganze Strafsumme betrug über 8000 Gul-
den frk.
1674 liefsen sich auf dem Ostheimer Este mihi -Markte
Beutel schneid er und Diebe vermerken; die Summe der an-
gezeigten Verluste betrug gegen 60 Thaler. Da brachten 2
Nordheimer einen Fremden, anscheinend Franzosen oder
Italiener, der sich dann aber als ein nach Frankfurt reisender
-V
jüdischer „Tubackspinter" Marx Levi aus Prag auswies, ge-
schleppt, von ihnen „wol im Eoth rumb gewelzt und übel
zerschlagen'*, und beschuldigten ihn, einem von ihnen den
Beutel aus der Tasche gestohlen zu haben. Alles lief zu-
sammen^ jeder Geschädigte beschuldigte ihn, er aber „lugen-
strafPte'* sie alle. Man holte den Amtmann aufs Rathaus ;
der examinierte ihn scharf und liefs ihn „seine Hosensäck
reümen und außfegen, hatte deren 5 und thete alles herauB,
was er hatte, da war es 3 fl. 12 ßr., thete die Hosen runder
und entblöste sich halt gar", es fand sich jedoch nichts. Am
anderen Tage wurde die Sache dem Keller Freisleben zu
Mellrichstadt, welcher mit dem Gentschreiber Zeuge des Auf-
laufs gewesen war, berichtet, „nicht auß sohültigkeit, sondern
nur den argwöhn zu benehmen, zumahlen die Jahrmärckte wie
an andern orden ihre freyheit haben'*, „ist also die abferdi-
gung nur auß guther nachtbarschafPt, und nitt auß sohültigkeit
beschehen". Der Keller aber liefs dem Amt und Stadtrat
seinen Dank vermelden, „das man ihm dißfalß solche ehre
anthun wollen, und (hat) sich also herausgelaßen : weil der
Jud kein gelt hette, so wehre seiner Fr. Herrschafft
mit ihm nitt gedient; man soll den schelm oder dieb hin-
laufiPen laßen, wo er hergelauffen''. Da liefs man den Ver-
hafteten, nachdem man „einen Juden Ejd mit weitleuftigen
inhalt gestellt", „mit aufgehobenen Fingern" (!) schwören,
an der Stadt keine Bache üben zu wollen, und liefs ihn
laufen. Von seinem Gelde erhielt er aber nur einen Thaler
und etliche „Schillinger" wieder; das übrige behielt man für
gehabte Mühe und Gänge zurück. Wer hatte ihn auch in
Verdacht kommen heifsen?
Das ehemalige Amt Lichtenberg vor der Rhön. 225
1678 klagt AmtmanD Heher in seinen y,Additi(males*'
zur Amtsbeschreibung von 1643 (0) über yerschiedene Über-
griffe und üngesetzliohkeiten der Cent MellrichBtadt. Ein-
mal heifse es zwar: „ein Dieb am sträng, und also der das
leben verwürckt; allein seindt aus Versehen yihl Jahr her
auch geringe Dieb dahin gelivert worden, welche gantz nichts
würdige sachen gestohlen" ^). Lichtenberg könne iudes auch
einige Fälle von Bestrafung solcher geringen Diebstähle auf-
weisen, Bodafs es „bis zu einiger conferenz in der possession
verbleiben mögte". Ferner sei „bis anhero res furtiva, zu-
gleich mit dem Dieb, dahin gelivert worden, 1. zum großen
prcBJudiz des eigentl. Herrn, als welcher, weilen er seine sach
doch nicht wieder bekomen sol, stilgeschwiegen, wordurch die
deUcta impunita verbleiben; 2. meldet das Peter Weis-
thumb kein Wort, ist auch wider die klare Beichs Constit
und andere Rechte bevoraus". Endlich wolle Würzburg „in
jpo. Homicidij auch die ungefehre todesfälle, als, wann einer
durch Verunglückung erseufft oder sich zu tode fält, vor die
Cent gezogen haben, da doch dieses proprie kein homicidium;
ob nun wohl dergleichen Acta auch disorths vormahligen
versehen, die Centh Mellerstadt auch einige Actus vor sich
zu (Hlegiren, so hatt man doch Amts Lichtenberg wegen
contrfir. Actus vor sich, auch sich bisanhero in der pos-
session der nicht liverung gehalten''.
Dieser und vieler anderer (auch politischer) Streitigkeiten
wegen wurden nun 1678 zu Meiningen und 1686 zu Neu-
stadt a. S. zwischen Sachsen und Würzburg Verhandlungen
gepflogen und Verträge geschlossen.
Im Meininger Vertrage wurde unserer Cent wegen
nur bestimmt, dafs aufser den 4 hohen Eugen alles, was
nach Karls V. peinlicher Halsgerichtsordnung durch den
Nachrichter abzustrafen sei, „an die Centh Mellrichstadt ge-
1) In der Amtsheschr. von 1643 heifst es freilich, dafs ein auf
frischer That ergriffener Dieb an die Cent geliefert werden müsse, „wann
er auch gleich nur eines groschens werth gestolen hette*^
226 ^^ ehemalige Amt Lichtenberg vor der Rhön.
rugety doselbsten abgestrafft, und führohin Kein mäleficant
von der Voigtey (Lichtenberg) aus der Centh geführt werden
soll".
Im Neustädter Vertrage wurde dieses Überein-
kommen bestätigt und noch hinzugefügt, dafs Ostheim zwar
nur die 4 hohen Fälle zu rügen schuldig sei, ,ywiewohln aber
der Gent gleichwohl unbenommen seyn solle, auf fürkommende
indida uf obige (durch den Nachrichter zu strafende) De--
licta in loco ipso zu inquiriren, die Unterthanen darüber
auch (nach § 4 des Trappstädter Vertrags) schuldig seyn»
dem Centgrafen an Hand zugehen und Kundschaft zu geben»
Wann aber von nöthen seyn würde, Zeugen aus Ostheim
Jurato zuhören, sollen dieselben von dem Würtzburg. Gent-
grafen citirt und in loco Judicij zu Mellrichstadt (es weren
denn die Zeugen alters undt unvermögenheit halber dahin
nicht zu bringen) die legäliBche Yerhörung vorgenommen
werden, Inmaßen dann nicht weniger mit der Execution der
Gentstraff, Bügen und Gentkosten in loco ipso allerdings wie
in den 4 Dorfschafften Sundheim, Urspringen, Stetten und
Melpers gehalten uod observvret werden", d. h. wenn Amt
Lichtenberg die angemeldeten Strafen und Kosten nicht binnen
4 Wochen eingezogen und nach Mellrichstadt abgeliefert hatte,
konnte nun der Gentgraf in Ostheim „einfallen'' und sie mit
Gewalt eintreiben, während er zur Ergreifung eines Verbrechers
ohne vorherige Meldung an das Amt, entgegen dem bis-
herigen Rechte, einfallen konnte. Auch das Gitationsrecht
war der Gent zugestanden worden. Yergl. Erdmanns Bemer*
kung S. 206.
1709 wurde Martin Massengeil aus Ostheim über dem
Ausgeben falschen Geldes in Eisenach ergriffen; in seinem
Hause wurden Münzinstrumente gefunden. Diese, und einen
mitschuldigen Petschierstecher (ein Dritter war entwichen)
lieferte die Gent, nachdem sie ihn in Mellrichstadt ad examen
gezogen, „aus bloßer nachbarlichen Freundschaft und zu Be-
förderung der heilsamen Justitz", ohne präjudizierliche Folgen^
gegen Eevers an Eisenach aus.
Das ehemalige Amt Lichtenberg vor der Rhön. 227
1713 am 14. Oktober hatte der „adel. bestellte Exor
iikinater am neuen Thor^S Enpredit, den 44 Jahre alten
Stephan Frennd mit seinem Holz wagen am Thore angehalten^
ihm ein Scheit abgefordert und ihn, nachdem er es ihm nach
einigem Widerstreben gegeben, durch den Leib — wie sich
bei der Besichtigung durch die Mellrichstädter „Zehnt schafften'^
herausstellte, durch Lunge und Leber — geschossen, sodals
er tot niederstürzte. Am 8. Febr. 1713 wurde Euprecht in
Mellrichstadt enthauptet.
1789 wurde Eva Sabine Trabertin von Ostheim in Mell-
richstadt enthauptet; worin ihr Yerbrechen bestanden, ist
nicht angegeben.
1761 hatte in Helmershausen eine Diebsbande bei nächt-
licher Weile einen Kramladen ausgeräumt Einer der „Jauner'V
„Schlumperjäckle", wurde auf dem Nikolaimarkt in Ostheim
erwischt und an die Cent Kaltensundheim geliefert. Dagegen
erhob die Cent Mellrichstadt energisch Einspruch, und so
wurde er zwar ad locutn unde (Ostheim) zurücktransportiert^
gegen die Zumutung aber, Ostheim habe ihn an die Cent
zu schaffen, vom Amte Lichtenberg entschieden protestiert.
Endlich wurde er vom Amtskeller Yey, 2 Centschöffen und
2 Centbütteln, zu denen noch der aus Kaltensundheim hin-
zukam, nach Mellrichstadt transportiert, wo er am Galgen
geendigt hat.
2. Die Cent Fladtugen.
Über die Verfassung der einstigen Cent Sondheim^
an deren Stelle 1885 die zu Fladungen trat (XVI, 281), ist
keine Nachricht vorhanden, doch ist anzunehmen, dafs die
Teränderungen, die seitdem mit der Cent des „Landes vor
der Ehön" (des einstigen Baringaues) yorgegangen sind, höch-
stens ganz geringfügige sind, da ja das Herkommen stets als
unverbrüchliches Gesetz galt.
Leider ist aber auch über die Cent Fladungen nur
^28 ^^^ ehemalige Amt Lichtenberg vor der Rhön.
weniges noch aufzufinden ^). Ihre Akten sind 1826 bei der
Vereinigung des »^Landgerichts'' Fladungen mit dem zu Mell-
richstadt wahrscheinlich vernichtet worden. Das Nachfolgende
ist der Hauptsache nach den auf fdrstl. Befehl zusammen-
gestellten Centbeschreibungen von 1576 und 1596 (Wb) ent-
nommen.
Zum Oentbezirke gehörten die seit 1280 würz-
burgi sehen Orte Fladungen, Oberfladungen, Bruchs, Rüden-
schwinden, Hausen, Heufurt, Nordheim, Ober- und Unter-
«Isbach, Sondemau (nur soweit es links von der Sonder ge-
legen), Weifäbach und Ginolfs; die sächsischen Sond-
heim, Urspringen, Stetten und (seit 1599) Melpers, und die
ritterschaftlichen (v. d. tannischen) Leubach, Ober-
waldbehrungeu und (seit 1596) Frankenheim und Birx.
Sondemau, Weifsbach und Oinolfs bildeten zusammen
das Fladunger „Hintergericht''. Diese Orte brachten zu
jedem Petersgericht die Behauptung vor, sie hätten vordem
zum Gericht Gräfenhain (jetzt Wüstung bei Weifsbach) ge-
hört, welches dem Bitter Wilhelm Marchart zuständig ge-
wesen. Als dieser infolge seiner Fehden „verderbt" war,
y,daß er des endes nimmer geschützen kondt", hatte er seinen
ünterthanen auf ihr Gesuch erlaubt, „sich an ein ander ge-
richt zu wilkuhrn", „mit dem Underschaidt, daß sie nit mehr
thun sollen, dann die Vier Euege und 6 Malter Habem, und
6 Summerhuener und 1*/, geechock Ayer, und er wolt seinen
Zenthgraven selbst behalten, und sonst alle Gerechtigkeit, die
«r hett, in dem Hindergericht. Alß weiten die Voit Herren
zu Bischofsheim nit aufnehmen, er wolt dan den Zenthgraven
übergeben; daß wolt der genant Herr Wilhelm Marchart nit,
er wolt sein Zenthgrafen selbst behalten, im Hindergericht.
1) In „Die wahre Luge des Baringaue»** (1862) und in spftteren
kurz vor seinem Tode erschienenen Schriften kündigt Benkert das dem-
nächstige Erscheinen eines „Beitrags zur Geschichte der Hildenburg und
des ehemaligen Amtes Fladungen*' an, in welchem vielleicht noch manches
zu finden wSre. Leider war das Manuskript, wenn überhaupt noch vor-
handen, nicht zugänglich.
Das ehemAlige Amt LichteDberg vor der RhSn. 229
Also seindt die von Weißbach khommen, mit der Willigung
Herr Wilhelrae, an die Voit Herren und Zenth Fladungen;
die haben sie also aufgenommen, mit den Vier Bugen, und
mit der gifft, und liessen im seinen Zenthgrafen im Hinder-
gericht, der noch darin, und altzeit mit ist". Wenn an
dieser Tradition etwas Wahres ist, so hat der Anschlufs der
genannten Orte an die Cent wohl noch in der Sondheimer
Zeit stattgefunden, wo sie noch nicht so weit zum Gerichts-
orte hatten wie später nach Fladungen. Ist nichts daran, so
hätten sie früher schon zum Beringau gehört.
Von Sondernau gehörte nur der westerwinkelsche, dies-
«eit des Wassers gelegene Teil zur Cent; der andere war
nach Biechofsheim centpflichtig. Im Jahre 1630 wurde Son-
dernau ganz nach Bischofsheim verwiesen. Als man nach
dem 30-jährigen Kriege (1650) an die Berechnung und Ver-
teilung der Kriegskosten ging, reichten die übrigen Fladunger
Amtsorte eine freilich erfolglose Bittschrift ein um Wieder-
zuweisnng von Sondernau an das Amt Fladungen, um es mit
zu den Kriegskosten desselben heranziehen zu können.
Frankenheim und Birx wurden 1596 dem Sohleusinger
Vertrage gemäfs der Cent Fladungen zugewiesen; sie brauch-
ten jedoch nicht die „Centpflicht" abzulegen, sondern nur an
den Gerichtsstab anzugeloben.
Im Gebiete der Cent lagen (1575) folgende centfreie
Höfe: „Hoff Haubenstain *), Wilhelm Vasants, und seine
Behausungen zu Sontheim und Hausen. Hansen von Stains
Kemmathen zne Sontheim, und desselbigen Hoff zue Bieppers.
Wuestung Wermers ^). Der Hofflar; zwo Kemmathen zue
Northeim, die Brickstatt daselbst; der Narbenhoff zue Hey-
furth: den von der Thann gehörig. Ein Kemmathen zu
Oberfladung, sammt etlichen Männern daselbst, Bumrödisch.
Diese sollen der Zenth befrejet sein, auch nichts am Uncosten
der Ubelthettigen Personen geben, weniger zue Uffrichtung der
1) Vgl. fiber diesen Hof Benkerts Abbandlao^ im Archiv des Hist.
Vereins för ünterfr., XII, 1.
2) jetBt Oangolfsberger Forstbans.
230 ^<^ ehemalige Amt Lichtenberg Tor dej Rhön.
GalgeD, Stock und Gericht geholfen oder dartzue erfordert
werden (welcher gestalt aher und wie die Junckere ein boI-
cbes zubeweisen, hab ich noch zur Zeit nit erfahren können^
also das es mit disen Freyhöfen noch zweifelich, und die
Sachen uff besserer erkhundigung bestehet)/'
Der Amtmann, stets ein Edelmann, wohnte auf der
Hildenburg, nach deren Zerstörung durch die Bauern in Fla-
dungen. Der Amtskeller') blieb samt der Zehnt- und
Zinsgetreide- und der Geldeinnahme noch bis 1600 auf der
Burg (XVI, 269). Nach und nach trat er, ganz wie der zu
Mellrichstadt, in die Geschäfte des auswärts wohnenden Amt-
manns ein, so dafs es einen solchen zuletzt nur noch dem
Namen nach gab.
Mit dem Oentgraf en-Amte war im H.Jahrhunderte
die Familie y. Fladungen, im 15. die t. Spe&hart belehnt;,
im 16. und später begegnet man nur bürgerlichen Namen.
Als Centschreiber diente der Fladunger Schul-
meister.
Die Schöffen, welche an dieser Cent jährlich ge-
wählt^wurden, safsen in folgender Beihenfolge: Hausen, Heu-
fürt, Nordheim, Fladungen, Stetten, Sondheim (2; wegen der
Wüstung Altenfeld?), Weifsbach (2; der eine „der Grefen-
heimer Schöpff, von wegen der Wuestung daselbt, Grefenheim^
genannt''), Ginolfs, Obereisbach, ürspringen (2; wegen der
Wüstung Lahr?) und Untereisbach.
Wurde ein Schöffe vor Ablauf seines Jahres aus irgend
einem Grunde abgängig, „Alsdann muß deßelbigen Fleokena
Schultheiß ein andere tügliche Person an deßelben stat für
gericht bringen, welcher gleichermaßen von dem Zenthgrafea
angenommen wurdet.
Für den Fall, daüs trotz der strengen Bestimmung dea
Weistums und trotz der Bufse Ton 10 Pfd. („doch haben die
Schöpffen zuTor darüber zuerkhennen") ein Schöffe, yielleiohi
1) Ad der der Strafse aogewendeten Seite der Friedhofsmaaer in
FladoDgen ist das Grabdenkmal eines Amtskellere, Lorena Wohlfahrt, la
sehen.
Das ehemalig« Amt Lichtenberg vor der BbSn. 231
^Schwachheit oder anderer Ursachen halben'', zn einer Sitzung
nicht erschien, hatte Oberfladungen einen ^yNotschöffen" be-
reit sa halten, der dann die Gent half y^beeitzen'S Dafür er-
hielt er keine besondere ,,Bolohnang", da es zu seinem
^Kirchen- und Flurschützen Ambt*' mit gehörte. Die Schöffen
genossen folgende Jahresbezüge Ton ihren Gemeinden: Fla-
dangen gab dem seinigen 7 Pfd., Hausen eine zweifuderige
Wiese, Nordheim 4 fl., Obereisbach bis 1575 3, seitdem 4 fl.,
Unterelsbaqh 4 fl., Heufurt 5^/, Mit Hafer und ein wenig
Wieewachs, Urspringen jedem 13 Pfd., Sondheim jedem 15 Pfd.
(und ^/| Pfd. Heller „für die Gerichts Pfenning*'), Weifsbach
jedem 14 Pfd. und ein einfuderiges Heufeld, und in Ginolfs
gaben die 45 Nachbarn ihrem Schöffen jeder 15 Fig.
In „zweifelichen Sachen'' war zur „Batserholung''
der Gentstnhl an die Cent Bischofsheim gewiesen, „und die
Zehrung, so die geschickten Schöpffen umb Rath verzehren,
mueft die yerlustigt Parthey außrichten''.
Die Peters- und die Gentgerichte wurden in den ersten
Jahrhunderten vor dem „Unterthore*' auf dem Platze gehalten,
-den jetzt der Friedhof einnimmt. Auch nachdem später die Ver-
liandlungen in das Gemeindewirtshaus (jetzt Eümmeths Hotel)
Tcrlegt worden waren, war noch jeder centpflichtige Mann
zum Petersgericht zu erscheinen schuldig, nur war ihm nach-
gelassen, als Stellvertreter einen neuen Pfennig zu schicken.
Im Jahre 1628 wurde dann das noch stehende Amts- und
Oentgerichtsgebäude errichtet. Den Platz desselben nahm
früher der Konrad v. Steinauische Hof ein, welchen (nach
Biedermann) nebst einem halben Baumgarten über der Stadt
hinterm Kirchhofe samt den Zinsen 1394 Heinrich v. d. Tann
(1385 Besitzer und Amtmann des Amtes) für 65 ff. kaufte
{s. S. 166). Im Jahre 1560 wurden die von der Tann
von Henneberg belehnt u. a. mit einer Eemnate in Fladungen,
2 Gütern, 2 Häusern und einer Badstube daselbst. Diese
Kemnate überliefsen 1589 Martin und Hannß v. d. Thann
durch Vergleich dem Stifte Würzburg als Eigentum und
trugen dafür der jetzigen Lehnherrsohaft, dem Hause Sachsen,
232 P*^ cbemiüige Amt Lichtenberg vor der BhÖn.
ihren Hof Hu£ar za Lehn auf (Sohultes). An Stelle dieser
Kemnate erbaute das Stift 1628 das Amthaus. Schon im Jahre
1640 brannte dasselbe beim Einfalle einer kaiserlichen Rotte
nieder, und der Amtskeller mufste jahrelang in einem Bauern-
hause wohnen, bis es nach dem Kriege wiederhergestellt
wurde.
a) Petersgericht.
Wie in Mellrichstadt der henneb. ,,Horcher'^ . so wohnte
hier neben dem Fladunger Amtmanne der lichtenbergische
Amtmann, welcher schriftlich dazu eingeladen werden mufste,
dem Petersgerichte bei, „darmitt, Wann etwan an Würzburg,
selten darbey newerungen Wegen der dorffschaften eingeführt
werden wollten, solchen Cantradicirt und yorgebawet werde'^
Dafür erhielt er von jedem der 3 sächsischen Dörfer 6 Maus
Hafer. Später beyollmächtigte er dann und wann einen der
3 Schultheilsen und noch später fast regelmäfsig den Kalten-
sundheimer Centgrafen (Amtsrichter) zu seiner Vertretung
beim Gerichte.
Ferner erschienen sämtliche Ortsschultheifsen mit den
vorjährigen und den für das neue Gerichtsjahr gewählten
Schöffen. Jene wurden, wie im Trappstädter Vertrage von
1599 ausdrücklich wieder bestimmt wurde, feierlich entlassen,
und diese von ihren SchultheÜBcn Torgestellt
Die Verhandlungen nahmen folgenden Verlauf:
„Uff das senthpetersgericht soll der riohter fragen, so sich die yier-
sehen zenthschöpffen nidergesetzt haben, ehe er inen den aydt offgibt,^
dan es nur jabrschop£fen : Ir schultheysen (einen nach dem andern, oder
ins gemein), ich fra^ euch uf den aydt und pflicht, die ir dem hooh-
wurdigen fnrsten, meinem gnedigen herm von Wirtsburgk gethan habt,
ob ir ihren f. g. senthgericht mit frommen ehrlichen bitterleotten beeetst
habt, damit man heut oder morgen über fleisch und blnet gerichten kann.
Die scbnltheysen sprechen: „Ja, herr zenthgrafl*, ich weiß nicht
anders*^
Hierauf Ufst der Centgraf durch den Centschreiber den „S c hop f f e n
Aydt" vorlesen:
„AlB, von wegen meines genedigen herren von Wirtsburg etc. ich
an das zenthgericht alhie lu Fladungen su einem sohSpffen angenommen.
Das ehemalige Amt Lichtenberg vor der Rhön. 233
also soll und will ich desselbes gerichtt treulich wartten, nnd nach meinen»
betten veretendtnie , dem armen al£ dem reichen, artheil und recht
sprechen, und da£ umb lieinerley Sachen willen anderlassen, die artheil,,
bis die, wie sichs gebart, erofent sein, auch alle heimblichkeit des gericht»
verschweigen, die obrigkait and recht meines genedigen herren getreulich
handthaben, seiner fürstlichen genaden und desselben stiffts schaden
warnen und frommen werben, ohn alles gevehrde, alB helff mir gott und
die heyligen/'
„Zenthgrafif: Gelobt mir an den stab, und sprech ein ieder mit auf»
gehobenen fiogern nach, also : Was mir jetzo fargelesen ist und ich mit
gelartten wortten underricht bin, daß ich auch ganti wol verstandten hab,.
dem will ich also trealicfa, steet, yest und unverbrachenlich nachkommen,
so wahr mir gott helf and die heyligen.
Zenthgraff fragt denn schopffen von S tettheim rechtens. (Schopffr
Bechts beim aydt.) So seindt des rechtenfi beim aydt gefragt, und ir
schopffen alle viersehen , wafi der hochwürdig unnser gnediger fürst
and herr von Wirtxburgk etc. für gerechtigkeit habe alhie zu Fladungen
an der zenth; bringt darumb wafi recht sey, damit das meinem gn»
fursten and herm an iren f. gn. wolbabender gerechtigkeit nichts be^
nommen sey.
Schopff bit umb erlaubnufi aufzustehen und sich des zuerfahren. —
Wurdt erlaubt.
Zenthgraff: Ich erman euch defi urtheyls.
Schopff: Wir benennen kein urtheyl, bringens in einer antwort, ea
sey ein rrfarmaiion vorhanden ; do dieselben eingelegt und verlesen wirdt^
darnach soll ergehen wafi recht ist.
Northeimer schopff legt mit erlaubnufi die r^ofraation ein.
Weysthumb {fi^oirmaAium)'^).
1. Item. So ist von alter herkonmien, dafi man meinem genedigen
herren theilet in allen zenthpflichtigen dörffern alle muegliche ge-
be tt in dieser zenth, doch ohn schaden einem ietzlichen dorff an seinem
alt herkhommen.
2. Item. Ifan thailet auch meinem genedigen herren, alle vier-
zehen tag ein gericht zu sitzen an der zenth, und darzwischen nit^
efi wer dan ein nothlandung; nach viertzehen tagen mag der voit
beithen') alfi lang er will.
8. Item. Man theilet auch meinem herrn zu recht, dafi ein ieg-
lieh zenthpflichtig man das gericht suchen soll mit seinem selbst
leibe; dafi sey von alter so herkommen. Für denselben gang ist ein ge-.
ding gemacht worden in die dSrffer, dafi die menner daheim pleiben, wer
1) vom Jahre liS8, mit dem spXteren Zusätze im 3. Item.
2) in einer andern Abschrift: warten.
234 ^'^^ ehemalige Amt Lichtenberg vor der Rhön.
nit zu schicken hatt, aoAgeschlossen das petersgericht, dafl soll ein ietzlieh
zenthpflichtig man suchen mit einn pfenning oder mit seinem selbst
leibe; dabejr soll man erkhennen, daB sie lenger in geding sitsen wollen
oder nit, daB ers wiB den gericbtsherren sosagen. So soll ein ietzlieh
scholtheiB selber kommen anf das petersgericht, und soll die pfenning
bringen, und soll auch den stuel Ton seiner nacbbauren wegen besetzen,
daß das gericht darmit bewahrt sey.
4. Item. Man theilet auch zurecht: wann der Toit das gericht be-
stimbt, da sollen die schöpffen aufmercken, und wan der gerichtstag
kbombt, sosoll ein ietzlieh schopff des abents zu seinem schultheiflen
gehen und soll im sagen, daB das gericht morgen sein soll. So soll der
schultheiB sein nachbaum zusammen ruffen, wie gewonheit in dem dorff
ist, und soll sie fragen umb die rüge, bei iren aiden, ob jemandta
wisse wort oder werck, die an das gericht gehören. Khumbt dan jemandt
und dagt ein nachbaur tou dem andern^ soll sich der schultheiB umb
sehen, ob jener auch da sey, von dem man dagt; ist er dann da, so soll
er in fragen, ob er nein oder ja darzue spreche. Ist er nit inheimisch,
soll der schultheiB die rüge aufschlagen bis zu dem negsten gericht.
Spricht dan jener nein, so soll man im auch sein nain ragen, so soll er
auch seinem nein folgen.
Auch solle der schöpfif das gericht suchen und sich nicht
daran verhindern lassen. Und ob es sich begebe, dafi ein
Wasser vor ihm were, da er nit getraut beyhin oder darüber zukommen,
soll er doch daB mit vleiB versuchen, und in das wasser watten biB
an den halB; so mag er umbkehren, und wider herauB gehen, und
soll sich zum andern mahl versuchen und wider ins wasser watten, blft
an das kihu, und dann wider umbkehren und herauB gehen, und sich
besinnen, waB er an daB gericht gelobt habe, und dan zum dritten mahl
wider versuchen, biB in das wasser ins maul gehet ; «o mag er umbkehren
und sein leben fristen.
6. Item. Man theilet auch zureeht, daB das gericht hat zurichten
und zu helfifen über ein frevel, der mit wahrer rueg herkompt.
6. Item. Man theilet auch ^urecht, daB man in keinem dorffe
in der zenth zu richten oder zu helifen bat, über keinen frevel.
7. Item. Man theilet auch zurecht meinem herren ein Sffennng
in allen zenthpfliehtigen dorffern, und in allen zenthpflichtigen
kirehofen, zu iren nöthen.
8. Item. Man theilet auch zu recht: möchte sich icht im gericht
.^se. ereignen), dafi man verkhundigen solle, waB des geschehe nach
mittag, daB soll man dem zenthgrafen verkhundigen vor mittemacht |
waB geschehe nach mitternacht, daB soll man verkhundigen vor mittags.
9. Item. Man theilet auch zureeht: bescheiden scheltwortt,
die nicht ehr oder glimpff antreffent, und faustschlege, da nicht
Das ehemalige Amt Lichtenberg vor der RhSn. 235
fliessende wunden von bekommen, und über sc h n 1 d t und über s c h e d e n ,
da bat ein ietslich Schultheis daheim über snhelffen.
10. Item. Man theilet auch zu recht: ob Jemandt kehme, es wehr
man oder fraw, knecht oder magdt, undt wurdt etwaB beschuldigt, dafl
im leib oder ehr angienge, muethe und begehrte hulff und rechts
umb sein leumnth, der m^ht vor gericht alhie an der senth mit recht
solches leumathes abnehmen, ob man das im nicht rügen wolte.
11. Item. Man theilet auch zu recht, daB vogt und senthgraff
haben zubesehen m u e 1 n , und webern ir ein und ir g e i a m e ,
und w e i n m a fi und alle gericht. Dnd wan sie kommen in ein mneln,
so soll man nehmen zwen besten strenge und soll die mit den schlingen
in einander schleiffen, und soll auch daran stricken zwen knotten, und
soll das seil umb den muolstein thun mit den knotten, und die sargen wider
darüber thun und die mneln anlafien gehen. Gehet dann die aargen umb,
so ist der muller gerecht, pleibt aber die sargen stehen, so ist der muller
buesfelUg. Auch soll der muller die zsrgen bewahren, dafi kein meel
-daraus gehe im zu nutz, und soll auch mitzen mit gerechter metzen, soll
auch zu einem gang nit mehr dan zwei schwein haben; eins am ehrn^},
daß ander auf dem stall, und zwdlff hiener nnd ein han, auch zo eim gange.
12. Item. Wan der voit und zentgrave ein solch besehung thun
wollen, sollen sie in einem ietzlichen dorff den schultheifien nnd
schöpffen darzn nehmen.
13. Item. Wurdt dan einer buefifellig, den man ungerecht fände,
es wer ein m u 1 1 e r oder ein weher oder ein weinschenck, theilt
mau dem voit sehen pfandt, dem zenthgrafen zehen Schilling, und ietz-
lichem schöpffen ein Schilling ; ist von alter also herkommen.
14. Item. So soll der weher durch recht gezawe weben und
mit gerechter ehlu messen, was er umb lohn wibt ; so soll der wein-
schenck messen und geben mit gerechtem mafi. Ein und maaß sollen
gcbrandt sein; findet man dafi anders, so hat man darumb zubuessen.
15. Item. Difi gericht hat auch zurichten, zuhelffen und zuent-
lielffen über ein m o r d t , über ein d i e b an einem strick, und über eine
Dothzucht, und über fliefiendt wanden.
16. Item. Es hat auch zurichten und zarechten über alle wortt
und werck, die leib und ehr antreffendt.
17. Item. Man theilet auch zarecht, daß niemandt den andern
hausen oder herbergen soll, er wolle in dan versprechen.
Nach Verlesung solcher rtiformation :
Zenthgraf: Ich erman euch deß angestellten urtheyls.
Urtheil : Was die re/ormaüon Inhalt und außweist , weisen sie zu
recht, sonderß waß die drey Sacbssischen dorffer belangt, die haben einredt.
1) in der Hausflor.
XVII. 16
236 ^^ ehemalige Amt Lichtenberg vor der RhöD.
Scholtheie su Stettheim tritt iiir und segt: Seine gnedige fnrsteD
UDd herm zu SachBen gesteen meinem gnedigen forsten und herm von
Wirtsbnrg iren f. g. nit mehr alfi die vier banpt meg und fanff schCpffen.
Herr ambtman antworttet : Ee sey ein rtfarmalion vorhanden^
defl helt sich mein gnediger farst uod herr von Wirtiborgk.
Darbey lest man es beruhen und bleiben.*^
Diese Einrede der BäohsiBchen Orte kam nach den Yer«
trägen von Trappstadt (1599), Meiningen (1678) und Neu-
stadt (1686) in Wegfall, Dagegen wurde im Meininger Ver«
trage, § 13, verabredet, dafs zum Schlufs dieser Verhandlung
noch zwischen den beiden Amtmännern folgende „Cariaiia
gehalten'' werden sollten:
Bede des säcbfi. beambten: „Dem herrn nacbbam ist be-
kandt, wie swbchen beeder hoher herrscbaffk hiebevohr verscbietene
swistigkeiten sich enthalten , die durch nachbarliche vertrag hingelegt
worden, au deren vesthaltnng, wie man sich an seitten des fllrstl. hauses
Sachsen erbiedet, also wil man sich Tom hoch sti£Ft Würtsburgk ein
gleichmefiiges versehen.'*
Gegen rede des Wflr tz b urg. beam bten: „Mir ist wohl-
wifiendt, wie solche hienortge mifibelligkeiteo bey gelegt worden, darüber
man dem hochfttrstl. banse Sachsen, wie verhoffentlich bifihero, also auch
ins kUnfftige, einige prce/udÜM zu thun nicht gemeinet.**
Nach diesen Eröffnungsfeierlichkeiten brachten die Schult-
heifsen von Oberwaldbehrungen, (halb) Sondemau und Leu-
bach vor, was sich bei ihnen im abgelaufenen Gerichtsjahre
Rugbares begeben hatte; dafür brauchten diese kleinen Orte
das ganze Jahr über zu den eigentlichen Centgerichten nicht
zu erscheinen.
Die festliche Petersmahlzeit beschlofs den Tag. Da zu
derselben oft ganz unbeteiligte Personen eingeladen wurden,
kamen sie dem Centbezirke ziemlich teuer zu stehen. So
kostete z. B. die von 1756 100 fl. 20 gr.
b) Centgerichte.
Während in früherer Zeit auch zu den Centgerichten^
alle Centpflichtigen erscheinen mufsten, blieben nach dem.
später gemachten „Geding" alle, die dabei nichts zu schickea
Du ehemalige Amt Lichtenberg vor der Rh5o. 237
bfttteD, zu Hftuse, und die Gerichte warden nun aus dem
Freien in das Gemeindewirtshaas verlegt.
Noch 1575 wurden jeden Monat, ausnahmsweiBe auch
zweimal, Centgeriohte gehalten; 1596 war inzwiichcD ihre
Zahl aaf jährlich 4 beschränkt worden. Diese wurden ala
yyOfPene Tage'' regelmäfsig an den Montagen nach Quasi-
modogenitiy nach Johannis, nach Michaelis und nach Neujahr
gehalten.
Die höchste Buüse betrug an dieser Cent 10 Pfd.
Jeder Partei, der klagenden wie der angeklagten, wurde
aus der Zahl der Schöffen ein „Wortredner** beigegeben;
davon hat „ieder uff iedes gericht ein schillinger zue beloh-
nung, so inen die partheyen geben**.
Zum Beginn eines Centgerichts fragte der
^Zentbgniff: Ich frag euch, ihr 14 tchdpffen, ob es off die tagseit
kommen sey, dafi ich deB bochw&rdigen forsten, meines gn. herrn von
WirtsbarK etc. ein gericht möge hegen, wie Ton alters herkommen.
Schöffen sAmbtlicben sagen ja.
Zentgraff: So heeg ich diB senth^ericht aoB cra£ft, macht and ge-
walt des hochwGrdigen forsten and herrn, herrn Jvmj\ bischoven au
Wirtxbarg and herzogen za Franken, meines gnedigen forsten ond herrn.
Ich heeg aoch ditz gericht aaß crafft, macht ond gewalt der ehrwürdigen,
wohlgebomnen und edlen herrn, meiner gnedigen herrn des capitels
im domb za Wirtzborg. Ich heeg aach ditz gericht auB craffk, macht
nnd gewalt deB edlen ond ernvesten NN, ambtmannfi, meines gttnstigen
Junckern. Ich heeg aoch diB gericht aoB crafft, macht ond gewalt mein
alB des richters, und von wegen der vierzehen geschwornnen zenth-
scbopffen, so an disem gerichtsstoell sitzen.
Ich V e r b e o t aoch bey gerichts straffen, das keiner denn gerichts-
stael reom, auffstehe oder nidersitz, er thoe dann solches mit erlaubnos.
Ich verbeot aoch, daB keiner dem andern sein wort redt, er thae dann
solches mit erlaubnos. Ich verbeot aoch, das keiner vor oder abtredt, er
thne es dann mit erlaubnoB. Ich verbeut auch alle oberfrag, so hindter
und vor dem gericht geschieht. Ich verbeot aach alles da^jenig, so ich
TOB rechts wegen soverbieten hab, ond erlaub aoch alles, was ich mit recht
znerlauben hab, alhie an meines gnedigen forsten ond herrn zenthgericht.
Schöpff vonn Hausen, wie frag ich eoch rechtens. (Schöpff:
Bechta beim aidt.) So seindt deB rechten artheyls beim aydt gefragt,
und ir schöpffen alle vierzehen, ob diB meines gnedigen forsten ond
herrn von Wirtzborg ihren f. gn. senthgericht recht ond wol gehegt
16*
238 ^^ ehemalige Amt Lichtenberg vor der Rhön.
8 e 7 ; wer hierher kombt, der recht geben und nemen will, ob man dem-
selben mit recht auch wol gehelffen könne. — Urtheil: So haben michs
meine aydt bmeder gelerth, anch selbst sprech icbs mit in zu recht:
wer hieher kombt und will recht geben und nemen, dem kan man mit
recht woll gehelffen, alhie an meines gnedigen Airsten und herm zenth-
gericht. (Zenthgraff: Ich danck dem urtheyL)
Zentbgraff fragt den schopffen vonn Hefforth rechtens. —
Schöpff: Rechts beim aydt, herr senthgraff. — Zeothgraff: So seidt deS
rechten ortheyls beim aydt gefragt, und ihr schopffen alle yieraehen,
w i e dits meioes goedigen fursten und herm lenthgericht soll besetst
sey. — Urtheil: So haben michs meine aydt brueder gelerth, anch
seibeten sprech ichs mit innen sorecbt, daB diB senthgericht soll besetat
sey mit guetten tnglichen und unverleumbten mann vierzehen, die un-
thattelhafft seyen. Also ist es von alter herkommen.
Zenthgraff fragt denn schopffen zu Northeim rechtens. — Schöpff :
rechts beim aydt. — Zenthgraff: So seidt defi rechten urtheyls beim
aydt gefragt, und ir schopffen alle vierzehen, wie man mag e r f a h r e n ,
was da ruegbar sey und was hiezwischen dem nechsten gericht ge-
schehen ist, allhie an meiner gn. f. undt herm senthgericht. — Schöpff t
Herr richter, wollt ihr das urtheil hören? (Zenthgraff: Ja.) — Urtheil:
Es haben michs meine aydtbraeder gelehrt, auch sprech ich selbst mit
innen lu recht: bei gewandtem fydt soll man erfahren, was da raegbar
sey, dafi hiezwischen dem nechsten gericht geschehen ist.
Nach disen dreyen ergangenen urtheyl gibtsein zenthgraffvon
sich uff die schopffen, also: Ihr schopffen, so geh ichs euch uff
die aydt und pflicht, damit ir dem hochwttrdigen fursten, meinem gn. herm
von Wurtsburgk verwandt seidt, das ihr wolt recht raegen und recht
urtheyl sprechen, keinem zu lieb noch leidt, auch solches umb keinerlei
andere ursach willen' Jnnderlassen, weder umb freundtschafft oder feindt-
schafft, noch sunst umb gunst, gab oder liebnufi, sonder dem armen 'als
dem reichen und dem reichen ais dem armen, und geb euch auch dem
allmechtigen gott zu steur, und setz vonn unserer seele auf euere.
Andienung des schopffen zu Weisbach: Herr richter, ich ding
an dag und antwort, obs so fem uf die tagseit keme, das doch ein
iederman seines rechten unverzüglich were.
Zenthgraff fragt den schopffen rechtens. — Schöpff: Rechts beim
aydt, herr zenthgraff. — Zenthgraff: Seidt des rechten urtheylfi beim
aydt gefragt, und ir schopffen alle vierzehen, dits geding, das der schöpff
gethan hat, do es zu scbuldten keme, ob es auch crafft und macht haben
möge. — Urteil : So haben michs meine aydt brueder gelerth, anch selbst
spreche ich mit inen surecht : das geding, das der schöpff gethan hat, do
es zu scbuldten keme, das so wol crafft und macht hett, alhie an meinoB
gnedigen fursten und herrn zenthgericht.
Das ehemalige Amt Lichtenberg vor der Rhön. 239
Nota. Hernach folgen die raegen:
Zenthgraff: SchÖpff von Hausen, ich ermane euch der raegen t
Schöpff: Herr zenthgraff, wolt ir die meg heren von Hausen?
(Zenthgraff: Ja.) Es hatt gestern mein schultheys die nachtbauere bei
einander gehabt und angezeigt, alls wie heut aentbgericht au Fladungen
sein soll; so fragt man die schopffen umb die rueg uff ein aydt Des-
gleichen hat mein schultheys die nachtbaueren auch gefraget, do jemandta
etwas widerfahren sey oder nit; so etwas iwischen dem nechsten gericht
geschehen, das da megbar sey, so soll er das anieigen und offenbaren, so
w511e er es an die ort schicken, dahin es gehörig, und woU sich und die
naehtbaure verwahren vor scbadten. So haben die menner gesprochen,
sie wissen sonderlich nichts. Allein hierauf wurdt geruegt, und beschleuß
letzlich wider. Weitters wissen die nachtbauere nichts. Weifi mein
schnltheiA auch von nichts, so weiA ich für mich nichts. Und ding an
meit und frist, [weil meines gnedigen Airsten und herrn gericht werth
und ist. Wurdt mir etwas nachgeschickt, das da ruegbar ist, will ich
mit demselben gebiren wie recht ist, allhie an meines gnedigen furstea
und herrn zenthgericht.
Auff solche weiß wurdt von allen schopffen und dörffern durchauj^
die rueg furbracht und angezeigt.
Zenthgraff: Schöpff von Heffurtb, ich erman euch der rueg
schöpff von N o r d h e i m , ich erman euch der rueg ; schöpff von sutt
Fladungen etc. etc.*'
Der FladuDger Schöffe , obgleich regelmäfsig vom
Bichter dazu aufgefordert, weigerte sich ebenso regelmäfsig^
Bügen yorsubringen , da das Stadtgericht das Eecht bean-
spruchte, sie vor sein Forum zu ziehen. — Weifsbach und
Ginolfs weigerten sich, wenn auch erfolglos, unter Beru-
fung auf die von ihnen vorgebraohte Geschichte vom Grafen-
hainer Gerichte, doch immer wieder, fliefsende Wunden und
Scheltworte, „so Ehr und Glimpff antreffen^', an die Gent zu
bringen, da diese vor den Gentgrafen des Hintergerichta
(1575 Antonius «Tohannes zu Ginolfs, der als solcher von
seinen ,,Junckern'', Eberhard y. Buchenau und Hans Wilh»
T. Bumrodty jährlich 2 fl. erhielt) gehörten.
Ernstliche Streitigkeiten verursachte die Weigerung der
sächsischen Dörfer (Sondheim, ürspringen, Stetten,
Melpers und des sächsischen Teils von Nordheim), etwas
mehr an die Gent zu bringen als die 4 Bugen und „Wunden
und Stich, so bindbahr, hefftbar, beinschrödig, oder sonsten
240 ^'^ ehemalige Amt Lichtenberg Tor der Bhöo.
Glieds (d. h. 1 Zoll) tief oder lang*'. In den späteren Ver-
trägen mit deren Lande sherrschaft gelang es der Cent-
herrschaft ihren immer weiter gehenden Ansprüchen gesetzliche
Geltung zu verschaffen« — Auch Oberwaldbehrungen
machte, angeregt durch den Amtmann auf Lichtenberg (als
Vertreter der Lehnsherrschaft), beständig Schwierigkeiten,
bis durch § 6 des Neustädter Vertrags dem Amte jede der-
artige Beeioilussung der Gemeinde verboten wurde (s. u.).
Übrigens war Oberwaldbehrungen ebenso wie
Sondernau und L e u b a c h bei diesen Centgerichten nicht
vertreten, da die Sohultheifsen dieser Orte die bei ihnen im
vergangenen Geriohtsjabre vorgefallenen Bügen am Peters-
gerichte zur Anzeige brachten. Die übrigen nicht durch
Schöffen vertretenen Orte (Brüohü, Eüdenschwinden
und Both) hatten ihre Bügen an den Ceutgerichten durch
je ,,eioen Man auß der gemaindt" anzubringen.
,,Waß die gemaine Zenthgericht durch die Schöpffen und
andere Gerichts Personen verzert und verthan wurdet, daß
betzahln sie auß irem eignen Seckel.''
c) Halsgerichte.
„Wan ein zenthpffichtiger Orth und Fleckh ein Übel-
thetter oder schadtbare Person bekommen, behalten sie den-
selben in Verwahrung und zaigen es inmittels irer Schuldig-
keit nach dem Zenthgraven zu Fladungen alßbalden an.
Alsodan wurdt inen der Landtknecht von dem Zenthgrafen
zugeordnet, dem sie die verhaffte schadtbare Person über-
«ntwortten, mit ettlichen Nachbarn auß demselben Dorff, so-
vil er deren dartzue notturfftig, gegen Fladungen fuhren
lassen. Und ist das alhie wol acht zunehmen, daß bisher
alle Ubelthetter ohn Undersohiedt, so irer Verwirokung halben
durch den Henoker zustraffen sein, und in den oberzelten
zenthpflichtigen Flecken, sowol den dreyen Sächsischen
Dörfern alß den zu Weißbach, Ginolfs und Oberwalberingen,
betretten und zu verhafften kommen, nach Fladungen uff die
Du ehemalige Amt Lichtenberg vor der BhSn. 241
Zeoth gefahrt werden. Item unser genediger Herr von Wirtz-
burg eto. alß der ortbs Zenthherr, oder ir fürstlichen genaden
beambte haben guet macht, in alle zenthpflichtige flecken
ihres gefallene einzufallen und die Ubelthetter darauf
zunehmen.*' Hinsichtlich dieses Punktes bestimmte der Trapp-
«tädter Vertrag, dass die sächsischen SchultheiTsen und Ge-
meinden bei Strafe für die Ergreifung und Einlieferung der
,,mißthät]gen Persohnen" zu sorgen hätten, und daß ,,die
Inventaiian und Arrestaüon" durch beide Amtmänner von
Pladaogen und Lichtenberg ^^miteinander und sammenhafft'^
an einem ,,yergli ebenen *' Tage vorzunehmen sei.
„Und der IJncosten uff solchen gefangenen, ehe er
an die Zenth geantwortt wurdet, lauffendt, mueß die gantz
2enth tragen, so ferr er änderst durch Unsem genedigen
Herren peinlich gerechtfertigt wurdet*' Im Neustädter Ver-
trage Ton 1685 einigten sich jedoch beide Herrschaften da-
hin, dafs die beiderseitigen Unterthanen immer nur die in
ihrem l^ile yeranlafsten Centkosten zu tragen hätten.
„Item die geraubte oder gestolene gueter seyen
die Zenthverwanthen neben dem Thetter dem Zenthgrafen
iederseit zu liefern auch schuldig.''
Hinsichtlich der Zengenyerhöre wurde im Trapp-
etädter Vertrage von 1599, durch welchen übrigens das 1655
«rst wieder besiedelte Melpers der Gent definitiv zugewiesen
wurde, ausgemacht, dafs in Fällen der 4 hohen Rügen, oder
was Leib und Leben, Hals oder Hand beträfe, die Zeugen
der Ladung vor die Gent zu folgen hätten; in anderen Gent-
sacheu dagegen sollten die sächsischen Unterthanen „bey den
Liohtenbergischen beambten per modum subsidü et impUh
raÜonis erfordert und alsdann von besagtem Beambten un-
weigerlich und unaufhältlich remitüret und gewiesen, und
also an der Centh verhört werden".
Auch vereinigte man sich dahin, dafs, wenn ein Übel-
thäter zur Verweisung aus den Btiftslanden verurteilt
würde, diese Verweisung auch auf das Amt Lichtenberg,
namentlich auf das Vordergericht ausgedehnt, und dafs die
242 ^^ ehemalige Amt Lficbtenberg Tor der Bböo.
Exekution eines Todesurteils „so viel müglichen gefördert
und nicht aufgezogen werden*' solle.
„Wunn Peinliche gericht gebalten werden, ist gebreuch-
licb, von alter Herkommen und iedertseit gebalten worden,
daB man aus iedem Dorff, es sey Wirtzburgisoh, Säcbsiscb^
oder der Junokere, ein anzahl bewehrter Personen
nach Yermög des Flecken und sovil man deren notturftig,
genommen, und welcher Zenthyerwandter auch also erfordert,
der ist mit seiner besten Wehr zuerscheinen und daß Gericht
helffen zubeschutzen schuldig/' Fladungen, Nordheim, Sond-
heim und Oberelsbach hatten je 60, Stetten, Urspringeo,
Weilsbach und Unterelzbach je 30, Hausen 24, Oberfladungen
21, Heufurt 17, Leubach und Qinolfs je 15, Büdensch winden
9, Oberwaldbehrungen 8, Sondernau und Roth je 7, Bruchs
3 Mann zu stellen. Nachdem seit 1596 noch 6 aus Pranken-
heim und 3 aus Birx hinzugekommen waren, bestand also
der „Satz*' aus 495 Mann.
Das Halsgericht (der „peinliche Bechtstagf) wurde
„vor dem underthor aller nechst yorn Schrancken under der
clainen Linden", also da, wo jetzt der Friedhof oder der
Garten der Schulsohwestern sich befindet, gehalten. Der
Verurteilte lag bis zu diesem Tage im „Malefis''- oder „Ober-
turm'' am Oberthore.
„In peinlichen Sachen redet dem Cleger und bedagten
iedem ein Zenthschöpff, welchen sie auß dem ring fordern,
doch redet gemainlich dem Cleger der Schöpff, so toq
der Statt Fladungen wegen an der Zenth sitzet. Davon
hat er zu lohn ein gülden, welchen im die Zenth geben
muß, und wirdt in die andern gerichtscosten gerechnet. Des
Beclagten Wortredner gibt man nichts" — einem schon Ver-
urteilten half ja auch alles Beden nichts mehr.
),Wann ein Übelthetter umb btals and baupt gefangen ligt und für
peinlicb geriebt geführt werden soll, so geet der sentbgraff sambt dem
gerichtsscbreiber nnd swen schopffen für denn tbom zu dem gefangnen
und leftt im sein urgicbt, so er in der gnet nnd in der pein bekandt,
yerlesen nnd fragt ine, ob er solcher seiner bekandtnus und thatten ge-
ständig sey oder nif. Und wo er nun solcher seiner aussag Teriaugnen
Dm ehemalige Amt Lichtenberg Tor der Rhön. 243
thoet, 80 wardt er widerumb durch den nachrichter peinlich gefragt;
bleibt er nf dem verlangnen, so wardt solches an onnsem gnedigen
forsten und herrn gelangt und nmb fernneren gu. bescheydt aodertbftnig
gebetten. Wo aber der ubelthetter af seiner urgicbt und bekandtnnß be*
stendig bleibt, alfidann geet der senthgraff mit denn vierzehen schopfifen
vor das underthor an den schopffenstael, setien sich an gericht, nod wardt
solch peinlich balBgerieht gehegt inmassen wie bemelt ut.
Und wordt solch peinlich halfigericht angeferlich umb 8 oder neao
ahr vormitU^ angefangen, und gehen die frag, clag und nrtheyl nach-
einander wie volgt.
So dann das gericht gehegt ist, und e» qf/ido wegen unnsers gne-
digen forsten und herrn Ton Wirtibarg etc. zu einem ubelthetter peinlich
geclagt wurdt, so trit der c 1 e g e r für und spricht : Herr richter, hie
steet volmechtiger anwalt ron wegen des hochwflrdigen fursten und herm^
herrn JuliOj bischoven zu Wirtsburg und hertzogen zu Francken, seines
gnedigen fursten und herrn, und bit zum ersten, andern und drittenmal,^
das er mir ein mann erlaubt, der im sein wort redt. Solches erlaubt nun
der richter und gibt ime den stattsc hop ffen auft dem stuel zu, der
ein ciegem an disem peinliehen halAgericht sein wort rede. AlAdanik
nimbt der schöpff mit dem cleger erlauboufi vom richter, gehen zurück
inA gesprecb, kommen wider, und spricht der schopff mit erlaubnuÜ : Herr
richter, bit durch ein urtheyl zuerkennen, ob ich clegern sein wort zu
reden zuthun schuldig seie. Die schopffen gehen in bedacht und bringen
das nrtheyl, welches der schopff von N o r t h e i m eröffnet. (Jrtheil : Ja,
80 der stattschopff vom f. anwaldt gebetten, so sey er das zuthun schuldig.
Der stattschopff trit für und bit denn herrn richter durch ein urtheyl
erkennen zulassen, wafi dann sein belohnung darumb sein solL
Darauff die schopffen widerumb in bedacht gehen, und bringen das urtheyl
in einer antwort, so der schopff von S t e t h e i m eröffnet. Urtheii : Es
sey vonn alter also herkommen, das der richter 1 fl., der Schreiber 1 fl.,
und der wortredtner 1 fl. zue belohnung geben (sie).
Der stattschopff bittet fernner durch ein urtheii zuerkennen : dieweil
f. anwalt awo^) ubelthettige personnen in iren f. g. bandten etc. hab,.
wie er die auß dem gefencknus und hieher für ir f. g. pein-
lich halfigericht bringen möge. Nach gehabten bedacht bringen sie das
urtheyl und eröfiFbets abermals der schopff von S t e t h e i m. Urtheii : Der
landtknecht soll die auß irer f. g. bandten und handten nemen, under den
thom führen und dem cleger in sein handt antwortten.
Stattschopff bit abermal in recht zuerkennen, wie man mit den
1) Der Verfasser dieses amtlichen Berichts spricht bald von zwei;
bald von einem „Armen"; er hat einen bestimmten Fall im Auge, ver-
gif»t es aber zuweilen.
244 ^^^** ehemalige Amt Liobtenberg vor der Rhön.
armen geberen soll, das man recht thae und unrecht lafi. Nach gehabtem
bedacht bringen die schopffen das nrtheyl; solches eröffnet der sobopff
yon Suntheim uf anmanuug. Urtbeil : Der cleger soll sie annehmen
und dem zuchtiger in sein handt antwortten.
Der stattschopff bit des rechtens snfragen, wie man weitter mit denn
armen gebehren soll, das man sie hiehero für das peinlich hals-
ge r i ch t bringe. Nach gehabtem bedacht der schopffen bringt Suntheim
das urtheyl. Urtbeil : Der cleger soll sie erstlich dreimal uuder den tbore
b eschr ey en.
Der schopff bit weitteres deft rechtens aufragen, wie man weitter
mit denn armen gebehren soll, das sie hieher gebracht werden. W e i s -
bach bringt das urtbeil. Urthel: Sollen vom thurn bifi an den branger
^efurdt und alda dreymal beschrien werden ^).
Stattschopff bit fernner des rechtens zu fragen, wie man nun weitter
mit denn armen geberen soll, das sie hieherbracht. W e i s b a c h bringte
urtbeil. Urtbeil: Der nechst und weittest schopff sollen hingehen und
«ollen besehen, wie die armen stehen. — Alfi gehen sie hin, kommen
wieder, und bringen in einer antwort: sie steen Öffentlich in pranger,
wie ubeltbetter steen sollen.
Stattschopff bit weitter mit recht suerfragen, wie man fernner mit
•denn armen sugebehren, das man recht thue und unrecht laB. Ginolfs
bringts urtbeil. Urtheill : Der süchtiger soll die thetter auß dem brang-
«ifieu nemen und bifi zwischen die zwey thor führen ; alda sol sie
•der cleger 8mal beschrey en.
Stattschopff bit mit recht darnach suerfragen, wie man weitter mit
•denn armen gebehren soll, das man sie hiehero an das peinlich bald-
f^ericht bringen möge. Obernelsbach urtheilt. Urtbeil : Der zuchtiger
soll sie fuhren blB ane geverdte 8 schrit vom gericht, das nit rwetmr
disnnto an disem seinem gericht kein einfall geschehe.
Stattschopff bit weitter mit recht darnach au fragen, wie man weitter
mit denn armen gebehren soll. Ursprüngen urtheilt : Dieweil der
cleger uff die armen clagt und beschuldigt sie, diefi that getban zu haben,
so soll er zwcn finger auff sein schedel legen und einen aydt schweren,
das er sie diefi that ire getbann Jiabe (sie).
Jetzt bitten die armen auch umb ein wortredtner, mags aber
■auch underlassen.
Stattschopff bit noch femer in recht luerfragen, wie man nun mehr
mit denn armen gebehren soll. Ursprüngen urtheilt. Urtbeil: Er
stehe alda wie ver&chter aller rechten, dsrumb verurtheilt man in
heutzutag vom leben zum todt.
1) Der Pranger stand, wenigstens seit Errichtung des Amthausea,
«uf dem Platze vor dem einen Winkel bildenden Amthauso.
Das ehemalige Amt Lichtenberg Tor der Rhön. 246
Stattsehopff bit weitter in recht luerfragen, wie man mit denn
armen gebehren toli, daa man sie mög bringen vom leben mm todt*
Kiedernelsbaeh, nrtheil : Sie weiften die f r a u e n in einer oflfent-
iiehen Wittiben, die k in der za wissentlichen waiBen, nnd die lehen,
«o er deren hat, dem lehenherm, dem sie geboeren.
Stattsehopff bit weitter in recht auerfragen, wie man nun fernner
mit dem armen gebehren soll, das er mag gebracht werden vom leben
:sam todt
Urgicht.
Stattsehopff bit hieraoff, dieweil die armen solche miBhandlang be-
■gangen, wie nun mit inen zngebehren, das sie Tom leben som todt ge-
bracht werden mochten. Häuften nrtheilt: Die thetter, so beclagt seyen,
haben die heiligen sehen gebot gottes, auch defi heiligen römischen reich»
anfgerichten, auftgekundten« wolgegrundten landfridten und die angebornne
christliche lieb und treu hoch gebrochen.
Stattsehopff bit fernner. wie man mit denn armen gebehren soll,
•das sie vom leben zum todt gebracht werden.
Hanp turtheil.
Stattschdpff bit fernner mit recht zuerfragen, wie weitter mit denn
■armen lugebehren. N ort heim urtheilt: Der landtknecht soll vor denn
armen hergehen, inen den weeg weiften bift hin auf die maistat, das sie
-die martter leiden sollen.
Richter fragt den stattschopffen, wie mit denn armen zu-
4;ebehren, das sie vom leben zum todt gericht werden. Suttschopff ur-
teilt: Mann befeiet gott nnd seinem himlischen beer die seel, denn
-vögeln in der Infft das fleisch und den fischen im wasser das gebein*<. —
Die Kosten einer Hinrichtung wurden Ursprung*
lieh von der ganzen Cent getragen. 1575 hatte man sich
-aber ,,vot Jahren'' schon yerglichen, dafs sie entweder vom
^ürzburgischen oder vom sächsischen Teile allein getragen
iTirerden sollten, je nachdem der Gerichtete dem einen oder
-dem andern Teile angehört hatte.
Das Hochgericht stand am Wege nach Hausen oberhalb
•des jetzigen Etimmethschen Kellers. „Die Qalgen und andere
gemaine Gericht werden uff der Zenthyerwanthen Uncosten,
80 sie sambtlich und zugleich bezahlen, uffgericht. Darzue
muessen alle Zimmerleuth, Muller und Leineweber in der
^nth helffen; auch muessen alle Schmidt in der Zenth
•die Ketten und ander darzue gehörige Ding machen und
«chmitten.''
246 ^*^ ehemalige Amt Lichtenberg vor der Rhön.
Im Jahre 1556 wurde ein neuer Galgen aufgerichtet»
Die Bäohßischen Ortschaften weigerten sich, dazu zu helfen,,
da sie nur die 4 hohen Bugen an die Cent zu bringen hätten
und deshalb den anderen Orten nicht gleichzustellen wären;..
y,aber Philipß Diett der Ambtman hat sie deß gewiesen, wie
sie dan darauff am 27. Fehruarij berurtes Jahrs Holtz zu
TJffbauung desselben Galgens geführt'^ Allen bei der Auf-
richtung desselben Beteiligten wurde auf Kosten der Cent
eine „Verehrung" gegeben.
Im Jahre 1590, als sich wieder ein neuer Galgen nötigp^
machte, liefs der Centherr, Bischof Julius, anfragen, ob ea
sich nicht empfehle, ein steinernes Hochgericht zu bauen»
Darauf antwortete der Amtmann: „Wann nun, wie £. F. G»
melden, ein steinernes aufgericht werden solte, halten wir
für unser einfalt darfur, solches nicht viel mehr muhe oder
uncostens dann ein hulzenes brauchen oder costen wurdte»
XJnd hat gleichwol diso gelegenheit, das es heuer Samfelt
umb das Hochgericht hat, und vor kunfftiger £rndten merck-
lichen schaden nit wol etwas daran zu bauen ist'' etc. Dem-
nach besohlofs die Regierung die Errichtung eines steinernoD
Galgens, und zwar nach folgender Vorschrift : „Erstlichen mit
dreyeu seulen yon Quaterstucken und Rauensteinen unden
von der erden an in die yierung 20 schuech hoch, biß in
die Helfft 4 werckschuech dick, dann oben hinauß 8 schuech
dick, und sollen solche seulen iede yon der andern 6 schuech
weit gesetzt werden in der Holn (im Lichten), und daa
Meuerlein herumb soll 5 schuech hoch und 2 schuech dick
sein, und ein gehauen thurlein 3 schuech weit und 5 schuch
hoch''. Es betrug „der Steinmetzer Lohn yom Mauerwerck
alle in der Zenth 75 fl., . . (?) fl. der Steinbrecherion,.
Jedem ein tag ein ortsgulden" (^/^ fl.). „Zu diesem ist er-
fordert worden 36 Steinmetzen auß allen Zentpflichtigen
Dorffern, desgleichen 20 Zimmeimenner." Bei der Aufrich-
tung war mit den übrigen Schultheifsen der Cent auch der
von Fladungen anwesend, „gibt aber für, er sambt seine
Burger seindt zu disem Werck nichts zuthun schuldig".
Das ehemalige Amt Lichtenberg vor der Rhön. 247
d) Streit- und Gentfälle.
Da Centprotokolle nicht mehr vorhanden sind, ist über
Centfälle nur wenig zu berichten.
1582: Kaspar Kapp, ein Edelmann zu Sondheim, erschofs
Ton seinem Fenster aus den Christoph Glesheim mit einem
Feuerrohr um einer nichtswerten Ursache willen. Der Fla-
4unger Amtmann Otto Wilh. v. Gebsattel wollte gegen den
Mörder einschreiten, allein dieser pochte auf die (von der
«Cent allerdings bestrittene) Gentfreiheit der seinem Schwie-
gerrater, dem gleichfalls edlen Wilh. Vasant, gehörigen Kem-
nate (S. 229) wie auch auf seine Reichsfreiheit, und Veit
von Heldritt, der lichtenb. Amtmann, schützte ihn darin,
-einmal weil sie gute Freunde sein mochten — seine Frau
^atte erst im vergangenen Jahre ein Kind Kaspar Bapps aus
der Taufe gehoben — dann aber auch werl es die verhafste
fremde Gerichtsbarkeit galt • Rapp verliefs nach seines Schwie-
gervaters Tode (1588) das der Hen*schaft heimgefallene Gut
und zog auf das seiner Frau zugefallene fuld. Lehngut zu
Hansen.
1610: „27 Sbris decoUatus et exusttis est Fladungce
Joannes Schmid Stmdheimensis, qm clependo et harpa-
gando furum pila. . • sese exhibuit egregie*^ (Sondh.
Krchbch.). Über diesen Fall ist ein starkes Aktenbündel
noch vorhanden (Wb). Hans Schmidt war trotz seiner
Jagend von 1601 bis 1610 schon fünfmal wegen Diebereien
bestraft. In Henneberg hatte er gestohlen, in Helmershausen
,,ein Fohlen entritten", anderwärts Ketten und dergl. „ent-
frömbtef. Zuletzt hatte er Drfehde schwören müssen, war
bei Sohweinfurt in Dienst getreten, aber doch wiederge-
kommen. Neuer Diebstähle wegen wieder in TJotersuohung
gekommen, gestand er unter der Folter, dafs der Teufel leib-
haftig ihn zu aller Sünde verführt habe, das eine Mal in
Gestalt einer „Jumpfer**, dann wieder in anderer. Er wurde
nun verurteilt, aber nicht als Dieb zum Galgen, sondern
wegen seines Umgangs mit dem Teufel zum Feuertode. Am
29. Oktober berichtet der Amtmann Otto Heinrich v. Geh-
248 ^<^ ehemalige Amt Lichtenberg ror der BhSn.
Battel: „Den 27. nechBtyerwiohen hujus ist der alhie ge-
weßene verhaffte Hans Schmidt Ton Sontheim peinl. Gericht!,
yerorteilter massen erstlich mit dem Schwert (auß E. F. 6»
sonderbahren genadt) vom Leben Bum Thot gebracht unod
alß dan mit dem feuer yerbrandt worden. Dieweil aber anch sein
Yatter und Mutter*' in Üblem Geruch, namentlich in dem der
Hexerei stehen, so wird man auch gegen diese vorgehen
mÜBsen. „Dan in Neuliohkeit ein weih zu Sontheim an
Händen und fußen erlamet, deßen wegen Niemandt änderst
alß ermelts Schmiden Mutter in Verdacht gehabt" etc. und
so hat sich ohne Zweifel an diesen Fall noch ein schöner
Hexenprozefs angesponnen — nur fragt es sich, ob den das
Amt Lichtenberg sich hat nehmen lassen.
Was die Strittigkeiten zwischen den Ämtern
Lichtenberg und Fladungen bez. den beiderseitigen Herr-
schaften der Oent wegen betrifft, so war denselben durch
den Trappstädter Vertrag von 1699 durchaus noch nicht ein
Ende gemacht. Es war darin als herkömmlich festgesetzt
worden, dafs die sächsischen Dörfer aufser den 4 hohen
Bügen alles, „was Leib und Leben, Halß oder Handt und
mit dem Nachrichter zu straffen betreffen thut, auch über
dieses Wunden und Stich, so bindbahr, hefftbar, beinschrödig^
oder sonsten Glieds tief oder lang" an die Oent zu bringen
hätten; doch war das noch nicht genau genug, dafs die Oent
ihre Ansprüche nicht hätte immer weiter auszudehnen ver*
suchen sollen« Hat der lichtenb. Amtmann Heher in seinen
„ÄddiiionaleS^^ (1678) zur Amtsbeschreibung von 1643 schon
viel über Streitigkeiten mit Mellrichstadt zu klagen, so noch
viel mehr über solche mit Fladungen — „da fanget sich erst
der cutnulus deren strittigkeithen an" ^). Die von ihm an*
1) ,4* Wegen Stellung derer dglinquentcn an das cent-
gericbt, welches man in geringen fillen ihnen disorths n§giHt ^^
der centh die gewöhnliche geldbns nur an schicken gemeiner, welches sie
aber anzunehmen recunreitf das also disorths kein deünquent iistvi, ien-
seits kein straf angenonmien wirdt.
2. Wollen sie alle feldverlnst gerfigt wisenf disorths sagt i
Dms ehemalige Amt Lichtenberg ror der Rhön. 249^
gegebenen und andere Streitfragen wurden durch die Ver-
träge von Meiningen (1678) und Neustadt (1686) erledigt,
und zwar in einer Weise, die wieder an die Bemerkung Erd-
maons 8. 206 erinnert
Der Meininger Vertrag (§ 10) bestimmte: ,,DaB
fährohin obigen Trappstattischen Vertrag gemeß alle darein be-
nahmbte fälle (darunter die f e 1 d t Ru g e n , wie gering sie auch
sein, nichts ausgeschlossen) ordentlich, die ereignete brändt aber
ohne Zeit Verliehrung so balden geruget und bey der Oenth.
angezeigt, all wo dann allo und iede obige Ca8t$8 unter-
suchet und gerechtfertiget werden, zu dem ende die interes-'
sirte und ddinquenten uf iederweilige Citatian ohne
einmischung und Vorerkentnus der Voytey
(Liehtenberg) sich stellen, wie auch in allen fürkommenden
bludigen Schlägerejen und befundenen toden Cörpem (es
seje dann von eines oder andern offenbahrer Natürlicher
ableibung, männiglich Eundt und wißend) die besichtiguog
der Centh Fladungen, iedoch in beysein des iederweiligen
orths Schulthesen zustehen; darbey es doch diese Meinung
hat, das gleichwohl die Mortt- und yorsetzliche bränd allein
bey der Centh abgestrafft; die übrige ungefehrde disual-
brünste aber nur, doch zeitlichen, geruget werden sollen'',
„wie dann gleichfalls (§ 12) . . . gleich allen übrigen centhbaren
aber, das dergleichen denen flahrschütsen und dorflfheimbürgen sa judi-
eirtn znstfinde. Man überweiset uns aber mit yihlen oetiAuif das vordefien
a«eh dergleichen feldt diebere/en an das centhgericht ger&get worden.
8. Wollen sie in crminibui und andern ddiet, die inqit. and
cognition€m eautae haben, disorths aber fugirt man ein solches,
mit yermelten, das es wider den klasren buchstaben des Trappst Vertrags,
welcher vermsg das dahin gerfigt solte werden, was mit dem nschrichter
xa bestraffen, dann die beschriebene wanden ; nan könte ein solches nicht
geschehen, et were dann das factum klar and der thiter aberwiesen;
daraoff hette die centh nar blos die exeoutüm der straf.
(4. a. 5. betreffen Oberwaldbehrongen, Frsnkenheim and Birz [s. a.].)
6. Wollen sie die hiesige oentpflichtige anterhanen dshingehalten
wifien, das sie den male/izthurm mit baaen helfen sollen, welches
man iedoch disorths nicht schaldig."
250 ^'^ ehemalige Amt Lichtenberg vor der Rhön.
Unterthanen die Säohsisohe zur repctrtiüon deß Genth-
thurms zu Fladungen mit beyzatragen sohaldig*'.
§ 5 des NeuBtädter Vertrags bestimmt, daß zu dem
y^alles« was durch den Nachrichter am Leib und Leben ab-
gestraft wird'', alle Ehebrüche, einfache wie doppelte,
und die zu Trappstadt näher bezeichneten „Blutrüsten''
gehören und nach Befinden „mit lebens, leibs, Relegations
oder geldstraffe'^ an der Oent abzustrafen sind, während
dem Amte Lichtenberg nur die Verbalinjurien , simpUces
fomicationes, die noch nicht centbaren Blutrüsten und Schlä-
gereien, die Feldrügen und die Diebstähle in furto primo
(solange es sich bei einem solchen, ob auf ein oder mehrere
Male geschehen, nicht um mehr als 5 jä. frk. handle, was
in jedem Falle durch den Ortsoentsohöffen unter Zuziehung
des nächsten würzburgischen pfiichtgemäTs abzuschätzen sei)
zustehen sollen. Bezüglich der „Verschwiegenen Kuge''
beliebte es Würzburg „aus Nachbarschaffc" nachzulassen, dafs
im Falle einer solchen nicht eine ganze Gemeinde, sondern
nur diejenigen, die darum gewufst, gestraft werden sollten,
Torausgesetzt, dafs nicht der Sohultheifs oder der Centschöffe
sich des Verschweigens schuldig gemacht hätte. Alle Ver-
wundungen seien bezüglich ihrer zur Centbarkeit erfor-
derlichen Länge und Tiefe durch den Centgrafen unter Zu-
ziehung des Ortsschultheifsen, -Schöffen und -Baders und
eines würzburgischen Schöffen pjäichtgemäfs und jäeifsig zu
besichtigen und nach Befinden entweder der Cent, oder dem
Amte Lichtenberg zuzuweisen. Werde ein Verbrecher oder
verfallenes Strafgeld trotz der Mahnung durch den Cent-
büttel nicht rechtzeitig eingeliefert, so habe die Cent dies dem
Amte „blüslich zu notificiren*^; sei nach 4 Wochen noch
nichts erfolgt, so habe der Centgraf das Recht in loco ipso
einzufallen und freie Hand zur Exekution ; handle es sich
aber um einen Kapitalverbrecher, so könne der Centgraf „db
morce periculum et fugte swsptcionßm" ohne weiteres einfallen.
Auch die Streitfragen wegen der tannischen Orte 0 b e r-
waldbehrungen, Frankenheim und Birz, deren
Du ehamalig« Amt Licbtanborg Tor der fibSn. 251
Beohte als sächsischer (arsprünglich heaneb.) Lehen der
lichtenb. AmtmaDn der Cent gegenüber mit su yertreten hatte,
iFurdes durch jene Verträge entschieden.
Hinsichtlich Oberwald behrungens klagt Heber
1673: ,,4., Batione Walberingen, welches Säx. Lehn, wollen
sie alles rugbahr haben, da sie iedoch nichts als die 4 Haupt-
ragen zu rügen hergebraoht'^ Hierzu brachte der Meininger
Vertrag: ,,8o bleibet das Dorff Ober Walbehringen neben denen
Tier hohen fällen auch bludrust und scheldiwort an der Cent zu
rügen und zu yerbüßen schuldig''; und der zu Neustadt: ,,60
sollte nicht weniger 6., Ambt Liditenberg denen Oberwald-
behrungern in Verweigerung ihrer Oentschuldigkeit keine
Assistenz thun oder sich in selbige unter einigen Preeiext
ferner immisciren".
Heher klagt weiter: „5., Wegen Birx und Francken-
heimb wil man die Uutertiianen zu würcklicher Ablegung
der Centbpflicht anhalten, da sie yordeßen doch nur blos an
'Oeriohtstab angelobet''. Im Meininger Vertrage heilst es hier-
zu: ,^um 22., sollen beede Thännische Dorffschafften Birx
und Franckenheimb yon dem hochfürstl. Hause Sachsen nicht
ferner yon der würcklicben Centpflicht abgehalten, sondern
fürs Eünfftig dem in Anno 1589 zwischen dem Hochsti£ft
Würtzburg, dann Martin und HanA Melchior gebräderen yon
der Thann ufgerichten Becess gemeß die bey der Centh
Pladungen herkomliche Pjäicht mit erhobenen Finger ablegen
laßen, da zumahlen man sich yon seiten Würtzburg einen
beglaubten Extract, daß sothane Centhpjäicht yon wegen Bi-
schoffen Philipp Adolphen gleichfals yon bedeuten Unterthanen
•eingenommen worden, ex super fluo einzuschicken sich er-
botten hat".
Endlich suchten beide. Centen Mellrichstadt und Fladun-
gen dem Amte Lichtenberg die schon 1484 durch Papst In-
nocenz VIIL sankti4>nierten , aber besonders im 17. Jahr-
hundert in Aufnahme gekommenen Hexenprozesse
etreitig zu machen, obgleich Würzburg keine Bestimmung
•^ines der Weistümer für sich anführen konnte. Heher klagt
ivn. 17
252 ^'^ ehemalig« Amt Lichtenberg vor der Rhön.
namentlich über IfellriohBtadty „das es die Centgerechtigkeith
491 puncto V&neficii exerciren wil, welches Crimen iedoch
in denen 4 Spedebus nicht benahmet, deswegen dann Volu^
mina Äctarum gegeneinander geweselt worden. Interim ist
man disorths in der possessiony dan in w&rcklicher execution^
in Verbrennung, anch Yerweisung derer Hexen Ye^blieben'^
Diese Frage wird in keinem der oben erwähnten Verträge
berührt; das Amt behielt also die Hezenprozesse, deren Zeit
übrigens nun bald za Ende war. Akten darüber sind leider
nicht mehr vorhanden.
Einige Fälle ans Ostheim yom Jahre 1685, welche zeigen^
wie auch unter den Schrecken der KroateneinföUe, der Hun-
gersnot und Pest der Aberglaube sein Kecht behauptete*:
y^Anna Brolzin, so ^/^ Jahr wegen beschuldigter Zauberey
gefangen gesessen, ist in dem Gefängnis auf der Neuenthor-
stube gestorben und wurde ohne alle Ceremonien begraben.^*
Femer verstarb „de0 alten Hansen Oeo Biers fraw, und weilen
sie lange Zeit der Hexerey beschultigt gewesen, auch vor
deßen auf sie von andern bekant worden, welches noch ciso
unerördert bey der hohen Obrigkeit gestanden, ist sie ohne
Ceremonien ald ein puiidum membrum Ecdesice unten auf
den Gottes Acker, do dergleichen unbuBfertige Persohnen
liegen*' (z. B. seit 8 Jahren Martin Stirner und seine Frau
[S. 222]) „begraben worden. Ist sie unschultig gewesen^
wolen so wird ihr diese zeitliche Schmach, so fern sie sich
an den Hn. Chr. mit glauben gehalten, an ihrer Seeligkeit
nichts schaden: Ist sie aber schultig gewesen, so wird sie
nunmehro albereit ihren gerechten Lohn empfangen. Der
liebe Gott behüte un0 für solchen exempel''. So schreibt ins
Osth. Kirchenbuch der Kirchner und Knabenlehrer Strahm^
später Pfarrer in Helmershausen.
Die Mellrichstädter Gentakten enthalten (nach Müller)
noch folgende Notizen: Ende Juni 1668^ wurde die Frau des
Weiisgerbers Hans Klee zu Ostheim vom Amte Lichtenberg
Hexerei wegen eingezogen und zum Feuertode verurteilt, im
September die „schwarze Eatarine^, und im März 1664 Su*^
-Das •hemalige Amt Lichtenberg vor der RbSo. 253>
sänne, des Schasters Hans Yöhler (E&hler) in Ostheim Haus-
frau. Das sind von vielen nur einige Fälle, deren Kenntnis
wir nur der Eifersucht und Mifsgunst der Mellrichstädter
Gentbeamten verdanken.
Die Stätte der Hexen Verbrennungen für das Vordergericht
war unterhalb der Liohtenburg auf dem j^Oestrüpp'' bei der
grofsen Linde, die erst 1818 ausgegraben worden ist.
Sehr lästig für die Vordergerichtsorte war die Huldi*
g u n g s p f 1 i c h t y die sie aufser ihrem LandeBherm auch
dem Fürstbischof von Würzburg als ihrem Gerichtsherm zu
leisten hatten, sobald derselbe nach seiner Inthronisation in
die Gegend kam, und gegen die schon 1482 Fürstabt Johann
von Fulda als Pfandherr des Amtes vergeblich protestiert
hatte (XYI, 299 f.). Nur Ostheim, obgleich die dortigen
„Centverwandten" regelmäfsig nach dem jedesmaligen Huldi-
gungsorte (z. B. 1. Juni 1674 nach Mellrichstadt, 28. August
1687 nach Neustadt, 1725, und den 14. Juni 1748 nach
Königshofen etc.) geladen wurden mit der Yerpfliohtung, sich
daran y,Ton nichts als durch Gottes Gewalt" hindern zu
lassen, fügte sich nicht; es schickte jedesmal 2 seiner 6
Bürgermeister nach Mellrichstadt an die Cent, gegen solche
Zumutung zu protestieren, bis endlich die Ladungen aus-
blieben.
Die Huldigungspflicht der Yordergeriohtsorte war im
Trappstädter Vertrage fixiert worden. Darnach mufsten alle
centpflichtigen Nachbarn (auch die Witwen) „Erstlich mit
Handgebenden Treuen, dann mit uffgehobenen Fingern'^
schwören:
„Das ich dem Hoch würdigen Fürsten und Herrn, Herrn
Julio, Bi8cho£fen zu Würtzburg und Hertzogen zu Francken,
auch dem Ehrwürdigen Herrn Deckant und Capitel zum
Thum zu Würtzburg und ihren Nachkommen, meinen gnä-
digen Herrn, von Ihrer und Ihrer Gn. Stiffts erblichen ge-
rechtigkeit wegen, und der Cent Fladungen halben, wie Ihrer
17*
254 ^'^ ehemalige Amt Lichtenberg vor der Rh5o.
On. und derer Vorfahren hergebracht in Übung und gebrauch
gehabty gewertig und gehorsam seyn boU und will, also uf
Ihrer Gn. und Stiffts erblicher garechtigkeiten, wie oben ge-
meld| eine rechte Huldigung thun, Ihren und deBelben Stiffts
schaden bewahren und frommen getreulich werben, auch Ihrer
ffirstl. On. gewalt und Recht helffen handhaben und hegen,
als mir Gott helfe und sein heiliges Eyangelium''.
Der Neustädter Vertrag bestimmte noch, dafs, wenn das
Amt Fladungen nebst den centpflichtigen sächsischen Orten
zur Huldigung citiert w&rde, „als denn yon dem Würtsburg.
Beambten denen Lichtenbergpischen eine unverföngliche freündL
Commtmieaüon davon wiederfahren möge."
Über die Huldigung von 1748 schreibt der Sondheimer
Schultheifs Martin Beichart:
„D. 11. Juni 1748 ist die Cent Hultigung in Neüstatt
gehalten worden ; hab ich die Specification über die Nachbar
müsen zu Fladungen eingeben. Wer alt und schwach ist
gewesen, und die alte Witt Weiber haben wir mit einander
zu HauB gelasen, und 12 Mann hab ich zur wach zu hauß
gelasen; ist in der Neüstatt kein Nachfrag gehalten worden,
sondern die Sbächsischen Dorffschafften haben musen Handt
GelöpniB thun dem Fürsten und den beyten 2 tom Herrn,
und dann darauf geschwom."
Nachdem durch Reichsdeputationshauptschlufs yom 25. Fe-
bruar 1808 der weltlichen Herrschaft auch des Bischofs von
Würzburg als Herzogs von Franken ein Ende gemacht wor-
den war, wurde am 24. Mai des genannten Jahres die letzte
Gentsitzung in Mellrichstadt gehalten. Die Gerichtsbarkeit
ging nun auf Ferdinand von Toskana, den neuen „Kurfürsten^',
später „Grofsherzog'' von Würzburg über ^). Infolge des Bhein-
1) Qrofflhersog Ferdinand hesuchte mit der Fflrstin von Thnrn und
.Taxis am 8. Okt. 1810 die Liehtenhnrg; sie bestiegen auch den grofoen
Torrn.
Das ehemalige Amt Lichtenberg vor der Rhön. 255
bondes fiel endlich 1810 die würzbar gi sehe Oerichtsbarkeit
über das Yordergericbt gans weg.
Ein Urteil aus jener Zeit über die Aufhebung der frem-
den Oeriohtsbarkeity in dem y,Neujahrszettel'' des Osth. Kirch-
ners Stampf für 1811: ,,AIb ein neues Ereigniß im hiesigen
Amt ist cu bemerken, daß in dem laufenden Jahr die ehe-
mals nach Würsburg gehörige Gent- oder peinliehe Oerichts-
barkeit zu Ostheim, Sondheim, ürspringen, Stetten und Mel-
pers unter dem Schutz der Bheinbunds-Akte von gnädigster
Landes-Herrsohaft eingezogen worden ist, und nun solche
von dießeitiger Obrigkeit ausgeübet wird, wie schon mehrere
FSlle vorgekommen sind. Hierdurch sind theils den Unter-
thanen wesentliche Yortheile zugewachsen, theils werden
auch viele zwischen den beyderseitigen benachbarten Amts-
Behörden über der Centausübung entstandene Mishelligkeitea
unterbleiben, und daraus ein besseres Einverständniß ent-
stehen, das manche erspriesliche Folgen für die Oewerbs^
leute und für Handel und Wandel im Allgemeinen haben
kann/'
Noch heute hört man in Ostheim beim BekanntwerdcD
einer Übertretung: Das ist ja ein Gentfall! —
Nachdem 1816 das Hintergericht vom Amte Lichtenbergs
abgetrennt und zum „Justizamt Kaltennordheim" geschlagen,,
das Yordergericbt aber zum „Justizamt Ostheim'' geworden
war, gab es fortan kein Amt Lichtenberg mehr, und wir
hätten nichts mehr über die EechtspfLege in demselben zu
berichten, wenn nicht ein bald darauf im ehemaligen Yorder-
gerichte vorgekommener Fall, der zweite (abgesehen von
HexenverbrennuDgen) und letzte, da£B in Ostheim peinlichea
Halsgericht gehalten worden ist, Erwähnung verdiente.
Am 17. Juni 1817 hatte der katholische, mit einer Ost-
heimerin verheiratete Schuhmacher Stephan Bessemer yon
Huttberg in der Nähe von Schmerbach den Wilmarser Judea
Manes Sternberger mit einem in das Taschentuch geknüpftea
Steine erschlagen und ihm seine Trödelwaren abgenommen»
Da er schon einiger, besonders in Sondheim begangener
256 ^^^^ ebomalige Amt Lichtenberg vor der RbdD.
Diebstähle yercläohtig war, kam er zuerst in Ostheim, daoQ
10 üntermafsfeld , seinem suständigen Gerichte, in Unter-
suchungshaft. Nachdem er dort sein Verbrechen gleich ge-
standen, wurde er tags darauf auf seinen Wunsch nach Ost-
heim zurückgebracht, wo er zur Enthauptung und Flechten
des Körpers aufs Bad verurteilt wurde. Die Hinrichtung
fand erst am 18. Juli 1818 statt Tags vorher war ein
Detachement berittener Gendarmen eingerückt; am Tage der
Hinrichtung früh 8 Uhr trafen die auswärtigen Kompagnien
des Landsturmbataillons ein, welchen sich die Ostheimer an«
achlofs. Um 9 Uhr, nachdem eine ungeheuere Menschen-
menge sich auf dem Markte und in den Häusern versammelt
hatte, nahm Justieamtmann Ortmann als Oentrichter mit den
Aktuaren Limpert und Schambach und 3 Ostheimer Bürgern
«Is Schöffen an einer schwarzbehangenen Tafel vor dem Bat-
hause Platz. Nach feierlicher Eröffnung des Gerichts legte
Bessemer sein Geständnis noch einmal öffentlich ab; das
Urteil wurde verlesen, der Stab über ihn gebrochen und er
den Scharfrichtern Protzmann aus Geisa und Schwarz aus
Fulda überliefert Diese führten ihn durch das Fallthor hin-
aus nach dem Bichtplatze, welcher links von dem an Stirnera
Mordthat erinnernden steinernen Kreuze hergerichtet war.
Eine auf 12000 geschätzte Menschenmenge umgab das Ge-
richt Pfarrer Schmidt aus Stockheim, welchem Superinten-
dent Genfsler, obgleich Bessemer sich stets seine Besuche
«usgebeten und von einem katholischen Geistlichen nichts
hatte wissen wollen, nun alles weitere überlassen hatte, betete
auf dem Schaffet mit ihm und sprach, während Bessemer
niederkniete, den Segen über ihn. Dann wurde ihm Hals
und Brust entblößt, er richtete noch einige ermahnende Worte
an das Volk, ein Knecht fafste ihn, nachdem er sich gesetzt,
bei den Haaren und Protzmann führte den Streich. Der
Körper wurde auf den Weihershauk geschafft und auf ein
Bad geflochten, welches auf einem 22 Fufs hohen Stamme
befestigt wurde. Dieser Stamm ist erst 1848 entfernt worden.
Du •hemaiig« Amt Lfehtenbarg ror der Bhdo. 257
8. Die Cent Kaltensandhelm«
Im Jahre 819 schenkte Beginolt Beine Besitzungen (die
im Verhältnis zu seinen mmensis peccaUs nur geringwertig
seien) in (Kalten-) Nordheim, (Kalten-) Lengsfeld, Stoekheim,
Sülzfeld und Herpf im Qrabfelde, femer in den Oauen Folk-
feld, Gozfeld und Werugau dem Kloster Fulda. „Fiicta
lußc traditio in eonuewtu ptMico in uiUa Sundheim earam
comite et iudieüms euü^' etc. Hier wird Kaltensundheim
xum ersten Male als Geriohtsort genannt
Die Gent bildete ursprünglich, auch politisch, ein Ganzes.
Yermatlich steht ihre frühzeitige Zweiteilung mit der Er-
bauung der Liohtenburg in Zusammenhange. Von dieser Tei-
lung ist jedoch erst 1315 urkundlich die Rede. Der eben
inthronisierte Fürstabt Heinrich war mit Berthold YII. von
Henneberg, dem Besitzer der Kalten nordheimer Hälfte, der
Cent wegen in Streit geraten, welcher durch Schiedsmänner
{auf fuld. Seite Ludewig v. Schenckwalt und Gyse von Wyers
[Weihers] „der do heyszit y. Ebirsperg", auf hennebergischer
Hertnid y. dem Berge und Bertolde Yoyte y. Henneberg;
Mittelsmann Conrad y. Byenbach) am Sonntage nach Bonifatii
geschlichtet wurde. Es wurde festgesetzt, dafs an die Cent
in „Yzem" (unserm) Sundheim die 4 Bugen (»»mort, dube,
notnunfPt, nachbrant'O» »falsch wundin und watschar ^), waf-
fin schrey, heymsuche und wegelage^', „geozuckit swert adir
meszir'' zu bringen seien; widerspräche der Bichter einem
Urteile der Schöffen, „so sullin die schepphin daz recht holin
zcu Bischoffisheym^' ; die ünterthanen des einen Fürsten
brauchten ohne ihn dem andern „dekeyne lantfolge (zu)
haldin adir thun uszwennig dem gerichte". Die Urkunde
(M; gedruckt u. a. bei Schultes) ist nur nach einer 1464
vom Dechant („Johann Swallungin'^) und Kapitel des St Egidii-
atifts zu Sohmalkalden beglaubigten Abschrift bekannt.
1) Wat mhd. ^ Gewand, s. B. „Er sich in blnotesröten : stn wSt
was elliu DAS** (Nibel., 1086); schar «b treonen , reiften | vgl. Schere,
(Pflug-) Schar. Schultes liest irrtflmlieh „waltschat««.
268 ^'^ ehemalige Amt Lichtenberg vor der Rhön.
Von 1832 bis 1388 waren beide Hälften in henneber*
gisoher, von 1360 bis 1366 in l'uldaischer Hand rereinigt
(XVI, 279, 302).
Im Jahre 1427 am Jakobitage wurde eine Streitsache
zwischen Wtirzburg und Henneberg wegen ihrer gemein-
sohaftlichen Cent Ton den Schöffen nach dem Herkommea
entschieden ^).
Als es 1447, bald nach dem Begierungsantritt Heinrichs
des Unruhigen in Kaltennordheim, wieder der Gent wegen:
Zwistigkeiten gab, stellten die Schöffen das bis 1600 in Gel-
tung gebliebene W e i s t u m auf; doch wurde noch mehrmals,
da es nicht für alle Fälle ausreichte, die Entscheidung der
Schöffen in Anspruch genommen. Auch die Beglaubigung
der Abschrift des Schieds von 1315 im Jahre 1454 deutet
auf ein Herrorholen desselben in einer Streitsache hin.
Über die Verfassung der Gent giebt besonders
das erhalten gebliebene „Gentbuch'' aus den Jahren 1566 —
1583 (Wm) Auskunft. — Der Gentbezirk umfaTste die
sächsischen (lichtenb.) Orte ESundheim , Mittelsdorf^
Scbafhaosen, Gerthausen und Wohlmuthansen (Pfaffenhausen
war schon Wüstung; Helmershausen hatte noch seine eigne
Gent); die hennebergischen (kaltennordh.) ENordheim^
Westheim mit der Wüstung Lichtenau, Ober- und ünterweid^
1) Vdn dieser Entscheidaog sind nur folgende Befttimmimgen er-
halten:
„Item des gericht zu KAltensandheim ist meinen hern halb and ge-
bortt gein Northeym, and was hals and handt antriflt, das gehört gein
Northeim anden an den thurn und die leitero, und nicht gein Lichten-
berg; daran sol man einem yoigt zu Lichtenberg seinen antheil than.
Were es aach, das sich ein Jagett machte von meines hren wegen,,
die leute, die den von gerichts wegen jagten, die jagen nicht femer dann
das gericht wendet. Werde indes imandt sohedliehs begrifienn, den solt
man auch gein Northeym und an den thurn antworten und daran einem
Toigte zu Lichtenberg auch seinen anthel thun ; geschee aber das nicht
and das mein her femer jagete mit seinen ejgen leaten uf dem gericht
und dann imandt begriffen, den solte man auch gein Northeim thun, und
der Toigt ?on Lichtenberg hette keinen teill daran.*'
Das ehemalige Amt Lichtenberg ror der RhSn. 25^
Erben- und BeiohenhauBen, and das ,,Oberamt": Bettenhausen
and Seba^), und das ri tterschaftliohe Weimarsohmie*
den, das nur die 4 hoben Bugen an die Gent zu bringen
hatte, da die ,^unker" daselbst die Yogteilichkeit hatten.
An dieser Cent hatte jede der beiden Oentherrsohaftea
2a allen Gerichtstagen nicht nur ihren eignen Amtmann^
sondern auch ihren eignen Centgrafen und Centbüttel, waa
oft SU Streitigkeiten Veranlassung wurde. Der lichten-
bergische Ajntmann bcTollmächtigte, schon wegen der fünf'-
stündigen Entfernung, zuweilen den Schultheiüsen yon KSund»
heim zu seiner Vertretuog; Veit Ton Heldritt schickte wohl
auch seinen Förster Wolf (Kempf? S. 178). Der Amtmann
(Vogt) von Kalten nordheim hatte das Becht, an jedem Ge-
richtstage „ein essen fisch in der Lotten zu fahen, laut der
Vertrag".
Die Centgrafen des liehtenbergischen Teils wurdea
yon den Amtmännern auf Lichtenberg ernannt'). Das^
1) Als nach der ZerstSmng der Borg Hatsberg 1275 und nach der
AuflösoDg des gleichnamigen Amtes Helmernhaasen nebst seinem Gerichte^
an Fulda gekommen war, warde fSlr Bettenhausen und Seba ein eigenes-
Gerieht mit einem Centgrafen eingerichtet, das luerst dem Amte Sand,,
dann der Vogtei KNordheim nnterstellt wurde und deshalb die Cent
KSnndheim „in etlichen Sachen zu suchen hatte**. Der BettenhXuser
Centgraf besuchte mit dem Bettenhftnser Schöffen alle Gerichtstage za
KSundheim.
1) Die Namen derselben, soweit bekannt, sind: 1447 Hans Ehe-
go'tz, im Centweistum genannt. — 1468: Herrn. Tiele, Inhaber des-
fronberechtigten Hofes („Vogtei", „Freihor«) unter der Schule (jetzt Gast-
hans). — 1491 : In einer Streitsache (wegen der Fischerei in der Lotte}
zwischen Lichtenberg und KNordheim wird dak Zeugnis eines W i 1 d -
feuer angerufen, der des Amtmanns Melchior ▼. d. Tann „Untervogt*^
(Centgraf?) gewesen und jetzt Untersais des Grafen Otto in Helmers-
kausen sei. — löftS : Peter Schmidt. — 1566—1595: Melchior
Bichmann (f 1604). — 1595 — ?: Wolf Stollberg. 1606 ver-
kaufte die Herrschaft den Vogteihof. — ?— 1622:ChristophTeubaoh
(t 1629). -— 1622 — ? (noch 1631, 8. 225): Valentin Gumpert,.
Torher Amtsschreiber. — ?— 1635 (f) Tobias Wein rieh, Sohn
des Rektors am Gymnasium in Bisenach Valentin W., damals bekanntem
Dichters. Jeremias, ein anderer Sohn und Dienstnacbfolger deiselben»
260 ^'^ ehemalig« Amt Lichtenberg vor der Bhdn.
KNordheimer CentgrafeDamt war henneberg. Lehn ^). Zur
Bestallung des Centgrafen gehörte ein Hof zu ENordheim (der
ist der Vater des Job. Michael W., Inspektors des Lycenms la Meiningen,
Verfassers des ,,Hennebg. Kirchen- und Schnlenstaat*'. Tobias Weinrlch
Jiatte in Leipzig studiert und warde 16S8 als ,tNoi, puU, Oom.*' mit des
Hefsberg. Vogts Joh. Schertinger Tochter Ursula (Schwester der Frau des
'Gerichtsyerwalters Müller -Stein und des Lehrers Joh. Schertinger tu
fiondheim) lu Ostheim kopuliert. 1684, als Ostheim die unter Bernhard
T. Weimar stehende Cent Mellrichstadt nicht mehr besuchte, war er
„Centrichter su Lichtenberg und Kaltensundheim**. 1685 warde er mit
seiner ganien Familie auTser seinem Sohne Elias (s. u.) und einer Toch-
ter, welche 1647 sich mit einem Sohne des KNordb. Amtmanns Eberhard
verheiratete, von der Pest hingerafft; am 29. August wurde er begraben.
«- 1685— 1648: Konrad Heppe. — 1648— 1662 (f) Friedri ch
MfiUer. — 1652—1656 (t SU Ostheim): Georg M flUer-Stei n ,
vorher Amtsschreiber auf Lichtenberg. Er fQhrte, wie auch sein Nach-
folger, den Titel Qerich tsh al ter. — 1656—1665: Joh. Peter
Wagner (S. 186). Als er sum iweiten Male dieses Amt antrat (1668,
bis 1706 [t]), erhielt er den Titel Amtsrichter, den auch seine
Nachfolger behielten. Von 1698, der Zeit des „tannischen Wiederkaufs"
4in , war er lichtenbergischer und tannischer Amtsrichter. Seine Frau
{S. 187) sUrb 1701. Von seinen Tdchtem heiratete die Xlteste den
Amtsvogt Oerlaoh (1682), die 2. den Amtsverwalter Schröter su Lengs-
feld (1680), die 8. den Leutnant Herm. v. Jossa lu KSundheim (1682),
•die jüngste den Pfarrer Gdbel in Rotbausen (1691). Ein Sohn Ellas
Heinrich war 1678 geboren. — 1706—1720 (f): Johann Andreas
Lftmmerhirt. — 1720— 1724 (f): Christoph Schröter. — 1724
bis 1748 (f) Joh. Christ Henchlin, wegen seiner Beiiehungen su
•den Herren v. d. Tann, und weil er in der Tann einen Bruder hatte, ver-
mutlich daher gebUrtig. 1693 wurde er tannisoher Gerichtschreiber
In KSundheim, 1708 tannisoher Amtsvogt (Amtmann) ; so, und Politei-
kommissaritts hiefs er bei der Wiederlösung der Wiederkaufsorte 1728.
1699 hatte er sich mit der Besitserin des Vogteihofs, einer Tochter der
Terw. Frau Obristleut Walter (ans der adligen Familie Rapp) verheiratet.
Seine Tochter aus 2. Ehe (1728) mit Juliane Marg. Funk, Juliane Marg.
Begine, geb. 1728, wurde die Gattin des Amtmanns und HoArats H. Chr.
K. Thon. Eine 8. Frau (1780) war die Tochter des Hofpredigers Bulil
SU Bemlingen.
1) Anfangs waren Edelleute damit belehnt, so 1 859 Petiv. Schaf-
liausen (daher der „Schaf biuser Hof» in KNordheim). 1420 und 1427
wurde Heinrich Pf äff (1447 im Weistum genannt), 1468 Bastian und
Wilhelm Pfaff damit und mit allen deasen „Ehren, Wflrden und Zuge-
DäB ehemalige Amt Lichtenberg vor der Rhön. 261
^Sohafhäuser Hof *), 2 halbe Gütlein zu Weetheim eto« In
^er leisten Zeit der gemeinschaftlichen Cent war das Amt
dem Bettenhäuser Centgrafen mit übertragen (z. B. 1670
JPranz Molter, 1600 Wolf Baumbach), welcher in Bettenhausen
«nd Seba die Kauchhühner (2 Hühner aus jedem Hofe, „der
^auch hat'') und andere Einkünfte bezog.
Als Centschreiber dienten bis 1617 die Schulmeister
-des Gentortes').
Die Schöffen, welche auf Lebenszeit gewählt wurden,
«aüsen in folgender Ordnung: Bettenliausen, Wohlmuthausen
^2, wegen Pfa£fenhausen ?), Oerthausen, Sohafhausen, Erben-
bausen, Beiohenhausen , Westheim, Oberweid, Cnterweid,
KNordheim, KSundheim (2, wegen Rieden?) und Mittelsdorf.
Anfangs waren an der Cent zwei Freiboten. Auf
-dem Tage zu Stockheim 1468 (s. u.) machten die Schiedleute
«L a* aus: „Es soll auch ein freybote ye zu Zeiten durch
bede Herren gesetzt werden, und der also gesetzt wirdet,
soll iglichem Herren souile als dem andern pflichtig zuthun
hdmngen'* belehnt. 1468 ist Konrad (Kons) Pfaff Centgref. 1488 wird
^org Bauw, 1505 Frits Paafs, 1517 Valentin Paufs belehnt
2) Bis ca. 1686: Job. Baltb. Schreiner, Sohn des ersten
«▼ang. Pfarrers. — Bis 1599: Job. Bttger. Centgraf Stollberg be-
seitigte ihn, weil er nnr lesen, schreiben and rechnen könne, yieUeieht
-wollte er aber nur seinen eignen Schwager versorgen. — 1599 — 1608
Oeorg Zwierlein, spXter Pfarrer in Goldlanter etc. — 1608 — 1609
Johann Christoph Firnbaber, mafste den Gerichtssehreiber-
-dicnst aufgeben, weil sich die Gemeinde flber Versanmnng der Jagend
4>escliwerte; bb 1610 versah der alte B&ger wieder den Oerichts-
«chreiberdienst. — 1610—1618 Job. Schneider (Sartorins), kam als
Bcbolmeister nach Stetten, und als Pfarrer wieder nach KSundheim. —
1613 — 1688: Der obengenannte Firnhaber. Als 1617 die Gemeinde
ihre frfiheren Beschwerden wiederholte, gab er die Schale aof — es gab
jetzt in der Folterkammer viele HezengestSndnisse la protokollieren! —
1623— 168» (t) Job. Ad. Firnhaber, und 1682—1684 Job. Georg
Firnhaber, Söhne des Vorigen. — 1634— 1685 (t) Kaspar Greif-
M u , starb an der Pest. — 1685 -1646 (f) : J o h. Mo 1 1 e r , lugleich Schult-
heifs in KNordheim. — 1646—1701 (f) Elia s Weinrich, seit 1661
«ueh Schaltheifs in KSundheim. — 1701—1736 (f) Job. Georg
IVagner. Nach seinem Tode kam die Gerichtschreiberstelle in WegfalU
262 ^<^ ehemalige Amt Lichtenberg vor der Rhön.
und yerpanden sein*'. Später hat jeder der beiden Centherren
wieder seinen eignen Büttel an der Cent.
a) Petersgerieht.
Solange alle Oentverwandten zum Petersgerichte ersoheinea
muTfiten, wurde es im Freien, hinter dem Kirchhofe, wo jetzt die^
Tarnanstalt sieh befindet, in späterer Zeit im Wirtshause gehalten..
„Gemeyne artheill,
so alle petersgerieht zu recht gesprochen werden^).
Der richter fraget die schopffen, aaff den eidt, wie man dU lent
petersgerieht hegen soll, das es lom rechten gnugsam sey, das mai»
einem iden rechts verhelffen khann, der et begert, wie von alter her-
kommen ist« — Urtheill : Der richter soll es hegen von wegen unser g«.
f. nnd herrn, Sachsen und Hennenbergk, und von wegen beder ampt-
mlnner Lichtenbergk nnd Kaltennortheim, nnd von wegen beider aent-
graffen, nnd von wegen der vierzehen schopffen, und beder landtknecht,.
anch von aller der wegen, die an diesem sent petersgerieht recht gebea
und nehmen wollen.
Der richter fragt, wie man diesen stuell besetzen soll, das er
zum rechten gnugsam sey. — Urtheill: Man soll in besetzen mit vier-
aehen mann,, die frnm und ehrlich gebome leuth seinj unnerlanmet und
zu dem rechten woll dnglich nnd geschickt sein.
Der richter fragt, wer dies zent peterm^ericht besuchen soll. —
Urtheill : Alle die unther nnsem jg. f. nnd hern zent wonen und zent-^
pfliehtig sein, und die sich wonne und weide, holz und felde gebrauchen,,
und die da eigenen rauch haben, und die da recht geben und nehmeO'
wollen.
Der richter fragt, was bede unsere g. f. und hern Sachften und
Hennebergk für ger echtigkeit und herllohkeit an dieser zent
haben. — Urtheill i Es leigt ein verdrag zu Kalten Sontheim im heiligea
kästen*), daran hangen drey siegell, darneben ein Vortrag von bedea
unseren g. hern grauen Wilhelmen und grauen Bertoldthen, in neulioh-
keiten auffgericht; dieselt>igen soll man öffentlich vor der zent verleben».
Darinne findet man und boret, was bede unsere g. hern in dieser sent
für gerechtigkeit und herliehkeit haben.
Nach diesem urtheill werden die verdreg öffentlich verleften.
1) Auf die Wiedergabe des ei-Lautes durch ie, wie anch des allzu^
hXufig angewendeten Doppel-n im Original wird hier verzichtet
2) Heiligenkasten heifsen in der Gegend noch die Deposltenkaatea
der Kirchkassen.
Dm ehemalig« Aint Lichtenberg vor der Bhdn. 263
I. Von gotU gnadeo, wir Wilhelm und Herman geuettera, grauen
find herren sn Hennenberg, bekennen mit dießem brieff für nns,
onfier beider berichaft und erben, so als sich des gerichst halber
aw Kaltensontheim switracht begeben, darron salch gericht etlieh
seit nidergelecht geweflen, und aber nf heüt dato durch den hoch-
wirdigen und hochgeporen lieben hem und vettern zwischen uns
einen schied ufgericht, nemlich so sich swischen uns beiden her-
Schäften copieen f&nden eins briefs darüber gehalten, der umkomen,
-das wir snlche brieff wiedemmb in lauth sulcher copien unter unser
beider insiegel zwiefeltich ufri^ten und fertigen, der unfler ider
herschafft einen haben, und den dritten in den heiligen casten sw
Kahensontheim darinne furter sw pleiben erlegen sollen, lautende
wie von wort su Worten hernach volget:
(Weistum)^) „jjch ThoU Letz von Bettenhaufien, Lotz Same
und Oerlttch Schaltheies su WolmathauBen, Heinrich Walpurg von
Oertbanfien, Bets Volhart von Schaaffhaufien, Hans Strefifier von
Erbenhaufien, .Petter Franck von BeichelhauBen, Heinrich Weber
und Pauls Befidorf von Weistheim, Claus Hatthes von Mittelstorf,
Heints Naw und Heins Eichom von Kaltennortheim, Tholl Schmidt
und Klaus Moller von Kaltenßontheim *) : bekennen'' ** etc. ").
1) Abgedruckt bei Schnltes mit einigen abweichenden Lesarten.
2) In diesem Verzeichnisse fehlen die Schöffen von Ober- und
tJnterweid — gehörten diese Orte noch nicht zur Cent? — dafEir hatten
IVestheim und KNordheim je 2 su stellen.
8) Sie teilen su Becht 1., dafs beide Herrschaften alle Peterstage
ein Gericht haben, welches all« Centpflichtigen su besuchen verpflichtet sind.
^., dafs die Amtmfinner alle 14 und 1 Tag ein Centgericht halten können,
und dafs, wenn beide Herrschaften in Feindschaft geraten, ein jeder
seinen Centgrafen ein Gericht ansetsen könne, welches, unbeschadet der
Bechte des andern, alle Centpflichtigen su besuchen hätten. 8., Beide
Herren haben alle möglichen Gebote an der Cent. 4., Alles gestohlene
und gefundene Out, „Dwb und Dwbinnen" sind unter den Turm su
KNordheim su liefern und beiden Herren zugut su verwahren. 5., Jeder
-Centverwandte ist verpflichtet, beiden Herren auf Erfordern Nachfolge zu
leisten, dem eignen, soweit er will, dem andern „als vem als die Zent
warett'*. 6., Beiden Herren sind in Friedenszeiten alle Kirchhöfe offen
,su halten, in Fehdezeiten nur dem eignen. 7., Jeder der Herren hat
-dafBr sa sorgen, daX^ die seiner H&lfte sustehenden Schöffenstühle voU-
sihlig b«s«tst sind. 8., Dem Grafen Heinrich mfissen seine Dörfer und
Kirchhöfe (Lichtenau ist hier noch mit genannt) offen stehen, es sei Tag
<oder Naeht.
Auf Bitten der Schöffen ist das Weistum von Hans v. Allendorf
264 ^'^ ehemalig« Amt Lichtenberg vor der Rhön.
Das nn demnach wir obengenanten graae Wilhelm und grau»
Herman von Henneberg nns solchs briefs Inhalts vor uns and nnfir»
erben halten nnd den an weigemng wollen and sollen naehkomen,
das haben wir zur orkant anser itslicher sein insiegell vor ans^
anser beder herschafft and erben hir angehangen, and farter mit
yleis gebetten den hochwirdigen, hochgepomen forsten and hem,
hem Johan, abt des stie£fts sn Falda^) obgenannte, das er Aeiner
apthei insiegel anch hieran gelangen. Das wir itso genanter abt
Johann also uf geschehene bitt gethan haben, hiemit bekennen, doob
ans und nnserm stieft on schaffen. Geben nf santag nach sanct ... tag r
and Cristi ansers lieben herrn gebart fanfifieehenhandert nenn jar»
II. Von gottes gnaden wyr Wilhelm and Bertboldt, granen nnd
herrn anser beder theils graffschsfft and herschafft za Hennebergk,.
bekennen mit difien brieff far ans, anser erben and herschafft nach-
kommen, das wir ans mit nnfter bedertheils gaten willen and wifien
der sent halber zw Kaltensanthejm amb etliche stritigen artickeln
himach YoIgendermaBen verglichen, yereyniget and endlichen ver-
tragen haben.
Als erstlichen der ko»ten der peinlichen rechtfertigang halber, ss»
wir beyde obgenante gevettern oder anser erben einen nbeltheter
peynlicben rechtfertigen oder richten lafien wollten, wafi dy kostang^
der amptlefith Lichtenberg and Kaltennortheym (doch das ir keyner
Über drey oder vier pferd oder penon mit sich pringt), anch der
zenntgraffen, sentschopffen, freybotten and des nachrichters kosten
treffen oder gestehen würden, sollen wyr beyde denselbigen kostei^
swgleich gellten und bezalen; sio aber anBer eyner oder anBer
erben eynen nbeltheter allein wollt lallen richten, sso solle derselbig
oder defielbigen erben den gemellten gerichtskosten allein gelltei^
nnd anflrichten ; szo aber ein ansl&ndischer oder eyner in der sent
wohnhafft eynen nbeltheter wollt peynllch rechtfertigen nnd rlditen-
lafien, derselbig oder dyselbigen sollten obvermelten p^nlichen
gerichtskosten für sich on nnfier znthan besalen und erlegen. Ge-
schehe aber ein mifihendler ans f&rbit oder aas gnaden des leben»
gesichert und amb ein gelltstraf aasgelafien, dieselbig straff sollen
(so nannte sich ein Zweig des Vasantschen Geschlechts nach Allendorf
bei Salznngen ; es starb 7 Jahre später mit Hans aas) and dem Pfarrer
Heinrich „New** in ürspringen besiegelt worden} anc-h hingen die Amt-
mftnner Günther Vafiolt (Vasant) für sich und den liehtenb. Amtmann
Heints Llncke and der Centgraf Hans Ehegots für sich und den KNordh.
Centgrafen Heinti Pfaff ihre Siegel daran. Datum Donnerstag nach
1447.
1) Onkel des Grafen Wilhelm VL
Dm ehemalig« Amt Lichtenberg vor der Bhdn. 26&
nnsem jeden and derselbigen erben sum halben theyll volgen nnd-
werden.
Zam andern, so sollen alle zentbare dörffer und wustennng In-
wohner Yon alter an dy sent gehörig lasampt den vier hanp^
ragen, platendte fliefiende wanden, desgleichen alle gerockte nnd
gezogene wehre an gedachten unsern senfgerlcbt geroget, eingeleget^
*' gerechtfertiget nnd gestraffet Verden, nnd alle monat dorch beyde
amptlefitbe ein gerichtstag verglichen nnd ein sentgericbt gehalten-
werden, ausgenommen die ferien, doch dergestalt: was also rage«
weis einbracht von straffen oder sansten der flieftenden wanden nnd
der gerockten and gezogenen werbe halber erkannt oder za recht
getheillt wlrdet, sollen dieselbigen straffen unser jden und der-
selbigen erben von ihren unterthanen allein vollgen einzanemen;.
als nemlichen uns grauen Wilhelm nnd unsern erben zu Betten-
hausen und Sehe, die sollen ire rügen der flieAenden wunden und
gezogenen werbe an nnsem vogt oder dorffgericbt doselbst rügen
und einlegen und onB allein verbufien ; doch sollen sy mit den^
vier hanpt rügen an alle mittel an dem zentgericht au Kaltensunt-
beim, als von alters bescbeen, zw rügen und zw antworten ver-
pflichtet sein und pleyben , nnd was von nachbenanten unser»
grauen Wilhelms dorffem und wustennng eynwonern zentpflichtigen.
denen von Beichenhausen, Erbenbaußen, Obern und Nidern Weyta,.
Westheim, Lichtenau nnd Kaltennortheim geruget wirdet, als. wir
oben gemeltet, die erkant straff uns und unsern erben allein auch,
volgen; und dann uns, grauen Bertholden und unBern erben von
nachbenanten dorffem inwonera, als nemlich WoUmetbaufien, Gert-
haufien, Schaffhaufien, Mitteiddorf und Kaltensuntheim, als obgedacht,.
auch die gemellt straff allein werden und pleiben, an alles geverde..
Doch sollen diese bewilligte mittel sunsten dem weistumb, auch-
den auBgesprochen brandenburgischen urthel und dem urthel am
kayserl. cammergericht ergangen^) nnd darauff bewilligten und
auffgerichten vertregen in den andern puncten gar nichts benemen.
noch verletzlichen sein. Des zu urkund sein dieses Vertrags hrieflSi
zwen gleiche lauts geschriben mit unsern iden anhangenden insigill
für uns nnd unser erben besiegelt. Der geben ist am montag nach«
aBumptionis Marie nach Christi nnBers lieben herra gebart XVe
nnd in xxxvy jare.
Der richter fragt, dieweyll snlohe verdreg hiebeuor mechtig ge-~
•prochen worden sein, ob sie auch noch mit billig in Iren wirden
und k refften stehen und pleiben. — Urtheill: Sulche verleBena-
▼ardreg sprechen wir mit allen Iren puncten und artickeln gantz voU-^
1) Über beide Schiedssprfiohe s. Teil III anter KSandheim.
2Qß Das ehemalige Amt Lichtenberg vor der Rhön.
mechtig nnd krefftigklich in allen wirden, wie hiebeaor auch gesprochen
-worden sein.
Der ricbter fragt, was man an diesem sentpetersgericht weiters
h a n d e J e n soll. — Urtheill : Man soll handelen von gemeinem nase, des
lands not, und daramb dis zentgericht hergebotten ist.
Der richter fragt, was ein gemeyner nnze sey, landen und
ientheo. — Urtheill : Wo mangell were, an wegen nnd Stegen, an rein
und stein, in hols und feldt, oder an andern gemeinen, das soll man offen
und vorbringen.
Der ricbter fragt, wer das handthaben soll, das es geschehe. —
Urtheill: Das sollen die schulltheyBen und heimburgen in dorffem thun
mit der hem hilff, darmit das landen und leathen recht geschehe.
Der richter fragt, wie man das halten soll, das landen und leuthen
recht geschehe, mit malen, mit mafien, mit marckstein, nnd
mit weiffen. — Urtheill: Die herm sollen die mnlln besichtigen laden,
ob die gerecht sein, und die marckstein mit willen und wifien setzen lafien,
die daran stofien haben ; man soll weiffen und mafi alle jbar besehen ;
welche ungerecht befanden wirt, soll in der herm straft sein.
Der richter fragt, wo man das körn mafi und die lenge der
weiffen holen soll. — Urtheil: Snlch mafi hole man billlch an dieser
landtzent ^).
Der richter fragt, wie die m u 1 s t e i n und auch die z a r g geschickt
sal sein. — Urtheill: Die zarg sali wolbewant sein nnd keinen abgang
haben; einen besten straog mit dreyen knoten, und der stein sali die
zarge nit ruren, der lauff sali dreymal mit umbgehen unuerseret; und wer
alda ungerecht gefunden, ist geweist, das die hem den zu straffen haben,
und die hern haben die muUen zu besichtigen und au bestellen lafien.
Der richter fragt, was des möllers lone sey von einem malter.
— Urteill: Man soll dem mdller geben von einem malter nach lauth der
hern mullordenung.
Der richter fragt, wie man es mit dem dorff frieden und
«ynung halten soll. — Urtheill: Die dorfTriede sollen in gutem baue ge-
halten werden, und was die schultheifien nnd heimerichen in dorffern f^
einig machen, das sollen die nachbar halten ; welcher es uberdrit, der sol
von der gemein gestrafft werden laut irer einung, und wo sich einer
weren wolt, soll man sich der hern hilff gebrauchen.
Der richter fragt, wie es mit den notwegen in dem brach-
felde gehalten soll werden. — Urtheill: Man soll die notwege offen und
einem iden im brachfelde sein eckere tnngen und befieen lafi, zu gebur-
licher zeit, und sal keiner dem andern au weren haben über den brach-
acker zu faren; wo er aber besamet were, sal er bey hinfaren.
1) Die KNordheimer Hftlfte erhielt nach der Lostrennnng von der
-Cent 1601 andere Mafse.
Dm ehemalige Amt Lichtenberg vor der Rhön. 267
Der richter fragt, wie es sich im winterflaer geburt, so einer
«ommerfracht darein sehen wolt. — Urtheill: Er sali das than vor
:sant Walpurgen tag, und sich geburlich halten; darnach hat ers nit
macht, er thue es denn mit willen.
Der richter fragt, wie es sich mit den sann und be friedung
der gemein und an der strafsen gebalten soll werden. — urtheill:
Man soll es befriden wie von alter herkommen ist.
Der richter fragt, wo zwen auff dem fellde an der gemein
beyeinander, wie sie sich halten sollen mit der befridung. — Urtheill :
Wo swen beyeinander haben und woU der ein das sein befriden, sali er das
thun an des andern schaden, und wo einer befriden will und der ander
nit, geschehe dem andern schaden durch die lucken, so soll der, der nit
i>efridt hat, dem andern seinen schaden ablegen.
Der richter fragt, wo swen wiefien beyeinander haben, wie sie
eich mit der weBerung halten sollen. — Urtheill: Der unther sali ein
furg macht haben mit einem pflüg zu thun als tieff als er will, durch
-den obern; will ers weiter haben, soell ers mit jenefi willen thun.
Der richter fragt, wie man sich mit dem wilden wafier in felde
und dorff halten soll. — Urtheill : Es sal sich einer weren es seer als
«r konnde, ahn ander leuth schaden.
Der richter fragt, wie man sich mit den dinstboten, meyden
und knechten halten soll. — Urtheill : Wer einen dienstboten hat
gedinget, geschiehet auff meynuug in einem jar oder benante seit su
-dienen ; so das gesindt ahne redlich Ursachen, das er beweifien khan, von
dem hem sühe, sali er in nichts geben su lohne. Wann aber der herre
mit dem gesinde der maßen umbgieng, das es nit au leiden, alsdann
sali er im seinen YoUen lone geben. Es soll aber der knecht oder meidt
den hern zuuor besenden, im den gebrechen entdecken; wo der herre
den gebrechen nit abstellen will, sollen sie miteinander gutlich abrechnen.
Dergleichen sali der herr widernmb dem knecht oder meidt auch be-
sprechen, und ob dann das gesinde den gebrechen nit abstelt, sollen sie
auch miteinander abrechen und nach ergangener zeit bezalen.
Der richter fragt, so einer einen wifientlichen marckstein
ausgrübe, was sein straff sey. — Urtheill : Wer einen wifientlichen marok*
stein ausgrebet, den sali man in die erden graben bis an den hals, und
sali dann nemen vier pferdt, die des ackere nit gewonet sein, und einen
pflag, der neu ist, und sollen die pferde nit mehr (d. i. noch nicht) ge-
sogen und der acker nit mehr gearen, noch der pflugheiter nit mehr den
pflog gehalten haben, und im dann nach dem hals ehren, bis so lang er
in den hals abgearn hat.
Der richter fragt, wo bäum zwischen zweyhen stehen, wie sie sich
mit der f r n ch t halten sollen. — Urtheill : Wo bäum auff dem felde stehen,
was denn auff einem iden felldt, das sali im volgen; wo sie aber in
xvn. 18
268 ^^ ehemalige Amt Lichtenberg vor der Bhdn.
gerten stehen, were es dann, aoff den es feldt, das er es mit willen nit
behalten iLan des andern, so sali er es dem andern dem stamme nach
halb wieder geben.
Der richter fragt, wo man einen pfendt, wie man es mit den^
pfandt halten soll. — Urtbeill: So einer einen pfendt, umb schnldt oder
schaden , (soll er) ein offenes pfandt füren in eines offenen wirtshaaa
oder scholtbeis hauB ond also drey tag stehen las; wirt es nit gelost,
sollen sichs die hern nnderwinden. Wer es aber sach, das es ein
iegendt pfandt were, sali er es im vierzehen tag in gnte halten; wer
es darüber nit lost, sali er es nmb sein gelt yerkeoffen oder yersetaen-
nnd sich damit loflen.
Der riobter fragt, was man einem lantkneoht, kirohner,
hirten und andern knechten für ein brodt geben sali. — ürtheill:
Alle, die brodt geben, als landtknechten, kirgnem, hirten und andern
knechten, den sol man ein brot, der man swolff aufl einem msB becket,.
geben.
Der richter fragt, wann einer einem dienstbotten verdienten-
lone schuldig were, wann er in besalen sali« — Urthdll: Er sali in
basalen bey scheynender sonne.
Der richter fragt, wie viel bare thauben ein ider sentfapflichtiger»
der thanben haben will, mag haben. — ürtheill : Ein ider sentpfliohtiger,.
der thanben haben will, der sali nit meher denn faoff bare thanben haben ;
so er meher bat, sollen im die herrn die nehmen and darza in der hern
straff umb einen gnlden verfallen sein.
Der richter fragt, so einer am sent gericht mit rügen einkompt,
ob er nit billig mit der eingebrachten rüge am zentgericht erscheinen nnd
sich derselbigen rüge mit recht verantwortten, oder sich mit nnsem
gn. hern verdrag nmb den frenell, so er geftbt nnd gethan hat. —
ürtheill: So ein dorffscbafft einen mit mgen einprengen will, so sali der
Schultheis in dem selbigen dorff den, so man rügen will, durch den dorff-
knecht fOr die gemein erfordern, im daselbig anzeigen, das er sich der
selbigen rage am zentgericht so balde mit recht verantwortten sali oder
mit unsern gn. hern zuuertragen" *).
Hatte ein Schultheifis eioen neugewäblten Sohöffen vor-
xustelleDy 80 wurde er auf die „Sohopffen-Pflioht" vereidigt:
1) „Szo einer ahn dieser sent mit rügen geruget nnd der dattb
schuldig ist, szo setzt der richter ein urteil ahn die schopffen: ob ehr
solcher daet nicht unrecht habe. Damf urteilt der schopff, er hab das-
verriebt; alsdan gelobt derselbige dether ahn den gerichststab, sich mit
den gerichsthern zunertragen'*.
Dm ehemalige Amt Lichtenberg vor der Bhdo. 26&
„Ir werdet mir da von wegen meiner gnedlgen fOrsten nnd hern
Sachsen nod Hennebergk als zenthem an den gerichtstab angeloben^
UDd darnach einen ayd nod su got dem almechtigen scbweeren, daa ir
wolt recht nrtell sprechen, dem feinde wie dem frewnde, dem unbekanten
wie dem bekanten nach ewren besten vorstände nnd gewiAeo, und keinem
»ein recht felschen und xw unrecht nrteln, wo irs beAer vorstet nnd wist,
darmit sich nimandt über gewaldt oder unrecht znbeclagen hab ; auch
wo ir etwas von ambtlenten, zentgrafen oder eweren banckgenofien^ das
heimlich oder vorschwiegen sein sali, erfaren wurdet, das wollet wedder
weis noch kinde, auch sunst niemanth offenbaren, sundern bies in ewere
dorf vorschweigeo, und euch in sulchem eweren schSpffenambt halten, wie
einem bidermann und urtheillsprecher zustehet, eigent nod gehurt, und
wie ir anch sulchs gegen got dem almechtigen am jüngsten tag vorant-
worten wollet, getreulich und nogeverlich**.
Zum Schlafs wurden noch alle aus den Gentortschaften her-
beigeschafften Ellen, Weifen und Mafse, welche von der der Cent
eigentümlichen Oröfse sein rnnfsten, auf ihre Biohtigkeit ge-
prüft. Nur Sohafhansen und Gerthansen liefsen die ihrigen yon
ihrem Yogtgeriohte, Bettenhausen und Seba von ihrem Gent-
grafen prüfen, wie sie yorgaben. Auf dem Gentgerichte am
16. Sept. 1577 mufste jedoch der Schultheifs von Gerthausen
an den Oerichtsstab geloben, „das er uf erfordern mit seinen
naohharn allen mas und weiffen mit ausrichtunge der scheden
uf die sent antworten soll", und der von Sohafhansen, „das
er wolle gewertig sein, was ime hierinnen urtel und recht
geben wurde, darbey es der Richter hat uff dies mall auch
wenden laBen".
Nach Erledigung der feststehenden Tagesordnung folgte
auch hier auf das Geschäft das Vergnügen — das Peters-
mahl.
h) Gentgerichte.
Gent- oder Helfgerichte wurden zuerst „alle 14 und einen
Tag", nach dem Vertrage yon 1687 (S. 265) jeden Monat
an einem yon den beiden Amtmännern „yerglichenen" Tage
— ausgenommen die Ferien (Festtage) — und seit 1573 an
den Montagen nach Reminiscere, Trinitatis, Exaltationis
cnicis und Lucise und Ottiliae gehalten. Die Protokolle werden
dann natürlich yiel umfangreicher.
18*
270 ^^ ehemslige Amt Lichtenberg vor der Bh5ii.
Bat Oberamt brachte seines eignen Oentgeriohts wegen
nur die 4 Hauptrügen an die Gent; Schafhaosen und Gert-
hausen standen y,in einigen Sachen'' unter den Yogtgeriohten
ihrer Junker, und Ealtensundheim und Wohlmutbausen be-
haupteten, nichts ,yUmb schulde, schaden, ejnung, anwantung
(Grenzirrung) und dergleichen weysen" zu müssen.
Als Beispiel, was alles bei einem Gentgerichte Torgebracht werden
mufite, möge hier das Protokoll der Sitzung Tom Montag nach Mattbüi
1578 folgen.
„Der schopff von BettenhauBen mget nichts.
Der schopff von Wolmathaufien raget, Heintz Walter hab
5 garben weizen anf dem felde verloren; weis niemanden zu schuldigen.
— Der schopff raget, Michell Herbert hab aach ein garben weizen auf
dem felde verloren ; weis niemandt zw schnldigen. — Der schopff raget,
Hanns Bhon hab ein wenig linfien aaf dem felde verlorn; web niemandt
zn schnldigen.
Der schopff von Gerthanfien rüget nichts.
Der schopff von Schaffhaafien raget nichts.
Der schopff von Erbenhaafien raget nichts.
Der schopff von Beichenhaaßen raget, Andres Lentbecher hab
des nachts einen bienen aas dem garten verloren; weis niemandt so
schuldigen. — Der schopff raget femer, Simon Lentbecher hab ein hem-
ketten ans seinem honv verlorn ; schaldigets niemandt — Der schopff
raget, Jörg Drescher sey zu Erbenhaafien auf einer taufet geweßen und
auf den abent sey er auf das feit gangen, seiner kue gras zu holen, do
sey ime Michell Drescher aufgestoßen, und Jörg Drescher gesaget, Michell
Drescher hab ine mit einer heppen^) uberlauffen; solchs gesthet ime
Michel Drescher nicht, es sey kein nachtbar darbey gewefien.
Der schopff von Westheim raget: £s hat sich in neulichkeiteo
zugetragen, das mit namen Valten Homann von Westheim und sein bruder
Caspar und Hans Dietzel zu Opffershaufien sind im schenckhaus gewefien
und mit Worten zusammen komen und an einander gefallen und einander
blutrüstig geschlagen, aber es ist sonst kein wher oder etwas gezueket
worden zu diesem mall. — Der schopff rüget: Femer hat es sich zuge-
tragen im schenckhaus, das etliche nachtbara, als mit namen Claus Lim-
pert und Berahart Wagner sindt mit etlichen Worten zusamen kommen;
hat der Wagner an Clafien Limperten gewolt, da hat Hans Hartmann
wollen scheiden, und Beraharten Wagner hinter den Disch gestofien, also
anf einander gefallen ; so ist Hans Hartmann in arm gestochen worden,
1) Heppe (Hippe) «■ Hackmesser zum Schlagen des Buschholses,
mit einem stark gekrfimmten Haken am Ende der Klinge.
Das ehemalige Amt Lichtenberg vor der Rhdn. 271
^ds aber niemant zu ■chnldigen. — Der sehopff mget, Baliar Bhon
hab Kwo echen uf einem schliten bey der . . . mflllen stehen gehabt, so
ist eine abgehoben worden nnd aber die straA uf jene selten getragen
worden nnd sindt die xinoken alle ranfier geschlagen worden; weis aber
niemandt %n scboJdigen. — Der sehopff mget, Ddllen Hanns hab ein
pflogsketten Terlom; weis niemandt an schuldigen.
Der sehopff von Oberweitha mget, Clans Oeyers des saohirten
franen Stielschwester hat Hanfien Schmiden witwen helfen einemthen ; hat
sie ir bey der nacht swo garben weisen gestolen, in des sanhirten
schnpffen getragen: sindt dieselben garben von dem sauhirten dem
scboItbeiBen zngestelet worden. — Der sehopff rnget, Lorenz nnd Claoa
Amborn gebmder haben Iren Stiefvater Eckart Leimbach helfen samen
dreschen ; hat Lorenz mit einem strohalmen gegen Claßen seinen bmder
gebandtscberzt, bats Clans nit leiden wollen und sich in sein eignen finger
mit seinem weidner geschnitten, sich alsbalt, doch der oberkeit nichts be>
uomen (!), vortragen. — Der sehopff niempt uf etliche Sachen schueh
bis zum negsten gericht.
Der sehopff von Niderweitha rüget, es hab sich begeben uf ir
kirmes, das ein taufet so halt in der schenck gewefien ist; hat ein weip
Ganzen Marder aus der schenck gefurt und an den tanz gebracht, und
das weip gesagt, er solt mit ir tanzen. Ist alldo in tans der jungker
diener von der Thann, Engelhart Dreysch genannt, und am kaulleig*)
geseAen und zu Cunzen Murder gesaget, er solt mitt im kugeln umb ein
gnacken; do hat Cunz gesaget, er kundte es im nicht wol absehlagen..
Im selbigen hat Cuoz Murder einen gnacken*) heraus geschlagen und
denselbigen ufgesetzt ; do hat der Jungker diener gesaget, er solt uf seinen
gnacken, den er in der faost bette, hinausschieben; im selbigen hat der
JBDgker diener hinausgeschoben und der kellen gefeiet. Nachdem hat
Cunz Marder anch hinausgeschoben und zwen kell getrofen. Demnach
hat Cuns Marder der jungker diener den gnacken angefordert, den er ge-
wonnen gehabt ; do hab der jungker diener zu Cunsen Murder gesaget, er
sey ein fischdiep. Do hat sich Cunz Murder der ersten rede nicht hart
togenomeni darauf hab er in noch ein mal einen fischdiep gescholten.
Uf solche gethane Scheltwort hat Cunz an der jungker diener gewolt, da
sein die nachbar dazwischen komen und sie nicht susamengela6en. In
demselbigen hat der jungker diener ein buchßen furgeschlagen, sich dar»
mit zur gegenwher gesezet ; da hat der wirt und die andern nachbaro
den jungker diener in die schenck gebracht, das nicbts mehr gegen einander
ist furgenomen worden. Aach haben sich beide mit einander vortragen^
aber doch beiden hem ohn schaden.
1) Kogelleg.
2) ein Geldstück im Werte von V, Groschen.
272 ^^ ehemalige Amt Lichtenberg vor der Bhdo.
Der ichopff von Kaltennortbeim raget nichts.
Der schopff eu Mittelstor ff raget, .... Grob hab iwey hembdt
und ein pfQllsiechen anf seinen hoff verlorn ; weis niemandt ta schuldigen.
— Der schopff su Mittelstorff nimpt femer za etlichen sachenn schueb
bis zum negsten gericht.
Der schopff za Kaltenaontheim raget nichts.
Zagedencken :
üf den 10 nouembris soll widerumb zentgericht gehalten werden/'
Noch sei ein Schdffenurteil aber einen Verleumder (es handelte sich
um eine Beleidigung des Herrn von Auerochs in öpfershansen und anderer
vornehmer Herren) aus einer anderen Sitzung erwfthnt, welches das Wort
des alten Horaz vom imvocabiU verium zu schänden macht: ,, Meine
brueder und ich erkennen und sprechen ftir recht: Es sol gegenwerttig
bedagten die eingewantte rüge vorgelessen werden ; nach vorlesunge der-
selben sol er sich nf sein mahul vor offendtlichen gericht schlahen
und sprechen, das er die ausgegossene schme und injurien, so er degem
ingesampt zugemessen und uf sie unbillicher weisse gelogen, so t hie ff
wiederumb in sich schlahen solle, als er die hette ausgegossen und
geredt, mit ausrichtunge gepnrlicher ezpens und uncosten, von rechts
wegen !**
o) Halsgeriohte.
Die YerhaDdlungen an peinlichen HalBgerichtstagen fan-
den auf demselben Platze wie in alter Zeit die Petersgerichte,
nördlich vom Kirchhofe, statt; der Bichtplatz dagegen befand
sich am Fufse der Altmark. „Unten am Berg, so schreibt
Erdmann 1754 in seiner Amtsbeschreibung, „ist ein schöner
Brunn, Fichten und ander Buschhols, Huth, und auf derselben
das neulich erbaute Hochgericht".
Ober den Verlauf eines peinlichen Recbtstages bringt das Centbach
folgendes aus der mansfeldischen Zeit (1548 — 1555).
„So man peinlich gericht über schadbare leuth
sitzen will.
So sich die schöpfen nidergesettzt haben, so fragt der richter den
nehesten schopffen : Wie frag ich des rechten? — Antwort der schopff":
Bey meinen eydt. — Richter: Bey sulchem eidt so seidt eines rechten
urtheills gefragt, und ir schopffen all vierzeben, ob dies peinlich geriebt
zu endtlicher rechtfertigung izo besetzt, auch an der tagzeit sey, das man
landen und leuthen, witwen und waiAen über schadbar leuth richten möge.
— Urtheill : Heine brudere und ich erlLcnnen und Sprech ich von unser
Das ehemalige Amt Lichtenberg vor der Rhön. 273
«11er wegen in recht, das die peinlich gericht zu endtlicber rechtfertigoog
in crafft unser gnedigen fursten and hern wol besezt and rechter tagzeit
sey, über schadbar leuth la richten.
Auf dieses arthell sali der richter das gericht, wie nachfolget,
hegen:
Ich hege und verbanne dis peinlich halßgericht in gewalt, craffc und
macht des hochgebornen farsten and hern, hern Wilhelms grauen and
hern sn Hennenbergk, meines g. f. und hern. Ich hegs auch in gewalt,
«ra£Ft und macht der wolgebomen hern, hern Hans Jörgen und hern Hans
Albrechten gebrfidere, graaen zu Mansfelt und edele hern zu Heldrungen,
m. g. hern. Ich hegs auch mit gewalt, cra£fk und macht beder unser g.
hern amptlent, des amptmanos zu Lichtenbergk und des amptmanns zu
Saltennordheim, bede hie entgegen. Ich hegs auch in gewalt, craffc und
macht beder zentgraflfen und yiersehen scbopffen. Ich hegs auch in gewalt,
<cra£ft und macht beder amtknecht.
Verbiete euch scbopffen, das keiner (von) seinen stnell aufstehe
oder nidersitze, er thu dann snlcbs mit laab. Verbiete euch schopffen
und allen umbstenden, das keiner dem andern sein wort rede, er thue
dann das mit laub. Ich gebeut recht und verbeut unrecht. Ich verbeut
alle uberpracht, auch das niemant heimlich oder öffentlichen daran reden
noch handell soll, dann die ienigen, den es von rechtswegen gepurt und
erlaubt wirt. Ich verbeute alle auffrure, zweyhung oder mifihellung,
-dardurch dies peinlich gericht mocfat geirret, gehindert oder betäubt werden.
Und beuelch euch, den schopffen, nach clag und antwort
nach ordeoung diefi peinlichen gerichts urthell zu finden und zu sprechen,
ilem reichen als dem armen, dem armen als dem reichen, domit landen
und leuthen, witwen und weyBen ires rechten geholffen wirt; das nit zu
laBen umb lieb, leidt, freundtschafft, feindtschaffc, umb gäbe, forcht, draw,
verwandtschafft, noch keinerley Sachen willen, die das recht verhindern
und die unrechtigkeit fSrdem mochten, wie ir das dann leiblich geschworn
«iden an hochgenannt meiner g. hern zentgerichten allhie znuollbringen
^ethan, und das am jüngsten gericht vor got dem allmechtigen verant-
worten wollet, getreulich an alle geuerde.
Darauff fragt der richter den schopffen , ob diB peinlich gericht
gnngsam gehegt sey. — Urtheill: Meine brudere und ich erkennen
und sprechen zu recht, das sulch gericht zu peinlicher rechtfertigung
■gnugsam geheget sey.
Nach diesem urthell sali der richter der gerichtsknecht einen öffent-
lich mffen laBen: Ob imandt im rechten peinlich zu handelln hat, der
mocht das fornemen wie recht sey. — AUsdann sali der A n c 1 e g e r
furtreten und sagen: Herr richter, von wegen etc. und seine clag nach
vermöge der mifibandlung oder verwirckang füren, und sich allso wie
siehe geburt andingen, und so sich allso, wie recht ist, der andeger gnug*
274 ^"^ ehemalige Amt Lichtenberg vor der Rhön.
sam aogediogt hat, weiter des rechten fragen : Herr richter, ich biet iir>
theill EU fragen, ob ich mich also hiermit für diesen peinlichen gericht
gnagsam angedingt habe. — Ürtbeill: Meine brudere und ich erkennen
%u recht, es sey nach gewonheit dies gerichts gnngsam angedingt; er
mocht fort faren wie recht sey.
Ancleger: Herr richter, weyll urtheyll und recht erkanndt, das icb
mich gnugsam angedinget habe, und nachdem ich an stat hocbgenanter
m. g. h. XU N clag, wie furter gebaren soll, darmit ich meine dag eroffen
und yoUnfaren möge, bit urthell anzustellen. — Urtheill: Man soll den.
theter durch die gerichtsknecht dem suchtiger überantworten und den für
gericht br engen laBen.
Und so der theter für gericht pracht wird ^), redet fernere der
Ancleger : Herr richter, weyll nuhn der theter öffentlichen für gericht
erscheint, biet ich weiter yrtheyll, ob ich mit billig meine clage eroffen
soll. — Urtheill: Der ancleger mag dagen wie recht, soll im wie recht
geholffen werden.
Ancleger : Herr richter, ich stehe hie anstat und von wegen hoch-
genannter m. g. hern, und dag peinlichen su N, wie er wider ehr, got
und recht, auch gemeinen landtfrieden etc. und (so soll er) nach der
mißhandlung clagen, und so die dag, wie recht ist, vollenden, verner den
richter bieten urtheyll anzustellen, das soliche öffentliche malefis mit
dem N (Strang, Schwert, Feuer etc.) vom leben zam dot gerichtet wer-
den soll.
Uff solche clag soll der richter den bedagten fragen, ob er der
dag gestendig sey, und so er bekennt jha, soll der
Ancleger sagen: Herr richter, weill der beclagt der clag gestendig^
und nit verneynet, bit ich weiter urtheill anzustellen, wie er seine ge-
purliche straff, wie gebeten, erlangen muge. — Urtheill: Mach gehabtem
radt erkennen meine mitbrodere und ich, sprechen zu recht, das gegen-
wertiger theter vom süchtiger an gewonliche richtstat gefurt und mit denk
N vom leben zum dot gericht werden soll.
Andf ger : Herr richter, ich biet urtheill anzustellen, wer dem zuch-
tiger den wegk weißen sali. — Urtheill: Das sollen thun die gericht-
knecht.
Ancleger: Herr richter, ich biet urtheyll anzustellen, were schua,.
schirm thun und halten soll, domit dem gesprochene urtheill vollnstreckt
werden. — Urtheill: Das sollen thun unser gnedigen hern amptleut und
gewalt.
Nach diefsem urtheill sali der richter den stabe zurbrechen und
hinter sich werfen, und den armen dem nachrichter beuhelen, bey seinem
1) Dafi dabei auch das Beschreien nicht fehlte, beweist ein Fall
Tou 1468 (s. u.).
Das ehemalig» Amt LicbteDberg vor der Rhön. 27&
eidt gebieten die gegebene nrtheill getreulich luaollEiehen, alBo vom ge-
rieht aoffstehen und darob halten, damit der nacbricbter die gesprochene
ortheill mit guter gewarsam and Sicherheit Toinziehen möcht**.
d) Streit- und Centfälle.
Im Jahre 1446 wurde Graf Heinrich y. Henneherg mit
seinen Ansprüchen auf ELengsfeld, Bettenhausen und Seba
als Zugehörungen seines Amtes KNordheim von seinen Vet-
tern abgewiesen, da ELengsfeld stets eine Zugehörung des
Amtes Sand gewesen, Bettenhausen und Seba aber blofs in
etlichen Sachen das Gericht zu £Sundheim zu suchen hätten,,
keineswegs aber zu KNordheim gehörten.
1468: Um verschiedene Streitigkeiten zwischen Heinrieb
und den Brüdern Friedrich und Otto (Römhilder Linie) die
eben auch gefürstet worden war) zum Austrag zu bringen,,
-wurde auf Mittwoch nach Erhardi ein „Tag'' zu KSundheim
gehalten, auf welchem die genannten Herren mit ihren Amt-
leuten und Centgrafen erschienen waren *). Da eine £ini-
1) Auf die betr. Klagen der fürstl. BrUder antwortete Oraf Heiorich:
Den Kaspar Tbolmar (er war „dwbe halben** in den KNordheimer Cent-
tonn gesteckt worden) habe er, da er „sein gedingter and gebroter knecht**
gewesen, allerdings „ausgelassen", aber selbst ihn gestraft; die „Ochsen-
rewber** (sie hatten in Schweinfurt 7 Ochsen gestohlen und waren in
Oberweid ergriflfen worden) and die Ochsen bitten vor die Gerichtsbarkeit
B«ines Neffen Wilhelm gehört, dessen Leute sie ergriffen bfitten; den-
Weyprecht Phabe und Steffen Homingk aus Wohlmuthausen und den
Bankriefs aus KSundheim habe er allerdings ausgelassen, aber sie vorher
in seinem und ihrem (der beiden Grafen) Namen eidlich geloben lassen
sieh der verwirkten Bufse zu unterwerfen. Dem entlaufenen Erbenhftuser
HSrder, der mit Brandstiftung gedroht, habe er mit Zustimmung der
Witwe seines ermordeten Schwagers „umb des pesten willen geleytt ge-
geben*', „dafi er wider einkommen und ein be«Aerung (Geldbufie) nach
»einem vermögen thun solte"; der „Mort** aber sei gana „smecken** ge-
worden, weshalb man ihn nicht auf die Cent geschafft, sondern nach
Nebmung des Leibzeichens begraben habe. Gegen das alles machten die
Grafen geltend, Tholmar sei in KNordheim „bewlich gesesflen** und des-
halb centpflichtig; die Ochsendiebe gehörten an die Cent, in deren Be-
sirk sie ergriffen seien; ohne ihre, der Grafen, Genehmigung hätten die^
276 ^^" ehemalige Amt Lichtenberg vor der Bbön.
gung, auch wegen anderer nicht die Cent angehender Funkte
nicht zustande kam, heriefen sie ein Schiedsgericht, das aus
8 anderen nicht ausgelassen, dem Erbenbftoser kein Geleit gegeben wer-
ben dfirfen ; „so möge anch der dott nit so sere gesmeckt haben**, da er
doch nnr eine Nacht gelegen, nnd von des Mörders Pferden, die der
KNordheimer Centgraf Conts Pfaff genommen, sei ihnen auch „nichts
worden**. Übrigens habe dieser aach in Mittelsdorf einem ihrer „armen*'
^,ein biene^S den er in seinem Garten gefanden, genommen and „gein
Kaltennortheym gefurt als für fanden gat, das doch nach gewonheit dieS
gerichts ihnen halb snsteen solt; ine sey aber nichts davon worden**.
^,Das verantwort Conts Pfaflfe, er habe dem mann den biene nit genom-
men, sundern den umb ein andern, des er gewest were, far ein malter
haberu kaofft**.
Nun kam Graf Heinrich mit seinen Klagen, und die Brüder ver-
antworteten sich : Ihr Vogt von Lichtenberg, welcher „von nngeschichten**
nach Wohlmttthaasen gekommen sei, habe den Weiprecht Phabe, nicht
weil er sich mit Horningk geschlagen nnd „gewondef*, sondern weil er
ihr „offener veihent** sei, aas der Cent nach Lichtenberg geführt. Aaf
^ie Klage Heinrichs, sie hätten ihren Schöffen ein von ihm gebotenes
-Gericht zu besuchen verboten, nnd es sei doch „von alther herekomen
undt werde auch alle iare am petersgericht erteilt, wenn sich die yoit
-eines gerichts mit einander nit vertragen können, so möge ein jeder voit
mit seinem sentgrauen ein gericht besietsen** nnd ,,es sey herekomen,
•das ein yeder voit on den andern gericht zagepieten und zobesitzen macht
habe, das auch ein yeder zentpflichtiger znbesuchen pflichtig sey** ant-
worteten sie: ihre Schöffen behaupteten, „wann sie am gericht beyde
^oit und swen zentgrauen sehen sietzen, so wüsten sie woll, das sie
auch sietzen solten; sunst seyen sie das zutun nit pflichtig*'. Übrigens
lifttten sie das Gericht nur aufgeschoben wissen wollen, bis Graf Friedrich
selbst dabei sein könne, da seine und seines Bruders arme Leute in
Wohlmuthausen nnd KSundheim „von einem valthore zum andern** von
■Graf Heinrich wegen zu geringer Sache vor das Gericht geheischt seien.
In Wohlmuthausen hätte nämlich ein Knecht des lichtenb. Amtmanns
•einem, der diesem eine geheischte Frone zu thun sich geweigert, einen
Kessel pfänden wollen, „dafure die frawe gepeten ... er solle ein ann-
der pfant nemen'*, und weil der Schöffe dies nicht an der Cent gerügt,
"Wäre die ganze Gemeinde geheischt; die Kaltensundheimer aber, weil sie
nach ihrem Dorfsrechte „anwantung geweist nnd Clausen Boppen gepfent«
-darumb das sein vihe den lewten zuschaden gangen habe**. Auch weil
-Graf Heinrich sich mit seinen bufjifälligen ünterthanen „hinter dem ge-
richt vertrage, aber ihre armen lewte nit dartzu komen und des gleichen
bescheen laften wolle, das nit plllioh, auch nit herekomen noch gleyth
Dm ehemalige Amt Lichtenberg vor der Rhön. 277
^orge Ton der Kehre als Obmann und 4 „Zusetzen" („Hansen
Ton Wisentawe und Baltasam Speohtzharf' von Heinrichs,
und „Baltasam von Ostheym und Pauls Narben*' yon Fried-
Tioh und Ottos Seite — die beiderseitigen Amtmänner also
<labei} bestand, für den Dienstag nach Yooem juound. nach
Stockheim >).
sej^f hitten sie das Gericht ,,anfgetlaheii** wissen wollen. ,»Item des
brieffi (von 1815 oder von 1447 ?) halben, innbaltende was gereohtickeyt
^ede herren inn dem gerioht haben sollen, haben m. g. herren sich vor-
•mals inn der gntlichkeit erpoten, darnach suchen salaften, and so der
fanden wirdet, den far sopringen, ingetraweu er ine also woU als meyn
herren graae Heinrieh sostehen and nutse sein sollen*^ Aaf beiden Seiten
^ab es solcher Klagen noch mancherlei.
1) „Zam ersten ist darch sie betejdingt and abgeredt, das bede
lierschaft, wenn ine ebent das petersgericht and andere gericht daselbst
besietzen laAen sollen, nach lawte des versiegelten briaes, innbaltende wie
-^ie schopffen sa Kaldensaotheym vormals geteylt haben, des alsdann vor
ine ein vidimus dargelegt worden ist, and so sie also des gericht besetsen
«od amb das sietsen, wie and wo iglicher voit and zentgraae sietsen
solle, aneynigk wirden, sollen sie sich von beyden teylen die schepffen
•desselben gerichts daramb, wie yederteyle sietzen solle, entscheyden laften.
— Farter ist darch sie abgeredt, was voo bauen an dem gemelten gericht
-durch die schepffen geteilt werden sollen, sich die, die also buBfelligk
-erkant sein, mit igliches herren voit und zentgraaen vertragen, so soll
auch keins herren voit mit keynem sentpflichtigen omb sach, die an das
^richt geheren, vereynen oder vertragen on des anndem hern voit widen
und willen. — Meer bt abgeredt, das iglichs herren voit, der ye zu
aeyten ist, kein gebott thnn oder gebieten soll on den andern ; und so
einer ein geböte thun wolte, solte er au dem anndem schicken und ime
das zu wissen thun. Were er nu nicht anheym, so solte doch der voit,
-der inheymisch ist, solich gebott thun und anlegen, von beyder herren
^wegen, biß auff des anndern herren voit znkunflft, und so demeibe, der
«lao nit inheymisch ist, anheym komet, soll ime das durch den anndern
▼erkandet werden. Dieselben voit sollen auch alsdann solich geböte
'keyner on des anndem wiAen und willen offen und abthun, es were dann,
-das ir eyner nicht inheymisch, und das geböte so lange, bifi der awfi-
wertig queme, anstehen zulaßen nit togelich were, so mochte der inhey-
; mische in beyden zu gute solich geböte ablegen und offen. — Item es
^aoll auch ein freybote ye zu zeiten durch bede herren gesetzt werden,
4ind der also gesetzt wirdet, soll iglichem herren sonile als dem andern
pflichtig zutun und verpunden sein. — Und solich stuck obgemelt sollen
278 ^^ ehemalige Amt Lichtenberg vor der Rhön.
1472 hatte einer der beiden Orafen Heinrich oder Otto
(seit der Landteilung von 1468 alleiniger Herr von Lichten-
berg) ein Gericht gebieten, der andere es seinen IJnterthanea
verbieten lassen, weil der Streit wegen der Bangordnung
ihrer Beamten am Gericht sich verschärft hatte, sodals eine
Zeitlang das Gericht ^»niedergelegt'* war. Ein Schiedsgericht
(Beriet v. Bibra und Jorge v. d. Kehre auf Heinrichs, Balth»
V. Ostheim und Paul Narbe auf Ottos Seite) entschied» dafa
sie diese und jede ähnliche Streitfrage zum Petersgericht
durch die Schöffen entscheiden lassen sollten ^) (Wm).
1501 und 1502 gab es Irrungen zwischen den Grafen
Wilhelm und Hermann, weil letzterer mehrere „Mifthändler'^
aus der Cent nach Lichtenberg, ja sogar nach Eömhild hatte
führen lassen, um die Strafgelder allein einzustreichen.
1505 am 19. April war einem fuldisohen Unterthan ein
Pferd gestohlen und dieses in ESundheim dem Diebe, welcher
entwischte, abgenommen worden. Als deshalb der Amtmann
Wolf von Herbilstadt (s. S. 177) nach KSundheim kam, hatte-
der Schultheifs das Pferd schon nach Lichtenberg geschickt..
Wolf V. Herbilstadt erhielt nun vom Grafen Wilhelm den
bescheen und damit also, wie obinberart ist, gehandelt werden bifi znm
aoBspruch'*. — Hinsichtlich der übrigen anerledigt gebliebenen Punkte
sollte „iglichs herren zosetz iren spruch** binnen 6 Wochen nnd 8 Tagen
(der „sächsischen Frist*') an den Obmann einsenden .
1) Vermutlich ist nachfolgendes „Schöffenorteil** ohne Datnm darauf
erfolgt: „Zum ersten als ron alter herkommen ist, das bede herren von
Henneberg oder ir Yoyt allwege Pctri Cathedra ein landgericht haben zu
Kaltensontheim 14 tag vor adder 14 tag nach sankt peterstag ungererlich ;.
do sollen sitzen beder herren voyt : des ersten der voyte von Lichten-
berg, darnach der voyt von Kaltennortheim ; darnach der zentgraf von
Lichtenberg, derselb sal den stab halten und sal freger seyn, darnach der
Bentgra£f von Kaltennortheim ein verhorer** etc. (D). — Das Centbucb
brioKt dazu noch die Bemerkung: „Ein ambtmann sw Lichtenbttrgk hat
zu Kaltensontheim am zentgericht den vorsitz, und ein zentgraf zu
Kaltensontheim hat alle peinliche und auch zentgericht, den gerichtstab-
und alle fragen**. Demnach leitete der KNordheimer Zentgraf die ge>
heimen Untersuchungen mittelst g&tlicher und peinlicher Fragen, der
Käundheimer alle dflfeutlichen Verhandlungen und Exekutionen.
Dm ehemalige Amt Lichtenberg vor der Rhön. 279
Bescheid, er solle sofort von seinem Schwager, dem Amtmann
Ph. T. Stein, das Pferd zurückfordern; erhalte er es nicht,
so möge er den Schultheissen oder 2 oder 3 von dessen Pferden
oder auch yon andern Nachbarn in Gewahrsam bringen, doch
,,niohts überflnssigs*' vornehmen. Am 23. kam die Antwort
Ton Ph. Y. Stein, er habe erst bei seiner Heimkunft von der
Sache erfahren und das Pferd auf Ersuchen des Abts dem
Eigentümer gleich zurückgegeben. Darauf schickte unter dem
27. Oraf Wilhelm seinem Amtmanne einen in dessen Namen
geschriebenen Brief an Ph. v. Stein, worin dieser aufgefordert
wurde, einen Tag zu bestimmen, an welchem sie gemeinsam
den Schultheifsen wegen seiner „mishandlung'' vornehmen
wollten, denn das Pferd habe als gestohlen Gut nach ENord-
heim gehört. Am 2. Pfingstfeiertage, 14 Tage darauf, be-
richtet Wolf seinem Herrn, er sei heute nach ESundheim
einer vorgefallenen Schlägerei wegen geritten, da sei der
^hultheifs gekommen, den er des Pferdes wegen angelassen
und eingesteckt habe. Dabei habe ein Sundheimer zu dreien
Malen auf ihn „mit einer brant buchssen angezundt'^ Am
Pfingstmittwoch beschwert sich Graf Hermann bei Graf Wil-
helm, Wolf habe den Schultheifsen „gutlich'' vor sich ge-
fordert, ihn aber festnehmen lassen und „unverklagt, uner-
sucht , on alle schuld geweltiglich" ete. gefangen nach
KNordheim geführt, auch auf einen Nachbar geschossen und
den verwundet; er bittet, solchen „krenckgencglichen tatten
abtrag unnd karung^' zu thun. Am Tage darauf trifft die
Antwort Wilhelms aus Sülzfeld ein, er habe seinem Amt-
manne den Befehl zugehen lassen, vorläufig, bis zu seiner
Btickkunft von der vorhabenden Reise, den Schultheifsen
ledig zu geben.
1509, als sich der Cent wegen zwischen beiden Herr-
«ohaften „zwitracht begeben, darvon sulch gericht etlich
xeit nidergelecht geweßen'^, und 1537 wurden die beiden
Verträge (S. 268 ff.) geschlossen, welche nun auch an jedem
Petersgericht verlesen wurden.
1539 bekennen Hanns Zufraes, Amtmann zu Ealtennort-
280 ^*^ ehemalige Amt Lichtenberg yor der RhSo.
teim, und Hans Toin Oisteim, Amtmann zu Lichtenberg ai»
der Boine, urkundlich, dals sich beide Herren von Henneberg^
an Petri cathedra dahin verglichen haben, dafs alle Appellations«
Bachen ein Jahr ums andere von einem derselben, doch stets-
als in beider Namen erledigt werden, und dafs dem Lose-
nach, welches beide Amtleute geworfen, Oraf Berthold damit
anfangen solle.
1548: „Auff freittag nach Marie himelfart haben die
fuldischen anwellde ein peinlich halßgericht auff iren costen
wider iren abgesagten feinde, Linhart von Haußen genant,,
bestelt und gehalten, und bis ins yierde halßgericht sulche
dag und antwort sich erstrecket, dardurch zwey urthell zu
Lejpsigk gebracht worden, wie hernach geschrieben ist:
(1.) „Demnach spreehen wir schopffen sa Leipsigk vor recht: Dieweill
becJagter die dag rerneint, so sein anch dagende anwellde den gründe
derselbigen in sweyen monaten, und dnreh die vorgebrachte vhedesbrieflT
ader snost wie in recht gnngsam saerweifien schuldig; snlchs geschehe
also aber nit, so ergehet daranff (der eingebrachten des bedagten kundt-
schaut nngeacht) furder was recht ist, von rechts wegen. Zn urknndt
mit nnserm inslegell versiegelt. — Schopffen sn Leypsigk.**
Item auf freitag nach purificationis Marie des 44. ist
wider ein peinlich halßgericht gehalten worden; ist das leyp-
zigker endturthell der sachen gemanet und yorleßen worden,,
lautende wie yolgt:
f,Demnach sprechen wir schöpfen su Leypsigk vor recht, das
clagende parthey mit den vorgeprachten des bedagten brieff so viel er-
weist, das beclagter mit dem feuher aum dot gestrafft wirt, von recht»
wegen. -> Schopflfen an Leypzigk.**
Auff Bulch urtheill hat der beclagt umb gotes willen vor
dem ganzen gericht und cendtvolck zu zwey und drej mall
gebeten, im sulch graußamlich urthell mit barmherzigkeit zu
uermeogen und in mit dem schwert zu richten, welchs di&
anwellde von Fulde nachgeben, und ist der arm mit dem
schwert gericht worden/'
1548: „Auff freitag nach Vincula Petri des 48. ist
einer, Jörg Rehe genannt zu Erhenhaußen, einer notzucht
halber gefengklich angenomen, und auff den genanten tagk
Dm ehemalige Amt Lichtenberg yor der RhSn. 281
Tor das halßgerioht gestellet, und mit einem urtbell von Leip-
sigk brächet, mit dem schwert gerioht worden. — Notat
Bede unsere gn. f. und hern von Hennenbergk haben sulchen
peinlichen oosten zugleich miteinander abgoltten".
1550: Stephan Weilsenbom aus ENordheim war eines
Diebstahls überführt und ohne Zuthun des Nachrichters ge-
ständig. ,»Aa£f sulch bekentnus ist Yon wegen beider unser
g. hern Hennenbergk und Mansfelt den zentpfLichtigen Dorffero
geboten worden, einen galgen zu Kaltensontheim zu machen
laßen und auffgericht, in willens, den ubelltheter auff freitag^
nach Lucitie des 50. jhars mit peinlichen gericht furzunehmen..
Auff den sechzehenden tagk in der nacht ist er zu Kalten-
northeim aus dem thurm gebrochen, und sein bet mit sich
genomen und daruon^'.
„Item der galgen ist nichts desto minder gemacht and aafgehobeO'
worden**. KSundheim gab das Hols, die übrigen Dörfer zogen der
4 Heimfahren wegen Halme ; das Los traf Westheim, Erbenhaosen, Wohl-
mathaosen and Mitteisdorf. „Item alle wergkleat von simmermenner, so
Tiel in der aent gefanden worden, haben den galgen gemacht and aaflT
der riebstat sagelegt, ond ein simmermann su Bettenhanfien mit namen
Jacob Nadmann hat sich salcbs zathun gewegert and etlich arsach far-
geben; haben in die andere meyster daramb vor bede voigten beelaget,
hat er sich in zw straffe eingelaßen, haben sie in nmb einen galden ver-
soffen. Item Enders Lentbechers sone von Erbenhaufien hat erstlich den-
galgen helffien machen, and ist darnach als ein simmermann sam heben
aofiplieben; denselbigen haben bede voigt den zimmermenner zu straffen*
übergeben, haben sie in omb einen halben galden gestrafft, angesehen
das er ein janger gesell sey. Item bede sentgraffen and das landvolclc
haben den galigen anffgehaben. Item man hat idem wagen 16 gnck. si^
belonang geben. Item ein ider Schmidt, die in der zent wonen, hat einen
ringk an der keten sam galgen machen mafi. Item aaff salch galgen
machen und aafheben ist von voigten, sentgraffen, schopffen and
acholtheis sampt hem landtknecht and andern mehr zw ancosten verzert
worden 19 galden 9 gnck. ; das haben meine g. f. and hern graaen Wil-
helms sa Hennenbergk centverwanten die helft, and die andere helffk
meiner g. hern von Mansfelt sentpflichtigen geben***
Seiner Bestimmung, den neuen Galgen als Erstling za
zieren, entging Steffen Weifsenborn nicht. Mittwoch nach
Ostern 1551, ein Vierteljahr nach seiner Flucht, wurde er ia
^282 ^<^ ehemalige Amt Lichtenberg ror der Rhön.
seinem Hause ergriffen und Freitag nach Quasimodog. Tor
das Halsgericht gestellt und |,mitt urtl und recht vermöge
seiner verwirckung und urgicht mit dem sträng yom leben
2um tode gestrafft". ,yltem ides dorfschafft in der zent hoben
2 mhan geben müssen, die haben die galgenleitern machen
müssen, den hat man 1 ff. und 16^/^ gnacken zuuerdrincken
geben*' und dem Scharfrichter mulsten die Gentverwandten
41 ff. 18V« gn. zahlen.
1556: Nach Ostern hatte sich in ünterweid ein junger
Mann erhängt; die Leiche wurde sofort zur Gent geliefert
und dort von Leuten aus ünterweid Tag und Nacht bewacht,
bis sie 5 Tage darauf verbrannt wurde. Jedes Dorf muTste
^azu eine Fuhre Holz liefern, alle Gentpffichtigen mufsten
der Verbrennung beiwohnen, auch die Amtmänner waren zu-
gegen ^). Yon den auf die ganze Cent verteilten Unkosten
trug es jedem Gentpflichtigen 13 gute Pfennige. „Die von
Nidernweithe haben den, so sich erhangen, auff die zent
auff einem kam geantwortet; hat der naohrichter die pferde
folgen genomen, in seinen nuz gewandt.'*
1570: Hans Scholl aus Hilders hatte gestohlen und den
Hans Limpert in Oberweid erstochen, weshalb er einem
Jenaer Schöffenurteile zufolge gehenkt wurde. Obgleich er
«in Ausländer gewesen, und im Hennebergischen ergriffen
worden war, mufs doch auch der sächsische Teil der Cent
die Kosten, 102 fl. 12 gn., zur Hälfte tragen, was zur Nach-
achtung für spätere Fälle ins Gentbuch notiert wird.
Am 11. Mai desselben Jahres war Balth. Günther von
^Weisteim" in Mittelsdorf auf der Oasse von Lorenz Fiok
«US Mittelsdorf erstochen und die Leiche auf die Cent
1) 1746 erhängte sich in Ünterweid (jetst sur Cent KNordhelm ge-
fa5rig) ein Tmnkenbold. Weil niemand darch Berührung der Leiche un-
ehrlich werden wollte, wurde ein Bettler gedungen sie absnschneiden.
Dann wurde sie in den Friedhof durch eine in den Zaun geniachte Lficke
gesogen und in einer Ecke ohne Sarg in das Grab geworfen. Ebenso
wurde 8 Jahre spftter mit der Leiche des Schultheilsen rerfahren, der
sich erh&ngt hatte.
Dm ehemalig« Amt Lichtenberg vor der Bh6n. 283
^esohafft worden. Bei der BetichtignDg am folgenden Tage
durch ,,beider bern Sachßen und Hennenbergk Hennenbergk
^nd Sachsen'' i) Schöffen aus Seba, Wohlmuthausen, West-
lieim, ENordheim and KSandheim im Beisein der Scholt-
faeifsen von ENordheim in Yertretnng des Amtmanns Sjispar
Unrath und von KSandheim für den Gentgrafen Richmann,
sowie des Bettenhäuser Gentgrafen Franz Multer sind zuerst
^,von beyder hem landtknechten die kleider geöffnet worden,
darauf hoben beyder herrn* sechsischen und hennebergischen
^entsohopfen den entleibten am leib ahn allen orthen besich-
tigt und besehen und an dem entleibten uf dem rück am
leib eynen stich in leib hinein unter dem rechten schulter-
beyn fanden. Darauff hoben die schöpfen zu recht erkantt,
«das der entleibte von sollichem stich gestorben sey. Zum
anderoi so hoben die schepfen mher an dem entleibten einen
-schaden am mundt fanden; die schöpfen hoben aber nit er-
kennen können, ob es eyn wurff oder eyn schlagk sey ge*
^wesen.
Dyse baodtlang ond mordtmten ist mit des entleibten Gantern weib
und kindern Tortragen wurden ; doch etliche des entleibten frendschafft ....
hoben in den Tortragk, den das weib mit dem theter gehalten and ge-
macht, ghar nit wUligen wollt. Item der teter Lorenz Fick, der sich dan
allein als teter hyrza erkant, hat sich mit beyden senthern . . . von
-wegen solcher mordtat and begangenen freaels, aach daramb mit i. f. g. Tor-
tragen. Und so hoben beyde senthem an der straff glich, eins nit mher
als der ander genomen. Ob es sich sotragen wurde in m. g. f. ond hem,
graffen Georgen Ernsten sa Hennebergs teyll, das derglichen auch ge-
halten werden soll. — Nota : Über die besichtigang des entleibten Balthasern
Gantern ist Ton den zentschopfen and andern vorthan warden 6 fl. and etlich
' gnacken, welches domals der sent sagerechnet warden and dem wirt be-
xalet. Es soll aber der teter die wirte sich (attvor erst mit den senthern)
und mit des entleibten weib vortragen, der aent solch gelt wieder erstatten
and erlegen, welches also eyn alt herkomen, and hynfarder also gehalten
werden soll."
1582 am 26. Mai wurde Marg. Hartmann aus Mittels-
dorf| welche am 2. ihrem Kinde den Hals umgedreht hatte,
1) So konnte sich keine der beiden Herrschaften vor der andern
aarüekgesetzt f&hlen!
IVIL 19
284 ^^ ehemalige Amt Lichtenberg vor der Rhön.
und in demselben Jahre Hans Köhler ebendaher unbekannter
Ursache wegen geköpft.
1599: • . • „ist der arme unschuldige Heintz Spiegel
von Wihlmars allhier anf der centh besichtiget worden und
hernach allhier ehrl. begraben, welchen die gottlose zween
brüder von adel Hans Ulrich und Herten Oeiß von Heltrit^
als er seine schaafhttrten yortgeschlageoy schändlich und un-
ehrlicher weiße erschlagen haben" (K8. Erchbch.).
Dieser Fall wurde die hauptsächlichste Veranlassung zur
Lostrennung der Vogtei Ealtennordheim von
der Gent.
Auf Verwendung der altenburg. Begierung wurde zwar
der Prozefs gegen die Mörder, die Besitzer von Vorder-
weimarschmieden, niedergeschlagen, diese aber doch zu einer
ansehnlichen Geldstrafe verurteilt Als nun Herzog Fried*
rieh Wilhelm von 8.- Weimar als Vormund des Kurprinzen
von Sachsen, des Oberherm der gemeinschaftlichen henne-
bergischen Begierung zu Meiningen (und so der Voigtei KNord-^
heim) 300 fl. von dieser Strafsumme für die Witwe und Kin-
der des Ermordeten — er heifst in den Akten (Wm) stet&
Schnipler, war v. Steinscher Verwalter auf Hinterweimar*
schmieden gewesen und wäre vielleicht mit dem Leben da-
vongekommen, wenn er nicht seine Wunden Quacksalbern
anvertraut hätte — bestimmte, blieb die zustimmende Er-
klärung Job. Ernsts von S. -Eisenach aus ^ er wollte es-
durchsetzen, dafs die ritterschaftliche Weimarschmieden hin-
sichtlich der Gerichtsbarkeit ganz als zu seinem Hintergericht
gehörig behandelt werden sollte. Überhaupt fing er, naclK
der Darstellung Veits von Heldritt, des derz. Chefs der Mei*
ninger Begierung, allerlei Vorrechte und ein „plenum direc^
torium" an der Gent zu beanspruchen an ; schon hatte er dea
neuen Centgrafen Wolf Stoiberger (Stollberg), ohne den an-
deren Teil zu fragen, allein angestellt, da man doch nach dem
Vertrage von 1509 solches nur „u£f den fall begebender
discrepant0" zu thun habe, überhaupt scheine er es auf eine
völlige Trennung beider Ämter abgesehen zu haben. Unter-
Das ehemalige Amt Lichtenberg ror der Rh6o. 28S
dem 21. Febr. 1601 berichten .»Statthalter und Rethe" zu
Meiningen gutachtlich darüber au den Herzog von 8.- Weimar,
die andrerseits angestrebte Trennung sei dem Amte KNord«
heim mehr zu- als abträglieh; es seien jenseits nur 5, dies-
seits ohne die Wüstung Lichtenau 8 Dörfer, aus denen die
Vierzehnzahl der Schöffen sich leicht ergänzen lasse; die Ge-
richte könnten zu Kalten nordheim, und zwar vom diesseitigen
(Bettenhäuser) Gentgrafen Wolf Baumbach gehalten werden.
Nur dürfe nicht geduldet werden, dafs die aufserhalb beider
Ämter liegende Weimarschmieden mit dem noch nicht er-
ledigten heldrittischen Falle vom Amte Lichtenberg ganz für
seine Cent in Beschlag genommen werde, worauf es jenseits
Tor allem abgesehen zu sein scheine. Unter dem 22. März
bittet dieselbe Behörde abermals um Entscheidung, da in-
zwischen am 11. März zu KSundheim das Centpetersgericht
„unersucht und abwesendt dieses theils^' vom lichtenbergischen
Centgrafen und Schöffen allein gehalten und nur im Namen
des Herzogs Joh. Ernst gehegt worden sei. Die Trennung blieb
nun vollzogene Thateache und wurde unter dem 10. März 160S
von Herzog Johann yon S.-Weimar und Kurfürst Christian 1£.
sanktioniert.
Um die durch den Wegfall der KNordheimer Amtsorte
doch sehr zusammengeschmolzene lichtenb. Cent einigermafsen
wieder zu yerToUständigen, wurde nun das Gericht Helmers-
hausen (XVI, 287 t) ganz aufgehoben und der Ort der Cent
zugewiesen. Zwar suchte dieser 1619 beim Amte Lichten-
berg um Restitution seiner Cent bittlich nach und erbot sich
aus Dankbarkeit 200 Thlr. in spede zu erlegen, doch yer-
geblioh* —
Etwa ein Jahrzehnt nach Trennung beider Ämter fing
der Hexenwahn ganz besonders üppig zu wuchern an; die
heilige Justiz trat mit der Binde des Wahns um die Augeu
und mit der Fackel statt des Schwertes in der Hand in den
Dienst des Aberglaubens und — der Bosheit, für welche die
Angeberei ein bequemes Mittel war, sich unbequemer Leute
zu entledigen. Denn war eine Unglückliche — unter 1000
19*
286 ^<^ ehemalige Amt Lichtenberg vor der RhSn.
Hexen gab es damaliger Annahme nach nur einen der Hexerei
Bchuldigen Mann — unter den Händen der Folterknechte,
so war sie yerloren; leicht war sie dann dazu gebracht,
auch noch »»auf andere zu bekennen". Blieb eine unter den
Qualen der Folter, und fand man sie am nächsten Morgen
mit gebrochenem Genick, so hatte das natürlich der fft
Böse gethan ^). Noch über 7 Jahrzehnte dauerte dieses Un-
wesen *).
1) Aus Heimerehansen allein worden 1611 — 1621 14 Hexen an der
Cent gerichtet, deren Namen genannt werden; jedenfalls aber gab es der
Opfer in diesen Jahren noch mehr, deren Mamen nicht anfgeieichnet worden
sind. 1611, 16. Sept. worden eine Matter ond Tochter, Hex Amsa ond
Bex Barbara, ^ypropter rnttgiam punitae et inUrfedat^*', — 1612, 27. Jon!
worde Anna, Hans Kirschen Frao, verbrannt; am 20. AogostMom (Mohme?)
Barbara, „cta propter magiam m earcere aaervatae eervicem caeodaepum
Jregüj igne comburit«r*^\ den 16. Sept. „hem Anna*' ond deren Tochter
Barbara ^^propUr magiam gladio ei igne punäae et mter/eeta^, — 1618,
8. Febr. erlitt Orthey Arpert, die Malierin, den Feoertod. — 1620 den
8. Noy. Valtin Bardorfs Witwe ,,igne eomburitur Saltentundhemü propter
magiam**, — 1621, 11. Jan. Agathe, Matth. Arperts Frao „igne com-
buritur propter ineantationem** ; den 15. Febr. Anna, Matth. Bardorfs
Witwe, ond Elfie, Kaspar Wilcks Ehefran ; am 16. Mars Tbey, Hanfi
Leipperts Frao, Osanna, Uanfi Kirchners Frao, ond Grethe, Hanß Müllers
Frao.
Noch einige Fllle ans dem Amte KNordheim aos spiterer Zeit:
1662, 28. Jan. starb in Oberweid der Pfarrer Krieg, von einer Hexe so
Tode gemartert (Krcbb.). — 1657 starb in Westheim Hans Bischof, der
16 Jahre mit den Kroaten geritten, und den seine Motter so Tode ge-
zaobert haben sollte. — 1658 brachte der Teofel eine Hexe aos West-
faeim im Gefllngnisse om. — 1660 wird die KNordbeimer Hebamme Kat.
He£ verbrannt; sie hatte ihre Schwiegertochter bebext, daTs sie 12 Jahre
verrückt war; am 27. Sept. Osanoa Kirst, des Schmieds in Westheim
Weib. — 1663 worde Martha, Anton Scharfenbergers Weib aos KNord-
heim verbrannt; ferner ürsola, Heinz Traberts Weib aos Westheim
(8 Wochen daraof hielt der brave Heins wieder Hochzeit !). — 1682,
12. Jan. worde in Oberweid Jakob Gottbehüts Kind begraben. Am 15.
trat starkes Tao- ond Regenwetter ein, ond das Gräbeben sank ein, „wor-
aos etliche gemothmaset, es mÜBe das ongetaofte Kind dorch Hexerei heraus-
genommen worden sein, ja wollen wohl dorch HineinstoBen gefühlet
haben, der Deckel sei vom Lidlein**. Wiewohl Pfarrer Seil selbst mit
Das ehemalige Amt Lichtenberg vor der RhSn. 287
1653. Da es für die äofBeraten Orte des Hintergerichts
sehr lästig sein muTste, alle Giyilsaoben bei dem Amte Lich-
tenberg aDSubringen, so hatte man mehrfiaoh sieh an die
Oentgrafen (jetzt ,,Gerichtshalter'^ zu wenden angefangen;
diese hatten sie angenommen und, wie Heher klagt, darin
dem Amte ,,gar in weith eingrieff thnn wollen''. Durch
Entscheidung des Hofrats Chr. v. Hagen vom 25. Okt. 1653
wurde ,yuf widerrufen einigen Hintergericbtsbeamten auch
Cmbachen zu expediren erlaubet, aber mit genügsamer
limitatian und restricüon, welche iedoch auch so gros vor
dismahl nicht beobachtet werden" (Heher). ,
Während des „Tannischen Wiederkaufs'*, 1698 — 172a
(S. 131, 140), übten die Herren y. d. Tann die Gentgerichts»
barkeit über die verpfändeten Orte aus. Die Funktionen
eines Amtmanns wurden den jeweiligen Amtmännern zu
KNordheim übertragen; den lichtenb. Amtsrichter und Ge*
richtsschreiber übernahm der Käufer erst ein Vierteljahr auf
Probe und behielt ersteren auch länger bei, bis er Heuchiin,.
den er schon 1693 zum Oerichtsschreiber bestellt hatte, zum
^mtsYogt ernannte. Der Sitz der Cent über diesen neuge-
bildeten Bezirk sollte dem Übereinkommen gemäfs, neben dem
lichtenbergischen, KSundheim sein, doch sollte eine eigne^
von der sächsischen abgesteinte Richtstätte beschafft werden;
des Oefängnisses sollte er sich mit bedienen dürfen» Später
einem Stabe a«f den Deckel stöfst, berichtet er doch den Fall an das
Amt, welches Aoagraben des Sarges and schleonigen Berieht anordnet.
KatttrUch findet sich alles in Ordnung. Ob nicht gleichwohl mit diesem
Vorgang zosammenhängt, dals am 7. Mftrs nach gehöriger Tortur Marg.
L&mpert, Osanna Greif nnd Anna Scharfenberger aas Oberweid in KNord-
heim yerbranot worden ? Das war die letste Hexenverbrennnng im Ober»
lande. Als 169S Hans Jfirgwebers Kind sa Westheim im Sarge lag ond
beim Eintreten der Dora Bohn der kleinen Leiche 8 Blatstropfen aas der
Käse flössen, wurde dies Tom Pfarrer zwar auch als höchst verdächtig
an das Amt berichtet, das ging Jedoch schon auf seine menschenfreundlich»
Idee oicht mehr ein.
8} Die letzte Hexe in Thüringen wurde 1690 in Oldisleben ver«
brannt.
238 ^'^ ehemalige Amt Lichtenberg vor der Rhön.
wurde die tannische Hemchaft auch ermächtigt, zur Ergrei-
fung YOD Missethätern die Hilfe des AusBchuBses, den sich
der Herzog vorbehalten hatte, in Anspruch zu nehmeDf and
verpfLichteti alle Cent-| wie auch in den Wiederkaufsorten
alle Dorf- und Petersgerichte mit im Namen des Herzogs
hegen und halten zu lassen. — 1712 kaufte Oberhof marschall
V. d. Tann in KSundheim ein Haus zum Absteigequartier
für sich und zur Wohnung des Gerichtsbeamten; Herzog
Johann Wilhelm befreite es auf die Bauer des Wiederkaufs
Ton allen Lasten.
1786 starb der Gentsohreiber Wagner und 1748 der
Amtsrichter Heuchlin. Ihre Stellen wurden nicht wieder
besetzt, sondern „es musten auf ungütigen Vortrag die zween
Lichtenbergische Beamte (nämlich Amtmann und Amtsschreiber)
sothane Gentbesorgung einsweilen übernehmen und mit blosen
7 Thlr. 4 ggf. Gentschreibers Besoldung und denen wenigen
Cent Accideneien gedultig sich begnügen; die damalige
dirigirende Herren Camercdes aber behielten die Amtrioh-
tersbesoldung bey der Gammer*' (Erdmann 1754). Bei dieser
Einrichtung blieb es bis zur Aufhebung der Gent.
1753, 81. Okt. wurden die Pfarrer des Hintergerichts
sum geistlichen Beistand mehrerer armen Sünder yor Gericht
beschieden; auch die Schulmeister erhielten den Befehl, mit
den „dauerhaften^' Kindern der Hinrichtung beizuwohnen.
1754 spricht Erdmann von dem „neulich*' erbauten Hoohr
gerichte. — In diesem Jahre wurde ein Dieb, Wellauer, ge-
henkt Bisher hatte stets ein Geistlicher der Landeskirche
die armen Sünder, ohne Rücksicht auf deren Konfession oder
Keligion, auf ihrem Todesgange begleitet; da in diesem Jahre
aber die Würzburger Regierung bei der Eisenacher den An-
trag gestellt hatte, es möchte im Amte Lichtenberg kathoL
Geistlichen Todkranken und armen Sündern kathol. Konfession
Trost zu spenden erlaubt werden, wie auch sie dann nachgeben
werde, dafs in ihrem Gebiete evang. Geistliche „denen zur
Todsstraff quaUfieirten Fürstl. S. Eisenachischen Delinquenten
oder sonst tödtlich krancken Personen'* Augsb. Bekenntnisses
Dm ebemalige Amt LlehtenbM'g vor der Rb5n. 289
^\n denen letsten Lebenstägen*' beistünden, so wurde auch
zu dem katholisohen Wellauer ein Priester zugelassen. Würz-
burg ging dann aber auf die von Eisenaoh gestellten Beding-
ungen nicht ein, und so blieb es in späteren Fällen wieder
beim alten..
Um diese Zeit machte Weimarschmieden dem Amte viel
zu schaffen. Es war ein Diebs* und Hehlernest, ein Juden-
ort, eine Herberge für Vagabunden geworden; Herr v. Wil-
dungen aber behauptete die Centfreiheit seiner Besitzung,
hatte auch 1786 einen kaiserlichen Bescheid zu seinen gunsten
erreicht Neuerlich Torgckommene Fälle veranlafsten Erd-
mann, die Gentpflichtigkeit des Ortes und die Notwendigkeit
derselben in einer anonymen Druckschrift nachzuweisen. So
war einmal nachts eine Diebsbande über die hohe Stettener
Dorfmauer geklettert, hatte gestohlen und war von den er-
bitterten Stettenern bis Weimarschmieden verfolgt worden,
ohne dafs man ihr schliefslich etwas anhaben konnte. Ein
dortiger Gutsverwalter hatte längere Zeit mit einem 12-jährigen
Judenmädchen Unzucht getrieben (später ist er, flüchtig ge-
worden, in Dermbaoh auf der Brücke tot zusammengebrochen).
Ein andermal wurde ein des Diebstahls verdächtiger Jude Eisig
Tom Amte festgenommen und ihm von der Eisenacher Kanzlei
«,der erste torturgr^id mit den Daumschrauben'' zuerkannt; „er
hat aber solche mit einer ungemeinen Canienance und jüdischer
Yerstookung ausgehalten'', und Erdmann bittet um Ermächti-
gung zu weiterem Vorgehen. Das Amt hielt also seine Ge-
richtsbarkeit über Weimarschmieden aufrecht, und Vorder-
weimarschmieden hatte, nach Schultes, um 1800 in Ealten-
aundheim die Genthuldignngspflicht abzulegen.
1796 wurde Lorenz Grob aus Eofsdorf wegen Diebstahls
in ESundheim gehenkt. Das mag eine der letzten Hinrich-
tungen daselbst gewesen sein.
„Noch jetzt" (etwa 1800) „wird daselbst jährlich ein
Oentpetersgericht für 6 Orte gehalten, auf welchem alle Gent-
pflichtigen erscheinen müssen. Wenn Delinquenten daselbst
in Verhaft kommen, so werden sie hier verhört, die Unter-
290 ^^ ehemalige Amt Liehteaberg ror der Rhön,
suohuDgsakten zum rechtliehen Erkenntnis instroirt und di»
Exekution vollzogen. Alle Ciyilsachen hingegen werden in^
Amte Lichtenberg yerhandelt'' (Sohultes).
Nachdem 1815 das Amt Dermbach an das Herzogtum.
— von nun an Grofsherzogtum — Sachsen gekommen und
die Orte Umshausen, Wiesen thal und Fisohbach, die seit
1764 zu ENordheim gehört hatten, dahin verwiesen worden
waren, wurde dafür das bisherige Hintergericht vom Amte^
Lichtenberg, welches dadurch zu bestehen aufhörte, getrennt
und zum Amte ENordheim geschlagen. Die Überweisung
erfolgte am 1. Juli 1816.
4. Das geistliche Gtorioht.
Seit der Einführung der Reformation stand in kirchlicher
Beziehung das Amt unter dem Superintendenten der Herr-
schaft Henneberg- Bömhild, welcher mit dem Oberamt-
manne derselben in nicht rein geistlichen Sachen die oberste
Behörde bildete. Nachdem Herzog Johann Kasimir mündig
geworden and zugleich im Namen seines Bruders Johann
Ernst die Regierung übernommen hatte, wurde Coburg^
und nach der Landteilung zwischen beiden Brüdern Bise-
nach der Sitz dieser Oberbehörde, des „Konsistoriums^V
welchem mehrere Räte beigegeben waren.
Die geistliche Behörde des Amts bestand aus dem ,|Ad-
junkV (des Landes Superintendenten) und dem Amtmanne
und verfügte „Adjunktur und Ambts wegen''. Ali das Kon-
sistorium zu Eisenach sich „Oberkonsistorium'' nannte, erhielt
die geistliche Behörde des Amts die Bezeichnung „geistliche»
IJntergericht", zu Anfang unseres Jahrhunderts „Konsistorium"^
1849 „Eircheninspektion".
Aufser der Einführung der Pfarrer und „Schulmeister*^
lag ihr besonders die Aufsicht über das Kirchen- und Stellen-
vermögen im Amtsbezirke ob. Die Prüfung und Genehmi-^
Dm ehenudige Amt Liobtenberg ror d«r Rhön. 29 t
gong der letstjährigen Eirchrechnung wurde anfengs in jedem
Orte jährlich mit einer Kirdien- und Schulvieitation, welcher
auch der Amtmann beiwohnte, und bei welcher auch die Er-
wachsenen sich zum Eirchenexamen zu stellen hatten, ver-
banden.
Eine andere Aufgabe des geistlichen Gerichts war die
Ausübung des kirchlichen Strafrechts, der Eirchenzucht»
Unkirchlichen Personen versagte sie die kirchlichen Ehren-
rechte und nach ihrem Tode ein feierliches, ehrliches Be-
gräbnis. Das letztere that sie auch bei der Beerdigung
Andersgläubiger ^), denen als Yerächtern des wahren Olauben»
die Gräber in der Friedhofsecke angewiesen wurden.
Hauptsächlich aber kam die Eirchenzucht bei Yergeheiv
gegen das 6. Oebot in Anwendung. Notzucht gehörte ala
eine der 4 hohen Bügen vor die Gent und wurde mit dem
Tode bestraft; „simplices fomicatwnes" zu bestrafen, hatte
nur die Cent Fladungen beansprucht, bis der Artikel 5 des
Neust Vertrags (8. 260) sie dem Amte, d. h. dem geistlichei^
Gerichte zuwies. Über die Schuldigen wurde zunächst eine^
weltliehe Strafe, 8- bis 14tägige, ja in schwereren Fällen
vierteljährige „Tnrmstrafe'' verhängt; der Schwängerer mufdte,^
auch wenn es ihm eine wirkliche Strafe war, oft unmittelbar
nach beider Entlassung aus dem Geföngnis auf der Amtsstube
die Gefallene sich antrauen lassen^), jedenfalls aber geschah
1) s. ß. : ,,Claiis Bartholmefi, welcher plötslich gestorben, ....
und weil er alB auif seioen PftpstUcben glauben ohne Bekehrung gestorben^
ist er aof befehlich des Herrn Amptmanns Eitel Heinrichen vom Stein^
nnd des Herrn Mgr nnd AdfwtHi Joh. Götzen su OstheSm an einen be-
aondern Ort auf den Gottesacker begraben worden« «war mit geleut, aber
ohne geleit der Schulen und gesang, andern Verftchtem der ßmenUn sum^
schrecklichen Ezempel**.
8) Ein recht bezeichnender Fall aus Fischbach (damals im Amte
Fischberg): 1621 wurde Simon Holstein auf Amtsbefehl mit Dorothea,.
Hans Kelslers taubstummer Tochter, kopuliert. Ihre Mutter sagte an
ihrer Stelle das Ja. Simon Holstein aber erklärte, er habe die Dime-
nicht fleischlich berührt, sondern nur nach junger Leute Art mit ihr ge-
scherzt („geschimpft*«) ; er habe nur bekannt schweren Gefllngnisses und
Tortur wegen, er wolle es Gott befehlen und Gewalt leiden.
292 ^** ehemalige Amt Lichtenberg vor der Rhön.
€8 „ohn frölchen gesang, Elocken* und Pfeiffer Klangk''.
Vorher aber sprach der Pfarrer in öffentlichem Gottesdienste
in ihrem Namen eine „Deprecatian'^ wegen des der Gemeinde
gegebenen Ärgernisses, wobei sie vor dem Altare stehen oder
knien oder auf einer besonderen Bank quer sitzen mufsten.
Dann erst wurden sie wieder zum heil. Abendmahl zugelassen
und getraut').
Hatte sich ein Paar mit allen Ehren trauen lassen, ohne
sie verdient zu haben , so wurde ihm, „in honorem matri^
monii", das Stehen ror dem Altäre, nicht aber die Depre-
kation erlassen. Schlimmer stand die Sache, wenn zu einem
unehelichen Neugebornen sich kein Vater fand; daun wurde
die Turmstrafe Toriängert und verschärft durch schmale Kost,
die Dirne wohl auch ,,unter Umbständten*' eine Stunde an
den Pranger gestellt. Noch schlimmer hei einem Kückfall ;
dann wurde sie nach Herzog Johann Ernsts 1619 erlassener
und 1622 erneuerter Verordnung „zwo oder drey stunde
öffentlich ins Halßeisen geschlossen, hernacher durch den
Scharffrichters Knecht mit einem Klipfei außgehaucket, und
des landes uff drey Jhar lang verwießen'*. Mit Geld, das
freilich in solchen Fällen wohl selten zu hahen gewesen sein
wird, ließ sich indes zur Milderung oder gar Abwendung der
schimpflichen Strafen schon manches erreichen, und das Er-
kaufen der Dispensation, wenn man'e konnte, kam immer mehr
in Aufnahme.
Im allgemeinen hatte „Adjunktur und Amt'* für
Hebung des kirchlichen und sittlichen Lebens
und für Abstellung von allerlei Milsständen auf
diesem Gebiete zu sorgen, und manche zu diesem Zwecke erlassene
1) Kurs vor dem SO-jfihrigeo Kriege berichtet der Stettener Pfarrer
TOD einem Paare, das „nach gehaltenem Ampt, als sie zuvor publica de-
preeiret und darauf das Abentmal empfangen, s%anm6 cum dedecore in com-
«pecCtt toUuM communüatii eopuliret worden, do denn die geschwfingerte
Dirne iliren Mantel aufm Haupt getragen, gleich einer, welche leide trage
ihres fals wegeD*^ — In ÜAtbeim wurde 1686 ein Paar getraut „post
pubUd factam deprecationem*\ „sind die ersten, so vermdg F. Befehlig«
unter wehrenden Predigt R>rn Altar gesteh worden, und bat auch neben
ihnen gestanden Hausen Bohlichs tochter'^
Das ehemalige Imt Liehtenberg toi der Bhdii. 293
lieilsame Yerfügimg sengt dayoD, wie weit sich ihre Fürsorge
^rBtreokte ^).
Nachdem am 1. Juli 1816 die Hintergeriohtsdörfer dem
Jostijsam^te ENordheim zugewiesen worden waren, wurden sie
der Verordnung des Grofsherzogs Karl August vom 27. Febr.
1817 zufolge auch der dortigen Diöcese einverleibt.
1) So ist a. B. „Ao 1680 nachfolgende - amptsordnung wegen der
.^Tatterschafft und tauffenden gemacht and yerlesen -worden, welche Ao
1630 rtp€tirt worden:
„Soll hinfftro bey straff 5 fl. nicht mehr als 14 gr. eingebunden,
auch nor ein gevatterkachen, ein bahn nnd doten *) hembd geliefert
werden. Wie es aber bishero mit den taa£fenden| das nemblichen
dieselbe in den gemeinenscheocken gehalten werden, soll es darbey
hinfiiro sein Verbleibens haben, nnd ist auch hierbey su mercken,
das die newe^jahrsgeschenck sich ober 1 schreckenb. nicht erstrecken
sollen, und soll solches nicht Iftnger als 6 jähr (wenn das dödlin
6 jähr alt ist, soll man nichts mehr geben) und soll auch die wieder-
gab gants abgeschafft sein<<.
Um dieselbe Zeit erschien folgende die Hochseiten betr. VerordnuDg
JL4Janktnr- und Amts wegen:
„1. Soll hinf&ro bey straff 1 fl. niemand yon kindem oder gesinde
die hochseit subesochen macht haben, es sey denn sonderlich und
mit namen eingeladen, auch der vierdte hochzeittag gentzlich
abgeschafft sein. — 8. SoUen auch bei straff 5 fl. mehr nicht als
uf einer hochseit 6 tisch gehalten und bey ebenmessiger straff also-
balden nach sehnschlagen das hochseithaus und gassen, sumaln
aber vom jungen gesind und Spielleuten gereumet werden. — 3. Nach-
dem auch das ledige gesind benebend den spielleüten gemeiniglich
von der hochzeit den brautführer nacher haus begleiten, doselbsten
allererst vielflUtige costen und unruhe verursachen, woraus dann
entstanden, das derentwegen nur die reichen gesucht, die armen
aber, denen solche Verrichtung von Verwandschaft wegen gebueret,
entweder zurUckgesetst, oder doch iu beschwehrung gefuhrt werden,
so soll solches gants abgeschafft und bei straff 10 fl., halb dem
brantdiener und halb den andern ftbertretenden jungen gesellschaft
zu erlegen, verboten sein."
Im Jahre 1630 wurde den Geistlichen befohlen, darauf su halten,
'd&fs bei Taufen von den Paten das 9,Ja" deutlich ausgesprochen werde»
<wegen des Verdachts des BOndnisses mit dem Teufel.
^ Dot » Patenkind ; Döt « Pate.
294 ^^^ ehtmalige Amt liehtonberg vor der Rhön.
BeriGhti^imgeii.
&• 149 Z, 15 Y. n. ist nach Eisenach einiotohalten : Tom 24. Oktober..
„ 158 ,y 16 „ 0. ist statt 1800 sa lesen 1810.
„ 288 „ 7 „ 0. (anter „Petersgericht") ist statt Mass sa lesen Kalter»
„ 286 „ 80 „ o. ist statt hienorige sa lesen hieTorif«.
„ 244 „ 8 „ 0. „ „ thore „ „ thozn (d. i. Torrn).
„ 248 „ 8 „ a. (Fnüsnote) ist statt onterhanea sa lesen nnterthaiiAiu
IV.
Die Zerstörung der Stadt Gera
im säehsisehen Bruderkriege
am 15. Oktober 1450.
Von
Berthold Schmidt.
Uas liebliche Thal der weifsen Elster bildet das natür-
liehe Ausfallsthor von Böhmen loa ThüriDgerland hineiD»
Auch im Mittelalter haben wiederholt feindliche Heerhaufea
ihre Eaubzüge auf jenem Wege unternommen und gewöhn-
lich arge Verwüstung hinter sich gelassen. Zur Zeit der
Christianisierung sind die ersten Kirchen des Vogtlandes oft
mehrmals hintereinander durch Einfälle der benachbarten
Slayen zerstört worden. Die Hussiten haben Plauen nieder-
gebrannt und unter den Bewohnern der Stadt ein entsetz-
liches Blutbad angerichtet. Im sächsischen Bruderkriege endlich
wurde Gera das Opfer der tschechischen Wildheit. Geras Zer-
störung mit ihrer Vor- und Nachgeschichte soll nun Gegen-
stand der folgenden Darstellung sein. Dabei ist yorauszu-
zuschicken, dafs es noch keine zeitgemäfse Bearbeitung des
Bruderkrieges giebt. Dankenswerte Vorarbeiten sind die Auf-
sätze Bachmanns über die Soester Fehde ^) und AnemüUers
über den schwarzburgischen Hauskrieg ^). Auch meine Zu-
sammenstellung soll nur ein Beitrag zu jener gröfseren Auf-
gabe sein ^).
1) Neues Archiv für sfichs. Gesch. u. Altertumsk. II, 2, S. 97 ff.
2) Programm des Gymoasiums xo Radolstadt, 1867, S. 1 ff.
3) Eine ▼oUstftndige Darstellung des Braderkrieges erfordert
yielleicht ein Menschenalter und jedenfalls reichliche Kittel, die hoffent-
lieh einmal gemeinschaftlich von Sachsen and Thüringen ad hoc be--
willigt werden.
^98 ^^* Zerstörung der Stadt Oera im sichiischen Bruderkriege.
I. Die Vorgesohiohte bis sum Jahre 1460.
Nachdem die wettinisoheD Brüder Friedrich und Wilhelm
ihr Täterliches Erbe in Sachsen, Meifsen und Thüringen
mehrere Jahre gemeinschaftlich besessen hatten, sollte 1445
plötzlich geteilt werden. Die Anregung dazu ging von Her-
zog Wilhelm aus« Kurfürst Friedrich war als älterer Bruder
seither immer der Leitende gewesen. Das behagte dem ehr-
geizigen Wilhelm nicht, und so gelang es seinen Günstlingen,
den Herren Yitzthum, leicht, den jungen Fürsten gegen den
Bruder aufzuhetzen. Auch der anfängliche Entwurf der Erb-
teilung war ihr Werk und die Absicht dabei, dafs Herzog
Wilhelm Thüringen erhielt, wo ihre zahlreichen und nicht
immer reohtmäfsig erworbenen Güter lagen. Jedenfalls hat
Apel Yitzthum, das Haupt seiner Sippe, damals eine recht
zweideutige Rolle an den sächsischen Höfen gespielt und
nach beiden Seiten hin Versprechungen gemacht. Friedrich
warf ihm später öffentlich yor, er hätte „zweierlei Kohl in
einem Topfe gekocht'^ Man hatte, wie es scheint, den Kur-
fürsten dadurch für die Teilung gewonnen , dafs entgegen
eonstigem Gebrauch der jüngere Bruder teilen und der ältere
wählen sollte ^).
Der Teilungsentwurf liefs zunächst das Land zu Sachsen,
womit das Eeichsmarschallamt yerbunden war, aulser Betracht
und bezog sich nur auf Meifsen und Thüringen mit Zubehör.
Danach sollten zu dem einen Teile gehören das eigentliche
Thüringen, die fränkischen Bestandteile um Coburg, yom
Oster- und Vogtlande Weifsenfeis, Altenburg, die frühere
Herrschaft Weida, der Orlagau, die Festen Ziegenrück und
Sparnberg, ferner die beiden Herren yon Gera und die
Schlösser Mühltroff, Berga und Wolfersdorf '), endlich reohts
1) Nach KoDrad Stollei thüringisch-erftirtischer Chronik ed. L. J.
fiease (89. Publik, des Litterariscb. Vereins in Stattgart, 1854), 8. 4 f.
8) nordöstlich von Berga.
Di« ZerttöroDg der Sudt Gera im tiobtitehen Bradwrkrieg«. 299
<der Fleifse noch die Orte Prohbarg, Kehren, Puchshain und
<}nand8tein. Zu Meifsen dagegen hatte man aus dem Oster-
und Vogtland geschlagen die Städte Leipzig« Pegau, Groitzsoh,
Stollberg, Mylau, Sobmölln, Bonnebarg, Sohönfeb, Werdan,
Orimmitzschau, Yogtsberg, Oelsnitz nnd Adorf, ferner Kloster
Orünhain, die Herren von Plauen zu Plauen, die BeuÜBen
Ton Plauen zu Oreiz, die Herren yon Schönburg, die yon
Dohna zu Auerbach und Kaspar Schlick mit Schöneck, Elster-
berg und Schwarzenberg. Preiberg mit seinen Silbergruben
verblieb beiden BrtLdern gemeinsam. Endlich sollte der,
welcher MeiTsen erhielt, für eine gewisse Summe Landes-
schulden, womit Thüringen stärker belastet war, dem anderen
Teile die ebenerwähnten Städte aufser Leipzig, Pegau, Groitzsch
und Borna yerschreiben und wegen dieser Pfandsumme auch
die von Plauen, die Beufsen, die von Schönburg und Dohna
anit der Erbhuldigung an den thüringischen Landesherrn
"W eisen *).
Man erkennt unschwer aus diesem Teilungsentwurfe das
'Bestreben der Yitzthum, für Thüringen den gröüseren Vorteil
herauszuschlagen. Trotzdem rechneten sie bestimmt darauf,
<Iafs der Kurfürst sein Geburtsland Meiüsen wählen würde.
Zu ihrem Schrecken fiel aber seine Wahl auf Thüringen.
Der „schwer fette Herr'', wie der Chronist Konrad Stolle
Priedrich schildert, wollte seine Buhe haben, und der jüngere
Bruder sollte sich auch einmal in Meiüsen gegen die Böhmen
Tersuchen. Jetzt erklärten plötzlich die Yitzthum die Tei-
lungsregister für mangelhaft und betonten, Herzog Wilhelm
müsse schon deshalb Thüringen haben, weil seiner künftigen
Gemahlin Leibgeding darauf verschrieben sei ')•
So begann der für die sächsisch-thüringischen Lande so
verderbliche Bruderstreit, in dessen Bahmen sich dann zahl«
reiche Privatfehden einfugten.
Zunächst kam es allerdings durch vieles Bemühen be-
1) Teilüngsvertrag d. d. lltenburg 1445 Sept. 10 io Lanigs Reichs-
.«rchiv part. ipeo. coDt. II Abt. IV, 2 Nr. SS8 ff.
2) Stolle a. a. O. S. 5.
XVIL 20
300 ^^ ZerstSruog der SUdt Gera im säobsiscben Bruderkriege.
freundeter Fürsten noch einmal zu einem Ausgleich zwischea
den Brüdern, indem zu Halle ein neaer Teilungsvertrag ab-
gesohloBsen wurde. Derselbe fiel entschieden zu Gunsten de»
Kurfürsten ans. Zwar begab sich jetzt Friedrich seines Wahl-
rechtes und nahm die Länder Sachsen und Meifsen, doch
erhielt er dazu noch Altenburg, Burgau, Zwickau und „son-
derlich die Herren von Gera", wogegen er nur die Freiburg
bei Naumburg an Herzog Wilhelm überliefs.
Um Sohlofs Weida sollten beide Herren losen, und der
Gewinner dem anderen 12 000 Reichsgulden auszahlen. Dio
für Meifsen so lästige Bestimmung wegen der Landesschulden,^
wie sie der frühere Vertrag hatte, wurde ebenfalls dahin ab--
geändert, dafs jeder Teil die Schulden seines Landes, so-
wie die Hälfte der gemeinschaftlichen Anleihen vertreten
sollte 1).
Abgesehen davon, dafs Weida, welches Herzog Wilhelm,
erloste, etwas vorsprang, war also die thüringische Ostgrenzo
bedeutend gegen die Annahme der ersten Teilung zurüok-
verlegt worden. Die Vitzthum hatten indessen ihre Absicht
erreicht Sie hatten nun freie Hand in Thüringen, doch dio
fortwährenden Klagen über ihr Treiben gaben auch dem
brüderlichen Unfrieden neue Nahrung. Der Kurfürst suchte
zunächst den Bruder gütlich zu überreden, die vier Brüder
und Schwäger Apel und Busse Vitzthum, Friedrich von Witz-
leben und Bernhard von Kochberg aus seinem Bäte zu ent»
lassen. Allein die^Gfunstlinge behaupteten nicht allein ihren
Platz bei Wilhelm, sondern brachten den Herzog auch dazu,,
ein förmliches Schutz- und Trutzbündnis mit ihnen einzugehen.
Es soll in diesem Vertrage sogar ein Artikel gewesen sein,
welcher die Ausschliefsung Friedrichs von der thüringischen
Erbfolge in sich barg^). Als der Kurfürst hiervon erfuhr^
drang er um so heftiger auf die Entfernung und Bestrafung
1) Vertrag d. d. Kloster Meawerk vor Halle 1445 Dez. 9 in Lfinigs>
ReichsarchiT a. a. O. Nr. 83, S. 8S6 ff.
2) HartoDg Kammermeisters Erfurter ADnalen bei MeDcke, Scripte
rer. Germ. III, 8p. 1190.
Die Zeritdrnog der Stadt Gera im tächsiichcn Bruderkriege. QQ^
der Yitztham. Ein yon ihm gegen dieselben eingeleitetes
BechtsTerfahren in Halle, wozu beide fürstlichen Brüder per-
sönlich erschienen waren, yerlief ohne Erfolg, ja führte
noch zu einer erheblichen Yersohärfung der Gegensätze ; denn
Wilhelm erklärte offen, die Yitzthum verteidigen zu wollen,
und sollte es ihm das eigene Land kosten ^).
So brach denn der Krieg endlieh aus. Beide Brüder rüsteten,
und schon stand der Kurfürst im Begriff, die Yitzthum mit Heeres-
macht zu überziehen, als zuletzt noch Markgraf Albrecht von
Brandenburg und andere mit vieler Mühe einen Waffenstillstand
von Michaelis 1446 bis St. Georgentag (April 23) des folgen-
den Jahres vermittelten. Aber der Friede wurde von beiden
Fürsten und den Ihrigen „übel'' gehalten, berichtet der Er-
furter Batsherr Kammermeister. Herzog Wilhelm verheerte
das Gebiet des auf kurfürstlicher Seite stehenden Bischofs
von Naumburg und brach die Burgen anderer Parteigänger
Friedrichs. Dieser nahm den Yitzthum Städte und Schlösser
ab und schonte auch den Bruder selbst nicht mehr. Er ent-
20g ihm seinen Anteil an der Silberstadt Freiburg und ver*
derbte dessen um Burgau liegendes Gebiet. Da vermittelten
Brandenburg und Hessen abermals, und man einigte sich
Bchliefslich allerseits, am 24. April 1447 zu gütlicher Hand-
lung in Naumburg zasammenzukommen.
Inzwischen waren die Yitzthum nicht unthätig. Apel
eilte nach Böhmen und warb dort die allzeit fehde- und
beutelustigen Herren des Landes auf Sold an. Ende April,
als der Nanmburger Tag herannahte, zogen etwa 9000 böh-
mische Krieger über Eger durchs Elsterthal nach Thüringen
zu. und wurden von Herzog Wilhelm in Weida, Weifsenfels
und Umgegend untergebracht. Doch auch der Kurfürst hatte
sich vorgesehen und nicht allein im eigenen Lande stark ge-
rüstet, sondern auch aus Schlesien, der Mark und ebenfalls
aus Böhmen zahlreiche Soldtruppen in Dienst genommen.
1) Wo nicht besonders citiert wird, beruht meine Darstellung aaf
Kammermeister and Stolle.
20*
302 I>io Zerttömng der.SUdt Ger* im slchsischen Bruderkriege.
Der nun eröffnete Naumburger Tag stand daher yölüg unter
dem Druck der beiderseitigen Btistungen. Man stritt sich
wochenlang mit scharfen Reden herumi und es ist erstaun-
lich, wie schliefslich der yermittelnde Markgraf yon Branden-
burg die Yerlängerung des Waffenstillstandes bis sum 1. Sept.
durchsetzte. Bis dahin sollte in Mühlhausen weiter verhan-
delt werden. Auch die Vitzthum wurden in den Frieden mit
eingezogen i).
Herzog Wilhelm hat dann die jetzt überflüssig gewor-
denen Böhmen, die sich bereits in seinem eigenen Lande
lästig machten, zu einer anderen Unternehmung yerwandt Er
zog bekanntlich damit dem Erzbischof yon Köln gegen die
westfälische Hansestadt Soest zur Hilfe. Auf die sogenannte
Soester Fehde hier näher einzugehen, liegt kein Grund yor.
Es genügt die Thatsache, dafs der Zug völlig mifsglttckte.
Als daher Herzog Wilhelm die Böhmen nicht ablohnen konnte,
trennten sie sich von ihm, um unter vielen Entbehrungen
und Gefahren in ihre Heimat zurückzukehren und zwar auf
demselben Wege, auf dem sie gekommen waren '). In Thü-
ringen versah man sich nichts Gutes von den heimziehenden
Böhmen und rüstete vorsichtig zur Abwehr. Besonders hatten
^ie Erfurter, vom Kurfürsten thätig unterstützt, ein starkes
Heer gesammelt
Auch die Herren des Oster- und Vogtlandes waren zur
Beobachtung der durchziehenden Haufen mit ihrer Mannschaft
im Felde erschienen. So glich dieser Bückzug der Böhmen
mehr einer Flucht, und es wäre nicht schwer gewesen, ihre
halbverhungerten und stark gelichteten Haufen völlig aufsu-
reiben. Man scheint aber kurfürsüicherseits andere Pläne
mit ihnen vorgehabt zu haben. Ab dieselben nämlich am
2. oder 8. August ') in der Nähe von Schleiz anlangten, be-
1) Stolle a. a. O. Vergl. auch Neues Archiv für sichs. Gesch. II,
8, S. 108.
2) S. BachmaDDS Tortreffliche Darstelluog im Neuen Arohiv fUr
sichs. Oesch. a. a. O.
3) Am 4. Aug. kamen sie schon in Eger an; s. Neues Archiv fUr
sftchs. Gesch. II, 8, 8. 124.
Di« Zentdrnog der Stadt Gera im slehsischen Bruderkriege. 303
gaben eich die Herren von Schönburg, Oera und Plauen aus
ibrem Ueere za den Böhmen und forderten sie geradezu zum
Übertritt in kurfürstliche Dienste auf. Dabei gaben sie es
gerade dem Apel Vitzthum schuld, dafs die Böhmen von Herzog
Wilhelm nicht befriedigt wären. Sollte also der Kurfürst mit
Apel zum Kriege kommen, könnten sie sich an diesem rächen ^).
Die Böhmen gingen aber auf das Anerbieten nicht ein. Apel
hatte gute Freunde unter ihnen. Auch hofften sie damals,
binnen kurzem yon Herzog Wilhelm ihre Forderungen berich-
tigt zu sehen.
In den ersten Tagen des September kamen dann die
streitenden Brüder und die vermittelnden Fürsten in Mühl-
hausen zusammen. Man hatte grofses Gefolge, auch die
,,Yornehmsten Doctores und trefflichsten Eedner'' mit sich»
Es wurde damals auf dem ,,steinernen Hause'', dem Rathause
der Stadt, ein förmliches Schöffengericht niedergesetzt. Dazu
gehörten die Markgrafen Friedrich und Albrecht von Branden-
burg, Landgraf Ludwig von Hessen und zwanzig Mannen^
von denen jeder Bruder zebn aus des anderen Teil zu wählen
hatte. Die beiden Hauptsprecher waren für den Kurfürsten
Heinrich der Jüngere, Herr zu Oera, und für Herzog Wil-
helm der gelehrte Dr. Knorre. Zwischen beiden kam es am
5. Sept. zu einer hitzigen Disputation, bis plötzlich der von
Oera seinem Gegner bestritt, als Geistlicher auf einem welt-
lichen Gericht den Sprecher machen zu dürfen. Er berief
eich dafür auf Stellen aus dem Sachsenspiegel und anderen
Bechtsbüchern. Die Schöffen verwarfen hierauf in der That
den Knorre als Sprecher, doch als dieser nun auch dem Geraer^
weil er ein Kitter sei, die Eigenschaft zum Sprecher ab-
erkennen lassen wollte, erreichte er solches keineswegs, und
der Geraer blieb unverworfen *).
Drei volle Wochen währten die Mühlhäuser Verband-
1) Schreiben des Alesch ▼. Sternberg uk seinen Sohn d. d. 1447
Aug. 15 in Fontes rer. Aostriac. XLII, S. 46, Nr. 24.
2) Rammermeister a. a. O. Sp. 1195.
304 I)i« ZerstoroDg der SUdt Gera im sichsischen Broderkriege.
lungeoy und täglich hielt man yon 9 Uhr morgens bis 5 Uhr
nachmittags Sitzung ab, ohne jedoch zum Ausgleich zu kom-
men. Sohliefslich zogen die Parteien unTersöhut nieder ab,
und nach Stolle gab man besonders dem Markgrafen Albreoht
von Brandenburg die Schuld am Scheitern des Friedens-
werkes.
Nicht lange darauf wuchs noch die Spannung durch den
Kauf Ton Schwarzburg. Der sogenannte Sohwarzburger Haus*
krieg, der hier eingreift, ist dann für die friedliche Lösung
des Bruderstreites ein schweres Hindernis geworden. Der
letzte Orund zu dieser Fehde lag wohl in der nicht seltenen
Erscheinung, dafs absterbende Linien den erbenden Seiten-
yerwandten mit gewissem Groll gegenüberstehen. Oraf Günther
Ton Schwarzburg hinterliefs nur Töchter, yon denen Ursula
an den Grafen Ludwig von Gleichen zu Blaokenhain und
Mechtild an Heinrich von Gera, Herrn zu Lobenstein, ver-
mählt waren. Sein Lehnserbe aber war auf Grund einer
alten Erbverbrüderung Graf Heinrich von Schwarzburg zu
Leutenberg. Zwischen beiden Grafen bestand nun eine per-
sönliche Mifsstimmung, welche durch die politischen Gegen-
sätze noch verschärft wurde; denn Günther war geheimer
Bat des Kurfürsten, während Heinrich eifrigst zu Wilhelm
hielt. Günther scheint auch in der That Schritte gethan zu
haben, um entgegen dem Erbvertrag seine Töchter und
Schwiegersöhne mit seinem Hausgute zu bedenken. Jovius,
der für diesen Streit wertvolle, doch leider jetzt verlorene
Quellen benutzt hat, giebt sogar den Schwiegersöhnen Gün-
thers, denen von Gleichen und Gera „einzig und allein" die
Schuld an dem ganzen Streite '). Nach „bösen Briefen*' von
beiden Seiten kam es bald zu offenen Feindseligkeiten zwischen
den Schwarzburger Vettern. Schon um Ostern 1447 hatte
1) Jovios» Chronic. Schwarsbnrgic. b. Schöttgen und Kreysig» Diplom,
et Script. I, 2S7. — Vergl. dazu AnemfiUer a. a. O. 8. 1 Anm. 1. —
Nach Kammermeister a. a. O. 8p. 1199 rObrte die Verstimmung zwischen
den 8cbwarzbiirgern daher, daPs Graf Günther einmal in bedrängter Lage
yon Heinrich im Stiche gelassen war. Das konnte ihm Günther nicht
wieder vergessen.
Di« Zarstöraog der Stadt Gera im sächsischen Bruderkriege. 305
der von Gleichen ohne Absage Heinrichs Sohlofs Leatenberg
2u überrumpeln gesucht. Dieser forderte dafür Genugthuung
und Yersichernng wegen der Erbyerbrüderung. Als beides
nicht erfolgte, griff auch er zu den Waffen i). Hierüber
beklagte sich wieder Günther bei den sächsischen Herzögen,
und daher war die Angelegenheit schon auf dem letzten
Naumburger Tage zur Sprache gekommen. Man einigte sich
hier zu einer Waffenruhe, die noch yerschiedene Male yerlängert
werden mulÜBte, da Yerhandlungstage zu Erfurt, Saalfeld und
Halle zu keinem Ausgleich führten. Auch die Schwieger*
«ohne Günthers, den Grafen Ludwig von Gleichen und Hein-
rich den Altern yon Gera, hatte der Leuten berger in dieser
Fehde angegriffen und wurde hierbei besonders von einer
Anzahl yogtländischer Adligen, wie die Eöder, die Baben,
Pöhler, yon Watzdorf und andere, unterstützt Es lag da-
mals nämlich Burggraf Heinrich II. yon Meifsen, in den
Quellen meistens der yon Plauen genannt, mit der benach-
barten Stadt Eger in Fehde. Beide Teile hatten zahlreiche
Helfer, der Burggraf besonders seine Yettem, die Herren yon
Gera und die Reulsen zu Greiz, Eger dagegen böhmische
Herren und die obenerwähnten adligen Lehnsleute, die sich
darnach im offenen Aufstande gegen ihren burggräflichen
Herrn befanden. Der Grund dazu mag in der etwas dunkeln
Heiratsgeschichte des yon Plauen gelegen haben ').
Jedenfalls ist aus dem Angeführten die Gegnerschaft
dieser Adligen gegen den Geraer ganz yerständlioh. In die
Schwarzburger Wirren mischte sich nun aber auch Kurfürst
Friedrich als Partei hinein. Er bedeutete nämlich dem Leuten-
berger ernstlich, dafs er den Grafen Günther, sowie die yon
Gleichen und Gera, seine Käte und Diener, sollten sie noch
ferner yon Heinrich angegriffen werden, gegen ihn kräftig in
Schutz nehmen werde ^).
1) Jovios a. a. O. S. 267, 277 u. 508.
2) Vergl. B. Schmidt, Barggraf Heinrich IV. zn Meifsen etc., Gera
1888, 8. 16.
8] Schreiben d. d. Rochlitz 1448 Juli 3 im Aaszug bei Jovias, S. 278.
306 I>^e Zentörung der Stadt Gera im sIebsischeD Bruderkrieg^.
Längst hatten hier auch wieder die Vitsthnm ihre Hände*
im Spiel. Apel hatte Ton Herzog Wilhelm die Pflege Coburg
mit der im Bambergisohen gelegenen Stadt Königsberg kauf-
lieh erworben. Letzteren Ort beanepruohte aber Graf Günther
von Sohwarzburg als ein ihm Ton den ehemaligen Grafen
Ton Schlttsselbnrg zngefallenes Erbe. Alt daher der Kauf
Apels ruchbar wurde, schrieb der Kurfürst, um die Bedtz-
ergreifang der Stadt durch den Vitzthum zu yerhindem, an-
ihren Rat, er würde ihnen nächstens eine Gesandtschaft mit
Heinrich yon Gera zu Lobenstein an der Spitze zusenden^
durch welche er seine Meinung kundgeben wolle ^). Aus-
dieser Gesandtschaft wurde dann freilich nichts; denn schoa
wenige Tage darauf meldeten Graf Ernst von Gleichen und
der jüngere Herr yon Gera dem Lobensteiner, es wäre so-
eben auf einem Zeitzer Tage alle Unterhandlung wegen dea
Königsberger Kaufes bis zu einem nächsten Termin yertagt
worden, und sollten inzwischen weder Mannen noch Siädte-
zur Huldigung genötigt werden ').
Graf Günther hatte dann im weiteren Verlaufe dea
Streites seine schlüsselburgischen Erbansprüche ,yin Franken
und auf dem Bambergischen Gebirge'' seinem Schwiegersoha
Heinrich yon Gera überlassen ^).
Wir wollen hier noch einige kurze Notizen über die
beiden Brüder yon Gera einschalten, da sie ohne Frage im
Bruderkriege politisch stark heryortretende Persönlichkeiteu
waren. Der zu Lobenstein war am 14. Jan. 1404 geboren^)
und, wie schon bemerkt, mit einer Tochter Günthers yoa
Schwarzburg yermählt AufiBer der Herrschaft Lobensteia
1) ScbreibeD d. d. £ileiiburg 1447 Des. 6 (8t. Nikolaustag), Orig^
im S&chs. Ernest. Gesamtarchiy (später nar OesA. citiert), Weimar D. p^
349 Mr. 7. .
8) Schreiben d. d. Zeitt 1447 Dez. 13 (MiUwoch Lode) ebenda^
i. Beilage 1.
8) 2 Urkd. d. d. 1448 Mai 3 (am Kretnestage iiiTeotionif) iok
Fürstl. Hausarchiy Scbieit.
4) B. Schmidt, Urkdb. d. Vögte v. Weida etc. (ThQring. Oetcbichts^
queUen N. F. II), Bd. II, Nr. 619.
Die Zeretöniog der SUdt Gera im »ächsisehen Bruderkriege. 307/
besafs er Boeh die Pflege Eeiohenfels mit der Stadt Zeulen—
roda. Als kurfürstlicher Bat wurde er in dieser Zeit wieder-
holt mit politischen Aufgaben betraut ^), doch war er offen-
bar weniger bedeutend als der jüngere Bruder. Dieser war
am 11. Oktob. 1415 geboren*) und mit Gräfin Anna yon
Henneberg-Kömhild vermählt. Schon vor der £rbteilung der
»ächsisehen Brüder stand er bei Kurfürst Friedrich in An-^
sehen; denn 1448 war er einer der Bürgen für das Verlöb-
nis zwischen Friedrichs Sohn und Carola von Savojen ^).
Zu beachten ist ferner» daTs bei der zweiten Teilung der
Kurfürst sich |,sonderlioh*' die beiden Herren von Gera mit
ausbedungen hatte ^). Der jüngere Bruder erscheint zuerst
zu Anfang 1446 als kurfürstlicher |,Eat und Heimlicher'' ^)
und wurde im August des folgenden Jahres neben den Geist-
lichen Bischof von Merseburg und Abt von Altzelle als erster
Vertreter der weltliche Landstände in den Yormundschaftsrat
für die Kinder Friedrichs verordnet*). Von seinem hervor-
ragenden Anteil an den Verhandlungen des 29aumburger Tagea
war schon die Bede. Erwähnt mag aber noch werden, dafs
ihn der Kurfürst wegen seiner vielen treuen Dienste im
März 1448 mit der Feste Kochsburg, welche der Geraer von
Burggraf Albrecht von Leisnig gekauft hatte, erblich belehnte ^)..<
1) Vergl. 8. 806 a. 808. Auch theidiogt er am 24. Febr. 1448 neben
seinem Brnder and anderen korfUrstl. Bäten zwischen Heinrich Renis dem
Jfingeren zu Greiz and denen von Wolflramsdorf ; Orig. im Haasarchiv Greis.
2) Schmidt, Urkdb., Bd. II, Kr. 619.
8) Absch. Pap. d. d. Weilaenfels 1448 Mai 12 (Sonntag Jubilate),.
im GesA. Weimar D. p. 17 Kr. 25 Fol. 20.
4) Vergl. 8. 800.
5] Verscbreibang des Korfürsten fQr seine Gemahlin d. d. 1448-
Febr. 14 (Valeotinstag). im GesA. Weimar D. p. 14 Kr. 19«.
6) Orig. d. d. Altenbarg 1447 Aag. 11 im Haapt-StaaU-Archiv
^»pftter HSA. citiert) Dresden Kr. 6991.
7) Orig. d. d. Meifsen 1448 Mftrz 12 (DiensUg Gregorii) im Haos-
archiv Schleiz. — Albrecbts von Leisnig Sohn Otto, darch seine Gemahlio^.
Margarete ebenfalls ein Schwiegersohn des Grafen Günther von Schwarz-
barg und Schwager des von Gera zu Lobenstein, war om 1447 gestorben.,
(s. Jovias a. a. O. S. 268).
308 ^^^ Zerstörung der Stadt Gera im sftchtischen Bruderkriege.
Doch kehren wir nach dieser Absohweifung zur Sohwarz-
burger Fehde zurück. Der anfänglich auf den Montag nach
Fabian und Sebastian (Jan. 21) angesetzte Zeitzer Tag ging
erst um Mitte Juli 1448 vor sich. Unterhändler waren auf
kurfürstlicher Seite Bischof Johannes von Merseburg, Qraf
Ernst von Gleichen zu Blankenhain, Heinrich von Gera zu
Lobenstein uad die Bitter Hans von Maltitz und Otto von
Spiegel, für Herzog Wilhelm dann Graf Siegmund von Gleichen,
Marschall Barthel von Bibra, Friedrich von Witzleben, Hans
Schenk, Georg von Bibra und Hans Hoberg. Man brachte
aber in Zeitz auch nichts Besseres als eine abermalige Waffen-
ruhe von Freitag nach St. Jakob (Juli 26) bis St Nikolaus-
tag (Dez. 6) zustande. Inzwischen sollte auf Montag nach
ULFr. Wurzweihe (Aug. 18) ein neuer Tag in Zeitz eröffnet
werden, wo vier Bäte beider Herzöge die schwebenden
Irrungen zum Austrag bringen sollten. Zugleich wurde auf
diesen Tag die Entscheidung in der Fehde zwischen Graf
Gttnther von Schwarzburg, Graf Ludwig von Gleichen, Burg-
:graf Heinrich von Meifsen und den beiden von Gera an
einem und Graf Heinrich zu Leutenberg, Heinz, Völkel und
Hans Röder, denen von der Heide, den Baben, Pöhlern und
Helfershelfern am anderen Teil verschoben. Bis dahin sollten
-alle Anforderungen und Brandschatzungen der Gegner „an-
stehen und ungemahnt bleiben", auch alle Gefangenen, Adel
und Beisige auf Treue, Bürger und Bauern auf Bürgschaft
hin, losgegeben werden. Würde man dem nicht nachkom-
nnen, sollten die Herzöge Friedrich und Wilhelm sich des
ungehorsamen Teils gänzlich „entäussern" und dessen Bestra-
fung nicht hindern ^). Ein zwischen dem von Plauen und
-den Ködern angesetzter Sühntag in Oelsnitz wurde infolge
<ler Zeitzer Bestimmungen wieder aufgehoben. Der Amt-
mann zu Vogtsberg, Faul von Weifsbach, erhielt Befehl, Jen'
Bödern nach Eger, Hof oder Elbogen, oder wo sie sonst
1) Die Protolcolle d. d. Zeitz Jali 18 u. 19; s. Beiiageo Nr. 2 u. 3.
— Vergl. aucli Joyius a. a. O. S. 279.
Die Zerstdraog der Stadt Oera hn sAebtiscben Braderkriege. 309
aufgenommen würden, den AbtohlnfB des Waffenstillstandes
«myercüglicli mitzuteilen ^).
Letzterer wurde aber — ^bezeichnend für das wüste
Fehdewesen jener Zeitläufte — schon am ersten Tage seiner
«Oiltigkeit wieder gebrochen. Nach der Darstellung des Bchwarz-
burger Chronisten JoTius war der Vorgang folgender: Hein-
rich der Ältere von Gera hatte unter dem Siegel seines
Mannes Gabriel Götz dem Grafen Heinrich Ton Schwarzburg
ram 25. Juli den vereinbarten Waffenstillstand mitgeteilt und
^ie Erklärung gefordert, ob der Leutenberger denselben an-
nehmen wolle, damit er, der Ton Gera, und seine Freunde
^»entweder mit Friede oder Wehre'' sich danach zu achten
'hätten. Graf Heinrich schrieb aber nicht sofort zu, sondern
-er forderte Heinz und Hans Eöder auf den 26. Juli, wo der
Stillstand beginnen sollte, zu sich nach Leutenberg, um des-
wegen mit ihnen zu beraten. HierTon erfuhr der Geraer,
und wohl weil er vom Gegner noch keine Antwort auf seine
Anfrage erhalten hatte, ergriff er die günstige Gelegenheit
EU einem Gewaltstreich. Er lauerte den beiden Bödem auf
ihrem Wege nach Leutenberg auf und führte sie mitsamt
einem Knechte und 6 Pferden gefangen nach Schleiz ab^).
Hierüber erhob sich natürlich auf Seiten der Gegner grolser
Lärm. Graf Heinrich erklärte den Frieden für gebrochen
und bat um Hilfe bei Herzog Wilhelm. Dieser forderte
energisch die Losgabe der Gefangenen, erreichte aber nichts,
^enn die Geraer verliefsen sich auf Kurfürst Friedrich, dem
^ie damals gerade das Schlofs Schwarzburg in die Hände
spielten. Man bewog nämlich den alten Grafen Günther,
welcher des Streites längst überdrüssig war, seine Grafschaft
-mit dem Haus Schwarzburg und der Stadt Königsee an den
Kurfürsten zu verkaufen. Der eigentliche Kaufbrief darüber
wurde zwar erst am 22. November 1448 in Altenburg aus-
1) Sebreiben des Qeorg von Bebenbarg d. d. ZeiU 1448 Juli 18;
s. Beil. 4. — Am 20. Juli teilt der Amtmaon dem Heins Edder obiges
^Schreiben mit; s. Beil. 6.
2) JoYios a. s. O. S. 280 ff.
310 P^^ Zerttömog der Stadt Otra im tSehtischeo Braderkriefe.
gefertigt^), aber schon anfangs August war der Handel sc^
weit gediehen, da£i der Jüngere yon Gera Sohlofs Sohwars»
bürg besetzte und an des Kurfürsten Statt die Huldigung der
ünterthanen annahm. Solches teilte er auch dem Leuten—
berger mit und warnte ihn» gegen den kurfürstlichen Besitz:
etwas zu unternehmen *).
Hatte schon der Streich mit den Ködern Herzog Wilhelm,
arg verstimmt, so schlug nun der Schwarzburger Kauf dem.
Fasse yöUig den Boden aus ; denn dieses Abkommen war offen-
bar ein starker Übergriff in die thüringische Landeshoheit.
Wilhelm schlofs daher sofort ein enges Bündnis mit dem
Leutenberger und dem Grafen Heinrich yon Sohwarzburg zu.
Arnstadt gegen den Grafen Günther und die yon Gleieheik
und Gera ab, dessen ausgesprochener Zweck die Wieder-
gewinnung Schwarzburgs war^). Mit ihnen sagten dann
bald darauf noch Graf Siegmund yon Gleichen, die Grafen»
yon Honstein und Stolberg und yiele thüringische Bdelleute-
dem Grafen Günther und seinen Helfern ab ^). Vom Kur-
fürsten war in allen diesen Fehdebriefen nicht die Rede^
aber bezeichnend für die ganze Sachlage ist ein Schreiben
des Jüngern yon Gera aus jenen Tagen. Er überschickte
dabei dem Kurfürsten die Absagen der Gegner an Günther-
und Verbündete, sowie ein dringendes Hilfsgesuch des Grafen
Ludwig yon Gleichen, welche Schriftstücke ihm zur Weiter-
beförderung an Friedrich nach Gera zugebracht waren. Der
Geraer hatte die Briefe geöffnet» ,»auf dafs er sich in den
Sachen desto besser zu richten wüfste", und meint weiterhin,.
1) Anemüller a. a. O. S. 6. — Zu bemerken ist daraus, daf» der
Kurfürst neben der lebenslftnglichen Versorgung Gfintbers nocb Jeder Ton
dessen drei Töcbtern 3000 Gulden anssablen mnrste.
2) JoTius a. ». O. 8. 506.
8) ,,Beteidigunge umb Swartspnrg lu bebertten" d. d. 1448 Aug. KV
(Sonnabend Laurentii) nebst Revers der beiden Schwarsbnrger Grafen Toik
demselben Datum im HSA. Dresden. — Drucke bei AnemtUler a. a. O.^
Beil. I— IV.
4) Pehdebriefe vom 28. und 80. Aug. im HSA. Dresden; vergL.
auch ADem&ller, S. 5 Anm. 6.
Di« ZerstSrang der Stadt Gera im sicbsiscben Bruderkriege. 311
laxdin würde jetzt felndlioherseits wahrscheinlioh Schwarzburg
^angreifen. Der Karfürst möohte also dieses und Burg Ehren-
=«teiDy da sie nicht gut besetzt wären, mit der nötigen Ver-
stärkung yerseben lassen ^).
So brach der kleine Krieg denn aufs neue aus. Graf
Heinrich von Leutenberg durchstreifte nicht allein das Sohwarz-
burger Gebiet, sondern fügte auch den Herren von Gera mit
Brandschatzung empfindlichen Schaden zu. Letztere warben
-daher zur Wiederrergeltung unter der benachbarten meifs-
cnischen Ritterschaft zahlreiche Bundesgenossen an. Die Fehde-
4>riefe yom 28. Sept nennen aufser den Herren Ton Wilden-
fels und Weida noch 41 adlige Namen ').
Indessen legten sich bald wieder „friedliebende Herren''
ins Mittel und vermochten die sächsischen Herzöge, ihre
£äte zu gütlicher Verhandlung nach Naumburg zu schicken.
JHier wurde am 23. Oktober (Mittwoch Severini) zwischen den
kriegführenden Parteien, dem Grafen Günther von Schwarz-
4>urg, Grafen Ludwig von Gleichen, denen von Flauen und
'<}era, dem jungem Reufsen zu Greiz und ihren Helfern einer*
«eits und Grafen Heinrich zu Leutenberg, den Rödern und den
«nderen vogtländischen Adligen andererseits ein neuer Waffen-
stillstand abgeschlossen. Derselbe sollte vom 26. Oktober bis
::S5. November laufen, am 14. November (Donnerstag nach
Martini) aber ein weiterer Tag in Naumburg allen Streit
achlichten. Zum Beginn des Stillstandes sollten alle Ge-
fangenen losgegeben werden und zwar, wie üblich, Adlige
und Reisige auf Gelübde, Bürger und Bauern auf Bürgschafts-
briefe der Landesherren hin *).
Solches geschah denn auch, und so kamen endlich die
beiden Röder aus ihrer Haft in Schleiz f^ei. Der zuletzt
1) Schreiben d. d. Gera [1448] Sept. 2 (Montag nach Egidii) im
H8A. Dresden.
t) JoTins a. a. O. S. 882 u. 507 ff.
8) ProtokoU d. d. [1448] Okt. 28 ; s. BeU. 6 — Probeentwnrf zu
^toleben B&rgtchaftsbriefen des Grafen Heinrichs Ton Schwarsbnrg und
-des von Gera za Lobenstein s. bei Jovias, S. 288.
312 ^>^ Zerttörnng d«r Stadt Gera im •ftchsisobeD Bradarkriege.
angesetzte Naumburger Tag hatte jedoch wieder keinen an-
deren Erfolg, als die Yerlängerung der Waffenruhe bis aun^
2. Febr. des folgenden Jahres. Kaum war sie abgelaufen^
so brach der Geraer abermals gegen Graf Heinrich los und
drang bis nahe an Leutenberg vor ^). Was dann im folgen-
den Jahr geschah, ist wenig erkennbar und die Überlieferung-
so verworren, wie die Verhältnisse selber. Wiederholt wurde
Waffenruhe hergestellt ^), aber in der Regel durch neue Fried-
bräche wieder verletzt ^). 80 hatte, um ein Beispiel anzu-
führen, der kurfürstliche Hauptmann auf Schwarzburg Bietst
von Wolframsdorf am 1. Juni 1449 einen Einfall in leuten-
bergisches Gebiet gethan und den Landbewohnern Yieh und
andere Habe weggenommen. Der Kurfürst entschuldigt»
Dietz damit, dals er wegen „Verweilung der Boten'' von der
Verlängerung des Waffenstillstandes nichts gewufst habe^).
Als beim Kurfürsten alle Unterhandlungen wegen Her^
ausgäbe von Schwarzburg nichts fruchteten, nahm Graf Hein*
rieh im Vertrauen auf Herzog Wilhelm und mit Hilfe einer
Anzahl mächtiger Herren, darunter der Bischof von Hilde»*
heim, die Herzöge von Braunschweig und die Grafen von
Henneberg und Beinstein ^), den Kampf wieder auf. Die-
Absagen der Verbündeten ergingen abermals an den Grafei^
Günther von Schwarzburg, ohne wieder den Kurfürsten auch
nur zu nennen. Man that also politisch, als ob der Verkauf
Schwarzburgs gar nicht stattgefunden hätte. Wie die Sache
aber wirklich stand, beweist der scharfe Briefwechsel der
1) Joyins, S. 288.
2) So wurde aaf einem Zeitzer Tage am 17. Mai 1449 ein neaer
Waffenstillstand bis lam St. Jakobstage (Jali 26) abgeschlossen ; s. Beil. 7^
8) JoTins, 8. 512—516.
4) Schreiben d. d. Grimma [U49j Jani 11 bei JotIos, S. 616. —
Beilftafig bemerkt, worde der Ton Wolframsdorf aach nach seinem Wohn-
sitie Dieti von der Renth (nordöstlich von Greii) genannt (ans Kgerer
Akten); daher t. Raab, Begesten aar Orts- und Familiengeechichte de»
Vogtiandes, S. 284, in berichtigen.
6) Fehdebriefe vom 81. Aug. im HSA. Dresden } vergl. auch An«-
mOller a. a. O. S. 18 Anm. 16.
Die Zeratömag d«r Stadt Gen im iftchsischen Braderkriege. 313^
sächsiBchen Brüder aus jenen Tagen. Der Kurfürst beschwerte
sich heftig darüber, dafs Herzog Wilhelm dem Leutenberger
HilÜBtruppen geschickt habe, und ersuchte den Bruder, sein
zu Königsee liegendes Volk sofort wieder abzufordern, auch
dem Grafen Heinrich ferner keine Hilfe mehr zu leisten»
Herzog Wilhelm warf dagegen in seiner Antwort dem Kur-
fürsten vor, es sei unbrüderlioh und unbillig von diesem, dafs
er ihm, dem Bruder, Schwarzburg entziehen und auch den
Grafen Heinrich davon „abdringen" wolle. Er bäte daher
den Kurfürsten, dem Grafen sein Recht an Schwarzburg nicht
zu nehmen und sich „der Billigkeit nach'' zu erweisen, um
anderem „Unrat'', der daraus entstehen könnte, zuvorzukom-
men, da Wilhelm den Grafen keineswegs im Stiche lassen
würde *).
Auf einem Tage zu Naumburg machte am 13. Nov. ^)^
die Stadt Erfurt nochmals den Versuch, den Kurfürsten mit
dem Grafen Heinrich rechtlich zu vertragen. Letzterer erbot
sich auch, vor einem kurfürstliches Hofgericht in Altenburg
oder Leipzig mit Geleit zu erscheinen und inzwischen das
besetzte Königsee bis zur Entscheidung der Rechtsfrage den.
Erfurtern auszuliefern.
Aber der Kurfürst war bereits zum Kriege entschlossen..
Er lehnte die Naumburger Abmachnng mit der Begründung
ab, dafs er sich vom Grafen Heinrich, als seinem „gehuldeten
und geschworenen Mann'' keine Bedingungen vorschreiben,
lassen könne. Der Graf sollte ihm Königsee und andere
ZOT Herrschaft Schwarzburg gehörigen Stücke herausgeben,,
sich seinem Gerichte stellen und des Bescheides gewärtig
sein^).
Als dann zu Anfang des Jahres 1450 Graf Günther von
Schwarzbarg auf seinem Ruhesitz Tharand verstarb, ohne
daÜB sein Ableben einen Einflnfs auf die Schwarzburger Frage
1) Sehreiben der Brttder Tom 20. u. 26. Sept. bei Joyias, S. 516.
2) Joviut giebtden 16. Nov. an. Der Tag miUe aber schon am 18...
begonnen haben ; denn wir besitzen ein Protolcoll darfiber ; s. Beil. 8.
8) JoTios, 8. 517.
314 ^^^ Zerstörung der Stadt Oer» im sKcbsiscben Bruderkriege.
ftUBÜbte, war an eine friedliche Löeang derselben nicht mehr
SU denken.
n. Der Kampf nm Gera.
Das Jahr 1450 fing dann allerdings nochmals mit güt-
licher Verhandlung auf einem Tage zu Zeitz an. Es kamen
wenigstens hier zwischen den Räten der sächsischen Brüder
einzelne Friedbrüche der Landsassen zur Sprache ^). Ich
erwähne daraus nur die auf das Vogtland bezüglichen Fälle.
So hatte der bekannte Eunz yon Eaufungen den Vogt
des Klosters Cronschwitz in der Zwickauer Pflege überfallen
und ihm Pferde und Habe abgenommen. Ferner hatten die
Ton Wolfersdorf dem Kloster nächtlicher Weile die Dörfer
Olodra und Dittersdorf ,,gepocht'' und dabei 16 Pferde und
anderes Eigentum erbeutet. Auch wegen einer Anfeindung
der Stadt Eger durch den Reufsen zu Greiz in Herzog Wil-
helms Geleit wurde yerhandelt^).
Während dann im Schwarzburgischen Graf Heinrich die
kurfürstlichen Befehlshaber durch Streifen und geschickte
1) KoDsept in GesA. Weimar D. p. 879 Nr. 7 mit der i^benchrift :
„Item nawe verlaufifen gebrechen, die nach richtangeD und sprachen der
fursten euch nach erlcentnusz der rethe und landtchafft ergangen und off
dem tage circamcisionis domini (aa l. Jan.) anno lo mitsampt andern
•int gelegt und gehandelt sind tu Ciitz.'^
8) £8 handelt sich wohl hier nm einen Vorfall, der sich bereits tu
Anfang des Jahres 1449 ereignet hatte. Der jüngere Reufs war nftmlich
am 14. Februar d. J. mit einigen Mannen in Eger eingetrofifen, um mit
dem Herrn von Schwamberg in tagen. Auch ein Herr Ton Sternberg
war BuflUlig in Eger. Als nun der Renft die Stadt mit ihrem Geleit
wieder verliefs, traf er die Pferde des von Sternberg in der TrSnke Tor
der Stadt. Sofort verjagte er die Knechte and Trofsbaben ,,seines Fein-
des'S wie er spftter inr Entschuldigung anführte, und führte die Pferde
davon. Da verfolgten ihn die Egerer wegen des verletsten Geleits, so
dafs er nur mit Mfihe entkam. Hierfiber mehrere Schreiben im Stadt-
archiv Eger Abt. Sachs. Beuf« I und II. Auch Nr. 31 in den Font. rer.
Attstriae. 4t S. 57 bezieht sich offenbar auf obigen Fall, doch ist hier
■ das Jahr dann falsch.
Die Zentörnng der Stadt Gera im sfichBiacben Bruderkriege. 315
Überfälle in Atem hielt, zog im Westen des Landes eine
^öfsere Gefahr für Friedrich herauf. Es hing das mit seinem
zweideutigen Yersuoh zusammen, die Lausitz an sich zu
bringen ^). Dadurch verfeindete er sich mit dem Markgrafen
Ton Brandenburg, welcher die Landvogtei daselbst käuflich
erworben hatte, und mit den Böhmen der Fodiebradschen
Eichtung, die eine Schmälerung der Krone Böhmen darin
-erblickten ; denn die Lausitz war Lehen derselben *). Auch
^er von Plauen, der Sachsen wegen Fortnahme des Burg-
graftums Meifsen grollte, hatte seine Hände mit im Spiele.
Obwohl selbst krank, riet er den Böhmen doch eifrigst zu,
-die gute Gelegenheit^ den Kurfürsten zu bekämpfen, nicht
iingenützt zu lassen *). So kam es denn wirklich zu einem
grofsen Bündnis gegen letzteren, indem sich am 27. März zu
Wunsiedel die Böhmen mit dem Brandenburger und den
Herzögen Otto von Baiern and Wilhelm von Sachsen ver-
banden *), Kurfürst Friedrich suchte und fand dagegen wieder
Hilfe bei dem katholischen Adel Böhmens, den sogenannten
^trakonitzem unter Ulrichs von Eosenberg Führung. Schon
Hitte März fanden deswegen Verhandlungen in Pilsen statt,
wozu als kurfürstliche Bäte Heinrich der Jüngere von Gera,
Helfrat von Einsiedel und einer von Miltitz erschienen
twaren^). Aber erst am 12. April kam es zu einem form-
lichen Kriegsbündnis zwischen Friedrich und den Strakonitzem
— darunter auch Heinrich der Ältere von Weida zu Hauen-
«tein — gegen Georg Podiebrad und seine Verbündeten ®).
Um Pfingsten 1450 standen sich dann der Kurfürst und die
1) Anemfiller a. a. O. S. 14.
8) Droysen, Qesch. der preafsiscben Politik II, S. 84. — Bdtteher-
Flatbe, Gesch. des Karstaates und Königreichs Sachsen I, S. 886.
8) Font. rer. Austriac. XLII, S. 56 Nr. 80 mit der Überschrift: „Wie
4l6r von Plawen in seiner krankheit den Behmen eiaen rate geben had,
sich zu den marggraven von Brandenburg wider die herrn von Saxssen etc.
zu slahen.*'
4) Bdttcher-Flathe a. a. O.
6) Fontes rer. Austriac. XLII, S. 58 ff. Nr. 82, 83, ^, 42.
6) d. d. Kaaden 1450 April 22, Abschr. im GH o. SA. Weimar.
XVn. 21
316 ^^« Zerstdnug der Stadt Gera im sftehsischen Bradeirirfege^
Böhmen Fodiebrads auf der Eaiserwiese bei Altenburg kämpfe
bereit gegenüber ^), aber es kam nicht zum Schlagen. Der-
Erzbischof von Magdeburg legte sich ine Mittel und verein-
barte am 2. Juni zu Zerbst einen Vergleich zwischen den^
feindlichen Parteien, worin sie sich wegen der Lausitz ver-
trugen, Brandenburg aber entschieden den grö(seren Yorteil
erhielt. Die brüderlichen Streitigkeiten der Wettiner sollten
auf einem Naumburger Tage beigelegt werden. Was mit den
Böhmen verhandelt wurde, erfahren wir nicht, doch müssen,
sie damals sehr schnell wieder heimgezogen sein *),
Friedrich hatte in Zerbst offenbar nur darum nachge-
geben, um gegen Thüringen Luft zu bekommen. Das geht
aus allem hervor. Er entliefe also sein Heer nicht, sondern
rief unverzüglich den jüngeren Herrn von Gera zu sich, da
er „ins Feld rücken" wollte»).
Zu Anfang des Jahres hatte Friedrich mit diesem seinen
Berater eine kleine Verstimmung gehabt ; denn er schrieb am
25. Jan. an denselben, es thäte ihm wehe, dafs der Geraer
heute „mit so grossem Zorn'' von ihm geschieden sei. Daa
wäre für sie beide nichts nutz, da sie der Sachlage nach auf«
einander angewiesen wären. Er bäte daher den Geraer, so-
bald wie möglich zu ihm zurückzukehren ^). Leider erfahren
wir nicht, um was es sich dabei handelte.
Jedenfalls war Friedrich inzwischen längst wieder mit
dem Geraer ausgesöhnt und bestellte jetzt diesen zum „obersten
Hauptmann'' des kommenden Feldzuges. Heinrich von Gera
liefe sich aber einen feierlichen „Schadlosbrief' vom Kur«
fürsten geben für den Fall, dafs er infolge seiner neuen Stell«
ung Verluste erleiden würde*).
1) Kammermeister a. a. 0. Sp. 1201.
2) Böttcher-Flathe a. a. O. I, S. 887. — Font. rer. AoBtriae. XLU«.
8. 71.
8) Schreiben d. d. Dresden 1460 Joni 12 (FreiUg [naeh] Bamabe ^
denn Bamabas fiel aaf den Donnerstag) s. Beil. 10.
4) S. BeU. 9.
6) S. Beil. 11.
Die Zersldrong der Stadt Gera im sKcbsiichen Braderkriege. 317
Friedrichs Vorhaben — mag es nan yon den Gegnern
dnrchsohant sein oder nieht — erhielt noch einen willkom-
menen reehtlichen Grund, als am 18. Juni die Absagen des
Grafen Heinrich von Schwarzbarg und seiner Verbündeten ,
der Grafen Adolf und Biegmund tou Gleichen, Bernhard Yitz-
thum, Georg von Hop^rten und anderer, dem Kurfürsten
auf der Kaiserwiese bei Altenburg überreicht wurden ^). Jetzt
brach der Krieg sofort loe^
Am 23. Juni rückte Friedrich mit einem ca. 18 000 Mann
starken Heere durchs Saalthal in Thüringen ein, warf sich
zuerst auf Bernhard Vitsthum und yerwüstete dessen Besitz-
ungen um Magdala und Hellingen. Dann zog er die lim
aufwärts und lagerte sich vor das schwarzburgische Stadt-Ilm,
doch bestürmte er den Ort, welchen Graf Heinrich selbst
verteidigte^), ohne Erfolg und zog nach acht Tagen wieder
nordwärts ab, um die von Gleichen zu bestrafen. Am 4. Juli
lag er bei Molsdorf ^). An demselben Tage war sein Feld-
hauptmann Heinrich von Gera in Erfurt und versicherte sich
der Hilfe diei^er mächtigen Stadt ^).
Wirklich zogen damals die Erfurter „mit einem schönen
Volk und gutem Zeuge an Büchsen" dem Kurfürsten zu ^),
Auf die Einzelheiten dieses Zuges, der nach der zeitüblichen
Fehdeart in Plünderung, Brandschatzung und Zerstörung be-
stand, braucht hier nicht eingegangen zu werden. Es glückte
den Verbündeten indessen nicht, die Burgen Gleichen und
Tonna zu nehmen; denn noch während deren Belagerung
drohte den kurfürstlichen Ländern selbst grofse Gefahr, so
1) Fehdebriefe im HSA. Dresden} s. AnemfiUer a. a. O. S. 16,
Anm. 19.
S) Kammermeister a. a. O. Sp. 1201 f.; Stolle a. a. O. S. 80;
JoTius a. a. O. S. 519 ff.
8) Hier sagte Heinrich der Jüngere von Weida den Vitithum ab,
Orig. d. d. Molsdorf 1450 Jali 4 im GesA. Weimar D. p. 849 Nr. 7 b.
— JoTios a. a. O. 8. 520.
4) Versprecben des Rata deswegen d. d. 1450 Juli 4 im HSA.
Dresden, Or. Nr. 7147.
5) Kammermeister a. a. O. Sp. 1202 ; Stolle a. a. O. S. 82.
21*
318 Die ZersiSnuig der SUdt Gera im s&ohsisoheo Bniderkriege.
dafs Friedrich schleunigst nach dort aofbrechen mufste« Da
es ihm an Geschütz mangelte, schickte er am 10. Juli den
Grafen Ernst von Gleichen zu Remda und den von Gera
nochmals an den Erfurter Bat mit dem Ersuchen, ihm ihr
Geschütz zu leihen, aber die Erfurter wollten nicht weiter
mitthun und schlugen Friedrichs Bitte höflichst ab ^),
Auch Herzog Wilhelm und Graf Heinrich von Schwarz-
burg hatten unterdessen ein starke KriegSTolk angesammelt
und zogen ins Vogtland gegen den von Gera, verheerten
dessen Land und drangen bis Altenburg yor^). Auf die
Nachricht, dafs der Kurfürst zur Bettung herbeieilte, zog
Wilhelm yor die Stadt Gera und yerschanzte sich dort ^), um
den Bruder zu erwarten. Friedrich kam auch, und beide
feindlichen Heere lagen um Mitte Juli bei Gera so nahe an-
einander, da£s sie sich mit „Büchsen^' erreichen konnten^).
Da der Kurf&rst thalaufwärts zog und dann nach einem
Schriaiben seiner Gemahlin auf einem Berge lagerte ^) , so
muTs er auf dem Galgenberge gestanden haben, während
Wilhelm, der yon Altenburg her gekommen war, das gegen-
überliegende Plateau des Gtoiersberges ^) besetzt hielt Beide
Gegner beobachteten sich einige Tage und erwarteten noch
Zuzug. Wilhelm mochte yor allem, was noch zu erwähnen
sein wird, auf brandenburgische Hilfe rechnen, und Friedrich
hatte eben deswegen einen grofsen Teil seines Heeres ab-
trennen müssen, war also bedeutend schwächer als sein Bru-
der. Die Lage war in der That damals recht kritisch für
ihn, und man kann es yerstehen, wenn in jenen Tagen die
1) Nach der etwas unklaren Darstellang bei Stolle a. a. O. Übrigens
muls es bei letsterem wobl beilsen Freitag vor Kilian, denn Kilian fiel
auf den Mittwoch.
2) s. Beil. 14, S. 1. (Die Seitensahlen geben die Seiten der Hand-
schrift an.)
8) — „unde hatten sich vorgraben da vor" — s. Stolle S. SS.
4) Cod. dipl. Sazon. regle U, 5, Nr. 843.
5) Ebenda.
6) Vergl. den beigefUgten von Herrn Lehrer A. Auerbach in Gera
angefertigten Plan der alten Stadt Gera und Umgegend.
Die Zerstdrnog der Stadt Otra im sächsiMhen Braderkriege. 319
Karfürstin den Dresdener Bat dringend auffordert, ihrem Ge-
mahl Bobleunigen Zuzug zu leisten. Die Dresdener Mann-
schaft sollte am 22. Juli in Fegau eintreffen. Schon j^^am
20. dieses Monats aber ereignete es sich, dafs einige Leute
von beiden Heeren in der Tränke ^) feindlich aneinander ge-
rieten, bis schliefslich ein gröfseres Gefecht daraus entstand,,
wobei sich auch die Bürger der Stadt beteiligten. Dieses
Treffen fiel nun entschieden zu Gunsten Wilhelms aus. Wie
er dem Grafen Adolf von Gleichen zu Tonna brieflich mit-
teilte, hatten seine Truppen dabei den Grafen Ludwig von
Gleichen, sowie anderthalbhundert Bürger und Trabanten ge-
fangen, über hundert erschlagen, 23 reisige Wagen und zwei
Büchsen erobert*). Der Ton Gleichen wurde vom Herzog,
wie ein Übelthäter an Händen und Füfsen gefesselt, in den
Turm zu Weida gesetzt').
Trotz des errungenen Vorteils zog Herzog Wilhelm bald
darauf von Gera ab. Nach der Sage soll ihn hierzu die
Mutter des Herrn von Gera, Leutrud, geborene Gräfin von
Honstein, bewogen haben, indem sie mit ihrer Schwieger-
tochter und anderen adligen Frauen in Trauerkleidern aus der
Stadt zog, vor dem Herzog einen Fufsfall that und mit
Thränen um Schonung der Stadt bat ^). Aber so sentimental
1) Diese Tränke war jedenfalls der frühere, jetst yerschüttete Rats-
teicb) welcher durch den Leamnitzbach gespeist wurde.
2) Sthreiben vom 10. Aug. bei Jovius a. a. O. S. 621.
8) Stolle a. a. 0. S. 88. — Der Oraf wurde also nicht enthauptet,
wie die Sage berichtet, sondern spftter ausgewechselt; vergl. Beil. 14, S. 7.
4) Die gleichseitigen Quellen (Kammermeister, Stolle etc.) wissen
nichts ?on diesem Vorgang. Die Sage findet sich suerst in dem Appendix :
Res. Misnicae der Altenzeller Chronik (bei Mencke, Script, rer. Germ. II,
426), der, obwohl mit dem Jahre 1488 schliefsend, doch aus sprachlichen
Gründen kaum noch dem 16. Jahrh. angehören dürfte. Dieser Ansicht
scheint auch Mencke (Sp. 484 Anm.) gewesen au sein. In jenem Appen^
dix heifst es noch ganz kurz: „Item ynn der zeit wart auch herzog Wil-
beim bereyt su ziehenn yor Gera, das dann abgestalt was durch freunt-
Uehe bete der frawenn vonn Gera.** Ausgebildet findet sich die Sage dann
in der Mansfeldischen Chronik des M. Cyriacus Spangenberg (v. J. 1672)^
S. 384, und ist bisher nicht allein unbeanstandet geblieben, sondern wo-
v^lich nach ausgeschmückt und breitgetreten worden.
320 ^^® Z«rfttÖning der Stadt Gera im t&chsitchen Bniderkriege.
war jene rauhe Zeit denn doch nicht. Wegen schwarzer
Kleider und ein paar Weiberthränen hätte Herzog Wilhelm
Gera eicherlich nicht geschont. Die Sage hat jenen Fufsfiall
wohl nur daram geschaffen, weil der plötzliche Abzug Wil-
helms nach einem glücklichen Gefecht nicht gleich verständ-
lich war. Eine jüngst von mir aufgefundene Quelle über
den Bruderkrieg ^), die wenige Jahre nach den Ereignissen
niedergeschrieben sein muTs und Ton Heinrich dem Älteren
von Gera ausging, berichtet, dafs der Kurfürst das erste Mal
seinen Bruder von Gera „abgetrieben'' habe '). Das ist nach
der Sachlage, da Friedrichs Heer das schwächere war und
noch eben eine Schlappe erlitten hatte, wohl nicht wörtlich
zu nehmen, aber doch war in jener Zeit eine für den Kur-
fürsten glückliche Wendung eingetreten, die Wilhelm zum
Bückzug nötigen konnte.
Wir müssen hier zunächst zurückgreifen. Als entgegen
der Zerbster Abmachung der Krieg zwischen den sächsischen
Brüdern doch losbrach, stellte sich Markgraf Friedrich yon
Brandenburg sofort wieder auf Wilhelms Seite und fiel mit
einem stattlichen Heere sengend und brennend in Sachsen
ein. Beide Verbündete scheinen sich bei Gera haben treffen
zu wollen. Das mufste Friedrich yerhüten. Während er daher
selbst gegen den Bruder zog, schickte er seinen Hauptmann
Heinrich von Gera den Märkem entgegen. Obwohl diese
anderthalbhundert Pferde mehr hatten, erlitten sie 4och eine
empfindliche Niederlage durch die Kurfürstlichen. „Des freute
sich das ganze Land zu Meifsen, und sangen Messe und
lobten Gott", erzählt der patriotische Stolle. In jenem Treffen
wurden dem Markgrafen yiele seiner besten Leute erschlagen,
aufserdem 300 Pferde und 102 Gefangene abgenommen,
darunter 2 Bannerherren (barones) und 14 Ritterbürtige
(nobiles). Die Gefangenen wurden nach Wittenberg geführt *)•
1) Über dieselbe soll im 5. Teil eingehender gesprochen werden.
8) S. Beil. 14, S. 1.
8) StUdte-Chroniken VII, S. 8S5 ; Stolle a. a. 0. S. 31. Letsterer
nennt iwar den Herzog Ernst, Friedrichs Sohn, als AnfQhrer der Knr-
fOrstlichen, aber Ernst war erst 9 Jahre alt. — Vergl. aach Beilage 14«
^e Zerstdning der SUdt Gera im s&chsischen Bmderkriege. 321
Der Ton Oera behielt tou denselben yytnit Gunet'' des Kur-
fürsten als Beuteanteil die reichen Seifart von Saldem und
Erhard von Eoker, die hernachmals aber ohne Lösegeld frei
gegeben wurden ^). Zeit and Ort des Gefechtes bedürfen noch
<]er Aufklärung. Für erstere nehme ich nach den Quellen*)
•die Tage um den 20. Juli an, wo beide Brüder abwartend
bei Oera lagen. Bezüglich des Ortes vermute ich, dafs das
Treffen bei Bülzig südwestlich von Zahna stattfand, da letztere
beiden Orte als Endpunkte des brandenburgischen Zuges be-
zeichnet werden, und man die Gefangenen nach dem nahen
Wittenberg brachte*).
Als Wilhelm von dieser Niederlage seines Verbündeten
-erfahr, mochte es ihm doch nicht geraten erscheinen, den
Kurfürsten weiter anzugreifen. Er brach daher tou Gera
auf und zog über Zeitz ^) und Fegau bis kurz vor Leipzig.
Dann schwenkte er rechts ab und suchte die Orte Geithain,
B.ochlitz, Bochsburg, das dem Geraer gehörte, Waidenburg
^nd andere heim, die sich zum Teil durch eine Geldzahlung
von der Plünderung freikauften. Unzählige Dörfer der Um-
gegend aber, besonders die Güter der Bitter Hermann von
Harras und Kunz von Eaufungen, wurden geplündert und
«usgebrannt ^). Wilhelm that hier seinem Bruder grofsen
Schaden yon Leipzig bis Chemnitz 10 Meilen lang und 4
oder 5 Meilen breit.
Der Kurfürst lag unterdessen an drei Wochen unthätig
bei Leipzig, denn er war nach Eammermeisters jedenfalls
1) S. Beil. 14, S. 2.
2) Stolle, Jovius, Beilage 14, S. 1 a. 2, und Brief der Enrfttrstin,
S. 318, Anm. 4.
d) Die Magdeburger Schdppeochronik (St&dte-Chronik. VII) S. 385
berichtet : „Mit dem yor^cheiten wan he (der MarlKgraf) Tzane and Beltz.
Dar na kernen de Sassenlender etc.*' — An die mftrkische Stadt Belitz ist
{edenfalls nicht su denken.
4) wohl über Grofsenstein oder Ronnebarg, da die alte Heerstrafse
Gber Langenberg darch den Karfürsten yerlegt war.
5) Nach dem Schreiben Wilhelms vom 10. Aag. bei Jovias S. 521*
322 ^^^ Zerstörung der Stadt Gera im sächsischen Bruderkriege.
richtiger Angabe Beinern Bruder gegenüber zu ,,8chwaoh'^ ^).
£b scheint sich demnach die EUckkehr der gegen die Märker
siegreichen Truppen länger verzögert zu haben, als nach der
räumlichen Entfernung erwartet werden kann.
Herzog Wilhelm aber kehrte dann von seinem Zuge
durchs Osterland zurück und lagerte sieh zum zweiten Male
Tor Gera. Er mochte glauben, die Stadt jetzt leichter be-
wältigen zu können. Am 6. Aug. lag er hier ,,hinter dem
Schlosse'', also wiederum auf dem Oeiersberg, und befahl roa
seinem Feldlager aus dem Rate von Jena, ihm unverzüglich
Zimmerleute, Müller und andere mit dem Beil erfahrene
Arbeiter zu schicken, auch seinem Vogte in Jena ihre Stein-
metzen zu überlassen, damit dieser noch mehr Steine zu seiner
grofsen Büchse hauen lasse könne ^). Der Herzog dachte
also allen Ernstes an die Belagerung der Stadt, während er
zugleich das umliegende Land furchtbar verheerte. Nach
Stolle soll er sogar damals Gera gestürmt haben, aber die
Einnahme gelang nicht. Noch zur rechten Zeit warf sich
der von Gera in die Stadt und behauptete sie, nachdem, wie
es scheint, die Bürgerschaft schon zur Ergebung geneigt ge-
wesen war*).
> Am 9. August zog Wilhelm von Gera ab und rückte
vor Burgau, das sich ihm rasch ergab. Ebenso nahm er die
Lobdaburg ein und brandschatzte die umliegenden Ortschaften^
besonders auch die Stadt Lobeda, wo der von Gera Be-
1) Kammermeister und Stolle a. a. ö.
2) Alberti, Urkdsammlg. zur Gesch. der Herrschaft Gera S. 160^
8) i)Hy czoch der junge herre wedder vor Gera unod logerte sich
davor unnd vorterbete das Gerische land gancs unnd gar unnd stormeto^
Gera, unnd der von Gera was selber In der stad, unnd dy menre In der
stad betten sich czitlichen ergeben, were der herre von Gera mit syner
manschaft nicht selber darinne gewest. Also musste der junge herre ab»
losze nnde czoch vor Borgow am sontage vor Laurendi** ; s. Stelle S. 34..
— Auch Wilhelm selbst weifs in dem bereits erwähnten Brief (S. 321
Anm. 5) an den Grafen von Gleichen nichts Rflhmliches von seinook
zweiten Angriff auf die Stadt zu melden.
Die ZerstöruDg der Stadt Gera im sächsischen Bruderkriege. 323^
Sitzungen hatte ^). Weiter verheerte der Herzog die Gleichensohe
Grafschaft Blankenhain, eroberte die Stadt Eemda, konnte
aber Soblofs und Stadt Blankenhain nicht einnehmen; denn
die Bürger wehrten sich tapfer und fingen sogar einen Grafen
Ton Honstein. Diesen wufste dann Heinrich von Gera in
seine Hände zu bringen und überliefs ihn dem Kurfürsten»
um gegen denselben den vor Gera gefangenen Grafen Ludwig
von Gleichen auszutauschen ').
Friedrich hatte sich inzwischen gehörig verstärkt und
besonders wieder böhmische Truppen angeworben ^). Jetzt
brach er abermals wieder in Thüringen ein, zunächst das
Land um Weifseufels ^) verheerend. Hierauf wurden Eckards-
berga, Buttstedt, Wiche und Cölleda heimgesucht und die
von Witzlebenschen Dörfer um den Wendelstein zerstört*).
Als sich Friedrich Weimar näherte, eilte Herzog Wil-
helm zum Entsatz herbei und lagerte mit Markgraf Albrecht
von Brandenburg am Ettersberge. Nun aber mufste der Kurfürst
wieder schnell zurück; denn ihm waren die Böhmen Fodie-
bradschen Anhangs mit Feuer und Schwert in sein meifs-
nisches Land eingefallen. Die gleichzeitigen Chronisten, wie
Elammermeister und Stolle behaupten, daTs Herzog Wilhelm
die Böhmen von Anfang an herbeigerufen habe. Falaoky
dagegen ist der Ansicht, dafs die Fürsten, die mit Friedrich
in Unfrieden lebten, den böhmischen Einfall nur gelegentlich
zu ihrem Vorteile benutzten ^). Ich mufs die Frage offen lasseit
und will hier nur die knappen Thatsachen mitteilen. Georg
Podiebrad gab als Grund zum Kriege gegen Sachsen die
Rückforderung zahlreicher Städte und Schlösser an, die teils
unmittelbar zum böhmischen Lande gehört hatten^ wie Brüx^
1) Nach Stolle S. 31. — Die von Gera und namentlich deren Haus-
kloster Cronschwitz hatten bei Lobeda ihre Weinberge ; s. Schmidt, Urkdb..
der Vögte von Weida etc. II, Nr. 442, 483, 486, 492 u, 503.
2) Stolle S. 36/7. — Beilage 14, S. 7.
3) Stolle S. 85.
4) Kammermeister a. a. O. Sp. 1203. — Stolle S. 36.
5) Palacky, Gesch. Böhmens I, S. 242.
324 ^^^ ZtnUirung der Stadt Gera im •Xcbsitohen Bruderkriege.
Biesenburg, Osseg, Dax und KönigBteiD, theils ehemals zur
Erone Böhmen in Lehnsverband standen, wie Pirna, Tharandt,
Colditz, Eilenburg, Elsterberg und Plauen. In wie weit diese
Forderungen berechtigt waren oder nicht, mag gleichfalls dahin-
gestellt bleiben. Am 4. Sept zog Podiebrad mit einem Heere
von über 20 000 Mann aus Prag fort und nahm am 8. d. M.
Duz und Osseg ein. Nun fanden Friedensunterhandlungen
statt, die sogar von Herzog Wilhelm eingeleitet gewesen sein
sollen. Ob das zum Schein oder aufrichtig geschah, vermag
ich nicht zu entscheiden. Jedenfalls zerschlugen sich die
Yerhandlungen, und die Böhmen rückten über den Wald
nach Meifisen vor ^). Ihre Art, alles gründlich zu verwüsten,
verlangsamte wohl den Zug mehr, als Wilhelm lieb war.
Der Marsch der Böhmen ging zunächst auf Alt-Dresden zu.
Dann zogen sie westwärts über Wilsdruf, Lommatsch, Döbeln,
Jfitweida und Borna und lagerten sich endlich vor Pegau.
I^ach Jovius soll ihnen Herzog Wilhelm den Grafen Heinrich
Ton Schwarzburg entgegengeschickt haben, der sie bis
Pegau führen sollte >). Zweifellos suchte dann Wilhelm seine
Yerbindung mit ihnen herzustellen. Er hatte nach Abzug
seines Bruders nochmals die Grafen Ludwig und Ernst von
-Gleichen angegriffen und ihre Schlösser Blankenhain und
Ehrenstein erobert. Hierauf war er nordwärts gegangen,
hatte am 4. Oktober Schlofs und Stadt Nebra erstürmt und
^wollte die Naumburger für einen ihm zugefügten gro£8en
Schaden abstrafen. Er forderte daher Georg Podiebrad auf,
mit ihm vor Naumburg zu rücken ^). Indessen lag er bei
Kloster Pforta und liefs Schirme zum Sturme' auf genannte
49tadt anfertigen, während er zugleich ihre Umgegend ver-
wüstete und den reifen Wein ablesen liefs *). Auch auf Gera
1) PftUcky a. a. 0. 8. 246. — Font. rer. Austriac. XLII, 8. 74.
S) a. a. O. 8. 622.
8) Schreiben o. D. in Font rer. Austriac. XLII, 8. 76 Nr. 49. —
Der Brief mufs dem Gange der Ereignisse nach (gestern sontag etc.) am
^. Oktober geschrieben sein.
4) 8tolle 8. 38.
Die Zerstörung der Stadt Gera im s&chsisohen Bmderkriege. 325
"wurde damals jeden Augenblick ein neuer Angriff erwartet.
Bereits am 30. Sept. schrieb die Kurfürstin Margarete an
Heinrich den jüngeren BeuTsen zu Greiz, dafs die Böhmen
4km folgenden Tage (Oktober 1) nach Pegau ziehen und dann
am Verein mit Herzog Wilhelm vor Gera räcken wollten, um
nicht wieder von dort fortzuziehen, bis sie die Stadt gewonnen
hätten. Der Beufse möchte daher schleunigst den von Gera
hiervon benachrichtigen, damit er sich darnach zu richten
^sse ; denn sie hätten das ,yin Wahrheit erfahren'* ^).
Die Böhmen lagen 10 — \1 Tage vor Pegau und be-
stürmten den Ort, ohne ihn einnehmen zu können. Als
w^ährend des Herzog Wilhelm sie von seiner Stellung bei Pforta
•aus speisen wollte, gelang es sogar Heinrich BeuTs dem
Jüngeren und seinen Helfern ^), einen Teil dieser Zufuhr
aufzuheben, wobei sie einige Feinde erschlugen, mehr als
100 Gefangene machten und 24 Wagen mit Speise nahmen.
Die Gefangenen wurden nach Naumburg gebracht. Das ge*
«chah nach Stolle in der gemeinen Woche (also Okt. 4 — 10).
Wilhelm kam dann mit 800 Pferden und 4 Schock Wagen
-'vor Pegau an und zog jetzt sofort mit den Böhmen die Elster
ihinab, wie die Zwickauer glaubten^), auf Greiz zu, aber es war
:auf Gera abgesehen.
Nach der Altenzeller Chronik — die gleichzeitigen
Xammermeister und Stolle wissen nichts davon — soll Hein-
Tich der Jüngere von Gera dem Herzog damals in die Pflege
'Roda gefallen sein und ihm höhnische Briefe geschrieben
liaben. Daraufhin hätte Wilhelm seinen Plan, Naumburg zu
erobern, aufgegeben und wäre vor Gera gezogen. Gleich
hinterher erzählt der Altenzeller Chronist aber die Gefangen-
nahme des Grafen Ludwig von Gleichen bei der Tränke vor
1) BeU. 18.
2) Stolle nennt noch den Grafen Ernst von Oleicben, Hermann
^Harraa and Apel Vitzthum za Tannroda. Letzterer, ein Neffe des be-
kannten Apels, stand aaf kurfürstlicher Seite; vergl. Kronfeld, Landes-
iLonde des Grofsherzogtams Sachs.-Weimar-Eisenach I, S. 219.
8) Schreiben des Bates von Zwickau an den von Eger d. d. 1450
Oktober 12 ; Font. rer. Austriac. XLU, S. 79 Nr. 53.
326 ^^® ZerstdruDg der Stadt Gera im sächsischen Braderkriege.
Gera *), welcher Vorfall doch nachweislich schon bei der
ersten Belagerung stattfand *). Ob der von Gera wirklich
solche höhnische Briefe geschrieben hat, läfst sich nicht be»
legen. Der Einfall aber in die Pflege Roda reicht wohl noch
in die früheren Jahre zurtLck. Er paust sogar nicht in diese^
besorgliche Zeit, wo bei der Nähe der Böhmen jeden Augen-
blick ein Angriff auf Gera erwartet werden mufste. Wie wir
noch sehen werden '), sind auch andere frühere Vorgänge in
den meisten jüngeren Darstellungen der Belagerung Geras auf
einen Zeitpunkt zusammengedrängt worden. Kurfürst Fried-
rich stand am 9. Okt. mit seinem Heere bei Chemnitz. Er
hatte den Geraer damals zu sich entboten, aber dieser ent-
schuldigte sich mit der Nähe der Feinde ^).
Am 9. und 10. Oktober mochten Herzog Wilhelm und«
seine Verbündete vor Gera angekommen sein. Sie zogen^
jedenfialls die alte Heerstrafse über Langenberg und lagerten
dann im Westen der Stadt, wenigstens soll der Saige nach
das Baderthor zuerst erstürmt worden sein ^). Stolle erzählt
noch, dafs Wilhelm für den Sturm Eörbe aus Weidengeflecht
habe anfertigen lassen *). Heinrich von Gera war in der
Stadt und schickte viel Botschaft an den Kurfürsten, um ent-
setzt zu werden. Friedrich vertröstete ihn auf sein baldige»
Kommen und befahl, inzwischen die Stadt „fest zu halten'^
Auch liefs er seinen Hofmeister, den Grafen Ernst von Gleichen,,
der wohl in Naumburg stand, und andere dem von Gera zu*
ziehen '). Friedrich selbst sollte, wie die Zwickauer glaubten,,
am 12. Oktober in ihrer Nähe vorüberkommen, um die^
Böhmen anzugreifen ^), aber er kam nicht. Die Stadt Gera.
1) bei Mencke II, Sp. 426.
2) S. 819.
8) S. 827.
4) Schreiben des Kurfürsten; s. Beil. 18.
5) Eisel, Sagenbuch des Vogtlandes S. 284.
6) S. a. a. O.
7) S. Beil. 14.
8) S. S. 825 Anin. 3.
Dia Zent&mng der Sudt Gera im sXchsisohen Bmderkriege. 327
^war nun troti der Verstärkung durch Ernst von Gleichen
«nd einige Böhmen, der katholisehen Richtung ^) keineswegs
genügend mit kriegsgeübter Besatzung versehen, wenigstens
mioht einem so überlegenen Feind gegenüber; denn auTser
fienog Wilhelm und Georg Podiebrad mit ihren Heeren
Tückte von Süden her Markgraf Albrecht von Brandenburg
mit grofsem Volke heran. Er lag in jenen Tage eine Nacht
in Weida, wobei durch Fahrlässigkeit der Seinigen Feuer
^auskam und mehr als die halbe Stadt eingeäschert wurde ').
Während dann die Verbündeten Gera einschlössen, soll nach
jüngeren Quellen auch Kurfürst Friedrich wirklich hier ein-
^troffen sein, um die bedrängte Stadt su entsetzen. Da er
:8ich aber gegen die vereinigte Macht der Gegner zu schwach
^fühlt hätte» wäre er wieder abgezogen und habe einen Teil
«eines Kriegsvolkes nach Thüringen, einen anderen ins Branden-
^urgische hineinrücken lassen. Auf diese Weise hätte er ge-
iiofPt, die Feinde von Gera fortzulocken. Man sieht das Un-
:gereimte dieser Nachricht sofort ein; denn ins Thüringische
und Brandenburgisohe konnte der Kurfürst in der kurzen
2eit, die zwischen seiuem ersten und dem späteren Erscheinen
«uf dem Kriegsschauplatze liegen müTste, nicht kommen. Es
«ind vielmehr in der späteren Darstellung die Ereignisse der
mehrfachen Belagerungen Geras vermengt und in ein Bild
zusammengebracht. Die Züge nach Thüringen und gegen die
Brandenburger fanden, wie wir schon berichteten, bei den
«beiden früheren Belagerungen Geras statt ^).
Kurfürst Friedrich kam also nicht rechtzeitig genug zur
Entsetzung der gefährdeten Stadt herbei. Herzog Wilhelm
und die Böhmen lagen einige Zeit davor und scharmützelten
mit den Belagerten. Am Donnerstag vor St. Gallen, den
15. Oktober, erfolgte endlich der Sturmangriff auf die Stadt
1) B. S. S25 Anm. 3.
2) Altenieller Chronik bei Mencke ü, Sp. 426. — Sptogenberg,
JfaiiAfeldiscbe Chronik I, cap. 880.
8) Vergl. 8. 816 n. 820 ; doch könnte euch der zweite Zug Friedrichs
nmeh Thüringen (S. 823) hier in Frage kommen.
328 ^^® Zerstörnng der Süidt Qen hn fichsiseheii Brnderkriege.
Sie wurde genommen und schrecklich verwüstet^). Diese»
hoehdramaüschen Stoffes hahen sich dann die Sage und
Phantasie der Lokalhistoriker bemächtigt. Daher ist manches-
entstellt oder hinzugethan worden, so dafs die sichere Scher-
dung des Historischen vom Erdichteten oft sehr erschwert-
wird. Nach der Altenzeller Chronik soll Herzog Wilhelm
die Stadt an drei Enden zugleich haben stürmen lassen *)^
Da£s ein zweimaliger Sturm auf die Mauern stattgefunden
habe, wie Spangenberg in seiner Mansfeldischen Chronik zu
berichten weiis'), beruht dagegen auch nur auf dem Müsyer-
ständnis der mehrfachen Belagerungen. Kammermeister und
Stolle, welche zeitlich der Zerstörung am nächsten stehen,,
erzählen, dafs die Böhmen ein schreckliohes Blutbad in der
Stadt errichteten und nicht Männer, Weiber und Sjnder
schonten. Auch hätten sie die Kirchen beraubt und viele
Glocken, Altargeräte und andere Beute davongeführt Es-
wäre aber viel Volks und Habe in der Stadt gewesen^)..
Jedenfalls hatte sich auch eine Menge Landbewohner mit
ihrem beweglichen Eigentum in die Stadt geflüchtet Die
chronikalischen Berichte über die Anzahl der damals in Gera
getöteten Menschen gehen sehr auseinander und schwanken
zwischen 500 und 5000 ^). Letztere Zahl ist aber sicherlich
zu hoch gegriffen, da Gera alten Plänen naoh doch nur klein
war und kaum so viel Einwohner gehabt haben kann. Be-
merkenswert ist, da£s unter den Getöteten keine Höher-
gestellten genannt werden. Da für Bitter und Beisige ein
gutes Lösegeld zu erwarten stand, so läfst sich ihre Schonung
1) Nach dem Brief des Peter yon Sternberg an seinen Vater d. d.
Gera 1450 Oktober 15; gedr. in Arehiy desky II, 1, 8. 46, deutsch im
17. Jahresbericht des Togtl. Altertnmsforsch. Vereins S. 62, nnd Alberti,.
ürkdsmlg. zur Gesch. der Herrschaft Gera S. 161. — Der Tag war
früher zweifelhaft (14., 15., 16. Okt.), ist damit aber sicher festgelegt ^
Yergl. dazn Behr, Beiträge zur Geschichte yon Gera II, S. 11.
2) a. a. O.
8) I, c. 880.
4) Kammermeister a. a« O. Sp. 1204; Stolle S. 87.
5) Vergl. dazn Behr, Beiträge zur Gesch. der Stadt Gera 8. 11.
Die Zerstdrnng der Stadt Gera im slohsischen Bruderkriege. 329i.
von Seiten der Böhmen leioht begreifen. Die meisten Oe--
töteten wurden also wohl bei der Flünderang niedergemacht
and gehörten den Bürgern und den in die Stadt geflüchteten
Landbewohnern an. Sohlofs ^) und Stadt wurden dann mehr
oder weniger ausgebrannt und ihre Mauern niedergerissen.
Auch machten die Böhmen bei der Einnahme Oeras eine
grofse Anzahl Gefangener, und der beste Fang darunter war
entschieden Eriedrichs Kriegshauptmann, Heinrich der Jüngere
von Qera. Wie Stolle erzählt, würde sich dieser eher haben
töten lassen, als sich in Herzog Wilhelms Hände zu ergeben»
Er mochte wohl dessen sichere Eaohe fürchten, und so ergab
er sich lieber dem Georg Podiebrad *). Wenn Peter von
Stemberg damals triumphierend an seinen Vater schrieb, in.
dieser Stadt Gera sind des Kurfürsten tapferste und vor-
nehmste Leute, welche seine Kriege geführt, gefangen und
erschlagen worden, so pafst das auf niemand besser als auf
Heinrich von Gera ^). Dafs dieser sich in den Turm der
Johanniskirche geflüchtet haben soll und dort gefangen wurde,
ist wohl eine Sage, deren historischer Kern zweifelhaft ist ^).
AuTser dem Geraer wurden noch gefangen Graf Wilhelm von
Orlamünde, Burggraf Hartmann von Kirchberg, Hans von
Dohna zu Auerbach und der bekannte Kunz von Kaufungen ^).
1) Gemeint ist hier das alte Togteiliche Schlofs in der Stadt. Der
Osterstein, das jetsige Besidenzschlofs in Gera, soll nach Jovios (bei
Kreysig, Beitrftge II, S. 106) durch einen Hans von Selmeniti and seine
85hne so tapfer verteidigt worden sein, dafs die Feinde abziehen mnfsten.
Yergl. dazu meine Bausteine zur Gesch. der Stadt Gera III u. IV (Geraer
Zeitung 1893, Nr. 207 n. 225).
2) Stolle, S. 88; Altenzeller Chronik a. a. O.
3) S. S. 328, Anm. 1.
4) Spangenberg a. a. 0. berichtet hingegen, dafs das gemeine Volk
in die Kirche geflfiehtet, aber daraus herrorgezogen und erschlagen
worden sei.
6) Kammermeister a. a. O. Sp. 1208; Stolle S. 88; Brief des
Ton Stemberg im 17. Jahresbericht des yogtl. AltertumsTcr. S. 67. —
Liimmer, Entwurf einer Gesch. des Vogtlandes S. 790, berichtet, dafs
Knns Ton Kaufungen und ein Pflug an der Pfortener Brficke gefangen
worden wftren. Beleg fehlt.
330 ^^® Zerstörung der Stadt Gera im sächsischen Bruderkriege.
Schadenersatz wegen der vor Gera erlittenen Schäden erhielten
apäter auoh die von Zetwitz, Wiedergberg, Beitzenstein, Toaae,
Fafsmann a. a. ^). Aoffallend ist, daüis nach Sternbergs
Berichte die Böhmen nur 15 Tote und nicht viel mehr Ver-
wundete aufzuweisen hatten. Darnach scheint der Sturm,
wenn auch schwer, wie Sternberg selbst erzählt, doch nur
kurz gewesen zu sein. Auch waren die Angreifer ja, wie
bereits angegeben, durch Weidenkörbe gedeckt, während wieder
nach anderer Mitteilung es den Verteidigern an Geschütz
fehlte '). Nach dem gelungenen Sturm verloren die Böhmen
wohl nur wenige Leute mehr; der Schrecken in der Stadt
war jedenfalls so grofs, dafis niemand an weiteren Widerstand
dachte. Auoh 350 — 400 Eeitpferde erbeuteten die Böhmen.
Vielleicht läfst sich daraus ein SchluTs auf die Anzahl der
Bitter und reisigen Knechte machen.
Kurfürst Friedrich war endlich mit seinen Eüstungen
fertig geworden und rückte zum Entsätze heran. Man hat
ihm schon zu StoUes Zeiten nachgesagt, dafs er Gera nicht
habe retten wollen^). Eine wirklich absichtliche Preisgabe
der Stadt ist aber doch kaum denkbar. Auch schrieb der
von Sternberg damals an seinen Vater „und der alte Meilsner
(der Kurfürst) brach auf und wollte Gera retten; nun ziehen
wir gleich auf ihn los, wenn er sich etwa mit uns schlagen
wollte"*). Der Fehler Friedrichs bestand allenfalls darin,
dals er zu lange mit dem nötigen Entsatz zögerte. Er kam
von Chemnitz und sog, wie ich vermute, über Crimmitzschau.
Als er die Zerstörung Geras erfuhr, besetzte er den Zoitz-
berg bei Liebschwitz ^), wodurch er das Elsterthal nach Süden
1) Quittungen von 1453^54 im HSA. Dresden, Or. Nr. 7313 b u. c,
7314 a n. b, 7321b, 7338 n. 7388.
2) Stolle S. 38; KammermlBister a. a. O. Sp. 1204.
3) S. 38. — „Item der alte herr hatte grosx volk bye einander unnd
lag käme czwo mile Ton des jungen hern heir nnnd bette dy stad Qera
wol geretb nnnd dy hern, dy darinne gefangen wom, bette er gewolt.*'
4) S. 328 Anm. 1.
5) Eisel, Sagenbuch S. 285.
Die Zerstörung der Stadt Gera im sicbsischen Broderkriege. 331
hin voUstäDdig beherrschte. Der Bergrorsprung , wo das
-Geschütz gestanden, soll davon seinen jetzigen Namen y.Böohsen-
4>erg'' erhalten haben. Nach der Sage soll ferner Herzog
Wilhelm damals seinem Bmder gegenüber auf dem Heersberge
^ei Oberröppisch gelagert haben, worauf sich dann die be-
kannte Anekdote gründet, ein Büchsenmeister Friedrichs habe
«ich erboten, den Herzog Wilhelm in seinem Zelte mit einer
Kugel zu treffen, der Kurfürst aber solches mit den Worten
Terhindert: „Schiefs, wen Du willst, nur meinen Bruder
nicht". Als Wilhelm hiervon vernommen habe, sei ihm
jene grofsmütige Handlung der Anlafs zur Versöhnung mit
dem Bruder geworden ^).
Wenn man dagegen die ganze damalige Sachlage erwägt
und die Gegend selbst in Augenschein nimmt, so ist eine
solche Stellung Wilhelms nicht wahrscheinlich. Da er näm-
lich doch nach Stembergs Brief sich mit dem Kurfürsten
schlagen wollte, konnte er nur auf dem Plateau der Ronne-
hurger Höhe, also auf dem rechten Elsterufer, ihm entgegen-
2iehen, während der Heersberg auf dem linken liegt. Für
letzteres spräche auch die Aufstellung des kurfürstlichen Ge-
schützes auf dem Büchsenberge, die sonst ziemlich zwecklos
wäre, da man hier vom Heersberg noch über einen Kilometer
entfernt ist, und so weit reichten die Steinkugeln wohl doch
kaum. Endlich sind die Böhmen dann nachweislich am
rechten Elsterufer heimgezogen ^). Es wäre demnach im an-
deren Falle ein zweimaliger Flufsübergang derselben anzu-
nehmen, was angesichts des feindlichen Heeres mifslich war.
ISomit wird jene Sage aus der Geschichte des Bruderkrieges
einfach zu streichen sein. Auch ihr historischer Kern ist
nicht mehr erkennbar. Kurfürst Friedrich muTs bereits am
16. oder 17. Oktober bei Gera eingetroffen sein, denn an
letzterem Tage erwähnt der Egerer Hans von Kager in einem
Briefe, den er „im Heere vor Gera" an seine Stadt schrieb,
1) Eiseis Sagenbucli S. 285.
2) 8. 88S.
XVII.
382 ^^^ ZentSroDg der Stadt Gera im lichsiscbeii Bruderkriege.
dafs die Böhmen durchs Egerland heimziehen wollten ^). Dar*
nach scheint der Waffenstillstand damals bereits verabredet
gewesen zu sein. Es waren nämlich inzwischen kaiserliche
und erzbischöflioh mainzische Bäte in den Heeren der
sächsischen Brüder erschienen und hatten zunächst eine
Waffenruhe hergestellt, die wohl die Hauptbedingungen dea
späteren Eriedenschlusses schoa voraussetzte. Weil dann die
Nachwelt die Gründe der Aussöhnung nicht erkannte, ent-
wickelte sie die oben besprochene Sage vom BüchsensohuDB«
Der wahre Orund für die rasche Beendigung des Krieges mag
bei Friedrich vielmehr darin gelegen haben, dafs er durch Geras
Eroberung und die Gefangennahme seines Feldhauptmannes,.
Heinrichs von Gera, augenblicklich doch entschieden im Nachteil
war und einen billigen Frieden wünschen muTste. Er gab
daher, wie aus den späteren Vorgängen zu schliefsen ist, da-
mals wenigstens insoweit nach, dals er seinen Handel mit
dem Grafen Heinrich von Schwarzburg einem fürstlichen
Schiedsspruch unterwarf) und damit wohl im Prinzip auf
Schwarzburg verzichtete. Herzog Wilhelm anderseits mufste
ebenfalls Bedürfnis nach Frieden haben. Er hatte seine Rache
an dem Geraer gründlich gekühlt, den ganzen Feldzug mit
Erfolg geführt und, wie ich schon mutmafste, sein nächste»
Ziel, Schwarzburg zu behaupten, einigermalsen erreicht. Dann
stand ihm sein Bruder doch immer noch mit einem starken
Heere entgegen, und konnte Wilhelm auch hoffen, den Kur-
fürsten zu schlagen, so mufste doch seine Politik, mit Hilfe
der Böhmen zu siegen, besonders angesichts der grauenvollen
Zerstörung Geras viel böses Blut in den sächsich-thüringischen
Landen machen. Endlich scheint man doch auch von kaiserlicher
Seite einen Druck auf die brüderlichen Gegner ausgeübt zu
haben '). So gelang die Friedensstiftung wirklich. Das kur-
fürstliche Heer zog sich wohl zunächst aus seiner Stellung am
1) FoDt. rer. Austriac. XLII, S. 79, Nr. 64.
2) AnemüUer a. a. 0. S. 19.
3) Ebenda.
Pie Zerstömoi; der Stodt Gera im sicbsischen Braderkrieg«. 333
Büohsenberge surüok, um den absehenden Böhmen freien
Weg SU lassen, und swar, wie ieh annehme, wieder auf
Sjrimmitssehau su ; denn erst hier wurde am 28. Oktober der
Waffenstillstand diplomatisch festgelegt Derselbe sollte bis
cum 25. Mai andauern, inzwisohen aber zur yöUigen Aus-
söhnung ein gütlicher Tag in Bamberg stattfinden ^).
Mit den Böhmen war aber schwer zu unterhandeln. Sie
wollten ihre in Meifsen und Gera gemachte Beute nicht her-
geben. Man muTste sie ihnen notgedrungen lassen, und so
schleppten sie die Gefangenen und grofsen Raub nach Böhmen
fort. Sie nahmen dabei ihren Weg auf dem rechten Elster-
ufer nach £ger hin und fügten dem Vogtland noch grofsen
Schaden zu. Zanächst rächten sie sich an dem jüngeren
Beulsen zu Greiz'), dem sie fünf Dörfer „auspochten".
Dann plünderten sie die Ortschaften Beichenbach, Limbach,
Herlasgrün, Pfaffeogrün, Auerbach, die Umgegend von Oels-
nitz, Marieney, Landwüst, Amsgrün und Adorf. Abermals
wurden dabei Kirchen beraubt, Glocken weggeführt, Wohn*
statten verbrannt und Menschen ersehlagen. Der durch die
Böhmen beim Rückzuge angerichtete Schaden wurde auf etwa
2000 Schock Groschen geschätzt').
m. Die Oeraisohen Sohadloaforderongen.
Nach dem Erimmitzschauer Waffeo stillstände wurde die
völlige Aussöhnung der Wettinisohen Brüder eifrigst betrieben.
Ein hierzu in Merseburg angesetzter Tag verlief allerdings
erfolglos*), und wurde daher ein weiterer Tag auf den 6. Jan.
1451 nach Naumburg anberaumt Drei Wochen sogen sich
1) Palacky, Geschichte Böhmens IV, 1, S. 258 ; vergl. auch Fontes
rer. Anstriac. XLII, S. 84, Nr. 60. — Kammermeister (Sp. 1205) Ufet
die Waffenrahe nar bis St. Georgi (12. März) und Stolle (S. 38) bis tum
Sonntag Beminiscere (21. März) dauern.
2) Vergl. S. 325.
3) Verzeichnis der Schäden in Font. rer. Anstriac. XUI, S. 87, Nr. 63.
4) Stolle S. 39.
22*
334 ^io Z^rstSning der Stadt Oera im sXohiischen Bruderkriege.
aber die YerhaDdlungen noch hin und wären fast wieder ge*
Bcheitert; denn Herzeg Wilhelm verlangte die unentgeltUohe
Freigabe der den Brandenburgern abgenommenen Gefangenen»
wollte dagegen den in Gera gemaohten nicht die gleiche Be-
handlung zukommen lassen, ,ywas dann Jedermann unbillig
däuchte'^, bemerkt Konrad Stolle dasu. Endlich gelang es
dem Landgrafen von Hessen, der jedenfalls grofses Verdienst
um die Herstellung des Friedens gehabt hat, den Herzog zum
Nachgeben zu bewegen. So wurde dann am 37. Jan. der
endgiltige Friede auf etwa folgende Bedingungen hin ge-
schlossen. Wegen Sobwarzburg zunächst, der Hauptursache
des Krieges, wurde ein nochmaliger Yergleiohstermin an-
gesetzt, und, um das hier gleich zu bemerken, zog sich die Bei-
legung des ganzen Streites noch bis 1453 hin. Kurfürst Fried-
rich gab dann endlich gegen gewisse Zugeständnisse, darunter,
dafs über die an die Töchter des yerstorbenen Grafen Günther
gezahlten 9000 & quittiert würde ^), das Schwarzburger Land
an seinen Bruder, Herzog Wilhelm, zurück, und dieser belehnte
sofort die erbberechtigten Grafen von Schwarzburg zu Arn-
stadt und Leutenberg damit
Ferner bestimmte der Naumburger Tag die Freigabe
aller Gefangenen. Herzog Wilhelm sollte auch die von den
Böhmen gemachten befreien, wenn nicht anders möglich, für
ein Lösegeld, das die Fürsten von Sachsen und Brandenburg
gemeinsam aufzubringen hätten.
Im übrigen sollten die Fürsten und Herren ihrer Urfehde
ledig und los sein, aller Kriegsschäden ungemahnt bleiben,
und die eroberten Schlösser, Städte, Güter und Lehen ihren
rechten natürlichen Erbherren wieder eingeräumt werden.
Die „Sache" zwischen Graf Heinrich von Sohwarzburg zu:
Leutenberg und den Gebrüdem Heinrich und Heinrich von
Gera, Herren daselbst und zu Lobenstein, sollte durch ihre
1) Heinrich von Gert quittierte dem KarfUrsten am 94. April 1453
über 4600 fl., welche ihm dieser wegen Schwtrzbarg schuldig gewesen ; Or.
Nr. 7316 im HSA. Dresden.
Dia Z«nit((niiig der SUdt Gera im sichsitebeo Braderkriege. 335
und der Herzöge zu Sachsen Bäte mit Markgraf Hans toa
Brandenburg als Obmann entsehieden werden. Interessant
ist endlich noch die allerdings mir nur aus Stolle bekannte
Bestimmung, daüi keiner der Brüder wieder Böhmen ins Land
fihren solle '). Hierin aber lag, meine ich, hauptsächlich
der innere Grund für die Aussöhnung der Wettiner.
Die in deutschen Händen befindlichen Oefiangenen wurden
wirklich bald ohne Lösegeld freigegeben, nicht aber die von
den Böhmen entführten, darunter Tor allem Graf Wilhelm
von Orlamüode, Heinrich der Jüngere von Gera und Burg-
graf Hartmann von Kirchberg.
Palacky giebt freilich an, Heinrich von Gera wäre zunächst
von Georg Podiebrad auf Ehre und Treue entlassen worden.
Als aber der Kurfürst mit der Auslösung gezögert habe,
wäre Heinrich in die Gef au genschaft zurückgekehrt und darin
bald gestorben *). Woher Palacky 's Nachricht stammt^ weiüs ich
nicht Auffallend ist, dafs Heinrichs Bruder in seiner später
zu erwähnenden Schrift an die Magdeburger Schöffen nichts
Ton solcher Entlassung erwähnt.
Yersuche zu seiner Befreiung waren allerdings gemacht
worden. Man hatte zur Auslösung der Gefangenen am
24. Juni (Peter Paul) einen Tag in Eger abgehalten '). Als
hier Herzog Wilhelm, doch wahrscheinlich ohne Geld erschien,
Terweigerten die Böhmen alle Unterhandlung ^). Darauf wurde
ein zweiter Tag in Brüx angesetzt und hier den Böhmen
durch Herzog Wilhelm und Markgraf Albrecht von Branden-
burg als Unterhändler 16 000 fl. nebst dem YerfallspÜBuida
für die nicht Gestellten ^) zugesagt. Jetzt aber nahm der
Kurfürst solche Bedingungen trotz der von ihm seinen Unter-
1) Anemailer e. a. O. S. 19 ; Stolle 8. 39. — Die Vertragsorkd.
d. d. Naambarg 1451 Jan. 27 im HSA. Dresden, Or. Perg. Nr. 7186 »/b»
2) Palacky, Gesch. Böhmens IV, 1, 8. 846 Anm. 211.
3) Font rer. Aostriac. XLII, 8. 87, Nr. 63.
4) Stolle S. 41; Fontes a. a. O.
5) Demnach müssen also Ehitlassungen auf Tren und Glauben doch
stattgefunden haben.
336 ^^^ ZerstöniDg der Stadt <Ura im tichsiseheii Bruderkriege.
händlern erteilten anbeschränkten ToUmtcht nicht an, und
60 senohlug sich anoh dieser Tag. Wann derselbe stattfiand,
vermochte ich nicht xa bestimmen, doch sehr wahrscheinlich
im Hochsommer oder Herbst des Jahres 1461.
Zur Zeit des Brüxer Tages lebte der jüngere von Oera
noch, und kurz suyor hatte der Kurfürst dem Bruder des-
selben zu Lobenstein, als er diesen in irgend einer Mission
nach Breslau schickte, noch persönlich versichert, er wolle
den gefangenen Oeraer auslösen oder „weder Leben noch Out
behalten** *).
Heinrich starb dann in Prag nebst yielen anderen 6e-
fSangenen wohl an der damals in Böhmen wütenden Pest, und zwar
bald nach dem vergeblichen Brüxer Tage noch im Jahre 1461
oder spätestens Anfangs 1452; denn am 14. Februar dieses
Jahres wurde seine Gemahlin Anna schon als Witwe be-
zeichnet '). Er hinterliefs einen Sohn und zwei Töchter, für
die sein Lobensteiner Bmder Vormund wurde.
Für diesen seinen Neffen suchte dann Heinrich der
Ältere zu Lobenstein vom Kurfürsten wegen der Zerstörung
Geras Schadenersatz zu erlangen. Als er aber abschlägig
besohieden wurde, forderte er von dem Magdeburger Schöffen-
stuhl ein Rechtsgutachten darüber ein. Das Konzept zu
dieser interessanten Eingabe befindet sich im Fürstl. Haus-
archiv Schleiz unter dem Lokat S I, Bl. 4 — 7. Es ist von
einer Hand aus der Mitte des 15. Jahrhunderts auf 4 Blätter
(in Grofs-Quart) geschrieben und vielleicht aufser den wenigen
gleichzeitigen Urkunden die älteste schriftliche Quelle zum
Bruderkriege^). Das Schriftstück spricht nämlich einmal
von den Schäden zu Oera „nächst in dem Verlust leider er-
gaDgen^' und muTs jedenfalls vor dem 9. August 1456 ge-
schrieben sein; denn an diesem Tage war der Sohn Heinrichs
des JüDgeren, welcher zur Zeit der Abfassung der Anfrage
1) Beil. 14, 8. 2.
2) Albeiti, Urkdsig. lur Geach. der Uerrseh. Gera S. 168, nach
dem Orig. im HA. Schleis.
8) S. Beil. 14.
Di« ZerttSinDg der Stadt Gera im sSohsisehen Brnderkriege. 837
naoh Magdeburg noch lebte, sieherlich schon tot^). Nach
der Eingabe des LobeoBteiners an die Magdeburger Schöffen
hat es ganz den Anseheiny als habe an Friedrichs Hofe eine
gewisse Partei bestanden, welche dem Kurfürsten einredete,
•dafii er zum Schadenersatz an die von Gera nicht verpflichtet
wäre. Da Friedrich selbst an den KriegsschSden noch schwer
zu leiden hatte, so war ihm solche Herabminderung der
Kosten nicht unwillkommen.
Jene Hofleute oder Räte behaupteten nun zunächst, der
Tentorbene Herr von Gera wäre gegen den Willen des Kur-
fürsten nach Gera geritten, obwohl die Stadt doch nicht zu
retten gewesen wäre. Deshalb hätte der Geraer sich den er-
littenen Schaden selbst zuzuschreiben«
Der Lobensteiner bestritt solche Eigenmächtigkeit seines
Bruders, ob ganz mit Recht, muCs dahingestellt bleiben. Dab
dieser aber geradezu gegen den Willen des Kurfürsten gehandelt
haben soll, scheint nach dessen bereits angeführtem Briefe
vom 9. Oktober ausgeschlossen zu sein *). Immerhin mag
•der Kurfürst anfangs Bedenken gehabt haben, Gera zu halten,
iiefs dann aber doch nicht allein seinen Kriegshauptmann ge-
währen, sondern schickte ihm auch seinen Hofmeister, den
Grafen Ernst von Gleichen, mit einiger Hilfe zu und ver-
tröstete ihn, was die Hauptsache ist, auf Entsatz.
Weiter sagten die kurfürstlichen Berater, der Geraer
1) Nach Dresdener Akten (unter Lokat : Renfsische Sachen. C. Haus
<^ra, Kapsel III, Bl. 480 b) starb dieser Sohn 5 Jahre nach der Ver-
^pfSndnng des Schlosses Roehsbnrg an einen Ton Schönfeld. Letatere mag
1451 geschehen sein; denn der Lobensteiner als Vormund des Brudersohnes
-verpfftndete jenes Schlofs wegen der im Kriege erlittenen Schäden. Am
^. Aug. 1456 stellte der Lobensteiner zuerst eine Urkunde aus, wo er sich
•einfaeh Heinrich Herr in Gera nennt, wihrend er vordem, wie auch in
^er Anfrage an die Magdeburger Schöffen Heinrich Ton Gera, Herr zu
Lobenstein, heifst. In derselben Urkunde (Orig. im HA. Schleis) setzt er
sich aach mit der Witwe seines Bruders wegen der Versorgung ihrer
Töchter auseinander. Von dem Sohne des letztgenannten ist hier und
seitdem nie mehr die Rede.
S) s. Beil. 18.
338 ^*^ ZerstöriiDg der Sudt Ger* im sfichsitcheo Bruderkriege.
hätte seine Niederlage daroh sein herausforderDdee Betrageo
Tereohuldet ^), Dafs hiermit die höhnischen Briefe gemeint
sind, welche der Oeraer an Herzog Wilhelm geschrieben
hahen soll ^), läfst sich doch ohne weiteres nicht behaupten»
Der Lobensteiner wandte einfach gegen diese Beschuldigung
ein, sein Bruder h&tte als Hauptmann getreulich sein „Bestes**^
gethan und könnte für den Mifserfolg nicht verantwortlich
gemacht werden. Von jenen Briefen spricht er nichts.
Zum Dritten führte man an, der Geraer hätte auch
wegen eigener Angelegenheiten den Hersog Wilhelm befehdet
und daher selbst seinen Schaden zu tragen. Hiergegen wies^
der Lobensteiner auf einen geraischen Klageartikel Herzog
Wilhelms hin, worin dieser geschrieben habe, dafs er zur
Bettung des von Sohwarzburg auf den jüngeren Herrn yoa
Gera gezogen sei.
Endlich klügelten die kurfürstlichen Bäte noch heraus,,
die Stadt Gera wäre nicht des Kurfürsten, sondern des yon
Gera Eigentum gewesen. Wenn also ersterer, um sie zu
halten, einige der Seinen hineingelegt hätte, so wäre es genüge
wenn er die Schäden der eigenen Mannschaften auf seinea
Teil nehme.
Der Lobensteiner erwiderte hierauf, die Stadt sei aller»
dings seinem Bruder zugehörig gewesen, aber dieser hätte
sie doch immer als Hauptmann des Kurfürsten verteidigt, da
er noch im Amte gewesen sei. Aufserdem habe der Kurfürst
auch das öf^nungsrecht für Gera und „seine Küche" dort be-
sessen. Solches öffnungsrecht suchte der Lobensteiner durch
Auszüge aus einer Urkunde von 1874 Dezbr. 21 darzuthun»
Mit ihr lassen die Vögte von Gera den Markgrafen von
Meifsen Sohlofs und Stadt Gera zu Lehen auf und schliefsen
mit denselben ein Schutz- und Trutzbündnis ab, worin sich
die Markgrafen für alle denen von Gera aus diesem Verhältnia
1) So verstehe ich ureoigsteDs den Wortlaut: „Item es sey abel be^
8talt und verhomut worden^'; s. Beil. 14.
2) Vergl. 8. 825.
Die ZerstdniDg der Stftdt Ge» im »äcbsischeD Bruderkriege. 339*
erwachsenden Nachteile zum Schadenersats verpflichten ').
£g ist auffällig, dafe der Lobensteiner nicht den Sohadlosbrief
des Kurfürsten lür eeinea Bruder gekannt zu haben scheint.
£r hätte denselben sonst sioherlieh erwähnt und mit ihm
den besten Beweis für die Verpflichtung des Kurfürsten zur
Scbadloshaltnng wegen Geras erbringen können. Dagegen
führte er noch an, dafs Graf Ernst von Gleichen doch ebeu-
falls seine Ausrichtung erhalten hätte. Somit hätte solche
seinem Bruder als Hauptmann noch mehr gebührt.
Was die Magdeburger Schöfl'en auf die Anfrage des
Xobensteiners geantwortet haben, erfahren wir leider nicht.
Der Streit um diese Anforderung taucht dann erst geraume
Zeit nach Kurfürst Friedrichs Tode (1464) wieder auf. Der
Herr von Gera machte bei dessen Söhnen in den 70er Jahren
nochmals den Versuch, wegen Geras von Sachsen Kriegsent-
schädigung zu erhalten. £r that das jetzt, da sein Bruders-
sohn lange tot war, für die Schwestern desselben. Aber er
hatte natürlich noch weniger Erfolg damit als früher. Man
warf ihm sogar bei dieser Gelegenheit von sächsischer Seite
einen Lehnsfehler yor, da er verabsäumt hatte, Gera nach
dem Ableben des Neffen aufs neue zu muten. Gegen den
verstorbenen Bruder wurden die früheren Vorwürfe wieder-
holt Im Jahre 1473 hat man dieses Streites wegen sogar
eine kaiserliche Kommission aogeordnet, und nach 2 Jahren
erhielt der Geraer den endgiltigen Bescheid, dafs Sachsen
nicht verpflichtet wäre, den Schadenersatz zu leisten '). Wäre
Heinrich der Jüngere am Leben geblieben, so dürfte dieser
ganze Streitfall wegen seines nahen persönlichen Verhältnisse»
zum Kurfürsten eher zu seinen Gunsten ausgetragen worden
sein. Die Toten aber haben kein Kecht.
1) beil. 14. Für die fast wörtlich entnommenen Aussage ist auf die-
betreff. Drucke in meinem Urkundenbuch der Vögte von Weida, Gera
und Plauen etc. II, Nr. 221 und 222 su verweisen.
2) 8. Beil. 11.
3) Nach Dresdener Akten unter Lokat : Reufsische Sachen ; C. Haus.
Gera, Kapsel III, Bl. 404—464.
•-340 ^^* Zerstör ODg der Stadt Gera im sXchsitchen Bruderkriege.
Es war, um noeh das anzuführen» sohliefslioh nur die
Konsequenz des eigenen Yerfahreos, wenn 1485 die Herzöge
£m8t und Albreehi zu Sachsen in einem feierlichen Hofgericht
die Ansprfiohe auf Schadenersatz, die ein Wilhelm yon Schön-
feld wegen seiner bei der Eroberung Geras erlittenen Schäden
-an die Herren yon Gera machte, in ähnlichem Sinne ent-
scheiden lassen. Es heifst in dem Erkenntnis, die von Gera
wären deswegen zu solchem Schadenersatz nicht yerpflichtet,
weil Gera nach dem Tode ihres Yaterbruders auf dessen Sohn
yererbt, nach des letzteren Ableben aber als erledigtes Lehen
ihrem yerstorbenen Vater aufs neue yerliehen und erst dann
auf sie yererbt sei ^).
Während ich diesen Aufsatz niederschrieb» hat die Stadt
«Gera das letzte sichtbare Andenken aus der Zeit des Bruder-
krieges verloren. Es wurde ein zum alten vogteilichen Sohlols
(im Innern der Stadt) gehöriger Turm, yon dem noch ein
-spärlicher Best stehen geblieben war, jetzt yollends abgetragen,
"um modernen Bauten Platz zu machen.
Beilagen.
1. Schreiben des Grafen Ernst von Gleichen und Hein-
richs, Herrn gu Gera, an Heinrich von Gera, Herrn
8U Lobenstein, — Zeitz 1447 Dez. 13.
<Dem edein ern Heinrichen von Gera herren zu Lobinstein
UDserm liben ohmen und brudere.
ünsern fruntlichin dinst und bruderliche truwe zuvor.
Edler liber ohme und brudere, wir lassen uch wissen das
itczund alhie uf dem tage zu Ciczs betedingt ist wurden, das
alle Sachen von des kouffes wegen ern Apeln Vicztum von
unserm iungen herren umbe Koburg, Konigisperg etc. gescheen,
sal gutlich ungehandelt anstehinde bliben bisz uf eynen an-
•dem tag, der alhie zu Ciczs sin sal uf den man tag nest noch
1) Or.
Di« Zentdmag der Stadt Gera im sieheischen Bmderkriege. 341
TFabiani nod SebaBtiani Bohinten, also das bynoeo des wider
ffnanne noch stete furder sn buldnnge oder zu yorsigeln, was
bereite nicht gesehen ist, nicht gedrangen noch getwungen
^werden sollen ane alle gererde, als yn das unser gnediger
^erre emachmals eigintliohir zu schriben wirdet Wir haben
auch den hofeluten, die gein Czwigkaw solden kernen sien,
widerbyten lassen, das ir uch darnach habt zu richten. Geben
:su OicsSy am mittewochen Lucie, under unserm grayen Ernstes
insigile, anno dorn. etc. zlseptimo.
Ernst grave von Glichen und
Heinrich herre zu Gera.
Nach Orig. Pap. im Sftehs. Enieet Gesamt -ArcbiT (GesA.)
'Weimar D. p. 849 Nr. 7.
'2. Erstes Protokoll der Verhandlungen auf dem ZeUger
Tage, — Zeitz 1448 Juli 18.
Zu mercken als der irluchten hoohgebomen fursten und
harren hem Friderichs und hem Wilhelms herczogen zu
rSachsen lantgrayen in Doringen und margrayen zu Missen
annser gnedigen herren rete uff diyisio apostolorum nechst-
yergangen gein Cicz kernen sind den erlengten tag yon ge-
brechin wegin czwuschin yrer beider gnaden and den jren
yon beiden teilen zu besuchen, da durch sie ey[n]mutiglich
beteidingt, yorwillett und uffgnomen ist, so das ufz iglichs
genanten fursten rete, als die geinwertig sint, sechs yrer
herren frunde und rete mit namen yon unnsers herren herczog
Fridrichs siite die erwerdigen in got yater, edele, gestrengen
and yehsten herm Johann bischoff zu Merseburok, grayen
'Smst yon Glichen herren zu Blankenhain hoffmeister, hem
Heinrichen yon Gera herren zum Lobenstein, Jürgen yon
Bebemborg marschalg, em Hannsen yon Maltitz ritter und
Otten Spiegel und yon unnsers hem herczog Wilhelm wegin
hem Sigemund grayen und herren cza Glichin, Bartholomes
Ton Bibra marschalg, em Fridrich yon Wicsleubin, em
Hannsen Schencken rittere, Jürgen yon Bibra und Johansen
JXowerk darcza gegebin haben — [diese 12 sollen die zwischen
342 P^^ ZerstdruDg der Sudt QerA im s&chsiseben Bruderkriege.
deo Herzögen 8ch webenden Irrungen gütlich berichten; wenib
Bie sie sich aber nicht einigen können, sollen die Herzöge-
statt derselben je zwei ihrer Bäte, die sie zuvor von ihrer
Pflicht entbunden haben, zu Schiedsrichtern bestellen.] — Geben
czu CzicZy am dornstag nach sanct Allezius tage, anno domini
etc. xlviij.
Nach Konzept im GesA. Weimar ebenda.
3. Zweites Protokoll der Verhandlungen auf dem Zeiteer
Tage. — 1448 Juli 19.
£bz sal ein tag uff den montag nach unser lieben frauwen
tage wurtzwye sehieret zou Cicz sin zowuschen beyden unsern.
gnedigen hern von Sachsen herczogen Friderichen und her-
czogen Wilhelmen von irer gebrechen wegen und vier irer
beyden gnaden rethe. Was uff diesem geinwertigen tage zcu
Gczicz nicht gescheyden oder geendet wirdet, dann zcu vor-
hören und darnach ynwendig eynem virteil iars ganez zcu
scheiden und usz zcu sprechen nach lut der anlasze briffo.
Geordent und geschigkt werdin vor dieselbin vier ader ander
an yre stad geschigkt, so sich ez nach gelegenheit der per-
souen geburen wurde, sullen auch die wolgeborn Günther
grave zcu Swarczpurg, Ludewig grave vonn Glichen, Heinrich
burggreve von Miessn herre zcu Plawen, Heinrich und Hein-
rich gebruder hern zcu Gera an eynem und Heinrich grave
zcu Swarczpurg herre zcu Lutcnberg, Heincz, Yolkel und
Hans Roder, ettlioh von der Heyde, die Raben, Peler und
ander solch sache berurnde dem andern teyle von alle yrer
Spruche spenue uud gebrechin wegen. Darumb sie zou friden
gein eoander komen sin ader wie sie die zcusamen sust
betten yr eyner dem andern daramb unverdingt und unge-
weigert eren und rechtes sin phlegen und gebin vor und
nach, euch daz eins mit dem andern zcugehe. Wie die
herren darczu geordent darumb uff denselbin tage oder hynnoch
hyrioen obgeschreibener frist erkennen werden dann, dem
sullen sie von allen teylen auch gancz also nachkomen, daz:
haldeu und volfuren ungeverlich. Es mag auch ein teyl»
Die ZeretSroDg der SUdt Oerft im s&ehtiscben Bniderl[rieffe. 343
welcher wil, tot sieh hiDden setzen, was in fehedin gesehen
"st, und daruff sal auch zcwischen in allen yren helffern,
und die mit in lyent wurden ain, alle vehde und vintschafft
ganci abgethan sin, auch alle gedi[n]gni8 und brantschaczunge
sich darynne gemacht ungemanet und anstehinde hüben, alle
gefiuigen die erbarn und reysigen uff yre truwe, burger und
gebure uff borgen tag habin und des also ungeyerlich die
zciit nemlich biz uff den schirsten sant Niclaus tage getagt
werdin, und die richtigunge sal in treten uff den frytag nehst
nach sant Jacobffs tage mit der sonnen uffgange, und wer es,
-daz der erste teyl als der von Swarczpurg, der von Glichen,
der TOn Plauwen und die Ton Oera dem nicht also thun, so
sal der obgenante unser herre herzcog Frederich sich der-
ftelbin und des ungehorsamen teyls in der sache gancz ussem,
jr er nicht annemen, yn des keyn zculegunge ader hulffe
thun, nach den einen zcu thun gestaten, sundem ernstlichen
weren und vorbiethen lassen und dem gehorsamen teyl, ader
die des dem gehorsamen teyl über die ungehorsamen teyle
helffen weiten oder hulffen, nicht vordencken, nach hindern
ader hindern lassin. Desgleichen wer es, daz der ander teyl
als der zcu Lutenberg und dy Roder, Raben und von der
Heyde mit yren helffem dem also nicht teten nach thun
wulden, so sal der obgenante unnsir liebir herczog Wilhelm
sich der seibin ungehorsamen in der sache gancz ussem, yrer
nicht annemen, yn keyn zculegunge ader hulffe thun, nach
den sinen zcu thun gestaten, sundern ernstlichen weren und
Terbiethen lassen und auch dem gehorsamen teyl, und dy
desz dem gehorsamen teyl helffen wulden, nicht vordengken,
hindern nach hindern lassin, und daz sal yon den obgenanten
forsten den obgerurten teylen alspalde verkündigt und ge-
schriebin, und welcher teyl daz nicht thun wulde, dann dem
andern teyl zcu wissen gethan werde vor dem frietage, dir
nebst nach sant Joeoffs tage schirsten komen wirdet, sich
wissen zcu weheren und domach zcu richten. Czcu Urkunde
mit Jürgen von Bebemburgs und Bartholomes von Bybra
beyder obgenanten fursten marschalgken uffgedrugkten insigeln
344 ^i® Zerstönmg der Stadt Gera im •ieluisohen Braderkriege.
yersigelt und gebin zou Ozioz, am frietage nach Allezii, ana(^
domini xl ootavo.
Inseriert in ein Protokoll des zweiten Nanmbnrger Tages toi»
1449 Nov. IS (8. BeiL Nr. 8).
4 BefeU an Paul Wei/sbaeh, Amtmann eu Vogisbergr
die von Röder iotgen des abgeedUossene» WaffensüBr-
Standes eu benachrichtigen. — Zeitz 1448 Juli 19.
Dem Testen Pawl Wiszbach yoyt zcu Yoytzperg unsem liben
besundern guten frunde.
Unnser gunst und dinst zeuTor lieber besundern und
guter front Als eyns tages zcu Olssnitzce dem Ton Plauwen
und den Bodem uff den nebsten montag gewartet solt werden^
lassin wir dich wissen, das solche sache zcwuschen den obin-
genanten teyien durch beyder unser gnedigen herren von
Sachsen rete hie uff dem tage zou Cicz uffgenomen und
gerichtet. Darumb derselbe tag zcu Olszniczce nu abe ist
und nicht furgang gewynet. Darume wir yon unsere gnedigen
hern herzcog Frideriche wegen begem, biten dich euch mi
flisz, daz du den Eodern solchs an die ende, da sie uffge-
nomen solden werden als nemlioh gein Eger, dem Hoff und
Elbogen, zcu stund und jlende zcu wissen thust und wjder
bitest und da bie zcu erkennen gebist, daz solche richtunge
uff den nehsten frytag nach sent Jacoffstag schirsten mit
der sonnen uffgang in treten sol, als sye daz und anders, wya
esz uff der genanten fursten rethe zowischen yn zcu usztrag
sal komen, bye graven Heinrich von Swarczpurg zcu Lutem-
berg wol erfaren wer[d]eny darynne keynen ylisz sparest
Daran geschit unserm obgenanten gnedigen hern und uns wol
zcu dangke, und wir wollen es ume dich yorschulden und
yerdyenen. Gebin zou Cicz, am fritage nach Allexii^ anno-
dom. xlyiij®.
Jorge yon Bebenberg marschalk
Hans yon Malticz und Spygel.
Nach Konzept im GesA. Weimar ebenda.
Die Zerttörnng d«r Stadt Gera im ticbslfohen Brad«rkri«ge. 34&'
5. Der Amtmann von Vogtsberg voOsiM solchen Befehle
— [1448] Juli 20.
Dem erwero yetten HeiDczen Roder myme guten frunde.
Min dinti zcuvor lieber houbtman, ich tha uoh wissen^.
daz mir hüte myns gnedigen herrn Fridriohs rethe* geschriben
haben, den briff laszt uch leszin, darnach werdit ir uch
richten und sendt mir den wyder, und waz ich uoh djnen^
Bolt, daz thete ich gerne. Gebin am 8onn[a]bende vor Marie
Magdalene.
Paul von WiBzbach amptmann .
zcu Yoiczperg.
Nach Konzept im GesA. Weimar ebenda.
6. Protokoll der Verhandlungen des Naumburger Tages..
— [1448] Oktober 23.
Item beider meiner gnedigen herren von Sachsen rete
haben uff mittewoohen Severini zcu Numburg berett und uff-
genomen, das zwischen graven Günthern von Swarczpurg
graven Ludewigen von Glichen, beiden herren von Gera, dem
von Flauwen, dem jungen Ruszen von Greucz und allen iren
helffem an eyn, graven Heinriche yon Leutemberg, den Rodem,
von der Heide, den Raben» Pellem, Curd von Waczstorff [und]
andern, die des mit jn zcuthuo, und iren helffern am andern
teilen eyn fride sin, der uf den nehsten sontag vor Sjmonis
et Jude fru mit uffgaog der sonnen yntreten und fürt be-
Bteen und wehren sal bisz uff sente Catherinen tag schirst
und den tag allen ungeverlich, und sallen alle obgenante
partion uf dornstag noch Martini uf den abend zcu eym tage
gein Kumburg komen, da sollen beider unser gnedigen herren
rete ire gebrechen gein einander verhören und sie fruntlich
ader rechtlich mit einander entscheiden und vorrichten, dorczu
ein iglich herre der sinen mechtig sin sal. So sollen die
zeiit des frides alle gefangen beidersyt tag haben, erbar und
reisige uff glubde, und was burger und gebuer gefangen sin,
für die sallen ir iglichs herre sinen offen briff geben gut für
:346 ^'^ Zerstdning der Stadt Ger* im sichtisehen Broderkriege.
sie zou sin sie wider jncsaetellen zca ussgange des fride«,
ab es nicht geriohtt wurde. Doruf sal ejn tag werden. Auch
sal alle dingnisz, schaozungy aczung und ungegeben geld die
zcyt des frides ungegeben und ungefordert bliben angererde.
Nach Konzept im GetA. Weimar eboida. .
7. Protokoll der Verhandlungen des (zweiten) Zeitzer
Tages, — 1449 Mai 17.
Anlasz Swarczpurg, Gera und Höder
anno xlix^
Zeu wiszen, das uff Sonnabend vor Tooem iocunditatis
anno etc. xlnono durch beider unnser gnedigen herrn von
Sachsen rethe nff dem tage zu Citz in der vehde, zcweitracht
und Unwillen zowuschen graven gunthern von Swarozpurgk,
dem von Plauwen, beyden herrn von Gera, beyden Buszen
von Groicz und allen den eren, helffem, helffershelffern, und
wer des mit jn zu thunde had, an eynem, graven Heinrichs
von Lutemburgk, auch in sunderheit Curd von Watisdorff,
Thomas Roder, Raben und von der Hey de, welch £ehcnd
sind, und allen iren helffern, hclffershelffern, und wer des mit
yn zu thunde had, am andim teyle eyn frede bereth und
ufgenomen ist, der uff den negsten dinstagk nach vocem
iocunditatis fru mit ufgange der sonnen intreten, sind be-
stehen und weren sal bisz uff santd Jacobffs des heiligin
zcwelfboten tagk schirst volgenden und den tagk allen bisz
zu undergange der sonnen ungeverlich. Bynnen dem frede
sollen unnsere gnedigen herrn von Sachsen eynen tagk geyn
Numburgk vorramen, yr iglicher drey seyner rethe daruff
schicken und beyde partien darczu verboten. Für dieselben
sechs rete sollen da beyde teyl yre saohin und gebrechin
uszgesloszen , was yn der fede gesehen ist, geynenandir
brengin, doch unvordingit, wer sich iglicher dorinne mit
rechte behelffin möge, die sie in rechte darusz entscheiden,
oder wesz sie nicht eyns werden megin, zu Magdeburgk holen
lasen und uszsprechin sollen. Es sal auch umb zuspruche,
Die ZerstSrnng der Stadt Gera im sttohsischen Bruderkriege. 347
darin grave HeiDrioh von Swarczpnrgk den eidern yon Oera von
Henczen und Hannsen Roder wegin genomen had, uff dieselbin
seohs rete stehen, sollich saohin zuvor zu handeln und zu
irkennen, inmaszen dieselbe saohe stehet, und yormals Tor
beyder herren reten zu Numbargk gehandelt und gelaszen
ist, und das alles sal bynnen zyd des fredes zu ende bracht
und uszgericht werde. Es sollen auch die zyd des fredes
beyderseit alle gefangen, erbar und reyszige uff eyde und
glubde, burger und gebuer uff bestand getagt werden, und was
schatzunge beyderseyt yortagt und yorfallen ist, magk iglioh
teil manen und inbrengen und alle unyertagt schatzunge,
brandschatzunge und gedincknisz sollen anstehende bliben die
zyd des fredes. Diszer beteidigung zu bekentnusz sind diesz
anlasz zwen under unnszin Johannsen bischofs zu Mersburgk
und grayen Ernsts yon Gleichin hofmeisters yon unnsers
gnedigen hern herczogin Friderichs und unnsirn Conrads zu
Bappenheym hoffemeisters und Bartholomeus yon Bybra obir-
marschalks von unnsers gnedigen hern herczogk Wilhelms
seyten ufgedruckten insigeln den parthien obirgeben, am tage
und im iare obgeschrebin.
Nach Konzept im Haupt-Staats-ArchiT Dresden, wovon mir be-
glaubigte Abschrift durch die Güte des Herrn AroUvrats Anemüller
in Badolstadt mitgeteilt worden.
8. Protokoll zum (zweiten) Naumburger Tage gehörig. —
1449 Noy. 13.
Handell zwischen grayen Heinrichen von Lutenberg und
den yon Gera vor beyder myner gnedigen [herm] von Sachsen
rethen uff dem tage zcu Numburg, der uff dornstag nach
Martini anno etc. xlviiij^ dohin berampt, was ergangen. Nach
ettlichen reden und wyderredin vor beyder fursten von
Sachsen rethen gesoheen die friedebruche berurnde und zcu
recht gestalt, ist geurteylt zcu recht, daz die friedebruche
zou erste sallen gerechtfertiget werdin. Dar nach mag dann
ein parthye die andern fürt schuldigen, als sich gebure.
XVn. 23
348 ^^* Zerttönmg d«r Stadt Qtru. im sichsisehea Brad«rkri«ge.
Al8 graye HeiDrioha von Swarospurg herre zeu Lutten»
borg sine angprache than wolde wyder den alden Ton Gera
umb Heinczen und Hansen Ködere, die er jm in eyme be-
tedingtenn friede und riohtegunge sal abgegangen habe, had
graye Heinrich, ehir syner schult yorgeleget, den anlast
zcwischen synen wydertejln, im und beydersiite den, die daz
mit beruret, zcu Oczioz als ein richtegunge yon beyder myner
gnedigen hem yon Sachsen rethen und dem alden yon Gera
begriffen und ubirgebin und den lassin lesen, der dann yon
werte zcu worten himaoh geschrieben sted und also lutet:
[Folgt das Protokoll des ersten Zeitzer Tages y. 19. Juli;,
s. Nr. 3.]
Nach Konzept im GesA. Weimar Ee Nr. 625.
9. Schreiben des Kurfürsten Friedrichs zu Sachsen an
Heinrich den Jüngeren von Gera. — 1460 Jan. 26.
Dem edelnn wolgebom Heinrichen herre zcu Gera unnserm.
lieben gefattemn unnd heymlichen.
Fridrich yon gots gnaden herczog zcu Sachsen etc. Edeler
lieber getruwer, gefatter und heymlicher. Alszo ir heute
sontag yon unns gesoheiden seit mit grossem zcome, das uns
wehe thut, das ir alszo zcomig wart, wann uwer zcom und
unser zcorn kegen eynander nicht not ist, nachdem wir an
eynander gewandt sein, unnd nach gelegenheid der sache
gestalt ist Wie dem allem, begern wir yon uch bittende,
das ir an alles seuwmen an uns komet, alszo wir nicht
zcwiyeln, das ir das thun wert, unnd ap ir das ye nicht ge-
thun kont, das ir yo uff den sontag nach dato ditz briefes
quwemet unnd yo nicht lenger aussenbleibet, wenn unns
macht daran gelegen ist, alszo ir das selber wol wisset, und
sewmet damit nicht, das thut uns yon uch wolgefallen«
Geben unter unserm secret, am sontag an sent Pauelsta^ *
apostoli, anno etc. V^^.
Nach Konzept in GesA. Weimar D. p. 349 Nr. 7.
Di« Zentörnng d«r Stadt Gera im sileiisisehen Bruderkrieg«. 349
10. Schreiben des Karfürsten zu Sachsen an Heinrich
den Jimgeren von Gera. — Dresden 1460 Joni 12.
Dem edeln ern Heinrichen hem zcu Gera unserm heymliohen
liben getruwen.
Fridrich von gots gnaden herozog zcu Sachsen des hei-
ligen Bomisohen richs ercsmarschalk landgraff in Doringen
und marggraff zu Miessen. Unsirn grus zcuvor edler libir
getruwir und heymlicher, uwir ßchrifft in vil wortten uns iczt
getan haben wir wol Terstanden, und ist nit not die furder
ueh zcu vernewen noch zcuverzeln. Uns ist wol inndeok,
daz ir uns habt zugesagt, ir woldet bei uns uch fugen und
mit uns ins feld rugken, des und allis, des ir uns schuldig
seit, ermanen wir uch auch mit flisz begerende, daz ir on
allis yerziehen bei uns ins feld komet, wo ir wisset, da wir
sin werden, und in keine wiese ussen bleibt, wenn ir wol
wisset, daz wir unser saohen uch getruwen und uff uch die
zu Yolfuren gestalt haben. Umb Caspar von Huwgwicz und
Bertold von Drachswicz, also ir schreibt, wollen wir furder
handel, so ir bei uns komet, mit uch haben, und bleibt in
keine wiese awssen, wen wir uch des gancz getrawen. Daz
wollen wir in allem gut gein uch erkennen. Geben zcu
Dreszden, am fritag [nach] Bamabe, anno dom. etc. 1"*^.
Nach Konzept im GesA. Weimar ebenda.
11. Kurfürstlicher Schadloshrief für denselben. — 1460
[um Mitte Juni],
Gopia des schadlosbrieff.
Wir Fridrich von gots gnaden herczog zcu Sachsen laut-
graff inn Doringen unnd margraff zcu Missen bekennen
uffintlich vor uns, unnsere erbin und erbnemeo, nachdem wir
den edlen wolgeborn herren Heinrichen herren zcu Gera zcu
eynem obirsten houbtman über unnser furstenthum, leuthe,
slosse, lande unnd stete mit unnserm bruder inn dieszem
zcokunfftigem kriege auszerwelet, gekom und gesaczt haben,
gepieten wir bei unnsern fürstlichen hulden unnd macht, das
23*
350 ^^® Zerstoraog der Stadt Gera im sächsischeo Bruderkriege.
ein iczlicher unter den unnsem sich nach dem obgenanten
unnserm houbtman genczlich richten unnd halten sollen inn
allermasz» als wir persönlich bei ym im felde, slos oder steten
fanden unnd troffen worden. Oeschee aber, das der obgenante
unnser heubtman an sein eygen landen, leuthen, Blossen unnd
steten, so er uns und den unsem dieselbigen seyne lant,
sloss unnd stete, wie offt das not geschee, mit aller seiner
hilff zcu offen, davon schaden neme, solliche scheden gereden
unnd globen wir vor uns unnd unsere erben pey unsern
fürstlichen waren truwen den genanten unsern houbtman,
seine erben unnd erbnemen davon zcu brengen, schadlos zcu
halden unnd alle seine gebrechen von unnsem wegen gencz-
lichen zcu entheben, das ym wol gnugt. Datum anno etc.
quinquagesimo.
Nach Konzept im GesA. Weimar ebenda.
12. Schreiben der Kurfürstin Margarethe zu Sachsen an
Heinrich Beufs den Jüngeren gu Oreie. — Colditz
[1460] Sept. 30.
Dem edelnn hern iungen Beussen von Plauwen herren zcu
Grewcz unserm lieben getruwen.
Von gots gnaden Margaretha geborne von Osterreich
herczogen zcu Sachsenn etc. Unnsem grus icuvor edler
lieber herre, wir lassen uch wissen, das dy Behemen ufF morgen
donrstag hyn geyn Fegauw zeihen werden, herczog Wilhelms
do harren werden, unnd alszo balde herczog Wilhelm zcu
den Behemen kumpt, so wollen sie von stund an vor Gera
zeihen unnd davon nicht komen, sie habens denn gewonnen.
Himmb begern wir von uch, ir suUet dem von Gera von
stund an botschafft thun, das er sich wisse darnach zcu richten,
wenn wir das inn warheid erfarn haben. Geben zcu Coldicz,
am mitwoch nach Michael.
Nach Konzept im GesA. Weimar ebenda.
13. Schreiben des Kurfürsten an Heinrich den Jüngeren
von Gera. — 1450 Okt. 9.
Die Zerstörung der Stadt Gera im sächsischen Bruderkriege. 351
Dem edelnn herren Heinrichen herren zcu Gera unnserm rat
und liebenn getruwenn.
Fridrich von goU gnaden herczog zcu Sachsen des hei-
ligen Eomischen reiche erczmarschalgk lantgraf in Doringen
und margraff zu Miessen. Unsem grus zcuvor, edeler heym-
licher lieber getruwer. Als ir uns habt geschrieben, ir wollet
zcu uns komen, so stargks ir ymmer werden könnet, aber
mit den uwern uff Kempnicz zcu zeihen, nachdem dy
Behemen iczund ligen, sei uch sollich zeug gar uneben etc.,
als das uwer brieff forder vermeldet , haben wir wol ver-
standen unnd können wol gemergken, das das alszo ist, von
uch mit ganczem vleis begernde, ir wollet mit den uwernn
inn gereitschafft sitzen rüstig zcu sein, unnd wenn wir uch
anderweit schrieben und benennen werden, wu ir zcu uns
stossen suUet, unns dann an dieselben ende, so stergks ir
werden könnet, mit macht volgen. Das wollen wir gein uch
inn gute unvergessen sein. Geben zcu Kempnicz, am freitag
Dyonisii, anno dom. etc. 1°^
Nach dem Konzept im GesA. Weimar ebenda.
14. Heinrich van Gera, Herr zu Lobenstein^ bittet den
Schöffenstuhl zu Magdeburg um ein Bechtsgutaehten
in Sachen der Geraischen Schadlosfordertmgen. —
[1463—1466] 1).
Wir Heinrich von Gera herre zu Lobinstein nemen uns
ye für und nicht zcweiveln billich, das der durchleuchte
hochgeborne furste und herre her Friderich herczoge zu Sachsen
des heiligen Romischen reichs erczmarschalg lantgrave in
Doringen und marcgrave zu Meissen unnser gnediger herre
die scheden zu Gera nehist in der verlust leider ergangen
gancz und gar beczalen, richten und auch gern tun werde,
1) Wegen der Datierung vergl. S. 336. — Zur leichteren Orien-
tierung sind die Seiten der Handschrift durch am Rande zugefügte Zahlen
(1 — 8) bezeichnet.
352 ^^^ Zerstörang der Stadt Ger« im sächsischen Bruderkriege.
unnd das man unsers furnemens billiohkeit als kegen seinen
gnaden, so wir im mansohafth und ratishalben gewant sein,
nicht anders zu tun, wu wirs verstanden, zoimpt, dester
grunüioher verstehen mag, setzen wir von erst des Schadens
herkunft, als hemoch volget:
Sich hatt begebin, das der wolgeborne grave Heinrich
von Swarczpurgk herre zu Arnstet und Sundershusen des ob-
genanten unsers gnedigen hem herczogen feint wart, darumme
sein gnade mit hereskreften uff in czoch in das land zu Doringen
und saczte auch zu haubtmanne den wolgebornen herren
Heinrichen herren zu Gera seliger gedechtnisse unsera lieben
brader, der sust sein gehuldeter man, rat, diner und hofe-
gesinde, und als menlich verstund, im wol zu gefallen was,
zcoch und lag aislange uff dem obgenanten von Swarczpurg,
bisz das herzog Wilhelm seiner gnaden bruder auch sich be-
sampte und dem von Swarczpurg obgnant zu hülfe und rettung
unnserm heru herczogen Friderichen in sein forsten tumb
widerumb zcoch nemlich in das Osterland, herete und brante
umb Aldemburg und lagerte sich vor Gera, villeichte in mey-
nunge, sein bruder werde sich von des haubtmans wegen
dester ehr von graven Heinrichen wenden. Als karte sich
unser herre herczog der aide umme und treib sinen bruder
deszmals von Gera ab. ünder des was marograve Friderich
in der Margk uff unsern gnedigen herren herczogen Friderichen
in das herczogetumb zu Sachsen geczogen, als hadte unser
bruder etliche reisige, auch drabanten und wegene ausz dem
beer gnomen, mit den er in das herczogtum zu Sachsen sich
wider die Mergsohen wante, gab god den sig, das an einem
slaen der Merkischen der besten und treflichstenn vil der-
nyder gleget und über hundert gefangen worden, das desz-
mals das gnant herczogtum also entschüttet was, und mit dem
seibin frumen aller schade hernach ergangen wol wer erstatet
worden, und wie furder unser herr herczogk Wilhelm zcoch,
herete, zum andern mal Gera belagirte, wider abe zcoch, die
Böhmen mit irem beer und er zusamen stissen und aber
hereten, lassen wir itczund ungeschriben, denne unser her
DU Zerst5nuig der Stadt G«ra im sichsitehen Bnidtrkrieg«. 3g3
berosoge Wilhelm belagerte die ttat Gera mit den Behmen
zum drittenmal, und ye fnrder dann eine andere etat gemeinet
ward, Ton wegen der hanptmaneohaft, auch das unsers hem
hercaogen FrideriohB gnade eine offenonge seine kuohe da
zu haben begert und daruff die seinen, die Ton seiner gnade
wegen sieh zu Gera auss und in off herczogen Wilhelms
schaden beholffen, da ligen hadte, und unsser bruder also be»
legert tat vil botschaft an unsem herren herczogen Frideri^en,
der in aber allemal wol tröste und empot, er solde Teste
halden. Sein gnad hiss auch grayen Ernsten tou |{ Gleichen,
der doch seiner gnaden hofemeister ist, und andere mer un-
serm bruder zu volgen, dahin oder wuhin er begerte zu reiten
und komen, als ward Gera die stat genotiget, gewunnen, us-
gebrant, yil erslagen^), und unser bruder alsz ein haubtman
mit dem von Orlamunde, dem borograven und fast guten leuten
gefangen, alsbalde zcwisschen den fursten gefridet und eins
tags in dem seibin fride zu Bamberg zu warten uff redeliche
behorunge gemacht, alle gefangen darauff getaget, usgeslossen
unser bruder, der von Orlamunde und der borcgraye, worden
kegen Behmen gefnrt, darnach der tag zu Bamberg und die
yerhorunge abgetilget, und das gar gericht, alle gefangen, die
aosz der Marg und andere, die darunder gefangen waren, losz
gegebin, aber unser bruder, der Ton Orlamunde, der borcgraye
unde alle mit in zu Gera gefangen bliben zu Behmen be-
sitczen und alslange swerlich und gef englich gehalden, bisz
leider unser bruder und ir yil storbin und die andern her-
nach geschaczt worden und etliche noch gefangen seyn, das
zcelen wir unserm hem herczogen und den einen nicht zu
unglympfe zu, dann in unsem syn wil nicht, das sulch fride
und richtigunge, darinne unser bmder und die andern gefjEtngen
haften bliben und geschaczt sein, in keiner andern meynunge
gesehen sei, danne das man solchen lobelichen fride zcwisschen
den fursten damit nicht habe wollen abslaen und dennoch unsem
bruder und die andern gar trostlich losen und ires gefengnisses
a) Am Rande von anderer Hand: leribatnr ultra.
354 I^i® Zerstörung der Stadt Gera im e&ohsischen Bruderkriege.
wol ergetosen wolle, das sie sich des fridei und der richtigong^
auch als billich wer, gefrauwea muchten, darumb auch oneer
bruder uoBerm gnedigen hern, auch landen unde leuten zu eren
nicht swermütig darinnen und deshalben auch nicht angelympf
darinne, sundern eine gute meynunge gewest ist, und hedten
wol gemeynet, unser gnediger herre werde nicht aufgeozogen
haben, dem so tun werde, und were ir vil mer gewest, alle
geloset, und solde er sich darumb etwaz grosses derwegen
haben, und meinen das noch, als er danne [an] manchen
enden lauten lisz und uns selbis zusagte, als er uns gegen
Breslaw schickete, er wolde unsern bruder, der die zceyt noch
lebte, wol losz machen oder wider leib noch gud behaiden, zn
Brüx darumb tage gehalden, geteidinget und uff eine schatczung^
damit die gefangen losz solden werden, dabei es aber nicht
bleib, gegriffen had, auch eine steur angeslagen und aufsaczte
zu nemen von der lantschaft, die da hoch zu herczen nummen
und betrachten, das man sulche frume leute, die so erberiich
in getruwen dienste demyder gelegen waren, gancz losen
und ire scheden beczalen solde, und dester über das willigeten^
wie wol sie kaum yor einem iare vor auch steur gegebin
hadten^). Wir gaben auch Seiferten yon Salder und Er-
harten vom Ecker, da unser bruder gereit tod was und die
andern gesohaczt waren, dorch geheisz unsere gnedigen hem
herczogen Friderichs losz, die doch nymants anders gefangen
warn noch globit * hadten, danne unserm bruder und einen
erben, und von etlichen gesellen, die uff ihre eigene ebentur
ebenteurten, gefangen und so, wanne sie der sust nymande
8 gönnen noch zufügen wolden, an unsern {| bruder bracht wor-
den, die er danne mit gunst unsere gnedigen herren vor sich
in sunderheit behilt, waren reicher gefangen zwene, und
weren ir yil und noch reicher gewest, hedten wirs doch ge-
tan, und wir hadten aisgar nicht zcweiyels, das ymant so
grob sein und als einen solchen fromen fürsten anders, danne
das er die gefangen, so demyder gelegen und in richtigung
a) Am Rande von anderer Hand: usqne hne.
Die ZerstdraDg der Stadt Qera im sächsischen Braderkriege. 355^
behaft und gesohaost, genozlich losz und sehadelosz maoben
solde, raten oder gewenen worde. Nu finden wir wol, das
manoherley leute uff ertreioh sein, das einsteils solchs, wie
bösen grund das hatt, dennoch raten und gewenen torren,
doch daran sein gnade, als wir die wissen, nicht keren wirdet,
und man lest lauten, unser gnediger her sei der soheden zu
Gera empfangen unserm unmündigen yedtem nicht pflichtig,
als wir hernachmals stuokeweise darnach unsere widderrede
und mehr, daruffe wir gründen, setzen.
Item sie lassen lauten, unser herre habe unserm bruder
geweret zu reyten kegen Gera, ez sie nicht zu behalden ge-
west, hedte in über bey im behalden und gewost, darüber
sei er dahin geryten, und was im Schadens darnnder ent-
standen sei, gehe unsern herm nichts an zu entgelden.
Item es sei übel bestalt und yerhomut worden, des^
halben in die scheden auch nicht angehen solle.
Item es habe auch unser herre herczog Wilhelm selbe
schulde SU unserm brudere gehabt und darumb auch unser
bruder herczogen Wilhelms feint worden sei, deshalben aber
unser herre die scheden obgedacht zu keren nicht pfliohtig sei.
Item darumb, das die stat nicht unsers hern herczogen,
Bundem nnsers bruders selbst gewest ist, ab nu unser herr
als ein fnrste zu unserm bruder als dem sinen die seinen
kegen Gera das zu behalden gleget hedte, und da der schade
ergangen sei, so sei es gnug, das er den sinen, die er da
gehabt habe, usrichtung thu und sei nicht pflichtig umb
uDsers bruders und seiner manne scheden, die ime seine stat
'haben wollen helffen behalden, und ab er wol sein haubtman
gewest ist, so sei er dasmal in seiner eigen stad gewest die
zu behalten.
Baruff ist unser widderrede und auf den ersten artikel,
das unser herre unsern bruder nicht gern gesehen habe kegen
Gera zu reiten etc., und wir sprechen, unser bruder seliges
gedechtnusse ist unsers gnedigen hern herczogen haubtman
und darumb ime verbunden gewest, das er, so sein gnade
das ernstlich hedte wollen von ime haben, bei im müssen
356 ^^® ZerstÖniDg der Stodt Qera im sächsischen Braderkriege.
bleiben, darauBZ und auch das unser herre ye unsern bruder
getrost, andere die seinen su im kegen Oera ges^icket und
grayen Ernst seinen hofemeisteri wie obin berurt, unserm
-4 brudere zu Tolgen etc. geheissen hatt \\ wol zu meroken, das
er wider sinen willen dahin nicht geryten ist» und getrauwen
lose rede, ab ez yderman gern oder ungern gesehen hedte,
solle unserm unmündigen vettern nicht zu schaden komen.
Uff den artikely das es yerhomutet sey etc., sprechen
wir: Wir hören zumal ungern, das man in nu ein solchs
nachsaget, in meynunge billiohen glassen werde, wanne doch
unser herre herczoge umb der rede willen der scheden nicht
emprochin gesein mag, sundem wanne ein haubtman das
beste, als er verstehet, getreulichen tutt, als er danne ane
zoweifel getan hatt, so lesset man in unbillich entgelden, ab
er anders, danne er gern sehe, geret^t.
üff den artikel, unser bruder habe selbs fehde gehabt etc.,
meinen wir mit unsere hern herczogen Wilhelm verdagungen
die zceyt gebort, darinne er schreib, er wer graven Heinrichen
von Swarozpurg etc. zu redtunge wider uff den iungen von
Gera geczogen, und auch mit der haubtmanschaft und allem
liandel obin gemeldet verleget haben.
Uff den artikel, er sei in sein selbis stat demyder glegen
etc., sprechen wir, das unserm bruder habe gefuget nicht
anders danne alsze einem haubtmann zu Oera, wie wol es
sein stat, und doch damit unserm hern herczogen gewertig
gewest ist ader andern enden, daweil die haubtmanschaft nicht
abgewest ist, legen und tun, damit und das unser herre her-
czoge Friderich seine kuche zu Oera gehabt hatt, und anoli'
mit einem brife, den wir von der herschaft haben, und die
artikel, die das uszdmoken, hernach gesaczt, solle die
wehr^), als wir meynen, gebrochen sein.
Des brifs obgemelt erster artikel ^):
Auch ist beteidinget, das Oera das slosz und alle andere
Ire slosz, die sie von uns zu lehne haben, unsere und unserer
1) = Gewahr.
2) Vergl. mein ürkdb. der Vögte etc. II, Nr. 221 u. 222.
Di« ZerftSmog der SUdt Gera im tächsisehcn Bruderkrieg«. 357
«rbin uffene sIobz sein Bollen zu allen unsern noten und
krigen allermenigliohem nymandes ausgnomen, wie dicke wir
und unser erbin ymmer des bedorffen, also ab wir die unsem
in ire slosz legten zu unsem krigen, das solden wir tun uff
unser eigene koste und mit den solden wir bestellen, das sie
«6 Tor schaden bewarten, so sie beste mochten, ane geyerde.
Der andere artikel:
{ Mehr ist gerett, ab die obgnanten von Gera oder ire 5
«rbin eniche festen yerluren von unser krige wegen, so
solden wir und unser erbin uns nummer gesunen noch ge-
franden mit den, die uns und in den schaden zugeczogen
hedten, den egnanten von Gera und iren erbin were vor ir
slosz wider worden ader mit in gemacht, das in billichen
daran gnuget
Der dritte artikel:
Wer auch, das wir oder unsere erbin der egnanten tou
Oera, irer erbin oder irer manne bedorften mit uns oder mit
unsem hanbtleuten, zu den wir sie schicketen zu felde zu
seien, den solden wir yor schaden stehen als andern unsern
hern und mannen.
Der yirde artikel:
Wer auch, das wir oder unsere erbin die unsern legeten
uff der egnanten tou Gera ader uff irer erbin slosz, da sie,
ire erbin ader manne seibist uffe weren, nemen sie schaden,
den sollen wir und unsere erbin in oder iren erbin legen,
als mugelichen were.
Es hat auch unser gnediger herre herczog Friderich
seiner lantschaft einen brif gebin sie bei alden freiheiten und
Privilegien zu bleiben lassen, darumb diser gemeldeter brif
dester billicher bei kreften bleibet.
Zu Steuer unsers billichen fumemens setczen wir mer
gründe, worumme unser gnediger herre die kost, scheden und
Terierbnisse zu Gera entstanden richten und erstaten sol, und
das darozu nicht wegerunge gehöre oder eniche were, tuge
noch bestehen muge, so usz der handelunge obin gemeldet
^di auch finde und hernach stuckweise geschriben stehen.
358 ^^^ Zerstörang der Stadt Gera im sftchsiscben Bruderkriege.
Item zum ersten darumb: Es sol der man dem herren
dinen und der herre dem manne vor schaden stehen durch
recht, als had unserm gnedigen hern herczogen Friderichen:
unser bruder seliger gedechtnisse in allen sinen krigen und
sust getreuliohen gedinet nicht alleine als sein man, hofe-
gesinde und ratt, sundern auch in disem obgedachten krige
als sein haubtman, darumb sal euch sein gnade nicht alleine
schaczgelt, pferde und hamasch als einem andern gemeyneik
manne, soldener oder mitreiter, sundern das und auch sust alle
andern scheden unde yerterbnisse vor schaden stehen, das^
keren und richten pflichtig sein, als er sich danne verlassen
hat und im zugesaget ist.
{; Item darumb, das auch der frume wol vorhanden gewest
ist nemlich an den Mergschen in seiner haubtmanschaft im
herczogetumb zu Sachsen gefangen, wie obin berurt, danne
ab ez ein gemeyn gesellen krig und reiten gewest wer und
nymant dem andern für schaden gestanden hette, dennoch
solde man den schaden mit dem frumen gericht haben. Alsz
man danne damit der helfte des frumens die scheden all&
gnuglichen gerichtet hedte.
Item darumb das unser herre herczog Friderich seine
kuche zu Gera gehabt had, und da dannen auch seine hofe-
leute unserm hern herczogen Wilhelmen faste schaden gefuget
und sich des beholfen haben, des und der haubtmanschaft
halben unser bruder und die stat dester mehr gegremet, ge-
meynet, herter angegriffen, zum hertesten ime und den seinen
geraten ist, ye sein forstlich gnade ein solchs auch uff das
höchste billich bedechte und auch gehalden werde nach laute
des brifes vorgemeldet, der umme die kuche uszdrucket.
Item darumb, das sein gnade unsern bruder also belegert
vil getröstet hatt und lassen trösten, hülfe und rettunge za
sagen, und ab das ime und den seinen zum ergesten geratea
ist, so mag doch sein gnade seinem nachgelassen sune in den
und andern sachen wol trost und hülfe erscheinen lassen.
Item darumb weren von unsere gnedigen hern feinden-
gebaur oder sust gemeyne leute über irer erbeit oder anderer^
Die Zerstörung der Stadt Gera im sächsischen Bruderkriege. 359
irer selbiet handelungen gefangen und worden die selbigen in
richtigung des kriga aasen glaeaen und von den yeinden ge-
«chaczt, 80 aolde dennoch die aelbin also geschaczten, wie wol
sie nicht an unaers gnedigen hern dinste gewest, da sie be-
treten weren, dennoch losz und unaohadehaft gemacht werden,
Bolde anders die richtigung ein tugeu haben, nochmehr unser
bruder seliger gedechtnisse nu der seiner gnaden getruwe
haubtman gewest, das im leider alczu swer worden, nyder
gelegen, yerterbit und gestorbin ist, die andern in richtigung
swerlich gesessen und geschaozet sein, solde reichlichen er-
stattet werden, und darczu ye nicht widderrede gehören.
Item darumb, das wir einen briff wie obingedacht Ton
seiner gnade eldem seliger gedechtnisse vor ire erbin sich
kegen uns und unsern erbin verschriben darüber haben.
]| TJnnser bruder hat auch mit graven Hansen von Hon- 7^)
stein, ern Hansen von Blanckenberg ridtem und Veiten von
Obirnicz, die an seiner band von etlichen gesellen in sunder-
heit gefangen worden, die er mit gunst unnd willen unsers
gnedigen hern vor sich hadte, grayen Ludewigen von Glichen,
-der unserm hern herozogen Friderichen abgefangen was, losz
gemacht unnd der yil mynner und die helfte nicht alsvil
hadte kegen dem und umb alle gefangen, die unser bruder
seliger gedechtnisse yor sich seibist mit unsers gnedigen hern
gunst gehabt hedt und doch hynnach in seiner gnaden frumen
gewant und losz gelassen weren, alsz wir meinen, unsir alder
hör herczog unserm unmündigen yedtern eine sundere wider-
statunge tun solle.
11 Item darumb das grayen Ernsten um seine yerterbnisz 8^)
nsrichtung gesehen ist, noch mer aolde unserm bruder, der
ein haubtman gewest ist, nsrichtung umb seine soheden und
yerterbnisse geschehen.
Item darumb, daz man etliche usz der Marg gefangen
unsern yedtern Beussen oder yon Weida yerheissen hadten
a) Einschiebung bis: Wir getrauwen. — b) Hier greift die Ein-
«cbiebung auf S. 8 der Handschrift über.
360 ^'^ Zent5nuig der Stadt Gera im sXchsSsehen Bruderkriege.
an ihre hant zu komen lassen, un8eT[m] bruder and sinen
mannen zu gute, damit dester furderlicher losz zu werden.
II Wir geirauwen, sintmals unser bruder des kriges unser»
gnedigen hern herczogen Frideriohs keyn orsache noch uff-
setzczer, sunder alleyne houbtman gewesin ist und zu Gtera,
da sein gnade kuohe zu haben begert und die sinen da ligen
gehabt hatt, mit vil seiner gnaden mannen und dinem yer»
legen gewest, und also von den yeinden die stat Oera ge-
wonnen ist, er mitsampt andern darinnen nydergelegen eins-
teils erslagen, die andern in befridung und riehtigung in ge^
fengnisse gestorbin und geschaczt worden sein, als wissentlich
ist, und beweisen mugen, so sol unser herre herczog Friderioh
die kost und scheden, die unser bruder seliges gedechtnisses^
und alle seine man und diner in sulohem krige und einem
iclichen, der kegen Oera komen wem, yon in seibist
ader yerboth den zu Gera zu helfPen, gnomen und empfangen
hedten, ganz richten und das nach laute des brifes, der
darumb sagt, halden, [aucjh*^) die scheden, yerterbnisse und
ergerunge, die unser bruder an der st[adt Gera] ') unnd seiner
kegenheit gnomen hatt, legen und erstatin, [darum dasjz*)
er haubtman gewest ist.
Und wir gnante Heinrich yon Gera herre zu Lobinstein
bitten euch ersamen herren scheppin der alden stad Magde-^
bürg hir uff zcu sprechenn, was recht ist.
Hdschr. im Fürsa Hansarehiy Schleis 8 I BL 4^7. Aufsclir.
ans llfitte des 16. Jahrh. ron des buggrftfliohen Kanzlers Johann
Stenglin Hand: Ain belemong an die hemn scheppen sn Magdaburg
des gemeinen schaden halben in eroberong der stadt Gera im 1450
[iare], darinnen ain her von Gera hertzog Friderichen zu Sachssen
churfarsten etc. oberster feldthanptman gefangen gegen Behaim gefordt
und in^der gefengnuss gestorben, gesteldt
a) Loch in Handsdirift.
Die Zerstarung der Stadt Gera im glehiischen Bruderkriege. Sgl
Miszellen.
XVTI.
24
Schütsenmeister und GesohütsgieCier der Wettiner im
14. Jahrhundert.
Mitgeteilt too StMtMreblTar Dr. Wo Id. Lippe rt
In den y^Historieohen ünterBuchungeo, Ernst Företemann
zum 50-jährigen Doktoijubiläum gewidmet^' (^^ipzig, Teabner,
1894) habe ich in einem Aufsätze y,Über das Geechützwesen
der Wettiner im 14. Jahrhundert'' eine kurze Skizse sowohl
über die Yerhältniise der alten Waffengattung der Ballisten,
wie über die Einführung der Feuerwaffen in das Geschütz-
wesen der Wettiner (seit 1871) gegeben und eine Anzahl
Urkunden beigefügt, landesherrliche Bestallungen für Schützen-
meister und für Büchsenmeister aus den Jahren 1358 — 1405
und die älteste mir bekannt gewordene Geschützgiefserbestallung
aus dem Jahre 1449. Durch Mitteilung dieser Urkunden soll
keineswegs das einschlägige Material erschöpft sein, denn eine
specielle Durchforschung nicht blofs des Dresdner, sondern
auch der thüringischen Archive wird gewifs noch zahlreiche
Nachträge liefern ^), die sachlich nichts wesentliches Neues
1) Von den ft. ft. O. S. 85 and 91 gedruckten Bestallungen für den
Tbamtbrtteker Sehfltsen- nnd den Dresdner Bfichsenmeister, beide yom
13. Joni 1S71» finden sieh Eintr&ge auch im Copiel 80 fol. 29 b, von
denen der erstere gani gleiehlaotend ist mit Cop. 26 fol. 91b, der
sweite nnr wenig abweicht: ,Jtem domini contuleront Johann! Scbnstel
(so laatet hier die Form) ianiori qnatnor sezagenas et II maldra fmmenti
de precaria in Dresden saper festo Walpnrgis et Michaelis singulis annis
ad eae rite tempora capiendas, donec domini dozerint revocandum. Datam
anno LXXI* feria sezU ante Viti.<*
24*
366 Mi«ieUen.
liefern werden, denn die Gehalts- und Lieferungsverhaltnisse
sind, von Abweichungen in den Zahlen abgesehen, in dem
behandelten Zeitraum immer die gleichen. Eine Ergänsang
aber hat sich inzwischen gefunden, die sachlich nicht un-
wesentlich ist: eine Geschütsgiefserbestallung
bereits aus dem Jahre 188 8. ,8ie zeigt uns also, daTs
schon bald nach Einführung der neuen Waffe die Wettiner
auch betreffs der Herstellung yon Feuergeschützen sich auf
eigene Fülse stellten, um in gefährlichen Zeitläufen nicht von
auswärtigen Geschäftsbeziehungen abhängig zu sein, und zwar
ist es Landgraf Balthasar yon Thüringen, auf den schon
a. a. 0. 8. 89 als besonderen Freund der neuen Kampfmittel
hingewiesen ist, der sich einen eigenen Büchsengiefser zu
Gotha hält. Die Urkunde ist in mehrfacher Hinsicht in-
teressant, denn sie giebt uns auch einen Fingerzeig fCLr die
Art der Geschützbereitung, indem eine Eupferlieferung an-
geordnet wird, und femer gewährt sie zugleich ein Zeugnis
für die Ausbeutung der Kupferminen zu Sangerhausen.
Da die früheren Urkunden und Regesten gröCstenteils
sich auf Thüringen bezogen (yon 15 Stück betreffen 9
Thüringen, und zwar Weimar, Jena, Koburg, Gotha, Alten-
burg, Salza, Thamsbrück), möge die Yeröffentlichung der
obenerwähnten Giefserurkunde yon 1888 in dieser Zeitschrift
erfolgen und dabei zugleich noch ein paar andere Ergänzungen
mit beigegeben sein.
Für Markgraf Friedrich den Ernsten sind a. a. 0. S. 81
als Zeugnisse für die Yerwendung yon Schützen im Felde die
Stellen des Chronicon Sampetrinum über die Belagerungen
yon Nebra 1841 und Salza 1846 angeführt Doch gerade
für ihn haben wir eine wichtige, noch etwas ältere Beleg-
stelle in der interessanten Ordnung des thüringischen Land-
friedens, die Friedrich am 30. Noyember 1888 erliefst).
1) Betreflfii des NSh«ren begnüge ich mich mit dem Hinweis anf
J. Schwalm, Die Landfrieden in Deutschland unter Ladwig dem Baiera
(GSttingen 1889), S. 94 f., 184 f., der auch die Überlieferung und Drucke
dieser Urkunde eingehend behandelt.
Miszellen. QßJ
Hierin sind die Kontingente der einzelnen Mitglieder der
Landfriedensyereinigung genau angegeben: Friedrich stellt
50 Beiter, 10 Sohütsen mit Buokarmbrüsten ^), 1 Blide und
1 £benhöhe (fumfczig man uffe rossin und aen sohutzin mit
rackearm bürsten unde eine bilden und eyne ebinhoe), die
anderen Grafen, Herren, Mannen uud Städte stellen eine
ihren Macht- und Yermögensyerhältnissen entsprechende
Zahl Ton Beitern und Schützen. Dabei ist beachtenswert,
dafs bei ersteren das Zahlenyerhältnis der Beiter zu den
Schützen ein anderes ist, als bei den Städten ; denn der Land-
graf stellt auf 50 Beiter nur 10 Schützen, die Orafen Fried-
rieh und Hermann yon Orlamünde auf 15 Beiter 5 Schützen,
Graf Heinrich yon Orlamünde und andere Orafen auf 10 1 )
Beiter je 3 Schützen, jeder Dienstmann für je 100 Mark
Jahreseinkommen d Beiter und 2 Schützen, für Einkommen
yon 40—100 Mark 1 Beiter und 1 Schützen, unter 40 Mark
blo(s 1 Beiter, yon den Städten hingegen stellt Erfurt auf
nur 25 Beiter 10 Schützen nebst 1 Bude und 1 Ebenhöhe,
Mühlhausen sogar auf 10 Beiter 5 Schützen noch dazu mit
10 Backarmbrüsten, nebst 1 Blide. Beim Aufgebot des
Landesherrn und des hohen Adels überwiegt also die berittene
Mannschaft ganz bedeutend, während bei den Städten — ent-
sprechend ihren Militäryerhältnissen, die weniger auf Feld-
dienst als anf Festungskrieg, besonders auf die Verteidigung
ihrer Mauern, berechnet waren — den Schützen mehr ihre
gebührende Stellung zu teil wird.
In noch frühere Zeit, aber gleichfalls unter Friedrich
den Ernsten, führt uns eine Urkunde Herzog Budolfs L yon
1) Über dia Namen und tecbniscben Unterschiede der Armbröste
sind in meinem Aufsatse S. 88 die nötigen Hinweise gegeben. Die Bliden
sind die sebweren, grofsen Warfmasebinen, die besonders zum Bresche»
legen, sam Einschieisen der Tiirme and Ähnlichem dienten. Die Eben-
bdben sind Belagerangsmaschinen, bewegbare Tflrme oder Oertiste, die,
wie ihr Name sagt, der Höhe der feindlichen Maaern gleich oder nahe
kamen, am beim Sturm Verwendung su finden oder das Bestreichen der
Maaern und Plattformen durch Geschosse tu erleichtem; s. A. Schultz,
Das höfische Leben zur Zeit der Minnesinger II, S. 358.
368 Misiellen.
Sachsen und der Fürsten Bernhard und Albrecht von Anhalt
vom 14. Mai 1327, worin sie dem ICarkgrafen ihren Bei-
tritt zum Landfrieden erklären ; denn hierin werden das
sächsische und das anhaltische Kontingent auf je 20 Bewaff-
nete mit 6 Buckarmbrüsten und 1 Blide festgesetzt. Die
Mannsohaftszahl Friedrichs selbst ist zwar nicht mit erwähnt,
doch läfst sich nach jenen Ansätzen annehmen, dafs auch auf
ihn eine Anzahl Ruckarmbrüste und Bliden gekommen sind ').
Kriegsschadenvergütung an SchüUfen 1362.
Nota Stipendium in litigio erga dominum de ICansrelt
quartale unius anni.
Primo societas de Holbach Heinricus, Hartmannus Out-
heyl et £rhardus, Theoderious de Eichelborn, Theodericus de
Orevendorf, Heinrious Zcaozemey, Heinricus de Wiczleiben,
Heiden rieh de TJlstete et Johannes Talheim serviverunt sine
Btipendio cumvl sagittariis
Item sagittarius Bachfleisoh unum equum amiait ^) esti-
matum VI sexagenarum precisorum (seil, grossorum).
Item Pruthenus sagittarius amisit unum equum VI sexa-
genarum precisorum.
Haoptstaatsarohiy Dresden Copial 5 foL 71. Über diese Erieg»-
kostenrechnungen vergl. Lippert» Wettioer und Witteisbacher und die
Niederlaoiitff im 14. Jahrhundert (Dresden, Bftnsch, 1894), S. 123 t
Anm. 94. Abgesehen von ihrem kriegsgeschichtilchen Werte sind sie
auch yerfassuDgsgeBchichtlich interessant, denn sie sind ein Zeichen
des beginnenden Einflusses der Stfinde auf die landesherrliche Finani-
rerwaltang. FtSr die Kriegskosten gegen den Mansfelder war «ine
besondere Bede erhoben worden, wobei ausdrflcklich festgesetzt wurde.
1) S. Schwalm, Landfrieden, 8. 116 f.; von Heinemann, Cod. dipl.
Anhaltina« III (Dessau 1877) 8. 868 Mr. ÖS6.
2) AU Erginsnng sn den a. a. O. gegebenen Bemerkungen Ober
pertönliebe nnd DienstverbiltnitM der Schütten lernen wir hieraus kennen,
dafji sie dem Fürsten beritten ins Feld folgten, ob simtlioh, ist frag-
lich, wahrscheinlich aber die festangestellten, landesherrlichen 8chlltien-
meister, da sie ja noch Gehilfen anter sich hatten and eine geachtete
Stellung einnahmen.
MisseUen. 369
dafs sie onter Kontrolle einer bettunmten Kommiesion, ohne izgeMd
welche Euunischang Friedzichf, tmd nur tu. dem gedachten Zwecke
Yerwendiing finden dflrfe.
7. September 1888. Bestallung für den Schütgenmeisier
zu Voigtsberg,
Item dominus ooniolit eagittario in Voiciperg Y sexa-
genas tollendas de abbatia in Qronenhajn anoatim, dum est
in seryioio domini, ita tarnen quod idem sagittarint domino
dare debet YII balistas. Datum in yigilia nativitatb Marie
yirginis anno LXXXIII^.
HauptstaatsarehiT Dresden Oopial 80 foL 97 mit der AiÜMhxift
«Sagittarii in Yoiesperg*'. Hinter „annatim'' ein Wort »itim'' mit
er-Kflrzong.
Gotha 16. Mai 1888. Ermächtigung des landgräflichen
Büchsengie/sers Martin zu Gotha zum Bezug ' von
Kupfer aus den Gruben zu Sangerhausen.,
Wir Balthasar etc. bekennen etc., das wir Mertine bnch-
singisser ozu Gotha gesessin unserm dinere solohe gunst und
gnade getan habin, also das wir ym gegeben und gelihin
habin, geben und lihin geinwertiglich in oraft diB brifes drie
ozentener kopfers uz unserm czehenden nnsers kopfirwergkes
czu Sangerhusin ufczuheben und inczunemen alle jar je uf
sante Miohaelis tag, die wiele er bie uns in nnser stete eine
wanet und unser diner ist und wir auch des nicht wider-
sprechen und auch ym bequem . . und heissin auch unsern
innemer und Vorsteher desselbin unsere ozenden, der uns
iozund ist adir in czukunftigen czieden sin wurde, das er ym
die alle jare in allir massey als oben geschriben stet» reiche
und gebe yon dem egnanten unserm czehenden ane allin
Torezog und ane Widerrede; und haben des czu Urkunde etc.
Datum Gotha anno domini MCCGLXXXYIII feria sexta ante
festum Penthecostes.
HaaptstaatsarchiT Dresden, Copial 2 foL 84, mit der Aufschrift
»litera Mertin buchsinmeisters aber drie lentener kuppfers ime gegeben**.
370 MigseUen.
W«imar 6. Juni 1888. Belehnung des Schütjsenmeisters
Hans zu Weimar mit dem Hofe rechts vorm Schlosse
0u Weimar,
Wir Balthasar eto. bekennen und than kont offintlichin
mit diesim brife, alz er Friderich von Polenozik rittir den
hoff aUimeste yor unserm sloBze Wymar uf die rechten hant,
alz man von demselben unserm slosze gehit, gelegin, yon uns
czu rechtem lehen gehabt hat und den yorkauft Hanse unserm
sohuczemeister daselbiz czu Wymar, Jutten siner elichin
wirtynne, und uns den uffgelaszin, als gewonlich ist, alzo
haben wir durch sunderlicher gnade und gunst willen den
yorgeoanten hoff dem egenanten Hanse unserm schuczemeistere,
Jutten siner elichen wirtynne und iren erben yorerbit und
czu rechtem erbe gelegin und lihen mit diesim selben brife
alzo, daz sie dayone uns und unsern erben alle jar jerlichen
uff sente ICichels tag ein hüLn czu rechtem erbeozinse uff daz
obgenante unser sloz Wymar antworten und geben sullen.
Dez czu Urkunde [etc.]. Datum Wymar anno domini
M<^GGG<^LXXXyiII feria sezta die Bonifacii.
Hanptstaatsarcbir Dresden, Copial 29 foL 196 b.
2.
Bet Stars des Markgrafen Foppo ron der Sorbenmark.
Von Dr. O. Dobenecker.
Im Jahre 892 wurde Poppe, der Vorsteher der sorbischen
Mark, seines Amtes entsetzt ^). Er hatte als würdiger Nach-
folger des tapferen Thakulf mit kräftiger Faust die Thüringer
und die zu diesen stehenden Slayen an der Saale 880 gegen
einfallende Daleminzier, Gzechen, Sorben u. a. geschützt '}.
1) Begino in MG. S8. 1, 605 : Boppo duz Tharingonim digniutibus ez-
spoliatar et ducatoB quem tenuerat, Chnonrado commendator. Ann. Fald.
in 88. I, 408: Poppo dox Thoringonim honoribiu priTAtoi est.
S) Ana. Fald. in 88. I, 898.
MUieUeB. 371
Als SproTBÜDg des yornehmsten Geschlechtes in Ostfranken
und als Brader des ausgeseichneteo Verteidigers des Reiches
Karls des Dicken gegen die Normannen hat er auch am Hofe
der Könige eine einfluXsreiohe Stellung eingenommen und auf
die Eegierung des Reiches eingewirkt ^). Um so auffälliger
muis sein Sturz erscheinen. Da die Chronisten nur das
Faktum berichtet haben, so war der Spekulation der Forscher
nach allen Seiten Baum gelassen worden. Die yerbreitetste
Ansicht war bisher, dafs der Tod Arns, Bischofs von Wüxz-
burg, in ursächlichem Zusammenhang mit Poppos Absetzung
stehe. Gleichzeitig mit dem Zuge des K. Arnulf gegen
Mähren (Sommer 892) unternahm Arn auf Bat Poppos einen
Kriegszug gegen die Slaven, nach Thietmar im besonderen
gegen die Czechen. Auf dem Bückmarsoh wurde er an der
Chemnitz im Gau Chutizi am 13. Juli 892 von den Slayen
überfallen und erschlagen ').
Trotzdem Begino Arns Untergang und Poppos Sturz
yoUkommen auseinanderhält, lag es sehr nahe, anzunehmen,
dafs Poppe abgesetzt worden sei^ weil Arn auf seinen Bat
den yerhftngnisyollen Zug angetreten und yon ihm nicht ge-
nügend unterstützt worden sei ^). Sohafarik (Slay. Altert II,
525) hat einen anderen Grund mehr geahnt als nachgewiesen.
Er meint, seine Absetzung sei eine Folge der Bedrückung der
Glomatscher und Chutizer und der daraus sich ergebenden
Unruhe derselben gewesen. Die Ann. Fuld. ad a. 897, auf
die sich Schafarik beruft, beweisen freilich nichts. Durch
1) SS. I, 601 ; 8. a. Dronke, Cod. d. Fnld. uo. 633 ; Eckhart,
Franc, or. II, 896 uo. 22.
2) BegiDO in 88. I, 606; Thietmar in SS. III, 786; Mlracola s.
Wigberü in SS. IV, 225. Ober den Tag g. Eckhart, Franc, or. II, 730
und Ann. necroi. Fnid. in 88. XIII, 187.
8) So schon Leibnis, Ann. imp. II, 185 und Eckhart, Franc, or. II,
780; DBrnmler, Ost/r. B. II, 356; Richter, Ann. II, 509 (wo aber auch
aof den Gegensatz zwischen Babenberger and Konradiner hingewiesen
wird) ; Knochenhaner, Gesch. Thür. 41 ; Schultes, Dipl. Gesch. d. grifl.
Hauses Henneberg I, 14.
372 MisMllen.
einen gltickliohen Fund, der jüngst gemacht worden ist,
kommt indessen m. £. einigermafsen Klarheit in diese Frage.
Ton Oefele fand im ReichsarchiT zu München einen
Fascikel (Literalien des Eochstifts Eichstätt Nr. 8), der unter
den Abschriften Eichstftdter Urkunden zwei Kopien einer
Urkunde des Kaisers Arnulf d. d. Begensburg 899 März 11
enthält. Arnulf restituiert darin seinem und seiner Yorgänger
im Keich getreuen und beharrlichen Diener Poppo die kon-
fiszierten Güter.
Da diese für die thüringische Geschichte wichtige Ur-
kunde in einer in Thüringen wenig yerbreiteten Publikations-
serie^) abgedruckt ist, so scheint es angemessen, hier auf sie
zu yerweisen, trotzdem sie später in den Monumenta Boica
nochmals gedruckt und auch in die Eegesta dipl. Thuringiae
im Auszug aufgenommen werden wird. Dir wesentlicher In-
halt ist folgender:
Kaiser Arnulf thut kund, dafs er seinem und seiner
Vorgänger im Beich getreuen und beharrlichen Diener Poppe
(Poppo fidelis nostri et assiduus seryitor tam nostri quam
dsTotae memoriae praedecessorum aostrorum) auf seine Bitte
die ihm Ton seinen Yorgängern iure hereditario yerliehenen
Höfe: Bahanvelde, [Poppen-L]auer (Jura) und Chiolresheinit
Bodach (Badaha), Königshofen, W e c h m a r (Yiugmara), S a a 1 -
feid, Apfelstedt (Affolesto) und alle übrigen, die er ihm
ungerechter Weise auf die aus einigen seiner Burgwarden
an ihn gerichtete Klage entzogen (et ceteris omnibus» quas
etiam suggestu quorundam municipiorum eins et iniuste ab-
stulimusX in Erinnerung aber an seine zahlreichen und treuen
Dienste und aus Beue über das, was er ihm angethan, zurück-
gegeben hat, durch kaiserliches Präcept zu vollem Eigen be-
stätigt, so da£9 er sie Teräufsem oder seinen Kachkommen
yererben kann.
Die Daten der nicht yollständig überlieferten Urkunde
1) 8itsaofl[tb«richte der philos.-philol. nnd hist KlASte der K. b.
Akademie der Wistensoh. su Manehen (1892) 127 f.
MiMtUen. 373
stimmen. Die Signnmseile ist allerdingt «nyollständig, die
Arenga and die Beoognition fehlen, angofttae naeh imperator
ist ausgefallen, einige Worte sind rertchriebeDy einige Aus-
drüoke nngewöhnlich« Alle diese Sonderheiten, die Anlafs
zu AnssteUnngen gehen, erklären sieh aas der mangelhaften
Überlieferang. Beide gefundene Kopien können nioht direkt
anf das Original aarftokgehen. Die Vorlage enthielt die
Dorsoalnotis : Eedditio praedii Popponis Amolfi data anno
Domini 899 eto. und das ArohiTalzeiehen X 4. An der
Echtheit ist nioht sa zweifeln.
Wie schon Ton Oefele bemerkt, können wir anter Poppe
nur den fHiheren ligr. des limes Sorabions Torstehen. Die
Angaben des Diktators über die Konfiskation der Güter
Poppos scheinen sich auf dasselbe Ereignis yom Jahre 892
xa beziehen, das oben erwähnt worden ist Die Konfiskation
erfolgte „etiam saggesta qnorandam manicipionun eius'^
Nimmt man manioipium in der Bedentang yon Bargward '),
so kann man Schaf^ks Ansicht mit bestimmten Einschränkungen
gelten lassen. Denkt man an die sorbischen Bewohner der
Bnrgwarde Poppos, die Klage erheben, so ist man berechtigt,
anzunehmen, dafs der Überfall, dem Am zum Opfer fiel,
eine Beaktion gegen Poppos hartes Begiment gewesen ist, so
dafs der Sturz dea Mgr. immerhin in einem Zusammenhang
mit Ams Tod gestanden haben kann, allerdings in einem
anderen, als man bisher angenommen hat. Arnulfs Worte
besagen aber mehr. Br gesteht ein, dafs sein Verfahren
gegen Poppe ungerecht^ gewesen sei; er empfindet Baue
darttber, er denkt hei der Bestitutio in integrum an sein
Seelenheil, ja er scheint sein Verfahren als Undank gegen
einen treuen Diener aufgefafst zu haben
Es scheint hiemach nioht zu gewagt, an einen Gewalt-
akt des Königs zu denken, für den der suggestus quorandam
municipiorum den Yorwand abgeben mufste. Vielleicht war
1) NA. f. I. d. 6. XVIU, 217; Wsiti, DVQ. VIII, 196; Schwan,
Aof. des St&dtowetens \n deo Elb- nnd Saale- Gegenden, 10 n. 48 Nr. 38;
Uhlirs, Geaeh. d. Ersb. Magdeburg, 128 f.
374 HiiseUen.
ihm Poppo zu mächtig geworden. VermehrteB körperliehes
Leiden lieTs den Kaiser 899 an sein Ende denken und be-
gangenes Unrecht gut machen. Die Markgrafschaft behielt
jedoch Burchard, Durch diese Urkunde erfahren wir femer,
dafs Foppo 899 noch lebte ^), und lernen die Güter kennen,
die er in Thüringen, wo bis jetzt solche nicht nachgewiesen
werden konnten *), besessen hat Sie sprechen jicht daf&r,
daiÜB er, wie angenommen worden ist, Ahnherr des weimarischen
Qrafenhauses gewesen sei.
Die Namen der Ortschaften sind anscheinend z. T. ver-
derbt. Die Höfe sind offenbar alle in Franken und Thüringen
£u suchen. Bahanyelde weifs ich nicht zu deuten; ich yer-
weise jedoch auf die yilla Eonefelt in pago Gozfelt in
Alwalachs Tradition <), auf die villa Eounyelt in pago
Weringowe in der Fälschung Stumpf 2926 und auf ,,Obim
Hanfeylt in dem Urbarium vom Jahre 1317 ^). Für Jura
dürfte Lura zu lesen und Foppen-Lauer LO. Münnerstadt zu
rerstehen sein. Chiolvesheim ist wahrscheinlich verderbt; ob
Oochsheim b. Schweinfurt? Bodach liegt im H. Coburg; es ist
wohl nicht Ober- oder Unter*Bodach o. Eronach zu verstehen.
Eönigshofen im Grabfeld wird später wiederholt als Eich-
städtisches Lehen genannt^). Dieser Umstand giebt auf die
Frage Antwort, warum die Urkunde unter Bichstädtisohe
Diplom ata gekommen ist Wechmar liegt im AG. Ohrdruf,
Apfelstedt im AG. Gotha. Saalfeld ist offenbar die jetzige
Stadt Saalfeld, nicht das Dorf gleichen Naniens im AG. Mühl-
hausen. Die res ceterae omnes, die Arnulf suggestu quorun-
dam municipiorum eins konfisziert hat, sind wahrscheinlich
im Sorbenlande zu suchen.
1) Sein Todesjahr unbekannt Schulte», Dipl. Gesch. d. grXfl. Haosei
Henneberg I, 16 lUst ihn nm das Jahr 895 sterben.
2) Knochenhaner I. c. S. 88 f.
8) Dronke, Cod. d. Fald. no. 88.
4) Scholtes 1. o. I, 228.
5) Schiiltes, Dipl. Gksch. des grftfl. Hauses Henneberg I, 88 no. 6
and I, 580.
Litteratar.
Bau- und Kunstdankmäler Thüringens. Im Auftrage
der Begierungen von Saehaeo-Weimar-Eitenacb, Sachaen-Mei-
niogen und Hildborghaosen , Baohseo - Altenburg» Saobseo-
Coburg und Gotba, Scbwarzburg-Eudolstadt, Eeuüs ältere Linie
und ReuXs jüngere Linie bearbeitet Yon Prof. Dr. P. Lebfeldt.
Jena, Verlag Ton Oustay Fischer.
Heft XVIIL Grofsherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenaoh,
Amtsgerichtsbesirk Weimar.
Der Torliegende stattliobe Band beschreibt auf 244 Seiten
Text mit 1 Übersichtskarte , 11 Liohtdruckbildem und 62
sonstigen bildlichen Darstellungen die Bau- und Kunstdenk-
mäler in 54 Ortschaften des Weimarischen Kreises, unter
denen die Haup^tadt des Grofsherzogtums mit ihren viel-
fachen Denkmälern wesentlich yoransteht, da sie die gröfsere
Hälfte des vorliegenden Bandes für sich allein beansprucht.
Aber auch sonst ist an einzelnen Orten mehr vorhanden, als
man erwarten durfte, und namentlich geben einige erhaltene
mittelalterliche Befestigungswerke sehr bemerkenswerte Auf-
schlüsse über die Ausführung dieser Bauten.
Im einzelnen ist zu erwähnen:
S. 222 (22). Ettersburg. Kirche. Die Holzdecke ist
nicht flach, sondern folgt der Neigung des ziemlich steilen
Satteldaches.
S. 226 (85). Ettersburg. Schlofs. Der alte Chorstuhl
in der Herrschafts-Empore ist wieder nach Thalbürgel zurück-
378 Litterator.
gebracht und daselbst im neuen Chor der ausgebauten Kloster-
kirche aufgestellt worden.
An dem Kirchturm 8u Ettersburg finden sich Steinmetz-
zeichen von der Form Y und f .
B. 246 (46). Orofscromsdorf. Das Schlofs ist nicht
Kammerguti sondern kronfiskalischer Besitz.
8. 264 (64). Kapellendori Schlofs. Das Zeichen =0
am südlichen Strebepfeiler der sog. Euine (yergL Lageplan
auf S. 262 des Heftes XVIII d. Denkmäler) wird nach den
neueren Untersuchungen, die der Grofsh. Bauinspektor Witt-
chen in Weimar angestellt hat, als sog. Yersatzmarke anzu-
sprechen sein. Es finden sich derartige Zeichen fast auf
jedem Stein der 8 Strebepfeiler, doch sind sie nur nach
längerem Regenwetter erkennbar, wenn die Feuchtigkeit die
Tertieften Stellen der Zeichen deutlicher hervortreten labt.
Die 8 Strebepfeiler sind bis zu etwa 6 m Höhe erhalten
und haben geneigte Vorderseiten von 1,50 m und 1,68 m
Breite. Diese Vorderseiten sind je aus 2 Werksteinen gebildet.
Es finden sich nun die Zeichen auf den beiden zusammen-
passenden Quadern derselben Schicht und zwar meistens auf
der schrägen Vorderseite, seltener auf den senkrechten Seiten-
flächen.
Am südlichen Pfeiler:
i> h ^ {o ^)
Am mittleren Pfeiler:
Am nördlichen Pfeiler:
^ y=i t>= (M ^ A ^)
Von den eingeklammerten Zeichen sind die Gegenzeiohen
auf den Nachbarsteinen wegen starker Verwitterung nicht
mehr zu erkennen. Nach ähnlichen Zeichen, die sich z. B. am
Magdeburger Dom vorfinden, wird man die Erbauung der in
Litterfttar. 379
Bede stehenden Pfeiler in die Mitte des 14. Jahrhunderts
setzen dürfen.
8. 270 (70). Liebstedt. Kirche. Die Glocken sind
nicht erwähnt
8.274(74). Liebstedt 8ohlofB. An den Fensterbrüstnngen
des obersten Geschosses am Thorhause sind Mafswerk-
fällungen erkennbar, die zum Teil durch das Yordaoh ver-
deckt werden. Da die Mauer des obersten Geschosses gegen
die untere Geschofsmauer um mehr als 1 m zurücktritt, so
ist anzunehmen, dals früher vor dem obersten Geschofs ein
Wallgang Torhanden war, der jetzt zum Schutz der Gebäude-
roauer mit einem Vordache belegt ist
S. 387 (137). Weimar. Stadtkirche. Bei den Vorarbeiten,
die für die dereinstige Aufstellung der im Chorfufsboden liegen-
den Grabtafeln inzwischen gemacht worden sind, ist eine südlich
des Altars liegende und teils yon ihm bedeckte Grabtafel auf-
gefunden worden, die derjenigen der Churfürstin Agnes
(S. 364) sehr ähnlich ist Die Umschrift konnte bisher nicht
gelesen werden, da die Platte ohne Vornahme gröfserer Arbeiten
nicht unter dem Altar entfernt werden kann.
Fast alle mit Holztäfelung überlegte Bronzeplatten im
Ohorraum der Stadtkirche haben eine gleichmäfsige dunkel-
grüne Patina angenommen.
8. 878(178). Weimar. Das rote Schlofs. Die Steinmetz-
zeichen 1 und 8 links sind gleich, nur ist die Stellung yer-
schieden. Nicht aufgeführt sind die Zeichen ^ y- (links) und
Jp- (rechts).
S. 398 (198). Der Lageplan des Kornhauses ist im Mafs-
stabe 1 : 500, nicht, wie angegeben, 1 : 2000 gezeichnet
NB. Die Zeichen "^ und * bei den Litteraturangaben etc.
bedürfen der Erläuterung.
Weimar, im Juni 1894. £. Er i es che.
XVn. 25
380 Litttratar.
2.
Beriohtigangen und Ergftnzongen 8U Apfelstedt:
Bau- und Eunstdenkmäler des Fürstentums Sohwarsburg-
Sondershausen. Zweites Heft: Oberherrschaft
Von Hermann Schmidtf Rektor in Arnstadt.
Diese Berichtigungen und Zusätze betreffen zunächst das
Amstädter Bathaus, wie es Apfelsted t im 2. Heft 8. 41 — 4ä
durch Wort und Bild cur Anschauung gebracht hat Es heilst
dort: f,Das Bathaus, an der Nordostecke des Marktplatzes
gelegen, wurde, nachdem das vorige im Jahre 1507 (soll
heifsen 1501) abgebrannt war, Ton 1588 — 1585 in nieder-
ländischem Geschmack und speziell nach dem Vor-
bilde des Brüsseler Eathauses neu aufgeführt, wohl
hauptsächlich darum, weil Graf Günther der Streitbare, welcher
sich damals in den Niederlanden aufhielt, von dort aus dies
gewünscht hatte/'
Aber dem Augenscheine nach ist das Amstädter Bathaus
nicht nach dem Muster des Brüsseler Bathauses gebaut Man
vergleiche nur ein Bild von diesem Stadthause, wie es sich
z. B. in Lübke, Denkmäler der Kunst, Stuttgart 1864, Tafel
XXVII, Nr. 6, findet, mit dem Amstädter Bathaus. Auch
nicht die geringste Ähnlichkeit! Nicht blofs der gewaltige
Turm in der Mitte des Brüsseler Stadthauses, sowie die
sechseckigen Türmchen der Ecken fehlen hier, sie sind in
Stil und Aussehen — deutscher Eenaissance-Stil — völlig
verschieden. Ebensowenig hat Graf Günther der Streitbare^
welcher sich damals in den Niederlanden aufhielt, von dort
aus gewünscht, dalB man das Amstädter Bathaus nach dem
Vorbild des Brüsseler aufführen solle. Dieser Wunsch gründet
sich einzig auf eine verfälschte Inschrift, die über dem Por-
tale des Batskellers auf einem Fries zu lesen ist. Sie lautet
nach Apfelstedt:
Littermtnr. 3g 1
Qaas Nebel exiüo dederat male proyidus aedes —
Yulcano proprios ooncremat ipse Lares —
Auspioiis Jam Guntheri pia jussa facesseoB,
Condidit has Patriae provida oura patrum.
Hier steht es allerdings klar und deutlich: der Rat hat
nach Günthers leitenden Winken, seinem frommen Gebote
folgend, wie Apfelstedt den 3. Yers übersetzt, das Bathaus
erbaut
Über dem Eingange selbst lautet der Vers:
Auspicio Jam Gantheri pia jussa facessens,
wie man sich leicht durch den Augenschein überzeugen kann.
Aber es hat nicht immer so dagestanden, die Inschrift
ist erst in neuerer Zeit gefälscht, von unkundiger Hand
verballhornt worden. Alle Lokalschriftsteller bis in den An-
fang unseres Jahrhunderts, die diese Inschrift bringen, stimmen
einmütig darin überein, daXs bei ihnen der Yers lautet:
Auspicio Jan Guntheri pia jussa facessens.
So hat den Vers Olearius in seiner Arnstädtischen Historie
von 1700; so der Bektor Treiber in seiner Genealogia u.
Chorographia Schwarsburgica Ton 1717; ebenso der Direktor
Nicolai in seiner „Sammlung hier befindlicher Inschriften" IV.
1826. Noch Hatham schreibt in seiner Beschreibung Arn-
stadts Ton 1842, ihnen folgend, richtig S. 240: Auspicio Jan
Guntheri.
Erst nach dieser Zeit ist diese Inschrift wieder auf-
gefrischt worden, und ein übelberatener Farbekünstler hat
aus dem N ein M gemacht (die Inschrift ist durchgehends
in Majuskeln geschrieben), aber doch nicht so geschickt, dafs
er sich nicht verraten. Denn betrachtet man das M des JAM
genau, so sieht man leicht, wie es von den übrigen in der
Inschrift enthaltenen gänzlich abweicht. Die übrigen M
haben keine steilen Anfangs- und Endstriche, wie das N sie
zeigt, sondern schräge. Nur das fragliche M zeigt die steilen
Striche des N.
Jedenfalls hat man damals mit dem Jam nichts anzu*
fangen gewuTst, während es doch in der Zeit der Entstehung
25*
382 Litteratur.
der Inschrift die ganz gewöhnliche Zusammenziehung aus
Johann war, wie sich leicht nachweisen läfst. So mufi
Johann Friedrich der GroCsmütige, der glaubenstreue Kurfürst
von Sachsen, es sich gefallen lassen, in einer Inschrift der
Jenaer Stadtkirche als Jan Fridericus zu erscheinen. Imperii
magnis Jan Fridericus ayis, so lautet ein Pentameter. Siehe
Lehfeldt, Bau- und Kunstdenkmäler Thüring., Heft I, 99.
Aber noch mehr, und was die Lesart Jan Guntheri als
richtige und ursprüngliche • über allen Zweifel erhebt, selbst
in Arnstadt findet sich noch ein zweites Mal in einem
lateinischen Verse einer Insdirift dieselbe Abkürzung. Es
ist die Inschrift des in der Oberkirche befindlichen Denk-
mals des Eriegsobersten Leo Pacmor, der sich um die Biblio-
thek dieser Kirche sehr verdient gemacht hat, mitgeteilt yon
Apfelstedt a. a. 0. II, S. 37.
Aber auch hier ist in der Wiedergabe der Inschrift ein
leicht nachweisbarer Fehler gerade in Bezug des strittigen
Punktes untergelaufen, der verbessert werden mufs. Die
Verse lauten:
Inyicti monumenta vides tumulumque Leonis,
Cujus Marte viget gloria, pace viget.
Marte potens Gomiti Gunthero assistere suetus,
Haud Leo pugnanti ductor ineptus erat.
Suetia testis erit Dano submissa potenti,
Scaldis regna secans Belgica testis erit.
Pacis amans Gunthero fidissimus haesit,
TJsibus addixit munera larga piis.
Mille instructa libris hino biblioÜieca superbit,
Hino nitor est aedis splendidus iste sacrae.
Jeder, der den Vers : Paois amans Gunthero fidissimus haesit
aufmerksam liest oder scandiert, wird sofort bemerken, dafs der
Hexameter hinkt, weil er um einen halben Fufs zu kurz ist.
Auch der vorgenannte Direktor Nicolai bringt in seiner
Inschriftensammlung diesen Vers, aber er giebt ihn der In-
schrift des Epitaphiums entsprechend richtig wieder:
Pacis amans Jan Gunthero fidissimus haesit.
Littermtur. 383
Es ist in den yorhergeheoden 3 Distioheu dayou die
Eede, dafs Leo Pacmor als tapferer Eriegsoberst dem kühnen
Grafen Günther treu zur Seite gestanden. Dem in Eriegs-
ruhm erstrahlenden Günther wird nun die Eriedensthätigkeit
seines Bruders Johann Günther entgegengestellti in welcher
ehenfalls Leo Pacmor sich als treuer Beistand erprobtjJlhahe.
Johann Günther I. residierte nach dem Tode seines Bruders
in Arnstadt und erwarb sich allen Anspruch auf den Titel
eines Landesyaters. £r pflegte allen, die ihm Böses über
andere hinterbrachten, mit dem abweisenden Ausrufe ent-
gegenzutreten: „Wer weifs, ob es auch wahr ist/' Er und
nicht sein schon yor dem Beginne des Bathausbaues im
Jahre 1583 heimgegangener Bruder hat den Arnstädter Bat
in dem Wiederaufbau der Stadt unterstützt, und nur ihm
können die Worte der Inschrift über dem Batskeller gelten^
die in ursprünglicher Fassung jedenfalls so gelautet haben:
Quas Nebel exitio dederat male proyidus aedes,
Yulcano proprios dum cremat ipse Lares,
Auspicio Jan Guntheri pia jussa facessens
Condidit has Patriae proyida cura Patrum.
Oder in deutscher Übertragung etwa:
Ward zu Asche yerbraunt durch Nebels Leichtsinn das
Eathaus,
Als er sein eigenes Heim sorglos den Flammen geweiht,
Unter Jan Günthers Schutz, der Pietät nur gehorchend,
Haben die Täter der Stadt sorglich den Aufbau bewirkt
Es bleibt also gar nichts anderes übrig, als in der In-
schrift die ursprüngliche Lesart Jan Guntheri wiederherzu-
stellen.
Ich wende mich nun zu einer Ergänzung des Apfel-
stedtischen Berichts, indem ich die Frage nach dem Bau-
meister des Kathauses zu lösen suche. Ich meine, dafs in
dieser Beziehung schon die Inschrift selbst einen leisen Wink
gebe, der dann durch andere Teile des Portals yollends auf
die rechte Spur führt
Es befindet sich nämlich über der Inschrift, wie man
384 Litteratnr.
auch auB der ApfelstedtiBchen Beschreibung und Abbildung
deutlich ersehen kann, das Wappen der Stadt, ein schwarzer
einköpfiger Adler im goldenen Felde, und an jeder Seite
3 Wappen der damaligen Bürgermeister und Batskumpen mit
ihren Monogrammen. Diese Monogramme sind aus den „Be-
stallungen des Neuen Raths^' für die Jahre 1588 — 85 leicht
zu entziffern. Oben links H. R. steht das Wappen des 1.
Bürgermeisters im Jahre 1585 Hieronymus Eiohter, rechts
C. J. das des 2. Bürgermeisters Christoph Junghans. In der
Mitte steht links L. S. das Wappen des 1. Kämmerers Lorenz
Stieff, rechts S. S. das des 2. Kämmerers Siegmund Schüller.
Unten steht links L. K. das Wappen des 1. Bauherrn Lorenz
Kramer, rechts J. H. das des 2. Bauherrn Johann Horcher.
Unter diesen 6 Personen dürfte nach dem letzten Verse der
Inschrift der Baumeister des Bathauses zn suchen sein.
Man könnte zunächst freilich an die Bauherren als die
eigentlichen Leiter des Baues denken, die merkwürdigerweise
auch in diesen Jahren nebenher die Bezeichnung Baumeister
führen, aber diese ständigen Batskumpen hatten doch eigent-
lich mehr die Feuersicherheit der Gebäude zu überwachen.
Die Kämmerer kommen in baulicher Beziehung weniger in
Betracht, und der 1. Bürgermeister Hieronymus Richter wird
in den Jahren 1582 und 83 als Stadtschreiber aufgeführt,
war daher wohl mehr eine mit der Leitung des Stadtwesens
vertraute, schrifterfahrene und rechtskundige Persönlichkeit.
So bleibt nur der 2. Bürgermeister Christoph Junghans übrig,
dessen Wappen (Kreuz, Winkel) überdies sichtlich ein Stein-
metzzeichen enthält und seinen Beruf als Baumeister offenbart.
Freilich schweigen sich die städtischen Akten fast yoU-
ständig über diesen baumeisterlichen Beruf des Bürgermeisters
Christoph Junghans aus, und so ist es gekommen, dafs alle
späteren Berichte bis in die neueste Zeit herab von dem
Baumeister des Bathauses nichcs wissen und nichts angeben.
Erst eigentlich aus seiner Wirksamkeit aufserhalb Arn-
stadts bin ich auf ihn aufmerksam gemacht worden. So ent-
Litteratur. 385
hält Tettau, Baa- und Kunstdenkm. des Kreises Erfurt auf
S. 19 folgende Notiz:
Ein Christoph Junghans erbaute das Spielberger Thor
(in Erfurt). Anno Chr. 1589 ist dieser Bau vollbracht Und
aus den Erfurter Stadtrechnungen von 1681 — 92 ergiebt sich,
dafs Christophel Junghans aus Arnstadt am 18, März 1588
vom Rate in Erfurt als Baumeister angenommen worden
und im Dienste der Stadt bis 1591 geblieben ist.
Ebenso war er auch nachweislich in Langensalza
als Baumeister thätig. Der Thurm an der Marienkirche
wurde im Jahre 1474 bis zur laufenden Wehr in spät-
gotischem Stil erbaut; der Bau der Spitze im Renaissance-
Stil gelangte unter Oberleitung des Bürgermeisters Jungkunz
(yerschr. für Junghaus) ans Arnstadt in den Jahren 1590—92
zur Ausführung. In den Kämmereirechnungen zu Langen-
salza aus den Jahren 1590 und 91 finden sich eine Menge
Posten, die sich auf seine Bauleitung, Besichtigung des Turms,
Abrifs, Kostenanschlag u. s. w. beziehen. Er sollte kraft des
Vertrags im ganzen 100 fl. und einen silbernen Becher erhalten.
Aus diesen Anführungen geht so viel hervor, dafs der
Bürgermeister Christoph Junghans in Arnstadt ein in Thüringen
geschätzter und gesuchter Baumeister war. Um so verwunder-
licher ist es, dafs die städtischen Akten so wenig über ihu
enthalten. Es läfst sich dies nur daraus erklären, dafs Jung-
hans infolge eines verunglückten Unternehmens, der Anlegung
eines schlecht rentierenden Eisenhammers in Liebenstein (bei
Arnstadt), in Konkurs geriet und verarmte. Doch fehlen
einzelne Andeutungen nicht, wie, dafs er an den Guts-
gebäuden der Frau Amtmann von Enzenberg bauliche Ver-
änderungen vorgenommen ; dann ist von einem steinernen
Brunnen die Bede, den er dem Grafen Albrecht in Rudolstadt
für 30 fl. gemacht habe.
Endlich fand sich in dem Amstädter Händelbuche von
1570 — 91 eine Notiz, worin Junghans als Sohwarzburgischer
Herrschaftsbaumeister aufgeführt wird.
Es kann hiernach fast keinem Zweifel unterliegeui dafs
386 Lltteratur.
JuQghans der Erbauer des Amstädier Eathaoses ist Der
bürgerfreundliche Graf (Hans Günther überliels der Stadt
seinen trefflichen Baumeister, und dieser baute das Bathaus
im deutschen Benaissance-Stil auf ^).
Eine weitere Ergänzung möchte ich hier noch anschliefsen
SU dem, was Apfelstedt a. a. 0. 8. 80 und 31 ttber den
Altar in der Oberkirche zu Arnstadt gesagt ist Ich vermisse
hier den Abdruck der Inschrift auf diesem Altare, Statt
dessen findet sich auf der beigegebenen Zeichnung eine ganz
lückenhafte und unrichtige Andeutung derselben : Günther • . .
Anno MDGXII (1612) (für 1641). Er hätte so leicht die
vollständige Inschrift aus seinen Vorgängern Jovius, Treiber,
Nicolai entnehmen können. Ich gebe sie aus Nicolai:: -G'^n-
theruB, Jolu Guntheri filius, Guntheri nepos, ex IV \iris
8. Imperii Comitum, Comes de Schwarzburg et Hohnstein etc.
annum aetatis LXXI superans ad Dei sospitatoris gloriam et
ad exemplum Annae sororis desideratissimae suggestum et
baptisterium hie exstruentis Altare hoc juxta sepulchretom
suum novum ita omare voluit vivens, ut tandem in Christo
beate moriturus. Anno Christi MDCXLI (1641).
Wir erfahren daraus, dafs Graf Günther XLIL in Nach-
eiferung seiner 1640 verstorbenen Schwester Anna, die vor-
her 1625 die Kanzel und 1639 den Taufstein in der Ober-
kirohe gestiftet hatte, in derselben Kirche einen neuen
prächtigen Altar hatte errichten lassen, und zwar, wie Olearius
angiebt, nach der Angabe des Burkhard £6hl. Der alte Altar
wurde, wie es früher auch mit der Kanzel geschehen war,
in die Liebfrauenkirche versetzt, wie dies ja auch Apfelstedt
a. a. 0. 8. 23 berichtet, aber nicht von Christian Günther,
der erst 1648 nach dem Tode Günthers XLII. zur Regierung
kam, sondern von Günther XLII. im Jahre 1642.
1) Vielleicht ist cUs in derselben Zeit im Renaissance -Stil erbaute
Hans „znm breiten Heerd*' in Erfurt auf Grand eines gans ihnlichen
Steinmetsseichens auch ein Werk unseres Junghans.
Litteratar. 3g7
3.
Bin^rt» E.: Ein Thüringer LandpÜBunrer im ao-J&hrigen
Kriege. Mitteilangen aus einer Eircbenohronik. Arnstadt^
Druck und Yerlag von Emil Frotsoher, 1893. IV. uud
96 88. 80.
Iq der Zeitsohr. des Vereins für thür. Gesoh. u. Altert-
Xm, 179—268; XIV, 375—482 u. XV, 67—172 hat
£. Einert, der yerdienstvolle Erforscher der Geschichte Arn-
stadts, auf Grund eines reichen arohiyalischen Mateiials eine
sorgfältige Untersuchung über „Arnstadt in den Zeiten des
dneirsigjährigen Krieges" yeröffentlioht. Seine Darstellung
Bitttzte er in wesentlichen Teilen auf eine Eirohenohronik»
die der biedere, derbe und tapfere Pfarrer ThomasSchmidt
2u Domheim bei Arnstadt während des 30-jährigen Krieges
geschrieben hat. Das Dorf, die Heimat des bekannten Huma-
nisten Crotus Bubianus, dessen Lebensbild uns Einert in
dieser Zeitschrift (XII, 3—71) entworfen hat, liegt cur Seite
des wichtigen Stralsenzugs, der seit alter Zeit, über den
Kamm des Thüringer Waldes hinüberführend , den Norden
mit dem Süden , Erfurt mit Kürnberg yerbindet. Es hat
wie Arnstadt ereignisyolle Tage in jener furchtbaren Zeit
erlebt Inhaltsreich ist daher die gen. Kirchenchronik und
die aus ihr schöpfende Darstellung. Wenn sich jetzt Einert
entschlossen hat, die Leiden dieses kernigen, jeder Senti-
mentalität baren Hüters der Gemeinde Domheim im Zu-
sammenhang zu schildern, so wird jeder Leser ihm Dank
dafür wissen. Es schadet nicht, dals der Kenner jener
gröfseren Abhandlung über Arnstadt in den Zeiten des
dreifsigj. Krieges so und so oft auf Bekanntes, hier wieder
Verwertetes stöfst Der Wert des kleinen Werkchens liegt
darin, dafs das Detail der Erlebnisse eines Pfarrers yon dem
mit seinem Stoff yortreMich yertrauten Forscher in ansprechen-
der Weise in Zusammenhang gebracht wird mit dem Schick-
sal der Grafschaft Schwarzburg wie mit den grofsen Stürmen,
388 LitteratttT.
die über ganz Deatschlaod hereinbraoseD. Anziehend ist die
Form der DarBtellung; Einert liebt es, seinen Gewährsmann
in seiner kernigen Sprache selbst erzählen zu lassen und
weifs för diese Erzählung den rechten Hintergrund in der
Schilderung der grofsen Zeitereignisse zu bieten. Gleich der
Anfang versetzt uns in die wildbewegte Zeit Zu Wege-
lagerern herabgesunkene Krieger werden vor Arnstadts Mauern
gerichtet. y,Eine herrliche Augenlust'', schreibt 1625 der
.ergrimmte Pfarrer in sein Eirohenbuch. Des Friedländers
Armada zieht 1626 durch jenes Gebiet, und nicht weniger
-denn 80768 fl mufsten von dem Amte in demselben Jahre
ttn Eontribution und Quartiergeldern aufgebracht werden.
Eine Truppe folgt der andern, jede die yorhergehende über-
bietend an Zügellosigkeit und Frechheit „Wehe Euch, der
Teufel kommt!" schreibt 1627 der Pfarrer. „Den 10. Novem-
ber ist — Bobert Bornival, ein Schuft aus dem Stift Lütich,
zu Bndersleben eingefallen*'. Mit dem Morgenstern mufs der
tapfere Pfarrer selbst Freireiter abwehren. Schlimmer wird
-die Lage, als Tillys Horden sich gegen Magdeburg, dann
gegen Hessen und schlielslich gegen Chursachsen wälzen. Es
folgen die Züge Gustav Adolfs, Bernhards und seines Bruders
Wilhelm, der churfiirstL sächsischen, kaiserlichen und schwe-
disch-französischen Heere. So zieht der ganze unheilvolle Krieg
an unserem Auge vorüber, so werden uns die Wirkungen
-des gräTslichsten der deutschen Kriege auf einen kleinen
Kreis von Menschen geschildert, so erleben wir die Leiden
jener Dorfgemeinde gleichsam mit, sehen wir, wie allmählich
die sittliche Verderbnis von einer zügellosen und gemeinen
Soldateska auf die Gemeinde selbst übergreift. Bauern ver-
tauschen Sense und Pflug mit dem Schwert, um zu rauben
wie jene Horden; Dorfmädchen ziehen mit Soldaten davon
und ver&llen unrettbar dem Elend. Unverdrossen harrt der
•Pfarrer aber in seiner Gemeinde aus, sie immer wieder
sammelnd, zusammenhaltend und beschützend. Mit Becht
hebt Einert die Verdienste dieser treuen Hirten S. 79 beson-
ders hervor.
Littoratnr. 389
Bei einer 2. Auflage, die sich hoffentlich bald nötig
^nachty sind einige Versehen xu verbessern; so ist S. 24
2,. 12 V. u. z. 1.: 1629; S. 80 Z. 10 v. u.: 22. Sept. und
^6. Sept. 1631 für 22. a. 26. Jnli ; S. 48 Z. 9 : 121 Römermonate.
Dr. 0. D obenecker.
4.
Bemerkung sn Misielle 2.
Nachträglich ist mir bekannt geworden, dafs von Oefele
inzwischen einen neuen Eund gemacht hat^), der jeden
.Zweifel an der Echtheit der Urkunde Arnolfs benimmt. Er
fand im Rßichsarohiv zu München ein altes Repertorium
des Eichstädter bischöflichen Archivs, das aus Laden-Beper-
torien zusammengestellt worden ist Das Eepertorium über
•die Lade y,Donationes imperiales^', das im Jahre 1735 ver-
^afst worden ist, giebt ans dem vermiüsten Or. die Signum-
zeile : „Signum Arnolfl (M.) imperatoris'' u. die Rekognitions-
zeile : ^Engilpero notarius ad vicem Diothmari archicappellani
recognovi".
Dr. 0. Dobenecker.
5.
'Übersioht der neuerdings ersohienenen Litteratur snir
thüringisohen Gesohlohte und Altertumskunde.
Abraham Jacobsons Bericht über die Slavenlande
^om Jahre 973. Übers, in Qeschichtschreiber der deut-
rschen Yorzeit. 2. Oesamtausg. Bd. XXXTII, 138—147.
1) Vermifate Kaiser- and KdnigsurkundeD des Hochstiftes Eicbstfttt.
Jln Sitzungsberichte der philos.-philol. u. hist. Klasse der k. b. AIl. der
^m. au Mfinchen (1898) I, 888 ff.
390 Lltterator.
Arndt 6.: Die Saohsenborg a. d. üostrut Beschrei—
buDg ihrer Geschichte. Halberstadt, Schimmelburg. 1893..
40 SS.
Auerbach, Alfred: Schulgesetze Tom Jahre ,1619
für das GymnaBium in Oera-ReuTs. In Mitt der Ges. für
deutsche Erziehungs- u. Schulgeschichte. Jahrg. III. H. 1.
(Berlin 1898) S. 44—54.
Bahr fei dt: Die Yermählungs-Medaillen des herzogl_
Hauses Sachsen-Goburg u. Gotha. Berlin, Berkowitz, 1892.
27 SS. 4^ u. 4 Taf.
Bärge, Hermann: Die Verhandlungen zu Linz u.
Fassau u. der Vertrag von Passau im Jahre 1552. Stralsund,.
Karl Meincke, 1898. 161 SS. 8<^.
Bau- und Kunst-Denkmäler der ProT. Sachsen.
Her. y. d. bist Comm. der Prov. Sachsen. 18.. Heft Der
Mansfelder Gebirgskreis. Halle, Hendel, 1898. Mit einer landes-
kundl. Einleitung S. I— LYI.
Bau- und Eunstdenkmäler Thüringens etc..
Heft XVIII. Grofsh. Sachsen- Weimar-Eisenach. Amtsgerichts-
bezirk Weimar. Mit 11 Lichtdruckb. u. 62 Abb. im Texte..
— Heft XIX. Fürsten t Schwarzburg - Eudolstadt. Amts-
gerichtsbezirke Rudolstadt u. Stadtilm. Mit 7 Lichtdruckb.
u. 60 Abb. im Texte. Jena, G. Fischer, 1898 u. 1894. VI,.
244 u. X; YII u. 186 SS. gr. 8^.
[Baumberg, Emil]: Gedenktafeln für berühmte Arn-
städter Bürger u. Gäste. In Arnstädtisches Nachrichts- und
Intelligenzblatt 125. Jahrg. No. 182 (1893 Aug. 5).
de: Mitth. aus Arnstadts Vergangenheit Joh. Friedr.
Volkmaun [Hofadvokat in Arnst. u. Dichter]. In Arn-
stadt Nachr. u. Intelligenzblatt (1894) No. 99.
Die Besitzer der Herrschaft Droylsig vom Ausg. des-
12. bis zu Anf. des 15. Jahrh. In Beil. z. Weilsenfelser -
Kreisbl. (1893). No. 221. 222.
Beyer, C. : Gesch. d. St Erfurt bis z. Unterwerfung:
unter die Mainzer Landeshoheit i. J. 1664. (Neujahrsbl«.
Litteratar. 391
-^er hisi Comm. der Prov. SoobBen, H. 17). Halle, Hendel,
52 88. 8«.
Böhme, Gh.: Heimatkunde des EegieruDgsbezirket
Erfurt mit Berttcks. der Prov. Sachsen u. der angrenzenden
Thür. Staaten. 7. umgearb. Aufl. der Heimatk. von Arm-
stroff u. Böhme. Erfurt, Eejsersohe Buchh., 1892. 216 SS.
Böhme, Paul: Urkundenbuoh des Klosters Pforte.
Erster Halbband (1132 bis 1300). Her. y. d. bist. Comm.
der Provinz Sachsen. Halle, Hendel, 1893. XXII u. 340
SS. 8«.
Böhme, W.: Katalog der Scbulbibl. des fürstl. Gymn.
zu Schleiz. Schleiz, f. Hofbuchdr., 1893. 1. Bl. IV, 165
SS. 8. (GOP.)
Bojanowski, P. t.: Carl August als Chef des 6.
PreuTs. Kiirassierregiments 1787 — 1794. Mit einer Silhouette
des Herzogs. Weimar, H. Böhlau, 1894. 4 u. 147 SS. 8<>.
Borkowsky, Ernst: Aus der Vergangenheit der
Stadt Naumburg. Wissensch. Beil. zum R. Pr. Naumburg a. d. 8.
Ostern 1893. 61 88. 8».
Brandis, E.: Zur Lautlehre der Erfurter Mundart. II.
GOP. Erfurt, 1893.
do.: Berg- u. Thalnamen im Thüringer Walde. Ge-
sammelt u. sprachl. untersucht. Erfurt, H. Neumann, 1894.
74 88. 12«.
B[ühri]ng: Durchzug der Schweden u. Sachsen durch
die Oberherrschaft 1706 u, 1707. In Arnstadt. Nachr. u.
Intelligenzblatt 125. Jahrg. No. 130 (1893 Juni 6); s. unter
E[inert].
Büttner, Dr. Fr., Pfönner zu Thal: Der Harnisch
Herzog Bernhards von Weimar in der Kunstsammlung Sr.
Hoheit des Herzogs von Anhalt zu Wörlitz. Kunsthist. Ab-
handl. als Eestschrift zum 8. Okt. 1892. Dessau u. Leip-
zig, R. Kahle, 1892. 19 SS. gr. f. u. 2 Taf. Photogr.
Dieterich, J. : Über Paulinzeller Urkunden und Sige-
boto»s Vita Paulinae. In NA. f. ä. d. G. 18, 447—489.
(Vorzüglicher Aufsatz mit dem vollkommen gelungenen Nach-
392 Utteratiir.
weis, daiÜB der PolyhiBtor PauUini eine grofse Anzahl kaiser-
lieber und päpstlicher Urkunden für Paolinzelle nach den^
1636 erschienenen Drucke der Documenta rediyiTa monaste-
riorum praecipuorum in ducatu Wirtembergico sitorum tod
Chr. Besold in unyersohämtester Weise gefälscht und dafs
der 1. Herausgeber der Yita die Chronologie dieser unge-
rechtfertigter Weise geändert und ganz willkürliche Combi-
nationen über Paulina', ihre Herkunft und Verwandtschaft
gegeben hat.)
Döring: Überfall Arnstadts durch weimarische Truppen>
i. J. 1711. (Inhaltsangabe einer Schulrede.) In EOPr.
Arnstadt 1894. S. 6.
Eberstein, L. Perd. Preiherr v.: Die i. J. 1898-
lebenden Mitglieder der Familie Eberstein vom Eberstein
auf der Rhön u. ihre direkten Vorfahren bis zu der Zeit
des Übergangs des Ebersteinschen Geschlechts aus der frän-
kischen Stammheimat nach Thüringen. Berlin, Dr. y. 0*
Sohenck, 1893. 48 SS. gr. 8<^.
d 0. : Abrifs der urkundl. G. des reichsritterl. Geschleohtee
Eberstein vom Eberstein auf der Rhön. Dresden, Dr. t. Br..
Schulze, 1893. 168 SS. gr. 8.
Ehwald, R.: Vier Briefe (tou Eob. Hessus, Melanch-
thon u. Niclas y. Amsdorff) aus d. Samml. des G3rmna8ium
Ernestinum. Gotha (GOPr.), Dr. d. Engelhard-Reyherschen
Hofbuchdr. 1893. S. 15—20. 4^
do. : Die Handschr. u. Inkunabeln der H. Gymnasial-
bibl. zu Gotha. Ebenda S. 3—14. 4<>.
E i n e r t , E. : Ein Thüringer Landpfiirrer im 30-j&hxigen
Kriege. Mitt aus e. Kirchenchronik. Arnstadt, E. Frotscher,
1893. 4 u. 96 SS. 80.
E [inert: Mitt über den Kampf der Schweden und
Sachsen beim Frauenwalde]. In Arnst. Nachrichts- u. lu-
telligenzblatl 126. Jahrg. Nr. 129 (1893 Juni 4) s. a. No.
124 (1893 Mai 30) über Funde zwischen Neustadt a. R. u»
IJntemeubrunn ; s. unter B[ühri]ng.
am Ende: Über die Heilquelle bei Rudolstadt a. d»
LitUratur. 393.
Saale. Vortrag in Yerhandlungen des Allg, deaUchen Bäder-
verbandes. Her. von Dr. Fr. C. Müller u. Dr. Julius H. F.
Kraner. Offizieller Bericht über die 1. öffentl. Jahresvers,
des Verbandes.) Oommissionsverlag der J. J. Lentnersohen
Buchhandlung in München. 1893. S. 79—88.
Erinnerungen an die Bürgerwehr zu Jena im Jahre
1848. In Blätter f. Unterhaltung und Belehrung (SonntagsbeiL
zur Jen. Zeitung) 1893 No. 53 (Sonntag, d. 31. Dez.) —
1894 No. 1 (Sonntag, d. 7. Jan.). No. 2 u. 3 (Sonnt, den
14. u. 21. Jan.).
Herzog Ernst II. von Saohsen-Coburg-Gotha (f 22.
August 1893). In Halbmonatshefte der Deutschen Rund-
schau, hef. von J. Rodenberg. 1893/94 No. 1. S. 66—69.
Festschrift zum 360. Siftungsfeste d. Egl. Landes-
schule Pforta. Berlin, Weidmann, 1893. 93 SS. 4^
Festschrift zum fünfundzwanzigjähr. Regierungs-
jubiläum Seiner Durchlaucht des Fürsten Herrn Heinrich XIV.
Reufs j. L. am 12. Juni 1892. Lobenstein, Chr. Teich, 1892^
68 SS. (Mit gesch. Überblick über das ReuTsenland u. s.
Regenten u. über Entw. von Stadt und Land in den letzten
26 J.).
Elex, R.: Beitr. z. Erforschung der Eisenacher Mund-
art. GOPr. Eisenach, Hofbuchdr., 1893. 16 SS. 4<>.
Franc ke, Herder und das Weimarische Gymnasium.
Hamburg. Verlagsanstalt u. Druck. A.-G. 1893.
Friedrich, E. : Nochmals die Heimat des Borsdorfer
Apfels. In Mitt d. V. f. Erdkunde zu Halle a. S. (1893),
S. 139—142.
Fritze, R. : Fränk.-Thüring. (Althenneb.) Holzbauten
aus alter u. neuer Zeit. Leipzig. Junghanfs u. E. 1892. 4^
46 Taf. mit 21 SS. Text.
Gärtner, Aug.: Festrede zur akad. Freisvertheilung
am 8. Juli 1893, dem Tage des vierzig]. Regierungsjubiläums
Seiner Eönigl. Hoheit des Grofsherzogs Carl Alexander. Jena,.
Neuenhahn, 1893. 44 SS. 8^ [Beitn zur Gesch. der Univ..
Jena in den letzten 40 J.].
394 Litteratur.
Goethes Briefe an Philipp Seidel 1786 — 88 mit e.
Einl. von Dr. C. A. H. Burkhardt Wien, 8. W. Seidel u.
Sohn, 1898.
Oröfsler, Herrn.: Führer durch das Unstmtthal yon
Artern bis Naumborg II. Th.i In Mitt d. Y. f. Erdkunde zu
Halle a. S. (1898), 8. 78—138. (Beide Teile [s. Litteratur-
übersicht des vor. Jahres] auch in Sonderdruck. 63 SS.
u. 64 SS. Freiburg a. IT., in Kommission bei J. Finke, 1892
u. 1893).
do.: Eiffhäuser u. Wodansberg. Ebenda 143 — 148.
Gutbier, H. : Burg Haineck. 4 SS. 4^ (SA. der
Langensalzaer Zt. 1892.)
H e i n e c k , H. : Fr. Gr. Lesser, der Chronist von Nord-
bausen. Festschr. im Auftr. des Nordhäuser Gesch. Y. Nord-
hausen, Haacke 1892. 59 SS.
Herwig, Martin: Idiotismen ans Westthtiringen.
BPG. OPr. Eisleben, E. Schneider, 1893. 32 SS. 4.
Hodermann, R.: Schlofs Friedenstein 1643—1893.
Gotha, Götsch. 1893. 32 SS.
Hoffmann, Max: PfdrtDer Stammbuch 1543—1898.
Zur 350 jährigen Stiftungsfeier der Eönigl. Landesschule
Pforta. Berlin, Weidmann, 1893. XY u. 564 SS. 8».
Hohenleuben -Weida. In Leipsiger Ztg. No. 1 97.
1893. Freitag, den 25. August
Holder-Egger, Oswald: Studien zu Lambert von
Hersfeld. In N. A. f. ä. d. G. XIX, 141—213.
Human, ß. A. : Gesch. d. Schützengilde von Hild-
burghausen. Festschr., Hildburghausen, Gadow, 1892. (92 SS.)
Jacob, G.: Die Ortsnamen des Herzogthums Meiningen.
Hildburghausen, Eesselringsche Hofbuchh., 1894. 149 SS. 8^.
Kaufmann, G. : Zur Gründung der Wittenberger Uni-
versität. In Deutsche Zs. f. Geschichtswissensch. Her. v. L.
Quidde, XI, 114—148.
Eehrbach, Karl: Studierordnung der Herzogin Doro-
thea Susanna von Weimar für ihren Sohn, den Herzog Jo-
hann von Sachsen- Weimar aus d. J. 1583. In Mitt. der
Llttarattir. 396
Ges. für deutsche Briiehungs- und Schulgesohichte. Jahrg. III.
H. 1. (Berlin 1893). S. 29—43.
Kooh, Ernst: Bin Burgfest su Henneherg i. J. 1784.
In Meininger TagebU (1893). ünterhaltungsbl. zu No. 42.
do.: Bin Hexenprozeb. Bbenda zu No. 60.
do.: Die Grenze der Meininger Stadtflur. Bbenda No.
120, 121 u. 122.
do.: Die Tischordnung am Hofe der Grafen zu Henne-
berg aus der Zeit von etwa 1550. Ebenda No. 161.
do. : HSuser u. Binwohner der Stadt Meiningen im J.
1672. Ebenda No. 264.
do.: Von einigem, das bei dem Stadtrat zu Meiningen
ehedem Brauch und Sitte war. Bbenda No. 273.
do.: Über mancherlei Zustände in der Stadt Meiningen
um d. J. 1670. Bbenda No. 288.
do.: Aus Pölsnecks Vergangenheit. In 1. Beil. zum
Pöbnecker Tagebl. u. Anz. (1894) No. 70 u. 109.
Könnecke, Max: Das alte thüringische Königreich
o. s. Untergang 531 n. Chr. Querfiirt, W. Schneider, 1893.
64 SS. 80.
Koniecki, Ernst: Die Wettiner im Kampfe mit
Adolf I. yon Mainz 1373—1381, vornehmlich im Erfurter
Kriege 1375. (Leipz. Diss.) Zittau, 1894. 32 SS. 8».
Kreditiye des Kurfürsten Johann zu Sachsen für
seinen Sohn Johann Friedrich zur Verhandlung mit Herzog
Johann III. yon Oleye-Jülich-Berg (1530). In Zs. des
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XVU. 26
396 Littentur.
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Bd. in S. 202—207.
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Berlin, W. Herz, 1893. 80.
Luise Dorothee, Herzogin yon Sachsen - Gotha
1732—1767. Von Jenny yon der Osten. Mit Benutzung
archiyalischen Materials. Mit 3 Silh. u. 3 Bildern in Helio-
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M an z, G.: Ein jenaisches Studentenstammbuch aus dem
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Sonntag, den 12. Noyember.
Markscheffel, Xarl: Berthold Sigismund. Sein
Litttratar. 897
LebMi und Sohaffen aIb Arsi» Pftdagog, Dichter u« Volks-
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z« BOOPr.) 64 88. 80.
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Unterhaltung und Belehrung. Sonntagsbeil, zur Jenaisohen
Zeitung No. 47. Sonntag, den 19. November 1893.
Matthias, B.: Der Haustrunk im Thüringer Wald.
In Zs. f. Volksk. IV, 344—347.
Meifsner, H. : Die Stadt Gera und das Fürstliche
Haus Beufs j. L. Gera, E. Bauch. Lief. 1 ff. (1893. 1894).
Das Budi hält nicht, was der Titel yerspriohi Es ist
nichts als eine d. Hauptsache nach in annalistische Form
gebrachte kritiklose Aneinanderreihung von Nachrichten, die
nicht zum geringsten Teil yon der neueren Forschung als
Irrtümer und Entstellungen zurückgewiesen worden sind.
Y. MetZBch-Schilbach, Wolf: Briefwechsel eines
deutschen Fürsten mit einer jungen Künstlerin (Herzog
August Ton Sachsen-Gotha und Altenburg und Fräulein aus
dem Winckel). Beriin, K. Siegismund. 1893. 307 88. 8<^.
Mejer Ohr.: Gräfin Eatiiarine von Schwarzb. u. d.
Herzog yon Alba 1647. In Leipz. Ztg. 92. Beil. 589—91.
Meyer, H.: Die alte Sprachgrenze der Harzlande.
Göti Diss. 1892. 46 88. 1 BL S«.
Mejer, K.: Schulordnung des Gymn. z. Nordhausen
a H. 1583. In Mitt t d. Erz.- u. Schul-G. U, 65—130.
Obser, K.: Zur G. des Fürstenbundes. In Forsch, z.
Brandenb. u. Preufs. G. Y, 2 (Leipz. 1892) 8. 119—130.
Ohorn, Anton: Herzog Ernst II. yon Saohsen-Eo-
burg-Gotha. Ein Lebensbild. Mit e. Porträt u. vier Abb.
Leipzig, Bengersche Buchh., 1894. VI u. 239 88. 8<^.
Oldenburg, B.: Zum Wartburgkriege. Bostocker
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Leiden der Byangelischen auf dem Eiehsfelde während dreier
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I«itUnit«r« 401
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am 24., 25. u. 26. Hai 1893. Rostock, W. Werther. 8.
Wohlrabe: Fr. Mykoniue, d. Reformator Thüringeus.
Pädag. Mag. H. 3. Laogensalza, Beyer. 18 SS.
Erster Jahresbericht und Mitteilungen des Vereins
für Greiser Geschichte zu Greiz. Im Auftr. her. v. Dr.
Uertel u. Ewald Bartsch. Greiz, Selbstyerl. des Vereins,
Commissionsbetr. d. Fürstl. Hofbuchh. £. Schlemm, 1894.
Inh.: Greiser Regententafel 8. I— ^IX; Sohutzbriefe X— XIII;
Innungsbriefe XIII— XXXVIII; Lohn- u. Kaufbrief e XXX VIU
— XLUI; Friyilegien XLIU— XLV; Städtische Urkunden
XLV^LI; Regesten zur Greizer Gesch. LU — LXII.
Mitt^ des Gesch. u. Altertums! Ver. su Eisenberg. 9. H.
Eisenb. 1894:
1) Überblick über die älteste Eulturgesch. des Amtsbe«
sirks Bisenberg. Von Prof. Dr. O. Weise. S. 8—18.
2) Hopfenbau u. Weinbau in der Eisenb. Gegend. Von
dems. S. 19—28.
3) Hainspitzer Urk. Von dems. S. 29 — 34.
4) Sprachliches. Von dems. S. 35 — 46.
5) Eine Urkunde, welche die Erbauung des hiesigen
Superintendenturgebttudes betrifft, Mitget. von Dr. E. Burger.
8. 47—60.
Mitt. d. V. f. G. u. A. zu Kahla u. Roda. IV. Bd. 4. H.
Kahla 1894. Inhalt:
XII. Nachtrag u. Bericht, zur Familie y. Denstedt Von
Geh. Kk. D. Lobe in Raeephas. 8. 429—439. — XIU. Die
Wüstung Eichome. Ein Beitr. z. Erklärung der Orlamünder
Pfarrurkunde y. J. 1194. Von Pfarrer Alberti in Grofs-
Bohwabhausen. S. 440/445. — XIV. Die Familien Schütz
yon Mofsbach und Orlamünde. Von e. Mitgl. derselben. S.
446/468. — Nachr. über Adelige aus den Kirchenbüchern
der Ephorie Kahla (Fortsets.). III. Parochie Hummelshain.
402 Littentur.
Yon Pfarrer H. A. E. Böttger. S. 464/470. IV. Faroohie
Jägerßdorf. Von Pfarrer Phil. PertheL 8. 470/475. V. Par-
ochie Langenorla. Von Pfarrer C. A. J. Stäps. S. 475/487.
VI. Parochie Beinstädt Von Pforrer £. M. Martin. S.
487/491. VIL Parochie Uhktädt. Von Pfarrer F. H. M.
Fritzsche. 8. 491/508. — XVI. Z, Q. der Altenb. Gesang-
bücher. Von W. Tümpel, Pfarrer in Unterrenthendorf. 8.
509/529. — XVII. Bau- und Kunstdenkmäler Thüringens.
AGB. Kahla. Geprüft durch Dr. H. Bergner, Pfurrer in
Pfarrkefslar. 8. 530/572. — XVIII. Forts, der Auszüge aus
den Jahresber. des Vereins zu Roda. 8« 578/576.
Mitt. d. Geschichts- u. Altertumsforsch. Gesellsch. dee
Osterlandes, Bd. X, H. 8. Altebburg, 1898. Inhalt:
IX« Die Burggrafen und Burgmannen in Altenburg. Von
Geh. Eirchenrat Dr. Lobe« 8. 215—296. — X. Altenb. Briefe
aus der Beformationszeit (1582 — 1545). Von Lic Dr. Buoh-
wald in Leipzig. 8. 297—346. — XL Miszellen: 1) Lat
Kalenderyerse in e. Löbichauer Handschr. Von Dr. P.
Mitzschke« 8. 347. — 2) Nachtrag zur Wüstung Nasselwitz.
Von Geh. KB. Dr« Lobe. — 3) Ein Nachtr. i. Gesch. Fried-
richs, Herrn des Pleiüsnerlandes« Von dems. — 4) Em
Beitr. z. Gesch« des Nonnenkl« in Altenburg. Von dems. —
5) Von Geh. KR. Dr« Lobe. XII. Bericht über d. Wirks.
d. Gesellsch« Von Prof« Dr. Geyer. 8« 361/8«
Unser Vogtland. Monatsschr« für Landsleute in der
Heimat u. Fremde, her« y. G« Doehler. Leipz., Rofsbergsche
Hofbuchh., 1894. I. Bd. H. 1—8. Hieraus erwähnenswert
H« 1, 8. 5 — 11: Julius Mosen von Dr. Beinh« Mosen, 8.
17 — 27: Über d« vorgeschichtl. Vergangenheit des bayerischen
VogÜandes yon L. Zapf. H. 3 8, 94 — 102 : Lebensbild eines
Vogtländers (Hofrat Prof. Dt. Liebe) yon Emil Fischer.
(Mit Bildnis) u. 8. 103 — 114: Aus Natur u. Gesch. des säehs.
Vogtl. von Dr* H* Jacobi.
Dr. 0. Dobenecker.
Fromipaiinsche Buchdruckerei (Uermana Fohle in Jena. — 1266
Politik des Herzogs
Johann Casimir von Coburg.
Ein Beitrag zur Vorgesohiehte des 30-jährigen
Krieges.
Von
Heinrich Glaser in Coburg.
XYIL 27
Vorwort
Vorliegende Abhandlung ist im wesentlichen identisch
mit einer Arbeit» welche im Jahre 1893 ron einer hohen
philosophischen Fakultät der Uniyeriität Jena den ersten
Preis erhielt.
Die Darstellung der Politik des Hersogs Johann Casimir,
des Sohnes Johann Friedrichs des Mittlem, hat sie sich
zur Aufgabe gesetzt
Wenn der Beachtung, welche diesem Fürsten ron selten
der Historiker £u teil geworden ist, der Malsstab für seine
politische Bedeutung entnommen wird, so ist diese recht
minderwertig gewesen, denn gar dürftig sind die in den
mannigfaltigsten Büchern versteckten Mitteilungen über seine
politische Thätigkeit. Ja gerade die Männer, welche die
ernestinische Geschichte jener Jahrsehnte und speziell das
Leben und die Wirksamkeit Johann Casimirs behandeln, an
ihrer Spitse Schultes (S.-Coburg-Saalfeld. Landesgeschichte)
und Grüner (Geschichte Johann Casimir.) schweigen sich,
von einzelnen, unzusammenhängenden Bemerkungen abge-
sehen, YoUständig aus über die Stellung des Fürsten zu den
politischen Fragen wie zu den politischen Persönlichkeiten
seiner Zeit.
loh war deshalb sehr erstaunt, als ich in dem geheimen
Staats- und Hausarchiy zu Coburg zahlreiche politische Korre-
spondenzen, Kelationen etc. vorfand, aus denen mir herror-
sugehen schien, dafs Johann Casimir doch nicht blols Hersog
Yon Coburg, sondern auch ein deutscher Beichsfürst gewesen
27*
406 PoUtik des Hersog« Jobum Casimir tod Coburg.
ist und dafa er als solcher Ton seinen fürstlichen Zeitgenossen
weit mehr geachtet und gesch&tst worden ist als Ton den
Historikern späterer Tage.
Besonders erhellt dies aus seiner politischen Gorre-
spondenz mit Friedrich Y. Ton der Pfalz, dem Eorfürsten
ond späteren König von Böhmen ^). Natürlich beleuchten
diese Weohselschreiben, denen Tiele andere Briefe^ Memo-
rials etc. in Abschriften beigefügt sind, nicht nur die poli-
tische Stellung, Anschauung und Thätigkeit des Herzogs Ton
Coburg, sondern sie werfen auch interessante und teilweise
neue Streiflichter auf die kurpfälzische Politik.
Die Korrespondenz mit Eursaohsen ist, was die Zahl der
Schriftstücke politischen Inhalts anbelangt, viel weniger um-
fangreich als die pfälzische ; doch das Wenige '), was das
Coburger Archiv in dieser Beziehung bietet, ist höchst
charakteristisch für die kursächsische wie andererseits für
die emestinische und speziell die coburgisohe Politik.
In der politischen Korrespondenz mit dem Landgrafen
Moritz von Hessen aus den Jahren 1613 und 1614^), der
sich einzelne versprengte Briefe aus anderen Jahrgängen
anschliefsen ^), steht die Jülicher Frage in dem Vordergrund,
während der politische Gedankenaustausch Casimirs mit seinem
1) Hine inde ergangene Sehriften in Reicbtsacben 1618 — 1615,
B. U, 7, No. 115. — Vertrauliche Rorrespondens mit Knrp&ls das
bShm. Unwesen betreff. 1617—1619. A. I, 32 a, 5, Mo. 96. 155 Blätter.
— Korrespondens des Königs Friedrich ▼. Böhmen, Pfalsgraf bey Rhein
mit Heraog Job. Casimir. A. I, 32 a, 5, No. 17. 36 Blätter.
2) Die kursAehs. Korresp. ist in den verschiedensten Fasdkeln ver-
streat. Vgl. besonders s Korrespondens der Kurfürsten Christian IL «od
Job. Georg v^n Sachsen mit Job. Casimir 1608 — 1632. A. I, 82 a, 5,
No. 103. Einselne Aktenstücke, die Reichstagsangelegenbelten ra Begena-
borg betr. 1618—1624, B. II, 7, No. 106, etc.
3) Korrespondents Schreiben swischen Sachsen-Cobnrg und Hess^
1613—1614. A. I, 32 a, 5, No. 61. 113 Blätter.
4) Korrespondenz swischen Landgraf Moritz von Hessen nnd Horsog
Job. Casimir 1580—1682. A. I, 82 a, 5, No. 53. 16Q Blättar.
Politik des Hanogs Jobaim CAsimir yod Coburg. 407
Bruder Johann Bmst dem Aelterea, dem Henog Yon Biienaoh ^),
und mit Herzog Johann Brnst dem Jüngeren von Weimar')
Büokdoht nimmt auf die böhmischen Verwiokelungen, die
den 80-jährigen Krieg einleiteten.
Neben diesen Hauptkorrespondensklassen, denen eolohe
mit nur einzelnen politisohen Briefen zur Seite treten'),
gewährt eine Beihe von Instruktionen^) und Instrnktions-
schreiben, Belationen ^) und Gutachten *) ein reiohes Material
zur Beurteilung der Coburger und in besdiränkter Weise auch
der kursfiohsisohen und der kurpfälzisohen Politik.
Den historischen Stoff, der aus diesen Archiyalien lu
erheben war, habe ich dem Bahmen der Beichsgeschichte in
der Weise einzufügen versucht, dafs ieh ihn um die poli-
tischen Brennpunkte jener Zeit, die Unions-, die Jülicher-
und die böhmische Frage gruppierte. Die allgemeine Bin-
leitung wie die allgemein historischen Ausführungen im Yer-
1) WecbMlsohreiben mit Herzog Job. Ernst den Aeltern in Sacbaen,
Hansangelegenbeiten nnd die böhm. Unrnben betreff. A. I, 88a, 5, No. 118.
80 BUtter.
8) a) Wecbaelscbreiben mit Job. Ernst den Jüngeren , das bdbm.
Unwesen betreff. A. I, 88 a, 5, No. 189. 29 Blätter. — b) Korres-
pondena des Herzogs Job. Ernst des Jüngeren an Weimar mit Herzog
Job. Casimir 1806—1886. A. I, 38 a, 5, No. 184. 808 Blätter.
8) Z. B. die Korrespondent Casimirs mit dem Kurf. Joacbim Fried-
rieb V. Brandenb.y Reicbstagssacben, B. II, 7, No. 86 ; die Korrespondenz
mit dem Erzbiscb. v. Mainz. A. I, 32 a, 5, No. 76. 9 Blätter, etc.
4) Vgl. besonders: a) Instruktion f&r den Reichstag 1608, B. II,
7, No. 68. — b) Instruktion nnd Spezialinstmktion für den Beicbstag
1608, B. II, 7, No. 75 u. No. 85. — c) Instruktionen für den Beicbs-
tag 1613, B. II, 7, No. 114. (Belationen in Beicbssacben der uff den
Beicbstag abgeordneten sambt darauff ervolgten Resolutionen.) — d) In-
struktion für den Nürnberg. Korrespondenztag, B. II, 7, No. 180, etc.
5) a) Einzelne Scbriften, den BeiobsUg 1608 betreff., B. II, 7, No. 68.
— b) Beiohstagssacben 1608, B.II, 7, No. 84. — c) Belationen HeuTsners
(Coburg. Kammersekretärs) 1607 — 1680 mit angefügten Instruktions-
sebreiben Job. Casimirs, Gutacbten seines Kanzlers etc. A. I, 88 a, 5,
No. 160. — d) Relationen vom Reicbstag 1613 mit Instrnktionsscbreiben etc.,
B. II, 7, No. 114.
6) Die Gutachten sind den verschiedenen Faiicikeln beigelegt.
408 Politik des Hersogs Johann Casimir Ton Coburg.
lauf der Abhandlung müssen auf die Rechnung dieses Ver-
suchs gesetzt werden.
Eine Anzahl von Archivalien, die mir wichtig er-
schienen, habe ich auf den Bat meines hochverehrten Lehrers,
Herrn Prof. 0. Lorenz, in Originalabschriften der Arbeit
beigefügt.
An Winken und Gesichtepunkten hat es mein hoch-
yerehrter Lehrer auch sonst nicht fehlen lassen, so dafs ich
mich ihm dafür zu herzlichstem Dank rerpflichtet fühle.
Ebenso bitte ich Herrn Archivrat C. Frenzel für sein liebens-
würdiges Entgegenkommen während meiner Thätigkeit im
Coburger Archiv auch an dieser Stelle meinen innigsten
Dank entgegenzunehmen.
Einleitimg.
L Politisohe Lage in Dentsohland nach dem Augiburger
BeligionsMeden.
Da der AugBbnrger BeligiooBfrieden eine Zeit unanter-
broohener kriegerischer Unruhe abBchliefst nnd den Anfang
einer Epoche langen Friedens in den deutschen Landen be-
zeichnet, einer Epoche, die ungewohnte Ordnung, Sicherheit
und öffentliche Freiheit im Innern unseres Vaterlandes mit
einer blühenden wirtschaftlichen Lage vereinigt, so liegt die
Vermutung nahe, dafs in den Bestimmungen jenes Friedens
die Gründe dieses yeränderten politischen Zustandes liegen.
— Aber wie wenig gerade sie für eine Friedensbasis geeignet
sein konnten, beweist schon die Thatsaohe, dafs über die
beiden Hauptbestimmungen des Friedens iwischen den beiden
Parteien, der katholischen und protestantischen, keine Eini-
gung erzielt worden war.
Hartnäckig und ohne sich durch die protestantiBche
Opposition einschüchtern zu lassen, hatten die Katholiken
am Reichstag auf der Anerkennung des geistlichen Vor-
behalte, der ihnen den Besitz der geistlichen Gebiete auch
in der Zukunft sicherte, bestanden. Ebenso entschieden
hatten die Protestanten ihrerseits, trotz des heftigsten Wider-
standes der Katholiken, an der Forderung fireier Beligions-
übung für ihre Glaubensgenossen in den geistlichen Terri-
torien festgehalten. Manchmal schien es, als würde der
Beiohstag ohne Resultat auseinandergehen, als würde noch
410 Politik des Heno^ Johann Cmsimir Ton Oobnrg.
einmal der Krieg beginnen, da hat Bchliefslich der König
Ferdinand, der als Vertreter des Kaisers die Versammlungen
leitete, nach eingeholter Vollmacht eine Entscheidung ge-
tro£Pen, indem er jeder der beiden Parteien ihre Haupt-
forderung gewährte. Doch wurde neben dem geistlichen
Vorbehalt und neben der Deklaration, die eben die Erfüllong
des protestantischen Verlangens enthielt, auch die Bemerkung
in den Reichstagsabscbied mit eingefügt, dafs die Stände
hierüber nicht zu Tergleichen gewesen wären.
Eine zu^iedenstellende Lösung für die Zukunft gefunden
SU haben, war man also weit entfernt, und wenn Deutsch-
land in den folgenden Jahrzehnten tod inneren Kriegen so
gut wie yerschont blieb, so liegt die Ursache nicht sowohl
in jenen Friedensbediogungen als yielmehr in dem frei-
willigen Zusammentreten der meisten yorwaltenden Fürsten
des Beichs zur Erhaltung des Friedens, weiter aber und
besonders in dem Umstand, dafs es dem Protestanüsmas ge-
luDgCD war, das entschiedene Uebergewicht su erlangen.
Ober- und Niedersachsen beherrschte er yolikommen, die
Bistümer vermochten ihm nur geringen Widerstand entgegen-
zusetzen, Adel und Städte in Schwaben und Franken hiefsen
die neue Lehre willkommen; auch in Bayern und Oester-
reich, am Rhein und in Westfalen machte sie die gröfsteo
Fortschritte. Eben dieser grofse Abfall der Nation yom
Papsttum spricht aus allen Berichten der Ausländer. „Nor
ein Zehntel yon Deutschland ist noch katholisch", berichtet
der Venetianer Badoero in die Heimat ^).
Aber dieser geringe Bruchteil yon Deutschland, der
noch dem alten Glauben anhing, war yertreten durch die
Majorität in den Reichsinstitutionen, besonders im Reichstag.
Wollten daher die Protestanten aus dem Uebergewicht,
das sie in Deutschland in den Händen hatten, politischen
Vorteil für ihre Partei ziehen, wollten sie dasselbe gegen
1) Kaoke, Zar deutschen Qeschichte vom ReligionsfHeden bis aum
dreißiigj ährigen Krieg, 8. Aufl. 88.
PoSdk dM H«nogB Jobun OMinir tod OolMurg. 411
alle MSgliohkeiten der Znkinft siolMniy so muftte ihr Streben
dahin gehen, das SUmmenTerhältnis in der Beiohsreraammlang
in ihren Onnsten in ändern.
Man hat dies proteitantisoherseite anoh sehr wohl er-
kannt nnd darauf sielende Schritte unternommen. Die im
Beligionsfrieden aufgedrungenen BeschrSnkungen, vor allem
der geistliohe Vorbehalt, waren es, welche einen groTsen Teil
DeutBohlands der politischen Ifaehtsphäre des Protestantis-
mus entzogen hatten. Gegen sie wurde denn auch der An-
griff eröffnet.
Den Bestimmungen des Beligionsftriedens sum Trots
finden wir gar bald im nördlichen Deutschland protestan-
tisch-geistliche Fürsten, welche ihre Reiohsstaodschaft keines-
wegs aufgaben. Die Enbistümer Magdeburg und Bremen,
die Bistümer Verden, Lübeck, Osnabrück, Ratzeburg, Halber-
stadt und Minden waren mit Männern besetzt, die entweder
schon offen protestantisch waren oder sich während ihrer
Begierung zum Protestantismus wandten ^).
Die Kaiser schienen die Landeshoheit dieser eyange-
lischen Bischöfe oder Administratoren auch dulden zu wollen.
Aber abgesehen davon, dafs dem Papst die Bestätigung der
Würde zukam, die natürlich ausgeschlossen war, mufste der
greise Erwerb der protestantischen Partei ungesetzlich er-
scheinen, solange der geistliche Vorbehalt von den Katho-
liken als giltig angesehen wurde, um jede Gefährdung ihres
Besitzes aus dem Weg zu räumen, forderten daher die Pro-
testanten AbsonderuDg des Besitzes der Wahlfürstentümer Ton
dem Bekenntnis, der Reichstandschaft, die mit ihnen yer-
knüpft war, yon der Kurie. Es war dies die grofse Frage
der Freistellung, welche Deutschland vom Religionsfrieden
bis zum dreifsigjährigen Krieg in Bewegung gehalten hat.
Von dem Kaiser Maximilian erwarteten die Protestanten
ein willfähriges Eingehen auf dieselbe, mit seiner Hilfe
glaubten sie ihr Begehren durchsetzen zu können» Hatte
1) Rittor, GeMhichte der DentscheD Union I, 11.
4l2 Politik das Hersogi Johann Casimir Ton Coburg.
er dooh zu Lebieiten seiDM Vaters mit ihnen sympathisiert
and sich darüber beschwert, dafs dieser in der Sache der
FreistelluDg niobt etwas mebr gethan habe ^). Aber im
Falle er überhaupt an ein ernstliches Eingreifen zu Gunsten
des Protestantismus gedacht hat, was bei seinem unbeständigen
und in jeder Weise energielosen Auftreten zu bezweifeln ist,
so Termochte der Kaiser das Beich in eine dem neuen Glauben
angemessene Verfassung doch nur dann zu setzen , wenn
dieser siegreich war und sich die üeberzeugungen immer
mehr unterwarf.
Leider aber trat gerade zur entscheidenden Stunde
heftige innere Entzweiung in dieser neuen Glaubenspartei ein.
Nicht nur der Galyinismus, den Kurfürst Friedrich III.
Anfang der sechziger Jahre in der Pfalz eingeführt hatte,
und das Luthertum begannen eine Polemik , die an Er-
bitterung ihresgleichen suchte, sondern im Luthertum selbst
hatten sich zwei Richtungen, eine orthodoxe und eine ge-
mäfsigte, die sogenannte philippistische, geltend gemacht.
Die eine verketzerte die Anhänger der anderen, der Norden
und Osten Deutschlands wurde zum theologischen Kampf-
platz. Da Staat und Kirche in der engsten Verbindung
standen, so konnte es nicht ausbleiben, dafs dieser religiöse
Zwiespalt politische Gereiztheit nach sich zog. Es entstand
denn auch in jenen Jahren der scharfe Gegensatz zwischen
den calvinischen und lutherischen deutschen Ständen, der so
verhängnisvoll für die protestantische Partei geworden ist
Auf dem Reichstage von Augsburg 1566 zeigten sich
zum ersten Male die verderblichen politischen Folgen des-
selben. Die Forderung der Freistellung, von der uneinigen
protestantischen Partei nicht mit Nachdruck erhoben und
vertreten, scheiterte an der energischen, einmütigen Opposi-
tion der Katholiken. Denn gerade jetzt, wo der konfessio-
nelle Gegensatz bei den Protestanten in aller Schärfe hervor-
trat, hatten sich die Katholiken neu gesammelt. Nach der
1) Ranke 51.
Politik dei Herio^ Johann Casimir Ton Coburg. 413
glüokliohen and erfolgreichen Beendigung des Tridentiner
Eonsils, dessen Beschlüsse den formalen Aosdrack der katho-
lischen Beformaüon bildeten, eilten die Schüler des Gollegium
Germanicnm, Tor allem aber die Zöglinge Loyolas über die
Alpen, am den Lehren des modernen Katholicismns in dem
fast ganz protestantisch gewordenen Deutschland Eingang
zu yerschaffen und die Bestrebungen der Kurie überhaupt
zu befördern. — Mit welchem Erfolg sie diesen Zielen nach-
trachteten, bewiesen gar bald rersohiedene Vorgänge, die
zugleich den Protestanten die veränderte Sachlage deutlich
genug Tor die Augen führten. Sie mufsten nämlich Rehen,
wie die Katholiken aus ihrer bisherigen Passivität heraus-
traten, und wie entgegen der Ferdinandeischen Deklaration
seit 1578 in Fulda, Mainz, Trier, Würzburg, Bamberg, Salz-
burg, Köln^ Paderborn, Lüttich, kurz in allen geistlichen
Territorien, sich nacheinander die Eeaktion gegen den so
tief eingedrungenen Protestantismus erhob ^).
Um diesen Strom des Yerderbens zu hemmen, stellte
Pfklz beim Kurfürstentag 1575, der über die Wahl eines
neuen Königs beriet, den Antrag, dafs die Ferdinandeische
Deklaration in die Wahlkapitulation aufgenommen werde.
Aber obwohl die Erklärung der geistlichen Kurfürsten, dafs
sie sich auf eine solche nicht entsinnen könnten ^), genug-
sam auf ihre Absicht, die Gegenreformation fortzusetzen,
schliefsen liefs, obwohl die Annäherung des Kaisers an die
spanische Politik die Hoffnung, die die Protestanten auf
seinen Beistand gesetzt, hatte schwinden lassen, so wurde
dieser Antrag doch nicht energisch von den protestantischen
Kurfürsten unterstützt. Der religiös-politische Gegensatz
zwischen der Pfalz und Sachsen, der gerade damals durch
familiäre Zwistigkeiten noch gesteigert war, verhinderte ein
einmütiges Vorgehen. So fiel die pfälzische Forderung, die
Wahl wurde vollzogen, die Deklaration blieb unbestätigt
1) Ritter I, 19.
8) Bänke 86.
1
414 Politik dei HttnogB Johann Oft^mir Ton Coburg.
Audi auf dem Beiohstag 1676 gekng es den ProtestuiteD
niobt, Abstellung ibrer Betobwerden und Oewäbrung ihrer
Forderungen, besonders die der Freistellung, su erlangen.
Man wollte die Geldbewilligungen y«n dem allen abhängig
machen. Was die Protestanten jemals erlangt hatten, war
auf diesem Wege erreicht worden. Der Kaiser schwankte,
doch Sachsen weigerte sich, den alten Weg wieder einzu-
schlagen. Die Streitigkeiten blieben unTcrglicben, die Gelder
wurden bewilligt, die Gegenreformationen, die nunmehr auch
in den weltlichen katboliichen Fürstentümern begonnen hatten,
dauerten fort. Bayern, Baden-Baden, Karl von Steiermark
und der Ffalzgraf von Neuburg entfernten die protestantischen
Slemente aus ihren Gebieten. Die Vertreibung des 1582
protestantisch gewordenen Ersbiscbofs Gebhard von Köln
und die Aechtung der Stadt Aachen seigten die wachsende
Macht der katholischen Partei.
n. Unionagedanke und UnionavarBUohe.
Mit Besorgnis blickten die Protestanten hin auf dieses
Vorgehen ihrer Gegner, das, wie man glaubte, ein Glied in
einer grofsen Kette von Unternehmungen sei, die, besonders
in Frankreich und den Niederlanden durch die spanische
Politik ins Werk gesetzt, die Vernichtung der religiösen wie
politischen Freiheit der protestantischen Völker beawecken
sollten.
Diese Befürchtung mufste aber in ihnen sngleich den
Gedanken wachrufen, einen sicheren Schutz für sieh und ihre
Ansprüche gegen die Machinationen und Bedrohungen der
katholischen Mächte zu suchen. Dafis die Institute der Beichs-
yerfassung, in denen die Katholiken die entscheidende Stimme
hatten, einen solchen ihnen nicht bieten könnten, daTon
war eine Beihe Ton protestantisohen Ständen, Kurpfieds an
der Spitze, überzeugt.
Da war denn keine Auskunft natürlicher, keine durch
Ueberlieferung mehr empfohlen als der Abschlufs eines
EoUtfk d«t H«noi^ JohAnn OMlmir tob Coburg. 4X5
Bündniises zwiBohen den doroh gemeinsame Oefthren Ter*
bandenen Ständen. Aber die Stiftung eines solchen Bandes,
der seine Wursel hatte in dem Mifstranen gegen die Reichs-
gewalten, sohlofs vou selbst eine Opposition gegen diese in
sieh. 80 gingen in der That neben den Bestrebungen, einen
Band su gründen, bei deh entschiedeneren Vertretern der
protestantischen Partei Yersnche einher, die deutsche Ver-
fassung zu reformieren, oder yielmehr die Kechte der einseinen
Eeichsgewalten, in denen die Gegner das Uebergewicht hatten,
nach Möglichkeit zu schwächen und lu untergraben.
So yertraten seit 1598 besonders die Ffälzer den Grund-
satz, dafiB in Beügionssachen die Majorität keine Gewalt habe
über die Minorität. Geldbewilligungen für den Türkenkrieg
erklärte man für freiwillige, also yon keinem Majoritätsbe-
schlufs abhängige Leistungen >).
Ferner griff man auf den Reichstagen 1594 und 1698
das Vorrecht des kaiserlichen üofrats, die höchste Gerichts-
barkeit auszuüben, und damit die wichtigste Reliquie der
kaiserlichen Macht entschieden an ').
Diese UnionsTersuche und Reformpläne knüpfen sich in
den ersten Stadien ihrer Entwickelung an den Namen des
Pfedzgrafen Johann Casimir, der damals als Vormund des
unmündigen Friedrich IV. yon der Pfalz einen bedeutenden
Einflula besafs.
Doch seine Absichten und Vorschläge fanden bei einer
grofsen Anzahl protestantischer Fürsten, besonders des nörd-
lichen Deutschlands, keinen Beifall und keine Unterstützung.
An ihrer Spitze stand der Kurfürst August yon Sachsen, der
mächtigste und reichste Fürst in diesem Teil. Nicht sein
konfessioneller Gegensatz zu der Pfalz allein war bei seiner
abweisenden Haltung dem Plane einer Union gegenüber mafs-
gebend, yielmehr ist seine politische Richtung hierbei be-
sonders in Betracht zu ziehen. Festen Ansohlufs an die
1) Ritter I, 40.
S) Bitter I, 86.
416 Politik dei Henogs Johann Catimir Ton Coburg.
Uabsborger ebenso wie die Erbaltuug des Friedens hielt er
für die Sicbeiung seines Enrfürstentamf für notwendig. Die
Union aber trat mit ihren Bestrebungen in offene Opposition
aum Kaiser; sie gefährdete zn gleicher Zeit aaoh, wie die
sächsische Politik annahm, den Frieden, weil sie einen Gegen-
bnnd der Katholiken heryormfen, dadurch die Gegensätse
schärfen und den inneren Kampf entzünden müsse. Saohsen
Tetwarf daher jeden protestantischen Bund und setzte nach
wie Yor sein Vertrauen auf den Beligionsfrieden und die
Beichsverfassung. Diese Politik blieb Tor bildlich auch für
die Nachfolger Augusts. Nur sein Sohn Christian I. hat
eine Ausnahme gemacht. Er liefs sich nämlich durch seinen
Kanzler Krell und besonders durch den Pfialzgrafen Johanu
Casimir überzeugen, dafs man sich Ton seiten der cTangelischen
Stände nur durch einen Bund gegen die spanisch-päpstlichen
Anschläge schützen könne. Schon war in Torgau 1591 die
Bundesakte zwischen Pfalz, Brandenburg, Braunschweig, Meck-
lenburg und Hessen yereinbart '); nur die Ratifikation der
Fürsten fehlte noch, da liefs der Tod Christians den ganzen
Plan scheitern , denn in Sachsen lenkte man unter dem
Administrator wieder ein in die Bahnen der konserratiTen
Politik Augusts, um sie nicht mehr zu verlassen.
Ebenso wie Kursachsen yerschlossen sich Württemberg,
Neuburg, Mecklenburg, Pommern und die sächsischen Herzöge
den pfKlzischen Unionsbestrebungen. Es war die konserratiTe
Friedenspartei unter den deutschen eyangelischen Fürsten.
Zwar waren auch sie nicht unbesorgt, dafs die Folgen
etwaiger Siege ihrer auswärtigen Gegner auch ihnen geföhr-
lich werden könnten, doch sie beruhigten sich damit, dafs
sie einstweilen aufser Bereich der feindlichen Waffen seien
und dafs einstweilen Feindseligkeiten ihrer katholischen Mit-
stände nicht zu erwarten wären. Zu diesen Erwägungen
aber kam bei den strengen Lutheranern noch das religiöse
1) Ritter I, 46 ; Böttiger, Geichiohte von Sschsen, 2. Anfl. bearb.
von Flathe, II, 99, 100.
Politik des Henogi JohMn CMimir Ton Coburg. 417
Bedenken. £ine Yerbindung mit den Calyanisten snm Sohnts
der Eeligion sohlen ihnen nicht nnr ein Verrat am gött-
lichen Wort zu sein, sondern anoh eine Gefährdung ihres
ganien rechtlichen Zustandes in sich zn schliefsen, da ja die
Bestimmungen des Augsburger Beligionsfiriedens auf alle von
der Augsburgischen Eonfession abweichenden Sekten keine
Anwendung finden sollten.
Diese Fürsten, deren Länder einen grofsen Teil des
protestantiichen Deutschlands ausmachten , yerhielten sich
also den pfälzischen ünions- und Beformbestrebuogen, die
nach Johann Casimirs Tode als Erbteil auf die Bäte Fried-
richs lY. übergingen, durchaus ablehnend. — So sahen die
Ftälzer das Feld ihrer Thätigkeit beschränkt auf einen kleinen
Teil Deutschlands, besonders auf die protestantischen Stände
des Westens. Unter den Lutheranern fanden ihre Bestre-
bungen überhaupt nur Beifall bei dem Hause Brandenburg,
dem Herzog Julius von Brauoschweig und dem Landgrafen
Moritz Ton Hessen, weil sie Ton der Voraussetzung aus-
gingen, dals die Vereinigung der Lutheraner und Calvinisten
das einzige Mittel sei, um der katholischen Partei, die, wie
sie meinten, beiden Konfessionen dasselbe Verderben bestimmt
habe, ebenbürtig gegenübertreten zu können.
Vor allem aber waren es die religiösen Gesinnungs-
genossen der Eurpfälzer, welche ihre Befürchtungen teilten
und mit ihren Plänen, die sie auf Grund derselben vor-
schlugen, eiuTerstanden waren. Die Markgrafen von Baden-
Durlach, der Herzog Ton Zweibrücken und die Fürsten
Yon Anhalt bildeten im Vereine mit der Pfalz diese Gruppe.
£s war die Fortschrittspartei unter den eyangelischen Fürsten,
welche der Politik des protestantischen Deutschlands einen
im wesentlichen offensiyen Charakter zu geben wünschte.
Doch die Einigkeit der wenigen Stände, die sich zur
Verwirklichung des Unionsplans entschlossen zeigten , war
bedroht durch die yerschiedenen eigennützigen und uneigen-
nützigen Auffassungen der einzelnen Ton den Zwecken des
Bundes. Des Kurfürsten von Brandenburg Zumutung z. B.,
413 Politik d«t Htnogi J^huia CMimir ron Coburg.
dafs die Unierten nooh bei Lebseiten des Hersegs von
JWob in die dortigen Yerhftltnisie eingreifen tollten , nm
sein Erbrecht gegenüber den spaniftchen nnd kaiserlichen
Einflössen sn sichern, rief den entschiedenen Widersprach
des Landgrafen Morits herror, der die Anfgabe einer Union
lediglich in der Verteidigung der rechtswidrig angegriffenen
Mitglieder sah ^). Ein zweiter Grund, der die pfälzischen
Unionsversuche, deren in den Jahren 1692 — 96 nicht weniger
als Tier unternommen wurden *}, yereitelte, lag in der Besorg-
nis, daüs ein Bund, «wischen so wenigen geschlossen, gefähr*
lieher sei als gar keiner, denn ein solcher werde nur einen
katholischen Gegenbund herrorrufen, der, Ton der spanischen
Macht unterstützt, die kleine protestantische Vereinigung er-
drücken müsse.
Eine offene Allianz mit Frankreich, wie sie Johann
Casimir wünschte, die an Stelle der bisher Ton einigen
protestantischen Fürsten nach Frankreich geschickten kleinen
Truppen- und Geldsendungen treten sollte, hätte freilich die
Widerstandskraft und die Sicherheit eines protestantischen
Bundes erheblich yerst&rkt. Aber abgesehen 7on den Opfern
und Gefahren, die eine solche Verbindung mit sich bringen
mufste, hörte man nach Johann Casimirs Tode noch auf die
Mahnungen, welche gegen einen Bund mit den Fremden an
das reiohsständige Gewissen gerichtet wurden. So blieben
denn auch die Versuche, die Heinrich IV. 1590 und 1597
machte , die protestantischen Stände offen auf seine Seite
zu ziehen , erfolglos ') : der weitere Bund mit Frankreich
kam ebensowenig zu stände wie der engere unter den deutschen
Fürsten.
Nicht einmal der spanische Einfiel Tormochte den ünions-
gedanken seiner Verwirklichung entgegenzuführen. Anfisngs
allerdings schienen die Korrespondierenden — denn so nannten
sich die Stände, welche die Union betrieben — durch Opfer-
1) Ritter I, 76.
8) Ritter I, 62.
8) Ritter I, 77.
Politik d«i Heraogs Johann Casimir Ton Coburg. 419
Willigkeit und EntsohlosBenheit die Eeichsexekation in den
Schatten stellen sa wollen. Sahen sie doch in diesem Ein-
fall der Spanier den Beginn des Angriffs gegen die Freiheiten
der eyangelischen Fürsten und ihre Religion ! Aber der
Geiz und die Aengstlichkeit verschiedener Stände und dann
der Streit des Herzogs inline von Braanisohweig mit dem
Landgrafen Moritz Ton Hessen über den Oberbefehl des auf-
zustellenden Heeres liefsen den Plan der Korrespondierenden,
als selbständige Macht ihren auswärtigen Feinden gegenttber-
zutreten, ebenso kläglich scheitern wie den ementen Ver-
such, ein allgemeines eyangelisches Verteidigungsbündnis auf-
zurichten. Als nun gar der Kurfürst Ton Brandenburg und
.der Herzog Julius von Braunschweig die Reihen der Korre-
spondierenden Terliefsen, sahen die Uebriggebliebenen ein,
dafs sie unter diesen umständen die Protestation gegen die
im Eeichstagsabschied 1598 festgesetzte Türkensteuer nicht
aufrecht erhalten konnten. Im April und Mai waren die
Sprüche des Kammergerichts, welche an die fernere Weige-
rung die Drohung der Reichsacht knüpften ^), gefallen. Das
Scheitern eines Bundes hatte den Korrespondierenden die
Möglichkeit entzogen, im gegebenen Fall Gewalt mit Gewalt
abzutreiben. So wurde der Besohlufs durchgesetzt, dafs ein
jeder zusehen möge, wie er sich mit dem Kaiser yergleichen
könne. Es folgte die Zeit, in welcher die SteuerTcrweigerer
die Ansprüche des Kaisers mit runden Summen befriedigten.
Ja auf dem Reichstage 1603 wurden ihm 86 Römermonate
bewilligt, die höchste Summe, welche Rudolf Tom Reiche er-
halten hat«).
Alle Versuche, welche die pfälzische Partei seit 1690
gemacht hatte, um den Plan einer Union zu realisieren, waren
gescheitert an der geringen Zahl und Einigkeit derer, die sich
zusammenfanden. Zu gleicher Zeit waren auch die Unterneh-
mungen der pfälzischen Partei^die eben nur bei einer selbständigen
1) Bitter I, 241.
S) Hanke 149.
XVII. 28
420 Politik des Hersofi^ JohaDn Casimir ron Coburg.
und mit Mitteln yersehenen Macht möglich waren, nämlich
die Steaerverweigerang, die Yertreibang der Spanier yom
Eeichsboden und die BehauptangJ des Administrators Ton
Strafaburg gegen den Kardinal Ton Lothringen, resnltatlos ver-
laufen. Entmutigt durch die dreizehnjährige fruchtlose Arbeit,
gaben die Pfalzer die Unionsversache für einige Zeit auf. Dafs
es nicht für immer geschah, dafilr sorgte der Beiohstag 1608,
auf dem nur dadurch, dafs der Kaiser die Erledigung des Justiz-
punktes Terschob ^ ), der offene Ausbruch der Entzweiung rerhütet
wurde, und dann nicht zum mindesten der Feuereifer und
die rastlose Thätigkeit Christians von Anhalt, des Leiters
der pfälzischen Politik. Seiner Ueberzeugung nach war ein
Kampf zwischen den protestantischen und katholischen Mächten .
Europas unausbleiblich; zu einem solchen müsse man sich
protestantischerseits rüsten, um im geeigneten Augenblicke
zum Angriff, der vor allem die Schwächang der spanischen
Macht bezwecken sollte, herrorbrechen zu können. Yen
diesem Gesichtspunkte ans hatte er nicht nur die Verbindung
der deatschen Fürsten mit den Staaten aufrecht erhalten,
sondern er reiste auch im Jahre 1606 zu Heinrich IV., um
die guten Beziehangen mit ihm, welche das Verhalten
einiger Korrespondierenden in der bouillonschen Angelegen-
heit getrübt hatte, wiederherzustellen. Dies war ihm ge-
lungen, nicht so die ünionsyerhandlungen, die er auf Grund
des wiederhergestellten guten Sinyemehmens begonnen hatte.
Allerdings hatten die Pfälzer seit dem Reichstag 1608
wenigstens insofern einen Fortschritt in ihrer Unionspolitik
zu yerzeichnen, als sie 1604 mit Anspaoh, Culmbach, Anhalt-
Dessau und dem Landgrafen Moritz Sohutzyerträge abge-
schlossen hatten *)• Viel wichtiger war das Sonderbündnis,
das im Augast 1607 zwischen Pfalz und Württemberg in
Heilbronn Tcreinbart wurde ^), deswegen nämlich, weil die
Leistungen erheblich gröfser waren als bei jenen Land-
1) Bitter II, 32.
2) Rit(er 11, 227.
3) Bitter II, 224.
Eolitik des Hersogs JofaaoD Casimir von Coburg. 421
rettongen und man auch die Besümmang getroffen hatte,
dafe der Band durch Zuziehung anderer protestantischer
Stände su yergröüiem und alsdann durch einen Vertrag mit
Heinrich IV. zu yerstärken sei. Doch war yorläufig wenig
Aussicht dafür Torhanden.
Da hahen yerschiedene Ereignisse, in erster Reihe die
Besetsung Donauwörths durch Maximilian, die Unruhen in
Oesterreioh und dann der Verlauf und die Sprengung des
Reichstags 1608, den Gedanken eines protestantischen Bandes
wieder mit aller Macht in den Vordergrund geschoben;
diesmal mit dem Erfolg, dafs noch im Mai desselben Jahres,
nachdem der Versuch des Kurfürsten Ton Brandenburg, eine
allgemeine eyangelische Union zu grflnden, gescheitert war,
sich wenigstens eine Reihe Ton Ständen in Ahausen zusammen-
sohloasen.
Bndlich war das politische Ideal der Pfälzer, das sie
seit Jahren unermüdlich Terfolgt, wenigstens einigermafsen
zur Wahrheit geworden. Freilich ein allgemeiner eyange-
lischer Bund blieb immer noch das zu erstrebende Ziel, da
die SU Ahansen geschlossene Union im wesentlichen aus
süddeutschen erangelischen Ständen bestand. Der Ausbau
der Union wie ihre Existenzfähigkeit überhaupt hing daher
Ton der Haltung ab, welche der Norden Deutschlands, welche
besonders Sachsen ihr gegenüber einnehmen würde.
Ich habe mir Torgenommen die Stellung der emestini-
sdhen Linie dieses Hauses und besonders des Herzogs
Johann Casimir zur pfälzischen Union zu ermitteln. Doch da
jene einen Bestandteil der Politik der Emestiner überhaupt
bildet und, ohne weiteres aus ihr herausgenommen, unver-
ständlich sein würde, gedenke ich auf das allgemeine poli-
tische Verhalten der Emestiner um die Wende das 16. Jahr-
hunderte einen Blick zu werfen und besonders zu berück-
sichtigen, in welcher Beziehung die Emestiner vor dem
Abschlufs der Union zur pfälsischeil Partei gestanden und
wie sie sich den Unionsbestrebungen gegenüber yerhalten
haben.
28*
422 Bolitik des Hersogs Johann Oftsimir ron Coburg.
I. Kapitel.
Charakter der emestinisohen Politik bei Beginn des
17. Jahrhunderts.
Zur Zeit der Orüodang der Union waren die beiden
ältesten der lebenden emestinisohen Fürsten der Hersog
Johann Casimir Ton Goborg und sein Brader Johann Ernst
der Aeltere, der in Eisenach residierte. Sie waren zagleioh
die beiden einzigen, welche ein selbständiges Regiment führten,
denn die Hersöge Ton Weimar, die Söhne des am 10. NoTomber
1605 yerstorbenen Johann III., ebenso wie die Nachkommen
Friedrich Wilhelms, denen am 28. November 1608 der Alten-
burger Teil als besonderes Herzogtam zage wiesen worden
war, befanden sich unter der Vormundschaft und natürlich
auch unter der politischen Leitung Eursachsens. In Weimar
endete sie am 9. NoTomber 1615 ^) mit der üebertragong
der Landesregierung an Johann Ernst den Jüngeren, während
Johann Philipp von Altenburg erst bei Beginn des Jahres
1618 ToU jährig wurde und in die Verwaltung des Herzog-
tums eintrat*). In der Zeit von 1605 — 15 deckt sich also
die Politik Johann Casimirs und seines Bruders mit der
Politik der Emestiner. Ja wenn wir aus dem Teüungsrer-
trag Tom 14. Desember 1596, der den Coburger Teil der
emestinisohen Lande in zwei Fürstentümer, Coburg und
Eisenach, schied, die Bestimmung heransiehen, durch welche
Casimir die äufsere Politik auch des Eisenacher Fürstentums
übertragen wurde*), so können wir sagen, dals die Politik
Johann Casimirs yon 1605 — 1615, also auch spesiell seine
Stellung zur Union in dieser Zeit, identisch ist mit der
emestinischen Politik überkaupt. — loh beabsichtige deshalb
1) Böse, Hersog Bernhard der Grofse, I, 82.
8) Mfiller, Annalen des knr- n. Arstliehen Hauses Sachsen, S14.
8) Dass, 269.
Politik d«t Henogi JohAnn CMimir ▼on Coburg. 428
dieten Fürsten zum liittelpunkt meiner Ansführangen in
machen.
Wenn wir eeine Politik yerstehen wollen, so dürfen wir
keinen Aagenblick das Verhältnis der eroestinisohen and
albertinischen Linie, wie es zn seiner Zeit bestand, aufser
acht lassen. Casimir darfte Karsachsen, das im Oefähl eines
schlechten politischen Gewissens and in Erinnerung der ver-
schiedenen Versuche, welche die Emestiner zur Wieder-
erlangung der yerlorenen Kurwürde gemacht hatten, mi£s-
trauisch und argwöhnisch auf jede selbständige Begung der-
selben hinblickte, in keinem Falle durch einen ernsten Gegen-
satz reizen, wenn er nicht Gefahr laufen wollte, von den
übermächtigen Vettern ein ähnliches Schicksal zu erleiden
wie sein uDglüoklicher Vater. Lediglich aus dieser Furcht
neben der Schwäche seines Landes erklärt es sich, dats er
auf den Reichstagen und bei anderen offiziellen Versammlungen
und Yerhandlangen fast ohne Ausnahme den Voten der Kur-
sachsen folgt. Den gemeinsamen Besitz des Landes Henne-
berg und die Verwandtschaft kann man kaum als Grund
dieses politischen Anschlusses annehmen, wie es Bitter, Ge-
schichte der Union I, 58, thut Der „gemeinsame Besitz''
konnte nur bittere Empfindungen wecken, weil Karsachsen
gegen alles Becht sich einen Teil der hennebergischen Erb-
schaft, die einzig und allein den Söhnen Johann Wilhelms
zukam, angemafst hatte ^). Und was die Verwandtschaft be-
betrifft, so hat sie doch auch zur Zeit Johann Friedrichs des
Mittleren bestanden, ohne die heftigste Feindschaft auszu-
schliefsen.
Aber diese Verbindung mit den Albertinem war ein un-
natürlicher Zustand. Die Emestiner konnten das, was ihnen
seit dem Schmalkaldischen Krieg von jenen widerfahren war,
unmöglich aus der Erinnerung bannen. Die Erbitterung und
der Hafs gegen Kursaohsen, den Johann Friedrich der Mittlere
1) Böttiger II, 30.
424 Politik des Herzogs Johann Cuimir von Coburg.
von Beinern Vater als Erbteil überkommen, dem er selbst
genngsam Ausdruck yerliehen hatte, ebenso wie sein Streben,
die verlorene Kurwürde wieder an die Glieder seines Hauses
zu bringen^), konnte durch seinen Fall nicht aus der Welt
getchaflft worden sein. Das allerdings hatte die schreckliche
Katastrophe gewirkt, dafs seine Söhne ihre Gesinnungen
weniger offen zur Schau trugen, aber dals der Gegensatz
nach wie vor fortbestand, davon legt neben yerschiedenen
äufseren Anzeichen, wie dem Verhalten Casimirs gegen seine
Gattin, die Tochter des Kurfürsten August^), und dem Vor-
mundschaftsstreit mit Christian IL im Jahre 1605 ') be-
sonders sein Hinneigen zur pfälzischen Partei und zur Union
Zeugnis ab. Wenn Casimir mit ihr sympathisiert, sie seiner
Affektion versichert, wenn er verspricht, ihr alle wichtigen
Sachen auf dem Wege vertraulicher Korrespondenz mitzuteilen,
ja sich so zu benehmen, als ob er in der Union wäre ^), so
ist es doch wohl klar, dafs keineswegs Uebereinstimmung der
politischen Anschauung der Grund seines Anschlusses an die
sächsische Staatsleitung gewesen ist, sondern dafs hauptsächlich
die Furcht ihn dazu bewogen hat — Diese kurzen Be-
merkungen über den Charakter der Politik Casimirs werden
im weiteren Verlauf meiner Darstellung oft ihre Bestätigung
finden, oft wird uns das Janasgesicht der casimirianischen
Politik entgegentreten.
n. Kapitel.
Aeaasere Politik Johann Casimirs bis snr GMndnng
der Union.
Nach dem Tode des Kurfürsten August (21. Februar 1586)
hatte Casimir für sich und seinen Bruder Johann Ernst die
1) Böttiger II, 22.
2) Scholtes, S.-Cobarg-SaAlfeldbche Lftndesgeschichte, 106 f.
3) Böse I, 14.
4) Ritter, Briefe und Akten zar Geschichte des 30-j&hrigen Krieges,
111 n. 111 u. o.
Politik des Henogs Jobann Casimir von Coburg. 425
Beg^erong der Cobarger Lande und mit ihr die bedeatende
Seholdenlasty welche die yormaQdsehaftliohe Begierung hinter-
lassen hatte y übernommen. Sie betmg nicht weniger als
600 968 fl. ^) and yermehrte sich im ersten Jahrzehnt seiner
Begierung sowohl infolge des greisen Aufwandes in der
eigenen Hofhaltung wie durch die grolsen Geldsendungen
nach Wiener-Neustadt zum Unterhalt des gefangenen Vaters
um ein beträchtliches. Bei einer solchen Finanzlage, die
erst am Anfang des 17. Jahrhunderts sich besserte'), war
schon an und für sich eine selbständige äufsere Politik aus-
geschlossen. Casimir befindet sich denn auch roUständig im
Fahrwasser der kursächsischen Staatsleitnng. So weigert er
sich auf dem Beichsiag des Jahres 1598 ebenso wie Eur-
sachsen, an den pfalzischen Sonderrersammlungen teilau-
nehmen und für die 1594 von der pfälzischen Partei einge-
reichten Beschwerden einzutreten. Auf der anderen Seite
verwendet sich sein Gesandter nach dem Beispiel der Kur-
sachsen für eine energische Unterstützung des Kaisers im
Krieg gegen die Türken ^).
Srst 1599 treffen wir Casimirs Namen und den seines
Bruders im Zusammenhang mit einem Unternehmen, das von
Kursachsen nicht gebilligt wurde, ich meine die so kläglich
gescheiterte Expedition des fränkischen, niedersächsischsn und
westfälischen Kreises, der sich der Landgraf Moritz mit
5000 Mann angeschlossen hatte, gegen die im Beiohe ein-
gefallenen spanischen Scharen ^). Indirekt wurde nämlich
dabei der Landgraf eben von Johann Casimir und seinem
Bruder unterstützt, die ihm der Erbeinigung gemäls, die
zwischen den Häusern Hessen und Sachsen bestand, auf seine
Bitte 1000 Mann zur Deckung seiner eigenen Lande geschickt
1) ScholtM 78.
8) Seholtes 80.
8) Felix Stiere, Die Politik Bsyerns 1691—1607 (Briefe a. Akten,
5. Bd.), 877.
4) Bitter I, 187 f. — Bommel, Neuere Geichichte von Hesien,
VU, 2S9.
426 Politik des Herzof^s Joliann CMimir ▼on Coburg.
hatten. Der erDestinisohe Administrator von Enreachsen,
vollständig abhängig von seinen Landständen nnd Räten, die
den Feind durch gütliche Mittel, wie sie der Kaiser vor-
schlug, zur Räumung des Reichs zn bewegen hofften ^), hatte
seinerseits nicht nur jede Hilfe abgelehnt und sich auf die
Sendung eines Rosses beschränkt^ sondern er gab auch den
beiden Herzögen nur ungern die Einwilligung zu ihrer Hilfe-
sendung ^) und anoh dann schrieb er noch vor, dals diese
Truppen nioht aus der hessischen Landesgrenze schreiten
sollten. — Diese Unterstfitzung bedeutete jedoch keineswegs
den Beginn einer veränderten Politik der beiden Brüder über-
haupt. Sie hatten eben doch nur dem Verwandten (Moritz
war der Schwager Johann Ernste) und dem erbverbrüderten
Fürsten ihre Truppen geschickt, nicht der Partei, welcher
dieser angehörte. Allerdings hegte der Landgraf die Hoffnung,
sie würden zu bestimmen sein, auch dieser beizutreten.
Wenigstens erklärte er auf der Heidelberger Tagsatzung, die
über den Abschlufs einer Union beraten sollte, man müsse
mit Rücksicht darauf, dafs „etliche Differenzen'* zwischen der
albertinisohen und ernestinischen Linie vorhanden seien, den
Versuch machen, ob man nicht Weimar und Coburg, oder
eines von beiden, zur Union herüberziehen könnte ^). — Das
gänzliche Scheitern der Unionsverhandlungen machte der-
artige Schritte überflüssig. Daus sie im anderen Fall zu
irgendwelchem Resultat geführt haben würden, ist stark zu
bezweifeln. Zwar hatte der Landgraf nicht Unrecht, wenn
er das Bestehen von Differenzen zwischen beiden Linien an-
nahm. Denn dadurch, daüs der Herzog Johann von Weimar
nach dem Tode Friedrich Wilhelms, des früheren Administra-
tors von Eursachsen, sich gezwungen sah, den Kurfürsten
Christian IL in die Vormundschaft über dessen Söhne aufzu-
1) Bitter I, 1S4.
2) Bommel VU, 828.
3) Bitter, Briefe and Akten lar Geschichte des 80-jfthrigen Krieget,
I, n. 892, p. 365.
Politik dei Benof^ Johann CMimir ron Cobvrg. 427
nehmen ^X ^^ ^^ VerhältniB zwiioheo beiden Linien nicht
eben gebessert worden. Aber wie sehr eioh trotzdem die
Emeetiner Tor einer offenen Opposition gegen Kursachsen
scheuten, davon lengt ihr Benehmen auf dem Beiohstage
Ton Regensbnrg im Jahre 1608, der unmittelbar nach dem
Schlafs der Heidelberger Tagsatzung eröffnet wurde.
Die sklayische Abhängigkeit von der kursficbsisohen
Folitik, die in der Haltung der Emestiner noch auf dem
Reichstage 1598 so scharf hervorgetreten war, ist freilich
versehwunden. Mit dem Tode des kaisertreuen ernestinischen
Administrators hatte sie ebensfalls, wenigstens für einige Zeit,
ihr Ende erreicht Während 1698 in der Türkensteuer und
dem Justispunkte die Herzoglichen sich den Kurfürstlichen
in jeder Weise angeschlossen hatten, finden wir auf dem
Eeichstage 1608 hierin manoigfAche Yerschiedenheiten zwischen
beiden. Rtieve p. 635 behauptet allerdings, dafs die Gesandten
von Weimar und Coburg von Anfang an zur Gewährung von
100 Bömermonaten ermächtigt gewesen wären, womit in
diesem Funkt volle Uebereinstimmung mit Kursachsen be-
standen hätte ^). Aber die Instruktion des Goburger Ge-
sandten spricht entschieden dagegen *). Er solle, so heifst
es in ihr, darauf sehen, dafs, es bei einer Bewilligung im
höchsten Fall von 50 Römermonaten sein Bewenden haben
möge, doch von der Mehrheit sich nicht ausschliefsen ; nur
wenn es mehr als 60 Römermonate werden sollten, trägt
Casimir Bedenken zu folgen ^). Aufserdem soll der Gesandte
1) Rose I, 12.
8) Briefe und Akten, I, n. 301, p. 888, Anm. 2.
8) Instruktion für den Goburger Beichstagsabgeordneten Dr. jur.
Wolf, Coburg, 8. Jan. 1608. Goburger Archiv, B. ü, 7, No. 63. Consept.
4) . . . derowegen wir nnsers theils uff eine gewiesse aber ertregliche
ansahl Monat sohliefsen. Jedoch soll sich unser abgesandter von den-
jenigen, was per mi^ora dieses Punckts halben bewilliget, sonderlichen von
dem f&rstlichen Weymarischen Vota nicht ausschliefsen . . . dafs es
wo möglichen bey vieriig oder zum höchsten bey fOnftig Monaten
bleiben , insonderheit aber dafr solche su leidtUchen friesten und
sielle, so denn Stftndten su erreichen erjeget werden mögen. Woferne
428 Politik des Hersogs Johano Casimir tod Coburg.
yerlangen, dafe Ton der bewilligten Summe die aoberordent-
liehen Eontributionen, die dem Kaiser im vorigen Jahr vom
oberBäehsischen Kreis bewilligt worden waren, und die für
Weimar and Coburg 11 808 Thaler betragen haben, abgezogen
würden. Von einer ursprünglichen Ermächtigung zu 100 Monaten
kann also nicht die Bede sein. Auch die Weimaraner waren
anfanglich instruiert, im höchsten Fall bis auf 60 Monate
zu gehen. Doch schon am 12. April giebt Herzog Johann
seinem Gesandten Vollmacht, 100 Monate zu bewilligen, und
wenn dem Kurfürsten von Sachsen mehr beliebe, dürften sie
sich auch nicht sträaben ^).
Casimir scheint nicht geneigt gewesen zu sein, sich zu
einer solchen Höhe zu versteigen. Als ihm sein Gesandter
den Brief Johanns übersendet mit der Bemerkung, dafs die
Kurfürstlichen sogar auf 150 Monate instruiert seien und
anfragt, wie er sich femer verhalten sollte, da vorauszusehen
sei, dafs es bei den 64 Monaten, die schon jetzt der Fürsten-
rat per majora bewilligt habe, nicht bleiben werde '), schreibt
aber I. M. Commissarios darauf replicieren wflrde undt ein mehrers durch
die Stende insgesambt bewilliget, so können wier uns davon nicht aus*
scblielsen, wollen uns aber gentzlicl^en versehen, solche hfilff werde der
Stenndt vermögen undt also 60 Monatt nicht excedim, darumb unser ge-
sandter die weymarischen darüber nicht su schreitten mit vleifs ersuchen
wirdt, damitt inn dem Haubtwerck nicht discrepautia Vota gefallen, sondern
vielmehr einer dem andern die handt bieten möge . . .
1) Heraog Johann an seine Gesandten, Kopie, Cob. Arch. B. II,
7, No. 62. (Einselne Schriften den lu Regensburg abgehaltenen Reichstag
betrefiend.)
... Ob wir wohl in der instruction unsere bewilligung auff 50 oder
Bum mebten 60 Monat denn einfachenn Römeriug nach vier ihar lang lue
thun entschlossenn gewesenn .... alfs lassen wir nunmehr geschehenn,
das ihr in votando bifs 80 entlich auch uff hundert Monat einfachen
Römeraugs bewilligen meget. Sollte aber auch unsers vetters defe Chnr^
ffirsten su Sachsen Ld. dero gesandtenn befelch gebenn, etliche monat
aber die itso gesetatenn bewilligen, so müfsen wir es entlichen auch ge-
schehen lassen . . .
S) Relation Wolfs, Regensborg, 8. April 1608. Cob. Aroh., Blnielne
Schriften etc., B. II, 7, No. 6S.
Politik des Herzogs Johaim Casimir tou Coburg. 429
Casimir am 3. Mai an den Brzherzog Matthias, den Vertreter
des Kaisers am Beichstag, er müsse seinen Gesandten, weil
er ihn notwendig an seinem Hofe brauche, vom Beichstag
abberofen ^). Aber als ihn der Qesandte darauf aufmerksam
macht» dafs ein solcher Schritt, j da nooh nicht einmal der
erste Punkt der kaiserlichen Proposition erledigt sei, unbe-
dingt Anstols erregen müsse und hinzugefügt, es sei ihm
gegenüber die Meinung geäuTsert worden, der Herzog würde,
was die Quantität der Eontribution beträfe, nicht schroff
seinen Standpunkt festhalten ^), als aufserdem ein Schreiben
des Erzherzogs Matthias für das Verbleiben des Gesandten
eintritt'), so giebt Casimir nach, und am 28. Mai schliefst
sich Wolf der Majorität an, welche 86 Monate in yier
Jahren zu zahlen bewilligt
Beschränkte sich in dem Kontributionspunkt die Ab-
weichung Casimirs von dem kursächsischen Standpunkt im
wesentlichen dooh nur auf die lustruktion, so tritt sie in den
Verhandlungen über den Justizpunkt auch in den Abstimmungen
zu Tage. Es ist schon charakteristisch, wenn die Instruktion
in betreff des Justizpunktes den Gesandten nicht nur auf die
Vota Kursachsens sondern auch auf die der Hessen und
Brandenburger, welche gerade auf dem B*eichstage 1603 an
Entschiedenheit nicht hinter den Pfälzern zurückstanden ^),
verweist.
So trat denn auch der Gesandte für die Hauptforderung
der pfalzischen Partei, die Aussetzung der vier yielumstritte-
nen Elostersachen aus den Revisionen des Kammergerichts,
ein *).
1} Hersog Joh. Casimir an Ersherzog Maitliias, Coburg, 28. April
1603. Kopie, Cob. Arcb., Einzelne Scbriften etc., B. II, 7, No. 62.
2} Relation Wolfs, Uegensbnrg, 18. Mai 1603. Cob. Arcb., Einzelne
Schriften etc., B. U, 7, No. 62.
8) Erzherzog Matthias an Herzog Joh. Casimir, Regensbnrg, 19. Mai
1608. Cob. Arch., Einzelne Schriften etc., B. H, 7, No. 62.
4) SticTe 656, 669. Briefe and Akten, I, n. 801, p. 396.
5) SÜeve 670.
430 Politik des Hersogs Johann Catimir von Ck>biirg.
Eursaohsen Termied anfangs Partei sn ergreifen ; BohlieCi-
lieh aber wies es seine Gesandten an, falls sich kein Ana-
gleich finden lasse, fnr das nntersohiedlose Yomehmen der
RcTision zu stimmen ^).
Doch um die Türkenhilfe zu sichern ^), gab Rudolf dem
Drängen der Pfälzer insofern nach, als er die Erledigung
des Justizpunktes auf einen späteren Reichstag Terschob.
Es ist ein Hinneigen Casimirs zur pfälzischen Partei
auf diesem Reichstag nicht zu verkennen. Von einem offenen
Anschlufs an dieselbe war er jedoch weit entfernt. Ihre
Sonderyersammlungen hat sein Gesandter nicht besucht^),
die Majorität in Geldsachen nicht angefochten, wie es die
Eurpfälzer und ihre Anhänger gethan ^), und auch in dem
Justizpunkte hat er nicht bei allen Abstimmungen auf ihrer
Seite gestanden ^). Die Furcht vor Sachsen war eben auch
jetzt, wo doch ein Fürst die Regierung führte, der, wie er
selbst gestand, mit fremden Ohren hören, mit fremden Augen
sehen müsse*), bei den Emestinern grofs genug, um sie
und speciell Casimir von einer Verbindung mit den Pfalzem
abzuhalten. Ob der Gegensatz zu dem Calvinismus ein
zweiter Grund war, wage ich nicht zu entscheiden. Die
Rolle, welche Casimir in der Bouillonschen Sache spielte,
scheint dagegen zu sprechen; sie scheint aber auch ein
engeres Verhältnis zwischen Casimir und der Pfalz voraus-
zusetzen, als wir eben festgestellt.
Casimir gehörte nämlich zu den Fürsten, welche auf des
Kurfürsten von der Pfalz Anregung hin und in Verbindung
mit ihm bei Heinrich IV. für den Hersog Ton Bouillon und
zwar durch eigene Gesandte intervenierten. Nun allerdings.
1) Stieve 665.
2) Briefe n. Akten I, n. 301, p. 898, Anm. 1.
3) Briefe o. Akten I, n. 801, p. 40S.
4) Briefe a. Akten I, n. 801, p. 881.
5) Stiere 660.
6) Müller, Annalen S62.
Politik des Htrsogs Johann Casimir von Coburg. 431
wenn wir bei Ritter ^) lesen : Kurpfalz, Brandenburg, Anspaoh
und Coburg sobickten besondere Oesandte, so können wir
nicht begreifen, warum Casimir in so ausgesprochener Weise
für den reformierten Herzog, der das Schofskind der PfSlzer
war, Partei ergriffen hat. Das Rätsel löst sich einfach da-
durch, daTs «Tobst von Marschall, ein Rittmeister Casimirs,
sich damals sufallig in Paris befand. Ihn hat der Herzog
auf die Bitte des Kurfürsten von der Pfalz hin ^) aufgefordert,
sich mit den kurpfalzi sehen Räten in Verbindung zu setzen
und dann, nachdem er sich informiert, um eine Audienz beim
König nachzusuchen und für Bouillon zu sprechen; er solle
sich aber, wenn er seine Privatgeschäfte rerrichtet habe,
dieser Kommission wegen nicht länger aufhalten ').
Irgend welche politische Bedeutung legte also Casimir
der Sache nicht bei. £s handelte sich bei ihm wohl nur
um einen Gefallen, den er seinem Oheim um so lieber erwies,
je weniger ihm derselbe kostete. Der Hintergedanke, dadurch
seinem Namen im Westen bei der pfälzischen Partei einen
guten Klang zu verschaffen und sie für die Zukunft auf
billige Weise sich zu verpflichten, braucht deswegen bei Casimir
keineswegs ausgeschlossen zu werden.
£r molste schon deswegen bestrebt sein, mit der pfälzi-
schen Partei in Fühlung zu bleiben, weil er Christian II.
wegen Yerstolsung and Gefangensetzung seiner des Ehebruchs
überf&hrten Gemahlin, der Tante Christians, persönlich ver-
halst war ^). Der Streit, der wegen der Vormundschaft über
die hinterlassenen Söhne Johanns IIL von Weimar zwischen
beiden am Ende des Jahres 1606 entbrannte^), legt von
1) Briefe a. Akten I, n. 342, Anm. 2.
2) Kurfürst Friedrich IV. an Hersog Joh. Casimir, Heidelberg,
26. Februar 1605. Orig. Cob. Arcb. A. I, 25 b, Saa, No. 60. (Die Aos-
söbniing des Hersogs ▼. Bouillon mit dem Kooig v. Frankreich betreff.)
5) Hersog Joh. Casimir an Rittmeister Jobst Ton üarschall, Ofsiaw,
17. Mirs 1605. Concept. Cob. Arch., A.I, 25b, Saa, No. 50.
4) BdtUger U, HS.
5) Rdse 1, 14 u. 15.
432 Politik d68 Herzogs Johann Casimir Ton Coburg.
dieser persönlichen Feindschaft ebenso wie Ton der fort-
dauernden Spannung zwischen beiden Linien genügend Zeug-
nis ab. Natürlich hat der Coburger dabei den ktLrseren ge-
zogen. Obwohl er nach dem sächsischen Recht wegen des
nächsten Qrades seiner Verwandtschaft, wegen seiner Eigen-
schaft als Haupt des emestinischen Hauses der aliein Be-
rechtigte war, obwohl eine kaiserliche Verfugung vom
30. Januar 1606 ihm wenigstens die Teilnahme an der
Weimarischen Vormundschaft zugestand, brachte es Christian
doch beim Prager Hof dahin, dafs der vorgeschlagene Ver-
gleich mit Coburg unterblieb.
So bitter Casimir das Vorgehen der Albertiner berühren
mochte, in seiner Politik, die jetzt mit der des emestinischen
Hauses zusammenfällt, hat es keine Veränderung hervorge-
rufen. Es wäre auch jetzt, wo die kursächsisohe Macht
durch die Vormundschaft über Weimar sich in demselben
Mafse verstärkt hatte, wie die der Ernestiner geschwächt
worden war, eine Thorheit und Unvorsichtigkeit gewesen,
die Albertiner durch eine veränderte politische Stellung zu
reizen. Eursachsen blieb eben das Vorbild in politischer
Beziehung mehr depn je.
Einen markanten Ausdruck ündet diese Abhängigkeit in
der Instruktion, welche Valentin von Seiwitz, Casimirs Bat,
zum Reichstag 1608 erteilt wird ^).
Es ist der Wunsch des Herzogs, heifst es dort, dals, so
weit es immer möglich, einhellige Vota im Kur- und fürst-
lichen Hause zu Sachsen zu stände kommen. Deshalb wird
dem Gesandten die Instruktion, welche der Kurfürst in Vor-
mundschaft der Altenburger und Weimaraner Herzöge erteilt
hat, zugeschickt, um sich daraus zu informieren.
Dafs unter diesen Umständen in dem Coburger Schrift-
stück von einer selbständigen und eigentümlichen AufGassung
1) lostruktioD vor Valentin von Selwis, Ratb u. Hofrichter alibier
zu dem Reichstag 1607. Orlgin. Coburg am 22. Decembris 1608 (unter-
zeichnet von Kanzler Volkmar Schererd). Cob. Arch., B.II, 7, No..76.
Politik des Heraogs Johann Casimir von Coburg. 433
der TerschiedeDeo Hauptfragen der Zeit nicht die Bede sein
kann, ist natürlich. Es will übrigens auch keine Spexial-
iDstmktion geben ; erst dann, wenn die kaiserliche Proposition
publiziert ist, soll %U' erfolgen. Nur in den allgemeinsten
Wendungen wird darauf hingewiesen, dafs alle zu befürch-
tende Unruhe im heiligen römischen Reich abgeschafft und
allenthalben Friede uod Eintracht erhalten werden müsse
und da£B den Gravamina dem kaiserlichen Ausschreiben gemäfs
abzuhelfen sei. Der Fall Donauwörth wird mit keiner Silbe
erwähnt; von einer Spezialisierung der Gravamina ist keine
Bede. DaCs Casimir eine Bewilligung Ton 50 Bömermonaten
für genügend hält, obwohl Sachsen sich bis zu 60 Monaten
entschlossen, hat ^), ist neben der Absicht, im übrigen der
kursächsischen Politik zu folgen, fast das einzig Konkrete in
den langen Ausführungen.
Am 12. Januar wurde durch Verlesnng der kaiserlichen
Proposition der Beichstag eröffnet und am 5. Februar wird
die dem Gesandten in Aussicht gestellte Spezialinstruktion in
Coburg yerfafst*).
Sie bewegt sich im grofsen und ganzen, auch was die
dem SLaiser zu leistende Kontribution anbelangt, in demselben
politischen Gedankenkreis wie die frühere Instruktion; doch
in einem Punkt tritt uns zwischen beiden ein bemerkens-
werter Unterschied entgegen. Während dort nur in ganz
1) . . . Und wiewohl J. J. F. F. O. O. aafs der Chorfttrstl. Silch-
siscben den Rftthen in Vommndtfchaflt erteUten Instroktion so Tiel ver-
nommen, das dieselbe af 60 Monat dirigiret, so lassen sieb doch dieselbe
bedftncbten, es sey nach gelegenheit der unvermdgenden Stennde etwas
sariel ondt wehre enndtlicben in omnem eventom an den 50 Monaten ge-
nogsamb; jedoch da in 60 beharret, sollet ihr dieselbe of ratification
J. J. F. F. G. O. sohliefslichen eingehen mit deme anhang , Ihr weitet
solches denselben suschreiben und nicht sweiveln, wann in gesambt dahin
geschlossen nndt niemanden befireyet. J. J. F. F. G. G^ würden sieh hiervon
gar nicht atisschliellien ....
i) Speaialinstroktion für Selwia, Coburg, S6. Januar 1608 (von dem
Kansler Volkmar Sehererd unter selchnet). Inliegend in dem Fascic.
Beiebstags-ProtocoUa 1608. Cob. Arch., B. II, 7, No. 85.
434 Politik des Hersogs Johann Cafimir Ton Coburg.
allgemeinen Ausdrüoken angedeutet wiid, dafs der Friede im
Reich erhalten werden mÜBse, so legt die Spezialinstruktion
allen Nachdruck auf dieAufrechterhaltung speziell des Religions-
friedens ^) und schiebt diese Forderung weit mehr in den
Vordergrund als es in der ersten Instruktion der Fall war.
— Ich Tormute, dafs man in Coburg, indem man diesen
Punkt besonders betonte, sich wiederum, diesmal allerdings
mit Freuden, dem Vorgang Sachsens angeschlossen hat.
Sachsen, auf den Mheren Reichstagen so bereitwillig
die kaiserlichen Forderungen zu befriedigen, wich diesmal
von der Regel ab. Infolge der Ränke der Jesuiten, deren
Einflnis die sächsischen Staatsmänner schon in der Ver-
folgung der österreichischen Protestanten zu erkennen ge-
meint hatten und denen sie jetzt wieder die Oewaltthat geg^n
Donauwörth zuschrieben, hielt man in Dresden den Religions-
frieden dar gefährdet^). Die giftigen Reden der Jesuiten
gegen ihn und besonders die yerschiedenen Bücher '), in
welchen der Friede als ein Interim bezeiohnet und überhaupt
1) . . Begehren demnach für unfs nndt den hochgebornen Fürsten
Herrn Job. Ernsten etc. etc. hiermit gnedigiicben, Ihr wollet voriger In-
struktion gemels, so euch abwesendt mi£serer durch unfsere Rftthe sage-
schickt, mit den Churfürstlichen in vormuodtschaft aldenbnrg. Rftthen, soviel
mdglichen mit den Cbnrfürstlichen Selbsten ad partem dieses ersten poncts
halben communicieren, die ietso undt vor dessen angesogenen ombstende
in grandt undt fundament erwegen, auch so ferne es möglieben dabin ver-
gleichen, das es bey unfserer vorigen nndt euch durch unfseren Cantiler
uud RAthe zugefertigten Instruction und derselben anhaong enndtlicben sein
bleibens haben möge, insonderheit aber werdet ihr dieses in acht nehmen
undt gegen wohlermelten Chur- u. Ffirstl. S&chs. abgesanndten mit vleiCi
erionem, das gleichwohl und um fall eine treuherzige wohlmeinenndtliche
huelffe bewilligt, defs beiUahmen Religionsfriedens wie auch desselben
fortsetzunge und Conservation nicht vergessen werde, dann obgleich der-
selben in specie nicht erwehnet, dieweil aber solcher neben dem prophan:
undt lanndtfrieden das fürnembste ftodamentum darauf die gantze Politia
alfs zweyen starken Seulen ruhet und bestehet^ so will zum hdohtten von
ndthen sein, das beyde, Beligion : undt prophanfrieden, erhalten werrden . .
2) Briefe u. Akten I, n. 527, p. 620.
8) Wolf, Geschichte Maximilians I. u. seiner Zeit, U, 277.
Politik dos Horsogs Johann Casimir von Coburg. 436
seine Geltimgy weil ohne Zustimmung des Papstes eingegangen,
bestritten wurde, bestärkten und vermehrten die Befürchtung
Sachsens ^). — Deshalb trug es seinen Gesandten auf, sie
hätten darauf zu dringen, dafs der Beligionsfriede auf gegen-
wärtigem Beiohstage als ewiger Vertrag bestätigt und das
Schreiben und Predigen gegen ihn untersagt werde; solange
dies nicht geschehen, dürfe man keine Steuern bewilligen.
Mit dem EntschluTs, die Steuerbewilligung von Be-
dingungen abhängig zu machen, näherte sich Sachsen der
pfälzischen Partei, eine Annäherung, die auch äufserlich ihren
Ausdruck fand, indem die sächsischen Gesandten den Befehl
erhielten, an den Privatsessionen der Eyangelischen bei Kur-
pfialz teilzunehmen ').
Dieser Schritt Sachsens beseitigte die Trennung, die seit
dem Reichstag 1594 die Protestanten ihrer besten Kraft beraubt
hatte. Welchen Wert die Pfölzer diesem neuen, mächtigen
Bundesgenossen beilegteD, sehen wir daraus, dafs sie, um die so
lange entbehrte Einigkeit nicht durch Verletzung der kon-
serrativen Gesinnung Sachsens aufs Spiel zu setzen, ihre
extremen Forderungen und Tendenzen zurücktreten lielsen
vor dem Verlangen Sachsens nach Bestätigung des Religions-
friedens. So wurde denn dieses auch der Brennpunkt aller
Verhandlungen am Reichstag *).
Casimirs zweite Instruktion hat uns gezeigt, dafs er in
dieser Frage voll und ganz der Initiative Sachsens nachgegeben
hat. Auch im Verlauf des Reichstags, auf dem bald der schärfste
Gegensatz zwischen den beiden Parteien sich geltend machte,
hat sich sein Gesandter in jeder Weise den Voten des von
Kursachsen instruierten altenburgischen Gesandten angeschlossen.
TTnd dessen Voten liefsen diesmal an Schärfe nichts zu
1) Briefe n. Akten I, n. 589, p. 685, Anm. 1.
2) Erklftmng des karsächsischen Kanzlers Joh. Timftus in der
Priyatsession der evangelischen Stände am 15. (a. S.) Januar. Reichstags-
Protocolla 1608. Cob. Arch. B. U, 7, Mo. 86.
8) Ritter, Qeschichte der Union II, 215.
XVIL 29
4S6 Politik det Hertogs Johann CMimir tod Coburg;
wüDsohen übrig. — Besonders oharakteristisoh für die yer»
änderte Stellung der sächsischen Politik ist die Rede, weiche
der alten bnrgische Oeeandte am 17. April im Fürstenrat
hielt ^). Sie iallt in die Zeit, wo der Kaiser , nm den
Grund hinwegzuräumen, der es nicht sar Beratung der Cen-
tn butiou kommen liefs, durch seinen Vertreter, den Erzhersog
Ferdinand, den Vorschlag hatte machen lassen, der Religions-
friede solle im Reichstagsabschied bestätigt werden, sowie er
1566 bestätigt worden sei; über die Zusätze und Begehren
beider Parteien solle man hinweggehen, ohne dafs daraus
ein Präjudiz abgeleitet werde *). Es wird darüber im Fürsten-
rat beraten. Da erklärt eben der altenburger Qesandte, er
wolle nicht annehmen, dafs in der luterpositionsschrift die
Majora in Religionssacheu behauptet würden. Ferner seien
von den Hofprozessen die, welche dem Herkommen und den
Reichskonstitutionen zuwider, abzuschaffen, der Reichshofrat
selbst mit Angehörigen beider Konfessionen zu besetzen;
endlich müsse den Grayamina der Evangelischen überhaupt
abgeholfen werden. Es sind Forderungen, die man früher
nur aus dem Munde eines pfälzischen Staatsmanns zu hören
gewohnt war.
Sachsen hat schliefslioh doch nachgegeben. Die knr-
sächsischen Staatsmänner erschraken vor der Aussicht auf
eine Auflösung des Reichstages, auf welche nur zu leicht
eine Auflösung der Reichsgesetze, vor allem des Religions-
und Landfriedens folgen konnte. Deshalb entschlofs man
sich iu Dresden zu der Instruktion, der vermittelnde Antrag
des Kaisers sei anzunehmen ^). Zugleich erhielteu die Ge-
sandten den Befehl, die knrpfälzischen Versammlungen nicht
mehr zu besuchen ^). Man war zur Einsicht gekommen, dafis
1) Votum den altonburK. Gesandten im FUntenraihf 7. (ik S.) April
160S. ReicbsUgs-ProtocollA 1608. Cob. Areb. B. II, 7, No. 86.
2) Bitter U, 218.
3) Ritter II, 220.
4) Briefe u. Akten I, n. 629, p. 664, Anm. 1.
Politik das HwBOgt Jobfton CAsimir tod Coburg. 437
in ihnen nicht eben pro Oaesare et imperii ealute beraten
wurde, wie einer der kurBächsischen Oesandtea in einem
Schreiben nach Cobarg versichert hatte i).
Wie sich Casimirs Gesandter dieser neuen Schwenkung
Sachsens gegenüber verhalten hat, habe ich nicht finden
können. Er scheint sich ihr wieder angeschlossen zu haben.
Wenigstens hat er ebenso wie der kursächsisohe die Schrift *),
die, von Kurpfabs verfafst und mit den Namen fast aller
übrigen Evangelischen versehen, ihre Absieht den Reichstag
SU verlassen ankündigte und begründete, nicht unterschrieben ^).
Am 28. April wurde die Schrift übergeben ; am 29. sind
Pfalz und Brandenburg abgereist Sachsens Schwanken hat
sie dazu veranlaüst. Die übrigen Stände folgten. Der Reichs-
tag war gesprengt
m. Kapitel.
OaaimirB Stellung lum Brandenburger Unionaplan.
Bei der entschiedenen Weigerung der Katholiken, den
Beligionsfrieden zu bestätigen, wenn nicht alle seit 1655 in
kirchlichen Dingen vorgenommenen Aenderungen rückgängig
gemacht würden, ist es begreiflich, dafe das Bedttrfhis einer
Union zum Schutz der protestantischen Interessen sich wieder
mehr denn je geltend machte. AuTserdem hatten die mannig-
1) Berieht eines konlobsisohen Gesandten (ebne Unterschrift).
Begensbnrg, So. Febraar 1608. Cob. Aroh. Reichstagssmehen B. II, 7,
No. 84.
2) Wolf II, S98 fg.
8) Protocoll Tom Montag den 18. (a. S.) April 1608. Cob. Arcb.,
Beiehstags-Protocolla. B. U, 7« No. 86 . . Haben Chnr Pfals in aller Evan-
gelisehen Stftnde nahmen ein schreiben begriefifen nndt dem KayserL Gom-
mbsarius fibergeben lasfen, darinnen sie ihren absng undt wammb dieser
Reichstag nicht fortgeogig sein könne, andeoteteu undt das Coocept, so
bey Chor PCalis Cantsley verblieben, allen Evangel. St&nden von hause sn
banse aar snbscription snschieketen, die es auch fast alle ao£Mr das Chor,
u. Fürst]. Hanse so darza nicht instmiret gewesen, gehandtseichnett.
29*
43g Politik des Hersogs Johann Casimir von Coburg.
faltigsten Gerüchte die Protestanten in Schreoken gesetzt:
Es kamen Nachrichten aus Italien, daCs man dort stark rüste ;
in Bayern und Böhmen sollten ebenfalls Truppen susammen-
gezogen werden ^). Ja man wollte wissen, dafs im März
zu Passau ein Bündnis zwischen Bayern und Oesterreioh auf-
gerichtet worden sei ^). Die Protestanten waren überzeugt,
dafs sich ein grofsartiger Angriff gegen sie vorbereite.
Da war es der Kurfürst Joachim Friedrich von Branden-
burg, der, veranlafst durch die aufgeregten Berichte seines
Gesandten Pruckmann ^), sich für eine persönliche Zusammen-
kunft sämtlicher protestantischer Fürsten zur Stiftung eines
Schutzbündnisses verwandte. — Die kurpfälzischen Gesandten
erwärmten sich natürlich sofort für den Plan. Auch die Gesandten
von Neuburg, Hessen- Kassel , Anhalt, Gulmbach, Anspach,
Lüneburg, Württemberg, Baden und den Wetterauer Grafen
stellten einen günstigen Entscheid ihrer Herrschaften in Aus-
sicht^). Doch der Kurfürst von Sachsen war weder brieflich
für einen Konvent der evangelischen Fürsten zu stimmen,
noch gab er dem persönlichen Drängen Joachim Friedrichs
auf einer Zusammenkunft in Annaberg am 19. April nach.
Er lehnte es ab, zu erscheinen, weil ein solches Unternehmen
jetzt nicht an der Zeit sei ; man solle erst die Erregung sich
etwas legen lassen^).
Während sich also Sachsen von vornherein dem Plan
einer evangelischen Union abgeneigt zeigte, nahmen Casimir
und seine Bäte dem angeregten Projekt gegenüber eine völlig
andere Stellung ein.
Schon am 22. März ^) war nach Coburg berichtet
worden, dafs man unter den Evangelischen sich mit dem
1) Ranke 172.
8) Beriebt aas Regeosborg (oboe Uoteraobrift) 18. Mftrs 1608. Cob.
Aroh., ReicbstHgssacben B. II, 7, No. 86.
8) Briefe u. Akten I, n. 589, p. 668 n. 669.
4) Briefe u. Akten I, n. 689, p. 661.
5) Briefe n. Akten I, n. 689, p. 668.
6) Bericht aas Regensbarg (ohne Unterschrift) 18. Mira 1608. Cob.
Arch., Beichstagssaoben B. II, 7, No. 86.
Politik des Herzogs Johaoo Casimir von Coburg. 439
Plane einer engeren Vereinigung trage. Näheres erfahr man
ans einer Belation des Gesandten, die am 16. April üher-
hracht wurde'). In derselben berichtet er: Am 12. April
habe sich der brandenburgische Gesandte bei ihm melden
lassen und ihm die Absicht seines Herrn» die Evangelischen
wegen der augeoscheinliohen Gefahr , die ihnen drohe, zu
einem Bund zusammenzuschliefsen , mitgeteilt Eine stille
Zusammenkunft, wo ohne Protokoll die Sache erledigt werden
könnte, sei notwendig. Der Eurfärst lasse nun durch ihn
anfragen, ob Casimir und Johann Ernst mit der persönlichen
Zusammenkunft einverstanden wären. Der Gesandte hatte
erklärt, nicht instruiert zu sein ').
Als die Belation ankam, befand sich Casimir in Be-
gleitung seines Eammersckretärs Heufsner in der Nähe von
Eisenach. Des Hersogs Kanzler Schererd nahm sie deshalb
in Empfang und verbreitete sich in einem ausführlichen
Gutachten, das er „als unverfängliche Erinnerung^' für die
Antwort an den Kurfürsten von Brandenburg an HeuXsner
schickt, über den Plan desselben ^).
Entschieden tritt er für einen Bund der evangelischen
Stände ein. Allerdings hätten dergleichen Yereinigungen
öfters einen bösen Ausgang genommen, wie der Schmalkal-
dische Bund bezeuge. Aber man dürfe nicht vergessen, dafs
es etwas ganz anderes sei, wenn dieselben pro Caesare et
Imperii salute und nicht contra Caesarem et ad offensionem
1) BelatioD Selwisens. Begensbnrg, 8. April 1608. Cob. Areh.,
BeiehstagssAchen 1608, B. U, 7, No. 86. ^Dss Postseript. besieht siob auf
den UnioDsplan.)
8) . . Auff dieses habe ich swar geantwortett, das, wie es der Oe-
sannde selbstTersteDdig za erachteoD , ich uff dieses Dicht bcTehlichtt,
solche sacbeon auch, dieweill sie iim geheimb gehaltenn werden soUtenn,
der federnn nicht wohl soTertrawenn, ich wollte aber nichtt nnderlassenn
solches £. F. G. za meiner anknnfft onderthenig su referiren . . of. dain
Briefe n. Akten I, n. 5S9, p. 66S: „Der Coborger (Gesandte habe kelDcn
gflnstigen Entscheid in Anssicht gestellt.**
8) Gatachten des Kanzlers Schererd. Datum Coburg, 9. April 1608.
Coneept. Cob. Aroh., Beichstagssaehen 1608, B. II, 7, No. 86.
440 Politik d«8 Henogs Johtnn Casimir too Coburg.
paois pnblioae gesohloBsen würden. Bobliefslioh fügt er das
rätselhafte Wort an: Unnd weil nichts so böse, es ist auch
SU ettwas gut, mochte es (der Bond) yieleioht E. F. Gn.
Sachen zu einem befsern standt bringen.
Dieses Gutachten muTs Casimirs Tollen Beifall gefunden
haben, denn der lange und interessante Brief, den er am
29. April 1608 dem Kurfürsten als Antwort übersandte^), ist
ganz im Sinne desselben abgefafst.
Weil er den Besorgnis erweckenden Zustand im Reich
und die Gefahr, in welcher die Evangelisohen schweben, an-
erkennen mufs, so ist Casimir und sein Bruder mit dem
Vorschlag einer geheimen, persönlichen Zusammenkunft durch-
aus einverstanden. Was den Bund selbst angehe, so sei
es nach der heiligen Schrift nnd der goldenen Bulle erlaubt,
einen solchen zu tchliefseu. Hätten sich doch z. B. Tor
zwei Jahren die Erzherzöge von Oesterreich, um die Freiheit
und Hoheit ihres Hauses zu sichern und zu beschützen, auch
nicht gescheut, eine besondere Konföderation zu errichten.
Nicht nur erlaubt sei ein solcher Schritt, sondern die Pflicht
gebiete ihn sogar ; schon Thucydides sage mit Kecht: Non ii
modo tyranni sunt, qui aiios in servitutem redigunt, verum
longe potius ii, qui, cum eam violentiam reprimere possint,
non ourant Nun sei ja zu hoffen, dafs nachdem alle
Evangelischen auf der Reiohsversammiung zusammengehalten,
sich auch keiner von einem solchen Bündnis ausschlie£8en
werde. Um aber ganz sicher zu sein, wäre es das Beste,
wenn sich Joachim zuerst mit den beiden weltlichen Kur-
fürsten verständige. Weiter möge er dahin wirken, dafs bei
diesem Werk alle Privatbedenken und vor allem der Religions-
streit zum Schweigen gebracht würde, damit das allgemeine
Wohl der alleinige Mafsstab alles Vorgehens sein könne.
Es sei ja freilich zu wünschen, dafs Einigkeit bestehe in den
1) Herzog Joh. Casimir an KarfCrst Joaehim Friedrich von Branden-
barg. Coburg, 19. April 1608. Concept. Cob. Aroh., BeiohstagMaehen
1608, B. U, 7, No. 86, cf. Anhang L
Politik des Heriogt Johann Casimir von Coburg. 441
wahren Lehreii des ByaDgeliumB, aber wenn es darauf an-
komme, den Frieden zu .erhalten und einer Gefahr zu be-
gegnen, so müsse roan diejenigen, welche in der Beligion
nicht in allen Funkten und Artikeln dieselbe Meinung hätten,
dulden. Bs sei dies, wie ihm berichtet worden, die Ansieht
vieler hervorragender Theologen der Vergangenheit und Gegen-
wart Nur wenn dies geschehe, könne die Trennung unter,
den evangelischen Ständen, welche die Feinde so eih*ig an-
strebten, abgewendet werden. Man solle doch der geringen
Differenzen wegen nicht den Plan eines allgemeinen Bundes
fallen lassen und abwarten, bis die Flammen zum Himmel
emporschlügen ; dann würde es zu spät sein.
Vergleichen wir mit diesen Ausführungen, die bei ihrem
energischen Eintreten für den Abschlufs einer Union selbst
einem pfalzischen Staatsmann Ehre gemacht haben würden,
mit der Bemerkung Christians auf der Anuaberger Zusammen-
kunft, ein solcher Bund sei jetzt nicht zeitgemäfs, so staunen
wir über die Verschiedenheit, ja über den diametralen Gegen-
satz, der zwischen der ernestinischen und albertinischen Poli-
tik in dieser Frage besteht Wir wundem uns und suchen
nach Gründen, welche Casimir veranlafst haben könnten, von
seinem bisher beobachteten Prinzip, Sachsen in politischer
Hinsicht sich stets zum Vorbilde zu nehmen, so scharf ab-
zuweichen.
Ich vermute, dafs man in Coburg von einer Abneigung
Sachens gegen den Unionsplan wie von seinem Zurückweichen
aus der Opposition überhaupt noch nichts gewufst hat Im
Briefe steht wenigstens nichts davon. Im Gegenteil Casimir
betont gerade die Einigkeit der Evangelischen auf dem Reichs-
tag. Und dann scheint sein Anschlufs an die sächsische Staats-
leitung auch in der Folgezeit ebenso wie sein vorsichtiges
Benehmen der pfälzischen Union gegenüber dafür zu sprechen,
dafs er auch damals, wenn ihm die ablehnende Haltung Eur-
sachsens bekannt gewesen wäre, Bedenken getragen hätte,
der kursächsischen Politik in dieser Weise ins Gesiebt zu
Bohlagen.
442 Politik dM Hertogs Johann Casimir von Ck>biirg.
Doch waram ist Casimir so warm für das Zustande-
kommen einer Union eingetreten ? Vor allem deswegen, weil
er sie im Interesse der protestantischen Sache far notwendig
erachtete, dann aher anch wohl daram, weil man in Oohurg
die Hoffnung hegte, durch eine solche in den Privat-
angelegenheiten gefördert zu werden. Aus dem ohen er-
wähnten, rätselhaften Wort des Kanzlers glaube ich dies ent-
nehmen zu können.
Aber nicht nur Kursaohsen sondern auch andere Stände
bewahrten dem brandenburgischen Projekt gegenüber eine
reservierte Haltung. Die Eintracht der protestantischen Stände
hatte also gerade ausgereicht, um das wichtigste Organ der
Beiohsver&ssung, den Reichstag, zu sprengen. Aber als es
sich darum handelte, an Stelle desselben eine Einrichtung
zu schaffen , welche den Protestanten Sicherung gewähren
sollte, da trat die alte Spaltung und Uneinigkeit wieder zu
Tage. Bis zum 30. April waren bei dem brandenburgischen
Gesandten erst von Kurpfalz, Anspach und Württemberg zu-
stimmende Erklärungen eingelaufen >). Bald sah der Kurfürst
ein, dafs er auf die Durchführung seines Plans versichten
müsse. Seine Antwort an Casimir legt von dem lüfserfolge
seiner Bemühungen Zeugnis ab *).
Neben dem Kurfürsten von Brandenburg hatte aber noch
ein anderer Mann den Plan einer Union, welchen der Begens-
burger Eeichstag gezeitigt, mit Freuden aufgenommen und
mit Feuereifer betrieben. Es war der Fürst Christian von
Anhalt Besonders deswegen wünschte er jetzt das Zustande-
kommen einer solchen, weil er von der Hoffnung ausging,
sie würde sich zum Eingreifen in die österreichischen An-
gelegenheiten treiben lassen, um gegen die durch die Auf-
stände in Ungarn und Oesterreich und durch den Zwist
1) Briefe q. Akten I, n. ÖS9, p. 66S.
2) Knrf&rst Joachim Friedrich an Hersog Joh. Casbnir. Qegebenn
inn nnfseim hoflflager sa Colin an der Sprew d. 18. May 1608. Orig.
Cob. Arch., Beichstagssachen B. II, 7, No. 86.
Politik des Henogs Jobanii Casimir toq Coburg. 44S
Badolfs und Matthias' geschwächte habsbargisohe Macht den
TodeBstofs za führen ^).
Semen Vorstellungen gaben aach die Markgrafen von
Anspaoh, Cnlmbach und Baden, die Herzöge von Württem-
berg and Kenburg nach. Am 12. Mai fanden sie sich in
dem anspachischen Dorfe Ahausen zusammen ; der Herzog von
Neubnrg hatte als Vertreter seinen Sohn Wolfgang Wilhelm
gesandt. Christian von Anhalt leitete als Bevollmächtigter
des Kurfürsten von der Pfalz die Verhandlungen nach eigener
Einsicht. Ihr Besultat war die Gründung eines Bundes.
Begelmäfsige Bundessteuem und die Aufstellung einer Bundes-
armee sollten seine Existenz sichern ^). um nicht religiöse
Streitigkeiten einen hemmenden Einflufs auf die Ausbreitung
der Union, an die sich Lutheraner wie Calvinisten anschlielsen
sollten , gewinnen zu lassen , hatten sich die Fürsten das
Wort gegeben , ihre Theologen zur Buhe zu verweisen ').
Sie sollten schweigen, um das politische Werk, das die
oppositionelle Partei unter den Fürsten geschaffen, nicht zu
stören.
Freilich betonte man den defensiven Charakter desselben ;
aber die Union wurde doch eigentlich gestiftet, um die Macht
und die Machtansprüche der Protestanten mit den Waffen zu
verfechten, nachdem der jüngste Beichstag die Unmöglichkeit
einer gütlichen Verständigung gezeigt hatte.
Die Union, wie sie zu Ahausen ins Leben trat, war
jedoch in Wirklichkeit nur ein ziemlich enges Verteidigungs-
bündnis.
Die nächste Aufgabe der Unierten muTste es darum sein,
die Verstärkung des Bündnisses durch ihre protestantischeo
Mitstände anzustreben. An Versuchen sie hereinzuziehen,
haben es jene denn auch nicht fehlen lassen. Doch nur
Kurbrandenburg, Hessen-Kassel, Anhalt und einen Teil der
Beichsstände vermochten sie bis zum Jahre 1610 zu gewinnen.
1) Gindely, Badolf II a. seine Zeit I, 844.
8) Die Bandesakte, Wolf U, 418 fg.
8) Gindely I, 848.
444 Politik d«t Htriogt Johann Catimir von Colnirg,
IT. Kapitel.
Stellung Oasimln sor PflUBiBohen Union.
Jülioher lärbfölgestreit.
üeber die Versuche, die in der ersten Zeit nach der
Gründung der Union gemacht wurden, Casimir zum Beitritt
zu bewegen, wie über seine Antworten habe ich im Coburger
Archiv nichts finden können. Auf jeden Fall steht die That*
Sache fest, dafs sich Casimir ihnen gegenüber ablehnend ver-
halten hat, er, der kurz vorher den Plan einer Union mit
Freuden begrüfst. Unzweifelhaft hat die Weigerung Eur-
sachsens, sich der Union anzuschliefsen ^), auch diesmal wieder
bestimmend auf seine Haltung eingewirkt.
Man war seitens der Union Sachsen in jeder Weise
entgegengekommen. Schon in Ahausen war die Absicht aus-
gesprochen worden, die Union in zwei Kreise zu zerlegen
und Oberdeutsohland der Führung Sachsens zu unterstellen,
um seine zu erwartenden Einwendungen gegen den Vorrang
des Kurfürsten von der Pfalz zu beseitigen *). Es war ver-
gebens gewesen. Sachsens konservativ-orthodoxer Sinn wies
alle Annäherungsversuche zurück.
Die Jülicher Erbfolgefrage kam hinzu und vermehrte die
Spannung zwischen Sachsen und der Union. Denn während
Sachsen mit Hilfe des kaiserlichen Hofs und auf dem Wege
des Rechts seine vermeintlichen Ansprüche auf die erledigten
Lande Jülich und Berg durchzusetzen hoffte '), stand die
Union auf der Seite seiner beiden hauptsächlichsten Mitbe-
werber, Brandenburgs und Neuburgs, die mit den Waffen in
1) Briefe n. Akten II, n. 25, p. 37.
2) RiUer, Oesehiohte der Union U, 861.
8) Ritter, Sachsen ond der Jfilicher ErbfolKestreit, 3 — 6 (Abhand-
lung der III. Klasse der königl. Akademie der Wissenich., XII. Bd.
München.)
Politik dM Henogt Jolwnii Cttimlr Ton Coburg. 445
der Hand des Landes noh bemSohtigt und, dnrch das Er-
Boheinen des Erzherzogs Leopold^als kaiserlichen Seqnestrators
gleichmäfsig bedroht, über den gemeinschaftlichen Besitz des
Landes sich verglichen hatten. (10. Juni 1609).
Kioht weniger Interesse als die Albertiner nahmen die
Bmestiner an der Jülicher Erbfolgefrage. Hatten doch auch
sie ihrerseits ein Anrecht und zwar auf die gesamten Jülich-
Cleveschen Lande ^), ein Anrecht, das auf jeden Fall besser
begründet war als das des gesamten Hauses Sachsen auf
Jülich and Berg 2).
Erst spät jedoch, als schon der Streit im rollen Gange war,
war man sich in Coburg der Ansprüche des ernestinischen
Hauses bewufst geworden ^). Im September 1609 sind dann
die albertinischen und ernestinischen Räte in Naumburg zu-
sammengekommen und haben sich dem Vorschlag des kur-
fürstlichen Kates Oerstenberg entsprechend dahin verständigt,
die Verfolgung der aus den verschiedenen Privilegien ent-
springenden Ansprüche dem Kurfürsten Christian zu über-
tragen, der allerdings stets mit Zuziehung der Herzöge handeln
sollte. Ferner erklärte man dort, dafs die Einweisung in den
Besitz und die gerichtliche Erkenntnis lediglich dem Kaiser
zustehe *).
Wie schon so oft früher, so hat man emestinischerseits
auch in dieser Frage offenbar der Initiative der kursächsischen
Politik nachgegeben. Denn dafs Casimir der Entscheid der
Frage durch einen Prozefs beim kaiserlichen Hofrat nicht
sympathisch war, wenn er auch auf des Kurfürsten von Sachsen
Anordnung ^) hin für den glücklichen Ausgang desselben an
Sonn- und Festtagen beten liefs^), ergiebt die Betrachtung
1) Bittor, Sachs, n d. Jfil. Erbfolgestreit, 7—9.
t) Ritter, Sachsen etc., 9.
8) Ritter, Sachsen etc., 87.
4) Ritter, Sachsen etc., 2S.
6) MaUer, Annalen, 847.
6) Scholtai 94.
446 PoUtik dM Hmogs Johaon CMimir ron Coburg.
einer Reihe von Schriftetacken, die teils von ihm herrühren,
teils rioh mit ihm beschäftigen.
Ganz im Gegensatz zur kursäohsischen Auffassnng be-
tont er in einem Brief an den Landgrafen Moritz (16. Mai)
die Notwendigkeit eines gütlichen Vergleichsy damit sich nicht
der Kaiser einmische, die Sequestration verhänge und die
Sachen einem langwierigen Prozefs überliefere. In diesem
Fall sei zu befürchten, dafs die Spanier ihren Vorteil ersehen
und unter irgend einem Vorwand der Lande sich so be-
mächtigen suchen würden *).
Casimir hat auch auf die Aufforderung des Landgrafen
Moritz hin '), der des Herzogs Ansicht vollkommen teilte
und der auch seinerseits nichts sehnlicher wünschte als einen
gütlichen Vergleich zwischen Brandenburg, Neuburg und
Sachsen ^), versucht den Dresdener Hof einem solchen geneigt
zu machen. Doch kalt verwies man Casimir von dort auf
den bevorstehenden Naumburger Tag^). Wie sich der Herzog
hier der kursächsischen Staatsleitung wenigstens offiziell
fügte, haben wir gesehen.
Auch bei der Besprechung von Annaberg (25. — 28. Sept)
zwischen dem Markgrafen von Anspach, dem Landgrafen
Moritz und den Räten der beiden sächsischen Häuser be-
teiligte sich Casimir offenbar gegen seine üeberzeugung an
der Zurückweisung der Vermittelungsversuche ^).
Kursachsen erwartete eben die Befriedigung seiner
Jüliohischen Ansprüche von der „Gerechtigkeit und Macht'«
des Kaisers und wiederholte, nachdem die kursächsischen
Staatsmänner den Plan, die Ansprüche Sachsens an Oester-
reich abzutreten, hauptsächlich infolge des energischen Pro-
testes der beiden Herzöge *), hatten fallen lassen, mit un-
1) Ritter, Sachsen etc., p. S7, Anm. 1.
8) Bitter, Sachten, 37.
8) Briefe n. Akten II n. 148, p. S99 — Bommel VII, 607.
4) Bitter, Sachsen etc., 39.
6) Bitter, Sachsen etc., 65.
6) Bitter, Sachsen etc., 82 n. 88.
Politik des Hersogs Johaim Casimir ron Coburg. 447
ermüdlioher Geduld am Prager Hof die Bitte um Belehnuug
mit den Landen. Aber so oft die Belehnung yon Seiten der
sächsiBohen Gesandten nachgesucht wurde, so oft wulate die
kaiserliche Regierung auszuweichen.
Diese Zögerung und Zweideutigkeit des Prager Hofes
war nur dazu angethao, das Miüstrauen der Herzöge von
Coburg und Eisenach su bestärken und die Ueberseugung in
ihnen zu befestigen, dafs die karsäohsische Politik falsch sei,
da£B sie andere Bahnen einschlagen müsse, besonders jetzt,
wo die Sachen sich immer mehr zu einem grofsen Krieg zu
wenden schienen. Die Folgen eines solchen, das betonten
die beiden Fürsten mit Recht, mufsten verderblich sein für
die sächsischen Ansprüche, mochte der Kaiser siegen oder
die possedierenden Fürsten, denn dafs die Sieger die Lande
festhalten würden, war vorauszusehen. Deshalb ging die
Meinung Casimirs und Johann Emsts, die sie dem Dresdener
Hof gegenüber aussprachen, dahin, der Krieg müsse auf jede
Weise verhindert werden. Zu diesem Zweck sei mit Branden-
burg und Neuburg ein Ausgleich hinsichtlich des Besitzes
und der Ansprüche zu treffeo, der sowohl den drei Fürsten-
häusern wie dem Kaiser genehm sei ^).
Dafs ein solcher bei der Verschiedenheit der Standpunkte
unmöglich sei, bewiesen die Hofer Verhandlungen '). Am
18. Februar, zwei Tage nach dem AbschluÜB des Allianzver-
trages zwischen Frankreich und der Union, der einer Kriegs-
erklärung gegen das Haus Habsburg gleichkam, nahmen sie
ihren Anfang.
Nur auf das Drängen Frankreichs und der Union hin
hatte sich der Kurfürst von Brandenburg dazu verstanden.
Boisisse, der französische Gesandte, hatte dem Kurfürsten
noch kurz vor dessen Abreise von Schwäbisch-Hall nach Hof
erklärti qu^il ne doibt feure diffioult^ d'o^r au duc de Saxe
quelque part an la suooession *). Württemberg, Hessen, Anhalt
1) Ritter, Sachsen etc., 44.
2) Briefe «. Akten UI, n. 19, p. 65.
8) Briefe a. Akten 111, n. 19, p. 87, Anm. 1. — Ul, n. 2, p. 7*
448 Politik des Heraogs JohanD Casimir von Coburg.
und Nürnberg hatten in Schwäbisch-Hall ebenfalla die Za-
lasBung Sachsens zum reellen Besitz gefordert ^). Auch der
Fürst Christian von Anhalt und überhaupt die kurpfiüzischen
Staatsmänner waren schon Monate vorher einig darüber,
dafs es sehr wichtig sei, Sachsen io der Jülicher Angelegen-
heit auf die Seite der Unierten zn ziehen, denn wenn Sachsen
fernbleibe, so sei auch auf Pommern, Mecklenburg und Hol-
stein nicht zu rechnen; deshalb sei die Aufnahme Sachsens
in die Administration des Jülicher Landes zu beiUrworten ^).
Brandenburg und Neuburg haben sich damit nicht ein-
verstanden erklärt. Bei den Verhandlungen in Hof ist denn
auch in den brandenburgischen Bedingungen nicht die Bede
von einer Aufnahme Sachsens in den Mitbesitz. Nur eine
Kaution soll es sicher stellen, wenn sein Recht im gütlichen
Ausgleich obsiege. Dafür verlangte man von Sachsen Ver-
werfung der Zuständigkeit des kaiserlichen Hofratee. Die
Sachsen verharrten ihrerseits schroff auf ihren bisherigen
Forderungen. Eine Basis für die Unterhandlungen war nicht
zu finden ; mit bittern Worten schied man ^).
Dafs die Einladung zur Union, welche Christian vou
Culmbach zu gleicher Zeit bei dem Kurfürsten von Sachsen
vorbrachte, abgewiesen wurde, bedarf keiner Erklärung.
Trotz dieses Mifserfolges unternahmen es die beiden
Brüder Casimir und Joh. Ernst noch einmal Kursachsen um-
zustimmen. Vom 25. Februar bis zum 5. März dauerten
die Konferenzen in Dresden. Die Herzoglichen mahnten zur
Verständigung, die Unaunehmbarkeit der brandenburgischen
Vorschläge hielt man ihnen entgegen. Dem Bedenken der
Ehrlichkeit des kaiserlichen Hofes gegenüber betonten die
Kursächsischen seine Gerechtigkeit Und als die herzogiiohen
Räte darauf hinwiesen, dafs der Besitz der Lande, auch wenn
sie vom Kaiser Sachsen (zugesprochen würden, doch nur durch
einen Krieg zu erreichen sei, in dem die Possedierenden ihrer
1) Briefe u. Akten 111, d. 19, p. 68.
2) Briefe a. Akten U, n. 225, p. 48. — U, n. 242, p. 466, 467.
S) Ritter, Sachten etc., 46 u. 46.
Politik des Hersoga Johann Cuimir von Cobnrg. 449
mSohtigen Verbüncleten wegen im Vorteil wfiren, 00 hoben
die Räte des Karfürsten die Macht des Kaisers hervor und
stellten die Unterstützung der Possedierenden durch Frank-
reich und die Union als zweifelhaft hin ^).
Am Tage vor SchluDs der Konferenzen hat der Kurfürst
auf ein Schreiben, das, von dem gröfsten Teil der Uuierten
unterzeichnet '), ebenfalls die Loslösung des sächsischen Inter-
esses von der kaiserlichen Politik bezwecken sollte, mit
scharfen Worten erwidert^): Der Kaiser ist der einsige su-
ständige Richter, seinen Erlassen ist zu gehorchen; unbe-
gründet ist der Verdacht, dafs der Kaiaer die Jülicher Lande
für sich und sein Haus gewinnen wolle.
Es war ein entschiedener Absagebrief der kursächsischen
Politik auf die Vermittlungs vorschlage der Union.
Von den Namen Joh. Casimirs und Joh. Emsts unter
dem Schreiben gilt dasselbe, was wir schon oben erwähnt
haben.
Doch das Interesse, welches die Union ebenso wie
Heinrich IV. an der Gewinnung Sachsens nahm, war so grofs,
dafs man trotzdem die Verhandlungen noch nicht abbrach.
Aus dem Briefe eines kursächsischen Rates an Christian von
Anhalt, in dem es YaeSs : Hätte man dem Kurfürsten Auf-
nahme in die Possession angeboten, so würde er sich zufrieden
gegeben haben ^), glaubte man schliefiBen zu können, dafs der
Kurfürst Vermittlungsvorschlägen nicht durchaus abgeneigt
sei; nur müsse man mit ihm selbst verhandeln, nicht mit
seinen Räten, die alle Pensionäre des Kaisers seien.
Der Markgraf von Baden wurde von der Heidelberger
Versammlung dazu ausersehen ^). Doch nichts anderes sollte
er dem Kurfürsten proponieren als was Kurbrandeuburg in
Hof vorgebracht, da man nicht wisse, ob sonst Brandenburg
1) Ritter, Sachsen etc., 47.
2) Briefe u. Akten 111, d. 20, p. 102, Anm. 1.
S) Briefe u. Akten III, n. 35, p. 126, 126.
4) Briefe u. Akten m, n. 42, p. 184.
5) Briefe u. Akten UI, n 44, p. 137.
450 Politik des Henogs Johann Casimir von Coburg.
und Neuburg zustimiaen wärden. In Sachen der Union möge
er wegen der angttnstigen Sümmuog des Dresdener Hofs vor-
sichtig sein. Vorerst aber solle er die Herzöge von Coburg
und Eisenach besuchen, die zuverlässigen Nachrichten zufolge
die Jülicher Ansprüche des Hauses Sachsen lieber auf güt-
lichem Weg als vor dem Forum des kaiserlichen Ho&ats
erörtert sehen möchten, und sich Anweisungen für die Ver-
handlungen mit dem Kurfürsten geben lassen ^).
Am 8. April hat der Markgraf in Eisenach Johann Ernst
zum Eintritt in die Union aufgefordert und ihn um die An-
nahme gütlicher Verhandlungen in der Jülioher Sache ge-
beten, welche die Unierten nach Kräften zu fördern bereit
seien*).
Johann Ernst ist mit einer solchen vollkommen ein-
verstanden. Er werde sich, so läfet er dem Markgrafen durch
seinen Kanzler mitteilen, für sie wie bisher Terwenden, Be-
züglich des von ihm gewünschten Beitrittes zur Union will
er sich entscheiden, wenn er sich mit seinem Bruder be-
nommen.
Welche Stellung dieser den Vorschlägen der Unierten
gegenüber einnahm, erfuhr der Markgraf wenige Tage später
in Coburg. Am 12« April lieÜB Casimir durch seinen Kanzler
auf die Werbung des Gesandten hin erwidernd ausführen:
Die Union, welche Religion und Freiheit gegen die Anschläge
der Oegner verteidigen wolle, sei für das Wohl des Reiches
nötig. Er sei auch zum Beitritt stets bereit gewesen, könne
sich aber ohne Kursachsens Zustimmung nicht definitiv er-
klären. Erst neulich habe er dem Kurfürsten jenen mündlich
anempfohlen und bemerkt, da die Katholiken die Lande
keinem Evangelischen gönnten, so werde Sachsen, wenn es
sich von den Evangelischen absondere, kein Recht bekommen.
Indes der Kurfürst habe ablehnend geantwortet und erklärt,
daljB er dem Kaiser vertraue, ohne dessen Zuthnn er sieb
1) Brief« u. Akten III, n. 44, p. 189, Atun. 8.
2} Briefe a. Akten III, n. 111«
Politik des Henogi Johann Caiimir von Coburg. 451
auch in keioen güilioheD Vergleich in der Jülioher Sache
einlassen wolle, den der Herzog seinerseits f&r den besten
Weg hält.
Im tiefsten Vertrauen und mit der Bitte um strengstet
Geheimnis hat der Herzog noch beigefügt : Da er ohne Sachsen
nicht in die Union eintreten könne, wolle er mit derselben
doch gute Korrespondenz halten, alles, was ihr schaden könne^
ihr berichten und Nachteile nach Kräften yon ihr abwehren ;
kurz, er wolle sich so Tcrhalten, als ob er in der Union
wäre »).
Mit klaren Worten giebt sich hier Casimir als ent-
schiedenen Freund und Anhänger der Union zu erkeonen.
Sachsens Weigerung allein verhindert ihn, sich offen an sie
anzuschliefsen.
Die beiden charakteristischen Komente der Oasimiriani-
sehen Politik, auf die ich schon früher hingewiesen, stehen
hier greifbar unmittelbar nebeneinander Tor uns: Abneigung
gegen Knrsachsen und seine Politik, eine natürliche Folge
der Spannung des ernestinischen und albertioischen Hauses^
und doch änfserlicher Anschlufs an dieselbe, offenbar mit
Bücksicht auf die trüben Erfahrungen, welche die Ernestiner
in den letzten Jahrzehnten gemacht hatten, so oft sie sich
den Albertinem entgegengesetzt.
In der That ganz Tcrschieden von der politischen An-
schauung, die der Markgraf in Ooburg gefunden, war die
welche ihm in Dresden aus den Worten des kursächsischen
Kanzlers Schönberg entgegentrat *). Hatte Casimir die Union
als notwendig für das Wohl des Reiches hingestellt, so be-
kam er hier zu hören, wenn man nur festhalte an der Beichs-
yerfassung, die ausgezeichneten Beichsgesetze beobachte und
dem Haupt des Beiches den gebührenden Gehorsam leiste, so
bedürfe es keiner Union. Der Kurfürst schliefse sich deshalb
von ihr ab. Dem Schmalkaldischen Bund sei seine Linie
1) Briefe u. Akten lil, n. 111.
S) Briefe u. Akten III, n. 111, p. 112.
xva 30
452 Politik des Herzogs Joliaon Cesimir ron Cuburg.
ebeofallB ferngeblieben und habe deswegen Land und Digni-
tttt erlangt.
Auch in der Jülioher Sache beharrte Sachsen aaf seinem
früheren Standpunkt nm so mehr deshalb, weil der Erlafs
des Kaisers, dafs er für Oesterreioh keine Ansprüche auf die
Jülicher Lande erhebe ^), Sachsen in jeder Weise beruhigt
und fremden Einflüsterungen gegenüber ansugänglioher denn
je gemacht hatte.
Wir finden es begreiflich, dafs Heinrich IV. yon Frank-
reich wegen der fortgesetzten Weigerung Eursachsens, die
Partei der Habsburger zu verlassen, den Entschlufs gefafst
hat, die Albertiner in den Untergang, den er jenen zu be-
reiten gedachte, mit hineinzuziehen und die Kurwürde den
Ernestinem zurückzugeben ').
Die politische Lage in Europa schien das Gelingen seiner
Pläne zu verbürgen: die Erbländer der Habsburger waren
durch die dynastischen Kämpfe so zerrüttet, die protestan*
tische Partei in ihnen so stark, dafs Heinrich eher auf eine
günstige als eine feindselige Beteiligung derselben zählen konnte.
Aufserdem durfte er sich auf den Beistand der schlagfertigen
protestantischen Union in Deutschland verlassen ; die Nieder-
länder versprachen kräftige Unterstützung; Dänemarks Neu-
tralität war sicher, Englands Anschlufs wahrscheinlich.
Die Habsburger konnten mit Oewifsheit nur auf die
Kräfte Spaniens rechnen. Nicht einmal die Macht der Liga
stand zu ihrer Verfügung.
Am 20. Mai wollte Heinrich an der deutschen Orenze
sein mit der Blüte und Kraft seines ganzen Reiches. Am
Niederrhein und im Elsafs hatten die unierten Fürsten den
Kampf mit den Truppen Leopolds schon begonnen '), da zer-
störte das Verbrechen eines einzigen die Hoffnungen und
Befürchtungen vieler Tausende.
1) Ritter, Sechsen etc., 50.
8) Bommel VII, SSO.
8) Hftoiser, Geschichu der rheiDischen PfUs, 888.
Politik des Herzogt Johann Casimir von Coburg.
Mit dem Tode Heinrichs hatte die Bewegung ihren
Lehensgeist yerloren. Zwar wurde am 1. September die
Festang Jülich durch die vereinigten Trappen der linierten,
Staaten und Franzosen genommen ; auch wurde der Krieg im
Elsafs bis zum Waffenstillsand tou Willstädt (10. August)
fortgesetzt, aber ohne Einheit und Kraft. Bald wurde die
VerbinduDg der Union mit Frankreich im wesentlichen über-
haupt gelöst.
y. Kapitel.
Versnohe Sachsen Bnm AnsohlafB an die kathoUsohe Liga
SU bewegen und Oasimirs Verhalten ihnen gegenüber.
Als der Kampf im Westen seinen Anfang genommen,
hatte sich eine Reihe von Fürsten der habsburgi sehen Partei
am kaiserlichen Hof in Prag versammelt, um neben anderen
Fragen die zu ergreifenden Gegen mafsregeln zu erörtern. Es
hatten sich dort eingefunden die Kurfürsten von Mainz, Köln
und Sachsen, der Landgraf Ludwig von Hessen- Darm stadt und
der Herzog Julius von Braunschweig.
Der scharfe Ton des kaiserlichen Mandats gegen die
Union, das Auflösung des Bundes und Trennung der Streit-
kräfte verlangte ^)y schien anzudeuten, dafs man am Prager
Hof wie im Kreise jener Fürsten gesonnen sei, energisch
gegen die Union Front zu machen.
Und in der That an Versuchen, welche die für ein scharfes
Vorgehen notwendige Basis schaffen wollten, hat es nicht ge-
fehlt. Unter ihnen waren am bedenklichsten für die Union die-
jenigen, welche von den Erzbischöfen von Mainz und Köln
ausgingen, deswegen nämlich, weil sie darauf hinausliefen,
die Liga mit den Ständen der protestantisch-sächsischen Partei
za gemeinsamem Schutz gegen die Landfriedensbrecher lu-
sammenzuschliefsen '). — Die Gesinnung des Kurfürsten von
1) Ritter, PoliHk and Geteblcbta dar Union, 89.
t) MoMr, Patriotiscbet Archiv VI, 477. 48).
SO*
454 Politik des H«riogt Johann Guimir Ton Coburg.
SaohseD, der am 7. Juli Tom Kaiser in aller Form mit CleTe
belehnt worden war, ebenso wie die des Herzogs yon Braon-
sohweig und des Landgrafen yon Hessen schien für den Er-
folg zu bürgen. Denn sie erliefsen im Juli ein Schreiben an
die TJnierteD, das die gleiohgiltige Kälte gegen die Union in
offene Feindseligkeit yerwandelte ^). Dooh die Gedanken in
die That umzusetzen und Kaximiliao bei der Exekution, die
ihm yom Prager Hof auf Betreiben des Erzbischofs yon Köln
angetragen war, mit Truppen zu unterstützen, waren die
Fürsten des Konyents doch nicht zu bewegen; nur Geld-
zahlungen stellten ihre Beschlüsse in Aussicht *). Maximilian
lehnte darum die üebemahme der Exekution ab ^). Nur um
nicht wehrlos überfallen zu werden, beschlossen die Mit-
glieder der Liga in München kurz vor der Uebergabe Jü-
lichs die Aufstellung eines Heeres ^).
Der Ernst, mit dem die Liga rüstete, veranlafste die
Union, der schon die Mittel zum Unterhalt der Truppen aus-
gingen^), eine Friedensgesandtschaft nach München zu
schicken. Es gelang dort, eine Friedensbasis zu schaffen.
Die Union entsagte jedem weiteren Angriff. Beide versprachen
bis zum 1 5. November ihre Truppen zu entlassen *).
In Deutschland war äufserlich die Ruhe wiederhergestellt,
die drohende Bewegung an ihrer eigenen Kraftlosigkeit er-
storben.
Ueber Casimirs politisches Verhalten während dieser
Kampfesmonate habe ich nichts ermitteln können. Erst bei
der Kölner Tagsatzung, die, vom Kaiser berufen, eine Ver-
mittlung in den Jülicher Sachen anbahnen sollte, doch ohne
1) Briefe u. Akten III, n. 227, p. 397.
2) Gindely n, 125.
3) Wolf II, 561—668.
4) Wolf II, 622.
5) Ritter, Politik u. Ge«cbichte der Union, 89.
6) Wolf n, 655.
Politik dM Henogs Johann CMimir von Cobarf. 456
Ketnliat auieinandergiDg, erscheint seine Person wieder aaf
der poliUsohen Bildfläobe^).
Jene ist deswegen interessant, weil der Enrflirst Ton
Mainz die in Prag begonnenen Yerhandlangen über die Ver-
bindung Sachsens nnd seiner Partei mit der Liga hier wieder
aufnahm nnd im EinTerständois mit Etfln der sächsischen
Gesandtschaft einen formlichen Unionsentworf übergab ').
Von dem Programm der Liga unterschied er sich dadurch,
dafe keine Bede war tou der allein seligmachenden Religion ;
es sollten sich nur die gehorsamen Stände des Beiohs cur
Aufrechterhaltung der kaiserlichen Hoheit und der heilsamen
Keichskonstitntionen verbinden.
Die Gesandten schickten ihn nach Dresden mit dem Be-
merken, weder Coburg , noch Braunsohweig, noch Hessen-
Darmstadt fänden bei der Sache einen Anstand.
Der Kurfürst erteilte hierauf am 28. Oktober Johann
Casimir mit folgender Motivierung die Vollmacht zu weiteren
Unterhandlungen '). Weil man auf Neutralität jetzt nicht mehr
bauen könne, so sei es besser, sich mit denen zu verbinden,
die den Kaiser ehren und achten und treu zur Reichsver-
fassung halten, als mit solchen, die alle Reichsverfsssung aus
den Augen setzen, das Haupt des Reiches nur zum Schein und
mit Worten ehren, in der That aber beschimpfen. Casimir
habe ja selbst die Ansicht ausgesprochen, dafSs die Werbung
des Kurfürsten von Mainz nicht aufser acht zu lassen sei.
Sechs Monate vorher hat der Herzog von Coburg er-
klärt, er wolle sich so verhalten, als ob er in der Union
wäre; jetzt steht er dem Anerbieten des Kurfürsten von Mainz
freundlich gegenüber. Nicht genug damit, er kommt dem
Wunsch des Kurfürsten von Sachsen nach und giebt, nach-
dem mündliche Unterhandlungen in Aschaffenburg voraus-
gegangen wareu, in einem Schreiben an den Erzbischof
1) MQIler, Annalen, 256.
S) Hftberlin • S«Dk«nberg , Nene Teatsche Reichsgeschichte XXllI^
388—845.
8) Wolf m, 21. 22.
456 Politik dei Hersogt Johann Casimir von Coburg.
Schweikhardt Tom 19. NoTember (a. 6.) die Bereitwilligkeit
des Haases SaohaeD zu erkennen, in den katholisolien Bund
einzutreten '). £r wiederholt die Gründe, die der Kurfürst
in seinem Brief an ihn Torgebracht, und schliefst die Bitte
an, wenn ein Unionstag gehalten werde, möge man es ihm
mitteilen.
Am Ende des Briefes berührt Casimir die Verhftltnisie
in Jülich. Bs ist ihm mitgeteilt worden, dafs der bisherige
Kommandant Ton Jülich, der Oberst Ton Schönberg, yerreisi
und an seiner Stelle Heinrich Ton Hassan im Namen der Staaten
über den Platz gesetzt sei. Auf diese Yorgäoge müsse man, so
meint Casimir, ein wachsames Auge richten, denn wenn diese
Lande in fremde Hände kämen, so würde nicht nur dem
Reich ein grofser Teil seines Respektes entzogen, sondern auch
die possessio nomine Caesaris vollständig anfier acht gelassen.
In den ersten Monaten nach dem Tode des Herzogs
Wilhelm Ton Jülich war Casimir der Ansicht gewesen, unter
allen Umständen sei die Sequestration und ein langwieriger
Prozefs beim kaiserlichen Uofrat zu yermeiden, denn sonst
würden die Spanier eine Gelegenheit abpassen, um sich der
Jülicher Lande zu bemächtigen; die Folge werde sein, dafs
die Staaten ihnen entgegentreten und die Lande zum Kriegs-
schauplatz machen würden. Ein gütlicher Vergleich zwischen
den Interessenten werde dies alles unmöglich machen. Er
war nicht zustande gekommen. Die Sequestration war Ter-
hängt, der kaiserliche Sequestrator jedoch mit Hilfe der
Staaten, Frankreichs und der Union Ton den possedierenden
Fürsten vertrieben worden. Die Spanier hatten „von ihrer
alten Art gelassen'^ und sich nicht gerührt. Vielmehr waren
es die Staaten, deren Vorgehen in den Landen Casimir mit
Argwohn betrachten zu müssen glaubte*).
1) Berzog Joh. Casimir an den Karfürsten von Maini an selbst*
•igeoen H&nden. Coburg, 19. November 1610. Concept. Cob. Areh.
A. I, 88 a, 6, No. 76, Bl. 6—9 (Korrespond. mit dem Erabiscb. v. Mains
1610 o. 1616, 9 Blätter). Im Aassug bei Wolf 111, 83. cf. Anhang II.
8) Cf. den Scblof« des Briefes an den Erabiscb.
Politik de« Heriogs JohiiDii Casimir von Coburg. 457
£8 war also vielleicht nicht blofs das Nachahmung for-
dernde Beispiel Earsaohsens sondern Casimirs veränderte An-
Bchaunng, welche ihn den Anschlofs an die Liga gatheifsen
liefs, wenn anders man die sächsischen Ansprüche anf Jülich
mit Nachdruck aufrecht erhalten wollte. Dafs auf gütlichem
Weg kaum etwas su erreichen sei, hatte er selbst in Köln
erfahren müssen.
Der Beitritt Sachsens, welcher der katholischen Union
allerdings ein bedeutendes üeberge wicht gesichert hätte, er-
folgte nicht.
Schon war das Gesamthaus Sachsen und andere fried-
fertige lutherische Stände zu dem am 18. April 1611 in
Würzbarg stattfindenden Bundestag eingeladen worden. Der
Kurfürst von Mainz und Erzherzog Ferdinand hatten es gegen
die Bedenken Maximilians durchgesetzt ^).
Doch die Hoffnungen und Befürchtungen der Parteien
wurden diesmal getäuscht. Der Kurfürst von Sachsen liefs
durch den Landgrafen Ludwig von Hessen - Darmstadt dem
Kurfürsten von Mainz eröffnen, dafs er trotz der Billigung
der katholischen Union in der bisherigen Neutralität zu ver-
harren gedenke ').
Als Veranlassung dieser plötzlichen Sinnesänderung
nehmen Wolf und nach ihm Böttiger u. a. den Brief des
Herzogs Julius von Braunschweig an, in welchem dieser
Christian IL den Beitritt widerrät')*
Allerdings mögen solche Bedenken, wie sie in dem
Schreiben niedergelegt sind, mitgewirkt haben. Als nächst-
liegender und durchschlagender Grund erscheint mir jedoch
die Annäherung Brandenburgs an Sachsen.
Brandenburg hatte nämlich, von allen Seiten gedrängt, sich
mit Sachsen zu verständigen, dem Markgrafen Christian von
Kulmbach und dem Landgrafen Ludwig von Darmstadt gestattet,
1) Wolf III, 31. 82.
8) Häberlin-Senkenberg XXIII, 547.
8) Wolf III, 82 fg. (4. Jan. N. S. 1611).
458 Politik des Henogs Johann Ca«mir von Coburg.
eine VerständigaDg mit dem DresdeDer Hof eiDZuleiteo *). Die
InterponeDten braohten es dahin, dafs auf den 14. Februar
eine Tagsatzung zu Jüterbogk yerabredet wurde '). Bia Aus*
gang März währten hier die Verhandlungen. Brandenburg
nahm die «ächsische Forderung (Aufnahme in den Mitbesitz)
in der Weise an, dafs Sachsen den dritten Teil des Landes
erhalten sollte ^). Dooh die Euifürstin protestierte ; es pro-
testierte Neuburg. Der Vertrag war hinfällig.
Meine Vermutung, dafs hauptsächlich das Entgegen-
kommen Brandenburgs in der Jülioher Frage das plötzliche
Zurücktreten Sachsens Ton einer Verbindung mit der Liga
yerursacht hat, scheint dadurch gestützt zu werden, dafs,
nachdem die Jüterbogksche Handlung resultatlos yerlaufen,
schon auf dem Nürnberger Kurfurstentag (Oktober 1611) die
Verhandlungen über den Eintritt Sachsens in die Liga wieder
aufgenommen wurden^).
Für die Reichsgeschichte ist dieser Kurfürstentag des-
wegen interessant, weil seine Beschlüsse die letzte Veran-
lassung zu einer politischen Konstellation der sonderbarsten
Art bildeten.
Kaiser Rudolf hatte gehofft, die Kurfürsten würden in
Nürnberg übereinkommen, ihn gegen seinen Bruder Matthias
SU unterstützen, der vor kurzem die Krönung zum König
von Böhmen erzwungen hatte, nachdem ein yom Erzherzog
Leopold ins Werk gesetzter und vom Kaiser begünstigter
Anschlag, der in letzter Linie sich gegen Matthias gerichtet
hatte '^ji gescheitert war. Dooh die Kurfürsten zeigten sich
keineswegs geneigt, Rudolf zu Hilfe zu kommen. Ja, noch
mehr, sie fafsten im Gegensatz zu ihm den Beschlufs, im Mai
1) Droyseo, Preofsische Politik II, Abteil. 8, p. 595. 596.
2) Maller, Anoaleo, 263.
3) Maller, Annalen, 859.
4) Ritter, Politik und Geschichte der Union, 188.
5) Ranke, 185.
Politik d«8 Uenogs Johann Casimir von Coborg. 459
DäohBten Jahres zusammeDzakommen und zur Wahl eises
deatsohen Königs zu aohreiten ^).
Jetzt war der Kaiser überzeugt, dafs ihn nar eine ent-
ichloBsene Verbindung mit der Union, der er sich schon vor
mehreren Monaten genähert hatte *), aus seiner Bedrängnis
retten könnte. Die Ernennang Christians von Anhalt zum
Mitglied des geheimen Rates galt als eine sicher beyorstehende
Thatsache. Keine Woche Terging, ohne dafs ein kaiserliches
Handbrieflein an eines der Häupter der Union abging ').
Rudolfs Verbindung mit der Union war dem Abschlufs nahe,
als er am 20. Januar 1612 starb.
Doch wie der Kaiser, so hatte auch Matthias schon 1610
Beziehungen mit der Union angeknüpft. Er ahnte den gegen
ihn beabsichtigten Schlag und wollte sich durch sie stärken *),
So war es dahin gekommen, dafs der Kaiser der Union nicht
mehr gefährlich war, des Kaisers Bruder ihren Bund suchte.
VI. Kapitel.
Matthias' Kaiserwahl. Casimirs politische Thfttigkeit
während der WahlYerhandlungen; seine Beziehungen
Bur Union.
Nach dem Tode Rudolfs machte sich unter den deatsohen
Pursten und Ständen die Tendenz geltend, bei der Besetzung
des Thrones Ton dem Hause Habsburg einmal abzusehen.
Man ist schliefslich doch bei ihm geblieben. Am 13. Juni
wurde Matthias, der sich mit Eifer um die Krone beworben ^),
zum Kaiser gewählt.
Die Unierten waren für ihn eingetreten, von der An-
nahme ausgehend , die katholischen Kurfürsten wollten in
1) Ranke, 205.
2) HXufser II, 251. Ritter, Politik und Geschichte der Union, 100.
d) Gindely II, 822.
4) Ritter, Politik a. Geschichte der Union, 100.
5) Wolf III, 285.
460 Politik des Herzogs Johano GAsimir ron Cobarg.
UebereinstimmuDg mit Spanien durchaus den Erzherzog Albert
wählen, und Matthias werde deswegen genötigt sein, sich auf
sie zu stützen. Bedtimmte Zusagen haben sie yon ihm yor
seiner Wahl jedoch nicht erlangt^). Nicht einmal eine
wesentliche Erweiterung der Wahlkapitulation kam infolge
des Zurück weiohens Sachsens aus der Opposition *) zustande.
Die Wahl eines neuen Kaisers hat auch in Coburg wie
an den deutschen Höfen überhaupt lebhaftes Interesse her-
yorgerufen. Doch nicht über die Yerhandlungen der Wahl-
kapitulation oder über die Person des zu Wählenden regte
man sich dort auf, wie es neben den Kurfürsten eine Reihe
ron Btandesgenossen Casimirs that, die, yon Frankfurt nach
alter Sitte ausgeschlossen, in yerdäohtiger Haltung zu Heppeu-
heiqa an der Bergstrafse zusammenblieben und sich über die
Frage ereiferten, ob die Kurfürsten ermächtigt seien, ohne
Beratung mit den Ständen des Reichs gepflogen zu habea,
dem Kaiser eine neue Wahlkapitulation yorzuschreiben ').
In Coburg bildete yielmehr die Jülicher Frage den Brenn-
punkt; sie hoffte man in Frankfurt aus der Welt zu schaffen.
Alles sollte zu diesem Zweck aufgeboten, kein Fleifs dabei
gespart werden, so hatte man sich sächsischerseits in Dresden
und dann in Eisenach yerabredet. Auf Unterstützung der
geistlichen Kurfürsten glaubte Kursachsen bauen zu können,
die des Kaisers wollte es gewinnen.
Casimir, entschlossen auch seinerseits alles, was zum
Gelingen beitragen könnte, zu thun, schickte seinen Kammer-
sekretär Heufsner nach Frankfurt.
Die beabsichtigte Audienz bei Matthias, mit dem dieser
auf der Hinreise in Würzburg zusammentraf, unterblieb wegen
der Kürze des kaiserlichen Aufenthalts. Doch hat der Kar-
1) Bitter, Politik a. Geschichte der Union, 119.
J) Wolf III, a07.
3) Bericht vom 26. Hai 1612 (Ort and Unterschrift ankenntlich ge-
macht). Cob. Arch. A. I, 82«, 5, Mo. 160. (Relationen so an Herzog
Joh. Casimir ron dem Cammersecret&r Beafsner von Frankfart a/M. a.
sonst sageschickt ; ingleichen Erlasse Hers. Joh. Casimirs an ihn 1607/20.)
Politik des Hersogs JobAon Casimir von Coborg. 4gJ
dinal Glesl ihm gegen&ber die Ansicht geäufaert, ee sei das
Beste, weaD Sachsen nach Yereinbarang mit Neabarg dem Kur-
f&rstenkolleg ein Qutaohten über die Lösang der Frage über-
geben würde.
Anderer Ansicht waren zwei anspachische Bäte, der Graf
Ton Lynar und der Oberst von Seibiz, mit denen Heufsner
drei Stunden lang im Schlofs Ton Würzburg konferierte. Sie
meinten, Casimir, sein Bruder und die weimarischen Herzöge
«ollteu sich an die Unierten wenden, sie würden gewifs nicht
unTerrichteter Sache abziehen. Auf des Königs Gunst sei
nicht zu bauen; sie würde sich auf andere ergiefsen, denn
er sei fromm. Deshalb trauten die Unierten diesem neuen
Sonnenschein nicht. Bs sei falsch, wenn Sachsen annähme,
es müsse die Hilfe der Union in der Jülicher Frage mit
seinem Eintritt bezahlen. Dies forderten die Unierten nicht,
sondern allein gute Korrespondenz und das Versprechen, den
Katholiken nicht mehr als ihnen entgegenzukommen ^).
Man sieht, welchen Eindruck offenbar die Verhandlungen
Sachsens wegen Aufnahme in die Liga auf die Unierten ge-
macht haben.
Aehnliches hatte Casimir in denselben Tagen von dem
holländischen Agenten Brederode zu hören bekommen: Ohne
gute Nachbarschaft mit den Staaten, die leicht zu erhalten
sei, und ohne die Hilfe der Unierten würde Sachsen yon den
Landen schwerlich etwas bekommen.
Curio, ein Bat des Landgrafen Mority, hat ebenfalls be-
tont, dafs der, welcher die Jülicher Lande haben wolle, die
Freund- und Nachbarschaft Englands, Frankreichs und der
Staaten suchen müsse.
Casimir teilt Heufsner dies 'alles mit*), ermahnt ihn,
mit Brederode, der ebenfalls nach Frankfurt gereist sei, in
1) HeufsDers Relation. Warzbarg, 18. Mai 1612. Conzept. Cob.
Arch. A. I, 32«, 6, No. 160.
2) Hersog Joh. Casimir an den Kammersekretär Sigism. Heufsoer.
Coburg, 11. Mai 1612. Origin. Cob. Arch. A. I, 82 a, 5. No. 160.
cf. Anhang III.
462 Politik d«s Hersogs JohaDo Casimir tod Coborfr.
enge Beziehungen za treteo und bei Landgraf Moritz and
seinen Bäten wegen eines Schreibens an die Westmächte
Vorstellnngen zu machen. Weiter will Casimir aach nach
Empfang des Heufsnersohen Berichts Ton der karsächsischen
Politik, die bei den geistlichen Füraten ihr Heil sacht, nicht
abgehen, sondern erst den Aasgang des Wahltags abwarten ^),
obwohl er die Besorgnis hegt, dafs die geistlichen Fürsten
nicht daran denken, die wohlklingenden Yersprechangen, die
sie den sächsiechen Staatsmännern in betreff der Jülicher
Frage gemacht, in die That amzusetzen ').
Sein Kanzler Schererd spricht sich etwas schärfer über
die kursäohsische Politik aas : Unglaablich ist es, dala wir
unseren Todfeinden mehr trauen als den ETangelischen *).
Er ist der Ueberzeagung, dafs, solange man sich nicht mit
der Union ins Einyemehmen setze, in den Jülicher Sachen
für Sachsen kein befriedigendes Reaultat zu erzielen sei^).
In Frankfurt angekommen, hat Heafsner seinen münd-
lichen und schriftlichen Aufträgen gemäfs bei den König-
lichen geheimen Räten, bei dem kurpfälzsischen geheimen
Rat Camerarius, endlich bei den Sachsen Schönberg and
Gerstenberg vorgesprochen; überall hat er freundliches
Entgegenkommen gefunden; Überall sind ihm erfreuliche
Mitteilungen gemacht worden. Die Königlichen hätten Be-
fehl, berichtet er, die Sachen, sobald sie zur Verhand-
lung kommen , zu Gunsten des Hauses Sachsen zu be-
fördern. Ebenso sei der Administrator der Kurpfalz ge-
sonnen, mit Rat und That den sächsischen Ansprüchen bei-
1) Herzog Joh. Casimir an Sigism. Heofsner. Coburg, 18. Mai 16 IS.
Orig. Cob. Arch. A. I, 32 a, 6^ Mo. 160.
2) a) Herzog Joh. Casimir an Sigism. Henfsner. Coburg, 11. Mai 1612.
Orig. Cob. Arch. A. I, 32 a, 5, No. 160. — h) Herzog Joh. Casimir an
Sigism. Heufsner. Coburg, 24. Mai 1612* Orig. Cob. Arch. A. I, 32 a,
5, No. 160. cf. Anhang V.
3) Kanzler Volkmar Schererd an Sigism. Heufsner. Coburg, 11. Mai
1612. Orig. Cob Arch., A.I, 32a, 5, No. 160. cf. Anhang IV.
4) Kanzler Volkmar Schererd an Sigism. Heufsner. Coburg, 18.
Mai 1612. Cob. Arch. Origin. (manu propria). A. I, 32 a, 5, No. 160.
Politik des Beraogs Johann Casimir von Coborg. 463
zastebeD. Auch Mainz solle gern sehen, wenn Sachsen in
den Mitbesitz von Jülich käme, Köln wegen der Nachbar-
sohaft noch viel lieber. Die Karsachsen rerspräohen eben-
iallsy wenn nnr Zeit und Gelegenheit Torbanden, sich der
Jülicher Sachen anzunehmen. Nur Sobönberg mache eine
Ausnahme; er betrage sich so, als ob zu Bisenach anderes
beschlossen wäre, und die Sachen gar nicht hierher gehörten,
sondern auf eine andere Zusammenkunft^).
Der kursächsische Kanzler wufste wohl dieser seiner
Meinung Geltung zu yerschaffen. Wenigstens habe ich keine
offiziellen Verhandlungen über die Jülicher Frage in Frank-
furt entdecken können. Yielleicht hat sich Matthias schon
damals Tcrpflicbtet, eine Versammlung zum Austrag derselben,
wie sie im Januar nächsten Jahres natürlich resultatlos in
Erfurt tagte *), zu halten und energisch für das Recht Sach-
sens einzutreten. Ein Versprühen, das auch die plötzliche
Schwenkung Sachsens während der Wahlkapitulationsverhand-
lungen ^) mit erklären würde.
Zu den Krönungsfeierlichkeiten ist Casimir selbst mit 78
Personen im Gefolge nach Frankfurt aufgebrochen ^). Dem
neuen Kaiser hat er in den freudigsten Ausdrücken grataliert
und Wünsche für das Wohlergehen des Beichs und die Auf-
rechterhaltung des Friedens in den deutschen Landen ange-
schlossen ^),
Der Inhalt dieser Wünsche bildete die Sehnsucht vieler
in beiden Parteien. Von Matthias erwarteten sie eine Ver-
änderung der unerträglichen Verhältnisse.
1) Relation Ueufners. Frankfurt, den 18. Mai 1612. Consept. Cob.
Arcb. A. I, 82 a, b, No. 160.
2) Droysen, PreoTs. Politik II, 2, p. 602. Müller, Annalen,
264. 265.
8) Wolf in, 807.
4) Bdnns S.-Cob. Chronik revid. von Dotsaaer, 95.
5) Herzog Job. Casimir an Kaiser Matthias. Coborg, 15. Juni 1612.
Cob. Arcb. Consept« A. I, 28 b, 8aa, No. 22. (Hersog Job. Casimire
Correspondenz und Ffirscbreiben mit n. bey I. Rays. Mayett)
464 Bolitik des Hertogs Johaoo Casimir Ton Coburg.
Glesl, der Erzbiscbof tod Wien, des Kaisers rechte
Hand, schien, weil er die deatsohen Angel egenheiten nicht
in ezklasiT-katholisohein Sinn auffafste^), der geeignete Mann
zu sein, die Komposition ins Werk zu setzen. Seine Ziele
gingen dahin, die Bünde anfasulösen, die Majorität der Stände
unter kaiserlicher Autorität zusammenzufassen, sie alle zum
ruhmreichen Kampf gegen die Türken fortzureifsen. Die
inneren Streitigkeiten würden dann ruhen, war seine Hoff-
nung*). Dabei kam er den Protestanten insofern entgegen^
als er sich in einer der Hauptstreitfragen zu ihren Gunsten
entschied. Er wollte die evangelischen Bistumsadministra-
toren anerkannt wissen. Durch Aufzählung aller Nachteile^
welche ihre Ausschliefsung Ton den Beichsinstitutionen ge-
bracht, suchte er die Katholiken dafür zu stimmen ').
Die Reichsversammlung, welche auf das Frühjahr 1613
nach Regensburg ausgeschrieben wurde, sollte zeigen, ob die
Mehrheit der Fürsten yermittelnden Vorschlägen Gehör geben
wolle oder nicht.
Vor allem kam es auf die Stellung der Union und der
Liga an. — Die Mitglieder des katholischen Bundes Ter-
sammelten sich am 3. März in Frankfurt, um sich zum be-
yorstehenden Reichstag zu rüsten. Maximilians Vorschläge,
welche die vermittelnde Stellung Clesls und seine Nachgiebig-
keit den Protestanten gegenüber entschieden zurückwiesen^
drangen durch ^).
Kaum hatten die Konferenzen in Frankfurt geendet, so
trafen sich die linierten in Rotenburg an der Tauber. Dire
Antwort auf den Cleslsohen Plan, die Bünde aufzulösen, der
ihnen schon während der Wahlverhandlungen zu Ohren ge-
kommen war ^), bestand in dem Beschlnfs, sie wollten an der
1) Ranke, 219.
2) Ritter, Politik ond Gesehichto der Union, 182^184.
9) Ranke, 222. 223.
4) Wolf III, 840 fg.
5) Relation Heofsner». Frankfurt, 24. Msi 1612. Orig. Cob. Areh.
A. I, 92 a, 5, No. 160.
Politik des Hersogs Johann Casimir Ton Coburg. 465
üdIod auch dann feflthalteD, wenn ihnen die Katholiken die
Aaflöaang der Liga als Gegenleistong versprechen würden.
Aafserdem einigten sie sich dahin, aaf dem Heichstag die
Oesarotheü der protestantischen Beschwerden in neuer Re-
daktion yorznlegen, vor £rörteroug derselben sich in keine
anderen Verhandlungen einzulassen ^), im Falle einer toU-
ständigen Abweisung yom Beiohstag abzuziehen. Binen An-
griff, den sie nach Ausführung dieses Beschlusses befürch-
teten ^), hofften sie im Bunde mit England und den Staaten,
der kurz vorher geschlossen worden war'), zu begegnen.
Bei dieser Haltung der beiden Bünde war das Scheitern
der Kompositionsverhandlungen Torauszusehen.
Wenn man einer Nachricht aus Prag Glauben schenken
darf, so hat auch der coburgische Bat Barthol. Schwarzlofs,
der wenige Monate später als coburgischer Gesandter am
Beichstag fungiert, am Boteuburger Tag teilgenommen oder
wenigstens im Namen des Hauses Sachsen Vorschläge ge-
macht ^).
Doch darf man jedenfalls mit Gewifsheit annehmen, dafs
er nicht als offizieller Vertreter zugegen war. Denn in
diesem Fall wäre es unbegreiflich, dafs sich die Unierten in
dem Schreiben, dass sie von Botenbnrg aus an Joh. Casimir
achickten, um ihn zum Eintritt in die Union zu bewegen ^),
nicht auf Schwarzlofsens Anwesenheit bezogen haben. Eben-
sowenig könnte man dann den Umstand verstehen, dafs Ga-
rimir in seinen politischen Briefen aus jener Zeit auch nicht
die leiseste Andeutung von Schwarzlofsens Sendung macht.
Bine geheime Sendung von Coburg aus ist freilich nicht aus-
1) Uitter, Politik n. Gescliicbte d. Uoioo, 1S9.
8) Ritter, Politik n. Geschichte d. Union, 138.
8) Hinräer II, 864.
4) Bericht ans Prag (ohne Unterschrift) den 89. Joni 1619. Cob.
Arob., B. II, 7, No. 106. (Einielne Aktenstttcke, die BeichsUgsange-
legenheiten su Regensbnrg betreff.)
5) Abgednickt in Groners Geschichte Joh. Casimirs, 180—166.
(Copie im Cob. Arch. B. n, 7, No. 114. Relationen in Reiehssachen etc.)
466 Politik des Herzogs Johann Casimir von Coburg.
geschlossen ^), Sie würde dann dasselbe haben erreichen
sollen wie ein Schreiben Casimirs an die Vertreter der
Städte Nürnberg and Schweinfart beim ünionstag*), dessen
Inhalt in dem Wunsche gipfelt, die betreffenden Gesandten
sollten in Botenbarg ihr Möglichstes thon, dafs der Jüter-
bogksche Vertrag angenommen oud seine Bestimmungen durch-
geführt würden. In Coburg stand eben nach wie Tor das
Interesse an der Jülicher Frage im Vordergrund, und in
allen Tonarten klingt uns aus Casimirs politischer Korre-
spondenz jener Jahre das sehnsüchtige Verlangen nach Be-
stätigung des Jüterbogkschen Vertrags entgegen.
Mit der Union hat Casimir während der Monate vor
dem Beichstag 1613 kaum engere Besiehungen unterhalten.
Auch die Aufforderung zum Beitritt, die ihm jene, wie schon
er\('ähnt, von Boten bürg aus in offizieller Form zukommen
lief^, hat keine Aenderung in dem Verhalten Casimirs ihr
gegenüber zur Folge gehabt. Ebensowenig wie der Kurfürst
von Sachsen, der Herzog Julius yon Braunschweig und der
Landgraf Ludwig von Hessen - Darmstadt, denen gleichfalls
Einladungsschreiben ^) übersandt worden waren, ist er in die
Union getreten.
Kursachseu würdigte die Unierten nicht einmal einer
schriftlichen Antwort, sondern liefs auf dem inzwischen be-
gonnenen Beichstag den kurpfälzischen Gesandten den Em-
pfang des Schreibens mündlich mitteilen ^).
Casimir ist wohl auch kaum vorher zu einer Erklärung
gekommen. Seinem Bat Waldenfels hatte er aufgetragen, den
1) Dafs eine Sendung stattgefanden hat, beweist, wie ich nachtrig-
lieh bemerlLe, des Kurfürsten Friedrich von der Pfalz Brief an Casimir
Heidelberg, d. 19. Oiitober 1614. Orig. Cob. Arch. B. II, 7, No. 115.
Bi. 231. 282.
2) Hersog Joh. Casimir an die Nfirnbergitchen nnd Schweinfurthi»
sehen abgesandten beim Unionstsge an Botenbarg. Coburg, 19. Mftrz
1618. Conxept. Cob. Arch. B. II, 7, No. 106. (Einselne Aiitenstficke,
die Reichstagsangelegenh. an Regensb. betr. 1618/24.)
8) Häberlin-SeulLenberg XXIII, 547.
4) Wolf ni, 876.
PoUtikfdet Hersogfl Jobaim Casimir tob Coburg. 467
Euifürateii yod Saohsen sn fragen, wie man sich za den yon
den linierten berührten Punkten yor und auf dem Eeichstag
verhalten tolle. Doch am 2. Mai war ihm noch keine Nach-
rioht zugekommen, wie aus einem Brief an seinen Bruder
herrorgeht ^). Da er nun den Wunsch hegt, in dieser wich-
tigen Angelegenheit mit Saohsen Hand in Hand zu gehen, so
trägt er Bedenken, solange ihm dessen Anschauung unbe-
kannt, seine Ansicht üher die Werbuog der Union dem Land-
grafen Ludwig Yon Hessen mitzuteilen.
Dieser hatte Joh. Emsts und Joh. Casimirs Gutachten
über das den linierten gegenüber zu beobachtende Verhalten
erbeten'); Joh. Ernst hatte aber wegen der hochpolitischen
Frage seinen Bruder aufgefordert die Antwort zu tiber-
nehmen ^). Er hat Casimir auch diesmal wieder die alleinige
Besorgung der Beichttagsgeschäfte und die Vertretung der
Eisenacher Stimme zugestanden^).
yn. Kapitel.
CaaimirB Politik auf dem Beichstag Yon Begensbnrg iai8.
Die Einladung zu dem Beichstag hatte der Kaiser am
16. Februar übersandt Da er selbst nach Regensburg
kommen werde, so hoffe er, daCs auch die Fürsten durch ein-
mütiges, persönliches Erscheinen sich um die Hebung des
1) Herzog Joh. Catimir an Henog Job. Ernst den Aeltereo. Coburg,
82. April 1618. Konzept. Cob. Arch. B. U, 7, No. 114. (Relationen
in Reichssachen der off den Reichstag abgeordneten sambt daranff er-
Tolgten fürstl. Resolutionen.) cf. Anhang VI.
2) Landgraf Ludwig ron Hessen an die Herzoge Joh. Casimir und
Joh. Ernst d. Aelteren. Darmstadt, 18. April 1618. Orig. Cob. Aroh.
B. n, 7, No. 114.
8) Herzog Joh. Ernst der Aeltere an Herzog Joh. Casimir. Eisenach,
18. AprU 1618. Orig. Cob. Arch. B. II, 7, No. 114.
4) Herzog Joh. Ernst der Aeltere an Herzog Joh. Casimir. Eisenach,
22. Februar 1618. Orig. Cob. Aroh. B. U, 7, No. 114.
xviL ai
468 Politik des Hersogs JobAon Casimir ron Coburg.
»ygesuDkenen Wesens^' bemühen würden ^). Um die Gefahr, die
Ton den Türken drohe, recht ansobaulich zu machen, mit
anderen Worten, um Geneigtheit für die Türkensteuer zu.
wecken, hat der Kaiser im April noch yerschiedene Berichte
ans Eonetantinopel übersandte )
Erst am 3. Juli wurde die Instruktion für die Co-
burger Gesandten, Albrecht yon Steinau und Bartholomäus
SchwarzloiB, abgefafst ^).
Die bekannte Formel: Der Herzog wünsche, dafs im
Hause Sachsen gleichförmige Vota fallen mögeo, die den Ein-
gang bildet^ hindert nicht, dafs der Inhalt nicht eben kur-
sächsisch ist. Zwar sollen sich seine Gesandten, was den
Besuch der Partikularkonyente der Korrespondierenden anbe-
langt, dem Verhalten der Kursaohsen anschliefsen, aber er für
seine Person ist der Meinung, daCs das geschlossene Vor-
gehen der Eyangelisohen, wie es 1608 stattgefunden, auch in
der gegenwärtigen schweren Zeit unbedingt notwendig sei.
Dann geht die Instruktion auf die Aufgaben des beyor-
stehenden Reichstages ein und spricht sich mit aller Ent-
schiedenheit dafür aus, dafs yor allem der Justizpunkt yor-
genommen und die Grayamina abgeschafft werden müXsten,
ehe an eine Behandlung des Kontributionspunktes zu denken
sei. Wenn man trotzdem zu dieser schreite, so seien die
Bewilligungen yon Bedingungen abhängig zu machen, durch
welche der Kontributionspunkt thatsächlich nachgesetzt
werde.
An erster Stelle sei zu fordern: Erneuerung des Be-
ligionsfriedens ohne Klausel. Werde sie zurückgewiesen, so
sei zu befürchten, dafs die Eyangelisohen, deren einhelliges
1) Kaiser Matthias an Henog Joh. Casimir. Wien, 16. Februar
1619. Orig. Cob. Arch. B. U, 7, No. 114.
2) Kaiser Matthias an Herzog Joh. Casimir. Wien, 94. April 1618.
Orig. Cob. Arch. B. II, 7, No. 114.
8) Instroktion für den Gesandten Albrecht von Steinaa und Barthol.
Schwarzlofs sum Beichstag 161S. Geschehen zu Coburg, 98. Juni 1613.
Cob. Arch. B. II, 7, No. 114. ef. Anhang VIL
Politik d«s Htnogs JoIuuid Casimir von Ck>bnrg. 4g9
Yorgehen in dieser Frage Casimir erwartet, die BitsuDgen der
yersehiedenen Bäte Dicht mehr besachen würden. Seine Ge-
sandten sollen auf jeden Fall energisch für die Bestätigung
eintreten, auch nicht dulden, dafs einige Stände yon dem
Religionsfirieden ausgeschlossen würden.
Wenn nun mit der Erneuerung und Konfirmation des-
selben der Grund gelegt, sei weiter dahin su trachten, dafs
die kaiserlichen Hofprozesse, die wider die Reichskonstitu-
tionen seien, eingestellt, der Hofrat mit Angehörigen beider
Eonfessionen besetzt und endlich Donauwörth restituiert werde.
Zeige man sich diesen Forderungen der Byangelischen
gegenüber willfährig, so zweifelt Casimir nicht, dafs die
evangelischen Stände den Kaiser gegen den Erbfeind christ-
lichen Namens unterstützen würden; doch will er auch in
diesem Fall möglichst wenige Bömermonate bewilligen. Er
beabsichtige sich zwar nicht von dem, was beschlossen würde,
abzusondern, aber zu unmöglichen Dingen könne er sich auch
nicht verpflichten.
Es ist nicht zu verkennen, daCs das Schreiben der linier-
ten Eindruck in Coburg gemacht hat. Für eine Reihe ihrer
hauptsächlichsten Forderungen tritt Casimirs Instruktion ein
im vollen Gegensatz zu der des Kurfürsten von Sachsen.
Casimirs Gesandte drücken sich recht matt aus, wenn sie bei
der üebersendung der Altenburger Instruktion meinen, es
habe das Ansehen, als ob diese der ihrigen, vor allem was
die Abschaffung der Hofprozesse betreffe, etwas zuwider-
laufe 1).
Am 22. April ist jene von Joh. Georg ab Vormund aus-
gestellt^). Die Partikularkonvente sind nach dem Beispiel
1) 8. Relation der Cobnrgtr Gesandten. Regensbnrg, 5. Angnst 1618.
Cob. Arch. B. n, 7, No. 114.
2) Instruktion fftr den altenb. Gesandten Elias Förster, ausgefertigt
von Knrf. Joh. Georg als Vormand der Söhne Friedr. Wilhelms.
Dresden, 18. April 1618. Kopie. Cob. Arch. B. n, 7, No. 114. ta
BlKtter.
31*
470 Politik des H«nog8 Johann Catimir von Ooburg.
Beiner Vorfahren nicht za besuchen ^), besümmt er. Aneh
in Sachen der Oravamina ist er nicht geneigt yon seinen
,,hochgeehrten Yoraltem and von der Politik des Administra-
tors'' abzuweichen. Mit dem Justaipunkt, wofern er in der
kaiserlichen Proposition an erster Stelle steht, soll der An-
fang gemacht werden ^). Die Beschwerden gegen die Hof-
prozesse gedenkt er nicht zu unterstützen ^\ weil das Haus
Sachsen bisher unter ihnen noch nicht zu leiden gehabt
Dem kaiserlichen Hofrat hatte er die Verfolgung seiner
Jülicher Ansprüche anheimgegeben; wie hätte er auch gegen
ihn Front machen dürfen!
Was seine Vorfahren 1576, 1582, 1594, 1597 für gut
befunden haben, das hat auch heute noch seine Berechtigung,
ist der stete Befrain. Münz- und Kalenderwesen nehmen in
dieser Instruktion einen nicht eben kleinen Raum ein.
Was die Parteiyerhältnisse bei Beginn des Reichstags
anbelangt, so stehen auf der einen Seite geschlossen die
Unierten, mit ihnen rerbunden als „Korrespondierende" die
meisten anderen eyangelischen Stände. Auf der anderen Seite
bildet die Liga mit ihrer Partei die alte Mehrheit in ihrer ganzen
Macht, die fest entschlossen ist, die Frankfurter Beschlüsse
durchzuführen, mit anderen Worten, die an die Beschwerden
der Protestanten geknüpften Forderungen entschieden zu yer-
weigem.
Sachsen und Hessen-Darmstadt hätten Vermittelungsyor-
schlägen, wie sie Clesl im Sinn hatte, wohl ihre Unter-
stützung zu teil werden lassen. Aber im Rat des Kaisers
hatte die scharf-katholische Richtung, der Reichsyizekansler
1) . . Ob auch wohll nach dar KayaerL propoaition die BTangal^
Stande particolares consnltationes halten a. von aUerhandt grayaminiboa
sa commonicieren und zn deliberieren pflegen, dann vor derselben danunben
^nsammen kommen, haben ansere geliebte vorfahren aoa hoefabedenck-
lichen nhrsachen daran nicht veratehen woUen; bey dergleichen meinong
denn aach wir beharren . . .
2) Gf. daau, ebenao wie sa den obigen Bestunmangea, die Cobnrg.
Instruktion.
3) Cf. dazu die Coburg. Instmkt.
Politik d«8 Hersogs Johann Cftsimir von Coburg. 471
Ulm an ihrer Spitse, wohl lohon vor dem Begioo des Reichstags
tber den yermittehideii Standpunkt Glesls gesiegt ^). Jene
trogen deshalb kein Bedenken, sich auch ihrerseits im grofsen
and ganzen an die Partei der Liga anxnschliefsen.
Sachsen-Cobnrg und Eisenach würde man ihrer Instruk-
tion nach auf dem Beiohstag in den Beihen der Korrespon-
dierenden su<^en; doch hat sie ihre bekannte Rücksicht auf
Eursaohsen von einer so engen Verbindung mit der Union
abgehalten.
Am 13. August wurde die kaiserliche Proposition ver-
lesen; ihr Wunsch: Auflösung der Bünde und 260 Bömer-
monate zur Verteidigung der ungarischen Grenzen und Sie-
benbürgens. Der Jnstizpunkt war vorangestellt.
Als die Beratungen am 17. August beganneo, erklfoten
die ünierten und Korrespondierenden den Botenburger Be-
schlüssen und den Verabredungen ihrer Sonderberatungen zu-
folge *), sie würden sich nicht früher an den reichstäglichen Ver-
handlungen beteiligen, als bis die nötige Anordnung zur Er-
ledigung ihrer Beschwerden, die sie in den nächsten Tagen
übergeben wollten, getroffen sei. Aber sie wurden von der,
durch Sachsen und Darmstadt verstärkten, katholischen Majo-
rität überstimmt. Mit dem punctus justitiae beschlofs man
den Anfang zu machen').
Am 19. August früh 7 Uhr sollten die Beratungen im
Kurfürstenrat fortgesetzt werden, da sind Kurpfalz und Bran-
denburg, ohne die Kurfürsten zu grüfsen, mit Protest gegen
etwaige Beschlüsse weggegangen ^). Die Sitzung des Fürsten-
rats hatten die Korrespondierenden gar nicht besucht.
1) Ritter, PolitÜL u. Geschichte der Union, 1S7.
S). Die erste wurde am 14. August gehalten, cf. 3. Relat der Coburg.
GeMusdten. Regensbnrg, 5. Angost (a. 8.) 1619. Cob. Arch. B. II, T,
No. 114. . . Sonsten berichten E. F. 6. wir hiermit in onterthenigkeit
femer, das die Unirten albereit gestrigen tagee Ihre erste losanunen-
k«Dflt nach eröffneter Proposition absonderlich bey Char-Pfals's Gesandten
gehalten. — Bitter, Politik n. Gesch., 135 giebt den 10. Angnst an.
3) Bitter, PoUtik u. Geschichte der Union, 134.
4) 4. Belation der Cobnrfr. Gesandten. Begensb., 10. Angnst 1613.
Cob. Arch. B. U, 7, No. 114.
472 Politik dM Hersogs Johann Casimir Ton Coburg.
Die Gobnrger Oesandten waren anwesend; von den
EvangeÜBohen aofiBerdem nooh die übrigen försilich - Bächd-
sohen Vertreter nebst Henneberg , femer Darmstadt und
Mecklenbarg, ohne jedoch in ein ferneres Votieren zu willigen.
Die Eursachsen haben auf das Bedenken der Coburger Oe-
sandten hin sioh dagegen yerwahrt
So sah man sich genötigt, die Beratungen in den drei
Bäten bis auf weiteres aufzusohieben ^).
In Coburg stiefs die kursSchsische Politik, wie sie sich
in der Altenburger Instruktion spiegelte, auf lebhaften Wider-
spruch. Casimir befiehlt seinen Gesandten, sie sollten den
kurfürstlichen Bäten gegenüber der Hoffnung Ausdruck Ter-
leihen, dals Eursachsen besonders in der Frage des Beligions-
friedens so weit nachgeben würde, dafs keine Trennung unter
den evangelischen Ständen entstehe und dem Verdacht, dafe
Sachsen an dem Untergang der Protestanten mitarbeiten
wolle, Torgebeugt werde. Bei dem jetzigen Zustand des
Beichs sei es unbedingt notwendig, die Bolle des Vermittlers
auf sich zu nehmen, um zwischen beiden Parteien wieder
aufiriohtiges Vertrauen zu begründen^).
Während Casimir in diesem Instruktionsschreiben als
deutscher und ab eyangelischer Fürst denkt und schreibt, so
kann er in einem anderen, das 11 Tage später fällt und sich
auf die ihm gemeldete Absonderung der Korrespondierenden
von den Beratungen bezieht, seine Eigenschaft als sächsischer
Herzog nicht yerleugnen ^).
Zwar kommt er auch hier zu dem SchluTs, da£B Sachsen
den Mittelweg einschlagen müsse, aber nicht darum, weil
das Vaterland oder die Erhaltung der evangelischen Stände
dies fordere, sondern aus dem Grund, weil ein solcher Stand-
punkt im Hinblick auf die Jülicher Ansprüche des Hauses
1) Cf. die 4. Relation der Gesandten.
8) Henog Joh. Casiinir an seine Gesandten. Tenneberg, 10. Aug.
161S. Konsept Cob. Arch. B. n, T, No. 114. ef. Anhang Vm.
3) Henog Joh. Casimir an seine Gesandten. Tenneberg, 91. Angnst
1618. Konsept Cob. Arch. B. U, 7, No. 114. cf. Anhang IX.
Politik des Hersogt JohAnn Casimir von Cobar«:. 473
Sachsen der beste sei. Denn wenn man sich den Eorrespon-
dierenden durchaus anschliefse, so werde der Kaiser in den
Jülicher Sachen VergeltuDg üben, während bei einer ent-
gegengesetzten Politik die Unierten ihrerseits auf eine Unter-
stützung Sachsens in dieser Frage yerzichten würden ^).
Deshalb sollen seine Gesandten sich mit denen der Union
in Verbindung setzen , sich bei ihnen wegen ihres Fem-
bleibens Ton den Sonderberatungen und von der Ueber-
reichnng der Grayamina mit dem Hinweis auf Eursachsens
Stellung entschuldigen und ihnen die Versicherung geben,
dafs der Herzog trotzdem alles thnn werde, was zur Erhal-
tung des Eeligions- und Frofanfriedens nötig sei.
Würde jedoch Rursachsen auf die Politik der Mittel-
strafse verzichten, mit den Katholiken in jedem Punkte Hand
in Hand gehen und von ihnen, den Goburger Gesandten, das-
selbe verlangen, so sollten sie erklären darauf nicht instruiert
zu sein.
Ebensowenig sollten sie beistimmen , wenn nach er-
zielter Einigung die Reformation des kaiserlichen Hofrates
verworfen würde.
Ueberhaupt geht aus allem hervor, dafs der Herzog von
Goburg nicht geneigt ist, ein den Unierten entgegengesetztes
Vorgehen der kursächsischen Politik ohne weiteres zu unter-
stützen.
Casimirs Hoffnung, die Erisis würde bald überwunden
werden, ging nicht in Erfüllung ^). Dem Drängen der Eorre-
1) Postscriptom vom 21. August Tenneberg. Konzept Cob. Arcb.
B. n, 7, Ho. 114.
2) Wie beifs es am Beicbstag berging, kann man aueb daraoa seben,
dafs der Coburger Gesandte Scbwarslofii einem Scbreiben an den Kammer-
sekreULr HeaHiner die Bemerkung anf> : Desiderans desidero Cerevisiam
Coburgensem, sintemahl alhie kbein rotbier mebr zu bekhommen and dafs
weisse als gabr zu new und in der Hitze gebranet, gahr nicbt gat ist und
einer ibme leichtlich davon ein krankheit sauffen konte; deroweg im fall
dem berm Sartorio ein Trunck geschickt werden solt, icb gerne sehe,
dafs auch off solche fall ich mitt einem vefslein versehen werden möchte.
Würde ich ffir mein person mich sonsten so viel möglich des weins zu
enssem. Der Gesandte Schwarzlofs an den Kammersekret. Sigism.
HeaÜBner. Begensburg, 26. Joli 1613. Orig. Cob. Arcb. B. II, 7, No. 106.
474 Politik des Hersogi Johaon Casimir yod Coburg.
spondierenden auf Erledigang ihrer eingelieferten Grayamina
entgegen bestand die kaiserliche Begiemng, gestützt auf die
Majorität des Beiohstags, anf der yorherigen Erledigung der
Proposition ^), Dem Verlangen nach freier Verständigung
setite sie die in gemeinen Reichssaohen geltende Majorität
entgegen ').
Eursaohsen hatte sich dem Wunsche und der Hoffnung
Casimirs zuwider yoll und ganz der katholischen Mehrheit
angeschlossen, wie Schwarzlofs schon am 7. September nach
Coburg berichten mufste. In Uebereinstimmung mit den geist-
lichen Kurfürsten hatte es am 4. September dem Kaiser auf
seine Anfrage hin den Bat gegeben, den schriftlichen Ver-
kehr mit den Korrespondierenden abzubrechen. Ja aus Dres-
den war der Befehl eingelaufen, dafs die kursächsischen Ge-
sandten auch nach dem eyentuellen Abzug der Korrespon-
dierenden an den Beratungen teilnehmen und per majora be-
schliefsen sollten ').
Diese Stellung der kursächsisohen Politik, welcher der
coburgische Gesandte die bedenklichsten Konsequenzen prophe-
zeit, yeranlafst diesen den Herzog zu bitten, ihn unter irgend
einem Vorwand abzuberufen.
Von einem Erkalten der intimen Beziehungen zwischen
Sachsen und der katholischen Majorität, das Bitter^) an-
nimmt, kann unter diesen Umständen wohl kaum die Bede sein.
Ebensowenig weifs der coburgische Gesandte 5 Tage
später etwas yon einer Veränderung der kursächsischen
PoHtik«).
1) Hftberlin-SeDkenberg XXm, 690 fg.
2) Cf. den Schriftenwechsel: Londorpii acta publica I, p. 124 fg.
(Cob. Arch. all Beilagen in Abschrift. B. II, 7, No. 114.)
8) 7. Relation des Gesandten Schwarilofs (Steinau war nach Hanse
bemfen worden). Begensbnrg, 28. Ang. 1618. Orig. Cob. Arch. B. II, 7,
No. 114. ef. Anhang X.
4) Ritter, Politik n. Geschichte der Union, 186.
6) S. Relation des Gesandten Schwarslofs. Begensbnrg, Donnerstag,
2. Sept. 1618. Cob. Arch. B. U, 7, No. 114.
Politik des Herzogs Johano Casimir tod Coburg. 475
Mit tiefem Bedauern hat Casimir und sein Bruder den
Bericht des Gesandten über den bedeniclichen Charakter der
kursSchsischen Politik entgegenj2;enommen. Besonders schmerz-
lich hat sie der Befehl des Kurfürsten, dafs seine Vertreter
auch nach dem Abzug der Korrespondierenden an den Ver-
sammlungen und Beschlüssen sich beteiligen soFten, berührt.
Allem Herkommen sei dies zuwider ^ ).
Die beiden Herzöge haben auch den Kurfürsten Ton
seiner falschen Politik zu überzeugen und zu einer yer-
mittelnden Stellung zu bewegen versucht ^)y um ein ge-
harnischtes AblehnuDgsschreiben als Frucht zu erzielen. Ganz
ungewöhnlich und unerhört sei es, so führt der Kurfürst in
seiner Antwort*) aus, dafs die Korrespondierenden, obwohl
der Kaiser den Justizpunkt als ersten in seine Proposition
gesetzt und versprochen habe, dafs noch während des Reichs-
tags den Gravamina abgebol/en werden solle, sich abgesondert
hätten und auch nicht zu veranlassen seien die Sitzungen
wieder aufzunehmen. Sein Vorgehen würde hoffentlich nie-
mand dahin auslegen, wie Casimir andeute, dafs es Stärkung
der Katholiken in ihrem Streben, die Evangelischen zu unter-
drücken, bezwecke. Von einem den Korrespondierenden ge-
fährlichen Vorhaben wisse er überhaupt nichts. Er könne
auch nicht glauben, dafs der Kaiser bei der bekannten Milde,
die ja das Haus Oesterreich vor anderen auszeichne, ein solches
zulassen würde.
Der Brief ist in Coburg nicht ohne Wirkung geblieben.
Der Gesandte erhielt der kursächsischen Instruktion gemäfs
1) Henog Joh. Casimir an den Oesandten Barthol. Schwarslofs.
Teoneberg, 1. September 1613. Koniept. Cob. Arch. B. ü, 7, No. 114.
cf. ÄDhang XI.
2) Den Brief (80. Autpist) habe ich im Cob. Arch. nicht zn finden
vermocht. Der Cob. Kammersekretär Christ v. Waldenfels bezieht sich
auf ihn in der angedeuteten Weise in einem Schreiben an Joh. Casimir
(Tenneberg). Coburg, 9. Sept. 1613. Cob. Arch. B. II, 7, No. 114.
3) KurfOrst Job. G^rg an Herzog Joh. Casimir. Angastenburg, 5.
September 1613. Origin. Cob. Arch. B. II, 7, No. 114. cf. Anhang XU.
476 Politik des Hersogs Johann Casimir von Cobnrff.
den Befehl, auch nach dem Abzug der KorreBpandierenden
EU bleiben und den Sessionen beizuwohnen. Sobald aber
etwas zur Abstimmung gelange, das dem Beligionsfrieden und
der Freiheit der Stände zuwiderlaufe, solle er nicht beistimmen
sondern sich entfernen. Den Korrespondierenden sei dies
alles mitzuteilen, mit der Versicherung, dafs Casimir nicht
daran denke, ihnen durch diese Bestimmungen in irgend einer
Weise entgegenzutreten; der Herzog wolle vielmehr auch
fernerhin in Termittelndem Sinne thätig sein.
Wie die oben angeführten Befehle, so ist wohl auch die
Geneigtheit des Herzogs, dem Kaiser in der Steuerfrage, im
Fall Not Torhanden und Beförderung in der Jülicher Sache
dafür zu erwarten sei, entgegenzukommen^), durch das
Schreiben des Kurfürsten veranlafst worden.
Doch der befürchtete Abzug der Korrespondierenden fand
noch nicht statt. Die immer mehr wachsende Türkengefahr
und die Geldnot des Kaisers bewirkten schliefslich , dafs die
Männer des Ausgleichs Gehör fanden *).
Am 10. September kam Fürstenberg im Auftrag des
Kaisers zu den kurpfalzischen Gesandten und teilte ihnen mit,
Matthias habe die feste Absicht, was sich immer von den
Grayamina erörtern lasse, zu erörtern '). Es sollte auf dem
Weg freier Verständigung geschehen, Erzherzog Maximilian
die Bolle des Vermittlers übernehmen ^). Die Korrespon-
dierenden ihrerseits hatten die Absicht, den Herzog Joh.
Casimir, auf den sie das beste Vertrauen setzten, als Ver-
mittler vorzuschlagen^).
1) Henog Joh. Casimir an Schwarslofs. Datum äff unserm Sehlols
Teooenberg, 9. Sept. 1618. KoDiept Cob. Arch. B. II, 7, No. 114. ef.
Anhang XUI.
2) Ritter, Politik n. Oesch. der Union, 188. — Ranke, 286.
8) 8. Relation des Coburg. Gesandten. Regensb., 2. Sept. 1618.
Cob. Arch. B. U, 7, No. 114.
4) Ritter, Politik u. Oesch. der Union, 189.
6) Schwarslofs an den Kammersekretär Sigism. HeoÜBner. Regensb.,
3. Sept. 1618. Cob. Arch. B. II, 7, No. 106.
Politik des Heriogs Johann Casimir Ton Coburg. 477
Für dieses Entgegenkommen erwartete der Kaiser die
Zastimmang der Protestanten zu der Nebenproposition, die
am 1. Oktober dem Beiohstag yorgeiegt wurde und unter
Yerschiebung aller übrigen Angelegenheiten auf bessere Zeiten
eine schleunige Türkenhilfe forderte^).
Nur wenn die vornehmsten Beschwerden sofort abge-
stellt würden, seien sie zu einer solchen bereit, erklärten die
Korrespondierenden, als am 8. Oktober in den verschiedenen
Bäten Umfrage gehalten wurde.
Auch der altenburgische Gesandte, dem sich der wei-
marische und der coburgisohe anschlössen, richtete zur grofsen
Freude der Korrespondierenden an den Kaiser die Bitte, er
möge auf die Gravamina der Evangelischen hören, damit man
an die Beratungen mit der Aussicht auf Erfolg herantreten
könne ^).
Nichtsdestoweniger erneuerten sich die Scenen vom 17.
August Die Korrespondierenden werden von der Majorität,
die Hilfe ohne Eücksicht auf Bedingungen zu leisten be-
sohliefst, überstimmt; sie enthalten sich abermals des Besuchs
der Versammlungen.
Die sächsischen Vertreter haben sich wieder eingestellt.
Als aber über die zu leistende Hilfe beraten wurde, erklärte
der Altenburger Gesandte unter Zustimmung von Weimar und
Henneberg: Allerdings habe ihn der Kurfürst instruiert, dafs
er sich zur Zufriedenheit des Kaisers erklären solle; doch
weil der Fürstenrat nicht vollzählig sei, habe er sich noch
einmal nach Dresden mit der Bitte um VerhaltangsmaCs-
regeln gewandt, bis dahin müsse er ünes mandati angeben.
Schwarzlofs hat dasselbe gethan mit der Motivierung, dafs
der Herzog sich nur, nachdem Schritte in der Jülicher Sache
unternommen, erklären wolle '). Senkenberg legt ihm in den
1) Bitter, Politik u. Geschichte der Union, 140.
2) 10. Relation des Coburg. Gesandten. Begensb., 24. Sept 1613.
Gob. Aroh. B. U, 7, No. 114.
8) 10. Belat des Cob. Gesandt. Begensb., 24. Sept. 1613. Orig.
Cob. Arch. B. II, 7, No. 114. . . Ich aber dieweihln ich mich erinnerte
478 Politik des Hersofi^ JobAoo Casimir von Cobvfr.
Mund, es wäre gat, wenn der Justiz geholfen würde, ehe
man von Beistenem redete^). Sattler weife sogar zu he-
richten, daTs die herzoglioh- Bäohsiohen Hänser nicht allein
die Abstellung der so anstöfsigen Hofprozesse, sondern auch
die unbedingte Bestitution der Stadt Donauwörth und eine
Garantie für den geistlichen Besitz der Evangelischen ge-
fordert hätten '). Im Goburger Arohiv habe ich ein solches
Votum nicht gefunden, doch würde es der Instruktion wenig-
stens des ooburgisohen Gesandten nicht widersprechen.
Als die B«]ation des Gesandten über diese Vorgänge im
Fürstenrat in Coburg eintraf, erkannte man dort sofort, dafs mar
jetzt vor die Alternative gestellt sei. Fohmann, der Direktor
des geheimen Rates, hat darum den Kammersekretär Waldenf^ls,
der sich in Lichtenbeig aufhielt, zu einer Konferenz einge-
laden.
Auch dieser war sich über die Wichtigkeit der Sachlage klar
und schrieb Fohmann, er würde, sobald er abkommen könne,
bei Tag und Nacht nach Coburg eilen. Zugleich hat <^r seinen
unionsfreundliohen Standpunkt in einem ausAihrlichen und
hochinteressanten Schriftstück begründet ^).
Nach seiner Meinung hat der Gesandte fernerhin dreierlei
zu beachten: Einmai seine ihm neulich zugeschickte Instruk-
tion, sodann im Hinblick auf den Kontributionspunkt das
Votum Pfalz-Lautems, das unter Zustimmung aller übrigen
wie E. E. P. P. 6. G. jünjfste gnXdige resolution dahin lautet, wie sie
swar nicht angeneigt, wann die noth verbanden, Ihrer Kais. May. snbe-
zeigung Ihrer wÜlfehrigkeit das Ihrige nach vermögen su leisten, doch
auch sab oonditione, woferne hinwiederamben in den GtUichischen 8ncces-
sionswerk befSrderuug zu gewerten, and das derowegen dieselben E. B.
P. F. 6. G. sich allererst ins künfftig nach gelegenheit des Gfilichischen
snccessionwerks sich endlich and eigentlich sa erkleren wissen woUen and
defectam Handati angegeben . . .
1) Hlberlin-Senkenberg XXIH, 610.
2) Sattler, Geschichte Wfirttembergs, VI, 7S.
8) Kammersekretttr Christ, v. Waidenfels au D. Fohmann, Ge-
heimen Rat u. Direktor su Coburg. Datum Liechtenberg, d. 80. Sept.
1613. Origin. Cob. Arch. B. II, 7, No. 114. cf. Anhang XTV.
Politik d«s Hersogs Johann Casimir von Gobnrg. 479
KofreBpondierenden erkllit hatte, nur dann, wenn Friede und
Recht im Reiche besser fandiert würden, könne man an eine
Türkenhilfe denken. Die Majora könnten hierbei in keinem
Fall Geltung haben. Sohliefslich hat der Gesandte uach
Waldenfels' Ansicht zwar an den Versammlungen des Fürsten-
rates teilzunehmen; sobald jedoch etwas, das dem Religions-
und Profanfrieden zuwider sei, unternommen und beschlossen
würde, müsse er des Herzogs Widerspruch nachdrücklich her-
y erheben und den Korrespondierenden dayon Mitteilung machen.
Ueberhaupt müsse man bei einer solchen Wendung
der Dinge dem Hersog den Rat geben, sein Verhalten
dem der Korrespondierenden anzupassen. Käme es gar zum
offenen Bruch und zum Kampf, so sei es am sichersten, sich
auch ihrem Bund, der Union, anzuschlielsen. Denn würden
die Katholiken die Oberhand behalten, so sei nicht daran zu
denken, dafs der Herzog allein übrig bleibe und seine Re-
ligion und geistlichen Güter yor ihnen schützen köpne. Bei
einem Sieg der Eyangelischen dagegen würde er yon allen
mit mifsgünstigen Augen angesehen werden.
Zu diesen Erwägungen, die für den Eintritt in die Union
sprächen, komme als unterstützendes Moment die politische
Macht der Union und deren für den militärischen Schutz der
eoburgischen Lande äufserst günstige Verteilung hinzu. End-
lich dürfe man nie yergessen, dalüs Sachsen nur mit Hilfe der
Union in den Besitz der Jülichsohen Lande kommen könne.
Waldenfels* Ansicht hat Casimir yoll und ganz beige-
stimmt Am 14. Oktober schreibt er an seinen Gesandten in
demselben Sinn, fast mit denselben Worten ^) und befiehlt
ihm, sobald Beschlüsse geÜEifst würden, die dem Religions-
frieden und dem eyangelischen ' Wesen überhaupt wider-
1) Instrnktionsnohreiben Herz. Job. CMunin an seinen Gesandten.
Tenneberg, 4. Oktober 1618. Konsept Cob. Arch. B. II, 7, No. 114.
(WaldenfeJb' 8 Punkte am Anfang seines MemorUb sind im Torliegenden
Sohreiben wörtlich angenommen ; ebenso die ErkUrung, dafs dem Hersog
an der frenndtsehafft der Union n^r gelegen sei als an der favor einer
band toII obnmeehtiger and besohomer pfaffisn.)
480 Politik des Htrtogs Johann Casimir von Coburg.
Bprftoheiiy sich nach dem Vorgehen der Oesandten der Eorre-
spondierenden in richten und auch, falls sie Tom Beichstag
absögen, ihnen zu folgen ^).
Als daher im Fürstenrat trotz der Abwesenheit der
Korrespondierenden eine Steuer von 80 Bömermonaten mit
Zustimmung Altenburgs, Weimars und Hennebergs besohlossen
wurde*), sohlofs sich Coburg aus, enthielt sich des Rat-
gangs ^) und protestierte am 12. Oktober ebenso wie die
Korrespondierenden gegen den Reichstagsabschied ^).
Kläglich war der Versuch einer Komposition gescheitert,
deswegen, weil keine der beiden Parteien daran dachte, yon
ihren Prinzipien in etwas zu weichen. Die mafslosen For-
derungen der Korrespondierenden waren natürlich nicht in
Einklang zu bringen mit dem konservativen oder reaktionär-
katholischen Standpunkt
1) . . . Wofern« da der handel endlich nff die Eztremiteten ans-
laoffen solle, indeme darch die Catholische Stende solche m^jora and schloTs
gemacht wfirde, so dem theuern Beligionsfriedeo u. gantsem Eyangelischen
Wesen, bevorab mitt scabilimng der hoffprooefs und was dem mehr an-
hfingig, directo zuwieder, ist unser will undt meinung, das Ihr als da nff
die correspondierenden susehen, und im fall dero gesandte ondt Bott-
schafften abziehen, würdet ihr ench wenig nicht darnach sue achten ondt
also ihnen gleichmeOiig in ersaigen, delsen wir off gepflogenen rath in
erwegong allerhand nachdenklicher ambstende erhebliche und gnogsame
ubrsache haben . . .
2) 11. Belat des Cob. Oesandt. Begensb., 6. Okt 1618. Cob. Ai^h.
B. U, 7, No. 114.
8) 12. Relation des Cob. Oesandt. Begensb., 8. Okt. 1618. Cob. Aroh.
B. 11, 7, No. 114. . . . Dahero and weihin den Correspondierenden
andern Evangelischen ständen solch approbatio der M^jorom hartt sa-
wieder ... so hab ich ohne £• F. O. sonderbahren specialbefehl nicht
wie andere der evangelischen Stände meinang zuwider in berOhrte Majora
approbieren a. gutheissen möcht, mich als berfihrte qaaeatio saper qoan-
titate proponiret äff defectam mandati beworffen and hernach dea Bath-
gangs geäufsert . . .
4) Häberlin>8enkenb. XXUI, 626, Anm. — Belation Schwaralofiens
an die Hersöge Job. Casimir a. Joh. Ernst. Coburg, 80. Oktober 1618.
Origin. Cob. Arch. B. II, 7, No. 114. (Bailiegend iwei der
Kanzlei übergebene Protestationiachriften.)
Politik des Heriogs Johann Casimir Ton Coburg. 481
Der Kaiser hatte sich schliefBÜch , um zwischen ihnen
nicht allen Bückhalt zu verlieren, definitiv an die Majorität
angeechloBsen ; ja es gelang ihm die oberste Leitung der
Liga in seine Hand zu bekommen ^). Da er nun auch den
mächtigsten protestantischen Fürsten, den Kurfürsten von
Sachsen, auf seiner Seite hatte, glaubte er den Korrespon-
dierenden weiter keine Büoksicht mehr schuldig zu sein.
Das einzige reale Zugeständnis, das er ihnen machte, lag in
der Erklärung, dafs Ostern 1614 in Speier ein Kompositions-
tag zusammentreten sollte, um in einem paritätischen Aus-
schnüsüber die Beschwerden und den Justizpunkt zu beraten ^).
Mit Erbitterung schied man; Drohungen bekamen die
Korrespondierenden zu hören. Die Besorgnis, dafs ein innerer
Krieg bevorstehe, machte sich überall geltend >). Besonders
die protestantischen Administratoren fürchteten für ihren
Besitz *).
Die Gesandten der Korrespondierenden am Beichstag
haben ihre Ansichten über das, was in dieser gefahrvollen
Zeit zu thun sei, in einem Schriftstück niedergelegt und zum
„ferneren Nachdenken mit sich genommen'' ^).
Die höchste Notdurft erfordere, heilüst es darin, möge der
versprochene Kompositionstag seinen Fortgang nehmen oder
nicht, einen evangelischen Kommunikations- und Präparations-
tag zu halten. Besonders mit Bücksicht auf die Anschläge
der Liga seien die Instruktionen für ihn abzufassen, denn
man habe ja in Begensburg zur Genüge erfahren, dafs die
Papisten damit umgehen, unter dem Vorgeben, für die kaiser-
liche Hoheit und die Justiz einzutreten, die von den Evange-
1) Wolf m, 470 fg.
8) Ritter, PoUtik n. Geschichte d. Union, 144.
8) Ranke, 240.
4) Ranke, 241.
5) Verseichnis etlicher Punkte, so gegen bevorstehenden Chur- und
Fürsten- o. Stftdtetag derselben sn Regensburg gewesene Räthe zum
ferneren Nachdenken mit sieh genommen. Memorial. Kopie. Cob. Areh.
B. II, T, No. 109. cf, Anhang XV.
482 Politik des Hersogt Johann CMimir von Coburg.
lisoheu beaetzten Bist&mer, Stifter and £löBter mit Gewalt
wieder einzuziehen. Deshalb sei es angebracht, wenn die
korrespondierenden Stände ihren Predigern einschärften, die
,,6reuei des Papsttums und Spanischen Jochs den Zuhörern
üeifsig einzubilden*', damit von seiten der Unterthauen desto
williger Hilfe im Fall eines Kampfes geleistet werde.
Werbungen oder gar Durchzüge und Einlagerungen seien
nicht zu gestatten. Durch offene Mandate müsse vielmehr
das Verbot^ in katholische Dienste zu gehen, erlassen und die
Mahnung daran geknüpft werden, sich im Fall der Not be-
reit lu halten. Aufserdem seien die Pässe zu verwahren und
gute Kundschaft zu halten«
Besonders aber müsse wegen der drohenden Gefahr der
ZusammenschluXs aller Evangelischen angestrebt werden. Von
denen, die sich noch nicht in der Union befanden, sei eine
Erklärung zu fordern, ob und wie sie in dieselbe zu treten
geneigt seien. Auf den Anschlufs der evangelischen geist-
lichen Fürsten rechnete man. Vor allen Dingen jedoch, so
lautet der Schluls des Memorials, ist es notwendig, Sachsen
auf die Seite der Korrespondierenden zu ziehen. Von einer
Zusammenkunft des Kurfürsten von Brandenburg mit Johann
Georg verspricht man sich das Beste.
In Heidelberg teilte man natürlich die Befürchtungen der
Gesandten; ebenso war man überzeugt^ dals die Gewinnung
Sachsens von groüsem Nutzen sein werde.
Der Herzog von Coburg, der stets zu ihrer Partei hin-
geneigt, auf dem Beichstag sich sogar dem Protest der Korre-
spondierenden angeschlossen hatte, sollte die Mittel und Wege
angeben, die zum Ziele führen könnten, auch selbst in diesem
Sinne thätig sein. Er wie die Korrespondierenden über-
haupt seien infolge seiner Politik am Beichstag, die sie
hocherfreut habe, überzeugt, schreibt der Administrator der
Kurpfalz an Casimir ^}, daüs er sich den Ansohllgen der
1) Johannes, Pfalzgraf bei Rhein, Administrator dar ChurfÜrstl. Pfals,
an Herzog Job. Casimir. Ueydelberg, 8. Novembris 1613. Origin. Cob.
Aroh. B. II, 7, No. 115, Bl. 21—28. (Hinc ind« ergangen« Schriften in
Beichssachan 1618—1616.) et Anhang XVL
Politik d«t Heniogt Johann Catimir von Colrarg. 4g3
Katholiken gegenüber die ünterttfttsang der erangeliBchen
Sache angelegen sein lassen werde.
Diese üeberzeugung habe ihn anoh yeranlafst am des
Herzogs Meinnng darüber zu bitten, auf welohe Weise am
besten eine Vereinigung aller OTangelisohen Stände zu er-
reichen und wodurch Tor allem Kursaohsen, das vielleicht
immer noch an dem Bmst der Lage zweifle, zu gewinnen sei.
Zugleich richtet der Administrator an Casimir das Br-
auchen, alles aufzubieten, was geeignet sei, die Erreichung
des angegebenen Zieles zu befördern.
Endlich fragt er an, ob der Herzog seinerseits sich an
der geplanten Zusammenkuoft aller eyangelischen Stände durch
Schickung seiner Bäte beteiligen wolle und ob er ho£Ee, dafs
alsdann auch Eursachsen zum Besuch dieses Tages sich be-
stimmen lassen werde.
Der junge Friedrich, der spätere Bdhmenkönig, hat
ebenfalls ein Schreiben beigelegt mit ähnlichem Inhalt^).
Er weist hin auf den Protest gegen den Beiohstags*
abschied, dem sich auch Casimir angeschlossen, und bittet ihn
auch fernerhin für des Beiohes Wohlfahrt einzutreten und
besonders, in der Erinnerung daran, dafs im Gebiet des
Hauses Sachsen das Licht des Byangeliums am ersten zu
scheinen angefangen, sich darum zu bemühen, dafs das Papst-
tum nicht wiederum in Deutschland mächtig werde.
Auf die Phrasen dieses Briefes antwortet*) Casimir mit
denselben Wendungen, nur dafs an Stelle des Wunsches
seinerseits der geneigte Wille tritt
Dem Administrator gegenüber bedauert der Herzog'},
1) KnrfOrtt Friedrich V. an Heriog Joh. Casimir. Heidelberg, 8.
Norember 1618. Orig. Cob. Ardi. B. U, 7, No. 116. cf. Anhang XVn.
S) Henog Joh. Casimir an KorfOrtt Friedrich V. ron der Pfals.
Coburg, 5. Deiember 1618. Konsept. Cob. Arob. B. II, 7, No. 116.
BI. 80 n. 81.
8) Hersog Joh. Casimir an den Pfalsgrafen Joliann, Administrator
der Kurpfals. Coburg, 6. Desember 1618. Konsept Cob. Areh. B. II,
7, No. 116. El. 84—86. of. Anhang XIZ.
4S4 Politik d«t Htnogt JoIuüid CaMmir ron Coburfr.
daXt er ihm eine Vorantwort zu eohioken genötigt aei;
doch müBse er sich erst mit seinem Bruder und womögliek
mit dem Eurfttrsten über die Lage beeprechen. üebrigens
würde er alles than, was lor Erhaltung des Rdigions- «nd
Profan^riedens dienlich sei. Was den Korrespondierenden
ram Nachteil gereichen könnte» wolle er yon ihnen abwenden
helfen.
Auf die Frage des Administrators» die sich auf die Ge-
winnung Bachaens beiog, fiihrt Casimir in einem dem Schrei-
ben angefügten Postskriptum erwidernd aus: Nur dann könne
an eine solche gedacht werden, wenn ein Sachsen genehmer
Vergleich in der Jülicher Frage zustande käme.
Casimir hegt deshalb die feste üeberzeugung, der Ad-
ministrator wie die Union überhaupt werde danach trachten»
daÜB die gefährlichen Mifsyerständnisse, welche die Nicht-
berücksiobtigung des Jüterbogkschen Vertrags ron seiten
Brandenburgs und Neuburge nach sidi gesogen, aus dem Wege
geräumt würden.
Man merkt dieser Antwort an, dafs Casimir nicht be-
absichtigt, die Bahn, die er am Ende des Beichstags einiu*
schlagen begomien hat und die ihn hinübergeführt hätte ins
Lager der Union, weiter zu yerfolgen, sondern dafs er an
seinem früheren, yermittelnden Standpunkt festanhalten gedenkt.
Der Brief des Kurfürsten yon Sachsen Tom 26. No-
vember^) mag nicht wenig zu diesem Bntschlufs beigetragen
haben : Wegen der Gefahr in Siebenbürgen habe man sich ent-
schlossen, den Kaiser durch Kontributionen zu unterstützen;
er könne deswegen Casimir keinen besseren Bat geben als
den, Ton dem Protest, den sein Gesandter eingelegt, abzu-
sehen und, um „allerhandt yerdacht" vorzubeugen, sich dieser
Kontribution ebenfaUa zu unterziehen.
1) Knrfarst Job. Oeorg an Henog Joh. Casimir. Weidenhain, am
16. NoTembrb 1618. Kopie. Cob. Arcb. B. II, 7, No. 106. (Eioselne
▲ktMist&ek« die Beiohstagtaogelegtnheiten jtu. Bageosburg betreff. 161 S/M.)
of. Anbang XVIU.
Folitik des Htrio^ Jobami Catiiiilr vod Coburg. 4^5
Den wohlgemeinten Bat von Sachsens Seite, der seiner
Form nach einem Befehle gleichkam, ha(ben Casimir und sein
Brader hefolgt. Am 1. Februar geht, tou beiden nnter-
fleichnet, ein Entschuldigungsschreiben ^) an den Eaiser ab,
in dem zuglei6h die ErklSrung enthalten ist, daf^ sie trotz
der grofisen Erschöpfung ihrer Lande sich doch so erzeigen
wollen, daÜB Eaiserl. Majest. sie als getreue Beichsstände er>
kennen könne. Als Bedingungen ihrer Hilfe geben sie an:
Frieden und Buhe im Beioh, gleichmSMge Verwaltung d^r
Justiz und schleunige Durchfuhrung des Jüterbogkschen
Vertrags.
Das Scheitern der Verhandlungen, die Brandenburg mit
Sachsen in den Wintermonaten über die Jülicher Frage
geführt hatte'), war wohl auch ein Grund, der Casimir be-
stimmte, einzulenken. Voll Unmut berichtet er nach Heidel-
berg Über den Verlauf derselben und ihren Ausgang ').
Sachsen forderte Anerkennung des Jüterbogkschen Ver-
trags; Brandenburg ging darauf nicht ein. üeber eine Ueber-
tragung der sächsischen Ansprüche auf Brandenburg für eine
Landabtretung in der Mark oder eine Geldentschädigung ver-
mochten sich die beiden Parteien auch nicht zu einigen.
Weil von seiten der Kurfürstin yon Brandenbtirg keine
Vollmacht Yorhanden war, hat man sächsischerseits dchliefsen
wollen, dafs Brandenburg die Verhandlungen nicht ernst
gemeint habe. Jetzt hat Job. Georg alles der Inter-
position des Kaisers anheimgestellt, zumal weil dieser ange-
deutet hat, dafs Neuburg einen gütlichen Vergleich durch
seine Vermittlung nicht auszuschlagen gedenke.
Gaumir läfst es dahingestellt, ob auf. diesem Weg das
1) Herzöge Job. Casimir und Job. Ernst an den Kaiser Matthias.
Coburg, 22. Januar 1614. Konzept. Cob. Arch. B. 11, 7, No. 115.
Bl. 40^45.
2) Droysen, Preuls. Poliük 11, Abteil 2, 618.
3) Herzog Job. Casimir an den Kurfürsten Friedrieb V. yon der
Pfalz. Coburg, 18. Februar 1614. Konzept Cob. Arch. B. II, 7,
No. 116.
32*
486 Politik des Hersogs Johann Casimir ron Coburg.
bezweckte Ziel erreieht werden könne; doch hat er yorlSufig
nichts dagegen einsuwenden ^).
Nach seiner Meinung wftre es auf jedem Fall besser ge-
wesen, wenn Brandenburg auf die Yerhandlungen überhaupt
▼erssiohtet hätte, weil ihr Verlauf nur dasu angethan gewesen
seif die Erbitterung zwischen den beiden Kurhäusern zu
steigern.
In der That die Dresdener Verhandlungen waren ge-
eignety Sachsen in seiner kaisertreuen Politik zu bestärken
und den Gegensatz zwischen ihm und Brandenburg zu festi-
gen. Daneben war dieses mit dem Pfiüzgrafen yon Neuburg
Tollständig zerfallen, seitdem er die katholisdie Beligion an-
genommen und sich mit einer Schwester Maximilians Ton
Bayern yermählt hatte« Union und Liga, beide durch aus-
wärtige Bundesgenossen yerstärkt, standen sich drohend
gegenüber. Unheilbar krankte das Beich an den [scharfen
Oegensätsen.
Dab ein Beichstag nicht mehr helfen könne, hatte der
Ausgang des letzten gezeigt
Doch der Kaiser hatte ja in Begensburg versprochen,
dafs ein Kompositionstag zur Brledigung der Beschwerden
und zur Herstellung der Ruhe und des Friedens gehalten
werden sollte.
Die katholische Partei wollte jedoch tou einem Nach-
geben nichts wissen: Die Jurisdiktion des Kaisers und die
1) . . Nnhn werdon £. Ld. undt iedermenniglicli verhoffeDÜioh im
worok spftren, das onier löbl. HaoA alle gneüiche mitteil herrorgesacht,
Aber Bnmdenbnrg keines annelimbliob gewesen; dannenhero des Chnr-
Arsten in Saohsen Ld. der Kays, interposition deferirt ondt solches der-
selben albereit den 16. Januar sogeschrieben, weil snmabln aas dem
Kays, schreiben Termercktt worden, das Pfalts Nenbnrgk kein gaetlich
mitten Yor J. li. aassnschlagen gemeint
/ I i Ob nnhn dieses der ort ondt weg diesem weitaussehenden werek
ans dem gmndt in helffen ondt den rechten sweck in erlangen sein
werde, stellen wir ahn seinen orth; diewelhl aber J. K.M. biefs anhero
ahn nnISi nichts derwegen gelangen lassen, nnd sonsten aoch kdn ander
mitteU stattgeftmden, können wir es ancb geschehen lassen . . . of.
p. 485, Anm. 8. Casimir an Friedr. y. d. Pf. 18. Febr. 1614.
Politik dei Heniogs Johanii CMimir Ton Coburg. 4g7
Autorität des römiBohen Stahles würden dann hiotangesetity
das ganze Beichsgebände lusammenfaUen ^ ).
Die kaiserliche Eegierang liefs sich dadurch bestimmen
und stand von der Berufimg des Tages ab. Ja man traf
Anordnungen, die yorliegenden Ächtungsmandate ausführen
SU lassen. Die ,,eyfferigen Bomanisten" hatten es sum groÜBen
Leidwesen Olesb und seiner Bichtung durchgesetst ').
Mainz und Darmstadt sollten die Acht an Friedberg yoU*
ziehen. Gegen Aachen rückte als kaiserlicher subdelegierter
Commissarius Spinola mit 20 000 Mann heran und schickte
sich nach üebergabe der Stadt, wohl im Einverständnis und
nach Verabredung mit der Liga'), an, die Jülioher Lande
im Namen des Kaisers zu besetzen.
Die Feindseligkeiten, welche dort zwischen Brandenburg
und Neuburg begonnen hatten, und die Besetzung der Festung
Jülich durch die Holländer mögen die reaktionär-jesuitische
Partei yeranlafst haben das Vorgehen der Spanier zu be*
fördern.
An der vollständigen Einnahme der Jülicher Besitzungen
wurde jedoch Spinola durch die Heereimacht des Prinzen
Ton Oranien gehindert, welche Gleye, Mark und Bayensburg
dem Kurfürsten von Brandenburg rettete. Nach fruchtlosen
Verhandlungen zu Wesel und Saaten ^) behaupteten beide
Heere ihre Stellung.
Der Todeskampf des alten deutschen Beiohs hatte seinen
Anfang genommen.
Die Union erkannte wohl die Gefahr, hegte Furcht und
gute Wünsche^), aber die Einheit des Willens und die
Kühnheit der That fehlte ihr.
1) Ranke, 244.
2) Relation dei Rathes Dr. Andreas Gagel ao Heriog Job. Casimir.
Mttmberg, 2. Janaar 1614. Ck>b. Arcb. B. II, 7, No. 116. B. 48—58
(Daplikat).
8) Wolf m, 605.
4) Häberlin-Seokenberg XXIU, 735 fg.
5) Cbarakteristiscb für die Stimmang der Union ist der Brief eines
ibrer Häapter, des Markgrafen Joacbim Ernst von Anspacb (Onolibacb
488 Politik dei Hersogs Johann Cftaimir von Coburg.
Uin Stellung su den Vorgängen in Jülich zu nehmen,
Tenammelten sich die Unierten im September in Heilbronn ^).
Die Staftton und BraAdenburg hatten ihren Beiatand verlangt
Pooh die Scheu, die Waffen gegen den Kaiser , in deaaen
Kamen Spinola in die Lande eingedrungen war, au ergrei&a,
ferner das Bedenken, ihre Gebiete in Oberdeutsohland toh
Truppen zu entblöüsen, hinderte sie am Bingreifen.
Bei dieaer ichwierigen Lage, in der sich die Union be-
hadf war es natürlich, dafs aioli die Gedanken^ ihrer Mit-
glieder wieder eifrig mit der Fvage beachäftigten, wie Saelisea
zu gewinnen sei. Der Herzog vob Württemberg schlug,
Ton Hessen unterstützt*), yor, man solle Sachsen dahin
bringen, sich mit Brandenburg zu verbinden, weil sie ja
beide von Spinola ihrer Lande entsetzt worden seien ').
Doch Joh. Georgs Antwort auf ein dahin zielendes Me-
morial, das Joachim Ernst im Auftrage der Union ihm über-
geben hatte, bewies zur Genüge, dafs er in Spinolas Yor-
gehen keine Gefährdung, wohl aber eine Förderung seiner
Ansprüche erblickte *), In demselben Sinne schrieb er am
11. November 1614 an Joh. Casimir: Ton der Katholischen
gefährlichen Vorhaben ist uns nichts bekannt^). Dieselbe
Ueberzeugung hat kurze Zeit vorher seinem Rat Gerstenberg
8/ia. September 1614. Cob. Arch. Gopie, B. II, 7, No. 115, Bl. 248—
350) an den Kardinal Cleal. IntereMaot ist dessen apologetisch gehaltenes
Antwortschreibeni in dem er der Union alle Schuld des gegenwärtigen
Zustandes aufbürdet. (Kardinal Clesl an den Markgrafen Joaoh. Ernst.
Lins, 4. Okt. (n. S.) 1614. Kopie. Cob. Arch. B. II, 7, No. 115, Bl.
242—246. cf. Hammer, Cardinal Clesl, III n. 451.)
1) Satüer VI, 90.
2) Cf. die Correspondeni iwischen dem Landgrafen Moriti ▼. Hessen-
Kassel und Hersog Joh. Casimir in den Monaten Oktober n. November
1614. (Correspondenz - Schreiben swischen Sachsen • Coburg u. Hessen
1613/14. A I, S2a, 5, No. 61. 118 Blfitter.)
3) Sattler VI, 91.
4) HSberUD-Senkenberg XXIU, 728, 729.
5) Droysen, Proufs. Politik II, Abteil. 2, p. 621.
Politik des Honofs Jobaiin Caiimir ron Coburg. 489
die Gründe diktiert, die gegen den AnBchlnfe Sachaeae ma
die Union spreehen^).
Sachsen dachte eben nicht daran, ron seinem „kaieer-
lichen, unerangehschen System'^ abanweiefaen.
Yin. EapitoL
Caaimirs Stellung zur Union während des Spinolasohen
BinfkÜB. Seine Teilnahme am Nürnberger
Ck>rre8pondenstage.
Durch Yermittelung des Landgrafen Morits hatten die
Unierten auch den Hersog yon Coburg ersuchen lassen, hei
seinem geplanten Aufenthalt in Dresden, neben dem Mark-
grafen Joachim Ernst, bei Eursachsen für die Beschützung
der Religion und der deutschen Libertät, denen gegenwärtig
gleichsam das Messer an die Kehle gesetzt sei, einzutreten
nnd den Kurfürsten zu veranlassen , seinen Einf-UÜB bei der
Gegenpartei dafür in die Wagschale zu werfen, dafii die spa-
nische und päpstliche Exekution, die sich des kaiserlichen
Befehls nur als Yorwand bediene, eingestellt und die Jülicher
Frage wie die Beschwerden der Eyangelischen durch einen
gütlichen Vergleich beigelegt werden möchten *). Die Unierten
würden ihrerseits nichts unterlassen, was die sächsischen An-
sprüche auf die Jülicher Lande befördern könnte.
Wenige Tage später berichtet der Landgraf, er habe
alles aufgeboten, um bei den bevorstehenden Verhandlungen
über die Jülicher Frage die anwesenden Gesandten Frank-
reich« und Englands ebenso wie die Vertreter der Staaten
nnd den Prinzen Moritz dafür zu stimmen, dafs Sachsen
Anteil an dem Besitz der Lande erhalte, oder dals ihm
1) Loadorpii aoU publica I, p. 179.
S) Landgraf Morits ▼ob Hessen-Kas^ an den Heriof Job. Caaiair.
Uobargoben lu Jena, 5. Okt. 1614. Orig. Cob Arab. A. 1, 82 a, 5,
No. 61. Bl. 87 — 90. (Correspondens - Sehreiben zwischen S.-Oobnrg o.
Hessen 1613/14.) cf. Anbang XX.
490 Politik dM Heraogs JolutOD Ca^mir von Coburg.
wenigBtenB kein Präjudiz aus diesen ohne sein Vorwissen be-
gonnenen Eonferensen erwachse. Was sein su diesem Zweck
Ton ihm abgeschickter Geheimer Kammersekretftr in diesen
Bachen ausrichtet, will er Casimir sofort berichten^).
Auch die Union hatte einer von ihr nach dem Haag
abgeordneten Gesandtschaft den Auftrag gegeben, im Interesse
Sachsens thätig zu sein').
Merkwürdigerweise nimmt Casimir den Wünschen der
Union gegenüber trotz ihrer freundschaftlichen Versicherungen
und trotz der Schritte, die sie zu Gunsten Sachsens unter-
nehmen will, eine etwas kühle Haltung ein. Er erklärt zwar
alles, was in seinen Kräften stehe, thun zu wollen, um ein
gutes Einvernehmen mit Sachsen herzustellen, aber er betont,
dafs er erst Nachrichten über den Stand der kriegerischen
Ereignisse in den Jülicher Landen einziehen müsse; femer
möchte er wissen, welche Stellung die Westmächte und
Brandenburg der angeregten gütlichen Handlung gegenüber
einnähmen. Der holländische Agent Brederode, Joachim Ernst
und der Kurfürst Ton der Pfalz sollen ihm diese Fragen be-
antworten '). KurpfSalz interpelliert auch noch darüber, wie
man über Spinolas Expedition denke, vor allem, ob er sie
auf Befehl des Kaisers hin unternommen habe.
Wie der Herzog, so sucht sich auch sein Kammersekretttr
Waldenfels über diese und ähnliche Fragen Klarheit zu ver-
schaffen, indem er sich an Benigkhausen wendet, der als
1) Landgraf Morits an Hersog Joh. Casimir. Nordenstadt, 14. Ok*
tober 1S14. Orig. Cob. Arch. A. I, S2a, 6, No. 61. Bl. 92/98.
8) y. Benigkhaiisen so Walmenrade an den eobnrg. Rath Christ, t.
Waldenfels. HeUbronn (in eyll), 21. Septemb. 1614. Orig. Cob. Aroh.
B. n, 7, No. 116. Bl. 186.
8) a) Heriog Joh. Casimir an den hoU&ndischen Agenten Brederode.
Cobnrg, 12. Oktober 1614. Koniept. Cob. Arch. B. II, 7, No. 116.
Bl. 172/178. — b) Heriog Joh. Casimir an den Markgrafen Joachim
Ernst. Coborg, 12. Oktober 1614. Konsept. Cob. Areh. a II, 7,
No. 116. BL 174/176. — c) Henog Joh. Casimir an den Knrfllnten
Friedrich V. von der Pfals. Coburg, 12. Oktober 1614. Konsept. Cob.
Arch. B. U, 7, No. 116. Bl. 177/180.
Politik d«s Hcnogs Jobann CMimir von Coburg. 491
wifarttembergiBoher GeBandter in den Haag gereist ist and in
der NShe des EriegBaohauplatcea weilt ^).
Obwohl Casimir die Erfällang des von der Union an
ihn gerichteten AneuchenB nioht ohne weiteres yerheifst, so
will er doch mit ihr in der engsten Besiehung bleiben und
die vertrauliche Korrespondenz fortsetzen *).
Man wird wohl nioht irren, wenn man in Casimirs
reservierter Haltung den Wünschen der ünierten gegenüber
eine Frucht seines Dresdener Aufenthaltes und seiner Be-
sprechungen mit dem Kurfürsten und dessen Bäten erkennt
Der Kurfürst von Sachsen hatte ihm nämlich versichert, dals
die Besetzung der Lande durch Spinola nur verhindern solle,
dafs sie nicht vom Beiche losgerissen würden, was der Kaiser
bei den Milshelligkeiten der beiden possedierenden Fürsten
und zumal nach Besetzung der Festung Jülich durch die
Holländer befürchtet habe*).
Diese Bemerkungen Joh. Georgs mögen in Coburg ander-
weitigen Gerüchten gegenüber einen beruhigenden Einfluls
ausgeübt und Casimirs abwartende Haltung verursacht haben.
Doch dafs sie ihm zur Klärung der Lage nicht genügten,
dafür spricht eben der Inhalt der oben angeführten Schreiben
und dann weiter die Sendung des Coburger Rittmeisters von
Schauroth zu Moritz von Nassau.
Moritz möge dem Gesandten seine Meinung über die
Kriegszustände zu erkennen geben, bittet Casimir in dem
Kreditiv^). Aber Sohauroth solle auch seinerseits, soweit es
1) Kftmmenekretftr Waldenfeb an den Geh. Bath BeDigkbaoseD sa
Walmenrade. Coburg, 15. Oktober 1614. Orig. Cob. Arcb. B. II, 7,
No. 116.
S) Heriog Job. Casimir an den ChnrpflUi. Gebeimen Ratb Lndwig
Gamerarias. Coburg, IS. Oktober 1614. Konsept. Cob. Arcb. B. II, 7,
No. 116. cf. Anbang XXI.
8) Herzog Joh. Casimir an Landgraf Morits yon Hessen • Kassel.
Coburg, 17. Oktober 1614. Konsept. Cob. Arcb. B. II, 7, No. 116.
Bl. 181/1S8. cf. Anhang XXII.
4) Hersog Job. Casimir an den Prinsen Morits von Nassau. Cobarg,
17. Oktober 1614. Konsept Cob. Arch. B. II, 7, No. 116. cf. aoch
492 Politik des Hertog« Joliftm Casimir ▼<>■ Coburg.
ihm mögliohy au erioiBohen suchen, wie stark die yeraohiedeseii
Truppen, wo die Feldlager, was für Orte und Städte beide
Parteien eingenommen ^).
Casimirs Verlangen, genaue Auskunft tber die Lage der
Dinge in Jülich zu erhalten, sucht EurÜrst Friedrich nadi-
zukommen *). Er bestätigt Sachsens Erklärung, dafs der Zug
im Namen des Kaisers unternommen sei. Spinola führe
sogar des Kaisers Wappen in den Fahnen ')• Jetzt sei auch
Graf von Zollern von Matthias in die Lande geschickt worden,
um, wie man angebe, daselbst in die Sachen etwas Ordowig
zu bringen. Doch auch die geistlichen Stände steuerten zu
Spinolas Expedition bei^), obwohl sie es in Abrede stellten.
Aulserdem berührt das Schreiben die Zustände in Jülidi
und die Xantener Yergleichsverhaudlungen mit ihren Sohwierif^
keiten: Der Herzog Wolfgfuig Wilhelm von Neuborg dringe
auf Teilung der Lande. Kurbrandenburg ginge jedoch dsorauf
nicht ein, damit den übrigen Interessenten nicht allzuyiel
präjudiziert werde«
Diese Bemerkung macht Friedrich offenbar, um Bmnden-
burg Sachsen zu empfehlen, während Camerarius, sein Bat, in
Dresden Besorgnis wecken will, wenn er schreibt, dafs die
heilige Liga einen Umsturz des Staates im Sinne habe; auf
die Yemichtung aller Evangelischen sei es abgesehen ^),
Casimir hat sich diese Ansicht vorläufig nicht angeeignet
Er scheint vielmehr die Hoffnung, welche Kursachsea auf
die Korretpondeni mit dem Printen Morits v. Nusan. Cob. Aroh. A. I,
d2a, 5, No. 81.
1) Memorial für CaroU von Schaarodt. Konsept. Cob. Aro&., B. II,
7, No. 115. Bl. 96.
2) KnrfOrst Friedrich V. von der Pfeli an den Henog Job. Casimir.
Heidelberg, 19. Oktober 1614. Orig. Cob. Arch. B. II, 7, Ne. HS.
Bl. 2S1/SSS.
S) Cf. dasa Hfiberün-Senkenberg XXIII, 796.
4) Cf. dasa Wolf lU, 688.
5) PfKlz. Geheim. Rath Ladwig Camerarias an den Hersog Job.
Casimir. Heidelberg, d. 19. Oktober 1614. Origin. Cob. Arck. B. II, 7,
No. 115. Bl. SS8/84.
Politik dM Htnof» JoImuui Casimir ron Coburg. 493
die Spioalasohe Expedition setate, geteilt zu haben, beso&derB
nachdem die Uniontgetandten bei den Xantener Verhand«
langen eine Berüoksichtigung der säohiisohen AnapHiche nieht
dorchsnsetaen yermooht hatten ^). Wie Knrtaokaan tritt
auch er für die Interposition dea Kaisers ein und stimmt
dessen Yorsohlag, die Lande bis zu einem gfttliohen oder
rediiliohen Austrag in die Hände yon Kurfürsten und Fürsten
beider Beligionea als Kommissarien zu geben, beL Der Kur-
Alrst von der Pfalz und der Landgraf Mcmtz möge bei
Braiuienburg in diesem Sinne intervenieren^).
Die kurpflüsische Politik erhebt natürlich Bedenken:
Man wisse nicht, ob die Stände yon Jülich, ob Wolf gang
Wilhelm mit dem Plane einyerstanden sei. Die Ablehnung
Brandenburgs sei jedenfalls wegen seiner Bedenken gegen den
kaiserlichen Hofrat zu erwarten.
Doch in einem Punkte stimmt der Kurfürst Friedrich
mit dem Herzog von Coburg überein, nämlich in dem
Wunsche, ein Kompositionstag möchte die Beschwerden der
Evangelischen erledigen.
Allgemein war diese Sehnsucht nach Frieden vorhanden.
Sie klingt selbst aus den Streit- und Wamungssohriften der
Verfechter beider Hauptparteien '). Die Korrespondenz des
Kurfürsten von der Pfalz und des Reiohserzkanzlers beweist
ebenfalls, dafs weder der erste katholische, noch der erste
protestantische Reichsfürst eine Steigerung der Spannung für
1) Karfürst Friedrich von der Pfals an den Hersog Job. Casimir.
Heidelberg, 15. Deiember 1614. Orig. Cob. Arob. B. II, 7, No. 116.
Bl. 275/78.
S) a) Heriog Job. Casimir an KorfGrst Priedricli ▼. d. Pf. Bisenaoh,
26. November 1614. Kopie. Cob. Arcb. B. II, 7, No. 115. BL 266/69.
— b) Hersog Job. Casimir an den Landgrafen Moriu. fiisenaob, 28. No-
vember 1614. Konsept. Cob. Arcb. A. I, 62 a, 5, No. 61. Bl. 96/100.
ef. Aubang XXUI.
S> Cf. Loodorpii acta publica I, p. 222 fg. — Ein Gedicht vom jetzigen
Zustand des deutschen Reichs. Cob. Arcb. A. I, 28 b, 8 a a, No. 29.
(Zeitungen 1614 ; fast am Ende des Bandes.)
494 Politik des Henogt Johuin Cuimir toh Coburg.
angebracht hielt ^). Auch beide Bünde yennieden abnchtheh
jeden AnlafB su Bohrofferem Hervortreten: die Union im Ge-
fühl ihrer Sohwäohe und Banfölligkeit ; die Liga konnte, da
sie damals sich in einer ErisiB befand *) , erst reoht an
einen Angriff nicht denken.
Aber weil die Bpanischen Trappen noch auf deutschem
Boden standen, so fürchtete die Union, dafs sie im nächsten
Sommer gegen sie losbrechen würden *). Auch aus Yenedig
wurde berichtet, dafs in Italien starke Rüstungen, für die
Spanien die Mittel liefere, angestellt würden. Die Erhaltung
des Hauses Habsburg beim Kaisertum besweokten sie, denn das
Trachten der protestantischen Fürsten gehe dahin, einen ans
ihrer Mitte jsum König lu wählen^).
Um wenigstens vorläufige Oegenmassregeln zu treffen,
hielt die Union mit ihren Parteigenossen Anfang Februar in
Nürnberg den schon längst geplanten Korrespondenstag ab ^).
Auch obersächsische und niedersächsische Beichsstände, näm-
lich Braunschweig-Wolfenbüttel und Lüneburg, Pommern und
Oldenburg, waren durch Gesandte vertreten.
Neben anderen Nachrichten mögen besonders die Eröff-
nungen der Lüneburger Gesandten, die auf dem Wege naoh
Nürnberg in Coburg vorsprachen, Oasimirs Mifstrauen gegen
den Zug Spinolas hervorgerufen haben, während ihre Aeufse-
1) Der pfKls.-mAiniische ScbriftMiireeluel. cf. Hiberlin-8«Dkoob«rg
XXIII, p. 706 fg. Zwei Briefe, die Senkenberg fehlen, habe ich im Cob.
Aroh. in Abschrift gefanden.
2) Wolf in, 470 fg.
5) Hiberlin-Senkenberg XXUI, 741 fg.
4) Bericht aas Venedig. 80. Janaar 1616. Cob. Arch. A. I, 28 b,
S a a, No. 61. (Einselne an den Henog Job. Casimir flbersandte Zeitongi-
blitter 1612—1616.)
6) Aaf den 26. Deiember 1614 aasgeschrieben, warde er bis lom
4. Februar 1616 Tertagt Cf. Karfürst Friedrich von der Pfals an die
ersamen, weisen etc. Rfithe sa Nürmberg. Heidelberg, 26. Noyemb. 1614.
Kopie. Cob. Arch. B. II, 7, No. 120. (Den Evangel. Unions- a. Corre-
spondens - Convent su Nürnberg and die Absendang Healsners betreff.)
Bl. 3.
Politik d68 Henogt Joluuin Casimir Ton Cobarf . 496
rangen über das Vorhaben des niederBächsiBÖhen Kreises, eine
Defensionsordnung einzunohten ^) , seine Hoffnung auf das
Zostandekommen eines allgemeinen eyangelisohen Bandes
wieder gestärkt haben können. Casimir entsehlols sieh aaf
jedem Fall Eurpfalsens Einladang ') zu entsprechen and
seinen Kammersekretär HeaTsner nach Nürnberg zu senden;
doch nicht als offiziellen Yertreter. Er solle vielmehr sich
bemühen, heilst es in seiner Instroktion *), dab die Reise
möglichst unbemerkt yon statten gehe. Die KreditiTSchreiben
an den Nürnberger Bat Gugel, an Oamerarius und Fürst
Christian yon Anhalt^) fordern ebenfalls geheime Beratungen
Ihr Zweck: Erhaltung der yertraulichen Beziehungen und
Anknüpfung neuer. Besonders aber ist Casimir daran ge-
legen, zu er£fthren, welches Defensionswerk in Nürnberg be-
schlossen würde. Der Gesandte möge deshalb alles aufbieten,
um Einzelheiten darüber zu ergründen. Femer solle er sich
bemühen die Absichten der Union und die Stärke ihrer
Streitkräfte zu erforschen. Endlich solle er in Erfahrung zu
bringen suchen, welche Hilfe Frankreich, England, die
Staaten, Dänemark und die Schweiz der Union im Falle der
Not leisten würden.
Ich yermute, dais Casimir in der Voraussicht eines all-
gemeinen Kampfes den Gedanken, in die Union au treten,
erwog und deshalb ihre Machtverhältnisse genau erkunden
wollte. „Bedenkliche Worte'' in einem kaiserlichen Schreiben
an Eursachsen, das er dem Direktorium der Union zugleich
1) Henog Job. CMimir «n den KurfOrston Friedrich V. y. d« Pf.
Coburg, 21. Desember 1614. Koniepi Cob. Arch. B. II, 7, No. 115.
Bl. S72/74.
S) Knrflirtt Friedrieh V. t. d. Pf. an Henog Job. Cuimir. Heidel-
berg, d. 11. Oktober 1614. Kopie. Cob. Arch. B. II, 7, No. 120. Bl. 1.
d) InstmetioD Heafsners. Coburg, 8. FebroAr 1616. Koniept u.
OrifiD. Cob. Arch. B. II, 7, No. 120. Bl. 9—10 bei. 11—14. ef. An.
hang XXIV.
4) Coburg, S. Februar 1616. Koniepto. Cob. Arch. B. II, 7,
No. 120.
496 Politik des Heraogt Johum CatiiBir Ton Coburg.
But der VerBioheraog seiner treuen Freandeehaft gegen eie
übermitteln liefei mögen seinen Glauben an den Bnift 4er
Lage gestärkt haben.
Casimirs Hoffnung, der Tag wttrde sich über die Mittel,
die zur Verteidigung der Evangelisohen nötig seien, schlüssig
werden, verwirklichte sich nicht. Das Defensionswerk wurde
auf künftige Ereisrersammlungen verschoben ^). Voll Unmut
berichtet es HeuTsner nach Coburg'). Es ist zu befürchten,
meint er, dafis jetzt die spanischen und italienischen lYuppen
aufbrechen und den Kampf beginnen werden. Wegen ihrer
schlechten Oegenverfassung ständen die Sachen für die Evan-
gelischen „gantz höchst gefährlich'^ Eine gütliche Ver-
gleichung sei ausgeschlossen, denn bei einer Zusammenkunft
des Kurfürsten von Mainz und des Kurfürsten von der PMz,
der auch der Bischof von Speier und der Fürst Christian
von Anhalt beigewohnt, hätten die Katholischen klar und
deutlich erklärt, vor Restitution der nach dem Fassauer Ver-
trag eingezogenen geistlichen Güter sich zu keiner Kom-
position verstehen zu wollen.
Hatte sich Casimir, wie ich vermutet, mit dem Gedanken,
in die Union su treten, getragen, diese Schilderung ihrer
Schwäche war eben nicht dazu angethan, jenen zur That
werden zu lassen.
Besonders das Scheitern eines Universal-Defensionswerkes
scheint ihm nahe gegangen zu sein, in erster Linie darum, weil
er jetzt fest überzeugt war, daüs Spinolas Plan dahin gehe,
die evangelischen geistlichen Gebiete Norddeutschlands zu
restituieren. Unbegreiflich findet er dieser drohenden Gefahr
gegenüber die Sorglosigkeit des niedeiBächsisdien Kreises,
der „kalt und langsam'' vorhabe , erst dem Kaiser die Not-
wendigkeit eines Kreistages und einer Gegen Verfassung dar-
1) Gf. Aucb Hiberlin-Seokenberg XXIV. Vorrede XXI fg.
t) HeuTtnen Belation. Nfimberg , 17. Februar iei5. Cob. Arcb.
B. II, 7, No. 120. cf. Anhang XXV.
Politik des Hersog8 Johann Catinir yon Coburg. 497
zuthan ^X Er bittet deswegen den Kurfürsten Friedrich *)
Sehritte 2a tkun, damit dort möglichst bald eine enge Y&t*
einigong su stände komme. Markgraf Joachim Ernst werde
wohl der geeignetste Mann sein, durch MahnungsschreibeB
eine solche zu befördern.
Weiter hält es Oasimir für ratsam, dafs die Union noch
einmal den Versuch mache, Brandenburg in der Jülicher
Frage zu einer annehmbaren Satisfaktion Sachsen gegenüber
zu bewegen. Würde sich Brandenbarg jetzt, wo die Inter-
position Ton seiten des Kaisers noch als eine res integre zu
betrachten sei '), zu einer solchen verstehen, so hegt Casimir
die feste Ueberzeugung, dafs Kursachsen eine gütliche Unter-
handlung nicht abweisen werde.
Noch giebt also Casimir die Hoffinung, die er immer
gehegt, alle evangelischen Stände zusammenzusohliefsen, nicht
aof. Die Gewinnung der niedersächsiBchen Stände und eine
enge Verbindung Kursachsens und Brandenburgs hätten den
Erfolg verbürgt.
Pfalz hat auf Casimirs Anregung hin bei jenen einen
dahingehenden Versuch unternommen. In einem Briefe an
die beiden ausschreibenden Stände des niedersächsisohen Kreises,
an Braunsehweig und Magdeburg, forde^ der Kurfürst diese
auf, die Einberufung des Kreistages su beschleunigen und i«
Verbindung mit den übrigen Ständen sich darüber schlüssig
au werden, welchen Succurs an Volk und Geld man den
evangelischen Ständen im Süden im Falle eines Angriffs
leisten wolle, und wieviel sie, wenn sie ihrerseits angegriffen
würden, von ihnen erwarteten ^).
1) Hersog Job. Casimir an den KorpfKIs. geheimen Batb Ludwig
Camerariof. Coburg, 4. lUra 161S. Konaopt Cob. Areb. B. II, 7,
No. 116. Bl. 809/11.
2) Hersog Job. Caefanir an Knrfürat Priedricfa V. tob der Pfali. Coburg,
S. MSrs 1615. Konsept Cob. Areb. B. U, 7, No. US. BL 81S/18.
cf. Anbang XXVI.
8) Cf. daau Mfilleri Annalen, p. 804 a. 807.
4) Kurfürst Friedrieb V. ▼. d. Pf. an die beiden Ausscbreibenden des
niedersScbs. Kreises. Heidelberg, 14. Mars ISIS. Kopie. Cob. Arch.
B. n, 7, Mo. 115. Bl. 864/66.
498 Politik dM Heraogs Johann CMimir Ton Coburg.
In welcher Weise die Anregung yon den niedenäch-
sisohen Ständen aufgenommen wurde, habe ich nioht finden
können« Dooh steht die Thatsaohe festi dafs auf dem Unions-
tage in Heilbronn ein Hilftvertrag mit dem niedersäohsisohen
Kreise bestätigt wurde ^).
Ebensowenig bin ich auf Verhandlungen über die Jülioher
Frage zwisehen Brandenburg und Sachsen, yermittelt durch
die Union, gestoIlBen. Senkenberg behauptet^), sie hätten
stattgefunden ; yergeblieh sind sie auf jedem Fall gewesen.
Die Realisierung einer Union aller Eyangelisohen stand
eben nach wie yor in weiter Feme; ebenso fehlten natttr-
lioh eyangelisoherseits auch energische Matsregeln zur Ab-
wehr im Falle des befürchteten Angriffs.
Um wenigstens seinerseits nicht wehrlos überfallen zu
werden, setzte Casimir sein Land in Yerteidigungszustand.
Seine Stände bewilligten ihm zu diesem Zwecke 60 000
Gulden »).
Dooh die Spanier machten keinen ernstlichen Versuch
nach dem Osten yorzudringen.
Dals aber die Befürchtungen der eyangelisohen Stände
nioht grundlos und nioht beseitigt waren, das glaubten die
Unierten und ihre Partei aus einem Memorial des Brsherzogs
Maximilian schlielsen zu können, welches in die Hände der
pfälzischen Staatsmänner kam und in den ersten Monaten
des Jahres 1616 seine Bunde an den protestantischen Höfen
machte.
IX. KapiteL
Böhmisoh-österreiohisohe ErbfolgeArage«
Der Erzherzog Maximilian hatte, yon der Ueberzeugung
durchdrungen, dals zur Erhaltung der katholischen Beligion
1) Bommel VII, 8iS.
2) Hiberlin-Senkenberg XXIV, S4«
S) Scholtes, Beilage XXL.
Politik d68 Henogi Johaon Casimir von Coburg. 499
wie des Habsburger Hauses ein lebenskräftiger und gat
katholischer Kaiser nötig sei ^), Schritte unternommen, welche
die Nachfolge seines steiermärki sehen Yetters Ferdinand
flicher stellen sollten *). Das oben erwähnte Memorial war
^acu bestimmt, alle weiteren Hindernisse, welche die Yon
Olesl inspirierte kaiserliche Begierung seinen Plänen ent-
gegensetzte, lu beseitigen und die Einberufung eines Wahl-
tags zur Festsetzung der Nachfolge zu veranlassen.
Aber es enthielt, weil es die Designation des Nach-
folgers als Eecht des Kaisers hinstellte, weil es ferner Tor^
schlug, die Wahl auch dann, wenn Brandenburg und Pfalz
opponierten, Torznnehmen und ein Heer aufzustellen, um
gegen jede Gegenwirkung gerüstet zu sein ^), eine Beleidigung
der weltlichen Kurfürsten, eiue YerhöhuuDg der Verfassung
überhaupt
Als solche wurde der Inhalt des Memorials auch im pro-
testantischen Deutschland aufgefafst. Ghrofs war die Bewegung,
die es hervorrief. Das pfälzische Kabinett konnte jetzt mit
«inem schlagenden Beweis in der Hand die so oft erhobenen
Ainsohuldigungen gegen die Habsburger wiederholen.
Nach Sachsen schickte es Camerarius als Gesandten, um
in Dresden Angst vor den gewaltsamen Plänen der Habs-
burger zu wecken ^). Maximilian yersuehte durch dasselbe
Mittel etwaige Bedenken Sachsens zu zerstreuen. Die Ant-
wort, welche sein Gesandter erhielt^), bewies jedoch, dafs
Sachsen ebensowenig wie Pfalz und Brandenburg gesonnen
war, Ratschlägen, wie sie das Gutachten enthielt, zuzustimmen.
Maximilian, der seine Autorschaft geleugnet hatte, wird
vielmehr gebeten, zu intervenieren, wenn im Sinne dosselben
1) Ranke, 246.
S) Gindelj, Oeschichte des SO-jfibrigen Kriegs. I, p. 9 fg.
8) Londorpii moU pabliea I, 850, 861. HSnlser II, S90.
4) Gindeij I, 40.
b) Londorpii acta pabliea I, 86 S, 868.
XVII. 33
500 Bolitik des Herzogs Johann Casimir von Coburg.
etwas ins Werk gesetst werden sollte^). Änf jedem Fall
malste die projektierte Wahl einstweilen als gescheitert be-
trachtet werden.
Von der polituchen Korrespondenz Casimirs im Jahre
1616 habe ich im Gobnrgisohen Archiv nur geringe Brach-
stücke gefunden. Sie scheint sich teilweise aaf das bekannte
Ontachten zu beziehen; doch kann man ihr wegen der All-
gemeinheit des Inhalts nor wenig Positiyes entnehmen:
Casimir hat mit Dresden unterhandelt und die Absicht ge-
habt, dem Landgrafen Moritz in einer persönlichen Konferenz
zu eröffnen, dafs die Verhandlungen mit dem Kurfürsten zu
seiner Zufriedenheit ausgefallen seien. Die Verhinderung
seiner Bäte, das Ausbleiben yerschiedener notwendiger Nach-
richten und der Wunsch, erst die Ankunft ChristianB Ton
Anhalt abzuwarten, haben ihn jedoch yeranlafst, jene hinaus-
zuschieben ^).
Der eigentliche Grund war wohl der, dafs man in Coburg
glaubte, bei dem gegenwärtigen Stande der Dinge in den
betreffenden „Tomehmen Reichssachen*' nichts weiter er-
reichen zu können^).
Beziehungen Casimirs zur Union in dieser Zeit habe
ich nicht zu entdecken vermocht. Eine Erklärung dafür
wird vielleicht in der zurückhaltenden Politik, welche
die durch Brandenburgs Austritt^) geschwächte Union nach
den letzten Vorgängen in Jülich beobachtete, zu suchen
sein ^). Bei einer Zusammenkunft ihrer bedeutendsten Mit-
glieder in Stuttgart, Mai 1616, wurden sogar Stimmen gegen
1) Von Gindelys Behauptungen I, 42 habe ich in dem Ontachten
nichts finden können.
2) Herzog Joh. Casimir an den Landgrafen Moritz. Coburg,
14. August 1616. Concept Cob. Arch. A. I, 32 a, 6, No. 63. (Corre-
spond. mit dem Landgrafen Moritz Ton Hessen, 1580/1632.) Bl. 77
u. 78.
8) Kammersekretlr Sigism. Heufsner an Herzog Joh. Casimir. Coburg,.
80. Aug. 1616. Orig. Cob. Arch. A. I, 82 a, 6, No. 160.
4) Droysen U„ 625, 626.
5) Hfiuf^er H, 284.
Politik des Heriogs Johann CMÜnir von Coburg. 501
den Fortbestand der Union laut^). Mit Bttcknoht anf den
mit den Oeneralstaaten geschloBsenen Bnnd, wohl anch in
Anbetracht der durch die Umtriebe des Erzhersogs Maximilian
gefUhrdeten Lage der protestantischen Partei, wurde doch
die Fortführung der Union in Heilbronn, April 1617, auf
weitere drei Jahre beschlossen *).
Mit Feuereifer hatte inzwischen Erzherzog Maximilian
f&r die Succession Ferdinands in den Erblanden wie im
Reiche weiter gearbeitet. Die Erbitterung, die das Bekannt-
werden seines Gutachtens heryorgerufen , hatte ihn ebenso-
wenig abschrecken können wie die Opposition Spaniens, auf
dessen Unterstützung in dieser Frage er gerechnet.
Doch Philipp erhob selbst Ansprüche auf die Nach-
folge^) und forderte, als er sah, dafs die Erhebung seines
zweiten Sohnes Don Carlos nicht durchzusetzen sei, wenig-
stens die Abtretung Tirols und der vorderösterreichischen
Lande.
Olesl erklärte sich entschieden dagegen. Neue Ver-
wirrung im Beioh und Blutyergiefsen würden die Folgen
eines solchen Zugeständnisses sein ^).
Es wurde doch gemacht. Ferdinand, dessen ganze Zu-
kunft yon dem Beistand Spaniens abhing, rerstand sich in
einem geheimen Vertrage zur Abtretung des Elsafs und
der dazu gehörigen Dependenzen, sobald er den Thron be-
stiegen ^).
Alle Hindemisse, die noch der Festsetzung der Suc-
cession in den Erblanden entgegengestanden, wurden jetzt
schnell beseitigt. Ferdinands Wahl lom König Ton Böhmen,
Tomehmlich ein Werk katholischer Barone des Landes*),
erfolgte am 6. Juni. Auch in Ungarn kam man zum ZieL
1) Satüer VI, 100.
2) Bommel YU, 848.
8) Oindely I, SO.
4) Bänke, 247. 948.
5) Gindely I, 68.
6) Bänke, 249.
33«
502 Politik des Henogs Johann Casimir von Coburg.
Freilioh mafste man gröfsere ZugeständDisse maoheoi als man
beabsichtigt hatte ^}.
Die pfölaische Politik erkannte die Gefahr, die der
Union drohte, wenn es dem mit Spanien eng yerbondenea
Ferdinand gelang, za den Kronen von Ungarn nnd Böhmen
die deutsche Kaiserkrone su fügen. An Anstrengungen, dies
SU Terhindern, hat sie es nicht fehlen lassen. Nachdem der
Herzog von Lothringen die Kandidatur abgewiesen '), rich-
tete das Heidelberger Kabinett seine Blicke auf Maximilian
Ton Baiem. Die Wahl dieses Herzogs moTste, so schlössen
die Ffälzer, die Habsburger nnd Wittelsbaoher za Gegnern
machen. Der Nutzen für die protestantische Partei wäre
grofs gewesen. Doch Maximilian verwarf nach ernstlichen
Erwägungen den pfälzischen Yorschlag').
Einen letzten Versuch, ihn zu gewinnen, sollte der
junge Kurfürst in persönlicher Zusammenkunft machen^).
Vorher begab er sieh jedoch nach Berlin und yon da nach
Dresden, um die beiden Höfe seinen Absichten geneigt zu
machen.
Vor allem kam es der pfölzischen Politik darauf an,
dab der auf den 2. Februar berufene Kurfürstenkonrent
mindestens hinausgeschoben , die Successionsangelegenheit
zurückgestellt werden möchte.
Brandenburgs Kurfürst stimmte Friedrich in diesen
Punkten zu. Job. Georg verstand sich ebenfalls zur Proro-
gation des Termins; auch er betonte als Hauptaufgabe des
Tages die Komposition. In der Sucoessionsfrage könne man
ja die kaiserliche Proposition abwarten. Es stehe dann den
KurftLrsten immer noch frei, ihre Entschlüsse zu treffen').
Ob Joh« Georg deswegen dem Standpunkte der beiden
anderen sich soweit genähert hat, um sie zu veranlassen
1) Gindely ^I, %0b tg.
2) Gindely I, 191.
d) Bftnke, S64.
4) Gindely I, 198.
6) Lonpidori acta pabl. lU, 695.
Politik dM Heraogt JohMii CMimir vod Coburg. 503
Auf dem Konvent zn erscheinen, in der Hoffnung, tie würden,
Tielleicht überrompelt, Ferdinands Wahl gutheiTsen, lasse ich
dahingestellt. Soviel ist sicher» dafs Friedrieh das Entgegen-
kommen Joh. Georgs freudig ttberrasohte.
Gar nicht mehr feindlich gegen die Union hat er ihn
gefunden^). Ja man habe ihm, dem Haupt derselben, in
Dresden Ehren erwiesen, die nicht genug gerühmt werden
könnten. Von der vertraulichen Korrespondens, die ihm der
Kurfürst lugesichert, erwartet Friedrich den gröCiten Nutsen
fttr das Reich wie für die evangelische Sache * ).
Casimir hat von der Zusammenkunft der beiden Kur-
fürsten dasselbe gehofft. Sollte seine Mitwirkung zur Förde-
rung des guten Einvernehmens von Friedrich gewünscht
werden, so will er jede Gelegenheit ergreifen ^ um in dieser
Angelegenheit etwas Erspriefsliches su schaffen, zumal da
man allem Anschein nach auf der Hut sein und sich eng
lusammenschliefsen müsse ').
Friedrich nimmt Casimirs Anerbieten gern an. fiei erster
Gelegenheit werde er seine Dienste in Anspruch nehmen ^).
Friedrichs Stallmeister Obentraut, den er vor Empfang des firiefee
Casimirs zu diesem, der sich gerade zum Besuche bei dem
Landgrafen Ludwig in Darmstadt befand, abgeschickt hatte ^\
mag wohl in ähnlichem Sinne instruiert gewesen sein*).
1) LoDdorpii acte pnbl. III, 596.
I) Korftlrtt Friedrich von d. Pf. an Hersog Job. CMimir. Heidel-
berg, 18. Desemb. 1617. Orig. Cob. Areb. A. I, 82 a, 6, So. 96.
(Yertranliche Korrespondens mit Karpfals, das böhmische Unwesen betreff.)
Bl. 18—16. ef. Anhang XXVUI.
8) Herzog Job. Casimir an Kurfürst Friedrich t. d. Pf. Darmstadt,
15. Dezemb. 1617. Kopie. Cob. Arch. A. I, 38 a, 6, No. 96, Bl. 6 n. 7.
cf. Anhang XXYU.
4) Kurfürst Friedrich v. d. Pf. an Hersog Job. Casimir. Heidel-
berg, 18. Desemb. 1617. Orig. Cob. Arch. A. I, 82 a, 5, No. 96.
BL 18—17.
6) Kurfürst Friedrich y. d. Pf. an Hersog Job. Casimir. Heidelberg,
14. Desemb. 1617. Orig. Cob. Arch. A. I, 82 a, 5, No. 96.
6) Hersog Job. Casimir an Kurfürst Friedrich y. d. Pf. Darm-
sUdt, 17. Desemb. 1617. Konzept. Cob. Arch. A. I, 82 a, 5, No. 96.
504 Politik des Hersogt Johann Casimir ron Coburg.
Sachsens Gewinn ang fCLr die ünierten hatte fireilieh
viel an Wahrscheinlichkeit yerioren, nachdem eine Lösung
der Jülioher Frage mit Berücksichtigung der Bäohsisohen
Ansprüche nicht zu stände gekommen war^). Casimir schlägt
nun Yor, die Jülicher Sache als causa publica su betrachten
und in die Kapitulation des nächsten römischen Königs auf-
zunehmen *).
Der Kurfürstenkonyent» der nach dem Wunsche der
katholischen Partei über die Wahl eines solchen beraten
sollte, war in Aussicht genommen. Bs war den PfiUzem
nicht gelungen, der habsburgischen Partei in der Sucoessions-
frage eine Niederlage zu bereiten. Der Besuch Friedrichs
in München hatte ebensowenig wie die früheren Unterhand-
lungen Maximilian bestimmen können, die Kandidatur an-
zunehmen '). Dagegen durfte Ferdinand auf die Stimmen
der geistlichen Kurfürsten unbedingt zählen. Sachsens An-
schlttfs war wahrscheinlich, Brandenburgs Protest nicht ein-
mal sicher. Kein Wunder, wenn Erzherzog Maximilian er-
bittert war über die Versuche, die Olesl machte, die Eröff-
nung des Tages hinauszuschieben ^).
Noch hatten die Verhandlungen über die Berufung des-
selben zu keinem Resultat geführt, da brach der böhmische
Aufstand aus. Die Uauptsorge Ferdinands und Maximilians
war jetzt nicht mehr die Berufung eines Kurfürstentags,
sondern die Ausrüstung einer Armee, um die Krone von
Böhmen zu sichern.
1) Bommel VlI, 844. Anm.
I) Herzog Joli. Casimir an KorfÜrst Friedrich t. d. Pf. Darm-
•tadt, 15. Desemb. 1617. Kopie. Cob. Arch. A. I, 82 a, 6, No. 96,
Bl. 6 u. 7.
3) Gindelj I, 199.
4) Gindely I, 229, 280.
Politik de« Heriogs Johann Ctiimir ron Coburg. 505
X. EaplteL
Casimirs Verhalten dem böhmischen Aufstande
gegenüber.
Die Wahl Ferdinands in Böhmen hatte die Protestanten
dieses Landes mit Furcht erfüllt. Zweideutige und schaden-
frohe Aeufserungen der katholischen Partei liefsen das
Schlimmste ahnen ^). Die Behauptung Onates, des spanischen
Gesandten, dafs die Kronen yon Ungarn und Böhmen nur eine
Schenkung seines Herrn Philipps III. seien ^\ mulste die natio-
nalen Gegenbestrebungen wachrufen. Eeaktionäre Handlungen,
Yon der in der Landesyerwaltung vorherrschenden Partei ins
Werk gesetzt y kamen hinzu. Einige Mitglieder der Opposi-
tion wurden in ihren amtlichen Stellungen yerkürzt^). Der
Gegenreformation auf den königlichen und geistlichen Gütern
schlössen sich Angriffe gegen die Freiheiten der fast ohne
Ausnahme protestantischen Städte an ^).
Der protestantische Adel sah ein, daTs für ihn unter
diesen Umständen jedes weitere Zurückweichen Tcrhängnis-
voll werden mufste, besonders nachdem der Versuch der
Begierungy die Städte yon seiner Seite abzuziehen, nicht
ohne Erfolg abgelaufen war^).
Die Vorgänge in Braunau und Elostevgrab nahm man
zum Anlafs. Aufgeregt durch die Bedrängnis der Gegen-
wart und durch die in der Zukunft drohenden Gefahren, liefsen
sieh die Häupter der Böhmen zu jenem tumultuarisehen Auf-
tritt, dem Fenstersturz der Statthalter, hinreifsen, der in
seinen Folgen die halbe Welt berührte. Unmittelbar an ihn
schlofs sich die Einrichtung einer ständischen Regierung yon
1) Gindely I, 288, 889.
2) Bank«, 849.
8) Gindely I, 887.
4) Qindely I, 241.
6) Gindely 1, 260, 862.
506 Politik des Hersogs Johann Casimir von Cobarg.
dreifsig Direktoren an. Beschlüsse zur Yerteidignng des
Landes wurden gefafst.
In Wien wollten Matthias und Glesl selbst mit einigen
Opfern den Frieden erkaufen. Von Ferdinand und seinen
Anhängern wurde jedoch der Aufstand für eine Wohlthat
gehalten, weil sie nach seiner Bewältigung nur noch rück-
sichtsloser auftreten wollten. Ein Staatsstreich, bestehend in
der Verhaftung Clesls, yerschaffte dieser jesuitisch -monarchi-
schen Richtung den Sieg.
Die pfälzisch-niederländische Partei verkannte die Wichtig-
keit der Veränderung nicht. Ihre Befürchtungen yor einer
habsburgischen XJniversalmonarchie und yor der Erblich-
machung des römischen Eeichs nach Vernichtung jeder reli-
giösen und politischen Freiheit wurden lebendiger denn
suYor ^). In Böhmen solle der Anfang damit gen.acht werden,
nahm man an. Solchen Plänen entgegen zu treten, mit an-
deren Worten, die Böhmen in ihrem Widerstand zu bestärken
und eine Koalition zum Angriff gegen die Habsburger zu
stiften, erkannten die Pfälzer als ihre nächste Aufgabe').
Es war yorauszusehen, dafs sich ein furchtbarer Kampf gegen
die Herrschaft der Habsburger anbahnen mufste.
Kursachsen erklärte sich zunächst für keine der streiten-
den Parteien, sondern suchte nach beiden Seiten hin für
einen friedlichen Ausgleich zu wirken.
Wie an alle benachbarten Stände hatten die Böhmen
auch an Herzog Joh. Casimir geschrieben, das Berechtigte
ihres Vorgehens nachzuweisen versucht und auf Grund der
Erbeinigung um Hilfe gebeten. Casimir gab daraufhin seinem
Agenten Leander Büppel in Prag den Auftrag, ihn bei den
böhmischen Ständen deswegen zu entschuldigen, dafs er eine
bestimmte Erklärung ihnen vorläufig nicht zukommen lasse;
1) K. A. Mfiller, Forschungen auf dem Gebiete der Qeschichte
in, 108.
8) Gindely I, 852. MflUer, Forschungen III, 57. Londorpii acta
publica I, 646.
PoUtik def Heriogt Johaon CMimir von Coburg. 507
dooh er müsse sich erst mit den ErbeinigaDgsyerwandten in
Verbindung setzen und nähere Erkundigungen einziehen >).
Die Berufung der Böhmen auf die Erbyereinigung hält
er seinerseits für ungerechtfertigt, denn ein Vorgehen gegen
den Kaiser schliefse sie aus. Auf der anderen Seite könne
jedoch der Kaiser ebensowenig mit Beziehung auf sie Hilfe
fordern, weil die Krone Böhmen in der Erbeinung begriffen
und demnach gegen die Mitglieder derselben nichts unter-
nommen werden dürfe.
Fast wörtlich wiederholt der kursäohsische Kanzler PöU-
niiz sechs Wochen später in einer Ratssitzung zu Dresden
dieselbe Ansicht und findet allgemeinen Beifall *).
Da bei den vorliegenden Verwicklungen Vorsicht am
Platze sei, hält Casimir wie Kursachsen Neutralität für das
beste. Wie Kursachsen betont auch er die Notwendigkeit der
Interposition, um gröfserem Unheil yorzubeugen.
Wenigstens offiziell schliefst sich auch Pfalz in den
ersten Monaten dem Kompositionsbestreben an.
Zwar Tcrspricht Friedrich den böhmisohen Ständen alle
Ounst und Freundsehaft; dooh fordert er sie auf, wenn der
Kaiser mild yerfahre, sich mäDsig und nachgiebig zu zeigen ').
Kursachsen bittet er mit ihm zu interyenieren^).
1) ft) Herzog Job. Casimir an Herzog Job. Ernst den Jüngeren von
WeiiDAr. Coburg, den 28. Juni 1618. Konzept Cob. Arch. A. I, 88 s,
5, Mo. 129. BI. 5 u. 6. (Wecbselscbreiben mit Job. Ernst d. Jfingem,
dss böhm. DnweMO betreff. 1618. 29 Blätter.) cf. Anbang XXIX. —
b) Hersog Job. Casimir an Herzog Job Ernst den Aelteren yon Eisenaeh.
Coburg, 11. Juli 1618. Konzept. Cob. Arcb. A. I, 82a, 5, No. 118.
Bl. 2. (Wecbselscbreiben mit Job. Ernst d. Aeltern v. Sacbs. Haus-
angelegenbeiten u. die böbm. Unruben betreff. 80 Blätter.)
2) MfiUler, Forschungen UI, 118, 119.
8) Pfäixiscbe Resolution auf das mündliche und schriftliche An>
bringen der drey erangeliscben Stände des Kdnigreiehs Böhmen. Heidel-
berg, 10. Juli 1618. Kopie. Cob. Arch. A. I, 82 a, 6, No. 96. (Ter-
trauliche Korresp. mit Kurpf.) Bl 46 u. 41.
4) Kurfürst Friedrich von der Pfalz an Kurfürst Job. Georg. Heidel-
berg, J4. Juli 1618. Kopie. Cob. Arcb. A. I, 82 a, Ko. 96. Bl. 49/61.
508 Politik des Heraogs Johann Casimir von Coburg.
Casimir bestärkt Friedrich in diesem Bestreben und
schickt ihm als Beweis fär die Geneigtheit Joh. Georgs, an
des Pfalsgrafen Seite das Eompositionswerk sn betreiben,
Anfang Aogost seine eigene Korrespondenz mit Eorsaohsen
sowie andere Schriftstücke.
Doch ist der Ton seiner Ausföhmngen jetzt schon yid
böhmenfirenndlicher als einen Monat Torher. Mit Genug-
thunng berichtet er^), dals der kaiserliche Gesandte, Graf
von HohenzoUem, in Dresden geringen Beifall gefunden habe,
wenn er auch ab jesuitische Kreatur das Gegenteil be-
haupte*); seine Absicht gehe ja nur dahin, die gefährlichen
Pläne, deren Inhalt mehr und mehr zu Tage trete, zu be-
fördern.
Im übrigen dürfe man diesen Verwicklungen nicht länger
teilnahmslos zusehen. Denn wenn die Böhmen mit ihren
Beschwerden nicht gehört würden und der Kaiser fortfobre
zu rüsten, so sei ein Sturm zu befürchten, der so leicht
nieht wieder beschwichtigt werden könne. Fremde Truppen
würden dann ins Brcich kommen und dem Vaterland Ver-
derben bringen.
Besonders bedenklich sei es, wenn das Gerücht sich be-
stätige, dafs dem König Ferdinand unumschränkte Vollmacht
in der böhmischen Frage übertragen werden solle. Denn wegen
seiner jesuitischen Neigungen werde er bei den böhmischen
Ständen wenig Vertrauen und Kachgiebigkeit finden, zumal
wenn er von päpstlichen und spanischen Truppen unterstützt
werde. In diesem Falle werde wohl ein gewaltiges Bingen, dessen
Ausgang gefährlich und zweifelhaft sei, seinen Anfang nehmen«
Solchen bedenklichen Eyentualitäten durch Intervention
nach Kräften vorzubeugen, sei die Pflicht besonders der
weltlichen Kurfürsten ^).
1) Herzog Joh. Casimir an den Kurfürsten Friedrich y. d. Pf.
Coburg, 81. Juli 1618. Konsept Cob. Arch. A. I, 88a, 6, No. 96.
Bl. 80/86. cf. Anhang XXX.
8) Zum wahren Sachverhalt cf. MGUer, Forschungen III, 87, 89.
8) Cf: datu Gindely I, 8.
Politik dM Henogs Johaim Ouimir von Coburg. 509
Solange jedoch diese loterrention keinen Yergleioh
Bwisohen den streitenden Parteien als Fracht geseitigt, könne
man es den Böhmen nicht yerdenken, wenn sie gerüstet
blieben, denn im anderen Falle würde man ihnen harte Be-
ängnngen ohne weiteres diktieren.
Die Forderang des Kaisers, die Waffen niederzolegen,
hiÜt {er daram, übrigens in üebereinstimmang mit Enr-
saohsen ^X für unannehmbar.
Von einem ofüziellen Schreiben, das diesen Gedanken,
die eine Schärfe der Aoffassang und eine wunderbare Vor-
aussicht kommender Ereignisse yerraten, auch den Böhmen
gegenüber Ausdruck yerliehen hätte, habe ich nichts ge-
funden. Casimir scheint dem Bat seines Eammersekretärs
Heufsner, der unter Hinweis auf die yorsichtigen Erklärungen
yon Pfalz und Sachsen dahin ging, es yorläufig bei der be-
kannten Yorantwort zu lassen '), nachgegeben zu haben.
Auch Job. £met der Jüngere, der älteste der Weima-
raner Herzöge, hat sich damals noch auf eine solche be-
schränkt ^). Obwohl er es den Böhmen yon Herzen gerne
wünsche, dafs sie bei ihrer gerechten, christlichen Sache
zumal yom emestinischen Hause, da sie ja Job. Friedrich
unterstützt, nicht ohne „runden, richtigen Trost'' gelassen
würden.
Doch weil noch keiner der mächtigeren Stände sich frei
und offen erklärt, so trägt er Bedenken seinerseits den An-
fang Bu machen und hat die erbetene Hilfe weder zu- noch
abgesagt *).
1) Mfiller, Forschungen III, 88.
2) Kammersekret. Heufsner an Herzog Joh. Casimir (Untemeabnmn).
Coburg, 6. August 1618. Orig. Cob. Arch. A. I, 88 a, 5, Mo. 160.
8) Job. Erust der Jfingere an die böhmischen Stände. Weimar,
85. Juli 1618. Kopie. Cob. Arch. A. I, 88 a, ft, No. 129. Bl. 15—17.
4) Henog Joh. Ernst der Jfing. an Heniog Joh. Casimir. Weimar,
7. August 1618. Orig. Cob. Arch. A. I, 82 a, 5, No. 129. Bl. 7/9*
of. Anhang XXXI.
510 Politik dM Henogs Johann Casimir von Coburg. -L.
Der Einfall Dampierres in Böhmen, der An^ng*;AagaBt
stattfimd, erhöhte den Ernst der Lage. Ferdinand* hatte^
nachdem ihm der Kaiser die Leitang der höhmisohen }An-
gelegenheiten übertragen, die BtUtongen möglichst besehleu-
nigt. Mit 1 4 000 Mann hoffte er Böhmen niederwerfen [sn
können.
Nach allen Seiten flogen die böhmischen Boten, den
Angriff des Kaisers zu berichten.
Eurpfala ist überseugt, dafs man jetzt nicht mehr rahig
zusehen könne, besonders wenn fremdes Eriegsvolk geworben
und der Kapitulation entgegen durch das Reich geführt
werden sollte ^).
In Coburg schlSgt Heufsner dem Herzog vor, den
Böhmen in einem Trostbrieflein zu yersichem, dafs er, im
Falle es zum fiufsersten käme, die Leistungen verwandter
Erbeinigungen sich zum Vorbild nehmen werde.
An der Komposition verzweifelt Heufsner, denn auf des
Kaisers Seite handle es sich um die Ehre, auf Seite der
Böhmen um die Aufrechterhaltung des MajestStsbriefes. Eine
Yermittelung sei deshalb ungemein schwierig.
Am sichersten für die Böhmen sei es auf jeden Fall,
wenn anders wirklich ihr Succurs so stark sei, wie sie ihn
angegeben, den Kampf energisch durchzuführen und sich
nicht durch schön klingende Worte hinhalten zu lassen, bis
dem Kaiser oder Könige fremde Hilfe zugezogen sei').
Aber das böhmische Heer war in der That kaum so
stark wie das kaiserliche. Eine kühne Offensive erwies sich
als unmöglich. Ebensowenig vermochte jedoch auch Bnqnoy
die erwartete militärische Promenade nach Frag ins Werk
1) Korfflrtt Friedrich von d. Pf. an Knrfttrtt Joh. Georg. Bhe-
hfltten, 21. Aognst 1618. Kopie. Cob. Arch. A. I, 32 a, 5, No. 129.
BL 66/66.
2) Kammersekretir Heufaner an Hers. Joh. Casimir (nach Eisfeld)-
Coburg, 14. August 1618. Orig. Cob. Areh. A. I, 32 a, 6, No. 160.
cf. Anhang XXXII.
Politik df Henogt Johann CMimir ron Coburg. 511
811 setsen. Der Eriegsschauplais blieb lokalisiert in der
Gegend von Czaslaa ^).
Unter resaltatlosen Kämpfen, wie unter resoltatlosen
Yerhandlangen über die Komposition der böhmischen Graya»
mina verging der Monat September. Nicht einmal über die
Vorbedingungen vermochte man sich zu einigen *).
Doch die kursächsische Politik, ohne positives Ziel,
klammerte sich immer noch an die gewöhnliche Zuflucht
der Schwachen, an die Neutralität, und hoffte immer noch
eine friedliche Beilegung des Kampfes, oder wollte wenigstens
erst abwarten, auf wessen Seite sich der Sieg neige.
Umsonst fordert Kurfürst Friedrich von Job. Georg eine
offene Erklärung^). Vergeblich sucht der Coburger Bat
Waidenfels im Auftrag Casimirs den Kurfürsten zu ent-
schiedenerem Auftreten fortzureifsen und ihn für eine enge
Vereinigung aller Evangelischen zu stimmen, die der Herzog
von Coburg für das beste Mittel hält, um das Unheil, das
der evangelischen Sache droht, zu verhindern^).
Nachdem Casimirs Plan, alle evangelischen Stände in
geschlossener Masse zu einer Stellungnahme in der böhmischen
Frage zu veranlassen, an Sachsens ablehnender Haltung ge-
scheitert war, suchte er wenigstens die Union und ihren An^
hang, die Korrespondierenden, zum Eingreifen zu bewegen
und sie vorerst zu veranlassen, noch einmal den Kaiser um
Bestätigung und klare Definition des Majestätsbriefes, be-
sonders in den Punkten, in welchen er umgedeutet worden
sei, anzugehen.
1) Gindoly I, 894.
8) UfiUer, Fonchangen UI, 79, 88.
8) a) Karfürst Friedrich y. d. Pf. an KarfOrst Joh. Qeorg. Heidel-
berg, 8. September 1618. Kopie. Cob. Arch. A. I, 81a, 6, No. 129.
Bl. 71/78. — b) KnrAnt Friedrieb von d. Pf. an Knrftlrrt Job. Georg.
Heidelberg, 9. September 1618. Kopie. Cob. Arch. A. I, 89 a, 6, No. 129.
Bl. 80/81.
4) Müller, Forschungen lU, 188, 184.
512 Politik des Henogs Johann CMimir ron Coburg.
Wenn dies gesohehen, werde man dch leichter über, die
Entlassung der beiderseitigen Trappen nnd über die];Kom-
position der Grayamina einigen können, da ja immerydie
Böhmen erklärt hätten, dab sie nor wegen Yerletgnng des
Majestätsbriefes zu den Waffen gegriffen.
Allerdings scheine es die Ehre des Kaisers nicht an ge-
statten, mit Unterthanen^ die zuerst das Schwert gelogen,
zu. unterhandeln; doch der Kaiser möge die weitgehenden
Freiheiten der Krone Böhmen bei seiner Beurteilung der
Vorgänge in Betracht ziehen. Vor allem aber möge er sich
an die Milde, die seine Vorfahren bei ähnlichen Fällen be-
wiesen, erinnern ^).
Viel energischer als Casimir trat sein junger weimarischer
Vetter, der Herzog Joh. Ernst der Jüngere, für die Böhmen
ein. Besonders charakteristisch für die damalige Stimmung
am Hofe zu Weimar ist ein Diskurs, der, offenbar aus dieser
Quelle stammend, in Dresden während der oben erwähnten
Anwesenheit Waldenfels' einlief. Mit allem Nachdruck wird
in ihm die kräftigste Unterstützung der Böhmen Tcrlangt.
Diese Forderung zeigt, dafs die yertrauliche Besprechung,
welche Christian von Anhalt mit seinem Neffen Job« Ernst
in Schwabach gehalten '), ebenso wie die Reise nach Heidel-
berg'), zu der er ihm geraten, nicht ohne Wirkung ge-
blieben war, denn auch Kurpfalz trat schon damals offen
und entschieden für die Böhmen ein. In einem Schreiben
1) Hersog Joh. Cssimir an KurfOrst Friedriob ▼. d. Pf. Coburg,
ai. Oktober 1618. Konsept Cob. Areh. A. I, 88 s, 5, No. 189. BL
86/89. cf. Anbang XXXV.
8) Herzog Job. Ernst der Jfingere an Hersog Job. Casimir. Weimar,
86. Aogoftt 1618. Orig. Cob. Arch. A. I, 88 a, 5, No. 184. (Correspond.
Job. Casim. mit Job. Brnst d. J.)
8) Aacb Casimir bat damals oder etwas spftter eine Reise nadi
Heidelberg unternommen, ef. Tentsel, 8. Emestin. Geeobiebtikalender ;
femer t Hersog Job. Casimir an Korfürst Friedriob y. d. Pf. Bamberg,
80. September 1618. Konsept. Cob. Areb. A. I, 88 a, 5, No. 189.
Bl. 66/66. ef. Anbang XXXIV.
Politik des Herzogs Jobann CMimir von Coburg. 513
an Job. Casimir ans dieser Zeit ^) änfsert der Kurfürst Friedrich
die Ansicht, da& man yon seilen der Erbvereinigten ver-
pflichtet sei, die Böhmen sn nnterstütsen.
Das MifstranensTotumy welches der Kurfürst den Weima-
xanem bei Niederlegnng der Yormnndsohaft dadurch gegeben,
dafs er „eine yormundscbaftliche Quittung*' verlangte, deren
genaue Befolgung einem Versieht auf die reichständisohe
Freiheit gleichgekommen wäre *) , hat wohl Job. Ernst be-
sonders bewogen, den Pfälsern geneigtes Gehör zu schenken
und mehr und mehr zur kursächsischen Politik in ent-
schiedenem Gegensatz zu treten.
Casimir hat sich den Weimaranem nicht angeschlossen.
Er war auch in den folgenden Monaten bestrebt, eine Mittel-
stellung zwischen dem sächsischen und pfälzischen Stand-
punkte zu behaupten. Nach wie vor sucht er, bevor er
Schritte in wichtigen politischen Angelegenheiten unter-
nimmt, erst Sachsens Ansicht darüber zu erkunden, um sie
seinem Yorgehen als Mafsstab zu Grunde zu legen.
Auf der anderen Seite dauert die vertrauliche Korre-
spondenz mit Heidelberg fort. Was von Dresden in Coburg
einkommt, wird dorthin geschiekt'). Das pfälzische An-
suchen bestimmt Casimir seine Beziehungen zu Niedersachsen
wieder aufzufrischen.
Wie mit der Pfalz bleibt er auch mit den böhmischen
Ständen in regem Verkehr. Um so vertrauter wird dieser,
je glänzender die Kriegserfolge der Böhmen sind^). Als im
1) Karfttrst Friedrieb an Henog Job. Casimir. Bebebfitten,
88. August 1618. Origin. Cob. Areb. A. I, 82 a, 6, No. 189. Bl. 64
tu 67. of. AnbADg XXXIU.
8) Böse I, 87 fg.
8) Hersog Job. Casimir an Knrffirst Friedrieb y. d. Pf. Bamberg,
80. Sept. 1618. cf. a. a. O.
4) Kammersecretftr Heuftner an Hersog Job. Casimir (Tenneberg).
Coburg, 84. Mai 1619. Orig. Cob. Arcb. A. I, 88a, 6, No. 160.
. . . damitt gatte kantscbafft erbaltten ondt forttgesetit werde ... so
habe icb aucb htj der Nflrmbeiger Post Herrn Bneppeln nacb Praga
514 Politik des Herso|^ Johann Casimir von Coburg.
Juli 1619 eine gröfsere Trappenabteilang das Coburger Land
duichzogy um sich dem Heere derselben anzoschliefsen, hat
sie Oasimir kostenfrei bewirtet and flir ihre Bchnellste Be-
förderung gesorgt^).
Es war zu derselben Zeit, als Ferdinand nach Frankfurt
aufbrach zur EaiBerwabl. Er yerliefs seine Lande in Tollem
Aufruhr: Schlesien , die Lausitz, Mähren und Oesterreieh
hatten sich den Böhmen angeschlossen oder waren im Be-
griff es zu thun. Wenige Wochen vor seiner Abreise Ton
Wien war er, seine Hauptstadt, das Haus Habsburg über-
haupt nur durch das Zaudern des Grafen Thum gerettet
worden.
Es schien, als sollte die Kaiserkrone diesmal wirklich
den Habsburgern entrissen werden. Die politischen Ver-
hältnisse forderten gleichsam auf zum Entscheidungakampfe
gegen die hierarchischen Formen des alten Beichs. Es hat
an Stimmen nicht gefehlt, die ihn anrieten. Besonders der
Landgraf Moritz vertrat die Anschauung, dafs auch ein
eyangelisches Haupt das Reich regieren könne. Doch in der
klaren Erkenntnis, dafs ein solches ohne einen starken Büok-
halt ein Unding sei, verband er mit jener Anschauung das
Streben nach einer engen Vereinigung des ganzen eyange-
lischen Körpers. Nur sie vermöge die religiöse wie politische
Freiheit des Vaterlandes zu behaupten und die Unterdrückung
Böhmens und Deutschlands zu verhindern ').
Auf dem Unionstage in Heilbronn (Juni 1619) setzte
es der Landgraf auch durch, dafs ein evangelischer Qeneral-
konvent in Aussicht genommen wurde. In liühlhausen am
3. September sollte er beginnen '). Auch die Schweiz , die
einismahls ausführlich, Jsdoeh ohne nahmsn andt mitt «nkendlieh Signatar,
beandtwordstt, den Herren Bdheimen su E. F. G. geliempffe andt ver-
trawlicher forttsesnng daron geheimbtte anseige sn thaenn . . .
1) UUler, Forschongen III, 169.
2) Bommel VII, 851.
8) Bommel VIl, 866.
Politik d%B HersofB Johann Cuimlr tod Coburg. fAb
€^eneraltiaateo I Bölrmen, Dinemftrk tmd Sc1i1r6di/ti gedachte
oiAn in den Bond anfonnebmen *).
Nach Dioden landte Markgraf Ohristian yoq (Mitibacih
den Direkior seineB geheimeh Rata, Oispar ron PeiHttech,
am den KnrfftrBten snm Betnch des Tages zu Tcranla^öh.
Doch die Yorantwort, wekhe Joh. Georg WrteHte, kam ein'är
Ablehnung gleieh').
Oans andere Aufnahme findet die Werbntig in Oobttti^.
Prendig etimmt man dort dem Flttfae eine^ Generalkonyents
der Evangelisohen sn.
Ich erinnere daran, dafs Ca«imi)r im Oktober Torigeh
Jahres dem Enrförsten yon Sachsen gegenüber die Not-
wendigkeit einer allgemeinen, yertranlichen Zosammensetznng
der BTangelisehen betont, dafs er im Jahre I6l4 yergeblieh
dafür gewirkt hatte. Noch einmal unternimmt er äs jetat,
Saehsen snr Teilnahme an dem Projekte au bewegen *).
Die Bedenken Ohrislians II. gegen eine Vereinigung äet
Eyangälischen seien nicht mehr aofirecht zu halten, stbllt er
dem Kurfürsten Tor. Beine Anbichi, dafs kein Angriff zu
befürchten sei, habe sich ah irrig erwiesen. Denn die
KathoHken hätten schon vor geraumer Zeit un^ew9bnHch
starke Eriegferüstungen begonnen und hetzten sie immer noch
fort. Die Gefahr für die cTangelisohe Sache, die sie in sich
schlössen, bleibe bestehen, selbst Venu eit Priede in Böhmen
zustande kftme, geschweige wenn dieses Land Unterdrückt
würde.
Eine allgi^meiüe Zusammenkunft dbr eyangelischen Stände
nttsae deswegen Mittel zur Gegenwehr yeteinbaren.
1) Hlafser II, 299.
2) KnrfQrst Job. Georg an Markgraf Christian t. Brandenburg-
Cnlmbacb. Dresden, 24. Juli 1619. Kopie. Cob. Areb. A. I, 82 a, 6,
No. lOe. (Korrespond. der Ktirfttrsten Gbrlstfan 11. n. Job. Georg v.
Sachien aiit Job. Casimir 1608/1682.) 182 Bntter.
8) Heraog Job. Casimir an den Kurfürsten Job. Georg. Nenstiidt
abn der Heyden, 29. Jnlj 1619. Kopfe. Cob. Arcb. A. I, 82 a, 6,
Ko. 129. (VertniaUobe Korresp. mit Km^pfals.) El. l(fl— ItA. of. Ab-
hang XXXVI.
XVU. 84
516 Politik df Henogs Johann Casimir von Coburg.
Katholiioherseiti werde allerdings auch behauptet, dafs
es sich lediglich um Defension handle. Aber diese Erklftnmg
beseitige den Ernst der Lage keineswegs, denn mancherlei
Beden und einkommende Nachrichten besagten gerade das
GegenteiL Und dann sei es ja leicht, einen Verwand sn finden,
um unter dem Deckmantel der Exekution (sub colore exe-
eutionis) den Kampf gegen die unvorbereiteten und nickt mit-
einander Terbondenen eyangelischen Stftnde su beginnen.
Ihre Yereinselung mfbse ja den Gegner zum Angriff
einladen, während eine geschlossene Haltung der erangelischen
Stände, auch ohne dals man das Schwert su sieben brauche,
den Oegnem imponieren und ihr gefiUirliches Vorhaben auf-
halten wttrde.
Dieser Plan einer allgemeinen protestantischen Sehild-
erhebung, damals durchgeführt, hätte die Verniehtung der
habsburgischen Maeht in Deutschland unzweifelhaft zur Folge
gehabt
In Coburg war man entschlossen nach Kräften für ihn
einzutreten und sich durch Sachsens ablehnende Haltung
nicht beirren zu lassen. Heuisner und Waidenfels haben so-
gar dem Herzog den Bat gegeben, der vom Kurfürsten yeir-
langten persönlichen Besprechung ^) über diese Angelegenheit
aus dem Wege au gehen, denn es habe das Ansehen, als ob
man ihn dort Ton der Teilnahme an jenem Projekt ab-
bringen und der Ansicht des Kurfürsten geneigt machen
wolle *).
Doch nicht nur Kursachsen verschlofs sieh dem Plane,
auch die Pfalz benahm sich schwankend. Man wollte das
Gröfste und Gefährlichste erstreben und fühlte doch nicht
den Mut, die grofsen und gefährlichen Wege dazu zu betreten.
1) KorArst Job. Goorg an dia HeraSga Joh. Caiimir n. Joh. Ernst
d. Aelteren. Dresden, 86. Juli 1619. Orig. Cob. Aroh. A. I, 82 a, 6,
No. 108. Bl. 181.
8) Kammertekretir HeaOuier an Heriog Joh. Caaimir. Cobnig,
so. JnU 1619. PostMript Orig. Cob. Aroh. A. I, SSa, 5, No. 160.
cf. Anhang XXXTU.
Politik des Hersogt Johann CMimtr von Coburg. 51 7
Mit der liotmernng, dafs ein ÜDiooBtag jetzt wichtiger sei
als alles andere, yerlangte EurpMz auf einmal einen Auf-
Bobub *).
Die Hoffnung des Landgrafen Moritz und Job. Oasimirs,
dureb die imponierende Haltung eines evangeliBcben General-
koDTentt einen Druck auf die Katholiken auszuüben und
die Verschiebung des Wahltages, dem Yerbandlungen über
die Komposition des Beiches und Böhmens vorangehen sollten,
durchzusetzen, war gescheitert*).
Im Juli 1619 kam man in Frankfurt zusammen. Von
Sachsens Verhalten hing wie immer das Meiste ab. Eine
Zeit lang hat es geschwankt, ob die Wahl nicht aufzuschieben
sei bis zur Beilegung der böhmischen Händel'). In Coburg
erwartete man ein Vorgehen in diesem Sinne ^), das übrigens
auch dem Wortlaute der goldenen Bulle entsprochen hätte ^),
Sachsen ist bald yon dieser Bedingung abgegangen. Auch
gegen Ferdinands Persönlichkeit wandte es nichts ein ^).
Damit war die Sache überhaupt entschieden.
Am S8. August wurde Ferdinand ohne wesentliche Er-
weiterung der Wahlkapitulation gewählt. Selbst Pfalz hatte in
gewundenen Wendungen seine Zustimmung gegeben ^).
Kaum war die Wahl vor sich gegangen, so kam die
Nachricht, die Böhmen hätten den pfälzischen Kurfürsten zu
ihrem König gewählt
Es war den Umtrieben des Heidelberger Kabinetts ge-
lungen, die Sache so weit zu treiben. Dafs man von 1606
an nicht vergebens gearbeitet, dafs die Hoffnung der Heidel-
1) Bommel VU, 861.
8) Hommol VII, 854. — of. Bors. Job. Casimir an Kurf. Joli. Georg.
KemUdt a. d. Heyden, 89. Jnly 1619 a. a. O.
8) Malier, Forschungen III, 829.
4) Vertraolichee Schreiben aas Frankfart, 86. Jali 1619 (von Lud-
wig Camerafkis). Cob. Arch. A. I, 88 b, 8aa, No. 69 (Zeitungen 1619).
6) Ranke, 868.
6) Ranke, 260.
7) Ranke, 868.
84*
518 Politik dM Hersogt JohMm GMimir ton Cobvrg.
berger auf die böhmisebe Krooe, mit der maa rieh sokdi
bei Oelegenbeit der engliiehen Brautwerbung förmlich ge-
brüstet ^), nicht eitel gewesen, war bewiesen. Doch Ferdi-
nand hatte durch das WahlresuKat vom 28. Ai^gust einen
Yorsprung «langt» der für Friedriehh InäiBdai^ und pfiüsis^
Bxistenx gefUirlich werden kennte. Dean wenn Friedriok
die Wahl annahn, so stand ihm im KampfSs um den böh-
mischen Thron nicht mehr der Brshersog von Oesterreich
als Riyal gegenüber , sondern der rom ihm seihet gewihUe
Kaiser.
Das KurfürstenkoUeg hat Friedrich entsehiedeA abge^
raten'). Yen den Unierten stimmten nur Baden > Anspaoh
und Anhalt für die Annahme. Selbst die pfXinschen Staats»
mftnner zeigten sich schwankend'). Besonders Christian tob
Anhidt» der Hersog von Bouillon und der Frina Von Oranien
haben sehliefslioh die Bedenken, die auch Friedrich s^Mt
hegte» überwunden^).
Ohne der TJnterstütiung der Generalstaaten und Englands
yeniehert lu sein, und gegen den Willen einer Reihe von
Unierten brach Friedridi nach Böhmen auf, um mit der
Krone von Böhmen den Kamt>f gegen eine hiilbe Wdt aef»
zunehmen.
XI. EapiteL
)6Mle3imiC6li aHritoh^n Cäaittiir imd KShlg FrledÜolh.
Am 26. August war die Königswahl in Prag. Dafs der
Pfalzgraf die Mehrzahl der Stimmen auf sich vereinigen werde,
wufste man in Coburg voraus. Doch zweifelte man an der
Annahme der königlichen Würde von selten Priedriöbs.
Durch die einhellige Wahl Ferdinands zum Kaiser sei
1) Giadely I, 18S.
S) Londorpii scU publica I, 718.
S) Hiafter II, SOt.
4) Bommel VU, 371. — Oindelj U, SSO.
PoUtik dM Htriogft Johana OatiBh- tob Cobnr«. 5^9
ja Boglaioh die- böhmisehe Kxone bei ihm bettfttigt woideD,
«Bd nun Mi das ganM Beioh Terpfliclitet ihm xar Behauptung
danelben Hilf« 2u laiBten ^). Oeateraeich, SpanieD, der Fapat
und die ganze Liga wflrden auf jedem Fall das AenÜBente
daran aeisen, Böhmen den Habuburgern zn erhalten^), Aul
die Union sei wenig Yerlafs, gerade jetzt, wo die BeiohMtMdle
ana finanzpolitischen Oründen die Beihen dep Union veriietsen
und sieh. Ferdinand ansohldesen *).
Kit klarem Blick hat man in Coburg das Unsinnige des
pfälzischen Unternehmens durchschaut, Friedrich die ver-
hKngnisToUen Folgen richlag yorhergeeagt. Yon einer Billigung
oder gar einer Unterstützung desselben war man weit ent^
lernt«
Heoibner meint, dafs au^ die weimarischen Serzöge
Bedenken tragen würden die Fartei Fviedvichs und der Union
n ergreifen. Sie haben es doch gethan. Während des
Nflmberger Unions^ und Korrespondenztages sind die drei
ältesten derselben, Joh. Ernst, Friedrich und Wilhelm, in die
Union eingetreten, um dann, nachdem es dem König niohtt
geglückt war, diese zu seiner direkten Unterstützung zu be-
wegen, bei Friedrich Kriegsdienste zu nehmen^)*
Ber ToUrwiehtige Preis, der ihnen im Falle des Sieges
winkte, nämlioh die Wiedererwerbung der Kur, begründet
wobl vor allem die Hingebung und Ausdauer, die sie bei
der Yerteidigung der Sache Friedrichs an den Tag legten.
Die üTürnb^ger Versammlung hatte den allgemeinen
pvotestentischen Konvent und die Lösung der Au^ben
1) Kammersekr^tar BeuTaner «n Hersog Job. CMimir (nack BOn^*
hild). Coburg, S6. Aagast 1619. Orig. Cob. Arch. A. I, 82a, 5,
Mo. 160. cf. Anhang XXXIX. — Anch Korpfala hat 14 Tage Tor der
Wahl dem Dresdener Kabinett gegenttber diese Verpflichtiuig aneiJiannt.
ef. MflUer, Forscirongen HI, 2M.
8) Kammersekret Heuftner an Hersog Job. Casimir, Coburg,
15. Angnst 1619. Orig. Cob. Arch. A. I, 82 a, 5, No. 160. ef. An-
bang XXXVUI.
8) Cf. daso Müller, Forsehnngen lU, 20, 21.
4) iUSse I, 86. — Oindely U, 294 fg.
520 Politik dM H«rsogi Jobaon CMimir tob Coborg.
briogen BoUeo, die man für deo Mühlhäuier Tag in AoMioht
geoommeD. Trotz der eifrigsten Bemühungen des Landgrafen
Moritz war jedoch das Ganze zu einem gewöhnlichen dnions»
tage zuaammengesehwunden. Der Plan einer Yereinigong
alier Evangelitchen muCite alz definitiy gezchtttert betrachtet
werden.
Die Sache des Königs von Böhmen gedaditen die Unierten
nur insofern zu der ihrigen zu machen» als sie den Beschlofz
fafsten, seine deutschen Besitzungen gegen jeden Angriff zu
Terteidigen ^).
Noch kurz yor Beginn der Versammlung hatte der Land-
graf Moritz von Bayreuth aas Johann Casimir gebeten *), sieh
doch durch die Stellung anderer oioht abschrecken zu lassen
und den Tag zu besuchen. Allerdings sei die Oefohr groCii
weil die Gegner mächtig und listig seien und besser als die
Eyangelischen untereinander zusammenhielten. Dooh man
solle nicht vergessen, dals die Zeit der Aussöhnung Torftber
sei. Nur ein kühner Entschlufs könne die Lage der Evan-
gelischen bessern*)«
Casimir hat sich trotzdem an dem Tage von Nürnberg
weder persönlich noch durch Gesandte beteiligt. Die Weige-
rung Job. Georgs» dort zn erscheinen, die Abmahnung des
Kurfürsten von den geheimen Verbindungen der Herzöge von
Weimar, endlich der schwache Besuch des Konvents mögen
wohl die hauptsächlichsten Beweggründe für Casimirs Fern-
bleiben gewesen sein. Ein Nachlassen seiner Sympathie für
das Projekt eines allgemeinen evangelischen Bundes war auf
jedem Fall nicht die Ursache, denn auch in der Folgezeit ist
er nach Kräften für dasselbe eingetreten^).
1) Oiodely II, SOO.
Z) Landgraf Moriti an H«riog Job. CasiDir. Bairrath, ZS. Oktobar
1619. Kopf«. Cob. Arch. A. I, 32 a, 5, No. ÖS. (Korrcapond. Bwisebwi
Landgraf Moritx a. Htn. Job. Caaimir 1SS0/16SZ.) Bl. IIZ/US. ef. An-
bang XL.
S) Cf. auch Bommel VII, 378.
4) MSllar, Foncbnogen III, 363. — Horaog Job. Caaimir an Henog
Cbristian Ton Braanicbweig - LSnabnrg , «rwibltan Bitchof daa 8ti(Ua
Politik dm H«riogt Joliaon Casimir Ton Coburg 521
£b war bei dieser TJeberzeugung yon der Notwendigkeit
eines allgemeinen evangelischen Bandes lediglich konsequent
gehandelt, wenn Casimir der Sache Friedrichs die wärmste
Teilnahme schenkte. Hatte er auch gegen die Annahme der
Krone als ein waghabiges unternehmen die sohwerwiegend-
sten Bedenken einzuwenden gehabt , so moTste er es doch
jetit, nachdem der Schritt geschehen, von seinem politischen
Standpunkte aus für die Pflicht aller £yangelischen halten,
den Vorkämpfer der deutschen Freiheit mit aller Kraft su
unterstützen.
Als Friedrich yon den mächtigsten eyangelischen Ständen
ohne Hilfe gelassen wurde, hat darum Casimir seinerseits
wenigstens yertrauliche Beziehungen mit ihm unterhalten und
hat nach Möglichkeit für ihn gesprochen und geschrieben*
Wie weit speciell ernestinisches Interesse bei ihm mafsgebend
war, lasse ich dahingestellt.
So haben die beiden Brüder, Job. Casimir und Job. Ernst,
unmittelbar nach der Krönung einen gewissen Dr. Ohlhafen
zu Friedrich geschickt, um ihm die Oründe anzugeben, die
sie yerhindert hätten, jener persönlich oder durch BeyoUmäoh-
tigte beizuwohnen. Ihr Fehlen sei ja auch nach der Lage der
Dinge für die erangelische Sache rorteilbafter, da es eine
Intervention bei dem Kurfürsten von Sachsen, bei der sie es
an Fleifs und sorgfaltigem Eifer nicht fehlen lassen wollten,
nur befördern könne ^).
Am Anfang des Jahres 1620 gratuliert Casimir dem
Hindun. Coburg , 1. April 1S20. Konsept Cob. Areh. A. I, SS a, 5,
No. SO. (Korretpond. 1587/1 6S8.) . . . Item die CoiOanctio der Eran-
Zelisehen bette Ibren besondem efTect und nftchwurk wie bej der 1S08
nfin Beicbatag gepflogenen Correepondeni ta epttren gewesen ; wir befinden
aber, dals bisbero solche nieht in erbalten nndt wir ein sonderlich
systema consUiomm geführt, dabei dergleichen praesnpposita fSr gewiüi
gehalten, welche sweiTclhailtig undt dispatirlich sind, daraus widrige eon-
cittsiones undt media endstehen mBssen . . .
1) Gutachten eines Rates Job. Emsts des Aelteren. Eisenacb,
19. NoTcmber 1619. Orig. Cob. Arch. A. I, SSa, 5, No. 160.
522- Politur d%ß Berxoga Johi^ C«tin^ Ton Coburg.
Ejöipg niohlb nur zur Gebiet eiQea PrinBen, iondem er be-
d«füf;t, Biok ckuoh für di^ vertrauliobe KorreBpoodenz ^).
Wie er bei der Bregdener Konferenz zu OuDsten Fried-
ri^s eifigetreten ist^ werden wir Bpät^ Beben. Ja, noch am
IQ, Oktober 1.620 läfst er deqi König yersiobern, dafs er bei
l^ei^ier Qelege^beit unterlaBSf^ werde , naob äuIeerBtem Yer>,
Q^jSgen zu dea Könige und deci Yaterlandes Beatem daa peinige
beij^utiBgen, ').
9be;iao bleibt er mit den Weiiparer Hersögjen in reger
und enger Verbindung. Dem Herzog Wilbelm gratuliert er
z;u Bi^iop;: bqhmiachen Kriegabeatallung un4 wünacbt» dab aus
ib^ YorteU für die bedrängte eyangeliBche Sacbe. erwaebaen
moise'). Die Bitte, welche Jobaim Ernet der Jüngere m
Of^Bimir Höhtet, den jungen^ ii^ Weimar zurüekgebliebenen
tf.exMog Beri^bard in aeine Obhut zu nehmen, erklärt ob
für überflÜBaig, weil er dieaem an und für aich wohlgeneigt
In Dreaflen blieb ea nicht yerborgen, daia Gobiurg up4
Ei^naob vpit den^ Böhmenkönig aympatbiaierten. Bei dner
pesBÖnliotben Zuaammenkunft hoffte der Kurfürst beide Heuögia
für se^m» Politik, die im anderen träger ihr Heil aiachte, au
geifinnen,
1) Hersog Joh. Casimir an König Friedricli von Böhmen. Coburg,
8. Janaar 1620. Konsept. Cob. Arch. A. I, 32 a, ö, No. 17. (Korre-
spondent des Königs Friedricli t. Böhmen mit Heri. Joh. Casimir.
$Ai Blätter.) Bl. 8.
2) Hertog Joh. Casimir an Hersog Joh. Ernst d. Jüngeren v. Weimar.
Tenneberg, den 8. Oktober 1620. Konsept (Scriptum insertun). Cob.
A|^h. A. I, dSfa, 6, No. 124. (Korresp. Casimirs mit JoIl Ernst d. JAng.
16p^»6. 208 Butter.) Bl. 168.
8) Herspg Joh. Cuimir an Heraog Wilhelm v. Weimar, den 17. April
1|»30. Cob. Arcb. A. 1, 82 a, 6, No. 126.
4) Hersog Job. Casimir an Hersog Joh. Ernst d. J&ng. Tannebexg,
5, Oktober 1620. Konsept. Cob. Arch. A. I, 82 a, 8, No. 124. . . .
W^ d^ aelieb^n brader hertapg Beroliardt betriefft, dörffen E. Ld. tat
Ihme nichtt sorgen noch nnser ferner reoommendieren, dann unser der"
se)b« woblbeliebig undt suversicbttig ins kUnfftig miU geUgjUibeitt auch
einen dapflUsrso Soldaten, darsue er lust, geben wirdet . . .
Politik de» Hersogt JohiMui Caeimir von Coburg. M^
Von der böhmiBohen Eönigswabl an datiert dic^ie Sehwen-
kung der karsächsisohea Politik. Zn der bisherigen Ab-
neigt^ng gegen den böl^niBchen Aufistand traten jet^t die
al<^ Eijbrsnoht gegen Kurpfek ui^d der koniesaionelle Hab
Ye|:;i^hftrfend hinzu. Die Kachrioht» dafis seine weimarischen
Yettßrn sich mit Friedrich yerbunden hätten, um mit seiner
Q^Ue d^n Verlust der Witten^bergar Kapitulation wieder ein-
^bringen ^\ schien den Kampf gegen den Böhmenkönig zum
Z^eet^ dex Selbsterhaltung zu erfordern. Anferngs Januar gßjb
diQPQ auch Job. Georg dem Lapdgrafen Ludwig von Hessen^
Darmstadt seinen Entschlufs kund, dem Kaiser zu helfen, weil
er von der Gerechtigkeit seiner Sache vollständig überzeugt
sei. Die Bedingungen, von denen der Kurfürst sein Sin-
greifen i^bhängig machtet, wurden in Wien gewährt: die beiden
Li^usitzen sollten ihm bis nach Bezahlung der Kriegskoaten
überlassen, ein ^erledigtes'' deutsches Eürstentom abgetreten
werden *). Die Forderung einer Garantie für den gegen-
wärtigen geistlichen evangelischen Besitz war der Kaiser
ber/eit^ zu erfüllen*), aber er verschob die Entscheidung auf
den Kühlhäuser Konvent Dafür verlangte der Kaiser, dab
der Kurfürst unverzüglich rüste und seine Operationen von
der kaiserlichen Bntaohlielsung abhängig mache.
Job. Casimir und Job. Ernst waren mit dieser Wendung
der aächsbohen Politjk keineswegs einverstanden, ^-^ch die
erwähnte Dresdener Konferenz vermochte ihre Ansicht nicht
zu ändern^). Ohne dab eine Verständigung erzielt worden
war, ging die Konferenz auseinander. Der Vertreter der Her»
aäge hatte die Weimaraner zu entschnldigen versucht Er
war scharf abgewiesen worden. Casimirs und Job. Emsts
Bat, eine bewaffnete Interposition in Verbindung mit Däne-
mark und dem niedersächsischen Ejreise zu Gunsten der evan-
gelischen Sache zu unternehmen und Böhmen als Oesterreich
1) Rose I, Sil.
2) Oindely II, 428.
S) Müller, Forachangen III, 828, 824.
4) Röte I, 87 fg., 311, 819. — Mftiler, Forschangeii lU, 350 f«.
524 Politik des H«riogi Jolianti Casimir Ton Cobnrg.
tributäres Königreioh dem Pfalzgrafen zu lassen, konnte natftr-
lioh in Dresden keinen Beifall finden.
Casimir hat dem König Friedrieh von dem Ergebnis der
Dresdener Konferenz doroh Heufsner, den er insgeheim naeh
Prag sohiekte^), berichten lassen. In den herzlichsten Aus-
drücken dankt der König fttr des Herzogs Verwendung in
Dresden *). Auch fernerhin möge er durch Briefe an seine
Verwandten das Beste zu wirken suchen, yor allem aber
keine Gelegenheit yorbeigehen lassen^ um bei Kursachsen
im Interesse eines besseren Binyemehmens tiiätig zu sein.
Er habe ja dem Kurfürsten nicht den geringsten Grund zur
Feindschaft gegeben und er könne deswegen auch nicht
glauben, da(s Joh. Georg sich zu Feindseligkeiten gegen
die böhmischen Lande bewegen lassen werde. Aufserdem
möge der Kurfürst doch bedenken, dafs er ein Eingreifen
zu Gunsten des Kaisers, durch welches das Papsttum in
Deutschland gefordert und die eyangelische Sache untere
drückt werde, weder yor Gott noch yor der Nachwelt würde
yerantworten können. Endlich sollten die eyangelischen
StSndCy die sich mit den Päpstlichen einlielsen, erwägen,
dafs sie yon ihnen nichts anderes zu erwarten haben würden,
als das, worauf bei dem Poeten der Polyphemus den Ulysses
yertröstet •).
Doch Joh. Georg war yon der einmal betretenen Bahn
durch nichts abzubringen. Nicht nur er selbst zeigte sich
entschlossen den Kaiser zu unterstützen, auch die Stände
1] Verschiedene Schreiben des Baths u. Ksmmersecret. Henftner
an Hers. Job. Casimir in dessen Angelegenheiton 1619/St. Cob. Arch.
A. I, S2 a, 5, No. 169.
S) König Friedrich an Hersog Joh. Casimir. KönigL Schloft so
5. Juni
Pr*g, JTmÜ ^•*^- ^^«f- ^^' ^^^' ^' '» ** *» *' ^®- ^^' ®^ *••
S) E5nig Friedrich v. Böhmen an Hersog Joh. Casimir. Rönigl.
S. Hai
Schloß an Prag, ^^ ^ .^ 1620. Orlg. Cob. Arch. A. I, 32 a, 6, No. 17.
BL 14—16. cf. Anhang XLI. ~ In seinen flbrigen Teilen enthilt das
Schreiben eine interessante Apologie des Königs.
Politik dM Heriogt JoIiaod Cftiimir tod Coburg. 525
des obersäohBisohen KreiseB wollte er zum Vorteil Ferdioaodt
bewaffnen.
Die zu diesem Zweck nach Leipzig beinfene Kreit-
yersammlung hat ihn jedoch im Stich gelassen. Es wurde
fesligesetzty in der böhmischen Sache Neutralität zu beob-
achten ^),
Die zum Kreistag abgeordneten böhmischen Gesandten
haben in Prag rUmend herrorgehoben, wie wohl die Herzöge
von Coburg und Eisenach den fiöhmen gesinnt seien*).
Da£i die kursächsischen Forderungen ihre Zustimmung
nicht gefunden, läfst sich aus dieser kurzen Bemerkung klar
genug ersehen *).
Mit Freuden hat Friedrich aus dem Abschied des Leip-
ziger Tages ersehen, dafs man im obersächsischen Kreise aus
der Neutralität nicht herauszugehen gedenke. Die böhmische
Kriegsyerfassang sei ja auch in keiner Weise gegen andere
Kreise gerichtet; er sei vielmehr bereit, gute Nachbarschaft
zu halten, im Falle der Not Hilfe zu leisten^). Casimir
bittet er um Fortsetzung der Korrespondenz; gegen die
Unierten möge der Herzog die bisherigen guten Beziehungen
aufrechterhalten ^).
Die Vorantwort, welche er dem Mühlhäuser Konvent
auf dai Ansinnen, die Krone niederzulegen, gegeben, hat
Friedrich seinem Brief an den Herzog beigelegt
Dort war sein Schicksal entschieden worden, ohne dab
1) W«i£ie, Qesebichte der knrsichsiMhen Sttaten IV, 169.
2) Malier, Fortchoogen lU, S64.
3) Cf. dazu Kammersekrer. HeuXsoer an Hersog Job. CMunir. Coburg,
t4. Juli 1620. Orig. Cob. Arch. A. I, 82 a, 5, No. 160.
4) König Friedrich an Hersog Job. Emtt den Aelteren. Prag,
1. April
^^ ^^^ 1620. Kopie. Cob. Arch. A. I, 82 a, 6, No. 118.
ft) König Friedrich an Herzog Job. Casimir. Königl. Schloia sa
28.
18
cf. Anhang XLII.
Prag, TT- Hai 1620. Orig. Cob. Arch. A. I, 32 a, 5, No. 17. Bl. 19.
g26 Politik dM Htriogs Jokaan Oaaimir tob Coburg.
nan aal Beinen Protest und auf seine ¥erteidigOBg gekört^).
Die drei geistliohen Kurfürsten, Sachsen und der Landgiaf
Ludwig beschlossen den Kaiser bei der Niederwerfung Böh-
mens Bu unterBtütsen '). Es war «n Oewaltschntt kurfüiet-
lieker Autorität zu Gunsten Ferdinands als Königs yon
Böhmen und ab Kaisers.
Die kaiserlich -bajriscke Diplomatie hatte ein lieister-
stöck geliefert: Sachsen war eng yerbooden mit dem Hanse
Habsburg nnd der Liga, obwohl seine Garantiefoxdening
fÜE dien geistUohen eyangelisehen Besita in den sftehsischen
Kreisen nur mit yersohiedenen Sinsehiäaknngen eiföttt
worden war.
Sehen am 15. Juoi war das kaiserliche Szekutions-
mandat fftr den Kur^sten Ton Sachsen und Maximilian von
Bayern ausgefertigt worden *). Doch erst Ende August
brack Job. Georg mit 12 000 Mann ajuf sur Besetsong der
Lansitsen.
In Prag hatte man trotz der deutlichsten Beweise für
das Gegenteil bis dahin immer den Wahn yon Sachsens Nentra^
Utäi noch nicht aufgeben können^). Oharakteristisok daAr
ist ein Schreiben , das wenige Tage yor dem Anfmaisch
der sächsischen Truppen yon Priednok nach Oobarg geschickt
wurdiß»
Unter Hinweis auf die Feindschaft des Herzogs yoa
Bayern, der mit ihm ak Blutsf^ennd und Verwandter früher
in den yertrautesten Beziehungen gestanden (!), bemerkt der
König, dafs, glaubwürdigen Nachrichten zufolge , der Kaiser
auch Joh. Georg y mit dem er doch ebenikUs yon jeher in
Freundschaft yerbunden gewesen (sie!), zum bewAffneten An-
1) Ol daia König Mediich an Hersog Joli. Caiiniir. Präger
SO.
Schloß, j^ Juii 16S0. Oiig. Cob. Areh. A. I, 88 % 5, No. 17. B). ai^
Sa. cf. ADlmng ZLIU.
2) Gindely II, 4S8.
8) Harter, Geschichte Kaiser PerdioADd« IX, 511.
4) Mflller, Porsehnngen in, 405.
Politik dM Hersogt Johton OMhnfr toh Coburg. 58t
griff aaf das Kö&igreioh Bdhtnen eu bestimmen suche. Ob^
w6hl er fest überzeagt sei, dafs der Kurfürst sich nicht dftM
herbeilaseen werde {sie!), so habe er doeh besehlossen , Ge-
sandte abeufertigen ^), um den Enrförsten Ton jeder T^-
binduag mit den Papisten surüelteuhalten. Casimir mdge
aaoh seinerseits ohne Yersug durch Gesandte odeir «uih
ffthriiche Behreiben bei dem Kurfürsten intervenieren mtd
ihn cur Fortsetzung friedlicher Naefabkrechaft zu beWegeA
suchen ').
Brst am 20. Set»tember wurde der Brief in Coburg über-
geben.
Inzwis^en hatte Job. Qeorg die Belagerung Bautzens
begonnen. Buquoy hatte sich mit Maximilian» das kaiser^
liehe Heer mit dem der Liga verbunden. Beide drangen
weiter und weiter in Böhmen vor. £^inola, auf Befehl des
Königs von Spanien vom Erzherzog Albert mit 26 000 M«an
abgesandt, war in die Pfalz eingebrochen und machte bei
der unbegreiflichen Kriegsführung der Union die gröfsten
Fortschritte. Der Untergang Friedrichs war nur noch eine
Frage der Zeit Denn die Union hatte ihn durch den schmäh-
lichen Vertrag von Ulm in Böhmen seinem Schicksal über-
lassen^). Englische Hilfe war ausgeblieben. Der Sultan er-
klärte zwar seine Freundschaft, sandte «her keine Truppen»
Von Bethlen Gabor war damals nichts weiter zu erwarten.
Wir finden es bei dieser Entwickelung der Dinge be-
greiflich, dafs Casimir eine Interposition in Dresden zu
Gunsten Friedrichs für vollständig zweck- und erfolglos er-
achtet Das Benehmen Job. Georgs auf dem Mühlhäuser
Konvent, besonders die scharfe Antwort, die er dem Land-
grafen Moritz auf dessen Versuch, ihn umzustimmen, gegeben ^),
1) Bs gtoiehah. ef. Weifso IV, S71.
S) König Friedrich an Herzog Job. Gatiiiiir. Prag, 14. Augtot
1680. Kopie. Cob. Arch. A. I, 8Sa, 5, No. 17. Bl. 4—6. ef. An-
hang XLiV.
3) Bommel VU, 88».
4) Cf. dam Bommel Vn, 888.
628 Politik dei Hersogi Joliann CMimir von Coburg.
zeige klar genug, dafs der Kurfürst YoratelluogeD unzu-
gänglich Bei. Dooli die Dankbarkeit für die fii^undschaft-
Uohe Zuneigung, die Friedrich ihm stets erwiesen, hat
Casimir noch einmal die Peder in die Hand godrttdkt Selbst
auf die Geüahr hin, dafs er zu tauben Ohren sprechen
müsse ^)f richtet er noch einmal im Yerein mit seinem Bruder
gerade einen Monat vor der Schlacht am weifsen Berg an
Joh. Georg die Aufforderung*), er möge Mittel ergreifen,
dafs das hochgeliebte deutsche Yaterland fremden, ihm übel
gewogenen Kationen nicht zum Baube falle und die Christ-
lich-eyangelisch-lntherische Religion nicht ausgerottet werde.
Nicht Mifstrauen gegen die Politik des Kurfürsten, son-
dern lediglich die ergreifenden Klagen der Böhmen und der
Wunsch, der Yerantwortung für ein etwaiges Mifsgeschick,
das aus der Unterdrückung der Böhmen folgen könne, ent-
hoben zu sein, hätten sie zu dieser Erinnerung Tcranlafst.
Sie wurde natürlich im Lager Joh. Georgs stillschweigend
beiseite gelegt. Wenige Tage yorher hatte man dort yon
einem Manifest des Königs yon Böhmen Kenntnis erhalten,
in dem dieser den Kurfürsten unter Anschuldigung dreifacher
Pflichtyerletzung seiner bisherigen Lehen und Regallen für
yerlustig erklärte und dieselben seinen ernestinisohen Yettem,
den Herzögen Ton Weimar, Coburg und Eisenach übertrug*).
Wie die am Wappen des Kriegszeltes Joh. Ernsts des Jüngeren
wahrzunehmenden Yeränderungen andeuteten ^) , wie auf-
gefundene Papiere nachher bestätigten, bestand sogar die Ab-
sicht, die Kur auf die Emestiner zu übertragen.
1) Hersog Joh. CMimir an König Friodrich v. Böhmen, den 28. Sep-
tember IStO. Konsept. Cob. Arch. A. I, S2a, 6, Kol 17. ef. An-
hang XLV.
2) Herzöge Joh. Casimir n. Joh. Ernst der Aeltere an den Korffinten
Job. Georg. Den 2S. September 1620. Kopie. Cob. Arch. A. I, S2 a,
6, No. 108. Bl. 188. cf. Anbang XLVI.
8) Harter IX, 650. ~ Röte I, 822. Die Patente für Casimir n.
Joh. Ernst d. Aelt. Londorpii acta pabl. II, 201.
4) Böse I, 824.
Politik dei H«rsogt JobaoD CMimir tod Coburg. 529
Casimir erklärte teioerBeitt Job. Georg sofort, dafs
jenes Manifest ohne sein Vorwissen erlassen worden sei.
▲ach jetit sei ihm noch kein ottsielles Schreiben ange-
kommen, nur ans Zeitungen habe er Ton ihm und seinem
Inhalt yemommen. Dieser ist ihm unbegreiflich, denn sein
Yerhalten habe ein derartiges Vorgehen des Königs Friedrioh
nicht yeranlassen können. Auch fernerhin wolle er seine
Neutralität und sein Streben nach friedlichen Mitteln und
nach Abwendung ferneren Unheils aufrecht erhalten ^).
Die Schlacht am weifsen Berg und die übereilte Flucht
Friedrichs hat allen Anschlägen zu Gunsten der Bmestiner
wie dem pfälzischen Eönigstraum ein jähes Ende bereitet
Sie hat auch die Beziehungen zwischen Casimir und Fried-
rioh aufgehoben. Ein Schreiben, das, im nächsten Jahre
von ihm aus Grayenhaag nach Coburg geschickt, Casimir die
Bitte ans Herz legte, bei Eursachsen Stimmung zu machen
gegen die Ausführung der Acht wie gegen die Unterdrückung
seiner Person und Würde *), scheint ohne Antwort geblieben
lu sein.
Mit der Union war ebenfalls jede Verbindung abgebrochen,
ab sie im April 1621 in kläglicher Weise sich auflöste und
Friedrich yollständig preisgab').
Casimir suchte in den folgenden Jahren durch strenges
Festhalten an der Neutralität und durch engen Anschlufs an
Sachsen sein Land yor den Leiden des Krieges zu retten.
Erst als Sachsen mit Schweden sich yerband, trat auch er in
den Kampf ein. Wallenstein ist da in eigener Person yor
die Veste Coburg gezogen. Schrecklich haben die baTrischen
1) Hersog Joh. Caiimir an Knrffirtt Joh. Georg. Tenneberg, t. Ok-
tober 1620. Postscript Kopie. Cob. Arcb. A. I, 92 a, 6, No. 103.
Bl. 140. cf. Aohaog XLVU.
1.
8) KSnig Friedrich an Henog Job. Casimir. Grayenhaag, t^ Mal
1621. Orig. Cob. Arch. A. I, 82 a, 6, No. 92. Bl. 50—68. (Korresp.
Friedr. mit Casimir 1694/1621. 69 Bl.)
8) Hiafser II, 848.
530 Politik des Henogs Johann Ottimir Ton Coburg.
und kaiBerüohen Truppen im Lande gehaukt Yen der Yeete
auB sah man im weiten Umkreise Städte und D^er in
Flammen stehen. Anf dieiB Gerücht vom Anmarsch des fifer-
2ogB Bernhard ist Friedland na<^ vergeblicher Belagerttng
südwärts zurückgegangen.
Das Schreiben Casimirs an seinen Bruder vom 14. Januar
1688^) spiegelt so recht die Not des Landet, denn sein In-
halt besteht in einem fortwährenden Klageruf.
Wenige Monate später ist Oaisimir als der älteste d^utisdie
Fürst gestorben.
Er war der erangelischen Sache mit ganzem Herzen er-
geben. Seine politische Anschauung berührt sicl]^ am nächsteA
mit der des Landgrafsn Moriti. Den rcTolntionären pfälzischen
Bestrebungen wie dem starren konseryatiy-orthodoxen Stand-
punkt Sachsens war er in gleiotier Weise abhold.
Das Ideal seines poiitisohen Strebens war ein allgemeihet
eyangelischer Bond» in dem sich Lutheraner und Galrinisten
die Hand reichen und zusammenstehen sollten zu ■gemeinr-
samer Abwehr.
Casimir war überhaupt ein Mann der Yertnitteluii^ und
des Friedens. Das trübe Geschick seines Vaters mag ihn
nicht zum wenigsten von kühnen Sntsohlüssen zutüokgehaftish
haben.
Von dem Grundsatze ausgehend, dafs mit einet schwachen
Feder, die mit Verstand geführt wird, sich eine siikW^ik
Sache öfter und Ibiehter als mit Karthaunen unrecht bringlfti
lasse, bat er eine ausgedehnte poHti6<Aie Korrespofidenz mit
vielen Füllten des Reichs unterhalten.
Sein Wahlspraeh war cM bekannte Wort Sallusts:
Conoordia parvae res orescunt, disoordia maximae dilabuntor.
Friede ernährt, UniFriede verzehrt.
1) Cob. Arch. A. I, SSa, 5, No. 119.
Axätmg.
I.
Hersag Joh. Caaimir an KurfürBt JoaohiA Y4in
Branden barg. Coburg, 19. . April . 1608. Konsapt.
Beiohati^Maohen 1608. B. II, 7, No. 86.
. . . Was durch £.. Ld. YieeaantslamiDr. Fnedeioh Braak-
maun uader iziger BeiofasyeiiaamUDge » cae Eaganaburg r4)ey
msarm undt das lioc^gebonien ' füllten lansars ffanddltohan
l^ban Bruadern, harrn Joh. ISraaten, al^gotanlton inn beaan-
•daver rertniwlioh gehaimb ahngebaaeht, sobhas ist dergaatidtt
I5rdar ahnn onfs ^andt •unaersireandl. Haben iteaeders dlid.
g^langett
Ob welchem wir vernommeD, da8>£jL^ franse traulwEtaige
baheiOhorfürrtL' ambltliche Torsovge sueiOottes ehre, auch
rettunge undt erlMlttunge reihtter. «wahrer '>RaUgian,<aowoUl
Dganaer Chroteahaitt mndt gafebttanr ratteriandg ireybätU, mihe
nadt^wahUatandts Ibrtaetaunge •ejrfeng teaganuuodt ihruahn-
ri^egan -mn 'laaaen, soadaiUafaer cmit den Bmogaliiabcn
Ständen gar treuliah/'meinan uodt^deBBelban^fiBadsahmef ain-
ifeMUiga ^pertrawBche. caranmemateaage terrae' arbawat undt
befördert! aahan atdt"Wi6ten''wollen^ dafür.^Ej Ld. •bsUiahj«u
Hdanckan- uadt su^aröfanien. . . . Diewaibll dan ilaidart^gaag*
taadibnaffenbidir uadt für .aaganachw1riwllde(Tiahlfeltt•gewwmr-
1 aaiq;» eaei^q^a baseagan/rwia.saa baaoigliah» aa itaoim^BaiDh
atehett undt ■ lan-» wafc gMoaarf geftdiri' Jieb Byangeliadiait » Steada
^fh$AßDnf*id$s fea^daBt 'daBiaaesahanytuaUB'.wanodarfauteriste
• andargaag 4es Bsdigian-'Uadt Piaphaufkiodaat haaeiperbtaehon
^ifbdt>taUe8 libar aiaeai^haiiiennitiftllMrcwoUa, .^ae ibohDjQott
XVII. 85
532 Politik dei Hersogs Johmim Casimir too Coburg.
der allmeohtige gnediglioh zuyerhüten undt abzuwenden > die
missethat undt sünde vergeben undt der straffen linderunge
zu yerleihen geruhe, darumb billich undt zuvörderst die ge-
meinen Christliclie Gebet ahnzustellen. — Alls lassenn wir
unls nichtt alleine unsers ortts, sondern auch für unsere
Brueders Ld. £. Ld. Täterlicher yorsorge undt wohlmainliche
gethaneuy nohtwendigen Vorschlag einer förderlichen zeittigen
undt engen geheimbtten persönlichen zusammenkunfft durch-
aufs gefallen, inmafsen die euseriste notturft ahn ihr selbsten
erfordertt, ganz nüzlich undt erspriefslich zu hoffen. Wissen
auch weder in modo ac forma noch rebus ipsis et meritis
das wenigste zu endem oder zu yerbessern, sondern wir
woUenn uns disfalls in allem sue gemeinen besten accomo-
diren undt zu bequemen wissen, undt fnhmehmlichen yonn
deme, so der hochyereioigtten, zusammen yerbundenen Ghur:
undt Fürstlichenn Heulser, Saohsenn, Brandenburg undt Hessen
wille undt meinung, nichtt absondern, zuemahll weihll solches
alles nichtt wiedder, sondern vor Kays. Hayest des Böm.
Eeichs undt geliebtenn yatterlands heyl undt wohllfahrtt,
auch nichtt zur offension, sondern defension gemeinen friedens
angesehen und gemeinet.
Darzue menniglich noch mehr bewegen undt
zum exempell stehen soltte, das herfür kommen, wie albereiti
vor zwey iharen alle Ertzhertzogen zue Ostreich lue ihres
Hauses freyheitt undt hoheitt sichemnge, beschütiunge undt
forthelffiinge eine besondere conföderation aufgerichttet undt
nunmehr ins werk gestellett werden wihll . . .
Unzweifflicher Zuversicht, nachdeme gantzs vertrauliche
zuesammensetzunge bey itziger Beichsversammlunge von den
Evangelischenn Stenden bis dato erfreuhlich zu vernehmen
gewesen, allso undt rebus sie stantibus, do keiner dem feuer
neher oder weitter noch gesichertt zue achtten, werde sich
von diesem verbundnoDs niemands ausschlieüsen.
Welcher conventus unseres geringfuegigen ermeesens nach
schleunig zu maturiren undt gedeihlicher zue effeotuiien,
wann £. Ld. zuvorderst mitt den andern beyden weldliohen
Politik des Hersogs Johfton Casimir Ton Coburg. 533
Ghurfttnten Tereinbahrett undt es, soyiehll immer möglich
undt erheblich, dahinn beförderD, das all eyermerckende tren-
Dunge und mifsverstand bey dieem werk präcaviert, die
BeligioDBtritt zae iziger zeitt moderiret andt alle privata bey
seitten gesetzlt, damitt allso alleine das publicum bonum,
allerdings unauimo cousilio, in achtt genommen undt erbawett
würde. Ii^malsenn wir unfs berichtten lassen, das viehll für-
nehme altte undt neue Theologen dieser meinung seindt.
Obwohl zue wuntechen, das beydes, inn den wordten undt
dem verstände, eine reohtte einigkeitt zuerlangen, jedoch offt
umb friedens undt gemeinen nutzes oder anderer unyermeid-
lichen nohtt willen, diejenigen, so der Eeligion halben durch-
aus in allen Puncten undt articuln mitt einander nichtt über-
einstimmen pie ac utiliter toleriret undt gedulldett werdenn
mögen n; auTs welchem allsdan neben guetter yhleissiger kunt-
sohafft auch allerhands vertrawliche correspondenz Ton einem
zum andern, wie der verlauff undt zustandtt sich begeben
thette, eryollgen undt viehll guetts gestifftet werden köntte,
der gegentheills embsig gesuchten trennunge under den Byan-
gelischen Stenden, beneben anderm unwiedderbringlichem
schaden undt unheyll zeittlioh zuvorkommen undt abzuwenden,
damitt man ufF euseristen gedrungenen nohttfall ieder zeitt
inn getreuer, unfehlbarer zusammensezunge mitt aller notturft
gefast befunden, undt nichtt über geringem mifsverstande so
lange verzogen werden möge, bis das feuer zae lichtter lohe
aufschlüge, do allsdan in solcher bestürtzunge undt post causam
vulneratam wenig erspriefslichen rahtt zu schaffen . , .
II.
Herzog Joh. Casimir an Schweikhardt, Erz-
bischof von Mainz. Coburg, 19. November 1610.
Konzept. A. I, 32 a, 6, No. 76. BI. 6—9.
. . Was bey £. Ld. wir in jüngster unser anwesenheit
zu Aschaffenburgk, beneben denen uns zugeordneten Chur-
fürstlichen 8ächs. gehaimbten Bähten, voreinbharung undt ver-
35*
534 Politik des JEienogt Johann Casimir von Ck>biirf .
bunclDUB wegen gesucht undt angebraoht/auoli der endtlio&e
yerlass gewesen, nndt wohin sich dieselbe nach ünserm ab-
reyfsen kegen den OhorfUrsten zu Sachsen etc. verneliintti
iafsen, das alles ist uns, nachdem wir wieder in unser Hoif-
I^ager gelanget/ getreulichen undt nach aller kiotturtft r^jferiret
Machen uns auch keinen zweitfell, E. Ld. werde sieh äessen
noch aller: undt gutermafsen zu erinnern wifsend. Vor wetohe
treue affeotion undt Vorsorge E. Ld. wir billich äanclck^igeii
undt es sambt unserm gantzen hause zuerwidern unvergessen
sein wollen.
Dieweihl es dozumahl auf des hochgebomen Fttrsien
Herrn Christian des andern (titul), unsers beundtlichen lieben
vettern und j^ruders, resolution bestanden, so where ' uns zwar
nichts iiebers gewesen, als das uns dieselbe noch vor unserm
abreyfsen zukommen. Hette sonder zweiffell in' diesen so für-
nehmen, hochwichtigen, nottwendigen sachen ein gewiMer
beschluTs, oder zum wenigsten ahnlafs gemacht werden können.
Es ist uns aber das schreiben unterwegens niödt, sondern
alter erst in unterer Resitenz allhier den 10. huius atira
Cialenders zugebraohtt; derwegen E. Ld. diesen geringen Ver-
zug im besten vermercken undt aufnehmen wollen.
Welchermafsen sich nun des Churfürsien zu 'Sachsen ' Ld.
kegen uns freundtretterlichen ercleren, ^äarvön thun E, Ld. wir
copeiiic^e abschriefft zu mehr: ündt eigendlicher Destftn&ger
vemehm: undt vergewisserung beyveTwart'übersenden.
Undt nachdeme uns dieselbe dieses puiioWts fiali^n Vi»*!!-
macht undt gewalt aurgetragen undt übergel)en, auchvoüige
plenipotentz, so uns zue der Oölnischen Handelung von unserm
ganzen Hause zugestellet, dohin extentim undt erstreckeB,
undt hirüber wir Selbsten befinden, da; bey diesen fettr-
eichen leoften der, sicherste weg, sich zu denen, mit welehen
unser Haus allbereit in öffentlichen aygemeiQen Beie^^Yer-
^ bi^ndt, auch die unser aller vorgesetztes Haup^ hecnstgedachte
&ajs. Mayest, ehren, res^ectiren"und{ derfs^tben^unte^rthenigst
gehorsam , darzue uiis die Reichs tlonsntutiones undt ^er-
fatsungen selW* weysen, isu &al'l£en. ' tf berilieseii* afl^s m^JÜitt
Politik des Henogs Johann Casimir von Coburg. 535.
' ' ■ ♦ ! I
ni<^t8 neues fÜrgeDommeiiy sondern alle Stende des Kelches
lUTorbin zu dem Beiigion- undt prophanfirieden ohne das
verhunden, welcher durch dielse yeieinbarnng renorlret nndt,
wie derselbe aUs vinculum omniam stataum Impery hinford in
besserer undt mehrer yertniull^keitt erhalten undt fortgeseset
werden möge, yerfasset Als eroleren wir uns auch hirmit
aastadt unsers ganzen Chur: undt fürstlichen Haufses zu
Sachsen craft habender gewalts, das wir uns in solohe
I^niony wie yon des ChurfÜrsten zu Sachsen Ld. als Direc-
tore et capite nostrae fomiliae uns aufgetragen, einlafjsen
wollen ..•.!).
III.
H^erzog Jolu Casimir an Kammersekretär Sligisqi.
Qeufsner. (Instruktionsschreiben.) Coburg , 11. Mai
1612. Origin. A. I, 82 a, 6, No. 160.
. • . Der Herren General Staaden Agent Petrus Brede-
rodius hat wegen Prinz Bioritzens bey uns undt unsers
freundl. lieben Bruders Ld. zu Bisenaeh audientz gehabt ....
Soyiell wier yon Ihme yerstanden, triebt sein Discuis
mit anderen sanioribus überein, das wier ohne gutte nacht-
bahrschafEt gegen den herrn Staaden, welche gahr leicht zu
erhallten undt der Unierten Chur: u. Fürsten httlff und bej-
standt ahn denen Landen schwerlich etwas bekommen würden ;
welches aber andere für unglaublich achten. Wier müssen es
noch ein zeit lang dahingestellt sein lassen undt den ausgang
des Wahltags erwarten, besorgen uns allein: simulatio offici*
omm pontiiiciorum möchte dieser onser Sachen capitalis ini-
micus sein, sintemahl die erfahrung bezeuget, das der
menschen gemuether sicherer ex rebus ipsis quam yerbis zu
erforschen.
Bs hat sich gedachter Brederodius gegen unsemn Canzler
yiell erholten, auch selber gegen dir gutte comrounication zu
1) Die FortoetsuDg cf. bei Wolf, Geschichte Mszimil. I. u. seiner
Zeit UI, SS.
536 Politik des Heriogs JobAon CMtmir von Cobarg.
halttea eroleret; darum du dieser gelegenheit wohll wahr sa
nehmen.
Landgraf Morits hat sich durch seinen geheimbten Bath
Carlo uff unter ersuchen, ob anderweit handlung mit Ohur-
Brandenburg undt Pfalz Neuburg uffzunehmen, dahin eroleret,
sie würden in der Herrsohaffc Ebstein mit dem Kurfürsten
undt dessen Käthen von denn Oiiliohischea Sachen zu reden
gelegenheit bekommen; weiten derwegen, wie diesen hooh-
wlohtigen Sachen noohmahls abzuhelffen, allen möglichen
▼leifs anwenden; daraus wier S. Ld. vertrauliche affeotion je
lenger, je mehr su spüren. Sonderlich hüten sie vor rath-
samb, das guetliche mittel! die yertreglichsten sein möchten;
jedoch solte denselben mit fleifs nachgedacht werden, uif was
mafs solche einzugehen, damit es nicht vom Oegentheill ver-
merckt würde, alls ob solches von unfs herrühre undt an-
gesponnen; welches auch den GhurfÜrstl. Käthen beydes zu
Drefsden; wie dir bewust, undt iezo zu Eisenach gefallen.
Darumb von Ihnen für gut angesehen, wier seitens nur
mündlichen bey Landgraf Moritz anbringen, dergleichen ge-
legenheit würde der Ghurfürst zu Sachsen bey Landgraf
Ludewigen durch mündliche underrede weniger nicht suchen.
Sonsten haben sich die OhurfürstL geheimbten Käthe,
derer gleichwohl nur zwen gegenwertig gewesen, in oonver-
satione endlich dahin resolviret, es solle ein gesambt schreiben
ahn die drey fürstlichen Unterhändler gemacht undt darinnen
Ihr bedencken dieser grossen undt schweren sachen sowohl
des Oütterbockschen Vertrags wegen, in specie aber gesucht
werden, ob es rathsamer, bey dem Neuen Kayser umb neue
ratification desselben zu bitten, oder das solches specifica der
capitulation eingerückt werden möchte
Herr Ourio aber hat sich soweit erclärett . • . der, so
die Gülichschen Lande haben weite, müfste mit Frankreich,
Engellandt undt den Herren Staaden freundt- undt nachtbahr-
schafft suchen, bey welchen allen Sachsen in trefflichenn
respekt, denn sie wissen, das es im Keich, sonderlich den
Keichsstädten, hochangesehen. Und das wehre der Schlüssel
Politik dM H«rsogt Johann CMimlr von Coburg. 537
zum thor; wen man den fiaden könte, wehre den Sachen
weit geliolfen undt den opinionibus Bpanischer faotioo, dar-
durch der herren Staaden libertet in gefiahr gesetzt, viell be-
nommen. Ob auch gleich dieses noch sur zeitt keine Beichs
Sache wehre, so könte doch in effectu et eyentualiter, wann
der ungehorsamb beharret, eine daraus werden, denn in ent-
stehung der yergleiohung gewifs Krieg ervolgen, sintemahll
kein theill sein Recht also ersitzen lassen würde, quod esset
abjecti animi.
Dieses sind also herrn Gurionis uff vorgehende Belation
gedanoken gewesen, welche wir dir zur nachrichtung undt
das du dich derselben, doch unyermerckter weifs, bej für-
fallender gelegenheiten bescheidentlich gebrauchen mögeety
entdecken wollen.
Die ersuohung der ünionsyerwanthen ist yon uns bey
allen zusammenkünffton gesucht undt hefftig nrgiret; was
darmitt yerrichtet, daryon tregstu gleicher gestalt gutt
wissen, derwegen wier noch ein Zeit lang in gedult stehen
undt den auisgang des Wahltags erwarten müssen.
Es soll uns aber nicht zu entgegen sein, das du wegen
eines Schreibens ahn Frankreich, England und die Staaden
bey Landgraf Moritz oder den seinigen, wan es die gelegen-
heit geben wirdt, erinnerung thun mögest, ungeachtet wier
bey uns nicht befinden, das solche, ehe undt zuyom die
Staaden wegen Spanischer Factionen gesichert, etwas fruchtten
werden ....
IV.
Kanzler Yolkmar Sohererd an Kammersekretär
Heufsner. Ooburg, 11. Mai 1612. Orig. A. I, d2a,
6, No. 160.
Mitt Herren Brederodio habe ich reohtte undt guthe,
yertraaliche Oonyersationem gehalten; wollett dieselbe oonti-
nuieren, wie ihme denn eure Personn nicht unbekandt • • •
Er hat mir unter andemn angedeutet, die Herren
General Staaden hettenn sich nur alleinn zuerhaltung guter
588r PoUtiki.det' HMMfi^ Johasn CMivir toh Ootarg^
intmäkz xmäi naehibttEBoiiRfft kegen dHuteaodtfibnrg undi
BMti Htabarg nit etimehmiiDg der Lande unb. 16 Toiine&
gddes* kosten lestenii, tbetenii nicbts wieder fordemn, wan
nur die gesaefatte fDeondt: ondt naehtbarscbafft contianiret
wtisde« Danuu wohll absmebnieDy waan Saehaen dergieiehen
Ünte, am. anoh ein. ebeniae/»gfB eoc noaka parle eifolgean
kfioteu
Seä' faaeo oania umt incDedibilia» — > qnod tibi in aiireR
soriptam — : Nos inccgDiia pro satis cognitis et perapeetifr
oataniieflieia * eaBtemam praefnimiM, perBevesantiae pimtificis^
iainacia na^a» oapitaUbos et eonim teobaiar ae inaidüa plna.
orudinnift qoam Syangelieia, ffir weliobe; wir oals' im wenig«-
atan an hefiihrenp« Habe: leider aorge^. ca möehfte uff daa
Vaticinium Jeremiae cap: 6 yers 14 u. 16. biefiaiialafaffiBn ;.
domndev ieh g^iebwoUl. niemandl beac^inldige:, aonndem
eiaaig oadt aUein oantoanetatem eli diaeipationan eanailioram
beoiage^ daaduroh dem wedr weder geratben noch gebojfaiio»
wittll einaig undt allein anb pmetextu et aimolatione paeia
reatauratio BeUgienia Bomanae geauebt wirdeli;
Baer lieber Freund
Tolkmar Söbererd.
V.
Herzog Job. Caaimir an EammeraekretSr Heufa-
ner. (loatniktioDBachreibeD.) Coburg, 24. Mai 1612.
Origin. A. I, 82 a, 5, No. 160.
Gleichergeatalt yemehmen wier woblgeftllig,
daa du, abweaendt Ftlrat Gbristiana su anhält Ld., mit Herrn
OlBimmerario au gutter conyeraation einen anfang gemaeht;
dasselbe wollest also continuiren undt keine gelegenbeit
aataderlioben in unsem Gülsebacben Sadien priteriren. Dem-
aeUbea aeindt alle un»baiende beKaat; aolte er anob in eiaem
undt andern obetaeala beben, wirdeat du denaelben eum
discvetione undt mit gutter beaebeidenkeit begegnen. Darbey
aaeh gegea ihme gedenken, wie undt weleber geatalt, aucb
Politik de» Herftogi Johann Canimir von Gol^r^. 538i
durch wae mitteil dieses werk bey dem Churfürsten GoUegio
abDZubriDgen were . • . Stehen auch in d^nepi gedanokeu^
• . eixK solches beharren, es tolle doch mit der Zeit mit undt
neben den andern, wann gleich die fürschlege undt consilia
nicht jedesmahls übereinstimmen , yiell guttes verrichtet
werdenn, do nur mellitis yerbis pontificiorum sub praeteztu
amicitiae, concordiae et pacis nicht zuviell getrawet, welche
utilitatem et Hajestatem Ecclesiae Romanae pro suprema lege
a(^tenn und haltten. Darumb auch Famesius Gardinalis in
oratione coram Caesare Garolo V., davon Schieidanus schreibt,
diese swey stück pro comodissima haereseos debilitandae et
ezstirpandae ratione geachtet: Pacem nimirum et contribu-
tionem protestantium ad bellum Turcicum. Es will auch fast
die tegliche er&hruog bezeugen, das die pontificy under dem
schein und Ihrem gemachten verstände des Relig[ionfrieden«
mehr gewonnen alls verlohren undt das gemeine Sprichwort
wahr werden: Koma semper plus profecit pace quam armis,
welches alles wir hiermitt gegen dir erinnern, nicht zwar su
dem ende, alls ob der ßeligionfriede ahn ihm selbsten
zweiffelhaftig, oder wir uns in dieses fürnehme, hochwichtige
werk, dem Ghurfürsten CoUegio sustendig, einmischen weiten,
sondern das nur amor erga patriam et libertatem Oermani-
cam auch ahn diesem orth gespürett würde; darzu wir dann
nach gelegenheit deiner Relation auch dahero verursacht^
weihll Meintz bei Pfaltz umb aufihebung beider Unionen ahn-
geklopffet, aber biels andere assecuration vorgeholt undt den
Reichs Gravaminibus abgeholffen, nichts ervolgen wollen.
Inmassen dann unser gnädiges begehren, du wollest alles
das ihenige, was dir diesfahlls von uns ahnbefohlen, in
schuldiger Verschwiegenheit, darann wier ohne das nicht
aweiffeln, halten undt von diesem passu weiter nicht alls mit
rechten, erfahrenen patrioten pro ratione temporis, loci ac
personarum communiciren.
Darann geschichtt unsere gefellige meinunge undt wir
aaindt dir mitt gnaden gewogen.
Job. Casimir.
540 Politik des Hersogs Joliann Casimir von Coburg.
VL
Herzog Joh. Casimir an Herzog Joh. Ernst den
Aelteren. Coburg, 22. April 1618. Konsept. B. II,
7, No. 114.
.... Nun ist uns gleiohmefsige Ersuchungsschrifft der
Unierteo steodo wie auch £. L. zukommen, so wir aber
wegen wichtigkeitt der sachen gründlich undt zuyerläüsig
damals nicht beantworten können , sondern unserm bejder^
seits geheimten Rhat undt lieben getreuen von Waldenfels
in deme am Signato 30. Marty ihme zugefertigten Memorial,
was er su Dresden zu verrichten, unter andern auch diesen
punct in acht zu nehmen undt mit den Ohurfürstl. Sächsisch«
geheimten su communiciren, was defsfals vor: undt bey dem
Eeichstag zu thun, gncdig uffgetragen.
Weil dann die üoirten Stände des Churfürsten zu Sachsen
Ld. in angeregten, gemeinen wesens nott betreffenden saohen
ebnermafsen angelangt undt der von Waldenfels, ob undt
wohin S. Ld. sich in schrifften erkläret oder sonsten difsfals
bedacht undt geschlofsen, bifshero keinen bericht eingewendet,
so ist uns bedencklich in diesen schweren handeln, darinnen
wir uns mit des Churfürsten zu Sachsen Ld. umb mehrer
behutsamkeitt undt unsere Haus Sachsen einmutiger Zusammen-
setzung willen gerne conformieren, unser guttachten undt ge-
dancken Landgraf Ludwig, dero erfolgte erklärung wir uns
sonsten nicht mifsfallen lafsen, su eröffnen . . .
VII.
Instruktion für die Qesandten Albrecht von
Steinau und Bartholomäus Schwarzlofs zum
Reichstag 1618. Qetchehen zu Coburg, 28. Juni 1618.
B. II, 7, No. 114.
.... Ehe nun die Proposition geschieht oder zur Oon-
sultation der proponirten Puncten kömbt, sollen sich unsere
Räthe zu den Chur: undt Fürstl. Sächsischen abgesandten
Drefsdisohen, aldenburgischen undt weymarischen theilfs ver-
Politik des Hertogs Johann Casimir yon Coburg. 541
fugen, Ihnen unsern gnedigen gruts vermelden, mitt anzeig,
weill bifshero löblich herkommen, dafs des Chor: undt Fürst-
lichen Hanfs Sachsen Vota in Religions: undt Prophansaohen
gleichstimmig ergangen, sonderlich aber ieso bey diesen ge-
fehrlichen leufften guete zuesammensetzung ^um höchsten
yonnötten, dafs Sie bevehlichtt sich bey ihnen Raths undt
bedenokens zu erhohlenn, iederzeit aus den proponierten
Puncten yertrauüch zue oommunioieren undt dohin zueseheo,
wie die Vota in unserm Haufs allendhalbenn gleichförmig
gefallenn mögen
Es pflegen etlicher Chur : Fürsten undt Städte abgeord-
nete, Ihrer gnedigsten undt gnedigen, auch günstigen Herrn
undt Obern derdclben angelegenen saohen halben, so sie bey
dieser Beichsrersamblung zu yerrichttenn, im besten zue recom-
mendieren, zum theill sich zur vertraulichen Correspondentz
zuerbietten, die sollen unsere Räthe mitt gebührlicher ehr-
erbietung hören undt neben anmeldung uosers gnedigen
willens dahin beandtworten , dafs Sie unfs des gemuths undt
dohin geneigt wüsten, dafs wier allenn undt jeden Ständten in
Ihren billichen sachen, so zu des H. Köm. Reichs wohlfartt
undt Teutscher Nation wohlhergebrachter freyheit gemeint,
gerne beförderlich sein weiten .... Do es nun hochwichttige
Sachen undt ferner berathschlagung bedarfP, oder gefehrlich nach-
denckens betten, sollen sie sich mitt Chur: undt Fürstl. Sachs.
Käthen einer einhelligen meinung vergleichen oder nach go-
legenheit, do es von nötten, underthenige relation einwenden
undt unserer resolution erwartten, sonderlich, wan die Evan-
gelischen Ständte vor: oder nach ablesung der proposition
particular Convent halten, gueter fursichtigkeitt gebrauchen,
sintemahll die Köm. Kays. Mayest undt andere Ständte leicht-
lich offeudirt undt zu argwöhn undt nachdenckeu ahnlafs
gegeben werden möchte.
Jedoch erinnern wier unfs, wie es im nechst verschienen
Reichstag A. 1608 gehalten worden, do die Evangel. Stendte,
ehe dan sie im Fürstenrahtt votirt, zuvor bey Chur Pfalts
zuesammenkommen , die proponierten Puncto berathschlaget
5^% Politik de« Herso^ Johapn Cftsimir von Cobarg.
undt 8Jch einer, einhelligen mainung per majora vergliechenn^
TTfej^cbe coDJanctio an^morum der Zeit( Tor heilaamlich an-
g;eA^^ny auob bej ieng;enn Bchwehrenu leoffteii« b^yor ab in
siAben den Sa^gio^Bfeiedt betreffend und welche davon de-
PlP^idjre^i, iipb «o viell desto mehr hochnothwendigk ; inn
weldiein unBerQ^ftthe, wie andere der wahren apgtborgischein
QopfeB^on verwandte suTörderst aber d|e Chor: undt Fi^rstl.
Qljjihß, sich hierinnen erzeigen werden, ufaobtung habenn
spUen^n
Belangendt die Puncten, warum diese ietsige Reichs-
yen^amblung yono I, Kays. May. angesestt, werden etliche
im KayserL aufsschreiben specificiert» darunter theills, so zom
Jusjtizwesen gehörig, de^ puncto contributionia yoxigesetztt
Wie es auch nicht herkoipmen» dafs allweg yon dem puncta
contributionis am ersten tractiiret werden i|i^,üfite, sondern
di^rmiter, naohdeqA es die notturfft erfordert, gehaltenn
w;orden ....
Sollt^ aber Tonn Böm. K^ys. ^y. ein anden begertt
uQdt die gefahr in Siebenbürgen wegen gemeiner (JSiristen-
I^eit Erbfeindes y de§ Türekenn, gefehrlicl^en Praktil^en undt
aqsschlftgen ezaggeriret werden, is^ dagegcfp zue bedenckenn,
wo die Justitia nicht ^rst in ricl^tigkeitt gebraohtt, dafis in
puncto contributionis schwehrlich zuyerfahrenn , zumahll in
iezigem schwierigen zustandt des hl. Reichs , welcher yor
all^D dingen in achtt zue nehmen undt durch abhelfFung der
grayamii^um zu remedyren ; sonsten hat die erfahrung gebenn,
^an die Contributio yerwilligett undt man über solcher trac-
tation müde worden, dt^ man wiederumb yon einander ge-
zogen, undt also punctus Justitiae steckendt blieben oder uff
deputatiou: undt andere Tag yerschoben worden. Do aber
der J^ustitii^ erstlich geholfenn, wurde dadurch einn befser
vertrauen undt zuesammensetzung unter den Stftndten ge-
pflanzet, auch dieselbe in contribuendo desto williger undt
besser beyspringen; hingegen do nicht innerlicher friedt,
i^e undt guttes yemehmen im heil. Reich gestifftet undt
die interna mala curiret, kein succefs wieder audsweritige
Politik des Herzogs Johann Casimir von ' CoibaVg. {|43
feinde zugewärtten , wie ^e Historien UMer^'^ilTigBam 'tlbdt
tLberflÜBsfg bezeugieinn; dAn wie die 'ttlti^iin i^^gtt: TüräAB
tantum terraräm OHtistiini ' ndminis per dlscdrcKarum 'tiodtra-
räm oöoasibties intercepisse , (^iianiüVn nös, öüplditatibtis et
äeditionibus ayefai, diroisimus.
Nun mögfe däTs erbieten g^böhehiefny dafs die be3rde
päüota pari paitu ' sue traotiieten düdt die CioithoUBche ' per
tnajora' daÜinn Bchliefsenn, oder, do änftngfiW gewil^ mittell,
Vie die Juetitia in riöhtigkeit'sue bHngen, Mr^esbhlajg^^ny Üer-
naoher 'aber Wölill nicht leichttich eiüe 'vergteichutig zue
treiffeihi, ainieiiätill ' das Jukiti'enwerk sehr '^weitleufftig , ' doch
punctos contributionit mitt ansiehung großer gefähr Vor die
handt genommen undt ' alko per 'allAm et 'di^er^m modam
einerley intönt zuerüngian , 'tentiirt werden. Wir halten 4*ber
'dafär/die EVängelisoh. dtändte sotiderliöh die Unierte weifdön
pari prddentia et ' sollicitödfne dab^j b^iätendig vei^arfen,
daCs ' die gravämma zuvor 'äbzü^schaffbnn, oder, ' wenngleich
ad 'punctum bontribütiönis' glimpfs halber gekiihriettehn , doch
diese b^nditiones tnitt anlieng^n, dadurch ' dan punctus con-
tributionis in effeota nachgeseztt undt ebnermassen per alrdm
modüm ' zde mrem 'scöpo' cbfibiten : Nemblibh wofeme der
'!Reli^6Äfriedt erneuert, ^denali^in'uüdt neuen graVainTnibus
^'kb'^e'Kotten, die^VWp^öcbfs undtV^itt aüssehefiae' gefehfliÜhe
JfeBuiiisblie lPi^ktlken''flrti^%8teIlt ubdt/ was die felv^ii^^^^
In jitiücto tfes 'tteli^diiBf^^den 'sibh 'zu 'dk Jö^tismu
CathotiiBislien sdV^erseheän /^dsdbburirt 'iihdt "Verinifiettt. 'Do
n^n aie*Cä{tioltBcHen'1fi^]finnW''fnbht*¥eichbn/8bn'd^rn itäch-
d'^btail^lie '*k^ng 'iindt* Olauilttl' '^lablien , 'dar^Ur die '^er
* (JfÄBiötBach ' voWeWttebh '^ zu ' imfiltBiren undt züVfeJrtteäiien,
"bej'^^elcliym VbrbeMlt 'äSer ^afs lAI&^üen niblitt ktiff-
g^^dD/'Bbndern'der'fliiHi^yfriiä^ in^ e!ii«n<''{ingtelcllen''«ttdt
^lieD' e'ValiliU/^ifcn^n ''nnV^dlichen 'yäMtalldt'i^»slb'gen'''«HMt»
'»abr'^dilföh' i: mj%:''1ääy. äiie' Bdl»ie*läte^bdti(>n, 'W^lie
'die tiispViäUtien'Vöt älbh'']ä{eVpt6£fVen^'l^nlibn/e¥«ol^;nst
zue besorgen, daf» die Eyangelischen in Hath^'^fliobtt/'^^Air
^"i^mkn "föli'dehi '^ih^bh'lihBlärn'tiii'dt ^a«lnllübh'''db/ SSichstag
544 Politik des Heriogs Jobann Cftsimir von Coburg.
einen solchen aufsgang gewinne, wie A. 1608 geschehen;
darauff anders nichts dan hochschädliche irennung nndt
innerliche Zerrüttung im heil. Köm. Keich undt unserm ge*
liehten yatterlandt suehefahren. — Im nechstgehaltenen
Reichstag hahen sich die Churfürstl. Bäthe yonn den Eyangel.
beydes in priyatis undt pnblicis conyentibus hierinnen
nicht abgesondert y sonderlich aber im Fürstenrath crafPt
habenden beyelchs bertLrte Gonditiones öffentlich fttrbracht,
über welchem yoto die Eyangelischen Ständte sehr erfreuett,
dahero wier in hoffnung stehenn, es solle weniger nichtt bey
dieser Reichsyersamblung ohne alteration gleichmessige nmb-
trettnng geschehenn*
Do auch unsere Gesandte neben den Chur: undt Fürst-
liehen Käthen dem gemeinen wesen cum besten bey einem
oder andern standt erinnern können, sollen sie solches mitt
gutter bescheidenheitt undt glimpff nicht unterlassen.
Die grayamioa an ihnen selbst betreffendt, mögte kein
unbequemer weg sein, dafs dieselbe ordentlich zusammen-
getragen, der Köm. Kais. May. ezhibirt undt umb abstellung
gebeten würde
Nachdeme aber der theuere Religion: undt Prophanfried
nechst Göttlicher yerleihung das bandt gewesen undt sein
mufs, dadurch die Ständt im heil. Reich beyeinander in ruhe
ondt einigkeitt erhalten worden, welches etliche feindtielige
undt friedthäDsige leutt zu labefaotim undt wiederumb uif-
zulösen sich unterstanden, so ist uff jüngsten Reichstag yon
den gesambtten Syangelisohen Ständten heileamlich undt
wohl bedacht, dalii yor allen dingen umb ConfirmatioQ undt
emeuerung des Religionfriedens, sowohll ernstliche inhibition
der schandt: undt schmähschriffteu anzuehaltenn , dann die
Gatholischen BtLcher, so mitt Kaysserlicher freyheitt getruckt,
seindt offendtlich am Tag, dorinnen der Religionfriedt eine
blofse tolerantz genennet, auch dahero in zweiyel gezogen
wirdt, weill der Babst seinen Oonsens undt einwilUgung nicht
gegeben hette.
So wirdt ein fast neuerliche eztensio in deme gemachtt,
Politik des Üersogs Jobaon Cftsimir von Cobarg. 545
alfs ob OlöBter undt Stiffte, so in alieno territorio gelegen,
dessen dergestalt vehig, das ein Landesförst dieselbe zue re-
fonniren nicbtt maohtt bette, sondern allen Persobnen, wer
die aucb weren, prozefs zuerkennen.
Was nun dieser interpretation anbengig undt welobe
grofse confusiones updt weittening wegenn restitution der
reformirten Stifft undt Clöster daraus contequenter yolgen
müssen, ist leicbtlicb abzuenebmen undt bedarf keiner sonder*
babren erzehlung.
Befsgleicben selten etlicbe von dem Beligionfriedt aus-
gescblossen werden, würde es obne eusserste Verfolgung et
bellorum intestinorum motibus nicbt abgeben, sintemabl paz
religionis est paz publica et politica; welcbe nun davon
auTsgesoblossen , die sind ezcommuniciert undt anatbemasiret,
alTsdan die würoklicbe ezecution zu vollstrecken, dobin der
Jesuiter Consilia, Praktiken undt abnscbläge gericbtet.
Darumb unsere Gesandte diese versioberung undt Oonfirmation,
doeb obne praeiudicirlichen anbang oder Olausul, mit vleifs
urgiren undt befördern helffenn soUenn
Wan dieser grundt gelegt, sind unter den Punoten, so
in das Justizwerk lauffen die HauptarticuU , dafs vor eins
die Kaiser!, procefs, so wieder die Eeiohsoonstitutiones ein-
zuestellen undt der Hoffratb mitt beyder Beligion verwandten
zue besezen, dan sonsten ist sonderlich in Eeligions undt
derselbigen anbengigen saohen des Olagens kein ende undt
der Diffidentz nimmermehr abzue wenden.
Dan undt vors andere, dafs die Stadt Donawerth wieder-
umb in Ihren alten standt zue sezen, sintemabl weill diese
ezecution aUs wieder die Reichsverfafsung fürgenommen ....
Würde nun in diesen Puncten gnedigste verwilligung
wiederfahrenn undt also innerlicher friede undt veranlässige
■icherbeitt ofgerichtett, zweifeln wier an der Svangel. Ständte
mitleidenlichenn , treuherzigenn bezaigung wieder den Erb*
feind Christi. Nabmens gar nicht . . •
Dameben dieses zu erinnern, wan uff eine ordinari hülff
geschlossen, dafs wier inmittelst mitt pariicular undt extra-
546 Poetik d«s Hertogfs Johann Ofttimir rtn Coburg.
ordinari Craifsh&lffbo , d«rer man "wiMl g«übn^t ' Bein 43tti,
im Ml bej allen Craifften undt Btändtta eine gl^Mikeit ^
haltenoi rerschooet bleiben mögen ; dan beyde hitffen uAtehi
landen unerträglich
Wier wollen unfs zwar von demienigen, so in gesambt
geschlossen, nicht absondöm, können unfs aber su dtfoittg-
licheu Dingen auch nicht yerpfliohtenn ....
VIII.
Hersog Joh. Casimir an seine Gesandten (Stei-
nau u. Schwarzlofs). (Instruktionsschreiben.) Tenne-
berg, 10. August 1613. Konzept B. II, 1, No. 114.
Liebe getreue
. . . Die andern gemeiden obliegen betesg^nd, ^weiisn
wir wäB uff eaeire künftige paiticalar Relation 'daMiff"wo
Vonnöttön Ifomer insoflderheitt resolyiren, undtBOTiel^mtlglMi
es dohin richten, damitt glelehfBkmige rota in unserem 'tens
gefiillen. Versehen uns Hber die OhurfÜntl. 9SehB.*g^e8andte
werden sottderlich in ptincto des ReHgidnsfdedens sieh ^^eroMUs
moderiren, das kfelüe trennung oder absonderong ^^pn '^dta
EVatij^lisbhen Stflhden zu ^ül^n, ütt^eithen^gedanoken t«j
dilem tindt dem ariden theil, als ob man 'die Sviuigdliseien
' rtdniren hcMP^n 'oder 'do6h''die OaHioliMhen 'dnth 'dero evfte-
rung mutiger machen 'WOHe, fHtztikinumen <nndt<^abiiK^ii4ta,
do ' dboh bb^e ' ektrema sdir gcKftiylibh , ' sotid^m * ^e wage
^^leichtem Mu 'haftton oder -^rttos ^'tlieditttoris 'nff ttioh t^zu
nehikien undt b^yde Hheil 'zu 'guttem <nAMiti((en 'YMnüton
' iHiddefi^mb zu ''btlfi^ton, ' 'bby* 'i^toigen ' kuMndt tles'iheil/ Baiehs
'H^h "tioft#älldig, 'l^lohes Ihr ' b<»y ' dton < OhtfiMMMn ^tie-
'Mh«Melitli^h''AidiHnn«»n, 'btovdMb ireil *M»hstrMltett«iPMMM-
^g «e (»Aitfllrsil. "SaMiB. mHt*><ftn t>EyangeltoÜWn^<flHb4to
umbgetretten undt den ps^ioülar vornffTM^ttyks iM^rgiAii^^
'^d^ofhfttbendfe'ftltthttlo'^cotttifllMtm «mb'^BO ^l^^dMte naeh-
'Ütetkltbh' seyn tftOKte.
FoHtfk dM BOTWff» MMum GMDrfr rtm CUNVg. 5i|7
Dm aber <Ke Aldeobinrg. Bätiie der He£E^toeew hüben
Bo instrairt» kaum» wir die nfavMuoh, damitt »aiatMi te ep>
langte Kaie. Beeret n puaelo priiaeymitara» hiefianii nmkit
selbst TBipagBirt, M«liilHdi emefMo . . • .
IX.
Hezsog JoluOaaiiair an seine Oe^andten. (Inatrak-
tionssohTaiben.) TeiiAeberg^ 81. Aogaet 1613. Koniept
B. II, 7, Na 114.
• • . . Soneten d^e firgangene i^Mompaata undt toaieraag
betreflSBnd, indeme die oerfeepoDdierende Rtrangiei Ohiv:
Fürsten undt Städte den Hbergebenen graTaaiiaAae ?iv aUea
dingen absuhriffen gebette» nndt eka aackt aar berhat-
fokäignag der Hais, propoeiti^nspanoten eohreitle» wdlea, ktt
gutta behutsamkeUt yonndtilen. Bann tott mmm tiob eoi parte
AftehsenB den eorreepondiereaden dteokaut oftenbarlidi aoooaia^
tiren, werden es I. K. M. beeh eaipflnden nndt im den CM*
cbisohen saohen vergelten laXsen; kingagen d» die Ihitrte
eine gentsliohe abaonderoag tpttrea, haben wnr «bermafals nn-
gleiohe naefare^ nndt grofee nngelagenbeit su befttoen. Deva-
wegen wir fOn beste aasebe», daa eia nultilwag an
ütodt soUet demnach eneh bey den tFniiien ea
wie des Gharfünten au Sooheen' Ld. laut beg^iegande» Extmels
genn Marfegiaf Jeachiai Bnsten Ld» aagebraohtlie warbnng
eidk dohin erfclftrt, weil domals nidit aagadeatet, was Hk
gravamina sttsanmieff getaagen , wotanf dieselbe bastoha» und
wieder wehn sobhe angeateUet» so betten S. Ld. Ibae SSM»
nur in geaere, nicht aber in apeeie^ lastrairea kikraen, wahdie
comnmnieation uasers' wifteaa yer aiigeata)tea> Baiohstag niaift
errolget, riel weniger uns eröffnaty waa 8r. de» Cborltirataa
Ld. insonderheitt off einen oder den andern pnnct gaasfttt
inidt meininig. Dahero yirifr unsem Iheils axuA ia ipeoie aaeht
ioBtroiren kennen , sintemal uns nicht gebtret, dem^ oapiti
ttttdt dSrectori ÜMniliae yorzngreifltMs, eondbvn beftirtc«
eation nofthwendig* erw«rtten mttetan.
XVIL 56
548 Politik des Htri ogs Johano Casimir von Cobnrg.
Inmittelst aber sollet ihr Chur Pfalz als directom der
ünirten abgesandten ad partem yergewifsem, das wir uns
alls dasjenige, so su erhaltnng des Eeligion: undt Prophan-
friedensy höchsten yleis angelegen sein Isüsen undt neben des
Ghurf&rsten zu Sachsen Ld. interveniendo als Mediatom, so-
viel immer müglich, dabey thun weiten, des yerhoffens, diese
unsere erklämng werde ohne offension undt unglimpff ab-
gehen, auch inzwischen der paroxysmus farüber seyn, das es
keiner fernem Resolution oder Instruktion bedürftig.
So ist den Unierten aus ICarggraf Georg Friedrichs Ld.
relatiön ohne das unyerborgen, warumb wir diüsfals fürsichtig
zu gehen, dabey da S. Ld. damals freundtlich uns yor ent-
schuldiget gehalten.
Würden aber die Ghurfürstl. Sachs, sich difsfsls aller-
dings absondern undt mitt der Catholisohen Ständen yotis
simplioiter gleichstimmig seyn, auch dergleichen euch an-
muten, sollt ihr euch glimpflich undt bescheidenlich uff defeo-
tum instructionis referiren, mit dem erbitten, ans den fernem
yerlauff förderlich zu berichten.
Daneben yeraehmen wir geme, das zuvorderst von dem
justitienwesen zu deliberiren, indeme ihr euch, so viel des
Kaiserl. Cammergerichts reformation betrifft, den majoribus zu
accomodiren. Do aber aus allerhandt neuen furbrachten
avisen des Türkischen Einbmchs, wie man da vermutlich die
Gurrier lauffen lafsen wird, die grofse gefahr ezaggerirt undt
also ex novis mergentibus punctus contributionis vorgesetzt
werden weite, habt Ihr euch in dem protocoU nechstgehaltenen
Eeichstags zu ersehen, warumb vor einwilligung einiger Con-
tribution dem nottleidenden justitienwerk zu helffen undt
bey damals gemachten Schluls zu beharren; dann im gegen-
fall, wan die Beichssteuer gewilliget, alle sach in ein stocken
gerhaten undt verschoben werden, wie die erfahmng bifshero
gnugsam bezeuget. Derohalben Ihr euer votum dohin lu
richten, das vor erledigung gemelten articuls sowol des
Gülchischen Succeesionsstreitts Ihr euch in puncto contribu-
tionis einsulafsen keinen bevehl. Wir würden uns aber, da
Politik des Hersogs JohtDO Casimir von Coburg. 549
beyden puncten abgeholffen, aller mugliohkeitt gehorsambBt
erwdiBOD.
Die proceBB am Kaiserl. Hoff sind den Eyangel. sehr be-
schwehrliohy wir hielteD aber dafür, das diesen dingen am.
bequembsten durob eine Reformation zu belffen, also das der
kaiserl. Hoif-Rhatt in gleicber anzabl mitt Bömiscber Oatho»
liscb undt Augsburgisch ConfessionTerwandten zu besetzen.
Wofeme aber die rota dahin giengen, das es bey dem alten
wesen zu lafsen, sollet Ihr ausdrucklich darin nicht willigen,
sondern euch dermafsen erklären, das weder I. K. If. per
aptum dissensum, noch andere Stände per expressum consen*
Bum dadurch offendirt
X.
Belation des Gesandten Sohwarzlofs an Herzog
Job. Casimir. KcgeoBburg, 28. August 1618. B. 11,
7, No. 114.
Ist demnach mihr nicht wohll bey diesen
Sachen, so periculi plenissimae sein, undt wehre nichts lieber
dann das £. £. F. F. 0. 0. mich sub qualiquali praetextu
Wiederumben abfordern Dann dieses hat mich der
TOD Lüttichau in höchstem rertrawen berichtet, wie Sie, die
Ghurfürstl. Sachs, abgesande, Tonn ihrem gnädigsten Chur*
fttrsten undt herrn noch fernem besondern beyehlich be-
kommen auch in eyentum, wanngleich die Gorrespondirende
Stände sich vor erörterung der gravaminum zu Ihren Ses-
sionen in den dreyen Ständen Bäthen nicht bequemen, son-
dern davon ziehen thetten, das Sie nichts desto weniger alhie
yerbleiben undt uff die proponierte kaiserl. punota neben
den anderen ahnwesenden Gatholischen consultiren undt
Bchliessen helffen sollen, welches mihr sehr befrembtiioh fttr-
kommen, sintemahl man sich dardurch den Majoribus bey-
pfiichtet. Undt geschieht solches, so werden sonderlich die
Pontificy fn ihrem proposito dardurch armiret, undt ist nichts
gewissers zu befahren, dann das, ob Sie wohll selbsten yor-
36*
5^ PoHti^ 4«^ H^rsifCi JohßBU (kri^ wn Cotem.
^eDden, das ^ie Wi^pr» in pun^ ItoUgionla mAt 9M^
haben, dannaoh io andero, etiam a puncto Beligionifi dif»
dentibuB, sodaiin ip p^^oto^ J(|iti^90 un4( daggliyüliwi der
soblofs per majofa alfo eifoJigei\ vir^fi^» ^^ <^l® wdt jf^
Stiefft undt Glö^fr* so M^t APIM^ l^^^ herq. ei^^ßßgirm nnÜ
refprntuerety (: i^o^^o. di^ yier 01ö(|iei; :) mit $\\^ T<9n 9oMlor
Zeit hero erhoben^^ n^^tf^^iigfip, nndt so 4^Toqk hetl#n er-
hoben werden können, (:wie dani^ dei^ von X'üttiahaiL moh
bericbtety 4i^ die Cat^olioi 4iW^ emt^lipb «u ^iringfo T4^
haben^;) oh^e yer^ug^. re8^t^ir^ w^^eu follea
Wohnet nahn Sf^oha^o iv^ 8plphei|i a^eQ den Q«^iMMlIit4tio«iiMi
bejy undt also alsdan die majora, so die opijUiom aUumsf
nach sich sieben sollen undt wollen, Stadt haben, w^det
man ex parte Sachsen bey den anderen Evangel. Oorreepon-
dierenden Stenden eine grofse Inyidiam ufT sich laden
So ^U ich es SU B. £. F. F. 0. 0. fnedigen naofadencken,
ob nicht dieselben endtweder durch Schreiben oder eine
eihlende ahnsehenliche Legation höchstgedachte Chorfüistt.
Gnad. su Sa^oli^ n^it eri^^mog ahvg^regter undt aller an-
derer be^chwerlicthen Ooosejq,ueniiea dajbia su ip^raögenp di^
dieselben ih^eit befehl retn^^tiere^
XI.
Herzog Job. Casimir an seinen Gesandten
Schwarzlofs. (Instruktionsschreiben.) Tenneberg, I.Sep-
tember 1618. Konsept B. II, 7, No. 114.
. • . Bekü|i^mp.rt un^ nict^ wenige dai^ di^ Chjurf, ßMm.
dohin instruirt spja sqUca, w^Qg^ioh d^r Correw>«4^ejr(E>nd^
Ohu^: Fiqrsten undt Städte ab4;^ft#pdte ui^f(t peitt|K)h|4t^. t<hp
erörtterung der übenr^ohten, g^vaminum de^^Bathagangp sjish
euff^rn nuidl dayon zie)iei^ theten, nÄofct^ d/epf^wenjige^ m
yerharren up^i P.^I^Q, «MCi^^^ aiiwe^fmde^ Qathplisdmii, uff
diCf Kji^erl, pro|i|ositioi\spunct0p. zu, con^altireii uiidi im
soh^efsep; dann spj^ol^es i4c)M: «flqn W7e4ar dfff h/^k^^m^
sondern au^oh die luerf^fts y;olg^de ußn^n^ß^t^ gfx, ^ \ifif
P^IHik dto H%no^ Jöhünn Caihniir von Coburg. ^X
MhweMich. Dahet ^mt kieSn ander befeer uhdt biequetiier
ttkittd bey udb finden ülidt eHbtoften können Äann Ifried-
littb«iid CH^fiir: nndt Fürsten bevorab abe^ Chur SEtohsen td.
Unterhandlung, dohin aueb Landgtaf Ludwig Id., iBrzh^zog
Kttädmüian , Pftdagraf Pyi. Ludwig Vetnuntiftig erinnert,
wetehei Wir als unsem cotisiliis geitaeh gantz gierne yer-
noihimeb.
WiiBWohl dumu eaet einig TOtum, oontradictio oder nen-
tM enseigöng vrieder die majota wenig angeerehen, bo will
uns i!^oh bedeVicklich fUrf^en, euch noch zur zeitt absu-
föirdern, dton ^eb bey Eötn. Kais. May. utodt andern Stendeh
giBt utagleioh Yietstaudten undt dobin gedeutet werden mögte,
i^k ob wir den lersten iifibhioh mabhen undt zut naohyolge
t^rtaeh gtoben wolten . . . darumb Ibr euch zu gedulden,
berotab weil sich der Reichstag ohne dab in kürtze enden
ittdgte ....
XU.
Kurfürst Joh. Georg aii Herzog Job. Gasilnih
AUgustusburg, 5. September 1618. Original. B. II, 7,
No. 114.
Fügen £. Ld. hinWiderutnb zu wissen, dafe uh-
selre gegen Regensburg deputirte BKthe uns gbugsamb be-
ri^ht gethaby was baldt n^eh ervolgter publicatibn delr Keyserl.
Piro]positio^ undt ersten Ratbgang Vor geflohrliche se^ara-
tit^nes in alten dreyen Chur: Fülrsten undt Städte Bath et-
Yolget undt nachttials albBS ein : undt Zuredens utigeachtet coh-
tinuiret werden.
Wie wir nun solches, ininaft B. Ld. leichtlich zu er-
töten, ungerne erfahren, also lieind wir in denen ufaiweik-
Itohen jgedahcken gestatfden, eb Würden di^ Üortrespohdierenden
Ohnfr: Fürsten undt Städte datbey nicht yerha'liren, inn er-
Iri&gung, disfs dittter ibodus ptooedendi bey ReichlBtägen uh'dt
sMd^riioh in gegehWaKt I. E. May. g^nz ungewöhnlich ü'nfft
unerhört, I. K. May. den punctum Justitiäey nach defsen
eHedigung menniglich gieisedlPzet, in dero Klsyserl. Prolpobition
552 Politik dM Htrsogs Jobaon Caftimir von Coburg.
nicht allein den ersten sein lafsen, sondern auch sich gegen
den Gorrespondierenden dohin gnedigst erklert, data noch bey
wehrenden Reichstag den übergebenen «grayaminibus billichen
diogen nach abgeholffen werden solter
Weil aber defsen allen ungeachtett, wie embsig auch
darumb gesucht undt gebeten worden, die Gorrespondirenden
sich zu den gewöhnlichen Batgängen nicht vermögen latsen
wollen, undt höchstgedachte I. K. May. sowohl andere treu-
herzige Stände bey uns umb erklerung angehalten, ob nioht^
do ie die Correspondierenden auf gefaster meinung bleiben
würden, mit deliberation der Keyserl. Proposition in den
gewöhnlichen Reichs Räthen zu verfahren, so haben wir uns
kegen K. May. dergestalt auch underthenigst erkleret, unsem
nach Regensburg deputirten Räthen auch solcher unserer
meinung underthenigst nachzukommen, anbevolen. Und wollen
nicht hoffen, was vermög unserer I. K. May. undt dem Reich
geleister pflicht den Reichs Constitutionibus gemäfs also
von uns vorgenommen wirdt, dofs es iemandt mit fug dahin
deuten wirdet können, die Rom. Gatholischen, wie £. Ld.
schreiben andeutet, inn Irem intent, nemlich die Evan-
gelischen zu underdrücken, die reine unverfelschte Lehr aus-
zutilgen, hingegen des Babsts greuel in Deutschlandt wider-
umb eiozuHihren, zu sterckeo. Denn Gott lob uodt danck
wir eines andern unterrichtet, auch des Ghur: undt fürstl.
Haufaes Sachfeen standthafftigkeit undt liebe gegen der waren,
unverfelschten Religion gnugsamb bekandt, darbey wir mit
Gottes hülff zu leben undt zu sterben gedencken.
Was sonsten E. Ld. wegen der K. May. gefährlichen
vorhaben gegen die Oorrespondierenden andeuten, davon ist
uns gar undt gar nichts bewust, können auch nicht gleuben,
dafs solches die sanfftmuth undt gelindigkeit , damit vor an-
dern das Häuf 8 Osterreich gezieret, I. K. May. zulafsen,
halten es mehr für Discurs, wie es bey solchen schwierigenn
Zeitten pflegt herzugehen, als vor eine gegründete Wahrheit.
. . . Und weil durch diese separationes die publica in
ein stecken gerathen, so haben £. Ld. leichtlich zu erme£sen.
Politik des Herzogs Jobton Casimir von Coburg. 55^
data die privata ale die Ottlichisohe tache Iren richtigen fort*
gang auch nioht haben kan.
£. Ld.
getreuer yetter, bnider, nndt geyatter
Johans George Churfttrst
XIII.
Herzog Johann Casimir an seinen Gesandten
Schwarzlofs, (Instruktionsschreiben.) Tenneberg, 9. Sep-
tember 1613. EoDzept. B. II, 7, No. 114.
. . . Wollen wir zwar hoffen, es werden friedliebende
Stände treuherziger, gutter wolmeinung das schädliche mifis^
trauen undt dahero besorgliche öffentliche trennung absu-
wenden undt fürzukommen, sich mit allem treuen eiyerigen
yleis interponiren undt, wie weitt es der überraichten graya-
minum halber yermittelst güttlicher handlung zu bringen,
yersuchen, inmassen wir an unserm örtt einen weg als den
andern mitt erinnern undt unterbawen unnachläfslich ansu-
halten bedacht undt beschlofsen.
Seite aber die Rom. K. May. wieder geschöpffte zuyer-
sicht zu angeregter interposition ungeueigt seyn^ oder die-
selbe ohne frucht abgehen, auch darauff der Ghurf&rst zu
Sachsen neben andern Catholischen Ständen zur consnltation
der Keys, proposition einyerleibten puncten schreitten, ist difs
unser beyehl undt meinung, das Ihr ungeachtet der Corre-
spondirenden abzugs nicht allein in loco yerharret, sondern
auch uff beschehens ansagen euere session einnehmet undt
die puncten, dayon zu deliberiren, mitt yleis anhörett; do
nun die Ordnung in yotando an euch kömpt, habt ihr euch
nachyolgenden inhalts zu erklären, wie uns die fürgangene
secession schmerzlich wehe thete undt tieff zu gemütt
gienge; betten yon hertzen wüntschen mögen, das die Stände
einmütig zusammen gesetzt, dadurch dan gemeinen nott-
leidenden wesen am besten undt sichersten zu helffen ge-
wesen, wollen uns aber nochmals all dasjenige, so zu wieder-
104 ^^mk 6m B^no^ JobMm CMbnir tm Cdbu«.
apIMohtoDf fiUitoii fertmoMB immwt dteiüieh» «Aoh aolflAr-
stein rermögen angelegen sein laten; undt weil wir na»
yeraehen, es würden contra paoem Beligionis et libertatem
iM»i»m kiiBe eonelnsiooes gemaeht werden, so weret Ihr
nff soloheo hü beyeUioht bej gegenwertiger Beichsyersam-
lung femer uff sn warten, daraus gegen L K. May. unser
gehorsambst undt wolaffeetionirtes gemütt su spuren. — Im
fall Ihr nun zu yermerken, das in yotando dergleichen für-
gehen, so wieder gemelten Religionfiriedt undt Areylieit lanffen,
sollet ihr euch glimpflich undt niitt beecheidenheit ent-
schuldigen, das Ihr oraflt habenden beyehls solchen oondu-
sioDMi welche das anaehen gewinoan mtfgtao, als ob pax
MÜgionia, das theaere Band des heiL £öm, Beiohs, oder über-
taa statuum dadurch lab«faotirt, beTCupAiohten bedeakeaii
UBdt eoAh darauf abaentiren.
Wir wollen andi, das Ihr diese unsere iatonlion den
oormpondierenden gesandten ad pariem in yerlraaen ent-
daoket initt der yenrichemng, wie wir gar nicht gemeint
den ünierten undt Oorrespandierenden hiermiti etaiger weis
schädlich zu seyn sondern yiehnehr yiam paois lu ooati-
Wofeme dann yon 4em poneto Contribotienis zu han-
deln, BiBdt wir nunmehr nicht nngeneigt, wan die nott yor-
handen undt in dem Gtlchisiäie& suocessionwerk hinwieder-
mmb beförderung zu gewartten, I. K. May. das uasere nandi
yermögea zm laieten, ziunalil weil sn yemehmen, das des
Cnunfitoten zu Sachsen Ld. die seonige allbereit ebaermaCi
dahin inatruiri
XIV.
Kammersekretär Christ y. Waldenfels an Dr.
Fohmann, Geheimen Bat und Direktor zu Co-
burg. (Gutachten,) Liecbtenberg, 30. September Anno
1613. Orig. B. II, 7, No, 114,
.... Halte zufirderst dayor, das Herr D. Sehwartzlofii
yeeht gethan, sich ein Zeitlang u&uehaltten undt defeotum
Politik dtt Hwsofi JobuBB ÜMÜDir von Coburg. 566
Hftndati «i «Uefireiy fauim stoh «nak >c«h «b weii% mit
•olohem behelffea uadi Tonrettdaiiy 4«b omot giradigtr Fftnt
midi H«rr aoiBtso im Ltodt sa DiMnugea osdt aist aablioh
vflii Yon fioflkger. üodt beduokt mich hsabtaielitioh^ er
b«tto droyeriey «ooaidferatiiNies in Mhi la nehmen:
1) Seiner Instraotion, so ihm neolioh zageichiekt, nach-
zugehen.
9) Dem übersehickten Voto Pfalz Lanterns in puncto Con-
iributionis» deme auch Försters gutachten fast gleich-
förmig, sich zu conformiren.
8) Sich zwar bey den allgemeinen deliberationibus finden
laTsen undt seine vota soweit mitt den alttenburgischen
undt weymarischen conformieren, soferne sie dem Reli-
gion: undt Prophanfrieden gemefs; wofern aber etwas
sollte Yorlauffen so darwieder ging, soll er nicht allein
solches nicht approbiren, sondern unseres gnädigen
herm dissensum aufsirüoklich vernehmen lassen undt
solches iedesmahls deo herren Oorrespondierenden zu
erkennen geben, dann S. F. G. mehr an freundsohaft
undt correspondentz mit sovielen löblichen, dapfem
UDdt hochYorständigeo Fürsten der Union, die znmahlen
mit aufslendischeu , mechtigen Potentaten, deren hlLlff
nicht uff Bapier undt etwan einer güldenen geweiheten
Kosen undt Agnus Dei, sondern an mächtigen naoh-
truck bestehet, gelegen alfs etwan einer handyoll be-
schorner, ohnmechtiger Pfaffen hreundschafft undt favor.
So will ich nicht hoffen des Churfürsten zu Sachsen
Ld. werde solche consiüa fortstellen, so wieder Gottes
ehr undt den Religion: undt Prophanftrieden lauffen
soltten ....
Uie feilt die frag vor, was denn unserm gnädigen Fürsten
imdt Herren zu ihun, wann die sach wollt ad eztrema aufs-
laoffen undt solche Mcgora undt Schlufs gemacht werden, so
directo wieder den Religious&ieden undt Evangel. wesen
lielen, sonderlichen mit stabilirung der Hoff Procefs undt
556 Politik des Htrsogi Johann Casimir von Coburg.
was doDselben anhengig, ob Sohwartzlo(fl es approbiren oder
neben den correepondirenden davon ziehen soll.
Hie bin ich der mainang, das S. F. G. aufs naohyolgen-
den Ursachen mehr uff der Oorrespondirenden thun sehen
undt sich denselben conformiren soll, auch uff den eufserston
fall gar zu der Union treuen alfs sich dem katholischen
Hauffen bequemen:
1) So ist gleichwohl unser gnediger fürst undt herr
hertzog Johann Casimir zu Sachsen der Eitteste Evangel.
Fürst im Römischen Reich, in gutem Praedicat undt ansehen
bey menoiglich inner undt aufser Beichfs, derowegen ein
jeglicher getrewer Rath L F. On. änderst nicht rathen kan
oder soll, alfs das sie die übrige zeit ihres lebens sollen ihr
Christlich gewifsen salviren unnd demieoigen nicht bey-
pflichten, so wieder Gottes Ehr unnd die Teutsche wohlher-
gebrachte libertet laufft, auch drüber lieber extrema aus-
stehen.
2) Haltt ich auch davor, das I. F. G. nichts würden
damit gewinnen noch sich in Sicherheit stellen, sondern viel-
mehr ihr land und leuth in eufserste gefahr setzen; dann
soltten die Catholischen die oberhand behaltten, so werden
I. F. G. gewifslich nicht allein übrig bleiben undt ihre
Religion undt Geistliche Güter vor ihnen schützen können.
Sollten aber die Evangelischen die oberhand behaltten,
würden I. F. G. an alleo orten schel angesehen werden undt
also keinen freund uff der weit mehr haben, zu dem sich
etwas guts zu versehen.
8) Ob es wohl das ansehen hatt, alfs ob der Churfärst
zu Sachsen, mein gnedigster herr, so mechtig, das I. F. Gn.
genügsamen schütz undt assistenz bey deroselben haben
könte, so pflogt es doch in solche fällen zu gehen, das ein
ieder uff sich undt seine land siebet undt mit ihme Selbsten
genug zu thuD hatt, hingegen sitzen I. F. G. unter dem
anstofs von allen seitten her. Wenn aber L F. Gn. sich
bey der Evangelischen Union haltten, haben sie uff der
linken seitten deroselbigeo Jungen Vettern Land zum schuta,
Politik dM Herzogs Johann Casimir von Coburg. 557
nach Eisenooh au das gantze meohttge Land au HeMen
undt eineo sehr hochrentendigen Begeoieo andt gaten, yer-
traoten freundt an dem Herrn Landgraffen; uff der andern
•eitten haben sie der Herrn Marggrafen Land bifs an
Böhmen; in der mitte mechtige Fränkische Kelchs Statt,
daran alsobalden den Herrn Marggrafen zu Anspach, die
Ohor Pfalz, Würtemberg, Baden bifs an die Schweiz undt
Frankreich; jenseit des Reinstrom yon Strafsburg an biCs
wieder an Pfalz unnd Hessen unnd gar in die GtUichsche
lande, auch forter au den herrn Staaden unnd in Engel-
landt.
Soviel aber unsere Nachtbarschafft anlangt, den Bischof
zu Bambergk unnd würzburgk, hatt dafselbige gar nichts
zu bedeutten; der Fränkische adel hilftt ihnen nicht, sondern
wird sich baldt den Evangelischen conjungiren
Darumbe H. Dr. Schwartzlofs in möglichster eil zu avi-
siren, das er sich wol vorsehen unnd nichts praeiudicirlichea
eingehen wolle, welches sonderlich der Union möchte zu
entgegen sein . . .
Es bleibt einmahl beständig wahr, das allein die Union
Sachüsen könne zu den Qülchischen landen bringen unnd
sonst nieraandt, dannen hero auch leichtlich zu schliefsen,
dafs man wieder dieselbe nichts handien soll, sondern sich,
soviel möglich, accomodieren
XV.
Yerzeichnifs etlicher Puucte, so gegen bevor-
stehenden gemeinen, der correspon direnden
Chur: undt Fürsten undt Städte Tag dem-
selben zu Kegensburg gewesenen Käthe zum
ferneren Nachdenken mit sich genommen.
(Memorial.) Anno 1613. B. II, 7, No. 109. Kopie.
1) Demnach der von der Keys. May. zu underschied-
lichen mahlen vertröstete Compositionstag in puncto grava-
minum seiueu fortgaug erreichen möchtte oder aber auch
5S6 BolMHi dM H«Bnogs Johtnn OMitofr TOh Oobnfif.
fwiilfeibeii uDdt nit ft»ttgeiigig «eife, «o ist aaf «Üb fiOle dit
hövhtte nottauft, sUToni m«««i oMDiüttfiiolitiM : tiadt pM^-
imimtionsteg tu halCMi, aa4t sdt» deMribe gegeti ttnflMtg dM
Marter «u^or ton Q\mg PMtz aM« D&i«etoM aaitonclDrti^tt),
dm aaltichtbiben geoavalitar dahin au tioltten aeia, diKtttH
laan iSab eMlich dar beaahiekaag dea OomtMMiikMfM^, ob
»alaha mgobiata oder dur^ ainea atiMÖhalb uit^ wat ih
dafti8ctt>ea aaia sdl, wie «aok tarnet det lUfttnotäioiiaü titadt
um fibr media bey ainaai iedan ^tataiae sa findea midt
wie Weit man darinaaa in gfiHielMt HAndhiag gahaa, naeh-
geben oder sieh einlaften könne, Tergliohen, Terabachi^dM,
tadi also »oldiieT tag üi Spejratr der gebaer benttohtt, oder
aber, waa bei küailligetii Bei^^atag darhalbeo fhfuet Torso*
aainneD, yergUobea wardan aK^ga.
2) Weil aber tiobl paaotan ioosten teitendea, dataa
de« ByaDgal: weaen nit Wenig gakgea, ida WeM ka be-
aagteta oomaHiQioatiatittag daitber aoob zu instmiraa, w«l
ealche amb befsrea geheiaibbalteBe willen ia das auft^
schreiben nit wohl zubringen sein möohtenn: als anfllhglloh,
diawail man alkie sae Regenabarg genagaamb erfkhtaa, wo-
mit! die Papisten umbgehea andt das Ihr tobpoB andt b^-
TerAiAiaog ihrer Liga diasa • rasolütion elnmldLl bey ihaaa
ganamaan» underm sehaia der Keys» Hoehhait, det Justias
undt Keohtens die Ton den Evaagelisahen Ohar: FütslOa
nndt Städten inhabende Bistumb, Stieffter undt Cldstar mit
gewalt wiedenimb sue recnperiren ondt allso das leidige
Babstomb allendhalben wider aufaurichten undt zu erweittern^
das demnaoh die Correspondirende Ständt ins gemein allen
ihren Predigern einbinden undt bevehlen sollen, neben
stetiger erinnerung zu wahrer buefs undt bekehrung, den
greuel des Babstumbs undt Spanischen Jochs ihren Zuhörern
fleitsig einzubilden undt, da der Religion halben die Bran-
gelischen angegriffen werden selten, es were wo es weite,
das Sie zu hülff gegen die Obrigkeitten sieh delto williger
emsalgen m^en, sonderlich aber das in den StSdtan
durah solah mittell die concardia zwis^ea den ObrigkaitM
Fflitil^ de4 HersofSt Johann CMMnir von Coburg. 991^
jmÜ 4«r B&i^g!^]»Q)i«fffc clestp) mßbm eestifflet luudt #i:hri^
8) Df^ 19 «ll«a, 4er Govr^^^KiAdifOiMle« Lan^iA undt g«^
bifl#n l^e^ werbiiiigea soi» Ro£| o^ suti fM» bejF «o< giQr
%tl|Uw ■^ffVk^n, Tiel, wenige« eisige Par^htSg ttii4i ei^
in, aUev tturen, i^«ftMerii, wie ai»eki 4erQ l4eheDle»too. oitaMi
TorwiTsen in Päbstifi^)^ Vüei^ iMkdt bMtuttMg lieh «iA eiA*
v^^Vfif #imUi4h xa,^rbieUtn ud4I <Im die nAcbrUNtoeo,
Vfih aoff aUi^ iM>U£aU go^t s« lMUe9, «iiMflnaluiaD saiii
8(4t^.,, im 4A<i^ a««^ >ijlenrtthafeea d«r P^ halben gi«lfte
¥q]QiehiH»9 w, ib^Q.
4) j^lleo %Heb aolten ^e Qo^reaptondiseode^ allendhaHie»
fli|iMg<^ l^ndiieMPteD bf^t#o, u^dt anM^Hee» and4 waa ei»
o4<|r di^c «A^K in erftdMdlV Mn«^, die andere. Tenfa«na%
damit hierneohit bey dem Dijve<^riia mm alUaeit; nushiiieh»
iv^e^ undt eine g^wif^j^t habeih li^ane.
^} Thkät dempMl allein, dev PKpeUeehen Sünde towofal
bey Tioijpgien» sil^ ieiigem^ Kei^batag eiidBommen» graimnifla».
i^ie €^eh q^deipmeh^edliehA dcgreelbeo zai> hnndt gebraobte.
h0ißMfi^9 dMomra uqdt andore adurifften «emgiamb cur
f^k^mnfkm geebepj ^rnkk hoah 9m auf die dnmoeq iMidee ga-
l^gmß wdtr TPPk &v<iM0«al FQfatoQ luA: aadrani Siündßn im^
h04indat Kfftff:-9iCitoi»b ondi, Stifter ein mg gewovibn»
welche wieder in ihre band zu bekommen, ihr meyetea
duffan z^ßeim^l enUomofoeA, alio das dieaelte 8tiii>d(t: sich
mimf iPMgeiV be^andigw poflnestfpQ die lange gar nift» viel
weniger eibev icimahU ticbi der «eaeioBi nndAi stimmen nf
$(mlu<ggcin bfiy dßß, Titita^ionibua. CaiMDae: oder* andfimtwo>
win m^hi dw imre^tftioieo« ai« KßjK Hnff nit zn geträelan
iMAe^» ^ waren nH i^Ueini udokue GMnde ela Mngdebnm
BimA^ QtaKteqejMtk Oftnuteüek^ ÜMidan, Sebwenn, M/fAm^
b^Qflg^ ^^^k» Yei4eA wA* andnc« dergleiohen ane aelchent
correepondenstag auch zu beschreiben, sondevn a«eh int
miM^ dMls^be Sten4lt; taq den gmramittibns. {ivb&U aommnni-
cütioi^ dMaelMn, daaa die «eahalgeiefeene^ tum. Qftaait :
560 Politik des Heriogs Johann Casimir von Cobnrg.
bürg, Lüneburg uodt HefsoD sioh bewegen lafsen:) undt an-
dem alhie Torgangenen, den Evangelischen sehr beschwer-
lichen Sachen, wohl zne informieren, damit bey offtbesagtem
tag ex fbndamento deliberirt undt geschlorsen werden könte,
wie solche Ertz: Bistumb undt Stiffter den Evangelischen
hieranfsen Landes, da Sie ?on den Fäpstischen ihrer Stif^r
undt Clöster halben beträngt werden woltten, nit weniger
die hül£fliche handt auch biethen möchten.
6) Weil viehl daran gelegen, das bey kün£ftiger güt-
licher Handlung der gravaminum zu Speyer mann bey einem
iedem das angeben mitt richtigen exemplis verificiren kOntte,
so sollen die correspondierende solchem nachdencken, undt
sonderlich die Statt die bey ihnen vergangene undt noch
schwebende Excefs undt ungelegenheiten fleifsig zusammen*
bringen undt dem Directorio innerhalb 3 Monaten nach ge-
endigten Reichstag zu schicken.
7) Wie auch in gleichem eine notturfft das des gegen*
theils gravamina sambt deroselben Beylagen der gebuer ab-
gelehnet worden; damitt nun solches mit bestandt geschehen
könne, wirdt für gutt gehalten, das ein ieder Standt, der in
spede in demselben angezogen, seinen gründlichen verfasten
gegenbericht , auch zum längsten innerhalb 8 Monaten
nach geendetem Reichstag dem Directorio zuschicken solle,
darauf daselbsten die gebuer femer in acht genommen wer-
den möge.
8) Also auch wil nit weniger eine notturfft sein, das
der geclagten prooefs halben am Keys. Hoff von iedem standt
in seinenn habenden Reichs Actis undt sonsten mit vhleis
bey den Arohivis undt Oantzleyen nachgesehen undt, was
einem undt dem andern durch solche prooefs ungleigen be-
gegnet, mit vhleis undt allen umbsteuden verzeichnet undt
wo müglich dem Directorio innerhalb 4 Monaten zugeschiekt,
oder ie zum bevorstehenden correepondenztag ohnfehlbahr
mitgebracht werde.
9) Damit auch der alhie in eventum et cum oertis con-
ditionibus vorwilligten hülff halben bey den correspondiren-
Politik des Htrtogt Johann Casimir von Coburg. 561
den keine UDgleiohheit ervolge, 80 wirdt fttr rathsamb er-
mefsen, das bifs evl künfftigem CorrespondeoEtag nndt yer-
gleiohuDg kein sttndt apart sich za einem wiedrigen oder
auch einiger anticipation yermögen laben mögen, bifs die
eonditiones gesetslieh erfüllett sein, nndt darunter ie nach
gelegenheit mitt den andern fleißige oorrespondenz pflegen
nndt sich keines weges übereihlen, da die Keys. May. ab*
sonderlieh Commifsarien ahn einen oder den andern Standt
abordnen selten, dieselbe allein mit einer yorandwortt abzu-
fertigen nndt ohne communioation mit den andern sich par-
tioulariter hauptsächlich nicht einsulafsen.
10) Undt demnach bey diesem Reichstag, als oben auch
Termeldet, genugsamb die erfahrung geben, das der Geist!.
Hauff mitt gewallt den Erangelisehen Ständen zuiusetzen
Torhabens, sogar auch, das Sie die K. May. zu geschwinden
Executiones instigirt undt dieselbe, ohne der K. May. oosteui
zu übernehmen sich erbotten, dahero sie dann ihre Sanctam
Ligam in: undt aufserhalb Beichs mercklich gesterckett, wie
dann noch alhie durch des Gardinais Madruoy undt der
nunciorum Ton Böhm gebott etliche Oeistliehe friedtliebende
Ständt wieder ihren wünsch undt willen sich auch darein
begeben haben sollen, so ist ie Tonnöten, das die Eyan-
gelisohen ebenmefsig sich zusammenthun nndt das derowegen
dieienige Evangel. Stendt, so noch zur Zeitt nicht in der
Union seind, gegen beyorstehender lusammenkunfft zue
solchem ende undt ob undt wie sie sich mit den Unirten
conjungiren woltten, auch genugsamb sich orderen oder die
ihrige instmiren woltten. Dann da es umb die hiehaufsen
Landes gesefsene undt mit Papisten gleiehsamb umbgebene
Stände geschehen sein sollte, da Oott für sey, so wtlrde
die Ordnung an die andern nur zue bald kommen; wie es
dann bekant, das die Päbstische iiber die yon den Eyangel.
drinnen Lands innehabende Erts: Bifistumb undt Stiffter
yielmehr eifern als iiber die Clöster» die sonst ein Eyangel.
Standt in seinem Landt undt gebieth reformirt undt ein-
gezogen.
562 Politik dm Hwnogs JofaviB OMinir tob Cokvg.
11) Demmush avok die aitraf.-Uliiiti» StMidt sieb bif^
her der Erts: widl Bieoheibii MiDe» Landfet uff ättM
Biiehit: depuiitiom lodt andero t»fMi treMfirig aDgeoenmea
ttndt dahero aHt genoge odi» off sieh geMeo, undt weil
des Fibtttsohen Slfedt Jesaitisebev eiftr am tag ndH sie
alhraeii sich rand* yerlamteo Mseo, ehe alles sa wagen «ail
in die Sekaate sa sehlageo, elie sie solehe StieM: uodl
pxAelaiaren den Iraagalisehan laben weMlen, andl liahws
sn dem. venriüigten oompesitionstag s« Bgeyet wemg Ke#>
DttQg eines gailea eflsols su hahea, sO' werden sau weiiigiCea
die drinnen Landts den saolien «abse rielü da melir aaob-
denokeo, wie si» steh dUsfislU setbste» yersiobem^ uadt den
üaiiten Stendea biecsniieo* amb sorieM ^ BneUT MMOmi
körnten, das» Sie gleiohsamb dnreli 8f9 afts daaob etne« yw^
mauev geeeliütai nodl die hingegen daroh ihre* ftsuoge asaieUas
ihren Siandt aneh desto leidltev erhalten kOatan.
12) Bemnaoh amh die PriaMtotritt arndt mÜivrerstan*
swäsohen den Syangelisehen dem gemeiMa^ wesev sehr seMÜ^
Höh, als weva den saohen* naohsadenken nndXf kay kiaiTtiigwa
tag aayesgleiohmi, wie daimien ao^ m* yerMfrea, sendstf»
li<di aber die 0illchiaohe stnitiglceitea darawhl eitte aaff eia
ordt snebringon, wis> aadi Bwnohen den Kwm AandgMAa
ane IMseni swisehen den H)cvaogen< Ton* Bnmaeekweig
der Stadt Baaaasekwsig, «wsaohen dem Hecseg aae
sohweifc Uk Mnebaag, awdsehen' den Ovahn sn Oldeabaag
Q* dergl.
13^ Waa die Kseklanb; strittige^ Sessium fttr
heiteia nnn bey etlidieo Keidistagen naolk sieh«
soldna weisen» die iseta aa£b»; wiadt deiwegaa m
BaoMeneken. gesteUett, ob nit^ Chnr* Brandenbaffjg^ MMmh
Landes mit den' Eevaogen« aa Ponmem andt> MeeUkabiHfi
hieeanften aber Ghnr-Ffkk mät den andeven' drayen dabey
intarebirlMi Füratea handlang piegea^ uadt atteadhaliefr äff
gewükeri intocims mittell eanehtea- nndt) biiogeai nritohtan^ hUk
die Baobttsaeh dnrch ordeatli^ ReriM endeekeiedea wttMist
Derwegen dann hemaoher sn kttnflftigem OorrespondfettalaK
Politik des Heriogs Johann Catimir yon Coburg. 563
die füoff Btreidende FOrstl. Henlter die ihrigen oflF tregliche
interims mittel aller ootiurft naeh endlioh sa inttruiren nitt
underlafiBeD solteo.
14) Damit auch dieaer Paocten halben andere Eyan*
geliaohe Ständt, so diesen Keichstag nichtt besuchtt, wilsen-
sohafft haben mögen, so wirdet es dahin gestelti wie solche
dnroh die andere, endwed dnreh Oesantte oder ie andere
sichere weg, nf was bey den fünfften pnnoten ob angedentet»
yertraoUoh ihnen commnniciri werden könten, damit Sie die
ihrige zu künftigem tag desto befser darüber instmiren
mögten, yerbi gratia: Ghnrbrandenburg thete es bey Magde-
burg, Braunschweig u. Halberstadt; Lüneburg bey Bremen,
Minden den beeden Herzogen von Mecklenburg, Olsnabrfick,
Verden, Herzog Frantzen yon der Lawenburg, Hollstein,
den Grafen yon Oldenburg; Hefsen bey den Hansen, Stades,
Item den Städten Goislar, Mfllhausen undt Northausen, Item
bey den Orawen yon Sohaumburg. Vor allen Dingen wird
rathsamb undt nöttig ermefsen, das bey Chur Sachsen gute
unterbauung zu thun; wie dann, da die beide Herren Chur-
fürsten Sachsen undt Brandenburg wieder in der person zu-
sammenkommen soltten, gar nit gezweifeltt würdt, des Herren
Ghurftirsten zu Brandenburg Chnrf, Od. solches zu thun un-
beschwert sein soltte.
XVI.
Pfalzgraf Johannes (Administrator der Kur-
pfalz) an Herzog Joh. Casimir. Heidelberg, 8. No-
yember 1618. Original. B. II, 7, No. 115.
Demnach aber aufs allem dem, wafs bey ob-
besagtem Reichstag yorgangen, gnugsamb abzunemmen, wo-
mitt sie umbgehen, das sie nemblich keineswegs gemeint yon
den majoribus abzusetzen noch einigen Eyangelisch. Standt,
der seye, wer er wolle, der anforderung wegen inhabender
Stifft undt Clöster zu erlaüsen, sondern ehe alles dran zu
wagen, so will auch uff der Byangelischen seitten nicht zu
XVII. 87
564 FolHik deg Heriogt JobMin Cuimür von Coburg.
athkflDeii, aondeni. ein wfteband aBg^ zu- haben niidi der
•olunteeB^ irohl wahtiniieBiiMii sein«
Allein will es neget der hülffliohen haadt defs allmieh-
tifen an gutem vertrawea undt reohtsohaflener zasaaimen-
seiioDg ander den B^raogelieehea gelegen sein. TJnsers UieiU
wie anoh unsere mitt Oorrespondiiende 8tend seindt defsen
yearsieliert) das K Ld. ihr die beförderang^ deTs gemeinen
EvangeU Wesens sonderlich anbeTohlen sein laTs^i, gestalt
sie defsen bey mehrgeda^tem Reichstag zu unserer undi
der andern Gonrespond. Stend nit geringen erfreuung eine
ang^seheinladbe prob geUian» Daher wir auch anlafs undt
ursaeh gewonnen mit £. Ld. aule den sachen vertreulioher
meiaung %a communicirea undt umb derselben ganta ver-
nüafftige. gedanoken zu bitten, wie sie vermeinen, da£s zu
einer solchen einhelligkeitt under den ErangeL Stenden zu
gelangen, insonderheit wafs defs Ghurfürsten zn Sachsen Ld.
belangt, weil dieselbe yilleioht noch in den gedaacken
stehen möchte, daa die Römisch Cathol. Stend nit so bal4en
etwas thätlichea anfangen, noch S. Ld. letzt oder künfftig
in einiger, gefahr sein werden, (da doeAi das contrarium aufs
ihren wortten undt schafften, davon £. Ld. von defs Chur-
füxsten Ld. albereit in veiirauen etwas communication ge-
schehen, zu beweisen) durch was mittel undt weg S. Ld. ver-
mittelst guter Information undt underbawung solche gedenken
zu benemen. Undt weilen £. Ld. difsorts viel guts thun undt
befördern khönnen, so bitten wir gantz freundlich, Sie
wollen dem gemeinen Evangel. wesen zum besten, was zu
angeregtem Zweck gereichen mag, derortten nichts under-
lafsen; wie wir auch unfsers theilfs gantz geneiget undt
willig wereo, wann wir nur mittel undt weg' wüsten, da»
unserige doorbej^ anzuwenden. Oestalt £. Ld. hiemit aber^
mala frenndtlich gebetten sein wollen, unfB dieselben ohn^
beaehwert an handt zu geben, solle» sie von unfs in ge»
bifarende' obaehi genommen werden.
Demnaoh entlich auch von der^ Gorrespondierendeü
Stend« Räthen undt Gesaatton uff allerseits berrsohafltea
Politik des Heraogs Johann Caiimir Ton Coburg. 5g5
Batification noch zu Kegensburg für eine Dotiarfft gehaltten
wördsD, das noch yordem von der Keys. M^ay. uff neohst
kiinfftige Ostern nach Speyr yerströsteten compositioostag,
der enden der gantze punctus Justitiae undt die einkommene
grayamina tractirt werden solle, eine zusambkunfft aller
Eyangelisoher Stand, Räth undt Gesantten anzustellen; dazu
gleichwol uff den fall eine geraume Zeit Doch yonnöthen.
So haben wir zugleich yon £. Ld. yernemen wollen,
^as aliklann deroselben gelegenheit undt meinuog sein, undt
ob sie solchen tag ihren theils durch die Ihrigen beschicken
möchten, ob Sie auch yermeinen und die Hoffnung haben,
dafs Chur Sachten Ld. alfsdann darzu auch zu beschreiben
undt zuTcrmögen ....
Oetreuer, dienstwilliger Vetter, sohwager undt söhn.
Johannes Pfaligraf.
XVII.
Kurfürst Friedrich V. yon der Pfalz an Herzog
Joh. Casimir. Heidelberg, 8. Noyember 1618. Origin.
B. II, 7, No. 115.
.... Dabeneben mögen wir £. Ld. freundlich nit
bergen, dafs wir aus unserer jüngst yorgewesenen Reichstag
zu Regensburg gehabter Räthen undt Gesandten Relaition . . .
ganz gern verstanden, .... dalis £. Ld. in zeitlicher undt
reiffer yorbetrachtung , wafs entßch aufs diesem undt der-
gleichen ohnzeitig sachen für merckliche ungelegenheit den
Evangel. Ständen zu gewarten, ihrem nach Regentpur^ ab-
geordnetem Rath anbefohlen, seines theils yon weg £. Ld.
alle dergleich praeiudicia zu yerhüten. Wie er dan demselben^
mit yleifs nachgesetzt, indeme er, alfs yon den Römisch
Cathol. ein absonderlicher Reichstagabschiedt yerfafst undt
publicirt worden, wider denselben gleich den Correspondiren-
den solemniter protestiert.
Oleich wie nun hieran £. Ld. löblich undt wohl gethan,
also haben Sie auch nicht zu zweiflen, dafs Sie dessen bey
37*
566 Politik des Heriogs Johann Casimir ron Coburg.
allen andern BvangeL Ständen undt der Posteritet aelbBtan
Bonderbahren rahm erlangen werden, ündt ennohen wir
dieselbe hiemit frenndtTetterlich , alTs wir auch ohne daCi
nicht zweifflen, Sie wollen nndt werden ihr nit weniger
naohmahl die gemeine Wohlfahrt des Beichi andt insonder-
heit der Eyangel. Ständt, denen nunmehr die mittel zu ihrer
undt der ihrig Conserration under dem ichein rechtens ent-
zogen werden wollen angelegen sein lassen (?); auch ihres
theilfs daran sein, dafs, weil bey dem HauTs Sachsen dafs
Licht des Eyangelii am ersten zu scheinen angefangen, nun-
mehr nicht yerhengt werde, dafs das Papstthumb in einige
weg in Teutschlandt widerumb zunemme . . .
E. Ld. dienstwilliger yetter
alzeit Friderich«
XVIII.
Kurfürst Joh. Georg an Herzog Job. Casimir.
Weidenhain am 15. Noyember 1613. Kopie. B. II, 7,
No. 106.
Derenthalben unsers wenigenn ermessens der
nechste undt beste weg, mann bleibe bey dem Haupt undt
den wol yerfasten Beichtordnungen , wirdt mann sich nichts
böses zu befahren haben. Inmafsenn wir unsers theills er-
pöttig uff alle begebende fälle den Beichs Ordnungen nach-
zuleben undt gegen B. Ld. also zu erzeigen, wie es die nahe
yerwandnus undt aufgerichte Brbyereinigung erfordert
Der Oontribution halbenn haben wir nachrichttung» das
£. Ld. Bath darwieder protestation eingewandt. Weil aber
gleiohwol die gefahr inn Siebenbürgen einkommenden Zeit-
tungen nach nicht gering , so ist mann I. M. billich an die
Handt gegangen, undt können E. Ld. anders nicht rathen,
als das Sie, zu yerhüttung allerhandt yerdachts, dieser Oon-
tribution sich auch accomodim.
Welten wir £. Ld. zur freundlichen antwortt nicht
bergen ....
Politik des Hersogs Johann Casimir von Coburg. 567
XIX.
Herzog Joh. Casimir an Pfalsgraf Johannes^)
(Administrator der Eurpfalz). Coburg, den 5. De>
gember 1613. Konzept B. II, 7, No. 116. Bl. 84/86.
.... Fügen £. Ld. darauff hinwieder frenndtlich zu
Temehmen, das uns unser gegen Begensburgk deputirter
Bath genugsam bericht gethao, wasgestalt nach errolgter
publication der Keys, proposition undt ersten Bathgang der
Bömische Catholische Stendt mit angemasten Majoribus sein
intent Tor: undt fortzusetzen sich understanden undt da-
durch der Evangel. Stände Grayaminum begehrte billig-
mefsige abhelfung gestopfft undt Ihren vortgang nicht er-
reichen mögen.
Wie wir nun dasselbe ungeme erfahren undt derohalben
gedachten unsern Bath undt abgesandten sich in gutem ver-
trawen zu den ETangeli sehen Ständen zuhalten befehlichtt,
also sein wir nochmals unfs mit denselben zu Tcrtrewlicher
Correspondentz zu verstehen, nicht ungeneigtt. Und ob
wohll solchem nach uns nicht liebers were, dann das wir
gegen £. Ld. dero begehren zue Yolgo uns so balden anietzo
resolTirn andt, was unsere eigentliche meinung, erö£fnen
könten, so haben doch derselben leichtlich bey sich zu-
erachten, das die notturfft erheischen will, aus den sachen
zuvor mit dem auch hochgebornen Fürsten Herrn Joh. Ernst
zu communiciren ; undt stehen wir dabey neben in Hoffnung,
es solle die gelegenheit auch den hochgebornen Fürsten etc.
Joh. Georg undt uns zu einer zuförderlichen Zusammenkunft
oder Schickung undt berathung ursach geben. Dann I. Ld.
der evangel. Stände Beträngnufs undt besorgende gefahr,
undt was zu deme von E. Ld. angeregtem Zweck dienst-
lichen sein mag, besser mündlich dann in sohriefften zue
berühren.
1) Antwort auf den Brief des Pfalsgrafen vom 8. November,
cf. XVI.
568 Politik des Hertogs Johton Casimir von Coburg.
Bitten demnach ganz freundtlich, E. Ld. wollen »ich
dern von uns begehrter Erclehrung halber inmittelBt undt
eine geringe Zeit noch etwas gedulden undt dieses vereicheit-
sein,'^ das wir alles dasjenige, so lu erhaltoog des Religion:
undt Prophanhiedens notwendig undt dienlich , undt mit
unserm wissen, was den Conrespondirenden Ey^ogel. St&nden
zuwieder undt denselben zu naqhtheil gereichen niiö<)l4e»
nichts vorgehen lassen, sondern treulich ab^f enden helffen
wollen . . .
Postscriptum, Datum ut in litteris.
Wir befinden bej unfs kein beq^uomer mittel all^ Evf^n|;|^U
Chur: undt Fürstenn zuvör<^er8t des GhurfUrsl^en zu ^acj^M^
Ld. zu einmütiger correspondenz undt Zusammensetzung ^
bringen undt allem wiedrigen bestendig zu begegnen, alfs
die accomodiruDg der Oülischcn Sachen, davon des allge-
meinen Evangel. wesens wohllfahrtt, beförderunge oder im
gegeufall trennung zum meisten dependiret; es geschehe
gleich hauptsachlich oder Interims weifs. Dann E. Ld. hoch-
verstendig zu erachten, dafs es nicht schlechtes mistrauen
verursaclit, auch unserm Ohur: undt Fürstl. Hause nicht
wenig zu gemut gehett, dafs, ungeachtet es ieder Zeit Quote
undt recht leiden mögen undt zu schuldiger observantz defs
so hochbeteuerten, respective eonfirmirten undt approbirten
btlterbocki sehen n accords beflissen gewesenn, doch dab
gegentheil keinen ttandt halten wollen, sondern vielfelti^,
wie noch täglich, praktiken zu unsers Hauses höchstem nach-
teil undt verschimpfiPuDg ohne sohew forstellenn.
Inmafsen wir mit der löbl. Herrn General l^ta<^en ab-
gesandten Herrn Brederodio ') hirvon umbstßndig cp^lmuni-
cirt. Der tröstlichen Zuversicht: £. Ld. nelpen der ^antzej^
Hoohansehnlichen Union werden uff solche mittel undt ^e^
lörderlichst gedencken helffeu, domit diese gefehrliohe mi|-
1) Er war tod Heidelberg nach Coburg gereist uod hatte die Briefe
des Admibistrators und des Knrflirsten überbracbt.
Politik des Hersogs Johann QMimhr von Oobnrg. ßg^
Tefsteo^t aus dem wtog geseumbt «ndt etwan ein frcMddt:
uodt gft^eh medium gestifftet werde, dadareh die dpey inter-
^bireade, so nabe verwandte ClrarfüntiL Hämer in guton
Verslaadt su briDgeo.
XX.
Liindgraf Moritz von Hessen an Herzog Job.
Casimir. Uebergeben zu Jena, 5. Oktober 1614. Orig.
A. I, 82 a, 5^ No. 61. BI. 87/90.
Uookg^orner Fücet, freund tlioher lieber Vetter, Siobwager,
Jkuder and Oeyaiier«
Aufi £. Ld. soluntben vom 8. diefees haben wir gerne
veniohMmen, das £. Ld. nabar Drefades m das Hern Obov-
fürsten au Saehsen Ld. sue raiaen uttd mit danieliaMi wmu
itngeim besebweiUebem zustande dar Qülehiadian Lancten
zu oommuniotren und su berataabk^aa bedacht.
Darbeneben wir £. Ld. in fseuodtiicben f«iimwtaii ntoha
Tedialteci , wtMoah&a iso ein CoQTeat ▼oa ettioliea Uniztaa
€hur: Fürsten umH Städte» ia Haiibnin gehaliea wirdl^
welobem wir aa tag Tier oder ttntf neben Obnr 'BMz, FhAt
Zweybrickea, Württombeffgk, Badeaa und AobaMi ikifatea ia
der persaon bey gewöhnet .... Dadt glaiobwM daafllbst
▼on den gemeinen eaehan und insooderbeit dem Brangi^
weaen durch des Spinoke gewaitaame Eseontianas aDgedventer
gef«hr, uBdt wie man sieb uff den fernnem fortfaraebendaa
naiitlall dargagen tohüzea undt uffhaUan mödite, allerhaadt
ConaaltatioQ uadt mnderrede gepflogen, also ist auok 4ai
hochlöbl. Ofaar: uadt Firstliehan HaAifaee fiacb&en bierauitr
begriffenes Interesia niebt aafaer aofatt gelassen worden.
Gestalt wir dan 8. Ld«, ohne itium au melden, T«»iohem
können, das wir unserer verwandtnus uadt ecbvarbrttdaruag
nach biffbaj alle gutle mögliche dfieia präatirt uodt unaare
Mitunirte 8tflade dahin rollents diaponirt, daa, we sie boab-
ermelt« Herrn Obarilirsten uadt Sner Ld. wie aueb iafis»
gemein dem gansan löbliehen Hanfs Saahoen in den CKilebt-
570 Politik des H«nogt Johann Casimir von Coburg.
toben nndt andern Sachen gatte, ersprielalidhe beseigungen
leisten nndt erweisen können , Sie an ibrem eaCsersten fleis
nndt bemübong nichts erwinden lassen werden. Jedoch ge-
trösten sie sich aach hirgegen, es werden Euere allerseits
liebten die iio vor augenschwebende ondt aniringende noth
undt gefahr beherzigen undt dero löblichen yorfahren hoch:
onndt weitberümbten Exempel nach die Beligion undt libertet,
denen izo das Messer gleichsam an die kehl gesezt werden
will, mit undt neben andern Christlichen undt gutherzigen
Ständen yindiciren, sohüzen undt retten helffen.
Nachdem dan hiruff vor gutt angesehn worden Marg-
grave Joachim Erostens zue Brandenburgk Ld. Commission
ufßButragen, das sie bey iziger Ihrer anwesenheit zu Drefsden
von wegen der löblichen Union mit des Herrn Churfürsten
Ld. axls diesen Sachen mit mehrerem communidren undt
handtlen möchten , wie £. Ed. von L Ld. aulkföhrlich ver-
nehmen werden^ alfs ersuchen undt bitten wir E. Ld. freundt-
lieh, Sie wollen neben sein des Marggraven Ld. Verrichtung
auch von sich selbstet bey des Herrn Churfürsten Ld. undt
dero gehaimbten Käthen die gutte underbawung undt be-
förderung tbun helffen, darmitt sie dem gemeinen undt izo
nottleidenden Evangel. wesen etwas näher an banden gehn
undt Ihrem hohen respect undt authoritet nach beym Gegen-
theil die Verfügung thun wollen, uff das die underm praetezt
kayüserl. gewalts undt befelchs verübte undt noch femners
vorhabende undt grafsirende Hispanisch undt Päpstische Exe-
cntion undt Erigs Macht eiogestelt undt dargegen, sowoll
der Gülchischen landen undt sachen, alJts auch der EvangeL
gravaminum halber gütliche undt trägliche Composition undt
vergleichung vorgenohmmen werden möchte.
Dardurch werden E. Ld. einen ewigen undt unsterb-
lichen rhum undt nahmen erlangen. Wo nicht aber undt da£B
man diefsem des gegentheils fernerm gewaltsamen fortt-
brechen also lenger nachsehn undt Verheugen weite, über das
dan das Ohur : undt Fürstl. Hauis Sachssen umb die Gül-
ohische Lande genzliohen periditiren dftrfiPte, so wftrde
Politik des HersogH Johann Catimir von Coburg. 571
auch der EvaDgel« Heligion andt des hayligen Eeioht undt
deisen Stftode wohlerlangter libertet ein solcher yerlust
undt naohtheiU lugefögt werden, welcher zu seiner zeit
undt wan die ror andern iio aufsgemahlte undt yerhaste
ETangelisohe Stände aufsen weg geraumbt, anch die übrige
nndt bifshero angegebene liebste undt gehorsambste undt
deren inhabige Stiffte, lande undt gütter gewifslichen be-
treffen würde
£. Ld. akeit treuer, dienstwilliger retter,
bruder undt geyatter
Moritz y. Hessen.
XXI.
Herzog Joh. Casimir an Ludwig Camerarius
(Churpfälz. geheimer Bath). Coburg, 13. Oktober
1614. Konzept. B. II, 7, No. 115.
Derowegen wir nicht underlassen wollen Euch
mitt diesem unserem wohlmeinenden schreiben gnedigliche
zuebegruefsen undt zue mehrer Correspondenz einen anfang
zu machenn. Wie dan fast am tage, das hochnottwendig
gutte, yertrawliche, innerliche communication undt confereni
offtermahlig undt beharrlich zu erhalten, dem grofsen an-
drohenden unheyll allendhalben mitt einmuettiger zuesammen-
setzunge undt stetter yorsichttigkeit endgegen zu trachtten,
dieweihll es den Adyersarys nichtt umb ezlich Geistliche
gütter undt städte yermeintte resütution, sondern handgreiff-
lich des ganzen Eyangelischen wesens gründliche ezstirpaUon
undt des Ooncily Tridentini längstyerfaste, erschröokliche exe-
cution zu thueu
Mitt noobmahligor bestendiger assecuratio undt yerge-
wissigunge, das wir yon einmahll crclertter, vertrawlicher
correspondenz gegen hochyermelte Union nichtt ablassenn,
auch nach unserer zwar wenigen geringfuegigkeitt, doch
euseristen geyblissenheitt dasienige betrachten, erbauen undt
572 Politik des Hersogt Johann Caeiodr von Cobmrg.
f orttsaseii helffao wollen , was sue d^ firaogeL Wermui^gumg
wohUftrth uodt bastem gemichen möge.
Darumb wir gerne wollten, das nathwenidige omrespo«-
denjE anhero zu uoüs angestellet uiiik undeffhalteB wiMe,
welohes uff OnoUibaoh ^) undt dahero forder zue uoDb iaeg-
liehe geschehen könntte . .
XXIL
Herzog Job. Casimir ^n Landgraf Moritz Ton
Hessen*). Coburg, 17. Oktober 1614. Konzept. B. II,
7, No. 115.
.... Thun uns zuvorderst gegen B. Ld«, das sie uns
des verlauffs des Oonvents zu Hailbrunn ettlicher Unirten
Chur: Fürsten un^t Städte iheilhafftig maohen wollep, i^r
8onderl)eitt all (^er guten ^elaiften ofQ^ien, in<i}em Sie |hre
mittglied (so. der Union) lu jnü^lioben bez^igungen \n dem
Oülobisohen undt andern, dem gantzen Haus Sachsen an*
gelegenen saohen wolmafsen disponirt, sum freundtliehBten
bedanoken. Undt mag £. L. uns sioherlioh zutrauen, wo wir
zu eriialtung des theuer erworbenen Religion: undt prorfon*
üriedens, auch wolhergebrachter Teutscher libertet iehtwas
zu laisten vermögen, das an unserm eufsersten zu^un, vor-
mittelung undt unterbauung kein vieis, mühe oder arbeit ge-
spart werden soll.
Wir haben gleichwol auch des Churförsten zu Sachsen
wachsame sorgfeltigkeitt für der allgemeine wol&rtt im heil.
R. Reich gnugsam befunden; inmafsen uns da 8. Ld. yer»
sichert, wie des Spinoia intent zu keinem fernerem fortt*
brechen oder spanis<^en undt Bapstisohen ezpedition ange-
sehen, sondern allein uff die Execution mitt Aachen, undt
damitt die Gülobischen Lande durch entstandene mifshellig-
keit undt Krigsmacht beyder possedirender Fürsten vom
1) Markgraf Joachim Ernst.
3) Antwort auf den Brief v. 5. Okt. 1614. ef. Beilage XX.
Politik des (lerzogs Johanii Casimir von Coborg. ^578
Beioh uicht eDttw6^det, gemeint seyn, dazu da der Rom.
Keys. Vay«, uDser Allergned. Herr bey solchem Zustand, £a-
mahl nach oocupirung der vheatung Glilch nndt anderer
f^ttentaiteii, als das Oberhaupt und lehnherr nicht unseitige
'^ere be^o^en worden.
Machen uns auch keinen Zweivel, woferne S. Ld. ver-
spüren solle, das hierunter die Unterdrückung der Beligion
oder Teutscher libertet gesucht, Sie werden als da recht-
schaffene gute resolution fafsen undt von dero löblichen Tor-
fahren Exempel nicht abweichenn
?:xiiL
Herzog Johann Casimir an Landgraf Moritz^).
Eisenach, 26. November 1614. Konzept. A. I, 32,a, 5,
No. 61. Bl. 96/100.
. . • Wie wir uns n«9 darinnen uff B. Ld. filfgangan^
«b^nmellsige, danckn/9bmige ercleiirunge ku fßrnßtßr communi-
cati.Qp undt correspondenz fceundliob erbotten, also thun S.
Ld. wir hierbey abermaUs ve^trawter wohlmeinunge über-
#ende9, wa^ Oir andtwortt yo^ bocbgedachtes jOburfdrsiten Ld.
«rvolgett Hingegen undt do bey E. Ld. iohtwas naohricibir
tiges von djen NiderleMdischen Efindeln undt traetaten ^der
auch spnstep von andern gefebrlichep Eriegapraeparatioiien
undt practit^en seil^ero einkommen oder nachmals eixigelangen
^rdet, bitten wir solche uns wenigers nicht theilhafftig la-
jnache^ undt darnebßP ihr vertrawlicbes Ouettaohten bey
einem undjt dem andrem Puncten «n undergeben undt sup-
p^ditiren, wollen ^r alfsdann abn uiiserm treuem, embsigen
ybleis nic^it^ erwindian l«ji»en, was wir bey den sachten
weitter mitt -erspriefslicber gutter, underbauunge immer ver*
mögen.
1) Ein Brief desselben Wortlauts wurde unter demselben Datum an
Kurfärst Friedrich v. d. Pf. geschiclLt. Kopie. B. II, 7, No. U^.
674 Politik des Hersogs Johanti Cssimir von Coburg.
Es vernehmen aber E. Ld., das des Herrn Chnrfilrsten
SU Sachsen Ld« bestendig dafür halten, wie die- Gülchisohe
Unruhe durch kein ander mittel oder weg zustillen, dann wo*
ferne sich allerseits Interefsenten der Keys. Interposition
snbmittirten. Item das L K. M. craflt tragenden Keys, ambtts
erhebliche, auch in Beiohsordoungen gegründete, uhrsachen
gehabtt, die Sequestration den Chur: undt Fürstl. Partheien
zum besten ahn die handt zu nehmen, sintemahl die Pofse«
dirende zue den waffen gegriffen undt ieder theil mechtigen
anhang gesucht; dabey dem Oberhauptt undt höcbatem
Magistrat still zu sitzen, zu dem heil. Reich geleisteten
Pflicht halben gar nicht gebüren wollen. Bo nun yor allen
Bingen die Lande in unpartheyscher Chur: undt Fürsten
Ton beiden Religionen undt die einem undt dem andern
Intereüsenten confident händte gestellet würden, liesen wir
uns bedüncken, es solte das gefaste mifstrauen sincken undt
fallen, auch darauf guetliche handlung, oder in endstehung
schleuniger rechtlicher aufstrag anzntretten sein. Bieweil es
aber bey Chur: Brandenburg Ld. am meisten anstehen
möchtte, so wollen E. Ld. mit fiieglichem erinnern, ermahnen
undt zue gemuetführung der grofsen gefahr, beydes in gemein
und des Cliurfdrstl. Haufs Brandenburgs Selbsten, ihre au-
thoritet ohnbesobwcrt interponiren , damitt solch' mildes
Eeyserl. anerbieten der Comifsarien halben von 8. Ld. gleich-
wohl in acht genommen, undt dieselbe alfsdann sich zur
fernem Tractation müsten bequemen mögen, dann sonsten
keine ruhe, friedt, noch einigkeitt zu hoffen, sondern noch
ferner höchstverderbliche zerüttung zubesorgen. Undt die-
weihl die ahn Keyfs. Hoff zue gute undt Rechtt uf den
1. January nechtkünfftigen 1615 Jahrs stylo novo angestelte
tagsfarth herbey nahet, man auch auff den einen oder den
andern fall geschwind procediren möchtte.
So bitten wir abermahls gantzs freundlichen vhleisee,
E. Ld. wollen unfs dero vertrawliches Guettachten eröfnen,
was dieselbe vermeinen difsfalls in der gute für bequeme»
verträgliche, billigmcfsige mittell undt wegc, die sich practi«
Politik des Henogt Johann Casimir Ton Coburg. 576
ciren lafBon andt gemeinen Byangel. weaen mitt zum besten
gereichen möchtten, zu undergeben undt einzugehen
Dann wir unsere theils in nichtt gerne etwae handeln,
andreten, eingehen, oder yerhengen undt approbiren, yiehl-
weniger vortttellen helffen weiten, was dem gesambten
ErangeL wesen zue beschwerunge undt naohtheil oder under
10 hohen, fümehmen, nahen verwandten Heusern undt Eeichs
Ständen zue mehrem mifstrauen, trennung undt unheyll,
hingegen den gemeinen Wieddersaohem zum yortheil ge-
reichen möohtte.
Die gemeinen gravamina der Evangel. Stende belangende,
sehen wir unserm zwar wenigem, iedoch treuem ermefsen
nach keinen befsern undt bequemeren modum dan förder-
liche, würckliche fortstellung des composition tags; dabey vor
allen dingen sich zu bemühen undt wo mügliohen zu ge-
winnen, das der Religion: undt Prophanfrieden anderweitt
undt stercker assecurirt, bestetigt undt befestigett, auoh
Eeysserl. May. gleichmefsiger Eeysserl. affection gegen die
Stende des Reichs undt freundtliebender yergleichunge vor«
spürung zuvermittelln, damitt das eingesefsene mifstrauen im
Reich so yiel mueglichen abgetilget undt das alte Teutsche
gutte yertrauen etzlioher mafsen wiedderumb reparirt undt
uffgeriohtett, also förder zugleich: undt billichmefsiger hin-
legunge der grayaminum nach undt nach geschritten werden
möge; aUsdann man sich allerseits desto ehe undt mehr zur
ruhe zu begeben» und dieweil des Ohurfürsten zu Sachsen
Ld. in deroselben andwortt ahn die Löbliche Union sich er-
botten, erwenten Compositionstag befördern zu helfen, wirdett
solches sonder zweiffell mitt danck angenommen undt ferner
nachgesuchtt worden sein, das er effectuiret werden möge,
dann ohne oder auTser dieses praeparatory, wie unschwehr zu
eraohtten, kein firuchtbarlicher Reichstag zu gewartten ....
Verbleiben E. Ld« zue angenehmer, freundtyetterlicher
diensterzeigunge ieder zeitt so ehrböttig, so willig . . •
Joh. Casimir.
576 Politik des Herzogt Johann Casimir von Coburg.
XXiV.
InBtruktion für den Kammeriekretär Heufsner
zum Kfirnberger Co rrespondenztag. Coburgs
8. Februar 1615. EoDzept u. Ongin. B. II, 7, ffo. 120.
Ermelter unser Oammer Secretarius soll sieb darnach
achten, das Er unter angestelter Baise soyil immer müglichen
unvermerckt den nechsten naher Nurmbergk mit gelange,
sieb zuvorderst neben Überreichung unsers GrecUtiTS undt
gnedigen grufses vermeldunge bey dem hoohgelartenn unserm
bestelten Raih undt lieben, getreuen Herrn Christof Andrefs
Ougeln, der Rechte Doctorn undt Bathgebern in Nürmbergki
praesentire, seines vertraulichen raths undt guter nachweisung
in diesem allem gebrauche undt demselben nachgehe. Wie er
dann förder zu solchem behuff beygefUgte noch drey unter-
schiedliche Creditiv zur Handt undt nach befindenden not-
turfft zu gebrauchen, dardurch im Ohur: Fürsten: undt Städte
Bathe geheime, vertrawliche, gute, vorsichtige naohweisunge
so gefahrlichen zustandts, undt wie wir uns in solche Zeitt
gewarsamb schicken mögen, zuerlangen undt unsem geliempff
beneben vertraulicher correspondenz fortsetzunge allenthalben
in der enge undt stille zu werbenn undt zu erhalten, damit
das beste gebauet undt offensiones abgewendet werden mögen.
Besonders soll sich unser Abgeordneter bemühen:
1) Die Proposition zu wegen zu bringen undt uns zu
berichten, was vor correspondirende Gbur: undt Fürsten in
der person erschienen oder ihre Oesanttenn geschickt Item
weil der von Pappenheimb meldet, das Kays. Oesantten auch
erscheinen werden, das Er gleichfals von ihrem anbringen
nachrichtung zuerlangen sich bewerbe.
2) Nachdem uns auch hoch: undt viel daran gelegen zu
wilsen, was vor einen sohlufs mann beides in der Union
sowol der Correspondenz naroen undt für ein gesambtee De-
fension werok mit gefaster Ordnunge anstellen möchte, als
wirdet er davon gründliche nachrichtung zu erlangen sich
eulserst bevleifsigen undt uns gehorsamlich berichten.
Politik des Hersogs Johann CMimir yon Oobnr^. 57Y
3) Undt dieweil in deiä neohsten von Kays. May. ao
dei Charfürsten zu Saehsen Ld. abgaogenein, söwol von S. Ldi
an UDB eodliobem eryolgtem änt#ortt Schreiben sehr naeh-
denokliche wortt aich befinden, so soll unter abgeordneter
solche undt darzu gehörige wechfsellschrifften mit sich nach
Nümbergk nehmen undt beim Directorio in geheimb undt
gutem vertrawen davon Communicwtion , jedoch ohne ab-
schriÖt, pflegen ; darduroh femer anlafs machen die GiUchische
Bachen uf die Bahn zu bringen undt hochgcdachts Directorii
bedencken zu vernehmen, wie etwan ein mitteil zu finden
diese schwere sach zu befserm Standt zu richten, undt ob
nicht etwan ein fürträglicb, durchtringendt mittell vorhanden,
so mann des Churfürsten zu Sachsen Ld. mögte vortragen,
S. Ld. dardurch undt von anderm abzugewinnen.
4) Hette sich auch der Abgeordnete eufserst zu bemühen
der Union vorhaben, vermögen, vertraulich Zusammensetzung
undt dergleichen zu erforschen, sonderlich wie Frankreich,
Engellandt, die Staaden, Dennemarok undt Schweitzer sich
mit hülflicher Handterbietung gegen der Union erzeigen
möchtenn.
5) W<Bill masn auch sondern Zweiffell anklopfPeti wirdt,
wie wir uns gegen die Union undt Correspondirende zu er-
w^isenn, kann uf solcbem fall unser abgeordneter Ihmä
bewuste motiven anführen undt Vertröstung thun , detä ' wir
zn ieder Zeit uns unsers wolgeneigten gemüts weiten gegen
die- Union erolären undt verspüren lafsen, uf alle fälle ah
ein' getreuer freundt nach verwandnus, gebür undt gewifsenn
zu erweisen; inmafsen vor deflsen uf der löblicheü Evang.
Union ansinnen- wir uns gegen Marggraf Georg' Friederich
asu Baden Ld. auch volgents durch Landtgraven Moritzen zu
Helsen nicht weniger vertraulichen ercleren lafsen, dabey
mann acquiescirt.
Was nun hirunter allendhalben fürlauffen undt vertrau-
lich erlangt wirdett, das soll unser abgeordneter auch also
uns hinwider geheimbst berichten.
578 Politik des Htraogs JobanD Casimir Ton Coburf.
XXV.
Heufsners Belation an Hersog Job. Gatimir.
Nürnberg, 17. Februar 1616. B. II, 7, No. 120.
.... Sonaten hab* loh bej den alhier anwesenden ver-
trauten leutten der mir in gnaden anbevohlenen yerricbtong
einen anfang gemaobtt undt vernommen, das die sachen
allendhalben gegen das Ryangel. wesen ganti höchst gefehr-
liehen stehen, sintemahl ahn yiehlen underschiedlichen ordten
der Papisten staroke Kriegsbereitschafft öffentlichen anis-
brechen undt man hingegen diCsseits noch schlechtte gegen-
rerfiiCBung, sondern das dieser Correspondens tag alleine ad
referendum undt uff zurückbringen morgenden Montags ge-
schlofsen, auch das defensionwerck uff neohst volgende
Kreifttversammlungen gestellet werden soll, ünderdelsen su
besorgen, das Spanische undt Italienische Kriegsrolck uff-
brechen undt den yorstreich erlangen werden.
Oleichfalls ist die Zusammenkunfft der Churf&rsten soe
Maintz undt Pfaltz, darbe j der Bischoff von Speyer undt
Fürst Christian zu Anhalt gewesen, gantz lediglichen ab-
gangen, dann die Gatholischen sich rundt undt aulsdrücklieh
ercleret vor restitution der Stiffter, Glöster undt OeistL güttem,
so nach dem Pafsauischen vertrag ihnen abgenommen, sieh
zu keiner guettlichen composition zu verstehen , noch etwas
nachzugeben.
Was nun hingegen die mittel uff der Evangel. seiten,
delsgleichen die Oülchische sachen anbelangett, davon soll
ich höchst vertrauliche nachrichtung zue E. F. 0. gutter Vor-
sehung undt alhier von deroselben höchstlöblich undt geheim
uffgenommener, vertrawlicher correspondens continuatioii
neohstes tags überkommen . • .
XXVI.
Herzog Joh. Casimir an Kurfürst Friedrich von
der Pfalz. Coburg, 3. März 1615. Konzept B. II, 7,
No. 116. Bl. 312/18.
. . . Was £. Ld. naher Nürnberg zum Correspondents-
iag abgeordnete geheimbtte Bäthe mit unserm wohlmeinlich
Politik des Hertof^s Johann CMimir Ton Oobnrg. 579
abgeferttigtem yermitteUt dwelbsten sowohln yo|iii Ottlobitcbop
Sucoession: aUs periolitirenden allgemeinep Bvaagel. Waae^
gepflogener ConfareaU yertrawüch oommuniciret, iat uvd>-
steDdiglieh referirt undt Argetragen worden.
Wie wir nun daraus E. Ld. für beedes bebarlicb tragende
fiorgfeltigkeitt nochmalsen vermerok^n, also sein wir aufs^
dafür gegen derselben freundlieh danckbar undt mögen £. Ld*
zur nachriohtung freuodlioh nicht bergen, das zu Wien mit
der bewusten Interposition Oüliobisohen SuooefsionweseD be-
treffen t (zu welcher neben unierm Haus Sachaen, Pfalz-Neu-
burg, Pfalz -Zweibrüoken, Burgau, Nevers undt? sich auch
die F. Sechs. Aldenburg. Wittib mit Yorwendung, ob hette
I. Ld. alTs der Bltesteo dero frau Kutter Ihr yermeintas
Becht per cessionem überlassen, angegeben) weiters nichts
yorgenommen undt also noch rea integra sey. Darumbefp
hielten wir nicht für unrathsam, das die hochlöbl. (Jnion
nochmals, den nechsten es immer müglich, einen Versuch
theten Ghurbrandenburgs Ld. dahin zu disponiren, das die-
selben gegen Chur Sachsens Ld. zu annemblicher Satisfection
undt derowegen auch zu solchen yersicherlichen mittein sich
bequemen undt damit gefast also bezeigen möchte, das mann
darauf zu trawen undt desto eher fortzukommen. Wie wir
dann in gänzlicher zuyersicht stehen, es werde sich mehr
hochgedachte Churfürsts zu Sachsen Ld. auch Ihrs theils uff
Eröffnung solcher annemblicher yersicherungsmittel weniger
nicht zu weiter gütlicher Tractation yermögen lassen undt
darumben in deme an guter Unterbauung bei uns nichts er-
mangeln solle. Inmassen, was albereit wir zu solchen in
guter yorbereitung zu werck gerichtet, E. Ld. aus dem yer-
trawlichem Bejsohlufs unter andern mit mehrem zu yer-
nemen undt, was darauf zur antwort ervolget, E. Ld. den
nechsten communicirt werden soll.
Anr^ichende dann das periclitirende allgemeine ErangeU
Wesen, weiln nunmehr fast offenbar undt landtkündig, wohin
der CathoL Liga intent angesehen, undt das Marquis Spinola
mit seinem unterhabenden exercitu militari allem ansehen
XVn. 38
580 Politik des Henogi Johann CAsimir von Coburg.
naeh uf Wettphalen, Nieder: undt Ober SaohseD, Weaer undt
Ebstrom, Embden, Bremen, Ofsnabrftcky Verden, Minden nndt
dem Endtcn fümemen Stieffter ftberweltigong ziehlen thnt»
vermeinende, dann durch die miÜBhelligkeit xwiBohen Chor
Sachsen undt Brandenburg, defsgleichen Dennenmarck undt
Hanfsen Städte einen guten Vortheil su haben, nndt aber
wir die yertrawliohe nachriohtung erlangtt, das solche gefahr
in dem Nieder SechssiBchen Creila nicht sogar hoch in acht
genommen, es mit dessen Creilstagen langsam bemach gehen
undt mann allererst dero bevorstehende getahr, ungeachtet
es albereit von Nürmberg aus geschehen, an die Keys. Maj.
gelangen lalsen undt Herzog Christian su Braunschweig undt
Lüneburg Ld, gleiohsamb alles allein anheimbs gewiesen
werden wölln, so vielleicht dieselben, so doch sonsten zu dem
gemeinen wesen sehr wohl affectionirt, leichtlioh irr machen
möchtt So stellen wir zu E. Ld. freundlichem nachdencken,
ob nicht vonnöten, das sonderlich auch bei erwehnts Nieder-
Sechssischen CreiTses ausschreibenden Fürsten je ehr je besser
eine zeitliche ünterbawung zu beförderung eilender, vertrew-
lieber zusammensezung zu vermitteln sein möchte ....
xxvn.
Herzog Job. Casimir an Kurfürst Friedrich V.
von der Pfalz. Darmstadt, 15, Dezember 1617. Copie.
A. I, 82 a, 5, No. 96. Bl. 6/7.
• . • Wir erinnern uns zwar freundlichen, was bilshero
vonn E. Ld. undt uns nicht weniger bequemer, freundlicher
zusammengelangunge halben desiderirt worden, welchem zu-
folge wir nicht ungemeinet gewesen bej ietzer naher an-
wesenheit^) undt gelegenheit E. Ld. freund vetterlich zu be-
suchen.
Wann aber unsere färgenommene reise bej ietziger
Wintters- und ungewitters kurtzer tagszeitt etwas lenger undt
1) In Darmstadt, am Hof« Lodwigs von HetMn.
Politik des Herzogs Jobasn Casimir von Coburg. 581
mühsamer als wir yermeinety sich erstrecket , auch etzliche
angelegene sachen undt uDgleiche geschwinde Eeyserl. Hoff-
piocefsy dayonn E. Ld. hiernechst undt, wo es nicht zur
billigkeit geordnet, nothwendig das gantze CoUeginm electo-
rale beriohtlich angelanget werden mufs, zu banden stofsenn.
Darumb wir nach haus zueihlen unnd dilsmahls mit unsem
fast starcken Comitat nicht wohl ferner abweges uns begeben
können, wie gerne wir auch etwa absonderlichen mit wenigen
au £. Ld. gelangen wollten. So bitten wir gantz freundlich,
E. Ld. wollen es nicht ungleich yermercken, sondernn uns
freundyetterlichen entschuldiget halten ....
YerhofTen sonsten, es werde die jüngste wohlangesehene
besuchunge des Kurfürsten zu Sachsen Ld. erspriefslichenn
abgangen sein, defsen man sich künfftig in gemein und eyan-
gelischer theils sonderlichenn zu erfrewen unnd tröstlichenn
au empfinden haben möge. Wüsten wir auch dabei etwas
gedeihliches zu schaffen, wollten wir solches uff £. Ld. yer-
trauliches anmeldenn, wo uns nur einige gelegenheit dazu
yerstossen möchte, unserer hergebrachten guetenn, yertrau-
lichenn Correspondentz zufolge gar nicht underlassen; dann
allem ansehen nach gute wachsamkeitt undt yertreuliehe Zu-
sammensetzung hoch yohnötten sein will.
Was die Jülichische sachenn ahnbelangt, möchten wir
gerne yemehmen, ob undt wohin Ffaltz Neuburgk unnd
Bayern £. Ld. uff die yonn des Churfürsten zu Sachsen Ld.
fürgebrachte Conditiones sich yemehmen lassen unnd was
£. Ld. diefsfalls underbauet, oder worauf es bestehe, sinte-
mahl unsere wissens es uff deme bifshero beruhet, ob Pfaltz
Neuburgk Ld. unnd andere yermeinte Interessenten als Spanien
unnd Staaten * die fürgeschlagenen media einzugehen bedacht
undt wie mann dessenn zu yersichem. Dabej au bedenckenn,
ob bej künfftiger Election Romani regia das Jülchische wergk
der Capitulation mit bej zu bringen, weil die trennung unnd
das mifstrauen zwischen den Beichsständen aus dieser unruhe
meistentheils hergeflossenn unnd, nachdeme auswertige die
Hände miteingeschlagen, sich beharrliche yermehrt; dero-
88*
582 Politik d«s Hertoft JohtDO Casimir von Cobarg.
halbenn UDDd woferne zwischen den Interelsirten Ohur: niidt
Fürsten ni<^t yergleichunge getrofftn unnd das frembde
Kriegsyolk aus dem Beioh geschafft, kein rechtes yertnuieii
zu repariren. Also negooinm Joliacensa pro eaosa publica zu
achten, deren mann sich dergestalt billich mit yleia undt
eyyer treulicher anzunehmen . . .
XXVIII.
Kurfürst Friedrich Y. yon der Pfalz an Herzog
Joh. Casimir^). Heidelberg, 1 8. Dezember 1617. Origin.
A. I, 32 a, 6, No. 96. Bl. 13/16.
.... Wie BODSten die jüngste freundliche besuchung
des Ghurfdrsten zu Sachsen Ld. abgeloffen, dayon £. Ld, etwas
nachrichtung begeren, mögen wir derselben freundlich nicht
yerhalten, dafs unfs derenden mit solcher freundschafft und
ehrerzeigung entgegengegangen, dafs wir ursaob haben, das-
selbe zum höchsten zu ruemen. Hoffen auch in dem übrigen
zu guter yertreulichkeit einen solchen anfang gemacht zu
haben, welche inskünfftig allenthalben ihren sonderbahren
nutzen dem heiligen Reich, unserm geliebten Vatterland, und
dem gemeinen wesen zum besten haben und mitbringen wird.
Wiewohl wegen enge der zeit nit wol möglich gewesen yon
allen ietziger Zeit im Reiche yorgehenden nothwendigkeiten
uns mit Ohur • Sachsens Ld. notturft zu unterreden, dmrzu
sich doch yerhoffentlich hiernegst mehrere gelegenheit an
hand geben wird, indeme dann £. Ld. an ihrem ort
yiel guetes mit thun und befördern können, deren er-
bietten wir auch mit hohem, freundlichem Danck annemmen
und unfs derselben bey erster occasion freundlich gebrauchen
wollen
1) Antwort auf den Brief Casimirs vom 15. Desember. cf. Bei-
lage XXVU.
Politik des Hersogt Johaoo Casimir von Coburg. 589
XXIX.
äersog Joh. Casimir an Herzog Joh. Ernst den
Jüngeren von Weimar. Coburg, 28. Juni 1618.
Konzept A. I, 82 a, b, No. 129. Bl. 5/6.
. . . Wir haben verlesen, was S. Ld. an uns wegen des
Könägreiohs Behem stünde sub utraque beschehenen suchent,
das angestellte defensionwerk betreffend, freundlich gelati^n
lausen.
Nun ist uns am 20. dieses monats dergleichen sohreibeti
zukommen. Wir tragen aber allerhand bedencken noch zur
Zeit absondlichen uns gegen bemelte Stände mitt antwortt
yemehmen zu lafsen undt wüsten auch ohne das vor difsmal
keine andere erklämng zu thun, denn das wir mitt des Chur^
flirsten tob Sachsen Ld. undt andern unserm Haufs £rb-
einigungsverwandten in diesem wichtigen Handel zuvörderst
communiciren weiten. Dann in gegen wertigen leufften mitt
sohrifftlichem Beyfall oder verströstung herumb zu gehen, ftist
gefilhrlichen , zu deme wir partioular information noch in
mangel stehen.
Wir haben aber unserm am Keyserl. Hoff bestalten Rhatt
undt Agenten Herrn Leander Büpeln uffgetragen uns an ge-
hörigen orten, undt da es am bequembsten geschehen mag,
im besten zu entschuldigen, wie E. Ld. aus beygeschlofsener
Copien zu vernehmen, undt stellen zu E. Ld. gefallen, ob Sie
es Ihren ortts gleichermafsen zu halten oder die Stende mitt
einer Vorantwortt zu versehen gemeint. Als wir da von
Harggrafen Christiann zu Brandenburg darunter nicht weniger
vermittelst vertrauter leutt umb guttachten angelangt undt
dergleichen von uns gestellet
Sonsten können wir gleiehwohl nidit befinden, das die
mitt der Cron Behem uffgerichte Erbeinigung uff solchem fall
füglich zu applioiren, sintemal Keligiön : undt glaubens sachen,
zumahl aber die Rom. Kays. May. unser allergnädigster Herr
clärlich ausgenommen, undt also unser Haulb zu der ver-
sprochenen Hülffsleistung bei solch beschaffenheit nicht ver-
584 Politik des Hersogt Johann CMimir yon Cobnrg.
pflichtett Inmaf;ien die Kays. Kayeet aus crafft der Com-
pactaten der Huelffe unserB eraohteDS auoh nicht zu forden,
weil die Cron Behem in der Erbeinigang begrieffen undt
demnach wied derselben mittglieder nicht zu interpretiren
seyn will; hierüber in glaubenssachen, dahin das wesen seinem
Ursprung undt ende nach lauffen will, beyde theil unyerbunden
sind. Und obwol das gantze werok wieder die Kays. May.
nicht, sondern die Friedensstörer undt des Königreichs feinde,
zu des Königs undt der Stände ruhe angesehen, so ist dodi
offenbar, wie S. liay. dafselbe empfinden, uff sich, die Königl
Hoheit, Reputation undt scepter ziehen, auch defswegen zu
den Waffen zu greiffen entschlolsen. So ist uff allen seilen
zumahl sehr bedencklichen, da respectu der Kays. May. man
sich wol vorzusehen; dameben uff der andern seitten so
Beligion, verwandtnuTs, nachbarschafft undt theils lehns-
verpflichtung halber gegen der Cron Böheimb, gleichsam der
Vormauer ins Reich Teutscher Nation, bey so gefähiüchen
zeitten undt leufften das werck nicht blofs zu laTsen, aondem
ettwa füglichen, zeittlichen ins mittel zu kommen, gro(s un-
heil abzuwenden undt allerseits Versicherung zu machen, das
beste undt rhatsambste seyn weite . . .
XXX.
Herzog Joh. Casimir an Kurfürst Friedrich V.
von der Pfalz. Coburg, 21. Juli 1618. Konzept A. I,
82 a, 5, No. 96. El. 20/25.
.... Wir zweiffein nichtt, £. Ld. wohll fürkommen
sein werde, was bifshero treuer, wohlmeinend versorge inn
dem Böheimischen weitt aussehendem zustandt vermittelst
vertrauett leute hinc inde communiciret , wir auch ahnn des
Herrn Kurfürsten zu Sachsen Ld. gelangenn lassenn, erinnert
und ermahnett. Dieweill nun 8. Ld. unfs hinwiederma(sen
nebenn absehrifft, was hierinnen ihrer ordts furgangen,
freundt: undt ausführlich beandtwortet , wie £. Ld. ob den
Politik det Herzogs Johann Casimir von Coburg. 58&
beylagenn undt mitt mehrerm zu yernehmen, das dieselbe der
bochnothwendig, seitlichen interposition gar nicht abgeneiget^
sonder mitt £• Ld. solches hohe werck sue allgemeinen undt
sonderbahrem bestemi friede undt ruhe yersicherlich erhalten
undt fortsetzungen gerne unternehmen wollten. Zue deme wir
auch ttufs etzliehenn gar yertraulioh einkommenen anzeigungen^
so theills hierbey gefuegett^ wohll yerspühren können, wohin
8. Ld. meliniren, das Sie auch in dero Lands yor Böheimb
Werbungen communioiren , inmalsen yom Haupttman yon
KeinigBy auch yon einem yon Büau dergleichen werbongen
fürgangen, ündt jüngsten am selbigen ordt der EeyserL ge-
sandte Ormff yon Hohenzollern seines fürbringens halben
wenig gehör gehabt , sondern mitt etzliohen sonderbahren
schreiben ziemlich wiederleget worden sein soll, was er sich
auch alls eine Jesuitische Creatur disfalls hingegen rühmen
mag, die Stende im heil. JEtöm. Beich seiner art nach irre zn
machen undt yon ihrer guetten intention zu Keys. Mayest»
undt dem Königreich Böheimb beförderlichem, yerträglichem
besten abzuführen undt den unruhigen leutt in ihrem besen»
geföhrliohen fürhaben fortzuhelffen , welches sich ie lenger
ie mehr enddecken wird. — Zwar habenn sich Ghur Sachsens
Ld. unsers wenigen erachtens dieses Unwesens , auch unyer-
sucht, ie ehr ie besser schleunig, ernst undt eyferiglich, billig
undt gebuerlich anzunehmen umb der treu, damitt sie Keys.
May. undt dem Königreich Böheimb yerwandt, der Erb-
yereinigungen, nahend naehbarsohafft, Religion, YerwandtnuljB;
undt zuyörderst auch, das durch seiner Ld. inn Oott ruhen-
den Bruder, weihlandt Christian II., der Majestätsbrief, yon
dessen iezig hiAdansetzunge zu dergleichen eztremiteten uhr-
sache gegeben worden sein soll, mitt sonderbahrer ansehen-
lich abordnung undt afsistenz, den glaubensgenossen zu guettem
gemeinett, erhobenn undt aufgebraditt, darbey nicht unbillich
conseryiren zue helftenn, dessen damahligen yerlauffs, wo es
£. Ld. nichtt zuyorhin wissendt, man sich aus heiligenden
des Ghurfursten zu Sachsen Instruktion undt anderen schreiben
nochmahls zue erholen undt zu erinnern.
5J^ Politik das Hersoft Johann CAtimir ton Coburg.
Ah habenn wir dieiAs alles, UD«erer sonderbahren ver-
#atidtüdiekk andt y6rtra#lieheii gutten Oorrespondenz, «neh
ttewt TorMrge nach yor femeine wdhllfbrfli K Ld. freund-
Tettorlioh utidt yertntwlioh hiermitt commanieireii undt also
dAi unserige wenige» jedooh wohlmeinliohe, auch darsu thuen
uttdt darumb niohtt rnttCsig sitien wöUenn, ob E. Ld, zue yor-
Stehender nothwendigkeitt ettwas f&rtragl: undt erbaoliohes
i^i nehmen undt sieh zue gebrauchenn.
Sonsten will yon allen Recht- undi friedliebenden gentz-
lldh dafür gehalten wei^den» wie es auch ruidentia fisoti weiaent,
des lengeirn nicht tue seumen, in diesem unwesen mitt ahn-
a^heulichem, einhelligem, yertraulichem zusammendretten zue-
greilFen undt es aus hftnden der gefährlichen Pttpstisehea
ülidt Spanischen practicanten zu nehmen. Non enim hene
coDYeoiunt, nee in una sede morantur prihcipis et papae
ibiijestas. 8i etiam deo reddetur, quod dei, et Oaesari, quod
Oseabris, quae Htm hie pontiflcis partes erunt reüquae ?
Wann nun K. May. pro reputatione et autoritate mitt
il^to Kriegsbereitsohafft, scharffen Mandaten undt sehrifften
täSk yerfshren, die Böheimischen Stende dergleichen auch
nicht Uttderlasseu , dan L M. yon der albereit einmahll gne-
dtgst angebotenen, wohlangesehenen undt undertiienigst aec^
titteü i^medirungen ab: undt uff schaiffe wege zuführen
uA'dt yerbittern» die Böheimischen Stände odio Beligionis
mitt ihren grayaminibus gar niditt gehörtt, sondern Ihnen
älllB mittel undt wege durch ihre widerwertigen, so diels
splell angef^gen, abgeschnitten werden sollte, wehre htfch-
lieh zu besorgen, es dörffte ex desperatione et neeeesitate
eictrema ein solches feuer endstehen, so hernach niehtt leicht-
ichen wieder zue leschen, und sub praetextu motus Bohe-
mi^i man leichtlieh firembde Gäste ins Beidi bekommen, da-
hero ettlberstes yerderben androhend.
Um Med }tt uer^nbern, fotbert er ben ihttfArften mtf, bei
flmf. 9I09. }u bttereeniereit, mie ed (Sfyn^Ba^fitn 0et|ait. — Zwar
möchte es fast das ansehen gewinnen, alls wan man am kays.
hoff £. Ld. bey der Composition niehtt gemne wissen möchte. —
Politik des Hersogt Johann Casimir von Coburg. 587
Sollte aber die erbetene Resolution von K. liay. nioht oder
zweifelhaft erfolgen, so haben die Kurfürsten zu wachen und
das ]?euer zu dämpfen, ob auch gleich Chur Mainz, Trier
undt Göln ikndere undt besondere considerationes darbey haben
möchteni wie aus der Andefnachischen Zusammen Ordnungen
seoder zweiffell herfürbraoht wirdtt« Dargegen aber die
8 weltl. Ohorfärsten Special Interesse dero anstossende lande,
Erbrereinigungen undt fumehmer Lehenschafften auA Oorre-
spohdemz halben gegen die Oron Böheimb; darumb I. Ld»
sich mitt besserem fuege des oompoeitionswerkes anzunehmen.
Dahero aller dreyer weidlich Ghnrfürsten oommunicaüo
undt conjunetio wohll ronnöten, oder, weill Chur • Branden-
burgs Ld. abwesend, ahn derselben stadtt der Marggraf
zu Brandenburg g^bruder Ld. ali nechst angesessen mit zu«
ziehen.
Besonders do über zurersichtt den gemeinen ayifsen
nach König Ferdinand nna cum adjunctis commissariis völlige
odAchtt undt gewalt über Böheimb auffgetragen werden sollte,
die dieser zeit bey den Böheimisohen Ständen der Jesui-
tischen gewogenheit halben wenig vertrauen undt volge
haben möditen, zuemahll wan mitt Päpstisch undt Spanischer
h^ielfEe in die werok gegriffen wurde; alsdan ein gewalttig
uffistandt mit schwehren zweifelhafftigen aufsgange zu be-
ferehten
ünderdessenn können wir die Böheimisohen Stende undt
dero angesessene nichtt verdenken, das sie das gemeinitzige
w<^ll versichern undt in acht nehmen. Dan do das nicht
geschehn, möchten sie nunmehr vor andern überraschett uudt
der saöhe wenig zu helffen sein, sondern beschwehrliche
conditiones nachgegeben werden müssen; hingegen weill
man gefissi verbleibett, versich^liche abhandlung desto ehe
zu gewertigen. Wie dann albereit gar zu starck heraus-
gebrochen, das man uff seitten Kays. May. begertt die
Waffen niederzulegen undt die anfenger des handells, die
doch zuvorn zue Wien sein mögen, zur bestraffung zu
stellen ....
588 Politik des Henog» Johano CAtimir yon Cobarg.
XXXI.
Hersog Job« Ernst der Jüngere (Weimar) an
Herzog Job. Casimir. Weimar, T.August 1618. Orig.
A. I, 82 a, 5, No. 129. Bl. 7/9.
. . . Wiewol nun von der Rom. Keys. May. unserm
aller gBedigsten Herrn uns keine Notifioation oder einiges
anmanungssehreiben zukommen, dahero wir aneb £• 0. unser
weniges» jedocb treues bedencken, wie aller böcbstgemeltte
I. Keys. May. eigentlich sn beantwortten sein möchtte, niohtt
wiederfahren lafsen können, so bedünkt uns doch, weill
E. 0. die GhurpfSlziscben undt SXohs. sehreiben an Keys.
May. albereits vor sieb haben, es solte E. 0. sioherlioh yer-
fahren, wann nach Ihrer Ld. u. On. erklemngen sie sich
richtten thetten.
Aber was wir sonsten den Evangel. Böhmen off ihr be-
wustes schreiben neuligst zur antwort geben, das befinden
E. 0. aus der Beylage mitt mehrem ; undt hatt unüs bey £. 6.
als dem yertraueten Vetter undt Herren Vater keinem hehl,
das wir zwahr vor unser Person der Böhmen Proeefe wieder
Sohlawata undt seine gesellen uf ihme selbsten beruhen lausen
undt ihn weder mitt demienigen, was aus gerechter raoh
undt straffe Gottes der Profeheten Mörderin Jesabell wieder-
fahren, yergleichen, noch schelten wollen. Aber was der
Stende Hauptsach an ihr selbst betrifft, sehen, beneben E. O.
undt denn andern Evangel. Chur: undt Fttrstenn, derenn
schrifften uns zu banden kommen, wir dieselbe noch zur
Zeitt vor rechtmefsig gentzlich ahn, möchten ihnen auch yon
Hertzeo gerne gönnen, das Sie ohne runden, richttigen Trost
bey solcher ihrer gueten Christi, sach, zu yoraus yon unserm
Haufse, nicht gelafsen würden, in betrachtung, was Sie in
gleichmelsiger geföhrligkeit der Beligion bey £. G. hoch-
geehrten Grofs: undt unserer elter herm Vatem alls die red-
lichen Böhmen treuhertzigklicb gethan«
Nachdem aber bis anhero weder die Evang. Stende in
gemein wegen unterbliebener zusammenkunfft in dieser saehe.
Politik des Herzogs JoluinD Casimir von Coburg. 589
welche nechst Landgraff Moritzens zu Hefsen Ld. wir in
gleichen hochnothwendigk achtten, noch iemandt anderfs aus
den gröfsern undt mechttigern ihres theilfs gegen die Böhmen
frey herausgehen undt der Katzen die schelle anhengen
wollen, so haben wir auch alfs der minderste nicht unbiUioh
bedencken getragen, der förderste undt erste zu sein, auch
der uhrsach wegen in unserer, den Byangel. Böhmen ge-
gebenen, schrifftlichen antwortt ihnen die gebetene htilff weder
zu: noch abgesagtt, sondern den mittel wegk getroffen undt
alles uff künfftige beschaffenheit der sach undt weiters be-
rathen mitt £. 6. undt andern unsem ahoverwandten ge-
schoben.
Do nun solche unfsere antwort £. 0. rathTsamen be-
dencken undt einschlage, welchen Sie unfs den 22.^) ab-
gewichenen Monats Jnny gegeben, allenthalben gemefs, betten
wir das Ziel, welches uns fürgesteckett gewesen, glücklich
erreicheti; wie wir dann auch künfftigk uns mitt £. On.
alzeit einer gleichförmigen meinung in so wichttigen undt
gemeine wohlfahrth betreffenden saohen gerne vereinigen
wollen . . .
XXXII.
Kammersekretär Heufsner an Herzog Job. Ca-
simir. Coburg, 14. August 1618. Orig. A. I, 82 a, 5,
No. 160.
.... Gleich seindt bey zuefelliger Post beygefügtte
zwey verschlossene schreiben vonn denn Eyangel. Böheimi-
Bchen Stenden undt herren Bueppeln ') ankommen. XJndt soll
albereit ein treffen fürgangen, auch mehr zu besorgen sein,
welches nunmehr undt weill man einmabll zu streichen
kommen, der guettlichen interposition halbenn gar mifsliche.
Es wehre dan, wie verlauttenn will, der Böheimische succurs
1) Job. Ernst irrt sieb, denn es war der SS. Juni. cf. Beilage
XXIX.
2) Agent Casimirs in Prag.
590 Politik das Hersogs JohAM CMimSr von Coburg.
10 storok undt meohttig, das er kne KriegBttiaeht ftbertreffe,
darunder aber nichtt saeseumen oder sieh feroer mitt gutten
wordten aoff- oder abhaltten zu lassenn, bis dem Kayser oder
Könige frembde Httlffe beykommen, bo würde der allmechtige
Oott, deetenn ehre undt reine lehre es betrifft, gnade Ter-
leihenn, sab armis einen yersicherliohen undt bestendigen
frieden vor die Böheimb lu besohlieasen. Dann nff der Keys.
Mitten betriffts die reputation undt uff der Böheimb theill
die afseöuration undt yersicherunge des liajestfttsbriefes ; das
seiddtt zweene hartte Knoten auffsuelösenn.
Nun Oott der allmechtige kanns geben.
Es wirdet des von Waldenfels' Bedenoken hierüber ge-
warttet, allsdan den Böheimen einTsmalls wiedder eine be-
soheydene andtwordt oder trostbrieffleinn undt gueten ratii
mitt erbietenn, was sich andere verwandte Erbvereinigungen
undt benachbarte uffn euTsersten fall erzeigenn würden, auch
zuö erwegen, wiedderfahrenn zuelassenn.
Wans allsdan zue weitterem gefKhrlichem Schwertstreich
undt nichtt zum vergleich kommen sollte , würde man, wie
andere Fürsten angestellet, mitt der Landtsohafft ausschues
einen gewissen Schlues, bereitschafft undt auffgebots halbenn
uff nachweisunge, was Ghur: undt Fürsten zu Sachsen, auch
die Marggrafen sich erzeigen, malchen muessenn, ehe die be-
stellunge verseumett ....
XXXIII.
Kurfürst Friedrich Y. von der Pfalz an Herzog
Joh« Casimir. Behehütten, 22. August 1618. Origin.
A. I, 32 a, 6, No. 96. Bl. 64 u. 67.
. . . E. Ld. communiciren wir hierbey, Wals die Stendt
in Böhmen eines feindlichen einfalls halben, durch Gra^
Dampier geschehen, an unfs beweglich gelangen lassen undt
wir darauff an Chur-Sachsens Ld. vertreulich geschrieben.
Weil es dan nunmehr zu den Bxtremiteten kommen undt
Politik des Hersogs Johann Casimir von Coburg. 501
nioht SU zweiffln, dafs sich der Pabst, Spanien undt gantie
Liga der saohen wieder die Böhmen mit hüUf undt Gontri-
bution wie man dessen naohriohtang BÜts einer Beligionssaob»
wiewol sie sonsten ein anders undt dafs es ein lautter
Politisch werokh betreffe, vorgeben, würcklich annehme^, so
will ie einmal dem gantzen Evangel. wesen undt allen des-
selben Stenden im Reieh zu waohen angesagt sein, dafs man
dermaleinst eine solche resolution fiasse, damit man nicht
ohnyersehens in eine solche eng eingetrieben werde, darinnen
die lang erworbene Libertet undt Eyangel. Beligion notfa-
wendig zu grund und boden gehen müste.
£. L, können bey der bevorstehenden Zusammenkunfft
defs Chur: undt fürstl. Hauses Sachsen verwanther fürsten,
die, wie wir berichtet in kurtzem geschehen werde, hierin viel
gutes thun und rathen. Inmafsen wir sie auch freundlich er-
suchen, dafs sie an ihrem ort nach möglichkeit befördern
wolten, damit der enden eine gute, dapffere resolution dem
gemeinen, evangeU Wesen zum besten gefast werden möge;
sonderlich in dem, wie es entlich mit der sowol von der Kays.
May. alfs auch den Stendeu in Böhmen krafft der Erbverein
gesuchten afsistentz zu halten. Mit welcher verein es unsere
theils also beschaffen, dafs, ob wir wol derselben erneuerung
vor weniger Zeit durch sonderbare Oesandten gesucht, jedoch
dieselbe durch die Jenigen, so es nicht gern gesehen, ge-
hindert worden. So will auch hierbey wol zu bedencken
stehen, weil diese Erbvereinigungen allein der Oron zum besten
und zu derselben conservation gemeint und uffgerichtet, wie
sich in ietzigem Fall, da gedachte Cron angefochten und
gleichsam gar devastirt werden will, der hülff halben zu er-
zeigen, welches E. L. ebenmefsig in gute achtung zu nehmen.
Dabey auch, dahin es su befördern, gebeten sein wollen, dafs
von obangeregter Zusammenkunfft aufs auch andere drinnen
Lands gesessene Stendt erinnert werden möchten, dafs sie
diesen gefehrliohen Zustandt in Böhmen ihres theils eben-
mefsig in gute achtung nehmen wolten ....
592 Politik des Heriogt Johann Catimir Ton Coburg.
XXXIV.
Hersog Job. Casimir an Kurfürst Friedrich V. t.
d. Pfaljz. Bamberg, 80. September 1618. Konzept A. I,
32 a, 5, No. 96. Bl. 68.
. . . Dafis B. Ld. uns bey so wohlgemeinier, freundTetter-
licher besuohang, beides in dero Churförstl. HofSager sowohl
im zu : und abreisen, alle ehre, lieb undt freondschaft nebenn
stadtlicher tractation undt aulsrichtung nicht allein erwiesen,
sondern auch über gemeinen wesens zustandt, vorsieht undt
behutsamkeit mit uns so yertreuliohe Oommunication undt
oonferentz halten laTsen, solches erkennen wir yor sonder-
bahre hohe freundschafft, erfreuen undt getrösten uns defsen
undt thun uns dafür nochmahls gantz freundlich bedanoken.
Wüntschen von Oott, dem allmechtigen , dals uns occasion
undt gelegenheit zu banden kommen möge, dieses in etwas
angenehmes undt behegliohes mit würklichem Danck zu er-
statten undt zu erwiedern; als wir dann der nahen ver-
wandtnus undt guten yertreuligkeit nach unfs darzu uff alle
begebende fälle gantz obligat schuldigk undt wilügk befinden
undt erkennen.
Derselben Corretpondentz zu folge thun £. Ld. bey ver-
wahrt, ob es zwar derselben albereitt auch zukommen sein
mag, abschrifftlioh übersenden, was von des Ghurfürsten zu
Sachsen Ld. wegen der Böheimisohen vorstehenden Compo-
sition unlÜB gleich ietzo unter unserer anheimb reise zukommen,
der Zuversicht undt hoffnung, was wir aus berürter vertreu-
licher Oonferentz unserm zu des Ghurfürsten zu Sachsen Ld.
abgesandtem hierander allenthalben bescheidenlich zu er-
innern undt abzulegen aufgetragen, .... es solle undt werde
darauf zu des fürnehmen, hohen wergks bequemen, füg-
liehen vermittelung gedeihliche resolution erfolgen, davon
E. Ld. den nechsten, was defsfalls ferner an uns ge-
langen wirdet, ungeieumbte Oommunication wiederfahren
soll . • . •
Politik des Hwiogi Jobaon Casimir tod Coburg. 593
XXXV.
Hersog Job. Casimir an Kurfürst Friedrich V«
y. d. Pfalz. Coburg, 31. Oktober 1618. Konzept. A. I,
32 a, 5, No. 96. Bl. 86/89.
Freundlicher, lieber Vetter.
Zu volge undt beharrlicher fortsetzung unserer yertrau-
Hohen Correspondenz thun £• Ld. wir hierbey freundlichenn
oommuniciren y was des Churfürsten zu Sachsen Ld. unserm
abgesandten uff abgelegte Werbung wegen des gefährlichen
Zustands im Königreich Behem undt dahero besorgenden
unmhe, unheils undt Zerrüttung im hL Btfmischen Beich»
wofeme die Göttliche Allmacht nicht andere mittel schicken,
die hertz zum frieden wecken undt die entstandene kriegs-
empörung stillen wird, hinwieder zur Besolution wiederfahren
lassen • . .
Nun wechset die sorgfeltigkeitt bey einkommenden nach-
richtungen je lenger je mehr, das zu gütüicher composition
noch zur zeit wenig Hoffnung, sintemal die Rom. Keys. May.
unser allergned. Herr under andern conditionen, den Böh-
mischen Ständen sub utraque fürgeschrieben, die niederlegung
der Waffen suyörderst urgirt, hingegen Ihr Kriegsyolk ab-
zudanken nicht, sondern dasselbe im Königreich Böheimb zu
unterhalten gemeint, die Stände aber sich hierzu zu be-
quemen, grofses bedenken tragen undt yielmehr darauf
schliefsen, es sey Ihren wiedersachem der friede mitt yer-
Sicherung der freiheit eyangelischer Religion kein ernst, son-
dern werde allein occasion, mitt macht durchzutringen undt
den Mayestätsbrief zu angustim oder nunmehro gantz wieder«
umb zu cafsiren, hierunter gesucht. Derowegen sie sich gegen
Chur-Sachsens Ld. unter dat den 24. Oktober lauter erklärt,
das sie solche hoch nachdenkliche conditiones keinesweges
eingehen können, ja darüber, undt wie es Oott schickte, zu
seinen Ehren lieber leib undt leben, gutt undt blut aufsogen
weiten.
594 Politik des BtrtOf^s Johann Casimir Ton Coburg.
Do wir nuQ an unsern zwar wenigen ortt etwas ge«
dencken mögen, stellen wir dohin, ob bey Keys. May. (dar-
unter König Ferdinand undt die fumehmen Herrn |[eyy.
OMzierer auoh an^tretten) Chur: undt Fürsten des Beiehs
mitt nochmahliger zu gemuttflihr\ing des löbl. Königreichs
Behem unter wehrenden Extremiteten gentzlioh ruin, ver-
derbung undt Untergang, daneben androhend gefahr vom
Türken undt tieffsten einwurtielung des mifstrauens im Beich,
yermittelst einer ansehnlich Zusammensetzung inn schriflien
oder durch schickung beyder, der ganzen löbL Byang^ Union
sowol undt zugleich oder nechstfolgend mitt beykommend
Ton den correspondiercnden undt andern Beichsständeo , als
in einer gemeinen, weitt aufsehenden, gefShrliohen saohen,
nochmals bewegliche suchung thun weiten: die rersicherung
des Majestätsbriefes, den S. Maj. allergnedigst zu halten sich
mehrmals erkläret, als nechst Gott eine grundyest zu repari-
rung eines bestendigen frieden, vorhergehen zu lassen, dunitt
die Erneuerung ufs crefftigste uffgerichtet undt, worinnen
derselbe in mifsverstand oder ungleiche deutung gezogen,
mitt Clären wortten bestätigen, znmahl auch zu detsen wirk-
lichen handhabung genügsame media bedacht, beechloaaen
undt yerfasset würden; darauff die abschaffung des Kriegs-
Volkes undt compositio gravaminum leichter zu ervolgen.
Denn je sonsten die Evangel. Stände in Behem sieh zu
aller subjection, gehorsam undt respeot, wie die landaa-
ordnung, landtagsbeschlufs undt capitulatio regni aufeweiBen
undt mitt sich bringen, ied zeit erbotten undt, das Sie zu
den Waffen nicht zur offension der May., sondern zu Ihrer
Defension wieder Ihre wiedersacher undt des Königreichs
feinde, welche den majesiätsbrief zu verengen oder gantz uff-
zuheben practicirt hatten, greiffen muaten, öffentlich bezeuget
Nicht ohne ist es, das die Keys. Hoheit billig in acht au
nehmen undt also mitt den armierten unterthaaen zu trak-
tiren, welohe sich in Kriegsverfiissung erstlich begeben, fast
bedenoklich. Wir hoffen aber doch, S. K. May. werden hooh-
rernünfftig erwegen, was es mitt diesem Königreich Böheimb
Politik des Herzogs Johann Casimir ron Coburg. 595
undt dessen Freyheiten für eine sonderbare beschaffenheit,
undt wie in solch fällen dero höchstgeehrte yorfahren im
Eeich moderata consilia mitt grofs lob undt heilsamen, wol-
gedaylichem succefs eligirt; dahero Endolph, so am ersten
aus dem Hanfs Ofterreich zum Eeyserthumb erhoben worden,
zu sagen gepflogen : Severum et immitem fuisse me aliquando
poenituit, lenem et plaoabilem nunquam; plemmque enim
ciyiles dissensiones mansuetudine et moderatione multo facilius
quam severitate et armis sedari possunt
Eayser Ferdinand, deme das Herzogthumb wirtenbergk
von dem Schwebischen Bund übergehen undt von Eeyser
Carl verliehen, aber durch Herzog Ulrich undt landgraff
Philippen zu Hessen durch kriegsmacht eingenommen , hatt
sich uff der Hertzog zu Sachten undt anderer intercession
zu guttlich mittein bewegen lassen , von seinem recht ge-
wichen undt gemeine ruhe undt wolfahrt andern respecten
weitt fürgezogen, ob er wol offtmals zur eussersten scherpffe
undt blutvergiefsen von vielen gantz hefftig undt umstendig
uff allerhand wege angereizt worden.
Nicht weniger Keyser Carl V. selbst, als er in der that
erfahren, was violenta consilia für einen ausgang gewinnen,
undt das land undt hierdurch das Beich, leut, policey undt
Begiment in verderb undt Untergang gerhaten würde, sich
wiederumb ad mitiora remedia gewendet.
Denen Eeyser Maximilian löblich nachvolget undt das
bonum publicum mehr da der Babst oder andere, so Ihren
eigen nutz darunter gesucht, gegen hochgefehrliche anschlag
in acht genommen undt das Beich wol undt nützlich ver-
waltet, wie solches meniglich bekannt ist.
Daneben Ursprung dieses gantzen wesens undt welch-
mafsen die stände dazu kommen, hierub weil das Im-
perium in solchen regnis nicht absolutum, die privilegia et
pacta Begni einen zimlichen unterschied an Ihm selbst
geben undt ad consilia mitiora anleitung zeigen undt geben
mögten
XVIL 39
596 Politik dM Herzogs Johann Casimir tod Cobnrg.
XXXVl.
Herzog Joh. Casimir an den Kurfürsten Job.
Georg. Neustadt ahn der Heyden, 29. Juli 1619. Kopie.
A. I, 32a, 5, No. 129. Bl. 161/164.
. . . Wir mögen £. Ld« unserer wohlhergebrachten, yer-
treuliohen GorrespoDdentz nach nicht verhalten, wie der
hoohgeb. Fdrst Herr Christian Marggraf zu Brandenburgk inn
ufgetragener Commission der Eyangel. Union kurz erichienenen
tages zue un£s eine schiokung gethan undt mit einführung
der im heiligen Beioh vor äugen schwebender, grofser gefahr
dann uf den 23. August schirstkünfftig naher Mülhausen be-
stimbten allgemeinen Evangel. Convent inn der Persohn oder
durch geyoUmeohtigte zu besuchen, beweglichen erinnern
lassenn. Inmafsen wir dann vernommen, daÜB £. Ld. hierunder
zueförderst ahngelanget worden.
Nun wissen wir unfs zu erinnern, was vor dessens uf
dergleichen mueten undt gesinnen für bedencken furgefalleo
undt welcher gestalt £. Ld. sowohl dero geliebter Bruder,
weylandt der auch hochgeb. Fürst Herr Christian der an-
dere etc. sich erclärety unfi9 auch selbsten gerathen, in weitrer
Vereinigung, dardurch nicht allein das roifiBtrauen vermehrt,
sondern auch zu sterckem gegen Verfassungen undt totalisoher
trennung anlafs gegeben würde, mit grofsem umbstatten sich
nicht zu verwickeln, hingegen bey denen vinculis Imperii et
familiae nach anweisung des heiligen Reichs: undt Crails
Abschiedes, auch Erbvereinigung in friedfertigen, begnügigem
wesen standthaiftig zu bleiben, darbey man nechst göttlicher
verleyhung ohne angriff oder Überfall, darzu keine uhrsach,
sitzen köndte.
Dieweil es aber iezo ganz einen andern zuestandt er«
langet undt nach so schwerem, gefehrlichem verlauff die Con-
silia ganz verändert, indeme die Catholischen mit grofsem
Eyfer zue stercker, ungewöhnlicher armatur albereit vor leng-
sten gegriffen undt aller ortes fürtrefflichen vortheil mit
Politik des Herzogs Johann Casimir ron Coburg. 597
ihren Kriegswerbungen, darunter noch bifs dato niobt gefeyert
wirdet, abgeloffen; bevorab aber die meohtige darcbznege
undt einlageningen frembden, der TeutBchen Nation euTserst
gehefsigen KrigBYoloks über undt uf dem Keicbsboden, auch
mehr dann Barbarische, hin undt wieder verlebte Crutelität
mit unmenschlichem Brennen , Rauben , morden, weiber undt
Jungfrauen gewaltsamen sehenden undt darzue in eigenen
Erblanden meisten theil ahn Evangel« verwandten; leicht zu
erachten, was anderer orten heraufs im Beich, do dergleichen
Krigsvoick überhandt nehmeu solte, zugeschoben, höchst-
besorglichen, hochendtpfindtlichen offenbahr. Undt es werde
im Königreich Böhmen gleich friede gemacht oder Erleg
continuiret, das periculum regurgitationis undt excursionis inn
die benachbahrte Ghur: undt Fürstl. Heuser , innsonderheit
auch underm schein solcher benachtbarihen unruhe, da man
den vortheil in Händen, des heil. Beiohs Teutscher Nation
freyheit oder doch der wahren Evangel. Beligion antrohende
undertrückung oder sohwechung nicht abgewendet, zuge-
schweigen, wenn mit so unmenschlichen, starcken Eriegesvolck
der fuefs in Böhmen genzliohen gesezet undt es überweltiget,
das darauTs ringstumb für bekrieg: undt subjugirung zue-
befahren undt in steter Unsicherheit zusizen. So will an£s
fast beduncken, es sey die allgemeine Zuesammenkunfft der
Evangelischen nicht unzeitig ahngesehen, in fümehmer be-
trachtung, das es umb keine offension, sondern allein darumb
zuethun, durch was mittel undt wege man sich gegen dem
besorgenden unheil, Schuldigkeit undt gegen Gott, den armen
underthanen undt der werthen Posterität obliegender schweren,
gewiefsenhafften verandtworttung halber, zueschüzen undt die
theure beylag des Religion: undt Profanfiriedens, neben der
theuer erworbenen, vor allen andern Königreichen in der
ganzen weit weitberumbten Teutschen libertet undt das Kley-
nodt der freyen Königlichen waahl behalten möge.
Dann obwohl aüfserlich die Defension uf der Catholischen
Seiten gleichfalfs undt das man sich inn das Böhmische Un-
wesen, welches ohnedaüs ex alio capite herrühre, zue ilechte|i
39*
598 Politik des Herzogs JohAnn Casimir von Coburg.
nicht begehre, angezogen, so ist dooh vor angeteudete be-
sorgnns nicht eximiret Danae allerhandt reden undt avisen
kommen sollen, undt leiohtlich ein praetext zu finden, dtmit
justitia belli sub oolore executionis, welche contra imparatos
et disjunctosy dum singuli pugnant, desto ehe ins werck lue-
stellen, beschönet zu werden pflegt; dabey die Historien gnug-
samb bezeugen. Undt eiumahl die gütliche Composition der Gra-
yaminum rundt abgeschlagen und Restitution oder selbstholoBg
bilshero hardt angedrohet worden. Undt sindt zwar die Reichs:
undt GrailiBYerfafsungen heilsamblioh bedacht undt uijgerichtet,
es ist aber hingegen dar am tage, Was für Separationes undt
Trennungen uf hinc inde geführte Grkvamina undt so tieff
eingesessenen mifstrauens undt mifsyerstän^t bishero eingrifsen.
Dahero bey den vermengten oder angrenzenden ständen beyder
Religion die intention ungleich undt zur\einmütigen ZQ^
sammensetzung ohne Composition der Gra^^minum keioe
apparens.
DeÜBgleichen werden in dem üniversalwerk die Erb-
vereinigten Heuser distrahiret, dafs die Hülfen einander desto
beschwerlichen zue leisten, ein ieder mit sich selbst i^^
thuen gnugsamb undt andern abgesefsenen miteinUg^^S»*'
verwandten unmüglichen zu hülff undt rettung zuekomio®"*
Wie dann bey solchenn allgemeinen motibus die erfahT^u^S
mit sich bringet, das die absonderliche intention sehr gefl|°''
liehen, hingegen allein die eufserliche vermerckende ^^
eammensetsung undt einhelligkeit der Evangelischen, aii<^
ohne Sohwerdtstreich, der wiederwertigen cruenta consilia ^'
fringiren undt zue lindem wegen antreiben möge. Viellei^^
nur durch blofse besuchung solchen Oeneralconvents der Ev
gelischen die gewaltsamkeit sich etwas legen undt zue fruchv
bahrlicher, wohlverfenglicher pacifications Handlung inn und
aufserhalb Reichs, (: darunter E. Ld. besondem grofsen anH
Sehens undt vertrauligkeit viel vermögen:) vor dem zweifei* I
hafften, einseitigen wahlwerck stadt zu finden, die Reichs-
Capitulationver&ssungen zue gemeiner wohlfarth undt ruhig^mi
versicherliohem stanndt, dann das Compositionswerdk, ^^
Politik des Herzogs Johann CMimir Ton Coburg. 599
nicht zue genzlicher richtigkeit, jedoch sum wenigsten zue
guter veranlaXsang, auch den Beügion : undt Profanfrieden zue
mehrer AsBecoration : undt also das gute» alte yertrauen et-
licher malen sambt friedt undt ruhe vor grofserer, endlicher
trennuDg wieder zuebringen, das aufslendische Kriegsvolck
von den Beichsboden undt frootiers abzuwenden.
Nachdeme es dann ein hochwichtiges werok, darinnen
mit guetem Bath undt fürsichtigkeit zu verfahren, zumahln
unserer orten Landes ahn den frontieren der gefahr nahe
gesefsenn undt do man sich von den £yangel. genzlich ab-
sonderte, ufm notfall wenigen succurs reciproce zue gewartten.
Alfa ersuchen wir £• Ld. freundtvetter : undt frenndt-
lich, Sie wollen unfs mit ihrem guthaohten unbeschwerdt zue
statten kommen, undt ob nicht zum wenigsten in hoc imperii
statu vorsehender Convent zue beschicken , uf das die noth,
weil dieselbe exaggeriret, ihren umbstenden nach eigentlich
au erwegen, die mittel anzuehören undt was zu thuen nach
eingewandter Relation, mit statlichem Rath sich zu endt-
schliefsen haben möge ....
XXXVII.
Xammersekretär Sigism. Heufsner an Herzog
Jolu Casimir. (Bericht u. Gutachten.) Coburg, 30. Juli
1619. Origin. A. I, 32 a, 6, No. 160.
Postscriptum.
.... Alls auch des Churfürstenn zue Sachsenn com-
munioationssohreibenn inn derselben (ORü^O^ufer) Convents
Sachen vonn der Neustadt anhero in geheimen rath kommen.
Hatt es zwar das ansehen, I. Churf. Gnaden hierinnen sich
wohll bequemen undtt erzeigen, auch darunter absonderlich
zuesein, sorgfälttig. Weill aber die persönliche Zuesammen-
kunfft gemuetet, hatt es ettwas nachdenken, das man £. f. gn.
uff des Churfürsten zu Sachsen intent uudt meinung zihenn
undt gleichsamb anderer ordten abwenden wollen.
QQQ Politik des Hersogrs Johaon CaMinir von Coburf^.
Do dann im naohsuchenn befunden, das der von Wallden-
felle nach jun gester verrichtuDg zue Dresden treulich ge-
ratheOy inn so schwehrenn , gefahrlichenn , weitaussehenden
handlungen E. F. gn. in Person niohtt selbsten darzne be-
gebenn sollen, sondern viehll sicherer schicken mögen, wann
es nicht durch schreibenn (:do man doch die leatte besser
damitt zuefassen:) zu yerrichtenn.
Demnach wirdett fast rathsamb befunden, jedoch zue B.
f. gn. gnedigem gefallen nndt willen stellende, weill das itzige
Gommunicationschreiben uff der Post ankommen undt kein
eigener Bott vorhanden, das E. F. gn, schreibenn uff ein oder
swene tage mitt dem dato zuerückgesetztt undt dasselbe
morgen n uff die Post geben würde. Könnte in zweyen oder
dreyen tagenn die andtwordt dorauf dermassen hernach ge-
ferttigt werden, das gleich im wechssell E. f. gn. abgangenen
Communicationschreibens das isige einkommen undt £• f. gn«
dafttr halten thetten, das Seine Churfürstl. On., der wenig
Onettachten nndt raths fragen, daraufs genügsamb vermercktt
haben. Es betten auch E. f. gn. noch gar keine vorandwortt
von sich geben, sondern erst dieser tagenn mitt E. f. gn.
Herrn Brueders Räthenn undt zusammenordenunge daraufs
commuuication zu halten undt L Churf. Gn. Guettaohttenn
zuvor zuvernehmenn , das es ettwa persöhnlioher zusammen-
kunfft (:darzu E. f. gn. iziger Zeitt ihres leibes zuestandts
halben übell disponiret undt sonsten nichtt wohll femne ab-
zuereifsenn :) nichtt bedürffen möchtten
XXXVIII.
Kammersekretär Heufsner an Hersog Job. Ca-
simir. Coburg, am tage Bartholomäi 1619. Orig. A. I,
32 a, 5, No. 160. (Gutachten.)
... Ist zue besorgen, Chur Pfalz werde grofs bedeneken
tragenn, die Kgl. würde inn Böheimb anzunehmenn undt seine
Erblande damitt zuezusetzenn. Dann das ganze Haus Ostereiohy
Spanien, Papst undt ganze liga werden alles eufserite darann-
Politik des HeriOKS Johann Casimir von Coburg. QQl
setzeD, UDdt möohttenn nunmehr die Kriege erst yöllig an-
gehen.
Gott wolle inns mitiell kommen ....
XXXIX.
Eammersekretär Heufsner an Herzog Joh. Ca-
simir. Gohurgy 26. August 1619« Orig. A. I, 32 a, 5,
No. 160. (Gutachten.)
. . . Jedoch mögenn sich auch I. F. Gn. Weimar nun-
mehr undt weill König Ferdinand sur Böm. Gron einhellig
waahll, derenn Chur Ffals', Chur Sachsen undt Ghur- Branden-
burg Gesandte mitt undersohrieben, gelangett, dardurch aue-
gleich die Königl. Böheim. Cron bey Ferdinand bestetdgt»
undt nun das gantse Römische Beich Ihme dazue Huelffe
zue leisten, wohll bedencken» ob sie so gestalten sachen
nach mitt solchem Reuttersdienste gegenn Chur Ffalz oder
die Union zu yerfahren, dem König, Ohur-Sachsen undt alle
Catholischen zue offendiren. Man yermeinett noch, Chur-
PfSalz werde selbsten die angetragene Böhm. KgL würde von
«ich legenn undt seine Erblande sohonenn. Dann weill die
Reichs -Städte umb handell, wandell undt freyheitt willenn
mitt ihrer huelffe ab : undt zum Ferdinand dretten, so wirdett
die unionsrettunge ein grofs loch gewinnen; hingegen die
spanische, päpstische macht ihr euserstes daran setzen. Allso
es ganzs gefährliches ansehen, als noch nie gewesenn.
Gott wolle ins mittell kommen ....
•
XL.
Landgraf Moritz von Hessen an Herzog Joh.
Casimir. Bayreuth, 28. Oktober 1619. Kopie. A. I,
32 a, 6, No. 53. Bl. 112/113.
. . . £. Ld. mögen wir hiermit nioht bergen, dafs wir
Yorgestem nachmittags zeitlich alhier angelangt, aber die
Sachen nicht allermaüsen also disponirt befunden, wie wir
g02 Politik dM Henogs Jobuin CMtmir Ton Coburg.
unfa wohl yerseheD undt wüntschen mögen. Sintemahl wir
soviel verspürt, dafis mann auch dieser orts wegenn etlicher
Privatrespectenn noch zurückhaltenD , die Fersöoliche Er-
scheinung zue Nürnberg tediniren undt von einem undt an-
derm etwas kaltsinnig disourriren will.
Zwar ist es nicht ohne, dafs die Sache hochwichtig, die
gefahr sehr grofs, unser gegentheil listig undt mächtig, befser
als wir unter sich selbst einig undt verbanden. Nichts desto
weniger aber, wann man hingegen wohl erwegen wirdt, wie
dafs nun gleichsamb nicht res integra, indeme die saohenn
vorlengst auf dem Beichstage Anno 1613 und hernacher
durch die Compositionsverwegerung zue einer solchen starcken
Oontradiction gerathen, auch nunmehr die Gron Böheimb vonn
Ghur-Pfalz acceptiret, item, dafs wir, man mache daraus, was
wan wolle, unis doch endlich bey den Catbolisohen in der
Güte nicht werden aussöhnen können, so wird sich auch
leichtlich der schluTs findenn, dafs man unerachtet der obigen,
ann sieh selbst wichtigen Considerationes, dermahl eins Hertz,
muth undt dameben eine dapffere resolution, wie nechst
Göttlichem beystandt aller ahntrohenden gefahr su begegnen
undt endlich aus dieser gefährlichenn ungewifsheit inn etwas
Sicherung zu kommen, nehmen undt fafsen müsse. Undt
weil E. Ld. dieses alles befser als wir verstehen undt wiTsen,
alTs wollen wir sie mit weiterer anregung defselben femers
nicht importuniren.
Nur allein ist unsere uochmahlige freundtvetterliche
bitte, £. Ld. sich durch anderer irresolution nicht abschrecken
lafsen, sondern vielmehr dadurch ursach undt ahnlafs nehmen
wolle, ihrem löblichen intent zu inhaeriren undt dadurch
diesem undt andern mit einem guten exempel vorzugehen;
gestalt sie dann keine befsere gelegenheit iemahls habenn
wirdt, ihre treueyferige Sorgfalt vor das allgemeine Evangel.
wesen alTs bey ietziger gelegenheit der gantzen Welt an tag
zu geben ....
Politik des Hersogs Jobaon Casimir tod Coburg. g()3
XLI.
König Friedrich von Böhmen an Herzog Joh.
6. Mai
Casimir. Kgl. Schlofs zu Prag, — — -— - 1620, Orig.
26. Apnl
A. I, 32 a, 5, No. 17. Bl. 14/16.
« • • Dafs ahn unfs £. Ld. nach dero mühsamen voll-
brachten Dreüsdnischen Heise undt wohl angesehener verrich-
tunge noch femer geheimbde abordnunge^) undt vertreuliche
communication thuen, darneben allerhandt gutte undt wol-
gemeinte ermanungen beybringen undt bishero damit geraume
zeit über aufwarten lassen, solches haben wir mit besonderen
gefallen undt danck vernohmmen.
Bieweil nun dafs widerwerttige, gewaltsame forttbrechen
nicht remittiren, noch man sich zue einiger composition ver-
stehen will, ungeachtet besondern, versohiedtlichen , wohl-
gemeinten antragens undt dafs dieses ortts niemahls wie auch
noch nicht bequeme, versicherliche mittel zue wiederbriogung
defs heilsamen friedens aufsgeschlagen , alfs wollen £. Ld.
deroselben gefasten gutten intention undt proposito ferner
zue inhaeriren, ihres ortts verwandter undt vertreulicher, wohl
zuegethanen Correspondenz allenthalben dafs beste wirken
uudt befürdern zue helfen, sich nit irr machen, noch einigen
andern respect abwenden lafsen. Inmafsen dieselbe Gott lob
ihres ansehnlichen altters undt löblichen Sorgfalt wohl ver-
fafster bereitsohafft undt stetter vigilantz bekandt, auch wafs
dero in Gott ruhende hochgeehrte Vorfahren dem Königreich
Böheimb vor Zeiten für treure dienste geschaffet, darüber sie
bifs uffs bludt verfolget worden.
Besonders wollen E. Ld. zue ieder begebender gelegen-
heit ferner bei Chur - Sachsens Ld. zue gewinnung befserer
verstendnufs undt mittleidentlichem annehmens gemeiner Noth
undt gefahr nach ihrer aufrechten dexteritet undt discretion
1) AbsendoDg Heufsoers nach Prag.
g04 Politik des Hertogs Johann Casimir von Coburg.
nichts erwinden lafsen; hingegen 8. Ld« versiohern, das wir
diefselbe undt das gemeine wesen yon hertzen trewlich
meinen, zue aller friedtfertigen , nachbarliohen behäglichkeit
ieder zeit undt alles wiederwerttige, ungleiche, mifstrewliche
euTserst abzuewenden beflissen sein u. bleiben wollen. Wir
können auch nicht glauben, das, under wafs schein es auch
werre, 8. Ld. gegen unfs oder diese Länder zue einiger
feindtseelig: oder thättlichkeit sich soltten bewegen lausen;
dan je weder wir noch Sie die geringste ursach darzu nit
gegeben haben. Zu deme dafs auch dem Pabstumb dergestalt
wider auif: undt Evangel. 8tendt undertriicken zu helffen,
weder gegen Gott, noch der Posteritet zu yerantwortten sein
würde.
Wir erfahren mit schmerzen, dafs unterm schein der
Keyserl. hoheit undt reputationserhalttung gefährliche inten-
tiones wider unfs undt diese betrengte Länder auff der bahn
sein sollen. Nun wissen wir gar wohl, wie man sich gegen
einen Rom. Eeyser alfs dem Haupt defs Reichs zu erseigen.
Es müfsen aber dabey auch defselben verfaTsung, capitulation :
undt constitutiones , insonderheit der Chur: fürsten undt
Stendt libertet, privilegia undt conserration in acht genommen
werden. So kan auch die Eeyserl. Hoheit einen weg alb
den andern bestehen, wan gleich die Römische Cron bey
einem andern König ist, wie im Haufs Österreich selbsten
die exempla bey den Eeysern Frid: 3 Carole Y. undt Fer-
dinande aulsweisen. Und gleich wol die iezige Keys. May«
zue würcklicher possession dieser Länder nie kommen. Hin-
gegen da vor wenig Jahren Keyser Rudolph, der in yölliger,
unstrittiger, ruhiger, etlich 30 jähriger possession war, in
seiner Eöoigl. residenz die Römische Cron gleichsam yom
Haubt genohmmen worden, hatt defswegen kein Standt im
Reich unsers wifsens einig Fferdt gesattelU Demnach aber
an iezo wieder unfs, die wir doch legitima electione dieses
Königreichs undt aller incorporierten Landen in yacuam pos-
sessionem kommen, der mehrertheill der Fäpstischer Stendt
dermafsen eyffert, so ist ihr intention undt scopus darauTs
Politik des Herzogs JohaDD Casimir von Coburg. 605
leichtlich abzueDehmeo. Undt wohl zu erbarmeo , dafs mit
ihnen auch Erangel. Steudi sich einlassen uudt conjungiren
sollen, da doch, wan die Päpstlichen ihren scopum erhaltten,
ihnen nichts anders zu gewartten, alfs was bey dem Poeten
der polyphemus dem ülyfsi vertröstet. Gott wolle es wenden
undt verbessern, weill dabey Seine heili«;e Ehr undt so vieler
herrlichen Länder wohlfart so starck interessirt ist«
Demnach auch ferner unsere geliebte vettern, die Herzog
zue Sachsen weymarischen theils sich bey iezigem betrangdten
Zuestandt unser undt dieses Erbvereinigten Königreichs mit
dero Kriegsdiensten trewlich ahnnehmen undt wissen , dafis
£. Ld. denfselbig mit naher verwandtnuTs undt vertrewlichen
verstendnus vetterlioh undt wohl zugethan, so zweiffein wir
nicht, wie auch hiermit unser freundtliches , wohlgemeintes
suchen, E. Ld. werden undt wollen Sich diefselbe undt ihre
Lande zue aller, zwar unverschuldeter widerwerttigkeit Ver-
hüttung undt abwendung trewlich befohlen undt angelegen
sein lassen.
Im übrigen wirdt £. Ld. abgeordtneter zue dero be-
liebigen information undt beharrlicher treu wer vortsezung
mehrem bericht undt anzeige zue thun wifsen . . .
XLII.
König Friedrich von Böhmen an Herzog Joh.
28
Casimir. Kgl. Sohlofs zu Prag, — ^ May 1620. Orig.
lo.
A. I, 32 a, 6, No. 17. Bl. 19.
. • . E. Ld. danckbriefflein, am 6. verschinenen Monats
datirt, ist uns kurz verwichener tagen zu handen kommen.
Hett der dancksagung nit bedörfft, sintemal die communi-
cation in allweg nötig erachtet Dieweil uns E. Ld. sonder-
barer eiffer zu dem gemeinen wesen gnugsamb bekandt,
zweiffein nit, Sie werden auch fürters die gute band darob
halten, damit das publicum bonum in puncto gravaminnm
QQQ Politik des Heriogs Jobann CMimir von Coburg.
UDdt hiolegung derselben allen andern respecten Torgezogen
werde, dozue der getreue Gott sein gnad yerleihen wolle.
£. Ld. sehen undt erinnern gantz hochrümblich die dabei
sich erregenden extremiteten, wann nit durch gute, hochnötige
ondt getreue cooperirung wolaffectionirter stend das werck
mit einmütiger zusamensetzung an band genommen undt
getrieben wirdt Der aufsgang stehet in Gottes band undt
willen.
Yernebmen daneben gantz gern, das man im löbl. Ober-
Sächsischen Greifs die terminos neutralitatis zu transgrediren
nicht gemeint. E. Ld. fridfertigkeit ist uns bekand undt
versichern uns zu ihr undt andern deroselben Mitglider dieses
und keines andern* Zweifflen nit, Sie werden in solcher
rühmblichen iotention bestendig yerharren, wie sie dann ver-
sehentlich in der guten Correspondentz verharren undt bei
den Nieder-Sächfischen Greifs Stenden gute officia praestiren
geruhen wollen, gegen den ünirten in dem guten Goncept
zu conti nuiren undt bei vorigen conclusis und den Unirten
beschehenen zusag bestendig zu bleiben, damit kein weitere
trennung under den Evangel. Stenden im Reich entstehen . . .
XLIIl.
König Friedrich von Böhmen an Herzog Job«
20
Gasimir. Kgl. Schlofs zu Prag, — ^ Juni 1620. Orig.
A. I, 32 a, 6, No. 17. Bl. 31/32.
. . . £. Ld. wirdt sonder zweiffei nunmehr auls denen
durch offenen truck spargirten schrifften ohnverborgen sein,
wafs nicht allein etlich wenige, ohnlängsten zue Mülhausen
versamblete Ghur : undt Fürsten an unfs wie auch die Stende
dieses unfsers Königreichs Böheimb undt der Incorporirten
Länder wegen unfserer Koni gl. wähl undt Krönung für under-
schiedtliche Schreiben abgehen, sondern auch die Keys. May.
für ein starckes monitorial mandat wider unfs aufsferttigen
Politik des Herzogs Johann Casiinir tod Coburg. QffJ
undt hin undt wider im Reich ansohlagen lassen, ündt
werden £. Ld. bey sich selbsten Ternünfitig ermessen können,
was dieses für ein beschwerlicher undt nnbillicher, ja den
Beichsconstitutionen, Keys. Capitulationen undt aller Chur:
undt fiirsten Gewalten undt theurer erworbenen freyheitten
hoch praejudicirlicher Procefs, in deme die Keys. May. in
dieÜBen schweren Sachen ihr eigener Richter sein undt
onfser gans ungehört ihr selbsten recht sprechen, ja unCs
mitt solchen kurzen terminen, dafs wir nicht zeitt haben
mögen unfs mit unfsem Terwandten undt befreundten darüber
zu herbaten, gefährlicher weifs ooarctireu wollen.
Wie dan auch im Reich nicht herkommen oder erhört,
dafi etlich wenig Stende, fünff oder sechs Geistliche undt
weldtliche Chur: undt Fürsten, sich iemahls understanden
dergleichen wichtige Sachen, so billich für dafs ganze Rö-
mische Reich gehörig, also für sich allein zuziehen undt,
defs andern theills ungehörtt, darinnen einiger Cognition sich
zue underfangen.
Undt ist über difs mit dem stritt wegen der Gron Bö-
heimb es dergestalt bewandt, dafs es Keys. May. nicht alfs
Eaysern, sondern alfs einen Erzherzogen zue Österreich be-
trifft, der ein primat interefse undt jus haereditariam prae-
tendiren thuet, da doch die Stende dieser unserer Cron Bö-
heimb ein anders undt ganz freyer wähl reohtmefsiger weifs
befugt
So haben wir keinen umbgang nehmen können, mit £.
Ld. hieraufs freundtlioh zue communiciren undt diefselbe
benebens freundtUch luersuchen, Sie wollen nicht allein bey
der Keys. May. undt denen zue Mülhausen beysammen ge-
wesenen Stenden hierunder erinnerung thun undt sie von
dergleichen nulliteten undt gewalttsamen, im Reich zuvor
ungewöhnlichen ezecutions Procefs abmahnen, sondern auch
Ohur-Saohsens Ld. vomemblich dahin disponiren, das Sie sich
wider die Evangelischen dergestalt nicht woltten gebrauchen
oder in einige weg darzue bewegen lafsen, vielmehr aber
dahin trachten, das die altte Teutzsche Freyheit erhaltten
gOg Politik des Hersogs Johaon Casimir tod Coburg.
andt Tortgepflanzt werde. Wie den auch E. Ld. bey an-
dern ihren Mityerwandten Evang. Stenden so yiell ander-
bawung zue thnn unbeschwert sein wollen, das sie durch ob
angedeutte, geschwinde undt scharpffe Prooefs sich nicht
weiten irr machen oder trennen lassen, sondern vilmehr
gleich Ton den Catholischen geschieht, ganz treweifferig undt
einmüttig xuesammensetzen undt in guttem yertrawen undt
einigkeit bestendig verharren ....
XLIV.
König Friedrich too Böhmen an Herzog Job.
Casimir. Prag, 14. August 1620. Kopie. A. I, 82a,
6, No. 17. Bl. 4/6.
Hochgeborner Fürst, freund tlicher, lieber Vetter.
£. Ld. hat bifshero in werck spüren können, was für
neid, bafs unnd offene feindtschafft wir durch difs, das wir
aus tragender Lieb undt eifer zue der Evangelischen Religion
so hochbeträngten unnd unchristlich verfolgten n verwandten
inn diefser Cron unnd benachbarten Landen, die auf unfs
durch göttliche Providentz gebrachte, ordentliche wähl zum
König in Böheimb ahngenommen unnd folgens die würckliche
Begierung diefses Königreichs auf uns geladen haben: also
das auch etliche unsere vorhinn in höchster vertreulichkeit
zugethan geweste bluttsfreunde unnd ahnverwandte ihre vorige
affectiones nit allein alteriret, sondern, wie aus des Herzogs
in Bayern wieder unfs undt unfsere Confoederierte Länder
vorgenommenen, gewaltthätigen attentat zu ersehen, ganz
unnd gar in eine hostilitet verwandelt haben. Da wir doch
der haubtsachen halber noch nie gehöret, ob wir unfs wohl
jederzeit zue guth unnd Hecht erbotten haben; welches wir
dem Gerechtenn Gott heimbstellen unnd befehlenn müfsenn.
Was auch für Vertraulichkeit unnd sonderbahre freundt-
schafft zwischen uns unnd I. Ld., dem hochgeb. Fürsteon,
Herrn Joh. Georgen, Herzogen zue Sachsen etc., als zwischen
Yatter unnd söhn, gepfianzet worden, ist guten theils £. Ld.
Politik des Hersogs Johann Casimir von Coburg. g09
bekaodt. Wir auch yon S. Ld. als einem eTangeliscbeo, des
Heiligen Reichs wohlfarth liebhabenden Ghurfürsten keine
Wiederwertigkeit oder feindschafft yerhoffenn oder muthmalsen
seilen noch wollen, derselben auch dazue einige uhrsach nie-
mals gegeben haben, so kommet unfs doch glaubwürdig be-
richt ein, samb die Keys. May. bey S. Ld. starok anhaltenn
liefsenn. das Sie unfs undt unfser Königreich Böhmen undt
Incorporiftrte Länder mit Krieges volok aofallenn unnd eine
yermeinte Ezecution thun soltenn, worzae auch andere nnfsere
wiederwertige L Ld. unnachlefslich anzuefrischen sich under-
siünden.
Dieweil wir dann inn schwebenden Kriegsleafften aller
orten aufiiobt zuehabenn schuldig sein, so habenn wir für
gnth ahngesehen in nnfserer gehorsamen Stände der Gron
Böheimb nahmen durch unfsere 0 briste, Landtoffizierer undt
Edle Bäthe zue des Ghurfürsten zu Sachsen Ld. abfertigen
unnd dieselbige unfsere gegen Sie habenden aufrechtenn,
Teutacbenn unnd Söhnlichen affection, wie auch der Con*
foederirten Königreiche unnd Länder gutherzigen, bestendigen
treue, lieb unnd aller freund: unnd nachtbarschafft ver-
sichern unnd I. Ld. dagegen ersuchen zue lafsen, das Sie
denen soheinbahre einbildungen unnd vorschlagen der KayserL
Gesandtenn auch andere Fapistischen nicht trauen, noch
sich wieder uns unnd diefse vorhinn so hoch ahngefochtene
Länder zum Krieg unnd dem doraus nothwendig erfolgenn-
den Landverderb, unschuldig Ghristlich Bluthvergiefsenn,
auch underdrückuDg S. Ld. glaubensgenofsenn verleiten, son-
dern io vätterlicher affection unnd freundtschafft gegen uns,
auch gnedigster hulde gegen unsere Länder unnd under-
thanen noch femner perseveriren weiten.
Dann ie E. Ld. hochvernünfftig zu ermefsenn, was auf
den wiedrigen fall Seine des Ghurfürsten zu Sachsen Ld. für
einen grofsen gewifsens last, bey allen Evangelischenu inn
unnd auTserhalb Beiohs für ein Seuffzen unnd weheclagen,
auch gegen Gott unnd der Posteritet für eine schwere ver-
andworttung auf sich laden unnd durch Ihre Hülff die
610 Bolitik des Herzogs Johimn CMimir Ton Coburg.
Spanische VLund PSpsÜBobe macht noch mehr sterrkenn.
Auch da es den Jesuitischen Practickenn nachgehen nnnd
für dem gegentheil aastchlagen solte, das alsdann, wann wir
nnnd diefse Länder, da Oott gnedig vor sej, underdrücket,
kein Byangel. Standt unnd also Ghnr-Sachsens Ld. selbstenn
nit mehr sicher sein würden, in dem bewust, wie lang man
mit der Execution des Tridentinischen Concily nmbgangen
unnd darzne iezo die gewuntschte occasion suehaben ver-
meinet. Defsen man sich dann bej denen Papistenn albereit
nnnd sonderlich diefes rühmet, das dnrch Chur-Sachsens Ld.
zuthun die Eyan gelischen am füglichsten undergedrüoket
werden könnten , da man auch gleich ein anders yersichert
Jedoch hernach der Exitus eben diefses erweiset, was
wir ieso ahngedeutet, unnd E. Ld. die Ezempla nit unbe-
kandt sein.
Damit aber L Ld. umb soviel mehr gewonnen unnd zur
verhofftenn guten resolution bracht werdenn möchte, er-
suchen wir E. Ld. hiermit freundtlich, dieselbe wollen ihr
nicht lafsen zuegegen sein, unnsers unnd der allgemeinen
woblfarth halber diefse mühewaltung auf sich zueladen unnd
bey I. Ld. dem Ghurfürsten zu Sachsen durch Gesandte
oder ausführliche, bewegliche schreibenn ohne Verzug unnd
mit dem furderlichstenn sich eelbst freund: unnd gutbwillig
interponiren unnd dieselbe zur willfehrigen resolution unnd
Gontinuirung friedlicher Nachtbarscbafft bewegen unnd dis-
poniren belffen ....
XLV.
Herzog Joh. Casimir an König Friedrich von
Böhmen. Den 28. September 1620. Konzept. A. I,
32 a, 5, No. 17.
. . . Mit was sonderbahrer, grofser sorgfeltigkeit wir
aus angebornen treueyferigenn , uffrichtigem hertzen, auch
innichlicber, ungeferbter affection zu dem liebenn vatterlandt
Teutscher Nation undt defsenn wohlergehenn unfs vonn zeit
Politik des Herzog» Johann Caiimir von Coburg. Ql\
erstmahls entstaDdener , dann durch hernach erfolgte onter-
schiedliche Wahln undt yon denselben veranlafseten faotionen
noch schwerer erregeten unrohe im Königreich Böhmen des
gemeinen wesens bestes, undt dafa durch ertrSgliche mittell
diese mifshelligkeiten componirt, hingelegt, nicht aber sa
dem nunmehr — Gott sey es geklagt — allenthalben hell-
brennenden nndt Ton tag zu tag weiter anfliegendenn feaer,
iämmerlichem blntyergiefsenn andt erschröcklichenn Landes-
yerderbnnge ansschlagenn möchte, recommendirt andt be-
Tohlen sein laTsen, darob haben wir ein versichert gnt ge-
wifsen, es werden unfs defsen beglaubte leute zeugnus gebenn,
undt es konnte uf allen fall mit denen hinc inde ergangenen
vielf eltigen wechselschrifften erweifslich dargethan werden.
Wie wenig wir aber mit dieser unserer, so treulich gut
gemeinten intention ausgerichtet» das erweiset leider der be-
trübte, im gantzen Bömischenn Reich überhandt genommene,
noch stetigs zu mehrer geföhrlichkeit undt unart degene-
rirende übelstandt. Darunter wir doch niemandt beschuldigen
undt mit yerurteln pregraviren sollen undt wollen, sondern
schreibenn diese schröckliche empörung unserer undt des
Landes wohlverdienten straffe zu, wollenn Göttlicher ange-
troheter Zuchtrute in Christlicher gedult stille halten undt
zu seiner grofsen Barmhertzigkeit unfs des besten getrösten*
erkennen unfs aber nichts desto weniger schuldigk, undt
solte unfs die höchstgewüntschte freude, trost undt ehre sein,
wann wir mit erinnern, vermahnen, bitten undt was nur zu
gewinnung der gemütter erdacht werden möchte, etwas ver-
wichener zeit oder noch anietzo erhebenn könten. Aber
die Zeiten sindt so böfs, die leute inn ihren affecten unbe-
weglich undt Gottes gedachte Gericht, welcher allem an-
sehenn nach eine schwere, kümmerliche Pflage Aber unfs
yerhenget, unerforschlich; endlich auch, wann kein mittell
gezeigter gnad verfangen will, unabwendig.
Aufs welchem allenn dann £. Kg. Würd. leicbtlich zu
sohliefsen, welcher gestalt deroselbenn hochbewegliches, freund-
liches schreibenn, dafs es datum Frag d. 14. Aug., unns aber erst
XVII, 40
612 Politik des Herzogs Johann CMimir von Coburg.
d. 1 0. dieses eingeliefert, wir empfanden ondt wie tieff die dar-
innen begriffene nachdenekliohe wort uns lu Hertsen gesunken.
Thun anfangs E. E. W. überschriebenen groTses andt
hoohwerthen freondsohafft, nndt daTs sie über hierorige
yertranliche eommanication nndt bewegliche anregnng ietsige
sorgliche besohaffenheit notificiret, anoh zayorkommong der
Exiremiteten unsere Person , habendem gutem vertrauen
naohy düohtig geachtet, unfs dieustfreundlich bestermafsen
bedanken. Welten zwar wüntschen, dafs gemeltes E. K. W.
schreiben unls zu solcher Zeit iiberbracht, do noch (:wo
änderst etwas hafften undt stadt finden mögen:) zu reme-
dyren gewesen, undt ehe des Chorförsten zu Sachseu Ld«
sich des uffbmchs undt was unhindertreibliches demselben
mehr anhengig, resolvirt. Aber die einlieferung ist zu sp&t
undt umb solche zeit geschehen, do keine gelegenheit mehr
zu finden gewesen, einige erinnerung an handt zu nehmen.
Ja do es gleich des ufzugs halben noch res integra, so ist
es doch £. K. W. unverborgen, was gescherffte antwort vonn
des Churfürsten zu Sachsen Ld. uff Landtgraff Moritzen zu
Helsen Ld. bey dem Mühlhausischen GonTent angefügte yer-
mahnung gefallen undt wie gar seine des Churfürsten Ld« sich
nicht einredenn oder auch unTorgreifliche mals geben la(sen.
Was auch des Königreichs Böhmen abgeordtneten den
17. August jüngsthin vor schrifftliche resolution ertheilt
wordenn undt wefsen inhalts das schreibeon, welches wegen
der über sich genommenen kajs. Gommifsion Chur-Sachsen ann
die Ständt inn Ober Lausnitz den 26. Augusti gethan, ist K
E. W. bekant undt darf keines weitleufftigenn wiederholens.
Ist unfs also alle uff menschliche interposition ge-
gründete hoffnung gentzlich entgangen ; wollte darumb wegen
lieber still schweigen denn mit vergeblicher vermahnung ein
lehr strohe dreschen. Damit aber gleichwohl E. E. W.
spüren mögen, dafs, soviel ann uns ist^ deroselben freund-
lichenn, unfs erfreulichen, guten affection wir gerne mit
schuldiger dankbarkeit begegnen, auch dafs wir nicht gerne
etwas, so zu abwendunge oder milterunge mehrem Unheils
dienstlichenn sein möchte, unterlassen wollen, haben wir
Politik des Herzogs Johann Casimir von Coburg. Q\^
noch einsten aon des Ghurfürsten zu Sachsen Ld. dergestalt
geschriebeo, wie £. K. W. aus dem beysohlufs sn ersehen.
TJngejsweifeltenn Vertrauens, E. E. W. werde einen ihrem
begehren sich nach müglichkeit zu acoomodieren geneigten
willen daraus versptihren. Undt dalk wir ein mehrers nicht
praestirn können, diesen unrohigenn, ad extrema gestiegenen
lauffes imputiren, nicht aber einigem, unsers theils geursachtem
mangel bejmeüsen.
Wann sich auch uf solches Ghur- Sachsens Ld. etwas
discurrando oder mit bequemer resolution herauslafsen möchte,
sind wir albereit gefast undt bedacht mit mehr ansführ-
liohenn schreiben undt rationibus bej S. Ld. nachzufolgen.
Dann wir uns zu allem demienigen, so zu wiederbringung
gemeiner ruhe, wohlfährigem zustandt undt alten Teutschem
yertrauen immer dienstlichen, schuldig erkennen . . .
XLVI.
Herzöge Joh.Casimir und Joh.Ernst derAeltere
an Kurfürst Joh. Georg. Den 28. September 1620.
Kopie. A. I, 82 a, 5, No. 108. Bl. 138.
. . . Zue fortsetzung freundlich wohlgemeinter» bey
jetzigen, uf den eufsersten gradt groüser gefehrlichkeit auTs-
gebrochenen leufften hochnötigen Gorrespondenz undt dahero
erbauliohenn Vertraulichkeit, können E. Ld. freundlich zu
berichten wir nicht unterlaljienn , was unlengsten von dem
neuerwähltem Haupt in Böhmen, sodann selbigem König*
reiohs Landoffizieren undt Bechtssitzem undt Räthenn in
zweyen underschiedlichen schreibenn beweglich undt fast
kläglich ahn uns gelanget. Auch E. Ld., erinnerlich fernner
anzufügenn, von beiden theilen gantz instendig gebethen wird.
Ob nun wohl ietz gedachte Schreibenn von ihren Datis
ebenn späth angelanget» dennoch aber, weil wir der Böhmen
schweres anliegen, grofsen, gewaltigen ernst, die ad despera-
tam extremitatem gestiegene resolution leider sehen, kümmer-
lich betauren, £. Ld. auch selbstenn solche Extrema befser
als unfs wiÜBendt undt gleichwohl zu derselben das tröst-
40*
614 Politik des Heriogs Johann Casisiir Ton Coburg.
liehe Tertrauen sieherlich tragenn: Sie werde diefse onfsere
GommanioatioD nieht änderst als von hertzen treulieh gath
gemeinet yermerkeDD nndt das baufellige, höchst Dotleideode,
zne einer nicht wieder erheblichen min sich neigende
gemeine wesenn, undt was dann endlich ans denen nf allen
theils Torgesetstenn extremis erfolgen möchte, Ihr zne dero
friedliebendem, Ghurförstlichem , Teatschem Hertzen gehen
lafsen. Alfs woltenn £. Ld. solche ahn nnA abgegangene
schreibenn wir nicht yerhaltenn, mitt angeheffter freund-
licher Bitte, £. Ld. wollen solche undt die darinnen be-
griffene, nachdenkliche, schwere motiven undt gefehrliohe
pafsns ihrem hocherlanchteten , fttrnehmen, begabten Ter-
stände nach wohl erwegenn nndt durch eingebnng undt
führung Gottes solche mittel ergreifen n, auf dafs unser
hocbgeliebtes , werthe yaterland frembden, ihme Übel ge-
wogenen Nationen nicht zum raub, die Christlich. ErangeL
Lutherische Heligion ausgemustert undt wir in unserm Gott
lob erreichtem alter über yielfeltige, die Zeit unsere lebens
erlittene Wiederwertigkeiten neben andern Evangel. Ohristenn
undt reinen Beligionsgenossenn mit diefsem Elend so
schmertzlicher zerütlung, allermeist der glauben syerwandtenn
blutyergiefsung undt ineinander föhrunge betrübet undt die
liebe Posteritet dieses teuem, aller weldt guth übertreffenden
Klein od ts nicht priviret werde.
Welches ohne einige yorgreiffliche mafsgebunge oder
unzimbliches, inn £. Ld. gesetztes mifstrauen, sondern nur
zue dem ende wir andeutenn undt mit Seuffzen erinnern,
damit der Böhmen wehemütigem Glagen, flehen undt bitten
in etwas genüge geschehe, wir unfser gewifsenn yerwahrenn,
undt do ein wiedriges, unfserm Hause nachteiliges hierob
erfolgen solte, unfs nioht könte schuld gegeben undt bej-
gemefsenn werden: es wehre unfs das zukünfltige unheil
yor äugen gestellet worden, oder betten es selbsten prSyi-
diret undt dennoch als der eltiste unfsers Haufses nichts
darbey gethan, sondern band, mund undt feder sinken lafsen.
Indeme wir nun nicht zweifeln, £. Ld. werden diefsem
befahrendem ungemach aus der uf Sie gestammeten yorsicht,
Politik des Heriogs Johann CMimir Ton Cobarg. g]^5
föedfertigkeit nndt liebe zum Taterlandt heiltamblichenn zu
remedjren, keine mühe noch fleifs sparen , auch der Gon-
serration nnfsers Eyangel. Christi. Latherisohenn glaabens alle
andere Praetezt nachsetzenn andt bey ihrem soweit erschollenem»
rumblichen eifer» andt das Sie noch nechst göttlicher, gne-
diger yerleihunge das gewüntschte mittel vor androhendem,
gentzlichen yerderbenn sein können undt menniglichen
darauf Hofnung gesetzet, bestendig verharren.
Also mögen £. Ld. mit ferner weitleufftigen auTsftth-
runge wir nicht beladen, sondern bittenn freundlieh, £. Ld.
lafse ihr nicht zne entgegen oder beschwerlichen sein, dero
zuTerlefsige , freundliche meinung uns yertreulich zu ent-
decken. Undt verbleiben deroselben ....
XLVIl.
Hersog Joh. Casimir an Kurfürst Joh. Georg.
Teaneberg, 3. Oktober 1620. Kopie. A. I, 32 a, 5,
No. 103. £1. 140.
Postscriptum.
.... Mögen E. Ld. wir absonderlich undt eilfertig
bey dieser fürfallenheit freundyetterlioher , treuer wohl-
meinunge nicht bergen, wie gleich unter beschliefs: undt
abfertigunge dieses gesambten Schreibens zwar aus gemeinen
Zeitungen unfs fürkommen, alls solte vonn der Cron Bö-
heimb wegen E. Ld. Böheim. Lehen sonderbahre aufforde-
runge undt comission an unfs undt unsers freund tlichen,
geliebten Bruders Ld. obhanden sein. Welches unfs nicht
wenig befremd: undt nachdencklich zu vernehmen, sinte-
mahl wir undt unsers freundtlichenn, liebenn bruders Ld.
der offenbam Eundtbarkeit nach gar keine Böheimische
Lehen im besitz, die mit belehuschafft undt anwarttung im
weiten feldte, wir auch im meisten gar ausgeschlossen, in
gemein gentzlich hindennach gesetzt, daiauf unsers zustandts
undt Wesens nie keine rechnunge noch absehen oder ge-
danckenn gemacht, noch einige beliebung ob dergleichenn
tragen, diese sacben uns nichts angehen, nie darein ge-
menget, auch nochmahl s nicht gemeinet, sondern unns aller-
616 Politik des Hersogi Johann Casimir von Coburg.
dings wohlyortiohtig neutral sa halten unnd nach eusser-
stem unserm Tennö;zen za friedfertigeon , vertrag] ichenn
mittel annd abwenduoge ferners nnheils allenthalbenn nnser
beharrliches intent, zumahln nnter ChriitL ErangeL geblat-,
Glaubens- undt teuer erworbener edler Teutecher freyheit-
genossen, nahen verwandten, undt benachbarten, damit man
nicht sich selbst in einander verwickeln, conerviren, ruinireo
undt endlich frembden Völkern zum raub werden möge.
Wiewohl nun aufser angeregten blofsen Zeitungen unCs
noch zur Zeit davon nichts gründliches eingelangt, so haben
wir doch nicht underlafsenn sollenn noch wollen, E. Ld.
unser mifsfelligkeit hierbey in continenti zu erkennen zu
geben. Ob etwas davonn zu einiger miÜBtrauens erweckung
(:wie leider solche böse Zeiten dafs leichtlich mifshelligkeit
zu stifften:) ann dieselbe gebracht werden sollte, als were
es mit unserm vorwifsen undt willen oder beliebenn ge-
schehen, dafs E. Ld. solchem keinen glauben, noch viel
weniger darüber unfs undt nnsers freundtlichen, lieben Bru-
ders Ld. wieder das vertrauliche herkommen ioht etwas un-
gleiches oder wiederwertiges beymefsen, sondern unfs gewifs
unnd Tersicherlich zutrawen wollen, wofeme derhalben oder
sonsten was bestendiges an unfs gelangen solte, dafs wir
unfs guter, beharrlicher observantz unnd erinnerung naher
verwandnus, vertraulicher Correspondenz, auch hochverbund-
licher Erbverbruder: unnd Vereinigung mit auffrichtigenn,
teutscbenn, treuem hertzen unnd gemüth gegen £. Ld.
finden unnd nicht unterlafsen wollen, es derselben unver-
züglich zu erkennen zu geben unnd mit ihr daraus ver-
traulich zu communiciren, ehe wir einige antwortt von unfs
stellenn möchten. Unterdefsen £. Ld. sich vonn unfs nichts
ungleiches einbilden, noch einig mifstrauen erweckenn, viel-
mehr aber unfs undt unsere lande nndt leute bey so gefehr-
liohenn, sorglichen Zeiten unnd leufften zu bester vorsehunge
befohlen undt angelegen sein lafsen wollen. Damit unfs
allerseits Gottes starkem, allgewaltigem sohutzs undt schirm xa
zeitlichenn undt ewigenn heyl gantz treulich befehlendt . . .
VI.
Gesamtpostmeister Bieler.
Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Post.
Von
E. Etnert
JN ach den im Arnstädter Batsarchiv aufgefundenen Akten
reiohen die Bemühungen des sächsischen Fürstenhauses Ernesti-
nischer Linie, ihren Landen die Wohlfahrt eines geordneten
Postwesens zu sichern, his zum Jahre 1666 zurück.
Damals fühlte sich Herzog Johann Ernst durch vielfache
Klagen, seihst seines Bruders Herzogs Bernhard, dessen
„selhsteigene hochangelegene Schreihen" oft genug verab-
säumt worden, bewogen, zunächst für die gemeinsame Uni-
versität Jena ein gutes Boten wesen einzuführen.
Dasselbe war in äuTserste Eonfusion geraten, so dafs
vielen daselbst sich aufhaltenden Studiosis an ihren Wechsel-
briefen und Geldern groÜBer Schade und Hindernis zuwuchs.
80 beauftragte der Herzog in einer auf der Wilhelmsburg
(d. 26. August) ausgestellten und von ihm auch zugleich für
seine freundlichen geliebten Brüder eigenhändig unterschrie-
benen Urkunde einen gewissen Hans Müller, dafs er wöchent-'
lieh und zu gewissen Tagen „mit gehen , Reiten oder fahren
alle Jenischen Briefe nacher Leipzig und Erffurth in die
ordentlichen Post Ämbter daf selbst überbringen, ablegen und
hingegen die bei jenen Postämtern eingelaufene, und nacher
Jena gehörigen Schreiben und Sachen empfahen und zurück-
bringen, auch sich des Postgeldes halber mit gedachten Post-
Ambtem vergleichen und einem Jeden, was denselben an
Briefen und Sachen zuständig, treulich und richtig über-
lieffera und ausliefern solle'^
620 Oesamtpostmeiftter Bicler.
So besorgte denn Johann Mftller mit seinem Sohne die
Korrespondenz der Universität. Johann Müller war, wie er
selbst wenigstens behauptete, ob bene merita und sam recom-
pense seiner treuen Dienste, die er Herzog Wilhelm in den
gefährlichen Kriegesläufften des Jahres 1638 geleistet, mit
diesem Amte betraut worden.
Indes diese Anfänge geordneter Zustände genügten dem
wachsenden Yerkehrswesen nicht. Namentlich wurde es als
ein grofser üebelstand empfunden, dafs die Residenzen des
sächsischen Fürstenhauses, zunächst Jena, Weimar, Gotha
und Eisenaoh, nicht durch eine Ordinarpostkutsche yerbunden
waren.
Aber es schien doch niemand Neigung zu haben, gröCsere
Geldmittel auf ein Unternehmen zu wenden, dessen Erfolge
sich noch jeder Berechnung entzogen. Da ging im Jahre
1686 der Dootor Juris und Lioentiat beider Rechte Matthes
Bieler daran, auf eigene Kosten und Gefahr eine Post zu
„etabliren"'. Und unter dem 30. Juli 1687 erhielt er von
Herzog Wilhelm Ernst zu Weimar und Johann Wilhelm zu
Eisenach zugleich im Namen aller Herzöge weimariseher
Linie ein Privilegium ausgestellt, in dem er solemniter mit
dem von ihm aufgerichteten Postamte vertraut wurde.
Nach den Mitteilungen des Geheime Rat Bergfeld (Nach-
richten über den Zustand des Postwesens in dem Herzogt.
S.-Weimar-Eisenacb) war dem Licentiat der Rechte Johann
Matthias Bieler das Privileg und Erblehnbrief vom Herzog
Wilhelm Ernst zu Weimar für sich und die Herzöge zu
Eisenach und Jena nach Verständigung mit diesen kraft
führenden Directorii erteilt und ihm das „Gesammte Oe«
schwinde Postwesen'' in den Fürstl. sächsischen Landen
weimarischer Linie nebst seinen Leibeserben „als ein rechtes
freies Erblehn cum libera faoultate disponendi inter vivos et
mortis causa'' übertragen worden.
So oft das Lehn zu Falle komme, sollte es bei dem
ältesten Herzoge der Linie als Directori gemutet werden.
Dem Herzog blieb für den Fall der Yeräufserung de» Vor-
Gesamtpostmeister Bieler. 621
kauf, für den Fall der Nichterfüllung der Verpflichtungen
aher das Recht vorbehalten, „gelbsten anderweiten benöthigte
Anstalt und Verfügung durch die Unsrigen zu desseo Erhalt-
und Fortführung machen zu lassen".
Dem Postwesen wurden alle möglichen Schutzmafsregeln
gegen Beeinträchtigung, Freiheit von allen Strafsen abgaben
u. dergl. m., dem Postmeister, seiner Familie und seinen
Leuten Freiheit von allen oneribus personalibus u. s. w. zu-
gesichert, den Postillonen sollte „die Gemeine Sächsische
Liberey nebst zugehörigen Postschilden" aus den Fürstlichen
Kentkammern geliefert werden. Als Gegenleistung hatte der
Lehnspostmeister nur die abgehenden und ankommenden Briefe
und Pakete für die Herrschaften, ihre Räte und Rentmeister
„sowohl in Herrschafts-, als in ihren eigen Sachen» soweit
diese und seines Bruders zu Koburg jüngsthin anlegte Post
reichet", ganz frei zu bestellen.
Ja Herzog Wilhelm Ernst fand sich noch vor Aus-
stellung des Patents auf Bielers Bitten bewogen, ihm jährlich
durch die Kammer zu Jena 15 Thaler zu „zweyen blauen
Lieveriröcken für die Postilione" und die dazu gehörigen
Schilder anzuweisen; doch mit dem ausdrücklichen Bedeuten,
dafs Bieler zu solch Poströcken eine solche Coloer von
blauem Tuche beschaffe, wie sie seines geliebten Sohnes Hof-
liebery zeige (Nov. 86).
Auch gestattete er, als er um einen freien Tisch trunk
an Wein und Bier unterthänigst Ansuchung that, dafs ihm
jährlich 6 Eimer Wein und 54 Eimer Bier tranksteuerfrei
passieren sollten.
Licentiat Bieler war nun bemüht — und wie es scheint
mit Geschick und Glück — durch Anknüpfung freundschaft-
licher Beziehungen mit den Postmeistern selbst ferner Städte
seinem Postwesen eine weite Ausdehnung zu geben.
Mit dem Postverwalter Johannes Müller aber und dessen
ihm substituierten Sohne, die ihre Ansprüche auf die Post
nach Leipzig geltend machten, kam es zu einem Vergleich,
g22 OMamtpostmeUter Bieter.
dem safolge Bieler die Direktion bei den neuen Unternehmungen
nach Frankfurt und Nürnberg für sich allein beanspruchte,
doch jenen die Postkutsche nach Leipzig verbleiben sollte.
Sie sollten dieselbe auf eigene Kosten mit ttlchtigen Pferden
Tersehen, und von ihren Postillooen alle Poststücke richtig
in Acht genommen werden. Dafür sollte das Postgeld aller
Passagiere nach der Tazordnung ihnen ganz allein yerbleibcD.
Briefe und Pakete aber mufsten in Bielers Posthaas ge-
liefert werden. Drei Viertel des Ertrages sollten dem Post-
meister, ein Viertel den Postverwaltem lu gute kommen.
Dafs Bieler bemüht war, seiner Post die Korrespondenz
sämtlicher Fürsten weimarischer Linie sicherzustellen, er-
giebt ,,die yerbündliche Abrede*', welche zwischen ihm und
der Fürstlichen Kammer zu Eisenberg (Ghristiansburg im Mai
1687) getroffen wurde.
Nach derselben sollte Bieler alle herrschaftlichen und
dero höheren Bedienten Briefe und Briefpakete, so weit seine
Posten gingen, als namentlich bis auf Leipzig, Halle, Nürn-
berg und Frankfurt a. M., auch andere dazwischen gelegene
„Öhrte'' frei bestellen, auch zuweilen ein Kleid, ein Fäfschen
Austern von etwa hundert Stücken und dergleichen mit-
nehmen. Auch sollte Bieler wöchentlich zweimal einen Boten
von Jena nach Eisenberg schicken, den die Kammer mit
12 Thaler jährlich „saleriren wölle^'. Mit demselben sollte
Bieler auch die Zeitung, welche er in Jena drucken liefs,
wöchentlich zweimal schicken.
Dem Postmeister wurden für seine Bemühungen 16 Thaler
für das Quartal, zugleich Erstattung seiner Portoauslagen,
zum neuen Jahr ein Behlein oder nach Gelegenheit ein
Schmaltier zugesichert.
Wie nach Westen die herzoglichen Besidenzen Jena,
Weimar, Gotha, Eisenach zu verbinden, so ging auch bald
eine leichte Jenenser Kalesche mit untergelegten Pferden
gen Süden , über Saalfeld nach Coburg , ein Unternehmen,
das Herzog Albrecht, der zur Ehrenburg residierte, unter-
stützte.
Gesamtpostmeister Bieter. g23
Aber Bielers Wagen, der zweimal wöchentlich als eilende
Post dahinfiihr, hatte sich weitere Ziele gesetzt Er ging
auch nach Bamberg und Nürnberg, einem Herz- und Lebens-
punkte des deutschen Post- und Verkehrswesens. Aber dies
kühne Unterfangen führte schwere Wetterwolken Aber Bielers
Haupt herauf.
Die Posthalter auf dieser Route sahen sich durch diese
Neuerung in ihrer Existenz bedroht und klagten ihr Leid
und ihre Besorgnis dem Kaiserlichen Reichspostmeister zu
Nürnberg, Johann Jakob Oxle zu Friedberg.
Neben einer schon vor etlichen Jahren aufgestandenen
Jenenser Landpostkutsche habe sich blos und allein unter
Direktion eines Licentiaten Bieler noch eine geschwinde Post-
kalesche aufgethan, fahre zweimal die Woche auf und ab,
sogar mit abwechselnden Pferden und unter Führung des
Posthorns. Dieselbe suche auf alle Weise durch die halten-
den Ordinari - Zeiten, ja durch unterwegs bestellte Posthalter
alle diejenigen Personen, die sich etwa dann und wann der
Post bedienten, an sich zu ziehen. Ja sie halte neben Ab-
wechslung der Pferde in Bamberg, Coburg und Saalfeld
ordentliche ünterlager und habe einem Bürger gegen genüg-
same Belehnung ein Felleisen mit Schreiben und Brief-
paoketen und dazu gehörigem Schlüssel zusenden wollen,
damit er die Schreiben bestellen, als bald wieder Briefe
sammeln und unter Verschlufs zusenden solle. Dazu ver-
breite sie sogar Unwahrheiten, als wenn solches alles mit
den kaiserlichen Postämtern verglichen worden wäre. So
suche sie die gleicher Zeit ablaufende Reichspost durch ver-
hinderten Unterhalt und Entziehung der Briefgelder auf alle
Weise zu stocken.
Der Nürnberger Reichspostmeister berichtet altbald an
den General postmeister des heiligen deutschen Reichs, Fürst
Eugenius Alexander, Graf zu Thurn, Yalsassina und Taxis.
Dieser hinwiederum bringt seine Klage an den Kaiserlichen
Thron. Fürst Eugenius aber kennt die engen Grenzen der
kaiserlichen Macht und den Lauf der Dinge im heiligen
()24 Gesamtpostmeister Bieler.
Bömischen Beiche deutscher Nation viel zu gut, um sich von
einem erbetenen Kaiserlichen inhibitorium (bei den Fürsten
des sächsischen Hauses) grolise Wirkung yersprechen zu
können.
Nein, um das Bielersche Unternehmen über den Kaufen
zu werfen, mufste der Hebel noch an anderer 8tella angesetzt
werden. Da Postmeister Bielers Kalesche, Nürnberg zu er-
reichen, auch auf eine weite Strecke das bambergische üebiet
zu durchlaufen hatte , so muÜBte es versucht werden , den
Erzbischof von Bamberg zu einem energischen Vorgehen
gegen die Jenenser Post zu gewinnen.
Er wufste eine Kaiserliche Zuschrift an seine Andacht
den Erzbischof Margard Sebastian zu erwirken, in welcher
demselben die gute Sache eindringlich ans Herz gelegt wird:
„Wenn nun aber durch sothanes unsem vorhin ins Heil.
Eeioh ergangenen Postpatenten zugegen und aufrichtendes
Potenwesen nicht allein unser hohes Kaiserliches Postregal
der Orten gänzlich umgestofsen , die hochnöthige sichere
Correspondenz verhindert und gar unter solchen fuhren der-
gleichen Sachen practicirt werden, wodurch dem heil. Ron.
Beich grofser Schade und Nachtheil zugefügt werden kan.
Als gesinnen wir an dero Andachten hiermit gnädigst,
dafs Sie obgedachtes Fähr- und Potenwerk in ihren Landen
und Botmäfsigkeit gänzlich hemmen, dero Bürger und Unter-
thanen forderlich inhibiren, dafs Sie sich dieses unsem hohen
Kaiserl. Post Begal zu grofsem Fraejudiz gereichenden Werkes
keineswegs theilhafftig machen oder immisciren, sondern sich
dessen gänzlich entäufsern und enthalten/'
Dieses Kaiserliche Patent übersendet der Nürnberger
Beiohspostmeister nach Bamberg, indem er nun auch seiner-
seits nichts unterläfst, den Erzbisohof zu einem erfolgreichen
Vorgehen gegen die Jenenser Post zu bestimmen.
Er erinnert seine Andacht, wie schon seit langen Jahren
mit merklichen grofsen Unkosten auf dieser Stralse gegen
Kassel u. s. w. eine ordentliche in der Woche zweimal laufende
Post eingerichtet sei, welche nicht nur die hochfürstl. Korre-
Gesamtpostmeister Bieler. g2&
spondenz, Bondern auch die seiner Diener und Ämter, ins-
besondere doch auch der hoobaneehn liehen Begensburger
KeichBtagsgesandtechaft BelbBi in weite fremde Orte ohne
Unterbrechung and zu voller Zufriedenheit besorgt habe. So
werde der Bischof seinem gehorsamsten Suchen und Bitten
gern nachkommen, die neu aufgekommene Kutsche, die so-
genannte geschwinde Post genau zu inquiriren zu laTsen und
in seinen hochfürstl. Landen gebieten, selbige zurückzuhalten
and bei Leibe keine Bestellung der Briefe zu übernehmen,
insbesondere auch dem Gastgeber zum weifsen Lamme ernst-
lich Vorspannung der Pferde und andern Vorschub zu thun
untersagen.
Der Bischof werde gewifs nicht gestatten, dafs das all-
gemein nutzbare und mit so unsäglich schweren Kosten zu
unterhaltende Kaiserliche Reichs Post Regal in seinem wohl-
hergebrachten esse geschwächt und gekränkt werde. Sei
doch auch zu bedenken, wie man sich in den aller unfried-
lichsten und übelsten Läufften mit Fortführung der ordinari
und extra Posten, Staffeten und Coarir und officier, so tags
als nachts, dem allgemeinen Wesen und ganzen heil. Böm.
Reich zum besten und Dienst, öfters mit höchster Leib- und
Lebensgefahr gebrauchen lassen müsse, während die Jenenser
Kutsche und andere ihresgleichen allein ihrer Bequemlichkeit
und eigenen Nutzens pflegten.
Den wirksamsten Grund aber spart der kluge Reichs-
postmeister bis zuletzt auf, indem er erst zu SohluTs seiner
Eingabe darauf hinweist, wie bei solchen Neuerungen die
wahre katholische Religion, wofür genügsame Exempla vor-
handen, ebenfalls merklich zu leyden und allerlei Widriges
zu befahren habe. Seine Andacht möchte deren gedcDken,
dafs diese neu aufgestandene eilende Post, die mit ihren
Felleisen voll Schreiben und Briefe, so munter durch sein
Land führe, aus Jena auslaufe.
Trotzdem legte Erzbischof Mangard Sebastian nicht als-
bald seine hindernde Hand an das Bielersche Unternehmen,
sondern fragte erst bei Herzog Albrecht zu Coburg als-
Q2Q Gesuntpostmeister Bieler.
„dienstwilliger Freund and Nachbar'' an und ersuoht ihni
Yon Seiner diesfallB habenden Intention und Meinung Eröff-
nung zu thun. Herzog Albrecht wiederumb findet ee f&i
gut, sich zuTor mit Herzog Wilhelm Ernst in Verbindung
zu setzen I damit man in „freundvetterlicber conformitaef'
handle.
Aber da reifst der Faden; die Akten lassen uns über
den weiteren Verlauf der Dinge im Stich. Doch daraus, dafs
Bieler um 10 Jahre später wieder in anderer Weise un-
mittelbare Verbindung mit Nürnberg suoht, können wir mit
einiger Bestimmtheit annehmen, dafs er seine eilende Post-
kutsche doch wohl zur Zeit hat einziehen müssen.
Einen besseren Verlauf nimmt Bielers Unternehmen, die
von Jena über Weimar, Gotha und Eisenaoh laufende Foit
nach Frankfurt am Main fortzusetzen. Da Kassel aufserhalb
der Bichtung, so wird dieselbe über Hünefeld und Hanau
geleitet. Der Landgraf von Hessen unterstützt selbst das
Unternehmen und die Frankfurter Expedition durfte mit
seiner Bewilligung in den ,,Darmstetter Hof' yerlegt werden,
ein dem Landgrafen zugehöriges Palais.
Hessen- Darmstadt erhielt einen jährlichen Kanon, Hessen-
Kassel und Solms - Braunfels , deren Gebiete berührt worden,
gewisse Transitabgaben (yergl. Bergmann).
Aber diese Frankfurter Postlinie wird dann auch mit
Leipzig in direkte Verbindung gesetzt und die Herzöge
weimarischer Linie treten selbst für ihren „Gesamtpostmeister
zu Jena mit ihrem Fürwort ein**.
Sie wenden sich auf Bielers Bitten um gnädigste Inter-
cession 1690 an Ghursachsen und die Nebenlinien Merse-
burg, Weifsenfels, Zeiz. Sie bitten zu erwägen, wie
schwerlich mit Post zeithero in den sämtlichen Sächsischen
Landen fortzukommen gewesen und wie darüber von den
Passagiers vielfällige Beschwerung geführt worden und wie
nützlich und förderlich, namentlich für das zur Zeit waltende
Kriegswesen, Bielers Unternehmen, eine eilende Post von
Leipzig bis Frankfurt, ja nach Holland durohzufnhren, dem
Gesamtpostmeiiter Bieler. g27
gemeinen Wesen und insbesondere den sämtlichen säch-
sischen Staaten sein m&sse. So möchten Ihre Liebden auf
freundvetterliche Bitte das nützliche Yorhaben auch Ihres
Orts in Gnaden defendieren und bei den Ihrigen verfügen,
dafs sie der Bielerschen Post nicht allein keine Hinderung
verursachten, sondern vielmehr allen Beistand leisteten.
Vom Friedenstein aus wurden dem Gesambtpostmeister auch
noch insbesondere Pässe und Freibriefe an die Zölle und
Geleite von seiten der gothai sehen Linie in Aussicht gestellt
und seinem Unternehmen vollster Schutz zugesagt.
Ja nach Schäfer (Geschichte des sächsischen Postwesens)
benachrichtigte Herzog Friedrich (8. Juli 1690) den Kur-
fürsten von Bielers Plänen mit dem Ersuchen, dieselben
thunlichst zu fördern. Bas Oberpostamt zu Leipzig, von dem
ein Gutachten in der Sache eingefordert worden war, erkannte
zwar die Nützlichkeit einer solchen Post an (seit 1652 war
die frühere Botenpost zwischen Leipzig und Frankfurt a. !£•
in eine reitende Post umgewandelt worden), hielt aber die
Verbindung mit dem Jenaer Postmeister, der übrigens die
Beförderung nicht von Leipzig aus beanspruchte, sondern die
Wecbselung in Naumburg angeboten hatte, für unannehmbar.
„Es ist^S berichtete das Oberpostamt an den Kurfürsten,
,,zwar eine leichte Sache, Posten anzulegen, allein sie mit
reputation, wie bei den Kursächsischen Posten bisher ge-
schehen, zu erhalten, ist sehr schwer/'
Noch ehe der Herzog Friedrich eine Antwort erhielt,
richtete der jenaische Postmeister (August 1690) die geplante
Post ein. Gleich darauf erging an den Bat zu Leipzig Be-
fehl, die jenaische Post bei ihrer Ankunft in Leipzig „sammt
den dabei befindlichen Passagiren'' in Arrest zu nehmen.
Das Oberpostamt Leipzig legte nun die als notwendig
anerkannte Post selbst an. Nach der noch vorhandenen Be-
kanntmachung, ging die „geschwinde eilende Post'' nach
Frankfurt a. M. über Jena vom 17. November 1690 wöchent-
lich zweimal ab. Jedoch auf weimarischem Gebiete übte
man an der Leipziger Pott Vergeltung für die kurz zuvor
XVII. 41
628 GesAmtpostmeiiter Bieler.
an der jenaischen Post begangeDe Unbill, und die Fahrten
mufsten daher wieder eingeetellt werden. Brst nach 8 Jahren
(im Jahre 1698) kam es zwischen den PoBtämtem zu Leipzig
und Jena zu einer Yereinignng, infolge deren auf der wich-
tigen Beute Leipzig - Frankfurt a. M. eine fahrende Post in
Gang gesetzt ward.
Schon hatte auch Bieler (9. Oktober 1686 und 30. Januar
1687) mit Brandenburg angeknüpft, und es war zunächst zu
einem Interimsvergleich zwischen ihm und den Kurf. Branden-
burgischen Oesamtsekretär und Postmeister zu Halle, dem
gelehrten, berühmten Madeweis, gekommen, welcher denn
auch die Genehmigung der Begieruogen erhalten zu haben
scheint
Auf Kosten des Kurfürsten sollte von Halle ohne Bielers
Zuthun eine geschwinde Post nach Jena gehen. Doch solle
Bieler wegen Führung der Korrespondenz, Haltung der Karten
und anderer Mühewaltung yon jeder Person, die Ton Jena
nach Halle reisen würde, 3 Groschen, von jedem Briefe und
Briefpakete den vierten Teil, von jedwedem schweren
Paket den sechsten Teil haben und behalten. Die Brief-
pakete der F. 8. Häuser und Bielers eigene Briefe eoUteo
frei befördert werden. Dagegen muiste sieb Bieler yer-
pflichten, an seinem Orte yigilant zu sein, daÜB Kutscher und
Fuhrleute dieser geschwinden Post in keiner Weise Eintrag
zu thun sich erkühnten.
Fand Bieler oder, wie er sich mit Vorliebe nennt, der
Fürstl. Sächsische Gesamtpostmeister Licentiat Dr. jur. utr.
Mathias Bühler, für alle diese Bestrebungen bei der Geeamt-
regierung zu Weimar volle Unterstützung, so wird ihm doch
anderseits der Umfang seiner Yerpflichtungen aueh streng
vor Augen gehalten. Als seine Postillone sich weigern, „die
bei der Universität verfertigten und in Druck ausgegangen
Disputationen, Patente u. dergl., so alle Quartale an die
Fürstl. Gesamtregierung pflegten eingeschickt zu werden",
mit sich zu nehmen, so bekommt Bieler alsbald Befehl, seine
Postillons anzuleiten, solche Universitätssachen unweigerlich
Gesamtpostmeiftter Bieler. g29
edes Quartal bei dem Pedell abzuholen und in Weimar ein-
suliefem.
Es war aber dem Gesamtpostmeitter hinterbraoht worden,
daÜB Müller ,yeine neue Post über Gotha nach Eisenaoh'' ein-
gerichtet, während derselbe auf erhobene Anklage nur zu-
gestand, nach wie vor von seinem y^in ruhiger Possession
hergebrachten Postrechte'' Gebrauch gemacht und, wie ihm
von „löblicher Accademie", Ton Bürgermeister und Rat, sowie
von der Eaufmannszunft bezeuget, mit gebührendem Fleifs
und aller Aufrichtigkeit die ihm anvertrauten Briefe, Gelder
und andere Sachen nach Erfurt befördert zu haben.
Auf Bielers Eingabe aber verbot das Hofgericht in Jena,
da dem sächsischen Gesamtpostmeister laut seinem ihm von
den Herrschaften weimarischer und gothaischer Linie erteilten
Lehn- und Qewährsbriefe das Yerhinderungsrecht zustehe,
bei einer Strafe von 100 Reichsthalem irgend eine neue
Post einzurichten und dadurch den Postmeister in seinen
Privilegien zu turbieren UDd zu beeinträchtigen. Ja, das Hof-
gericht bedrohte den Postverwalter Müller auf erneute Klage
Bielers wenige Wochen später mit einer Strafe von 200
Thalern, wenn er nicht die neue Post, welche er noch dazu
durch angeschlagene Zeddel männiglich kund gethan, sofort
abstelle, während die schon allbereits verwirkte Pön durch
den Procurator Fisci eingebracht werden würde.
Da wendet sich der geängstigte Postverwalter an den
Herzog Johann Georg, den damaligen Senior des sächsischen
Fürstenhauses, in längerer Immediat-Eingabe.
Einmal erhebt er Klage über das Vorgehen des Hof-
gerichts, das, ohne ihn zu hören, ja ohne eine Session zu
halten, so unerhört hart gegen ihn verfahren und ihn in
seinem alten Privilegium gekränkt, was um so mehr zu ver-
wundern, als ihm dieselbe 1666 von Herzog Johann Ernst
dem Aelteren in Gesamtsohaft, also auch im Namen seiner
Brüder, gewährt worden sei. Mit dessen Einwilligung habe
er auch dem Eaiserl. Postmeister zu Erfurt den Handschlag
gegeben.
41*
630 Gesuntpostmeister Bieler.
Altdann aber erhebt er noch schwerere Anklage gegen
Bieler, der seine eigenen älteren Anrechte dnrcb erschlichene
Privilegien, durch unchristliche und unbefugte Eingriffe in
seine Bechte zu beseitigen und den Wirt aus dem Hause
zu jagen sich bemühe. Habe er, der Kläger, aus unter-
thänigem Respekt vor den Hochfürstl. Herrschaften ge-
schwiegen, so bestünden doch seine Privilegien noch su
Recht und brauohe er sich aus seinem älteren Possefs nicht
herauswerfen zu lassen.
So bitte er Durchlauchtigsten Fürsten und Herrn, ihn
als ein alter Diener des Fürstl. Hauses bei dem zu schützen,
was des Dl. Fürsten Vorfahren ihm gewährt, und durch ein
Gnädiges Reskript oder Kassation der hofriohterlichen In-
hibition ihm zu seinem Rechte zu verhelfen.
Und wirklich erging ein Erlafs des Herzogs Johann
Georg an das Hofgericht zu Jena, in welchem dessen Ein-
griff in klare und unvemeinliche Fürstl. Privilegien und
dessen Pönalinbibition demselben verwiesen und ihm anbe-
fohlen wurde, den Postverwalter bei seiner Postfuhre nach
Erfurt nicht zu verhindern, den Postmeister Bieler aber dahin
zu weisen, dafs, wenn er etwas zu klagen, sich an seinen
Landesfürsten und seine Regierung zu wenden habe.
Wie von vornherein zu erwarten, blieb Bieler mit einer
Klagschrift an den Herzog nicht im Rückstande. Er beruft
sich auf seinen Lehnsbrief als Sächsischer Gesamtpostmeister,
der ohne das Yerhinderungsrecht ja gar keinen Wert habe
und wie die Route Jena- Frankfurt gänzlich ruiniert würde,
wenn die Strecke Jena-Erfurt-Eisenach von unberufenen be-
fahren werden dürfte, da Eisenach - Frankfurt nur zur Mefs-
zeit Passagiere hätte. Er bitte also unterthänigst , dafs
Fürstl Durchlaucht die Inhibition des Hofgerichts nicht auf-
hebe, sondern vielmehr dem Amtmann zu Kapellendorf oder
Weimar den Befehl ertheile, wenn sonntags um Mittag
Müllers Post ankomme, den Wagen mit Pferden und
Sachen in Arrest zu nehmen und die auferlegte Strafe zu
exequieren.
Gesamtpostmeistor Bieter. g31
Postverwalter Müller, zur GegenftadBerung yeranliU^st,
beruft sich auf das von Herzog Georgs hochseligem Herrn
Vater mit eigener Hand nnd Siegel gnädigst erteilte Privileg,
in dem ihm die Postverwaltung aufgetragen ,,mit gehen, reiten
oder Fahren das Fostwesen nach Leipzig und Erfurt zu be-
fördern und die eingelaufenen nach Jena gehörigen Briefe
und Sachen zu empfahen".
So handle es sich durchaus nicht um ein neues Unter-
nehmen, wenn er sonntags wieder einen Wagen nach Erfurt
gehen lasse; könne er doch mit Attestaten der Löblichen
Academie, des Bürgermeisters und der Kaufmannszunft ge-
nügend darthun, wie er mit gebührendem Fleifs und aller
Aufrichtigkeit die ihm anvertrauten Briefe, Gelder und andere
Sachen befördert habe, so daJüs sie lieber bei ihm, als bei
der geschwinden Post dieselben fortschicken mochten. So
werde der Durchlauchtigste Fürst ihn in seinen Hechten zu
schützen wissen und der treuen Dienste gedenken, die er
Herzog Wilhelm Glorreichsten Andenkens erwiesen habe.
Aber Bieler läTst das alles nicht gelten und spricht
seine Verwunderung aus, dafs ein so alter Mann seinen
Fürsten mit Lügen behellige. Denn durch Stabilierung einer
Gesamtpost in Jena sei jenes vorgebliche Privileg durchaus
aufgehoben worden. Dazu habe sich Müller desselben selbst
verlustig gemacht, da er notorisch seit 10 Jahren nicht nach
Erfurt gefahren, sondern lediglich bald zu Fufs, bald zu
Pferd nach dem Wortlaut seines Privilegs die Briefe hin und
her bestellt, wobei ihn Bieler stets ruhig gelassen. Müsse
demnach durchaus beim Beiten und Gehen bleiben, zumal ja
selbst das Kaiserliche Postamt zu Erfurt keine fahrende Post
halte. Wenn aber Müller nachträglich behaupte, dafs seine
Sonntagspost blofs nach Erfurt gehe, so sei das eine schänd-
liche Hinterlist, da er sich mit dem Eisenaoher Glasschneider
Bonsack in Verbindung gesetzt, der seinerseits von Eisenach
nach Erfurt und im AnschluTs an Müllers Wagen dann
zurück fahre.
lu der That hatte dieser Bonsack schon im Frühjahr
g32 Gesamtpostmelster Bleler.
eine sonntägliche Fahrpost unter dem Namen eines Hof- und
Küchenwagens bis Jena ins Werk gesetzt. Der Bürger-
meister zu Jena hatte selbst dies Unternehmen in Schutz
genommen, weshalb Bieler auch gegen diesen beim Herzog
Johann Georg Klage führte und es für geraten erklärte,
wenn der Jenenser Bürgermeister lieber darauf sehe, dafs die
Professoren und andere rechtschaffene Leute nach Wochen
einmal wieder etwas Kalb- und Schöpsenfleisch zu kaufen
Gelegenheit bekämen, als dafs er sich um fremde Dinge
kümmere und unnütze Vorschläge mache.
Gegen ßonsacks Vorgeben, dafs mit der Bielerschen Post
zum öftern die Personen nicht mit fortkommen könnten,
berief sich Bieler auf die Postoharte seines Eisenacher Post-
halters Eiser, die zur Genüge beweise, dafs im Winter die
Post fast ledig fahre, und doch koste dieselbe ihm nicht
weniger als jährlich 3000 Thaler. Das Fürstliche Haus zu
Gotha, welches die Hälfte so grofser Kosten trage, und Bieler
müfsten monatlich auf die 40 und mehr Reichsthaler zu-
setzen.
Trotzdem lasse er noch sonntags eine Ordinarikutsche
Yon Jena nach Gotha gehen, mit der alles Volk, so sonst
mit der Post zu reisen nicht gemeine, ganz gut fortkommen
könne. Ja es stünden auch für Eisenach nach Frankfurt
stets noch 3 und 4 Pferde parat, die Leute für Bezahlung
extra fortzuschaffen.
Herzog Johann Georg entschied in dieser Angelegenheit
zu gunsten des Gesamtpostmeisters; in der Bieler Müllerschen
Angelegenheit aber wies er das Hofgericht an, beide, Kläger
und Beklagten, vor sich zu fordern und sie wegen der ent-
standenen Irrungen ins Verhör zu ziehen. Auch wurden sie
montags nach Simon und Judä citiert (1692), doch lassen
uns über den Ausfall des Termins die Akten im Stiche.
Kaum geringere Mühe hatte Gesamtpostmeister Bieler,
sich im Alleinbesitz der Jeuenser Zeitung zu erhalten.
Es hatte Herzog Bernhard im Jahre 1674 seinem Biblio-
thekar Johann Ludwig Neunhan auf dessen Ansuchen die
G«Muntpofttm«Utor Bieler. 33^
wöchentliche Zeitung, wenn dieselbe Ton einem hiezu genug*^.
sam geschickt gefundenen Subjecto vorhero wohl durch-
geeeho und censiert worden, in seiner Residenzstadt Jena
drucken zu lassen yerstattet und ihm und seinen Erben und
Nachkommen ein priyilegium über besagten Zeitungsdruck
und andre Traktätlein seines Verlags erteilt, damit niemand
ihm eingreifen oder zu seinem höchsten Verderben dergleichen
nacbzudrucken sich unterstehn möge.
Als aber Licentiat Bieler im Jahre 1686 das Postamt
zu Jena gründete, für welches er im darauf folgenden Jahre
das Priyilegium von der Weimar-Oothaisohen Oesamtlinie er*
hielt, war Bibliothekar Neuohan schon tot, und seine be-
jahrte Witwe liefs die Zeitung nicht mehr erscheinen und
erhielt fortan vom Postmeister Bieler wöchentlich einen
Beichsthaler.
l^aohdem aber die Bielersche Zeitung drei Jahre er-
schieDen war, kamen die Neunhanschen Kinder und Erben
bei der nach Herzog Bernhards Tode eingesetzten Vor-
mundschaftsregierung zu Jena um Erneuerung ihres Privi-
legiums ein.
Aber Bieler setzte alle Hebel in Bewegung, dieselbe zu
verhindern und die Abweisung der Supplikanten zu bewirken,
und wuTste seine Rechte in helles Licht zu stellen.
Nach Bielers Ausführung ist das Neunhansche Privi-
legium nichts als eine gnädige Eonzession, welche den Buch-
führer Nennhan gegen Nachdruck seiner Bücher, vielleicht
auch seiner Avisen sicherstellen sollte, nicht aber wider
ein F. S. Oesamtpostamt, wie es Bieler stabiliert.
Hätten aber die Neunhanschen Kinder die Behauptung
aufgestellt, es wäre ihrem Vater, der Titel und Amt eines
Bibliothekars gehabt, das Zeitungspatent anstatt der Besoldung
verlieben worden, so fehle dafür jeglicher Beweis. Komme
es doch jeden Tag vor, daft bürgerlicher Jurisdiktion unter-
worfene Persönlichkeiten sich einen Titel zu verschaffen
suchten und denselben als willkommenes Salarium für etwaige
Mühewaltung betrachteten. Habe doch noch kürzlich Buch-
gS4 Gesamtpottmeister Bieler.
fübrer Frits in Leipzig sich durch seine Patrone und fleifsiges
SoUicitiren am kurf. Hofe zu Dresden den Titel eines
GorrespondenzsekretariuB tu verschaffen gewufst
Als er aber auf Orund dieses Titels dann Avisen zu
drucken sich unterstanden, so sei ihm auf Eingabe des Ober-
postamts das Handwerk gar bald gelegt worden, obwohl er
erst seinen Titel mit groften Unkosten zu Wege gebracht.
Wolle man aber im vorliegenden Falle nun auch einmal
annehmen, es sei dem seligen N. anstatt eines Salärs das
Zeitungswerk gestattet worden, so sei es doch eben um so
mehr mit seinem Tode hinfällig geworden.
Und auTserdem, wie veracbt und verspott seien doch
diese Jenenser Avisen gewesen, und selbst die Bauern weit
und breit hätten unglaubliche Märchen Jenenser Avisen ge-
nannt, was ja kaum zu verwundem, da dieselben weder
censiert noch mit zeitiger Correspondenz versehn gewesen*
Dagegen seien dieselben, so lange sie nun bei dem Postamt
gewesen, zu einem gröfsem Ansehn gelangt, als alle benach-
barten Zeitungen und dies nicht nur wegen guter materien
und guten Drucks, sondern insbesondere wegen der zeitigen
und kostbaren vielen Correspondenz.
Aber freilich sei dieselbe, die jetzt mit allen auswärtigen
Postmeistern, fast keinen, auch die holländischen nicht aus-
geschlossen, zustande gekommen, mit grofsen Unkosten er-
worben worden, wie er ja überhaupt nicht ein, oder zwei
Tausend, sondern vier bis fünf Tausend Reichsthaler in
den 8 Jahren auf das neue Gesamtpostamt habe verwenden
müssen.
Nun da er endlich einige Frucht seiner Bemühungen
und grofsen Kosten vor sich sehe, sei es ihm gewifs nicht
zu verdenken, wenn er seine Rechte geltend mache und das
mit jedem Postamt, wie in Frankfürt, Nürnberg, Erfurt ver-
bundene ZeitungBwerk gegen unberufene Eindringlinge auf-
recht erhalte. Wenn er der Neunhanschen Witwe wöchent-
lich einen Reiohsthaler zahle, so geschehe dies aus blofser
Commiseration mit ihr als persona miserabilis.
Gesamtpostineister Bieler. g3&
Die Neunhanschen Erben aber wuTsten eine Erneuerung
ihres Privilegiums durchzusetzen und eine Bestimmung der
vormundschaftlichen Begierung, dafs Bieler wegen der Avisen
der Witwe wöchentlich einen Thaler zu zahlen schuldig sei,
solange die Neunhans sich des Druckes der Zeitung ent-
halten würden.
Bieler will sich eher des „Himmelfalls", als eines solchen
widrigen gnädigsten Reskriptes versehen haben. Sonnenklar
ergäben doch die Akten, dafs die Neunhanschen Kinder ihr
angemafstes Privilegium rechtzeitig zu renovieren unterlassen
und dafs es durch solche Yerabsäumung null und nichtig
geworden, abgesehen davon, dafs es nichts als ein Verbot des
Nachdrucks enthalten habe.
Dafs nun das Privileg nachträglich auf die Erben exten-
diert würde, sei eine ungerechte Schädigung des Postamts, die
sich um so mehr strafen würde, als dasselbe ein Lehnsamt
sei und im Falle des Bückfalls an das F. S, Gesamthaus
eine grofse Schwächung erfahren würde. Ihn selbst aber,
der Hand und Siegel aller Herzöge empfangen, mache man
zu einem armen Manne.
Aber zuletzt mufste es Bieler für das Geratenere halten,
sich mit den Neunhanschen Erben gütlich zu vergleichen.
Begierungsadvokat Foll und Kammersekretär Gerhard ver-
mitteln zwischen den hadernden Parteien, und am 13. August
1689 kam es vor der vormundschaftlichen Begierung zum
Friedensschlüsse.
In der Yergleichsurkunde , die von den Interponenteu
mit unterzeichnet ist, muÜB Bieler die verletzende Formel,
dafs er nur aus Mitleid der N. Witib einen Gnadengehalt
bewilligt, fallen lassen und sich verpflichten, der Witib alle
Büokstände und dazu wöchentlich, solange sie lebe, einen
Thaler zu entrichten.
Die Kinder und Erben verpflichten sich dagegen, so-
lange gedachte ihre Mutter am Leben, sich des ihnen aus
renoviertem Privilegio zukommenden Zeitungsdruckes nicht zu
gebrauchen.
g36 GeMuntpostmeittar Bieler
Nach dem Tode aber bleibt et denselben unbenommen,
ihre Zeitungen, so gut sie können und mögen, zum Druok m
befördern; jedoch dieeee alles salvo jure des dem FürstL
Postamte gleichfalls zustehenden und verliehenen Postzeitungs-
Rechts.
Beide Teile erklärten sich mit diesen Bestimmungen
wohl zufrieden und erklärten ebenso durch Namensunter-
schrift, diesem allen, was sie einander zugesagt und yer-
sproohen, getreulich nachkommen zu wollen.
Hatte Bieler nach dieser Seite hin zunächst einige Kühe,
80 sah er sich bald genug genötigt, wieder heftigen An-
griffen von anderer Seite entgegenzutreten. Auch scheint
es, dafs der F Sächsische Postmeister, öfters lange abwesend,
seines Amtes nicht immer mit gleicher Sorgfalt gewartet, so
dafs er Gegnern und Eonkurrenten wohl manche Blöfse sum
Angriff gab.
Um so weniger mochte es ihm gelingen, ein wirklicher
Gesamtpostmeister alle Linien der F. 8. Lande in seiner
Hand zu behalten. Auch Sterbefälle im Brnestinischen Hause
und infolgedessen Besitzyeränderungen erschwerten ihm den
Kampf gegen seine Gegner, die sich öfters durch einfluDs-
reiche Intercession die Erlaubnis, einen Postwagen hier und-
dorthin laufen zu lassen, zu erwirken wuDiten. Ja selbst
sein Privilegium wurde mehr und mehr in Frage gestellt»
namentlich durch einen Herrn von Harstall, der sich am
Hofe zu Eisenach hoher Gunst erfreute.
Der Geleitspächter Thilo zu Jena aber, welcher um
seine Pacht gekommen, erbat sich wenigstens die Brlaubnis
von Herzog Johann Ernst, zunächst eine Postroute über
Weifsenfels nach Leipzig anlegen zu dürfen und das als An-
fang, „die durch einander gehenden Posten, da einer hier,
der andere da, fremde und einheimische eine Stück davon
habe, in gute Bestallung zu bringen*'.
Nach allen Seiten hin hat Bieler Front zu machen, da
Postfeinde, kleine und grofse, ihm das Leben sauer machen.
£r unterläfst es aber nicht, bei Regierungswechsel und Erb-
Oesamtpofttmeistor BieUr. g37
anfall sein Priyileg und seine Anrechte ia Erinnerung su
bringen. Als Herzog Albert 1699 starb, wendet er sich an
die erbenden Brüder, wünscht ihnen Kraft und Stärke ans
der Höhe, dafs unter ihrer Landesregierung Güte* und Treue
einander begegnen, Gerechtigkeit und Friede sich küssen
mögen, bittet aber sugleich um Schutz seines Erbpostamtes
und um seine Deputate.
Aber selbst seine Hauptlinie Jena -Eisenaoh- Frankfurt
mufste er durch mächtige Herren gefährdet sehen. Zunächst
wurde seine Post bedroht, dacfs sie in Erfurt von allen
Paketen, so hin und her gehen, fortan Geleit zahlen sollte,
widrigenfalls die Post visitiert und die Pakete konfisciert
werden sollten, während ihm sein Privilegium (auch für Er-
furt?) volle Freiheit von allen Zöllen, Geleit und anderen
Auflagen zusicherte; zumal da Bieler versprach, nie Fracht-
güter von einem Centner und mehr und auch sonst schwere
Packete nur dann mitzunehmen, wenn keine Person führe.
Bald erfolgte auf Beschwerden des Erfurter Postmeisters
und seines Herrn, des Fürsten Thum und Taxis, ein weiteres
Einschreiten gegen den Jenenser Postwagen. Anselm Franz,
des Heiligen Stuhls zu Mainz Ersbischof und des heiligen
Kömischen Eeiches durch Germanien Erzkanzler und Kur-
fürst, wollte den Bielerschen Wagen nicht länger durch sein
Territorium passieren und repassieren lassen
Yergebens verwandten sich die Kegierungen des Sachs.
Ernestischen Hauses um freie Passage Ihrer Gesamtpost
durch das Mainzer Territorium. Man bat, Bielers Postillons
um mehrerer Sicherheit und der Reisebeförderung willen den
Gebrauch der Posthörner zu gestatten, da niemand geschadet,
wohl aber „das bonum publicum befördert, den Gastwirten
und andern Inwohnern durch der Passagiere ab- und zu-
reisen, zehren und andere Weise guter Profit zugezogen
werde".
Seine Andacht, der neue Erzbischof, wies auf die Be-
schwerden des Fürsten von Thurn und Taxis hin und der
Kaiserl. Majestät Willensmeinung, die ihm, dem Erzkanzler
638 Gesamtpostmeittor Bitltr.
des Beiches, die Protektion über das dem Fürsten zustehende
Erbgeneral - Postamt noch besonders aufgetragen habe. 80
kann es der Ersbischof unmöglich gestatten, dals in Erfurt
neben der Kaiserlichen Post noch ein besonderer sächsischer
Postfactor bestehe, noch dafs das bei erwähnter „Landgutsche"
befindliche Gesinde sich eines Posthorns, so ohnedem weder
zur Beförderung noch Sicherheit der Reisenden beitrage, sich
bedienen, noch Briefe und Pakete abgeben oder mit sich
nehmen dürfe. Seine Andacht weist noch auf das Kaiser-
liche Mandat des Jahres 1680 hin, das der Posthörner sich
zu bedienen oder selbige an die „Gutschen und Kaleschen"
anzumalen, allen Unbefugten auf das strengste untersagte.
Schon lief denn auch, wie man erwartet, das Kaiser-
liche Mandat, datiert 9. April 1699 und gegeben in Unserer
Stadt Wien, an den Herzog Ernst Wilhelm von Sachsen-
Eisenach ein:
„Hochgeborner lieber Oheimb undt Fürst Unis hat defs
Fürstens zu Taxis Ld. in Unterthänigkeit* zu yernehmen ge-
geben, wie dafs Ew. Ld. also genantes Fürstl. Sachs. Post
Ambt zu Jena sich jüngsthin abermahlen unterstanden habe,
einen ordinari hotten auflEuatellen und mittelst delselben wie
die formalia lauthen, geschwind fahrende Posten nicht nur
in dortiger gegend auf drey Routen, sondern auch in das
gantze Rom. Reich, ja Unsere Eigene Erblande einen cursum
publicum zu Bestellung aller Briefferey und paqueten, auch
fahrung reisender Personen würcklich einzuführen und zu
ordentlicher Briefsamblung gewifse tag zu determiniren.
Wenn nun aber dieses sowohl Unseren so häuffig ins
Reich publicirten Postpatenten, Mandaten und anderweiten,
nach Yorgangener reifPer der Sachen erwägung emanirten
Verordnungen schnurstracks zuwieder laufet, an sich selbst
auch eine Sach von sehr böser und gefährlicher Consequenz,
und zu besorgen ist, dafs bei nicht erfolgendem ernstlichen
einsehen, die eüserste Confusion, Zerrüttung ufid Unsicherheit
der allgemeinen Reichs correspondenzen verursachet werden
möchte; alfs gesinnen an Ew. Ld. hiermit gnädigst, Sie wollen
Oesamtpostmaistor Bieter. g39
Bothanes neuangelegtes fuhrwerk, also gleich und Ton selbsten
einstellen, damit wir andere zulängliche Verordnungen er*
gehen zu lafsen nicht beuöthigt werden, maTien wir dann
zu solchem Ende sistir* und Hinterung defselben denen
benachbarten Ständten defs Reichs Ernstlich aufgetragen
haben.
An dem beschiht was zur conservation Unseres aller-
höchsten Kais. Postregalis gereichet, und anbey Unser gnädig-
ster Will und Meyoung, und verbleiben Ew. Ld. im übrigen
mit Kais, gnade nod allem guten wohl beygethan/'
Herzog Wilhelm Ernst und mit ihm Herzog Johann
Wilhelm glaubten durch eine Eingabe den zürnenden Kaiser
beschwichtigen zu müssen. Aber wenn sie auch in allen
billigen Dingen Sr. E. Majestät gehorsambst Folge zu leisten,
sich so schuldigst als willigst erkennen, so glauben sie denn
doch bei der Ansicht beharren su dürfen, dals „in ihren
Eigenen Landen sie Posten oder geschwinde Fuhren zu
halten" ihnen unverwehrt bleiben müsse. Von einem cursu
publico auf drei Routen durch das ganze Römische Reich
und in Sr. Majestät eigne Lande wissen die Fürsten kein
Sterbenswörtchen. Wohl aber haben dieselben, da alle Briefe
in ihren Landen so ungewifs gegangen, ja wenn Pakete
dabei gewesen, von dem Eaiserl. Posthalter gar nicht an-
genommen oder fortgeschickt worden, da weder Fremde noch
Einheimische von einem Ort zum andern kommen können,
sich zuletzt genötigt gesehen, nach dem Exempel Sr. Majestät
und mancher Reichsstände und Reichsstädte selbst eine ge-
schwinde Landes- und Festführe anzulegen.
„Worbey dann sich gefüget, dafs weil in Sonderheit die
passage von Leipzig auf Halle durch Unsere Lande gegen
Hessen und Frankfurth am Mayn, auch andere darzwischen
liegende öhrter gehet, die daselbst bestelte Posthalter mit
denen Unserigen zu Jehna sich vereiniget, dafs sie die
Fuhren auf gewifse Tag zusammenstofsen, die Passagiers ein-
einander zuführen und also die Strafse nach Frankfurth
nehmen lassen wollten, ohne dafs Ew. Eayfserl. Majestät
640 OtsaMtpottmeUter Bieler.
Posthaltern, Ton welohen yermuthlich die eiDgebrachte Be-
Bohwerungen herrühren, der geringite Eintrag geecheben."
Beide Fürsten bitten daher Se. Majestfit, sie selbst und
ihre dazu bestellten Leute an Fortsetzung des zwischen
Jena und Frankfurt gehenden Landwagens nicht zu ver-
hindern, sondern die gegebenen Mandate allergnädigst zu
kassieren.
Teils auf Veranlassung der Herzoglichen Regierung» teils
aus eigenem Antriebe giebt Bieler „eine wahre und gründ-
liche Nachricht, worauf dieser gesammte Postwagen eigent-
lich beruhe'*. Bs sollte dieselbe zur Kenntnis der Kaiserl.
Majestät gelangen.
y^Zunäohst haben die Fürsten Emestinisoher Linie, da in
ihren Landen keine fahrende Post bestanden, Personen und
Packete zu befördern, eine solche Landpost einzurichten für
unumgänglich nöthig erachtet. Auch haben sie dabei ledig-
lich das Beispiel Sr. Majestät des Kaisers selbst, der in den
Erzherzoglichen und Böhmischen Erblanden dergleichen ge-
than, Tor Augen gehabt; so wie ferner das Beispiel der
GhurfürsteD von Sachsen und Brandenburg, der Herzöge von
Braunschweig, Lüneburg, Bremen, Verden, Pommern, der
Landgrafen von Hessen und anderer Eeichsstände. Sie be-
trauten auf Antrag des Seniors und Direktors der ganzen
Emestinischen Linie Herzog Johann Qeorg den Dr. juris Bieler
mit dem Oesamtpostamt (in feudum hereditarium cum jure
prohibendi), der laut Lehnschein und Lehnsbrief nach ab-
gelegter Lehnspflicht in yoUen Possess trat Haben aber
andere Stände des Reiches dergleichen Landposten mit groDsem
Vortheil der Commercien aufgerichtet und bis dato ungekränkt
erhalten, weshalb sollte es allein den Fürsten Emestinischen
Hauses nicht gestattet sein, ihre Unterthanen um einen
billigen Preis aus dero Residenzen und Städten befördern zu
lassen und die Nothdurft ihres Hofiitaates aus Leipzig und
Frankfurt zu erlangen?
Weil auch die Kaufleute in Frankfurt und Leipzig sich
jederzeit ftber den Mangel eines ordinär Postwagens zwischen
Gesamtpostmeister Bitler. g41
ihren Städten beschwert» hat man sich endlich, weil die
Eaiserl. Posthalter dazu nicht za bereden gewesen, mit den
Churfärsten zu Sachsen and Brandenburg in Verbindung ge-
setzt und mit Oenehmhaltung der Landgrafen von Hessen
und der Stadt Frankfurt eine geschwinde Post zu Wege ge-
bracht und also die bisher in den F. S. Landen gleichsam
geschlossene passage eröffnet und der Beisenden und Kauf-
leute Lamentiren gestillet.
Vor Anlegung dieses Postwagens hat nicht einmal ein
passagier extra fortgeschafft werden können, ja die Durch-
lauchtigsten Herzöge zu Sachsen haben hohe Standespersonen
und hohe Eriegsoffiziere mit ihren eigenen Pferden fort-
schaffen lassen müssen, und ist der schlimme und elende Zu-
stand der Reichsposten in den Sachs. Residenzstädten nicht
genugsam zu beschreiben, dafs auch kein Postpferd weder
in Eisenach, Gotha, noch Weymar, ja bei dem Hochsei. Post-
meiHter zu Erfurt selbst zu bekommen war, und haben die
Reisenden andere Wege suchen müssen. Wer sollte daher die
neue Post, auf der man für 9 rh. 4 gr. in 5 Tagen die Woche
zweimal von Leipzig nach Frankfurt kommen kann, nicht für
ein löbliches und rühmliches Werk halten? Jetzo kann man
in den S. Landen ordinari und extra fortkommen, wohin
man will, da zuvor weder Person, noch Packet aus dem
Lande kommen können.
Und dazu kommt der unumbstöfsliche Schlufs: Kann
dem Erzhaus Oestreich in seinen Erblanden Posten anzulegen,
desgleichen dem Könige von Böhmen, Churfürsten von Sach-
sen, Ghurfürsten von Brandenburg, den Herzögen von Braun-
schweig und Lüneburg, den Herzögen zu Pommern, Bremen
und Verden, dem Landgrafen von Hessen - Kassel als Reichs-
ständen in ihren Landen fahrende Posten nach Hamburg,
Bremen und Frankfurt anzuordnen nicht verwehrt werden,
mit welchem Rechte will der Fürst zu Turn und Taxis
solches den Herzögen Ernestinischer Linie verwehren und ein
jus prohibendi wider solche allein exerziren? Ist doch die
342 Gesamtpottmeister Bieler.
Gleichheit der statuum Imperii die Orandfeste, auf welcher
das Römische Reich unheweglich steht.
Dafs aber alle Chur- und Fürsten des Reiches in ihrem
Lande Posten anzulegen freie Macht und Gewalt haben und
gleich wie Sr. Rom. Majestät die Reichspost, also die Stände
des Reichs ihre Landpost halten und anrichten können, er-
hellt aus dieser unwiderstehlichen Regel:
„Welchem Herzog im Römischen Reich die Landes-
fürstliche Hoheit zusteht, dieser auch nothwendig macht hat,
in seinen Landen Posten anzulegen." (Wird aus Seckendorf
und anderen Autoren eingehender erwiesen.)
Haben andere Chur- und Fürsten des Reiches ihr Post-
regal exerciret, so kommt diese ihre Fürsichkeit den andern
Reichsfiirsten billig zu statten, weil unter den Fürsten
des Reichs eine unzertrennliche Eonfraternität und Societät
besteht.
Dabei bleiben Ihrer Eaiserl. Majestät reserrata in ihrem
Stand und Wesen, wie der Reiohsfürsten jura ungekränket
bleiben. Und wie soll gerade diese F. Sächsische Post zur
Konfusion und Unsicherheit der Gorrespondenz gereichen?
Da doch zuvor schon so viel Landposten und Boten zu
Regensburg und Nürnberg angelegt sind, und die meisten
Provinzen Deutschlands mit ihren eigenen Landposten cur
Genüge versehen und solche noch viel mehr der Reichspost
einige Eonfueion und Zerrüttung gemacht haben müssten, soll
denn aber diese F. S. Landpost, welche doch weder in
Frankfurt a. M., in Erfurt, noch in Leipzig Briefe aufnimmt,
Bo grofse Eonfusion verursachen!
Es ist fürwahr höchlich zu verwundern, auf welches
fuodamentum des Fürst von Turn und Taxis Sr. Majestät
der Eaiser zu einem so ungewöhnlich harten Rescript,
welches wider die landesfürstliche Hoheit und notorische Ob-
servanz lautet, müsse bewogen worden sein! Denn durch
diesen Sächsischen Landpostwagen geschieht den Eaiserlichen
Postmeistern zu Erfurt und Frankfurt nicht Ein Groschen
Schaden wegen der Briefe, allermalsen ja den Personen, so
Gksamtpostmeister Bielar. g43
die Reisenden und Paokete einsobreiben , Briefe anzanehmen
ausdrücklich untersagt wird.
Es würde fürwahr weit zuträglicher sein für die Kaiser-
liche Reichspost, wenn selbige mit diesem Fürstl. Sächsischen
Oesamtpostwagen und dem Gesamtpostmeister zu Jena das
yielmals gesuchte gute Vernehmen nicht ausschlüge, mit
selbigem sich setzte und zugleich conjunctis yiribus dahin
trachtete, dafs die schädlichen Boten und Landkutschen,
welche die Briefe am meisten wegnehmen und in die Häuser
laufen, abgestellt und cassiret würden.
Man lasset ja die reitende Beichspost aller Orten in
ihrem Gours ungehindert und ist nur besorget, Packete und
Personen, sowohl ordinarie als extraordinarie richtig fort-
zuschaffen !'*
Bieler bittet su Schlufs seiner Darlegung, dafs auf Orund
derselben Sr. Majestät der Kaiser die Durchl. Fürsten und
Herrn bei dem in dero Landen aus hoher landesfüratlicher
Gewalt und Macht herfliefsenden jure postarum ungehindert
lasse und zukünftig ungleichen Vorstellungen kein Gehör geben.
Bieler unterläfst es nicht, sich mit ähnlichen Vor-
stellungen direkt an den Fürsten von Thurn und Taxis zu
wenden. Er weist noch besonders darauf hin, wie Königl.
Majestät von Polen und Kurfürst von Sachsen selbst es für
notwendig erachtet, sein Oberpostamt zu Leipzig durch die
Bielersche Post mit Frankfurt in Verbindung zu setzen, wie
die Fürsten des sächsischen Hauses zu dieser Linie ein be-
sonderes Bedürfnis gehabt, schon uro ihrer Hofhaltung und
der vielen Personen und Beamten willen, welche von Resi-
denz zu Residenz zu reisen genötigt seien ; hebt hervor, wie
der Erfurter Reichspostmeister Breitenbach, von dem die
ganze Klage doch erst ausgegangen, durch die sächsische
Landpost auch keinen Groschen Schaden, sondern wesent-
lichen Nutzen habe, weil er nunmehro des Anlaufens und
des Beschimpfens der Reisenden, welche Pferde zu extra
Post verlangt, durchaus überhoben, und unterläfst es nicht,
wie in der Eingabe an den Kaiser, hervorzuheben, dafs es
XVII. 42
644 Gesamtpostmeister Bieler.
nur höchet profitable sein würde, wenn die Kaiserliche Reidit-
poet und die Bäohsische LandeBpost Hand in Hand gingen
und conjonoÜB viribus aller Orten gegen die Boten und
Kutscher, welche am meisten die Briefe an sich rissen, vor-
gehen wollten. Insbesondere aber führt Bieler den Nach-
weis, dafB die Linien der Kaiserlichen und sächsischen Land-
posten zumeist verschiedene seien, da z. B. zwischen Jena
und Halle und Jena und Erfurt keine reitende Post gehe,
von Eisenach über Hirschfeld, Alsfeld, Friedberg auch kein
Fortkommens gewesen und also der Landwagen der Kaiser-
lich reitenden Post, weil er ihre Strafse nicht halte, notorie
keinen Schaden thun könne.
Die Bielersche Post scheint geruhiglich auch weiterhin
ihre Beute nach Frankfurt eingehalten zu haben; nur dafs
sie ihre Geleitsfreiheit zu Erfurt einbüfste. Als Entschädigung
erhielt Bieler von seiner Begierung ein jährliches Holzdeputat
Wie er seine Frankfurter Beute mit Umsicht und
Energie zu schützen weifs, so vergifst er auch nicht, seinen
Fürsten und Herrn gegenüber den ganzen Inhalt und Um-
fang seines Privilegiums, sowie auch sonst gegebene Zusagen
in Erinnerung zu bringen.
Dafs ihm bei Stabilierung des gesambten Postwesens
54 Eimer Bier und 6 Eimer Wein tranksteuerfrei zu brauen
und einzulegen verheifsen, glaubt er (März 1699) wieder in
das Gedächtnis seiner Eegierung zurückrufen zu müssen,
„gestalt ich auch solche Begnadigung bis anno 1694, da ich
mich wieder eine Zeit lang wegbegeben, mit aller unter-
thänigstem Dank genossen und percipiret'^
Vielleicht aber, dafs er sein Bier zu Priefsnitz, Lasan
und Ammerbach brauen lasse, wo die gesundesten Biere
gebraut würden und dafs solches ihm denn auch tranksteuer-
frei passieren müsse.
Auch wegen zugesagten Wildprets sehen wir den Fürstl.
Sächsischen Gesamtpostmeister vorstellig werden. »»Vor die
Besorgung der vielen Hochfürstliohen und Herrschaftlichen
Freybriefe und dabei habende Mühewaltung'' ist ihm ein Tier
Gesamtpostmeister Bieler. g45
gnädigst zugeordnet und ihm ohne fernere Ordre auf sein
blofses Ansuchen jährlich durch den Herrn Ober Jägermeister
zu £i8enach geschossen worden.
Da er aber im Winter 1699 noch viel Hirsche und
Wildschweine mit der geschwinden Post von Eisenaoh nach
Weimar geführt, so glaubt er denn doch auf ein extra
deputatwildpret zu besonderer Ergötzlichkeit rechnen zu
dürfen, und sei es auch nur ein Schmaltier.
In sehr erregter Weise sehen wir ihn öfters gegen allerlei
Eingriffe in sein Privileg den Schutz der sächsischen Pursten
anrufen. So kommt er wiederholt darum ein, dafs das Post-
reiten und Fahren den Personen von Jena, so seinem privi-
legio schon bisher grofsen Abbruch gethan, nachdrücklich
inhibiert werde. Wirklich glaubte Herzog Johann Ernst,
zumal die Bielersche Post in jetzigen schlechten Zeiten (1700,
15. März) nur mit schweren Kosten unterhalten werden
könne, ihm sein Gesuch gewähren zu müssen, auch schon
„um mit fernereu querelen unbehelligt zu blciben'^
Auch H**rzo^ Wilhelm Ernst zu Weimar erläfst, sobald
es zu seinen Ohren gekommen, dafs die durchgehende Land-
kutsche sich unterfangen, nicht allein Posthörner zu führen,
sondern auch oft dieselben zu blasen und solche öfters gar
in den Gasthöfen bei dem Trunk und auf den Gassen zu
brauchen, ein striktes und scharfes Verbot solches Gebarens,
das dem P. S. Gesamtpostmeister durchaus zum despect,
und zwar mit der ausdrücklichen Bedräuung, dafs die Yer-
breoher der Abnahme besagter Posthörner sofort gewärtig
sein sollen.
Preilich aber läiÜBt es Herzog Wilhelm Ernst selbst
seinerseits wieder an sich fehlen , als die neue Jahres - Livr^
für den Gesambten Postmeister und seine Leute aus seiner
Kentkammer zu besohafiPen war, und sieht sich Bieler,
um zu neuer Gewandung zu kommen, endlich genötigt, die
Intercession Herzogs Johann Ernst anzurufen. Dieser legt
denn alsbald erfolgreiche Fürbitte bei seinem „freundlich ge-
liebten Herrn Vetter, Bruder und Gevatter" ein.
42*
f^g QeMmtpostmtister Ri«ler.
Aber zu erträglicher Buhe kommt der Oesamtpoatmeister
auch dann nicht Hat er seine Posiroute nach Frank-
furt wider hohe Herren zu schützen gewuTst, wird ihm
nun wieder die Hallische und Leipziger Route bedroht
Zwar wurde dieselbe durch den Postmeister Madeweis in
Halle und das Oberpostamt in Leipzig besorgt, aber doch
lieferten die kurbrandenburgischen und kursäohsischen Postil-
lons Briefe und Pakete in Bieters Posthaus in Jena ab, eben-
so wurden Pakete und Briefe für Halle und Leipzig und da-
zwischen liegende Städte auf seinem Posthause abgegeben,
und Bieler bekam, wie frülier gezeigt, einen gewissen Anteil
der Einnahme. Auch standen die fremden Postillons, so-
lange sie in Jena weilten, lediglich unter Direktion des
Färstl. Sächsischen Gesamtpostmeisters. Trotzdem behaup-
teten neidische Konkurrenten, dafs Bieler nach Halle und
Leipzig gar keine Post habe, und ein gewisser Gräfe, früher
Postschreiber in Bielers Diensteo, und der Würzkrämer Sper-
hake zu Jena kamen um Konzession für diese Linien ein.
Auch unterliefsen sie es nicht, auf allerlei Mifsstände
in Bielers Postwesen hinzuweisen. Nicht einmal extra Pferde
seien bei dem Herrn zu haben, und sie legen sogar zum Be-
weis ihrer Behauptung das Zeugnis eines hochadligen Herrn
bei, der auf das schnödeste vor dem Posthaus im Stich ge-
lassen worden sei.
Bieler seinerseits stellt es durchaus nicht in Abrede,
dafs er keine extra Pferde im Posthaui halte, dagegen unter-
hielten seine Postillons deren drei und vier auf eigene Kosten
und Gefahr. Doch wann kämen Reisende überhaupt, Post-
pferde zu yerlangen? Giebt es doch der Bürger, Gastwirte,
Kutscher mehr wie zu Tiel, welche alles hinwegnehmen,
PostCharten heraushängen, Posthörner blasen und wäre es
auch nur, um dem Postamt zu schaden!
Was nun besagten Herrn , den Herrn von Muffel , an-
lange, so sei dieser, nachdem er die Stadt abgelaufen, yor
das Posthaus kommen, und doch habe ihm Bieler Pferde zq-
gesagt. Die Postillons aber seien ausgefahren geweeen, ein
Gesamtpostmeistor Bleltr. g47
Fuder Korns aofzuladeD, und hätten, Burüokgekehrt , erst
füttern müssen. Da habe es der Herr vorgeBogen, über
Nacht zu bleiben, ,,er habe keine Lust, Hals und Beine zu
brechen*'. Andern Morgens aber habe er sich von Sperhake
nach Bitenberg fahren lassen.
Bald mufste Bieler hören, wie dieser Sperhake sich in
Halle und am Hofe des Kurfürsten gute Freunde zu machen
suchte, und um so mehr war er bemüht, die Beziehungen
mit Made weis, dessen Binflufs er kaunte, wieder enger au
knüpfen. Auch kommt er samt seinem Stiefsohne Heyne bei
Hofe gegen das Unternehmen ein. Sie wollen nicht hoffen,
da ja ohnehin die yagierenden Landkutscher in Jena noch
gar nicht gedämpft worden, dafs neue Konzessionen aus-
gegeben und dadurch die Konfusion in Postsachen noch
gröfser werde. Der Gräfe nun gar, früher Junge bei Bieler,
habe dem Herrn von Wurm für 60 000 Thaler Lehnbriefe
verloren; der Sperhake aber sei ein Würzkrämer und werde
es dem Kurfürst von Brandenburg nur zum Despekt ge-
reichen, wenn seine Posten vor einem Pfefferladen ankommen
und abgehen sollten.
Aber schon hat Sperhake eine reitende Post nach
Leipzig angelegt, und Bieler trägt laut seinem Privilegium,
das ihm das jus prohibendi zuerteilt, auf sofortige Inhibition
an und führt lebhafte Klage, dafs derselbe aulserdem auch
sich tiir einen Postmeister ausgebe, ein neu Posthaus auf-
gerichtet, Kurf. Sächsische Livr^ und Kurf. Sächsisches Schild
und Wappen führe.
Das Oberhofgerioht untersagte alsbald dem Würzkrämer
das Postreiten und bedeutet ihn, wenn er Einwand lu machen,
es innerhalb 14 Tagen lu thun. Schon sind dieselben ab-
gelaufen, und Bieler bringt zur Anzeige, dafs der Würzkrämer
geruhiglich fahren und reiten lasse und den Postmeister
agiere. Da läuft noch Sperhakes Brwiderung ein, in welcher
er geltend macht, dafs sich seines Gegners Privileg lediglich
auf die Strecken und Oerter beziehe, wodurch und wohin
die Gesambtpost gehe. Bs sei aber ein notorium, dafs die*
348 Gesamtpostmeister Bieter.
selbe nicht nach Leipzig, Dicht nach Altenburg, nicht nach
Halle gehe. Und was das prätendierte jus prohibendi an-
lange, 80 sei dies wunderbarer Weise noch nie zur Anwendung
gekommen, wie die vielen in Jena fahrenden Posten and
Kutscher es jedermann Tor Augen legten. Die Kurf. Säch-
sische Liyr^ trage er aber auf ausdrückliche Erlaubnis des
Oberpostamts zu Leipzig. Schliefslich legt Sperhake in der
That eine Eonzession des Herzogs vor, welche ihm und
Gräfe es gestattet, dafs sie eine fahrende Postkalesche zwei
Tage die Woche über Naumburg nach Halle (Leipzig?) gehen
lasten, reisende Personen fordern, Briefe und Pakete be-
stellen, doch jeder Zeit mit dem in Jena schon bestehenden
Brandenb. Postamte korrespondieren.
Das Hofgericht, damals vertreten durch den Vioehof-
geri chtspräsi deuten , den Königl. Polnischen und Kurf. Säch-
sischen Geheimrat Bernhard Pflugk, Bitter des Johanniter-
ordens, auf Heckenwalde, mufste sich für seine voreilige In-
hibition eine lange Nase von seiten des Herzogs gefallen
lassen.
Bieler aber wandte sich in längerer Immediateingabe an
seinen Durchlauchtigsten Herzog, seinen gnädigsten Fürsten
und Herrn. Er bittet ihn, ihm sein jus prohibendi, ohne
welches sein Privileg ohne Wert, nicht zu kürzen, ihn gegen
alle Winkelposthäuser zu schützen, und weist darauf hin, wie
eben aus Mangel an Schutz der ganze Poststatus in Jena in
höchste Konfusion geraten , Fremde die Oberhand spielten,
um wohl gar die Fürstl. Sachs. Gesamtpost wieder über
einen Haufen zu werfen, wie Sperhake und Gräfe dasselbe
durch ihre malitz zu Grunde richteten, und fleht, das Post-
regal und sein Erbliches amt in ungeschwächter Kraft sn
erhalten.
Und wirklich erfolgte, wenn auch nicht lediglich auf
Bielers Anregung, Kassation der kaum gegebenen Konseasion.
„Die weil Wir'*, heilst es in einem ErlaTs Herzogs Johann
Wilhelm, „zuverlässige Nachricht erhalten, dafs berührter
Concession bifs dahero im Wenigsten nachgelebet worden,
Qesamtpostmeister Bieter. g49
Wir auoh ohnedas die Cassation uns nach Befinden vor-
behalten, alfs haben Wir bei so bewandten Dingen und ge-
fundenem Anstofs angeregte Conoession hiermit wieder auf-
zuheben f&r nöthig ermessen/'
Datum der Konzession der 22. Juli, Datum der Kassa-
tion der 22. Dezember 1699.
So trat Bieler siegreich in das neue Jahrhundert ein.
Sperhake aber, der, wie es scheint, inzwischen ruhig weiter
reiten und fahren liefs, kam nochmals um Erlaubnis ein, ihn
unter dem Titel commissionsexpediteur mit kurbranden-
burgi sehen und kursächsischen Postämtern korrespondieren zu
lassen. Bieler ist über solch yerwegenes, böses Ansuchen
äufserst erbittert und schiefst giftige Pfeile gegen den Kon-
kurrenten ab. „Hat doch der Sperhake", heifst es in der
betreffenden Eingabe an den Herzog, „mit seinem Würzkram
und seinen Oreditoren so viel Gorrespondenz und Commission
zu expediren, daft er billig andere ehrliche Leute darüber
vergessen sollte!'' Er ergeht sich in bitteren Klagen, wie
der mangelnde energische Schutz sein Oesamtpostamt an den
Abgrund des Yerderbens gebracht, so dafs itzo fast in allen
Gassen sich Kutscher als Postmeister aufwerfen, Briefe und
Pakete annehmen und ausgeben, ungescheut auf Posthörnern
blasen und dem Postamte Schaden thnn, wo sie nur können.
Da fährt auch noch immer der Postmeister Müller ordinari
nach Leipzig und nimmt Briefe und Pakete an, Kamm-
macher Eost fährt nach Altenburg, die Nürnberger Kutscher
Hoifmann fahren, des Boetii Bote, der Halbmondenwirt und
andere schaden dem Postamte auf alle Weise. Dafs aufser^
dem noch Winkelbestellungen dem Postwesen viel&ch Ab-
bruch thaten, darüber klagt auch Sperhake. „Der Gothaisohe
Zeitungsbote, so im Rothen Hirsch logirt, Wilhelm von
Lüzerode, Jakob Saalbom hinter dem gelben Engel, Bius
von Zeiz hinter dem Bähren, der Rudolstedter Bote bei der
Frau Ohemnitien und der Ohrdruffer bei Herrn Neunhan!"
Doch will Bieler gegen Boten, wo keine Posten gehen, und
namentlich wegen der Herrn Studiosen, nicht einschreiten.
Q^ Gesamtpottmei8ter Bieler.
Durch seine Eingabe erreicht der QesamtpostmeiBter
wenigstenBy dafs die Kassation nicht wieder kassiert und dem
Sperhake die aus bewegenden Ursachen wieder aufgehobene
Konzession nicht nochmals erneuert wird. Bieler hat auch
auf die Unkosten noch besonders hingewiesen, die ihm sein
Postamt mache. Zwei Schreiber und einen Jungen habe er
zu erhalten, obwohl auf der Eisenacher Post zumeist nur
Freibriefe liefen und mancher Posttag ihm kaum mehr als
sechs Groschen Ertrag bringe. Und doch habe ihm die Post
nunmehr 5000 Reichsthaler gekostet Wenn der Sperhake
so reich, so möge er sie ihm PSlt solches Geld abkaufen;
wolle sie ihm gern überlassen.
So giebt Herzog Johann Wilhelm dem Hofgericht zu
Jena die bestimmte Ordre im Einvernehmen mit dem Stadt-
rat, erwähntem Sperhake und anderen Bürgern, so besagter
Bieler angeben werde, nachdrücklich und schleunigst Einhalt
SU thun.
Kam nun der yielgeplagte Mann endlich su erträglicher
Buhe? Keineswegs. Schon dafs die Neunhanschen Erben
ihre Zeitung wieder drucken liefsen und Sperhake und and^'e
Feinde dieselbe auf Kosten der Jenaischen Postzeitung mög-
lichst zu yerbreiten suchten, konnte wenig zur Förderang
seines Oesamtpostamtes beitragen. Selbst Mevig, Erbe der
bekannten Boetischen Buchhandlung und Postfaktorei zu
Gotha, klagt über das Gebaren dieser Herren, die auch seiner
Zeitung, wo sie nur konnten, Abbruch thaten.
Ernste Gefahr aber drohte seinem Privileg und Amte
im Wonnemonat 1700. Obwohl dem Gesamtpostmeister auch
von Herzog Friedrich zu Sachsen - Gotha Höchstseligen An-
denkens 1690 die Zusage gegeben worden war, ihm sein
Privileg, ganz nach Inhalt des weimarischen, auch für seine
Lande zu extendieren, so zogen doch jetzt von Gotha her
bedenkliche Wetterwolken herau£
Geheimer Bat Excellenz Baron von Baccov drohte,,
da er selbst für dortige Lande alleinigen Anspruch habe,,
ihm den Weg durch Gotha zu sperren. Es sei ihm das
Gesamtpostmaiator Bieler. g5}
Privileg von dem Herrn von HarBtall (of. S. 686), in dessen
Hand es bekanntlich schon früher gelangte, übergeben, teil»
cediert, teils geschenkt, teils für einen geleisteten yorBchafa
zugesagt worden. Bieler sollte, um die letzten Anordnungen
SU treffen, auf dem Geheimen BatskoUeg zu Gotha er-
scheinen; wenn nicht, sollte alsbald seine Post arcessiert
werden.
In solchen Nöten wandte sich Bieler an den Herzog
Johann Wilhelm zu Eisenach und fleht, da er bis dato noch
wenig Schutz, wohl aber viel Verfolgung erfahren, um seinen
mächtigen Beistand. Wenn nicht Gewalt vor Recht g^en sollte,
so müTste er im Gesamtbesitz seines PriyilegiumB und seinea
Amtes, das ihm für alle Teile der weimarisohen Linie ge-
gegeben worden sei, und in dem seiner Frau und armen
Kinder gänzliches Vermögen stecke, geschützt und gesichert
werden.
Aber die etwaigen Mängel seiner Post nütze dieser und
jener Herr gegen ihn aus, obwohl sie doch lediglich eine
Folge mangelnden Schutzes und der Feindseligkeit seiner
Gegner seien. So suche bald dieser, bald jener grofse Mini-
ster ihm sein Privileg aus der Hand zu winden, da doch
1686, da er das Postamt eingerichtet, keiner von ihnen sich
gefunden, einen Groschen, geschweige einen Thaler hinein-
zustecken.
Jene vorgeblichen Ansprüche des Herrn von Harstall
seien durchaus null und nichtig, da Bieler nie darüber gehört
worden und eine frühere Eonzession bekanntlich einer spä-
teren in jeder Weise vorgehe.
So bittet er ihn bei dem nun einmal erteilten Post-
lehnbriefe und dessen buchstäblichem Inhalte wider alle
eingerissene Beeinträchtigung und namentlich gegen die
gothaischen Prätensionen nachdrücklich schützen zu wollen,
zumal da seine Gesamtpost zur Aufnahme der Commercien und
Correspondence und Justizbeförderung so wesentlich beitrage.
Herzog Johann Wilhelm, der Senior des Hauses, unter-
lieÜB es nicht, den Herzog Wilhelm Ernst, von welchem in
g52 Oesamtpofttmeister Bi«ier.
der That daa Poeiprivileg für den UmkreiB seiner Lande vor
Jahren einem seiner Qeh. Käte angetragen worden war, zu
Bielers Ounsten zu stimmen. Aus der Wilhelmsburg lief
folgende Erklärung noch vor Bnde Mai in Eisenach ein.
y,Zwar sei es nicht ohne, dafs Er, der Herzog Wilhelm Ernst,
Tor 8 Jahren, da die Bielersohe Post in sohlechtem Zustande
gewesen, den damaligen Geh. Eath, Obermarschall, Kammer-
präsidenten mit dem Postamt beliehen habe, damit er be-
sagtes Postwesen in einen guten zuverlässigen Stand wieder-
umb bringen solle; allein, weiland derselbe sich dessen bis
diese Stunde nicht des geringsten angema(set, auch nicht
einmal, wie er doch zu thun schuldig gewesen, umb aus-
fertigung des Post - Priyilegii und Lehnbrieffes geziemende
ansuchung getban, so halte er davor, es habe sich der von
Harstall, bey so be wandten ümbständen und da Er seiner
in Person abgelegten lehnspflicbt nicht im geringsten nach-
kommen, dieses Post -Lohns von selbst wiederttmb ver-
lustig gemacht; auch solchergestalt derselbe nicht befbgt,
ei ohne des Herzogs Vorbewust und Consens, welcher aus-
drücklich vorbehalten worden, an einen andern zu cediren.
Hingegen sei Dr. Bieler, zumahlen dessen Posten bis daher
wohl bestellet, und richtig gegangen, bei seinem habenden
Privilegio nach femer nachdrücklich zu schützen.''
Dafs Bieler damals seinem Amte allerdings wieder mit
gröfserem Eifer oblag, ergeben auch seine wieder auf-
genommenen Bestrebungen, sich direkt mit Nürnberg in Ver-
bindung zu setzen. Wir erfahren davon schon aus seinen
Korrespondenzen mit Herzog Bernhard von Coburg, der
nach Herzog Alberts Tode daselbst die Regierung angetreten
hatte und einen besonderen Eifer an den Tag legte, das
Postwesen in blühenden Stand zu bringen.
Auf Anregen Herzogs Bernhard war von Coburg aus
(1699) eine „gewisse Landkutsche zur Förderung Handels
und Wandels über Aschaffenburg nach Frankfurt und eine
zweite nach Eger etabliret'' worden.
Der Herzog war nun der Ansicht, dafs mancher Passa-
gier aus Meifsen und Thüringen, der „in Bayreut, Schwein-
Gesamtpostmei^ter Bieter. g53
furt, Würzburg, Asohaffenburg, Hanau und darumb gelegenen
Orten zu verrichten'^ seinen Weg über Jena nach Coburg
nehmen würde. Deshalb wünschte er, dafs es allen Land-
kutschern erlaubt sein solle, Ratifioationszeddel über den
Gang der Coburger Posten in Wirtshäusern und anderen
locis publiois zu affigieren und dadurch diese Bequemlichkeit
zu reisen zu jedermännigliohes Notiz zu bringen.
,,Zu wissen'*, lauteten diese Postzeddel, „das von Coburg
aus drey besondere Landkutschen angeordnet, unter welchen
wöchentlich zwey wechselsweise von daraus über Haffen-
reppach, Schweinfurt, Würtzburg, Aschaffenburg und Hanau,
auch Frankfurt, dann eine gleichfals wechselsweise über
Burkundtstadt, Culmbach, Gefrees, Weisenstadt bis Egger,
und sodann wieder zurück gehen. Es wird aber selbige
Kutschen, wann sie zu Egger ankommen, yon andern yoUaus
nach Prag, und soforth in die Kayserlichen Erblande fahrende
Gelegenheit abgelöfset, Ingleiohen kann ein Jeder, wenn er
sich in frankfurth befundet, auf Heidelberg, StraTsburg und
in Frankreich, oder auf Mainz, Collen und Holland, auf der-
gleichen allsohon etablirten Landkutsohen und andrer be-
queme Orthe gelangen. Wer nun abgemeiter Orthe bequem
und sicher und mit leidlichen kosten reysen und fahren will,
der kan hiernach sich achten, und dieser occasion sich be-
dienen. Datum am tage Michaelis 1699.''
Bieler glaubte aber seinerseits den Wünschen des Her-
zogs Bernhard nicht entgegenkommen zu können. Einmal
gehe von Jena aus schon eine eilende Post nach Frankfurt
und eine andere nach Eger (über Leipzig?!), und er könne
unmöglich den Fremden die Wege über Coburg weisen.
Alsdann werde es auch wenig Frucht bringen, da wohl
schwerlich ein Reisender seine Route über Coburg nach
Frankfurt oder Eger nehmen werde, da er ja im ersten
Falle 25, im zweiten 15 Meilen Umwegs zu machen habe.
Aufserdem aber beabsichtige er selbst baldigt eine eilende
Post über Coburg nach Nürnberg einzurichten.
Wirklich sehen wir auch Bieler wegen eines solchen
Unternehmens zunächst mit dem Oberpostmeister Leonhard
g54 G«MiiiitpostmeUt«r Bi«l«r.
in Leipzig und dann wieder mit dem Kaiserlichen Postfaotor
zn Coburg, Kapitän Winheim, in leibhaftem Briefwechael.
Obgleich beide Herren sich für das Projekt interessieren,
stellen sich doch bald unvermutete Hindemisse in den
Weg. Winheim ist zwar bereit, die Sache beim Reichs-
postmeister in Nürnberg mit allen Kräften su betreiben, aber
da erhält er Tom Markgrafen von Bayreuth, dessen Regiment
im Dienste der Republik Venedig lange Jahre in Morea lag,
die Ordre, dasselbe nun zurücksuführen und mit der Re-
publik Venedig Abrechnung zu halten. Winheim konnte sich
diesem Auftrage um so weniger entziehen, als er selbst
Kommissar und Hauptmann dieses Bayreuthischen Regimentes
gewesen war und zndem der Fürst von Thurn und Taxis
ihm alsbald Dispens und Urlaub gewährte. In Nürnberg
selbst hatte man Bedenken aus Furcht, Binbufse su erleiden,
obwohl Bieler sich bereit erklärte, die Post schon von Bam-
berg aus zu übernehmen; auch müsse man jedenfalls erst
nach Brüssel berichten. (Auch fuhren schon von Nürnberg
nach Jena die Brüder Hoffmann, wenn auch in gewöhnlicher
Laudkutsche. Denselben hätten auch erst Briefe und Pakete
entzogen werden müssen.)
Bieler setzte sich mit der Nürnberger Kaufmannschaft
in Verbindung, um diese wenigstens für sein Unternehmen
insoweit su interessieren, dafs der Nürnberg-Hamburger Bote
mit seiner Post in bestimmte Besiehung treten könnte, in der
Weise, dafs, sobald montags der Bote Coburg erreiche, Bielers
Post über /udenbach, Saalfeld nach Jena abgehen und alle
Pakete bis nach Frankfurt, Leipzig und Halle befördern
würde. Wenn dann donnerstags der Hamburger Bote nach
Coburg zurückkomme, würden ihm daselbst die von Jena, Leipzig,
Halle eingelaufenen Briefschaften und Pakete zugestellt
„8ämmtliche der Zeit in Nürnberg verordnete Markt-
aufseher'' verhielten sich aber ziemlich ablehnend. „Man hat
nach genügsamer Uebcrlegung befunden, dafs mit hiesigem
Botewesen wegen vieler beträchtlicher Ursachen einige Ver-
änderung der Zeit nicht gemacht werden könne.'' (Wahr-
GMamtpostmeister Bieler. g55
scheinlioh die von Schäfer erwähnte, zu Anfang des 18. Jahr-
hunderts Yon Thurn und Taxis eingerichtete reitende Post,
die Sachsen umging und yon Regensburg über Nürnberg,
Erfurt führte.)
Ob nun das ganze Unternehmen im Sande verlaufen,
ist aus den Arnstädter Akten nicht ersichtlich. Doch das
Wahrscheinliche ist es nicht, da ßieler, wie es scheint, sich
mit der Kaiserlichen Post jetzt besser su stellen wufste als
früher. Fürst Eugenius Alexander von Thurn und Taxis
übertrug 1703 dem Bieler und seioem Stiefsohne Heyne, dem
er sein Postamt in Eisenach übergeben, auch die Kaiserlichen
Reichspostämter zu Jena und Eisenach. Für Weimar wieder-
um bestellte Bieler einen gewissen Waoke zum Postverwalter
(Bergfeld, Nachrichten etc.).
Dafs übrigens der Oesamtpostmeister sein Privileg bis
ins Orab hinein in allen seinen Teilen aufrecht zu erhalten
wufste, dafür zeugt eine Eingabe an seinen Herzog vom
6. Dezember 1710. Selbigen Tages hatte das Jenenser Stadt-
gericht ohne Bielers Wissen und Begrüfsung ganz gegen die
Kapitulation Kaisers Josephi, gegen die Königl. preufsische
und kursächsische Ordnung, ganz auch gegen seinen eigenen
Postlehnsbrief freventlich sich unterstanden, einen seiner Postil-
lone auf vorgebrachte Klage einer liederlichen Dirne auf das
Bathaus zu fordern. Da hat man ihm die geklagte mit ihr ge-
triebene Unzucht vorgehalten, und da er nichts gestehen
wollen, mit der Fürstl. livr^o und Schild und Wappen durch
den Gerichtsfrohn in ein sehr tiefes Gefängnis stecken lassen,
Bieler hätte seinerseits kein Bedenken getragen , als den
Huren und Ehebrechern ohnehin feind, wenn die Dirne dem
Postillon erst die getriebene Unzucht erwiesen, denselben den
Gerichten verabfolgen zu lassen.
„Weiln aber solches nicht geschehn und solche unbefugte
prooedur den Postprivilegiis und Reservatis prinoipum zu
gröfstem praejudiz gereicht, wenn untere obrigkeit diesen
Postregalien nicht nachleben und propria auctoritate wieder
die Postbedienten verfahren und die Jurisdiction wollen über
356 Oesamtpostmeister Bieter.
dieselben erswingeD, alfs bin diese unbefugte Ew. Hochfürstl.
Durcblauoht zu nachdrucklicher Bestrafung unterthänigst su
denunsiren gemüfiBigt worden, alfs gelanget an Eur. Hochf.
Durchl. mein Unterthänigstes suchen und bitten, Sie wollen
angeführte umbstände gnädigst erwegen, sonderlich da sohon
vor 20 Jahren alfs in dem Schellhausischen Hause das Post-
haufs gewesen und die Stadtgerichte einen fremden Sprach-
meister, so auch darin gewohnet und durch den Oerichtt-^
ft*ohn gehohlet worden bei hocher Straffe durch damalige
Vormundschaft Regierung yerbothen worden, das Postamt
nicht zu violiren oder zu beschimpfen und an hiesige Stadt-
gerichte die ernstl. Verordnung ergehn lassen, dafs Selbige
ohne Special-gnädigsten Befehl an das Post- Amt, Postmeister,
Postbedienten bei hoher gesetzter Straffe nicht yergreiffen,
noch in personal sachen sich Cognition su eignen, nicht
weniger die Fürstliche livrde, weil solche kein Postillion an-
ziehn will, mir besahlen sollten.
Dieses mein Suchen und Bitten gereicht zu Euer Hoch-
fürstl. Durchl. Hohen Respekt, zu Aufnahme der Post und
su erhaltung des hohen Post Regals."
Diese Eingabe Bielers vom 6. Dezember 1710 an seinen
Herzog ist wohl die letzte postamtliche Niederschrift Bielers«
Denn nach dem Zeugnis seiner Tochter Christiane Margarete,
die an den Postmeister Krafft zu Arnstadt verheiratet war,
starb ihr Vater noch selbigen Jahres.
Dieselbe machte noch Mitte des Jahrhunderts mit ihrem
Bruder, dem Sekretär und Bürgermeister Johann Ernst Bieler
zu Jena, ihre Anrechte an dem ererbten Postamte geltend,
während andere Erben schon lange zuvor ihre Anteile an die
Herzogliche Regierung verkauft Ja sie kam um Restitution
der Bielerschen Post ein. Einzelnes aus den langwierigen
Verhandlungen und Rechtsstreitigkeiten der Bielerschen Erben
unter sich und mit der Herzoglichen Regierung hat sich unter
den Akten, welche aus der Hand der Erafßin auf das Am-
städter Rathaus gelangten, noch vorgefunden.
IHiszelleii.
3.
lieber die tliüringisohe Familie Lendenstreioh.
Von Professor Dr. P. Lehfeldt.
Im Jahre 1889 ward von mir in der ThüriDgisohen
AltertumsyereiDB- Zeitschrift ein Aufsatz üher die Saalfelder
Altarwerkstatt oder Schule veröffeDtlicht. Es wurden darin
die Stileigentümlichkeiten und Kennzeichen der geschnitzten
Figuren an den aus ihr hervorgegangenen Altarwerken
festgestellt und ihre Stellung zu anderen deutschen
Schulen y besonders zu der unterfränki sehen (Werke in
Kreglingen, Würzburg etc.) zu geben versucht. Es zeigte
sich (wie auch in den bisher veröffentlichten Heften der
thüringischen Bau- und Eunstdenkmäler) , dafs die Saal-
felder Werkstatt eine nicht zu unterschätzende Bedeutung
hat, sowohl durch den überraschenden Beichtum der noch
erhaltenen Werke in der ganzen Saale- und Orla- Gegend
(in den in diese Gegend fallenden Gebietsteilen der Staaten
Sachsen - Meiningen, Schwarzburg - Budoistadt, Sachsen - Alten-
burg und Sachsen - Weimar) als auch durch das bestimmte,
einheitliche Gepräge der sämtlichen, schliefslich durch den
bedeutenden künstlerischen Wert einzelner derselben.
So lag der Wunsch nahe, genauere Kenntnis von einem
Meister dieser Werkstatt zu gewinnen. — Mehrere Angaben
fanden sich an den Umrahmungen der Altar werke selbst,
welche über die Vollendung der Tabula Mitteilung machten.
Bo an dem Altarwerk zu Neunhofen (Sachsen -Weimar, Yer-
XVII. 43
fi60 MiMellen.
WAltungtbesirk NeoBtadt) das Jahr der YollenduDg: 1487;
an einem aus Oberpreilipp (in Sachten-Meioingen, Kreis Saal-
feld) nach Burg Landsberg bei Meiningen gekommenen Altar
die AuBführang: „1498 in Salfelt", ebenso in Oomdorf (Kreis
Saalfeld) und Neusitz (Sachsen - Altenborg , Westkreis) die
Jahressahlen 1490 bezw. 1515 und der Herstellungsort :
Saalfeld« Der Baurat Döbner, welcher über die Saalfelder
Werkstatt schrieb (s. den betr. Aufsatz a. 0.), glaubte in
einem auf der Malerei des Altares der Saalfelder Kirche an-
gebrachten BLirschkäfer das Künstlerzeiohen des Werkstatt-
meisters oder wenigstens des Malers au finden und suchte
diesen mit einem im 16. Jahrhundert in Nürnberg lebenden
Maler, der sich alter Nachricht zufolge „statt des Namens
stets eines Baumschröters bediente", in Uebereinstimmung zu
bringen, mit dem Hinweis, dafs sich auch in Aschaffenburg
früher ein Altarwerk mit dem Baumschröter befand.
Ich lasse die Frage offen, ob die bisher gefundeneu An-
gaben über Ort und Zeit der Herstellung, welche stets den
Bahmen des Altarwerkes umlaufen, lediglich auf die Malerei
sich beziehen oder nur aus Bequemlichkeit bezw. Sicherheit
der Anbringung nicht auch an dem Figuren werk sich haben
finden lassen. An den AltarweriEcn der Saalfelder Werkstatt
sind gerade die Schnitzwerke den Malereien überlegen^), auch
1) Es ist SU betonen, dafs anch nur die SchnitawerlLe den Stil
einer einheitlichen (eben der Saalfelder) Sehnle seigeD, während die
PlSgelgemälde ihrem Stil nach rertchiedene Schulrichtangen Tertreteo
nnd nicht den charakteristischen Saalfelder Stil verraten, auch diejenigen
nicht, welche nachweislich in Saalfeld selbst angefertigt sind. Ich wieder-
hole dies aus meinem damaligen Aufsati S. 505, 809, 310 gegenfiber
miATerstftndlichen Auffassongen, so der einer mir eben (bei dem Korrektur-
lesen obiger, schon Tor längerer Zeit niedergeschriebener Angaben) la-
gfskommenen Schrift Ton Herrn Pfarrer Dr. Bergner, Neue Untersaebnngen
fib. d. Ban- n. Knnstdenkm. Thüringens, Amtsbes. Kahla, in dem mir
vorliegenden Sonderabdrnck ans dem Kahla-Rodaischen Vereinsmitteilungen,
S. 18. Die ebendort von ihm nach Kirchrechnnngen gegebenen Mit-
teilungen Über die Herstellung der OienstAdter Altartafel in Saalleld
1610—1618 bereichert erfreulich die Kenntnis von jener Werkstatt.
Miszellen. ggl
ist bei mehreren der yon mir gesehenen Altarwerke die
Tollendnng der Oemälde und somit des Oanzen aus stilisti-
schen Gründen etwas später (oder Ton weiter in der Henais-
•anoe - Richtung Torgeschrittenen Künstlern ?) anzusetzen.
Immerhin dürfte aber die auf dem Altar angegebene Zeit
sich einstweilen genügend für uns mit der Herstellungszeit
des Ganzen decken; ferner dürfte, auch bei Annahme ver-
schiedener Hände, die Besorgung des ganzen Altarwerkes in
die Hand desselben Meisters gelegt worden sein (wie wir
dies von dem Maler Woblgemuth wissen).
Somit ist es gewifs für Thüringen wenigstens von hohem
Interesse, den Namen des oder eines solchen Werkstatt-
meisters zu kennen, womöglich seinen Lehr- und Lebensgang
zu verfolgen. Zu meiner grofsen Freude sah ich im Schlosse
zu Eudolstadt 1891 ein aus der Kirche zu Wüllersleben (in
demselben Fürstentum) stammendes, in den Besitz des Staats-
ministers von Berirab gekommenes und von diesem dem
Fürsten von Kudolstadt vermaohtes Altarwerk, welches ebenso
kennzeichnend für die Saalfelder Art, als an sich wertvoll ist.
Dies trägt die Aufschrift: 'XnnO tflf jn^^Hj COtipleta eft
lj>ec tfyabvla feria fcba (secunda) pofl canrare . facta
e (est) in 0aluelc per valitin^ lenbefhreic^. Also Va-
lentin Lendestreich (jedenfalls Lendenstreich) hiefs der oder
einer der hervorragenden Meister der Werkstatt!
Es ist der Mühe wert, möglichst diesem Meister nach-
zugehen. Meine dahin zielende Bitte an die hohen thürin-
gischen Ministerien, in den in ihren Ländern befindlichen
Urkundensammlungen gelegentliche Nachforschung halten
lassen zu wollen, ist bereits von einigem Erfolg begleitet'
gewesen. Am nächsten lag es, in Saalfeld selber nachzu-
spüren. In einem von Koch veröffentlichten Aufruf im Saal-
fblder Schulprogramm 1878, welcher Angaben über alte Saal-
felder Familiennamen enthält, findet sich S. 7 die Angabe:
Yalten Lendenstreichs Witwe erwähnt im Saalfelder Erbb'uch
von 1507. Es ist wohl zweifellos, dafs der verstorbene Gatte
dieser Witwe derselbe ist, wie der Valentin Lendenstreioh
4a*
ßg2 Missellen.
(oder LeDdestreioh, auf die ungenaue Schreibweise kommt es
in jenen Zeiten nicht an), der das WüUerslebener Altarweik
oder wenigstens dessen Gemälde su Saalfeld yerfertigte. Es
wäre gezwungen, wenn man neben dem verstorbenen Gatten
der Witwe y,LendenstreicV noch einen gleichzeitigen Saal-
felder Lendenstreioh mit dem gleichen Taufnamen Valentin
annehmen wollte, unser Lendenstreioh mufs also in der
That im Jahre 1503 in Saalfeld gewohnt haben und zwischen
1503 und 1507 gestorben sein. Herr Professor Koch, jetzt
in Meiningen, hat aber aufser jener Ton ihm yeröffentlichten
Angabe noch einen Auszug aus dem Brbbuch Ton 1507 an-
gefertigt und hatte die Freundlichkeit, mir daraus und dar-
über folgendes mitzuteilen. Die Witwe Valentin Lenden-
streichs besafs das Bürgerrecht und zwei Häuser im damaligen
ersten Viertel der Stadt Saalfeld. Zweifelsohne gehörten
diese Grundstücke einst auch ihrem Gatten, und es ist somit
der Schlufs berechtigt, dafs Valentin Lendenstreioh selbst zu
Saalfeld begütert und Bürger war. Lendenstreioh kann also
mit Recht nicht als ein nur yorübergehend in der Saalfelder
Werkstatt beschäftigter Gehilfe, sondern als ein Künstler an-
gesehen werden, der zu Saalfeld mit Grundeigentum an-
gesessen war und wohl längere Zeit dort in guten Verhält-
nissen wohnte.
Weitere Spuren über den Meister und die Seinigen haben
sich bisher in Saalfeld nicht gefunden. Dagegen ist der
Familienname als ein echt thüringischer zu betrachten, der
zumal in Jena seit dem Mittelalter heimisch ist Bereits
1353 wurde ein Heintz Lendenstreioh mit einem Weinberg
am Burgwege zu Jena vom Kloster Oberweimar belehnt^).
Im 16. Jahrhundert stand diese Familie in gutem Ansehen,
und versahen ihre Glieder verschiedene wichtige Aemter.
Im Jahre 1522 (22. September) wird Johann Lendenstreich
als Siegler und Richter in Jena genannt (Diese Mitteilung
verdanke ich der Herzoglichen Archivverwaltung in Coburg,
1) Martin, Urkuodenbuch v. Jena, I, S. 515, Nachtr. No. 1.
Miszellen. Qg3
welche sie yod dem OermaDiBohen Museam in Nürnberg in
Erfahrung gebracht hatte.) Oewifs gehört derselben Familie
der mit dem gleichen Vornamen Johann, wenn auch nach
damaliger ungenaaer Art Landenstreich geschriebene Jenenser
an, welcher 1557 zusammen mit dem Herzoglich weimarischeu
AmtsBchösser , also wohl als städtischer Beigeordneter die
Reohnungs- und Zahlungsgesohäfte bei dem umbau des
Pauli nerklosters zur UniTersität hatte ^).
Es liegt nahe genug, bei diesem Johann Lendenstreich
an den berühmten Künstler zu denken, der den gleichen
Vornamen und den so ganz ähnlich klingenden Nachnamen
Lendenstrauch hatte. Es ist nicht ausgeschlossen, dafs hier
ein Familienzusammenhang vorliegt. Dafs in der Schreib-
weise eines und desselben Familiennamens bis in das 17. Jahr-
hundert weit gröfsere Abweichungen als zwischen Landen-
streich und Lendenstrauoh yorkommen, wird jeder bestätigen,
der sich mit solchen Fragen beschäftigt^). Johann Lenden-
strauch gofs um 1572 für das Grabmal des Kaisers Maxi-
milian in der Hofkirche zu Innsbruck die vier Erzgestalten
der Kardinaltugenden, welche auf den Ecken des Sarko-
phages sitzen. Er hatte auch die auf dem Sarkophag
knieende Figur des Kaisers selbst giefsen sollen, doch wurde
für diese 1582 ein Italiener berufen. Lübke^) ist der
Ansicht, dafs Lendenstrauch und der Italiener nur die Giefser
gewesen seien, die eigentliche Erfindung aber auf Alexander
Colins zurückzuführen sei. Wie wir aus der Thätigkeit
Peter Vischers u. a. wissen, ist es schwer, den eigenen An-
teil des Giefsers an der Kunstschöpfung festzustellen. Jeden-
falls spielte der Bildgiefser im 16. Jahrhundert eine be-
deutendere Rolle gegenüber dem Zeichner oder Modelleur,
als jetzt, und jedenfalls gehören die Figuren der Kardinal-
tugenden, wie des Kaisers Standbild zu den edelsten Werken
1) Burkhardt in Thttring. Vereins-Zeitschr., IV, S. 232.
2; Lotz nennt ihn sogar Lendenstreicb, nach Primisse r.
3; Lübke, Gesch. d. Plastik, II, S. 7T3.
g^ Missellen.
jener Zeit, deutsche treue Art yerratend, welche tod italie-
nischer Schulung gröfsere Feinheit ohne deren Uebertriebea-
heit gewonnen hatte. Die Annahme ist also Terlockend,
dafs der Efinstler oder der wenigstens dem Eunsthandwerk
angehörende Johann Lendenstrauch einen Familiensusammen-
hang mit der jeuaisohen Familie, yielleicht auch mit jenem
Künstler hatte, der zwei Oenerationen vorher in Saalfeld
ansässig war. Ich weifs freilich nur, dafs Lendenstrauch
1570 Ton München nach Innsbruck kam; wann und wie er
nach Mtinchen gekommen war, weifs ich nicht. War es
Tielleicht durch Freundes Vermittelung, dafs er nach Inns-
bruck berufen ward? Der Baumeister, welcher 1558 — 1568
die Hofkirche baute, um sie als herrlichsten Schmuck jenes
Kaiser-Grabmal aufnehmen zu lassen, hiefiB Nikolaus Thnring.
Er war also zweifellos ein Thüringer, Meister Nikolaus.
Am anziehendsten in der Kunstgeschichte ist es für uns,
den Zusammenhang und das gegenseitige Verhältnis der ein-
zelnen Künstler und ihrer Werke zu verfolgen, die Lücken,
welche sich zwischen den Einzelerscheinungen finden, aus-
zufüllen. Eine besondere Freude wird es für mich sein,
wenn die hier gegebenen Andeutungen die Ortsgelehrten und
Archivkundigen zu weiteren Forschungen und Mitteilungen
über Valentin Lendenstreich und seine Familie, über seine
Herkunft und seinen Studiengang und somit über die Stellung
der Saalfelder Kunstwerkstatt veranlassen.
lieber den Glookennamen Suaanna.
Von Professor Dr. P. L e h f e 1 d t
Viele Glocken, namentlich in Mitteldeutschland, werden
der Ueberlieferung nach als auf den Namen Susanna
lautend bezeichnet. Nichts giebt dazu Anlafs, am wenigsten
etwa die biblische Susanna. Glocken wurden nur auf den
Misselien. (gg5
Namen Dentestamentlioher oder noch späterer Heiliger ge-
tauft. Aber die üeberliefening SusanDa selbst steht atif
durchaus unsicheren Füfsen. Die bekannteste sogenanmte
Susanna ist wohl die grofse Glocke im Dom zu Erfurt, die
im Yolksmunde immer noch so heifst. In Wirklichkeit heilet
diese 1497 gegossene Glocke Gloriosa. Die Yerwechselang
kommt nach y. Tetiau ^) Ton einer gleichzeitig gegossenen,
im Brande 1717 zusammengeschmolzenen Glocke her^),
welche Osanna geheifsen habe.
In Tuttendorf im Königreich Sachsen befindet sich
eine Glocke mit undeutlicher Inschrift, welche Ton Steche^)
genau wiedergegeben ist. Sommer las hier den Anfangt):
Ave Susanna etc., Pastor Dr. Johnson : Anno Domini
etc., Otte, der zu Rate gezogen war: AM {== Are Maria)
Susanna etc., wobei er freilich teilweise ümkehrung und
Spiegelschrift annehmen mufste. Mir erscheinen die 6 Ton
Sommer und Otte als Susanna genommenen Buchstaben als
zwei durch einen Funkt getrennte Worte, welche ich als:
SOTA . ANN., also als Sancta Anna lese, einen sehr häu-
figen Gloekennamen. Doch dies nur nebenbei. Wichtig itrt;
mir nur, dafs Otte seine Erklärung seibat nur als Vermutung
hinstellt, dabei aber andeutet, dafs der Name Susanna in
Glockensagen und Glockeninschriften wahrscheinlich aus der
Korruption Yon Osanna entstanden sei. Er nimmt also, wie
Tettau, ein Mifsyerständnis an, entfernt sich aber von dem
richtigen Wege, indem er die Unkenntnis auf den Glocken-
giefser anstatt auf die der Schrift unkundigen oder oberfläch-
lichen Leser schiebt. Gerade die Leser scheinen aber die Schuld
1) Bau- Q. KuDStdenkinftler der Prorins SachseOf ZIII, Stadt Erfurt,
8. 108 u. Anm.
2) Nach Otte, Olockenknnde , war jene Glocke weit ttlter, hie&
Maria Clara Snsanna (gans unmögliche Zusammenstellung) und ging im
Brande 1472 su Grunde.
3) Bau- u. KunstdenkmMer d. KÖnigr. Sachsen, III, Amtshauptm.
Freiberg, S. 122.
4) Anseiger für Kunde der deutschen Vorieit, 1861, No. 5.
666 MisteUen
sa tragen, und in gewisBem Sinne spielte das Wort 0 s a n n a
nnr mit hinein. Der dumpfe Klang des Glockengeläutes bot
dem Yolksmunde dafür Nahrung; verstärkt wird diese Ver-
mutung darch die ebenfislls von Otte in seiner Olockenkunde
wiedergegeben e Sage, wonach eine Olooke selber ein schwaches
Getön hören liefs, das wie Anna Susanna etc. den
Hörern zutönte. Ist doch auch dies begreiflich, denn der
Freudenruf: Osanna, Hosianna geht selber auf ein dem Nator-
lant der Volksmenge abgelauschtes Wort zurück. Dafs sich
aber mit dem Klang 0 s a n n a auch der Name S u s a n n a
yermischte, hängt in folgender Verbindung zusammen, welche
mir auf meinen thüringischen Wanderungen erklärlieh wurde.
Hier wurde mir öfter Ton Einheimischen ihre Kirchenglocke
als eine solche bezeichnet, auf welcher Susanna stände;
in Reinstädt (Sachsen -Altenburg, Westkreis) sogar mit dem
Zusatz : Die ersten Worte der Inschrift unserer groben Glocke
lauten: nomen Susanna. Freilich beifst das erste Wort
nach der Jahreszahl : n o n m e , was also sehr gut bei flüch-
tiger Lesung oder bei Verdacht eines schriftunkundigen
Giefsers für nomen gehalten werden kann, das zweite Wort
aber deutlich: fbfatina. Damit begnügten sich dann die
Leser, und so wird es wohl an vielen Orten, zumal in
früheren Zeiten stets der Fall gewesen sein. Bei genauerer
Besichtigung jedoch ergiebt sich, dafs über dem b von
sbsanna das Zeichen: ^, also eines noch hinzuzufügenden
Buchstabens steht, und dieser Buchstabe mnfe ein v sein,
denn die ganze Inschrift lautet: non me sbsanna (subsanna,
spotte nicht meiner), cum sit mihi nomen osanna.
So ist wohl die Entstehung des sinnlosen Glockennamens
Susanna am einfachsten zu denken. Ich habe diese Er-
klärung bei Gelegenheit der Veröffentlich an g der Bau- und
Kunstdenkmäler des altenburgischen Westkreises angedeutet,
glaube jedoch Lesern weiterer Kreise, welche sich mit solchen
Fragen beschäftigen, durch eine etwas eingehendere Er-
örterung, als dort geboten war, einen kleinen Dienst er-
weisen zu können.
Miszellen. ggj
Die Herren und Bitter von Gtora.
Von Dr. Berthold Schmidt.
Es ist auffallend, wie dürftig bis ins 13. Jahrhundert
hinauf die Nachrichten über Gera und das zugehörige Gebiet
sind, während doch für die ganz ostwärts belegene Mark
Meifsen in derselben Zeit die Quellen weit reichlicher fliefsen.
Die Gründe dafür mögen wohl einmal darin liegen, dafs sich
der eigentliche Entscheidungskampf zwischen Germanen und
Slaven eben dort in Meifsen abspielte. Dann aber war auch
das Elsterthal für die Kolonisation besonders ungünstig, weil
seine leichte Zugänglichkeit von Böhmen her immer wieder die
Bache- und Beutezüge der Slaven in diesen Landstrich lenkte.
Entschieden älter als Gera selbst ist der nahe dabei ge-
legene Ort Cuba, sicher slavischen Ursprungs und bereits
976 als im Gau Puonzowa liegend bezeugt. Er wurde damals
Tom Kaiser Otto II. dem Zeitzer Bistum geschenkt und mufs
hart an der Grenze des verschenkten Landstriches gelegen
haben ^). Dann verlieh 999 Otto III. seiner Schwester Adel-
haid als Aebtissin zu Quedlinburg das Land Gera (quandam
provintiam Gera dictam) mit allem Zubehör zu freiem Be-
sitz *), doch schon einige Jahre früher (995) erscheint der
Name Gera urkundlich in einer Grenzbeschreibung des Burg-
wards Crossen ^).
Der Name Gera ist bisher sehr verschieden erklärt
worden. Abgesehen von der unzweifelhaft falschen Ab-
leitung aus dem Keltischen (caer = Stadt) ^) liegen zu-
1) Cod. diplom. Sazon. re|^. I, 1, No. 22. — Dobenecker, Regesta
diplomatica necnon epistolaria historiae Thuringiae, No. 485.
2) Dobenecker a. a. O No. 588.
3) — et de eadem via versus austrum universa sant ecclesie (Zeitz)
nsqae ad tenninum Gera. — Dobenecker a. a. O. No. 572.
4) OberiDfiUer, Keltisches Wörterbuch; s. Brückner, Volks- und
Landeskunde des Fürstentums Reufs j. L., S. 442 Anm.
668 MlsielUn.
DäohBt zwei aus dem Slavisohen vor. Nach der einen An*
nähme soll Oera vom slavisohen gora =» Berg, nach der an*
deren vom Stamme ker =» Strauch den Namen haben ^).
Aufserdem findet sich noch eine deutsche Ableitung vom Worte
g^r = Speer, wonach Oera soviel wie Speerau, Heeresau,
Kriegerau bedeuten soll. Ich habe nun schon anderswo
darauf aufmerksam gemacht, dafs es noch eine ganze Reihe
von Gera oder Oerau (so das Flüfsohen die wilde Gera bei
Erfurt) in durchaus deutschen Gebieten giebt, und habe ferner
hervorgehoben, daTs die älteren Formen des Namens neben
Oera auch Geraha lauten, also in der Endung unzweifelhaft
das deutsche aha (Ache = Wasser) aufweisen ^). So ist der
Name denn offenbar deutschen Ursprungs und vielleicht auf
die bekannte Vorliebe aller Einwanderer zurückzuführen,
die heimatlichen Namen in die neuen Wohnsitze zu über-
tragen.
Gera tritt uns also zunächst nur als Name eines Ge-
bietes oder Gaues entgegen, wird dann aber erst 1121 wieder
als solcher urkundlich erwähnt, indem damals das Kloster
Bosau vom Naumburger Bischof Einkünfte aus dem Gau be-
stätigt erhielt^). Welche Schicksale inzwischen der Gau
oder sein gleichnamiger Ort hatten, läfst sich nur mutmafsen.
Nun giebt es eine gewisse Sage, wonach Gera 982 vom
wendischen Herzog Miesko zerstört und 1086 von dem be-
kannten Wiprecbt von Groitzsch wieder auferbaut sein soll*).
Diese Sage ist offenbar arg entstellt Zunächst ist hier wohl
der grofse Beutezug gemeint, den bald nach 1030 der Polen-
1) Limmer, Geschichte des VogtUndes, I, 8. 61. — Reichl, Sorbische
NachklilDge im reuMschen Unterlande, S. 65. — Vergl. dasa meinen
Aufsatz in der Geraer Zeitung 1898, Beil. za No. 195 (Ang. 20).
2) Geraer Zeitung a. a. O. — Auf meine dortige Erklftning ans
garo und aha (Grofs-, Hochwasser) lege ich keinen Wert mehr.
3) Alberti, Urkundensammlg. zur Gesch. der Herrschaft Gera, 8. 25.
4) Zopf, Reuft Gerauische Stadt- n. Landchronika etc. (1692), II,
S. 1. — Kluts, Beschreibung der Stadt u. Herrsch. Gera (1816), 8. 128. —
Brückner a. a. O. S. 442.
Miszellen.
henog Misico in das Land zwischen Elbe und Saale aus-
führte. Dann hat allerdings im Anfang des 13. Jahrhunderts
Wiprecht 7on Oroitssch die Zeitzer Grafschaft vom Orafen
Udo II. von Stade gegen sein in der Nordmark belegenes
Balsamerland eingetauscht und war damit auch jedenfallB
Machthaber des Geraer Gebietes geworden ^). Als Wiprecht
1113 vom Kaiser gefangen wurde, ist die Grafschaft Zeitz
«erschlagen und an die Nachbarn (Thüringen, Naumburg und
andere) ausgeteilt worden. Bei dieser Gelegenheit mag denn
auch Quedlinburg sein altes Anrecht an Gera wieder geltend
gemacht haben; denn erst seitdem finden sich wieder deut-
liche Spuren seiner Herrschaft daselbst
Nachdem nämlich schon 1125 ein Luph von Gera als
Zeuge einer zu Erfurt ausgestellten Urkunde des Erzbischofs
Albert von Mainz vorkommt^), erscheint in einer solchen
der Aebtissin Beatrix von Quedlinburg aus den Jahren 1147
bis 1149 ein Sibertus de Gera. Bei dieser Erwähnung ist
noch zweifelhaft, ob Sibert unter die nobiles oder die Ministe-
rialen zu rechnen igt*).
Ferner gehört auch wohl zur Familie von Gera ein
dominus Ludoldus, der in einer Quedlinburger Urkunde aus
dem Ende des 12. Jahrhunderts vorkommt. In erwähnter
Urkunde bezeugt die Aebtissin Agnes von Quedlinburg, dafs
1) Ck)d. dipl. Sax. reg. I, 1, S. 50, 108 u. 135.
S) Alberti a. a. O. S. 30, wo vermutet wird, dafs dieser Laph von
Gera mit dem spectabilis miles Lavo identisch ist, den Wiprecht llOi
wegen des Klosters Pegan als Abgesandten zu Papst Paschalis schickt;
8. a. Cod. dipl. Saxon. reg. I, 2, No. 8.
3) In der Zeugenreihe heifst es nämlich Poppo comes, Wilhelmus
de Qaerenbeke, Sibertus de G«ra ministeriales Oevehardus de Derne-
burch etc., wobei es »ich also fragt, ob das ministeriales auf die vorauf-
gehenden oder nachfolgenden Zeugen zu beziehen ist. Alberti (a. a. O.
8. 31) will dann diesen Sibert von Gera mit einem 1146 vorkommenden
Maumburger Ministerialen Sigibertus de Robin (Roben 1 Meile nordwestl
von Gera) identifizieren, doch mufs letzterer einer anderen Familie an-
gehört haben, da noch um 1190 ein Lupertus de Robin vorkommt;
s. Cod. diplom. Sax. reg. II, 2, No. 192 u. 553.
670 Missellen.
68, sobald Bie zu ihrer Würde gekommen sei, ihr eifrigstee
Bestreben gewesen sei, die ihrem Stifte entfremdeten Güter
und Einkünfte zurftckzaerwerben. Darunter finden aieh
in Gera allodium viginti sex marcis» — quod exposuerat
dominus Ladoldus domino Gonrado eiusdem ville plebano et
molendinum quinque marcis. Insuper dedimus (die Aebtissin)
heredibuB eiusdem Ludoldi duodecim marcas pro pastiforio
et riginti marcas, ut omnibus bis bonis rennnciarent. Da
Aebtissin Agnes, eine Tochter des Markgrafen Konrad von
Meifsen, von 1183 — 1203 regierte, so könnte der Rückkauf
der Geraer Güter schon in die erste Zeit ihrer Amtsfubrang
fallen. Der Ludoldus war aber sicher schon tot, da von
seinen Erben die Rede ist, und ist also wahrscheinlich mit
dem 1125 genannten Luph von Gera identisch.
Dann erscheinen die von Gera noch in zwei ungedrnckten
Urkunden, von denen eine als Original im Landesarchiv zu
Alten bürg, die andere als Abschrift in einem Gothaer Mann-
skript Yorhanden ist ^).
Die erste derselben ist ohne Datierung, kann aber zeit-
lich von der zweiten aus dem Jahre 1204, wo die Be-
stätigung des Diöcesan zu ihrem Inhalt erfolgte, nicht weit
entfernt liegen.
Mit ihr erteilt Gerhard, Propst des Marienklosters zu
Altenburg (des sogen. Bergerklosters), dem Herrn (domino)
Thuto von Gera und seiner Gemahlin Hazche (wohl Ab-
kürzung für Hadewig) für eine Zuwendung von 60 Mark die
Brüderschaft seines Klosters und verspricht ihnen die Ab-
haltung von sechs wöchentlichen Seelenmessen für sie und
ihre Freunde in der St. Michaeliskapelle, sowie Wohnung
und gewisse Einkünfte aus Landgütern im Dorfe Kotteritz,
welche das Kloster für solche 50 Mark gekauft hat, doch
Bollen Thuto und Gemahlin dem Kloster hierfür und für ihre
Jahrgedächtnisse noch 40 Mark nachzahlen. Sollte sich end-
lich Hazche nach dem Tode ihres Gatten wieder vermählen,
erhält sie keine Präbende mehr.
1) S. Beilagen A o. B.
Mitzellen. Q'Jl
Die zweite Urkunde aus dem Jahre 1204 ist von Bischof
Berthold IL von Naumburg ausgestellt« In ihrem ersten
Teil bestätigt er die Schenkung des Thuto von 90 Mark an
das Kloster, wobei bemerkt ist, dafs für das Geld 3 Hufen
in Eotteritz und 6 in Oöldschen (Eodelschen) , letztere von
einem Bitter Volrad gekauft bind. Weiterhin wird berichtet,
dafs auch genannter Yolrad dem Kloster eine siebente Hufe
in Göldschen, und zwar auf Wunsch des Thuto, ebenfalls der
8t. Miohaeliskapelle übertragen habe. Im dritten Teile be-
stätigt der Bischof dem Kloster noch eine weitere Hufe in
Oöldschen, die es vom Bitter Heinrich von Dobitsohen
(Doberschen) für Eximierung seiner Kapelle zu Dobitschen
von der Pfarre in Mehna (Minowe) erworben hatte ^). Der
letzte Teil der Urkunde endlich behandelt die Schenkung
des Ritter Lufried von Kehren (Korun) von 6 Hufen in
Zschemitz (Schirnz), über welche Schenkungen auch sonst
noch Urkunden von 1199 und 1206 vorhanden sind ^). Für
unsere Betrachtung haben nur die beiden ersten Teile dieser
Bestätigungsurkunde Interesse.
Aus den Nachrichten über Thuto und Hazche von Gera
geht nun einmal hervor, dafs beide ohne Nachkommen ge-
wesen sein müssen, weil nicht ihre Erben, sondern nur
amici erwähnt werden. Es läfst sich femer annehmen, dafs
Hazche uoch nicht sehr alt war, da ihre Wiedervermählung
als möglich betrachtet wird. Damit hört aber auch die
ganze historische Ausbeute der beiden Urkunden in Bezug
auf die genannten Personen auf. Alles übrige läfst sich nur
vermuten.
Zunächst gehört Thuto wohl derselben Familie von Gera
an, wie die früher erwähnten Ludolf (Luph) und Sigibert
(Sibert). Vielleicht haben wir es hier mit Vater, Sohn und
1) Eine besondere Urkunde des Bischofs über diese Ezimierong
von 1204, oflfenbar gleichzeitig mit der hier erwfthnten ausgestelJt, Andet
sich bei Schnltes, Director. diplom. II, S. 424.
2) Mitteil, der Geschichts- und altertumsforsch. Gesellschaft des
Osterlandes, VIII, S. 187 ff.
072 Misiellen.
Enkel zu thun. Sicher entscheiden läfet eich dann nicht, ob
die Familie ursprünglich nobilis war oder ob sie Quedlin-
burger Ministerialen waren, die in Gera als StiftsTÖgte safsen
und sich dann zum Schaden des Stiftes zu selbständigen
Maohthabern emporarbeiteten. Das wenigstens könnte man
aus der Nachricht der yon Aebtissin Agnes erlassenen Ur-
kunde ^) schiieXsen, wonach Ludolf von den Qütem des Stiftes
ein Allod und eine Mühle in Oera veräufsert hatte.
Femer möchte ich annehmen, dafs die Burg Oera auf
dem Hainberge (der heutige Osterstein) ron eben dieser
Familie erbaut wurde, um dem Stifte gegenüber selbständiger
auftreten zu können, während der eigentliche Sitz der Vogtei
naturgemäfs die alte grofse Wasserburg in der Stadt war.
Bben diese Bestrebungen der von Gera, die vielleicht frfther
von Wipreoht von Groitzsch unterstützt wurden, hat dann
die Quedlinburger wohl bewogen, andere Vögte an Stelle der
von Gera zu setzen. Das wird in der zweiten Hälfte des
12. Jahrhunderts geschehen sein, und die neuen Vögte waren
die niedersächsischen Herren von Weida. Diese mufsten
sofort in einen Kampf mit denen von Oera geraten, der nur
mit dem Weichen der einen Partei enden konnte.
So ist es erklärlich, dafs Thuto von Gera, nachdem er
entweder der Gewalt weichen mufste oder mit Geld abge-
funden wurde, und weil er vielleicht auch ein alter, kinder-
loser Mann war, es vorzog, den Rest seiner Tage als Laien-
bruder des Altenburger Klosters zu verbringen.
Die Herren von Weida hatten dann allerdings ebenfdls
das Bestrebeü, sich von Quedlinburg loszumachen, so dals
dessen Oberlehnshoheit bald ganz wesenlos wurde. Als sich
ihr Geschlecht um 1288 in mehrere Linien teilte, legte die
zu Gera residierende die Bezeichnung von Weida ab und
nannte sich Vögte und Herren von Gera.
Wir haben dann aber noch eine andere Familie von
Gera. Dieselben erscheinen etwa von 1224 — 1319. Als Vor-
1) S. 669.
Misselleo. 673
namen kommen bei ihnen Gerung, Gottfried, HeinTioh> und
Ludeger tot, während die Vögte ausschliefslioh Heinrich
heifsen ^). Sie waren Bitter und oastellani der Vögte toü
Gera, also jedenfalls Yasalien derselben und yielleicht fiurg-
mannen der alten Burg auf dem Hainberge; denn die Yögte
scheinen bis 1450 das Schlofs in der Stadt bewohnt zu
haben *).
Endlich findet sich noch eine dritte Familie von Gera
in Steiermark und Eäruthen. Sie soll mit Petrus und seinem
Sohne Georg von Gera 1370 aus Franken hier eingewandert
und das Schlofs Strafsfried an sich gebraoht haben. Nach
anderer Nachricht ist 1471 ein Georg von Gera vom Bischof
vom Bamberg sum Statthalter der in Kärnthen liegenden
Stift- Bambergisohen Güter ernannt worden. Noch 1486 war
Andreas von Gera fürstlich bambergischer Bat und Yizedom
in Kärnthen. 1590 wurden seine Erben von Kaiser Bu-
dolf II. in den Freiherrenstand erhoben. Bitter Erasmus von
Gera zu Amsfeld war Kaiser Ferdinands I. Hofkammer-
präsident. Erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts
scheint das Geschlecht erloschen zu sein ^). Ihr Wappeu
bringt Siebmacber ^). Es hat im blauen Schilde einen gol-
denen Löwen und auf dem Helme einen goldenen Bracken-
kopf. Die Vögte von Gera haben einen goldenen rotgekrönten
Löwen in schwarzem Felde und als Helmkleinod einen
schwarz und silber geteilten Brackenkopf. Letzteren haben
sie wahrscheinlich um 1370 von den Burggrafen von Nürn-
berg angenommen^). Hieraus geht hervor, dafs das Wappen
der zuletzt genannten von Gera auch wohl erst nach dieser
1) Schmidt, Urkundenb. der Vogt« etc., I, Regist, S. 562.
2) Vergl. meinen Anfsats in der Geraer Zeitnng 1898, Beil. zu
No. 207.
8) Gaohen, (Genealogisch - tuBtorisches Adelsiexikon (Leipiig 1740)^
I, S. 474.
4) Tentsches Wappenbach, II (Nfirnberg 1665), S. 85.
5) Festschr. des vogtl. altertnmsforsch. Vereins su Hohenlenben sum
25. Begierungsjabiliom des FOrsten Heinrich XIV., 1892, 8. 19.
674 MUsdlien.
Zeit entstand. Ob dieselben spurii der Yögte yon Gera oder
Nachkommen der Kastellansfamilie von Gera waren, müssen
wir dahingestellt sein lassen. In beiden Fällen konnte wohl
der Umstand, dafs die Yögte von Gera auch Besitcangen im
Bambergischen, nämlich einen Anteil der Feste Nordhalben,
hatten ^), die Uebersiedelung der Vorfahren der später kärn-
thischen Familie yon Gera nach Ostfranken zur Folge gehabt
haben. Eine nähere Untersuchung über den Zusammenhang
dieser Familien behalten wir uns vor.
Beilagen.
A.
In nomine lancte et individue trinitatis universis Christi
üdelibus Gerhardus Aldenburgensis prepositus in perpetuum.
Quia diversas rerum mutationoe fieri oottidie videmus, ipsa
quoque, que firmiter yidentur, coustantia leyius, quam credi
potesty dissolvuntur, expedit, ut ea, que citius in obliyionem
venire posaunt , prescriptorum memoriam firmitatis robore,
quautum possunt, solidentur. Innotescat igitur omnibus
tarn futuris, quam presentibus, quod ego Gerhardus Alden-
burgensis prepositus ex consensu et communi fratrum meorum
consilio domino Thutooi de Gera et uxori sue domine Hazche
pleuam frateruitatem , quam inter nos habere desiderabant,
hoc modo donayi , quocienscumque ad nos yenire yoluerint»
ut talis prebenda, que et fratribus datur, sibi sextis tribua-
tur. Si autem plures habere secum yoluerint, illis de pro-
prio proyideant. Insuper propter diligentissimam precum ip-
Borum instantiam communi consilio fratrum meorum statutum
est, ut in capella beati Michahelis singulis ebdomadis sex
misse tres pro peccatis, tres pro defunctis celebrentur, in
1) Schmidt, Urkundenb. der Vögte etc., 1, No. 972 u. II, RegUt.,
S. 697.
Misi eilen. g75
quibuB ipsoTum et quorundam amioorum suorumy quoB nobis
nominayerant , memoria diligens habeatur. Dominus vero
Thuto et domiua Hazcha hao fraternitate et gratia susoepta
quinquaginta maroas, quibus praedia in rilla, que Coterdiz
dioitar^ emimus ecolesie, nostre contulerunt , qae luibus ec-
olesie totaliter cedunt Pro bis tarnen quinquaginta marois
domino Thutoni et domine Hazche edificia quedam, camina-
tarn, lobium estaarium, lapideam domum, in qua eorum yio-
tuaüa, si indigent, reponantur, pomerium a capella sancti
MichaheliB usque ad sepem, qua pomerium septum est, et
usque ad foBsatum, quod idem pomerium terminat, et preben-
dam Bibi Boxtis, quamdiu vivunt, sicut ante dictum est, dona-
vimuB. DominuB autem Tbuto et domina Haicha pro hac
inpenBa benefioii adhuc quadraginta marcaB eccleBie Bolvere
debent, de quibuB eccleBia predia debet comparare. 8ed illa
dominus Thuto et domina Hazcha, quam diu yivunt, ab ec-
olesia debent habere. Sed altero quocunque eorum defuncto,
alter prebendam Bibi Bezto aBBignatam et predia quadraginta
maroiB comparata debet, quam diu viyit, retinere et de pre-
diis anniyerBarium prius defunoti annuatim debet agere.
Si autem dominus Thuto forte prior obierit, domina Hazcha^
nifli Gaste et Bine marito vivere voluerit, niohil in prebenda
neo in prediis obtineat. Post obitum vero utriusque eodesie
oonfratreB anniversarioB amborum annuatim debent solemp-
niter agere et de prediis, sicut dominus Thuto et domina
Hazoha constituerunt , quia ad firatrum prebendam redierunt,
plenariam refectionum consolationem debent peroipere. Ne
autem a posteris ecclesie nostre prepositis et fratribus hoc
possit immutari, presentem paginam inpressione sigilli nostri
munitam eis conscripsimus.
AoB dem Original -Perg. des herzogl sftchs. Landesarchivs zu
Altenburg, Ürkd.-Yerz. Li^ No. 19. — Am Pergamentstreifen hftngt
das stark verdscbte spitzovale Siegel des Propstes. — An der linken
Seite der ürkimde steht in Minuskeln das halbdorchschnittene:
CVBOGRAPHVM.
XYa 44
676 MbMii«.
B>).
In nomine domini amen. Bertöldus seonndns dei gratia
Nuenbnrgensis episcopuB univenis ChriBti fidelibns pacem
in praesenti et gloriam in fatoro. Ne reram bene gestarum
pereat memoria, consaeyit eaa humana solertia [authentico] *)
literarum testimonio perennare. Igitor omnibus tarn praesen-
tibuB, quam futuriB eTidentius innoteBoat, quod nobilis
homo Thnto de Gera et yir strennuB et uxor Bua domina
Hazcha in fraternitatem eooleBie s. Marie yirginis in Alden-
bnrg et in commonioDem inibi domino perpetuo fSeimnlantiam
80 dedentoB pro nonaginta marois argenti contrazernnt eocle-
Biae iam diotae novem manBOB, tres yidelioet in yilla Koter-
dis et Bex in KodelBchen oontraxeront a qnodam milite Yol-
rado nomine, qui YobraduB unam manBum yidelioet Beptimum
pro Be ipBO iam diotae eeoleeiae oontulit, qai manBi oam om-
niboB appendioÜB Buis mediante Providentia yenerabiÜB fratria
nostri Oerhardi prepoBiti per manum gloriori domini noatri
Philippi Bomanomm regiB in meram et liberam proprietatem
praefSeitae ecolcaiae et Bpeoialiter seoandum deeideriom prae-
diotorom ThatoniB et dominae Haskae et Yolradi in dotem
altaria b. MiobaeÜB, qnod intra Bopta et ambitum iam diotae
eoolefliae noatra pontifieali aaotoritate oonseorarirnnB , sunt
GoUati. Praeterea reoognosoimnB qnendam militem Heinrionm
nomine de DoberBohen Baepediotae eoolesiae b. Mariae Vir-
ginia in Äldenbnrg oomparaBBO nnnm mananm a praeCato
Yolrado in antediota yilla KodeUohen pro exemtione oapellae
Bue in DobiBchen, quae attinebat paroobie in Ifinowei quam
oapellam priuB in praeiudioiam AldenburgensiB eooleBie oon*
tradicente praeposito dedioare nolnimuB, Bed tandem onm
oonBonBu dileoti noatri Oerhardi praepoBiti et oapitnli Boi,
onm per mannm glorioBi domini noatri Philippi Romanoruia
1) Ungen. Bag. in Mitt. d. GMoh.« a. AHerUnasf. Om. d. OitarL»
Vm, 857 au Wagners Coli. IX, 408. Bern, der RWaktioa.
a) AbBchr.: (Inyati)?
Ui8s«lleo. 677
regia ooUfttns foiBBet Aldenborgensi eoolesiae mansot in
KodelfleheD, ooBgruam exemtionem iam diotae oapellae ratifi-
cantes oam litis deoisione ipsam coDsecrayimas in nomine
domini nostri Jesu Christi. Beoognosoimus etiam, nos conse-
orasse infra ambitam praeüfttae ecolesiae unam altare in
honorem sanoti Pauli apostoli et sanotae Eatharinae yirginis
et martyris, quod Lnfridns miles de Eomn et nxor sna do-
mina Hizcha com sex mansis in Schirnz deTotione piissima
dotayorunt. In homm itaque omnium ratificationem et per-
petuam memoriam praesentem paginam sigiUo nostro com-
muniri fecimus sub interminatione anathematis praedpientesi
ne qnis de caetero tarn praediotas coUationes, qnam exem-
ptionem oapellae in Dobersohen audeat irritarL Testes huius
rei sunt Theodoricus Misnensis marohio, Oonradns Orientalis
marohioi Theodoricus oomes de Sumersinburc , Hartmannus
praepositus maioris ecolesiae in Nuenburo, fiemhardus abbas
s. Georgii in Nuenburc, Hugo praepositus sancti Mauritii in
NnenburOy Albertus abbas in Puzowe, Oerhardus Alden-
burgensis praepositus, Eudolfus eiusdem ecclesie prior totus-
que oonventusy Hugo de Hokenwaldoi Cunradus de Burnes-
couwe, Heinricus de Zamurgk et alii quam plures. Acta
sunt haec anno dominioae inoamationis MCGIIII, Innocentio
tertio sedi apostolicae praesidente, Philippe regnante.
Nach Abschrift des 1898 verstorbenen Bflrgermeisters a. D.
G. E. Hofmeister zu Neustadt a/0. ans: von SchOnberg, Nachrichten
von adelichen Geschlechtem, Mskrpi im herzogL sächs. Staatsarchiv
zu Gotha, Bd. VI, No. 1497, BL 194.
6.
Das Weihefeat der Klosterkirche su Mildenfarth.
Von Archivar Dr. Berthold Schmidt
Das Beglerkloster Mildenfurth bei Weida wurde 1198
am Tage der Geburt Maria, also am 8. September gegründet.
44*
678 Missellen.
80 berichtet der Protonotar Arnold von Qaedlinborg in
seiner Aufzeicbnang über die StiftuDgslegende des Elosten,
wobei er wahrBcheinlioh auch die Bestätigung der Kloster-
grüodung dorch Kaiser Heinrioh VI. mit benutste ').
Ans einer jetzt in Altenbnrg aufbewahrten TTrknode
Mildenfurths erfahren wir dann noch, dafs die Binweihnng
der neuen Kirche ') an einem Trinitatissonntage (ersten Sonn-
tag nach Pfingsten) stattfand und Jahrhunderte lang zugleich
mit diesem Festtage gefeiert wurde. In welchem Jahre die
Einweihung stattfand, wird nicht überliefert, doch wohl nur
wenige Jahre nach der Gründung des Klosters, also durch
Bischof Berthold II. von Naumburg (1186—1206), da in der
Hegel die Weihe durch den Diöcesan Tollsogen wurde.
Am 14. Mai 1474 aber wurde solches von alters her
am Trinitatissonntage gefeierte Weihefest durch Bischof Hein-
rich Ton Naumburg auf den Sonntag vor St. Martin verlegt.
Die bereits oben erwähnte Altenburger Urkunde darüber
lautet :
H[enric]^)u8 dei et apostolice sedis gracia episcopus ec-
desie Numburgensis universis et singulis [Christi fidelibjos
presentes literas inspecturis, yisuris, lecturis et audituris
publice Serie herum notum facimus literarum: Licet alias
ex antiqua deducta consuetudine , cuius contrarietatem me-
moria hominum non tenet, dies dedicacionis mooasterii beatis-
sime dei genitricis yirginis Marie ac beati Viti martiris in
Mildenfurd nostre diocesis ipso die sancte et individue trioi-
tatis per fratres eiusdem monasterii ac alias publice oonsue-
yerat solempnisari , recensitis tamen bonis religiosi fratris
domini Johannis Gottingen ac suorum fratrum, quibus pre-
positus et prelatus preest, motiyis et allatis racionibus et
1) Urkdb. der Vögte v. Weid« etc., Bd. U, No. 16; vergl. auch
Zeitoohrift N. F. UI, 4, S. 49S.
2) Ihre schönen romanischen Rainen sind noch heate erhalten.
a) Loch im Pergament.
Uissellen. 679
qaalitate ipsias facti peosats oomperimus inconTenieos fore,
dedioadonem predictam festo sanote trinitatis aDteferri neque
dedioacionem absqne dicti monaaterii mora omittendamy ideo-
que diem ipsias dedioacionis qui, ut praemiititury die sanoti
trinitati» BolempniBari oonsaeyit, usque io dominioam ante
festam sancti Martini transponendam daximus et auctoritate
ordinariay qua fungimur dei nomine in hiis seoulis, trans-
ponimuBy mandantes districtiosy quatenua ipaius eoolesie de-
dicacio singolis annis eternis fotoris temporibus dominica
ante festum Bancti Martini in predicto monasterio per fratres
et Christi fldeles decenoia eongraenti honorifice celebretur et
firmiter obserretur. Nos enim omnibus et singulis Christi
fidelibuB, qui die dedicaoionis per nos transposito annnatim
ibidem convenerint yere penitentibus et confessis de omni-
potentis dei misericordia beatorumqae Fetri et Pauli aposto-
lorum eius auctoritate confisi dummodo manus suas ad. struc-
turam et conseryaoionem eiusdem monasterii aut fratrum
Bustentacionem porrexerint adintrices, quadraginta dies in-
dulgenciarum de iniunctis eis poenitentiis misericorditer in
domino relaxamus hiis nostris literis perpetuum duraturis.
Datum Cziczy anno domini MCCGCLXX quarto, die XIY
mensis Maii nostro sub sigillo impenso.
BeymbertuB Eeymberti notarins ad hoo scripsit.
Original -Perg. im henogL sächs. Landesarohiv xa Altenburg,
Urkunden -YerxeichniB Anh. II, No. 18 (an einxebien SteUen durch
Tanin als Beagenzmittel gebräunt). Das Siegel ist abgerissen.
Die inneren Gründe dieser Yerlegung der Eirohweihe
liegen wohl — den Zeitumständen nach — weniger, wie der
Bischof angiebt, darin, dafs die Feier des Trinitatissoontags
durch das Weihefest beeinträchtigt wurde» sondern — je
mehr Feste , um so mehr Einnahmen für das Kloster, und
darum die Verlegung.
680 MismellMi.
7.
VerBeiohnis des Oefähütaefl auf der Burg bu Arnstadt.
Mitgeteilt aus dem Sondershtaser Sealbadi 1, M. S05
TOD Sektor H. Schmidt in Arnstadt.
Ditz ist daz gesohatie, geozug unde harnasch off der
barg zou AroBtete, der da geantwortet ist ffritsdien von
Wertern anno xxviif (1428) in die Luoie yirginis.
Item primo eyn kapphem steynbaohse in eyner laden.
Item eyn ysem steynbuohse. Item d tarrassbachsen in laden.
Item 18 hakenbaohsen. Item 9 zcentener blies.
Item 2 loentener ysens scn gesohosse.
Item eyn kisten, dar sint Inn 6 ladeysen, 4 hemmer, 2 gisse-
kellen und eyn amboss. Item eyne kiste, dar sint Ion
102 geschlagene blie.
Item 6 booksenhakan^ liem 70 bnehsanoteyn. Item 17 nuwe
armborst, der ist eyn in hulflten. Item 50 aide arm-
bursti 2 aide bogen, ejn stiel.
Item eyn armbrast, had Winter keiner, daz ist mynes hem.
9 gortele, der sint 6 mit haken und 3 one haken.
Item 6 reysekocher vol phyle, 8 aide Winden. Item 12 laden
mit gestigkten philo, 8 laden mit philscheften.
Item iijp (2^/,) mit philisen. Item 700 philysen in eym
veszchen, Item eyn Wendekrieg. Item 4 span sen.
Item 6 schock schiben mynder eyner schiben flemesches garas.
Item 4 bemspisze. 26 platen. Item 19 haben , 6 helme,
eyn toph mit fdszysen. Item eyn farphannen.
In dem gewelbe
Item iii} (8^/3) fiasi mit salpeter, dy sint eymerig.
Item 1 fasz mit berettem palyerei daz ist halbeymerig. Item
1 sack mit berettem palyer, eyn gelde mit gemaln
swefele. Item eyn tanne mit swefUle. Item 1 fasz mit
gemaln kolen, daz ist 6 eymerig.
lfi8seU«ii. 681
InTentarlnm des nSohaiBgeretes** au Sondershausen.
Mitgeteilt aus dem SoDdershftnser Saalbnch I, fol. 292 a
TOD Bektor H. S e h m i d t in Arnstadt.
Diss naohgesohr. Bchutoze ist sou Sundershosen befoln
und geantwort fritschen von WerterD von wegen mynes
gnedig« Hern von swarospurg quarta post «Tubilate aono
(14)30.
In der baohsenkammem oben under dem kornhusz
Item yij (7) steinbuchsen mit laden.
Item xxj (21) tarrasz buchsen groz und deyne.
Item X (10) sohok bachsen steyn.
In dem gewelbe under der kemnate
Item iij (3) bremer fasz mit salpeter.
Item j tunnen Salpeters.
Item j virtel vod eyner tunnen Salpeters.
Item ij (2) faszohen halbeymerige mit pulrer«
Item } (M^) tunnen mit pulver.
Item yij (7) fursteyn (Feuersteine). Item v (5) bero.
Item xxTJ (26) krucze ysem scu den bern.
Item ig (11) grosze hakebuohsen mit stein.
Item xviij (18) hakebuohsen geringer mit stein.
Item xxxij (ft2) gemeyner hantbuchsen gestelt.
Item eyn sohok groszer blie (blei) sohosze ozu der groszen
tarrasz buohsen.
Item 00x1 (240) sohöszem der andern tarraszbuchsen.
Item iiij° (400) oleyne sohösz in den handbuohsen«
Item iij® (800) kegelle blies, daryon man das gesohosz phlit
zou houwen.
Item 0 (100) ysem gesohosSi darüber man daz blie gesohosz
phlit sou giszen.
Item i} (1^/s) czentner ungegoszen blies.
682 MisMllen.
Item xiiij (14) stebe und stugke ysons, darron man dy
schoBze houwet.
Item ij (2) meyssele, darmit man blie abe slet.
Item ij (2) hemmere. Item vj (6) lade ysen.
Item j blie phannen mit dren (3) kellen.
Item j Bwefel phannen mit ij (2) kellen.
Item j blasz balck.
Item ij (2) buchsenhaken.
Item xxij (22) reisze kocher mit glatten philen.
Item XX (20) span gortelle swarcz.
Item ij (2) span gortelle mit haken Bwarcz.
Item Tj (6) wisse breyte spangortelle.
Item T (5) gortelle mit haken wiss breit.
Item ij (2) zwofeldige krappen.
Item Y (5) meyszele. Item ij (2) für ysen.
Item eyn (1) wetcze steyn.
Item y (5) bleoh } (^/2) phunt wachses.
Item j snete meszer.
Item xiiij (14) laden mit gestigkten philen.
Item iij (3) laden toI mit scheften.
Item eyn dri eymerig faez toI philo.
Item eyn fass Yon dren eymern yol sohefte geachtit.
Item ij (2) grosse knethe tröge.
Item iij (3) ribe topphe. Item eyn heim.
Item eyn bar sep. Item ij (2) pulver segke.
Item In der kammer by mynes Jungen Hern schlaffe
louben
Item xxxTiij (38) armbrust.
Item vir laden toI steloer phile.
Item eyne lade vol phil schefften.
Item iiiij (5) reysze kooher Tol stelner phile mit gorteln und
mit haken.
Item abir zwen kooher mit philen«
Item xiij (18) ysenhute.
Item vij (7) fopeysen.
MUtellen. 683
Item ij (2) swaroze ledderne segke yol gestigkier phile.
Item abir eyne lade yol phil sohefte.
Item ij (2) ledige kooher.
Item iiij (4) krige.
Item xxviij (28) zwofeldige haken zou wyppen mit leddern
und Y (5) haken ane ledder.
Item y (5) spanne haken ane ledder.
Item zwu spanne seen.
Item j feszohen halb yol phil ysern.
Item ij (2) feszohen yol flemischen garns.
Item j hulczern span krig. Item ij (2) grosze slosz.
Item xij (12) herozen (hirschen) gorteile.
Item eyn welsch gebisze.
Item xzxyiij (88) gleffen ysern.
Item ij (2) gele ritter sporn.
Item xiiij (14) kleyne zcangen.
Item j phil zcangen.
Item xiij (13) bem spisze.
Item ij (2) risze laden. Item x (10) phauwen fedderu.
Item iiij (4) kleyne sagen.
Item xj (11) köl harten.
Item iij (3) yile. Item eyn pok.
Item iiij (4) strit axe.
Item iij (3) grosze liohennscher messen
Item ij (2) swert.
Item ij (2) grosze Jagehomer.
Item xxxyj (36) straln gestigket.
Item c (100) breyte phile und merselle.
Item xiiij (14) zale bolczen ganoz bereit.
Item xl (40) zingken an span gortelle.
Item yij (7) stegereiffe an armbrust.
684 HisMUen.
9.
Noch ein Erlass des Hersogs Brnst August Ton Sachsen.
Aas PriTAtbesiti mitgeteilt von C. H. Neamaerkerin Apolda.
Von Gottes 'Gnaden Ernst August pp.
Nachdem Wir Ernst August Herzog xu Sachsen pp. aus
dem vom 12. Mai aohero eingeschickten impertinenten
Kammer -Berichte mit Höchstempfindlichen Verdmss ersehen,
was gedachte Kammer vor gefahrliche Vorstellungen wegen
mangelnder Fourage vor FürstL Marstall und des dahero
zu leistenden Vorschusses von etlichen 1000 rl. gethan und
Wir daraus und aus denen mit unterfliessenden marsohal-
lianischen principiis urtheilen müssen, dass dergleichen
nur geschiehet, um Uns desto eher unter die Erde su
bringen und desto bessere Kirmesschnitte nach unserem Tode
unter der Vormundschaft zu machen , massen Wir ja die
Revenuen nicht einnehmen und auch seit Unserer Regierung
keinen Heller Handgelder bekommen, sondern die Kammera-
listen wissen müssen, wo selbe das Geld hinthun, Als be-
gehren Wir hiermit, dass gedachte Kammer sofort mit dem
Oberstallmeister von Tropff wegen der ansrangirten Pferde
und Einrichtung sich bespreche und ohne Anstand zur An*
Schaffung der nöthigen Fourage ohne weitere Anfrage Anstalt
mache und Uns mit dergleichen femerweiten m^chanten
und importunen Briefen Uns gänzlich verschonen, sonsten
wir uns gewiss an den sämmtlichen Kammeralisten ihr be-
sitzendes Vermögen und Güther halten und selbigen die
Pferde zuschlagen wollen. Grosse Titel und Besoldungen
seind zwar leicht verlangt; allein wenn man vor des Herrn
Interesse Arbeiten soll, da ist Niemand zu Hause und seind
dies ungegrtindete und feindselige Vorstellungen, dass Alles
assigniret sein, massen Wir es der Kammer mit dem
Teufel danken, dass selbige also marchandiret, massen
Wir keine assignationes vor Uns ausgefertiget haben
HisieUen. 685
und kann Udb solche ferDerhin damit ungeBchoren lassen;
wofern Wir selbige nicht yor Unsere feinde halten sollen;
Wir seind lange genug in Weimar gewesen , da hat kein
Teufel nichts gesagt, und nun, da Wir den Bücken gewandt,
so verfolget man Uns mit solchen impertinenten Zu-
schriften, wogegen aber die Kammer Anstalt zu machen hat,
widrigenfalls Wir Uns gewiss an selbige halten werden.
Denen Gavaliers ist die Fourage in Natur abzuziehen und
solche an Qeld anzuschlagen, welches von dato an ge-
schehen soll, dahero dem Oberjägermeister 8 und denen
Forstmeistern jedem 2 Pferde passiren, welche sie zum
Eeiten halten sollen und wird ihnen die Fourage auf dem
Lande gänzlich abgeschnitten. Hätte man vorigen Herbst bei
wohlfeiler Zeit vor Hafer gesorgt, so müsste man solchen
jetzo nicht so theuer bezahlen, allein wenn man schmaussen
und bei den Pächtern Forellen und Welsche Hahnen
fressen soll, da ist man parat und in zehen Jahren siebet
Niemand nach der Wirthschafft und Felder welches doch
der Kammer verdammte Schuldigkeit ist.
Wir seynd kein Geldsch r, massen Wir denen Kamme-
ralisten ein ziemliches Capital auf die Nase avanciren
würden und haben Unser Geld auch nicht gestohlen, allein
wenn die WirthschafPt bei dem Bauwesen und Küche und
Keller besser eingerichtet würden, das wäre besser und hat
der Obeijägermeister darauf zu dringen, dass das sämmt-
liche Bauwesen dieses Jahr zu Ende gehe, massen Wir dabei
abscheulich betrogen werden und die Baumeister mit den
Handwerks- und arbeitsamen Leuten unter einer Decke
stecken. Dem Obeijägermeister passiren also nicht mehr
als 8 tüchtige Beitpferde zum Dienst, denen beiden Forst-
meistern jedem 2, welche täglich nicht mehr als zwei leichte
Hetzen Hafer und 8 Pfund Heu bekommen sollen und
dieses ist ihnen zu Gelde anzuschlagen. Die Anweisegelder
und Lagerscheite sollen vom 1. Januar a. o. sofort zur fürstl.
scatoule bezahlt und berechnet werden, und werden Wir
dafür nicht das Mindeste passiren lassen, welches auch
686 MU«dl*n.
dem groben Eath Oöohhausen widerfethren soll, der in
grossen Gapitalien stehet und nicht das Mindeste Tor
die Herrsohafft Torsehiessen will und Wir uns gewiss nach-
drücklich an der Kammer erholen, wenn diese Befehle nicht
sofort gehorsamst exeqniret werden.
Wonach man sich gehorsamst zu achten hat.
Sign. Ilmenau am 13. März 1740.
Ernst August Hersog z. 8.
Litteratnr.
6.
Bau- und KunstdenkmSler Thürixigeni, Heft XVH,
Amtsgeriohtsbeslrk Blankenhain«
Geprüft durch
Dr. Karl Heinrich Bergner,
Pfarrer in PfarrlLefslar b. Onmperda 8.-A.
Die naohfolgende Arbeit mag als ein Yersuoh gelten, die
Ton Profi Dr. Lehfeldt heraasgegebeneD Bau- und Kanatdenkmäler
Thüringens für ein kleines Gebiet zn ergänzen und zu be-
richtigen. Sie sohliefst sich an eine Prüfung der Denkmäler
im Amtsbezirk Kahla an (im lY« Bd. der Mitteilungen des
Oesohichts- und Altertumforsohenden Vereins zu Eahla und
Boda). Die dort gemachten allgemeinen Bemerkungen haben
grofiBenteils auch hier ihre Geltung ^ ).
AltdOmfeld. Figuren. Im Bälgeverschlag liegen ein
unkenntlicher Bischof und ein Cruoifixus.
Auf dem Kelch von 1718 füge hinzu H.G.G.
Taufkanne in Seidelform mit H. H. Loth 1727« Zinn.
Vor der Eirohthür runder Schaft eines Taufbeckens.
Glocke Nr. 2 : Her Justus Treiber Diaconus Hans Graw
vnd Hans Pflaum Altarleute, Hans Bemke Heimbürge zu
Dömfeld.
Altremda. Die Kirche ist abgebrannt.
Berka« Die Beschreibung der höchst einfachen Kirche
ist völlig in Unordnung. Zunächst ist der wiedergegebene
Grundrifs unverständlich. Die Kirche ist thatsächlich, wie alle
Oisterzienserkirchen, rechteckig geschlossen ohne angebaute
1) S. hierzu „Lehfeldt, Bau- u. Kanatdenkmäler Thüringens. Amts-
geriehtsbezirk Kahla. Berlin 1894*^ Bem. d. Bed.
XVU. 46
690
LitUratnr.
Sakristei. Der Chor trägt nicht den Turm. Dieser ist im
Westen selbständig vorgelegt, nicht mit Krenzgewölbe, sod-
dem mit Flachdeoke, auch nicht aus nnserm Jahrhundert,
sondern, wie die ganze Kirche, im Mauerwerk wesentlich
aus gotischer Zeit, die durch ein spitzbogiges breites Ost-
fenster im Chor (jetzt ein flachbogiges hineingesetzt) gekenn-
zeichnet wird. „Die Westthür . . . spitzbogig'' ist ganz
rätselhaft Denn diese Th&r, der südlichen nachgebildet,
öffnet sieh in einem Flachbogen , jonische Pilaster tragen
einen Architray mit Giebel. Die Notiz über den Turmhelm,
angeblich von 1826, beruht auf Irrtum. Nach Ausweis der
Kirchrechnungen ist in unserm« Jahrhundert nichts am Turm
gebaut worden. Über der südlichen Thür bezeichnet ein Stein
mit M.A.D.BEBOER den Steinmetz yon 1789.
Kanzelbau. Es sind die innern Säulen, die erst
durch Flachbogen und darüber durch Schweifgiebel yerbundeo
sind. Die Figuren stellen nicht den segnenden Christus dar,
sondern den Auferstandenen mit den beiden Grabesengelo.
Die Fahne in seiner Hand ist entfernt
Auf den Altarleuchtem lies 1782.
Kelch. Die Inschrift heifst: Der Kirche zu Berckaw
yerehret yon Hanss Königen Seniore AO 1650 D.J.H.
Kelch yon 1666: Erasmus Becker F. S. Forster ynd
Elisabeth Beckerin yerehren diesen Kelch nebens den Patäo
der Kirchen zu Bercka 1666, mit Weihekreuz.
An der Mauer des alten Klosterhofes, welche den
Platz yor der Kirche begrenzt, Inschrifttafel: FRITZ SGEEL-
LER BAYHEB . MHATTIAS BEHME PETER HESEB
MEVRER ANNO 1618.
Pfarrei. Von der alten Kapelle ist neben den yos
L. erwähnten Resten noch das mehrfach gegliederte Sockel-
gesims, sowie das einfach gekehlte Dachgesims erhalten,
ersteres neben einer yermauerten Spitzbogenthür etwas auf-
wärts gebrochen. Neben der Kapelle führt ein Durchgang
ebenfalls mit Spitzbogenthür und steiler, tonnengewölbter
Treppe yon der Strafse in den Pfarrhof und zur Kirche.
Die Inschrift Hes: atitio biii m® b® JTttt poflt* eft Upie Ijte.
Litteratur. £>q^
Über die Figuren im Garten des Herrn Cyriaz siehe
unter Tannroda.
Blankenliaül. Kirche. Die Inschrift am Torrn ist
etwas verwaschen und giebt keinen einwnrfsfreien Text. Es
ist «u lesen : Ätiiio btii ttT^cccc^IjTjrjpt^» itctpta e' .pn0 . falica
[basilioa) fb' btti'o * tiobU'. bm (CFaroU cot'te b' glicbti.
Am einfachsten ist die Schwierigkeit zu lösen, wenn man
Gkaroli verschrieben für Ckarolo annimmt und sab domino
nobili domino Garolo comite liest» eine WiederholuDg, die im
Mittelalter gans geläufig ist. Jedenfalls aber ist Karl als
Erbauer gemeint, welcher das Jahr vorher auch den Sohlofs-
baa begann. Derselbe ist um 1480 höchstens 80-jährig ge-
wesen, da er 1467 noch unmündig seinem Vater folgte. Die
Übersetzung L/s »»unter dem edlen Herrn, des Herrn Carl Sohn''
ist schon darum ganz unhaltbar, da die Söhne Karls L zu
dieser Zeit vielleicht noch gar nicht geboren, jedenfalls aber
noch in den Kinderschuhen waren, da sie bei seinem Tode
1495 noch minderjährig unter die Vormundschaft Graf Sig-
munds V. Gleichen gestellt wurden. Vergl. Sagittarius S« 284.
Der Bau scheint, abweichend von der sonstigen Gewohn-
heit, im Westen begonnen und schon im ersten Jahre be-
deutend gefördert zu sein, denn auch an dem Queriians finden
wir in derselben Manier wie die Inschrift von 1493 ver-
tieft die Jahreszahl )^8), darunter 6 (also wohl schon
Gefsner). In den Fensterlaibungen dieses Bauteils 7 mal das
Zeichen '^, Imal Ol, im östlichen Chorfenster (1498)
^ (etwas verstümmelt). Am Sockel des Chors KB, am Ost-
fenster der Sakristei KR . M'R'EeGB, an der Ecke : M'RI - RO.
Da auf S. 104 oben der durch das ganze Werk gehende
Irrtum^) wiederkehrt, daüs die gotischen Turmfenster „der
Zwischenpfosten beraubt" seien, so ist mit Nachdruck darauf
aufmerksam zu machen, dafs nach gotischer Baugewohnheit
1) S. GegeDfobrift Lefafeldt^s 6. Bmb. d. B«d.
45*
692 Uttentnr.
diese Säulen vom BaumeiBter weggelasien worden oder leicht
herausnehmbar waren, Sie fehlen jetit yielerorts.
Die_ Insohrift des Sakramentsschreines ist zu lesen:
8cce pai0 anglOtU (Eooe panis angelomm), eine Zeile,
welche unendlich oft an derartigen Schreinen vorkommt (Otte,
Handbuch I, S. 480 und 618) und den Anfang eines latei-
nischen 4-8eiligen Hymnus bildet, der noch heute zur Segens-
andacht am Kommuniontage in katholischen Kirchen gesungen
wird. Derselbe ist aus der 11. und 12. Strophe der be-
rühmten Eronleichnamssequenz des Thomas v. Aquino: Laude
Sion salvatorem (bei Mono I, S. 276) gebildet. L. liest ohne
Sinn: Quae panis etc. Die Jahreszahl an dem Schrein liest
L. S. 104 mccccxliii (1448), S. 102 aber 1414 (mocooxiiii).
In Wahrheit ist beides möglich, da die letzten Zahlzeichen sehr
zerstört sind, doch muXs man das andeuten.
Der verkehrt eingemauerte Stein über der südlichen
Chorthür hat: ANNO 1610 lOHAN BEVTNITZ PAST ET
SVPEBIN (Beutnitz von 1591—1688).
Altarwerk. Ackermann erzählt, da(s die Kirche zu
Blankenhain ein kostbares Schnitzwerk aus Holz, die 12
Apostel mit der Himmelskönigin darstellend, gegen ein Stück
Wald eingetauscht, welches „ins SchloÜB quartiert^ und 1816
nach Weimar gebracht sei. Ein Schnitzwerk dieses Oegen-
Standes findet sich nicht in der Sammlung der Bibliothek,
dagegen das grofse Gemälde der Himmelfahrt Maria, die
Apostel um den Sarg stehend.
Die heilige Sippe (auch Heilsberg und Tonndorf), welche
L. nicht immer richtig behandelt, muCs einer besonderen
Untersuchung vorbehalten bleiben, da nur die Vergleichung
aller erhaltenen Denkmäler zu einem gesicherten Ergebnis
führen kann.
Auf dem Qrabmal der Oottschalckin ist nach Ruhestatt
einzufügen: die 46 Jahr allein gesohlaffen hat; und statt
Ziegling Qiegling zu lesen.
Die Inschrift auf dem Grabstein des kleinen Gottfried
von Hatzfeld lautet: Natus II. 8^ 1688 denatus IL Jan.
Litteratar. 693
1689. Das Ejnd war also nicht ,,ein Jahr alt", Bondem
ein Yierteljahr. Daranter das Distichon:
Yiz mondi tennit Gampos Godefridns ab Hatzfeld
et Comes in Oleichen, transit ad EljsioSy
Der Wappenschild (S. 108 unten) hat nicht das Gleichen-
schCy sondern das Hatzfeldische Wappen.
Glasbild. Der ^knieende Abt" sitst aufdem bischöf-
lichen faldistolium (s. d. Abbildung S. 109). Das Wappen,
goldener Bing mit blauem Stein, auf dem Helm ein Pfauen-
wedel ist das der Waldenburg. Man würde bei der Er-
klärung zuerst an einen kirchlichen Würdenträger aus diesem
Hause denken, welcher bei der Erbauung der Kirche beteiligt
war; denn so nur würde das Kirchenmodell yerständlich.
Indes ist eine Persönlichkeit dieses Namens in den zu
Blankenhain in Beziehung stehenden kirchlichen Ämtern
nicht nachzuweisen.
Dagegen war die Mutter des Erbauers Katharina, 2.
Gemahlin Ludwigs I., eine geb. Chräfin von Waldenburg,
welche nach dem frühen Tod ihres Mannes ihren Witwensitz
ständig in Blankenhain scheint gehabt zu haben und erst
1494 starb, auch in der Pfarrkirche begraben wurde (Sagittarius,
8. 279). Offenbar beteiligte sie sich an der Ausschmückung
der neuen Kirche und liefs das Wappen ihres Hauses unter
das Bild des Kirchenpatrons einsetzen. Wir erkennen dem-
nach in dem ,,Abte'' den Erzbischof Bonifacins, welchen das
Kirchenmodell und der Heiligenschein genügend bezeichnen
(das Gesicht ist in Wahrheit nicht so kindlich wie auf der Ab-
bildung), und müssen das Glasbild vor 1494 ansetzen.
Nonnenkirche. Der Bau ist nicht so dürftig wie
L.'s dreizeilige Beschreibung. Wir erkennen noch vollkommen
die gotische Anlage von 1607 an dem stark profilierten
Sockelgesims, welches sich um die ganze Kirche herumzieht,
in mehreren Absätzen wegen des Terrains von 0 nach W
gebrochen, und dem aus einfacher Hohlkehle gebildeten Dach-
gesims. Die Fenster waren einst spitzbogig, zweiteilig und
mit MaCswerk gefüllt, dessen Spuren noch erkennbar sind.
694 LStteratar.
In den LaibuDgen kommt 4 mal das Zeichen 3^ ^o'* ^^
damals schon ältere Reste benutzt wurden, ist nicht unwahr-
scheinlich. Wenigstens deutet ein Stein darauf hin, welcher
unter dem Ostfenster des Chors wieder eingemauert wurde,
ein grofaes Kreuz , unter dem linken Arm die Majuskeln
PoP^, unter dem rechten das griechische Kreuz T (crux com-
missa)^. Über diesem Stein eine zweite Tafel mit : MATTHIAS
LIESS RIGASPARVS GEBE 160. (letztes Zahlzeichen uadeni-
lieh; Ackermann liest 1608 und findet in beiden einen Grabstmn,
weil früher ein Kirchhof dort gewesen, S. 132), welche yiel-
leioht Zeugnis von einer damaligen Erneuerung giebt. —
Nach längerem Verfall wurde die Kirche 1730 zur Erinnerung
«n die Übergabe der Augeburgisohen Konfession durch die
Liberalität des bekannten Markus Christian Oottschalck wiedw
hergestellt, wobei die gotischen Fenster rechteckig hergerichtet
wurden und die Westthür ihre jetzige Einfassung mit blätter-
Tcrzierten Balken empfing, auch der unbedeutende Kanselbau
aufgeführt wurde.
Im Innern ist der Raum mit Holz tonne gedeckt, ziem-
lich trostlos. Die beiden Ölbilder von Geistlichen (das linke
unbeuannt, rechts des M. Johann Christoph Beyer, f 1754)
können nicht als grofse Zierden gelten.
Schlofs. Diebeiden, das Gleichensohe Wappen über dem
Thor haltenden Figuren sind St. Georg (?) und Christophorus
mit dem Kind auf der Schulter. (Ackermann sehr vorsichtig
S. 34 : „Sein Kopf ist gebückt und auf der Sehulter trägt er
etwas, das er mit dem linken Arme stützt'O« ^^ Inschrift
darunter ist noch vollständig und unversehrt. L. giebt sie
nach SagittariuB S. 281, welcher sich indes als Gewährs-
1) Hatte die Nonnenkirebe BesiehnDgen lum deutschen Orden?
Oder ist hier etwa eine Erinnerung an Ludwigs I. Pilgerfahrt von 1441,
welcher in Jerusalem zum Ritter des Ordens vom heiligen Qrab ge*
schlagen wurde, der ja auch ein ähnliches Kreus ffihrte? Man kSnnts
dann in der crux commissa den Antoniusorden vermuten. VergU Schnlts,
Deutsches Leben, 8. 645 und 548. Doch mufs die sichere Erkllrnng
genauerer historiseher Forschung vorbehalten bleiben.
Lm.r.tur. ggg
mann für Insohriften nicht sehr empfiehlt. Sie hei£rt:
^tino bm. m^cccc^lfj:}: ^abtn wir tavl gtavt t>o glidftn
^re tiu hlanttn^aln bifs lafsen machen. Die 8 Figuren,
in Oyps gegossen (I), zwischen den Gonsolen sind: In der
Mitte die heilige Anna, deren Kultus ja in dieser Zeit üher-
hand nahm ; auf dem rechten Arm hat sie das Jesuskind» auf
dem linken ist Maria abgeschlagen, auüserdem am charak-
teristisohen Kopftuch kenntlich. Links Ton ihr steht Petrus,
rechts ein Bischof, bartlos, Attribute ebenfalls abgeschlagen,
wohl BoniÜBicins. Es ist schlechterdings kein Grund anzu-
geben, warum diese Figuren sollten später hineingesetzt
sein. Denn nur so wird die darunter befindliche Inschrift
verständlich: |>ilff bo ^tullgt fv<kxo(t MnctaTl)nna wlp
^tttt. Die jetzt ausgefallenen Buchstaben können kaum
anders ergänzt werden. Die unmögliche Konjektur L/s (man
denke: Maria und Anna selb d ritt!) ist nur dadurch yer-
schuldet, daiÜ9 er die Mittelfigur ohne weiteres für eine
Maria ansieht.
An den Gonsolen sind folgende 4 Wappen: l.Mansfeld,
2. 3 mal geteilt (Beichlingen ?) , 8. Gleichen - Blankenhain,
4. Henneberg.
In der Inschrift des Treppenturms ist das grofse D in
Hatzfelt zu tilgen, sonst würde das Chronogramm 2189 er-
geben. Die Inschrift am Mohren heifst: DAS HAY8
STEHT IN G . H . (Gottes Hand) 3V G(oldenen) 30PF IST
ES GE(nannt) 1565 HANS KEISER.
Am Hause des Kreisblattes : lOHAN : BEVTNITZ PFARH
D.C.M E.E. 1.1597. 15 AP. Warum aus der Kirche ge-
nommen? Das war wohl sein Privathans: Domum Cum
Magnis Ezpensis Exegl. Der zweite Stein hat yon 1526
keine Spur. Es sind einige yerwaschene Zeichen und darunter
etwa: lYNIOR erkennbar.
Breitenheerda. Über das Altarwerk von 1484,
welches nach Abbruch der Kirche vorläufig im Schulhaut
aufbewahrt wird, sei eine neue Beschreibung verstattet
Auf dem Mittelbild (50 X '^^ ^^) ^»^ ^i® Geburt
696 LItterMar.
Jesu in eine yon 8 zierlichen romanisohen Sänlchen gestütite
Halle yenetit, die naeh hinten offen den Ansblick in eine
freie Landschaft mit Berg und Stadt anf gemustertem Gold-
gründe gewihri Eine kleine Figur mit einem Stab und an
herabschwebender Engel deuten »»die Hirten auf dem Felde^
an. Zwei Männer schauen über eine niedere Mauer im
die Halle, wo Maria links vor dem auf ihrem Gewsad
ruhenden Kind mit gefislteten Händen kniet, während
Joseph rechts auf seinen Stab gestütst (bei L. Licht?), eis
Messer und eine Tasche an der Seite, suschaut, unter ihm
8 anbetende Engelehen. Ochs und Esel hinter der Maris
Pressen aus einem Trog._ Spruchband: QvaciM ogo tibi
bnt &ett0 quia fyomitüi nohiltm cotiMMfU. Am FuTb
der mittelsten Säule die Jahressahl J^SJL — Bie Yerinin-
digung ist auf die Aufsenseiten der Flügel verteilt in
der gewöhnlichen Auffassung mit : Tlvt gr<ici<t ple ., darunter
kniend die Familie des Stifters und zwar links unter Oabziel
8 Männer, der erste alter Herr im langen, geschlossenen
Bock, der sweite Geistlicher, der dritte ein jugendlidier
Bitter im halblangen Wams und engen Beinkleidern. Spruch-
band: recorbare t>irgo ttmter bn «reteri« in cöfptav
M nt loquari0 pronobi« bona. — Bechts unter M&ris
8 Frauen, 2 Matronen mit Mänteln und Hauben und ein
Mädchen mit Kraus im Haar. Innenseiten der Flügel,
links Marter des h. Erasmus^), welcher nackt im Peohkessel
sitzt, eine Kette doppelt um den Leib geschlungen. Bin
1) Nach der Legenda aiurea (ed. Oraeste, p. 890) hatte er diete
Marter iweimal in bestehen, hier iit die aweite gemeint, doch Ut ihm
ava der Haft die Kette geblieben, und die Schnhahleo sind dentsdie
Aosschmücknng des plnmbatis tondere latera eins. Die OeWde DioUt-
tians erklftrt sich ans dem kleinen Bacheakt des Heiligen, ihn mit da«
siedenden Pech in bespritaen : Tom beatns Erasmns dixit impcratori :
lata olla meum est refrigeriom, et facto signacnlo cmeis descendit in eaai,
statimqaet tox domini snper aquas intonait et effudit nnam andam ex
olla et ttstnlarit imperatorem. Qai olamavit: ardeo, homo dei, ora pro
me. Tom b. E. : scio qnod cor tnnm obdoratnm est, sed propter populan
istam circnmstantem erit tibi bene. Et qnievit dolor.
Litterator. 697
Henker ist beschäftigt^ aus einem zweiten Kessel mit einer
langgestielten Schöpfe siedendes Pech über den Bischof zu
giefsen« Hinter ihm der Kaiser Diokletian, ein Qraabart mit
bittend erhobenen Händen und Turban, rechts ein andrer
Knecht, welcher dem Märtyrer Schnhmacherahlen in die Finger
der linken Hand treibt, während dessen Bechte schon damit
besteckt auf dem Kesselrande ruht (bei L. angenagelt)* Der
Oewandsaum des ersten Knechtes scheint mit hebräischen
Buchstaben yerziert — Bechter Flügel Marter des h* Sebastian,,
welcher an den Baum gebunden, nur mit Lendenschurz be-
kleidet, schon von vielen Pfeilen durchbohrt ist. Links zwei
Schützen, yon denen der eine eben seine Armbrust abdrückt^
während der andre, am Boden knieend, den Pfeil im Munde,
eben die seinige spannt *). Wo L. einen „h. Stephan" gesehen,
ist unerfindlich.
Die Gemälde sind ganz vorzüglich und scheinen der
Saalfelder Schule angehörig, wohin namentlich die biblischen
Figuren in Haltung und Gesichtstypus weisen. In den
Marterscenen ist eine packende Gewalt der innem Bewegung
trefflich zum Ausdruck gebracht und die Grausamkeit der
Knechte in der vollen Roheit des wirklichen Lebens wieder-
gegeben. Die Trachten sind von wundervoller Treue. In
der Bildung der nackten Körper und Gesichter der beiden
leidenden Heiligen versagt allerdings die Kunst.
Bei Abbruch der Kirche sind noch 3 marmorne Grab-
steine zum Yorschein gekommen. 1. Der Anna Magdalena
V. Schönefeld geb. v. Breitenbauch, f tfi- Abrilis AO 1677^
Oben ein Oval mit Text Ps.7d.25, darunter ein Oval, von
einer allegorischen Figur gehalten, mit Job. 14.19 und Ps.
17 . 15, ringsherum 18 Familien wappen. 2. Der Maria Su-
sanne V. Schönefeld, f 9. Okt. 1677, mit dem väterlichen und
mütterlichen Wappen. 8. Des Christian von Schönefeld
t 11. Oki 1677.
1) Diese Darstellung deckt sich fast vollstftndig mit dem Gemilde
des Germ. Ifnseums 109 tos derselben Zeit, dem Wolgemut sugeschrieben
▼om PeriDgsdörferschen Altar, sumal in der Haltung der beiden Scbfitien
KaUlog 1893, 8. 82. Auch bei Lflbke G. d. d. Kunst, 8. 675.
Utteratsr.
Bueh&rt. Kirohe zu unsrer lieben Franen. Von den
Kämpfern ist nur der linke erhalten, ca. 1,6Ö m über dem
Boden, deutet also auf einen ganz andern als den jetst er-
haltenen Triumphbogen. Unerwähnt ist ein Strebepfeiler an
6«c SO-Bcke mit 2 Pultdiohem, nenerdings offenbar repariert
Über das Altarwerk haben wir die denkbar günstig-
sten Nachrichten im PfarrarchiT. In einem alten Kirchen-
buch bemerkt nämlich Heinrich Lorber 1676 nach dem „Re-
gister^ eines päpstisohen Pfarrers Johann Artst (geroeint sind
die Kirchrechnungen, welche aber jetzt bis 1615 verloren
sind) folgendes: „1606 und 07 ist eine Tafel rerdingt
worden an Meister Herman Mahler zu Jehna*', welche 18|
Schock kostete und 5 Snebers (Schneeberger Gr.) zu den
Banden an die Tafel. Und nun wird das jetzt noch exis-
tierende Werk mit sämtlichen Figuren beschrieben, aulser-
dem „oben auf der Tafel ist gesetzt das Grucifiz mit Maria
und Johannes unter dem Ereutze stehende'*. Fehmen wir
hinzu, dafs die jetzt in der Sakristei stehende äberweifste
Bank, rechts und links ausgekehlt, offenbar die Staffel mit
einer Abendmahlsdarttellung gewesen ist, so haben wir ein
ziemlich yollständiges Bild des ursprünglichen Werkes.
Nun fahrt aber Lorber fort: „Hinten an die Altartafisl
stehet noch mit rödel angeschrieben folgende Worte, welche
hier zu nachrichtiguog gesetzet also: Cmcionale^) p (per)
Johannem Artzt constructum anno domi moccc^lxzziiii (1484)/'
Hier ist der Unterschied der Jahreszahlen h$chst auffallend.
Es ist sehr unwahrscheinlich, dafs Lorber die Zahlzeichen
nicht mehr lesen konnte, doch setzte er sich wohl über die
Differenz hinweg, um die Tafel mit einer andern zu ideoti*
fizieren, über welche die Eirchrechnung von 1606 berichtet
haben mag. Denn in der That scheint die Kirche an Schnitz-
bildem reicher gewesen zu sein, da uns dieselbe Quelle über
1) DiesM in der m. a. Latlnitit nicht belegte Wort scheint hier
Kreaaignng so bedeuten, von dem Tod Jesu genommen, welcher das
Altarwerk krönte.
Littoratar.
•ine weitere Tafel von 1492 belehrt, welche ,,«1 Johann
Lynde» Mahler in Jehna um 24 Bh. fl. verdingt und in dem-
selben Jahr geeezt worden''.
Aber mag sich dies Problem lösen wie es wolle, jeden-
falls haben wir hier die ersten verbürgten Nachrichten über
die Jenaische Altarwerkstatt, und zwar sngleich zwei Künstler-
namen, Johann Linde und Meister Hermann. Bas Werk wird
für die Umgegend von Jena dieselbe Bedeutung gewinnen wie
ein solches im Schlofs zu Budolstadt durch den Namen Valen-
tin Lendenstreich 1508 ^) für die Saalfelder Schule, um die
Eigenart und Verbreitung derselben zu bestimmen.
Im einzelnen ist noch folgendes zu bemerken. Die
Baldachine sind mit ganz naturalistischem Bankenwerk, Blumen-
und Fruchtstücken, gefüllt Die kleinen Figürohen an den
Säulchen sind nicht Laurentius und Stephanus, sondern 2 Musi-
kanten in Biakonentracht, von welchen der eine eine Geige (von
L. wohl für den Rost angesehen), der andere eine Laute hält.
Statt Magdalena ist Borothea mit Blumenkörbchen zu setzen.
Bie Gemälde der Au£Benseiten sind nicht so unsichtbar,
dafs man nicht die Verkündigung Maria erkennen könnte.
(Bie £rzväter nicht vorhanden.) Auf dem rechten Flügel
die Jungfirau kniend mit 'über der Brust gekreuzten Händen
in einem Gemach, dessen romanisches Fenster einen Blick
in reiche Berglandschaft gestattet. Sie bewegt höchst anmutig
das Haupt dem Engel Gabriel entgegen, welcher auf dem
linken Flügel in vollkommen freier Fels- und Hügellandschaft
dargestellt is^ in der Hand das Spruchband : AVE GRSCIX
*LeHÄ aHs xecvM.
Auf den Altarleuchtern ist statt Gensesotte zu lesen
jGiense Botte und gemeint Susanna Martha Gintzeroth, Ehe-
frau des damaligen Mahlmüllers.
1) Im „Erbbach der SUdt Salrelt«* schon 1485; doch 1507 findet
sich „Waltin lendenstrelchs witewe", 1516 ist „dye malerin'* genannt,
aber „item ir Handtwergk<< dorchstricben, welches sie offenbar knrs ror-
her aufgegeben. S. hiersn den der Red. im Jani 1898 übergebenen Anf-
sata Lehfeldf s in diesem Heft, „Ober die thOr. Familie Lendenstreich**.
Bem. d. Bed.
700 LittarAtar.
Dienstedt. Kirche. Der balkooartige Yonpning im
TturmobergeaehofB ist auch nach N. herauBgearbeitet Die
Mauer setzt im Inoem an beiden Seiten merklich ab.
Der Bau des Langhauses fällt nicht auf 1606, sondern
auf 1786 und zwar wurde 1785 die alte (westliche?) Kirche
abgetragen, 28. Dez. der Grundstein gelegt und die vollendete
Kirche am 27. Okt. 1736 durch Joh« Christ Zeller, Sup^
intendent in Blankenbain, eingeweiht; die dabei gehaltene
Predigt wurde gedruckt Die Inschrift über der inneren
Westthür giebt ebenso unzweifelhaft davon Naehricht: Unter
der Direktion und Aufsicht 8.T. Herrn Adam Hoffmanns
1 : Pastoris ist dieser Tempel Zur EHBE GOTTes genant er-
bauet im Jahr Christi ICD.CCXXXYL — Der „achteckige
Turmhelm'' ist viereckig.
„Altar werk ... aus der 1. Hälfte des 16. Jahr-
hunderts". Am unteren Bahmen läuft eine Inschrift: HiBC
TABVLA TEMPOBE ET C0N8IU0 I0ANNI8 HOPF-
GABTBN PA8T0BIS FACTA EST ANNO 8ALUTI8
liUMA: GENE: 1577 o Damit werden die Auslassungen L»
über „bedeutende Art, Sohongauer und Übermalung" hinfiUlig.
Das Werk giebt die evangelischen Gedanken eines Pfarrers in
der Kunstsprache der ausgehenden dranachschen Schule wieder.
Hopffgarten war der erste lutherische Pftmrer in Dienstedt
bis 1683, in welchem Jahre naohrichtlich Joh. Goldeliue vom
Grafen Karl III. von Gleichen eingesetzt wurde.
„Kelch aus dem 17. Jahrhundert'' vergl. unter Hochdoif.
„Kelche mit . . 1780". Die Inschrift heifst: J. A.
Henkel L(ehrer) 1680.
Goldelius war also der zweite evangelische Pfarm.
Auf seinem Bildnis rechts oben ein Schild, darauf ein hebr.
Taw mit Kreuz darauf und J. G. Darüber das Lemma:
Signati n servantur, nach Ezech. 9.6. „Und jedermann,
welcher das Zeichen (Taw) trägt, wird nicht umkommen."
GOttem. Kirche. Im Grundrils ist die romanische
Apsis (bei L. Treppenturm) vergessen, welche als der älteste
Bauteil angesehen werden mufs und darauf schliefBen iSfst,
Littertttiir. YQ}
dafB die unprüngliohe Eirohe in yiel kleioerem Mabstabe
gebaut and mit 8 Apsiden geschlossen war. Die übrig ge-
bliebene (südliohe) scheint übrigens blind gewesen zn sein.
Die yyhalbyersohüttete Randbogenthür'' ist keine Thür, sondern
ein Treppengewölbe, das in eine Krypta hinabführt
Das Belief in der spitzbogigen Blende an der Sakristei-
nordseite wird man weit früher als um 1500 ansetzen müssen.
Die Darstellungsweise ist noch romanisch, das Ganze aber
stark überarbeitet Die Deutung L.^s als jüngstes Gericht
ist richtig. Doch ist auf die überraschende Ähnlichkeit mit
romanischen Darstellungen der Yerklämng aufmerksam zu
machen. (Janitsoheck, Gesch. d. Malerei, S. 88).
Glocke 2. Die Inschrift ist ganz deutlich: f XQO
liÄVDÄTXTR DÖVS ROST Äe<Q HVGÄT . Es ist
allem Anschein nach ein Hexameter: per me laudatur deus,
hostes aeque fugantur, doch ist das natürlich keine korrekte
Poesie. Und es ist unbenommen, hostium agmenque fuga-
tur oder noch anderes zu lesen. Höchst interessant ist
das Medaillon, welches L. mit Christus als Himmelsfürst be-
zeichnet. Ein junger Mann, bartlos, mit der Laubkrone, in
der Hechten den Beichsapfel erhoben, in der Linken das
Lilienscepter, den faltigen Mantel auf der Brust durch runde
Spange zusammengehalten, sitzt auf einem wenig sichtbaren
Stuhl, über den 2 Bischöfe gelegt sind, derart, dafs sie rechts
und links mit dem Oberleib herausragen. Die Ähnlichkeit
dieser Darstellung mit den kaiserlichen Münzsiegeln des
Mittelalters springt sofort in die Augen. (Yergl. die goldene
Bulle Ludwigs d. Baiem von 1387, in Prutz, Staatengesch*
des Abendlandes im Mittelalter II, S. 198.) Auch die Schrift-
formen weisen auf die Mitte des 14. Jahrhunderts, die Zeit
des Interdiktes und einer grofsen nationalen Erbitterung über
päpstliche Überhebung. Es gewinnt demnach den Anschein, als
hätten wir hier eine jener Satiren auf die Niederlage der Kirche
und den endlichen Sieg des Kaisertums, welche noch nachdrück-
licher durch das Pendant: Christus auf der Eselin erscheint.
Groblohma. Kirche. Die spitzbogigen Fenster sind
702 Uttmftar.
nicht goÜBoht sondern aas späterer Zeit. Yom N. fükrt oae
Bondbogenthür auf die Empore.
Die Kanzel ist mit den 4 Evangelisten roh bemalt nnd
Jer. 1. 7 darüber: Bufe getrost, schone nicht.
Gedenktafel für des PfBurrers Johann Apitiens S^lhaleiB,
t 1717.
Altar: Steinplatte in Kämpferform , an der Büekwaad
starke Flaohbogennische.
Taufkanne, Zinn, mit : Dorothea Ohrittiana Franckin Gab.
Henzoldin 1742.
Kelob. Die Inschrift A • M . Ackerin ist nicht au finden,
dagegen: J. Henzoldt Pastor Lboma 1722.
Hanfcld. Die Dentnng des in Abbildung wiedergegebenen
Steines als Kämpfer darf angefochten werden. Man wird eher
ein Wahrzeichen darin finden. — Audi nach Süden nad
Norden waren im Tormobergeschofs romanische Doppelfenster
mit Kleebögen geöffnet.
Der Kanzelban in der C h o r bogenöffhnng aus dem
Anfang unseres Jahrhunderts hat die entsetzlichen Figuren
von Moses, Christas als guter Hirt, Wahrheit und Weisheit.
Kleine Marienfigar über dem Triumphbogen, sehr über
weifst, doch alt In der Sakristei Lutherbild mit sehr ent-
fernter Ähnlichkeit: D.M.L.— Y.D.M.I.AE. TIVH,
VIVIT VIVIT.
Heilsberg. Kirche. Bomanische Beste werden sieh
schwer nachweisen lassen. Jedenfalls hat der Turm wesent-
lich in gotischer Zeit sein Gepräge erhalten, unbedingt die
(vier) spitz bogigen Doppelfenster seines Obergesehosses,
welche in den Laibungen mit einfachen Kehlen profiliert sind
und mehrfach die Zeichen: Lj-j |-Ih ^^ tragen^).
Spätere Überarbeitung ist nicht bemerkbar. Aus de^
selben Zeit stammt ein yon L. nicht erwähnter Oiorbogen,
welcher jetzt Turm und Langhaus yerbindet^ auf gekehltem
1) Diese Zeichen sind hinflg «m Domehor in Srfiut tob IH».
Litteratnr. 703
Sockel ruht und in Eämpferhöhe einfach abgefast ist. Bie^
Bosette des TuriuBÜdfenBters hat ein seltener yorkommcn-
des Mafswerky indem an ein Sohächerkreuz Fisohblasen an-
gesetzt sind, in der Mitte das Zeichen ^.
Der Grabstein ist zur Datierung nicht zu yerwenden,^
da er erst in neuerer Zeit an die Emporentreppe, und zwar
auf dem Kopf stehend, eingemauert wurde. Das Mittelfeld
seigt oben im Wappenschild: drei halbierte Bösen 1 : 2 ge--
stellt, unten in starken Zügen if>efU0 (Ctifl^. Die Umschrift
heifst: m^cccc^ppppp . obiit fhrenp' t>ir criflofer^ öe
enceberg (Enzenberg). L. liest 1484 statt 1495 und ctatlC^-
ftVbt obwohl die Schrift ganz deutlich, das Wappen unzweifel-
haft und das Geschlecht der Kranichfeld schon um 1880 mit
Hermann IV. ausgegangen ist (Sagittarius, S. 265), was L.
selbst S. 136 notiert. Vber das Wappen und Geschlecht
derer y. Enzenberg yergl. Lommer in Mitt. für Eoda und Kahla
II, 8. 113. Im Teilungsyertrag der Grafen yon Orlamünde yon
1414 „alle yon entzenberg'' ; y. Schultes, Landesgeschichte,^
ürkundenbuch S. 55. In der Gefolgschaft der Grafen yon
Gleichen ist Christoph mit 1 Pferd, Sagittarius S. 20.
Unter den Schnitzbildern ist statt Magdalena mit der
Salbenbüchse ganz unzweifelhaft zu setzen Barbara mit Kelch
(S. 126).
Glocke 1. Gott zu Ehren u. der Kirche u. Gemeinde
Heilsberg zum Nutzen in Erfurt gegossen 1754, mit „Belief
eines heiligen Bischofs, wohl des Bonifazius". Obwohl der
Heilige mit modernen Stiefeln und hohen Absätzen erscheint,
ist er durch das Attribut: BYANGELIYM yom Schwert durch-
bohrt unzweifelhaft als Bonifaoius bezeichnet.
Die berühmte Inschrift wird yon Grotefend nicht un-
wahrscheinlich als Zeichen einer Gerichtsstätte gedeutet, yon
Landgraf Ludwig IL (1140 — 72) eingerichtet, und gelesen:
Tod ewic tem unotele unereh dner tod ewic teilt eid yater
gisolect on kunr St Geilus yargete yior klinehan das im eur
sal gedenke alle suntage (Sühnst Gerichtstag) ewiclioh dämme |l
704 Littoratvr.
Latter II. landgr. doringe . . geleit und • . . giwaride (?) des
doringe gerey (GFraf) Iwok (Lutz. Ludwig). Bine Neubearbeitung
wäre an der Zeit.
Hoehdorf. nOefärse ueu'^ Bb ist ein Kelob da mit
Sechspafs-FuTs und Weihekreuz, streng nach gotischem Muster,
doch mit einem charakterlosen Blattfries am Enau^ nur be-
merkenswert durch sicheres Datum : B . I . Hoyerin GFeb.
Erumbharin an. 1724. Ganz ähnliche in Dienstedt» Neckeroda
und Tannroda, welche L. unsicher ins 16., 17. oder 18. Jahr-
hundert setzt
Hohenfelden. Die Deutung der Eircheninschrift von
1718 sub episcopo etc. findet sich schon in der Ortschronik.
Über der Westthür: A.D. 1718.
Auf der Glocke No. 8 ist zu lesen: Principe statt
principe. Das Chronogramm würde demnach 1587 ergeben,
während allerdings nur 1687 gemeint sein kann. (Anselm
Franz y. Ingelheim 1679 — 95). Hier hat schon die Orts-
Chronik die Korrektur vorgenommen. Nach refiisa füge hinza
gos mich Jakob Pappe in Erffort zu gottes wort ich ruff die
Leyth der heiige Geist das Herz bereit Hans Reichart Hans
Jancker Hans Graw. Das Chronogramm ist offenbar metrisch,
wenn auch nicht sehr schön:
Principe Francisco Anselmo proprincipe Walpoth
Wachtlo satrapa bina haec fuit aere refusa.
Die Chronik berichtet: Die gröfsere Glocke hatte die Auf-
schrift Sanctus Celiacus Amen Anno dni MCCCCLXXXVIL
L. : CiliacuB, aber jedenfialls hiefs es Cyriacus, da weder Ce-
noch Ciliacus bekannt.
Eillansroda. Taufbecken einfacher Kessel, Kupfer.
Taufkanne, Zinn, klein und gefällig, mit starkem Bauch
und firewundenen Kanülen. Auf dem Deckel: M.A.M.
Im Schulhaus Mefsbuch „aus dem Anfang des 16.
Jahrhunderts'^ Dies ist der berühmte Druck des Mainzer
Missale auf Veranlassung des ErzbischofiB Berthold „per Petra
schoffer de gernstheym Anno dni 1498 3. april consummatum''
mit dem Signet Sohöffers. Auf dem Deckel innen ist be-
Littoratnr.
705
merkt : Id noie domini Amen. Nos Johannes de gioh ^) oano-
nioos et archidiaoonos in ecolesia horepotin (?) reyerenduB in
Ohristo Andreas Kendel Tioarius bim ynfert (?). Aof freien
Blättern sind mehrere liturgische Stücke handscbriftlich nach-
getragen.
Eirehremda« Es sind 8 Altarwerke zu untere
scheiden. Die Figuren des ersten sind an den Sockeln
durch Legenden beseichnet £s erscheint sehr gewagt, an
diesem keineswegs vorzüglichen Werk nicht weniger als S
Tcrschiedene Schulen zu entdecken. Die „blauen Kreise mit
Füllungsmuster'' sind Bosetten mit gotischem Fischblasenmafs-
werk, doch modern. Die Gemälde sind ganz im Saalfelder
Geist. Auf der Verkündigung Spruchband: ÄVG fliGHÄ»
t^.XeCVM. Die „andere Darstellung" ist Gottvater aus
Wolken herabschauend, wie gewöhnlich über der Verkündigung.
Das zweite Werk scheint eine Apostelreihe enthalten
zu haben. Denn die noch vorhandenen sind am Bücken
numeriert und zwar mit III. (Petrus), VII. und VIIL Nehmen
wir an, dafs in der Mitte etwa Maria und Anna aufgestellt
war (wie in Tonndorf) und Petrus mit III. die Beihe eröffnete,
so würden wir, Paulus als Nr. IV eingerechnet, mit VII auf
Bartholomäus kommen, der auch genügend durch das Messer
bezeichnet ist, mit VIII. auf Thomas mit dem Stab.
Von einem dritten Werk sind nur Maria (?) und der
Diakon übrig, im Stil der älteren Saalfelder Schule, sehr
plump und in bunten Farben ohne Goldaufwand.
Glocke: DVBCH DAS FVWB BIN ICH GEFLOSSEN
HEBMAN EONIGE IN EBFVBT HAT MICH GOSSEN
1604, darunter Belief des Bartholomäus mit Messer, die ab-
gezogene Haut über dem Arme hängend. Eleidnng ganz
getreu nach dem Eanon des Durandus: albo pallio induitur,
qnod per singuloB angulos habet gemmas purpureas, Otte I, 560.
Krakendorfl Folgende zwei Werke sind von L. nicht
gesehen :
1) Möglicherweise ist Haos von Gieh der junger, welcher 1496 im
Oefolg der Grafen von Schwarsbnrg erscheint. spXter Kleriker geworden.
XVII. 46
706 Uttmtur.
1) la der Sakristei Pieta, spätromanischy Marmor, mit
dem jetst abgebrochenen Sockel ca. 36 cm hoch. Maria mit
ICatronenscbleier, welcher auf der Brost mit dem Mantel
durch einen grofsen runden Knopf zusammengehalten wird,
auf einem thronartigen Sessel sitzend, hält den Leichnam des
Sohnes quer über die Knie gelegt. Mit der B echten unter-
stützt sie den Kopf, mit der Linken hebt sie die Linke des
Todten leicht empor. Der Leichnam Ohristi bietet das Bild
starrer ünbehülflichkeit. Die Arme sind namenlos lang und
dünn, die Hinde viel zu grofs mit fast gleich langen, aus-
druckslos aneinander gelegten Fingern. Das Problem der
Körperlänge, von Michelangelo später so meisterhaft, ist hier
ganz gewaltsam gelöst, indem die Oberschenkel unnatürlich
kurz gebildet sind, die Unterschenkel aber, doppelt so lang,
scheitartig bis auf den Boden reichen. Der Herr ist noch mit dem
kurzen Rock bekleidet, trägt aber bereits die Dornenkrone
und die 6 Wundmale. Die Bildung der Gesichter ist höchst
eigenartig. Die Augen quellen aus tiefen Höhlen krebsartig
hervor, wie gewöhnlich auf den romanischen Elfenbeintafeln.
Der Nasenrücken ist im Sattel tief eingeschnitten, läuft tob
da gerade und spitz aus und bildet mit den Flügeln einen
stumpfen Winkel. Der Mund der Maria ist ganz schmal,
Ton zwei scharfen Falten begrenzt, die Lippen stark und
spitz aufgeworfen, während der Mund des Herrn breiter und
geöffnet ist und mit stark hervortretender Unterb'ppe den
Eindruck des gewaltsamen Todes erreicht Haare und Bart
sind wie Stricke aneinandergelegt, die Kippen treten nach
Art der romanischen Skulpturen unnatürlich aus dem Leibe
heraus. Die Falten des Mantels sind einfach und nur leicht
markiert. Wir dürfen das wohlerhaltene Werk in den Anfang
des 18. Jahrhunderts weisen, und es ist um so interessanter,
da in Orlamünde (Rathaussammlung) ein ganz gleiches —
wenn auch sehr verstümmelt — erhalten ist, allerdings von
L. um der kleinen Reliefs am Sockel willen viel zu Mb
datiert Heft IIL 146.
2) Von einem spätgotischen Altarwerk ist noch er-
Litteratur.
707
halten Tod der Maria, Tempera auf Lein wand, in der
südlichen Empore über der Sakristei als Brüstung mit yer-
nagelt (I), sehr beschädigt. Maria, auf dem Bett liegend, ist
mit einem purpurnen, ananasbestickten Tuch bedeckt, von den
Aposteln umgeben, von denen noch 9 erhalten sind. Petrus
reicht ihr die Sterbekerze and besprengt sie mit dem Wedel,
Johannes hält den Weihwasserkessel, während die übrigen
betend oder lesend und nicht immer glücklich um das Lager
gruppiert sind. Die Namen und teilweise auch die Attri-
bute machen noch kenntlich: Jacobut^, p4UlU0 m4ti40
p|>iUpptt0. Die treffliche Charakteristik der Gesichter, die
leuchtenden, kräftigen Farben lassen selbst in dieser voll-
kommenen Zerstörung noch eine Ahnung der ursprünglichen
Schönheit aufkommen.
Lcngcfeld« Nach Süden ist der Chor durch eine höchst
ungeschickte Mauermasse gestützt, die einen Strebepfeiler
darstellen soll.
Auf dem Kelch lies Erbsse, auf der Weinflasche Trinekler
und füge hinzu: Hostienbüchse rund, Zinn: Elisabetha Mar-
garetha Eine gebohme Ffeifferin Hat diese speise Büchse in
die Kirche verehret, da sie den 29. April das erste mahl zum
heiL Abendmahl geschritten in Lengefelt 1764.
Linda (nicht bei L). Grolsherzogl. Kammergut östlich von
Meehelroda, vor welchem ein ummauerter, verfallener Fried-
hof mit 2 Umendenkmälem. Derselbe ist 1746 angelegt, als
eine zu Besuch in Linda weilende Frau aus Blankenhain dort
starb und von Weimar der Leichenkondukt nicht gestattet
wurde. „Also hat das gräfliche Consistorium befehl ertheilt,
dafis dieselbe auf gedachtem Vorwerk beerdigt werde. '*
Wenige Schritte davon die Beste einer alten Befestigung,
eine 2 m hohe zerfallene Mauer mit dem Ansatz eines
Tonnengewölbes.
Lotschen« Kirche. Über dem östlichen der Süd-
fenster: MST . S . P . RUDIGER. „Ehemaliger Taufstein —
Sandstein'^ nein Kalk.
Magdala« Kirche. Die gegebene Orundrifsform ist
46*
708 Litteratnr.
fehlerhaft Der Turm hält im Süden die Linie der Laaghau»-
mauer inne. — E» ist nicht der geringste historische Anbalt|
den Nordhaa für einen früheren Turm aossugehen. Vielmehr
scheint hier eine alte Kapelle erhalten zn sein (vergL Gtöttein),
da unter dem schmalen Ostfenster die Altarreete noch er-
halten sind.
Der jetzige Chorbau ist nicht yon 1613, sondern yon
1516. Denn die Inschrift heilst: AtltlO btÜ.mPry'pVt^ 3n
ponovi ioi« baptifU 9ftet>in>r c^or^ ifie. Dahinter auf
einem Schild das Meisterzeichen ^. Woher L. die Worte
f>t>i inc^O C^Ot.pne fbt>cn>r genommen hat, ist rätselhaft,
zumal Professor Ooettling in Jena schon 1849 die Inschrift
richtig gelesen uod gedeutet hat.
Das gutgekehlte Sockelgesims reicht um die ganze
Kirche, daran mehrfach die Zeichen 1/ J^ T
Der Turm (wir erfahren nur von einem Westtarm) ist
1610 als baufällig abgetragen und nach den Kirchrechnungen
1611 — 13 neugebaut worden. (Of. Freyberg in Weim. Zeitung
1888, No. 177 mit näheren Angaben.)
Die Inschrift; am Kanzelbau ist zweifellos in Yersen ge-
geben, und zwar in solchen, die dem Stile des Werkes sehr
ähnlich sind:
In 1739ten Jahr
Vom Tischer aufgeführt
Als 1763 war
Tom Mahler ausgeziert*
Grabstein. Das Wappen ist 2 mal quergespitzt wie
das der Krechmar und GreuTsen, die Inschrift lautet:
ÄRO.DE. (MC) aoLxnn.ro* (Christo obiit?)ws6is.
Dä»G»,».QI2 + Man wird Witigis lesen dürfen und in
der Jahrzahl statt 4 auch X setzen können (1364 oder
1324). Die Persönlichkeit festzustellen, ist noch nicht ge-
glückt, doch wird man mit ziemlicher Sicherheit einen yon
Greufsen (Gruzen, Grusen) yermuten dürfen, da 1371 ein
Otto von Grusen als Yogt der Grafen von Orlamünde auf
Litteratnr.
709
liagdala genannt wird (Beitsenstein Beg. 188 Sp. 1). Das
Wappen dieseB 1659 aosgeetorbenen Oeschleohts seigt in der
That im silbernen Felde 2 rote Spitzen.
Gedenktafel des Klein von Oleen: statt Ehrenvest
lies Mannveste, statt Sein lies königl., statt Hochemeritirter (!)
lies Hochmeritirter, statt Herstgmnn lies Yorstprunn.
Glocke 1 lies EVECHGEN und füge ein GEN MADBL,
weiter unten HEBEN. Es ist wohl ein Ters:
Eckhart Euechgen gos mich
gen Madel gehoer ich
ZT rvffen
die Christen zr hoffe (zu Häuf)
das se leren (lernen)
den weck des heren
,,mit dem gleichisohen Löwen'' — dies ist das Stadtwappen,
yergl. unten Bathaus.
Glocke 2 (yom Bürgermeister Heinrich Bingler der Stadt
geschenkt) lies BYF. Auch hier 2 mal das Stadtwappen.
Glocke 8. ,,Im Schalloch . . nur h a 1 b zu lesen : . . . EBBETTE
DICH SOBALDT DV HOEBEST KLINGEN MICH . . . EVTZ
BEG. CONS. M. GEBHABT GOTTFBIED BANIS PA "
Yom Lehrer Freyberg richtig gelesen:
Zur Kirch ynd Schyl bereite dich
sobaldt dy hoerest klingen mich
IC. Gerhart Gottfried Banis Pastor Adam Pfutz reg(ierender)
Con8(ul) Fusus ego sum impensis ciyium Magdalensium
MDCCXYI gos mich Johann Böse in Yolgkstedt.
Pfarrei. Auf Bauthätigkeit yon 1634 deutet ein Stein
am Gartenthor mit S.P.M.E ANNO CB 1534.
Bathaus. Zunächst ist das ganze KeUergescholÜB der
Beschreibung entgangen. Das Portal der Westfront ftthrt in
einen yon 4 Kreuzgewölben überdeckten, quadratischen Baum
dessen Fufsboden jetzt sehr erhöht ist Die Gewölbe sind in
der Mitte durch einen Pfeiler gestützt , welcher auf einem
grofsen, kämpferförmigen, einer Altarplatte ähnlichen Tische
ruht. Der Pfeiler ist yiereckig, über der Tischplatte durch
fj^Q UtUratnr.
einfache Schmiege abgesetzt, an den Kanten abgefast und
geht mit einem schwach gegliederten Kapitell in das Gewölbe
über. An diesem sehr undeutlich TKI und Jahreszahl 1561
oder 1671. Diese Anlage gilt als Wahrzeichen unter dem
Spruche: Das Rathaus auf dem Tische steht. Nach Osten
führen 2 Bundbogenthüren hintereinander in die weitläufigen
tonnengewölbten Keller, welche keine architektonischen Einzel-
formen haben, und in der Nordostecke eine enge Wendeltreppe
in das Erdgeschofs hinauf.
Mag das KellergeschofB etwas früher anzusetzen sein, so
ist der Oberbau in seinem ganzen Umfang durch die aus-
drückliche Jahreszahl 1671 bestimmt« Das Meisterzeichen
über dem Portal, welches L. giebt, ist falsch, es hat die Form
^JF]/^ (N und T verschränkt), daneben findet sich rechts noch
^'
' , welches auch 2 mal in den Fensterlaibungen des ersten
Stocks wiederkehrt und ebenfalls die gleiche Bauzeit garantiert
Im ersten Stock begegnen noch die Zeichen ^U), im Ober-
geschofs ^ und •^. Alle Einzelformen lassen darauf schlieÜBen,
dafs der Bau um 1671 vollendet wurde. Aufserdem wird
uns von einem Brande 1677 berichtet, bei welchem nur die
Umfassungsmauern stehen blieben, und sie scheinen auch
durch spätere Brände unversehrt auf uns gekommen zu sein.
An Einzelheiten ist zu bessern: Der Männerkopf im
Giebelfeld des Portals ist nicht „zwischen Ranken'* (Zeichnung
und Beschreibung S, 146 falsch), sondern trägt den Amts-
mantel mit breitem, hochstehendem Kragen. Ein ganz ähn-
liches Kopfstück (von L. nicht bemerkt) findet sich an der
Nordmauer unten, bärtiges Haupt mit Kappe, hohem Kragen
und gepufiten Ärmeln, welche aber dicht unter der Schulter
wie zugeschnürt abschliefsen.
Tafel über dem Portal „mit dem schlechten Eelief eines
Frosches (sie!) und MännerkopfB*'. Man mufs wissen, dafr
dies das Stadtwappen ist und den dänisch-orlamündischen
Litterfttur.
711
LöweD darstellt, den die Städte Weimar, OrlamtLnde und
liagdala nach Aussterben der Grafen von Orlamtnde an-
nahmen. Magdala setzte noch einen Mädohenkopf (Madel)
hinein, wie ihn das gotische f^iQiüVtn cipitatie .' mabbala
zeigt. Später wurde daraus ein bärtiger Männerkopf, so auf
den beiden Glocken in den doppelten Schweif geflochten, den
man wohl der Johanniskirche zu liebe auf Johannes den
Täufer deutete. Auf dem Bathausschild ist in der That
unter dem Haupt ein schüsse) formiger Gegenstand, welcher
diese Deutung veranlafst hat oder aus ihr herzuleiten ist
Am Ende der Beschreibung L.'s ist statt „Westfront
ohne Wert'' Nord front zu sagen.
Maina« Kirche. Über der Westthür „eine grolse
Bundbogenthür''. Biese Öffnung ist erstens klein, kaum 1 m
hoch, und zweitens keine Thür, sondern ein Fenster.
Altar mit Steinplatte in Slämpferform.
Kanzelbau, Holz in leidlicher Eenaissance mit Pilastem,
unschön überweifst. Über dem sehr hoch angebrachten Schall-
deckel ein plumper Crudfixus.
Taufkanne: JOE 1779, Zinn.
Glocke 1: statt DANN lies DEYM und fuge hinzu: Gos
mich J.C.Bose i. Apolda 1736 Ernst August H. Z.S.W
& ., . (hier bricht der Titel ab) I.C.Weber G.S. I.C.B.
Zeidler F.A.M.G.G.Banis A.M.
Mechelroda* Die Kirche ist nach der Ffarrmatrikel
1572 gegründet: „Albrecht y. Meusebach^) hat . . . 1572 nicht
allein diese Tafel, sondern auch die Kirche sampt einem
Gottesacker . . . machen lassen und der gantsen Gemeinde
geschenkt" Mit der Tafel ist ein Altarwerk gemeint, „daran
das Grucifix gemalet, auf der ersten Seite Johannes der Täufer
und dabei die Worte: Siehe das ist Gottes Lamm etc., auf
der anderen Seite Adam und Eva, dabei die Worte l.Cor. 15:
Der Tod etc., auf beiden Flügeln yier Engel, welche das
Leiden Christi führen''. Diese Beschreibung gewährt uns
1) Die Measebach waren ein kirchenbaneodes Geschlecht, ■. Kirchen-
GaUerie von S.-A. II. 151.
>^^o Litteretnr.
eine hinreichende Anschauung des jetzt untergegangenen
Werkes, welches, im evangelischen Geist komponiert» den
Dienstedter ähnlich gewesen ist und wohl auch der g1ei<^ii
Schule entstammte. Mit dem Leiden Christi sind die Wund-
male und Marterwerkzeuge gemeint, welche in Miniaturen,
Glasgemälden und Uolzschnitten häufig erscheinen, auch die
wapen unsers here, arma christi genannt«
Die Grabplatte scheint yon Tomherein die Vorderseite
des Altars geschmückt zu haben. Sie ist keineswegs ab-
geschlagen oder beschädigt, nur ist der untere Teil durch
SrhÖhung des FuIiBbodens versteckt. Die Inschrift lies : Anno
1578 am Sonntag Septuagesima (26. Jan.) ist dis tvgendsame
(Kind oder Mädchen Anna von Ness) elrot gebom vnd ist vor-
schiten 1681 den 18. Januarii der got gnedig seii. Das Wappen
rechts oben nicht Lindenzweig, sondern eine Nessel mit
Wurzel und 6 Blättern, Kleinod dasselbe: v. Neseelrode.
Links oben: gevierteter Schild, auf 1 und 2 zwei ineinander
gesteckte Kränze, auf 8 und 4 ein Frauenkopf, Kleinod
Frauenkopf mit Hut und Schleier: v. Meusebach.
Das Wappen auf dem Kelch ist das der Freiherm von
Gumpenberg in Baiern (die Blasonierung L.'s ist unzureichend),
welche ein ganz rotes geviertes Schild ftthren. Jedes
Feld ist mit einem silbernen Rechtsschrägbalken durchiogeo,
deren 1. und 4. mit 3 Schröderhömern, deren 2. und 8« mit
8 Seeblättern belegt ist. Der Kelch mag im 80-jährigen
Krieg hierher verschleppt worden sein.
1688 machte sich eine durchgreifende Bestauration nötig,
„dieweil auch das gantze gebäw des Gottes Hauses sehr baw-
fellig gewesen, die decke item die Mawer hinter dem Altsr
wie auch der Giebel hinter dem Altar, also dafs nicht ohne
geringe Furcht, ja gar mit leib und lebens gefehrde Gottes-
dienst verrichten können.*' Ein Stein im Westgiebel (das ist
hinter dem Altar, der hier im Westen steht) giebt davon Nach-
richt: EMEN ZA SCHYMA AO 1688. (Vielleicht Emannel
Zacharias Schumann oder Emerentia, deren Sohn Hans
Melchior Schumann nach derselben Quelle 1688 zu dem neuer»
LUteratar.
718
baaten Cayet die Schindeln schenkt und noch 1694 aU Pächter
des Adelhofes aufgeführt wird?)
Das Taufsteinb ecken ist unten achteckig und nicht
Ton Sand-, sondern von Kalkstein.
Nauendorf. Da sämtliche Ofi&iungen der neuen Kirche
Tundbogig sind, darf ander romanischen Art des Triumphbogen»
stark gezweifelt werden. Die Jahressahl über der Westthür
heifst 1829 nicht 1820. Die beiden Orabfiguren der Bünau-
Bohen Kinder haben am Kleidsaum das yäterliche Wappen;
«nf dem 1. lies yerscheiden, auf dem 2. Ann . . Aug • . . is.
Links yom Altar an der Ostwand wieder eingemauert Figur
eines Bischofs mit Krummstab in der Linken, bartlos^
gotisch, doch sehr zerstört (St. Nikolaus ?X Steinskulptur.
Altarleuchter yon Zinn, nicht Messing.
Neekeroda« Von einem dreiflügeligen Altarwerk ist
der leere Schrein erhalten mit dem Baldachin in der Mitte,
für 5 Figuren bestimmt. Der linke Flügel hat ein schlechtee
Gemälde des Auferstandenen aus dem yorigen Jahrhundert be-
wahrt. — Interessant ist die Leinwand, mit welcher der Schrein
Mu^eklebt war, da hierzu der Entwurf eines grofsen Gemäldes,
Noah in den Kasten gehend, yerschnitten wurde. In der
Mitte eine Menge Tiere, rechts und links 2 Männer in
aohwarzen Konturen stark umrissen und in den Farben leicht
angedeutet, wie der Meister sie seinen Gesellen zur Ausführung
überliefe. Ringsum Schriftbänder: fX)VC — IVÄ^TA (iu-
menta).ÖT.Rai>TnjLBL, oben (B)«STLBLe. TR« (terrae)
eX.IVUlTÄ «T 0..., links LBLIII ROlttlHQ.ÄD.
ymtÄGIHQ QT . . (Aus Gen. 7. nach der Vulgata yerkürzt.)
Über den Kelch Nr. 1 yergl. zu Hochdorf.
Niedersynderstedt. Kirche. „E.H. S. V.M. aufsen
über dem NO.-Fenster'^ Der mittlere Buchstabe ist nicht S
SU lesen, sondern nur Punkt mit Schwänzen zur Trennung
der beiden Namen.
Über dem Schalldeckel nicht segnender Christus, sondern
Gottyater mit Weltkugel, nicht Figur, sondern Bruststück,
Bieht farbig, sondern weifs.
714
Litteratar.
Obersynderstedt» Kirche yon 1709, wie ein Sieia
über der Thür zur Empore mit MD (Roee) GGIX anzeigt
Doch scheinen ältere Beste benutzt za sein, in der Sakristei
Sakramentsschrein, spitzbogig mit Eisenthür.
Die Malereien an den Emporen sind allerdings sehr
kindlich. Das kann indessen nicht hindern, ihren trefflichen
Sinn zu würdigen und sie als letzte Ausläufer einer yolks-
tümliohen Darstellung zu ehren, welche Ton den Kalendern
und Armenbibeln des katholischen Mittelalters ihren Weg
auch in protestantische Kirchen gefanden haben. Es ist eine
bildliche Darstellung des Glaubensbekenntnisses nach der
Legende, dafs jeder Apostel ein Yersikel dazu geliefert und
anch die Propheten die einzelnen Glaubenssätze schon an-
gedeutet haben. Das wird durch die Unterschriften aus-
gedrückt: (Von) Jesu zeugen alle Propheten, da£9 durch seinen
Namen alle die an Ihn glauben yer(gebung der Suaden em-
pfangen sollen. Apgesch. 10. 43) und unter der Apostelreihe:
Ihr werdet zeugen yon MIR, ihr seyd yon anfang bey mir
gewesen Joh. XV (27).
Von den Propheten, an der oberen rechten Empore,
sind nur 11 kleine gegeben. Maleachi fehlt, weil die
Emporen später um ein Feld yerkünt sind. Sie erscheineD
ohne Attribute mit den Gesten des Predigens. Yon den
Aposteln (links) ist gleichfedls der erste (Paulus oder Jo-
hannes) zerstört, die übrigen in der Eeihenfolge nach Matth. 10.
2 — 4, durch Unterschriften und Attribute kenntlich, auch in
den Gesichtern findet sich noch ein Anklang an die alten
Typen. Judas Ischarioth im üblichen gelben Mantel ist ein
ganz freundlicher Herr und hat dem Künstler sicher nicht S
schlaflose Nächte gekostet.
Die Felder der unteren Emporen bieten eine explanatio
symboli in 24 alt- und nentestamentlichen Scenen. Aus dem
A.T. unten rechts: 1) SündenfalL 2) Vertreibung aus dem
Paradies. 8) Sintflut, Gen. 7. 4) Loths Bettung, Gen. 9. 5)
Isaaks Opferung, Gen. 22. 6) Jakobsleiter, Gen. 28. 7) Die
Gebung des Gesetzes auf dem Berge, Num. 19. 8) Die Kund-
Litterfttnr. 7|5
«obafter, Num. 18. 9) Die eheroe Schlange, Num. 21. 10)
Eliae Himmelfahrt, 2 Beg. 2. 11) Simson mit Löweo, Jud. 14.
12) Daniel in der Löwengrube.
AuB dem N. T.: 1) Anbetung der Weisen. 2) Jordan-
taufe. 8) Yersnohnng. 4) Verklärung. 6) Einzug in Jem-
salem. 6) Die 5 klugen und 5 thörichten Jungfrauen. 7) Abend-
mahl. 8) Kreuzigung. 9) Auferstehung. 10) Himmelfahrt.
11) Ausgiefsung des h« Geistes (zu einer Bank im Altarraum
yersohnitzt). 12) Weltgericht, zerstört, nur ein paar Bretter
erhalten.
Eine ähnliche, aber reichere Darstellung in der Kirche
zu Lippersdorf, 8.- Altenburg, Heft 11, S. 22. Zur Sache
Wemicke im Christi. Kunstblatt, 1887, 108 ff.
Figuren. Die 3 anderen Heiligen sind Maria mit Kind
(abgebrochen) auf der Mondsichel, Katharina (?) und yon
einem zweiten Altarwerk oder Einzelfigur Maria sitzend, früh-
gotisch mit yergnügtem Lächeln, sehr roh, also wohl Pieta
oder von einer Anbetung der Weisen. — Das gröfsere Werk
läfst sich mit seinen 5 Figuren rekonstruieren, wenn wir in
die Mitte Maria, rechts Barbara, links Katharina und auf die
beiden Flügel Sebastian und Johannes setzen. Die Figuren
sind sehr schön gewesen.
Hostienbüchse von 1619, rund, Zinn, mit geprägtem
Medaillon: Noah, dessen Frau und 1 Sohn vor dem Altar
knieend, mit der Unterschrift N0£ GIENG AYS DEB ABGH
GETBOST GPFEBDT 16 GGTT 19.
Kelch 1689, Zinn, mit aufgelegtem Kruzifix, sehr
bauchiger Kuppe.
Rottdorf. Altarwerk. Yon den geschnitzten Figuren
ist links oben nicht Thaddäus, sondern Jakobus minor mit
dem Walkerbaum (in Thüringen fast regelmäfsig wie hier
Geigenbogen), rechts oben, wenn am „Typus kenntlich'', nicht
Bartholomäus, sondern Philippus, da er bartlos ist. Aber
auiÜBerdem hat er ja den Kreuzstab in der Linken.
Die Figuren sind sehr derb und massig, wohl nach guten
Yorlagen von schlechten Händen, die Frauen und das Kind
716 LittenUar.
0Ogar grob auBgefallen. Die Gemälde sind ungleich besser
nnd scheinen Cranach nicht fern zu, stehen. Die Yerkündigong
ist in das Gemach der Maria yersetst, welche mit gekremten
Armen yor einem Betpalt kniet, die Taube schwebt neben ihr.
Auf einem Wandbrett oben rechts stehen 2 Arzneiflasdien
und ein Napf mit „{)edF0fetr^'_(Daehsfstt) — 2 Spruchbän-
der mit: AV€ Gvacia ple bne recum und Scce ancilU
bomini flar mt' fcbm t>etblt ntlim. — Das Abendmahl
im Sockel ist eine schlechte Schülerleistung.
Figuren auf dem Dachboden. 1) Ein Auferstandener,
scheint aus dem Torigen Jahrhundert, gewöhnlich. 2) Oruci-
fixus, gotisch, unnatürlich hager, doch der Kopf wunderyoll
durchgearbeitet, giebt meisterhaft den Ausdruck tielbten
Schmerzes wieder, welcher im Tode aufgelöst ist
Auf dem Kelch: Eottorf wiegt 21 loht 1| quent^
dazu Patene mit Weihekreuz und goldenes Kelchlöffelchen.
Hostienbttchse Zinn, einftush rund: Verehret der Kirche
zu Kottdorff Yon Johan Georg Münch Ano 1765.
Glocke: VBBBYM DOMNI MANBT IN JBTEBNVM
1660.
Saalbom. Auf der oberen Leiste des rem. Altar-
kreuz es ist über der Hand Gottes hinzuzufügen: DBXTBBA
DNI (nach Ps. 118. 16).
Kelch. Die „Stifter-Inschrift'* lautet: M. Nicklas Bauer
(Pastor) Hanf Kin A.Man aüo 1671. Hieraus geht hervor,
dals der Kelch yon der Gemeinde gekauft wurde. Ebenso
Patene, beide mit Hh.
Altarleuchter Zinn: Johann Nickel SöUner 1781.
Glocke 2. Anno 1681 gos mich Hans Wolf Geyer in
Erffvrt V.D.M.I.^.
Schwarza. Kirche. Das rechteckige Ghorfenster mit
einer tiefen Hohlkehleneinfassung und sich kreuzenden Kanten-
stäben weist auf Bauthätigkeit im 16. Jahrhundert. Der
Stein yon 1716 ist ein Oyal mit Blätterumrahmung: AG 1716
Hanfs Heinr. Werner Schultth. Nikoll (?) Amann Altarist —
Aber der gröfste Teil des Mauerwerkes ist neu und zwar
LUtoTAtar. 717
TOD 1826. Ackermann, S. 165. Eechts neben der Tafel ein
Stein mit schwörender Hand (Wahrzeichen?)
SSUnitz. Tanfkanne Zinn: E.E.SELNITZ 1786.
Glocke:
Sobald ihr höret meinen Schall
Zar Kirche euch yertamlet all
Im Namen Gottes goss mich Martin Eose etc.
Stadtremda* Statt Tnrmtreppen- ist Eanzeltreppenauf-
gang za sagen, östlich vor den Turm war in gotischer Zeit
ein Ghorbau yorgelegt» too welchem noch der spitze, jetzt
bis auf die Sakristeithür vermauerte Ghorbogen und die nörd-
liche und südliche Wand erhalten sind. Dieser Bau scheint
aber bald wieder abgetragen zu sein, da die beiden Wände
jetzt symmetrisch abgetreppt, zu Strebepfeilern yerkürzt sind
und an ihren östlichen Stirnseiten gotische Belieftafeln trugen,
Nur die nördliche derselben ist arg zerstört erhalten. Doch
ist yon einer Kreuzigung noch Kopf und Arm des Heilands,
eowie die Bedachung und der mehrfach in Rundstäben und
Hohlkehlen gegliederte Sockel erkennbar.
Die Abendmahlsdecke ist ein Kissenüberzug (S. 168).
Sundremda. Das Taufbecken im Pfarrgarten ist nicht
achteckig, sondern rund.
Tannroda* An der Ostseite des Turmobergeschosses
€H . H . BOERMEL M . D . GGCXXV. Die Kirche ist thatsäch-
lieh aus den Steinen des Schlosses gebaut, welches Garl August
der Gemeinde zu diesem Zweck überliefs. Auch sind damals
die Michaels- und Annenkirche niedergelegt und das Material
mit y erwendet worden.
Auf dem 2. Grabstein lies WITTERN . . VNDT . .
VORLEI. Aniser den beiden erhaltenen Grabsteinen wurde
noch ein grofses Grabmonument aufgestellt, wovon drei Eiguren
im Besitz des Herrn Zieglers Cyriax in Berka gerettet und
in dessen Garten aufgestellt sind. Es sind Vater, Mutter und
Tochter, knieend mit gefalteten Händen, der Ritter barhaupt
in Plattenrüstung mit Giseliernachahmung, Hände und Degen
abgebrochen, die Edelfrau in Haube und langem Witwen-
718 Litteratvr.
Bchleier, hoher Halskrause und gesticktem Kleid, das Fräulein
mit einem Kränzchen im Haar, welches lang und frei üher
die Schultern fällt, das Kleid mit Ananasmuster hestickt Die
Figuren sind aus Beeberger Sandstein, ca, 60 cm hoch, aulser
einigen gewaltsamen Beschädigungen noch wohlerhalten. 1825
wurden sie mit anderen Bildwerken (es sollen 2 Wagenladungen
für 2 Thlr. yerkauft worden sein) aus der Kirche zu Tannrods
nach Berka geschafft und bildeten mit den yerloren gegangenen
ein Monument etwa nach der Art des dem Herzog Johann
und der Dorothea Maria in der Stadtkirche zu Weimar er-
richteten (Heft XVIII, 8. 243). Hinter den Figuren dürfen
wir eine biblische Darstellung vermuten, und wenn die Br-
innerung alter Zeugen nicht trügt, die das ganze Werk noch
gesehen und yon Teufelchen erzählen, welche die Verdammten
in die Flammen zerrten, so wird auf ein Weltgericht ge-
schlossen werden können. Nach anderer Erinnerung soll das
Monument in der Michaelskirche zur Seite des Gleichenschen
Kirchenstuhles gestanden haben. Auf der hölzernen £^
innerungstafel wird zwischen dem Epitaphium and dem Grab-
stein ein Unterschied gemacht:
Dehn zum christlichen Oedäohtniss
Dies Epitaphium setzen liefe
Von Wittern Frau Elisabeth
Wittwe geborne von Bemstedt
und weiter unten:
Auch das Epitaph und Grabstein
Für Mutwill und Schand bewahren fein.
Das Epitaph ist also das Wichtigere gewesen. Da aueh
Ton „ein Gantsel neu" geredet wird, welche offenbar aaeh
yon Stein und gleicher KunstvoUendung war, so ist die b8^
barische Yemichtung dieser Werke tief zu beklagen.
Auf dem Grabstein des jungen y. Bünau lies IVLT . . •
BINAY VD (und) THaNRODA. Füge hinzu ab Ktinitl6^
monogramm F.F.
„Kelch aus dem 16. Jahrhundert'' yergl. unter Hoch-
dorf.
Litteratar. 719
Krankenkeloh, lies Jakob Eemmer (sohwedisoher Lieut-
nanty starb in Tiefengraben).
Stahl in der Sakristei mit darchbrochener nnd ge-
schnitzter Lehne, sehr knnstlos den Sündenfall darstellend:
in der Mitte der Baam mit der Schlange, links Adam, rechts
Eva, das Qanze von gesohwangenen Omamentleisten eingefafst.
Die Arbeit scheint dem 14. Jahrhandert angehörig.
yyKelch ans dem 16. Jahrhundert'' vergl. darüber anter
Hochdorf.
Glocke No. 8. Das Medaillon 2 ist nicht yon einem
Fünfpafsy sondern Ton einer Weinranke umrahmt, die im
Sechspals geschwungen nnd mit Trauben besetzt ist Der
Engel mit Flügeln und Glorie and die Jungfrau zeigen noch
ganz die ängstlichen kleinen und regelmäfsigen Falten der
früheren romanischen Skulpturen. Zwischen beiden auf einer
gedrehten Säule die Lilie und ein Spruchband: AHÖOITS
MOa (Angelus-Maria?). Darüber Gott Vater mit der Welt-
kugcL
Das Medaillon No. 8 ist Christus als Weltrichter (maiestas
domini) auf dem Thron, No. 4 sitzende Figur, bartlos mit
Laubkrone, das Lilienscepter in der Rechten (vergl. Göttern),
8 kleinere Figuren klettern auf der linken Seite empor, die
oberste mit Glorie. Unten am rechten Knie eine ganz un-
deutliche Figur. An eine misericordia Mariae zu denken,
liegt nahe. Es kann aber ebenso gut eine profane Dar-
stelluDg sein.
Welchem Eirchenbau die Schrifttafel in der Bibliothek
zu Weimar entstammt, wird schwer zu entscheiden sein:
Anno dni MGGC<^LOIIII<> edificata e(st) cappella ista Hh a dno
hnr (henrico) plebano dicto Hh • • nest ö (cum) cös(en?)sa
dfior de Hh tanroda (in Majuskeln).
Thangelstedt. Von den Bundbogendoppelfenstem des
Tormobergeschosses ist nur das westliche nach dem Langhaua-
dach hin etwas yermauert, die übrigen sind noch offen.
Es ist unendlich zu beklagen, dafs die Inschrift des
Altarwerks gerade da rettungslos zerstört ist, wo sie an*
720
Littoratnr.
flogt, wichtig SU werdeo. Doch ist am Ende wenigsteoB
noch deatlioh t>0 falf... Die yergleiohende Fonohung wird
Tieileioht beweisen können, dafs es „yon Salfeld^' hiels. Auf
dem Eoisboden der Yerkündigung ist mit Rötel gesehiieben :
Magna yirtos. (Im Lentolosbrief wird Christas Tir magnae
virtotis genannt).
Taufkanne und Schale, letztere mit S.D. y. Wits-
leben 1718. Giefsersignet : drei Schilde reehts and links
Baum mit CT., in der Mitte schreitender Löwe mit 169fi.
Am Friedhofsthor: Apo XIIII (Offenbg. 14. 13) SELIG
SIND DIE TODEN.D.I.H.S. AO 1609.
Im Pfarrgarten Tauf stein rund mit einfS^hen Leisteo
versiert und yiereokigem Sockel; der Schaft fehlt. An dem
Beckenrand: ANNO DOMINI 1586. IST DISBR TAVF-
8TEIN GEMACHT «IQ«
Am Haus der Kirche gegenüber Stein mit H.V . I. 0.£
1570, darunter: 17 J G E 66.
Tiefeiigmbeil. Glocke l. Die Reliefs sind folgende:
1) Christus in einer Mandorla als Weltrichter auf dem Thron,
das Buch des Lebens in der Linken. 2) Männliches Bmsi-
bild mit hoher Mütze, bärtig, das IJntergewand bis unter
das Kinn geschlossen und mit einem Kreus ^ behangen.
Auf dem Mantel rechts und links sind Dreipässe. Es
scheint eher eine fürstliche als eine geistliche Person sa
sein. 8) Opferung Isaaks. Eine jugendliche Person in leb-
hafter Bewegung schwingt in der Rechten ein Schwert über
einer kauernden, bärtigen» welche die Glorie hat Links ein
Bauwerk (Altar), darüber schwebt ein Engel mit einem Her
in den Händen. Trotz der Dmkehrung der Gesichtstypen
entspricht die ganze Komposition yöUig der Oblaiio Isaac
4) „Geflügelte Engelsköpfe«. a) Engel mit Flügeln und
Glorie, ein Band haltend, worauf: MATHCVS, so zweimal
nebeneinander; b) ausschreitender Löwe, auf welchem eine
Gestalt kniet in einem Fünf^MifiB (Markus)^); c) Stier geflügelt
1) Diese niofat hiaflge Dantellaag des ETtngelisteii findet tich soeli
auf einer Glocke sn Thmlleben, Heft V, 8. 49, dort allerdingB Ton L.
mH „Siowon" erklirt
Litteratar. 721
mit: 8T LYCAS d., Adler in einem Fün^afe (Johannee), also
in Summa die vier Eyangelistenzeichen.
Tonndorf* Ei rohe. Der Orandrife wie die Mafse
sind falsch. Der dreiseitig gesohlossene Chor setzt unmittel-
bar an das Langhaus an. Der Schild der Glofse ist nicht
„yiergeteilt" (man würde geviertet sagen)^ sondern geteilt.
Darüber in der Inschrift lies: Georgii incepta.
Die Überdachung der Sakramentsnische hat die Form
des Eselsrückens. An den Ecken des Chors die Zeichen
-,->.
Altarwerk. Die Inschrift heifst: |>Uf fatlCta atltia
falb britte.
Die h. Sippe bietet eine vollständige Personnage, zu-
sammen 7 Männer^ 5 Frauen, 8 Kinder. Die Anordnung
ist weit geschickter als sonst und die Gliederung der Ver-
wandtschaft durch 2 Bänke yeranstaltet Auf der ersten
sitzen 4 Frauen, nämlich, von links anfangend, Anna, dann
Maria mit dem Kind, und die beiden anderen Marien mit
ihren 6 Söhnen. Auf der 2. Bank über der h. Anna ihre
3 Männer, rechts über der Jungfrau Joseph. Hinter der Lehne
der 2. Bank stehen über ihren Frauen Alphäus und Zebedäus,
dazu wohl Zacharias und links ebenfalls hinter der Lehne
Elisabeth mit Johannes dem Täufer als Wickelkind. Die Über-
malung ist sehr störend.
Die Innenseite des Flügels mit der Jagd des Binhoms
scheint am wenigsten übermalt, die Spruchbänder jedenfalls
gar nicht, denn ganz korrekt mittelalterlich sind der englische
Grufs! %w QVacia pleita Mie tecum, dann die alttestament-
lichen Vorbilder der unbefleckten Empfängnis, nämlich die
von L. bemerkten: ottta auvta, peUi0 Qibtcnif^, rubu0
tnoifl; und die yon ihm nicht bemerkten : pottd tfcdfitlif^,
t>irga arott und fttne eittgenatite. Dazu die Hunde: paj:,
n>ereta0, iueticia, mieerecorMd 0-
1) Diese dem Mittelalter sehr gelftafige Darttellang des ErKtooogs-
ratschlosses bat Piper vortrefflich erklärt im Evaog. Kalender 1859. Da*^
XVII. 47
722 LltUritur.
,,0rab8teiD'' (?) mit Ereuaigaog Christi. Die Fü&e de»
Herrn sind noch nicht gekreuzt, dagegen die Arme schon
angenagelt Eine Abbildung dieses interessanten Werkes
wäre um so dankenswerter, weil man sehen könnte, daTs die
beiden Figuren Maria und Johannes (bärtig?) nicht knieen»
sondern stehen. Der Querarm des Kreuzes ist zu beiden
Seiten des Hauptes rundbogig ausgeschnitten, darüber der
Titulns INRI. Die Sonne hat ihre Scheibe um das Haupt
Dach ist sie das Resolut too 2 getrennten Vorstellungen, dem Streit der
Tagenden und der Jagd des Einhorns.
1. Die Tagenden. Der h. Bernhard hat nach dem Vorgang
dar Griechen und Anselms die Parabel erzählt (sermo I in annont. b.
Mariae), dafs die 4 Tagenden Friede and Barmheriigiceit, Wahrheit und
Gerechtigkeit (nach Ps. 85. 11) dem ersten Menschen als Begleiterinnen
mitgegeben, im Sfindenfall verloren, sa Gott saräckkehren and Tor seinem
Throne Aber Rettung and Vemicbtang des Menschengeschlechts strMten.
Da sie sich nicht einigen kdnnen, entscheidet der Richter: Es geschefa« ein
guter Tod und Jede von beiden hat, was sie will. Aber da kein Gerechter
unter den Menschen gefunden wird, erbietet sich Gott selbst, den Tod au
den; die Tugenden sind yersdhnt und geben sich den Friedenskufs.
2. Das Einhorn ist nach altklassischer Sage von solcher Wild-
heit, dafs es sich Ton keinem JXger fangen läfst, doch legt es einer
Jungfrau den Kopf in den Schols. Die Deutung auf die unbefleekt»
Empfbignis lag nahe, und in den Legenden ist Gott der Himmel^figer,
der sein e i n geborenes Kind (E i n hom) auf die Erde in den Schols der
Jungfrau trieb.
Beide Vorstellungen, in den Mysterien und im geistlichen Volkslied
mehrfach behandelt, werden nun durch die Kunst vereinigt, cugleich ttb«r>
nahm Gabriel das Amt des Jägers, und ihm wurden in Gestalt von Hnn*
den die 4 Tugenden beigegeben, Maria aber in den hortus conclnsos ver-
setat, dessen Mauer nur das Einhorn überspringen kann.
Als dritte Kunstvorstellung kamen dann im 15. Jahrhundert die
Übrigen, dem alten Testament entlehnten Typen der unbefleckten Em-
pflbignis hinsu, nämlich: 1. Das MannakrÜglein, urna aurea, nach 2. Mos.
16, 82, goldene Gelte Ehr. 9, 4. 2. Der Gartenquell, fons signatna,
Hobel. 4, 15. 8. Der griinende Stab Arons, virga aron, 4. Mos. 17« 28.
4. Porto Eiechielis, Es. 44, 1^8. 5. Das Fell Gideons, pellis gideonis,.
Rieht. 6, 87. 6. Der feurige Busch Mosis, mbus moisi, 2. Mos. 8, 2, welche
alle die himmlische Befruchtung andeuten. Anderwärts erscheint noch der
Stern Jakob und Aurora. — Otte l, 509, Jameson, Legends of the Madonna,
p. 45. Wemicke im 21. — 26. Jahresber. des Hbt. Ver. au Brandenburg.
Litterator. 723
irad die Hände gefaltet; sie scheint weiblich^). Das Werk hat
wohl als Verzierung eines romanisohen Kirchenbaus etwa in
einem Tympanon gedient, ist später weggeworfen und 1665
wieder in irgend einer Weise restauriert und aufgestellt wor-
den. Denn nur diesen Inhalt kann die Inschrift gehabt
haben: ANNO DNI MDLXY PA8T0RE ADAMO ÜESINO
PPEQTO H . . N (Henrioo)^ der untere Band ganz losge-
blättert: SCHOLABCHA JÖÄ Ey(ring). Der Gttte des Herrn
Adjunkt Hifsbach verdanke ich die freundliche Mitteilung,
daÜB Adam Ursinus Mühlbergensis 1563 — 90 Pfarrer, von
1562 an Johannes Euring Schullehrer und Kapellan, von
1662 — 78 Friedrich Heinrich John Schlofshauptmann (prae-
fectus) gewesen. Seinen jetzigen Standort hat der Stein erst
um 1830 durch den Lehrer Qeorg Heinrich Huschki erhalten,
welcher ihn an die Kirchhofsmauer setzen liefs.
Tromlltz. Kirche. Der Grundrifs und die Mafse
sind unverständlich. Der Ostteil ist im Grundrifs weder
aufsen noch innen von dem Mittelteil zu unterscheiden.
,,Taufkanne aus dem 18., Taufschale aus dem 17. Jahr-
hundert'^ Beide sind gleichzeitig aus der Mitte des vorigen
Jahrhunderts, wie schon die beiden gleichen Allianzwappen
beweisen. Der männliche Schild ist geteilt, unten Mauerwerk,
aus welchem ein Springbrunnen aufsteigt, auf dem Helm
Pfauen wedel, der weibliche geviertet, im 1. und 4. Feld aufrecht
stehender Löwe — bei L. wiederum Erinnerung an die Gleichen-
sehen zu Blankenhain, vergl. Magdala — im 2. und 8. je
3 Bäumchen, auf dem Helm Turm mit Pfauenwedel v. Schwar-
zenfels'). Das eine Schild der Baschau gehört zur Orgel
1) Gewabnlich stehen Maria and Jobannes der Evangelist unter
dem Krens, wfthrend neben Christas als Weltrichter Maria and Johannes
der TKafer (bftrtig) erscheinen. Diese Begel leidet aber Aasnabmen, wie
hier und anf einem Belief an der katholischen Kirche sn Jena von 1S77,
Heft I, ist, wo der Tinfer sein Fell wie eine Kapose fiber den Kopf
gesogen hat. (L. beschreibt ihn „mit angewöhnlich grofsem Kopfe", aaoh
sind dort die „tröstenden Engel" als Sol und Luna aufaufassen.)
2) Der Stecher hat insofern einen Fehler begangen, als die Schwaraen-
fels im %, und 8. silbernen Feld einen schwarsen Felsen, also redend
47*
724 Littaratar.
und giebt den Stifter an: 1707 OBOBG HEINRICH YOK
BASCHAV. Die Orgel selbst ist mit naturalistischem Pflanaen-
werk, Blumen und Fmohtstüoken yersiert, in den Farben
noch sehr gut erhalten, sonst höchst primitiv und hat viel-
leicht Museumswert.
Die Wappen über dem Schlofsportal haben die Um-
schrift: E.D.y. (von) V(olg8tedt?) und C.M.V.V G.V.8
(Charlotte Marianne von (Volgstedt?) geborene von Schwarsen-
fels, Mitt. ftlr Kahla und Boda lY, S. 889) und sind denen
an den Taufgeräten gleich.
Wittersroda. Die Inschrift am Turm ist auf einem Band-
streifen und heifst i cccc^xcjz, also 1499, nicht 94. Darunter
ein Zeichen M auf einem Schildohen als Meisterseiohen
}
kenntlich gemacht. (Yergl. A. Klemm im Korrespondensblatt
des Oesamtvereins 1894, 8. 14.) Yen den beiden Zeichen
L.'s ist keine Spur vorhanden. Eanselbau und Sakristei«
verschlag sind ein Gebäude.
Altarwerk dreiteilig, spätgotisch. (Yon L. nicht er-
wähnt, obwohl schon in der Kirchengallerie II, 174 be-
schrieben.) Innen 6 weibliche gekrönte Heilige in Hob
geschnitzt, fast unversehrt erhalten. Die Köpfe sind gans
typisch, ohne den geringsten Yersuch der Charakteristik:
Bine breite, ausdruckslose Stirn, kleine Augen in gans flachen
Höhlen, breite, plumpe Nasen, BüTslicher Mund und apitses
Kinn unterscheiden sie nicht zu ihrem Yorteil von den
Werken der Umgegend. Eine gewisse Ähnlichkeit mit den
Typen der älteren Saalfelder Schule ist nicht zu verkennen.
Die Gestalten sind sonst vom schönsten Ebenmaüs mit einer
anmutigen Biegung über den Hüften. Die Kleidung, aus
goldenem Mantel, Pu£fenwams und bunten gemusterten ünter-
kleidem bestehend, weist etwa auf 1490 und ist in ganz natür-
liche und verständliche Falten gelegt. — Die Figuren sind
f&hreo. Den mfinnUehen Schild la ideotifiiieren ist niobt geluogea,
▼ennuUich Yolgttedt t. u.
Litteratnr. 725
folgende: In der Mitte des Mittelschreins Maria mit
dem Kind auf der Mondsichel in der Glorie, einige Centimeter
höher als die anderen« Links Barbara, rechts Katharina.
Linker Flügel Margareta (die Kette, an welcher sie den
Drachen führte, fehlt, doch noch der Bing um ihre Hand) mit
aufgeschlagenem Brevier: Tlvt ntatia gf4 pletta bM tecPtll
TiVt mavvia i|>0. Bechter Elügel Heilige? erhebt die
Bechte, welche von einem Nagel durchbohrt ist, mit der
linken hohlen Hand scheint sie des Blut aufzufangen. Eine
starkgliedrige Kette ist ihr um den Hab gelegt« Man hat
die Wahl zwischen Era, Eulalia, Julia, Beatrix, Gatharina
y. Siena, Balbina etc.
Aufsen Gemälde, links Dorothea, rechts Agnes, sehr
bunt auf schwarzem Grund, nur aus der Plastik in Farben
übersetzt und ganz mit dem Ausdruck der inneren Figuren.
Tempera auf Holz.
Glocke 1. Gofs mich Joh. Mayer in Budolstadt 1778.
SOLI DEO GLOBIA.
Für viele freundliche Unterstützung und wertvolle Bei-
träge habe ich den Herren Pfarrern der Diözes Blankenhain
zu danken. In gleicher Weise bin ich der Grofsherzoglichen
Bibliothek und Herrn Dr« P. Mitzschke in Weimar, sowie
Herrn Pfarrer Heilmann in Tegkwitz S.-A. zu herzlichem
Danke verpflichtet^).
Ad 8. 6, Z. 6 ist zu bemerken, dafs Lic. Buchwald lesen
möchte: „sub dominio nobilis domini . . . comitis^', wodurch
jede Schwierigkeit gehoben wird.
1) Zu Torstebender Beaension ist zo vergleicheo: „Bau- o. Kanst-
denkm&ler Thilriogeos. Amtsgerichtsbesirk Kahla. Geprüft darcb Dr. H.
Bergner, Pfarrer io Pfarrkefslar. Nachgeprüft durch Professor Dr. P.
Lehfeldt. Bern, der Red
726 Litterator.
Berichtigungen und Zusätse su B. Schmidt, Urkunden-
buoh der Vögte von Weida, Gtera und Plauen, Bd. IL
Von Dr. W. Lipper t, Dr. B. Schmidt^)
and Dt. O. Dobenecker.
No. 4y 8. 6. Z. 9 T. 0. 1.: compescendo für compo-
Boendo (D.).
No. 18 «u Hdsohr. fehlt „Orig. Perg." (8.).
No. 20, Z. 3 T. 0. ist 8igmar für 8igiDaDii zu lesen,
ebenso 8. 717 zu Selb. (8.)
No. 82, 8. 25. Unter den Quellen als Abschrift auf-
geführt Gop. 25 und Gop. 27, beide Stellen, Gop. 25,
fol. 91b und Gop. 27, fol. 43 b, gehören jedoch zur
folgenden Gegenurkunde No« 83, wobei auch noch Gop. 29,
foL 142 b zuzufügen ist
No. 60, S. 49. Erg. unter Druck: Alberti in 47., 48.
u. 49. Jahresber. des Vogtl. Altertumsf. V. 43 N. 1 (D.).
Es fehlen ganz [hinter No. 65]: Lippert, Wettiner
u. Witteisbacher, sowie die Niederlausitz im 14. Jahrhundert
(Dresden 1894, W. Bänsoh), No. 75, 8. 267 (vom 14. März
1860); desgl. No. 76, S. 267 (vom 14. März 1360); desgL
No. 77, 8. 267 (14. März 1360).
No. 68, 8. 57 ist den Quellen noch zuzufügen Copial 29,
fol. 150.
Es fehlt ganz [hinter No. 95]: Lippert, Wettiner
u. Witteisbacher, No. 88, 8. 272 (22. Oktober 1361).
No. 90, Z. 18 V. 0. ist Oftnye für Ofnye zu lesen (8.).
No. 104, 8. 87 ist gedruckt Lippert, Wettiner u. Witteli-
bacher, No. 95, 8. 277.
1) Schmidts and Dobeneckers Berichtigungen kenntlich gemacht
durch (S.) und (D.). Von Lippert wurden bereits im N. A. f. Siohs.
Gesch., XV, 881 u. 882 einige Berichtigungen yeröffentlicht. Die CiUte
„Copial . . ." beziehen sich sftmtlich auf Copialbacher des Haoptstaats-
archivs Dresden.
Utteratnr. 727
No. 120, 8. 96. Unter den Quellen ist Gop. 26^
fol. 121 als Abschrift beseiohnet, es ist yielmehr die
Gegenurknnde der Markgrafen Friedrich und Wilhelm,
die völlig fehlt Datum [Aug. 29 oder Sept. 6] falsch, es
müfste wenigstens heifsen [Aug. 90 oder Sept. 6], denn
Mittwoch Tor Egidii = 80. August, Mittwoch nach Egidii
«=s 6. September. Die genaue Berücksichtigong der Gegen-
urkunde, die 6. September hat, hätte aber (da Urkunde und
Gegenurkunde meist von einem Tage sind) gezeigt, dafs in
No. 120 SU ergftnsen war „nach Egidii"; 120 ist also vom
6. September 1868; vergl. dazu Lippert, Wettiner u»
Wittelsbaoher, S. 148, und besonders ebendaselbst 8. 261,
No. 104.
Es fehlt ganz [hinter No. 120]: Lippert, Wettiner
u. Witteisbacher, No. 105, S. 282 (vergl. dazu auch No. 108,
S. 288).
No. 148, 8. 119. Als Abschrift sind Gop. 25 u. 27
mit genannt, beide Stellen, Gop. 25, fol. 135b, Gop. 27,
fol. 78, gehören aber zur Gegenurkunde No. 14 9.
Es fehlt ganz [hinter No. 150]: 2 2. Dec. 1866.
Item domini assignant Johanni Hosang, Henrico suo fratri et
eorum heredibus L sezagenas latorum grossorum in proximo
Walpurgis termino de civitate (Hain trans Albeam as Grolsen-
hain) capiendas occasione G sexageuamm datarnm Friderioo
do PoUencz militi nomine stipendii et servicii facti in expe-
-dioione coram Wydaw. Datum feria III post Thome anno
sexagesimo sexto. Gop. 5, fol. 96 b. Johannes Hosang war
der markgräfliche Bede- und Geleitsgeldeinnehmer zu Leipzig
(coUector precarie et conductus in Lipozk s. Gop. 6, fol. 67 b)
und hatte von seinen Geldern auf Anweisung der Markgrafen
dem Friedrich von Polenz die 100 Schock Schadenersatz be-
zahlt, zu deren Vergütung ihm dann je 50 Schock auf die
landesherrlichen Einkünfte von Grofsenhain und Leipzig an-
gewiesen wurden.
Es fehlt ganz [hinter No. 150]: 22. Dec. 1366.
Item domini assignant Johanni Hosang et Henrico suo fratri
728 LittaTÄtar.
[et] eorum heredibuB L Bexageoas de oiTitat« Lipczk in
prozimo Walpargis termino capiendas, ocoasione C sexagena-
romi quas domiDi dederuot Friderico de FoUenozk pro re-
stauro aerrioii per ipsum in ezpedioione Wydaw facti. Datum
anno LVI*^ feria III« post Thome. Cop. 5, fol. 120. Die
Jahreszahl 1856 ist öIoCb Terschriebeo statt LXVI^« deno
an der anderen Stelle (Cop. 5, fol. 96 b) steht in Worten ans-
geschrieben y^sezagesimo sezto", und auch fol. 120 folgt darauf
ein Eintrag Ton 1367, et ist also die X ausgefallen. lieber
letztere Stelle yergl. Wenok, Vogtländischer Krieg (Anhang
«u „Die Wettiner im XIV. Jahrh.'O, S. 16* Anm. 6.
No. 168, S. 126 als Quelle citiert ein Codez des XYI.
Jahrhunderts; das Orig. ist im Haus-, Hof- u. Staatsarchiv
Wien, Tergl. Steinherz, Die Beziehungen Ludwigs L von
Ungarn zu Karl IV., Mitteil, des Instituts für Oesterreich«
Geschichtsforschung, IX (1888), S. 586, Anm. 1, und (Rieg^r)
Archiv der Geschichte und Statistik von Böhmen, III (Dres-
den 1796), S. 816, Verzeichnufs der aus dem kgl. Böhm.
Oron-Arohivio zu Prag erhobenen und in das k. k. Haubt-
Hausarchiv nach Wien übergebenen Originalschriften, als
No. 142. (Das Orig. ist thatsäohlich im Haus-, Hof- u.
Staatsarchiv Wien, wie ich aus meinen eigenen Aufzeich-
nungen weifs; auch von No. 165 ist ein Ezemplar dort, doch
da kann ich aus meinen £zcerpten nicht ersehen, ob das
das Orig. oder Abschrift ist.)
No. 168, S. 129. Original gleichfalls in Wien, vergl.
(Biegger) Archiv der Gesch. u. Stat. von Böhmen, III, 319,
Verzeichnuss . . . No. 168. (Nach meinen Notizen ist es
heute in der That auch daselbst im H.-, H.- u. St-A.)
No. 168 ist 1368 Febr. 28 zu datieren (S.).
No. 177, S. 142 erwähnt Schmidt nur die Urkunde der
Markgrafen betr. Lobenstein; es fehlt die Gegenurkunde
der beiden Vögte von Gera, die gleichfalls in Cop. 26
steht, fol. 74 b.
No. 191, S. löö. Urkunde Karls IV., die Gegenurkunde
dazu von Heinrich dem Jüngeren, Vogt von Gera, im Original
Lilteratnr. 729
im H.-, H.- u. 8t.- Archiv Wien; yergl. SteiDherz a. a. 0.
IX, 585, Anm. 1.
No. 201, S. 167. OrigiDal hat thatsäohlioh „nach Ka-
tharina'', denn ein im H.-Ht.-A. Dresden befindliches nach
dem Original im Auftrag Ton König Wladislaw gefertigtes
offizielles Transsampt vom 16. April 1486 (Orig. No. 4037)
hat die Datierung „iw Firn noch sand Katherein der hei-
ligen junckfrawen*'.
No. 211, 8. 174 waren nicht die alten verderbten
Drocke zu oitieren, sondern die neueste Publikation in Fac-
simile bei 0. Posse, Die Hausgesetze der Wettiner bis zum
Jahre 1486 (Leipzig 1889), Tafel S9; die betr. Worte heifsen
im Orig. „Henrich voyt von Geraw".
No. 246, 8. 207 ist gedruckt bei Tr. Märcker, Das
Burggraftum Meifsen (Leipzig 1842), 8. 501, No. 103.
No. 257, 8. 216. Im 52. u. 53. Jahresber. des Yogtl.
Altertumsf. 7. 55 wird auf die von 8aalburg datierte Urkunde
der Markgrafen verwiesen (D.).
No. 262, 8. 223. Erg. unter Druck: Oengler, D. Stadtr.,
379 (D.).
No. 268, 8. 228. Erg. unter Druck: 8. a. 33. Jahresber.
d. Yogtl. Altertumsf. V. 7 (D).
No. 282 u. 511 (letztere auch identisch mit No. 535)
sind nach Ermittelung des H. Archivrats Ermisch - Dresden
spätere Fälschungen (8.).
No. 289, 8. 245. Reg. 1.: 1384 Juni 1. Erg. unter
Druck: Budolphi, Gotha dipl. II, Tab. geneal. sub Stamm-
register derer von Witzleben = Löber u. s. f. (D.).
No. 296, 8. 250. Erg. unter Druck: Ausz. in Miscell.
8ax. (1767), 333; Alberti, ürk..8amml. 147 (D.).
No. 382, 8. 321 ist auch gedruckt bei Arndt, Neues
Archiv der Sächsischen Geschichte, I, (1804), S. 55.
No. 296, 8. 251, Z. 3 v. o. ist lipgedingeB zu lesen (8.).
No. 333 ist 1389 Mai 3 zu datieren (8.).
730 Litteratur.
No. 846 im Reg. ist Blankenberger für Blankenbnrger
£u lesen (S.).
Ko. 353, Z. 8 y. o. fehlt daz vor sal, Z. 10 y. o. ist
ym für yn, 8. 298, Z. 3 y. o. die für der au lesen (8.).
No. 418, 8. 346. Erg. unter Druck: Reg. im 28, — 31.
Jahreöber. des Vogtl. Altertumsf. V. 65 aus Or. (D.).
No. 426 ist 1402 Oktober 1 zu datieren (8.).
No. 447, 8. 347, u. No. 468, 8. 397. Erg. unter Druck:
Reg. im 28. — 31. Jahresber. des Vogtl. Altertumsf. V. 65
aus Or. (D.).
No. 470, 8. 398. Erg. unter Druck: Höfer, Zs. f. Archivk.
I, 301 [mit „Anna der Mittiln von Wyda" u. Wilhelm d. J.,
Mgr. zu Meifseu, anstatt wittiben u. Balthasar] aus Or. (D.).
No. 492, 8. 419. Kurzes Regest, aber gleichzeitig auch
in Copial 28, fol. 93 b.
No. 494, 8. 421, Z. 2 v. o. ist vettern für vetter zu
lesen, Z. 4 v. u. fehlt erbar vor lute (8.).
No. 620, S. 441 steht Copial 15, fol. 10 b.
No. 535, 8. 460 ist, da identisch mit No. 511, zu
streichen (8.).
No. 537 ist Juli 14 f&r Juni 14 zu lesen (8.).
No. 539, 8. 464. Erg. unter Druck: Reg. im 38. — 31.
Jahresber. des YogtL Altertumsf. V. 66 aus Or. (D.).
No. 721 , 8. 602. Quelle (auch Homs) ist Copial 15,
fol. 16 b. Urk. ist auch hier undatiert, steht zwischen Ur-
kunde von 1423 und 1425, ist aber von der Hand einge-
tragen, die den Eintrag von 1425 schrieb, gehört also des-
halb wohl auch zu 1425. Bei Citat Hom ist zu lesen
Friedrich der 8treitbare (nicht der Freidige).
No. 724, 8. 603. Falsches Regest, nicht „den Bürgern
von Oelsnitz kein Bier mehr aus seinem Lande zuführen zu
lassen*', sondern „seine Leute den Bürgern von Oelsnitz
mehr abkaufen zu lassen'* (also gerade umgekehrt). Ferner
Litterator. 731
Zeile 14 ,ygute keyserliche bullen" (nicht willen), Torher,
Z, 6, ist's richtig. Orig. hat deutlich beidemal bullen.
Nachträge 8. 628, No. SO. Tuet Ausstellungsort ist
nicht Taust, sondern Taus, südwestlich Ton Pilsen.
Nachträge No. 75, 8. 644 ist besser gedruckt bei
Grünhagen uod Markgraf, Lehns- u. Besitzurkundeo Schle-
siens, I (1881), 8. 168, No. 88. Stelle heifst hier: „her
Reuzze voyt Ton Plawen". Datum: „an sand demen-
ten tag".
Nachträge No. 80, 8 645 ist behandelt, als ob es
sich um eine ganz neue Urkunde handelte; es ist aber die-
selbe, die Bd. I, 466, No. 910, aber mit falschem Datum
4. März 1349 und falschem Namen Bugmar steht; darauf
war mit hinzuweisen Bei dem neuen Eegest ist zwar das
Datum 11. März richtig, der Ausstellername Buzmann ist
aber immer noch falsch, der Mann heifst Buzmar, vergl«
Lippert, Wettiner u. Witteisbacher, 8. 58 fg., Anm. 48,
woselbst als Siegelumschrift zu lesen ist: JS . IlAIPRICI .
RÄVSMÄI.
Zu Bd. I, 8. 249, No. 515 (22. Oktober 1821) ist in-
zwischen vollständig (unter Mitangabe der Zeugen des zweiten
£xemplars in Weimar) nach dem Dresdner Original ge-
druckt bei Lippert, Wettiner und Witteisbacher, No. 3,
8. 220 fg.
Begister 8. 654. Aus No. 399 fehlt Ounrad Appecs
sowohl unter Conrad wie unter Apeci.
Begister 8. 660. Aus No. 671 fehlt Hermann Burm
sowohl unter Hermann, wie unter Burm, es ist derselbe, der
673 als Hermann Worm Torkommt, es war also im Be-
gister unter Burm su yerweisen auf Wurm und hier beide
Stellen zu geben.
Begister 8. 669 ist aus Hermannus Dwerg, 478,
8. 403, und 479, 8. 408 geworden ein Hermannus de Dwerg.
Begister 8. 681 unter Heinrich und 8. 690 unter
Lusato zweimal Henricus de Lusato, statt Susato, wie No. 312,
8. 267 steht (Sasatum =» Soest in Westfalen).
732 Lltterator.
Begister 6. 686 aas No. 388. Georg La^enbaoh
steht blofs unter Langenbaoh, ohne dab bei Lagenbach eb
Verweis au finden ist
6. 715. Sehönberg (No. 12 und 13) liegt bei Bram-
baoh (8.).
6. 721. Thein liegt bei Falkenau (8.).
8. 732. Zebrak bei Beraun (8).
8.
Wimmer, P. Florian, O. S. B. : Anleitung rar Erforaohong
lind Besohreibung der kirohliohen Kxmstdenkm&ier.
2. Auflage von Dr. M. Hiptmair. Linz 1892. VI und
152 88.
Die 2. Auflage dieses Buches ist dem Andenken des
gelehrten Benediktiners Wimmer vom Linzer Diözesan-Kunst-
verein gewidmet und nur nach dem Zwecke zu beurteilen,
den es vor 30 Jahren bei seinem ersten Erscheinen verfolgte,
nämlich den zur Inventarisierung der Kunstdenkmäler aus-
gegebenen Fragebogen als Erläuterung beigefügt zu werden.
Dafs es diesem Zwecke reichlich gedient hat, hebt der Neu-
herausgeber dankend hervor, und ein Blick in die Mit-
teilungen der k. k. Centralkommission kann davon über-
zeugen, dafs durch dies weitsichtige Verfahren ein so grofser
Kreis von urteilsfähigen Mitarbeitern gewonnen und heran-
gebildet wurde, wie ihn kein anderes Land aufweisen wird.
Es ist in Frage und Antwort gehalten, frei von allem ge-
lehrten Beiwerk und läfst sich herab, auch die geläufigsten
Ausdrücke der Kunstterminologie zu erklären. In 6 Ab-
schnitten werden die Geschichte, Architektur, Einrichtung,
Bildwerke, Geräte und Gefäfse, und Beliquien des Gottes-
hauses behandelt, ein besonderer Abschnitt über die kirch-
lichen 8tilarten vom Neuherausgeber ist bei aller Kürze ge-
Litteratar. 733
eignet, wenigstens die Elemente klarzumachen. .Viele gut
gewählte Ahhildangen unterstützen den Vortrag. Mit gans
besonderer Sorgfalt und praktisch äuüserst brauchbar ist der
Schlüssel zur Erforschung der Heiligen gearbeitet. Es sei
hierzu nur bemerkt, daüls Ulrich S. 127 häufig den Fisch
trägt, der gute Hirt S. 131 lediglich der altchristlichen
Kunst angehört und die Fü(ise des Gekreuzigten S. 135
nicht erst Ende des 16., sondern schon Anfang des 13. Jahr-
hunderts mit einem Nagel durchbohrt sind. Den Druck-
fehler S. 102 veni cum praece statt pace wird jeder leicht
▼erbessem. Dafs einige Worte und Wendungen stark öster-
reichisch klingen, soll keinen Tadel einscbliefsen.
Das Buch kann solchen, die sich nach einer leicht fafs-
lichen Handreichung zum Yerständnis der mittelalterlichen
Kunst umsehen, empfohlen werden. Denn obwohl oder
gerade weil es Tom katholischen Standpunkte geschrieben ist,
öffnet es die Augen für Dinge, welche in protestantischen
Kreisen alles Interesse Terloren haben. Und aus einem Orden
hervorgegangen, der selbst viele unserer Kirchen gebaut hat,
ist es von einer lebendigen Tradition getragen, die in kleinen
Zügen oft zu Tage tritt. Der Weiterstrebende wird von
selbst auf das klassische Buch von D. Otte (Handbuch der
kirchlichen Kunstarchäologie) geführt werden.
Zumal aber regt es den dringenden Wunsch an, dafs bei
der gegenwärtigen Inventarisation in Thüringen den Frage-
bogen eine ähnliche Erläuterung beigegeben werde. Denn
unter der orts- und sachkundigen Mitarbeit der Pfarrer,
Bürgermeister eta würde das Denkmälerwerk zu einer ganz
anderen Sicherheit und Vollständigkeit gedeihen, als das bis*
her möglich gewesen ist.
B e r g n e r.
734 LitUratur.
9.
Beridhtigimg su ICartin, Urkondenbuch der
Stadt Jena» I, No. 276.
VoD Lic H. O. St ölten in PrMMDprieffnits.
So groCse Sorgfalt unser Dr. Martin bei Abfasaung des
UrkondenbuchB der Stadt Jena aufgewandt hat, ist ihm doch
die yon Eeiu, Thuringia Sacra» II, S. 215, No. 288 gebrachte
Heusdorfer Urkunde eotgangen. Da es sich in ihr, wie bei
Ko. 889 des Jenaer Urkundenbuchs , um die AufbesseruDg
der Nonne Barbara gen. Selbem handelt» in der Martin wohl
mit Hecht eine Jenaer Bürgerstochter yermutete, konnte in
Frage kommen, ob sie nicht regestenweise ins Urkunden-
buch aufzunehmen war. Auch die Zeugen sind zum Teil
dieselben. Die Urkunde ist datiert vom 2. Februar 1862 und
lautet im Auszug:
Rndolphofl vicedominos de Appoldia prepositus in Droesk et Heinri-
cot pincerna junior de Appoldia procarator domne in Otenbach ordinis
de lepulcro domini machen bekannt, dafs sie mit Wissen und Willen
der Herren nnd Brfider in Droeek nnd Otenbaeh einen j&hrlichen Zine
von 8 Malter halb Korn halb Gerste, welehe Ton Ofltern In Oberkdisaits
nnd Lncaendorf (bs yieraehnheiligeu) gegeben werden, den Pfarrern
Heinrich in PAihlsbom nnd Theoderich in Wormttedt (» Dytherieh Selber
pherrer acn Wurmestete in Urknndenbnch Jena No. 889) för 16 Schock
Groschen verkauft haben. Dessen soll bis an ihrem Tode Barbara gen.
Selbem, Nonne in Hensdorf, geniefsen n. s. w. Zeugen: Helnricns pin-
cerna senior, frater Heinricns qaondam in Oladica. Job. Wiokenrieh,
Job. de Nebbera. Ueinr. de Gebese et qnamplores. Acta sont hee in
curia Otenbach in estnario sub anno dorn. MCCCLXII in die porif. beate
Harie virg. gloriosae.
Hätte Dr. Martin diese Urkunde beachtet, so würde ihm
auch die Feststellung des Textes in No. 276 des Jenaer
Urkundenbuchs gelungen und er in die Lage gekommen
sein, alte Irrtümer aufzudecken. Diese Urkunde trägt näm-
lich die Unterschrift domini BudolÜ prepositi in Drentsch,
Littentar. 735
domini piooerne de Utenbaoh, domini Theoderioi plebaDi in
Wormstete u. s. w. Bas Original mufs sehr unleserlich ge-
wesen sein. Von den Abschriften lesen die Jenaer und die
Weimarische A* Drentscb, die Weimarische B^ Drentyk, die
Weimarische B^, die Eudolstädter uod Dresdener Brentyk.
Allein die Vergleichung mit der Heusdorfer No. 288 ergiebt»
daTs DroyzCy Droitzk oder etwas Aehnliches zo lesen
war. Rudolf Vitsthum von Apolda war Propst des Hauses
vom Orden des heiligen Grabes in Droyfsig bereits 1349
(Kein, II, No. 269), noch 1871 (ib. No. 306), mithin sowohl
im Jahre 1856, wo er unvollständig als dominus Budolfus
prepositus in Dr bezeichnet wurde, als 1862, wo er
sich selbst als Budolfus yicedominus in Appoldia prep. in
Droesk beseichnet.
In beiden Urkunden folgt als zweiter ein Schenk, der
in der ersteren wieder unvollständig als dominus pincerna
de TJtenbach bezeichnet wird, in der zweiten sich selbst
bezeichnet als Heinricus pincerna junior de Appoldia u. s. w.
Mithin haben wir es auch in No. 276 des Jenaer Urkunden-
buchs mit Heinrich d. J. Schenk von Apolda zu
thun, der 1849 bereits dem Ordenshause zu Utenbach an*
gehörte (Kein, II, No. 269) und bis 1362 recht wohl
zum procurator domus in Otenbach (s« o.) auf»
gerückt sein konnte. Möglicherweise sind Kudolf Yitzthum
in Droyfsig und Heinrich der Schenk in Utenbach noch 1876
am Kuder gewesen (Kein, II, No. 811), nur daÜB letzterer
jetzt ebenfalls als Propst bezeichnet wird. Jedenfalls löst
sich der angebliche „Schenk von Utenbaoh" in einen Schenk
von Apolda auf, der als Ordensherr in Utenbach lebte. Auch
Friederici (Historia pincemarum Yarila-Tautenburgicorum 28)
und nach ihm Aktuar Puhle in der Diplomatischen Geschichte
der Schenken zu Tautenburg, I, p. 99 (Mspt. Universitäts-
bibliothek Jena) fabeln von einer Linie „Schenken von
U t e n b a c h", aber beide unter Bezugnahme auf das Dominus
pincerna de Utenbach in der oben erwähnten Urkunde und
beide unter Berufung auf Adrian Beyer, der wohl auch.
736 LitterAtvr.
Martin zu. seinem Irrtum yerf&hrt haben wird (e. n.). Naeh-
dem flieh dieser Irrtnm aufgeklärt hat, wird man von Schenken
Ton TJtenbaoh als besonderer Linie überhaupt nicht mehr
reden, weder in der Geschichte der ersbisohöflioh mainzischen
Schenken yon Apolda, noch gar in der Geschichte der land-
gräflich thüringischen Schenken von Yargula und ihrer Nach-
kommen.
Das unglückliche „Drentsch" in der Urkunde Tom Jahre
1856 hat Dr. Martin su einem weiteren Irrtum verföhrt.
Unter den Berichtigungen S. 649 bemerkt er:
„8. 260, Z. 16 ▼. a. wird prepositi in Drentsch in allen Hand-
schriften eine falsche Lesart Ar pinoerna in Drebere sein, worauf
der Name Rodolfas and der folgende pinoerna de Uteobach hinweist.'*
Martin hält also für ausgemacht, dats es lu jener Zeit
Schenken von Trebra gegeben habe. Er hat auch
darin Vorgänger; allein wiederum hat nur irrtümliche Lesung
diese Annahme erzeugt. Friederici, 28 und Puhle, 94 oitieren
eine Kapellendorfer Urkunde vom Jahre 1807, in
welcher zwar der Name des betreffenden Schenken nicht
mehr zu entziffern, unzweifelhaft aber Pinoerna de Trebere
SU lesen sei. Menoke, Scr. Rer. Oerm., 720, No. LXXXYIII
hat zwar den Namen nicht entziffern können, liest aber
Pinoerna de Nebere, eine Lesart, an deren Bichtigkeit
niemand zweifeln würde, der die nach dem Original in Weimar
angefertigte, in meiner Sammlung tod Urkunden zur Ge-
schichte der Schenken von Yargula und ihrer Nachkommen
befindliche Pause sähe. Völlig entziffert lautet die Stelle:
€[onradu8] miles pinoerna de Nebere und bezeichnet einen
Herrn, der in den Urkunden jener Zeit sehr häufig genannt
wird. Er war Ministerial Friedrichs des Freidigen. Als
zweiter Gewährsmann könnte Ave mann gelten (Reichs- n.
Burggrafen von Kirchberg, 42), sofern er unter den Aeb-
tissinnen des Klosters Kapellendorf für die Jahre 1883
und 1846 ohne Quellenangabe eine Ottilie Schenkin
von Trebra auffahrt. Allein die in Kapellendorfer Ur-
kunden bei Mencke, 726 — 731 oft genannte Aebtissin Ottilie
Utterfttnr. 737
war eine geborene Ton Trebra aus dem bekannten Oesohleoht
derer von Trebra, das im 14. Jahrhundert öfter genannt wird,
die „Schenkin'' dagegen die gleichzeitige Priorin in Kapellen-
dorf, wie aus einer Urkunde Ton 18S5 (Menoke, No. CII)
klar zu ersehen ist: Otylia de Threbre Abbatissa,
Oonegundis Pincerna Priorissa. Letztere kommt
Tor und neben der Aebtissin Ottilie bei Mencke häufig vor,
kurzweg als Priorissa in No. CIII (falsche Interpunktion!),
als Oonegundis, Cunegundis, Eunegunde Priorissa in den Ur-
kunden No. XCVI, XCVni, C, Ol, CI7, CV, CVI aus den
Jahren 1828 — 1340, mit der Bezeichnung pinoerua nur in
der angezogenen No. CII. Biese Conegundis pincerna
Priorissa war ohne Zweifel eine Tochter des oben
erwähnten Conrad Schenk zu Nebra, dessen Söhne
Theoderich, Budolph und Budolph am 24. November 1819
das Kloster Kapellendorf zu gunsten einer geweihten Schwester
Kunne mit einer Hufe zu Hammerstedt begabten (Urkunde
in Weimar). Als Conrads Tochter wird sie bereits 1800 er-
wähnt (Lepsius, Bndelsburg, 61) und war also eine Schwester
oder Tante des Bischofs Eudolf von Naumburg (1852 — 1862)
aus dem Hause Schenk zu Nebra. Somit Tcrsch winden
auch die Schenken zu Trebra im 14. Jahr-
hundert Die Schenken Ton Dornburg -Tantenburg waren
zwar schon damals Besitzer yon Niedertreba nebst Zimmern
und Flurstedt) aber sie nannten sich nicht danach, weil es
nur ein Pertinenzstück der Herrschaft Dornburg war. Be-
kanntlich Terkauften sie diese 1848 und 1844 an die Ghrafen
von Orlamünde und Schwarzburg, um 1410 wenigstens
Niedertrebra [mit Pfuhlsbom?] zurückzukaufen (Friederici,
Kap. III, § II). Erst yon hier ab, aber auch erst im 16. Jahr-
hundert und immer nur yorübergehend in ErbteilungsfitUen
hatten Schenken aus diesem Hause ihren Sitz iu Niedertrebra
und schrieben sich dann wohl auch „Schenk zu Nieder-
trebra", immerhin oft genug, dafs Gelehrte des 17. und
18. Jahrhunderts dadurch yerführt werden konnten, schon
XVII. 48
788 Utt«t».
im 14. J*hrfaiiDd6rt eine Linie tob ^Sehenhen su T^rebrm'' an»
soDehmen.
Somit ist im Urkundenboeh der 8Udt Joia, Bd. I^
6. 960 Drentidi in Droyse (die gewöhnliche Sehreibweiee)
SU Indern, 8. 649 die Bemerining sn No. 276 ca Btraohoi»
ebenso im Begister 8. 6S0, 8p. 1, Z. 21— 2S, dagegen 8. 648^
8p. 2 unter DroyMig zu erginzen: Budolfiie praepomtni in
D. (1866), 276.
10.
TümpllBg» Wolf Ton : Q^sohiohtd de« Oenohloehtee yc^
TümpUng. Dritter (8chlu(s-) Band. Mit Urkunden - Ajh
hang, Bildnisten, anderen Eunstbeilagen u. s. 1 Weimar»
H. Böhlau, 1894. 886 und 48 88. und Begister [ohno
Pag.]. 80.
Von diesem umfangreichen Werke, auf das in Bd. XYI»
463 — 468 die Aufoerksamkeit der Leeer gelenkt werden
konnte, ist inzwischen der Sohlulsband erschienen , der die»
eelben Yortttge aufweist, die die beiden ersten Bftnde dieser
Tortrefiflichen Familiengeschichte auszeichnen. In soxgfiütig-
ster und übersichtUeher Darstellung werden die Oeechicke
des im Jahre 1822 mit Johann Christian Adolf Wilhelm er-
loschenen Hauses Posewitz und des 1867 ausgestorbenen
Hauses Oasekirohen Ton einem hohen 8tandpunkte aus und
mit rücksichtsloser Objektivität geschildert Wertvolle orkund-
liehe und künstlerische Beilagen bereichern, wie die beiden
ersten Bände, so auch diesen 8clilulBband. Für den Qenea*
logen von Interesse sind die Uebersichten über die durch-
schnittliche Lebensdauer der Mitglieder beider Häuser (169 fg.
und 870) und der Allianoen der Familie Tümpling mit an-
deren adeligen Familien. Das umfassende Begister für die
8 Bände und der übersichtliche Stammbaum des Oesohlechtee
von der Teilung in Linien an bis 1888 ermöglichen ^ne
LiU«iatiir. 739
laichte und sohaelle OrientieruDg über den reichen Inhalt
dcB gansen Werket, das nicht nur yon Genealogen und
Lokalforschern mit Freuden begrüTst werden mud» Bondem
auch dem Forscher auf dem Gebiete der Keiehs« und Kultur*
gesohichte mancherlei Anregung bieten dürfte.
0. Doben eoker.
U.
Begel, Fr.: Thüringen. Ein geographisches Handbuch.
Zweiter Teil: Biogeographie. I.Buch: Pflanzen- und Tier-
Tcrbreitung. 2. Buch: Die Bewohner. Jena, G. Fischer,
1895. XVI und 840 88. 8^.
Der Charakter dieses ausgeaeichneten Handbuchs recht-
fertigt die Besprechung in einer historischen Zeitschrift;
denn, wie schon die Einleitung zum 1. Teil (Jena 1892) ge-
zeigt haty trägt die Darstellung in wesentlichen Partien ein
historisches Gepräge. Dies tritt ebensowohl bei der Betrach-
tung der Pflanzenverbreitung , wie bei der Schilderung der
Tierrerbreitung herror, und wird im 3. Buche des 2. Teiles
so markant, da(b man einen grofsen Teil des Buches als
historisches Handbuch ansprechen darf. TJnd wie könnte man
heutige Bevdlkerungselemente und ihre Eigenart, wie sie sich
in Haus-, Dorf- und Feldanlage, Trachten, Speisen, Mundart,
Sagen, Yolksdiohtung u. s. f. kennieichnet, wie die politischen
und kirchlichen Zustände Thüringens schärfer und sicherer
erfassen, als in historisoher Betrachtungsweise? Yon bleiben-
dem Werte ist in diesem Buche der 8. Abschnitt, in dem
zum ersten Male die Torgeschichtliche Zeit Thüringens
(paläolithische und neolithische Periode, Bronzezeit, Hallstatt-
periode und La Tine - Periode) auf Grund der yorhandenen
Einzellitteratur, die 8. 471 ff. zusammengestellt worden ist,
zusammenhängende Darstellung gefunden hat Der 4. Ab-
48*
740 Littermtnr.
schnitt behandelt Thüringern Bewohner in geeohiohtlioher
Zeit Ton der römischen Periode bis znr Gegenwart » der
6. Abschnitt die heutige Berölkerung in anthropologisoher
Hinsieht, der 6. Abschnitt die Sprache (bearbeitet Ton L«
Hertel), der 7. Yolkstümliches in Sitte und Brauch, Glaube
und Dichtung, der letzte Kleidung, WohnuDg und Kost
Zahlreiche Abbildungen illustrieren den reichen Text und
tragen, wie die ganze Ausstattung, zur ESrhö'hung des Wertes
bei. Ein 3. Teil wird die Kulturgeographie von Thüringwi
enthalten und damit das ganze wertvolle Werk zum Absohluis
bringen.
0. Dobenecker.
12.
XJebersioht der neuerdlngB ersohienenen Litteratnr Eur
thüringiaöhen Geaohiohte und Altertomsktinde >}.
'^Ahrens, H.: Die Wettiner und Kaiser Karl lY. Sin
Beitrag zur Gesch. der Wettinischen Politik in den Jahren
1864 — 1879. Leipzig, Dunoker u« Humblot» 1895. YIU u.
103 SS. 8^ (A. u. d. T.: Leipziger Studien aus dem Ge-
biet der Geschichte. Herausg. y. K. Lamprecht u. £• Maroks.
1. Bd., 2. H.)
Auszüge aus den Kirchenbüchern yon Arnstadt t. d.
Jahren 1687 u. 1688. In Amstädtisches Naohriohts- u. Ln-
telligenzbl, 126. Jahrg. (1894), No. 199 (26. Aug.).
Bau- und Kunstdenkmäler Thilringens. Bearb.
Ton Prof. Dr. P. Lehfeldt Heft XX. Fürstentum Sohwan-
burg-Budolstadt Amtsgerichtsbezirke Königsee, Oberweils-
baoh u. Leutenberg. Mit 5 Lichtdruckb. u. 22 Abb« im Texte.
Jena, G. Fischer, 1894.
1) Die mit * versehenen Werke wurden der Redaktion snr Roees-
tion fiberreicht, konnten aber wegen Raummangels in diesem Heft« nicht
beeproehen werden.
Littorator. 741
Bau- and Eunstdenkmäler ThüringenB. Amts-
gerichtsbesirk Kahla. Geprüft durch Dr. H. Bergner, Pfsrrer
in Pfarrkefslar. Nachgeprüft durch Prof. Dr. P. Lehfeldt in
Berlin. BerUn 1894. Druck tou J. F. Starcke. 68 88. S«.
*Baumberg, E. : Alt- Arnstadt Eine Wanderung durch
die 8tadt vor siebzig Jahren. Arnstadt, Bulsjaegersche Hof-
buchdr., 1894. 98 SS. S\
Beyer, 0.: Erfurt im Kampfe um seine Selbständigkeit
gegen die Wettiner 1870 — 1882. Jahrb. d. K. Akad. gemein.
Wissensch. zu Erfurt, N. F. XX (1894), 229/268.
Böhmer» H.: Willigis yon Mainz. Ein Beitrag zur
Gesch. des deutschen Beichs u. der deutschen Kirche in der
Sachs. Kaiserzeit. Leipzig, Duncker u. Humblot, 1895. YIII
u. 206 88. 8<^. (A. u. d. T.: Leipziger Studien aus dem
Gebiet der Gesch. Herausg. yon K. Lampreoht u. E. Marcks.
1. Bd., 8. fleft.)
Borkpwsky, K: Aus der Yergangenheit der Stadt
Naumburg (Forts.). Die Stadt Naumburg im 16. Jahrhundert*
Naumburg a. 8., Dr. y. A. Rietz & Sohn, 1894. 2 Bl., 89 88.
8«. (RPG. Naumb. OPrgr. 1894.)
Brandenburg, E.: Die Gefangennahme Herzog Hein-
richs yon Braunschweig durch den Schmalkald. Bund (1645).
Habilitationsschr. Leipzig, Fock, 1894. 74 SS. 8<^.
Buchwald: Jenaer Lutherfunde. In Theol. Studien u.
Kritiken (1894), 874/891.
B [ti h r i n g] : Graf Sizzo - Feier in Oeorgenthal am
16. Juni. Arnstadt* Nachrichts- und IntelligenzbL (1895),
No. 140 u. 141 (18. u. 19. Juni).
Derselbe: Das Walpurgiskloster yor Arnstadt in Ge-
schichte u. Sage. Sonder- Beil. zu No. 110 des Arnstadt.
Nachrichts- u. Intelligenzbl. (Sonntag, den 18. Mai 1894).
Derselbe: Moderne Barbaren. Erinnerungen an Kloster
Georgenthal. Arnstädtisches Nachrichts- und Intelligenzbl.,
126. Jahrg., No. 253 (1894, den 28. Oktober).
Burkhardt: Die ältesten Kirchen- u. Schulyisitatiouen
im östlichen Thüringen. 1527. Theol. Studien u. Kritiken
(1894), 778—782.
742 Litter«tar.
Burkhardt: Luthers Wormser Rede in SpalatiiiB
Wiedergabe. Ebenda (1894), 161/166.
Carl AaguBt, Brbgrofshersog von Bacbten. Ein
Lebeosbild. Mit drei Abbildungen. Weimar, H. Böhlau, 1896.
64 88. s:
Zur Oharakteristik des Prinsenräubers Kons von
Kaufongen. Schönburger Tagebl, 1894, No. 78.
Od 11 mann, K.: Die Teilnahme der Herren BeuCi am
Sehmalkaldisohen Krieg, ihre Aeehtung u. Wiedereinsetzung.
Unser Vogtland, Bd. II, H. 1, 11—92; H. 2. 61—69.
Dobenecker, O.: Begesta diplomatica neo non episto-
larid historiae Thuringiae. Erster Hi^bbd. (ca. 600 — 1190).
Namens des Vereins für thür. Gesch. u. Altert bearbeitet o.
herausgeg. Jena, 0. Fischer, 1896. 240 88. 4«.
Drenokhahn, 0.; Bilder a. d. Oescb. des Mtlhlhiuaer
Gymnasiums. Nach der Festrede bei d. S60-jähr. Jubiläum
der Anstalt am 28. Aug. 1898. Mühlhausen i. Tb. 1894.
a_16 8. 40. (Mühlh. G. u. BPG. OP. 1894.)
Einert, E.: Mitteil, aus unseren Archiven. Aus der
Vergangeoheit der Liebfrauenkirche [in Arnstadt]. In Am*
städtisches Nachrichts- u. Intelligensbl., 197. Jahrg., No. 4 ff.,
1896, Jan. 6. 6. 8. 9. 13. 18. 20. 26. 86, Febr. 6. 7. 14.
20. 22. Eine au4;efuadeD6 Handschrift, Mars 6 ff.
Derselbe: Aus dem Jahre 1688. Ebenda, 126. Jahrg.»
No. 266, 267, 260, 261, 1894, Nov. 1 ff.
Erinnerungen aus den Knaben- und Jünglingqahren
eines alten Thüringers. Leipsig, Fr. W. Gmnow, 1894.
106 88. 8«.
Fest-Schrift. Den Teilnehmern des IV. Haupt- Ver-
bandstages des Feuerwehr -Verbandes der Prov. 8achsen die
Bürger der Stadt Nordhausen. 1896. 86 88. Darin:
Die histor. Entw. des Fenerlösch- u. Bettungswesens in
Nordhausen. Von H. Heineck. 16/24. — Die Feststadt Nord-
hausen. Von P. Lemcke. 26/86.
Freriehs, H.: Festrede u. Bericht über die Feier des
60-jähr. Bestehens der Anstalt. Eisenach, Hofbuehdr., 1894.
16 88. 4«. Eisen. EG. OP. 1894.
Littenttar. 74$
Püff lein, 0.: Die St Johanniifcirohe m Baalfeld. Sine
getchiohtliche und baageechiohüiehe Studie. PesUohrifk sur
Einweihung der gen. Kirohe am 23. September 1894. Saal*
feld a. d. 8., W. Wiedemanneche Buehh. 82 SS. S^. [Mit
^ Tafeln.J
'^Oebhardt, H.: Aus der Gtosehiehte dea Dorfes Molseh-
leben. Gotha, G. Sehlöfsmann, 1894. IV u. 106 SS. 8^
G e r b i n g , L. : Beiträge zum Thüringer Oeleitsweten im
16. u. 17. Jahrb. Mit einer Karte. Mitteil, der Oeogr. Ges.
{für Thüringen) su Jena. Bd. 18. Jena, G. Fischer (1894).
^0/62.
Do. : Unser lieben Frauen Häuslein. Ebenda 68/64.
Zur Oesohiehte des Klosters Bemse. Sohöoburger
Tagebl, 1894, No. 68.
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des Orofsh. sächs. Geh. Staatsarohiys in Weimar. In H. y.
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1898, 327/29.
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yon Wendt u. Klauwell), 1894. 48 SS. kl. 8 <>.
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isohlechtes yon Blassenberg" und dessen Nachkommen. Archiy
744 Litteratiir.
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einer Uebersichtskarte der Bundsicht Tom Kleinen Gleichberg.
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™ ^. ,. . , 28. Okt. ,^^^
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(Aufmarsoh der Armeen u. Plan der Schlacht), sowie 2 Auto-
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Gotha]. N. Mitt. aus dem Gebiete hist-aut. Forsch. Bd. XVm,
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Liebe, G.: Eine Beiserechnuug [wahrsch. des Grafen
Wilhelm IV. von Henneberg] aus dem Jahre 1518. N. Mitt
aus dem Gebiete hist.-ant Forsch. Bd. XVIII, 2. Hälfte^
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die Niederlausits im XIV. Jahrb. Ein Beitr. zur deutschen
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Wissensoh. Beil. der Leipziger Ztg., 1895, No. 46 (Donners*
tag, d. 18. April).
Lüttich, 8.: Der „Füstrich" zu Sondershausen, ein
Beitr. zur deutsoheu Altertumsk. Naumburg a. S., Dr. von
H. Sieling, 1894. 26 SS. 4«. (Dom-G. DP. 1894.)
Martens^ K.: Die Fürsorge des Erfurier Bates für das
746 LUtoratar.
DorfBchalwoMD während des dreifsigjihrig. Krieges. Brfart»
Druck von F. Bartholomäos, 1894. l Bl 10 8& 8<^. (BG.
FesUehr. 1894.)
Matthes, Isolin: Die Volkedichte u. die Zuoehme
<]er fievölkeruDg im Westkreise dee H. S.-Altenborg in dem
Zeiträume v. 1887 — 1890. Altenburg, Fierereohe Hofbuehdr^
1894. 17 88. 40. (Altenb. RG. OP. 1894.)
liatthes, G. Chr. A«: Aktenst&oke sur Oeech. der
Schule und Kirche Kloster Rofsleben. I. Ans dem Super-
inteodenturarchiy su Stogerhausen herausg. Ctöriiti 1894.
«_17 8. 40. (Kloster-S.Prgr. 1894.)
liitzschke, Faul: Urkundeubuch von Stadt und
Kloster Bürge]. I.Teil: 1183—1454. Gotha, Fr. A. Perthes,
1895. XXXYIII u. 568 88. 8^. [A. u. d. T.: Thiringiadl.
sächsische Geschichtsbibliothek von F. Mittsehke, Bd. III.]
Oergel, G. : Das GoUegium majus au Erfurt Erfort,
Selbstverl. des Y. f. d. G. n. A. von Erfurt, 1894. 44 88.
8 0. [Beiheft des 16. H. der liitt des V. f. d. G. u. A. Tom
Erfurt.]
Foppe, G.: Gr. Hans Ernst von Mansfeld-Heldrangeo
u. die Gemeinde zu Bretleben. Mansf. Bl., YIII, 120/Sr8.
Derselbe : Aus der Zeit des Bauernkrieges. Ein Schreiben
dea Thomas Mtinier, swei Uikk., einen aufrührer. Frediger
2u liartinsrieth (bei Sangerhausen), eine Yerfügung des Her-
zogs Georg Ton Sachsen wegen unterlassenen MesselesenB in
Eisleben u. eine Quittung Friedrichs y. Witzleben, Bingleben
betr. Ztschr. d. Harz-Y., 27. Jahrg., 810/814.
Derselbe: Flurgrenzen in Thüringen und dem Harse.
2Uchr. des Harz-Y., 27. Jahrg., 806/809.
Fosse, 0.: Die Siegel der Wettiner Ton 1824^1486
und der Herzöge von Sachsen-Wittenberg u. Kurfürsten T«n
Sachsen aus Askan. Geschlecht. Nebst einer Abhdlg. über
Heraldik n. Sphragistik der Wettiner. IL Teil Leipzig 1898.
78 88. u. Taf. XVI— XXXIIL
Die Frotestautierung des Herzogt. Sachsen. In 8t.
Benno-Kalender, Jahrg. 44 (1894), 8. 47—59.
LIttortttvr. 747
Rausch, A.: Ohristian Thomasios als Gast in Erhard
Weigels Schale bu Jena. In: Symbola doctorum Jenensis
Gjmnasii in honorem Oymnasii Isenacensis collecta edidit
O. Richter, Jenae 1894, 63/70..
Regel, Fr.: Thüringen. Ein geographisches Handbuch.
Zweiter Teil: Biogeographie. 1. Buch: Pflansen- and Tier-
yerbreitang. 2. Bach: Die Bewohner. Jena, 0. Fischer, 1896.
XVI u. 840 88. 8«.
Derselbe : Zur industriellen Entw. von Gera, Greis, Föfs-
neck und Umgebung. Vortrag, gehalten bei Gelegenheit der
Jahresvers. des „V. für Thüringische G. u. A. zu Jena'' in
Pöfsneck am 80. 8ept 1894. In: Unser Vogtland, II. Bd.,
Mai 1895, 2. Heft.
Richter, G.: Zur Frage der Gymnasialseminare. £r>
fahrungen und Erwägungen. Lehrproben und Lehrg., Jahrg..
1895, H. 44.
Ritter, J.: Buchhändler Bernhard Müllersche Stiftung
^es Fürst]. Gymnasiums in Rudolstadt Rudolstadt, Dr. von
F. ICitElaflP, 1894. 8. 14. 4<>. (G. OPr. 1894,)
Hans 8achs in Weimar, Gedr. Urkunden zum yier-
hundertsten Geburtstage des Dichters aufs neue herausg. tou
Beruh. 8uphan. Weimar, Böhlau, 1895.
Thüringer Sagensohatz. Von Clara Hacker. Bd. I.
Leipzig, 0. Gottwald, 1895. 157 88. kl. 8«.
Schmidt, G.: Burgscheidnngen, 1894. [Mir nicht zu-
gänglich.]
Schmeifser, Rieh«: Carl August Yon Sachsen- Weimar-
Eisenach. Eisenach, H. Kahle, 1895.
Schmieder, Paul: Bericht über die Feier zum An-
denken an die Einführung der Reformation in der Grafsch.
Henneberg. Keiningen, Druck der Keyfsnerschen Hofbuchdr.,
1894. 28—30 S. 4«. (Schleusinger 6. OP. 1894.)
*Schöppe, Karl: Das alte Naumburg. Kultnr-
geschichtl. Bilder aus den letzten 70 Jahren. Naumburg a. S.,
Verl. von Max Schmidts Buchh., 1895. 56 88. 8 <>.
Settegast, F.: Die letzte Tirade des Rolandsliedes u.
748 uttoffttw.
die Bezieh, desselben zum Thüring. Krieg yom Jahre 58 U
Ztschr. f. Born. Philol. XVIIl, 417—424.
Sigismand, B.: Einiges zur Oesehiehte der Thüringer
Industrie. Mitteil, der Geogr. Ges. (fär Thftringen) zu Jena»
Bd. 18, Jena, 6. Pischer, 1894, 65/76.
Stemmler, H.: Gedächtnisrede auf Herzog Ernst II.
Ton Sachsen-Goburg o. Gotha, gehalten in der Aula des grSfL
Oleichenschen Gymnasiums am 27. Sept. 1898. Ohrdruf, Dr.
von H. Lucas, 1894. 11 SS. 4«. (G.-Prg. 1894.)
Stenzel u. Höfken: Einige Thüringer Hohlpfennige.
A. fär Bracteatenkunde , herausg. von B. v. Höfken, III,
104/106.
*St ölten [H. 0.]: Geschichtliche Beziehungen zwischen
Naumburg u. Frauenpriefsnitz-Tautenburg. Dr. von H. Sieling
Naumburg a. S., 1894. 18 SS. kl. 8^
Derselbe: Neue Bilder aus der Tümpliogschen Geschlechts*
geschichte. Oamburger Wochenblatt, 62. Jahrg. (1894)^
No. 46—52.
Derselbe: Geschichtliche Beziehungen zwischen Jena u.
Tautenburg. BeiL zu No. 185 der Jenaischen Ztg. (12. Juni
1895).
'^Derselbe: Erbaulich-patriotische Bilder aus der Tümpling*
sehen Gesohlechtsgeschichte. Jena, G. Neuenhahns Verl., 1898.
53 SS. kl. 8».
'^Derselbe : Wanderfahrt nach Domburg und Tautenburg.
Halle a. d. S., Dr. yon 0. Hendel (1894). 47 SS. U. S^.
Derselbe: Gesch. Beziehungen zwischen Leipzig und
Tautenburg. 1. Beil. z. Leipziger Tagebl., No. 898 (18. Aug.
1896).
Struck, W. : Das Bündnis Wilhelms von Weimar mit
GostaT Adolf. Ein Beitr. z. Gesch. d. dreifsigj. Kriegs. Stral-
sund 1895. 158 u. LXXIX SS. 8 <^.
Thüna, Dr. Freiherr v.: Friedrich der GrofBC und die
Emestiner zu Anfang des siebenjährigen Krieges. Wissensch.
Beil. der Leipziger Ztg., 1894, No. 122 (Donnerstag, den
11. Okt.).
Litterfttar. 749
Tr eller, "Fr.: Philipp der Qrofsm. Lebensbild eines
evangelischen Fürsten. Kassel , Druck von L. Doli, 1894.
87 SS. 8 0.
Trip: Die Unteroffisierschule in Weifsenfels. Festsohr.
48 SS.
Tümpling, Wolf von: Geschichte des Geschlechtes
Yon Tümpling. Dritter (Schlars-)Band. (Gesch. der 1822
bezw. 1867 im Mannesstamm erloschenen Häuser Posewitz
u. Casekirchen [Tümpling].) Mit TJrk.-Anh., Bildn., anderen
Kunstbeil., Nachtr. und Ber. zu den 3 Bdn., 2 Siegeltafeln,
2 Handschriftentafeln, General-Beg. für die 3 Bde. und dem
Stammbaum von der Teilung in Linien an, Weimar, H. Böh-
lau, 1894.
Turba, Gust: Zur Yerhaftung des Ldgr. Philipp von
Hessen 1547. 28. Jahresber. über die k. k. Oberrealschule
in d. II. Bezirke von Wien 1894. S. 8—32.
Die Vermählung des Gr. Hermann IIL v. Henneberg
mit Elisabeth von Brandenburg. In : HohenzoU. Forsch«, III,
253 — 266.
Virck, H.: Lübeck u. der Schmalkald. Bund im Jahre
1586. Ztschr. d. Y. f. Lübeckische G. u. A., VII, 23/51.
Völkel, A. F.: Das Kloster Mildenfurth. Unser Vogt-
land, Bd. n, H. 6, 168—172.
Wagner, E.: Sprichwörter u. sprichwörtl. Kedensarten
in Rudolstadt. Prgr. Budolstadt, 43 SS. 4 <*.
Wenck, E.: Eine mailändisch - thüringische Heirats-
geschichte aus der Zeit Eönig Wenzels^ N. A. f. Säch. G.
u. A., XVI (1896), 1—42. (Separat bei W. Baensch 1895.
42 SS. 8<>.)
Weniger, L. : Die Dominikaner in Eisenaoh ; ein Bild
aus d. Elosterleben des liittelalt. In Samml. wissensch. Vortr.,
No. 199. Hamburg, Yerl.-Anst. 44 SS.
Weyhe-Eimke, Arnold, Freih. v.: Erinnerungen
aus d. Gesch. der GräfL Stolbergischen Lande im Jahre 1641
u« 1642 nach Urkdn. aus d. Nachoder Archive. Ztschr. des
Harz-Y., 27. Jahrg., 315/825.
7fiO
NMa Beiträge bot Oesohiolite dentiohcn Alter-
twBi. HemoBg. tob d. HeoDeb. altertosilL Y. in MeiaisgeB.
13. Lief, lidningen 1894:
Zar Geeeh. der BeneiiiOToo nad ihrer Vertreter in den
Sachsen -EmestiniBchen Ländern. Yoo Dr. J. Qroeeehel in
Nürnberg. 7/38. — Die älteste Originaloi^nnde im etädti-
eehen Archiv sn Meiningen. Mitget t. Bchuldirektor Döbner.
24/27.
61., 62., 68., 64. Jahresbericht des Vogtl. alter-
tamsf. y. zu flohenleuben. HoheDlenben, im Aogost 1894:
üeber die Entstehung der Sage vom nnterirdisehen
Gange. Von Robert Eisel in Gera. 1/15. — Das Leben
Heinrichs XXX., des letzten Grafen und Herrn Ton Gera.
Ton Pfiarrer Dietrich in Hohenleuben. 16/28.
Mitteilungen des Oeschichts- u. Altertumsf. Vereins
au Eisenberg. 10. H. Eisenberg 1895:
Die Eisenbergisohe Braugerechtigkeit u. ihre allmähliche
Beseitigung. Von Prof. B. liackrodt. 8. 1/85. — Nachr.
über die ältesten Einkünfte u. Bechte der dem Kloster Eisen-
berg inkorporierten liarienkirohe su Zwickau. Mitget Yon
Pfarrer Bud. Lobe in Buchheim. S. 86/40. — Bericht über
die Wirksamkeit des Vereins im Jahre 1894. 8. 41/46. —
Lihalts-Veraeichnis von Heft 1 bis 10. 8. 47/99. — Vera,
der Mitgl. 8. 100/102.
Mitteilungen d. V. f. d. Gesch. u. Altertnmi^. Ton
Erfurt XVL Heft Mit dem Beih^: Das Collegium oMgus,
Yen G. Oergel. Erfurt 1894:
Zur Erinnerung an die Universität Erfurt Vortr. von
G. Oergel, Pastor. 1/S2. — Briefe Neithardts von Gneisenan
an Dr. Johann Blasius Si^ling» Prof. der Mathematik in Er-
furt HerauBg. von Dr. Albert Pick. 28/110. — Urkunden
sur Gesch. des Collegium majus lu Erfurt Mitget von G.
Oergel. 111/142. — Beitr. sur Vorgesch. Thftringens. Von
Dr. med. Zschiesche: IV. Gebrannte Wälle in Thüringen.
V. Der WolfetiBch bei Hitaelrode, mit einer Abb. 148/171.
Littentar. 751
Mitteilangen det Y. f. Oesohiohis- u. Altertomsk. zu
Eahla u. Boda. Y. Bd., 1. H. Eahla 1895:
I. lieber die uQsuyerläsfige Zahlenangabe bei den Ge»
iehidhtssohreibern der alten and mittleren Zeit Yen Geh.
Kirohenrat B. Lobe in Basepbas. 8. 1/29. — IL Neu»
XJntenuchungen {Lber die Bau- n. Eunstdenkmäler Thüringens,
▲mtsbes. Eahla. Yen Heinrich Bergner. 8. 80/86. — IIL
Znr Grensbesohreibang des Orlagauea nach einer Urkde. dee
11. Jahrh. Yon Y. Lommer. 8. 87/92. — IV. Das Uhl-
Städter Gemeindebach. Yon F. H. M. Fritzsche, Pfarrer in
ühlstädt. 8. 93/98. — Y. Naohrichten über Adelige aas den
Kirohenbüohem der Ephorie Eahla. Forts. YIII. Farochie
Niederkrossen. Yon Pfarrer F. W. 8tolEe. 8. 99/108. —
YI. Aasgestorbeoe Adelsfamilien« Yon £• Lobe in Boda.
8. 104/112. — YII. Ein Jadenhandel in der 8tadt Eahla.
Yon Heinrich Bergner. 8. 118/125.
Mitteilungen der Geschiohts- u« Altertamsf. Gesellsoh.
des Osterlandes. X, 4. Altenburg, Br. yon Oskar Bonde^
1895:
XIII. Chronik der Stadt Altenbarg von 1814 bis 1820.
Yon A. Fr. E, Wagner. 369/456. — XIY. Bie Legende
yon der Gründung des Elosters Posa (Bosau). Yon Br. P.
Mitsschke. 457/461. — XY. Einige Naditr. evl den Pleifs-
nischen Arohidiakonen u. Beohaoten in Bd. YII, 508 ff. Yoq
Geh. EB. Br. Lobe. 462/472. — XYL Ueber eine yon dem
Altenb. 8tiftspropst Johann y. Eitscher an den Eönig 8igis-
mund y» Polen in Petrikau 1512 gebotene Bede. Yom Geh.
EB. B. Lobe. 473/484. — XYII. Nachtr. i. Gesch. einiger
der ausgestorbenen Adelsfamilien des Osterlandes. Yom Geh.
EB. B. Lobe. 485/532. — XYUI. Miscellen (1. Zu Mit-
teil YI, 8. 822. 2. Zu Mitteil. Y, S. 423. 3. Urkunde yom
Jahre 1434 über Zinsyerkauf yon dem Yorwerke zu Ere»
bitzschen. 4. Generalsnperintendent 8uarinus ftber Altenb.
Zustände im Jahre 1612). 533/588. Yon Prof. Br. Geyer.
— XIX. Jahresberichte 1892/94. Yon Prof. Br. Geyer.
589/546.
752 Litteratnr.
Neue MitteiluDgen aus dem Gebiet hist-ant. Fonoh.
Bd. XJX, H. 1. Halle a. 8. 1895:
Bestand und Alter der Eirohenbüoher in der Prorins
Sachsen, dem Hersogt. Anhalt u. einigen thftringisohen Staaten.
Von B. Krieg. 1/95 und 104/128. [Enth< das Yerseiehn.
folgender Thür. Staaten: Grofsh. Sachsen -Weimar -Eisenaofa,
Heriogt 8.- Coburg y F. Sohwarzb. - Sondershausen , F. ReuTs
ö. L., F. Schwarsb.-Rudolstadt, U. S.- Gotha» H. S.- Alten-
burg.] — Zur Gesch. des thür.-säohs. Gesch.- n. Altertumsr.
Von Prof. Dr. Jul. Schmidt. 96/108.
Mitteilungen des Altertumsvereins zu Plauen i. Y.
10. Jahresschr. Plauen 1893: Begesten zur Orts- und Fami-
liengeschichte des Yogtlandes. I. Bd. 1850 — 1485. Yen 0.
V. Baab.
Schriften des Vereins für Meiningische Geschichte u.
Landeskunde.
14. Heft: Beitr. zur Gesch. des Herzogt. Sachsen-lCei-
ningen-Hildburghausen. Von Ferd. Trinke. 1898.
15. Heft: Dr. phil. Friedrich Reinhardt, weil. Rektor
des Lyceums zu Saalfeld u. erster Professor am Gymnasium
zu Hildburghausen. Von Armin Human. 1898.
16. Heft: Johann Gerhardt in Heldburg. Vortrag Ton
Ferd. Schmidt. 1898.
17. Heft: Die Wasunger Mundart. Dargestellt von E.
Reichard, E. Koch u. Th. Storch. 1895.
18. Heft: Die französische Kolonie in Hildburghauaen.
Von A. Human. 8/66. — Beschr. der bei Naundorf auf
<ler sogen. Schulwiese in Langenschader Flur im Herbst
1821 mit hohem Zeug stattgefun denen Contrajagd. Von
Heuschel. Mitget. von Dr. A. Human. 67/71. — Eonfir^
mation des Centgerichtes Römhild durch Kaiser Maximilian
«. 1498. Mitget. von Dr. A. Human. 71 ff. Hildburg-
hausen 1895.
0. Dobenecker.
Geschäftliehe Mitteilnngeii.
XVII. 49
Bericht über die Thätigkeit des Vereins tat Thüringisohe
Gtosohiohte und Altertumskunde in der Zeit von der
Hauptrersammlung in Ilmenau am 16. Juli 1898 bis srar
Hauptversammlung in Qotha am 6. Oktober 1896
von Gustav Richter.
Der letzte im 8. Band der ZeiUchrift (^. F.) 8. 495 ff.
yeröffeotliobte Bericht über die Thätigkeit des YereioB wurde
suerst auf der Versammlung in Ilmenau vorgelegt, roufs
aber noch durch nähere Angaben über den Verlauf derselben
ergänzt werden. Durch das sehr freundliche Entgegenkommen
des dortigen OrtsausichuCBes, an dessen Spitze Herr Bürger-
meister Eokardt stand, erhielt die Ilmenauer Versammlung
einen wahrhaft festlichen Charakter. Schon die am Vorabend
von der Kurverwaltung veranstaltete Illumination der Linden-
strafse bot den auswärtigen Teilnehmern eine genufsreiche
Überraschung. Die Versammlung selbst wurde am Sonntag,
den 16. Juli im Felsenkeller durch den Unterzeichneten
eröffnet Nach einer freundlichen Begrüfsung durch Herrn
Bürgermeister Eckardt hiefs der Vorsitzende die erschienenen
Vertreter der Oothaischen Staatsregierung, Herrn Geh. Staatsrat
von Kettelhodt und Herrn Obersohulrat Rauch willkommen,
widmete seinem Vorgänger im Amte, dem verstorbenen Geh.
Kirchenrat Lipsius herzliche Worte ehrenden Dankes für sein
langjähriges unvergelsliches Wirken für unsern Verein und
erstattete dann den an der erwähnten Stelle gedruckt vor-
liegenden Geschäftsbericht. Den wissenschaftlichen Vortrag
49*
756 Qescbimicbe Mitteilungen.
hatte Herr Staaterat ProfeBBor Dr. A. Brückner aus Jena
überoommen. Das Thema lautete: ,,Ein thüringiacher
Fürst des 17. Jahrhunderts und seine Besieh-
ungen zu den Deutschen in Bufsland." Bei der
Stadt Moskau bestand eine deutsche Vorstadt Hier durften
die Ausländer leben, hier entstanden um die Mitte des
17. Jahrhunderts einige protestantische Kirchen und eine
deutsche Schule. Diese Verhältnisse fanden die lebhafte Teil-
nahme des Heriogs Ernst des Frommen von Gotha. Der
Herzog spendete wiederholt Geldsummen für den Unterhalt
von Schule und Kirche, liefs sich über den Stand der An-
gelegenheiten der Deutschen fortlaufend unterrichten und stand
im Briefwechsel mit dem Zaren Alexei, dem Vater Peters
des Orofsen, und mit Matwejew, dem Minister des ersteren.
Als diplomatischer Agent und Vermittler war hierbei ein
Sachse, Laurentius Binhuber thätig, über dessen Leben
manche bemerkenswerte Einzelheiten zur Mitteilung gelangten.
Schliefslich gedachte der Redner auch der politisch^diplo-
matischen Beziehungen, welche zwischen dem Herzoge und
dem Staate Moskau angebahnt wurden. Es handelte sich
um die orientalische Frage, um Reformen in Rufsland, um
Handelsbeziehungen zu China u. s. w,, ohne dafs solche
Verhandlungen zu greifbaren Ergebnissen geführt hätten.
Reicher Beifall lohnte dem Redner für seine an kultur-
historischen Gedanken reichen und viele Seiten unseres na-
tionalen Empfindens mächtig anregenden Ausführungen.
Hierauf folgte ein kürzerer Vortrag des Herrn Bürger-
meister Eckardt über die Entstehung des Goethe-
sehen l^achtliedes ''lieber allen Gipfeln ist Ruh.' Un-
weit des auf dem Kickelhahn bei Ilmenau errichteten Turmes
befand sich ein von Karl August erbautes Pirschhäuschen.
Hier hat Goethe oft und gern in stiller Beschaulichkeit geweilt.
Am 80. August 1783 war Goethe wieder in Ilmenau, auch
diesmal zog es ihn nach dem Bretterhäuschen auf dem Berge.
Hier wurde er beim Anblick der vom Mond beschienenen Berg-
häupter zu seinem ''Nachtlied' gestimmt Er schrieb daa
GMchlftliche Mitteilangeo. 757
Gedicht an eine rohe Holzwand des Gemachs neben dem süd-
lich gelegenen Fenster mit dem Datum des 2. (nicht des 7.) Sep-
tember. Bei keinem anderen Gedicht» von ''Migoon' ab-
gesehen , hat Goethe unserer rauhen Nordlandsprache den
süDsen melodischen Klang einer südlich-romanischen Mundart
zu verleiben gewuXst Ein Ewigkeitsgedanke durchweht ge-
heimnisvoll das Lied, die Worte schmeicheln sich ins Gemüt,
ihm Ruhe und Frieden bringend. Nachdem der Redner eine
eingehende Analyse des Gedichtes gegeben, führte er weiter
aus, wie Goethe 48 Jahre später die Inschrift wiedersah.
Er traf am 26. August 1881 in Ilmenau ein und begab sich
mit dem vor einigen Jahren verstorbenen Bergrat Mahr nach
dem Kickelbahn. Lange schaute er in das anmutige Thal,
dann rief er aus: '^Wenn das doch unser guter Grofsherzog
noch einmal hätte mitgeniefsen können/ Als er an der Holz-
wand die verblichenen Züge des in kräftigem Jugendalter
einst angezeichneten Gedichtes gewahrte, rollten ihm reich-
liche Thränen über die Wangen. Laut wiederholte er die
letiten Worte: Va warte nur, bald ruhest Du auch.' Er
hatte wahr gesprochen, schon im nächsten Frühjahr schlössen
sich seine Augen für immer. „Wir aber", so schlofs der
Redner seinen gemütvollen Vortrag, „wir im Ilmthale am
Flusse, dessen Welle manches unsterbliche Lied gehört, haben
es als teures Yermächtnis übernommen, solange der Flufs
rauschen wird, die Goetheerinnerungen zu pflegen und die
klassischen Stätten zu schützen und zu schirmen, denn
die Stätte, die ein guter Mensch betrat,
ist eingeweiht, nach hundert Jahren klingt
sein Wort und seine That dem Enkel wieder.''
Durch Verteilung einer seltenen Nachbildung des Nachtliedes
— die Urschrift ist bekanntlich durch den Brand des Häus-
chens im J. 1870 verloren gegangen — bereitete der durch den
lebhaften Beifall der Hörer belohnte Redner den Anwesenden
eine freudige XJeberraschung. Dieselbe war durch das Ent-
gegenkommen des Herrn Verlagsbuchbändler Schneider, der im
Besitz des einzigen vorhandenen Clioh^s ist, ermöglicht worden.
758 GesehiftllelM MittellaogeD.
Die BrnennuDg der Herren Präsident Miras und Bech-
nungsamtmann Liohtwer zu Keehnungsprftfem fGr das nlh^hste
Vereinsjahr, sowie die Vorlesang einer Einladung der Stadt
Rudolstadt JBur Abhaltung der nächsten JahresyerBammlung
daselbst besohlofs den geschäftliohen Teil des Tages. Vor
und nach der YersammlaDg wurde die vom Ortsanssohusse
auf dem Felsenkeller veranstaltete Ausstellung geschiohilieh
bedeutsamer, teils aus dem städtischen Archiv, teile von
Privatpersonen dargebotenen Gegenstände besichtigt Das
Festmahl verlief in gelungenster Weise. Der Vorsitzende
verlas nach dem auf 8. K. H. dem Orofsherzog ausgebrachten
Trinkspruch unter der jubelnden Zustimmung der Festgenossen
folgende telegraphische, alsbald aus Wilhelmsthal gnädig be-
antwortete, Huldigung an den hohen Herren: "^In AnlaDs
des ktirilioh begangenen Eegierungsjubiläums und im dank-
baren Hinblick auf die Segnungen eines den höchsten Idealen
geweihten Fürstenlebens entbietet Eurer Königl. Hoheit ehr-
furchtsvolle Huldigung der in Ilmenau zur Jahresfeier ver-
sammelte Geschichtsverein/ Es folgte noch eine Keihe ernster
und heiterer Trinksprüche, unter denen der Überaus launige
Festgrufs der uralten Gemeinde Gabelbach aus dem Hunde
ihres Schultheifsen, des Herrn Justizrat Schwanitz stürmische
Heiterkeit weckte; auch er brachte eine erfreuliche Gabe,
das zum Jubiläum des Grofsherzogs verfafste humorrolle
Huldigungsgedicht dos Gemeindepoeten Baumbach; dasselbe
wurde in einer Anzahl von Abdrücken unter die Feetgenosaen
verteilt. Mit den Gefühlen wärmsten Dankes verlief sen die
Gäste das schöne, erinnerungsreiche, gastliche Ilmenau.
Das äuTsere und innere Leben des Vereins in dem s^t
der Ilmenauer Versammlung verlaufenen Jahre kam in der
auf der nächstjährigen, zu Pöfsneck am 80. September
abgehaltenen Festvereinigung in dem dort vom Vorsitzenden
erstatteten Verwaltungsbericht zur öffentlichen Darlegung. Id&
gebe nachstehend diese Uebersicht und erweitere dieselbe zu-
gleich bis zur Gegenwart
Hinsichtlich der wissenschaftlichen Arbeiten
Geschiftliche MittoUaogen. 759
des Yereins ist wiederholt darauf hingewiesen worden, dafs
der ursprüngliohe Plan der Herausgabe gesonderter Urkunden-
büoher thüringischer Eärstengeschlechter , Städte, Klöster
u. s. w. aufgegeben und an dessen Stelle zunächst die Aus-
arbeitung eines ganz Thüringen umfassenden kri-
tischen Urkundenyerzeiohnisses zu schaffen gesetzt
worden ist Ich verweise auf die von mir gegebene nähere
Darlegung dieses Unternehmens und seiner grundlegenden Be-
deutung für die Thüriogische Geschichtsforschung im 8. Bande
der Zeitschrift (N. F.) S. 502 f. und bemerke nur, dafs die
Bearbeitung dieses höchst umfassend angelegten Werkes bis
zur yollendeten Drucklegung des ersten Bandes yorgeschritten
ist Der Bearbeiter, Herr Dr. 0. D oben eck er in Jena,
hat seit 1. Oktober 1883 — abgesehen Ton einer Unter-
brechung von ^/, Jahre — in nunmehr zwölQähriger aus-
dauernder, müheyollster Arbeit über 23 000 Begesten, jedes
einzelne mit genauen litterarisohen und kritischen Kachweisen
yersehen, augefertigt Im Sommer des yorigen Jahres wurde
zur Drucklegung geschritten, auf der Pöfsnecker Versammlung
das erste Heft vorgelegt, im Januar des laufenden Juhres der
erste Halbband veröffentlicht Derselbe umfafst in 30 Bogen
Grofs-Quart 1150 Eegesten für die Zeit von c. 600 bis zum
Jahre 1120. Der zweite Halbband wird noch im Laufe
dieses Jahres erscheinen und aufser 14^/, Bogen Begesten
das Begister und die Vorrede bringen. Die Herstellung eines
gründlichen und zuverlässigen Eegisters (sowie die Kor-
rektur desselben) stellt allerdings an die Zeit und Kraft des
Herausgebers ungeahnt hohe Anforderungen. In der Vorrede
wird eine Darlegung der Grundsätze gegeben werden, welche
für Aufnahme und Bearbeitung der Urkunden und Briefe
mafsgebend gewesen sind. An die Vollendung des ersten
Bandes wird sich im nächsten Jahre die Drucklegung des
zweiten anschliefsen ; derselbe soll die Eegesten für den mit
dem Erlöschen des alten Landgrafengeschlechtes (1247) be-
endeten Zeitraum umfassen. Die weitere Absicht geht dahin,
alsdann noch einen Ergänzungsband erscheinen zu lassen, der
760 OaMhifUiehe Hitt^üaogeo.
die noch nicht gedruckten oder nur in seltenen oder tchlechten
Drucken vorhandenen Urkunden enthalten wird. Nach der
Vollendung destelben wird nach unserer Auffassung dasjenige
geleistet sein, was für eine gesicherte urkundliche Grundlage
der älteren Thüringischen Geschichte erforderlich ist Bann
wird es allerdings, wie ich im vorigen Jahre ausgeführt habe^
an der Zeit sein, das ürkundenwerk jeeitweilig surücktreten
2U lassen; die fortschreitende Entwickelung der geschieht-
liehen Forschung fordert die Kraft des Vereins fUr ander»
dringliche Angaben. Ss ist wohl kein Zufall, dafs jetat, wo
die wirtschaftlichen und sozialen Fragen in den Vordergrund
des öffentlichen Lebens getreten sind, auch in der Wissen»
Schaft das Streben nach geschichtlicher Erforschung der wirt-
schaftsgeschichtlichen und soBialgeschichtlichen Verhältnisse
mit grofsem Kachdruck die Stellung der wissenschaftlichen
Aufjgaben und Probleme in der allgemeinen wie in der Einsei-
geschichte beeinflufst. Der Provinzial- und Ortsgeschichte
erwächst da die Aufgabe, durch Erforschung der Wirtschafts-
geschichte in kleineren Gebieten in den mannigfachen Aeufser-
ungen des wirtschaftlichen Lebens in Stadt und Land, die
Entwickelung der sosialen und gewerblichen Gliederungen in
Zünften und Gilden, der gutsherrlichen und bäuerlichen Ver-
hältnisse, den Niederschlag des wirtschaftlichen und sozialen
Lebens in den Stadtrechten, Grundbüchern, Flurkarten o. dgl.
lu verfolgen und für seine wissenschaftliche Festlegung kri-
tisch gesichteten Stoff planmäCsig zu sammeln. Und gerade
dieses, die planmäfsige Beeinflussung und Leitung der orts-
geschichtlichen Forschungen, das erscheint als eine Angabe
der gröfseren provlnzialen Vereine, welcher sich dieselben je
länger, je weniger entziehen können. Es ist bedauerlich, dafs
auch bei uns in Thüringen hierzu noch kein Anfang gemacht
ist Die zahlreichen Ortsvereine haben keine oder wenig
Fühlung untereinander und mit dem Hauptverein. Ich habe
in Pöfsneok nachdrücklich betont, dafs die Ortsvereine in Ver-
bindung mit uns treten müssen, wenn auch zunächst nur
Geschfiftllcbe Mitteilangen. 761
duroh ihren AnschlufB als korporative Mitglieder, und in Aus-
sieht gestellt, dafs weitere Anregungen und Yorsohläge von
uns an die einseinen Vereine ergehen würden. Zu diesem
Zweck haben wir einen Aussohufs gebildet unter dem Vorsitz
des Herrn Professor Bosenthal. Dieser Aussohufs hat den
Entwurf eines gemeinsamen Arbeitsplanes ausgearbeitet, er
ist den Vereinsvorständen zugestellt worden mit der Ein-
ladung, sioh lur Besprechung desselben mit uns zur Haupt-
versammlung in Gotha einzufinden.
Ich habe bisher der Urkundenbücher keine Er-
wähnung gethan. Wir halten daran fest, die einmal begon-
nenen Unternehmungen auch zu Ende zu führen. Doch ist
die Sachlage bei dem Urkundenbuch von Faulinzelle und dem
der Stadt «Tena noch dieselbe wie im vorigen Bericht an-
gegeben. Auch was oben über das zeitweilige Zurücktreten
des grofsen Urkundenrepertoriums gesagt ist, darf nicht miß-
verstanden werden. Die Arbeit wird stetig fortgesetzt, nur
in langsamerem Tempo, dami^ die Mittel des Vereins auch
anderen, inzwischen erwachsenen Aufgaben von ebenso grofser
Dringlichkeit zu gule kommen können. So dürfte wohl
neben der Vollendung der beiden genannten Urkundenbücher
eine urkundliche Herausgabe der Thüringischen
Stadtrechte dasjenige sein, was nach Vollendung der ersten
beiden Bände des Bepertoriums, sowie des Ergänzungsbandes
zunächst ins Werk zu setzen wäre.
Aber auch noch in anderer Eichtung wird der Verein
seine Aufgaben zu erweitern haben. Die Thüringischen
Archive bergen noch eine Fülle ungehobener Schätze zur
Geschichte und Kulturgeschichte namentlich der neueren Jahr-
hunderte, welche der geschichtlichen Forschung in umfassen-
derer und mehr planmäfsiger Weise zugänglich gemacht werden
müssen, als es bisher geschehen ist. Es würde zu diesem
Zwecke etwa die Durchforschung der Archive durch geeignete-
Fachmänner stattzufinden haben, um die zur Veröffentlichung
geeigneten Archivalien von geschichtlicher Bedeutung zu be-
762 GeMb&rUicb« MitteUnngen.
«timroen und sa bezeichnen. Dann könnte ein Plan zn ihrer
Bearbeitung und Herausgabe in bestimmter zeitlicher und
sachlicher Folge vom Vorstände des Vereins festgestellt und
allmählich ins Leben gerufen werden. £s würde neben die
vorwiegend dem Mittelalter zugewendeten urkundlichen Publi-
kationen eine zweite Beihe von ''Publikationen aus
Thüringischen Archiven zur Geschichte der
neueren Zeiten^ als besonderes Unternehmen des Vereins
zu treten haben. Um diesen hier skizzierten Gedanken
— er entspricht im wesentlichen den von Herrn Professor
Ottokar Lorenz schon vor Jahren geäufserten Wünschen
und Anregungen — genauer auszuarbeiten, bedürfte es zu-
nächst einer engeren Verbindung des Vereins mit den Ver-
waltungen der Thüringischen Archive, besonders in Weimar,
Gotha, Altenburg, Meiningen und Budolstadt. Ohne deren
bereitwillige Mitwirkung wäre die Ausführung gar nicht denk-
bar. Es wird sich diese nähere Verbindung dadurch an-
bahnen lassen, dafs Vertreter dieser Verwaltungen als aus-
wärtige Mitglieder dem Vereins vorstand beitreten und von
Zeit zu Zeit zu gemeinsamen Beratungen sich vereinigen.
Eine zweite Bedingung wäre die Beschaffung geeigneter
Arbeitskräfte. Diese würde am wenigsten Schwierigkeiten
machen, das historische Seminar in Jena sich zu einer Pflanz-
schule junger Historiker in dieser Richtung ausbilden können.
Endlich die Geldmittel. Das ist ja deutlich, dafs mit den vor-
handenen Mitteln des Vereins, die Unterstützungen der Staats-
regierungen in der bisherigen Höhe ihrer Beträge eingerechnet,
sieb die ganze Fülle der bezeichneten Aufgaben nicht lösen
läfut. Aber warum sollen wir es von vornherein als aus-
geschlossen ansehen, dafs die Begierungen sich zu einer Er-
höhung der gewährten Mittel entschliefseu würden? Femer,
wenn der Plan des Werks sich wirklich auf geschichtlich
allgemein Bedeutsames richtet, so dürfte auch wohl ein unter-
nehmender Verleger sich finden, welcher das Werk ganz oder
teilweise auf eigene Kosten zum Verlag übernähme. Endlich
ist eine Steigerung der Vereinsmittel durch Vermehrung der
GMebXftUehe MitteUaogen. 763
Yereinsmitglieder ins Auge in fassen. Koch immer ist die
Mitgliederiahl eine yerschwindend kleine gegenüber der Ziffer
•der Thüringischen Beyölkemngen und der hohen Bedeutnng
unserer Arbeiten. Vielleicht können die Staatsregierangen
durch an alle Staats- und Gemeindebehörden, an die Pfiur-
und Schulämter su richtende Empfehlungen jBum persönlichen
und korporativen Beitritt nicht unwesentlich hierzu beitragen.
Soviel von den zukünftigen Zielen unserer Arbeit. Von
der Yereinszeitsohrift ist im J. 1893 das 3. und 4. Heft
des 8. Bandes der N. F., sowie das 1. Heft des 9. Bandes,
im J. 1894 das umfangreiche 2. Heft desselben erschienen,
im laufenden Jahre hat das 3. und 4. als Doppelheft dieses
Bandes seine Vollendung gefunden und wird zugleich mit
diesem Bericht auf der bevorstehenden Hauptversammlung
XU Ootha vorgelegt werden.
Die Mitgliederzahl des Vereins betrug nach der
letzten Mitteilung (vom Herbst 1893) 3 Ehren- und 418
ordentliche Mitglieder, sie ist seitdem auf die Zahl von
3 Ehren- und 406 ordentlichen Mitgliedern herabgesunken.
Der Schriftenaustausoh mit anderen Vereinen hat
an umfang zugenommen. Wir stehen gegenwärtig mit 226
Akademien, Vereinen und gelehrten Gesellschaften im Aus^
tauschverhältnis. Der Vatikanischen Bibliothek in Bom be-
schlofs der Vorstand seine sämtlichen Publikationen zum
Oeschenk zu machen, ein sehr verbindliches Dankschreiben der
Bibliotheksverwaltung ging dem Vorstande für diese Gabe zu.
Aber auf den Schriftenwechsel hat sich der Verkehr nicht
beschränkt. Der Vorstand des Qeneralvereins deutscher Ge-
schichts- und Altertumsvereine lud uns zu der im Sept. 1894
in Eisenach abgehaltenen Generalversammlung ein und hat
zugleich den Beitritt unseres Vereins zum Generalverein in
Anregung gebracht In unserer Vertretung nahm Herr Biblio-
theksdirektor Dr. K. E. Müller an den Eisenacher Verhand-
lungen am 8. Sept teil; den Anschlufs an den Generalverein
haben wir nach dem Gesamtverhältnis unserer Aufgaben und
Pflichten nicht thunlioh gefunden. — Ebenso nahm unser
764 Gescbftftliche Mitteilnng^D.
Yerein an den bei Gelegenheit des diesjährigen Historiker-
tags in Frankfurt vorgenommenen Verhandlangen deutscher
PublikationBinstitute durch Mitwirkung des von uns abge-
ordneten Herrn Dr. 0. Dobenecker teil. Wir sind den dort
getroffenen Vereinbarungen beigetreten, Herr Dr. Dobenecker
hat die Vertretung für Thüringen übernommen. — Endlich
haben wir uns dem vom Erfurter Geschichts- und Altertums-
vereine ausgegangenen Bemühungen für Herstellung einer
prähistorischen Fundkarte Thüringens angeschlossen und durch
Teilnahme des Herrn Professor Dr. Regel als unseres Ver-
treters an der Erfurter Besprechung vom 9. Juni 1896 dies
bekundet.
Die erwähnten Fragen waren neben Regelung der laufen-
den Vereinsgescbäfte Gegenstand einer Reihe beratender und
beschliefsender Versammlungen des Vorstandes. Solche Vor-
standssitzungen haben stattgefunden am 21. Januar,
27. Mai, 14. Juni 1894 und am 10. März und 31. Mai 1895.
Die Jahresversammlung für 1894 wurde am 30. September
unter reger Beteiligung zu Pöfsneck abgehalten. Als neue Aus-
schufsmitglieder wurden in der Sitzung vom 10. März durch
Beiwahl die Herren Oberlandesgerichtsrat Dr. XJuger, Biblio-
thekskustos Dr. Steinhausen , Professor Dr. Eauffmann und
als auswärtiges Mitglied Herr Archivdirektor Dr. Burkhardt
zu Weimar gewählt. — Innigen Anteil nahm der Verein an
dem Ableben seines hohen Ehrenmitgliedes, des Erbgrofs-
herzogs Carl August E. H. Im Namen des Vorstandes wurde
von dem Unterzeichneten ein Beileidschreiben an L E. H.
die Frau Erbgroüsherzogin gerichtet und von Herrn Dr. Doben-
ecker eine Blumenspende am Sarge niedergelegt. Sowohl vom
Grofsb. wie vom Erbgrofsb. Hofe wurden Dankschreiben an
den Vorstand gesendet.
Es bleibt schliefslich noch über den äufseren Verlauf der
vorjährigen Pöfsneoker Hauptversammlung zu be-
richten. Manche Schwierigkeiten hatten sich der Abhaltung
dieser Versammlung in den Weg gestellt und eine Reihe
unserer Vorstandsmitglieder, die Herren Prof. Rosenthal und
Geschftfklicbe Mitteilangen. 7g5
Dr. 0. Fischer, welche eich auf Reisen hefandeD, sowie die
Herren Lorenz und Krieger, waren von der Teilnahme ah-
gehalten. Wenn es dennoch gelungen ist, den am 27. Mai
gefafsten Beschlufs bezüglich Abhaltung der Jahresversamm-
lung in Föfsneck zur Durchführung zu bringen, so ist das
nicht zum wenigsten dem sehr freundlichen Entgegenkommen
des Herrn Kommerzienrat Eberlein in Föfsneck und der Mit-
glieder des von demselben gebildeten Ortsausschusses zu danken.
Der Erfolg lohnte reichlich fiir die vorausgegangenen Mühen.
Eine grofse Zahl von Damen und Herren, etwa 150, der
Mehrzahl nach aus Föfsneck, doch auch nicht wenige von
auswärts, davon 20 Herren aus Jena, fanden sich am
30. September gegen Mittag in den gastlichen Eäumen des
Sohützenhauses zur Teilnahme an den Verhandlungen des
Vereins zusammen.
Nach Eröffnung der Versammlung durch den Vorsitzenden
begröfste Herr Bürgermeister Dr. jnr. Flagge namens der
städtischen Behörden und des Ortsausschusses die zahlreiche
Versammlung. Die Stadt empfinde es als eine Freude und
eine Ehre, dafs der Verein in ihren Mauern tage, der ganz
Thüringen uaier eine Fahne geschaart habe, um die Denk-
mäler, an denen Thüringen so reich sei, zu erhalten, die Liebe
zu den Pflanzstätten der Bildung zu pflegen. Thüriogen sei
thatsächlich eine solche Pflanzstätte, Thüringen sei die W^iege
der Beformation, Thüringens Sänger und Gelehrte hätten das
geistige Leben vertieft, die Thüringer Industrie stehe auf
hoher Stufe, und Thüringer Tondichter hätten die von Foesie
und Sage umwobenen Thüringer Berge und Burgen verherr-
licht. Es sei eine herrliche Aufgabe, Thaten und Sitten der
Vorzeit den späteren Geschlechtern zu überliefern und des-
halb ein ehrendes Gefühl, den Verein, der sich diese Aufgabe
gestellt, hier tagen zu sehen. Nochmals heifse er denselben
herzlich willkommen. Der Vorsitzende dankte herzlich für
die gehaltreiche und ehrenvolle Begrüfsung; wenn ja noch
ein Zweifel habe bestehen können — für ihn persönlich habe
ein solcher nie bestanden — ob der Verein hier Verstäadnis
766 GetchXmkh« Mitteilaoi^.
für Beine Bestrebungen finden werde, so tei dieser Zweifel
durch die warme Begr&TiBung des Herrn Bürgermeist^v und
durch das Erscheinen so zahlreicher, auch weiblicher Gäsle^
völlig gehoben; nicht minder zeige auch die gebotene Aus-
stellung zahlreicher und anziehender Altertümer aua dem
Privatbesitz so vieler Familien von dem pietätvollen Sinn
der Bewohner Pö(snecks gegenüber den Zeugen ihrer reichen
Vergangenheit. Es folgte der Gescbäftobericht, dessen Inhalt
teils im vorstehenden enthalten, teils aus der nachfolgenden
RechnuDgsübersicht unseres Herrn Schatzmeisters ersicht-
lich ist.
Nachdem der Geschäftsbericht erstattet und die Wahl
der Rechnungsprüfer für die neue Periode vollzogen wur
— sie hatte die Wiederwahl der oben genannten Herren er-
geben — folgten die Vorträge, welche die volle Aufmeri[-
samkeit der Versammlung lu fesseln wufsten. Zuerst sprach
Professor Regel aus Jena über ,Die industrielle Snt-
wickelung von Ostthüringen, insbesondere von
Pöfsneck'. Den wesentlichen Inhalt der auf ausgezeich-
neter Sachkunde beruhenden Ausführungen geben wir naeh
dem Bericht der Jenaisohen Zeitung vom 10. Oktober (Beilage
zu Nr. 237):
Pöfsneck ist bekanntlich neben Sonneberg der bedeutendste
Industrieplatz des Herzogtums Meiningen und bildet den am
weitesten nach Nordosten vorgeschobenen Teil dieses vom
südlichen Vorland des Thüringerwaldes quer über den Racken
des letzteren bis zum Nordostfufs sich ausdehnenden Landes.
Ein bedeutungsvoller Terrainabschnitt scheidet das gegen
Süden ansteigende Vogtländische Bergland vom Thüringer
Hügelland; deutlich ist derselbe von Saalfeld bis Gera aus-
geprägt. Gröfsere Siedelungen wie Saalfeld, Pöfsneck, Oppurg,
Neustadt, Triptis, Weida und vor allem Gera haben sich hier
entfaltet, eine der wichtigsten Verkehrslinien Mitteldeutsch*
lands verknüpft, derselben folgend, das Elster- und Saalthal,
und über den Thüringerwald weiterziehend, den Norden und
Nordosten Deutschlands mit dem Süden. Diese Senke ist
nebst dem tief in das Schichten gefÜge des Vogtländisohen
Berglandes einschneidenden Elsterthal der Sitz einer be-
deutenden Qrofsindustrie geworden, wie wir eine solche in
Geschäftliche Mitteilaogen. 767
dieser Gröfse und Oeschlosseoheit in ganz Thüringen nicht
wieder antreffen; dieselbe ist mit der benachbarten des König-
reichs Sachsen auf das engste verknüpft.
£in ähnliches Emporblühen gröfserer Ortschaften wie
zwischen Saalfeld und Gera beobachten wir auch sonst viel-
fach am FuüSb unserer mitteldeutschen Gebirge, wie am Harz,
am Thüringerwald u. s. w. Hier am Fufs des Vogtländischen
Berglandes finden wir bereits in vorgeschichtlicher Zeit die
Spuren einer dichteren Besiedelung, denn gerade hier im
Orlagau sind die prähistorischen und früh geschichtlichen Funde
recht zahlreich und sind durch den Fleifs rühriger Lokal-
foricher der wissenschafüiohen Forschung zugänglich gemacht
worden, besonders haben Adler, Bömeri Liebe, Robert Eisel,
Aog. Fischer und Dr. Loth eifrig gesammelt und die Samm-
lungen in Berlin, Dresden, Jena, Gera, Hohenleuben u. s. w»
bereichert Reiche Bodenschätze des Zechsteins sowie die
Leichtigkeit durch starke Befestigungen die aufblühenden Orte
zu schützen, haben später diese dichtere Besiedelung noch
gesteigert, historische Momente haben sodann in neuerer Zeit
die Entfaltung eines regen industriellen Lebens gerade hier
in Ostthüringen bewirkt Redner wendet sich zunächst zur
Entwickelung der Textilindustrie von Gera, welches sich
nach der furchtbaren Zerstörung im thüringischen Bruder-
krieg i. J. 1440 rasch wieder erholte und namentlich schon
im 15. Jahrhundert eine blühende Tuchmacherindustrie aufwies.
Zum grofsen YerdruTs der altzünftigen Tuchmacher brach-
ten etwa 90 Jahre später niederländische Zeugweber die
bisher unbekannte Kunst der Herstellung glatter Gewebe aus
Kammwolle nach Gera. Dieselben flüchteten seit 1567 vor
Albas Schreckensherrschaft. Zu einer lebhaften Entfaltung
gelangte die Geraer Textilindustrie aber doch erst vor etwa
SOO Jahren, als der 1541 zu Doornik in Flandern geborene
und gleichfalls aus seiner Heimat vertriebene Nikolaus de
Smit um 1595 sich in Gera niederliefs, geschützt durch
Heinrich Fosthumus (1595 — 1635), und hier auf dem schon
vorbereiteten Boden die Zeugweberei als Grofskaufmann zu
entwickeln begann: er kaufte einerseits die von den selb-
ständigen „Zeugwirkem'' gelieferten Gewebe auf, andererseits
lieft) er solche in seiner Weberei anfertigen, um sie dann in
der eigenen Schönfärberei auszufärben und dann zu appre-
tieren und so veredelt auf den Messen zu verkaufen. Bereits
1596 bezog Smit mit seinen Waaren die Leipziger Messe.
Schon 161 S traten die Zeugmacher mit 55 Genossen zu einer
768 GMcb&fUieh« MittaUangen.
besoDderen lonuDg zasammen (Smit f 1623). Trots der
Seaohen und Drangsale des 30-jährigen Krieges, trota des
grofsen Brandes y. J. 1686 gab es lu Ende des 17. Jahr-
hunderts schon 180 Zeugmachermeister in Gera; fast die
ganze Umgegend lebte von der Oeraer Weberei. Das 1 8. Jahr-
hundert bietet namentlich in seiner zweiten Hälfte kein er*
freuliches Bild, sondern brachte der Oeraer Zeugmanufaktor
schwere Hemmungen, welche der Vortragende kurz chrarak-
terisiert; die Napoleonischen Kriege mit ihrer Kontinental-
sperre und der darauf folgenden Sonderpolitik der deutseben
Staaten, welche Deutschland in 38 Zollgebiete schied, ver-
schärften nur diesen Notstand, so dafs erst die Gründung des
deutschen Zollvereins i. J. 1834, wie anderswo, so auch hier
neues Leben erweckte.
Mit der Herstellung des Kammgarns auf Spinnmaschinen
traten nunmehr ganz neue Verhältnisse ein. 1828 wurde in
Liebschwitz, 1844 in Gera selbst eine Kammgarnspinnerei
gegründet; den heutigen grofsartigen Aufschwung nahm jedoch
dieselbe erst mit der Einführung der mechanischen Webst&hle,
welche die bequeme Erschliefung des Zwickauer Kohlenbeckena
durch die Gera-Göfsnitzer Bahn i. J. 1865 zur heutigen Höhe
entwickelte. Der Vortragende führte diese neueste und wich-
tigste Entwickelungsphase der Geraer Textilindustrie durch
Zahlenangaben näher aus: 1891 arbeiteten hier bereits 9511
mechanische Webstühle in 62 Fabriken mit 10 834 Arbeitern
und 87 Dampfmaschinen (= 4664 Pferdekräfte). Der jähr-
liche Umsatz überstieg 50 Millionen Mk., Gera selbst zählte
40 000 Einwohner (gegen 16 000 im Jahre 1867!).
Greiz beschäftigt in seinen zahlreichen Fabriken auch
gegen 1 0 000 Arbeiter und verfügt über mehr als 1 1 000
mechanische Webstühle; hier stellte die Firma Schilbach & Co.
i. J. 1864 die ersten mechanischen Webstühle auf, heute
verfügt dieses einzige Geschäft über mehr als 1000, Friedr.
Arnold in 3 Fabriken sogar über 1600 mechanische Webstühle.
In Pöfsneck bestehen nicht weniger als 14 Flanell-
fabriken ; der Wert ihrer Jahresproduktion dürfte den Umsatz
der sämtlichen Spielwarengeschäfte von Sonneberg, dieser um
3000 Köpfe gröfseren Königin der Thüringer Spielwaren-
manufaktur, übertreffen. Redner schildert nunmehr in kurzen
Zügen die Enwickelung der Pöfsnecker Industrie, welche aoa
der Gerberei und Weberei sich zu ihrer heutigen Blüte ent-
faltet hat. Die Pöfsnecker beteiligten sich z. B. an dem von
Tuchroachergesellen gestellten Regiment, welches mit Karl V.
QesdüUtliche Mitteilangen. 769
1636 gegen Tunis sog und wegen seiner roten Filzwämser
die ''deutschen Blutmänner* hiefs. 1826 führte Joh. Gottlieb
Zoeth in Föfeneck das '^Binmännisch- Weben' ein, welches
den zweiten Mann am Webstuhl entbehrlich machte; die Bnt-
Wickelung zum Grofsbetrieb datiert jedoch erst seit 1862,
nach Einfdhrung der Gewerbe&eiheit und der Durchführung
des Dampfbetriebes; 1869 wurden hier die ersten mecha-
nischen Webstühle aufgestellt
Neben der Textilindustrie sind aber noch eine ganze
Anzahl anderer Gewerbe für Ostthüringen von grober Be-
deutung. Eedner berührte noch die namentlich in Gera und
Pöfsnecky aber auch in yielen anderen Orten Ostthüringens
blühende Herstellung und Verarbeitung des Leders, die Ma-
schinenfabrikation und Eisengiefserei y die Herstellung mu-
sikalischer Instrumente 9 die Tabakindustrie, die Bier- und
Essigbrauerei und speziell in Fraureutb, Gera und Pöfsneck
die Porzellanbereitung. Er geht am Schluls seines
Vortrags noch etwas näher auf die Entwickelung dieses
Industriezweiges ein, für welche in Thüringen 95 Fabriken
mit über 18 000 Arbeitern (d. h. mehr als die Hälfte aller in
dieser Branche in ganz Deutschland beschäftigten Arbeits-
kräfte) thätig sind.
Den zweiten Vortrag hielt Dr. Dobenecker über 'Tho-
mas Münzer im Bauernkrieg'. Wir geben nach dem-
selben Bericht die Hauptzüge des von dem Eedner vorgeführten
lebenswarmen und reichen Bildes:
Bedner wies zunächst auf die allgemeinen wirtschaft-
lichen, sozialen und politischen Mifsstände hin, welche die
Bauernschaft zur Selbsthilfe treiben und schliefslich auch die
demokratischen Elemente der Städte zur Teilnahme an der
Eevolution drängen; gab sodann ein Bild von den Zielen
der revolutionierenden Massen, wie sie in dem Programm der
12 Artikel und in dem Heilsbronner Verfassungsentwurf nam-
haft gemacht werden, um sodann zur Schilderung der sozialen/
auf den Umsturz alles Bestehenden hinzielenden thüringischen
Eevolution überzugehen, deren Seele Thomas Münzer wurde.
Das Leben dieses fanatischen Schwärmers, der über Thüringens
Bauernschaft unendliches Elend bringen sollte, wurde in grofsen
Zügen gezeichnet, besonders aber die Entwickelung seiner
religiösen, politischen und sozialen Lehren geschildert, in
denen er Gleichheit und Freiheit für alle Menschen und eine
kommunistische Gestaltung der Gesellschaft fordert, in denen
XVIL 60
770 GaMUftlidM ]liftt«anf«D«
er in nimlosetter Weise gegen KleroB, Fürsten und Herreo
wütet und eifert Sein Auftreten besonders in Allstedt und
Mühlhausen, wo ihm der Prädikaot Heiorioh Pfeiffer den
Boden bermtet hatte, in Nürnberg, wohin er sieh nadi seinm*
Vertreibung ans Hühlhausen gewandt, am Bodensee und wieder
in Mühlhausen und Thüringen wuide skissiert und sodann
die von ihm angefachte und wesentlioh geleitete Erhebung
der thüringischen Bauernschaft und der niederen Bevölkerung
der thüringischen Städte, das Wüten und Stürmen der Bauern
gegen Klöster und Schlösser, ihr siegreiches Vordringen, das
Unterliegen und teilweise Paktieren der Aristokratie mit den
Siegern ersählt Die scheinbar überall in Hiüringen und
seinen östlichen Vorlanden siegreiche Bewegung wird dann
gehemmt, die eingeschüchterte Herrenpartei sur blutigen
Beaktion begeistert durch Luther, der sanächst beiden Par-
teien lur Nachgiebigkeit geraten, dann aber angesichts des
tollen Wütens der Bauern in der richtigen Ueberseugung,
daTs es um die Beformataon geschehen sei, wenn die niederen
Massen die Gewalt gewännen, sich in seiner Schrift „Wider
die mordischen und raubischen Betten der Bauern'* mit ele*
mentarer Leidenschaft gewandt hatte. Die Fürsten und Herren
raffen sich auf, der Mittelstand bleibt ruhig oder sammelt
sich sur Abwehr der Bevolution. Bei Frankenhausen unter-
liegt der von Münier geführte Haufe der Kriegskunst der
verbündeten Fürsten Hessens, Braunschweigs und Sachsens
und wird fast vollständig vernichtet ; Hunderte von Gefangenen
werden gerichtet, über die aufrührerischen Bauern blutiges
Strafgericht trots Luthers Abmahnungen gehalten, die Land-
schaften mit Brandschatzungen und schweren Kontributionen
heimgesucht und vor Mühlhausens Mauern der Hauptverführer
der Bauemmassen mit Pfisiffer geköpft Wie im Südwesten
Deutschlands, in Franken und Hessen, so wurde auch in
Thüringen der Aufstand überall blutig niedergeschlagen. Die
Wirkungen des Aufstaodes und der siegreichen Beaktion auf
die wirtschaftliche und politische Lage des Bauernstandes
nach dem Kriege wurde von dem Bedner näher angegeben
und von ihm mit dem Wunsche geschlossen, dafs das deutsche
Volk vor einem ähnlichen Kampfe entfesselter Leidenschaften
für immer bewahrt bleiben möge.
Die Versammlung begleitete die wertvollen Vorträge mit
lebhaftem Beifall und der Vorsitzende sprach den Bednem
den besten Dank aus.
GMchXItUohe MitteUangen. 77 X
Der YerBammlung folgte das Festmahl, an dem etwa
50 Personen, Herren und Damen teilnahmen. Den ersten
Trinkspmoh brachte Hofrat Dr. Richter mit etwa nach-
stehenden Worten aus:
Wo deutsche Männer zusammen sind, sei es zu ernster
Arbeit oder lu froher Geselligkeit^ da gilt das erste Wort
des Bedners, welcher der herrschenden Stimmung Ausdruck
yerleiht, dem Vaterlande. Mit ganzem Herzen hängt der
Deutsche an seiner heimatlichen Landschaft, an dem Fürsten-
hause seines Landes. Auch wir gedenken in Liebe des schönen
Thüringer Landes, auf dessen Scholle wir stehen und das ein
so weiser, gnädiger, gerechter und kunstsinniger Fürst regiert.
Früher war diese Liebe zum engeren Heimatsstaat das einzige,
dessen wir uns getrösten konnten. Aber als Deutsche konnten
wir uns nicht fühlen, ehe wir das Eeioh hatten. Denn damals
gab es wohl Preufsen, Bayern, Sachsen, gab es Meininger,
Weimaraner u. s. w., aber ein Volk von Deutschen in poli-
tischem Sinne gab es nicht Bs war die Zeit, wo nach einem
kürzlich bekannt gewordenen derben Worte unseres gewaltigen
Bismarck aus dem Jahre 1869 bei Regenwetter jeder Deutsche
sein Vaterland an den Stiefeln mit dayontrug. Spott und
Mifsachtung im Auslande traf uns ob unserer Schwäche und
Zerrissenheit
Dafs es nicht mehr so ist, sondern dafs sich jetzt der
Einzelne stark fühlt im Ganzen, das wollen und dürfen wir
nicht vergessen.
Die älteren Generationen wissen es noch; sie haben in
sich erfahren und erlebt den Gegensatz zwischen dem, was
einst war und jetzt ist, zwischen der Kraft und Einheit jetzt
und der Ohnmacht und Zerrissenheit sonst Sie haben bei-
gesteuert zu dem grofsen Blutopfer aller Stämme, durch das
festgekittet der stolze Bau des Reichs erstand. Sie werden es
nicht vergessen. Es wächst aber eine neue Generation heran,
die es nur von Hörensagen weifs, der mühelos in den Sohofs
gefallen, was um die teuersten Opfer erkauft war. Dieser
gegenüber mufs darum immer wieder dankbar erinnert werden
an dem unvergleichlich hohen Wert des errungenen Gutes
nationaler Einheit. Dieses höchste Kleinod steht für jeden
wahren Deutschen über dem Hader der Parteien; in dem
festen Willen es zu wahren stehen wir alle zusammen.
Wehe dem, der daran rührt! Auch die Arbeit unseres
Vereins gilt der Pflege vaterländischer Gesinnung. Im Reich
60*
772
Qeschftftliehe MHteilangeo.
ist freier Spielraum gelassen der Eigeoart eines jeden Stammes.
Nur wer die engere Heimat liebt, yermag auch das grofse
Vaterland reeht lu lieben. Damm wollen wir auoh heute in
Liebe gedenken des mächtigen Schirmherrn des grofsen deut-
schen Vaterlandes und zugleich unseres herrlichen Thüringer
Landes und seiner Fürsten.
Iq dieser Gesinnung fordere ich sie auf, mit mir ein*
Bustimmen in den Buf : des Beiches Schirmherr Kaiser Wilhelm
und der Landesf&rst HerjBog Oeorg von Meiningen, sie leben
hoch! hochl hoch!
Die Freuden des Mahles wurden dann noch durch mehrere
andere hersliche und sinnige Trinksprüche erhöht ; es sprachen
Kommerzienrat Eberlein, Schuldirektor Dr. Lotz, beide aus
Pöbneck und Staatsrat Professor Brückner aus Jena. Orolse
Heiterkeit erregte das folgende von Herrn Kaufmann August
Fischer in Pöfsneck verfafste launige Lied:
Vieles, was ans wissenswert
Aus der Heimatkande,
Haben heute wir gehört
Von beredtem Mande,
Lasset uns die GJXser klingen
Und uns Gaadeamas siegen
Dieser schönen Stande !
Schon im graaen Altertum
Pflegte man su speisen,
Und vor manchem SSkulum
Tbatens selbst die Weisen:
UefiMn — so lehrt die Geeebichte —
Auch bei jeglichem Gerichte
Gern den Becher kreisen.
Männer, die den Höhlenbftr
Wohlgemut erlegten,
Aaerochsen nur am Speer
Gani SU braten pflegten,
Hatten miserable Weine,
Wenn sie sich im Bachenhaine
An die Tafel legten.
Sorten, die aumal die Flur
Schlettweins einst getragen,
Konnte ein Vandale nur
Trinken und vertragen
Heute trinken Wein von Reben,
Die der deutsche Hhein gegeben.
Wir mit Wohlbehagen.
Als man noch mit Feuerstein,
Fisch und Fleisch tranchieret,
Hat ein Altertumsverein
Schwerlich prosperieret.
Acht die alten Upfem Hähne,
Kein Semester noch in Jene
Hatten sie studieret.
Heut lu Tag, wie angenehm
Sind wir situieret:
Mit Geschichte, wie bequem
Sind wir regaUeretl
Mit der frühesten der Hören
Sind die Herren Professoren
Her tu uns kutschieret.
Und was sie uns mitgebracht,
Jeder soll*s behalten,
Aufbewahren mit Bedacht
In des Hirnes Falten 1
Möge uns noch oft es frommen,
Dafs die Herren, hochwillkommen,
Hier Versammlung halten!
FüUt die Gläser bis cum Rand,
Lafst sie uns erheben;
Jena an der Saale Strand,
Alle, die dort leben,
Männer, Frauen, Kind und Kegel,
Dobenecker, Richter, Regel
Lassen hoch wir leben!
Der Vorsitzende dankte dem Dichter für die hübsche
Festgabe mit launigen Worten.
Gescbftftliche MitteUoDgen. 773
Mit der Yersammlung war, wie erwähnt, eine Aos-
Btellung historisch interessanter Gegenstände verbunden, die
duroh ihre Beiohhaltigheit sehr überraschte. Sie enthielt nicht
weniger als 841 Nummern von |100 Ausstellern, darunter
eine ganze Eeihe recht seltener und wertvoller Gegenstände.
Ein von Apotheker Stiohling, dem verdienten Ordner der
Ausstellung, ausgegebener Katalog diente als sicherer Führer
in derselben. Angesichts der reichen Schätze regte sich der
Wanscb, dieselben dauernd der Oeffentliohkeit zu erhalten
vielleicht dorch Gründung eines Museums.
An den Landesherm war ein Huldigungstelegramm wäh-
rend der Versammlung gerichtet worden. Darauf traf am
nächsten Tage folgende Antwort ein:
Herrn Eduard Eberleio, Föfsneck. Altenstein, 1. Okt.
Ihre Depesche gestern Abend bei unserer Rückkehr hier vor-
gefunden. Wollen Sie dem in Föfsneck tagenden Geschichts-
vereine meinen Dank für den mich recht sehr erfreuenden
GruTs übermitteln, welchen ich herzlich erwidere. Möchte
die Versammlung die Anregung zu weiteren Forschungen
werden und so auch bleibenden Wert haben. Georg.
Dem Vereine traten 19 neue Mitglieder bei, und zwar
14 aus Föfsneck, 6 aus Jena.
Die Jahresversammlung in Föfsneck hat alle Teilnehmer
mit Befriedigung erfüllt. Sie ist vornehmlich durch die Be-
mühungen des Föfsnecker Ortsausschusses um die Gäste so
schön gelungen. Im Namen dieser danken wir auch hier für
die liebenswürdige Aufnahme.
Möge der schöne Sinn gegenseitigen Verständnisses und
sozialer Wertschätzung, welcher die Vertreter deutschen Ge-
wer bfleilses und deutscher Geistesarbeit hier, wie vor 2 Jahren
in einem anderen Centmm thüringischer Industrie, in Apolda,
zu froher Gemeinsamkeit in Arbeit und Festfreude zusammen-
führte und zusammenhielt, als feste Grundeäule unseres vater-
ländischen Kulturlebens immerdar erhalten bleiben zum Heile
unseres deutschen Vaterlandes!
774
Oeftchlftliehe Mitteilongen.
Soll
Kassen-
ies Yerdu fir Tkiriiglsche
1898
Jao.
KAttabttstand
Qaihaben bei der Sparkasse
in Jena
Ordentliche Kinnahmen :
Von einem Restanten aus 1898
Beitrige von 419 Mitgliedern .
Erlös ans den Vereinsschriften
Zinsen von der Sparkasse . .
AiütorordentUehe Kinnahmen:
Beiträge lur Heraasgabe
des Urkundenbuehes von
Thüringen:
Vom Grofsheriogl. Siehe. Staatsmini-
sterium Weimar
Vom Hersogl. Sachs. Staatsministerinm
Gotha V
Vom Hersogl. S&chs. Staatsministerinm
Altenburg
Vom Hersogl. Sftchs. Staatsministeriom
Meiningen
Von der Fttrstl. Schwarsb. Reglernng
lu Rudolstadt
Von der Pürstl. Schwarsb. Regierung
SU Sondershaasen
Von der Pürstl. ReoCi j. L. Regiening
in Gera
Von der FOrstl. ReoA I. L. Regierang
sa Greis
Für Heraasgabe der Schrift
des Herrn Pfarrer Binder
in Bergsalsa aas der Separat-
kasse der Anstalten für Wissenschaft
und Kanst in Weimar
Samma
M.
171
8438
8
1867
658
896
1000
660
650
650
850
850
850
160
150
8609
Pf.
68
8810
4000
14819
15
78
OeschXftliehe Mitteilangeo. 775
Jena, letst. Deiember 1893.
Abschlufs
«escUchte ■. AltertHBskiMde.
Haben
1893
Ordentliehe Aasgaben:
Herstellung der Zeitschrift
des Vereins VIII 3/4, IX 1 . .
Ftlrdie Bibliothek des Vereins
Für die Verwaltung:
Porti, Drucksachen n. s. w. ...
AuAMrordentllehe Ausgaben:
Fttr die Herausgabe des Be-
pertoriams aar Geschichte'
Thtlringens:
Gehalte
Für das Urkundenbuch der
Vögte von Weida, Bd. 11:
An die Druckerei
Fär das Urkundenbuch von
Paulinielle:
An Dr. Anemfiller, Detmold . .
F&r die Gedichtnisfeier an
den Herrn Geb. Kirohenrat
Lipsius
M.
1208
28
215
Pf.
89
90
96
1448
2185
Pf.
25
2000
47
78
10
80
80
Summa der Ausgaben
Guthaben bei der Sparkasse
1 u Jen a
Desbr.
81
10285
1000
28
60
8584
11286
05
Kassabestand
T8
Summa
14819
78
776
GMcbilUiebe MittdlmigeD.
Sott
1894
Jan.
Kassabestand
Gnthaben bei der Sparkasse
sn Jena
Ordenfliehe Ktnnaliinen:
Von einem Restanten aus 1898 .
Beiträge Ton 420 Mitgliedern . .
Erl5s ans den Vereinsscbriften .
Sinsen von der Sparkasse . . .
AuflMrtrdeHlUehe Klimahmen:
Beitrige 'aar Heraasgabe
des Ur knndenbaches von
Thüringen:
Vom Grorsherzogl. Sachs. Staatsmini-
steriom Weimar
Vom Hersogl. bichs Staatsministeriam
Gotha
Vom Hersogl. Siebs. Staatsministerium
Heiningen
Vom Hersogl. Siebs. Staatsministeriom
Altenburg »
Von der Pfirstl. Schwarsb. Regierung
SU Rudolstadt
Von der Pfirstl. Schwarsb. Regierung
SU Sondershausen
Von der Pfirstl. Renft j. L. Regierung
SU Gera
Von der Pfirstl. Reufs i. L. Regierung
SU Greis » , .
Summa
M.
1000
10885
8
1S60
868
Pf.
50
S8
11285
Pf.
78
86
80
1842
15
1000
650
650
650
250
250
250
150
8850
16927
GefchfifUiche MitteUungen.
777
Jena, letst. Desember 1894.
Haben
1894
Desbr.
81
Ordentliche Ausgaben:
Herstellang der Zeitschrift
des Vereins, IX, 3
F&rdieBibliothek des Vereins
Für die Verwaltan g d. Vereins:
Porti, Inserate, Druckkosten etc. .
AnftorordentUehe Ausgaben:
Für die Heransgabe des Re-
pertoriams snr Geschichte
Thüringens:
Gehalte
Fttr die Feierlichkeit bei der Bestattung
8r. Kdnigl. Hoheit des Erbgrofsberiogs
Summa der Ausgaben
Guthaben bei der Sparkasse
8u Jena
Kassabestaad
Summa
M.
1817
18
140
2000
82
18088
844
Pf.
98
76
1472
2022
8496
18482
16927
Pf.
84
76
09
79
88
TiiSP"
Aufruf
m einem
Ranke^Denkmal in Wiehe.
Am 21. Desember 1895 sind handert Jahre yerflosseD, daüi
Leopold ¥. Bänke
zu Wiehe im Unstrutthal geboren wurde.
Die Wiederkehr seines Geburtstages yeranlafrt seine
Mitbürger, cur Errichtung eines Denkmals für den hoeh-
yerdienten Gelehrten in seiner Geburtsstadt ansuregen.
Wir bitten seine Mitarbeiter, die greise Zahl seiner
Schüler, die des Meisters Forschungen in die weitesten Kreise
getragen und alle, die Eanke's Bedeutung würdigen, durch
Zusendung Yon Geldbeiträgen una su ermöglidien, dafs
4es gre&en Gesehiohtsforschers in sichtbarer Weise bleibend
gedacht werde.
Beiträge nimmt die Kämmereikasse entgegen ^).
Wiehe, den 22. April 1895.
Das Komitee.
L A.:
Kammradt, Bürgermeister.
1) Auch die SchrifUeitoDg dieser Zeitochrift erklftrt sich bereit, Bei-
trige entgegeDsanehmen und an die oben genannte Kasse absnliifeni.
FrommtDUche Bachdnickerei (Hcnnaiin Fohle) Jena. ~ 18S6
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